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Niederdeutsches Jahrbuch.
Jahrbuch
des
Vereins dir niederdeutsche Spradiforschung.
Jahrgang 1908.
XXXIV.
NORDEN m LEIPZIß.
Diedr. Soltau's Verlag.
1908.
Ausarbeitungen, deren Abdruck im Niederdentsehen Jahrbnclie
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'Wörterbuch der Ostfriesischen Sprache' von J. ten Doornkaat Koolman
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Niederdeutsches Jahrbuch.
Jahrbuch
des
Vereins dir niederdentsche SpracMorscliimg.
Jahrgang 1908.
XXXIV.
NORDEN nnt LMIff.
Diedr. Soltau's Verlag.
1908.
Druck Ton Diedr, Soltau in Norden.
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Tfscci
Inhalt. V5
— V. 34-57
Seite
Die Mundart von Prenden (Kreis Nieder-Bamim). Von Erich Seelmann. 1
Die Laute der Mundart 3
Die Vokale in historischer Entwicklung 5
Diphthongierung Ton I und il 18
Vokalkarsungen 19
Vokaldehnung bei ^^-Sohwnnd • 20
Yokaldehnung bei »«-Schwund 21
Die Konsonanten in historischer Entwicklung 22
Anhang: Monophthonglerungsvorginge 30
Zum VokatismuB der Neumark 32
Die Entstehung des Berliner a 33
Die Entstehung der Tondehnung 34
Zu Laurembergs Scherzgedicht I v. 18 und 21 37
Sprachprobe 39
Die Konjunktion *und' in der Mundart von Cattenstedt. Von E. Damköhler 40
Idiotikon von Eilsdorf (bei Halberstadt). Von K. B 1 o c k 45
Der Spiegel der Weisheit Von J oh B ölte 103
Dithmarsche Gewerbeausdrücke aus der Gegend von Lunden. Von Heinr.
Carstens 109
Schweinschlachten 109
Zichorienbau ... 112
Ghetelens Nye Unbekande Lande. Von DanielBShumway . . . . 113
Aus Ghetelens hochdeutscher Vorlage 136
Gedicht auf die Niederlage des Varus Von H. Deiter 143
Reime und Sprüche aus Lippe. Von K. Wehrhan 145
Rätsel 145
Kinderlieder und Kinderreime 147
Volkslieder 151
Inschrift auf einer Tafel aus der Lemgoer Ratskammer 157
Luckenbüsser : abgebrannt. Von W. Seelmann 158
Anzeige: Das Kieler Deukelbok hrg. von Gundlach. Von Edward Schröder 159
232641
Die Mundart von Prenden
(Kreis Niederbarninn).
§ 1. Das kleine rings von weithin sich erstreckenden Wäldern
eingeschlossene Dorf Prenden, aus dessen Mundart hier das Wichtigste
dargestellt werden soll, liegt in dem Teile des Barnim, welchem auch
die vier Meilen südlicher gelegene Hauptstadt Berlin angehört. Dieses
Gebiet nebst dem benachbarten durch den Unterlauf der Spree von
ihm getrennten Teltow ist noch i. J. 1220 slavischer Besitz gewesen
und erst damals an Brandenburg gekommen. Alles, was wir hierüber
wissen, stützt sich auf die Chronistennotizen,^) dass die Markgrafen
Johann (1220—1266) und Otto III. (1220—1267) a dmiino Baniem,
terras Barnonein et Teltowe et alias plures obtinuerunt und die Städte
Berlin, Struzeberch . . . Livenivalde , . . et alia loca plurima extrujcernnt,
und auf zwei Urkunden von 1232 und 1238.2) In der älteren ordnen
die Markgrafen an, dass oinnes de nova terra nostra Barnem (alle dy
mn dem Nyen Barnem) von Spandau Recht holen und nehmen sollen,
in der andern wird gesagt, dass jeder Kirche im neuen Lande min-
destens vier Hufen zugeteilt sind. So dürftig diese Nachrichten auch
sind, ist ihnen doch zu entnehmen, dass die Besitznahme des neuen
Barnim zwischen 1220 und 1232 erfolgt und alsbald mit der Anlage
deutscher Kirchdörfer und einiger Städte begonnen ist. 3)
Woher die neuen Besiedler des Nieder-Barnim gekommen sind,
ist uns ebenso unbekannt wie die Herkunft der Besiedler des benach-
barten schon früher deutsch gewordenen Havellandes.*) Die Ähn-
lichkeit der Mundarten beider Gebiete und der des Teltow macht je-
doch wahrscheinlich, dass hier wie dort dieselben ethnographischen
Elemente zur Bildung der Mundart mitgewirkt haben. Diese selbst
zeigt viele Einzelzüge, welche an Besiedler aus der Altmark und von
der unteren Saale oder, wie Siewert 5) aus der mnd. Schriftsprache
Berlins schliesst, vom Niederrhein denken lassen.
Die ehemals lebende plattdeutsche Mundart Berlins und seiner
nächsten Umgebung ist verstummt, ohne dass ihre auf die heutige
Aussprache nachwirkenden Lauteigenarten überliefert sind. Trotzdem
ist vielleicht Aussicht vorhanden, die wesentlichsten Eigentümlich-
*) Märkische Forschungen 9, 24.
«) Riedel, Cod. dipl I, Bd. 11, S. 1 f ; 8. S. 151 f.
») Lutter in der Wochenschrift der „Bär" Jg. 10 (1884) S. 208 if.
*) E. Bartels, Der Nieder-Barnim unter den Anhaltinern. Progr. Berlin. 1892.
») Nd. Jahrbuch 29, 65 flf.
Niederdeutsohes Jahrbuch XXXIV. 1
käÜtefL:€^f*%na !&tlux ^erum noch zu Anfang des vorigen Jahrhunderts
gesprochenen Mundart zu erforschen, nicht unmittelbar freilich, sondern
mittelbar. Die Grundlage dieser Erforschung gibt die grosse Ähn-
lichkeit oder Gleichheit der Mundarten ab, welche in den noch platt-
redenden Dörfern des Barnim und des Teltow gesprochen werden.
Die heutigen Abweichungen des Teltow sind, soweit ich bis jetzt sehe,
zum grossen Teil nur sekundär, es sind Weiterentwicklungen von
Barnim-Formen, welche sie zur Voraussetzung haben, entstanden z. B.
durch Entrundung von Vokalen, Übergang des a zu o, Vokalisierung
auslautender r usw.
Die Prendener Mundart hat im Ganzen ihre alte Eigenart be-
wahrt. Sie hat zwar recht viele hochdeutsche Worte aufgenommen,
aber — mit nicht allzuvielen Ausnahmen, — sie wie Fremdworte
unverändert gelassen, nicht mit plattdeutschen Lauten sie zu ^mis-
singschen" verquickt. Der alte Lautstand und die alte Aussprache
ist im wesentlichen unverändert geblieben.
Prenden dankt das seiner abgeschiedenen von der Eisenbahn
entfernten Lage und der Eigenart seiner Bauern. Jeder bewirtschaftet
mit seinen Familienangehörigen ohne Hilfe von Knechten und Mägden
seine dürftigen Ländereien. Tagesarbeit und Sparsamkeit halten den
Bauern, wenn er nicht auf dem Acker zu tun hat, im Hause. Nur
seltene Gelegenheiten bewirken geselliges Beisammensein mit anderen
Dorfgenossen. Auch im Dorfkruge sieht man den Bauer nur selten.
So ist der durch Verkehr geförderte Ausgleich der Mundart nicht
gross, und es befremdet deshalb weniger, dass kleine Verschieden-
heiten in der Aussprache und sogar in den Wortformen bei den einzelnen
Familien, auch wenn sie ortsgebürtig sind, obwalten.
Was hier berichtet ist, gilt jedoch nur von den landbauenden
Bauern und Büdnern. Während diese fast ausschliesslich in und
ausser dem Hause ihre heimische Mundart sprechen, hört man vielfach
die Handwerker und besonders die Maurer, welche meist Montags
früh nach Berlin fahren und erst Sonnabends zu ihren Familien
zurückkehren, hochdeutsch reden.
Li meiner Darstellung ist nur die Mundart, wie sie sich bei
den Bauern und Büdnern findet, berücksichtigt worden und besonders
habe ich mir angelegen sein lassen, von den ältesten unter ihnen
meine Kenntnis der Mundart zu erwerben, vor allem von dem alten
Gottlieb Gläser auf dem Heller, einem kleinen Büdnergehöft mitten
im Walde, das einen Kilometer vom Dorfe entferiit liegt. Er wohnt
hier, wie 0. Monke in der Monatsschrift ^Brandenburgia*' Bd. 12
S. 491 berichtet, ^mit seiner Frau seit fünfunddreissig Jahren in einer
Weltabgeschiedenheit, die ihresgleichen sucht, insbesondere in so
unmittelbarer Nähe der Grossstadt sich wohl schwerlich öfter findet*.
Nach seiner Meinung spricht der Heller-Gläser genau dieselben Wort-
formen, wie sein Vater, der auch schon ortsgebürtig war, und er ist
sich auch keines Unterschiedes in der Aussprache bewusst.
Von ihm und einigen anderen Alten habe ich auch zu erkunden
gesucht, ob den Prendener Bauern früher sich öfter wiederkehrende
Gelegenheiten boten, mit Leuten aus entfernteren Dörfern zusammen-
zukommen. Derartige Mitteilungen können wertvoll werden, um
Beeinflussungen durch fremde Mundarten zu erkennen. Ich erfuhr
in dieser Hinsicht nur, dass früher zu gewissen Zeiten manche Bauern
mit Hopfen oder grünen Bohnen nach Berlin gefahren sind, nnd dass,
ehe es Chausseen und Eisenbahnen gab, also bis etwa 1829, zahllose
ückermärkische Gespanne im Herbst durch Prenden und das nahe
Klosterfelde gekommen seien, um Korn nach Berlin zu bringen. In
den genannten Dörfern nahmen sie ihre letzte Nachtherberge vor
Berlin. Die Dorfkrüge reichten nicht aus, die Menge zu beherbergen,
aber eine grosse Zahl Bauernhäuser nahm viele von ihnen als Gäste
auf. Die Möglichkeit uckermärkischen Einflusses ist also gegeben,
und er hat vielleicht mitgewirkt, dass in Prenden heute wie in der
Uckermark der Dorfkrug Arto, der Pflug plöx heisst; vgl. § 68 i.
Neuniederdeutsche Bücher in der Mundart des Nieder -Barnim
gibt es nicht. Auch plattdeutsche Volks- und Kinderlieder ertönen
nicht mehr. Doch sind im Volksmunde in Prenden wie in anderen
Dörfern sogenannte Nachbar- oder Hausreime aus den 1830er oder
1840er Jahren erhalten.
Die Laute der Mundart.
Lautschrift.
§ 2. Die Lautschrift, der ich mich bedienen werde, ist die der
letzten Jahrgänge des Niederdeutschen Jahrbuches. Die Buchstaben
e i 0 u ö ü bezeichnen kurze offene, e i ö ü 5 ü lange geschlossene,
f V (^ lange oflene Laute, ä einen Zwischenlaut zwischen a und ä,
a) Monophthonge.
§ 3. Den Bestand der Mundart an einfachen Vokalen zeigt
folgende Tabelle:
geschlossen ü ü t
offen u ü i
geschlossen öS e
offen 0 g ö ^ e ^
weit offen 9 ä ä
neutral a a
Ausserdem kommt,- aber nur in dem Worte r^n Regen, regnen,
ein stark nasalisiertes f vor. (Auch im Teltow erscheint dieses Wort
in gleicher Aussprache.)
Die gerundeten Vokale werden, wie meist auch in Berlin, mit
schwacher Lippenrundung gesprochen. Die Folge ist, dass j>, der
Zwischenlaut zwischen hd. öh und äh, nicht so volltönend wie in
Mecklenburg klingt und nicht so deutlich vom ^ sich scheidet. In
einigen Familien ist er sogar mit letzterem zusammengefallen. Da-
gegen werden trotz der geringen Lippenrundung ü und i, ö und e
Ton allen deutlich geschieden.
a, a sind mittlere, neutrale a ; ä und ä liegen zwischen a und ß,
— in der alten echten Aussprache, wie sie z. B. der Heller - Gläser
hat, fast näher dem a als dem «, bei manchen anderen näher dem 6,
so dass bei ihnen ä den Klang eines recht breiten hd. äh hat. Aber
auch diese scheiden es deutlich vom f = hd. äh. Bemerkt sei, dass
dieser Zwischenlaut zwischen a und e auch ausser dem Barnim sich
findet oder fand. Ein aus einem Dorfe etwas nördlich von Neu-Ruppin
gebürtiger Herr erinnerte sich aus seiner Jugend, dass damals einige
Greise, welche noch die Befreiungskriege von 1813 — 1815 mitgemacht
hatten, einige Worte wie z. B. „Hemd* anders als es heute geschieht,
ausgesprochen hatten. Die weitere Nachfrage und Vorsprechen ergab,
dass sie hätnt gesagt haben, d findet sich femer noch im Teltow,
in der Uckermark und Prignitz, sowie nördlich von Braunschweig
und in der Altmark.
b) Diphthonge.
§ 4. 1. mit steigendem Accent: ai, au, oi. Aussprache wie im
Berliner Hochdeutsch mit i bezw. u endigend.
2. mit doppelgipfligem Accent:
?^ «S ?«, $S p«, p^ wo, üe, üe.
Die Aussprache dieser Diphthonge wechselt sehr, mitunter sind
beide Komponenten deutlich und fast getrennt hörbar, mitunter ver-
schwindet fast oder ganz der zweite überkurze und verrät sich nur
durch die Tonsenkung des ihn aufnehmenden, gedehnter gewordenen
ersten Komponenten zu Schluss und durch mehr oder weniger merk-
lich geschleifte Betonung. Statt üo kann «« eintreten, ohne dass eine
feste Regel erkennbar ist, vgl. § 33. Bemerkenswert ist noch, dass
besonders in ausdrucksvoller und stark betonter Rede einzelne Leute
die Tonhöhe der Stimme bei dem zweiten Komponenten so erheblich
sinken lassen, dass das Intervall etwa eine grosse Terz, wenn nicht
mehr, ausmacht, während sonst der Tonhöhenunterschied zwischen
betonter und unbetonter Silbe nicht sehr bedeutend ist.
c) Konsonanten.
§ 5. Bestand und Artikulation lässt folgende Tabelle überblicken.
Artikulations-
stelle
Lip]
bilabial
3en
labio-
dental
Zunge
ui
Zahn-
fleisch
nrand
Ld
harter
Gaumen
Weicher
Gaumen
Rachen
(Hauchlaut)
gl^ 8th.
b
d
•i^ 8ti.
P
t
k
k
8th.
to
V
s i
J
5
^l 8tl.
f
8l
X
X
h
& ?" Nasale
m
n
v>
Liquidae
l r
r, w. Der labiale stimmhafte Reibelaut wird verschieden arti-
kuliert. Nach ^, i, t wird ziemlich allgemein bilabiales w?, in den
übrigen Fällen von alten Leuten meist auch w^ von jüngeren gewöhn-
lich labiodentales v gesprochen, also z. B. §walv9n Schwalben.
r ist bei allen alten und meist auch den jüngeren Prendnern
Zungen- r.
i wird vor l^ r, w? (z. B. äriff) und in- oder auslautendem p, t
(z. B. foi'st) breiter, dagegen in anlautendem .«Jp, St (z. B. äpan^ std)
dünner, d. h. mit viel geringerer Zungenstülpung, gesprochen.
jy^ t, k werden anlautend schwach aspiriert gesprochen.
Silbenbildende sowie überlange /, w, w, r sind mit /, m, w, r
bezeichnet.
§ 6. Verhochdeutschung der Aussprache tritt mehr und
mehr bei denen ein, welche, wie besonders Maurer, Soldaten, Dienst-
mädchen längere Zeit sich in Berlin aufhalten. Sie entwöhnen sich
der nur mundartlichen Laute und ersetzen sie durch die der Berliner
Vulgärsprache, d durch «, ä durch f, g durch a oder ö, f«, f«, üo u.
s. w. durch ß, I, ü. Ferner tritt a an Stelle von auslautendem '9r,
-m für auslautendes twn ein.
Greift der Einfluss Berlins auch auf die Wortformen über, so
verschwindet zuerst der lautgesetzliche Wechsel von e und ai
(c5§ 27 — 29), und man hört hecb statt haicb, dein statt dc$iln.
Die Vokale in historischer Entwicklung.
§ 7. Der nachfolgenden Darstellung der Lautentwicklung wird
das Schema der gemeinmittelniederdeutschen Schriftsprache zu Grunde
gelegt werden. In den Fällen, in welchen die mnd. Urkunden der
Mark dialektische Abweichungen aufweisen, werden diese beigemerkt
werden, sofern sie als Vorgänger der heutigen Laute anzusehen sind.
Mnd. kurze Vokale.
§ 8. Die mnd. kurzen Vokale sind in der Regel unverändert er-
halten, soweit nicht konsonantische Einflüsse Änderungen bewirkt haben:
a.
§ 9. Mnd. a < as. a bleibt a: a) af ab, ahr Acker, cm^st
Angst, «73/ Angel, aj)} Apfel, asd Achse, bakn backen, bant Band,
Uafn bellen, dax Tag, dak Dach, dwnp Dampf, dam Fichte, duntsan
tanzen, fat Fass, jras Gras, kameb Kamille, katd Katze, kladorix
kläterig, mate Metze, maxolihr Wachholder, nat nass, padd Frosch,
]Hifi9 Pfanne, rat ßad, zalvaid Salbei, zant Sand, aap Schrank, smal
schmal, Swalu^ Schwalbe, taka Zacken, tayn^ plur. tamo zahm, tsa^x zage.
b) Mnd. a verkürzt aus as. a bleibt gleichfalls a: blador (as.
blddara) Blatter, braxt^ brachte, daxt (ahd. täht) Docht, daxta (as.
thähta) dachte, janwr (mnd. jdmer^ Jammer) Jammer, zaxt (as. scifto) sanft.
c) As. mnd. a vor W, It wird o\ vgl. § 13c. Über det^ ddt das
vgl. § 10b.
6
f und umgelautetes a.
^ 10. Die Prendener Mundart lässt bei isolierten Formen er-
kennen, ob der Umlaut schon in as. Zeit oder erst später eingetreten
ist. Im ersten Falle wird heute oifenes e, im anderen ä gesprochen.
Wenn neben umgelauteten Formen nicht umgelautete in demselben
Paradigma oder einer nah verwandten Ableitung erhalten sind, tritt
stets ä ein.
a) Mnd. § < as. ? wird e\ iletioivant (ahd. tentii) Scheidewand
zwischen Tenne und Tass, ekä9 (as. aex, aecsa bei Gallee, Vorstudien
zu einem as. Wörterbuch S. 2) Axt, fen (as. feni) n., sumpfige mit
Gras oder Schilf bewachsene Niederung, fest9 (as. fest bei Gallee) fest,
ler99 Lende, mets9r Messer, meni Mensch, neta Netz, penmk Pfennig,
redn retten, trextar (as. trehteri bei Gallee) Trichter. Ferner das as.
nicht belegte ei^kd Pfropfreis, etikn pfropfen.
b) Mnd. a bezw. e wird d : dntd Ente, bdndd (mnd. bande^ hende)
Bänder, hdksl Häcksel, Mlftar Halfter, hdmdd Hemd, MndB Hände,
ferjdln vergällen, jdntar Gänserich, jdsta Gäste, jrdnsn grenzen, Idnwr
Lämmer, indnd^r Männer, pdn (neben pan) pfänden, Mfts Stiefelschäfte,
samt Schemel, tdkhr Teller, trdpa Treppe. — Ferner ddt^ det das, der
Umlaut erklärt, sich aus der häufigen Verbindung diu in.
e\ e.
§ 11. a) Mnd. e< as. e\ e bleibt e: bem Raufe, besn Besen,
br(}}jn bringen, dresaln drechseln, fextn fechten, feit Feld, felß Felge,
fei Fell, ferakl Fenchel, helpm helfen, lediy^ leer, kweln quellen, meh
Melde (Pflanze), mes (as. tnesty mist) Mist, met (as. med, mid) mit,
nest Nest, äelp Schilf, Smeltn schmelzen, zejd f. Seggegras, ster/ Steg.
— emar Eimer, et9r Eiter. — Ausnahme: äumtar Schwester.
b) Mnd. e < as. i bleibt e: melk Milch, .Ued^ (as. slido, mnd.
siede, sledde) f. Schlitten, ^^met (as. smith) Schmied, ^wem schwimmen.
c) Mnd. e, verkürzt aus as. e (germ. ai) ist mit mnd. e zusammen-
gefallen: en (unbetont, sonst en) ein, erft echt, fet feist, led9r Leiter.
d) Mnd. e wird ö\ dröä'^ dreschen, rön rennen, äöp7j[t schöpfen,
twölivd zwölf, wöltüQH (mnd. wehen) wölben.
e) Mnd. e wird f, ü neben ä und / in : siln (mnd. scheiden) schelten,
lii^n (mnd. leschen) löschen.
f) End-ß. Im Mnd. erscheint auch nach vorangehender un-
betonter Silbe mit e und Liquida ein aus älterem a oder i geschwächtes
oder epithetisches e, ersteres z. B. in bovene oben, hovede Häupter,
letzteres in neutralen Pluralen wie dorpei'e Dörfer, honere Hühner,
kindere Kinder s. Lübben, Mnd. Gram. § 70. Im Teltow sind diese e
noch heute erhalten, es heisst also hier bläderd Blätter, d^ld^ra die
Taler, atars Eier, krabah Krätze, lenjüdard Lehngüter usw. (Vgl. jetzt
Siewert, Nd. Jb. 33, 23). Wie bäm (mnd. bavene), küh Kugel, öna
Augen u. ä. beweisen, hat auch der Barnim diese e früher gehabt.
Die lebende Mundart hat sie nur nach betonter Silbe bewahrt, nach
unbetonter abgeworfen. Es heisst also in Prenden einerseits hümdar
Hühner, kdlwsr Kälber, ki739r Kinder, andrerseits J9zijt9 Antlitz, heb
heil, het9 heiss, hQ<*n9 Hahn, rtkd reich, rlp^ reif, §pi799 Spind, äürd
Regenschauer.
L
S 12. a) Mnd. i < as. i bleibt i: jlit Glied, jszkcto Antlitz j dik
dick, dil Dill, ditok Ding, rfis^/ Distel, rfW/iJ Trift, fidl Fiedel, fink
Fink, fi§ Fisch, fits» Gebinde Garn, flikii flicken, friä frisch, himbärd
Himbeere, ik ich, kin9 f. Kinn, kint Kind, snitlöf Schnittlauch, li^m
Linde, milt9 Milz, /wirf/ Mittel, pip Pips der Hühner, kmk fest (vom
Fleisch), rifo Kippe, älits9 f. (mnd. s/isse) Schlitz, zvf^ sich, ^ii/ Sichel,
zitii sitzen, ziltv^r Silber, ivitman Witwer, tsika Ziege. — ktimk (mnd.
ktnit) Kiebitz.
b) Mnd. i verkürzt aus as. I, igi oder io bleibt i: bixts (as.
Ififßhto) Beichte, rfij^fe dicht, drilv/^ Drillich, liyt (as. Höht) Licht, /*Wi^-
/m«^ Leinwand, wtä9 (as. *mska) feuchte sumpfige Wiese, ivit weiss.
— Ferner: rit reitet, 6t7 beisst, ^m7 schneidet u. a.
c) Mnd. t < as. ^ bleibt i in hiraest (mnd. hingest) Hengst, him Henne.
d) Mnd. * < as. e' bleibt i in : jistam (vgl. mnd. Srgisteren) gestern,
(fiz9r dieser, Miim Stimme.
e) Mnd. i wird ü in folgenden Wörtern: durch Vorwegnahme
der Lippenrundung des ä vor ä, t^, l^ in düs Tisch, ßedorwü^ Fleder-
wisch, bätskin bischen, nüst nichts, piil39 m. Pilz ; vor m n / in p^p^r-
mn*nt9 Pfeffermünz, pünzl Pinsel, riint Rind, ümdr immer, ülmk Iltis.
0,
§ 13. Mnd. 0 bleibt o. — a) Mnd. o < as. o: bodn Erdboden,
(hxter Tochter, flot Angelspule, fos Fuchs, hof Hof, hokd Garben-
haufen, holt Holz, klopm klopfen, hiot (as. knotto) Knoten, mofo (as.
molda) Mulde, mos m. Moos, osd Ochse, pot Topf, roT^d Roggen, rotn
verrotten, .^ot (eigentlich Geschoss) Schuss, Hok Stock, trox Trog,
icok9 Spinnrocken.
b) Mnd. bezw. as. Formen mit o wird man, wo im Mnd. oder
As. neben jenen auch t/-Formen vorhanden waren, gleichfalls für
folgende Wörter anzunehmen haben: brost (mnd. borst as. bnist) Brust,
kno]^ Knospe, mol m. Maulwurf, olmv/^ (mnd. olmich, ulmich) verrottet,
Mkeh Schosskelle.
c) Mnd. 0 < as. oder frühmnd. a vor Id oder It: foJjdn (mnd.
folden) falten, holn (mnd. holden) halten, kolt kalt, olt alt, ä7nolt
Schmalz, zolt Salz — : Ausnahme: bah (as. baldo) bald. Es ist be-
merkenswert, dass auch in der Prignitz, der Uckermark, im Teltow
(Nd. Jahrb. 32 S. 35; 33 S. 10. 30) in Mecklenburg und zwischen
Elbe und Harz bah, bal gesprochen wird, trotzdem es überall olt
oder ölt usw. heisst.
0.
§ 14. Mnd. ö bleibt ö. a) ö < as. o: hölt9r Hölzer, köpe Köpfe,
kropm Bäumen die Krone abhauen, köst9r Küster, pöt9 Töpfe, §töh)
Stöcke u. a.
8
b) ö < as. u: föln (as. fxilin) Füllen, fös9 Füchse, höltn hölzern,
möb Mühle, mölxhr Müller, §ötl (as. scutil) Schüssel.
c) 0 < as. a vor Id oder lt\ kölcbr kälter, öldar älter, cjld9rn
Eltern, — köh Kälte.
d) ö verkürzt aus umgelautet as. 6: jösl (mnd. gosselen) junge Gans.
u.
§ 15. Mnd. u bleibt u: a) u < as. u: dumj^i dumpf, huf9 Hüfte,
fifrustsni verrosten (mnd. verriistern)^ ju7jk jung, Huko Glucke, kum
hölzerner Trog oder oben offener Kasten, §rumpln schrumpfen, suldar
Schulter, §uU Schuld, ^ult9 Schulze, truml Trommel, tvxt Zucht, up
auf, zum Sonne.
b) Mnd. bezw. as. Formen mit ti wird man auch in folgenden
Wörtern vorauszusetzen haben, in denen neben jenen auch as. oder
mnd. Formen mit o belegt sind: buk Bock, dul toll, dHnd9r Donner,
f'ul voll, pm Kuss, tHn9 Tonne, ividi) Wolle, tndf Wolf, wulkd Wolke.
c) Mnd. u verkürzt aus as. ö bezw. uo\ btisn Busen.
ü.
§ IG. Mnd. il bleibt n: a) Mnd. ü < as. //: bn'ijd Brücke, bühi
bücken, drilkn drücken, dil/tv/ tüchtig, dllmpl Tümpel, duna dünn,
hillpd Hilfe, hillzo Hülse, ImiZiß Achsnagel, miijo Mücke, mül Kehricht,
Staub, niit9 nützlich, püto Brunnen, rüjd Rücken, strilpo Bindfaden,
stak Stück, si'qid Wurfschippe, tilfl Pantoffel, um um, wüli(\^ Wölfe.
b) Mnd. ä verkürzt aus as. iu: lir/p Leuchter, lüyfn leuchten,
— Ausnahme kiyißxb (mnd. vüchte^ as. ßuhtui^ ßuhUi) P^ichte.
Mnd. tonlange Vokale.
§ 17. Nach dem zuerst von Nerger (Germania 11, 452 — 457)
dargelegten und benannten Gesetze der Tondehnung sind im Mnd.
kurze Vokale in betonter offener Silbe, denen eine unbetonte folgte,
gedehnt worden. Mit dieser Dehnung verband sich eine Vokalsenkung,
indem in der mnd. Schriftsprache altes i zu 6, xi zu ö wurde. Eine
zweite, vor 1400 einsetzende, aber nur einen Teil Niederdeutschlands
einschliesslich der Mark umfassende Senkung betraf nur die aus as.
0 wie u entstandenen tl. o, die von jener Zeit ab a geschrieben sind.
Die Prendener Mundart hat die überkommenen mnd. tonlangen
Vokale diphthongiert.
Tl. a.
§ 18. a) Mnd. tl. a < as. a wird 9«, wofür auch q^ oder doppel-
gipfliges 9 (vgl. § 3 b) eintreten kann. Vor / und n in geschlossener
Silbe ist letzteres in der Regel der Fall, während im Auslaute statt
$« gern 9« gesprochen wird: qn ahnen, qkdlaid Akelei, brg<^k9 Brache,
dqld^r Taler, drq^^ko Drache, fq^^m (mnd. vadem) Faden, /^«/w Fahne,
fq^tn fassen, J^>«, jq^^ jq ja, jrq^do gerade, j/q^^zdr Glaser, hq^ne Hahn,
hg^iZi) Hase, knq^ka Knochen, kq^^n (mnd. kane) Kahn, köl kahl, kqf^t)r
(ahd. kater) Kater, ßeslq^ky Salzlake für Fleisch, mq^do Made, mq^kn
9
macheo, mgln malen, nQfng^t9 (eig. Nachmat) Grummet, niQan mahnen
nmtw Name, nQ^kdix (vgl. mnd. nakedicheid) nackt, plq^stdr Pflaster,
rj^jww raffen, auflesen, z. B. von Kartoffeln, rq^^zn Rasen, zq^^na Sahne,
sw^<*d9 (plur. zu swat^ ae. s^wadhu, ndl. stvad) Reihen, in denen
gemähtes Heu oder Stroh liegt, äpQ^dd f. Spaten, tq^dl Tadel, tQkdl
Takel, wQ<*t9r Wasser, ivrQ<^n feuchter Dampf, w^dd (an. vadr) grosses
Fischernetz, vQdika (neben voika) abgerahmte saure Milch.
b) Ausnahmen sind durch hochdeutsche Beeinflussung bewirkt:
aiverst aber, kölräba Kohlrabi, räni Rahmen, zäm Samen, fädar Vater.
TL f und umgelautetes tl. a.
§ 19. Die Umlautung alter a in offener Silbe hat drei ver-
schiedene Laute ergeben. Von diesen ist : a) §« durch die Tondehnung
aus mnd. e entstanden, b) ä findet sich nur in Wörtern, in denen
n durch Ausfall von Lauten lang geworden war. Die a hatten daduröh
die Qualität organisch langer a erhalten und sind nach der Regel
dieser umgelautet, c) p« ist ein Analogie-Umlaut neundd. Zeit für
das nach § 14 aus tl. a entstandene ^^.
a) f^ < as. mnd. e: rödd be^zi'm^ bezii^a Erdbeeren, §^zl Esel,
hekl Hechel, hemm heben, k^^tl Kessel, kreß (mnd. krevet) Krebs,
le/jßär (ahd. leffil) Löffel, n^Hl Nessel, ^^f^cfo (ndl. altmärk. päge)
Quecke, ^^p} Scheffel, utdsn ausdehnen.
b) Umgel. mnd. tl. a wird ä: änli/^ (mhd. aneltch) ähnlich,
mäkd^ti (mnd. megedikin) Mädchen; vgl. auch kala (mnd. kegele)
Kegel § 68.
c) Umgel. mnd. tl. a wird ^^\ b^^tuf Boden, dp^mliy^ d^Uiy
dämlich, h^^na Hähne, h^^skin Häschen.
Tl. e,
§ 20. Mnd. aus as. e oder i entstandenes tl. e ist mit mnd.
tl. e zusammengefallen und hat sich wie dieses zu e^ entwickelt, für
welches auch in schnellerer Rede q mit und ohne doppelgipfligen
Accent gesprochen wird,
a) tl. e < as. e: b^^dn beten, befkar Becher, h'^^kn brechen, f^^dar
Feder, fem fegen, fre^tn fressen, jetmn geben, kn^Hln kneten, kquyjr
Käfer, l^^ioan leben, le^iwr Leber, n^ nehmen, neivdl Nebel, ät^ln
stehlen. Mi^^kn stechen, .Urq^na Strähne, Flechte, sweHn (ae. swelan)
schwelen, äw^^cdn schweben, äweßwsl Schwefel, w^^tvan weben, wq^/^r
Weber.
b) tl. e < as. i: deh Diele, Brett, kle^ivan (as. klibön) kleben,
pe/kl Pökelbrühe, sm^^da Schmiede, .^f^7ia pl. sqtcan und sm (mhd.
achiver) Flachsschebe, zeAwan sieben, z^^tva (ursprünglich Plural zu dem
gleichfalls noch gebräuchlichen zef) Sieb, ^g^ptq^ka (ndl. teek) Schaf-
laus, äp§l (mnd. spei) Spiel, str^^ka Streiche zum Sensenschärfen,
.^tr§ml Streifen, w^^za (neben wiäa) Wiese, w^^zl Wiesel.
c) Ausnahmen (durch hd. Einfluss): -smldn (got. gasmi^on)
schmieden, smqt (mnd. smit, smet gen. -edes) Schmied.
10
Tl. 0 (mark. mnd. a).
§ 21. Mnd. tl. 0 ist aus as. o oder as. u entstanden und in
beiden Fällen zu $« (9«, g) geworden.
a) Mnd. tl 0 < as. 0: g^^pm offen, bgle Bohle, bg^^dn geboten,
jdbrg<^kn gebrochen, knqf^kn Knochen, jdnQ^m genommen, jdng^tn ge-
nossen, J9^prg<*kn gesprochen, jsMgafn gestohlen.
b) Mnd. tl. 0 < as. w: kg^m kommen, wgn wohnen, zg^fw Sohn,
ferner das Partizipium jdkgf^m gekommen.
Tl. ö (mark. mnd. a).
S 22. Mnd. tl. ö wird g^ sowohl als Umlaut von as. 0 als
auch von as. u,
a) Mnd. ö < as. 0: kng^kam knöchern, krg^tif (as. krota^ Gallee
Vorstudien S. 185) unartiges Kind, gtmr über, stg^kern stochern, Obst
mit einer Stange von den Bäumen schlagen.
b) Mnd. tl. ö < as. u\ jg^kn (mnd. Jofew^ jucken, krg^pl Krüppel,
ng^tif f. die Nuss, slg^tsr Schlüssel, zg^^m Söhne, zg4n sich im Schmutze
wälzen, schmierige Arbeit verrichten.
Hnd. lange Vokale.
§ 23. Die nachstehende Übersicht, in der jedoch die besonderen
vokalischen, konsonantischen und anderen Einwirkungen nicht be-
rücksichtigt sind, stellt die langen Vokale der mnd. Schriftsprache,
der Handschrift C des Heliand und die entsprechenden Laute der
Prendener Mundart neben einander, ohne dass eine Verwandtschaft
der Mundart von C und des Barnim gefolgert werden soll Das
Vorkommen alter ie und uo war nicht auf eine einzige Gegend be-
schränkt, etwa den Niederrhein, sondern ist auch für einen Teil der
Provinz Sachsen und Anhalts erweisbar.
Mnd. d <^i e^2 ^8 i^ i^ öl 02 a.
Hei. C ä e S e ie io,ie uo 6 fi.
Prend. $» ö e ai i^ f« fto ö ü.
Wenn diese Zusammenstellung zu dem Schlüsse berechtigt, dass
das Prendener Vokalsystem nicht aus dem Gemeinniederdeutschen
sondern aus einem solchen, wie ihn die Mundart des Cottonianus
aufweist, hervorgegangen ist, so lässt sich hieran die zweite Folgerung
knüpfen, dass die alten Längen meist ohne wesentliche Änderung in
Prenden fortleben. Grössere Verschiedenheiten bietet eigentlich nur
die Entwicklung von ä über das gemeinndd. g zu g^ und von e über
ei zu ai unter dem Einiluss eines folgenden i.
§ 24. Mnd. ä ist zu g<* geworden, das inlautend durch doppel-
gipfliges $, auslautend durch $« und doppelgipfliges g vertreten werden
kann, vgl. § 4: a) Mnd. d < as. ä wird $», g\ gl Aal, pl. ^fe, g^dsr
Ader, öbrgf^m Augenbraue, g^nw (mnd. ä wird erwiesen durch westf.
oani9 Funke, Kuhn's Ztschr. 2, 194), g^mels von brennendem Stroh
11
abfliegende Teilchen, hl^a^^ Blase, brgf^dn braten, hri}<*dd Braten, dQH
Tat, dQ<^z9 Viehbremse, jQ^i gehen, kwgf^cb klein, Aj^fe Haken, krgf*^m
Kram, lg<*tn lassen, fngl Mahl, mgf*n Mohn, mqo,nsln Mondschein,
nq^hi nahebei, nQf^t Naht, nq<»tl Nadel, 9«/w ohne, pq^^l Pfahl, kw^^^za
(vgl. mnd. qtmse, ostfr. kwäse^ kwese^ dän. kvwse) eine durch Quetschung
entstandene Hautblase, rQf^da Kornrade, r^^ Rat, slQj) plur. älgpa
Schläfe, Ä^öfo Schale, sQ^2^9 Schafe, ^lyrQf^kd Sprache, stql Stahl, sti}n
stehen, strqafd Strafe, itrq^l Strahl, strqf*t9 Strasse.
b) Mnd. auslautendes ä wird 9», 9«, Q: (/$«, f/9«, dq damals,
M i?^ i? ja, w?^ nahe.
e^ und umgelautetes «.
§ 25. Altes (i ist a) zu geschlossenem e geworden, wenn die
Umlautung schon in as. Zeit erfolgt ist; b) zu offenem §, wenn erst
(las Mnd. den Umlaut eintreten liess; c) zu ä^ wenn in späterer Zeit
umgelautet wurde oder d) ä sich aus as. äi entwickelt hatte; e) zu
p«', wenn der Umlaut in jüngerer Zeit zur Bildung von Pluralen von
diphthongiertem $<», entstanden aus mnd. ä (vgl. § 24), eingesetzt ist.
a) > ö: kez9 (as. kesi) Käse, l^'^ niedrig, sre/^ (vgl. mnd. schritt,
tlekt. schruda) schräg.
b) > f : bektofm (mnd. berpteme neben hequame) bequem, anßtiem
angenehm, te (mnd. tege neben td) zähe, retsf (mnd. redelse, rädelse)
Rätsel, smeliy (mnd. smelik) schmählich, vöniem vornehm.
c) > a: äpäda (ahd. spati^ as. sjmh, mnd. 5/;drfe, spede) spät,
-:ra/i)r selig, betrunken, äläpariy^ (mnd. slaperkh) schläfrig, sop^r Schäfer,
stäbni stählern.
d) as. ai, wofür mnd. e^g, ei, d eintritt, erscheint gleichfalls als
a: dran drehen, krän krähen, man mähen, nän nähen, §mdn schmähen,
wän wehen, zän säen.
e) > p«: kr^enwr Krämer, kw^^ziy dumm, n^t pl. n^He Nähte,
p^lf (neben pqf^b) Pfähle, ät^ln stählern.
e.
§ 26. Prenden differenziert genauer als irgend eine der bisher
dargestellten ndd. Mundarten die verschiedene Herkunft der mnd. e.
Es sind etymologisch folgende mnd. e zu unterscheiden:
^1, der Umlaut zu as. mnd. ä vgl. § 25.
e^, das aus germ ai entstandene und nicht durch nachfolgendes
i beeinilusste e,
e^, welches aus germ. ai entstanden ist, dem ein i folgte.
e* entstanden aus germ. e^ oder germ. eu.
e^y durch Kontraktion oder Dehnung entstandenes e.
§ 27. Mnd. e^ < as. ^ < wg. ai wird ß.
a) vor altem w h und im Auslaut: Swiy^ ewig, 7ie nein, re Reh,
me Schnee, swe zwei, te (plur. tefid) Zeh, we weh, ze See, zeb Seele.
12
b) ß2 vor anderen Konsonanten : hen Bein, bUk bleich, brU breit,
dd Teil, dey Teig, en ein, fle§ Fleisch, Mb heil, A^.^ heiser, hetsn
heissen, kUt Kleid, klewdr Klee, lern (ahd. ^^>wo) Lehm, Ut leid, m^,^^
Biermaische {m^.<dn maischen), mezd Meise, rep Tau, an dem die
grossen Fischnetze hängen, ä^f (an. sceifr) schief, wek weich, wen
weinen, ik wet ich weiss, ziild^r Seiler, — ausserdem die Präterital-
formen: bet biss, blef blieb, dref trieb, jrejy griff, kek sah, kr^y kriegte,
ret ritt, ^^n schien, smet warf, änet schnitt, ärey schrie. — Als
hochd. wird Sakkn (nur in siy s, iQ^tn) empfunden.
§ 28. Mnd. e^ < wg. ai 4- i wird ai: aikl Eichel, arbait Arbeit,
berait bereit, bkiikn bleichen, dailn teilen, jail üppig (von Gewächsen),
ranzig (vom Speck), jdtnaind Gemeinde, haidi) Wald, hailiy heilig,
halt in Compositis (vgl. Holthausen, As. Elementarbuch § 306, 2)
z. B. dumhait, inwaikn einweichen, klaifi klein, laün (Vieh am Stncl<)
leiten, main meinen, raikn reichen, raim rein, äaida Feldscheide, .^aidl
Scheitel, äpraida {flas tip dld äpraids lejn Flachs auf dem Erdboden
ausbreiten), äpraidn spreiten, wainiy^ wenig, waita Weizen, wolfail
(ahd. feili) wohlfeil.
e\ 3.
§ 29. Es ist das Verdienst Holthausens zuerst erkannt und in
seiner „Soester Mundart" § 69 ausgesprochen zu haben, dass germ.
ai sich verschieden entwickelt hat, je nachdem ursprünglich i folgte
oder nicht. Die hierdurch bewirkte Differenzierung findet sich in
den meisten binnenländischen Mundarten von Westfalen bis zur Oder.
Überall findet sich aber auch eine Anzahl Wörter, welche zu der
Regel nicht stimmen oder nicht zu stimmen scheinen. Einige Aus-
nahmen erklären sich leicht durch Angleichung, wenn z. B. in Soest,
weil es doli heisst, für „teilen" heute doiln statt dailn gesagt wird.
Andere Ausnahmen erscheinen uns vielleicht nur als solche, weil
ältere Nebenformen mit i wohl vorhanden waren, aber zufällig in
den erhaltenen Denkmälern nicht belegt sind, ein Fall, der höchst-
wahrscheinlich bei aik9, spaiko und wohl auch noch anderen Wörtern
vorliegt. Jedenfalls bieten die nachverzeichneten Ausnahmen, welche
die Prendener Mundart hat, zum Teil keine blos lokalen Verstösse
gegen die Regel, wie die angemerkten Angaben aus anderen Mund-
arten beweisen.
aika (ae. äk) Eiche (ebenso i^ in der Prignitz), aikhorn
Eichhorn, aijdn eigen (ebenso Prignitz), hailiy (ahd. heilag as. helag)
heilig, hahn9 (ahd. heimo) Heimchen, luiMyi (got. laists «--Stamm,
mnd. lest leste) Leisten (ebenso Prignitz), raiza (ahd. reisa) 1. Reise,
2. Tracht von zwei Eimern am Trageholz, raizri reisen (auch mnd.
stets reise, reisen), spaik9 (ahd. sjyeihha, as. speka, ndl. speek) Speiche
(ebenso Prignitz; verwandt scheint die as. Ortsbezeichnung -spekia
Pfahldamm), taikn (got. tailxns i-Stamm) Zeichen (ebenso Prignitz),
13
fraid9 Viehweide (ebenso Münster, Prignitz; auch mnd. stets waide\
mj9tcai(b Eingeweide (auch mnd. weide).
c* (mark. mnd. i).
§ 30. a) Mnd. ^*, as. io, wird f«: hl^don bieten, hl^st Biestmilch,
hl^zl Binse, bl^zs Binse, di^f Dieb, dim dienen, fordriHn verdriessen,
AM Fliess, Bach, jlHn giessen, jrl^u^ Griebe, kmiv plur. kuc9n (zu
as. hiuwan kauen bei Gallee, Vorst. S. 176; hd. Kiemen ist in der
Gegend von Wittenberg aus dem Plural kievn < kiewen entstanden),
A-«l« Knie, ll^f lieb, pri^m Pfriemen, rVm Riemen, rlH Ried, SlHn-
schiessen, äprlHn spriessen, wt^dsn (as. modm) jäten, 2^«dan sieden,
zi^k0 siech, dauernd krank.
b) Mnd. i\ anfr. ie < germ. S^ oder lat. ^, ist f« geworden:
bi^st Untier, brl^f Brief, himfijto Kienfichte, Kiefer, rnl^d» Miete, Lohn,
pri^st9r Priester, ti^kd (ahd. ziahhä) Bettzieche. Ferner ht^t hielt,
liH Hess, Mfep schlief. Ausnahme: ßtwr Fieber, mita (lat. meto) Ge-
treideschober oder Kartoflfelgrube.
e^ (mark. mnd. t).
§ 31. Durch Kontraktion sind entstanden: J9sim (< gescehan)
geschehen, um (< sehan) sehen, ß (< fehu; wegen des Auslautes e
statt ai) Vieh, ß^d^r (< iohwedJmr) jeder.
%,
§ 32. a) Mnd. C < as. I ist I geblieben: bliiv9n bleiben, i«/ Beil,
dlk Teich, distl (as. thtsla) Deichsel, drist dreist, ßb Feile, kllstar
Kleister, knipm kneifen, krlda Kreide, ktl Keil, ih Eile, is Eis, iz7i
Eisen, Im leinen, li7W Leine, mir9 Ameise, r'lpe reif, ztni (fries. s-tm,
mnd. sime) Angelschnur, ziporn sickern, Mu^ Scheibe, äin Schein,
stein Schwein, ,^trikp^ streichen, tstzi-/^ Zeisig, tU Zeit.
b) Mnd. t > ü: ätrüml Stummel (vgl. mhd. stHmele Streifen).
öl (mark. mnd. u).
§ 33. Mnd. öl, welches as. 6 < urg. 6 wiedergibt, wird ü»,
geschwächt ü«. In Wörtern, in denen üo gesprochen werden kann,
hört man oft und besonders im Wort- oder Silbenauslaute, d. h. in
offener Silbe, auch ft«. In manchen Worten ist letzteres allein üblich,
z. B. hört man düon und düm^ stets aber tti düetid zu tun. Für beide
kann doppelgipfliges ü eintreten.
a) blüoing Blume, hlüot Blut, brüodor Bruder, büok Buch, drüesl
Drossel, flü^im Fischschuppe, füH Fuss, hü^da Herde (von Gänsen),
ki-ü^s irdener Krug, kü^ Kuh, pü4 Pfuhl, Pfütze, Mü^^pd Stufe, Müot9
Stute, §üo (plur. .^«) Schuh, .^ostar Schuster, üok9n (Reuter auken^
ostfr. öken) der innere Winkel, welchen das Dach mit dem Hausboden
bildet.
b) Eine Ausnahme macht das Wort plöx (ahd. pflnog) Pflug
und kröx mit der Nebenform knix Dorfgasthaus. Die Erklärung
gibt § 68 k.
14
81.
§ 34. ßi, der Umlaut von ö^, erscheint jetzt als ««, das aus
ü^ entstanden ist; vgl. § 68k: hlü^ta Blüte, hrü^fhr Brüder, hüdv
Buche, fü^tQ Füsse, /wä^'cfo müde, püh (plur. zu ^^ü«"/) Pfützen, zfid-n
suchen, züfto süss.
b) Ausnahme: rou^ Mohrrübe, Lehnform für das altheimische nioi-o.
§ 35. Mnd. ö2, welches aus urg. au entstanden ist, erscheint
als ö: blöt bloss, hörn Baum, börie Bohne, bröt Brod, jröf gross, //ö.r
hoch, lö])rn laufen, lös los, rök Rauch, 7'ökn rauchen.
82.
§ 36. Der Umlaut von mnd. ö2 erscheint als ö: homo Bäume, ch&in
träumen, hojdr höher, ^75?/^n glauben, jr^^m kaufen, ro/z'^r Räuber, rokvni
räuchern, ätröpar (vgl. mnd. stropen) Vagabund, toh (mnd. tö) Hündin.
öS Ö8.
§ 37. 63 heissen diejenigen mnd. ö, welche weder aus urg. 6
noch urg. au entstanden sind, aber die Qualität von 6^ oder 6^ an-
genommen haben. Vgl. Nd. Jahrbuch Bd. 18 S. 141 if. Die Pren-
dener Mundart bietet folgende Beispiele:
öS = öl wird üo oder ä«: kmnyid Krume, .^püon Spahn, ferner
das Lehnwort süoh Schule.
8S = 81 wird ß«: krü^ml Krümchen, Apü^k Spuk, spüfkn spuken,
spü^no Spähne.
öS =z: ö2 wird ö: frO froh, rö roh, zö so, sirö Stroh, ausserdem
die Lehnwörter kröm Krone, rözd Rose.
88 = 82 wird o: flo (plur. floyi) Floh.
ü.
§ 38. Mnd. ü ist a) aus as. ^, b) aus as. ö nach w entstanden.
In beiden Fällen wird es ü.
a) ^ < as. Ä: brühn brauchen, b^üt Braut, buk Bauch, düuv
Taube, fül faul, klüt Kloss, krüpm kriechen, küm kaum, lüt laut,
jnüs Maus, nü nun, rücb Räude, rükri riechen, mp9 Raupe, tun Zaun.
b) Mnd. u?ü < as. wd: ätvül (ae. swol) schwül, um (ae. hrö) wie.
ü.
§ 39. Mnd. ü ist ü geblieben: a) Mnd. fl, der Umlaut zu ü:
brüdd Bräute, dmvokin Täubchen, forzüm versäumen, hüzor Häuser,
kmtsd Kreuz, krüzl Kreisel.
b) Mnd. ü < as. iu\ düpt9 (as. diupi) neben dl^p9 Tiefe, hüln
heulen, kükn Küchel, küU Keule, lüdd Leute, lüd,^ (as. lius Galice
Vorstudien S. 198) Lieschgras, mz9^ Hl^zo (ahd. rtise^ *got. rusjo)
Reuse, tü/^ Zeug. Ausnahmen: düstdr (as. thiuatri) düster, daihl Teufel.
c) Mnd. ü < as. A: Uüt2i schliessen.
d) Mnd. ü < as. ugi: ä^um (ahd. scugiua) Scheune.
15
au, ou.
S 40. Mnd. au ist aus as. a vor w diphthongiert und wechselt
mit nw, mv^ ouw. In allen diesen Fällen ist es au geworden. Vgl. G2.
ei.
§ 4L a) Mnd. ei < as. ei bleibt ai: ai Ei, mai Mai.
b) Mnd. ei < as, agi wird ai\ zais9 (as. Hagima) Sense, umirön
Majoran.
c) Mnd. ei = mnd. e^-^ vgl. § 28— § 29.
eu, oi.
§ 42. Mnd. eu^ der Umlaut von mnd. «?/, wird oi: hoi (as.
homci) Heu (aber haihöp Heuhaufen), ätroin (mnd. stroieriy Strogen^
>ifrouwen) streuen, .Uroi Streu, toi die hölzernen Halmfanger an der
Komsense, froidff (mnd. iroude, mvuwede) Freude.
Die mnd. Vokale vor r.
ar,
§ 43. a) Mnd. auslautendes ar bleibt ar nur in dem hd. Lehnwort
Mar (in der alliterierenden Formel ätar im sttf) starr.
b) Mnd. auslautendes ar wird ^r, wenn a ursprünglich oder in
den flektierten Formen in oifener Silbe stand: hQr jelt bar Geld,
J9w^r gewahr, J^r (as. ga7ni garo) gar, ganz, klqr klar, naxhqr (hd.;
mnd. nAchhür\ plöxägr (ahd. skara) Pflugschar, .^gr Schaar.
c) Mnd. ar wird Qr vor rn und aus rd entstandenem rt: bgrf
Bart, f^rt (as. vard) Fahrt, jQrn (mnd. gam) Garn, jgrn (mnd. gardm)
Garten, hgoznägrt (ae. luersceard) Hasenscharte, kgrt9 (mnd. karda)
Karte, §pekäwQrd (mnd. swarde) Speckschwarte, wqrn (mnd. warden)
warten. — Ausnahme: hart (mit hd. rt, mnd. harde),
d) Mnd. ar wird gr vor ^ in ft^ri Barsch. Ausnahme: barf^
(mnd. barsch) barsch, wohl weil hd.
e) a bleibt in allen übrigen Wörtern: arm Arm, a^y^ arg,
barft barfuss, darf darf, Aarfe Rechen, jaru'9 Garbe, karnikl Kaninchen,
kar9 Karre, madar (mnd. marder) Marder, marks Mark, marjt Markt,
.^par9 Sparren, äivart schwarz.
§r und umgelautetes ar.
§ 44. a) Mnd. §r, ar wirdar: änw^r ärmer, Aarfer härter, kdi'l
Kerl, Wnn (frz. alarme) Lärm.
b) Mnd. ^ wird er: ertc9 Erbe, e;/i^ Erbse, ^>'w/ Ärmel, merßl
Mergel, utmertsn Schafe ausmerzen.
c) Mnd. qr wird ar: arpl Enterich, farkn Ferkel, harwest Herbst,
sarliidk Schierlink, äparliTdk Sperling, tarn zanken.
er, er.
§ 45. a) Mnd. auslautendes f-V wird ar: Mr Bär, här^ //a (mnd.
her) her, spar Speer, tär Teer.
16
b) Mnd. er vor d wird är: ärd» Erde, hart Herd, härdd Herde.
Ausnahme macht Mrcfo, siehe bei c.
c) Mnd er wird är\ ämst (mnd. ernesf) ernst, härda Hirt, kam
Kern, ^^rn Stern, ätärt Sterz.
d) Mnd. ^r wird er: herke Birke, derwB derb, fdrdem^n verderben,
her^ Hirse, kerf (plur. körwd) Kerf, Kerbe, äw^^*^ Quirl, ,«?^em Stirn,
f^^'6/ Wirbel, werk Werg.
e) Mnd. er wird ar: barätn bersten, 6ar^ Berg, Aarfe Herz, jarstd
Gerste, §arwd Scherbe, .^tariodn sterben. — In manchen Familien wird
abweichend bärstn^ bdr^^ hart» usw. gesprochen.
f) Mnd er wird ör: börj9 (schon mnd. meshorje) Trage für Mist,
for§t9 Dachfirst, km'wd (plur. zu kerf) Kerben.
fr, ur.
§ 46. Gemein-mnd. ir und ur gab es nicht, weil as. ir zu er^
ur zu or wurde. Das Wort J9§ir Geschirr ist hd. Herkunft.
or,
§ 47. a) Mnd. or < as. or wird auslautend, vor as. d und u
zu ör: dOr Tor, dörnätrük Dornstrauch, jrashört Grasrain, körn Korn,
i/'ör^ Wort.
b) Mnd. or < as. ur wird in denselben Fällen gleichfalls zu ör\
,^pöm Sporn, üthörtn das Land durch Schafhürden düngen.
c) Mnd. or < as. or bleibt or\ korf Korb, morjan morgen, ,^orf
Schorf, ätorm Sturm, zorjd Sorge.
d) Mnd. or < as. ur bleibt or: borät9 (as. bursta) Borste, brost
Brust, dartüdn (as. thurbhan) darben, dorät Durst, horU Hürde, jort
(mnd. garde, gort) Gurt, koräta Brotkruste, kort kurz, tonn Turm,
worm Wurm, twrät Wurst, wortl Wurzel. — Ausnahme: karmtso f.
(mnd. korbitze) Kürbis, murkl (ahd. miirhila) Morchel.
ör.
§ 48. a) Mnd. ör < as. or vor n oder d wird ör in Iiorn
(Umlaut aus dem Plural) Hörn, wörda Worte.
b) Mnd. ör < as. ar wird ör in dörp Dorf, Äc^rAw horchen.
c) Mnd. ör < as. ur wird ör in: börMo Bürste, dör/ durch,
hörf^ta (Plur. zu as. hurst) Horst, inselartige sandige Erhebung im
nassen Lande, körtar kürzer, ,^örto Schürze, wör'pn würgen, irörsfo
Würste.
Tl. ar.
§ 49. a) Mnd. tl. ar wird ör: .^r (mnd. schare) Schar, Haufen,
plöxsqr (mnd, schare) Pflugschar, /?/>^>rw sparen, tvörri (mnd. waren) warten.
Tl. §r, umgelautetes tl. ar und tl. er.
§ 50. a) Mnd. tl. er wird är: bära (as. beri) Beere, baMrn (as.
skerimi) bescheren, kärn (mnd. keren) fegen, härmk Hering, fiäri-^ (mnd.
nerich) fresslustig, pärt (as. perith) Pferd, äwärn (as. swerian) schwören,
tarn zehren.
1^
b) Mnd. erst in jüngerer Zeit umgelautetes tl. a wird ^:
jt^^rkin Pärchen.
c) Mnd. tl. er wird är: ämär (as. smero) Schmeer, ätnärn
schmieren, spar n. Speer, ätcärn (ahd. sweran) schwären, eitern.
Tl. or.
§ 51. Mnd. tl. or < as. ur wird ör in förd Furche.
Tl. ör.
§ 52. a) Mnd. tl. ör < as. or wird or in niot-d (as. moraha)
Mohrrübe.
b) Mnd. tl. ör < as. nr wird 5r: l}Örn (as. burian) heben, rf5r9
Tür, for für, /wor (ahd. murutvi) mürbe, fdrtörn erzürnen, tsSr» alte
Stute, Gaul.
dr.
§ 53. Mnd. är wird ö^r, Qr: bqrd Bahre, jdf(}r Gefahr, g**pmb^
offenbar, Qr9 Ähre, .Ug^r, stör Staar, äwQr schwer, w^r wahr.
Umgelautetes är: när näher. — Jüngerer Umlaut von mnd. är
erscheint in ätpr9^ plur. zu ätQ^r Staar.
er.
§ 54. a) e^r wird in ktm wenden, vgl. as. kern Wegscheide,
sinf (as. scära und scera) Schere.
b) e^r wird ßr in: er (got. air, airis) ehe, eher, ör9 (as. irä)
Ehre, — wird fr in: mir mehr, ^w 2«r2> zu sehr.
c) cV wird ir in: ^wers^ zuerst, Är^w (as. lerian) lehren, lernen.
d) e^r wird fr in: 6fr Bier, dir Tier, dfrw Mädchen, f9rhrn
verlieren, ßn vier, wfr^ Niere.
e) e^r wird ai(^)r in: baür (mnd. 6^'^, langob. pahir^ Nebf. zu
mnd. ier, as. bier^ ber) Zuchteber, äwair-, §icaidrzQ<*n9 (as. ^swehir-^
ahd. swehur-) Schwiegersohn.
tr.
§ 55. Mnd. %r bleibt fr: iwfr9 Ameise, .^fr schier, Adj.
ö^r.
§ 56. Mnd. o^r wird ür: füre Fahrt (ahd. fuora\ fürd (mnd.
rörf^, rör^; Teltow, fü^dä) Fuder, snür Schnur, iümflür (mhd. vluor)
Tenne.
8ir.
§ 57. Mnd. ö^r wird «Tr; /2rw (as. fortan) fahren, rürn rühren.
Ö2r.
§ 58. Mnd. o2r bleibt ör: rör Rohr, ör Ohr.
82r.
§ 59. Mnd. 82r bleibt or: hörn hören, §torn stören, rSrd Röhre.
Ki»derd«atschei Jahrbuoh XXXIV. 2
18
ür.
§ 60. Mnd. ür bleibt ür: zur sauer, züramp9r Sauerampfer,
trü9r Trauer, bürd Bauer. — Ausnahme : hochd. maiir Mauer, maiirdr
Maurer.
Qr.
§ 61. Mnd. Qr bleibt ür: dür9 teuer, dürn Dauer haben, für
Feuer, inzürn einsäuern, äüi'd (as. sciura) Schuppen.
Diphthongiernng von i und u.
§ 62. Mnd. t wird vor folgendem Vokal sowie im Auslaut zu
ij (in den Handschriften oft ig geschrieben). Aus ij mit schleifen-
dem Akzent hat sich dann später *ei und schliesslich ai entwickelt.
a) i inlautend: fraian freien, fraijq<^t9 (mhd. tmiUe, in Oschers-
leben frijgt) Freite, Brautwerbung, klai9 (mnd. khe, klige) Kleie,
maraidnwörnwkin Marienkäferchen, rosmarabn Rosmarin, safamistet
Sophienstedt, änain (mnd. snten, snigen) schneien, ärain (mnd. scrten,
scrigen) schreien.
b) t auslautend: brai (mnd. brt, hrig) Brei, frai (mnd. r^H, vrij)
frei, blai (mnd. bli, blig) Blei, naiy nait (mnd. rvfy nie, ntge) neu,,
neues, ärai (mnd. schrie, schrige) Schrei, .§lai (mnd. sli) Schlei. —
Eine Ausnahme machen indeklinable Wörter wie mi mir, di dir, bi bei,
8i sei, doch hört man im Teltow bait (= bi et). Es ist deshalb an-
zunehmen, dass ij < l zuerst inlautend unter schleifendem Akzent vor
folgenden Kasusendungen gebildet wurde.
§ 63. Mnd. ü vor Vokal und im Auslaut wird über üir, ouw
zu au: B.) ü inlautend: bau^n (mnd. ftw^w, büwen^ bouiven) bauen,
bramn (mnd. Irrüen^ brotveti^ brütven) brauen, jati^ (mnd. jüwe) euer,
ätaun (mnd. stüwen^ stouwen) stauen, f9rtrau9n (as. tnion, mnd. trüwen^
trouwen) trauen. — Ausnahme: snüumi schnauben.
b) ü auslautend: frau (mnd. früwe^ frouwe) Frau, jmt (mnd. jtf,
jüiv) euch, glau (mnd. glä) fein, schmuck, äau (mnd. srhil, schmve)
scheu, älau (mnd. slü) schlau. — Ausnahme machen auch hier
indeklinable Wörter: du du, nü nun, unl wie.
§ 64. Mnd. üg (üj) wird au: — Das einzige Beispiel aus
Prenden ist zäun saugen. Ein zweites bietet der Teltow: ram
Roggen, (aber ruJ9tml Roggenmehl). In beiden Fällen muss Ausfall
des ge (§ 68 n) der Diphthongierung vorangegangen sein.
§ 65. Mnd. (Jm; wird au in: blau (mnd. 6/a, W«/r, blamve) blau,
(lau (mnd. dötv^ douwe^ d/nve^ dau) Tau, jrau (mnd. gräw^ grau, grawe)
grau, lau (mnd. l(hi\ lauw) lau, kaun (mnd. *kawen^ ndl. kauwen)
kauen, daun (mnd. dawen^ dowven) tauen. — Denselben Lautübergang
zeigen die Städtenamen mit der alten Endung -awe^ für welche später
'OM)e und schliesslich oft -au eintrat, z. B. Bernawe > Beriiowe > Beriiau^
Spandawe > Spandowe > Spandau.
*
Vokalkfirzungen.
§ 66. Die bereits im Mittelniederdeutschen vollzogenen Kürzungeii
as. langer Vokale und Diphthonge sind bei den einzelnen mnd. Vokalen
berücksichtigt worden. Die meisten derselben sind vor Konsonanten-
gruppen und namentlich solchen, deren letzter Laut t war, eingetreten.
Besonders häufig ist der Fall, dass in der 3. Person Sing. Präs. und
im Part. Prät. e durch Synkope in den Flexionssilben ausfiel und
dadurch auslautendes t unmittelbar an den vorangehenden Konsonanten
trat, also eine vokalkürzende Konsonantengruppe gebildet ward, vgl.
as. Iniulit (> *biudt} > mnd. biit, as. farkopod > mnd. verkoft; as.
Iwdid > mnd. hot gehütet. Durch falsche Analogie ist auch in
Prenden dann die Kürzung auf Formen übertragen, welche keine
Synkope erfahren hatten, vgl. wet er weiss neben wet ich weiss, ferner
müt ich muss, er muss.
Die Regel, dass das schwach gebildete Part. Prät. kurzen Stamm-
vokal erhält, auch wenn der Infinitiv langen Vokal oder Diphthong
aufweist, hat in Prenden weiten umfang, aber doch nicht ausschliess-
liche Geltung. Lehrreich in dieser Beziehung sind folgende von mir
beobachtete Beispiele. Hinter einem Hofzaune, an dem ich vorüber-
kam, hörte ich eine Frau zu ihren Kindern folgende Worte sprechen,
zuerst: nu örntlvf anJ9fg^t! — dann kaum eine Sekunde später: an-
pfot ! Eine andere Frau erzählte : ik heh nox nl J9köft9 Ihwwant jdkoft
(gemeint war 'von einem Händler gekaufte und verkaufte Leinwand').
Also Doppelformen im gleichzeitigen Gebrauch in demselben Munde.
Beide Fälle stimmen zu der mir von einem Prendener gegebenen Be-
lehrung, dass er gewöhnlich die verkürzte Form gebrauche, die andere
nur, wenn er einen dauernden Zustand bezeichnen wolle.
So begegnen noch neben einander, — es sind nur einige Bei-
spiele hier aufgezeichnet, — J9mQ<*kt — jdmokt gemacht, lö^t — lot lass,
prompt — J9ro2)t augelesen, jdblüH — jdhlut geblutet, J9lmH — J9hfä
gehütet.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass jamokt u. a. einst aus
jjmg<^ket oder jdmqket gekürzt sind. Ebenso sicher scheint aber die
Tatsache, dass dieses alte J9mö<*ket nicht etwa bis heute sich erhalten
hat, sondern dass aus dem Infinitiv 7ng<*ken in jüngerer Zeit eine
zweite Partizipform jainq^kt neu gebildet ist.
Diese Neubildungen zeigen, dass die Prendener Mundart keine
Vorliebe für Vokalkürzungen hat. Von den nachstehend verzeichneten
mag manche noch in die mnd. Zeit zurückreichen.
§ 67. a) Mnd. (i > Q > o\ hrofd bratete, rot^ ich riet, lotd ich
Hess u. a.
b) Mnd. t'^ > e\ wet er weiss, en (unbetont für en oder en)
ein, einen.
c) Mnd. e^ > e: klmdar kleiner, rmtli/^ reinlich.
d) Mnd. i > i: kikt schaut; ferner in dem Diminutivsuffix A'iw:
b&inokiyi Bäumchen, wönmkin Würmchen.
2*
e) Mnd. 6^ = üo > u: hhit blutet, M. (unbetont für tüo) zu,
2nixf^ suchte.
f) Mnd. Öl = S« > w: hüt hütet.
g) Mnd. ö2 > o: hoxtU Hochzeit, änitlof (mhd. louch) Schnittlauch,
h) Mnd. 82 > ö: jröt9r grösser, äöndor schöner, Möt stösst.
i) Mnd. ü > u: .<ufl (mnd. schüfele, schuffei) Schaufel,
k) Mnd. & > w: äüzl (mhd. schüsel) Scheuche, krüpt kriecht,
bat bietet.
Vokaldehnniig bei gre- Schwand.
§ 68. Mnd. ge ist fortgefallen, wenn ein Vokal unmittelbar
voranging. Die in Verbindung mit diesem Lautausfall entstandenen
Vokaländerungen sollen hier mit den zu erschliessenden Zwischen-
formen nur belegt werden. Eine genauere Darlegung und Begrün-
dung folgt in § 89.
a) Mnd. age (> *g^'^9) wird ä: drän tragen, dräd Trage, Trage-
holz, hal Hagel, klän klagen, niä f. Magen, mar mager, dimstmät
Magd, näl (plur. näh) Nagel, .^wär Schwager, wän (plur. wäm) Wagen,
zä Säge, zän sägen.
b) Mnd. e (q e) -ge ( > §«39, ä^yl) wird q oder ä : biwän bewegen,
br^n Bregen, edd (as. egithu^ mnd. egede^ eide) Egge, ^/e, äwins-eb Igel,
entj^m entgegen, ütfän ausfegen, dröäfld Dreschflegel, käb pl. Min
Kegel, läat (zu lejdn^ prät. /f«cfo) legt, r^hi Regen, regnen, ^läa (plur.
zu §lax) Schläge, wä (plur. zu wex) Wege, wän wagen, J9zut gesagt.
c) Mnd. oge > age (> *^«3a) wird ä: bän Bogen, banzB Bogensee,
fal (plur. fäb) Vogel.
d) Mnd. öge (> *^«3^) wird f: fl^l (mnd. vlögel) Flügel, tre
(plur. zu trox^ neben einem jüngeren Plural trojd) Tröge.
e) Mnd. oge^ age mit gleichem Umlaut (§ 22 b) über '^^^7^9
wird d: bäl (mnd. bogel) Bügel, man mögen.
f) Mnd. (^ge (> *^«39) wird a: frän fragen, kra (mhd. krage)
Krähe, krä (as. krdia^ mnd. krage) Kragen, jj^te Plage, trä (mnd.
träch, träge) träge, wa (plur. wa) Wage, wän wagen.
g) Mnd. ege (ndfrk. t^ge) > {*i^y) wird en: hodren betrügen,
fl^ Fliege, ßen fliegen, len lügen, äpil Spiegel.
h) Mnd. ige wird t: krtn kriegen, empfangen, krif kriegt. (lU
ist dagegen nicht aus mnd. ligget gebildet, sondern entspricht der
mnd. Kontraktion lit).
i) Mnd. b^ge (> *ü^y) wird o: blon (mnd. bldgen^ bloien) blühen,
bro (mnd. b^'oge^ broie) Brühe, zon (mnd. stSgen) säugen, kro (mnd.
kr^ge^ plur. zu Prend. kröx^ krüx) Dorfkrüge, kror (mnd. kr&ger)
Krüger, Gastwirt, ko (mnd. koge, plur. von Prend. küd) Kühe, />/J
(mnd. pltge) Pflüge. —
k) Der Umlaut zu üo lautet jetzt ä«. Die gekürzten Formen
blon usw. beweisen, dass 5« aus # entstanden ist. Diese Regel be-
wirkte also in einigen Fällen, dass zu Singularformen auf üox {*hil<^ch
Dorfkrug, *küo^ küe Kuh, *2^lüox Pflug) Plurale auf o entstanden, also
21
mit demselben Laute, den die umgelauteten Plurale zu ö2 haben;
vgl. bröt plur. brods. Diese Analogie führte weiter dazu, auch aus
jenen 5 neue Nominative auf ö zu bilden, welche die älteren ver-
drängten, so aus kro den Sing, kröx Dorfkrug, aus pl8 den Sing.
plöx Pflug. Diese neuen Nominative Sg. drangen um so leichter ein,
weil die zahlreichen Uckermärker, welche nach Prenden kamen (S. 3),
lautgesetzliches Aröa?, plöx (s. Teuchert, Nd. Jb. 33, 35) sprachen.
1) Mnd. ö^ge wird ö: lö (mnd. löge) Lauge, ö, plur. öm (mnd.
oge) Auge, rodö (mnd. roddöge) Rotauge, Barbe.
m) Mnd. iflge wird o: bon beugen, biegen, dro trocken, dron
trocknen, uphon erhöhen.
n) Besondere Fälle: zäun saugen, kilb Kugel. — Ausnahmen:
ßlj^r Jäger und Lehnworte aus dem Hochdeutschen oder An-
gleichungen daran.
Vokaldehnnni; bei t;e- Seh wund.
§ 69 Nach mnd. ä und ursprünglichem, sowie dem aus o ent-
standenen tonlangen a fällt in der Regel mnd. ve aus: a) an (bakan,
bretidn, kaxlän) Ofen (dagegen öferi eiserner Ofen als Lehnwort), ans
abends, änt Abend, band (mnd. bovene, bavene) oben, ka^ ätvtmka
Schweinekoben, käb (mnd. kavele) Loosteil von Holz, Acker usw.,
kla^ f. (plur. kldfiy mnd. klove, klave) Holzkloben, näl^ büknäl Nabel,
ra Rabe, ^lal Schnabel.
b) Der Ausfall von ve hat nicht stattgefunden, wenn ein r folgte.
(Vgl. utv9nit aber, hötr<fr Hafer). Ferner nicht in Qf^ft Obst, weil der
Ausfall wohl erst eingetreten war, als mnd. $»w^^ < mnd. ovet schon
zu g**ß verkürzt war. — Die Ausnahme naw9 Radnabe erklärt sich,
weil dieses Wort junges Lehnwort ist. Wäre es altprendensch, würde
es nö<twd heissen müssen. Der ^märkische Ausdruck dafür ist buk
Ausser nach a ist ve nur ausnahmsweise in Prenden geschwunden.
knel (mnd. knevel > *knPAfr<fr) Knebel, hön (mnd. hovefi, später *hüow9n)
in dem alten Ortsnamen ;,dreissig Hufen*', amtlich jetzt ^ Neudörfchen ^,
^eno neben ^^ma und äetv9n (plur. zu mnd. schewe) Schebe, Flachs-
abfalle.
Der Umstand, dass ve nach a fast regelmässig, nach anderen
Vokalen nur ganz vereinzelt geschwunden ist, lässt folgern, dass wir
es hier mit einem in seiner Entwicklung beginnenden, aber nicht bei
allen Vokalen zur Durchführung gelangten Lautgesetze zu tun haben.
Um so leichter konnten Fälle eintreten, wie die in dem hier folgenden
Abschnitt behandelten.
Die oben verzeichneten Beispiele belegten den regelrechten Ver-
lauf des Lautwecbsels. Neben diesen gibt es eine kleine Anzahl
Wörter, welche denselben Vokalwandel zeigen, in denen aber -ve ent-
weder erhalten oder wieder eingesetzt ist. Man wird das letztere
annehmen müssen. Grund wird teils das Streben nach unzwei-
deutigen Wortformen im Verkehr mit Fremden gewesen sein, teils der
22
feinfluss nördlicherer Mundarten auf die eigene. In einem und dem
anderen Falle kann auch die Möglichkeit in Frage kommen, ob niclit
Lehnformen aus dem Uckermärkischen vorliegen.
bäwdn (< *hQ(HD9n < mnd. baven) nicht allgemein gebräuchliche
Nebenform für hClm oben; dewd (< do^wdl < mnd. dövel, mhd. tübel)
Zapfen, h^u^ (< *A^«wv9 < mnd. höve) Höfe, mörr5w9n (< *rü^u^ < mnd.
r^üe) Mohrrübe; n^icdl (< *n^^tvdl < mnd. nevel) Nebel; otvar (< *ü^u^r
< mnd. 6cer) Ufer, prötvdu (< *pmoiv9n < mnd. jyroben) prüfen, säumi
(< *^g<^iV9n < mnd. schaven) schaben.
In anderen Dörfern des Barnim findet sich re- Schwund auch
nach anderen Vokalen, in Klosterfelde bei Prenden z. B. in j^l Giebel,
stü Stube.
In grösserem Umfange ist i^e im Teltow ausgeschieden, z. B. h{)r
neben hgm^r Hafer, hQ-dq<* (mnd. hovedaye) Hofdienst, Ap (mnd. hove)
Gärten, äUim Stube, d(iv;9 Taube.
Wie die vermerkten Beispiele zeigen, ist hier der neue Vokal
ein anderer als im Barnim.
Eine ähnliche durch Dehnung bewirkte aber regressive Ver-
schiebung des Akzentes findet sich in der Münsterschen Mundart, in
welcher u6 ii vor b g w zuweilen zu ii*o und l*e gedehnt werden.
Vgl. Kaumann, Entwurf einer Lautlehre (1884), § 20.
Die Konsonanten in liistorischer Entwicklung.
§ 70. Der mnd. Vokalismus hat in den lebenden Mundarten eine
sehr mannigfache und grosse Unterschiede aufweisende Entwickelung
erfahren, welche vermuten lässt, dass die einzelnen mnd. Vokale in
den verschiedenen Landschaften sehr verschiedene Qualität hatten.
Im Gegensatz hierzu sind die Abweichungen, welche die ver-
schiedenen ndd. Dialekte in Bezug auf den Konsouantismus zeigen,
im wesentlichen das Ergebnis von Lautänderungen, welche jünger als
die mnd. Formen sind.
Das mnd. Auslautgesetz, welches ausser Vokalen und Liquiden
keine stimmhaften Laute am Wortende duldet, sondern an ihre Stelle
stimmlose treten und b hinter m (z. B. in as. criimb^ lamb) assimiliert
oder ausfallen lässt, gilt auch für die Prendener Mundart. Im Aus-
laut werden also auch in ihr, sofern nicht besondere Regeln eingreifen,
b > p^ d > t^ '^ > X, j > 1^ V > f^ z > s, 79 > wk.
Der grammatische Wechsel zwischen inlautenden stimmhaften
und stimmlosen Spiranten ist durch Ausgleichungen schon in as. und
mnd. Zeit stark beeinträchtigt worden. In der lebenden Mundart ist
er innerhalb des Verbalsystems fast gänzlich beseitigt. Die einzige
Spur seiner einstigen Wirksamkeit in diesem bietet die Verschieden-
heit der Konsonanten in wQrn waren, J9west gewesen.
Die nachfolgende Übersicht wird sich im Allgemeinen auf den
Nachweis der Abweichungen der lebenden Mundart von dem mnd.
Konsonantismus beschränken können.
23
6.
^71. Mnd. und prendensch b kommt nur an- und inlautend
vor, letzteres aber nur, wenn (abgesehen von Kompositis) 1) es ent-
weder eine hoch- oder nebentonige Silbe beginnt, 2) el folgt oder
3) es as. bh vertritt und ein kurzer Vokal vorangeht. Wo diese
Bedingungen nicht zutrefiFen, tritt statt b mnd. v oder /", prendensch
w oder f ein.
Anlautend: bäm oben, 6e;w Raufe, bl^zl Binse, borf^ verschnittener
Eber, ftfocfor Blatter usw.
Inlautend: 1) arbait Arbeit, leb^ndi'i lebendig, (dagegen l^eu?9n
leben), brumbärd Brombteere, ^rb^r ehrbar, (dagegen erwd Erbe, erfts
Erbse), naxbör Nachbar, probirn probieren (dagegen prötvdn prüfen). —
In kesp9r (mnd. kasbere^ kersebere) Kirsche hat vorangehendes s den
Übergang zum stimmlosen Labial bewirkt. — 2) tgbl Kober, tobalitd
Koberdeckel, werbl Wirbel, ätlbl Stiefel, jrübaltrn grübeln. 3) heb»
habe, (dagegen heMvan heben), kriba Krippe, rib9 Rippe, ärubar Schrubber,
(dagegen ,^rüu;9 Schraube), ätubd Wurzelstumpf (dagegen ätütv9 Stube,
zahcah Salbei).
d.
§ 72. Anlautend ist mnd. d im Allgemeinen geblieben, doch
ist dw teils zu kw geworden: kwazln (mnd. dwdsm) töricht reden,
ßrdg/n (mnd. vordtvälen) verirren, f9rkwQ<^zn (mnd. vordtvdsen) ver-
geuden, kw^r (mnd. dwer) quer, hverl (mnd. dwert) Quirl, — teils
durch nhd. ts. ersetzt: tswern Zwirn, tswölwd zwölf.
Inlautend wird mnd. d in folgenden Fällen verändert:
a) Id wird l vor e und en (aber nicht vor er)\ bakmob Back-
mulde, bah bald, holn halten, dl^ oln die Alten, (aber olt alt, öldar
das Alter, ökhrn Eltern), meh Melde, siln schelten. Ferner in abwih
(mnd. al de ictle) gerade jetzt. — Ausnahme jeldn gelten.
b) Während in einigen benachbarten Mundarten d regelmässig
zwischen Vokalen oder zwischen Vokal und r ausfällt, bietet Prenden
diesen rf-Schwund nur in folgenden Wörtern:
fqam Faden, jqrn Garten, laidn (Vieh am Zügel) leiten, mäi-ak
(mnd. mert'edik) Meerrettig, grntli/^ ordentlich, äpekäwgrd Speckschwarte,
wih()p9 Wiedehopf, woika {no^QnwQdikSy mnd. wadike) Molken, wQrnwsiTien.
c) Id wird Ij in folß (mnd. volde) Falte, folJ9n falten.
d) nd wird tj, wenn nicht a vorangeht: bmn (prät. btwk) binden,
finn finden, hem Hände, hiijar hinter, jrüryolmk (mnd. grundelink)
Gründling, kiy^r (plur. von kint) Kinder, liidd Linde, pändar (zu mnd.
fanden) Feldhüter, prd79n, pretcm Prenden, rirD9 Rinde, äiTan schinden,
spiw (plur. die §pint) Spinde, tuwr Zunder, uToen unten, U799rslt
Unterschied, icet^d (plur. von want) Wände, wir99 Winde. — Aus-
nahme: hunds Hunde, rämbr Rinder, — jamaim (schon mnd. gemeine
neben gemeinde) Gemeinde.
e) Nach a ist nd zm w nur in dem Worte sa'm (Westhavelland
schände^ wendisch sanda) Sensenband geworden. Es heisst stets äandd
Schande, bandd Bande, tu ätanda zustande usw.
24
f) Analog dem Übergang sb > sp (§ 7lb) ist sd > st > ät in
dundar^Uix Donnerstag geworden. Dieselbe Lautänderung zu .s^ lag
in zahlreichen mnd. Dorfnamen vor, wie z. B. Borgerstorp Borgsdorf,
Egbrechtstorp Eggersdorf, Kavelstorp Kanlsdorf, Riikvestoty Ruhlsdorf,
Smetstorp Schmetzdorf, Utstorp Ützdorf usw. — Heute werden diese
Ortsnamen sämtlich mit d geschrieben und gesprochen.
g) Mnd. unde ist un geworden, doch ist das d in der Formel
ümundüm 'ganz und gar' erhalten.
h) Hochdeutsches t ist schon mnd. eingetreten in hüta heute.
i) Entlehnung aus einer der Mundarten, welche r vokalisieren,
verbunden mit falscher Umsetzung, liegt vor^'in dt« m(}^d^ (mnd. märe^
meckl. mi^^ mq^t) die Mahr, Alp.
9'
§ 73. Anlautendes g ist in allen Fällen zu j^ inlautendes, so-
fern es nicht nach § 68 ausfiel, nach Konsonanten oder palatalen
Vokalen zu j, nach a und o zu ; geworden.
Anlautend: anjlüpm anglotzen, jllyi^ sofort, jam ganz, Gans,
jantar Gänserich, jnvh» am Boden angefrorenes Stück Erde.
Inlautend: börjd (mnd. niesbar ge) Mistbahre, bräja Brücke, jäj<fr
Jäger, franj9 (frz. frange) Franse, inuj9 Mücke, rüjd Rücken.
Inlautend 3: d4>7^n taugen, ho-zj» hohe, inäi^dr mager, ro7^9 Roggen,
äwayr (Nbf. äwar) Schwager.
Ausfall und Ersatz durch Nasalieruug des vorangehenden Vokals
tritt ein in: r^n Regen, regnen.
ig wird ai, vgl. § 62.
sg ist i geworden in naislny^ (= mnd. nigesgirig) neugierig.
eh.
§ 74. Mnd. ch erscheint nach palatalen Vokalen und nach
Liquiden als X) T^SLch gutturalen Vokalen als x.
X: ^te)(^ Steg, we-/^ Weg, tü-/^ Zeug, nij^ nicht, zi/^ sich. — ar/^
arg, balx Balg, bar^ Berg.
x: dax Tag, höx hoch, jüX9n jauchzen.
In gleicher Weise scheiden die meisten nd. Dialekte beide Laute,
jedoch nicht alle. In mecklenburgischen Dörfern z. B. kann man
sehr oft nixt^ rext u. ä. sprechen hören.
In dem Imperativ diuc (mnl. doch) *tu' ist x aus einer mnd.
nicht belegten, aus duon erweiterten Form *duojen zu erklären, vgl.
Franck, Mnl. Gram. § 116, Weinhold, Mhd. Gr. § 362. Gleichfalls
als alte Formen erweisen sich die Imperative zi^ (as. sih^ mnd. mnl.
sich) siehe, skuv (as. slah^ mnd. mnl. slach) schlag, jox (mnl. jach,
jaghe) jage. Nach Analogie sind dann die Neubildungen jox (neben
i?*) 8^\ ^^^^ (neben ätg») steh entstanden.
A.
§ 75. Im Teltow hört man mancherorts ein anlautendes h
sprechen und umgekehrt ein solches fortlassen; z. B. eute habend
25
statt heute abend. Es zeigt sich hierin alter nachwirkender Einfluss
der wendischen Mundart. In Prenden und den ihm benachbarten
Dörfern hört man derartiges nicht.
j-
§ 76. Unorganisches j ist vorgetreten nur in jaU*hunt^ Allee-
hund (Schimpfwort).
j ist entwickelt in ßjdlim Violine, Itfiajdl Lineal.
hülij9nkiw9r Geschwisterkinder ist nicht aus gleichbedeutendem
rand. bölekenkinder entwickelt, sondern mit dem Diminutivsufl5x -jen
gebildet, wie in hölipn (vgl. mnd anebolt Amboß) kleiner Ambos, auf
dem die Sense geklopft wird.
k,
% 11. a) Mnd. k bleibt in der Regel: duk Dach, fak Fach,
{er?kl Fenchel, hed^rik Hederich, hörkn horchen, ik iks ich, jok (plur.
jdh^) Joch, kikn gucken, klü^k klug, kükn Küchlein, marak Meerrettig,
murkl Morchel, tverk Werg, zark (as. mnd. sark) Sarg, zikl Sichel.
b) k wird jj x m der Endung -lieh z. B. Qrntlij^ ordentlich, in
ziy sich, lüx9 Luke, mai'yt Markt.
Dagegen ist blintälaifd Blindschleiche nicht aus blintschllke ent-
standen, sondern Lehnwort aus dem Md., vgl. mhd. sliefen schlüpfen.
/.
§ 78. a) Die Endung -ler wird Iddr: rf^/efor. Taler, hekbr^ hd.
Heller, urspr. Fischbehälter, jetzt Gehöftname, keldsr Keller, z^ldar
Seiler, koldifr Koller, wq^tsrmöhbr Müller, taldar Teller.
b) Die Endung -el in mehrsilbigen Wörtern wird /: truml
Trommel, dümpl Tümpel, aikl Eichel, neHl Nessel usw.
c) Mnd. l wird r in kristlr Klystier, wiidsr Windel; — durch
Dissimilation: A'/p^^T^r Glockenklöpfel, l^^pär (mnd. lepel) Löffel, Mp^t^r
(mnd. slotel) Schlüssel; — dagegen klöflök (mnd. knuflök, mhd. knobe-
loHc/i, klobelouch) Knoblauch. .
d) Mnd. l wird n in kneprwr (zu mnd. kleperen klappern) Storch.
m,
§ 79. Auslautendes mnd. m in betonter Silbe ist in fg^^m (mnd.
vüdem) erhalten, in unbetonter ist es zu n geworden: besn (mnd. bessern)
Besen, bod^ (mnd. boddenie, bodden) Erdboden, btis7i (mnd. busein^
bossein) Busen, ^«flbw (mnd. adetn) Atem, tvrg<*z9n (mnd. wasem) Brodem.
— torm (mnd. tom) Turm verdankt sein m wohl dem Hochdeutschen.
— Ausgefallen ist tn in äandäi^d Gensdarm.
§ 80. a) Inlautendes n vor 5, z ist im Gegensatz zu manchen
anderen Mundarten erhalten in: jam Gans, uns uns, wiz» unser, Eq
fehlt wie schon mnd. in jösl junge Gans.
26
b) Mnd. n vor unbetontem auslautendem er wird nd: diindsr
Donner, end^r einer, ßriytsmdmbr Schöffen, hü^pidar Hühner, ketubr
keiner, mdnd^r Männer.
c) Mnd. nd wird td siehe § 72 d.
d) Mnd. n wird m vor Labialen : ßmf fünf, hämp (mnd. hennep)
Hanf, jumf9r Jungfer, zemp Senf; ferner in brmi (veraltete Nbf. zu
bren^ bre^gdn) Gehirn, vielleicht übernommen aus einem anderen ndd.
Dialekt und in diesem unter dem Einfluss von bremworät (Röstwurst
' aus Schweinsgehirn, Semmel und Rosinen) gebildet, öbrQ^m (mnd.
dgenbräne) Augenbraue.
e) Mnd. n wird l in: kloil Knäuel, kliipl (mnd. kluppel^ knuppel)
Knüppel. — Dagegen ist postl „Pfosten* wohl Diminutiv zu mnd.
post Pfosten.
f) Auslautendes mnd. -en wird in zusammenhängender Rede nach
b oder p zu m, -men wird w, nen wird w, -len wird In. In allen
übrigen Fällen wird -en zu an oder w. Wird ein Wort einzeln vor-
gesprochen, so hört man die Endung meist -rin sprechen.
ben > bm: hebm haben, kribm Krippen, ribyn Rippen. — Nur
der Heller-Gläser spricht hebn (neben kribm usw.).
pen > iJm: drüpm tropfen, grlpn greifen, hupm hüpfen, kopm
kaufen, krüpm kriechen, löpm laufen, rq^^pm aufrafi'en, slipm schleifen.
men > m: blü(*m Blumen, dum Daumen, hqf^m (mnd. harnen)
Nachgeburt der Kuh, ju^m Gaumen, Fischkieme, Ao«w kommen,
ßkg^m gekommen, rif^m Riemen.
nen > n: bren brennen, dini dienen, dun Daunen, mairi meinen,
min (accus, zu tnin mein) den meinigen, rön rennen, !^in scheinen,
utden ausdehnen, J9tve7i gewöhnen.
fen > In: airsqf^ln Eierschalen, boln Zwiebeln, />rö7n brüllen, faln
fallen, heln heilen, holn halten, fortein erzählen, foln Füllen, nihi
wollen.
g) Nach w, 5, j wird en zu <m: alkowan Alkowen, bluv9n bleiben,
enVfOU soeben, 9rlöu^i^ erlauben, lecwan leben, malwr^n Schwalben. —
döT^dn taugen, miij9n Mücken, pre.dijdn predigen. — Neben ki^u^^n,
plur. zu klfW9 Fischkieme hört man den wohl durch hd. Einfluss be-
wirkten Plural ki^m,
h) Nach d, f, r, s, t wird -en zu n: jQrn Garten, bidn bitten,
brq^dn braten, lidn leiden, redn retten, blafn bellen, börn heben,
bibdrn beben, födarn fordern, hhidrn hindern, besvt. Besen, utmertm
ausmerzen, fr^Hn fressen, mütn müssen, hf^tn lassen, ivait^ Weizen.
i) Zu allen übrigen Fällen hört man, wenn ein kurzer Vokal
vorangeht, w, bei langem Vokal n oder m: lain, Jahn leihen, trekn
ziehen, nidkn^ mäk^n Mädchen, raikn^ raik^n reichen, takn Zweige,
lil^n löschen, kwdtsn quetschen, am mi^Hn^ mirMan am meisten, rüsifn
rauschen, jyrüäan niesen, fneäm maischen, h^^zn, hö^zdn Hosen, Hasen.
— Regen, regnen heisst r&n.
27
ng (f9),
§ 81. Mnd. auslautendes ng(k) erscheint als 7jk: etak eng, läwk
lang, lie zitt?k er sang und er sank.
Im Gegensatz zu anderen Mundarten ist es als t^ erhalten in
jmuok (neben J9nux) genug, penirak Pfennig.
P-
§ 82. a) Mnd. p ist fast immer erhalten : ziirampdr Sauerampfer,
'%> Taufe, damp Dampf, dump dumpf, stü^pd Stufe, p^^pdv Pfeffer,
jmnt Pfand, pQ^l Pfahl, plantd Pflanze, prvm Pfriemen, tapd Zapfen,
pot Topf, zarp sehr sauer usw. — Ausgefallen ist p in krania Krampe.
b) Hd. p findet sich in pr^Mf Bräzel, jmkl Buckel. — Dagegen
ist das auch in Westfalen bekannte piujl Bündel Diminutiv von mnd.
[ftniffe 'kleiner Sack' (vgl. got. puggs Beutel).
c) 2^^ ist kein ndd. Anlaut und für manche Dorfschüler noch
heute unaussprechbar; psalm ist deshalb zu salm, zahn geworden.
Davon zalm langdauernd reden.
d) Mnd. ft, fst (< pt, pst) in köfty köfst ist im Präs. durch die
Neubildung köpt, köpst verdrängt, im Prät. köft^ dagegen erhalten.
e) Neuentstanden scheint p zwischen m und n in le}np9 (lat.
(amna, lamina) Messerklinge.
r.
§ 83. a) Inlautendes r ist geschwunden in föd^rn fordern, mad9r
Marder, gfsaüb Ortscheid, atolrt Artillerie, ekairn exerzieren, also vor
Dentalen.
b) Vokalisiert ist r in fe^zd Färse, junge Kuh, i^std der erste,
(loch wird von anderen ferzd, irstd gesprochen.
c) Neubildung eines r findet sich in kannkl Kaninchen, äwart
n., (plur. .^iv^^ds) Schwade, tär (ahd. zähi) zähe. Letzteres wird von
anderen tä gesprochen. Vereinzelt hört man auch da' der, ha' er,
hdUhok Semmel, eigentlich Hellersemmel, gewöhnlich aber d^, Äf; helwk.
d) r wird l in balblrn barbieren.
s.
§ 84. Anlautend ist mnd. s vor Vokal stets zu Zj sc stets zu ä,
> vor l, m, H, ir, t, p stets zu s geworden: zant Sand, zupm saufen,
— snwifH schreiben, sqr Schaar, — slq^n schlagen, ämär Schmeer,
^nal Schnabel, iw-i/w^/// ohnmächtig, strump Strumpf, ^piwd Spind.
Auf Grund der Tatsache, dass in gewissen Gegenden §1, am usw.
aus sl, SM usw. nachweislich erst in der jüngsten Zeit geworden ist,
in anderen erst in der Gegenwart sich verbreitet und sogar auf
grossen Gebieten unbekannt ist, hat man mehrfach ausgesprochen,
dass auf nd. Gebiete .^ in diesen Fällen das Ergebnis eines recht
jungen Lautwandels sei. Hiergegen ist bezüglich der Mundart des
Barnim auf die Angaben zu verweisen, welche Christian Pudor, Pre-
diger zu Straussberg (Oberbarnim) in seinem Buche ;,Der teutschen
Sprache Grundrichtigkeit*' (Köln a, d. Spree 1672) S. 6 über die
28
Aussprache des s macht: ;, selbiges wird vor dem p und t mit einem
sibilo Gezische [also s-p, s-t] ausgesprochen. E. gr. sprechen, straffen,
sparen, stehen, spotten. Etliche wollen, dass auch das s vor /; m, n, iv
ohne ch cum sibilo soll ausgesprochen werden: slagen, smecken, snelt,
sireigen. Nach dem Exerapel der Lateiner, welche sagen smilax,
Sleidamis etc. Aber wir lassen uns von den Lateinern hierin nichts
vorschreiben. Zudem würden wir durch Auslassung des ch in ob-
berührten Worten in die Pommerische und Westfälische Mundart
fallen, welche saget, Smertz, Swerd, Smecken.^
Da auch heute noch die provinzielle hochdeutsche Aussprache
beim sp, st usw. die mundartliche gleicher Gegend wiederspiegelt, so
dürfen wir, was Pudor von dem hochdeutschen s sagt, ohne Anstoss
auch auf die Mundart des Barnims übertragen. Es ergibt sich dann,
dass hier zu seiner Zeit zwar noch sj) st, aber schon M, sm, sn, sw
gesprochen wurde. Diese unterschiedliche Entwicklung beider Laut-
gruppen kommt in der Prendner Mundart übrigens heute noch in der
Verschiedenheit der Artikulation zum Ausdruck, vgl. S. 5.
Ohne weiteres ist vorauszusetzen, dass damals auch .v für mnd.
sc gesprochen wurde. (Vgl. Nd. Jahrb. 29, 34 § 71). Das für sc ein-
getretene ä ist vermutlich der Ausgangspunkt der Entwicklung der
übrigen s gewesen.
b) In- und auslaut. s — Mnd. ss oder neben Konsonanten
stehendes s wird s, intervokalisches s zu z, auslautendes postvokales
s zu s.
SS > s: hesn (mnd. bessern, beseni) Besen, busn (mnd. busme,
bossen) Busen, dresln drechseln, drü^sl (mnd. drösle) Drossel, fösd
Füchse, haslno^t^ Haselnüsse, os9 Ochse, zais9 (mnd. sessen, sesne) Sense.
s > s m pet9rsilJ9 Petersilie.
s > z nach kurzem Vokal: bizn durch Bremsenstich wild werden
(von Kühen), bi(^ Wiege, diz9r dieser, druzln schlummern, dm/n
(mnd. dusen) gedankenlos sein, kuzl Kiefernbusch, kwazln quasseln,
niizln nusseln. — Nach langem Vokal: blq^29 Blase, drü^zd Drüse,
k&zd Käse, wrQ^n Brodem usw.
Auslautend s > s: 9«s Aas, flas Flachs, fos Fuchs, hüs Haus,
ris Reis usw.
c) Mnd. st bleibt nach Vokal stets st: amst Angst, bi^st Biest-
milch, brost Brust, dest9 desto, distl Distel, distl Deichsel, drtstd dreist,
dustar düster, festa fest, füsta Faust, harwest Herbst, mst Rost,
swäst^r Schwester.
d) rst wird zu r§t in: awerät aber, borst9 Borste, borstd Bersten
des Eises, Schrunde, börätd Bürste, dorH Durst, dund^rHax Donners-
tag, för§t9 Dachfirst, jarite Gerste, hörät9 Horst, körät9 Brotkruste,
worät Wurst
e) TS vor Vokal wird zu rz in herh Hirse; rz in: ferz9 Färse,
sonst stets rä: bqr^ Barsche, far§d Verse, mörsdr Mörser. — Aus-
lautend r§ in bors Bars (Fisch), kars aufrecht, stolz sich bewegend.
Lehnwort ist hör§ Hirsch.
f) Mnd. ns wird nz in kränzd Kränze, breinza Bremse, jrunzn
grunzen, hälzd Hälse, jänzd Gänse.
g) Es bleibt Is, ns in hals Hals, gränsa Grenze, äimns Schwanz,
Mmns9 Schwänze, dafisn tanzen usw. und wird lä in dem Lohnwort
jnVs9 Pilze.
h) Postkonsonantisches s wird gleichfalls zu ä in hüUkin bischen,
fH) Axt, jöpsd Handvoll, nuM nichts (mnd. nichtes), — Sonst bleibt s:
häksl Hecksei.
i) Mnd. seh erscheint stets als ,^: bruä9 (mhd. brüsche) durch
Schlag entstandene kleine Anschwellung, ßs Fisch, ßän fischen, flüä
Flausch, man rauschen.
k) s ist angetreten in marks, m., Mark (as. marg), wohl gen. partit.
t.
§ 85. a) Mnd. t ist in allen Stellungen mit wenigen Ausnahmen
erhalten, auch in dlstl Deichsel, jäntor Gänserich, jaläntar (mnd. lante)
Geländer, milta Milz, w^«^/ Nadel.
b) t ist geschwunden in handüok Handtuch, hinbä)'d Himbeere,
tiiy nicht, dünv/Jüt Taugenichts.
c) Neues t ist entwickelt in p^star Äser, plur. von ö«5, Schimpf-
wort, strütsa Strauss, qnvont soeben, rentlr/i^ reinlich, kitfdrt Koffer.
d) t wird k in klvik (mnd. ktuit) Kibitz.
e) Eine Besonderheit ist, dass ein Teil der Prendner mildn
^müssen ^ sagt, andere sprechen mütn.
ts (nhd. 2).
§ 86. Als Wort- oder Silbenanlaut erscheint die Affrikata ^.s*
nur in Wörtern, welche dem Hochdeutschen oder fremden Sprachen
entlehnt sind. Der nd. Mundart ist sie ursprünglich fremd, und sie
wird noch heute vielfach in Mecklenburg und der Mark nicht korrekt
wiedergegeben, sondern es erscheint statt ihrer ein stimmloses s,
tsän zehn, tsax zage, tsedl Zettel, tsikd weibliche Ziege, tsipl
Zipfel, tsoi'd^ sord alte Stutfe, Mähre im verächtlichen Sinne, tswern
Zwirn, — sw^ zwei, swöhvB zwölf, — tzib9, siba weibliches Schaf oder Ziege.
Inlautend ist ts nd. Ursprungs durch Zusammentritt von t und
••f in metHdr (ae. meteseax) Messer.
Hochdeutscher oder anderer Herkunft ist es in etsit^k (mhd.
f^ch, mnd. ettik) Essig; fülenfsan faulenzen, kamtsa (mnd. karufse,
karuss9) Karausche, karwitsa f. Kürbis, kratsn kratzen, kräts9 Kreuz,
ütmertsan ausmerzen, swetson (mhd. schivetzeu) schwatzen. Auslautend:
.v/nY.s Seh weiss.
§ 87. a) Die mnd. stimmlose Spirans /*, welche in den mnd.
Handschriften im Anlaut meist r geschrieben wird, erscheint durch-
weg als /", und umgekehrt scheint jedes Prendener f aus mnd. f her-
vorgegangen zu sein. Das ist wohl auch der Fall in hufd Hüfte,
vgl mnd. huf (mnd. Wtch. s. v. hufhalt). Ferner bei ivefd^ Striemen
auf der Haut nach einem Peitschenhiebe, vgl. mnd. wefe, weve Ein-
schlag in Geweben ; schliesslich bei stlfvgd9r (mnd. stefrader), HtlfzQ<^m
usw. mit mnd. aber aus dem Hochdeutschen entlehntem f.
Lehnform aus dem Hochdeutschen ist dlpHQl Diebstahl.
b) Anlautendes mnd. v erscheint als f: fak Fach, fih viele, fluk
flach, flu Fleiss, fraidax Freitag, frän fragen, ful voll, fül faul.
c) Inlautend ist v^ wenn nicht t oder st folgt, nach langen
Vokalen sowie hinter / oder r zu lo geworden: blttven bleiben, bn^we
Briefe, fit€9r Fieber, hüwl Hobel, n§^wl Nebel, swP^wl Schwefel, slir^
Scheibe, z§«tv9 Siebe. — halw9 tnate halbe Metze, kälw9r Kälber, zalipd
Salbe, — harto9st Herbst, $arv?9 Scherbe, ärütm Schraube, ätartvan sterben.
d) Nach kurzen Vokalen, ferner vor t oder st^ sowie im Auslaut
wird, wie schon im Mnd. und zum Teil As. v (as. b) durch f vertreten :
blafn bellen, gafl Gabel, barft barfuss, drift Trift, jeft gibt, hoftlant
(mnd. hovet'y hoft-) Kopfende des Pfluglandes, krPft (mnd. krevet^ kreft)
Krebs, Q<*ft (mnd. ovet) Obst, — derfst darfst, jafnt gabst, — jraf
Grab, half halb, halfter Halfter, kalf Kalb, Hoi-f starb, zef Sieb.
e) Über Schwund von v hinter a vgl. § 69.
w,
§ 88. a) Anlautend ist mnd. ivr erhalten in icraron ringen,
wrmM Wränge, torüj Rügegericht (veraltet), tcrö^zm Brodem, trrük^
Futterrübe, wrat9 Warze. — Ausnahmen: rliran (sclion mnd. urheu
und r%ve}i) reiben, rQ^^zn (hd., mnd. wrase) Rasen.
b) Mnd. wl wird / in lü^nwrv/^ (zu mnd. ulöm^ osnabr. tvlom)
trübe vom Wasser
c) Mnd. w wird m in majcoUbr Wachholder.
d) Inlautend ist w aus u vor Vokal entwickelt in feifvrwQr Februar.
e) Über vokalisiertes w vgl. § 63.
f) Inlautend steht w nur nach langem Vokal, sowie nach / oder
r: ewif^ haui/t Habicht (auch häirala)^ Iowd Löwe, — uiUwi) Milbe,
.^iralfr<) Schwalbe — jerwon gerben, konvitm) Kürbis.
Anhang.^)
Monophtho]igierang8vorg&nf>;e.
§ 89. Mnd. d und tl. o, a sind in Freuden zu $» geworden,
es heisst also §q<^p Schaf, hq<^n9 Hahn, zq<^m Sohn (§S 18, 19, 21, 23).
Diese Regel erleidet eine scheinbare Ausnahme, wenn nach jenen
mnd. Vokalen ge oder ve durch Kontraktion ausgefallen ist. Aus
mnd. vagel^ vogel ist /il/, aus bavme^ borene ist bäw geworden. Vgl.
§§ 68, 69.
1) Die Ausführungen, welche der Anhang bietet, sollen teils Einzelheiten
der Prendener Mundart erläutern, teils dieselbe für ausserhalb dieser Mundart
liegende Fragen verwerten.
£& erhebt sich also die Frage, ob hier das mnd. lange a sich
erhalten hat, oder ob es das Ergebnis eines besonderen lautlichen
Vorganges ist.
Nach der Regel, dass altes ä zu 9^ wird, müsste aus fdl Vogel,
hdn9 oben fg^b bq^n9 geworden sein, wenn der Ausfall des ve und ge
älter wäre als das Lautgesetz, welches ä zu ö^ werden Hess. Es
muss also die Diphthongierung zu Q^ älter als der Schwund von ge
und ve sein. Nach dieser Feststellung wird man den Vorgang, welcher
die Monophthongierung von ^o zu ä bewirkt hat, ermitteln können.
Aus mnd. age^ ave entstand zunächst $«3«, Q^wd\ als in diesen
Lautverbindnugen die mit starkem Stimmton aber schwachem Geräusch
gebildeten Spiranten unterdrückt wurden, geschah dies, indem man
die zur Geräuschbildung nötige Hebung der Hinterzunge unterliess
und annähernd so lange Zeit, als jene Artikulation erfordert hätte,
den unmittelbar vorangehenden Schlusslaut des Diphthongs ^^ anhielt
und ihm die ganze Kraft des Stimmtones, den 3 oder v erforderten,
zukommen Hess. Die Tatsache, dass in den so entstandenen Lauten
tf der erste Vokal ausfiel, rechtfertigt die Annahme, dass mit der
Dehnung und Tonverstärkung des a eine Verschiebung des Silben-
akzentes von 9 zu ö verbunden war.
Die vorstehende Darlegung, dass es sich bei dem besprochenen
Vorgänge um eine Monophthongierung handelt, findet ihre Bestätigung
dadurch, dass ganz analoge ErscLeinungen in allen übrigen Fällen,
wo ge, oder ve nach einem Diphthong ausgefallen sind, sich ergeben
haben. Zahlreiche Belege hierfür bieten die § 64. 65 zu^mmen.^e-
stellten Wortformen. Es mag genügen, wenn hier nur noch an einigen
Beispielen die Wandlung diphthongischer Laute zu einfachen dar-
gelegt wird.
Mnd. tl. e ist e/ geworden, z. B. lever Leber zu l^^iwr. Eine
Ausnahme bewirkt auch hier der Ausfall eines ge oder ve. Es ist
geworden: knevel Knebel über H-ne/wdl zu kml^ flegel Dreschflegel über
ß^;},3l zu /g/.
Ferner wird mnd. tl. ö zu ^^, also söne Söhne zu z^^m (§ 22).
Dagegen ist (§ 68 d) tröge Tröge über Hv^^t^q zu Ire geworden.
Mnd. e^ hat sich sonst zu i^ entwickelt (§ 30). Dagegen ist
mnd. rlegeii fliegen nicht *ßi^yn sondern flen geworden.
Mnd 6^ erscheint sonst als ü^ (§ 33). Dagefjen ist geworden
mnd. hoven Hufen nicht hüoiren sondern hön. Mnd. 8^ erscheint sonst
als ?/«. Letzteres muss aus ü^ entstanden sein; dafür spricht nicht
nur die Theorie des Umlautes, sondern auch folgender Lautwechsel:
Ks ist mnd. A^^gen säugen über "^zü^yn zu zon geworden.
Einen literarischen Beleg für alten Ausfall von ge und ve bietet
das im Nd. Korr.-Bl. 11 S. 66 gedruckte Kremmener Hochzeitsgedicht
von 1698, in welchem sich grüel statt grihvely schräen statt schregen
findet (Vers 2 und 52).
Zorn Vokalismas der Nenmark.
§ 90. Die in dem yorangegangenen Abschnitte gewonnenen
Ergebnisse dürften grundlegend für die richtige Auffassung der Ent-
wicklung einer ganzen Reihe Vokale der neumärkischen Mundart sein.
Eine Laut- und Flexionslehre dieser märkischen Mundart, die dem
Barnimer Dialekt benachbart ist, hat H. Teuchert in der Zeitschrift
f. dtsche. Mundarten 2, 103 ff. gegeben. Er bietet als heutige Ent-
sprechungen mnd. tonlanger und mancher mnd. organisch langer
Vokale durchweg Monophthonge, wo im echten Prendener Platt Di-
phthonge oder doppelgipflige Laute gesprochen werden, und sieht
in ihnen unmittelbare Fortsetzungen älterer Monophthonge.
Es ist nun bemerkenswert, dass in seiner Mundart, welche
gleichfalls den Schwund des ge und ve aufweist, gewisse Vokale sich
yerschieden entwickelt haben, je nachdem ge ve ausgefallen ist oder
nicht, z. B.
mnd. tl. a > 9 (Prenden 9» $), aber age > ä
r> n oK^ > g { „ „ „), „ oge > a
Es heisst also neumärkisch wie in Prenden: ämt (Pr. änt) Abend,
an Ofen, J9flan geflogen, lidl Hagel, ma(9) Magen, näl Nagel, plä(9)
Plage, ivän Wagen usw. Man wird für diese ä dieselbe Entstehung
annehmen müssen, wie für die Prendener, also alte 9« vorauszusetzen
haben.
Wenn Teuchert § 30 zur Erklärung bemerkt „Im Nmk. bleibt
bei a 0 {\7) vor 3, j und v die ursprüngliche Qualität erhalten **, so
muss ihm seine eigene Annahme, § 30, dass tl. a sich schon mnd.
zu einem verdumpften. also weit offenen ö oder Q entwickelt habe,
Schwierigkeit machen. Das heutige reine a müsste dank dem Ein-
flüsse des Spiranten 3 oder v seine Qualität aus der älteren mnd.
Zeit bewahrt haben. Dazu steht aber im Widerspruch, dass auch
das erst in späterer Zeit aus 0 entstandene, schon bei seiner Ent-
stehung (vgl. Mackel, Nd. Jahrbuch 32 s. 6, § 189,4) dumpfe a heute
in reines a verwandelt wäre; vgl. mnd. vogel, vagel^ heute fal.
Vergleicht man die Lautentwicklung des Neumärkischen mit
der im Barnim, so trifft man auch sonst auf Übereinstimmungen,
welche überraschen müssten, wenn die benachbarten Mundarten nicht
von oft gleichen alten Formen ausgegangen und in älterer Zeit gleiche
Wege gewandelt wären. Der Unterschied ist öfter nur der, dass
Prenden einen älteren Lautstand bewahrt, die Neumark mit oft hoch-
deutscher Lauteinsetzung diphthongische oder doppelgipflige Laute
in einfache gewandelt hat. Verwertet man diese Beobachtung, so
wird man auch andere heute einfache Vokale der Neumark auf alte
Diphthonge zurückfuhren.
Teuchert führt z. B. l in brtf Brief, dmst Dienst, „unter hd.
Einfluss* auf mnd. e zurück. Einfacher erklärt sich l als entstanden
aus f«, was Prenden neben « noch heute bietet und worauf viele
33
Schreibungen in mnd. märkisclien Urkunden deuten. Ähnlich verhält
es sich mit nmk. ü in blürm usw. Auch hier bietet Prenden die
Vorstufe üo^ ü.
Die Entsteliniig des Berliner a.
§ 91. Das lange a hat schon im Mittelalter in fast allen
deutschen Mundarten begonnen sich im Klange dem ö zu nähern,
und ist heute, wenn man von dem westlichen Ostfriesland absieht,
in allen Mundarten Norddeutschlands zu g oder einem $- ahn liehen
Laute geworden. Eine Ausnahme macht ein Landstrich Braunschweigs,
wo statt ^ ein dem f ähnlicher Laut begegnet. Mit dem sich nach
g bezw. § bewegenden langen a ist das ndd. tonlange a zusammen-
gefallen ; nur in Westfalen und am Niederrhein hat es sich als reines ä
erhalten, und so sind die hier gesprochenen Mundarten die einzigen,
welche altes ä bewahrt haben. Ein besonderer Fall liegt in der
Mundart des alten ,, Landes Berlin^ oder des Barnim vor, wo zwar
gleichfalls die langen und tonlangen a zu 9 geworden sind, sich aber
durch die oben § 68 dargelegten Vorgänge ein neues reines ä in
einer Anzahl von Wörtern entwickelt hat.
Als man in den Städten Niederdeutschlands begann hochdeutsch
zu reden, nahm man nicht die Aussprache Ober- oder Mitteldeutsch-
lands, wo übrigens gleichfalls altes ä fast durchweg 9 oder ö geworden
war, zur Richtschnur, sondern man sprach in den zunächst aus Hand-
schriften oder gedruckten Büchern erlernten hochdeutschen Wort-
formen die einzelnen Buchstaben so aus, wie man es bei mnd. Schrift-
stücken gewöhnt war. Beispiel solcher durch die Schrift veranlassten
Vertretung hochdeutscher durch niederdeutsche Laute ist z. B. der
Verschlusslaut b statt der von den Mittel- und Süddeutschen ge-
sprochenen stimmlosen Lenis in Worten wie ;,bin*, »BeiP, oder statt
der Spirans v in Worten wie „aber, eben^. In gleicher Art verfuhr
man mit dem hd. langen a; dort, wo die nd. Mundarten ein reines a
kannten, wurde es als solches, sonst überall anfangs als Q^)y später
als dumpfes ä gesprochen. Die Aussprache des a mit o-Klang als
sogenanntes offenes oder dumpfes a, welche noch heute in vielen
Städten trotz der Anweisung der Schule und des Vorbildes der Bühnen-
sprache weite Ausdehnung hat, war noch vor sechzig Jahren auch
unter Gebildeten sehr verbreitet, und ältere Herren wissen von den
Mühen der Lehrer zu erzählen, ihren kleinen Schülern die Aussprache
ff}for, tqt Vater, Tat, abzugewöhnen. Nur an der holländischen Grenze,
in Westfalen und in Berlin hörte man allgemein reines ä sprechen.
In jenen westlichsten Teilen Deutschlands erklärte sich die Anwendung
des reinen a aus seiner Erhaltung in den dortigen Mundarten. Für
Berlin, aus dessen näherer Nachbarschaft noch keine Mundart dar-
gestellt war, folgerte man dasselbe. Auch seine alte Mundart müsste
es bewahrt gehabt haben. Die vermutete Herkunft der alten Besiedler
1) Vgl. Georg UoUeDhagens Angaben, Nd. Jahrbuch 18, 120.
Ni6d«Tdeatsc1ieB Jahrbnoh XXXIV. S
34
der Mark vom Niederrhein stimmte gut zu der Annahme. Diese
schien jener Vermutung eine neue Stütze zu geben. Die in der vor-
liegenden Arbeit gewonnenen Ergebnisse nehmen zwar diesen historischen
Annahmen den Boden, bestätigen aber, dass in der Tat Berlins alte
Mundart ein reines a gekannt hat.
Die Herkunft des Berliner a hat besonderes Interesse, weil es,
wenn Trautmann u. a. recht haben, von der Schul- und Bühnensprache
(vgl. Trautmann, Die Sprachlaute, Halle 1884 §§ 339, 915) über-
nommen ist. Für die hier behandelten Fragen ist es vielleicht von
Bedeutung als ein Mittel das Alter der § 68 untersuchten Laut-
wandelung bestimmen zu helfen. Diese muss mindestens früher be-
gonnen haben, als das Berliner reine a alt ist.
Die hier vorgetragene Annahme hat zur Voraussetzung, dass
das a nicht etwa dem Einflüsse der seit 1682 in Berlin bestehenden
französischen Kolonie auf die Berliner Schulen und die Berliner Bühne
seine Entstehung verdankt. Es wird sich nachweisen lassen, dass
das reine a der Mark Brandenburg schon gesprochen wurde, ehe ein
solcher Einfluss gewirkt haben kann.
Dass 1715 das reine a schon eine Eigentümlichkeit der mär-
kischen Aussprache des Hochdeutschen war, bezeugt der Bautzener
Longolius in seiner in jenem Jahre erschienenen ;,Einleitung zu gründ-
licher Erkäntniss einer jeden Sprache^. Seite 10 unterscheidet er
nämlich „das Männer a mit langem Munde wie bey den Schlesiern^
und „das Weiber a mit breitem Munde wie bei den Märekern''.
Night ganz so eindeutig ist ein noch älteres Zeugnis. „Deutsches
Lesebüchlein'' (Berlin 1639) Bl. 3b heisst es: „Merket, es wird nicht
undienstlich seyn, den Kindern die Veränderungen des Schalles in
den Vokalen anzuzeigen. Alss: haUj haar, ha ein hell ä als im Wort
Bart, hä ein dumpfig ä als im Wort hold etc. Bie, Bier, bi (helle)
Bisem, bi (dumpfig) bin. Bö, Böge, bö, Boltz*' usw. Es wird also
der offene I^aut der kurzen Vokale dem geschlossenen der langen
entgegengestellt und dem langen a die Qualität der geschlossenen
Vokale beigelegt. — Es ist zu Anfang dieses Abschnittes darauf hin-
gewiesen, dass in den Landstrichen, in denen sonst reines a im Hd.
gesprochen wurde, auch die Mundart ein solches a kannte. Man
wird dieselbe Erklärung auch auf das Berliner a übertragen und
weiter annehmen müssen, dass die nach § 68 entwickelten a schon
in der Mundart vorhanden waren, als das Hochdeutsche in Berlin
Schul- und Volkssprache wurde.
Die Entstehung der Tondehnnng.
§ 92. Der Niederbarnim ist von den Deutschen erst nach 1220
(S. 1) besiedelt worden. Dass damals die Tondehnung schon im
linkselbischen Stammlande vorhanden war und die durch sie aus i
und u entstandenen tonlangen e und o für die Entstehungszeit der
niederbarnimschen Mundart vorausgesetzt werden dürfen, wird sich
erweisen lassen. Bisher ist die Zeit, in welcher die Tondehnung be-
gann oder ihren Abschluss fand, noch nicht festgestellt worden. Bei
35
ihrer Ermittlung ist man wegen des Mangels datierter deutscher
Schriften aus der Zeit vor 1227 auf die mnd. Eigennamen in lateinischen
Urkunden angewiesen. Die Durchsicht einer Anzahl Urkunden bücher
ndd. Städte ergibt, dass die alten Namensformen mit i und u im
13. Jahrb. von den Schreibern noch lange festgehalten wurden, und
tonlange e und o nur vereinzelt zwischen und neben jenen begegnen.
Derselbe Schreibergebrauch tritt uns noch in dem ältesten datierbaren
mnd. Prosadenkmal, dem Braunschweiger Stadtrecht von 1227 (Ur-
kundenbuch der Stadt Braunschweig 1, S. 3 ff.) entgegen. Wie in
den gleichzeitigen Urkunden überwiegt noch die alte Schreibung mit
i, H, nur vereinzelt finden sich die neuen e und o z. B. enie ihm § 9.
12. 21. 31; me ihn 25. 32; erm ihren 38; hegrepmi ergriffen 24;
heneden unter 48; h'eket bricht 8; speletnan Spielleute 21 ; vrede Friede
32. 57. 64 ö.; wete wisse 23. 26 ; schotelen Schüsseln 21. Die frühesten
Belege der Tondehnung, welche ich gefunden habe, bieten die in A.
U. ab Erath's Codex diplomaticus Qmdlinhurgensis (Fraticofurti ad M.
1764) abgedruckten Originalurkunden in den Namensformen der Stadt
Quedlinburg, as. Quidelingaburg, ahd. Quitilincahurc, Die älteste Ur-
kunde mit einem tonlangen «, S. 101, n. 28 ist von 1180, die Aus-
stellerin nennt sich Athelheidis Qiiedelingehirgensis abbatissa. Die
nächst ältesten Belege finden sich in den nicht datierten Urkunden
bei Erath S. 111 f nr. 43. 44. Da die Ausstellerin Agnes Qtiede-
lingilnirgetisis abbatissa dieses von 1184 — 1203 (s. Fritsch, Geschichte
der Stadt Quedlinburg 1, 118 ff.) war, müssen die Urkunden in dieser
Zeit geschrieben sein. Fernere Belege mit Q^iedelingheburg enthalten
die Urkunden auf S. 127 nr. 10 von 1208, S. 137 nr. 23 von c. 1219
und S. 139 n. 29 von 1222. Tonlanges e findet man ferner S. 124
nr. 7 V. j. 1206 in dem Ortsnamen Wenethmeti (heute Wendhausen),
dessen ältere Form Winathehtisiün, Winethusen war. Fast genau ebenso
alt wie der früheste Beleg der Namensform Quedelingeburg mit e statt
altem i ist die älteste mir bekannte Urkunde, welche das aus altem u
entstandene tonlange o aufweist. Sie findet sich in den von v. Schmidt-
Phiseldeck bearbeiteten „Urkunden des Klosters Stötterlingeburg^
f Halle 1874) als Nr. 4, ist v. J. 1182 und enthält dreimal die Form
Stoterlinge, während die älteren Urkunden und auch die wenigen uns
aus der Zeit zwischen 1182 bis 1272 erhaltenen die Form Stuterlinge-
bürg bieten.
Wenn die tonlängen e und o schon um 1180 in der Schrift er-
scheinen, darf ohne Weiteres angenommen werden, dass sie selbst
oder doch die sie erzeugende besondere Aussprache der alten i und u
in betonten offenen Silben schon früher im Volksmunde vorhanden
waren und von den alten Kolonisten der Mark aus dem linkselbischen
Stammlande in die neue rechtselbische Heimat mitgebracht wurden,
und zwar nicht allein von den Besiedlern des erst nach 1220 deutsch
gewordenen Barnim, sondern schon von den unter Albrecht dem Bären
(1134 — 1170) die alte Nordmark besiedelnden Deutschen.
Schwieriger ist die Feststellung des phonetischen Wertes, welchen
die durch die Tondehnung sich entwickelnden Laute anfänglich hatten.
3*
36
Die nahe liegende Annahme, dass sich aus i und u zunächst Zwischen-
laute, dann geschlossene e und o entwickelt haben, scheint freilich
durch die heutige Mundart eines Teiles der Provinz Sachsen unter-
stützt zu werden. In Quedlinburg, Oschersleben usw. ist tonl. e später
mit dem mnd. Umlaut e zusammengefallen, und es haben die tl. e
und 0 heute genau die geschlossene Aussprache der alten Längen e
und ö. Nur wo später Vokalkürzung eingetreten ist, erscheinen
offene e und o, es also ik nerm ich nehme, f6h viele, j6m geben, aber
d§rem geschrieben und kwedlnbory^ Quedlinburg, böbm oben, dhrökn
gebrochen, aber dnom genommen heisst.
Ganz anders stellt sich jedoch die Entwicklung ausserhalb dieses
Gebietes, wie die nachstehende Tabelle erkennen lässt, in der, um
eine Vergleichung möglich zu machen, auch das mnd. Ümlauts-e und
das aus westgerm. au entstandene o berücksichtigt sind.
Mnd. tl.
a
e
e
0
0
n
6
Uli
ö
0
As.
a
e
i
0
u
e
Münster
a
'V, /«
{% l^
«0; ÜO
u^, ü^
Gl
Oschersleben
Q
5
e
ö
Q
ö
e
e
Mecklenburg
9
?
?
Q
Prenden
qa
r
ee
qa
ga
e
ö
Geht man von der Voraussetzung aus, dass die Entwicklung
der verschiedenen Bezirksmundarten von wesentlich gleichen Anfängen
ausgegangen ist, so erscheint die Annahme, dass die tl. mnd. e und o
anfangs monophthongische Vokale waren, angesichts der heutigen
Entsprechungen in Münster usw. nicht haltbar. In diesem Falle hätten
sie z. B. in Mecklenburg wie in Prenden irgendwann mit mnd. (t^
und 6^ zusammenfallen müssen. Wird aber ausgeschlossen, dass die
tl. e und 0 allmählich sich dehnende Monophthonge waren, so bleibt
nur übrig in ihnen ursprünglich kurze Vokale zu sehen, welche in-
folge der Schwächung des Endsilbenaccentes zu dem eigenen einen
schwächeren zweiten Accent erhielten, d. h. zu Vokalen mit schleifendem
Accent wurden, unter dem sich zunächst ein überkurzer Vokal hinter
dem ursprünglichen i oder w, also zunächst i^ und m« bildete. Die
weitere Entwicklung führte dann, je nach den Sondergesetzen der
einzelnen Bezirksmundarten, allmählich zu einfachen Längen oder
Diphthongen. Wenn Ghytraeus 1582 und andere Mecklenburger vor
ihm (Nerger, Grammatik des meklenb. Dialektes § 26) das tonl. e
durch ein übergesetztes kleines « bezeichnen, welches sie bei dem
ursprünglich langen e nicht verwenden, so kann man hieraus schliessen,
dass dieses übergesetzte « nicht Zeichen der Länge ist, sondern den
37
damals noch hörbaren nachschlagenden Vokal bezeichnet. Für das
Mittelniederdeutsche ergibt sich aber, dass die tl. e und o auf einem
grossen Teil seines Gebietes noch diphthongische Laute waren. Wenn
sie trotzdem in den mnd. Handschriften als einfache Vokale erscheinen,
so erklärt sich diese Tatsache aus der mnd. Regel, dass Diphthonge
durch einen einzigen ihrer vokalischen Komponenten bezeichnet werden
konnten.
Zu Laarembergs Seherzgedicht I. v. 18 n. 21.
§ 93. Nachdem Lauremberg die Lehre von der Seelenwanderung
kurz dargelegt hat, fahrt er fort:
17, Ein Kriegsman und Soldat, wenn em de Seel entführ,
Keem se tooll in ein Peer dt, edr in eine olde Sör.
21. Ein riker Wanst, de sich stattlich tracteren plecht,
De würde woll ein Svoyn, und eet, mit Gunst gesecht.
In diesen Versen ist das Wort Sör bisher von allen Übersetzern
und Erklärern als *Sau' aufgefasst worden. Schon die dänische
Übersetzung von 1652 (Neue Ausgabe von Paludan, Kjöbenhavn 1889),
von der man gern vermuten möchte, dass sie unter einiger Mitwirkung
Laurembergs veranstaltet sei, hat das Wort so verstanden.
En Krigs Mand oc Soldat naar som hans Sial udfoer,
Kom den udi en Seat, eller i Svine Hiord.
Der allgemeinen Annahme folgt auch Braune, wenn er S. 112
seiner Ausgabe sagt: „Sör f. Sau. Aus dem Dänischen so, plur. söer.
Sonst braucht L. stets das ndd. Söge.^
Da Lauremberg lange Jahre Professor an der dänischen Akademie
in Soroe war, ist die Annahme von Danismen in seinen Scherzgedichten
zulässig. Trotzdem ist es nicht verständlich, dass Lauremberg eine
Sör gesagt haben soll, wenn im Dänischen eine Sau en So heisst und
Söer stets Plural ist. Auch lässt sich gegen diese Erklärung anführen,
dass einige Verse später, V. 22, das Schwein als die geeignete Stätte
für die Seele reicher Dickwanste genannt wird.
Die künstliche Deutung von Sör als Sau, mnd. söge, dänisch so,
verdankt ihre Entstehung dem Umstände, dass bisher kein gleiches
ndd. Wort nachgewiesen ist, welches hier in den Zusammenhang passt.
In § 86 dieser Arbeit ist ein solches W'ort gefunden. Das hier ver-
zeichnete tsor9 ^schlechte Stute" kann, wie nachgewiesen werden soll,
zu Laurembergs Sör stimmen, und man wird, da mnd. pert (mnd.
Wtbch. 3, 322) im besonderen ^Hengst* bedeuten kann, Vers 18
übersetzen dürfen: ;,kam die Seele eines Soldaten in einen Hengst
oder je nachdem in eine alte Stute." Das Beiwort ^alte" wird noch
heute gern mit tsore verbunden, da dieses Wort genau wie mhd.
gurre, gorre zur herabsetzenden Bezeichnung alter schlechter Stuten dient.
Zur Stütze der neuen Erklärung bedarf es noch zweier Nach-
weise, erstens des Vorkommens des Wortes in äjterer Zeit und in
Mecklenburg, zweitens der Möglichkeit, dass s statt z in tsore ge-
schrieben werden konnte.
38
Dass das Wort auch in Mecklenburg und Vorpommern bekannt
ist, beweist der Beleg bei Gilow, De Diere (Anklam 1871) S. 769.
j^Zür^ Züre, Zöi% Zurre, ein altes schlechtes Pferd^. Einen Beleg
V. J. 1675 bietet das ndd. Lied im Ndd. Jhb. 31, 43 vgl. Anm. 1,
in der meine Erklärung bereits angedeutet ist.^)
Die Möglichkeit, dass im Anlaut das schriftsprachlich richtige z
(= lautspr. ts) mit s wiedergegeben werden könnte, folgt gleichfalls
aus der § 86 bereits mitgeteilfen Tatsache, dass von Niederdeutschen
im Anlaut statt des hd. z {ts) oft einfaches stimmloses 5 gesprochen
wird. Auch in Mecklenburg ist das der Fall, wie Nerger § 67, vgl.
auch Mackel Nd. Jhb. 31 S. 156 §7, ausdrücklich bezeugt. Zahl-
reiche Belege für die Verwechslung von hd. s und hd. z bietet auch
das mnd. Wtb. vgl. z. B. sahel, zahil; sage, z(ige; sedele, tzedule; seder,
ceder; sedner, czedewar^ zedetvort; sege tzege; sirät, tzirot; siren tziren
usw. Um so eher konnte Lauremberg sich für s entscheiden, da er
in Dänemark lebte. Die dänische Aussprache setzt s^ets stimmloses 8
für anlautendes hd. z ein.
Ein kleines Erlebnis in Dänemark, wo ich so oft deutsch redende
Dänen ,,ßeit^ statt „zeit" aussprechen hörte, ermöglicht mir die richtige
Deutung einer zweiten bislang gleichfalls nicht verstandenen Stelle
der oben angeführten Verse. Ein älterer Herr fragte eine Dame:
„Haben Frau Doktor schon Erdbeeren gefressen?^ Als die deutsche
Dame tat, als wenn sie die Frage nicht gehört habe, wiedei'holte er
sie mit erhobener Stimme so laut, dass die ganze Tischgesellschaft
sie vernahm und eine der anwesenden dänischen Damen den unbe-
absichtigten Missgriflf des alten Herren erklärte und entschuldigte. —
Das lautlich dem ndd. eten^ hd. e^sen entsprechende dänische Wort
cede wird nur vom Vieh gebraucht. Jenem dänischen Herren wollte
deshalb das Wort „essen** nicht über die Zunge. Er geriet auf das
Wort „fressen" und kam so zu dem Missgriflf, den er gerade hatte
vermeiden wollen.
Aus demselben Gefühl, dass eten eigentlich kein schickliches
Wort sei, wenn von einem Menschen die Rede ist, fügte Lauremberg
den Worten und eet die Formel mit gunst gesecht bei. Die Stelle
^) Herrn Proiessor Dr. Siebs verdanke ich den Hinweis auf folgende aus
einem mhd. Arzneibuche des 14/15. Jahrh. in den Mitteüungen der Schles. Gesell-
schaft für Volkskunde Heft 13 (Breslau 1905) S. 23 abgedruckte Stelle: wer verrc
riten sal, der sal verbenam unde arthemisiam dem pherde under den scopph binden,
es erliget numtner unde wert ouch ummer (lies nummer) czüre. Ein anderes
Arzneibuch^ hrg. von F. Pfeiffer in den Wiener Sitzungsberichten, hist-phil. Classe,
Bd. 42 (1863) S. 150 bietet dieselbe Stelle mit dem Wortlaut Swer verre riten sol,
der binde verbenam unde artimisiam dem ross umbe den schoph, zwar, es erlit
nimmer, es entoirt ouch nimmer ze rceche. Die sinngleiche Wiedergabe der ge-
meinsamen Quelle beider Arzneibücher vorausgesetzt, muss züre = ze rieche, also
^steif bedeuten. Das Wort züre fehlt bei Lexer, mnd würde ihm t^re entsprechen,
und es würde dann mit dem mnd. Verbum tären verwandt sein, welches sich bei
Pseudo-Gerhard von Minden, Fab. 59, 65 findet. £in Esel sagt hier zu einem
Pferde : Nu ju des tomes is vorduret, nu ju de lamen lede turet, nu is der stolt-
heit ju gesturet.
39
wird man also sinngemäss zu übersetzen haben : ^Ein reicher Dick-
wanst würde wohl ein Schwein und frässe, mit Respekt gesagt.* Dass
mnd. eten auch ^fressen*' bedeutet, belegt das mnd. Wörterbuch.
Spracbprobe.
§ 94. Die Sätze, deren Übertragungen Wenkers Sprachatlas
zugrunde liegen, lauten in der Mundart von Prenden:
1. in tvint9r flen dt« dron blädar döry^ die luft rämhär. — 2. et
hört jlly up tü^ änami, den wart ddt ice^ddr wecbr besar. — 3. diix
kö^ln in den kaxl'än, dat di« melk bah an tu« koxon fant. — 4. d^
jü^d^ oh man is met ddt pärt dörf^ ddt zs jdbrqf^kii un in ddt koh
tvö^tdr jdfaln. — 5. he is för ßr öd^r zeks woxn JBätortmn. — 6. ddt
für icgr tü^ heta, dif kü^kn zint jQ umn jans äwart jdbrdnt, — 7. he
et die dir ümar g<^n9 zolt un p^^p^r, — 8. dl^ füeto dün ml zlrd iv^,
ik jloico, ik hebd zi^ döiyjdlöpm. — 9. ik bin bl di» frau ßwest un
heb9 et ^r jdzast, un zl^ zexh, zi^ tvolt ök pvdr doxter zejen (^auch zän),
— 10. ik tril et ök niy weckr düon. — 11. ik älg« d% jliy^ met den
koxl^^pdr um dd örn, du Q^psl — 12. wo jaistü hen, zöh m met dl
j(}^n? — 13. et zint äleyta tldn, — 14. min llnvdt kint, bltf hie uwri
Hq^n, die hozd jdnzo bltn dl döt. — 15. du hest hüto am mlrstn jdllrt
im bist grtiy ßtvest, du derfst fro9r na hüza jq<^n as die amrn, —
16. du bist nox niy jröt jdnnx um end flasd wln üt tu dritjkn, du
mütst trst nox en em wasn un jroter wern, — 17. zl zö jüet un zejd
dim §tcdst9r, zie zal die kled^r för jatw mutr fertig nän un met die
bör§t9 raim mQ^kn, — 18. hetst du etn jdkent, den w^rdt änderet p-
kq^m, un et d^do bes9r met em stq^i, — 19. w^ het ml min korf met
jle^ JQätgf'ln ? — 20. h§ het zö jadö^^n, as hedn zte em tum drö§n bd-
stelt; zie hebm et äuvr alend jddgn, — 21. wen het h§ die naid jaäiyp
f^rtelt? — 22. man milt lüt ärain, ziis farätait he uns niy . — 23. wi
zint müedd un hebm dorät. — 24. as wi jist9rn änt turiijd kern, dq<*
län die andam äön tue hedd un wgrn festa inj9älg^pm. — 25. dq änB
is diz9 naxt bi uns lijn jdbl^etc^n, äu^r hüte morjdn is he J9ämoltn. —
26. hitc^r unzd hüs stg^n drai Sono djylbomdkins met röds dp/kins. —
27. km jl niy nox Sn önblik up uns wgrri, den jg^n wi 7net jau. —
28. jl denvon niy zona kiT^araion drUv9n. — 29. unz9 bdrjd zint niy^
zird höx, die jaun zint fib hojor. — 30. wo fib punt wor§t un wo fib
bröt wiln jl hebm? — 31. ik fdrstg jau niy^ ji müdn en bütskin lübr
fipr^ekn, — 32. hebe ji kdn stükjdn unt9 zepe för ml up min düä jd-
fu79n? — 33. zin brüedor wil ziy twe sono naie hüzsr in jaion jq^rn
bann. — 34. ddt wört kam etn fönt hdrte. — 35. ddt wQr re-yt fon
em. — 36. wat zitn dgf^ för fäbkins band up die maiier. — 37. die
bätv hadn fümf osn un noin ko un_ tswölf sg<^p9 för ddt dörp jdbraxt,
die wühl zie fgrkopm. — 38. die lüde zint hüte ab bütn up ddt feit
un man. — 39. jox man, de brüne hunt düet di nilSt. — 40. ik bin
met die ISde dö<* hip owdr die weeze in ddt kgrn jdfürt.
CHARLOTTENBURG. Erich Seelmann.
40
Die KoDjanktioD 'und' in der Mandart Yon Gattenstedt
(bei Blankenburg a. Harz).
I. Formen, a. Die bei weitem häufigste Form der Koujunktioii
'und' in der Cattenstedter Mundart ist un.
b. Abschwächung zu en und n findet statt in den aus Einer
und Zehner zusammengesetzten Zahlwörtern^ z. B. einenfufzich, zwein-
fufzich, dreinfufzich, ftrenfufzich, ßnewenfufzich, sexenfufzich, achtefi-
fufzich, neunenfufzich. In der Zusammensetzung mit sehen und meist
in hd. Form siben wird das en oder n nicht mehr gehört, z. B. sehen-,
sthenfufzich. Zu en ist *und' ferner geworden in folgenden feststehenden
Verbindungen: körten klein, got loben dank, got eren dank, jären dach;
vielleicht auch in ßtzen fei, wofür in Helmstedt ßx un fei gesagt werden
soll. Der Ausdruck wird gern von Kindern und jüngeren Leuten
gebraucht, die noch ohne Erfahrung sind und furchtlos und unvorsichtig,
ohne Gefahr zu ahnen, etwas tun, das ihnen Schaden bringt. Man
sagt dann zu ihnen: st nich imme^' sau fitzenfei oder wurumme biste
sau fitzenfei, du 7nost Srscht dorch schaden klauk wh*en.
c. Als end und nd erscheint 'und' in den Verdoppelungen
ütendüt, ummendum, ewwerndewwer, und zwar wird beim Sprechen das
d zur folgenden Silbe gezogen.
II. Gebrauch. 'Und' verbindet koordinierte Sätze und Satz-
teile und ist ursprünglich lediglich aneinander reihend oder aufzählend,
aber je nach der Beschaffenheit des durch 'und' verknüpften Satzteiles
erhalten diese Verbindungen oft eine eigenartige Bedeutung.
A. Verbindung von Satzteilen.
1. 'Und' verbindet beliebige Satzteile. Dieser Fall ist der
häufigste und bedarf nicht vieler Beispiele: pSivt un esel. gröt un rasch.
2. 'Und' verbindet denselben Satzteil.
a. Ist dieser ein Verb, so wird dadurch eine längere Dauer
der durch das Verb bezeichneten Tätigkeit ausgedrückt, die allerdings
auf Momente unterbrochen sein kann. Diese Ausdrucksweise ist beliebt,
z. B. hei kukke un kukke; ek junk im junk (ging); ek laus un laus
(las); et rhte un r&ne,
b. Wird derselbe Komparativ durch 'und' verbunden, so wird
dadurch eine Verstärkung des ersten Komparativs ausgedrückt, z. B.
necher im necher kommen, näher und (noch) näher kommen; et rhie
immer didder un dulder; hei leip immer rascher un rascher,
c. Ein hoher Grad, ein Superlativ wird bezeichnet durch die
Wiederholung desselben Adverbs, z. B. dorch un dorch nät sin, ganz
durchnässt sein; rfä appel is dorch un dorch fül, der Apfel ist voll-
41
ständig faul; eunoerndew^wer scheif stn^ völlig schief sein; ütendüt riten,
vollständig zerreißsen; ummendum schmUen, ganz übereinander werfen;
nd nn nä^ ganz allmählich. Diese Ausdrucksweise beschränkt sich
jedoch auf diese wenigen Fälle
d. Rein aufzählend dagegen ist 'und' in den Verbindungen
fia un dft, der und der; dat un dat\ sau un sau^ in denen dasselbe
Wort an zweiter Stelle eine andere Beziehung hat als an erster.
3. 'Und' verbindet Zusammengehörendes. Stehende Wendungen
dieser Art sind wägen un p&rt, sölt un hrot, dat is sin plausch un
ejje] ferner folgende Benennungen beliebter Gerichte: appel un bSren,
khinz un beren, klunz tm schwetschen, schtvarts^tir un klmiz.
4. Die Verbindung zweier Satzteile durch 'und' dient zum
Ausdruck eines einzigen Begriffs; sie hat etwas Anschauliches und
Natürliches und lässt sich etwa folgendermassen gruppieren.
a. Verbindung von Gegensätzen, dat schunn is under nischt
ni koj) un ärsch = ist sehr kurz, op leben tm döt (/an, op un nedder.
rop un runder, rüt un rin. üt un in gdn. gröt un klein, freu un
schp^de. nich rikwarts un nich fonvarts kennen, wt hunt un katte
leben, heit un költ wiiren. einen för kort un lank üt^chiln, jemand
tüchtig ausschimpfen, arge Schimpfworte gegen jemand gebrauchen.
gut wn kr-üt. links un rechts wekke umme de oren hin. undne un
oben, op un df gdn. op tm nedder gdn. hen un Mr. hen un der
wedder, bisweilen, hir un dd, vereinzelt datm tm Idten: me wet mch,
wat me daun un loten salj man ist unentschlossen. u^i% me geit tm
schteit, überall sau un me geit un schteit, so wie man gerade gekleidet
ist, sofort.
b. Verbindung von Synonymen, putz tm schtdt mdken. krtmi
un Idm stn. eilten döf tm blint schldn. krik tm obenschtel, Krücke
und Ofenstiel, d h. Kreti und Pleti. hak tm mak. sek dul tm ful
süpen. dp m'rt tm dötschläch ütgdn. schtein un bein klän. tdder
nischt ivi küt un knöken stn. schnei tm is. sek schinnen un hvSilen.
fr^Aten un süpen, schwelgen, lopen tm schtarzen. sein un heren. dik
tm fet. schttf tm feste, dum un ahvern w^ren, nervös, verrückt werden.
met ach un krach üfnander gdn, sich unter Zank trennen, kein hint
un kein kint hebben, ganz allein sein, niemand zu versorgen haben;
hint = Hund? luch un druch. sek met hennen un feuten weren. sek
heun un wären, sich sehr hüten, sek drein un wennen. met sak un
pak. met frü tm kint. döt un taufal. leben un schtveben, wimmeln.
lank un breit, ausführlich, alles lin tm $chtän Idten, unverzüglich.
mal tm nise opschparn, ganz verwundert sein, schtr un blank, sehr
rein, sehr sauber, kr um un scheif. krank un schwach stn. et sat tm
dikke hebben, einer Sache überdrüssig sein, tvt dach tm nacht stn,
himmelweit voneinander verschieden sein, tmime (for) nischt tm lange-
teile drbein^ umsonst arbeiten.
c. Verbindung alliterierender Satzteile, die oft zugleich synonym
sind. Das Wesen dieser Alliteration ist, einen Begriff durch zwei
Worte auszudrücken, drin un drop jeben, reichlich geben, schobben
42
un schtreHj gründlich scheuern, körten klein schldn, ganz entzwei
schlagen, buk un bdk ful, ganz voll, ganz be])ackt. kint un kkjel.
etvwer schtok un schtein. met hüt un hären. ItAs un hof, krimmen
un kratzefi. klip un klär, blitzen un blenkern, äusserst blank geputzt
sein, for dau un ddge, in aller Frühe, fri un frank, bi nacht un
neunvel, in völliger Dunkelheit, met schtrunk un schiel utriten, voll-
ständig ausreissen. (de) kriz un kwsir. yreun un Ja/ schlän, gehörig
verhauen, nich half un nich heile stn, nichts Ordentliches, Rechtes
sein, meu un marode, ganz ermattet sein, dum un dhnlich, ganz
dumm. schimp un schanne. tvint un wMer. samt un sondersch.
sek nich rippeln un rin, sich garnicht bewegen, jift un gäben, jift
(venenum) un galle. gät un j&rn. nischt te btten un te bräken hebben.
fon ktks un kaks nischt wetten, et is mek noch kutschen fei un fleisch,
ich bin noch unschlüssig ein ei un ein eierkauken sin, die dicksten
Freunde sein, ru un rast, nich emäl for jelt un gude were kämme
wat krtn.
B. Verbindung von Sätzen.
1. 'Und' verbindet beliebige koordinierte Sätze. Beispiele sind
nicht nötig.
2. Ein Satz mit *und' statt eines Infinitivs mit *um zu' oder 'ohne
zu' steht nach einigen Verben, besonders nach den Verben der Bewegung:
kum mek jö nich wedder un uit wat hebben. dd kirnst mek tnan
wedder un uit wat hebben. hei kam un sä atje oder umme atje te
sein, hei junk (ging) und sä nich emdl atje oder one atje te sein.
hei schikke en boden un leit sein, löp un häle melk, hei is nä
Reuwelant efären un Mit brMer oder umme brMer te hälen. hei is
ndW mele un hält schret. ek mofn gayizen dach schtän un waschen,
hei schtunt wn Iure,
3. Ein Satz mit 'und' statt eines Infinitivs oder bisweilen statt
eines dass-Satzes steht nach ergänzungsbedürftigen Ausdrücken. Dieser
Sprachgebrauch ist für das Hochdeutsche von Behaghel in der Zsch.
f. d. Wortforschung VI, 366 — 368 ausführlich behandelt und mit
Beispielen aus den verschiedensten Gegenden und Schriften belegt.
Hier handelt es sich um die Ausdehnung dieses Sprachgebrauchs in
der Mundart eines einzigen Dorfes.
a. Nach Substantiven ohne oder mit einem auf das Folgende
hinweisenden Pronomen. lust hebben: wenne lust hest un medde
schpvlen wit oder medde te schpclen. Aber nur heste lust medde
te schpclen?
koräge hebben (spr. g wie franz. g): wenne koräge harre un
hen jinge.
iti schtanne shi: rfä is in schtanne un secht dat. Aber: hei is
nich in schtanne dat te dran.
(/an je fallen dann: dauch mek dhi jef allen un gäch hen (nie:
hen te gän). hei deut mek c/äw jefallen nich un geit hen oder dafe
hen geit. wenne mek dan jefallen de un hen jinge oder hen te gän.
deuste mek wol dän jefallen un geist hen ?
43
oj) dkn jedanlcen {da ide) kommen: mi kimmeste man op d^n
jedanken an geist da hen? oder da hen te gdn? ek warre nich op
rfan jedanken ekommen un warre dd hen egän oder da hen te gdn.
teil sal ek wol op dän jedanken kommen un da hen gdn oder da hen
te gdn oder dat ek da hen gd. Ebenso häufig wie der Infinitiv mit
zu ist 'und' nach einem Infinitiv des Ausrufs oder der Verwunderung:
nich op d&n jedanken te kommen un dat te sein, rfä kordge te hehhen
un dd hen te gdn.
da kordge hebten: ek harre d& kordge nich ehat an harre dat
esecht oder dat te sein. Aber hei het nich rfä kordge, dat'e dat secht
oder dat te setn. Ebenso nur: hei het nich de lust, dafe sek bikt
oder sek te bikken.
In derselben Weise wie in den angeführten Beisi)ielen steht *und'
nach rfä drtstichkeit hebben, rfa insicht hebben, op dan infal kommen,
t/an forschtant hebben, sinen tüillen hebben (dorchsetten), stnen kop op-
oder dorchsetten, sinen schus (Anfall, Einfall, Laune) krtn, in der läge
sin: ich' in rf&r läge is un dat kan; wenn ek in dSir läge warre un
dat kenne. Aber nur: ek bin nich in rfSr läge, dat ek dat kan oder
dat te kennen.
b. Nach Substantiven mit vorhergehendem sein, saun'^) (so ein,
solch) oder saufei, ja, denke mal hen, saune dumheit mdke ek noch un
gä da hen. mäkste 6k noch saune dumheit un geist du hen? wenn ek
seine dumheit mäkte un da hen jinge, denn schien mek min fdder dot.
w\\r wart wol seine dumheit mdken un da hen gdn. saune dumheit mäk
man un gdch dd hen. saune dumheit te mdken un dd hen te gdn!
saufei forschtant mot doch wol en minsche hebben un dat seift
(sehen) oder dafe dat sU. wenne saufei forschtant harre un dat inse
oder dat in te sein oder dafe dat inse. nich saufei forschtant te hebben
un dat te sein, du sostest doch wol saufei insicht hebben un dat täten.
In negativen und Fragesätzen dagegen scheint un nach saufei wenig
oder gar nicht üblich zu sein.
In der angegebenen Weise steht 'und' nach den W^endungen saune
kordge, dristichkeit hebben; op seine jedanken, op seinen infal kommefi;
seine jeschichten, schtreiche, galeppe (Torheiten) nuiken; saun natre,
trop, jakop, dumbatz, duseldir, scMpskop sin; saufei ndjedanken, tust,
ewtcerleiunk hebben.
c. Nach Adjektiven mit vorausgehendem sau. Statt eines Satzes
mit 'und' kann auch ausnahmslos ein dass-Satz, aber nie ein Infinitiv
mit 'zu' folgen, rfä is sau dum un secht dat. is hei wol sau driste
un geit da hen? wenn hei sau arme is un dat nich betdien kan.
st sau gut un hdle mek dat mal Aar. 2) si nich sau dum un sech jd.
1) Ebenso im Mnd., z. ß. du schalt komen in sodan not unde mit swete
eten dat brot. Statwechs gereimte Weltchronik, herausg. von Artur Korldn,
Vers 79/80.
') Ähnlich im Schwedischen: vill ni vara god och säga mig. var god och
kom ihäg det.
44
wSir is wol sau alwern un deiU aau wat! ek kan nich sau schlecht
sin nn einen beiein (belügen), sau hitzig te sin un gliks te schMn.
rfä is sau dum nich un secht dat. du bist sau dum un weist dat nich 'i
Aber nur hei is sau arme nich, dafe dat nich betdien kan (kenne).
Andere Adjektiva, nach denen gern ein Satz mit *und' folgt, sind:
klauk, schlü, forrikt, gut, trüharzich, tränpettich, hinderlistich, forsch-
tennich, jescheit, kumpdwel (fähig), forwart, forsiehtich, ordinSir, op-
dringlich, diknSiSich.
d. Nach einem Adjektiv mit nachgesetztem e^iauch, nauch
(genug). dSi is dum etiauch un deut sauwat (dat). Diese Ausdrucks-
weise ist jedoch seltener, meist steht dafür ein dassrSatz.
e. Nach Verben mit einem auf das Folgende hinweisenden
Pronomen wie sauwat, dat, dutau, et, auch sist wat oder sonst wat.
um kanste man sauwat mdken un dhi akker kepen. um biste man
dätau kommen un hest dhi akker ekoft. wenn hei sek dat forenommen
het oder wenn hei et sek in'n kop eset het un dat hüs kepen unl, denn
d£ut hei d<it 6k. In diesen Fällen kann auch ein dass-Satz folgen,
aber niemals nach sist wat, z. B. ek unl ne sist (sonst) wat duun un
for ene da hen gän.
f. Nach einigen Verben ohne einen auf das Folgende hin-
weisenden Zusatz, um den Inhalt dieser Verben auszudrücken, h^i
trotzt un wil nich kommen, hei schüt sek un unl nich hen gän. wenn'e
sek äwer weijert un nich betdlt. wenn'e dwer nei secht un nich kirnt,
wenn'e dwer nich unl un dat mSiken sitten let? wenn'e äwer tau (ja)
secht un kirnt?
Schlussbemerkung. Bei dieser kleinen Untersuchung über
den Gebrauch von 'und' in der Cattenstedter Mundart mag mir
manches entgangen sein; wer aber weiss, wie schwierig es ist, den
Sprachgebrauch in einer lebenden Mundart in seinem ganzen Umfange
festzustellen, der wird gern Nachsicht üben. Hinsichtlich des Wertes
des e in den Endsilben bemerke ich, dass dasselbe vor einfachem
Konsonanten stumm ist, vor Doppelkonsonanten nicht immer. Letzterer
Fall bedarf noch näherer Untersuchung.
BLANKENBURG a. H. Ed. Damköhler.
45
Idiotikon von Eilsdorf
(bei Halberstadt).
Harz, Bode, Bruchgraben und Oker/Ilse begrenzen ein Viereck,
in dem sich als beherrschender Höhenzug der Huy (spr. hü) erhebt.
Die Mundart dieses Gebietes möchte ich Huymundart nennen. Sie
zeigt nur geringe örtliche Verschiedenheiten, sodass sie von den
uDgelehrten Landbewohnern als einheitlich empfunden wird. Die
sprachliche (irenze bildet im Westen die Diphthongierungslinie i\ei^
die Damköhler 1) genau festgestellt hat; im Norden die tA;- Linie; im
Osten die Bodemundart mit der Endung -en (-n) im plur. praes. und
im Süden die Mundart des Harzes, deren Eigenheiten Damköhler 2)
dargelegt hat.
Dieser Huymundart gehört die Mundart von Eilsdorf an, deren
Wortschatz hier dargeboten ist. Eilsdorf ist ein Dörfchen 12 km
nördlich von Halberstadt. Trotz der Nähe der Stadt ist seine Mundart
rein niederdeutsch. Die geringe Beeinflussung durch das Hochdeutsche
mag ihren Orund darin haben, dass Plattdeutsch wohl von allen
Kreisen der Stadt verstanden und von einigen auch — wenn auch
nicht rein — gesprochen wird.
Die Mundart ist noch für alle Dorfeingesessenen die Umgangs-
sprache. Erst in jüngster Zeit beginnen einige Familien mit ihren
Kindern hochdeutsch zu sprechen. Ob eine hochdeutsche Beeinflussung
der Mundart darin zu sehen ist, dass in der Aussprache des an-
lautenden s vor Kons, bei manchen Wörtern ein Schwanken zwischen
s und seh zu bemerken ist, bleibe dahingestellt. Unzweifelhaft aber
liegt sie vor im häufigen Gebrauch der hochdeutschen Zahlwortformen.
Den Stichwörtern ist die lautschriftliche Angabe der Aussprache
in Klammern beigefügt, wo ein Zweifel möglich erschien. Die gewählte
Lautschrift ist dieselbe wie die S. 3 fl". in Anwendung gebrachte, nur
ist hiervon abweichend durch cl das hintere a bezeichnet.
Meinen lieben Eltern, deren Sammeleifer ich manches seltene
Wort verdanke, fühle ich mich zu besonderem Danke verpflichtet.
a (a) ach, in a wat, ach was.
Aa (ad) in der Kindersprache Kot, 't
Kint hat Aa maket.
ä (ä) pfui! ä, smit wech.
Abend (äbmt) Abend.
acht«, acht. Et sleit achte. Vor dem
Subst. acht. Hei hatt acht Peere in
Stalle,
achteckich, eigensinnig und dabei etwas
heimtückisch. Dat is en achteckigen,
achteine, achtzehn.
Ackerhoff, Bauernhof.
*) Damkuhler, Die Eis- und Weinlinie von Bettingerode bis Neindorf usw.
Niederd. Jahrbuch XXII.
*) Danikuhler, Zur Charakteristik des niederdeutschen Harzes. Halle 1886.
46
ackerat (aJc9rä't)f sauber, ordentlich;
ebenso, ^n ackeraten Burssen ; ackerat
saa grot.
ackerickera't, ganz genau ebenso.
Aekermann, Landwirt.
AckermenneckeD, Bachstelze. Kinder-
reim : Ackermennocken, pleu meck wat,
sast'n gluhn Dahlder hebben. Vgl,
Grimms Wb. s. cnke.
afbnn (äfbün), scherzhaft für abreisen,
ausrücken. De Besuch is war awebut.
ackern, den Äcker bestellen ; durch
tiefen Schmutz mühsam gehen.
Adler (ädlfr), Adler. (Die Endsilben
-ler und -ner ?iaben stets langes f,
dagegen heisst es naustsr, dis^r).
af (äf), in Pausa awe (äw9) ab. Doch
gung de Sache noch sau af : af un tau,
ab und zu ; hei hat 'n Telaer awe, er
hat seinen Teller völlig leer gegessen,
't Bein is awe, das Bein ist abge-
brochen, ek bin awe (beim Abzähl-
spiel.)
afbacken, abbacken, 't Broet is awe-
backet, so gebacken, dass zwischen
Kruste und Krume eine luftgefüllte
Höhlung ist, man sagt auch wohl da
is de becker dorchekropen
af binnen (äfbin) abbinden, de Bock is
awebunnen, d. h. kastriert, de Zement
hat gut awebunnen, ist sehr fest ge-
worden.
afdempen (äfdemim), erdrosseln.
afdösenen {äfdösn), eilend ablaufen. Ilei
hat 't ganze Dörp awedöschet
afeschern (äf-es?rn), abhetzen durch
Laufen.
affenrn, abfahren.
affin en, die Haut abschinden. Hei hatt
seck sin Scheenbein awefilt.
affattern, den Pferden zur Nacht Heu
in die Raufe tun, Hast'n all awe-
futtert?
afglipen (äfgllpin), abgleiten, \ Mest
is aweglipet.
af^narpen, abnagen^ z. B Obst, Gemüse.
afnannen, abhanden.
afhelen {äf-h^lrj), deti obern Teil einer
Flüssigkeit vorsichtig abgiessen, wenn
z. B. der Bodensatz oder feste Stoffe
im Gefässe zurückbleiben sollen.
afhenn, abhüten, abweiden.
afhilpen (äfhüj)7p), behilflich sein beim
Absetzen einer Traglast.
afhöweln, abhobeln,
afholen (äf-hö'in), abhalten, 't Kint af-
holen, das Kind seine Notdurft ver-
richten lassen.
af hacken, eine Last vom Bücken absetzen.
afkaddeln, etwas so abschneiden^ dass
die Schnittflächen uneben oder zer-
rissen erscheinen.
afkarten, afkartgen (äfkärtn), abkarten.
Afkate (afka'tsi), Advokat.
afkenln, abkühlen.
afklmen, von Kartoffeln, die im Keller
Keime gelrieben haben, diese entfernen.
afklein, abkratzen.
afkleppern, afklappern, das Dorf oder
eine Anzahl Häuser zu irgend einem
Zwecke ablaufen.
afklnben, abklauben.
afkramen, abräumen, z. B. den Tisch.
afkrin (äfkrln), abkriegen ; Obst pflücken.
afkiinnejen, von der Kanzel verkündigen.
aflan (äf-län), abladen.
Aflar (äf-lär), Abiader (des Heus usw.),
aflen nf-lfn), ablegen^ entfernt,
af lachten, in der Luft trocknen; lat de
Wech erst afluchten.
aflaksen, heimlich absehen.
aflasen, die letzten Früchte absuchen,
af Ol essen, ausmisten.
afniean, abmühen.
afmarksen, umbringen, schlachten.
afmaseln, schnell und oberflächlich
waschen.
afnemels nont (äf-n^me1s mcfnt), ab-
nehmender Mond, bi a. m. dört'n nich
cn Middel gegen de Wörme innemen.
afran (äf-rän), abraten.
afrapen, das Getreide hinter dem Mäher
zusammenraffen, um es in Garben zu
binden oder als Frösche niederzulegen,
afraapen (äf-raupm), 1. (mit betonter
erster Silbe) abrufen, abholen. 2. (mit
bei. zweiter Silbe) vernehmlich zurufen,
se wonen (wohnten) sau nahe dat se
seck afraupen können.
afrekcn (äf-rfkji) abrechnen.
äfrecken, die Getreidegarben vom Wagen
abladen, mit der Forke in die Scheunen-
oder Bodenluke reichen.
afr<^cken, erreichen. Wenn jemand von
seinem Platze einen andern mit der
Hand noch erreichen kann, so sagt er
wohl ek kan^n'e grade noch afrecken.
afremen {äf-rfm), abrahmen.
Afrnm, Abraum; die in Sandgruben,
Steinbrüchen usw. abgeräumte Erde.
afrümen, abräumen.
afscharben {äf-.s'arbm\ in dünnen Schei-
ben u. kleinen Stückchen abschneiden.
afschelln, abschälen.
afschobben (äf-,Hobm), abschaben.
47
af seh rammen, sterben, von hinnen gehn ;
derber Ausdruck.
afschrapen, abputzen, abkratzen.
afslan, abschlagen.
afümeekig, üblen Beigeschmack habend.
afspeuln, absjmlen, reinigen.
afstaekeln, mit einer Stange herunter-
stossen, z. B. Obst von den Bäumen.
afhtöaben, abstäuben.
af^itrean, abschreiten, mit Schritten
messen. Siehe stredn.
afstrepeln, Blüten, Blätter usw. ab-
streifen, indem man sie durch die
Hände zieht.
afstrenfen, eine Gegend absuchen, spähend
durchstreifen.
afsopen (äfzüp^n), 1. abtrinken, leer
trinken. 2. 'n Lampen afsupen. In
manchen dörflichen Spinn Stubenver-
einigungen (Klup), in denen heute
allerdings der Spinnrocken nicht mehr
surrt, herrscht die bitte, die letzte
Winterzusammenkunft, bei der zum
letzten Male die Lampe brennt, bei
einem Glas Bole zu feiern : de Lampm
wart awesoopen. Im Sommer finden
die Zusammenkünfte nach alter Sitte
im Freien statt.
af tappen (äftapin), abzapfen.
aftellei, abzählen, auszählen. Abzähl-
reime: eno, dena, wippen, wap, du
bist ab. — eins, zwei, drei; Puter
lecht'n Ei, Puter lecht'n fules Ei;
eins, zwei, drei.
altem (äft^rn), abzehren.
aftömen (äftö'm), abzäumen.
af trecken, abziehen.
aftren (äf-trfn), abtreten.
Afwarange, Abwartung, Pflege.
afwenen (Vi/t?e«;), abgewöhnen, entwöhnen.
afwennen, abwenden.
afwen, abwiegen,
all, alle, aüe, alles; dat is feal all^ das
ist aber Erwarten viel; all min dag,
mein Lebtag; alle maken, alle krin,
sein Vermögen verschwenden; alle
weam, alle sin, zu Ende gehn; zu
Ende sein.
all, schon, bereits, hei is all da.
allart, flink, frz. alerte. Wird auch
auffordernd geltraucht.
Alldt^ (aldäx), Alltag, Werktag. Genitiv
aldas. aldas gak nicb in^n kraug.
aldaseh (aldä.s), alltäglich, Alltags-,
trecke diu aldasche (aldäsa) Tuch an.
AUdastiieh, Werktagsgtwand.
alldefedl (ald^f^l), allzuviel, viel zu viel.
ai Iderar (ald9rär), gar zu schön, zu gut.
allderwechen, allerweehen, allerwegen,
überall. Ek bewwe alderwechen
esocht
allheile, ganz und gar, überall.
allebot, immer, jedesmal, immerzu.
allehodpa, alle zusammen, aus alle de
Hoape.
allen» (aWn») allein.
alles, alles.
alle-nnderlat (-lät), fortwährend, oft.
hei kummet alle-underlat.
allewile (abwlb und abvtb), jetzt, zur
Zeit.
allnajera (alnäj9rä), nachgerade, all-
mählich.
alls, als, wie; nie temporal
allsan, also.
allwern, l. albern, kindisch. 2. sich
albern benehmen, rumalwern.
Amacht (äma^rt), Ohnmacht. Se is in
amacht efalln.
Amman, Amtmann, hei sit da wi 'n
Amman, er tut gross, brüstet sich.
ammaun sin, zumuten. Ek kon 'ne dat
ok nich ammaun sin.
amerhtich, ohnmächtig.
Ammensche, Amtmännin. Bezeichnung
beleibter, grosstuender Frauen.
ampeln, mit Händen und Beinen An-
strengungen machen, etwas zu er-
reichen; bes. von Kindern gesagt.
Amnishoif, Amtshof, Domäne.
Amt, Amt, Tätigkeit, Auftrag, Domäne,
staatliches Gut.
Amsswin, Gutsschwein, fett wi ^n ams-
swin.
an, ane (an, än9\ an; unbetont klingt
es meistens on ; ane wird meistens mit
Zustandsbeeeichnungen verbunden. Ek
set er (9r) mek an, ich setze mich
neben ihn, aber ek sit or ane, ich
sitze neben ihm. Gern wird es mit
dr (aus dor dar) zus. gesetzt du bist
drane, du musst jetzt spielen ; et moter
doch nist drane sin, er muss doch
nichts wert sein.
anbacken, 1. ankleben. 2. einen wat
anbacken, jenvand die Wahrheit
sagen.
an b ein, anbieten.
anbeutn, anzünden, hastn schon Für
anebot?
an binnen (änbin), anbinden, 't Geburts-
dagskint anbinnen, dem Geburtstags-
kinde einen Strauss an den Arm
binden.
anbläken, anschreien. De hat mek awer
anebläket.
48
anblarren, anschreien.
andaaOf antun, zufügen (Böses, Leid).
andermann, man, ich selber, d. i. für
den, von dem man redet, der andere,
'n andermann lett sek alles jefallen,
man lässt sich alles gefallen, andere
dagegen sind nicht so.
Andreis, Andreas, Drea«, Andreas.
Drees, Dreas, Drat,
Hatten läddern Bart,
Hatt'n läddern Slipstein,
Kann nich in de Siinne sein.
(Siehe Nd. Kbl. 28, 74)
andrepen (ändrfim), antreffen.
andriben (ändrllm), antreiben,
andrüan, antrocknen, festtrocknen.
andndclD, einen andudeln, betrinken.
andün, androhen, wörtl. andeuten, ek
hewwene ne Dracht Sie anedüt, wenne
wer sau spät no hus kummet, ich habe
ihm eine Tracht Schläge verheissen,
tcenn er wieder so spät nach hause
kommt.
anebehoaln, anbehalten, nicht ausziehen.
Anewendel, der Teil des Ackers, auf
dem Zugtiere und I^lug umwenden
und der zum Schluss in der Quer-
richtung gepflügt wird, westf. anwand.
altm. aonweud.
Aneworp, ein zum Türverschluss die-
nendes Eisenblech, dessen Schlitz über
eine Krampe geführt wird (an Gar-
ten- und Kcllertüren usio). Bei
Sprenger anworf.
anfengeu, anfangen. Die abhängige
Nennform wird ntit mit de gebildet.
Wei wilt morgen anfengen mit de pleun.
anfcttln, anfühlen, betagten.
Anvorwante (änforvantd), Anverwandte.
anfnln, anfaulen, anfangen faul zu
werden,
anfiirn, anführen, täuschen, zum Narren
haben.
angan, 1. angehen, de Schaule geit an;
wat geit dek dat an. J2. anfangen zu
faulen oder zu kränkeln, de Appel
is anegan.
Angest, Angst.
angestf angst.
Angesthase, Angestboase, Angestkötl,
Bezeichnungen ängstlicher Menschen.
ängestlicb, ängstlich.
Anjewene, Gewöhnung.
anglupschen (ftnglup.s9n), anstieren, starr
anblicken.
angnarpen (ängnarpin), an Früchten
herumkauen.
anhaeken, an die Kartoffelbüsche Erde
häufeln.
anhichen (änhiyßn), anhauchen; beson-
ders in der Bedeutung jemand die
Wahrheit sagen, ek hewwe ne omt-
lich anehichet.
Anholt, Anhalt.
anhodsen, anziehen, ankleiden.
anbuppen (-hupin), anspringen.
anhupen, anhäufen.
anhnrken, anlehnen, kauernd anlegen,
wie Küken sich unter die Henne
kauern.
anken, ächzen, stöhnen.
ankleon, ankleiden; seltener gebraucht
als an trecken
ankrakeiln (änkrakailn), Streit anfan-
gen; scherzhaft: anrufen, auf .der
Strasse um etwas angehen.
ankrin (änkrin), anziehen können, ek
kri de schau nich an.
anlannen (-lan), anlanden, ankommen,
hei is wer anelant.
anlejjen, anlegen, mit Goldgrund ver-
sehen, ohrfeigen.
anlenen (-li^n)] anlehnen.
Anlijjen, Anliegen, Bitte.
anloben (-U/lnn), geloben, hei hat mek
anelowet.
Anloop, Anlauf,
anlntjen (änWjan), anlehnen, anschmie-
gen, wie kleine Kinder tun.
anmischen, verhauen.
anmellen, anmelden.
anmüln, schaden tun. hei hat sek wat
anemült.
anrooken, anrauchen 1. Zigarre, Pfeife.
2 betrinken, hei hat sek einen anc-
rodket.
anröokern, anräuchern, leicht räuchern,
anrÜan, anrühren, in Bewegung setzen.
Anschin, Anschein.
anschirren, anschirren, den Zugtieren
das Geschirr anlegen.
anschiten, betrügen, anputzen.
anschünnen, heissen, aufhetzen, wer hat
ne denn dat aneschüntV wer hat ihn
den Streich geheissen, dazu aufgeheizt ?
ansein, anesem, ansehen.
Ansein, Ansehen, Berühmtheit.
anslan, anschlagen. Slache mal an, wat
dat hus kost.
anslänern, 'n anslänern kop hcbben,
leicht auffassen, begabt sein, kluge
Gedanken äussernd
ansnallen, anschnalleti.
anstellich, anstellig, geschickt.
anstennich, anständig.
49
aD8t09t]i, anstossen.
anstriken, anstreichen.
ansapen (amüpm). Es ist Sitte, dass
die eben konfirmierten Knaben den
äwas altern Burschen Bier zum besten
gehen, damit sie von diesen im Trinken
unterwiesen werden; eine Art feier*
licher Aufnahme unter die jungen
Burschen, Die SfUe heisst ansupen.
ÄBte (änt9), Ente.
antellen, aneahlen.
antrecken, anziehen, ankleiden.
aotwllani, antworten.
Antwoert, Antu}ort.
antnsehen {äntuü9n), tuschen, anmalen;
jemand etwas auswischen, schlagen.
antsant (antsant), indessen, derweüe. ek
ga antzant hen.
anwennen, anwenden.
anwenen (-wfQ), angewöhnen.
aDzettern, hei kämmet anjezettert, er
kommt zitternd an. üeberhaupt wer-
den gern alle Ztw., die den Betriff
des Herbeikommens haben oder an-
nehmen können, mit an verbunden.
hei kummet aigegan, ai\jelopen, anje-
slendert, aDJeschetn, anjesprungen,
ankarjodlt, anjedanzet, anjelatscht usw.
Ape, /. Affe. Bezeichnung einfältiger
Mädchen und Frauen. Daher loohl
der Gebrauch des weibl. Geschlechtes.
Das Tier selbst wird mit Aflfe m. be-
zeichnet. Bist 'ne ape.
Äppel, Apfel
Appelsehelle, Apfehchale.
Appelspleate, Apfelschnitte.
Apteike, Apotheke.
arbeiD, arbeiten.
Arbcir, Arbeiter.
Arbeitslii, Arbeitsleute, Arbeiter.
arben (arbm), erben.
Arbentins, Arbenzins, Erbzins, Abgabe
für die in Erbpacht befindlichen
Grundstücke.
areb, arg, schUmm. mak et nich de
arch, hüte dich.
Areh, Arg, Argwohn, hei har dor
nist Arjes drut, er dachte sich nichts
Schlimmes dabei, er erwartete nichts
Arges davon.
Apf, Aehre.
Arfdeil, Erbteil.
Arfsehop, Erbschaft.
Apfte (arft9), Erbse.
Arftkratf Erbsenkraut, Stengel und
Blatter der Erbsenpflanze t'iw frischen
Zustande.
Arft8tr09, trockenes Erbsenkraut.
Ni«derdttaUohes Jahrbuch XXXIY.
Apije, Arie, Lied.
Äpjep, Aerger.
ärjern, ärgern.
Arkner (arknfr), Erkner.
am (ärn), gut in die Art schlagen, ge-
deihen, dat Swin art sek.
Appaal, stinkende Pfütze, Jauchenlache.
Äppel, Appel (erpl, arpl), Enterich.
Ars (ärs), Hintere.
Apslock, After; auch Schimpfwort.
Art, Art. Art lett nich von Art, gleich
und gleich gßsellt sich gern.
Apz9Di, Arznei.
As (äs), Aas ; besonders als Schimpfwort
gebräuchlich.
Asehenloel^ Aschengrube.
Ansfattep, die Holzbekleidung der eiser-
nen Wagenachse.
Asse, Achse. Man ruft Vorbeifahrenden
scherzhaft zu: de Asse sitt in Ra.
asten, schwer tragen, schleppen, auch
mühsam einen Berg erklettern.
atche, atehegs, 'tche, adieu.
Atlpl, Artillerie.
Atlpiste, Artillerist.
ätsch (fW, das Wort dient zum Be-
schämen, ätsch, du most man de hus
hüben.
ätschen (fA^^n), atätsehen, Ztw. zum
vorigen.
Atn, NatD, Atem. Natn haln, Atem
schöpfen, ut'n Natn sin, ausser Atem
sein.
atn, atmen.
attepieh, eigensinnig, leicht gereizt, mnd.
aderich, altm. adderig. Das Grund-
wort atter, Natter, ist in E. nicht ge-
bräuchlich.
Atterkop, eigensinniges Kind.
Aukenwatep, nur in der Eda. hei is
dumm wi Aukenwater.
Antep, Urheber, Anstifter, Autor.
äwel, übel, unioohl. ek bin äwel un
selzen eworn, mir ist schlecht geworden.
awep, aber.
Awepgloewe, Aberglaube, Glaube an
übernatürliche Dinge ; falsche Ansicht.
dat is ja Awergloawe.
awepglöowisch, abergläubisch; leicht-
gläubig. Düt is en awergluawischen,
dem kann man leicht etwas vormachen.
Baba (bäbä), Wiege, Beuchen in der
Kindersprache.
babba, Ausdruck der Missbilligung wie ä
Back, m., die Gesamtheit der Kuchen,
der Brote usw.^ die mit einem Male
gebacken werden, der Gang, ek koemd
50
eerst in tweitn Back, sagt eine Frau
zur andern.
Backe, Bücken, * Rückenstück. In dieser
Form nicH alleinstehend gebraucht ,
sondern nur in den Zusammensetzun-
gen Hinderbacke, Huckoback.
Backe, Wange.
backen, 1. backen. Kinderreim:
Backe, backe Kauken I
De Becker batt eraupen,
Wei solin knen;
Het de Tit vorlen.
Scbuf in, scbuf inl de Kauken is
all gar.
dabei schlagen die Kinder die Hände
zusammen ; bei schuf in reiben sie die
Handflächen aneinander. 2. kleben,
ballen, de Blädder sunt desamme
backet. — de Snei backet all, der
Schnee lässt sich schoti ballen.
Baekenbearn, geringe Habe, wertloser
Besitz, hei packet sin Baekenbearn
desamme. Sprenger nimmt zur Er-
läuterung die Bedeutung gebackene
Birnen an. Könnte man nicht auch an
back, Rücken, und böarn, ahd. bei'an,
tragen, denken? Also das, was man
auf dem Rücken tragen kann?
Baekhus, Backhaus, Bäckerei, wu'n
Bruhus steit, kan kein Baekhus stan,
wer viel getrunken hat, kann nicMs
essen,
Backtrog C6a/iemr;, deichtrog, Backtrog.
Bädde, Bett, de Bädde, zu Bett, mit
'n Heundern de Bädde gan, früh zu
Bett gehen.
Bäddelaken, BetÜaken, BetUuch.
Bäddespunnije, Bettstelle.
Bake (baka), Gausebake, Lendenrücken-
stück der Gans.
balle, bald. Kum balle mal wer! stän-
dige Formel der Einladung zum
Wiederbesuch. — Tanzlied: balle
Wille düt nicb, balle wille dat nich,
balle wille Klump und Beom nich.
Ballech, Balg, ungezogenes Kind.
ballejeiij balgen.
Ballejen, Balgerei, Ringen.
Balten, Palten, Erdballen.
Bammali, Gehänge, Gebammel, baumelnde
(Quasten.
bammeln, baumeln.
han, baden.
Bane , l. Bahn, Eisenbahn. 2. Ruf beim
Schlittenfahren, Schlittschuhlaufen :
Bahn frei!
Bange /. Angst, Bange. Hast wol bange ?
bange, angst, bange, ek bin angest un
bange worn.
Banne, de Banne krin, in Ordnung
bringen, fertig machen, ek kan nich
de Banne wearn, ich kann nicfU fertig
werden.
bannich, in hohem Grade, sehr.
Bant, Bent, m., Band, Bindfaden. Beut
hört man nur ganz selten und nur
von alten Leuten.
Bantlock, im Fachwerk eines Gebäudes
der Raum zwischen einem senkrechten
Balken, einem schrägstehenden und
einem Querriegel. Fig. Atisrede,
Ausflucht, hei hat sek an Bantlock
oapm alatn.
Banse, /., ein von der Tetme durch eine
niedrige Wand getrennter Raum, der
das Getreide oder Stroh aufnimmt.
bansen, Stroh, Heu und dgl. in die
Scheune, auf den Boden usw packen.
barbarscb, sehr, in hohem Grade, hei
kan barbarsch eten.
Barch, Berg.
barcbraf, barchrafer, bergab.
barchrop, bergauf
barchr'nn, barehr ander, bergab.
Bare, kurzstielige Axt.
Bare, Bahre, Leichentrage.
Bare, Bär.
Barhns, Bahrhaus, Schuppen für die
Bahre. Der Aufbahrungsraum heisst
Likhus.
barmen (bann), klagen, jammern, er-
bärmlich tun, hei hat mek wer de
Oam fullebarmet.
Barmstein, Bernstein, Backstein.
bärnmässig, in hohem Grade.
Bärnschite, Bärendreck, Lakritze.
barsch, hart, rauh, steif, grob, 't Lenne-
want is barsch. In Hibertragener Be-
deutung vom Charakter.
Bart, 1. Bart, an Bare, am Barte.
2. Kinn.
barwet, barfuss. Zuweilen auch von
andern Körjierteilen.
baselig (baz^lix), vergesslich, unauf-
merksam.
basein (baz9ln), unaufmerksam und zer-
streut sein.
battern, gehen, die ersten Gehversuche
machen.
Bank, plur. Beuker, Buch.
Bank, Frucht der Buche, Buchecker.
Stoffname, meist ohne Artikel. Wei
senket unsch Bank.
Bankeckern, BucJieckern.
Bankfinke, Buchfink.
51
Bawanne (bävand), Badewanne,
Bawel, Gerumpel f wertlose Geräte.
Bäwer, Gaüerte, eig, Bibber.
bäwern, beben, zittern, hei bäwert wi
'n Loafblat.
Iiats, wird angewandt, wenn ein Schall
dünner und heller ist als bei bauts.
batsen, KnaU verursaclken. de Döar
taubatsen, die Tür mit lautem Knall
zuschlagen,
beeben (be^bm), über einem mit kochen-
dem Wasser oder kochenden Kartoffeln
gefüllten Kessel ein Schwitzbad neh-
men. Der Kranke setzt sich über den
Toi)f und hängt über Kopf und Körper
einen Mantel,
Becker, Bäcker.
Beekeri, Bäckerei.
bedöndert, verstört, verblüfft, verwirrt.
hei is ganz bedöndert.
bedrein, beirügen, Abwandlung: ek be-
drei, du bedrüchst, hei bedrücht, wei
bedreit, ji bedreit, sei, verkürzt so
bedreit; ek bedroech; bedroen.
bedrenwet, betrübt, niedergeschlagen.
Bedrng (b^drux), Betrug Dat is lauter
Luff un Bedrug.
bedadeln, bedaddeln, betrinken.
bedün, bedeuten, wat sal 'n dat bedün ?
zur Vernunft bringen, zufrieden
sprechen, ek hewwene wer bedüt.
bedaro, bedauern.
bef rannen (b^frün), befreunden.
befonneln, untersuchen, eigentlich
t€istend befühlen, wei weort de Sache
schon befummeln.
begnanlfn, in gehässiger Weise über
etwas schwatzen, bereden.
begnawwelln, bereden, über etwas
schwatzen.
begnengen, begnügen. Nur noch selten
Gebraucht.
beholdern, 'n behöldem Eop hebbcn,
ein gutes Gedächtnis haben, leicht be-
halten.
behoeln, behalten, behoalo, behölst,
beb ölt, behoolt; beheilt; behoaln.
Beiderwant, ein Stoff aus Leinen tmd
Wolle.
bein, J. bieten, anbieten, beie, büttst,
butt, beit; boot; oboon. 2. gebieten,
anordnen, hei bütt Ran.
bfinieh, gut auf den Beinen, rüstig.
bi sinen ölder isse noch höllisch bei-
nich.
Beur, Bier.
Beisenro^r (baiz9nrc^r), Binsenrohr.
BeiHentttanl, Binsenstuhl.
Beist, Tier, Schimpfname.
Beek, Bach: in Ortsnamen der Um-
gegend -heck: Anderbeck, Swanebeck.
belemmert, Ausdruck der Missachtung.
dat is belemmert, da bist belem-
mert.
Beljentrer (beljdntrfr), Bälgentrcter beim
Orgelspiel.
belÜD, beläuten, einen Verstorbenen ein-
läuten; sobald jemand gestorben ist,
werden die Glocken geläutet. Hüte
morgen iso belüt.
bemengen, sich mit etwas abgeben, be-
menge dek doch nich mit dene.
bemean, bemühen.
bemin (l)dmin), mit Urin beschmutzen.
behn (b^n), beten.
bennijen, bändigen.
Bent, Band, s. bant.
beranpen (bdrawpm), berufen, ein Un-
glück herbeirufen. beraupet man
nich, warnt man wohl jemand, der
sich rühmt, nie krank gewesen zu sein.
Beere, 1. Beere, Stickbeore, Jehanse-
beore usw. 2. Birne.
ßeernmaas, Birnenmus.
besein, 1. besehen, betrachten. 2. besäen.
beHeten, besessen, dat Ei is al besetn,
das Ei ist schon bebrütet. — du bist
wol fon Dullworm besetn, du bist wohl
närrisch, toll.
besetten, besetzen.
beseaken, besuchen.
beninneii (bdzin), besinnen, besinne,
besin8t,besint,be8iat;besunt;besunnen.
besitten, besitzen (i, a, e).
Bessen, Besen. Die hd. Form wird als
Schimpfwort gebraucht: saun Besen.
Bessensteel, Besenstiel,
Beet (bf^Of «• Gebiss, Eisenknebel am
Zaume des Pferdes.
bet (bet)f bis.
betain, bitaln, bezdMcn.
betjen, betten, bischen, wertig. kumm
Nommedag en (nomadCuv^n) betten
wer, komm nachmittag wieder, jif ene
(jif9n9) en beljen fon, gib ihm ein
bischen ab,
bet09nen, betonen.
betren (bHrfn), betreten.
Beuke, Buche. Die Früchte heisken
Bauknöete, Baukeckern oder kurz Bank.
benken, buchen, aus Buchenholz, beuken
Holt, 'n beuken Kuppel,
beune, dicht, \ Fat is beune, das Fass
ist nicht spack.
beuten, in Brand setzen, ajizünden.
beute, bottst, bott, beut ; imperj. unge-
52
hräuchlich; pari, ebott Se het Füor
cbott.
bewäcblieh (hovf^ix), rührend, beküm-
mert, voll innerer Bewegung, dat Kint
sach einen sau bewäcblieh ane.
Bewep (bdv^r), Beschäftigung; selten.
Siehe das folgende.
bewern (b9V^rn)f beschäftigen, abgeben.
Nur gebräuchlich im Sprichwort: wer
sek mit Hunnen un Jungens bewesrt,
den is nist Gus bescheart.
bewisen, beweisen.
bi, bei. hier keim nist Gnes bie rut.
kum bi mek, komm zu mir.
bi-ane, neben, nebenan. hei woant
bi-ane.
Bibestant, Beistand,
Eicht, /. Beichte.
bichten, beichten.
Biehtstaul, Beichtstuhl.
Bicke, Spitzhacke.
bicken, hacken, stossen. de Küken hett
ebicket, die Küchlein haben ein Loch
in die Eischale gehackt.
bidden, bitten.
Bifall, Beifall, Zustimmung.
bifallen, beifallen, zustimmen, ek mott
ne bifaln.
Bigraft, /. Begräbnis.
Bigraftskaaken, Begräbniskuchen, der
nach dörflicher Sitte sehr dick sein
muss; jeder Kranzspender erhält davon
ein Stück.
Bil (bil)y Fleischerbeil
Blla (Wä), f., langer schmaler Kasten,
der in der Lade (Truhe, Koffer) an-
gebracht ist.
bimmeln, bammeln, mit der kleinen
Glocke läuten, z, B. zum Feierabend,
zur Taufe usw.
bina, beinahe, fast.
Binne, Binde, Halsbinde, einen binder
de Binne kippen, trinken.
Binneke, schmales Band, z. B. Schür-
zenband.
binnen (bi^), binden, binne, binst,
bint; bunt; ebunnen.
Binneplok, Bindepflock, ein unterarm-
langer Stab, der beim Binden der
Getreidegarben verwandt wird.
Bintfamat, Bintfamt, Bimfamt, Bind-
faden.
bisammen (blzdm), beisammen,
bisluten, wegschliessen, einschliessen. ek
hewet Jelt bisloatn.
bispnnnen, einsperren, ins Gefängnis
setzen.
Bist, Bestie, Tier; besonders unange-
nehme Tiere, gleichviel welcher Grösse,
werden im Unwillen so genannt.
bistan, beistehen, unterstützen, helfen.
Bistant, Bibestant, Beistand, Unter-
stützung, hei kricht keinen Bibestant.
bisteken, verstecken, einstecken. Haste
jelt bistoaken?
bistern, irren, unbeirren, im Dunkeln
gehen, hei is dorcht Holt ebistert.
Siehe forbistem, twinbistem.
bitan, nebenbei, daneben; wörtL beizu,
wie auch Leute, die das Hochdeutsche
nicht beherrschen, statt daneben sagen.
Se hat de Melk bitau joatn ; unbeachtet :
hei Sit bitau.
bitin (biiln), beizeiten, früh, ek bin
bitin wer derüjje.
biten, beissen. bite, bittst, bitt, bit;
l)eit; ebetten.
Bla, siehe blau.
blackern, laut mit hellem Tone lachen.
bladdern, siehe afbladdern.
blaffen, bellen, husten.
blaken, blaken, de Lampe blakat.
bläken, blöken.
blan (blän), abblättern ; von Futter- und
ZuckenTÜben knickt man einzelne
Blätter ab, um sie als Viehfutter
zu benutzen. Dazu das Hptw. Bla,
das Abgeblätterte, wei futtert jetzt Bla.
blarren, l. das schreiende Meckern der
Ziege. Neckender Zuruf: Edewart,
de Zicke blarrt. — 2. das weinende
Schreien der Kinder, dat Kint blarrt
ut füllen Halse.
Blesse, m. u. f., 1. Bezeichnung für
Kühe und Pferde mit einem weissen
Fleck vor der Stirn, ek neame 'n
Blessen tan pleun. — 2. der Fleck
selbst.
blasen, blasen. Schwaches Ztw.
Blat, Blatt, Zeitung, ek hewwet in Bla
leset. Mz. Blädder.
Blanmdiscb, Blumentisch.
Blanme, Blume, Blüte.
Blan, Waschblau.
blann, die Wäsche blau färben.
bleckern, am Blech.
bleik, bleich.
Bleike, Bleiche.^ 't Lennewant is op de
Bleike.
bleiken, bleichen. Siehe afbleiken.
Bleikeplock, Mz. Bleikeplöcke, kurze den
Zeltpflöcken äJmliche Hölzer, die auf
der Bleiche in die Erde geschkigen
wer den j damit die Jjcinewand daran
geknüpft wird.
Bleikestea, Platz zum Bleichen.
53
Bleikewedder, Wetter zum Bleichen.
Ble*k, Fleck, Stelle, Platz, hei hat 'n
kal Bleak opm Koppe. Eine Dienst-
stelle ist ein Bledk. Ida hatt'n gut
Bleak — Ausgehstelle, wu geistn hüte
Abeot hen; hast wol kein Bledk?
blennen (bleu), blenden.
Blenke, 1. Gestell für Geschirr und
Geräte. 2. hölzernes Staket.
blenj, blutig.
Bleaiueken, Blümchen.
bleoD, bluten, hei bleut wi 'ü Swin. —
jif diue Swester wat fou, süs bleut
se't Harte, gib deiner Schwester etwas
ab, sonst blutet ihr Herz.
Bii, Blei.
bliben (blibm), bleiben, bliwe, bliifst,
blifft, bliwet; bleif; eblebben.
blidrn, bleiern.
Blikale (bllküh), Bleikugel.
Blime98eke, Blaumeise.
Biinne, Blinder, du kannst doch kein 'n
Blin^D wat lüchtn, du kannst mir
nichts weis machen.
Blinnekau, Blindekuh.
blint, blind, ue bliune Fru.
bliwerant, verwirrt; frz. bleu-mourant.
Bliwitf, Bleiweiss.
blÖ9, blöde, schüchtern.
blÖekern, j)oltemd gehen, bes. wenn man
durch schlechten Weg dazu gezwungen
ist. hei is al for Dau un Dag loase-
blöckert.
Blofksbareb, Brocken.
Blockshorenbareh (bloksho9rnbarx), ein
Hügel dicht bei Eilsdorf. Man er-
zählt sich, Wendenfrauen hätten ihn
in ihren Schürzen zusammengetragen.
Wahrscheinlich eine alte Begräbnis^
Stätte. Dieser Hügelname kommt in
der Umgegend noch einige Mal vor.
Vgl. auch in Sp^rengers Idiotikon
Boxhörenschanze.
blodt, bloss, nackt.
Bio^te, m. der nackte Hintere, et jift
wat for'n Bloatn.
blastern, flattern, mit den Flügeln
schlagen.
Boa, Bote; meistens nur in der Ver-
bindung, Postbod.
boabeo (b^hn), oben.
böekeD, begatten und begatten lassen.
de Zicke hat eböcket
böekHCb, von brünstigen Ziegen gebraucht;
nach dem Bock verlangend, de Zicke
is böcksch.
Boddo, Boden,
Boddnbedeckels, Bodenbedeckung, das
was gerade den Bodeii eines Gefässes
bedeckt.
Boggel, Böjjel, Bügel, Bogen. Flitz-
boggel.
boldern, poltern, rollendes Getöse ver-
ursachen, an de Döar boldern, an die
Tür klopfen und schlageti. et junk
holder de bolder, es ging schnell, pol-
ternd, alles durcheinander werfend.
Bolder wan, nicht federnder Wagen.
Boole, Bohle, starkes Brett.
bÖlken, schreiend weinen, dat kint bölket
'n ganzen Dag.
Boltchen, Bonbon,
Boltn, Bolzen.
Boltnkop, Boltsenkop, Dickkopf y Schelt-
wort.
Bollwark, Bollwerk, altes, baufälliges
Haus. Gerumpel.
bollwarken, jwltemd herumwirtschaften.
hei bolwarket ^n ganzen Dag opm
Bodden rum.
BodDi, Baum; Mz, Böomo. de kann
Böama utritn, der ist sehr stark.
böen, biegen, bö9, böest, bödt; booch;
ebödt. hei lücht, dat sek de Balken
böot.
hödVLe>u^ glätten, bohnen (Wäsche, Flachs),
Boond, Bohne, nich de Boana, nicht das
geringste, dat sunt dine Boanen nich,
das geht dich nichts an,
Böanaböttel, rundes Holz zum Glätten
des Flachses u. d. Wäsche.
Böanastein, Steiniüatte, auf der der
Flachs geglättet wird.
Boor, »., Bohrer.
Borjeniester, Bürgermeister.
Borch, Borg ; op Borch neamen, borgen.
Borke, Rinde, einen de Borke lüften,
jemand verhauen.
Borm, Brunnen, Mz. Börme.
Boriuniaker, Brunnenmacher.
Bormslink, Steinfassung eines Brunnens,
aus dem das Wasser heraufgeiounden
wird. Auf zwei Gegenseiten vom
Slink liegt die Winde.
Bormwinne, Brunnenwinde,
boarn, bohren.
böarn, heben, tragen.
Böart, Wandbrett, in alten Bauernstuben
in Reichhöhe rings an der Wand
hinlaufend.
Boertoern, Bohrturm.
böese, böse, schlimm. Kinderreim : biste
böase, krup in 'n Kease, biste wer gut,
krup wer rut.
54
boseln (hoz^ln)^ im Sande imihlen. de
Ileunder boselt Locker in 'n Sant.
BoHSen, m., Busen, Raum zwischen
Brust und Kleidung bei Mann und
Frau, stick dat Bauk in 'n Bossen.
Bost, 1. Brust, for de Bost hebm, einen
Luftröhrenkatarrh haben. 3. weib-
liche Brustf Brüste.
Bost, Bürste.
Bostdaak, Brusttuch, ein ärmelloses
Wams.
Böste, /., Bürste.
Bostkint, Brustkind,
hosten, bürsten, afböstn, utböstn.
Bostn, Mz., 1. Borsten. Swinebostn
2 die Rauhigkeiten der Haut, bes. der
Hände, wenn sie durch Kälte oder
Nässe aufgezwungen ist.
Bott, Gebot, Gehorsam; nur in der
Rsa. kein Bott kennen, nicht gehorchen,
bötgen, (boHJ9n), den gereppelten Flachs
in Mengen von zwei Hände voll zu-
sammenbinden. Eine solche Menge
heisst Bötge (bo'tJQ). Zehn Bötgen
»ind ein Bund.
Böetel, der obere Teil des Schweinebeines.
Botter. Butter.
Botterolaume, Butterblume, gelber Hah-
nenfuss.
Botterfat, Butterfass.
Botterfoggel, Schmetterling.
bottern, buttern, Butter machen, in
Drecke bottern, im Schmutz herum-
gehen.
Botterstttcke, Butterbrot.
Bottertelder, Butterteller.
böwwepst, Oberst, hei is de böwwerste,
er hat den ersten Platz in der Schule.
bpp! halt! Zuruf an Pferde.
Bra, /., Bratest.
Brabender, Brabanter Pferd; allg, jedes
starke Pferd.
Brabeern, Bratjebeorn, gebackene Birnen.
Siehe Bratchen.
Brädejam, Bräutigam.
brak, brach, unbebaut, de Acker lit
brak.
Brake, Flachsbrache.
brakeii, Flachs mit der Brake bearbeiten,
Bräm, Brägen, Gehirn.
brammeD {bram), weinen.
Brämpanne, Schädeldecke, Schädel.
bran, braten, lat dek wat bran, ab-
weisender Ausdruck.
Bransmalt, Bratenschmalz, beim Braten
gewonnenes Fett.
Bran stücke, ein Stück Fleisch, das gut
zum Braten taugt.
Brapanne, Bratpfanne.
braselicb, faselig, vergesslich.
Bratche (brät-^fid), gebackene Birne.
Brathärich, Brathering.
bratsch, hei is bratsch hennefallen,
klatschend auf die Breitseite. Man
bildet auch wohl das Ztw. henbratschen.
Bratwostfleiseb, gehacktes Schweine-
fleisch.
Brauk, n., Bruch, die weiten, zum Teil
moorigen Wiesen, die nördlich vom
Eilsdorf am grossen Bruchgraben
zwischen Bode und Ilse entlang ziehen.
Brankhen, Heu aus dem Bruche.
Branr, Bruder. Mz. Breure.
Braarndoebter, Nichte.
Branrnsoene, Neffe.
Brei, /., l. Breite (Ausdehnung). 3.
Ackerplan von grosser Ausdehnung.
Reuwebrei, Amsbrei.
Breif, Brief. Mz. Breiwe.
brein, breiten, ausbreiten, henbrein.
utbrein.
breit, breit, flektiert brei. de breie
Strate.
breken (brfkn), brechen, zerbrechen,
übergeben, breke, brickst, brickt, bre-
ket; broek ; ebroöken.)
Brender, Brenner, Kaffeeröster, Lam-
penbrenner.
Brenderi, Brennerei.
brenderich, nach Brand, brandartig.
et rucket sau brenderich, es riecht,
als sei etwas verbrannt.
brennen (breii)^ brennen. Imperf, brenne,
Partie, ebrent.
Brennewin, Brantwein.
Brennewinskoscbale, Brantwein, in den
Brot oder Honigkuchen gebrockt ist.
Bret (brft), Brett. Mz. Bredder, dativ
Bre. de Kauken is hart wi 'n Bret.
Breu, Brühe, Sosse. da wart de Breu
dürder wi de Bra, das verlohnt sich
nicht.
brenn, brühen.
Bri, Brei. Kartuflfelbri, is de Woche
forbi.
bringn, bringen, bringe, bringest, bringet,
brochte, ebrocht.
Briten (brltn), heisser Wasserdampf.
britnich, schwül.
Bröddel, Gerumpel, wertloses Zeug, Durch-
einander, westf. bruddel.
Brönswik, Brenswik (brönswik, brens-
wlk)y Braunschweig. Himmelsrichtung
Nordwesten, de Wint kummet fon
Brönswik.
brönswiksch, braunschweigisch. de
55
bröDSwiksche Ecke, Nordwesten, in
der brönswikschen Ecke etat de Je-
wittcrköppe.
Broel (brfft}, Brot. Mz. Broe, dativ
Broe. et wart alderwechen Broet
ebacket, man findet überall sein Aus-
kommen,
Bro^tko^m, Boggen.
Brueber, Steinbrucharbeiter.
Brahas, Brauerei.
Briijje, Brücke.
Bruk, Brauch.
braken, gebrauchen, nötig haben, an-
wenden, lläufig ellipt. in der Be-
deutung: ein Heilmittel gebrauchen,
wat haste deniie bruket?
BrummkilKe], Kreisel.
brummeo {brum), brummen; im Ge-
fängnis sitzen.
Brummer, grosse Fliege.
Brummes e, Hummel.
brun, braun, 'n brun'n Rock. — se bat
ne brun un blau slan.
braen (brü*n), brauen.
Braer^ Brauer.
Braeri, Brauerei.
Bruse (brüZ9), f., 1, Brause an der
Giesskanne, der Badeeinrichtung. 2.
Anschwellung am Kopfe nach einem
Stosse oder Sturze.
Brut, Braut. Mz. Brü.
Brutlii, Brautleute.
Ba, 1. m, Bau. 2. n. Vorwerk, das von
einem Nachbargute angelegte Wirt-
schaftswerk.
Bueht, /., durch Bretter oder Latten von
einem Baume abgetrenntei' Teil.
Bttdde, Harnblase.
Buddeker, Böttcher. Kindervers:
Büddeker, Büddeker, bum bum bum!
Sleit sine Fru in Huse rum,
Jift sen Stücke Keasebroat,
Sleit se mit der Küle doat.
Bnddel, kleine, bauchige Schnapsfiasche.
Daneil stelU es zu huit, kurzes, dickes
Ende.
buddeln, trinken, bes. Schnaps.
Bnir, m., Stoss. de Zickenbock bat mek
'n düchtigen Buff ejedbm.
bufTen, stossen, puffen.
Bnflieli, Stoss. bei hat 'n orntlichen
Baftich awekräjjen.
Buk, Bauch, hei hat Buk un Bak
(Bücken) füll.
buckeru, unruhig sein, unzufrieden, nicht
still sitzen können.
Bufkseu, Hosen. Verschwindet aümiiMich.
bucksen, stehlen, mausen.
Bukweida, Leibschmerzen.
Bii], Beutel, ahd, butil,
Bulderlok, Grab in der Kindersprache.
buldern, bibuldern, 1. begraben, Erde
auf etwas werfen, 2. buldern, Be-
zeichnung des Geräusches, das bei
Durchfall entsteht.
Buldersoelt, Bullrichs-Salz, doppelt-
kohlensaures Natron. Volksetymolo-
gische Umbildung aus Buürichs-Salz,
weil das Mittel durcJischlagend wirkt.
Siehe buldern 2.
Bule (tüb), Beule.
Biilnmel (bühmfl), ein geringwertiges
Mehl, das" beim Mahlen nach dem
guten Weizenmehl und vor der Kleie
abgeschieden wird.
bun, bauen.
Bunke, Schlingel. Vgl. Nd. Kbl. 24.
Bur, n., Vogelbauer.
Bure, m., Bauer, Landmann, wat de
Bure nich kent, dat f ritte nich.
Bure, Bettüberzug.
Burjemester, Bürgermeister.
Burliase, Bauernhase, das Bauchstück
vom Schwein,
Burhoff, Bauerhof, Gut.
Burjunge, Burmejen, ein Weihnachts-
gebäck in Fuppenform.
Burr^, Poree, AUium porrum. L.
Burschinken, der zwischen Schinken
und Botel befindliche Teil des Schweine-
beins.
Bnrsse, Bursche. Ab und zu hört man
auch schon Bursche.
Buschboom, Buchsbaum.
Buschen, die Leute vom Vorwerk, be-
sonders die polnischen Arbeiter. Siehe
Bu.
Busse, Büchse.
Bfite, Mehlkiste.
buttewennicb, auswendig, aussen, an
der Aussenseite.
butten, dr aussen,
bttttenut, draussen. hei woant buttnute,
draussen vor dem Dorfe.
Butse, kleines Zimmer.
da, da, dort ; bestimmt Ort, Zeit, Grund.
— In unbetonter Stellung tritt für
älteres dar häufig dar oder r ein.
Dieses r wird mit dem vorhergehenden
Worte verbunden. — ek fra nist derna
(ddrnä'). ek hewwer doch nist von.
Dacht, Docht.
davor (da'for), davor, dafür. Ellipse:
hm, davor, d. h deshalb ist mir nicht
bange.
56
Dag (d(ix)f Tag. — düsse Da, in diesen
Tagen ; dat hewwek min Dag nich esein,
das habe ich mein Lebtag nicht ge-
sehen ; on hcllerlichten Da, am hellen
Tage.
Daglohn (däxh'/n), Tagelohn.
Daglöhner (Wnor), Tagelöhner.
Dagsack; ein Kind, das den Tag über
sich spielend ausserhalb des Hauses
umhertreibt, wird bei seiner Heimkunft
wohl so angeredet.
Dak (däk), Dach.
Dakdeeker, Dachdecker.
Dak-ease, der untere Rand des Daches.
de Dakeuse drüppet.
Dal (dal), Ted.
dal (däl), nieder, sett dek dal.
Dalder (däldjr), Taler. Kinderreim mit
entsprechenden Handbewegungen : hier
haste ^n Dalder, geiste non Marchte,
kofst dek ne Kau, 'n Kälweken krisle
tau, Kälweken hat 'n Swänseken, makt
didldidldänseken.
Daleke (dahkd), Dohle.
dalli, schnell, antreibender Zuruf.
damank, dermank, dermanke, da-
zwischen, dazugehörig.
Dämelack, dämliger Mensch.
Damp, Dampf.
dam pich, 1. dampfig, voller Dampf, in
de Küche isset sau dampich. 2. eng-
brüstig, kurzatmig, 't Perd is dampich.
dampen (dampvj), dampfen.
dana, darna, derna (ddrmV), danach.
et is ok derna, es ist nicht viel wert.
Dannappel, Tannenzapfen.
Daone, Tanne, Fichte.
dannen (dan), tannen, von Tannenholz.
Dänseken (demdkon), Tänzchen.
Danz, Tanz.
darren (dar ), erzittern, federn, et darrt,
wenn man z. B. in ein Brett, das
keine feste Unterlage hat, einen Nagel
schlügt.
darop, darauf.
Darfseil, Dardesheim, sw. von Eilsdorf.
daramme, darum. Wenn Kinder nicht
auf die Frage: warum? antworten
wollen oder können, so erwidern sie
gern: weil därumme.
darwe, derb.
dat, das, dass. In unbetonter Stellung
verkürzt zu et (9t) oder 't.
Dat (dät). Tat. op frischer Dat, sogleich.
datau, dertan, dazu.
Däts (däts), Schädel.
Dan, Tau, Feuchtigkeit, vor Dau un Dag,
sehr frühe.
Dank m., Tuch.
dann, tauen.
dann, tun; ek dau, du deist, hei deit,
wei daut; ek dat, wei doiu; edan.
In der abhängigen Nennform sagt
man daunen (dau^). hei hat nist de
daunen. — Die Bedingungsform dient
zur Bildung des Konditionalis bei
allen Zeitwörtern, ek deu no IIus
gähn, went nich sau renen deu.
Dans, As im Kartenspiel.
dansend, tausend.
de (da und de), der, die; die unbetonte
Form ist Geschlechtswort, die betonte
Fürwort. Der 2. Fall fehlt; das
Besitzverhältnis wird durch von oder
durch ein pron, poss. ausgedrückt.
Dat. u. Äkkits. lauten gleich^ nämlich
den, verkürzt männl. 'n, loeibl. de (da).
In selbständiger Stellung lautet 3, und
4. Fall dene (denj). — Der Akkus.
'n steht auch vor den Namen der
Wochentage, 'n Mandag vorreise ek
de (do), zu vor abhäng. Nennformen
statt des betonten tau.
deffen, schlagen, stossen.
foT&eieüiliieren,verteidigen,verantworten.
defren (cbfre'n), zufrieden, lat ne midde-
freu, lass ihn in Ruhe.
Deig (daiyO, Teig. — Sprichwort: hei
grient 'wieli Esel, de Deig efreten hatt.
Deigaffe, Spottname für den Bäcker.
Dell, Teil, Menge, 'n ganz Deil, ziemlich
viel.
deilen, teilen.
deinen (dai^), dienen, irgendwo als
Knecht oder Magd sein, wat makt
denn Dres? ~ de deint. — Soldat
sein wird dagegen mit der hd. Form
ausgedrückt: hei dient.
Deinst, Dienst.
deip, tief.
Deirt, Deir, Scheltwort mit der Bedeu-
tung: albernes Mädcheyi.
de Jare, vergangenes Jahr.
dek (dek), dir, dich. Einige wenige Zu-
gezogene sagen dik.
Dele (de'h), Diele, Fussboden.
dellejen (debjdn), schwer heben ^ mühsam
etwas tragen, delleje dek doch nich
mit den swahren Korwe rum.
delen (d^ln), dielen, mit Dielen belegen.
dempen (dempm), dämpfen; afdempen,
erwürgen, die Kehle zuschnüren.
denn, dann.
dengeln, die Sense schärfen, indem man
die Schneide mit einem Hammer klojjft.
derngge (ddrü'ja), zurück.
57
derwedder, dewedder (d9ve'd9r), da-
wider, dagegen, ek hewwe nist der-
wedder.
des«Iat (d9Z9lä't), matt, ermüdet, zer-
schlagen.
Defsen (d^s^n)^ Deersheim, Ortsname.
deireddern (dsxejddm), zuwider, über-
drüssig, ek liewwe mek Hmalt de-
weddern ejettn.
dichte, dicht.
diehtebie, nalie, dicht dabei, da wird
in der verkürzten Form vorweggestellt :
ek bin der diehtebie; hei isser dieh-
tebie.
didlditchen, in der Kindersprache Nach-
ahmung der Tanzmusik,
Diese], Tiegel.
Diel, Teich.
Die kde, Dicke, twei Faut in de Dickde.
dieken, tilgen, hei hat siene Schuldn
edieket.
diekfellig, gleichgültig.
Diiune f., Diemen, Feimen, 't Korn is
inne Dimme feurt.
din, dein. Dat. Acc. dienen (din).
DiBJ^elken, kleines Ding. Nach aus-
lautendem Gaumenlaut tritt vor -ken
-el.
Dineelste (-st^), Dingelstedt, südlich v.
Eilsdorf,
Diisda^, Dinsedag (dinzedax), Dienstag.
Diereks, Dietrich, Nachschlüssel.
Di«cb, Tisch.
Discher, Tischler, Schreiner.
disfhern, tischlern, schreinern.
Diefse (dtS9), der am Spinnrocken auf-
gesteckte Flaclis.
Diefsel, Distel.
Diefnenblad, bunt bedruckte Pappe, die
um den Flachs am Spinnrocken ge-
tcickelt wird, um ihn zusammen-
zuhalten.
diwweni, lebhaft beraten, unterhalten.
Doehter. Tochter.
Döehterken (d&nprksn), Töchterchen.
dof (diff), taub; ohne Frucht. — op
doben (dtTbin) Dunst, aufs Geratewohl.
doj (diTyJ, tot.
Doie (dÖ'JQ), Tote, da ligget de Dojen.
doli, toll, et is tan doli weren.
dolmern, hastig arbeiten mit der Neigung
zur Oberflächlichkeit. hei dulmert
wat drop los.
dornen (do'm), blaken, rauchen, de
Lampe dornet.
dön (do'n), taugen (dö9, doxst, doxt,
dißat; doxt»; adaet).
Don (dö'n), Tonerde.
Dönder, Donner.
Dönderbohne, Donnerbohne, grosse Fett-
henne, Sedum telephium. — Junge
Mädchen legen ein Blatt dieser
Pflanze in den Schuh und meinen,
der Bursche, der ihnen zuerst begegnet,
werde ihr Bräutigam
Dönderda^f Donnerstag.
döndern, donnern.
den, done (dö^no), da, darauf.
dönen (do^n), dröhnen, et dönt dorch
de Knoken.
Donfra (difnfrü), Leichenwäscherin.
Donsränrer, Totengräber.
Donkopp, Totenkop, Schädel.
Donknnle, Ton^M^e.
dÖDSch (dö*n.H), beschränkt, dumm.
Dop ; nur in den beiden Bedeutungen
Obertasse (Tassendop) und Eischale
(Eidop) gebräuchlich.
Dope (dü^p»), Taufe.
Döpewater, Taufwasser, dat hatt'e mit
'n Döpewater ekreggcn, das hat er
von Anfang an.
dopen (do^pm)y taufen (döl'p?, dofst,
dö*p9t; dof 19; ddoft und 9do'p9t).
döppen (döinn), afdöppeo, u)ie eine Ei-
schale abheben ; z. B. wird der Schorf
von einer eitrigen Wunde awedöppet.
Dor (dö'r), Trespe, Bromus secalinus,
ein Unkraut im Flachs.
Dop, Tor, Hoftor.
DÖr, Tür. Kinderreim: Witkop (od.
Jakob), fritt de Kese op, mak de Dur
tau, meck frürt sau.
doreb, durch.
Dorehfall, Durchfall.
dorehsien, durchseihen.
Dorchsla^, Durchschlag.
Dorn (diTrn), Dorn, Stachel.
&ÖTn(dd'rn), dürfen (doy9, dö'rst, dö'rt;
dorst9, dorstn; 9dorst).
Dörp, Dorf. Die älteste Strasse des
Dorfes, an der ursprünglich die An-
siedlungen entstanden, heisst kurz
\ Dörp. hei wohnt in Dörpe {in der
Dorfhauptstrasse), wei gaht dorchet
Dörp.
Dortehen (d<yrtx9n), Dorothee.
Dorweg (dffrwfxh n., Tor, sowohl die
Toröffnung, die Durchfahrt, als auch
das Tor aus Holz oder Eisen, in'n
Dorwe (difrve) stahn. 't Dorweg
opmaken.
Döschefläre, Döscbfläre, Dreschflegel.
döschen, dreschen.
DÖHcher, Drescher, de fritt wie'n Schep-
peldöscher.
58
Döst^ Durst.
döstig (döstix), durstig,
Dot (dö't)y Tod,
dote (d(ftd)f tot, siehe doj.
dotstarbenskrank (d&'tstarbimkraisik),
todkrank.
dtfwe Nette], Taubnessel, Lamium,
Döwwer, Täuberich. Worts2)i€l: de
dicke Düwwer draug de dicke Duwe
dorch den deipen Dreck; da dank de
dicke Duwe den dicken Duwwer, dat
de dicke Döwwer de dicke Duwe
dorch den deipen Dreck draug.
Dra, Trage, Gestell zum Tragen. Mefs-
dra, Kaukendra, Reuwedra.
drabeii (dräbm), traben.
Dracht, Tracit. ne Dracht Water, eine
Traglast Wasser; ne Dracht krien,
Prügel bekommen.
Dragkorf, Tragekorb (auf dem Racken
zu tragen)
Dragstrick, Strick, Tragband am Trage-
korb.
Drake, /., Drachen, scherzhaftes Schelt-
wort für Mädchen,
dralle, schnell, flink, ek mot dralle
maken.
drammarsen (dram-ärz9n), peinigen,
quälen: Wenn ein Kind die Mutter
an der Schürze zieht, damit sie mit
ihm gehe, so sagt sie wohl no, saun
drammarsen.
dran, (drän), tragen (ek drä, d. drerfßt,
h. dr^, wai drät; ek draux, wai
droin; odrän).
drane, dran, daran; in Zusammen-
setzungen dran.
Drap, Trab, op en (opm) Drap bringen,
wegjagen, auszanken, make drap, be-
eile dich.
dräpen (drfpin), treffen (drfpe, drüpdst,
drüpdt, drfpdt; drö'p, dr(fpin;
ddrö^pm),
Drär, Drajer, Träger, Leichenträger.
Drär^chörte, Schürze mit Tragbändern.
Dräsen, Ladentisch.
drann, drohen
Draus, Pferdekrankheit,
Drewet (dr^wH), Dreifuss.
dreharig, widersprechend, trotzig.
dreiD, sw., drehen.
drein, trügen, täuschen, (drai, drüxst,
drüxt, drait; drö^x, drÖ'n ; sdri^n).
dat drücht höllisch.
drecklich, dreckig^ schmutzig.
Dreien (dr^ln), n, Drell, Drillich.
dreien, aus Drillich, twei dreien
Ilandeuker.
Dres (dr^s), Andreas.
Dresler (dresl^r), Drechsler.
dresHeln, drechseln.
dreweseh (dr^v9s), dreist, keck, unver-
froren.
driben (dribin), treiben (drlva, drifst,
drift, driv9t; draif drebm; ddrebm).
Dribenkiel, frecher Junae. '
Dridde, Dritte, 'n Dridden afslan, den
Dritten abschlagen, Spiel.
driddehalf, drittehalb.
Dridderat, Gewebe, Stoff,
dridderatscb, aus Dridderat,
Drifft, Trift, schmaler Grasweg zwischen
Äckern,
drillen, mit der Maschine säen,
drinken, trinken (driakd; drujdk;
ddruidkBn),
Drier, Dreier.
drierlei, dreierlei.
driscbakeln, quälen.
Drischar, dreischäriger Pflug.
driste (drist9), dreist.
drifteine, dreizehn.
drittieb, dreissig.
driwweliern, ungeduldig und anhaltend
etwas fordern.
Driwer, Treiber.
dröe (dro*), trocken, de Kau steit dröe,
die Kuh hat keine Milch.
droben (dröbin), drüben.
droj (droW trocken.
Dröjnis, Trockenheit.
Drom (drö'm), Traum.
Drömeker, Träumer.
drÖmekich, träumerisch, schläfrig,
drömmen (dr&iii), träumen.
dröen (dro^n)^" trocknen.
dröhnen (dro^i^), dröhnen.
dröwwer, drüber.
Dräfel, Traube.
Draft, Trieb, Antrieb, Druck, ek mot
emal Druft derhinder bringen.
Drümpel, m., Häufchen, bes. Kot.
drnnder, drunter, dröwwer un drunder.
Drnnk, Trunk, Trank.
drüppeln, tröpfeln.
Drappen (druptn), Tropfen,
drttppen (drüpm), tropfen.
Driippe, /., Tropfen,
drnsseln (druzaln), im Zulande des
Einschlafens sein, hindämmern, ek
war inedrusselt.
Drofsen (drüs9n); hei is in Drufsen, er
ist ohne Bewusstsein. ek hewwene in
Drufsen oslan.
Druwe, Traube, Wie mir scheint, nicht
so häufig gebraucM wie Drüfel.
59
dttf pers. Fürtüort ; abgeschwächt dd, das
nach auslautendem Zahnlaut mit die-
sem zusammengezogeti wird, haste,
hast du; bringeste, bringst du.
dächti/i;, tüchtig^ sehr, in hohem blasse.
den hat hei düchtig anoführt.
Daddel; io 'n Duddl sin, betrunken sein.
dadeln, missfäüige Bezeichnung des
Drehorgelspielens, des Bingens u. ä
Dtdelsaek, Dudelsack.
doffen, stossen, knuffen.
docken, 1. tauchen, hei hat ohne
ducket — 2. niederkauern, bücken.
de Hase ducket sek.
ducknackieh, gebeugt^ mit vorgeneigtem
Kopf.
Dskser (duk-s9r), Sperling. Vgl. Nd,
Kbl. 27 f,
dall, 1. toll 'n duln Hand. — 2. ärger-
lich, ek bin sau dull. Siehe doli.
dalder, toller.
Dallworn ; hei is wie von DuUworm
besetn (bdzfiii), er ist närrisch.
Oiihme, kleiner Eisenzapfen, der das
seitliche Abgleiten der Wagenhort
verhindert.
Damen (dum), Daumefi,
Dttuling, Däumling im Handschuh.
Vgl. Fautliog.
dumm un alwern, Verstärkung von dumm.
hier hindern Oben wart 'n dumm un
alwern.
Dnmmbiihl, Dummbeutel, hei hat wat mit
'n Dummbühl ekreggen, er ist be-
schränkt.
dämme komen (kö*m), dumm kommen,
frech antworten, patzig widersprechen.
Dummerjan, Dummkopf
damp, dumpf.
dobn, betrunken.
doon, da, dann.
dahi, deuten,
DoDderkiel, Donnerkeil, Ausruf des
Erstaunens.
Donderwäder, -wedder, J. Ausruf des
Erstaunens, 2. Fluch, Ausdruck des
Unwillens.
Dihne. Daune.
Dinneje, Schläfe.
Djhp, Dauer.
diihp, teuer. — dühre Tit, Teuerung,
gebräuchlich in der Redensart wie de
dühre Tit trecken, langsam gehen.
duhrn, dauern, wahren,
diihrn, dauern, betrüben.
dfise (düz9), dieser, diese.
dügflig (düz9lix), schwankend, schwind-
Ug, taumelig.
Diiseldier, Schimpfwort: dummer Mensch,
Dunelkop (duz9tkop), unaufmerksamer
Mensch.
dii bsein, drehen^ kreisen.
dahseln, dusseln (duzdlh), träumerisch
sein.
dusend (düz?nt), tausend.
düster, dunkel, finster.
dät, dieses
Dutten, m., kleiner Knäuel Haare, Fäden
u. dgl. in dutten sien, entzwei sein.
de Tasse is in dutten.
Dnts, Dutzend.
diitHch (düts), deutsch.
Diitscbe, Deutscher, 'n ölen Dütschen,
ein Mensch, der nicht viel Formen
macht, der geradeaus sagt und tut,
wie ers meint,
Diitsehland, Deutschland.
Dawe. Taube.
Däwel, Teufel, — Von einer zank-
süchtigen Frau sagt man: de hat 'n
Düwel barwet lopeu sein. Leute, die
abends ausgelassen sind, werden ge-
warnt: wer et abends piepet, den
danzt de Düwel op en Dake.
dnwwelt, doppelt.
eben (ebm), eben, flach, gerade; jetzt.
ek bin eben ekomcn; dat mein ek eben.
ebensau, ebenso.
£ido», halbleere Eierschale.
Eierkanken, Eierkuchen.
Eiiei m., liebkosendes Backenstreicheln.
eyein, die Backen streicheln.
Elke, Eiche.
Elken, kleines Ei.
eiken, eichen, aus Eichenholz,
eiken, eichen, abmessen.
einder, jemand, man, irgend jemand.
da kann einder nist bie wem; — da
kummet einder.
eine, Zahlw. eins; adjektivisch ein.
eins, einig, in Freundschaft, se sunt
war eins.
eifj eher.
eisich, schaurig, in Holte wart sau eisich.
ek (ek), ich. Das e fällt nach vokalisch
auslautenden Wörtern meistens aus.
dat dau^k nich. Dat. u. Akkus, mek.
— Eilsdorf liegt an der Nordgrenze
des ek- Gebietes.
Ecker, Eckere, 'Eichel, hei mot Eckern
bekennen, er muss Farbe bekennen.
Vom Kartenspiel.
eck»; öwwer ecks, von Ecke zu Ecke,
in Diagonalrichtung.
Eckse, Axt.
Eider u. Eitern.
60
Ellenboe {elnhff), Kllenhogen.
Emme /"., der Uolzteily der im Wagen-
gesiell auf dem Assfutter den Vorder-
Wagens unte^ dem Weschemel hegt.
Emmer, Eimer.
en (9n), ein ; oft verkiirzt zu 'n. Weibl.
ne. 'n Mann, 'ne Fru.
enaag (enaux), naug, genug.
Enke m , Kleinknecfit, Iferjiejunge.
Enkel, Fussknöchel.
Enne, Ende, Ausgang, et geit de Enue.
— Stück, Teil, 'n Enne Wost.
entelii (enteln), einzeln.
entwei, entzwei. Nicht so häufig wie
kaput.
ehr (e^r), eher.
Ere (^r9), Erde, 1. Erdboden. 3. Erd-
kugel. S. der Fussboden. 't Mest is
ane Ere falln.
erfinnen (erfifj), erfinden,
ehrgistern (^rjistdrn), vorgestern.
erkunnijeD, erkundigen.
ehrn (^m), irden. *n ehrn Pot.
Ehp^ (^rn) /*., Ernte.
ehrn, ernten (ek ^rnd, ek hewa e'rnt).
Ehrn8t, Ernst, hei ma]|:e Ehrnst.
ehrnst, ernst.
erstan (^rst-än), anfangs, in de erst,
anfänglich, nächste Woche de ersten
Da, Anfang nächster Woche.
Ertnot ((TrtnÖ'tJy Erdnuss,
eMchern, af-eschern, abquälen, durch
Laufen abmatten,
Esel (ez9l), Esel.
Esige (f'zijd), grosse Menge.
et (9t), es.
Ete waren, Esswaren,
eten (Hn). essen (ek el9, du itst; vat et;
ek ät, vai ailii; 9Jetn),
Etter, Eiter,
etterig, eiterig, siehe unferig.
eaben (qibm), üben, ut-euben, verüben.
Euse, Öse/ siehe Neuseke.
Euwer, Ufer,
Ewer, Eber,
ewig (ewix), cmig. dat duhrt ewig nn
drei Da, d. h. sehr lange.
fackeln, zögern, scherzen, erdichten, hei
fackelt nich lange, sondern macht Ernst,
Vader, Vater, siehe Var.
Vaddcr, 1, Gevatter, Pate. Vadder stahn,
Vate sein. — 2. scherzhafte tadelnde
Bezeichnung, du bist mek en schönen
Vadder. — Veraltet ist Yaddersmann.
Fäddere, Fede^;
Vaddernbreif, Vateneinladungskarte.
Vaddersche, Gevatterin,
fafteine, fünfzehn.
Päjer, ungeschlachtery starker Mensch.
Fat (fäk), Fach; im besondern der von
der Tenne durch eine brusthohe Wand
getrennte Raum, der zum Aufbewahren
des Strohes dient, smiet dat Stroe int
Fak. — Desgleichen der Raum zwischen
den Balken einer Wand (Fachtoerk).
Daher die Redensart under Dak un
Fak sien.
Fakstein, Sandsteinplatie, womit ein
„Fak" ausgefi'dü wird.
Fakwand, Hauswand mit Fachwerk.
fämen (ffm), fädeln.
Famt (fänlt), Faden.
Var (fdr), Vater. Veraltete Zusammen-
Ziehung aus Vader.
var- (far), Vorsilbe ver in wenigen
Wörtern, z. B. vardammt, varflucht.
färben (farbin), färben.
Farken, Ferkel.
Färnits, Firnis.
Farwe, Farbe, Färberei.
faseln, gedankenlos sein, träumen.
Fasselabend (fas9lahmt), Fastnacht.
Fat (fät), Fass; itf-f/Fäte.
Fatbinder, Fassbinder, Böttcher, de löpt
wie 'n Fatbinder.
Fatbotter, Fassbutter, Margarine.
faten (fäln), fassen. — sek faten, mit
jemand ringen, die Kräfte messen.
hei hat sek mit mek efat.
Fats; nich en Fats, nich das Geringste.
Fäts (ffts), Getue, Gerede.
Faalenzia, Influenza,
Faure, Fuhre.
Faarlfi, Fuhrleute.
Fanrmann, Fuhrmann.
Fant, Fuss, Körperteil und Mass. öwwer
'n Faut mit einen spannen, sich mit
jemand erzürnen.
Fautling, Fentling, der TeildesStrximiyfes,
der den Fuss bedeckt.
fei, schüchtern, verzagt, as. fegi.
Fei, Vieh.
veire, vier,
vel (f^l), viel.
Felje, Radfelge.
velmals, viele Male, oft, ji solln ok
velmals bedanket sien.
Feld, Feld, in Felle, im Felde. ~
öwwer Feld sien, verreist sein,
Veltn, Veitheim.
fengen, fangen (ek feng»; ek fonk, vai
foB9n; 9f€B9t statt älterem dfo^9n).
vere (ff^re) ; sülf vcre, selb viert.
verteine (f<frtain9), vierzehn.
vertel (fcrtl), viertel.
Fese (fez9),^ Faser.
61
feste, ftit, slag feste.
Vetter, Yeiief; die gewöhnliche Anrede
für Herr. *n Dag, Vetter I — da kummet
Vetter Kruse. — Anverwandter, Onkel.
ek will usen Vetter beseuken. Vgl.
Wesche.
feuln, fühlen.
Fenre, Furche.
fearn, fahren.
Featliog; siehe Fautling.
Fewerwar (fe/w9rvär)y Februar.
Ficke, Tasche. Fickenfeulders kriet Ohr-
fien.
fiekfaekeo, necken, unnütze Dinge treiben.
Fickfaekerie, Neckerei, Getändel.
fidipse, besonders in der Verbindung
hunneiidipse als Antwort auf Bitten,
die man nicht erfüllen toill oder auf
neugierige Fragen. Hauptsächlich in
der Kindersprache.
Fiddel (fidl), Fiedel
fiddelD, fiedeln.
Fidler (fid^lfr), meist in der Verbindung
UoDnefldler, Hundekäufer; eigentlich
Schinder, zu filln, das Fell abziehen.
fif, fünf, veraltet.
Vijaule, Veilchen, Viola.
Vijjeline, Geige, Violine.
Vijjelinenstriker, eigentl. Geigenspieler;
bezeichnet einen Menschen, der sich
durch listige 'Täuschungen um die
. Arbeit su drücken sucht.
Fiken, Sophie.
Filderkuhle, die Grube, in der toten
Tieren das Fell abgezogen wurde.
File, Feile.
ftlen, feilen.
fillD, affilln, das Fell, die Haut ver-
letzen, abschaben, ek hewwe mek et
Knie awefillt.
IId, fein.
Finne, Geschwür am Augenlide, sogen,
Gerstenkorn.
finnen (fifj), finden (ek fin9, du finst, hai
fint, vai fint ; ek funt, vai fuii ; dfuy.).
Fint (fint), Feind, selten.
Fir, Feier.
firen, feiern.
Fisematenten, Faxen, nicJUige Dinge.
Figeln, Faser chen.
Fittehen, Ftügel, Fittich, 'n Fittchen
hebben (heljp), nicht gescheit sein,
fittehen, mit einem VogelfiUich fegen.
fit-fit (fit), Lockruf für Enten. In der
Kindersprache Bezeichnung der Enten.
Fiteken, Fitjeken, Entchen.
Vizebohne (flts^bffn?), Stangenbohne,
Vietsbohne, Phaseolus vulgaris L.
Fitsken n., wenig, ein bisschen.
Fiwer, Fieber.
Flädderfittchen, Fädderiittehen, Fädder-
flitchen, Vogelfittich, der zum Fegen
benutzt wird, Flederwisch.
Fläddermns, Fledermaus.
fladdrieh, flattrig, lappig.
Fläre, /., Dreschflegel.
Flarn, m., grosses, dickes und unge-
schickt geschnittenes Stück Brot.
Flass, m., Flachs.
Flasskan, Vorrichtung zum Zerkauen
der Flachsstengel. Sie hat eiserne
Kauleisten, die Brake dagegen hölzerne.
Fiats, arober, ungeschliffener Mensch.
Flat'tscnen, breite, formlose Masse.
flätsen, sich räkeln, wie ein Fiats be-
nehmen, hei fiätset sek oppet Sofa.
Flaamen (fiaum), Bauchfett,
Flei, Fliege.
flein, fliegen (ekflai, duflü^st, vaiflait;
ek fllfx, vai flifn ; 9fl(fn).
Fleinnnepper, Fliegenschnäpper, Mus-
cicapa grisola,
Fleit; nur in der Redensart. • dat Mest
snitt wie 'n Fleit, d. h. es ist sehr
scharf.
Fleitje, Flöte ; nur in dem Kinderverse :
Kumpel, rumpel, reitje, Schaper hat
ne Kleitje, Schaper hat ^n Dudolsack,
Dudelt usen Kinne wat. — Vgl.
Fleutje.
fleitn, fliessen (et flüt; fliTt; 9fl(ft{i). —
de Snnte fleitn hebben, vorlaut sein,
zwischenreden, prahlen, sich mit Wor-
ten vermessen.
flennen, (flen), weinen,
Fleutje, Pfeife (zum Pfeifen).
flentjen, mit dem Munde pfeifen.
fliestern, flüstern.
flieticli, fUissig; vom Hd.fast verdrängt.
flitchen, mit den Flügeln schlagen.
Flitsbog^el, Bogen zum Schiessen, frz.
fleche.
flitsen, eilen, laufen.
Flöe Cflö'), f. u. m., Floh.
¥ 1 «ggel , Mühlenflügel.
flöen, Flöhe fangen.
Flöenkrnt, Flohknöterich, Polygonum
persicaria. Bote Flecke auf den
Blättern 'dieser Pflanze deutet man
als Spuren dtr Jungfrau Maria.
Flöte, (flöU^), Flöte. Bdsa. flöten gähn.
Flöte, Botterflöte, eine hölzerne flache
Schaufel, mit der die Butter aus dem
Butterfass genommen wid in die But-
terform (pundsnap) gedrückt wird.
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Flüebter, Feldtauben -, Tauben, die den
Bof verlassen und umherschweifen.
Utiebten, fliehen.
Flüctatchen, der aus einer Zwecke und
einem Läppchen hergestellte Schiess-
bolsen für das Blasrohr (Pusterohr).
fluschen, schnell von statten gehn. da
fluschet de Arbeit.
foddern, föddern, fordern.
MU (foft9)y fünfte, selten.
fofteine, fünfzehn, häufiger ist fafteine.
Foeken, m., grosses Stück Brot, hast
dek en schöuen Pocken awesuedn
(äwQsnedn). Synon. Flarn, Kniewel.
Fole (f(fl9), Falte; meistens beschränkt
auf die Bedeutung Stirnfalte, während
sonst die hd. Form gebraucht wird;
z. B. Faltnstäwwel.
folgen, folgen. — hei hat efolget, er ist
dem Sarge als Leidtragender gefolgt.
folen (fö'ln), falten, de Hanne folen,
die Hände falten.
Füllen (föln), Fohlen.
Fomilich, Familie.
fon-eer, fon-eir, wann.
foppen (fopm), foppen, necken.
fop (mit kurzem o), 1. für. 2. vor.
3. Vorsilbe ver-,
vorbellen, verstauchen
vorbi, vorbei.
vorbimmesen, verhauen, durchprügeln.
vorbomjacken, verprügeln.
forcht- (foryj), vorig-, forchtn Mandag,
am vorigen Montag.
vordarben (fordarbm), verderben.
Vordarf, Verderb, 'dat is sien Vordarf,
vordeinen (-deiri), verdienen.
Vordeinst, Verdienst.
vordeawelt, verteufelt.
Vordrag, Vertragen, Einvernehmen,
Friede, et is kein Vordrag zwischen
den beiden.
vordran, vertragen.
vordreitn, verdriessen (dt fordrüt; for-
drift; fordrÖ'lfi).
Vorein, Verein.
vorändern, verändern; sek vorändern,
lieiraten.
yorfehrn, ei'schrecken.
vorfreirn, erfrieren.
vorführen, 1. verführen. 2. vollführen,
ausführen, se het 'n höllischen Lärm
forführt.
Vorgang (forjdiak), m.. Vergehen, Ver-
minderung, on düsen Tue is kein
Vorgang,
vorjetn, vergessen.
vorjettern, vergesslich.
Vorgliek, Vergleich.
vorglieken, vergleichen.
vorgröttern, vergrösser n.
vorhalen, erholen, ausruhen.
Vorhimme, Vorhemd.
vorholen (forhif'ln), aushalten, ertragen.
hei kann wat vorholen.
vorholen, vorhalten, z. B. die Leine vor
die Brautkutsche, um ein Geschenk zu
erhalten.
Vorkarre, Vorkarre, Karren vor dem
Pfluge. Siehe Vortuch.
Forke, Gabel zum Heu- und Stroh-
aufladen.
vorketteln, an der Brennessel verbrennen.
vorknnsen, jem. leiden können, ek kan
ne nich vorknusen.
vorklahn, verklagen, scherzhaft: einen
Torklahn, die Notdurft verrichten.
vorklomen (forklifm), erstarren, 't Küken
is in de Külle ganz vorklomet.
Vorko», Vorderschädel, Stirn.
vorkiillen (-küln), erkälten.
Vorlat, m., Verlass. et is kein Vorlat
op 'ne, er ist nicht verlässlich.
forleif, fürlieb.
vorleirn, verlieren (ai, ü; ö, ö ; ö).
verloben (-lö'bin), Erlaubnis holen, ek
hewwe mek ut de Schaute vorlöwet.
vormann Nien, vermuten, erwarten, ek
bin mek wat vormaun.
formest (-mifst), famos, spassig.
vormiinderu, ermuntern, munter werden.
vorprnsten, verschnaufen.
vorqnasen, vergeuden, verschwenden.
vor q atmen (forkwlm), verrieclien, den
Geruch verlieren.
Vorak (f(frak), m., der bei der Flachs-
zurichtung vor der Hede entstehende
Abfall.
vorrnngenieren, ruinieren.
voröwweln, verübeln.
vorrnken, verriechen; verdrängt jetzt
das äUere vorquimen.
forsch, stark, kräftig.
verschalen, mit Schalhölzen bedecken.
Forsche, Kraft.
vorschÜDnen, (-^ün), verhetzen, verfüh-
ren, veranlassen, etwas unrechtes zu tun.
vorschiitten, (förmin), aussperren durch
verriegeln der Tür.
Forst, First.
vorstabn^ verstellen.
vorstännig, verständig.
vorstöhrt, verstört.
Forstweg, Firstweg; der Weg, der auf
dem Kamme des Huys entlang geht.
Forswint, Hautausschlag.
fohrt (/ö*ry, fort
forteilen, erzählen,
Tortehren, verzehren.
Vortl. Vorteil, Nutzen.
vortobftfken, verhauen.
vortreeken, verziehen. Reuwe vor-
trecken, unter den jungen Buben-
pflanzen die schwachen wegnehmen,
sodass die kräftigen noch besser ge-
deihen können.
Vortiig (förtüx), Gestell mit zwei Bädern
vor dem Pfluge.
vorammesiis, umsonst.
vorat, voraus, in vörut, im voraus.
vor weit, umgewandt. Meist nur in der
Bdsa.: krist wat mit de Vorwente, du
bekommst was mit dem Handrucken.
vorwogen (-vo'yn), übermütig, keck.
Fortz, Bauchwind.
Fos8, Fuchs; Verräter.
losrli (f(f^), unpass, unlustig, faul, ek
bin sau fosch — et Holt is all fosch,
etwas angefault.
fossen, angeben, verraten.
fossig, fuchsig.
Fossswanz, Angeber.
Fotze, Vulva.
Fra, Frage.
Frähmte, 1. Wermut, Ärtemisia absin-
thium. 2. Wertnutschnaps.
fr ahn, fragen.
fransen, ringen, balgen.
Franjen, Fransen.
Fre (frf^), Friede. Fre holen.
freirn, frieren.
Frese (fr^zd), HalRfrene, Halsschmuck
nus Bändern.
frete (fre't»), hübsch herangewachsen.
freien (Jrfltj), fressen.
Fretsaek (frft-), Vielesser.
fren, früh.
Frenjahr, Frühling.
frentietlieh, frühzeitig.
fri, frei.
Priedag (frldäx), Freitag, stillen Frie-
dag, Karfreitag.
Friejat (frtjäi), Heirat.
fritkeln (frik9ln), hin und her be-
wegen, ftich durch Enges und Ver-
zwicktes, z. B. Gassen, hindurch-
finden ; mit einem schlecht passenden
Schlüssel ein Schloss zu öffnen
suchen usw.
frielich, freilich.
frieneaen (frlmoix), freimütig.
frien, freien, heiraten.
fringen, ntfringen, die Wäsche aus-
wringen.
Frinffmaschine, Wringmaschine.
frisch (frw) heiratslustig.
Priwarwer (frwarw9r)^ Freiwerber.
friwarwern, den Freiwerber spielen.
taufriwarwern, einen Gatten ver-
schaffen.
Priseheiten, Schützenfest.
Fromme, m., Fremde.
frömt, fremd.
FrOHch ; die zu Garbenstärke zusammen-
gelegten Schwaden der Gerste und des
Hafers bleiben zum Trocknen auf der
Erde liegen, man nennt sie Frösche ;
die des Boggens und Weizens werden
dagegen gleich gebunden in Mandeln
aufgestellt.
fröflterig, leicht frierend,
Frösterköttel (-kötl), ein Mensch, den
leicht friert.
Fru, Frau. — Dienstboten nennen die
Dienstherrin use Fru.
Prfinne. Verwandte.
Franslu, Frauen.
Fransminschen, Frnminschon, n.,
Frauenzimmer, Weib, (nicht im
schlechten Sinne).
FrUnt, Freund.
frfint, verwandt.
Frfint8chop, Freundschaft, Verwandt-
schaft.
fräntlieb, freundlich.
Frunzen (frünts^n), n., Frau, Weib.
fachtidi (fuxiiyQ, ärgerlich, gereizt.
fuchteln, mit einem Gegenstande vor dem
Gesichte eines andern heftige Be-
wegungen machen.
fackeln, tasten, fühlen, hei fackelt in
Qeldbühle rum — et war sau düster,
ek moste mek no Hus fuckeln.
fal, faul.
Falbohmj Faulbaum.
fnle öreite, faule Grete, Lerchensporn,
Fumaria bulbosa.
fall, 1. voll, gefüllt. 2. schmutzig.
make dek dien Klet nich füll,
fullkomcu (fulk(ftn)f vollkommen, gross,
weit, sien Anzug is en betchen full-
komeu.
Fällekelle, grosser Schöpflöffel.
fallich, 7. weit, gross; 2. völlig.
fUhln, einen Bauchwind lassen.
fallop, vollauf.
fal Ins, vollens, ganz und gar.
Falpelz, Faulpelz.
fammeln, tastend berühren; ungetoisse
bewegungen machen.
fUnewe, fünf.
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fankelnagelniet, fankelhagelniet, fun-
kelnagelneu.
FuBzel, schlecht brennendes Licht.
Püer (fü'r)y Feuer.
fiirieh, feurig; glänzend; heiss; ~ auch
eine durch Entzündung stark gerötete
Wunde bezeichnet man als färich.
fiirken, scfuiukeln. Vgl. furkeln in
Grimms Wb.
Furteiken. Vor der Bildung der
Fflichtfeuerwehr xourden Blechschilder,
die mit einem Riemen versehen und
mit fortlaufenden Nummern bezeichnet
waren, wechselweise an eine Anzahl
Männer ausgegeben, die dadurch ver-
pflichtet wurden, bei Feuersbrünsten
die Spritze zu bedienen. Die Schilder
hiessen Furteiken.
Füsel (ftizdl), Fäserchen.
Fusel (füz9l), geringwertiger Schnaps.
Fast. Faust.
Fastnanschen, Fausthandschuh.
fatseh, fort, verschwunden.
Futterswenge, Futterschwinge, flache
Korbschale, mit der Pferden und
Kühen das Futter en die Krippe ge-
bracht wird.
gackern; die Henne gackert.
I^aldern, mit der Peitsche knallen.
Oal;!;en (galjan), Galgen.
gamfeii, sek, sich verhauen.
gähn, gehen (ek gä, du gaist; junk,
juwn ; dgän).
gang (jaBk); et is jang un jewe, es ist
so üblich. — hei is war jang, er ist
wieder auf den Beinen.
tians (jank), Gang, Flur, Vorsaal in
Obergeschossen.
Uanter, Gänserich.
garhen (garbm), gerben, prügeln.
fiare, Garten^
(larn (gärn), n., Garn,
garni§t, gamichts.
garrn, herumtreiben.
Uarrnlock, Schallloch am Kirchturme.
(iärtner (jertnfr), Gärtner.
gärtnern (jertnfm), unbefugt den Gärt-
ner spielen, d. h. Obst stehlen.
tiarwe, Garbe von Getreide im Gegen-
satz zu Bund, das aus gedroschenem
Stroh besteht.
<iaste, tiastn, m., Gerste.
tiastenkaf, Gerstenkaff, Grannen der
ausgedroschenen Ähren.
tiastengriitte, Gerstengrütze.
gastricil, garstig, ungezogen.
Satt, Loch, Öffnung.
Gatter, Eiss im Kleide.
gätlieh (jf^lix), bequem, passend.
gatschen (gätsdn), heftig platschend
regnen.
Gatze, Gasse, sehr schmale Strasse. In
Eilsdorf gibt es eine Pinnengatse
(pirjgatS9).
ganndern, spotten.
Gans, Gans.
Gansehnt; die durch Kälte oder Sehreck
erzeugte Körnelung der Haut.
Gansetrappe, Gänsefingerkraut, Poten-
tilla anserina.
Gebet (j^bai), Gebäude.
geben (j^bm), geben (e, ä, ä, e).
Gebind QMnt), n., Gebinde,
Gebrnk (jdbrük), Gebrauch.
gebriiklich, gebräuchlich.
Gedanne, Unrat.
gediillieh, geduldig.
gednlligen (ßduUjan), gedUlln, gedulden.
geffeln, heftig regnen.
gegen (jej9n), gegen.
Ge^enpart, Gegner.
gelten (jaitn), giessen (ai ü, ö, ö, ö).
Gejnche, Jauchzen, Gejodel.
gel O'el u. jfl), gelb.
gelieh, gelblich.
gelriepe, beinahe reif.
Gemachte {J9merftd), Unterleibsteil, hei
trat ne vor 't Gemachte.
gemeinlieb, gewöhnlich.
geneitn (J9naiin), gemessen.
geran (jorän), geraten. (9t J9ret.)
gern (j/rn), gern.
gerttmich, geräumig.
gerühn, 1. gereuen, leid sein, et is
mek ger&hn, ich bereue es.
gescheut, gescheit.
Gesehirre, Geschirr.
Gest (jest), Hefe. — mek geit de
Gest von liiewe run, mich schwitzt
stark.
Gewarwe, Gewerbe, Grund, Ausrede,
Vor wand.
gewinnen (J9vin), gewinnen (i, u, u, u).
Gewinne, Gewinde.
Gewinst, Gewinn.
Gewwel (jew9l), Giebel.
giddeln (jidln), geigen.
gilln (jün),' gelten, (i, m, u).
Gilte (jilt))y kleine Holz wanne, ahd.
gellita.
Gier Q^r), Gier.
giern, gierig sein auf etwas.
gi Stern, (jist9rn), gestern.
Giez (Jus), m., 1. Geiz. 2 der Saft-
trieb, bes. bei der Weinrebe.
giezen, die Safttriehe der Weinrebe
65
ausbrechen, damit der Saft in die
Trauben geht.
»las (glas), Glas.
^lätteheo, glätten, de Katte glättchet sek.
(jlattis, Glatteis.
elaam, getrübt, de Oen seit sau glaum ut.
(ilaot, Glut.
^lantniet, glänzend neu.
<jlanwersolt (•zd'lt), Glaubersah.
gleimeken, falsch, hinterlistig lächeln.
gienmieh, getrübt. Siehe glaum.
glik, gliks, gleich. Meist zeitlich (vgl.
like.;
gliken, gleichen.
^limnen (gliin), glimmen.
glimnern, glänzen.
gliprich (glipriyj, glatt, schlüpfrich.
glippen (gliprn), gleiten, glitschen.
(ilitt Glied. Ohne Plural, ek könne
kein Glitt röen.
glittüchen, gleiten.
gliwrieh, glitschig, glatte schlüpfrig.
i;;löben (glö'bm), glauben.
glösen (glol'zyl), glimmen.
tilowe, Glaube.
gla, 1. glühend, glu sien, glühen, 't Isen
is glu. 2. glänzend, blank. Acker-
männeken, pleu mek wat, säst 'n gluhn
Dalder hebben (Kinderlied).
Glfimer, Engerling.
glamich, dämmerig.
tilDmige /m Dämmerung, wei het noch
en Schur in de G lumige setn (zetn).
glapen, glappen, kucken, spähen.
j^lapsch, falsch blickend.
{^lästern, (glüst^rn), beobachten, heimlich
zusehen. Es bezeichnet das für den
Gesichtssinn was horchen für den
Gehörssinn bedeutet.
gDahn, unreifes Obst essen.
^narpen (gnarprn); mit knirschendem
iMut kauen, wenn man z. B. einen
Apfel isst.
parrD, weinen. Siehe brammen, gnatsen,
paun, gnauln.
(inats, Geiz.
patsieb, geizig.
gnatsen, weinen, 't £ind hat'n ganzen
Dag egnatset.
^anln, /. weinen. — 2 reden, schwatzen.
^Dawweln, mit schneller Mundbewegung
an harten Sachen kauen.
iiDawwelring, Hörn- oder Beinring, auf
dem die Kinder die Zähne durch-
heissen sollen.
gaawwern, knabbern.
^neirig, neirig, bettlig, von allem ver-
langend.
Niederdeutsches Jahrbach XX XIV.
gneim, neirn, betteln, verlangen ; bes.
von Kindern gebraucht, die nach
Leckerbissen verlangen.
Onitten, kleine Mücken.
gniwwieh, hager, verhungert; patzij,
schnippisch, bissig.
gnöseln, näseln.
gn äffen, knuffen, stossen,
gnarreiif knurren.
gonneii (jbi^), gönnen.
Göpel (jö*p9l), Göpel
Gorgel (gorjdl), Gurgel, Kehle.
fforgeln, gurgeln.
Gorts, GoUfried.
Gösseln n., junge Gans.
Gote (jö^t9), Gosse.
graben (gräbrn) sw., graben.
grade, gerade
Graf (gräf), Grab.
Graft /. Grab, flache Chrube.
Gramme, Grummet.
Grand, Kies.
Grane tchen, Beinette, Apfelart.
grannich, sandig, kiesig.
grapschen (grapädn), schnell fassen und
an sich reissen, packen.
Gras (gras). Gras.
Grasedrifft, Grasweg, Trift zwischen den
Äckern.
Grasehttpper, Heuschreck.
Grasetorf, Basen.
Grawe, Graben, Graben.
grawweln, kitzeln, tasten, krabbeln.
Greite, Grete. Veraltet.
Grewe, Griebe, Bückstand beim Auslasseti
des Speckes.
^renneken, grinsen.
Grepe (gr^p»), Mistgabel
crenn, grün.
Grennejum, Geranium.
grienen (grln), grinsen, lächeln.
grienich, grinsend.
griepen, greifen (grlpo, gripst; graip,
greprn, dgrepm).
gries, greis, grau.
Gripps, Verstand.
grisselich (grizalii), graulich, mit feinen
Punkten.
Griwwel, schmaler Spaten zum Buben-
roden.
groff, grob,
grölen (gro'ln), lärmend schreien.
Groschen, Groschen.
grot, gross.
Gröte, Grösse.
Grotefaer, Grossvater.
{iT0Unute^Grossmaul,grosss2)recherischer
Mensch.
Orotspänder, Grossspänner, der erste
Knecht.
Gpü. Grude.
Grnnl, Grauen, Abscheu, ek hewwe 'n
Gruhl dervor.
(iriihl, Lärm, Zank, maket nich saun
Grühl.
grahlen, fürchten, Grauen haben.
grnhlich, 1. furchtsam, ek bin in Düstern
grublich. — 2. Furcht erregend, hei
sach gruhlich ut.
^ählich, greulich, schwer zufrieden zu
stellen.
grummeln, brummen, summen; leise
donnern.
Grund, Grund. Dai. Grunne ; Plur. Granne.
Grapen (grüprn), Graupen.
Orütte, Grütze.
Gttffel (jüf9l), Gttflfele (ßlfh), lange Gabel
au^ HolZy die z. B. zum Stützen der
Wäscheleine dient.
gut, gut. nist gus, nichts gutes; 'n gun
Hinsehen; gu Kinder.
Habak, Habicht.
haffen, beissen (Kindersprache).
Hagelstreich, dummer Streich.
Hacke /. Hacken m., Ferse am Fuss
und im Strumpf, Stiefelabsatz.
Uäkedör, die quer geteilte Haustür in
älteren Häusern.
häkeln, sich zanken, streiten.
haken, zurückgehen, den Wagen zurück-
stossen, hake dock gliks op'n (opm)
Hoff.
half, halb.
Halfpnndsnap, Holzform für ein halbes
Pfund BuUer.
Halfslag, Hälbschlag, Bastard, nicht
rassereines Tier.
Halfspänder, Halbspänner, Besitzer eines
kleinen Bauerngutes.
Halfstäwwel, Halbstiefel.
halen (häln), holen.
Halshimme, bis an den Hals schliessendes
Frauenhemd.
Halwe, Seite.
haiweh, halwegs, ungefähr, ein wenig,
irgendwie, wennt halwegs geit, beseak
ek dek. — mak et man haiweh, zähme
dich. •
hamm holen, schwer halten, schwierig
sein,
Hamel (ham^l), 1. Hammel, Schafbock.
— 2. Nachgeburt der Ziegen und
Schafe. — 3. schleppender Dreckrand
am Kleide.
Hamer (häm^r), Hammer.
hamern, hämmern, hämmern.
Uandank, Handtuch.
Hahnp, Hahn; Mhrz. Hahns. Wenn
Leute den Hof betreten, lässt ihn der
Volksmund rufen : lauter grote Lüüü . . .,
den Enterich darauf: Pack, Pack. —
Auf den Hahnenruf reimt man:
Kückerückeküh, De Botter is dühr,
De Kese sünd wolfeiie, Miene Mutter
hat doch keine.
flahnebalken, der oberste Querbalken
im Dachstuhl, wie auch der dreieckige
Raum, der durch Hahnebalken und
Dachbalken gebildet wird. Leg de
Latten in'n Hahnebalken.
hahnebenken, hahnebüchen.
hahnefeutsch, hahnefentsehen, stapfend,
hinkend gehen.
Hanep, Hanf.
Uahnepateheo, Hapntehen, Hagebutte.
Hänferling. manchmal für Hänfling.
sek hängen, begatten (von Hunden).
Hängeholt, ein krummes Holz zum Auf-
hängen des gescMacfUeten Schweines.
Hankorf, Handkorb.
Uanschen, Handschuh.
Hansper, Hamster. — sure Hausper,
Sauerampfer, Rumex acetosa.
Hand, Hand, Plur. Hanne. — um de
Hand de nehmen hebben, zu tun haben ;
handgrieplich, handgreiflich; af bannen,
abhanden; tar Hand gähn, 1. helfen,
unterstützen — 2. rechts gehen (vom
Pferde gesagt. Vgl. Handperd).
handlieh; maket man bandlich, werde
nicht zu dreist, geh nicht zu weit.
Handperd, dcLS rechter Hand gehende
Pferd.
Handslag, Handgriff, 'n Handslag dann,
etwas arbeiten.
Handwieser, Wegweiser.
Handwarkslü, Handwerker.
hapern, gehindert sein, nicht von statten
gehn.
Happen (hapm), Bissen; auch wenig,
bisschen.
happich, recJU anspruchsvoll beim fordern.
Harke, Rechen.
harre, hart. — harre holen, schwer halten.
Harre Christes, Herr Christus, Ausruf
des Erstaunens oder Erschreckens.
harsch, rissig, barsch, rauh.
hartmülsch, hartmäulschy wenig empfind-
lich am Maul (z. B. Pferde).
Harte, Herz. — et Harte bleut 'ne, es
tut ihm weh im Herzen.
Hahrnle, wörtl. Haar -Eule, d. h. eine
Frau, deren Haar unordentlich oder
gar nicht gekämmt ist.
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harwe, herb, bitter,
harwest, Herbst.
JisseDbrot, Hasenwost, Beste des Vesper-
brotes, die der Vater den Kindern
mitbringt und die er angeblich den
Hasen abgejagt hat.
Haspel m.y Winde, auf die das Garn
der Spule gewickelt wird.
flaspelstieken^ kurzer, dünner Eisenstab
mit Handgriff, auf den die gefüllte
Spule gesteckt wurde, um das Garn
(Aeuha^eln.
Hasselblanme, Leberblume, Hepatica.
Hasselbnseli, Haselstrauch.
Hasseln m., Haselstock, Mute.
Hasselnot, Haselnuss.
Hattf, Huf
Haan, Huhn; Plur. Heunder.
Haanderhns, Hühnerhaus.
HauBderswarwe, Sternmiere, Stellaria
media.
Haust, Haasteil, m., Husten.
haasten, husten, ek will dek wat haustn,
ich will deinen Wunsch nicht erfüllen.
Haut, Hut; Plur. Heu.
flaawe, Hufe.
Uawere, Hawern, Hafer.
Uee (h^), Hede.
hebben (hebrn), haben (ek hqw9, du hcist,
vai het ; ek hard ; 9hat).
beeken, begatten (von kleinen Vögeln ^
Mäusen).
Heekele, Hechel.
Heekelnstaol, Hechelstuhl. Das Sitzen
auf dem Heckeinstaul ist eine der
höllischen Qualen.
Heekerling, Häcksel.
Ueddreck, Hederich.
Hegge (hejj9), Hecke.
bei, er. Mit vorhergehendem Zeitworte
als a zusammengezogen Wat salle
denne? Was soll er denn? — Datio
u. Akk. ohne.
Hei /., Heide,
beil. 1. geheilt; 2. ganz, 'n heilen lieben
Dag.
beilbeinig, ganzbeinig.
Heilebart, Storch, Heilebart, du Lang-
bein, Fonehr wut du utfiein ? — Wenn
de Rogge riepet, Wenn de Muse piepet.
Heilebartablaame, Storchschnabel,
Heilebeem, Heidelbeeren,
heillos, schlimm,
Heineke, Heimchen, Grille.
^nme\LenViu^tT^Heimlichtuer,Schleicher,
jemand, der seine eigenen Wege geht.
beisch, heiser,
beit. heiss.
Heitrok (haitr^k), Höhenrauch, der von
den Torfmooren Nordwestdeutschlands
nach dem Binnenlande getrieben wird.
helle, hell,
hellhörig, den Schall schnell fortpflan-
zend de Luft is hüte hellhörig.
hellerlieht, vollständig hell, hei hat on
hellerlichten Da stöhlen.
helen (h^ln), den Flüssigkeitsrest eines
Gefässes vorsichtig ausgiessen^ dass
der Bodensatz zurückbleibt.
help Gott, veraltete Grussformel,
Heister, Halfter.
hen, hin.
Hengest, Hengst,
Heengünele (h^njüfdh), grosse Holzgabel,
die bei der Flachszurichtung gebraucht
wird.
Henk n., Henkel, Zeug- oder Bandöse
zum Aufhängen der Kleider, ebenso
Henkel an Töpfen und Tassen,
Henkhimme, Achselhemd, ärmellosesHemd.
Henkpot, Topf mit einem Traghenkd,
H6per, Hedeper, Ortsname.
Uere (h^r9), Herr; nur noch für Brot-
herr, niemals Anrede, use Here (vgl.
use Fru).
hervorn (herfifm), vorhin.
Herig (hfrix), Hering.
Herrschop, Herrschaft.
Herd (h^rt), Herd.
Hesse /., Hechse, Kniebug des Pferdes,
Hespe, Haspe, Türangel.
hessich, gehässig, missgünstig,
heten (h^in), heissen (h^ld, hetst, het,
htt; halt; dh^tn). hei hett Otto. —
de Bäcker hat knen eheten, der Bäcker
hat zum Kneten aufgefordert, indem
er herumgeht im Dorfe und bei den
Frauen, die Brot backen wollen, klopft.
Hetze/., Menge, et sünd ne ganze Hetzei
he an, hüten, sek heun un wahrn, sich
in acht nehmen, um seine Sicherheit
besorgt sein.
Hentnslewwe, Hötensleben.
hieehen, hauchen; im übertragenen Sinne:
eine Absicht merken lassen, ek bruke
blofs de hieehen, denn springete schon.
Uiechebild, Hiecheblat, Gelatineblatt, das
sich beim Draufhauchen krümmt,
Hickerken, Hickers, Zähnchen.
Hickhack, Zank, Streit.
hickhaeken, zanken.
Hille, Baufe,
hille, eilig,
hillig, heilig, — de hillige Christ, der
heilige Christ, das Christkind; meist
in der Bedeutung Weihnachtsgeschenk,
68
Patengeschenk, ek hewwe mek en
billigen Christ ehalt. — wat wünschest
'n dek taun hilligen Christ?
hilpen (Mpin), helfen (i, m, u, u).
Himme, Hemd.
hinder, hinter, de Hinderste, der Hintere^
Steiss. set dek oppen Uindersten.
HiHderyertel, Hinterteil.
Uinderkiile, Lende, Keule.
hinnen (hiii), hinten.
hinnen-nah (hiijtä), hintennach.
hier; du bist wol nich von hier, ich
versiehe dich nicht , du bist so seltsam.
bissen, hetzen, hei let sek nich hissen
un nich locken, er folgt toeder Er-
mahnungen noch Drohungen.
Hitte, Hitze.
bitten (hitn), heizen.
Hoebkant, Schmalseite, set dat Bret op
Hochkant.
Höcbte ßä/p), Höhe.
Hochtiet, Hochzeit.
Hoff, 1. Hof. op en (opm) Howwe, auf
dem Hofe. — 2. Gehöft, Gut. hei
hat'n schönen Hoff.
ho^anen (hifjän), gähnen.
Iiöjjer, höher.
hökern, klettern mit der Nebenvorstellung
des Hockens. hei hökert op en Sofa
rum.
bolderdebolder, polternd, eilig, et gung
holderdebolder de Treppe run.
Holdem, Holunder, Sambucus nigra.
Uöldernplecke, Sommersprosseti.
holeken, böleken, aushöhlen.
holich (h(^iiyOt hohl.
Holkarre, Schubkarre.
höllisch, höllseb, höllisch, stark, sehr.
Dient zur Superlativbildung, hei war
höllisch ärgerlich.
holen (h(/ln), halten (höl'b, holst; haiü,
haihj.; dho^ln).
Holander, spanischer JFlieder, Syringa
vulg.
bolstern, holpern, geräuschvoll gehen,
Holster, Bezeichnung eines Menschen,
der geräuschvoll polternd geht.
Holt, Wald, Gehölz; Holz (Stoffname).
HolKcben, Holzpantoffel, Holzschuh.
Holthacker, Holzhacker.
holten, hölzern.
Holtsla, Holzschlage. Grosser Holz-
hammer, mit dem beim Holzspalten der
Keil ins Holz getrieben wird. —
'n Kopp wie ne Holtsla hebben, einen
dicken, feurigen Kopf haben, schwitzen;
dafür sagt man auch *n Kopp wie 'n
Leggebaun hebben.
Homester, Hofmeister, Aufseher der
Knechte.
homestern, beaufsichtigen, sich aitf spielen.
Hop (hö^p), kleiner Kerl; verstärkt
Schietbop.
hopen (h(fpm), hoffen, warten.
Hoppen, Hopfen.
Hopner, Polka.
Höer (ho'r), Hüter, Hirte.
borken, horchen.
Horn (h^rn), Hörn als Stoff.
Hörn (hö'rn), Horn, Gehörn, Blashorn,
Anschwellung.
hörn, hören, gehören.
Uörnzicke, Ziege mit Hörnern.
Hort (h^rt) f , Seitenbretter des Acker-
wagens. Siehe auch Kesehort.
hotte, rechts; Leitruf für Pferde.
Hottehü, Pferd.
Hotteperd, Hottopferd.
Höwwel, Hobel.
hii, links.
Hnfke, bestimmte Menge Flachs, eine
Hucke hat zehn Riste.
hnckebaek maken, auf dem Rücken
reiten lassen.
hncken, ophncken, etwas auf den Rücken
nehmen.
hnddern, vor Frost schauern; dazu
Eigenschaftswort hudderich.
Hoffe, Hüfte.
Hake (huka), Hakije, Kniebeuge, hei
Sit in de Huke.
hnken, kauern, ducken, in Kniebeuge
sitzen, se hat seck närehuket.
hnllijen, dulden, nichts dagegen haben.
bullije doch dat nich.
hnlen (hüin), heulen.
Haipe, Hufe.
humpeln, hinken.
Hannig, Honig.
Hand, Hund; Mehre. Hunne. hei is
bekannt wie 'n bunt Hund. — Hanne-
bra, Hunnefidipse, Hunneschiete sind
derbe Ausdrücke der Abweisung irgend
eines Verlangens. — Starker Stab,
dessen Spitzen in die Erde stemmen
und ein Rückrollen des Wagens ver-
hüten.
Hnndsfott, Mensch von niedriger Ge-
sinnung.
Hnnnegeblaffe, Hundegebell.
hiipie (hüpix), mit Haufen, de Matte
is hüpig Yull Korn, so voll dass ein
Haufen drauf ist.
Hape, Hapen (hüpm), Haufe.
hiipen, häufen.
happen (hupm), httppon, hüpfen, springen.
69
Harke, Gurke.
harken, kauern^ besonders von der Henne
gebrauchij die sich über die Küken
kauert, de Klucke hurket.
Hos, Haus.
ha»ba(*ke]i, su Hause gebackenes (Brot).
hasfh; op en husch komen, auf einen
Augenblick kommen.
Hasfhe (hun^). Weiter schauer.
HäsekeD, Abort.
Moshöldersche, Haushälterin.
Hat. Haut.
hüte, heute; verstärkt hütigen Dags.
Hotsche, Fussbank.
hatsehen, auf den Knieen rutschen.
fluwe. Haut auf der Ölfarbe.
iehtens (ijti^^)> irgendwie, wenn 't ichtens
geit, denn komek
ilder-, ganz und gar, Ausdruck der Ver-
stärkung, ilderbest, ilderletzt.
ile, eitel, rein, ile Brot, trockenes Brot;
ile Water, nichts als Wasser
Ile/., Egel. Blautile.
Ile. Eile.
iiiS ßl^)f eilig.
llk, Iltis. — £ier-Ilk ist scherzhafte
Bezeichnung eines Menschen, der die
Eier aus den Nestern nimmt, um sie
auszutrinken.
iln, eilen.
Inme, Biene.
ja-, Vorsilbe ein-.
inaenander (inand^r), ineinander.
inbenten, einheizen.
inbillen, einbilden.
ifidaav, einfüllen, du most noch Korn
indaun.
lofall, Einfall. — hei hat Infälle wie 'n
olt Hus, er hat lächerliche Einfälle.
infamen, einfädeln.
infreirn, eingefrieren.
iBgedeame (injodoim^), die ganze Wirt-
schaft, alle Wirtschaftsgegenstnnde.
iahenn, das Haus hüten, allein zu Hause
bleiben.
in kalken, Weizen in Kalkmilch einquellen.
inklappen (inklapm), durch Handgeben
begrüssen.
lalet (inl^t), Inlaid.
laaahMe, Einnahme; Zollhaus.
iaae, elliptisch: im Hause, im Zimmer.
gah man rin, de Yader is inne.
inaebolen, einhalten.
iaoehmer, Steuereinnehmer.
ianeaseln, einnisten.
iaaeweiDig, inwendig.
iistippen, Kuchen oder Semmel in das
Getränk tauchen.
is, ist.
Is (Is), Eis.
Isegrintm, unfreundlicher Mensch.
IseD, Eisen.
isen. Eis vom Teiche wegholen.
Irienbahne, Eisenbahn.
Iserappel, Eiserapfel, eine sehr haltbare
Apfelart
isern, eisern.
Isernot, eiserner Topf.
iskolt, eiskalt.
Istacken, Eiszacken.
Iwep, Eifer.
iwrig, eifrig.
jachtern, herumjagen.
Jacke, Frauentaille, einen de Jacke
vullbauen, jemand verhauen. Hose
wie Jacke sien, ganz gleich sein.
jackeln, Trab reiten; auch nur die Auf-
und Abbewegung des Trabreiters aus-
führen.
Jackenfett, Hiebe, et gifft Jtfckenfett.
Raffen, blaffen, bellen.
Jahn, jagen (ek ja, du je^st, vaijät;
ek jaux, vaijoin; djät).
jappen (japrn), nach Luft schnappen.
jappig, Eigenschaftswort zum vorigen.
japsen, jappen.
Jahr; de Jahre, im vorigen Jahre.
Jaake, Jauche.
Jankeborm, Jauchepumpe.
Jankelock, die Grube, in die die Stall-
jauche fliesst.
Jaakel, Scherz, Spass.
jankeln, scherzen.
jaaln, heulen, schreien, de Hund jault.
Jehannich, Johannistag.
Jehansebeere, Johannisbeere.
jentsiet, jenseit.
jenne, jene, op jenner Siete.
Jerksen, Jerxheim.
Jenes, Ausruf. Jeses nä, dat is doch
Dich slimm.
ji, ihr. Dat. Akk. jiech. ji ist auch
Anredewort, macht allerdings immer
mehr der 3. pers. plur. sei Platz.
j lernen (jim), schwer und geräuschvoll
atmen.
jiemich, engbrüstig, kurzatmig.
Jipp m., Verlangen, Appetit, ek hewwe
'n Jipp op Bratwost.
jiepern, heftig nach einer Speise verlangen.
jitterich, aufgeregt im Verlangen nach
etwas. Hindern Fate mot ne Mus
Sitten, de Hund is ganz jitterich.
Jochen, Joachim.
jöe, Zuruf an Pferde, um sie zum An-
ziehen zu veranlassen.
70
Jökelie, schlechtes Fahren.
jökeln, auf schlechtem Wege fahren,
sodass der Wagen hin- und herschlägt.
Joppe, Jaket.
ja, euer, ju Hus; in jun Huse.
jachen (jüxdn)^ jauchzen, jodeln.
Juchhei; nah Jachhei kumt Nackenklei,
nach übermütiger Freude kommt der
Schmers.
jackeln ; die Bedeutung von 'jackeln' ins
Gemeine übertragen.
Jumfer, Jungfer.
Jamfernsppel, Apfelart.
Jank, jungy junk wehrn, geboren werden,
vgl. Zs f. d. ü., 21. Jahrg. 10. H.
Janke, Junger, Unverheirateter, hüte het
de Janken Danz, heute haben die
Unverheirateten Tanz. Daher die
Zusammensetzungen Junkendanz, Jan-
kenbodn (Tanzboden für die Jugend).
Jiingelken, Kosename für Junge.
Rabache, Hütte^ baufälliges Haus.
kabolzen, kobolzen, poltern, lärmen.
Kabolz scheiten, Purzelbaum schiessen.
Nd. Kbl. 26, 21.
kaddeln, mit stumpfem Messer schneiden.
Dazu Kaddelie.
Kaf, Koffy Spreu, die beim Dreschen
abgeschlagen en Getreidegran n en .
Kaffeebrot, Zwieback.
kakelich, mit blossem Halse, nüchtern
aussehend.
kakeln, vor sich hinpapeln der Kinder.
kakeln, taumeln.
Kackstaal, Nachtstuhl
kalben (kaUmi), kalben.
Kaleb, Närrchen.
Kalf, Kalb; Mhrz. Kälwer. Bezeich-
nung alberner Personen.
Kaidane, Kaidaune, Darm.
kalmttsern, siehe utkalmüsern.
Kamaschen, Gamaschen; Furcht.
Kamer, Kammer, op de Kamer, in der
Kammer.
Kannenkrat (kaiikrül), Schachtelhalm.
Kante ; op de hoe Kante leggen, sparen,
weglegen.
Kanthaken; einen bi^n Kanthaken
krien.
Kanter, Kantor, vor *n Kanter her sien,
vorlaut sein.
Kannenbret, an der Küchenwand hin-
laufendes Brett, auf das Geschirr
gestellt wird.
Kannrick, Gestell für Kannen.
kapeniern, entzwei machen.
kapitteln, zanken.
Kaptal, Kapital.
karben (karbin), kerben, Einschnitte
machen.
Karf, n, Kerbe, EinschniU.
karjolen (karji^l^), im leichten Wagen
schnell dahinfabren.
Kärke, Kirche; veraltet.
Karpen (karprn), Karpfen.
Karre, Karren.
Karreite, klappriger Wagen.
Karrenseil, Seil, das der Karrenschieber
über die Schultern hängt.
Kärsche, Kirsche.
Karte (kärtB), Karte.
kartjen, Karte fielen.
Kartaffele, Kartoffel.
Kartaffelnkaaken, Puffer.
Kartan, Kattun.
kartanen (kartüjj^), aus Kattun.
karwatschen, peitschen.
Karweil, Kümmel.
kaschen, ertappen, erwischen.
kaseln (käzdln), irre reden, im Schlafe
reden.
Kaspergarn (-gärn), das von der Hede,
den minderwertigen Flachsabfällen,
gesponnene Garn.
Kastit, Staekit, Lattenzaun, Staket.
Kasten, n., Kasten, m.
Kastenkehrl, Hausierer, der seine Ware
im Kasten auf dem Bücken trägt.
katolsch (katö'ls), katholisch, 'n Mai;
käwer katolsch maken, dem Maikäfer
den Kopf eindrücken.
Katrei, Unruhe, Hin- uad Herrennen,
Katte, Katze.
kattewitt. schnell, flüchtig, laufend, hei
make katte wit, datte no Hus kam.
Kan, Kuh; Mhrz. Keu. man ward sau
olt wie ne Kau un lehrt ümmer noch
wat tau. — Wenn eine Kau schitt,
bohrt de andere 'n Swanz hoch.
Kan, Flass-Kaa, ein Werkzeug zur
Flachsbearbeitung, der* Brake' ähnlich.
Während die Brake ganz aus Holz
besteht, hat die' Kau' eiserne Kauleisten.
Kaublanme, Löwenzahn, Leontodon.
Kauhöer, Kuhhirt.
Kaaken, Kuchen.
kaale, kühl.
kaan, kauen, et is als wenne Lüse kaut,
er kaut langsam.
Kanpe, Kufe, grosses, langgestrecktes
Wasser- oder Jauchefass.
Kaar, Chor, Gallerie in der Kirche
op en Kaure.
Kants, Haarschopf, der aus den Haar-
flechten zusammengesteckte Knäuel.
Kawer, Küfer.
71
kawweln, zanken, streiten.
Kedde, Kette.
Kefter, kleines Zimmer.
Keiseken, schwarzer Flieder ^ Sambucus
nigra.
Keisekentee, Fliedertee.
keiln, schlagen, prügeln.
Kelle, Schöpfkelle, Maurerkelle.
Kenpe, m., männliches Schwein, Zucht-
eber. Gebräuchlicher ist Kem-Swin.
-ken, Verkleinerungssilbe -chen. Mit dem
konsonantisch auslautenden Haupt-
worte wird sie durch e verbunden;
z, B, Steuleken, Hüseken. Nach
Gaumenlaut steht die Bindesilbe el;
z. B. Beukelken, Büchlein, Jüngelken,
kl. Junge. — Beliebt ist die Endung
in der Sprache der Mütter, die sie
an alle möglichen Wortarten hängen;
z. B. komekeo, schöneken; 't Kinne-
ken is hennefalleken.
kendera, platzen, reissen. Risse be-
kommen.
kennen (ke^), kennen; ohne Rückumlaut.
Kehr, Richtung, ut de Kehr sien, aus
der Richtung sein,
kehren (k^r^), fegen. Kehrbessen,
Kehrbesen.
Kern, (kfm), Kerne, Obstkerne.
KernhuB, Grieps.
Kere (kfrd), Gummihut auf Flaschen,
Nutsch.
Kehrl (k^rl), Kerl, Mann, Ehemann.
mien Kehrl is nich de Uns.
Kese, (k^s9)y Käse.
Kesehort (-hf/rt), Gestell zum Käse-
trocknen.
Kesekrnt, Malve.
kesig, käsig.
Kesewark, Quark.
Kettf^l (ketl), Kessel.
ketteln (ketln), reizen, zanken. Siehe
au<ih vorketieln.
ken In, kühlen.
Kijack, Luftröhre der Gänse.
kijaeken, Zeitw. zum vorigen, bezeichnet
das Schreien der Gänse.
Kieker; op en Kieker hebben, im Auge
haben, aufjemd. etwas zu sagen haben.
Kieks nn Kahks; de wet von K. un K.
nist, der weiss gar nichts.
Kiel, Keä.
Kiel, Nasenschleim,
kieln, festekieln, festkeilen, durch einen
Keil befestigen.
Kiem, Keim.
kiemen, keimen. — afkiemen^ die Keime
von den Kartoffeln entfernen.
Kienbndde, Kienrussfässchen.
Kiepe, Tragkorb; geflochtene Tasche, in
der die Feldarbeiter Frühstück und
Vesperbrot mitnehmen. Siehe Tower-
kiepe.
Kiewit, Kiebitz.
killn, Kältegefühl verursachen, en kolt
Himme killt.
Kimmije, Kerbe, bes. zwischen den
Gesässhälften.
Kind, Kind; Dativ Kina^. — Braurnkind,
Neffe; Swesterkind, Nichte; Sohnen-
kind, Dochterkind, Enkel; Swester-
dochterkind usw.
Kindermntter, Hebeamme.
Kinkerlitzchen, Spielereien, wertlose
Kleinigkeiten.
Kinnkedde, Kette am Gebiss der Pferde.
Kinneken, Kindchen.
Kipp, der aus den Flechten auf dem
Kopfe zusammengesteckte Haarknäuel.
Vgl. westf. Kipp, Spitze
Kippkarre, zweirädriger Wagen, der
wie die Kipploren zum Kippen ein-
gerichtet ist und zum Transport von
Kies, Sand u. dgl. dient.
kippeln, wackeln, Neigung zum Um-
schlagen zeigen.
kippen, umschlagen.
Kirchenhant, Zylinder.
kisselich, kitzelig.
kisseln, kitzeln.
Kisserlinff, Kieselstein; bes. werden die
erratischen Blöcke so genannt.
Kittel, blauleinenes hemdartiges Ober-
gewand der Männer.
Kiwweke, f., Ausschlag in den Mund-
winkeln; die gelbe Haut in den
Schnabelwinkeln junger Vögel.
Kla, Klage, hei kummet mit der Vorkla,
er beklagt sich, ehe man ihn gefragt
hat, um einer Klage gegen sich zuvor-
zukommen.
klabastern, polternd bewegen, klettern.
Klack, m., Klecks, etwas Hingekleckstes,
Hingeklitschtes.
K lacke, unaezogenes Mädchen.
klacken, klackern, klickern, etwas hin-
klitschen.
Klacksnei, loser, grossflockiger Schnee,
auch Heilebartsnei genannt.
Kladde, Konzept, Entwurf; Buch für
Konzepte.
kladdern, hinklitschen, beschmutzen,
unordentlich hinwerfen (z. B. den
Anzug).
klamm, klemmend, de Dör geit klamme.
klahn, klagen.
72
klappen, mit der Peitsche knallen.
Klapperjagd, kleine Jagd, Nachjagd.
Klapp ist wohl Ablautstufe zu klipp,
klein; das altm. Wb. hat für Klipp-
schulden auch Klapper schulden.
Klappbüsse, Knallbüchse.
Klappstücke, Brot, aus zwei zusammen-
geklappten Hälften bestehend.
Klaps, leichter Schlag.
klar; Redensarten: klar wie dicke
Tinte; klar wie Bottermelk; klar wie
Ereinschiete.
klatrig, schmutzig, im übertragenen
Sinne patzig.
Klattern, die trocknen Ausscheidungen
der IWmendrüse in den Augenwinkeln.
klaak, klug.
Klaatsch; Scheltwort für jemand, der
andern tölpelhaft auf die Füsse tritt.
klantschen, breit und schwer wie eine
Kuh auftreten.
Kled (kl^t), Kleid. Dativ Klee (kl^).
Kledasche (kledäi»), Kleidung.
Klei, tonige Erde. Danach der Flur-
name Kleibarg.
kleimeken, Nebenform zu kleimen.
kleimen (kleim), kleiben, schmieren,
kleben.
klein, schmieren, beschmieren, hei hat
alles vullekleit, schlecht schreiben.
klein, kratzen mit der betonten Bedeu-
tung des Hineindringens, de Oen
utklein, die Augen auskratzen.
klein, das Getreide zusammenraffen.
Vgl. afrapen. Dazu Kleier, der das
Getreide zusammenrafft, hindern Meier
(Mäher) geit de Kleier.
kleineke, kleineken, demütig, zurück-
haltend, niedergedrückt.
klein maken, zerkleinern, zerhacken.
hei maket Holt klein.
kleen (kl^n), kleiden, passen.
klentern, klettern.
Klepp, Klinke aus einer Holzleiste, die
von aussen durch einen Riemen be-
wegt wird; wenn man den Riemen
nach innen durchzieht, kann die Tür
von aussen nicht geöffnet werden.
kletsern, wählerisch, leckerig.
Kienkern, klügeln, utkleukern.
Kiewer, (kWwdr), Klee.
Klicke, Sippe, Gesellschaft, Clique.
klickern, klecksen, kladdern.
Klie, Kleie.
Kliester, Kleister.
Kliftchen, dünnes Kleid.
Kliiikhaken, i. der Haken, in den die
Türklinke schnappt. 2. der Rest Hner
Speckseite, der am Aufhängeriemen
verbleibt.
Klipp, Taubenschlag.
klipp nn klar, ganz klar.
Klippschanle, kleine Winkelschule.
Kloben (kl^bin), m., durch Spaltung
eines Teiles eines Baumstammes ge-
wonnenes grosses Stück Holz. ek
hewwe twei Meter Klobenholt ekofft.
Kloben, Flaschenzug.
klöben, spalten, klieben.
Klocke, Glocke. — et is Klocke fünewe,
es ist 5 Uhr.
klomen (klifm), steif werden vor Kälte.
kloppen (klopin), klopfen.
Kloppe, Schläge.
Klöppel, Glockenhammer.
Klopper, Ausklopfer.
Klöpper, 1. Schlägel, Holzhammer, mit
dem auf den Meissel geschlagen wird.
2. Türkloi)fer.
Kloppetäch, Werkzeug zum Klopfen der
Sensen, bestehend txu8 *Hamer' und
^StawelS
Klot {kl^t), Testiculus.
Klots-Kiel-Hamer, ein Kinderspiel.
klotsen, fallen, stolpern.
klotzich, sehr; supcrl. Ausdruck wie
höllisch, bannich.
klowig, klobig, knorrig, wie ein Stück
Holz.
Klaben (klühm), »., Knäuel Garn.
kluben, klauben (ü u, ö, ö, ö). hei
kluft in der Nese.
Klnft, Kleidung.
Klneke, Henne, Glucke.
klncken, brüten wollen.
klncksch, zum Brüten geneigt.
Klnmp, m., Kloss, Klumpen, Erdkloss.
Klump im besondern ist Topfkuchen,
Aschkuchen und ein aus Kartoffeln
hergestellter, in glühender Asche gar
gemachter Kloss.
kliimpern, polternd, schwerfällig gehen.
Klampfant, verkrüp^yelter Fuss.
kliimprieh, aus Klumpen bestehend, de
Acker is recht klümprich.
klnntern, klnntsen, polternd, störend
gehen.
Klnntern, Klunkern, Troddeln, be-
sonders durch Schmutz gebildete Haar-
filze.
Kl Uten (klüin), Erdklumpen, Erdscholle,
klumpiges Gebilde.
Kltttentramper, Spottname für den
Landwirt.
klütern, mit Erdklumpen werfen.
Knacks, Knack, körperlicher Schaden.
73
knadolseh, unklar, unsinnig, verwirrt ,
verstört. Aus katholisch.
kaappe, eng, knapp; kaum.
knapsen, knapp bemessen.
Knarre, ein knarrendes Spielzeug.
Knarrpudel, eine nach hinten zuge-
spitzte Frauenhaube.
knatterig, steinig (Äcker); zornig,
Knanp, Knopf.
knawwern, knabbern.
knehn, kneten.
Knep (kn^p), Kniff, Falte.
Knewwel (knewel), Knebel.
Kniek, m. ; so wird heute nur noch ein
bestimmter Fussweg bezeichnet j der
über eineti Acker führt, wei gabt
öwwern Knick.
kniepen (knlpm), kneifen (l i, ai, c, e).
de Bäcker hat ekneppen, der Bäcker
hat von dem gebrachten Teige etwas
für sich abgekniffen.
Knieptange, Kneifzange.
Knit^wel, dickes Stück Brot
knistern an knastern, knittern nn
knattern, gebräuchliche Zusammen-
stellungen.
knitterkolt, so kalt, da^s der Schnee
knirscht.
Knitterkiille, strenge Kälte.
kniwwelig, knifflig, schwie^'ig.
Knoke, Knoken, Knochen.
knökern, knöchern.
knokich, knochig,
Knop, Knopf; älter ist Knaup.
Knöpnatel, Stecknadel.
knöppen (knöpm), knöpfen.
knorn (kno'rn), krunksen, eine Arbeit
mit dumpfen Lauten begleiten. Dazu
die Benennungen Knörhans, Knörpeter.
knörn, zerknittern, knüllen.
Knowwe, Knospe.
knndeln, zerknüllen, in höherem Grade
als knörn 2,
knuffen, stossen.
Knuflok, (knufi^k), Knoblauch.
Knüppel, Knittel. de l^nüppel is bie 'n
Hund ebunnen sagt man, wenn jemand
nur aus Furcht vor Strafe sich nicht
vergeht.
ivnüppel, Holzschlägel der Steinmetze.
Knuppen (knupm), Knoten.
knurren (knurn), murren.
Knust, Banft, Anschnitt oder Rest vom
Brote.
Knntte, Knntten, Knoten.
knutten, stricken, knüpfen.
Kuuttenkaf, Flachsspreu; die abge-
streiften Fruchtkapseln des Fiachses.
Knüttel sticken, Stricknadeln.
Knattere, Erdkloss, harte Unebenheit
des Bodens.
Knättetttg, Strickzeug.
knuwweln, mit den Fingerknöcheln be-
arbeiten.
Koben (k(Tfmi), Schweinestall.
Kobenlet (kffömJ^t), Loch in der Wand
des Schweinestalles, durch welches das
Schweinefutter gegeben wird.
kobolzen; wie kabolzen.
köehen (köx^n), husten.
köddern, reden^ erzählen, sprechen.
koddela, oberflächlich waschen.
Koddelwäsehe (kodloeAa), oberflächliche
Wäsche.
koddorich (kodrix)* übel, unwohl, mek
is sau kodderich de Sinne. — 'ne
kodderige Snute bebben, patzig ant-
wortcn, frech sein.
Koffent, Dünnbier.
Köjjel, Unterkinn, Fettwulst unterm
Kinn.
Koffee, Koffei, Kaffee.
Koke (kö'ks), Küche, veraltet.
koken (kÖ'k9n), kochen.
Koksern, Grude, Herd für Koksfeuerung.
Kohl (k^l), Kohl, Kraut.
Kolk w., tiefes Wasserloch auf Wiesen
und Feldern.
Kolkrawe, Babe.
kohlen (k(f,n), Kohlmaken, albern reden.
KoUe, Kohle.
Kollrabieh, Kohlrabi,
kolt (kfflt), kalt.
komen (kifm). kommen (o u, «, ä, ö).
Kop (kcrp)," Kauf
Koplä, Kaufleute
köpen (ko^pin), kaufen.
Kopp, Kopf^
koppelsant, zuvorkommend, höflich, ge-
fällig, frz. complaisant.
köppen (köpin), köpfen.
koppschtt, kopfscheu.
Koppschal, Kopfbedeckung der Frauen,
Kappe.
Koppweida, Kopfschmerzen.
Kor (kö*r), Schar, Menge, en Kor
Geuse, eine Schar Gänse.
Korf, Korb.
Korfslehn, Korbschlüten.
Korfwahn, Korbwagen.
köhrn, (k^rn), sprechen.
Kohrn, Korn, Getreide.
Köhrn (kö'rn), einzelnes Korn.
Kohrnwief, Kornweib, Gestalt der Volks-
sage. Kindern^ die ins Getreide
laufen, wird mit ihr gedroht.
74
kort, kurz.
kortenklitzenbagelklein, in unendlich
kleine Stückchen zermalmt.
Koschale, Kaltschale, kalte Suppe von
Milch oder Bier.
Kost, Speise, Lebensmittel. Husmanns-
kost, bürgerliche Speise.
kostspelig, kostspielig.
Kote (ko'te), Gelenk über detn Huf des
Pferdes.
Kötep, (k3't9r), Hund.
Köttel (kötl), Kot.
kötteln, (kötln), den Kot fallen lassen.
kowweln, tauschen, toie es bes. unter
Kindern üblich ist. vorkowwelD, etums
weggeben, um anderes dafür ein-
zutauschen. Vgl. kütjebütjen.
Krabaten, Kinder.
Krack, Krach, Zank.
kräje, lustig, keck, lebhaft.
krakeilen, krakeelen. Streit anfangen,
lärmen.
Krakeil, Lärm, Streit.
Krale, Glasperle, Koralle.
kram, m., 1, geringschätzender Ausdruck
für Sache, Ware. 2. Bauernhof,
Besitz.
kramen, mit Sachen abgeben, mit etwas
beschäftigen, hei kramet en ganzen
Dag in Stalle rum. — utkramen,
au^acken.
Krampe, Türhaken, klammerförmiger
Haken.
Kran (kr an), Kragen.
kraspeln, rascheln; durch Kratzen auf
Papier u. dgU Geräusch vei'ursachen.
Krätsch m., Rederei, Umstände, da wort
n Krätsch drumme maket, das wurde
so wichtig behandelt.
Kräng (kraux), Krug, Trinkgefäss.
Kraag, Gastwirtschaft, Schenke, in Krau.
Kranme, Krume, de Kraume hört de
Maume, de Rinne hört 'n Kinne.
K rann 8 beere, Kronsbeere.
Krawwe, Kind,
krawweln, krabbeln, kriechen; kitzeln.
Kräwweln, Kribbeln, ek hewwe de
Krawweln, ich habe das Kribbeln in
den Fingern (von der Kälte).
Kräwet, Krebs.
krazböstig, leicht aufbrausend, mürrisch.
Krei, Krähe.
Kreiken, kleine, säuerliche Pflaumen.
krein, krähen.
Krein-Oe, Hühnerauge.
Krempe, Krampe.
krempen (krempm), krempeln, zur
Krampe biegen.
krenmeln, krümeln.
Krear, Krüger, Gastwirt.
Krickel, Griff an derWeüe des Brunnens,
der Drehorgel, Kurbel.
krickeln, krackein, einen Handgriff
unregelmässig hin- und herbewegen.
Krieg (krlx), Krieg. Plur. Krie, Dativ
Krie.
kriemen (krvn), die Erzeugung eines
stechenden &efühles in der Nase durch
scharf riechende Stoffe, de Marreik
kriemet in de Nese.
kriemich, scharf riechend.
krien, kriegen, erlangen, haschen (li, ai,
e, e). — af krien, Obst abnehmen ; von-
krien, teil haben, abbekommen; tau-
krien, eine Zugabe erhalten; utkrien,
ein Nest ausnehmen.
krieschen, kreischen, schreien.
Krimmelink, kleines Krummholz.
Krimskrams, wertloses Zeug.
Krips ; einen bie'n Kripse krien, jemand
packen
Krisehan, Christian.
Kristaneie, Kastanie.
Kristoffel, Stoffel, Christoph.
Krite, Kreide.
kritewit, kreideweiss ; verstärkt in krite-
slotewit.
Kriwwe, Krippe.
Kriwwelkop, eigensinniger Mensch,
kriwweln, jucken, stechen.
kriwwelig, empfindlich, leicht erregt.
Kröndel (fcrS'ndl), Werkzeug der Stein-
metze, aus einer Beihe fest aneinander
gekeilter spitzer Eisen bestehend. Durch
Bearbeitung des Steines mit dem
'KröndeV wird eine gekörnelte Ober-
fläche erzeugt; das Wort ist daher
vielleicht aus Körndel entstanden.
Kropp, Kropf
kröplig, krüppelig.
Kröppel, Krüppel.
Kroptü^, Kropzeug,
krösselich, krümelig, körnelig.
Krösseln, Krümchen.
Krnck, Stockkrücke.
Kracke, Hacke zum Zusammenkratzen
des Strassenschmutzes.
kracken, Schmutz zusammenkratzen.
Krackstock, Krückstock.
Krake, Tongefäss.
Krülleke, Locke.
Krällekenkop, Lockenkopf.
Krümmer, Ackergerät, dessen gekrümmte
Spitzen den Boden lockern soüen.
Krümmije, Krümmung, bes, Wegkrüm-
mung.
75
kronksen, leicht ächzen.
Krapbohne, Bohnenart.
Krapen (krüpm), kriechen.
kr US, kraus.
Rrase, Krise, Krause, gekräuselter
Kragen.
KrÜHel (krüz9l), Lampe ohne Fuss.
kriiseii, kräseln, kräuseln.
Krat, Kraut, krautige Pßanzenteile ; im
besondern : Unkraut, et Kohrn vorgeit
in Kru
Krntse, Kreuz. ^
kseb ! Ruft um Vögel zu verscheuchen.
Kack, Blick, Äugenblick, hei is blofs
emal op en Kuck ekomen.
knckeiif gucken.
Kaddelmuddel (kudlmudl), Durchein-
ander, Verwirrung, Unordnung.
Koffer, Kaffert, Koffer.
Kliffe, schlechtes Haus, Hütte.
Ksffswien, Schwein.
kajenieren, ärgern, foppen.
Knjon (kujö'n), Schlingel.
Kiiek, Nusskem.
KftkeB, Küchlein; der drehbare Teil im
Bierhahn.
Kukenblaame, Bittersporn, Delphinium
eonsolida.
kaldern, kullern, kollern.
Knie, Grube. — in de Kule trehn, hinken.
Kttle, Kugel.
Kille, Keule.
Kulle. Kälte.
kallig, kühl, kaU.
knlpen (kulpm), schlafen.
Kalp-oe, Schlafauge, Nd. Kbl 25, 71.
Kanpelmente, Komplimente.
Kamp holt, das Holz, worauf das Leder
des Kummets gepolstert wird.
Kampklotz, ein Klotz, den der Sattler
bei der Herstellung von Kummeten
gebraucht.
Kampen (kumpm), Kummet.
Kanne, Kunde.'
Küpper, Kupfer.
knppern, kupfern, von Kupfer.
kapprig, kupfrig.
Karre, schartiges Messer.
Kiisel, Kreisel, Brnmmküsel ; Haarwirbel.
kaue In, drehen, taumeln, hei küsele
ammendumm.
KÜHsen, Kissen.
kfitjeb&tjfn, unerlaubt tauschen.
Katte, cunnus.
La, Lade, Truhe.
Lsddek, Lattich, Lactuca; Klette, Lappa
major.
Laddekenblädder, LaUichblätter.
laddern, läddern, abblättern.
lad rieh, lumpig, zerschlitzt, zerledert.
lafeirn, Durchfall haben.
Lack; in der Redensart: de Zuppe hat
war Lack noch Smack, die JSuppe
schmeckt nüchtern, es fehlt etwas daran.
Vgl. westf Rak of Smak, weder Geruch
noch Geschmack.
Laken, Lachen, Laken.
Lakritsche, Lakritze, scherzhaft Bäm-
schiete.
lammen (lain), ein Lamm werfen, de
Zicke hat'elammet.
Lftmmeken, Lämmchen.
lämmekenbant, der Himmel ist mit kleinen
weissen Wolken bedeckt. Dazu Läm-
mekenbant n.
Lampen (lampm) m., Lampe.
lahn, laden.
längest, längst.
Langewiele, Langeweile.
langwielig, langweilig.
lank, lang, de lanke Strate.
Lanke, Längsriemen am Geschirr des
Pferdes.
Lankwab, m., Stange, die Vor- und
Hinterwagen zusammenhält.
Land, Feld im Gegensatz zu Garten.
in Lanne.
Larwe, Maske.
lasch, matt, abgespannt.
Lasche /., Lederlappen am Schuhschluss.
lästern, spotten, sich lustig machen.
latiensch, lateinisch.
Latiig (lälüyi)^ Ladezeug; Gestell, durch
das der Ackerwagen für das Getreide-
und Heu fahren verbreitert wird.
laten (lätn), lassen (ek lätd, du letzt; ek
lait, vai laitti; dläln).
Lawwe, gewöhnlicher Ausdruck fürMund.
lawwerig, widerlich weich (Nahrungs-
mittel).
lawwern, weiche Speise geräuschvoll zu
sich nehmen.
leben O^bm), leben (ek Ww?; dWwdt).
lech (l^yQ, mager, hungrig aussehend.
leckerig, wählerisch beim Essen.
Ledder, Leder.
leddig (ledix), ledig, leer, frei.
leggen (lejon), legen, elext.
Legge haan ; hei hat 'n Kop ' wie 'n
Leggehaun, er hat einen roten Kopf.
leif, lieb. Veraltet.
Leik, Laich.
lein, lügen (ai ü, ö, ö, ö).
Leire, Leiter.
Leirwahn, Leiterwagen.
Leitung, Zügel des Pferdes.
76
leiwe ; leiwe sien, einem liebf angenehm
sein; nicht wie im hd. unpersönlich
*es ist mir Ueb\ sondern persönlich.
ek bin sau leiwe, datte komen bist.
Lehmkale (l^m-), Lehmgrube.
lehnen (le^n), lehnen.
Lehne (le^n9), Lehne.
Leone, Lende.
Lennewand, Leinwand.
Leppel, Löffel.
leppeln, löffeln^ mit dem Löffel essen.
leppern; et leppert sek desamme, es
kommt nach und nach zusammen.
Lereke (l^rdkd), Lerche.
lehrn (l^rnj, lehren und lernen.
Lehrjange, Lehrling.
Lehrmester, Lehrmeister.
Lese, Bund am Hemd.
Letter, Leiter. Selten.
Let (l^t)f Lid, Augenlid; Mehrz. Lehnen
(l^n); Fingerglied; Massbezeichnung.
et war man 'n Let lank.
Let, Leid, de Lee dann, zu leide tun.
Let; siehe Kobenlet
lenben (loibin), loben
Lewe ; sien Lewe, sein lebelang, während
seines Thebens.
lewig (l^wix), lebend.
Lew wer, Leber, ne dröe Lew wer hebben,
immer Durst haben.
liebte, leicht.
lichtferich, lichtförich, leicht zu machen,
ohne Schwierigkeit.
lichtglSwich, leichtgläubig.
Lichthaken, Haken, der zum Heben der
Kggen benutzt wird.
lichtlerich, leicht lernend, von schnellet'
Auffassung.
lichterlu, ganz hell, stark, lichterlu
brennen; lichterlu schrien.
lichten, aufheben, hochheben, 'n Faut
lichten, den Fuss heben.
licken, lecken.
Lief, Leib, in Liewe, im Leibe. — de
Liewe dann od. nehmen, tüchtig essen.
Liefweida, Leibschmerzen.
Liekdöre /., Leichdorn, Warze. — Um
die L. zu beseitigen, macht man eben-
soviel' Knoten in einen Faden, den
man unter A nrufung der Dreieinigkeit
in ein Mauseloch steckt oder über Kopf
ins offene Grab wirft.
Lieke, Leiche.
lieke, gleich, ebenso, beide sünd lieke
grot. — op lieker Ere sien, auf ebener
Erde sein.
Liekhns, Leichenhaus, Vorraum in der
Kirche zur Aufbahrung der Toten.
Liekstein, Leichenstein, Grabdenkmal.
L\^m, Leim.
liemen (lim), leimen.
lien, leiden, ertragen (9ledn).
Lien, Lein, Flachs.
Lienije, L Leine. 2. Linie.
Liensat (linzät), Leinsamen.
Lier, Leier, Gang, et is (immer deselwe
Lier.
liern, leiern.
Lieschen (Min), Elisabeth.
liese, leise.
lieseken, leise.
Liesten (iist^Jj Leisten.
Lieste, Leiste,
liegen (UJ9n), liegen (ek lij9, du litßt;
läx; lain; 9lfn)
limen, leimen.
linnen (Hn), leinen, aus Leinwand.
man kann linnen un wüllen reden,
hei hört nich.
Linnen, Leinen.
Linksfnehtel, Linkshand.
Linne, Linde.
Lister, Lüster, dünner Stoff.
Liweken (llvekdn), Leibchen, ärmelloses
Kleidungsstück der Mädchen.
liwern (llvdrn), liefern.
Lo (lö'), Gerberlohe.
loben (löf'bm), geloben, versprechen, hei
hattet mek in de Hand elowet. Vgl.
Nd. Kbl. 26, 42.
Lock, Loch.
löckerig, löcherig.
Lodderbast, Lodderjahn, Lotterbube,
unordentlieher Mensch.
lodderi^, unordentlich, lumpig. - vor-
loddern, unordentlich werden.
Lof, O^f), Laub. — hei zittert wie 'n
Lofblad.
Logge (löj9), Lüge.
Löggendier, Löggenprinz, Löggensack,
liügner.
Lok (lÖ'k), Lauch.
lomig (l^miyj, feucht, dumpfig. Vgl.
smeu.
lön (lö^n), löten.
Lönz (lö^nts), Lünse, Achsnagel.
lopen (änlöepm), laufen.
Lopp, Lob.
Lopp, bestimmte Menge Garn. Man
unterscheidet Koplopp f= 10 Schock),
das noch vor 50 Jahren zum Tausch-
handel diente, Kasperlopp (*» 5
Schock) und Bleikelopp (= 20 Schock
Fäden). -— Dienstboten und grössere
77
Kinder waren gehalten, jede Woche
eine bestimmte Anzahl *Lopp^ abzu-
liefern. Das gesponnene Garn wurde
auf den Haspel gewickelt; 60 Um-
drehungen machten ein Schock.
Loper, Läufer; ein Kind, das ^eben
laufen gelernt hat.
lopen (l^pm), laufen (ö ö, ai, ai, ö).
Loppass (l^^pas), Laufpass, Aufforderung
zur Entfernung, hei bat 'n Loppass
ekreggen.
llipseh (lö'ps), hitzig, brünstig; bes. v.
Hunden gesagt.
Lork, Kröte.
Löwe (lo*w9)t Laube.
la, lat, laut.
Lii, Leute. — Man fasst gern Menschen
einer bestimmten Gattung, Lebens-
gemeinsehaft tisw. mit dem Worte *Lü^
zusammen: Burslä, Frunslü, Mannslü,
Nawerslü, Arbeitsia, Beddellü.
Lacht, Luft, veraltet.
Liichte (lüxt9), Leuchte, Laterne.
lachten, 1. leuchten, Licht geben. —
2. blitzen, et lacht, es blitzt.
lachten (luxiri), durch die Luft trocknen.
afluchten, utluchten.
Lächter, Leuchter.
lacker, locker.
lackern, lockern.
lack&en, spähen, heimlich zuschauen.
La^, Lüge. Lug un Drug, Lüge und
Betrug.
l&hn, läuten.
Lake, Maueröffnung im Bodenraum.
Lalatsch (lüklts)^ Tolpatsch, schwerfällig
gehender Mensch.
Laiigenkrat, Lungenkraut, Pulmonaria.
longenseikscb, lungenkrank.
lünsehe, (lünh), niedergeschlagen, ge-
drückt, still.
Lante, DocJU.
Lar, Lauer.
Lär, Klockenlur, Glockenläuter.
laren (turn), lauem.
larig, schwül, drückend, windstill.
Lorre, Lüge.
larren, (lurn), lügen.
Las, Laus. — wie de Lua in Schorwe
Sitten, eine gute Stelle haben. — ne
Las in'n (i^) Pelz setten, einem
etwas am Zeuge flicken. — op en
(opm) Lusekamme piepen, nichts zu
ensen haben, verarmt sein.
Laseknicker, Bezeichnung des Daumens.
Vgl. Nd. Kbl 29, 29.
lasen, lausen, Läuse absuchen. — vor-
lasen, voller Läuse sein.
lasig, mit Läusen behaftet
LHsse (Iüsb), Wagenrunge ^ die an
der Achse der Hinterräder befestigt
wird und der Hort Gegendruck
leisten soll.
lüt, laut.
Luteben, Ludwig.
Intcben, anlutcben (lütx,9n)^ anschmiegen,
an die Mutter lehnen.
Inter, lauter.
Intbals, aus vollem Halse, hei bat lut-
hals elacbet.
lättjioh, klein. - de Lüttje, der Kleine.
Lnzarne, Luzerne.
Ma, Made.
Ma, /., Magen.
maddern, im Wasser plantschen.
Madeborch, Magdeburg.
Blaffen, Türen u. a. lärmend zuschlagen.
— maflfl dazu gehöriger Ausruf.
majerent, grossjährig.
Mann, Mohn.
maj (mäyj, mager, de Maje, der Magere.
Mäjen (mfj9n v. mejdn), Mädchen.
mäkeln, tadeln.
maken, machen, tun; ellipt. sich beeilen.
make doche, beeile dich doch.
Mäken, Mädchen, selten.
Makije. /., Mache, Arbeit, de Snier
hat de Hosen in de Makije.
Mal, Fleck, Zeichen, Schlagmal beim
Spielen.
malen, mit einem Mal versehen, de
Mutter hat de Geuse malt.
malörn, missraien, nicht gelingen.
Malt, 1. Malz. - 2. Frucht des Weiss-
dorns, die auch Malterbrot genannt
wird.
Maltiet, Mahlzeit; Grussform: geseg-
nete Mahlzeit.
man, nur, aber, mek durt man de
ormen Kinder.
Mandag, Montag.
Mangel holt, Mangelholz, Glattwalze.
mangeln, mit dem Mangelholz glätten.
man^eniern, marinieren (Hering).
raaniger (manijdr), mancher.
mank, zwischen, hei stund midden der-
manke
mankedorcb, zwischendurch.
Männeken, Männchen.
Mannse, Mann.
Manns lü, Mannsleute; die Gesamtheit
der erwachsenen m. Glieder einer
Familie.
Mannsminsehe, Mann, en Mannsmin-
sche kann doch mehr dann wie 'n
Frunsminschen.
78
manschen, matschen, plantschen,
Manschetten faebben, Angst haben,
Mantgeld (mäntjelt), Monatsgeld, Steuer.
niaraehen, afniarachen (maräocati), über-
anstrengen.
Marcht, Markt.
marchten, markten, kaufen.
Mar dämm (mar dam), Schlamm.
Mareik, Meerrettig.
Markelie, Quälerei eines jungen Tieres
durch vieles Hätscheln.
markein, junge Tiere durch vieles An-
fassen quälen und schwächen.
marken, merken ; die hd. Form ist aber
häufiger.
Marks, Knochenmark.
Marlieschen, Marie Elisabeth.
Mars (märs), Hintere, licke mek in
Marse (märz9),^ derbe Abweisung. —
in Marse hebben, aufgegessen haben.
— Kinderreim: Nakedei, Vor 'n Marse
isset Himm' entwei.
Marte (märtg), f., Marder.
Martendrücken, Albdrücken.
Martinich, Martinstag, der Tag, an dem
die ländlichen Dienstboten ihren Dienst
antreten.
maschieren, marschieren.
Masse, Rübenschnitzel.
massich, in grosser Menge.
Mat, Mass, Gemäss, Trinkgefäss aus Blech.
Mate, Mass, Masse, Längenmass,
Bandmass.
Matsch, m., wässeriger Strassenschmutz,
feuchte, weiche Masse.
matschen, im Wasser oder Matsch
herumwühlen.
Matstock, Metei'mass, Massstab.
Matte, /., Mdze.
Matthacke, /., Schwächling, schwacher
Mensch.
Mattier, m., alte Münze. Vgl. den Orts-
namen Mattierzoll im Braunschweigi-
schen.
man, misslich, unsicher, de Sache is
mau, der Erfolg ist zweifelhaft.
Manme, Muhme, alte Frau, de Rinne
hürt'n Kinne, de Kraame hört de
Maume.
mann, miaun.
Manre, Möhre, Mohrrübe.
Maurnsaft, Mohrrübensaft; in Swanne-
beck da wohne ek, Maurnsaft vor-
kope ek.
Mans, Mus.
mausen, Mus kochen.
Manspiimpel, Musri^rer.
maatwillig, mutwillig.
Maat ; sienen Maut keulen, sein Mütchen
kühlen.
Mee (mf^), Miete.
Meibohm (maibö'm), Birke.
Meie, Birke.
Meikatte, im Mai geborne Katze. Solche
Katzen sollen die besten Mäusejäger
sein.
mein, mähen.
mein, meiden.
mein, sehnen, härmen, grämen, hei meit
sek.
Meir, Mäher.
Meiran, Majoran, ein Gewürz.
meist, mehrst, mehst, meist, yor't mehste,
meistens
Meistrnk, Birkenzweig.
mek (mek), mir, mich.
Melchert, Müchert, männl Hering.
Meldan, Meltau.
Melk, Müch.
melken, milchen.
Melkpot, Milchtopf.
Melkschrank, Schrank für die Milch.
mehln, mahlen ; im übertragenen Sinne
das tiefe Eindringen der Wagenräder
in den Strassenstaub, sodass der Staub
über den Radfelgen zusammenrinnt.
melln, melden.
meen (mfn), mieten.
Meepennig, das Angeld, das die J^ienat-
boten beim Vermieten erhalten.
Mess, Mist.
Messdra, Misttrage.
Mese, Vulva.
Meseke, Meise.
messen, misten, afmessen, utmessen.
Messfinke, dreckiger Mensch.
Messgrepe, Mistgabel.
Messknie, Mistgrube.
Messmele, Melde, Atriplex.
messnat, ganz durchnässt.
Mest, Messer.
Mester, Meister.
mestern, meistern, beherrschen.
meten (metjjt, mfhi), messen.
men, müde, hei is dotmeu.
Meu, Mühe.
Miante (mi'änt^), Miantje, Ameise.
Mich«* i lieh, Michaelistag.
mickrich, klein, winzig.
Middag, Mittag, in Midda, im Süden.
— Bei Verlust des Tones wird i zu e
in Vörmedag, Vormittag, und Nömme-
dag, Nachmittag.
Middasebrot (mtdä'z^bri/t), Mittagessen.
Midde, Mitte.
Middegaft, Mitgift.
79
mlddewegs, in der Mitte des Weges.
Middewochen, Mittwoch,
Middel, Miüei
Middeldrift, mittlerer Feldweg,
Middelhee, Flachsabfall zwischen 'Vor-
rak" und 'Hee'.
■idden, mitten,
Mie (nn)f f. Harn,
MiejkfisseD, Miejpöhl, Kissen, dos kleinen
Kindern untergelegt wird,
Mifiwarn, lauwarm.
Mieke, Marie.
Niele, Meile.
nien (min), mein.
nien (min), harnen, (ml, mixst, mixt, mit ;
maix, mej9n; 9mej9n).
niendae, in meinen Tagen, dat hewwek
miendag nich esein.
nienirh, meinig. et geit ja von mie-
nichten.
■ienswegen, mientwegen (-wfjon), mei-
netwegen.
■ierieh (mlrix), geizig, kleinlich. Nd,
Kbl. 25, 42. 65. 89.
Miesekatt^, Katze in der Kindersprache;
ebenso Mieseken. Kinderreime : Miese-
makättcben mau, wuvon bist du sau
grau? „£k bin sau grau, ek bin sau
matt, ek krie dat liewe Futter nich
satt ** — oder : Miesemukättchen, wu "
wutte denn ben? „Ek will no Grote-
yaers Huse.** Wat wutte denn da
daun? „Da bin ek mek wat vormaun;
da slacht se 'n Swien; da drinket se
Wien; da kann man lustig un früblicb
bie sien.*'
Miete /., Haufen von Buben, Kartoffeln
u. dgl., welche auf dem Felde mit Stroh
und Erde bedeckt über Winter liegen
bleiben.
Milte, MiU.
Minsche, Mensch.
Misse, Messe,
Bissen, missen, ek kann keinen Dag-
löhner missen.
Mist, Nebel.
■listig, neblig.
■ittewiele, mittlerweile.
Modder, Madder, Schlamm, schlammiger
Bodensats.
noddern, im Schlamme vmhlen.
■•ddrig, modrig, schlammig, schmutzig.
Bol (mlfl), mürbe, weich (Obst).
Mlile, Mühle.
Mölenflöggel (moUnflößl), Mühlenflügel.
Mölstein, Mühlstein.
Molle, Mulde.
mön (m8'n), mögen.
mÜn, möjeii, erleiden, getroffen werden.
hei hat wat emöjet, er hat etwas alh
bekommen.
Mönnek, Mönch.
Moppe, Ohrfeige.
mör (mo'r), mürbe.
Mor (mö^r), Moire-Stoff.
Morast, Mörass, Mürass, Schlamm,
Strassenschmutz.
Morgen (morpn), Ackermass, ungefähr
25 Ar.
Morgenblanme, Gänseblume, Bellis pe-
rennis,
morsch, mürbe, brüchig.
Mord un Dotslag, ärgerlicher Ausruf,
mötn, müssen (mot, most, vai möt;
mo8t9). *
mn, Nachahmung der Kuh. Mukau von
Haiewerstadt, Anfang des bekannten
Verses Buko v. Halberstadt,
mäeheln (müydln), stänkern, sich un-
anständig aufführen.
Madder, Schlamm, Trübung.
mnddlich, trübe (bes. Witterung).
muddeln (mudin), schmollen.
Muffe /. Muff."
muffeln, muffeln, sich unanständig auf-
führen.
muffen, muffen; wie muffeln.
muffich, dumpfig, verschimmelt riechend.
Mägge (müjd), Mücke. Alitterierende
Zusammenstellung zur Bezeichnung
grosser Anzahl: Müggen un Man (man),
Mücken und Maden.
muekeln, schmollen.
muekeln, dämmern,
mncklig, dämmerig, trübe, bewölkt.
mucksen sien, schmollen.
Mal, Maul, Mund; das Maul der Tiere
heisst gewöhnlich Snute.
Maider, Müller.
müldern, Müller sein, MüUerarbeit tun.
mulmen (mulm), mfilmen, Wolken bilden.
mulmich, mit Wolken bedeckt.
mulen (müln), maulen, schmollen.
müln, anmüln (änmüln), einen Schaden
tun, etwas auswischen, hei hat sek
wat anemült.
mullsch, morsch, brüchig, verfauU.
mullstrig, muffig, verschimmelt. H Stroh
rucket mulstrig.
Mulwark, Mundwerk.
Mulworm, Mullworm, Maulwurf.
Mume Suse, langsame, einfältige Frau.
mummeln, mit zahnlosem Munde kauen.
inmummeln, einhüllen, tn warme Tücher
und Kleider einscMagen.
80
mankieren, moquieren, über etwas auf-
halten.
manstern, ntmonstern, auftakeln^ auf-
fällig und geschmacklos kleiden.
Mar, Maurer.
Mure, Miire, Mauer.
Marjahn (murjän), ungewaschenes, un-
sauberes Kind.
marken, murren, brummen.
Mnrkepot, scherzhafte Benennung eines
brummigen Menschen.
maren (münit), mauern.
Marwark, Mauerwerk.
Ma§, Maus; Daumenballen. Gleichheit
bedeutet der Ausdruck : Mus wie Maus
(ndd. Mus = hd. Maus, und ndd.
Maus -= hd. Muss). -
Masche NiitHcb, Fersonenbezeichnung, in
der eine leichte Drohung oder Warnung
liegt.
Masekante, Musikant.
Masekantenknoken, das spitze Ende des
Ellenknochens.
Masefallenkehrl, Mausefallenhändler.
mtisekenstille, mäuschenstill.
Maseköttel, Mausdreck.
Uin8elich(^mu^p/tx>), unklar, unrein, getrübt.
masen, Mäuse fangen, de Katte muset gut.
Mttseohren (müzdifrii), kleine Ohren.
inasig (müzix), dreist, übermütig, sek
musig maken.
Mast, Moos.
Matte, MoUe.
'n, 'ne, Verkürzung von ohne; ek hew-
wene sein.
^n, ein, einer, man. da wort'n utelachet,
na, no, Ausdruck des Unwillens.
nä, nein.
nah, nach ; unbetont no. kumm no mek.
— nah Pingesten. — nahn Midda. —
nahn Gasten,
nah, nahe.
nachern (nä'xdrn), nachher.
Nachtmahl, Abendmahl.
Nachtslapenertiet (naxtsläpmnertli), zur
Nachtzeit.
Nachtale, Eule.
nädrieh, niedrig.
Nafra, Nachfrage.
nahgrehpsch (nägre'ps), habgierig, nach
allem greifend.
Nahgedanke, Überlegung.
Nahgesmack, Nachgeschmack.
näggene (nej9n9), neun.
näggenteine, neunzehn.
nahgerah (nOjdrä), nachgerade.
Nakedei, Nakeldei, Nackender.
nakelig, nackend.
Nackenklei, Nackenschläge, Juchhei gift
Nackenklei.
Nackenslä, böse Folgen, Undank.
Napp, Napf,
nähr, nieder.
nährich, geizig, kleinlich, mäklig.
närgens (nerjdns), nirgends.
Narre, Narr, ein Narre makt teine.
narren (nar^), einen Hund reizen,
necken.
Narrenspei, Narrenspiel,Fopperei. Sprich-
wort: Narrenspei will Ruhm hebbcn.
narrsch, närrisch.
Narwe, Narbe.
nat, nass.
Nate, Naten (näiii), Atem,
naten (nätn), nässen, fein regnen.
naag (naux), genug.
Nawe, Radnabe.
Nawel, Nabel.
Nawer, Nachbar.
Nawersche, Nachbarin.
Nawerschop, Nachbarschaft.
Nawerslii, Nachbarn.
Nechde, Nähe, Nachbarschaft, hei is
op de Necbde.
nechor (ne%dr), näher.
nein, nähen.
Neire, Niere.
neirn; siehe gneirn.
Neirsche, Näherin..
Neitiig, Nähzeug.
Neleke (ye'bkd), Nelke.
Nese (nPZ9), Nase.
NeHtkiiken, Nesthocker, kleines Kind.
N'ete (u^t9), Nisse, Lauseeier.
Nenseke, Öse, Schlinge.
nich, nicht; fragend niche.
nichte ; de nichte wem, zu nichte werden,
verderben — de nichte maken, über-
anstrengen, Schaden antun.
Nickelkehrl, Nur., Brunnengeist. Kin-
der werden gewarnt, in den Brunnen
zu sehen, weil sie sonst der *Nickel-
kehrV hinabziehe.
nie, niet, neu.
Niejahr, Neujahr.
niepe, genau, scharf (sehen), et süht
sau niepe tau.
niern, leckerig, lüstern, verlangend.
niet, neu.
nietiech, neugierig.
Nietibranr, Neugieriger.
nietmelk^ch, neumilchend.
Nipp, kurzer Schlaf.
nist, nichts.
no, Ausdruck des Unwillens.
ü
81
Doehtem, nücfUern; verstärkt nnmmer-
nöchtern.
nödig (n5*dix), nötig.
oddi^^en, einladen, nötigen, ek hewwe
nödiget, ich habe eingeladen.
nölen (fiö'lrt)j zögern, langsam sein, nicJU
von der Stelle kommen.
üölhans, Nölpeter, langsamer Mensch.
BOlig O'oUix), langsam.
Nomineda;^, Nachmittag.
Böseln (nözdln), goöseln, näseln, durch
die Nase ^rechen.
Not (n^t), Nuss.
Noidöpe, Nottaufe.
Notknaeker, Nussknacker.
Notpennig, Sparpfennig.
Notstall, enges Gelass, in das Ochsen
gesperrt werden, die beschlagen werden
sollen.
notwennig, notwendig.
nn, nun. Beim Suchenspielen rufen die
Kinder ein langgezogenes du.
nacken, nicken.
Niifkf, /., Tücke, Ixiune. hei hat wat
in der Nucke; hei hat siene Nucken,
er hats hinter den Ohren.
Nusehel, Schnauze.
natschen (nüt^^n), saugen.
niitte, nütze.
natten (nüti^), nützen.
oben ((fbm), oben.
Obeudör (^bmdo'r), Ofentür.
oder ((Tdr)f oder.
Oe 07), 1. Auge; Plur. Oen ((fn).
2. Masche beim Stricken.
off, ob.
ofte, oft.
Oglet ((fxl^t), Augenlid; Mhrz. Oglen
(ffx^^n).
ok ((fk), auch.
Ölder, n., Alter, Lebensalter.
oldern, altern.
Ole (c^b), Alter, mien Ole, mein Alter
(Ehemann, Vater).
Olendeil (o'^'^dail), Altenteil. Wenn der
Bauer Hab und Gut seinem Erben
übergibt f bedingt er sich ein Altenteil,
d. i. Wohnung und Unterhalt, aus.
«lewe, elf; adjektivisch ölef. - ölben-
twintig (öl9fmitwintix)j unmögliche
Zahl. Vgl. Eingang zu „Hans unter
den Soldaten**: im olffnndtwintigsten
johre.
Olsehe ((fl^9), Alte, miene Olsche
( Mutter f Frau). — Anrede für alte
Kühe und Ziegen.
Olste, der Älteste. Bezeichnung des
FamüienäHesten,
olt (c^lt), alt.
Ölwiseh, mit dem Drehwurm behaftet;
verrückt,
OD, tonlose Form von an (an), an.
ohne (8*n9), ihm, ihn.
Onmate (^nmäts)^ Augenmass.
Onsehien (^nSln), Augenschein.
op, auf. op de Nacht, der Nacht zu.
— Wo in Zusammensetzungen von
op mit Zeitwörtern in diesen der
Begriff der Dauer liegt, lautet es oppe.
opbänken, einen zu bearbeitetiden Stein
auf eine Bank od. einen Stein legen.
opbinnen (-bii^'), Getreidefrösche zu
Garben zusammenbinden, ebenso Heu
zu Bündeln.
opgaweln, jemand zufällig finden.
opgeben (-j^bra), die Suppe in die
Schüssel füllen.
Opgeboit, Aufgebot; für „aufgeboten
sein*' sagt man: in Kasten hängen.
opbilpen, jemand eine Traglast auf den
Rücken helfen.
ophopen, auf jemand warten.
opkloben, spalten.
opkramen, in Ordnung bringen.
Opiöper, Auflauf, ein Gebäck.
oplalirn, erwarten.
open ((fpm), offen.
oppe. auf.
oppebeholen, eine Kopfbedeckung auf
dem Kopfe behalten.
oppeblieben, aufbleiben, nicht schlafen
gehn.
oppe hebben, auf dem Kopfe haben;
eine Speise verzehrt haben.
oppunnen (oppurß, auspfunden, die
Butter in Pfunde zerteilen.
oppern, opfern.
oprapen, die Kleider hochraffen.
op recken, Getreidegarben zum Wagen
hinaufreichen.
opsein, beaufsichtigen.
Opseir, Aufseher.
opsmieten, dem Vieh Streu in den Stall
werfen.
opsteken, dem Pferde Heu in die Raufe
stecken, ek will 'n Pere wat opsteken.
opstnken, die gemähten Futterkräuter
in Puppen zum Trocknen aufstellen.
opteiken, aufzeichnen.
op waren, haushalten, pflegen.
Opwarang, Pflege, Wartung.
Or (^r), Ohr. as. ora.
ör CöV;, ihr.
Orbammel, Ohrgehänge.
Orfie, Ohrfeige.
orm, arm.
NiederdentRchefi Jahrbuch XXXIY.
82
Opm, Ann.
Örmel, Aermel.
Ormhas, Armenhaus.
Ort ((jTrt), Schusterahle.
Ort fö*ry, Ort; öwwer Ort bringen,
wegschaffen.
Osse, Ochse.
08860, nach dem Stiere verlangen.
088i^, Eigenschaftswort zum vorigen.
Ossenkopp ; Scheltwort.
OHterffir ((fst9rf{ir), Osterfeuer.
öt (oH), es, Fürwort der weibl pers.;
unbetont et. Besonders unverheiratete
weibl. Personen werden mit öt be-
zeichnet.
Owe (cl'w9), Ofen, hindern Oben ((fhn).
Owet (^W9t), Obst.
öwwer, über, de Lieke steit öwwer de
Ere, der Tote ist noch nicht beerdigt.
sek mit einen öwwem Faut spannen,
sich mit jemand erzürnen.
öwweräseken, leicht übereisen, dünne
Eiskruste bilden.
öwwerbliebeD, übrig bleiben,
öwwereiD, gleich, use Anzüge sünd ganz
öwwerein.
öwwergahn, über die Trächtigkeitszeü
hinausgehen.
öwwer Kop 8cheiteD, einen Purzelbaum
schlagen.
öwwerleieh, überflüssig, zu viel.
öwwerndöwwer, kopöwwerndöwwer,
drüber und drunter.
öwwerndöwwermorgen, am Tage nach
übermorgen.
Öwwertog, Bettbezug.
Öwwerwöckels, der Stab am Spinn-
rockeny um den die y.Diesse'* ge-
wickelt ist.
Padde, kleines Kissen,
paddeln; de Hund hat de Ere feste-
paddelt, d. h. die weiche Erde fest-
getreten.
paffen, rauchen.
Pack, Pöbel, Gesindel.
Package (pak(U9), Gesindel
Paeke, /, Menge, hei hat ne Packe Lü
un keine Arbeit.
Parken, erfassen, ergreifen.
ackeo, n., Bündel, Sack, Pack.
packen sek, sich scheren, weggehen;
miteinander ringen.
Pahl, Pfahl
pahlrecht, aufrecht.
pampicb, unfreundlich, kurz angebunden,
Panne. Pfanne.
Pannekauken, Pfannkuchen.
Pannemann, Dorfpolizist, Feldhüter.
pannen (pa^i), pfänden.
Panzen, Pansen, Magen der Wieder-
käuer; Leih.
pftpich, zimperlich, empfindlich, kränklich.
Päpgösseln, zimperlicher Mensch.
pappen (papvj), essen.
papporlapapp, quatsch.
rappstOnel, ungeschickter Mensch, Tölpel.
Pärchen, Barchent.
pardauz, Ausruf beim Fallen,
Päreken, Pärchen.
Parlmntter, Perlmutter.
Parjemutte^ Bergamottbime.
Parre, Pfarre.
Parhoff (pärhoff), Pfarrhof.
Parhns (pärhüs), Pfarrhaus.
Part, Teil halfpart maken, halbieren.
Part, Partei, Gruppe, Mieter, da wohnt
drei Part in Huse.
pass; et kämmet de pafs, es kommt
gerade recht.
passich, passend.
Pastor (pastif'r), Pastor.
Pastörsche (pastö^rs»), Frau Pastor.
Patchacker, armer Teufel.
Pater, ein Ackergerät, dem 'Krümmer'
ähnlich.
patsch, klatsch.
Patschhand, Hand in der Kinder spräche.
Patt, Schorf; zusammenhängendes Un-
kraut.
pattich, fest, dicht (z. B dicht geregnete
Erde.)
patzig, schnippisch, unfreundlich.
Paul, Pfuhl, Pfütze, Lache.
paun, weinen, weinerlich sein.
Pechhengest, Schuhmacher.
Peias (paias), Hanswurst, Narr.
Peisel (paizDl), die Ausscheidungsöffnun-
gen des Schweines, die herausgeschnit-
ten werden und zum Einfetten der
Säge dienen.
Pek (p^k), Pech.
pekeblau, pichblaa, pechblau, wie z. B.
die Haut nach einem heftigen Schlage
aussieht.
Pekedraht, Pechdraht.
Peckel /., Pökel, Salzlauge, in de Peckel
sien, eingepökelt sein.
Peletenz, Pein.
peltsen, schlagen, hauen, vgl. wammesen.
Pennig (penix), Pfennig.
peppeln, mühsam aufziehen.
Peermie, jy^rrfemtn^g, Mentha silvestris.
Peerstall, Pferdestall
Peert (pf^rt), Pferd.
Petze (pets9), Hündin,
Petersilje, Petersilie, dek is wol de
83
Petenilje vorhagelt, dir hat etwas
nicht gepasst.
Petsf], Aschenbrödel.
peBseln, in der Wirtschaft zu schaffen
machen.
pieheln, sechen.
Piekelhart, steinhart,
iddek, Mark im Holz.
Piek, Grolly Aerger. 'n Piek op einen
hebben.
pieken, stechen,
pie], steil, aufrecht hei steit piel in de
Höchte.
Pieldep, Pfeiler.
piele! Lockruf für Gänse,
Pieleeans, Gans,
Pielelen, Gänschen,
Pien, Fein.
pienegen (pin9J9n), peinigen.
Piepe, /yei/e, Tabakspfeife; kurzer
Speiseröhrenrest am Magen.
Diepen (plpm), pfeifen. -
Piepe» kopa ° (pipmkop), Pfeifenkopf.
Piepenstock (plpmstok), Stab, der durch-
bohrt wird und dann das Pfeifenrohr
bildet.
Piepvosgel, Vogel in der Kinder spräche,
Piephaoo, Membrum virile.
Piepwost, Wurst, die in den Magen
gefüllt wird.
piern, blinzeln, äugen, mit wenig ge-
öffneten Augen sehen.
piesacken, quälen, peinigen.
Piet8ehe, Peitsche.
Pilf, Pelz, Pelz.
Pingesten, Pfingsten. Ulenpingesten,
ein nie erscheinender Tag, auf den
man unbequeme Sachen verschiebt.
Pingestosse, aufgeputzte Person.
pink, Nachahmung des scharfen Lautes,
der entsteht, wenn man auf Metall
schlägt,
pinken, einen scharf klingenden Laut
erzeugen.
pinkepanke, Ablautbildung zu „pink'^.
Xachahmung des Geräusches, das
entsteht, wenn der Schmied auf den
Amboss schlägt. Kinderreim: Pinke-
panke, Smed is krank, Liet op siener
fulen Bank.
Piakeswamm, Feuerschwamm.
Pinne, kleiner Nagel, Blaukopf.
pinneken, pinneo, (piri), mit kleinen
Nägeln nageln,
pingeiieh, empfindlich, kränklich,
schwächlich,
Pipp, Pipps m,, harte Zungenspitzenhaut
bei Geflügel.
Pisse, Urin,
pissea, Wasser lasseti.
Pisshahü, Membrum virile.
Pisspott, Nachttopf.
pitsehenat, durchnässt,
Pia, Plage, Krankheit,
Plack, m., Flecken, Fettplack, Dreck-
plack usw.
plaeken,^ schinden, quälen.
Plackerie, Schinderei.
plack henfallen, der Länge nach, wie
ein Brett hinfallen.
pladdern, Flüssigkeit verschütten.
plan, plagen.
Plane/., Planlaken, grosses Leinenlaken,
das bes. zur Bedeckung von Wagen
dient.
Planwahn, Wagen mit übergespanntem
Laken,
Plante (plent»), Pßänzchen.
planten (plani'g), pflanzen.
Plänter, Pflanzer, spitzer Stab zum Loch-
bohren.
Plaster (plästsr) n., medizinisches Pflaster.
Plaster (plastar) n., Strassenpflaster.
plastern, pflastern.
Plang (plaux), Pflug.
Plangisen, Pflugschar.
Plan^karre, karrenähnliches Fahrzeug
zum Transport des Pfluges.
Plan^Iienich, Pflugleine.
p lecken, flecken, schmutzen.
pleckig, fleckig.
Plettchen, Plätzchen. Schokoladen-
pletchen, Zimtpletchen.
plenn, pflügen.
Plickars, Schläge aufs Gesäss. krist 'n
Plickars
plicken, auf den Hintern schlagen.
P linken, zwinkern.
lock, Pflock.
Plocke, f., Stück, Flocke, 'ne Plocke
Zucker; 'ne Sneiplocke
plooken, zerstückeln, inplocken, Kuchen
einbrocken.
Plockenzncker, Würfelzucker.
plücken, pflücken.
Plnme, Pflaume, edle Sorte im Gegensatz
zu Zwetsche.
Plunder, wertloses Zeug.
Pliinnen (plün), Stück Leinen, das um
den verwundeten Finger gewickelt wird.
von Lappen in Plünnen komen ffon
lapm tn plü^ kf^m), vom Regen in
die Traufe kommen.
planschen, eine Flüssigkeit verschütten,
plass, dick, beleibt. Vgl. Nd. Khl. 29, 2.1.
Pocke, / Blatter.
6*
84
Pohl (pS'l), Pfühl, langes Kissen.
Polacke, m. u, f., Pole, Sachsengänger.
Polacke, Pfeifenrest. Vgl. Nd. Kbl 27, 58.
polacküch, polnisch.
rolk, dickes, rundes Schweinchen.
polken, palken, klauben, mit dem Finger
bohren.
Polle. Blumenzwiebel.
polscli (p(flä), polnisch.
inpohcheD Bogen, in Bausch und Bogen.
poische Nese, Polonaise.
Popper. Pfeffer.
_._. ^^ pfefferig.
pöppench,
Poppier, I
roppier, Papier.
Porte (pi^rtd), Pforte, Tür.
Portendör (pi^rti^dE^r), Tür im Hoftor.
posen (p^z9n), herumwirtschaften, zer-
treten, da hat einder op en Kartuffeln
rummer eposet.
Postboe, Briefbote.
PoNten, Pfosten.
Pott, Topf, ^n Pott insetten, Suppe und
Fleisch kochen im Gegensatz zu Braten
machen.
pötchero, Geschirr entzweiwerfen.
Fote (pd't»), Pfote.
Pottsasen, eine Speise, die durch Zu-
sammenbraten kleiner Fleisch- und
Fettstückchen hergestellt wird.
power, ärmlich.
Pracher (praoar), Quälgeist.
praehern, quälen, betteln, bitten.
pralL straff gespannt. *
prahlen (präly,), gross tun; schreien.
Prahlhans, Grosstuer.
Prätsele (prfts9l9), Bretzel, Gebäck.
preimsch, feind, böse, de beiden sünd
preimsch, die beiden sprechen nicht
miteinander.
preschen (presi^), eüen, hasten.
prensch, preussisch; freund, se sünd
nich preusch, sie sind feind.
Prieche, Empore in der Kirche,
priechen, schwer, geräuschvoll atmen.
prick, prall, straff gespannt.
Prickel, Beiz.
prickeln, stechen, sticheln, Stechreiz auf
der Haut empfinden.
Pries, Preis.
priesen, preisen.
Prilleke, Pfannkuchen aus einer Art
Kuchenteig.
probe iren, probieren.
proben (prö'brn), kosten, die Probemachen.
prSddeln (prödlj^), beim Kochen geräusch-
voll wallen.
Proppe, Kork, Stöpsel.
proppen (propin), pfropfen, ein Reis
aufsetzen.
Proppries, Pfropfreis.
pröichern, krakeelen, Unzufriedenheit
äussern.
Prott, grosstuiges Wesen; Prot hebbeu,
gross tun, sich vermessen.
prottich, protzig, aufgebläht.
prndlich {priiHix), schlecht genäht.
Prndlie, schlechtes Nähen.
prndeln, liederlich nähen.
prnkenieren, eigensinnig etwas erbitten,
ertrotzen.
Prummel, Ding von rundlicher Form;
kleiner, dicker Mensch.
prnmmelig, rundlich.
Prustbacken, dicke Backen.
prusten (prüstn), niesen.
pnchen (puxdn), aufpochen, trotzig etwas
verlangen.
Pnckel, Rücken.
pnckelig, bucklig.
pnckelii, auf dem Rücken schleppen.
Puckere, Unebenheit der Haut, Blüte.
pndden (pudy), kränkeln, nicht recht
gedeihen.
Pndel, Fehler, Versehen.
vorpndeln, versehen, falsch machen.
Pulle, Flasche.
Pnlleken, Fläschchen.
pnlken, klauben.
Pämpel, Musrühr er, Muskeule.
Pnmperkiile, Schilfkolben.
Punasnap, Butter form.
puppern, vor Ungeduld zittern.
pnre, rein, lauter.
pnrzen, zu Stuhle gehen.
Puseke f, Yulva.
Pnssel (puz9l), kleines Wesen, Kind.
pnsseln (puzBln), eilig, geschäftig in der
Wirtschaft herumbetvegen.
Pnste, Atem.
Pnsterohr, Blasrohr.
pnstig, kurzatmig.
puNten (püs(^), blasen.
pntt-pntr, Lockruf für die Hühner.
Puter, Truthahn.
quack, Ausruf bei klatschenden Ge-
räuschen.
qnacken, heftig hinwerfen, hei hat ne
gegen de Wand equacket.
Qnaddele (kwadh), Quaddel.
qnaddern, Wasser verschütten.
quäken, mit breit gellendem Tone schreien.
5nalmen (kwalm), rauchen.
ualmtute, ScKwätzer.
Qnalster, schleimiger Speichel.
85
qnanter, in höherem Orade. dat kum-
met noch quanter.
(ltta|ipe, junger Frosch. Die eben Kon-
firmierten necken die in der Schule
Zurückbleibenden mit der Bezeichnung
Schaolquappe, die wohl aus Kaut
quappe umgedeutet ist.
qaappieh, qnackicli, nicht widerstands-
fähig (von jungen Tieren gesagt).
qaarren (kwarn), weinen.
qnaseii (kwäzdn), nicht JiausMUerisch
umgehen^ vergeuden.
qnasseln (kwaz9ln), Geschw&tz machen.
((natseh, Unsinn.
qDatsehen, Unsinn reden.
qoatscbe-nat (-nät), durchnässt; ver-
stärkt: quatsche messnat.
qnei, weich, lind, mild, 't Water is quei.
Qoeif, unnötige Sache, massiges Gerede.
ftoeke (k^^kd), Quecke, Unkraut.
Qaellnbor^, Quedlinburg,
Uaerl (kwtrl), Schürzen- oder Rockbund.
(laeae (kic^z9), Hautblase; Waterquese,
Wasserblase ; Blaut quese, Blutblase. —
de Quese h ebben, nicht gescheit sein.
Unesenkopp, Quenenpeter, dummer Kerl.
qaestigen (kwestijdn), peinigen, eindring-
lich fragen.
((netsche, Fresse.
qoieken, kreischen.
Qaien m., Geruch, Gestank.
qaieneD, übel riechen, schlechte Dünste
ausströmen.
qnillen (kwihi), quellen.
qnittengel (kwiii^jfl), von sattgelber
Farbe.
qonrkeo, Bezeichnung des gurgelnden
Lautes, der entsteht, wenn man z. B.
in Moorboden ttitt.
(tDiirl, Quirl.
'r, >r (9r), Verkürzung von dar; siehe da.
raekeln, rütteln, klappern, da rackelt
einder an de Dör.
Rarker, Schlingel.
raf (räf), rafep, herab.
Riegel (rej9l), Riegel.
räTReln, riegeln.*
Rahseke, Radehacke.
räkeln, sich flegelhaft setzen oder legen.
Ral (räl), Ralblanine, Kornrade.
Ralsteker, kleiner Spaten zum Aus-
stechen der Kornrade.
Raneker (rämekdr), Stellmacher, Wagner.
ranenteii, xioirtsehaften, klettern.
Raum, Krampf.
ramnelo, wälzen, hei rammelt sek in
Grase nun.
rahs, raten.
Ranken m., ein grosses Stück Brot.
ranken, afranken, ein grosses Stück
Brot abschneiden.
rann, heran.
Raphann (räphaun), Rebhuhn.
rapen (räpm), raffen.
Rappel; 'n° Rappel hebben, nicht recht
bei Verstände sein.
rappeln; bie dek rappelt et wol, du
bist wohl nicht recht bei Verstände.
Rapsnftwel (räpsnäwdl), habgieriger
Mensch.
rar, gut, schön, artig, bist 'n ram
Jungen,
rasch, flink, schnell dat Kind is sau
raschen.
Raspe, grobe Feile.
raspeln, feilen.
Rad (rät), Rad; Mhrz. Rädder. — in
Ra, im Rade.
rattenkahl, ratzenkahl, ganz kahl.
ratsen ; hei kann sek nich ratsen, er
kann sich nicht zähmen, nicht massigen.
ratsch, Ausruf beim Zerreissen von
Papier oder Stoff.
Ratsch m., Riss,
ratschen, reissen.
rattern, das Geräusch einer Maschine
oder eines Wagens.
Ran, Ruhe.
Ran, Rute, Flächenmass.
rann, ruhen.
raupen (raupni), rufen (ek raup», du
röpst oder 'röpp98t, vai raupet; ek
raip, vai raipm; 9raupm).
Rause, Rose.
Rant, Russ.
rawweln, schwatzen, schnattern, schnell
sprechen.
räwweln. Gestricktes auflösen; zer-
fransen, ek will noch 'n Strnmp op-
räwweln — de Hose räwwelt unnen op.
Ree (r^), Reihe.
redden (redy,), retten,
Refermänt, Tadel, ScheUe.
Re^ätt m., Bange, Scheu.
Reim m., Riemen.
reinefieren, reinigen, erneuern.
Reip, Seil.
Reise, Tracht Prügel.
recken, reichen, darreichen, afrecken,
oprecken, henrecken.
reken (rfk9n), rechnen.
reckhalsen, mit ausgerecktem Halse
spähen.
Rehn, Regen,
rehnen (r^), regnen.
Renne, Rinne.
86
renuen (ref^i), eilen.
sek rengen, sich recken, dehnen.
rentlich, reinlich.
Rentlichkeit, Reinlichkeit.
Reentreckcr (r^ntrek^r), Heihemieher,
rechenähnliches Gerat, mit dem in Feld
und Garten Beihen gebogen werden.
Reppelbohn, Balken mit Eisenzacken,
zwischen denen der Flachs von den
Samenkapseln befreit wird.
KeppelbuKeli, grosser Eisenkamm auf
dem Reppelbohm.
reppelD, die Samenkapseln vom Flachs
abstreifen, indem man ihn zwischen
den Zacken des Reppelbusches hin-
durchzieht.
Reppelrad, Wagenrad mit Eisemacken
zum Reppela des Flachses.
Res (r^s), Spreu, Getreidespehen.
Reskorf, ein sehr grosser Korb; über-
tragen: grosses Mass.
reumen (roim)y rühmen, loben.
reiiren (roirn), rühren.
Reuster, Biester, Lederflecken zum
Schuhflicken.
Reawe, Bube.
ribben (ribin), mit einem Eisen den
Flachs bearbeiten, dass die Holzteile
(Schewe) entfernt werden.
Richte, Bichtung. in de Richte gähn,
den geraden Weg gehen.
Richteweg, Bichtweg.
rieben (rlbm), reiben.
Rief, Beif, gefrorner Tau.
Riefe, kleine Binne.
riefen, reifen, zu Beif gefrieren.
Riek, Beich.
Rieke, Marie.
rieke, reicJi.
rieklich, reichlich.
Riem, Beim.
riemen (rlm), reimen.
rien, reiten (n, ai, e, e).
riepe, reif.
riepen (rlpm), reif werden.
Ries, Beis; Zweig.
Ries, Beis (Frucht).
rieten (rltn), reissen.
Riethose; de Riethose antreken, aus-
reissen.
Rietmns, Wühlmaus.
Rietnagel^ Beissnagei
Rietenspliet, ein Kind, das oft seine
Kleidung zerreisst.
Riet-nt, Beissaus.
riets, Ausruf beim Zerrcisttvn eines
Stoffes.
Rick, Stange, auf der Wäsche, Teppiche
u. dgl. aufgehängt werden.
Rillsch, Schafgarbe.
ringe, gering, klein.
rinn, herein, hinein.
Rinne, Binde.
Risse, Hiebe, Schläge.
Riste, soviel Flachs, wie man mit einer
Hand umschliessen kann.
Risten, Schilfhalme.
Riwe, Beibeisen,
Riwwe^ Bippe
Riww-isen, ein Eisen mit Holzgriff zum
Loskratzen der holzigen teile des
Flachsstengels. Siehe ribben.
Rock an Stock, Hab und Gut.
Rockflittehen, Bockschösse.
Röggener (rö'pnfr), weiblicher Hering.
rohn (rffn), roden, reuten. Die Orts-
namenendung -rode (Wernigerode usw.)
lautet -roe (Wannij^riT).
röhn (ro^n), rühren, bewegen.
Rohr (rij^r), Bohre.
Rohr (riTr), Boder. Reuwerohr, Bübeti-
roder.
Rok (rö'k), Bauch.
roken (r^k^n), rauchen.
Rökerbodden, Bodenraum zum Bäuchem .
rökern, räuchern.
Rokkamer (rifkkämdr), Bauchkammer.
rökrieh, rauchig.
Römer (rSUndr), Schnapsglas.
rop, herauf, hinauf.
rop-rop, Buf, mit dem man die Hühner
ins Hühnerhaus treibt.
Rosch {ro.<i) ; nicht ganz reifes Obst tvird
ins Bettstroh gesteckt, ßamit es mürbe
wird: man legt die Äpfel ins Kosch.
Röste f., Feuerungsrost.
rot (rifO, rot. — nich en roen Pennig
hebben, besitzlos sein.
Rotkeleken, Botkehlchen.
Roten (r^tn), stehendes oder langsam
fliessendes Gewässer, in dem der Flachs
verrotten muss oder geröstet wird.
roten (riftn), verrotten,
Rotsjnnge, Rotsleppel, Rotsnese, Schimpf-
wörter.
rottenfnl (rotrjfül), rottefal, rotzenful.
verfault zu einer schleimigen Masse
(z. B. Kartoffeln).
Rotwost. Blutwurst.
röwwer, hinüber, herüber.
rn, rauh.
Rü, Rähl, Pflugstock des Landmannes,
weatf. rudder.
riickarseu, hin- und herrücken, unye-
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duldig sein, westf. rükaesen. Vgl.
frs, reculer.
rae ken. einen Huck geben, plötzlich be-
wegen.
rndig, flegelhaft, ungezogen.
Rä^ge^rat, Rückgrat.
Hü^^gen (rüßn), JRäcken.
rii|:|?enfrie, rückenfrei sek rüggenfrie
(oder puckelfrie) holen, sich einen
Ausweg, eine Ausrede lassen,
Rabm, Raum, rähmirli, ^erühmig, ge-
räumig.
rihraen (räm), räumen, Platz machen.
rohii, mausern, ase Heunder ruht.
i'ttkeii, riechen (ü u, ö, ö, ö).
Ralle, Rolle.
Rammdriewer, Herumtreiber. rumm-
drieben, heru mtpeiben .
Romp, Rumpf.
Rampe Ikarre, Rumpelkasten, wackelndes
Fahrzeug.
rumpelo, schaukeln, rollen.
Rnmpelperd, Schaukelpferd.
ramplig, wackelig, wälzbor.
ramtnmme (rumtums), umher, hei löppet
rumtumme.
Rnndeil, rundes Beet, frz. Rondel.
rander, herunter, hinunter.
Runge, Wagenrunge.
runn, herunter, hinunter.
riinnen (rün)^ rinnen; gerinnen, de
Pot rüontr de Melk is erännt.
Rupe, Raupe.
rnpen (rüpm), die Raupen ablesen.
ruppeu (rupm), rupfen, pflücken,
ruppieh, zerzaust.
Runef, Rauhreif. Kinderreim: 't hat
erurieft, 't hat efroren, treck en Zappel
öwwer de Ohren.
rnseh. russisch, rusch Rohr, Esse.
ruseheln, rascheln.
rusf heu, rauschen.
RuMchmnsfh, Wirrwarr, verdächtiges
Geräusch.
rusen. herumwirtschaften, herumwühlen,
in Kästen u. dgl. herumsuchen.
Rnst (rust), Rost, Eisenoxyd.
Rast n., Gerüst.
Rastpabl, Gerüstbalken.
RÜNter (rüstsr), Handgriff am Pflug.
rüsten (rustti), rosten.
rastrjg, rostig.
ruHtrig, ungewaschen und ungekämmt,
unordentlich.
rat (rüt), heraus, hinaus.
Rate, Fensterscheibe.
rater, Iieraus.
Sa^ Säge.
säbbenteine (zebmJtain9), siebzehn.
Saboek, 8ägebocl\
sachte, langsam, still.
Saekdrelen (zakdr^hß, grobes Sacktuch.
saeken, senken, einsinken, sich setzen.
de Ere mot sek erst sacken.
sädiffen, sättigen.
Sadel, SaUel.
Sadeler (zäHfr), Sattler.
sadeln, sedeln (z^dln), satteln.
Sadelperd, das im Gespann links gehende
Pferd.
Sadeltüg, Sedeltfig, Sattelzeug, Pferde-
geschirr.
saggen (zeßn), sagen (ek zQd, du zefßt).
sahn, sägen.
8al (zäl), Südwesten (Richtung nach der
Saale), de Wind kummet ut der Sal.
Salfei, Salbei, Saloia.
Salm, lange Rede ohne Bedeutung.
Salwe, Salbe.
Samel, Samuel.
Samerie, Sämerei.
}$ämich, sömich (zo'miyj, sämig, de Zuppe
is sömich.
sammen (zam), sammeln, bes. die Getreide-
garben zu Mandeln.
sau (zän), sägen.
Sand^ n., Sand m. in Sänne, im Sande.
sannig, sandig.
Sark, Sarg.
Satkorn (zätkcfm), Saatkorn.
Satlaken, Leinentuch, das zur Aufnahme
des Saatkornes dient.
Satte, ein niedriges irdenes Gefäss, meist
zum Aufbewahren der Milch dienend.
sau, so.
säwwene, sieben; adjektivisch säbben
(zel/m).
Sa w wer lätzeben, Schutztuch gegen den
Speichelfluss kleiner Kinder.
sawwern, sabbern; dazu Sawwerie.
Scba, Schade, de Scha is sau grot niche.
Im Ausruf: schade!
Schacht (saxt) f., Schacht eines Berg-
werks.
Scbacbter (saxtdr), Bergwerksarbeiter.
schachten, utHcbachten, einen Schacht
graben, den Grund zum Hausbau
graben.
schaffen, schnell von statten gehn. dat
schaffet.
schal, schal vo7i Geschmack.
Schaldank, dickes Halstuch.
Schalholt, plur. Schalhölter, Schalhölzer,
die zwischen die Balken gelegt die
Decke eines Raumes bilden.
vorNchalen, mit Schalhölzern belegen.
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Bchamfleren, schimpfen, scheüeti.
sehamineln, schampeln, so gehen^ dass
die Hosen aneinander reiben.
sehan (San), schaden.
Sc'handarre (Sandar9), Gensdarm.
Sehanne, Schande, hei is Schimp un
Scbanne gewohnt, make nich saune
Schanne, Lärm, Geschrei; de schanne,
eu Schanden, zu nickte, hei fritt sek
de nichte un de schanne.
Sehanne /., Tragholz für zwei Wasser-
eimer.
Sehandsnute, loses Maul; jemand der
schlechte Beden führt.
Sebap (ääp), Schaf.
Sehaper, Schäfer.
Sehaperie, Schäferei.
Schaperkarre /., zweirädriger, über-
bauter Karren, in dem der Schäfer
im Freien nächtigt.
Sehapköttel, Schafdreck.
Sehäpken, Schäfchen.
Sehapp, Schrank.
Schar (äär), Pflugschar.
seharben (Sarbfn), schnitzeln, zerschnei-
den, in dünne Scheiben schneiden.
ek hewwe de Zicke ne Turniks
escharwet.
seharig (Särix), zu Schar, 'n drie-
scharigen Plaug.
seharp, scharf.
seharpen (sarpm), schärfen.
Sehärr, Schttrrholt, starkes Holz, an
dem die Schwengel mit den Zugsträngen
der Zugtiere befestigt sind.
Seharrierisen, breites Eisen der Stein-
metze.
seharriern, einen Stein mit dem Schar-
riereisen bearbeiten.
Scharsee (Sarze'), Chaussee.
schar warken, arbeiten, herumwirt-
schaften.
Seharwarker, Hofarbeiter.
scharwenzeln, schmeicheln, liebedienern.
Sehan, Schuh, — Berühmtes Wiegenlied :
Mukau (Buko) von Haiewerstadt, Bring
doch usen Kinneken wat. — Wat sali
ek en denn man bringen ? ~ Ein Paar
Schau mit Ringen, Ein Paar Schau
mit Golle beslahn, Da sali nse Kind
oppe danzen gähn.
Schauband, Schanbend, Schuhband,
Schnürsenkel.
Schanle, Schule.
Schaaslarben (äauslarbrn), grosse Feld-
bohne.
Sehaaster, Schuster. — Bätsei: Tweibein
sitt op Dreibein. Da kummt Veirbein
un will Tweibein bieten; da nimmet
Tweibein Dreibein un deit Veirbein
smieten. (Schuster, Schemel, Hund.)
Sehan wark, Schuhwerk.
Sehäwwerdecker, Schieferdecker.
Schäwwere f, Schieferplatte; Scherbe.
Schäwwertehn, spitzer tind übermässig
langer Eckzahn der Schweine.
-sehe (-sa), Nachsilbe zur Bildung weib-
licher Zunamen, ähnlich hd. -in.
Müllers Frau heisst de Müldersche,
ebenso Linnemännsche, Beckersche usw.
Sehei, Scheide. Slachteschei, die Scheide,
in der der Schlächter seine Messer
bewahrt.
Sehei, Scheit, die breiten Leitersprossen.
seheii, schief.
sehein, geschehen (dt Süt, 9t ä^x, 9t i^
9sain).
Seheinig (§ainix), Schöningen.
scheiten (saüij^), schiessen (aiü, ö, ö, ö).
Schelle, Schale, Pelle.
schellen (äeln), schälen.
Schein fä^m), Schatten.
Schemel (sem9l), Holzschemel.
schemmerii'h, dämmerig, durchscheinend.
schemmern, durchscheinen, dämmern,
schimmern.
Sehenbein (ä^nbain), Schienbein.
Schene (§^n9), Schiene.
Scbene, schlechte Stelle im Äcker.
schenen (ä^^), schienen.
Sehepe (^^p9), Schöffe.
Seheppel, Scheffel.
scheppeln, einbringen, scheffeln.
Scherbohm (i^rbc^m), Stange am ein-
spännigen Wagen.
Schesf (§^Z9), leichter Wagen, frs. chaise.
schesen, spöttelnde Bezeichnung für
gehen, weggehen.
schett, abweisender Ausdruck; verstärkt
in scbetterlet^tt.
sehetterich, bleich, fröstelnd, kränklich
aussehend.
Sehenlder, Schüler.
Schewe (§^W9), die bei der Flachs-
zurichtung vom Flachs absplitternden
holzigen Teile. Sie mrd mit Lehm
vermischt aJs Schewelehm vom Maurer
gehraucht.
Schild, Schild, in Schule, im Schilde.
Schilderhas, Schilderhaus.
Sehille, Schelte.
schillen (sihß, schelten, tadeln, schimpfen
(i, u, u, u).
schilp, Sperlingsgezwitscher.
Schimp, Schimpf, Makel.
schimpen (simpm), schimpfen.
S9
Schill (^n), Schein,
schinen f^^^), scheinen, glänzen.
Srhinder, Abdecker.
Schinderie, Schinderei, Anstrengung,
Quälerei.
Sehinke /., Schinken m., Schinken,
Schinkenspeck, Name der Blaumeise.
Schinn, Kfipf schuppen.
Schinnen (ätri), schinden, placken, Haut
abschaben.
sehir, sauber, rein, klar, de Gaus is
sau schir, die Gans hat keine Stoppeln.
schiren (slrn), bebrütete Eier in heissem
Wasser prüf en, ob ihr Inhalt lebendig ist.
Sehite, Kot. Sprichwort : schickten Schite
hen, kricht 'n Schite war, d. h. wie
es in den Wald schallt, so hallt es
wieder heraus.
Schithns, Abort.
Hchiten ßViith ausleeren, ek will dek
wat schiten, gewöhnliche Abweisung
einen Wunsches,
Schiterie, Durchfall.
Sehitpanze, gemeines Schimpfwort.
Sthiwe, Scheibe; Mhrs. Schiben (übin).
Sehlnmhnm, unordentlicher, lumpige^'
Mensch.
Sfhlnnz, lumpiger Mensch.
schlnnzig, lumpig, unordentlich.
schlnnzen, lumpig gehen.
sehlawwerig, gallertartig.
§€hlawwernf wie Gallert sein.
Sehmadder^ Smadder, Schlamm.
Mchmaddeng, schlammig.
Mchobben ßobrn), kratzen, schaben.
Schof (s^f), Bund glattes Stroh : Mhrz.
Schöwe.
schofel, schlecht, gemein.
Schollichen, unordentliches, lumpiges
Mädchen.
schölen (Sd'hi), im Wasser hin- und
herschwenken, spülen.
schon (äc^n), schon.
schone, schön.
schonen (sö''^), schonen.
Schöppe, Schöffe.
Schoppen ßöpm), schöpfen.
Sehorf, Ausschlag, Grind; Mhrz. Schörwe.
wie ne Lus in Schorwe Bitten, einen
guten Platz haben.
Seh ort n., Schar, Menge, en Schort Geuse.
Sehorte, Schürze.
schörten, knüpfen, anschörteu, zwei
liänder zusammenschürzen. Knoploch
schörten, das Knopfloch mit Schleif-
Stichen umstechen.
Schose, Sache, Ding, Ereignis.
Setaosskelle, der Sitz am Ackerwagen.
Schostein, Schornstein, Esse.
Schosieinfeger (sostainffpr), Essen-
kehrer. — Volksreim:
Schosteinfeger sitt in Locke,
flicket Biene Schau,
kumt 'n lüttjek Bäckermäjen,
süht sau niepe tau.
Mäjen, wenne frien wut,
frie en groten Papen,
kannste lange slapen;
slöpste lange, warste witt,
kricht de Pape Lust tau dek.
Schot (^Ö't), Schoss.
Schote, grosses wannenähnliches Gefäss,
in dem das geschlachtete Schwein ab-
gebrüht wird.
Schotfell, Lederschürze mancher Hand-
werker.
Sehotentoffel, Toffel, Tölpel, Grobian.
Sehottschen, Folka, schottischer Tarn.
Schütteibret (söilbrf.t), Schüsselbrett,
Tablett da hülste ümmer midde op
en Schöttelbree, das hältst du bei
jeder Gelegenheit vor.
Schott eldank, Schüsseltuch.
Schöttele (sötb), Schüssel.
Schräge (ärfjd), schiefe Richtung.
Schramme, Schürfwunde.
schrammen (sram), schürfen, die Haut
verletzeti.
Schrank n.. Schrank.
Schrapels (äräpdls), zur Fütterung die-
nende Schnitzel von Kartoffeln, Buben
u dgl.
schrapcu (sräpin), schnitzeln, schaben,
kratzen
Schranlmns, Spitzmaus.
schranln, schreien, kreischen.
schren (sr^n), schroten.
Schret (sr^t), Schrot, grob gemahlenes
Getreide.
schrieben (srlbin), schreiben (li, ai, e, e).
schrien, schreien, weinen.
Schriewer, Schreiber.
schrinnen (äri^i) ; bezeichnet den bren-
nenden, juckenden Schmerz einer
Schürfwunde.
schrög (srö'j), schräg.
Schröge, schräge Richtung.
Schröppkopp, Schröpf köpf.
schruppen (sröpm), schröpfen.
Schrot, schräg.
Schrotkörn (sröHkö^rn), Schrotkorn.
Schrotleire, schräge Stehleiter.
Schrotsa, Schrotsäge.
schrnben (ärülfni), schrauben (ü u, ö, ö, ö).
Schrnfstock, Schraubstock.
Schrnlle, Eigenart, Laune.
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scliruUich, mit Schrullen behaftet, lau-
nisch.
sefarampen (.srumprn), schrumpfen.
scliraniplig, runzlig.
Sehrappe, Steintrümmer, die hei der
Bearbeitung von Steinen abspringen.
Schrawe, Schraube.
Selirawwer, Schrubber.
sehü, scheu.
Hiihühe^n (süb7n), schieben (a u, ö ö ö),
^Q\vSi^\ii^t m.f Vogelscheuche ; — ??., un-
ordentlich gekleidetes Mädchen.
Schuck, Äufstossen, Auf schluck.
Schackeborin, Brunnen mit Saugpumpe.
schueken, den Pumpschwengel in Be-
wegung setzen.
Schüddeholt, Gabel aus Holz zum Auf-
schütteln des Strohes.
schuddern, schaudern, schauern.
Schaddernmp, unordentlich angezogener
Mensch.
schäddeln, schütteln, schütten.
Schüddelstanl (südlstaul), grosser Lehn-
sessel.
Schüffeie, Schaufel
Schafkarre, Schaffkarre, Schiebekarre.
Schäften, schwer arbeiten, anstrengen.
Schn-klappen, Scheuklappen,
Schalder, Schulter.
schulen (süIq,), ängstlich schleichen.
schUUig (sülix)j schuldig.
schülpen (sülpm), überschwappen^ über-
fliessen lassen.
Schum {Schaum).
schümen (.^um), schäumen.
sehiimig, schäumend.
schuramern, dämmern.
schummeln, täuschen, überlisten, hinter-
gehen. _
schün (üün), scheuen.
Schändak, Scheunendach.
Sehüne, Scheune.
Schunkel, Schaukel.
Sehunkelperd, Schaukelpferd.
schfinnen (Aütj); hei hat inek dat ane-
schünnt, er hat mich dazu aufgehetzt,
verleitet, as. anscundian.
schuppen, stossen.
schuppen, schaufeln.
Schuppe, Schaufel
Schur, Schuppen, Wetterdach.
Schur, Schauer, Unwetter.
Schur, Weile, Zeit, ek bin eu Schur
vorreist ewest.
Schur ; tan Schure dann, zum Ärger tun,
jemand einen Streich spielen.
schüre, schauer, vorm Wetter geschützt.
Schürlappen, Scheuerlappen.
schürn (sür^), scheuern.
schurren (suriß, scharren, surren, mit
'n Staule schurren, den Stuhl weiter-
schjeben, sodass dabei durch die Rei-
bung ein Surren entsteht.
Schurrhaust, rauher, heiserer Husten.
Schutt, Schutzbrett am Wagen (vorn und
hinten). Schütz.
schütten; insehütten, einsperren.
Schnttßnhere, Vorstand des Schützen-
vereins.
schuttern, erschüttern.
Sthnw^T ^Schieber.
Scbuwwejak, Schubbiak, gemeiner Kerl
schwunken, swunken, schwanken, sich
biegen.
schwul, schwül
se (z9), sie; unbetonte Form.
sehen (z^bin), sieben, durchs Sieb laufen
lassen.
Seckele, SicJiel
Seckelnkrut Sicheldolde. Falcaria Ei-
vini.
Sedeltüg (z^dltüyj, Sattelzeug.
Sei (z^f), Sieb) Mhrz. Sewe.
sei, sie. - Das Wort wird immer mehr
Anredewort und verdrängt ji.
Seiche, Urin.
seichen, harnen.
seik, siech, schwach^ kränklich.
Seikenholt, ÖrtlichkeiL
Seikeupeiter, kränklicher Mensch.
Seims blädder, Blätter von (-assia senna,
deren Abkochung als abführendes
Mittel gebraucht wird.
sein, sehen (ek zai, du zilst; ek zäx,
vai zat*n ; dzain).
sein, säen.
Seisse (zaisd), Sense.
Seissenkrut, Storchschnabel, Geranium.
sek (zek), sich.
Sele (z^U), Fischblase.
Selschop (zeUop), Gesellschaft, dau mek
en betten Selschop.
seltsen, selten.
seltsen, seltsam zu mute, unwohl.
Semmele, Semmel
Semmel wark, Gemisch von geriebener
Semmel und Schweinsgehirn.
Semmel wost, Semmelwurst, aas gerührtem
Gehirn, Semmel und Rosinen.
Senep, Senf.
Sepe (ze'pd), Seife.
sepen (zi^pin), seifen.
sesse. sechs; vor dem Hauptwort sess.
sesteine, sechszehn.
selten (zet^), setzen.
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seakeD. suchen (ek zoik9, du zoxst; ek
soxtai; 9Z03ct).
Seale, Salesole,
Keate, süss.
Siebt, Gesichtsfeld. in Sicht sien,
gesehen werden.
Sie, Kleeseide, Cuscuta.
Sie. Seite, Speckseite.
Sie, Weibchen bei kleinen Singvögeln.
Siedaak, Seihetuch, dünnes Gewebe, das
zum Durchseihen der Milch dient.
Siede, Seide,
sieden, seiden.
sielen (ztl^), liegen, rekeln.
sien, sein (bin, bist, is; vai sunt; zl,
Sit; ek vär; ek vÖr9 ; doest).
»ien, sein (Fürwort).
sienieht, seinig. 't sienichte, das Seinige.
sienesglieken, seinesgleichen.
»iet, niedrig.
Siete, Seite.
Sietoben (zlt <7bm), die niedrige Ver^
bindung zwischen Küchenfeuerung und
Stubenofen.
§ihn, seihen.
Hinmeliern, nachdenkett, grübeln.
SiiBins, Gesims.
Sitten (zü^), sitzen.
Sla, grosser Holzhammer, Schlage.
slaehten (slaxtn), schlachten. Sl achter.
Slaeke, Schlackwurst.
Sladderkaram, lappiger Hühnerkamm.
sladderig (sladriyj, lappig, ohne Halt.
sladdern, lappig sein.
Slafittchen, Schlafitclien. einen bie de
Slafitchen krien.
Slag (släx), Schlag.
Slagbohm, Wegschranke.
Slagedot (slägddc^t), ungeschlachter,
starker Mensch.
i^lahn, schlagen (slä, slaist; slaux, sloin;
9slän).
Slap (släp), Schlaf.
Släper, Schläfer.
.slaprig, schläfrig.
Slaplüse; dek het wol de Slaplüse, du
bist wohl müde?
slapen (släpin), schlafen (slap?, slöpdst;
siaip, slaipm; isläpm).
slapp, schloff!
s läppen (slapm), schlappe)}, am Fuss
nicht scMiessen.
Slappslilre, Schleuder.
Starben (slarbm), Pantoffel, einen Schau
un einen Slarben, is dat nich tan
Gotterbarmen.
Hiarben, auf Pantoffeln so gehen, dasn
die Absätze auf dem Boden schleifen.
slarf; dat geiht ümmer slarf, slarf,
wenn jemand die Pantoffeln schleifen
lässt.
slawwern, schwatzen, schlabbern.
siecht, schlecht.
Slecker m., nasskalter liegen.
Slee (sie), Schläge, Hiebe.
SIee (sle^), Schlehe.
Slebn, Schlitten.
slehnen (slem), Schlitten fahren. Wei
het unsch eslehnt.
slemmen, schlämmen, Schlamm machen.
Slemmkriete,. Schlemmkreide.
slenkern, schlenkern, schleudern.
Slepe (sl^pd), breiter, niedriger Schlitten
zum Fortschaffen von Mist u. dgl.
slepe n (sWpm), Mist u. dgl. schleifen.
slepen, schleppen.
Sieufe, Schleife.
sucht, schlicht, eben, gerade, de Matte
is slicht vuli.
Slickerbahne, Schlitterbahn auf dem
Eise.
Slickern, Schlittenkufen.
sliekern, auf dem Eise schlittern ^
schusseln.
slieken, schleichen.
Slieker, Schleicher.
Sliem, Schleim.
slienien (sltm), schleimen.
sliemig, schleimig.
sliepig, seifig, dicht, z. B. ein Wasser-
streifen im Brot.
sliepen (sHpm), schleifen.
Sliepstein, Schleifstein.
slinm, schlimm, unangenehm; wund,
entzündet, et hat en slimmen Finger.
Slinge, Schlinge.
slin^en, schlingen.
SlinK n., die steinerne Umfassung eines
offenen Brunnens.
Slippen (sliptn), Rockschösse.
Slits, Schlitz!
SlÖks (sWks), Tölpel, ungeschlachter
Mensch.
Slöp, Schleife.
slope, langsam, sacht, leicht.
slöpen (slo'p^n), zur Schleife binden,
schlingen.
Slot (slfft), Schloss (an der Tür).
Sloten (slöUn), Schlössen.
sloten, hageln, schlössen.
slotewitt, schlohwciss.
Slöttel (slötl), Schlüssel.
sla, schlau,' listig, klug.
Sluck, Schluck: Branntwein, Schnaps.
Sluck, Kehle, ek hewwet op en Siucke,
ich kann nicht schlucken.
d2
sl ädern, Waren billig verkaufen.
sinken (slühn), schlucken,
slnmpen (slumytn), noch gelingen, noch
durchgehen, et hat grade sau slumpet.
slnmperwise, zufällig.
Slnnipsläer, unordentlich angezogener
Mensch.
Slfinsel, Schlingel.
$]nnK m , Speiseröhre.
Slnnz, Sc hl an z, lumpiger Mensch.
slnnzich, schlnnzich, lumpig.
Slnppige (slüjjij»), Zwischenraum zwi-
schen zwei Gebäuden, Schlippe.
slnrfen, schlürfen.
slilren (slüni), schleudern, schlendern.
slnten (slü'n), schliessen (ü u, ö, ö, ö).
smächtig, schmächtig.
Smachtreim, Gürtelriemen zum Festhalten
der Hosen.
Smack, Geschmack, de Zappe bat w&r
(weder) Lack noch Smack.
smacken, schmatzen, hörbar essen.
Smadder, Schmadder, Schlamm.
smaddei ig, schmadderig, schlammig,
weich wie Schlamm.
smaddern, schmaddern, im Schlamme
wühlen; etwas wie Schlamm von sich
schlenkern.
smal, schmal.
Smalhans, Smalhennich, dünner Mensch.
Smalt, SchmalZy Schweinefett.
Smaltstücke, Schmalzbrot.
Smär, Schmiere; Fett
Smärfinke, schmieriger Mensch.
Smärhnt, Haut, die das Bauchfett des
Schweines umgibt.
smären (smänj), schmieren.
smärig, schmieren.
Smärkese, Schmierkäse.
Smarre, Schmarre.
smarren (smarn), brennend schmerzen,
Schmarren.
smanfen, schmanfen, fortwährend leicht
regnen.
Sme (sm^), Schmiede.
afsmeckig, vom natürlichen Geschmack
abweichend.
smeeken, schmecken.
smehn (sm^n), schmieden.
Smett, Schmied.
smen, feucht, weich, geschmeidig.
smiedig, geschmeidig, biegsam.
Smiege (smljd), Winkel, bes. stumpfer
und spitzer.
smiege, winklig.
smiegen, schmiegen.
smilten (smiltn), schmelzen (i, u, u, u).
Smirgel, Schmirgel.
smieten (smttn), schmeissen, werfen
(i i, ai, e, e).
Smok (smü^k), Feldmohn, Fapaver rhoeas.
sniöken, rauchen, schmauchen.
Smöker, Baucher.
smoren (smifrii), schmoren.
Smorwost, Schmorwurst, md. Bratwurst.
smn maken, heimlich aneignen, beiseite
legen.
smnek, schmuck, hübsch.
smnddeln (smudln), regnen, schmutzen.
snmddelig, unsauber.
8mnggel, Schmuggel
smnggeln, schmuggeln.
Smnrgel, schmutzige Frau.
smnrkelig, schmutzig^ unsauber.
smnrkeln, schmutzig machen.
smntzen, schmutzig werden, düt Tüg
smutzet.
snack, schmuck.
Snack, Schnack, Geschwätz.
snacken, schwatzen.
snaeksch, drollig, possierlich.
Snake, Regenwarm.
Snalle, Schnalle.
snappen (snapm), schnappen.
Snapper, federnder Biegel.
snar (snär), schlank.
snarren (snarn), schnarren, Gaumen-r
sprechen.
snattern, schnattern.
Snanr, Schnur.
Snawel, Schnabel.
snäweln, schnäbeln.
snawweln, schnawweln, schnattern, leb-
haft sprechen.
Snei, Schnee.
Sneidaleke, Schneedohle, gewöhnlich
Bezeichnung d9r Wildgänse, deren
Geschrei auf den herbstlichen Wander-
Zügen Schnee verkünden soll.
Sneikehrl, Schneemann.
sueikolt, kalt, dass es schneien könnte.
Sneiplocke, Schneeflocke.
Sneppsnaur, Peitschenschnur. Siehe :
Swepsnaur
snenren (snoirn), schnüren.
Snieke, Schnecke.
snicken, im Winde oder durch heftiges
Weinen den Atem verfangen.
snickenfett, fett wie eine Schnecke.
Sniebank, Schneidebank.
Sniela (snhlä), Lade zum Häcksel-
schneiden.
snien, schneiden (i i, ai, e, e).
snien, schneien.
Snier, Schneider.
snippeln, schnitzeln, zerschneiden.
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sijttelieni, schniUen.
Soitt, Schnitt.
snöekerD, schnuppern; herumstöbern.
SDOddfr, Nasenschleim.
snodderig (snodrix), widersprechend,
irolsig,
Snoppe fity Schnupfen; Lichtschnuppe.
Snoppfütost, jemand, der einen heftigen
Schnupfen hat.
snorken, schnarchen.
Snöttel (snötl), Schlüssel.
snaben (snüftni), schnauben.
snacken, schluchzen.
Snaifdaak, Schnupftuch.
SniiflV], neugieriger Mensch, der überall
herumschn öckert.
SDuffeln, schnüffeln, schnobern.
Snntfiaback, Schnupftaback.
Snarl, Membrum virile.
Snurrbart, Schnurrbart; auch SmirrwickB.
snarren (snur%i), schnurren, sausen;
betteln, erbetteln; lügen.
Snurre, Lüge.
SDnrrig, schnurrig, seltsam.
Snartehen, buntes Bändchen.
Sonte, Schnauze.
Snateken, liebkosende Benennung.
Snutentiig, Mundwerk.
Sockel m., Hausschuh aus Filz oder
Gewebe, einen mit 'n Socken ekräggen
hebben, einfältig sein.
socken, herumlaufen.
Söe, Sau.
Soff, unangenehmes Getränk.
Sohle C^ö^fe;, Sohle; Sole.
sollen (zöl^), sollen (ek zal, du zast,
vai zöU; ek eob, du zost; 9Zolt).
Solt (zurit), Salz.
sollen (z&'U^), salzen.
soltrig, salzig.
Sohn (zifm), Saum,
Hohmen (z3*m), säumen, einfassen.
Sommersaat,' Sömmerkohrn, Sommer-
getreide.
Sömmerweiten, Sommerweizen.
söen (zo*n), saugen.
Sohne (z^n»), Sohn.
Söhneken, Söhnchen.
Sohnemann, Sohn, Bursche ; meist scherz-
haft drohend gebraucht.
Sönndag (zöndäx), Sonntag, 'n Sünndag,
nächsten Sonntag. Sönndas (zöndäs),
Sonntags.
Sonndasche (zöndä.^?), Sonntagskehle,
Luftröhre, hei bat wat in de Sonn-
dasche kreggen, ihm ist eine Krume
in die Speiseröhre geraten.
sohr, trocken, dürr, wei het sohrn Wind,
austrocknenden Wind.
Sohrbrennen, Sodbrennen.
Spachtel (spaxU), Spatel, vorspachteln,
verzehren.
Spahn, Spaten.
Spann, Fussrücken.
Spanuholt, Spannknäppel, Knüppel, mit
dem man ein Seil straff spannt.
Spannkedde, Kette, mit der bei schwerer
Ladung die Wagenhorte zusammen-
gehalten werden.
Spannreim, Knieriemen des Scliusters.
Spannwark, Gespann, Fuhrwerk, hei
is mit Spannwark da.
Sparbasse, öparbüchsc.
Spardnks, Sperling.
Sparenzken, Spässe, Wippchen, dumme
Streiche.
Sparling, Sperling.
sparrangelwiet, sperrangelweit, so weit
wie die Angeln zulassen.
sparrbeinig, breitbeinig.
Sparren (sparn), sperren.
Sparre, Sparren, Latte; Dachsparre.
Sparrholt, Sperrholz zum Zusammen-
halten der Wagenhorte.
Spat (spät), Pferdekrankheit.
Spaak, Spuk.
Spanle, Spüle, Feder spule.
Spaulworm, Spulwurm.
Spann, S2)an, Holzspan.
spei, zurückhaltend, schnippisch.
Speike, Speiche.
Speil, Spiegel.
Speck M , S2)eck m.
Spei (spf^l), Spiel.
speien (sp^lnj, spielen.
Spelge, Pßnumensorte.
Spelte, Apfelschnitte.
Spelwark, Spielwerk.
spendawel, freigebig.
Spendierhosen anehebben, freigebig sein.
8peak«*n, spuken.
Spenkedinges, Spuk, Gespenst.
Spenlige (spoVUp), Ort zum Spülen der
Wäsche.
spenlen (spoil^), spülen.
Spiele, Speile, dünnes Holz zum Schliessen
der Wurst.
Spiereken n, wenig, bisschen.
Spiese, Speise.
spiesen, speisen.
Spiet, Spott, Schimpf.
spieten (spVri), spotten.
spildern, schwächlich, bei is man spil-
dern, von zartem Körperbau.
Spillen tilg (spilntüx), Spille, der bügeU
94
förmige Teil des Spinnrockens, auf
den die Rolle gesteckt wird.
spinnen tom), spinnen (i, u, u, u).
Spinne wer (spiudvff), Spinngewebe.
Hpitakeln, Spektakel machen, schimpfen.
Splete (spl^td), abgesjjalteneSf biegsames
Hole, wie es zum Flechten grosser
Körbe und zur Herstellung von Fach-
werk und Zimmerdecken dient
splieten (spllt{i), spalten; Feddern af-
splieten, Federn schleissen, die Kiele
von den Fahnen befreien.
Splitt n., Splint.
Splittere f., Splitter.
Spop (spffr) n., Spur, Fussspur, Wagen-
spur.
SpOP, der gaffelartig gespaltene Balken,
der unter dem Wagenboden liegt.
Kpopen (spifrn); de Wahn sport, der
Wagen ist so breit wie andere, sodass
seine Räder in der allgemeinen Wagen-
spur laufen.
spöpen (spo^rn), spüren.
sppein, sprühen.
sppeken (sprfkn), sprechen (fi, ö, ö, ö).
Sprenkel, Schlinge, Vogelschlinge.
sppenklig, bunt gefleckt, getüpfelt,
Sprick, Sprache, Sprachton. bei hat 'n
düchtigen Sprick, er spricht laut und
eifrig.
Sppitcbe /., Spritzer.
Spritehen, spritzen.
Sppot (spröH), Eiersprott.
Spucke, Speichel.
spunnen (spmi); inspuzmen, einsperren,
gefangen setzen.
Spnnnige (spuniß), Bettstelle.
staekeln, mit einem Stecken, einer Stange
hantieren, lat unsch en paar Swetschen
afstackelü.
Stahl n., die untern Schichten der auf-
einandergepackten Getreidegarben.
Stake /., der starke Stamm der Saatrübe.
stak ig, wie ein Stock, steif, U7ischön
gebaut.
Stakitt, Staket.
Stak Pen we, Saatrübe.
statin, stehen (ä ai, u, u, ä).
stallen (stahi); se könnt sek nich stallen,
sie vertragen sich nicht.
Stank, Gestank.
Stand; in Stanne sien, im Stande sein.
Stappe, Faatstappe, Fussstapfe, Spur.
stappen (stapm), tappend, unsicher, mit
kurzen Schritten gehen.
starben (starl/in), sterben (a, o, o, o).
Stapf; op Starf köpen, ein Tier in der
Voraussicht kaufen, daM es sterben
wird.
stätsch, städtisch, vornehm, fein.
Stanl, StuM.
Staupe, Stufe, Treppenstufe.
Stawel, ein eiserner, in die Erde ge-
triebener Keil, auf dem die Sense ge-
klopft wird. Ein Qaereisen verhindert
das zu tiefe Eindringen in die Erde.
Stäwwel, Stiefel.
Steckerling, Stichling.
stecklig, punktiert, getüpfelt.
Stee (si^), Steile, Stätte; in Ortsnamen
für Endung -stedt.
stMen (stfJjjt), stehlen (f, ö, ö, ö).
Steip, Örtlichkeit: steiler Weg.
Stehe (st^k9), Stichfleisch.
Nteken (stekan), stechen (ek stekd, du
stikast; st(fk, stifkan; astö'kan).
Stekep, Riegel.
Stehl (steU), Stiel.
Stelage (stehVit?), Gestell.
Stell, Gestell.
Stellmakep, Stellmacher.
stemmen (stem), meisseln.
stemmig, stark, kräftig.
SIemmiesen, Stemmeisen.
stenkepn, Streit suchen.
stennig, ständig.
Stentsen, jemand zur Ordnung weisen,
tadeln, verjagen.
Steppel, Steppele, Stoppelfeld.
Stenrkettel, Kasseroi mit Stiel.
Stehpn {si^rn), Stern.
Stehpt, Schwanz, Stiel.
Stehpttitsche, Kaulquappe.
Stich ; de Botter hat'n Stich, die Butter
beginnt ranzig zu werden.
sticheln, reizen, foppen.
Stidde, Statte, Stelle.
Stie /., Stiege, zwanzig Stuck.
stiebitzen, entwenden.
stieben (stlbm), stärken, steifen.
stief, steif.
Stiefel, Stange. Bohnenstiefel (bifn-
sllfA), Bohnenstange.
Stiefel bohne, Stangenbohne.
stiefeln, rankende Pflanzen mit Stangen
versehen.
Stief sc hot, ungelenker Mensch.
Stieg (stiyj. Steig, Fussweg. in Stie,
auf dem Fusswege.
stien, steigen (ek stl, du stixst, vai stit;
ek staix^ vai steßn; astejan).
Stiene, Christine.
Stiets, kleiner Bretterverschlag.
Stiewe, Stärke.
stiewein, marschieren.
95
Stiekbeere, Stachelbeere.
stickeD, ersticken.
Stirken m., Pflock, Riegel, Hölzchen,
Stäbchen (Stricknadel, Streichholz).
stifkendiister, sehr dunkel.
stickennaclif, dunkle Nacht.
.stille, still, stille Friedag, Karfreitag.
stille Woche, Karwoche.
Stilleken. still
sti Ileus wieoH (stUj^wlns), Stillschweigens.
stinken, übel riechen.
Slippe /., Blütchen, Hautunreinigkeit.
Stippe, Stippeis, Tunke, Sosse.
stippen (stipm), tunken, eintauchen,
titschen.
Stippeding, Wassernäpfchen am Spinn-
rocken zum Benetzen der Finger.
Stipstoreken, kleine Geschichten, Anek-
doten.
stob<^ndig vnll sien, gestopft voll sein,
ganz und gar gefüllt.
stöben (sto'bm), stäuben.
Stof (slfff), Staub.
Stoffel, Christoph.
stoekedof, dumm, beschränkt.
Htockedäster, sehr dunkel.
Stolperjoehen, Stolprian.
Stolt, Stolz.
Stölten (stöltiO, Stelzen.
Stoppen (stopm), Leinwandnutsch.
stoppen, stopfen,
Stöpsel, Pfropfen.
stören (sto'rn), stören.
störten (stör in), stürzen.
Störten (sto^rln), die untern Enden der
Getreidehalme in der Garbe, oben
Bund de Ähre an unneo de Störten.
stossen (st(fs9n). Steine mit einem spitzen
Werkzeug grob behauett.
stöten (stoUn), stossen.
stottern, stottern. Stötterbock, Stotterer.
Htöwern, stöbern.
Btöwig (sto*wix), staubig
strakeln, räkeln, wälzen.
Strale /., Leitersprosse.
stramaen (stram), das Gefühl des
Strammseins erzeugen; enge Hosen
z. B., oder Haut über einer Geschwulst
„fitrammen".
strapzieren, anstrengen.
Slrate, Strasse.
Stran, Streu. ■
strann, streuen.
Stree (stre^) f., Schritt.
streen (str^n), schreiten.
Streke, Euterzitze; Sensenschärfer.
Strensrhe, kleine Handspritze, meistens
aus dem Holze des schwarzen Flieders.
strenschen, sjnrilzen.
s treppein, abstreifen z. B, Blätter vom
Zweige.
strettfen, schweifen, umher streifen.
Strewe (slr^w»). Strebe, Stützbalken.
Striegel (strljdl), Striegel.
strieken, streichen, glätten; malen;
massieren.
Striekstioken, Streichholz.
Strien, streiten (l, ai, e, e).
Striepe f., Streifen, hier haste ne Striepe
Kauken.
striepig, gestreift.
striepen (strlpm), streifen.
Striet, Streit.
Stripse, Hiebe.
stripsen, schlagen.
stripp-strapp-strnll, Ablautbildung zur
Bezeichnung des stossweisen Hervor-
quellens der Milch beim Melken.
strömen (strcfm), umherschweifen, hei
is en ganzen Dag in Felle rumme-
strömet.
stromern, Landstreicher sein.
Ströpke (stro^pkd), Ströbeck.
Strote, Luftröhre.
straf, rauh, widerstrebend.
Strnk, Strauch.
strallen (struln), rinnen.
Stramp, Struni2)f.
Strumpsoeke /., der untere Teil des
Strumpfes.
Strank, Stumpf, Best einer Pflanzen-
staude.
strnwelig, rauh, zottelig, wirr.
Struvvelkop, Kopf mit wirrem Haar.
Struze/, Urauss, Büschel.
Strazlereke, Haubenlerche,
Stnbendör (stübmdo*r), Stubentür.
Stücke, Stück, jif mek en Stücke Kau-
ken. — Brot, Bemme, ek ete 'n Bot-
terstücke - Acke^-plan. op einen
Stücke hewwe Gasten stahn. — 'n
Stücker teine, ungefähr zehn.
Stäekschen, Geschichte, Anekdote, Er-
eignis, hei kann schöne Stückschen
vorteilen.
Stak (stak). Stauch, Stoss.
Stake f., Flachspuppe; Wurzelstück,
Strunk, Stumpf.
staken, stauchen, stossen, — utstuken,
die Wäsche ausstauchen.
Staken m , Baumstumpf, Knorren.
Stalpe f., Manschette.
stülpen (stülptn), stülpen.
Stiilpstiieke, aus zwei Schnitten zu-
sammengelegte Bemme.
Stalpstäwwel, Stulpenstiefel.
96
Stümmeke, Stummer.
stamp, stumpf.
stampen (stumpm)^ stampfen^ zerstossen.
Stnniie, Stunde.
Staus, Stündchen (siüns^n), Hölzgefäss
mit aufrechter Handhabe.
Htappen (stupin), stossett, stampfen^
stapfen.
StiiP, Steuer. Holt Stür, zähme dichy
sei nicht voreilig.
starr, starr, aufrecht. diene Haare
staht sau sturr.
stttrmeo (stürm), die Feuerglocke läuten,
8tarrsch_, kurz abgebrochen, starr.
Stiit (stüt), Hinterteil beim Geflügel.
Stats ; hei kam op en Stuts, er kam
unerwartet.
Stt, Sau.
SadieSHel, Kratzdistel^ Cirsium.
süfzen, seufzen,
sfifzen ; eine Wunde scheidet Wasser aus.
sttfzieli ; die Wunde ist feucht.
sfilbeo, selber.
sülf, selb, sülfander, zu zweien; sülf-
dridde usf. ~ sülfgespunnen Gahrn,
selbstgesponnenes Garn.
Säle, Säule
Süll, Tärschwelle.
SttUe, Sülze.
Siilwep, Silber.
siilwern, silbern.
siilwest, selbst.
sümen (züm.)^ säumen, zögern.
)!>WBii[kd\i^VL^ (zunähmt), Sonnabend.
Sonne, Sonne.
Sänne, Sünde.
Sannenknicker, Sonnenschirm.
sännigen, sündigen.
Sannenscbien (zun.^n), Sonnenschein.
sünd, sind.
sapen (züprn), saufen (züp9, zupdst;
z(fp, zÜ'pm] dzifpm).
Super, Säufer; ebenso Suput, Saufaus.
sar, sauer.
Sar, Essig, swart Sur, Schwarzsauer.
Sardeich, Sauerteig.
Sürken (zürk9n) n., Pustel, Blüte.
särlich, säuerlich.
süren (zürn), säuern, Mehl mit Sauer-
teig vermischen.
sarpötsch, sauertöpfisch, missmutig.
Surtappen (sürtaprn), Zapfen im Essig-
fasse; nur gebräuchlich in der Redens-
art: du hast dek en richtigen Sur-
tappen edreit, — dien Kipp is wie
en Surtappen, d. h. du hast dein
Haar recht hoch und spitz zusammen-
gedreht.
Sus (züs)y Saus.
säs (züs), sonst, früher.
snsen (züz9n), sausen.
Sastarwe, grosser Becken zum Zusammen-
harken des Getreides, das nach dem
Binden der Garben noch liegt. Das
Gesammehe heisst Su starweis. Zeit-
wort sustarben (züstarbrn).
Saswien, Sau im Gegensatz zum Kem-
swien, dem männlichen Tier.
8 wach (swax), schwach, gebrechlich.
S wache (sweyiji), Schwäche.
swächlich, schwächlich.
Swager, Schwager
Swale, Schwalbe.
Swalekennest, Schwalbennest.
Swamm, Schwamm.
Swan, Schwan.
swanen (swän), schwanen, vermuten,
Vorgefühl haben.
Swanz, Schwanz.
Swänseken (swenz^kdn), Schwänzchen.
swänzeln, schwänzeln.
Swanzgeld, Trinkgeld beim Verkauf
eines Tieres für dessen Wärter.
swapp, schwapp, plötzlich, mit einem
Male. Swapp, war de Dör tau.
swar, schwer, swörder, swörst.
Sware, Schwarte.
Swäre, Geschwür.
Swärebrett, Schwärebrett, Entru.^tMngs-
oder Verwunderungsausdruck.
S Wäreken, gekochte Schwartenstückcken.
Swarm, Schwärm.
s wären, eiti Geschwür bilden.
swart (swart), schwarz.
swartbant, schwarz gefleckt, wei het
ne swartbunte Kau
Swat, Schwaden, die Getreidemenge, die
auf einen Sensenhieb fällt.
swaiil, schwül.
swawweln, schwawweln, schwatzen, Ge-
rede machen.
Sweffel, Schwefel.
Sweffelsticken, Streichholz.
Swenge, Fntterswenge, flaches, gefloch-
tenes Gerät, mit dem man den Pferden
Futter in die Krippe schüttet.
S wen gel, Schwengel.
Svveppe, Peitsche.
Sweppsnaur, Sneppsnaur, Peitschen-
schnur.
Swester, Schwester.
Swet (sw^t), Schweiss.
sweten (sw^in), schwitzen.
Swetsche, Zwetsche, getcöhnliche Pflaume.
Swiemel, Taumel, Schwindel, Ohnmacht.
8wi<>melig, swümelig, schwindlig,
swiemeln, sehwiemeln, liederlich leben,
in den Kneipen liegen.
97
Sniemler, Sehwiemler, Lebemann.
Swien, Schwein.
8wieD, schweigen (eJc swl, du swiyjsl;
8wai)(^ 9weßn; 9swej9n; imper. sunXt
swU),
Swieneegffel (8wtn9^9T), Schweineigel;
ebenso Swienepnckel.
8 willen, schwellen, ansehwellen (i, u, u, u).
Hwinnen (sufi'^), schwinden (i, u, u, u),
▼orswinnen.
swingen (swiwn), schwingen ; technischer
Ausdruck bei der Flachsbearbeitung:
den Flachs über das „Swingebret**
schlagen.
Swingebret (swiwbrft), Schwingebrett.
swinne, gesehwind, schnell.
Swalst, Schwulst, Geschwulst; Mühe.
swümelig, schwindlig.
swümmen (swüm), schwimmen.
Swiirken, gekochte Schwartenstückchen.
Daraus SwürkenwoBt.
't, es; verkürst aus et. Wenn't (vent)
gut geit.
tft (tA), da, sieh, ta, da hastet,
ta, zu: unbetonte Form von tau. ta
Wienachten, su Weihnachten; tar
Tacht, jsur Zucht; tan Huse rut, sum
Hause hinaus.
ta<*h (taa;)f zähe.
Tar he (tax9), Hündin.
Tachtcl, Ohrfeige.
taehteln, ohrfeigen.
Tacke /., Zacke, Zacken, Spitze {Gewebe).
Tacken m., Zacken, Zweig, Ast; Menge.
Hast 'n schönen Tacken egetten.
tafeln, essen, speisen.
Tafele, Tafel.
Takel, Takeltiig, Gesindel, Pack.
takeln, optakeln, aufputzen, geschmack-
los und überladen kleiden.
Tal, Zahl. — nich de Tale komen, das
Vorgesetzte nicht erreichen, das Er-
wartete nicht erfüllen»
Tal n., bestimmte Menge Flachs, drei
Luppe war Tal, d. h. soviel musste
jeder spinnen,
taletzt, suletzt.
talfen, grob, ungeschickt packen.
talpsen, wie talfen.
tan (täm), zahm.
tarnen {tfrn), zähmen, zurückhalten, zügeln.
tarnen (tfm); sek t&men, sich gönnen,
sich zu gute tun. hei tarnet sek ok
garnist.
Tange, Zange.
Tapet (tape't); opt Tapet bringen, zur
Sprache bringen.
tapen (täprn), müssig necken, se tapet
desamme*
NiedardeatBohes Jahrbuch XXXIY.
Tappe, Spur, Stapfe.
Tappen (tapin) m., Zapfen.
tappen, zapfen,
tappen, ertappen.
Taps, Dummkopf, Tölpel.
tapsen, fest auftreten, schwerfällig gehen.
Tassendop, Obertasse.
Tatere (tätara), Zigeuner.
Tätgeld (tfkieh), Zehntgeld, der Zehnte.
tan, zu, af nn tau, ab und zu. Die
unbetonte Form ist de (d?j, bei An-
gabe des Zieles ta, te. de Vader is
de Hus. — Segg 'undag tan Vader.
Tandat (taüdät), Zutat, Beigabe.
tanvel (taüf^l), zuviel; devel (d^feTl),
zuviel.
Tanvortrnen, Zutrauen.
tankrien, Zugabe erhalten. Otto hat
wat taukreggen.
tanloben (taülö^bm), geloben, versprechen.
tanschrieben (taüMbm), testamentlich
zusagen, vererben. Sei hat ne et Hus
tauschriehen laten.
Tanseinder, Zuschauer.
Teckel, Dackel; krummbeiniger Mensch.
teckelig, krummbeinig.
teckeln, gehen wie ein Dackel.
tei (tai), zähe.
teiken, zeichnen, bezeichnen, ein Zeichen
machen.
Teiken n., Zeichen, Mal.
Teile, Ziegel.
Teilie, Ziegelei.
teine, zehn; adjekt. tein.
teinte, zehnte.
Teite, Teitje, Voter. veraltet.
Tek (t^k), erhärtete Wagenschmiere.
Teke {t^kd), Zecke.
Telder, Teller.
teilen (tely,), zählen. — vorteilen, er-
zählen; Vorteilige, Erzählung.
Ten (ten), Zahn.
tennen (teij), zinnen, aus Zinn.
Teneweida, Zahnschmerzen.
Teepot, törichter Mensch.
teeren (tern), zehren.
tenben (toibm), warten, hei teuwet niche.
tenf ! warte! Ausruf der Befriedigung,
wenn man einem etwas angetan hat.
Tewe, m. u. f., Hund.
ticken, picken, Futter aufpicken. —
anticken, leise berühren.
Tie, Name einer Feldmark dicht am
l)orfe (ohne Erinnerung an die ge-
schichtliche Bedeutung). Er war vor
der Ackerseparation 1849 Brachland,
genannt Welderwenne.
tiedig, zeitig, früh.
Tiet, Zeit. — da wart einen Tiet un
98
Wiele lank. — wat istn anderttt? wie
spät ist es?
Tietvopdricf, Zeitvertreib.
tilfeutcben, ungeduldig etwas begehren.
Timmermann, Zimmermann,
timmerD, zimmern.
Timpe], Stapel, Haufen,
timpeln, stapeln, aufeinandersetzen.
TinDe, Zinke am Becken.
Tinshahne; wie 'n Tinshahne sien, auf-
geregt sein.
tippen (tipm), mit der Fingerspitze be-
rühren, tupfen.
tippeln, mit kleinen Schritten schneU
gehen
Titten. Tittchen, weibliche Brüste, 't
Kind kricht 'n Tittchen. Bei Tieren
gebraucht man meistens nur Titte,
Mhrz. Titten.
Tiwwetat, Deputat.
Töbaek, Tabak, Tabak.
Toch (tox) m., Bügel an der Sense zum
Mähen von niedrigem Getreide.
tockeln, ruckweise ziehen, zerren, zügeln,
toeken, ziehen, zupfen; umziehen.
Töekerie, Zögerung.
töckern, zögern, verweilen.
Toffel, Tölpel.
Toggel, Töggel (töjjl), Zügel.
toggeln, zügeln.
Toll, Zoll, Mass.
Toll, Zoll, Abgabe; Zollhaus.
Töle, f., Hund.
Tolle, t« die Stirn herabhängendes Haar.
Töllegen (töbjdn), Zweig, Ast.
Tollen (tolii), Zollhaus.
Tollstock, Zollmass.
Tollpatseh, Tölpel.
Tom (t(fm), Zaum.
tömen (to'm), zäumen.
Ton (tiTn) m., Zehe.
Topp, Knäuel Fäden oder Haare, da
liet 'n Topp Flafs.
Torf, Basen.
Torkappe], Kürbis (türkischer Apfel).
Torkel, Tnrkel, Glück, Dusel, Zufall
torkschen Weiten, Mais (türkischer
Weizen).
Tom (t<rrn), Turm.
Tort, Unrecht, Schaden, Ärger, hast
mek en schönen Tort anedahn.
Tost (tost), Büschel, Knäuel, 'n Tost
Haare, ein Büschel Haare.
töweik {to'-vaik), windelweich.
Towelkiepe (tifwMipa), Towerkiepe,
schachtelfurmige, geflochtene Kiepe oder
Tasche, in der die Feldarbeiter und
Knechte ihr Brot mitnehmen.
traffen, schwer gehen, stark auftreten.
Tramp andann, zwingen, ek mot ne
erst 'n Tramp andaun, siis kummete
nich.
trampen (trampin), treten, geräuschvoll
gehen.
Trane, Träne; Mhrz. Tranen (trä^).
tränen (trän), tränen, de Oen tränt mek.
Tranfanzel," trübe Lampe.
Tränt, Zusammengehörigkeit, in einen
Tränte, in derselben Beihe, im selben
Büschel, an einem Stiele, von gleichem
Alter usw.
Trappe, Fussspur.
trappen (trapni), geräuschvoll auftreten.
trawalgen, schwer arbeiten, abmühen.
Trechtel, Trechter, Trichter,
trechteln, durch den Trichter giessen.
Treckeborm, Ziehbrunnen.
trecken, ziehen. Torträcken, Buben
verziehen.
Treekekau, Ziehkuh.
tren (trfn), treten (ek trf, du tritst; ek
trat; 9trfn oder 9tred^).
Trense, einfacher Zaum, Lenkriemen.
Triene, einfältiges Mädchen.
Tritt. Stufe.
Troddel (trodljf (Quaste.
Trödelie (tro'dll), Saumseligkeit, Bum-
melei,
trödeln {tro'dln), säumen, zögern, bum-
meln.
Trog (trox), Trog ; Mhrz. Trögge (tröjo).
Tropp, Tropf, Einfältiger.
Tröpken, Tropf.
tru, trü, treu; einfach, et is ne truo
Seele.
Trale, Trüle, Bolle, Bädchen.
trnlen (trüln), triilen, rollen, ein Bad
laufen lassen.
Trnlrad (trülrät), Bad, dns die Kinder
laufen lassen.
Trnmmele, Trommel
trnmmeln, trommeln.
Trnmpeite, Trompete.
Trnmpeiter, Trompeter.
trampelten, trompeten.
trnn, trauen, glauben, ehelich verbinden.
Trnr, Trauer.
trnrig (trüri-/), traurig.
trnren (trünj), trauern.
Trnwel, Trubel, Unruhe, Gedränge.
Tnbben {tubtn), Gefäss aus Holz mit
aufrechter Handhabe (Stünschen).
Melktubben, Milchgefäss.
Tucht, Zucht; Nachkommenschaft, Fort-
pflanzung, ek will en paar Heunder
tar Tucht.
Tack, kleines Stück, Bück. Feure noch
en Tuck tau, fahr noch einen Bück zu.
99
tofkem; der Hahn tuckert^ ioenn er
die Hühner lockt.
turksch, schmollend, verdrossen, unzu-
frieden.
tickHchen, schmollen, böse sein.
Tuffele fit., Pantoffel
täfteiD, tifteln, grübeln, nachsinnen,
probieren.
Tilg (tüih Zeug, Gerät, Sache. — watt
et Tüg holen will, im höchsten Grade.
Tülle, Ausflussröhre an Kannen, Aus-
gussrinne an Töpfen.
Tan, Zaun; Mhrz. Tüne.
Tander, Zunder.
Tange, Zunge.
Tonköniff, Zaunkönig.
Tanne, Tonne.
Tanpal (tünpäl)^ Zaunpfahl, mit 'n
Tunpal winken.
Tappen (tupm), kleines Waschfass.
Tur, Gang, tlmgang. hei hat in einer
Tar herekncket.
tarich (turiyO, langsam, zögernd,
Tarkel, Glück, Dusel.
taren (turn), langsam gehen, schlendern.
tarren (turn), fliegen, surren, da turrt
de Sparling hen.
Tarrniks, Turnips, Futterrübe.
Tasfh (iü,^), Tausch.
tasch sien (tu.s sin), matt, niederge-
schlagen, gedemütigt sein.
tascheln, wispern, zusammen flüstern.
laschen (tüs^n), tauschen.
tasrhen (tuit^n), maletif färben.
tasfhen (tustn); einen wat antuschen,
einem etwas auswischen.
tatcken (tütx^n), weinen.
Täte, Tüte, Düte.
taten (tütn), blasen.
Tatkörn (tütho^m), Blashorn.
twei, zwei.
tweidawwelt, vierfach.
tweit, zweit, ta tweit, zu zweien.
twep (twe^r), quer.
TwePB (tw^rn), Zwirn.
Twete (tw^te), Gasse, enge Strasse.
Twiebaek, Zwieback.
Twiefel, Zweifel.
Twieg (twlO, Zweig. Siehe Twien.
Twien, Zweig.
twienbiestern ; in twienhiestern sien, im
unklaren, verwirrt sein.
twierlei, zweierlei.
twiesläpern, zweischlöfern (Bett).
TwiUinge, Zwillinge.
Twillingsmest, Messer, dessen Fabrik-
marke ein Zwillingspaar zeigt.
t winden, zwingen, bezwingest (?, m, «, u).
twintig (twintiyOf zwanzig.
twischen, zwischen.
TvviNchenstiicke, lange Steine, die bei
der Grabeinfassung die Querstücke
verbinden.
twölewe, zwölf; adjekt. twolef.
Üben (ubm), enben (oibm), üben (ek
UW9; 9UW9t),
tth, Zuruf an Ff er de, um Anziehen zu
veranlassen.
Ule, Eule.
Ulenklnster (uti^klüstsr), Sonderling.
lllenpingesten, nie erscheinender Tag,
auf den man jemand vertröstet.
Ulenspeil, Narr,
um, nmme, um. Umme mek brukeste
keine Angest de hebben. — dat is
umme, da geit 'n sek umme, das ist
ein Umweg. — In Verbindung mit
einem Zeitworte stets umme. umme-
binnen, ummegraben usw.
Ummedriewers, Gänse, die vom Händler
von Dorf zu Dorf getrieben und aus-
geboten werden: Kopgeuse.
timmer, immer.
Ummerant m., Umstände, Wirtschaft.
Ummesein n., Augenblick, in Ummesein
wäre weg, im Handumdrehen war er
weg.
nmmeHingen, Neujahr von Haus zu
Haus gehen und singen.
Ummestänne, Umstände.
nmmestnken, die Flachspuppen umstellen.
uiiniesä's, vornmmesäH, umsonst.
un, und.
nniier, unter.
nnderdes, unterdessen,
Ünderhose, Unterhose.
Ünderkolrabich, Unterkolrabi.
Tnderlat; alle Underlat, fortwährend,
häufig, hei kummet alle Underlat.
nndernander, untereinander.
uneins, uneinig.
unferig (unfe^rix), entzündet, wund.
Unflat, Schmutz, Kot; tolpatschiger
Mensch, mhd. vlät, Schönheit.
unflätsch, ungestalten.
Unfpee, Unfriede.
nngenearen (unjonoim), ungeschliffen,
unbescheiden.
nnnen (un), unten.
unreine, unrein.
unsch, uns.
use (ÜZ9), unser, unse.
usieht, unsrig.
ut, aus. Bei Bezeichnungen des Zu-
Standes, der Dauer heisst es ute. Vgl.
op, oppe. — Drink ut. Ek hewwe all
Ute — uteblieben.
100
ntbrin^en, ausbrüten, de Klucke bringet
hüte ut.
utvorsehämt, unverschämt, unbescheiden,
uthaan, ausschlagen (Pferd); verhauen;
gut gehen, reichen (Geld): wenn dat
man uthaut ! meisseln, Schrift in den
Stein hauen: ek mot noch en Namen
uthaan.
atkalmüsern, herausfinden, lösen, aus-
tifteln.
ntkomen, aus dem Ei kriechen.
ntlüchten, Pflaumen auskernen.
ntmaken, reinigen, 'n Diek utmaken,
den Teich vom Schlamme reinigen.
nt messen, den Stall vom Mist reinigen.
ntenander (ütnandar), auseinander.
üter, ausser.
ntpannen (utpai^)^ auffänden.
Ütsche (üt§d), Frosch.
Ütschenleik, Froschlaich; eine Fadenalge.
Ütschenstaul, Pilz.
Iltternng (üt-terunk), Schwindsucht.
ntwein, auf^jäten.
ntf ringen, auswinden, wringen.
Wa/., Wade.
Wa /., Wage.
Wa m., Wan (vän), Wagen.
wachten (vaxtn), wachen, bewachen,
Wächter sein.
Wachsdank, Wachstuch.
wackeln, schwanken, bewegen.
wackelig, wackelnd, nicht fest stehend.
Waddeke /., die beim Käsemachen
zurückbleibende Milch.
wädderlich, widerlich.
wäddern; de wäddern, zuwider, über-
drüssig, hei hat sek Smalt dewäddern
egetten.
waken (väksn), wachen.
wäldag (vfldäx), ausgelassen, übermütig,
mndd. weldage, herrliches Leben.
walig (välix)t übel, schlecht zu mute,
ohne Appetit.
walken; einen vorwalken, jemand ver-
prügeln.
Walnot (valn^t), Walnuss.
Wamme, die schlottrige Haut am Halse
des Jiindes. Got. wamba, Bauch.
Wammes, Wam^, eng anliegendeSy ärmel-
loses Kleidungsstück des Oberkörpers.
wammesen (vanntzan), hauen, prügeln,
vorwammesen, durchhauen.
Wan (vän), Wa, Wagen.
Wand; Mhrz, Wanne. — siene Wand
maken, etwas leisten in irgend einer
Weise, hatte denn eslapen? Ja, hei
hat siene Wand emaket.
Wank ige (vankiß), Verkehr. op'n
Dingelsteschen Wee is vel Wankige
(optn diTig9lst^s9n ve is f^l vavikip),
der' Dingelstedier Weg ist belebt.
Wanne, Waschfass.
Wanniiero, Wernigerode.
Wansdie, Wanze.
Wanst, Bauch, Leib.
war, wieder, noch einmal. Kumm balle
mal war.
warben, werben. — Friewarwer, Frei-
Werber.
waren (värn), icarten.
Warf m., Vorwand, sek en Warf maken,
einen Vorwand suchen, etwas vorgeben
bei anderer Absicht.
Wark, Quark.
Wark, Werk.
warken; utwarken, den Teig zum Brot
formen.
warmen (varm), wärmen.
Warmflasche, " Wärmflasche.
warseggen (värzepn), wahrsagen.
Warsegger, Wahrsager,
Warseggersche, Wahrsagerin.
W^artorn (värtifrn), Warte^ Wartturm.
Warwel, Warwels, Wirbel
Warwnlf (värvulf), Werwolf; nur in
der Redensart hei fritt wie'n Warwulf,
Wascheholt, Wascherholt, kurzes Brett
mit Stiel zum Schlagen der Wäsche.
Wasen (väzdn), Reisig, ek hewwe 'n
paar Meter Wasen ekoft.
wassen (vasQn), wachsen.
wat, was; etwas.
Water, Wasser. — Aukenwater in der
Redensart hei is dumm wie Aukenwater.
Waterkanken, ein beliebtes Gebäck aus
ungesäuertem Brotteig.
Waterjnmfer, Libelle.
wätern, wässern, spülen.
Wangörme (vaux-örmd), die Arme am
Vorderteile des Wagens, an denen die
Stange befestigt wird.
wankern, wuchern.
Wanl, Geschrei, Getue, 'n Waul maken,
um geringe Sache grosses Geschrei
machen.
wawwelich, wiwwelwawwelieh (viiool-
wawaliyQy verwirrt, drehend, unklar
im Kopfe.
Wedde (veda). Weite.
wedden (vedn), weiten.
Weddor (vedlr), Wetter.
Wee (vf^), Wiege.
Weg (veyj, Weg; Mhrz. We (ve). op
en We (opm ve), auf dem Wege, de
We bringen, zuwege, zustande bringen.
wegwitschen, ausreissen.
wenn (ven). Gewicht feststellen.
101
iiehn (v^n), die Wiege bewegen.
wehneD (tei^), gewöhnen, afwehnen
(äfven), entwöhnen.
Wehnkorf (ve'nkorf), Weidenkorb.
wehren (v^r^), treiben, jagen, de Geuse
wehren, die Gänse treiben.
Wehrslewwe (v^rslewd), Wegersleben.
wei (vai), wir.
wei (vai), weh. — wei daun, schmerzen.
Weida (vaidä), Schmerzen, mndd.wedage.
weik, weich.
weiklieh, weichlich.
wein, wehen, de Wind weit einen binah
umme.
wein, jäten, von Unkraut reinigen, wei
willt Maaren wein.
Weiten (vait^), Weizen.
weitern, schlendern, ohne Ziel umher-
streifen, hei is umher eweitert.
weck, welch, wecke, welcher, welche;
wecket, welches.
wecken, aus dem Schlafe wecken, nicht
auch wachen, wie im Obersächsischen.
weltern, wälzen, rollen,
wennen (ve^), wenden; inwenneo, das
Fuhrwerk wenden und zurückfahren.
wenn-ehr, wann.
wenken, unnken.
wenniff (venix), wenig.
Wenseb, Kartenspiel.
Werkstee, Werkstelle.
Werkstücke, unfertiges Stück, Boh-
material.
wcrn (v^rn), werden (v^rd, varst; vort,
vorn; 9vorn).
wert (v^rt), wert.
Wesch n. (ves), schmutziges, mit Speise-
resten durchsetztes Wasser, smiet den
Knoken in't Wesch.
Wesche (vetta), Frau, Tante; bezeichnet
Verwandte und dient auch zur Anrede
jeder verheirateten Frau, besonders in
• Verbindung mit dem Personennamen:
Frau Müller = Mülders wesch e, Frau
Schulte =s Schultigwesche.
We-schemel (ve-semdl), der auf der
Vorderachse ruhende, mit den Bungen
versehene Teil des Wagengestelles,
unter dem sich die Vorderachse dreht'
Weschemmer, Eimer für das „Wesch".
Wesel (vez9T), Wiesel.
wesseln, wechseln.
Wetree (uetre), Vogelknöterich, Pohj-
gonum aviculare.
wetten (vetjj), wissen (vetj, vust?, dvust).
weulen (volln), icühlen.
wensen (voiz9n), wüsten^ verschwenden,
schlecht wirtschaften.
wottHt, wüst.
Weewinne (v^oi^i»}} Äcjccßwiidp*':^ l\i J ^
Wickel ; einen bie'n Wickel krien, 'einen '
packen.
Wickelband, Band zum Umwickeln des
Flachses.
wie, als; Zeitbestimmung, wie ek no
Hus kam, war de Breif all da.
Wie (vi) f., Weihe (Baubvogel).
Wief, Weib.
wieken, weichen.
Wiele. Weile.
Wieleken, Weilchen.
wielen (viln), weilen ; vorwielen, verweilen.
Wien, Wein.
Wienachten, Weihnachten.
Wienbohm (vlnbö^m), Weide, Salix.
Wiendrüfele, Weintraube.
Wienkop (vink^p), der Abschluss eines
grossefi Kaufgeschäftes, wobei der
Verkäufer Wein zum besten gibt.
Wiendranke, Wienranke, Weinrebe.
wier, weiter.
Wiesche, Wiese.
Wiese, Weise, Art.
wiesen (vlzon), weisen, zeigen; herreichen.
Wieser, Weiser, Zeiger. Ührwieser,
Handwieser.
wiet, weit. Compar. wier ; superl. wiesten.
wietlöftig, weitläufig, entfernt, wei sünd
wietlöftig Yorwandt.
Wieweken (vlw9k9n), Weibchen kleiner
Tiere.
Wiewestücke, derber Ausdruck für
Frauenzimmer.
willig (vilix)f gefällig, folgsam ; locker,
lose, 't Slot is höllisch willig,
willen (vihi), wollen (ek vil, du vut,
hei vil, vai vilt; ek volle, du vost;
9V0lt).
Winkel; in Winkel sien, rechtwinklig
sein.
Winkeltöme (viBk9ltö''m9), Wi.nkelzüge,
Ausflüchte, Ausreden.
Winne, Winde, Gerät zum Winden;
Ackerwinde.
Winn-Ei, Windei.
winnen (vin)^ winden (i, u, u, ü).
winnig (viniyj, windig.
Wind; Mhrz. Winne. in Winne, im
Winde.
Wintersaat, Baps.
Winterweg, der gepflasterte Teil der
Chaussee.
Wipchen, Splisse, närrische Streiche.
wippen (vipm), schnellen.
Wisch, was zum Wischen dient; Stroh-
wisch, zusammengebundenes und ge-
drehtes Stroh,
Wispelkule, Marmel, Tonkugel.
102
•Wi'4)N}if Mi iMc^Mn^Bpielen, Siehe
meine narstetiung ctes Spieles im Nd.
Kbl 28, 56.
wisHe, gewiss, et is ganz wisse.
Witt, weiss.
wittchen, weissen, kalken.
Wittcher, Maurer, der die Wände weisst.
wei het hüte 'n Wittcher.
Wittfra, Witwe.
Wittkop, Weisskopf. Spottvers: Witt-
kop, Stelle Kegel op, Make Dör tau,
Mek frürt sau.
Wittmann, Witwer.
wittsehen, bleich, et süht sau witschen ut.
Witterunge, Witterung, Wetter.
wiwwelwawwelig ; siehe wawwelig.
Woeken m, Spinnrocken,
Woekenblat (vokanblät), Pappe, mit der
die f,Diesse" ummckelt wird; spöttische
Benennung aller dürrer Weiber.
woil, wohl, de kann mek woll gefallen.
Wolldat (voldät), Wohltat.
wolknig, wolkig.
wollop, wohlauf, gesund.
Wolte, Walze,
weiten (voltn), walzen.
Wopm, Wurm, Made.
Wörmeken, Würmchen.
wormen (vorm), wurmen, ärgern, inner-
lich quälen.
wormig (vormix), wörmig, wurmig, madig.
worpelD, wörpeln, das Getreide über
die Tenne werfen, damit Körner und
Spreu geschieden werden,
Wopp schüffeie, Wurfschaufel zum
Worpeln.
Wort (vö'rt) n., Wort; Mhrz, Wöre.
Wort (v^rt) f., Ackergrundstück am
Gehöft ; erhöhtes Feld mit dem Gehöft.
Wörtel (vörtl), Wurzel.
Wost, Wurst.
Wosteband, Band zum Binden der Wurst.
Wostekrnt, Majoran und Thimian.
Wostespiele, Speile, Stäbchen zum
Schliessen der Wurst.
wu, wo. wuvel (vüf^l), wuvor, wahen,
wumidde.
Wucht, Gewicht. Druck, Schwere.
wachten, durch die Körperschwere mit
Brecheisen Steine heben oder losbrechen,
Wulf, Wolf; Mhrz. Walwe (vüldwd),
hei is hungrig wie en Wulf.
WttUe, Wolle.
wallen (vuhi), Gänse rupfen.
wfillen (vüln), aus Wolle.
Wanne, Wunde.
woptig, Ausdruck schneller, plötzlicher
Sprungbewegung.
zach {tsax), zäh.
Zacke], Trab,
zackein, traben.
Zadder, sehnige Bestandte^-le des Koch-
fleisches,
Zaldate (tsaldät9), Soldat,
Zappel, spitze Mütze.
Zapperment, Bekräftigungsausdruck.
Zappermenter, Schwerenöter,
Zaree (tsarj»), Seüenbekleidung der
Fenster und Türen.
zarren {tsar^i^), zerren, ziehen,
Zeddel (tsedl), Zettel.
Zelrie, Sellerie.
Zentner (tsentn^r), Zentner.
zetern, schreien, jammern.
Zetermarjan; hei schriet Zetermurjau,
er schreit aus vollem Halse, — Ob
entstanden aus Zeter Mordio?
zetterig (tsetdriyj, zitterig.
zettern, zittern.
Zicke, Ziege; schmächtiges Mädchen.
Zickenlamm, Ziegenlamm,
Zigeander (tsigoinddr), Zigeuner.
ziUeken, zwitschern wie z. B. Sperlinge
— sich über einen einem andern zu-
gefügten Streich freuen.
Zinshahne, Tinshahne, leicht erregbarer
Mensch.
Zip611e, Zwiebel, Küchenzwiebel.
ziepen (tslpin), an den Haaren ziehen.
ziepern, mit zusammengekniffenen Lippen
saugen.
Zippelmütze, Zipfelmütze.
Zirop, Sirup.
Ziseken (tslzdksn), Zeisig,
Zisekenwost, Saucischen, Würstchen.
Zittlose, Herbstzeitlose.
Ziwwe, weibliches Kaninchen.
Zoddelbäre (tsodlbfr?), Zottelbär; un-
gekämmter Mensch.
zoddelig (tsodlix), zottelig.
Zoddeln, Haarzotten.
Zopp, Zopf.
zackein, traben.
Zuckerkannich, Zuckerkant, Kandis-
zucker.
Zulk, Sumpf.
zulkig, sumpfig, schlammig,
zttmfern, schmollend weinen.
züniftig, nach allen Begeln. du krist
ne zümftige Dracht Slee.
Zappe, Suppe.
Znppenkrat (tsupmkrüi), retersilie.
LEIPZIG.
R. Block.
103
Der Spiegel der W^eisheit,
eine Kölnör Spruchsammlung des 16. Jahrhunderts.
In einem Sammelbande der Trierer Stadtbibliothek fand ich
folgenden bisher, wie es scheint, unbekannten Kölner Druck aus der
Werkstatt des von 1536 bis 1546 tätigen Johann van Aich:
Der Spiegel der Wifs | heyt mit vil schonen leren, Noch vil | tII säuerlicher
stuck dartzo gedain die vur | niet gedruckt en synt. | [Holzschnitt, 10,4X12,1 Cm.
Um den mit Zepter und Scbw'ert thronenden Kaiser stehen fünf Männer herum.] |
Gedruckt zu C511en bei Sent Lupus, Johan van Aich. | 4 Bl. 4®.
Der hier in neuer Auflage erscheinende Weisheitsspiegel enthält
eine wohl dem 15. Jahrh. angehörige gereimte Anweisung zu christ-
lichem Leben und bürgerlichen Tugenden, die sich nur selten mit den
bekannten Sprüchen Catos berührt i), dazu Lehren aus Aristoteles,
Seneca, Hieronymus, Augustinus, Bernhard und der Bibel. Angehängt
sind die zehn Gebote und eine weitere Reihe von Reimsprüchen, in
denen mehrere Ausdrücke auf niederländische Herkunft hinweisen.
Den Nachweis der Quellen muss ich andern Forschern überlassen.
1. Der Spiegel der Weisheit.
(Der Meister spricht.)
[-4 ib] Als du des morgens vp steis, so danck ynnertlichen Gode dem heren;
Byd jhn, dat he dich spare den dach inn doechden vnndjhn Eerenl
Befill dich dym hilgen engel, dym apostel, dinen andern hilgen
fründen,
Vifs gaind oder inkomende bewar dich für doitlichen sünden!
5 Mach yt dir geboren, so hör al dag mifs mit innicheit;
Wat dich niet angeit, da bekumme[r] dich niet mit!
Soech alle wege wyse geselschaflft vnnd erber!
Du syfs rieh oder arm, bewair dich für mossich gain!
Wat tzom qwaden ende dregt, saltu niet bestain.
10 Soch vrede, flew achterclaifen, beware dich vur dronken drincken!
Verzürnet dich jemantz buissen diner schult, dynen^) moit [en]
laifs sincken!
Dobbelen vnd ander spylen saltu flyen
Vnnd suich tzo, dat id din kinder niet enleren!
Bis erenthrych, oitmodich vnd godertieren,
15 Arbeit niet, wanne dir geboden is zu vyren!
Priester vnnd ander erliche luid saltu eren.
1) Zu Y. 7, 10 und 12 vgl. Catonis philosophi Über ed. llauthal 1869, Prolog 6:
Cum bonis ambula, 22: Vino tempera, 37: Aleam fuge u. a. ') dynenne.
104
Halt dyn kynder van der straissen, laifs sie wyfsheit leren!
Ganck jhn seiner wifslich vnd erbar für, dat^) is min rait;
Zo vil willens jhn zo laissen dat is quait.
20 Als du tzu der tauen geifs, so gesegen din essen
Vnd wils der armen für diner duir niet vergessen!
Nodich niemant zo essen oder zo trincken ouer sin macht,
Plumenstricher off achterkleffer nim niet in din gelaich!
Bis trew vnd vprecht inn allen dinen wercken,
25 Halt ouch die geboder der hilger kirchen!
Bistu dem volck für gesatzt zo regeren van gotz gnade.
So regier dich seiner früe vnd spade!
[A 2ä] Gedenck al wege der vier ding, die ich dir wil verzelen :
Den doit, dat^) leste ordel, die ewige freüd vnd bitter helle.
30 Bespot noch verschmae die armen niet vp der straissen,
Frew dich niet ander luid vnglucks, noch wil niemant verlassen !
Dins nabers schand will altzit decken
Ynnd alle dinck tzo dem besten trecken!
Sprich uit haistlich, mer bedenck din reden wail zo voren,
35 Verheef dich niet, all bistu zo einem staid gekoren;
Watt 2) du wilt das dir gesche, eim andern do des glichen zail;
Wiltu straiffen, so besieh dich seluer wail!
Bistu arm, so gewinn din broit mit eren,
Gude werck, die du niet kanfs, saltu leren.
40 Watt du niet volenden en kanfs, dat wil niet beginnen;
Ordeyl niet na gunst, mer na recht in al dinen sinnen!
Bistu ein raitzman, so rait altzit dat beste,
Der gemein nutz gä für din profyt int leste.
Bistu ein gemein man, bekummer dich niet mit der ouersten Sachen ;
45 Ein jetlicher nem sins selbs war, dat^) is jm vreden machen.
Kyff noch fecht niet, dat raden ich na mym verstände,
Want da volgt gern vngluck na schmertz vnd schände.
Ganck in niemantz rait, man roiff dir dan off man laifs dich holen 3),
Borg niet me, dan du kanfs off wilt bezaien!
50 Allen geysten wil niet bald geleuuen,
Vmb verloren gut wil dich nit seer bedrouen!
AI bistu gut*), wil dich seluer niet prysen.
Regier dich also, datt niemandt mit fingeren vp dich wyse!
Schew brassen 5), dantzen, pyffen vnd springen,
55 Die geboder gotz will na dym vermögen volbringen!
Ja vnd neyn, dat sie dyn bryff vnd segel.
Van wat staitz du bifs, verware den regel!
Du syfs geystlich off wertlich, datt wort Gotz wils niet verschmaen
noch versumen,
[A2b] Des auentz saltu die Strassen by güder zyt rumen!
1) dz. 2j Wattu. 3) holen. *) giir. ß) brasstii.
105
60 Gedenck, wann du schlaiffen geifs, wie du den dach haeffs zo
gebracht,
Kenstu dich gebrechlich, bicht vnd do bufs na alle dinre macht !
Segen dich des auentz vnd will dich die nacht besorgen,
Grünt dir gott des leuens bifs an den morgen,
So dancki) jhm flyfslich, als du voir bist geleirt!
65 Frünt, dise letze is sonder tzwyuel wail probiert.
(Der Schüler fragt.)
Meister, du leres mich güde kunst; nu lere mich, dat ich doegsam werd!
Do antwort der meyster vnd sprach tzo jhm:
Son, als du geyfs, so sich vur dich!
Als du sprechen wilt, so bedenck dich!
Flew qwade geselschafft!
Nit enbericht me, dan dir beuolen is!
70 Coden lüden bis heimlich!
So dirt wail geit, bis meesich,
Als es dir ouel geit, bifs geduldich!
Gegen den houerdigen bifs oitmoidich,
Gegen den zornigen bis lydlich,
75 Dem gecken saltu verdragen,
Den wysen hören, den alden schwygen
Ynd den wendeleren sachtmodich.
Din sprach sal meesich syn,
AI din begerung vnd gedan[n]cken sullen zo gode vp gericht sin,
80 Alle vergenckliche ydel ding saltu vpgeuen,
Aller oitmSdicheit saltu pflegen.
Wat du niet gewinnen en kanfs, da verluifs niet!
Den du niet geuen wilt, den nym ouch nyet!
Wat du niet besseren enwilt, dat erger ouch niet!
85 Do gein dinck in der zyt, dat dich reuwen mach na der tzyt!
Vp wen du gein gut sprechen wilt, vp den sag och niet quait!
Wat dich niet an geit, des enkummer dich niet!
Werstu so wyfs als Salomon,^)
Also schein als Absolon,
00 So starck als Sampson,
So rieh als köninde Artus,
Wat wer dat^) alzomail,
Wan du nit heddes godes huld!
[il5a]Herumb gedenck, dat dir niet mee na envolget vur gotz an-
gesicht dan din güde wercke! Kanstu dit, so kanstu aller
meyster kunst.
(Lehren anderer Meister.)
Item dese nageschreuen leren hait gesaut der heydensche meyster Aristoteles
dem groissen köning Alexander zo eyner letzen oder lerungen.
95 Alle heymlicüe ding saltu holen.
Wenich salt du sprechen.
1) danckt. »; Vgl! Alemannia 17, 260. 3) dz.
106
Bifs wairhafFtich !
Wyfslich ouerdenck alle dinck!
Dinen zorn saltu brechen.
100 Kyff vnd vnfreden saltu schuwen,
Niemantz gebrechen saltu jhm verwyssen.
Hüed dich für druncken drincken^)!
Bis barmhertzich!
Gedenck zo steruen!
105 Mit vnbekanten haeflf geyn geselschaflft!
Niet liechtelich saltu alle ding geleuuen.
Dinem versoenden fründ [1. fiend] geleüff niet vp dat nauste! 2)
Vmb ein verloren dinck, dat nit weder zo kregen is, bedroft* dich niet !
KyfF noch fecht mit niemant, der mechtiger is, dan du bifs.
110 Macht, rycheit, starckheit, schonheyt, altzit zo düren,
Dar yp is quait zo muren;
Want dat 3) fundament is der doit.
Hören, schwigen beide sint gut,
Verdragen is dat beste;*)
115 Der wail kan bezwingen sinen moit.
Der ouerwynt al tzit in den lesten.
Salomon^) spricht: Die zyt des menschen off menschlichen*) leuens is uiet
also kurtz als vnsicher; warumb wil sich dan ein minsch verheuen, der van erden
vnd eschen is vnd also bald dat selff sai werden!
Jheronimus spricht: He mach gering al waillust deser werlt verschmaen,
der altzit denckt, dat he steruen sal.
Van den mechtichsten, edelsten, schönsten, wysten vnd richsten, leest ein
beschlofs in der Bibel van jhn: Et mortuus est, dat is so yil gesprochen: He is
gestoruen vnd is doit.
Die Poeten sagen, dat die allerbeste kunst is, die je van hemel her neder
quam: Minsch, bekenne dich seluer, wat^) du bist vnd wat du werden solst na
einer kurtzer tzit.
[A3b]E.e is wyse, der vergadert vnd spart
Gegen die lange 8) hinne fart,
Och, wie scharp is eynem dat scheyden,
120 Der dat all vp sym doitbeth sal bereyden!
Sent Augustin spricht: Lyfs vnnd 5uer lyfs alle die geschryfl't der hitgcr
lerer, so enfindestu niet grüwelicher ader verferlicher, dan dat ein mensch leefft
in sulchem staed, da he niet gern inn steruen w61d.
Sent Bernhart spricht: Men mach nie soessers vinden, niet frolichers hören,
niet bessers dencken, dan den namen Jesus, des leuendigeu gotz son.
Item Seneca^): Als man inn groissem geluck steit,
Dann sint die f runde zo kennen quait;
Mer als dat geluck vmb went,
So sint die fründ zohantz bekant.
125 Wail doin is ein kleynet groit,
*) Vgl. oben S. 103 V. 10 und unten S. 108 V. 45, Wigands Archiv f. Gesch.
Westfalens 5, 37: * Wacht dy vor droncken dryncken'. ^) Wander, Sprichwörter-
lexikon 1, 971 : ^Versöhntem Feinde traue nicht'/ 3) dz. *) Vgl. unten S. 107 V. 13.
*) Weisheit Sal. 2, 1 f. ^j menschlichem '^) wz. *) laugee. ^) Seneca, De remediis
fortuitorum 10, 4. Epist. 19, 4.
107
Dat eynem volget na dem doit.
Waildait die sal dich verbeiden,
Als die seel van dym licham sal scheiden.
Hye hat der Wyfsheit spiegel eyn end,
130 Gott all vngluck van vns wendt.
Wer der leer folgt vnnd mit flyfs darnach deyt,
Dem wirt aen tzwyuel ewyge freiid bereit.
Nu volgent herna die tzyen gebodt,
Die moissen gehalden syn sonder spot
135 In desem vergencklichen leuen vp erden,
Willen wir hernamails selich werden.
2. Die zehn (irebote.
Du Salt geleuuen an eynen warhafftigen Gott,
Du salt niet schweren by jhm inn spote.
Die hylge dage saltu vieren,
Vader vnd moder saltu eren.
Du salt niemant d6den mit worden noch mit wercken.
Du salt niet dyn E brechen.
[A4a]Du salt nit stelen noch rouuen.
Du salt gein falsch gezeuchnifs l) geuen widder dynen neesten.
Du salt niet begeren ander lüde gut.
Du Salt niet begeren eyns anderen bethgenoifs,
Knecht, magt, fyhe off watt syn is.
3. Anhang.
Noch me vil schöner leren volgent herna.
Siet beleefft^) vnd eren fast,
Stanthafftich vnd port^) vast
Van sprechen vnd schwigen,
Vmb eer vnnd docht zo verkrigen!
5 Hie sie vrede by dissen gesellen,
Hie enmoifs man niemantz gebrechen vertzellen.
So wer hie wil drincken off essen,
Der moifs schwygen off van gode sprechen.
Wer alle dinck wylt melden,
10 Der bliue hie hier buissen vnd kom her seiden.
Vff erden is gein besser list*)
Dan der siner zungen meister yst.
Hort, schwycht, siet vnd verdragt,^)
So enweyfs niemant, wat jhr yaecht.
li> Der doit vnd dat leuen
Is in der zongen macht gelegen. 6)
^) gezruchnifs. ^) beleeft, mnl. = verständig. ^) porreu, mnl. = vorwärts
schreiten. <) Vgl Wander, Sprichwörterlexikon 3, 197 nr. 4. *) Wander 2, 777
w. 31. Oben S. 106 V. 114. «) Wander 4, 1240 nr. 338.
108 '
Doit dat goit vnd last dat quat,
Dat is meister Jesus rait.
Die meiste wyfsheit, die men vint,
20 Dat ein jeglich got vnd sich seiner kent.*)
Edeler dinck is nie gevonden
Dan trouwe van hertzen vnd hoefs^) van monde.
Trouw sal hauen broit,
Als vntrouw*) is inn groisser noit.*)
25 Etzliche willen trouw syn geheissen.
Mer sint sie getrow, dat sal man jm lesten freyschen.*)
Der niet en besuirt, der en besoist ouch niet.®)
En veracht den trouwen fründt niet!
Wer einen treuwen fründt hat geuonden,
30 Der hat einen gülden berch zo allen stunden. ''j ,
Halt vast, will niet vergessen,
Wer niet arbeit, sal niet essen.
Van ledicheit®) kompt diick schandt^
Huid dich vur des vyantz. banden.
[Ä4b] Bewar dyn eer vur allen sachenn,
Off du sals dich seiner zu niet machen.
Gelt vnd goit is wael zo krigenn,
Wer gein eer hait, der moifs schwigen.
So wer sich hüet vur quader dait,
40 Der valscher loegen wurt wail rait.
Onschamele^) wiuer vnd nit vroit
Verderuen lyff vnd goit.
Het der dieff gelaissen sin steelen,
So weer hie niet gehangen by der keelen.
45 Hüed dich vur droncken drincken,*®)
Vur speien vnnd clincken.")
Lere schwigen, wychen, duken,
Wilt jr vrede vres hertzen gebruken.
Such vur dich,
50 Trewe is mifslich.*')
Heffs du den geck in der mauwen,^*^)
Laifs inn vmmer niemant anschauwen.
Ich sagen, wem die plompheit is bekant.
Der sal seiden krygen goit verstaut.
55 Het sint al verloren werken,
Dat man die rosen streu für die verken.**)
*) Wander 5, 140 nr. 8. «) hoefs = hovesch. s) vtrouw. *) Wander 4, 1311
nr. 62. ^) freyschen = erfahren. ®) Schon bei Jacob van Maerlant, Alexanders
geeeten 1/ 1322: 'Die niet besürt, niet besoet' = Wer sich nicht miiht, hat keinen
Genuss. ^^ Wander 1, 1195 nr. 510. 515. ^) — Müssiggang. ^) = schamlos.
»0) Vgl. oben S. 106 zu V. 102. ^i) sonst klinken slan = bummeln. ^^) Wander
4, 1311 nr. 60. i^) Vgl. Wander 1, 1391 nr. 35. 42. *<) In mittelalterlichen Kirchen
begegnet öfter die Darstellung eines Mannes, der Schweinen Blumen hinstreut, so
in Emmerich und Kempen (Meissner, Archiv f. neuere Spr. 65, 227. 229), eine eigen-
tümliche Umdeutung des biblischen ^margaritas ante porcos' (Wander 3, 1210 nr. 11).
• 109
Maisse sal stain,
Ommaisse sal vergan.^)
Lert verdrageo, wie jhr siet,
60 Der meist verdraget der wint den stryt.
Der is geck, der vrab sinen grammen moit
Sich seluer schade off schände doit.
Blyfft altzyt inn reden ^) staen,
So sal idt Ych altzit wael gaen.
65 Reden ^) is ein hemels goit,
Sonder rede is gein dinck goit.
Haefft gott lyeff vnnd halt stede sine gebode,
So mocht jhr by jhm erweruen gnade.
Bewyst die werckenn der lieffden vrem euen christenn minschen!
BERLIN. Joh. Bolte.
Ditbmarsclie Gewerbeaasdrücke m der Gegend von Lnnden.
SchweinscMacbten.
Hura! Vandag schüllt wi Swin slachn, vandag is Swinsküstl
Nu giv dat Wust! Vandag kamt wi ni to Schol; wi schüllt de Stiert
biholn.3) 's Morns bitiden ward de Brögrap mit dat Bröwadr to
Füer kragn. De Slachdr kumt, un wen dat Bröwadr kakt, ward dat
Swin ut de Swinkaf rudrkregn. An dat een Achdrbeen bind he en
Strengn. Mit en kordr Ruck rit he dat Swin up'e Sid. Mit de
Strengn ward dat een Been stramm holn. En annr holt dat annr
Achdrbeen fast. De Slachdr liggt mit een Kne up dat Swin, schrapt
mit sin Mess de Haar en bet bi'n Hals weg un stikt dat Swin, dat
et ganz schreckli schriggt. Molr fankt Blot un rührt dat düchdi um.
Dat dort ni tosamlopn un klüderi warn. Dat Blot mut so langn
rührt warn, as dat Swin levt. Will dat Swin ni recht mehr blödn,
so stickt de Slachdr dat Swin grad in't Hart rinnr. Dat tinkelt den
noch en paarmal mit de Been un — dot is 't. Dat Tinkeln het, dat
Swin teilt sin Geld. Bedurn dort een son Dirt nich, deit een dat,
so kriggt man sülm en swar Endn.
Nu ward dat Swin afbröt. De Slachdr sülm mennimal
sunst en Hölgr, begüt dat mit kaknhidde Wadr un plückt un schrapt
de Haar raf. De Swinshaar ward wegsmädn. Fröhr, as noch de
dänschn Swin hir dal keem, de dr Bössn drogn, do wurn de up-
hewahrt un verköfft. Is dat Swin nu ganz rein un ock saubr naputzt,
so löst de Slachdr bi de Achdrbeen de Hacksehn un stickt dor en
Swengl dör. Nu ward dat Swin npe Lellr leggt, dat Swengl an en
1) Wander 8, 490 nr. 54. «) = Vernunft.
') Die Kinder, heisst es im Scherz, müssen, um auch etwas mitzuhelfen, den
Schwanz des Schweines beihalten.
110
Treem fastbundn un so schreg an'e Wand npstellt. Olr uk man
hankt dat Swin an en Hakn, de an en Balkn in'e Rök (Käk) olr
up'e Deel sit, mit de Kopp na nern; dat Blot schall afleckn.
Nu ward dat Swin utnahm. Lingelangs ward et upsnädn. De
Weid ward rutnahm un in en Balli olr Butt leggt. Dat Fett ward
van'e Weid afplückt. Dat het Plückfett. De Weid ward in't Wadr
leggt un rein makt. Se ward umtrockn un Wadr dor dör lopn ladn.
De Mist schall dar rein rudr. Hüpi ward de Binnrsit mit en Spon
reinschrapt. Dar schüUt de Wüst in stoppt warn. Wust is en Lust,
is en Härnädn. — De Stak ward utsnädn. En grot Stück Speck
mit de Stell, wo de Slachdr dat Swin stäkn het, daher Stak, ward
ünnern Hals rutsnädn. De Stak ward kakt olr brad't. Darto ward
Pulkantüffeln kakt un 's Abnds ward Stak un Eantüffeln ädn. Dar-
to ward uk wul Nawers Lud un gude Fründn inlad't. Nat Ädn drinkt
se en Snaps, smökt en Pip Tabak un klönt un snakt äwer gude un
slechde Tidn un dat Wallr. Dat het Swinsküst. AI wen dat Swin
slacht ward, kamt de Nawers, um dat Swin to taxirn un mit up'e
Lellr to hölpn. Darbi ward uk al af un to en Snaps inschenkt.
Dat het uk al Swinsküst, bi Wesselburen Finnspöln.^)
De Flom ward utbred't na de büdr Sid van't Swin. In'e Flom
sit runne Karin, uk Klirn nömt, de ward rutspult. Dat Swin ward
utnannr spilt. Dat Speck schall to 's Abnds kolt wen. Is de Flom
kolt, so ward s' aflöst un mit dat Plückfett sosam in lütje verkandige
Stückn snädn un utbrad't. De utbrade Stückn het Grebn. In Grebn
ward Kantülfeln upbrad't. Warme Grebn up en Stück Swartbrot
smekt ganz net. Welk Grebn kriggt man uk mank de Grüttwüst.
En Del Blot ward to Swartsur brukt. Swartsur un Kantüffeln
un Ball 2) is en prächdi un defdi Ätn. In't Swartsur kamt de Uhrn,
de Nirn, de Stirt un wat Bukspeck, ük ward de Uhrn väl to Press-
kop brukt, olr in Arfn or Welgn^) kakt. Wat Blot ward to'n swedign*)
Mehlbüdel nahm; de ward in Blot stäts in Melk anrührt. Dat letzte
Blot kumt in'e Blotwüst.
's Abnds kumt de Slachdr to Tohaun. He snit un dreit ers
de Kopp af. Den snit he dat Swin an beide Sidn van'e Rügg dal
in twe Hälfdn. De Rügg ward in welke Del delt. Dat irste un
grötste Del an'e Kop het Nacknbrad. De ward to Wihnahnabnd
ädn. En nedde Bradn gift de Märbrad, uk Mettstrangn olr Has'
nömt, af. Alns ward wagn. De Rügg ward wagn, ehr man em
tweisnit. Jedr wil girn wädn, wat sin Swin wagn het. Dat Plückfett
ward välfach ni mitwagn, dat räkt man för't Slachn. Van'e Sidn-
stückn ward nu de beidn Achdrschinkn afsnädn. De Podn un de
Knurn olr Knüssln ward afhant, un bahn up mit in'e Päckel leggt.
Swinsföt un Knüssln smekt gut in Arfn, Kortkol olr Welgn. Swins-
föt smekt söt. De Schinknknakn un de Warwlknak ward utlöst, de
stik sik to ligg an, ward siech un smekt ni gut in't Ädn. Ebnso
^) Bei Husum und südlich von Flensburg (Wanderup) Swinkik. <) Ball,
Klösse. ') Welgn, Suppe mit Reis, Graupen oder Krupbohnen mit Speck. Outzen,
S. 380: Welling, Wälling, Wellchen. <) Swet, Blut.
111
ward uk van'e Vörschinkn de Podn un de Knüssln afhaut, un disse
Schinkn den mit de Achdrschinkn insolt in'e Päklkup, Päkltünn.
Twischn Achdrschinkn un Vörschinkn sit de Middlschröd. Uk de
ward insolt olr inpäklt. Fror het dat Swintohaun uk schrödn.
Bahn up in'e Päkelkup leggt man de Stückn van't Swin, de ni
to solt warn schult un de ut de Päkl frisch upädn ward. Nawers,
Fründn un Verwände krigt wat van't Slachn: En Rüggstück, en
Rippnstück un en Bratwust. Un dat is uk wul noch en Del van'e
Swinsküst.
's Ahnds ward Mett snädn un Mettwust stoppt. De een Endn
van'e Weid ward äwer en Wusthorn tröckn, un dor d&r den dat
Mett in'e Weid rinnrstoppt. Dat Flomfell, wat um'e Flom sit, ward
aftrockn, tosamneit, un darin uk Mett stoppt. Dat givt schöne dicke
Mettwust, un bannige Lappns up Boddrbrot. De Läwer ward finstött
mitünnr mit de Hochkant van en holtn Tellr. Mit en Läpl ward dat
in'e Weid föllt. Sogar de Lungn ward tweisnän un darvun Lungnwust
makt. Wen de en bedn Rok kregn hebbt, smeckt de gut in Arfn un
Kortkohl. Ik bin dr jus ni stark vär. Vä,r de Kinnr sünd awr Grütt-
wast de bestn. De Grütt — Hawrgrütt olr Gassegrütt — ward up-
krellt, dat het kakt, awers ni ganz gar. De Grütt ward mit Blot
mengelirt un den in Weid stoppt. De Mag ward uk vuU Grütt füllt.
Sogar de Süstr, de Mag sin Süstr, uk Titt, en dicke Endn Weid —
de Slachdrs nömt em Endbtil — ward vul Grütt füllt. De Endn van'e
Weid ward mit Präkeln, Prickeln, Wustprickeln tostäkn. De Wust-
präkeln ward ut Föhrnholt snädn un de Spitze babn d' Für en bädn
anbrennt, dat se harrer nu scharper ward. Uk brukt man to Präkeln
de Durn van'e Swartdum olr Slöndurn. Grüttwust un Läwrwust
ward in'e Wustgrap, Wustkädl kregn nu gar kakt, un darmit se nich
so liggt tweikakt, wen se babn kamt, düchdi prickelt, mit'n Präkel
stäkn. Vär alln Dingn möt se uk ni to fast stoppt wen. Je vuUr
se sünd, je liggdr platz se. Mild un Gall ward wegsmädn. Min
Husslachdr fror nehm de Mild mit na Hus. He sä, de mug he girn.
De Blas' ward uppust un uphungn. De Blas' ward brukt, Glashabn
totobindn, un de Jungs brukt em uk äwer de Rummlputt. De Jungns
makt sik uk ut de Wees en Knackblas', Knappblas'. De Bräm,
Brägn ward in'e Pann brat, un wen se den so rech(t) schübn deit,
in'e Pann up'n Disch stellt, un dar Pulkantüffln instippt. Mank de
Bräm brad't man uk de Bors olr dat Slott. De Päs van en Borg
ward uphungn un upwahrt. Darmit ward Fottüg äwrwischt un de
Sag mit smart, dat he bädr därt Holt glit.
Het dat Speck nu viertein Dag olr dre Wäkn in't Solt legn un
is dat jümmers gut mit Säl bedabn wen, so ward dat in'e Rok hungn.
Mitünnr ward de Säl uk nochmals upkakt un wallr daräwer gadn.
In'e Speckstückn ward Söckr stäkn un dar dar Taun bundn. Uk
stikt man Speckhakns dor dar, un daran ward dat Speck den in'e
Schosteen, seltn noch ünnern Wiem, Speckwiem uphungn. De Swins-
kop ward uk rökrt. Swinskop un Mehlbüdl mag de Dithmarscher
far sin Lehn giern. En Swinsgehör drog ik as Jungn jümmers iu'e
112
Tascli, dat schul Glück bringn in't Kardnspäln. En oln Mann ut
Eiderstedt, de ümmer en Swinsgehör bi sik drog, sä, dat schütz tega
Krankheidn. Dat Losbännign ut de Päkl ward toirs upädn.
Zichorienban.
In Lundn is en Zichurnfabrik un bi Lundn up^t Sandland ward
al sid väle Jahrn Zichurn but. Dat Zichurnsat ward in'e Mai seiht.
Um dat Sat nu rech egal to seihn, mengelirt man dat mit Sand, jus
so as Wuddlsat, un streut dat up't (in't) Land. Dat Land mut awers
gut in'e Wehr nu kräfdi (mut gar) wen. Is de Zichurn nu upkam
un wast de Summrschit al, so ward se jüht, un nösn nochmals jüht.
Bi d' Jühn krupt de Fruns dröwer weg, jus as bi d' Wuddln jühn
un Flasjühn. In'n Oktober ward de Zichurn wuddln upkregn. Mit'n
Spadn ward de Eer losmakt (upwüppt) un den de Wuddeln ruttrockn.
Darbi mut man sik in ach(t) nehm, dat nellrs Endn ni aftoridn.
Egntli schall man ni mal de fin Sidnsprandn afridn. De Zichurn-
wuddln blöt sik ligg dot. Awers nimmt man sik ok noch so tosam,
so is dat Land, wo de Zichurnwuddln legn hebbt, dochn ganz wit-
placki van'e widde Melk (Saft).
Dat Lof ward vun'e Zichurnwuddln afdreit olr afknickt. Den
ward de Wuddln reinwuschn. Darbi brukt man en Folk. Mit de
Händn wur dat väl to lanksam gähn. Öwerhöf is dat Zichurnwuddln
upkrign banni lankwili. Mit'n Folk ward de Wuddln uk up'e Wag
lad't. Up de Wag möt se en Ebnlid stahn to afleckn. Up son Wag
ward 2500 bet 3000 Pund uplad't; awers den möt Sidnbräd bahn de
Lellrn eveen. De Wag mit de Zichurnwuddln ward wagn un na Lundn,
na de Zichurnkrögr^) — so nömt man den Besiddr van'n Zichurnfabrik
— fährt un bi hunnertpundwis' verköft. Dat hunnert Pund kost
1 Mark tachndi Penn.
Hir in'n Fabrik ward de Zichurnwuddln in Stückn snädn, öwer
en Für up'n Därn därnt. Nu mät se noch veer Wäkn up'n Bahn
liggn, un dan ward se brennt. Darbi mut genau uppasst warn, een
Minut tolangn brennt, deit den Fabrikantn en hunnert Mark Schadn.
Den ward de Zichurn up'n Mal, vär de Pär gabt, fin mahlt. Nu is
de Zichurn sowid trech. He ward in Tutn kregn, intut het dat. De
Tutn mit de Zichurn ward likup un dich an dich in en Kist instellt,
un de Kist den en Tidlank düchdi up'e Eer stött. De Zichurn schall
sackn, un dat het stampn.
Fror schall dat Zichurnbun noch mehr Bruk hir wen, un to
een Tid de Zichurnwuddln na de Heid läwert wurn hebbn, na de
Brauersche Fabrik, de nu wul al langn ingahn is.
DAHRENWURTH b. Lunden. Heinr. Carstens.
1) Ein Arbeiter, der viele Jahre in der Zichorienfabrik gearbeitet, hiess nie
anders, als „Willem Zichurn" oder „Zichurn-Willem".
113
Ghetelens'Nye Unbekande Lande.
Folgende Auszüge sind, wie die Überschrift besagt, ans dem seltenen Werke,
Ghetelens Nye Unbekande Lande, das ich im Nd. Jahrbuch 33, S. 53 if. ausführlich
behandelt habe. Ich habe als Auszüge ausgewählt, zunächst Ghetelens Vorrede,
sodann die ersten fünf Kapitel des Werkes, femer einen Teil des Berichtes über
die Entdeckungsreisen des Kolumbus, als von allgemeinem Interesse, ferner auch
den Brief des Königs Emanuel an den Papst und den Bericht einer nach der
Berberie entsandten Expedition, die nicht im ital. Original stehen, und schliesslich
die Schlussschrift des Ghetelens. Der leichteren Vergleichung halber habe ich als
Anhang ein paar Kapitel aus Ruchamers hochdeutscher Übersetzung, die Ghetelen
übertrug, beigefügt. Die Ligaturen und die in übergesetzten Strichelchen bestehenden
Abkürzungen des Druckes sind aufgelöst und durch cursiven Satz kenntlich gemacht.
Daniel Bussier Shumway.
Enem 'etliken anschoawer desses Bokes entbnet flenningiis Ghetelen
sinen denst \nde vrflntschop.
Myt gunst vnde wyllen des werdigen vnde hochgelereden heren
Josten Ruchamer der vryen künste vnde arstedye Doctoren &c. welker
dyt Boeck heift erstmaels gemaket vth deme waischen in hochdüdesch /
dorch bede vnde anlangent ener siner guden vründe. So hebbe ick
Henningus Ghethelen (vth der keyserliken vryen Stadt Lübeck geboren)
vor my genamen / dyt Boeck to maken vnde to wandelen vth deme
hochdüdeschen in myne moderlike sprake / alse men redet in den
loffwerdigen Hensesteden / vnde ok in den wyd beropenden landen
Sassen Marcke Pomeren Prüssen Mekelenborch Holsten &. Angeseen
dat dyt volck myner moderliken sprake ock seer geneget is nye dinck
vnde vnerhörede wnnderbaerlike materye vnde historien to hören.
Doch wert men nicht hyr in dessem Boke alleine nye swencke ynde
lachelick vnde wente nu here vnerhörede wunderlike dinck vinden /
sunder ein yder mach hyr vth vorstaen na sinem state wor kramerye
ynde spysserye here kümpt / vnde wo vele se dar tor stede gylt &.
In dessem Boke werstu ok vinden de wunderbaerliken erfindingen
der nyen vnde lange tyd vnbekanden werlde / welkes dar ock is tegen
de Natürliken Meystere der Sterne vnde lope des hemtwels vnde an-
deren velen hochgelereden de dar geschreuen hebben / dat an dessen
orden effte enden nene mynschlike waninge mögen sin. Welche desse
reyße effte segelinge is gescheen vth beuele Yude beschickinge der
allerdörchlüchtigesten kowningen van Porthegal ynde Hispania / vnde
bewysen klaerliken desse segelinge tegen de Natürliken Meystere /
Niederdeutsches Jahrbuch XXXIV. g
114
dat jd nicht so is alse se hebben geschreueii. Wente an dessen
suluesten örden vnde enden hebben se wünderlike schöne vnde lustige
jnseln vnde Eylande gefunden / myt nakeden swarten Tnde grawen
lüden / welche ock sin van vnerhöreden seden wysen vnde waenheyden /
ock van selsamen wunderbaerliken deerten / meerwunderen / vischen /
vögeln / köstliken bömen / durbaren vrüchten / vleten / kruderew /
wörtelen / spysseryen / krameryen / mannigerleye eddelstene / perlen
vnde goldt / welcke by vns groet vnde hoch geacht sin / vnde by
en doch gemeyne sin. Alsus mach ein yder beke?inen de groten
wünderteken godes des almechtigen / de dar de werldt geschapen
vnde gezyret hefft / myt so mannigerleye gesiechte der mynschen /
landen / jnseln vnde selsen creaturen / alze vor gesecht is. Welches
alles vor desser tyd by der Christenheit vnde unser landtschöppe
edder natione is vnbekant gewesen / vnde sunderlick seer wünderlick
is / dat de Christen sulke wyde / verne / wünderlike / vaerlike vnrf^
erschreckende reyße efte segelinge gedaen hebben. Alle desse vor-
gesechten reyße / ock wat dar nyes vnde selsens gefunden is vor
. xl . vnde . 1 . jaren wente nu beer / wert dyt Bökelin / welck de
nye werldt genant is / alles na der ordeninge ynde schickelicheit
siner Capittel vnde Register klaerliken bewysen vnde bescheden. Dixi.
Eiusdem Henninghi Ghetelen Lubecensis & adolescentuli Hexa-
stichon Ad lectores.
Euomit insignis Stuchs calcographia Georgi Teutonico : ex France :
iam noua regna stilo. Quo patet aethiopum mores & regna : reuelat
en mundi populos & simulachra noui. Mira(legas)nostri8 animalia
pandit ocellis Monstra sed humanis euolat apta iocis.
H
TELOS
G
ANFANG DES BUCHELINS van den ersten schypfarthen / aner dat
Mere Occeannm / in de lantscöppe der Moren / in deme nedderen
Morenlande / vth ghebede vnde beuele / des aller dörchtlüchtif^sten
Forsten heren / heren Hürieh, der eyn Broder was, heren Donrth des
könninges tbo Porthegal. q Dat erste Capittel, wer Erstliek er-
fanden hefft de scypfarthe des Meres Occeani, yegen Süden^) edder
tegen dem middaghe.
ALS yck Aloysius van Cadamosto, van gebort vth der laueliken
Stath Venedie, waß der erste, der sick erhoeff tho auerschepen dat
Meer Occeanum genant^), tegen den örden \nde winckelen gelegen
yegen middach, in de lande der Moren, des vndern Mornlandes,^)
dar hebbe ick vp desser myner reyße edder Schipfarth gheseen vele
^) Süden nicht bei Euchamer,
2j Jtal: a nauigare el mare occeano di fori del stretto de Jibeltera (Gi-
bralta). Den Eigennamen hat R. nickt erkannt und Hess die Worte also weg.
3) Ital.: de la bassa Ethiopia.
115
nyes dinges werdich tho merkeD, went myn vpsaeth gewesen iß, tho
beßöken selßene dinck, an mawnigen vnde nyen örden. Alßo dat in
warheit vnser Lande gebruke wyße efft gewonheyt, ock vnßen örden
enden edder lantscöppe, tho einer gelicknisse der dinge ßo ick geseen
hebbe vnrfß v6ruaren, eyne andere werlt möchte gheheten werden.
Darumwe ick sulke dinck billiken achte tho merken. Vnde also so
vele my de gedechtnysse wyl hülpelick syn, ßo wyl ick beschriuen
ßüicke itzgemelte dinghe. Wnde efft ick ßülckes in ördenliker effte
gheschickeder ördeninge nycht worde setten. Alß denne de materia
desser dinghe erfordert, schal doch de warheyt hyr ynne, an allen
enden, nicht vmmegangen werden, vnde sunder twyuel, wyl ick er
wat to weynich seggew, wen ichts neuen der warheyt apenbaren.
Iß nu tom mael tho weten, wer dar gewest sy der erste orsaker
effte anfanger / de dar hefft aueruare^i laten den ort des Meres
Occeani / yegen middach / in desse lande der Moren / des nedderew
Moerlandes / welcke ßödder Adams tyden went nu beer (dat kuntlich
yß) nicht sin geschepet worden (dar vann schryfft ock Plinius) went
in dessen somer. Der dörchluchste Forste / Her Hürich / des
allerdörchlüchtigesten herew Johansen / könings to Porthegal Söne.
Van welckes mercklyken dögheden vele were to seggen / welcks ick
vmme der körthe vnderlathe / men alleyne dat der ytzgemelte Forste /
her Hurich gantz vnde gaer geneget iß gewest / to desser Ridderscop
vnses heren Jhesu Christi / mit krigen / tegen de wylden vngetewmedew
vulcker / myt en to striden vmme des Christlikens gelouen willen.
He wolde nü eyn w^yff nemen / sunder jn groter kuscheyt entheelt
he syck in syner jöghet. He hefft ock vele Eerlker^) vnde Ridder-
like daet ghedaen / dörch sine egen persoen / ock dörch sine lysti-
cheyt / edder dörch sine behenden vornufft / jn den slachtingen tegen
de Moren / welck to mercken wol werdick yß / Alß auer nu sin vater
her Johanse köninck to Porthegal kranck lach / went jn den doet /
Esschet he dem obgemelten Forsten / heren Hurich / sinen Söne /
vnde beuoel em de gemeinschop der ßyddere van Porthegal / vormanede
em / Yude badt en dat he wolde vuldoen synem Götliken vnde loff-
liken vpsathen / des he in willen wat to vorvolghen vnde tho vor-
stören / na sinem besten vormögen / de viende des hilligen Christ-
liken gelouens. Welcker Fürste / kort to spreken sick vlytede /
sulcke synes vaders / des Könninges begeren to volbringen.2) Vnde
na dem dode des vaders / hadde he vil krige in Affrica / teghen de
vth deme Ryke Feß / tegen welcke he vele jaer vient waß / \nde
gedachte jn alle mögliker wyße / de obgemelte Forste her Hürich /
tho vorstoren / dat ytzghemelth Könninckrike Feß / vnde dat dede
he ock an velen örden. Welckes Ryke iß,gheleghen am mere Occeano.S)
^) Bei R: Erlicher.
2j Ital. fügt hinzu : fece cum el fanare del Re Dourth suo fratello majore
che sucesse al dicto regno di portogalli molta guerra in Afrika.
') Ital. fügt hinzu: dala pte di fori del strecto de jibelterra, was B. wie
oben toegliess,
8*
116
Vnde sulckes dede he mit vorgunst des Köninges / hern Dourth /
synes öldern broders / welk na affgang des vaders köninck wart to
Porthegal. Alßo sendede de obghemelte Forste / syne schepe / vnde
dede den Morn groten schaden van jaren to jaren. Alßo dat der
obgemelte Forste besorgede / se worden ene reysigen^) / dat he alle
jaer wyder hen jn w6rde theen. He leth ße theen beth an ein ge-
berghe / genant in walsch Capo Non / dat iß in dAdesch / alß / de
orth neen / welcker orth / iß noch alßo genant vp dessen dach.
Vnde desse orth waß alle tid dat ende desser varthe. Wente nicht
iß gehöret worden dat ener vormals auer de örde geuaren were /
der wedd^ were tho huß gekomew. Alßo dat / dat sprickworth
waß / dat men sprack. Welcker (aij) dar thüth auer den orth neen /
der kümpt ok wedder neen. Als efft se wolden spreken He kümpt
nümmer wedder. Vnde also quemen de obgemelten Schepe went an
dat ort Non vnde dar suluest dörsten se nicht wyder vare« auer
nycht tho myn begerde de obghemelte Forste / wyd«- to schepen
Ynde to voruaren. Also jm nauolgedem jare / schickede he sine
schepe dat se hen wart wyder segelden / achter den orth Non / myt
der hulpe godes / wente de schepe van Porthegal sin beter / den
andere schepe vp dem Mere mögen sin / van Segeln / Ynde do se
nu mit den schepen wol bewart weren ock myt allem vorraet alse
men in* schepen bederuet / toTaller notrofft / meneden ße / id wer
wol mögelick to varen an alle örde efft ende. Weren begeren / to
voruaren nye dinck / alleyn darvmme / dat ße möchten voruaren dat
wesen der Inwaner / an den suluen örden / Ynde dat ße möchten
störmen efft berouen de Moren^) rüsteden se sick wol mit dren schepen
mit aller noettroft ynde to behöringhe / als mit wapen vnde koste /
efft prouision / van spyße / Ynde ock anderen dingen / Vnd^ setteden
dar jn Reddelike stritbare menne / welcke dar hen schepeden / Vnde
vören int erste vth / vorde obgemelten berge / edder den orth Non /
An der syden segelden wy des dages / by der nacht beeide wy stille /
Also dat wy by der mate vp der syden geuaren weren by hundert
mylen / vor vth / vor dat obgemelte geberghe Non / Ynde vunden
noch wer volck / noch waninge dar suluest / den eyn deeP) was
sandych vnde dröge landt. Also töge wy wedder to rügge / Vnde
de obgemelte Forste erkande / dat he jn dessem jar / nichtes nyes
mochte voruaren / Rüstede he^'des nauolgeden jares sine schepe Vnde
schickede auer ein mael ein^volck vth / wol gerüstet / dat se wyder
hen jn scheiden schepen / den de ersten sin volck gesegelt hadden /
Ynde also segelden se wyder hen jn / meer den hundert vnde . 1 .
myle / Also vören se beter*) hen wech / ynde vorvuUeden dat both
eres Forsten. Ynde vunden doch anders nicht / den eyn sandich
vnde dröge landt / ane alle waninge / vnde tögen wedder heem /
Den noch nicht to myn vureden ere herte alle dage mit groten
>) Hd. jne reytzen. «) Ital.: per uoler offender a mori. ») Bei B.: dann
eytel sandig vnd drucken landt. ^) beter nicht bei E.
117
begeren / to voniaren vDtfe erkundigen de suluen lande. Schickeden
jm dnidden jar auer twe schepe / Nnde kort to spreken / schickeden
ße hen jn so vaken \nde vele / etlike jare na einander / so lange
ße vunden etlike orde / dar jnne waneden Arabier / de hadden ere
waninge jn den suluen wöstenien. Ynde dar na wyd^ hen jr /
Tunden ße auer ein ander volck / de ße heten Azanegi / dat sin
grawei) mynschen van welcken ick (ßo wy beter^) in dith boeck
werden komen) meer seggen wyl / vnde also queme wy ßekerlick /
dat wy wislick vunden de lande der vördesten Mom3) / Ynde dar
na van ener tyd to der anderen / dat wy vunden andere gesiechte
desser Morn / van selsenen wysen / spraken / seden / vnde gelouen /
alße du hörende werst ßo wy wyder jn dyt vnse böcklin beter jn
werden komen.
DAT ANDER CAPITTEL VAN den dingen / ßo Aloysins van Cadomost«
in der anernart / schepinge efite segeiinge jn iem Lande der Moren
erfanden hefft.
Na der gebort vnses hern Jhesu Christi MCCCCLiiij, als ick
Aloysius to der tyd to Venedie was / myner jare olth by twe vnde
twyntich jaren / vnde hadde ok vor desser tyd mere geuaren eflFte
gesegelt*) vp vnsen Meren / jn der herschop der Venedier. Settede
ick my v6r / jck wolde wedd^ varen jn Flanderen / dar ick to vören
ock eyn mael was gewest / vnde dat vmme des willen / dat ick
jchteßwes möchte voröbern vnde gewinnen / wente al myn vpsaet
was tor suluen tid dat ick my wolde vmme doen allen mögeliken
wegen / to bekomen etlike temelike rikedoem vnde dat ick mochte
dar na komen tho beteringe mynes states / vnde to Eren / Ynde
alse ick my also hadde vörgeseth to reyßen / als ick nu ytz gesecht
hebbe, Rustede ick my mit deme kleynen gelde dat ick do tor tyd
hadde. Ynde sath vp vnse Galleyn van Flandern / der höuetman was
her Marcus ein Ridder / mde also jn dem namen gades töge wy hen
wech van Venedie myth den ghemelten Galleyen / an dem achten dage des
Augstmans / Im MCCCCLiiij. Jare. Ynde vören hen wech vnse dach-
reyse / vnde stunden vth / an vnsen gewöntliken enden also lanck
dat wy quemew jn Hispania / Vnrf^ alse wy hadden vngeweder do
bleue wy myt vnsen Galleyen an enen ort / to sunte Vincentius /
alse wy dar sulues weren / nicht wyd dar van / begaff id sick dat
der obgemelte Forste her Hurich / lach in enem dörpe / in der suluen
vmmelegenheit^) gheten Reposera. Welker Forste / als he vnser
gewaer wart / schickede he to vns enen siner Secretarien / de heeth
Anthonius Conzalles Vnd^ mit em enen anderen genant Patricius
de sulue sprack he were eyn Venediger / vnde were ein Raetman
(vth vnsem lande) in dem Ryke tho Porthegal / dat betügede he
^) liaL: beretini. ^) Hd. baaz. ') Ital.: de primi nigri. *) effte ge-
segelt nicht bei E, ^) Bei B. steht: Riuiere.
118
alßo tho sin mit enem iJreue van vnser herschop tho Venedie /
welker hadde ein anhangede Segel. Welker Patricius was ock ein
haueman^) jm zolte an dem houe des obgemelten Forsten heren
Hürichs Vnde also quemen se to vnsern Galieyen / vth beuele des
vorgespraken Forsten / mde brachten mit sick / etlike proben des
Zuckers / vth der jnseln Medera / vnde sanguinem draconis / dat is
drakew bloet welck men in der arstedie gebruket^), brochten ok ander
dinck / alse se hadden gebröcht vth den orden Yude jnseln / des
ytzgemelten Forsten vnde sulk eine probe wyseden se meer lüden /
Wnde alse ick nu iegewwardich was \n(le vragede de vnsen in der
Galleyen van mannigerleye dingen Seden se my / wo desse Forste
hadde besettet in kort vnd nyelick jnseln / welcke vor desser tid nü
van mynschen jngewanet weren vth welken men brochte sulke zucker
ynde draken bloet / vnde andere köstlike nutte durbaer dinck Vnde
wo dat nichtes nicht were tho achten yegen andern dingen xude
kopenschop de men vth den suluen jnselen bringet / de raynen geuen
my ok to vorstaen / wo de bemelte Forste nu etlike tydlanck heer /
hadde auerschepet etlike Mere / dede in vörtiden van andern nü sin
geseen worden. Vnrfe hefft an dew suluew Merew gevunden / lant-
schöppe / van ma/migerleye vnde seltzamen gesiechten der mynschen.
An welkew orden men ock vünde selsene vnde wünderbaerlike dinck.
Vnrfe welke de yennen weren de an sulke örde gereyset hadden /
mit grotem gewinne weren wedder to huß gekomen van den uyeu
erfunden lüden. Went ein ßilling gewünne dar suluest. vij ßilling
vnd . X . vnde dar by.3) Wnde seden my ok so vele van den dingen /
dat ick my sulkes ja seer vast vorwünderde. Also dat do tor tid
by my mochten wassen / de begere to reysen an sulke örde. Vnde
also vragede ik se / efft de obghemelte Forste lete enen etliken gern
theen / de dar wolde an de suluen örde varen. Seden ße my / Ja /
doch mit twierleye gedinge edder vnderscheyt / Also / wer reysen
wolde an desse ende / vnde dat schyp versorgen / vp sine egen kost /
mit prouision vnde kopenschop. Vnde so de sulue wedder to huß
queme / scheide he dem Forsten reddeliken schüldich sin to geuen /
den Verden deel van alle der kopenschop / so he vth den jnseln
bröchte / an den suluen örden vnde landen / vnde dat drüdde deeH)
were des Forsten. Eflft also, De obgemelte Forste / de besorgede
dat schyp mit aller to behöringe / prouision effte vittally / vp sin
egen kost / Doch dat desser / welker sulk eene reyse wyl annemen
sin kopenschop suluest to vorleggen. So den de sulue to huß kümpt /
scheide dew Forsten schüldich sin dat halue deel to geuen / van allen
den güdern efft kopenschop / alse he brinck(t) van den suluen örden.
*) Bei E, steht: hofmann. ^) Diese Erldärung nicht im iial. Original.
') Ital, circa. *) Ital. le tre parte fosse sue. Dies hat R falsch übersetzt als:
der dritte teyl der wer seyn statt die drei Teile wären sein und verdunkelte den
Sinn der Stelle, G. versucht sich zu helfen, indem er dat drüdde deel were des
Forsten schreibt, was wiederum mit dem obenerwähnten vierten Teil in Widerspruch
steht. Diese Stelle liefert einen weiteren Beweis, dass G, nur Muchamer benutzt hat.
119
Vnd^ eflFt jd sake weer / dat he nichtes nicht mochte wedderumme
her vter bringe« / so schal de kostinge gaen vp den Forsten / also /
dat de Forste den schaden wil entrichten / Ynde sulke ein anmer-
kinge / dat men nicht wedder her vth mach komen / dan myt grotem
gewinne. Vnde so ener vth vnsern landen edder Natione / de reyse
doen wolde / was deme Forsten wol anghename vnde ertögede eme
gunstigen willen / Wente he gedachte / dat men in den suluen örden
vünde spytzerye fröyt vnde andere nutlike dinck. Vnde he meende
de Venediger kanden sulke dinck vp den besten^) den andere Nationes /
edder lüde. Als ick sulkes hörde / settede ick my vor desse reyse
to doen / vnde mit sampt den anderen / sprack ick mit dem Forsten.
Also mit der körte bewysede my de .Forste / dat jd alles waer weer /
dat my de sine obgemelten gesecht hadden / vnde noch vele meer.
Ock lauede he my / he wolde my Ere rade vramen laten to staen /
wen ick desse reyse wolde annemen. Alse ick nu denne sulks vörnam /
bedachte ick / dat ick junck \nde stark was / vnde geschicket to
erliden alle moye ynde arbeyt / vnde begeerde to seen de werlde /
vnde wünderbarlyke dinck / der gelike keyner vth vnsen landen nü
geseen hadde. Ick hadde de höpeninghe / in sulcker reyse to erlangen
gud (aiij) vnde ere / bedachte my gantzlick desse reyße to vuUen-
bringen / also riistede ick my / myt noettröfiftigen dingen '/ in de
Galleye / vnde beuoel alle myne gudere / einem guden vründe^) yegen
neddergange der Sunneh / dat is int Westen^) vnde stegen vth an
dat landt / ynde de Galleien vorvolgeden vor an erem wege.
DAT DRYDDE CAPITTEL \AN der tyd / alse de Oalleyen hen wech
gingen / vnde myt wat wynde se segelden.
ALS ick gebleuen was / an dem orde to Sunte Vincentius /
alse ytz gesecht is / des hadde de obgemelte vnser Forste / groet
wolgeuallen an mynem blyuen dar suluest / bewysede my vele vrunt-
schop*). Vnde na dem etlike vele daghe / leeth he my to rüsten
eyn schyp / dat men nömet in walsch Carauella dat dar konde dragen
by . xc . Butten / dat is vngeuerlick by . xl . voder wins / des ein
yoder veer perde mochten trecken^). De patroen was einer genant
Vincentius van Lagus / dat is ein orth by sunte Vincentius ßösteyen
myle. Vnde dat schyp was besorget myt allerleye noettroflft to vnser
vaert. Also vöre wy hen wech / van dem vorgemelden orde Sünthe
Vincentius / jn dem namen godes / an dem . xxij . dage des Mertzen
jm . MCCCCLV . Jare / mit middernacht winde®) eft Norden 7) jm
nigge / ynde richtedew vnsen wech yegen de jnseln Medera / yegen
neddergange den richte wech. Ynde quemen in de jnseln Porto sancto
vmme den middach / am . xxv . daghe des Mertzen / dat is van dem
obgemelten orde sunte Vincentij by ßößhundert myle.
*) JBW. : basz dann. *) Ital: a uno mio parente. ^) nicht bei R, *) Ital:
mi fece festa assai. ') Diese Erklär unfj nicht im ital. Original noch bei U.
•} Ital.: cum vento greco e tramontano. i)a B. nicht tousstc, dass vento greco
gleichbedeutend mit Nordostmnd ist, Hess er es weg. 7) Norden nicht bei B,
120
DAT YEERDE CAPITTEL VAN der Inseln Porto sancto / vnde van
erer ^helej^enheit / vnde van den dingen de dar snlnest wassen /
alse draken bloet / vnd^ wo men dat maket / vnde ran dem aller-
besten honnige.
DEsse Insel Porto sancto / is vast eyn kleen dinck / by . xxv .
mylen groet jm vmmeuange. * Se is gevunden worden* in . xxvij . jaren
heer van den Schyplüden des obgemelten Forsten Hürich. Vnde hefft
ße mit sinem volcke van Porthegal besettet / vnde ße js vormals
nü nicht jngewanet gewesen. Ynde de gubernator edder höuetman
der suluesten Inseln / is Bartholomeus Polastrellus ein dener des
bemelten Forsten. In desser jnseln vindet men körn vnde haueren /
vnde is anervlödich van ßindtflesch / vnde van wilden swynen / vnde
kannine auer de mathe / Cuniculos. Vnde in desser jnseln vint mew
ok draken bloet / welker bloet wasset an den bömen / de dar suluest
staen / welkes draken bloet is eyn gummi / glaer / edder hart / dat
16pt vth den suluesten bömen / in ener benanten tyd in dem jare.
Vnde se bringent aldus vth den bömen. Se maken etlike streke mit
ener Exen efft mit einem Byle vnder den boem / vnde jm nauolgenden
jare / to ener wol bekanden tid so wunden edder houwen de suluen
in de gummi, hart edder glaer / welkes se dar na seden / lütteren
vnde reinigen / vnde also maken se dat draken bloet. Vnde desse
boem drecht ock eine vrucht welke in dem maen des Mertzen tydich
vnde ryp wert / vnde is wol gud to eten / vnde is gelick ener ker-
sebern eft wyselen / men is geel. Men vindt ock vmme desse jnseln
grote vische, Dentali vnde Orade / vnde ander gude vische. Desse
jnsel heflft neue porten efte hauen / hefft doch ßüs enen guden standt,
dar men bewart is vor allen winden / vthgenomen vor dem vpganck
vnde middach wind (dat is Osten vnde Südeni) vor den suluen winde;*
is men nicht wol bewaret. Desse jnsel is gebeten porto sancto /
vnde dar maket men dat allerbeste honnich (alse ick gheloue) so
men in der werldt möghe vinden / ock wasses etlike grote dele.
DAT VEFFTE CAPITTEL VAN ENER PORTEN EPPTE HAUEN IN
DER INSELN Medera de haue is genant Monericho / Ynde wo wyt
se gelegen is van Porto sancto.
Dar na an dem . xxvij . dage des Mertzen / vore wy hen wech /
van der vörgemelden jnseln Porto sancto / vnde vp den suluesten
dach queme wy tho Monericho / dat is ene van den porten vnde
hauen der jnseln Medera / welck yegen is van Porto sancto . xl . myle
wyd. Vnde wen dat weder klaer is so suet^) men van enem tom
anderen.
1) Die Puranihese nicht bei R V Hd. syhet.
121
HYR HEDETH SIOK AN DATH VEERDE BOECK: VNDE 18 van der
schypfart des koDninges van Castillia / van jnseln vnde landen in
kort gefunden.
DAT / LXXXnil / CAPITTEL: WO de Konninck van Hispania rfistet
edder bereydet twe schepe dem Christoffer^) Dnner^) van Jenna to
segeln tegen neddergattck edder Westen^).
DEsse Christoflferi) Duuer^) van Jenua / was ein vrischer^)
langer man / ynde was groter vornufft / he hadde ein lanck ange-
sichte / he na volgede vnde lange tyd anhengede den allerd6rch-
lüchtigesten kowningen van Hispania / an alle 6rde vnde so men hen
reysede to segelen*) begeerde ock dat se eme scolden helpen to rüsten
vnde beladen ein schyp vnde vthboet sick / he wolde vinden yegen
dem neddergange effte Westen^) Inseln / an India anstötende / dar
suluest ock dann de vulle der eddelen stene is / vnde spyssereyen /
vnde ock des goldes / welcker men mochte lichtHck auer kamew. De
Konninck yude Konninginne / vnde ock alle de vorgenömesten in
Hispania / hadden lange tyd ein spyl / tydvordriflP eiFte spot an
dessem vornemen des Christoffers / vnde am lesten na ßöuen jaren
effte auer ßouen jaren / \nde na sinen mawnichuoldigen begeren /
beden / \nde anlangen / worden se sinem willen to vallen^) vnde
rüsteden eme eine Naue / dat is ein groet schyp / vnde twe Grauele /
mit welcken he hen wech segelde van Hispania. Vnde anfangede
alzo sine schypfarth vnde reyße / vmme de ersten dage des Sep-
tember / dat is des Heruestmaens / jm . MCCCCxcij . jare.
DAT / LXXXV CAPITTEL : VAN vnbekanden vnde vnerhöreden Inseln.
Alse desser Christoffer Dnner van Jenna hefft gefunden.
DEs ersten mals schepede he van Gades / to den jnseln for-
tunate / dat is to den gelückseligen jnseln / welcke hiide by den
Hispaniern sin genant Ganarie / \nde werden van den olden genant /
de gelückseligen Inseln / in deme Mere Occeano / wyd an deme ströme /
dusent vnde twehundert walsche myle^). Vnde veer walsche myle
sin ein Lega / dat is eine düdesche myle^) / Desse Inseln Canarie
weren genandt Fortunate / dat is geluckselich / van wegen des tem-
pereerden vnrf^ guden luchtes dar suluest. Vnde sin gelegen vth der
helffte des Clima edder Cyrkels^) Europe yegem Myddage edder
SüdenlO) / se sin ock besettet mit nakedem volcke / welcker ock
levet ane alle Christenlike gesette / an desse ende schepede effte
segelde^) Christoffer Duuer / dar suluest water to nemen / vnde sick
to vorquicken. Tom ersten schepede he mit grotem vlyte / m6ye /
vnde arbeyde / na den nauolgeden Inseln / yegen neddergange effte
1) Hd. : Christoffel. «) Jtal. : Colombo, B. Dawber. ^) nicht bei R. *) t o
segelen nicht bei R. ^) nicht bei R. ^i Ital: Compiacetteno a sua volunta;
R. wurden sie zu gefallen seynem willen. '') Ital: Conta dal streto. Mcc. miglia
secundo sua rason che dicono xxx leghe. *) Diese Erldürung auch bei R. »j Cyrkel
nicht im ital Original, ^^ Süden nicht bei R. ") nicht bei R.
122
westeil 1). Also / dat he stedes na einander schepede dre vnde druttich
dage / vnde nachte / dat er nü kein landt efte erdtrike sach / na
dessem steech einer vp de Gabia des Schepes / dath is / de marße^).
Do segen se landt vnde vünden ß6ß jnseln. Vnder welcken weren
twe de weren einer vnerhöreden gröte / vnde eine is genant Spagnola -
de ander Zoanna mela.
DAT / LXXXVI. CAPITTEL VAN dessen ytzgemelden twen groten
Inseln / dat is Zoanna mela vnde Spagnola.
GRüntlick^j konde wy nicht weten eflft Zoanna ein Inseln were ,'
men alze wy dar hen quemen in de naheyt / ynde schepeden dar
suluest vmwe here an dem ströme / in demß Maente«Nouember / dat
is / in dem wintermaente do hoerde wy in den allerdickesten woldeu
ymle huschen^) de Nachtegalen singen. Vnde vünden to male sere
grote vlethe van ßötem water / vnde vast gude hauen*) edder porthen /
Alze wy also in desser mathe schepeden an dem ströme der Inseln
Zoanna / meer da,um achtehundert walsche myle / vnde (gij) vünden
dar neuen ende / noch ein teken des endes / do gedachte wy jd were
eyn vast landt / vnde meneden wedder vm;«e to keren / edder wedder
to rügge to varen / wente dat Mere begünde sick enge vnde smal
tho maken / vnrf^ de dach wolde sick ock ytzundt negen. Alze wy
nu dat Schyp hadden gewendet yegen deme vpgange effte Osten^) .
do werde wy vinden de Inseln Spagnola / vnrfö meneden to eruaren
de gelegenheyt der 6rde yegen middernacht edder Norden^) / do
nalede sick ytzundt dat landt / vnde dat gröteste schyp ginck vp
euer euenen drögen grundt / welcke dar was mit water bedecket.
Also / dath dyt sulue schyp sick vp dede edder vp ginck Ynde brack
entwey / men dar vmwie dat jd dar suluest vnder dem water an deme
boddem efte der grunt^) euen vnde stenich was / so mochte jd nicht
vnder gaen vnde vordrincken. Also stech dat volck in de kleynen
Grauele / vnde gingen dar na to lande / dar segen se de lüde vth
desser inseln / welcke / alze se vns worden seen / do vlögen se in
de allerdickesten wölde / gelikerwyß alze dat wildt nimpt de vlucht .
so man jd voruolget mit den hünden / Dyth volck is ein vnerhoreder
gesiechte / de vnsern volgeden enen na / ynde vengen eine vrouwen
vnde vöreden se^) to deme schepe / dar suluest geuen se eer wol to
eten / vnser spyse Yude wyn. Vnde klededen se ßiiuerlick / wente
se gaen bloth edder naket^^ / dar na lethe wy se wedder \mme gaen.
DAT. LXXXVII . CAPITTEL: VAJV dem wegen / seden / gewaen-
heyden^) / ynde egenscop der Inseln Spagnola.
ALso vorth do desse vrouwe wedder vmnie to den eren quam
(wente se wol wüste wor se weren) ertogede vnde wysede se ene de
^) nicht bei E. ^) Diese Erklärung nicht bei R. ^) Ital: ben certo; B.
Aygentlich. *) Hd. gestatte. ^) nicht bei 1{. •) G. Juxt hier den Druckfehler so,
aber Hd. sie.
123
wunderbaerliken kledere / alze se van vns hadde entfangen / vnde
vüse gute vnde mildicheyt / do quemen se alle samptliken gelopen
an dath Mere / mit grotem verwunderen vnde vngestüme effte
krischen^) vnde meneden / wy weren ein volck vaw dem hemmel
beer gesenth / se Sprüngen in dat . water / vnde bröchten goldt mit
sick / welkes se dar sulues hebben / vnde vorwesselden efte vor-
buteden dat goldt vmme erdene theller / vnde glesene schalen / wer
enen gaff einen natelremen^) efte hasenremen / edder eine / schelle
efte klocken edder ein stücke spegels / efte anders wat des geliken /
deme geuen se sulkes goldt wedder / wente des hebben se. \nde
se hadden ytz alrede samptliken mit vns gemaket früntlike kuntschop.
Alze wy vrageden van erem wesen yude seden / do erkende wy an
eren teken vncfe gebeerden / dat se vnder sick enen kowninck hadden.
\nde alze wy nu vth stegen to lande / do worde wy vp dat aller-
heerlikeste vaw dem Konninge entfangen / yude des geliken van den
jnwaneren desser Inseln worde wy lefliken angenomen. Alze nu der
auent quam vnde de unseren lüdden^) to beden dat Aue maria / do
kneeden wy vns nedder / des geliken deden se ock. Vnde alze se
segen dat de vnseren anbededen dat Grütze / des geliken deden se
ock. Ock do se segen / dat vnäer vörgemelde schyp was tho braken /
do voren se to dem suluen vp eren kleynen scheepkens^) \nde vöreden
vnse volck vnde güdere tho lande / mit sulker leue vnde vrüntscop /
dat jd is wünderbaerlick tho vorteilen. Item ere schepe sin gemaket
van einem enigen holte / se sin vthgeholket / edder hol gemaket /
mit seer scharpen stenen vnde sin lanck vnde enge. Se hebben ock
etlike Schepe dar suluest / der eines hefft by achtig Rodere. Se
hebben mit alle neen yseren in der suluen Inseln / dar vmwe vor-
wünderden sick de vnseren tho male sere / wo se doch makeden edder
buweden ere hüsere / welcke wünderbaerlick sin gebuwet / vnde ock
ßüs andere dinge de se hebben. Also vorneme wy dat se sulkes
alles makeden mit etliken vast harden stenen vth den vleten / welke
ock vast scharp sin. Wy vornemen ock dat nicht verne effte wyde
van desser jnseln ock weren etlike Inseln / in welken seer grwsame
lüde waneden / de suluen ethen mynschen vlesch. Vnde dar vmme
so was dyt de oersake / dat se tom ersten / alze se vns segen de
vlucht nemen / wente se gedachten wy weren der suluen lüde / welke
genandt sin Canibali. Vnde de vnseren hadden de Inseln desser lüde
Canibali liggen laten / vngeueerlick vp deme haluen dele des weges /
vp der syden yegen dem middage / dat is Süden^).
DAT LXXXVIII CAPITTEL : YAN den seden \nde gebruken desses
volckes Oanibali.
ÜEsse arme lüde beklagen sick 'to male sere / wo se belastiget
werden vnrfe gepyniget van dessen Canibali / nicht anders dann wo
') nicht bei B. *) Hd. hosen nestel ^) Hd. lewten (= läuteten). Ital :
dato el signo de! Aue Maria. *) Das ital. Original fügt hinzu: che chiamanano
Canoe. «; Nicht bei B.
124
de wilden deerte voruolget werden van den Löuwen vnde van den
deerten Tygris. De jungen knechte wen se de suluen gefangen
hebben / so vorsnyden se denne de suluen / alze wy doen den
ha/nmeleni) efte bötlingen / vp dat / dat se dester vetter scholen
werden *to dödew. Men wann« se manne vangen / so döden se de
alze se sin / \nde ethen sine darnien edder jngeweyde^) also vrisch
eifte versch2) / des geliken sine vthwendighen ledemate^) sines lyues /
alze de hende vnde de v6te &c. Vnde dat ander deel sines lichammes
solten se in / \nde behelden efte bewaren dat beth tho siner tyd /
gelick alze wy doen mit dem vlesche. Men wanner se wyuer vangen /
de suluen ethen se nicht / yodoch behoelden se desse vmme des
willen dat se scölen kinder dragen / nicht anders dann alze wy de
hennen holden vmnie der eyer willen. Vnde de olden wyuer gebruken
se vor Sclaven / dat is to denerinnen in allem swaren Ynde hardem
arbeyde. De jnwanere desser jnseln samptliken beyden man vnde
vrouwe/j / wanner se mercken wnde bekennen / dat de Canibali willen
sick enen to nalen, so weten se sick nene andere erlösinge effte
vristinge eres leuendes / dann alleyne de vlucht. Dyt volck bruket
ok wapen / dat sin seer scharpe gleuinge*) edder gauelinen*) / men
wedder to staen der grimmigen douendicheit \nde bitterheyt desser
Canibali / so helpet jd gaer weynich. Dyt volck sprack ock / wawner
teyen der Canibali auerkamen der eren hundert yodoch auerwinnen
de teyen Canibali der eren hundert. Wy mochten nicht wol vornemen
effte erkennen wat dyt volck anbedede / danne den hemwel Sunne/i
Ynde Maen. Van den seden ynde gebruken der andern jnseln mochte
wy sunderlick nichtes nicht eruaren / vmwe der körte willen der tyd /
Ynde feyls efte gebrekes d^ Tolke^.)
DAT LXXXIX OAPITTEL: VAN den seden geviraenheyden vnde ge-
bruken der jnwanere in der jnseln Spagnola.
DAt volck in desser jnseln gebruket in der stede des brodes
wörtelen / de sin in der grote Ynde forme alze de langen ynde gelen
moerwortelenß) / vnde sin ein weinich ßöthe / alze de verschen
Castanien^) / desse wörtelen nömen se Ages. Dat goldt is by en in
etliker mathe geachtet. Se dragen dat goldt anhangende an den
Oren vnrfe Nasen. Wy erkanden ock / dat se nicht hantereu mit
kopenscop / van dem« enen orde to deme andern. Vnde vrageden
se ock dorch bedudinge Ynde teken / wor se dyt goldt vünden / do
vorstünde wy Ynde vornemen / dat se jd vünden in dem sande etliker
vlete edder beken^) alze dar kamen effte lopen / van den aller-
högesten bergen / vnry^ vinden edder sammelen jd in runde körnekens
wyse^) Ynde dar na slaen se jd to breden stücken / alze ein koke^ö) /
^) Ital noi castrati. *) Nicht bei E. ') Ital li estremi membra del corpo ;
R. auszerliche glider. *) R, hat nur lentzelein. ^) Hd mangel der Dulmetschen.
®) Hd. Steckrüben. ^) Hd. kosten oder Castanien. ^) nicht bei R. •) Hd. in
kugeis- oder körner weyse. *°) Hd, nur: zu plechen.
1^5
yodoch vindet men goldt an dessem orde der jnseln dar wy weren /
alze wy denne noch dar na voruören ynde eruörschedewi) do wy
gingen vmme de jnseln / noch dann alze wy dar suluest hen wech
vore / do queme wy vngeuerlick an ein seer groet vleet / vnde alze
wy dar suluest gingew to lande to vischen / Ynde water to nemen /
do vünde wy dat sandt mit golde seer vormenget. Ock seghe wy
nicht in desser Jnseln ein veeru6tich deerte / danwe dryerley Canninen
vp latin Cuninculos. Ock sege wy einen groten hopen seer gröter
slangen / welke de sulue jnsel erneret vnde spyßet / \nde de suluesten
slangen doen nemant schaden. Wy sogen ock dar suluest wilde
Tertelduuen vnde Antuögel^) / de weren gr6ter dann^ de vnseren.
Ock sege wy G6ze / de weren vthermaten schöne ynde wyth \nde
haddew einen roden kop. Item wy sogen ock Papagalli (na etliker
vthleggen Papegoyen^) welcke etlike grön sin / etlike gantz geel /
etlike weren gelyck den van India / Ynde hedden enen roden hals
efte kele vnde hörst. Wy vöreden erer by . Ix . mit vns hen wech /
de weren van mannigerleye varue / desse suluesten Papagalli bewyseden /
(lat dessc jnsel ein deel effte weynich der arth sy des landes India /
(iorch de nature edder dörch de naheit.*) Dyt landt dat brinckt van
nature Tele Mastix Aloe BoemwuUe / ynde andere sulke dinge. Id
brinckt ock etlike körnekens de sin roet / Ynde ock mannigerleye
varue / se sin scharper / bitter / edder beter^) dann de Peper / wy
hebben de körnekens vorßöcht. Id brinckt ock Canneel vnde Engeuer /
welker wy mit vns hen wech vöreden. (giij).
DAT XC CAPITTEL: WO DAnnewyß der Christoffep Dauer Iceth to
rfigge achter^) sick . xxxviij . mattne / vp de tyd alze he heu segelde
effte sehepede^) / welke manne scolden leren vnde eruaren dat wesen
der jnseln.
DEr Christoffer Duuer (vp latin vnde walsch heth he Christof-
ferus Columbus') was vp dyt mael to vreden an dessem nyen lande.
He bekende an etliken meldingen / dat an den örden eine vnerhörede
werldt were. Vnde alze jd im Sommer^) was / so menede he vnde
v«*«rsettede sick na büß to varen / alze he denne dede. Vnde leth
by deme vorgeraelden konninge sines volckes xxxviij manne / welke
scolden leren Ynde eruaren de gelegenheit Ynde egenscöppe desses /
landes / beth tho siner tho kumpst. Desser konninck was genandt
tTuacranarillo / mit welkem konninge makede der Christoffer Duuer
ein^gedinge / eyninge effte vorbundt vrame siner . xxxviij . manne
^) nicht bei B. ^ Hd. fügt hinzu: ader Endten ^) Die Parenthese nicht
^fei R. *) Das ital. Original fügt hier hinzu : benche la opinione di Colombo pari
aduersa ala grandeza de la spera. Atestando maxime Aristotele nel fin del libro
de celo e mundo Seneca e altri che nö söoo ignoranti de cosmographia dicono
lindia (Indien) nö molto distare de la Spagna per longo tracto de mare. ^} Hd.
scherpffer oder reßer. *j Hd. nur: hinter sich. ') Hd. nur: hinweg schyflFte.
*) Ital la prima uera; B. im Lentzen.
126
haluen / alze he by eme leth / dat he desse ma;me wolde hoelden
in guder bescherminge^) / Ynde behoelden se by dem leuen. Alze nu
de konninck desse ma^me ansach / dede vp de tyd dar suluest by
eme scolden bleuen / do wart he beweget mit barmherticheyt. Also /
dat eme de tränen efte dat water van den ogen^) vthgingen / ynde
nam se in de arme / to einer betekinge dat he ene wolde alle vriint-
scop vnde guden willen bewysen. Also na dessem segelde ChristofFer
Duüer hen wech na Hispania / vnde vörede mit sick teyen manne vth
desser Jnseln / van welken teyen mannen he möchte erkennen / dat
ere sprake were lichtelick to leren / vnde men mag se ock schriuen
mit vnsen boeckstauen. Se nomen den hemn?el Turci / ein huß Boa /
dat goldt Cauni / vnde einen erbaren man nömen se Toyno / wnde
nichtes Maxani / ynde andere ere w6rde reden edder spreken^) se
nicht to myn / dann alze men im latin alle worde reden vn^^^ spreken
mach. Dyt is alzo gescheen in der ersten schypfarth eflfte segelinge.^)
DAT XCII CAPITTEL. WOdanewyß der Christoffer Dauer vanth de
jnseln der Canibali / der mynschen vreteren.
AN deme ersten daghe des Octobris / dat is / des Wynmaens /
do schepede Christoffer Duuer^) hen wech van Canaria / vnde voer
effte segelde^) ein ynde twintich dage vp deme Mere eer he denne
landt vanth / he schepede auer dath Mere tho der luchteren handt /
yegen dem myddages winde edder Süden 3). Dyt was eine andere
erste reyse effte schypfarthe / in welker he quam in de jnseln der
Canibali. Vnde tom ersten segen se einen waldt / desse was also
dicke van bömen / dat men nicht mochte erkennen / wat dar suluest
were / vnde jd was an einem Söndage alze se dyt segen / do nömeden
se desse landtscop Söndach^). Vnde alze se bedachten dat jd dar
weer jngewanet do bleuen se dar suluest nicht /.ßunder se schepeden
wyder vor an hen wech. Se schepeden efte segelden^) in dessen ein
vnde twyntich dagen na erem beduncken / achtehundert ynde twyntich
düdesche myle edder Lege (men n6met jd ock wol eine wekesees^)
se hadden vp de tyd guden windt van myddernacht efte Norden. Alze
se nu van desser vor gemeiden jnseln hen wech vören / do quemen
se in korter tyd in eine andere jnseln / de was auervlotichliken vul
bome / de geuen einen wünderbaerliken r6ke. Id giengen erer etlike
to lande / de segen nene mynschen / ock neue andere deerte dann^?
Lacertas / dat sin egedytzen^) / de weren einer vnerhoreden gröte /
Desse jnseln nömeden se to deme Grütze / ynde was dat erste inge-
wanede landt / dat se segen na erem affscheden van den jnseln
Canarie. Desse Insel was der Canibali / alze se vp de tyd dar na
erkenden dorch de voruarenheyt ynde dorch de Tolcke vth der jnseln
') Hd. schütze vnd schirme. *) Hd. trehem oder zeehem von den äugen.
') nicht bei B. *) Ital. le Admirante Golombo. '} Ital Domenica. •) Die Paren-
these nicht bei B, vekesees etwa 4 oder ö Scenieiknj vgl mnd. Wh. V 059.
^) Diese Erklärung nicht im ital Original
127
Spagnola / welke se mit sick hadden. Vnde alze se voren vmme
desse vor gemelden jnseln / do vünden se vele doerpkens^) / welker
einer by twyntich beth in drüttich hüser hadde / welke alle weren
gebuwet na der ordeninge / geringeswyß vmwe einen runden Plaen /
welcke^) do was dar suluest in deme middel. Se weren alle van holte
gebuwet / mndt alze ein bozelkloet^). To dem ersten so maken se
in de erden vele höger bome / welke dar maken den vmme gryp edder
vmme kreetb^) des hußes / dar na maken se dar in etlike körte
balcken de sin jngeslaten / geschortet effte angehechtet*) an desse
langen holter / dat se nicht können vmme vallen. De auer decke
edder dath dack maken se geformte edder gestalt^) / gelick alze dat
dack enes Teldes / Ynde alle desse huser hebbew spysse dake / dar
na schörten / vlechtew / edder knutten^) se desse langen holter mit
Palm biedern / vncfe ßus ock mit anderen biederen desser gelick.
Also / dat se seer wol sin bewaret vor water / (giüi). Vnde jnwendich
van vnder beer / vlechten se de korthen balken mit boemwuUen
stricken / vnde mit wörtelen de sin gelick den heyde büschens / dat
is Genestra. Se hebben etlike ere beddestede staen in der lucht /
vp welke se leggen boemwulle mde stro / to einem bedde^) / wy segen
an einem ende twe höltene sulen^) de stünden vp twen slange« / wy
meneden dat jd ere aflfgödere weren / men se weren alleine so vp
geseth to einer schoenheyt edder zyrheyt / wente se anbeden alleyne
den hemmel vnde de planeten. Alze de vnsern sick nalende worden
tho dessem ende / do worden de manne vnde vrouwen desser Inseln
dar van vleen edder lopen vnde verlöten ere hüser / do vünde wy
drüttich vrouwen Yude junge knechte / de hadden se geuangen de
suluesten Canibali / in etliken jnseln dar ßüluest vm^ne liggen / vp
dat se desse wolden ethen / vnde de wyuer to hoelden vor Sclauen /
de ylögen to vns. Ynde alze wy in ere hüsere gingen / do vünden
wy dat se hadden stenen schottelen eflfte vathe^) / na vnser wyse /
van allerleye forme edder gestalt^) / \nde in den koken hadden se
mynscheM vlesch to seden / mit sampt Papegoyen Gözen vnde Endten /
de steken an den bratspitten to braden. Vnde vünden ock armen
bene / vncfe der geliken van den schincken^) der mynschen / welke
äe beholden Yude vorwaren / dar vth to maken spyssen an ere pyle /
wente se hebben nicht yseren. Wy vünden ock ein höuet van enem
jungen knechte / desse was kortlick to voren gedödet / dat hengede
an enem balken effte wymen^) / wnde dat bloet droep noch dar vth.
Desse Insel hefft achte grote vlete / vnrfe se nömeden se Guadipea /
dar vmme dat se gelick is vnser leuen vrouwen berge to Guadaluppi
in Hispania. De jnwaner dar suluest nömeden se do Carachara.
Men brinckt vth desser jnseln Papegoyen / de sin groter dann^ de
') Hd. weyler. *) Hd. bloss: kögelath. ^) Hd. nur: vmbschwayfFe. *) Hd.
««r: eingeschlossen oder angeheffthe. *) nicht bei B. ^) Das ital. Original fügt
hinzu: Et hanno portichi: done se reduccano in ziiccare, was E. wegUess, weil er
das seltene se reducano wahrscheinlich nicht verstand, 7) Ital. statue. ^) Hd,
nur: geveße. •) Hd. schenkein.
128
Fasani edder F^ysanen / vnde sin vele anders gestalt danwe de andern /
se sin am gantzen lyue roet^) YJide de vlögel sin mannigerleye varue /
YTide de w6lde dar suluest sin vul der Papegoyen^) / welken desse
lüde tho ethew geuen vnde vp v6den / vnde dar na so ethen se denne
de suluen.
Der Christoffer Duuer^) leeth vele schenckinge doen den wyueren
so dar vp de tyd weren to eme geflagen / vnde jd geuil*) effte be-
leuede enen / dat se mit dessen schenckingen scolden henne gaen to
ßöken de Canibali / dar vmme / wente se wol wüsten / wor se weren.
Also gingen de gemeiden wyuer hen / vnrfe vundew erer einen groten
hopen edder tal.^) Men alze se segen de vnseren / efft jd geschach
vth vruchten / alze se möchten hebben / efft vth eren weten^) auer
ere b6zen wercke / edder missedaet / so sach eine dem andern in
dat angesichte / vnde worden alle vleen in de dale Yude wolde van
dar nicht verne. Alse de vnsen de jnseln hadden vmmegangen / do
quemen se to den schepen der Canibali^) ynde to breken se alle /
also vele se erer vünden. Vnrfe also voren de vnsern hen wech van
desser Guadaluppa / to ßöken ere geselscop in der jnseln Spagnola /
ynde leten vp der ersten varth to der rechten vnde luchteren efte
lincken handt vele jnseln liggen. Id erscheen ene yegen myddernacht
edder Norden eine grote jnsel / do spreken de yennen so Christoffer
Duuer^) hadde mit sick geuöret vth der jnseln Spagnola de konden
de sprake / ynde ock de yennen / so wy erlöset hadden vth den
henden der Canibali / se weren genant efi'te gebeten^) Marinina^j /
ynde sprekens vorwaer^^J / dat in desser suluen jnseln anders nemant
en wanede / dann^ alleyne wyuere / welke to einer tyd im jare sick
vorsammelden / ynde lyflick to samen quemen mit den Canibalen^^) /
vnrf^ wanner se dene dar na Söne telen^) edder geberen / so neren
efte vöden^) se denne de suluen / ynde schicken se denne to eren
vadern. Men wanner jd döchter weren so beheelden se de suluen
by sick. Se spreken ock dat desse wyuer / hadden etlike grote
grauen / knien / grouen ynde höler^^) vnder der erden in welke se
vleen efte de vlucht nemen^) / so euer to ene kümpt / to einer andern
tyd im jare / dann jd vthgesettet edder vthgedelet is. Ynde so ener
vth vyentscoppe efte mit gewalt / wölde hen in ere jnseln / so be-
schütten effte beschermen^) se sick / ynde weren sick mit schotte ynde
mit pylen / mit welken se seer wol scheten könen. De vnsern mochten
to der suluen tyd nicht nalen to desser vor gemeiden jnseln / ynde
schepeden hen wech / na deme se desse jnseln geseen hadden / vyfftich
*) llal. häno tutto el corpo : & le spalle rosse. Die leUten vier Worte Hess
R. als unnötig weg. ^) Itat. Non mancho copia häno de Papagalli, che appressi
de noi Ciligati. ') Ital Lo admirante Colombo. *) Ital ordinaro ; R. er beualche
inen. G. hat es also falsch verstanden. *) Ital fügt hinzu: de qlli li quali veniano
per in gordita de 11 domi (domi Druckfehler, vgl. Ital. per ingordita de li donni
= Frauen.) R. Hess die Stelle als unverständlich weg, *) Ital. conscientia ; Ud,
gewissen 7) nicht bei R. *j Ital. lo admirante. ^) Schon bei JB., aber Ital,
Matinina. ^^) Hd. aygentlich. ") Ital. fügt hinzu: come se dice de le amazone.
*^j Fiir die vier Wörter hat R. nur gruben und holen und Ital. nur caue.
129
walsche myle Ynde v6ren vor ene andere Inseln / van welker de
vaken gemeiden vth der jnseln Spagnola spreken / dat se mit sere
vele Volkes beseitet weer / vnde weer auerulödich van allen dingen
alze dar noet sin to entholdinge des mynschen / vnde wo se were
val höger berge. Also geuen se der jnseln so danen namen Mon-
ferrato / dat is / de yseren berch. Ock sprecken de vaken gemeiden
vth der Jnseln Spagnola / des geliken ock de dar gelöset weren van
den Canibali / dat de Canibali yo by wylen dusent walsche myle vth
voren / vp dat sie mochten mynschen vangen / vnde de suluen to
ethen. Dar na des andern dages quemen se to ener anderen jnseln /
de was rundt edder ringeßwiß gestalt / der gaff Christoffer Duuer^)
den namen Sancta Maria rotunda. Vnde dar na noch eine ander
jnseln / de was wyder hen vth / desse nömede he / tho Sunte Märten /
men in nener desser jnseln töueden^) efte rasteden se. Vnde an
deme drudden tage viinden se noch ein mael eine andere Insel /
welke na erem beduncken edder gyssen^) was an deme ströme van
deme vpgange yegen neddergange / dat is / vam Osten yegen Westen^) /
anderhalfifhundert walsche myle lanck. De Tolcke desses landes
spreken warafftichlick dat desse vaken gemeiden jnseln / alle sament-
iick eflfte mit einander^) wünderbaerlick schön weren / vuifie vruchtbaer.
Vnde desse lesten nömeden se tho Sancta Maria antiqua. Na desser
vunden se noch to malen sere vele jnseln / vncfe ßünderlick by veer-
hundert walsche mylew van dawne dar viinden sie eine de was gröter
äsLJxne alle de anderen / welke van den jnwaneren dar suluest is
genant / Ay ay / vnde de vnsern nömeden se to deme / Hilligen
Crutze^j AI dar nemen se water Vnde der Christoffer Duuer^)
sendede drüttich manne to lande / vth sinem schepe / de scholden
de jnseln beseen vnrfe bschouwen / dar van to vorkünden vnde to
beduden^). Also viinden se veer Canibali / mit veer wyueren / welke
de vnsern segen / vnde desse weren mit den henden to samen ge-
bunden / so bedachte en dat se begereden hülpe / also löseden se de
vnseren / vnde de Canibali nemen de vlucht hen in de wölde. Vnde
alze der Christoffer Duuer^) dar suluest twe dage hadde gewesen /
do leeth he dar suluest bliuew siner menne drüttich stedes vorborgen.
In deme suluen segen de vnseren kamen eyne Barcka^) edder schyp /
mit achte mannen \nde achte vrouwen / dat sulwe schyp anrönnedew
de vnsern / men de in deme schepe de wereden sick mit pylen. Also /
dat to der tyd eer sick de vnseren mit Schilden^) edder borstweren
bedeckeden / so wart vnser einer^) geschaten van der vrouwen einer /
welke ok ßüs noch einen anderen hertlick vorwundede. De vnsern
bekenden wol dat ere pyle vorgyfftiget weren wente bauen an der
spysse weren se gesaluet / mit einer vörgyfftigen salue. Vnder welken
was ein wyff welkerer de anderen alle gehorsam Yude vnderdanich
weren / gelikerwyß alze einer konninginnen / de sulue hadde by sick
*) Ital. lo admirante. ^) nicht bei R, ') Ital. sancta croce. *) lUnh una
Chanea cioe una Bracha. *) Ud. Tartschen. *) Hd. jre einer, was falsch ist.
Ni«derdeat>ohefl Jahrbuch XXXIV. 9
130
einen jungen / dyt was eer Sone / de was grwlicker vnde grwsamer
gestalt / mit einem angesichte alze ein mördeneer. De vnsern be-
sorgeden sick dat se mochten mit eren pylen gewundet werden / vnde
gedachten vor dat beste / an se to nalen. Also qiiemen .se to en /
Ynde vnderßuncken en ere schepe / dar na swömmeden beyde manne
xnde vrouwen im water / yodoch nicht to myn schoten se to den
vnseren / gelikerwyß alze weren se noch in crem schepe gewesen /
vnde quemen vp enen vasten boddem eflfle steengrunt mit water
bedecket. Alse se sick dar suluest trostliken yegen vns wereden /
do worden se geuangen van den vnsern / \rxde einer van en wart
doetgeslagen / wnde der konninginnen Söne wart verwundet mit twen
wunden / \ude men bröchte se geuangen vor den ChristofFer Duuer^) /
do stelden se sick also grwsamlick vnde grwliker wyse / gelikerwyß
alze ein wylder I6uwe wawner he völt edder vornimpt dat he gebunden
vnde geuangen is / so wert he mer dörder Ynde dauendiger. AI de
se ansach de vorschrack \nde vrüchtede sick v6r en / also vor-
schreckelick vnde düuelsch weren ere angesichte Ynde gestalt. Alze
nu de vaken gemeide Christoffer Duuer^) alduß voer hen vor an /
nu yegen myddach efte Süden / nu yegen neddergange edder Westen /
so quam he vp eine wyde des Mores / de was vul mannigerleye jnseln
ane tal / etlike ersehenen mit velen w61den / vncfe lustich / etlike
dorre / vnfruchtbaer / stenich / ynde vul berge / etlike ertögeden
sick twischen den bieten bergen Krymisin varue / de andern Violen
varue / de anderen de aller wyttesten varue / also dat vele meneden '/
jd weren äderen effte ströme van metalle \nde eddelen gesteinten /
Se schepeden nicht dar suluest hen auer / wente dat weder was nicht
gud. Se beurüchteden sick ock vor de veelheyt der jnseln / dat de
grotesten schepe mochten lopen an de klyppen vnde b6sen gründe /
Ynde nemen schaden / vnrf^ na leten dyt vp dat mael / villichte beth
vp ein ander tyd to teilen einen sulken hopen der Inseln / so wun-
derbaerliken vnder einander vormenget. lodoch so gingen effte voren
etlike Grauele edder schepe / so dar nicht deep water bedorueden /
dar suluest hen in de naheyt / Ynde telden der suluen jnseln ßöß
vnde veertich. Vnde nömeden desse örde Arcipelago / dat is ein
Ertzemeer / vmwe der veelheyt willen der suluen so velen Inseln.
Alse se noch hen vor an schepeden vp desser varth / do vünden se vppe
haluen wege eine jnseln genant Buchema^) / dar suluest weren der
yennen vele so dar verloset weren vth den henden der Canibali de
spreken / dat se mit to malen velem volcke were beseten edder
jngewanet / Ynde hadde gebuwede edder geackerde velde effte erdt-
rike / Ynde were vul klyppen Ynde w61de / Ynde spreken / wo de
Inwaner dar sulust weren stedes vyende gewest der Canibali. Se
hebben dar suluest neue schepe / vp welken se mochten varen in de
Inseln der Canibali. Wanner jd sick denne by wylcn begyfft / dat
1) Ital, lo admirantc. ^) Ital. Büchema.
131
de Canibali kamen in ere jnseln / se to bereuen ynde wech to
voren / \nde so se en mögen \nde könen auerwynnen / so steken se
en de ogen vth / ynde houwen se to stucken / braden se \nde vrethen
se vor einen roeff / ynde dyt wart vns alle gesecht dorch de Tolcke /
de wy mit vns badden geuöret vth der jnseln Spagnola. De vnseren /
Tp dat se nicht vorßümet worden / so na leten se desse jnseln / vth-
genamen vp enem orde yegen den nedderganck dar stegen se vth / dar
suluest water to nemen / so viinden se dar ein schoen groter büß na
eren seden / mit sampt andern twelff kleinen büseren / de stünden w6ste
efte leddich / men sie wüsten nicht efft dyt de oersake was / dat se
tho der suluen tyd des jares in den bergen waneden / vmme der bytte
willen / ynde ock vmwe des vruchten der Canibali. Alle desse jnseln
hebben einen einigen kowninck / welkeren se nömen Chiachichio /
vnffe alle dyt volck is em mit seer groten eren vnderdanicb. De stroem
desser jnseln erstrecket sick yegen middach edder Süden / by twe-
hundert waischen mylen. In desser nacht Sprüngen vns twe jungen
\ude twe vrouwen in dat Mere / dede verloset weren vth den henden
der Canibali / ynde swömmeden in desse jnseln / welke eres vaderlandt
edder ere heyme was.
DAT CXLIII CAPITTELi) / EIN aifschrifft eines Sendebrenes / so
vDsem aller billigesteH vader dem Paweste Jnlio dem . ij . is gesaut
worden van dem allerd6rchlüchtigestem Forsten vnde heren / heren
Emannel konninek to Porthegal &. An deme . xij . dage Jnnij^) des
Brackmaens / jm . Mccceeviij . jare / \üde holt in sick van den
vorgemelden wünderbaerliken reyßen ynde sehypfarten yegen Vpgange
efte Osten^) / doreh de Porthegalier vnllenbröcht / in welken se
voronerden xwle vnder sik hebben gebrocht Lande Stede Blicke ynde
DSrper dar sulnest myt groter manslaehtinge.
DEme allerhilligestem vader in Christo vnde allerseligestem
heren / heren Julio vth götliker ordeninge allerhogesten Bischoppe /
secht siner hillicheit de andechtiger Sone Emanuel / van gades gnaden
Ko/minck tho Porthegal ynde Algarbien / hir beer ynde dar hen des
Meres in AflFrica Here der schypfart ynde kopenschop to Ethiopia
Arabia Persia ynde India / der suluen hillicheit vothe allerdemodigesten
küsse. Allerhilligeste vader / der almechtige godt de meret ynde
bewyset va?^ dage to dage sine wünderbarlike groetmechticheit auer
dessen hilligen Stoel / to einem teken^) yuwer hillicheit / ynde to
einer vorheuinge / edder vorhoginge d^r Christliken kerken. He suet
beer äff van dem he?nrael na siner vnentliken güdicheit visiteret*) /
\nde vullenkamen maket sinen Wyngaerden / welken sine gotlike gnade
wil hebben dat he gebuwet werde an den orden des Osten durch vns /
*) Dieses Kapitel bei K aber nicht im ital. Original. ^) nicht bei B- ') J^f^-
Zierde. *) Hd. heimsuchte.
132
\nde hefft vns vrölike dinge ein na dem anderen stedes laten erschynen
YTide to staen / so hebbe wy gedacht sulkes yuwer hillicheit / to
sampt der gantzen gemeinschop der Christenheit to vorkünden. Id
is vp dyt mael gekamew allerhilligester vader vnße schypfart geladen
myt Mertze edder kopenschop yth India ynde anderen 6rden des
Osten / welkere wy in vorgangener tyd dar hewne sendeden / se
konden doch des suluen jares nicht to India kamen van des störmes
weghen der wynde / welke se vorwürpen. Welkere arbeitsame efte
sware schypfarth de götlike güdicheit denne noch also gemetiget hefft /
dath se nicht hefft willen sulke erdöme \nde dröffnisse wedderumme
blytschop to erlangen. Alse de almechtige got gyfft vns vaken nicht
dat sulue dar vmwe wy dewne bydden vp dat he vns ein beters geue /
dar mit he villichte bystant wil doen den vnseren in eren arbeiden /
to einer des to ringern bestrydinge (alse wy hapen) der Sarracenen
an den örden Arabie vnde Persie. Alße nu de öuerste Höuetman
vnser schypfart alßo van der angeuangen schypfart vorhyndert wart
do bestreet he ynde anstickede etlike rike Stede der Sarracenen in
Ethiopia / an den örden dar jd seer na stöt an Arabia. Vnder
welken Steden was eine genant Xer de wart vorschrecket van den
doetslagen so dar geschegen an den anderen negesten vmweliggenden
orden / \nde auergaf sik vns jaerliken tynßbaer to sin. \nde gaf
to hant den ersten tynß edder lösinge an ydelew Marcellen / dat is
eine Venedyer Münte / jd sint Schillinge alse by vns do dubbelden
Lübeschen Schillinge^) mögen sin. Vth welkem men merjten mach de
gewalt der Christen / so dar vthgestrecket wert beth an den aller-
ütersten orth des landes Ethiopia. Na deme bestreet he vp der
ßüluen vart de allerrikesten / vnde (liij) berömesten vnd aller-
strytbaersten stadt genant Braua / \nde voniolgede dar suluest myt
ernstlikem stryde de jnwaner ßo öme vth der Stadt entegen quemen
to vorachtinghe der vnsen. Jodoch alse de vyende wedderumme de
vlucht in de stadt nemen / do nauolgeden de vnsen hen in beth in
de Stadt / vnde deden dar suluest in der gemeiden stadt einen gvoten
doetslach. lodoch alse de vnsen dat Sloth bestreden / do haddeii se
merkelike möye vnde arbeit / vmme des suluesten volkes behende
lysticheit / vörsichticheit vnde vorstoppeder^) vortwyuelinge wyllen.
Do nu de vnsen gewiinnen do vorslögen wnde wörgeden ße alle de
jnwaner dar suluest / ynde vorbrenden de Stadt gantz vth beth vp de
grünt / vp dat / dat dar nu geseen mochte werden / de almechticheit
vnses salichmakers in allen dingen so durch de vnsen an den suluen
örden sin vullenbröcht / ynde voruullet worde de spröke Dauid an
deme . xcvi . Psalmen / dar he sprickt. Ignis ante ipsum precedet
et inflararaabit in circuitu inimicos eius. Dat vür wert vor beer gaen
vor dem heren / ynde wert vorbernen in dem vmmeuange sine vyende.
Alßüs worden vorslagen der vyende / alleine myt dem jseren by
anderhalff dusent / vnde in der suluen slachtinghe worden gefunden
*) lfd. die Issprucker Schilling. ^) lld. verstockter.
133
\'mk genamen by den anderhalff dusent talenta van ßülueren ringen
der Perde / vnde andere klenode na der gewaenheit des suluen
Volkes / so se an erem lyue gedragen hadden / jd wart ock vele
meer gheschattet. Vnde ein talentum is gemeinlick ein gewichte van
. Ixxij . punden. Also na dessetw do toech de Houetman vnser schyp-
fart (alse ome beualen was) vor de vmchtbaersten jnseln der Christen
^elege» vaw dawne by negentich waischen mylen / de se nomen
Zocothora / de dar vnderworpen is den Sarracenen / vnde is seer
na an den strömen edder stranden des landes Arabia / vnde is ock
seer wyd gelegen van des Persischen vnde Arabischen Meres vthuleten.
In der suluen jnseln bestelde wy ein Castel Lantweer^) edder Vesten
to buwen / dar vmwe dath men bestryden vnde vorst^)ren mochte
dat Sloth der Sarracenen to Mecha. Vnde ock dar vmme dat vor
an ien Sarracenen gantzlick benamen worde de macht edder vryheit
to schepen in de Sinus / dat is in de vthulete des Arabischen vnde
Persischen Meres / also dat ße an den suluen örden des Meres nu
nicht meer handelen edder koepslagen mochten / van wolker hande-
linge efte kopenschop sik de minschen in myddeln lantschoppen ok
seer enthoelde/j. Alßus dyt werck to vullenbringen so voreden de
^Tisen mit sick ein holten Castel / ingedelet in de schepe / welker
(alse se dar henne quemen) vnuorsagentliken^) vp richteden to einer
beschuttinge tegen de ßuluen / so en mochten vordreet edder wedder-
stant hebben gedaen / de wyle ße jnwendich de Nauen buweden /
yodoch so behödde gnedichliken de barmhertige god de vnsern. Alse
nu doch de vnsern quemen to der jnseln / do vündew se dar suluest
ein seer wol vorßöchtet^) Castel (welker vns vnwytlick was) ghebuwet
van den Sarracenen / vnde in deme suluen Castelle eine seer vaste
beuestinge. In welker de richter*) edder vaget was ein Sone
Fartbarach des konninges in Arabia / welker vth der besittinge edder
vugedye desser jnseln by den Sarracenen seer hoech geadelt efte
geeddelt was / dar vmme dat se der Christe/i was / ock dar vmme
dat desse jnsel was eine alleruasteste beschuttinge vor den stoerm
vnde andere vaerlicheit der vthulete des Arabischen vnde des Per-
sischen Meres. Alßo vorth do sick nu de vnsern to velde gelecht
hadden / do quam en der Sone des kowniüges entegew beer vth v6r
dat Castel / myt sinem gewapendem volcke / de worden van den
vnsen auerwunnen vnrfe voriaget / also dat se wedder vmme de vlucht
tom Castelle nemen mit sorgen vnde anxsten in welkem de vnsern en
na yleden vnde vormenget samptliken myth en villen int Castel.
Vnde alse nu eine lange tyd de emstlike stryd vp beider parthye
gewart hadde / do worden tom lesten de Sarraceni vorslagen / na
deme do se sick nicht woldon vangen geuen / doch so worden denne
noch twe van en geuangen vnde nicht meer / al sulck eine harde
vorstoppinge efte hardenackicheit was in en allen / dat se eer den
doet erleden. Also worden dar suluest vele der vyende wapcn ge-
^) nicht bei M. *) Hd. vnverzögelichen. ^) UcL wolversorgtes. *) lld. ptleger.
134
nameu / alse dar sin Bussen vnde ander schotwerck / oek manniger-
leye Sweerde / alse men dat beuint / wo wol jd vnbillick is / dat se
en van den Christen sin togesant / vp welken de namen der Christ-
liken wercklüde myt Latinischen boeckstauen vthgegrauen edder ge-
smöltet vnde gegaten weren. Vnde vppe etliken was geschreuen.
Dens adiuua me / dat is God helpe my. lodoch alse nu dyt Castel
was gewunnen / de Sarraceni vorslagen / vnde de jnsel vorlözet / do
worden sick de Christen jnwaner dar suluest groetliken voruröuwen /
vnde sick myt den vnsen wünderbaerliken to vröuwen. Id sint in
desser jnseln by veertich dusent mynschen / yodoch so hoelden se
in velen dingen de Jödeschen gewaenheit / darum/we dat se nu lange
tyd hebbew gebreck gehadt an rechten warafftigew Lerem des Christ-
liken louens / de se in dem suluesten louen gelert vnde gehoelden
hadden. Id sin to hant erer vele gedofFt worden willichlick dorch
vnse Prester vnde geistliken eines vullenkamen^j leuendes / welkere
wy alle jaer dar hen senden. Vnde vns is kunt gedaen / dat sik de
anderen alle werden dopen laten / so der vnsern Indianer ock vele
in India gedofft werden. Ere gröteste vröude is ock gheweßen in
deme / so en vnse vnderdanen in erer vorlösinge ere döchtere hebben
weddergeuen / welke sick de Sarraceni (alse de geuangen) to aller
vnreddelicheit myßbruken. Se hebben ok allerhilligeste vader kerken /
in welkeren se sick vmme bedens willen des Morgens / tor Vesper
vnde Nachtsanges tyd^) vorsammelen. Vnde hebben ock dat Grütze
des heren / welker ok de Prester to einer sekerheit to dragen gyfft
den yennen so by wylen vmwee eine myssedaet in der jnseln nicht
doruen vmwie gaen. Se hebben ok vnse vorgenömesten Feste vnde
Vasten. Se hebben ock dat Aduent / vnde de Vasten der veertich
dage / vnde ock etlike andere Feste / to welkeren se sick nicht alleine
van der spyße des vlesches enthoelden alse wy / sunder ock der vische.
Se geuen den Tegeden / Decimas^) welkere ere Prester vthgeuen
alleine vmme dat buwete der kerken / vnde den armen. Item so einer
einen vth eren Presteren belastiget edder schaden deit / de suhie
hefft dar suluest an neuem orde sekerheit edder vryheit. Id hefft ock
sulkes vnse Vaget edder Richter*) laten vth ropen / dat is / dat sulck
einem myßdeder der Prester wer dat castel noch vnse beuestingc to
hülpe edder tor sekeringe schal kamen. Alße wy nu allerhilligeste
vader desse jnsel voröuert hadden / welker wy to male seer wiins-
scheden / \nde dar jnne de beuestinge der vnsern vaste bewaret vnde
besettet hadden myt einem Eddelen gestrengen Vagede / vnde hadden
ok an dem suluen Mere enen reddeliken deel vnses Volkes gelaten.
Do voer dar na vnse schypfart / vth vnsem beuele / yegen India
hen aflf / de was seer wol myt Reysigem volke \nde wapen gerüstet /
vj) welkerer vart de vnsen vele schepe der Sarracenen vangeden vnde
vorbrenden. Vnde nemen einen groten roeff van allerleye kopenschop /
vnde sunderlick einen seer groten Su/wma van lakcn^) edder doken /
») Hd. bewerte. ^) Hd. Complet zeyte. ») Nicht bei R <) Hd, pfleger.
135
Tnde anderen dingen / dat se jd nicht voren konden / sunder se
würpe« jd in dat Meer / also dat jd geschach dat de vnseren vp
sulkem roue so se int Meer gevrorpen badden / droges votes van
einem schepe tom anderen gaen mochten. lodoch do nu de vnsern
io Indiam weren gekamen do vorbrenden se myt grotem stryde vele
schepe der Sarracenen / in eren steden / hauen / ynde porten des
Meres / welke se an desse 6rde vth vruchten wech weken / vnde
myth grothen schranckwercken vnde bolwercken vorwaret badden.
Vnde dat to der tyd desses hilligen Stoles / vnde by yuwer hillicbeit
dat gröteste schal sin. So spreken de vnseren vorwaer dat jd ge-
scheen is / dat de Sarracenier hebben vorkündiget (dede dar na deme
affscheden der vnsern van India weren gekamen van dem Persischen
vnde Arabischen Mere) welkerer bodeschop alse van den vyenden meer
to louen is / dat dat ander deel vnses volckes dat dar to Zacothara /
alze vor beer gemelt is / gebleuen is / einen sulken krick / erschrecken /
vnde vruchten den Sarracenen an den suluen orden gedaen vnde ge-
maket befft / dat etlike Stede des landes Arabie / ock dat aller-
wydeste Ynde beromeste Blick^j Arciuun / welker Ptolomeus nomet
Annusa / dat gelegew is jm jngange des Persischen vth vletes / vnd^i
k dem Sophi vnderdanich / nu sick in vnse auerheit ynde gebcdc
pegeuen hebben / also dat to verwunderen sin de geschicke der güt-
liken mechticheit / de dar vnderwerpet de orde des Sophi (der sik
vnder anderen groetmechtigen der werldt vnde vnder allen volckeren
edder mynschen eynen vorscbreckliken Heren hoechmotichliken bewyset)
den vnsern / einer kleinem herdew Christi to laue vnde to eren des
allergrotesten Christliken namens vnde to einer gelückseligen vorbei-
dinge eines tokümpstigen Triumphes wnde Segeuechtinge / ock Auer-
winninge der Christliken kerken in der gantzen werldt. So doch aller-
hilligeste vader sulke toualle kamen vth der gewalt gades / wol^) wyl
an dem twyuelen vnde nicht erke/men / dat sulke alle desse dinge durch
de handt gades vullenbrocht werden / welker / alles dat he wyl dat
deit he / in dem hemmel vnde vp der erden / de dar ock vuUcnbrinckt
sinen wyllen in Babilone / vnde sine macht in Caldeyern. Vnde dar
nnme wol^j wyl dar affwenden sine vthgestreckede/t baut Edder
wol2) wyl dar vorhynderen dat sulue dat he sick hefft vorgeseth.
lodoch so weren noch vele meldinge werdige dinge to schriuew ock
van den götliken gnaden vnde güdicheit so den vnseren gescheen is
an dessen orden des Vpganges edder Osten / dyt wylle wy vmwe der
körte willen des sendtbreues vnderlaten / ßunderlick ock / ßo genoech-
samlick vth den vorgeschreuen geschichten erschynet / wo der almech-
tige god ytzundt sick erheuet / to einem ördel vnser ßake gedechtich
der smaheyt ynde houarth siner viende / so dar nicht willen na volgen
deme Heren Christo / de dar so wünderliken nu anheuet to stryden /
to einer vorlosinge der Christliken kerken vnrf^ sines volkes ock in
den vtersten vnde wydesten edder vordesten^) landen / welke wer god
') Hd, Marckte. «) Bd, wer. ^) Nicht bei B.
136
noch sick suluest erkennen. Datum Alcochethe / am . xii . dage Junij
des Brackmaens / jm . mcccccviij . 'jaren.
DÄr na am . xxiiij . dage Julij des Höwmaens / ock in dessem
jare Dusent viflfhundert vnde achte / is schrifftlike bödeschop vth-
gegangen vth Lyßbona / van einem eerbaren loffwerdigem koepmanne /
welkes sin name wol bekawt is / wo dat desse vörgemelde aller-
dörchlüchtigeste Kowninck to Porthegal hebbe gesant in Barbaria
veftich schepe wol gerüstet. Vnde dar to by ßöuen hundert rüteren^)
to Perde / vnde by veer dusent voetknechten. So is vor beer sulck
Volk dat ok siner gnaden is / ock wol also vele dar suluest / in veer
stede vthgedelet / welkere ock sine gnade in vorgangener tyd ge-
wuwnen heflft. lodoch wat sine kownincklike Maiestaet myt sulckem
volcke vth richten wyl / dyt is noch to dessewi male in der gemeine
vnbekant / doch jd mach to siner tyd ock an den dach kamen. Denne
so vüge de almechtige God sulkes alles (mit sinen götliken gnaden
\nde barmherticheit) to dem besten. Vnde vörluchte de düsteren
ynde dwalende herten der vngelöuige to einer erhöginge vnde vor-
meringe der hilligen Christliken kerken. Welkem dar sy LoflF Ere vnde
Danckbaerheit / van allen Creaturen vmmer vnde ewichlick Amen.
Also hefft dyt Boeck einen ende / welker vth Walscher sprake
in de Hoechdüdeschen gebröcht vnde gemaket is / dörch den wer-
digen vnde hoechgeleereden heren Josten Ruchamer der vryen künste
vnde arstedyen Doctoren &c. Dar na dörch Henninguw Ghetelen
vth der keyserliken Stadt Lübeck gebaren in desse sine Moderliken
Sprake vorwandelt. Vnde dörch my Jürgen Stüchßen to Nüreinberch
Gedrücket \ude Vulendet na Christi vnses leuen heren gebort
Mcccccviij . jare am Auende Elizabeth der hilligen Wedewen / dede
dar was am achteyenden dage Noue/wbris des Wyntermaens.
Henninghi Ghetelen Lübecencis Distichon.
Vasta periclo sceptra graui scrutata Columbi
Regis et insignis Emanuelis ope.
H
TELOS
G
Anhang. Ans fihetelens hochdeatscher Vorlage.
RUCHAMERS NEWE LANDE.
Die Vorrede dyses Büchleins.
Nach dem mir etwan in kurtz vergange;» tagen einer meiner
guten fründe / dyses büchlein (in wellischer spräche gemachte) vber-
antworte / an mich begerewde sulches in deutsche spräche zu bryngen /
der maynunge vnd wyllens dasselbyge darnach myt schryfften auft'
zu drücken / als dann beschehen / wurde ich ytzgemeltes büchlein
^) Hd, raysigen.
137
zum tayle verlesen / vnd in den vinden so wunderbarliche vnd byß-
here vnerhorte dinge / welche auch an etlichen orten den geschrifften
der alten Natürlichen Mayster vnd hochgelerten wyderwertige sein /
in deme / das ist / so sie geschryben haben vnther etlichen kraisen
des hymels (aufif dem erdtriche / kain wonunge der menschen zu sein.
Welches dyse rayße ader schyeffarthe so gethan ist worden auß ge-
schicke ader beuelhe der allerdurchleuchtigsten küngen zu Porthugal
vnd Hispania / klerlichen anders anzaigte / nach jnhalte dyses bfich-
leins / dann sie an den selbigen orthen gefunden haben / wunderbar-
liche schöne vnd lustige jnseln / mit nackenden schwartzen lewten
seltzamer vnd vnerhörten sitten vnd weyse / auch seltzamew wunder-
lichen thyeren / geflugeln / köstlichen bawmen / spetzereyen / man-
cherley edeln gestayne / berlen vnd golde / welche bey vns hoch
geacht / vnd daselbste by jnen gemayn sein. Als ich aber sulches in
dysem buchlein befunde gedachte ich dysem obgeipelthen meynem guten
frunde zu gefallen zu werden / vnd dyses büchlein in dewtsche spräche
zu bringen / vnd also etwan zu meinen muessigen zeyten / so ich mochte
gehaben / dewtschte ich dyses büchlein myt der zeyte / byß zu dem ende.
Auff das meniglich erkennen vnd erkündigen mochte / die grossen
wunderbarlichen wunder gottes des almechtigen / der die weite mit
so mancherley geschlechten der menschen / landen / jnseln vnd sel-
tzame» creaturen (wie oben angezaygt ist) erschaffen vnd gezyerthe
hat / welches alles vor dyser zeite / bey der Christenhaythe vnd vnser
natione ist vnbekante gewesen. Vnd auch welches vast wunderbarlich
ist / das die Christen sulche weythe / verliehe / vnbekanthe vnd
wunderbarliche rayße ader schieffarthe gethan haben. Welches nach
der ordenung dyses Büchleyn / das do genandte wyrt / Dye newe
weldte / alles in nach volgenden klerlychen wyrt anzaygen.
Anfang des Büchleins . von der ersten schyffarthe / vber das Mere
OceeanuYn / in die Landtschaffte der Moren / in dem nidern Morn-
landt / anß gebiete vnd beneihe / des Dnrchlenchten Fnrstenn vnd
Iierren / berren Hüriehi) / der ein brnder was / berren Donrthi) /
des knni/^s zn Porthogal.
Das erste Capitel / vrer Erstlieh erfunden habe / die Schyffarthe des
Heres Oeceani / gegen dem mittemtag.
Als ich Aloysius von Cadamosco^) vom geburt auß der löb-
lichen Stat Venedig / was der erste / der sich erhübe zu vberschyffen
das Mere Occeanum genandt / gegen den orten gelegen gegen mittem-
tag / in die Lande der Moren / des vndern Morenlandts / do hab
ich auff diser meiner Ileyße / oder Schyjft'arthe / gesehen vil newer
ding / wirdige zu mercken / wawi mein furnemen gewesen ist / zu
besuchen seltzamme ding / an manchen vnd newen orten / Also das
in warheyt / vnser lande gebrauche / oder gewonheyten / auch vnsere
') Im Berliner Exemplar wird Hürich durch Heinrich U)\il JJourth
durch Eduard [von einer modernen IlandJ glossiert. ^) ItaL: Ca A« x^osto.
138
orte oder landtschaffte zu gleychnuß der dinge so ich gesehen habe /
vnd erfaren / ein andere weit möcht genandt werden / Darumb ich
suliche ding billichen achte zu mercken / Vnd also / so vil mir die
gedechtnuß wil beholffen sein / so wille ich beschreyben sulch ytzge-
melte ding / Vnd ob ich sulchs in ordenlicher / oder geschyckter
ordenung nicht wurde setzen / Als dann die materien diser dinge er-
fordert / solle yedoch die warheyt hierinnen an allen orten / nicht
vmbgangen werden / vnd sunder zweyfel / wille ich ee was zu wenig
sagen / dan etwas neben der warheyt offenbaren / Ist nun zumal zu
wissen / wer do gewest sey der erste vrsacher oder anfenger / der
do hat lassen vberfaren die ort des Meres Occeani / gegen mittemtag /
in dise lande der Moren / des nidern Morenlands / welche seyder
Adams zeytten bißhere (das wissentlich sey) nicht sein geschyffet
worden (do von schreybt auch Plinius) biß in disem sumer / Der
durchleuchte Furste / Herr / Hurich / des allerdurchleuchtcn herren
Johansen / kunigs zu Porthogal Sune / Von welches mercklichen
tugenden vil zu sagen were / Welches ich vmb kurtz vnderlasse /
dann alleyn das der ytzgemelte Fürst herr Hurich / gantz vnd gar
genaygt ist gewest / zu der RitterschafFt vnsers herm Jhesu christi /
mit kriegen / wider die wilden vntzamen völcker / mit jnen zu streyten
vmb Christlichens glaubes willen / Er wolte nie keyn weyb nemen /
sunder in grosser keuschheyt enthielt er sich in seyner jugent / Er
hat auch vil Erlicher vnd Ritterlicher thate gethan / mit aygner
person / durch sein listigkeyt / oder durch sein subtile Vernunft / in
den schlachten wider die Mom / das zumercken wol wirdig ist / Als
aber nun sein vater / herr Johanse Kunig zu Porthogal kranck läge /
auff den tode / Berüffte er den obgemelten Fürsten / herren Hurich /
seynen Sune / vnd beualhe jme die gemaynschafft der Ritter von
Porthogal / vermante / vnd bäte jne das er wölte volg thun seynem
Gotlichen vnd löblichen furnemen / des er in willen was zu veruolgen
vnd zerstören / nach seinem besten vermugen / die veynde des heyligen
Christlichen glaubens / Welcher Furste / kurtz zu reden / sich flysse /
sulche seynes vaters / des Kunigs begeren zu volstrecken / Vnd nach
dem tode des vaters / fürt er vil krieg in Affrica / wider die auß
dem Reyche Feß / wider welche er vil Jare entzundte was / vnd ge-
dachte in alle mügliche weyse / der bemelt Fürst / herr Hurich / zu
zerstörn / das yetz gemelt Kunigreych Feß / vnd das thet er aucli
an vil orten / Welches Reych ist gelegen am mere Occeano / Vnd
sulches thet er mit vergunst des Kunigs / herren Dourth / seynes
eitern bruders / der nach abgang des vaters / kunig wurde zu Por-
thogal y Also sandte der obgemelte Fürst / seyne Schyffe / vnd thet
grossen schaden den Morn von Jar zu jar / Also das der bemelt
Furste besorgt / sie wurden jne reytzen / das er alle Jare weyter
hinein wurde ziehen / Er ließ sie ziehenn biß an ein gebierge / ge-
nandt in welsch Capo non / das ist in Deutsch / als / das orte nayn /
welches orte / ist noch also benent auff disen tag. Vnd ditz orte
139
was alle mal das endte diser farthe / Wann nicht gehört ist worden /
das yemands ye vber das orte gefaren were / der wider haym were
kommen / Also das / das sprichwordt was / das man spräche / Wer
zeucht vber das ort nayn / der kumpt auch wider nayn / Als wollen
sie sprechen / Er kumpt nymmer wider / Vnd also kamen die obge-
melten Schyffe biß an das ort Non / vnd daselbst dorfften sie weyter
nicht faren / aber nicht desterminder bete der offtgemelt Fürst / be-
gierde weyter zu erfaren / Also jm nachuolgenden jare / schickt er
seyne schyffe / das sie hinfuro weyter füren / hinder das ort Non /
mit der hilffe gottes / wann die schyffe von Portho'feal sein besser /
dann kain schyff auff dem Mere mügen gesein / von Segeln Vnd do
sie nun mit Schyffen wol bewart waren / auch mit allem vorrath /
darein gehörig / zu aller notturfft / meynten sie / es wer wol müg-
lich zufaren an alle ort / Waren begirig / zu erfaren newe ding /
alleyn darumb / das sie möchten erfaren / das wesen der Inwoner /
an den selbigen orten / Vnd das sie möchten beschedigen die Moren /
rüsten sie sich wol / mit dreyen schyffen / mit aller notturfft vnd
zugehörunge / als mit waffen / vnd prauandt / oder prouision / von
speyse / vnd auch andern dingen / Vnd satzten darein Redliche streyt-
bare manne / welche hinweg schyfften / Vnd füren furauß / für das
obgemelt gebierge / oder das orte Non / An der seytten schyfften
wir des tages / bey der nacht hielten wir stil / Also das wir der
maß auff der seyten gefaren warn bey c. meylen / furauß / für das
obgemelte gebierge Non / Vnd funden weder volck / noch wonunge /
daselbst / dann eytel sandig vnd drucken landt / Also zugen wir
wider zu rucke / Vnd do der obgemelte Fürst erkante / das er in
disem jar / nichts newes mochte erfaren / Rüste er des nachuol-
genden Jares seyne Schyffe / Vnd schickte aber mals auß ein Volcke /
wol gerüste / das sie weyter hinein selten schyffen / Dann die ersten
seine völcker gefaren betten / Vnd also schyfften sie weyter hinein /
mer dann hundert vnd funfftzig meyl / Also füren sie hinweg / vnd
erfulten das gebot jres Fürsten / Vnd funden doch anders nicht /
dann ein sandig vnd drucken landt / one alle wonung / vnd zugen
wider haym / Dannoch nicht desterminder wüchse Inen teglichen mer
begierde / zu erfarn vnd erkundigen dieselben lande / Schickten jm
dritten jare aber zwey schyffe / Vnd kurtz zu sagen / schickten sie /
so vil vnd offt etliche jare nach einander hinein / biß sie funden
etliche orte / darinnen wonten Arabier / die betten jre wonung in
den selbigen Wüstungen. Vnd darnach weyter hinein / funden sie
aber ein ander volcke / die sie nanten Azanegi / das sein grabe
menschen von welchen ich (so wir baß in ditz buche werden kumen)
mer sagen wille / vnd also kamen wir aygentlich / das wir erfunden
die lender der vordersten Morn / Vnd darnach von einer zeyt zu
der andern / das wir funden andere geschlechte diser Moren / von
seltzamen weysen / sprachen / sytten / vnd glauben / als du hören
wirst / so wir weyter in ditz vnser büchlein hinein werden kumen.
140
Hie anhebet das vierde Buche. Vnd ist von der schieflTarthe des
knniges von €astilia / von Inseln vnd landen in kürtze erfunden.
Das LXXXIIII Capitel / wie der Kunige von Hispania rüstet / oder
beraythe zway schieffe / dem Christoffel dawber von Jenna zu faren
gej^em nidergang.
DIser Christoffel Dawber von Jenua was ein manne lang vnd
gerade / was grosser vernunfft bette ein lang angesicht / nachuolgte
vnd anhienge lange zeythe den Allerdurchleuchtigsten kunigen von
Hispania / an alle ortbe vnd ende so sie hin raysten / begerthe das
sie jme solten helffen zu rüsten vnd belastigen etwan ein Schieffe /
erbothe sich / er wolte finden gegen dem nidergange Inseln / an-
stossende an India / daselbst dann die mennge ist der Edelen ge-
staynen / vnd Spetzereyen / vnd auch des goldes / welches man
leychtlich mochte vbcrkummen / Der Kunig vnd Kunigin / vnd auch
alle die vorgeensten in Hispania / hetten lange zeyte ein spyle / oder
kurtzweyl an disem furnemen dises Christoffels / Vnd zu letzste nach
siben jaren oder vber siben jare / vnd nach seynem manigualtgen
begeren / bitten / vnd anlangen / wurden sie zugefallen seynem willen /
vnd rüsten jme ein Naue / das ist / ein grosses schieffe / vnd zway
(irauele / mit welchen er hinweg füre von Hispania vnd also anfienge
sein rayse / oder schieffarthe / vmb die ersten tage des September /
das ist / des Herbst mondes im MCCCCXCII Jare.
Das LXXXV. Capitel von vnbekanten vnd vnerhorten Inseln / so er-
funden hat diser Christoffel Dawber von Jenna.
DEs ersten schieffte er von (rades / zu den Inseln Fortunate /
das ist zu den glückseligen Inseln / welche hewt bey den Hispaniern
genant sein Canarie / vnd warn von den alten genant / die glück-
seligen Inseln / in dem Mere Occeano / weyte an dem strame /
tausent vnd zway hundert welche meyle / Vnd sein vier welche raeyl
ein Lega, das ist / ein dewtsche meyl. Dise Inseln Canarie / waren
genandte Fortunate, das ist / glückselig / von wegen des temperirten
vnd gutten lufftes daselbste / Vnd seyn gelegen ausserhalb des
Clima oder zirckels Europe gegem mittemtage / seyn auch besatztc
mit blossem volcke / welches auch lebte one alle Cristenliche gesatze /
da hyne Schieffte diser Christoffel Dawber / daselbste wasser zu
nemen / vnd sich zu erquicken / Des ersten schieffte er mit grossem
rteysse / mwe / vnd arbeyte / nach den nachuolgenden Inseln / gegem
nidergange / also / das er stetigs aneinander schiffte / drey vnd
dreyssig tag vnd nachte / das er nie kein lande oder erdtrich sähe /
nach disem stayge einer zu oberst auff die (labia des schieffes / do
sahen sie lande / vnd funden sechs Inseln / vnther welchen warn
zwo / die warn einer vnerhorten grosse Vnd ist eine genant Spag-
nola / die andere Zoanna mela.
141
Das LXXXVI. Oapittel von disen yetzgemelten grossen zway en Inseln /
das ist Zoanna mela / vnd Spagnoia.
Aygentlich kunthen wir nicht wissen / ob Zoanna ein Insel
were / als wir aber dahin kamen in die nehe / vnd schieften daselbst
vmbhere an dem Strame / in dem monat Nouember / das ist / in
dem wintermonde / do horten wir in den allerdicksten weiden die
Nachtgallen singen / Vnd funden zu mal sere grosse flüsse von süssem
waßser / vnd vast gute vnd grosse gestatte / oder porths / Als wir
also der massen schiefften an dem strame der inseln Zoanna / mer
dann acht hundert welische meyle / Vnd funden keyn ende / noch
ein zaychen des endes / gedachten wir / es were vestes lande / vnd
vermaynten widerumb zu keren oder zu rucke zufaren / wanii das
Mere wurde sich engen vnd schmale machen / Vnd der tage wolte
sich ytzundt auch naygen / Als wir nun das Schieffe gewandte betten
gegen dem auffgange / do wurden wir finden die Inseln Spagnola /
vnd maynthen zu ersuchen die gelegenhaythe der orthe gegen mitter-
nacht / do nehendte sich yetzundt das lande / Vnd wurde das
grösser schieffe geen auff einer ebenen truckene / die do bedachte
was mit wasser / Also / das daßselbige Schieffe sich auffthate oder
auffgienge vnd brache j aber darumb das es daselbst vndter dem
wasser am boden eben vnd staynig was / mochte es nicht vnther
geen vnd ertrincken / Also stayge das volcke in die klaynen Grauele /
vnd giengen darnach zu lande / do sehen sie der lewte auß diser
Inseln / welche / als sie vns sahen wurden / do tiuhen sie in die
aller dickeste weide / gleycher weyse / als das wilde tteuchte / so
man es veruolgthe mit den hundten / ist ein vnerhort geschlechte /
Die vnseren volgten inen nach / vnd fiengen ein frawen / vnd fürten
sie zu dem schieffe / daselbst gaben sie jr wol zu essen / vnserer
speyse vnd weyn / Vnd beklaydten sie sewberlich / wann sie geen
bloß / vnd Hessen sie darnach widerumb geen.
Das LXXXVII. Capitel : von dem wesen / sitten / vnd aygensehafften
der Inseln Spagnola.
Als balde sie aber widerumbe zu den jren käme (wann sie
wol wüste wo sie waren) zaygte sie jnen die wunderbarlichen klay-
duuge / so sie von vns entpfangen het / vnd vnser gute vnd mildtig-
keyt / do kamen sie alle samentlich geloffen an das Mere / mit
grossem verwunderen vnd vngestüme / maynthen wir weren ein volcke
gesandte von himel / sprungen in das wasser / vnd brachten mit
jnen goldte / welches sie daselbste haben / vnd verwechselten oder
verdawschten das golde / vmb eerdene theller / vnd glesene schalen /
Wer jnen gäbe ein hosen nestel / oder ein schellen / oder ein stucke
eines spiegeis / oder etwas anders sulches / dem gaben sie vmb
sulches golde / das betten sie / Vnd sie betten yetzt geraydt sament-
lich gemachte ein freundtliche kuntschaffte / Als wir fragten von jrem
wesen vnd sitten / erkanten wir an jren zaychen vnd ge\)^rAc^ I ^^^
142
sie einen kunig betten vnther jnen. Vnd also wir außstaygen zu
lande / wurden wir auflf das aller eerlichst entpfangen von dem Ku-
nige / vnd deß gleychen von den jnwonern diser Inseln wurden wir
lieblichen angenomen / Als nun käme der abent / vnd die vnsern
lewten zu bethen das Aue maria / do knyetben wir nider / deß
gleychen thaten sie auch / Vnd als sie sahen das die vnseren an-
bethen das krewtze / deß gleychen thaten sie auch / Auch als sie
sahen / das vnser obgemelte schieflfe was brochen / schiefften sie zu
dem selbigen / auff jren schieflen / vnd fürten vnser volck vnd guter
zu lande / mit solicher liebe vnd freundtschafft / das es wunderbarlich
ist zu sagen. Item jre schiefFe sein gemacht von einem aynigen
holtz / sein außgeholt / oder hol gemacht / mit vast scharpffen
staynen / vnd sein lange vnd enge / Sie haben auch etliche Schieffe
daselbste / der eines bey achtzig Rudern hatte / Sie haben gar keyn
Eysen in der selbigen jnseln / Darumb verwunderten sich die vnsern
zu mal sere / wie sie doch machten oder bawthen jre hewser / welche
wunderbarlich erbawt sein / vnd auch sunst andere dinge so sie
haben / Also vernumen wir / das sie suUiches alles machten / mit
etlichen vast herten staynen / auß den Aussen / welche auch vast
scharpflf sein / Wir vernamen auch das nicht weyte von diser Inseln /
waren etliche Inseln / in welchen vast grawsame lewthe wonthen /
die selbigen essen mewschen fleysch / Vnd darumb / so was ditz die
vrsache / das sie des ersten / als sie die vnsern sahen / die fluchte
namen / wann sie gedachten / wir weren der selbigen lewte / welche
genant sein Canibali / Die vnseren betten / die Inseln diser lewthe
Canibali ligen lassen / vngeuerlich auflf dem halbtayl des weges /
aufF der seytten gegen dem mittemtage.
PHILADELPHIA, Pa, Daniel B. Shumway.
143
Gedieht auf die Niederlage
des Varus.
Die Sammelhandschrift 694 der Königl. Bibliothek in Hannover
enthält unter Nro. 7d das directorium archivi civitatis Hametensis
elaboratum a Sehast. Spilker anno 1652 und am Schlüsse desselben
S. 626 ff. das folgende niederdeutsche Gedicht auf die im Jahre 9
nach Christus erfolgte Niederlage, die der römische Feldherr Varus
durch den Cheruskerfiirsten Armin im Teutoburger Walde erlitt. Am
Ende des Gedichts steht: Hticusqiie Seb. Spilkeri directorium. Die
Handschrift gehört dem 17. Jahrh. an. Der Verfasser der nieder-
deutschen Verse ist nicht angegeben, dürfte aber höchst wahrschein-
lich in der Gegend des Schlachtortes gelebt haben.
De inwohner al an der Emmer
Sint gewesen wol kene Lemmer,
Sint uth Franckrick und uth Westphalen
Herkomen un seck in den dalen
An der Emmer neddergelathen,
De ön den nahm Ambronen shapen.
Ambrones, de gar dappern beiden,
Dat düdshe Lugden^), Lugd zu (!) melden,
Hebben gebuwet und den Varum
Des Augusti Feldoversten darum,
Dat he se wy dat wild in garen
In Lipsken land tog by den baren
Under Hermin den dydsken forsten.
Dem nha dögend und ehr ded dörsten,
Nu raet um Herminsborg geholden,
Mit list den vördel öhm besolden,
Da öhm de Ambroner wys maken,
Westphalen wolle de plicht lathen
Und öhm sek donn bald wedder setten,
He möchte se by tyden pletten.
Da he nu uth dem vordeel komen,
De Ambroner gevt wenig fromen,
Se slaet den Varum vor de hunde,
Dat kayser August stört een wunde
In den kop an de wand tho Roma
1) Lügde.
144
Verkehrt genant, went klökliken, mora
Vertog hedde öhm dat volk beholden,
Welk keyser August wolde besolden,
Se sek erstrekt up 3 legionen
(levarfen uth veel regionen.
Do nehmen de Ambroner sharen
(Na dütsker beiden wys verfahren)
Öhrer vornehmsten fyende balgen
In dat füer und an den galgen,
Int hilge füer, so de Veste waren.
Als Schelpyrmont un andere aren.
De mynsken opper,. meinten alle,
Meer söne götter un gefalle.
Doch teen se uth dem füer den Varum
Haot öhm dat höft heraf darum,
Dat seyt dem keyser thom spectakel
Senden nich ohn syns blödes makel.
Keyser August dat sülve mit ehren
Thoe erd bestat nha syn begehren
Düt daet frantzösisch un westfählish.
Vermeng des bloet gantz up itälish.
Alse de Römer de Samniten
Öhre gesellen deden bieten.
Da öhn de siet leyst Öhrs jegenparts,
Dat se se drücken gantz underwarts.
Düt hebben de edlen Ambroner
An der Emmer und Lügd inwoner
AI by Christi tyden uthgericht,
Öhre hendel mit vpstands gewicht
Afwogen un tho warck gerichtet.
Tapper de saak doort shwert geshlichtet.
Lügd hefft noch veeruntwintig geshlecht,
Den hört von older tyt ör hold-recht
Im haegenshloten de haegmester
Is glik ör egen börgemester,
De den hagen vorsteit un förster
Shikt up de hölter ane köster,
Welcke hölter den Öhren nahmen
Van den geslechtern vor bekamen,
Da de so könen amberhelde
Tho Lygd sek settet in dem felde.
HANNOVER. H. Deiter.
145
Reime und Sprüche aus Lippe/)
I. Rätsel.
1. Achter iusen Hiuse
Ploijet Mäster Kriuse,
Eune Fleug un eune Peer —
Niu roe mol, watt es datt!
(Maulwurf.)
2. Achter lasen Hiuse
Harket Mäster Kriuse,
Hätt 'e äuk nich Harke un Fleug,
Se harket 'e d9ch d^ip geneug.
(Maulwurf.)
3. Achter iusen Hiuse
Do stpit 'en Kunkelfiuse,
Da brennt Dach an Nacht
Un brennt dpch nich äff!
Watt es datt? (Brennnessel)
4. Et äs watt achtern Hiuse
Datt breont dti Dach un Nacht
Un kann d^ch nich verbrennen —
Wat datt wall es? (Brennnessel.)
5. Et brennt du wat in 'en Holte,
Dat brennt du Dach un Nacht ^
Wat es datt? Niu giff acht!
(Brennnessel.)
6. Achter iusen Hiuse
Sitt 'en Fiule-Piuse,
Je maier de lyiwe Sunne schinnt,
Je maier de Fiule-Fiuse grinnt —
Watt sali datt sftin?
(Eiszapfen am Dach.)
7. Eck hall 'en Stall vull briune Peer,
Eck kenn 'ser nich iuttocken,
Eck konn 'ser nich iutlocken,
Plattfoitken mosst 'ser mü heriut-
hahlen. (Backofen.)
8. Runzelpunzelken up de Bank,
Ranzelpunzelken unner de Bank ;
Es k^in Dokter in Engelland,
Da et wi'er kuriern kann. (Ei.)
9 Äppelken, Fäppelken up de Bank,
Äppelken, Päppelken unner de Bank,
Do es nemmes in Brobant
De Äppelken, Päppelken wi'er ku-
riern kann. (Ei.)
10. Witt schmuit eck 't upp 'et Dack,
Un gäU kümmt et wi'er herrunner.
11. Lang schmuit §ck 'et upp 'et Dack,
Un twees kümmt et wi'er herunner.
(Schere.)
12. Rund schmuit äck 'et upp 'et Dack,
Lang kümmt et wi'er herunner.
(Knäuel Garn,)
13. Et gpit watt ^wwer de Brujjen
Un hätt datt Hius upp 'en Rigjen.
(Schnecke.)
14. Et hätt twvi Koppe un bleus twvi
Henne,
Et hätt sess Foite un tgjjen Tainen.
(Pferd und Reiter.)
15 V^er gengen,
Vper hengen,
Twyi Lüchters, tw(?i St^iters
Un 9in Nohklapp ! (Kuh.)
16 Vürne äs 'en Gaffel
In 'er Mitten es 'n Drangtunn'n
Achter 68 'enWipprßun — wat es dat ?
(Kuh.)
17. Et l9ppet jümmer teu
Un dgch werd et nich mo^e —
Watt kann datt wall süin?
(Wasser.)
18. Kümmt 'en Witten Keerl van 'n
Hcramel,
WoU de ganze Welt bödecken,
Konn dych nich mol 'n Fohl be-
decken —
Ni roe mol, watt datt niu ös?
(Schnee.;
>) Die Niederschrift ist in der Mundart des Dorfes Heideu^YiC^^^^^ ^^^
Id angefertigt.
Detmold angefertigt
NitderdaatBohei Jahrbuoh XXXIV.
146
19. Et ggit in olle Welt, 21. Es watt in iusen Holte,
Da 9ine hätt 'en Buil, Datt beschinnt nich Sunne, nicb
Da annere dat Geld — Mond —
Wo hglst diu et mett? Ni sägg mü mol, watt datt es!
(Mit der Hand.) (Schatten.)
20. Hart gebacken, 22. Griemgram greuf in 'er Eern,
Hätt dfQi Tacken, Püiderittken st^nnt nicb feern;
Pott es 't — Wpr Israel nicb dorteu kommen,
Watt es 't? Wgr Päiderittken um 'et Lieben
(Dreifüssiger Kochtopf.) kommen. (Sau, Wurzel, Hund.)
23. Do gvit watt iuten Hiuse, dat bablt nenne hunnert Peer wi'er in 1 (Rauch.)
24. Do kümmet watt in iuse Hius, dat könnt 'er diusend Saldoten nicb wi'er riut
rüitenl (Bauch.)
26. Oin Mann badde sieben Döcbter, j§ide Dochter badde tw^i Broier — wovell
Kinner badde de Mann? (Neun.)
26. Oin liand vull un docb nönne Hand vull — watt es datt? (Wind.)
27. Watt kriggt de Biwwer für 'en Foier H^cb, wenn dat Pnnd ßottern twintig
Penige kost't? (Seine Pferde)
28. Watt wutt di l^iwer süin : „'en Kriup dür 'en Tiun**, edder „'n Breek dür 'en
Tiun" ? (Je nach der Antwort : eine kriechende Schlange oder ein Schwein.)
29. Watt es 'et Beste twisken Snüssel un Steert? (Das Schwein)
30. Watt macbst 'e an 'en Ipiwesten: „'n frisken Scbett" är „Lick 'en Scbnutt"?
(Letzteres: die Ochsenzunge.)
81. Watt Wutt de l^iwer : 'n Dach hungern är sieben d$ipe Lecker in 'en Kopp ?
(Die sieben Löcher sind: Mund, Nase, Augen, Ohren.)
82. Watt es datt Beste an 'er schwarten Keub?
(Dat se' nenne swarte Mälke giffi.)
88. Watt g§it upp vper Beinen in 'e Kärken ? (Der Lahme mit zwei Krücken.)
84. Wer gpit upp 'en Koppe in 'e Kärken? (Der Schuhnagel.)
85. Räut scbmüit eck 'et in 'et Water un schwärt kümmt et wi'er herriut?
(Glühende Kohle.)
86. Wo flüggt de Kuckuck benn, wenn 'e twyi Johr äult es? (Ins dritte.)
37. Worümme fretet de Kojje Gras? (Weil es ihre Vorfahren auch taten.)
38. Worümme Ivppt de Voss ^wwer 'n Berg, wenn 'er de Rüe achter es?
(Wenn de Berg 'en Lock hedde, dann Wip 'c dodüer.)
89. Watt es lütker ps 'en L9ck? (Wat 'er in g'git.)
40. Wekke Isel hätt se hadder reupen, dat et olle Isels upp 'er ganzen Welt b^ert
hätt? (Da Isel in Noah süiner Arche.)
41. Watt kümmt teu 'n ersten in 'e Kärken? (De tu>öUe)
42. WouQer ds de längste Dach? (Wenn de körtste Nacht es.)
43. Wer spielt jümmer un gewinnt jümmer? (De Musekante.)
44. Wonyer säggt de Biwwer de Wohrbyit?
(Wenn 'e krank es, — Watt säggt 'e denn?
Eck sin nicks weert; eck däuje nicks.)
45. Do stvit 'n lüttke Fruwwe in 'en Holte, hätt 'en räue Müssen upp.
(Erdbeere.)
14?
46. Achter freet eck, vürne schüit ßck. (Häckselmaschine.)
47. 'n üisern Peerd mett 'n fiässen Steert — watt es datt?
(Nähnadel mit Faden,)
48. Watt hängt an 'er Wand eune Narel, eune Band? (Der Speichel.)
49. Watt l^ppt pwwer olle Strootens un kickt in olle Lgcker? (Der Wind.)
50. Salt man et, dann iQtt man et lüjjen, suit man et nich, dann nimmt man et upp I
(Wurmstichige Nuss.)
51. lat wekken Säue wutt diu drinken: gine es teudeckt, in Qinen fällt 'et Lauf,
un Qwwer den annern hängt de Wippreun?
(Der erste ist die vulva oder auch der penis, der zweite ist der
richtige Brunnen, die „Wippreun" ist der Kuhschwane.)
52. Van wekken Water machst 'e an 'en Igiwesten drinken: wo de Sunne in schinnt,
wo 'et Lauf in fällt är wo de Wippreun öwwer bammelt ?
(Das erste ist die Scheide der Ziege, das andere wie eben.)
53. Watt nimmst 'e an 'en l^iwesten: wat van 'n Berje gpit, watt 'er van läppet,
är watt 'er uppe stöhn blifft? (Die Kuh, ihr Urin, ihr Kot.)
54. Watt wutt 'e an 'en Ipiwesten deun: van 'n Beije gohn, van 'n Berje läupen,
är upp 'en Beije stöhn blüiben?
(Je nach der Antwort: Der Mensch, sein ürin^ sein Kot.)
55. Worumme sitt 'n Hahn upp 'n Kärktewwern un nich 'en Heun? (Süss mösst
'er da Köster jg jöiden Mqern uppstäijen un tasten, off et 'en ()gg hedde.)
56. Worümme maket de Hahne da Äujen teu, wenn 'e krajjet?
(Wüil höi et van biuten kann^ watt V krajjen mott.)
57. Worümme hätt Jiudas 'en räuen Beert hat? (Um 'et Kinn herrümmen)
58. Watt es lütch un wat es graut un dgch jümmer 'n Föut lang? (Ein Schuh.)
59. Watt gs 'n Feut lang un 'n Feut breit un es d9ch nenn Quadratfeut?
(Ein menschlicher Fuss.)
IL Kinderiieder nnd Kinderreime.
Bnkindken van Halwerstadt, Möller, Möller, Mahler,
Bring iusen lüttken N. N. watt! — Jungens kost 'en Daler,
Watt sali eck 'en denn mettbringen ? — Luitens kost 'en Hönnerdreck,
Blanke Scheuh mett Ringen, Kehrt man mett 'en Besp'm weg.
Do sali hl)i mett danzen un springen. ,, „ „ „ ,, , ,
Möller, Möller, Mahler,
Bukoisken van Bremen, N. N. kost 'en Daler;
L^tt iuse lütge Kindken betdhmen; N. N. kost 'en Julenschett,
Un l^sst diu kleine Kindken betebmen Schmeert 'e sick de Miulen mett.
nich,
Söu krigst diu vau müiner Flyiskwost Klipp, klapp, S^ltfatt,
äuk nicks! Mpern est et Sundach.
(Beim Händeklappen.)
A — b — c
De Katte lyip in 'en Schnee, Kinnewippken,
De Rüe Ipip ehr noh, Mummelfötken,
Da see de Katte : jo ! N6sepippken,
A — b — c usw. Äujenbrünken
Töppken, to beere;
Müller, Möller, Mahler, Wutt 'e ma'er, söu kuuim !
Mekens kost't 'en Daler,
Jungens kost 'en Hopphopp-Pöerd (Ritter- Sije — sajc,
Dat es diusend Daler wört. peerd) Hottewaje,
\0*
14g
SpQJn inH Fuier,
't Holt es teu duier,
Klabutse in't Fuicr!
Sije — saje,
Holtewaje,
Spgin in 'et Filier
't Holt es duier. —
Watt kost 'et denn? — (Wat kost 'en
'n dicken Daler! — Foier?)
Plumps, plumps — in 'et Water I
Bummele, bummele, biuse.
Wo wonnt de Mester Kriuse? —
In den nüjjen Hiuse
Wo de blanken Tellers stoet,
Wo de Jumfers danzon goet.
(Wo de Jumfem walzen goet)
Eck sin krank. —
Für 'en Bräutschappe lang,
Für 'n Botterbecken twees,
Mett 'er Renn wecke für 'en Ees.
Kick, sä de Katte kaik se in 'en Pott,
Kraig se vinen mett 'en Schl^iwe für 'en
Kopp.
Hainerich, Katuffelbrich,
Siwwern Käul, denn mach 'e nich,
Soiten Käul, denn krigt 'e nich,
0 — müin l^iwe Hainerich.
Kösken springet vwwer 'en Tiun,
Kreumen blifft 'er für stoen.
Ässt 'e düjet briun'n K&ul
Dann sitt 'et Kleid äuk wacker.
Hoi, hoi, Hammelfl^isk,
Roiben druppi
Luibettken, den Leppel häer,
Gr9itken, füll uppi
Melke upp Wüin —
Es yemüin,
Wüin upp Melke —
Es für elke.
Wer nich kümmt in rechter Tüit,
De es süiner Mohltüit quüit.
Wer nich passet upp 'en Disk,
De mot eeten, watt vwwer blifft.
Wer te late kümmt,
Sitt schlecht, eer ätt schlecht.
Wenn olle Berje Bottern w^r'n
Un olle Grünne Grütte,
Un de Sunne upp de Berje schüin —
Wat woU dat wall für 'n Freeten süin!
Tuck, tuck, tuck müin Hoiuecken,
Tuck, tuck, tuck, müin Hahn!
Diu plückst mü olle Bloimecken,
Wo sali du datt näu gähn!
Watt sali de Mamme schellen,
Watt sali de Taite schlohn
Tuck, tuck, tuck, müin Hoineckeu,
Wo sali du datt näu gohn!
Wenn olle Berge Bottern wgr'n
ün olle Grünne Grütte,
Un et k^ime dann 'en warmen Sunncn-
schüin,
ün de Bottern feil in 'e Grütte herin —
Wat soll datt wall für 'n Freeten süin!
Ettelmann, Bettelmann,
Dokter, Büste wwer;
Kaiser, König,
Schwüinemajewwer.
Wippe, Wippe Schinken,
De Köster liggt upp 'en Brinke.
Sapp, sapp, sapp, sapp, Püipken,
Won^er wutt 'e rüipken?
In 't Mpjjedach, in 't Möjjedach,
Wenn olle Vüjel Ojjer Igjjet;
Dann krüye wüi 'n K^rfel (Pott vull)
Öjjer. —
Kättken l^ip 'en Berg henan,
WoU 'n Pott vell (vull) Sapp halen,
Kamm de schwarte Kpiser an,
Howw' er Kättken 'en Kopp äff
Rump äff, Stäert äff,
Ollens, watt 'er uppe satt,
Schmait 'e Kättken in 't Mühlenrad,
Kok 'er Stinten un Mälke van —
(Fratt sick Stinten un Mälke satt.)
Roer, roer, ruppuppupp!
Roer, roer, ruppuppupp!
Sappüipken, Sappüipken,
Winker wutt 'e rüipken?
Mgem in 'en Dare —
Kättken l9ip 'en Berg herup
ün woU 'n bettken Säffken hal'n —
Kamm de blinne Hesse beer
Un schnait 'er Kättken Hoer äff
Ollens, wat 'er uppe satt —
Pille, palle, puss äff,
M^ern es et Sunndach !
Wenn de Meekens in 'e Kärken goht,
Dann sind se wall se scheine —
Owwer wenn se achter 'n Potte steht,
Dann s^it se iut, ^sse de Duiwel.
(Schwalbenruf,)
149
Spinn dicke, spinn dicke. —
Spinn dünne, spinn dünne. —
(Kohhneisenruf.)
W^je, wijje, wijje bäule Käulsoot sajjen ?
(Buchfinkenruf.)
Lick, lick, lick, mü in 'et Stüet!
(Goldammerruf.)
Phüiüpp, mak de Düer upp ! (Dasselbe.)
Stripp, strapp, strull —
Es de Emmer nä nich yuU?
Pink — pank,
Schmieskamp,
Badden Süimen
Liggt upp 'er Bank,
Ganz lang. (Bahnglockensprache.)
Bring mui'n Sack vuU TüUällüt,
Mgrjen kümmt müin Tante,
Bringt 'n Sack vell (vuli) Lewwerwost
Un de Musekante.
Platz gemacht, Platz gemacht,
M^rjen kümmt 'e Tante,
Bringt mü äuk wat Schönes mett.
Dann s^gg eck äuk: Danke!
Schnüider wipp upp,
Büert 'et Blick upp.
Schnüider, Schnüider, wipp, wipp, wupp,
Sett mü hüer 'n Flicken upp!
Sieje Igip den Berg henan,
L^it datt Eeslock blicken;
Sieben Schnüider achteran,
Mett Scheem un mett Flicken —
„Schnüider, Schnüider, steck mü nich
Eck sin seu 'n armet Siejenblick —
Mäck, mäh — mäck, mäh!'*
Oine Stunne meetet s$i,
Oine Stunne eetet s^i,
()ine Stunne Hwwert 89 i,
Oine Stunne miwwcrt s^i
Öine Stunne schm9iket se Tabak —
Un sen yergvit de ganze Dach.
Schemester, Schemester, Bäspenstell,
Howwet 'e Kinner olls te vell,
Olls te Yell es ungesund,
Schi^mester, Schemester, Schwüinehund.
Des Obends in 'er iulen.
Dann spinnt de Fiulen,
Dann g^it datt Rad wall klipp un klapp
Dann hedden se gehm upp 'en Haspel
watt.
Ackersmann — Schiackersmann,
Eck lobe mü den Handwerksmann.
Wü Witt 'en Jiuden 'en Boert afischnüin,
Hv sali 'er sülmst mett büi süin.
Jiude, Jiude, Schlickschlack,
Schloh den Jiuden 'et Knick äff;
Stpit et nich teu lang äff.
Dann hast diu mpern wedder watt.
Baue Hoer un EUernhüchte,
Drejet selten geue Früchte.
Lütch un kriejel
Es better 9s 'en grauten Fliejel.
Blomberg de Kreune,
Hewwern de Bleume,
Deppel, datt häuje Fest,
Lemje, datt Hezennest,
Jufel, dat Soltfatt,
Bamtrup will äuk nä watt.
Wöbbel in 'er Grund,
B9rksen wäggt 'en Pund.
In Deppel, in Deppel,
Doer gifft 'et wekke mett 'en Leppel.
In Deppel, in Deppel,
Do gifft 'et nicks 9sse Äppel.
Deppelske, Deppelske Tellerlicker
Sind dat ganze Lieben schlicker.
In Loje, in Loje,
Gifft et nicks 9sse Ploje.
In Iliddsen, in Hiddsen,
Gifft et jümmer Schnitzen.
Hainer, bidebainer,
Katutter, katainer,
Katutter, katatter,
Katholske Hainer. —
Johann, spann an,
Dr9i Katten vüran,
Dr9i Muise vürupp.
Den Blocksberg henan.
Wilmstrick,
Hasenblick — Mäck, mäck, mäh.
Herm'n, dicke Därm'n,
Schl9it Pulver in 'e Därm'n.
Bim, bam, Klocke,
Hänsken in 'en Stocke.
Es 'en äult Männeken d^^t
Hett Johann Sparbräut. ^^
150
Fritze, Fritze,
Makt jümmer dumme Witze.
Fritzken, St^elitzken
De Yurel es däut
Sitt achtern Oben
Un frätt nenn Stacke Braut.
Ealine, Kalane,
Se röppet de Hahne,
Mett sieben Saldoten,
Kann 'et reupen nich loten.
Ridderidderettken,
L^isemanns Jettken.
Hawermann
Tui de Büxen an.
De Hammel es fett, de Hammel es fett,
Witt 'en mgern schlachten.
Schnewwer, Schnewwer rund um 'et Hius
Wiske 'er Taiten 'et Eeslock iut.
Orster Gewinn —
Kattengewinn.
An 'en ersten April,
Kann 'en narr'n, wen'n will.
An 'n ersten April,
Kann 'en Narr süin, wer will.
(Schickt man 'en Narr'n, wo man will)
Appelken, Pappelken —
Pien, pahn, puff. (Abzählreim.)
Jettken, Pettken, Pulrermius,
Kam vannacht in iuse Hius
ün woll den Schinken stehlen.
Da kriejen wü 'et bü de Kehlen.
Un schmait 'en et upp 'et Dack,
Do see et: quack!
Öppke, Döppke, Pulvermius,
Kamm dösse Nacht iu iuse Hius
Mett 'en grauten Laken,
Woll US bange maken
Ute, tute, Tintefatt,
G9nk in 'e Schöul un 16hr' watt;
Wenn 'e wier herriutern kümmst,
Dann kannst diu watt!
Ater, bater, Grabengräuter,
Stiutenbäcker, Wajentrepper
Ipp, app, Kaisenapp;
Läup diu do henn.
Dann bist diu äff.
Enne, Menne, Igtt mü lieben.
Will du 'en bunten Vurel gieben,
Yurel sali mü Sträue sammeln,
Sträue wi'ck 'er Koisken gieben,
Koisken sali mü Melke gieben,
Melke wi wü 'en Bäcker bringen,
Bäcker sali müi 'en Stiutken backen,
Stiutken wi wü 'er Mömme gieben,
Mömme sali mü 'en Titte gieben,
Titte wi'ck 'er Kättken gieben,
Kättken sali mü Muise fangen,
Muise wi' wü an 'en Galgen hangen.
Eck grattelier juff äuk teu'n nüjjen Johr,
Gesundheit un langet Lieben,
Niu möjje mü äuk 'en dicken Appel gieben.
Preust Nüjohr!
Gesundheit un langet Lieben,
Mött mü 'en düjeten Krengel gieben!
Fasselobend, Fasselobend anjefangen.
Heda! Mutter, Mettwost hangen!
Heda! Hönner, schwärt un witt,
Da juff 'en half Schock Ojjör schitt —
Oint es nich, tw$i es watt,
Giwet US drpi, dann goh wü patt!
Wenn et Austern es, wenn et Austern es.
Dann schlacht müin Taite 'en Bock,
Dann spinnt müine Mömme,
Dann wörkt müin Vaer,
Dann gifft et 'en nüjjen Rock.
Rund, rund, rund, rund Klowemblatt,
Lot 't 'en watt, lot 'et 'en watt!
Lot 'et US nich teu lange stöhn,
Wü mött 't näu 'n Huisken foider gohn,
Van hüer bett na Köllen;
Köllen es näu wüider henn
Mött 't näu jümmer maier henn
Oine, twgie,
Dr9ie, vpier,
Füiwe, sesse,
Sieben, achte,
Niejen, tgjjen
Elm 'n wi' wü in 'e Pannen schlohu
Twelwe sali upp 'n Diske stöhn
Krüije we niu 'en i)g?
Wü Witt den Heern huldijern,
Giwet 'en watt!
Lot 't en watt!
Lot 't 'en nich teu lange stöhn,
Wü Witt näu 'en Huisken foider gohn
Van hüer bett na Köllen;
Köllen es nä wüider henn,
Do kommt nä jümmer maier henn
151
Oine, tw$i,
Dryi, vgier etc.
Elwe, twelwe,
Twelwo wi wü in 'o Pannen scblohu,
Lot 't US nich teu lange stobn, —
Lgiwe Fniwwe, giwet us watt!
Wü Witt, wü Witt Kristolljen jaren
Giwet US watt,
Lot H US watt!
Lot 't US nich teu lange stöhn
Mött 'et näu 'n üuisken foider gohn
Van hüer bett na Köllen usw.
Oiner — tw^i,
Drgier — vper,
Füiwer - sess,
Siebener — acht,
Nijener — tgjjen,
Elmen wi'we in 'e Pannen schlohn! —
Jiu! { Juchzer!) Änoinke, näu pine;
Sünte Märten, geut Mann,
De US wall watt gieben kann (verteilen
kann)
Da Äppel un de Biern,
Da Nötte goet na miern (näu met).
L^iwe Fruwwe, gifP us watt,
LQtt US nich teu lange stöhn,
Wü Witt näu 'en Huisken foider gohn,
Van hüer bett na Köllen; (Deppel)
KöUen es nich wüit van hüer,
Giwet, giwet, giwet,
Dat wü lange liewet;
Giwet US 'en Nott,
De schloe wü in 'en Pott;
Giwet US 'en Wannott,
De schloe wü in 'en Käulpott.
Vijjeline, vijjelane,
Wie schön ist die Dame;
Vyjeline, vijjelane,
Wie schön ist der Herr!
Wenn de Schlöttel klappert,
Krüje wü wall 'en Appel;
Wenn de Schlöttel klinget,
Werd se us wall watt bringen.
Klipp, Klapp, Reusenblatt,
Mgern est 'et Sunndach!
Sünte Märten, geut Mann,
Da et näu wall deun kann.
Da Äppel un de Biern
Da Nötte mach eck geern.
Lgiwe Fruwwe, giff us watt,
L^tt US nich teu lange stöhn,
Wü mött 'et nä 'en Huisken foider gohn.
Van hüer bett na Deppel.
Deppel es nä wüit van hüer,
V9rentwintig Stunne.
Wenn de Schlöttel klinget usw.
A. Rodder, rodder Pewwerten (Pforte) \
B Männchen un Knaben —
A. Wovell kann 'et maken?
B. Lytt se mol jappen !
(SchneUzählen mit Nüssen.)
Pinkepanke — in wekker Hand
In dösser är in der? (Nussspiel.)
III. Volkslieder.!)
Meeken, komm nohl vnr de Diier!
„Meeken, kumm mohl vür de Düer,
Kumm mohl 'n bett'u herriut,
Wü Witt mohl 'n bett'n van 'n
Früjjen küern.
Diu sasst süin müine Briuf
„Datt sali eck wall blüib'n looten.
Wenn datt da Äulske suit;
Olle Düorns sind verschlooten,
S9 passet upp ehr Luit.**
(Oder : Dann könn eck man wüit weg
läupen,
lut 'n Lippsken^herriut)
3. „Sali eck mohl da Leddern halen,
Da achtern Hiuse stpit,
Un mohl 'n bett'n teu dui kommen
Un s^in mohl, wo 'et du göit?**
4. Qsse hpi niu do beben was,
Do küsst hpi süine Briut ;
S^i versproiken sick de Trui
Bett ten Däne heniut.
6. Qsse da Äulske dat vernamm.
Sprang s^i iut 'n Bedde herriut:
„Juff sali dgch de Duiwel halen
Juff vermuckte Tuig 1^
^) Die Stücke Nr. 1—8, 14 und 15 habe ich aus dem Volksmunde und zwar
meistens von meiner Mutter; Nr. 9 ff. sind zwei lippischen Lokalbl^^tero entlehnt,
nämlich dem „Lippischen Magazin'' Jg. 1841 und den „VaterländiarViei^ Blättern**
Jg. 1847. ^
152
6. Qsse da Junge dat Yernamm,
Sprang hgi teu 'n Fenster heniut,
Bucksen bleif an 'en Riejel hangen —
Datt sach patzig iut.
7. Qsse hgi nia unner was,
Kaik hvi herup un rQip,
„Oh, Hannchen, schmüit müi müine
Püip'n herriat
Un müin'n Tabaksbuil!''
8. „Seu ggit et mui ni j^idesmohl,
Wenn eck no *en Luitens goh,
Datt eck mott do bluten stöhn
Qsse seu'n stüib'n Pohl."
2. Bruehstfick ans einem Volksliede.
0 Hannes, wekken HeutV
Da Heut, d& hat 'n Daler kost,
De äule sch^iwe Heut.
3. Spinn, müine Ipiwe Doehter.
1. n^piiiii) müine l^iwe Dochter,
Eck giwe düi 'n paar Schöuh!'*
„„Jo, müine l^iwe Mudder,
'n paar Tuflfel dorteu;
Eck kann nich spinn'n,
Müi schweert de Finger;
De Dium'n, de Dium'n,
Da doit müi seu wgih.""
2. „Spinn, müine Igiwe Dochter,
Eck giwe düi 'n Kockf*
„„Jo, müine Ipiwe Mudder,
'n Kamsol dorteu;
Eck kann nich spinn'n,
Müi schweert de Finger usw."**
3. „Spinn, müine l^iwe Dochter,
Eck giwe düi 'n Däuk!"
„„Jo, müine Igiwe Mudder,
'n Müssen dorteu;
Eck kann nich spinn'n usw.**"
4. „Spinn, müine Igiwe Dochter,
Eck giwe düi 'n Mann!**
„„Jo, müine l^iwe Mudder,
Datt st^it müi wall an;
Eck kann wall spinn'n,
Müi schweert kgin Finger,
De Dium'n, de Dium'n,
De doit müi nich wgih!****
4. Beim Flaehsrenpen, um einen Trank
zn lordern.
0 w^ih, o w^ih,
Doit müi müin Lüif seu w^ih,
0 wgih, 0 w^ih,
Doit et müi söu wgih!
Hädd' eck 'en Drüppen Brannewüin,
. Möcht 'er wall geut für süin —
O wgih, 0 w^ih,
Doit müi seu w^ihl
5. Repelied.
Rüipe, rüipe Gäst'n
Wi' wüi majjen,
Stoppeis in den Failem,
Wi' wüi loot 'n stöhn;
Olle wackern Meekens
Wi' wüi früjjen,
Olle äul'n Jumfern
Wi' wüi loot 'n stöhn.
6. 0, diu änle Schlnnkenschl^if.
0, diu äule Schlunkenschl^if,
Hast müin Hert gar nich l^if,
0, diu äule ilöltenschl^if,
Hast müi nich V^if;
Kickst mü mett 'en Meese nich au,
Wpist nich, watt koomen kann —
0, diu äule SchlunkenschlQif
Hast müi nich Ipif.
7. Hänsken in >n Seh^ttst^ine.
1. Hänsken satt in 'en SchQttstgine
Un flicke süine Scheuh,
Da kämm seu 'n wacker Meeken (hcer)
Un kaik seu nüipe teu.
2. Meeken, wenn diu früjjen wutt.
Denn früjje diu man müi,
Eck häbb 'n blanken Daler (funn'n),
Denn will eck gieb'n düi!
8. Meeken, deu et nich, Meeken, dvu.
et nich
E'(n hätt 'en schgib'n Feut!
Schmeer Salb'n upp, schmeer Salb'n
upp,
Denn wert et wedder geut!
8. Wenn de Pott nin ^wwer 'n Lock hat.
1. „Wenn de Pott niu 9wwer 'n Lpck hätV
Lyiwe Heinerich, lyiwe Heinerich?**
„„Stopp et teu, dumme, dumme Liese,
Dumme Liese, stopp et teu!"**
153
2. „Womet sali eck et denn teustoppen,
Lpiwe Heinerich, Ipiwe Heinerich?"
„„Met Sträub, dumme, dumme Liese,
Dumme Liese, met Sträuh!'**'
3. „Wenn et Sträub niu Qwwer teu lang es, 1. H., 1. II.?''
„„Howw' et äff, dumme, d. L ""
4. „Womet sali eck et denn affbobb'n ?"
„„Met der Boem "**
5. „Wenn de Boem niu gwwer stumpfes ?"
„„Mak se scbarp ^*^
6 „Womet sali eck se denn scbarp maken 7^
„„üpp en StQin ****
7. „Wenn de St9in niu ^wwer teu dr^ije es ?"
„„Mak en natt ""
8. „Womet sali eck en denn natt maken ?**
„„Met Water ««
9. „Womet sali eck denn et Water balen ?"
„„Met en Potte ""
10. „Wenn de Pott niu ^wwer 'n Lock hat "
„„Stopp et teu usw. usw.""
9. Os eck näu 'no Jamfer was.
1. 0, wenn eck d9cb ^inmol in 'en Hemmel grst wgr.
Et kämmt mü seu siwwer in 'en Oihestand für;
0, W9r eck dpcb jümmer 'ne Jumfer blieben,
Un hädde mü nich an datt Früjjen gieb'n.
Niu sitt eck an 'er Wpgen un singe popei,
Eia popeia, eia popei.
2. Qs eck näu 'ne Jumfer was, was eck seu füin,
Qsse nenne gnädije Fruwwe kann süin,
Do ging mü dat Köppken seu seu un seu seu,
Do was eck seu füin un seu schmuck un seu fräub —
Niu sitt eck usw.
3. Qs eck näu 'ne Jumfer was, do ging eck upp'n Danz,
Upp HQcbtüit un Kärmiss un äuk biut 'n Lanns,
Do kaiken de Jungens van 'er Halb'n müi an,
Un dachten: 0 Jumfer, wQr eck dgcb düin Mann!
Niu sitt eck etc.
4. Da Qine, da nicke, da annere, da wenke.
Da drüdde den Heut upp 'en Koppe 'rüm schwenke.
Da ?9rde de gij'le un gaff teu verstohn,
Hpi woll wall vanobend na Hius mett müi gohn —
Niu sitt eck usw.
5. Un was niu upp 'er Kärmiss nicks maier teu denn,
Dann konn eck des Obends mett 'en Rae iutgohn;
Dat sang sick, dat spann sick mett Lust un Pläsier,
Dann se 'en da Jungens, 't es dpch 'en schmuck D^Jer
Niu sitt eck usw.
6. Seu gink et müi gs eck 'en Jumfer näu was,
Do gink da Vijjelüin'n, niu brummet da Bass.
Ei, wpr eck man jümmer 'ne Jumfer verblieb'n,
Un hädde mü nich an datt Früjjen begieb'n —
Niu sitt eck an 'er wgijen un singe popei
Eia popeia, eia popei.
154
10. Hört an, mein bester Freund.
1. Hört an, mein bester Freund,
Ich muss euch etwas fragen,
Könnt ihr mir nicht davon
Die rechte Nachricht sagen?
Wohnt nicht ein Schäfer hier
Der sich Herr Jakob nennt?
Kommt! Sagt es mir doch recht,
Wo ist sein Logement?
2. Jo, jo, müin Igiwe Heer,
Datt könn jü wal erf obren :
Den Jakob kenn eck niu
Bünoh 'en Stüije Johren;
Hö es JQ niu müin Heer,
Eck sin süin Schaipersknecht —
Watt hätt 'e juff denn dohn ?
0 svjjet datt mü recht!
8. Er hat ein Schäfchen schön
Von uns'rer Weid' entführet,
Deshalben bin ich ihm
Nun Selbsten nachgespüret ;
Hab' auch erfahren schon,
Dass er es bei sich hat,
Er hält es lieb und wert
An seiner Liebsten Statt.
4. Watt 'en Duiwel kür jü do ?
Soll müin Heer Schoope miusen?
Wenn hpi datt Ding erfohrt.
Den Kopp werd h^i juff liusen.
Büi müiner armen Spil,
Juwwe Schnaken stpit nich füin,
Müin Herr, de werd gewiss
De Schoopedyif nich süin.
5. Gemach, gemach, mein Freund,
Lasst euch doch unterrichten.
Gestohlen ist es nicht.
Gemauset auch mit nirhteu;
Bekanntschaft hat's gemacht,
Dass es gefolget frei —
Urteilet Selbsten nun,
Ob das ein Diebstahl sei.
6. Müin Herr hätt Schöpc vell
üpp süin'n Howe läup'n:
Schwärt, witt un äuk wall bunt
Hat bgi se do büi 'n Häup'n;
Un Ipiwet mü man drüist.
In düssen ganzen Land
Sind Schöpe graut un lütk.
Den Lui'en wall bekannt.
7. Ich höre schon, mein Freund,
Ihr könnt mich nicht verstehen;
Es gibt der Schäfchen auch,
Die auf zwei Füssen gehen;
Man wahret sie so gern
In seinem Hof und Haus,
Man hält sie lieb und wert
Und ehrt sie überaus.
8. Watt 'n Duiwel kür jü niu,
Jü makt mü liuter Fratzen;
Dat makt jü müi nich wüis,
Seu fängt man nenne Spatzen.
Oiu Ape, Rüe, Beer,
Könnt upp twpi Foit'n gohn.
Van Schöpen Igiw' eck et nich —
De Duiwel mach 't verstohn.
9. Mein Freund, man kann doch auch
Die Mädchen Schäfchen nennen,
Die fromm sind oder gut;
Ihr müsst sie doch auch kennen.
Ein solches hat eu'r Herr
Mir weggelockt durch List.
0, schafft es mir zurück;
Der Lohn euch sicher ist.
10. Hejj jü dat glück mü säggt,
Qs jü 9rst teu mü köim'n,
Dann hädd' eck juff besch^it.
Wo jü no frojen dpin:
Heer Jakob hätt datt Wicht,
Wo jü no soikeo geht —
Jü krüijet 'et Qwwer nich,
Un wenn je upp 'n Koppe stobt! —
II. Hans un Gr^itken.
Hans.
Lütket Meeken, triute Dpiem,
Jammert du denn nich müin Schmert?
Lott du d^ch 9inmol erw^iken,
Gr^itken, blüif dgch nich seu hart;
Denn diu hast 9II lange wusst,
Dat eck teu düi häwwe Lust.
D'rüm, 0 Gr^itken, lott us maken
Mett den Saken, mett den Saken,
Da US bgiden sind wall bewusst.
Grpitken.
Hans, wenn man hett junge Dgiern,
Dann hätt gin'n de Luie l9if,
Un dat Keerlsvolk suit Qin'n geeru,
Bückt sick für pin 'n krumm un sch^if ;
Wenn man pwwer ^rst früjjet hätt.
Dann es man nich maier seu glatt,
Dann seu Iptt man dat Tuig hangen.
Käue Wangen, räue Wangen
Geht dann olle duister affl
Hans.
Gr^itken, eck wgit, et sali du hajen.
Wenn de Kinner Mamme svjjet.
Wo säst diu se wüijeln, wajeln,
Wenn se teu düi püip'n plejet;
155
Diu wind'st se in 'en Bündken in —
Diu wutt olltüit sea helle siiin,
Sacht un liue Junge Fruwwe Junge Fruwwe
St^it düi dat nich wall kurejeus?
Qr^itken.
Früjjen, datt es wall vell wojet,
Dor es äuk Lärm geneug dobüi;
Wenn man sick mett Kinnern plojet,
Dann es man nich maier recht fräuh ;
Dann willt se bäule düt un bäule dat,
Dann sind se bäule achter un vürne natt,
Un man hgert dann nicks 9sse gnarrn,
Schrgjjen un blarr'n, schr^jjen un hlarr'n,
Un wat Tuijes nä maier es.
Hans, müine Mömme un müin Vadder,
Da s^jjet, eck wör näu teu jung dorteu;
Eck sin ^rst van füftejjen Johr'n,
Eck mott näu gin lutk betten blüib'n seu
Qs eck näu jetzunner sin.
DVfim schlich diu mü man iut 'en Sinn
Denkst diu 9wwer, müi teu l^ib'n,
Seu most diu toib'n, seu most diu toib'n,
Bett datt eck ^rst näu Qller sin.
Hans.
Dia kannst dat Früjjen wall verdrejen,
Diu bist äuk äult geneuch dorteu;
Et verderwet du nich den Majen,
Diu bliffst eben dorümme lüike seu
Gröitken, nimm diu müine Hand,
Teu 'n gewissen Unnerpand,
Dat eck du mach geern lüien,
Un teer Frubb'n, un teer Frubb'n
Müi nenne annere weer'u sali.
Gr^itken.
Hüer, seu hast diu müine bgid'n Fuiste,
Kopp un Foite äuk dorbüi;
Un datt schwör eck düi upp't drüiste,
Datt müin Härte düin gijen süi!
Hans un Qr^itken.
D'rüm seu nimm diu müine Hand
Teun gewissen Unnerpand,
Datt diu bist müin Suckerpüppken,
Triute Trüppken, Triute Trüppken, .
Un müin löiwer Odrion!
12. Ilirtenlied.
Imbtepott, heb !
Diu fiule K9ck, heb!
Wangier sali eck
Müin'n Imbtepott häbb'n!
Niejen Iwwer est 'et,
Töjjen werd et äuk,
Elb'n drüiw' ek in.
Müine Kojje sind dicke,
Hätt Mälke in 'en Titte —
Imbtepott, heb I
Diu fiule Kock, heb!
13. Da8 Lied ?om Herrn von Falkenstein.
1. Eck sach müinen Heern van Falkenstgin
Na süiner Burg uprüien;
Qin Schild foire h9i bünoben sick beer,
Blank Schwert an süiner Süien.
2. „Gott gruisse jufif Heern van Falkenstcpin
Sin jü des Lannes Qin Heere?
Seu giwet mü w edder den Gefangenen müin,
Ümme oller Jungfrubben Ehre!**
3. „„Den Gefangenen, den eck gefangen häww',
I)ä es mü woern siwwer ;
Da liggt teun Falkenstgin in 'en Täwwern,
Dorin sali h^i verfiulenl""
4. „Sali h^i teu Falkenstpin in 'en Täwwern,
Sali hgi dorin verfiulen?
Ei, seu will eck tijen de Miwwern treen,
Un helpen L^ifken trewwernl**
5. Un 9S se wall tijen de Miwwern tratt,
H9er S9i ehr LQifken innen —
„Sali eck juff helpen? Datt eck nich kann,
Datt nimmt mü Witt un Sinne!''
156
6. „„Na Hills, na Hins, müine Jungfruwwe zart,
ün trpistet juwwe armen Waisen;
Nemmt juif upp dat Johr *n annern Mann,
Da juff kann helpen trewwern!"**
7. „Nemm eck upp datt Johr ^inen annern Mann,
Büi enne mösst eck schlopen,
Seu ]9it eck dann äuk müin Trewwern nich,
Schloig hgi müine armen Waisen.
8. Ei, seu woU eck, datt eck 'en Zelter hedde,
Un olle Jungfrubben rien,
Seu woU eck mett Heern van Falkenst^in
Ümme müin Füinlgifken strüienP
9. „„0 nai, o nai, müine Jungfruwwe zart,
Dess mösst eck drejen Schanne;
Nemmt jufT juwwe L^ifken wall büi der Hand,
Trecket jü dormett iut 'en Lanne!""
10. „Iut düinen Lanne treck eck seu nich,
Diu giffst mü denn ^in Schrüib'n,
Wenn eck niu komme in frömde Land,
Datt eck dorin kann blüib'n!"
11. Qs söi wall in de graute Höie kam.
Wo liude d^i s$i singen:
„Niu kann eck den Heern van Falkenstgin
Mett müinen Wewwern betwingen.
12. Doer eck et niu nich henne s^jjen kann,
Doer will eck et denn hcnn schrüib'n,
Datt eck den Heern van Falkenstgin
Mett müinen Wewwern kann twingeu!"
14. Brnchstiick ans einem Liede.
Seu lange dat nä geiget
Met Pulver un met Blie,
Seu lange blieben wi iusen Fürsten
Ter Lippe äuk n& trü. —
:,: Zum trullallallalla :,:
Zum trulla, und die Lipper, die sind da !
Un Qsse wi niu keimen
No'en leiben Paderbgm,
Do hadden wi 9II iuse
Fahnen verloem. —
Zum trullallallalla
Un 9sse wi niu keimen
Na KpUen an den Rhüin,
Bekeken us de Mekens
Van achter un van vüern.
Zum trullallallalla. . . .
15. OaHHenlieder.
Hans hätt'n dicken,
Hans hätt'n dicken,
Hans hätt'n dicken
Knäup up'n Stock;
Jule hätt'n räue,
Jule hätt'n räue,
Jule hätt'n räue
Müssen up'n Kopp
J&i i^j jft« JA-
Jule hätt'n räue
Müssen up'n Kopp.
Ridder, ridder, Rättken,
Lvisemanns Jettken
Sitt vür der Düer
Un spielt mett'n Kättken.
157
IV. Inschrift auf einer jetzt nicht mehr vorhandenen hSIzernen
Tafel ans der Lemgoer Ratskammer, i)
Urbis si fueris rector duodema notabis.
Wer einer Stadt vorständer iß
De mercke twelfi artickel wiß.
Unum fac populum, communem respice fructum.
Tbom ersten make dat volck ein;
Gemeinen nut saltu an seyen.
Yim des expertis, servetur redditus urbis.
Unde ghiff macht den erfahren;
Stades gut mit truwen ware(n).
Crescat et in melius, tibi sit vicinus amicus.
Unde dat mere(n) to alier tyd;
Frund dines nabers wes an uyd.
Aeqaum protege jus, et stant (1. stet) par dis et egenis.
Dat rechte recht bescherme yo ;
Dem armen alß dem riken do.
Atque statufa tene bona, quae sunt mala repelle.
Unde darto halt gude säte;
Alle quad mit sinne late.
Et dominum terrae cole, dicta tene sapientum.
Hebb leff dienen landesheren,
In dogheden, tucht un eren.
Darto holt jo der w(e)i8en rad,
So werd die vorstand nummcr quad.
ürbs nam, quae caret bis, raro fulget sins cura.
Welke stad dussen ein gebricht,
De schinet sunder sorghe nicht.
FRANKFURT a. M. K. \A^ehrhan.
^) Einem Wunsche des Schriftleiters des Niederdeutschen Jahrbuchs nach-
kommend, bringe ich die von Otto Preuss (Die baulichen Altertümer des Lippischen
Landes. 2. Aufl. Detmold 1881, S. 63 f.) bereits mitgeteilten mnd. Verse hier
zum Abdrucke. Eine Vergleichung mit dem 28 Verse bietenden Spruche Wultu
eine Stadt regeeren, eer mit truwen vorwesen, Busse twolf stucke sc/^aUu mercken
unde averlesen, der im * Deutschen Magazin. Hrg. von C. U. D. v. flogers^ ^^* ^^
(Altona 1796), S. 27 abgedruckt ist, war beim Mangel dieses Buchea ^fc^t mogVich.
158
Liüekenbüssep
abgebrannt
Nach J. Grimm, Wörterbuch 1, 16 bedeutet abgebrannt *arm,
von Gel de und allen Mitteln entblösst'. Campes Wörterbuch erklärt
'einer Sache beraubt, davon entblösst'. Dem lebenden Sprach-
gebrauche entspricht m. W. nur die Bedeutung, welche 'Der richtige
Berliner' von Hans Meyer, (6. Aufl., Berlin 1904 S. 2) anmerkt:
'Abgebrannt, ohne Geld'. Dieser engeren Bedeutung entspricht auch
der in Grimms Wörterbuche verzeichnete Beleg Freilich liegt es
nahe, an eine Verengung des Sprachgebrauchs zu glauben, sodass mit
dem Worte ursprünglich 'ein abgebrannter Mann, der das Seinige in
einer Feuersbrunst verloren bat' gemeint wäre.
Die nachstehend zum Abdruck gebrachte Schilderung eines alten
Gesellenbrauches eröffnet die Möglichkeit einer Herleitung der heutigen
Bedeutung zunächst aus der alten Zunftsprache. * Sie gewinnt dadurch
erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass durch sie die Beschränkung der
Bedeutung auf das bare Geld von vornherein gegeben ist
Die erwähnte Schilderung findet sich in dem Aufsatze 'über
Missbräuche und Unordnungen, so unter den Handwerks-Gesellen,
besonders unter den Hutmacher-Gesellen, in Preussischen Staaten noch
üblich sind', welchen der Hutfabrikant Franz Bock in Potsdam in
den Annalen der Märkischen Oeconomischen Gesellschaft zu Potsdam
Bd. 2, Heft 3 (Potsdam 1796) hat abdrucken lassen, auf S. 25 f.
und lautet:
Vom Abbrennen. Diese böse Gewohnheit geschiehet: wenn sie [die
Handwerksgesellen] am Montag, Dienstag und Mittwoche noch auf ihrer Herberge
schwärmen und nicht alle beisammen sind; so sagt einer zu dem andern: H**'
oder B** (Geselle) muss wohl arbeiten? wir wollen hingehen und ihn abbrennen.
Dieser arme Geselle, der oft keine ganze Schuhe an den Füssen, einen zerrissenen
Rock und kein Hemde hat, und gern etwas verdienen will, wird nun durch 8 oder
10 Gesellen, oder soviel an dem Orte arbeiten, abgebrannt; für alle diese
Müssiggänger muss er Branntwein, Bier und Semmel aoschaflfen, und zwar so
reichlich, bis sie alle besoffen werden, alsdenn muss dieser arme Geselle die Arbeit
liegen lassen, und mit diesen Tagedieben auf ihre Herberge gehen. Das Feuer
brennt unter den Kesseln ab, der Meister oder Fabrikant verliert sein Holz,
erhält keine Arbeit von seinem Gesellen, oder die angefangene Arbeit ist halb
verdorben . . . Dies nennen sie abbrennen.
Welche ursprüngliche Bedeutung das Abbrennen der Gesellen
gehabt habe, ist eine besondere Frage Bock hat in seiner hier
wiedergegebenen Ausführung die Worte 'Das Feuer brennt unter den
Kesseln ab' durch fetten Druck hervorgehoben, also dem Abbrennen
des Feuers eine besondere Wichtigkeit bei dem Gesellenbrauche bei-
gelegt. Indertat wird seine Benennung hiermit zusammenhängen.
Der Gesell soll die Werkstatt nicht verlassen, solange das Feuer
159
unter dem Kessel oder auf dem Werkplatz flammt. Erst wenn
dieses abgebrannt ist, kann er zur Herberge gehen. Die ihn hier
erwartenden fremden Gesellen kommen deshalb in seine Werkstatt,
um das Feuer hier zum Abbrennen zu bringen. Der Meister musste
sich diese gewaltsame Unterbrechung der Arbeit seines Gesellen am
Montage, Dienstage oder Mittwoch gefallen lassen, wenn an seinem
Wohnorte Brauch war, dass an diesen Tagen die Gesellen feiern durften.
CHARLOTTENBURG^ ^/V. Seelmann.
Anzeige.
Das Kieler Denkelbok herausgegeben von Frans Gundlacli [Mitteilungen
der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, 24. HeftJ, Kiel, Lipsius und
Tischer 1908. XIX u. 238 SS. 8».
l5ie Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte hat in den letzten Jahren, wie
der angehängte 18. Bericht ergibt, mit allerlei widrigen Umständen zu kämpfen
gehabt: um so mehr darf man ihr Gluck wünschen, dass Dr. Gundlach, den die
Stadt Kiel mit Beginn des Jahres 1907 zur Leitung des von ihm zuvor geordneten
Archivs berufen hat, das festgefahrene Schiffiein mit einem energischen Ruck wieder
flott macht, indem er zunächst durch das vorliegende Heft die Publicationsserio
der Kieler Stadtbücher zum Abschluss bringt: vorausgegangen sind das älteste
Stadtbuch (ed Hasse 1876), die Rentebücher I und II (edd. Reuter 1891—93 und
Stern 1904), der erhaltene Teil des Erbebuchs (ed. Reuter 1896) und das Varbuch
(ed. Luppe 1899). Ist die Überlieferung dieser Quellengruppe auch unvollständig,
so besitzt Kiel in ihr doch immerhin einen sehr reichen Stoff, der die Wirtschafts-
und Kulturgeschichte der Stadt vom Ausgang des 13. bis zum Beginn des 17. Jahr-
hunderts eindringlich zu beleuchten gestattet und auch manches für die politische
Geschichte abwirft.
Der Titel ^Denkelbok', der sich für den ganzen hier publicierten Band ein-
gebürgert hat, kommt eigentlich nur dem grössern Hauptteil zu: für diesen, der
im J. 1490 angelegt wurde und bis 1575, mit einzelnen Eintragungen bis 1588, ja
mit Nachträgen und einer Ratsliste bis 1711 herunter reicht, wurde nämlich das
freigebliebene Papier eines Liber copiarum benutzt, den man 1465 begonnen, aber
bereits 1472 bei Seite gelegt hatte; auch diese Eintragungen sind also in unsere
Pnblication eingeschlossen. Die Sprache ist bis zum Schluss des Grundstücks
niederdeutsch, obwohl sich schon in der ersten Hälfte des 16. Jhs. hochdeutsche
Einflüsse zeigen, die bei dem Schreiber Hermannus Sifrit (1561—1575) stärker
hervortreten.
Der Herausgeber hat eine sehr sorgfältige Scheidung der Schreiber vor-
genommen (s. XI— XIV) und eine knappe Übersicht über den Inhalt (I. Verwaltungs-
sachen, II. Gerichtssachen s. XIV— XVIII) gegeben. Beim Abdruck verfährt er
sehr conservativ und erklärt dies damit, dass die mittelniederdeutschen Schreiber
im allgemeinen nicht so zum Eingreifen und Beschneiden herausfordern ^^^ ^^^^
hochdeutschen Kollegen mit den gräulichen Consonantenhäufungen. ^ \%t schon
160
richtig, aber Unarten wie das h in ßuderde, mhan, Jiernha sollte ein Herausgeber
doch Dicht dulden, und erst recht nicht sollte er so ein fhu vor fl in das Alphabet
des Glossars einstellen.
Im übrigen macht der Text den Eindruck sicherer Lesung, er ist verständig
interpungiert und sauber gedruckt. Der Wortschatz ist ziemlich reichhaltig und
ergibt nicht nur gute Belege, sondern auch neue Artikel für das mittelniederdeutsche
Wörterbuch. Der Herausgeber, der diese Edition seinen ersten Versuch im Nieder-
deutschen nennt, hat auch diesen Dingen seine Aufmerksamkeit nicht entzogen:
die drei Begister sind mit Liebe gearbeitet; nur muss man sich merken, dass die
interessantesten Wörter nicht etwa unter III *Wort- und Sachregister' zu finden
sind, sondern unter I 'Register der Personen und Ortsnamen' und II Topographisches
Register der Stadt Kiel' ! Hier sind nämlich, sachlich nicht unberechtigt, aber für
den Lcxicographen doch unerwartet, eine grosse Anzahl von Appellativen aus den
verschiedensten Gebieten des öffentlichen Lebens untergebracht, sodass man, um
ein paar noch bei Lübben und Walther fehlende Wörter herauszugreifen, tegel-
kyndere ^jugendliche Ziegelarbeiter' (s. 159) unter den Eigennamen (I S. 206),
kerksworen *Kirchgenerale' (vielfach belegt) gar unter 'Nicolaikirche' (II s. 215)
findet. Das 'Wortregister' selbst ist mit Erklärungen gar zu sparsam: so ist der
Plural futte f. vote, vbte doch nicht so geläufig, dass jedermann sofort wüsste, was
uj) fryen fasten futten S. 77. 78 bedeutet : dass es der Herausgeber verstanden
hat, bezweifle ich nicht, obwohl ich es bei einem nmd. Glossar noch mehr als
anderwärts rügen muss, dass F und Y getrennt worden sind. In dem betr. Stück
(nr. 90), das (wie manches andre) interessante Zeugnisse zur Zeitgeschichte (1524)
liefert, ist übrigens S. 77 Z. 15 v. u. mlver und galt zu lesen; der Herausgeber
selbst bittet Z. IS v. u. rigea (rügisch) ther, aake zu trennen, wie er auch S. 217
Z. 5 V. u. deuestygis (d. i. devesiyge) statt denestyge zu lesen ersucht.
Schliesslich ein Wort über den Titel. Dass er eine Übersetzung von 'Liber
memorialis' ist, scheint klar. Es ist einiges jener merkwürdigen Komposita mit
-el im ersten Bestandteil, die ja längst bekannt und im Mnd. Wb. verzeichnet stehn;
eine besonders grosse Zahl ist mir neulich bei der Lektüre der 'Bürgersprachen
der Stadt Wismar' aufgestossen, die Fr. Techen in den 'Hansischen Geschichts-
quellen' herausgegeben und vortrefflich erläutert hat. (Leipzig 1906). Ich notiere
unbekanntes längst belegten einordnend : etheltoare, gevelbeer und geveltoin, Ibvdbeer
(Kiel), mekelgheltf tappelmUe, treekeUunne (Rostock, zu treeken 'feierlich aufziehen').
Femer anderweit okelpenning 'denarius augmentabilis', schouwelpenning 'nummus
memorialis'. Wann und wo kamen diese auf den Nordosten beschränkten Bildungen
aufV Und wirken dabei vielleicht die lateinischen Bildungen auf -alis, -üis {me-
morialis, comestibilis, nupiialiSf sponsalis, festivaUs) wenigstens fördernd mit ein,
in ähnlicher Weise wie dies Polzin für die hochdeutschen Deminutiva auf -üCin)
nachzuweisen versucht hat ? Dagegen spricht freilich, dass für unser Sprachgefühl
von heute der erste Teil verbaler Natur ist. J. Grimm Gr. II 540 hat unsere
Gruppe übersehen, wie überhaupt die Wortbildungslehre des Mittelniederdeutschen
bei ihm nicht zur Geltung kommt — und infolgedessen allenthalben vernachlässigt
geblieben ist.
GÖTTINGEN. Edward Schröder.
Berichtigung. S. 4 § 4, 1 lies: mit fallendem Acceat.
Niederdeutsches Jahrbuch.
Jahrbuch
des
Vereins für niederdeutsclie Sprachforschung.
Jahrgang 1909.
XXXV.
NOßDEN nnd LEIPZIG.
Diedr. Soltau's Verlag.
1909.
Ausarbeitungen, dereu Abdruck im Niederdentschen Jahrbnche
gewünscht wird, sind dem Mitgliede des Redactionsausschusses Prof.
W. Seelmann, Berlin W. 15, Pariser Strasse 37 zuzusenden. Die
Zahlung des Honorars (von 32 Mk. für den Bogen) erfolgt durch
den Schatzmeister.
Zusendungen, deren Abdruck im Eorrespondenz-Blatt erfolgen
soll, ninmit Dr. C. Walther, Hamburg 24,, Uhlandstra^se 59 entgegen.
Die Mitgliedsohaft zum Niederdeutschen Sprachverein wird durch
Einsendung des Jahresbeitrages (5 Mark) an den Schatzmeister des
Vereins Herrn Johs. E. Rahe, Hamburg I, Gr, Heichenstr. 11113 oder
durch Anmeldung bei einem der Vorstandsmitglieder oder Bezirks- |
Vorsteher erworben. i
Die Mitglieder erhalten für den Jahresbeitrag die laufenden Jalir- i
gänge der Vereinszeitschriften (Jahrbuch und Jforrespondenz-Blatt)
postfrei zugesandt. Sie sind berechtigt, die ersten fünf Jahrbücher
zur Hälfte, die folgenden Jahrgänge sowie alle übrigen Vereins-
Veröffentlichungen (Denkmäler, Drucke, Forschungen, Wörterbücher)
zu Dreiviertel des Ladenpreises zu beziehen, wenn die Bestellung unter
Berufung auf die Mitgliedschaft direkt bei dem Verleger Diedr. Soltau
in Norden (Ostfriesland) gemacht wird.
Bis auf weiteres können die Mitglieder von demselben auch das
'Wörterbuch der Ostfriesischen Sprache' von J. ten Doomkaat Koolman
(3 Bände gr. 8*^ kartonirt) für 15 Mark (Ladenpreis 44 Mark) post-
frei beziehen.
Bücher oder Sonderabzüge, deren Anzeige oder Besprechung
gewünscht wird, sind mit dem Vermerk 'Zur Besprechung^ oder dgl.
dem Verleger oder einem der anderen genannten Herren zuzusenden.
^>^-«»<i4>^^*M^
Niederdeutsches Jahrbuch.
Jahrbuch
des
Yereins für niederdentsche Sprachforschnng.
Jahrgang 1909.
XXXY.
NOIIDEN Mll LMia.
Diedr. Soltau's Verlag.
1909.
Iiruok ▼on Diedr. ßoltau in Norden.
Inhalt.
Seite
Eine neue Quelle für Reutersche Anekdoten. Von Ernst Brandes . . . 1
Das Lübische Wörterbuch des Jacob von Melle. Von Colmar Schumann 17
Volkstümliche Redensarten aus Lübeck. Von Colmar Schumann. . . . 81
Ein Sündenverzeichnis des 15. Jh. Von Joseph Fritz 44
Papphahne als Münzname. Von Franz Heimann 46
Pumpernickel. Von Aug. Grabow 48
Sprichwörter und Redensarten aus Lippe. Von K. Wehrhan 56
Niederdeutsche Gedichte aus den Üannöversch-Braunschweigischen Landen
von 1684—1726. Von H. Deiter 65
Über germanische Personennamen in Italien. Von H. Saake 124
Topographischer Volkshumor aus Schleswig-Holstein. Von C. F. Meyer . 136
Anzeige : Die Chroniken des Klosters Ribnitz bearbeitet von Friedrich Techen.
Von Edward Schröder '. 151
Eine neue
Quelle für Reuter'sehe Anekdoten.
Läusehen nn Rimels.!)
Um 9 die von Schriftstellern so sehr beneideten und so glänzend
geschilderten Erfolge eines Verlags kennen zu lernen^, hat Heinrich
Hoffmann von Fallersieben, wie er uns in seinen Aufzeichnungen und
Erinnerungen: ^Mein Leben '^ ausführlich schildert, eine ganz eigen-
artige Anekdotensammlung einmal selber verlegt. ;, Schon lange hatte
ich daran gedacht^, so erzählt er aus dem August des Jahres 1849 2),
^die vielen Geschichten, Schnurren und Witze, womit ich mich und
andere zu ergötzen pflegte, in eine Form zu bringen, worin sie
meinen Freunden und Bekannten wieder lieb und wert würden. Ich
dachte mir eine Gesellschaft Von Stammgästen, die sich jetzt, nachdem
es gefährlich geworden^ sich über Politik frei auszusprechen, auf
harmlosere Weise unterhielten. Jedem besonderen Charakter sollten
eben die demselben entsprechenden Geschichten in den Mund gelegt
werden. Ich verteilte den Stoff auf eine Woche, also sieben Sitzungen.^
Nach einer Umarbeitung war das Buch Anfang Januar 1850 fertig
und erhielt zuerst — mit Anspielung auf ein altes Schwankbuch —
den Titel ^Die lustige Gartengesellschaft^, dann ,yDer Nationalklub^
und schliesslich „Das Parlament zu Schnappet. Für Satz und Druck
zahlte der Dichter, der das Papier selber lieferte, dem Buchdrucker
Dettmer in Rüdesheim bei einer Auflage von 1000 Exemplaren 13 FL
Da es indess mit dem Selbstverlag doch nicht so recht gehen wollte,
wandte sich Hoffmann an seinen Freund Freiligrath und dieser wies
ihm als einen ;,anständigen Verleger^, der den Vertrieb übernehmen
wollte, W. H. Scheller (Schaubsche Buchhandlung, Düsseldorf) nach.
Zu dem wanderte denn nach kurzer Vereinbarung der Bedingungen
die ganze Auflage in zwei neuen Kisten, ohne dass der Dichter je
wieder etwas von ihr gehört und ausser einigen Musikalien für seine
Frau im Werte von 4 Talern 28 Groschen je etwas bekommen hätte.
1) Mit einigen Abänderungen aus der Sonntagsbeilage der Voss. Zeitung,
1909, Nr. 38 u. 34.
2) Mein Leben (6 Bände, Hannover, Carl Rümpler, 1868), Bd. 6, S. 91 f.;
vgl. ausserdem noch S. 102 und S. 107 f. Gerstenberg war in seiner Hoffmann-
ausgabe (Berlin, Fontane) gezwungen, vieles aus der recht breiten Selbstbiographie
des Dichters wegzulassen; man wird aber für manches PersönUc\xe ^^^ Klein-
Interessante auf das Original zurückgreifen müssen.
NiederdentBohes Jahrbuch XXXV. \
In der Schaubschen Buchhandlung scheint nun auch : „Das Parlament
zu Schnappel. Nach stenographischen Berichten herausgegeben von
Hoffmann von Fallersleben^ verschollen zu sein ; wenigstens trägt mein
Exemplar unten nur den Vermerk: „Bingerbrück 1850. Selbstverlag.
Auch zu haben bei Ant. Wittig zu Bingen am Rhein.*, aber keine
Angabe des Düsseldorfer Kommissionärs; es ist also höchst wahr-
scheinlich von Hoffmann aus Bingerbrück seiner Zeit irgend einem
Freunde zugesandt worden.
Unter diesen Umständen kann es nicht wunder nehmen, dass
Hoffmanns ,, Parlament zu Schnappel* als eine Art von buchhänd-
lerischem Unikum höchst selten einmal in Antiquariatskatalogen
angeboten wird (dann übrigens schon zu einem ziemlich hohen Preise)
und dass selbst bedeutende Literarhistoriker von dem Buch keine
Kenntnis haben. Sonst würde diese sehr interessante Anekdoten-
sammlung z. B. bei der Quellenforschung von Reuters Läuschen un
Rimels, die seit Seelmanns und Boltes grundlegender Arbeit im ersten
Bande der Reuterausgabe des Bibliographischen Institutes mit Eifer
betrieben wird, sicher herangezogen und verwertet worden sein, da
eine Reihe von Reuter^schen Lauschen mit Hoffmann^schen Anekdoten
meist ganz auffällig übereinstimmt.
Der erste Fall, der hier erörtert werden soll, wird zunächst
unwichtiger erscheinen, zumal er sich auf kein ganzes Läuschen,
sondern nur auf die Einleitung oder die Vorrede eines solchen bezieht.
In der Schapkur (I, 21) sucht Reuter seinen scharfen Angriff auf die
mecklenburgischen Rittergutsbesitzer, die er in der Person des un-
gebildeten und beschränkten Herrn Karbatschky lächerlich macht, im
Eingang dadurch etwas abzuschwächen, dass er dem Kredit der Guts-
besitzer seine eigene Kreditlosigkeit gegenüberstellt: Wenn so ein
grosser Herr schreibe: „Mein lieber Moses, schickt mich mal gleich
auf die Stell en dausend Daler Geld,* so erhalte er es umgehend;
wenn der Dichter es aber auch mit ^mir* und „mich* richtig mache
und bitte: „Mein lieber Moses, lieber Freund, wollt Ihr mir nicht
einen Taler leibn?*, so bekäme er doch unter keinen Umständen
etwas. — Man hat bereits im Niederdeutschen Jahrbuch. Bd. 29,
S. 57 u. 55 (1903), auf eine ganz ähnliche Anekdote in Raabes
Mecklenburgischem Volksbuch, 1846, S. 226, als mutmassliche Quelle
Reuters hingewiesen ; ihr Wortlaut mag zur Ver^leichung hier folgen :
„Mir soll der Teufel holen, wenn's nicht wahr ist,* sagte der sehr
wohlhabende Schustermeister L. in Schwerin zu seinem Jugendgespielen,
dem Herrn H. „Aber alter Freund,* entgegnete dieser, „er holt Euch
wahrhaftig nicht, wenn Ihr so sprecht, sintemalen der Teufel hoflfentlich
richtig deutsch spricht und Euch also nicht verstehen wird.* »Ach,
das ist all ein Tun; wenn man Kredit hat, so verstehen einen alle
Leute. Parexemple: wenn Sie unserem Rothschild schreiben: „Schicken
Sie mir mal 100 Stück Louisdor* — so schreibt der Jude Sie wieder:
„Bedauere sehr, aber habe augenblicklich nicht so viel in Kassa ; und
wenn ich denselben Augenblick zu ihm gehe und sage: „Geben Sie
3
mich mal 100 Pistoletten,^ so sagt er: ^^ Wollen Sie auch mehr haben,
Herr L.?""
Hoffmann in seinem ^^Parlament zu Schnappel^, S. 22 f., bietet
dagegen folgende Fassung : Ein reicher Schuhmachermeister (in Wolfen-
büttel) , er lebte jetzt von seinen Zinsen , rief: Markör,
geben Sie mich noch eine halbe Bouteille! — Da sagte ein junger
Leutnant, ich glaube, er stand in Braunschweig in Garnison: Herr
Lüth, warum sagen Sie denn immer: geben Sie mich, es heisst ja
mir. — Sehen Sie mal, Herr Leutnant, das ist ganz einerlei, ob ich
mir oder mich sage. Ich will Sie sagen: wenn ich, der Schuster
Lüth, an Moses Amschel schreibe: Schicken Sie mich mal 100
Pistoletten . . ., Herr Leutnant, so kriege ich se, wahrhaftig, ich
kriege se. Sie aber können schreiben : Schicken Sie mir und mich
einen halben Dukaten, und es kommt nichts danach, garnichts.
Dass Reuters eingestreuter Witz der Hoffmann'schen Anekdote
erheblich näher steht als der des Mecklenburgischen Volksbuches,
beweist allein schon die genau übereinstimmende Pointe; fast noch
schwerer wiegt der zunächst geringfügig erscheinende Umstand, dass
der ,Moses Amschel' Hoffmanns, unter dem sich natürlich der Roth-
schild (= Moses Amsel Rothschild) des Volksbuches verbirgt, von
Reuter in einen beiden Anekdoten fremden einfachen Moses verkürzt
ist. Wenn man ferner beachtet, eine wie prägnante und leichte
Fassung unser plattdeutscher Dichter der Schnurre gegeben hat, so
möchte man beinahe für gewiss annehmen, dass er die unmittelbar
auf die Hoffmann'sche Anekdote folgende Kritik eines anderen Mit-
gliedes der Schnapperschen Tafelrunde gelesen und beherzigt hat:
Kürzer gefasst eine gute Geschichte.^)
Keine unmittelbare Abhängigkeit liegt dagegen bei Läuschen H,
17 vor: Täuw, di will ick betahlen. Der Kleinbürger Seh wenn fragt
hier seinen Nachbar Glandt, was die Worte bon jour bedeuteten, mit
denen ihn der Advokat Besendahl immer begrüsse; dieser sagt ihm,
bon jour sei ein ganz niederträchtiges Schimpfwort, und rät ihm, den
feinen Herrn mit dem noch viel schlimmeren serviteur abzutrumpfen;
das geschieht denn auch. Hoffmann S. 37—38 hat die Anekdote nun
in folgender Form:
') Anders liegt der Fall II, 23 (Dat Best) ; hier hat sich Reuter eng an die
Anekdote im Mecklenburgischen Volksbuch 184G, S. 226 f., angeschlossen; vgl.
Ndd. Jahrbuch, Bd 29, S. 57 (1903). HoflFmann, S. K'5 f , hat zwar dieselbe Pointe,
aber eine ganz andere Situation und Erzählung: Der Buchhändler Ferdinand Irth
legte einen grossen Wert auf Novitätenrechnungen und stattete selbige sehr sinn-
reich und geschmackvoll aus. Da stand : Zu gefälliger Auswahl, schwarz ge-
druckt, Prüfet alles, rot gedruckt, und das Beste behaltet, in Gold gedruckt.
Dann folgte zierlich geschrieben der Name des werten Empfängers und darunter
die Titel der beliebten Bücher mit den resp. Preisen. Der Königliche Ober-
landsgerichtsauskultator 0. L. B. W. von Lappenberg war auch im Laufe des
Jahres mit ganzen Stösseo Novitäten nebst derartigen Rechnungen beglückt. Am
Ende des Jahres sendete er alles, aber auch alles, sogar den neusten Termin-
kalender, zurück mit den aufrichtigen Worten: Ich habe alles geprüft und das
Beste behalten . . . . mein Geld.
Auf dem Baumhause in Hamburg ist ein ewiger Verkehr von
Leuten aller Nationen. Meist sieht man SchiiFskapitäne und Schiffs-
makler. Mitunter finden sich denn auch Hamburger Erbgesessene
ein, weil der Porter dort eben nicht mehr kostet als in London Tavern.
Eines Abends tritt- ein französischer Schiffskapitän ein und grüsst sehr
freundlich: Salut, messieursi — Wat will de Keerl? fragt Herr Mey-
boom, ein Hamburger Schlachter. — Och, sagt ein anderer, dat hett
so veel as du Schaapskopp I — I de verfluchte Keerl 1 Wat mott i k
denn seggen? Dat kann ik my doch nich gefallen laten. — Sech
du man, wenn he wedderkummt: bon soir, monsieur! — Wat hett
denn dat? — Och, dat is ook so watt wie Schaapskopp — Den fol-
genden Abend stellt sich der Franzose wieder ein und grüsst sehr
freundlich : Salut, messieurs ! — Da erhebt sich Meister Meyboom
und schreit ihm mit drohender Hand entgegen: Bon soir, monsieur!
un nochmal bon soir, un nu nochmal bon soir, un nu gab hen,
Schaapskopp, un verklag my!
Darauf, dass die äussere Einkleidung bei Reuter eine andere ist
wie bei dem mehr grosszügigen Hoffmann, ist weniger Gewicht zu
legen als auf die verschiedenen Grussformeln. Die Schlusspointe ist
freilich gleich; das beweist aber zunächst nur, dass die beiden Anek-
doten eine gemeinsame Mutter haben, nicht, dass die zeitlich jüngere,
also die Reuter'sche, aus der älteren hervorgegangen ist. Wie vor-
sichtig man überhaupt bei der Beurteilung solcher Fragen sein muss,
erfuhr ich vor zwei Jahren bei einer Kritik der übrigens sehr em-
pfehlenswerten Läuschensammlung: ^Biweg' lang^ von Felix Stillfried
(Rostock, Koch), die unter dem Titel ^^Messih'' eine nur in der Sphäre
wieder abweichende, sonst aber schlagende Parallele zu unserer Reuter-
anekdote bietet. Der Dichter teilte mir, der ich halb und halb an
eine unmittelbare Anlehnung glauben wollte, dann brieflich mit, dass
er die Schnurre von einem Bekannten gehört und die Ähnlichkeit
seiner Geschichte mit der Reuter^schen erst nachträglich wahrgenommen
habe. Eine andere Stoffähnlichkeit seiner Läuschensammlung mit einer
jüngeren von Paul Warncke in „Snurrig Lud*' (Leipzig, Voigtländer)
hatte aber einen anderen ihm bekannten Herrn zu schwerer Entrüstung
über diese „Entlehnung*' veranlasst, obgleich für jeden unbefangenen
Beurteiler irgend eine Abhängigkeit ganz ausgeschlossen war. - Kann
also auch in unserem Falle nicht angenommen werden, dass Reuter
die Hoffmann'sche Anekdote vor Augen gehabt und unmittelbar benutzt
hat, so bleibt doch die grosse Stoffahnlichkeit interessant, umsomehr
als hier zum ersten Mal eine Parallele zu dem Reuter^schen Läuschen
nachgewiesen werden konnte.
Ähnlich liegt die Sache bei Lauschen un Rimels I, 37 : Dat
Tausamenleigen. Die Geschichte erzählt in breiter Behaglichkeit und
mit vielen kleinen Einzelausführungen von einem mecklenburgischen
Lügenmajor, der einen Hirsch zugleich am Gehör und Hinterlauf ge-
troffen haben wollte. Sein Johann hilft ihm den zweifelnden Gästen
gegenüber zwar so einigermassen aus der Not mit der Erklärung,
dass sich das Tier gerade am Kopf gekratzt habe, aber die Gäste
fahren doch bald kopfschüttelnd fort, nnd Johann bemerkt dann seinem
Herrn: „Sie lügen aber auch zu weit auseinander: Kopf und Bein!
Das kriege ich auch nicht mehr zusammengelogen.^ Schon Hans
Sachs hat diesen alten Schwank in seinem Meisterlied : „Der verlogen
edelmon'^ gereimt i), und Reuter stimmt mit ihm inhaltlich auch über-
ein. Eine unmittelbare Benutzung dieser Quelle ist aber ausgeschlossen,
und andere neuere Überlieferungen fehlen. Da ist es nun von Wich-
tigkeit, dass Hoffmann diese Anekdote S. 199 f. in folgender Gestalt
bringt: Herr von der Decken war ein leidenschaftlicher Jagd-
liebhaber. Jedes Jahr gab er eine grosse Jagd und lud dazu alle
seine Freunde von nah und fern. Wenn das Jagen vorbei war, folgte
ein heiteres Mittagsmahl. Jeder erzählte dann seine Jagdhistörchen.
Was einem doch wunderliche Dinge begegnen können! begann der
Hausherr. Da schiesse ich heute vor acht Tagen einen Sechzehnender
dnrch das Gehör und durch den Hinterlauf. — Alles lacht. — 0 lachen
Sie nicht, meine Herrn! Die Sache ist ganz richtig, hier steht mein
Zeuge. Johann, erzähle ! Du warst mit dabei. — Johann der Jäger
erzählt: Allerdings, der gnädige Herr schoss den Sechzehnender ge-
rade, als er, nämlich der Hirsch, nicht der gnädige Herr, sich hinter
den Ohren kratzte. — Heimlich sagte dann später Johann: Lügen
Sie nur künftig nicht so weit auseinander! Ich konnte es beinahe
nicht zusammenbringen.
Reuters Läuschen hat mit dieser Fassung so vieles gemeinsam,
dass man mit gutem Grunde an eine ganz unmittelbare Beeinflussung
von Seiten Hoffmanns glauben dürfte, wenn das handschriftliche
Anekdotenverzeichnis des Dichters, das er nach Gädertz (Fritz Reuter,
Bd. 1, Schriften S. 133) sich Neujahr 1853 anlegte und bis auf 170
Nummern brachte, 2) nicht die Notiz enthielte (bei Gädertz, Reuter,
Bd. 1, Läuschen un Rimels I, S. 94): Der am Ohr und Hinterfuss
getroffene Hirsch (so wid ut'nanner leigen). Danach aber ist es
höchst wahrscheinlich, dass Reuter die Anekdote mindestens zum Teil
plattdeutsch hat erzählen hören. Man wird also annehmen müssen,
dass entweder Reuters Gewährsmann die Geschichte aus dem Parla-
ment zu Schnappel kannte und dem Dichter nun plattdeutsch vortrug
oder dass die hochdeutsche wie die plattdeutsche Fassung eine und
dieselbe Urquelle haben. Von geringerer Bedeutung sind dabei die
Namen der Peisonen, von denen die Schnurren erzählt werden, denn
solche werden gerade bei Reuter öfters aus bestimmten Gründen
geändert. Immerhin verdient es in unserem Falle einige Beachtung,
dass nach einer anderen Notiz bei Gädertz ein in Mecklenburg
1) Vgl. Seelmann, Reuterausgabe, Bd. I, S. 897—8
') Dazu kam später noch ein zweites, s Gädertz, Reuter Bd. 1, Schriften
S. 139 f. und Anhang zu Läuschen un Rimels II, S. 174. Es wäre sehr zu
wänschen, wenn diese beiden Verzeichnisse endlich einmal ganz und im Zusammen-
hange Yeröffentlicht würden, damit jeder Reuterforscher sie ^xbersehen und
benutzen kann.
6
begüterter Major (;,Majur von Voss un de Büchsenklapp*^) in dem
Läuseben gemeint sein soll. Dieser Major y. Voss kommt nun auch
in dem lustigen Eriegskapitel (21) der Reis' nab Belligen und in
Läuseben un ßimels II, 36 (De scböne Spandillg) vor, wo wir erfabren,
dass Voss auf dem Rittergute Grabowhöfe gewobnt bat. Dies liegt
ein paar Kilometer von dem grossen Kircbdorf Jabel, das in Fritz
Reuters Leben bekanntlicb eine so grosse Rolle spielt, weil dort des
Dicbters Lieblingsobeim Ernst Reuter von 1811 bis 1845 Pastor war
(nacb ibm sein Neffe und Schwiegersobn Karl Reuter bis zu seinem
Tode 1860) und weil dort Köster Subr lebte. Unser Major v. Voss
aber ist auf dem kleinen Kircbhof zu Sommerstorf i) etwa IV2 Kilo-
meter nördlicb von Grabowböfe, beerdigt worden ; die für die Reuter-
forscbung nicbt unwicbtige Inschrift seines Grabsteines lautet: Carl
Friedrich Christian von Voss, Major und Kammerherr, Erbherr auf
Tessenow, geb. d. 25. Aug. 1780, gest. d. 20. März 1838. Neben
ihm ruht seine Gattin: Frau Louise Hedwig Johanna von Voss, verw.
gewes. Gräfin v. Hahn, geb. v. Wolffradt, geb. d. 13. Nov. 1784, gest.
d. 30. Jan. 1851. Grabowhöfe war also — wie man hieraus schon
schliessen kann — kein Vosssches, sondern ein Hahnsches Gut (und
zwar bis vor nicht allzu langer Zeit); Tessenow dagegen liegt etwa
eine Meile südlich von Parchim*. Es ist sehr wohl möglich, dass
Reuter schon während seiner Schulzeit in der letztgenannten Stadt
(1827 — 31) von dem mindestens doch zeitweise auf Tessenow wohnenden
Major mancherlei vernommen und deswegen später auch sein Läuschen
vom Zusammenlügen in die südlich von Parchim sich ausdehnenden
Waldungen des Sonnenberges verlegt hat. Er mag ihn dann aber
auch noch vor seiner Festungszeit bei Besuchen in Jabel persönlich
kennen gelernt und von dem sicher originellen Mann auch sonst so
viel gehört haben, dass Voss zu einer Art Lieblingsfigur für ihn
wurde. —
Auch für das Läuschen I, 45: Dat heit ick anführen, für das
bisher keinerlei Quelle nachgewiesen werden konnte, findet sich —
ähnlich wie oben — eine höchst bemerkenswerte Parallele in dem
Parlament zu Schnappel. Bei Reuter kocht sich ein alter geiziger
Jude, um die Feuerung zu sparen, seine dicken Erbsen auf drei Tage
in Vorrat, was bei der Sommerhitze natürlich die Folge hat, dass sie
sauer und schimmlig werden; um sich nun trotzdem zum Essen zu
bringen, verspricht sich Levi selber ein Gläschen Kümmel, das er
nachher aber wieder in die Flasche zurückgiesst mit den Worten:
1) So wird der Name auf den älteren mecklenburgischen Karten geschrieben.
In diesem kleinen Dörfchen ist bekanntlich Joh. Heinrich Voss als spurius der
Tochter des Küsters geboren. Sein Geburtshaus ist indes seit Jahren nicht mehr
vorhanden: es soll nach Angabe des ältesten Dorfinsassen abgerissen worden sein,
damit der Kirchhof erweitert werden könne; und in der Tat ist an beiden Seiten
deutlich zu sehen, wo die neue Mauer angestückt ist. Die alte Küsterwohnung
hat in der jetzt linken Kirchhofsecke, vom Kingange aus, gelegen.
„Da hab' ich den alten Levi angeführt!^ Diesen Triumph des Geizes
hat Hoffmann, S. 146 f., in folgender Fassung:
Moses Hitzig in Oflfenbach — — ist doch ein kluger, ein
gescheiter Mann. Eines Morgens begegnet ihm seine Frau, hat eine
Schüssel voll Erbsen in der Hand, will damit auf den Hof. Memme,
was bringst du? — Erbsen, sein verdorben, sein sauer und stinken,
will ich sie wegschütten, die isst kein Mensch mehr. — Kein Mensch?
. . . spricht Hitzig, will ich sie essen. — Am Mittag muss die Memme
die Erbsen bringen. Der alte Hitzig setzt sich davor, sieht sie an,
schnuppert daran, macht ein verdriesslich Gesicht, holt eine Flasche
Branntwein, schenkt sich ein und sagt zu sich: Alter Hitzig, iss die
Erbsen! iss die Erbsen I kriegst en Schnaps! — Er isst sie auf, und
als er ist fertig, giesst er den Schnaps wieder in die Flasche: Ah!
hab ich den alten Hitzig doch angeführt!
Reuters handschriftliches Verzeichnis hat unter No. 53 die
Pointe: Hab^ ich den alten Levi angeführt. Dazu bemerkt Gädertz,
dass nach dem Manuskript Jude Levi in (Neu-)Strelitz gelebt habe,
was wahrscheinlich nur so viel heissen soll, dass in der Handschrift
ursprünglich statt Bramborg (= Neubrandenburg) Strelitz gestanden
hat. Reuter wird dies noch vor dem Druck getilgt haben, um die
Spuren zu verwischen, und dieser Umstand könnte immerhin dafür
sprechen, dass es in Strelitz einen alten geizigen Juden Levi gegeben
hat, von dem auch diese Geschichte erzählt wurde. Die Gleichheit
der Pointe in beiden Anekdoten aber beweist, dass sie aus einer
Quelle stammen und später nur verschieden eingekleidet und lokalisiert
worden sind. —
Eine ausführlichere Besprechung verlangt das Läuschen II, 8:
De Körten. Der Baron von Sprudelwitz in Schwerin, den es mehr
zu seiner Pepita treibt, muss Besuche machen; er befiehlt deshalb
seinem Johann, die Karten, die links im Schrank liegen, zu holen
und auf der Fahrt überall rasch eine abzugeben. Als sie nun beim
letzten Hause angelangt sind und der Baron fragt, ob Jobann noch
eine Karte habe, antwortet der ihm: „Ja, Herr, Rutenburen.* —
Das von Reuter hier benutzte Motiv scheint älter zu sein und findet
sich bereits in dem 1809 erschienenen Lustspiel Kotzebues: Das
Intermezzo oder der Landjunker zum ersten Mal in der Residenz.
Dort lässt sich (Akt III, Scene 3) der gutmütige, aber ungeschickte
und wenig erfahrene Junker Hans von Birken, Erbherr auf Plumpers-
dorf in Pommern, von einem Berliner Lohnlakai dahin belehren, dass
er bei allen hohen Herrschaften zwar Besuche abstatten müsse, aber
zur Verkürzung des langweiligen Geschäftes bloss Karten in den ein-
zelnen Häusern abzugeben brauche. Er weist seinen Bedienten Matz
nun an, sich vom Wirt des Gasthauses Karten geben zu lassen und
sie in der Stadt überall da herumzutragen, „wo so ein dicker grosser
Taugenichts vor der Tür steht, mit einem Ordensband von rotem
Tuch mit Silber verbrämt.*' Matz macht sich mit den zwei ganzen
8
Spielen, die er bekommen hat, alsbald auf den Weg, aber alle Leute,
denen er, von Haus zu Haus gehend, die Karten anbietet, lachen ihn
aus, und so gibt er schliesslich alle miteinander einem ihm auf der
Strasse begegnenden Herrn mit einem Kreuzchen auf dem Rock.
Dieser scheinbar so vornehme Herr ist jedoch ein Spieler: Baron
Volta, und nimmt das gewaltig übel; seine Verwicklung mit Matz
führt dann aber in der 5. Scene zur Bekanntschaft mit dem Junker,
der nun zum Spiel verlockt und betrogen wird. Kotzebue hat also
das Kartenmotiv hier für seine dramatischen Zwecke sehr geschickt
ausgenutzt; aber gerade in dieser Verwertung und nicht minder in
der Ausführung des Ganzen besteht doch zwischen ihm und Reuter
ein so grosser Unterschied, dass nur ein ganz loser Zusammenhang,
eine Anregung angenommen werden könnte. Ausserdem erfahren wir
aus den Reuternotizbüchern (s. Gädertz, Reuter, Bd. 1, Schriften
S, 140), dass der Dichter seine Geschichte wahrscheinlich in Treptow
oder Neubrandenburg gehört und sich mit den Stichworten: der
Bediente, der Karten abgeben soll. Pikbur! angemerkt hat, was
eine wenigstens zum Teil plattdeutsche Mitteilung voraussetzt. Aus
dem Pikbuben ist nun freilich im Läuschen selber ein Rutenbur ge-
worden, des Rhythmus wegen. Wir finden ihn aber wieder im Par-
lament zu Schnappel, S. 117:
Frau V. Märzfeld wollte Besuche machen. Eben ist sie in den
Wagen gestiegen, da merkt sie, dass sie ihre Visitenkarten vergessen
hat. Sie ruft ihren Jean Paul, der ein ganz hübscher Bursche war,
aber von der Bedienten Wissenschaft noch wenig los hatte: Jean Paul,
hole mir meine Karten! Sie liegen oben in der Schublade rechts. —
Jean Paul geht und kehrt wieder. — Wo wir niemanden treffen,
gibst du Karten ab, hörst du? — Zu befehlen, Ew. Gnaden! —
Jetzt geht die Fuhre ab. Die gnädige Frau findet viele Herrschaften
nicht daheim, und Jean Paul gibt immer Karten ab. Als sie eben
beim letzten Hause ankommt und wieder niemanden trifft, sagt sie:
Jean Paul, hier gib 3 Karten ab! — Gnädige Frau, ich habe nur
noch Pikbuben und Herzendame.
Dass Reuter statt der Frau v. Märzfeld einen im Kladderadatsch
zum Witztypus gewordenen Baron von Sprudelwitz hat, ist von ganz
geringer Bedeutung, und auch die Kartenverdopplung bei Hoffmann
macht wenig aus. Dafür zeigen die beiden Bedienten : der französische
Jean Paul und der deutsche Johann, eine starke Familienähnlichkeit,
und auch der an sich geringfügige Umstand verdient Beachtung, dass
die Karten vergessen worden sind und sich bei Hoffmann oben in
der Schublade rechts, bei Reuter mit kleiner Veränderung links im
Schrank befinden. Am meisten beweist aber der beiden Anekdoten
ursprünglich gemeinsame, von Reuter im Notizbuch besonders an-
gemerkte Pikbur dafür, dass beide Geschichten auf dieselbe Urquelle
zurückgehen müssen. —
Es bleiben nun noch zwei Läuschen übrig, bei denen mit grosser
Wahrscheinlichkeit eine unmittelbare Beeinflussung Reuters durch
9
Hoffmann angenommen werden kann. Der Titel des ersten, II, 16:
;,Wenn einer deiht, wat hei deiht, denn kann hei nich mihr dauhn,
as hei deiht^ ist zugleich letzter Teil des Mottos vom zweiten Bande
der Läuschen un Rimels und ein geflügeltes Wort geworden; um so
kürzer und unbedeutender ist der Inhalt des Geschichtchens. Karl
erzählt seinem Herrn auf Befragen, dass er bei Waterloo tüchtig
darauf losgegangen sei und einem Feinde sogar beide Beine abgehauen
habe. ^Aber weshalb denn die Beine; warum hiebst du ihm nicht
den Kopf ab?** „»Ja, Herr, der Kopf war schon ab.**' — Seelmann
glaubt in der Reuterausgabe des Bibliographischen Institutes die
Quelle dieser Anekdote in den von G. 0. Marbach gesammelten
Schnurren (Volksbücher. 27; Leipzig, 1842), S. 80 gefunden zu haben,
wo sie diese Form hat:
Ein anderer (Gascogner) erzählte, er habe in einer Schlacht
zwanzig Feinden Arme und Beine abgehauen. „Das ist grausam*,
wurde ihm gesagt: „Warum schlugen Sie ihnen nicht gleich die
Köpfe ab?* — „Hol mich der Teufel*, schrie der Gascogner: „Die
Kerle hatten keine Köpfe mehrl*
Allein die Fassung, in der Hoffmann S. 195 den anspruchslosen
Schwank vorträgt, dürfte trotz mancher zunächst in die Augen
fallender Verschiedenheiten der Reuter^schen noch näher stehen:
Wenn Sie uns auf einem faulen Pferde mal ertappen — meint
eins von den Mitgliedern des Parlamentes zu Schnappel — , so müssen
Sie es machen wie mein alter Oberst Sengewald. Ein junger Leut^
nant, ein braver Soldat, nahm es in seinen Erzählungen auch nicht
80 genau. Er machte mit mir die Freiheitskriege mit, und nach
erlangtem Abschiede wurde er Gutsbesitzer. Er erzählte eines Abends
viel von der blutigen Schlacht bei Belle-AUiance. Ein Fräulein fragt
ihn endlich: Herr v. Sparkäse, erinnern Sie sich keiner Ihrer Taten
mehr an jenem blutigen Tage? — Ach, es zuckt mich heute noch in
den Armen, es ist, als ob ich zuhauen müsste. Ich hieb einem fran-
zösischen Grenadiere das linke Bein ab. — Das Fräulein unterbrach
ihn: Aber warum. hieben Sie ihm denn nicht den Kopf ab? — Mein
alter Oberst rauchte sein Pfeifchen und fiel schmunzelnd ein: Mein
Fräulein, den hatte er nicht mehr.
Dem Gascogner mit seinen zwanzig Feinden steht hier eine
deutsche Situation mit der Schlacht bei Waterloo oder Belle-Alliance
und einem Feinde gegenüber. Die Hoffmann'sche Anekdote hat aller-
dings einen komplizierteren Apparat und zeigt besonders am Schluss
eine Verschiebung der Pointe. Aber gerade diese kürzte sich von
selber, nachdem das Ganze vereinfacht und in die dem plattdeutschen
Dichter gemässe ländliche Sphäre übertragen worden war, die Reuter
deswegen schon wählte, weil er mit dem höheren und vornehmen
Kreise der Hofimann'schen Geschichte nichts Rechtes anzufangen
wusste. Der passte nicht zu ihm, nicht zu seinen Leuten und nicht
zu seinem Dialekt. So blieb denn von den vornehmen Personen
seiner Quelle nichts weiter übrig als der Herr, d. h. der ^J5\x^%\)^Ä^Vier,
10
oder vielmehr in diesen wurden der Oberst und der frühere Leutnant,
der nachher ja auch Landmann geworden war, zusammengezogen.
Noch einleuchtender als hier wird im nächsten und letzten Falle
Reuters Abhängigkeit von Hoffmann sein, in Läuschen un Rimels II, 56 :
De Sokratische Method'. Der Schulrat Ix (X) aus Ixenstein besichtigt
die Dorfschule zu Ohserin, aber die Kinder und nicht weniger ihr
Lehrer Rosengrün sind in Angst und Verlegenheit und wissen nichts.
Da greift der humane Herr, der gut geschlafen und gut gefrühstückt
hat, mit Menschenliebe und Sokratischer Methode ein und zeigt seinem
Untergebenen, wie man Geographie lehren müsse. Durch den Begriff
der Buße bringt er mit allerdings sehr nötiger eigener Nachhilfe die
Kinder auf den Flussnamen der Busse, die dicht am Dorf vorbeifliesst,
durch Hagel auf die Havel, welche die Busse aufnimmt, und durch
das Zählen bis elfe auf die Elbe, in die die Havel mündet. Nun aber
fällt Rosengrün ein und erklärt, er habe die neue Methode vollständig
erfasst und wolle jetzt nach ihr weiter unterrichten. Er lässt, um
festzustellen, wo die Elbe bleibt, seine Kinder bis zwölfe zählen; aber
alles schweigt, als die entscheidende Frage gestellt wird, und Rosengrün
muss sie selber beantworten: „Stats ,zwölfe' müsst ihr ,Nordsee* seggen.*'
Diese Anekdote hat ihr ganz ausführliches Vorbild im Parlament
zu Schnappel, S. 77 ff.:
Unter dem Ministerium Eichhorn sollte die Sokratische Lehr-
methode auf allen höheren und niederen Lehranstalten eingeführt
werden. Die höheren gingen nicht darauf ein: den alten Professoren
war ihre alte Vortragsart zu lieb geworden, und die jüngeren Dozenten
konnten keine Studenten dafür gewinnen. Das Ministerium wollte aber
doch die Sache nicht ganz fallen lassen und suchte sie nun eifriger
in Bezug auf die Volksschulen zu betreiben. Jahr und Tag war ver-
gangen, hohes Ministerium wollte nähere Nachrichten über den Pürfolg
haben. Die Schulkollegien der einzelnen Regierungen wurden zum
Bericht aufgefordert, und diese schickten demnach einzelne Räte ins
Land, die Sache in Augenschein zu nehmen. So kommt denn ein
Konsistorial- und Schulrat zu diesem Zwecke in ein Dorf jenseits der
Elbe. Er fragt nach dem Schulmeister. Man weist ihn in die Schule,
wo jener eben Unterricht erteilt. Der Konsistorialrat tritt ein. Der
Schulmeister wundert sich über den unerwarteten Besuch. — Ich bin
der Konsistorial- und Schulrat und beauftragt, zu untersuchen, ob
Sie die Sokratische Lehrmethode eingeführt haben. — Sehr wohl,
Herr Konsistorialrat! — Bitte, wollten Sie nun wohl einmal einige
Proben ablegen? Worin unterrichten Sie jetzt? — In der Erdkunde.
— Also in der Erdkunde. Gut. Fangen Sie mal an! — — Der
Schulmeister fragt und fragt, aber die Kinder wissen nichts. Ärgerlich
darüber sagt der Konsistorialrat : Ja, lieber Herr Schullehrer, das ist
auch gar nicht die rechte Art und Weise, Sie müssen die Sache an-
bahnen, Sie müssen dem Fassungsvermögen der Kinder Rechnung
tragen, Sie müssen das so entwickeln, so herauslocken aus den zarten
Seelen . . . Ich werde mal selbst fragen. Sagt mal, lieben Kinder,
11
woran liegen wir hier? — Alles still. — Was muss man tun, wenn
man Böses getan hat? — Reu und Buße. — Recht so: Reue und
Buße. Ihr müsst nur nicht sagen: Buße, sondern Busse. Woran
liegen wir also? — An der Busse. — Recht so: An der Busse.
Aber sagt mal, lieben Kinder, worein ergiesst sich die Busse? —
Alles still! — Was fällt vom Bummel? — Regen — Was noch mehr?
— Schnee. — Was noch mehr? — Hagel. — Recht so: Hagel. Ihr
müsst nur nicht sagen: Hagel, sondern Havel. Worein ergiesst sich
die Busse? — In die Havel. — Recht so: In die Havel. Aber
worein ergiesst sich denn die Havel? — Alles wieder still. — Fangt
mal an zuzählen! — Alle: 123456789 10 11... — Halt!
elfe, Ihr müsst nur nicht sagen elfe, sondern Elbe. — Alle: In die
Elbe! — 0 Herr Konsistorialrat werden erlauben, dass ich nun
fortfahre, ich weiss schon, wie Sie es wollen. — Fahren Sie fort,
lieber Herr Schullehrer ! fahren Sie fort ! — Sagt mal, lieben Kinder,
worein ergiesst sich denn die Elbe? — Alles still, ganz still. — Fangt
mal an zu zählen! — Alle: 123456789 10 11 12...—
Halt ! zwölf Ihr müsst nur nicht sagen zwölf, sondern ...Nordsee.
Worein ergiesst sich also die Elbe? — Alle: In die Nordsee!
Man sieht, Reuter stimmt in der Entwicklung der ganzen Anekdote
— und auch in manchen nicht weiter hervorgehobenen Nebensächlich-
keiten — genau mit Hoflfmann überein, besonders darin, dass er von
einem Flüsschen Busse ausgeht, das es gar nicht gibt! Gerade dieser
Umstand ist aber für das unbedingte Abhängigkeitsverhältnis des
plattdeutschen Dichters entscheidend, in dessen zweitem Anekdoten-
verzeichnis (s. Gädertz, Reuter, Band 1, Schriften, S. 140) sich
übrigens auch kurz die Pointe vermerkt findet: Busse, Havel, Elbe,
Nordsee, ohne dass dies hier von irgend welchem Gewicht gegen eine
Entlehnung von Hoffmann wäre, wie oben in anderen Fällen. Auch
der Umstand, dass die Anekdote in Mecklenburg lokalisiert ist,
spricht keineswegs dagegen, mag man nun mit Seelmann das Läuschen
nach Rossow an der Dosse, in die mecklenburgische Enklave bei
Neuruppin, verlegen oder mit Gädertz in Ohserin, das Kirchdorf
Userin, 2 Kilometer südwestlich von Neustrelitz, erblicken, weil nicht
allzuweit nördlich von ihm die Havel entspringt. Der Schwank wird
ursprünglich ein preussischer gewesen sein : das beweisen das Ministe-
rium Eichhorn und die verschiedenen Einzelheiten, die Hoffmann
zugleich anführt. Das Dorf ^jenseits der Elbe" (d. h. rechts von
der Elbe, von Bingerbrück aus, wo der abgesetzte Professor damals
lebte) ist zunächst zwar so allgemein wie möglich, deutet dann im
Zusammenhange aber schliesslich auch auf Preussen hin.
Hoffmann von Fallersleben hat nach Verlust seiner Breslauer
Professur 1843 ein vielbewegtes und recht interessantes Wanderleben
geführt, das uns seine Selbstbiographie vom vierten Bande ab mit
tagebuchartiger Weitläufigkeit, aber doch meist anziehend schildert,
wenn für den guten Geschmack auch die Person des fahrende^^ Sängers
etwas zu oft in einen nicht allzu bedeutenden Vordergrund \x^\a'^ mag.
12
Einen festeren Punkt gewann der TuoXuTpoTro; März 1844 in Mecklenburg,
wo ihn sein politischer Gesinnungsgenosse Rudolf Müller auf seinem
Pachtgut Holdorf bei Brüel bis 1850 oft monatelang gastlich beher-
bergte. Von hier aus wurden nun häufig ^Kunstreisen* und Fahrten
zu benachbarten und entfernteren Freunden und Gutsbesitzern unter-
nommen, so im April desselben Jahres schon nach Scharpzow bei
Stavenhagen, wo Karl Müller, ein Bruder Rudolfs, wohnte. Dort fand
sich am zweiten Abend auch Fritz Reuter ein und erzählte von seiner
siebenjährigen Festungszeit stundenlang so humoristisch, dass die
Anwesenden sich garnicht satt hören konnten und dass Hoffmann
ihn mehrmals dringend bat, alles aufzuzeichnen und zwar gerade so,
wie er es eben erzählt habe (Bd. 4, S. 146). Das ist damals schwer-
lich geschehen, aber die beiden Männer haben sich doch kennen
und schätzen gelernt Irgend ein besonderer literarischer Zusammen-
hang später lässt sich allerdings nicht nachweisen und ist auch nicht
einmal zu vermuten. l) Nur mittelbar hat ein solcher stattgefunden,
und zwar eben durch das ;,Parlament zu Schnappel^, das Hoffmann
vom Rhein aus seinen alten mecklenburger Freunden und Duzbrüdern,
insbesondere Rudolf Müller, zugeschickt haben dürfte. Durch diesen
kann nun auch die Anekdotensammlung unserem plattdeutschen
Dichter, vielleicht bei einer seiner Fusswanderungen durch Mecklen-
burg in den fünfziger Jahren, irgendwie bekannt geworden sein.
II.
Anderes.
Es ist bereits oben erörtert worden, wie schwer bei gleichem
Gegenstande das Abhängigkeitsverhältnis zweier Schriftsteller vonein-
ander in manchen Fällen zu entscheiden ist. So kann es denn sehr
wohl möglich sein, dass Hoffmann verschiedene von seinen Anekdoten
in Mecklenburg gehört, später aber in andere Verhältnisse umgesetzt
hat und dass dieselbe Geschichte unserem plattdeutschen Dichter aus
derselben oder einer ähnlichen mecklenburgischen Quelle während
seiner Lehr- und Wanderjahre zu Ohren gekommen und erst nach
Jahren, doch mit getreuerem Lokalkolorit von ihm verwertet worden
ist, ja dass in einzelnen Fällen sogar Reuter die Priorität gebührt.
Den ein oder zwei sicheren Fällen seiner Abhängigkeit von
Hoffmann können wir nämlich ein, vielleicht sogar zwei Beispiele aus
dem „Parlament von Schnappel" gegenüberstellen, wo Hoffmann
höchst wahrscheinlich von Reuter beeinflusst worden ist. Bei Gädertz,
;,Aus Fritz Reuters jungen und alten Tagen^, Bd. 3 (1901), S. 155 f.
1) Wir wissen nur, dass Hoffinann von Fallersleben Fritz Reuter besucht
hat, als dieser nach Eisenach übergesiedelt war, s. A Römer, Fr. Reuter, S. 201.
Ob sie auch Briefe gewechselt haben, steht dahin; jedenfalls findet sich in dem
Huche H. Gerstenbergs: An meine Freunde, Briefe von Hoffmann von Fallersleben
(Berlin, 1907) nichts auf Fritz Reuter Bezügliches, nicht einmal sein Name wird
genannt.
13
yeröffentlicht Moritz Lazarus (a. d. J. 1864) einige Erinnerangen an
den Dichter, aus denen eine ältere jenenser Schnurre besonders her-
aasgehoben werden muss:
Auf dem Heimwege erzählte er die buntesten Anekdoten, auch
aus seiner eigenen Studentenzeit; ein Stück harmlos-übermütiger
Jugend lebte in ihm wieder auf. So schilderte er, wie er mit einigen
jenenser Kommilitonen in Apolda seinen 'Knaster den gelben' bei
einem originellen Kaufmann holte, der alles doppelt sprach. £ines
Tages wollten sie es ihm gleich tun und sehen, was für ein Gesicht
er dazu machen werde. Es entwickelte sich folgender Dialog:
„Guten Tag, guten Tag!^ sprachen die Studenten unisono. — „Guten
Tag! was wünschen Sie? was wünschen Sie?* — „Zwei Pfund Knaster,
zwei Pfund Knaster.'' — Das Geschäft war abgewickelt, und während
der Ladendiener den Tabak einpackte, zog sich der Prinzipal in das
Nebenstübchen zurück und sagte noch auf der Schwelle zu seiner
Frau: „Närrische Leute, närrische Leute, sprechen alles doppelt,
alles doppelt!*
Damit ist nun zu vergleichen, was HofFmann a. a. 0. S. 57 f.
erzählt:
[Ein] Kaufmann .... hatte sich angewöhnt, immer die letzten
Worte eines Satzes zu wiederholen. Ein Student wusste das, und
um ihn zu necken, ging er in seinen Laden und begehrte etwas mit
diesen Worten: Ein Lot Schnupftabak, Schnupftabak, aber von dem
besten, von dem besten, den Sie selber schnupfen, selber schnupfen.
— Kaum ist der Fremde zur Tür hinaus, so eilt der Kaufmann zu
seiner Frau Liebsten: Denk dir mal, denk dir mal, eben war ein
närrischer Kerl da, Kerl da, der sagte alles zweimal, alles zweimal.
Bei der Bestimmtheit, mit der jenes Geschiohtchen als Reuters
eigenstes Erlebnis mitgeteilt wird, liegt die Annahme nahe, dass
Hoffmann es in seinen mecklenburger Tagen ebenfalls von ihm ge-
hört hat.i)
1) So ganz unbedingt sicher ist diese Annahme freilich nicht, denn gerade
Universit&tsgeschichten vererben sieb oft von Generation zu Generation und werden
dann von dem jeweiligen Erzähler, um der Anekdote ein grösseres Wahrheits-
gepräge zu geben, gern auf die eigene Person übertragen. Dafür ein Beispiel.
Babst hat in seinen Gedichten („Allerhant schBaaksche Saken tum Tietverdriew'',
Bd. 8, S. 67 ff; Rostock, 1790) unter dem Titel: De Braden-Inspeckter folgenden
Schwank: Vor mehr als 24 Jahren kaufte sich einmal ein Bauer auf dem Neuen
Markt zu Rostock beim Garkoch ein Stück Braten für einen Groschen ; aber bevor
er es verzehren konnte, trat ein „Schelm^ auf ihn zu, fragte nach dem Preise und
erklärte den für viel zu hoch: er sei der Brateninspektor und wolle das Stück
jetzt auf dem Rathause wiegen lassen. Damit ging er durch das Rathaus hindurch
nach einem Keller, wo er seine Beute zu verzehren begann. Bald darauf kommt
aber auch der Bauer zufällig in dasselbe Lokal, und der andere kann sich vor
dem Erkanntwerden nur schnell noch dadurch retten, dass er sein Gesicht verstellt.
Der Bauer fragt: „Hett He dat schewe Muhl lang hatt?** und sagt dann, als der
Schelm ihm von einem Kriegsunglück vorlügt: „Sünst woll ick Seggen, dat He
hier Gewiss de Brahd'n-Inspecter wier.*^ — Eine ganz ähnliche Qe^ebicMe findet
sich nun in „Felix Schnabels Universitätsjahren" (Stuttgart, 1835; 'Keu^^^^ ^^^
14
Auch in einem zweiten Falle ist es nicht unwahrscheinlich, dass
Hoffmann von Reuter abhängt, in dem Witz von dem gebesserten
Wege, der sich in Schurr-Murr (Bd. 4, S. 118 f.) als ein Jugend-
erlebnis des Dichters findet:
Ein gebesserter Weg war der Schrecken der Umgegend, und ich
entsinne mich noch, wie ein wohlmeinender Pächter einmal zu meinem
Vater sagte: „Führen S' den annem Weg; jo nich desenl desen
he w wen wi betert.^
Hoffmann hat dies S. 73 in folgender Gestalt:
In den letzten Märztägen [riet mir] ein Bauer im Hundsrück, als
ich die alte schlechte Strasse fuhr: „Bleiben Sie ja auf diesem Wege;
der andere ist gebessert, und da ist gar nicht durchzukommen.^ —
Auch sonst berühren sich Hoffmann und Reuter noch in mehreren
Anekdoten und Witzen, die hier kurz folgen mögen:
Hoffmann, S. 60:
[Der Pfarrer fragt] in der Kinderlehre: Mein Sohn, welches ist
das grösste Fest der Christenheit? — Die Schnappeier Kirchweih
Vgl, damit Reuter, Schurr-Murr (Bd. 4, S. 145):
Ein Jahrmarktstag war ein grosses Fest, und unbedingt hätte
ich mich für Hanne Schlüters Ansicht erklärt, der, bei der Konfirmation
nach den drei christlichen Hauptfesten gefragt, die Antwort gab :
Wihnachten, Pingsten und Harwstmark. —
Das aus der Franzosentid bekannte „Tikzionnöhr von Pochen*'
(Bd. 3, S. 280) findet sich auch bei Hoffmami S. 197 ebenso kurz
als „das berühmte Wörterbuch von Poche.'' —
Das Vorbild für die Anekdote von dem fe— igen (statt fähigen)
Offizier, die Reuter, Stromtid I, Kap. 10 (Bd. 2, S. 185) von Axel
V. Rambow und seinem Obersten erzählt, glaubt Ricli. M. Meyer
(Jahrbuch 1896, Bd. 22, S. 132) in Steinmanns „Briefen aus Berlin*',
Teil 2, S. 161 (Hanau 1832) gefunden zu haben, wo es heisst: Ein
Otto Jul. Bierbaum, Berlin, Curtius, 1907), S. 297 flf. als eigenstes Erlebnis von
Schnabel, „dessen er sich sehr rühmte und vor Lachen kaum Worte finden konnte. **
Hier ist der Schauplatz Jena, und der Student prellt einen Wurst und Semmel
essenden Bauern auf ganz dieselbe Art wie bei Babst, aber doppelt und als Wurst-
inspektor. Die Geschichte entwickelt sich dann auch ähnlich so weiter: Schnabel
geht in den „Adler*', wo er Kredit hat, der Bauer ebenfalls, weil dort sein Fuhr-
werk steht, und nun kann auch der Student sich auf keine andere Weise retteu
als dadurch, dass er eine Grimasse schneidet (: „Schnabel hatte eine eigene Force,
seinem Gesichte ganz verschiedene Formen zu geben, er war ein trefflicher Fratzen-
schneider**). Der Bauer sagt dann schliesslich : „Wenn der Herre kein schief Maul
hätte, so wollte ich druf schwöre, es wärre der Herr Wurst-Inspektor!** Also
nicht bloss der Gang der Anekdote, sondern auch die Pointe ist genau dieselbe.
Und doch erscheint die Lokalfärbung und der gauze Vortrag bei Schnabel so echt,
dass man diese Geschichte, die sich um 1830 in Jena zugetragen haben soll (vgl.
S. 123 if.), zunächst unbedingt für ein Selbsterlebnis hält. In der Tat wird sie
eine alte jenenser Universitätsschnurre sein, die spätestens um das Ende des 18.
Jahrhunderts auch schon nach Rostock kam, was sich sehr leicht daraus erklären
lässt, dass die Mecklenburger (unter ihnen ja bekanntlich auch der alte Amts-
hauptmann Weber und sein Bruder, der Rostocker Professor) damals gern und
zahlreich in Jena studierten.
15
Obrist Ton Adel führte einen Offizier in den Konduitenlisten als fähig
auf, schrieb aber nach seiner Orthographie: feig. Hoffmann hat S. 152
diese Schnurre in wirklicher Anekdotenform:
Es ist bekannt, wie ein Regimentskommandeur einen jungen
Leutnant besonders empfehlen wollte und in die Konduitenlisten
schrieb: ein sehr feiger Offizier. Als der junge Mann nicht be-
fördert wurde, erfuhr der Kommandeur, warum, und rechtfertigte sich:
Dummes Zeug! ich habe ja deutlich genug geschrieben, da steht's:
fe fa i fäi ger fä-i-ger! —
Eine andere Fassung des Postskriptums im zweiten Fritz-
Triddelfitzschen Liebesbriefe: Die Liebe wird entschuldigen, dass ich
dies in Hemdsärmeln geschrieben habe, es ist eine hahnebuchene
Hitze (Sttomtid I, Kap. 12; Bd. 2, S. 215) — liest man bei Hoff-
mann S. 142:
Das muss man den Obersachsen lassen, höflich sind sie. So
schrieb ein Meissner an seinen Braunschweiger Freund : Entschuldigen
Sie übrigens, wenn ich Ihnen heute bei der drückenden Hitze in
Hemdsärmeln schreibe. —
Zum Schluss mag hier noch eine längere Anekdote aus dem
^Parlament zu Schnappel*' angeführt werden, die mit einigen Stellen
in den ,, Abenteuern des Inspekter Bräsig" (Schurr-Murr ; Bd. 4, S.
62 ff. und 83 f.) eine gewisse Ähnlichkeit zeigt, jedenfalls auch frei-
mauerischen Charakter hat. Bei Reuter fällt Bräsig in die Hände
eines Gauners, der angeblich „Meister vom Postwagen im Osten und
Westen und Ritter mit der roten Feder von der Eisenbahn dritter
Klasse^ ist und sich und Bräsig dadurch freie Fahrt verschafft, dass
er, „wie der Eiserbahnraensch kommt und die Billetter einfordern
will,'' dreimal pfeift und bei jedem Pfiff sich mit dem Zeigefinger
der rechten Hand auf die Nase schlägt. Die Pointe ist dann freilich
eine harmlosere und eine andere als bei Hoffmann S. 84 f., bei dem
die Verspottung des Freimaurertums viel stärker und schroffer her-
vortritt :
Ich reiste mit der Post von Minden nach Köln — so erzählt
einer von der Schnappeier Tafelrunde. Auf der dritten Station stieg
ein junger Kaufmann aus Münster ein, der seinen ersten Ausflug in
die Welt machte. Er war sehr gesprächig, sprach über allerlei, und
so kam er denn auch auf die Freimaurerei. Ja, sagte er, ich habe
immer gehört, es soll von ausserordentlichem Nutzen sein, wenn man
so auf Reisen ist und sich überall als Freimaurer vorstellen kann.
Ich möchte wohl ein Freimaurer werden. — 0, bemerkte ich ihm
darauf, wenn's weiter nichts ist! Dazu kann ich Sie sogleich machen:
Sie dürfen nur die bekannten Zeichen sich ganz genau merken.
— Sie würden mich unendlich verbinden, wenn Sie mir dieselben
zeigten. — — Ich machte sie ihm. Erstens hielt ich den Daumen
der rechten Hand an das Kinn und zitterte mit den Fingern", zweitens
setzte ich den Daumen der rechten Hand an die Nase u^^d zitterte
mit den übrigen Fingern; drittens verlängerte ich di^^^ V^S^^ ß^^^
16
der linken Hand, indem ich den Daumen der linken an den kleinen
Finger der rechten Hand anfügte und deren sämtliche Finger zittern
Hess . . . Sehen Sie, sol Dies nannte ich das Notzeichen. Ich
frage nun meinen neuen Schüler, ob er jetzt alles begriffen habe,
und lasse ihn das Ganze in der gehörigen Reihenfolge nachmachen.
In Köln trennen wir uns. Erst nach einem halben Jahre sehen wir
uns wieder. Er war in Frankreich, ich im Süden von Deutschland
gewesen. — Wie geht's Ihnen? rede ich ihn an. — 0 ganz gut. —
Was macht die Freimaurerei? — Hören Sie, die ist mir schlecht
bekommen. — Wie so? — Denken Sie sich! als ich nach Rheims
komme, setze ich mich an die Wirtstafel. Mir gegenüber sitzt ein
alter französischer Eolonel und speist ein Hühnchen. Der Mann
scheint mir interessant, und ich suche seine Bekanntschaft. Ich
mache das erste Zeichen. Er sieht verwundert auf. Ich mache das
zweite, er stutzt. Ich glaube, jetzt ist es Zeit, mit dem Notzeichen
ihm meine Absicht zu verstehen zu geben .... steht der Kerl er-
grimmt auf und .... schlägt mich hinter die Ohren. — So weit mein
ehemaliger Schüler. 0, sage ich, da haben Sie gewiss die Zeichen
nicht recht gemacht. — Er muss sie mir vormachen .... Das war
sehr ergötzlich! Nun, da will ich Ihnen sagen: das war ein
Meister vom Stuhl!
DEMMIN. Ernst Brandes.
17
Das Lübisehe 'Wörterbuch des
Jacob von Melle.
Die Stadtbibliothek in Lübeck hegt seit mindesteDs 70 Jahren
in dem Schatze ihrer Handschriften ein niederdeutsches Wörterbuch
von Jacob v. Melle. Kosegarten und nach ihm Schiller und Lübben
haben es zu Rate gezogen, sonst ist m. W. darüber und daraus wenig
mitgeteilt worden. Ich selbst habe es vor einer Reihe von Jahren,
als ich zu meinem ;,Wortschatz von Lübeck^ sammelte, nach älteren
Benennungen für Stand und Gewerbe durchsucht, aber erst jetzt, auf
Anregung Dr. G. Walthers in Hamburg, einer genaueren Durchsicht
unterzogen. Deren Ergebnisse veröffentliche ich hiermit.
Jene Handschrift erweist sich als das Werk zweier geborener
Lübecker, des Magisters Jacob v. Melle und des Kantors Hermann
Schnöbe 1. Beide, von hause aus Theologen, wurden sogen. Poly-
historen. Sie trieben eifrig und erfolgreich Geschichte, Altertums-
und Sprachkunde und erwarben sich sowohl durch ihre reichen
Kenntnisse, zumal lübischer Dinge, wie durch ihren unermüdlichen
Fleiss, auch im Dienste des Gemeinwesens, Ehre und Anerkennung
über ihre engere Heimat hinaus.
Johann Jacob v. Melle stammte aus einem in Quacken-
brück alteingesessenen westfälischen Geschlechte. Sein Vater Ger-
hard V. Melle verzog nach Lübeck und ging hier mit der Tochter
des Pastors Stolterfoht von der Marienkirche die Ehe ein. In ihr
wurde Job. Jacob am 17. Juni 1659 geboren. Nicht lange danach
verlegten seine Eltern ihren Wohnsitz dauernd nach Kappeln an
der Schlei und Hessen ihn in Hut und Zucht seines Mutterbruders,
des Pastors Krechting. Dieser erzog und unterrichtete ihn mit
Hilfe einiger Lehrer von der Katharinenschule imd brachte ihn soweit,
dass er, erst 15jährig, mit tüchtigem Wissen ausgerüstet, zum Studium
der Gottesgelahrtheit nach Kiel gehen konnte. Nach 2% Jahren
vertauschte er diese Hochschule mit Jena. Hier wandte er sich der
Naturwissenschaft, der Philologie und der Geschichte zu. Schon im
19. Lebensjahre machte er sich daran, eine Geschichte seiner Vater-
stadt zu schreiben. Die Herausgabe des ersten Teiles, der „historia
antiqua Lubecensis^, verschaffte ihm die Magisterwürde; der zweite
und der dritte Teil folgten binnen weniger Jahre nach. Nachdem
Melle sich noch kürzere Zeit in Rostock aufgehalten, kehrte er in
seine Heimat zurück. 1684 wurde er Prediger an der Mariei^^i^^^®»
1696 Hauptpastor ebenda und 1719 Senior und Vorsitzender des
geistlichen Ministeriums. Nach langer, in und ausser ^^VrvetJ^ kmte
Ni«derdentsotaes Jahrbuch XXXV. %
lg
gesegneter, Tätigkeit und nach glücklichster Ehe mit einer Tochter
des Superintendenten Pomarius schied er hochhetagt am 13. Juni
1743 und hinterliess viele Söhne und Enkel. Sein Geschlecht ist noch
nicht ausgestorben in Lübeck.
* Die uns erhaltenen zwei ,,Nekrologe^ zeugen von seiner Be-
liebtheit und seinem Ansehen. Eine nicht gewöhnliche Arbeitskraft
und Schaffenslust ermöglichte es ihm, neben seiner ausgedehnten
Amtstätigkeit manche andere Wissensgebiete zu bestellen und sich
durch geschätzte Schriften einen Namen zu machen. Vor allem was
seine Vaterstadt anging, fesselte ihn zeitlebens mächtig. So schuf er,
ausser kleineren Sachen und der erwähnten Erstlingsfrucht, die
^Gründliche Nachricht von der Stadt Lübeck* mit einem wertvollen
Abschnitte über „Lübisches Münzwesen*. Dieses, im Drucke erschienene,
Werk ist ein Auszug aus seiner umfangreicheren Handschrift des
gleichen Inhaltes, die er später ins Lateinische übertrug unter dem
Titel „Rerum Lubecensium tomi II*. Von hoher Wichtigkeit für
Lübeck ist eine andere Handschrift mit Testamenten, die ihm seine
Beschäftigung mit dem Niederstadtbuche lieferte. Im Zusammenhang
damit schuf er die Grundlagen einer ^Lübischen Genealogie*. Sie
und andere grössere Arbeiten hat er selbst mehrmals abgeschrieben;
so auch sein Wörterbuch.
Johannes Hermann Schnobel, geboren am 18. Oktober 1727
als Sohn des Pastors Schnobel, trieb die gleichen Studien wie Melle
und wirkte dann von 1756 — 1801 als Lehrer und Kantor an der
Katharinenschule. Ein Jahr nach seinem Amtsaustritte starb er.
Auch er verfasste allerlei deutsche und lateinische Werke. Als
besondres Verdienst gilt, dass er verschiedenes von Melle teils um-
gearbeitet, teils weiter gefuhrt hat, darunter die Geschlechtslisten, die
Münzsammlung und das Wörterbuch.
Über dessen Handschrift äussert sich Kosegarten auf Seite IX
der Vorrede zu seinem nur begonnenen „Wörterbuch der nieder-
deutschen Sprache älterer und neuerer Zeit*, Greifswald 1860, fol-
gendermassen :
9 Das Manuskript bildet einen Quartband und befindet sich auf
der Stadtbibliothek zu Lübeck. Es ist noch in der Anlage geblieben ;
viel Raum ist für Nachträge offen gelassen, und bisweilen ist den
eingeschriebenen Wörtern die Bedeutung nicht hinzugefügt. Öfter
sind auch kleine Sätze und Stellen aus alten Büchern und Urkunden
mitgeteilt, imgleichen Namen der Männer und Frauen. Die Wörter
folgen in alphabetischer Ordnung auf einander.*
Diese zutreffende kurze Beschreibung werde durch weitere An-
gaben ergänzt.
Der Quartband besteht aus holländischem Papier und zählt 756
gebrochene Seiten. Ursprünglich hat Melle nur die linke Spalte in
regelmässigen Abständen und mit kräftigen, deutlichen Buchstaben
beschrieben. Spätere Zutaten Melles und Schnobeis füllen zum Teil
die Zwischenräume und ziehen sich auch auf die rechte Spalte hinüber.
id
Einige Seiten sind dadurch bis zur Unleserlichkeit überladen. An
den schlimmsten Stellen hat Schnobel Zettel mit deutlicher Abschrift
oder mit seinen Zusätzen eingeklebt, bei „Jodute^ ein ganzes Quart-
blatt mit Phil. Chr. Ribbentrops Aufsatz über dieses Wort, ent-
nommen dessen ^Beschreibung der Stadt Braunschweig^ vom J. 1798.
Seine Hauptarbeit an unserer Handschrift hat er damit geleistet, dass
er, im Besitze des literarischen Nachlasses Melles, dessen „Auctarium^,
eine das Wörterbuch ergänzende Sammlung von Redensarten und
Belegen, in jene übertragen bat. Aus welch äusserem Anlasse er sich
solcher Mühe unterwunden hat, Hess sich nicht ermitteln, ebensowenig,
wo die Urschrift hingeraten ist. Daber ist nicht überall sicher zu
entscheiden, ob wir Melles oder Schnobeis Worte vor uns haben; denn
auch die Schriftzüge sind bei aller sonstigen Verschiedenheit, vielleicht
absichtlich, mitunter einander zum Verwechseln ähnlich.
Zwischen Wörterbuch und Titelblatt hat Schnobel seine Abschrift
der Melle'schen Vorrede eingeheftet, vor dem Titel zwei Quartblätter
mit alphabetisch gereihten Namen von Pflanzen, Speisen und Arzneien
aus der folgenden Wortsammlung, sowie zwei andere mit Nachrichten
über einige hochdeutsche und niederdeutsche Wörterbücher und son-
stige gelehrte Schriften aus den ;, Göttinger Anzeigen*. Auf ihrer
letzten Seite hat Schnobel die folgenden Sätze vermerkt: In hoc
lexico, magna confecto industria, multae voces obscuriores ac rariores,
in omni Saxonia inferiori olim usurpatae, hodie vero inusitatae, et
perpaucis ideo tantum cognitae, declarantur et illustrantur. Ita
judicat de hoc opere Job. Henr. a Seelen, S. S. Th. Licent. et
Rector Lubecensis, in memoria vitae b. auctori scripta et exsequiarum
die 1743 21. Juni publicata ac distributa. Es ist dies die Gedächtnis-
rede, in der Seelen das Lexicon und das Auctarium Melles aus«-
drücklich als zwei einzelne Werke aufzählt. Auf dem Titelblatte steht
von Melles Hand: ;, Lexicon Linguae Veteris Teutonicae, quae vulgo
de Plattdüdesche Sprake vocatur*'; darunter von Schnobeis: „item
Auctarium significationes vocum, Etyma et phrases linguae illius con-
tinens." Unten auf die Seite hat Melle selbst geschrieben : „Horatius
de Arte Poetica v. 69 sqq verborum vetus interit aetas Et
juvenum ritu florent modo nata vigentque." Der Buchrücken trägt
die Bezeichnung: „Lexicon Linguae Veteris Teutonicae*',
darunter den späteren Zusatz: „Von Melle.^
Die Handschrift muss innerhalb der ersten vier Jahrzehnte nach
Schnobeis Tode auf die Stadtbibliothek gelangt sein, genaueres habe
ich nicht erkunden können. Deren Verwalter war von 1847 bis 1862
Professor Ernst Deecke, der Herausgeber der „Lübischen Sagen*
und anderer auf Lübecks Vergangenheit bezüglicher Schriften. Ein
Geistesverwandter Melles und Schnobeis, hat er bei seinen Sprach-
forschungen die Handschrift benutzt und dabei hie und da einzelne
Wörter, meist naturwissenschaftliche Benennungen, flüchtig und zum
grössten Teil ohne Erklärung auf die rechte Spalte geworfet^- Seine
Mitarbeit ist also nur gering.
20
Nur die bisher beschriebene Handschrift war Kosegarten und
anderen bekannt. Nun aber ist im Jahre 1899 unter Schriftstücken,
welche aus dem Archive der „Gesellschaft für Lübische Geschichte
und Altertumskunde** vor etwa 10 Jahren an die Stadtbibliothek ab-
geliefert worden sind, eine zweite aufgetaucht, und zwar die letzte
und vollständige Abschrift. Sie weist lediglich des gealterten Melles
Hand auf. Ihre Seitenzahl beträgt nur 450, denn die Wörter stehen
ziemlich dicht untereinander. Auch hier ist noch mancher Ausdruck
auf der rechten Spalte nachgetragen. Die Abweichungen von der
ersten Handschrift sind unbedeutend. Der Titel ist derselbe, natürlich
ohne Erwähnung des „Auctarium*'. Ein Unbekannter hat dazu ge-
setzt: „Auetore Jacobe a Melle^, und auf dem Rücken: „Lexicon der
plattdeutschen Sprake von Jac. a Melle. ** Der Fund setzt uns in den
Stand, an vielen Stellen zu erkennen, ob etwas von Melle oder von
Schnobel herrührt. Er verschafft uns zugleich die Urschrift der
Vorrede.
Diese, wie das ganze Werk, lateinisch verfasst, gibt uns Auf-
schluss darüber, was Melle bewogen hat, die, nach seiner eigenen
Erklärung, äusserst mühevolle Herstellung eines plattdeutschen Wörter-
buches in Angriff zu nehmen und bis an sein Lebensende fortzuführen.
Ihn bekümmert tief die Missachtung, mit welcher der niederdeutschen
Zunge überall begegnet wird, trotzdem so manche gelehrte Männer
tapfer für sie eingetreten. Sie verdient ihm schon deshalb grössere
Beachtung, weil sie vor dem Hochdeutschen den Vorzug des Alters
und der Urwüchsigkeit besitzt und in ihr die alte deutsche Sprache
in weniger veränderter Gestalt fortlebt. Dies sucht er an mehreren
älteren Namen darzuthun, die sich aus dem Plattdeutschen leichtlich
erklären Hessen. Hier steht er samt seinen Gewährsmännern auf
dem naiven Standpunkte seiner Zeit: Arminius, Herminius,
Hermann ist eins mit westfälisch Harm, Bock^ Thumelico mit
oldenburgisch Themel, Fohlen^ Thusnelda bedeutet gar die to litis
Snelle. Jene enge Verwandtschaft des Niederdeutschen mit dem Alt-
deutschen und den übrigen germanischen Mundarten und zugleich
seine Wortfülle ins rechte Licht zu rücken und so uimmstösslich
festzustellen, dass diese seine Muttersprache dem Hochdeatschen
durchaus das Wasser reiche, das ist Melles höchst rühmenswertes
Bestreben. In diesem Sinne sagt er von der „plattdüdeschen Sprake*
und seinem Ziele: „Hanc igitur linguam, nobis Lubecae natis ac
degentibus vernaculam, qua Circuli inferioris Saxoniae Westphalicique
incolae et eorum vicini utuntur, quum antiquissimo Teutonum idio-
mati magis ac quaevis alia respondeat, haud immerito linguam
vetermi Teutonicam vocamus simulque ob aetatem aliasque graves
causas magnifacimus.* Der Kummer über ihre Verkennung und die
Erfolglosigkeit der bisherigen Gegenversuche leiht ihm die Worte:
„At surdis fuit narrata et hodie adhuc narratur fabula, adeoque
tan tum abest, ut ulla linguae pristinae restituendae spes supersit, ut
illam potius in dies magis magisque fore abolendam, imo tandem
21
penitus esse interituram certo existat certius.*' Unmittelbar darauf
kündet er seinen Entschluss : ;,No8 igitur, summa hujus rei indignitate
moti, quum ferre nou possimus, quod nobilis illa et antiqua Patrum
lingua memoria pariter ac ore hominum prorsus excidat, vocabula
ipsius et loquendi modos, nobis partim quotidiano usu notos, partim
atUem apt*d scriptores veteres domesticos et in membraniis patriis qtiam
plurimis observatos, diligenter in chartam conjicere et ab interitu
vindicare operae pretium censuimus.*' Nachdem er dann noch betont
hat, dass er sich auf keinen Vorgänger habe stützen können, sondern
den ganzen Stoff selbst habe zusammen bringen müssen, schliesst er
mit den für seine Denkart bezeichnenden Worten : „Interim nos Lexicon
vernaculum horis subcisivis concinnantes, haud illibenter tulimus et
tandem quoque superavimus istiusmodi molestias, imo laborem hunc
non tam gravem atque taediosum quam leyem potius noununquam
et jucundum fuimus experti, quem in gratiam posteritatis et perennem
sermonis patrii memoriam libenter ac propenso animo in nos susce-
pimus.^ Name und Jahr fehlen.
Das Wörterbuch selbst sucht seiner Bestimmung in jeder
Hinsicht gerecht zu werden. Es umfasst, wie ein ^Nekrolog* rühmend
heryorhebt, rund 20000 Wörter, darunter viele Personennamen, zumeist
mit Vermerk des Geschlechtes und möglichst aller Synonymen sowohl
in lateinischer wie in hochdeutscher Sprache. Der Bedeutungsangabe
folgen bei Stammwörtern gewöhnlich die Formen verwandter Sprachen,
vor allen des Gotischen, des Codex argenteus, dann auch des Angel-
sächsischen, Englischen, Holländischen (Belgischen), Dänischen, Schwe-
dischen, Isländischen, Lateinischen, Griechischen, Italiänischen und
Französischen und zeugen von des Schreibers Hang zur vergleichenden
Sprachkunde. Sehr oft ist die Tonsilbe durch ein Schrägstrichelchen
kenntlich gemacht und daraus zu ersehen, dass man damals den
zweiten Stamm zusammengesetzter Wörter noch häufiger hervorhob
als heute, z. B. in afr/elen, aft^ren, af^^ken, Bispele u. a Dasselbe
Wort ist je nach der wechselnden Schreibung 2 — 4mal aufgenommen,
teils immer in gleicher Ausführlichkeit, teils kürzer mit Hinweis auf
eine andere Stelle, so Born und Boom; Bok, Bock, Boek; Ant, Aant,
Aent, Ahnt. Ebenso getreulich findet man die ablautenden Zeitformen
der starken Verben und unregelmässige Pluralbildungen von Sub-
stantiven besonders und einzeln aufgeführt. Um so auffallender ist
das von Kosegarten gestreifte Fehlen der Bedeutungen in so vielen
Fällen. Sie verteilen sich ziemlich gleichmässig auf sämtliche Buch-
staben und treffen so gut leichtverständliche, wie seltnere Ausdrücke.
Solche, wie Watersuppe, uthönen, utkreien, haben das genau entsprechende
hochdeutsche Wort hinter sich ; dagegen Sarkdregker, Sleusterbane, kiken,
fortwisen und ebenso Windelasch, Wruck u. a. m. stehen blank da.
Bei Melle sind es, soweit ich sehe, nur Wörter der Umgangssprache,
bei Schnobel aber auch andere, z. B. aus Gryse und au^ Chyiraeus
entnommene. Diese Lücken sind nicht einmal in der z^^^\,etv Hand-
schrift geschlossen, obwohl hie und da VervoUständigutx^ö^ 'V^ ^^"
22
merken sind. Da nun im allgemeinen weder Hast noch Lässigkeit
noch Unkenntnis die Ursache zu sein scheint, so bleibt die Sache
auch mir ein Rätsel.
Was die schriftlichen Quellen angeht, so ist bald Verfasser und
Schrift, bald nur das eine oder das andere angegeben, und zwar teils
ausgeschrieben, teils mehr oder weniger gekürzt; manches kommt mit
verschiedener Benennung vor. Die Jahreszahl ist nirgends zu lesen,
bei den nicht in Lübeck herausgegebenen Büchern auch nicht der
Druckort.
Melle selbst verweist auf 12 Originalwerke oder Übersetzungen :
1) De Biblie mit vlitigber achtingbe recht na deme latine in Dudesk aaer-
ghesettet. Mit vorluchtinghe und Glose des hochghelerden Postillatoers Nicolai
de Lyra unde anderer velen hillighen doctoren. Lub. 1499. (Die Anfubrung
geschieht immer nur mit: Lyr. Bibl., Lyr., L. B., Bibl. Lub.).
2) Psalterium Manuscr., (Psalt. Mscr.), ohne nähere Bezeichnung, welche
der auf der Stadtbibliothek vorhandenen, aus dem 15. Jahrhundert stammenden
Handschriften gemeint sei.
8) Bock van de Navolghinghe Jesu. Eine 1498 gedruckte Übersetzung des
bekannten Werkes von Thomas a Kempis.
4) Passionale efter der Hillighen Levendt, gedruckt 1499.
5) Lübisches Niederstadtbuch, liber civitatis, beginnend um 1311.
6) Lübische Eöstenordnung von 1582.
7) Detmars Lübische Chronik, geschrieben um 1400, gewöhnlich unter dem
Zeichen Lect. Franc, d. i. lector Franciscus, Franciskaner- Lesemeister.
8) Chronicon Lubecense oder Epitome Lectoris Francisci, Auszug der
vorigen Schrift.
9) Wendische Kroneke, Fortsetzung Detmars.
10) Keineke de Vos, 1498.
11) Hennynk de Han, die ziemlich wertlose Dichtung des Hamburgers Sparre
(Renner), 1732.
12) Hermann Bonnus' Elementale in usum puerorum, niederdeutsch 1559
in Magdeburg erschienen.
Schnobel hat ausserdem die nicht lübischen Werke benutzt:
1) Nicolaus Gryse's Laienbibel, Rostock 1604.
2) desselben Spegel des antichristischen Pawestdoms, ebd. 1583.
3) David Chytraeus' in Rostock Schriften. Genaueres fehlt.
4) Gerhard Oelrichs' Glossarium ad Statuta Rigensia (dat Ridderrecht),
Bremen 1778.
5) Richey's Hamburger Idioticon, 1755, und für die Bnchstaben A bis D:
6) Job. Mothii Quaestiones grammaticae, d. i. Moht's deutsch-lateinisches
Wörterbuch, Hamburg 1617. — Hie und da findet sich wohl noch ein anderer
Schriftsteller.
Zur Erläuterung und Sprachvergleichung sind vornehmlich heran-
gezogen: Ol. Wormius, de Danica Literatura (1636) und desselben
Monumenta Danica (1643); Joh. Peringskiold, Vita Theodorici
(Holmiae 1699) und desselben Notae ad Cochlaei vitam; 0. Sper-
ling, Testamentum Absolonis Archiepiscoiri Lundensis (Hafniae 1698);
Ol. Rudbeckius, Atlantica plantarum (Upsalae 1675 — 96); Acta
Eruditorum (Leipzig 1712 u. fgg); Franc. Junius Glossarium
Gothicum (Holm. 1670); Hadr. Junius, Nomenciator germanice et
belgice (Antwerp. 1576); Georg Stjernhclm, Glossarium Ulphilo-
Gothicum (Holm. 1670); Schrevelius, Lexicon manuale latino-graecum
23
(Leipz. 1690); Hannot, Nieuw Woordenboek der Nederlandische en
Latynische Tale (Amsterd. 1704); Dietr. v. Stade, Erläuterung und
Erklärung Deutscher Wörter in Luthers Bibelübersetzung (Stade 1711);
G. Dan. Morhoff, Unterricht in der Teutschen Sprache und Poesie
(Kiel 1682, Lübeck 1702).
Als Probe der Handschrift diene der wortgetreue Abdruck eines
Blattes, nämlich der Seiten 75 und 76 der ersten Reinschrift, mit
Gegenüberstellung des Abweichenden in der zweiten. Die beiden ein-
gerückten Namen stammen von Deecke.
U. 1.
berömet, clarus, celebris, berühmt
Beroop, m. vocatio, Beropinge, id.
beropen, beruffen, vocare, inclamare,
ber&pskrut
berören, attingere, berühren.
berörich, vegetus, bey guten Kr äfften.
beronen, berauben, spoUare.
Berouinghe, /. depraedatio, Beraubung; it. privatio,
spciiatio.
bersten, rumpi.
bersvnn
berüchtet, famosus, berühmt.
berüchtighen, diffamare.
berücken, f allere.
berue, probus. v. Auct. p. 57. Lect. Franc, ad an.
1391 de Senator e Lubecensi Godeke Trauelmann
dioü: Sin Dat was menighen Hinsehen leih, wente
he was ein berue saiich Mann. An berue vox con-
tractu bederue? an veroper transpositionem literarum
braue, braf, fortis?
berüken, beriechen, subolere, clfacto explorare.
berurt. Den pockygen vnd sehen Mynschen in berurten
Sieden, d. i. in Sieden, wo die Buhe herrscht —
a/. in berührten Steden, i. e. dictis ciuitatibus —
synde, geue ick eynen SchyUingk in de Handt.
Test, antiq. Lub. an. 1548.
beruwen, bereuen.
beryfelt, v. berifelt.
berjflick, beryuen. Rieh. p. 213.
Beryf, ick hebb myn Beryf. id.
besabbelen, sputo inquinare,
besaken, v. vorsaken.
besaluen, salben, iniungere, besalben.
sik besammeln, congregari, sich versammeln.
Besäte, /.
beacelden, prouocare, appellare superius Judicium.
beschafen, beschaben.
beschaffen, auslichten.
beschapen syn, comparatum esse, beschaffen seyn.
Beschapenheyt, /. modus, conditio, Beschaffenheit.
beschatten, obumbrare; it. confiscare, beschatten edder
in den ghemenen Kasten bringhen, pecuniam exigere
ab aliquo. Oelr. p. 359.
Besched, m. Bescheid, responsum.
beschedeghen, offendere, lacdere, beschädigen.
H. 2.
fehU.
nur deutsch.
fehü.
ohne die zwei letzten
Worte.
fehU.
nur — p. 57.
ohne fSubolere*.
fehü.
fehU.
fehU.
fehU.
fehlt,
ohne salben.
die 2 letzten Worte fehlen.
,qualitas' zugefügt,
fehlt
24
H. 1.
beschedelik, determinate. Oelr. p. 36().
beschedeliken, scilicet, nemlich, cum detcrminaiione.
Oelr. jp. 260.
beschäden, modestus, bescheiden, Suec. heskiedelich.
it. definitum, determinatum Bescheden Tyd. Oelr,
p. 259.
bescheden, definire, assignare, bescheiden; it. constituere,
deccrnere. Oelr. p. 260. ÄucL p. 34. Morgen
Klocke 9 byn ik bescheden, hora nona crastina
mihi est praefinita. Beschedene Jare, anni definiti;
beschedene Tyt, certum et definüum tempus. Einem
bescheden don, haustu potus respondere, praebibenti
havMu respondere,
Beschedenheitf /. modestia, Bescheidenheit.
beschedentlyck, moderate,
beschedigen, edder vorswigen, laedere,
bescbelden, in iure suo increpare, einen an seinen
Ehren und Stande berüchtigen. Oelr, p, 260,
Bescheiden, vituperare sententiam et ad superioris
recognitionem prouocare, Oelr. p. 260.
Bescheldinghe, prouocatio, Berufung. Oelr. p. 261.
bescheren, concedere, donare; tondere. v. Stade
p. 119 sq.
beschermen, defendere, tueri, beschirmen.
Beschermer, m. defensor, Beschirmer.
Bescherminghe, /. Schutz, defensio, clientela, Be-
schirmung.
bescheten, stercore inquinatus, beschissen.
beschimmeln, mucescere,
beschimpen, convüiari, subsannare, ignominia, con-
tumelia afficerCf beschimpfen.
beschinigheD, probare, bescheinigen.
beschiten, stereore inquinare, permerdare, bescheissen.
U. 2.
fehlt,
nur — nemlich.
Fehlt der Zusatz von
item an.
fdesignare' statt assignare.
ohne ,it. — 260* u. ohne
die Abschrift der Stelle aus
dem Auctarium.
fehlt,
fehlt.
fehU,
fehü.
ohne jConcedere^,
fehlt ,Schutz' und
,clientela'.
fehü fConvitiari* —
,ignominia*.
ohne ,permerdare'.
Nach dem bisher Gesagten gebührt der Name eines Lübischen
Wörterbuches im Sinne eines ^Idiotikon^ eigentlich nur der zweiten
Melle'schen Handschrift. Diese wird, der Vorrede gemäss, lediglich
Ausdrücke der lebendigen Umgangssprache und ältere aus lübischen
Schriftwerken enthalten. Melle selbst freilich scheint zwischen „sermo
patrius" oder „lingua avita^ und Altsächsisch oder Plattdeutsch
keinen Unterschied zu machen. Überhaupt mangelt jede Andeutung,
dass er wie andere, z. B. Richey, niederdeutsche Mundarten trennt;
vielmehr äussert er sich dahin, nach dem Vorgange des Bremer
Theologen Gerhard Meyer, der ein Glossarium linguae veteris
Teutoniae seines Wissens wenigstens geplant habe, wolle er ein
Gleiches beginnen. Auch keiner unter Melles Lobrednern spricht
von einer Beschränkung auf Lübeck, und so hat denn Schnobel
keinen Anstand genommen, Nicht-Lübisches einzumischen und dadurch
die Sammlung gewissermassen zu einer allgemein niederdeutschen
zu erweitern. Das zeitliche Gebiet der Melle'schen Aufzeichnungen
reicht etwa von 1300 bis 1750, das der Sehn oberschen ZutÄten
ist die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts, soweit Lübisches in
25
Betracht kommt; endlich Deecke vertritt die Zeit von 1820 bis
1860. Seitdem sind wir nicht allein mit dem mittelniederdeutschen
Wörterbuche von Schiller und Lübben, dem Handwörterbuche von
Lübben-Walther, sowie dem Ergänzungs- Wörterbuche von Diefen-
bach und Wülcker beschenkt worden, sondern, abgesehen von dem,
leider unvollendeten, Sprachschatz der Sassen von Berghaus, der
Kosegartens Plan in anderer Ausführung wieder aufgenommen, mit
einer stattlichen Reihe von mehr oder weniger wissenschaftlich ge-
haltenen mundartlichen Sammlungen. Alle diese bringen den Haupt-
inhalt der Melle'schen Handschriften, und zwar vielfach in richtigerer
und unseren jetzigen Kenntnissen mehr entsprechender Weise. Es
wird daher genügen, dasjenige allgemein bekannt zu geben, was in
keinem andren Werke niedergelegt ist. Solche Ausdrücke stelle ich
nunmehr zusammen, erlaube mir aber, auch mitunter einen andern
aus irgend einem Grunde hinzuzutun und zum Schlüsse sämtliche
Personennamen mitzuteilen Alles, was in runden Klammern steht,
ist mein Zusatz, so besonders die Ergänzung der Bedeutungen, die
mir freilich nicht überall gelungen ist. Das Niederdeutsche gebe ich
in der Schreibart der Handschriften.
1. WSrtor Melles.
achterdull, an von vor nich klok, insi-
piens, untoeise.
Achter Schapp, n. artnarium posteritis.
Im Achterschappe to Bitten kamen,
spe sua frustrariy in seiner Hoffnung
betrogen werden. (In Hdscbr. 2 im A.
Sitten.)
Achter Yerdendel, Hinterviertel, qucuirans
aninudis posterior.
afbinden, erUbitulen, dissolvere.
afleuen enen, aliquo diutius vioere, ab-
heben, überleben.
aflüchten, objurgare, reprehendere.
af lungheren, (abbetteln ?)
afpaten, (absenken, v. inpaten, einsetzen.)
Afteen, n. intentio, Abzieht.
afsnüten, emungere, abschneuzen.
afsyn, abesse, abwesend sein.
Afbrede, m. Abtritt.
Angrepe, m ansa, Griff,
anklettende Süke, morbus contagiosus,
klebende Seuche.
anwesen, adesse, dasein.
Ballior maken, edere strepitum, Geräusch
machen.
begasseln, (zu gasselo, Brot gersteln?)
b€jen, confiteri, beichten, bekennen, Psalt.
Msc
Berghelden, Landgesessene.
bleyem, (schräge hin und her schwebet^;
Steinchen ubers Wasser schnellen,)
Blöd, m. homo simplex vel misei'atione
dignus, ein elender Mensch.
Brocdwele, Brokäwele, mantile vel viappa.
Testam. 1479 (wohl verlesen statt
,Brotdweie*).
Bröjels, n. genitura, Eierstock.
Buddebu, (Butzemanti, Popanz.)
Bnddensalter, m. nomen convitiosum,
(Tenfelsmagen?)
Decht Garent, n, JUa, e quibus Ellychnia
parantur.
Deuesack, m. marsupium, Schubsack.
deuteren, otio indülgere, müszig gehen.
Deutert, m. homo otiosus, Müsziggänger.
Dömeland, m. judev provincialis, Land-
richter.
dorchkäteren, (umändern.)
Dorchlop, m. dysenteria, Durchlauf.
dorchsnudderen, (durchschnökern, schel-
ten?)
Dorchuore, f. Durchfuhre, transitus.
dorwracht, durchgearbeitet.
dranghe, arctus, enge.
up sinem Dreue sin (im Gange, guten
Stande sein? s. Brem. W.)
Driölenschape, m (dreibeiniger Tiegel'i^)
Eebrekinghe, f. Eebröke, adulierium,
Ehebruch.
erdftighen, honore afficer^ V^^M. Msc.
Erfschichtinghe, f. divUi,^ bcrcditatis,
Erbteilung. *^^
26
EriDneringbe, f. recordatio, Erinnerung.
Erstghewassinghe, f. primifructus, erste
Früchte des Landes. Lyr. Bibl.
Escher, m. Ugo, Spade.
Eteninnef f. saga, venefica, Hexe.
Euenbord, f. nativitas aequalis.
euenbordich, aequaXi genere natus, gleicher
Abkunft und Geschlechtes,
fleuten gan, evadere, erumpere.
Flottholt, n. suber.
De Sänne geit to Gade, sol oceidit, die
Sonne geht unter,
to Gade wart, zu Gott, versus deam. Lyr.
Gheistknepe, m. macula corporis v. cutis
livida,
Ghemöte, n. mens, animus, Gemüt.
Ghemul, n. pulvis. Staub, Lyr.
Gherule, n. strepitus, Geräusch.
Ghesete, n Gartenlaube.
Ghetier, n. strepitus, Geräusch.
Glose, f. glossa, Auslegung.
Göde, du. Göder, bona,
Gottes Boden, domuncula pauperum,
Gottes Pennink, arrha.
Grin upn Timpen, homo semper ridens.
gündhendes, illuc, dorthin. Lyr.
Hanpoten, Hanepoten, Ci/nosbatus, Hunds-
rose, (b. Berghaus =: spergula.)
Hagen, indago, Gang mit Buden und
kleinen Häusern
it is em in de Hasen schaten, non est is,
qui olim fuit.
Heisch, Pingstheisch, m. ferialis rurico-
larum pentecostalis
Henlop, m. decursus, Hinlauf. Psalt. Msc.
Hertichdom, Hertichdum, n. ducatus,
Herzogtum.
Heusterbeuster, homo peregrini idiomatis.
Heuetüch, n. Werkzeug.
Heybey Arbeit, f. labor nullius pretii et
fragilis.
Honnichsemer, m. pnrans mel.
Honnichsemerie, f. dotnus, ubimelparatur.
hunnen, beim Ablaufen der Schiffe, (mit
dem Stoseblocke, dem „Hunde", die
Fallen oder Stützhöher wegtreiben.)
Jeghenslüde, adversarii.
indich, innich to Gade, in Deo devotus,
infädemen, einfädemen.
inheuen, einheben, einnehmen.
Inheuinghe, /. Einnahme.
in-öghelen, adulnri, schmeicheln.
inweghen, 1) einwiegen, 2) einwägen.
Kakel Busse, f. {Schwatzkasten.)
Kaiadrian, m. avis species. Lyr. {Lerche.)
kanckouwisch, {wählerisch beim Essen.)
Kik Hot, m. jjt7cu9 stramineus muUebris.
Kindeken Jes, Christkindlein.
Einderhus, n. orphanotrophium, Waisen-
haus.
Kinderhüseken, n. incola orphanotrophü,
Waisenkind.
Kinder Vader, m. praefectus orphano-
tr<^hü.
Kippe Schullen, (grosse Schulden, die zu
Falle bringen.)
Kleuelap, m. habitaculum vile ac nullius
pretü, schlechte und verächtliche Woh-
nung.
Klock Spise, f. aes, Erz.
Klouer, m. (Hakennagel? s. Doomkaat,
ostfries. W. unter Klaver).
Kluddehacke, m. (Klumpfuss.)
Koken Recht, n. jus culinae, Kiichen-
gebühr.
Köninkstol, m. thronus regis.
Konschopper,m s2)eculator, Kundschafter.
Köppekenberg, m. locus supplidi capitis.
Kragen Yliersche, f. femina ornans col-
laria.
Krepende, reptilia. Psalt. Msc.
Kribbe, m. (Verdruss?)
Krüdenap, n. {Salzfass.)
Külpheket, m.
Landsüke, f. morbus t^idetnicus, pcstis.
Psalt. Msc.
Latel Dach, m. dies solstitionis.
Laue Melk, f. (Dickmilch.)
l^mdich, pro leuendich, vivus.
Lemvat, n. vas fictile, irdenes Geschirr.
libberen, (in kleinen Zügen trinken, s.
Frischbier, ostpreuss. W.)
libberich, subdulcis, süss
lifhaftighen, vivificare, lebendig machen.
Psalt. Msc.
Loppe, capilli, cincinni. (?)
lückelken, f elidier, glücklich. Psalt. Msc.
LüUkensack, m. utriculus, tibia täricula-
ris, Sackpfeife.
Lurlock, n. (= ,lurpus* bei Berghaus?)
Martklatte, f. plica polonica, verworrenes
Haar.
Medebeschedinghe, f. Mitbedingung, con-
ditio»
Melk Span, n. mulctrum.
mennichwerue, saepius, öfter.
Mestfarcken, n. porcus sagin atus.
Min Mote, mensurae diminutio, defectus,
Mangel an der vollen Masse.
Mitenuale, m. (= Mittewal, Galbula,
bei Schmeller?)
Moderlöseken, n. (Berghaus: Moderlos,
kleiner Fisch.)
Nakleiss, m. lictor. (?)
Naser, amictus muUebris. (V)
Nesekenstüuer, m (NasenHüber.)
Nesselnatel, f. (Haarnadel, Berghaus.)
27
nünen, sanutn edere.
nüsselen, muisiiarey mussitando quaerere
nutteren, murmurare.
Oghenwank, m. fnomentum, Augenblick.
Oaerlaken. n. linteamen lecti superius,
oberstes Betttuch.
Pade, m. Sponsor luMricuSf TaufpcUe,
it is quem e baptismo sttscepimus.
pasich, luridus, bloss,
Peferlink, m. tnorbosus.
Pip Höseken speien, {PiphäscJien fielen,
wobei der versteckte Hase dem
Sachenden ,Pip' zuruft.)
Plir upn Timpen, m. {Gegenstück zu
Grin upn T,)
Pödeken, diminutio vocis Fade.
Preuthöniken, n.
Pulsse, farcimina, Würste.
Pathülle, f. tnitra coriacea.
Quaddeder, m. mdleficus, Übeltäter.
Quit gheuen, dimittere, loslassen.
Quitancie, f. apocha.
Quitpandinghe, f. (Schiller u. Lübben:
Pfandlösungy Bezahlung.)
sachte don, demulcere, liebkosen.
Schabbürken, n. carcer.
Schörbü, m. scorbutus.
Schöttelplünde, m. fragmentum linteum,
quo purgantur patinae.
Schröderlock, n. fissura tunicae, Schlitz
eines Weiberrocks.
Schrodlone, m Schneiderlohn.
Schrouelap, m. (Schimpfwort?)
schrouwelen, (= schrumpeln, runzeln?)
schrouwelich, rogosus.
simmelen (= simmeieren, sinnen?)
Slabbervat, n. garrulus, Plauderer.
Sladde, f. vilis et sordida mulier.
Slarfen, crepidae, Pantoffeln.
slätisch, sletisch, (abgenutzt.)
Slethasen, braccae rusticae ad cdlceos
%i8que pertinentes.
Sleusterbane, f. {Glitschbahn.)
sleusteren, lubrico gressu per gladem
ferri.
sliperen, cunctari, zaudern.
slippen laten, negligere, oniittere, aus der
Acht lassen.
Slummeringhe, f. somnus, Schlaf. Lyr.
Smackbätjen, n. (Kosthappen.)
smetisch, (schmächtich.)
SmuUich, m. (Schmutzfink ? s. Brem. W.
Smu^'er.)
Snee Moss, n. ferculum lacteum nivi
simile.
Sorghe Daghe, Trauertage. Lyr.
Sorghe Mantel, f. Trauermantel.
dorch de Speisse jaghen (Spiessruten
laufen lassen.)
Spittelszheyt, f. Upra, Aussatz,
splinter nye, prorsus novus, ganz neu.
sta£f fule, randdtM, faul, vom Bier ge-
braucht. Schnob el: haud defaecata.
Stancker-Ilck, m. twmo foetidus et putens.
Stick Saghe, f. serra praeacuta.
Strülleke, f. urina, Seiche.
Stuf Eers, m. (= mnd. stüfstert.)
Suke, f. vestis muliebris. (Bei Schütze
unter ,Heyke*.)
Swedeler, Sweideler, habiius olim muH-
ebris. Dazu Schnobel: Ghytraeo est
mantica, Banzel, Knappsack.
sweudelen (sweidelen, hin und her be-
wegen.)
swichtig maken, ad silentium redigere.
swide hebben, se valde negotiosum exhi-
bere.
Todrengher, m. (Bedränger?)
tojäghen, zujagen.
tokaddelen, vernichten.
tokrökelen, complicare. (In Hdschr. 2
ohne Bedeutung.)
tol^ren, docere, zulehren.
sik tomartelen, sibi aegre facere, moU-
stias creare.
Törnel Touw, n. funis cursum navis aquae
immittendae inhibens.
tosmecken, gusto explorare, zuschmecken.
Tospröke, f. Zu^ruch.
tostighen kamen, advenire, herbeikommen.
tostöuen, bestäuben.
totäkelen, (auftakeln ?)
towölen, zuumhlen.
Treckel Band, m. ligamentum^ quo in-
fantes ducuntur.
Trecklyff, m (in H. 2 n.) dass.
Tröneken, n. lacrymala.
trupelichy
tüneken, mentiri, lügen.
tünen, sepem facere, zäunen.
Tüntel Nut, f. (wohl Schimpfwort für
ein langsames Weib.)
twesnedig, anceps, zweischneidig.
Yadd erstand, m. cognatio lustrica.
Vade (mnd. Vaterschwester.)
Yinckenblock, m. supplicii locus Lubecae,
ubi rei virgis caeduntur.
vmlanghen, ij^erumbringen?)
vmtrummelen, enen Ossen, tympanopulso
vel percusso bovem circumducere.
vnbl^ket, non dealbatus, ungebleicht.
vnderaschich Brod, panis cinere cdlido
paratus. Lyr.
Vnderlaken, n. unterstes Betttuch.
Vnderkörste, Ynderköst^ f. inferior
crusta panis. *
Yndersleuf, m. (UntersQJn .r\
28
Vnechteskopper, m. adulter, Ehebrecher.
Psalt Msc.
vnghedoket, sine velamine linteo.
Yngheues, Arges, Unverantwortliches.
Yimösel, m homo nauci.
vnschoD, turbidus De Win is vnschon,
vinum est turbidum.
Vnschonheit, f. deformilas, Häszlichkeit.
VnTornumpstheit, f. Unvernunft.
vorfreten, 1) vorax, gefräszig, 2) vorando
consumere, verfressen.
vorhesebeset, negotiosus.
Vorhöghinghe, f. exaltatio, Erhöhung,
lactitia.
Vorldoer, m. collator, Verleiher.
Vorlömder, m. calumniator.
Vorlömdinghe, f. calumnia, Verleumdung.
Vormak, n. oblectatio, Vergnügen.
vormaket, affektiert.
Vorsekerheit, f. securitas, Sicherheit,
Versicherung.
vortobben, verzärteln,
Votbencke, f. scamnum pedale.
Vot Kiste, f. cistapedivel fulcro innitens.
vpklouweren, ascenderCf aufsteigen.
vpl^nen, auf leihen, borgen.
yppipen, aufpfeifen.
vpschüren, differre, procrastinari, auf-
schieben.
Vpschüringhe, f. proer astinaJtio, Auf-
schub.
vpslabbüren, prodigere.
Vpslan-Disch, m. mensa complicatilis.
Tisch, der aufgeschlagen werden kann.
vpsolten, aufsalzen.
vpspanghen, fibulas solvere, aufspattgen.
vpspreken, ad differendum persuadere,
aufsprechen.
Vpulighe, m. ornatus, Zierat.
Vrouwen Moder, f. socrus, Schwieger-
mutter.
Vrouwen Vader, m. socer, Schwiegervater.
Vtdüder, m interpres, Ausleger.
VtdüdiDghe, f. interpretatio, Auslegung.
vtklötert, (ausgetüftelt ?)
vtkreien, auskrahen.
sik utmükeren (= mnd. utmuteren?)
Vtrop, m. »ubhastaiio, auctio, Ausruf.
vtropen, subhastare, proclamare, aus-
rufen
vtröpen, in H. 2: vtropen, ausrupfen.
Ttsacken,
Vtsacker,
vtsetech, vtsettesch, vtsetich, leprosus,
aussätzig.
Vtsetter, m. interpres, Ausleger.
Wackerschnell, m disertus.
Wakersche, f. mulier vigilans.
Walk, arnamentum capitis virginum,
alias „Kräntzgen".
Wäne, f. Verruca, (v. mnd. wene.)
Waszstapel, m. cereus, Wachsstock.
wechulien, (wegpacken.)
wechförderen, wegfordern.
wechgliden, weggleiten.
wegjäckeren, (wegfahren ?)
wechläken (zu laken, tadeUn'/)
wechslapen, wegschlafen.
wechslöpen, traha avehere, wegsdüeifen.
sik wechwaren, cavere, sich hüten.
Weddermodinghe, f. adversitas, Wider-
spenstigkeit. Lyr.
Wedder8lach,m. repercussio, WidersMag.
weddersportelen, reccUcürare, wider-
streben.
Weddersportelinghe, f. recalcüratio,
Widerstrebung.
Wedderuall, m relapsus, Wiederfall.
yan Weghen syn, mente captum esse.
Wepestärtjen, n. motacilla avis.
Windelasch, f. (Hemdachselstück.)
Wineker, m. substüiUus mercenarii.
Wrantebüdel, m. (Starrkopf.)
Wrekinghe, f ultio, Bache.
Wruck, m. (Hasz, Streit.)
Wruckbals, m. (Streithammel)
wruckhalsen (streiten mit Worten.)
wüste, saepe, oft, vielmal, (Nebenform
zu ,vust*, erwähnt von M o 1 e m a im
Wtb. d. Groninger Mundart).
Zinghelslüter, m. Zingelschlieszer.
Zisich, m. 1) phtisis, Schwindsucht.
2) Zeisig.
IL Wörter Schnobeis.
Bulol = Kakemumme, terriculamentum,
tei'riculum. Chytr.
Dalernett, n. Talernetz. Gryse.
devotich, devotus, andächtig. Thom. a
Kemp.
Döpedochter, f. profdia, Fade. Chytr.
Döpsöu, m. profilius, Fade. Chytr.
dorchwegig, pervius, dardorch ein Wech
geiht. Moth.
ghemete, gemäsz.
Hartgevicheit, tenacitas. Chytr.
Hemmelbroder, m. Hemmelsüster, f.
Chytr. (Frömmling ?)
Hojaninge, oscitatio. Bomii El.
Uönerjüche, jusculum gallinaceum. Chytr.
Hillighe Dingh, n. anthrax, sacer ignis,
morbi spedes, Böse.
29
de Inkomelingdach im Schaltjahr, dies
intercalaris, insüätuSy Chytr.
Kalvermisse, f. der israelitische abgöt-
tische Kälberdienst, Gryse.
Eammvoder, n. receptaculum pectinum,
Kammfutter.
Kerstdagh, Christtag , Passion.
kettelharich, {kitzlich.)
Kettermeister, m. {Oberketzer.)
Kickintland, specula, Warde, Warttorn.
Chytr.
Klockendöffte, f. Glockentaufe. Chytr.
Klöckling, m KlügJing.
Kosthus, n. Hochzeitshaus.
Ledderlaken, Test. 1494 {Ledertuch.)
l^itsaghegheld, praemium ductoris^ hodie
Lotsengeld. Oelr.
Liniendäntzer, m. funambulus.
Loschedrunk, m. Labetrunk. Chytr.
Mütemaker, molitor novarum rerum
flaheüum seditionis.
Nedenkramer, m. Leinwandhändler. {?)
Neghensleper, m. ad horam nonam dor-
miens.
Notwech, actusj Drift. Chytr.
Ohreopypinghe, aurium tinnitus. Bonn.
O Verbindeken, n ornatus muliebris.
PapeUtand, Pfaffentand. Buggenhagen.
Papenkollatiou-Kroch. m. Caland. Gryse.
Patersbeer, dal beste Beer. Chytr.
Pladdersüchticheit, loquacitas, garru-
Utas. Chytr.
Plogkromme, f. buris. Chytr.
Plogfahr, sulcus. Chytr.
dat Plogwendent, versura. Chytr.
reusteren, tumultuari.
sutmündig, de sötmündige Glysnerie.
Gryse, Pawestd.
Spülebake, so allenthalven herumme up
de Garde ghan. Gryse, Pawestd. (mnd.
W. spolebacke, Saufbruder.)
ein Sure, teredo, Kopperworm, Holt-
worm. Chytr. it. Totenuhr.
Terenheyt, f. Zärtlichkeit. Bok v. de
Navolghinghe.
Tovergifi, n. Zaubergift. Gryse.
Tungendröscher. Gryse. {Zungendrescher.)
Vastendicheit, f. constantia, Standhaftig-
keit, Lev. d Hill.
Yerflökinghe, f dirae. Chytr. Flökinghe,
Fluch.
vmmestaken, umkehren^ umstoszen. Gryse.
vnbedüsterd, splendor inobturabilis Gryse.
vnbefloten, ein unbefloten Land, terra
solida. Chytr.
vnghepalleret, impolitus, unpoliert. Gryse.
Vnhöde, f. incuria, Unachtsamkeit.
Vnsedicheit, f. immodestia.
vnseentlik, invisibüis, unsichtbar.
Vnstormicheit, f. Ungestüm. Lyr.
Yntellicheyt, f. innumerabilitas.
Vnvorverenheit, f. impcritia. (!?)
vnvorvdret, imperterritus, unerschrocken.
Voerste, n. prora, das Vorderteil eines
Schiffes. Lev. d. Hill.
Vortorninghe, f. ira, Zorn.
Vtm^ter, geometra. Chytr.
Walter, Walze zum Ebenmachen des
Ackers und der Diele. Chytr.
Waterhere, m. Dominus maris.
Waterfahren, lirare, {Samen eineggen.)
Chytr.
wedderlunisch, Gryse. {wetterwendisch.)
Wederhere, der dem Wetter zu gebieten
hat. Gryse.
weltherlick, Gryse, Spegel d. Pawestd.,
S. 4 der Dedication : Datsülve Unkrudt
schinbarlick heryorgrönet und sick
,weltherlick' uthbredet {üppig).
Werckhillicheit, f. Heiligkeit der Werke.
Gryse.
Werckhilligher, id.
wreiliken, pertinaciter, hartnäckig.
III. Namen.
Abel, Abele, Abelke, ApoUonia (!)
Aleke, Alheid, Adalheidis.
Alf, Adolphus.
Anneke, Ännchen. Dammel Anneke,
femina nullius pretü.
Arnd, Amoldus.
Assele (= Ossel?)
Beke, Eebecca. (?)
Bele, nom. mul. (Schiller u. Lübben:
Abele und Hebele.)
Bendix, Benedictus.
Beneke, Benno, Benedictus (?) Bern-
hardus.
Berend, Bernd, Bemhardus.
Borchcrtf Burchardus.
Brand, Hildebrandus vel Brandanus. (?)
Chim, Joachimus, Chimeken, nom. dim.
Dirck, Diderich, fheodorictis.
Drewes, Andreas.
Elsabe, Elsebe, Elseke, Elisabetha
Engheborch, Ingheborch, Ingheborgis.
Ermengard, Irmengardis.
Eyle, nom. mul. {Eila.)
Fike, Sophia.
Fynne, nom mul., occurrit a. 1381 in Test.
Gherardi de Alen. (-Finne.)
Gherd, Gerardus.
Ghese, Gheseke, Gertrudi,^
c,rvN
30
Grete, Gr^teke, Margareta,
Hans, Johannes.
Harm, Härmen, Hermann.
Hartich, Hartvicus.
Heleke, Helenburgü. (?)
Henneke, Johannes,
Herdeke, f. Herdradis.
Hese f Test. Hinr. Borhorst 1413
(z. masc. Hesiko b. Heyne, altniederd.
Namen ?)
Heyleke, f. (= Eileke,)
Hille, Hildegundis.
Jürghen, Georgius.
Jutte, f. (Judith, Johanna.)
Kersten, Christianus.
Koneke, Kaneke, Conegundis.
Leneke, Magdalena.
Lenert, Leonhardus.
Lise, Liseke, Elisabetha.
Lücke, Lucia. (?)
Lüdeke, Ludolphus s. Ludovicus.
Make, Marquardus.
Mariken, Maria.
Merten, Martinus.
Metteke, Mechtildis,
Mewes, Bartholomaeus.
Neze, Nezeken, Agneta.
Ossel, Ursula.
Pasche, Paschasius.
Peter, Petrus.
Sanneke, Susanna.
Steffen, Stephanus.
Steneke, Steneco, dim. a Steno.
Stine, Stineke, Christina.
Sweneke, 1) nom. mul. (zu Swana),
2) dim. a Sweno.
Tale, Taleken, Adelheidis.
Telse, Telseken, Elisabetfia.
Tenghele, f. a. 1360 Test. Gher. Hynnen-
berch (= Engel, Engela.)
Tewes, Mathias
Tibbeke, f. Tibburgis.
Trine, Trineken, Catharina.
Vike, {Sophia.)
Webbeke, Wöbbeke, Walpurgis.
Wendele, nom. mul.
Willem, Wilhelmus.
Windel, Windelke, nom. mul.
Diejenigen Ausdrücke, bei welchen ich meine Erklärung mit
einem Fragezeichen versehen habe, kann ich nicht weiter belegen.
Gar keine Deutung weiss ich für trupelich und Schroiielap. Ein drittes
Wort, Preuthöniken, kann ich nur sehr zweifelnd mit Präter, Prüte,
dem hiesigen Kosenamen und Lockrufe für Wasservögel, zusammen
und somit dem Putthöniken gleich stellen. Endlich KtUpheket habe
ich allerdings weder mündlich noch schriftlich im Gebrauche gefunden,
darf darin aber wohl die Bezeichnung eines irgendwie plump gebauten
Fisches erblicken. Nicht nachweisbar ferner für mich sind Ballior,
Nakleiss, Walk und Nedenkramer, Bei keinem ist eine Quelle ver-
merkt, danach scheinen alle der Volksrede anzugehören. Ballior
könnte man als scherzhaftes Latein für Geballer ansprechen, Neden-
kramer aber macht ganz den Eindruck, als hätte sich der nicht
immer ganz zuverlässige Schnobel arg versehen und eigentlich Heden-
kramer im Sinne gehabt, was ich freilich auch nicht habe aufspüren
können.
LÜBECK.
Colmar Schumann.
31
Volkstümliche Redensarten
aus Lübeck. !
Die hier mitgeteilte Sammlung ist das Ergebnis meiner, vor-
wiegend von 1880 bis 1895, in Lübeck und den zu ihm gehörigen
Ortschaften, besonders den Fischerdörfern, geschehenen Nachfrage.
Sie bringt allgemeine und scherzhaft gewandte Sprichwörter, volks-
mässige Wendungen über häusliches und geselliges Leben, Lebens-
umstände, Körper, Geist, Wesen, Benehmen, sowie Orts-, Zeit- und
Artbestimmungen und schliesslich Wettersprüche und ähnl. Zu den
Sprichwörtern, die ja nach Weise aller Volksüberlieferungen mancher
Änderung und Vermischung unterliegen, zum Schaden ihres Verständ-
nisses und ihrer sachlichen Richtigkeit, bemerke ich zuvor folgendes.
Ruch is rik, bei Wand er, Sprichwörter-Lexikon 3, 1504, hoch-
deutsch : Wer rauch ist, ist reich, erklärt sich aus der ostpreussischen
Fassung: Wet' ruch ös, ös ok warm (ebda.) als eine Vertauschung
der Begriffe „warm*^ und ;,reich". Die Pelze sind im Besitze der
Reichen, diese frieren nicht, also wer warme Kleider trägt, ist reich.
Üt en annern sinen Büdel is göt Remen sniden lautet bei Wander
3, 1683 ursprünglicher: Aus anderer Leute Haut ist gut Rietnen
schneiden. Da aber dieser Ausdruck überhaupt den Sinn angenommen
hatte „Vorteil aus etwas ziehen", so konnte die, eigentlich unstatt-
hafte, Verwechslung um so leichter eintreten.
De Blinn krichift toirst up de Ogen ist so nicht zu verstehen,
wohl aber das hochdeutsche : Der Blinde fürchtet nichts für seine Augen
bei Wander 2, 402. Die Sinntrübung ist bewirkt durch andere
Sprichwörter des Inhaltes, dass ein Unglück selten allein kommt,
wie deren unten einige sich finden.
Sonstige Erklärungen im Texte. Dieser berücksichtigt nur Reim-
loses. Für die Reimsprüche darf ich auf meine „Volks- und Kinder-
reime aus Lübeck" verweisen, für Bezeichnungen von Vorgängen
in Wetter, Wind und Wasser auf meinen „Wortschatz von Lübeck",
S. 29—32.
Wer Honnich licken wil, de müt weten, dat em de Immen stSkt.
Wat brent, dat smÖkt.
As dn mt Holt röpt, so kümt't trüch.
As de Man is, wart de Wust braden.
Lät di niks iD'n Nacken flegen.
Von de G8s' is siecht Haber köpen. (Dat is gräd, as wen man von de GBs'
Haber köft.)
Schenken un Schiten wart mit enen Bökstaben schreben.
Wer licht gl8ft, wart liht bedragen.
ä2
Menen un Denken, dat dracht.
Wo man nich sülbst kümt, wart enen de Kop nich wuschen.
Wen de Fisch braden is, helpt em dat Water nich m^r.
Wat f röcht de KrSft dorna, wen du om versüpst
Stel de Stang nich wider, as du springen kanst.
H8d di Yör d^n, dSn Got tekent het.
Man kan nich weten, wat en holten Buk f8r Talch het.
Man kan en dodich Kat nich fast noch anbinnen.
Du kanst nich er Pankoken backen, as du M^^l best ; du kannst nich £r welk
däl slucken, as du 6r in de K^l best.
£rst en N6s' un den en Bril.
Fül de Ogen nich ^r as den Buk.
Hol di an de Latten, de Himmel is hoch.
Nim di niks v8r, den sleit di niks fSl.
Gegen en Foder Mes is nich antostinken.
Snid ik min Nds^ schänd ik mtn Angesicht.
Beter Schimp as Schann.
Bäckers Kinner Stuten geben is Sann.
Wer langs&m fdrt, kümt ök to Stat.
Je m^r man de Kat sträkt, je höger holt se den Stert. (Wen man de Kat
sträkt, bort se den Start up.)
Mau müt de Lud reden laten, de Gös* kOnt ^t nich.
Lät du Got den Vader sorgen un den Dabei brummen.
Lßnt Göder müt man lachend wedder bringen.
Reisend Lud müt man nich uphollen
Bltf up den rechten Wech, so siän di k^^n Busch.
Beter lütherschen (armselich) fören as grötherschen gän.
Beter 6n N^m-mit as twe Häl-na.
Beter hebben as krigen.
Ik heb is beter as ik harr.
Beter en Lüs in'n K61 as g6r ken Fet (Flusch).
Frei di, dat du in de Welt büst un best kenen Puckel.
Jedes Dink het en Enn un de Wust twe.
H6ch-wat het wat, Frit-up het niks.
Spar wat, hestu wat; 16r wat, wötstu wat.
Sp&rhans het Wolleben sfu Hüs küft.
An'n Brot het man lank wat, wen man dat nich it.
liest du nich, so kanst du nich.
Wer en Ei ünnern St^rt het, het g6t kakeln.
Wo niks is, kümt niks hen.
Wen de Wiut west is, kan de Möller nich malen. y^West*' dopprhiinn'g.
AI söben Jör kümt en Dink to Pas.
Mach* nich licht upn Kirchhof, un Kan-nich licht dicht dorbi.
Wer H nich in^n Kop het, müt't in de B^n hebben.
En scharp Wort holt den KM von de Dftr.
Jeder fdr sik, Got f8r uns all
L^rwark is k^n Meisterstük.
Befeien deit 't nich, sülbst angripen, dat helpt.
Inbillung is duller as de Pestilens
AI to vdl ilT is half Schann.
Hoifart let k^n Kül to.
Den Fulen is nich beter, as dat he licht.
De lange slöpt un den man löpt, kümt ök to Gank; aber de lange slöpt
un den langsam is, kümt v^l to kort.
Wen de Müs sat is, is dat M^l bitter.
Dikdön is mtn Leben; Broder, l^n mi en Söslink.
De Stöners hebt wol wat; wen man de Pralers wat hebt.
Dat is mfn bet an den Karkstlch.
De lank het, let lank hangen; de lenger het, let slepen.
33
Wer in'n E61 sptt, müt em to^rst upeten.
Ruch is rik.
En Hunsfot (Schelm) de mSr gift, as he het.
Ut en annem sinen Büdel is got Remen sniden.
Wen sik Schelms an DSf schellen, kricht en ^rlich Man sfn Göt wedder.
R6t Hör un Ellemholt wast up kenen goden Boden. (EUemhoU un röt
H6r, de wast upn siechten Grünt.)
Lögner an D6f sunt Naberskinner.
Ful W&sch an Lögen sammelt sik am meisten.
Von Hörenseggen kämt de meisten Lögen.
Ort let nich von Ort.
De Wulf ännert sin Hör, aber nich stnen Sin.
Wat mal to'n Swfnstroch üthaan is, wart k6n Yioltn m^r.
Von'n Ossen kan man nich mör verlangen as en Stük Ossenfl^sch.
Wen de Hunt dr8mt, is't von Brot
Man süt gifk an de Snüt, wat en Swln is.
Herren bltft Herren, an wen se ök bet Middach släpt.
Armer LÜd Pankoken un riker LÜd Krankheit rükt gUk wit.
Lik söcht sik, Lik fint sik.
Dwalsche LÜd schrift dwalsche Böker.
De dumsten Büm plant (hebt) de grötsten Eantüffeln.
Wat de £n nich mach, is den annern sin best Kost.
De Gesmak is verscheden, de 6n het Lust to (Wt) de Dochter, de anner
to de Mudder.
De L^f f< so wol upn Köklak as upn Li^eblat.
]s kön Pot so schöf, dör geit (past) en Stülp up.
Wat nich is, kan warm.
Kam ik öbem Hunt, k§,m ik ok öbem Swans.
Glük müt TU hebben.
Wen de Pracher niks hebben sal, so verlüst he dat Brot Atn Büdel (üt de
Kip). (Wat den Pracher nich günt is, fült em üt de Kip )
Wen dat ganse Hüs vul Unglük is, steit vÖr de D8r ök noch en Ktp vul.
De sik nich sat schrapen kan, kan sik ök nich sat ticken.
De Blinn kricht't toörst up de Ogen.
Wo wat is, dör spilt wat.
Wen de Tabak al is, geit de Pip üt.
Je später upn Abent, je schöner de LÜd.
Hunnhinken an Frünkranken, dat dürt nich lang.
Appeln na Fastelabent an Jumfern na v^rtich Jör, de hebt den Gesmak
verloren.
Wen de Piphän steit, is de Verstaut in'n Mors.
Linker Haut geit't von Harten.
Wen't Möd is, rit de Bür upn Bullen in de Kark. (Wat Möd is, is Möd,
an wen de Bür upn Esel in de Kark rit.)
Wat de Bür nich kent, dat frit he nich.
Wen de Wichein fleiten gän, het de Bür k^n Gelt.
Wen de Krübben leddich sunt, biten sik de Per. Auch als Beimspruch üblich.
Dat Kint is döt, de Veddernschap is üt. i
AI Bak un Bru gerät nich göt.
V41 Swln mäkt den Drank dün. j
Hamelfl^sch is en Döf in'n Pot (un Sirop is stn Broder). |
Fif Swtn mäkt negen Siden, wen de 6n in de Wust is. I
En Kint is beter as en Kalf, löpt dat 6rst Jör nich int Korn. !
Dat Hön, dat frö kakelt, lecht en Wintei. |
Flutend Dörns un krähend H6ns hebt k^n Degen int Hüs. 1
Kinnermät un Kalvermät mut ol LÜd weten. {
Kinner m8t l^ren as junk Farken Drek eten.
Orr nunk regSrt de Welt un de Knüppel den Hunt.
Ol LÜd geit v8r, blöt nich in'n Sne
NUdardeotseheB Jahrbuch XXXY. ^
34
Ell beten Füten is den armen Man sin Swtnsbräd (KalfsbrA4.)
Den Menschen sin Ydrnemen is Got en Qrül.
De Her stürt de B8m, dat se nich in'n Heben wast.
Mäkt de Her 6n D8r to, so mftkt he de anner wedder apen.
Gift Got Jungens, so gift he ök Büksen.
SpricliwSrter in Seberzwendang.
Wdlt't schön krigen, s^d de Avkat, he mdn aber dat Gelt.
Ji sunt ml schöne Kinner, s^d Beckmann to sin Swln, ji w6lt nich freten,
wat min Fru ja k&kt?
Minsch, söd Beckmann to sin Swln, perrst mit den warm B^n in'n koUen
Drank ?
Gans hei un kön St^m, secht Bleker Menk un pist sin Fru int Klederschap.
Koparbeit gript an, söd de Bul, do schikt he sinen Jüngsten na Swaan —
auf die landtoirtschaftiiche Hochschule.
AI Bot helpt, secht de Bür, trekt sik en Warmen ütn Nörs un bint sik de
Scho mit to.
Dat is hart, s^d de Bur un bet upn Stön
Dat is 6n, söd de Bür un harr en Farken mäkt.
Dör is de D6r, secht de Bür un fürt mit en Foder Hei in de Kökenddr rin.
He kämt, s^d de Bür, dör röt he sik dat Melkschap upn Llf.
Nu k&m ik, s^d de Bür un fül üt de Lük (von'n Bdn).
Plats dör! s6d de Bür to de Muskanten, dör kan ik ök noch mit sitten.
Dat kümt al wedder, secht de Burjung (Johann) un gift de Swin Swlnfl^sch.
Dat Och wil ök wat hebben, söd Jen lüt D^rn, do kr^ch se dör wat up
(harr se en Bl&m).
Dat Krüt ken ik, s^d de Dübel un set sik in de Nettein.
Funtus! söd de Dübel un funn sin Grösmudder in*n Horenkasten.
Vdl Geschrei un wenich Wul, harr de Dübel secht, do harr he en Swinegel
schoren.
Ji Sit schöne Kinner, söd de Esel — he harr Poch lät — wen de ^n rup
is, sprinkt de anner wedder raf.
Dat is aber en Leiden, söd Feldmann, do h&rr he't Gössel an*n Strik.
De is to krum, söd de Fos, as de Wust in'n Wimen hünk.
Dat is al en öbertoch (öbergank), söd de Fos, do wart em dat Fei öbem
Rüggen trocken.
Wat upn Rüm wol fÖr Wedder is, s^d de Fos, do söt he upn Barch achtern
Netteistang.
Wen kön kümt, den wil ik kön, söd de Fos un slöch mitn St^rt an'n Börböm.
Ach, loch ik man örst! söd de ol Fru, as se int Bet söt.
De ^rst Not müt kört warrn, söd de ol Fru, do hau se'n Backeltroch 'twe
un m8k dat Water to'n Backen dörmit bot.
Gotlof, dat ik dörmit niks to dön heb ! söd de ol Fru, 8,8 se dat ganse Dörp
tohopen lagen harr.
Renlich un rein mach ik göm al hebben, söd de Fru ; wen ik't \rgent hebben
kan, r8r ik de Klump in'n Backeltroch an.
Renlichkeit is't halbe Leben; Jung, h&l en Bessen, w8lt den Disch aifegen.
Renlichkeit is't halbe Leben, secht de ol Fru un kört jeden Winachtabent
er Hemt um.
Ruten üt! secht de Glaser.
Man nich so ängstlich! söd de Hän to'n Regenworm un fröt em up.
Nim de F8t in Acht, süs perr ik di, söd de Hän to'n Hinkst.
Dat wart en beten Dach, söd de ol Heks, as se yerbrant warrn sül.
Ik wil di't vergeben, söd Jehann, aber, Jakob, denk dranl
Raf, Kat! sed Jehann Lann un j8ch de Klukhön vont Nest.
As he fült, secht de Jung to de ol Fru mitn Nösdrüppel, as se em en
Pankoken anbüt.
Beter is beter, söd de Jung un strök Sucker upn Sirop.
Dat Gevitter k8m At mtn Grösmudder 6r Knaken, s^d de Jung, den se sed :
Dat harr mi al lang in de Knaken seten.
Dat l&t ik giLn, secht de Jung; he sal en Kalf dregen, wat en Jör olt wer.
Dat sunt man Knüst, secht de Jung un snit dat Brot niirm durch
Ga wech von mi! sed de Knecht; du sitst mi upn Trilhän.
Dat is noch lang kön Abent, harr de Kreienfänger secht, do w^r de Siin
üonergän.
Nu kan't lös gän, secht de Kökenfru.
Dat hest drapen, sSd de Kröpel, as de Hunt em int holten BSn bet.
L&t lopen, secht Lüth un pist sln.Fru int Bet.
Ik schäm mi, säd dat M^ten un hol sik en Twernsfaden vdr de Ogen.
Wen ken wil, wil ik ök kenen.
Dat is anner Korn, s^d de Möller un b^t upn MAskötel.
Wat sal't ewich hoUen, sSd de Murer, as em de Bakaben öbern Kop föl.
Schönen Abent förn Abent, s6d de Nachtwächter, dun gänk de Sün up.
Nu geit de Reis' lös, sed de Papagoi, dun l8p de Kat mit em to Böm.
Dör swömt wi Appeln, s^d de Perdrek un swöm mit de Appeln de B^'k
hendäl.
Dör rük an, secht Peter Erich.
Hebe dich hoch ! sed Pietschmann, dun swunk he sik en Mät Wetenkli upn
Nacken
Tut mich leid, secht Ponto. P. vordem ein Krämer am Markte in Lübeck,
Ach, wir armen Dreizehn! sSd de Pötter, do föl he mitn Dutsen Töller
üt de Lük.
Nu kämt se, s^d Scharnweber, se süot al bi de D8p.
Dat brinkt nich vel, aber dat sammelt sik, harr de Schösterjung secht, harr
in de Kdk enen an de Bak kregen un up de D61 al wedder.
Dat harr ik nich dacht, dat dat so vdl würr, sSd de Schöstetjung, aber dat
sammelt sik; dun kr^ch he de Jak yul.
Dunner Kwaddel, s6d Schulten Yadder, wo keken mi de Lud an!
Däll s^d Sievers, do s^t he in'n Wustketel.
Dat blits af, s^d de Slachter, as he de Ko vdrn Kop slän wuU an sleiht se
fBm Nörs.
AI mit Maten, sed de Snider, do gef h6 stn Fru wat mit de Kl.
Dat trekt sik al na'n Lff, s^d de Snider.
Dat trekt sik al trecht, sed de Snider un set de Ärmel int Taschenlok.
EUernholt dr8cht swör, s^d de Snider, den stüt he sik up de Kl
Grad as ik, harr jen ol Snider secht, de harr en Puckel.
Lik mi io'n Mors, s6d de Snider, sntt di aber örst dat G§1 üt!
Wat nich de Gewönheit deit! s^d de Snider, do harr he'n Stök von stn egen
Tuch Stelen.
Nich um minen Willen, s6d de Wulf, aber so'n Schäp smekt doch göt.
Schön, secht de Bür, wen de Eddelman Sl^ch kricht.
Von hänslichem und geselligem Leben.
AI, wat en Lepel licken kan, Kinder,
Dat het en unmünnich Kint beprüscht, vom Niesen nach einer Aeiisserung.
Dör fült en Appel üt de R8r, wenn eine)- leise f. . zt.
Dör kümt stn M8m, bei etwas Unerwartetem»
Sü, de Kat putst sik! Wi krigen fr()md LÜd
He kämt mi gräd in de Snir (in de M8t). Snir eine absichtlich über den
Weg gespannte Schnur.
Dat is von Vageltritholt, Scherzantwort.
Wo geit't? Swat, wen't verbrant is.
Hfr is ^n as de Ul mank de Kreien
Htr weit en goden Wint.
Hut lebt wi perrisch = üppig- Pft r is c h Name einer reichen Farn flu {^x H^^mburg .
Nu kümt Hans in'n Wams. Nun wird's lustiq.
86
Spöd di, DQbel, uns' Hergot is glik achter di! Wenn man auf einen heinsen
Bissen rasch nachtrinkt.
Dat is so mdr, dat kan Her Pastor biten.
Dat gift de Kat stn Mdm nich.
He frit den Dübel en Or af, der FresshaU.
He frit as Moder Häksch, de fröt en Wagenrat un mSn, dat w^r en Kringel.
Sink di man k^n Greden in'n Halsl
De Grapen is al vul, heim Aufstossen,
He süpt as en Ilk.
Drink man, dn säst jo sögen !
He perrt ober.
He geit v8rpot.
He het de Pi vul.
He het enen in'n Krüsel.
He het enen in de Ogen gaten.
He het sik en Lütten antüdert (uppakt).
He het to d6p in de Buddel ktkt.
He is up Nummer söben.
Em h8rt de ganse Strät to.
He sm8kt, as en lüt Man bakt.
AI Dach dün un smöken un Itkers k6n Tabak.
Ruhig upn S&ll Grösmudder wil dansen.
Se snit Swebelsticken, sie bleibt sitzen beim Tanze.
He drdcht Stubben, dasselbe vom Burschen.
He het sik schürt, die Kugel beim Kegeln.
Häuflein, vermehre dich un warr so gröt as en Mösbüdel ! beim Kartenspiele.
Ik wil di dat Fet (Talch) wol uphelpen, dsgl
Nu wil ik di aber m&l en Küs üttrecken, dsgl.
Gut Nacht, Lischenl Dat Gelt licht up de Trep (v8it Finster).
Se hebt em den Stöl y8r de Dör set.
W8lt em na Moisling bringen un an de Juden verköpen! (T8f man! Ik wil
di an'n Juden verköpen.) Im Dorfe M. wohnten einst die Lübecker Juden.
Wat sart sin? S8lt't Appeln sin?
Dat is aber wat, lüt Fru; kost ök acht Schillink.
Noch föftich J6r as hüt!
Von der Lebenslage.
Wat schilt di? was fehlt dir?
He kümt ober Stür, er geht zurück.
He geit örlankfs) as de Kr^ft, dass.
He Sit in de Büt, in de Püt, in de Buddel, in de Kntp, er ist in Not.
He Sit mit stn Schip upn Drogen.
He het en Klots ant B^n.
He het niks to biten un to breken
He kan nich von enen Dach to'n annem kommen.
He kan v8r Hunger nich in'n Släp kommen.
He ISft von de Hand in den Munt.
He is so nakt as en Karkenmüs
He is upn Spön, es geht ihm schlecht.
He is dör knap achter.
He stikt achter as Horstmann acbtem Hunt.
Dat geit al to Unstrut, verdirbt.
He kan dat nich af, nic?U durchführen.
Dör het en Ul seten.
He is mit Ulensät besät, Pechvogel.
Dat het em hellisch begrtsmült, er ist „reingef edlen*'.
Dat is mtn B8rt, kommt mir zu.
He het v6l upn Dut, viel Geld aufgehäuft.
He is recht up sin Prekumfär, es geht ihm gut.
37
He is recht in sin Fei.
He sdt bet an de Nes' in Fet un bet an de Oren in Wul.
He Sit as en Arft in de Elöterbüs, ist glücklich.
He is s^r int Wogen, en vogue.
He is upn Dam.
He is ddr baben up.
He is npn (öbem) Barch.
He het sfn Sch&p in'n Drogen.
He het den Ldm achter sik.
He steit sik brdt.
Dat holt den Stapel, hat Bestand.
Dat hilge Graf is wol verwört.
Em kan dat niks m^r dön.
De kan wol lachen, wen anner LQd went.
Dat is Water up sin M81.
He trekt sinen Tegen, Vorteü,
Dat het sinen Tegen.
He milkt dat to Degen, Gedeihen.
En beten Neistd (Stiksid) is 6k dörbi, Nebengeicinn.
Dat kamt em to Pas.
He is von'n groten Kummer af.
He kricht de Wintsit.
Dör smit sik en AI up, günstige Gelegenheit.
He wßt dörup to lopen.
He süt, wo't Laken scheren is
He smit mit de Metwust na'n Schinken.
He stikt dat in'n Muckerbüdel, Sparbeutel.
He is en d^p gänt Schip, Verschwender.
He vergift Ueid un Weid
He is fang mit Hül un Höt.
He (dat) is (leiten gän = in de Widen gän.
He is öbem Harts gäo, durchgebrannt
Dat geit in de Krim, (in de Krümp) verloren.
Dor het de Dübel sinen Swans upiecht, das ist garnickt zu finden.
Dat is murs (mus) af, jäh abgebrochen, ganz entzwei.
Er het Hans Wust den B8n afdanst, sie hat ihr Magdtum verloren.
He is baren und tagen un mit BuUenwater döft. Spott auf die Schlutuper
Fischer, die sogen. Bullen.
He is to Water ang&n, hat sich ertränkt.
He is nich mSr stürhaftich, todkrank.
He wart nu sauf, stirbt.
He is wol verwört, gestorben.
He het int Gras beten.
Dat is in'n Dut g&n, zusammengefallen usw.
Vom Leibesznstande.
Dat is en Kerl as en Ekböm.
Dat is en Kdrl, as wen he gaten is.
Dat is en K^rl, de müt so wesen
Dat is en Körl, de het sik kämt un wuschen.
He is en bannigen Kanditer, Mordskerl.
He het Mur in de Knaken, Kraft.
He het bannig Rogen in de Bost, dass.
He is so lank as Leverensen sin Kint.
He het en richtigen Pachterbük, jo nich von Stro.
He het en richtigen MöUerbük von hoUänsch Gewicht.
He het en Verdrusknüst, Höcker.
He drecht de Krühskas, dass.
38
Luckmaim, \kt H6r wein! Kahlkopf.
He is so bunt as Schümannsch er Ünnerrok.
Het het en Snüt as en Sempgurk.
He wischt de Snüt mit de Nes' af.
He kikt mit't recht Och in de linke Westentasch.
He is so nat as en Fadök.
He kan k^n Wul an de Hacken liden.
He süt üt as dörchscheten Appelmös.
He süt üt as Waddik un Wedach.
Man kan em dat Yaderunser dörch de Backen blasen.
De kölden Gresen lopen em ober.
He süt üt as en ins^pt Krei.
He kan kenen Wenk in de Ogen krigeu, niciU schlafen.
He is so konfus, unwohl.
He is in Amedam follen, in Ohnmacht.
He het Flßtsen in'n Kop.
De M^r rit em, der Alp drückt.
Wi wftlt em mal de Hük up trecken, bei geschwoUencm Zäpfchen.
He süt so vermögend üt, vornehme Haltung.
He geit as en Poch in'n Mänschin, stolzer Gang,
He geit en goden Scho, schöner Gang.
He is man stümplich up de B^n.
He kümt dörher wackelt as de Anken
He geit öberschraps mit dat 6n Achterben.
He is nich Her ober stn egen GHtmässen.
He wackelt mit den Kop as Kasper.
He rodert mit de Flünk as en jung Adebor.
He hänkt upt P^rt as en Fürtang upn Hunt.
He hänkt upt P6rt as en Esel in'n Plumböm.
He het en Por F6t as en Pör Waschhölter.
He het en Pör F8t as en Annerthalfminsch.
Stn Hänn un F8t sunt em in Wegen.
He löpt as en Swinegel.
He schecht (löpt) as en Bessenbinner.
Se löpt as en Hon.
He löpt mit'u Kop ünnern Arm.
Se löpt as Mudder Häksch.
Se het en Hiddel as ol Mudder Häksch.
Se het dat hilt as Mudder Häksch, de pist int Gän üt.
Se het dat hilt as Mudder Häksch, un dörbi harr de man en Grotbön to Für.
He rit üt as Schäpledder.
Nim en Tö£fel in de Haut un löp d6r lank.
Hest Stöm in de Büks, dat du so löpst?
Wo is't Für?
Vom Geisteszustände.
He is so dum, as he dik is.
He is so dum, as Thölen stn Os.
De is ök so klök, as wen de Os in de Bibel kikt.
De is ök so klök as Immenschit.
He is so klök as Immenschtt, kan blöt kenen Honnich schiten.
He het en Bret vdm Kop.
He w£t von'n helligen Dach niks.
He kan beter söken as finnen.
De kan ken döt Kat ütn Aben locken.
De kent kenen annem Vagel as de Kat, un wen he'n Stert nich süt, ment
he noch, dat is en Nachtigal.
Se kent de Kat achtem Fürhert nich.
39
He mSnt, he fürt in'n Kutsch un licht mit'n Nora in'n Bonst^.
Wen he so kl6k w6r, as he ütsüt, den wSr he noch m&l so v^l, as he is.
He söcht en Schäp mit flf Bön.
6l8f doch nich an^n Got, de Peter höt!
Grüss din Grösmadder, wat se noch Dikmelk biten kan!
Säst mit, wen't los geit.
Het d!n Yader noch m^r son klök Sdns, as du büst? £n gansen Pot vul,
an ik bün de Deckel.
De is in'n Sak gröt mäkt
He is nich wider reist as von'n Fürh^rt bet na'n Potstert.
He is in'n D8s.
He is baf.
He is dörch de Tut, verwirrt.
Wo steit mi de Eop?
Em ICist de Ap. (Het di de Ap iCistV)
He het Infäl as en ol Hüs.
He het en Schrüf verloren.
Em is en Schrüf 16s.
Em is en üthüpt, nämlich ein Sinn,
He is anplakt, genasfOhrt.
Se hebt em to^n Grisen (Büm) mäkt, dastf.
He is wlt ober Stür, nicht bei Verstand.
He het en Yagel — en Ticker — en groten Kuaks.
He w6t nich, wat he v8r Wt oder achter.
Nummer söben is noch fri.
Dat is yerbetert dörch Jan Balhom.
He is nich upn Kop follen
Em is de Kop apen
He is twemäl bürt, ganz schlau.
He kent Kkl (Kenst du Käi nichV)
He kan Gras wassen hören.
He is en snutigen Kerl (un let sik keu X f8rn U maken.
He is nich so dum, as he ütsüt.
He kan mßr as Brot eten.
De em f8r dum köft, de is bedragen
He is von lüt up in de Welt west.
He geit dör achter um as de Fos.
He geit dör Ifs' bi hör.
He geit von f^m.
Vom Wesen.
He het y61 up H&nnen.
He gift klem, schafft eifrig.
Dor Sit klem in.
Wen ik di nich harr un den min Tuch, den wer mi dat siecht gän.
He is so recht f8r Slach, tüchtiger Arbeiter.
Dat hakt em m&l af, er schafft nicht mehr recht.
He is so fül as en Stük Sohlt.
He is so fül, dat he sik nich rögen (dälleggen, ümdrein) mach.
Ommer döstich un en Grül y8r de Arbeit.
Wat löpt de Tlt! Wen man m^nt, dat is Vesper, den is drst Fröstük.
Dat wart upm langen Rik schaben.
He dreit sik as en Wantlüs.
Wen du kämst, het dat Kint al en Vader. (Dat Kint het al en Yader, die
Arbeit ist getan.)
He kümt dorachter as de Kürfürst achter de Bicht.
Dat geit as en Perstert in de Fiegentit.
Ik m8t di man en Klink (Karf) int Or sniden.
Dat steit em an, as den Uka dat Spinneu.
40
He fült ober sinen egenen Schatten.
Wat de T8r upstelt, stöt he achter wedder um.
He fult ümmer mit de gröt D8r int Hüs rin.
He sleit drin as Paulus in de Korinten.
He trekt de rügen Hanschen an (üt).
He bek^rt sik von'n Schrubber to'n Heibessen.
He risk^rt den Bast, Haut.
He geit gegen Wann un Müm an.
He geit up un d&l as en Willen — as niks Godes — as wen't en Swfnskop
w6r — as wen he wat freten wil
He is sinnich as de Dullen, dat de Hör upn Kop süst.
He is wtder to smtten as to locken.
He is nich to hissen un to locken; (wat he nich wil, dat deit he nich.)
He müt sinen Willen hebben as de Poch in'n Söt.
He gift sik nich, un wen em dat en Ko kost.
He wtkt nich von'n Placken.
He steit up sin Stük.
He set sik up de Achterb^n.
He het en stlf Gnik.
He het sinen Kop dörup set.
He het en Kop as en^;^kböm.
He is so fast as en Ekböm.
He is en ^kbömigen.
He let sik nich an'n Wagen füren.
He let sik nich ant Bür (Kontor) stöten.
He is so m8r as Botter.
Du bust en KM as en natten Sak.
Perr di man kSn Hör in'n Fot (sei nicht zu zimperlich^ ängstlich).
He geit to Ker.
Se k8nt von mi seggen, wat se w8lt.
Se k8nt Grapen to mi seggen, wen se mi man blöt nich upt Für hängen.
Wat em achter pass^rt, geit em v8r nich an.
He het en Fei as en Eber.
He het en Fei, dör kau man mit de Fork dörchsteken.
Dat is ^n Dönt.
Dat fült üt de Kist in de Billid.
He birt man so.
He behölt sfn Pipen in'n Sak.
He secht kdn Kuk un Muk.
He gift stn Verschal dörto.
He rSt as en Klüksnüt.
He bölkt as en Os — as en Slukuper Bul.
He kan beter snacken as en Stummen.
He kan snacken as en Bök.
He is klapsch int Mül.
He het't int Mül as de Katteker in'n Stert.
De snakt gräd so, as wen't spökt.
Snak mi doch kSn Lok in'n Kop.
Ik warr mi höden, di dat an'n Klokrem to hängen.
He is Hanken in allen Hägen.
Wat best htr to kapen (mülapen)?
He het't in'n Grif as de Pracher de Lüs.
He nimt dat Gelt von de Lud, von de B8m kan man't nich plücken.
He wdt nich Ramät, Masz, Genügsamkeit
He het gröte Rosinen in'n Sak.
He is en Helt in de Bottermelk, (wenn de Klump rüt sunt)
He is en Helt int Botterfat (int Klümpfat, wo niks mer in is).
Plats dör f8rn Kürfürsten (sinen Meswagen)!
Bang bün ik nich, aber lopen kan ik düchtich.
41
Eanst ök gegen en Bakaben aivjappen?
He snakt Yon'n groten Kristoffer un het den klenen (lütten) nich sSn.
He het em de Hut vul lagen.
He lücht, as wen't drukt is.
Dat kümt em upn Hantyul nich an.
Wat de yenprikt un holt, is gans gewis.
De kümt upn Pinkstm&ndach, wen de Buk upt Is lamt.
He het sin Fesen, Ortüen.
Dat heb ik asich dik.
He let de Oren hängen.
Em is de Melk sür worm.
Em is wat öbern F6t lopen.
He käpt sik lingelangs ae N6s'.
He m&kt en Gesicht, as wenn em de Petersöl verhagelt is.
He süt üt as en Pot vul Mfis'.
He mUct en Lip, dör kau en Klukhön mit söben Küken up sitten.
So'n Mül mäk man; den warst dfn«Zegen wol Ids
He is nich up sin Jnstement, ihm ist nicht wohl
He kan sik in sfn W^l nich laten.
Se freit sik, as wen Ostern un Pinksten up enen Dach weren.
He is üt de Tut, vor Freiide auseer sich.
He hdcht sik, as wen he kettelt wart.
Dat is to^n Dötlachen.
Ik lach mi d6t — dUl — achterüt — sch^f — krum — to Schannen —
to'n Kröpel — en Puckel (as en Arft grot) — en Kringel — to'n Pr^stermamsell.
He het Lachen un Wenen in enen Sak.
Vom Benehmen.
He wart nich tapt, vel weniger buddelt, er wird nicht geachtet.
He is ober as dat föft Rat an'n Wagen.
He (dat) geit in'n Gr81 mit hen.
Wen ik d^n in'n M6rs heb, den schtt ik em in de Träv.
Lik mi in'n Mors!
Leid di af, Lappen!
Dat kan Käi stn Kutscher von'n Buk ök.
Dat is ök so'n Dink, dör kan man ök k^n Kat mit achtem Aben rüt locken.
Dat is belemmert.
Dat let so.
Dat is lank nich so slim, as wen de Snider dün is un danst.
He holt en Barch von mi.
Gröt Krön is dat Hart von dat Water, G, K., ein Fischsugort der Trave,
lieferte die meisten Heringe.
He het sik an'n Swtnstroch schftrt.
Ik fleit di wat.
So fet fidelt Luks nich.
Dör lür up! (Dör kanst lang up lüm.)
Ik h6r em g&n.
Du büst wol meschugge?
Is nich, Meier!
Käk mi Wlnsup, wen ik döt bün!
Dat Mos kanst mi kaken, bleib mir damit vom Halse.
Klei (kUr) di an'n Mors !
Ach wat Yedder un Frünt ! De k^n Gelt het, bltf mi von'n Wagen.
IM em man krupen!
Lät man wesen!
Dör nich f8r! Ablehnung des Dankes.
Wat geit di dat an?
Dat geit al na de Roch, as de Rotten start't.
42
Dör licht Sw^p un Eteldök, nu h8d din Kö Bulben!
De Sn geit hü, de anner hot.
De strtt sik um Keisers Bort.
Krischän, lät de Kat nich bi de Fisch gan!
Jangens, wört ju ! Dat Bret, dat kümt.
Na, den w8lt wi man dör bi, as de j^khöster bi'n K^s' !, die I'khhorster Torf-
bauer^ beim Frühstück.
He r£t mitn Belach, redet mit Nachdrtick.
He het em an'n Föt reten — dat Or rein mäkt — de West ütswenkt —
de Bost (dat Bostdök) löst — den Eop afkämt (wuschen), hat ihm die Wahrheit
He het em dat Feber afschreben, auf andere Meinung gebracht.
He het em dusich mlüd;.
He snakt dörch de Blöm.
He sprikt dörch de Bürr6s\
Dat is so gewis, as Amen in de Kark is.
He het em en P vörschreben.
He het em VÖrpal sl&n, *) Vorkehrung getroffen, ^) vorgearbeitet.
He Sit em to Wräksft, fäOt lästig.
Dör licht de Hunt begraben.
He deit em dat to'n Profuncschen, zum Tort.
He het em wat upn Stok dän, zum Schabernack.
He is em verdwas kamen.
He het em an'n Wagen f8rt — an de Krön stöt — upn Föt perrt.
He büt Spitsen üt.
He het em in'n Kiker, in Verdacht.
De ön höt den annem Glipöch.
Sunt al göt Lud, aber ön höt sik vör*n annem.
Wi sunt al göt Nabers un al göt Frund, aber ön wört sik v8r'n annern.
He het em öbem Milch fät, ausgezankt.
He het em dat Utgelei geben — in de Sträng lücht — to Hüs lücht — de
Bicht verhört — ütflÖt — ütrökert — dtbörst — ütbröcht — ütlücht — ütlümpt
— ütlüt.
He het dat polsche Utgelei kregen.
Den heb ik göt upn Slarben bröcht.
He het em to Pot set, abgetrumpft,
Dat het he sik göt markt.
Du büst mi ök en schönen Knappen (Lump).
Dat sal di upgaren as fet Spek.
Ik wil di wisen, wat en Hark is.
De k&m di upn Knast, Buckel.
Ik drük di to Appelmös.
Ik gef di ön, dat du Süden umflüchst.
Ik göf di ön an de Batteri.
He het em ober Stür namen, gemisehandelt. (Ober Stür setten, zurücksetzen).
Ik krtch di bi'n Slafitten (bi de Plünn)
Se hebt em up de Tän fölt — de Bost kert — dat Fei gerft — de Ogen
(de Snüt) verkllt.
He het Dult, hat genug Strafe.
He gift Dult, giebt sich zufrieden.
ümstandswendungen.
In de Lewarkstit, um 2 Uhr morgens.
Ersten Dach, baldigst.
Von ollen Egistem, von anno Tobak.
Upn lankwilige Tit, auf lange Zeit.
Dat is dre Vittel up de Büksenklap.
Anno 1800 Krüch, as dat noch ken Buddel gef.
43
Von ür to Enn.
Dicht bi'n sülbern Lepel, beinahe, hergenommen vati dem volkstümlichen
Glücksspiele „Fisch, Vogel und Jumfer",
Ik wän in Lübeck in de TwSrnsfadensträt Nummer Bintfaden.
Mit Höt un Prük, ganz und gar.
Upn doben Duns, auf leeres Gerücht, leichtfertig,
Wetterregeln nnd -redensarten.
In'n Märts nimt Moses de Balken ünnert Is rüt
Vdr Jehanni k8nt wi al nich so t61 beden, na Jebanni kan't en ol Fru
bi't Spinnen besorgen, nämlich Regen erflehen.
Wen dor en strengen Winter is, wast N8t.
Wen de heilige Krist en Bruch fint, so br^kt he se; fint he ken, so makt he 6n.
Het Winachten en gr8n Klet an, den het Ostern en wit an.
Euckuk un SöbenstSm k8nt sik nich verdregen.
Wen de Kreien bleiern, schräge hin und her fliegen, gift dat Regen.
Uns^ Hergot is quät; schikt ju man! hei anhaltendem Unwetter.
Dat is kattendik, es. nebelt stark.
Dat kl6rt dik vdr, die Wolken lichten sich.
Dat klört dik up achter Eäselau, Gärtner in der Vorstadt S. Jürgen.
Dat früst tuschen en Levespör hüt Nacht, es wird sehr kalt.
Möller- un Bäckergesell sleit sik, es schneit stark und in grossen Flocken.
Dat wart al gelinner.
Dat schelt al en Jak, es ist merklich anders.
Dat geit so isch^f, so lik, der Wind geht bald von Westen nach Süden,
bald umgekehrt.
De Dach gräwt al.
De Sün geit to Go' (=» Gode) — to Rast.
LÜBECK. Colmar Schumann.
44
Ein Sündenverzeiehnis des 15. Jh.
Das hier zur Veröffentlichung gelangende Schema der sieben
lasier und lügenden ist der helmstedt. hs. 894. in Wolfenbüttel ent-
nommen, über die zuerst A. Lübben im Nd. Jb. 6. 70 angaben ge-
macht hat. Diese giengen in G. 6r.^ I. 458. 3 über. Berichtigt
und ergänzt wurde die beschreibung Yon Heinemann in: Hss. der
herzoglichen Bibl. zu Wolfenbüttel. 1886. 11. 287. der schluss der hs.
ist richtiger gelesen (ausgenommen . . . hora Vlla und das gebet für
den Schreiber) die Überschrift: De dochtere der seuen etc. ist von
Heinemann hinzugefügt (nicht ganz passend, weil die sieben tagenden
keine haupttugenden sind, vgl. unten). C. Borchling: Mittelnd. Hss.
in Wolfenb. Beiheft in Nachrichten d. k. gesel. d. w. zu Göttingen,
ph. h. Gl. 1902 ergänzt Heinemann.
Hinzufugen möchte ich, dass in der hs. 5 Schreiber sich unter-
scheiden lassen. I. schrieb bl. 2— 89a. II. 89b— 91a. III. 91b bis
93b. (94 ab leer). IV. 95a— 209b. (210 ab leer). V. 211a— 257b.
Für Heinrich von Hansteyn als Schreiber kommt nur V. (sunte Eli-
zabeten passie) in betracht.
Das Schema der sieben laster enthalten bl. 89b — 91a. (91b — 93b
folgt: ;,God het ghegheuen den mynschen seuen ghaue* etc., ein
tractat, der mit dem Verzeichnis der laster im stofflichen zusanunen-
hange steht). Jede seite ist mit drei senkrechten, mit schwarzer
tinte gezogenen linien in 4 räume eingeteilt. 2. räum von rechts
nach links nehmen die bezeichnungen : „De houart het ses dochtere,
Dochtere des hates^ etc. oder: „Dochter der odmodicheyt" etc.
3. die aufzählung der „Dochtere^ selbst ein. 1. und 4. sind leer.
In der abschrift wurden abkürzungen aufgelöst und interpunktion
eingeführt.
Die aufzählung ist symmetrisch, der gruppe der laster entspricht
als gegensatz die der tugenden; die letzte bildet eine auswahl aus
sieben tugenden, Seligkeiten und gaben des hl. geistes. Es ist ein
merkmal, das zuerst bei Th. Aquinas: Summa theol. II. 2q. auftaucht
und oft widerholt wird, vgl. Nd. Jb. 17, 105 f. u. Zs. f. d. Alt. IX.
68 f. Die Vorstellung der „ Dochtere **, einer jeden sünde entsprechen
sechs abgeleitete, (ausgenommen „houarf und „hat^, wo fehlerhaft
die beiden genannten auch unter den töchtern stehen), die auch unter
dem namen „Manieren oder Specien^ aufftritt, ist bei sündenver-
zeichnissen typisch, vgl. Nd. Jb. 17. 110 oder „Mittelniederdeutscher
Katechismus" in Zs. f. d. Ph. XIII. 20, der der reihe der sünden
nach offenbar, was der herausgeber nicht bemerkte, auf Petr. Lom-
45
bardus: Sentent. lib. IV. zurückgeht. Das eigentümliche des folgenden
Verzeichnisses ist, dass es sich genau an die reihenfolge der haupt und
teilweise der abgeleiteten sünden bei Gregorius Magnus in Moralia^
(Migne: P. lat. LXXVI. lib. 31. c. 45) anschliesst, und darnach auch
die tugenden anordnet. Für die reihenfolge der töchter der tugenden
ist mir eine entsprechende quelle nic'ht bekannt.
(89b.) De houart het ses dochtere: (houart ersten) vnhorsam,
berominge, dunkelgudicheyt, wedder kyuen, vormetinge, vorhardichejrt.
Dochtere des hates: (had) scheldeword, vpropinge, vnwersami-
cheyt, ynkel (?) honsprake, vpl(a)singe des herten.
Dochtere des tomes: nydyscb, achter sprake, missehaginge,
twidracht, wedder kurren, schrul.
Dochtere der tracheyt: boscheyt, ynkel (?) vortzaginge, vor-
twiuelinge, slakicheyt, wildicheyt.
(90a.) Dochtere der gyricheyt: duue, roff, vorradinge, woker,
geystlik woker symonie, meyn eyde.
Dochtere des vratzes: unnutte spreken, dumheyt, vnreynicheyt,
drunkenheyt, vnredelke vroude, lodderyge.
Dochtere der vnkuscheyt: vorkrenkinge, gygen leue, (?) had
goddes, Yorblindinge, vnstedichheyt, vnbetrachtinge.
(90b.) Dochter der odmodicheyt: horsam, vornichte sek holden,
eyntyoldichheyt, sek gerne raden laten, nicht wedder kyuen, vruchte
goddes.
Dochter der leue: gunst, ayndracht, louen ander lüde, mede
frawen des guden, bedrouen mit bedueden, hedelnidinge? edder
erquickinge.
Dochter der gedult: Afbeydent, lichtmodicheyt, demotich, sach-
tige Word, vrede des herten, vor[s]oninge.
Dochtere der mildicheyt: barmherticheyt, bereyde to geuen,
vorsmadinge tidlikes gudes, lefhebbinge des armodes, godlik andacht-
nisse, willich armud.
(91a.) Dochtere des vlites: vrolicheyt, geystlik vroude, sorch-
voldicheyt der dogede, hittich to gode, to uorsicht to gode, vul-
herdicheyt.
Dochtere der meticheyt: hus ere, vnspilde, tomyn[nyn]ge, vratz
myden, kortinge der spise nochterne, vlucht der drunkenheyt.
Dochtere der kuscheyt: fchemen edder myden, bewaringe des
herten, tucht in worden, vorwaringe der syne, spenginge, inbeldinge.
WIEN. Joseph Fritz.
46
Paphahne als Münzname.
Im 33. Bd. dieser ZeitBchrift (Seite 119—121) berichtet E.
Schroeder über den Gebrauch des Wortes Paphahn als Münzname.
Dieser Gebrauch ist urkundlich noch weiter rückwärts zu ver-
folgen, als es in jenem Artikel geschehen ist. Im Jahre 1623 geschah
auf der Landstrasse bei Gatersleben auf Halberstädter Gebiet ein
Raubanfall. Anhaltische Reiter nahmen einem Fuhrmann ausser einem
Posten Waren an barem Geld 38 Pfund 2 Lot ;,gute Groschen*^ und
26 Pfund Schreckenberger. Diese Schreckenberger werden auch als
^KippgeW, sowie als ^^leichte*' Schreckenberger bezeichnet, ^wie
man sie vor zwei Jahren münzte^ (also in der schlimmsten Kipper-
zeit). Die Soldaten aber nennen sie in ihren Aussagen „Paphaneti".
Hieraus ergibt sich die Tatsache, dass bereits im Jahre 1623
das Wort „Paphahne" eine unter den Soldaten allgemein bekannte
Bezeichnung für Schreckenberger war. Das Wort ist nur in den
Prozessakten über den Gatersleber Raub nachweisbar, und zwar
nur in der Wiedergabe der Aussagen, die die Soldaten gemacht haben.
In dem sonstigen umfangreichen Aktenmaterial aus jener Zeit habe
ich unter den zahlreichen Münzbezeichnungen das Wort Paphahne
nicht wiedergefunden. 1)
Irgendwelche Beziehungen zu Mecklenburg sind aus den Akten
nicht ersichtlich. Die Soldaten, die jenen Ausdruck gebrauchen,
stammen aus Eursachsen, Anhalt und dem Erzstift Magdeburg (Halle).
Auch sind es fast ausschliesslich junge Leute, die ihren ersten Feld-
zug mitmachen; nur einer hat bereits in Böhmen und Ungarn gedient;
einer ihrer Spiessgesellen ist in der Pfalz kassiert worden.
Da „Schreckenberger^ synonym ist mit Engelgroschen, so hat
vielleicht der Engel, der auf diesen Münzen den sächsischen Kur-
Schild hält, die Veranlassung zu dem Spottnamen gegeben. Wie es
kommt, dass die Bezeichnung Paphahne dann später auf eine mecklen-
burgische Münze übertragen worden ist, bedarf weiterer Untersuchung.
Eine andere Spur weist nach Schlesien. Friedrich Lucae bringt
in seiner schlesischen Chronik 2) folgende Anekdote: „Anno 1617 als
in Schlesien die Müntz-Confusion einreissen wolte, und die sogenannte
1) Die Akten befinden sich im Herzogl. Anhalt. Haus- und Staatsarchiv /u
Zerbst. Eine eingehende Darstellung des Prozesses habe ich gegeben in: Die
Landverteidigung im Fürstentum Anhalt von der Auflösung der Union bis zum
Einmarsch der Kaiserlichen. Mai 1621 bis Januar 1626 Leipzig, 1906.
') Lucae, Fr id., Schlesiens curiose Denkwürdigkeiten oder vollkommene
Chronica von Ober- und Nieder-Schlesien etc. Frankf. a. M. 1689, 2 Bde. 4<>. II, 2219.
47
Sechsffroschn^ oder Paphäne in Schwang gingen, verkauffte ein Bauer
in der Stadt Jauer einen Scheffel Korn vor zehen Thaler solcher
Paphäne, verfugte sich zum Goldschmid, begehrende, er solte ihm
diese zehen Thaler verschmeltzen und davon das Silber abziehen.
Der Goldschmied schmeltzte die Müntze, und zog nicht mehr als
nur vor einen Heller Silber . herauss : nun wolan, fprach der Bauer,
dieses will ich zum ewigen Gedächtnuss verwahren, und es auff-
schreiben lassen, damit meine Kinder nach meinem Tode sehen, dass
ich einen Scheffel Korn umb einen Heller verkauft habe^.
In der Darstellung, die Lucae von der Münzgeschichte Schlesiens
gibt, erwähnt er den Namen ^ Paphäne^ nicht. Von einer anderen,
kleineren Münze, die Ferdinand H. prägen Hess, dem „Gröschle^
(4=1 Kaisergroschen; 120 = 1 Reichstaler, 90 = 1 Schles. Thaler)
bemerkt er, dass sie |,die Lausnitzer insgemein Flädermäuse nennen. ^i)
Unter den Münzspitznamen, die Friedensberg in seiner Schlesischen
Münzgeschichte^) anführt, befindet sich das Wort Paphäne nicht.
Zum Schluss noch einige weitere Gründe für die Identität von
Paphahn und Papagei. Italienisch pappagallo; 2. Bestandteil gallo,
der Hahn, cf. 0. Schade, Altdeut. Wörterb. (Halle, 1866) unter
papegän. Schmeller, Bayerisches Wörterb. (München, 1872) I führt
an: Papagallus vocatur sittich (1460).
WIESBADEN. Franz Heimann.
1) Lucae, II, 2121.
'j Friedensberg, F., Schles. Müiizgesch. im Mittelalter. Cod. dipl.
Silesiae 13. Bresl. 1888, 99, 100, Anm. 1. Oers., Schlesiens neuere M^^^^S^^^^-
Cod. dipl. Silesiae 19. Bresl. 1899, 28.
48
Punnperniekel.
Die ZuBtimmung, welche meine Deutung des Wortes Visemattenten
(Nd. Korr.-Bl. 25, Nr. 6) gefunden hat, ermutigt mich, auch die
Deutung eines andern vielumstrittenen Wortes zu versuchen : wir alle
kennen den Pumpernickel, aber aus welchem Grunde man dem groben
westfälischen Schwarzbrote den Namen Pumpernickel gegeben hat,
darüber giebt es zwar eine Menge von Vermutungen und Erklärungs-
versuchen, aber keine nur einigermassen stichhaltige. Da ist zuerst
die witzige Auslegung von Schuppius: „Bon pour Nicol^^ gut für
den Nickel, worunter ein kleines schlechtes Pferd verstanden werden
soll; Pumpernickel wäre also gutes Pferdefutter. An einer andern
Stelle bringt Schuppius das Wort Bompur-Nickel mit Pumper, dumpfes
Geräusch, pumpern, pumpsen (lat. bombisare) und Nickel = grober
schlagsüchtiger Niclas zusammen. Von dem schlechten Pferde oder
dem bösen Kerl soll man dann das Wort auf das Brot wegen seiner
Grobheit übertragen haben. Das ist doch kaum glaublich, denn wie
käme man dazu, diese Begriffe gerade mit einem Gebäck zu verbinden,
da sie doch ebenso gut und ebenso schlecht auf vieles andere, z. B.
schlechtes Essen und Trinken aller Art, Steine, Wasser, ja sogar auf
eine Tracht Prügel passen.
Man hat das Wort auch von bonum paniculum ableiten wollen,
wonach es liebes, gutes Brötchen, das man armen und kranken Leuten
aus Barmherzigkeit gab, bezeichnen soll. Aber abgesehen davon,
dass es dann bonus paniculus heissen müsste, weil panis ein Mascu-
linum ist, und dass aus paniculum ein deutsches Neutrum werden
müsste, während es doch niemals das P., sondern stets der P. heisst,
so taugt auch diese Erklärung nichts; es wäre doch auch viel rich-
tiger, gutes feines Weissbrot, das für Kranke viel besser passt, so
zu nennen.
Mit einem grossen Aufwände sonderbarer Gelehrsamkeit hat
i. J. 1825 der damalige Director des Gymnasiums zu Dortmund J.
W. Kuithan die Erklärung des Wortes P. versucht. Damach ist
^der Westphälische Pumparnikel das in Westfalen oder vielmehr
in dem dort zwischen Siegen und Bremen, zwischen dem Rhein und
den Lippischen Gebirgen übliche Roggenbrot. Nach der blossen
mündlichen Aussprache lasse sich nicht unterscheiden, ob wir richtiger
Pumparnikel oder Pumparnikel oder Pumpernikel schreiben. „Ich
kann aber,^ sagt K., aus dem Namen selbst beweisen, dass der Aus-
druck eine Bedeutung hat, die vollkommen zur Bedeutung desselben
passt, und ganz besagt, was es seiner Natur nach sein soll. Wer
4Ö
denkt aber bis auf den gegenwärtigen Augenblick an diese Bedeutung,
an diesen Ursprung des Wortes und an die Möglichkeit eines solchen
historischen Ergebnisses, als darin liegt, sowohl für Westfalen, wo
sich die Sache erhalten hat, als für ganz Deutschland, wo der Name
noch üblich ist? — Adelung sagt: ^„Der Pumpemikel ist die Be-
nennung des grossen Brotes der Westphälinger bis zu 36 Pfund
Kölnisch, welches aus zweimal geschrotenem und nicht gesiebtem
Roggen, der also seine Kleie bei sich behält, bereitet wird. Indessen
ist diese Benennung in Westphalen selbst nicht üblich (doch allgemein
bekannt), wo man dieses Brot grobes Brot zu nennen pflegt, sondern
sie ist nur bei den Nachbarn, wozu denn aber auch di0 Westphälinger
gehören, die auch Schwarzbrot, nur nicht von der Grösse backen,
und Ausländern im Gange. Um dieses Umstandes willen kann es
sein, dass diese Benennung einen scherzhaften Ursprung hat, und die
gemeinste Meinung ist, dass sie von einem durchreisenden Franzosen
herrühre, welcher in Westfalen Brot gefordert, bei dessen Erblickung
aber gesagt habe, dass es bon pour Nickel sei, da denn einige hin-
zusetzen, dass sein Bedienter Nickel geheissen habe, andere aber
unter dem Wort Nickel ein kleines Pferd verstehen. Doch die Ab-
leitung sieht einem Mährchen sehr ähnlich, ob sie gleich manchem
wichtig genug erscheinen mag, um ihretwillen die ganze Schreibart
des Wortes, der gewöhnlichsten Aussprache zuwider, zu ändern und
Bompemikel zu schreiben. Brauchte man ja eine possirliche, auf
Mnthmassung gegründete Ableitung, so könnte man auf das in den
niedrigsten Sprecharten übliche Pumper, von einem Winde aus den
Gedärmen rathen, weil dieses grobe Brot, wegen der noch bei sich
habenden Kleien, einem ungewohnten Magen leicht Blähungen verur-
sachen kann. Nickel ist in den gemeinen Sprecharten oft eine ver-
ächtliche Benennung eines jeden Dinges. ^^
Kuithan sagt aber: i,Auf solche Thorheiten, auf solche Unan-
ständigkeiten, die nicht im Geiste des Volkes sein können, verfiel man,
weil man nur das deutsche verglich und jeden ähnlichen Laut ohne
passende Bedeutung, und jede noch so junge und widersinnige Sage
bei der Erklärung zu Hilfe nahm. Und wie die Beschaffenheit der
Sache selbst in der Beschreibung auch geistreicher Ausländer oft
entstellt wird, sieht man an Voltaire, der als er durch Westphalen
nach Berlin fuhr, von der Nahrung der Einwohner dieses Landes
nichts anderes zu sagen fand, als „une certaine pierre dure, noire
et gluante, composee ä ce qu^on dit d^une espece de seigle, est la
nourriture des maitres de la maison.^
Der Pumpernickel ist also damals schon eine Herrenspeise, kein
Notgebäck gewesen; die Erzählung also, es sei bei Gelegenheit einer
Hungersnot im Jahre 1400 vom Magistrat in Osnabrück gebacken
worden, ist also gewiss nicht ganz richtig. Über den Namen des
Turmes, wo das Brot gebacken wurde, soll weiter unten gesprochen
werden.
Kuithan selbst leitet Pumparnikel von paniculus ab, ohne Rück-
NiederdentBohefl Jahrbuch XXXV. 4
50
Sicht darauf, dass man ein 36 ff schweres Brot doch wohl kein
Brötchen nennen wird. In die Mitte des Wortes soll ein r einge-
schoben und vor den Anfang desselben eine Beduplication gesetzt
sein, wie im Griech. Tzi^fJKpnif.i ; panis sei dasselbe wie das Messapische
Travo;, das ja auch Brot bedeute. Bei Homer komme zwar noch keine
Diminutivendung -xu>.o; vor, die der lateinischen -culus entspräche;
diese Endung sei aber Yorhomerisch. Wenn man also das deutsche
Wort Pumparnikel ins Griechische übersetzen wolle, so müsse man
7cu[i.7rapvijcu>.o; sagen. — Hiernach müsste das Wort Pumpernickel
unter Beihilfe der alten Griechen schon in vorhomerischer Zeit ge-
bildet sein. Das ist Kuithans verwegene Jagd auf die Deutung des
Wortes Pumpernickel.
Nach einer andern Erklärung des Wortes ist P. zuerst so in
der Stadt Osnabrück genannt worden. Dort habe bei einer Hungers-
not um 1400 der Magistrat für die dortigen Armen Brote backen
lassen und habe diese bona panicula genannt, woraus im Yolksmunde
durch Verdrehung das Wort Pumpernickel entstand. Der Turm, in
welchem das Brot gebacken wurde, in der Nähe der Hafermühle oder
Pemickelmühle, heisst heute noch der Pernickelturm. (Vgl. Brock-
haus' Konversations-Lexikon s. v. Pumpernickel.)
Leider wird nicht zugleich gesagt, wie der Turm zu seinem
wunderbaren Namen gekommen ist. Hat man ihn nach dem Brote
genannt, so ist weder der Name des Turmes noch der des Brotes
erklärt. Oder sollte der Turm nach seinem Erbauer genannt sein,
wie nach der Volksmeinung fast alle Städte, deren Namen man nicht
erklären kann, nach ihren Erbauern benannt sein sollen? Jedenfalls
ist bisher noch keine befriedigende Deutung des Namens Pernickel-
turm bzw. Pernickelmühle gegeben worden. Man weiss nicht einmal,
wann und von wem diese Namen gegeben worden sind; nur soviel
scheint sicher zu sein, dass die Namen des Turms und der Mühle
älter sind als der Gebrauch des Wortes Pumpernickel in dieser Gegend.
Der ursprüngliche Name war grobes Brot, und erst seit dem 17. Jhd.
ist der Name Pumpernickel allmählich in Aufnahme gekommen.
Überblicken wir jetzt das Ergebnis dieser Deutungsversuche, so
wird es schwer begreiflich, wie Andresen in seinem Büchlein über
deutsche Volksetymologie S. 45 sagen kann: ;,Die Auslegung des
Wortes Pumpernickel, dessen wahrer Ursprung heute keinem Zweifel
unterliegt (vgl. Wackernagel Germ. 5, 850 fg. Woeste in Frommanns
Ztschr. 3, 373. Weigand Wtb. 2, 434. Staub, das Brot (Leipzig
1868) 119 fg. Hüffer in Picks Monatschr. f. rhein. westf. Gesch. 2,
272 fg.) als hon pour Nicol, wird nicht aus dem Volke herrühren,
sondern scheint auf einem Witz zu beruhen.*' Andresen scheint also,
wie auch aus Weigand HI. Aufl. S. 406 hervorgeht, die Zusammen-
setzung aus Pamper und Nickel für zweifellos richtig zu halten. Mir
scheint der Name des Turms Pernickel dagegen zu sprechen, denn
wenn in dem Namen des Brotes der Name Nickel steckte, so würde
doch wohl der Anklang an Nicolaus dazu geführt haben, ihn Nicolai-
51
türm zu nennen. Andere gegen diese Deutung sprechende Gründe
sollen im Folgenden noch geltend gemacht werden.
Da alle Versuche, das aus Pumper und Nickel zusammengesetzte
Wort zu deuten, vergeblich waren und auch m. E. aussichtslos sind,
habe ich den Versuch gemacht, ob nicht die Zerlegung in Pernickel
und eine dazu passende Vorsilbe zu einer besseren Erklärung führe.
Auf diesen Weg deutet manches hin, z. B.
An dem P. genannten Brote fällt zunächst seine Farbe auf: es
ist ganz schwarz, während das sonst Schwarzbrot genannte Gebäck
noch ziemlich hellgrau ist. Schwarz heisst auf Latein niger, ganz
schwarz oder recht tüchtig schwarz heisst perniger. Die Präposition
per dient ja auch bei Cicero ganz gewöhnlich zur Verstärkung des
Begriffs, z. B. in perabsurdus, peracer, perangustus, permagnus usw.
Oculi pernigri kommen im Poenulus des Plautus vor. Dass das r am
Ende des Wortes in l übergehen kann, sehen wir an vielen Beispielen:
vgl. mhd. hadel, nhd. Hader; mhd. martel und marter, nhd. Marter;
miat. mortarium, frz. mortier, nhd. Mörtel; mhd. dörperie, nhd.
Tölpelei; mhd marmor, nhd. marmelstein; lat. morus, ahd. murpoum,
nhd. Maulbeerbaum; lat. prunus, ahd. phruma, nhd. Pflaume; lat.
peregrinus, nhd Pilgrim. Aus perniger konnte also sehr wohl pemigel
werden, und so finden wir in der Tat im Kärntischen Wörterb. von
Lexer die in Kärnten gebräuchliche Form pumpernig'l, und im
Schweizerischen Idioticon 4, 707 wird die Redensart ^den pumper-
niggle (den Hintern) schlagen** aufgeführt.
Im Tirolischen Idioticon von Schöpf wird eine plumpe dicke
Person, auch ein dickes Kind, ein pumpernigk'l genannt, und ebenso
findet sich in Schmellers bayrischem Wörterb. 1^, 392 die Form
Pumpernickel in derselben Bedeutung wie in Tirol. Das aus niger
entstandene Wort nigel hat also denselben Lautwandel durchgemacht
wie echt deutsche Wörter, die ihr stammhaftes g in gg und ck ver-
wandeln, z. B. sagen — mnd. und niid. seggen, schwingen — schwenken,
springen — Sprenkel, biegen — bücken, schmiegen — schmücken,
neigen — nicken, gediegen, gedeihen, dicht, dick; ahd. slahen, nhd.
schlagen, mnd. slagge, d. h. beim Schlagen abspringende Metallsplitter,
nhd. Schlacke; ebenso nd. bei Reuter Hanne Nute 5 slagen und
rein von Slack un Slir. So kann denn auch der bis jetzt noch nicht
erklärte Name des Pernickelturmes in Osnabrück sehr wohl auf latein.
jiemiger zurückgehen. In welchem Zusammenhange der Name des
Turmes mit der Hungersnot steht, die im Jahre 1400 oder 1540 in
Osnabrück geherrscht haben soll, will ich gern der örtlichen Forschung
überlassen, die allerdings bisher eine einigermassen befriedigende
Erklärung des Namens Pernickel noch nicht erbracht hat.
Wie die Porta nigra in Trier, so könnte der Turm auch nach
irgend etwas ganz schwarzem benannt worden sein. Was mag das
nur sein? — Nun, das Brot, das dort gebacken wurde, war ja nicht
nur Schwarzbrot, es war ganz schwarzes Brot. Und es war Brot,
lat. panis, abgekürzt pan; wie z. B. in Marcipan, frz. massepain, ital.
4*
5^
marzapane; mit demselben Worte zusamraenhäDgend panade, die Brot-
suppe, panieren = mit geriebenem Brot bestreuen usw. So kann also
das ganz schwarze Brot von gelehrten Leuten panis pemiger, ab-
gekürzt pan. perniger genannt und so in die Bücher und Verzeichnisse
der Naturallieferungen eingetragen worden sein. Aus dem pan. pemiger
der Gebildeten konnte im Volksmunde ein pan. pemickel, dann durch
einen Scherz ein Pumpernickel werden, geradeso wie aus Babenberg
— Bamberg, aus aneboz — Ambofs, aus Tannenbach — Tambach,
aus Hindbeere — Himbeere, aus entbor — empor, aus Wintbra —
Wimper, aus Jan primus — Garabrinus geworden ist. Der Übergang
des n in m vor dem Lippenlaut p veranlasste dann, dass man die
ursprünglich zu zwei verschiedenen Wörtern gehörenden Silben pam
und per als ein selbständiges Wort betrachtete, dass man also das
ursprünglich aus 1 + 3 Silben bestehende Wort in 2 zweisilbige, pamper
und nickel zerlegte, und dass schliesslich, nachdem die ursprüngUche
Bedeutung des Wortes völlig verloren gegangen war, aus pamper, das
für sich allein keine selbständige Bedeutung hat, pumpeif gemacht
wurde, das so gemütlich klingt, leicht nachzusprechen ist und wegen
der vielen Vorstellungen, die sich an das Wort Pump und seine
Ableitungen heften können, zu manchem Witz oder Scherz Veranlassung
gab und durch Weitererzählen Verbreitung fand. Als Erfinder und
Verbreiter solcher Scherze denke ich namentlich an studierte Leute,
gelehrte Mönche, Geistliche, Gerichtspersonen, die, stolz auf ihre
Kenntnis der lateinischen Sprache, etwa in ihre Wirtschaftsbücher
die Gefälle ihres Amtes in lateinischer Sprache eintrugen, z. B. pan.
pemiger, und scherzend daraus Pampemickel oder Pumpernickel
machten, oder auch an fahrende Schüler, die, zu derben Scherzen
aufgelegt, von den Magenverstimmungen, die der Genuss des pan.
pemiger herbeigeführt hatte, drollige Sachen zu erzählen wussten.
Die Verdrehung in Pumpernickel konnte überall erfolgen, wo man
ein grobes schwer im Magen liegendes, ganz schwarzes Brot buk,
also nicht nur in Westfalen, sondern auch in Bayern, Kärnthen, in
der Schweiz und Tirol. Das Wort ist also, wie auch Adelung betont,
nicht besonderes Allgemeingut der westfälischen Sprache, sondern es
ist in diese erst hineingetragen worden, wahrscheinlich aus Süd-
deutschland, wie die frühen und vielfachen Erwähnungen und die
nachweisbare Fortbildung des g zu gg, gk und ck es vermuten lassen.
Der letztere Grund ist auch zugleich ausschlaggebend für den Beweis,
dass die beiden letzten Silben ;,nickeP weder von Nicolaus noch
von dem weit hergeholten engl, nag, das ein elendes kleines Pferd
bedeutet, abgeleitet werden können, denn zu Nicolaus hat es in Süd-
deutschland niemals eine Nebenform mit g, etwa Nlg^l, gegeben, und
wie nag sich zu nigg'l, nigkl, Nickel entwickeln könnte, ist ebenfalls
schwer einzusehen. Alles das spricht dafür, dass nickel aus niger
sich entwickelt hat und in der Form pemickel ist es auch höchst-
wahrscheinlich nach Osnabrück gekommen, wo etwa auf den Vorschlag
eines gelehrten Herrn, der aus Süddeutschland dort eingewandert und
53
zu Ansehen gekommen war, der Turm, in welchem das ganzschwarze
Brot gebacken wurde, Pemickelturm genannt worden ist. Wäre damals
das Wort Pumpernickel schon im allgemeinen Gebrauch gewesen, so
würde man den Turm wohl Pumpemickelturm genannt haben.
Für die des Latein Unkundigen aber hatten die beiden letzten
Silben einen Sinn, denn das Wort Nickel war ihnen auch sonst ver-
ständlich. Was war natürlicher, als dass sie für die beiden ersten
Silben, die zuerst ja Pamper lauteten, auch ein Wort suchten, bei
dem sich etwas denken liess. Und welch eine Reihe von Vorstellungen
liess sich mit dem Wortstamme Pump verbinden!
1. der Pump = ein dumpfer Schlag.
2. „ » = Borg, das Herausschlagen einer Anleihe.
8. die Druck- und Saugepumpe zum Heraufholen von Flüssigkeiten, benannt
nach dem damit verbundenen Geräusch.
4. pumpen = an oder mit einer Pumpe arbeiten.
5. „ — Geld verborgen.
6. Pumps as dumpfer Schlag.
7. „ = Bauchwind. Als Beleg führe ich folgenden Reim an, der mir
aus der Kinderzeit her noch erinnerlich ist:
Es war einmal ein Mann,
Der hiesö Pump-Hann,
Pump-Hann hiess er,
Grosse F . . . . liess er.
8. pumpsen bedeutet nach Kaltschmidt Wb. dasselbe wie bumsen, dumpf
schallen oder dumpfen Schall verursachen, farzen, prügeln, kacken, pupen,
sich eatladen.
9. pumpern, bubbern, südd. pöpperlen = Lust haben zu klopfen, zu schlagen,
zu pochen. Das Herz pumpert oder puppert, klopft in hörbar unruhiger Bewegung
(Weigand Wb.).
10. Pump zu lat pompa, feierliches Gepränge, z. B. Pumphosen =
Pomphose, Pluderhose, auch Hosen, die hinten zugeknöpft werden.
11. pumplig, schlecht (zu weit) sitzend, von Kleidern.
12. pumpliges Wesen, unbeholfene gar zu umständliche Vorbereitungen.
18. der Pummel, ein dickes Kind.
14. der Pump, Pumpel, ein kleiner dicker Mensch.
15 Pumpermette, Poltermesse, die Nachmittagsmesse am grünen Donnerstage.
16. der Pumperholdi, ein Liebhaber der sich füttern lässt. vgl. Kalt-
schmidt Wb.
17. der Pumpernickel als Bezeichnung eines Mannes, der nur noch pumpern
(pumpsen) kann, der schwach, unvermögend ist, für den man in der Mark auf dem
Lande die unbarmherzige Bezeichnung „en oller Messmaker*' hat. In diesem Sinne
durfte der Seufzer einer Frau aufzufassen sein, den Grimm unter P. anführt:
Ach hätt' ich doch zu dieser Zeit,
Als mich mein Pumpernickel freit.
Genommen einen Bettelmann,
Ich hätte besser getroffen an.
Dieser vieldeutige Wortstamm Pump .... ist, wie ich für höchst
wahrscheinlich halte, an die Stelle von pan-per, pamper, an die Spitze
des Wortes getreten, und es fragt sich jetzt, was wahrscheinlicher
sei, sich das Wort aus Pumper + Nickel zusammengesetzt zu denken,
oder aus pum (bzw. pam oder pan) -|- perniger. Da historische oder
litterarische Urkunden fehlen, so kann nur nach der Stichhaltigkeit
der Gründe, die für das Eine oder das Andere sprechen, und nach
dem Gewicht der Gegengründe geurteilt werden. Zuerst kommt in
54
Betracht, welche verschiedenen Bedeutungen das in verschiedenen
Gegenden und bei verschiedenen Gelegenheiten gebrauchte Wort P. hat.
Grimm sagt im Wb. unter Pumpernickel und Bompurnickel :
^Das Wort scheint ursprünglich einen lebhaften, lustigen oder pol-
ternden, pumpernden Kobold bezeichnet zu haben, woraus sich die
übrigen Bedeutungen leicht entwickeln konnten:
1. Em kleines lebhaftes Kind .... (Im wiszbadischen Wiesenbrunnlein i. J.
1610 wird der Floh ein luftspringender Bompernickel genannt.) Ein kleines, dickes
gedrungenes Persönchen, dann überhaupt eine plumpe dicke Person.
2. Ein Polterer, ein ungeschlachter, grober klotziger Mensch.
3. Ein wildlustiges obscoenes Lied, ein Gassenhauer. Vgl. Stöber, Sagen
2, 177, 339: In Weissenburg, wo man den Pumpernickel in der Kirche singt
Auch eine Tracht Prügel wird als Süddeutsch ausgegeben, z. B. einem den Pumper-
nickel verschlagen, d. h. den Hinteren (von dem das Pumpern ausgeht). Vgl. H.
Fischer, Schwab. Wb. Bd. I 6. 1519.
4. Auch in dem Schweizerischen Idioticon 4, 707 findet sich die Redensart
„pumperniggle schlagen".
5. Das schwarze Brot in Westfalen. In dieser Bedeutung findet es sich
bei Günther 1723, Siegfried von Lindenberg, Gleim, Moser, H. Heine.
6. Im Hennebergischen ist P. ironische Benennung für ein festes ungeniess-
bares Brot.
7. Im Wörterbuch von Moritz Heyne wird Grimms Vermutung (Gr. sagt ja
nur scheint), dass P. einen Kobold bedeute, als sichere Wahrheit hingestellt: P.
ist die Bezeichnung eines polternden Kobolds, dann eines kurzen ungeschlachten
Menschen usw. übertragen wohl zunächst in Soldatenkreisen des dreissigjährigen
Krieges auf das grobe westfälische Brot:
Heisst Marcipan Soldatenbrot,
So essen's nur die Grossen;
'Der arme Knecht der mag sich nur
Am Pumpernickel stossen. Logau 2, 149.
8. Bei Schmeller Wb. I, 892 finden sich die Worte emes Eiferers:
Singen höre ich wohl, aber nicht aus Davids Psalmen; den liederlichen
Pumpernickel hört man und dazu läutet man mit allen s v. Sauglocken
Wo es Brauch ist, legt man die Kühe ins Bett und singt den Pumpernickel in
der Kirche.
9. D. Martin, Parlement nouveau, Strasburg 1637 sagt: Es ist ein jeder
der Bon-pere-Nicola (Bompernickel) krumme Pfaff.
Hiermit dürften alle Bedeutungen, die man dem Worte P. untergelegt hat,
erschöpft sein. Für die Erklärung des Wortes ist aber ausserdem von Wichtigkeit :
10. In mittelhochd. Wörterbüchern kommt das Wort P. nicht vor.
11. Frisch (um 1740) kennt nur die Bedeutung „eine Art dickes schwarzes
Brot in Westfalen«.
12. Alle Belegstellen, die von Grimm, Heyne, Schmeller usw. angeführt
werden, gehen nicht über Schuppius und Logau d. h. über die Zeit des dreissig-
jährigen Krieges hinaus, und Logau versteht unter P. nur das Gebäck.
13. Grimm sagt s. v. Bompernickel: „panis Westfalorum ater, kommt aber
erst im 17. Jhd. verzeichnet vor, wird aber älter sein."
Ist nun Grimms Vermutung richtig, wonach das ganze Wort
gleich fix und fertig geprägt erschienen sei und sofort einen lustigen
Kobold bedeutet habe, so müsste es an den Namen Nickel, Nicolaus
angeschlossen werden. Dieser Name soll zwar nach Heintze (Deutsche
Familiennamen S. 179) in Bayern auch Niggl lauten; dass aber aus
Nickel sich nIgU entwickeln könnte, da doch in Kärnten pumpernigl
55
vorkommt, ist nicht aDzunehmen, denn auch in Bayern findet sich
nach Schmeller 1^ 392 nur die Form pumpernickel als Benennung
einer plumpen dicken Person, besonders eines dicken Kindes. Auch
bliebe bei dieser Erklärung unerklärt, wie es kommt, dass das Wort
jetzt fast ausschliesslich das Brot bedeutet und die immerhin etwas
duftende Nebenbedeutung, die an den Silben Pumper haftet, nur
vielleicht in scherzenden Redewendungen noch vorkommt. Schliesslich
spricht auch der Umstand sehr stark gegen diese Deutung, dass der
Name Pernickelturm, der doch jedenfalls mit dem Worte Pumper-
nickel zusammenhängt, unerklärt bleibt. Auch von dem Treiben eines
Instigen Kobolds dieses Namens weiss keine Sage, kein Märchen etwas
zu berichten, auch wäre in diesem Falle der Zusammenhang mit dem
Brote durchaus rätselhaft. Also die Erklärung Pumper •+- Nickel ist
unannehmbar.
Alle diese Bedenken schwinden, wenn wir das Wort Pumpernickel
als aus pan — pam — pum 4- pernickel entstanden betrachten. Dass
dieser Lautwandel, diese Entwickelung nach sprachlichen Gesetzen
erfolgen kann, ist, wie ich im Vorstehenden nachgewiesen habe,
zweifellos. Dass dies Wort von gebildeten Leuten in Süddeutschland
auf das schwere schwarze Brot geprägt ist, und allmählich seinen
Weg nach Norddeutschland gefunden hat, wo es zunächst am Brote
haftete, dürfte gleichfalls nicht bestritten werden können, ebenso wenig,
wie für P. unzweifelhaft seine lateinische Benennung panis perniger
zutreflfend ist. Die scherzhafte Umgestaltung des Wortes Pampernickel
in Pumpernickel, bei welcher der Zusammenhang mit niger nach und
nach dem Bewusstsein so entschwand, dass man sich das Wort aus
Pumper + Nickel zusammengesetzt dachte, gab dann Veranlassung
zu allerhand Scherzen, die sich an das Wort Pumper anschlössen oder
damit in Zusammenhang gebracht werden konnten. Es ist ein ähn-
licher Vorgang, wie die Verdrehung der Namen mancher Arzneimittel,
dass man z. B. statt Diachylon-Pflaster — Diaconus-Pfl., statt flüch-
tiges Liniment — fliegendes Element, statt unguentum neapolitanum
— umgewendten Napolium, statt arquebusade — arge Pussade sagt.
Ebenso hat man auch das lateinische pan(is) perniger, die treffliche
Benennung des ganz schwarzen Brotes, in das vieldeutige, drollige und
derbe ;, Pumpernickel" verdreht, und nur der Name des Pernickelturmes
in Osnabrück, wo das ganz schwarze Brot gebacken wurde, weist
unverkennbar auf den lateinischen Ursprung des Wortes hin.
^BERLIN— Wilmersdorf. Aug. Grabow-
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SpriehTvörter und Redensarten
aus Lippe.*^
Wer A säggt, mot äak B sQjjen.
Oin Ackersmann sajjet sick wal grüis, Qwwer uich wüis (weise).
Da sick anboit (anbietet), denn süin Läun was nich graut.
lut anner Luien Fell es geut Rgimen schnüien.
Will et anners maken — säggt de Schmett (anders, aber nicht besser).
Da Appei ikWi nich wüit van 'en Stamme.
Da April doit, wat hgi will.
Wer schgiten sali, mott lahn, wer arb^jjen sali, mot eeten.
Wer nenne ArbQJjet hätt, makt sich wecke.
Arm in £hren äs better gsse rüik in Schanne
Armeut es nenne Schanne.
Armer Luie Kälwer un rüiker Luie Döchter kommt bäule an 'en Mann.
Wenn seu 'n armen Duiwel nicks h&bben sali, verlast bgi dat Braut iut
'en Sacke.
Armer Laie Pannkeuken an rüiker Luie Krankheiten riuket glüik wüit.
Mött 'en Äujen iut 'en Brgiwe (Brief), mett 'en Hennen iut 'en Gelle
(Geheimnis).
Wer de Äajen nich gppen hätt, mott 'en Buil gppen häulen.
Man mott de Äujen ehr (oder) den Buil upmaken.
Datt Äuje will äuk wat häbben — see de blinne Jakob, qs bgi 'n wacker
Meeken fri^e.
Iut 'en Äujen, iut 'en Sinn, Iut 'en Härten, dat es minn (minderwertig).
Wat datt Äuje nich suit, begehrt dat Herte nich.
Da hgert 9II teu 'n äulen Üisen (Eisen).
H^i kann sick oll teu 'n äulen Üisen reeken.
Et es nenn Werk für 'n äulen Keerl, harte Nötte teu knacken.
Wenn äule Peer anfanget te läupen, dann es 'er nenn Häulen maier.
Hpi lehrt et nich, un wenn 'e hunnert Johr äult werd.
Twisken Austern un Sünte Vüit (Veit) Es de beste Bottertüit.
Hgi es näu nich dr^ije achtem Äwwem (Ohren).
Bachelmgi — (Bartholomäus) Schutt de Hawer in 'e Kngie.
Tijen 'en Backoben es schlecht h^jahnen.
Jijen 'en Backoben es nich geut hpjahnen.
Qsse Qinen geht de Backen, Sgu geht 'en äuk de Hacken.
Wenn nich geschwinne goht de Backen, dem geht äuk nich geschwinne
de Hacken.
Vandaje häww 'e Qwwer mol schön spielt — see de Bäljentreer teu 'n
Qrjelisten.
H$i es seu bange 9s 'en Erfte in 'en Potte.
Bange maken gellt nich.
Sterwet de Voss, seu gellt näu de Bass. (Wenn auch aUes daraufgeht, so
bleibt doch noch ein Rest.)
Bat't et nich — seu schad't et nich.
Olle Bäte helpet watt — see de Mujje, do pisse se in'en Rhüin (osse se in
den Rhüin strülket hadde.)
>) Vgl. Nd. Jahrbuch 84, 145 ff.
57
Olle Bäte helpet watt — see de Duiwel, gase h^i de Bottem mett 'er
H9cligowel att
Hgi es grpff ^sse Bäimensträuh.
Datt mott 'en schlechten Bäum süin, de upp 'en prsten Schlach fällt (bes.
vom Freien.)
Wenn et gwwer de kahlen B^ime donnert, datt sali nich gäut sCdn.
Wer et Ipfft — an 'et Bedde verkpfiFt, de kann m@tt 'en Meese in 'en
Sträohe sdilopen.
Man mott sick nich pier (eher) iuttöin, gsse wenn 'en no 'en Bedde ggit.
Wer datt Bedde mak't 'en Mprjen, Es den ganzen Dach eune S^rjen.
Oin warm Bedde un (^in fiul Ees sind Qsse pin Paar Briatluie: sg könnt
nich Yan enanner kommen.
Behelpen es nenn Satteeten.
Berg un Dal bejijent sick nich, öwwer 9in Minske den annern.
Nüjje Besp'ms kehrt gäut.
De Bettelbuil un de Geldbuil hanget selten hunnert Johr für ^iner Düer.
Et es hüer better ^sse te lufeln in 'er Meftskiulen.
Better tw^imol fohm, 9sse ^inmol ^wwerlohn.
Et es better twQimol wall gsse ginmol üwel.
Better gin Lappen Qsse $in LQck.
Et es better, datt de Biuk hasset (berstet) gsse datt de Kost verderwet.
Better de sick verschleppt — psse de sick verlöppt.
Better pinen häbben gsse tw^i krüijen.
Better demoidig fohrt psse hpffährg gohn.
Better ^inen Feut ^wwer der Eem gsse te Feute.
Better es better — see de Katte, do drank se de Melke iut 'en Emmer.
Wenn de Biem rüip es, fällt se maier upp 'en Dreck, gsse upp 'et Rgjjene.
De rüipe Biern fällt maier upp 'en Käuhflatt gsse upp 'et Reusenblatt.
Bitter itir 'en Mund — für 'et Herte gesund.
De dümmsten Biwwern hätt de dicksten Katuffel.
Watt de Biwwer nich kennt, dat frätt'e nich.
Jo, jo — säggt de Biwwer, dann w^it 'e nicks maier (Verwunderung).
Dat es oUhand gine, wenn eck mü nich verteilt häwwe ~ see jenne Biwwer,
vsse süine Sue dat grste Ferken (Fickel) kraig. (Genauigkeit).
Practica est multiplex — see de Biwwer, do taug 'e sick 'en Worm iut 'er
Neesen un band 'er sick den Schäuh mett teu. . (Man muss sich zu helfen voissen.)
Hgi süppt sick geem Qinen achter de Binnen.
Hgi nimmt nenn Blatt für't Miul.
Et es nenn Bleut seu dünn, datt et nich rinne (Anhänglichkeit entfernter
Verwandter).
Et es neon Bleut seu dünne, et rinnt — see de Schnüider, gsse hgi 'n
Siejenbock schlacht hall.
Hgi es blgie (blöde) in 'er Tasken (= von einem, der nicht gern Geld ausgibt.)
Boben fix — unner nicks.
Boben es de Tiun wüipet (mit Wüipen, d. i. mit Weidemweigen gehörig
festgeflochten) anner breekt 'er de Suen düer.
Da es bükannt Qsse siwwer Bger (gsse bunte Rüens).
Do namm 'e de Bgine unner 'n Arm un böst 'er tedänne, watt datt Tuig
häulen wolL
Van den Bginen, dat restet — hadde jenne Jiude äuk säggt, gsse höi up-
hangen wgrd.
Up Qinen Bgine kann man nich geut stöhn.
Bgijen makt Sprjen.
Wer nennen Beert häbben will, mott 'en sick afEischnüien (gegen lastige Dinge.)
Et ggit nich für 'n geut Botterbräut; et es better gsse den ganzen Dach
gamicks.
Et es teu late spart, wenn de Bottem upp 'n Grunne es.
Hgi kann maier gsse Braut eeten (von einem geschickten Manne.)
Siwwer Braut werd an 'en meisten getten.
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II öi bohrt geem dünne Breer.
Kopp un Foite glatt — es de beste Briutschatt
Eck eete olle Broens (Braten) gerrn, lutgeiipminen Schwüinebroen, den eete
eck ganz verdaiwelt ggern.
Man mott den Bruch nich seu bgit eeten, Qsse pinen fürsettet (upfüllt) werd.
Wer sick den Bruch iurohrt hätt, mott 'en ock iutfreten.
Wenn et Bruch rejent, es müin Napp olltüit ümmestülpet (verfehltes Glück.)
Wo Qin Bruwwehius st^it, do kann nenn Backehius stöhn.
Bubben kost Geld.
Bubben es 'en Lust — wer' et Geld hat.
Langsam teu 'n Buil un hurtig tau Heut, helpet manchen jungen bleut.
Bünohe es näu nich ganz.
Fürher Büsch^id — noher nenn Kr^it. (Vorher Bescheid, nachher kein Hader.)
De Qine kloppt upp 'en Busk, de annere kriggt de Vüjel.
Wenn 'et Herte man schwärt es — see jenne Büste wwer, 93 'en de Supper-
dente freug, worümme höi keinen schwarten Rock antojen hedde.
De Büstewwers un de Hunne de verdgint ehr Braut mett 'en Munne.
Oinen upp 'et Dack stüijen.
Wer geerne danzet, denn es lichte uppspielen.
Hgi richt't sick äuk qU 'en Danzeplatz für de Luise in (sagt man von einem,
der früh eine Glatze bekommt.)
Hgi frett psse 'n Deskekeerl.
Den pinen süin Däut es den annern süin Braut.
Ümmesüss es de Däut, un de kost näu dat Lieben.
Däwwerhgit — hadde Lütkebriune säggt, 9s hgi in 'et Tuchthius soll (etwas
Unangenehmes durch einen Scherz ohne Eindruck erscheinen machen).
Oin Däwwer, de sick iuttuit, 9er hgi teu Bedde ggit.
Vell teu deun mett lütker Macht
Hätt 9II vell teu Falle brgcht.
Geut Ding will Wüile häbben.
Wer de Dochter häbben will, mott de Modder früjjen.
Watt et süi, un wo et goh.
De Sonne deut den Aulen noh.
De Dochter g(^it der Modder Gang,
Un säu ehr ganze Lieben lang.
Bluten Doer es geue Dajergise.
Wat diu vandaje nich doist, briukst 'e mgern nich teu deun.
Wat de Dokter verderwet, werd mett Eern teudecket.
Olle Donnerdaje sind näu nich füiert (das dicke Ende kommt nach).
Da sick wehrt für de Doht —
Für 'et Lgijen es jümmer Roht (Si fecisti, nega).
Je maier man den Dreck trätt desto dünner werd h^i.
Da sick unner de Drewer menget, denn fretet de Schwüine.
Dat was droopen, see jenne Junge, un hadde süinen Yadder gin Äuje iut-
Schmetten.
Hgi hat uunern Drüppenfalle stöhn (von einem, der eine Glatze hat)
Mett 'er Düer in 'et flius fallen
Jgider feje für süiner Düer — seu werd de ganze Stroote r^jjen.
Dat Beste in 'er Mitten — see de Duiwel, do gink 'e twisken twgi Papen.
Ugi es den Duiwel van 'er Koern fallen.
Do schloe d9ch Ggtt 'n Duiwel däut (Interjektion).
Motten es 'en Duiwelsdank.
Et es nenn Duiwel seu graut, hgi hätt süinen O^werduiwel.
De Duiwel schitt jümmer upp 'en grgttsten Häup.
Je maier de Duiwel hätt, je maier begehrt hgi.
Do 'en schönen Placken es, Schmitt de Duiwel 'en Kläuster heun, ähr 'en
Eddelmann.
L9tt 'en 9rst man den Duiwel in 'e Kärken kommen, sitt 'e äuk bäule upp
'en Altar.
59
Wenn 'eu van 'en Duiwel kührt, sitt 'e upp 'er Hekedüer.
Wo Geld 68, do es de Duiwel — see jenne Kerl un henk 's Obends süine
Büxen, wo gin Penng iune was, upp 'en Hoff. Den annern Mpem was se weje —
Sgih je niu, dat eck Recht hall? — see bgi däu.
Wer vür der (oder: in 'er) Höllen wonnt, mott 'en Duiwel Heem hpiten.
Wo de Duiwel nich summst hennkommen kann, do schickt hgi 'en äult
Wüif henn.
'n dullen drupp! (zum Tanze).
Duwwelt najjet, h^lt better (ritt nich).
Eddelmann es Eddelmann -— Beddelmann es Beddelmann.
De Eddelmann will jümmer dat Messt hoben in 'en Schappe h&bben (bean-
sprucht die meiste Ehre).
Eeten un drinken es süin beste Handwerk (sagt man vom Taugenichts).
Wenn dat Eeten düer den Hals es, seu es et ollens glüik.
'n geuer Eeter es äuk 'en geun Arb9Jjer.
Sülmst eeten makt fett.
An 'en grauten Ees hgert 'n graute Büxen.
Ehre yerloern, ollens verlohrn.
Wässet de Ehre spannenlang,
Wässet de Däwwerhgit (Torheit) eelenlang.
Ehrlich wohrt upp 'et längste, wüil et w^inig briuket werd.
Dat dicke Enne kümmet noh.
Enne geut, ollens geut.
Wat sali 'en söjjen, wenn dat Enne teu k^ert es! (Misslungen.)
Söi biwert Qsse Espenläuf.
Et es jümmer watt — Es et nich düt, gs et datt.
Vulle Fätter klinget nich.
Büi enkelten Fedderkens plückt man den Vurel kahl.
Nemmes spihe süinen Füind teu minne an, man mott datt Fell nich 9er
verkäupen, osse bett man 'en Foss hätt.
Wenn de Ferken Teil sind, werd de Drank dünne.
Fett schwemmt hoben un es et äuk man Rüenfett.
Wer aett dertig ritt, de mott melt vertig teu Feute gohn.
'n fiulen Fewwermann (Führmann)
Spannt l^iwer iut ^sse an.
Unjefangene Fiske
Bringt nich vell te Diske.
'n äulen Fisker kennt Karpen.
Steck 'en Finger in 'e Eern un riuk, in wecken Lanne datt 'e bist.
Wenn man laileck süin sali, bräckt man 'en Finger in 'er Neesen äff.
Do man den Finger inkriggt, do kriggt man äuk de Hand in.
Hv makt Hut er Fisematenten.
Anstatt datt de Fiule twpmol g^it, dräggt 'e Igiwer, dat et w^ihe doit.
Dat passt 9sse de Fiust upp 'et Äuje.
Wo Flass es, do sind äuk Schiewe.
Flink upp 'er Stroote,
In 'en Hiuse ebenmote.
Fl^isk es dat beste Qemoise.
Eck will düi watt floiten.
Et es geut teu Feute gohn, wenn man sick moije rien hätt.
Dat es 'en dummen Foss, de bleuss gin Lyck wpit.
Wer vell fräggt, den werd vell säggt.
Frech 9sse Oskar.
Et werd nenn Freeter boern, ho werd 'er teu maket.
Better 'n Stunne teu fireuh, gsse 'n Maniuten teu late.
Da freub uppstgit, süin Qeut vertehrt, da lange schlöppt, denn Ggtt ernehrt.
Fromme Luie sind grillig (geizig).
Wenn de Ipiwe Qgtt teu 'n Narren häbben will, seu Igtt hgi 'n äulen Mann
de Frabben affsterben.
Frubben Äaje — de besfe Läuje.
Dat mott 'en geue Däll 8üin, de twö Frubbensminsker draggt.
(VeHrägUdikett.)
Äuler Frubben Sterben —
Es nen Verderben;
Owwer Pgenrerräcken —
Dat es 'en Schrecken.
Da Frubbensminsker h&tt lange Hoer un kQrten Verstand
Frubbensluie Roht un Bdckw^itensoot — Geroet blßuss olle sieben Jobr.
Dat wiw w'e niu wall wier krüijen — hall jönne Frubben säggt, 9s se der
Keuh Bottern upp dat Föwwer straik.
'n gSue Frubben un 'ne gäue Katten häult olltuit 'et Hins röjjen.
Qsse jenne Fruwwe säggt hall : Nowerske, laihn se mü ehre Saipen, eck
will 'er nicks anne verderben; wenn Sek 'er mStt wosken häwwe, will eck se ehr
wier bringen.
Da Fruwwe verd^int maier mett 'en Leppel,
Qsse de Mann inbringt mßtt 'en Scheppel.
Oine Fruwwe kann maier mett ehr er Schlippen iut 'en Hiuse iutdrejen, os
*er de Keerl mett v^er Peer'n infohrn kann.
Wer nänne gSue Frunne hätt, de es nich wert, dat h^i liewet.
Frünne in 'er Nftut, geht dertig (hunnert) upp ^in Laut.
Wer 'n geun Fränd iinnd't, da hätt süin Dachl&un verdpint.
FrQdach hätt süin pgen Wedder.
Töu 'n Früjjen h^ert maier 9s 'en Paar Schöuh.
Luit, deu de Äujen upp — Früjjen es kgin Pöerkäupen.
Dr{^i Ossen, dr^i Kälwer un 'ne buntköppte Keuh,
De gifft mü müin Vadder, wenn äck früjjen sali;
Qi£Ft hgi se müi nich, dann früjje eck &uk nich,
Un d^ie h^i näu watt, dann s^jje eck 'en ftuk nicks.
Oin Früjjedaler gällt niejen Grössen.
Olle Fri^jer rüike, olle Gefangenen arm
In piner Stunne äs maier früjjet, psse in twintig Johrn verdpint.
Wer früjjet in süinen äulen Johrn,
De l&tt de geuen Daje fohm.
Früjjen es seu soite psse broene L&mmerfoite.
Wer dat Fuier npidig hätt, söggt et inner Askeu.
Van 'en Funken brennt dat Hins.
Geduld, Iptt dat Holt teu Kohle wehm.
Wer sick nich in Gefohr begifft, kümmt 'er nich in ümme.
Geiz helpet upplaen, pwwer nich drejen.
Wo eck müin Geld vertehre, kann eck jiuchen.
Wer Geld hätt, kann 'en Duiwel danzen spin (looten).
Geld rajpert de Welt.
l\'^ hätt Geld psse Hpch, man nich seu lang.
Für Geld kann man Sucker käupen.
Geld lütket Geld — see Kasper Beerend, do liewe hö näu.
Hast diu 'en Seele, seu häwwe eck 't Geld (bei der Eideszuschiebung).
Da Geldsack un de Bettelsack hanget nich hunnert Johr für piner Düer.
Dat es pll wier Geld, wo de Fruwwe nicks van w{^it.
seu göit et in 'er Welt
De $ine hätt 'en Buil, de annere hätt dat Geld.
Je gelehrter, je verkehrter.
Häwwe eck 'en Genöit, seu häwwe eck 'en Verdrpit (Genuss und Verdruss
sind umertrennlich).
Wer in 'en schlecht Gerücht kümmt, es half hangen
Sünte Geertriut, gpit de prste Görnerske iut.
Datt es vell Geschrpch un wpinig Wullen.
Datt maket vell Geschrpch pwwer wpinig Berpch.
Wahrt juflf für Geutspjjen un Huiserbubben.
61
Wer hinnerlptt süin Oeat den rechten Erben, da kann geriuhig sterben,
'n geut Gewissen es 'en gönt Riuhekissen.
Seu gewannen, s€u terrunnen.
Gissen es missen.
Gissen es nngSwisse.
Da es nich van gistem.
'n feinen Giewel makt 'et Hins feia.
Hv kickt 9llhand teu d^ip in 'et Glas.
Da dat Gluck bätt, bringt de Briut no 'er Kärken
Dat Glück, dat Glück es kiurelrund
Un dräppt seu 'n manchen Lumpenhund.
L^tt goen 98 et gpit (GleichgüÜigkeü.)
Dat Langsamgohn kümmt yan sülmst.
Dat gvit, datt et schnüfft — see jenne Junge, qs 'e upp 'er Snen rait
Bfii denn gvit et: Kümmst 'e vandaje nich, seu kümmst 'e mpern (von einem
langsamen).
Seu psse man de Ggise wenket, seu goht se.
Gptt 'er H€er IqU wall sinken pwwer nich yerdrinken.
Wo da henträtt, do w&sst in «ieben Johr nenn Gras maier.
H9 hpert dat Gras wassen un suit de Gpise pissen (von einem eingebildeten
überklugen Menschen).
Hv mott in 'et Gras büiten (muss sterben).
H9 makt 'et nich lange maier (dasselbe).
Et es 'er matt iut (dasselbe).
Et will nich maier (dasselbe).
Wer sick t§u Gras maket, denn frgtet de Kojje.
Da Grillte kriggt phr denn Hals vull gsse de Keuh.
Et kost wall man bleuss 'en Grössen, Qwwer 'et g^it 'er äuk donoh.
Jpider will grgtter süin —
Dorriut kümmt olle Püin.
Da Grpttste es nich jümmer de Beste.
Gruifken in 'en Kinn —
H&tt dullen Sinn,
Gruifken in 'en Backen —
Hätt stüiben Nacken.
Da mü nicks günnt un nicks giiTt —
Mott lüin, datt mü dat Lieben blifft.
Better ginen „Häbben** gsse twpi „Krügen**.
l>at sasst diu h&bben, wenn Austern un Pingsten up ^inen Dach fallt
Wenn da Hahn krajjet upp 'en Nest,
Dann blifit dat Wedder seu 98 et es.
Man mott watt ümme de Hand häbben, hadde jenne Fruwwe säggt, 99 se
mett 'er Hand an 'en Schgndpohl schlgtten was. (Alles vorteilhaft deuten,)
Twisken 'er Hand un 'en Manne
Ggit vell teu Grunne.
Wenn gine Hand de annere wasket, seu werd se bgide röjjen.
Wer twälf Handwerke h&tt, h&tt drütgjjen Ungelücke.
Wer 9in Handwerk düjet lehrt
Kriggt'e Kost, wo hgi verkehrt.
Drgi Handwerke tguglüik, sind siebenuntwintig Ungelücke upp ginmol.
Handwerk kann wall sinken
Owwer nich yerdrinken.
Wer den H annig (Honig) licket
Mott lüin (leiden), datt 'en de Imme steket.
Wenn 'en Hansnarre prohlt werd, dann gngiset (schmunzelt) hvi, 9sse wenn
de Isel D9ig (Teig) fr&tt
Eck will düi mol wülsen, wo de Harke 'n Stell hätt.
Willig Herte makt lichte Foite.
Do liggt de Hase begraben (in 'en Popper).
62
Wenn de Hase in 'en Herwest 'n biutcrmoten dicket Fell hätt, gifft 'et 'n
harten Winter.
De Hase hüppe, seu wüit gsse hyi will, h^i huppet dpch wier noen Neste
(AnhängUchkeit an das Elternhaus).
Den Hasen, da nich Ipppet. will de Jäjer äuk nich häbben (äüzugefällig).
Wenn de Haspel säggt knapp,
G9it et in Jiudenbeernd siiinen Schapp.
(J. war Garnhändler und •Vermittler.)
Teil vell Hast batet nich
Toif, diu bist für Häujen-Hamel näu nich beer (Hohen-Hameln = Galgen?)
Wer de Neesen te h&uje dräggt, stptt sick de Teene in
Haust, Knäust, Botterbräut,
Schlyit 'e Mömmen mett 'er Kösken däut (Maulheld).
Je gr^tter de Heem — je maier mott 'en smeern^ see jenne Keerl iut Deppel.
Heern Befell es Knechte Werk.
Graute Heern hätt lange Henne
Strenge Heern raj^art nich lange
Heer ehr Dpif — mett Gelle bist diu Ipif
Wohr düi vöer vinen, denn iuse Heerggtt töikent hätt.
luse Heergott hätt ollerhand Kostgängers.
Heerg^tts Water ywwer Heerg^tts Mühlen läupen loten,
luse Heerg9tt stuert de BQime, dat se nich in 'en Hemmel wasset.
Oijen Heerd es Gold wert.
Datt Hemd st^it ^inen naijer 98se de Rock.
Eck will düi glüik ! — datt diu 'n Hemmel für 'n Dudelsack ansuist !
(Drohung).
Wer 'et Hexen vinmol kann, rerlehrt et nich maier.
Wer 'et Hexen verstgit, für denn es et kpine Kunst.
Dat Heun leggt geern, wenn et man 'n Nest suit.
Jung Hingest — jung Schinnermehre.
Et es nenn Hius seu faste, et rejent 9U wenner (zuweilen) 'en siwwcrn
Wind dordürr.
öijen Hius un pijen Dack,
Es glltüit 'en graut Geschmack.
Wo man hennkümmt, do findt man süinen Wehrt teu Hiuse.
Oinen noh Hius lüchten (heimleuchten).
Et gyit 'er her gsse upp Matzen Hgchtüit (viel Lärm).
Diu sasst upp 'er Hgchtüit dat beste Fickel naijest 'er Suen süin — säggt
de Hgchtüitsbidder teu 'n Bruimen süinen Vedder (schöne Versprechnngen).
Wenn man will upp'e Hgchtüit goho,
Mott de Heut upp Vivat stöhn.
Et werd nenne Hgchtüit seu droe vullbrvcht,
Et es 9II wier 'ne ni^je teu Staune bracht.
Vür der Hgchtüit most se wennen,
Noh der Hgchtüit hätt't 'n Enne
Da mosste Hoer loten.
Da hätt Hoer upp 'en Tehnen.
Do liggt 'n Hoer in 'er Bottem.
Wer nich hperu will, mott foilen
Hyi Schmitt nich henn, wo hgi hennewanket (von einem sich Verstellenden).
Hgi najjer düer — wat giffst 'e, wat hast 'e.
Wer vür der Höllen wonnt, mott sick 'en Duiwel teu 'n Frünne wahrn.
Geht de Hönner in 'en Rejen, dann hätt et 'er Sinn teu (d<inn regnet es
noch tüchtig).
Wenn de Honner krajjet un de Katten Oijer lyjjet -- (Eulenpfingsten).
Wenn man: „Küsk iut!** säggt, dat gellt den Honnern olle (allgemeiner Tadel).
Mett den Hunnern te Bedde gohn
Un mett 'en Schopen wier uppstohn (von Faulen).
6B
Dat häww eck yellmols hpern s^jjen,
Sind schlechte Höoner, da hinner Ipjjet
(die ihre Eier draussen hinlegen; Häuslichkeit),
Dat kann man mett 'en Holsken foilen (Starke Stichelei).
£ck mott Hülpe häbben, see de Biwwer, da hall 'e sick 'en Ewwcrt
Schnapps halt
Hunger es de beste K9ck.
Inbillunge es schlemmer psse Pestilenz.
Denn kost't dat Inboiten maier psse datt Backen (wenn 7nan mehr auf-
tc endet, als der Zweck erfordert).
H$i h&tt Infälle 9s *en äult Hins (wenn einer sonderbare Einfälle hat.)
Watt man inplocket hätt, mott 'en iutfreeten.
Better upp 'en Isel sitten, ^sse van 'en Peer fallen.
De Isel un de Drüiver denkt selten ywwer^ine.
Wat säggt de Isel, wenn 'e vür der Mühlen hgrkümmt? (sagt man einem
unhöflichen, sich brüstenden Menschen),
Dofur, dat de Isel tw^mol g9it,
Dräggt 'e Igiwer, dat 'et wifihe doit.
Da sick an 'en Isel schuert, kriggt 'er Hoer van.
Wer teu 'n Isel geboem es, werd süin Lieben lang nenn Peerd.
Wenn 't den Isel teu wohlig werd, seu ggit 'e upp 'et Üis un breckt 'et B^in.
Jiujend hätt nenne Diujend, see jenne Fruwwe, do was ehr dat Kind iut
'er Wyijen fallen.
Da Dniwel trubbe 'n (traue einem) Jiuden.
Schmüit den Jiuden düer de Heekeduer,
Seu kümmt 'e wier düer de Nierndüer.
J^ideröine w^it an 'en besten, wo änne (ihm) de Scheuh drücket.
Wenn et du jucket, dann most 'e kratzen.
Betten gelinner — spräckt de Kalenner.
Kalfflyisk — Halffipisk.
Wenn de Kärkluie natt werd, rejent de ganzen Wecken.
Büi der Kärken es jümmer de grpttste Wind.
Matt denn es schlecht Kaspern eeten.
H^i ggit 'er ümme, psse de Hatte um' en h^iten Bruch.
Man mott de Hatten nich in 'en Sacke käupen
Wenn man de Hatten upp dat Speck binn't, seu frätt öe nich.
Watt ?an Hatten kümmt, will miusen.
Je maier man de Hatten striepet, je h9chter büert se den Steert.
De Hatte l^tt dat Miusen nich.
Hattend^if hätt Q9tt Igif.
Da verdrejet sick osse Hatte un Rüe.
Wenn de Hatte iutgohen es, dann spielt 'e Muise upp 'en Bänken herrümme.
Ui, seu woll eck, dat eck katholsk wgr. (Ausruf der Verzweiflung, des
Unmuts.)
Noh den Häul un noh der Heuh,
Mott man goen äff un teu. (Sorgfalt.)
Häupmann te wern, es nenne Hunst, Qwwer Häupmann te blüiben.
Vandaje Häupmann — mgern Läupmann.
Qin Kawalierskopp un vin Giiflkopp sind selten te trubben.
Häwwem upp 'en Sänne (ijn nassen Jahre)
Gifft Hunger in 'en Lanne.
Dat es 'n anner Häwwern — see jenne Möller, 9s 'e düer 'n Miasek9ttel
bait. (Verwechslung.)
H9i es 'en fläämsken Heerl (kräftiger Mann).
Wer den ganzen Dach Heuken ett, mach 'en teleste nich maier.
Hinner un Narr'n 89jjet de Wohrh9it.
Wenn 'et Hind verdrnnken es, werd de' Säut teudöcket.
Hinnern kann man mett 'er Hl9inigk9it 'n Pläsör maken.
Yell Hinner, vell Sejen.
64
Kinnerbärte es lichte te stillen.
Nenn Minske schloe suine Kinner däut, man wyit nich, watt 'er int wem
kann (an die Zukunft denken).
Et es better, dat *et Kind grinnt 9sse de Modder
Oin Kind — Angestkind,
Tw^i Kinner — Spielekinner,
Dryi Kinner — vell Kinner.
Wer kuppet es, da kann nich maier hangen wem.
Watt man nich in 'en Koppe hätt, dat mott man in 'en Beinen b&bben.
Se vell Koppe, sc vell Sinne.
Vell Koppe, vell Sinne, see de Duiwel, psse h^i 'n Foer Höppers lahn hall.
Wer man ^erst 'en Kprf hätt, kriggt 'er bäule 'n Vurel in. (Wer nur erst
einen Korb, ein Bauer (ein Haus) hat, wird bald einen Vogel (eine Frau) hinein
bekommen.)
Rüijet juff, hadde jenne Küster sftggt ; hy hall Qwwer man vinen Schoiler hat
(Grosstuerei.)
Dat vergifft de Köster (nämlich ein leichtes Vergehen).
Hgi Igtt sick nich in ^e Koten küiken.
Man mott 'er mett ümmegohn, psse wenn man 'en Kottel upp 'en Spänne
dräggt (sagt man von einem sehr empfindlichen Menschen)
Da vine Krajje hackt 'er annern de Äujen nich iut (nenn Äuje iut).
Do goe wü her — see de Krajje, qs se de Hawerk in 'er Miulen hall (Galgen-
humor; vornehmer Umgang.)
Wenn de Kinner nich andi\jent sind, dann däujet se nicks.
Wenn dat Kind 'en Namen hätt, will j^ider Gevadder süin (gelungenes Werk).
Klimpern hQert tea 'n Handwerk.
Klinget et nich, seu klappert et doch.
H^i hätt de Klocke luien h^em, pwwer h<^ w^it man nich, wo se hHnget.
Upp 'en groben Kloss hpert äuk 'en groben Kail.
'n fiulen Knecht wünsket, datt in 'er Wecken sieben Füerdare wpern.
Wo Knoken sind, da düjet^
Do sind 9ck Rüens, da se müjet.
H9 sitt upp hpiten Kohlen.
De heilijen dr^ Könge goet teu Water, ehr kommt te. Water. (Wetterregel).
Oinen den Kopp wasken.
Da gl}it mett 'n Koppe düer de Wgnd.
Wat de Kopp vergett't, mött't de Foite nohhalen.
Wer den Kopp in olle Lecker steckt, kann liebte den Kopp verl^isen.
Kopparbgjjet es nich licht, sea see de Biwwer, dat suit man an 'en Ossen.
Kopparb^jjet grippet an, see de Osse, do taug h^i 'n Fleug.
H^i es seu krank os 'en Heun.
In 'en Kreuje kann man ollerhand für 'en Grössen watt teu wetten krOijen,
watt 'en Daler wert es (in Gesellschaft erfährt man euweilen wohl etwas Nützliches).
Datt liggt dürenanner, Qsse Kriut un Roiwe.
Wer büi den Kröppels wonnt, lehrt dat Hinken.
Büi den Kröppels lehrt man hinken,
Büi den Fiulen lehrt man stinken.
Wer kann für 'et Kruiz, wenn 'et Hius vuller Haspel sitt.
Gvnk teu 'n Kuckuck 1 (Interj,)
Da könnt sick verdrejen psse Kuckuck un Siebensteem (von unverträglichen
Leuten).
flvi stiggt iut 'er Küipen (verliert die Fassung).
Kümmst diu müi seu — - komm eck düi seu (Vergeltung).
FRANKFÜRT a. M. K. Wehrhan.
65
Niederdentscbe Gediclite ans den HannöYerscli-
Brannschweigsclien Landen Yon 1684-1726.
Die Originale der hier mitgeteilten Gedichte werden als Einzel-
di-ucke aufbewahrt in dem Königlichen Staats -Archive, der König-
lichen Bibliothek und der Bibliothek des historifchen Vereins für
Niedersachsen in Hannover. Die Verfasser mehrerer Gedichte haben
sich nicht genannt. Auch ist Ort und Zeit der Abfassung zuweilen
nicht genau bezeichnet und hat leider nicht immer festgestellt werden
können. Öfter ist es jedoch durch Benutzung anderer Gedichte
gelungen, solche Gedichte nach örtlicher und zeitlicher Abfassung näher
zu bestimmen, wie aus den eingeklammerten Worten zu ersehen ist.
Mag der dichterische Wert dieser Stücke noch so niedrig sein,
immerhin haben sie einige Bedeutung für die Literaturgeschichte des
Dialekts, und vor allem bieten sie, wie von Seelmann im Ndd. Korre-
spondenzblatt 19, S. 95 f. gezeigt ist, wertvolles Material für die
Entwicklungsgeschichte der neueren Mundart.
Hoehzeit Hansing / Bebling, Heyen 1684.
Dree nadencklike Politiscke Fragen, Alse (Tit:) Hr. Johann Henrich
Hansing, Mit (Tit:) Junff. Sophien Magdalenen Behlings, Syn Hoch-
tiedtlicke Ehren -Fest in Hayen^) beginck Den 10. Junij dfisses
1684sten Jahrs, Der JunflFer Bruet tho beantworen vorgelegt Van
Einem öhrer Bekanden.
Mit gUDsten dat ick jflck np jnwen Ehren-Dage,
Juck, meen' ick, Junffer Bruet, timm dith un dat befrage,
ün falle driestig tho, als Fleigen in den Bry,
Doch hop* ick dat by juck synt alle Fragen fry.
Tho erst, sch&m^ jy juck glyck, scholl jy ein' Antwort seggen
Damb, dat ick jflck will thor sticken stund vorleggen:
Wornmm hefft Lüxenborg, de Brnet, so lange tiedt
Dem BrSgam sick versegt, de offt na ohr gefriet,
Beth he mit Füer se twanck sick 5hme tho ergeven,
Jy averst wilt so geern by juwen Brßgam leveu?
Jy hefiTt nich, leeve Bruet, so einen stiefen Sinn,
He dar£f nich, dat jy ohn tho Hayen latet inn,
Ohn nemet np un an, juck twingen mit Soldaten,
Mit Bomben, Stinckep^)tt'n un velen Hand -Granaten.
Thom annem segget fisch, wat mack't by Babylon
De Perser düsse Nacht, wat by jiick Hansings-Sohn ?
Dat drfidd' yfs dat ick juck nn, smucke Deern, will fragen.
') = Heyen, Braunschweigisches Dorf im Amte Escher shausen.
NiederdenMohai J«brbnch XXXV.
Segg't eift des Czaren Wieif ein jungen Czar will dragen,
Un eift inn Jahres Schyn van juck verleefden twee
Ick einen Hansing hier, edd'r eine Greitiug see?
Hannover, Gedruckt bey Georg Friederich Grimmen,
F&rstl. Hoff- Buchdrucker.
Hochzeit Behrens / Hinüber, Hildesheim 1686.
Dat in de vele Frierie gerahene Hilmfsem, Afs Dei Wol Edele un
Hochgelahrte Here Docter Cunrad Bartheld Behrens^) Mit der
Nudlichen un Fienen Junfer Annen Doriken Hinnflbers, Siener
hartleven Brfitgen, Hochtyt heilt, Is deils ut VerwuDJerung, deils,
seck den Hern Doctor tau Fr&nne tau maken, dusse Wunsch erdacht
Van Hans Crenderich van Ostermolcken. Im Jahre Als de Hamsters
use leve gue Kohrn sau stolen. (l Zeile ist durch den Buchbinder abgeschnitten.)
Wo gait dat immer tau wat het dat vele fryen?
Denn wo man seck henwendt da höret man von brüen
Wenn eine Hochtyt ut, ein ander siene holt.
De dridde socht den Dag de hier 5hm wol tau feit,
Sau mögt ick wol erfahren wat vor Ohrsaken wohren,
Dat seck dei jungen Ltt sau tan einander kehren,
Dat sai sau ilet nun, un seck tau samen part,
Eck wait gewis noch nich wat dat het vor ein Art,
Wann eine Hochtyt orst vor acht Dag' ifse wesen,
Da Word ein ander Paar den stracks üb affelesen,
Ut maut doch sau wat syn, wat se dartau bewegt,
Dat man de Jungferschop nicht ein halff Jahr möhr hegt,
Doch wo eckt recht bedenck, wat gelt sau wil eckt seggen.
De haite Sommer-Tiet de word seck nu bald leggen,
Da kumt de Winter dann, wo alles wenst und kolt,
Un man seck gruen mag tau wanjern in den Wolt,
Da kumpt dem suer an de schal allone schlapen,
Un de dat kohle Bedd sau maut all5n ankapen,
Drum sind se klancke naug de düt jetzund anfangt,
Un noch by warmer Tiet tau seyt dat se erlangt,
Dat by uhm schlapen kan, dat se seck könt hübsch warmen,
Un dörfft den fort nich mehr nah warmen Lakens karmen.
Drum heft Heer Brodigam jetzund recht klauke dahn,
Dat jy by warmer Tiet sind nah den Wifken gähn,
Jy hefft nun wat jy wilt, jy drftfft dafor nich sorgen,
1) Konrad Berthold Behrens wurde nach der Leichenpredigt von Pastor Just
Martin Glaesener (Fol. 5) geboren am 28. August 1660 in Hildesheim. Sein Vater
war dort ein berühmter Arzt und ältester Ratsherr. Er besuchte das Gymnasium
Andreanum, 1678 das reformiete Gymnasium in Bremen, bezog am 28. April 1679,
um Medizin zu studieren, die Universität Helmstedt, von wo er im dritten Jahre
durch die im Magdeburgischen auftretende Pest vertrieben wurde. Nachdem er
einige Wochen in der Heimat verweilt hatte, ging er Michaelis 1081 nach Strass-
burg. Als er dort ein Jahr studiert hatte, reiste er nach Basel, dann über Koblenz
und Köln nach Leiden, wo er den 15. November 1682 eintraf. Nach mehreren
anderen Reisen verheiratete er sich in Hildesheim den 21. September 1686. Er
starb am 4. Oktober 1736 als berühmter Arzt.
(57
ÜD k6iit nnn warme achlap'n, bet an den lehven Morgen,
Ja wenn jy schon nt gabt nab einen fetten Scbmus,
San heff jy nun de Frn de heuet in tau Hub,
Un dat jy ock nun nich for Eortzwiel mftget sorgen,
Min lev Herr BrSdigam, wann st&n jy up von Morgen?
Mit juen dusent Schatz, schall eck üt recht utleg'n?
San twiefl eck, ob eck noch darff Junckeselle seg'n,
Main jy eck sah et nich, as jy jn nie Hosen,
Antigen diesen Morgan un hadden noch völ Schossen,
Mit juen leven Kind, 0 ja eck wait flt woll,
Doch wilit an besten syn dat eck üt noch verhol,
Jy seht sau schnippisch ut, jy hefft sau^n bleicke Farve,
Als wenn jy j&ck verjagt for einer schwarten Larve,
Eck rah juck, bruket wat, dat jy wörd weder frisch,
Dat jy nich as verjagt, sitt by der Brut am Disch,
Eck bid jfick dusendmahl wat is jftck wedderfahren,
Ai segt üt meck, eck wilt in mieneu Bnck verwahren,
Eck wilt ock seggen nich, wat jy for Heimlichkeit,
Begahn hefft dysse Tiet, gevt meck man gut Bescheid,
Schall eck üt aver rahn, sau werd üt duUe klappen
Eck segg* üt Ine her, eck will meck nich verschnappen,
Doch weg'n des groben Schimps, nöm eck üt noch in acht
Damit nain Minsche nich ob juen Hanjel lacht,
Sau wil eck juck hernach einmahl allen anspreken
Jy kont üt unjerdes, sau bie juck sülbst ut reken.
Fahrt unjerdessen fort, in jner gauen Daht,
Dat jy met jner Brut in deisen Glücke gabt.
Wo is üt junge Fru eck hed meck bald verschnappet,
Wol seggen Junfer Brut, wat is dat jy sau kappet,
Mit juen breen Krag'u? üt galt juck midde an,
Un main jy dat eck ock tau juck nich komen kan.
Doch dat eck juck itznnd, nich afhol von den springen
Un dat de Fedeln ock stets dyfsen Abend klingen,
Sau schwieg eck, haitget ohra man stets mit Freud und Lust,
Ja daut wat sünst noch mohr is guen Sinn bewnst.
Wenn jy den meue sind von Springen un von Dantzen
Un hefft de Glase drunckn by Halfen und by Gantzen
Ja wenn de seute Schlap ju Ogen gantz tau drückt
Un juck de Afent-Storn mit sienem Schien anblickt
Sau gaht den weder hen nah juen weiken Bedde
Un schlapet da vordan fin stn^ckig in de wedde
Wenn jy jyck hefft tau erst den leven Gott befohlen
Un mackt^) dat nah den Jahr dat gau nich blieff verholn
Nun wünsch eck dat jyck mag dat Glück by gantzen Kipeu
Inkomen und dat gaut by jeck sieck müchtig hüpeu
Ja jue Saken seck by gantzen Scheppeln mehrn
Und wat jy heffen wilt wat nur is ju begehrn
Jy andern de jy noch im ledgen Stande levet
Sümt ock nich lange mehr in dyfsen Stand jyck gevet
Ut würd juck nich gerün dout man wat eck ju rah
Nun schlapet alle wol die Tiet is dat eck gab.
1) Druck: mack.
5*
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Hochzeit Glfimer-Engelbreeht, Hameln 1695.
Das Gottliche Geschick, Und wahre Ehe -Glück, Zu Ehren Denen
glücklich Vermähleten, Als dem Wol Edlen, Vesten und Hochgelahrten
Herrn, Hn. Joh. Fridrich Glümern, FSrstl. Braunschw. Lfineb.
hochbetrauten Cantzeley-Secretario zu Wollffenb&ttel ; Und der Wol
Edlen, Grofs Ehr- und Tugendreichen Jungfr. Jfr. Dorotheen
Margareten Engeibrechten, Des Hoch Edlen Vest- und Hoch-
gelahrten Herrn Hr. Arnold Heinrich Engelbrechts, Churfl. Br.
Lflneb. Hoch- Verordneten Hoffrahts auch Hochwürdigen Decani des
Stiffts S. Bonifacii in Hameln Eheleibl. geliebten Tochter, Aus
gebührender Observantz besungen von unten Benandten. An dem
Vermählungs-Tage. War der 14. Jan. Anno 1695.
Sonnet.
Was 80 kommt, eh mans hofft, das hat GOtt selbst geschicket,
Was 80 kommt, eh mans wünscht, das hat GOtt selbst gemacht,
So über uns zum Heyl des Höchsten Sorge wacht.
Und V&tterliche Sorg' eh man noch sorgt, erquicket,
Er seine Margarit beperlt, mit Kränlzen schmücket,
Er seine DOROTHEE gibt anfs, eh mans getracht
Zu suchen, Liebe glimmt der GLüHMEB freundlich lacht;
So kommet durchs Geschick ein Blick der uns beglücket.
Was GOtt denn selbst gemacht, das woll Er auch yoUffihren
Zu feinem Preifs, und Heyl dem neugefügten Stamm;
Er woll mit Gnad und Fried, die Perlen-Gabe ziehren,
Das Braut und Bräutigam dort folge nach dem Lamm,
Das führt zur Sehligkeit, da längst die Engeibrechte,
Im Engel-Glantze gehn. GOtt kröhne fromme Rechte.
Aus hohem Respekt gegen die wolthätige Familie hat
dieses gehorsamst darreichen sollen
Frid. Lanr. Grupe, Seh. Hannov. Alumn.
Ick schall Herrn Glflhmern ock mit Teechen glflkke singen;
Wat schall ick 6hnen den, dat Wollgefalle bringen?
Ik noch nich eine Sprak, afs n6dig is, verstah,
Ick riem noch unger lernt, dat geit mik rechte nah,
Kum, du Lufft-Stieger, her von Hameln, riem du better,
Tho Ehren dem Decan, bett ickt ock lehre netter,
De Bonifacius Tom Himmel, mack' it gut,
Un gev dem Br5ddigam Glftck, Glücke ock der Brüht.
So macked' it kort un got, der Jungfer Brüht
jüngste Broder Georg Ludovic Engelbrecht.
Hannover, Gedruckt bey Johann Peter Grimmen 1695.
Hochzeit Mfimler / Blnme, Helmstedt 1703.
Dei in user Mutter-Spracke oppesettette Hochtiedliche Fraiden
Gedichte, op den Groetachtbabren längeren un Känstlicken Heeren
Heeren Caspar Achates Mflmler, Vorneemen Borgers, un
Parrficken Mackers hier in dussen Helmstfidde asse Bröegams: un op
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dei Veel Ehre-Tagendbegafete, Gladde, Schmucke, un wrete Deeren
Junfer Anne Phiecke Blaumen, Tit. Heeren Jfirgen Blaumens
Vorneemen Borgers, Bruers, un Kercken-Vorstaers Lieflicke Junfer
Tochter asse Bruet: Da sei obren Hochtiedlichen Ehren-Dag, dei ob
den achtaienden Octauber in dässen tusend seewen Hunjert un dridden
Jahre infeil, mit Gigen un Scharmeien in des Magnificus von der Hardt
groten steineren Huese hohlen wollen, owergewen von Einen oprichtig-
guen un der Brüht nechsten Blauts-Frfinne. Juck Allen bekand.
Uelmstadt. Gedruckt bey Georg -Wolffgang Hamm. Univers. Buchdr.
Herr Br&gam: veel Glücks than jnen nien Orren,
Dat j& von Dage sint thau einen Manne worren:
0 kohmt, un freuet juck, kohmt hAppet, dantz nn springt,
Ud nah* der Rege weg ein lastig Leidgen singt.
Vorwahr, ick schwebrt j&ck than, j& könt jAck gratulairen,
(0 grienet man« sau nich, ick will j&ck nist vexeiren)
Denn j& hefft hftte kricht san eine schmucke Brnht
Dei wehrt is, dat jA 5hr von Harten bliewet guht.
Un woll dehm, dei wie jA kan saune Deeren finnen.
Dei yigellant un fix von vorren an von hinnen,
Dei flinck an woUeteickt, dei overall is nett,
Dei nich thau mager is, and dei oeck nich than fett.
Dei k5hre Ogen hat, an ein Paar roe Lippen,
Dei gliecksahm alletied yon Zackerkannich druppen;
Un wat dat beste is, dei noch recht jang von Jahr'u
Mit der jA alsaa jAck nah Wunsche kunt verpar'n:
Nu darthau wAnsch ick OlAck, veel frehe, langes Lewen,
Yeel Afganck, un wat guet woll juck dei Himmel gewen.
Doch still! wat fält mick in? vorwahr 6 dat is guht
Dat ick daran noch denck: h5rt höret Janfer Brüht!
Wat kAnnen ja woll sAfs mick in dei Ogen seggen;
JA wollen juck ja Dag thau keinem Manne leggen,
JA woirn int Kloster thein, an eine NAncke sien,
Un wiel jAck dat gefall, sau woirn jA gar nich frihn.
Man m5ste von den Mann veel Kief, und SchlAg* henneemen
Wenn man nicht alletied nah 6hm sick woll beqveemen
Thau dem, sau hedde man von Krabben grote Nobt,
Dat man den geeren Wunsch: man werre gar mursch tod,
Un wat dergliecken mehr, dat kunnen jA vorwennen
Afs' ju Gewetten juck schon sülvest mant bekennen
Helft jA na toppe hobln? schafift raAffcken, schämt jAck wat,
Ho ho jA sind beschimpt! vorwahr, dat lett nich glatt.
Dei grote Uhle mag nu mehr den Junfern truen,
Dei Knckack sAlvest mag op obre Wobre buen.
Jn Mannes-Minschen hf)hrt: Wenn jA nu kortiseirt.
Wenn jA die Junfern pipt, un seute Wobre feurt.
Wenn jA sei alletied mien Kind mien Heuncken nennet,
Un wat jA dencken kAnt thau juer Lust bekennet,
Un sei segt: ö MuschA, ick will mien Leef nich frihn,
Ick wil int Kloster thein: denckt, dat et lauter brAbn.
Ja dat sei gar woll denckt: konstu ohn maus bekobmen,
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SaD konn* dien Lief nnd Seil von Lust sien inne uohmen,
Do sost dat Kloster mans ein Kloster lathen sien,
Un leiwers starwen, als' dat du sost gar nich frihn.
Will jü ein Bnspeel seihn, sau kieckt an Junfer Blaumeo,
Wenn dei von Frieen bor', kon sei kein Water glaumen,
Sei woU int Kloster thein: Nu /Indert sei den Sinn,
Un krftpt anstatt der Zeir int Br5gam Bedd' hennin.
Un saa is oeck ja Sinn jfl Jnnfem groet un kleine,
Von jfick is keine dei ein rechtes Kloster meine:
Ja wehrt mans nich sau roth? seiht mans sau sner nich nht?
J& wair'n doch leifers hAt afs' morgen oeckne Brüht.
Un ob jü glieck den Mnnd falsch in dei Pfinte theiet,
Un mein't, jfi helfet fts sau Lunten voredreiet;
Sau boret alle noch: Ja Zelte un jft Kl&efs,
Da jft sau yeel von segg't, is jues Leiffsten Huefs.
Drum mackt by tbüen') oeck dat jü mögt darin theien
Labt Nunnen Nunnen sien, wer woU sick drum bemeuen;
Swiegt mans von Kloster still, denn süfo verrab jü juck
Dat jü gern frieben willt. Ja dencket mans an mick.
Jü averst Junfer Brüht, jü jü hefft wolle daen:
Dat jü wilt nich wie süfs alleen thau Bedde gaen,
Ick lowe, dat juck nich dat Kloster mehr gefüllt,
Un dat jü na ju Dann gantz anders hefft bestelt.
Dei Himmel sü mit juck op allen juen Wegen,
Hei latbe over juck an juen Leiffsten regen
Veel Wollsien Glück un Heil, ja wat ohm mans gefalt
Dat wenne hei juck thau, twiel jü sint in der Welt.
Ju Huefs sie annefült mit Botter, Mehl un Schincken,
Ju Keller gewe her dayon jü künnet drincken;
Un dabie gew' juck Oott vergneugte Hartens-Lust,
Sau dat juck beidersiets sie nist vom Leed bewnst.
Un wat dat beste is: dat man mag balle boren:
Kriegt kriegt dei Eija her, dat Huefs well sick vermehren.
Na schluet ick minen Yersch, nehmt biemit sau vor guht,
Ick macke einen Knix, adi mien Leid is übt.
Hoehzeit Gericke / Rohns, Springe 1704.
Bei der Vermählung [11. Nov. 1704] von Johann Christopffer
Gericken und Anna Catharine Rohns, ältesten Tochter des
Predigers Johann Friedrich Rohns in der Gemeinde zum Haller-Springe.
Hannover, gedruckt bey Joh. Peter Grimmen, Buchdrucker allhie.
SO gäbet nu tho Bedde, Da man allehn nich geren
Und scblapet in de wedde, Krüpt in dat Bedde under,
Jy weret ohne Sorgen De Kalle m5cht jetzunder
Bet an den lechten Morgen De Jungfer Brut umbringen
In juen sotben Armen Nu averst kan se singen:
Einander fien er warmen. Wann andre in der H&Ue,
Et wel doch Winter wcren, Byr alltbo groten KfiUe,
1) Bei Zeiten.
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Gantz hart and stiefe freiret, Eck kan nnnmehr geneiten
£>at Leven gar verleiret, Ein recht vergneugtes Leyen,
Schlap eck all 85th und warme Dat OOtt woU allen geven,
In mienes Levsten Arme. De noch werd Junffern nennet,
Moth eck 6hm schon verehren De dfisse Lust nich kennet.
Den Jnnffern-Krantz ? Gar geren Et werd nich lange waren,
Will eck ohm alles schencken. So werd se seck ock paaren,
Wer well et my verdencken? Glieck als verleiffde Duven,
Kohmt seihet myn Gelücke, Vorm Krantz de Fruen-Huven
De wunderschönen Blicke, Erwählen, nn by Tyen
De he na my let scheiten, Na Last nn Willen fryen.
Mit düssen wenigen Regen, had de Junffer Brat
siene Gedancken eröpnen wollen, de nich unbe-
kandte Fründ ß. F. J.
Hoclzeit Bielcke / Förster 1708.
üp Dem Hochtiets Dage Des Woll-Edlen, Vest un gutstaddeirten
Heern, Hn. Johan Felix Bielcken, Vornohmen un wietberäumten
Bauck-Verkoper in Jena Un der Woll-Edlen, Wackern un Dugend-
ricken Junfern, Jf. Rosina Anna Forstern, Des Woll-Edlen, Vest un
Woll-vorn8hmen Heern, Heern Nicolaus Forstern, Wiet un siet be-
räumten Hoflf-Bauckverkoper in Hanover, andern Junfer Dochter, Wolle
tau gauer letz noch einmahl mit der Brut un Brogam, ehr Sei int
Hochdfltsche Land togen, een paar platd&tsche Wore schnacken Ein
olt dÄtsch Erfind den Sei baye woll kennt. Hanauver, Gedrückt in
der Holwienischen Drfickery.
Vor hannert dasend Sficke, wat raist dai Lüh vor Wege,
Wat annern^mt sei nich vor harr an rahe Stege:
Eck fragde dalje mahl, wat mag dei Lüh saa thain?
Sei sän: Weista dat nich^ ot is ein sunderck Stein.
Hasta nich olings mahl in einem Baacke lesen,
Dat ja sann Wanner-Stein in düsser Welt schall wesen,
Dei apne heimlcke Art dat Isen an seck thüt,
Deit glicksam rucken kan, went schon ein reek draf liet.
As eck düt nich verstand, an ock nich loven wolle,
Un dachte hen an her, wor dat doch tan gähn schölle,
Kam eck von Helmestäe up Bronschwicks Misse gähn,
Un sach nich wiet vom Marck einen Marckschrier stahn;
Dei hreng^O mit annern ock sann Ding hervor tau wiesen,
Un sä: Sechter, ihr Herrn! hier hengt am Stein dat Isen;
Herr Jeminai wat wort vorn Lärm apm Marcke wach,
Afs lütck an grote Hans dut Wannerding besach.
Olick achter my stand Caard, and Dreivs mit siner Exsen,
Dei baien meynen gwifs, dei Kerel könne hexen,
Su! su! sä Dreivs tan Caard: Wat na dei Duvel dait,
Hedd' eckt myn Dag nich emeynt, dat dat hermaag? angait.
Hierap fang eck glick an, an mien ohl Baack taa dencken,
*) Druck: bteng'.
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Dat schon vor ganer Tiet hefft leg'n nnnern Brücken.
Eck sade in meck s&lyst, t'mag wol nein Brfient syn,
Wat dei staddeirte Minsch hat schrefeu nht dem Sinn.
Averst, Heer Br5ddigani, mit k6rt' von jock tan seggen,
San mant eck jflck dat Ding een betten beter nhtl eggen,
Wat meck san unyermant np dftsse Infali bracht,
Hort meck een beten tan, nn nömt et wol in acht.
Eck heff* vor d&ssen mahl ein klein weintzig abserveiret,
Dat Lue dei san veel in Bänkern hefft staddeiret,
Uht veelen Dingen k6nt ein wacker Glycknifs nohm'n,
Un dat san nndelick in 6hre Schrifften qvem^n.
Nn woU eck endlick wol von d&sseu Stein wat finnen,
Dat schlimste aver is, ufs einer kant nich uhtsinnen,
Ginge eck alle Dag' mit Leives Saken um,
Woll eck een Carmen macken t'sol fleit'n afse dei Mnmm.
Eck woll ju wackre Brat mit solcken Treck-Stein glicken,
Un obre Eigenschopff von H5fft tau Fant hruht stricken.
Dei Inf&U w6rnder wol, t'fehlt man an Tiet un Wie!,
Drum schrieff eck man een Wort mit schwinnen Fedderkiel.
Wenn jue Brut von Stain, un ji von Isen w5reu,
Sau wör 6t keine Kunst dat Glycknifs uht tau fäuren;
Doch dencke eck dat Ding paar mahl herum tau schern,
Bet dat my dalje sölt noch ein paar Verse drut wehr'n.
Dat Isen thet den Stein: dei Brut hat juck etogen,
Dat ji sau dralle sind von Jene nah Henover flogen,
Uu heffet jfick an Sei boU even annehängt,
As dei Magneten-Stein dat harre Isen fängt.
Dei Tog den ji hefft fault, maut temelck starck syn wesen.
Eck 15ve t'is stärcker west, as eck im Bauck heff lesen,
Tschint ock dat ji sind nau von einander gähn,
As et Tiet wedder was tau wandern jnen Plan.
Wat gelt ji hedden gern düs Tiet tau Henover hieven,
As dat ji gantz alleen tau Jen hefft möcen leven;
Min segget meck doch mahl, wo m5gte j5ck tau Maue syo,
As ji dat leive Deern nehmn in den Ogen-Schien
Do ji mahl olings schollen Heern Försters Deiner weeren,
Wust ji Hanover bald dei Hacken tau tau kehren;
Nu averst as ji schalt siener leivsten Dochter-Mann wesen,
Schlenter ji ohm wol nah bet ben nah ohlen Dressden.
Dat is Natürlick recht, as dei Magneten-Stein
Dei wat nur Isen bet kan mächtig an seck thein.
Un sau wert ji nun wol au dässen Steine bnmmeln.
Et mag gaut Wedder syn, oder donnern un grummeln.
Nein Minsche wert j6ck nu ju Leve von anner schei'n.
Et sy denn dat einmahl dei knockern Eaickebeiu,
Dei 6sck tau hope mahl werd von ei nanner stoten,
Dat wie nolns volns mot Ehten un Drincken vergüten.
Dei Heer dei jock nu sau hfibsch an eiuanner fängt,
Labt jÖck byn anner lev'n, bet jäck all bay gemengt.
He lat ju Hufs un Hoff an ricken Segen gräunen,
Dat Glack[e] maut jock sülvst mit siner Gunst bedainen.
Eck segge noch einmahl. Glück tau dem nien Stand:
Eck sä j5ck boUe vermehrt in juen Thäruger Land.
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Hochzeit Oppermann / Schirmer 1709.
Dat seute Frien, Dat up Blandineken Dag im dusend seven
hundert und negenden Jahr Dei Heer Amman Jürgen Christian
Opperman mit de Junfer Marike Louisken Schirmers anfenck,
un God gefe lange Jahr nich to ende bringen mag, Ein betgen lev-
haiftig beschreven von einem guen Friind dei mit siener Greitgen
Dat Frien Ardig Hat Probeiret.
Blandinken leiflig Dag klahr np, an were helle,
Beut an ein Leifes-Fübr dem Herren Br5ddigam,
Dat hei mag as ein Mann vertreen sine Stelle,
Wenn sine schmucke Brnth h^lt stille as ein Lamm.
Dei Leifes-Schmeicheley, davon du werst genenuet,
Nehm alle Glieder in der angenehmen Brnth:
Dei Ogen, Mund un Brust, un wat hei noch nich kennet;
Eck mein den schlanken Lief mit 5rer witten Huth.
Herr JÄrgen leg nun af dei rechte Ridder-Proven,
Dat hei in Venus-Krieg bestahe as ein Held;
Damit in Wahrheit 5hm dei Bruth kau tapper loven,
Dat hei in dem Gefecht beholen hat dat Feld.
Doch denk dei Bidder hier, dat hei et nich so maket,
Dat alle Lue et an sienen Ogen seit.
Hei schlap ein betgen uth. Denn wenn hei ümmer waket,
Sau steckt hei un [lies an] ein F^hr, dat ohm und ohr tau heit.
Wenn man en schönen Guhl let immer galopperen,
Sau wert de Bfiter stump, dat Perd werd ock tau matt;
Und wenn den Vorrath man up einmahl wil vertheren,
Sau klopt man altau freu offt an ein leddlg Fatt.
Doch weit Herr Christian de Mate schon tau finnen,
Hei werd nah Törcken Art et maken nich to grof.
En ider lovet öhn, dat hei brukt siene Sinnen.
Soll denn sien Wiefken pich 5m geven ock dat Lov?
Dat Lov, dat hei sei kau mit Maten hart! ich schnutgen,
Nich drficken alto offt ör honnig seute Brust.
Up dat nich schlubre af dat plumen weike Hütgen,
Un hei noch lange Jahr versenke d&sse Lust.
Lonisken werd 5m twar tom speien nich andrieveu,
Doch nah den Nahmen dauhn, den sey von speien föhrt.
Et wol ja eischen stahn, dat sei wol mit 5hm kieven.
Wenn hei et matig deit, sau as et sick gebohrt.
Sonst werd dei Lust taur Last, dat seute werd denn bitter.
Wenn man den Magen brav bot an den Halfs uppropt.
Wenn kAmmt ein Regenfluth mit offterm Ungewitter,
Erstickt dat sch5ne Eohm, dat sonsten gut nplopt.
Sau kau Louisken wol Maria endlich weren,
Dei 5ren Nahmen hat von Gall und Bitterkeit.
Doch wer wol einem Lamm dei Wull upeius afscheren?
Backofens nAttet nich, dei man maeckt alto heit.
Drum denckt dei Opperman, dat hei wil mati^- Kien,
Hei weit, Louisken hat den Nahmen ock Marie.
Dat speien kan öhm nich, dat lüen nich gerüen.
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Wenn hei man höret np, wenn sei r5pt öffters I.
Sei werd mit ohren Schinn öhm nimmermehr verlaten,
Un wen et Öbm ankfimnit, as et den Baren deir,
Sau werd sei bie 6hm sien, an frfindlich 6hm ümfaten.
Doch dat dei Ader let, is kein plamphafftig Fieit.
Saa 18 dei Schirm nich schlimm. Doch Goddes Schirm is better;
Dei is dem Bröddigam and ock der Brath sehr gath.
Wenn Ehstand Wehstand wert, and kfimmt ein Ungl&cks-wetter,
San nömm Gott beyde fest in siene Almachts-Hath,
Intwischen ob ick glieck veel rieper an den Jahren,
As Broddigam an Brath, wil ick doch wahren np.
Ick wil mit minem Wansch ap orer Hochthit fahren,
Un mine Greitge schal oock dautzen ein Hop Hup.
Dei Breitge dei twar hat dem Amman appewahret,
Un siene Meyersche drey gantze Jahre west.
Doch dat sei hedde seck mit ohm in Bedde paaret,
Dat kon and schol nich sien, hei socht Lonisken Nest.
Spel-lue blafst denn ap, sey schal dei Arje singen,
Dei twar den Tackt nich holt, an etwas fahle gelt,
Dewiel der Hey ersehen nah seaten leifes Bingen
Dei Discantisten Stimm in korter Tiet verleit.
Arie.
Leif lange taasammen
Getraetes Paar!
God late dei Flammen,
Dei koppelt dät Jahr,
As an dem Water de hüpigeu Wieheu,
Ümmer in Wolsien, in Seegen gediehen.
Hochzeit Napp / Bosenmeyer, Waldorf 1709.
üp Herr Napps un Junffer Rausenmeyers Hochtiet in Wol-
torp. Im Jahr 1709 den 10. Julii.
De Baase deint taar Last, de Napp versorgt dat Lyf,
Dat lüstet Ohlt an Jung, dat haget Mann un Wyf;
De Napp mot Dag vor Dag bekleen ase Dische,
De Baase ruckt darby tau Tyen ock all frische.
De Bausenmaierin nahm Hasselhoffe treckt.
Dar ward sey finnen dat, wat häbsch an fiene schmeckt.
Dat ward Se maken schön tau rechte obrem Leife,
Trotz! wat de beste Kock upgifft uth sienem Schleife,
Se ward Oehm in den Napp braf gefen, by dem Mahl,
Bagu an Fricassee, Warmbeir an Kohleschahl,
Sallaat un Witten Kohl, ohk Gause-Brahn un Fische,
De beter plegt tau glien, afs' Hau un Fledderwische.
Bies Zucker an Cannehl ward Se dar ohck dann an ;
Ja wiel Se sfilvest ohck de Baasen maien kau,
Sau glitt Se woU taur Tyd darunner B a a s e n -Water,
Dat behter schmücket, afs' ein Stück vam doen Kater.
De Baasen, de Se ap den Band der Schötteln legt.
Sind Leif an Friindligkeit, uprichtig, schlecht an recht,
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Damit ward Se Oehn mehr un kräftiger erquicken,
Afs de Gesundheits-Born de Krüppels up den Krücken.
Wy wünschet Oehnen denn veel Segens in den Napp,
Veel Bansen in den Gahrn, veel sentes in dat Schapp,
Un dat, wan overt Jahr wy wedder Baasen plücket,
De Baasenmai er in ein Ifttteck Näppken licket.
Hochzeit Weige / Rensche, Langeisheim 1710.
Des Wohl-Ehrwürdigen, Grofsachtbaren und Wollgelahrten Herrn
Herrn Friderici Weigen, Der Kirchen zu grossen und kleinen Elbe
Wohlverordneten Pastoris Verehrlichen, Mit Der Viel- Ehr- und
Tugendreichen Jungfer, Jungfer Dorotheen Margarethen, Des
Wohl- Ehren-Vesten und Vorachtbaren Herrn Herrn Georgii An-
dreae Reuschen, Wollfihmehmen Kauff- und Handelsmanns in
Langeisheim Eheleiblichen Jungfer Tochter, Welches den 2. Decembr.
1710 zu grossen Elbe gebührlich angestellet und vollzogen ward,
Wünschen durch folgende Zeilen alle Glückseligkeit Nachgesetzte
Freunde. Gedruckt im Jahr Christi 1710. (Nach einem hochdeutschen
GedichU folgt:)
Do afs de lefe Gott Vader Adam hadde schapen,
Un seck kein Deirtjen fand, dat by öhm k5une schlapen,
Sprach Gott, et ifs nich guht, dat he aileene blifft,
Hier maut een Wieffken sien, dafs ohm de Tiet verdriffb.
Hiemp schleep Adam in as §hn de Nipp bedropen,
Un was nht siener Siet en Füer-niet Wieffken kropen,
Do lache ohm de Bart, he ticke de nien Bruet
Un dachte by seck sfilfifst, sann Dinck ifs rechte-gnht,
Vorhen wast Wetery: He was en rechten Stfimper,
He was em Fischer glieck mit arrestertem Plumper
Afs awrst de Menmke kahm, do ward he h&bsch un fien,
Drum see de lefe Gott, sülfander ifs gut sien!
Guth sindt se noch jtznnd! Wenn k&mt de Brut tanr Stidde
Bringt se 6hr Tocheltüg nn (Ure Kisten midde,
De woll begafet ifs, betahlt Papier un Black,
Un manche Kanne Beer dehm hier un dort affstack,
Up 6hren Penni-Bflhl! Guth sind se ock im tftchten,
Knhm kan üsk negenmahl de Mahnd herümmer lachten
San ifs de Wege wach, sau istr en Petermanu,
De baiden ohr Bedrief mit Last erinnern kan;
Guth siod se even ock by Dage un by Nachte,
Des Nachtfs im Beddestroh, des Dages holt se Wachte,
Dat jo nein Schade schAt, se seht np Disch un Banck
Und loopt den Wachteln glick den Dag im Huefs eullanck.
Guth sind se by dem Disch, se kockt dem Mann de Giütte,
Se predigt ohm int Ließ, sau veel afs immer nütte,
Verschnacket ohm de Tiet, se segg't van hier un dar,
Bifswilen is et sau, bifswilen ock nich wahr,
Wan dan de Avend kümt, sau gabt se mit tan Bedde,
Sau sind se ock nich schlimm, se schlapt mit in de Wedde,
Se wärmet ßhren Mann, se frag't ohn wo et stait?
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ün wo et hier an dar, in sinen Sacken gait?
Tan lest sau sind se guth, wen d* Uie tengt tau singen,
Un mit klywit, klywit mnsiken tengt tan bringen,
Sau koockt se en lesten Bry, se dr&ckt de Ogen tau,
Un bringt den leifen Mann in sine lange Rau
Is dan vam Fruen-Volck sau sehr yeel guths tau hopen,
Sau hefft jiet woll emackt, so heif jiet woU edropen
Herr Brogam, dat ji hilet taum Ehestanne griept,
Und sau en wacker Kind up sine Schnütjen piept.
Ji wert et numehr ock im Warcke sülrst erfahren
Wat vor en Fr5lichait en Deern van achttain Jahren
Mit in dat Bedde bringt, wat wilt jfick sachte dann,
As wan uht Nierenhait ji plAcken ain jung Haun.
Nu veel OelAcks dartau! Gott helpe juck tau hope,
Ju Broot dat dye im Schapp', de Braihan in demStope,
Be geef jftck Ayr un Fett, un alle Büdels ful,
Verdriv* den Dulrian, den Hader, Toorn un Grul.
He friste juck sau lang, bet jick nicht pudern dröfet,
Bet ji fin lise gabt, un nemms de Kdken d&fet.
Herr Brogam wanjert hen, de Bruet de is beret,
Un sehet, wat se guths in öhrer Kisten hett.
J. H. S.
Hochzeit Stahl /Miras, Peine 1711.
Der Wohlgerahtene Kauff, Welchen getroffen Der Wohl -Ehr-
würdige und Wohlgelahrte Herr Herr Gasparus Julius Stahl,
Wohl verordneter Prediger zu Hohenhameln, Mit Der Hoch-Edlen,
Ehr- und Tugendsahmen Jungfer, Jungfer Catharina Maria, Des
Wohl-Ehrwfirdigen und Wohlgelahrten Herrn, Herrn Johannis Caspari
Miri, Ministerii Peinensis Subsenioris Jungfer Tochter, Worüber zwene
Kauff- Leute am 27sten Octobr. 1711 folgenderweise discurirten.
Gedruckt in obgemeldtem Jahr.
Hr. Slyek so nach Hohenhameln reiset, trifft unter Wegens einen Hammel-
Treiber an, welchen Er so anredet:
Hr. Slyek. Glftck zu mein guter Freund! Wo kommt ihr her marschiret?
Kommt ihr yon jenem Ort? da man die Saiten rühret?
Hi^meltr eiber. Ja! ja! da komm eck her, un reise sau herum,
Ick kope Hämel up, wat frage jy darum?
In Hohenhameln dort sind sei all weggegreppen.
Da sind sei numehr rahr, noch rarer als dei Schneppen!
Hr. Slyek. Das war ja wunderlich! Ist denn aus Braband schon.
Der sie zu kauffen pflegt, des reichen Kauffmanns Sohn,
Daselbsten auch gewesen? Der handelt gern die Besten,
Und reiset weit herum nach Norden, Süd und Westen.
Hlimeltreiber. Dat wohl ifs hei da west, dei rieke Hämmel-Hans,
Dei k5ft ja alles weg, heb' Schwantz od'r keinen Schwant^.
Hei hett ein Schaap da kofft, da eck dat Muhl nah spitze,
Dat her eck geren hat; des Nachts schlöp't in der Mütze,
Da bet hei, 15fft jy man, en guen Kohp andahn,
Defswegen wol hei ock, nich eir von dannen gähn.
77
Hr. Slyek. Was ist das vor ein Schaaf? Wie ist es anzaschauen?
Das mufs was rares seynl Ey sag mirs in Vertrauen.
Hämelt reiber. Hai ha! eck höre wol, dei Lecker s611 jeck ock
Yelicht wol dahen stahn, nah dem Haputgen Lock.
Alleen bement jeck nich, de Kohp is alle Schloten,
Dat Ißift jy sicherlich, et het meck ock verdroten,
Eck arme Lnmpenhund, hert wol sau geren hat,
Eck kopschlang ock darnah, war doch sau vel als dat!
Hr. Slyek. Ey! sage was dn meinst, ich kans noch nicht errahten,
Man kan es doch nicht riech'n? Das Schaaf ist nicht gebraten?
Du roust damit heraufs, eh reis^ ich nicht von dir,
Darum thu auff dein Maul, und sag den Handel mir.
Hu mel treib er. Nu hört, sau bort den tau: Dat Schaap dat is en Deeren,
Dat ifs Ton guer Tucht, un werd noch Künste lehren,
Et het en arig Schnütg'n^ un ock en gut Gesicht,
Dey Huet ifs wit, wit, wit, dat harte leive Wicht.
Et is en nfltlich Bild, dat kan kein Mahler macken,
Ock nich en Schostenfeg'r, kratz hei ock noch sau faken,
Dat Schaap dat schmeckt sau seut, noch seuter als en Not,
Ja wat? et Overdrept den seutsten Honnig-Pot!
Hr. Slyek. Nunmehr verstehe ich denn, und habe sat erfahren.
Es sey ein solches Schaaff von sechzehn, sib'nzehn Jahren!
Hfl mel treib er. Ja, Ja, sau is et ock, et het en brafe Bost,
TJn mag thaumahlen gern Speck, Schlucken, Eyr un Wost.
Dat Schaap dat het Herr Stahl thau siner Frue nohmen,
Un wenn hei daby schlopt, sau werd hei nich verklomen,
Un soll seck dat en Deiff tau stehlen unerstahn,
Dei k&mt ind' Hunnelock, un werd nich fry utgahn.
Hut wil dei Hochtiet syn, un daut seck wat tau gue.
Hei piept sey, wenn hei will, den sachte, den mahl lue.
Gott lat sey man gesund, un leefen mannich Jahr,
Bet sey Grot-Oeller-Meum, un hei Grot-Oller-Vahr.
Hey! hüte wilt klingen dei gläserne Humpen!
Hoh'nhameln ifs lustig und let seck nich lumpen,
Et wischet dei Schnuten un supet dei Gäste,
Herr Stahlens Gesundheit, denn dei is de Beste.
Georgs I. üebersiedlang nach England. 1714.
Aller- unnerdanigste Glfick-Wunsch, an Usen allergnädigsten
Leifen Herrn Konje, Asse Hei uht Sienen Leifen Hannover un van
Sienen Dfltschen tr&en Unnerdabnen in Sien grote Riek Engeland ver-
reisen wolle, upgesettet van Joust Gorries am Deisler. Drückt im
September-Mant, 1714.
Wat Gott heschloten h&tt daer plegt ot hie tau hliefen,
ün kan dei Welt öt nich mit List noch Macht verdriefen,
Denn Gott regeert alleeu, Gott is alleen dei Mann,
Dei dfisse ganze Welt im Stann' erholen kan.
78
Wenn dei en Printzen will np siener leifen Eren
Tan einem gr/^tern Herrn hier noch will laten weren,
Sau mant ot ganz gewifa nah sienen Willen gähn,
Un kan in düsser Weit nichts gegen öhn bestahn.
Hätt nse Kahrfürst nich in Sienen Lefens- Jahren,
Dat Gott alsan (jt holt, genang an Sek erfahren?
Öt is jo Overall der Christenhait bekand,
Dat Hei van Tied tau Tied vermehret hatt Sien Land
Un Siene BÄdels ohk. Wie heflft Gott noch tau lafen,
Dat hei Öhn wieer hStt recht wannerlick erhafen,
Tan s51kem Konje-Riek, dat in der ganzen Welt,
En ider dei öt kent, vort allerbeste holt.
Hei is van Eönjes-Blant nht Engeland gebahren,
Darfim is Hei nu ohk taum K5uje dort erkahren,
Dat arvet Hei vordan np Kind un Einnes-Kind,
Sau lange dei van Öhm im Lefen ofer sind.
Dat is Hei ohne dem ohk wehrt vor annern allen.
Den aller Welt hätt jo Sien Regiment gefallen,
In Sienen Karkens maut dei Lehre rain bestahn.
In Sienen Lännern maut dat Recht im Schwange gähn.
Wie heflft, nechst Gott, dörch Öhn im Frede können bliefen,
Dei Fiende könt ösch nich van Hnefs un Hafe driefen,
Dei Fruens kaket ösch den Kohl tau rechter Tied,
Un bringet gern dat Fleisch taum Kohle ahn Verwiet.
Des Hinsehen Loif duert doch veel länger afs sien Lefen,
Nu maut dem leifen Herrn dei Welt dat Tügnifs gefen,
Dat Hei Sien Lief un Blaut gern waget vor Sien Land,
Van leifer langer Tied is diit genaug bekand
Man seih' in Boikern nah, wat hei in siener Jögend
Vor Praufen afgelegt van Dapperkeit un Dögend,
Vor Trier un vor Wien, dei Kaiser Leopold
Dei was deshalfen öhm vor vehlen annern hold.
Wie heffet unner öhm nich nöhdig hatt tau klagen
Van groter Af erlast, van Exequerers Plagen,
Denckt, wenn een Buer behölt sien Veih, sien Huefs un Gaut,
Sau hett hei allemahl noch einen frischen Maut.
Sau spieset man noch woU den Sondag wat vam Schincken,
Un mögt des Afends geern darup en Pegel drincken,
Hei Juchai, wünsche wie, dat an den Jüngsten Dag
Dei leife Kuhrfürst doch in Snndheic lefen mag.
Oet hett seck noch taur Tied in allen woU gefeuget,
Dei Kuhrfürst ifs mit ösch, un wie mit öhm, vergneuget,
Nu werd öt overluet, van Hnefs hie Huefs bekand,
Dat hei ohk Könje wetd im Rieke Engeland.
Dat is woll rechte gaut, wie günt öt öhm van Harten,
Doch maket öt vorerst in usen- Härtens Schmarten,
79
Dat hei nn alle Tied bie 6sch nich bliefen kau,
Darfim bedreufet seck im Lanne jedermann,
Denn wie hoert overall, bie Jungen un bie Ohlen,
Sei alle w611en öhm im Lanne gern beholen.
Denn wenn een Lannes-Herr in sienem Lanne is,
San gaiht 6t daer woll tan, dat glöfet man gewiss.
Nu afer were wie woll Tranen gnaug vergelten,
Un sei wilt mengem noch van sienen Backens fleiten,
Ja gefet acht, dat werd im gantzen Lanne schein.
Wenn sei, Herr Könje, erst werd juen Aftog seihn.
Doch afer hape wie, wenn jie werd von osch raisen,
Sau hole jie osch nich vor Vaderlose Waisen,
Wie bliefet wat wie sind im Glfikke un in Noth,
Dei Gott afwennen werd, getrue bet an den Doot.
Wie alltauhope wilt bie Nachte un bie Dage
Gott bidden, dat hei jöck bewahren mag vor Plage,
Un waihet overt Meer in Engeland en Wind,
So dencket dat darbie ohk use Süfzers sind.
Wenn ohk eenst Fiende wilt jok dat Vergneugen stören,
Dat gegen sei darum jie mötet Kriege föhren,
Oet sie ohk woer öt will, so heffe wie den Maut,
Vor jok in aller Welt tau wagen Gaut un Blaut.
Jie wetet woll, jie hefft im Lanne S(Mke Eumpen,
Dei, wenn 5t n^hdig daiht, sek gar nich latet lumpen,
Sei m^get alle gern frisch vor dem Fiende stahn,
Un ohnen nich en Schritt uht obren Wege gähn.
Wie hapet overall, Gott werd in Gnaden gefön,
Dat jie noch mennig Jahr mögt im Vergneugen lefen,
Jie bruket jährlik doch den Brunnen tau Pyrmunt,
Dat dout noch alle Jahr, sau bliefe jie gesund.
Jie könnt jok denn darup erlustigen mit Jagen,
Dei leife Kron-Prinz ohk, öt werd jok bayden hagen,
Dat gantze Land werd jök bie Dage un bie Nacht
Upwaren, asse sek gebührt, mit aller Macht.
Wie wilt jök denn sau veel van Appeln un van Beeren
Henbringen, dat jie sei nich alle könt verteren.
Und wenn süfs noch wat mehr ösch im Vermögen is,
San schall jök bayden öt tan Dienste sien gewis.
Herr Könje wie wilt düt van juer Gnade hopen,
Und wilt mit Fraiden jök entgegen alle lopen,
Dat Vivat were jie woll hören dann sau wiet
Wie raupen könt, wenn jie up usen Grenzen sied.
Nu Gott bewahre Jök mit Kind un Kinnes-Kinnern,
Un störe wat Jök will in juen Warken hinnern,
Hei hole Jök altied vergnenget un gesund;
Düt wünscht dat ganze Land uht Härtens- Grunn un Mund. Amen.
80
Pastor Marburgs Amtsjabiläum, Wendebnrg 1718.
Die Freudö un Danck der Wennjeborgischen un der anneren
Gemeinen.^)
Herr Marborg dei hat üsch tansamen inneladen
Up eine Koste van Gokoockten nn Gebraden,
Darby denn ock noch schall ein gut Dranck Beier sieni
Dat wie schult eten satt, an schult ock drincken fien.
Wat schüll wie denn nu dann? schuU wie ()hm dat verseggen?
Och ne, dat mocht hei ^sch wol gans nich gat uhtleggen.
Wie sind ock ja sau nich, wat wie darmidde kAnt
Man tan Gefallen dann, daa wie gern einem Fründ.
Wat schall dat averst doch wol heten an bedüen,
Dat up der Parre ifs saun groot üploepp van Lfien?
Man si\ht dar in dat Huefs sau manchen Schwart-Rock gähn,
Un sf^ht ock etlicke mit fariften Kleern stahn:
Dar ifs ock Wiever-Volck, dat hat sick wacker patzet,
Un ifs sau schmuck un glatt, gewifs, dat et man stutzet.
Et lett, afs wenn sei helft dei besten F&hme an,
Dei sei anteiet, wenn sei wilt nähr Hochtiet gähn.
Drum koem wie Buerslü ock nich afs Suddelkocke,
Wie heffet annetogn dei besten Sondags-R^cke,
Dei Parre wart nu sau mit LAen anuefüllt,
Dat man ball nich afsüht wo sei all sitten schallt.
Dog düt ifs nich umsfifs, afs man all hett erfahren,
Herr Marborg dei nu schon mehr afs vor fSfftig Jahren
By üsch tau Wennjeborg hat use Heere sien,
Un ifs ock noch Pastor, sau lang et Gott wel lien,
Dei hat düt Lag bestellt, wiel hei by sienen Oller,
Dat süfs gemeinlick ifs ein recht beschwerlick Moller,
Alleen un ohne* H&lp sien Amt verwaltet hat,
Un ifs dog noch keinmahl der Arfeit worren satt.
Darinne hat hei nu usch meistens alltausamen
Gedoift, un usch dabie enennt mit usen Nahmen,
Dat der Gedofften sick elffhnndert föfftig find.
Hergegen deren, dei van 6hm begraven sind.
Der schüllt tausamen sien seffn hundert achtig fieve.
Ifs dat 6hm nich ewest ein Last up sienen Lieve?
Denn sind veirhundert noch un seffn un fofftig Paar,
Dei hat hei Eobbeleirt im Amt dei föfftig Jahr.
Hei freuet sick nu wol, dat sau veel Jahr verflooten,
Wie noch veelmehr, dat wie hefft siener wol genohten,
Hei hat üsch wol elehrt, un trülick up den Weg
Nabu Himmel tau efeurt, un van den Laster -Steg
Usch nangsam affemahnt. Hei hat mit sienem Leven
Usch redlick voregahu, kein b6fs Exempel geven.
Wenn man 6hm halen leit, et was bie Nacht un Dag,
Was hei parat, keinmand et anders seggen mag.
^) Die Mitglieder der Gemeinden Wendeburg, Twedorff, Wendezcll und
Völckerode beglückwünschen ihren Pastor, Sebastian Marburg, zum 50jft,hrigen
Amtsjubiläum am 5. Juli 1718. Gedruckt in Braunschweig.
81
Süss hat bei ock in Noth un Doet fisch nich yerlaten,
Wenn wie nich fannen Bath im Dorp np allen Straten,
ün gingen denn man ball nah usen Bicht-Vaer hen,
Sau wflsten wie gewifa, dat et nich failen k5nn.
Wie kfinnt dat 6hme ock mit Wahrheit wol nah seggen,
Dat hei sick nich woll np dei fnle Siee leggen,
Wenn man öbm säe vor: Hei w5re ein oelt Mann,
Hei könne rauen sick, sau stund obm dat nich an.
Ja keinman könne öhn man einmabl dartau kriegen,
Dat hei, ohn h5ch8te Noth, ein andern leit upstiegen,
Hei säe: de lope hen, wat schall dat n5dig sien?
Jck kan et sfilfifst noch wol, ne ne, dat Amt ifs mien.
Nu wie künt siene Trü un Arfeit nich vergellen,
Doch will wie et ock nich in dat Vergetten stellen,
Wie wettet ja darum am besten wol Bescheid,
Sau m5te wie davon ock seggen lanck un breit.
Wie Wennjebörger segt: ji hefft ftsch biegewohnet,
Herr Marborg, föfftig Jahr, wat wie nich hefft bilohnet,
Dat mag un will ock wol dei leive Heere Gott
Belohnen riecklig juck, wenn ji schon sind all doet.
Wie Wennjezeller segt: wiel ji üsch woll elehret,
Herr Marborg, wünsche wie, dat ji nah düssen boret:
Kumm her, du frohme Knecht, du bist getrfl ewest,
Gah in des Heeren Freud, dat ifs ja wol dat best.
ün wie van Zweydorp segt: wie sind wol underwieset,
Herr Marborg, juen Fliet dei Kindeskinder prieset.
Gott sie ju Lohn darvor, wie wettet jftck et Danck,
Wie wilt et reumen ock all use Levenlanck.
Wie V(>lckenroer hefft mehr Ohrsack noch tau sprecken,
Denn jent ifs gegen fisch ball nig einmahl tau reken.
Wat hat dei lange Jahr doch nig dei gue Mann,
Nah usen Dorpe her veel sure Wege dahn!
Im Winter hadde 5hn dei Kfille offt dorchtogen,
Dei Schnie un Begen brav um sienen Koppe flogen:
Wat hei tor Sommer-Tied manchmahl vor Schweet vergoet,
Wenn hei her tau fisch kam, dat weit dei leive Gott.
Dei will denn sienen Schweet, Fliet, Arfeit un dei Trfie
Dei hei an fisch bewiefst, davor wie guen Lfie
Oehm nich satt dancken kfint, belohnen ganfs gewifs
Afs et 6hm nfitte hier, un dorten selig ifs.
Hat hei 6hn sädigt hier mit einem langen Leven,
Sau will hei 6hm darnah den Himmel dort wol geven.
Dat wfinschen wie, dat wfinscht dei gantze Meine noch,
Wie biddet all tauhoep: 0 Gott erhör fisch dog!
Pastor Harburgs Amtsjnbilänm, Wendebarg 1718.
Afs Us' HeiT Marborg fisch ein Gastebott egefen, Nadem
Oehn use Gott sau lange laten lefen, Dat He nu fofftig Jahr Sien
Amt verrichtet hat, Recht, Afs' ein braf Pastor, Nich kranck, Un ohck
nich matt: Do hat ein Buersmann hier dufse Versehe maket, Dei
Nisderdeatiches Jahrbuch XXXV. Q
82
hier in Wenneborg Spinn't, Doschet, Pleuget, Bracket. Et is de
Mann, De recht von Harten grunne schrift, Un uses Herr Pastors
Sien trfle Parr-Kind Blift. Im Jahr 1718.
H5rt Lue, hSret taa, ick heff juck wat tan seggen,
Dat is vort erste wahr, et sind gar neine L&ggen:
Tau dehme kamt et ohk nich alle Dage vor,
Drnm gefet encke acht, un sparret up ju Ohr.
Et is hier ein Pastor, den weer ji alle kennen,
Drum et nich nodig is, wietloftig Oehn tau nennen:
Doch scholl hier ja wer sien, de sau gar frommet lett,
Sau segge ick et 6hm, dat he Herr Marborg hett.
Dem Manne is van Gott ein temelck Oller gefen,
Dat segg ick, un wer weit, wur lang he noch kan lefen?
Al'l over achtig Jahr hat he darmidde west,
ün is noch temelck starck, un up den Beinen fest,
Des Ollers Scbwackheit hat he noch nich erfahren,
He is ball noch sau kasch, afs ein van veertig Jahren:
Wan he in Wenneborg hier up der Straten galt,
Sau scholl ji Wunner sein, wur öhm dat frisch anstait.
Wan glieck dat Steg is krum, kan he doch drover schlicken,
Dat mauger, de noch jung, erst mott all woll bekieken,
Un ohck übt Furchten woll biem Stokke drover galt,
Dat he, eir he et sAht, nich plump int Water schlait.
Ja he kan ohck taur Noht noch overn Grafen springen,
Dat jungen Eerels wel nich allemahl gelingen:
He kan tau Peere braaf noch komen up, un af,
He kan frisch over Feld fortsetten sienen Staf.
Düt is Verwunnerns wehrt: doch mott ick mehr verteilen,
Dat wunnerlickste is, wat ick juck nu wil mellen:
He hat all foftig Jahr up user Eanfsel stahn,
Dat latet truhn einmahl juck recht tau Harten gähn!
Sau lange leife Tiet hat he all motten leefen,
Nadem he düfsem D5rp ia taum Pastor egefen.
Ick löfe, dat et ohck all over foftig is,
Sau, afse mick et dänckt, doch weit ickt nich gewifs.
Denn afs^ Hr. Marborg kam, dat kan ick kuhme dencken,
Ick satt in user Schaul noch up den Fiebel-Bäncken,
ün itzund bin ick all van sestigen nich wiet,
Dat is all lange hehr, et is 'ne lange Tiet.
Scholl dat nu Wenneborg nich afs^ ein Glöck erkennen,
Dat üt en solcken Mann hier Herr Pastor kan nennen?
He bringt sien Preddig-Amt up sau veel Jahr hennan.
De unner hunnerten kuhm ein aflefen kan.
Ja, ja, wie wünscht ohm Guts, wat wy man kilnt ersinnen,
Gott gef öhm wier Kraft van butten un van binnen:
Un wan he endlich matt angefen mot sien Warck,
Sau make Gott Oehn dort in sienen Hütten starck.
Reise Oeorgs I. nach Hannover. 1719.
Der ehrliken Hannoverschen Buren allerunnerdanigste Fraide,
asse dei leife grohte Gott usen allergnädigsten Herrn Könje uht
83
sienem groten Rieke Engeland in sien dutsche trüe Kubr-Fürstendaum
im Brakmande 1719 glüklik ohk gesund wedder kohmen leit, be-
schrefen van Jaust Görries am Deisler.
Nu süht man dat Jie §Bch Herr E5nje nich k5nt haten,
Wie k5net ohk van J6k bet in den Dod nich laten,
Un leift en Brc^gam gliek dei Braet van Harten sehr,
San leife wie J5k doch Herr Eonje noch veel mehr.
Denn wat man an Jök ifs, dat döuket ösch sau sente,
Dat wie Jök overall gern piepeden dei Fente
ün leifer afs dem Pafst, efft hei gliek Ablafs giift
Un doch tan wielen ohk wol toernig werd nn kifft.
Wie biddet Oott, dat hei in Gnaden wolle gefen,
Dat Jie Herr K5nje mögt noch veel veel Jahre lefen
In Sandhait an in Glük, denn alle wie Jie daut,
Dat haget allen wol nn gaiht ohk alltied ganht.
Dei Jök gekennet hefft in jnen Kinner-Jahren,
Dei segten wat dei Welt bether an Jök erfahren,
Dat Gnad' alltied bie Jök un Bedligkait will sien,
Solk Lof au Könnijens an Fürstens klinget iien.
Verstand an Bedligkait, dat segg' ek angelogen,
Dei schienet düssen Dag Jök noch nht jaen Ogen,
Drum werd ohk jue Kiek un Land im Flore stahn,
Sau lange Jie dat Recht im Schwange latet gähn.
Noch ningenst äffe wie dei Fraiden-Post verneimen,
Dat Jie übt Engeland hen nah Hannouver keimen,
Do was dei Fraid^ un Lust sau groht bie iedermann,
Dat miene Tunge sei nich gnaugsam reumen kan.
Dat Vivat hörde mau uht allen Hüsern klingen,
Man sag do Oblt un Juuk vor groten Fraiden springen,
Dei Ollern segten dar: Och Einner höret doch,
Gott sie Loff, Priefs un Dank, dei Eönje lefet noch.
Dei Maikens stünnen ap van öhren Spinne-Wokken,
Un fingen an tau sek dei Eerels hen tau lokken,
Sei grepen overall en anner bie der Hand
Un sprangen, dat taum deel sei stöfen an dei Wand.
Drup fingk en ider an nahm Danze siene Graitjen
Up jue Sundhait fluks tau piepen un tau haitjen,
Taum deele fingen sei tau Winkel drup tau gähn,
Ek weit nich wat sei mehr up jue Sundhait dahn.
Jie könt uht allem dem Herr Eönje gnaug befinnen,
Dat necbst dem leifen Gott noch aller Lue Sinnen
Im Laune dörch un dörch, et sie Mann, Wief un Eiud,
Dei Maged samt dem Enecht, up Jök gerichtet sind.
Ja öt kan weder ek noch annere beschriefen.
Mit wat vor Lust man nu dei Tied plegt tau verdriefen,
Wenn einer nu van Jök man segt en einig Wort,
Sau segt dei anre drap dat Vivat gliek sau fort.
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Up jue Sundbait will dat Volk in allen Saken,
Ot sie ohk wo ot will alleen den Anfank maken,
Un segt 6t gliek vorher nich allemahl dei Mann,
Erinnert 6hne doch dei Fme gliek daran.
Dat Jie Ssch na nich m> mit Overlast beschweren,
Will wie Herr Könje J6k ohk Lefenslang san ehren
Un dann mit allen Fliet wat minsch an möglik ifs
Nah aser Scbnldigbait, dat glofet man gewifs.
Jie ehret Gott an makt mit dem in allen Dingen
Den Anfangk, darfim let hei wat Jie dant gelingen,
Nein Fiend kan in der Welt wor gegen J5k best ahn,
Wat Alberoni denkt dat mant den Ereftgangk gähn.
Hei bmmde Anfangs sehr nn ärger as en Kater,
Hei dranede mit Krieg tan Lanne an taa Water,
Bet jae Flotte kam, do stand dat Spansche Blaat,
Afs Hasens int gemein bie 6hrer Trammel daat.
Dei Ammiral van Bings dei brochte Forcht an Schrekken
Int Middelländsche Meer, hei schlang an allen Ekken
Wat Spanisch heten woll, sei fochten as en Mnefs
ün van den Spanjern kam fast nich en Schip taa Hnefs.
Drap brochte Alberon taa hop^ en andre Flotte,
Doch Word sei efen saa tan Schimpe an tan Spotte,
Denn afs dei Spansche word der Englischen gewahr,
Do word dei Spansche gliek van Stnnn' an nusichtbar.
Noch leiten etlike yan Spanjern sek gelösten,
Dat sei sek wageden noch over Schottlans Kfisten,
Doch hatt sei Wigtmann san afs sek gebohrt belohnt,
Sien Schwerd hatt nich, wat sek nich flak& ergaff, verschont.
Na draaet Alberon noch mit dem Fege-Fuer,
Drin schall dat Lachen Bings an Wichtmann weren dfier.
Doch drinkt sei baide noch en rechte gant Olafs Wien
Un hoept dat Fege-Füer schall ahtgel<^schet sien.
Dat Jie Herr KSnje sind np jaen Thron erhofen,
Dat mohtet overall dei Fiende süifest lofen.
Denn dat Jie woll regeert jae K^DJe-Riek an Land,
Dat maket jaen Baam in aller Welt bekand.
Printz Fredrik folget J6k an let sek annerwiesen,
Dat man den leifen Printz kan nümmer gnangsahm priesen,
Dei ohn man seiht an h5rt bekennet alle frie,
Dat Sienes glieken wol nicht licht taa finnen sie.
Dat hilge Biebel-Bank h^lt hei vort allerbeste,
Dat ifs alltied sien erst' an Afends ohk dat leste,
Darnt ifs 5hm allmaist bekand wat sek gebohrt,
Dat hei saa lichte nich van Fremden werd verfuhrt.
Hei hatt mehr Böiker leif an legt sek nu ap Saken,
Dei ohn könt mit der Tied tann brafen Könje maken,
85
Hei weit all Englisch, Fransch, ohk Ukerwensch, Latien,
Un wat vor Spraken sfifs 6hin m6get nöhdig sien.
lo Siener Kindheit konn' hei all sehr ahrtig danzen,
Nu lehrt hei noch vordan den Vestangs-Bae un Schanzen.
Dei Riet-Kanst weit hei ohk, wenn Hei sek exercert.
Erwieset Hei, wo wohl Hei en wild Peerd regert.
In vullen Rennen kan Hei hauen, steken, scheiten,
Dat einem werd dat Blaut um siene Wunnen fleiten,
Wenn Hei den Fiend enst drept, Hei dreppet in den Ringk,
Wenn Hei nahm Ringe rennt, ganz vuUenkomen flingk.
Dei leife Prinz h&tt noch drey junge gladde Süstern,
Nah welken mit der Tied werd groten Prinzens lüstern.
Sei sind ot ohk wol wehrt un fenget Gott 6t sau,
Sau wünschen alltomahl wie veel veel Glücks dartau.
Jie helft Herr K5nge jo noch brafe Krafft tau lefen,
Dei leife Gott werd Jok vor 6sch dei Gnade geven,
Dat Jie hier in der Welt regeret sau veel Jahr,
Dat Jie tain-dubbelt noch werd Oller-Grote Yaer.
Dat wünschet overall dei Armen mit den Rieken,
Dei Christen nich alleen, dei Törken ohk desglieken,
Sei hefft dörch Jok erlangt wat man öhr Wunsch begehrt.
Drum holet sei sau wol afs wie Jok leif un wehrt.
In Norden will dei Krieg veel Lue noch verarmen.
Der Lue latet Jf)k Herr Könje doch erbarmen,
Un helpet doch, dat dar ohk Frede weren mag,
Sau biddet sei vor J6k mit 6sch ohk Nacht un Dag.
Jie hefift in Meklenborg Gott loff 5t sau gefeuget,
Dat Junker, Borger, Buer in allem sind vergneuget,
Un jue Lue hefft sek dort sau overall
Verholen, äffe Volk sek holen maut un sali.
Dort in dem Lanne sind wol wainige verstorfen.
Doch Maikens sind taum deel tau Nunnens ganz verdorfen,
Un dei Verdarf kümt jo allene man dar van,
Dat man taum Frien nich Kunsens erlangen kan.
Man hatt jo in der Welt bether noch nich befunnen,
Dat veel Soldatens sind getügt van Kloster-Nunnen,
Heilt Adam sek doch nich im Garen an den Wind,
Drüm s6cht en Kerel gern wor junge Maikens sind.
Dei Maikeus könet doch dat Frient lichte lehren,
Un frieden, gl5fet man, im Lanne hier sau geren,
Afs annerswo mag scheihn, un wenn man Frient weehrt,
San werd dei Maikens wol un Kerels ganz verkehrt.
Ek horde gistern noch van velen Maikens schnaddern,
Sei bidden Jok wol gern uht Dankbahrkeit tau Faddern,
Un wenn man Fadder werd, dat staiht jo noch all fien,
Dei Maikens mochten ohk gern alle Fruens sien.
86
Dat latet doch ohk tan, sau will wie alle bidden,
Dat Qott J6k segnen mag van ofen, unuen, middeo,
Dat jue Stamm un Eiek sau lange mag bestahn,
Bet dat dei Erden-Kraifs nn Welt werd ganz yergahn. Amen.
Innige Bitte der Pyrmonter Mädchen an Georg I. 1720.
Der Pyrmuntschen Maickens Hertens-Wunsch un deimaidige
Bidde an den Herrn Könje von Groten Britannien bei dessen Gott
Loff! glucklichen gesunnen Ankunft tau Pyrmunt im Brack-Maende
1720, beschrefen von Joust Otto Jörgens.
Süh nu! s&h nn! wat wilt dei Maickens doch beginnen?
Sei sind fast, afs nt schient, verwirt in (^hren Sinnen,
Dei riepe sind, werd nu van grohteu Freiden vnll,
Deels afer schienet gar im ganzen Bücke dnll.
Seiht an, wat sei nu daut, sei springt uht allen Döhreu,
Sei wetet nu van nichts afs Leffelie tau kören.
Sei raupet apenbar; sei hedden frischen Maut,
Den Öhre Saekeu sien im Frien numehr gaut.
Hoho! eck marcke wol, sei heffet all vemomen,
Dat Jie, Herr Eönje, sied uht Engeland gekomen,
Un dat Jie afermahls den Brun in düsser Tied,
Gott gefe Glück dartau, tau brücken willens sied.
Nu hiUt im vorigen Jahr* öt Gott sau laten schlumpen
Dat do en Maicken kreg en brafen frischen Kumpen,
Jie afer schenckeden darbie blanck Geld der Brubt,
Man puzde sei dartau an Juen Hofe uht,
Sau glat wafs neine Brüht vorher bie ösch gepuzet,
Sau wakker htUt vorher nein Brüht Fiedum gestuzet,
Drfim leit dei Brögam ohk den Plaug im Felle stahn.
Man sag sei baide flucks mit Lust tour True gähn.
Nu hopet Overall dei jungen Quakkel-Taschen,
In dusser Brunnen-Tied seck Eerels tou erhaschen,
Meck afer düncket doch, öt galt nich alltied an,
Dat man mit sölkem Gluck en Brögam kriegen kann.
Den lät Gott Brögams gliek up riepe Maickens regnen,
Werd sei dei Könje doch nich flucks mit Bruht-Schatt segnen,
Wen ein un andern ohk dei Könje wat verehrt,
Sou ifs öt andern doch nicht efen sau beschert.
Geld ifs dei Los* nn werd ohk wol dei Lose bliefen,
Denn, wenn dei Kerels seck gedencket tau bewiefen,
Sau fraget sei vorerst, hefft ohk dei Maikens Geld?
Dar kümt öt man up an, dat Geld erholt dei Welt.
Ja hfitigs Dages sind veel Kerels sou gesinnet.
Wenn bie den Maikens sei nich brafen Brnht-Schatt finnet,
Sou wandert sei vorbie, wehlt nümmer eine Brüht,
Un nah der Leffelie lacht sei de Maikens uht.
87
Daher werd in der Welt yeel Kerels Hagestolten,
Wat DÜttet dei doch wol? sei scheitet 6hre Holten
In fremde Schiefens hen, dei Vogel wilt np Echt
An jange Maikens nich: bedenckt is dat wol recht?
Mit s51ken Kerels word vorhen in ohlen Jahren
Veel sch&rper asse nn in user Tied verfahren,
Wenn do en Eerel sek des Frieens ganz begaf,
Son kam hei van der Welt nich ahne Schimp int Graf.
In Selschop droften sei sek n&mmer laten finnen,
Sei kennen Aemter ohk un Gille nich gewinnen,
Dat wafs erst Schimps genang, doch blef öt dar nich bie,
Sei woren ohk gar nich van andern Straffen frie.
Sei mosten overall in kolen Winters -Tieen
Veel groteu Schimp an Quael van jnngen Maikens lieen,
Denn, wenn dei Küir an Frost gliek wafs noch enst soa groht,
Soa schlepde man sei doch herfimme nakkt an bloht.
Sei plegten ohnen ohk mit frischen scharpen Kauen,
Denkt wat dat schmartlik wafs, den Pukkel braf ton haaen,
Bet dat sei schrieeden: Ach! Maikens holet in,
Ek wil van Stannen an na endern minen Sinn.
Ek wil mek eine Brüht aht jaer Riege griepen,
Dei wil ek Dag an Nacht soa haitjen an soa piepen,
Un dann wat mek noch mehr bie ühr tou daan gebohrt,
Soa hefft dei Maikens denn toa haaen apgehort.
Hort mehr, leit ohnen Gott gliek Geld an Gont erwarfen,
Soa droften sei 5t doch nich arfen obren Arfen.
Dei Ofrigkait alleen erkende sek ot toa,
Doch ifs ot na nich mehr bie äsen Tieen soa.
Dei Hagestolten sind in jaem Dfitschen Lanne,
Herr Konje, hier an dar an fast in iedem Staune,
Dorch sei werd Jue Land gar nich up Echt vermehrt,
Sind s^lke Lfie den nich braf er Straffe wehrt?
Nein Minsch* ifs in der Welt van Gott dartoa erschapen
Im Hagestollten Bedd' alleene man tou schlapen,
Gott sulfest segt: Vermehrt dei Welt doch man up Echt,
Denn wat up Echt nich schuht, dat holt man nich vor Recht.
Un wen ek jok noch darff wat mehr tou seggen wagen,
Soa segg' ek frie beruht, wat Maikens plegt tou klagen,
Dat ohnen Brüht -Schatt fallt; dei Mangel ifs all groht,
Jie afer kont sei licht erredden übt der Noht.
Wen jie man seeggen wilt den Hagestolten -Gästen,
Dei heffet Geld an mehr afs ohnen deint toum besten.
Wen ein arm Maiken werd toa siener Tieden Brüht,
Dei stüret nu alleen jie Hagestolten übt.
Veel Maikens wilt sek ohk gar nich np Echt befrieu,
Emehret heimlik sek mit Winckel-Leffelien,
88
Dei Maikens achtet doch den Hagestolten gliek,
Son kahmt sei wol tonr Baut* un ohk int Himmel -Rieck.
Yerordene Jie d&t, son werd ohk andre Heren
In 5hren Ldnnern iwol son ton yerordnen lehren,
Dei Hagestolten werd denn twiefelsfrie bekehrt,
Dei Welt werd denn np Echt nn Recht noch mehr vermehrt.
Veel arme Maikens kohmt denn ohk jo wol ton Männern,
Dat gl5fet man gewifs hier an in juen Lännern,
Dei Brnht-Schatt- Mangel bringt sfifs Maikens Sorg' un Pien,
Denn afer werd sei wol vuU Freid' im Büke sien.
Herr E5uje, wo werd J5k dei Maikens denn lofen
Bie Dage, hie Nachte van nnnen van ofen,
Ja, Jue Raum werd wol sou lange bestahn,
Bet Himmel nn Ere werd endlik vergahn.
Man höret hier un dort mit Freiden jo bie allen,
Dat Jue Bakken noch, Gott Lof! nich sind verfallen,
Jie seiht sou kregel noch uht Juen Ogen nht,
Dat sek in Jok noch wol verleifde mange Brüht.
Wie wünschet unnerdes, Gott wolP in Gnaden gefen,
Dat Jie in Sundhait mögt nah eignem Wunsche lefen,
Un dat Jie dfissen Brnn mögt bruken hnnnert Jahr,
Gif doch, 0 leife Gott! dat 5t mag weren wahr.
Sau hätt Prinz Wallis Rast mit Siener gladden Fruen,
Dei Hei van Anspach Sek uht Leifte lateu truen,
Dat Hei den Koojes Stamm mit Lust vermehren kan,
Den Öhn un Sienen Stam ohk prieset jederman.
Glückwunsch zu Herzog Angast Wilhelms Geburtstage 1720.
Unnerdänigste Glük- Wunsch up den Fürstlichen. Gebohrts-Dag,
Uses Gnädigsten leifen Lannes-Herrn, August Wilhelms, Regerenden
Hartogen tau Brunswick un Luneborg, äffe Sr. Durchl. Dat Acht un
fiftigste Jahr am 8. Martz im 1720. Jahre glüklich erfüllet hadde,
Un Dat Negen un fiftigste Jahr mit aller Siener ünnerdahnen groten
Fraide gesund wedder antrat; uppesettet van Johann Borries, uht
Ohlkassen^) jonsiets dem Hilse. Brunswick, gedrükt mit Keitelschen
Baukstaven.
£k helfe veel gehört un in der Daht vernomeu,
Woer Lue in der Welt tauhope plegt tau komen,
Daer sprekt en ieder gern van dem, wat öhm gefält,
Woer van hei in der Welt an allermeisten hält.
Wat Erieges-Lüe sind, dei schnakket van Qvarteireu,
Worin sei Dag vor Dag sek latet exerceiren,
Un wat tau Felle sei vor Dahden hefPt gedahn.
Wo sei up 5hren Fiend in Schlachten plegt tau gähn,
^) Ölkassen, Kr. Holzminden im Herzogtum Braunschweig.
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Wan afer im Qvarteir seit m5tet liggen bliefen,
Sau pleget sei dei Tied gantz auuerst tau verdriefen,
Sei heftet Wiefer deels gern in Knmmanion
Un giefet 6hnen doch wol wainig Rost un Lohn.
Die Geistliken sprekt gern van B6ikern an Postillen,
Wat Advancaten sind, die sprekt van 5hren Grillen,
Dei Doktors fraget flnks, eft andre kranken daut,
Un heffet den darbie vor sek den besten Maat.
En Eopmi^n trachtet ohk mit allen sienen Sinnen,
Woer an van wem dat hei en Vordehl kan gewinnen,
Un wenn en Jade gliek fief mahl verschneen ifs.
Denkt bei doch Dag vor Dag noch nf Profit gewifs.
Dei Maikens m5get gern nah jangen Fentjens fragen.
Den Fentjens plegt dei Schnak gemeinlik ohk tan hagen.
Doch werd en Maiken wol nich alle mahl ein Brnth,
Un wat sei daut, kfimt doch fim veertig Weken übt.
Wie Buren schnakket wol van usem Veih' un Gölen,
Ohk usem Akker-Wark' an pleget nich tau hülen,
Wen dat gaat Koren bringt, wen use Veih wol staiht
Un use Arfeit recht in 6hren Schwange gaiht.
Wie pleget fiuks darbie nahm Lannes-Herrn tau fragen,
Eft man kan ünner 5bm dei Lannes-Last erdragen,
Uq wenn dei gnädig ifs, so wünscht man Nacht an Dag,
Dat hei up hunnert Jahr sien Lefen bringen mag.
Nun, leife Lannes-Herr, wie kont mit Wahrheit reumen,
Dat jie osch latet gern in usen Eigendeumen,
Wie sind GOtt Lof bether van jök gar nich geplagt,
Veel wainiger d6rch j^k van Huefs an Hoff verjagt,
Afs anderswo wol schfiht, GOtt hätt osch Gnade gefen,
Dat Acht und fiftig Jahr hei j5k nu Idt erlefen.
Wie wünschet, dat düt man jne hälfe Lefen sie,
Un noch sou veele Jahr van nieen komt darbie.
Dat Wünschen höret man tau GOtt bie iedermanne,
Dat glofet mek man tau, im gantzen Vader-Lanne,
Öt mag sien groht un klein, 6t mag sien junk un ohlt,
Druet spöre jie, dat wie jf>k hoch in Ehren bohlt.
Dat ifs gantz recht un will ösch allerdings gebühren,
Dat wie jek ehren daut mit Warken an mit Wohren.
Denn wie sind Unnerdahn, jie sind die Lannes-Herr,
Wie sorget nich vor j6k, jie sorgt vor Ssch veelmehr.
Jie latet GOttes Wobrt 6sch klaerlik openbahren,
Dei wat tau klagen hStt, dem maut Recht wedder fahren;
Jie lefet sou, dat man jök alltied folgen maut.
Ein gaut Exempel maekt dat Folgen alltied gaut.
Jie latet Maikens nich nah jner Eamer schlieken,
Jie höhlt jök man alleen tau juer leifen Fieken;
Veel afer wundert sek, wo dat denn kan gescheihn,
Dat E inner hier un daer j5k pleget gliek tau seihn,
Darvan will ek j5k nu dei Wahrheit frie bekennen,
Dat man begriepen kan mit Sinnen un mit Hannen :
Dei jungen Wiefer bohlt jok air im Lanne wehrt.
Van Männern were jie ohk overall geehrt.
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Drum wilt sei alle gern, wat sei ohk daut yor Saken,
Öt mag sieu, wat ot will, np jae Sandhait maken,
Daer denkt sei an, wenn sei wilt hen tau fiedde gähn,
£k merke wol, dat jie werd mienen Schnak verstahn.
Afs ek ningst Hochtied heilt mit miener jnngen Graitjen,
Do ginge wie tau Bedd' im Piepen an im Haitjen,
Sei sagte mek van jök afs usem Lannes-Herrn:
Wat du wut, dau ek nn up siene Snndhait gem.
Drup gink ek do mit ohr im Stilken hen tan Bedde,
Wie schleipen nich fluks in, wie wakten in dei Wedde,
Mit vuller Fraid' an Last, dat Spei gefeil mek sau,
Dat ek wol hedde gern drei Wiefer noch dartaa.
Un wenn dei Lue segt hernechst um drüttig Weken,
Wie w5ren wat tau frän tausamen all geschleken,
Un en klein S6hnken m5cht* ohk komen vor der Tied,
San denket, dat ot nich gescheihn aht Haat au Nied.
Wenn man 5t seggen darff, san heffet jo dei Ohlen
Sek all in öhrer Tied sou raine nich gehohlen,
Dei ohle Adam will nich sau tau Grunne gähn,
Dat nich dei junge s5cht van nieen up tau stahn.
Drum sied doch gnädig ohk mit Straff un Earken- Baute
Un höhlt in sölken Fall den Buren wat tau gaute,
Dei ohle Adams -Lust vergaiht doch mit der Tied,
Im Oller werd man jo der Adams -Lüste qviet.
Wie hiddet alle GOtt, dei woir in Gnaden gefen,
Dat jie so veel mahl noch mögt düssen Dag erlefen!
Afs jie all hefift erleft an wol vordan regert,
Sau werd jue Lof bet an den jüngsten Dag vermehrt.
GOTT dei bewahre jok vor Hausten un vor Küchen,
Dat jök nichts nöhdig sie van Appeteiker Jüchen,
Ohk jaer Fieken nich un gantzen Bogen -Huefs.
Dei Jüchen maket doch dei Nesen mangem Kruefs.
Un könet doch*) tau lest vam Dode nich befrieen,
GOTT gefe! dat jok mag all jue Dann gedieen,
Dat jue Stam und Land bet an den jüngsten Dag
Van allem Ungelük befrieet bliefen mag.
Wie biddet GOtt darum allene nich in Rarken,
Wie daut 6t alltied ohk in allen usen Warken,
Wenn use Wiefer wilt mit osch tau Bedde gähn,
Ohk wenn mit ohnen wie denkt wedder up tau stahn.
Wie wilt nu düssen Dag mit Dudeldai un Lieren
In user Naberschop tau juen Ehren fieren,
VIVAT dei Lannes-Herr will singen iederman
Dei gantze Nacht herdörch, bet^) dat dei Dag brekt an.
Dei Wiefer wilt ösch up jue Sundhait danzen,
Dei Maged un dei Knecht ohk alle lütje Panzen,
Dei wilt desgliekeu dann, un wat noch mehr werd scheihn
In düsser Nacht, werd mau tau siener Tied wol seihn.
Hai Juchai.
>) Druck: dach. *) Druck: bei.
91
Hocbzeit Stoer / Striepe. Wickensen 1721.
Dei unvermautete doch glüklike Fisch-Fank up Hrn. Docter
Stöers un Fr. Henrietten Sophien Striepen Hochtieds-Dag, Den
Sei am 25. Feiberaries 1721. up dem Furstliken Arat-Huse Wikkensen
heilden, beschrefen van Henneke Knecht uht Lauen-Steine.
Der Männer List, segt man im Sprickwoer\ ifs bebenne^
Docb afer Fraen-List bätt nümmermebr en Enne,
Ifs eine List vorbie, sau sind sei Dag un Nacbt
Up fifftain annere mit aller Macbt bedacbt.
Un dächten sei alleen up dat wat sei verstünnen,
San konn^ un mochte man öt 6bnen wol vergünneu,
Sau wiet sei kont en Dingk begriepen un verstabn,
Denn wat man nich yerstaiht, plegt nich woi af tau gabn.
Nu weiht dat f ruen-Yolk van Pleugen, Saien, Maien,
Un sölker Arfait nichts, dat Spinnen, Haspeln, Naien
Kunt sei am besten dann, un wat dartau gebohrt^
Obk ohnen in dem Bedd' heruechst tau dann gebohrt.
Süfs hefT ek veel gehöhrt, dat Fischen, Vogel-stelien,
Sie Overall Verdarff vor veelerlei Gesellen,
Dei ot nich nbtgelehrt, den bringt ot wainig in,
Dr&m dait nich wol dei half worup legt sienen Sinn.
Herr Brüht, man bohret hier, dat beff ek Jök tau seggen,
Jie wollen sälfest J5k up Fiscberien loggen,
Sau gaiht dei Schnak heriim bie allen openbabr.
Drum segget frie beruht, wennt in der Daht ifs wahr?
Ja ja, sei segget all, Jie bädden nah Verlangen,
En brafen frischen Stöer taum ersten mahl gefangen,
Dei Fisch lät sek nich veel in usen Lanne seibn,
Wo hätt dei Fank doch denn sau gluklich kont gescheihn?
Man fängt den leifen Fisch sau lichte nich mit Angeln,
Un stärker Fischer-Tüeg dat mochte Jök wol mangeln,
Dat Fischer-Hand wark ifs obk Fruens nich bekand.
Dar h5hrt veel Kräifte tau, daertau bohrt obk Verstand.
Fief Kerels fengen enst obk einen mit der Senken,
Dei Stöer konn^ afer fluks sek uht der Senke schwenken,
Do was hei fohrt, ot ifs doch Jue Fank nich sau.
Darum verteilet 6sch, wo gink dei Fank doch tau?
Ek merke wol Jie mögt darvan nich geren hören,
Un sorgt, sei möchten Jök den leifen Fisch entführen,
Drum uöhmet öhn doch man sau gaut Jie könt in Acht;
Dei Böfers rofet gern den Dag sau wol afs Nacht.
Jie wehtet noch wol nich, wat Jie in sölken Saken
Mit Juen nieen Fisch un leifen Stöer wilt maken,
Hei ifs Jök noch taur Tied wol nich gaer veel bekand,
Hei kämt ohk seilen hier in use Vader-Laud.
Wenn Jie en wainig man wilt in Gedult verbliefen,
Sau will ek, wo hei ifs un wo hei schmekt, beschriefen.
Hei ifs nich afs en Karp\ hei ifs nich afs en Hecht
Noch Weser-Fische sind, dat segg' ek Henke Knecht.
In miener Jögend mocht' ek nich dei Pieuge kielen,
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Drum mocht' in Laaenstein ek mek ohk nich verwielen,
Ell Schepmau woir ek sien, doch afs ek an dei See
Man hen kam, stnnd ek daer afs en verjaget Reh.
Ek hobrd' am Aufer fluks dei starken Winne brasen,
Dat mek in Rokk' nn Brauk ohk ankam schreklich Grnsen,
Doch heff* ek süifest daer mit Ogen angeseihn,
Wo in der See recht manht dei Fischerie gescheihn.
Wat sei tanr Fischerie vor Nette brnhkt un Stangen?
Wat sei ohk in der See vor Fische plegt tan fangen?
Nn segg' ek frie hemht, dat in der ganzen Welt,
Mek nich en einig Fisch sau afs en St^er gefällt.
Dat mf)hte Jie gestahn, dat hier in nser Lenne
Tau Wikkensen nein Mensch derglieken Fische kenne,
Sei wehtet weiniger wo seftht^ en Stöer recht schmekt
Un wat vor Abbetiet bie Fruens hei erwekt.
Hei ifs vorerst en Fisch van nich geringer Länge,
Un kumt hei in dei See mit andern int Gedrenge,
Sau drengt Sien Rüssel d()rch, dei ifs spitz, lang un stief.
Mit sienem Rüssel gaiht he andern np dat Lief.
Sien Kop nn ganze Buek ifs wol en wainig dikke,
Hei hett dennoch dabie en rechte gauht Geschikke,
Dei Ogen sind wat klein, dei Mund fast zirkelrund.
Doch afer nich en Tahn in siener runnen Mund.
Drum sugen kan hei wol, doch afer gar nich kauen,
Wat man nich kaut, kan silfs dei Mage nich verdauen,
Yeir Zersen hat dei St5er afs einen dubbeln Bahrt,
Neimand verwundre sek, sau ifs des Fisches Ahrt.
Dei Feddern sind ^hm witt, twei sittet an den Kiefen,
Twei andre sittet noch an düsser Fische Liefen,
Am Schwanz' en andre noch, hei ifs doch ohk nich ganz
Mit Schuppen andern gliek bedekt bet an den Schwanz.
Doch hatt hei afs 5t schient, darin sehr starke Eräifte,
Sien Fleisch schmekt angenehm, darin sind seiUe Säfifte,
Un wimmelt hei den Schwanz, sau moht dei £op voruht
Uli ganze Buhk dartau, wat dfinkt Jok doch Herr Brüht?
En iSee-Fisch will nich licht übt sienen Water wieken,
En Stöer mag afer wol in andre Strßhme schlicken.
Darum verwarn' ek J6k, sali Jue Fauk bestahn,
Sau Iahtet Jnen St^er nich mehr int Water gahu.
Ek maut hierbie Herr Brüht J5k eine Lehre lehren,
Jie m5tet n&mmermehr tau ohm den Rfiggen kehren,
Sien Buhk ifs jo sau weik afs Jue Buhk kan sien,
Sau schikt dei Bfike sek tausamen rechte fien.
Mek dfinkt Jie k5net doch Jok noch nich recht besinnen,
Wat Jie mit Juen Stoer s51t maken un beginnen,
Verspere Jie 5hn gar nu in ein Hüe-Fatt,
Dat ifs vor öhn tau klein, darin werd hei tau matt.
Man segt Jie wollen öhn in Jue Kamer bedden,
Nu will ek mieuen Haut un besten Brauk verwedden,
Wenn dat geschäht un Jie Jok gefet sau wiet bloht,
Sau kriege Jie van ohm en Kind in Juen Schobt.
Jie kennt den Fisch noch nich, doch wenn Jie ohn werd profen,
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Dat noch nich ifs gescheihn, sau m5hte Jie ^hn lofeD,
£k kenn' 5hn all vorlengst an segge van ohm frie,
Dat sienes glieken wol nich in der Weser sie.
Sien Witte seüte Fleisch plegt Fruens recht tau hagen,
Sei m5get 5hn ohk wol verschlingen in den Magen,
Hei schmekket öhnen gant, dei dünnen mahkt hei rnnd,
Darnht verspüret man, dat hei sie recht gesund.
Dat dürfe ieife Fisch nich wainig muhte d5gen,
Verspohrt man dar ohk uht, dat Maskau sienen Rogen
Oar heu in Welschland schikt, da höhlt sei öhn sau rar,
Dat up dei Taflfel 6hn ohk krigt dei Hilge Vaer.
Vor user Öllern Tied helßft ßhn in Rohm dei Ohlen,
Afs man in Beükern lest, in Ehren sau geholen,
Wenn sei hefPt Güste hatt, dat sei den leifen Fisch
Qar mit Trommitten Schall gebrocht hefft up den Disch.
Dat daut bie Liefe nich, veelmehr daut man im Stillen,
Wat hei mit J6k un Jie mit 6hme heift im Willen,
Dat ifs vor bhn un Jok dei allerbeste Raht,
Dat were Jie gewifs verspüren in der Daht.
Hei werd sek düffe Nacht sau gegen J5k erwiesen,
Dat twieer Minschen Kost Jie nn vordan mögt spiesen.
Van düffer Nacht fluks an, kümt Martens-Dag int Land,
Sau werd dei Wahrheit wol van Juer Kost bekand.
Den Maikens möhte Jie jo nichts vam Stoer verteilen.
Sei möchten süfs bie öhn sek int Geheim gesellen,
ün naschen ohk an öhm, dat stünne Jok nich an,
Drüm latet, segg' ek noch, dei Maikens jo darvan.
Jie hefft Exempel gnaug van sölken Qvakkel- Taschen,
Dat wenn sei einmahl man verwehnet sind taum Naschen,
Sau bliefet sei gewifs öhr Lefe-lang darbie,
Efft gliek dat Naschen nich ifs einen Minschen frie.
Ek heffe Jök noch mehr van Juen Stöer tan seggen,
Dat möge Jie bie Jök en wainig overleggen;
Wenn Jie enst Güste hefft, sau latet düffen Fisch
Ohk vor dei Güste jo nich komen up den Disch.
Behohlt öhn man vor Jök, ek will en Raht Jök gefen,
Dat öt am besten sie, taum Leiken up tau hefen
Den leifen nieen Fisch, ek sei öhn davor an.
Wenn hei gefaudert werd, dat hei gaut leiken kan.
Dei Ohlen schriefft van öbm, hei lefe man vam Winne,
Dat afer will dörchuht mek nich in miene Sinne,
Doch wenn Herr Brüht Jie öhn braf drükt an Jue Bost,
Werd hei am ersten satt van Juer Schnafel-Eost.
Ek wünsche Gott woir öt mit Jök im Leiken feugen,
Un Schnafeln, dat Jie blieft van nu an im Vergneugen,
Ohk dat Jök Gott an Bost un Büke segnen mag
Mit allen Juigen bet an den Jüngsten Dag. Amen.
Mädchen bitten Geor^ I. um den Heiratsconsens der Soldaten. 1723.
Der hochbedreufeten Maikens dägliche Klage-Lied wegen Mangel
des Konsenses taum Frieen an Usen allergnadigsten Herrn König
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van Grohten Britannien up eines Plumen-riepen Maikens Bidde
beschrefen dorch Joust Gerkens. Gedrukt im Jahr 1723.
Sau ifs doch use Wunsch un user aller Hopen,
Gott sie Lof, Priels, un Dank noch endlich ingedropen,
Dat use Konje kfimt, ja deels segt vor gewifs,
Dat hei liefhaiftig all tan Heeren-Husen ifs.
Seiht, wo dei Jungens uu vor grohten Fraiden springet,
Hohrt, wat dei Maikens doch vor Fraiden-Leider singet,
Dei Jungens griepet nu dei Maikens an dei Hand
Un springet, dat taum deel sei st^tet au dei Wand.
Och seiht 1 och seiht doch an, wo use grohte Graitjen
Nah Öhren Hanse lÖpt, uht Fraiden öhn tau haitjen,
Ek denke düsse Nacht werd noch wat mehr gescheihn,
Davan man Teiken werd um veertig Weken seihn.
Wie Öllern wilt Gott erst uht Härtens Grunne danken,
Dat hei, Heer ESnje j5k, bewahret h&tt yor kranken
Un hätt mit siener Erafft verbannet und verstöhrt
Dei sek sau freventlich dort gegen jok empuhrt.
Wie wünscht un biddet Gott hei wolP in Gnaden gefen
Dat jie vergneuget mögt noch sau veel Jahre lefen,
Afs jie all heift erleft un dat jie Jahr vor Jahr
Sau kohmen mögt tau ösch, Gott lat' 6t weren wahr.
Jie wilt Heer KÖnje wol vorerst im Laune fragen?
£ft ein un annere worofer hefft tau klagen?
Drup segg' ek frie, dat öht fast allen tehmlik gaiht,
Gott sie gedankt un jök, ohk gaut im Lanne staiht.
Eins afer mouht eck jöck doch un umgänglich bichten,
Dei Maikens werd et ohk mit Tränen sülfst berichten,
Dat sei fast overall sind in sau grohter Noht,
Dat deels uht Ungedult seck w&nschen wilt den Dodt.
Den van den Kautzeln ifs vorm Jahre hier befohlen,
Dat de Soldaten sek des Friens solln entholen.
Wen drin dei Oversten vorher nicht kunsenteirt
Drum veel veel Maikens sind bedreufet un fixert.
Deels Maikens singt en Leid, darin sei Öhre Sorgen
Un grohte Liefes-Noht den Afend un den Morgen
Beklaget un bewehnt. ek höre flietig tau
Wen sei öt singen wilt un klingt dat Elag-Leid sau.
1. Eck bin all van achtein Jahren,
Wolle mek nu gern verpahren,
Denke darup Nacht un Dag,
Wo ek dar tau komen mag,
2. Gott lät öt sek ohk sau feugen,
Dat öt könne mek vergneugen,
Tambour Hans dat leife Lam,
Ifs nu all mien Bröegam.
95
3. Ek will sien bie 6bm gedullig,
Den dat Lemken ifs tau willig,
Wen ek will tau Bedde gähn,
Lätt hei siene Trummel stahn.
4. Hei dri&kt mek in sienen Armen,
Pflegt dat Bedde mek tan warmen,
Daiht tan wielen noch wat mehr,
Dat osch beiden haget sehr.
5. Eins will nse Lnst doch minnern,
Ohk wol gar /^sch dran verh Innern,
Dei Eunsens dei faihlt ösch noch,
■^cggot; ^0 krigt man den doch?
6. Dat mahkt mek nn Shm veel Sorgen,
Damm ranp ek alle Morgen
Alle leife Hilgen an
Dei ek mau erdenken kan.
7. 0 du hillige Dorthiee,
0 du hillige Sophiee,
0 du hillige Sylvan,
0 du hillige Florian.
8. 0 jie hillige Sybillen
Helpet miene Noht doch stillen,
Denket doch wat et vor Pien?
Dat ek ahne Man mouht sien.
9. 0 du leife hilge Anne,
Help mek doch tau einem Manne,
Denke doch nu noch daran,
Dat Sfint Jochem was dien Man.
10. 0 du hillige Catrine
Dan doch ohk dabie dat diene.
Den dek word de Mannes Stand,
In der Jogend ohk bekand.
11. Ohk du leife hilge Härmen,
Werst dek over mek erbarmen,
Hilge Berend Joust un Vied
Helpet et ifs böge Tied.
12. Will jie mek noch nich erhßren.
Will ek j5k nich mehr sau ehren,
Sftnte Jörgen raup ek an,
Dei den Lindworm würgen kan.
13. 0 du leife hilge Jßrgen,
Hast du kont den Lindworm würgen,
Sau kanst du wol Wunner mehr,
Drup verlaht ek mek nu sehr.
14. Ek will drum tau dek mek wennen,
Miene Noht okk frie bekennen,
Dei lat dek tan Harten gähn,
Sau kan Hans met mek bestahn.
15. L/lt mek Hans sek ielig trnen
San wer' ek taur echten Frnen,
Den mien leife Lamken Hanfs
Hatt all mienen Jungfern Krantz.
16. Den kan hei in sienen Lefen
Mek jo nimmer wedder gefen,
Och san bin ek ovel dran,
Bin en Wief doch ohne Man.
17. 0 du leife hilge Jörgen,
Wut du dek vor mek verborgen,
Dat ek kohm' nht dflsser Pien,
Säst du dubbelt hillig sien.
18. Use Konje daiht et geren
Wen du man den leifen Heren
Bringen werst in sienen Sin,
Dat ek sau bedreufet bin.
19. Hei un du hefft einen Namen,
Biddest du sau segt hei Amen,
Den mek dünkt dat gantz gewifs
Ein des andern Fadder ifs.
20. 0 du leife hilge Fritze
Dek stell ek noch an dei Spitze,
Den vellicht in user Welt
Diene Bidd' am meisten gelt.
21. Werst du miene Sake driefen,
Werd dien Lof hier ewig bliefen,
Wen 6t man dien Erenst ifs
Erleg ek den Eunsens gewifs.
22. Nu sau lenkt des Eoujes Sinnen,
Dat ek m<^ge Gnade finnen
Un dat ek noch d&ssen Dag
Mienen Hanfs bekomen mag.
23. 0 wo will ek 5hn den drüken,
Wo will ek sien Mülken likken
0! wie sind den Man un Wief
0! wie werd den baid* en Lief.
24. Davor wille wie mit Priesen
Jok Heer Eonje Dank erwiesen.
Wenn wie wilt tau Bedde gähn,
Wenn wie denket up tau stahn.
Dat Elag-Lied ifs bedreuft, wenn sau de armen
Obk junge Maikens klagt, mag sek eiu Stein erbarmen,
Man kan Heer Konje jok an juen Ogen seibn,
Dat werd in düsser Sak obk wol van jok geschein.
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Tan Eloster-Jnngfern werd gar wainige gebohren,
Soldaten sind ohk nich tan Mönneken erkohren.
Wenn sei nich frieen Mt, san nähme Dag nn Nacht
Ein jeder Wehrt vomht dei Maikens wol in acht.
Man süht jo overall de Goes gaiht nah dem Ganner,
Woer sei tan hope kohmt, da trampet sei en anner.
Dei Ahnten nn dei Drahk, de Hanen nn dat Hann
Dei pleget openbahr jo evensan tan dann.
Natnren latet sek san lichte nich verennem,
Dei Maikens overall m6gt geren sien bie M&nnern.
ün stflhrt dei ÖUern sei np Echt nich tiedig nht,
Werd ein nn annere np unecht eine Brnht.
Man sfiht en Maiken hier, dei h&tt noch keinen Frieer,
Deint aver Eerels gern vor einen kahlen Drieer,
Dei 5t van 6br verlangt, dei Lohn ifs nich gar groht.
Doch noch veel gr5ter ifs des Maikens Liefes-Noht.
Dei Pntje Snh werd nn bie 5sch nich mehr gefnnnen,
Vor nsen Ogen ifs sei afs 5t schient verschwnnnen,
Den 5hr Verdeinst dei was bie Nacht' un Dage schlecht,
Un Neimand ging tan 5hr afs ein verarmet Knecht.
Da nn bekand, dat jie Heer Konje nich wilt lieen,
Dat Erieges-Lüe mögt nah 5hren Willen frieen,
San finnet sek sau veel uht annern LUnnern an,
Dat man dei Vogel hier nich alle laten kan.
Van 851ken sind alhier noch vor gar walnig Weken
Twei nht der Fremde her gantz heimlik ingeschleken,
Dei make den sek flnks, woer sei gekont, bekand,
Mit fieff un achtig Kerls up unecht ok verwand.
Woer sek nu hen begeft sou liderlike Hören,
Da wilt sei geren sien van anneren geschoren,
Dei Nahrung glükket nich den Pnhtjens allemahl
Der Fremmenden Verdeinst ifs dfltmal hier wat kahl.
Den 851ke baide sind hier in Arrest gekomen
Un wegen 5hrres Danns gerichtlik fluks vemomen,
Dat Daunt was openbahr, sei segten nich ein Wohrt,
Wat sei mit Lust verdeint, ging sau mit Unlust fohrt.
Eft dflsse V5gel nu sek darup werd bekehren
Un wo ok anderen dat Wark sie tan verwehren,
Dat kan ek noch nich seihn un Iaht* 5t ung[e]segt,
Dei Preisters hefft ot sülfst wol nich gnaug overlegt.
Dem sie nu wo ohm wil, ek mag van solken Saken,
Vor dfltmal ohk vordan nich wieer Pratens maken;
Heer K5nje jie meint 5t mit Unnerdahnen gaubt,
Dat maket overall ohk juen Volke Mauht.
Kiaderdratsohes Jahrbneh XX XV.
98
Im vorgem Jahre hatt [/. h&tt] tau wielen Ssch ^grnet
Wie afer heffet Qott noch allemahl Tertniet
Un hei hätt osch erh5rt auch in den Stafifen-Jahr
J6k np den Trohn bewahrt vor allerlei Gefahr.
Dei werd stets juen Fiend mit siener Krafft verdrengen
ün jne Levens-Tied noch enst sau veel vergingen,
Dat jie bet in den Doht mögt wol vergnenget sien,
ün.drinken alletied in Sandhait juen Wien.
Sau wünschet jue Biek' un alle jue Länner,
Sau wünschet Dag un Nacht dei Wiefer un dei M&nner
Sau wünschet ohit un junk, sau wünschet klein un groht,
Sau wünschet Knecht un Magd met mik [/. mit mek]
bet an den Dohd. Amen.
Bitte an Georg L um eine Verordnung zur Bekehrang
der bSsen Weiber. 1723.
AUerunnerdänigste Dankseggung, An Usen Allergnüdigsten Hern
KoDJe, van Grothen-Britannien, vor einige uhtgelahtene heilsame
Lannes-Verornungen, Mit Bidde, Dat doch dei bösen Wiefer ohk
mochten bekehret weren, uppesettet van Mester Bastian. Gedrukt
in dussen Jahr 1723.
Sou wille Jie bie osch, Heer Eonje nich verwielen,
Un übt Hannover nu nah London wedder ielen,
Dat will osch allen hier sou sehr tou Harten gähn,
Dat wie vor Angst nich mehr kont up den Foiten stahn.
Wie hopeden, dat Jie en Jahr lank wollen bliefen,
Wie dachten ohk dei Tied mit Lust Jok tou verdriefen,
Dei Hopnung afer will nu waihen in den Wind,
Dat mahkt, dat oyerall wie sou bedreuffet sind.
Kan ot nich annerst sien, sou maut man sek drin gefen,
Wie wünscht doch alle Jok Gesundhait, langes Lefen,
Un wat an Seel un Lief Jök süfs noch deinlik ifs,
Dat wünscht un günnet Jok en Jederman gewifs.
Jie werd hier overall, Heer K6nje, sehr geprieset,
Dat jie osch helft besocht, ohk gnädig Jok erwieset,
Qott weiht, ek hüchle nich, den Jie sind Dag un Nacht
Up Juer V<Mker Glük un Wolergahn bedacht.
Man*) kan mit Wahrhaits Grunn* übt allen Juen Warken,
Wat ek davan gesegt, vor aller Welt bestarken;
Wie helft in korter Tied dar sou veel Praufen van,
Dat ek den tainden Deel hier nich verteilen kan.
Man darf sek nu nich mehr in Hüsern un up Straten
Vor Stockfischs siener Rott' un R&fers gruen laten,
Den Jie helft sei hier sou bestrafft dat Jederman
Vor solken Pakke nu ganz seker schlapen kan.
Dei Judens woUn tou veel Prafiet van Kristen spuken,
Drum ftingen Kristen an tou murren un tou floiken;
Doch afs dat Juden- Volk in Handel gienk tou wiet,
1) Text: Wan.
99
Do bnede Jie Yor, 6t was ohk hog;e Tied,
Sflfs hädden sei ösch gar gliek 5hnen mbgt beschnieen,
Dat hädd' ek mienes Deels van Judens nich kont lieen,
Mit mienem Kniep' hädd' ek sou gliek den ersten Dag,
Dat 5hnen sülfst gedahn, wat ek nich seggen mag.
Man kan nn Offezeirs nein Mahnd-Qelt arresteren,
Dat Iahte Jie mit Einst dorch ein Befehl yerwehren,
Gaht in dei Aillerie tonwielen sei hennnht,
Oeft sei den Maikens gern, wat sei verdeint, yoruht.
Wie Baren helfet J5k insnnnerheit ton danken,
Den wen 5sch L&e Gott verfallen \ht in Kranken,
En kundig Docter 68ch soogliek bes5iken maut,
Dei Omnng ifs gewifs vor arme Buren ganbt.
Wen een Stoudent hemechst bef5dert denkt ton weren,
Dei mant wat d&gends sek beflietigen ton lehren,
Dat in Vexamen hei den könne wol bestahn.
Wen hei up Unverstait will mit Stipendjen gähn.
Dat ifs na alle gaaht, doch kan ek nich verbargen,
Dat noch wat n5hdig sie, wen mant nich will verargen,
Veel Maikens wasset ap ohn rechte Tucht an Twank,
ün bliefet böse Kräht 5hr ganze Lefenlank;
Wen sei na, asse sek gebohrt, nich sind ertogen,
Soa werd toa sienen Krftez en Kerel sehr bedrogen,
Dei sei krigt an den Halfs, werd 5hrer wol nich quiet,
Un werd mit 6hr geplagt dei ganze Lefens-Tied.
Eft gliek in Jnen Lann* St gift veel brafe Fraen,
TJp deren Redligkait man wol kann Hiiser baen,
Dei daat wat sek gebohrt, doch sind nich alle soa,
Dram gaibt 5t wannerlick mit hosen Wiefern toa.
Man süht in aller Welt, da in den besten Koren
Ohk wol toa wassen plegt, dei Diestelen au Deren,
Dei Diesteln geiet man nu wol uht Koren übt.
Doch afer nicht sou licht dat hose Wiefer-Kruht.
Wen sei noch Maikens sind, bedekket sei mit Hüllen
Dei Boshait 5hres Kops, doch wen nah obren Willen
Sei enst gefrieet hefft, sou kämt dei Dullerjan
Darin, dat Neimand weiht mit Shnen um tou gähn.
Dei bSsen Wiefer wilt alleen wat 6hnen haget,
Dei Man ward numehr jo nich enst um Bäht gefraget,
Sei drillet 6hre Maus up Schotsch- un Hofe-Recht,
Sei wilt alleen sien Heer, sou ifs dei Man nu Knecht.
Den fanget sei gar an im Huefs herum tou basen,
Schellt, kiefet, flankt dabie afs wen sei wollen rasen,
Ja nu verkehret sek sou gar Shr Overmanht,
Dat sei ohk hefFen wilt dei Hosen un den Hauht.
Daer blift 5t noch nich bie, sei kieft un floikt ^ich minner,
Wen sei ergrimmet sind, wol sülfst up obre Kinner ;
Dat Wief will absulut up obren Kop bestahn,
ün wat geschaht schall man nah obren Koppe gähn.
Ja wen der Wiefer Grull h&tt Overhand genomen,
Sou sch511 dei Henger woU uht siener Helle komen,
ün halen alle weg, drup sei vergrellet sind.
Doch Ifit Gott 5hren Flauk verwaihen in den Wind.
7*
100
Nu denke man, wat will noch endlik darnht weren?
IJn segge doch, wo ifs en solk Wief tou bekehren;
Deels meint, man schöU sei noch tonr Schaale laten gähn,
Sou kaihm en böse Wief noch wol up behtre Bahn
Doch aver möcht' ek nich ohr Schaulen-Mester wesen,
M5st' ek gliek Dag un Nacht den SArach f)hnen lesen,
ün Sankertes darton, son w5r' et doch Amsüfs,
Dat segg' ek all vorher, an weiht ok ganz gewifs.
Den Sürach sWest will, mit Lanen nn mit Draken,
Dat böse Beister sind, veel leifer Wohnung maken,
Afs einen hosen Wief, in een sou böse Kruht
Daer schliekt fief Gaister in, ehr einer krupt herut
Dei wiese Saukertes dei fund ohk an Xanthippen,
Sou heiht sien böse Wief, un öhrer ganzen Schlippen
Ganz nich yergneugliches. Sei brnmde Nacht un Dag.
Denkt, wat en Mann sek doch daran yergueugen mag.
In düsser Sake weerd sek veel den Eop tonbreken.
Sei möget, wo sei willt, dei Näs' in Böker steken,
Sou helpet et doch nichts, ün uhse Heer Johann,
Dei mek am nechsten wohnt, schnakt veel mit mek darvan,
Segt afer frie, dat hei in aller Welt Postillen
Ganz nichts erfinnen kan vor böser Wiefer Grillen,
Dei Genneral lät sei hier schluten in den Blök,
Deels annre Offezeirs stehkt sei ok wol int Lok.
Dei Straffen sind wol gauht vor Rfiters un Soldaten,
Doch maut en Buer sek noch van Wiefern brüen laten,
Dat deels dergliken hefft, ifs overall bekand,
Un öhnen ifs hie ösch noch keine Straff erkand.
Deels Kerels wilt sei gern int Kloster laten föhren.
Drin afer werd sei ganz den Nunnen- Stand verstören,
Sei jagt dei Nunnen sulffst taum Kloster wol henuht,
Sou werd uht Nunnen ohk en böse, böse Brüht.
Schölt sei int Tucht-Huefs gähn, dat kan ohk nich gelingen,
Den Tucht-Huefs-Mester weerd sei alle wol betwingen.
Der bösen Wiefer sind, dat glöfet man, sou veel,
Dat sei im Tucht-Huefs öhm verkehren könt dat Speel.
Ek heff", un annre mehr bether in mienen Sinnen
Bie mek gedacht, eft wol en Middel tou erfinnen,
Dat böse Wiefer noch wol tou bekehren sien,
Un f}llt mek in, öt ifs doch nich ahn alle Pien,
Wen ösch dei Pafest man vergfint dat Fege-FÄer,
Dat sei drin kohmt, sou ward dat Lachen öhnen dfier,
Daer kohmt sei nich beruht, bet sei gerainigt sied,
Doch höret wol dartou gewiss en lange Tied.
Ek will mek nu nich mehr in dfissen Schnak verwielen,
Da Jie, Heer Könje, willt in England wedder ielen.
Wie w&nscht: Gott Iahte Jök noch leven sou veel Jahr,
Afs Jie all hefft erleft, Gott Iaht öt weren wahr.
Dei leife Gott dei ward doch Jue Sinnen lenken,
Dat Jie in Gnaden mögt an ösch noch alltied denken-.
Wie alle raupet Gott darum an Nacht un Dag,
Dat hei in Gnaden Jök forthen bewahren mag, Amen.
101
Hochzeit v. Bülan / v. Plate. Hannover 1724.
Einföldige doch wolgemeinde Glükwunsch up dat Bielager Herrn
Baron Ernst August van Bülau Königlichen Kammer-Herrn un
Herrn Gräfinnen Fieken Charlotten van Platen Dat sei am
12. des Jenner-Mahndes im Jahre 1724 tou Hannover heilden, üp-
gesettet van Karsten Geverds Fourier bie user Kumpanie.
4
Der Leifte seute Dannt ifs Minscheu angebohren,
Dei Leift' h&tt jederman tou obren Deinst* erkohren,
Del Leift' ifs ot alleen dei diisse gantze Welt
Bet an den jüngsten Dag in obren Stann' erholt.
Gliek sogt sek iutgemein, gliek plegt sek ohk ton finnen,
Wen man im SMken süfs sek recht weiht tou besinnen,
Wen Lfie dei sek soikt un finnet werd verpaart,
Sau hätt dat Paren jo de allerbesten Arht.
Nu ifs bekand un werd en jederman bekennen,
Dat dat verparen wol geschaht in allen Staunen,
Dei Hogen dauht 6t jo, dei andren efen sau,
Ohk gaiht bie Buren sülffst up Dörpern öt sau tou.
Wie Unner-Offezeirs ohk Röters un Soldaten
Wie mohtet meistendeels dat Frient unnerlaten,
Oesch mangelt dei Kunsens, dat maket grote Pien,
Wie mohtet afer doch dabie gedflllig sien.
Nu grabbelt yelen wol in Büke sien Gebleute
Un mahket Dag un Nacht öhm Unrauh* im Gemente,
Wie heffet jo sou wol afs andre Fleisch un Blauht.
Dat Extra-gahn holt man osch ohk gar nich vor gauht.
Wie wollen overall dat Extra-Gahn wol laten
Un alle Loffelie mit andren Wiefern baten,
Den sfiht' man im Qvarteir en Wief un Maiken au,
Sau markt man, dat dei Wehrt 6t nich verdragen kau.
Dei Maikens wilt sek gern nah usen Willen lenken
Un plegt tou wielen osch, wen wie sei seiht, tau weuken,
Sei segget, dauht 6t doch dei Hauen un dat Hauu,
Sau moget 6t ohk wol wie Minschen-Kinner dann.
Dei Preisters woUn up Echt dat Wark wol siUfest bilgen,
Dei Maikens raupt dar&m ohk 6hre leifen Hilgen,
Dei sei erdencken k6nt, in obren Leidern an,
Dei Leider sind nunmehr bekand bie jederman.
Doch wilt sek noch taur Tied dei hilge Viet un Härmen,
Jaust, Berend, Tonnies an Anne nich erbarmen,
Wen 6t tou Harten man dem hilgen Jörgen gaiht,
Sau weiht man, dat bey 6hm dat allermeiste staiht.
Sei stellet noch dabie den leifen hilgen Frizen
Biem hilgen Jürgen sülfst an ohrer Bidde Spizen,
Sei hopet, dat hei sie vor sei dei beste Staf
Un latet drum ohk nich von obren Bidden af.
102
Herr Brftgam afer jie dr^ft vor Eunaens nich sorgen,
Dat Teel veel andre daat den Afend an den Morgen
Wen sei des Afends wilt nah 6hren Bedde gähn
Un wen des Morgens sei gedenket up ton stahn.
Ek hadde dfisse Nacht im Kleven-Dohr dei Wachte
Daer kam en Maiken hen, vertelde flaks mich sachte,
Dat ek sftlfst angehört! 6t keimme nu all uht,
Jie hadden jök erwehlt en brafe gladde Bmht.
Dei wolle sek mit jÖk noch hflte laten tmen,
Son h&dde morgen jie sei all toar jungen Fmen
Dat Bedde h&dde sei, dat Maiken sfilfst geseihn,
Worin wat sek gebohrt scholl düsse Nacht geschein.
Do grep en Eerel straks dat Maiken bie dem Liefe
Un sprak ganz overlnht: Der \iViefer nehm ek fiefe
Ehr düsse Nacht vergaiht, wen ek et h&dde frie
Un daer en wainig man von sienen Middeln bie.
Sei kregen alle Last toam Frieen in der Wachte,
Dat Maiken woU* ohk gern noch Frae sien bie Nachte,
Und segte frie heraht; der Maikens w6ren mehr,
Dei nah dem Frien ohk verlangten jo soa sehr.
Na will eck mienes Deels van veelen Maikens truen,
Dei wie hier däglik seht, dat sei wilt leifer Fraen
Afs Kloster-Nnnnen sien, den Monk' an Nannen Stand
Mahkt Kerls an Maikens sek nich all tou gern bekand.
Doch will 6t noch toar Tied den wainigsten gelingen,
Sei mögt ohk wat sei wilt vor Klage-Leider singen
Dram moht en Maiken noch an Kerl gedaldig sien
Eft velen dei Gednlt gliek mahket grohte Pien.
Noch glof ek annerdefs an seeg* et anbefohlen,
In efen dfisser Nacht werd manger Hochtied hohlen
Dem 6t nich ifs vergünt, dat ifs en Wark dat man
Van denen, dei öt daaht, nich wol erforschen kan.
Ek will juk doch nich mehr mit solken Prach verwielen
Jie wilt Herr Brogam wol nah jaem Bedde ielen
Mit jaer leifen Brat, 6t ifs ohk bohle Tied.
Darin bethalt 6hr wol, wat jie 6hr schaldig sied.
Dei Freister hätt jok jo gegefen diisse Lehren;
Jie schollen frachtbaar sien an juen Stam vermehren
Dat segt dei Preisters all' an glofet man gewifs,
Dat dflsse Lehre jük, Herr Br6gam nohdig ifs.
Den eft gliek jae Stam all ifs soa hoch erhofen
Dat 6hu an sien Geschlecht dei gantze Welt mocht lofen,
Den alldat wat sei daaht, dat ifs wol Lofens wehrt
Doch lof ek nich dat sei den Stam nich mehr vermehrt.
Taam ersten jae Vaer von dem jie sind geboren
Dei hlt ap Kriegers Ahrt veel brafe Kerls ermoreu.
103
Un daiht 5t sAlfest ohk. Wat all van 6bm gescheihn
Dat heffe wie taom deel in Braband angeseihn.
Hei h&tt all Gänder gnaug erworfen sienen Arfen
Un ifs noch ümmerhen bedacht mehr ton erwarfen,
Im Bedde hätt hei doch nich mehr ton danhn vermögt,
Afs dat twei Twiege sind von 5hm tour Welt gebrocht.
Van sienen Brefidem twei wolln sek nich einst getrnen
Ton Frieen, hadden recht vor Fmen-Volk' en Qrnen
Un helfet öt ohk noch, doch weiht ek düssen Dag
Noch nich, wat sei dartoa wol recht bewegen mag.
Wie wehtet ohk Herr Brnht, dat jnen Stamm imglieken
An Gänders Ehr* nn Banhm veel andre m5htet wieken.
Im Bedde helft sei doch von^) §hrer Arfait Lohn.
Dei Vaer nn Grohte-Vaer kuhm ieder einen Sohn.
Doch mochte jie j5k nich an dei Exempel kehren,
Jie mühtet jnen Stam Herr Br5gam mehr vermehren
Tanm längsten moht gewifs den Dag nah Florentien
En lAttek Sohneken in juer Wegen sien.
Gott gift jok wol wen jie recht kohmet up dei Ennne
(Dmp jue ÖUern noch nich sind in düsser Stnnne
Ohk wol nich kohmen werd) npt andre Jahr en Paer
San gäbet den hie j5k dei Wegens immerdar.
Wie w&nscht nnd biddet Gott, hei wolP in Gnaden gefen,
Dat jie veei leife Jahr mögt wol vergneuget lefen,
Un jner baider Stam bet an den jüngsten Dag,
Afs jie sülfst wdnschen mögt, beglükket bliefen mag. Amen.
Hochzeit Möller / Thor Brfigge (Hannover 1724).
Water up dei Möhle, Asse dei Möilersche un Taur-
brüggische Hochtiet fyret word, Sette düsse Riemen up Det
Mollers nöchste Nahber Dei Junge Huefsmann In düssen Jahre
[14. Jan. 1724.]
Wat gift öt ganes nie*fs, in dfissen nien Jahr,
Dei Moller galt Tanrbrügg', dat well j&ck wat bedfien;
Dat dait Hei nich umsfifs, dat weit eck enck nn wahr.
Oet ifs Oehn nich tan dann um Slam nn dr5ge Klieen,
Dat hat Hei in der Mohl, öt mant wat anners sien,
Dat Hei Tanr Bröggen galt, meck dAcht, Hei hopt np Water,
Hei sillht dat Water übt, dat Siene Möhl mag lien,
Un wenn Hei dort nich kreig\ so brnmm Hei afs' en Kater.
Dat Water mant öt ja by Water-Möhlens dann:
Den wo*t an Water fehlt, so stait dat Kam-Rad stille.
Und wen't tan hfipig kümt, son galt dat Rad in Staun;
Un wenn öt overfrüst, afs' in der Winter-Kulle,
Sou dait öt ock nich gant, dat gantze Möhl-Warck stait,
^) Druck: vor.
104
Dei Bäder staht in Ifs^ afs Steine in den Muhren.
Un süht Hei nich wol tau wen't noch allmalick gait,
Maut Hei mit Siener Mohl npt Water lange luhren,
Drum Water, Water her, wei well een Möller sien,
Dei seih na'n Water nht. Drum galt Hei ock Taur Bruggen,
Dei truete M611ers-Mann, nu ja dat dript Hei fieen.
Hei leggt seck an dat Sehnt mit Sienen möyeu Büggeu
Un keist dat Water uht, dat up dei Mohle past.
Hei socht, Hei fund 6t ock, dat harr Hei rechte dropen,
Oet glficket 5hn na Wunsch; Nu haut hei up den Quast,
Sien M6hlwarck kan nu nich wol anners afs gaut lopen,
Eck wflnsch Herr Moller Jfick veel gauTs un Glficks dartau,
Dat Jue Möhlwarck mag in Bädern, Kam-Bad drieven
Un Steinen flietig gähn, un dat Juck keine Kau
In Juen nien Speel un Schwick-Mohl mag uhtblieven.
Un wenn Jl overt Jahr: doch Ji verstaht meck wol,
Un eck Jfick nich sou gaut. Eck wünsche langes Leven,
Wat eck sfifs ohne düt Juck noch anwönschen scholl,
Dat well dei grote Gott Juck ock na Wunsche geven.
Glfickwimscli ssn Herzog Angnst Wilhelms Geburtstag. 1724.
Fraiden-YuUe Glükwunsch up den Fürstliken Gebohrts-Dag,
Uses Gnadig8ten leifen Lannes-Herrn, August Wilhelms, Regerenden
Hartogen tau Brunswiek un Lüneborg cet. Dat Twei un Sestigste
Jahr am 8. Martz im 1724 Jahre glüklich erfüllet hadde, Un Dat Drei
un Sestigste mit aller Siener ünnerdahnen grohten Fraide gesund
wedder antrat, uppesettet von Johan Borries, uht Oehlkassen
jonsiets dem Hilse. Wulfenbüttel, gedrükt bie Christian Bartschen,
Hartogl. Hoff- und Cantzly-Bokdrükker.
DEi LAe dei hier sind van ehrliken Qehleute
Bie osch nu helft in sek en rechte gauht Gemeute
Vor usen Lannes-Herrn, dei sien jo Dag un Nacht
Dem leifen grohten GOtt tau danken nu bedacht.
Dei Gnade dei osch GOtt in vorgem Jahr erwieset,
Dei ifs sau groht, dat sei werd nümmer gnaug geprieset,
Ja siener Gnaden sind bie ösch sau veel, dat mau
Mit hundert Tungen sei nich alle teilen kan.
Wie^) helft insünnerheit dem leifen GOtt tau danken,
Do use Lannes-Herr sau hart verfäir int kranken.
Sau dat dei Süke fast bekam dei Overhand,
Och GOtt in wat vor Angst kam do dat ganze Land.
Mit miener Fedder weiht ek gar nich tau beschriefen,
Wat grohte Klagen man bie Männern un bie Wiefen
Do Hufs bie Hufs gehört, dei Maikens overall,
Dei hadden neinen Trost un klagden ahne Tall.
Do asse man, Herr Filrst, anfänk in allen Stännen
Osch tau dem leifen GOtt mit dem Gebebt tau wennen,
Un reipen alle: GOtt help osch uht düsser Nobt,
^) Druck: Mie.
105
Dat nsen Lannes-Herm yenchonen moht dei Dohdt.
Do segnede hei fluks dei Astenie' un Säfte,
Hei stärkde Dag vor Dag des leifen Fürsten Kräfte,
Up nse Bidde gink dei Krankhait do yorbie,
Jie sind, GOtt Lof, Herr Ffirst, im yor dem Dobde frie.
Wiel jie mit GOtt regeirt, lät hei in allen Dingen
Wat jie yom6hmt nn dauht, J6k fimmer wol gelingen;
Wor Goddes-Deinst ohk Recht alltied im Schwange gaibt,
Yerspohrt man, dat 5t wol in sölkem Lanne staibt.
Ek moht, Herr Lanne s- Fürst, hierbie J6k noch wat seggen,
Jie denket jo wol nich öt öyel nht tau leggen?
Dei Sake schient an sek ganz ehrbahr, hüpsch ohk fien,
Un yeele Lue segt, sei wolle nohdig sien.
In einer grohten Stadt, daer findt sek Patrioten,
Dei rechte ganht gesinnt nn hefft bie sek beschloten,
Dei Maikens asse sek geböhret tau erteihn,
Un stellet yor, wo dat am besten kan gescheihn?
Sei gefet all ant Lecht mit klaren Dühtschen Schriften,
Dat böge Schanlen ohk yor Maikens sien tau stuften,
Woher dat kohmen kan, wat daertau nohdig ifs?
Dat ifs en Wark dat man jo priesen moht gewifs.
In Silken Schaulen scbölt ohk sien Professorinnen,
Dei wol erfahren sind nn heffet klauke Sinnen,
Un en junk Maiken saa mit Fliete wieset an,
Dat ot sien Eristendaum vorerst begriepen kan.
Hernechst sau schall 5t ohk in siener ersten Jogend
Wol unnerrichtet sien in rechter Tucht ohk Dogeud,
Darneyen schall öt noch den Hufsholt lehrn yerstabu,
Insünnerheit, wo 5t dem Manne yortaugahn.
Wat düssen Pnnct bedrept wilt etlike erinnern.
Wo Männern yortaugahn, dat m5ste man den Kiuuem
Un Maikens sünnerlik nich seggen yor der Tied,
Süfs gingen sei taum Deel vor 5hrer Tied tau wiet.
Meck dünkt, en Mann kan sülfst in Ehe- Stands-Geschichten
Sien eigen junge Wief am besten unnerrichten.
Den mahkt dei Wiefer sek mit annern erst bekand.
Kriegt sei gemeiniglik darin tau yeel Verstand,
Verlanget heimlik wol mit annern tau pronberen,
Wat wegen Männern sei yorhen hefft mohten lehren,
Befindt sei den, dat twei mehr asse einer k5hnt,
Sau werd up s51ke Wies' en Wiefeken yerwebnt,
Ek afer moht hierbie vom Harten düt noch bichten,
Dat um dei Maikens wol bie 5sch tau unnerrichten
Vor sei en böge Schaul' im Lanne nohdig sie,
Sau seggen alle Lue un bliefet ohk darbie.
Darin jo mohtet wol ohk sien Praufessorinnen,
Jie köhnt nu Dähmkens gnaug dartau geschikket finnen,
Jie wehtet sülfest wol un jue Hof gewifs,
Dat dei Bestellung ohk darin sehr nohdig ifs.
Nu segget etlike hier yan der Fruen Wasen,
Dei labte sek nich licht um 5hren Schnafel grasen,
Ek bore nich, dat ot en Kerl mit ohr yersocht,
106
Weiht nich) wat einer hätt bie 6hr darin vermocht.
£k h5re. dat sei drdgt gemeiulik eine Hosen,
Mien Nahber handelt ohk darin nich mit Franzosen,
Doch hätt in sienen Schrank^ hei eine Brank tan yeel,
Dei noch nich ifs gebrnhkt in einen Leffel-Speel.
Dei düsse Brank man seiht, dei pleget sei tan lofen,
Wen sei verlangen werd dei Brank 6hr antanprofen,
Sau handelt sei dei Bronk ahn Twiefel 6hm gliek af;
Drägt sei am Liefe wol, bet dat sei kfimt int Graf.
Nu mit der Wasen will ek mek nich mehr verletten,
Doch will ek noch en Dink tau seggen nich vergetten,
Staudenten mohtet jo gedeponeiret sien,
Dat deponeiren schikt vor Maikens sek nich fien.
Dei Wase werd dartau ohk wol nich gratuleiren,
Eft gliek sau veele hier dei Kunst tan deponeiren
Am Hof un in der Stadt up D()rpern ohk verstaht,
Afs Vogel in der Luft un Fisch' im Water gabt.
Staudenten pleget nu ohk Geld darvor tan gefen,
K6hnt doch up Unversteiht afs brafe Kerels lefen,
Schall en junk Maiken hier nu ohk Staudentin sien,
Sau ifs, wen sei darin verschonet sien kan, fien.
£k will hierbie noch man mit wainigen berühren,
Wat in dem ganzen Lann' 6sch allen will gebohren,
Dei düssen Dag bedenkt, dei werd mit mek gestahn,
Dat man rooht fieerlik den leifen Dag begahn.
Augustus Wilhelm ifs up dfissen Dag gebohren,
Tau usem Lannes-Herrn vam leifen GOtt erkohren,
Dei hätt bether sien Land un Volk sau wol regeln,
Dat ohm dat ganze Land mit danken gratuleirt.
Wie danket alle GOtt übt uses Härtens Grunne,
Wie prieset 6hn davor mit Harten un mit Munne,
Den Danken lokket GOtt tau mehrer Woldaht an.
Drum danke GOtt dem HErrn mit Danken iederman.
Wie w&nschet alltanmahl, GOtt woir in Gnaden gefen,
Dat Hei noch sestig mahl mag düssen Dag erlefen.
Hei gefe Dag vor Dag 6hm nieen Lefens-Saft,
Verlangre siene Tied mit nieer Gnad' un Kraft.
GOtt segne doch, Herr Fürst, ohk jue leife Fieken,
GOtt segne Baide J6k ohk ganze Huefs imglieken,
GOtt segne Juen Hof, GOtt segne Land un Stadt
Un dei drin wohnt, bet dat dei Welt en Enne hat. Amen.
Hochzeit Klainschmidt / Hecker. Hannover 1724.
Am Hochtieds-Dage det Herrn Jost Wilhelm Klainschmedts
un Junffer FiekenMarlenenHeckers wolle mit teegenwohrdigen
Riemen den beyden jungen Lühen Glück wünschen Der Brüht Brauer
A. F. H. Anno 1724 den lOten Octobr. Hannover Gedruckt bey
Ludolff Heinen.
San Süster recht! san recht! steckt deck dat in der Näiseu,
Dat dn nnh mit der Täidt wnlt äine Fruwe weisen?
Hastu deck nu so boir tan fryen resolvairt,
107
Wer hat in aller Welt Deck doch datau bek&nrt?
Grawt deck wohr dat et ward ehn harre Wiuter wairen
Dat du im Bedde mßgtst alleine gans verfrairen
Aebr gruwet deck ohk wor nah et san lange Nacht?
Dat du by guwer tiedt np selschnp bist bedacht.
Wat hat in aller Welt deck doch dahrtan bewagen
Dat du nuh fryen wult? Ick maut deck ais recht fragen:
Ha! Ha! eck marck et wohl, eck woir et boUe rabn
Gelt hat Herr Kleinschmedt nich deck wohl tau gaut anstahn.
Nn Sftster du hast recht, du hast deck uhterlaisen
En Kairel, dai yix ifs, Sien dauhn un all sien Waisen
Dat ifs, gleuff mienem Wohr\ recht afs et schall nu maut,
Von Harten ehrlck trfih, uprichtig braff un gaut.
Gott Iahte Ju tohsahm in Freh' un Freude laiwen
Un woir wat iu n&t ifs ohk dageliekes gaiwen
Gott gew* dat du un Hai, Jy twe verleifde Paar
Mägt in Vergneuglichkeit taubringen yeble Jahr.
Schal eck afs ein Prophait deck noch ehn wahr Wort keuren,
Gelt tjegen Jacobs Dag war' wyh wat n&ies henren.
Doch höhlt! Ick segg' nich mair, nu will ick schwiegen still
Und dencken by meck sülffst noch alle wat eck will.
Hochzeit Lilie / Schuppe. Hannover 1724.
üp dat Lilljen- un Schuppen Hochtieds-Feste wolle tom
kortzwieligen Tied-Verdrief düt Betjen deinsthafiftig ohwergefen einer
dei In Hannover tau Hues höret. Hannover Gedruckt bey LudolflF
Heinen, den 26. Oetobr. 1724.
As eck vor korter Tied in Cumpanie kämm;
Da spröcken sei von nicks as yon den veelen fryent,
Dat hier dei Luhe dehn von Ifltj' und grauten Stamm,
Eck s&h' wo nu tom kranckt et is ja woU kein brübent:
Neh, neh seh einer meck et schall kein brühent sien,
H5rt tau un set't juck dahl et schall juck nich ger&hn.
Dei eine sähe denn eck maut tor Hochtied gähn;
Denn mien Hr. Vedder hat mit F. seck versprocken,
Eck kau dar nich umhen eck schal bym Brogam stahn,
Eck hefiT dat ja Word all von meck herrnhtebrocken;
Sfifs weit en jeder woll dat Hochtied Penje kost,
Un Yadder stahen is glieck efen Mnst as Most.
Do seh dei ander ock, ja Yadder dat is nicks
Enmahl tor Hochtied gähn dat lat eck noch passairen:
Eck was vor korter Tied erst upper Kinder -Licks,
Un maut am D6nner Dag, ock hen naer Hochtied feuren;
Dei wait, dehm 2 mahl ward vor siene Dor ekloppt,
Dat Hochtied, Vadderstahn, hen in tom Gelle lopt.
Dei drüdde seh den ock hört doch en betjen tau,
Wat eck juck seggen will, dar wnrren uppeboen
Am Sondag 4 paar Volck, bort Nahfer is't nich sau?
Ja, ja seh hei sau is't eck dacht et wören Doen;
108
Man as eck horde tan, wo dat sau dannig kämm
Saa was dat erste Wanrt: viel Ehr und Tugend sahm.
0! schwieget ji man still, eck wait noch beter wat;
Hr. Schuppe wil nu bald sien ölste Deer'n uhtgefen
Sprack einer dei was nich tau Huefs in dfisser Stadt,
Hr. Lillje hat ailängst edacht mit sey tan lefeu,
Dei Hochtiedt schall ock bald im Bruer-Huese sien!
Dehm hAbschen Maiken ward dei Koop ock nich gerfihn.
Mien leifife Fründ seh eck wo mag et woll tau gähn;
Dat gegen Winter seck Hr. Lillje denckt tau paaren;
Op öhm wor bange is hey kennet nich übt stahn,
Wenn't kohle Winter gifi^; da doch in veelen Jahren
Wie keine heffte hat: et maut wat anners sien:
Denn döt holt keinen Grund un hat ock keinen Schien.
Doch still meck fallt wat by, meck dünkt eck drep dei Kand:
Dat Linien behagt im Winter seck tau paaren,
Et kan woll m5glick sien dat in der Schuppen Land
Ward Lilljen Saat esait by düssen sp&den Jahren,
Un junge Lillien man k5nn im Sommer safn,
Sau wor im Winter jo dat fryent recht eschein.
Wo kummt doch Junffer Brüht, ey nnh in aller Welt
Up den Sinn? dat sey ock an einen Koopman dencket.
Glieck sprack en ander drup: ja handeln bringet Geld,
Et mag woll längsten ock by den dei Ehen lencket
Inn^t Bauck eschreffen sien: Drum schwieget ümmer still,
Un günn't ohr dei Partie; Wiel dat et Gottes Will.
Nu fehlet nichtes mehr: denn jeder was bedacht
En Glück- Wunsch, Junffer Brüht, mit Früuden juck tau bringen,
Un dem Hr. Br5gam ock, doch juck segg^ eck et sacht;
Oehr Junffer Brüht will ick't in körten Biemen singen:
Dei eine wünschde Glück, dei ander sah* hei stah
Un falle nich enmahl. Mien wünschen kummt dernah.
Eck as en Singer maut den grauten Glück-Wunsch dau'n
In einen Leid, et gait dei Meldie: Trübte Deereu.
Dei Stimme is wat groff doch kan eck fiene kau^n,
Wenn meck man keiner dait in mienen singen stöhren.
Dei Thon gaiht übt en G, en ander secht übt Gis,
Dei Drüdde seh forwahr übt A gaiht hei gewifs.
Himmel Iaht veel Seegen kohmen,
Up düt nnh getrübte Paar:
Dat sey möget übte nehmen
Sien von aller hosen Schaar.
Sy ohr Glücke nich entegen,
Strahle sey mit Freuden an,
Sau veel Drüppen in den Begen,
Dei man gans nich teilen kan.
Himmel kröhne sey mit Wunne,
Dat sey mögen veele Jahr
Seihen obre Glückes Sunne
Buhten allerlai Gefahr.
Labt ock sau veel Lilljen wehren
As man ümmer mogelck is,
Oehren Hupen tau vermehren:
Sau blifft ^)hre Stamm gewifs.
Nuh tau lest wünsch eck juck beyden,
Dat Ji moget alle Tied,
Sien Gesund in Lust un Fr&iden;
Bed dei Dodt dartwischen süht.
Denn sau labt dei leife Heere
Juck tau Hoop in Herrlichh&it
Kohmen, da den ewig Ehre,
Da man nicks van truren wait.
109
Hochzeit v. Mengershansen / Wiesenhaver. Hildesheim 1725.
Als der Hoch-Edle, Grossachtbahre und Fürnehme Herr Herr
Anthonius Henricus von Mengershausen, Zu Mühlenhausen und
Edesheim, Mit der Hoch-Edlen, Gross- Ehr- und Tugendbegabten
Jungfer, Jungfer Sophia Margareta Wiesenhavern, Den
16ten Augusti des jetzt lauffenden 1725. Jahrs Unter Priesterlichen
Seegen zu Hildesheim Ehelich copuliret wurde, Weiten Jhre schuldigste
Glückwünschung abstatten Innenbenannte. Hildeshelm, gednickt bey
Michael Geifsmarn.
IV. ^)
Goden Dag, jy Heren alltomahl,
San veel jner allhier sind an de Thal,
Segt, tho wecken Enne sin jy her,
Juck tho maken ein Plaser?
Ohr wat schall et sünst bedün?
Jy sied alle ja san degger fien;
Ock dei Wiefer sind sau frflndlick,
Ja sau schmück nn pfintlick,
Dat sey sick san lustig maken
In den K5hken ock sau kaken,
As wannt ehne Hochtiet weire,
Un der VerleiflFten 6hre Feyre,
Man süht alles seck sau flieen
As wann seck twey leiwe Luhde fryen.
Da kfimmt her ein Junggesell med witten Haaren,
Afs wann he sick med der Brut will paaren.
He is dryst, dat 5hme nemfs ansüet,
Dat dat Lopen 6hm thaur Ehr geschüet.
Hei deit, afs wann hei nist darnah fregt,
Dat man Br5gam thau ohm segt.
Nodiget den Oast by 6hm tho bliefen,
Um 6hm Thiet un Wiele tho verdriefen:
Averst wann ick dumme Lannes- Knecht
Dflssen Mann anseie recht;
Sau maut ick de dfttscke Wahrheit seggen,
Wu gehm he sick woll by siene Greytsche leggen.
Un dat hei et geern den Gästen seggeu mögt,
Wau 6hm um dat Hart is recht.
Och hey n6dget j&ck, jy Gäste, man thom Schien,
Un gifft jfick daby wol guen Rihnscken Wien;
Averst hey woll leifer glieck tho Bedde gähn,
As by jfick sau gär verdreitlick stahn.
Drum packt juck man nah Hufs in aller Stille,
Dat is Uses Br6gams gnAdger Wille.
Dat jy sfilvsten ock med juen Greitchen
E6nnt na Bedde gähn, un enmahl heytchen,
^) Voran gehen 6 lateinische Hexameter nebst hochdeutschem Sonnet von
Ant. Lüdw. Wiesenhaver, 6 jambisch - anapästische hd. Verse yon Justus Karl
Y. Wiesenhaver und 12 lat. Disticha von Georg Christian Bodinus.
110
Ock jy JuDfern un jy Janfern- Knecht.
He denckt: 0 hedd' ick man erst dat, wat ick mocht.
Averst jy wert jÄck et nich verdreiten laten,
Dat jy keinen Haat dfifswegen np mick faten,
Wiel mick dat Hart sau gar weihe deit,
Bed dat jederman nah Bedde geith.
Lefen Heren, nn jy gohde Fri^nne,
Wann jy wüsten, wau meck sy tho Sinne,
Un verlanget, eyr et Afend wäre,
Dat ick mick med miener lefen Ddffken paare,
Ock as wie dei Dnfen sfilvst sick schnäbeln,
Un wat daby noch ward sünsten kröpeln.
0 jy lefen Wiefer wettet, wat daby tho dohn,
Dram weret jy dit nich vor Spott nn Hohn
Glieck npnehmen, sflndem meck sien faoldt,
Denn jue Fr&nschop is mick lefer asse Gold.
Nu ja lefen Lue, et is Tiet,
Denn de Avend is nu nich mehr wiet,
Use Henner fleiget up, ehn Jedermann
Kan nn wedder siene Strahten gähn.
Eck marck' even nn erst, wat hier hernt kam.
Da steit dei Brüht, nn da dey BrMdigam;
0 eck wünscke jöck goot GlAck van Harten Granne,
Dat jy jue Warck anfangt in gooder Stanne,
Un med Leiwe lange Jahr thosamen schlapen,
Ock ath jnen Fenster mögt gar f rundlich kapen,
Dat et gahe juck na Wunsck an Willen,
Dat de lefe Gott ja woll erfüllen.
Na ick dämme Daffendop in düssen.Saken
Kan nich veel mehr maken.
Hedd'ick mick thanr Krabben-Tiet darnp gelegt,
Hedd* ick wohl gedahn an etwa recht;
Averst da leth ick dey B5ker Boker sien,
Un fong an tho pleagen an ackern fien.
Ick erwehlte mich der Haafshalt za ergeben,
Welches ich aach schätzte für das beste Leben.
Hol Ho! balle hadd* ick annefangen hoch tho schnacken,
Un da kam de Grode-Vahr, stodde mick in Nacken,
Darum ick by miner Mauer-Sprack maut bliefen,
Eck weit nist mehr, as den Plaug tho kiehlen un to driefen.
Jy verleifften Lyde wert med düssen Saaken
Kein beschimpen dann, ick kan et ja nich bäter maken.
Use Ehr- an Dugendsame Dehrn Sophie,
Will nu nehmen ebnen Mann, an fryen,
Ock se daby Margreite heit,
Se will raisen, eyr dei Tiet vor^ffer geith.
Nah den Orth, dei ryck van Wayten, Garsten, Havern,
Glück taur Reise Junfer Wiesenhavern.
J. C. T. A. G.
I 111
Hoehzeit t. Grote / y. Post. Schauen 1726.
Platdütsche Schnaken, Van Post-Saken Asse dei Her Frie-Her
Henrik van Groten, Königl. Geheime-Kamer-Raht mit Frl.
Lischen Julianen van Post Up Sienen Frieherl. Huse Schauen
Den 14ten Feiberaries 1726 Eine Post-Kumpanie makede, Uppesettet
van Jaust Gerkens. Hannauver, Gedrükt bie Ludolph Heynen.
VEel Minschen-Einner sind verennerlik van SinnoD,
Dat andre sek nich k5hnt in 6hren Saken finnen,
Dei eine dei will %fi% dei annere will san,
Drum gaiht öt wnnnerlik bie sölken Lfien tan.
Deels jnnge Fenten plegt mit Sorgen sek tan qnelen,
Wen eine Lefens-Ahrt Sei wilt vor sek erwehlen,
Doch moht man erst damp bedacht sien Nacht nn Dag,
Dat ehrlik man sien Brodt nn Drank erwarfen mag.
Dei dat nich wol bedenkt, den werd öt san nich feügen
Sei sien ohk wat sei wilt, dat Sei sien im Vergnengen
Oet Sie den dat Sei sölfst sau riek' an Middeln sind,
Dat Sei hefft nnerholt vor sek ohk Wief nn Kind.
Nn hätt dei leife Gott Her Br6gam, j5k gegefen,
San veel, dat jie wol köhnt van jnen Qeüdern lefen:
Jie sind ohk noch dabie Geheime-Kamer-Raht,
Den Kamer-Saken jie vnlikomeu gnang verstaht.
Noch halt dei Eönje jöck dat Over-Amt im Bnen,
Wen hei wat bnen lät, jök laten anvertruen,
Wie wehtet, dat van j6k betflgt dat ganze Land,
Dat jok dei Bnknnst ohk tanr Gneuge sie bekand.
Nn segt man hier, dat jie ohk wilt en Post-Man weren,
Dei Werke kohnet ohk wol Bnren-Kerls lehren,
J6k Lüen afer staiht dat Fohrwark nich wol an,
Dat ifs vor jük tan schlecht, drflm bliefet man darvan.
Den 8(Mk' en Fohrman moht dei Wagen-Peere klappen,
Man hatt am Seelen-TAg' ohk iimmer wat tan läppen,
Gemeinlik pleget osch dei Strikk' entwei tan gähn,
' Van S(Mken wäre jie wol nich gar veel verstahn.
Wie wehtet, dat jie gern en Jagt-Peerd mf)gt bestrien,
Drnht schlute wie, dat jie ohk kont en Post-Peerd rieen,
Dagegen segg* ek niks nn sie dahen gestellt
Doch wiel dei Biet-Post jok vor andern sau gefält,
San heif ek jok hiervan nothwennig wat tan seggen
Jie denckt Ht afer wol nich 5fel nht tau leggen,
Ek heffe nich alleen veelmahls dei Post geföhrt
Ek weiht wol, wat der Post im Rieen ohk gebohrt.
In mener Jogend most ek mit Stifteten jagen,
Dat Jagen plegte mek tan der Tied sehr tan hagen.
Sei segget ohk dat jie nein Fiend der Riet-Post siet,
Sau rieet den dei Post in juer Lefens-Tied.
112
Do Jie bestennig wilt bie jnen Sinne bliefen
Wil ek mit wainigem van solken saken schriefen
Dei tau der Riet-Post man nohtwennig heffen raanht
Wen man dei hätt, sau gabt dei Saken alle ganht.
Tanm ersten möhte jie vor ein flinck Post-Peerd sorgen,
Jie heffet Middel gnaug un dr^ft dartan niks borgen,
Dei Qeld betablen kan, dei krigt obk wol en Peerd,
En Post- un Riet-Peerd ist jo sienes Gelles webrt.
Doh ningenst Veih-Markt vor Hanover word geholen,
Do keibmen Peere drup van jungen un van ohlen,
Doch k5fte jie nich Ein, daräm sprak jederman:
Dei Heer hat all en Peerd, dat 5hn vergneugen kan.
Dat Post'Perd dat Hei hätt, dat häct recht gladde Scheuen,
Hei kan 6t ohk sehr wol tau sienen Ritt gewöhnen,
Un wen en Post-Peerd erst des Rfiters Ritt verstaiht,
Sau weiht man, dat 6t gern nah sienen Willen gaiht.
En Rüter mauht sien Peerd wol hegen un wol plegen,
Sau kan den Rfiter 6t in sienen Sadel drägen,
Nümt man dat nich in acht, sau- werd en Post-Peerd matt,
En Rflter werd den ohk des Rieens s&lfTest satt.
En ungewehnet Peerd plegt Anfangs sek tau spehren,
Wan man drup stiegen will, dran mauht man sek nich kehren,
En Post-Ritt mauht doch enst getrost gewaget sien,
Dat wagt un drinket man darup en gauht Glafs Wien.
In juen Stalle sind mehr Riet- un Kutschen-^eere,
Dei Peere iederman ohk h61t in groten Wehre,
Doch ein moht Lief-Peerd sien, dem mahkct juen Ritt
Bekand, sau dregt dat Peerd j6k ohk nah juen Schritt.
Wen Jie kohmt up dei Jagt sau sitte jie im Sadel,
Dat ohk dei Lästerers nich finnet einen Tadel,
Sau hobp ek Je weerd ohk den Post-Rit wol verstahn
Un wehten, wo man mauht darin tou Warke gähn.
Wen Jie nn up dat Peerd stiegt, st6tet nicht int H6ren,
S&st 16ppet jederman sau gliek übt sienen D6ren,
Dei eine dadelt dflt am Post-Knecht* andre dat,
Nah dummen Volkes Ahrt un wehtet sülfst nich wat.
Wen Jie obk Jue Peerd in Rieen mogten drükken,
Dat lichte kan gescheihn, sau m6bte Jie fluks schikken
Hen nah der Schnellischeu, dei weiht dagegen Raht,
Drup alle Peer-Artz^ hier sek ohk^) sau wol verstabt.
Doch mohte Jie dat Peerd wol hen up veertig Weken
Bedekken allemabl mit Juer eignen Deken,
G16ft dat dat dekken 6hm den neinen Schaden daibt,
Wen Jie dabie vardan gebrnbkt Bedachsamkeit.
^) Dafür ist am Rande nich verbessert.
113
Van Posten is hierbie noch mehr wat an ton f6hren,
Ek will mit wainigen dat 5frige ber6hren,
Wat Jak in dflsser Tied tan seggen n^hdig is.
Dat heff* ek längst erfahrn nn weiht ot vor gewifs.
£n Postman manht sek np den Wege nich Verwielen,
Hei manht veelmehr san veel f>hm moglik sien kan lelen,
Doch nich galiop nn man en rechten sagten draf,
Sfifs schmit en Post-Peer d ohk wol sienen Rüter af.
Dei K5nje h&tt vorerst dem Post-Amt anbefohlen,
Dat alle dei 5hm deint dei Ordnung schollen hohlen,
Dei Post manht Dag yor Dag in 6hren Schwange gähn,
Sfifs kan dei Handel jo nn Wandel nich bestahn.
En Postknecht jaget wol tan wielen for Cnreier,
ün drinket ohk dabie en Gl/lsken Wien nn Beier
Canreiers maket sek dei Wege sfilfst bekand,
Dei maisten gabt van hier nah Holl- nn Engeland.
Yeel mühtet ohk nah Wien, Barlien nn Kassel jagen,
Dahen tau jagen mögt' ek mienes Dehls nich wagen
Man manht bie düstrer Nacht d5rch Wälder, Barg' nn Dahl.
Dat mangen Postknecht bringt bie Nacht* in Angst nn Qnahl.
In Norden gaiht en Weg den will ek nich verhelen,
Jie werd, wen jie mek höhrt, den Weg wol sülfst erwehlen,
Drnp ifs nein Barg nein Dahl van hier bet Haar borg tan
Ja Biee Jie dahen, befinne Jie 5t san.
Nah Haarborg heff ek sülfst all mangen Bitt gewaget,
Dei Ritte helfet mek ohk allemahl behaget,
Wen Jie daer kohrot, sau geft den Wachten en ganht Wohrt,
Sau kohme Jie int Dohr nn up der Raise fort.
Wen Jie dat nohmt in acht sau helfe jie tau hopen,
Dat den dat Dohr vor jftk in Haarborg willig open,
Daer rauhet den man übt, wen Haarborg jök gefült,
Bet dat en Schep vor jok nach Hamborg ifs bestelt.
Dei schlünig will van daer nah Hamborg over fahren,
Dei mauht nich Kmsenbnsch, nich Rngenbarg berühren,
Föhrt dorch den Raiger-Stieg un durch dat lange Lok,
Daer kan jok overall nich hinnern Stok noch Blök.
Jie hefft Heer Brogam nn mit wainigen vernomen,
Wo jie dorch Haarborg kohnt nah Hamborg ielig komen,
Heer Brüht erinnert 5hn man allemahl daran
Un glofet dat Hei Sek den nich verirren kan.
Meck dünkt jie Baide wilt in Post- nn solken Saken
Dei n5hdig sind tonr Post nn Kumpaniee maken,
Dat ifs jük baiden gauht, drum segg' ek baiden frie,
Wat jie beschloten helft daer bliefet baide bie.
Ntoderdeatsohes Jahrbach XXXV. g
114
Ek wfinsche baiden Glfik dartau nn Goddes Segen,
Glük, Inter, Inter Glük np Wegen an np Stegen
Da jie man gabt an staht, dat jie bie jner Post
En anner Spiesen mögt mit seüter Scbnafel*Ko8t.
Son ward dei Schnellische mit jok erfraiet weren,
Un re Ahmen jaen Fliet tou jner Last obk Ehren
Un hohpt darnp van jc^k gewAnigliken Lohn
Wen sei jÄk bringen werd en leifen Ifitjen 8obn.
Jie m/^htet baider Siets jok ohk dahen bestrafen,
Dat wie m6gt alltemahl mit Jok dei Tied erlefen,
Dat doch davan Bewiefs up Edemnndes Dag,
Soa ifs dei rechte Tied, ant Licht jo komen mag. Amen.
Hochzeit Grapen / Droste. Hannover 1726.
Dei Gelfsene Koopenschop Ennes liuhren Dei hei Tau Marcke
brochte Up dat Grupen-i) Un Drostenscke Hochtieds-Fest
[22. Januar]. Worinne Tom grauten Dancke Vor veel Gaues In
ennen Misch-Masch van Riemen Gratuleiret En Buhre In Harmsen
Huse tor Horst. Hannaurer, gedruckt by Ludolph Heynen. 1726.
WAt is et doch san schlimm nm ennen armen Bahren
Hei kohme wo hei will san ward hei doch ehrAht,
Dat dfit nich anners is, dat löfFt man: wann by Schahren
Hei nah der Stadt eer sAfs na^m annern Ohre tAht.
Eck fönrde mahl naV Stadt, an hadde Korn tan koope,
Ja eck verkofft et ock mee tehmlicken Pranfit,
Un dachte: Na da hast saa dühr verkofft, saa loope
In't erste KrAnger Haefs, wyl daVt noch Dages Tied.
Kaem hadd' eck mienen Fant in't Krftnger Haefs esettet,
Un woll tor lincken Hand in ohre Domsen gähn;
San h5rd' eck en geraap: kohmt, kohmet, helpet, reddet.
Eck krieg' hier san veel Schliig:', eck kau et nicb ahtstahn.
Eck leip san hastig hen nn wol ohm Hiilpe gewen;
Mans eck kam owel an, sei fallen stracks np meck.
Eck reip: Wat schall dat syn? Laht meck doch byem Lewen.
Sei kehrden seck an nicks, sei schmeiten meck im T)r — .
Up sanen graaten Lärm, kam glieck dei Wachte loopen,
Dei was nich wiet darvan, dei neihmen fisch mee fohrt:
Sey brühden üsch san veel, sei wollen üsch verkoopen
By dei Soldaterie. Wie sprocken nich en Wohrt.
Eck dacht in mienem Sinn, dat het: laht diene NAsen
Übt allen Leckem weg, da't wat tan schnawen giift.
Ol Wfthr eck nämmermehr in dufsem Hnese wesen.
^) Christian Ulrich Grupen, im Juni 1692 zu Harburg geboren, erhielt
seine Schulbildung auf der Martinsschule zu Brannschweig, studierte in Rostock
und Jena, Hess sich 1715 als Advokat in Hannover nieder und wurde 1719 zum
Syndikus und am 11. August 1725 einstimmig zum Bürgermeister der Altstadt
Hannover gewählt. Dieses Amt bekleidete er über 40 Jahre und entfaltete eine
hervorragende Tätigkeit, da er auch als Schriftsteller hervortrat. Er starb hoch-
geachtet am 10. Mai 1767 in Hannover.
115
San bedd* et keine Nantb, dat man meck hier her driift
Um'n lüttick mf)8ten wie tan hoop nah*m Heerens kohmen
Dei Mugen meck nn erst: Wo dat w^hr tau egahn.
Eck seh, eck wAst et nich, dat hedd* eck wol Ternohroen
Dat sej tan Marcke hefft, np enner Stidde stahn.
Eck hedd' man redden wolt, sfifs hedd* eck uicks verseihen,
Un bat: sey möchten doch meck wedder labten lanfs:
Do sprack en ahrig Mann; Wiel dat et is escheibcn
San gab, un sy nicb mehr noch eis sau^n dumme Chrnfs.
Weist du nicht was aldort by'm Wiesen Manne stehet:
Du mische dich ja nicht in frembde H&ndel ein;
Sonst wer da alletied, nach ünglfick sfilfifest gehet,
Der kan ohn Schaden nicb sien Hfiescken wedder seybn.
Eck dancke vor düt mahl, mien leiife schmucke Heere,
Dat ji meck helft sau frie gemackt von den Yerdrufs.
Eck fraug dar buhten tau: Wei doch dei Heere w5hre?
Do s&h en Mann tau meck, hei heite Synnicus
Eck kf)nn wehr frie un franck in mienem Dörpe wohnen.
Eck gienck nah mienem Wieff, un ock in mien Gelacb.
Dei annern mosten do den Pieper beter lohnen,
Dei selten hen sau lang tom annern Marckde Dag.
Nah langer tied hadd' eck eis Gäuse hen tau bringen
Na'r Stadt, alwo dat Qeld vor Gänse tehmlick graut;
Vor fette G&use mftst en Gi^llen flmmer springen
Von mann'gen dei nicb hat tor Tied en betjen Braut.
Meck wurren affekofft, up eis 3 fette G&use,
Da m5st eck sfilwest mit nah der Betahlung gähn:
Mans as eck kam int Hnefs, do was en Wieff sau bäuse
Un leit meck aubne Qeld up 6hrer Dehle stahn.
Eck dachte, teuff du maus, eck wil deck anners fabten:
Gefift miene GSuse her! Weg waren sei tau hoop.
Eck leip as dooif un blind, d<Sr grout un Ifltje Strabten,
Und fraug nahm Synnicus dem woll eck düasen koop
Uth mienes Hartens-Grund, warentigen Verteilen,
Kein Minscke wüste wat von dftssem Synnicus:
Sei sähen alltaumabl, dei Kock mee sammt der Kellen:
Dfit is sfint Middag all en Börgemester Huefs.
Sei sSben: wenn du wult nah siener Leivsten gaben,
Vielichte is bei dabr, da du Öhm sprecken most,
Ol hat bei enne Brnbt? sau mag eck hier nicb staben
Was miene Antwoi|rt drup; Denn hat hei beter Lust
Meck Recht in miener Sabck nppt allerbest tau gewen.
Eck sprunck as'n Hartze-Bock nar Brüht obr'm Huese tau.
0! wat en sk5nne Minsk, eck beff in mienem Lewen
Nicb sau wat Gladdes seihn, eck wort recht angst un flaub.
Doch faet eck meck en Hart un fraug nah*m Ober-Fester?
Drup kam dei gladde Mann tan meck beruhte gabn.
Un sah: wat will ji Mann? Ich bin der Bfirgemester.
0! sau vergefftet meck, eck heffet nich verstabn.
Tau erst wünsch' eck veel Glück dat ji tom B5rgemester
In düsser Stadt emackt. GOtt labt jöck veele Jahr,
As jenem oblen Mann, meck dfinckt bei heite Nester
8*
116
Ock sau yeel Jahre seihn. San is mien wünschen klar.
Ick he£Fe hier verkofft np eis drei fette G&nse
Dat sint twei Dahler mans dämm bedreigt sei meck,
Dat Wieff dei sei gekofft, dei was vertwiewelt b6se;
Sei sah: tom Hnefs hennth, ji krieget uich en Dre-.
Un alsan heff eck meck bemeuht, tan 5hni tan kohmen,
Eck bidd' hei nehm et doch van meck san ^vel nich.
Hei sah: die Klage hefiT van jöck ich all vemohmen.
Sie soll bezahlen ench, und dieses ohne mich.
Eck danck jn schmncke Heer, dat ji meck Becht egewen,
ün bidd' hei segge meck doch sienen Hochtieds-Dag,
San will eck ewen hier, wenn eck blieif by em Lewen
Meck wedder Iahten seihn, wenn eck et wagen mag.
Mein Frennd: was wolt ihr denn np disem Tage machen?
Dafd ihr san flietig fragt? er heist Vincentius Tag.
Eck will tan Marcke hier wat bringen, ji schalt lachen
Wenn ji et seihen werd. Adjen tain dnsend Fach.
Eck kreg hiernp mien Geld, by Heller un by Penje,
Un fänrde Ogenblicks nah uhsem D5rpe tan.
Eck kam san dra nich in, eck leip nah uhsem Hei^e,
Un bat fjhm glieck um Rath, op miene melcke Kanh
Eer Schwiene, Fedder-Veih, eck schul tau Marcke bringen,
Dei B(^rgemester wull sien Hochtieds-Dag begahn,
Un eck yersprocken heff, van veelen grauten Dingen
Tau bringen np et Marckt. Labt meck nich kahl bestahn.
Hei s&h: mien leiife Mann! wat will ji da mee macken,
Sei nehmet kein geschenck eer Gawen in 5hr Huefs.
Doch meck falt noch wat by: könnt ji van Riemen Sacken
Wat dichten, wiel et is dat best by*m Hochtieds-Schmufs.
Eck sah : en betjen wol, manns yor'm enfuld'gen P5wel,
Vor hongeu Lfihden bin eck nickes informeirt.
En Riem den mack eck wol, mans naem Buren Stewel,
Von granten Wohren heff eck nickes nich elehrt.
Dat is allgaut, s&h hei, den dyt kan granten Heeren
Tom Tiedyerdrieffe sien, drum settet jfick mans dahl,
Un macket wat daher, un Iaht juck nich verst5hren.
Et sy rechts oder lincks, et stahe schön eer kahl.
Eck schreeff en betjen hen, et was en Leiyd up*t beste:
Eck mack'de dei Meldie ock recht na'm Buren Stoff,
Herr Br6gam, Junffer Brüht, ja alle Hochtieds Gäste,
Hört tau is't recht emackt, sau geff Ji mack dat Loff.
Cantata.
Arioso. Spelt lustig Viaulen, speit lustig Hauboien.
Spelt lustig ton hoope un singet mee fliet:
Becit. Wiel dat dei Hochtiet hfit
Des Borgemesters is,
Sau Iahtet juck noch einmahl hören.
Den Bröddigam, der Brüht, un allen Gästen tau ehren,
Wat denn? dat erste webr: wat mein ji sfifs?
Arioso. Speelt lustig Viaulen, speit lustig Hauboien,
Speelt lustig tau hoope un singet mee flieth.
117
Aria.
Fr&ndig tan dem Hocbtiedts-Feste.
Himmel giff ock dienen Willen,
Tan dem Paare.
Veele Jahre
Mühten sei dei Leiffte stillen;
Denn düt is dat allerbeste. Da Gapo.
Becit.
Herr Br5ddigam? Hei mant den Anfang maacken,
ün drincken siener leiffsten Brnht,
Am ersten tan vom besten Saacken,
Dei Beven-Stamm nnt't Fat is noch nich nht;
Drum sprecken ock dei hohgen Gäste:
Arioso. Frändig tan dem Hochtieds-Feste.
Becit Wo sitt Ji Jnnffer Brüht sau stille,
Eck weit doch dat et is Ju Wille;
Drum labtet Juck as nht en frischen Fat antappen.
Dei Tied kamt ock Ji m6htet nnner kappen,
Jfick labten Morgen seihen.
Un wat schort den ock wesen?
Ji sind jo längst, von obm all übt elesen.
Arioso. Hei is dei Börgemester, Ji siene Caemmerinn,
Un Hei sitt bowen, Ji heuet unner in.
Eck weit Sei denckt: Ja ja et is escheiben.
Aria.
Lütcke Deeren sy nich bl5de
Dencke dat et maut sau sien.
Mancher maut by jungen Dagen
Seck mit ohlen Junffern plagen
Wor'n sei't man sau w§r et fien;
Awerst wainlg sind tor Stede. Da Capo.
Becit.
Herr Br6ddigam! Ji hefft nich bebter rahmen kennen.
Dei Brüht is Jfick tor Hand ewussen.
Man kan sey noch
Mit allem Bechte nennen
En reine Junffer, doch
Dit sind maus Füssen
Denn hüt*ges Dages ward da nicks mehr van eboblen,
Bald hat sey düs un dei der Junffer äff estohlen.
Holt in! un schwieg van dnsseu Saacken,
Du most den Brogam unner Brüht noch ennes maacken.
Aria.
Lange leeff dei Borgemester,
Mit siener alierleiffsten Brüht.
Alle wat man Unglflck nennet,
Un vor Böse wart ekennet,
Gab von dfissem Paare uht Da Capo.
118
Becit.
Eck hoop ock alle, ja alle dei hier sind.
Wehrt mit meck ennes Sinnes sien,
Hei heite Mann, Frue oder Kind,
Sei wehret alle schrien.
Arioso.
Lange leff dei Borgemester,
Mit siener allerleifsten Brnht.
Becit.
Ün wie, dei wie üsch nennt van Masicanten,
Dei enne mee der Fnest, dei anner mee dei Kehle,
Un alle dei man kennt,
Vor Musicalsche Anverwandten.
Dei wehret ohne Fehle
Mee gantz Hannanver raupen.
Aria Tutti.
Dei beiden Borgemesters schollt grennen uu bleahen,
Tom Nutzen d&sser gantzen Stadt.
OOtt gewe sienen Seegen,
Up allen 5hren Wegen:
Dem Bechte gewen sei dat Becht;
Hei heete Herr, Frue oder Knecht:
Sei achten nich 6hr Drenen,
Van dehm dei Unrecht hat. Da Capo.
Hochzeit v. Ullmann / Lestoqae, 1726.
Blaumen-Struefs, Dei up des (S. T.) Hn. van Ulimanns ün
der (S. T.) Mamsell Lestocks Lustigen Hochtiets- Feste, Dat den
föfften May-dag des seebentain hunnert söfs un twintigsten Jahres
in Hannauver vullentogen word, In Baider Verlaifeten Hannen van
einem Garen-Frunne bemarcket word. Gedrückt im Jahr 1726.
Tiet mienes Levens hev eck Lust tom Oaren hat,
Is glieck dei Arvait offt mit Meu un Schweet verhunnen,
Wenn üsch dei Sunne steckt hy Sommer heiten Stunnen,
Ock wenn en Regen Schuer Asch maket pütte nat;
Sau hev eck doch dahy mien üterste Behagen, '
Wenn miene Feller hläumt, un mieue B5me dragen.
Un wat is in der Welt, wat mehr vergneugen kau?
As wenn man upstund s&ht, wy seck dei Primeln brüstet,
Man find Aurikulen, dat Asch dat Harte lüstet,
Man drept dei Hiacinth mit schönsten Klocken an;
Un dei Schonkiljen hefft, dei pleget ore Ni\sen,
Thei Tulken komet ock nagrad tau oreu Wäsen.
Wo konn et my denn wol anitzo möglick sien,
Dat eck scholl in der Still in mienem Huse blieven?
Ne! eck weit miene Tied veel beeter tau verdrieven,
Wenn eck naen Garen gab, da alles h&bsch un fien
In guer Omung staiht; un wo eck dat kau finnen,
119
Wat meck erfreuen kan nn miene seven Sinnen.
Doch ae eck letzt darin by mienem Spaijes was,
Un tanr Verniernng had en 8ch5n Gerichte stUkeu,
Legt eck my schl&prig hen an enner greunen H&ken,
Da dr&m my, as wenn eck düt nt der Tiednng lafs;
Dei Mamsell Lestocks woll Seck n&chstens laten tmen,
ün Herr van Ullmaun neim Sei an tau siener Fruen.
Glieck kam eck tau my sülvst, un leip na Lestocks Hnefs,
Da was sau olt as jung geschäfftig uptauflien,
Dat witte Linnen-Tftg. Eck dacht, düt ward bedflen,
Dat wy mit ehsten he£ft en fixen Hochtiets-Schmuefs.
Eck teng ock mit der Brut yan mienen Drom tau kören,
Alleen Sei stelle seck, as woll Sei nicks van boren,
Nahero kam et ut, dat up den hfltgen Dag
Dei Mamsell Lestocks woll den Junfern-Stand y er laten,
Dat Herr yan Uli mann Sei as Leiffste wor umfaten,
Da Word np einmahl my dat Hart im Lieye wach,
Un as mien yorge Drom was richtig innedropen,
Sau machte eck my np, un woll naen Garen lopen.
Indehm dei Mamsell Brut en Fründ yan Blaumen is,
Sau mein eck. Sei k5nn my dat nimmermehr yerdencken.
Wenn eck en schönen Struefs tau obren Putz wör schencken.
Doch eck besunt my glieck; denn eck wüst all tau wis,
Dat Brut un Brödigam schon betre Sakeu bädden,
As eck nich leffern kan yan mienen Blaumen-Bedden.
Dei Brut htU Ogen-Trost an obrem leiyen Schatz,
Un kan mit Öyermaat dei besten Blaumen brdken,
Un Hei, Herr Brödigam, werd düt ock nich yers&ken,
Dat Siene Brut Öhm schenckt den besten Garen-Platz;
Sei is Sien Blaumen Stock, dei nich is tau yergliecken,
Undehm dei Lilien un Rausen mutet wiecken.
Doch will Hei ock darvan im Winter Früchte seihn,
Sau maut Hei noch jetzund Öhn int Gewächs-Huefs föbren,
Damit kein Kacht-Frost mag den schönen Stock yersebren,
Alleen wat sorge eck: düt werd ohndem wol schein.
Dei grote Gürner mag indessen Sei beheuen.
Damit Sei Beidersiets könt yeele Jahre bleuen.
Hochzeit Mayer / Ueilmann. Hannover 1726.
Kortzwilig Tied-verdrief, Worre maket, As Herr Mayer ün
Junfer Heilmanns wurreii Mann un Wief, Uppesettet Van ennen
Dei sek en Naber hait, ün sülvst dat Drucken dait. Hannauver,
Anno 1726.
Yeel glucks Herr Broddigam taur fnnckel nien Brüht,
Wo kumtet dat Ji seiht up hüt sau schnicker übt,
Dat macket wiel Ji kriegt en gladde schmucke Dehren,
Dei seck in Huese weit tau wennen un tau kehren;
Ji sind nich dumme west bi dfisser Frierie,
Un wetet ganfs gewifs dat Sei Jiick nütte sie.
Ji schlecken offt henin nah Juer Brüht Qnarteir,
120
Eck dacht wat dait bei dahr drinckt hei wohr en glafs Beir?
In dflsser Meinang wohrt eck lange Tied ebrüet,
Doch h5rde eck taulest wo na dei Klocke liiet,
Dat Junfer Heilmanns Hei kreg tan sien Tiedverdrief,
Wiel Hei nlch leven k5nn in Hnese one Wief.
Denn dat verstait man wol en Mann dei one Frn'n
Dei draf nich Knecht un Magd in sienen Huese tru'n,
Ji heffet jo dat Haes an ock noch wackre Tellers,
Dartaa krieg Ji na ock dei Braht an brave Hellers,
Dei wart wol achtnng dann ap 6hre Magd an Knecht
San dat et alle gaiht in Haese lieck an recht.
Ji sind Herr Brögamm na vergneaget an cantant,
Ji nehmet Jae Braht bi 6hrer schmacken Hand,
Ji danzet in dei qaer mit allen Jnen GSsten,
Bet dat Ji gabt taa Bedd darin Ji jöck könt resten,
Mit Jaer nien Braht, Ji schlapt ap 6hrer Bost,
Dat Ji ock eis probeirt bi 6hr dei Leives-Kost
Hefi Ji den ahte raaht bet an dat helle Locht,
San hat den al verspeelt dei Braht f)hr Janfer- Recht,
Drap ward Sei titaleirt Früh Mayern gnden Morgen,
Dei Lfie fragt op Ji noch sind val Lei ves -Sorgen,
Doch nee! Ji hefit na dat wornah Ji lange stahn,
Un k5nt na alle Nacht mit ohr taa Bedde gähn.
Eck wünsch Herr Brögam Juck ock na taa gaer lest,
Dat Ji erlevet bal dat Kinnerdope-Fest,
Un Oodd mag alletied den Segen bi Juck baen,
Veel Glück in Jaen Hues, veel Glück taa Jaen Braeu,
San dat Ji ohlt an kohlt taa hoope weren mögt,
Bet dat Ji noch erlevt dat Kinnes Kinuer sogt.
Hochzeit Werlhof / Plohi e. Hannover 1726.
As dei Heer Docter Werlhof i), Mit siener harten leifen
Brüht Der Junfer Plohren Hochtied hohlen wolle, Begaf 6t seck,
dat Hans un Caurd twey Calcnbargische Eueren, darover tau sprecken
kaihmen, Welcke Schnackerie dann uht Öhren Mühle nah geschreven
hätt, En deger true Fründ dei glieckwoU nein Euer is, Van Taubolske
uht Seiberien dei efen darup tau kam, afs dütt geköddert word.
Gedrückt tau Bocksdehusen 2) uper Klappermöhlen. 1726.
C Hans wo denckstn hen tau, wat sali dat na bed&en
Dat da saa protschen kamst ap dienen Peere rien?
H, Bym Docter Warlhof will eck böte meck anmellen:
Sali eck by dflssen Mann vor deck ohck wat bestellen?
San segg' ot glieck herraht.
1) Paul Gottlieb Werlhof wurde am 24. März 1699 in Helmstedt geboren.
Nachdem er Medizin studiert hatte, Hess er sich in Peine als Arzt nieder, siedelte
1725 nach Hannover über, trat in die Praxis des verstorbenen Arztes Joh. Andreas
Plohr und heiratete dessen Tochter. Auf diese in Hannover gefeierte Hochzeit
ist das obige Gedicht angefertigt. P. G. Werlhof starb als berühmter Arzt den
26. Juli 1767.
>) Buxtehude.
121
G. Eck wilt jo nftmmer hopen
Dat da all wedder hast den Balg tan yall esopen,
Un hei deck nn davor wat sali tau br&ken gefen,
Da sfihst meck nich gaaht aht da warst nich lange lefen;
Denn ifst mit deck gedahn, drnm schone deck en betten
Sei gaht sAfs mit deck fort an ifs dei Kese getten.
K Dat hört hier jo nich her: dan da wat deck befohlen
Da hast nich n5dig meck dat Snpen vor tan hohlen;
Meck dfinckt Sei brnket nich den Finger deck tan beihen,
Da kanst ohn den ohk woll dei Kannen leddig teihen.
Meck wannert dat da magst saa in dat Tüeg hen spreken,
Dei Dohd kan deck saa ball afs meck den HaU tan breken.
Wann Tiedt an Stonne kamt, saa möte wy tomahlen,
Hei sieh ohlt oder janck dei ohle Schnld betahlen;
Eck hebbe neine Tied mit deck hier mehr tan k5hren,
Damm gab' öt deck woll an Iaht meck na gewehren^).
C. Hans höre noch en Wort: warst da den glieck saa böse
Woll dat daahn will dei manht hen lopen manck dei Q6se.
Stieg doch en betten af öt fängt erst an tan dagen,
Labt ösch hier sitten gähn an d&ssen dicken Hagen,
W'ie wilt den Brennewien tan sahmen erst vertehren,
Eck weit woll dat man plegt daer driestig nah tan köhren,
Dei Finckeljochen ifs tau Qaälenborge braet
Oet ifs nein Lnrribam davor den L&hen grnet:
Prost öt gelt deck eis hier aht düsser tennen Flaschen,
Dei Stack eck h&te frea by meck in miene Taschen.
Na segge meck doch wat van dienen annern Saken,
Wat wnlta in der Stadt bym Docter Warlhoff maken?
Ifs diene Frn wohr krauck dat da h&st mit öhr kefen,
£f hasta sfifs öhr wohr wat am dei Bibben gefen?
Dat da sei brahn an blag hast ganfs tan nichte schlagen.
Eck weit dat da deck maast jo altied mit öhr plagen
Dei Wifer intgemeln dei hoffet böse Koppe,
Oet giffter mannigmahl verdüfelte Gelöppe.
H. Dei Docter W^arlhoff ifs en Bröddigame woren,
Hei krigt tan siener Fra dei ölste Janfer Plohren,
Un hüte ifs dei Dag dat Sei wilt lastig lefen,
Denn hei will seck dei Brnht taar Fraen laten gefen.
Na hlitt meck dusse Mann, dat eck öt deck gestahe,
San mannigmahl edeint mit sienen gaen Rahe,
Drnm will eck dusse Brahn taar Hochtiet öhm verehren,
Dat Sei mit gaaen Manht Sei möget rain ap theren;
En krnmmen Lorens will eck öhme daby maken,
San ball afs eck man kan öhm an dei Kante raken.
C. Wo ifs dei Brüht den her? wat ifs Sei vor ein Mäken
WoJl ifs Öhr Vader west? Iaht ösch hier wieer spreken.
U. Eck marcke woll dat da daer nicks hast vanne höret,
Da vcele Lfie doch van düsser Hochtiet köhret:
Wann da öt wetten wult saa will eck decket seggen.
Da maust öt aferst nich taum argen meck übt leggen.
') Druck: ungewehren.
122
Oehr Vader was en Mann dei wainig sienes glieken,
Oet mochten ohn, sau woU dei Armen, afs dei Rieken,
Wenn 5hnen schahe wat, san hartlick geren bniken,
Wat hei yerschreif dat was uht ener gnen Kruken.
Eck wönsche meck dat eck in miener Taschen hedde,
San mangen Güllen afs hei von den krancken Bedde
Dei Lue hnlpeu hätt: Watt hedd' eck denn tau sorgen
Un eck woll lange nich dat dfihre Koren borgen.
Blanmharte dfisse Mann dei hadde Darm* in Koppe,
Oet ginck 6hm lang nich san afs mangen Duven-Koppe,
Dei seck dei Tähne stump erst ilppen Feddern kauet,
Un ehr hei schrifft en Wort seck achtern Ohren klauet,
Un helpt denn doch sau veel afst f5ffte Rad am Wagen:
Dei Lfle leiten woll dat Tüeg uht obren Magen.
Hei maket ohck nich afs woll dei Bedreigers pleget,
Dei man den armen Lfih'n dei Kist un Budels feget,
Dat Geld leiht hei seck ohck nich vor herruht betahlen
Afs veele s&fs woll dauht: dei Henger werd sei halen.
Oet was 6hm gliecke veel ef hei kreig enen Gfillen,
Wann hei man sag davor der Liie g^^en Willen.
Hei gaf nein Zettel uht wen hei had* all caureiret,
Glf)f du et meck man tan dei Mann was nich tresseiret,
Un glieckwoll hiUt hei doch en ehrlicks nahe Iahten,
Dat sienen Kiunem nu ward kohmen woll tau bähten:
Wenn eck en Güllen 6hm up sienen Disch woll leggen
Sau si'ih hei: Wat will Jie mit Juen Gelle seggen,
Dat nehmet wedder heu un gäbet nah der Schencke.
Wenn eck au düssen Mann un s61cke Wohre dencke,
Sau puppert meck dat Hart: <'>t staiht nich uht tau seggen
Dat hei sau freu seck most int kohle Graift hen leggen;
Doch dat ifs use Trost dat wie hefft wedder funuen,
Wat mit den Docter Plohr up enmahl was verschwunnen,
Dei junge Docter ward up düssen Ohlen abren,
Ifs hei glieck noch wat junck hätt hei doch vell erfahren.
Du warst noch Wunner seihu wenn 6hn dei Lüh' erst kennet
Wo dat sei hupens wies nah 6hme seck tau rennet.
Dei Fründlickeit süht jo den Manne uht den Ogen,
Oet werd dei Junfer-Bruht mit ohme nich betrogen^)
Afs Sei tausahmen man en W6rcken hadden sprocken,
Do tohg dei Leifde seck glieck hen in 6hre Knoken,
Sei w6hren up enmahl tau sahmen Schammereiret
Eck wait woll wo dat gaiht; Eck helfet ohk praubeiret,
Un wait woll wo dem ifs by solcken Warck tau sinne,
Afs eck man miene Brüht greip heu na obren Kinne,
Do was mien Harte meck afs wenn 6t s611e basten,
Ja afs eck do man woll en Spanne deiper tasten,
Do kon eck neine Lucht un neinen Ahden bahlen;
0! dacht eck, du maust hier woll dat Gelach betahlen,
Gesegt un ohk gedahn, eck was dar faste anne,
Un w6ret nigge scheihn eck blefer noch nich vanne.
*) Druck: betogen.
123
Wann nhse Docier nich den Dinge yohrekohmen,
Sau hadde siene Brnht seck rainst all Tohrenohmen,
Dat Sei np Lefens-Tied woU bliefen ene Nnnne,
Man afs dei Docter kam, nn sprack nht hartens Grnnne
Mit 5hr twey Wohre man: do was 6t glieck gescheihen
Un Sei woU flucks darnp do uht den Kloster telhen.
C Woramme mag Sei denn nich syn in Kloster blefen?
Oet werd daer wisse wohr nicks in tan frien gefen?
Sei heffet sfinsten jo darinne gue Dage,
K Myn leife Vadder Canrd dat ifs en hoge Frage;
San Teel knmt 5sch nicb tan. Dei will na allen fragen,
Dei ward, afs man san segt, ofit yan der Schanle schlagen.
Oet ifs genang dat 6hr dei Lnsten annekohmeUi
Dat Sei den Docter hätt tanm Br5gam annenohmen;
Un düsse Koep dei ward 5hr nfimmermehr gerfien,
Dat Sei seck hätt erwählt den brafen Mann tan frien.
Wo werd dat Yolck seck hfit tan springen nn tan kraien,
Dn s5st dei Brnht mahl seihn wo Sei den Stert kan draien,
Wat werd Sei stiefe gähn wo werd Sei seck tan putzen,
Wo werd dei Broddigam in sienen Staat nich stutzen
Den langen Halsedanck, den heff eck wolle seihen
Un ohk den nien Bock den hei will hflet anteihen,
Den Halsedanck h^tt 5hm dei Jnnfer Brnht verairet,
Afs hei den man ansag do wohrd hei gans verfairet,
Dei Mann mag woli gewis van groten Glflcke seggen.
Wenn hei seck dfisse Nacht by ohr ward unnerleggen:
Un damid brehk eck af van dflsser Schuackerie,
Denn ot ifs hoge Tied dat eck van hier nn rie.
Eck wfinsche dat dät Warck by dfissen gnen Lden,
Wann Sei tan Bedde gaht wat nies mag bediien,
Un dat Sei m5gt en Leid uht solcken Thone singen
Darnp dei Schnelsche plegt en lutgen Sohn tan bringen.
C. Hanfs raise glücklick hen nn stört nich mit den Peere,
Oet ifs en bettgen stieff dei ohle schinner Meehre.
Knm balle weer tan hues, wornm eck deck den bidde,
Un bringe, wann dn kaust, en stftcke Stuten midde.
HANNOVER. H. Deiter.
124
Über germanische Personennamen
in Italien.
Die romanischen Schriftsprachen sind seit langer Zeit und
werden noch immerfort nach germanischen Bestandteilen untersucht.
Weniger ist dies bei den romanischen Mundarten der Fall und noch
weniger bei den Personennamen auf romanischem Sprachgebiet. Auch
in diesen ist Tiel germanisches Sprachgut enthalten, dessen Aufdeckung
der Sprachforschung zu statten kommen kann.
In Spanien sind heute noch Personennamen wie Alberich, Balde-
rich, Balaguer, Baldomero, Flamarich, Gumersindo, Guisnard, keines-
wegs etwas seltenes. In dieser ursprünglichen Gestalt begegnet man
in Frankreich und Italien den germanischen Eigennamen nicht häufig.
Immerhin kann man aber den Kern bald heraus finden, sobald sich
der Blick für die ziemlich gesetzmässigen Veränderungen geschärft hat.
Die in nachfolgendem Verzeichnisse aufgeführten Personennamen
sind in Italien gesammelt, aus Adressbüchern, Zeitungen und anderen
Schriftwerken, gelegentlich auch aus dem geschäftlichen Verkehre.
Die Beziehungen zur niederdeutschen Sprache sind ohne weiteres
gegeben, denn ein grosser Teil der Namen steht auf niederdeutscher
Lautstufe und ist altlangobardischer Herkunft aus einer Zeit, die vor
der zweiten Lautverschiebung lag. Dass daneben für eine Anzahl
Namen gotische u. a. Herkunft in Frage kommt, lässt sich weder be-
streiten noch im Einzelnen erweisen.
Es mag nicht überflüssig sein, wenn wir uns die Ereignisse ver-
gegenwärtigen, die die Beseitigung der lateinischen Namen im römischen
Reiche und ihre Ersetzung durch germanische herbeigeführt haben.
Bei den Römern hatte sich, im Gegensatz zu den Griechen,
schon früh die Mehrnamigkeit herausgebildet. Scipio hiess mit vollem
Namen Publius Cornelius Scipio Africanus. Darin ist Publius der
Rufname (praenomen), Cornelius der Stammesname (nomen), Scipio
der Sippenname (cognomen), und Africanus der Beiname (agnomen).
Dieser Gebrauch erhielt sich bis zum Untergange des abendländischen
Reiches und selbst bis zur Vernichtung der gotischen Herrschaft in
Italien. Ja, es scheint, als ob der Aufwand mit Namen noch in dem
Masse zugenommen hätte, wie das Elend und die Unfreiheit. Von
den Zeitgenossen Theoderichs des Grossen heisst Boetius mit vollem
Namen Flavius Anitius Manlius Torquatus Severinus Boetius und der
volle Name Cassiodors, des pomphaften Staatsschreibers Theoderichs,
füllt zwei Reihen.
125
Daneben waren gennanische Namen im römischen Reiche etwas
allbekanntes geworden. Vom ersten christlichen Jahrhundert an
befanden sich dauernd germanische Besatzungen im Lande. Zwangs-
weise werden vom dritten Jahrhundert an Germanen in Italien an-
gesiedelt, Alemannen am Po, Goten und Taifalen in der Landschaft
Emilia, also lange bevor das gesamte westgotische Volk auf römisches
Staatsgebiet übertrat.
Germanische Häuptlinge wurden Kriegsobersten und Staatsräte
bei den Römern, und selbst unter den Kaisern befand sich ein Gote.
— So hatte man sich also an die Einnamigkeit, die sonst ein Kenn-
zeichen der Knechtschaft war, auch bei den Trägem der höchsten
Staatsämter gewöhnt.
Der grauenhafte zwanzigjährige Krieg, mit dem die Herrschaft
der Goten in Italien ein Ende nahm, vernichtete alles, was sich in
Italien an künstlerischer und wissenschaftlicher Betätigung erhalten
hatte. Mailand, die grösste Stadt im Lande, lag in Asche. In Rom
befanden sich beim letzten Einzüge des gotischen Königs noch 500
Menschen. Keine Stadt, mit Ausnahme von Ravenna, die nicht von
den Kriegesnöten heimgesucht gewesen wäre und den grössten Teil
der Bewohner eingebüsst hätte. Die Goten waren von den Griechen
in die Gefangenschaft geführt worden, die römische Bevölkerung von
Burgundern und Franken. Ein Teil der Goten war schon vor dem
Ende des Krieges vertragsmässig davon gezogen, vermutlich nach
dem heutigen Tirol. Pest, Hungersnot und die Roheiten des viel-
sprachigen Kriegsvolkes hatten ein übriges getan, sodass sich am
Schlüsse des Krieges schwerlich mehr als eine Million Menschen im
Lande befunden haben.
Der Feldbau, der schon jahrhundertelang die schwache Seite
der Römer und Germanen gewesen war, konnte infolge dessen auch
bei gutem Willen nicht ausgiebig betrieben werden. Wo Gärten und
Wohnstätten gewesen, schoss wildes Gestrüpp empor und gab den
wilden Tieren Unterschlupf. Die Flüsse traten ungehindert aus den
Ufern und versumpften das. Land.
In dieser Wüstenei erschien 14 Jahre nach dem Ende des
gotischen Krieges das Volk der Langobarden, verschrieen als das
Roheste unter allen germanischen Völkern. Waren die Römer schon
von den Griechen gedrangsalt, sodass sie Gesandtschaften auf Gesandt-
schaften nach Bjzanz schickten mit Bitten und Drohungen : „Schützest
Du uns nicht vor der Bosheit Deiner Diener, so müssen wir Hülfe
bei den Fremden suchen ^^9 so bekamen sie nun das bitterste Brot
der Trübsal zu kosten. Denn die Langobarden nahmen ihnen alles,
Habe und Freiheit. Was bis dahin Herr gewesen war, wurde Aide
(Metathesis von Leod, Leuten), d. h. in diesem Falle nach unserer
Ausdrucksweise etwa so viel wie Erbpächter. Sie mussten den dritten
Teil des Felderträgnisses den neuen Herren abliefern und so ist es
geblieben, bis auf den heutigen Tag. Nur begnügt sich der italienische
126
Grundbesitzer heute nicht mehr mit einem Drittel, sondeni verlangt
und erhält die Hälfte der Ernte.
Von der Zeit an, da sich die Langobarden zu Herren im Lande
gemacht hatten, nannte man Römer nur noch die Untertanen des
oströmischen Kaisers und römisch, was sich darauf bezog. Für die
Langobarden hingegen waren die Unterjochten weder Römer, noch
Italiener, sondern je nach Stellung Alden und Schalke. In den Augen
der Langobarden war ein vollfreier Mann nur der, der keinerlei
Abgaben entrichtete und in keinem Abhängigkeitsverhältnis stand.
Die Alden und Knechte waren untergeordnete Wesen, schon äusserlich
an Haar und Kleidertracht kenntlich. Demgemäss nennen sich die
Könige reges gentis Langobardorum, als ob die Unfreien in ihren
Augen gamicht da wären. So tief stand der Knecht, dass das freie
Weib, das sich etwa mit ihm abgegeben hatte, sterben musste, wenn
es die Angehörigen nicht in die Fremde verkaufen wollten.
Mit dieser gewaltsamen Vernichtung aller römischen Staats-
einrichtungen und Bildungsmittel musste auch die Erinnerung an
Stämme und Sippen, wo sie etwa noch vorhanden war, rasch ver-
schwinden und es konnte deshalb auch fortan keine Stammes- und
Sippennamen mehr geben. Es wäre doch wunderlich, anzunehmen,
dass sich der verachtete Fröner mit mehreren Namen schmückte,
während sich der Herr mit einem Namen begnügte.
Auch die lateinische Sprache konnte hieran nichts ändern,
denn sie war für die grosse Menge schon seit der ersten Kaiserzeit
tot gewesen. Wer lateinisch konnte, hatte es erlernt, wie eine
fremde Sprache. Die Langobarden konnten ihrer bei Verhandlungen
mit anderen Völkern nicht entraten, weil sie die eigene Sprache nicht
zu schriftlichen Mitteilungen gebrauchen lernten, im Gegensatz zu
Goten und Angelsachsen. Aber bei ihrer grenzenlosen Gering-
schätzung der Wissenschaften war ihnen das Schreibwerk verächtlich.
Sie Hessen es deshalb von Knechten ausüben, und es war schon viel,
wenn sie solche Hofschreiber zu Alden beförderten.
Auch bei der Geistlichkeit war die Kenntnis der lateinischen
Sprache eine seltene Erscheinung. Die niedrige stammelte notdürftig
die Gebete, deren Sinn ihr oft fremd war. Vielfach konnten die
Geistlichen überhaupt nicht lesen oder schreiben. Mit der hohen
Geistlichkeit stand es nicht viel besser. Gregor von Tours, der sich
rühmt, aus vornehmem römischen Geschlecht zu stammen, entschuldigt
sich, weil er die lateinischen Deklinationen nicht aus einander halten
kann. Papst Gregor der Grosse verbittet sich, dass sich die Pedanten
über sein Lateinisch lustig machen. Das Wort Gottes hätte nicht
nötig, sich unter Donats Lehren zu ducken.
Unter diesen Umständen kann man im langobardischen Lande
auf die Namenbildung keinen Einfluss von der lateinischen Sprache
erwarten. Die war den Römern ebenso fremd wie den Langobarden,
und darum mussten auch die lateinis(^hen Namen verschwinden.
Erst am Ende der langobardischen Herrschaft erscheinen Namen,
127
wie der des letzten langobardischen Königs Desiderius und seines
Zeitgenossen Paulus Diaconus, Warnefrids Sohn.
' Zu dieser Zeit war die langobardische Sprache, die der angel-
sächsischen ähnlich gewesen sein muss, noch in Uebung, wie aus
beiläufigen Aeusserungen geschlossen werden kann. Papst Stephan II.
schreibt nämlich im Jahre 755, also etwa 20 Jahre vor dem Einzüge
der Franken: .... die Langobarden haben die Sakramentsgaben in
unreine Gefässe geschüttet, die sie folles nennen. FoUes ist der
langobardische Name für eimerartige Gefässe. Einhard berichtet zum
Jahre 796: .... Pippin zerstörte die Königsburg der Hunnen, die
;, Bringt genannt wird und von den Langobarden „ Campus*'. Dies
Wort Campus ist natürlich nicht das lateinische campus, Feld, was
hier keinen Sinn geben würde, sondern das langobardische kamp-hus
(Kampfhaus), also soviel wie Stechbahn. Wie lange sich die Sprache
dann noch erhalten hat, kann nicht bestimmt werden. Zeugnisse
darüber sind nicht vorhanden. Vermutlich haben sich die Grossen
bei den engen Beziehungen der Lombardei zu den germanischen Teilen
des fränkischen Reiches auch fernerhin ihrer bedient, während die
grosse Masse ein regelloses Gemisch von romanischen und germanischen
Wörtern gesprochen haben mag.
Unter fränkischer, sächsischer, normannischer und hohen-
staufischer Herrschaft verbreitete sich der Gebrauch germanischer
Namen noch weiter in Italien durch den neuen Zuzug von germanischen
Lehnsleuten. Denn wenn sich unter der fränkischen und normannischen
Ritterschaft auch viele befanden, die welsche Sprache angenommen
hatten, so hielten sie doch an dem Gebrauche germanischer Namen
unverbrüchlich fest. So kam es, dass bis zur Zeit der Hohenstaufen
in Italien alles, was irgendwie die Öflfentlichkeit beschäftigte,
germanische Namen trägt. Auch die Geistlichkeit machte davon
keine Ausnahme, denn die Päpste erhielten erst bei ihrer Bestallung
die vorgeschriebenen biblischen, römischen oder griechischen Namen.
Um das Jahr 945 heissen die Vorsteher der Stadtviertel in
Mailand, unter Weglassung der lateinischen Endung ;,us^: Otto,
Arjald, Lanfrank, Arnold, Mainfred, Alberik, Anselm, Valvassore,
Mainer, Arderik, Guazzo, Ugo, Wibert. Darunter ist also nur einer
mit nicht germanischem Namen.
Zum Jahre 960 wird eine Gerichtsverhandlung in Capua
erwähnt. Dabei hiessen die Richter: Arechis, A ligern der Abt von
Motecassiuo und Rodelgrim, die Zeugen: Teodemond diaconus,
Mar jus diaconus, Garipert diaconus und notarius, also nur einer
mit lateinischem Namen.
Etwa 100 Jahre später, als die Streitwagen in den Städten
aufkamen, gab man ihnen germanische Namen, wie Blankhard
(Biancardo) d. h. den Weissen, in Padua Berta, den Glänzenden, in
Cremona Gajardo, den Muntern, in Parma Regoglio, den Stolzen.
Alle christlichen Helden in Tassos befreitem Jerusalem haben
germanische Namen.
128
Die Feldobersten der Mailänder im Kampfe gegen den Kaiser
Friedrich den Ersten hiessen: Anselm, Ubert, Anderich, Reinhold,
die Konsuln bei Uebergabe der Stadt im Jahre 1162: Gottfrid,
Anderich, Anselm, Otto, Amizone, Mainer, Aliprand. Die genuesischen
Abgeordneten bei Uebernahme der Burg Voltaggio im Jahre 1121
hiessen, immer mit Weglassung der lateinischen Endung „us**:
Sigismond, Boemond, Marino, Ingone, Gerard, SigiiFred, Gotiffred,
Rubald, Rinald, Martin, Ansald, Obert, Guglielm, Alberik, Goffred,
Reiner, hatten also alle, mit Ausnahme von zweien, germanische Namen.
Im 11. Jahrhundert, zu den Zeiten Konrads des Zweiten, begann
nach beinahe öOOjähriger Knechtung die Freiheitsbewegung in den
italienischen Städten, und mit ihr blühten Handel und Gewerbe auf.
War es schon vorher üblich gewesen, wie noch heute unter den
niederen italienischen Volksschichten, dem Eigennamen einen Spitz-
namen anzuhängen, so wurde es fortan unerlässlich, den Einzeln
auch amtlich genauer zu kennzeichnen. Die Leute wohnten in den
elenden Holzhäusern eng zusammen, nicht selten bis zu 30 Menschen
in einem Räume, und oft befanden sich darunter ein Dutzend desselben
Namens. Daraus raussten Irrtümer und Missverständnisse entstehen,
und der Arglist und Täuschung im geschäftlichen Verkehre wurden
dadurch die Wege geebnet. Man gab also den Leuten einen zweiten
Namen (cognomen), bei dessen Auswahl verschiedene Umstände be-
stimmend gewesen sein konnten. Den Einen nannte man nach seinem
Handwerke Wieland den Schmied, Gualando il maniscalco, Burland
ans der Brüderschaft der Walker, Burlando dei gualchieri, oder nach
der Wohnung Wirland beim Brühl, Ghirlando del brolo, oder nach
dem Wappentiere, das Wirtsleute, Krämer und auch die öffentlichen
Ämter am Hause führten, also Ulrich zum Steinbock, Ulrico dello
stambecco, Richard im Sperber, Riccardo dello sparviero. Andere
erhielten den Zunamen nach dem Aussehen oder dem hervorstechenden
Wesen, also Herbert der Braune, Ariberto il bruno, Roland der
Biderbe, Rolando il bravo, Heinz der Säufer, Enzio il trinchero,
andere nach dem Zunft-, Orts- oder Kalenderheiligen, Meinhard
Garibald, Minardo Garibaldo, oder nach dem Lehnsherrn, Heinrich
der Mann der Gerhardinger, Enrico dei Gherardenghi. Zuweilen
wurde aus des Vaters Namen ein neuer gebildet, also Firidolfo,
Rudolfs Sohn, wobei fi di Abkürzung von filius ist. Daneben war es
stets Gebrauch und ist noch heute in vielen Fällen gesetzliche Be-
stimmung, dem eigenen Vornamen den des Vaters hinzu zu setzen.
Pfahlbürger und Juden nannte man meistens nach ihrer Heimat,
Elias der Marburger, Elia il Morpurgo.
Mit der Zeit Hess man der Kürze wegen alles Beiwerk weg und
nannte die Leute schlechtweg Wieland Schmied, Gualando Mariscalco,
Isaak Ettlinger, Isacco Ottolenghi.
Da nach der geschichtlichen Entwicklung von dem italienischen
Adel ein grosser Teil germanischer Herkunft sein muss, so könnte
man daraus schliessen, dass sich unter seinen Angehörigen besonders
129
viele germamBclie Namen erhalten haben müssten. Das ist aber nicht
der Fall. Edelleute nannten sich nach ihrer Stammburg oder nach
dem ihnen zu eigen gehörigen Orte und da die italienischen Orts-
namen zum grossen Teil aus dem Mittelalter stammen, £^lso italienisch
sind, so musste auch der Stammesname des Adels italienisch sein.
Auch kam im Mittelalter unter den Adligen eine neue Art
von Namensbildung auf. Als nämlich ihre Herrschaft und ihre Vor-
rechte von dem aufstrebenden Bürgertume bekämpft wurden, schlössen
sich gleichgesinnte Adelsgeschlechter zu einem Verbände zusammen,
um auf die Weise den Bürgern wirksamer entgegen treten zu können.
Diese Adelsgilden nannten sich den ^Adelsberg^, das heisst so viel
wie den Adelsschutz. Die Genossen eines solchen Adelsberges, oder
„albergo^, wie man zusammengezogen sagte, legten den eigenen
Namen ab und führten von der Zeit einen gemeinsamen neuen. Bei-
spielsweise nannten sich in Genua die Geschlechter Castello, Soprani
und Franchi fortan Giustiniani, die Peverelli, Avogati, del Turco und
della Curia nannten sich Gentili.
Auch aus anderen Gründen traten Namenswechsel ein. So
änderten die Tartaro in Genua ihren Namen in Imperiali, die
Kaiserlichen, um die Anhänglichkeit an den Kaiser zu bekunden.
Also auch hier Verdrängung der germanischen Namen. Doch trat
gelegentlich ein Rückschlag ein. So, wenn Adlige und die ihnen
nachäfften, im Mittelalter dem Namen die Endung ^ingi^ und enghi
anhängten, d. h. unser deutsches „ingen^, um dadurch die Abstammung
zu bekunden. Also nannte sich Lambert fortan Lambertenghi. d. h.
aus dem Hause der Lamberte. Das war zu der Zeit, als Franz
Sforza I. in Mailand Münzen schlagen Hess mit der deutschen
Umschrift: ^Ich vergies nit*. Auch mag nebenbei bemerkt werden,
dass einige italienische Adelsgeschlechter noch deutsche Wappen-
sprüche führen, so:
Anguissola-Tedesco : „Mit Zeit^
Benso di Cavour: „Gott Will Recht^
Botta: „Mit Zeit«
Brivio: „Alzo vest vor Gotf
Gioffredo: „Gaufried"
Radicati: „Wann Gott WilP
Saluzzo: „Noch Noch" „Leit Leit"
Scaglione: „Leyd un Meyd"
Settala: „Treu und fromm"
Sommaruga: „Gerecht und treu"
Torelli: „Yn Hoffen"
Vasco: „Got du bist mein Got".
Zu der Zeit, da die Zweinamigkeit eingeführt wurde, war man
sich der Bedeutung der Namen nicht mehr bewusst. Sie mussten
deshalb erstarren und Neubildungen aus germanischer Sprachquelle
konnten nicht mehr statt finden. War der germanische Namen zum
Familiennamen gewählt, so vererbte er sich und hat sich erhalten.
NI«<lerdeiitooh«i Jahrbuch XXXV. 9
130
Wurde aber irgend ein Gattungswort, sUgen wir ein Handwerksname
zum Familiennamen ausersehen, so wurde der germanische Name
der Vorname und ging oft verloren. Fast alle Berufszweige in
Italien hatten ja Benennungen, die aus dem Lateinischen stammten.
Germanisch waren nur die Namen des Schmiedes (Mariscalco,
maniscalco), des Büttels (Bedello), des Sackmanns, also des Tross-
knechtes (saccomaono), des Mundschenks (scalco), des Verwalters
(gastaldo), des Bockschlächters (beccaio), des Walkers (gualchiero),
des Henkers (manigoldo), des Führers (guida, foriere), des Küchen-
jungen (guattero), des Tischlers (genuesisch banchero).
So musste sich die Anzahl der germanischen Personennamen
vermindern und noch mehr traten sie zurück, als die römischen und
griechischen Wissenschaften zu neuem Leben erwachten. Die Er-
innerung an alten Glanz und Ruhm wurde dadurch erweckt, Gelehrte
und üngelehrte bemühten sich, ihre Zugehörigkeit zu den Alten
äusserlich zu bekunden, indem sie ihre Namen mit römischen und
griechischen vertauschten. Was wir davon heute in Italien antreffen,
stammt also aus der Zeit der Wiedergeburt der Wissenschaften und
Künste und ist nicht etwa ein Ueberbleibsel aus der römischen
Kaiserzeit. Davon war nichts mehr vorhanden. Etwas ähnliches
haben wir ja auch in Deutschland erlebt, wo niemand die Quintus
Icilius, Petri, Pauli, Agricola, Claudius,. Melanchthon, Erythropel des
Namens wegen für Nachkommen der Römer oder Griechen halten wird.
Viele in Italien suchten damals nach der lateinischen Form
ihres Namens, von dessen germanischem Kern sie nichts wussten.
Die häufige Endung „bert^ Glanz leitete man vom lateinischen
^apertus" ab und machte deshalb aus Walbert Valapertus und Vala-
perta, aus Mundebert Monteaperto. Andere Umformungen waren
Vacca (Kuh) für Wakko, Carlomagno für Karlmann, Mons vici für
Mundewik, Campo freddo (Kaltenfeld) für Fredekamp, De Mari für
Hademar. — Der Name Ezzelins wird von ecce Unit hergeleitet, der
seines Bruders Alberich von albus riccus. Hierher gehört auch der
Name Alamannien, den man in Italien als La Magna (die Grosse)
deutete. So und nicht anders wird Deutschland im Mittelalter von
den Italienern bezeichnet, nicht aus Wertschätzung, davon sind die
Welschen weit entfernt, sondern aus Missverständnis. Auf demselben
Irrtum beruht es, dass der Doctor universalis, der Dominikaner Albert
von Bollstädt Albertus Magnus genannt wird. Die Italiener nannten
ihn Alberto della Magna, also Albert aus Deutschland und die
Deutschen wollten in der vermeintlichen Wertschätzung nicht zurück-
stehen und nannten ihn Magnus, den Grossen. Sicherlich hätte man
einen Gelehrten von Alberts Art damals eher als Zauberkünstler vor
ein Ketzergericht oder auf den Scheiterhaufen gebracht, als dass
man ihn der Gelehrsamkeit wegen als den ^Grossen* bezeichnete.
Durch diese Anlehnung an lateinische Wortformen musste ein
weiterer Teil germanischer Namen verloren gehen. Trotzdem ist ihre
Anzahl, wie das Verzeichnis zeigt, auch heute noch ziemlich gross.
131
Sie sind über das ganze Land verbreitet, hier mehr, dort weniger,
vorwiegend auf dem Festlande, weniger auf den Inseln. Neben der
vorwaltenden niederdeutschen Form kommt auch die entsprechende
oberdeutsche vor. So haben wir neben dem niederdeutschen Garibaldi
den bairischen Caripoldi, und die burgundisch fränkischen Giribaldo,
Gribaudo und Gribodo. Neben Guelpi und Guelpa kommen Guelfi
und Weif vor. Manche von den Namen enthüllen sich ohne weiteres
als alte Bekannte, wenn man ihnen den Scblussvokal nimmt. Dann
wird aus Ivaldi Iwald (Ewald), aus Aicardi Ekkert, aus Luzzi, Gozzi,
Enzio Lutz, Götz, Heinz. Andere sind schwieriger zu deuten. Unter
dem Namen Ovestagno wird man nicht ohne weiteres Oberstein
vermuten.
Die Namen sollten nach der Grundform auf ^,0* endigen. Er-
scheinen sie mit „i^ am Ende, so ist dies der latinisierte Genetiv.
Meinhard der Sohn Gottfrieds, Minardus filius Gottofredi. Das „i^
kann aber auch die italienische Mehrheitsform sein, also bei Gual-
chieri ist hinzu zu denken ;,einer von den Walkern, aus der Walker-
zunft. Bei einem Adligen, namens Ariberti muss ergänzt werden
„von den Herbertern, aus dem Hause der Herbertinger*'.
Weitere Anhängsel sind ;,ino, ello, one, etto*, d. h. nach den
bekannten italienischen und spanischen Sprachgesetzen die Formen,
durch die man den ursprünglichen Sinn eines Wortes leicht um-
gestalten, erweitem, beschränken, vergröbern, verfeinern, verstärken,
abschwächen kann. Fedrigo ist Friedrich, Fedrigone ist der dicke
Fritz, Fedrighini ist Fritzchens. Die Endung „eschi", die zuweilen
vorkommt, ist unser „isch^, ursprünglich also adjektivisch zu ver-
stehen, dann aber als Hauptwort gebraucht, wie gelegentlich auch
im Deutschen, die Bündischen, die Schwäbischen usw.
Über die Vornamen der Italiener ist zu sagen, dass sie ledig-
lich Sache der Mode sind, wie in anderen Ländern auch. Um Her-
kunft und Sinn bekümmert sich kein Mensch, der sich nicht grade
mit solchen Dingen abgiebt. Darum kann man aus den aufgezeich-
neten Vornamen keinerlei Schlüsse ziehen.
1. Italienische Eigennamen germanischer Herkunft.
Accardo (i), Acchiardi, Adelardi, Adelario, Adelasio, Adelfio, Adereveno,
Adinolfi, Adoaldi, Adorno, Agaldi, Aghemio, Agilberto, Agliandi, Agliardi,
Agliarizzi, Aiardi, Aicardi, Aidone, Aimari (etto), Aime, Aimeri (ci), Aimerito,
Aimetti, Aimo (one) (onetti), Ainardi, Ainerio, Aiolfi, Airaghi, Airandi, Airola,
Airoldi, Alamanni, Alardi, Alarico, Albairati, Albergo (ghi), Alberenghi, Albergati,
Albergotti, Alberico (ci), Alberigo (gbi), Alberti (o) (is) (eDghi)'(o), Abizzi, Alborghetti,
Albright (gi), Albnino, Alcaimi, Aide, Aldegani, Aldegheri, Alderighi, Aldieri,
Aldigeri, Aldighieri, Aldigieri, Aldimari, Aldini, Aldovino, Aldobrando, Aldrighetti,
Aldrovandi, Aldnina, Alebardi, Alembardo, Alfaro, Alfieri, Alfridi, Algardi,
Alghisi, Alibrandi, Aliberti, Alimondi, Aliverti, Aliprandi, Alleardi, Allemagna,
AliemoDdi, Allisififrdi, Allodi, Alvarenga, Alvari. Alvisso, Alvisi, Amerigo,
Almondo, Almando, Altani, Altrnda, Amalberti, Anialdi, Amandrudo, Amaraldi,
9*
132
Amarighi, Amatruda, Ambiveri, Amboldi, Amoni, Americo, Andolfi (fatto), Ander-
lini, Androvandi, Angoramo, Angeleri, Angrimaui, Annibaldi, Annoni, Annovazzi,
Anolfi, Ansaldo. Anselino (i), Antaldi, Antnori, Anzaldi, Arbaadi, Arbino (i),
Arbuffa, Arcardini, Arcimannii Arcimboldi, Ardemagni, Ardemani, Ardenghi,
Ardinghi, Ardoino, Ardnino (i), Argiroffi, Arigo, Ariodante, Ariolfo, Arioli, Ariosto,
Arlengbi, Arlotta, Armani (no), Armanasco, Armanni, Armelina, Armellini,
Armelonghi, Amaboldi, Arnaldi, Arnaudo, Arneodo, Ameri(o), Amod, Arnoldi,
Arnoifi, Aroldo, Aromando, Aromaunio, Arribaldi, Arrigoni, Arrigotti, Arrigncci,
ArriDghieri, Arsnffi, Arvedi, Aschieri, Ascari, Asiani, Asmundo (io), AsnaghiCgo),
Asnuldo, Asperti, Assaldi, Astaldi, Astolfi (o) (oni), Astengo, Astraldo, Astraudi,
Atenolfi, Attardi, Audiberti, Audiffredi, Andino, Aadisio, Avaldi, Averaimo,
Ayelardi, Averardi, Averganghi, A?eroida(i), Averone, Aycardi, Aymone, Ayroldi,
Azzaldi, Azzali (ini), Azzati, Azzini, Azzo, Azzolini, Azzoni. — Badaglio,
Badini, Badnini, Bagatti, Bagazzi, Bagatti, Baiardi (o), Baldacci, Baldl, Baldracco,
Balisardi, Ballardini, Balocco, Balordi, Baltieri, Bancaro, Banchero, Bandera,
Bandini, Bandieri, Banfi, Banti, Baraldi, Baratta (i), Baraffa, Barbitta, Barboglio,
Bardella, Bardi, Barengo (gbi), Bareggi, Barezzi, Bärge, Bargio, Baringo,
Bargagliotti, Barigazzi, Barisone, Barlondi, Bami, Baroffio, Baroggi, Baroni,
Baroyero, Barozzi, Barsaghi, Barsi, Bartesagbi, Bartezzagbi, Barnfaldo, Bamffaldi,
Barnzzi, Barzaghi, Battaggia, Battaglia (ino), Baucbiero, Bando (ino) (i), Banducco,
Beda, Bedescbi, Begliardo, Begozzi, Belardini (nelli), Beldomandi, Belingardi,
BeHsardi, Bellardi, Bellaudi, Bellengbi, Bellingeri, Bellinzaghi, Belli nzonl,
Beltrami, Beltrandi, Belnardi, Bendaudi, Bendini, Benghi, Bensi, Bentini,
Berardo (i) (ino) (esca) (engo), Berand, Berenzone, Berga (ia) (esio), Bergalli, Berganzoli,
Berinzaghi, Bergonzi (o) ini, Bermani, Bermondi (o), Bernagozzi, Bernacchi,
Bernardi, Bemasconi, Berneri (o), Bernocchi (occo), Bernolfo (i), Bemotti, Beronzo,
Berra, Bertacci, Bertari, Bertelli, Berti (ini, iglia, ncci, ozzi, occhi), Bertinaria,
Bertoldo, Bertoglio, Besio, Besozzi, Besenzaniga, Bestende, Bettonagbi, Bezozzi, Bezzi,
Biancadi, Biancardi, Bianco (chi), Bianciardi, Biasca, Bicardi, Biccbieri, Bigardi,
Bigatti, ^Bigotti, Bigliardi, Bignami, Biguardi, Binagbi, Biuda, Biondi, Biraghi,
Birigozzi, Birindelli, Bisealdi, Biscardi, Bisignano, Bisleri, Bisotti, Bistolfi,
Bistondi, Bizzi, Bizzozero, Biancardi, Blancbi (co), Biondi (ioli) (a), Bobbio,
Boccardo (i), Boccbiardi, Bocchio, Boccbiola, Bocciardo, Bodaglia, Bodia, Bodio,
Bodo (ini), Bodoira, Bodrero, Boffoli, Boglietti, Boiardi, Boidi, Bolchi, Boldi,
Boldorini, Boldrini, Bolengbi, Bolgberoni, Bollardi (o), Bolongaro, Bombaglio,
Bonardi (o), Bonandi (o), Bondi, Bonsi, Bordiga, Bordo (oni, one), Borghero, Borgia,
Borgbi, Borgioli, Borgna, Borgogno (none) Borgondo, Boriani, Boringbieri, Borla,
Borlenghi (go), Borletti, Bornagbi, Boschi (ini), Bosio, Bossaglia, Bovio, Bovero,
Bracchi, Braibantl, Braida, Bramardi, Brambilla (asca)^ Brandi (ino), Brandimarte,
Brandola, Brandaardi, Branbati, Branzolfo, Breda, Brega, Brembilla, Brenna,
Brialdi, Briccbi (etti), Brigardi, Brighenti, Briglia, Brocardi, Broccbieri (o) Broffoni,
Broglio (a) (atti), Brondi, Bronoldi, Brovelli, Brngo (ghero[i]) Brnggi, Braneri (ori,
acci, ellescbi) Brandi, Brnni, Branicardi, Brnnoldi, Brusasca. Bruschetti, Bncchi (co),
Bnffardi, Bugando, 'Bnldrini, Bnlgheroni, Bulzaccbi, Burcbiani, Burdino, Barengo,
Borgo, Bnri (ioli) (onzo) (iani) (iasco), Baricchi, Bnrlando, Bnrleugbi, Bariini,
Bnrlamaccbi, Barzi (zio), Busacco (a), Buscaini, Buscbini, Basdraghi, Bnselli,
Basnelli, Bussardi, Butti, Buzzi. — Caimi, Cairati, Cairola (i), Caironi, Calamari,
Calnaghi, Calvenzani, Camanni, Camardi, Camarlinghi, Gambiaghi, Camozzi,
Camnsso, Candelbere, Canducci, Canevaro, Capurro, Garamagna, Caramanna,
Carisagbi, Carlesi, Carletti, Carlevaro, Carlevero, Carmanni, Carnagbi (o), Carnoldi,
Carobbio, Caroli, Carsana, Carsaniga, Carnghi, Carzaniga, Casaie, i, ini, Casalegno,
Casarico, Caselle, Casingbini, Casiragbi, Gasöl i, Gastaldo (ini), Gastoldi, Gastaudi,
13B
Cataldo (ini), Cavanenghi, Gayannai Cavenago (ghi), Cavour, Celiberti, Geramondia,
Cernaschi, Chiaramondia, Chiabert, Gbiabrando, Ghia£frino, Ghialemberti (o),
Ghiamberlando, Ghiambretti, Ghiaverri, Gbiovenda, Giardi, Giboldi, Gicardi, Gifuni,
Giliberti, Giminaghi, Gislaghi, Giyardi, Glavenzani, Gobianchi, Golbertaldo, Golciaghi,
Comelli, Gonfalone (iere), Gonsali, Gontaldi(o), Gontardi(o), Gopraghi, Gorioaldi,
Gormani, Gorradi, Gottolengo, Gozzi, Gravero, Grepaldi, Grescimauuo, Grippa,
Grispoldi, Groari, Graari, GuDego, Ganiberti, Gnncio, Gnonzo. — Danovaro, Dasso,
Daghero, Diotti, Doberti, Dodi, Dolfi, Doria, Dometti, Dorta, Drigani, Drisaldi,
Droaudi, Drovandi, Drovetti, Dradi. Duberti, Dacco, Dughera, Dalbecco, Du-
rando-, Dnrero, Dutti. — Eauda, Egardo, Einaadi, Elberti, Ellenghi, Elmi, Emma,
Era, Erfinenghi, Eringio, Erloccbi, Ermoli, Esengrini, Eamenardi. — Faccardi,
Fagnani, Faifofer, Fainardi, Faini, Falda (i) (ini), FalsirolH, Fanelli, Fanti(ino),
Fara, Faraboschi, Faraldo (i), Faramia, Farenga, Faridone, Farinoni (e), Farolfi,
Fasdelli, Fauda, Federici, Fedolfi, Fedrigo (oni) (gbini), Feo, Feroldi, Feraguti,
Ferlinghetti, Fiamberti, Fiammengbi, Filangeri, Filardi, Filiberti, Filigardi,
Finaldi, Finco, Fioccardi, Firidolfo, Fittipaldi, Focardi, Fodera, Fogolari, Folcheri,
Folchi (chetti), Folcia, Folgbera, Folgbieri, Foliealdi, Folperti, Forcheri, Forestello,
Forghieri, Forsenigo, Fraja, Francardo, Franchi (ini), Francini, Frandi, Franzi,
Franzosi, Freda, Frediani, Fregnagbi, Frera, Frigeri (o), Frigo, Frisconia, Friser,
Fri8iani(o), Friziero, Frizzeria, Frizzi, Frizzoni, Frojo, Frola, Froldi, Frosio,
Fma, Frova, Fnlcberi, Fungardi, Furzi. — Qabotti(o), Gabutti, Gabardi (ini),
Gaboardi, Gadola, Gadda(o), Gagliardi (ino), Gaiba, Gaido (ano), Gaifami, Galardi,
Gaibarigi, Galbiati, Galbuaeri, Galdi (ieri, iolo), Galimberti, Galimero, Gallotti,
Galmozzi, Galmnzzi, Galoppini, Gandelli, Gandini (diglio, dolfo), Gangia, Gangnzza,
Garaffi, Garavaglia, Ghirayenta, Garavalda, Garbaccio, Garbarino, Garda (delli,
denghi, dini, dino), Garegnani, Gargani, Gargiolli, Garginolo, Garibaldi (o), (boldi,
bnldi), Garibotto \i)f Gariglio, Garlando, Garlaschelli, Garnero (i), Garroni, Garruzzi,
Gamffa, Garzino, Gaslini, Gaspardi, Gastaldi (delli, detti), Gastardi, Gastoldi,
Gastoli, Gauberti, Gandini, Gantieri, Gavando, Gaveri, Gaviraghi, Gechele, Gelmi
(ini), Gelnardi, Gerardi, Gerbaldo (i), Gerbella, Gerli, Gesmundo, Ghelardi, Ghelfi,
Gherardi, Gherlenda, Ghermandi, Ghezzi, Ghibaudo, Ghibellini, Ghiberti, Ghidella,
Ghilandi, Ghilardi, Gbioldi, Ghirarducci, Gbiralduzzi, Ghirimoldi, Ghiringelli, Gbir-
landa, Ghisalberti, Ghiselli (ni), Ghislandi (lanzoni), Ghisleni, Ghislieri, Ghisolfo (i),
Giac<»rdo (]), Giaminardi, Giamnndo, Giancardi, Giandnifi, Gianfreda, Giardini,
Gibertoni, Gilardi, Giliberti, Gioardo, Gioberge, Gioberti, Gioffredo, Giraldi (doni),
Giramondo, Girardengo (ghi), Girando(i), Giribaldi, Giroldi, Gismano, Gismondi,
Gisolfi, Gittardi, Ginbergia, Ginffrida, Giusbergia, Giuzzardi, Gnaga, Gnecco (ccbi),
Gnocchi, Gnndi, Gobando, Godi, Godio, Goglio, Goldaniga, Goldoni, Golfieri,
Golisciani, Gonzaga, Gontero, Goti, Gottardi, Gottarelli, Gottelando, Gotti, Gotti-
fredi, Gori, Gozo, Gozzi, Grabbi, Gradenigo, Graffigna, Gramaglia, Gramegna,
Gramignani, Gravagbi, Grazzi, Gregotti, Greppi, Gribaldi, Gribandi(o), Gribodo,
Griffa(aldi), Griffanti, GrigoUo, Grillandi, Grimaldi, Grimoldi, Grisaldi, Grisolfi, Gritti,
Grognardo, Groncbi, Grondona, Grnido, Gmmelli, Gnagliardo (i), Guainieri, Guaiti,
Gnaccimanni, Gnala, Gnalandi, Gualco, Gnalazzini, Gnali, Gnallini, Gnaltieri,Guameri,
Gnandolini, Gnanzani, Gaaraldi, Gnardengbi, Guardigli, Gnardncci, Gnardamagna,
Gnareschi, Gnarini, Gnarmani, Gnarmero, Guarnaschelli, Gnameri, Gnarnieri,
Gnarnoni, Gnascari, Gnasco, Gnassardi, Guastafredda, Gnastoldi, Gnatteri, Gnazzelli,
Gnazzini, Gnazzo, Gnazzoni, (iuberti, (luelfi, Guenzani, G'nenzi, Gnerardesca,
Gnercetto, Gnercilena, Gnerciotti, Guerino, Guermandi, Guermani, Guerra (azzi),
Gnerri (ini), Guerrieri, Gnerzoni, (Juglielmi (metti), Guicciardi (ini), Gnidali, Guidi,
Gnidieri, Gniobaldi, Gnidotti, Gnilard, Gnindani, Guizzardi, Gnizznrdi, Gnlberti,
Gnlfi, Galmanelli, Gnlminelli, Gundi, Gneberti, Gusmano (i), Gnsmaroli, Gnzzardo,
134
Guzzi. — Iberti, Icardi, Ichino, Jelmini, Ilardi, Ildobrandi, Illengo, Imbeiti,
Imerico, Inaudi, Ingaramo, Ingardia, Inghirami, Ingoldi (Agoldi), Iroldi,' Isalberti,
Isnardi (done), Isnengbi, Isoardi, Isuardi, Isvaldi, Ivaldi, Izar, Izoardi, Izvard. —
Laiti, Lambardi (ini), Lambertengbi, Lambrngo (ghi), Lambruschini, Lamperti,
Lampredi, Landescbi, Landi(o), Landolfi, Lanfranchi, Lanfranconi, Lanfredioi,
Lardinelli, Lecaldano, Leinardi, Lenzi, Leoffredi, Leonardi, Licciardi, Linardi,
Linzaghi, Liprandi, (o), Littardi, Liuti, Livraga (gbi), Loaldi, Locati (elli), Lodovici,
Loffredo, Lombardi (ini), Lonadi, Longobardi, Lotteringhi, Lotterio, Lottero,
Lotti, Lnaldi, Luardo, Luberto (i), Luccardi, Lncotti, Lugatti, Lunardi (ini) (oni),
Luoldi, Lnraghi, Luraso.bi, Luauardi, Luteriani, Lutteri. — Macciardi, Maero,
Magoldi, Maghenzani, Magnagbi, Magnaldi, Magnani, Magnolfi, Magotti, Mai-
fredini, Mainardi, Maino (noldi), Mairani, Maironi, Malaguti, Malberti, Manescalco,
Manfredi, Manfrini, Mancardi, Mandrioni, Maneichi, Manganzini, Mangoldi,
Mauildo, Mannini, Mannnccio (i), Mansuino, Mannsardi, Manzoni, Marabotto (i),
Maraldi, Maranghino (geni), Marasso (sco), Marengo (co) (ghi), Marcbegiani, Mar-
chelli (o), Marcbesi, Marcbier i, Marchisio, Marcoaldi, Marcora, Marco valdi, Marco-
vigi, Marenzi, Marescotti, Margotti, Marolda, Marradi, Maryaldi, Mascagni, Mas-
cardi, Masciardi, Masera, Masla, Masnadi (nata), Masoero (yero), Massetti, Mataldi,
Mazzingbi, Mazzoldi, Mazzoranghi, Mazzucco, Melardi, Menagoldi, Menchini,
Menegoi, Mengaldo, Mengarini, Menghi, Mengozzi, Merioldo {i\ Micca, Minardi,
Mingaldi, Mingardi, Mingbetto (i), Miniscalco (chi), Mismetti, Mittero, Moiraghi,
Monaldi, Mongardi, Montemanna (i), Morandi (o), Mordini, Morescalchi, Morgavi,
Morimondo, Morlacchi, Morlandi, Morpurgo, Moslacchi, Motta, Mottana, Motterlini,
Murialdo, Murnigotti, (Qal-) Mazzi. — Naidi, Nannini^ Nordi, Nascimbeni, Nasim-
beni, Nebulone, Nordio, Norlenghi, Nosenghi (go), Nosaardi, (Notar)loberti. —
Oddenino, Odarda, Oddera, Oddo, Oddone, Oderda, Odescalchi, Odiardi (o), Odiberti,
Odifreddi, Odifredi, Odino, Odisio, Odoui, Odorici (o), Odoviglio, Offredi, Oggero,
Ogliari, Ogliengo, Oglietti, Olcese, Oldani (o), Oldofredi, Oldoini, Oldoni, Oldrado,
Oldrini(o), Oliboni, Onelti, Operti, Oprandi, Orando, Orengo, Orezzoli, Origo,
Orlandi, Ormanni, Ornaghi, Orrigoni, Orseniga, Ortalda, Osnago (gbi), Osnengo,
Oatengo, Oaterero, Oavaldi, Ottino (i), Ottolenghi, Ottolino (i), Ottorogo, Ovestagno.
— Pacchiardi, Palberti, Pallastanga, Paltenghi (go), Panardi (o), Pancaldi, Pancaro,
Pandolfi, Perardi, Perazzo, Percivaldi, Perego, Perelli, Perico, Perlaaca, Perlin-
geri(gieri), Pernigotti, Perolfi, Perotti, Pertoldeo, Pettenghi, Piccardi, Pinardi,
Pirelli, Poccardi, Pogliaghi, Poiagbi, Poldi, Policardi, Pollenghi, Prandi (o) (ini).
— Quanardi, Quagliardi, Quaini, Qualmari, Quarengbi, Quario, Querengbi, Quelfi.
— Raiberti, Baibaudi, Raimondi (o), Rainelli, Raineri, Raiteri, Ramacciotti,
Rambaudi, Ramagnini, Ram belli, Ramero, Ramolfo, Ramonda (i) (ini), Ramozzi,
Ramperti, Rampoldi, Rampone Ranaldi, Rancati, Randi (o, azzo, olino), Ranerio,
Ranfagni, Raataldi, Ravaldini, Raverdino, Rayizzi, Rayneri, Rebandengbi (go),
Rebecchino, Rebegbini. Rebugli, Rebuachini, Rebuacini, Rebuzzini, Redaelli, Redi,
Regaldo, Reggiardi, Reggiarto, Regondi, Reibaldi, Reinaudo, Reineri, Remondi
(ino, ina, ini), Renaudo, Renoldl, Reaeghini, Reanigo, Reata, Reataldi, Reta,
Rezzaghi, Rezzonico, Reynandi, Riba, Ribaudi (ino), Ribero, Riberti, Ribighino,
Riboldi, Ricaiardi, Riccardi, Ricceri, Ricchieri, Ricciardi, Richelmi, Richeri, Ricolfi,
Ridolfi, Rigaldo, Righenzi, Righetti, Righi, Rignani, Rimaudo, Rimoaldi, Rimoldl,
Rimondini, Rimorini, Rinaldi. Rinaudo, Rinero, Rinieri, Rinolfi, Riolfl, Riacardi,
Rivaldo, Rivoreda, Rizzardi, Roaaenda, Robbiani, Robilant, Rocco, Robecchi (cco),
Roda, Rodi (dello, dengo), Rodengbi, Rodegber, Rodigbiero, Rodolfi, Roffredo,
Roggeri (one), Rolando(i),Rolfo, Romairone, Romancnghi (go), Romaido, Rombaldoni,
Romnaldi, Ronando, Roncallo (caglia, cagliolo), Ronuardo, Roperto, Roaalinda,
Roaegbiui, Roaingana, Roanati, Roaaanigo, Roaaari, Roaaigno, Roaaomando (i),
135
Rossotti, Rostagno, Rostano, Roti, Bovaldi, Rovasenda, Rovighi, Rozzarini, Roalto,
Bubbiani, Raberti, Rabeschi, Radi, Rnffa, Raffinengo, Raffini, Raggero (gieri),
Ruimeri, Raisecco, Raoppolo, Rosconi, Rasmigo, Rasnati. — Saccardi (o), Sacco-
manno (i), Sala, Salagbi, Salamitto, Salardi, Saleago, Salmiraghi, Salmoi-
raghi, Salvagni, Sameghini, Samengo, Sandi, Sangermani, Saralvo, Saroldi, Savoldi,
Sbalordini, Sbarbaro (i), Sbardelli, Sbarbori, Sbertoli, Sbicego, Sbizzero, Sbri-
ziolo, Sbrollini, Sbaelz, Scaffa, Scaiai, Scagnardl, Scalaberni, Scalcini, Scaico,
Scalfo (i), Scalenghe, Scalvini (o), Scalmaui (a), Scapini (o), Scaramuzza, Scarioni,
Scatolini, Scapini (o), Sceliingo, Schenardi, Schiera, Schietti, Schivardi, Sciamanna,
Scialdo, Scierano. Scioldo, Scoffetti, Scrimaglio, Scaffi, Sdraffa, Segafreddo, Seidemari,
Setroani, Seymandi, Sgaiaberni, Sgarabotto, Sgarbi, Sgaribaldi, Sgherlino, Sghirla,
S^aldi, Sgaazzardi, Sgaizzero, Sibaldi, Siboldi, Sidraschi, Sicbaldi, Siffredi, Sifredi,
Sigalini, Sigbaldi, Sigbinolfi, Sigismoadi, Siliberti, Siligardi, Siliogardi, Siiiprandi,
Sinibaldi (o), Siniscalchi, Sinisgalli, Sismondi (a), Sissoldo, Siviero, Saidero, Soave,
Soffredi (ini), Solengbi, Solimbergo, Sordobindo, Sormani, Sornaga, Sorregotti, Spa-
gliardi, Spalvieri, Spangaro, Sparviero, Spelta, Sperlari, Spinardi, Spingardi,
Springolo, Sqainobal, Sqaarza, Stafifolini, Staderini, Stalda, Stalla, Stalmondo, Stam-
bazzi, Stambacchi, Stampacchia, Stanga (ghini, galini, ganini), Stathalter, Staarengbi,
StavereDgo, Stecchetti, Stencardi, Stendardo, Stengardo, Stenghele, Sterno(a),
Stevenazzi, Stildaga, Stilgada, Stillio, Stinca, Stinchi, Stiago, Stobbia, Stoccfaero
(iero, etti), Stolzuoli, Stoppani, Storch io, Strambi, Strinchetti, Stringa, Stringhini,
Strobino, Strocchi, Strolengo, Staardi, Stacchi, Stungari, Stapenengo, Saardi,
Sabinaghi, Svanello (ini), Svaldi. — Talarico, Taliberti, Tancredi, Tangredi,
Tangherlini, Tarenghi, Tasca, Tassinghi, Tealdi, Teardo, Tebaldi, Tedaldi,
Tedoldi, Tedesco ^chi), Teobaldo, Terrenghi, Terzaghi, Tescari, Tibaldi, Tiberga,
Tiberti, Todesco (chini), Toesca, Toia, Toldi, Toti (a), Tolaschi (ca), Tornaghi,
Torvaido, Trabacco, Traldi, Tribaudino, Trincheri, Triaizi, Trivero, Traglio, Trotti,
Tracco (cchi), Trassardi, Trazzardi, Tadisco, Tafanisco, Tati. — Ubaidi(ini,eili),
Uberti (talli), Uboldi, Uf&edazie (ducci), ügliengo, Ugo (lini, lotti), Uldrini, Ulpiani,
Ultrocchi, ünia, Upezzinghi, Usardi, Usberti, üslenghi, Usuardi, Usaelli, Usvardi. —
Yacca, Vadilonga, Vagliasiudi, Valaberti, Valadeo, Valcarenghi, Valdemarca, Valde-
meri, Valdengo, Valdergan, Valdivieso, Valfre, Valfrödi, Vallardi, Valsecchi, Valte-
roni, Vandero, Vandoni, Varaldo (a), Varyelli, Varveri, Velardi, Venzaghi, Verardo,
Verda, Verlecchi, Verlengo, Verigaldi, Viara, Viarengo, Viberti, Vicardi, Vidari,
Videmari, Vido (ni), Vidmi, Viganego, Yigada, Viganotti, Vighetti, Viglierico,
Yigone, Yigotti, Yildosi, Yilingiardi, Yiligiardi, Yiliegas, Yinardi, Yisca, Yiscardi,
Yisigaili, Yismara (i), Yitrotti, Yivaldi (o), Yogliotti, Yolebele, Yottero. — Wizzari.
— Zamaghi, Zambaldi, Zanardi, Zantedeschi, Zayoldi, Zerengo, Zilio, Zimbaldi,
Zincardi, Zodo, Zoncada, Zaardi, Zuppardo.
2. Germanische Vornamen in Italien.
Ada, Adalgisa, Adalalfo, Adalinda, Adelaide, Adelchi, Adelelmo, Adelmo,
Adelino, Adolfo, Adolinda, Aicardo, Agilberto, Alberigo, Alberto, Aldemiro, Aldo,
Aldobrando, Aleardo, Alemanno, Aleramo, Alembardo, Alfonso, Alfredo, Alighiero,
Almachilde, Almerico, Alaisa, Amerigo, Anselmo, Arduino, Ariberto, Armando,
Arminio, Arnaldo, Aroldo, Arvino, Attilano, Averardo. — Baldomero, Baldovino,
Baldaino, Benilde, Berardo, Berengario, Bemardo, Brigida, Brano. — Carlo (a),
Chiaffredo, Clodomiro, Clotilde, Clotoaldo, Corrado, Cunegonda. — Dagoberte,
Detalmo. — Edgardo, Edilberto, Edmondo, Edaardo, Egiiberto, Elda, Eldegardo,
Emerico, Emeriglio, Endemiro, Enrico (a), Erardo, Erberto, Ermanne, Ermelindo (a),
Ermellina, Ermenegildo (a), Ernesto (a), Etelredo, Evardo, Everardo, Ezio. —
136
Federico, Ferdinando, Filaredo, Filiberto, Fredesvinda, Frediano. — Geltmde,
Gerardo, Greronzo, Gervasio, Gesaaldo (a), GildardOi Giraldo, Gisberto, Giselda,
Ginffreda, Goffredo, Golfardo, Gomberto, Gottardo, Gualberto, Gualfardo, Guerrlno,
Guido, Gnglielmo. — Ida, Idelfonso, Ildebrando, Ildegarde, Ildegonda, Isnardo,
Irdegalda. — Lamberto, Leonardo, Leonilde, Leopoldo, Leoyigildo, Liduina,
Linardo, Linda, Lodovico. — Manfredo, Matilde, Medardo. — Norberto. —
Oddone, Oderico, Odoardo, Oldrado, Oscarre. — Badegonda, Raimondo, Rainero,
Bambaldo, Baniero, Beginaldo, Biccardo, Bignardo, Binaldo, Boberto, Rodolfo,
Bodrigo, Bomildo(a), Bomualdo, Bosalinda, Bosvaldo, Bnggero. — Sigismondo,
Stellindo. — Teobaldo, Teodelinda, Teoderico, Terdelinda, Torvaldo. — Ubaldo,
Uberto, Uboldo, Ugo, ülderigo, Ulrico, Umberto. — Valdemaro, Yaimiro,
Viscardo, Vito, Volfango. — Walfredo, Widelmo, Wilbaldo.
GENUA -Sampierdarena^ H. Saake.
Topographischer Volkshumor
aus Sehlesw^ig-Holstein.^)
1. Dat is je*n afrikanische Hitt yundag!
2. „Dor is'n Hund op^n BackaVn verhungert ** erklärt der Yolksmund den
Namen des Dorfes Armstedtbei Bramstedt. Aus dem Ksp. Kaltenkirchen (B.)
3. Se höllt den Kopp so pick as*n Bruwikersch. — Die Bardo-
wikerinnen kommen mit Grünwaren und Sämereien nach Holstein; sie tragen
ihren Korb auf dem Kopfe. Aus d. Ksp. Kaltenkirchen (B.)
4. Hans vun Prowik,
De harr sik bald verkiek;
He kreeg Schulzengret op'n Saal bi*n Bock.
De sä: Hans, rük an' Propp
Un hol di jo nich op! Tanzlied aus d. Ksp. Kaltenkirchen (L)
Prowik soll aus Bardowik verstümmelt sein,
ö. In Bayern sünd v^l Maiern. Aus Schinkel bei Gettorf (Jk.)
6. Du büst verrückt, min Kind,
Du musst na Berlin,
^) Yergl. Handelmann, Topographischer Yolkshumor, Kiel 1866. — Mitt. d.
Vereins f Hamb. Geschichte 4, 142 ff. — Am Urquell, Monatsschrift für Volks-
kunde, Hamburg 1890 ff, 2, 171, 172. — Zeitschrift des Vereins für Volkskunde
16, 302 ff. und 396 ff
Beiträge lieferten die Herren H. Bebensee, Lehrer in Kiel (B.), Iwersen,
Lehrer in Hüttblek bei Kaltenkirchen (L), Johann Jöhnk in Schinkel bei Gettorf
(Ik.) und 0. Schoer, Lehrer in Kiel (Seh.).
137
Wo de Verrflckten sind,
Dor masst dn henl
Tanzlied ans d. Ksp. Ealtenkirchen (I.) (yergl. unten Nr. 148.)
7. In Berlin, seggt he,
Op de Strat, seggt he,
Steit en Pott, seggt he,
Ynll Yun Schiet, seggt he,
Un de L^pel, seggt he,
Liggt dorbi, seggt he,
Wer da ^ten will, seggt he,
Steit dat fri, seggt he.
Ans Pönitz, Fttrst. Lübeck (vergl. unten Nr. 110).
8. In Berlin, seggt he,
Op de Strat, seggt he, *
Lopt de Swin, seggt he,
Sp^lt Suldat, seggt he,
ün de Ewer, seggt he,
Is Offzier, seggt he,
Het'n Hot op, seggt he,^)
Yun Papier, seggt he.
Aus POnitz, Fttrst. Lttb. (in Schinkel (Jk.) u. Kr. Rendsburg
statt Berlin , Hamburg').
9. Wi wttllt na Bettlehem (d. h. zu Bett; Wortspiel mit Bethlehem.
Aus Schwansen.
10. Min Yader heet Hans Yagelnest,
Weer Burvagt in Bimoehln,
He weer ok mal op Beisen west,
Drum kunn he wat yertelln«
He sft: Jung, best en Dalers Geld,
Dor reis mit in de wiede Welt,
Denn kannst di wat versOken,
Sünst bliffst du all diu L^f so dumm
As Eken un as BOken.
Bimöhlen, Dorf bei Bramstedt. Die erste, etwas veränderte Strophe
eines Yolksliedes aus der Franzosenzeit ; vergl. , Niedersachsen' 11, 408.
Aus d. Ksp. Kaltenkirchen (I.)
11. Ik wull, dat du op'n Block sbarg seetst!
12. Dat Mess is so stump, dor kannst mit'n blot'n Nors op na'n Blocks-
barg ried'n. Aus d. Ksp. Kaltenkirchen (B.) u. Schinkel (Jk.)
13. In de Nehjohrsnacht danzt de Hexen op'n Blocksbar g.
Aus Schinkel (Jk.)
14. Lat*t regen, lat*t geten,
Lat*t Gott ni verdreten,
Lat all de oln Hexen
Na*n Blocksbarg henfleten. Aus Oldesloe.
15. Dat schall hier bohnert sin, dat is ja ni mal schruppt, sä Krischan
Mau, do gttng he lank't Dörp. Wortspiel mit Bohnert, Dorf in Schwansen.
1) Het'n Knüppel, seggt he,
To'n Gewehr, seggt he. Ksp. Kaltenkirchen (B.)
138
16. Wat Bökel na keen Fenstern? Bäh! seggt. de Bock.
Spottwort aof Bökel, Dorf bei Barmstedt (B.)
17. Von Bökel na HeidmoBhln
Sttnd dat nich fief Miel?
011 SoBg mit fief Farken,'
Sund dat nich sOsb Swin?
HeidmUhlen, Dorf zw. Neumünster n. Segeberg.
Ans d. Ksp. Ealtenkirchen (I)
18. Dat is jo 80 lang as vnn BornhOyed na Daldörp.
Daldorf im Ksp. Bomhöved.
19. Dor Bwömmt wi Appeln, sä de Pierkötel un swömm mit^n Bors-
dörper de Bäk lang. Borstorf in Sachsen; Borstorfer Äpfel.
20. Dat blänkert as Bothkamp in't Boklock.
Bothkamp, adl Gut im Er. Bordesfaolm.
Ans Schinkel (Jk.) (Vergl. Handelmann, Top. V. Nr. 26.)
21. He sett sik in de Kant as de Braaker Deern. (Er nimmt viel
Platz ein.) — Braak, Dorf bei Eutin. Aus Pönitz, Fürst. Lüb.
22. Dat geit um as in Braak dat Backen (s. unten Nr. 131).
23. .Kötersalendörp*' wird der östliche Teil des Dorfes Brackrade,
Ksp. Bosau, genannt.
24. De Herzog vun Braunschweig,
De harr en ol Peerd,
Dat harr son schewen Snuter;
Dat een Og, dat weer em in'n Kopp verkehrt,
Dat anner, dat bummel dor ruter
Sup uter, sup uter, sup uter,
Un wisch em af den Snuter.
Aus Schinkel (Jk.). (vergl. Schütze, Holst. Idiot. 4, 229.)
25. N. N. ut de H o s s mit'n Bickbeernvoss ! — Spottwort auf die Kinder
aus Bredenbekshorst, Dorf im Ksp. Kaltenkirchen (B.)
26. Ik will di Bremen sehen laten! — Drohungsformel, entstanden aus
dem Ammenscherz, das Kind „Bremen sehen lassen*, es mit beiden Händen au
Kopf und Ohren fassen und in die Höhe heben, (vergl. Handelmann, Top.
Yoiksk. Nr. 32 u. besonders Ndd. Korresp.-bl. 29, 85 u. ö., unten Nr. 80.)
27. Ut jedes Dörp *n Hund un utBttdelsdörp 'n Köter! (beim Karten-
spiel, wenn man Karten der verschiedensten Farbe erhält.) — Büdelsdorf b.
Rendsburg. Aus Bredstedt. (vergl. unten Nr. 163.)
28. Dat ward Unweller, de Büsumer Yagels (Möwen) fleegt.
Aus Dithmarschen.
29. De Büsumer hebbt dat Höhnerschott all werr ni tomakt! — Die
Möwen fliegen vom Meere her ins Land, es gibt schlechtes Wetter. Aus Dithm.
30. Wo is dat? In Buxtehud*, wo de Hund mit'n Steert bellt.
Aus Pönitz, Fürst. Lüb.
31. Wo reist du hin? Na Buxtehusen, na't Lammerlusen.
Aus d. Ksp. Kaltenkirchen (B.)
32. Blinne Koh, ik leide di.
Woben?
Na Buxtehud'.
139
Wat schall ik dor?
Stuten un Melk ^ten.
Ik heff keen' L^pel.
Gab hen un sOk di een\ Aus Pöuitz, Fürst. Lüb.
33. Hannemann kümmt vun Jütland an,
Hannemann bet man Holtscbob an;
Hannemann mutt sik St^weln kopen,
Denn kann Hannemann b^ter lopen.
Hannemann bi, Hannemann bo,
Hannemann löppt op bOlten Scbob.
Der Spottname Hannemann wurde den Dänen in der Zeit der scblesw.-bolst.
Kriege beigelegt. Aus Scbwansen.
34. He sübt ut as de Dod vun Dassow (siebt bleicb, kränklieb aus).
— Dassow, Flecken im NW von Meckl.-Scbwerin. Vergl. Nieders. 14, 21.
Aus Pönitz, Fürst. Lüb.
35. Dat weer dütscb! — Nu snackt be dütscb mit em! (deutlicb,
grob). Aus Ealtenkircben (I.y, Scbinkel (Jk.) u. Pönitz.
36. Ik gröt di in* Namen Dütscblands und all de umliegenden Dörper!
(scherzbafte Begrüssung). Aus Pönitz u. Ealtenkircben (I.)
37. Man ümmer rin in* dütscb en Bund! (scberzbafte Aufforderung
zum Näbertreten.) Aus Pönitz, Ealtenkircben (I.) u. Scbinkel (Jk.)
38. De Ditbmarscber Burn,
De leggt sik op't Lurn. Aus Tellingstedt (B.)
39. Dat is^n L^ben as merm in de Mascb,
Dor backt se de Pannkoken in de Ascb ! Aus Tellingstedt (B.)
40. Dat is en Leben in de Mascb! Alldag Speck pannkoken un Höbner-
snpp to Vesperbrot! Aus d. Esp. Ealtenkircben (I.)
41. En Ditbmarscber Magen is inwenni mit Blick beslan.
42. He bet*n Ditbmarscber Magen.
43. Hau sirrer o ob Mosk
5 kiger ind i Husum.
(Er sitzt in der Marscb und scbaut nacb Husum.)
Aus Nord-Scbleswig, Gegend von Gramm (durch Lehrer Juler-Eiel.)
44. Suck suck suck, Hawermann,
Treck diu Vadder sin St^weln an,
Bitts du as en Edelmann.
Edelmann vun Spanien,
Appeln vun Oranien,
Figen ut de M a s c h.
So ried de Einner to Gast. Aus Scbwansen.
45. Da achter de rüge Bargen,
Da weiht de kole Wind,
Da körnen dree Snider
Un dopen dat Eind.
Mudder schall backen vun Bohnenstroh,
Yadder schall reisen na Dithmarschen to:
Da hängen de E^teln,
Da klingen de Slöteln,
Da piepen de Mtts,
Da danzen de Lüs,
140
Da fiedelt de Back;
Lett dat ni mal smnck! Aus d. Husamer Gegend.
46. Gah na'n Donn nn klei Sand! (Abweis.) Donn: Dflne zwischen
Geest und Marsch.
47. Wonehr weer dat? Dat weer so twiscben Wihnachen un Eckern f 5 r\
as dat to Niejohr Ostereier geef.
48. Allbot helpt, sä Michel, un piss in de Eid er.
49. a. Allmannsbot helpt, sä de Mügg, dor spee se in de Elv (Elbe).
b. Een helpt anner, sä de Mügg, un piss in de Ely (Jk.)
c. Jede Drüpp helpt, sä de Dflwel, an piss in de Elv.
Aus Pönitz, Fttrst. Lttb.
d. Jede Drupp helpt, sä de Jung, do piss he in^t Haff.
Aus Wyk auf Föhr.
50. In Elmshorn
Het de Kark keen' Tom.
In Ite'ho
Is't ebenso.
In Nemttnster
Staht de Stuten yör't Finster.
Aus d. Ksp. Ealtenkirchen (I.)
61. Dat Fehmarsch Wederglas (Anagallis arvensis) is slaten, dat gifft
Begen ; — — de Blöt is apen, dat W^der blifft drOg. Aus Pönitz, Fürst. Lüb.
52. Ik will na Fehmarn to*n Grasmeid'n! (scherzhafte Antwort auf die
Frage: Wo wullt du hen?) Aus Schenkenberg, Er. Stormarn (Seh.)
53. De Fissaer Tiff. (= Carreau-Dame.) Fissau, Dorf bei Eutin.
Aus Pönitz, Fürst. Lüb.
54. Solt'n Hering, Kapp 1er Bückling,
Fockbeker Aal, Aalbeker Fock! (B.)
55. a. Weisst du nicht, wo Fockbek liegt?
Fockbek liegt im Grunde,
Wo die weissen Mädchen sind
Mit dem roten Munde;
Bote Munde haben sie.
Weisse Kleider tragen sie.
Violett, violett,
0, wat sünd wi Fockbeker nett,
(so singen die Fockbeker Kinder am Schlüsse ihrer Laternenlieder.)
b. In Schinkel (Jk.) heisst es: Weisst du nicht, wo Kiel liegt —
wo all die hübschen Mädchen sind — — spitze Hüte tragen sie — —
(vergl. Handelmanu, Top. Y. Nr. 152, Schumann,
Volks- und Kinderreime Nr. 273.)
56. De Koh het Franzosen (Tuberkeln).
57. Dicht vor Friedrichstadtl (beinahe!) Aus Pönitz, F. Lüb.
58. In Ghetto rp (Gettorf, Dan. Wohld) in de chude Chegend, dor chifft
dat v^l Cbassenchrütt, un wenn dat de chifft, denn warr ik chanz chifti (will
die in der Gegend gebräuchliche Aussprache des g wie ch lächerlich machen.)
59. Im Kirchspiel Gleschendorf, Fürst. Lttb, ist folgender Spruch, der
den Bewthnern aller eingepfarrten Dörfer etwas anzuhängen sucht, ganz oder
in Bruchstücken im Umlauf.
141
De langen (rieken) Barkaner,
De blanken (hochbOstigen) Kesdörper,
Steenrader Wüpp-op'e-Klink,*)
Havekoster Orotgeld,
Wnlfsdörper Spring-in't-Feld,
Sarkwitaser Mörbeern,
Schnlendörper mög s' gern,
Scbürsdörper Sandhasen (Yierthbasen),
Schebeitzer (Scharbeatz) Strandlöpers,
Peenser (Pönitz) Erückenten^) an
de armseligen GleschendOrper.
60. ,De Qleschendörper Aaenten" — Gleschendorf liegt an der
Schwartau — werden die Bewohner des Dorfes Ton den Fönitzern genannt;
Antwort aaf: ,De Peenser Krttckenten". Die Pönitzer heissen bei den
Oronenbergern: , Peenser Parkers'', man raft ihnen nach: „Prüte, prüte,
prtite — park, park, park!' and ahmt damit die Stimmen der Enten nach.
61. De Qleschendörper Kamncken
Mtttt sik Tör de Peenser backen! Aas Pönitz.
62. De Qleschendörper Eosacken
Hebbt Lüs in'n Nacken,
Hebbt Flöhn in de Enaken,
Eünnt gornix (liekers nix) maken! Aas Pönitz.
63. In Qlinn
Is nix to finn,
Un in Qrann
Is nix to pann.
Gl in de and Grande, Dörfer im Kr. Stormam (vergl. Handelmann, Top. V. Nr. 65).
64. In Glinn
Is nix to finn,
In Willnhasen
Is nix to musen,
In Oh
Is't ebenso.
Glinde, Willinghasen, Ohe, Dörfer im Esp. Steinbek, Kr. Stormarn.
65. Einzelne Teile des ehemaligen Lehengates Gronenberg, Fürst.
Lüb., führen im Volksmnnde besondere Namen. Am Wege vom Gronenberger
Hofe nach Hafikrag liegen: ^Dat Lehmhas**, „de Yossbarg*', „de Getter', „Elba"
(abgebrannt, nicht wieder anfgebant) and „de Esel". Die Gärtnerei aaf den
„Hafifwiesen" wird „Kiwitt* genannt. (Aaf den Wiesen za beiden Seiten des
„Gosb^k" leben zahlreiche Kibitze. „Dor kümmt de Kiwitt" wnrde früher von
dem Besitzer der Gärtnerei gesagt). Die ehemalige „Messingmtthle" heisst
„Stang'nmoBhl", weiter westlich aaf einer Anhöhe liegt „de Stang^nbasch", aach
„Kreihnholt" genannt; von ^ier führt ein Fassweg, die „Himmelsleiter", hinab
zum „Mück'nbasch" in der Nähe des Grossen Pönitzer Sees. Das Wirtshaus
Gronenberger Krug hiess vordem „de Knickerkrog" (Knirkerkrug). Die beiden
Hufen auf dem Gronenbergerfelde (Achterfeld) nennt man „Hunnmoehl" (vergl.
^) 1793 wurde das Dorf durch einen Sturm zerstört ') wegen der zahl-
reichen Enten, die den Grossen und Kleinen Pönitzer See bevölkern. (Mitget.
von H. Stuhr, Landmann in Havekost).
142
Schröder-Biernatzki, Topographie I» 437) and ^Ritzkrog''. Aach einen ,01n
Erog' soll es hier früher gegeben haben.
66. , In Hackend örp is Wall stahlen'' sagt man in Pönitz, Fürst. Lüb.,
spottweise zn dem, der aaf der Hacke ein Loch im Strumpf hat. (vergl. unten
Nr. 164).
67. a. Min Soehn het schräw^n
Ut Hadersläwn,
Het acht Dag op^e See rümdräw'n,
Het nix to frät'n kräg'n,
Un doch noch an' Läw^n.
Nä, so'n Läw'n
Is gor keen Läw'n,
Väl lewer will ik ja gomich läw^n.
b. Jnnge, wat'n Läw'n!
Min SoBhn het ut Härder (?) schräw'n:
Sin S(£g het veertein Parken kräg*n.
Soßm sünd an't Läw'n bläw'n
TJn s(Bm sünd dod bläwn.
Junge, wat'n Läw'n! Aus d. Ksp. Kaltenkirchen (I.)
68. In H am barg steiht de Kark achteren Knick un de Orgel ward
dreiht. — Hamberge, Kirchdorf zwischen Lübeck und Oldesloe.
Aus Hüttblek bei Kaltenkirchen (I.)
69. Na Hamborg is nich mehr wiet, seggt de Kieler, man kann all
mit'n Finger henwiesen.
70. Wenn dor de Weg na Hamborg güng, so bleef keen Hund un Katt
to Hns. (wenn man beim Essen krümelt) Aus Pönitz, F. Lüb.
71. Dor kannst mit'n bieten Nors op na Hamborg ried'n (stumpfes
Messer). Aus Pönitz u. Kaltenkirchen (I)
72. Hamborger Bodderbrot (halb Weiss-, halb Schwarzbrot).
Kaltenkirchen (B.)
73. He fragt, as wenn he ut Hamborg is. Kaltenkirchen (B.)
74. Platz dor in* ROnnsteen, ik will dor ligg'n, sä de Hamborger to'n
Alt'naer.
75. Dat geit mi nix an, ik bün^n Hamborger, sä de Fohrmann.
76. Wat ik bün, dor gab ik vor, seggt de Ammen in Hamborg.
77. Wenn dat lütt Wort ^wenn** ni weer, kunn Hamborg ok in'n Buddel.
78. Ik helf Hamborger Gewicht! (habe gewonnen, bes. b. Kartenspiel).
Aus Pönitz, F. Lüb.
79. Ik will di an den Hamborger Jud'n verköpen, de schall di in'n
Sack staken. Kaltenkirchen (B.)
80. a. Wullt du mal Hamburg un Lübeck sehn?
Aus Pönitz u. Schinkel (Jk.)
b. He lett em Hamborg sehn (B.) (vergi. oben Nr. 26).
81. 0, du min lütt söde Deern,
De Hamborger mögt de Kasbeem gern!
Kaltenkirchen (B.)
143
82. a. I : Von Hamborg geit na Bitzebüttel, na Ritzebüttel : |
ün 80 na 1 1 z e h 0 e. ij Tanzweise ans Pönitz n. Kaltenkirchen (B.)
83. Hia hia hnllera,
In Hamborg hebV s' de Cbolera;
In Glückstadt is de Düwel los,
Dor gifft nix as Eartüffelmos.
In Glttckstadt befindet sich ein Znchthans. Ans Pönitz, F. Lüb.
84. Hide hida hidallera,
In Hamborg hebbt's de Cholera,
In Qlückstadt bebbt's all hatt,
In Bramstedt Inrt's noch op. Ksp. Kaltenkirchen (B.)
85. De Ealennermakers sitt in*n Hamborg er Elockentorn nn makt
dat Weller. Ksp. Kaltenkirchen (B.)
86. . a. R^g^nblatt,
Mak mi nich natt,
Mak all de Harn borg er Wiwer natt!
Set'n achter'n Knick an et'n,
Ik sä: G^vt mi ok en b^t'n.
Se gewen mi*n Stück verschimmelt Brot,
Ik smet 9r dat wedder in den Schot.
B^g'n, B^g^n, rusch,
Wat msselt hier in' Bnsch!
b. B^g'nblatt,
Mak mi nich natt,
Mak all de Hamb orger Jaden natt!
Se set*n op*n Dack nn et*n wat,
Ik sä to ?r: G^yt mi'n Stück afl
Se smet*n mi mit verschmimmelt Brot,
Ik smet ^r dat wedder in den Schot.
Dor slög'n se mi op*t Schallerblatt,
0 je, 0 je! wo baller dat!
Ksp. Kaltenkirchen (I.) (vergl. Schamann, a. a. 0. Nr. 189).
87.
Wer dor gerne Figen mag,
Seggt den Kramer goden Dag;
Goden Dag, Herr Kramer,
Lehn he mi den Hamer;
Lehnt he mi den Hamer ni,
Is he ok de Kramer ni.
De Kramer steit vor de Achterdör
Mit*n blagen Platen vor,
Mit de g^Pn St^weln an
Reist he hen na Amsterdam;
Ynn Amsterdam na Rosenheim,
Van Rosenheim na Hamborg;
Hamborg hier, Hamborg dor,
Hamborg op de Schinnerkor
Ans Kiel (vergl. Schamann a. a. 0. Nr. 415.)
b. ») vun Ritzebüttel na Hus — Tellingstedt (B )
c. *) van dorn geit hen to Mark. — Schinkel (Jk.)
d. *) mit'n rod'n Kittel — Kr. Stormarn (Seh )
144
88. Hest Lebberwnst nich sehn?
In^n Bäckergang (in Hamburg), dor sfind se so schön.
Ans Sievershütten bei Sttlfeld (I.)
89. Nn wardst Nacht in'n Dom! (Hamburger Dom.)
Esp. Kaltenkirchen (B.)
90. Hansühn, Ettkelühn, Harmhoss un Fnhlendiek (Dörfer
im Kr. Oldenburg), dat sünd de veer Hauptstäder» de de bereist het, kann
Meister warm. Aus Pönitz, F. Lüb.
91. a. Wo is dat? In Hansühn un Eükelühn, wo de Sliepsteen
in^t üienlock dreit ward.
b. He hört hen na Hansühn un Eükelühn, wo de Sliepsteen
Aus Pönitz, F. Lüb.
92. De Hük, de Hissel un de Grouf, dat sünd de Vörstäder vun
Hassendörp. — Hassendorf, Fürst Lübeck. ,Huk" an dem Wege nach
Brackrade, , Hissel' an dem nach M^jenfelde und , Grouf an dem nach WObs.
Aus Majenfelde bei Eutin.
93. Die Pönitzer sagen vom Südwestwinde, der ihnen Regen bringt:
,Dat is de Havköster Wind!* Im SW liegt das Dorf Havekost, F. Lüb.
94. De Schap de gabt na Heikendörp, na Heikendörp to Eöss,
Dor gifft dat nix as Schinken, Fleesch un Wüss.
Lat de Schap to'n Döster gähn,
Heikendörp blifft doch bestahn!
Heikendorf am Kieler Hafen.
Aus Pönitz, F. Lb. (vergl. Zeitschr. f. Volkskunde 16, 307 Nr. 69).
95. Wo is dat? In Hohenwiechel (fingiert), wo de Sliepsteen in't
Ulenlock dreit ward. Aus Pönitz, F. Lb.
96. Ik heff hollandsch Gewicht ! (habe gewonnen ; bes. b. Eartenspiel.)
Aus der Beinfelder Gegend (Seh.) und Pönitz, F. Lb.
97. He het'n holsteenschen Magen!
98. Se gabt bald mit em oewer de Hu d au- Bruch (d. b. zum Eirchhof).
Hudau und Osterau vereinigen sich in Bramstedt zur Bramau ; südlich vom Flecken
führt eine Brücke über die Hudau.
99. Wo kamt ji her?
Vun Hüll!
Wat hebbt ji lad'n?
WuU!
Wi hebbt ji lad'n?
VuU!
Wi heet de Kaptein?
Krull!
Wi is ju Nam?
John Bull.
Ach, ji Bund wull dull!
Jawull !
(Soll das Gespräch zweier Schiffer darstellen, die sich auf der See begegnen.)
Aus EI. Schenkenberg, Er. Stormarn (Seh ).
145
100. Keem*n oln Mann ut Hütten,
Harr'n Rock vnn dosen Stücken,
Harren knökern Angesicht,
Harren Kamm nn kämm sik nich. (Habn.)
Ans Schinkel (Jk.). — Gemeint ist das Gut Wulfs hagener Hütten,
Ksp. Gettorf. — Im Ksp. Kaltenkirchen (I.) beginnt man: „Keem'n Mann vun
Sievers bütten" (Dorf im Ksp. Todesfelde) oder „Dor keem'n Mann vun
Krücken (Teil des Dorfes Weddelbrook bei Bramstedt) (vergl. Müllenboff,
Sagen — — — S. 506 und Augnstiny, Acbtern Aben S. 103.).
101. Jerusalem,
krieg em bi*n Kopp (bi de Haar) un tusel em!
Ksp. Kaltenkirchen (B.), Schinkel (Jk.) und Pönitz, F. Lb.
102. a. He mntt wull ball na Ko'nnkarken! (Kaltenkirchen.)
b. He is riep för Konnkarken (d. h. für den Kirchhof).
Aus Hüttblek bei Kaltenkirchen (I.)
103. Kalifornien liegt nich wied vun Bramsilien.
Wortspiel mit Kaltenkirchen und Bramstedt (I.)
104. Als in den achtziger Jahren die Erwerbung unserer westafrikanischen
Kolonie Kamerun im Volke bekannt wurde, benannte man danach neue,
auffällig erscheinende Sachen. Einen grossen Strohhut mit breitem, abwärts
gerichtetem Rand nennt man noch heute allgemein „en Kameruner'*.
Als damals die Bahn von Bhf. Gleschendorf nach Ahrensböck gebaut wurde,
belegten die Pönitzer den Ahrensböcker Zug mit dem Namen „Kamerun", den
er bis heute behalten hat. „Kamerun kümmt", „ik bün mit Kamerun herdal
f5hrt' sind allgemein gebrauchte Redensarten.
105. Karbyer Banditen
künnt kum vor Knaken schieten!
Aus Schuby, Ksp. Karby (Schwansen).
106. a. Ab nach Kassel!
b. He reist bald af na Kassel! (stirbt bald.)
107. In Kiel sliept se Biel. Aus Schinkel (Jk.)
108. Dat irst Gewinnen holt de Kieler (de Lübecker) Jungs ni vor
god (b. Kartenspiel).
109. Da 's de Snider vun Kiel (Carreau-Bube).
HO. In Kiel, seggt he.
An de Eck, seggt he,
Steit en Emmer, seggt he,
Is vull Dreck, seggt he,
Un en L^pel, seggt he,
Liggt dorbi, seggt he,
Wer Apptit het, seggt he,
Steit dat fri, seggt he.
Aus Schinkel (Jk.) (vergl. oben Nr. 7).
111. In Kiel, seggt he,
An den Weg, seggt he,
Steit en Fru, seggt he,
Un de fecht, seggt he,
Kümmt en Jung, seggt he,
Nimmt en Steen, seggt he,
NiedcrdeatBOhes Jahrbuch XXXV. 10
146
Smitt de Fra, seggt he,
An dat Been, seggt he. Ans Schinkel (Jk.)
112. DeKiadörper hebbt*n BuUn op't Dack trock'n.
Eisdorf im Kap. Kaltenkirchen (B.)
113. „Dat ol Wief nt Klenza'' wird in der Umgegend von Entin die
Influenza genannt. ,He het dat ol Wief nt Klenzal' »I^ftt ol Wief ut Klenza
kann gefährli nog warrn!" K lenz au, Dorf bei Entin.
114. Ik will di verklagen
bi Kopenhagen,
de schall di den Kopp afsagen.
Husnmer nnd Rendsburger Gegend (vergl. unten Nr. 151).
115 Dat r^g'nt! — Ja, lat man r^g'n, so seggt se in Kopenhagen.
Aus dem Schleswigschen.
116. Rüter to Peer, Soldaten to Fot,
Achter Kronshagen verlor ik min' Hot,
Achter min Grossvadder sin Schün,
Dor piepen de Mtts,
Dor danzen de Lüs,
Dor klingen de Klocken,
Dor danzen de Poppen,
Dor slachen se Swin,
Dor drunken se Win,
Dor schall min Itttt Heine
Sin Hochtied sin.
Kronshagen bei Kiel. — Aus Schinkel (Jk.)
117. Wo wahnt Schnüt ? (Der Fragende fasst das Kind bei der Nase)
Achter Krummdiekl
Wat makt he dor?
Leggt Eier.
Wat förn schall ik hem?
Bei der Antwort „de swarten'' kneift man, bei „de Witten* lässt man los.
~ Krummendiek. Kirchdorf bei Itzehoe. Aus Schinkel (Jk.) (vergl. Zeitschr.
d. V. f. Volkskunde 16, 310 Nr. 106).
118. Dat ritt een in't anner as Krummwisch un Brembek. — Die
Bewohner der Dörfer Krummwisch und Bredenbek, Ksp. Bovenau, waren
vielfach miteinander verwandt. Aus Schinkel (Jk.)
119. Dat is Krummwischer Goldl (Imitation.) Aus Schinkel (Jk.)
120. Raus aus Leipzig! raus aus Metz! Ksp. Kaltenkirchen (B.)
121. Ik weet en Leed, dat keener kann,
Dat lehr mi oll Vadder Dock:
Ik schuU dat Peerd den Tom andon,
Ik sett mi dor woll op
ün re^ dormit na Lübeck hen.
Un as ik nu in Lübeck keem,
Müss ik min eegen Wunner ansehn:
De Fleddermüs de f^g'n dat Hus,
De Mücken de drOg'n dat Üller rut;
Achter de Schün
Dor döschen veer Kappün,
Se döschen veer Klapp Ha werstroh,
147
Dor wuUn se Beer vun bru'n.
Dat Beer füng an to prusen:
Stenner nt^n Hasen,
Kalwer nt'n Stall
Verlören ^m Fall;
Höhner op'n Wiem'n
Wnlln sik beswiem'n;
Heister op'e Heck
Föll mit de Näs in'n Dreck.
Dor keem'n oll Fru, wall ok wat sehn,
Föll mit de Näs rin 'n Rönnsteen.
Ksp. Kaltenkirchen (I.)
122. He is van all de Harken to Has kam'n, blots ui yun't Lenter
Hannmark. — Der Jahrmarkt von M a 1 e n t e - Gremsmtthlen heisst in der Umgegend
,,HaDnmark'. Aas Pönitz, F. Lb.
123. Die Kirche in Malente hatte früher einen hölzernen Tarm, der
— wie der Volksmand erzählt — in einen Schnppen gestellt wnrde, sobald
schlechtes Wetter im Anzage war; so entstand der Spottreim:
Dat Malent is prächtig,
Aewer nich heel grot,
De Kirchtorn de is mächtig
hoch — eenantwintig Fot.
Doch to ^rn Yergnögen
Un dat he nich verfreert,
Sett se em in den Drogen,
Denn geit je nix verkehrt. Aas Fönitz, F. Lb.
124. DeM^kelnbörger Jangs hebbt ^r all in de Macht. (Die Sonne
beim Untergang.) Aas Schinkel (Jk.)
125. Ik bün'n Itltt Deern nt Meimersdörp
Un wall mi gern vermeden,
Bün ik ni een lütt dralle Deern,
Dat kttnnt ji doch wall sehn?
De Grütt de kann ik kaken,
Den Braden den kann ik maken,
Un kümmt mi een van ja tonäch,
So kriggt he wat mit dissen Sleef.
Meimersdorf bei Kiel. — Aas Gaarden, Kr. Bordesholm.
126. Dat gifft 'n Nassaaerl (Regenschaner.)
127. „De kümmt direkt van* Nordpol", sagt man in Pönitz, F. Lb.,
von einem kalten Winde.
128. Dat is Nürnberger Tand! (Schinkel, Jk.), Nürnberger War
(Pönitz), Nürnberger Kram (Ksp. Kaltenkirchen, I.)
129. Ik will mal na Naddeln (will „Nall" spielen im Skat).
Nntteln, Dorf nördl. von Wilster.
130. Wo geit di dat? — Ümmer op de Föt as de Olanner Gös, blots
ni 80 wackelig. Alten Lande bei Hambarg.
131. Dat geit um, as in Olslo (Oldesloe) dat Backen, de keen Mehl
bet, den geit't vörbi an de keen' Backtrog het, sttrt (sänert) in*e Eck.
Ans Pönitz, F. Lb. (vergl. Handelmann, Top. V. Nr. 142, Zeitschr. d. V. f.
Volkskande 16, 397 Nr. 112, „Heimat" 1906, S. 181 Nr. 11 and oben Nr. 22).
10*
148
132. VVat wullt iu Fahlen?
Dor is nix to halen
As en Paar St^weln ahn Sahlen.
Fahlen, Kap. Tellingstedt (B.).
133. Ok nich to verachten, sä de Po lack, do harr he op'e Lusjagd en
Flöh fung\
134. He kann de Polacken (Reste) drinken!
135. He snackt pol seh (unverständlich).
136. He wahnt binah an de pol seh Grenz (abgelegen).
Ans Pönitz, F. Lb.
137. He is preusssch (erzürnt). Ans Schinkel (Jk.)
138. Hut r^g'nt dat förn Bnrn preu'sche Dalers! (bei einem frucht-
baren Begen). Ans Pönitz, F. Lb.
139. So schnell schiessen die Preussen nicht* (nur immer langsam).
Ans Pönitz, F. Lb.
140. De hollt mehr as dree Probstier, de gornix holt! (wenn man
einen Nagel eingeschlagen hat). Ans Wellingdorf bei Kiel.
141. Dat kratzt in' Magen, sä'n de Probstier, do drttnk'n dree Manu
vun een' Sösslingsschnaps.
142. De Quarmbeker Eosacken
Hebbt Ltts in' Nacken.
Gut Qnambek, Ksp. Flemhude (Jk.).
143. Ich als Prediger von Batekau! (von Selbstbewussten).
Batekau, Kirchdorf im Fürst Lüb. — Aus Pönitz.
144. In Bissen
Eünnt se nix missen. Dorf Bissen, Ksp. Nienstedten.
145. Kling klang klara,
De Klocken gabt in Sara.
Wer is dor dot?
Hans Peter Fr^t-Brot
Sin Fru is dot.
Abzählreim aus Pönitz, F. Lb. — Sarau, Kirchdorf bei Ahrensböck
(vergl. Schumann, a. a. 0. Nr. 282).
146. Widde widde witt, min Mann is ut,
Widde widde witt, wo is he hen?
Widde widde witt, na Schlesien.
Widde widde witt, wat het he di mitbröcht?
Widde widde witt, en Sack vull Plumm,
Widde widde witt, de smeckt ni dumm.
Widde widde witt, giff mi*n paar af.
Widde widde witt, ik kann keen missen.
Widde widde witt, ol Giezhals! Ans Pönitz, F. Lb.
147. In Sleswig an de 81 i het de Slachter en Swin slacht (zum
Schnellsprechen). Aus d. Ksp. Kaltenkirchen (I.)
148. Du büst verrückt, min Kind,
Du hest'n Splien,
Du muss na Sleswig hen
oder na Berlin.
Aus Kr. Stormarn (Seh.) und Pönitz, F. Lb. (vergl. oben Nr. 6).
149
149. He is ferti mit Sleswig-Holsteen! (mttde — Konkurs).
Ans Pönitz und Schinkel (Jk.)
150. Se gabt as de Sraalfeller to Kark (im Gänsemarsch). Der
Kirchsteig von Schmalfeld nach Kaltenkirchen war so schmal, dass die Kirch-
gänger einer hinter dem andern hergehen mussten (I.).
151. Ik will di verklagen
An Schönhagen;
Morgan wttllt wi backen,
Denn schall de Hahn di hacken.
Schönhagen, adl. Gut inSchwansen. — Aus Schinkel (Jk.) (vergl. oben Nr. 114).
152. Nu ward'fr Dag in Schönwohld, in Langenhagen (Dörfer in
Ostholstein) hebbt se't Lieh' all anst^ken! (ihm geht ein Licht auf).
Aus Pönitz, F. Lb.
153. Ik btln in Schrum w§n,
bün dun w^n,
bün Yun'n Weg rummelt
un in de Rönn trunnelt.
Schrum bei Tellingstedt, Dithm. (B.)
154. Nu brennt Säbarg! (Segeberg; Ausruf der Verwunderung.)
Ksp. Kaltenkirchen (I.)
155. Wat kost Sab arg! (zum Grossprahler — I)
156. Da's ja'n sibirische KüU vundag! (I.)
157. Dor sett ik ganz Sierhagen gegen! (adl. Gut bei Neustadt i. Holst.)
Aus Pönitz, F. Lb.
158. Das Schulhaus in Sierksdorf liegt »op'n Pannkokeubarg'' . Die
Frau eines früheren Lehrers soll die Badegäste aus dem nahen Ostseebad Haffkrug
mit Pfannkuchen bewirtet haben.
159. Sievershütten (Ksp. Todesfelde) is russsch! (ziehe nicht dahin!)
Auch: Poppenbtlttel is däusch! (I) (vergl. Handelmann, Top. V. Nr. 148.)
160. „Keen'' het sik in de Boddermelk versapen
Un is bi Störkathen weller rut krapen!
(scherzhafte Abfertigung). Störkathen bei Kellinghusen (B.)
161. a. Dat Köpp'n (Tasse) is so grot as de Susi er Döp.
b. „Susi er Döp*' nennt man auch ein grosses Glas Kümmel, den
sogenannten „ Wachtmeister *'.
Süsel, Kirchdorf im Fürst. Lübeck. Das alte granitene Taufbecken, „de Süsler
Döp", ist jetzt wieder in der Kirche aufgestellt worden. — Aus Pönitz, F. Lb.
(vergl. Zeitechr. d. V. f. Volksk. 16, 400 Nr. 176).
162. Der Jahrmarkt in Süsel heisst in der Umgegend „Süsler Mess-
mark" gegenüber andern, bedeutenderen Märkten.
163. Ut jedes Dörp 'n Hund un ut Teckelsdörp 'n Tiff. Techels-
dorf bei Bordesholm. Aus Kiel und Umgegend (vergl. oben Nr. 27).
164. In Tehnendörp (fingiert) is WuU stahln — (Pönitz).
is Für (Schinkel. Jk.) (vergl. oben Nr. 66).
165. De Borstier Kosacken,
De künnt sick man packen,
De künnt sick man wohrn
Vor de Tellgnstedter Husorn.
Österborstel, Ksp. Tellingstedt, Dithm. (B.).
150
166. Wo liggt Ton dem? An de Wid ... au! — Kinderscherz ; der
Fragende gibt die halbe Antwort nnd veranlasst den Spielgenossen durch Kneifen
in den Arm zur Vervollständigung der Antwort: au! (I.)
167. Wann weer dat? Achteinhunnert un Wittkohl, as Steenbock vor
Tonn in g leeg. — Der schwedische General Steenbock wurde 1713 bei Tönning
gefangen genommen (vergl. Handelmann, Top. V. Nr. 178, Am Urdsbr. 2, 162
und Nd. Jb. 30, 78). Aus der Husumer Gegend.
168. He het'n Torgauer Dörchmarsch (Durchfall).
169. De steit vör't Vaderland! (b. Kartenspiel). — Nu is't Vader-
land in Gefahr! — Wi str§wt för't Vaderland!
170. De kümmt ok bald na V echt a. — Aus 'dem Fürst. Lfib. In
Vechta befindet sich die Strafanstalt für das Grossherzogtum Oldenburg.
171. Dat geit na Waasten, na Waasten! (langsam sprechen).
Dat geit na Botel, na Bot eil (schnell).
Wahlstedt und Fehrenbötel, Dörfer bei Segeberg (B.).
172. a. In de Wik, in de Wik
Is Danzmusik. Stadtteil Kiel -Wik.
b. In der Wik, in der Wik ist Feuer. Aus Schinkel (Jk)
173. In Winsen, in Winsen
Heff ik min Geld op Zinsen,
Heff all de Pött den Steert ümdreit,
Dor hebbt sik alle Lud to freit.
Winsen, Dorf im Ksp. Kaltenkirchen (I.)
174. Dar kamt de Wittb^ker Imm! (es schneit).
Wittbek, Dorf bei Husum.
175. Dat lüggs! (lügst du). — Lüggsche wahnt in Wöhrden.
Aus N. Dithm.
176. Die Wulfs dor f er (Ksp. Gleschendorf, Fürst. Lüb.) nennen den
Teil ihres Dorfes, der östlich der Brücke liegt, „Fackenborg^, den westlichen
„Stockelsdörp*'. — Fackenburg und Stockeisdorf, beieinander liegende Vororte
Lübecks.
177. He makt'n Gesicht, as wenn he Stockelsdörp verraden het (ist
verlegen). Aus Pönitz.
KIEL. G. F. Meyer.
151
Anzeige.
Die Chroniken des Klosters Ribnitz, bearbeitet von Friedrich Techen
[= Mecklenburgische Geschichtsquellen. Mit Hülfe des Freiherr
V. Bielschen Legats herausgegeben vom Verein für Mecklen-
burgische Geschichte und Altertumskunde I] Schwerin 1909,
Druck u. Vertrieb d.Bärensprungschen Hofbuchdruckerei (Leipzig,
K. F. Köhler in Komm.). 18* und 279 SS. 80.
Zar Stärkung meiner Kenntnis der mittelniederdeutschen Sprache — und
dazu für einige Nebenzwecke — pfleg ich alle neu ans Licht tretenden Texte
zn lesen, und als ein dankbarer Leser, der an der saabern Editionsarbeit und
den förderlichen Beigaben des Wismarer Stadtarchiyars seine Freade gehabt hat,
möcht ich dieses Werk hier kurz zur Anzeige bringen und allen Freunden der
niedersächsischen Mnndart empfehlen — za den Freunden der mecklenburgischen
Geschichte wird es seinen Weg schon von selbst finden.
Unser Band, geschmeckt durch ein Bild des Stifters, dessen hochsinniges
Legat die wttrdige Ausstattung und wohlfeile Verbreitung der 'Mecklenburgischen
Qeschichtsquellen' ermöglicht hat, bringt eine lateinische und eine niederdeutsche
Chronik des Klarissen-Klosters Ribnitz (Franciscaner-Ordens), das zn dem meck-
lenburgischen Ftlrstenhause nahe Beziehungen hat: denn zahlreiche seiner Mit-
glieder haben es mit Wohltaten bedacht, und von den neun Äbtissinnen, die
seit 1329 dort 'regiert' haben, gehören nicht weniger als sechs der herzoglichen
Familie an (S. 191). Sie allein ftthren den Titel froyken, froychen (zuletzt
fraulin), und dies Wort war also im Glossar S. 278 schlechthin mit '(unverhei-
ratete) Prinzessin' zu übersetzen: durchaus in Übereinstimmung mit dem
sonstigen Sprachgebrauch der Zeit.
Die lateinische Chronik (S. 1— 61), die leider nach einem frOhem
Druck wiederholt werden mnsste, da die Handschrift inzwischen Terschollen ist,
war in der vorliegenden Ausgabe nicht zu entbehren, nachdem Techen fest-
gestellt hatte, dass sie die Vorlage und fast einzige Quelle der deutschen ge-
bildet hat, soweit beide zeitlich zusammenfallen. Als Verfasser ihres Grundstocks
sieht T den Minoriten-Knstos Dietrich von Studitz aus Ltlbeck an, der
1329 und 1330 als Prokurator von Ribnitz bezeugt ist und der das Werk wohl
bis gegen 1340 geführt hat; später sind zu verschiedenen Zeiten andere Auf-
zeichnungen angegliedert — sogar bis 1538 hinab.
Dies Werk fand Lambert Slaggert aus Stralsund vor [den man zeit-
weise für seinen Verfasser angesehen hat], als er Michaelis 1522 vom Minoriten-
Kapitel in Hamburg her als Beichtiger nach Bibnitz kam. Wahrscheinlich schon
im nächsten Jahre hat er die niederdeutsche Chronik (S. 65 — 217) begonnen,
der er für die ältere Zeit das lateinische Werk mit seinen Erweiterungen zu
Grunde legte, streckenweise mit engem wörtlichem Anschluss (wie gleich in der
Vorrede). Seine Aufzeichnungen reichen in der Chronik bis zum Sept. 1532,
in den Beigaben bis zum Aug. 1533. Er konnte für die seiner Anwesenheit vor-
ausliegende Zeit manches vom Hörensagen hinzufügen, hat auch wohl hier und
da anderweitige Aufzeichnungen benutzt, so solche von Marschalk Thurius, dem
Fortsetzer der Kirchbergschen Reimchrouik.
152
Techen hat wohl Recht : Slaggerts geistige Qaben waren beschränkt, er ist
nichts weniger als ein Historiker, obwohl es ihm an litterarischem und geschichtlichem
Interesse nicht fehlte ; anter den Büchern, die er der Bibliothek des Klosters schenkte
(S. 163: 19 an der Zahl), befanden sich u. a. 'sermones Johannis Geyler vel
nayis stnltifera per totam annnm', ^carmina Sebastiani Brant cnm navi stnltifera',
während unter denen, die er für seinen persönlichen Gebrauch zurückbehielt (16),
eine zweite ^navis stultifera' (man kann schon an den Rostocker Druck des nd.
Textes denken), die Lumbardica historia' (d. i. Legenda aurea) und die 'Wandalia
doctoris Crans' aufgeführt werden. Stärker als seine litterarischen mögen seine
technischen und künstlerischen Interessen und Fähigkeiten gewesen sein. Er
nimmt an allen derartigen Vorgängen und Neuerungen im Kloster lebhaften An-
teil, beschreibt Bauten, Kunstwerke, Maschinen und Instrumente mit offenbarer
Sachkunde und betätigt sich auf allerlei Gebieten selbst. So erhalten wir aus-
führlichen Bericht über die verschiedenen Umbauten der kleinen und grossen
Orgel: 136, 20 ff. 166, 1 ff. 157, 11 ff. 169, 34 ff. 170, 23 ff. Die gemalten
Fenster würdigt S. einer ausführlichen Beschreibung (207—209); als Maler von
Altarbildern war er sogar selbst tätig: 170, 33 ff. 172, 3 f. Mit dem Pater
Guardian zusammen mauert er Badeöfen und Badestube: 148, 39 ff. 150, 1 ff.
— betont aber freilich auch gern die persönliche Handreichung, welche die
fürstliche Äbtissin mit Zutragen von Backsteinen leistete (148, 42 f ). 137,
18 ff. 22 ff. veranlasst er die Aufstellung einer neuen, ökonomischen Honigpresse.
Diese Beispiele zeigen, dass seine Chronik uns in die Arbeiten und Sorgen eines
Frauenklosters zu Anfang des 16. Jahrhunderts einen intimen und vielfach lehr-
reichen Einblick tun lässt. Die Darstellung ist breit und lässig, sie haftet oft
am Kleinlichen, ist aber dafür von einer entzückenden Unbefaogenheit. Köstlich
ist z. B. der Anlass, bei dem wir hier den frühsten Beleg des Wortes slatti-
pampen kennen lernen. Am 2. Sept 1629 gibt Bruder Valentin Körte, Prin-
cipal in Rostock, im Kloster sine vardelave (verddage = Abschiedsschmaus),
do he uth der cappe ujvde uth deme orden tvolde then — unter dem Vorgeben,
er solle Hofkaplan werden, was aber Schwindel war — : Des hebben sich vele
frouwet unde myt eme slampampet achte dage lanck. Das Wort, im DWB.
zuerst aus Matthesius bezeugt, stammt offenbar aus dem Jargon des Klosters
resp. des Konvikts oder der Burse.
Slaggert durchlebte in Ribnitz keineswegs nur idyllische Tage, denn die
Unruhen der Lutherischen, deren höhnisches Auftreten er schon vor seiner Her-
kunft am 14. Sept. 1622 in Hamburg hatte erdulden müssen, pochten bald genug
auch an die Pforten des Klosters. In Hamburg (S. 129) hatten die bösen 'Mar-
tinianisten' : bofse scryften Wide posicien tho Dude an de kerkdoren ange-
schlagen in sulker wyse:
Questio.
Kerst Hans wyl syck in vragen beleren.
Darup scholen de grawen monneke disputeren,
Utrum de monneke don syck hir thosamende schycken,
Wat fenyns se noch wyllen laten blycken.
War se uns uth Martinus Lutters saken
Willen welke nyge Franciscus maken etc.
In Ribnitz aber erschienen am 10. April 1626 (S. 134) die Bilderstürmer von
Stralsund, darunter auch zwei verlaufene Mönche, und verübten gräulichen Unfug
in der Kirche. Und obwohl es in der stillen Woche war, erbrachen sie die
Speisekammer und eten worste unde flesk also Joden, hunde unde hatten.
Später hören wir mehrfach, wie die Bewegung unter den Handwerkern des
153
Städtchens Bibnitz und unter den Bauern der Umgegend um sich greift und
den Klosterinsassen übele Tage bereitet. —
Für den Freund der Namenkunde enthält das Buch in den Familiennamen
wie in den Vornamen viel eigenartiges und geschichtlich interessantes. Besonders
ist das alphabetische Verzeichnis der verstorbenen Klosterschwestern, das sich
in den Beilagen findet (S. 186 ff.), für die Häufigkeit der weiblichen Taufnamen
und ihre niederdeutsche Gestalt ein wertvolles Document. Ich greife den Buch-
staben T heraus (Überschrift ^süster T.'); er bringt 35 Schwestern, darunter 17 mal
Tylse (= 't Ilse, Elisabeth), 14 mal Tale (= 't Ale, Adelheid), dazu 2 mal
Tybbe und je 1 mal Tylike und Tnuie. Mit dem Herausgeber Tybbe als *Diet-
burg' und Th^like als *Oietlind' zu deuten widerstrebt mir, da ich nicht glaube,
dass diese Namen jemals in Mecklenburg im häufigen Gebrauch waren, eher
wird man dort an 'Hildburg', hier an 'Ottilia' denken dürfen.
Alles in allem: eine kulturgeschichtlich recht anziehende Lektüre, dazu
sprachlich, ich meine lexicalisch, ungewöhnlich ergiebig, wie schon ein Blick in
das vom Herausgeber beigegebene Glossar (S. 263—279) ankündigt Dr. Techen
bat den Text nach durchaus zu billigenden, recht konservativen Grundsätzen
ediert, sehr sorgfältige Interpunction eingeführt und bescheidene Anmerkungen
beigegeben, in denen aber ein tüchtiges Mass von Arbeit steckt. Das gleiche
gilt von den beiden Registern, dem Ortsregister und dem Personenregister: In
dem letztem mache ich besonders auf den Artikel 'Ribnitz* (Stadt 225 und)
Kloster 226 — 229 aufmerksam, der zugleich eine Art Realienindez darstellt, wie
er bei der Unordnung, die Slaggerts Aufzeichnungen auszeichnet, dringend not-
wendig war.
GÖTTINGEN. Edward Schröder.
LJ- V^-
Niederdeutsches Jahrbuch.
Jahrbuch
des
iU'^\.-
Yereins fftr niederdeutsche SpracMorschnng.
Jahrgang 1910.
XXXVI. ^-ar')
Mit einer Heliogravüre und zwei Aut'otypieen.
NORDEN nsll LEIFZIß.
Diedr. Soltau's Verlag.
1910.
Ausarbeitungen, deren Abdruck im NiederdeutsehetB Jahrbache
gewünscht wird, sind dem Mitgliede des Redaetionsausschusses Pro/l
W. Seelmamtf Berlin W. 15, Pariser Strasse 37 zuzusenden. Die
Zahlung des Honorars (von 32 Mk, für den Bogen) erfolgt durch
den Schatzmeister.
Zusendungen, deren Abdruck im Korrespondenz-Blatt erfolgen
soll, nimmt Dr: C, Walther, Hamburg 24, Uhlandstrasae 59 entgegen.
Die Mitgliedsebaft zum Niederdeutschen Sprachverein wird durch
Einsendung des Jahresbeitrages (5 Max'k) an den Schatzmeister des
Vereins Herrn Jaks, E, Rabe, Hamburg I, Gr. Beichenstr. 11113 oder
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vorsteher erworben.
Die Mitglieder erhalten für den Jahresbeitrag die laufenden Jahr-
gänge der Vereinszeitschriften (Jahrbuch und Korrespondenz-Blatt)
postfrei zugesandt. Sie sind berechtigt, die ersten fünf Jahrbücher
zur Hälfte, die folgenden Jahrgänge sowie alle übrigen Vereins-
Veröffentlichungen (Denkmäler, Drucke, Forschungen, Wörterbücher)
zu Dreiviertel des Ladenpreises zu beziehen, wenn die Bestellung unter
Berufung auf die Mitgliedschaft direkt bei dem Verleger Diedr. Soltau
in Norden (Ostfriesland) gemacht wird.
Bis auf weiteres können die Mitglieder von demselben auch das
'Wörterbuch der Ostfriesischen Sprache' von J. ten Doornkaat Koolman
(3 Bände gr. 8*^ kartonirt) für 15 Mark (Ladenpreis 44 Mark) post-
frei beziehen.
Bücher oder Sonderabzüge, deren Anzeige oder Besprechung
gewünscht wird, sind mit dem Vermerk ^Zur Besprechung' oder dgl.
dem Verleger oder einem der anderen genannten Herren zuzusenden.
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Niederdeutsches Jahrbuch.
Jahrbuch
des
Vereins für niederdentsclie SpracMorschnng.
Jahrgang 1910.
XXXVI.
Mit einer Heliogravüre und zwei Autotypieen.
KORDEN nnil LEIFZI&.
Diedr. Soltau's Verlag.
1910.
Dmok Ton Diedr. Soltaa in Norden.
Inhalt.
Pomochelskopp in Beaten Stromtid, sein literarisches Urbild und sein lebendes
Vorbild. (Mit zwei Bildnissen.) Von Wilhelm Seelm an n 1
Die Landtagsszenen in Beaters Stromtid. Ein Beitrag zar Entstehangsgeschichte
der bürgerlichen Partei des mecklenbargischen Landtages. D esgleichen 21
Onkel Bräsig. Desgleichen 88
Der Stavenhagener Beformverein. Desgleichen 48
Das Goliath-Lied des berühmten Dichters (Stromtid Kap. 26.) Desgleichen 46
Zar hochdeutschen Urgestalt von Beaters Stromtid. Desgleichen . . . 47
Aas mecklenbargischen Einwohnerlisten von 1819. Desgleichen . . . . 48
Der Knecht Friedrich in Beaters Franzosentid and Fiken Besserdich. Desgl. 62
Nachbarreime. Desgleichen 66
Za den Memoiren eines Fliegenschimmels. Desgleichen 74
Von Fritz Beaters Vater. Desgleichen 76
Niederdeatsche Gedichte aas den Hannoversch -Braanschweigschen Landen.
VonH. Deiter 81
Tiodate« Von N. Otto Heinertz 128
Die Jagd aaf den toten Bochen. Von Job. Bolte 182
Sprichwörter and Bedensarten aas Lippe. Von E. Wehrhan 186
Mittelniederdentsche Postille v. J. 1468. Von M. Schneiderwirth ... 148
Nachtrag zom Idiotikon von Eilsdorf. Von B. Block 146
Alezander Beifferscheid. L Lebensdaten and Werke. IL Nachraf von
J. Behmke 148
Anzeige: Lasch, Schriftsprache in Berlin. Von Edward Schröder. . . .161
Desgleichen: Kück, Baaernleben der Lünebarger Heide. Von 0. Günther .166
/
Pomnchelskopp in Renters Stromtid,
sein literarisches Urbild nnd sein lebendes Vorbild.
Vorlag in der Festsitzimg der Gesellschaft für deutsche Literatur in Berlin
am 19. Dezember 1906.
In der vorigen Sitzung unserer Gesellschaft durfte ich zu Ihnen
über die Erstlinge Reuterschen Humors, über seine Läuschen sprechen.
Heute erbitte ich Ihre Aufmerksamkeit für eine längere Ausführung
über ein Werk reiferer Kunst desselben Dichters, für jenes Buch
Reuters, welches im vorigen Jahre seine ünvergänglichkeit dadurch
bewiesen hat, dass es das in den meisten Exemplaren gedruckte
deutsche Dichtwerk des Jahres war und in über zwanzig verschiedenen
meist stereotypierten Ausgaben und vier Übersetzungen neue Ver-
breitung fand. Läuschen und Stromtid stehen nicht auf gleicher Höhe
der Kunst, aber ein Vorzug ist ihnen gemeinsam: die wunderbare,
fast dramatische Anschaulichkeit, mit welcher in den Läuschen Typen,
in der Stromtid individuelle Personen vor die Augen des Lesers treten.
Die Lebenswahrheit der Gestalten legt den Gedanken nahe, dass der
Verfasser gleich einem nach Modell arbeitenden bildenden Künstler
lebenden Vorbildern die Eigenart und die Einzelzüge seiner Figuren
abgesehen hat. Ein Gedanke, den Reuters eigene Worte zu bestätigen
scheinen, die er am 3. Januar 1868 einem Freunde schrieb „Lies meine
Bücher und du wirst finden, dass sie zum grössten Teil aus lebhaften
Erinnerungen an mir liebgewordene Personen oder an mir liebgewordene
Tatsachen entstanden sind. Ich bin keiner jener Schriftsteller, die
sich hinter ihrem Schreibtisch mühsam irgend ein törichtes Problem
aushecken, dies mit steif ausgeschnittenen Figuren bekleben, von denen
man zuletzt immer noch nicht weiss, ob sie in Pommern „buren un
tagen* oder ob sie an der Hand eines Chaldäers durch die Wüste
von Mesopotamien gewandelt sind ; ich halte es mit dem Goetheschen
Spruch „Greift nur hinein in's volle Menschenleben, und wo Ihr's
packt, da ist's interessant.*'
In der Tat sind bestimmte Personen namhaft gemacht worden,
deren literarisches Konterfei die Stromtid bieten soll.
Indem ich mir die Aufgabe stellte zu erforschen, ob und wie-
weit diese Behauptungen zutreffen, verband ich damit die weitere
Absicht, einen tieferen Einblick in die dichterische Konzeption der
Stromtid dadurch zu erhalten, dass ich nach Möglichkeit festzustellen
Niedordenttehei Jahrbuch XXXVI. 1
versuchte, ob das lebende Vorbild und der ihm nachgezeichnete
Charakter die Gestaltung der Erzählung und den Aufbau des Romans
bestimmend beeinflusst hat, oder ob umgekehrt der Charakter gemäss
der Funktion, welche er in der Erzählung zu übernehmen hatte, Yon
dem Dichter umgestaltet worden ist.
Ich hätte in Rücksicht auf die weihnachtliche Stimmung dieses
Tages gern den Geist des braven und freundlichen Onkel Bräsigs
heraufbeschworen. Aus gutem Grunde muss ich aber Pomuchelskopp
erscheinen lassen. Nur in bezug auf ihn stehen meine noch nicht
abgeschlossenen Ergebnisse bereits auf genügend festem Boden und
ermöglichen, dem Dichter in sein erstes Konzept zu schauen, trotz-
dem es uns nicht erhalten ist.
Dass Pomuchelskopp — ebenso wie Slus'uhr und der alte Moses —
nach dem Leben abgezeichnet sei, hat Reuter selbst ausgesprochen.
„Slus'uhr und Pomuchelskopp haben wirklich gelebt^ äusserte er
gelegentlich ;,und ich habe sie ganz getreu beschrieben, um sie damit
zu geissein*'. Den wirklichen Namen seines Vorbildes verschwieg er
jedoch. Auch Reuters Biograph Otto Glagau nannte ihn nicht, obwohl
er in seinem 1875 erschienenen Buche angibt „allgemein bezeichnete
man einen ehemaligen Gutsbesitzer, der nach Rostock gezogen war,
als Pomuchelskopp^. Er mochte gleichfalls den Namen des gemeinten
Gutsbesitzer der öflFentlichkeit nicht preisgeben, weil er diesen noch
am Leben wähnte. Erst Gustav Raatz, dessen Buch ;, Wahrheit und
Dichtung in Fritz Reuters Werken" 1895 die Forschung nach seinen
lebenden Vorbildern eingeleitet hat, liess uns endlich wissen, dass
Reuters Modelle für die Figur Pomuchelskopps und seines Küking
der Gutsbesitzer Johannes Lembcke auf Alt-Sührkow bei Teterow und
seine Frau Katharine gewesen sind. Raatz selbst verdankte seine
Kenntnis eintr Mitteilung Fritz Peters', des Busenfreundes Reuters,
und konnte zu ihrer Bestätigung nun auf einen Abschnitt in Reuters
„Memoiren eines Fliegenschimmels" hinweisen. In diesen ist nämlich
ein Gutsbesitzer Lembcke mit seiner Familie derartig geschildert,
dass die Übereinstimmung mit dem Pomuchelskopp der Stromtid
augenscheinlich ist, ja sogar die Namen der Tochter Malchen und
ihrer jüngeren Brüder Nanting und Lipping erscheinen hier schon.
Eingezogene Erkundigungen über die Lebensschicksale und den
Charakter Lembckes haben Raatz dann in den Stand gesetzt, neben
unläugbaren Verschiedenheiten zwischen den Schicksalen und Eigen-
schaften Lembckes und Pomuchelskopps bemerkenswerte Überein-
stimmungen aufzuweisen: beide waren, — um jetzt nur einiges hervor-
zuheben — bevor sie in Mecklenburg ihr Gut erwarben, in Pommern
ansässig gewesen, beide galten als „Leuteschinder** und beider Frauen
noch für böser als sie selbst, schliesslich sind beide durch ihre eigenen
aufsässigen Tagelöhner 1848 von ihrem Gute vertrieben und beide
später nach Verkauf des Gutes als Rentner nach Rostock verzogen.
ä
Reuters eigene Worte, dass Pomuchelskopp getreu nach dem
Leben gezeichnet sei, und die bestätigenden Nachweise, welche Raatz
gegeben hat, haben bewirkt, dass man allgemein Pomuchelskopp als
mehr oder weniger treues Abbild Lembckes aufgefasst hat. Dem
gegenüber kann ich mit aller wünschenswerten Bestimmtheit erweisen,
dass die Gestalt Pomuchelkopps unabhängig von dem Vorbilde
Lembckes durch Reuter geschaflfen ist und nicht ihm ihre Einführung
in die Stromtid verdankt.
Ehe ich den Beweis für meine Behauptung erbringe und in die
Einzeluntersuchung eingehe, ein schneller Blick auf die Entstehungs-
geschichte von Reuters Stromtid.
Die gedruckte Fassung des Romans „Ut mine Stromtid" ist von
Reuter in den Jahren 1862 — 1864 niedergeschrieben und veröflFentlicht.
Sie ist die freie Umarbeitung und Erweiterung eines handschrift-
lichen, nicht vollendeten Konzeptes frühestens aus den Jahren 1848
und 1849, der sogen, hochdeutschen Urgestalt.
Schon vorher muss von Reuter ein nicht erhaltener erster
Entwurf angefertigt gewesen sein. Reuter hat nämlich in einem an
Adolf Wilbrandt 1862 gerichteten Briefe mitgeteilt, dass er 1847
hochdeutsch das Buch zu schreiben begann und hochdeutsch voll-
endete, das er viele Jahre später unter dem Namen „Ut mine
Stromtid** neu bearbeitete. Die Jahresangabe 1847 hat ihre Bestätigung
durch eine kleine von mir gemachte Entdeckung erhalten, welche
zugleich sich als grundlegend für meine heutigen Darlegungen
erweisen wird.
Ich habe nämlich nachweisen können, dass eine Erzählung
„Gerold von Vollblut", welche in W. Raabes Jahrbuch ;,Mekleiiburg"
1845 erschienen war, die Entstehung der ersten Fassung der Stromtid
mindestens beeinilusst, wahrscheinlich aber geradezu angeregt hat.
Die Fortsetzung dieser Erzählung ist in dem Jahrbuche für 1846
gedruckt, das Ende war für 1847 versprochen. Erst als der fehlende
Schluss 1847 nicht erschienen war, ist Reuter, muss man annehmen,
zu eigener Gestaltung oder Fortführung der Erzählung angeregt
worden.
Eine der Personen, welche im Gerold von Vollblut eine Rolle
spielen, ist der Domänenrat Schuster auf Knüppelsee. Dieser war
der Sohn eines Mühlenmeisters und hatte als tüchtiger Landwirt durch
seine vorzügliche Ökonomie grosses Vermögen erworben. Reich ge-
worden hat er den Wunsch geadelt zu werden. Er stellt sich ein
Wappen zusammen, sucht den Verkehr mit Adligen und betrachtet
es als grosse Ehre, dass ein Herr von Büflfelkopf Geld von ihm ge-
liehen nimmt. Als er später mit dem Adel den Namen von Pech-
vogel erhält und den Landtag besucht, macht er die üble Erfahrung,
dass die Herren vom alten Adel ihn als Emporkömmling nicht in
1*
ihre Kreise aufnehmen und die bürgerlichen Landstände von ihm als
einem abtrünnigen nichts wissen wollen.
Fast alle Einzelheiten im Bilde des Domänenrates Schuster
finden wir in der Figur Pomuchelskopps in der Urgestalt der Stromtid
und in dieser selbst wieder, mit dem Unterschied freilich, dass
Pomuchelskopp sich zwar ein Wappen hat anfertigen lassen und auf
Nobilitierung hoflft, aber sie nicht erlangt. Besondere Beachtung
als Beweise für die Benutzung des Gerold von Vollblut durch Reuter
verdienen auch die Namen. In Gerold heisst das Gut, welches Schuster
gehört, Knüppeldamm, in der hochdeutschen Urgestalt der Stromtid
Knüppelsee. Femer stellt sich der Name Büffel köpf, welchen
einer der Gutsbesitzer im Gerold führt, in seiner bildlichen Bedeutung
neben den Namen Pomuchelskopp, was eigentlich Dorschkopf ist, in
Mecklenburg aber die sprichwörtliche Geltung Dickkopf hat.
Die Übereinstimmungen zwischen dem Domänenrat Schuster im
Gerold von Vollblut und dem Pomuchelskopp der Stromtid müssen
in diese aus dem ersten Entwürfe der Stromtid von 1847 übernommen
sein, dieser muss also bereits wesentliche Züge der Pomuchelskopp-
figur geboten haben. Wir sind also berechtigt auszusprechen: der
Pomuchelskopp der Stromtid verdankt nicht seine Entstehung einem
lebenden Vorbilde. Seine Figur war in ihren Grundzügen schon vom
Dichter gestaltet, ehe dieser sie mit neuen, einem lebenden Vorbilde
entlehnten Zügen ausstattete.
Reuter ist verfahren wie ein Maler, der ein grosses Gemälde
entworfen und die Umrisse der Hauptfiguren bereits gezeichnet hat,
dann aber das Glück hat, ein Modell zu finden, nach dem er eine
Hauptfigur ergänzen und ausmalen kann.
Ein solches Modell fand Reuter an dem Gutsbesitzer Johannes
Lembcke auf Alt-Sührkow bei Teterow, seiner Frau und zumteil auch
seinem Sohne.
Lembcke wäre bei der Abgelegenheit seines Gutes, das von Staven-
hagen 24 Kilometer entfernt und weitab von der Heerstrasse lag,
wohl nie in den Gesichtskreis Reuters getreten, wenn ihn nicht 1848
ein damals viel besprochener Vorgang bekannt gemacht hätte. Er
war am 25. April, dem zweiten Ostertage, einer Einladung gefolgt
und hatte mit seiner Familie in einem Nachbarorte an einem Balle
teilgenommen. Als er am nächsten Morgen mit seinem Gespann auf
sein Gut zurückkehren wollte, wurde er am Eingange des Dorfes von
sämtlichen Einwohnern unter Anführung eines Vorpflügers erwartet
und sein Kutscher mit Gewalt gezwungen, abzubiegen und, begleitet
von den Tagelöhnern, mit der Herrschaft nach Teterow zu fahren.
Hier angelangt erklärten die Tagelöhner vor dem Bürgermeister
Meinshausen, Lembcke und seine Frau nicht mehr als Gutsherrschaft
haben und sie auch nicht wieder auf das Gut lassen zu wollen. Es
blieb beiden in der Tat nichts übrig, als zunächst in einer Gastwirtschaft
zu wohnen und die Vermittlung der Regierung anzurufen.
5
Die Aufsehen erregende Vertreibung eines Gutsbesitzers durch
die eigenen Leute brachte den Betroffenen damals in Aller Mund.
Man erzählte, dass er ein sehr tüchtiger Ökonom, aber ein ordinärer
und dabei dummer Mensch sei. Er habe auch die Landtage besucht,
und bei dem Festessen der bürgerlichen Gutsbesitzer 1846 im
November in Malchin sei einer seiner Tischnachbaren, Gräfrath aus
Altschwerin, so über ihn in Wut geraten, dass er eine Rotweinflasche
ihm über seinen harten Schädel gehauen und zerschmettert habe. Er
habe das von seinem Vorgänger verwahrloste und von ihm 1844 für
75000 Taler gekaufte Gut wieder in guten Stand gebracht, dabei aber
seine Gutsleute so über alles Mass geschunden und auf Betreiben
seiner Frau in ihren Bezügen so geschmälert, dass er allgemein
;,Schinder-Lembck^ heisse. Derartig seien die Zustände bei seinen
notleidenden Tagelöhnern, dass darüber ein Gutsnachbar bei dem
Ministerium Beschwerde geführt habe.
In der Stromtid wird erzählt, dass Pomuchelskopps Tagelöhner
wegen der gewaltsamen Austreibung ihrer Herrschaft ins Gefängnis
mussten. In Wirklichkeit gingen Lembckes Leute straffrei aus, ja sie
erreichten sogar, dass Lembcke anfangs sein Gut nicht selbst ver-
walten durfte, sondern einem Inspektor anvertraute, einem Hünen,
dem es nur dank seiner angestaunten körperlichen Kraft, wie mich
sein Bruder versicherte, gelang, sich bei den rabiaten Hofleuten in
Respekt zu setzen. Erst nach etwa vier Monaten, im August 1848,
konnte Lembcke wieder auf sein Gut zurückkehren und seine Bewirt-
schaftung übernehmen, die Hoftagelöhner hatten jedoch durch die
Behörde das verbriefte Recht auf bestimmte Bezüge und Löhnung
erhalten, und selbst denjenigen, welche sich auswärts Arbeit gesucht
hatten, musste er eine Wohnung von vorgeschriebener Grösse und
Beschaffenheit nebst Kartoffel- und Leinfeld geben. Wollte er ihnen
kündigen und ihren Wegzug erzwingen, so durfte er das nur — eine
Folge ihres Rechtes auf „Hüsung* — , wenn er ihnen auswärts eine
volle bleibende Tagelöhnerstelle verschafft hatte.
Lembcke und seine Frau Katharina hatten nur zwei Kinder,
eine Tochter Dorette, die dem Malchen der Stromtid gar nicht ähnlich
gewesen sein soll und in den 1850er Jahren einen Hamburger Ver-
wandten ihrer Mutter, einen Tuch- und Seidenhändler Junghans hei-
ratete, sowie einen Sohn, der etwa 1830 geboren war und gleich dem
Vater Johannes hiess; in der Stromtid wird er Gustäwing genannt.
Der alte Lembcke hätte seinem Sohne gern sein Gut übergeben,
dieser war jedoch ein zu lebenslustiger Mensch, dem Alt-Sührkow zu
entlegen war. Er zog vor 1855 Lambrechtshagen zu pachten, ein
herzogliches Hausgut, welches zwischen Rostock und Doberan gelegen
ihm den Verkehr mit und in beiden Städten ermöglichte.
Der alte Lembcke war fast ein Sechziger, als er 1859 Alt-
Sührkow für 180000 Taler verkaufte und mit seiner Frau nach Rostock
6
zog, um dem Sohne, den beide vergötterten, nahe zu sein. In Rostock
ist Lembcke bis 1872 nachweisbar, er lebte also noch, als die Strom-
tid erschienen war. Die Austreibung aus seinem Gute war damals
längst vergessen, und es scheint nicht, dass sofort die Rostocker
Leser der Stromtid wussten, dass das Vorbild Pomuchelskopps der
Besitzer des hübschen Hauses Neue Wallstrasse 8 war, welches Lembcke
1861 erworben hatte und bis 1870 bewohnte.
Auch in der Stromtid zieht Pomuchelskopp nach dem Verkauf
seines Gutes nach Rostock. Seine Frau, erzählt Reuter, lebt hier im
ewigen Kriege mit ihren Dienstmädchen. Als eins derselben von ihr
einen Hieb mit der eisernen Feuerzange über den Kopf erhält, be-
sinnungslos hinstürzt und ins Krankenhaus muss, erstattet der Arzt
Anzeige und Pomuchelskopps Frau muss ins Gefängnis. Die Rostocker
Dienstmädchen verschwören sich, keine soll bei ihr wieder in Dienst
treten. Ihr Mann nimmt deshalb eine Aufwartefrau an. Aus Furcht
vor neuem Gefängnis wagt sie nicht, ihrer Wut durch einen neuen
Hieb Luft zu machen, die Galle geht ihr ins Blut, sie stirbt nach
drei Tagen und wird in Rostock beerdigt. Mann und Tochter ver-
gessen bald, wo ihr Grab zu finden ist. Nur ihr Sohn Gustav kennt
die Stätte. Um das vorweg zu bemerken: Feuerzangengeschichte,
Gefängnis, Tod und Grab in Rostock beruhen auf freier Erfindung
Reuters.
Was ich hier über Lembckes Schicksale mitgeteilt habe, verdanke
ich dem Einblick in Akten, welche in dem Landesarchiv in Rostock
aufbewahrt werden, und Nachrichten von Leuten, welche Lembcke
und seine Frau noch gekannt haben. Welchen Eindruck diese selbst
von der Persönlichkeit Lembckes und -seiner Frau empfangen haben,
soll im Folgenden ausführlich dargelegt werden, wobei ich möglichst
die Worte meiner Gewährsleute wiedergeben werde.
Wie sich aus den Rostocker Adressbüchem feststellen lässt, hat
Lembcke 1859 — 1872 in Rostock gewohnt. Es war anzunehmen, dass
hier noch mancher sich an ihn erinnerte. Eine mit meiner Frau be-
freundete, mit vielen alten Rostocker Familien bekannte Dame, die
ehemalige Besitzerin des grössten Warnemünder Hotels, bat ich des-
halb gelegentlich hier und da nachzufragen.
Als ich mit meiner Familie wieder Warnemünde aufsuchte, ward
mir schon bei meiner Ankunft verraten, Frau Seumnich habe eine
Überraschung für mich. Als wir sie aufsuchten, wurde schleunigst
zu Mutter Peters geschickt. Ein altes Mütterchen kam und wurde
gleich mit der Anrede empfangen: „Na, Mutter Peters, nun erzählen
Sie mal dem Herrn Professor was von Pomuchelskopf!'' ^^Von Po-
muchelskopf? den kenne ich nicht.*' — ;,Na, ich meine vom alten
Lembcke, bei dem Sie gedient haben — ^ — „Ja, das waren gute
Leute, da habe ich immer gutes Essen gehabt, in Lambrechtshagen
war es schlecht, bei Kluge war es wieder gut* und dann kam ein
Name nach dem anderen, mit dem ich nichts «nzufangen wusste.
Ich stellte notgedrungen selbst Fragen. Aber das alte Frauchen,
das seit fast vierzig Jahren kaum je von Lembcke gesprochen oder
gehört hatte, schien aller Erinnerungen an das L* ben in seinem Hause
verlustig gegangen zu sein und meinte: ;,Ach, mein Kopp ist schon
so swach geworden.* Na, ich fing von anderen Dingen an zu reden
und verabschiedete mich von unserer freundlichen \Virtin mit der
Bitte, in den nächsten Tagen mitunter gleichgiltige Fragen, die Lembcke
betrafen, z. B. ob er Skat gespielt, seine Frau ein Klavier gehabt
habe, an die alte Frau zu richten. In acht Tagen möchte sie Mutter
Peters dann mit uns zu einer guten und reichlichen Tasse Kaffe einladen.
Als wir wieder am runden Tische beisammen sassen, flössen
Rede und Kaffe gleich gut. Das Mütterchen war ordentlich aufgeregt,
die alten, inzwischen lebendig gewordenen Erinnerungen an den Mann
zu bringen.
Mutter Peters hatte sich 1867, damals noch eine Diern, in
Lambrechtshagen bei dem jungen Lembcke als Dienstmädchen ver-
mietet. Sie hatte ihre Stellung gerade drei Tage inne, als die Mutter
ihres Herrn, die alte Frau Lembcke, aus Rostock zum Weihnachts-
besuch zu ihrem Sohn kam und fragte, ob er kein Mädchen für sie
habe. In Rostock habe sich, hörte Mutter Peters später, kein Mäd-
chen bei ihr vermieten wollen. Mutter Peters wurde gerufen und
erklärte sich gern bereit mitzukommen. Sie hat das nicht bereut.
Sie hat beim alten Lembcke stets gutes Essen gehabt und hatte auch
sonst nie zu klagen. Gehorchen musste man freilich und immer
ordentlich aufwischen, denn es musste alles blitzblank sein. Der alte
Lembcke war ein guter Mann, der auch mit seiner Frau immer in
Eintracht lebte, aber ihren steten Krieg mit den Dienstmädchen nicht
liebte und erfreut war, dass wieder Ruhe im Hause war. Er hat
der Frau Peters, wenn sie den Brunnen auspumpte, wozu sonst ge-
wöhnlich ein Mann angenommen wurde, öfter ein Geldstück geschenkt,
und wenn die Soldaten vorbeimarschierten, versäumte er nicht, sie
mit den Worten an das Fenster zu rufen: „Fiken, kumm, de Sal-
daten kamen l** Mit seiner Frau, die er stets Trining nannte, sprach
er immer hochdeutsch. Mutter Peters ist nur ein Vierteljahr bei ihm
in Dienst geblieben. Da sie durch Dienstvertrag an das Gut ge-
bunden war, musste sie zurück, als Ostern (1868) ein neuer Pächter,
Kluge, Lambrechtshagen übernahm. Die alte Frau Lembcke hätte
sie gern länger behalten und hat ihr beim Abgange fünf Taler geschenkt.
Mutter Peters stellt die Lembckeschen Eheleute zwar in ein
günstigeres Licht als Reuters Schilderung die Pomuchelsköppe, be-
stätigt aber doch einige Züge derselben. Gegen seine weiblichen
Dienstboten war Pomuchelskopp, wie Reuter ausdrücklich hervorhebt,
8
immer freundlich Hei was in sinen Hus" ihmmr fründlich^ vor allen
gegen de FnigenslOd, von sin Häuning an bet up't Kinnermäten runne.
Seine Frau zeigte allerdings in diesem Falle gegen das wahrscheinlich
wenig verwöhnte und willige Mädchen nicht ihre bösen Seiten. Dass
es sonst anders zu sein pflegte, zeigt die auch von Reuter gemeldete
Tatsache, dass die Rostocker Mädchen nicht bei ihr dienen wollten.
Der nächste Sonntag sah mich auf der Wanderung nach Lam-
brechtshagen. Der Vogt Westenhoff war der Bruder von Mutter
Peters und vor langen Jahren Kutscher beim jungen Lembcke gewesen.
Wenn er mit dem Wagen nach Rostock fuhr, hatte er allemal im
Hause der Eltern seines Herrn anzufragen, ob was zu bestellen sei.
Der alte Lembcke das war ein ruhiger Mann; seine Frau die furcht-
bar dick war, die konnte aber wütig werden ! Wie oft, waren einmal
die Hunde, zwei Teckel und ein Hühnerhund, mit dem Wagen mit-
gelaufen. Als er bei Frau Lembcke Ordre holt, lässt diese sagen,
er solle in die Stube kommen. Er lässt seine Hunde unter einer
Wäscherolle, die im Korridor stand, und wartet in der Stube. Bald
kam die Frau Lembcke und will mit ihm reden, als das Mädchen
hereintritt: der Braten, den sie bringen solle, sei nicht in der Speise-
kammer. Frau Lembcke ging nun selbst dorthin, und es ergibt sich,
dass die Tür der Speisekammer aufgeblieben war und die Hunde den
Braten geholt hatten. „Ganz wütend kam sie angepustet'', erzählte
der Vogt, „nie sollte ich mich wieder blicken lassen. Ich flog nur
so aus dem Hause. Seit der Zeit musste ich draussen auf Bescheid
warten. Das war oft nicht angenehm. Nach etwa einem Vierteljahre
traf es sich, dass der Brunnen ausgepumpt werden musste. Der alte
Lembcke schenkte mir dafür fünf Groschen und sagte dann zu seiner
Frau: Lass ihn nur wieder hereinkommen, er kann ja doch nichts
dafür, dass die Tür aufgestanden hat. Seitdem durfte ich wieder in
das Haus.^ Gegen seine Tagelöhner in Alt-Sührkow sei der Alte
nicht so gut gewesen, die hätten nichts gutes von ihm erzählt und
ihn Schinner-Lämbk genannt. Nach Lembcke-Sohn gefragt, ob dieser
gut gegen seine Leute gewesen sei, antworteten der Vogt und seine
Frau wie aus einem Munde: „He wir tou goud!" Sonst lobten sie
ihn nicht, er sei nie zuhause gewesen, habe in Doberan alles verspielt
und sei später in Berlin gestorben. Seine Mutter, die eine mittel-
grosse dicke Frau gewesen sei und stets hochdeutsch gesprochen
habe, sei in Doberan begraben.
Von Lambrechtshagen wanderte ich nach Doberan. Als ich den
weiten Kirchhof betrat, däuchte es fast aussichtslos, das Grab der
alten Frau Lembcke zu suchen, doch stiess ich schon nach wenigen
Minuten auf Gräberreihen aus der Mitte der 1870er Jahre. Ein
hoher Grabstein mit aufgesetztem Kreuze, zu jeder Seite ein hoher
Zierstrauch, alles eingefriedigt durch ein stattliches eisernes Gitter,
zog meinen Blick auf sich. Es war das gesuchte Grab, das siebente
links vom Hauptwege in der fünften Gräberreihe, vom Kirchhofstor
an gerechnet. Auf dem Grabstein fand ich die Daten:
Cathrine Lembcke
geb. Buchholz
geb. den 9. Dec. 1795
gest. 11. Dec. 1876.
Sie war also 81 Jahre alt geworden und hat ihren Mann um vier,
Fritz Reuter um zwei Jahre überlebt.
Am folgenden Tage suchte ich den Kornmakler Weber in Rostock
auf. Dieser ist Inspektor bei dem jungen Lembcke auf Lambrechts-
hagen gewesen. Jeden zweiten Sonntag kamen abwechselnd die Eltern
und Schwiegereltern aufs Gut. Die alte Frau Lembcke war dick und
untersetzt, sah aber aus, als wenn sie in ihrer Jugend mal hübsch
gewesen war. Aber Augen konnte sie machen, wenn sie wütig wurde,
dass man Angst kriegte. Sie pustete dann nur so. Der alte Lembcke
war von ziemlich normaler Statur. Einen dicken Kopf hatte er nicht.
Er war ein alter, ruhiger Mann, der nur Interesse für die Landwirt-
schaft hatte und nur über landwirtschaftliche Dinge sich zu unter-
halten pflegte. Was Raatz — dessen Worte ich vorlas — über sein
Äusseres sagt, mag ziemlich zutreffen, doch stimme nicht, dass er
höhnisch zu lachen pflegte, prahlendes Wesen und lauernde listige
Augen gehabt habe. Sein Sohn, der im Alter von ungefähr 25 Jahren
Lambrechtshagen übernommen hatte, war ein stattlicher Mensch. Er
brauste gegen seine Leute und sonst leicht auf und war dann masslos
heftig, war aber schnell wieder besänftigt und wollte es dann nicht bös
gemeint haben. Er konnte sehr gutmütig sein. Bat ihn ein Tage-
löhner um Stroh, Hess er ihm wohl ein ganzes Fuder anweisen.
Wollten die Leute tanzen, Hess er Musikanten kommen. Das Gut war
damals noch nicht dräniert, und er hatte durch schlechte Witterung
einige schlechte Ernten. Schlimmer war, dass er spielte und im
Verkehr mit Doberaner Offizieren, die auch auf sein Gut oft kamen,
grosse Summen vertat.
Frau Witwe Lisette Franke in Rostock, die in Lambrechtshagen
zur Zeit des jungen Lembcke Gutsmamsell gewesen war, bestätigte
die schlechte Wirtschaft auf dem Gute und das wüste Treiben des
Gutsherrn. Sie erinnert sich, dass man seiner Mutter nachsagte, dass
sie so wütend werden konnte, dass sie mit dem ersten besten Stück,
welches sie in die Hände bekam, auf ihre Mädchen loshieb, auch soll
sie diesen einmal bei der Wäsche heisses Wasser über die Hände
gegossen haben. Als Frau Franke später die Stromtid las, sei ihr
der Gedanke gekommen, ob vielleicht Reuter mit Pomuchelskopps
Häuning die alte Frau Lembcke im Sinne gehabt habe.
Von dem Lambrechtshagener Vogt hatte ich erfahren, dass der
junge Lembcke seine landwirtschaftHchen Produkte an die Rostocker
10
Rheder- und Kaufmannsfirma C. H. Brockelmann in Rostock verkauft
hatte. Ich hatte den Chef der Firma, den alten Herrn Georg Brockel-
mann, schon vor Jahren kennen gelernt, ohne zu ahnen, dass gerade
er mir die ergiebigste Auskunft über das Urbild von Reuters
Pomuchelskopp geben konnte. Ich suchte ihn auf, und er machte
mir folgende Mitteilungen, die ich sofort zu Papier brachte, um meine
Niederschrift von ihm, falls nötig, berichtigen zu lassen. Der Herr
Brockelmaun hat sowohl mit Lembcke Vater als mit Lembcke Sohn
in langjähriger Geschäftsverbindung gestanden, beide verkauften ihr
Getreide und ihren Raps an seine Firma und hatten bei ihm ein
laufendes Konto. Der alte Lembcke war von Mittelgrösse, vordem
in Alt-Sührkow war er fast schmächtig, in Rostock war er etwas
stärker. Aber eigentlich beleibt war er auch hier nicht geworden,
er sah nur normal aus. Seine Frau war etwas kleiner, untersetzt,
sehr dick, mit einer Art Habichtsgesicht, durchaus keine Hopfenstange,
wie Pomuchelskopps Frau in der Stromtid. Lembcke sprach etwas
missingsch, seine Frau besseres Hochdeutsch. „Protzentum ist mir,*'
versicherte mein Gewährsmann, „nie bei ihnen aufgefallen. Im Gegen-
teil! Lembcke war sehr genau, er gehörte zu den Leuten, die jeden
Schilling dreimal umwenden, ehe sie ihn ausgeben. Nur wenn es sich
um seine Kinder handelte, scheute er keine Geldausgaben. Bei der
Hochzeit seiner Tochter mit einem Hamburger Kaufmann war ich als
Gast in Alt-Sührkow, und ich erinnere mich, dass Lembcke die
Hochzeit sich hatte viel Geld kosten lassen, und es ungewöhnlich hoch
dabei herging. In allen Dingen, welche über seinen Pflug gingen,
war er furchtbar dumm und zugleich leichtgläubig. Nach Rostock,
wo er ein Haus auf der Wallstrasse gegenüber dem alten Bahnhof
erwarb, war er nach dem Verkauf von Alt-Sührkow als reicher Mann
gekommen. Viel Geld kostete ihn sein Sohn, der Lambrechtshagen
gepachtet hatte, sehr schlecht wirtschaftete, sehr leichtfertig und stets
geldbedürftig war. Schliesslich verlor Lembcke Vater viel Geld durch
einen gemeinen Kerl, einen Juden aus Darguhn, namens Ludwig Tobias.
Dieser trieb Wuchergeschäfte, besonders mit Offizieren. Eines Tages
kam er mit dem Wechsel eines Herrn von örtzen, also des Angehörigen
eines in Mecklenburg sehr angesehenen Geschlechtes, zu dem alten
Lembcke. Dieser hatte von Wechselgeschäften keine rechte Vor-
stellung, und es gelang dem Kerl, Gott weiss wie, Lembcke mit der
Vorspiegelung, dass er dem Herrn von Örtzen einen grossen Gefallen
tue und es sich um eine reine Formsache handele, zu beschwatzen,
einen auf 12000 Taler lautenden Wechsel mit zu unterschreiben. Als
Tobias die Unterschrift hatte, versicherte er von neuem, dass Lembcke
gar keine Gefahr laufe und dass er selbst jederzeit den Wechsel
prolongieren würde, wenn wirklich Herr von örtzen ausser stände sei,
ihn pünktlich einzulösen. Damit er aber die Reise nach Rostock spare,
sei es das einfachste, Lembcke unterschriebe für diesen Fall zur
Sicherheit schon jetzt Prolongationswechsel. Für die Ersparung der
Reisekosten wolle er sich gern erkenntlich zeigen. In seiner Dummheit
11
kam Lembcke auch diesem Ansinnen nach und freute sich, so leicht
für ein oder zwei Stuben die guten Tapeten, welche ihm der Jude
für seine Gefälligkeit versprochen hatte, verdient zu haben. Er sollte
sich nicht lange seiner Provision freuen. Als der Verfalltag des
Wechsels zu Johanni kam, war Örtzen ausgerückt und der Wechsel
ward Lembcke präsentiert Dieser stürzte wie ein Wahnsinniger in
mein Zimmer, der ich von nichts wusste, und nur mit Mühe konnte
ich von ihm die erzählten Vorgänge herausbekommen. Ich sagte ihm,
wenn er seine Unterschrift gegeben habe, könne ihm kein Deubel
helfen, und Hess ihm die fälligen 12000 Taler auszahlen. Damit war
die Geschichte aber noch nicht zu Ende. Nach kurzer Zeit wurde
ein zweiter, bald darauf ein dritter Wechsel über 12000 Taler
präsentiert. Der Jude hatte nicht nur den Stammwechsel, sondern
auch die Prolongationswechsel begeben.
Als der dritte Wechsel kam, ward ich bedenklich. Lembcke
wusste nicht, wieviel Unterschriften er gegeben hatte, es war möglich,
dass noch weitere Wechsel liefen und sein Vermögen nicht ausreichte,
sie zu decken. Ich selbst wurde durch die Vernichtung seines Wohl-
standes insofern berührt, als Lembcke Vater Garant für das Guthaben
der Firma an seinen Sohn und dieser stark im Schuldbuche belastet
war. Ich veranlasste Lembcke Vater mit mir zu einem Rechtsanwalt
zu gehen, den Konkurs anzumelden und die kriminelle Anklage des
Tobias zu beantragen. Dieser wurde in Haft genommen, und es
konnten noch 5000 Taler gerettet werden. Das Konkursergebnis
war, dass dem alten Lembcke ausser seiner Frau Vermögen Haus
und Grundstück und ein Kapital von ich glaube 7000 Taler verblieben.
Seine Frau hatte übrigens, als der Konkursverwalter ein Inventar
aufnehmen wollte, diesen aus dem Hause gewiesen. Lembcke starb
während eines Besuches bei seiner Tochter in Hamburg und ist dort
begraben. Seine Frau, welcher noch eine nicht unbeträchtliche Erb-
schaft seitens einer gestorbenen Schwester zufiel, zog darauf nach
Doberan, wo ihre Schwiegertochter wohnte.
Sehr ^iel Geld, wie ich schon bemerkt habe, hat Lembcke an
seinen Sohn verloren. Das war ein Tunichtgut, der lieber in Rostock
bis ^n die Nacht hinein kneipte und dann mit den von ihm selbst
kutschierten Pferden — einmal in seiner Bezechtheit über eine Strasse
mit aufgerissenem Pflaster — nach Hause jagte, als hier die Wirt-
schaft im Stande zu halten. Um seine Verhältnisse zu sanieren hatte
ich von seinem Schwiegervater, einem Herrn von Schack, ein grosses
Kapital erhalten. Ich hatte mir von Lembcke junior ein Verzeichnis
seiner Schulden geben lassen und war dann sehr erstaunt, als mir
von einem berüchtigten Gelddarleiher, der nicht auf der Liste stand,
ein Wechsel des jungen Lembcke über 100 Taler präsentiert wurde.
Ich liess mir von dem Präsentanten einen Schein ausstellen, dass er
nie wieder an Lembcke junior Geld leihen wolle, und zahlte den
Wechsel. Nachher erfuhr ich, dass der Kerl sofort in einem Restaurant
mit dem jungen Lembcke zusammengetroffen war und ihm nach Ab-
12
zug einer Provision das erhobene Geld ausgezahlt habe. Die Sache
war also die reine Farce gewesen, in Szene gesetzt, weil Lembcke
junior bar Geld haben wollte. Ich vermittelte, dass sein Pachtgut
unter annehmbaren Bedingungen von einem Herrn Kluge übernommen
wurde. Er zog darauf nach Doberan und wurde hier Vertreter der
Magdeburger Hagelversicherungsgesellschaft Er soll später (14. April
1891 im Krankenhause am ürban) in Berlin gestorben sein.*'
Zur Ergänzung dessen, was ich über Lembcke, seine Familie
und Schicksale erkundet hatte, bedurfte ich nur noch weniger Daten.
Ich erhielt sie von seiner Enkelin, der Tochter seines Sohnes. Ich
erfuhr von ihr, dass ihr Grossvater am 1. Februar 1800 in Fährdorf
auf Poel als Sohn des Hauswirts Gabriel Lembcke, ihr Vater am
24. Oktober 1830 oder 1831 geboren war. So lang sie denken kann,
hat ihr Vater graue Haare gehabt, und sie erinnert sich seiner
Erzählung, er habe sie als Achtzehnjähriger in der Nacht erhalten,
als seine Eltern von ihrem Gute vertrieben wurden, diese Nacht habe
er versteckt in einer Hocke (Getreidemandel) verbracht. Wenn seine Guts-
wirtschaft nicht so gewesen sei, wie sie hätte sein sollen, und er sie
durch seine häufige Abwesenheit in Rostock und Doberan arg ver-
nachlässigt habe, so erkläre sich das z. t. durch die stete Kränklichkeit
ihrer fast dauernd an das Bett gefesselten brustkranken Mutter. Über
allen Zweifel aber sei, dass er, auch gegen seine Leute, ein herzens-
gutmütiger Mensch gewesen sei. Mit besonderer Verehrung gedachte
sie aber ihres Grossvaters, eines ruhigen wohlwollenden Mannes, der
wegen seiner Biederkeit allen seinen Freunden sehr wert gewesen sei
und nur den Fehler gehabt habe, seinen Willen gegenüber seiner Frau
nicht habe durchsetzen zu können. Sie erinnerte sich auch der roten
Sammettapeten, die ihr mit dem Bemerken gezeigt seien, dass sie
12000 Taler gekostet hätten. Als der Besitzer des Wechsels ihrem
Grossvater zuredete, sich als Bürge zu unterzeichnen, habe er das
anfangs beharrlich abgelehnt, und er sei erst durch seine Frau, die
sich überreden liess, hierzu bestimmt worden. Sie erinnert sich nicht,
dass ihr Grossvater, was Reuter im Schlusskapitel der Stromtid von
Pomuchelskopp erzählt, die Redensart „vel tau wollfeil* im Mimde
geführt habe, wenn von dem Verkaufe seines Gutes die Rede war.
Allerdings sei aber seine und die allgemeine Ansicht gewesen, dass
er Alt-Sührkow zu billig fortgegeben habe.
Der Enkelin Lembcke danke ich, dass ich Ihnen Photographieen
ihrer Grosseltern vorlegen kann. Sie werden bei dem Anblick der-
selben überrascht sein. Jedesfalls zeigen auch die Bilder, wie so gar
nicht die Schilderung, welche Reuter von Pomuchelskopps und seines
Häunings äusserer Erscheinung gibt, auf das Lembckesche Ehepaar
zutrifft. Auch die dicken Backen und ;,die kleinen Augen mit
lauerndem, listigen und zugleich finster starrenden Ausdruck*, die
ein Gewährsmann des sonst wohl unterrichteten Raatz von Pomuchels-
13
kopp auf Leinbcke übertragen hat, finden durch die Photographie
keine Bestätigung.
Wertvoll war mir auch, dass ich in mehrere Schriftstücke von
Johannes Lembckes eigener Hand Einblick nehmen konnte. Sie zeigen
eine ausgeschriebene, sehr gefällige Handschrift und beweisen zugleich
die Unhaltbarkeit der ausgesprochenen Behauptung, dass Lembcke nicht
im Stande gewesen sei orthographisch zu schreiben, und man ihm
wohl zutrauen dürfe als Landstand — wie Pomuchelskopp nach Reuters
Erzählung — Stimmzettel mit der Schreibung ;,iah^ statt Ja*'
abgegeben zu haben.
M. H. ! Es wird durch die hier beigebrachten Mitteilungen
erwiesen, dass Reuter der Familie Lembcke oder dem, was man von
ihr erzählte, nur einige wenige Züge für das Charakterbild Pomuchels-
kopps und seines Häuning entlehnt hat.
Die Entlehnung beschränkt sich auf folgendes: Pomuchelskopp
ist nachgiebig gegen seine Frau, welche ihn tyrannisiert, freundlich
gegen seine Dienstmädchen, sein äusseres Auftreten ist das eines ein-
fachen Biedermannes, er ist so hart gegen die Tagelöhner, dass er
als Leuteschinder bei ihnen verschrieen ist. Sein Häuning überragt
ihn an Energie, lebt in ewigem Kriege mit ihren Leuten und leicht
in Wut geratend misshandelt sie dieselben. Beider Sohn ist wegen
seiner Gutmütigkeit bei seinen Leuten beliebt. Von Lembckes Schick-
salen ist sein früherer Aufenthalt in Pommern, seine Vertreibung
durch die eigenen Tagelöhner und die Umsiedlung nach Rostock ver-
wertet. Davon dass Pomuchelskopp ein treues Konterfei Lembckes
sei, kann keine Rede sein.
Zum Schluss eine kurze Zusammenstellung dessen, was sich für
die Entstehung und Gestaltung der Figur Pomuchelskopps ergeben
hat und des weiteren ergibt.
Sein Prototyp war ein Gutsbesitzer in der in Raabes Jahrbuch
für 1845 und 1846 erschienenen Erzählung ;, Gerold von Vollblut^.
Dieser Geschichte dankt Reuter nicht nur den Typos, sondern auch
die Benennung. Wie er den Gutsnamen Knüppeldamm in Knüppelsee
verschob, so vertauschte er den Namen Büffelkopf mit dem synonymen
Pomuchelskopp. Dieser Name, der soviel wie Dickkopf besagt, ist
bedeutungsvoll für die Ausgestaltung der Figur seines Trägers. Es
ist ein redender Name gerade so wie Bräsig und Nüssler, Kurz,
Slus'uhr und Triddelfitz. Der Name bedingte, dass Pomuchelskopp
als Dickkopf in wörtlicher wie bildlicher Bedeutung des Wortes
geschildert wird. Dem Kontrast zuliebe muss dann Häuning als lang
und dürr, als „Hopfenstange" erscheinen. Dem „Gerold von Vollblut"
ist auch entnommen, dass Pomuchelskopp die Nobilitierung erstrebt,
sich ein Wappen zusammenstellen lässt und den Umgang mit Adligen
sucht. Nicht übernommen, aber notwendige Konsequenz war, dass
14
Pomuchelskopp als Landstand sich der Adelspartei anschliesst. Dass
Reuter ihn überhaupt den Landtag besuchen lässt, war durch die
Zeit, in der der Roman spielt, bedingt. Li den ersten 1840er
Jahren durfte kein mecklenburgischer Gutsbesitzer bei den Landtags-
abstimmungen fehlen.
Andere Züge, welche das Charakterbild und die Schicksale
Pomuchelskopps und seiner Familie in der Stromtid aufweist, ohne
dass hierfür das literarische Rrototyp oder das lebende Vorbild
Lembcke von Einfluss waren, sind die Folge ihrer Stellung in der
Handlung des Romans. Die Familie Pomuchelskopp hatte die Aufgabe
zu den Idealgestalten Hawermann und seiner Tochter die Gegenrolle
zu übernehmen, sie musste deshalb protzig, rücksichtslos eigennützig,
unlauter sein. Ferner ergab sich aus der Tendenz des Romans, der
mit dem Siege und der Belohnung des Guten, der Strafe des Bösen
schliessen sollte, dass die bösen Pläne Pomuchelskopps vereitelt, die
rücksichtslose Härte gegen die Gutsleute gerächt wird.
Das so entstandene Charakterbild Pomuchelkopps empfing neue
Züge aus dem, was Reuter über die Familie Lembcke erzählen hörte.
Er übernahm jedoch nur, was in die psychologische und tatsächliche
Entwicklung seines Romans hineinpasste, ohne dass seine konstruktiven
Grundlagen verschoben wurden. Die wesentlichsten Züge, welche
Reuter von dem lebenden Modell für den Charakter und die Geschichte
Pomuchelskopps übernommen hat, habe ich bereits vorhin aufgezählt,
und ich habe nur noch einige Worte über das hinzuzufügen, was der
Roman der Hinzufügung dieser Züge dankt. Ohne sie würden Pomuchels-
kopp und seine Familie leicht als blosse Constructionen erscheinen,
als schematisch böse Menschen. Erst die entlehnten Züge tragen
wesentlich dazu bei, Pomuchelskopp und Häuning als individuelle
lebenswahre Gestalten erscheinen zu lassen. Auch Pomuchelskopps
Gustäwing hat hierdurch gewonnen. Ohne das Vorbild des jungen
Lembcke wäre er wahrscheinlich nur als gleich böses Gegenstück zu
seinen Schwestern gezeichnet. Von Lembckes Schicksalen kommt als
wesentlich nur seine Vertreibung durch die Gutsleute in Betracht.
Ihre Verwertung vermehrte den Roman um eine zugleich wirkungsvolle
und kulturhistorisch lehrreiche Episode und gab ein überaus geschicktes
Motiv, im Sinne der Tendenz des Romans Pomuchelskopp zu strafen
und seiner Wirksamkeit ein Ende zu setzen.
15
Beilage zu S. 1—14.
Entscheidangr der meeklenburglseheii Reglenuig: Tom 1. Anglist 1848 betr. die
Regelung: der Alt-Stthrekower Yerhältnisse.
Da die seitherigen Verhand langen znr Regelung der Alt-Sührckower Ver-
hältnisse eine Ausgleichung nicht haben finden lassen, welche den Wünschen
aller Betheiligten entspricht, so wird nunmehr die nachfolgende Anordnung
und zugleich Entscheidung auf den sowohl vom Gutsbesitzer Lemcke-Alt-
Sübrckow, wie von den Alt-Stthrckower Gutsleuten gegen die commibsarische
Bestimmung vom 14. v. M. ergriffenen Recours hiemit getroffen:
1. Der Gutsbesitzer Lemcke wird ungesäumt durch einen landesherrlichen
Commissarius förmlich in Alt-Sührckow wieder eingeführt, wobei er zu einer
guten Behandlung der Gutsleute, letztere aber angemessen dahin zu vernehmen (!)
sind, dass sie denselben als Gutsherrn und respective Dienstherrn respectiren wollen.
2. Bei der bevorstehenden Einführung wird es allen arbeitsfähigen Tage-
löhnern freigestellt, ob sie respective im Dienstcontracte zum Gutsherrn bleiben
and in solchen wieder eintreten wollen, oder ob sie von dem bestehenden Dienst-
contract entbunden zu sein wünschen.
a. Hinsichtlich der in dem Dienstcontract bleibenden und der in solchen
etwa wieder eintretenden Tagelöhner normirt künftig das in der Anlage A.
enthaltene Regulativ, wobei es rücksichtlich der für die Leute jetzt im Felde
mit Korn besäeten 70 DR bei der Bestimmung des Commissions-Protocolls vom
20. Mai d. J. Anlage A. sub I. 5. verbleibt.
Wie viel Heu zum Winterfutter und wie viel Stroh für die jetzt hinzu-
gekommene Starke vom Gutsherrn herzugeben ist, wird durch 2 unpartheiische
Sachverständige bestimmt und dem Regulativ nachgetragen.
b. Bei denjenigen Tagelöhnern, welche nicht im Dienstverhältniss zu
dem Gutsherrn bleiben wollen, wird der bestehende Contract oberpolicei wegen
hiemit snspendirt und den Leuten gestattet, auswärts Arbeit zu suchen. Doch
ist der Gutsherr verpflichtet, sowohl diesen Leuten, wie auch den früher aus-
geworfenen Tagelöhnern Klahn, Lübz, Tiedemann und Heidtmann — sofern letztere
nicht etwa in den Tagelöhnercontract, wie solcher oben in Anlage A regulirt
worden ist, wieder eintreten wollen, was ihnen gestattet sein soll — die in
der Anlage B verzeichnete Wohnung und Emolumente zu geben. Jedoch be-
halten die Leute im gegenwärtigen Jahre dasjenige Kartoffeln- und Leinland im
Felde, was ihnen bereits angewiesen ist.
Hiefür haben diese Leute an Miethe Vstel des wirklichen, durch unpar-
theiische Sachverständige festzustellenden Werthes an den Gutsherrn zu entrichten
und in vierteljährigen Raten postnumerando zu bezahlen. Bleiben sie mit
2 Terminen solcher Zahlung im Rückstand, so ist der Gutsherr berechtigt, ihnen
sftmmtliche in der Anlage B sub 2—3 aufgeführten Emolumente zu entziehen.
Ausserdem erhalten aber diese Leute freie Schule für ihre Kinder, auch
in krankheitsfällen freien Arzt und freie Medizin, so wie die nöthigen kleinen
Fuhren zur Hebeamme, zu Taufen, Begräbnissen pp. vom Gutsbeim unentgeltlich
geleistet. Im Übrigen haben die Leute dieser Glasee Alt-Sührckow sofort un-
verweigerlich zu verlassen, wenn der Gutsherr ihnen ein Unterkommen als wirk-
lichen Tagelöhner an einem andern Orte nachweiset. Die Effecten der Leute
hat dann der Gutsbesitzer Lemcke nach diesem Orte transportiren zu lassen.
16
c. Hinsichtlich der alten Leute and der Wittwen sollen kttnftig die in
Anlage C. enthaltenen Bestimmungen normiren.
Daneben wird aber noch bestimmt, dass den beiden alten Kannsierschen
Eheleuten, so wie auch der Marie Wassmann ausreichendes Essen nebst dem
nöthigen Zubrod vom Hofe zu Terabreichen und letzterer überdies ein besonderes
Wohnlocal anzuweisen ist, falls solches nach ärztlichem Erachten nothwendig erscheint.
d. Der frühere Schmidt Haacker behält bis dahin, wo ein anderweitiges
angemessenes Unterkommen für ihn ermittelt sein wird, seine jetzige Wohnung
und die ihm dabei jetzt angewiesenen, sofort genau zu specificirenden Emo-
lumente, wofür er ^/stel des taxmässigen Werthes in vierteljährigen Baten post-
numerando an Miethe zu zahlen hat. Bleibt er mit 2 Terminen solcher Zahlung
in Rückstand, so ist der Gutsherr berechtigt, ihm alle Emoluniente bis auf die
Wohnung zu entziehen. Daneben empföngt er aber unentgeldlich Schule für
seine Kinder, Arzt und Medizin und kleine Fuhren, und ist ihm auf sein etwaiges
Verlangen angemessene Arbeit gegen den üblichen Tagelohn fremder Leute
anzuweisen.
3. Die ausserordentlichen Unterstützungen, welche bei den stattgehabten
commissariscben Untersuchungen den Leuten zugebilligt wurden, sind ihnen, in-
soweit solches noch nicht geschah, ungesäumt zu verabreichen. Sollten aber
nach sachverständigem Erachten die Leute auch Mangel an nothwendigem Hans-
geräth oder Arbeitsgeräth noch leiden, oder sonst noch einer augenblicklichen
Unterstützung bedürfen, so ist dem von Seiten des Gutsherrn sofort abzuhelfen
und der Werth des solchergestalt Empfangenen billigmässig von den Sachver-
ständigen ebenso, wie die Art und Zeit des etwaigen Abtrages dieser Schnld
von Seiten der Leute zu bestimmen.
4. Es ist der Bürgermeister Dr. Schultetus in Malchin zum beständigen
Commissarius bestellt worden, theils um darüber zu wachen, dass der Guts-
besitzer Lemcke alle ihm nach dem Vorstehenden auferlegten Leistungen pünktlich
und gut erfüllt, und die Leute sämmtlich ordnungsmässig behandelt, und um
bei befundener Richtigkeit etwaiger Beschwerden gegen den Gutsherrn die Leute
zu vertreten, auch nöthigenfalls den letztern das ihnen etwa Vorenthaltene fflr
Rechnung des Gutsherrn zu verabreichen, theils um etwaige Widersätzlicbkeiteu
oder Gewaltthätigkeiten der Gutsleute gegen den Gutsherrn und dessen Familie
sofort mit Nachdruck zu bewältigen, zu welchem Zwecke er mit den erforderlichen
Mitteln versehen worden ist.
5. Die in der commissariscben Bestimmung vom 14. v. M. vorgeschriebene
Erbauung eines neuen 4-hischigen Eatens^) und Errichtung von Schornsteinen
in 4 der jetzigen Katen wird zur Zeit bei Seite gesetzt, doch liegt dem Guts-
besitzer Lemcke ob, bis zum 24. Oktober d. J. dahin Vorkehr zu treffen, dass
alle seine Tagelöhner und sonstige Gutseiuwohner landüblich angemessene Woh-
nungen erhalten. Insbesondere dürfen die Wobnungen nicht zu beengt sein,
auch muss für einen gehörigen Abzug des Rauches wenn möglich durch Schorn-
steine, und für genügende Dichtigkeit der Dächer gesorgt werden. Das Rauch-
rohr, welches jetzt von der Kannsierschen Stube nach der Dobbertinschen Diele
geht, ist von hier sofort zu entfernen und passend zu verlegen.
Der Commissarius Dr. Schultetus hat am 24. October d. J. unter Zuziehung
von 2 unpartheiischen Sachverständigen eine specielle Revision an Ort und Stelle
vorzunehmen, ob den obigen Vorschriften hinsichtlich der Wohnungen genügt
worden, und bleibt für den Fall, dass solches nicht geschehen, weitere ober-
polizeiliche Verfügung vorbehalten.
1) Haus mit vier Tagelöhnerwohnungen.
1?
6. Soweit nicht im Vorstehenden die verschiedenen Beschwerdepunkte
gegen die commissarische Bestimmung vom 14. v. M. ihre Erledigung gefunden
haben, werden die dagegen ergriffenen Recourse yerworfen.
Schwerin den !*•» August 1848.
Orossherzoglich Mecklenburgische Landes-Regierung.
(L. S.) Fr. V. Oertzen.
Anlage A« Regulativ für die TageDfliner zu Alt-Stthrkow.
I. Die Tagelöhner haben jeder zu erhalten:
1. freie Wohnung, bestehend aus einer Stube und 2 Kammern.
2. Stallraum für 1 Kuh, 1 Storke, 2 Schweine, 2 Schaafe, und 1 alte
Gans nebst Zuzucht;
3. 40 DR Gartenland und 60 DR Kartoffelland im Felde, letztere da,
wo die Kartoffeln für den Hof gepflanzt werden. Was am Garten lande jetzt
etwa fehlt, ist im Felde zuzulegen, so dass jeder Tagelöhner seine vollen
100 DR hat;
4. zu Leinsaamen 30 DR fttr jede volle Wohnung. Wer einen Hof boten
hfilt, bekömmt ausserdem noch 15 DR.
6. An Korn jährlich 6 Scheffel Roggen, 4 Scheffel Gerste und 2 Scheffel
Hafer Rostocker Maasse; dies wird den Leuten zur Hälfte vor Michaelis, zur
andern Hälfte vor Martini jeden Jahres verabreicht, und damit schon im bevor-
stehenden Herbste begonnen.
6. Weide und Futter fttr 1 Kuh, fttr 1 Starke bis zum Alter von
2 Jahren und fttr 2 Schaafe; ferner im Sommer Weide fttr 1 alte Gans nebst
Zozucht, sowie Weidefreiheit fttr 2 Schweine.
Die Ktthe und Starken sind unter den Hofktthen zu weiden und sollen
mit diesen sowohl die Klee- als die Neben weiden benutzen. Ein Fuder Sommer-
und 1 Fuder Winterstroh ä 22 Centner für Ktthe und Schaafe, so wie fttr jede
Wohnung eine Wiesenfläche, auf welcher wenigstens 2 Fuder Heu, jedes zu
18 Centnem, geworben werden können.
Alljährlich kann ein Lamm aufgezogen werden; jedoch darf jeder vom
24. Oktober ab den Winter hindurch nur 2 Schaafe halten.
7. An Feuerung. 2 Fuder Wadelholz und 12 000 Soden Stechtorf. Nach
Wahl der Gutsherrschaft ist den Leuten das Stechen des Torfes selbst zu ttber-
lassen, oder es ist der Stechlohn fttr dieselben auszulegen und demnächst in
Abrechnung zu bringen.
8. Den Leuten, mit Ausnahme der Drescher, ist alle 14 Tage 1 Scheffel
Roggen und alle 3 Wochen 1 Scheffel Gerste zu ttberlassen, und zwar der
Roggen höchstens zu dem Preise von 1 Rthlr. Courant und die Gerste höchstens
zu dem Preise von 36 S. Courant. Ist das Korn niedriger im Preise, so bezahlen
die Leute nicht höher, wie den jedesmaligen Marktpreis. — Sollte eine oder die
andere Familie Korn mehr gebrauchen, so muss ihnen dieser Mehrbetrag jedoch
für den Marktpreis, von der Gutsherrschaft ttberlassen werden.
9. Als Drescherlohn erhalten die Leute den 17ten Scheffel mit halbem
Haufen und jährlich 16 Scheffel Kaff. Sollten ttber die Grösse des halben
Haufens Streitigkeiten entstehen, so wird der ITte Scheffel kahl gestrichen und
die Drescher erhalten statt des halben Haufens dann 2 kahle Metzen.
Die Leute dttrfen aber regelmässig nur 5 Tage dreschen und muss am
6ten Tage reingemacht werden. Auch dttrfen die Leute nicht in einem Lohn
dreschen, sondern können höchstens nur vier Mann zusammen dreschen.
10. An Tagelohn erhalten die Männer zu allen Zeiten täglich 9 Seh.
XiederdentBohei Jabxbaeh XXXYI. 2
18
(Garant, jedoch mit Ansschlnss von 6 Wochen in der Erndte, wo sie täglich
10 Seh. Cour, erhalten. Die Frauen erhalten zn allen Zeiten 5 Seh. Conrant
11. Die Lente erhalten freie Schule für ihre Kinder, auch in Krankheits-
fällen freien Arzt und freie Medizin fttr sich und ihre Familie. Jeder, der eines
Arztes hedarf, hat sich vom Gutsherrn eine schriftliche Bescheinigung hierüber
zu erwirken.
Alle kleine Fuhren, z. B. zur Hebeamme, zu Taufen, Begräbnissen etc.
sind von der Gutsherrschaft unentgeltlich zu leisten, ebenso, wie es sich von
selbst versteht, dass den Leuten das Heu, die Kartoffeln, Holz und Torf frei
und zur gehörigen Zeit angefahren werden müssen.
12. Für die entbehrte zweite Gans hat der Gutsherr jedem Tagelöhner
alljährlich haare 2 Rthlr. conr. dergestalt zu Gute kommen zu lassen, dass mit
diesem Gelde eine Kasse gebildet wird, aus welcher jeder Tagelöhner, der seine
Kuh verloren hat, zur Wiederanschaffung einer neuen eine haare Unterstatzung
beanspruchen darf.
Die näheren Bestimmungen über die Einrichtung und Verwaltung dieser
Casse, ist wie über die Grösse der in jedem einzelnen Falle zu gewährenden
Unterstützung sind von 2 unpartheiischen Sachverständigen zu treffen und dem
Regulativ gleichfalls nachzutragen.
13. Der Gutsherr hat den Männern durchstehende Arbeit zu geben.
II. Hingegen haben die Tagelöhner Folgendes zu leisten:
1. Jeder Mann und jede Frau müssen täglich mit Ausnahme der Sonn-
und Festtage zur bestimmten Zeit treu und fleissig arbeiten. Von Ostern bis
Michaelis müssen die Leute von Morgens um 6 Uhr bis zum Sonnenuntergang
arbeiten. Im Winter beginnt die Arbeitszeit mit Tagesanbruch und dauert bis
zum Dunkelwerden, vor 6 Uhr Morgens braucht jedoch Niemand an die Arbeit
zu gehen. Nur die Ochsenhäker müssen von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang
arbeiten. Für diese längere Arbeitszeit erhalten aber die Ochsenhäker täglich
1 S. cour. Tagelohn mehr wie die übrigen Leute.
Die Hirten sind auch an Sonn- und Festtagen zur Verrichtung der ihnen
obliegenden Arbeiten verpflichtet.
Im Sommer wird den Leuten zu Klein -Mittag Vs Stunde, zu Mittag
iVs Stunde, zum Vesperbrod Va Stunde gestattet. Im Winter wird nur eine
Stunde zum Mittag gegeben, Kiein-Mittag und Vesperbrod föUt dann gänzlich weg.
In der Heu- und Kornerndte normiren alle diese Vorschriften wegen der
Arbeitszeit nicht, vielmehr wird dann so lange gearbeitet als es in der Gegend
üblich ist.
2. Kann die Frau nicht selbst zur Arbeit gehen, so muss ein Hofgänger
gehalten werden, welcher zu den Frauenarbeiten die nöthigen Fähigkeiten und
Kräfte besitzt.
3. Für jede volle Wohnung werden unentgeldlich 100 Frauentage geleistet.
4. Von jeder alten Gans wird eine Stoppelgans an die Gutsherrschaft
gegeben.
Anlage B. Yerzelchnis dessen, was deidenigen Alt-Stthrekower TageVflinem,
welchen gestattet ist, auswärts zu arbeiten, von dem Ontsherm verabreicht
werden muss. [Auszug.]
1. Wohnung, bestehend aus 1 Stube und 2 Kammern.
2. Stallraum ftü* 1 Kuh, 1 Schwein, 1 Schaaf und 1 alte Gans nebst Zuzucht.
3. 4. 80 OB- Garten- und Kartoffelland. Zu Leinsaamen 15 QB-
6. An Korn 6 Scheffel Roggen, 4 Seh. Gerste und 2 Seh. Hafer.
6. Weide und Patter für 1 Kah und 1 Schaaf. Ein Fuder Sommer- und
1 Fuder Winterstroh, sowie eine Wiesenfl&che, auf welcher wenigstens 2 Fuder
Heu jedes zu 18 Centner gewonnen werden können.
7. 2 Fuder Wadelholz und 8000 Soden Stechtorf.
Oesueh Lembckes d. d. 6. Oktober 1857 an das Ministerium In Schwerin.
Durch das H. Regulativ de 1. August 1848 ist zwischen mir und meinen
Tagelöhnern Bestimmung dahin getroffen, dass diejenigen Tagelöhner, welche aus
dem Dienstverhältnisse zu mir herausgetreten, eine Menge in der Anlage B
daselbst näher aufgeführter Emolumente gegen bestimmte Dienstleistungen ihrer-
seits erhalten sollen, dass aber solche Emolumente wegfallen, wenn sie mit der
Leistung säumig sind — bis auf eine Stube mit 2 Kammern.
Unter Andern hatte nun auch der Tagelöhner Tüdemann die ihm ob-
liegenden Leistungen mir nicht gewährt. Ich habe demselben daher gekündigt
und auf Auswerfung in eine Armenwohnung bei den betr. Gerichten angetragen,
bin jedoch mit der Bäumungsklage abgewiesen . . .
Jene . . . Maassregel [des Regulativs von 1848] hatte nun offen-
baar einen rein provisorischen und temporären Charakter ... So wie die Sache
jetzt liegt bin ich . . . verpflichtet, diese Leute in meinem Gute zu behalten,
ohne sie kündigen zu dürfen und daneben verpflichtet ihnen eine . . Wohnung
zu geben . . Ich sehe mich daher zu der ehrerb. Bitte genöthigt
Hob. Ministerium des Innern wolle das Regulativ de 1. August
1848 insoweit wieder aufheben oder declarieren . .
Reseript des Mbüsterlnins d. d. Schwerin 21. Oct 1857 an den Gutsbesitzer
Lembcke auf Alt-Sührkow.
Eurem Gesuche vom 6. d. M. . . . können Wir zu willfahren Uns zur
Zeit nicht entschliessen ; jedoch wollen Wir euch weitere Resolution nicht vor-
enthalten, wenn ihr Zwecks definitiver Regulierung eurer Tagelöhner-Verhältnisse
die Bestellung eines Commissarius erbitten werdet.
Eigenhttndiges Gesuch Lembckes an den Engeren Ausschuss zn Rostock
vom 26. Oktober 1857.
In dem tollen Jahre 1848 trugen meine, dermalen gewaltsam gegen mich
aufgestandenen Tagelöhner auf Regulirung ihrer Verhältnisse zu mir durch einen
Regierungs-Commissarius an, und wurde von hoher Landes-Regierung unterm
1. August 1848 ein Regulativ erlassen. In demselben ist mir das grundgesetz-
lich jedem Gutsbesitzer zustehende Recht der Kündigung genommen und bin
ich verpflichtet, denjenigen Tagelöhnern, welche gar nichts mehr für mich thun,
— nicht eine Armenwohnnng, sondern eine Stube mit 2 Kammern zu geben.
Viele meiner Tagelöhner haben hiervon nützlichst Gebrauch gemacht ; sie arbeiten
auswärts und verlangen von mir Stube und 2 Kammern ohne alles Entgelt.
Auf mein ehrerbietigstes Gesuch an hohes Ministerium des Innern, diesem ab-
normen, provisorisch eingerichteten Zustande jetzt endlich ein Ende zu machen
nnd die Kündigungsbefugniss mir wieder unter Aufhebung der entgegenstehenden
Bestimmung des Regulativs zu ertheilen, habe ich das ehrerbietigst gehorsamst
angelegte ungewierige ') Reseript d. 21. October c. erhalten, wornach mir nach
1) d. h. ablehnende.
2*
20
wie vor die jedem anderen Cfutsbesitzer grnndgeset^lich «astehende EÜodigüngs^
frist entzogen und mir nur überlassen bleiben soll, die Bestellnng eines nenen
Oommissarins eu erbitten. FOr einen solchen giebt es jedoch bei mir nichts zu
thnn, da sowohl meine Tagelöhner wie ich selbst im Übrigen völlig zufrieden
sind und keinerlei Nenerungen wünschen; ich wünsche nur allein die 1848
provisorisch eingeführte Nenernng, meine Tagelöhner nicht kündigen zu dürfen,
wiederum aufgehoben.
Ehrerbietigst gehorsamst bitte ich daher diese meine Beschwerde
auf dem nächsten Landtage zu vertreten
ehrerbietigst gehorsamster
Alt-Stihrckow den 25. October 1857. J. Lembcke.
Das Justiz -Komitee des Engeren Ausschusses erstattete diesem darauf
ein Gutachten« wonach Lembcke sich im Irrtum befände, wenn er annimmt, ihm
sei das ihm grundgesetzlich zustehende Recht der Kündigung seiner Tagelöhner
entzogen „Vielmehr müssten dieselben unweigerlich sein Gut verlassen, wenn der
Gutsherr ihnen ein Unterkommen als wirklichen Tagelöhnern an einem anderen
Orte nachweiset.' Der Engere Ausschuss beschied darauf Lembcke d. d. 25. Jan.
1858, dass das Ministerial-Rescript auf den zunächst allein geeigneten Weg zur
Beseitigung der TJnzuträglichkeiten hingewiesen habe.
21
Die Landtagsszenen in Reuters Stromtid.
Ein Beitrag zur Entstehnngsgescliiebte der bürgerlichen Partei
des mecklenbnrgisclien Landtages.
Vortrag gehalten auf dem Niederdeutschen Yereinstage zu Rostock
am 10. Juni 1908.
Nach dem grossen Erfolge der Läuschen und Rimels, welche
1853 und 1864 in zwei starken schnell vergriffenen Auflagen
erschienen waren und ihren Verfasser in seinem Vaterlande zu
einem allbekannten Dichter gemacht hatten, griff Fritz Reuter
den längst gehegten Gedanken berufsmässigen Schriftstellertums auf.
Um auch ausserhalb seiner Heimat Leser und Anerkennung zu finden,
begann er in hochdeutscher Sprache zu schreiben. Seine hochdeutschen
Erzählungen und Lustspiele vermochten seinen Namen im deutschen
Reiche nicht bekannter zu machen. Als er 1858 an dem Universitäts-
Jubiläum in J^na teilnahm, blieb er in der Menge der Festgäste un-
beachtet, selbst seine ehemaligen Universitätsfreunde Hessen, wie einer
derselben später bedauernd berichtete, den obskuren Literaten beiseite,
dessen Name noch nicht über die engen Grenzen seines Vaterlandes
gedrungen war. Ganz anders als er drei Jahre später wiederum
Thüringen besuchte, überall ehrenvolle Aufnahme findend. Seine
Ollen Kamellen waren inzwischen erschienen. Die Leser, welche
Reuters hochdeutsche Stücke ausserhalb seiner Heimat vergeblich
suchten, fand sein neues plattdeutsches Buch. Es hat seinen Ruhm
im weiten deutschen Vaterlande auf ewig begründet.
Die verschiedene Wertschätzung, welche Reuters hochdeutsche
Versuche und seine Franzosentid bei ihrem Erscheinen erzielten, war
gerecht. Wer würde heute seine hochdeutschen Schriften noch lesen,
wenn der Ruhm seiner plattdeutschen Prosa nicht auch das
Literesse für jene geweckt hätte? Im Vergleich zu dem Meisterwerk
der Franzosentid erscheinen sie als gekünstelte Kleinarbeit literarischen
Handwerks. Wesentlich verschiedener Geist und verschiedene Kirnst
tritt in beiden zutage.
Und doch liegt kaum die Spanne eines oder zweier Jahre
zwischen der Entstehungszeit der Ollen Kamellen und Reuters letzten
hochdeutschen Erzählungen und Dramen. Die Zwischenzeit ist zu
gering, die Kunst zu verschiedenartig und verschiedenwertig. als dass
man sich mit der Formel abfinden könnte, in den hochdeutschen
Versuchen läge die unreife, in der Franzosentid die zur Reife ge-
diehene Frucht Reuterscher Geistesentwicklung vor.
22
Wie erklärt sich diese plötzliche Höhe der Kunst Reuters?
Ist die Frauzosentid fertig in ihrer Vollendung dem Kopfe des Dichters
entsprungen wie die gerüstete Athene nach dem Mythos dem Schädel
des Zeus? Nein, auch sie ist das Endergebnis einer langen Ent-
wicklung. Wie Blüten, welche ein einziger sonniger Tag zu pracht-
voller Entfaltung bringt, lange und langsam in der Knospe vorgebildet
waren, so ist auch Reuters plötzlich vollendete Meisterschaft in der
Erzählung nicht das Erzeugnis eines oder zweier Jahre.
Zwei verschiedene Entwicklungen des Erzählungsstiles lassen
sich bei Reuter erkennen und theoretisch scheiden. Die eine ist die
des manirierten Stiles, welcher durch literarische Vorbilder der 1840er
und 1850er Jahre bestimmt wurde. Diesem Stile begegnet man in
immer mehr sich steigerndem Grade in allen gedruckten hochdeutschen
Erzählungen Reuters bis zum Jahre 1858. Daneben geht die Ent-
wicklung seines mündlichen von Manier freien Erzählungsstiles.
Wir wissen, dass Reuter schon in seiner Jugend vortrefflich zu
erzählen verstand. Seine Mitschüler in Parchim, seine Mitgefangenen
auf der Festung haben das vielfach bezeugt. Auch Hoffmann von
Fallersleben berichtet von Reuter, den er 1844 auf dem mecklen-
burgischen Gute Scharpzow kennen lernte: ;,Er erzählte uns stunden-
lang von seinem siebenjähngen Gefängnisleben so lebendig, so
humoristisch, dass wir uns gar nicht satt hören konnten. Ich bat
ihn mehrmals, alles aufzuzeichnen und gerade so, wie 'er es eben er-
zählt hatte. Ich versprach mir den grössten Erfolg davon.*
Reuter teilte aber nicht nur mit so vielen seiner Landsleute
die Kunst, unübertrefflich gut durch Läuschen eine Gesellschaft zu
erheitern, auch die Gabe der ernsten Erzählung war ihm zu eigen.
Eine seiner Schülerinnen, die Schwester des bekannten Rechtshistorikers
Richard Schröder, rühmte mir aus Reuters Treptower Zeit, wie gerade
Reuter „äusserst gemütsreich* zu erzählen verstanden habe, und seine
Tischnachbarin bei der Schillerfeier 1859 in Neubrandenburg, Frau
Rittergutsbesitzerin Pogge auf Gevezin, erinnert sich noch heute, wie
;,furchtbar ernst und ergreifend* er Erlebnisse aus seiner Festungs-
haft schilderte.
Die schlichte Weise der mündlichen Erzählung war Reuter
nicht ausreichend erschienen, als er hochdeutsche Erzählungen in den
Druck gab. Schon in seinen frühesten hochdeutschen Versuchen, noch
mehr aber, als er als berufsmässiger Literat sich betätigte, leuchtet
das Streben hervor, sich hochgebildet, geistreich und empfindsam aus-
zudrücken. Der unmittelbare Ausdruck wird ersetzt durch möglichst
blumenreiche Redensarten. Statt des natürlichen Humors tritt die
satirische Zuspitzung in den Vordergrund. Damit verbindet sich die
Nachahmung hochdeutscher Modeschriftsteller jener Zeit. Es ging
ihm dabei der Vorzug eigenen Stiles um so mehr verloren, als er in
hohem Grade das Talent besass, fremde Manier zu seiner eigenen zu
machen und womöglich noch zu überbieten. Um ein Beispiel anzu-
führen, der Gedanke, 'das fröhliche Wesen eines kleinen dicken
23
Gefährten heiterte uns auf, gewinnt bei Reuter folgende Gestalt:
9 An den heiteren Sonnenblicken seines Wesens tauete unsere Lebens-
lust wieder auf, seine kleine feiste wohlwollende Natur war der Brat-
apfel, aus dem wir in den langen Winterabenden unseres Kummers
Süssigkeit sogen, und noch mehr! Er wurde die Taube, die in unsere
auf dem öden Meer der Langeweile schwimmenden Familienarche das
erste grüne Blättchen der Freude brachte. *i)
Der grosse Unterschied der Ollen Kamellen gegenüber den älteren
hochdeutschen Schriften Reuters ist nun der, dass Reuter in jenen
plötzlich jede literarische Manier, die sich nicht gut auf seine
mundartliche Prosa übertragen liess, beiseite lässt, und mit ihr auch
die satirische Färbung und gezierte Empfindsamkeit seiner hoch-
deutschen Stücke. Er erzählt, wie er in Treptow mündlich erzählt
haben mag : schlicht, ungekünstelt, gemütsvoll, mit dem Eindruck der
Wahrheit. Indem er so die Gefuhlsteilnahme der Leser für die Helden
seiner Erzählung erweckt und zugleich starke komische Wirkungen
damit zu verbinden versteht, gelingt es ihm, sein erstes humoristisches
Meisterwerk zu schaffen.
Mit diesem Wechsel in Stil und Tendenz verbindet sich, wohl
nicht nur zufällig, ein anderer Unterschied. Während für Reuters
ältere Schriften in Bezug auf den Stoff vielfach literarische Quellen
nachweisbar sind, scheint Reuter später bewusste literarische Ent-
lehnungen stofflicher Art gemieden zu haben. Dagegen erscheinen
an zahlreicheren Stellen und in grösserer Ausdehnung, als bisher
bekannt war, Episoden, für welche wirkliche Begebenheiten aus Reuters
Zeit verwertet sind Heute werde ich mich auf ein Beispiel dieser
Art beschränken, auf den Nachweis der tatsächlichen Vorgänge,
welche dem Kapitel 21 der Stromtid, in welchem Pomuchelskopps
Auftreten als mecklenburgischer Landstand geschildert wird, zugrunde
liegen. Vorgänge, welche von erheblicher Bedeutung für die innere
Geschichte Mecklenburgs geworden sind. Ich glaube nicht zuviel zu
sagen, wenn ich ausspreche, dass ich mit ihrer Darlegung die noch
unbekannte Entstehungsgeschichte der bürgerlichen Partei des mecklen-
burgischen Landtages bieten werde.
Wenn Reuter zum Helden dieser Szenen Pomuchelskopp gemacht
hat, eine Figur, deren Vorbild für mehr als einen Zug der Guts-
besitzer Johannes Lembcke auf Alt-Sührkow bekanntlich gewesen ist,
so sei vorweg bemerkt, dass mit all den in Kapitel 21 der Stromtid
erzählten Begebenheiten in Wirklichkeit Lembcke nichts zu tun ge-
habt hat. Allerdings hat, wie fast ausnahmslos alle Mecklenburger
Gutsbesitzer der 1844er Jahre, auch Lembcke 1845 imd 1846 die
Landtage in Sternberg und Malchin besucht, aber im Gegensatz zu
1) Ans Reuters „Eine heitere Episode aus emer traurigen Zeit** (1865), alK
gedruckt bei A. R ö m e r , Heiteres und Weiteres von Fritz Reuter (Berlin 1905), S. 90
24
Pomuchelskopp hat er nicht zum Adel, sondern zur Partei der
bürgerlichen Gutsbesitzer gehalten und nachweisbar deren gegen den
Adel gerichteten Schriftstücke mit unterzeichnet, i) Reuter hat viel-
mehr mit der Freiheit des Dichters auf Pomuchelskopp Begebenheiten
übertragen, welche ganz anderen Männern als Lembcke begegnet
waren, und hat ihn im Einklänge mit seinem literarischen ürtyp,
dem Domänenrat Schuster in Brinckmans Gerold von Vollblut 2) zum
Typos eines aus selbstischen Zwecken adelsfreundlichen bürgerlichen
Landstandes gemacht.
Als der erste Band der Stromtid erschienen war, hatte Julius
Wiggers in Rostock an Reuter geschrieben : „Lässt es sich nicht ver-
anstalten, dass . . . Pomuchelskopp einmal auf dem Landtage zu
Malchin oder Sternberg auftaucht, um seine legislatorischen Fähig-
keiten zu verwerten? So ein Pomuchelskopp auf dem Landtage wäre
gewiss dem Dichter nicht von Schaden und dem Politiker von grösstem
Nutzen. Wie, wenn er dort, wie weiland ein Standesgenosse von ihm
zu einem rotröckigen Landmarschall, der seine Stimmzettel zurück-
weist, bei irgend einem Wahlakt, das vernichtende Wort spräche : ich
bin ebenso gut des Grossherzogs Fasan wie Sie!*
Reuter ist dieser Anregung gefolgt und erzählt im zweiten Bande
der Stromtid, im Kapitel 21, wie Pomuchelskopp nach Malchin reist,
um am Landtage teilzunehmen, und wie er, um die vorgeschriebenen
Besuche bei den Regierungskommissaren usw. zu machen, in der
Dunkelheit hinter dem Güstrower Bürgermeister Langfeldt zu dessen
Ärger hinterhertrabt, der sich in gleicher Absicht mit einer Laterne
auf den Weg gemacht hatte. Als Langfeldt sämtliche Besuche erledigt
hatte und schliesslich seine eigene Wohnung wieder aufsucht, stürzt
ihm auch hier Pomuchelskopp nach und antwortet in der Meinung,
bei irgend einem Landrat zu sein, auf Langfeldts Frage, was er hier
denn zu suchen habe »Herr, ich bin ebensogut en Fasan* — er
meinte Vasall — »von dem Grossherzog wie Sie.*
Dass die drollige Verwechslung der Wörter Vasall und Fasan
in der Tat einmal einem mecklenburgischen Landtagsmitgliede begeg-
nete, ist nicht allein dem oben im Auszuge mitgeteilten Briefe von
Wiggers zu entnehmen, sondern ist mir auch von anderen Seiten
bestätigt worden. Meine Gewährsleute erinnern sich sogar noch des
Namens jenes Landstandes: es war der Gutsbesitzer C. G. Ch. Fuhr-
mann auf Karcheez.
1) Solche von LembcKe unterzeichnete Schriftstücke d. d. Stemberg 16.
November, 2. und 4. Dezember 1845 sind im „Zehnten Sendschreiben an die Guts-
besitzer bürgerlichen Standes in Meklenburg. Leipzig (1846)*^ S. 127. 169. 164
abgedruckt.
') Über Gerold von Vollblut vgl. oben S. 3 ff. Inzwischen ist als Verfasser
des Gerold der durch seinen „ Kasper-Ohm ** später berühmt gewordene John Brinck-
man von A. Römer nachgewiesen, und ein neuer Abdruck in „John Brinckmans
Hochdeutschem Nachlass hrsg. yon A. Kömer^ Bd. 2 (1908) S. 49—147 gegeben.
25
Aber auch die vorangehende Visitengeschichte ist von Reuter
nicht frei erfunden, sondern sie ist in den Hauptzügen einer wirklichen
Begebenheit ziemlich treu nacherzählt. Ihre Kenntnis verdankte
Reuter teils der mündlichen Erzählung eines mecklenburgischen Guts-
besitzers, welchen er 1859 bei der Schillerfeier in Neubrandenburg
kennen gelernt hatte, teils einem ihm von demselben Gutsbesitzer
mitgeteilten Aufsatze von Pogge-Zierstor£F im ^Freimüthigen Abend-
blatt", Jahrg. 1840 mit der Überschrift ;,Einige Worte über Land-
tagsangelegenheiten " .
In jenem Aufsatze schildert Pogge die schwierige Lage der
damals den Landtag besuchenden bürgerlichen Gutsbesitzer, welchen
wegen des Mangels einer Anweisung oder Geschäftsordnung die
gewohnheitsmässigen Gebräuche wie die Formen, in den Gang der
Verhandlungen einzugreifen, völlig unbekannt waren. Vordem mochte
eine solche Anweisung entbehrlich gewesen sein, weil früher „die
mecklenburgischen Landgüter fast ohne Ausnahme im Besitz des Adels
waren, und- die Söhne der adeligen Gutsbesitzer von ihren Vätern
über die Verhältnisse unterrichtet werden konnten.*' Pogge erzählt
dann seine eigenen Erfahrungen in dieser Beziehung. Als er das
erste Mal den Landtag in Malchin besuchte, war dieser bereits acht
Tage beisammen gewesen. Mit anderen kurz vor ihm eingetroffenen
bürgerlichen Gutsbesitzern erkundigte er sich, wo man sich melden
müsse. „Niemand von den im Gasthofe anwesenden Landständen
schien es aber der Mühe wert zu halten, mich darüber genau zu
belehren." Er fragte einen und den Andern, aber niemand gab be-
stimmten Bescheid, oder vielmehr jeder riet anders. Am nächsten
Tage erfuhren sie von einem Bekannten, dass sie einen grossen Ver-
stoss gemacht hatten, weil sie die üblichen Besuche nicht gemacht hätten.
Trotz erkennbarer Übereinstimmungen zwischen der Visiten-
geschichte und einzelnen Stellen in Pogges Aufsatze ist dieser doch
nicht die eigentliche Quelle für jene gewesen, vielmehr hat sich Reuter
in ihr viel enger an das angeschlossen, was ihm der oben erwähnte
Gutsbesitzer 1859 mündlich mitgeteilt hat. Dieser hat ihm damals
folgendes erzählt:
„Wenn auch jeder Besitzer eines mecklenburgischen Rittergutes
von jeher das Recht hatte, an den jährlichen Landtagen teilzunehmen
und mitzustimmen, so pflegten doch früher die bürgerlichen Guts-
besitzer dieses Recht nicht auszuüben und blieben bis auf vereinzelte
Ausnahmen von den Landtagen fern, nicht allein, weil sie ihre Wirt-
schaft nicht vernachlässigen wollten, sondern auch, weil sie mit der
Geschäftsordnung des Landtages nicht Bescheid wussten. Es kamen
eigentlich nur adlige Gutsbesitzer und auch diese nur in kleiner An-
zahl, etwa zwanzig bis dreissig, welche durch Väter oder Verwandte
mit den üblichen Gebräuchen und Rechten der Landstände bekannt
geworden waren. Von bürgerlichen Gutsbesitzern fanden sich anfangs
der 1830er Jahre nur zwei studierte Herren, Justizrat Päpke und
26
Dr. Schnelle, und ausserdem zuweilen der Gutsbesitzer Stever auf
Wustrow ein. Eine bürgerliche Partei gab es also damals auf den
Landtagen nicht. Die Änderung, welche hierin in den 1830er Jahren
eintrat, hängt wohl auch mit den damals sich bessernden Erträgen
des Landbaues zusammen. Der äussere Anlass aber war folgender.
In jener Zeit erforderte irgend ein gemeinnütziges Unternehmen i) —
ich weiss nicht mehr, ob es der Bau einer Chaussee oder eine andere
Sache war — beträchtliche Aufwendungen. Der damalige Haupt-
direktor des patriotischen Vereins Graf von Osten-Sacken, dem die
Sache sehr am Herzen lag, wünschte, dass auch die Landstände Bei-
träge bewilligten, musste aber befürchten, dass der Widerstand eines
Teiles der adligen Gutsbesitzer den Antrag zu Fall bringen würde.
Da es auf Mehrheit der Stimmen ankam, warb er solche und ver-
anlasste auch eine Anzahl bürgerlicher Gutsbesitzer (1834) zur Ab-
stimmung nach Malchin zu kommen. Da keine Tagesordnung vorher
bekannt gemacht wurde und es ganz im Belieben des leitenden Land-
rats stand, wann über den Antrag beraten wurde, mussten sie einige
Tage warten, ehe ihre Angelegenheit an die Reihe kam. Der Beitrag
wurde bewilligt. Der Graf v. Osten-Sacken sprach seinen bürgerlichen
Stimmhelfem seinen Dank aus und meinte, nun könnten die Herren
ja wieder nach Hause reisen. Diese hatten aber Geschmack an dem
Leben als Landstand gefunden und blieben nicht nur, sondern stellten
sich im nächsten Jahre in grösserer Anzahl wieder ein. Da sie in
Malchin durch die Unterlassung der üblichen Besuche Verstössen hatten,
wollten sie diesesmal in jeder Beziehung dem Beispiele der anderen
Landstände folgen. Sie waren deshalb schon am Tage vor der Er-
öffnung des Landtages (also am 18. November 1835)2) gegen Abend
(in Sternberg) angelangt und machten sich, obgleich ermüdet von
der langen Wagenfahrt bei kalter und regnichter Herbstwitterung
nach eingetretener Dunkelheit auf den W^eg zu den üblichen Meldungen.
Es regnete fortwährend, und die stockfinsteren Strassen waren so
schmutzig, dass man oft bis über die Knöchel in der Dunkelheit in
die von Wasser überströmenden Rinnsteine trat. Zum Glück be-
merkten sie eine Laterne, mit welcher sich ein anderer Landstand,
Hofrat Bölckow aus Gnoien, vorleuchten Hess. Diesem folgten nun
die zusammen eingetroffenen Gutsbesitzer. Ich kann Ihnen z. t. ihre
Namen nennen : es waren Pogge - Zierstorf und Pogge - Roggow,
Manecke auf Neuhoff, Held auf Klein-Roge, Domänenrat Dencker auf
Mierendorf. 8) Diese bemerkten wohl, dass sich Bölckow ärgerte, als
1) In Wirklichkeit handelte es sich um die VeraDstaltung von Tierschauen
und Pferderennen zur Förderung der Pferdezucht, welche damals in Mecklenburg
einen tüchtigen Aufschwung genommen hatte. Auch der Grossherzog pflegte all-
jährlich hierfür eine Summe zu bewilligen.
^) Die von mir selbst ermittelten und emgeschalteten Daten etc. sind in
Klammern gesetzt.
^) Herr Gutsbesitzer F. Pogge-Bartelshagen, Enkel von Pogge-Zierstorf, teilt
mir mit, dass nach der Erzählung seines Vaters der Laterne ganz in der von
Reuter beschriebenen Weise ausser seinem Grossvater, Grossonkel usw. noch die
Gutsbesitzer Engelbrecht-Ridsenow und Flügge auf Gr. Helle gefolgt sind.
27
ihr Schwärm ihm auf der Ferse in die einzelnen Häuser folgte, Hessen
sich aber, dadurch nur ulkig gestimmt, — wie mein Gewährsmann be-
richtete — durchaus nicht abhalten ihm weiter zu folgen. Schliesslich
drangen sie, immer hinter ihm her, in Bölckows eigene Wohnung.
Auf die Frage, wem sie hier ihre Aufwartung zu machen hätten,
blickte Bölckow die Eindringlinge grimmig an, drehte ihnen dann
seine Rückseite zu, hob die Rockschösse hoch und rief ärgerlich,
mit der flachen Hand hinten aufschlagend: Doa wahnt hei!'^
Meine Herren! Sie werden mich fragen, woher ich denn so
genau die Tatsachen und z. t. die Worte kenne, welche Reuter für
seine Schilderung benutzt hat. Derselbe Herr — es war der 1821
geborene Gutsbesitzer Friedrich Pogge auf Gevezin, ein Sohn von
Pogge-Roggow, — welcher Fritz Reuter die Geschichte i. J. 1859 in
Neubrandenburg mitteilte, hat sie auch mir erzählt, und dasselbe
Exemplar des Aufsatzes von Pogge-Zierstorf im Freimütigen Abend-
blatt, welches Reuter von jenem Herrn zur Einsicht erhielt, hat auch
mir vorgelegen.
Herr Friedrich Pogge erzählte mir noch Folgendes. Als junger
Gutsbesitzer hat er mehrere Landtage der 1840er Jahre besucht.
Damals wurde von der bürgerlichen Partei nach harten Kämpfen das
Recht erstritten, dass in den ^Engeren Ausschuss* der Ritterschaft
auch bürgerliche Gutsbesitzer als Deputierte gewählt werden konnten.
(Am ersten Male geschah dies am 24. November 1846 in Malchin.)
Die durch Stimmenmehrheit gewählten Gutsbesitzer waren Stever-
Wustrow und Engel-Charlottental. Das grosse Ereignis wurde noch
an demselben Abend von der bürgerlichen Partei (die 228 Köpfe stark
zu dem Landtage erschienen war) durch ein grosses Festessen gefeiert.
Hierbei geschah etwas bis dahin Unerhörtes. Der damalige Besitzer
von Alt-Schwerin geriet mit dem anwesenden Besitzer von Alt-Sührkow
Johannes Lembcke, welcher in seiner Nähe sass, in Disput und wütend
geworden hieb er nach ihm mit einer Rotweinflasche. ;,Ich sehe in
der Erinnerung immer noch,^ erzählte mein Gewährsmann, „wie über
Lembckes Gesicht, der nicht weit von mir sass, Tropfen Blutes oder
Rotweins herabliefen. ^
Job. Lembcke ist bekanntlich, wie schon vorhin von mir bemerkt
wurde, das Vorbild für gewisse Züge des Bildes, welches Reuter von
Pomuchelskopp gezeichnet hat. Nimmt man an, dass Reuter Kunde
von dieser Begebenheit erhalten hat, so fällt ein besonderes Licht
auf eine Stelle der Stromtid, Kap. 21 am Schluss. Pomuchelskopp
wird von seiner Frau gefragt: ;,Pöking, wat dauhn sei dor eigentlich
up den Landdag?^, worauf er antwortet ^^Ih, das weiss ich auch nicht.
Der eine hau^t den einen über, und der andere haut den andern über.^
2S
Freilich kann hier ^ hauen ^ nach mecklenburgischem Sprachgebrauch
auch bloss ,,mit Worten hauen^ bedeuten. i)
Ich beschränke mich heute auf die gegebenen Nachweise. Andere
werde ich gelegentlich im Niederdeutschen Jahrbuche veröffentlichen.
Sie werden den Ruhm des grossen mecklenburgischen Dichters, des
grössten Humoristen, welchen die deutsche Literaturgeschichte kennt,
nicht verkleinern. Die Nachweise werden zeigen, woher er einige
Bausteine nahm. Wie die Kunst eines grossen Architekten nicht darin
besteht, dass er seine Bausteine selbst herstellt, sondern darin, dass
er sie zu kunstvollen Bauwerken zusammenfügt, so stand es auch
Reuter wie vor ihm Lessing, Goethe u. a. frei, Baustoff für seine
Kunstwerke zu nehmen, wo immer er auch zu finden war.
Beilage zu S. 25.
Aus dem im Freimüthigen Abendblatt Jahrg. 22 Nr. 1140 und
1841 Schwerin den 6. und 13. Nov. 1840 Sp. 883 ff. gedruckten
Aufsatze: ;,Einige Worte über Landtagsangelegenheiten. Vom Guts-
besitzer Pogge auf Zierstorff.^
Sp. 885 befürwortet Pogge den Erlass ^ einer allgemeinen Land-
tagsordnung, woraus jeder, der zum Landtage berufen wird, seine
Pflichten kennen lernt und sich unterrichten kann von den Gebräuch-
lichkeiten, und wie er sich zu verhalten hat.^
;,Die mehrsten bürgerlichen Rittergutsbesitzer waren früher
Pächter und hatten so wenig Verpflichtung als Gelegenheit, sich um
LandesangelegeDheiten zu bekümmern. Wenn sie als Gutsbesitzer
zum Landtag berufen werden, so kommen sie in ein ihnen bis dahin
fremdes Verhältnis, und sehen sich natürlich nach einer Anweisung
um, wie sie sich hier zu verhalten und was sie zu leisten haben.
Früher mag eine solche Instruktion für die zum Landtag berufenen
Gutsbesitzer nicht erforderlich gewesen sein, weil die mecklenburgischen
Landgüter fast ohne Ausnahme im Besitz des Adels waren, und die
Söhne der adeligen Gutsbesitzer von ihren Vätern über die Verhält-
1) Der Stavenhagener von Keuter oft erwähnte Apotheker Grischow war im
August 1856 in Warnemünde und notierte dort in seinem „Tajediebbuch'', das er
in einer Art Missingsch schrieb — er sprach und schrieb sonst tadelloses Hoch-
deutsch — und seinem Freunde Moritz Meyer schenkte: „15./d „Jestem Abend in
die Harmonie bei Ohlerich lass ich mir'n Jlas Zuckerwasser bringen, setz mir in^n
Saal un phUosophir über die Menschheit un den Teufel. Alles bey mir rum trinkt
Bier bey 24 <> W&rme, sogar ein Paster, mit dem ich mir vor'n Paar Tage mal
IV2 Stunden geprügelt, d. h. mit Raisonniren un Streiten über Telogie."
29
nisse unterrichtet werden konnten, worin sie sich dereinst, wenn sie
selbst als Gutsbesitzer den Landtag besuchten, befinden würden.
Jetzt ist es aber anders. Der grossen Anzahl bürgerlicher
Rittergutsbesitzer, welche als Landstände zum Landtag berufen werden,
fehlt es an solchen die Verhältnisse kennenden Vorgängern, und dass
sich dieselben mühsam in die Landtagsgebräuche hineinstudieren und
jahrelang in den Versammlungen müssige und untätige Zuschauer
machen sollen, ist schwerlich von ihnen zu verlangen.
Die mehrsten von diesen bürgerlichen Landständen leiten selbst
ihre landwirtschaftlichen Angelegenheiten und haben z. t. noch andere
wichtige Geschäfte, können mithin selten ohne Nachteil vier bis fiinf
Wochen vom Hause und aus ihrer Wirtschaft entfernt sein. Wenn
sie aber dem allgemeinen Besten auch gerne das pflichtgemässe Opfer
bringen und den Landtagsverhandlungen von Anfang bis zu Ende
mit beiwohnen möchten, so hindert sie doch die Besorgnis daran,
wegen Unbekanntschaft mit dem Geschäftsgang und den Gebräuch-
lichkeiten nur eine untergeordnete Rolle zu spielen und wenig nützen
zu können. Dieses ist der hauptsächlichste Grund, weshalb viele
bürgerliche Rittergutsbesitzer die Landtagsversammlungen bis jetzt
nicht besucht haben . . . ^
Pogge berichtet dann Sp. 887 ff., wie es ihm selbst bei seinem
ersten Landtagsbesuch ergangen ist. ^Bald nachdem ich Gutsbesitzer
geworden und den Lehneid geleistet hatte, erhielt ich die gewöhnliche
grossherzogliche Ladung zum Besuch des Landtages. Es war mir
indessen nicht möglich, mich schon zur Eröffnung des Landtages nach
Malchin zu begeben; als ich ankam, war die Versammlung schon
acht Tage beisammen gewesen.
Bei meiner Ankunft erkundigte ich mich, wo man sich melden
müsse ; niemand von den im Gasthofe anwesenden Landständen schien
es aber der Mühe wert zu halten, mich darüber genau zu belehren;
gleich unkundig wie ich waren andere kurz vor mir angekommene
bürgerliche Gutsbesitzer, welche ebenfalls zum ersten Male den Land-
tag besuchten.
Wir fragten Einen und den Andern, aber niemand gab uns be-
stimmten Bescheid.
Wünschten Sie zur fürstlichen Tafel gebeten zu werden, dann
müssen Sie sich bei den Grossherzogl. Gommissarien melden, sagte
ein gegenwärtiger adeliger Gutsbesitzer zu uns, sonst brauchen Sie
sich nur bei Ihrem Landmarschalle zu melden; brauchen 'bloss eine
Karte hinzusenden, sagte ein Anderer. Unsererseits wurde erwidert,
dass wir nicht darauf rechneten zur Tafel geladen zu werden. Nun
gut, hiess es, melden' Sie sich nur bei Ihrem Landmarschalle.
Ich würde Ihnen raten, sich auch bei den Landräten zu melden,
sagte ein Dritter. Ist dies erforderlich? fragte einer der Unserigen.
Das wohl gerade nicht, aber man tut es doch gewöhnlich, war die
Antwort.
Da erhob sich ein vierter Anwesender und sagte: Lassen Sie
30
die Herren doch tun was sie wollen, es liegt ja gar nichts daran,
ob sie sich bei den Landräten melden oder nicht.
In dieser Ungewissheit, worin wir J)Iieben, unterliessen wir uns
persönlich zu melden, und schickten bloss eine Karte an den Land-
marschall.
Am andern Tage begaben wir uns in die Versammlung; hier
war die erste Frage eines Bekannten, den ich traf: Haben Sie sich
auch bei den Landräten gemeldet? — NeinI — So haben Sie einen
grossen Verstoss gemacht. Jedenfalls müssen Sie sich dem versitzenden
Landrat vorstellen lassen. Dies geschah denn auch, doch machte es
uns nicht wenig betreten, als einige von den anwesenden Herren uns
ihre Verwunderung ausdrückten, dass wir uns nicht am vorhergehenden
Abend bei allen Landräten und besonders auch nicht bei den Gross-
herzoglichen Commissarien gemeldet hätten.
Pogge und seine mit ihm zugleich angelangten Standesgenossen
glaubten dieses nun nicht gut mehr nachholen zu können, nahmen
sich aber vor, bei künftigem Landtagsbesuch sich besser vorzusehen.
Sie verweilten noch einige Tage in Malchin, wohnten täglich den
Versammlungen, wenngleich nur als Zuhörer, bei und begaben sich
dann noch vor dem Schluss des Landtages wieder nach Hause mit
der einstimmigen Überzeugung nur einen geringen Begriff von ihrer
Obliegenheit bekommen zu haben.
„Im nächsten Jahre,** fährt Pogge fort, Nr. 1141, Sp. 905,
„reisete ich mit einigen andern bürgerlichen Gutsbesitzern nach Stern-
berg, wo wir am Tage vor der Eröffnung des Landtags gegen Abend
anlangten.
Wir folgten hier dieses Mal in jeder Beziehung dem Beispiel
anderer Landstände, und obgleich ermüdet von der weiten Reise bei
kalter und regnichter Herbstwitterung, machten wir uns doch ebenfalls
nach eingetretener Dunkelheit auf den Weg zur üblichen Meldung.
Es regnete fortwährend, und die stockfinsteren Strassen waren
so schmutzig, dass man oft bis über die Enkel in die, in der
Dunkelheit nicht zu bemerkenden, von Wasser überströmenden Rinn-
steine treten musste.
Zu unserem Glücke bemerkten wir eine Laterne, mit welcher
sich ein anderer Landstand vorleuchten Hess; dieser folgten wir nun,
so weit unser Weg zusammentraf. So ging es zuerst zu den Groas-
herzogl. Commissarien, dann zu sämmtlichen Landmarschällen und zu
allen Landräten von einem Ende der Stadt zum andern; denn der
eine wohnte hier am Thore, der andere dort am Markt oder in dieser
oder jener Strasse.
Man präsentirte sich, verweilte einige Minuten und empfahl sich
wieder. Die Herren Grossherzoglichen Commissarien, Landräte und
Landmarschälle schienen auf diesen herkömmlichen Abendbesuch
gefasst zu sein, der unausgesetzt so lange fortdauerte, bis alle
Anwesenden entweder einzeln oder mehrere zusammen nach und nach
ihren Vortritt gemacht hatten, und obgleich auch sie zum Teil an-
31
gegriffen von der Reise zu sein schienen, so waren sie doch alle sehr
freundlich und unterhielten sich zwar nur kurz, wie nicht anders
möglich, und über gleichgültige Dinge mit mehreren der Anwesenden.*^
Pogge spricht sich dann noch missbilligend über das Vorrecht
der adligen Rittergutsbesitzer aus, auf den Landtagen die rote Uniform
mit goldenen Epaulettes und Degen zu tragen. Ihm sei bekannt,
dass manche Gutsbesitzer sich schon deshalb vom Landtage entfernt
hielten, weil es ihnen empfindlich sei, sich hier gegen ihre jüngeren
adligen Nachbaren in der Kleidung zurückgesetzt zu sehen.
Beilage zu S. 25—28.
Aus den angedrnckten ErinneruDgen der Fran Pogge -Roggow,
geb. Behm.i)
Mein Schwiegervater hat niemals seine Landstandschaft durch
Teilnahme an den Verhandlungen des Landtages ausgeübt. Mein Mann
und mein Schwager wurden erst im Jahre 1832 nach dem Tode ihres
Vaters mit den Gütern belehnt. Im Jahre 1832 fiel der Landtag aus,
weil die Cholera im ganzen Lande herrschte, ward aber im Frühling
1833 nachgeholt. Graf Schlieffen wünschte sehr, dass mein Mann
und sein Bruder dahin kommen sollten, da er allerlei Vorträge dort
halten wollte und ihre Unterstützung dabei wünschte. Beide fühlten
sich aber noch nicht eingeweiht und folgten nicht. Graf Schliefl^en
hatte viele Kämpfe dort bestanden, für den Zoll -Verein gesprochen,
und sich sehr feinsinnig geäussert, war damit aber nur auf Wider-
sprüche gestossen und kam sehr entrüstet nach Hause. Das wieder-
holte sich in demselben Jahre im November in Sternberg. Wir waren
eben nach Roggow gezogen; gleich darauf verletzte ich mir einen
Fuss so, dass mein Mann mich tragen musste; auch erlaubten ihm
die Umstände keine längere Abwesenheit von Hause, und so ging er
abermals nicht zum Landtage, so wenig wie sein Bruder. Zu der
Zeit ward die Landstandschaft auf den Landtagen fast ausschliesslich
vom Adel vertreten und man sah die bürgerlichen Mitglieder der
Ritterschaft auch als wenig berechtigt dazu an. Es waren davon auch
lange nicht so viele, wie bald nachher; mit wenigen Ausnahmen waren
diese daher auch wenig unterrichtet und eingeweiht in ihre Rechte
und Pflichten. Zu diesen Ausnahmen gehörte der Justizrat Paepke
auf Lütjenhof p. p. Dieser war einer der gewandtesten und erfahrensten
Landstände von Allen, und durchaus routinirt in Beobachtung aller
äusseren Formen und Formalitäten.
1) Kenntnis und Abschrift danke ich Herrn Rittergutsbesitzer F. Pogge auf
Bartelshagen.
32
Dr. Schnelle-Buchholz und Stever-Wustrow hatten auch mitunter
die Landtage besucht. Man erfuhr aber im Lande garnicht, was dort
passirte; es wurde Nichts weiter bekannt, als was die Regierung
später publicirte. Seit dem Jahre 1798 bestand im Lande der patri-
otische Verein, doch früher unter anderem Namen, und damit in
Verbindung waren die Tierschauen und Pferderennen zum grossen
Teil durch Verdienste meines Schwagers entstanden. Der Grossherzog
pflegte alljährlich bedeutende Summen für diese gemeinnützigen Zwecke
zu geben. Graf von der Osten-Sacken war Haupt-Direktor und sehr
tätig dafür. Er wünschte, dass auch das Land Beiträge zahlen solle,
wusste aber, dass die Stände kein Interesse dafür hatten und wenig
dazu geneigt sein würden. Da es auf Stimmenmehrheit ankam, so
warb er solche und wandte sich auch an meinen Mann und Schwager.
Beide interessirten sich sehr für das Institut und reisten zum 1. Male
1834 zum Landtage nach Malchin. Da keine Tages-Ordnung statt-
fand und es ganz in der Willkür des dirigirenden Landrats steht,
was er vorbringen will, so mussten sie einige Tage daselbst warten,
bis der Gegenstand beraten wurde. Der Beitrag wurde bewilligt.
Mein Mann hatte diese Zeit benutzt zu seiner Belehrung und fand
grosses Interesse an den Verhandlungen. Als diese Sache abgetan
war, sagte ihnen Graf von der Osten-Sacken, sie könnten jetzt nur
wieder nach Hause reisen, denn nun gäbe es für sie doch nichts
mehr dort zu tun; sie fanden das aber nicht, blieben noch, reisten
auch noch öfter wieder in dem Jahre dorthin und von der Zeit an
alljährlich. Graf von der Osten-Sacken hat später selbst zu meinem
Schwager gesagt, man habe ihm die grössten Vorwürfe und Unan-
nehmlichkeiten gemacht, weil er ihnen die Bürgerlichen zum Landtag
brachte. Er hatte ausser meinem Mann und Schwager auch andere
dazu aufgefordert, von denen er wusste, dass sie sich für die Tier-
schau pp. interessirten.
33
Onkel Bräsig.
^In Reuters Schriften findet sich nicht jener subjektive Humor,
der sich in den die Erzählung begleitenden Bemerkungen des Autors
äussert, welche wie freundliche Schlaglichter auf die dargestellten
Personen und Vorgänge geworfen werden. Reuters Humor besteht
in der Kunst, in der Seele des Lesers Gemütsteilnahme und koniische
Empfindung zusammenwirken zu lassen.^
Diese meiner Einleitung zu Reuters Werken (Bd. 1, S. 47* f.)
entnommene Definition des Humors als einer Vereinigung der Komik
mit Gemütsempfindung fordert die Scheidung des Bräsigs, welcher
dem Leser in Reuters Stromtid entgegentritt, von dem Bräsig zweier
älterer Schriften Reuters, nämlich der 1855 entstandenen „Briefe des
Inspektors Bräsig* und der 1861 gedruckten „Abendteuer des Ent-
spekter Bräsigs*. In diesen beiden Schriften ist Bräsig eine aus-
schliesslich komische Figur, über welche der Leser lacht, ohne dass
in ihm eine warme Teilnahme für dieselbe erweckt wird. Erst die
Stromtid zeigt ihn als Träger des Humors, erst in ihr ist Reuter mit
ebenso grosser Kunst als Erfolg darauf bedacht, seinem Helden das
Herz der Leser zu gewinnen. Schon bei seinem ersten Auftreten,
bei der Kinderszene im Hause Nüsslers, im zweiten Kapitel, gelingt
es dem Dichter in vollendeter Weise die beiden Elemente, deren Ver-
einigung den Humor bedingt, in der Seele des Lesers gleichzeitig
wach zu rufen. Auch dadurch hat Reuter grosse Kunst bewiesen,
dass in diesem zweiten Kapitel die komischen Elemente noch zurück-
treten, so wohltuend sie auch von dem Leser empfunden werden,
weil sie die gedrückte, durch das erste tragische Kapitel erzeugte
Stimmung zu lösen beginnen. Die ernsten Elemente mussten in diesem
Kapitel noch überwiegen, weil es vor allem darauf ankam, Achtung,
Mitleid und Liebe für die Freunde Hawermann und Bräsig dem Leser
abzugewinnen. Seine Teilnahme an ihren Geschicken sollte bei spä-
teren Vorgängen nachwirken, die ohne jene Teilnahme rein komisch
erscheinen müssten.
Reuter hat es verstanden, in dem Bräsig der Stromtid eine
Figur zu schaffen, welche die ganze gebildete Welt entzückt und alle
theoretischen Ästhetiker, welche dem Wesen und den Erscheinungen
des Humors nachgehen, beschäftigt hat und noch beschäftigen wird.
Anderseits hat es nicht an Versuchen gefehlt ein lebendes Vorbild
ausfindig zu machen, welches das Urbild für Reuters Bräsig gewesen
sei. Alle diese Versuche konnten mit Aussicht auf Erfolg, da es sich
nicht wie bei ähnlichen Fragen der Goethe-Forschung um literarisch
Nl«derdeiit80h6B Jahrbuch XXXVI. 3
34
oder sonstwie bekannt gewordene Persönlichkeiten handelte, nur
von Zeit- und Heimatgenossen Reuters oder auf grund von Auskünften,
welche man von jenen empfing, angestellt werden.
Die seitherigen Versuche dieser Art, welche sämtlich die Methode
literarischer Feststellungen vermissen lassen, leiden an mehr als einem
Fehler. Man hat sich mehr oder weniger mit der blossen Behauptung
begnügt, da SS dieser oder jener alte Inspektor Reuters Vorbild ge-
wesen sei, ohne genauer festzustellen, inwieweit, d. h. in welchen
Einzelzügen Bräsig und sein vermeintliches Urbild übereinstimmen.
Ferner wird der Leser über die Quellen, aus welchen die verwertete
Auskunft geflossen ist, im Unklaren gelassen, er also nicht in den
Stand gesetzt, sich ein Urteil über die Glaubwürdigkeit der Bezeu-
gung zu bilden.
In meiner Reuterausgabe habe ich die verschiedenen Behaup-
tungen gebucht, ohne mich zu entscheiden. Ich glaubte auch an-
nehmen zu dürfen, dass der Stromtid-Bräsig nicht das Konterfei einer
einzelnen Person sei, sondern dass zu seinem Bild, dem Dichter
bewuBst oder unbewusst, eine Menge von Anschauungen mitgewirkt
haben, welche dem Dichter in seiner Heimat zugeflossen sind, z, t.
auch solche, welche er schon zu Gestalten seiner früheren Werke,
besonders zum Köster Suhr und Onkel Herse, verwertet hatte. Auch
an einen gewissen, jetzt ausgestorbenen Typ alter Inspektoren dachte
ich, denen man in Mecklenburg früher begegnete. Heute sind die
Inspektoren und Oberinspektoren der grossen Begüterungen Mecklen-
burgs Leute mit einer tüchtigen Schulbildung, welche sich zu ihrem
Berufe auf Fachschulen vorbereitet haben. In der ersten Hälfte des
vorigen Jahrhunderts war das anders. Es war keine Seltenheit, dass
ehemalige Tagelöhner mit dürftiger Dorfschulbildung durch ausser-
gewöhnliche Tüchtigkeit allmählich zu Schreibern und Inspektoren
aufrückten und Gütern vorgesetzt wurden, welche heute mehr als
eine Million Mark wert sind. Als Beispiel könnte ich einen ehemaligen
Inspektor nennen, der vielleicht in Frage kommt, wenn man nach
einem Vorbilde für den Hawermann der Stromtid sucht. Unter diesen
alten Inspektoren begegnete man vielen, welche ausser ihrer Tüchtigkeit
als Landwirte einen ausserordentlich guten natürlichen Verstand und
einen stark hervortretenden Bildungstrieb hatten, oft auch in dieser
Beziehung starkes Selbstbewusstsein verrieten. Die Folge waren ausser
dem Missingsch, welches in ihren Kreisen herrschend war, Redeblüten
der Art, wie sie Reuter seinem Bräsig in den Mund gelegt hat.
Ich bin auch heute noch der Meinung, dass Bräsig keine nach
einem einzelnen Vorbilde gezeichnete Figur ist, sondern — wie ich
oben ausgeführt habe — von sehr verschiedenen Modellen seine Züge
empfangen hat. Als eins dieser Modelle glaube ich in der Tat jenen
alten Inspektor Schecker nachweisen zu können, von welchem die
vox populi in Reuters Heimatstadt, als die Stromtid erschienen war,
mit Bestimmtheit behauptete, er sei Bräsigs Urbild. Erzählt wurde
mir, dass diese Behauptung besonders von einem Sohne des aus der
35
Franzosentid bekannten Fritz Sahlmann in Stavenhagen verbreitet
worden und den damaligen Bürgermeister v. Bülow veranlasst habe,
Reuter selbst bei seiner Anwesenheit zu befragen. Reuter habe
geantwortet, er könne es ja zugestehen, da Schecker längst gestorben
und seine Witwe und Söhne nach Amerika ausgewandert seien. Nach
anderer Überlieferung hat Reuter diese Auskunft nicht dem Bürger-
meister, sondern dem jungen Saalmann selbst gegeben.
Zur Bestätigung der früher verbreiteten Annahme, dass Bräsig
der Inspektor Schecker in Jürgenstorf bei Stavenhagen sei, hat Glagau
in seiner Reuterbiographie auch auf Folgendes hingewiesen. In den
ersten Auflagen der Franzosentid wird der Jürgenstorfer Inspektor,
auf dessen Pferde der Bürgermeister Reuter aus französischer
Gefangenschaft entflieht, Bräsig genannt, erst in den späteren Auf-
lagen ist für diesen Namen Nicolai eingesetzt, vgl. Reuters Werke,
Ausgabe Seelmanns, Bd. 3, S. 366, Z. 19. 22, S. 367, Z. 3.
Von der in und ausser Stavenhagen sich verbreitenden Behaup-
tung, dass Bräsig und Schecker eine Person seien, erhielt durch
Briefe aus der Heimat auch ein in Amerika (in Elkader, Staat Jowa)
lebender Sohn Scheckers Kenntnis. Merkwürdiger Weise, vielleicht
weil ihm der Bräsig des ;, Unterhai tungsblattes** und des ;,Schurr-Murr*
vor Augen stand, erregte diese Kunde seine Entrüstung, er glaubte
durch diese Gleichstellung das Andenken seines Vaters beschimpft.
In Briefen an Freunde und Fremde, auch an Zeitungen bekämpfte er
auf das Entschiedenste die Vorstellung, dass Bräsig Schecker sei, er
suchte wahrscheinlich zu machen, dass ein anderer Inspektor, namens
Wiese, Bräsigs Urbild sei. Seinem entschiedenen Auftreten ist es wohl
zumeist zuzuschreiben, dass die Suche nach Reuters Vorbild auf andere
Bahnen gelenkt wurde.
Als ich im Archiv der mecklenburgischen Ritter- und Landschaft
vom alten Schecker selbst herrührende Daten über sich fand, glaubte
ich, dass es zur Klärung der Frage beitragen werde, wenn Scheckers
noch lebender Sohn eine Darlegung seiner Gründe und eine zuverlässige
Schilderung seines Vaters mit einem kurzen Lebensabriss im Nieder-
deutschen Jahrbuche geben würde. Er versprach es mir, indem er
mir schrieb, er gehöre nicht zu den Leuten, die auf morgen ver-
schieben, was sie heute tun können. Ich habe vergeblich sein Manu-
skript erwartet. Kurz nach seiner Zusage hat ihn, den Achtzigjährigen
(geboren 2. Januar 1826 zu Jürgenstorf, gestorben 13. Oktober 1906 in
Elkader) der Tod heimgeholt. In Kurzem gibt seine Ansicht die folgende
Mitteilung wieder, die ich einem alten Zeitungsausschnitt entnehme.
Bi't Lesen von Herrn Entspekter Jochen Bräsig's Breiw an't
^ünterhaltungsblatt für Mecklenburg und Vorpommern^ steiht Ent-
spekter Wiese mit ein Mal liefhaftig vor mi, un verglik ick Bräsig^s
Sprak, un Ort un Wis' tau verteilen in sin Breiw', mit Entspekter
Wiese sin UnnerhoUung, denn is dat liksterwil ein un dat sülwig.
Fritz Reuter möt mit „Wiese*' up irgend 'ne Ort bekannt wooren sin
8*
36
un em dünn as ne Vorschrift brukt hewwen. Up des' Ort is Ent-
spekter Bräsig entstahn, an „Wiese^ sin roden, runden un bräsigen
Backen gewen em uck glik den Namen. Ick weit mi Entspekter
;,Wiese*' noch gaud tau besinnen, denn hei pleggt minen Vader af
un an tau besäuken. Min Vader gew nich veel um sinen Besäuk,
denn hei künn sin Gedrän nich utstahn, behandelt em äwer as jeren
annern mit Orichkeit un Fründlichkeit. „ Wiese ^ wir dünn tau mal
up ein von de Basedow'schen Gaurn, mein ick. So unangenem it
minen Vader wir, wenn Wiese antauriden kämm, so 'n Ulk makt it
mi, em verteilen tau hüren. Ick wir ungefähr tein bet twölf Jahr
olt, un wenn hei mi denn in Ottografie un Georgrafie examinirt, wir
it vor mi taum Dodlachen, un dit Lachen bröcht mi hüpig von min
Mudder 'n gehörigen Puckel vuU in. Ick müst äwer Wiese lachen
bi all dei Prügel, dei mi min Mudder denn up uns' Däl so millgäwern
taukamen let. ;,Dieses muss Du mich doch eingestehn, lieber Schecker,''
meint Wiese ein Mal, ^^dass ich viel mihr gelihrt habe as Du. Was
weiss so 'n Hannöwersch Bauersähn (min Vader wir 'n Bursähn bi
Celle in Hannover tau Haus) von Dekleniren und Cujeniren, von
Ottografie un Georgrafie, un unsen ollen Fritz ? — Nee, lieber Schecker,
da sünd wir in der Uckermark die Hanno ver'schen viel über.*^ Un
dorbi stünn hei dor so mastig un speit mit sin grot Pittschaft, dat
em bi sin'n runden Buk dal hüng. Min Vader wir äwer des' dumm-
dristig Frechheit so äwerrascht, dat sin Gesicht nix Gauds vermauden
let, äwer sin Gaudmäudigkeit behöU dei Babenhand. Ick äwer müst
ludhals lachen. As 'n Wind harr Mudder mi bi'n Wickel un dat
mit mi rut nah dei Däl, wo dei Exkutschon glik vornamen würr,
äwer ick müst dorbi likerst ümmer lachen — lachen un lachen.
Mi würr it von min Mudder streng verbaden, in dei Stuw tau kamen,
wenn Entspekter Wiese dor wir, äwer sin UnnerhoUung tög mi so
an, dat ick girn 'n Ledder vuU dorüm riskiren ded. Hei harr dei
Gaw', sin Sprak up sin Ort so gelihrt rut tau bringen, dat em min
Vader tauwilen gar nich verstahn künn (un süss uck kein Minsch)
wat öfters snurrige Saken taum Vorschin bröcht. Wer künn denn
dat Lachen laten? — „Ich begreif nich, lieber Schecker, wie Du
Dein Lud mit Dein Plattdeutsch so in Besong haben kannst,^ meint
Wiese einmal. „Ich liebe es, meine Lud tau impeniren. Wenn ich
hochdeutsch zu em sprech, denn stahn sie da, riten Maul un Ohren
auf, diese entfamtige Brut. In ihre eigene Dämlichkeit sünd die
Meckelnbörger selbsten die Hannoverschen über. Aber dat impenirt."
Ick müst werre lut up lachen, as Mudder dei Dör apen makt un
mi werre bi dei Slafitten kreg, um up dei Däl 'ne frische Exkutschon
mit mi vor tau nehmen. „Liebe Frau Madam Gemahlin,* lad sick
Entspekter Wiese in 't Middel, „laten Sie doch Körling hier. Es
ist ein verdeuwelt upgewecktes Kind. Laten Sie em hier un prügeln
Sie ihm ein anner Mal." — Mutter, dei sick vielleicht äwer ehren
bogen Titel verfihrt, ore sick villicht 'n beten scheniren ded, let mi
los. „Wie is es, mägen Sie auch Krewt, liebe Frau Madam Ge-
37
mahlin?'' frög Wiese min Mudder, as wi einmal bi Disch seten. Min
Madder kreg so 'n Kopp bi den Titel, meint äwer, dat sei tau'r
Verennerung woU mal 'n Gericht Krewt hewwen müggt. ^Denn warr
ich Ihnen bringen. Bei uns in die Peen' is das all vull. Sie sünd
nich gross, äwer man lütt, un sie krawweln man so in die Peen'
nimmer. Ich werde weck hölkern laten. Sei sünd nu gut. Wi
schreiben September mit 'n ;,r^, denn sünd sie gut. Würden wi
September ahn ^r* schreiben, denn wiren sie nich gut!^ Dat Lachen
süIl bi mi werre los gähn, äwer Mudder makte so verdächtige Teiken,
dat ick min Lachen noch glücklich verbieten künn. ^Lieber Schecker,
wie is es mit Dich? Du ettst die Krewt auch girn, nich wohr?"
„I, ja,^ meint min Vader. „Du hast auch recht, denn gut gekocht'
Krewt sünd 'ne wohre Delikumtess. Ich werde bringen.^ — Ick
makte, dat ick rut kämm. Bi so'n tein- bis twölQährigen Jungen
sitt dei Lachlust sihr los\ taumal bi mi tau dei Tid; un wil ick dat
Lachen bi dei „Delikumtess^ nich mihr verbieten künn, wuU ick min
Mudder doch dei Mäuh sparen mi rut tau bringen, wotau sei all up*n
Sprung set. För mi wiren it wohre Festdag', wenn dei Herr Ent-
spekter Wiese uns besöcht, obschonst it dorbi gemeinhen hellsehen
wat up dei Jack gew, un Wiese freut sick ümmer äwer min Lachen,
as'n Teiken, dat ick'n verdeuwelt muntern upgeweckten Jung wir.
— Haha!
„Wie weit büst Du denn nu all in die Ottografie, Körling?^
frög Wiese mit ein Mal. „Büst Du all bi den ollen Fritzen?^ Dei
oll Fritz wir sin Mann. För den wir hei bet up dat Üterst be-
geistert un wüss Wunnerding von den tau verteilen.
„ün wenn der olle Fritze kümmt,
Ün kloppt sick up sin Hosen,
Denn löppt dei ganze Reichsarmee,
Panduren un Franzosen.
Den Spruch merke Dich, Körling. Dei beschreibt den ollen
Fritz besser, as dei ganze Ottografie.*^ — »Wer kümmt denn dor
dörch dei Lindenallee tau riden?^ frög nun min Vader einen Sünndag.
„Dat is jo Wiese,^ säd min Mudder. „Ach, sine Besäuke kamen mi
doch ucic bald tau oft,^ klagt min Vader. „Hei hett 'ne grote Kiep
up'n Nacken,'' säd Mudder im güng em bet vor dei Dör entgegen.
„Hier bring ich die Krewt." „l&err Wiese, wo seihn Sei ut,'' rep
min Mudder ganz verzufft. „Ja, so kann es einen gehen. Ich werde
Ihre Unkenntniss von die Sache upklären.** „Wiese, wat is Di passiert?''
frög min Vader ebenso äwerrascht. „Ja, so kann es einen gehen,
lieber Schecker. Die Meckelnbörger sünd dat leegste Volk, das wir
in Deutschland un Preussen haben, dorüm beraufen sick dei Eddellüd,
wenn sei könen, uck ehr Entspekters ümmer aus annere Länner. So
as mich un Dich. — Wir haben dor einen recht nägenklauken Knecht.
Einen ganz entfahmigten Bengel. Was meinst Du, was der Bengel
gestern duhn duht? Dicht in meine Gegenwärtigkeit sleiht er tuschen
die Pferde, as wenn er nich klauk is. Ich will ihm dörch feine
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Bildung imperoiereD un segg: worum slägst Du dit Pferd, das un-
vernünftige Kretur? Dei entfahmte Bengel in seine dumme Dämlich-
keit un Leegigkeit weiss jo nix von Bildung un meint, ich hab^ ihm
'ne unvernünftig Kretur heiten un slägt mich mit seinen Peitschen-
stock äwer die Näs\ dass das Blaud so spritzt. Ich packe ihm, um
em mit meiner Forsche zu vermalmen. Da schrigt er nu un segt,
ich sali ihm doch gehen laten, hei hett sick verhürt. Was sollt ich
duhn? — Ein Mann mit Bildung litt lieber Unrecht, as dass er Un-
recht duhn duht: un so let ich ihm laufen. Aber, lieber Schecker,
dese Wehdage. Du glaubst gor nich, was ich für Wehdage die ganze
Nacht hatt heww. Es is gor nich tau beschreiben/ — ^Na, dat
glöwt ick em up't Wurd tau, ahn tau lachen. Dat ein Og wir tau-
swullen un dei Näs' seg ut, as wenn hei 'ne Hand vull Wustfleisch
tuschen sine roden, runden, bräsigen Backen liggen harr! Ne Näs'
künn einer tuschen dat Blaud, roh Fleisch un Hut nich finnen. —
Ick heww em bedurt. So vel ick weit, wir it dat letzt Mal, dat ick
em seihn heww. So um 1847 herum wir Wiese Entspekter up'n
Gaud, wovon mi dei Nam entfoUen is, äwer tuschen Klink an dei
Müritz und Blücher lag. Von hir ut hett hei mal minen Unkel, der
Schäper in Stuer wir, besöcht. Hei hett sick als Entspekter vor-
stellt ; hett minen Unkel verteilt, dat sin Vader Pachtschäper wesen
wir, un dat hei em besäuken wull ut Achtung vor sinen Swager, den
Entspekter Schecker in Jürgensdörp, wat 'n gauden Fründ tau em
wir. In'n äwrigen gew hei nix um n' Schäper, wenn hei uck sülwst
davon herstammt. — |,It is mi leiw, Herr Entspekter, dat Sei mi
dat so uprichtig verteilen,^ giwwt min Unkel em tau'r Antwurd, „un
wil min Stellung it mi verbütt, fründschaftlichen Umgang mit'n Herrn
Entspekter tau hewwen, sünd Sei woU so gaud un riden werre nah
Hus. — Adschüs!^ Dei Herr Entspekter Wiese müst sick werre tau
Pird setten, ahn min Unkel sin Hus betreden tau hewwen. — Dit
wir dat letzt Mal, dat ick von em hürt heww, bün äwer fast äwer-
tügt, dat hei Fritz Reutern as Muster deint hett, ahn it villicht tau
weiten ore tau ahnen. Charles Schecker.
Ich habe nun selbst versucht einiges Material zur Entscheidung
der Frage zusammenzubringen.
Nach dem übereinstimmenden Bericht mehrerer Zeitgenossen
Scheckers stammte dieser aus dem Hannoverschen und war in den
Dienst des Landrats v. örtzen auf Kittendorf, 8 km südlich von
Stavenhagen, als Reitknecht getreten. Später wurde er Stallmeister,
dann wegen seiner ganz ausserordentlichen landwirtschaftlichen Tüch-
tigkeit Schreiber d. h. Gutsverwalter. Als solchem vertraute ihm
sein Gutsherr die Verwaltung seiner grossen Güter Jürgenstorf und
Vosshagen an. Er war zweimal verheiratet, seine zweite Frau stammte
aus Kittendorf und hat ihn überlebt. Ihre beiden Söhne gingen 1850
nach Amerika, gründeten sich dort eine Existenz, und der eine holte
dann seine Mutter hinüber.
89
Über des alten Inspektors Schecker Todesjahr gibt sein wohl-
erhaltenes steinernes Grabkreuz auf dem Kirchhofe in Jürgenstorf,
nördlich in der Verlängerungslinie der Axe der Kirche, zuverlässige
Auskunft. Seine Inschrift lautet:
Hier ruhet
der Wirtschafts -Inspector
J. F. Schecker
geb. d. 20. Septbr. 1775
zu Obershausen in Hannover
gest. d. 18. Octbr.
1848
Die Geburtsdaten sind auf dem Grabstein wohl aus ungenauer Er-
innerung angegeben. Scheckers eigene Angaben bietet die folgende
Aufzeichnung.
Jürgensdorff und Voshagen. 30. August 1819.
1. Job Friedr. Schecker, Schreiber [d. h. Gutsverwalter], geb. 19. September
1776 in Obershagen. 15 Jahr ortsansässig. Wittwer. Lutherisch. Aus dem
Hannöv.
2. Caroline Doroth. Schecker, Tochter, geb. 30. Aug. 1812 in Kittendorf.
3. Heinr. Friedr. Schecker, Sohn, geb. 27. Mai 1816 in Kittendorf.
Kittendorf
467.* 7oh. Joach. Schecker, Schneiderlehrling, geb. 8. April 1804 in Kittendorf.
Scheckers Sohn aus zweiter Ehe, der mit seiner Mutter nach
Amerika ausgewanderte Karl, ist 1906 im Alter von 83 Jahren ge-
storben. Es lässt sich ausrechnen, dass Schecker 1804 nach Kitten-
dorf, frühestens 1815 nach Jürgenstorf, das zu jenem gehörte, ge-
kommen und längstens von 1815 bis 1822 Witwer war. In diese
Zeit muss also fallen, was Reuter in der Stromtid Kap. 11 (Reuters
Werke 2, 197 Z. 20) erwähnt ;,oll Entspekter Schecker würw um
min Tanten Schäning ehre Hand mit en fetten Kuhnhahn. ^ Diese
Stelle beweist, dass der alte Schecker schon während Reuters
Jugendjahre in seinem Vaterhause verkehrt hat und dem Dichter
schon früh bekannt geworden sein muss.
Ich habe über Schecker bei zwei Leuten, die ihn oft gesehen
hatten und sich seiner noch deutlich erinnerten, Erkundigung ein-
ziehen können. Der eine von diesen ist der alte 1826 geborene
Sattler und Tapezierer Karl Isack in Stavenhagen. In seiner Jugend
ist dieser zusammen mit Scheckers Sohn Karl bei dem Pastor Kon-
rad Fuchs (1809 — 1849) in Kittendorf in Pension gewesen, um von
diesem und seinem Sohne, dem damaligen cand. theol. Fuchs unter-
richtet zu werden. Während dieser Zeit und auch sonst in den
1830er Jahren hat er öfter den jungen Karl Schecker nach Jürgens-
torf begleitet oder ihn hier besucht und hat oftmals zusammen mit
dessen Vater und der ganzen Familie am Frühstückstische gesessen
und das gute Bier getrunken, das Frau Schecker zu brauen verstand.
Der äusseren Erscheinung des alten Schecker erinnerte er sich so
genau, als wenn er vor ihm sässe. Er sei ein kleiner Mann gewesen,
etwa ein halben Kopf kleiner als er, mein Gewährsmann. Da dieser
40
172 cm gross ist, würde Schecker also eine Grösse von c. 160 cm
gehabt haben. Er sei etwas korpulent gewesen, sein Gesicht von
gesunder, aber nicht auffälliger Röte, fast bartlos. Auffielen die
starken ;,buschigen^ Augenbrauen. Seine kurze Nase sei etwas auf-
gestülpt, die Spitze nach oben gerichtet gewesen. Getragen habe er,
wie meist damals die Inspektoren, einen Leinewandkittel und Stiefel
mit gelben Stulpen. An seine Kopfbedeckung erinnere er sich nicht,
er habe ihn wohl meist nur in der Stube gesehen. Wenn er ging,
trat er wie Inspektors Mode ist recht krähnsch (selbstbewusst, spreizig)
auf. Er sprach, wenn er hochdeutsch redete, missingsch. Seine
Sprache sei hannoversch gewesen, vielleicht nicht die Worte, aber
doch die nichtmecklenburgische Aussprache, z. b. beim r. Er er-
innere sich noch, dass er einmal zu seinem Sohne sagte: „Korl, ick
mein, du smärst de Botter tau dick up!^ Karl habe erwidert:
^Yadding, ick denk, man mutt de Bodda (dd lenis) tau Hümpel holten.^
Die Mecklenburger sprechen die Endsilbe -er nicht, sondern -a dafür ;
der alte Schecker sprach dagegen immer deutlich -er. Nach seiner
Erinnerung hat der alte Schecker stets vernünftig und schlicht ge-
redet; er habe durchaus nicht so drollig und komisch geredet und
getan, wie Bräsig bei Reuter. Es sei ganz unmöglich, dass es ihm
gegangen wäre, wie dem Bräsig in Berlin. Sein Freund Karl Schecker
sei auch ganz ausser sich, wenn er höre, dass sein Vater für Bräsig
gehalten werde. Das sei ein Gerede, welches von dem jungen Saal-
mann aufgebracht sei und diesem könne man nicht alles glauben.
Das weitere Gespräch ergab, dass mein Gewährsmann die Strom-
tid zu der Zeit, als sie erschienen war, zwar gelesen hatte, sein
Urteil aber über die Ähnlichkeit zwischen Bräsig und Schecker eines-
teils durch Scheckers Sohn beeinflusst war, anderseits sich auf
die im ;,Schurr-Murr* enthaltenen ^ Abendteuer des Entspekter
Bräsig stützte.
Nachdem ich die hier wiedergegebenen Einzelheiten über die
äussere Erscheinung Scheckers erkundet hatte, las ich meinem Ge-
währsmann folgende Stelle aus der ^yStromtid*' (Bd. 2, S. 36, Z. 16) vor:
;,As de lütten Dirns up den Hof kemen, kämm in't Dur en
lütten Mann rinne mit en rödlich Gesicht un 'ne recht staatsche rode
Näs', de hei wat in de Luft höU; up den Kopp hadd hei 'ne vir-
timpige Mutz, vor mit ^ne Troddel, äwer 'ne eigentliche Kalür hadd
sei nich; up den Liw' hadd hei en grisen linnen Kittel mit lange
Slippen, un sine körten Beinings, de hellsehen utwarts stunnen uu
so leten, as wiren sei in dat lange Bawenliw verkihrt inschrawen
worden, steken in 'ne körte blagstripige Drellhos' un in lange Stäweln
mit gele Stulpen. Hei was grad nich vüllig; äwer mager was hei ok
nich, un einer kunn seibn, dat hei all anfung, sick en lütten Buk
stahn tau laten.^
Mein Zuhörer war sichtlich überrascht durch diese Schilderung
Bräsigs und brach in die Worte aus: ,,Da möchte man freilich
schwören, dass Schecker gemeint ist,^ noch ehe er den kurz auf jene
41
Stelle der Stromtid folgenden Satz hörte ^(Bräsig) tröck de gel
buschigen Ogenbranen so hoch, dat se ganz unner dat Schut (Schirm)
von de timpig Mutz tau sitten kernen.^ Reuter hatte an dieser Stelle
für Bräsigs Augenbrauen denselben Ausdruck, mit welchem — unab-
hängig von Reuter — mein Zuhörer sie mir beschrieben hatte.
. Auch die Stelle Bd. 2, 41, Z. 41 las ich vor ;,De Herr Ent-
spekter Bräsig was dat kunträre Gegendeil von Jung-Jochen; denn
eins lep hei in de Stuw' rümmer, denn eins satt hei up en Staul,
denn up 'ne Dischkant un arbeitete mit sine lütten Bein vor üpregung
un ünrauh as en Lin'nwewer.
Hierzu bemerkte Isak, dass er Schecker nie anders als einen
nihig sich bewegenden Mann gesehen habe, aber seine ;, Constitution"
sei wohl darnach angetan gewesen, dass er ihn, wenn er aufgeregt
war, sich so vorstellen würde.
Der alte Tagelöhner Bock, oll Bock, in Vosshagen, geboren
1827, erzählte mir am 26. März 1Ü07 vom alten Schecker, unter
dem er 3V2 Jahre, 1845 — 1848, gedient hat, folgendes, das ich getreu
nach meiner während des Gespräches gemachten Niederschrift wie-
dergebe.
Schecker ist damals ein ganzes Jahr krank gewesen, er war
nicht gross, aber vordem ganz dick, nach seiner Krankheit war er
ganz dünn un behenn (dünn und schmächtig). Er hatte eine lütt
Wenigkeit von Bort, aber nich veel, einen ganz kleinen Backenbart,
keinen Schnurr- oder Kinnbart. Von Kittendorf war er als Wirt-
schafter nach Jürgenstorf gekommen. Von seiner ersten Frau hatte
er zwei Mädchen, eine heiratete einen Stallmeister in Stemmermühlen,
von der zweiten zwei Jungen. Hei harr blag ore blaggris Ogen,
bewegte sie und den Kopf, wenn er mit einem redete, immer von
bawen na siden un siden na bawen. Wenn er ging oder ritt, hielt
er den Kopf ganz ruhig. Zu den Leuten sprach er immer Platt, so
ein hannoversch Platt. Zu andern Plattdeutsch und Hochdeutsch
dazwischen. (Frage: Hatte er starke Augenbrauen?) Ja, er hatte
dicke Augenlider. Er trug stets eine braune rauhe Mütze, ähnlich
wie einen Pudel (Pudelmütze), bawen langspitz (d. h. sie ging oben
in einer langen Schnitellinie spitz zusammen) mit einem nach unten
getragenen Mützenschirm (d. h. wohl, dass der Schirm zurückgeschlagen
getragen werden konnte). Er hatte einen braunen Slippenrock mit
langen Slippeu. Alle Tage hatte er seinen Slippenrock an. Im Hause
rauchte er fortwährend eine lange Pfeife. Gicht hat er nie gehabt.
Er trug zweinätige Stiefel. Hoor harr hei noch adel orig up den
Kopp, hei harre sonn blond Hoor, swart Hoor harre nich. Wenn
hei in de Stuw sät, denn sät hei ruhig wiss un rook sin lang Pip.
Unruhig wir hei nich, dat kann ick nich seggen. Auf die Frage, ob
Schecker Fritz Reuter gekannt habe, erkundigte er sich bei seinem
Stiefsohn „dat was ja woll dei Dichter?^ Ick glöw, sei harrn en
bäten Bekanntschaft, doch habe er ihn nie gesehen. Wenn Schecker
42
de Türen harr, wir hei sihr god. Wenn er aber jemand auf un-
rechten Wegen ertappte, dann war er sehr arg und dull, denn dög
hei nich. Reisen unternahm er nicht, höchstens mit seiner Frau nach
Stavenhaven zu einem Balle. Als er einmal einen ans Mul slög, einen
groten Eirl, harr hei ornlich in dei Höcht springen mösst.
Von anderer Seite konnte ich in Jürgenstorf, Kittendorf und
Stavenhagen Nichts erkunden, was zur Ergänzung obiger Mitteilungen
dienen konnte. Wohl erinnerten sich noch viele Scheckers, ihre Er-
innerung beschränkte sich aber darauf, dass er ein untersetzter dicker
Mann war, und aus ihrer Schilderung der Verhältnisse in alter Zeit
ging hervor, dass die Inspektoren aller Güter in der Nähe Staven-
hagens in dieser Stadt, also auch Reuter, bekannt waren, ferner dass
die Bräsig von Reuter zugeschriebene Tracht, die gelben Stulpen-
stiefeln, der leinen Rock mit den langen Slippen und die viertimpige
Mütze in den 1830er und auch 1840er Jahren ganz allgemein In-
spektorstracht war. Über Wiese wusste mir Niemand genauere Aus-
kunft zu geben.
Es ist nicht viel, was ich über Schecker in Erfahrung bringen
konnte. Es reicht nicht aus die Frage, ob er Reuters Vorbild für
Bräsig gewesen ist, völlig klarzustellen. Allensfalls genügt es aber
um mit einiger Sicherheit auszusprechen: wenn Scheckers Vorbild
die Bräsigfigur beeinflusst hat — und ich glaube, dass es der Fall
war — , dann hat sich diese Beeinflussung im Wesentlichen auf die
äussere Erscheinung beschränkt. Reuters dichterische Phantasie
pflegte nicht gern mit abstrakt konstruierten Figuren zu operieren,
sie brauchte von dem Dichter mit Augen geschaute Menschen mit
Fleisch und Blut. Er schuf Gestalten der Dichtung, indem er aus
dem wirklichen Leben genommene gewissermassen umschuf.
43
Der Stayenhagener ReforiuTerem.
Reformvereine — heute würden sie sich fortschrittliche Vereine
nennen — gab es 1848 in fast allen mecklenburgischen Städten. Auch
in Rahnsstädt folgte man nach der Schilderung Reuters dem all-
gemeinen Beispiele, und der hier entstandene Reformverein, seine Ver-
handlungen und sein Verbrüderungsfest tritt in mehreren Kapiteln
des dritten Teiles der Stromtid derartig in den Vordergrund der
Erzählung und ist mit Aufgebot so vieler anscheinend oder tatsächlich
lokaler Bezüge geschildert, dass wohl mancher Leser den Eindruck
gewinnt, Reuter habe in seine Schilderung eine Fülle von Begebnissen
aus der Geschichte des Stavenhagener Reformvereins verflochten. Ich
habe deshalb nicht versäumt, als ich ehemalige Mitglieder dieses
Vereins kennen lernte, diese über ihre Erinnerungen auszuforschen
und insbesondere über allerlei in der Stromtid berichtete Einzelheiten
zu befragen. Meine Gewährsleute waren besonders der Rentner und
ehemalige Kaufmann Moritz Meyer und der Tapezierer Isack. Ersterer
war von Anfang an ein eifriges Mitglied des Stavenhagener Reform-
vereins, letzterer war erst, nachdem der Verein eine kürzere Zeit
bestanden hatte, in seine Vaterstadt Stavenhagen zurückgekehrt. Über
Reuters Teilnahme am Vereinsleben wusste nur Meyer Auskunft zu
geben, Isack erinnerte sich dagegen nicht, Reuter im Verein sprechen
gehört zu haben. Ohne Zweifel war Isack erst Mitglied geworden,
nachdem Reuter Ende April 1848 als Abgeordneter nach Schwerin
gegangen war, von wo er erst im Juni zurückkehrte. Erzählt wurde
damals in Stavenhagen, Reuter sei während der Zeit, die er als
Abgeordneter in Schwerin verlebt hatte, einmal in einem Gasthause
am Pfaffenteiche von einem „Koller" befallen und durch das Fenster,
ein Stockwerk tief, auf die Strasse gesprungen.
Der Stavenhagener Reformverein hatte seine Sitzungen in dem
oberen Saale des Metzeschen Gasthauses — heute das deutsche Haus
— auf der Neuen Strasse. Vorsitzender war von Anfang bis Ende der
Apotheker Grischow, Schriftführer Kantor Hundt. Reuter hat oft
das Wort ergriffen, aber nie ein Amt in dem Vereine bekleidet, es
ist also unmöglich zutreffend, was von mehreren seiner Biographen
erzählt wird : Reuter sei eine Zeitlang Vorsitzender des Reformvereins
gewesen, habe wegen der Dummheit der Mitglieder aber sein Amt
niedergelegt, und seinen Austritt aus dem Verein erklärt. Hiermit
nicht einverstanden, haben ihn die versammelten Mitglieder umringt
und gebeten, zu bleiben oder doch anzugeben, was ihn etwa verletzt
habe. „Fritz Reuter weicht aus; die Tür zu erreichen, ist alles was
er begehrt. Endlich hat er den Türdrücker gefasst; 4ch will Euch
44
sagen,' ruft er nun mit seiner vollen Stimme, *warum ich aus dem
Verein trete!' Allgemeine Stille und Erwartung. 'li sid mi all tau
dumm, ji Schapsköpp !' — Und er ist aus der Tür." Diese Anekdote
kann, wie gesagt, keine wahre Begebenheit berichten, freilich mag
recht wohl Reuter selbst einmal etwas Ähnliches erzählt haben. Er
liebte es lustige Geschichtchen als eigene Erlebnisse zum besten zu geben.
Meine Gewährsmänner wussten sich nur harmloser Ausgelassen-
heiten aus dem Vereinsleben zu erinnern, z. B. einer Art Bierreise
von dem Metzeschen Gasthause iu ein anderes, wobei man im Auf-
zuge über die Strasse einen hölzernen oder töneren Gambrinus nebst
zugehöriger Tonne mit sich nahm. Femer dass man Rotwein in
Seideln — die Flasche Rotwein war damals vom Kaufmann zu
20 Schillingen (50 Pfennig), im Wirtshause zum doppelten Preise
zu haben — Reformbier nannte. Natürlich hatte man auch eine
Fahne, ein Protokollbuch u. dgl.
Meine Gewährsleute erinnerten sich keiner einzigen Sache,
die in der Schilderung des Rahnstädter Reformvereins Verwertung
gefunden hat; abgesehen von der Gewohnheit des Färbers Ladendorf,
das Wort „meinswegen" ständig im Munde zu haben. Auch die
Rednerbühne sei durchaus keine Tonne oder ihr ähnlich gewesen.
Nach den mir gemachten Mitteilungen kann ich nicht mehr
daran zweifeln, dass Reuter die einzelnen Züge seiner Schilderung
von. dem Treiben und Begebenheiten im Rahnstädter Reformverein
entweder erfunden oder, was wenigstens zum Teil wahrscheinlich ist,
aus anderen Quellen geschöpft hat. Über eine derselben belehrt uns
ein von Heinrich Klenz in seinen ,, Erläuterungen zu Fritz Reuters
Werken II S. 64" gegebener Hinweis auf eine Stelle in Ludwig
Reinhards, eines Freundes Reuters, ^Komischen Spaziergängen
(Coburg 1867)" S. 160. Ich wiederhole diese Stelle hier, weil sie
gleichfalls die von Gädertz (Reutertage 1, 12) behauptete, von mir
bereits im Ndd. Jahrbuche 29 S. 45 mit aller Entschiedenheit be-
strittene Abhängigkeit Reuters von dem Darmstädter Dialektdichter
Niebergall in der wünschenswertesten Weise widerlegt. Sie lautet:
;,Um . . auf mich selbst, den Schreiber dieser Blätter, zu kommen,
so muss ich gelegentlich hier meinen Freund Fritz Reuter berichtigen.
Derselbe lässt mich unter der Firma ,Avkat Rein' im Rahnstädter
Reform verein, zu dessen Präsidenten er mich macht, wundersame Neuig-
keiten aus der Zeitung vorlesen. Auf der Insel Ferro sei der erste
Meridian einer Reparatur bedürftig geworden, und es entstehe die
Frage, wer die Kosten tragen solle; in Anbetracht des teurer gewor-
denen Walfischtrans weigerten sich die Anwohner des Nordpols, die
Erdachse noch ferner für den bisherigen Lohn zu schmieren. Die
Sache selbst hat ihre volle Richtigkeit, ist indessen nicht im fingirten
Rahnstädt in Scene gegangen, sondern in Rostock, und zwar im Speise-
zimmer der Stadt Braunschweig, i) Auch bestand die Zuhörerschaft
') Heute Pohleys Hotel, Steinstrasse 7.
45
nicht ans einem versammelten Reformverein, sondern aus einem von
seiner aussergewöhnlichen Klugheit vollständig überzeugten Kaufmann
aus Bremen. Dünkelvolle Grossstädter gehen besonders gut zu mysti-
ficiren. Demselben Bremer Kaufmann wurde dann noch ferner aus
der Zeitung vorgelesen, dass ein vom Sturm verschlagenes Schiff Ihrer
Majestät der Königin von Grossbritannien einen dritten Wendekreis,
den Wendekreis der Krabben, entdeckt habe; desgleichen, dass in
Folge heftiger Wirbelwinde in einigen Tälern der Schweiz sich Luft-
knoten gebildet hätten, zu deren Beseitigung man aus der Nachbar-
schaft Alles, was eine Sense heben könne, aufgeboten habe; endlich,
dass in Schottland eine Ramme erfunden sei, deren Block von unten
nach oben fliege und durch vereinte Kraft wieder heruntergezogen
werden müsse -- einem Techniker sei es nämlich gelungen, den Schwer-
punkt verkehrt anzubringen."
Das Goliath-Lied des berühmten Dichters.
(Stromtid Kap. 26.)
Zu Schluss des 26. Kapitel der Stromtid bricht Bräsig, der
Pomuchelskopps Absicht den Priesteracker zu pachten errät, in die
Worte aus ;,ich stech Dir einen Sticken. — Horch an's End, sagt
Kotelmann. — Zamel Pomuchelskopp, wir sprechen uns noch mal!
— Wo sagt der berühmte Dicliter von Daviden und Goliathen? indem
ich mir als Daviden betrachte und ihn als Goliathen. ^Hei namm de
Sluder in de Fust un smet em an den Bregen, dat't man so prust't.'
Un wo schön sagt derselbige berühmte Dichter in seine herrlichen
Slussworten: 'So geiht't de Prahlhans' alle Tid, un wenn sei mein'n,
sei stahn, denn ligg'n sei in de Schit'. — ün so soll dich das gehen,
Zamel.« (Reuter Bd. 2, S. 406, Z. 2—10.)
Den bekannten auf Goliath bezüglichen Gedichten von Matthias
Claudius und Christian Hinrich Wolke sind die von Bräsig an-
geführten Worte nicht entnommen; auch nicht Enslins Gedichten
für die Jugend (Frankfurt a. M. 1846, S. 134) oder (Albrechts)
Plattdeutschen Gedichten (2. Aufl., Magdeburg 1822, Bd. 1 S. 9).
Bräsigs berühmter Dichter ist vielmehr ein Anonymus des 18. Jahr-
hunderts. Sein im Volksmunde des östlichen Norddeutschlands früher
ohne Zweifel als gesungenes Lied sehr verbreitetes Gedicht ist uns
erhalten. Es findet sich eine Fassung dssselben in Büschings und
von der Hagens Sammlung deutscher Volkslieder (Berlin 1807), S. 66,
Nr. 27, und war, wie von der Hagen bemerkt ;,nebst der Melodie aus
46
dem Munde des (schon damals) verstorbenen Predigers Wolf zu Spiegel-
berg (bei Prenzlau) in der Uckermark^ aufgezeichnet.
Von den 15 Strophen des Liedes kommen zur Vergleichung die
12. und 13. in Betracht.
12.
Dünn kunn he dat Dings nick länger anlwreti,
He müssf den Karl reckt gluhpsch verfahren;
He kreeg de Schinder in de Fast
Un schmeet em in^en Brägen, dat he so prnscht;
He schmeet em 'en Loch in'en Kopp herin:
Davan müssf he des Doodes sien.
13.
He häuf em Vw Kopp af met sien Schwert,
He haddH verdeent, he wass't ok wert;
De turrher wol(l) wull dusent schiahn,
Müsst^ nu ran een'n Schmeet liggen gähn.
So geiht (L geihft) de PrahlhänT alletiet:
Wenn se sülln stahn, is de Fall ok nich wiet.
Von diesem Goliath-Liede sind mehrere Gestaltungen bekannt.
Ä, Der von v. d. Hagen aufgezeichnete Text, aus welchem die
mitgeteilten Stücke entnommen sind. Anfang: Davidken sien Vader
dat was en schmuck Mann.
B. Eine kürzere Fassung mit ursprünglich 5 Strophen, welche
teilweise denselben Wortlaut wie in der Fassung A haben. Gedruckt
bei: Erk u. Irmer, Die deutschen Volkslieder, Heft 2, S. 36 (Aus
der Mark Brandenburg, Anfang : Hört moal wat ick ju seggen will) ;
Firmenich, Germaniens Völkerstimmen 1, S. 123. (Aus dem Oder-
bruche); Neue Preussische Provinzial-Blätter 9 (1850) S. 255 (Aus
Ostpreussen, Anfang: Höhlt mich mal een kleen beetken stall); H.
Frischbier, Preussische Volkslieder. Königsberg 1877 S. 57, vgl. S. 96.
(Mit 2 hinzugefügten jüngeren, im Ganzen also 7 Strophen. Aus
dem Samlande.)
C, Eine Gestaltung mit 6 vierzeiligen Strophen in der Mund-
art des grossen Werders ist bei Robert Dorr, Twöschen Wiessei on
Noacht (Eibingen 1862) S. 60 gedruckt. (Anfang: Heert Herren wat
öck verteilen wöll).
D, Die bei Aug. Zarnack, Deutsche Volkslieder für Volks-
schulen Th. 2 (Berlin 1820) S. 21 gedruckte Fassung mit 9 meist
wörtlich zu A stimmenden Strophen.
E. Das Gedicht David un Goliath in dem Buche von dem
Schleswigschen Prediger J. R. F. Augustiny „Achtem Äben oder Platt-
dütsches Välksbok. Tohopstäkt un ut egen Fabrik.*' Flensburg 1857.
S. 55-57.
47
Von diesen 4 Gestaltungen des Liedes ist m. E. B die ursprüng-
lichste. Aus ihr ist Ä durch Hinzufügung neuer Strophen erweitert,
und aus ihr C durch Umdichtung in 4-zeilige Strophen gekürzt. D
ist nichts als eine aus pädagogischen und ästhetischen Gründen
erfolgte willkührliche Zustutzung von Ä durch Zarnack selbst.
Auch E ist augenscheinlich durch jüngere Zusätze aus einer
Fassung und einem Texte, welcher von Ä nur wenig abwich, erweitert.
Es schliesst mit folgenden Versen:
Da konn David dat Dink nick länger an/töreti,
He däh den Ooliath gUibsch mrfehren.
He nehm de Slvder in de Ftiss (Famt)
TJn smet em an'n Bregen, dat puss (l, dait prt^ss).
He hau em de Kopp af mit sien egen Swert,
He harret verdeent un wehr et wert.
De süns wol Dusend Mann harr sldn
MtAss nu von en Smät ligg^n gän.
Awers so geiht et de Prahlhansen altid,
Wenn se meent, se stdht, so liggt se op de Sid,
Diese Fassung stimmt allein zu den Yon Reuter angeführten Stellen
darin, dass die Worte Wenn se meent etc. den Schluss des Ge-
dichtes bilden. Ferner stimmt dieser Schlussvers auch im Wortlaut
besser zu Reuter, wie die folgende Zusammenstellung zeigt:
Reuter: wenn sei meinen, sei stahn, denn ligg'n sei in de Schit.
A: wenn se süllen stahn, is de Fall ok nich tötet.
Es wird hierdurch bewiesen, dass Reuter aus dem Volksmund eine
Fassung des Goliath-Liedes bekannt war, auf welche der Text von E
zurückweist.
Zur hochdeutschen ürgestalt yon Reuters
Stromtid.
In der Ürgestalt wird nach Gädertz' Reuter -Reliquien S. 219
erzählt, dass der junge Herr von Hakensterz — in der Stromtid ist
aus ihm Axel von Rambow geworden — glaubt eine Erfindung
gemacht zu haben, wodurch die Pferde bei der Ackerbestellung mehr
oder weniger überflüssig werden. Die Erfindung besteht darin, dass
mächtige Papierdrachen so mit Ackergeräten verbunden werden, dass
der Wind in sie hineinbläst und sie unter seinem Drucke Eggen,
Pflüge usw. vorwärtsziehen. Der erste Versuch, den Herr v. Haken-
sterz in Habermanns Abwesenheit anstellt, lässt sich anfangs ver-
heissungsvoll an. Es soll eine Egge gezogen werden. ;,Die Drachen
48
ziehen an, ein frischer Wind bläst, und zum Entzücken des Erfinders,
unterm Hailoh der Jugend, geht die Egge vorwärts. Die Leute ver-
folgen staunend das sich bewegende Drachengefährt, welches glücklich
am Ende des Schlages anlangt.^
Die beschriebene Erfindung wird manchen Leser eine lustige
Dichterphantasie bedünken. Trotzdem liegen ihr tatsächliche Vorgänge
zugrunde, deren sich Fritz Reuter aus seiner Jugend erinnerte und
die er für seine Erzählung verwertete. Als Reuter von 1827 — 1831
das Gymnasium in Parchim besuchte, muss er hier von den Erfindungen
eines damals stadtbekannten Parchimer Bürger Christian Detlov Schmidt
mindestens gehört haben, der einer der Begründer des von Reuter
oft besuchten Gesundbrunnens auf dem Sonnenberge bei Parchim war.
Bei der Erwähnung der 1822 beschlossenen Einrichtung des Gesund-
brunnens in Friedr. Joh. Christoph Cleemanns Chronik und Urkunden
der Mecklenburgisch- Seh werinschen Vorderstadt Parchim (Parchim
1825) wird S. 103 zu Schmidts Namen in einer Note angemerkt
„einen bedeutenden Mechaniker, Erfinder eines vom Winde getriebenen
Wagens und Pfluges ; er hat seine Erfindung zu Rostock, Ludwigslust
und Berlin mit Beifall vorgezeigt^.
Aus mecklenburgischen Einwohnerlisten
von 1819.
Das Bedürfnis, für Rekrutierungszwecke ein zuverlässiges und
vollständiges Verzeichnis aller Einwohner Mecklenburg -Schwerins zu
besitzen, veranlasste 1819 die Schweriner Regierung, von allen Städten,
Dörfern und Gütern Einwohnerlisten einzufordern. Verlangt wurden
unter laufender Nummer Angaben über Vor- und Zunamen, ob männ-
lichen oder weiblichen Geschlechtes, Jahr und Tag der Geburt, Geburts-
ort mit Nennung des Kirchspiels, Stand und Gewerbe, Grundbesitz,
Zeit der Ortssässigkeit, ob ledig oder verheiratet, Religion, allgemeine
Bemerkungen. Die so zustande gekommenen Listen sind in zwei Aus-
fertigungen erhalten, von denen die eine im Staatsarchive in Schwerin,
die andere von mir benutzte im Archive der Land- und Ritterschaft
in Rostock aufbewahrt wird.
Bei der Neigung Fritz Reuters in seinen Werken ihm bekannte
Personen handelnd auftreten zu lassen oder doch wenigstens ihre
Namen zu erwähnen, bieten die Einwohnerlisten d. J. 1819 reiches
Material zur Erläuterung seiner Werke und auch zur Klärung mancher
auf sie bezüglichen Fragen. Besonders gilt das für ;, Meine Vaterstadt
Stavenhagen^ und für ;,Ut de Franzosentid^.
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Mit ihror Hilfe wird sich nun endlich auch einiges Licht über
die Person des Möller Voss der Franzosentid gewinnen lassen. In
der Liste von Ivenack ist s. n.. ö6 der auf der Mühle daselbst 1774
geborene Christoph Voss verzeichnet, der hier seit 1813 als Knecht
wohnhaft ist. Die Vergleichung mit Nr. 1419 der Liste von Staven-
hagen zeigt, dass in dieser Stadt, getrennt von ihm, seine Frau und
seine 1800 — 1815 hier geborenen Kinder wohnen. Es ergibt sich die
Folgerung, dass er früher als Windmüller in Stavenhagen selbständig
gewesen und durch wirtschaftliches Missgeschick gezwungen worden
war, später als Knecht sein Leben zu fristen. Er ist ohne Zweifel
der Johann Christopher Voss aus Ivenack, dessen Vater schon Bürger
in Stavenhagen gewesen war, und der nach Ausweis des Bürgerbuches
dieser Stadt hier 1799 den Bürgereid geleistet hat.
Es stimmt alles zu den Vermutungen und Nachweisungen, die
ich zu Reuters Werken Bd. 3, S. 455 angemerkt habe, sowie zu
meiner S. 268 ausgesprochenen Annahme, dass das Liebespaar Hein-
rich und Fiken Voss dichterischer Erfindung sein Dasein verdanke.
Nicht stimmt jedoch, was in meiner und allen anderen Reuterausgaben
über den Knecht Friedrich der Franzosentid gesagt ist. Es wird
darüber in einem besonderen Abschnitte gehandelt werden.
Ich habe bereits in meiner Einleitung zur Franzosentid (Reuters
Werke, Bd. 3, S. 267 f.) darauf hingewiesen, dass alle Namen der
in dieser Dichtung genannten Stavenhäger historisch sind und nicht
einmal die Namen der nur nebenbei genannten Männer und Kinder
eine Ausnahme machen. Ferner dass sich der Dichter den Ana-
chronismus gestattet habe, seine Personen nicht so zu schildern, wie
sie 1813 waren, dem Jahre, in dem die Erzählung spielt, sondern
nach den Erinnerungen, welche er von ihnen in seiner späteren
Knabenzeit, etwa in den Jahren 1819 — 1824, in sich aufgenommen
und bewahrt hat. Die Einwohnerlisten liefern hierzu neue Nachweise.
Man wird nur wenige Namen älterer Stavenhäger, welche in
Reuters Franzosentid und in Meine Vaterstadt Stavenhagen erwähnt
werden, in der Einwohnerliste von 1819 vermissen. Der Grund,
warum sie fehlen, kann sein, dass sie wie Job. Bank (vgl. bei Nr. 152)
1819 zeitweilig Stavenhagen verlassen hatten, in diesem Jahre schon
gestorben oder erst später dort ansässig geworden waren. Ersteres
mag auf den Schneider Zachow (Reuter Bd. 3, 427 Z« 15), letzteres
auf den Pulsanten oder Glockenläuter Rickert (ebd. 3, 412 Z. 26)
u. a. zutreffen.
Der oft genannte Itzig wohnte später Malchinerstr. 159. Es
soll schlechtes Umgehen mit ihm gewesen sein, und er erhängte sich
in seinem Alter aus Lebensüberdruss.
Der Horndrechsler Bunsen (Reuter 4, 158, 37) erwarb nach
des Rektors Schäfer Tode dessen Haus Neubrandenburger Str. 62.
Der alte Mahnfeld (Reuter 4, 216 Z. 18), dessen Tochter
Clara Schauspielerin wurde und später — nach 1819 — den ver-
wittweten Torschreiber Ruthenick heiratete, ist bei Reuter irrtümlich
Niederdentflchea Jatarbnoh XXXVI. 4
50
Saalfeld genannt. Er war 1819 längst gestorben und ist, wie aus
mehreren Eintragungen der Stavenhäger Bürger- und Hausbücher
sich mit Sicherheit ergiebt, in der Tat Schuhmacher gewesen, i) Die
jetzt verbreitete Annahme, Reuter habe sich auch inbezug hierauf
geirrt und er sei Schlosser gewesen, ist also falsch.
Die Schreibungen und Daten der Stavenhäger Einwohnerliste
sind durchaus nicht immer zuverlässig, im Gegenteil, es begegnen
Unrichtigkeiten in Fülle. Selbst die Rechtschreibung der Namen
weist Fehler auf. So ist ;,Scköllien^ statt ;,Sköllin^, ^Isaac^ statt
„Isack^ geschrieben. Die Haushaltungsvorstände können also die
einzelnen Angaben nicht stets selbst in die Originalliste eingeschrieben
haben, sondern ein städtischer Beamter oder ein beauftragter Bürger
hat, von Haus zu Haus gehend, die Eintragungen besorgt. Über-
raschend häufig sind falsche Geburtsdaten. Wenn der Geburtstag
recht oft ein Jahr zu früh oder zu spät angesetzt ist, so mag sich
dieser Fehler in vielen Fällen dadurch erklären, dass dem die Liste
ausfüllenden Beamten nicht das Geburtsjahr, sondern das Lebensalter
angegeben und jenes aus diesem falsch berechnet ist. Vielfach wird
aber die ungenaue Erinnerung der Haushaltungsvorstände schuld sein.
Heute wird durch die gewohnheitsmässige Feier der Geburtstage,
durch die für ein bestimmtes Lebensalter geforderte oder erlaubte
Einschulung und Schulentlassung die Erinnerung an den Tag und
das Jahr der Geburt festgehalten. Im Anfange des vorigen Jahr-
hunderts waren weder so strenge gesetzliche Vorschriften über die
Einschulung durchgeführt noch die Feier des Geburtstages von
Jugend auf allgemein üblich. Nur dadurch, dass man die Geburten
und Todesfälle auf den Vorsatzblättern des Gesangbuches oder der
Hausbibel vermerkte, waren viele Familien im Stande, genaue und
zuverlässige Angaben über die Geburtsdaten ihrer Angehörigen zu
machen.
Zu der von mir hier ausgesprochenen Behauptung, dass ver-
hältnismässig viele Geburtsdaten ungenau sind, berechtigt mich eine
Anzahl Vergleiche von Daten in der Liste mit den Angaben auf
Grabsteinen des Stavenhäger Kirchhofs und mündliche Mitteilungen
von Familiennachkommen. Meist beschränkt sich der Fehler auf
Diiferenzen von einigen Tagen bis zu einem Jahre.
Während die nachweisbaren Fehler sonst nur vereinzelt, wenn
auch immerhin nicht selten begegnen, häufen sie sich gerade bei der
Familie des Bürgermeisters Reuter, obwohl dieser selbst die Liste
unterzeichnet und ihre Anfertigung ohne Zweifel zu bestimmen gehabt
1) Es wird das auch darch eine Eintragung im alten Stadtbuche von Staven-
hagen bewiesen, in dem es S. 483 heisst: „Registratura Stavenbagen, den 12.
December 1817. Laut prodncirten Kauf-Contracte de dato bodiemo haben die
Erben des weiland Schastermeisters Jochim Mabnfeld das von letzterem nach-
gelassene Achtelhaus an den Maurergesellen Lembcke für 815 Tlr. Gold verkauft*'.
Als Erben sind im Register genannt Hanna Maria Mabnfeld, Anna Maria Mahn-
feld, Clara Mabnfeld, Agnesa Mabnfeld. Das betr. Haus — nach alter Bezeichnung
„Bramborger Str. 8^ — war 1771 von Jochim Mabnfeld gebaut.
51
liat. So ist sein eigener Geburtstag ungenau angegeben, im Gegen-
satz zu Kirchenbuch und Grabstein. Ebenso der Geburtstag seiner
Frau, seiner Tochter Lisette und seines NeiFen und späteren Schwieger-
sohnes Ernst, wie die Vergleichung mit den von F. Latendorf^)
aus Kirchenbüchern und Familiennachrichten beigebrachten Daten zeigt.
Zu den nachfolgenden Auszügen aus den Einwohnerlisten ist
alles was nicht ihnen selbst, sondern anderweitiger Erkundigung ent-
nommen wurde, in Klammern geschlossen. Die vorgesetzten Strassen-
und Hausangaben helfen manche Angaben in der ;,Franzosentid^ und
„ Strom tid* veranschaulichen. Franzosentid Kap. 18 kommen Herse,
Möller Voss und Bäcker Witt nach ihrer Freilassung von Neubranden-
burg her nach Stavenhagen gefahren, zunächst durch den vor dem
Tore gelegenen Amtsbrink (Reuter 3, 412, 27), dann auf die Neu-
brandenburger Strasse und schliesslich zum Markt. Die ihnen auf
ihrem Wege jubelnd entgegentretenden Stavenhäger Schuster Bank,
Schlosser TröpTner und Weberfrau Stahl wird man wie die darauf
genannten „Tanten Herse** und Witts Tochter, die spätere „Strü-
wingken*^, als Bewohner der durchfahrenen Strassen in der Liste finden.
Nur eins stimmt nicht zu ihr: die Anwesenheit von j,Herr Droi* und
seiner „lütten französchen Gören^ (Reuter 3, 413 Z. 4 u. 6), der i.
J. 1810 (vgl. sub n. 720) auf der Malchinerstr. gewohnt hat. Man
darf annehmen, dass er später nach der Neubrandenburger Strasse
umgezogen ist.
Die vielen Namen hinzugefügten — nicht vollständigen — Ver-
weise auf Reuters Werke nach Band, Seite und Zeile beziehen sich
auf die von mir gemeinsam mit Ernst Brandes und G. Borchling
hergestellte, im Verlage des Bibliographischen Institutes in Leipzig
erschienene Ausgabe. Die neue Ausgabe weicht von der ersten nur
dadurch ab, däss in den Stereotypplatten der ersten Bände eine kleine
Anzahl Versehen gebessert ist und der Titel eine etwas andere Fassung
erhalten hat. Die Verweise haben für beide Ausgaben gleiche Gültigkeit.
Die Einwohnerliste der Stadt Stavenhagen ist vom 2. bis 17.
August 1819 aufgenommen und vom Bürgermeister G. J. Reuter,
Ratsherr J. L. Susemihl, Ratsherr A. F. Herse und Pastor V. Schmidt
am 4. Dezember 1819 unterzeichnet. Die Listen der übrigen Orte
sind gleichfalls im August, einige am 1. September 1819 aufgenommen.
Aus der Malchiner ist zu ersehen, dass die Regierungsverfugung,
welche die Volkszählung und Listenaufnahme anordnete, am 18. Juni
1819 erlassen war.
Ich schliesse diese Vorbemerkungen mit dem Ausdruck meines
herzlichen Dankes für den kenntnisreichen Vorsteher des Rostocker
Landesarchivs Herrn Landesarchivar Dunckelmann, dessen vorzüg-
lichen Repertorien ich die Kenntnis, und dessen entgegenkommender
Gefälligkeit ich die Erwirkung der Erlaubnis zur Benutzung vieler
seiner Arcbivalien verdanke.
*) Zur Erinnerung an Fritz Reuter. Poesueck 1879.
52
Stadt Stayenhagen.
[Markt 1. Bathaus.) 1. Georg Johann Jacob Reuter, Bürgermeister nnd Stadt-
richter, auch Amtsactnar, geb. 25. Julius 1776 in Dehmen, Amt CriTltz.
Clrundbesitz 6 Morgen Acker. Seit Ostern 1806 hier. Evangelisch-
lutherisch. (Fritz Reuters Vater war am 26. Juli 1776 geboren und
1806 nach Stavenhagen gekommen.)
2. Johanna Luise geb. Oelpcke, Ehefrau des Bürgermeister Reuter, geb. 25.
Julii 1789 in Triebsee in Pommern. Hier 10 Jahre. (Fritz Reuters
Mutter war am 25. Juli 1787 geboren.)
3. Lisette Henricke Johanna Reuter, Tochter des B.-Mstrs Renter, geb. 2. März
1809 in Stavenhagen. (Fritz Reuters Schwester Lisette war am 11. März
1809 geboren.)
4. Heinrich Ludwig Christian Friedrich Reuter, Sohn des B.-Mstrs Reuter,
geb. 7. Novbr. 1810 in Stavenhagen.
5. Ernst Karl Adolph Renter, Neffe des B.-Mstrs Reuter, geb. 12. Novbr.
1808 in Dömitz. Hier seit 2 Jahren. (Fritz Reuters Vetter Ernst war
am 12. Nov. 1807 geboren.)
6. August Friedrich Heinrich Reuter, Neffe des B.-Mstrs Reuter, geb. 20.
Januar 1810 in Dömitz. Hier seit 3 Jahren.
7. Ghristiana Johanna Sophia Oelpcke, Schwiegerin des B.-Mstra Reuter, geb.
14. May 1786 in Triebsee. Hier seit 7 Vi Jahren. (Gestorben 24. Sept.
1856. Die in ^Mein Vaterstadt Stavenhagen" oft erwähnte «Tante
Christiane*'.)
8. Johann Jochim Friedrich Müller, Knecht des B.-Mstrs Reuter, Jahr und
Tag der Geburt unbekannt, geb. nach seiner Meinung i. J. 1794. Geburtsort
Grammentin. Seit 24. Octbr. 1818 in Mecklenburg.
9. Sophia Friedr. Schumacher, Dienstmädchen, geb. 27. Jul. 1791 in Cum-
merow. Hier seit 2 Jahren.
10. Chatarina Sophia Besserdich, Dienstmädchen, geb. 28. Junii 1796 in Sülte
bei Eittendorf. Hier seit IV4 Jahr. (Fik Besserdich in ,Mein Vater-
stadt St.* Reuter 4, 213, 9. Als Gülzowsche Schulzentt)chter und Magd
des Amtshauptmanns in der Franzosentid, Reuter 3, 394 u. ö.; vergl. aber
auch Gültzow Nr. 3.)
11. Friedericke Mina Catarina Rieck, [Dienstmädchen, geb. 21. Januar 1799
in Demmin. Hier seit V« Jahr.
12 — 17. Joch. Fried. Netzband, Ausrufer, geb. im Herbst 1781 in Gartz bey
Wahren. Hier im 13. Jahre. Nebst Frau und vier i. d. J. 1811 — 16
geborenen Kindern (Vgl. Reuter 4, 197, 26; ebd. 210, 19.)
{Markt 2,) 18 — 21. Bäckerwitwe Berg. Nebst 1787— 1799 geborenen Kindern.
— (Ihr Mann oder Sohn ist als Nachbar und Bäcker Berg bei Reuter
4, 137, Z. 25, 138 Z. 16 erwähnt.)
22. 23. Witwe Anna Maria T^ling, geb. Mahnfeld, geb. 1773, nährt sich von
weiblichen Handarbeiten. Nebst Sohn, geb. 1807.
{Markt 3.) 24 — 26. Schneidermeister Cnmmerow. Nebst Frau und Tochter.
{Markt 4.) 27. August Friedr Hers6, Senator. Notar Immatriculatus, geb.
12. April 1773 in Ivenack. Hier seit 28. Sept. 1798.
28. Christine Friedericke Hers6, gebor. Siggeickow, Ehefrau d. vor., geb. 16.
May 1772 in Doberan.
29. Charlotte Mariane Altvater, hält sich bei d. vor. als Gesellschafterin
hier auf, geb. 24. Aug. 1803 in Bützow. Hier seit 4. Julii 1819.
30. Job. Chr. Wagner, Dienstmädchen, geb. vor 1800 in Wolckwitz in Pommern.
53
(Markt 5.) 31 — 43. Levin Joeepli, jüdischer KanfroanD, geb. Ostern 1756
in Rehna, 26 Jahr hierselb wohnhaft. Nebst Frau, 6 Kindern, Hand-
longsdiener, drei Dienstmädchen und einem Knechte. (Bei Beater 4,
148, 22; ein Sohn (?) Levi Josephi, vgl. Reuter 4, 57 if.)
(Xeubrandenburgersir. 6.) 44. Gastwirt Krasemann.
54. Christoph Philipp 8ohst, Kaufmann und Brenner, geb. 1759 in Stralsund.
Hier 37 Jahr. (Vgl. Beuter 4, 187, ö )
(Ebd. 9.) 62. Hebamme Sagert, nebst 2 Söhnen, welche Chirurgi sind.
(Ebd, 10. 11.) 66. Isaack Salomon, Kaufmann, geb. 22. Febr. 1768 in Staven-
hagen. Jfldisch. (Der Moses der Stromtid, vgl. Beuter 2, 459 und
Läuschen II, Nr. 32.)
67. Hannchen, geb. Samuel, Ehefrau d. vor., geb. 4. April 1773 in Wahren,
hier seit 24 Jahren.
68—73. Kinder d. vor., Mosis, geb. 8. August 1796; Bernhard, geb. S.Januar
1811; Samuel, geb. 6. April 1818; Gustav, ohngefähr 15 Jahr, ist jetzt
in Berlin; ZuUe, Tochter, geb. 4. März 1801; Blttme, geb. 11. May 1809,
Tochter.
(Ebd. 12.) 77. Salomon Jaeob, kleiner Handel, im 608ten Jahre, geb. in Staven-
hagen, Hausbesitzer, nebst Frau und Kindern.
(Ebd. 13) 83. Johann Heinr. TrOpftier, Schlossermeister, geb. 16. Nov. 1777
in Prentzlau. Hier im 18. Jahre. (Vgl. Beuter 3, 365, 3, ebd. 412, 35.)
84. Agnesa Luise (geb.) Mahnfeldt, Ehefrau d. vor., geb. 4. May 1789 in
Stavenhagen.
85—90. Kinder des vor. : Friedericka Tröpfner, geb. 1809; Helmine, geb. 1811;
Ludwig, geb. 1813; Dorothea Henriette, geb. 1818; sowie ein Lehrbursche
und ein Dienstmädchen.
(Ebd. 14.) 91—98. Mosis Meyer,. Kaufmann, geb. 12. Nov. 1776 in Staven-
hagen (Gest. 18 Mai 1847) nebst Frau Bahel Casper. geb. 27. Dezember
1782 (Gest. 17. Januar 1849). fünf Töchtern (darunter Eva Mayer [!] geb.
12. Nov. 1810, vgl. Ndd. Jahrbuch 32, S. 98, und Male Meyer, geb. ö. April
1812) und Dienstmädchen. (Vgl. Beuter 4, 140, 10.)
(Ebd. In.) 99—103. Christian Ruthenick, Tor- und Mühlenschreiber, geb.
12. July 1771 in Grevismülen. Hier seit 16 Jahren. Nebst Frau Friede-
ricke geb. Beuss, geb. 1780, zwei Töchtern, geb. 1800 in Lübeck bzw.
1819 in Stavenhagen, und einem Dienstmädchen. (Buthenick heiratete
später die Schauspielerin Kläre Mahnfeld, bei Beuter irrtümlich Saalfeld,
vgl. Beuter 4, 217, 20.)
(Ebd. 16.) 107 — 112. Johann Joachim Ladendorf, geb. 5. September 1803 in
Stavenhagen, und seine Brüder Heinr. Chn. Audr., geb. 1800, Ludw. Chn.
Jacob, geb. «1802, Carl Heinr. Christian, geb. daselbst 1813, Söhne der
Bäckerwitwe Elisabeth Ladendorf, geb. 1766. (Johann Ladendorf, der
später eine Färberei betrieb, erscheint in der „Stromtid'' Beuter Bd. 3,
115, als Färber Meinswegen, ein Spitzname, den ihm der häufige Gebrauch
dieses Wortes eingetragen hatte.)
(Ebd. 17.) 113. Färbermeister Krantwedel.
124. Ludwig Stahl, Webermeister, geb. 13. Aug. 1767 in Lowzow. Hier seit
29 Jahr. Hausbesitzer. Vs Haus.
125—129. Catarina, geb. Studtmund, Ehefrau d. vor., geb. im Dec. 1774 in
Stavenhagen. Nebst drei Söhnen, geb. 1808. 1810. 1813 und einem
Gesellen. (Vgl. Beuter 3, 365, 7; ebd. 413, 2.)
130. Qust. Ludwig Hchwertfeger, Drechslermeister, geb. 16. Aug. 1768 in
Stavenhagen. (Vgl Beuter 4. 179, 26; 3, 327, 9.)
54
144. Seilermeister Sado^^ky.
152. Samuel Chrn Banck, Schuhmachermeister geh. 18. Nov. 1774 in Staven-
hagen. Besitzer von zwei H&usern. (Vgl. Reuter 3, 867, 30; ehd. 412,
33; 4, 187, 6; über seinen ältesten Sohn Johann Aug. Bank vgl. Reuter
3, 449.)
156. Joh. Ludw. David Banck, Sohn d. vor., geb. im Juny 1809.
168. Levin Salomon, geb. 1749 in Stavenhagen, kleiner Handel. Nebst Ehe-
frau Sarah Abraham geb. 1751, und Kindern: Rina Levin Tochter, geb.
1790; Abraham Casper; Salomon Levin.
(Ebd. 25) 163. Aug. Joh. Clasen, Kaufmann, geb. 1774 in Neu-Kalden.
Nebst Sohn Aug. Wilh. Glasen, geb. 26. April 1816 in Stavenhagen.
(Schulstrasse 26,) 172—174. Sophia Hinnerike Christina Almer, geborene
Behrenss, (xastwirtin, geb. 1762 in Stavenhagen. Nebst Sohn Jochim Chrn
Ludw. geb. 21. Juli 1797 und Tochter, geb. 1800. (In ihrem Gasthofe
befand sich ein Saal, in welchem Theater gespielt wurde, vgl. Reuter 4,
218 f.)
179. Johann 'Fried. Lange, Krämer, im 37. Jahre, geb. in Mesiger. Haus-
besitzer. Hier ohngefähr 12 Jahr.
199. August Heinrich Nie. Heintze, Schneidermeister, geb. 9. Uec. 1773 in
Stavenhagen, Hausbesitzer. (Vgl. Reuter 4, 183).
(Schulstrasse 29.) 210 — 217. Maria Elis. Renssen, geb. Wellhausen, Tischier-
witwe, geb. 1769 in Daberckow. Hier 27 Jahre. Nebst Söhnen Joh.
Andr. Theodor Reuss, Tischlermeister, geb. 1786 in Reckwitz. Hier
27 Jahr, sowie Friedr. Wilh. Reuss^ Tischlergesell, geb. 1790 in Reck-
witz und Joh. Ludw. Reuss, Tischlergesell, geb. 1. Märtz 1793 in
Stavenhagen. Ausserdem ein angenommenes Kind, Geselle, zwei Lehrlinge,
Knecht. (Vgl. Reuter 3, 316, 69). — 218. Johann Wilh. Dohmstreich,
Tischler bursche, geb. 1. May 1803 in Stavenhagen.
223—231. Gustav Job. Dohmstreich, Zimmermeister und Hausbesitzer, geb.
25. Dec. 1777 in Stavenhagen. Nebst Söhnen Joh. Heinr. geb. 14. April
1806; Joh. ChristoflFer, geb. 6. Jan. 1806 und drei Töchtern.
245. Wiemersehiag, Gastwirt.
251. Johann Heintze, Schneidermeister, geb. 1783 in Stavenhagen. (Reuter 3,
428, 6; 445, 1).
256. Helwig, Schlossermeister.
(yln der Kirche 54.) 285. Adam Chrn (Irambow, Schneidermeister, geb. 7.
Aug. 1761 in Stavenhagen, Besitzer eines vollen Hauses. — (In dem
Torwege zu seinem Hofe, welcher später vom Bürgermeister Reuter gekauft
und zur Erbauung einer Krappmühle und seiner Brauerei benutzt wurde,
war die erste Bühne errichtet, welche Fritz Reuter sah, vgl. Reuter 4, 215.)
(An der KircJie 55.) 317. Jacob Bernhard Job. Schmidt, Prediger, geb. 22.
August 1767 in Parchim, hier 21 Jahre, nebst Frau, geb. 1776 in Gra-
bow, 2 Söhnen, 4 Töchtern, unter diesen Wilhelmine, geb. 29. Juni 1803
in Stavenhagen («Minchen Pasters bei Reuter 4, 166, Z. 28), 3 Dienst-
mädchen, 1 Knecht.
[An der KircJie, zu Nr. 57.) 330. Christoph Friedr. Jac. BJseh, Schmiede-
meister, geb. 3. April 1792 in Stavenhagen. Sohn der Schmied-Witwe
und Hausbesitzerin Risch, geb. 1759.
336. Jacob Fried. Mart. Risch, jüngster Bruder des vor., geb. 5. April 180U.
(Vgl, Reuter 3, 439, 15; 4, 104, 5; der Bd. 4, 123, 31 erwähnte Stadt-
sprecher Risch ist eine andere Person.)
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338. Bernhard €atz, jüdischer Lehrer, geb. 2 Jan. 1774 in Lndge bei Paderborn.
Ein Jahr allhier. (Vgl. Realer 4, 225.)
{Neubrandenhurg&r Str. 62) 339. Gottlieb Heinrich Sehllfer, Rector and
Kirchen-Oeconomas, geb. 7. Octbr. 1770 in Halle, in Mecklenbarg 20 Jahr,
im Amte 14 Jahr. (Vgl. Reater 4, 157 ff.) *
340. Eleonora WUhelmina, geb. Schnitz; Ehefrau d. vor., geb. 1785 in Treptow.
Hier 13 Jahre. Nebst 4 Kindern, geb. 1810—1818. (Vgl. Reater 4, 159.)
345. Charlotte Hedwig Schultz, eins der beiden Dienstmädchen des Rektors,
geb. 1793 in Walchendorff. Hier seit 10 Jahren. (Vgl. Reater 4, 159, 16.)
{Markt 6L) 347. Gabriel Witt, Bäckermeister, geb. 15. Febr. 1754 in Staven-
hagen, besitzt Haus und 15 Morgen Acker. (Vgl. Reuter 3, 456)
348. Agnesa Witt, geb. Hamann, Ehefrau d. vor., geb. 23. Jan. 1756 in
Stavenhagen.
349. Christina Maria Witt, Tochter d. vor., geb. 25. Juni 1789.
350. Dor. Mar. Job. Nilck, Tochterkind Witts, geb. 1. Jan. 1809 in Wahren.
Hier seit 5 Jahren.
351. Job. Chn Fried. Witt, Bäckermeister und Sohn Witts, geb. 12. Okt. 1779.
(Vgl. Reuter 3, 361, 33 u. ö.)
352. Dorothea Sophie, geb. Isaac, Ehefrau d. vor., geb. 25. Jan. 1792 in
Stavenhagen.
353. 354. Tochter und Sohn des vorsteh., geb. 1816 und 1818.
355 — 358. Zwei Knechte und zwei Dienstmädchen.
(MarJä 59.) 364. Heinrich Wagenkneeht, Tierarzt, geb. 1782 in Sülte bei
Kittendorf, besitzt Haus und 16 Morgen Acker. Hier 13 Jahr. (Er hatte
in seinem Hause eine Brennerei und Gastwirtschaft. Reuter 4, 147, 6.)
{Markt 58.) 370. Levin Meyer.
{Markt 57.) 378. Heymann Casper, Handelsmann und Hausbesitzer, geb. 22. Oct.
1775 in Stavenhagen. (Reuter 4, 139, 31.)
381. Joseph Casper , Sohn des vorigen, geb. 21. Januar 1806. (Reuter 4, 415,35.)
{Poststra^se.) 405. Friedr. Ludwig Franz Voss, Küster, geb. 1. Juli 1782 in
Ludwigslust. Hier 9Vs Jahr. Nebst Frau und 5 Kindern. (Reuter 4,
156 f. Er wohnte also in der Nähe des AVallgrabens, in welchen er infolge
einer Bezechtheit geriet und in welchem er seinen Tod fand.)
(Posistr. 67.) 423. Job. Ludw. Metze, Chirurgus, geb. 12. Juli 1789 in
Stavenhagen. (Jung-Metz, Reuter 4, 183, 28; vgl. unten Nr. 639).
(Postsir. 69.) 435. Cari Wilh. StUrmer, Postmeister, geb. 4. Okt. 1773 in
Gartz im Preussischen. Hausbesitzer. 16 Jahr hier, (f 1849). (Vgl.
Reuter 4, 205. 218. 276; 3, 146.)
436. Caroline, geb. Sautern, Ehefrau d. vor., geb. 10. Aug. 1773 in Demmin.
Hier 16 Jahr. (Nach der Inschrift ihres Grabsteins war sie eine geborene
Sauter, 10. Aug. 1772 geboren und 1861 gestorben.)
437. Wilhelm Stürmer, Sohn des vor., geb. 10. Sept. 1806 in Stavenhagen.
(Vgl. Reuter 4, 205, 28.)
438. Emilia Stürmer, Tochter, geb. 24. Sept. 1811.
517. SamuelFreier, Schuhmachermeister, geb. 1772. Hausbesitzer. Hier 13 Jahr.
524. Carl Heinr. Sehlttter, Sohn des 1770 in Stavenhagen geborenen Schneider-
meisters und Hausbesitzers Joh. Schlüter, geb. 30. Oktober 1802.
554. Moses David, Sohn des (1773 in Böhmen geborenen) Handelsmanns David
Elias, geb. 3. Sept. 1812 in Stavenhagen. (Reuter 4, 164, 17.)
560. Helmuth Theodor Daniel Sek($Uien, Sohn des Schuhmachermeisters Georg
Scköliien, geb. 9. Dec. 1803 in Stavenhagen. (Vgl. Reuter 4, 162, 26.)
Sein älterer Bruder Joach. Georg, geb. 5. Okt. 1794, hat gedient als
56
Meckleubargisch freiwilliger Jäger zu Pferde. (Bei Realer and anf den
Grabsteinen 'Sköllin^ geschrieben.)
661. Carl Ladw. Christ. Sommer^ Bftckermeister, geb. 19. Dec. 1777 in Suven-
hagen. Haasbesitzer (Schill-Sommer, vgl. Reater 4, 215, 25; 251, 15).
Sohu: Carl Heinrich/ geb. 29. Dez. 1817.
571. Wilh. Mohrmann, Tischlermeister, geb. 18. M&rz 1783 in Stavenhagen.
630. Mosis Casper, Handelsmann, geb. 10. Jali 1772 in Stayenhagen, Haus-
besitzer, ledig.
631. Hirsch Casper Jnlias, Kaufmann, geb. 24. Oktober 1677 daselbst, ledig.
632. Jnlias Casper, Sohn des Mosis Casper, geb. 10. April 1786, Kauf-
mann, ledig.
(Markt Nr. 148). 634. Joh. Friedrich Grlsehow, Kaufmann, geb. 25. Dec.
1785 in Ivenack, Haasbesitzer, 3Vs Jahr hier, ist freywilliger Jäger zu
Pferde gewesen. (Reater 4, 124, 28; ebd. 203, 18. Sein Haas ging
später in den Besitz des Kaufmanns Lange über und erscheint in der
Stromtid als Haus des Kaufmanns Kurz, Reuter 2, 458.)
635. Elisabeth Doroth. (jrischow, Ehefrau, geb. 8. Oct. 1796 in Stavenhagen,
3V2 Jahr hier. (Reuter 1, 384 zu S. 16.)
637. Friedr. Georg Christ. Grischow, Handlungsdiener, geb. 16. März 1794 (?)
in Stavenhagen. Seit 1815 hier. Ist Hauptmann bei der Landwehr ge-
wesen. (Reuter 3, 426, 8.)
(Markt Nr, 149. 150 Zwei Häuser im Besitz des Amthauptmanns Weber.)
639. Joh. Chph Metze, Chirurgus, geb. 10. Nov. 1766 in Vilbel, Grafschaft
Hanau. Hier 23 Jahre. (Beuter Läuschen I, Nr. 23 u. Nr. 58). Nebst
Frau, gebor. Timm, geb. 1758 in Ponstorf, Kirchspiel Mistorf , hier 40 Jahre.
650. Christoffer David Stahl, Webermeister, geb. 1773 in Levzow. Hier im
17. Jahre.
651. Catarina, geb. Martens, Ehefrau d. vor., geb. 23. Dez. 1779 in Pribnow.
Hier im 21. Jahre.
652—655. Kinder der vor., drei Töchter geb. 1807, 1810, 1819; ein Sohu
geb. 1813.
Markt 151]. 656. Ackerbürger Joh. Dan. Hamann, geb. 25. Febr. 1753 Stav.
Markt 152?] 661. Schneidermeister Schultz.
(Malchiner Str. 154. Ecke des Marktplatzes.) 672. Carl Chph Grteehow',
Apotheker, geb. 17. Febr. 1793 in Stavenhagen. Hier seit Michaeli 1814.
676. Chrn Frd. Spaarmann, Apothekerlehrling, geb. 22. Febr. 1801 in
Stavenhagen. — (Er hat Reuter unterrichtet, vgl. Reuter 4, 170 f. uud
lebte später als Arzt in Stavenhagen.)
(Malchinerstr.) 700. Heinr. Strttbing, Ackerbürger, geb. 1784, ledig.
711. Joachim Krentz, Schneidermeister, geb. 27. Nov. 1779 in Gehsberg bei
Demmin. Hier seit Juli 1812. — (Er war als Geselle in Paris gewesen
und hat Reuter und seine Vettern im Französischen unterrichtet, vgl.
Reuter 4, 167.)
715. Ludwig Andr. Claseu, Rademacher, geb. 1765 in Junckerwenning. Haus-
besitzer. In Mecklenburg 18V2 Jahr.
729. Peter Humbert Droz, Uhrmacher (der einzige im Orte), geb. 27. Febr.
1761 in Locle. Hier 12 Jahr. (Reuter 4, 167 ff, 3, 454.)
730. Maria Elisabeth, geb. Breidel, Ehefrau d. vor., geb. 4. Juni 1788 in
Stavenhagen, besitzt 30 Ih. Acker.
731—734. Kinder der vor. Ludwig Ferdinand, geb. 27. Febr. 1812; Friedr.
Wilhelm, geb. 22. Apr. 1814; Friederica Carolina Christina, geb. 1815;
Johann Philipp, geb. 1817.
57
735. Witwe des verstorbenen Oeconomns Orotb, geb. 1766 in Güstrow, Hans-
besitserin. (Reuter 3, 427. 6.)
774. Job. Heinr. Sebnur, Sohn des Arbeitsmanns Ernst Scbnnr (geb. 1772 in
Scblaen), geb. 8. Sept. 1813 in Stavenbagen. (Reuter 4, 112, 22.)
798. Maria Sommer, geb. Wulffen, Bäckermeisterwitwe, geb. 1783 in Staven-
bagen. Ibr Sobn Carl Theodor Christ. Sommer ist am 3. Nov. 1817
geboren.
{Am McUckiner Tore,) 820. Friedr. Defge, Gastwirt und Hausbesitzer, geb.
1781 in Neuenkirchen. Hier seit 15 Jahren. (Reuter 4, 226.)
837. Gastwirt Zanzig.
873. Job. Kliefoth, Hirte, geb. 1. April 1756 in Tutaw bei Schmarsow (Vorpom.).
Hier Martini 30 Jahre. Nebst Frau und 2 Töchtern. Kein Sohn.
(Reuter 4, 227 f.)
887. Johann Christian Georg Knacke, geb. 3. Juni 1811 in Stavenbagen,
Sohn des Arbeitsmanns Adam Friedr. Knacke, geb. 1773. (Korl Knak
bei Reuter 4, 112, 22.)
{Malchinerstr. 233.) 952. Cari Alex. Georg Huth, Tor- und Mühlenschreiber,
geb. 1771 in Güstrow. Hier 42 Jahre. (Reuter 4, 131, 24.)
992. Chrn Frd. Lemek, Sohn eines Maurers, geb. 11. April 1809 in Staven-
bagen. (Lauschen I, 28, 1.)
993. Christofifer B^ttger, Töpfermeister, geb. 11. März 1763 in Stavenbagen.
(Reuter 4, 179, 30.)
1001. Aug. Friedr. Zoeh, Musicus, geb. 1766 in Fiddicbow a. d. Oder. Hier
14 Jahr. (Läuschen I, 6, 43; Reuter 3, ^iO, 31.)
1021. Mart. Frdr. Stürmer, Musicus, geb. 1771 in Gartz a. d. Oder. Hier 20
Jahre. — Er hat einen Lehrling aus Wahren. (Reuter 4, 183, 13.)
1043. Frdr, Schwerdfeger, Drechsler, geb. 1786 in Stavenbagen.
1052. Carl Chrn Gohl, Bäckermeister, geb. 1786 in Neuenkirchen, Kirchspiel
Ihlenfeldt, Hausbesitzer. Am Orte seit 4 Jahren. (Vgl. Reuter 3, 332, 35;
ebd. 430, 24; er wohnte später am Markt.)
1095. Frdr. Belitz, Klempner, geb. 1776 in Periberg, hier 20 Jahre. — (Mit
dem Spitznamen „Der Oberförster", weil er als Holzdieb bekannt war,
vgl. Reuter 4, 156, Z. 30.)
1120. August Delehert, Schuhmachermeister, geb. Dec. 1786 in Stavenbagen.
(Vgl. Reuter 3, 427, 5 u. ö.; 4, 151, 15.)
1157. Maria WIeneke, Tochter eines Arbeitsmannes, geb. 5. April 1791 in Staven-
bagen. (Vgl. Reuter 3, 400, 29; 4, 151.)
{Basepoiderstr. 265, altes Demminer Tor schreiberhaus.) 1186. Torschreiber
Bethcke.
1226. Mariane Levin, geb. 1790 in Stavenhagen, Ehefrau des Moses Aaron, geb.
1780 in Wahren, 10 Jahr hier, hat einen kleinen Handel. (Reuter 4, 207, 14.)
1242. Chrstn Ludw. Baade, Glasermeister und Hausbesitzer, geb. 3. Jan. 1756
in Stavenhagen. (Renter 4, 172, 17.)
1255. J. C. Lnekow, Dr. med. et chir., geb. 8. Juli 1769 in Flau. Hier seit
4. August 1796. Hausbesitzer. (Vgl. Reuter 3, 347, 3; ebd. 427, 13.)
1284 — 1288. Job. Carl Dohmstreleh, Zimmermeister und Hausbesitzer, geb.
8. März 1770 in Stavenhagen. Nebst 3 Söhnen Gust. Ernst Christn, geb.
27. Mai 1801; Cari Chn Ludw., geb. 28. Mai 1812; Aug. Ludw., geb.
28. Mai 1816.
{Bas&pohlerstr. 281.) 1301. Job. Heinr. Chn Luth, Ratdiener, geb. 1788 in
Scbloen. Hier 11 Jahr. Seine Frau brachte ihm ein Haus in die Ehe.
58
Sein Sohn Georg ist 21. Jan. 1812 geboren. (Vgl. lleuter 3, 324, 10
u. 5.; 4, 123, 21 u. ö.)
1308. Chn Carl Woilert, Maurer, geb. 31. Mai 1773 in Stavenhagen. Haus-
besitzer. (Reuter 4, 226, 22.)
(Malchinersir, Nr, 284.) 1313. Job. Gottlieb Spaannann, Medicinae Practicus,
geb. 1777 in Anclam. Hier seit Febr. 1798. Von seinen sieben Kindern
ist das zweite Augusta den 31. Dez. 1806 geboren — (Letztere wird von
Beuter 4, 166 Z. 28 erwähnt.)
{Weberstrasse,) 1326. Adam Joch. Schultz, Webermeister, geb. 3. Febr. 1763
in Stavenhagen. Hauseigentttmor. (Reuter 4, 131, 19? ygl. Nr. 1383.)
1340. Sophia Becker, geb. Kossfeldt, geb. 11. Juni 1753, Witwe, Mutter des
Zimmergesellen Christoffer Becker. (Beuter 4, 154, 25.)
{Weberstrasse.) 1363. Job. Andreas Schultz, Webermeister, geb. 1759 in Bowe.
Hausbesitzer. Hier seit 11 Jahren.
1387. Moses Joel, kleiner Handel von Schaafbeinen und Federposen, geb. Dec.
1773 in Stavenhagen, ledig, Israelit. (Beuter 4, 123, 9; ebd. 140, 10.)
{Weberstrasse,) 1411. Gust Fried. Dohnistreich, Zimmermeister und Haus-
besitzer, geb. 8. Mai 1766. Nebst zwei Söhnen Christoph Joachim, geb.
1795; Bernhard Friedrich, geb. 1805. (Dick-Dohmstreich, Beuter 4,
179, 9 u. ö.)
1419^22. Helmine Engel verehel Voss, Ehefrau des Christof Voss, geb. 28.
Sept. 1776 in Ivenack, zu Michaeli 19 Jahr verheiratet. Ihr Ehemann
ist in Ivenack. Kinder: Agnesa, geb. 1800 in Stavenhagen, Sophia, geb.
1809 ebd., Christoph Ludwig, geb. 1815 ebd.
1467. Christina Dorothea Elisabeth TIedt, geb. Heintze, Ehefrau des Schneider-
meister Carl Friedr. Christian Tiedt (gestorben zwischen Juli und Dez.
1819, geb. 22. Dec. 1766), geb. 5. April 1776 in Suvenhagen, Mutter
von fünf Kindern.
{Malchinersir. Nr. 813.) 1473. Job. Ludwig Susemlhl, Kaufmann und Senator,
geb. 11. Jan. 1757 in Stavenhagen, besitzt ein Haus und 16 Morgen
Acker. (Vgl. Beuter 3, 326, 14,)
1505. Joh. Carl Christoffer Schlttter, geb. 3. Dez. 1811 und sein Bruder Job.
Carl Ludwig, geb. 23. Jan. 1814, Söhne eines Arbeitsmanns. (Beuter,
4, 112, 24.)
1507. Schlächterwitwe Cat. Mar. Krttgcr, geb. Dohmstreich, geb. 12. Dez. 1763
in Stavenhagen, betreibt mit Hilfe ihres Schwiegersohnes Kasel die
Schlächterei im eigenen Hause. Ihre Kinder sind 1796, 1801 und 1804
geboren. Vgl. Nr. 1538.
1531. Christoffer Sommer, Bäcker, geb. 6. Dez. 1772 in Stavenhagen, Haus-
besitzer. — (In der Feßtungstid, Kap. 1, Beuter 4, 251, Z. 13 als
„Kristopher Geist'' von seinem Namensvetter , Schill-Sommer'', vgl. Nr.
561, unterschieden.) Nebst Frau und Stiefsohn Joh. Christoffer Christian
Schultz, geb. 1811.
1538. Witwe Sophia Krttger, geb. Schumacher, geb. 1773 in Teschendorf, hier
25 Jahre, treibt die Schlächterei im eigenen Hause mit Hilfe ihres Sohnes
Friedr. Bflmpler, geb. 1798 in Stavenhagen. Ihr Sohn Johan Krttger
ist 16. Sept. 1808 geboren. (Vgl. Stromtid Kap. 39, Beuter 2, 127, 22.)
{Markt Nr, 328.) 1555. Friedr. Christof Schmidt, Kaufmann und Gastwirt,
geb. 4. Dez. 1779 in Alt-Kalden, hier seit Neigahr 1817. Verheiratet
mit Charlotte Emestine, geb. Susemihl. In seinem Haushalt ist eine
Wirtschaftsmamseli und ein Handlungsdieuer, ein Knecht, ein Hausmädchen
5d
und eine Köchin tätig. (Beater 4, 115, 27. Schmidt besass den bei
Reuter oft erwähnten vordem Tolleschen Gasthof, ygl. Beater ebd.)
1570. Bleicherfran Friederica RughW, geb. Lorenz, yerw. Becker, geb. Juli
1775 in Wansheigen bei Laage, hier seit 12 Jahren, Ehefrau des Bleicher
Bughoff. Drei Kinder namens Becker sind 1797—1803 in Polchow, der
jüngste Sohn Frid. Bughöff ist 1815 in Stavenhagen geboren.
1582. Jacob Hirseh, Nachtwächter, geb. 1763 in Landsdorff bei Triebsee.
Michaeli hier 19 Jahr. — (Bei Beuter 3, 326, 20; 4, 197.) '
Alterbanhoff Stayenhagen.
1. Georg Carl yahrnmaeher, geb. 1763. 4. Oct. zu Trittelfitz, t'ächter des
hiesigen Hofes. Seit 1813 hier. (Vgl. Beuter 3, 326, 32; 4, 121, 13 u. ö.)
2 ff. Ehefrau, geb. 1781, und Kinder des vorigen Carolina geb. 1802, Maria
geb. 1805, Gustav geb. 1807, Carl geb. 1811, Jan. 15., Philipp geb. 1813,
Ludw. geb. 1816. Nebst 4 Knechten, 5 Mädchen, Statthalter und zahl-
reichen Tagelöhnern. (Carl Nahmmacher war Fritz Beuters Jugendfreund.
Beuter 4, 120, 29 u. ö.)
24 — 28. Johann Knaek, Tagelöhner, geb. 1779 in Hasseldorf, 10 Jahr hier,
2 Töchter und 2 Söhne: Andreas geb. 1814, Friederich geb. 1817. (Vgl.
bei Stadt Stavenhagen Nr. 887.)
Amt, Amtsbrink und Armenhaus Stavenhagen.
1. Johann Jochim Heinr. Weher, geb. 1757 May 24 zu Bostock, St Marien-
Kirchspiel, Erster Beamter zu Stavenhagen, Grundbesitz zwey H&user in
der Stadt Stavenhagen, auch mehrere Ländereyen daselbst. Seit Johannis
1784 hier. War schon 3 Jahr vorher Beamter in Toitenwinkel.
2. Agnesa Sophia Wilhelmina Weber, gebohrne Sohst, geb. 1755 Sept. 10 in
Stavenhagen, Ehegattin des Herrn Amtshauptmanns Weber. Seit der Geburt
hier. Seit 1785 geheirathet.
3. Sophia Westphal, geb. 1766 Aug. 8 in Neuhoff, Kirchspiel Pentzlin, Haus-
halterin auf dem Amte. Seit 1785 hier.
4. Friederich Sahlmann, geb. 1802 Juni 28 in Ludwigslust, Copist beym
Herrn Amtshauptmann Weber. 3 Jahr hier. (Sein Grabstein giebt 28. Juni
1801 als Geburtsdatum an.)
5. Johann Müller, geb. 1779 Jan. 1. in Zwiedorf. Statthalter. 4 Jahr hier.
Nebst Frau und Kindern. (Beuter 4, 124, 31.)
12. Johann Hacker, Knecht, 4 Jahr hier.
13. Ernst Müller, Kutscher, 5 Jahr hier.
14. Johann Westphal, Knecht, 5 Jahr hier.
15 — 17. Mädchen: Maria Ehrentin, Maria Böhrdanz, Sophia Grotkop.
18 Job. Jeter Ferrler, geb. 1754, Apr. 11 in Hildburgshausen, Amtsgerichts-
diener. 4 Jahr hier. (Ferge bei Beuter 4, 128, 11; 3, 435, 18.)
19. Ehefrau des vorigen Dorothea geb. Paarmann, geb. 1792 Oct. 8 in Kitten-
dorf. iVs Jahr hier.
20. Sophia Ferrier, geb. 1818 Dec. 3 in Stavenhagen, Tochter. (Beuter 4, 128, 14.)
(Amtsbrink.) 25. Friedr. Wilh. Sahhnanii, geb. 1761 Aug. 5 in Dallmien in
Preussen, Amtslandreuter, 7 Jahr hier, nebst Frau und Tochter (Vater
Fritz Sahlmanns nr. 4.)
30. Friedr. Harloff, geb. 1792 in Jtlrgensdorff, Tagelöhner, hier 8 Jahr.
36. Chpt Harloff, geb. 1789 ebd., 9 Jahr hier, Tagelöhner.
60
äielow und Mfihle.
487. Friedrich Wilhelm Haase, geb. 26. M&rz 1761 za Gr. Bahden, Mühlen-
Pächter. Seit 22 Jahren hier.
488 — 491. Ehefrau desselben Ohristina geb. Freytag, geb. 1780, und Kinder
Johann geb. 1794, Louise geb. 1810, Londowica geb. 1815.
492 ff. Mttllerlehrlinge Fibeickorn und Krüger, Knecht: Schwarz, und
Junge: Bendschneider, Mädchen: Johanna Witt, geb. 1799 in Pribnow,
Sophia Flotow, H. Timmermann.
Ofiltzow.
1. Michel Besserdleh, Dorfschulze, geb. 17. Dez. 1777 in Gültzow.
2. Dorothea Besserdich, gebor. Wolter, Ehefrau, geb. 1770 daselbst.
3—8. Kinder der vorigen: Sophie, geb. 11. März 1795; Joch., geb. 1801;
Henrica, geb. 1804; Wilhelm, geb. 1807; Carl, geb. 1809; Charlotte, geb.
1811. (In der „Franzosentid* werden genannt Bd. 3, 339, 26. 394, 13
Fritz Besserdich, Bd. 3, 392, 2 Hanne Besserdich^)
23. Samuel Zander, geb. 1787 in Gültzow, Schwiegersohn des Krügers Trumpf,
nebst 3 Söhnen, geb. 1812—1817. (Vgl. Beuter 3, 314, 31 u. unten nr. 267.)
159. Michael Pageis, Vollhüfner, geb. 1773, nebst Fran, 2 Söhnen und 2 Töchtern.
253—56. Johann Freyer, Vollhüfner, geb. 1759 in Cassdorf, 33 Jahre hier,
nebst Frau und Kindern: Gust geb. 1791, Johanna geb. 1803. (Vgl.
Reuter 3, 390 f.)
267—271. Gust Zander, geb. 1785, Vollhüfner, nebst Familie.
Jflrgensdorff und Voshagen.
1. Job. Fried. Scbeeker, geb. 19. Sept. 1776 in Obershagen, Schreiber. 15 Jahre
hier. Wittwer. Aus dem Hannoverschen.
2. Carol. Doroth. Schecker, geb. 30. Aug. 1812 in Kittendorff (Tochter).
3. Heinr. Fried. Scheck er, geb. 27. (?) Maj 1815 in Kittendorff (Sohn).
Ivenack.
1 If. Herr Albrecht Freyherr von Maltzahn, Graf von Piessen, geb. 24. May 1762
in Bottmannshagen in Pommern, Kirchspiel Zettemin, Gutsbesitzer, 22 Jahr
hier, nebst Ehefrau, 2 Töchtern, Privatsecretair, KammeTJangfer, Wirtin,
2 Kochbnrschen, 17 Mädchen, 2 Bediente, 3 Beitknechte, Kutscher, Stall-
meistern, Jäger usw.
30. Friedrich Herse, Bedienter, geb. 20. Sept. 1790 in Ivenack.
44. 45. Kfihlhom, Jäger, geb. Michaelis 1758 in Ivenack, nebst Sohn Hellmuth,
geb. Jacobi 1803.
47. Job. Voss, Gastwirt, geb. 25. Juli 1779 in Marokow Mühle, seit 11 Jahren
hier, nebst Frau, geb. 1785, und Söhnen Carl geb. 1809, Christian geb. 1814,
August geb. 1819.
56. Christoph Voss, Knecht, geb. 14. May 1774 in Ivenack Mühle, verheiratet,
6 Jahre in Ivenack.
127. Wilhelmine Behnltz, gebor. Herse, Wegemeisterfrau, geb. 14. Juli 1789
in Ivenack.
Jabel.
107. Job. Heinr. Sahr, Küster, geb. 28. Okt. 1766 in Vielist. 20 Jabr ansässig.
106. Sopbie Sahr, gebor. Johansen, Ehefrau, geb. 10. Juni 1761 in Jabel.
109—112. Kinder der vorigen: Job. Jochen Heinrieb, Jäger, geb. 1794 in
Waren; Job. Carl Christoph, Schneidergesell, geb. 1795 in Waren; Sophia,
geb. 1798 in Jabel; Henriette, geb. 1805 in Jabel.
163. Friedr. Christ. Ludw. Sehlange, Förster, geb. 9. Juni 1771 in Lambeck
bei Weistin, 25 Jahre hier.
164. Dorothea Schlange, gebor. Eulow, Ehefrau, geb. 1781 in Jabel.
165-170. Söhne der vorigen, geb. 1798, 1809, 1818; Töchter geb. 1802, 1804.
171 — 173. Ein Knecht und zwei Dienstmädchen.
359. Ernst Friedr. Reuter, Prediger, geb. 25. Dez. 1783 in Dehmen, hier
7V« Jahr.
560. Sophie Reuter, gebor. Engel, Ehefrau, geb. 3. Febr. 1790 in Kloster
Malchow.
361—365. Töchter der vorigen: Sophie geb. 1790; Bertha geb. 1813; Marie
geb. 1814; Johanne geb. 1815; Ida geb. 1817; Magdalena geb. 1819.
366. Sophie Reuter, geb. 15. Januar 1814 in Ltttgendorf, Kind, (sie! natürliche,
später legitimierte Tochter des Bürgermeister Reuter in Stavenhagen.)
367—73. Ausgeberin (d. i. Wirtschafterin), Amme, drei Dienstmädchen, Knecht,
Junge.
Kittendorf.
1. (Tust. Diederich v. örtzen, geb. 24. Febr. 1772 in Kittendorf. Landrat.
(Reuter 3, 400, 5; 404, 34).
454. Ernst Job. Conrad Fuchs, Pastor, geb. 1781 in Prenzlau, mit seinen 1813
und 1814 geborenen Söhnen Carl Frdr. Wilh. und Otto Frdr. Adolph.
466. Georg Heinr. Christoph, geb. 1786 in Göllmitz, Küster und Schneider,
12 Jahr hier.
467. Job. Joach. Seheeker, geb. 8. April 1804 in Kittendorf, Schneiderlehrling.
Malchin.
1. Phil. Conr. Ortttzmaeher, Stadtmusicus, geb. 13. Nov. 1743 in Malchin nebst
Haushälterin mit ihrer Tochter und dem Musikgesellen Zingelmann geb.
1798 in Molchin. (Reuter 4, 150, 24.)
829. Bttlle, Gastwirt.
836. Yoftel, Gastwirt.
1302. Höbe, Mühlenmeister, 12 Jahre hier.
2037. Carl Krttger, Senator, geb. 6. Sept. 1774 in Sibethenhof bei Güstrow,
Hausbesitzer, 15 Jahre hier. (Vgl. Reuter 3, 305, 3.)
2038. Amalia Krüger, geb. Bülch, geb. 1789 in Malchin.
2039. David Krüger, geb. 28. Nov. 1810. (Bei Reuter stets Karl Krüger
genannt, vgl. über ihn Bd. 4, 505.)
2040-2047. Andere Kinder Krügers Ottilie geb. 1812; Augusta geb. 1813;
Albertina geb. 1S15; ferner Wirtschaftsmamsell, 2 Dienstmädchen, 1
Brennerknecht, 1 Knecht.
Pinnow.
50—54. Friedrich Schwarz, Schulmeister, geb. 1783 in Help, 8 Jahr am Ort,
nebst Frau Henriette und 3 Kindern (bei Reuter 3, 392 Sperling.)
62
Lehston.
(riistay Klahn, Pächter des Hofes, geb. 15. Mai 1780 in Lehsten, Kirchspiel
Gr. Varchow, ledig. (Reuter 4, 127, 1.)
Seedorf.
128. Chn. Felix Bartel Bendobn, Zimmermann, geb. 1765 nebst Fraa and
söhnen Job. Carl Theodor, geb. 22. Oct. 1804, Lehrling-, Friedrich Voll-
rath, geb. 19. Febr. 1807; Joachim Heinrich, geb. 2. Dez. 1811; Ohu
Wilh. Heinrich, geb. 10. April 1814.
Der Knecht Friedrich in Renters
Franzosentid und Fiken Besserdich.
In 9 Meine Vaterstadt Stavenhagen^ erzählt Reuter Erlebnisse
auf einem Maskenballe, auf den er im Anfange d. J. 1819 als Kind mit-
genommen war. Als er in später Abendstunde von seiners Vaters
Knechte Friedrich abgeholt werden sollte, neckte diesen Ratsherr Herse
mit Fiken Besserdich i), die gleich ihm im Dienste des Bürgermeisters
stand. Derselbe Knecht Friedrich erscheint in Reuters , Reise nach
Braunschweig ^, und wir erfahren hierbei, dass er ^aus Pommerland*^
war und ^viele Heldentaten^ erzählte, ;,die er als ehemaliger
preussischer Soldat gegen die Franzmänner kämpfend gesehen und
gehört haben wollte ^.2) Erwähnt wird auch, dass Friedrich einem
Hunde ^den Spitznamen Diimouriez und Dolms beigelegt^ hatte.^)
Ein Knecht Friedrich Schult tritt auch in der ^ Franzosen tid**
auf. Nach den Angaben in dieser Dichtung war er ein geborener
Pommer, der später als preussischer Soldat an den Feldzügen gegen
die holländischen Patrioten (i. J. 1787) und gegen die Franzosen unter
Dumouriez (i. J. 1792) teilnahm, schliesslich aber aus seiner Garnison
in Prenzlau desertierte, weil ihn sein Hauptmann zum Kinderwiegen
zwang. In Mecklenburg trat er dann als Knecht in den Dienst des
Ratsherrn Krüger in Malchin, war später Knecht auf der grossen
Mühle bei dem Dorfe Gilow unweit Malchin, zog, als seine Neigung
zu Fik Besserdich keine Erwiderung fand, 1813 als freiwilliger Husar
mit gegen die Franzosen, wurde Unteroffizier und kehrte, als der Krieg
zu Ende war, nach Stavenhagen zurück.
Wie Ernst Brandes in seinen ebenso gründlichen wie geistvollen
Studien ;,Aus Fritz Reuters Leben* S. 13 bemerkt, ist der Knecht
Friederich in ähnlicher Weise, wie es Bräsig in der ^^Stromtid*' ist,
>) Reuters Werke Bd. 4, S. 213 Z. 18. — «) Ebd. Bd. 7, 244 Z. 16—28.
3) Ebd. Bd. 7, 252 Z. 9. Der Name Dolms harrt noch immer der Deutang.
63
die Hauptperson in der „Franzosentid^, nur dass er die humoristischen
Partien der Erzählung meist an den Ratsherrn Herse abgegeben habe.
Die bedeutende Rolle, welche ihm zugeteilt ist, und die augenfällige
Tatsache, dass das wenige, was Fritz Reuter von dem Knechte Friedrich
seines Vaters uns berichtet hat, nämlich Vornamen, Heimat, Kriegs-
teilnahme, die ruhige und bestimmte Art des Auftretens, sich bei dem
Knecht Friederich in der „Franzosentid^ wiederfindet, drängte die
Frage nach dem Verhältnis von Dichtung und Wirklichkeit auf.
Glagau^) erkundete, dass Friedrich an dem Feldzuge von 1813 teil-
genommen und ö5 Jahre im Dienste des Reuierschen Hauses gestanden
hat. Raatz^), der beträchtlich später in Stavenhagen Erkundigungen
einzog, berichtet, dass j,Friedrich Schulz^ ungefähr 70 Jahr alt bald
nach 1840 gestorben ist. Die Teilnahme Friedrichs an dem Feldzuge
von 1813 läugnet er, nimmt aber so ziemlich alles, was aus den
früheren Jahren in der Franzosentid von Friedrich erzählt wird, als
historische Tatsache, bekräftigt von mehreren Einzelheiten ausdrücklich,
dass sie mit der Wirklichkeit übereinstimmen, und erweckt den
Anschein, dass auch Friedrichs Teilnahme an dem Feldzuge von 1792
ihm bezeugt sei.
Gestützt auf Raatz, der in anderen Abschnitten seines Buches
sich als wohl unterrichtet erwiesen hatte, und ohne im geringsten
seinen Angaben zu misstrauen, haben die späteren Reuterforscher so-
wohl die Teilnahme des Knechtes Friedrich an dem Feldzuge von
1792 als historische Tatsache betrachtet und zur Grundlage weiterer
Untersuchungen gemacht, als auch sonst den Friedrich der Franzosen-
tid und seinen Lebensgang für ein treues Abbild der Wirklichkeit
gehalten.
Alle die vielen in diesem Sinne von Raatz und seit Raatz ge-
schriebenen Seiten und Zeilen können gestrichen werden. Der wirk-
liche Knecht Friedrich hat nicht Schult oder Schulz, sondern Müller
geheissen, er ist nicht um 1770, sondern 1787 geboren, er hat weder
den Feldzug von 1792 mitgemacht noch ist er aus Prenzlau desertiert,
er hat weder in Malchin noch auf der Gielower Mühle als Knecht
gedient noch ist er überhaupt vor 1818 nach Mecklenburg gekommen.
Alles dieses wird sich mit Hilfe der oben S. 52 abgedruckten Nr. 8
der Einwohnerliste von Stavenhagen erweisen lassen.
Als einziger Knecht des Bürgermeisters Reuter ist hier ver-
zeichnet: Johann Jochim Friedrich Müller, Geburtsjahr unbekannt,
nach seiner Meinung 1794, Geburtsort Grawmentin, in Meclienburg
seit 24, October 1818.
») Frite Reuter. 2. Aufl. (1875) S. 286. — «j Wahrheit und Dichtung S. 80—82,
vgl. auch S. 77.
64
Die oben S. 50 erörterte Unzuverlässigkeit der Liste in Bezug
auf Geburtsdaten veranlasste mich den Pfarrer des genannten Geburts-
ortes zu bitten, das Datum aus dem Kirchenbuche für mich ermitteln
zu wollen. Herr Pastor Heller, Pfarrer von Cummerow und Gram-
mentin, hatte darauf die Güte mir folgendes mitzuteilen:
^Johann Jochen Friederich Müller, Sohn des Tagelöhners
Franz Christian Müller und seiner Ehefrau Katharina Dorothea ist
zu Grammentin den 3. Januar 1787 geboren. Der Name Müller ist
in den späteren Jahren noch öfter vertreten, aber niemals mit den
obigen drei Vornamen.''
Die Identität dieses Friedrich Müller mit dem in Reuters „Reise
nach Braunschweig*' und in ;, Meine Vaterstadt Stavenhagen'* oft ge-
nannten Knecht Friedrich aus Pommerland ist leicht zu erweisen.
Jene beiden Schriften bezeugen, dass Friedrich bereits im Winter
1818/19, in welchen der geschilderte Maskenball fiel, als auch 1823,
dem Jahre der Reise, Knecht des Bürgermeisters war. Er muss es
also auch 1819 gewesen sein. Auch die Heimat stimmt. Grammentin,
etwa eine Meile nördlich von Stavenhagen gelegen, gehört zum Kreise
Demmin, liegt also in Pommern.
Sein Geburtsjahr 1787 lässt unmöglich erscheinen, dass er 1792
an einem Feldzuge teilgenommen hat. Es lässt sich ausrechnen, dass
er frühestens 1806 als Soldat eingestellt ist. In diesem Jahre oder
später konnte er aber deshalb nicht aus Prenzlau desertieren, weil
diese Stadt von 1806 bis 1820 überhaupt keine Garnison gehabt hat.^)
Im Gegensatz zu Raatz' ausführlichen Nachrichten, der in bezug
auf die Franzosentid minder gut als im Allgemeinen sonst beraten
war, halten die kurzen oben angeführten Mitteilungen Glagaus der
Kritik Stand und finden anderweitige Bestätigung. Zu der von Glagau
berichteten, von Raatz geläugneten Teilnahme Friedrichs an der
Schlacht von Leipzig steht im Einklang, wie Ernst Brandes 2) bemerkt
hat, dass Reuter auf der ersten Seite der Festungstid Friedrich Schult
im Kruge von der Schlacht von Leipzig erzählen lässt. Die Angabe,
dass er 35 Jahre, also bis 1843 im Dienste des Bürgermeister Reuter
gestanden habe, konnte gleichfalls von Brandes 3) durch einen Hin-
weis bestätigt werden. In einem Aufsatze des Bürgermeisters erzählt
dieser nämlich von seinem alten Kuhfütterer Friedrich, der nun bald
20 Jahre bei ihm im Dienste sei. Zu Glagaus Angabe stimmt auch
die Auskunft des alten Herrn Isack in Stavenhagen, der sich des
genannten Knechtes noch recht genau erinnert und, beiläufig bemerkt,
nicht den Eindruck empfangen hat, dass jener durch Aussehen und
Geist von anderen Knechten sich abgehoben habe. Er schrieb mir:
^Ich habe mit mehreren der ältesten Leute gesprochen, die den alten
^) J. Ziegler, Prenzlau, die ehemalige Hauptstadt der Uckermark. (Prenislau
188C) S. 162. — 2j Aus Fritz Reuters Leben I, S. 14. — ») ebd. S. 15.
65
Friedrich sehr genau gekannt, und alle waren der Meinung, dass er
hier hegrahen ist; er muss in dem Zeitraum von 1844 bis 1847, wo
ich nicht hier war, gestorben sein. Nach meiner Meinung muss
Friedrich älter gewesen sein (als er selbst oben S. 62, Nr. 8 angab);
er ging schon ganz krumm, und habe ich ihn für viel älter gehalten.^
Durch meine Darlegungen habe ich nicht bestreiten wollen, dass
der wirkliche Knecht Friedrich Müller in bescheidenem Masse Modell
Fritz Beuters für den Knecht Friedrich Schult der Franzosentid in
bezug auf die äussere und innere Persönlichkeit war. Ich habe aber
erwiesen, dass alles, was darüber hinausgeht und was seine Schicksale
und Taten betrifft, freie Zutat des Dichters ist. Wenn er den Vor-
namen beibehalten, den Zunamen vertauscht hat, so erklärt sich diese
Änderung aus der Unbequemlichkeit, neben dem vielgenannten Müller
Voss seinen Knecht mit dem Namen Müller erscheinen zu lassen.
Zu Schluss noch einige Worte über Fiken ßesserdich. Reuter
macht sie in seiner ;,Franzosentid* zur Tochter des Gülzower Dorf-
schulzen. Nach Raatz soll sie das in der Tat gewesen sein. Die
abgedruckten Auszüge aus den Einwohnerlisten von 1819 erweisen
diese Annahme als falsch. Der Name Besse]:dich ist in und bei Staven-
hagen nicht selten, und der Vorname Sophie war früher dort sehr
beliebt. Nun gab es 1819 in der Tat in Gülzow einen Dorfschulzen
Besserdich, der eine 1795 geborene Tochter Sophie hatte. Diese war
aber nicht in irgend einen Dienst getreten, Ständern auf dem väter-
lichen Hofe geblieben, vgl. oben S. 60, Nr. 3 von Gülzow. Die beim
Bürgermeister Reuter dienende Sophie Besserdich war von ihr ver-
schieden und stammte aus Sülte (vgl. S. 52 nr. 10).
Nachbarreime.
Nachbarreime nennt man die aus vielen Dörfern und manchen
Städten aus dem Volksmunde bekannt gewordenen gereimten Auf-
zählungen der Hausbesitzer des ganzen Ortes oder doch wenigstens
einer Reihe von Häusern, und zwar muss die Aufzählung genau der
Folge der Häuser entsprechen, also Nachbar auf Nachbar genannt
sein. Die Nachbarreime stellten, wie der Nachweis ihrer Häufigkeit
zeigen wird, im vergangenen Jahrhundert die beliebteste und ver-
breitetste Form volkstümlicher Reimkunst in den norddeutschen
Dörfern dar, freilich meist auch die an Poesiegehalt und geistigem
Inhalt niedrigste. Nur ausnahmsweise — und das war vielleicht bei
den ältesten der Fall — weisen sie einigen Witz auf.
Kiftderdeutaches Jahrbuch XXXVI. 5
Ein merkwürdiger Zufall will, dass gerade die nachweisbar
ältesten Beispiele der Gattung mit den Namen der beiden grössten
Dichter der neuplattdeutschen Literatur verknüpft sind.
In den Nachbarreimen von Heide, wo Klaus Groth 1819 geboren
ist, finden sich die Zeilen i)
Sla em dot
Seggt Klas Oroth. (Der 1835 gestorbene Grossvater
des Dichters Klaus Groth.)
He hett nicks as luter lütje Hahns,
Segt Brahms. (Grossvater des Komponisten JohannesBrahms.)
In ;, Meine Vaterstadt Stavenhagen*' berichtet Fritz Reuter
(Werke Bd. 4, S. 186 f.) ;,Frau Tiedten ist der erste Dichter von
Stavenhagen und zwar wie ich — ein plattdeutscher. Er war Schneider-
witwe und Nähterin, und wenn er dichtete, nähte sie, und wenn sie
nähte, dichtete er. Sie hatte sich eine Aufgabe gestellt, die heut-
zutage so leicht kein Dichter lösen wird, nämlich alle Einwohner
unserer Stadt, ihre Berufsgeschäfte und nachbarlichen Beziehungen
in kurzen Schlagversen zu behandeln. Es ist nur ein kleines Bruch-
stück, welches von mir aus dem Zeitenstrudel gerettet ist; aber dies
soll für die Welt gerettet- sein, und hier steht's :
Stisetnihl kickt ut de Luk,
Spormann de giwwt em' ne Kruk,
Pros't! seggt Sohst,
Schön Dank! seggt Bank.**
Die Frau Ticdt ist 1819 Witwe geworden, Fritz Reuter vor
seiner Verhaftung im Sommer 1833 zum letztenmal in Stavenhagen
gewesen. Zwischen beide Jahre fällt also die Entstehung der Nachbar-
reime seiner Vaterstadt. Dass sie erst nach 1821 entstanden sein
können, wird sich später ergeben.
Es ist übrigens anzunehmen, dass die von Reuter angeführten
Verse von ihm nicht in richtiger Reihenfolge wiedergegeben sind.
Spaarmann und Susemihl wohnten 1819 auf der Malchiner, Sohst und
Banck dagegen auf der Neubrandenburger Strasse und nicht wie jene
nebeneinander, sondern einander gegenüber.
Als ich vor einigen Jahren in Stavenhagen nach den alten
Reimen fragte, konnte sich nur ein einziger inzwischen auch ver-
storbener Herr, der 1823 geboren war, einer kleinen Anzahl aus seiner
Jugendzeit erinnern und mir sagen. Es waren die ersten der ganzen
Reihe und ihr Wortlaut augenscheinlich nicht treu im Gedächtnis
bewahrt. Es wurden darin die Hausbesitzer der Neubrandenburger
Strasse vom Torschreiberhause an in richtiger Reihenfolge genannt.
Die Verse lauten:
>; H. Handelmann, Topographischer Volkshumor. Kiel 1866. S. 6.
67
Ruthenick wahnt miH Enne.
Moses Meyer toi/t^) Brot bekenne.^)
Tröppner wahnt dicht bi ehm aw.^)
Jacob is en ollen Mann.^)
Salomon is en riken Mann,
Lembcke wahnt dicht bi ehm an.
Sohst secht: prohst!
Krasetnann is en snurrigen Mann.
Josephi wahnt an de Eck.
Von den genannten Hausbesitzern hat Lembcke sein Hans auf der
Neubrandenburger Strasse erst 1821 erworben. Die Verse können
also erst nach diesem Jahre entstanden sein. Hierzu stimmt, dass
Jacob (vgl. oben S. 63 Nr. 77) 1821 erst ein Alter von etwa 62
Jahren hatte.
Ein anderer Stavenhäger konnte mir folgende, aber erst aus
wenige Jahrzehnte alter Zeit stammende Verse mitteilen:
Augtist Lang de is nich bang.
Cossel singt as 'ne Drossel.
Wolter is 'ne Abstamm von Kolter.
Mit Kolter ist der bekannte Seiltänzer gemeint. Die Verse sind also
frühestens in den 1840er Jahren entstanden.
In Bezug auf die von Reuter überlieferten vier Zeilen hat Laten-
dorf im Ndd. Korresp.-Blatt Bd 5 (1880), S. 35 bemerkt ;,Mit der
Originalität dieser Verse aber hat es seine Bedenken; die beiden
letzten wenigstens find (s. Höfer, Wie das Volk spricht) mit Ver-
änderung der Namen Sohst und Bank in Jost und Blank weit über
das Weichbild der Stadt Stavenhagen bekannt und sicher nicht Frau
Tiedtens Erfindung.^ Gewiss hat Latendorf Recht. Aber der Mangel
an Originalität der Reime wird uns in der Mehrzahl der bekannt
gewordenen Nachbarreime entgegentreten, deren weite Verbreitung
zunächst hier nachgewiesen werden soll.
Ich beginne mit der Mark Brandenburg. Im Barnim und
seiner Nachbarschaft hat fast Ort für Ort seine Nachbarreime. Ich
bringe hier nur aus einer kleinen Anzahl Orte Beispiele.
Zunächst aus dem kleinen Dörfchen Prenden*) nach einer für
mich angefertigten Niederschrift eine etwa in den 1830er oder 1840er
Jahren entstandene sämtliche Hauswirte umfassende Zusammenstellung
in dem Wortlaute, der ums Jahr 1850 Geltung hatte. Die einer
Anzahl Versen beigesetzten Sternchen sollen Reime hervorheben, die
in anderen Orten wiederkehren.
') Variante: ett *J8st'. ^) bekenne 'klein, dünn\ weil er viele Kinder hatte.
') Variante: Tröppner is en gauden 3/atiw, Jacob wahnt dicht bi ehm an. *) Vgl.
Nd. Jahrbach 34, 3.
5*
68
Stätnann wahnt an't Enge (Ende).*
Lisegang met de schewe Lenge (Lende).*
Willem Mölder fanget 'n RotbarL*
Heinrich Mölder is ener ixm de Deibelsart .^
5 Fritz Bahne is en Zimmermann,*
Schlait Simund Gläser de Latten an*
Schär geit na'n Mahn,
Fritze Gläser schitt em in't Gehä.
Gottlieb Säer kocht siiete Bärn^
10 Rickert itt se gar tue gäm.
Wusterhu^e met de lange Schledds (Schlitten)
Schleddet alle olle Wiwer tue Bedde.
Karl Gläser met de lange Sehne,
Sammerfeld steckt vor etn de Döre tue.
15 Putlitz schitt up't Steg,
Käetl karrft weg.
Neuendorf schlackt 'n Kalf,*
Lauke krichtft half.*
Christel kricht't Gekröse.*
20 Liebe Säer is bitter un böse.*
Priester un Kostet heunven schwarte Hare.
Albrechtsclte seit, leckt mi in'n Marsche!
Willm Gläser schitfn groten Hop,
Andres denkt, i^n golden Knop.
25 Zeitz is de Doarschriewer.
Hoase is de Wegwieser.
Hanne Sär is en Quappenfänger.
Gensch met de lange Näese.
Grie.se denkt, he hett de gröttste Wäese.
30 Meltzow hett sine Frau gar tu lief
Goltdammer is en Erztnattendief
Wusterhuse frett jo Nudelsupp.
Nante Strump is in alle Welt.
Meserich is de Siegeshelt.
Die Nachbarreime der Stadt Bernau i. M., welche nach der
Angabe von Aug. Wemicke^) aus den 1830— 40er Jahren stammten
und noch in den 1850er Jahren allgemein bekannt waren, erstreckten
sich über sämtliche mehr als 300 Hausbesitzer, und lauteten für
Haus Nr. 1—9:
1 Stämann Stegemann. — 8—4 Sp&tere Fassung Mölder (Maller) met^n
groten Huet, Höwener (Hübner) sät, det kledt em guet. — 6 Simund Sigesmund —
9 Säer Seger. — 10 Älteste Fassung : Bickeri kann sich den Hunger nich verwarn.
— 16 KäeU Kessel. — 20 Liebe Gottlieb. — 81 Erzmetzendieb, Spitzname der
Müller. Goltdammer war Besitzer der Wassermühle.
1) Aug. Wemicke, Bernauer Stadtchronik. Bernau 1894, S. 608.
69
Lindenberg ist ein Schuster,
Bei Kiels ist alles duster.
Thiede der macht Hüte
Und i^erkauft durch Oute.
Die Platen hat ein rußtrig Haus*
Und oben kuckt der Deibel raus.*
Mantel liegt im Bett,
Hönicke spielt Klarinetf.
Die Ewest holt die Kinder,
Die Willen ist noch geschivinder.
Mit dem Bemerken, dass diese Art Poesie weit verbreitet sei,
z. B. in Lindow-Ruppin, Eggersdorf, Zinntorf, teilt Giertz i) das nach-
folgende ^yPoetische Adressbuch yon Petershagen (um 1836)^ mit.
SchulPn Luhx wohnt an't Ende.*
Christ Lulix mit de lahme Lende,*
Jacob Körper mifn runden Hut,-*
Wilm Schulze sejjt: Der is vor de Sonne jut,* *
Wulfens backen det suhre Brot,
Madel schlägt den Deibel dod,
Breseke schlack fn Kalb,*
Schneider krijt et halb,*
Wolf, der krijfs Oekrösche.*
Schnell is bitter und böse.*
Joldmann fangt de Fische,
Breseke dragt se zu Dische.
Jrassmann schiet 'n Hase,
Pohrt sejjt: Der steht mir in Nase.
Brunner schrifft die Briäve,
Körper dragt se em tu Liäve.
Engel isn Timmermann,*
Catholy schleet^de Latten an.*
Auch in dem Gubener Kreise, der bereits jenseits der nieder-
deutschen Sprachgrenze liegt, haben vielleicht alle Dörfer, jedesfalls
aber die Mehrzahl, ihre Nachbarreime. Als Probe die folgenden^):
Der Wächter bläst ins Hörn,
Der Schäfet* treibt ins Korn, *
Hanisch lässt die Bienen raus.
Neumann sagt: 'wird gar nischt draus.
Hanke hat 'nen weissen Schimmel,*
Bohne reitet mit in Himmel,*
1) Alezander Qiertz, Bausteine zu einer Geschichte des Barnim T. 1 (Peters-
hagen 1901—1905), S. 141.
*) Niederlausitzer Mittheilungen 6 (1898), S. 126.
70
Lücke der kocht Birnenbrei,
Winter springt mit der Lederhose drein.
Schlack hat einen gelben Bart — *
Gärke sagt: 's ist Teifelsart.*
Seinper ist das Judenhaus,
Bei Herrschafts fliegen die Tauben aus.
Aus einem Dorfe der Grafschatz Glatz sind Nachbarreime
veröflfentlichti), deren erste so lauten:
Der Axma dar schlachts Kolb,*^
Der Grundma dar nimmts holb*
Die Knoppen fiimmfs Gekrise,*
Do is der Herr Dörner ne bise,*
Die Bittnem nimmt die Kälberknocha,
Do hots der Ullrich Guste bale gerocha etc.
Der Aufzeichner diefer Reime merkt hierzu an: ;,Axmana ist
genötigt, ein verunglücktes Kalb zu schlachten und bedeutend unterm
Preise zu verkaufen. Dies nehmen seine armen Nachbarn wahr, um
sich den seltenen Fleischgenuss billig zu verschaffen. Grundmann,
ein armer arbeitlofer Schuster und Vater einer sehr zahlreichen
Familie, nimmt die Hälfte; die Witwe Enoppe das Gekröse; die
Witwe Bittner muss mit den Knochen zufrieden fein.^ Der Verfasser
dieser Bemerkungen, die er wie sichere Tatsachen ausspricht, hätte
nicht verschweigen sollen, dass er blosse durch seine Phantafie ein-
gegebene Vermutungen ausspricht. Dass im Allgemeinen aus den
Reimen gar nichts für die einzelnen Personen gefolgert werden darf,
ergibt sich daraus, dass sie vielerorts wiederkehren.
Auf der Insel Amrum hat Ch. Johansen^) folgende Verse in
friesischer Mundart aufgezeichnet, welche Nachbarreime in Form von
Umfragereimen bieten.
Ik hed an Siar; Ich hatte eine Wunde,
Ik wul, daft beedar iviur. Ich woHt, dass sie geheilt wäre.
Gung am tu Sam Geh um (die Ecke) zu Sam
Am an Tram; Um einen Bindfaden (zu holen);
Au'r tu Gönfji Hinüber zu Göntje
Am an Slöntji; Um ein Läppchen (zum Verbände)
Hen tu Tat Hin zu Tat,
♦ Dat jiVt di knat; Dass sie es dir knotet,
Am tu Feedar, Herum zu Fedder,
Do as*t beedar. Dann ist's besser.
Aus fünf Orten der Wilstermarsch sind von Handelmann 3)
Nachbarreime beigebracht. Als Beispiel solche von Osterende:
>) Zeitschr. d. V. f. Volkskunde 9 (1899), S. 446.
2) Jahrbücher für die Landeskunde der Herzogthümer Schleswig etc. Bd. 9
(1867), 126. 3) Ebd. S. 123.
71
Ik heff'n Klütjen opt Teller, Segg Toms Meiler.
Dar wollt m mit bosseln, Segg Hans Osten.
Ni opp min Land, Segg Jann Brandt.
Ni mank min Kohl, Segg Klas Pohl,
Ni op 7nin Fleesch, Segg Jörgen Heesch.
Ni mank min Garsten, Segg Jann Kastens.
Ik bann Prinz, Segg Hünnerk Rinz
etc.
Ferner einige von denen aus Oldendorf (bei Wüster):
Klaas Eggers wohnt in'n liittjen Eck.
Ties Alp de gifft sifi LikV keen Speck,
Johann Schröder Rnndhot.
Hafts Siebers Plattfot.
Hans Peers mit sin veer Witten Schimmel,^
Dar jagt Michel Vollmert mit 'rop na*n Himmel.*
Hane Schröder mit sin lütj Polkamütz.
Mars Gripp de in de Welt nix nütz.
Zwei Beispiele aus Schleswig, in welchen die beliebte Einfügung
eines ^sagt** wiederkehrt, werden von dem Hollingstedter Pastor
J. R. F. Augustinyi) geboten:
1. Da krupt en Liis, Seggt Hans Pus.
Pfoi! Seggt Boi.
Wat is't en Bengel! Seggt Johann Engel.
De is nich liek! Seggt Peter Siek.
Wat is't en Held! Seggt Kreuzfeld.
Haun opt Genick! Seggt Ferrer Brick.
2. Ick ho mien Swien, Seggt Severin.
Dag (tu es) nich op mien Land, Seggt Jochim Brand.
Dat is nich erlaubt, Seggt Hans Jürn Haupt.
Herrn Karl Witte verdanke ich die Mitteilung, dass in gewissen
Teilen Ostholsteins kaum ein Dorf ohne Nachbarreime ist, sowie die
nachfolgenden Reime aus Burg auf Fehmarn:
August Witt hett fief Kinner,
Lübke seggt : sünd all fief Sänner.
Clausen is 'n Avokat,
Papke holt sien Derti in Staat.
Bonhoff is 'n Tütendreiher,
Hau is 'w Schietenkleier.
Numsen wackelt mit den Kopp,
Burr schleit mit 'nem Amboss dropp.
Eiberg backt de Kringeln krumm,
Lembke is förwohr nich dumm.
1) Achtem Aben oder Plattdütsches Yälksbok (Flensburg 1867), S. 113.
72
Eitler mit de scheefe Been^
Thomseti seggt: So toat hew ick, JmI mi de Dävel,
noch nich eentnal sehn.
Ganz besonders scheinen die Nachbarreime, sagt Handelmann i)
in Dithmarschen zu Hause zu sein. Ausser aus Heide bringt er
eine Probe aus Elpersbütteler Donn bei Meldorf:
Peter Nagel greep 'n Vagel,
Klos Suhr krigfn inH Bur.
. Do't noch )nal! seggt Jann Stahl.
Do't man dnst! seggt Klas Zacliaries.
In den Braunschweig-Lüneburgischen Landen hat R. Andrea 2)
nach Nachbarreimen geforscht. Er fand sie in den meisten Dörfern
des lüneburgischen Kreises Isenhagen und bemerkt, dass hier jeder-
mann die Yersreihen hersagen kann, zu denen man für neue An-
kömmlinge im Dorfe neue Verse hinzudichtet, die dann mit den alten
verbunden im Dorfe weiterleben. Ich entnehme Andrees Aufzeichnungen
nur kurze Proben.
Aus Eutzen.
Hinrk Lamp slacht efi Swin.
Krüger dei drinkt Win.
Hein slacht en Ka(l)f,*
Nulop kr ich t et ha(ljf,*
Leue krup ne Ltis in'n Bart,
Staus säe, se war von sine Art,
Aus Kncsebeck.
Kaie mit'n Sagebock,
Könke is en Quasselkopp.
Kroiger de wohnt gans tippe Eck.
Soltetidik sitt mit^n Ars in Dreck.
Grotkass mifn Witten Schimmel^
Foirt Eberhard damit na^n HiynmeL*
Im Kreise Braunschweig fanden sich im Dorfe Hötzum
die Verse
Wedler Iiat de Schaperie.
Gerke srhitt en Sack vidi Klie.
Stoffen IVastens wohnt an Enne.*
De Meinsche hat ne dicke Lenne.*
Meine mit'r Snufftahacksdose.
Zacharis Smiit mit*r Swullerhose.
etc.
») A. a. 0. S. 4.
2) Zeitschr. d. Qes. f. Volkskunde 1896 S. 867; Braunschweigisches Magazin
Bd. 3 (1897), S. 5 f.; R. Andree, Braimschweigische Volkskunde. 2. Aufl. (1901),
S. 460-462.
73
Aus Eischott im Kreise Helmstedt sind die Verse
Lehnert hat dat grote Dar.
Schulten schitt de Hund wat vor.
Pratje stacht en Kalf,*
Wieinan kricht et half,*
Liitje kricht de Hinnerbene . . .
De Schaper kricht en Panzen,
Un niutfr uppe dansen.
Ja, sogar in die grösseren Städte Braunschweigs sind die
Nachbarreime, freilich hier sich nur auf einzelne Strassen beschränkend,
eingedrungen. So gingen um 1840 Verse um, welche Hausbesitzer
des Steinweges und der Wilhelmsstrasse in Braunschweig aufzählten:
Mattenklos wohnt an Emie*
Zenker hat 'ne scheiwe Lenne,*
Wehage hat verftdtet Holt,
Wichmann hat verschimmelt Gold .
etc.
Aus Helmstedt ist folgende Versreihe:
Mester Timme
Danst mit sine Fru im Himme.
Da kam Rehhein,
Woll dat ok mal sein.
Etsch, etsch! sä Zwetsch.
Wat is dabie? sä Miehe.
Da kam Munkel,
Da tvard't dunkel.
Da kam de Hofrat Fein,
Da konn'n nist mehr sein.
Aus Neustrelitz teilt Latendorf^) folgende Reime mit.
Groth slachffn Kalf,*
Krull kricht* n half*
Eggers kricht de Polen,
Mutter Henksch kann ^er god up lopen.
Die hier gegebenen Proben erweisen die Verbreitung der Nach-
barreime über Braunschweig, das lüneburgische Land, Schleswig-
Holstein, beide Mecklenburg, die Mark Brandenburg und Schlesien.
Die einzelnen Reimreihen sind an und für sich bei ihrer vollständigen
Gehaltlosigkeit völlig wertlos, in der Zusammenstellung belegen und
erweisen sie jedoch durch die Wiederkehr derselben Reime die be-
achtenswerte Tatsache, dass eine allein durch den Volksmund ge-
tragene Dichtungsform sich in ein oder zwei Jahrzehnten von Dorf
zu Dorf über einen grossen Teil Deutschlands verbreitet hat.
n Ndd. Korr.-Bl. 6, 36.
74
Über die Art ihrer Entstehung liegt mir wenigstens aus einem
Dorfe, aus Prenden, eine bestimmte Angabe vor. Hier haben sich,
angeblich in den 1830er Jahren, eines Tages die jungen Burschen
des Dorfes im Dorfkruge versammelt und den Wortlaut der Nachbar-
reime ihres Dorfes festgestellt und später, wenn ein Wechsel im
Hausbesitz eintrat, in gleicher Weise die Verse abgeändert. Offenbar
hat einer oder der andere jener Burschen die Nachbarreime eines
anderen Dorfes gekannt und eine Anzahl davon in freiester und zum
Teil sinnloser Weise für das eigene Dorf verwertet.
Ich vermag nicht festzustellen, wo und wann^) die ältesten
dieser Reime entstanden sind, und nur Fritz Reuters oben angeführter
Angabe danken wir die Kunde, dass sie schon etwas vor 1833 in
Mecklenburg bekannt waren.
In vielen Orten sind die alten Nachbarreime heute vergessen
oder leben nur noch in der Erinnerung der älteren Generationen.
In anderen werden sie, wenn die Besitzer der Häuser wechseln, durch
Ändeiiingen des Wortlautes sozusagen auf dem Laufenden erhalten.
Es kommt aber auch vor, dass diese Dichtungsart noch heute neue
Sprossen treibt. In Stavenhagen z. B. sind in neuester Zeit ent-
standene Nachbar reime bekannt. Eine Probe sei — mit von mir
geänderten Namen — mitgeteilt:
Schütze fährt Automobil.
Der Stadtrichter tut nicht Hei,
Arendt ist ein kranker Mann.
Dr. Bühler schmiiizt seine Patienten an.
So bietet Reuters Vaterstadt die — soweit nachweisbar — ältesten
und die jüngsten Belege der Nachbarreime.
Zu den Memoiren eines Fliegenschimmels.
In den ,, Memoiren eines alten Fliegenschimmels* lässt Reuter
den alten Gaul eines Lumpenfahrers seine wechselvollen Lebens-
schicksale erzählen. Unter der Obhut eines biederen Wärters hatte
er glückliche Fohlenjahre in einem mecklenburgischen hochfeinen
Marstalle verlebt und war als Sprössling hochadliger Ahnen für die
glanzvolle Laufbahn eines Rennpferdes erzogen worden. Als er dann,
verseucht durch das bürgerliche Blut einer Bauernstute, die ihm als
^) Andree's Annahme, dass die in mittelniederdeutscher Zeit sehr beliebten
Spottreime aus Nachbarreimen bestanden, ist durch Nichts begründet. Die Verse
in Botes Schichtspiel, auf welche er verweist, bieten eine Aufzählung von Namen,
durchaus aber keine Nachbarreime.
75
Amme gegeben war, sich als Vollblutpferd beim Wettrennen nicht
bewährt, wird er an einen jüdischen Bosstäuscher Mortje verkauft,
von diesem zugestutzt und an den reichen Lembcke verhandelt, um
von dessen Tochter Malchen geritten zu werden. Erst durch eigenen
Leichtsinn, dann durch widrige Schicksale immer tiefer sinkend, endet
er schliesslich, als er eben auf einer Auktion für 3 Taler 12 Groschen
einem Bücklingsfahrer zugeschlagen war.
Es ist noch nicht bemerkt worden, dass es ein älteres Buch
gibt, welches in seiner Anlage einen augenfälligen Parallelismus zu
den Memoiren des alten Fliegenschimmels aufweist. Die mir vor-
liegende Ausgabe, welche sich im Besitze der Landesbibliothek in
Rostock befindet, hat den Titel „Lebensbeschreibung der Mecklen-
burgischen Stute Amante von ihr selbst erzählt und herausgegeben
von Valentin Trichter. In zwei Bänden. Zweite verbesserte Auflage.
Leipzig 1831." Der Verfasser des Buches, welches 1805 in erster
Auflage erschienen war, nennt sich unter der Vorrede der zweiten
Auflage: „S, v. Tenneker, K. Sachs. Major der Cavallerie, Stall-
meister und Oberpferdearzt." Im Gegensatz zu den Memoiren des
Fliegenschimmels, deren satirische Tendenz sich gegen den mecklen-
burgischen Adel richtet, will Tenneker in seinem gleichfalls satirischen
Buche, welches er einen komischen Roman nennt, die zu seiner Zeit
verbreiteten Missbräuche und falschen Lehren bezüglich der Behandlung
gesunder oder kranker Pferde treffen und zugleich für seine eigenen,
aufdringlich oft mit vollem Titel zitierten hippologischen Schriften
Reklame machen.
Wie Reuters Fliegenschimmel verlebt Tennekers Amante ihre
ersten frohen Fohlenjahre unter der Pflege eines biederen und gut-
mütigen Wärters, verfiel später, gleichfalls wie jener, dem Laster des
Kökens, d. h. Krippensetzens, wurde von einem jüdischen Rosstäuscher
angekauft, von diesem zugestutzt und dann als angebliches Vollblut
aus dem Malzahnschen (sie) Gestüt einem fürstlichen Stallmeister an-
gepriesen, der sie kauft und für Serenissimus zum Leibpferd bestimmt.
Als sie dann zugeritten werden soll, wirft sie den Reiter ab, — gerade
so wie Reuters Fliegenschimmel seine Reiterin Malchen (Reuter 7,
372, Z. 34) — gilt deshalb für störrisch und wird schleunigst für
ein Spottgeld weiter verkauft. Zunächst kommt sie als Wagenpferd
in den Besitz einer Dame, wird, als sie den Wagen einen steilen Weg
nicht hinauf ziehen kann und ihre atlasbeschuhete Besitzerin durch
tiefen Schmutz den Weg zu Fuss fortsetzen muss, von dieser wieder
verkauft, geht dann schliesslich von Hand zu Hand, wird Soldatenpferd,
Ackergaul und alles mögliche, sogar wie auch Reuters Fliegenschimmel
Pfandpferd, um für die Zehrkosten eines Besitzers einem Wirte zu
haften, und endet schliesslich als Abdeckerpferd.
76
Von Fritz Reuters Vater.
Das Landesarchiv in Rostock bietet viele auf den Bürgermeister
Reuter bezügliche, den Biographen seines Sohnes bisher unbekannt
gebliebene Schriftstücke. Ausserdem ist in^älteren mecklenburgischen
Zeitschriften noch manche Notiz von ihm und über ihn versteckt.
Die kurzen Auszüge, die ich hier aus beiden Quellen mitteilen will,
werden einige Unklarheiten aufhellen und zum besseren Verständnis
mancher Stellen in den Briefen Fritz Reuters an seinen Vater beitragen.
1. Vorweg einiges, was die Erinnerung einiger alter Staven-
häger, deren Jugend in die 1820er und 1830er Jahre fiel, über den
alten Bürgermeister festgehalten hat.
Er war stets auf neuen Erwerb bedacht. Bedurfte er für seine
Pläne eines neuen Grundstückes, so wusste er dem Besitzer so lange
zuzusetzen, bis dieser in den Verkauf willigte. Er hat dadurch manche
Träne fiiessen gemacht. Der Vater eines der beiden Herren, die mir
unabhängig von einander so berichteten, besass vor dem Tore ein
Ackerstück, welches der Bürgermeister für seine Bierkellereien er-
werben, der Besitzer nicht veräussern wollte. Schliesslich musste er
in einen Tausch mit einem benachbarten Acker willigen, dessen Verkauf
der Bürgermeister von dem früheren Eigentümer so zu sagen auch
nur erzwungen hatte. ^Du wirst es noch erleben,* sagte der Vater
meines Gewährsmannes damals zu seinem Sohne, j^das vom Bürger-
meister erworbene Vermögen kommt nicht an den dritten Erben*.
Anderseits wird dem Vater Fritz Reuters nachgerühmt, dass er
sich angelegen sein liess, Witwen und Waisen gut zu beraten und sie
zu fördern. Ausser drei Gespannen von je vier Pferden besass er
einen Schimmel, den er gelegentlich als Deckhengst verwertete, auf
dem er Tag für Tag zu seinen Äckern ritt. Wehe, wenn er auf der
Feldflur den Knecht einer Witwe nicht bei der Arbeit oder gar fern
von den Pferden irgend wo ruhend fand. Geldstrafe oder Haft im
Stadtgefängnis war ihm sicher.
Als sein Sohn Fritz im Anfange der 1840er Jahre in Staven-
hagen war, wollte sein Vater seine Abstinenz von Bier und ähnlichen
Getränken erzwingen. Das geringe Taschengeld, das er ihm gab,
nötigte den Sohn, von Bekannten Geldbeträge zu leihen. Ausserdem
war er in manchen Familien wie ein Kind vom Hause, und lud sich
zum Frühstück ein. Die mecklenburgische Gastfreundlichkeit ermög-
lichte es ihm dann, nach Belieben zu trinken. Schliesslich verfiel
sein Vater darauf, ihn in einem Zimmer abzusperren. Gute Freunde
verhalfen ihm trotzdem zu Bier. An Bindfaden zog er die vollen
Flaschen hoch und liess sie geleert herab.
2. Im „Freimüthigen Abendblatt, Jahrg. 29, Beilage zu No 1472^
ist ein ^Nekrolog des Bürgermeister Reuter, f 22. März 1845, morgens
9^2 Ubur^ gedruckt, welcher einige nicht unwichtige Einzelheiten und
77
Daten zu unserer Kenntnis bringt. „Seine Matter Gat. Maria geb.
Fanter war die einzige Tochter des bereits 1749 gestorbenen Gold-
schmieds Fanter in Parchim. Er studierte 3 Jahre in Göttingen,
wobei er die Führung und Aufsicht eines jungen Adligen mit über-
nahm. Die Acturiatsgeschäfte beim Stavenhäger Amtsgerichte versah
er bis zum 7. Nov. 1828, wo er sie wieder quittierte. Seine Brauerei
trat er am 24. Jan. 1840 seinem Nefifen Ernst ab, der den Betrieb
derselben für seine Rechnung besorgt hatte. Er liess sehr zahlreiche
Beiträge zu den Annalen des mecklenburgischen patriotischen Vereins,
dessen ordentliches Mitglied er war, drucken.
3. In dem „Stavenhagen den 19. Sept. 1821 G. J. Keuter^ unter-
zeichneten Aufsatz im Freimüthigen Abendblatt ;,Über Einschränkung
der Stoppelhut auf den Stadtfelddrn^ berichtet der Verfasser, dass
er auf einer Fläche von 3000 bis 3200 Quadratruten, welche mit
Kümmel bestellt gewesen, bei weitem nicht die 2000 Rtlr verdient
habe, wie ihm zugeschrieben sei. Er ernähre auf 12000 bis 13000
Quadratruten gepachteter Äcker grösstenteils mit ihren Familien
zwanzig Arbeiter und Arbeiterinnen Jahr aus Jahr ein. Empfohlen
wird gartenmässiger Anbau.
Ebenda, Jg. 5 (1823), Spalte 827 wird aus Stavenhagen be-
richtet: jyDas hiesige Publicum ist im Ganzen gut und ruheliebend, . . .
jeder trägt seine Lasten mit Geduld und fügt sich grösstenteils in
alles, was verlangt wird.^
Jg. (1825) Sp. 155. G. F. Reuters Abwehr des Vorwurfs, dass
er als Actuarius des Amtsgerichts in einem bestimmten Fall nicht
ordnungsmässig verfahren sei.
4. Aus den: Acta den Antrag des Herrn Bürgermeisters Reuter zu
Stavenhagen auf eine Anleihe von 5000 Tlr zur Unterstützung des
Ackerbaus und der Bearbeitung des Krapps betreffend. (Beigefügt
ist im Manuskript der Aufsatz ^Über den Anbau des Krapps, i) vgl.
meinen Nachweis Reuters Werke Bd. 1, S. 384.)
In einem Gesuche vom 12. Oktober 1824 an den Engern Aus-
schuss der Grossherzogtümer Mecklenburg sagt er: Zu einer Zeit wo
die Preise des Korns nun schon seit Jahren so äusserst geringe seien,
müsse der Anbau ungewöhnlicher Feldgewächse, die in höherem Preise
stehen als das Korn, für jeden Patrioten von hohem Interesse sein.
Er beantragt der bevorstehenden Landtagsversammlung sein Gesuch
zu empfehlen, ihm 5000 Taler zu leihen und zwar 10 Jahre kün-
digungslos, dann will er jedes Jahr 1000 Tlr abzahlen. Sicherheit
für die Schuld böten z. t. seine Grundstücke.
Das Gesuch wurde dem Landtage am 27. Oktober 1824 vorgelegt.
Landtagsprotokoll vom 11. Nov. 1824. Das Gesuch wird nach
dem empfehlenden Dictamen des Bürgermeisters Schlüter aus Crivitz
bewilligt, der Engere Ausschuss mit der Auszahlung ermächtigt und
1) Auszüge jetzt bei A. Römer, Heiteres und Weiteres von Fritz Reuter S. 142 ff.
78
der Zinsfuss für die ersten 5 Jahre auf 2 ^/o, für die letzten 5 Jahre
auf 4 o/o festgesetzt.
Am 22. Nov. 1824 dankt der Bürgermeister R. den zum Land-
tage versammelten Herren für die vielleicht beispiellose Bereitwilligkeit
der Gewährung seines Gesuches und fügt hinzu ;, erlaube ich es mir
in Bezug auf das jüngst von Herrn Mantius im Abendblatt über meine
Krapp -Pflanzen ausgesprochene Urtheil hier noch sub Nris 1 2 & 3
einige Wollproben zu überreichen, die mit von mir gebautem Krapp
gefärbt sind. Nr 1 ist mit Pflanzen, die ich aus Bützow erhalten,
und 3 Jahr alt waren; Nr 2 mit Pflanzen aus Königslutter, die nur
erst 2 Jahr von mir cultivirt waren, und Nr. 3 ist mit blossem
Abfall gefärbt.^
Am 8. Jan. 1825 bescheinigen der Stadtsprecher Cummerow
und die Viertelsleute, dass der Bürgermeister auf dem Ratshofe einen
Stall in Form eines zweistöckigen Hauses 48 Fuss lang, 26V2 Fuss
tief sowie ein Materialienhaus und Scheune 117 Fuss lang, 40 Fuss
tief gebaut habe, beide Gebäude hätten nicht unter 1700 Tlr Gold
gekostet. Ferner besitze er 7 Stück Äcker, zusammen 2472 Quadrat-
ruten im Werte von 2675 Tlr Gold, worauf im Stadtpfandbuche 900 Tlr
eingetragen seien.
Das bewilligte Darlehen wurde dem Bürgermeister aus dem All-
gemeinen Landkasten in Raten gezahlt: 1000 Tlr zu Antonii- Termin
1825; 2000 Tlr zu Antonii -Termin 1826; 2000 Tlr Trinitatis 1826.
Am 6. Jan. 1826 beglaubigt Senator August Friedr. Herse
notarius publicus juratus et immatriculatus eine Erklärung des
Schneidermeisters Gramzow betr. sein dem Bürgermeister Reuter für
2265 Tlr verkauftes Haus mit Zubehör, woraus er unter dem 19.
April 1825 abschläglich 200 Th. Gold und 6. Jan. 1826 weitere
600 Th. Kaufgeld erhalten hat.
Am 30. Sept. 1830 gibt der Bürgermeister an, dass er in
diesem Jahre 1800 QR mit Krapp, 1500 QR mit Karden, 400 QR
mit Waid, 1525 QR mit Kümmel zum Einschnitt pro 1831 bestellt habe.
Von seiner früheren Ernte hat er für 110 Scheffel Kümmel auf
800 QR 330 Tlr, für Waid auf 600 QR 180 Tlr eingenommen und
noch für 250 Tlr vorrätig. Für Weberkarde, die bis auf nur 200 QR
durch Frost vernichtet war, würden c. 160 Tlr einkommen, für
3 Sommer bestandenen Krapp auf ungefähr 3000 QR mindestens
1400 Tlr.
Schreiben vom 1. Oktober 1830 an den Engeren Ausschuss.
„Mein Unternehmen: den Krappbau in Mecklenburg einzuführen und
zu verbreiten, hat für die Hauptsache, nämlich für die Einführung
des Anbaus im Allgemeinen und im Grossen, den erwünschten Erfolg
nicht gehabt.
1. Weil der Anbau an sich schwierig und mehr für kleine,
industriöse, mit hinreichenden Geldmitteln versehene, in hiesiger
Gegend aber nicht vorhandene Wirte passt, als für grössere;
2. weil während meiner Unternehmung die durch vorauf-
79
gegangene sehr ergiebige Ernten schon gedrückten Preise des Krapps
ungewöhnlich tief heruntergingen, dann aber die diesen Culturen sehr
nachteiligen nassen Jahre 1828 1829 und 1830 folgten . . .
3. weil in Ermangelung grösserer (gröbere Tuche herstellenden)
Fabriken für hiesige Gegend der Absatz der ordinairen Krapp Sorten
sehr schwierig . .^
Dagegen, wird weiter ausgeführt, sei ihm vollständig gelungen
den Kümmelbau einzuführen, so dass nahezu der ganze Bedarf Mecklen-
burgs an Kümmel bereits im Lande selbst erzeugt werde.
Am 12. Jan. 1831 wird dem Bürgermeister R. die beantragte
Zinsreduktion nicht bewilligt, ständischerseits aber genehmigt, dass
ihm aus dem Fonds' zur Unterstützung städtischer Industrie auf
10 Jahre jährlich 50 Taler ausgezahlt werden.
In einem Schreiben v. J. 1835 erwähnt der Bürgermeister R.
dass preussische Fabrikanten aus Berlin, Alt-Brandenburg und Frank-
furt persönlich zu ihm gekommen seien, um von ihm zu kaufen.
Am 11. Dez. 1838 bittet der Bürgermeister um Fristbewilligung
für die Abzahlung seiner Schuld, indem er über Missernten i. d. J.
1837 und 1838 klagt und angibt, dass er 1835 begonnen habe, eine
Brauerei einzurichten.
Januar 1842 hat der Bürgermeister Reuter den Rest seiner
Schuld an den Landeskasten durch den Senator J. C. Weber in
Rostock mit 500 Tlr bezahlt.
5. Beschwerde des Hauptmanns Carl Ludwig Adolf von Winterfeld
aus Neubrandenburg d. d. 28. April 1818.
Er sei am 8. M&rz 1818 nach Stayenhagen gekommen, habe Logis im Gast-
hofe der Witwe Toll genommen und sei zwischen 6 bis 7 Uhr Abends hier in ein
Zimmer getreten, in welchem eine kleine Anzahl Personen zum Spiel vereinigt
waren. Gleichzeitig seien von der entgegengesetzten Seite plötzlich zwei Gensdarmen
eingetreten, hätten va banque gerufen, sich des auf dem Tische liegenden Geldes
bemächtigt und sich mit ihm entfernt. Er sei dann, obgleich er am Spiel gamicht
teilgenommen, verhaftet.
Seine Beschwerde gegen den Bürgermeister hatte zur Folge, dass einer der
Gensdarmen straf versetzt wurde.
Vergl. hierzu Reuters Werke Bd. 4, 147 Z. 21 flf.
6. Aus einer bei dem Herzog eingereichten Beschwerdeschrift
des M. M. de dato Stavenhagen 24. Oct. 1811.
„Im vorigen Jahre coursirten in der hiesigen Stadt einige falsche Schwedische
und Westphälische 4 Schillingsstücke ... Als nun am 5. Dec. v. J. mit der Ham-
burger Post ein an mich adressirter Brief nebst einem Beutel mit 270 Rthlr an-
gekommen war, und ich durch meinen Boten im Posthause hatte anfragen lassen,
ob etwa Briefe an mich eingegangen wären, so versagte der Postmeister Toll —
der zugleich eine Schenke hält, und den Bürgermeister Reuter unter seine fleissigsten
Gäste zählt — mir die Herausgabe des gedachten Briefes und Beutels.
Nach Ablauf einer kurzen Zeit Hess er mir aber sagen, dass ich zu ihm
kommen möchte. Auf diese Anzeige verfügte ich mich nach dem Gasthause, und
fand in dem Gastzimmer den Wirth in der Person dieses Postmeisters, den Bürger-
meister Reuter, den Rathmann Hersen, den Chirurgus Metz und den Pferdehändler
Toll, einen Bruder des Postmeisters, am Tische sitzend vor.
Kaum war ich in diese Gesellschaft getreten, so legte der Postmeister Toll
den Beutel mit 270 Tlr auf den Tisch, und verlangte, dass ich selbigen öfnen sollte.
80
Da aber das Siegel schon von dem Beatel abgenommeD, und er nur bloss mit
einem Bande zugebunden war: so sagte ich, dass ich zuerst den Brief eröfhen
müsste, zumal mir eine Sendung von 270 Rthl. unerwartet käme.
Der Postmeister wollte mir aber den Brief nicht herausgeben, und so ent-
schloss ich mich endlich, den Band des Beutels aufzuschneiden. Der Beutel wurde
jetzt geleert, und ich bemerkte zu meinem grössten Erstaunen, dass in den darin
liegenden und eröffneten Tuten falsches Geld vorhanden war.
Hierauf wurde nun der Brief von dem Postmeister Toll mit dem Geschrei
„da haben wir, was wir haben wollen** eröfhet, und vorgelesen. Dieser hebräisch
geschriebene Brief lautete also :
Hamburg. Ich übersende Ihnen anbei 270 Rtl. In Ihrer Gegend wird
ein Mann kommen, der dort rauhen Toback kaufen wird; an diesen Mann
werden Sie die beygehenden 270 Rtlr abgeben, ich bin ergebenst Saniter.
Als ich mich nun nach Vorlesung des Briefes erl^lärt hatte, dass ich den
Saniter überall nicht kenne, und ich also ebenso wenig wissen könnte, wo der Brief
mit dem Geldbeutel herstamme^ als, da der Beutel mir nicht versiegelt übergeben
sey, wer das falsche Geld hineingel^ haben möge : so wollte ich nach Hause gehen.
Allein nun stand der Bürgermeister Reuter auf, kündigte mir Arrest an, und befahl
mir, mit ihm in dieser Absicht nach dem Rathause zu gehen.**
M. berichtet dann, dass er auf dem Rathause vom 6. — 13. December im
Arrest gesessen habe, ungeachtet er sein Vermögen als Caution angeboten hatte.
Während des Arrestes habe der Bürgermeister eine Haussuchung bei ihm vor-
genommen, habe seine Handlungsbücher und Papiere versiegelt und fort genommen,
auch das Haus seines Bruders, des Schutzjnden Levin M. visitiert. Nachdem M.
mehrmals von dem Bürgermeister verhört war, entliess ihn dieser.
Brief des Bürgermeisters Reuter v. J. 1832 an die Frau des
Beschwerdeführers, der wegen Erblindung in eine Heilanstalt
gebracht war.
Beste Madame M. Ihr lieber Mann ist, wie ich zu meinem Leidwesen höre,
immer noch nicht völlig wiederhergestellt. Theilnehmend erinnern sich gewiss
mehrere, ja viele hiesige Einwohner desselben und seines unverschuldeten Mis-
geschicks. Dies ist audi aufrichtig bei mir und den Meinigen der FiJl, und wünsche
ich nichts mehr als Ihnen und den Ihrigen dienen zu können. Mir ward im Ganzen,
aller sehr beträchtlichen Unfälle ungeachtet, ein gut^ Jahr, wohin ich besonders
auch Gesundheit rechne, zu Theil. Erlauben Sie, dass ich Ihnen hiemeben einen
Scheifel Waizen übersende und nehmen Sie denselben gütigst und freundlich von
mir an, mit dem Wunsche, und mit dem Vorsatze, dass ich Ihnen in der Folge,
so wie den Ihrigen bessere Beweise meiner aufrichtigen Theilnahme geben könne,
übrigens sollte ich meinen, dass Sie durch die vortheilhafte Lage Ihrer Häuser
immer mit einigem Erfolg das frühere Geschäft Ihres lieben Mannes, nämlich den
Materialhandel fortsetzen könnten, wenn nur ein geregelter Gang des Geschäfts
und Ordnung und Accuratesse dabei beobachtet würde. Vielleicht passt sich eins
von Ihren Kindern zur Besorgung desselben. Schuldigst werde ich dazu bestens
beitragen, namentlich durch Empfehlung zum Credit, sobald Sie selbst solches
wünschen.
Mit aufrichtiger Theilnahme bin ich Ihr ganz ergebenster G. J. Reuter.
BERLIN. V/. Seelmann.
81
Niederdentscbe Gedicbte ans den Hannoverscb-
Brannscbieigscben Landen Yon 1727—1750.
Hochzeit Forck / Thor Brügge. Hannover 1727.
Ein trulig un grülig Gespräcke Mit vermengten un angehengten
Glück-Wunsche, Twischen Vadder Fritz un Vedder LüelflF, Tweien
vertrueten Buerknechten van Mfikkershusen, Dat bie Der Forcken-
un Thor Bruggischen Hochtiet Dei im Jahr Eindusend Sevenhun-
nert un Seven un Twintig, den Ses un Twintigsten Februarius Vullen-
togen word, Von düssen Hueslüen is geholen woren, Un taum Drucke
brecht, Van einen dei dütmahl geren wolle Dei Thor Bruggische
Familie Lustig Macken.
Lftelff.
Wo Fritze wo henut? du bist verwegen glatt,
Man sAht woU, dat du hflt noch denckest na der Stadt:
Doch ne! eck l^ve bohl, deck hat van Frien drömmet,
Dat da dei Haare hast sau schlicht an gladde kemmet,
Dien gantze Haut is blanck, dei Jack is nagelnied,
Ja ja, da hast deck hAt recht nieper atheflieht.
Fritze. Ne ne, bie Lieve nich et sind gantz anjer Saaken,
Vor meck denck eck noch nich apt reine Beddelaken,
Eck hebbe Tiet genaag. Doch aver weistn wat?
Herr Forck is Br6ddigam, darum bin eck saa glat.
Dei gue leive Mann, dehm maat eck GlAkke seggen
Sau veel, as in der Welt dei Heaner Eier leggen,
San veel in Sommer man Kirschen an Flamen hat
Vor Forckens sieuer D6hr tau koop injer Stadt.
Dei Br5gam kielet seck vor Freuden Kopp an Bfiggen,
De Janfer dei hei krigt dei nennet seck Thor Brüggen;
L fiel ff. Ja Fritz dat hat seck woll, dat is man kftdderie,
Eck hebbe veele h6rt van dflsser Frierie.
Eck woll dem Br5ddigam dat Harten-Kind woll gfinnen.
Et is fromm, klaack, geschickt, und weit seck sch5n tan finnen
Bie allen 6hren Dann. Un ock dei Br6ddigam
Is trfte schlecht an recht, van ohien dfttschen Stamm;
Et w6r ein glücklich Paar. Doch kan eck deck nich 16ven,
Eck seih den vam Pastor sei erst tanhope geven.
Dei Tiet verdflnckt meck fast, et hat tau lange wahrt
Dat man gek6ddert hat, sei wöhren bohle paart,
.Alleen da noch tanr Tiet nicks is darate woren,
Sau werd sei beider Deil woll kramen anjer Oren.
Fritze. Dat drepstu! meinestu? da bebbest alltiet recht?
0 ne da irrest wiet mien leive Lannes-Knecht.
Ni«d«rdeiitioh«B Jftbrbaoh XXXVI. 6
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Wat lang wahrt dat ward gut, an hastn Lnst tau wedden?
Man werd den Beiden hAt as Brut nn Br5gam bedden.
Lftelff. Na na lat et den sien; eck kenn sei Beide woU,
Gab tan eck gäbe mit, wie wilt Accis an Toll
Van aser H5fifligkeit, den jangen Lüden bringen,
Sfle dort is schon dat Haes. Da werd dei Feddeln klingen.
H6br wo dei Dnlcian as alle Veiten samt,
Un wo dei Bass- Viani as dasend Dflvel bramt
Lop wat da lopen kanst, gab taa wie d6r£ft nich tenwen,
Eck frage hftte nicks na Maas na Brie an Beawen,
Gab tan et is gewiss nich teawens Tiet,
SAe eis wo hebbet seck dei Maikens athefliebt.
Hier! Deeren mackt eis np, wie mackt sftss wat taa flicken
Wie brecket sftss gewiss dei D6hr in dasend Stücken,
Denckt dat wie Baren sind, mackt fort an lat flscb in,
Wenn ji nich wilt gestott an ook geschallen sien.
Fritze. SAe Lflelff, sAe eis de Brat; wat is Sei schean staffeiret,
SAe wo dei Br^ddigam seck saa verleivet teiret.
LA elf f. Eck seih sei Beide an. Wo schaffsta as ein Beer,
Fohrt Fritze bAcke deck an k5hre Tor meck beer:
Fritze. Erst eine gaen Dag maat eck j6ck Bälden seggen.
Denn einen trnen Wnnscb voor Jue Scheenen leggen.
Herr Forck as Br&ddigam J^ck wAnsch eck Ehr an GlAck,
Dat alle Morgen stets dei Seegen klnmpen dick
In Jaen Handel fall. Blievt lange Tiet in Leven,
Der Wollfahrt Steiyerwarck maat nimmer bie Ja beven.
Et starve JAck kein Hand, yeel weinger Perd nn Kaa,
Dat raap eck wAnschend J&ck mit^) vnllen Halse tau:
LA elf f. Saa h5rt ock Janfer Brat wat LAlff at Harten Granne
JAck hAte wAnschen will, an wat hei mit dem Manne
Voor dAtsche Woore spreckt. Levt Levenslang vergnengt,
Un prenyet saa veel Last, saa yeel man Fooren*) plengt;
Ji mAtet noch bi Asch np dasser rannen Eren,
Wo sei jo rand schall sien, mit Heil erfAUet weren.
Fritze. Nn holt, lath meck noch eis (LAelff) still et is noch nich al.
Fritz an LAelff taaglieck.
Eck wAnsch Herr BrAgam JAck, an JAck ock Janfer Brat
Dat Ji gantz sente mAgt taahope schlapen, wacken,
Un Kind an Einnes-Kind, JAck dasend Frende macken.
Be^fissnngsgedicht f&r Georg I. 1727.
Afs uht den Engeischen Reveer
Affreise use leeve Heer
UF harte Leeve Lanjes Vaer
Den wy nich sehn heeft in twee jaer,
De AUerdörchlüchtigste Könje un Forst,
Nah den äsch sau lange all hartlick het dörst,
Heer Könje Georg meen ick, van Grohte-Britannjen,
*) Druck: mie. *) Furchen.
83
Van Franckrick, van Irland un anneren Lanjen
BescMtzer des Glovens, ook Hartog daerby,
Tho Bronswick un LÄn'borg, dat segge ick fry,
Des Rikes Scbatz-Mester, Chürfürst van Haüover
De übt de Stadt Landen quam tbo üscb berover,
Den will ick van Harten
Mit Leeve un Schmarten
Thom Wilkohm hier singen,
Eeen Opper ook bringen,
Ick will 5hn hier gr&ten,
Oock fallen tho F6ten,i)
In Demoht mick bücken,
Sin Loff schall hier klingen,
Een jeder help Singen:
De Kßige, de level
De Höchste 5hm geve
Veel Qlflck an veel Seegen
üp all sienen Wegen.
Gott maeck 6hm in Oller fin munter un starck.
He seegen Sin'n Scepter, Sin* Krohne an Warck,
Gott laet in Gnaden 6hn oock mahl an mick eys dencken,
Van Sinen bogen Thron up mick Sin* Gnade lencken,
Heer Kö^je, sy gn&dig, sfth an miene Noht,
Un gif mick übt Gnaden doch eenen Knust Brod.
So wiFck mit Mund un Hart Dick all myn Dage priesen,
Ick will mit Wyff un Kind Dick Loff un Danck bewiesen,
So lang ick up de Welt Hoffschl&ger, beten kau,
Verschmad* dftt Opper nich, nimmst doch in Gnaden an.
Grotmächtigster Georg! den Sfid un Nord verehret,
Un den oock Ost un West gebflckt tho F6ten f511t;
Verl5fe, dat een Knecht tho Dinen Thron sick kehret,
Un Dines Purpurs-Sohm, 0 grote Wunder-Held!
Mit deepgebögten Knee mag unnerdahnig gr6ten,
Un leggen Seel un Hart darby tho Dinen F5ten.
Wy beten Dick mit recht de Krohne Dines Standes,
Den fisch de leeve Gott het upper Erden bracht.
Da Schönheit Dines Stamms, un Vader Dines Landes,
Den Ehr un Bedelkeit übt beyden Ogen lacht;
Wy, Dine Kinner, wilt Dick hier een Opper wyhen.
Nimmst doch in Gnaden an, un h5re use schryen.
tisch will nah dflstrer Nacht de Sünne wedder schienen.
Et geit een Freuden-Steem in usen Lanne up,
Wiel use K5nje kftmmt, thau allen leeven Sienen,
DrAm kftmmt oock Rick un Arm thanhoep mit vullen Hup;
Et freuet sick mit mick een jeder Unnerdahn
Un segd: De K5nje kflmmt, un nimmt Sick user an.
>) Hierunter am' Ende der Seite sind die Worte gedruckt: „Dftt ilTe drücket in
den Jahr do use K/^nje by &sch war. 1727.*' Handschriftlich ist am Rande an-
gemerkt: „NB. Dieses Carmen ist zwar auff die Heranskunfft des Königs gemacht,
aber ihre Königl. Majestät starb auff der Reise 1727 22 Juni in OsnabrücS:.*'
6*
84
Och! Och! wat heif wy ofiFt nah Dick y5r Süffzer schicket,
Wenn't heht: De Kdiye kftmmt düt Jahr noch nich herut;
Wo heff* wy offt van feern v5r Dinen Thron fisch h&cketi
Denn fisch was hang dat Da noch länger hievest nht.
Nn sfin wy hartlick froh, een jeder r5pt un segd:
Vivat Georgias! Dn kfimmst fisch even recht.
V5r körten k5hrd* man hier van nicks, as Eriegeryen,
Een jeder was all hang, een jeder wafs verveert,
Wy lepen nah de Kerck, wy sfingen, repen, schryen,
Bet fisch de leeve Gott in Gnaden het erhfirt,
Un het fisch na d6rch dick Goht, Blot an ase Leven
ün all dat, wat wy hefft, aht Gnaden wedder geven.
Ja, leeve Lannes-Vaer! dfirch Dick het fisch Gott geven
Den leeven Fre'n, darin wy na ganfs secker sfind,
Gott late Dick davfir noch lange Jahre leven,
Dat bidd' wy all van Gott, wy, Vaer, M5hm an Kind.
Da grote E6i^e hest de ganfse Welt dat Leven
DSrch eenen Freens-Band ap't nie wedder geven.
Hannaaver, kämm herhy, ick meen nah Heerenhasen,
Loop tho, an spo' dy bald, mit dinen ganfsen Schwärm,
Sfih eys, wo hfite hier de Water-Efinste brasen,
Boop Yivat an Hasey! an maeck man d6get Lärm,
Boop ock: God bless Eing Georg! and the Bojal Familie!
Boop schrey an bölck man braff, an schwieg nich lange stille.
Ifst aht fang wedder an, dat Hasey an tho singen,
Stimm noch teyndasend mahl Godd bless Eing George an,
Un Iaht een Yivat man bald nah den annem klingen,
Boop dat man dick ganfs Inh vfir annem marcken kan.
Dat ganfse Land kr6jfihlt: Gott Iaht den Efinje leven,
De Höchste w611 6hn oock veel Glfick an Seegen geven.
Hochzeit Lfldemanii / Plohre. 1727.
As Zickertarjes Ludemann dei jiingste Junfer Plohren
Tau siener Brüht vor langer Tied seck hadde uhterkohren;
ün Hei darup dörch Presters-Hand, Sei seck woll gefen laten,
Do Woll en true hartens Frilnd dei Driestigkeit hier faten,
wat Hanss un Caurd twey Buhren hefft vertruht tausamen köhret,
un Hei van Wohr tau Wohre h&tt uht Öhren Munne höret,
den Brögam un der Junfer-Bruht tau Ehren tau verteilen;
hei Werd seck averst dihtmahl nich mit sienen Nahmen nennen.
Gedrückt tau Rumpelskerken achter Harborg. 1727.
C, Willkohmen Nahher Hanss wo kamsta her in dfistem?
Da s5st jo dallje fisch woll halle ganss verhiestern;
Eck helfe hfite Inhrt nah deck mit grohten Schmarten,
Dat eck deck hier na seh^ dat freaet meck van Harten,
Eck hidde sette deck en hetten hy meck nedder,
Wy hefft fipsteh gottlof dat sch6ne warme Wedder.
Na dfirf wy woll nich mehr fisch achtern Ofen strecken
Un m5tet mit der Plaug na hall tan Felle trecken ;
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Dat Lobf breckt alhernht 5t will na Sommer weren,
Dei Enckack let seck ohk in nsen Holt al h5ren;
Dei Schwälken fleigt herum, dei y6gel8 quinkeleiret,
Dei Poggen quarckt ass wenn dei Kanters figereiret
/f. Canrd prahle nich tan vehl wy sind noch in Apprille,
Dei Kncknck schwigt tan wihln woUn tiedlang wedder stille;
Bevohr dei Wittje-Dohrn nich pleget nht tan breken,
San kan man jo noch nich den Sommer seck verspreken;
Dem sy nn ass 5hm sy man mant dat beste hopen,
Dei Schweet iss hflte meck nich yan den Koppe lopen,
Eck kohme yan der Stadt nn heffe dar bethalet
Dat Liehn dat yorren Jahr eck hef tan borge hahlet:
Meck Seiten dag yor dag dei Pänners npper Haken
Canrd ! wann eck deck dat Geld, s511 nppen Fingern räken
Wat dflsse Kerels meck hefft nht den Hnse drageu;
San s511 en P5rtner seck gewiss dayor yerjagen.
Eck hope dfltmahl noch den Schaben tau yerwinnen,
Wenn erst dat Land-Bicht knmt dar sali 5t seck woll finnen.
C Wat draustu Nahber Hanss dat iss en d5hrlick K5hren,
Du bist yorwahr nich klauck dat kan eck nu woll h5ren,
Eck rah deck höhlt dat Mnhl, sflss will eck deck woll wicken,
Dat sey deck gans gewiss w5hrt wat am Tflge flikken.
Woll sch&Uig iss dei mauht jo siene Schuld bethalen,
Dei Kop-Lflh weret deck jo woll nicks nies mahlen;
Sei krieget 5hre Wahr ohk lange nich gegefen,
Un m5ht mit Fru un Kind nn Deiners dayan lefen,
Den Staht den m5htet sei jo ohk noch dayan feuren
Un nhsen K5nnig ohk nich wainig Kunterbeiren.
Mann mant seck nich sau licht en Dinck tau Harten teihen,
Sei pleget ahnedem flsch ringe nauch tau beihen;
Drum schwieg man still dayan, sflss knmstu hier tau Klayen,
H5hr* uhse Kräuger hätt npsteh' recht guen Brayen,
Wann du sau wult ass eck will wy tau sahmen scheiten,
ün dmp dat Nachtsen-Brod in guen Freh geneiten.
Dat wy nn unnerdess dei lange Tied yerk5hret,
Sau bidd' eck segge meck wat du hast nies h5ret:
Wat segtse s511 noch woll dei K5nnig tau flsch kohmen?
Hästu nich inner Stadt sau wat dayan yemohmen?
Of hei noch 8511e woll flsch dit Jahr mahl tau spreken?
Wilt Sei in Kriege seck dei Hfllse noch tan breken?
AVat segget Sei dayan? Wilt Volck nich ball masseiren?
Un welke Kapperal sali sei denn Kummendeiren?
H. Da werd woll yan gesegt, doch k5nt seiht noch nich wetten.
Eck sat np Schifelds Dehl un hadd* en betten getten,
Do h5hr eck woll dat sei seck leiten wat yerluhen,
Doch iss woll wainig noch np s51ken Schnack tau buen.
Eck will deck aferst woll doch sflss wat nies seggen,
Dat inner Daht iss wahr un neine Holt-Marckts-L5ggen;
Dei junge Lflhdemann den eck deck lestens wiese,
Ass hei dat Middags-Brod bym Docter Warlhof spiese,
Dei hätt seck uhterseihn yan guen Schraht un Kohren,
En Dehren flinck un fix dei j Ängste Junfer Plohren;
86
0 Je! wo freu' eck meck ass sei meck d&t yertellen,
Eck giok flucks Ogenblicks un leiht meck by 5hn melien,
Un woU 6hm Teel Gelücks tau siener Hochtied wünschen;
Eck kenne lang^ alher den wackern brafen Minschen:
Hei h&tt meck mannigmahl in schwären Saken deinet,
ün hätt 6t alletied recht gut un trilick meinet.
Ass eck kam np dei Dehl kreig eck glieck int Gesichte
Dei Janfer-Brnht, nn Canrd, dat eckt deck rain uht bichte,
Myn Lefe heff eck nich sauhn gladde Minsche seihen;
Sei werd den Broddigam dat 86ite Mahl woll beihen.
Ass Sei kam vor meck stahn un fraug meck wat eck wollei
Sag eck an 6hrer Hand en Binck vun klammen GoUe.
Eck bin tau schlecht dartau Sei hier deck af tau mahlen,
Dei Ogen blänckern 6br van lauter Fiier-Strahlen.
Wenn du Sei s68t mahl seihn, werd deck dei Nase jficken,
Un werst gewiss vor Sei deck tau der Ere bflcken:
Eck kam ganss uht meck sfllfst un stund dar ass Matzpumpe,
Caldunen, Hart un Lung dat kehr seck um in Bumpe.
Sei wass seu prick un fett un h&tt sau schiere Hdnne,
Eck w&ste nich dat eck 6hr8 gliecken vele kenne
Dei s61ke Huht an Halss un unnern Ogen hedden,
Ass uhse Junfer-Bruht da woll eck woll up wedden:
Düit Fahr werd seck recht guht hübsch by enanner schicken,
Dei Brogam sali noch woll fief Finger nah 6hr licken;
Vor uhsen Ogen blifft derglicken woll verborgen.
Drum will wy ohk davor Asch maken neine Sorgen.
Caurd uhse Wiefer sind mit 6hr nich tau vergliecken,
Un m6htet s61ken Lüh'n den graden Weg uht wieken;
Eck will en Schelmen syn wenn Hei Sei krigt tau packen
Sau w6hrt dei Bibben 6hr verwahr in Liefe knacken.
Des Br6gams S&ster kam ohk uter Stuven gaben,
Sei hadd' in 6hrer Hand sau wat eck kant nich rahen;
Sei fentle sau damit. Oet leit ass wenn Sei knitte;
Glieck kreig eck uppet Lief en grote starcke Hitte,
Eck Word ganss dohf un blind un wüst nich wat meck schabe
Eck dachte by meck sulfst dat is en leckre Brake.
Wem d&sse Sprüht noch enst werd in dat Bedde fallen,
Dei kan versekert syn, hei werd seck mit 6hr stallen;
Sei iss mit allen Flied van Jugend uppe togen,
Un hätt an Mutter-Bost veel gues inne sogen.
Drum werd dei leife Gott der wackern gladden Dehren,
Ohk ball en brafen Mann taum Br6ddigam bescheren.
Dei Ollem werd an 6hr noch grote Freud' erlefen
Un den Wunsch will eck 6hr up dftsser Hochtied gefen
Nu dat gestah eck Hanfs, eck hefife woll vemohmen.
Wo deck dei Brüht un ohk dei Sfister vorrekohmeu:
Eck maut deck averst ohk hierby wat openbahren,
Dat eck vor olings woll van seker Hand erfahren,
Dat s61ke Fruens-Lüh dei sau verwegen stutzet
Gemeinicklicken seck mit falscher Wahre putzet.
Sei s61t van Poggen-Leick un annern Seven-Saken,
En Sammel-Surium in ene Bflsse maken,
87
Un damit 6hre Huht un ohk den Halfs anfarven
Denn wenn Sei in Gesicht hefft grote fletsche Narven,
£f dat Sei sftnsten wohr nht N&fs an Manne r5hken,
Un nht der schwarten Huht dei aischen Finnen br5hken,
San plegt Sei intgemein san Künste tau gebruken,
Up dat den Mannes Volck Sei m6get s5it an Buhcken:
Bedrog ifs inner Welt. Man maut seck woU Vorseihen,
Dat yon den Wiefes -Volck man seck nich let beteihen;
Wy Buren bruket nich sau fletsche Schmererie.
Wann uhse Maikens schon gabt up dei Frierie,
Un seigen Sei glieck übt afs uhse schwarte Kater,
Sau waschet sei dat Muhl mit rainen klaren Water.
H. Ne Caurd hier kumstu blind; eck labt meck nich yerblennen,
Eck kan tau mähten ball dei falschen Farven kennen:
Sau Tfig dat Bruhkt Sei nich: dat hefft Sei lang nich nodig
Sei sind den Silver glieck, dat reckt an Sefstein 16dig
Un neinen Tau -Satz hätt: Eck schwer deck hoch an düer
Sau wifs afs eck nich hop, tau kofamn int FegefAer;
Sau wifse ifs 6t wahr. Myn Hufs mit samt den Lanne
Dat sette eck deck daby biervor taun Unnerpanne.
C. Sau will eck denn nu ohk nein Wohrt davan mehr seggen,
Dei Tied Hanfs ifs vorby, labt wy upt Ohr fisch leggen;
Dei Hahnen krayet all, dei Klock hätt veire schlagen,
Kieck übt den Fenster mahl ht fängt all an tau Dagen;
Eck wünsche noch tau lest dei leife Gott mag gefen,
Dat Brogam un dei Brüht yergneuget moget lefen,
In guer Bauh un Freh, Dat Sei seck holet F[r]ucht,
Un legt mit allem Flied seck up dei Kinner -Tucht.
Abreise des Kronprinzen Friederich Lndwig nach England. 1728.
Ower Dei unvermautelke Engeische Baise verwunnern seck, Asse
dei Cron-Printz van Grot-Britannien un Chur-Printz van Bronsewig
un Luneborg Friederich Ludewig, Den 4. Decemb. 1728 by Nacht-
schlapender Tyd von Hannauwer aifraise, ock nog Vor Dage in vuUen
Gaureir taur Bornau anjagen kam. Twey inwennig beneumte Buren,
Dei in Willens hadden Oehm hier tau beholen.
SAu sau dat dacht eck wol, dat von undfitschen Lüen
Eck meyn dat Engelscb^-Volck, dei hier tau schnuwen kohmt,
üsch usen Groten Fritz, den Cron-Prins w5rn afbrüen,
DAt marck ek in mi siilvst, mi was dat Hart beklohmt.
Wad Tielke segst du dar? bädd'st du dat openbaret
An use Buerschop, dei hedde glik k5nt mak'n,
As Hei d5bm Schiagbohm kam, do was Hei al verwaret,
Hier hedde Hei teuwen m5st, un dat one wier schnack*n.
Ja Lüers weistu wol, wo et üsch plegt tau gaen,
Dat wi nich sftnd sau klauk, wen wi naen Amte ilt,
As wen wi kohmt tau rdgg* un heffet davor staen,
Nu isset al tau late wi heffet üsch verwilt.
88
Dog dat is nu vorby, diit maat wad s&nderks wesen,
Wiel Hei vor Dage kam anstriecken mit de Post,
Eck dacht Hei w6re seck wor gau en Wief nhtlesen,
Wielt n6dig dait, dat Hei probeiert sölcke Kost.
Ne Tielke du kamst blind, eck was vor wainig Dagen,
Na user groten Stad dar was en bupen Lärm,
Dei Printz fear npper Wost, dat ginck in yallen jagen,
Sei feurn in banter Bege an seiten regte warm.
Nicb lang^ hierap do sag eck Sey in Dingern komen,
Van bowen as en Trog yan ander as en Schleen,
Sei hadden bante Kleer an fletsche Schnaten nomen
Düt sach eck an dei Lfie dei v5r an agter reen.
Dat Fearen r&k eck nich dat Freten an dat Sapen,
An Schincken, Wost an Speck, an Wien, AkVit an Brain:
DAt is gewiss nich dam, dat maket fette Schnaten,
Un wert in Backe hat, dei kanner gaat na krain.
Tielke h6r dfit isset wat yorhen da nich konst dencken,
Veel b&ter weit eckt na wo Oehm dei Sinn hen stait,
Wo Vaar an Mandcr is maat Hei sek ock hen schwencken,
Dat is int Engeische Bieck da Hei san schnell na galt.
Is Hei na Engeland, o schae Hannanwer schae,
Um jaen schmacken Oert am -jae wackere Stad,
Dfit kamt my nich at'n Sinn eck ligge oder stae,
Et was by ja saa schmück alheile nett' an glat.
Dfit drept j&ck Borgers nich: et drept ock mit usch Boren,
Et mögt syn wattet wol by ja galt alles Geld.
Na m6ge wie taa Haess man hinnem Owen Inren,
Vor Gram yerlat' eck bal mien Haess mien Fey an Feit.
Wad Lüers 861 dei Gram, wie m6tet lastig wesen,
Wiel Hei dei wihe Baise had glftckelk yallenbrogt.
Eck heffet y5r gewiss at Doitscher Tidang lesen,
Na had Hei fannen dat wad Hei had lange sogt.
Gott late lange Jaer, ätt Grote Has üsch lewen
In Fre, in Gl&ck an Heil in Seegen immerdar,
Wad Sei üsch nomen hefft dat mögt Sei weddergewen,
Eck schlaf düt wünsche eck im leiwen Nien Jaer.
Georgs IL Mosternng der Garde am 18. Juni 1729.
As Dei Allerdorchliichtigste Koniiing un Heer, HEER Georg de
Andere, Den 4. Juny des Sönnavends vor Pingsten tau Middage in
Hannauver kam, un drup Den 18. dülTes Mahndes im Jahr 1729.
89
Siene GARRE tau Faute Sulvst muntzerde, Word dut beschreven van ^^q'^ '
enen Buhren welcke Dei ganffe Muntzerung mit anneseihen had by ^^m
den Lenwands Huse, Drücket tau Hannauver.
Kort by Hannauver kam eck an dei Eilenrie
Gliek np der groten Waid* da stfinnen vele Lfie,
Eck frang glick wad dar dog tau danne mogte weseu
Dei K6nig. is dat sfllvst, nn wil dat Volck nhtlesen,
Dfit was dei Antwort gliek; dog, eir eck meck nmsag,
Schoff meck dat Volck dat eck tanr halve lag.
Dat Dinck gef&ll meck nich; wo dftt 8cli51 länger dnhren,
Dagt ick, san drafsta man nich länger stahn nn Inbren
Van dar gaf eck meck weg, hen na dat LennVands Hufs
Hier stund eck fry un Iure sau stille as dei Mufs,
Eck meyne dey dar seit'n dat w6ren luter K6iues
Den eck drum frang sprack glick, du bist en dummen T6njes.
NB. Dey Buhre biddet, man nehmet nich 5wel, dat dey Wore hinner
nich altied gliek kohmet, hei hattet nich beter verstahn.
Dei in den Lenwands-Hufs dat sunt des Ewiges Junckern
Hei stait im roen Bock, sftstu den Steern nich funckein?
Do kreig eck 6hm tau seien in wit gestripter Jakken
Mit breien blauen Band dei lag queer owem Nakken,
Hei sag gans Mntelck uht un was sau wol tau free
Dat wer 6hm man ansag seck freue up der Stee.
Dat Volck kam ock herby drup ginck dat Muntzernt an
Vor ohme most vorby en jder Mann vor Mann
Sei w6hren gaut Mundeirt as luter Köiyes Kinner
Wenn sei vor 5hm vorby, sau gingen sei den hinner
In 5hren vorgen Platz, dar sei vorhenne stahn,
Un keimen Reg vor Bege as Cumpenien gähn.
Na dflffen fangen sei ock an, tau exerceiren.
Sei misten al tau hop in scheiten seck probeiren,
Dog macken sei tau vor Bechts na der Stadt hennum
Bai lincks naen Holte hen, den keimen sei um un dum.
Dät macken sei regt gaut et was en Lust tau seien
Eck weit dat J&ck, Herr K6nnig! dat Hart in Liewe wol freuen
Nu ginck dat Fiihrend an, sei stflnnen in twey klumpen.
Eck dagt: Wo schall dat gähn scholl da nich manjer plumpen
Alleen eck marcket woU dat et man Eortschwil was,
Wiel Ji Herr K6nnig sftlvst stflnnen unnern vuUen bras,
Eck kr^n vor allen Damp un Bohk JAck nich mehr finnen
Worum Ji dAtte dahn, dat kau eck nich uhtfinnen.
Drup keimen Ji Qottlof! gans glftckelk wedder v5r
Do freude seck mien Hart, sau ball as eck dftt h6hr,
Nu was et glat vorby dei K5nning nam Avscheid,
En jder steig tau Pehrd' um dat hei mit JAck reit,
Do klunck et tra ra ra Herr K6nnig dAt was mien hopen,
Dat eck woU mit tau Faut na Heerenhusen lopen.
Herr K5nnig eck wünsche Jftck veel dusend Lust in Qaaren
Un dat Ji lange Tied sei sfilvsten m5gt af waaren,
Sau ward dei B6rger seck mit sammt den Buhren freuen,
90
Wenn sei JAck faken sfilvst noch k5net Hnntzern seien
Düt is mein Härtens Wnnsch den dan eck tann Bescblnht
Un raise Ji den weg, sau kobmt bald wehr herrnht.
Revue vom 14.— 19. Jnll 1729.
Gedicht über die Revue vom 14. — 19. Julii 1729 vor Hannover,
Beschrieben von einem Der im Hasseln Busche beym kühlen bachc
safs. Hannover, Gedruckt in der Schultzischen Buch-Druckerey.
Wenn Gott geschehen l&st was die Soldaten schreyen,
So wird der König uns noch viele Jahr erfreuen:
Sie jauchzen allesammt, Vivat QEOBGIUS!
Der groffe Guelphen-Held der ewig grünen mufs.
Dis hört ich auf den Platz da unser König ritte,
An seinen Gore her, besähe alle Glitte,
Es lieif ihm alles nach was da nur konte gehn,
Um Seine Majestät GEOBGIUS zu sehn.
Ich aber stund gantz still, und sah mich nicht herumme,
Indefs so kam ein Banr und wolt mich lau£fen umme.
Er sprach: Oh leife Heer segt meck doch wat dflt heit,
Dat hfit dat veele Volck up dfiffen Platze steit.
Ich sprach: Du Dummerjan was fr&gst du sondern siehe.
Die Groffe Majest&t von England hält Revue.
Er aber wüste nicht was dieses solte seyn,
Doch bat er dafs ich es ihm beffer flöfste ein.
Ich hatte meine Lust an diesen dummen Bauren,
Und sprach: ja wenn du wilt mit mir die Zeit ablauren,
So will ich zeigen dir ein jedes Regiment,
Allein es ist gewifs ein lang und weites End.
Ich iieng beym Flfigel an, und ihn die Ersten nennte,
Herr General Pontpitein ein schönes Regimente,
Auch stund ein Regiment so man die LOwen heifst,
Die man als gute Held'n von alten Zeiten preifst.
Drauf folgt die Guarde-Cor recht proper ausgezieret,
Ein schönes Regiment so allen Buhm gebfthret.
Daneben liefs sich sehn die wehrte Guard zu Fufs,
Die recht schön exercim und feuren einen Schufs.
Von Campen General, ein trefflichs Begimente,
So allen Buhm gebührt, wenns nur die Feder gönnte.
Herr Brigadier von Schwaan führt auch ein gutes Cor,
So in Compagne hat erworben Sieg und Flor.
Auch steht ein Begiment von Christ Druchleben
Und Christ Querenheim, die stets in Wonne leben,
Daneben Christ Vinck, wie auch Herr Christ Bfthr,
Die Begimenter all sehr vix sind im Gewehr.
Zastrow und Sommerfeld die stehen da im Grünen.
Die jedem vor den Cor schön in die Augen schienen.
Daneben General von Melvill sich liefs sehn,
Ein Cor, dafs nie den Feind will aus den Wege gehn.
Zu Pferde wies ich ihm zuletzt drey Begimente,
Herr Christ Loni und General Hasberg und Wenthe.
91
Drey Begiment die längst erworben Fabn und Sieg,
Als da Yor Dreifsig Jahm in Braband war ein Krieg.
Dranf gieng das Feurent an von Anfang bifs zum Ende.
Difs horete der Banr und schlug in seine Hände;
Sprach: QOtt sy Lof an Danck! dat wy darhinner sint,
Sei scheitet jo alles dot wat sei dar vor seck finnt.
Ich sprach du bist ein Narr, das wird niemand ledireUi
Der Konig ist allda, Der läft sie exerciren;
Doch Holla! ich muss gehn, ich glaub es ist schon aus,
Dort jagt der K5nig hin nach Seinen Herren-Haufs.
Och ja! dat dant mien Heer, eck mot hier noch wat luren,
Dat eckt verteilen kan ock mienen annern Buren;
Ses Dage un fief Nacht sat eck up dftffen Platz,
Dar sag eck alle Dag den K6nje usen Schatz.
As dfit nu was vorby leip eck na Herjehusen,
Dar sag eck alle Dag dei groten Kflnste brusen,
Un ehr eckt meck versach kam dar en Uptog her.
Eck dachte wat dflt soll nu wedder stellen v6r.
Sei gingen overt Schlofs, Dei K6nje lag in Fenster,
Veel woren utekleed as rechte Nacht-Gespenster;
Doch dfit leit wunderlick dar kam en Kerel her
Dei harre vor seck gähn, eck 16f et was en Bär.
Drup kam dei Bachus an dei up der Tunnen feure,
Dei deh seck wat tau gu mit den Bottelgen Beire,
Noch sag eck wihder hen dar kam en Himmel her.
Eck dacht in aller Welt wat wel d&t geven mehr.
Twei Dockters gingen vom dei seigen übt recht wiese.
Den folge eine Dahm was grotter as en Riese,
Dei harre nmme seck veir kleine Jungens gähn,
Darhinner sag eck ock twei Cammer-V[r]51en stahn.
Wat dar noch mehr tau seihn dat heffe eck vergelten,
Wiel eck glieck von den Platz vor den Soldaten m6tten,
Drup gienk eck in den Kraug un drunck en Kanne Brain.
Un as eck dei harr übt h6r eck sei wedder krain
Eck keck dar in dei Hasch dar fl5gen dusent Heue,
By usen Konje her dat 6hm sien Harte freue.
Eck 16ve dat sei ock hier hadden neinen Dost,
Wiel use Könje noch düt Vivat h6ren m5st.
Hochzeit Bauer / Lmdemann. Bargwedel (1731).
ByfÄllige Gedancken, Ovar Dei nülcke Inventation tau der Hoch-
tied Twischen dem Ehr Würrigen leiven Heren, Heren JOHAN CARL
VALENTIN Bauren, Wolverdeinten Pastoren tau Heimar, un der
Veel Ehr' un Dugendsamen Junfer, JUNFER Soffie Marlene
Lindemanns Des ohk Ehrwürrigen Leiven Heren Lindemanns,
WoUverdeinten Preddigers in Borgwedel, Eheliefliken Dochter.
Von einem dei seck nömt
Leive Wase, leive Kind,
Juen aller trusten Fründ.
92
Oder wil ji't näger weten,
Dencket na wat jie vergeten.
Uppesettet in dem Jahre.
Dan Her Carl mit Fiken pahre.
Höret doch, min leiye Her,
Wat ick JAck will seggen T6r.
As ick nht den Breiff vernomen,
Schfll wie ohk tanr Hochtied komen;
Wenn dei Jnnfer Lindmanns truht,
Denn sei war jetsunder Brüht.
Von dem Heren Pastor Banren,
Dei da het veel Denste-Fanren
By der Parre, dei gewifs
SAs ohk nich von Ringen ifs,
Dat Sei manchen hraven Knfltgen
Könnt hieleggen vor dei Lfltgen,
Un wat noch dat beste w&r,
Hedd' Hei veele Leifft' nn Ehr',
By den LAen de Öhm kennet,
Un darum dei FrAndschop gönnet,
Wiel dat Hei beschrien sy,
From an rechtlick lev* daby,
Ock in GOddes Worth gelehret,
Gar nich as dei Welt verkehret,
Drum krigt Hei dor Gk>ddes Gnad
Ohk dAt schöne Hnfs-Geraht.
Eine Brut vom stillen Wesen,
Von der Dugend nht erlesen,
Bechtlick' d6gend rings herum.
Ayer ock daby nich dum.
Denn Sei weit allwoil tau leven.
Jedem, wat seck h6rt, tau geyen.
Goddes-Furcht is 6hre Lust,
Falschheit ayer unbewust,
Zanck un Strien deit Sei baten
Dat GemeAth is gantz gelaten,
Arbeit is Sei wolle wohnt,
Un darinnen nich yerschohnt,
Ifs geschickt tau yeien Saken,
Schöne Arbeit kan Sei maken
Wacker daby yon Gesicht,
Het byn LA*n ein guht GerAcht,
Sei is schwind in allen Dingen,
Kan na Nothen spel'n un singen,
Summa, Sei is Leiyens werth
GlAcklich is, dem sey bescherth.
0 Jie Elljem siet beglAcket,
Dat et GOdd sau bette schicket,
Un dat Hei sau wunnerbahr
Bringet tau Hop dAt Junge Pahr,
Dei yon allen beyen Sieden,
Wat beloff*t is, man kont lieden,
Drum Sei ohk einaigem werth
Un Seck sind yon GOdd bescherth.
Nu ick maut wol endlich schluten.
Denn dar stah't all LAhe hüten,
Dei mick geren sprecken wilt,
Wo sei seck yerholen seh Alt,
Dr'um so wAnsch' eck noch tau leste,
Den'n Verlofften allet Beste,
GOdd erfreue un bewahr,
Sei noch lange leiye Jahr,
Hei labt Sei im Seegen leyen,
Dat Sei kAnnet anjem geyen,
Von dem wat Sei oyerhefft,
Un in Ähre Kisten legg't,
Geye 5hn'n ock dAfse Gnade
Dat Asmodi Sei nich schade,
Hole fast dAt trAe Band,
Wehre allem Misyerstand,
Labt Sei Kinjes Kinjer seihen,
Un darAyer Seck erfreuen,
Dat Sei sau geraen sind,
Afs mann öhre Eltern find.
Wenn Sei denn sind sat yon Leyen,
Woir hei 6hn*n übt Gnaden geyen,
Dat Sei mAg't in Sienem Bieck
Sien den'n Engeln GOddes giieck.
Gue Nacht eck gab tau Bedde
Schlapet jie ock in dei Wedde,
Wenn jie*) hefft dat, wat jie wiPt,
Wat jie nu dörfft, wat jie schAlt.
^) Druck: je.
93
£n Vaddem Snack, Twischen Gaurt an Hansen, Twei Bahren
übt dem Amte Eaalje,i) Van der Hochtiedt, dai de Heer Ammann gaff
Siener annern laiven Dochter, Janfer Dorthiecke Hosteen, afse
Braht, Un Dem Heern Stadt-Sikkertarjes Brunnemann, afse Brö-
gam, Uppesnappet an naheschreven van eines gauen Frunnes Hand.
Im Mahnt, Afs'et VVIen-Fatent anging. Un im Jahre, Afse Dal
HannöIVersChe Plepenbom Vpn MarCke Vhtebehtert Ifs.
Ganrt. Guen Dag, Vaddr Hans, wo kamstu her?
Hans. Danck hafft, Vaddr Kaort, von Eftalje.
Man da ifs 'ck en Gekräulje,
Dat eck*n verfeer up minen Pehr.
Dar krimmelt up dem Hoffe,
Un lopt im Dreck an Stoffe
All wat man dar yan Minschen süht.
Ganrt. Hans, eck sch611 balle hopen,
Sai dehn dat r6n*n nn lopen,
Nähr Bahm&nm, dat des Ammans LAht,
Dai narcken hallt dai E6ste
Nahm Iflljen Jnngen d5ste,
Odr, dat't dai Ammänsck sAlven sie.
Hans. Eaart, wat du da last hören,
Dat ifs en albern E5ren.
Caurt. I nu, Hans, w6r dat denn wat nie?
In usen Buhren-Eaten,
Holt seck im D6pen-laten
Jo n5mt sau, afs de Ammann, flinck,
Dat stait im Eercken-Baucke,
Drum k5hr eck nich unklaucke.
Hans. Ja, Eaurt, dat ifs sau wol en Dinck,
Man wat'r upsteh seck r5ge,
Dat was kein Bahmäums-Töge,
Dat w5ren Lfihe uht der Stadt,
Mit Pehren un Earreiten,
Mit Gigein un Trammeiten
Dat Volck was deck auck liedend glatt,
Dai Edppe w6rn beschmeeten,
Mit Tfig, eck kann't nich weeten.
Et lait afs Mäel, od'r Stievel-Täg.
Eck ging auck aifs nah^r Eöcken,
En Piep Taback tau schmöcken.
Wann' blaut, wo st^vm sai meck taurflgg*.
Caurt. Was dar denn nichts tau kiecken?
Hans. Wo Jau, dai Drai-Is*m quiecken,
Dai P6tt un Eetels wören>) yull,
Dai Pannen brus'n van Fette,
Und doch wafs't all sau nette:
Dai LAh inr E6cken handtairen dull,
Dar stünnen welck un hacken,
1) Eoldingen. ^) Druck: woren.
94
WelcV m<^8ten Prillcken backen,
O'ckwait nich all wat eck dar sag!
Noch ains, Kaurt, up dem Dische,
Da laigen deck mans Fische,
Bym blaut sau lang, afs Jacobs-Dag.
CauTt. 0 Hans, schall eck^t aifs seggen,
Un deck dat Ding nhtleggen,
Wat eck wol wait, an da nich mainst?
H6r d'r ifs wohr her eracket
Un hat dat Spalck emacket
En Mann, hai ifs in K6ige8 Dainst.
Hans. Da hafT ek wol rainst von heuret,
Hai w5r nah K&a^e fearet
Un hadde geetn dat Nachsem-Brodt
By Packen an Scharmayen.
Caart. Ja, den haff *ck aack h6rt kn^en.
Hans. Hai schall jo sien nich kort noch grot.
Caart. Dai wert sflmmrn Hänger weesen,
Dat schweer'ck by miner N&sen.
Hans. Ne, Kaart, dat 15y' eck dfitmahl nich,
Wiel eck den Drostn an Heeren
Dar sag, dat sai dar w5ren,
Un daby holt Jen Mann nich Stich.
Caart, Wat gelt't, Vaddr Hans, eck drepet:
Dat Volck ifs t'hoope slepet,
WiePs Ammanns Dochter ifs en Braht;
Un dat Sai ap dai E5ste
Ha£ft biddet d&sse Gäste.
Hans. Ha, Kaart, schwieg still, an haalt dai Snaht.
Dat maat eck jo noch weeten
Un ifs meck anyergeeten,
Dat's Ammanns Dochter Hochtiedt hailt.
Dai kreeg jo en Patlischen?
Caart. Wat k6rsta? en Patrischen.
Hans. Ho! dat kamt wol, dat man aifs failt.
Caart. No hea, biet eyen mähte.
Hans. Wer ifs dien Snave-Katte?
Caart. Ay na, Vaddr Hans, h6rt doch aifs her:
Us* Ammann hafft, Gott segns.
Im Lev'n an annerweegns.
Der laiven Kinner jo noch mehrl
Hans. Kaart, mainsta dat all wedder
En Minsche ap dat Ledder
Der annem Dochter w5re stflhrt?
Caart. Dat ifs et wat eck maine.
Denn, Hans, lest an der Laine
Afs meck dat Fisch-Tfig was vertflrt,
Do kam ein B6rger gaben,
(Wo h' halt, kan ^ck jast nich rahen,)
Hai kam fAst van Hannaaver hill.
Hans. Ho, dar sind veele Aapen,
Dai k6hrt manchmal wahnschapen!
05
Canrt. Och t&nff doch, wat eck seggen will!
Hans. No segg't, eck wilFt afftänffen
Un doch nich alle l&ayen.
Canrt. Hai sah, hai w5r en Heeren Boh,
Un slepe seck mit Braifen,
Dai hai ant Amt mftst geiven.
Hans. Ja, Eaurt, dat wert wol sien nm Stroh.
Canrt. Och neh, hai sprack van Dingen,
Dai Laives-Warck angingen,
Un dat des Ammanns andre Wicht
Hedd' anck nn L6£fte holen.
Nu w6r 5hm anbefohlen, cet. cet.
Hans. H6r, Kanrt, freugstn nich wen sai krigt?
Canrt. Wo Ja, hai s&h Enmsaijes,
Doch neh, en Sickertarjes,
(San hait et, afs eck maine, recht)
Un dat van'r Stadt Hannanver.
Hans. Sind dar kain Dehrens anver?
Canrt. Dat mag wol sien; Man afsen segt:
Darhnten np den Rnhmen
Krigt man braf Schny vorn Dnmen:
Un hAt wert wol dai Hochtiedt sien.
Hans. Je, laive Kanrt, wat segstn?
S511 dat wahr sien? (Canrt) Ja, plegstn
Meck hören Lögen nht tan schrien?
Hans. Noh, dat ifs meck* en Fraide!
Bet in mien Ingewaide,
Denn dat gftnn 'ck nhsen Ammann gehm
Un sienem laiven Kinne.
O't sind anst (1?) deegre Frfinne!
Canrt. Ja Hans, eck segg bym Seevenstehm:
Gott Iaht sai tAchtn nn leyen
Noch yeel Licent tan geven!
Hans. Vaddr Kanrt, wat körstn yam Licent,
Mant man yan Kinner-halen
Anck wol Licent bethalen?
Canrt. Vaddr, dn draist meck dat Wort yerwendt.
Hans. Un wenn anck dai Unplichten
SchöUn kohm'n yan Kinner-Tflchten,
Mainstn, daft dämm nahebleey?
Canrt. Ja, dat wol wol nich schaien.
Hans. Vaddr, wie kohmt hier tan klaien,
Un nse Snack knmt oyem Schrey.
Canrt. Dmm will eck^t oock beschinten:
Gott gey den Ohln nn Sprnten
Snndhait, offt K6st* nn Kinndöps-Smnefs,
Dat sai lang leyt np Eerel
Hans. Dat dan dai laiye Heere!
*k gah^ck wol, nn sagg tan Hnefs yeel Gnefs!
Canrt. Du anck, tankomen Weecken,
Will wi'sch wol aifs wehr spreecken.
Hochzeit Habicht/Mey. Hüdesheim 1732.
Hoghtiedts- Festin Twischen Dem Ehrsahmen Herrn Casparen
Timann Habigh, Thau Lautendhai, Un der Ehr- un Dugentsahmen
Jungferen Annen Catharinen Mey, Van Hildesheim, To Betügungh
schuldiger Observantz dedicert Van Einem guden Frunde un Blohts-
Verwandten. Den Tag 22 Julii MDCCXXXII. Hildesheim, Gedruckt
durch Just Henning Matth&i.
BOtz dusent sehet mahl,
Wn doht de Falck sick bflcken,
Ofs woU de in dem Dahl
Bie 6n8ch ein Biömcken plAcken
Ein Bi5mcken nth dem Mayh,
Wil breken hei entweyh.
Wn flüght hei bnnt hemm
Un wil ein Dfiffken fanjen,
Hei flflght ball rigt ball krum,
Wn kan he artigh pranjen,
Sien Fitgen siet sit lahm,
Hei flflght nah einer Dahm.
Den Vogel den he sögt,
De Vogel Venns ifs,
Dat Blömcken dat he rückt,
Dat plncket hei gewifs,
He d5ht dem nichts tho leih.
Dem Blömcken nth dem Mayh.
Seht wn hei dar herk&mbt,
Vam Bergh hemnner schaten,
Dat Dflweken beklnmbt
Packt hei mit sienen Pobten,
Hei forth het np sien best.
Bedeckt het wann im Nest.
Wn mckt hei offters tho
Eher hei dat Blömcken plückt,
Wu kan hei lachen so,
Wan hei den Mayh anrflckt,
He plflckt het mit Plassier,
Bringt het in sien Quartier.
Seht wu den Schnawel hei
Döht kmm hemmmer dreyen,
Wu schmecket hem de Mayh,
Wn kan sick drin verteyhen.
He nimmt het mit sick so,
Nah Lantendahl hintho.
Dah wil dat Düfifgen hei
Nah siener Arth uptrecken.
Dah wil hei in dem Mayh
Wol wackre Junge hecken,
GOtt gewe hem Gelflck.
Ohn Plag, ohn falsche Tflck.
Nu so gnetet dan de Früghte,
De de Himmels Fürst jagh schenekt,
Knket nu wu mit dem Lichte,
Hespems sick tho juck lenckt,
Schlüt juck tho der Avend-Buh
De beröhmte Kahmer tho.
Bliewet lange bie Gelficke,
Dogh nit all to lang allein,
Latet wackre Augenblicke,
Juger Leifde TAge sien,
Tflgen Juger grönen Jugend,
TAgen Juger Oelleren Dugent.
Tüh Tieman tflhe tho,
Het is dien Ehrendagh,
Un Caspere nu so,
Dat du best guet Verdragh;
Wan wiederkflmbt de May,
Van tweyen wehret drey.
Hocluseit Schilje / Peters. Hannover 1733.
As Heer Schilje seck laith truen
Junfer Peters tau der Fruen,
Do brochte Dem verleiften Paar
Düssen Wunsch en gut Frund dar.
Hannauver, Drücket mit Heinschen Bauckstaven 1733.
Eck möfste in mie sfllvenst grienen,
As eck vor elcken Weecken sach
Wat Wittes h&hr yan wieden schienen,
Do wie up ennen Nahmedag
Dar buhten bie enaiger kaihmen,
Un Asch in baide Arme naihmen.
97
Eck dachte san; dar hebbt twei G5fle
Seck bie den Ganten dahl eset,
Un dei schient nich daröver b5ge,
Dat seck dat Dinck san passet het.
Dei enne denckt hei wol tan fahten,
Dat sei 5hn nimmer schall verlahten.
Dei anjer sach nm 6hre N&sen
Recht krege, roth an schnicker nht
Un wöhr ock wol tanr Stnnne wäsen
As Graite Macken enne Bmht.
Et dr6fft ock wol nich lange dnhren,
Dar schftilt al Frieers np sei Inhren.
As wie do bie enai\jer w6hren,
Do frang eck, Einjer segget mie,
Wat hadden jie san hill tan köhren?
Dei Brüht s&h, nse Schnackerie
Dei hadde nich yeel tan bedfthen,
Jie weret ftsch darmee wat brühen.
Doch! wil eck sei jftck nich vorhahlen,
Eck sah, Lein6rcken bflht nich rief,
Dn most den Krahmer sftfs bethalen,
Tan Hnse krigstn ennen Rief:
Dei Vader had die Penjes gefen,
Doch manstn spahrsahm darmee lefen.
Lein5rcken s&h, mien Graite Macken,
Dn kaakelst in den Dag hennin,
Un meinst, Dn dr6£fst alleene spr&cken,
Wiel Da al Braht, eck keine bin,
Herr Schilje schall dien Ganter bliefen,
Un Die henf6rt dei Tiedt verdriefen.
Verleifte hört, np jaer Koste
Bring eck darflm dfit wedder v6r,
Lein6rcken s&h dat illerbeste.
Da averst Graite Macken h6r:
Eck wil Deck leif an werth behohlen,
Vergette man nich nsen Ohlen.
Wenn hei deck schdlle ranpen Iahten
Un dAt an jennes seggen will,
Mostn den Rock tansamen fathen
Un springen tan 6hm hen, schwieg still 1
Dat Hei nich b6se werdt. Och! maacke,
Dat Hei Deck reahmt in aller Saacke.
Eck wftnsche Die darvör twei Jungen,
Noch eihr dat Jahr yorSver gaiht,
Un dat werdt Märten Hering snngen,
Mannt TAg all v5r den dr&dden naiht.
San werdt Dien laife Schilje grienen,
Un Dn werst ock nich bAse schienen.
Niederdentsohes Jabrbaeh XXXYI.
Tan leste will eck dflt noch seggen,
Dei Himmel woU um Jae Hues
Sanveel van Gliück nn Seegen leggen
As Bl&der npm Bickbeern-StnieB,
Un dat Jie wert in ohlen Dagen
Erst nah der dfistem Kuhlen dragen.
Hochzeit Heidelmanii / v. MfiUen. Rinteln 1731
Asse dei Herr Amtschriever Heidelman Mit des Herrn Ammans
von Müllen Tweyten Junffer Dochter Hochtiet maken wolle, Feuhren
Hanfs un Gaurdt nahstaende Ködderatie hiervan, Uppeschreven tau
Rohrsen^) in Krauge Van einen guen . Frdnne. Gedrückt tau Rinteln
im Jahr 1734.
Gaur dt.
Wol hat die dat Bähen leret, Hanfs^ dien Sinnen drflcht die nich,
Wat du trftend hast eköhret, dat is wahr, 15ff seckerlich,
üses Ammans tweyte Beeren werdt un schal sien Wieffken weeren!
Tau Hannauver up dat beste ifs dei Uftte reidts ewest,
Kort nah den Marien-Feste werdt dei Junfer 6hren Best
Kriegen, wenn dat Ifttke Dinck werdt den Br6gam anneringt.
.Heidelmann let hei seck nennen, Grohne') ifs sien Uppentholt,
Gelt, du werst öhm nu wol kennen, denn hei steit in K^nges Sold,
Hei maut uses gliecken richten, ock wol gr5ttere Strien schlichten.
Wiel hei noch wat jung van Jahren, pafst 6hm ddsse Deeren recht,
Junck un junck dat maut seck paaren, weistu wo dei Ohle segt?
Wol in siener Jugend friet, dem dat Frien nich gerüet.
Drftm het hei seck rechte rahen, h6r, hie langer Tüntel-Tiet
W6r dat Lfiet 6hm fleitgen gaen, hed ock wol den Amman friet,
Dei noch in den Sommer lest dor Friewarvers nah 6hr west;
Ja dergliecken Friers-Gäste w6ren reidts mehr up der Fahrt,
Sau Arn dflsse Hochtiet8-K68te neine Heuhe hedden spahrt,
Denn dei K6ste mit Fang mag heeten, Hanfs, en nfitleck Lecker-Beeten.
Nütlick sflht Sei uet den Ogen, witt un glatt ifs 6hre Huht,
Hanfs, eck seg et unerlogen, nfitlick ifs Sei uht un duht,
NAtlick ifs 6hr Kop un Kragen, nfitlick, holt! eck drafft nich wagen;
Wat hier unner klein tau klöven, denck et nah, un sie nich fühl,
Dat et nAtlick, werstn 16ven, sfth, wo kanstu thein dat Muhl,
Glieck, as wenn du noch nich geeten, un dflt m6ste sien dien Beeten.
Ayer stott ifs nich eschraen, Peper dat ifs nein Ganeil,
Wisck den Bahrt vor s6cke Braen, die werdt doch en tau deil,
Suhp enmahl, et geit hennunner, dat schall, hoep eck, sien gesunner.
üses Ammans siene Lüte h6rt vor Kerels, sau studeirt,
Sei wert den taur Hochtiets-BAte, dei mit Kutsch un Peeren feuhrt;
Denn Sei^s fründlick, fromm un glatt, ock dabie hefft wat in Fatt.
Kettel, Pötte, Teller, Pannen, o dergliecken Kleperie,
Leppel, Schleiffe, Sch6tteln, Kannen, Schäppe, Steule ock dabie,
Linnen, Disck- un Bedde-Drell hefft Sei utermaten veel.
K6nt et ock taun Brutschat bringen, ja wat mehr, wenn Sei erst friet,
Wert dei Witten Penge klingen, dei an weinig Ohren schniet,
V Dorf östlich von Hameln. ') = Grohnde an der Weser.
Sthy dei Amman nich san deit, afs et veeler wegen geit;
Woer sei k6hrt van groten Gaue, woer^) un wenn dei LftfFte ifs,
Dar sei schwert bie Stnimp an Schaue, san yeel dasend gans gewifs
Wert der Dochter baar eteldt, aver Hanfs, wohr biifft dat Geldt.
Ifs sei erst den leiven Manne dohr den Priester annetruht,
San dat jenne faste dranne, o wohr biifft dat Hochtiets-Gaht,
Qnarck kriegt Märten in dei Hand, nicks as Fleisch tann Unnerpand.
Hier draff seck dftt n6mt befahren, denn wat nse Amman segt,
HanfSf sind neine L6gen-Waaren, blant o ne! sien Dann geit recht,
Wat hei lofet, teilt hei ball, ehr dei Brut vam Amte schall
Hanfs.
Caurdt, du hast die wat verlopen, schol dei Brögam darum frien,
Wiel hier sie veel Gant tau hopen, ne! o nel dat wert nich sien;
Hei s5cht seck en Janfem-Sch5rten, nm dei Tiet mit 6hr tan körten.
Dencke nah, wo wol tan Maue bie der kohlen Winter-Tiedt
Sie sann armen enteln Blaue, dei alleen in Bedde liedt;
Miene Sacke ifs et nich, denn dei Nacht ist forchterlich.
Afs eck sau van Sienen Oller wafs un scholl tau Bedde gaen,
Ereg eck offt den stillen Koller, fong tau kraihen an dei Haen,
H5r eck raspeln eine Muefs, dacht eck Geister sind in Huefs.
Kam des Nachts ock mie en Schlummer, was ock glieck en Drom dabie ;
Dfisse brochte nien Kummer, denn in s5cker Drömmerie
Hadde eck bi mie enne Greitge, dat eck offt uet Freuden fleitge.
Ayerst keimen mie dei Sinnen erst tan hoep in Omung weer,
Was nein D&vel dar tau finnen, düt yerdrot mie denn noch mehr,
Dat eck alle s6cke Plagen könne neinen Minsken klagen.
Ünglieck beeter ifs mien Leven nu, o Himmel! heffe Danck,
Dat du mie enne Frue geven, dei, wenn eck gesund of kranck,
Strackelt meck un mienen Lieff, dei partout mien Tiet yerdrieff.
Doch wat helpet all dflt Schnatern, süe, dei Avend breckt herin,
Wie wilt Asck darum nich katern, wat dei Brögam vor en Sinn
Het bie Sinen Frien hat, blaut, o ne, wat schert ftsck dat;
Gnaug, et schall 6hm nicht gerften, denn in Taukunfft kan Hei nue
Speelen, juchtern, feuhren, rien, np un mit der jungen Frue
Blot alleen, lat üsck noch kehren, wat wie 5hnen könt verehren. ,
Geld hefft sei wol nich van dauen, Eyer, Kese, Botter, Brodt,
Schincken, W5ste, afs wat tau kauen, daran liet sei ock nich noth,
Sau doch use beste Leven, Caurdt, wat heffe wie denn tau geven?
Caurdt.
0 wat bringstu doch vor Fratzen, Hanfs, in dienen Kehren vor,
H5r, pack in mit dienen Patzen, du kflmmst nu dar gantz herdor,
Pack in diene P16ckerie, denn darvan hefft sei dei Brüh.
Will wie aver 5hm wat bringen, kan et truen nicks anders sien
Afs en Wnnsck, un dei mant klingen trülick, ehrlick, hfibsck un fien,
Hei maut gaen uet Harten-Grunne, drüm raup wie mit einen Munne:
Glflck, wenn seck dei Bruet let truen: Gl&ck, wenn Sei dei Brögam rahkt,
Un van 6hm taur jungen Fruen wert in allen Ehren mahkt:
Glück, wenn Jie tau Bedde gat: Glück ock, wenn Jie weer upstaht!
Glflck un Segen sien dei Peere, dei Jock hen nah Grohne teit,
Et brenne fort up Juen Heere luter Free un Einigkeit,
*) Druck: vor.
7*
100
Ja Verkehren dat gah gant, all Ja Daan heffe Hand on Fant !
Nichtes wart nn maat j5ck h^hnenj Kranckhait sie j5ck nnbewnst,
Gifift et glieck mahl wat tan stöhnen, er verspürt dei Brat ünlast,
Maat doch nich 6hr Iflstern Eahren länger afs 6 Weken daren.
Scholl ock mahl dee Free breken, schol ein Twiespalt komen aht,
Br5gam helpt dat Urtel spreken, wol anner liet, schal taan Tribnt
Geyen j&hrleck dem dei wint, jaer Waar ein lütteck Kind.
San kriege jie mit jaen Ohlen wat tan wegen, wat tan daan,
H&rt, wenn jie j6ck gnet wert holen, heffe jie ock gaen Raam,
S&cker Hopnnng leve wie dicke, an erwahrt dat Mesterst^cke.
Dfisse Drnnck wardt sien dei leste, jne Sandnisse all tan hoep,
Dei jie hier bie dfisser E^ste siet, an daat en Ehren-Soep,
Hinckt dei Riem, ifs wat yersein, deuckt, et sie bien Drancke schein.
Hocbzeit Mayer / Vater. Hannover (1735).
As Am Seeventaynten May düsses Jahrs Dai Heer Hof-Musekante
un Oergelliste Frans Hinnerck Mayer Mit Der schnikkem un
gladden Junfer Fycke Bai nai dickte Vahrs Hochtyed mackede,
Hadde Syn eine Brauer Davyd Wylhelm Schl&ger Ainen Schnack Van
Stoffel Garven un Hans Bessel uht Linnen annehöret un uppeschreven
sau as et hieriinner staiht. Hannover, gedruckt bey Johann Christoph
Ludolph Schnitzen.
Stoffel.
Wo gaiht et, Vadder Hans, wohr denckest da hennht?
Da bist meck jo saa glat, wat da wor hen nor Braht?
Da plegst deck sflfs jo nich des Alldags saa tau patzen,
Man hflte wat da jo recht as ain Stadt-Mann stntzen.
Wor BchMlt dai Pnhtjens hen? Wat schall dat Haaner-Vaih?
Dei Küpe drucket deck den Pnkkel noch entwai;
Ay, seg doch ais, wat schall düt Tfirelrürel haiten?
Da maast nich wehrelck syn, et schall meck sAfs verdraiten.
Hans.
Sfih, wat dai D*"** daiht, gah Eeerel, segg eck deck,
Wat n6hlet deck myn Patz, gah jöh, wat sch&rhrst da meck,
Eck frage deck joh nich, warum da dyne Jakken
San ttteb^stet hast. Eck will nich mit deck schnakken,
Dai Tyt ifs meck tan kort, dai Stfinne kAmmt heran,
Dat eck myn schmeerge Mnel na boir afwischen kan.
Stoffel.
Da bist ain dfihrelck Eeerl, da schnAfst jo as ain Bahre,
Mainst da denn, dat eck meck saa veel am deck wat schühre?
Eck bin ain anner Eeerl, et is nich s&fs an saa.
Eck gah ap stikken stand wol nah der Hochtyd tan,
Dai dallje in der Stadt van twai saa aar^gen L&en
Recht schäane macket ward. Da wehr' eck dögend giften,
Wenn eck inschencken schall, saa sap eck ap der Braht
Un 5hres Laivsten Qlfick an Sandhait ock ains aht.
Dat schall recht gladde gähn, myn Balg dai ward seck froyen,
Dat hai saa schäanen Wyu ock ais schall in seck taien.
101
Hans.
Wat! Eeerel, gaihst du ock darfim san glat nähr Stadt?
irs*d wahr, dat deck dai Bmht tanm Schencker mehet hat?
Meck hevyet sai gennair tanm Braen wennen dnngen,
Man wanne, dat hat meck schänn in dei Auren klungen.
Da wehr eck Melck mit Bjfs, schra'u Bannen, Ealver-Brahn
Un gähle Jftche ock nich lange laten stahn;
Eck wehre meck jo wol sau styf uu dikke frähten,
Bet dat eck nich mehr kau ein inig Mund yuU ähten.
Du, Brauer, gyfst meck jo wol ais tau supen her.
Eck will deck Stuten, Brahn, un wat des Tyges mehr,
Ja, wat eck krygen kan, yon Harten gehren geven,
Un denn sau will wy wol as Forsten-Kinner leven.
Stoffel.
Gyfst du nu n^hger koops? hev eck et niche segt?
Du maynst, du wßhrest man alleen' ein Br^gams-Enecht,
Man dat hast du doch wol dütmahl yorbye droopen,
Neh, eck wait ock noch wol up sau ein Dinck tau loopen.
Du, segg' ais, hast du all dat schäune Maieke saihn,
Gl^y, kyckst du sai man an, dyn Harte maut seck fr6yn.
Sai is sau glat, as wenn sai hat dai Bulle likket,
Dai Ogen blennet stracks, dat man day6r boir stikket.
Hans.
Ja, Vadder, du sogst wahr, eck wait un 16hye dat.
Man kennest du ock wol dhr laiye Harten -Blat?
Hai is deck doch sau schnahr as aine junge Linne,
Dat eck syns glycken nich yeel in Hannauyer finne.
Et löhyt dai Tainte nich, wat hai y5r Eflnste kan,
H6r ais yon synem Warck dat schlue Stadt -Volck an,
Wenn hai dai Oergel spehlt, sau blyfft sai jflmmer drinne,
Sai wehr't nich ainmahl satt, und spehl hai seeyen Stftnne.
Stoffel.
Ja, Brauer, dat heff eck all lange bäter wüst,
As du meck't seggen kanst; kum her, eck heyye Lust,
Ais ainen dytschen Biem up dAssen Dag tau mahken,
Dai leiye Qott dai gehy in allen 5bren Sahken,
Dat et sau glückelck gaiht, as sai et heyyen willt,
Un dat fAst' 6yert Jahr dai Weege ifse füllt.
Hans.
Un eck, m3m laiye Braur, eck wünsch ßhn sau yeel Seegen,
As eck im Moller-Sack kan Eohrens jümmer drügen,
Sau wart seck Vahr un Moym' un Schwester, Br5yers froyn
Un 6hre beste Lust an dftssem Brüht -Volck saihn.
Georgs IT. fleeresmnsternng 22. Sept. 1735.
Gespräch über die zweyte Musterung, so von Sr. Königlichen
Majestät von Gross-Britannien, Georg dem Andern, am 22. September
1735 gehalten worden.
Wat duhsent krancket is nu al wat wehr tau kieken
Dei eine galt bal hier, dei anner dort heu schliken,
102
Dat feurt in Kutsch un Pehr, an ihlt tau Faute nah:
Dat gaiter knap by her, dat ainer secker stah,
Dahr stait dei ain un frett en st&cke van der Fust,
Vehr anre wehr dei schneurt^) van Disch un Banck en Knust.
Mons. Matthias.
Höhrt er, mein guter Freund, ihr wiss't es noch mit nichten.
Ich wil von allen euch umständlicher berichten,
Ihr werdet heute noch auf diesen Platze sehn.
Wie vieles Volck zu Pferd und Fusse da wird stehn,
Ihr sehet ja das Holtz, genannt die Eilenrie,
Da hält der König GEOBG, zum andern mahl Ileyü6.
Wad Schnack, dei K6nnig had düt Volck al vor enohmen,
Un wohr scholln al dei Lilh up einmahl den her kohmen?
Eck sag dat vorge mahl mehr als tain duhsend Hinsehen,
Sey kohnet likesehr en anner seck nich wünschen,
Dahr is sau mannig Kop, und möhtet al wad &ten,
Wad k5stet sei an Kleer, an Supen un an Fräten!
Mons. Matthias.
Ich höre wol, ihr wifst hievon gar kein Bescheid,
Das difs gantz andre seyn, glaubt jeder ohne Streit,
Wir haben so noch mehr, als hier zu sehen seyn.
Die stehen noch jetzo bey Franckfurth an den Bhein;
Seht an die Eeyterey von Schultzens Regiment,
So noch auf diesen Tag viel Ruhm und Ehr behält.
Dat maut eck sülyst gestahn, et is alwehr wad niees.
Höhlt my dog wad tau gau, mien leiwe Heer Matthies,
Wad ji dahr schnackt, is wahr, eck finn nicks anners dran,
Un seih eck Mann vor Mann, dahr is nein Dadel an;
Et is mant nette Volck, wad up den Platze stait,
Eck feul, dat my dat Hart vor Lust in Bücke schlait.
Mons. Matthias.
Hier krigt der Baure Lust, um alles mich zu fragen,
Und bäht, ich möchte ihm noch ferner Nachricht sagen,
Ich zeigte ihm darauf von Walters Reuterey,
Von Buschen die Dragoner, hierauf gestund er frey:
Was bessers hätte er sein Tage nicht gefunden,
Und er hat Selbsten gern sich längst mit sie verbunden.
Ja Heer, dei Pehr un Lfih, dei staht nich naug tau reumen,
Eck m6gte mant, dat sei my ohk dartwischen neimen.
Eck droffte my tau Hubs nich met de Flegel schiahn
Un kenn by gauer Tied nah mienen Bedde gähn.
Des Sommers maut eck nu in Felle pleugen, saien,
By Winters Dag tau Holt un in den Messe klaien.
Mons. Matthias.
Nun habet ihr gesehn des K6nigs Gavallerie,
Hier folgt sogleich darauf die schone Infanterie,
Von Lucius, d*Amproix, von Wrangel aus desgleichen.
Ein jeder Regiment hat allemahl sein Zeichen,
Seht an, wie schöne sie da stehen in Mundur,
Seht nur daran hinnaus, sie stehn wie eine Schnur.
1) essen.
103
Dat is taosahmen gaut, alleen eck maat ais fragen,
Sei draiet seck san schwin, dat k5ii eck nich verdrageiii
Un wo schön eck san gan up mienen Beinen wäsen,
Eir ecket my verseig, san leig eck npper N&sen,
Sei m5htet altanhop gans schmiig sihn van Enoken
Of is ohn wohr dat Lief nn Beine inne broken.
Mons. Matthias.
Ich merck, ihr wisset noch von allen kein Bescheid,
Es ist was Leichtes nnr nnd giebt sich ohne Streit,
Von Bantzan nnd Barward, die sehet ihr dabey.
Wie sie geschickt yon Leib nnd anf den Füssen frey,
Ihr könnet morgen anch die Mnnsternng ansehen,
Inzwischen lebet wohl, ich mnss zu Hanse gehn.
Hoebzeit Holtzheimer/Scliedeler. Hannover 1737.
Schertzhafde Klage ower uhtgeeuwete doch gaut gehetene R6ferie
met Hartlickem Glückwunsche by der Holtzheimer- un Schedeler-
schen Hochtieds-Fyer, as sölcke Am 8. Septembr. 1737 in Hannauver
vergneugt geholden word, In verdorffener platdüetschen Spraake ent-
worpen un overrecket von Dem Hocheddelen Leives-Paar Ergevensten
Deiner J. C. S.
Nn s611 eck woU een Carmen schrieven,
Danh ek et edder Iaht' eck't blieven?
Dat meck schfiht sölcke Böyery,
Hoth woU nich seggen Deivery.
Dar6ver moste meck bedröven
San hartlick, dat man't s611 nich gl6yen
Un danhen Snnckers Eerckthorns groht,
Ja blarren, hfllen meck balP dodt;
Dat man meck nümt dat fiene Meken,
Dat meck hnlp schrieven un ok reken
Un was in allen Saken gant;
Na awerst fällt meck Hart' an Manht,
Dat eck 6t sau sali fahren laten.
Eck weit balF nich, na welcker Straten.
Man segt meck, dat se Steinweg het,
Wo et noch ichtens hübschen let.
An eenen Mann, de kan verkehren,
Nich awerst san met blagen Tweren
Un sflst met an'rer Eleinigheit;
He weit met bettern woU bescheid:
As Waaren, dei köhnt munter maken,
Un ann'ren hart- nn swaren Sacken,
Weit eck't nich all to nomen her.
Mag hei't beschrieven sAlvest mehr.
W6r hei meck nht dem Hege hieven,
Hedd' eck se better woU beschreven.
San'n B6very gaiht veel to wiet,
De eenem makt bedr5v'te Tied.
104
Wat sali eck awerst darto seggen?
Eck kan^t 6hiii 5yel nich uhtleggen.
Da hei gewinnen kon de Borg
Un drang met sienen k&nsten dorch.
Moth man seck woli to freen gewen
Un wfinschen bartiick! dat mag leven
Hei lange weg met sienem Kind,
Bet dat se ohlt nn mene sind.
Sali eck't daby na iaten blieven?
Un nich en beten mehr noch Bchrieven?
Ja billick w6r' et, dat is wahr!
Wenn eck nich w6re gans nn gar
Von Bölcken Gramme uhteteeret,
Dat eck darower gar verleeret,
Wat nht to dencken, dat fien klingt,
As wenn man et na Noten singt.
Man kan et sfllvest overieggen,
Wat manjer wöre darto seggen;
Wenn dflt 5hm w5r* to lee scheihn,
Wo 5hm s5il smarten Hart' an Bein,
Dat he dar5wer nich 8511 schlapen
Vor Gramm an Leed, de saa rechtschapen,
Dat he ahtseigh, as w5r he dodt
Un lange nich genoten Brodt.
Eck gl5we schier, dat leive Leven
Hei s&lvest hedde nppegeyen,
De Overwinner Ton der Borg,
Von allen Harteleed an Sorg,
Wo hei hedd* Aftog n5hmen mohten,
Vor dicken Wall an fasten S15ten.
Et sagh towielen misslick aht,
Dat hei w5r kriegen düsse Braht.
De Commendante wehr seck strenge,
Hei kon et awerst in de lenge
Nich ahtehohl'n, twiel 5hrer veel
Fast heilden ans Best5rmers Deel.
Ey seiht! wo will eck na den blieven?
Eck meyn\ eck woU en Carmen schrieven
Vom Hochtieds-Paar in mienen Sinn,
Un kome in den Krieg hennin.
Of Hochtied eenem Krieg seck glieket,
Da se San wackem seck verslieket,
Dat se wilt geem alleene syn,
Dat weit eck nich, of et seck riem?
105
De Krieg het woll nich to bedAen,
Da, as eck h6r' yon veelen Lften,
Man nich dodt steckt an nich dodt schfit,
Un veel wat Frfindlickers bed&t.
Da sflsten man in Erieges-Tien
Gar veele h5rt von doen Lften,
De hie nn da gebleven sind
Von alleriey ahrt Minschenkind.
Hochtied awerst gev't to hopen,
Dat Kinner ball her&mmerlopen,
Met welcken et mahl kfimt sau wiet,
Dat se k6nt maken ock Hochtied.
Na holt se heim de Mari- Anne!
Jy hebb't dat Glfick. Doch wanne! wanne!
Wo man 6hr wat tan lee daiht,
Et nAmmer nümmer klaacke gaiht.
Sei werd seck woll taa finnen weeten
In alle Sak*, in Drincken, Eten,
Un wat saa mehr im Haes vorfällt,
Saa lang' se levet in der Welt.
Dewiel se is der Dämmen keine,
De Bregen is &hr, gl6y* eck, reine,
Dat se licht wat begriepen kan;
San seck nich finn't by jidermann.
Tom 6r5gam hebb' eck dat Vertrnen,
Dat he nich late seck verlaen,
Oehr 6wel imahls vortogahn.
Eck woll et 6hm* ock ja nich rahn.
Sau levet woll, jy leiven beyde!
De Here geve j5ck veel Freade!
De macke j6ck an Kinnem riek
Un G&aem rieken Lflen glieck.
Hochzeit Paradies / Giese. Hannover 1738.
Hartlicker Glück- WuDsch taur Paradi- und Giesischen Hochtiet
uppesettet van ehnen Ollermann dei wahnt am Back in usem Dörp.
Hannauver, druckt bei L. C. Holwien. 1738.
Eck was bien gojen Frftnd, da freit eck Melck mit Biefs,
Da schnacken sei so veel van Masch6 Paradies
Ehn anjem seck int Ohr, an dat taamahlen liefsken,
Dat hei taa Fraen kreg dei wackre Jangfer Giefsken.
Wo spitze eck dei Ohrn an dacht in mienen Sinn,
Eck heffe na genog, schnackt jei man immer hin.
Wat meck all lange schwant, dat will na inne drepen,
Dram will eck ock nich mehr meck mit den Twiefel schlepen.
Dei goje Paradies dat is ehn dflgend Mann,
Dei siene Saack versteit an sausten ock gaut kan.
106
Wof5r hei seck nth gifft, flags in dei Daht bewiesen:
Drum mot en jeder öhn an siene Saacken priesen.
An Qadesforcht nn Dogent fehlt nicks dei Jungfer Brat,
Darbie taamahlen fix an glad am 5hre Schnut:
Dram kan dei Bröddigam seck recht an Öhr erquicken
Un sei mit dasend Lust in sienen Armen drAcken.
Eck schlute nu hier uth an dat taamahlen wifs,
Dat dfit recht edle Paar ehn tiedlick Paradies
Ahn allen Wedderschnack up düsser Welt k5hnt buen,
Dat kan ehn jeder meck man seckerlick tau truen.
Un kohnt van Jahr tau Jahr un dat taur rechten Tiet
Darin ehn BShmken sett'n mit obren besten Fliet,
Dei endlich ock ehnmahl kan gladde Früchte dragen,
Dei öhn un anjern mehr taumahien gaut behagen.
So lefet den vergnügt un alle Tiet beglückt,
Gott wend in Gnaden af, dat j6ck kehn Unglück drückt:
Hei lath j5ck Nestors Jahr in düsser Welt erlefen,
Darup will hei denn ock dei Himmels-Lust j5ck gefen.
Hochzeit MSUer / Thor Brügge (Hannover) 1739.
Afse Dei Herr Sickertarjes Möller Dei Mammeselle Thaur
Brüggen friede, wort düt Seddelcken up 6hre Köstje gebrocht, Von
einem Hufsmann, den 15. Jenner 1739.
Dat Braut ifs upegäten,
Un Mehl werd noch woU ain klain bäten
In user Eiste 6frig sien.
Hanfs, sacke du ne braven Eluten,
Mack fohrti wat hengstu sau dai Schnuten?
Eck maut hen na der Höhle rien.
Dat Lud schall einen Seddel halen,
Süst kan eck woU nig drieste mahlen,
Denn dai Lickzent-Enecht ifs wat schlimm,
Mien Naver Gert het et erfahren,
Dai woll dai achtain Penje spahren
Un kam um synen Boggen um.
Den groten Brunen wiU eck nöhmen,
Dai ifs lichtferig uptautomen
Un het in sinen Enocken Macht.
No bringet he! wo ifs dai Elute?
Un blev eck düsse Nacht jo ute,
Sau nöhmt dat Hufs met Fliet in acht.
No j6h! des Möllers Eöcke rocket,
Meck dünckt, da werd wat dauekocket,
Dai Lue liet kaine Naut:
Dai Möhlen-Slamm gift Fett un Ayer,
Sai levet afs dai beste Mayer,
Un hevvet jümmerfohrt 6hr Braut.
Süh da! hie maut eck wehr taurügge.
Dai Guhl stutzt vor der nien Brügge,
107
Da ifs en Schlag-Bohm vorebaht.
Dort) d&Bckt meck, let dat Water klaine.
Dat deck! et gieng meck an dai Baine,
Hie kom eck endlick wehr herrnht.
Olfick taa, mien laive Eanert-Vedder,
Eck maat Jflck aifs by d&Bsen Wedder
Beseucken, wiel dai Naut meck drift.
Jfi sint jo schnicker ntefliet;
Dei Henger schwehr, dat JA nig friet,
Hoho! eck marcke, wat et gift.
Dort sai eck ja dat Bnit-Lfid stahen,
Dat met Jflck schall tau Bedde gaheOi
Dat ifs ein Kind von gauer Ahrt;
Da heyve Jfl et woU edropen.
Jfi bayden werd, dat will eck hopen,
In einer ganen Stnnne pahrt.
Bedränfnifs, Harteled nn Plage
Sie fam, dat Jfl dai Levens-Tage
In Bane christlick schlnten k5nt,
Nomt san yerleif mit minen Willen,
Gott wolle alle dat erfflUen,
Wat Jflck dai gantze Frflnschap g5nt.
ün da Jfl meck hie geren seihet,
Un meck dat Hart in Lieve frenet,
San bliev eck ock van Harten gern
Un macke meck upt allerbeste
San lastig ass dai annem Gäste:
Denn dflsse Tag ifs Jflck tau Ehrn.
Komt Jfl werflm in dflssen Dagen
Tan meck nn Iaht flsch aifs ains wagen,
Eck bidde J6ck np Speck nn Wost,
Frisk Brant, dat noch von Dampe rflcket,
Un Stuten in dai Melck geplflcket,
Un nehmt yerlaif met Hussmanns-Kost.
Un darum ifs meck nig ais bange,
Eck hew dflt laive Paar all lange
Vor velen annem hocheflhrt.
Et sint meck harte leive Frflnne,
An Dogend rieck un trfl von Sinne;
Drum seid Sai Gott un Hinsehen wehrt.
Nu, Jfl sind woU mit recht vergneuget,
Dat het dai laiye Gott efeuget,
Dai macket dflsse Frierie.
Dat Mahlen mag dai Knecht verrichten,
Hie ifs in Aehren und in Tflchten
Dai Seddel un ein Wunsch darbie:
Veel Glflcks tau dflssen nien Paare,
Gott Iaht et lange laive Jahre
Gesund un starck, vergneugt un frisch;
Hai segne Sai in Oehrer Ehe
Un geve Ainigkeit und Free,
Hai segne Hufs un Bedd un Tisch.
108
Hochzeit v. Geldern / Boekemann, 1741.
Doo Heer von Geldern un Jumfer Boekemanns Anno 1741
den 22. NoVembr. Hochtied geeven Schreev em wat van der Fryery
Dat könnt se leesen wo't Ihm will beleefen.
Ha Ha ! dat mogd de Drost nich grienen,
Schalt doch hal upperstedens schienen,
As wenn dat Fryen wat Arges wer.
Ick hebbe lestens ins wat lesen,
My mnt, wenn ick dran dencke, gresen,
So scharp ginckt avert Nement her.
Ick mnt de Orunn doch ins belachten,
Un myne Fedder lastig fagten,
Up Masen! ja jy helpt wol nich,
Jy ladt ja mit nichts platdaytsch n5gen,
Man mat flickflojen, kratzen, b&gen,
Süs siln jy to verbrftderich.
De Pogg tom Elefant to maaken,
Den Fosschwans liefs an safer straken,
Dat, dat heed recht poetiseert.
Ne ! de der will, mag Lägen schrieven.
Ick will byer Mommken Sprake blieven.
Den Leegent hef ick nich gelehrt.
Na Pabst, da mast den Trop apföbren.
Wo ist, wil sick nichts by dy rühren?
Dat noch wol kilmt von Adamsfall,
Da schrigst, de Grand hält al de Prove
So starck as de catholsche Glove,
De Grand van Grfinden heeten schal.
Denn so as de Geschichte melden,
Hed sälfst van dfissen hilgen Helden
Een ins wat Ifits tor Welt gebrocht.
Wat schult ans soone Grande heeten,
Wem salt to gl5ven nich verdreten,
Dat de dat Flabbent nich versogt.
Mehr! sid de Pabst ap Peters Stoole,
Ey dat kflmt my jo recht to Poole,
S&nt Peter hed en Frae had,
Wal he sick sien Nafolger n^men.
So müst he nich so dävisch Dr6men,
As wflr man van Ideen satt.
De andern, doch wat schal et natzen.
Et is geschreven man at Patzen,
Den Grillas scharper an to gan,
Süs wal ick eenen Grand var schmieten,
Man mochte lang de Nagels bieten,
He stan an bleev oock wol bestau.
Nich dat de Welt im Besten leege,
Nich dat man keene B6rger kreege,
Nich dat et in der Bibel stait.
Dat all is f5rt gemeene Beste,
Man grift veel näsewiese G&ste,
De fragt, wat jymt Gemeen angait.
Wat et for entelde Persohnen
Sick wol der Moite sal belohnen,
Dat man sick in den Eh -Stand gift.
Hiervan is pro an contra schreeven,
Un keener wil doch wannen geven.
Pro n5mmt en Zacken contra gift.
Wat schal man by so krasen Saaken
Wol dencken, schrieven edder maakeu,
De Dr^mers schreet Vemanft an Grand,
De Grflnn sand Tieden, Lampen, Flicken,
Vemanft anWiefsheit setH se ap Ericken,
Un wat se schadt, is kanterbandt.
Künt Seen, dat ick een Scheeds-Mann finde.
De my den is een Grand der Gr&nde,
Wo't jo ant Dispateerent galt.
Dilt kan na wol keen Fen^jen wesen.
De noch keen Haar hed am de Nasen,
Wiel de de Saake nich verstait.
Denn wen de g&U, so har^k al wannen,
Wat wart von veeln nich Tag gesponnen,
Dat se den Deerens man gefallt
Da kleed dat Ealf sick k Lamode,
List sick half im Amadis to doode,
Bed he gelehrt verleevet lallt
He häsebäfst to twintig mahlen.
Um enen soiten Blick to haalen,
Der traten Jamfer Has vorby.
Sftdt he den sienen schmacken Engel,
Wo strävt, wo dreyt, wo kratzt de Bengel
Un meent, dat he't na sAlfst al sy.
Ja wenn't em entlich eenmahl glAcket,
Dat he dat Hartjen flabt an drucket,
So weet he sfllvst nich, wo em sch&d.
He fanget frfindlich an to gnesen
Un bevet doch as Loov an Seesen,
Wenn se em in de Oogen s&dt
109
Wat wart dar den nich Ttg geschnacket,
Wat wart dar nich to hoope packet,
S'is Gottin, Engel, Stahl nn Steen,
Blöd, Schnee nn FAer sAnd Oog nn Backen,
Van Wnll an Marmor Hart nnd Nacken,
Wer weet woryan dat Liev nn Been.
Wiel de nn hloot in LAsten w551et
Un sick mit Narren -Water k6&let,
Js he nich de de Saak entscheedt,
Een Socrates kont oock nich weseu,
De foilt verlieht noch np der Nasen,
Wo em Xantipp dat Bad beredt.
Ja wenn de de gepaaret leewet
Dat Fryn oock noch so hoch erhäfet,
Hed et, he sprickt der Fron dat Wort.
Denn de wiür sfls wat biester kiefen,
Dmm mnt he wol byen Laven t blieven,
Se jägd em sAs tom Hencker fort.
Een Weetmann kan den Enntteu lösen,
He kan yan Gooden nn yau Bösen,
Dat in der Ehe sick begiyt,
Sülyst de Erfahrung sprecken laten.
He weet, oft schaden will eer baaten.
Wenn man sick paart of entelt blift.
Wiel nun hiervan snnd yeel Exempel,
Dat se tredt in der Leeve Tempel,
ün nehmt wol fack dat föfte Wief,
So is darnnt jo licht to slnnten,
Dat't beeter drinne as darbnnten,
Dat is een Gmnd. Un de stait stief.
Ach ha! dat heet philosopheert,
Wol segt nich, dat my Loy gebohrt,
Een griep ins mehr dat Fryent an.
Doch dat ji sed, dat my nich scheue,
So roop ick uut! Wer will de freye.
Doch excipe den, der nich kan.
Ji heftet nnt Erfahrung lehret,
Heer Brägam, wat darto gehöret,
Wenn man en Fron to nehmen denckt,
Worum sul ick my den bestreyen.
Des Eh-Stands Glflck yeel to erh^yen,
Wiel ji ju Hart up't nie verschenkt?
Nu schul ick na Got Modmauns Wiesen
Wol ju Verstand un Wiefsheit priesen,
Eeen Cato moste klook mehr sien,
Demostens moste sick verstecken,
Un Seneca w6r nichts to recken,
Dat klAng na hütger Mode fien.
Man'k furcht, et mögt ju nich gefallen,
Wiel ji vor jus Gelieken allen
Den Vörtog längstens fast gesedt.
Ji sünd ook an dem gnog erhaven,
Wielt ju Heer Poppe sfllfst will laven,
Segt sAlvst, wat dat nich beter ledt.
Oock juer schmucken BrAd imgliecken
Der mosten alle Gratien wiecken,
Un Venus wör een hAfslich Minsch.
Man hier is van dem gnog to römen,
Drum wur een jeder my verdömen,
Oh weh ! hier past sick nichts up Minsch.
Et schad nich, wAr seed sAlvst nichleesen.
So sed ick, dat knm rein gewesen.
De Eer an NAtlicbkeiten glieck.
Wo wiefslich se den Hufs-Stand föhret.
Wo zierlich se de Nadel röhret,
Wo se an Tucht un DAget rieck.
Wo se van Meyers klooken Lehren
Gelehrt het, wat sick wil geböhren
Un wo man recht vemAnftig levt,
Van Eerer Demod un Gebede,
Van Eerer Ewigkeit un Frede,
Un wat man sAs mit Becht erhAft.
Man ick wil leefer stille schwiegen,
Eer schmecket keene Laves-Fiegen,
Wiel se dat alles nich behövt.
Denn wer ju beyde kennt, wart weeten,
Dat GIAck hebt beyden Heck gemeeten.
Genoog dat Eer von Geldern leevt.
Nu schal myen Wunsch in körten kamen.
Doch nöme ick keen GlAck mit Nahmen,
GOtt geev Ju alles wat Ja nAtt't,
Un dat er tokum Jahr verflahten,
De Schatz een SAhnken mag umfahten,
De Juen Nahmen unnerstAt^t.
Hochzeit v. Wfillen/Alemaiiii. Hannover 1742.
Da dei van Wulln dei Alemanninn fryt, Wünscht Bayden
Glück Lulf Haunerstüt. Hannauver, den 6. Novembr. 1742.
Yeel GlAcks dem Brögam un der Brut ! Dat eck in öhren Namen schall,
Dei heile Dörpschap schickt meck ut Potzstip, potzstapi hier hakt et all,
As Öhren Alabassadören, Van veelen, ryken SAggen köhren.
110
Hed eck dfit T6r twei Manden wnst, W5r ock dei Kfllle noch sau groot,
Jü Lile schöllen jne Lust Dat taafr5r Beeke nn dei Soot,
An mynen Baockstabeiren hebben, Wol warm in jnen Armen maken.
Nn averst mant eck kort nn gant Nn geiht dei rechte K5rje an.
Man schnacken, as dei Bnren dant, Van Wollen nn dei Alemann
Hiemächst san hohl eck mjne Fläbben. Dei schöllt in Qlück nn Sägen leven,
Dei Brögam had nich 6vel dahn, Wat sei seck wfinscht, wat sei verlangt ;
Dat hei nn will tan Bedde gähn Wormit dei Wohlfarth sfllvest prangt,
Sfilvander. Denn na AUerhillgen Dat woU dei Höchste öhnen geven.
Da wört et kohlt, dei Winter knmt, Wort griefs nn ohlt, levt lang[e] jähr,
Dei Schnei dei fält, dei Wind dei brnmt. Jfick overfalle nich Geifahr.
JA wört sin Fryen alle bilgen. Doch eihr eck schlnte, tänfft en betten,
Ey, lacht doch nich, jfi schnicke Bmt, Syd jo bedacht nn makt et san,
Jü seiht san frisch nn kregel nt, Dat overt Jahr jfl mötet tan
Jfl wört öhn daljen nn noch faken, Dem Bedde enne Wege setten.
Hoehzeit Haber /Friesland, Hannover 1742.
As Am neegen un twintigsten Junius Dusses dusend Seewen-
Hundert un twey un veertigsten Jahrs Dei Hochgelehrte Heer Pastaur
Peter Hans Haber Mit der schnickckern und gladden Junfer Marie
Lowischen Frieslanden Hochtiet makede Woll dem leiwen Hoch-
tiets Paar Veel Glück wünschen Un alle öhre wackere Hochtiets
Lüde lustig maacken. Een Ohlt dütschk Degen Enoop. Hannauyer
drücket mit Schraderischen Bauckstaven.
Vadder Canrd.
Hans Casperl wo hennnht? Dn hist verwegen glat,
Eck sei wohl, dat dn hflt noch denckest nah der Stadt;
Doch nee, eck löwe hohl, deck hat yom Frien drömmet,
Dat dn dei Haare hast san schlicht nn gladde kemmet,
Dn dregst dat flincker Crantz, dei Jack is nagelniet,
Wanne! Wat hast dn deck recht niewer nteflieht.
Hans Casper.
Ne! Nel bie Liewe nich, et sind gantz anjer Saacken,
Vor meck denck eck noch nich np reine Beddelaacken,
Eck hebhe Tiet genang*, doch aber westn wat?
Herr Haber frieet hfit, dämm bin eck san glat,
Dei gane, leiwe Mann! Dehm mant eck Glficke seggen
San yeel, as in der Welt dei Henner Eyer leggen,
Un siener Jnnfer Bmt, der harten schmucken Deern
San veele, as dfit Jahr noch wasset Appel, Beera,
Nn hör, mien leiye Canrd! schall eck sien Schätschken nennen.
Frieslanden is öhr Nahm, dn werst sei oock wohl kennen.
Vadder Canrd.
Ja! Ja! Dat hat seck wohl, dat is man Ködderie,
Eck hewwe noch nichts hört yon dfisser Frierie.
Eck woll dem Bröddigam dat gladde Kind wohl günnen.
Et is from; frfindlick, klanck nnd weit seck schenn tan finnen
Bie allen Öhren Dann; nnd oock dei Bröddigam
Is trfie, schlecht nnd recht, yan ohlen dfltschcken Stamm.
111
Et w5hr een recht lelv Paar; doch kan eck deck nich 16wen,
Eck seih den vam Pastanr sei erst tauhope gewen.
Hans Casper.
Dat schastn hfit noch seihn, kam man mit meck nah Bückn')
Wo use Heer Owens sei werd tauhope flickn.
Un dat is gans gewis, ja hasta Last tan wedden,
Man werd den beyden hfit as Bmt nn Br5gam bedden.
Vadder Oanrd.
Nn Nn! et mag dmm sien, gah tan, eck loope mit
Un wünsch 5hn beyden Qlück np allen &hren Trit.
SAh! doort is al dat Hnes! H5r! wo dei Lfide springet.
Jnchail Jnchai! Hol Ho! H5r! wo dei Fiddeln klinget.
H5r! Wo dei Dnlcian as alle Veiten summt,
Un wo dei Bafs -Viani as dusend Dflvel brummt.
Lop, wat du lopen kanst, gah tau, wie d5rfft nich teuwen,
Eck frage hftte nicks na Maus, na Brie, na Beuwen,
Gah tau, et is gewis nich lange Teuwens-Tiet.
Sfth eis, wat hewwet seck dei Maickens uhteflieht.
Hans Casper und Vadder Caurd tauglieck.
H5rt Deerens, maackt eis up, wie maackt sftfs wat tau flickken,
Wie bräcket silfs forwahr! dei D5hr in dusend Stfickcken,
Denckt, dat wie Buren sind, maackt foort un Iaht üsch in,
Wenn jie nich wilt geschulln und oock genuffet sien.
Hans Casper.
Süh Caurd! siLh eis dei Bmt; wat is sey scheun stafifeiret!
Sflh, wo dei Br6ddigam seck sau verleivet teiret.
Vadder Caurd.
Eck seih sei beide an! Wat schufstu as een Bär,
Foort Casper b&cke deck un köhre vor meck her.
Hans Casper.
Erst eenen gauen Dag maut eck j6ck beiden seggen,
Drup eenen trflen Wnnschck voor jue Scheenen leggen.
Mien leiwe Bröddigam! j5ck wünsck eck Glflck un Ehr
In juen Pastauren Amt, dat jie mit Goddes Lehr
Erbuet jeden Stand. Blievt lange Tiet in Seegen,
Ju Land krieg Snnnenschien, tau rechter Tiet oock Regen,
Et starve j&ck keen Hund, veel weinger Peerd und Kau,
Dat raup eck hartleck j5ck uht vuUen Halse tau.
Vadder Caurd.
Sau h5rt oock Junfer Brut, wat eck ut Härtens Grunne
J5ck hüte wfluschen will, un wat eck mit dem Munne
Vor d&tschcke Woorde spräck. Leewt Lewens lang vergnefigt
Un hewwet sau veel Lust, sau veel wie Fooren pleugt,
Ji m6tet noch by fisch up dfisser runnen Eren,
Wenn sei jo rund schall sien, mit Glflck erffillet weeren.
Hans Casper.
Nu höhlt! Iaht meck noch eis;
1) » Bücken im Amte Hoya.
112
Vadder Canrd.
Still! et is noch nich nht.
Vadder Canrd un Hans Casper taaglieck.
Eck wfinschck, Heer Br5gam, j5ck an j6ck oock Jnnffer Brut,
Dat jie gantz sente mSgt tauhope schlapen, waacken,
Un Kind nn Kinnes Kind j5ck dusend Frende maaken.
Hochzeit Hflbner/ Voigt. Koldingon 1747.
By der Hiibenerschen un Voigtschen Hogtiet, As DeisAlvige
am dridden Oster- Dage Dusend seven hundert seven und yertig tau
Caulie^) in guhen Frehe vullentogen word, Woll sien ehrlick Harte
un uprichtige Frilnschop betügen Ein Leifheffer von hüpschen Durtel-
Duven. In dussem Jahre dricket.
Dei Dage weret lang, dat Hann fangt an tan krakeln,
Bei Ganter ropt dei Qohs, dei Ddfifer mackt seck kram
Un market recht verleivt am siene Dny heram,
Dei Lehrke plegt taa Hand dei Fittge nt taa strakeln
By hellen Snnnen-Schien an socht dat Wiefken wehr,
Sei flflgt hall np an dahl, hall längs hall in dei Qneer;
Dat mackt, wie heffet all in dem Calenner lesen,
Dat Qerdrnt isse wefst, dat markt dei Schwalen Schwärm
Am ersten, dat et will nah grade weren warm.
Dei Bner Frnens sind ock mit der Tiet genesen,
Dei Keie sind all melck, dat Kalvecken wert fett,
Dat Haan legt 5hnen ock en hApschen frischen Schett.
Och seiht, en heyen Beist dat het noch siene Plege,
Sah jenne ohle Frn, afs sei Ton nngefehr
Sag, dat dei D6ffer kämm am sieae Dave her.
Taawielen och wat wart hym ohlen Minschen rege.
Wenn hei tan rügge denckt an siene Frierie;
Och, och, meck feilt wat in, allehn et is vorhie;
Dat Schnäffelcken dat let by miener Trfle gladde.
Wenn san dat Wieveken den Schnfifelcken npdeit,
Un, eir man seck versüht, gans sachte sitten geit.
Eck sag et gistern noch, da dagt eck, wenn eck hadde
En wacker Dflveken, dat were wohl nich dämm,
Eck ginge damit ock san as dei D6ffer amm.
Herr Br5gam h5rt, meck dfigt, Jie heffet watte lehret
Von Jner Daven- Fingt, dat meck dei Welt nig drfigt;
Denn wenn des Morgens man in sienen Bedde ligt,
Un Yor den Fenster san dei Daven karken h5ret,
Da Bchlfipt man recht yergnengt, da kranewacket man,
Un manchen kämmt wohl gar dat leive D5ffern an.
San dAffert denn drnp los by Jaer leiven Dflvken
Un schnafelt J5ck man brav, Ja dr5fet et woll daan.
Et is Ja Engelken, Ja Pfipken and Ja Haan.
1) = Koldingen.
113
Dat Ding dat steit meck an, et is en arig Wievken;
Et kamt sau um J6ck her, un streppelt Jock den Bart,
Nehmt Jie et wohl in acht, et is von guer Art.
Eck wünsche dat Jie J6ck m> rechte glücklich paaren,
Un dat Jie Jue Tiet in Frehe, Glück an Raah
Nah Dartel-Dayen Art vergn enget bringet tan.
Ean eck dei gne Post denn ap dat Jahr erfahren,
Dat Jae Düyeke het glücklich atebrogt,
Saa wert en ehrliek Wansch ock wehr herrorgesocht.
Heerschan Georgs II. 1750.
As dei E6nnig van Grot-Britanjen un Hartog tau Bronsewig un
Luneborg, Georg de Tweyde, In sienen Churfurstendohm vor Hannauver,
den 15. Juni 1750. Dei grote Munsterung heilt Word dut uppe-
achreven van J. L. H.
• Verzeichniss
Wie von Ihre Kfinigl. Majestät die Regimenter zar Mansterang vorgenommen.
Die erste General -Bevüe den 15. Jany 1750 von 18 Esqaadr. and 12 Bataill.
2 Battal. Garde za Faess
1 „ Sp^rcken
1 , Hardenberg
1 9 Freademann
1 9 Soabiron
1 Esqaadr. Garde d'Corpsx
Grenad. a. Chev.
Leib Regiment
Hammerstein
Platen
P&lnitz
Dienstag
den 16ten
Special -Manster.
Mittwochen
den 17ten
Special -Manster.
4 Esqaadr. Pontpietin
4 „ Adelepsen
1 Batal. Rlinckowstr^mv
Eroagh
Bronck
Scheases
Mfinchow
Hodenberg
Donnerstag
den ISten
Freytag
den 19ten
Erste Mansterang.
Wad lopet an rennet, wad tobbelt dey Lfie:
Wad ister tan daan by der Eylerrie?
Dad jaget in Kutschen, Karjanlen an Wagen,
Dad ihlet tan Faate mit schlepen an dragen,
Dad krimmelt an wimmelt npper Bald,
Dad Manstem schal wesen, is dad wor dei Sobald?
Ganfs recht, mein Freand! ihr krieget heat za sehn,
Was vor Hannover nicht in Jahr and Tag geschehen,
Kommt, s&amet nnr nicht lang und eilet mit mir fort,
Ich ffthr euch auf -den Platz and an den rechten Ort.
Drap keimen wy taar Steh^ hier gaffet wad taa kiecken,
Van Yred- an Sapel Waar, by Armen an by Riecken,
Dar gaffet Speck an Wost, fien Brod an gaaen Schincken,
Twieback mit Seatmelcks Kehs an allerhand taa Drincken,
Den einen stand bald däd, den annern dad ball an,
V5r Geld was allet fall den Hnefs- an Eddelmann.
Hier sähe ich mit Last an diesen muntern Baaren,
Wie es vor Freaden kaum kont aaf der Stelle daaren,
KiederdenisoheB Jahrbnoh XXXVI.
114
Bald führte ihm vor diefs, bald wieder jenes Zelt,
Bifs er vermeinete, es sey die nene Welt.
Myn hartens gane Fründ» eck bidde, nehmt nich 6Yel,
Bad eck san drieste bin an as dad ringste P&vel
J6ck falle tauer Last, eck maut j6ck ais wad fragen:
Wad si&nt dftt dog vor Mh, dei Gran un Roht m&ht dragen,
Dei scheitet jo sau starck, dad Grand an Bodden beyt
Un dad dei Sand an Stof ein am dei Schnaten st^vt.
Difs sind die Canoniers, so in den Erieges-Zeiten
Darch ihre Bomben-Macht verrichten Tapfferkeiten,
Zerschiefsen Maaer and Wall, darch ihre Feld-Geschütze,
Und bringen ihren Feind in Schrecken, Farcht and Hitze.
Eck seih dei Bütery in Goll an Sftlver Mützen,
Mit fienen roen Wand an schwarten Upschlag stützen,
Bat is man wacker Volck, sei m6ht wad sünderks wesen.
Bei Lüh nn Päre sunt, as wen sey ahte lesen:
Un alle Bütery, dei ap den Platze stait,
Find neimand Mter nich, wen hei dei Weld d&rch galt.
Biefs glaab ich selber wol, ich mafs each nur bedeat-en:
Bie ihr vorhin gesehen an Pferden and an Leaten,
Sind kostbahr, wanderschön, heifst Grenadiers Chevall,
Bes Königs Beaterey, die rühmt man überall.
Na heffe eck myn dage nich sülvem Büters seihen,
San wit- an bante Peer, as dar sei appe reihen;
Bei Kehr eis wören al, as Weserböhme lang,
Sei hefft bym Könje ohk den allerersten Banck,
Ben wiel sey jeder Tiedt dei Wagten by 6hm daat.
Et sy taa Waag an Peer, saa folgt sey appen Fant.
Biefs ist die Gaarde da Corps, sehr schon in allen Wesen,
Bie Leat and Pferde sint, als wann sie aasgelesen;
Nan tretet weiter her, hier kömt die Infanterie,
Am lincken Flügel hält die andre Cavallerie.
Wy keimen an dei Gaar taa Faate in langen Begen,
Bei Kehreis lanck an schnahr, as wenn sei goten wöhren;
Je wieer dat eck kam, je bäter sag et aht,
Bei Kehreis wören glad van Koppe, Bard an Schnaht;
Bei Trammein rearen seck, bald stfinnen sei süfs den saa,
Ball keick man sei int Oge, den nah den Bügge taa.
Biefs ist die Infanterie, so ihr nan habt besehen,
Habt ferner nar Gedald and bleibet stille stehen,
Sie werden allesammt sehr schöne exerciren,
Ohn dafs ein Trommelschlag sich dabey dürffe rühren.
Na was et Middags-Tiedt, elkeine ihl taan üten,
Eck was ohk mad an mea an hadde noch nich süten.
Eck dagte by my sülfst, Gottlovl dad Gott gegeven,
Bat neimand is taa Boh an appen Platze hieven.
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(Nachtrüge atis d. J. 1732—1735.)
Georgs II. Heerschau 1732.
üp dei grote Munsterung welcke Georg de Tweite Könje van
Grot-Britannien, Franckrich un Irrland, hartog tau Bronsewig un
Lüneborg, de(s) hilligen röm. riecks ertz-schatzmester un chörfarst,
den 14. juli 1732 vor Hannauver heilt, word düt vertelt under twey
buhren Henje Kolwes un Lulff Haneklöwe. Drücket by Ludolph Heinen.
1. Branr, tfih dei Jacken an, dar is wat tau te kieken,
Gab tau un sfihme nich, gah man nich lange schliecken,
Wiel uhse Lannes-Heer uht Engellaud is kohmen
Un eis sien Volck tau seihen seck .wisse vorrenohmen.
2. 0 ja, eck gah mit deck, wenn du mant weist den Ohrt,
Et sy sau wiet et wil, eck gae mit deck fohrt.
Wy keimen up den Platz, eck rohk dei Schwienebrahn:
Hier freiten wie sau dick, dat wie nicb kennen stabn.
3. Ey, kieck eis, wad bet düt, dei H^ser sAnt van Linnen,
Un scbnicker Fruens -Volck is ok dariun tau finnen,
Man welkein scbSU dog nu wol uhse K5ige wesen?
Du dumme Vent, bei stait deck dicbte v&r der Nasen.
4. Hier keimen welcke ber up scbwarten Pebren rien,
Wie freugen, wad dat dog v6r welcke scb511en sien?
Sei sähen, dat sei wiss van Pompietin scb611n wesen:
Dei w5rren lieke lanck, as wann sei übte lesen.
ö. Drup kam en Begiment, dat beiten sei van L5ven,
Dei seigen glupiscb uht, as wenn sei ein anschn5ven,
Forwar, eck bedde nicb mit dei meck schöllen haken,
Sei bedden my sflss woU umwickelt as en Laken.
6. Des K5njes SAlver-Garr kam obk up Inbter Schimmeln,
Dei Pere lieke grot mit Witten Schwaiffen wimmeln,
Sau grote Eerels beff eck kortens nog nicb funnen,
Yan Sfilver w5rren sei gans übt un dubt bespunnen.
7. Do kam de Garr tho Fant sau pruncke ock angahn,
Dei Krancket schölle seck mit 5brer einen scblabn,
Sei w5bren all sau risch, as wann sei regent w6bren,
Un trampen, dat man knap sien eigen Word kon hören.
8. Hierna do keimen dei van Campen un van Schwaan,
Gewiss, dei schöllen obk nog for den Führe stabn.
Sei trampen alle glieck un wöhren sau tau freb,
Dat wer sei mant ankeick most lachen upper Steh.
9. Drucbtleben, Querenbeim, dei keimen obk marscheirt
Un scblenckern obre Bein' sau stieff, as wenn sei schneurt:
As übten dannen Böhm sau schnabr all uppe wossen,
Sei badden an den Haut half witt un schwarte Tosten.
8*
116
10. Dei Fincke an dei Bahr, dei keimen ohk anstiegen,
Glieck freit'n sei einen np an wolin den annern kriegen,
Dei schallen einen wol den Bamp sau faste drficken,
Dat dei Ealdanen bSrst'n in lahter kleinen Stücken.
11. Hier keimen noch hertan Zastrow an Sommerfeldt,
In grenn an roht mandeirt hergahn vörs K&njes Teldt,
Man düsse sunt yorlängst all in den Baame wesen,
Dat sei seck leiten nich veel parren apper N&sen.
12. Nah dessen sag eck ohk van Worm an Melvin kohmen,
Dei wirren saa agal, as wenn sei ahtenohmen:
In wid an gehl mandeirt, dat sag al schmacke afat,
En groten schwarten Bahrt had elkein apper Schnnt.
13. Loni, Hasberg an Wendt, dat w&rn dei allerlesten,
Dei Eerels an dei Per hohl eck von allerbesten,
Sei leiten saa barbarsch yan Kippen an van Bähren,
As wenn sei ahten Deig saa dicke weltert w5hren.
14. Do düt na was yorby, ginck glieck dat Führend an,
Sei sch5ten all ap eis en jder Mann yor Mann,
Dat knall, as wenn dei Ehr np eis sch61 andergahn,
Man kon yor Damp an Rohk knap ap den Platze stahn.
15. Drap sett dei K^nje seck in sienen halwen Wagen
Un leit in ynllen Dray nah Heerenhasen jagen,
Eck wünsche, dat wie lang 6hm möget manstern sein,
San ward dat ganze Land seck mit den Bahren frean.
Georgs IL Heeresmusternng bei Celle 1732.
As Georg de Ander, Könnig van Grot- Britannien, Franckrieck
tin Irrland, Beschütter des Glovens, un Hartog tau Bronsewig un
Lüneburg, Des Hil. R6m. Riecks Ertz Schatzmester un Chur- Fürst,
Den 28ten düsses Mahndes August, vor de Stadt Celle Munsterung
heilt, Freue seck ein Lanneskind over dat Lüneborgsche Hüs. Drücket
mit Heinschen Bauckstaben 1732.
1. Wilkohmen hier GEORG! da Vader ahses Lannes,
Wilkohmen leiwe Heer, da E5nje dienes Stannes,
Wo hattet jock den dog en tietlanck her egahn?
Sin ji ohk west gesnnd, wo hattet am J^ck stahn?
2. Uht Ehrerhaighait fall wie tan Jaen Featen
Un wilt thom tweyten mahl mit dAssen Breif J5ck greaten,
Ja Celle freaet seck aht vallen Härtens Granne,
Sei staht an lahret all ap Jaer Hierkanfft Stanne.
3. Taam Rohland Et seck na Ja trüe Yolck ock seien,
Gewiss wer sei ansüht dei maat seck hartelck freuen,
Un sei seiht den na sftlyst vor 6hren Ogen gähn,
Vor welcken sei saa trü ap Wacht an Posten stahn.
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4. Sei helfet seck in Reg nn Glieder stellet hflte
Un wiit ock exerceirn un fAhrn mit vallem Vliete,
Hier passt sei np Canon an np den Trnmmel-Schlag, .
Sei staet nn parat np hfit nn Morgen Dag.
5. Seit, wo dei Walter prnnckt mit Pehren un mit Lüen,
Eck wollet keinen rahn, dat hei sei wolle hrfien,
Sei latet seck tan hoop im minsten nich vixeirn,
Wer dat nich 15wen wil, magt eis mit sei probeirn.
6. Dei Dreveschen kohmt nu marscheiret in den grennen,
Wad düt vor brave Lab, dat sch511 wol neimand meynen,
Dei Eerels sdnt brav lanck, dei Fere Hecke dick,
Dat exerceiren galt in einen Ohgenblick.
7. Dei grote Lucius kumt hierup nu vorby,
In Fflhr un Storme sAnt sei regt verwegen fry,
Sei wetet, wo't im Fell un vor den Find hergait,
Un holet nicks van dei, den glieck dat Harte schlait.
8. Von Bantzau waget seck ohk geren in den Tummel,
Sau balle as sei man h6rt scblaen obre Trummel,
Sei lubret, wennt wad gifft, sau stille as dei Muss,
Et iss en regten Qtthl, wann sei wehr schallt na Huss.
9. Dei Soubironschen kau eck nich tau rfigge laten,
Qingt man nah obren Sinn, dei schöllen einen faten,
Eck weit, wen man dei Krieg nog hüte ginge an,
Sei gingen gehren drup un scbleugeu 5hren Mann.
10. Von Bhoeden gifft seck an un sitt nich lange stille.
Eck weid, Heer K5nje, dat ock dfissen w^hr öhr Wille,
Mit sauen schnickern Volck eis vor den Fiend tau gähn,
Gans gr&llick worren sei seck d5rch einander schiahn.
11. In gliecken leite seck van Hören nich hendragen,
Dei erste Tiedt dei best um ennen tog tau wagen,
Alleen, Heer E5nnig, düt stait alles np Ju Wordt:
Wann Jiet heffen wilt, sei gaet gehren vordt.
12. Dei Eranckt bym Reyer Holt befft.sei gar undermynet,
Wer hod seck dar wol vor, diewiel dar nicks van schienet,
Dei Ehre dait seck up un dr5hnt mit einen Knall,
As wenn dei Ehre nu up eis vergaen sali.
13. Ne^ Schalter sau hergahn, sau bin eck hier nich nfttte.
Eck lope stracks na Huss un frete dicke Grütte,
Wiel eck nu heffe seihn, dat seck düt Dinck sau hackt:
Sau hattet meck dat Lyf un Hart beklomet mackt.
14. Dog is dat allerbest, sei krieget wad tau supen,
Dat galt sau strev herum, bet dat sei gaet krupen:
Elckein nah sien Qnarteir, dar hei vorhenne legen.
Sei wünschet 6hren Heem veel Glück np sienen Wegen.
15. Herr Könnig, rastet Jöck, Ji heffet lang nich säten,
Un nehmet sau verleif, wad Celle had tau eten.
Up Raisen is dat best en Stück van roen Schincken,
Dar stait am besten up dat Cellsche Beir tau drinckeu.
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16. Wie wflnschet, dad Ji offt by üsch mögt mnnstern laten,
Dat kan den ganzen Lann in allen nog mehr baten,
Un raise Ji den weg yan fisch na Engellandt,
Sau spare Juck gesund des groten Gottes Handt.
An Georg II. 1735.
Heer K&nje, leeve Landes-Yader ! hier iss een betjen Schwärt up Witt^
Datt flfitt uth eener trfien Ader, deel dAssen Dyne Qnade mit
De deck diütt Blatt will averreicken, datt iss dyn eegen Unnerdahn,
0, grote K5nje! giff een Teicken un lat meck nich in bieten stahn.
Meck pufft dat Hart in mienen Lieve, ja gl6ye man, eck beve recht,
Wiel eck an mynen K5nje scbrive, eck, afs Dyn allerschlichtste Knecht;
Doch, dat eck hflt an dftssen Dage, da jeder Deck willkomen heet,
Heck mit dflt Brefken tho Deck wage, yerl5yst Du woll, eck weet Bescheet.
Eck legg meck hier tho Dynen F^ten in Demoth upper Erden dahl
TJn willDeck darby kneend gröten; och! sfth eys, wo hier althomahl
Dyn Lannes-Kinner Arn Deck wimmelt, och! süh eys, wo sick jeder freut,
Eieck eis, wo sick en jeder tummelt; och! h6r eys, wo see roopt un kreyt.
Hier iss keen Jung un keene Deeren, hier iss keen Vader, keene Mohm,
De Deck nich süiht yan Harten geeren ; och ja ! Du kämmst iüfech recht bequem.
Hier iss keen Kind in syner Weegen, keen Knecht, [keen] Magd an düssen Ort,
De sick nich geern y^r Deck will neegen. Eck schrie dalljen wieder fort
ün fange an tho gratuleeren: üs' Heer Qott mag Deck so yeel Glfick
Un so yeel Freud un Lust bescheren, so yeel ass Schaap un Zegen-Bfick;
So yeele friske Häuner-Eyer een jeder Buhr yerk5pen deit;
So yeele Schl&ge, ass de Sayer Tit Leeyens up de Klock Thorns schleit.
So yeele Kringel, so yeel Semmel, ass man in f6fftig Jahren backt,
So yeele Lust geey Deck de Hemmel. Ley wol! bet dat de Heyen sackt.
Ley sund, leef Vader! Ley so lange, bet dat de Sparling yan fisch thfit,
Bet dat keen Flog iss mehr im Gange, bet man ken Uhln un Krayn mehr sfiht
Us* Kfiniginn nich tho yergäten, dee leey mit'n Kinnem lange Thiet,
Bet alle Schob un Strfimp thor&ten, bet dat et eens Tocatens schnyt.
Bet dat de Haasen Hinsehen scheten, bet dat de Hartz-Buck Jägers j5gc,
Bet Docters keen Latin mehr weten, un bet dat Reh den Spör-Hund s5cht.
Hyn Wunsch iss man kort thogeschn&den, eck kan er nich recht yeel by dohn,
Doch will eck jfimmer flietig bfiden, dat Du up Dynen Kfinje-Thron
Noch lange Jahre magst regeeren, dat Fruw un Kinner leeyen mag!
Hit körten meck tau expliceeren, Gott gey Jfick eenen goden Dag.
Hau leefe Heer ! Du must nich kieyen, dat hier mehr ass de Glfick Wunsch steit,
Wenn ünnerdahnen an Deck schrieyen, so melden see oock, wo't &hn geit.
Herr Kfti^e 1 Du warst meck*t yergeyen, dat eck dfit Brefken schick nah Deck,
Denn eck wfinsch nicks in mynen Leyen ass: Glustre doch eys her up meck.
Eck heffe Deck im Stadschen Laune, tho BremeryShrd, bym Impost deent
Un heffe et ock, ass een Manne et schfildig iss, getrfilick meent;
W6r in den Lann de Impost bläyen, so war eck nich unglficklick west,
Wen*ck noch dran denck, so mot eck bäyen, denn eck hadd all en warem Nest.
Nu kan keen Docter uth meck warren, un thom Aycaten d6g eck nich,
Denn de moth Latien braf blarren; eck spreck woll, doch nich sfinderlich;
Hien Käkel-Rehm iss nich goot schnäden, drfim segg eck faken nich en Wort,
Doch kan eck schrieyen, lesen, baden, un stfimper jfimmer so mit fort.
Gott weet, eck heff nich yeel tho leeyen, myn Ollern sfind all lange dood.
119
Oott hett meck ook dree Kinner geven, dee sünd thohope noch nich groot;
Drfim mnst Da meck mit Brodt versorgen, et kan ja doch nich anners syn,
E2ck seeg't noch leever hAt ass morgen, dat wfinscht ook myne Fme Thrin.
Verstaa'ck nich veei, so bin'ck keen Prahler, sitt averst thämlick in de Sapp,
'kheff mennigmahl nich einen Dahler, doch f5hr eck meck reepteerlick np.
Cck bin nich grot van Lieff un Enaken an blief ook woll myn Dage so;
Meenst Da nan wat ath meck tho maken, so schick meck man en Brefken tho.
Da drafst nich sülfen Hand anleggen, dat iss d5rchath nich myn Begehr,
Da kanst man tho'n Sictaris seggen: Schriff hen, Hoffschläger schaller her,
He schall sick van der Fedder nähren; eck heff 6hn dartho athesöcht,
Hehr wallck nich npper Welt begeren, wenn eck dat Gläck man hebben m5cht.
Hier in der Stadt bin*ck anthodrapen by Kleissner, in der Kramer Straat,
Dar willck np eene Antwort hapen, doch bidd eck Deck, weer jo nich quat,
Dat eck so athverschaamt in Schrieven un Deck so veel anmooden bin,
Eck wall nich geern so leddig blieven, denn Deck tho deenen iss myn Sinn.
'Twart meck noch grane Haare maken, o sy meck an, eck dämme Claass,
Dat eck nich sälffs. mit Deck heff spraken, ass eck by Deck im Garen wass;
Eck was tho bl6d, Deck tho bes5ken; dat segg' eck averst: kehmt nochmahl,
Meck dächt, eck wnller woll ap fl6ken, eck geev meck so nich wedder dahl.
Eck kleevde an Deck ass ne Klieve an leet gewiss nich wedder loss,
Du st^ddst meck denn mit Fliet vam Lieve and sedst : Gab weg, da albern Dross ;
Doch, darnp walckt wol hasardeeren, dat deyst Da all dyn Dage nich.
Da kanst jo keen kleen Kind verth6ren, denn Da bist gar tho gnädiglich.
Dee Myn'gen hefft et ook erfahren, wo leeff Da see geholen best,
Eck bin all over vertig Jahren an hedd ook geern en eegen Nest.
Up Deck sett eck all myn Vertraen an hoop, Da giffst meck ook myn Brodt,
Eck will np dyne Gnade bnen an deenen Deck bet in den Dodt.
Na thom Beschlat, dätt wallck noch seggen: Eck will meck all myn Levelanck
Tho Dynen Föten nedder leggen, bet dat eck weere doden kranck;
Ja, eck will meck mit Lieff an Leeven, mit Wieff an Kind, ook all dat Myn
Deck, leve VADER! avergeven; wy willt Dyn' Knecht' an Mägde syn.
Hannover, den 1 Jnni 1735. Martin Hartwig Hoffschläger, B66rdig ath
Batzborg, im Färstendohm Sax-Laanborg, dee im Stadschen Färstendohm,
tho Bremerf5hrde, Impost-Innehmer west, an ass ase Hochseel. Köige dat
Land vam Impost befryde, mit demitteert iss.
Georgs II. Reise nach Hannover 1735.
As dei Könnig Georg de Tweyde, Int Jahr 1735. Von Engelland
nah Hannauver raise, Freuen seck hierover Twei inwennig beneumte
Buhren. beschreven van Jan Lülff Keinen.
Gerd.
Na is dog entelck ais dei Schnackerie tan enne,
Wad säss dei Läe hefft en tiedlanck her edan,
Dei aine love stracks den annem in dei Henne:
Konnig vant Engelsch' Land wel na Hannover gähn.
Tilcke.
Dat is en dämmen Schnack, dahr kan jo nicks aht wehren,
Wieist dat dei Krieg angait, wehrt sei 5hm nich weg laten.
Sei hefft 6hm vehl tan leif, dät daaet sei nich gehren,
Un sch511en sei öhm ohk anholen npper Straten.
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Gerd.
Da schnackst, as wen dei Kop deck steicke in der Tunnen,
Wad schert uhs E^nnig seck um anre Fienschops-Sacken !
Sei heffet 5hm liekesehr nich npper Straten fnnnen,
Wenn sei hefft uhte mfthlt, san Iaht sei Frehe maken.
Tücke.
Dat gey eck alles tan, eck mant nog als wad fragen,
Wenn Hei dort raiset weg van sienen Land an Lften,
Wer scholl dort E5nnig syn? den man wad k5nn vordragen?
Forwahr, eck seihe wohl, du denckest my tan hr^en.
Gerd.
Dahr is al vorrehaht, des gnedigen K6njes Fraen,
Dei is saa wiess an klanck an waid sau wol tau leven,
Dei draf Hei, gl5yet meck, in allen Saken trnen,
Der is dei Hahsholang in allen overgeven.
Tilcke.
ün wenn Hei kamt herraht, saa wil eck dahr by setten
Mien Hahs, Hof, Wiesch an Feld, dat Yeih in mienen Ställen,
Dei leiwe Lannes-Vaar! had ahser gans vergotten,
Et kohme, as et wil, saa schal dei Wedde gellen.
Gerd.
Na wainig Wecken -Tied, do ward in ahser Earcken
Vor J6ck, 0 leiwe Heer! taa Jaer Raise bäen,
Dat J5ck dei leiwe Gott mögt apper Baise starcken,
Do glöve Gerd erst wisse, wad süss dei Lue säen.
Tilcke.
Na sied dog dahsend mahl vor allen fisch wilkohmen.
Eck falle up dei Enie an ligge taa Jaen Featen
Vor Jae Gaudheit, dei Ji hefft taa fische nehmen,
Un wil in dfissen Breif aht Härtens Grand J6ck greaten.
Gerd.
Eck meinet eben saa an raap aht vallen Manne,
Georg dei Eönuig lev* mit siener Fra an Einnern!
Levt lange Jar saa frisch, as Ji s&nt dfisse Stunne,
Wi sant d6rch J6ck vergneugt, fisch kau dei Erieg nich hinnern.
Georgs n. Heeresrnnsternng 25. Jani 1735.
As dei Könnig van Grot-Britanjen, un Hartog tau Bronsewig
un Luneborg Georg de Tweyde, In sienen Churfurstendohm vor
Hannauer, Van 208ten bet taun 25sten Junji 1735 Dei grote Mun-
sterung heilt, Word d&t uppeschrewen van Hans Wöbbecken.
1. Hans, Iaht dei Arhait sien, du schast aist met my gaen,
Dar schal en Hupen Volck kort v6r Hannauver staen,
Tau Pehr un ock tau Faut, dahr schalt sei exercairen,
Dei E5nnig van Engelland sfilvst, dei wel sey dahr porbairen,
Uht uhsen D6rpe kohmt dei Rfiters darme mancken,
Mack fohrt un sühme nich, du schast my*t nog ais danken.
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2. Dahr wehret dei Zaldaten met 6hren Flintens rätern,
Ud dei Kumstawels schalt ohk brav dartwischen knätern,
Wy wehret Asch mant knap vor Qalm darmancke barjen^
Sei schalet lieckesehrst fisch nich darmancken tarjen,
Dei Kriegers sint süss sau: Wenn sei wähm krigt tan faten,
Hei knmter nich fry van an mant dei Haare laten.
3. Top, Brauer! knm man her, dat wi dahr kohmt vor Dage,
Nim du den Fredsack hen, wiel eck nich gehren drage.
Wie keimen by dat Volck und hören dei Trumpetten
Un Flaitjen, dei sei twer mÖht vor dei Schnuten setten,
Eck sUh, holt, Iaht fisch hier en bäten afwarts blieven,
Lohp wy sfiss driestig tau, sau pleget sei tau kiewen.
4. Des gned*gen K5njes Hubs dat stund up iuhter Stricken,
ün midden was dei Band van Iuhter bunten Flicken,
Wanne bland! dahr gaffet man regt nett un gladde Dehren,
Uhse gned'ge Lannes-Heer dei tenger mee tau kehren,
Van sienen Junckern wöhrn ohk veel darin tau sahmen,
En gaut Frfind sprack tau my : Dat sint Cayleirs un Damen.
ö. Den twintigsten dfis Mahnds^ dei Dag was sch6n un dröge,
Do stfinnen uppen Platz van veir Mann bog en Rege
Des groten Generals, yan Melvil un van Campen,
Van Behr un Bohtmar ohk, dei fangen an tau trampen,
Sei ffihren sau agal, as wenn mant ainer sch6te,
Un leipp'n taun annem in, my graude mant vor St6te.
6. Den annern Dag darup do stfinnen dahr van Schwaan
Un maken äwen dat, wat dei van gistern daan.
Van Oberst Sommerfeld, inglicken van Druchleven,
Un ohk van Mondroy, hadden seck tau hope geven,
Dei w5hren altan duU un schoten regt verwegen,
Oehr Pulwer sch51 up sien, sei brücken nicks tau h&gen.
7. Van Lony, Hamerstein un Hassberg, dei hier kaimen,
Dat waid elkeine sfilvst, wad dahr van is tau räumen,
Dei Eehiels un dei Peer, dei w5hren as dei Docken,
Wohr eck nog half sau groht, eck lait my van sei locken,
En bäter Volck kan nich up dfitschen Bodden wäsen,
Dei Kehreis un dei Pehr sint sfinderk übte läsen.
8. Hier stund en Begement, dat hadde kainen Heeren,
Sei sähen, dat sei sfiss van L5ven halten w6hren,
Drup folgt dei grote Wendt mit sienen wackem Lfien.
Forwahr, dei baiden schalen den besten nog wad brfien,
Dei Kehreis un dei Pähr, dei staht nich tau betahlen,
Sei eiget mehr as dfit, un bruke nich tau prahlen.
9. Dat beste kumt nu nog, des Könjes Sfilvern Garre,
Dei hadden blancke Kleer, dei stfinnen stief un starre,
Dei aine van sei wol my wad tau daune maken.
Eck hadde ohk nich Lust, met 6hme my tau haken,
Un hadde al myn dage ohm nicks tau lee dahn.
Du schast dei kleuckste sien, dagt eck, un van 6hm gähn.
10. Nu maut dei Garr tau Faut seck Iahten nog als säien
TJn wilt dei annern all dat Sand int Ohge straien,
Dei extercairen gant un draien seck frisch nmme,
Sei kaimen as dei Blitz np einmal um nn dumme
ün wohren all san lanck, as by Asch wass^t dei Eicken,
Eck wedde, dei Mahler schall sei bäter nich aftaicken.
11. Drup sch5ten sei tan hoop met samt dei Attolriee,
Wanne kranckt! wo hAhle doh dei ohle Ailenriee^),
Et was, as wenn dei Welt np ais sch511 nnner gaen,
San mosten sei tan Fell seck met den Fiende schlaen,
Sei hadden seck dei Haar in luhter Schwäntze draiet,
Un elkein was dei Eop mit Witten Mehl bestraiet.
12. Doh wasset rain vorbyi dei E5nnig steig in'n Wagen
Un lait taum Etent sek in vnllen Sprnnck henjagen,
Dat Volck) wad dahr tan Fant, un dei tau Pehre säten,
Dei t6hgen wehr na Hubs un wollen ohk wad &ten,
Gottlov! dei leiwe Gott, dei hadde dog gegeven,
Dat neimand was tau Dobe un np den Platze bleven.
HANNOVER. H. Deiter.
1) Eilenriede.
123
Tiodute.
''Kaum gibt es in der Etymologie eine Art der Verirrung, von
der nicht die Deutung des Wortes jodute ein Beispiel böte,* sagt
Petersen in seinem als Materialsammlung immer noch unentbehr-
lichen Aufsatz über das Wort (Forschungen zur Deutschen Geschichte VI
S. 223 ff.). In der Tat gibt es auf dem Gebiete der germanischen
Philologie kaum ein Wort, das eine grössere Litteratur aufzuweisen
hätte. Was Petersens eigene Erklärung des Wortes (Zusammenhang
mit dem Namen des germanischen Himmelsgottes, hochd. Ztu, ndd.
Tio) betrifft, kann man nur sagen, dass sie eine neue Art Yerirrungen
darstellt. Es kann ja jetzt keinem einfallen, betreffs der meisten der
alten Erklärungen auch nur den Versuch zu machen, sie zu wider-
legen. Diejenigen, welche ein Interesse daran haben sollten, sie kennen
zu lernen, verweise ich auf den oben erwähnten Aufsatz, S. 294 ff.
Es gibt aber auch neuere Erklärungsversuche, die kaum besser als
die von Petersen als Yerirrungen bezeichneten sind. Auf einen von
diesen (von E. Mayer) komme ich später zurück, i)
Von all den alten Ansichten bleiben nur zwei übrig, die über-
haupt einer Erwähnung wert sind. Die älteste von diesen Etymolo-
gien stammt von Wiarda (Asegabuch, Anm. zu YII § 33, S. 316),
und nach ihm wäre das Wort aus thiod ute ^Volk heraus* zu erklären.
Die Etymologie wurde von Lübben in das Mittelniederdeutsche
Wörterbuch aufgenommen, obgleich er sie ;, wegen ihrer Einfachheit*
verdächtig findet, und begegnet schliesslich (mit einem Fragezeichen)
auch in dem Mnd. Handwörterbuche. Die Unmöglichkeit dieser Er-
klärung fällt sofort ins Auge, wenn man bedenkt, dass sich nirgends
eine zu erwartende Schreibung mit d < th im Anlaut findet.
Die m. E. richtige Etymologie des Wortes hat zuerst Richt-
hofen erkannt (s. sein Altfriesisches Wörterb. s. v. tianiUroft). Er
erklärt das friesische Wort als Zusammensetzung des Verbums tian
"ziehen* mit ut *aus* freilich ohne näher auf die merkwürdige Bil-
dung tianut- einzugehen 2) und stützt seine Erklärung auf eine Stelle
1) Stosch memt (Zschr. f. deutsch© Wortforschung III S. 361), das Wort
sei ein zur Inteijektion jo gebildetes Iterativum : *j6deeen (nüt eingeschobenem df)
^'Ihm würde im Niederdeutschen * jodelten oder *joduUen entsprechen, unäjoduUe
wäre das dazugehörige SubstantiYum." Freilich kommt ihm das doppelte t merk-
würdig vor, er erklärt aber, dass bei dem früh unverständlichen Worte die Schrei-
bung mit einfachem t nicht so schwer ins Gewicht fallen dürfe. Dem Umstand,
dass das von ihm konstruierte Wort jödutte heissen müsste, während das tatsächlich
vorhandene jodute heisst, schenkt er keine Beachtung.
^) Grimm schlug bekanntlich in seinen Rechtsaltertümern Emendation zu
tiadut' vor. Die richtige Deutung des Wortes gibt wohl van Helten, Zur
Lexicologie des Altostfries. S. 833.
124
in der von Hettema hersLUsgegehenen Jurisprudmtia frmca JI 170:
tie Uta, tie uta, ende helpet mi min giied weer to tcynnen. Für die
Etymologie des Wortes tiodute macht Schade (Zschr. f. Rechts-
geschichte, hgg. von Rudorf I S. 249) dieselbe Herleitung geltend
und erklärt es als Zusammenziehung des altsächs. 2. Plur. Imper.
tiohad -H ute, und er findet darin Zustimmung bei Brunn er, Deutsche
Rechtsgeschichte II, S. 482, Note. Diese Etymologie ist ohne Zweifel
die richtige, nur darf man nicht mit Schade jodute durch Aphäresis
SMS * tjodute < tiodute erklären. Vielmehr wurde das unverständlich
gewordene tiodute bei nachlässiger Aussprache als Zusammensetzung
der Präposition te, to mit jodute und dann das letzte als selbständiges
Wort gefasst. Da bei dem gewöhnlichen Gebrauch des Ausdrucks
die Präposition sinnlos war, kam man bald dazu, sie ganz wegzulassen
und jodute allein zu verwenden.
Ehe ich näher auf das Wort eingehe, will ich hier noch den
Erklärungsversuch von Mayer erwähnen, nicht etwa weil seine Etymologie
dringend einer Widerlegung bedarf, da ihre ünwahrscheinlichkeit
sofort ins Auge fällt, sondern weil er (ebenso wie Stosch) sich auf
die unrichtige Ansicht stützt, jodute sei die ursprüngliche Form des
Wortes. Richthofen und Schade haben die von ihnen vertretene
Meinung, tiodute sei das Ursprünglichere, nicht mit positiven Beweisen
gestützt, und ich hoffe einen solchen zu liefern, indem ich die erwähnte
Erklärung widerlege. Mayer vermutet (Zschr. der Savignystiftung
für Rechtsgeschichte 26, German. Abt. S. 268 ff.), ^dass mit dem
Rufe to iodute, wobei to ^zu {herzu)\ jo eine Interjektion je (he) ist,
eine Person angerufen wird, die dann diite heissen muss*, und die er
in dem longobardischen Beamten duddus wiederzufinden glaubt. Ab-
gesehen von der unmöglichen Zusammenstellung zu — he — dute (!),
ist die Erklärung, trotz Mayers entgegengesetzter, aber von keinem
Beweis gestützter Behauptung, sprachlich unmöglich. Einem altsächs.-
ndd. -t' kann ein longobardisches -dd- nicht entsprechen. Dann findet
sich auch in den ältesten Urkunden Niedersachsens nirgends ein
Beamter namens dute erwähnt, und schliesslich stützt sich, wie oben
gesagt, die Behauptung Mayers (to) iodute sei die älteste Form, wovon
tiodute ^eine spätere Kontraktion^, auf wenig stichhaltige Gründe.
Zunächst findet er die Ursprünglichkeit von (to) iodute bewiesen durch
Aufzählung einiger Belegstellen:
te iodute im Lüb. Recht von 1263 c. 100, Richtsteig - Landrecht 31 § 2, Hildes-
heimer Recht von c. 1800 § 89 und im Lüneburger Donat.
iodute für Gadebusch 1302.
tiodute im Lüb. Recht von 1294 c. 216, in einigen Texten des Richtsteig - Land-
rechts und in den Bremer Statuten von 1303.
Soviel ich sehe, lässt sich aber aus dieser Sammlung von Beleg-
stellen nur folgern, dass der älteste Beleg von to iodute etwa 30 Jahre
älter ist als der von tiodute. Aber was beweisen drei Jahrzehnte für
einen Ausdruck, der auch nach Mayers eigener Erklärung mit dem
in historischer Zeit urkundlich nicht belegten Beamten ^Dute^ sicherlich
125
Jahrhunderte alt wäre. Dazu kommt noch, dass keine von den ge-
nannten Belegstellen die älteste ist, sondern diese findet sich in der
Chronik Heinrichs von Herford (Chronicon Henrici de Hervm'dia,
edid. A. Potthast), wo es S. 141 zum Jahre 1114 von der berühmten
Schlacht beim Welpesholz zwischen Heinrich V. einerseits und den
Fürsten von Sachsen anderseits heisst, dass die Sachsen zum Andenken
ihres Sieges eine Kapelle errichteten und darin ein Bild eines bewaff-
neten Mannes aufstellten, "quam rtistici de terra rüdes sanctum Thejo-
duthe nominanty quia tota gens Saxanum per ThejodiUhe illim (durch
dessen Thejodutheruf) de rege Henrico victoriam habuit*'A) Die Ausgabe
war mir nicht zugänglich, aus Petersens Aufsatz S. 228 ersehe ich
aber, dass wenigstens an der zweiten Stelle als Variante auch Thioduth
geschrieben ist; es scheint also, als ob bei dem ältesten Beleg die beiden
Formen tiodiite und (te) jodute einander gleichwertig sind, und dass
man deshalb aus dem Alter der Belegstellen keinen Schluss ziehen darf.
Bei der Beurteilung des Wortes darf man nicht vergessen, dass
die Volksetymologie bei Umbildung unverständlicher Wörter stets in
der Richtung geht, dass sie ihnen einen Sinn zu geben versucht; an
eine durchaus sinnlose volksetymologische Umgestaltung darf man
nicht denken. Wenn tiodute nun eine derartige Veränderung von
te jodute wäre, müsste es also einen Sinn haben, und dieser kann
wohl nur der von "ziehet aus ^2j gein. Diese Umbildung müsste aber,
wie der Diphthong -to- lehrt, in altsächsische Zeit zurückreichen ; also
müssten die beiden Formen, sowohl die ursprüngliche wie die sekundäre,
Jahrhunderte hindurch neben einander fortgelebt haben, ohne dass die
eine oder andere gesiegt hätte. Erst im späten Mittelalter wäre die
1) Obgleich kein direkter Zusammenhang mit unserer Untersuchung besteht,
mochte ich meine Meinung über den Ursprung dieser vielbesprochenen und viel-
gedeuteten Statue äussern. Die Version bei Heinrich von Herford kehrt mehr oder
weniger verändert in verschiedenen Chroniken wieder. Besonders erwähnenswert
ist die Chronik der Sassen von Bodo (abgedruckt in Leibnitz' Scriptorea rerum
BrunsvicX worin sich eine Abbildung der errichteten Statue findet. Dieses Bild
trägt in der linken Hand das Wappen von Obersachsen, acht Balken abwechselnd
weiss und schwarz und darüber den Rautenkranz. Anders hat dagegen Crantz,
Metropolis VI, 1, der von einem Bild spricht, armatum clava subnixum arma Saxonia
tenentem, equinum candidum pull um, d h. das Braunschweig-Lüneburgsche
Wappen. £s muss doch etwas hinter diesen Wappen stecken, die wohl nicht als
blosse Erfindungen von Bodo und Crantz angesehen werden können, sondern in der
Tradition überliefert sein müssen. Nun liegt die Frage nahe, ob an der Welpes-
holzerschlacht eine Person teilgenommen hat, die auf diese beiden Wappen ein
Recht hatte. Ja, eine solche Person gab es wirklich und zwar demjenigen, dessen .
Name in den Chroniken immer an der Spitze der sächsischen Fürsten steht und
der an dem Siege einen wesentlichen Anteil gehabt hat: Lothar, der spätere
Kaiser, der schon 1106 nach dem Tode des letzten Billuogers das Herzogtum
Sachsen erhalten hatte und dem durch seine Gemahlin Richenza oder Rikiza
Braunschweig zufiel. Die Statue ist also wohl sicher zum Andenken Lothars, des
eigentlichen Siegers im Kampfe, errichtet worden, und erst später ist sie von dem
Volke mit dem "Gotte^ jodute in Verbindung gesetzt, wahrscheinlich weil in einem
wichtigen Augenblick im Kampfe tiodute (vielleicht von Lothar selbst) gerufen wurde.
^) Vgl. die von Lübben in seinem Wörterbuche zitierte lateinische Formel:
trahtte foras.
126
eine von den Formen verdrängt worden, und zwar wäre es die ursprüng-
liehe, die den Sieg davongetragen hätte. Dies alles kann ich nicht
wahrscheinlich finden : eine Entwicklungsreihe te jodute > tiodtäe > (te)
jodute kommt mir ziemlich bedenklich vor. Wenn man daneben bedenkt,
dass es sich trotz mehrerer Versuche als unmöglich herausgestellt hat,
eine wahrscheinliche Erklärung dieses ursprünglichen te jodute zu finden,
während tiodute eine annehmbare Deutung erhalten hat, wird hoffentlich
keiner mehr daran zweifeln, dass man in dieser Form die ursprüngliche
zu sehen hat, und das {te) jodute eine spätere, in der oben (S. 124) be-
schriebenen Weise entstandene volksetymologische Umbildung derselben
ist, welche, einmal erschienen, ziemlich schnell vollständig gesiegt hat.
Den Sinn dieser Umbildung fasse ich so auf, dass man z. B. bei der
Anwendung des Wortes bei der Friedloslegung das ganze als eine Art
Beschwörung betrachtet hat, wodurch der Friedlose te jodute ge-
geben wurde. Diese Auffassung wird auch durch die spätere Be-
deutung des jodut als eines höheren Wesens, einer Gottheit, gestützt.
Nach dem Gesagten brauche ich auf die anderen Beweisgründe
Mayers (den Namen Jodutenberge und den Umstand, dass das Wort in
der Form jodut in das schonische Recht übergegangen ist) nicht ein-
zugehen, da sich diese ebenso gut aus einem sekundären (te) jodute
erklären lassen.
Gehen wir nun zum Gebrauch des Wortes über 1 Abgesehen von
der eben erwähnten Bedeutung einer Gottheit und der eines Bildes
(Götzenbildes?)^), welche nur sekundär sind, kann man zwei ver-
schiedene Hauptarten bei dessen Gebrauch unterscheiden. Erstens
wird es als Not- und Hilferuf (Gerufte, Gerüchte) gebraucht 2) und
zwar in Fällen, die in den Gesetzen fest bestimmt sind. Für den
Missbrauch des Gerüchtes sind überall Strafen festgestellt. Zweitens
begegnet das Wort als integrierender Teil des Eriminalprozesses bei
denselben Verbrechen. Diese Verbrechen waren gewöhnlich Notzucht,
Diebstahl, Raub und Mord (s. z. B. Sachsenspiegel Landrecht II, 64)
d. h. im Grossen dieselben, die im ältesten germanischen Recht als
Meintaten und Neidungswerke angesehen wurden (s. Zum ältesten
Strafrecht der Kulturvölker, Fragen zur Rechtsvergleichung, gestellt
von Mommsen, S. 57). In späteren Rechtsstatuten kommen noch
andere Verbrechen hinzu, aber die Zahl bleibt immer eine beschränkte.
Bei dem Eriminalprozesse bildet der tiodute-Rut sozusagen die
Einleitung des Prozesses, wenigstens bei handhafter Tat (dat rucht is
der claghe hegin Sachs.-sp. I, 62). Freilich begegnet er nicht in
direkter Verbindung mit dem Wort wapen^ aus den vielen bei
^) Die letzte Bedeutung weiss ich im Mittelniederdeutschen nicht zu belegen,
aus dem Belege in Joh. Madsens Visüatshog in Kaikar, Oräbog tiü det aldre
danske Sprog aber ist auch fiXr das Mnd. diese Bedeutung zu erschliessen.
*) Als eine Entspaltung hiervon ist wohl die Verwendung des tioduie-Rnfs
als Signal des Heerbannes anzusehen (Schröder, Deutsche Rechtsgeschichte S. 500)
und wohl auch der Gebrauch des Wortes als Schmerzensruf, z. B. Anselm 469.
127
Petersen aao. S. 254 ff. abgedruckten Formularen ersieht man aber
deutlich genug, dass der Ruf immer mit Schwertzücken verbunden
war, und man wird sich kaum irren, wenn man wapen als Objekt
des tiodute voraussetzt. Es ist hier unnötig, die vielen Stellen wieder
abzudrucken, da ein jeder leicht bei Petersen nachschlagen kann, ein
paar der ältesten Belege möchte ich aber anfuhren. Im ältesten
deutschen Text des Lübschen Rechts liest man (s. Hachs Ausgabe,
Codex II, § 215; S. 359): Handelei oc en vorsprake sähe vmme vredelos
to legghende vor deme richte dar gheropen wert tiodute ofte swert
vnde wapene getoghen In der Lübeckischen Chronik Albrechts
von Bardewiek liest man von der Verfestigung einiger Edelleute:
Man loth se; se ne quemen nicht vore tho gherichte. Do toch men
eyn sweyrt vnde scryede over se (Petersen S. 263). (Vgl.
auch den Ausdruck in einem Mecklenburg, ürk. : pro liicore et san-
guine et trahite foras), — Zu der Zeit, wo das Wort unverständlich
geworden war, wurde dieser Vorgang von den Zuschauern als eine
Art von Verfluchung und Beschwörung gefasst, und daher stammt
der in mnd. Texten häufig belegte Ausdruck: te jodtite over di
(s. z. B. das Glossar zum Sündenfall).
Auch bei tiodute als Hilfe- und Notruf ist Zusammenhang mit
wapen vorauszusetzen. Freilich scheint Schade (und nach ihm
Brunner) das Wort intransitiv aufzufassen, etwa wie das hd. zetert)
Freilich spricht für dieses] Intransitivum das friesische tie uta, tie uta
usw. (s. oben S. 123), man darf aber nicht vergessen, dass das Frie-
sische die Sprache war, die am zähesten an alten Diphthongen fest-
hielt, weshalb das Wort dort am längsten verständlich blieb, und
dass also die Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist, dass man aus dem
unverständlichen Ausdruck mit weggelassenem Objekt (s. unten) einen
verständlichen mit intrans. Verbum gemacht hat. Hier muss ich
auch der Parallele mit dem obengenannten zeter Erwähnung tun
und wohl auch mit dem normandischen haro(u) (mit dem Verbum
liarouder)^) wenn dieses, was wohl wahrscheinlich ist, einem jetzigen
'heraus' entspricht. In Uebereinstimmung mit diesen beiden
Geschreien möchte man aber einen Zusammensetzungsteil -her
erwarten. Dazu kommt nun, dass für den Gebrauch des tiodute bei
dem Kriminalprozess, wie wir oben gesehen, ein intransitives Verbum
undenkbar ist: hier wird immer eine Waffe als Objekt gedacht.
Hat man denn neben diesem transitiven Ausdruck ein intransitives
1) Kluges Zusammenstellung dieses Wortes mit zittern kann ich nicht bei-
stimmen, sondern bleibe bei der alten Etymologie: ziefU her.
^) Die Etymologie dieses Wortes hat man in dem as. herod ahd. herot
gesehen. Trotz der Behauptung Glassons {iJtude historique sur le clameur de
haro, Nouv. Revue bist, de droit fran^ais 1882), dass das Wort in fast sämtlichen
altfranzösischen Dialekten begegnet, muss man doch daran festhalten, dass es am
h&ufigsten in normandischen Texten belegt ist, und dieses macht es wahrscheinlich,
dass es aus diesem Dialekt in die anderen übergegangen ist. Für ein urspr. nor-
mandisches Wort suche ich aber eher die Etymologie im Nordischen als im
Deutschen, und ich leite daher das Wort haro{u) vom dänischen herud *hieher' her.
128
tiodute als Notruf gehabt? Kaum wahrscheinlich. Aber es gibt
daneben Umstände, die positiv für ein Objekt ivapen auch bei dieser
Verwendung des Wortes sprechen: erstens die verschiedenen Namen
des 'Gerüchtes', die fast sämtlich mit wapen, hd. waffen zusammen-
gesetzt sind: wapenscreinge (Lüb. Recht S. 215), wapengeschrey (z. B.
Soester Recht, Petersen S. 249), wapenrocht (in einer Bremer Urkunde
vom Jahre 1131, ibd. S. 256), wapengerüchte (Statut von Verden,
ibd. S. 241); hd. wafenruf, '{ge)schrei, -heisz (Grimm, Recktsalter-
tümer^ S. 517); fries. wSpenaropt. Vgl. auch das lateinische arma
clamare (Lex Chamavorum § 38). Zweitens die Ausdrücke, wo tiodute
direkt mit wapen verbunden begegnet; freilih sind die Beispiele, die
ich zitieren kann, ziemlich spät: tyodute utide wapen^) Ancelmua 469,
iodute ufide wapen Passional f. 10, wapen, to jodute Gerh. v. Minden 3,
106, heil, to jodute, wapen ibd. 39, 52 (diese Beispiele aus dem Mnd.
Wb.), wapen tho yodute helpet my De böse vrouwen (Grimms Rechts-
altert. 5 S. 518), wapen to iodute Claus Bur 40 h (Gott. Gel, Anz.
1856 Nachr. S. 104). Vielleicht ist die Formel im Holstein-Liandrecht
XVII: ja unde wapen nur eine Verlesung des Schreibers für joduie
wapen. Vgl. noch: cum ego eum . . . ingredi aspexe^'o, . . . tunc ex-
clamabo: joduyt, joduyt, id est wopen (Busch, De refonnatione mona-
steriorum in Leibnitz' Scriptores verum Brunsvicensium II S. 896).
Das Gesagte wird wohl hpiFentlich genügen, um jedermann zu
überzeugen, dass man auch bei dem Notruf an eine Waffe als Objekt
dachte und dass also tiodute sowohl als Hilferuf als Einleitung
des Kriminalprozesses denselben Ursprung hatte, etwa tiodute
wapen. Welche von diesen beiden Verwendungen des Wortes war
die ursprüngliche? Um diese Frage zu beantworten muss ich zunächst
ein wenig auf die ältesten germanischen Gerichts Verhältnisse eingehen.
In der ältesten Vorzeit gab es unter den Indoeuropäern kein
Gerichtsverfahren; der Verbrecher unterlag lediglich dem Götterzom
und der Menschenrache. Dieser Zustand erhält wenigstens in dem
römischen Sakralrecht einen Ausdruck (s. Hitzig in „Zum ältesten
Strafrecht der Kulturvölker, Fragen z. Rechtsvergleichung, gestellt
von Th. Mommsen** S. 31) bei den unsühnbaren Taten. Wer eine
solche begangen hat, verfällt einer bestimmten Gottheit, und ein
jeder darf ihn ungestraft töten.
Wie steht es nun damit bei den Germanen? Ein Urzustand
wie der indoeuropäische lässt sich freilich nicht aus den überlieferten
Quellen erweisen, und die Rechtshistoriker (z. B. Brunner in Zum
ältesten Strafrecht S. 53) bestreiten auch die Möglichkeit eines solchen,
während z. B. der Philologe Roethe (ibd. S. 64) geneigt ist, einen
') Natürlich wäre, wenn meine Vermutung richtig ist, in den beiden ersten
Beispielen unde und in den folgenden das Komma ursprünglich zu streichen.
Sp&ter fasste man aber wapen als selbständigen Notruf auf, weshalb es mit tioduU
koordiniert erscheinen konnte.
129
derartigen Zustand vorauszusetzen. Dem sei wie es wolle, sicher ist,
dass bei gewissen Verbrechen das Sakrale durch ein rituelles Ver-
fahren bei der Strafe Ausdruck erhielt. Derartige Verbrechen waren
die sog. Meintaten und Neidungswerke, die sich durch besonders
niedrige Gesinnung kennzeichneten. Es sind diese Meintaten zweierlei
Art; teils solche, die sich gegen das Gemeinwesen wenden: z. B.
Landesverrat, Tötung der Geiseln, Verletzung der Urfehde, teils solche,
die das Privatleben verletzen, wobei man auf die Heimlichkeit des
Verbrechens Rücksicht nahm: z. B. Mord, Mordbrand, Diebstahl, in
den späteren Quellen auch Notzucht. Die Strafe für diese Meintaten
war Friedlosigkeit, d. h. der Verbrecher konnte und sollte von
jedermann getötet werden.
Das germanische Recht gab dem Verbrecher einen ziemlich
grossen Schutz, ehe er seines Verbrechens überführt und das Urteil
gefallt worden war, und sogar der Friedlose, der dem Tode Preis-
gegebene, hatte eine gewisse Fluchtfrist; dieses, da man verhindern
wollte, dass der Angeklagte wegen der Aussicht, sofort nach der
Friedloslegung ergriffen und getötet zu werden, sich vom Dinge fern-
halten und dadurch eine unparteiische Auseinandersetzung des Ver-
brechens erschweren würde. Aber anderseits war das Gesetz uner-
bittlich streng in den Fällen, wo unzweifelhafte Schuld vorlag, und
der Verbrecher, der auf handhafter Tat ertappt wurde, konnte
unmittelbar ohne Zeremonien von den Anwesenden getötet werden,
selbst wenn es ein Verbrechen war, das keine Todesstrafe zur Folge
gehabt hätte, wenn die Sache vor dem Gericht erledigt worden wäre.
In zwei Fällen war also der Verbrecher dem Tode verfallen:
1) nach der Friedloserklärung und 2) bei handhafter Tat.
Ehe ich auf die näheren Umstände bei der Friedloslegung
eingehe, muss ich ein paar Worte über das freilich schon allgemein
bekannte Verfahren bei der Urteilsfällung der Germanen sagen. Das
Gericht wurde von einem Richter oder, mit einer besseren Bezeichnung,
Gerichtshalter geleitet. Diesem war ursprünglich nur der Vorsitz des
Dinges aufgetragen, mit der Findung des Urteils hatte er bekanntlich
nichts zu tun, sondern neben ihm stand ein Urteilfinder. Dieser ist
es, der bei den Baiern und Schwaben den Namen esago, Steile (urteilo)
trägt und bei den Friesen äsega, aesga genannt wird, und wahr-
scheinlich haben wir auch in dem altsächs. eosago (Heliand) ursprüng-
lich denselben Beamten zu sehen, i) Aber es muss im Auge behalten
^) Brunn er (I, 152) sieht freilich in den altsächs. eosagon nur „Männer
von anerkanntpr Rechtskunde, welche auf Verlangen Rechtsbelehrung erteilten".
Wenn es aher in erster Lmie mehr auf das „Rechts wissen" als auf das „Rechts-
sagen" ankäme, sollte man ja eher eine Zusammensetzung mit -wito als mit -sago
erwarten. Dazu kommt noch die Parallele mit den obengenannten bairisch-
schwabischen und friesischen Wörtern. Die Bedeutungsentwickelung „Rechtssager,
Urteilfinder" > „Rechtswissender" hat ja nichts Merkwürdiges an sich (vgl. im
Alem. die weitere Entwicklung > „Dingmann", Ahd. Gl. II 246, 18, mitget. von
Bnuiner I, 150 N. 88).
NiedardentsohoB Jfthrbnoh XXXVI. 9
130
werden, dass jedes Urteil, um rechtskräftig zu sein, Einstimmigkeit
der Dingleute erforderte, dass das germanische Urteil ein Gesamt-
urteil war. Die altertümlichste Form dieses Gesamturteils war die
Sitte des Waffenschlags und der Wafifenrührung (s. Brunner I, 155).
Dieser Waffenschlag, skand. väpnatak, agsächs. (freilich mit Kon-
kretisierung des Sinnes) waipengeta^c, -tac^ muss aber in seinen ver-
schiedenen Formen verschiedene Bedeutung gehabt haben, oder besser
gesagt, verschiedene Rechtsarten zeigten verschiedene Formen des
Waffenrührens. Hier interessiert uns zunächst die Form, die Schwert-
zücken genannt wird, und die, vom Waffeneid abgesehen, bei der
Friedloserklärung begegnet (s. v. Amira, Recht in Pauls Grundriss^
III, 206). Diese fand unter zeremoniellen Formen und mit feierlicher
Rede statt (vgl. die Benennungen as. fartelljan, ahd. firzellan, mhd.
verzellen, östnord. utsvwria, v. Amira a. 0. S. 196), und hierher
möchte ich den Ursprung des Ausdruckes tiodute (wapen) verlegen.
Dass ein Ruf dabei eine Rolle gespielt hat, lehrt uns eine andere
mhd. Benennung: verruofen. Ich stelle mir die Sache in der Weise
vor, dass die feierliche Rede durch einen kräftigen Zuruf irgend
eines Beamten beschlossen wurde und dass diesem Zuruf zufolge die
anwesenden Dingleute die Schwerter herauszogen und in die Höhe
hoben, wohl nicht nur als ein Zeichen, dass sie dem Urteil zustimmten,
sondern auch als ein Gelübde, den Friedlosen mit Waffen zu erlegen,
wo und wann sie ihm begegneten. Als später in vielen Gesetzen das
allgemeine Waffentragen verboten wurde, konnte das Programm nicht
in seiner ganzen Ausdehnung ausgeführt werden, aber lange (noch
im 17. Jahrh.) stand es fest, dass ein Rechtsbeamter oder -diener
mit einem Schwert umgürtet sein musste, das er in den betreffenden
Fällen mit dem Ausruf tiodute aus der Scheide zog.
Nun bleibt noch übrig zu erörtern, wie der tiodiUe-Rnt mit der
handhaften Tat verbunden wurde. Ich erkläre das folgendermassen.
Ursprünglich konnte natürlich jeder unter solchen Umständen ertappte
Verbrecher unmittelbar von dem Beschädigten oder wohl auch von an-
deren Anwesenden straflos getötet werden, ohne dass solche Formalitäten
wie das Gerüchte vonnöten waren. Mit dem wachsenden Rechts-
gefühl der Germanen, wonach der Verbrecher vor einem Gericht, sei
es auf dem allgemeinen Dinge oder vor der Gauversammlung, abgeurteilt
werden sollte, machte sich auch die Forderung geltend, die völlige
Willkür beim Verfahren der handhaften Tat wenigstens zu beschränken.
Es Hesse sich ja sonst leicht denken, dass einer wegen einer Privat-
sache ermordet wurde, und dass der Täter unter der Behauptung,
er habe den Getöteten auf handhafter Tat ertappt, sich der Straf-
losigkeit versicherte. Den Schritt ganz zu tun und auch die hand-
hafte Tat vor das Ding zu ziehen, zeigte sich wohl anfangs unmöglich,
und die Gesetzgeber mussten sich also noch eine Zeitlang damit
begnügen, für die Tötungserlaubnis bei handhafter Tat dieselbe Vor-
aussetzung festzustellen wie für dieselbe Erlaubnis (d. h. die Friedlos-
legung) auf dem Dinge. Im Gegensatz zu anderen Forschem fasse
131
ich also den üodute-Rnt bei der Friedloserklärung als das Primäre,
bei handhafter Tat als das Sekundäre.
Noch eine Frage. Wer war es, der jene feierliche Rede bei
der Friedloserklärung hielt und also auch das tiodute sprach? Ent-
weder muss es der Richter gewesen sein oder der ürteilfinder, und
die Wahrscheinlichkeit spricht m. E. am meisten für die letztere Mög-
lichkeit. Der esago hatte nämlich priesterliche Würde (s. Mogk in
Pauls Grundrisse III, 399 und Golther, Mythologie S. 614)1) und
die spätere Auffassung des jodut als eine Gottheit würde sich am
besten durch den religiösen Anstrich erklären, den das Wort tiodute
als Ausruf eines Priesters bekam. Sobald es nämlich nicht mehr
verständlich war, sondern als te jodtde aufgefasst wurde, mussten
diese Worte im Munde eines Priesters bei einer Gelegenheit, wo ein
Mensch sozusagen aus der Gemeinde gestossen wurde, den Eindruck
machen, als ob er einem höheren strafenden Wesen, einer Art Gott-
heit, übergeben würde, und von da zur Anbetung dieser Gottheit war
der Schritt nicht gross. Wenn diese Vermutung von dem Anteil
des Priesters an dem tiodute-Rni richtig ist, würde sie sehr gut zum
obengenannten sakralen rituellen Charakter der Strafen der Fried-
losigkeit passen, einem Charakter, der also schon bei dem Urteil-
sprechen auftrat.
LÜND^ N. Otto Heinertz.
1) Für den fries. dsega vgl. in der dritten Eest: thi äsega büecnath thene
preMer lat. signifkat sacerdotem, Richthofen, Rechtsq. S. 6, lo; 7, n,ai.
9*
132
Die Jagd auf den toten Rochen,
ein Bilderbogen des 17. Jahrhunderts.
Unter den zahlreichen Spottversen auf misslungene Jagden i)
erfreut sich wohl der Zug der sieben Schwaben wider den als
gefährliches Untier angesehenen Hasen 2) der grössten Verbreitung.
Aber auch die Holländer erzählten im 17. Jahrhundert Ähnliches
von einem an die Küste angeschwemmten toten Rochen, dem ein
ganzes Dorf mit Waffen aller Art zu Leibe geht, weil es von diesem
Ungetüm das Ärgste befürchtet. Ein bei Justus Danckerts gedruckter
Bilderbogen (auf der Feste Coburg) zeigt viele um den toten Fisch
gruppierte Personen mit Inschriften und dem Titel:
Ghy burgers en boeren aeoschout hier met verblyden,
Hoe de beiden van Waert een doden Rocb bestryden.
Einen anderen bei J. Thiel gedruckten Stich (nach P. Nolpe?) ver-
zeichnet W. Drugulins Historischer Bilderatlas 1, nr. 2601 (1863),
weitere Blätter aus dem Verlage von C. J. Visscher, P. Vogias,
G. Valck, H. Visjaager en Jac. Robijn, Ottens beschreibt F. Muller 8).
Auf diese niederländischen Flugblätter geht ohne Zweifel ein
niederdeutscher (? Hamburger) Holzschnittbogen zurück, den die
Kgl. Bibliothek zu Berlin vor einigen Jahren erwarb. Er hat 30,4 cm
Höhe und 38 cm Breite und trägt keinerlei Druckerzeichen, gehört
aber wohl trotz der rohen Ausführung der schlecht (mit Rot, Blau
und Gelb) kolorierten Holzschnitte noch dem Ende des 17. Jahr-
hunderts an. Die 14' Gruppen mit gereimten Beischriften sind in
vier Reihen (1. 2 — 5. 6—9. 10 — 14) angeordnet.
1) Zuoberst sieht man die zwischen Hügeln (Dünen) verstreuten
Häuser des Dorfes, eine Windmühle und eine Kirche, von deren
Turm eine Sturmfahne mit der Inschrift 'allarm' herabhängt. Darüber
die Verse:
Jy Borgers un Buren anseht dat Wunder-Dinck,
Wo dat de Helden van Wär-Burg een Doden-Rug besprinckt.
1) Bolte, Alemannia 22, 161 und Zs. f. Volkskunde 4, 4S4. 16, 66. Femer
Archiv f. n. Sprachen 66, 126. Maeterlinck, Le genre satirique dans la peinture
flamande 1907 p. 65 f. Revista lusitana 1, 256. 2, 84 (sieben Schneider und
Spinne). Christian, Behari proverbs 1891 nr. 318 (Weber und Frosch).
2) Alb. Keller, Die Schwaben in der Geschichte des Volkshumors 1907 S. 804.
3) F. Muller, De nederlandsche geschiedenis in platen 1, 284 nr. 1989
(1868—70). 4, 107 nr. 1118 B und 4, 898 nr. 1118 Ba, Bb (1882). Auch Tuinman,
Spreekwoorden 1, 200 (1720) gedenkt der »Rochstekers van Waard (Weert in
Limburg?)'.
133
2) Hinter zwei Kanonen stehn zwei Konstabel mit Luntenstöcken :
Jy Buren tret an eene Siet,
Dat ick juw scheet vor by,
D[a]t Wunder-Ding op't Veldt
Dörscheete als een Heldt!
Denn de Canonen Schall
Bringt dat Beest thom Fall.
3) Ein Trommler, mehrere Bauern mit Spiessen. Der Anführer
mit der Heugabel ruft:
Legt an man Vüer te geven,
Schont nich dat Beest syn Leven!
4) Ein Priester mit Rosenkranz und Weihwedel. Ein Knabe
neben ihm ruft: 'Dat dobe as hör nit/
Sa M&nner an een Sydt,
Dat ick de Platz eerst Wydt
Mit mynen Quast un Wattr!
Scheet, Fecht mit groot Geschnater!
De Noht de geht nu an.
Do een Jeder, wat l^e kan!
5) Drei Bauern mit Hörnern, Spiess und Flinte; ein Trommler
liegt an der Erde.
Ja wert d' Düvel uht d' HeU,
So will ick mit myn Hom snell
De Huht em stracks dar bayen.
— De Storm-Klock de Lud,
Dat Landt ist in Noht.
De Tamboer blyfft van Schreck Tod.
6) Ein Bauer ladet seine Flinte:
Ick Hans de lang Knecht
Ick will hett macken recht,
Ick dot Flint all laden.
Man, höt ju doch vor Schaden!
Jy kam dat Deert tho nah.
7) Einer verrichtet hockend seine Notdurft:
£y seht, wo fallt my Nickel vor dat Kacken!
Van Angst beschidt ick bald^) de Hacken.
8) Acht Bauern mit Bank, Stuhl, Mistgabel, Messer gehen auf
den grossen Rochen los:
Hier gah wie tho mit alle Mann
Mit Baucken, StöU un Vorcken;
De nu nich fechten will un kan,
Dat sunt woll rechte Schorcken.
— 0 Hans help, oder ick lat loß.
9) Von der andern Seite des Rochen schiesst ein Bauer, dem
sein Hintermann einen Riemen um den Leib gelegt hat, seine Flinte
ab. Ein dritter läuft mit zwei Messern auf das Tier los.
^) halb] Druck.
134
De Kugel geith em dör syn Uuth,
ün darmit blast he't Leven uht.
— Scheet tho, Clas! ick hol di fast
— Ja, ist dat Beest ock noch so starck,
So ist vär my doch man een Quarck.
10) Ein Hornbläser:
Wat scheert my Wyf un Kind !
Int Hoom hört veel Wind,
Um darin starck te blasen
Vor alle düsse Hasen.
11) Ein Kind, eine Frau und ihr Mann mit einem Spaten:
0 Jacob, noch eenmah[l]
Hör, wat dat Kind yör Qual
Uht syner Kehl deyt schreen:
Memm, Meme, Memme!
— Och Tryn, wo klopt myn Hart,
Un't fangt hier an tho stincken.
12) Ein Mann mit entblösstem Gesäss ist vor Schreck auf den
Bauch gefallen:
Dat is man loß Kräht, dar ick mit scheet,
De Kugel de deyt niemand ledt.
Man so my jemand komt op Sydt,
So stinckt nicht anders als pure Schyt.
13) Ein Fiedelmann und ein Trinker:
Ick will dat Beest tho Tode speelen.
Oft schal an myner Yiddel fehlen.
— Fiddel du maf nj her un laet nich mangeln !
Ick sup darob een Glaß Machandeln.
14) Ein Fahnenträger auf einem Ochsen reitend, dahinter ein
Eselreiter mit Tuthorn:
Is dat nich een Wonder-Strit,
Dat man uff Ossen un Esels ritt.
Ja Yöhrt de Os hier doch de Fahn!
De hier nicht fechten will un kann.
De blyyi) man by den Esel stahn.
BERLIN. Johannes Bolte.
') blyy.
135
Sprichwörter und Redensarten
aus Lippe.
(Schluss zu Jahrbuch 35, S. 56 ff.)
Oin Ku88 sunner Boert es en Herte sunner Splt.
Sick für Lachen 'en Biuk häulen.
Wo man wat Laijes hätt, do grippt man noh,
Un wo man wat L^iwes hätt, do g^it man noh.
Lainen an wier bringen werd pinen teuvell.
H$i suit int gsse Lädder (Leder),
H^i gütt gllhand ^inen upp 'e Lampen (atärht sich).
Breit an dünne, söu kümmt dat Land bäule ümme (Leicht ferligkeä).
Wer langsam g^it, kümmt äuk mett.
Wer lang hätt, l^tt lang hangen.
Lang an schlank — hätt vell Vergang,
Egrt an dick — hätt kgin Geschick,
Owwer 'n Meeken van er Mittelmote —
De ziert de Stroote.
Do schloe $iner lang henn un stoe kprt wedder upp. (Interj, der Verwunderung).
'n betten te late, es yells te late.
Wer will Klumproiwe eeten, draff Laurentius (10. August) nich vergetten.
Lechtmissen hell an kloer, gifft 'en geut Robb'i\johr.
Es Lechtmisse hell un kloer,
Dann gifft 't 'n geut Robb'iyohr (oder: Flas^johr).
Es Lächtmisse öwwer dunkel.
Dann werd de Biwwer 'n Junker.
Je leeter an 'en Dare (Tag)^ je füiner de Luie.
Hpi hätt nennen Leppel dort^u wosken (nichts dazu getan).
Oinen de Leviten läsen.
Licht upp, licht äff (leicht geladen, leichtfertig).
Dat Lieben es wall süerlick —
Owwer dpch natüerlick. (Lehenswert.)
Yedderken, Ygdderken, et es nenn Lieben maier in 'er Welt, wenn nich
ganze Famüilien iutsterwet — see Märten 9II vür fiftig Johre. (Unbegründete Klage
über schlechte Zeiten.)
Wat sali 'et schlechte Lieben nutzen, see de Biwwer, do l^it er grneck watt
uppgohn.
H9i hätt 'n Lieben gsse Gott in Frankrüik.
Da sick stQtt an 'en Spüer Sträub,
Werd süin Lieben lang nich fräuh.
Oinen 'en Lius in 'et Äwwer (Ohr) setten.
Better 'n Lius in 'en Pott, gsse gar k^in Fett.
De Lius in 'en Potte maket 'en Käul nich fett.
Watt better es 98 'en Lius,
Dat mott 'en nemmen mett noh Hius.
H$i w^it wall, watt h9i lett, wenn hpi 'n Lius in 'e Goldkien satt (von
einem, der um Kleinigkeiten grossen Lärm macht).
Steckst 'e in en Lgck, küik 'er ^erst düer (Vorsicht).
Olle L^er kann man nich iutsingen.
Wer licht l^fft (glaubt), werd licht bedrojen.
136
Wer gerne H»ppet, es licht tüu jaren.
Wer Igif häbben will, mott Igif fohm loten.
Oine Lgifde es der annern wert.
Wenn dat Fuer upp 'en Heer iutg9it, gQit 'e Lpiwe teu 'n Schottst^ine herriut.
De L9iwerken singt seu fröhlich, datt se upp Möjjedach nenne Hiushuer
teu bütahlen briukt. (Frei von Schulden sein, macht froh.)
Wer lüggt, da drüggt.
Wer vell küert, lüggt vell.
LQijen hätt kgrte B^ine.
De Luie spjjet väll. #
Lütke Luie suit man nich.
Wo de Luie sind, do es Nahrung. (Wo viele Menschen sind, ist Verdienst.)
Better watt in 'et Lüif, gsse um 'et Lüif.
Better 'n Luining in 'er Hand, 98 'n Diuben upp 'en Dacke.
Lust un L^iwe teu 'n Dinge
Makt olle Arb^jjet gringe.
Wer lustert achter der Wand,
Mott hpem süine pijene Schand.
Wer dat Lütke nich ehrt,
Es dat Graute nich wert.
Sünte Magdalene (22. Juli) pisset in 'ne Nötte.
Mai kühl un natt,
Füllt Keller, Balken un Fatt.
Mett läddijen Maren — es nenn geut Jaren.
Maks diu 't geut, seu h&st diu 't geut.
Mak du geut, denn ggit 'et du geut.
Man suit wall $inen gohn, ^wwer man w^fit nich, wat h^i getten hätt.
Donoh d& Mann, donoh da Wost.
Oin Mann, pin Wäwwert.
Wer toiben kann, kriggt &uk 'en Mann.
Mann un Wüif, es gin Lüif.
Sünte Märten hell un kloer,
Gifft 'n geut Robbenjohr.
Starken Frost vür Sünte Märten makt 'en Winter gelinne.
März kriggt äule Luie büi 'n Sterz (d. h. bringt sie ins Grab).
Märzengroin — es nich schein
Mariechen (25. Märe) piust 'et Lücht iut,
Michel (25, Septbr.) stickt 'et wier an.
Et werd nenn Mester boern.
Steinecke tui ! Dat es Mettwost ! (Greif zu !)
Wat helpt 'et, wenn de Käuh 'n EmmervuU Melke gifft un stött en ümme !
De Melke baljot wal, man s$ taljet nich. (Milchspeise kräftigt nicht.)
Et sali wall gohn, see jenne Meken, os et 'n Kind mett ^inen B^ine kraig.
Jijen (T\jen) en Fewwer Mess äs nich anstinken.
Upp süinen gijenen Messe hätt de Hahne jümmer dat gri^ttste Wöwwert.
Dat Mest es seu scharp, do kann 'en uppe rüien.
H^ hätt 'en rusterch (rostig) Mest in 'er Schüin (Scheide) (von einem, der
kein gutes Geunssen hat).
H$ hätt dat Mest hoben in 'en Schappe lüjjen (von einem, der hoch hinaus will).
Süi geun Mens, dann doiht 'n watt Geus.
Watt de Minske sick doit, datt doit 'e sick sülmst.
Et söggt n€nn Minske 'n annem achter 'n Oben, hp hätt 'er sülmst achter
setten.
De Minske denket, un G^tt lenket.
Det Minsken Wille es süin Hemmelrüik.
Watt de Minsken nich ollens für Geld maket — see de Biwwer, do sach
h^i 'n Apen danzen.
Watt de Minske häbben sali, dat kriggt 'e.
137
Hq bätt sick dat Miul verbrennt.
Wer j(}iden 't Miul vuUstoppen will, mott vell Hgch häbben.
Da mett 'er Miulen schmeert, kann mett 'er Neesen bottern (von einem
schlechten Haushalter)
Der g^it dat Miul 9s 'en Klappermühlen.
Der mott dat Miul n& extra däut schloen wern, wenn se sterwet.
Geun Moijen olle — see de Voss, os 'e upp 'n Ggisestall kämm (zwei-
deutiger Gruss).
Mgernrftut — gifft Water in 'en Säut,
Obendräut — geut Wedder baut.
Oine dQÜte (geteilte) Mohltüit es better, gsse Qine verfgilte (verfehlte).
Möjen es de balwe ArbQjjet
De Möller Yerscbmacht't an 'en lesten.
Mgudach werd nich weckenäult.
Ollens matt Mote — see de Schnüider, do scbleuch 'e süine Frubben mett
'er Eelen.
Motten hätt Kraft.
Motten es 'en Donne-Narel (ein Nagel, der donne-fest sitzt).
H$ suit iut, 9S 'en Pott yuII Muise (mürrischy schwermütig aussehen).
Den Muisen es schlecht Hawern affkäupen.
Wenn de Muise satt sind, schmeckt dat Meli bitter.
Yandaje es better Mujjen wiem (Mücken hüten) osse Schnütte wisken.
Mündken, wutt diu nennen Dost lüien?
Foitken, sen most diu Frost lüien.
Musekantenkehlen lotet nenn Water düer.
Owwer Nacht hätt sich de Möllers un de Pruikmakers kloppt (sagt man,
wenn es gereift hat),
Söggt pine geue Nacht, spjjet füiwe geun Dach.
Büi der Nacht sind olle Hatten grüis (schwärt).
Wer 9inmol den Namen hätt, dat hpi lange schleppet, de mach uppstohn,
se freuh qs 'e will, et hett jümmer: hgi schleppet lange. (Schlechter Buf.)
'n Narel upp 'n Kopp drepen.
Oin Narre makt den annem
Narm sind äuk Luie, sQ sind man nich sen kleuke gsse de annern.
Qin kleuker Mann un gin Narre bü pinanner, wettet maier gsse Qin kleuker
Mann gllaine.
Seu de Narre dächt, seu h^i säggt.
Oin Narre kann maier frojen, psse tpjjen Wüise beamfern könnt.
In 'er Näut — ett man gern Stinten für Braut.
Näut lehrt been.
Wer süine Neesen verschännt. verschännt süin g^en Gesichte.
Schnüie eck mü de Neesen afif, verschänne eck mü dat Gesicht.
Wer ollerweje de Neesen hätt, mott se dijer beschatten trujje tgin.
Watt düi nich angpit, do Igtt 'e Neesen van awe (denne).
Kgrte Neesen sind lichte te schnuiten. (Vorteil einer knappen Einrichtung.)
Wenn de Niwel den Berg upptuit, kämmt 'e in drp daren osse Rejen wier
herunner. (Wetterregel; Berg = Teutoburgerwcdd).
Et es nix se füin spunuen,
Et kümmt dpch an 'e Sunnen.
T)ä nicks es un nicks iut sick maket, da werd gck nicks.
Et es nicks un werd nicks.
Geue Nowerskopp es better, gsse wüie Frünnskopp.
Käup Nowers Rind,
Friyje Nowers Kind —
Denn w^ist 'e, watt 'e finnst.
Et gifft olle Daje wat Nüjjes - hadde jenne Junge säggt, 9s 'e been (beten) soll.
Wer vell Niyjes bringt, bringt yck vell iut.
Watt gvit mü Nürnberg an, eck häww 'er nenn Hins inne.
A I
138
Je leeter de Obeod, je feiner de Luie.
Obendräut — geut Wedder baut,
M^emräut — in 'er Bieke (Bach) flaut.
't es näu nich oller Dare Obend.
Oijen Dreck stinket nich.
Oinmol — kginmol.
Da es unner 'n Ersten Oiwer (Ufer) nich fangen. (Von einetn durchtriebenen
Menschen.)
1^& g^it juste 9886 upp Ojjeni.
Friske Ojjör, gßue Ojjör.
Je ^Uer, je unwüiser, see jänne Schnüider, Qsse süin Siejenbock Yan 'en
Steule upp 'en Disk sprang.
Wer will häbben Ollermanns Hgff
Mott verkäupen Hius un H^ff.
(Wer nach jedermanns Lob strebt, hat keine Achtung.)
Olls teu soite döggt nich.
Oert l^tt nich van Oert.
Van 'en Ossen kann man nich maier verlangen, 9s 'en Stücke Rindfi^isk.
Man kann den Ossen nich maier afföddem 9sse Rindfl^isk.
Datt was man 'en Ow^wertQch — badde de Voss s&ggt, 9s se em dat Fell
^wwer de Äwwern tojen hadden.
JQider^ine h&tt süin P&cksken te drejen.
Pack schläggt sick, Pack verdräggt sick.
Sünte Paiter — gl^it de Winter weiter.
Sünte Paiter singet de L9iwerk, un singet se nich, seu mott se hassen
(bersten) (Naturtrieb).
De Pannen schellt 'n Pott Schwartmiul.
Wo kümmt de Duiwel an 'en Papst {oder: Büstewwer), et es d9ch en
heiligen Mann.
De Papen un de Hunne —
Verd^int 'et Braut mett 'en Munne.
Papen Gierigk(^it un G9ttes Barmherzigk(^it —
Wieret in olle Ewigk9it.
Van 'en Peerd upp 'en Isel kommen.
Kannst lange floiten, wenn 'et Pöerd nich pissen will.
H9i S9ggt dat Peerd un sitt 'er uppe.
Wenn dat Peerd stöhlen es, werd de Stall bettert.
Watt helpet müi ^in scharp Peerd, wenn et nich t^ien will.
Wer dat Peerd suit, briukt de Krippen nich tS s^ien.
Dat Peerd, datt 'n Hawem verd9int, kriggt 'n nich.
'n willig Peerd mott 'n nich tgu haste andrüiben.
Wer nft nich van 'en Peern fallen es, d& kann äuk nä nich rüien.
Seu 9sse man de Peer wennt, seu geht se äuk.
Da Pench will 'n Brßwwer h&bben.
Den fällt nenn Pench iut 'er Tasken, wenn man en 9ck upp 'en Kopp stellt.
H9i l^tt sich für 'n Pench dat Schienb9in inrennen un wenn 'e 9ck für 'n
Daler Püine hätt.
H9i löppt van Pontius na Pilatus.
Wer büi de Pötte nich kümmt, de schwärtet sick nich.
Es 9ck 'en Pott nä seu sch^if — äs d9ch 'en Stülpen, da der upp passet.
Et es nänn Pott se sch9if, et h9ert 'enn Deckel upp.
Upp 'en leddigen Pott h9ert 'n Deckel.
H9i kickt in olle Pötte (unner olle Stülpen).
Problem göit 9wwer Stud9ern.
Upp 'en Proppen riuken (das Nachsehen haben).
Rast gifft Mast.
Recht hast 'e, 9wwer schwüren most 'e.
Recht mott Recht blüiben.
139
Halwe Daler, diu hast Recht, ^wwer ganze Daler, diu most Recht häbben.
Wenn de Fisk uppspringen deut,
Hätt 'et ümme Rejen kpine Nftut.
Achtemoh kümmt de Rekenunge (Die Vergeltung kommt nach.)
Wer de Röuse br&ckt —
Mott lüien, datt se en steckt.
Rinh (Ruhe) un Rast — es de halwe Mast.
H^i hätt dat Riue (Bohe) noh biuten kghrt (ist in Zorn geraten).
H9i hätt nix pwwer de Riwwe (ist schlecht genährt).
Et gs better 'n Rock in 'er Tasken (^ das Geld) gsse an 'en Lüiwe.
Wen nich te roen (raten) es, den es Qck nich teu helpen.
Wenn man van 'en Rothiuse kämmt, es 'en jümmer klgiker, gsse wenn man
'er hengpit.
Kämmt man pwwem Rüen, kämmt man ^wwern Steert.
Bä enkelten Lappen lehrt de Rue Ledder eten.
Do gin Rue henpisset, foljet ghr maier.
D& mett 'en Ruens goht te Bedde,
Da kriggt van ehren Flgien matt.
Dat 6s 'en Rüen yan 'en Peere — hedde jenne Junge säggt, 9s 'e upp 'er
Hatten rait
Je laijer de Rüe, je ärjer de Flgie.
Jg la^er de Rüe, ja maier hg bitt.
Junge Rüens mött 'et Büiten lehm.
Wenn de Rüe blieket, dann bitt 'e nich.
Man söggt nennen Rüen achter 'n Oben, man hätt 'er sülmst achter setten.
Wenn man 'en Rüen schmüiten will, es wall 'en Knüppel teu finnen.
Wenn sick 'en Rüe un 'en Junge bejijent un de Rüe bitt nich un de Junge
smitt nich, dann düjet se olle b^ide nicks.
Junge Rüens büitet scharp.
Rüike Luie hätt fette Katten.
Den Rüiken steht jümmer Düer un Dohr maier 9ppen, gsse annern.
Rüip teu rechter Tüit — dijjet upp 'et beste.
Sachte an, kümmt äuk an.
Man kann äuk wall 'en Sack teubinnen, da nä nich vuU es.
Sammt un Süide es seltsam Kriut,
Et piust dat Fuier in 'er Köcken iut.
Wer sick nich kann satt eeten, da kann sick äuk nich satt licken.
Watt de gine nich mach, makt den annern nich satt.
Dat äs 'en schlechten Säut, wo man dat Water indräjen mott.
Sawwelrejen (feinei- Regen) un Plückeschulden wgiket an 'er besten Düer.
Geue Seilskopp 6s de halwe Weg.
Seu diu kämmst, seu diu g^ist (Vergeltung).
Seu man in 'en Wäuld herrin röppet, kriggt man de Amfert (Antwort).
Wer 'n Schaden hätt, briukt für Spott nich tau sgijen.
011s teu scharp schnitt nich.
Wer man bü lütken faken watt doit, do kann 'ern grauten Schatz van wern.
Eck scheme müi wall, do kreig eck nicks. (Falsche Bescheidenheit.)
Da Schäppel hängt jümmer an 'er Wgnd. (Man entgeht der Vergeltung nicht.)
Kümmt et nich mett 'en Scheppel,
Kümmt et doch matt 'en Läppel
Iut 'er Scheule küern.
Settet se upp 't Brett,
Bewahrt se vür Water un Dreck,
Dann häjj' e (habt ihr) juwwe Lieben lang Scheuh.
(Spruch der Blomberger Schuster.)
Wenn dösse Scheuh nich geut sind, seu will eck upp 'er Stie hüer unner-
gohn — see jenne Scheusker, do sette hgi süinen Heut upp 'en Kopp.
Wen de Schäuh passt, de t^i 'en an.
Den de Scheuh hgert, de tuit 'en an
j I
140
Seu lange Qsse de Kiuner werd mett Foiten boern,
Seu lange ggit nenn Scheohmaker verlohrn.
Dee Scbeusker süin Knüif (Messer, englisch knife)
Kann maier vertehm psse süin Wüif.
Schiewe un Steine dünget ^wwer^ine.
Schleje makt anhängledi.
Oin Schlemmer an Qin FiuUenzer yerarmt un 'en Schlaiper mot verretten
Klaier drejen (Sprüche Salom. Kap. ^ Vers 21).
lut 'en Schl9ife werd nich sä bäule 'n geuen Läppel.
Schlöist diu müinen Jungen — schloe eck düinen Jungen.
Wer lange schlöppt — un flink löppt,
Eümmt äuk teer Stie.
H^i nimmt 'en Schmand van 'er Nelke vüraff.
Et schmeckt nicks better psse watt man sülvst ett.
Wer geut schmeert, da geut fährt.
Wenn iut 'en Schmeerpott 'n Botterpott werd, dann stinkt 'e. (Standes-
erhöhung.)
H^i schngrket 98 'en Holtsajen.
Hpi frett 98 'en Schnüider (Deskekeerl).
Es (^erst (fin Schoop Qwwer den Post, seu folget ehr vell.
Oin sch^rfeck Schoop stickt de ganze Herde an.
Dat es 'en laye Schoop, dat süine WuUen nich drejen kann. (Eigene Vor-
züge muss man zu tragen wissen,)
Watt schrifft, dat klifft.
Schüe düi — säggt de Biwwer, wenn 'e de FöUens iut 'en Stalle jaret
(bange machen).
De Schüin drüggt
Wer süine Schulden betahlt, verbettert süin Vermöjen.
H$i hätt maier Schulden osse Hoer upp 'en Koppe.
Aule Schuld ös better gsse fiule Äppel.
D& ersten Schwalen bringet keinen Sommer.
Schwü^'en un denken — kann nemmes kränken.
Et es better, stille schwüren,
Qsse van Eüern Püine krüjjen.
Äult Schwüin kennt Eckern {Eicheln). (Junge Gelüste im Alter.)
Je maier Schwüine, je maier Drank.
'n geut Schwüin es nich sünnerch (mag aJles).
Wenn (^ine Sieje pisset, läupet se olle.
Siupen (Milchsuppe), wenn eck uppstoh,
Siupen, wenn eck teu Bädde goh,
Siupen olle Tüid
Makt mü den Biuk seu wüit.
Hgi g$it 98 'en Sommerschlien (Schlitten im Sommer), (von einetn, der nicht
fortkommt).
S^nd schuert 'en Maren.
Speibekinner — Bleibekinner.
Datt kümmt mü d^ch spannsk vür (= spanische Dörfer).
Eck konn et wall riuken, wenn et man Speckpankeuken yr^r. (Etwas Un-
angenehmes absichtlich unbeobachtet lassen).
Wer büi 'n Spielen jümmer gewinnen will, mott Musekante wern.
Truwwe den Spoikedingers nich, sgi goet bü der Nacht
Datt Spotthius kann brennen.
Spotthuiskens könnt mol brennen.
Stank es der Welt Dank.
Stank für Dank.
Stell (Stiehl) du watt, seu hast 'e watt, {^wwer l^tt 'en j^iden dat Süin^e.
(Lerne durch Beobachtung.)
Spitzken kumm, dat Sticheln ggit an — hall jenne Schaiper s&ggt, 98 'e in
'er Kärken de Predigt anh9ere. (Stichelreden.)
141
Stgine un Schiewe, dränget ehr Liewe.
Hpi 8chl9it ^wwer de Stränge.
Sucker, wat bist diu soite (enoidert man Schmetchiem),
Der fetten Si^e beschmeert man nich 'en Balg.
H$i es ankommen ^sse de Sue in 'en Jiudenhiuse (schlecht angekommen,
wenn sich jemand eine arge Verlegenheit bereitet hat).
Süi düi drumme — süi müi drümme (unmutig heim Abbruch von Unterhandlungen).
De Sunne schinnt nennen Biwwem iut 'en Lanne herriat (sagt mau in einem
trockenen Jahre).
Datt es seu kloer psse Sannen.
Sanndach werd nich weckenäalt.
Sunnobends natt van Werken,
Sunndas natt iut 'er Kärker —
Bedütt 'en reneije Wecken.
Wenn diu summst ggist, werchst 'e nich bedrojen.
Büi grauen Tewwerns will sick finnen
Datt do vellmols wajjet graute Winne (hohe Stellung).
Oinen de Tene wüisen.
Wer ollens vertehrt för süinen End,
Da makt 'en richtig Testament.
Tguspin es dat beste Spell.
Wo de Tiun an 'en süijesten es, do stiggt J9ider vwwer (auf den armen
Leuten hacken alle herum).
£t g$it nick« ^wwer 'n Puipen Toback un 'en natten Drüppen (Tabak und
Branntwein).
Toif en Käwwem (wart ein Körnchen ! = habe Geduld).
Eck sinn vandaje affgohn, hewwe müinen Heern trotzet un — nicks gätten.
(Trotii lieber als Schaden).
Tucht bringet Frucht
Kümmt Tüit, kümmt Rot.
Et es J9 nenne Dringske (dringliehe) Tüit — see Märten, wenn et süinen
Gästen teu lange diwwere.
Wer in 'er Tunnen sitt un kickt dür 'et Spundlgck, da hätt geut jiuchen
(sichere Stellung).
Eck mott 'er Uissen jümmer den Kopp affrüiten (= immer das Schwerste tun).
Drgimol ümmetöihn es seu schlemm Qsse pinmol äff brennen.
Oin üngelücke kümmt selten ^lleine.
De ungerechte Grössen helpet den gerechten met vertehm. (Unrecht Gut
gedeihet nicht.)
Unrecht geut düjjet nich.
Katte, diu most wetten:
Unvergünnt Braut werd äuk getten.
Do es 'en ünnerschöid twisken Qsse twisken Dach un Nacht.
Da sick sülwest äffet, kann uph^ern, wenn 'e will.
Edc häww' et uppgieben — hadde jenne Keerl upp 'en Düikwater (s Dick-
water im Paderbornschen) säggt, do hpi hadde wollen 'n Spinnerflgje häbben un et
was nenne kommen. (Die Trauben sind zu sauer.)
Da es süinen Vadder nich vertiusket. (Der Äpfel fällt nicht weit vom Stamme.)
Lqü du nich verblüffen — es dat elfte Gebot.
Lütche Yerdenst, da g^it,
Es better 9s 'en grauten Yerdenst, da stille st^it.
Verdrejet juff — see jenne Afkote, Qsse Hius un Hgff verklajet was. (Zu spät.)
Better 'n majern Verglüick 9s 'en fetten Prozess.
Do man met verkehrt, werd man mett ehrt.
Eck häwwe Verl9if hatt (es ist mir misslungen).
Da Verstand kümmt 9erst mett 'en Johm.
Watt de Voss däggt (denkt), h9i nich säggt.
Da Voss W9it maier L9cker 9S8e $inet. (Ausflüchte.)
142
De Vüjel, de freuh singet, de halt an 'en Obend de Katte.
Vull - makt duU. (Völlerei.)
Lptt düi dgch nenn X für en ü Yürmaken.
Vürsicht es better 9sse Nohsicht.
Walljeschmack (WohUeben) bringt Bettelsack.
Da na 'en güllen Wajen ringet, krüijet Qllhand da Spaiken dorvan. (Hohe Pläne.)
'n lütker Waren, da faken ggit, es better 9s 'en grauten, da stille st^lt
Büi ollen es watt (alles hat zwei Seiten).
Watt man vergifft, es man quitt.
Watt man nich büem kann, mott 'en lüjjen loten.
Watt nich es, kann na wem (werden).
Datt §8 Water npp suine Mühlen.
Mett unröjjen Water kann 'en sick nich r^jjen wasken.
Stille Water sind d^ip.
Wenn 'et Water fällt, denn knackt 'et üis.
Wenn de W&ult werd bunt,
Fällt de Hawer in 'ne Grund. (Hafermäheeeit.)
't es 'en Wedder, doer sali 'en nennen Küen no bluten jaren. (Schlechtes Wetter.)
Den Weg hätt de Voss meten un hätt 'n Steert teugieben.
'n geuen Weg ümme, maket nenne Krümme.
'n geuen Weg in 'er Krümme es nich ümme.
Upp 'en betreenen Weje wässet nenn Gras.
Da Welt stiggt jümmer hgijer, iut 'en Scheusker werd 'en Kroijer. (Wenn
jemand Dinge treibt, die nicht zu seinem eigentlichen Berufe gehören.)
Wenn gck wen jaren will, mott eck summst mettläupen.
Wer et geut makt, da hätt et geut.
Upp 'en 8ch9in Werk kann man sick geut rüsten.
Jgiden süin Werk, hadde jenne Junge säggt, müin Taite schl^it müine
Mömmen, müine Mömmen schlpit müi un eck schloe iuse Suen.
Seu de Wertsmann, seu da Gäste.
011s teu yell wetten, makt Kopppüine.
Man kann nich wetten, wo et geut für es.
Hpi h^lt vell van kgrten Wewwem un laugen Mettwösten (ist kurz angebunden).
'n göut Wäwwert finnt äuk 'en geue Stie.
Wewwert mott Wöwwert süin.
Oin Wewwert wäggt nenn Pund un es 'en Donnerschiach.
Dät Minsken Wille es süin Hemmelrüik.
Wer det Heern Willen w^it un nich dorteu doit, de kriggt watt mett 'er Gaffel.
H^i wQit summst nich wftt 'e will.
Da Wind de fladdert, de Schlappe fladdert 9inen ümme de B^ine — et will
anner Wedder wem.
De Wind, de mett 'er Sunnen kümmt, bringt selten Reen'n.
Datt es 'en Wenk mett 'en Tiunpohle.
Do wajjet de Wind iut 'en annem L9cke.
H^i st^it upp 'er Wippen (geschäftlich dem Falle nahe).
Olles hätt süine Wissenschaften, ollerdinge Laimenrohm upp 'en Tiggelwerke
(selbst Lehmrühren auf der Ziegelei).
H9i drajjet de Woer, 9sse de Sieje datt Blick.
JQider Woerm steckt noh süiner Macht.
Wer de Wohrh9it säggt, da kann nich herbeijen.
Watt eck nich w^it, makt müi nich h9it.
Mett 'er Wost noh 'er Süien Speck schmüiten.
Wo gern frätt de Katte Wost, wenn se man de Hiut hedde.
Giff müi 'en Wost, still eck düi 'n Dost (Wurst wider Wurst),
HuUalla — hadde jenne Junge säggt, vandaje ett müin Vadder Wost, dann
krütje äck de Hiut
Datt es 'en Wüif, do kann man 'en Duiwel mett van 'en Dannenbäume hissen.
uatt es 'en rechte Knüiptange van 'en Wüiwe.
143
Wenn de Wüiwer kommt upp 'en Flass,
Kommt de Lgijen upp 'en Plass.
Man mott den Wüiwern nicli maier Verstand afifoddern 9s se hätt.
Kommt tw9 Wüiwer teuhäupe, dann werd de drütte düerheggelt.
Van 'en Wüindrinken kriggt de Biwwer Luise.
Oinen watt wüis maken.
Upi m^int, datt h^i de Wüish^it mett Leppelu freten hell.
Wüit steken — es b&ule breken. (Zu grosse Pläne.)
Hgi es in 'er Wullen färwet (von einem durchtriebenen Menschen).
H^i sitt in 'er Wullen (tief im Qelde).
HQi sitt d9if in 'en Gelle.
Wünske düi 'n Hand vuU Dreck, un wQnske du watt in de annem Hand,
un dann küik teu, in wecker Hand diu datt Beste hast. (Wünsche.)
FRANKFÜRT a. M. K. Wehrhan.
Mittelniederdeutsche Postille
V. J. 1468.
Der Schatz der mittelniederdeutschen Literatur scheint noch
nicht gänzlich gehoben zu sein. Es werden immer noch glückliche
Funde gemacht, deren Veröffentlichung nicht nur der niederdeutschen
Sprache wegen sondern auch deshalb von Bedeutung ist, weil damit
neues Beweismaterial dafür geboten wird, dass ein reiches religiöses
und literarisches Leben beim Ausgange des Mittelalters in Nieder-
deutschland geherrscht hat. — Einen kleinen Beitrag hierzu zu liefern
setzt mich eine Handschrift in die Lage, die mir vor einiger Zeit
auf der Bibliothek des Franziskanerklosters zu Rietberg i. Westf. in
die Hände fiel. Ich konnte sie bereits auf der Versammlung für
niederdeutsche Sprachforschung (Münster 1909) besprechen. Dennoch
scheint es mir nicht überflüssig, sie an dieser Stelle weiteren Kreisen
bekannt zu machen. —
Die Handschrift ist ein in Leder gebundener 116 Blätter (Papier)
starker Kodex, 29 cm hoch und 22 cm breit. Jede Seite zählt
2 Kolonnen ä 37 Zeilen. Zeit und Ort der Herkunft des Msk. ergibt
sich aus der lateinischen Schlussbemerkung zu dem ganzen Buche.
Sie lautet: fjEditus est iste über in civitate monasteriensi et campletus
anno domini millesimo qiiadringentesirno sexagesimo octavo ipso die
bti Johannis ante portam latinam, Deo gratias !^^ Damit ist das Jahr
1468 als Zeit der Abfassung und Münster als Ort der Herkunft des
Buches festgestellt. In Münster muss es vor seiner Übertragung nach
Kietberg Eigentum des dortigen Franziskanerklosters gewesen sein,
wie eine alte Bleistiftnotiz auf der vorletzten Seite bekundet: ;,aus
der Franz. Bibl. z. M.^
144
Schwieriger ist die Antwort auf die Frage nach dem Verfasser.
Sie wäre wohl leicht gefunden, wenn sich die beiden ersten Bände
zu der Handschrift auftreiben Hessen. Wir haben es nämlich in vor-
liegender Handschrift mit dem dritten Bande eines zusammenhängenden
Werkes zu tun, wie aus verschiedenen Stellen hervorgeht. Gleich zu
Anfang heisst es: „Dyt is de tavele desset^ derden Stuckes des bokes
van de7' ghebiiert nnde en dele des levens unde der werke unses heren
ihesu Christi^; und am Schluss des Werkes: „Ker ick dyt sehe boeck
beghunde hadde ick van syneti hilghen lidene unde dode unde van syner
tipverrisinghe van de)' doet unde van syner hemelraert etc, twe boke
ghe7naket "
Da die 2 ersten Bände, in denen möglicherweise eine Andeutung
über den Verfasser enthalten ist, fehlen, so muss ich mich auf der
Suche nach dem Auktor auf einige Vermutungen beschränken, die
aber in der Hdschr. selbst eine, wenn auch schwache Stütze finden.
Zunächst lässt der Charakter der Schrift auf den ersten Blick er-
kennen, dass das Buch aus den Schreibschulen der Fraterherm zu
Münster hervorgegangen ist. Dem Stile nach zu urteilen möchte
man sogar keinen geringeren als Johannes Veghe^) als Verfasser
ansprechen. Dem steht aber entgegen, was der Auktor über sich
selbst berichtet. Er sagt nämlich eingangs: ff Min oelder doet my
vruchten dat ick es nicht afleven en sohle kunnen dctt ick vurder utises
Jieren leven unde al syne werke na dem ewangeliume so vullenkomelike
bescreve na mynetn vermoghene als ick gheerne dede^ Danach zu
schliessen stand der Auktor des Buches im Jahre 1468 bereits in
vorgerücktem Alter. Job. Veghe starb aber erst 1504 — sein Ge-
burtsjahr ist unbekannt — ; hätte also zu der Zeit noch 36 Jahre
zu leben gehabt. Ausserdem steht fest, dass Veghe 1475 von Münster
aus eine Visitationsreise nach Rostock gemacht hat. Die Last der
Jahre scheint ihn also damals noch nicht sonderlich gedrückt zu
haben. Die Urheberschaft Veghe's ist somit wohl als ausgeschlossen
anzusehn. Man wird darum nicht fehlgehen, wenn man unter den
altern Ordensgenossen Veghe's den Verfasser vermutet. Sichere
Anhaltspunkte zu finden ist mir leider noch nicht gelungen.
Ich komme zu dem Inhalt der Handschrift. Wie schon erwähnt,
will der Auktor des Buches das Leben und die Werke des Heilandes
nach dem Evangelium beschreiben. Es heisst dann weiter in einem
Passus, der für die Geschichte der deutschen Bibelübersetzung nicht
ohne Bedeutung ist:
„Unde oeck God sy ghelovet so hevet men in velen steden den
meesten deel der hilghen eivangelien unde sunderlinghe der gheenre de
men in der kerken to lesetie plecht, de ovei* menighen jaren uyt latine
in duytsch over ghesat sint, dar umme denke ick nu roert allene ixin en
deel der sehen werke unses heren de noch achterstedich synt, to scryvefie."
^) Johannes Veghe. Ein Prediger des 16. Jahrhunderts. Von Franz Jostes.
Halle 1883.
145
Es geht daraus hervor, dass man damals bereits deutsche Über-
setzungen der Evangelien in der Hand hatte, besonders diejenigen
Abschnitte, die des Sonn- und Feiertags von der Kanzel verlesen
wurden. Die noch rückständigen Teile will der Verfasser kommentieren.
Wir haben demnach in dem Werke eine Art Postille vor uns. Dass
der Fraterherr sein Buch in der Muttersprache erscheinen lässt, ist
bei der grossen Vorliebe dieser Männer für ihren Heimatdialekt nicht
zu verwundem. In einer Generalübersicht werden folgende zu be-
handelnde Punkte angeführt.
Int yrste van den twelf apostelen alse de unse heer uyt al synen
discipulen koes unde sande se to predikene allene in den itideschen lande
unde ghaf en macht kranken ghesunt to makene unde bösen gheeste uyt
den besetenen menschen to werpene. unde oeck van den twen- unde seven-
tich discipulen de he na der tyt oeck also sande. Item van der nygen
ee alse ds unse heer ghaf unde insatte. To desser nygen ee hören de
teyn ghebode de in de olden ee ghegheven worden. Unde de acht selich-
heyden. Dar hoert oeck to dat men wete de werke der barmfiertichheyt
unde underscheet tuschen doetliken sunden unde degheliken sunden. Unde
dar umme unl ick ofte Ood wil oeck van dessen materien wat roren
van er ytliken besunderen. Item oeck wat van den miraculen unses
leven heren ihesu christi unde van syner verclaringhe up en berghe thabor.*'
Die einzelnen Gegenstände werden in der Art und Weise be-
handelt, wie es in religiösen Schriften des Mittelalters der Fall zu
sein pflegt. Dogmatik, Moral, Exegese und Aszese kommen gleicher-
weise auf ihre Rechnung, wobei dem Auktor eine grosse Belesenheit
in der Schrift, den Vätern und religiösen Schriftstellern des Mittel-
alters gute Dienste leistet. —
Kulturgeschichtlich Interessantes, wie man es in den Predigten
jener Zeit, z. B. denen Veghes findet, sucht man hier vergebens.
Ein abschliessendes Urteil über den Auktor und sein Werk zu geben
wird erst möglich sein, wenn, wie zu wünschen, sich die beiden fehlenden
Bände gefunden haben.
Zum Schlüsse möge als Stilprobe ein Abschnitt über die zweite
der 8 Seligkeiten folgen, den ich wegen seiner Kürze ausgewählt habe.
„De ander selichheit is sachtmodichheit. unde wante dan willighe
oetmodighe armode de yrste is unde vorgheet. so is et wal bequemelick
dat er de sachtmodichheit alre neest na volghe. so alse de armen oet-
modighen oeck ghetneenlike sachtmodich synt. Unde dar moghe wy uyt
verstaen dat de sachtmodichheit to der oetmodichheit hoert, als uns oeck
unse heer to kennenne ghegheven hevet overmids deme dat he seghede
Discite a me quia mitis sum et humilis corde. Math, X. Na der
menschliken naturen int ghemene unthelt sick unde dtoynckt sick en
mensche wal dat he sick nicht unmeetlike unde unghebiierlike en tueme,
also dat men nicht segghen en mach dat he en haestich tuernsch mensche
sy, Mer to desser sachtmodichheit hoert dat sick en mensche myt alle
nicht en tnerne, unde wert he wat to toef*ne bewegghet dat he sick dan
dwynghe unde unthoelde, Doet em we verdreet deme sal he wyken unde
Niederdeutaohea Jahrbuch XXX VI. 10
146
en wederstaen etn nicht drystlike unde tvreeÜike. mer he sal ene myt
guetUchheyden unde gxidertyrenheiden verwynnen unde wesen duldich
lydesam restlick unde vredesam in sick selver. Et synt wal lüde de
sachtmodich schynen to wesene so langhe als en nicht verdretes en schuyL
mer wan en yenich untville wederveert so wyset er unduldichheit wal
uyt wo sachtmodich dat se synt. Et synt oeck lüde de so alinck sacht-
modich synt dat se myt alle gheen achte en fiebben yenighes anderen
menschen levens also dat se numende en manen to dogheden ofte straffen
umms undogheden. mer solke sachtmodichheit en loven de hilghen leerre
nicht. Den sachtmodighen wert ghelovet de eerde to besittene juxta illud
Math, V. beati mites quoniam ipsi possidebunt terram. Dyt en is aver
nicht to verstane van desser nedersten eerden. mer et is to verstane van
der oversten eerden de in dSr hilghen scrift gheheten is terra mventium
dat is to dude de eerde der levendighen. Wante desse eerde hyr neden
besitten de homodighen drysten wreden, also dat et bequemelick is dat
de ghene de hyr sachttnodich synt unde umme desse eerde nicht en oer-
leghen kyven striden de ander eerde hyr boven ewelike to besittene krig/ien
dar alle sachtmodichheit unde eunghe raste unde vrede is, Desse selich-
heit der sachtmodichheit is ene böte ene medicine teghen den toem de eti
doetlike sunde ene wunde der seien is.
BONN, Kreuzberg. Matth. Schneiderwirth, 0. F. M.
Nachtrag zum Idiotikon von Eilsdorf.
(Vgl. Ndd. Jb. XXXIV, 45 flf.).
afsiet (äfsH), abseits,
anpntzen (an-), täuschen, zum besten
haben.
Apporten, Botschaft hei drecht Ap-
porten, er bringt Neuigkeiten herum,
Apportendräer.
, atehen, anstrengen, sich dazu halten^
jemand beim Arbeiten nachkommen.
attern, sich zornig erregen, hei attert
sek. Vgl, atterich.
Baste m., grüner Ober in geunsaen Karten-
spielen,
Beddel (b^}), Bettel.
beddeln (b^dln), betteln,
Beddelie (b^ill), BeUelei.
Beddelmann, Bettelmann. Rangordnung
im Kinderspiel: Eddelmann, Beddel-
mann, Kusem^jor.
biareo (bi-är^), warten, pflegen, bes.
das Vieh.
Bislag (bisläx), niedrige Wand, die die
Scheune vom »Fak** trennt.
Blaat, Blut, in Blaa sticken, sich tot
ärgern.
blaatrastrig, blutrünstig.
Borak, Borax.
Borg (borjü), Burg, bes. in Ortsnamen:
Qaelnborg u. a.
Bott, Zwischenraum, Platz, hier is noch
saayel Bott.
Breake, Brüche, Geldstrafe an die
Obrigkeit. Veraltet.
Brink, kleine Anhöhe,
brfihn, als verliebt necken, mnd. brüden.
Dele (dfb), ScT^eunentenne. vercdtet.
desamme, zusammen.
147
dönneken, die Ziegel verstreichen.
dreben (dr&bbm), treiben des Schnees.
Entreeht n., der Umschlag am Oewebe.
Farationen, Variationen, hei maket
laater saune Farationen, er macht
bald dies bald das, aber immer nichts
Gescheites.
Feddere, der abgerundete, dem »Ort**
entgegenliegende Teil der Pflugschar.
Finger, Befestigungshaken am Schwengel,
flien, von stauen gehn. dat fliet sek besser.
Fläeh (flüyO n., dünnes, leichtes Korn,
Folten, Valentin.
fomorgen, hevie morgen.
Y^VMYiSX^w (f&rsfddr), Vorpflug, kleinere
Pflugschar vor der Hauptschar.
Fose (f^z9), 7, 8 u. 9 im Kartenspiel.
Galgen (gäijdn), ein f\ förmiges Gestell
auf der Pflugkarre, auf dem die Pflug-
Stange riM.
Gariiter, Gardereiter, ungeschlachter
Mensch.
Giehtbeere, schwarse Johannisbeere,
Bibes nigrum.
Giegen m., Stück vom Ganzen, z. B.
Ackerstück. £k mot noch düssen
Giegen ummegraben.
Giltnng (jiltunk), Haken, an dem das
„Scharr" befestigt wird.
Gramatehe (yamdlij»), Laus.
Grnll. Groll, Zorn.
Griindel, Grindel am Pfluge.
Granhns (yün}{üs), Grudehaus, schup-
penartiges Haus, in das in früheren
Zeiten die Asche getragen wurde.
veraltet.
giiste ßüsts), unfruchtbar.
Babennihrt (\{äJbmfärt), schwierigesWerk.
Is dat ne Habenfahrt 1
Harnschart (hamsärt), Schwierigkeit.
war dat awer ne Harnschart.
Hartjenkrnt, rundblättrige Minze {?),
Hasenpaneil, Hasenpanier, hei hat et
Hasenpaneil in achtenomen.
Hanrenstieg ßaur^tlx), ÖrÜichkeitS'
bezeichnung.
Henriiter, Heureiter, ein Gestell zum
Heutrocknen.
Himten, halber Seheffel, altes Getreide-
mass.
flolster m., Ledertasche, in der Arbeiter
ihr Brot mitnehmen.
kleinetseh (klai'netS), wenig essend, ohne
Appetii.
Klingere, Klingel.
Klnb n., früher Spinnstubenversamm-
lungen, jetzt die daraus hervorgegan»
genen dörflichen Abendvereinigungen,
Ek gab int Klub. £k hewwe hüte
Abend et Klub.
kniwweken, im Brotklauben.
kowisch (k8ewiä), erkältet, verschnupft.
Kraus, Krug, veraltet.
krnnksen, ächzen, pusten.
lat (lät), spät.
Lere (le%r?), Stelleisen am Pfluge.
Logge (l^^)f Diesseits in der Eedensart
c^er Leute: ek lewe hier in Löggen,
de andern sünd schon in de Wahrheit.
Longe (loBi9), Zügel, an de Longe
nehmen.
Liichtenlock, Öffnung, aus der der Bauch
vom Stubenofen in den Schornstein zog.
masehienen (masl'^), mit der Dresch-
maschine dreschen.
motten (möty), begegnen, dat hat dek
wer emal emött.
müeheln (müx9ln), qualmen, schwelen,
rauchen.
nasch (näs), links beim Pflügen, pleu
nasch! Vgl. hott un näk bei Dam-
köhler, die pronominalen Formen für
uns und unser, S. 18.
Natrnm, Natron.
oprttsseln, Stroh auflockern.
Optimpeln, aufstapeln.
Ort (Ö'rt) n., die scharfe Ecke der Pflug-
scharschneide.
nemmelig, schwächlich, kränklich,
Penonge (penoiai9), Geld.
Fieleke, Spielstein. Pieleketafel, Spiel-
tafel. Veraltet. In einem Verzeichnis
des Inventars des Eisdorf er Gemeinde-
kruges vom Jahre 1781 ist „1 Pileke-
tafel und 4 Steine'' verzeichnet.
Pippele, Pappel.
Dlatterdings, ganz und gar.
Pottsmitt, Buss, Topfschwärze.
Prahlenbarg (prätTsbar^), Prahlhans.
preddigen (predijdn), predigen, reden.
Frier (prv^r), Prior, dicker Mensch;
wie 'n Frier grosstuig, protzig.
putjehupp, pnrtjehnpp, Ausdruck der
Abweisung und Schadenfreude.
Queller, gegen Käue empfindlicher
Mensch.
Ramnese, Pferd mit Widdemase.
Richtigkeit maken, Schuld bezahlen.
Rokhann {rö^khaun). Abgäbe vom Be-
sitzer einer Feuerstelle. Bedensart:
hei is swart wie 'n Rokhaun.
Rnppeggel, Rnppreggel, Rnpprenzel,
ruppiger Mensch.
rasseln ; et rasselt, es gibt tüchtig Hiebe,
Rttster (rüst9r), Handgriff am Pfluge.
riitergar, halbgar.
10*
148
Salpeiter (zalpa%t9r), Salpeter.
Schake (ääki), gewöhnlicher Ausdruck
für Bein,
Seheidel, Scheitel.
scher (äe^r), schier, blank, glatt, weiss.
Schrick n., ein X förmiges OesteU, das
den Schwane der Windmühle stutet,
Schilf knust (^ßnüst); wenn die Brote
im Backofen eu eng liegen, haften sie
wohl aneinander und es reisst beim
Herausnehmen das eine Brot ein StOck
aus dem andern heraus. Das abge-
rissene Stück ist der „Schufknust**,
Schfttzel, Schiffchen des Leinewebers,
Seilte, Hiebe,
slubetsch (slv^eUs), fieimtückisch. de
Hund is slubetsch, der Hund beisst
von hinten zu,
Sneidref (snaidre^f), Schneetreiben,
Stawel; du geist nich Yon Stawel, du
weichst nicht von mir,
stäwwern, fein regnen oder schneien,
sprühen,
Steri (st€^m}, Stirn.
Strich ; op 'n Strich hewwen (op77i stri^
hebm), böse auf jemand sein,
Strapp, oberer Teil des zugeschnürten
op stans, sofort,
sweren (swfrQ), schwören.
Tarmin, Termin, GericTUsverJiandlung.
Tinpe m,, Sackzipfel,
Trallje, Güterstab,
Talatsch (tulätä), ungeschlachter Mena^.
Tür ; in 't Tür bringen, Fäden vermrren.
Undeg (unde(^x)f Schaden, in Undeg
gerahn, zu Schaden kommen.
Warwesraann ; nach alten Gemeinde-
protokollen war jedem Gemeindebäcker,
•Schmied, -mülür und -hirten ein Gt-
meindebevöllmächtigter bestellt, der die
Aufsicht über ihn hatte und Anliegen
entgegennahm; er hiess Warwesmami
In den Protokollen kommen auch die
Formen Werbersmann und Werbels-
mann vor. mnd, wervesman.
wechtern (ve/itern), Wache halten,
Weitenklopper, Wind, der den Weizen
aiMsehläat.
Wanderbänl; 'n Wunderbühl umme-
hengen, sich sehr wundem.
wmiderselln, sehr selten.
wnrBS (vürns), irgendwo.
Zickereit, Zickeret (lat, secretum), Ab-
ort, veraltet.
Anmerkung, Zu Heimekenfänger, Jahrbuch 34 S, 67, ist berichtigend zu
bemerken^ dass man Eimekenfänger spricht, dass also das h äbgestossen ist wie in
Arpaul, das aus mnd, härpSl entstanden ist.
LEIPZIG.
R. Block.
Alexander Reifferseheid.
L Ldbensdaten und Werke.
1847 Juni 4 geboren in Bonn.
1866 Abiturient des Bonner Gymnasiums. Student der alten Sprachen
in Bonn.
1868 Student der alten und der deutschen Philologie in Breslau.
1871 Breslauer Inauguraldissertation: „Über die untrennbare partikel
ge- im deutschen. I. ge- bei infinitiven. 1. abteilung."
1873 Habilitation für deutsche Philologie in Bonn.
1877 Ausgabe von: „Heinrich Rückerts kleineren Schriften. 2 Bde.
Weimar." — Aussorord. Professor in Greifswald.
1878 „Freundesbriefe von Wilhelm und Jakob Grimm an die Familie
Haxthausen. Heilbronn."
149
1879 Ordentlicher Professor in Greifswald. — „Westfälische Volks-
lieder in Wort nnd Weise mit Klavierbegleitung und lieder-
vergleichenden Anmerkungen. Heijbronn."
1883 „Briefe von Jakob Grimm an Tydeman. Heilbronn,"
1889 „Briefe Lingelsheims, Bemeggers und ihrer Freunde. Heilbronn."
(Neue Titelausgabe ebd. 1891.) — „Marcus -Evangelion Mart.
Luthers nach der Septemberbibel mit den Lesarten aller Original-
ausgaben und Proben aus den hochdeutschen Nachdrucken des
16. Jahrhunderts."
1890 Rektor der Universität Greifswald.
1893 — 1907 Vorsitzendsr des Vereins für niederdeutsche Sprach-
forschung.
1902 „Mitteilungen aus Handschriften der St. Nikolaikirchenbibliothek
zu Greifswald. (Beilage zum Vorlesungsverzeichnis der Universität
Greifswald.)
1904 „Geistliches und Weltliches in mittelniederdeutscher Sprache
nach der Emder Handschrift No. 64. Sonderabdruck aus dem
Jahrbuche der Gesellschaft für bildende Kunst etc. zu Emden,
Bd. XIV und XV. Emden."
1909 Febr. 11. Gestorben an Lungenentzündung in Folge von Diabetes.
Vgl. über sein Leben den von W. Seelmann verfassten Nekrolog
in der „Germanisch -romanischen Monatsschrift Jg. 1 (1909)
S. 206—208.
II. Nachruf an der Bahre gesprochen
von Geb. Reg.-Rat Prof. Dr. Rehmke in Oreifswald.
Im Namen der Greifswalder Universität dem durch den Tod von
uns Geschiedeneu ein letztes Wort zu ehrendem Nachruf!
Fast 32 Jahre hat unser Kollege Beifferscheid an hiesiger
Universität gewirkt, anfangs als ausserordentlicher, seit Ende ■ des
Jahres 1878 als ordentlicher Professor der Germanistik. Von den
beiden Tätigkeiten, in denen der Professor sich als Mann der Wissen-
schaft auslebt, der lehrenden und der schriftstellernden, hat er hier
in Greifswald die erste bevorzugt; eine mit. den Jahren wachsende
Selbstbescheidung Hess in dem rastlos tätigen Mann die Scheu, das
in wissenschaftlicher Arbeit Gewonnene in Druck zu geben, immer
stärker werden, so dass er sich mehr und mehr Zwang auferlegte in
der Veröffentlichung seiner Arbeiten. Nichtsdestoweniger haben auch
die Greifswalder Jahre mehr als ein reifes Werk seiner Feder in
Druck gebracht.
Indes das Schwergewicht seiner Tätigkeit ruhte auf dem Lehramt.
Wenn wir darum sein Greifswalder Leben überhaupt überblicken, so dürfen
wir behaupten, dass um die beiden Brennpunkte, das eigene Heim und
die Universität, seine Tage und seine Gedanken sich bewegten, und
es ist schwer zu sagen, was er mehr war und sein wollte, der Gatte
und Vater seiner Familie oder der Lehrer seiner Studenten. Begeistert
150
für die Wissenschaft, die er lehrte, suchte er inbrünstig seine Zuhörer
der eigenen Sache zu gewinnen, und sein Feuereifer fand in der freien
lebendigen Form seines Vortrages einen wertvollen Bundesgenossen.
Und doch! noch mehr als in den Vorlesungen hatte unser
Kollege sein volles Genüge als lehrender Mann in den beiden engeren
Kreisen seiner Zuhörer, dem deutschen Proseminar und dem deutschen
Seminar Hier wusste er sich ganz in seinem eigensten Berufe, hier
hatte er gleichsam sein anderes Heim, und was mit diesem zusammen-
hing, das lag ihm so sehr am Herzen, dass mit diesem seine von
ihm doch so innig geliebte Familie um den Gatten und Vater wohl zu
kämpfen hatte. Hier war es auch, wo er in die innigste Berührung
mit seinen Studenten kam, deren Seminararbeiten und Dissertationen
er unermüdlich mit ihnen besprach und bearbeitete, so dass er keine
Zeit zu kostbar fand, sich dieser Aufgabe zu widmen.
Selbst in die Erholungszeit der Ferien nahm er die Sorge um
seine Schüler mit, und wenn er sich auch nur für wenige Tage in die
Sommerfrische nach Lubmin begab, es begleiteten ihn doch die
Arbeiten seiner Studenten und erhielten sogar den Löwenanteil von
dieser Zeit zugeteilt. So sah man ihn auch nach jenem unglücklichen
Sturze vor einigen Jahren, sobald nur der Arzt es ihm gestattete, in
seinem Hause das Seminar abhalten, bis er wieder ganz auf den
Füssen stand und in die Universität gehen konnte: es trieb ihn, bei
seinen Studenten zu sein und ihnen so viel zu sein, als ihm möglich war.
Der Lohn für diese treue Arbeit blieb nicht aus, ja doppelter
Lohn war ihm beschieden : er hatte die Freude, nicht nur aus seinem
Seminar so viele tüchtige und in ihrem wissenschaftlichen Werte
allseitig anerkannte Doktordissertationen hervorgehen zu sehen, sondern
auch in den Kreisen seiner Schüler die verdiente Zuneigung und
Verehrung zu finden, und wie mancher schon in Amt und Würden
stehender Oberlehrer hat dem früheren Lehrer noch innigen Dank für
das ausgesprochen, was ihm dieser als Leiter des deutschen Seminars
gewesen ist.
Familie und Universität, das waren die beiden Pole seines Lebens.
Darum kannten auch wir Kollegen ihn nur aus und in der Universität,
sonst ging er still für sich seinen Weg; wir verstehen dies, weil wir
wissen, dass Familie und Universität nach seiner Eigenart ihm
genügten, sein Leben ganz auszufüllen. Mitten aus diesem tätigen
Leben, in dem er trotz körperlicher Beschwerden, die ihn seit manchen
Jahren gepackt hielten, tapfer und ungebrochen den selbstgewählten
Weg ging, ist er abberufen worden, unser Kollege, der mit allen
seinen Kräften der Universität zu dienen unentwegt bestrebt war.
Wir wollen dieses sein Andenken in vollen Ehren halten und bewahren.
151
Anzeigen.
Geschichte der Schriftsprache in Berlin his zur Mitte des 16. Jahr-
hunderts von Dr. Agathe Laseh. Dortmund, Fr. Wilh. Rnhfas 1910.
360 8. 80. 12 Mk.
Das Bach zerlföUt in einen I. oder Hanptteil, der ^Die Rezeption der
hochdeutschen Sprache in Berlin^ mit tiefem Hintergrande eindringend
und erschöpfend hehandelt (S. 9 — 224), und in einen IL Teil, der die 'Laut-
und Formenlehre der mittelniederdeutschen Schriftsprache in
Berlin* darstellt (S. 226 — 344) und schon durch seinen Platz sich mehr als
Anhang denn als Grundlegung gibt: für den Ausbau der mittelniederdeutschen
Grammatik werden hier nützliche Bausteine dargeboten ; die in unserem Jahrbuch
Bd. 29, S. 66 ff. abgedruckte Arbeit von Siewert erscheint dadurch entschieden
überholt. Aus der allgemeinen Charakteristik des Altberlinischen heb ich hervor,
dass die Verf. an einem ursprünglichen nieder fränkischen Einschlag festhält und
die neuerdings behauptete Beziehung des Stadtdialektes zum Altmärkischen aus-
drücklich ablehnt (S. 226).
Der Hauptwert des Buches aber beruht in dem I. Teile, und es mag sofort
zweierlei hervorgehoben werden: die Arbeit fusst hier auf umfassender Vor-
hereitung und zeigt Schritt für Schritt umsichtige Erwägung aller Faktoren und
sauberes Detail; das Problem selbst aber erweist sich als ein historisch kom-
pliziertes und überraschend interessantes, der Leser wird durch den absolut sach-
lichen Vortrag der wohlgeordneten Tatsachen unwillkürlich gefesselt. Mir ist
noch keine wissenschaftliche Arbeit einer Dame auf dem Gebiete der deutschen
Philologie unter, die Augen gekommen, die so gleichmässlg frei wäre von Prätension
wie von ängstlicher Nachahmung eines Musters. Darum ergreife ich gern die
Gelegenheit, hier von dem Inhalt und den Ergebnissen des Buches zu berichten.
Die erste deutsche Urkunde der Mark Brandenburg fällt in das Jahr 1290
(s. auch Vancsa, Das erste Auftreten der deutschen Sprache in den Urkunden
S. 39) : es ist die Zeit des Markgrafen Otto IV. ^mit dem Pfeile\ der in hoch-
deutscher Sprache dichtete. Die Chancen für die hochdeutsche Sprache waren
auf diesem Kolonisationsboden von vom herein nicht ungünstig : nennt doch schon
ein Brakteat des zweiten Askaniers (eine der frühsten Münzen mit deutscher
Umschrift überhaupt) den Münzherrn MABCGRAVE OTTO, also mit hochdeutscher
Lautform des Titels. Und so kommen denn bereits unter diesem Fürstengeschlechte,
besonders im äussern Verkehr, auch hochdeutsche Urkunden neben den nieder-
deutschen vor. Und die Herrscherfamilien, die im 14. und 16. Jahrhundert
folgen: die bairischen Witteisbacher, die böhmischen Luxemburger und die frän-
kischen Hohenzollem, legten sämtlich ihr Gewicht in die Wagschale gegen die
Landessprache.
Unter den Witteisbachern (1323—1373) wird die Kanzlei fest
organisiert, es erfolgt die Einführung von Registerbüchern nach dem Vorbild
der von K. Ludwig d. Bayern für das Reich eingerichteten. Die deutschen Schrift-
stücke zeigen zunächst keine feste Sprachform, weil sie, wie auch anderwärts,
stark unter dem Einflnss der Vorurkanden stehn. Zudem weicht das Latein nur
langsam zurück : unter Ludwig dem Römer tritt das Deutsche wohl stärker hervor,
aber erst unter Otto dem Faulen erscheint die lateinische Sprache auf den Verkehr
152
mit der Geistlichkeit beschränkt. Wenn die Verfasserin in dem endlichen Sieg
des Deutschen den Einflnss der Prager Kanzlei vermutet (S. 17) und weiter die
Frage auf wirf t, ob nicht auch der Sprachgebrauch des falschen Waldemar ein-
gewirkt habe, so scheint mir hier die Problemstellung nicht richtig erfasst zu
sein. Man muss sich nicht fragen : warum drang jetzt endlich das Deutsche durch ?
sondern vielmehr: wie kam es, dass das Latein in Brandenburg länger dominierte,
als in Bayern einerseits, in Braunschweig und Meissen anderseits? Und daran
scheint mir in der Tat die Konkurrenz der beiden deutschen Schriftdialekte mit die
Schuld zu tragen: man ging ihr in unbequemen Fällen aus dem Wege, indem
man beim Latein blieb.
Soweit sich die wittelsbachische Kanzlei in der Mark der deatschen
Sprache bediente, bevorzugte sie das Hochdeutsche, das Niederdeutsche ward nur
im Verkehr mit Städten dieser Sprache angewandt. Bairische Spuren finden sich
nur unter Ludwig dem Römer; weiterhin ist die fürstliche Kanzlei ausgesprochen
mitteldeutsch. Die Sprache des Hofgerichts hingegen ist die niederdeutsche. —
Unter den Luxemburgern herrscht die hochdeutsche Sprache ihrer Prager
Kanzlei.
Indem die Verfasserin stets sorgfältig das zweifelhafte Material ausscheidet
und den Ursprung und Zweck der Schriftstücke ebenso prüft wie ihre Ueber-
lieferung, gelangt sie durchweg zu präzisen Scheidungen, die nur hier und da
wegen der Dürftigkeit des Materials eingeschränkt werden müssen. In Berlin-
Köln selbst ist die niederdeutsche Landessprache um d. J. 1370 sieghaft durch-
gedrungen. Im Verkehr Berlins .mit den Luxemburgern aber wird das Hoch-
deutsche bevorzugt: nicht aus dem Ergebenheitsgefühl heraus, sondern einfach
aus praktischen Bücksichten. Auch in gemeinsamen Angelegenheiten der mär-
kischen Städte überwiegt dies, selbst wenn die Sprache der Mehrzahl niederdeutsch
ist; hier scheint das vorwiegend hochdeutsche Frankfurt die Führung zu haben.
Unter den Hohenzollern war das Gepräge des Hofes zunächst durchaus
fränkisch, und nach fränkischem Vorbild wurde auch die Kanzlei eingerichtet:
ihre Beamten waren im Anfang sämtlich Hochdeutsche. Erst unter Friedrich n.
ward Köln feste Besidenz, und die kurfürstliche Kanzlei trat nunmehr lokal in
den Bereich der beiden Schwesterstädte. Aber es war eine fränkische Kanzlei,
und die fränkische Kanzleisprache blieb auch in Köln ausschliesslich in Gebrauch.
Niederdeutsche waren vom Kanzleidienst nicht ausgeschlossen, aber der Kanzler
an der Spitze blieb noch über ein Jahrhundert ein Hochdeutscher (Lausitzer,
Kulmbacher). Die Verfasserin stellt die Personalien im einzelnen genau fest,
konstatiert z. B., dass sich Nikolaus Krull aus Zerbst in privaten Angelegenheiten
der niederdeutschen, im Kanzleidienst aber der hochdeutschen Sprache bediente
(S. 37). Solche in beiden Sätteln gerechte Beamte mochten direkt erwünscht
sein, denn blieb die Geschäftssprache auch im Prinzip hochdeutsch, so hatte man
doch gelegentlich Veranlassung, die Landessprache ansuwenden: sowohl im aus-
wärtigen Verkehr mit den Fürsten von Pommern und Mecklenburg, wie im Innern
mit den niederdeutschen Städten. Aber auch bei den niederdeutschen Schreibern
treten die Eigentümlichkeiten des Berliner Dialekts so gut wie gar nicht hervor.
Unter Albrecht Achilles, der seine Besidenz wieder dauernd in Franken
aufschlug, wurde die Verschmelzung zwischen Nord- und Süddeutsch eher gehemmt
als gefördert. Erst mit Johann Cicero beginnt die Loslösung von den fränkischen
Stammlanden des Fürsteuhauses, die sich unter dem folgenden Kurfürsten vollends
durchsetzt. Mehr und mehr treten die Märker und speziell auch die Berliner
in der Kanzlei hervor — aber ihre Sprache ordnen auch sie derjenigen der Landes-
kanzlei unter. Nur im internen Gebrauch der Amtsstube, in den Vermerken der
Registerbände findet sich nach wie vor einzelnes Niederdeutsche.
153
Von ganz gelegentlichen Ausweichungen abgesehen, folgt die Brandenburger
Kanzlei einer einheitlichen Norm: sie beruht auf der ostfränkischen Kanzlei-
sprache Ansbachs, hat sich aber von dieser in einigen Punkten entfernt, in denen
wir bald Einfluss des Ostmitteldeutschen bald solchen des Niederdeutschen erkennen.
Die grammatische Darstellung dieser kurfürstlichen Kanzleisprache,
welche die Verf. (S. 64—66) für das 15. und (S. 67—74) für die erste Hälfte
des 16. Jahrhunderts gibt, könnte in Anordnung und Druck übersichtlicher sein, zumal
dem ganzen Buche ein Index fehlt. Als merkwürdig heb ich die Tatsache her-
aus, dass die neuen Diphthonge, welche sich in der späteren Regiernngszeit
Friedrichs I. nahezu durchgesetzt haben, unter Friedrich 11. wieder die alten
Monophthonge i und u in starken Prozenten neben sich dulden müssen.
Zur Ergänzung werden dann (S. 74—80) gemustert: die Urkunden des
obersten Hofgerichts, das anfangs noch in Tangermünde tagte und sowohl
durch diese seine Lage wie durch Tradition und Bedürfnis dem Niederdeutschen
noch eine bescheidene Nebenstellung gönnte, und die des Hof- und Kammer-
gerichts in Köln, dessen offizielle Sprache hochdeutsch war; weiterhin (S 80
bis 83) die Kanzleien geistlicher Behörden, Yon denen nur der Propst yon Berlin,
mit hochdeutscher Sprache, bemerkenswert ist. — Ausführlicher erörtert werden
die gesamten Verhältnisse der Berliner Stadtkanzlei (S. 84 — 104) : sie ist
die eigentliche Hüterin der niederdeutschen Sprache durch das ganze 15. Jahr-
hundert hindurch, aber doch auch nur bis eben über die Schwelle des sechzehnten !
Schon die „Saxonia' des 1517 verstorbenen Hamburger Domherrn Alb.
Krantz beklagt lebhaft die Verdrängung der 'sächsischen Sprache' aus der Mark,
die hier natürlich den Fürsten aus fränkischem Geschlechte' zugeschoben wird.
Und jetzt handelt es sich in der Tat nicht mehr bloss um die kurfürstliche
Kanzlei, sondern auch um die Geschäftsspraehe von Berlin. *Seit dem Jahre
1504 ist die Sprache der Berliner Kanzlei im internen Dienst
hochdeutsch* (S. 172). Die verschiedenen Kulturströmungen und -faktoren
welche, mehr oder weniger deutlich erkennbar, die Entwickelung gefördert und
den frühen und raschen Durchbruch ermöglicht haben, hat die Verf. S. 104 bis
154 vorgeführt und ruhig abgewogen; dass der Buchdruck und die Reformation
hier ausscheiden, erscheint von vorn herein selbstverständlich: sie haben weder
auf die Rezeption noch auf die allgemeine Durchführung des Hochdeutschen im
Geschäftsverkehr irgend einen Einfluss ausgeübt. — Durch die vorläufigen Zu-
sammenstellungen über den Übergang vom Nd. zum Hd. in andern märkischen
Städten (S. 161 — 454) eröffnet sich das Programm für eine weitere, ergänzende Arbeit.
Wir können nicht nur das Jahr, sondern auch den Tag — ^Mittwoch nach
11000 Jungfrauen* — und schliesslich den Mann, der am 23. Oct. 1504 die
hochdeutsche Geschäftsspraehe in Berlin eingeführt hat, bezeichnen: es war der
neue Stadtschreiber Johannes Nether, der an diesem Tage seine erste hoch-
deutsche Eintragung vornahm und binnen wenigen Jahren das Niederdeutsche
verdrängte bis auf jene geringen Reste im Wortschatz, die sich mit lokaler
Berechtigung ähnlich überall widerstandsfähig zeigen. Die Sprache Nethers ist
die der obersächsischen Kanzleien, der er ohne Fehler, vor allem ohne falsche
Verhochdeutschungen folgt. Da es Frl. Lasch nicht gelungen ist, über die Vor-
bildung dieses Mannes etwas zu erfahren, so mag eine Vermutung hier gestattet
sein. Der Name lässt nur zwei Deutungen zu : 1) aus einem Gewerbe, *Näther*,
ältere Bezeichnung für Schneider (vgl. noch 'Nätherin*); aber dieser Familien-
name kommt nur am Mittelrhein vor; daher wohl eher 2) aus einem Ortsnamen:
'Netra*, ortsübliche Ansprache 'Neter*, ist der Hauptort des thüringisch-hessischen
Ringgaus; aus diesem Orte wird wohl kaum Johannes selbst, aber doch seine
Familie stammen; er war also, wo nicht thüringischer Heimat, so doch thürin-
154
gischer Abknnft.^) Die Verf. ist (S. 163 f.) geneigt, ihn als einen Niederdeutschen
anznsehen, der in einer obersächsischen Kanzlei gelernt habe. Warum soll er
nicht vielmehr ans einer obersäcbsischen Kanzlei erst nach Berlin gekommen sein ?
als ein ^hochdeutscher Schreiber\ der in Berlin sich das Niederdeutsche dazu
angeeignet hat, sodass er in der Lage war, seine Beform durchzuführen, ohne
sofort gänzlich mit der Tradition zu brechen; denn auch N. selbst hat den Ge-
brauch des Niederdeutschen erst nach einigen Jahren ganz eingestellt.
Während sich Nethers Vorbild in der Stadtkanzlei derart durchsetzt, dass
seine Nachfolger (von 1512 ab) ausnahmslos hochdeutsch schreiben, bleibt die
Gerichtskanzlei (S. 180-200), obwohl die Richter das Hochdeutsche be-
günstigen, noch für einige Jahrzehnte im Bückstand: das Interesse der Parteien
bewirkt, dass der niederdeutsche Schreiber noch nicht sogleich entbehrt werden
kann, es zeigen sich allerlei Schwankungen und Mischformen, die aber gegen
die Mitte des 16. Jh. einem reinen Hochdeutsch völlig gewichen sind. — Diese
Berliner hochdeutsche Schriftsprache der Zeit um 1650 ist S. 200 ff.
kurz dargestellt; dazu tritt S. 20iS ff. ein Vergleich des Formelwesens in hd.
und nd. Periode.
Obwohl das Material, mit dem die Verf. arbeiten musste, trotz fleissiger
Heranziehung ungedruckter Archivalien manche Lücken aufweist, darf die erste
Aufgabe die sie sich gestellt hat, die Geschichte der Bezeption des Hochdeutschen
in der Berliner Geschäftssprache, als wohlgelöst gelten. Mehr anhangsweise hat
sie dann S. 212—224 die Zeugnisse gesammelt, welche das weitere Vordringen
der hochdeutschen Schriftsprache ausserhalb der Amtsstuben bekunden: Privat-
briefe und Urkunden aus den Kreisen der Berliner Patrizier, Rechnungen und
Quittungen der Handwerker, das Schauspiel und der Buchdruck, die von Anfang
an hochdeutsch sind, schliesslich die Grabschriften, in denen die neue Sprachform
schon im zweiten Jahrzehnt des 16. Jh. auftritt. Es ist möglich, dass hier
noch ein und der andere Nachzügler auftaucht: an dem Gesamtbilde des Ver-
laufs und des Abschlusses der Bewegung wird dadurch nur wenig oder gar
nichts geändert werden.
Die Arbeit von Frl. Dr. Lasch ist aus der Schule von Prof. Braune in
Heidelberg hervorgegangen: sie zeigt manches von den Vorzügen der eigenen
Arbeiten Braunes, nicht zum mindesten den, dass sie einem anscheinend trockenen
Stoff durch die streng historische Methode ein Interesse abgewinnt, das gewiss
wenige hier erwartet haben.
GÖTTINGEN. Edward SchrOder.
Das alte Bauernleben der Lüneburger Heide. Studien zur nieder-
sächsischen Volkskunde, in Verbindung mit dem Deutschen Verein für
ländliche Wohlfahrts- und Heimatspflege herausgegeben von Dr. Eduard
Kflek. Mit 41 Abbildungen, 24 Singweisen und einer Karte. Leipzig:
Verlag von Theod. Thomas 1906. XVI, 279 S. B«.
Der auf der letzten Pfingstversammlung des Vereins für niederdeutsche
Sprachforschung an mich gerichteten Aufforderung des Herausgebers dieser Zeit-
[1) Die Matrikel der Universität Leipzig weist, wie ich nachträglich sehe, in
den Jahren 1410 bis 1616 fünf Träger des Namens *(de) Neter (Netter)' aus
Leipzig, Altenburg, Saalfeld, Kolditz auf, s. Erlers Register Bd. 8, S. 692.]
155
Schrift, das bereits vor 4 Jahren erschienene Buch Eücks an dieser Stelle kurz
anzuzeigen, bin ich nicht nur aas dem Grande gern gefolgt, weil die Lünebnrger
Heide, deren altes Baaernleben ein Sohn dieser Heide hier zur Darstellang bringt,
auch meine Heimat ist, sondern in erster Linie deshalb, weil Kttcks aasgezeichnete
Arbeit es anter allen Umständen verdient, gerade im Kreise der Mitglieder nnsers
Vereins in möglichst weitem Umfange bekannt za werden.
Der Aasgangspunkt für die Abfassung des Baches sind dem Verfasser —
das verdient gerade hier hervorgehoben za werden — seine sprachlichen Stadien
gewesen. Ettck trägt sich seit Jahren mit der Absicht, den leider mehr and
mehr im Rückgang befindlichen niederdeutschen Wortschatz der Lünebnrger Heide
zu sammeln und in einem Wörterbuche zu vereinigen, und hat diesen Plan, für
dessen erfolgreiche Durchführung er natürlich die Mitarbeit weiterer Kreise nicht
wohl entbehren kann, in einem besonderen Aufsatze (Lüneburger Museumsblätter I
Heft 3 S. 1 — 17) im einzelnen entwickelt. Bei der zu diesem Zwecke Jahre
hindurch betriebenen Sammelarbeit, die den Verf. selbst immer wieder in die
entlegenen Heidedörfer führte, ist ihm nun zusammen mit dem sprachlichen
Material und diesem unlösbar anhaftend auch ein Teil des volkskundlichen Stoffes
zugeflossen, der durch besondere Untersuchungen systematisch erweitert sich dann
schliesslich zu einer abgerundeten Darstellung des gesamten Bauernlebens ver-
dichtet hat. Aber das Philologische ist — und das ist ein grosser Vorzug des
Buches — bei dieser Darstellung nicht ausgeschaltet worden, vielmehr teilt der
Verfasser für alle die unzähligen im Leben des Heidebauem als charakteristisch
vorkommenden Gegenstände und Tätigkeiten, die er in seinem Buche schildert,
stets auch die alten niederdeutschen Bezeichnungen mit, gibt sprachliche Erklärungen
dazu und zieht, wo er nur kann, auch niederdeutsche Sprichwörter und Redens-
arten zur weiteren Ausführnng in reicher Fülle heran. So ist denn ein Buch
entstanden, an dem Germanistik und Volkskunde gleichen Anteil haben und in
gleichem Masse interessiert sind, und das in dieser Beziehung geradezu als vor-
bildlich hingestellt werden kann.
Kück nennt sein Buch das „alte'' Bauemieben der Lüneburger Heide; er
schildert nämlich in erster Linie nicht das Leben, wie es sich heute in den
Heidedörfem abspielt, sondern eine schon etwas mehr zurückliegende Zeit, die
dem Verfasser aber noch durch Zeugnisse von Zeitgenossen zu erreichen war,
etwa die Zeit um 1850 herum. Ausblicke in die neuere Zeit und Vergleiche
älterer Sitten und Verhältnisse mit den heutigen fehlen dabei aber nicht. Räumlich
hat der Verfasser bei seiner Darstellung im wesentlichen den Regierungsbezirk
Lüneburg in Betracht gezogen, und innerhalb dieses Gebietes wiederum hat ihm
das meiste Material der Nordwesten, insbesondere seine eigene Heimat, das
Kirchspiel HoUenstedt mit Umgebung, geliefert. Aber auch die übrigen Gegenden
der Heide sind gebührend berücksichtigt und über einzelne Paukte hier und da
vorhandene Vorarbeiten, meist in Zeitschriften oder Zeitungen zerstreut, heran-
gezogen und angemessen verwertet.
Was die Gliederung des naturgemäss sehr mannigfaltigen Stoffes angeht,
so hat Kück ihn in der Weise gruppiert, dass er das Leben des Heidebauem
von seiner Geburt an bis zum Tode gleichsam vor unsern Blicken vorüberziehen
lässt, eine Anordnung, die für sich selbst spricht und schon insofern viel für
sich hat, als dadurch der ganzen Darstellung ein erfreulich einheitlicher Zug
zu Teil wird. Drei Abschnitte sind es, in die der Verf. auf dieser Grandlage
sein Buch teilt und unter denen er alle die verschiedenartigen Äusserangen des
Bauernlebens zwanglos unterzubringen weiss. Von einer Inhaltsangabe im ein-
zelnen muss bei der Vielseitigkeit des Stoffes hier abgesehen werden, nur auf
einige Punkte will ich kurz hinweisen. Der erste Abschnitt „Jugendjahre '^ führt
156
von den ersten Tagen des Kindes bis zu seiner Konfirmation. Hier werden wir
über alle die Sitten, Gebräuche und Äasserungen des Volksglaubens unterrichtet,
die mit Schwangerschaft und Geburt zusammenhängen, dann weiterhin besonders
ausführlich über Kinderspiele und Festgebräucbe, bei denen die Bauernkinder
eine gewisse Bolle spielen. Aus dem zweiten Abschnitt , Knecht und Magd,
Bräutigam und Braut' hebe ich als besonders wertvoll hervor die Darstellung
des ländlichen und häuslichen Lebens des Gesindes, die Untersuchungen ttber
die Volkstracht (S. 81 — 144) und die Schilderung der Sitten und Gebräuche bei
Verlobung und Hochzeit, aus dem dritten , Eignes Haus und eigner Herd, Alten-
teil und Tod" vor allem die Untersuchungen ttber Form und Einrichtung des
Bauernhauses.
Die dem Werke reichlich beigegebenen Abbildungen sind durchweg gut.
Ein voraufgeschicktes ausführliches Inhaltsverzeichnis und ein Register am Ende
erleichtern die Benutzung.
So kann ich Kücks Buch nur auf das wärmste empfehlen; jeder, der für
niederdeutsche Sprache und Kultur Interesse hat, wird aus seiner Lektüre hohen
Genuss und vielföltige Belehrung schöpfen.
DANZia O. Günther.
Niederdeutsches Jahrbuch.
\kJ
i-'i
Jahrbnch
des
Vereins für niederdeotsche SpracMorschang.
Jahrgang_1911.
7 CFTnc \
•'I.----.
xxxrn.
Heft I. (Festschrift Walther.)
-o
NORDEN anH LEIFZI&.
Diedr. Soltau's Verlag.
1911.
Niederdeutsches Jahrbuch.
Jahrbuch
des
Vereins für niederdentsche Sprachforschnng.
Jahrgang 1911.
XXXVII.
N06DEN BDll LEIPZI&.
Diedr. Soltau's Verlag.
1911.
♦•.
Drack von Diedr. Soltau in Norden.
Inhalt.
Heft I.
Festflcbrift Christoph Walther zu seinem siebzigsten
fiebnrtstag;e gewidmet. g^^^^
über die Umlautsbezeichnungen yon o und u in der Stockholmer Handschrift
des Wisbyschen Stadtrechtes. Von W. Schlüter 1
Kölner Klosterpredigten des 18. Jahrhunderts. Von Phil. Strauch. . . . 12
Zur altsächsischen Wortkunde. Von F. Holthausen 49
Berg in Strassennamen und der Berg in Hamburg. Von P. Feit 58
Eine neue Zeitung vom Berge Sinai 1511. Von M. Perlbach 58
Der Anteil Norddeutschlands am eyangelischen Kirchenlied des 17. Jahr-
hunderts. Von H. Tümpel 64
Katholisches in der niederdeutschen Mundart der Prignitz. Von E. Mackel. 70
Der Anteil des Niederdeutschen am Lehnwörterschatze der westslawischen
Sprache. Von C. Borchling 75
Zur Magdeburger Scböffenchronik. Von F. Frensdorff. 96
Schauer. Von Hjalmar Psilander 108
Missingsch. Von Herm. CoUitz 110
Niederdeutsche Kleinigkeiten aus dem Göttinger Cod. jnrid. 786. Von
G. Roethe 114
Mittelniederdeutsche Fischereiausdrücke. Von W. Seelmann 120
Heft II.
Geistiges Leben im Deutschen Orden. Von W. Ziesemer 129
Anna Renata Breyne's aus Danzig plattdeutsche Gedichte (1748). Von W.
Domansky 140
Bittlied aus Westfalen an die weiblichen Heiligen. Von H. Jellinghaus. . 146
Zur 'Deutschen Dialektgeographie'. 1. Zur Zirkumflexion im Niederrheinischen.
2. Ostfries, bitjet, biljü 'bisschen'. Von N. Otto Heinertz. . . . 147
Mukau von Halwerstadt. Von R. Block 154
Berichtigung zu Jahrbuch 86 S. 146 (Eilsdorfer Idiotikon) 160
Ober die UmlaatsbezeicImungeD
Yon 0 ond n in der Stockholmer Handscbrift
des Wisbyschen Stadtrecbtes.
Obwohl unter den heutigen Germanisten über das Vorhandensein
des Umlauts von o und u in der mnd. Periode kein Zweifel mehr
besteht, ja die Anfänge der lautlichen Beeinflussung dieser Vokale
durch nachfolgendes i (j) bereits in die and. Zeit verlegt werden,
ist man bei der teils vollständig vernachlässigten, teils ganz unregel-
mässig, unconsequent und mit zweideutigen Mitteln versuchten Be-
zeichnung des Umlauts in den mnd. Handschriften doch in manchen
Einzelheiten über seinen Umfang und seine Geltung in den verschiedenen
Gegenden des mnd. Sprachgebietes noch im Unklaren und läuft Ge-
fahr, durch schematische Verallgemeinerung eines im Prinzip richtigen
Lautgesetzes oder durch voreiligen Rückschluss vom Lautstande des
nnd. aus, dem mnd. Gewalt anzutun. Es ist auch heute noch vielfach
so, wie es Walther in der Vorrede zum mnd. Handwörterbuch (S.
IX) ausgesprochen hat, dass man nicht im Stande ist, ;,für jeden
einzelnen Fall sicher den Umlaut zu behaupten oder zu leugnen.^
Ob man jemals diese absolute Sicherheit für jeden einzelnen Fall er-
reichen wird, ist mir fraglich. Dennoch dürfen wir kein Hülfsmittel
verschmähen, das uns auf dem Wege zu diesem Ziele fordern kann.
Neben der prinzipiellen Wichtigkeit der nnd. Formen kommen der schon
mit Erfolg herangezogene Reimgebrauch in den mnd. Gedichten, die
Schreibung mnd. Wörter, besonders der Orts- und Personennamen, in
ausserdeutschen Quellen und die aus dem mnd. in andere Sprachen
aufgenommenen Lehnwörter in Betracht, i) Als das wichtigste Mittel
muss aber immer wieder die handschriftliche Überlieferung unserer
mnd. Denkmäler herangezogen werden. Freilich ist der Versuch der
Schreiber, durch diakritische Zeichen aller Art den lautlich verschie-
denen Wert der einfachen Buchstaben o und u (v) deutlich zu machen,
so unbeholfen, häufig zweideutig und irreführend, dass man von der
Wiedergabe dieses scheinbar nur in Verwirrung führenden Beiwerkes
1) Als wertvolle Untenuchungen in diesen Richtungen nenne ich : Holst, Mnt.
omlyds forhold belyst ved danske laaneord im Ark. f. nord. fil. 18, 210 ff. — Mar-
qaardsen, D. Einfl. d. mnd. auf d. Dan. in PBB. 88, 405 ff. — Eorldn, Statwechs ger.
Weltchronik, üpps., 1906. — Fischer, D. Lehnwörter d. Altwestnordischen. (Palästra85.)
Festgabe (Nd. Jb. XXXVIl). 1
in der Ausgabe von mnd. Texten oft ganz abgesehen und dadurch
ihre Benutzung zu sprachwissenschaftlichen Zwecken unmöglich ge-
macht hat. Nur eine auch schon von Walt her befürwortete genaue
Angabe der in jedem mnd. Schriftstück beobachteten Schreibregel
und die Untersuchung dieser Regeln nach ihren zeitlichen und ört-
lichen Besonderheiten kann uns darüber aufklären, wie weit die
mittelalterliche Schreibstubentradition fähig und gewillt war, den
Lautverschiedenheiten Einfluss auf die Orthographie zu gestatten.
Welche Bedeutung solche Untersuchungen des Schreibgebrauches
gerade für die ümlautsfrage haben, ist durch CrulFs Vorgang (Nd.
Jahrb. III, 1 flF.) bewiesen.
Meines Wissens ist bisher einer Handschrift keine nähere Unter-
suchung zu teil geworden, die durch die Unzweideutigkeit der in
Frage kommenden Zeichen und die konsequente Sicherheit ihrer Ver-
wendung mir eine besondere Wichtigkeit zu besitzen scheint. Es ist
dies die Stockholmer Handschrift (B. 63) des Wisbyer Stadtrechtes.
Ihrer Behandlung des Umlautes von o und u seien die folgenden
Blätter gewidmet. Die um die Mitte des 14. Jh.'s vermutlich
in Wisby selbst von der Hand eines Schreibers geschriebene Per-
gamenthandschrift enthält in gutem mnd. das von König Magnus
Erikson von Schweden (1311) — 1369) erneuerte und bestätigte Recht
der Stadt Wisby. Die Handschrift ist in mustergültiger Weise aufs
sorgfältigste herausgegeben von C. J. Schlyter im Corpus iuris Sueo-
Gotorum antiqui, Vol. VIII. (Lund 1853) und mit einem trefflichen
Glossare versehen. Der Herausgeber hat dem Abdrucke ein Facsi-
mile der ersten 7 Zeilen des Textes beigegeben, aus dem man sich
von der Sauberkeit und Deutlichkeit der Schrift überzeugen kann.
Ich habe die Handschrift nicht vergleichen können, glaube aber, dass
Schlyters Text auch in allen Einzelheiten vollen Anspruch auf Zu-
verlässigkeit machen darf. Die Handschrift, die auch in anderer
Hinsicht mehr Beachtung verdient, als sie bisher gefunden, i) zeichnet
sich durch eine grosse Gleichmässigkeit der Orthographie aus. Ich
erwähne hier nur kurz folgende Eigentümlichkeiten:
^) Anmerkung. Weder das mnd. Wörterbuch noch das Handwörterbuch
haben das Wisbyer Stadtrecht berücksichtigt. Ich führe hier aus der grossen An-
zahl der ihm eigentümlichen Wörter nur folgende an: barkhus, bechere^ bedörvcn,
begheren, berkere, bertepperache, bermf, besq/ldeghen, bewinteren, borel, eine Art
Zeug, botere, bröderlik, bfytteghe, butenkoatf denstmaghet, devinne, döfheü^ döfnisse^
dövCy drambedde, drypperüm, diimenbote, ervelof, erverecht^ ghewassen, ghetoicht^
gülden^ halUng, halverscichtinge, hastegeü^ Hastigkeit, Acre, hieher, hökere, hökersche,
hönliky kalksten, kanne^ kemerere^ kenebacke^ kmjppelinghe, cöpelscop, köpunf^ löninge^
Ladung, misgripen, moderen^ Muttererbe, mordbernesche, nachtscrichtey porUy Hode,
schipbröke, schiffbrüchig, seghCj Ausfluss aus der Nase, sidenwant, aamhaiides,
samrädy svale, Vorbau eines Hauses, tei/se, Zwist, vederen, Vatererbe, vifte, Fünf-
tagefrist, väre, in gutem Stande, varldt, Vorhang, vorkybbingJie, Ausbau, vyrloze,
Brand, wedersnack^ toilleghes, witwort. Wenn auch manche der Wörter schwe*
discher Herkunft sein mögen, so würde doch der mnd. Wortschatz durch Aufnahme
der sicher mnd. Wörter eine Erweiterung erfahren.
3
1) gh steht an- und in-lautend nur vor e\
2) € besonders vor / in claghe, claghen^ cleghere^ clene, clmöde^
cledere; (aber klet Hocke); und neben häufigerem k auch vor
r, 0, u und y in crwm, cnice^ crude; comen^ cop, copen^ copper^
cost; cumt^ cumpanescop; cyssen;
3) th statt t nur vereinzelt in be-reth (IV, I, 25); bruth (IV, I, 17);
deth (II, 18); ethen (IV, I, 13); groth (Praef.; II, 50); fe^Asa(7«
(Ind. III. III. 19); thire (III, III, 17); vorth (II, 50); voth (I, 28);
öfter in thegen neben ^«jrew, und besonders häufig in thid^ thit,
hochtith neben tid und ^i^;
4) dh an Stelle von rf, nur einmal im Artikel dAe (IV, 26), viel-
leicht ein ganz vereinzeltes Beispiel für ein aus älterer Vorlage
herübergenommenes dli (= as. th)\
5) sc im Anlaut nicht nur vor r, a, o und w, sondern auch durch-
weg vor e, i und y {sceden^ scip, scyllen)\ Ausnahmen: scho\
beschedeneme, beschedelikm^ besehe^ gescheden^ schelmde, vm^schete;
seh im Auslaute: valsch, versch und in der Bildungssilbe -isch:
dgdesch, götensck^ bruggesch; hökersche, mördersche n. s. w., (Aus-
nahme: ryffersce). Nur im Verbum sollen wechselt sc mit s (z)^
doch so, dass s {z) bei weitem überwiegt; so stehen neben scal^
scolen, scollen, scöllen, Scyllen^ scolde die Formen sal (zal), solen
(zolen)^ sölen (zölm\ sollen {zollen\ sollen {zollen)^ syllen (zgUen)^ solde,
[zolde^ zölde)\
G) z für das überwiegende s ist nicht selten im Anlaute: zake^ zal,
zamene, zee, zegghe^ zeghel, zeker, zele^ zer, zi, zin, zir = ziner^
zode^ zolde^ zolen, zollen^ zölen^ zöUen, zölde^ zylf^ zfjllen; seltener
im Inlaute: ghelezen^ lözen, vredelozen^ vyrloze^ tveze^ wezen, betvizen,
wortinze und nur vereinzelt im Auslaute: loz^ vreddeloz^ worthvs;
7) fiir germ. ft steht cht in achter^ echt, echt und wieder, hechte,
nodtrocht neben nodtroft und nottorft, scacht, nmberochtet) dagegen
ist in den Adjektiven auf -haftich (-heftich) ft ausnahmslos bei-
behalten (ech-, legher-, scult-, tins-, torf')\
8) eine Eigentümlichkeit besteht darin, dass nach toniangem Vokale
die Consonanten auch verdoppelt auftreten: bröke und brocke,
zeker und secker, koke und kockene, tveke, wecke und wekke\ bederve
und bedderve, bodel und böddel, mede und medde, neden, neder
und nedderste, beneddeti, vrede und vredde, weder und wedder;
scepe und sceppe; scotele und scottele, slötel und slöttel; zolen und
zollen; öre und örre, döre und dörre; ohne Belege fiir einfache
Consonanz: dröppel, gaddere, goddes, sedder, vadder, Gevatter,
vedde7\ Bei alter " Geminata kommt solches Schwanken nicht
vor: rucken; hebben, ribbe; bedde, bidden, hadde, hedde; dryppe,
treppe, reppen; splitter, setten; vallen; herre, verre; freilich steht
auch vereinzelt seghen neben segghen, leghen neben legghen. Es
muss aus dieser Unsicherheit der Schreibung doch wohl auf
eine schwankende Aussprache geschlossen werden.
1*
Auch auf dem Gebiete der Vokale ist dem Schreiber eine feste
Beherrschung der einmal angenommenen Orthographie nachzurühmen.
Die Länge der Vokale wird weder in offner noch in geschlossener
Silbe bezeichnet. Ganz sporadisch sind Schreibungen wie raad (I, 1);
zee^ see (neben se); meer (I, 1); zeer (II, 37); seen^ seet neben sen^
meetliken (11, 37) ; veer (I, 5) neben ver^ doot (11, 17) neben häufigem
dot] quiit neben quit.
In einem über das o gesetzten zweiten o (das Zeichen ist hier
durch ö wiedergegeben) begegnet uns ein Versuch, die Länge des o,
sowohl das 6^ als das ö*, zu bezeichnen ; aber der Versuch beschränkt
sich auf einsilbige Wörter und ist auch hier nicht consequent durch-
geführt: böc (I, 1); höd (Ind. I, 15, 6); v6t (ö.), ddd (II, 5) neben
doot und häufigem dot; not (Ind. I, 45), lös (I, 31), Idn (II, 5; II, 37 : 16.),
bescöt (III, 21; vgl. mnd. Handwb. geschöt) neben 6rorf, don, Ion, nod,
vot u. s. w. Ein ü verwendet der Schreiber nur in rümm^ räumen
(III, III, 3); sonst nicht, auch nicht in gud^ gut, Gut, dessen Vokal
in anderen mnd. Handschriften so häufig mit einem diakritischen
Zeichen yersehen wird.
Für die Diphthonge sei nur bemerkt, dass für ei zwar die
Schreibung ei überwiegt, daneben aber auch ey nicht ganz selten ver-
treten ist: eyn^ eynes, beyde^ beydeti^ keyaer, gheneyet^ reyse, teyse^ un-
twey, ^heyt^ Beyern, Meynersheim, Reynold.
Der Umlaut von a und d ist unterschiedslos durch e bezeichnet:
eider, erger; bereth (3. sg. zu beraden), sueghere, vorredere, were n. s. w.
Was nun aber der Handschrift ihre besondere Wichtigkeit für
die mnd. Orthographie verleiht, ist die grosse Regelmässigkeit, mit
der auch die Umlaute von as. u und o kenntlich gemacht sind. Zur
Bezeichnung der verschiedenen Laute bedient sich der Schreiber
dreier Zeichen : ü, y und 0. Da er aber diese Zeichen auch für Laute,
die nicht durch den Umlaut entstanden sind, verwendet, so führe ich
im Folgenden alle überhaupt mit diesen Zeichen geschriebenen Wörter
der Handschrift auf; aus der Vergleichung mit den entsprechenden
as. und nnd. Formen dieser Wörter ergibt sich wohl meist ohne Zweifel
die lautliche Geltung des im Einzelfalle angewandten Zeichens.
L Das Zeieben ti.
Das Zeichen ü findet sich in folgenden Wörtern:
besculdeg}ien, swv. beschuldigen (II, 37 : 15); sn as. $kuldig\ nnd. schüüiek
nuske, f. Spange (IV, I, 16); as. nuecai ahd. nv^gia,
pünderCf m. Wage (11, 46); zu as. pund,
sculdemere, m. Glänbiger (lU, I, 22 : 6); zn as. slädd; in der Hs. der Bigischen
Umgearb. Stat. (s. unten) sculdemere,
st^ke, n. Stttck (II, 24); as. stukki] nnd. stücke.
Da die drei letzten Wörter auch in der Schreibung pyndere (III, III, 16),
scyldemere (II, 5:4 u. ö.), stycke (III, I, 26 : 1 u. ö.) vorkommen, so
ist nicht daran zu zweifeln, dass mit n = y ein t<-laut bezeichnet
werden soll. Dazu kommt, dass der Schreiber das Zeichen ü in lüde
(Ind, I, 1; II, 29); Lupoid (Praef.); vrtind (I, 14) auch für den aus
as. iu entstandenen ü-laut verwendet und in lyde und vri/nt an
mehreren Stellen gleichfalls statt des ü, das offenbar als eine nach-
trägliche Besserung eines vielleicht aus der Vorlage herüber-
genommenen u aufzufassen ist, y setzt. Schliesslich steht u auch in
scüt, geschieht (I, 60; II, 32:2), und sende, geschah (11, 35), Formen,
die wie mehrfach belegtes sct/d, scyt (s. weiter unten) beweist, scft^,
sc^de zu lesen sind.
II. Das Zeichen y.
Das Zeichen y kommt in unserer Handschrift nur ganz aus-
nahmsweise als Vertreter von «, und zwar nur von langem i, vor:
niye, neu (Praef.); tyre. Stiege, Anzahl von 20 (III, HI, 15) = thire
(in, ni, 7); vliym, stellen (III, III, 19); vry, frei (II, 37; vriyen
IV, n, 1); Ypersch, aus Ypem (III, III, 15), yserm. Eisen (I, 41);
über seine Verwendung im Diphtonge ey s. vorhin (S. 4). In allen
übrigen Fällen kann y nur als Ausdruck eines u-lautes gelten, und
zwar 1) als Umlaut von kurzem und 2) von langem u, 3) als Ver-
treter von as. iu, 4) in Fremdwörtern und 5) als Bezeichnung eines
verdumpften Lautes verschiedener Herkunft.
1. ^ als Umlaut von kurzem u.
bryste, pl. Brttste (I, 44); neben börste (I, 44); as. briost; nnd. bost, pl. böste.
dryppey m. Tropfen (III, I, 12: 1); nnd. drüppen,
'dtfrücen in mis-dynken, swv. imp. c. dat verdächtig scheinen (III, I, 22:3);
ags. thunkian-, nnd. dünken,
dynne, adj« dünn (III, m, 15); as. thunni; nnd. dünne,
hylpe, f. Httife (II, 10); wegen des as. hdpe könnte man den ü-Iant für eine
Verdampfung von e wie in sylf ans seif (s. weiter nnten) halten, aber
schon die anfr. Psalmen haben hulpaj huiperey ku^pi^lös; nnd. hülpe.
hylpe^ 3. sg. coig. prt. zu helpen, hülfe; as. *hulpi\ nnd. hülpe.
knyppekn^ swv. knüppeln (I, 33); dazu knyppeUnghe^ f. Prügelei (I, 34:5
u. 0.); zu as. *knupil\ nnd. knüppele
kynUt 3. sg. prs. zu komen, kommt (I, 1); daneben cumt nnd comet (s. weiter
nnten S. 16); as. kumid] nnd. kümt.
kyndigJien, swv. kündigen (I, 36 u. ö.); zu mnd. kundich\ nnd. künnig.
kynne, 3. sg. conj. prs. könne (II, 10; IV, II, 2); as. *kunni\ nnd. könne,
eyssen, swv. küssen (I, 46); as. ku^sian\ imL küssen,
kyssen, n. Küssen (IV, I, 7); abd. ku^sin\ nnd. küssen,
lychien, swv. heben, lüften (III, in, 10); zn mnd. luft-, nnd. lüflen (Brem.
W. B III, 96); an. lypia\ schwed. lyfta; engl, lift
lycfUer, adj. link (I, 67); mnd. W. B. luchter, locliteT\ nnd. lückter (Doorn-
kaatE.); lucht (Brem. VV. B. III, 96; Schambach).
lysten, swv. lüsten (IV, I, 18); as. lustian\ nnd. lasten,
-myndich, a^j. mündig (IV, I, 25); zu as. mund\ mnd. W. B. mioidich]
nnd. mündich.
nytte, adj. nütze (III, I, 26); as. niUti\ nnd. nütte.
pyndercy m. Wage (HI, III, 16); sn as. jmnd; s. vorhin (S. 4) piindere.
ry/fersce, f. Kupplerin (I, 48); mnd. (8ch.-L.) ruff'ersche.
6
scylde/in^Cy m. Qläabiger (II, 6 : 4 u. ö.); zu 8culd\ s. auch vorhin (S. 4)
scüldemere] vgl. dän. skyldner\ die auffallende Bildung sctjld&mere ist
vielleicht eine Entstellung einer ursprünglichen Zufammensetzung; vgl.
afries. schildman; schwed. (Schlyter) schyldmany Verwandter.
scyldich, adj. schuldig (n, 5. n. 0.); as. skuMig] nnd. schÜüich,
styeke, n. Stück (XU, I, 26 u. ö.); as. stukhi; nnd. stücke\ s. S. 4 stücke,
stynde, 3. sg. conj. prt. stünde (11, 24); nnd. stünde, stürme,
synderlikes, adv. sonderlich (I, 1:7 u. 0.); zu sunder \ wegen des Umlauts
vgl. bröderlikf metliky hönlik u. a.
'Vlyckiich, adj. flüchtig (n, 6 n. 5.) in vorvlychtieh] as. fluhtig-, nnd. flüchiick.
vormynde, swm. (IV, 11, 1) und vormyndere stm. (I, 42 u. ö.), Vormund; zu
as. mund.
varkybbinghe, f. Ausbau (III, I, 15:1); mnd. kübbung, Verlängerung des
Strohdaches (Strodtmann, Id. Osn., S. 117); mnd. Handwb. ktMendroppe,
Tropfenfall von der kubbing.
ivyste, 3. sg. conj. prt. wüsste (I, 32; II, 4); analogisch gebildeter Coig. zu
mnd. umste; nnd. toüsde (Schambach).
Es mag hier gleich angefägt werden, dass in einer, freilich ge-
ringen Zahl von Fällen der erwartete Umlaut nicht bezeichnet ist:
brugghe^ Brücke (I, 10 u. ö); bruggesch, brüggisch (III, III, 15);
gülden^ golden (IV, I, 21); cumt Qcumt^ cumd^ cumpt^ Jcumpt)^ kommt
(I, 16 u. ö.); rucket^ ppp. (I, 55); saddich (III, 22); sculdemer (11, 5);
simderlikes (IV, I, 6); underwunne, 3. sg. conj. prt. (II, 37). Es mag
dahingestellt sein, ob im einzelnen Falle nur die Unachtsamkeit des
Schreibers an dem Ausbleiben des Umlauts schuld ist, oder ob etwa
vor bestimmten Lautgruppen die Klangfarbe des Vokals nicht be-
stimmt genug war, um eine Umlautsbezeichnung zu erfordern; ghe-
custj ppp. geküsst (I, 46) ist wie andere ppp. (ghehort, gheroft^ tx>rt^
upghebart) mit unmittelbarem Anschluss der Endung an den Verbal-
stamm gebildet und zeigt deshalb mit Recht keinen Umlaut. —
Auffallender als das vereinzelte Wegbleiben der Umlauts-
bezeichnung ist, dass der Schreiber in zwei Fällen y setzt, wo es
nach den bekannten Umlautsgesetzen nicht erwartet werden darf.
Es sind dies die beiden Wörter scylt^ f. Schuld (I, 53; II, 6) neben
häufigerem sculd, scuU (11, 50 u. ö.) und vorvlycht, f. Flucht (I, 38)
neben vorvlucht (I, 39).. Für Schreibversehen darf man die Setzung
des y nicht halten, da auch in der weiter unten besprochenen Hand-
schrift der Rigischen ^Umgearbeiteten Statuten^ gleichfalls sculd {ü
ist in dieser Hs. regelmässige Bezeiqhnung des umgelauteten ii) ge-
schrieben wird. Man wird das y des nom. acc. sg. scliwerlich durch
Eindringen des Umlautes aus den lautgesetzlich mit Umlaut gebildeten
anderen Singularcasus oder dem Plural erklären können (der dat. sg.
lautet in unserer Hs. auch sculd), sondern lieber durch Einfluss des
altschwedischen skyld (neben skuld und skild, s. Schlyter im Gloss.
ad corp. jur. Sueo-Got.; vgl. auch an. u. dän. skyld\ ags. scyld\
afries. schild) und flygt (ags. flykt; afries. fleckt). J. Mar-
quardsen (PBB 33, 458) macht darauf aufmerksam, dass das Dänische
in Wörtern, die es dem mnd. entlehnt hat, den Umlaut nach
Analogie verwandter Wörter eindringen lässt, auch wo er keine Berech-
tigung hat: fornymst^ f^yg^t 9V^^\ vgl. Holst im Ark. f. n. fil. 18, 220.
2. y als Umlaut von langem u,
bi'ijdcgamy m. Bräatigam (IV, I, 9 u. ö.); as. hriidiyunio\ nnd. hrödegam,
br^gain.
hryttcghe, -töghe, m. Brautführer (IV, I, 10 u. ö.); vermutlich dem schwed.
bryttugka entlehnt (s. Schlüter, Glossar).
bydel, m. Beutel (IV, I, 9); ahd. biUil\ nnd. bfiel.
dicsmydischy adj. zu dem flandrischen 0. N. Dix^mda^ Dcxemuth (Hans. U.
B* I, No. 608; 805); (HI, III, 15).
dryghey adj. trocken (III, III, 13); as. *drugi\ ags. dryge\ neben dröghcy s.
weiter unten.
hysighe, f. Wohnung (III. I, 19); zu as. hüs', nnd. (meckl.) hüsung.
cryde, n.? Gewürz, Confekt (dt. sg. II, 36; pl. FV, I, 20); zu as. krud] nnd.
krüde, ausgekochter Saft aus Früchten; Gewürz (Dähnert, Pomm. u.
Küg. Wb.).
rorsyymrit swv. versäumen (III, I, 22; HI, in, 7); dazu vorsyminge {U, 37);
as. *sÜ7njan\ ahd. farsnmen\ mhd. süm£n\ nnd. vers^nien, —
Auch hier finden sich einige Belege ohne Umlaut:
bi-^udegam (IV. I, 9; IV. I, 17); crude (IV. I, 6); vorsumet (III, I, 22).
Erwarten sollte man y statt u auch in cruce^ Kreuz (II, 10);
as. kruci, mnd. krüze. —
3. y als Vertreter von as. iu.
Dass in den unter 1. und 2. angeführten Wörtern y wirklich
einen ie-laut ausdrücken soll, wird auch indirekt bewiesen durch die
Tatsache, dass es ausserdem einem as. aus germanischem eu (vor t)
entstandenen iu (= ahd. mhd. iu, nhd. eu) entspricht. Obschon in
den mnd. Handschriften dieses as. iu meist durch einfaches u bezeichnet
wird (seltner und inconseciuent durch d, ue^ ü, iu, ?a, uy\ so ist doch
für die ganze mnd. Periode als Aussprache ein u-laut anzunehmen,
da auch in den nnd. Reflexen der in Betracht kommenden mnd.
Wörter ü erscheint.
Folgende Belege sind zu verzeichnen:
bf/detf 3. sg. praes. zu bedenk bieten (III, 20); as. biudid] nnd. büt.
dydeschj adj. deutsch (Praef.); as. thiudisk: nnd. d^tsch.
dyfief f. Diebstahl (I, 39 u. ö.); as. *thiubiiha\ mnd. Wb. duvete^ dufte.
dt/rCi adj. teuer (II, 7; IV, I, 7); as. diuH\ nnd. rfüer.
dyvCy f. Diebstahl (II, 37); as. *thiu\)ia\ ahd. thiuba\ mnd. Wb. dhuve^ d^ve;
diuvech.
hfp'ey f. Miete (III, I, 22) ; dazu hyi'euy varhyrenj vermieten (III, I, 22 u. ö.) ;
ags. hyr f., hyrian\ nnd. hüren.
kysetj 3. sg. prs. zu /ceseuj kiest (III, I, 9) ; as. kinsid.
hjchtcnmekere, m. Leuchtenmacher (II, 34); zu as. Hluhitlui, mnd. Wb. luchte\
nnd. Inchte mit verkürztem Vokale.
lydet pl. Leute (I, 37 u. ö. ; auch in Zusammensetzungen mmnecht-, rad-,
spei-, vrucht'lyde)\ as. Hudi; nnd. /üe; s. S. 4 lüde.
8
Lydhard (Praef.); in der lateinischen Urkunde von 1163 (Hans. U. B. I, no. 15),
der der Name entnommen ist, steht Luthardus; in Lupoid (Praef.) hat
der Schreiber in dem einem as. Liudbald (Heyne, and. Eigennamen, 8. 18)
entsprechenden Namen das as. iu durch ü wiedergegeben; in der lat.
Urkunde steht übrigens Luidolfus.
scyd, scytf ghescyt, 3: sg. zu scen, geschieht (I, 52 u. 5.); daneben scud
(s. oben S. 5) ; die mnd. Form ist nach und. seMt (so schreiben Schambach
und Nerger gegen Lübben, mnd. Gr. S. 73, und Doornkaat K. I, 614) mit
langem ü anzusetzen und erklärt sich (wie das entsprechende M, sieht,
zu sen) als Analogiebildung zu tft^ zieht, und vlytf flieht, mit deren
Infinitiven tin und vlen die Infinitive sehen und sen durch den gleichen
Ausfall des k in Parallele getreten waren. Auch im praet. scüde (II, 35),
einer Neubildung nach dem Praesens, int ü =" y = ü aufzufassen.
iychf n. Zeugenbeweis, m. Zeuge (II, 28; II, 30 u. 0.); mhd. xitte, gexiuc;
und. t^ge\ dazu tyghen^ zeugen (I, 50); betyghen, bezeugen (II, 48); vor-
tyghent durch Zeugnis überwinden (1, 34) ; tyghingey Zeugenbeweis (DI, 1, 22).
tychy n. Zeug (II, 44) ; as. gitiuhc (hs. gitiuht), Aufwand ; mhd. zmc ; nnd. tfich.
tyt, 3. sg. prs. zu ten, zieht (I, 32 u. ö.); as. tiukid] nnd. ttt
uni-vlytf 3. sg. prs. zu untvlen^ entflieht (I, 36 u. ö.); as. *fliuhid,
vorlys, n. (?) Verlust (II, 5); nnd. verlas (Schambach), Gewölbe unter dem
Turme; verlüs^ verlies (Brem. Wb. III, 55), Verlust, Abgrund; Schiller-L.
geben neben vorlüs (vorlueSf vorluis) auch vorles, vorliesy aus dem nnd.
verlies und nhd. Verlies^ Gef&ngnis, entsprungen sind.
vorlyset, 3. sg. prs. von vorlesen^ verliert (IV, I, 1); as. *farliusid\ nnd.
Verlust mit Verkürzung des Vokals.
vyvy n. Feuer (II, 24); as. fiur\ nnd. /fter; dazu vyrlox (II, 24), Feuerschaden.
vrynty m.. Verwandter (I, 37 u. ö.); einmal (I, 14) auch vnind; as. friutid]
nnd. fründ.
Auch für diesen aus as. iu entstandenen ü-laut ist im Anschluss
an die übliche mnd. Orthographie einigemale u statt des regelmässig
durchgeführten y gesetzt: hure, Miete (III, I, 22. 24. 25); lüde, I^ute
(I, 58); Ludolf (Praef.) = Luidolfus in der Urkunde von 1163;
Luhel-e (Praef.) = Luibyke in der Urkunde von 1163; dass in diesem
Namen slawischer Herkunft ursprünglich ein Diphthong iu gesprochen
wurde, geht aus den ältesten Schreibungen Liubtce, Liubike, lAubeka,
Lyubeka, Lyubeke, Liubec bei Adam von Bremen, in den Poehlder
Aunalen, in Urkunden des XII. Jh's., ja selbst noch in der Chronica
Slavorum Arnolds aus dem Anfange des XIII. Jh's. und in einer
Pommerschen Urkunde vom J. 1263 (Lüb. U. B. I, no. 272) deutlich
hervor. Die Aussprache dieses iu als ü erhellt zur Genüge aus der
Wiedergabe des Namens in den dänischen und schwedischen Urkunden,
wo er mit y geschrieben wird (z. B. Lüb. U. B. I, no. 448). Die in
den deutschen Urkunden schon vom XII. Jh. an (z. B. Lüb. Urk. I,
no. 7 vom J. 1188) übliche Schreibung des Namens mit u schliesst
sich der Behandlung der Personennamen mit Liud- als erstem Be-
standteil an, in denen von 1150 an überall iu durch u ersetzt wird.
Wie aber Ohnesorge, Die Deutung des Namens Lübeck (L., 1909),
S. 32 treffend bemerkt, weisen sowohl die im XIV. Jh. neben der
gebräuchlichen mud. Schreibung sich Endenden Belege mit u, ü und u
als auch die zu gleicher Zeit in oberdeutschen Urkunden vorkommenden
Namensformen Lübekk, Lütcek (ib., S. 33) darauf hin, dass die Aus-
sprache des Namens mit ü niemals aufgehört hat; in den russischen
Urkunden des XIII. Jh's. wird das ü durch den Diphthong ju (= tu)
wiedergegeben (Napiersky, Russ.-livl. Urk., S. 9).
4. y = til in fremden Wörtern.
eveniyre^ Abenteuer (IV, I, 23); mnd. Wb. eventtM-e^ eventuer, aventuir;
mhd. aventiure, —
myre, f. Mauer (II, 39 n. ö.); as. mür- in mürbraca, Mauerbrecher; ahd.
neben müra auch mürt f.; ein as. *müfi ist nicht belegt; aber und.
müre (Brem WB. ni, 205; Schambach; Doornkaat K.), mflLerkerf Maurer,
und das aus dem nd. ins Estnische aufgenommene mür\ gen. mun, Mauer,
machen in Übereinstimmung mit der Schreibung myre die Aussprache des
mnd. mure als mtre unzweifelhaft. —
Den Namen Wisby (I, 1) giebt unsre Handschrift in der den
nordischen Schreibern geläufigen Orthographie, während die deutschen
Urkunden meist Wisbu (Wisbu) schreiben. Hier hat y selbstver-
ständlich die Geltung eines li-lautes; in Ypersch^ aus Ypem (lU, III,
15) dagegen die eines i (s. oben, S. 5), da in den Urkunden des
Xm. Jh's. der Ort bald mit Y (Hans. U. B. I, no. 1036, 1279. 1280.
1307), bald mit / (no. 201. 302. 805) geschrieben wird.
5. y als Bezeichnung eines Lautes von unbestimmter,
dumpfer Beschaffenheit.
In folgenden Fällen steht y an Stelle verschiedener as. Laute,
um eine durch nachbarlichen Einfluss bedingte Verdumpfung wieder-
zugeben.
In sylf, zylft selb (I, 37 u. ö.), wofflr einmal (I, 38) auch sulf geschrieben
ist, erscheint y anstatt des as. e\ die Form mit e (sehe II, 36 u. ö.;
xdven n, 37) ist daneben sehr selten; eine dritte Form sölven (I, 41;
lY, I, 23), sölves (II, 37) beweist nur die Unsicherheit des Schreibers
gegenüber dem schillernden Laute.
Ebenso findet vor U ein Schwanken zwischen ü und ö statt in der 3. sg. coig.
praes. xylle, solle (Ind. I, 13; III, I, 22) = as. sctdi und der 3. pl. ind.
praes. syllen (I, 58 u. 0.), zyllen (EI, 10 u. ö.), scyllen (I, 33 u. ö.) neben
zöle und sölen (s. unten, S. 12). Man könnte versucht sein, xylle in
direkte Beziehung zu as. sculi zu setzen und ebenso in den Formen des
ind. pl syllen eine Übertragung aus älteren Conjunktivformen *syUen
(= as. skulin) zu sehen ; da aber diese Übertragung wohl jttnger ist,
als der Übergang von as. u zu tt und weiter zu tonlangem 6', so sehe ich
in dem ausschliesslich in den Formen mit // vorkommenden y nur den
Ausdruck einer vor ü eingetretenen Lautnuance.
In nymher, nimmer (11, 32) = und. nümmer, und in »ylvety Silber (II, 5 u. 6.),
ist y Bezeichnung eines verdumpften e-lautes.
In aldys (m, I, 26) neben häufigerem (Mus (as. thi^) soll y den in neben-
toniger Silbe unrein gewordenen Vokal ausdrücken.
10
syster, f. Schwester (IV, III, 7, aas stcster corr.) muss trotz des daneben
stehenden broder {sint syster u. broder alle vorsdchtet) wohl als pL gelun
zu dem im selben Absatz stehenden sosier, das nnr eine ungenaue Schrei-
bung für das sonst im mnd. Übliche sicster ist. Das in der Hs. der
Rigischen umgearbeiteten Statuten auch für den sg. zu belegende su.stcr
(V, 17) und das und. süstm- (vgl. an. systir, afries. s^istef) zeigen aber,
dass der aus as. we in swestar entstandene einheitliche Laut ein ü-laut
war (vgl. auch as. iunsk, mnd. iumscken, tu^cliefiy und. tüsclien; mnd.
sulf sullßj und. sül] mhd. swelle), so dass auch für den sg. suster die
Aussprache süster anzunehmen ist.
Schliesslich sei bemerkt, dass im Demonstrativpronomen disse,
dit niemals die sonst im mnd. durch o oder u angedeutete, im nnd.
als ü sich zeigende Verdumpfung des Vokals zu tage tritt.
III. Das Zeiehen 0.
Das durchstrichene 0 der Handschrift, das ich im Anschluss an
Schlyter's Ausgabe mit ö wiedergebe, bezeichnet Laute von sehr
verschiedener Herkunft und sicherlich auch noch im mnd. von ver-
schiedener Qualität. Teils ist dies ö als Umlaut zu betrachten, und
zwar 1) von as. w, 2) von mnd. 0, ferner von as. langem 0, sowohl
3) von ö* als 4) von 6^\ teils dient es 5) als Bezeichnung eines aus e
verdumpften Lautes.
1. ö als Umlaut von as. u.
ö erscheint als i- Umlaut von as. ii in zwei verschiedenen
Stellungen: erstens als tonlanges ö an Stelle von as. u in offner
Stammsilbe, zweitens als kurzes ö vor gedecktem r, vor dem altes u
im mnd. zu 0 gewandelt ist (horch aus as. hurg\ worden aus as.
umrthun).
Es könnte zweifelhaft sein, ob dem Übergang von kurzem u zu
tonlangem 0 und dem von u vor gedecktem r zu 0, oder ob dem
Eintritt des Umlautes der zeitliche Vortritt gebühre; also, ob wir
eine Entwicklungsreihe:
tugi (3. sg. conj. prt. von tiohan) > toiji > tö*ge\
wurdi (3. sg. conj. prt. von werthan) > wordi > wörde^
oder:
tugi > tügi > tü'ge > tö*ge;
wurdi > umrdi > würde > wörde
annehmen sollen. Mir scheint, wie ich schon in Dieters Laut- u.
Formenl. d. altgerm. Dial., S. 102 angedeutet habe, für die Priorität
des Umlautes die 3. sg. lymt zu entscheiden. Denn diese isolirte,
auch ins nnd. übergegangene, durch Syncope aus as. humid ent-
standene Form beweist, dass für die daneben, zwar nicht in unsrer
Handschrift, aber in gleichzeitigen Quellen vorkommende Form körnet
nicht eine direkt aus as. kumid herzuleitende Zwischenstufe kötnit^
sondern nur eine aus unsyncopirtem kumid umgelautete Form ktVmid
angesetzt werden darf.
11
Für die Priorität des Umlauts von u vor gedecktem r gibt die
verschiedene Schreibung des Städtenamens Zörhig bei Thietmar uns
den erwünschten Beweis. Neben der Form Zurbizi (VI, 50) schreibt
Thietmar VIII, 24 Curbici; wie konnte er mit C schreiben, wenn für
ihn der Name nicht Zürbisi gelautet hätte?
A. ö in tonlanger Silbe.
böddel, m. Büttel (I, 16 n. 0., einmal I, 60: bodel)] ahd. butil; ags. bt/del.
hören, swv. gebühren (3. sg. hörd, bort, boret II, 47 u. ö., ppp. gheböret
II, 21); as. burian; nnd. b^en.
Dazu: sik irbören, sich gebühren (3. sg. irbörd I, 16); tobören, gebühren
(3. Bg. börd to IV, III, 4); upbören, empfangen (3. sg. bärd up IV, III, 5;
3. pl. boren up IV, I, 26; ppp. upghebörd, upgheböret n, 5:4 u. ö.,
einmal ohne Bezeichnung des Umlauts: upgJiebort III, III, 20); vorbören,
verwirken (ppp. vorbörd I, 36 u. 0.); gheböre, m.? Gebühr (dat. na gheböre
II, 37 : 16); as. missiburi, Missgeschick; giburilik (hs. hiburüicuru),
gebührend.
bröke, m. (Bruch), Bechtsbruch, rechtliche Strafe (I, 16:5 u. ö.); as. bruki,
m. Bruch; und. bröke (Brem. WB.), f. Geldbusse; verhochdeutscht
Brüche f. ; das Wort wird in gleicher Bedeutung für sg. und pl. gebraucht
(IV, I, 21) und meist brocke, seltener bivkke, bröke geschrieben; dazu
scipbröke, m. Schiffbruch (III, III, 12 Überschr.; IV, n, 1).
'bröke in scipbröcke, adj. schiffbrüchig (m, III, 12; daneben auch scipbroke ib.);
mhd. schifbrüche.
döre, f. Tür (III, I, 16); as. w- stamm dura (n. pl. dum Cott. 985; d. pl.
durun Mon. 1798. 3336; duru-warderi Prud. gl.), der, wie im ags. (dyre
neben dura) in die i-stämme übergetreten ist; nnd. d%r. Auffallend ist
die Schreibung mit ?r: dörre (acc. sg. III, II, 4), dörren (d. pl. II, 50);
vgl. oben S. 3; sollte hier das schwed. dörr (an. dgrr) von Einfluss ge-
wesen sein?
dröghSy trocken (acc. sg. dröghefi IV, I, 14); as. *drugi\ nnd. dr^ge\ vgl.
oben (S. 7) drgghe', mnd. dröge könnte aach einem as. *drögi, germ.
*draugja' entsprechen; vgl. an. draugr m., ein trockner Klotz.
dröppelf m. Tröpflein (I, 19); as. drupil, Gummi; nnd. (Doomk. E.) drüppel\
über pp s. S. 3.
kökene, f. Küche (d. pl. köckefien III, I, 20; daneben mit o : acc. sg. Jcockene ib.);
ahd. kuchina-y ags. cgcene nnd. k^ke\ über ck s. S. 3.
köning, m. König (Praef.); as. kunhig; nnd. k^ig.
(köj-e), kör, m. Kür (acc. sg. kör III, I, 9); dazu: willeköre (IV, I, 23), mlköre
(IV, II, 1; IV, III, 1), willskör (IV, I, 3), Willkür; as. -/cw?^i in self-
kuri; nnd. Äör f.
löghene, f. Lüge (II, 37); as. lughm: nnd. l^ge.
lövede, n. Gelübde (II, 8; IV, I, 1); daneben an beiden Stellen auch lovede;
ahd. gilubida f.; mhd. gelübede n.
möghe, 3. sg. conj. möge (I, 26 u. ö.) und möglicyi, 3. pl. ind. mögen (I, 7
u. ö.); daneben auch mo^/^en (IV. I, 3; IV, I, 18); as. mugi und mugun;
nnd. rn^gen. Die Übertragung des Umlauts vom Conj. in den Ind. pl.
erfolgte wie im mhd. nnd mnl.; vgl. auch dürren, sölen, möten.
mölnere, m. Müller (II, 34); as. muliner i; nnd. möller-, durch die nach Aus-
fall des i entstandene Konsonantengruppe ist das ursprünglich tonlange ö
(vgl. nnd. mÖ/e, Mühle, as. *muiina in mulin-sten) zu kurzem o geworden.
12
pole, m. Pfühl (nur im pl. havetpök IV, I, 7); ags. pyltve, pyle; 9,M. pfiüiici
a,ns \9X,pulvin(ar)\ nnd. p^l; das im mnl. peuluw erhaltene t^ ist im nd.
ausgefallen wie in gel^ väl,
slötel, m. Schlttssel (DI, I, 22; III, I, 26); as. sktiü; nnd. slötd.
(söle)f xöle, 3. sg. conj. praes., solle (Ind. I, 3ö) nnd sölen (in, I, 16), zölm
(in, I, 20 n. ö.), scölen (m, m, 9 n. ö.), 3. pl. praes., sollen; as. shdi
nnd skulun] nnd. söÜ n. aoU (Schambach); der Umlaut im pl. des Ind.
wie in dörven, möghen nnd nwten. Die daneben erscheinenden Formen
sollen (n, 12), xöUen (I, 1 n. ö.), scöüen (IV, I, 11) yerdanken die
Doppelkonsonanz als graphischen Ansdmck für die Kurse des vorher-
gehenden Vokals den Singnlarformen sdl, scal. Die seltenen Belege für
nmlantlose Formen (solen I, 37; sollen I, 1; n, 19 n. G.; xoUen I, 1;
I, 16; rv, I, 6; scoüen I, 1) könnten als archaistisch erhaltene Vertreter
des as. shulun anfgefasst werden, sind aber wohl eher als flflcbtige
Schreibungen anzusehen ; die Hs. der Rigischen Umgearb. Statuten schreibt
immer sMn. Über xyUe, syüen, xyllen, scyllen s. S. 9.
'spören, swv. spflren (3. pl. upspöret II, 4) ; ns. *spurjan\ spuringa, Erforschung;
nnd. spbren,
töghe, S. sg. prt. coi^. von ten, zöge (U, 19); as. *tugi\ nnd. t%ge,
vorlöre, 3. sg. prt. eonj. von vorlesen, Teriöre (IV, IT, 1); as. farhiri; nnd.
verKre.
B. ö als Umlaut von as. u vor r.
hörghe, m. Bttrge (I, 16 u. ö.); dazu börghekand, manus fidejussoria (11, 37),
und börghetucht, obligatio fidejussoria (II, 34); vorbörghen, swv. ver-
bürgen (n, 34; rv, I, 1); aber auch borghen, 3. sg. borgket, bürgen
(n, 10, 1); as. burgjo, Bürge; nnd. borge, borgen und borgen,
börghere, m. Bürger (I, 1 u. ö.; einmal I, 2 auch borgJiere)] dazu börgkere-
meistere (II, 10) und börgherscap, Bürgerschaft (I, 1:4; 11, 33); as.
*burgari', nnd. börger.
börste, pl. fem. Brüste (I, 44); pl. zu borst (I, 44); daneben pl. br^yste, s. oben
S. 5; as. briost] nnd. pl. böste.
dörven, 3. pl. prs. dürfen (IV, I, 23); as. thurhuri', nnd. dörwet; der Umlaut
ist aus dem Conj. (as. thurhi) in den Ind. eingedrungen; dazu bidörven,
3. pl. bedürfen (IV, I, 23 : 2).
störve, 3. sg. conj. praet. stürbe (II, 28; IV, II, 1); as. *stuthi; nnd. störtve.
vordere, compar. dexter (I, 57: dat vordere ore)\ as. comp, furihiro, grösser;
nnd. ßdere (Schambach).
vorderen, swv. fördern (11, 5): vgl. mhd. vürdem, fördern.
vorderen, swv. fordern (II, 7 u. ö.); nnd. födem; das nhd. fordern beruht
auf ahd. fordorön,
vörste, m. Fürst (II, 19; II, 26); as. fw^isto; nnd. forste.
wörde und worden, 3. sg. u. pl. conj. prt. zu werden, würde und würden
(I, 37 u. ö.); aber auch, obschon seltener, worde und worden (I, 15; I,
38; I, 39; II, 4: III, I, 22. — II, 23; III, I, 3); as. wurdin. ivuri%n\
nnd. vAre und w^r&n,
wörde, pl. zu uxyrt, f. Hofstatt, Wohnung (III, I, 3 u. ö.); neben dem sg.
wort, word (III, 11, 4; III, II, 5) auch wörd (III, II, 2); as. touri f.;
nnd. wort, würt (ohne pl. Schambach).
wörpen, d. pl. zu warp, Wurf (I, 61); nnd. worp, pl. wörpe»
18
2. ö als Umlaut Ton mnd. o.
A. mnd. o = as. o.
bödekerej m. Böttcher (II, 34); zu mnd. *bodik in bodik-holt, Fassholz; ahd.
botahha; mhd. boieeh] nnd. Mker,
götmscht a4j- gotländisch (Praef.); daneben anch gotensck (I, 1; I, 12); zn
Oote, Gotländer; das n des Adjektivs erklärt sich ans der altschwed.
Form gutnisk.
hökere, m. H5ker (II, 34) ; dazu hökerscke (II, 34) und hokersche (II, 4:3);
entweder nom. ag. zn mnd. koken (II, 34) oder Weiterbildung zn mnd.
swm. koke] nnd. häkeTj höker (Brem. W. B.)
höUm, a4j. hOlzem (III, I, 18; III, I, 20); daneben holten (m, I, 13; III,
I, 20); nnd. höltem; mhd. hülztn,
knöpe, pl. Knöpfe (IV, I, 16; IV, III, 1); nnd. kni^^pe.
beköstegheUf swy. beköstigen (I, 30 n. ö.); daneben hekosteghen (IV, III, 8);
dazu: uncösielik, adj. geringwertig; zu mnd. kost
möchte^ 3. sg. conj. prt. zu möghen, möchte (I, 38 n. ö.); daneben auch ein-
mal (IV, I, 24) mochte \ as. mahi% mohti\ nnd. möchte,
mordere^ m. Mörder (I, 40 n. ö.; daneben morderel^ 53); dazn: mörderscJie,
Mörderin; zn as. mord n.
nömeschj aAj. norwegisch (II, 46; III, III, 16); mnd. norrenschf närrisch.
överstCt snp. oberste (I, 21); auch overste (I, 26; I, 29); zu as. ohar, praep.
über; nnd. (iwerste,
{8Ölde)y zölde^ 3. sg. conJ. prt., sollte (III, I, 14; III, I, 23); as. skoldt;
nnd. solle.
vöghedCj pl. Vögte (I, 1 n. ö.); daneben anch voghede (I, 4; I, 37, wo viel-
leicht erst der sg. voghed geschrieben war und nachher die ümlauts-
bezeichnnng unterblieb); zu mnd. voget.
wölde und wölden, 3. sg. u. pl. coQJ. prt., wollte und wollten (II, 9; I, 42);
daneben auch wolde (II, 24 u. ö.), wolden (IV, I, 24:4) und wdde (I,
45; III, I, 22; IV, I, 3) mit e fttr ö wie umgekehrt ö fttr e in sölf (s.
weiter unten); as. weldi, seltner woldi; nnd. wolle.
B. mnd. o vor Id = as. a.
Das vor Id (It) aus as. a entstandene mnd. o (oW, holden^ anker-
holt ^ 8olt, twivoldy tcoltj ghewolt, sakewolde-, nur I, 52: ghewalt) er-
scheint in folgenden Beispielen zu ö umgelautet:
öldem^ ölderent pl. Eltern (IV, I, 2 u. ö.); daneben auch olderen^ elderen
(IV, I, 2; IV, I, 3; IV, I, 7) und sup. eldest (IH, I, 12); as. aldiron,
eldiron: nnd. comp, ölder, öüer.
wöldichy ghewöldichy adj. mftchtig (IV, II, 1; HI, II, 4); daneben weldich
(II, 37:15); as. giweldig\ mnd. (Sch.-L.) woldichf fvMich.
Ebenso wie in weldich und weide (s. oben S. 13) kann das e in behelt,
8. sg. praes. von heholden^ behält (IV, II, 1), neben häufigerem beholdet,
beholtf behold (IV, III, 8 u. ö.) als ungenaue Schreibung fttr ö oder als
archaistisch bewahrter Umlaut von a aufgefasst werden.
3. ö als Umlaut von as. d^ (= ahd. tio).
amnödej d. sg. Armut (II, 5:2); as. armödi n. (?); ahd. aramuoti f.
blödety 3. sg. blutet (I, 37); daneben im selben Absätze blodet] zu *blodm
oder *blöde?i] nnd. (Schambach) bhien neben blauen.
14
böke pl. za böc^ Bücher (Praef.); mit einem vermatlich den Plaralbildungen
der i-decl. nachgebildeten Umlaut, der im nnd. (ygl. Nerger, Gr. d. meckl.
Dial., S. 179) eine ganze Grnppe von neutralen Sahst, nach der a-decl.
ergriffen hat, sicherlich aber auch schon im mnd. vorhanden war (s. Korl6n,
Statwechs ger. Weltchronik, S. 196); nnd. lautet nach Schambach der pl.
bäuker; nach Doomk. K. büken,
bötenf swT. büssen (I, 11 u. 0.); daneben auch boten (I, 13; I, 15; I, 20;
I, 36); as. bötian] nnd. btten.
brödere, pl. Brüder (I, 1:2; IV, II, 1; brodef' IV, III, 7 ist vom Schreiber
wohl missverstftndlich als sg. anfgefasst; mit Umlaut wie die übrigen
Verwandtschaftsnamen; nnd. (Schambach) broider; dazu bröderlik^ brüderlich
(IV, II, 1).
dötf 3. sg. praes. zu don^ tut (II, 5); neben dod, dot (I, 52 u. ö.), doot
(II, 17), deit u. deyt (I, 32:2; I, 65); döt ist kein Schreibfehler, da
auch sonst im mnd. neben den gebräuchlichen Formen deist und deitf die
ihre Erklärung als Analogiebildungen zu geistj geit, steistf ateit^ veist, reit
finden, doist u. doit vorkommen, in denen der bereits im mnd. nach Ana-
logie der bindevokalischen Coiijugation entwickelte, in nnd. Formen wie
doist i doit (Schambach) fortgepflanzte Umlaut deutlich zu erkennen ist;
vielleicht ist die vom Monac. des Heliand 5188 neben sonstigem duoty dod
überlieferte Form doit die erste Spur dieser Entwicklung; (vgl. Franck
in P. B. B. 27. 379).
dröghe, 3. sg. conj. prt., trüge (I, 32; I, 42); as. drdgi\ nnd. dr^ge,
be-drövet, ppp. betrübt (III, I, 4; IV, II, 1); daneben unbedrovet (IV, II, 1);
as. gidröhid] nnd. bedroiwet (Seh.).
ir-höve, 3. sg. coi\j. prt, erhöbe (II, 24); daneben erhove (II, 17); as. hohü
be-höven, swv. nötig haben; 3. sg. prs. beJwvet (II, 10); 3. sg. coig. prt.
behövede (III, III, 13); daneben bihovet II, 23; as. *bih6hian\ und. (Brem.
W. B.) köven.
inghedöme, n. Hausrat (II, 4); mhd. ingetüemey Vermögen; zu as. d6ni\ nnd.
inged^ie.
clenöde, dt. sg. Kleinod (IV, I, 9); daneben clemde pl. (IV, I, 19; IV, III, 9);
umgelautetes kkynhde für sg. und pl. im Reinke Vos s. Franck in PBB.
27, 378; cknode mit o über dem o, pl , s. Korl6n, S. 196.
ladet 3. sg. conj. prt. lüde (IV, II, 1); as. *hlödi.
mödereUf Muttererbe (IV, III, 8); wahrscheinlich ein dem gotländ. fnyUimi
nachgebildetes Wort, wie das an derselben Stelle vorkommende vederen,
Vatererbe, einem gotl. fethmi entspricht.
muten, 3. pl. prs. müssen (III, III, 10); as. m6iun\ nnd. mJ^iet; Umlaut wie
in möghenj sölen, dörven.
nöghen, ghenöghen^ swv. genügen (II, 37 u. ö.); as. *gin6gian.
nönieny swv. nennen (I, 1 u. ö.); as. *n6mian] nnd. noinien (Schambach);
dazu: benömen (11, 10) und vorbenömed^ ppp. (IV, I, 7 u. ö.).
pröven, swv. prüfen (II, 34 u. ö. ; daneben auch einmal II, 35 prove) ; mhd.
priieven] nnd. pr^wefij proiwen (Seh.).
vör-söke, 3. sg. conj. prt. zu vorsaken, ableugnen (III, HI, 13); as. *fars6ki.
söken, swv. suchen (I, 52; II, 10); as. sdkian\ nnd. sÖ/cen, soiken-, dazu:
heirn^ökinghe, f. Heimsuchung (I, 52).
stödey 3. sg. conj. prt. zu stän, stünde (II, 51); as. stödi,
vüdere, dt. sg. Fuder (II, 42); as. vötfier, n. Fuder; mit einem mir unerklär-
lichen Umlaute wie nd. foier (Schambach) neben ßdef-, fauder,
vÖ7'e, 3. sg. conj. prt. führe (IV, II, 1); as. ßri.
15
vörCj adj. in jB^ntem Stande (I, 31: werdet arcr de wundede man also vöre;
III, III, 9 : dut dat scip beide bovetie unde beriedene to der see vöre si) ;
ahd. gafuoriy mhd. gevüere^ ags. gefere, an. foeir^ fahrbar; got. gafaurja-
vgl. Klnge in PBB. VI, S. 381 ; Schlüter, Nomina, S. 22 ; as. gifOri n. Nutzen.
lY/rßw, 8WV. führen (III, III, 9 u. ö.); ppp. vort (II, 40); as. fdrian\ und.
f^reuj foiren\ dazu: utilvören^ entführen (I, 49); ppp. untvord (II, 6);
vulleU' (vul-) vören, vollführen (II, 10 : 1 ; 11, 28).
vöie, pl. zu vot, Füsse (III, I, 13 u. ö.); daneben vote (HI, I, 13; IV, I, 16);
as. foti\ nnd. foiie.
UTÖgJien, swv. rügen, beschuldigen (II, 34); as. tvrögian', ags. wrigan^
mhd. rüegen.
4. 0 als Umlaut von ö* (got. au),
dörlikeny adv. tOrlich (I, 53); zu mnd. dör, döre Tor; nnd. doren töricht
handeln (Schambach).
döfnisse, f. und dijve f., Taubheit (I, 15); Abstractbildnngen zu as. *döf, got.
daufsy ags. dmf\ ahd. toupy zu dem döve sich verhält wie as. hlitidt zu
blind] mnd. doven^ betäuben.
glielöven, swv. glauben (n, 5); as. gilöbian; nnd. glöaeben (Schambach).
be-göwen, swv. übereilen (II, 20); mnd. (Lübben- Walther) begouwen, über-
schnellen, überlisten ; zu mnd. gowe, gauwe, schnell ; nnd. gau (Schambach).
gröte, f. Grösse (III, III, 15) ; as. *grdii ; mnd. (Sch.-L.) g^^oüe ; nnd. gröte (Schamb.).
högh&n, swv. erhöhen (3. sg. högJvet und fiogket III, III, 16); mnd. hog&n.
hövedy n. Haupt (I, 15; II, 28; daneben hovetlf 15; hovednianl^ 34; horei-
pöle IV, I, 7); as. höhid', nnd. höaewed und hauived (Schambach).
Imilik, adj. höhnisch (II, 37); zu as. *h6n^ hönda, Schmach.
hören, swv. hören (II, 7 u. ö.; aber ppp. ghehord I, 53); as. hörian-, nnd.
höaeren (Schamb.); dazu: tohören^ tobehören, zugehören; aber ppp. behort
(I, 50); hörsegglietide. Hörensagen (I, 53).
köpeny swv. kaufen, und vorköpen, verkaufen (II, 36; III, I, 7; HI, III, 16;
Ind. II, 4); viel häufiger aber koj)en, vorcopen (II, 4 u. ö.) 3. sg. prs.
capeij vorkopet und vtyrcoft (III, III, 17); ppp. immer koft, gliecoft, vor-
koft (in, I, 6; III, I, 26; III, III, 17); conj. prt. kofte, vorcofle (II, 36);
as. köpöfij farkopon; selten farköpian', nnd. k(\penj köa^en (Schamb.),
kopen und köpen (Brem. WB.).
löninge, f. Pracht (III, III, 9); zu as. Ion?
läpet, 3. sg. prs. zu lopen, läuft (II, 31); daneben lopet (III, I, 26); as.
*hl6pid\ nnd. lopet.
lösen, lözen, swv. lösen (I, 17 u. ö.); as. I6sian\ nnd. löaesen (Schambach).
nöden, d. pl. Nöten (I, 53 u. ö.); as. nöd, dat. sg. tiödi] mnd. d. pl. 'noden
(mit 0 über dem o) (Korl6n, Statswechs Weltehr., S. 196).
öme, pl. Oheime (IV, III, 7); ahd. ölieim-, ags. eam,
öre, m. Ör (gotländ. Münze) (I, 8 u. ö.); gotl. oyri aus lat. aureus.
ut-röpen, swv. ausraufen (I, 15); aber ppp. gheroß (I, 15); got. raupja7i\
mhd. röufcn\ nnd. repeii (Brem. WB. Flachs reffein), das vielleicht für
röpen = mnd. (Sch.-L ) roperi steht.
scäne, adj. schön (III, III, 15); daneben scone (ib.); as. sköni\ nnd. scJiöaen
(Schambach).
serödere, m. Schneider (II, 34); nom. ag. zu as. *scr6dan, ags. scrcadian\
mnd. stv. seröden, ahd. scrötan\ neben dem umgelauteten seröde^'e, dem
der Familienname Schröder entspricht, war auch eine unnmgelautete Form
scrodere, scrader (vgl. den Namen Schrader) üblich.
16
stöten, BtT. 8to886n (nur im pari, stötende I, 65); as. sidtan; nnd. (schon bei
Lanremberg 8. Franck PBB. 27, 384) stötm.
tötüSy n. Tan, Seil (III, III, 6; 11; 12); daneben anch ^oti^e (in, III, 2; 11),
der ümlant ist auffallend, da die nmlantlose Form (vgl. mnd. ou/we, vrouwe)
auch im nnd. tau bewahrt ist; ist iöwe wie mhd. gezöutvej Gerät, eine
Weiterbildung?
6. ö als Bezeichnung eines verdumpften ß-lantes.
Ebenso wie y vor gewissen Lautgruppen und in unbetonten
Wörtern einen unbestimmten Vokal bezeichnet (s. oben, S. 9), so
tritt auch ö an Stelle von e auf.
Vor If in sölven, sölves-, s. oben, S. 9.
In den unbetonten Pronominalformen:
öme, dt. 8g. ihm (I, 86 u. ö.) neben eme (I, 47 u. ö.). — öne, acc. sg. ihn
(I, 16 u. 0.) neben one (III, DI, 20) und ene (I, 52 u. 9). — ön, dt
pl. ihnen (II, 9; IE, III, 8). — öre, dt. sg. ihr (I, 42 u. ö.) und örre
(I, 43; III, I, 4; vgl. dörre 8, 3); daneben ere (I, 43 u. ö.). — örer,
g. pl. ihrer (I, 16 u. ö.), örrer (II, 11 n. ö.); daneben ör (IV, I, 1);
öre (II, 32) und ere (II, 21). — Ebenso steht im Possessivpronomen des
sg. fem. und pl. nebeneinander ör, er; öres', örem^ örmne, errem^ erme\
örren, eren-, öre, örre^ ere.
Femer in den Coi^'unktionen :
öder, conj. oder (n, 4 u. ö.); daneben oder (I, 31 u. ö.); eder findet sich nur
in einem jüngeren Zusatz zu IV, I, 24; die ursprüngliche Form ist edder,
ans as. ettlva, ettho (got. aiththau) durch Zusatz eines r, wie hd. oder aus
ahd. eddo, odo, entstanden; auch md. eder (s. Germania XI, 149).
Öße, coiy. wenn, oder (I, 53 u. ö.); daneben ofte und oft (11, 7 u. ö.; 11, 4 u. ö.);
die ursprüngliche Form ist efte aus as. eftha.
Die verdumpf te Aussprache des e vor r ist durch ö bezeichnet: wördende statt
loerdende (l, 2); vör-ntyndere (IV, 1,25); vör-aöke (HI, m, 13); örc^e/, Urteil
(I, 4 ; II, 3) ; wörd, n. sg. neben word, Grundstück (III, II, 2) ; vgl. nnd. dörj),
ördel (Orgel) und PBB. 27, 384; Hoffmann, Vocale d. lipp. Mundart, S. 34.
In bryttöghe, Brautführer (IV, I, 20) neben brytteghe (IV, I, 10) ist ö statt
des in nebentoniger Silbe aus o (brtätoghe in den Bmohst. d. <. Wisb.
Stadtr.) entstandenen e (vgl. hertege aus hertoge) eingetreten.
In ögheiif d. pl. Augen (I, 53) neben oghen (I, 15 u. ö.) steckt wohl
nur ein Schreibfehler.
Zur Beurteilung der Consequenz, mit der der Schreiber den
Umlaut durchgeführt hat, seien hier, wie oben (S. 8) fiir u, ausser
den bereits neben den umgelauteten als Nebenformen ohne Umlaut
genannten Belegen alle Wörter zusammengestellt, in denen wir nach
Analogie anderer gleichgebildeter Formen und nach den nnd. Ent-
sprechungen den Umlaut ö erwarten sollten.
domeschf adj. sum 0. N. Toumay (III, HI, 15); vgl. nömeseh, aber auch
bniggesch,
gordelf m. Qfirtel (lY, 16); as. gurdisli; ahd. gurtil] ags. gyrdel; nnd.
gördely görl,
comet, comed, 3. sg. prs. kommt (I, 8 u. ö.); as. humid; nnd. kümi. In
dieser sehr häufigen Form, neben der kymi (I, 1) nur einmal, cumi dagegen
17
öfter zu belegen ist, möchte ich wegen des niemals bezeichneten Umlauts,
für den sich in M-rety hell (neben holdetf holt), veUet, seghed (= as.
sagid)j döt, blödetj löpet Beispiele bieten, eine der 1. sg. und dem pl.
praes. angeglichene Neubildung sehen. Für solche Neubildungen halte ich
auch die Formen der 3. sg. blivet, hrekeU glievet, hevet, holdet, nemei,
spreket, steht, tredet, werdet, die gegen die seltenen syncopirten Formen
hilft, gift, gildy heft {het, hed), kelt (holt), nimt, sprikt, wert bei weitem
das Übergewicht haben. Wenn aber die Form komet trotz der grossen
Häufigkeit ihres Vorkommens nur eine nachlässige Schreibung für cömet,
das in gleichzeitigen Handschriften (s. unten) die übliche Form ist, sein
sollte, so wäre dies als die lautliche Entsprechung des as. humid ohne
Syncope zu betrachten (s. oben S. 10).
'kone in dum-kone, adj. dummdreist (III, I, 1); ahd. hu(mi\ ags. cine\ an.
kcenn; as. fehlt das Wort, auch die Namen mit Kon- sind selten.
konde, 3. sg. conj. prt. könnte (II, 37 :5)', nnd. könne.
morden, swv. morden (I, 38); got. maurthrjan-, ahd. murdrjan, murdjan-,
mhd. ermorden u. efimorden-, nnd. mördern, modern (Schamb.); an mord
angelehnt.
moste, 3. sg. conj. prt. mttsste (III, III, 6); as. mösti', nnd. mösde (Schamb.)
mote, f. Versammlung (I, 12); nnd. mUe, motte, Begegnung.
rqpet, 3. sg. prs. ruft (I, 46); nnd. röpt.
scoteU, scottele, f. Schüssel (IV, I, 8 u. ö.); nnd. schötel-, aber as. shutala.
sloghe, 3, sg. conj. prt. schlüge (III, III, 6); as. slögi; nnd. sUnge (Schamb.)
sone, m, Sohn (IV, I, 2); und/^ne-, mnd. umgelautete Formen s. Korl6n, S. 196.
tornich, adj. zornig (I, 66); nnd. tömich (PBB. 27i 383); aber auch tomieh
(Doomk.-E.) ; ahd. xomag.
vorich, a4j. in gutem Stande (III. III, 3); mhd. vüerec u. vuorec.
vromede, adj. fremd (I, 1 u. ö.); as. fremithi; nnd. (vgl. Korl6n, S. 199)
fremed (Schamb.); hier steht o = ö statt e wie in mnd. soven, sieben;
voftich neben veftich u. a.
In domesch^ gordel, morden^ tornich steht o vor gedecktem r,
vor dem, wie die S. 16 angeführten Beispiele zeigen, der Klang des
o ein zum ö sich neigender war, so dass umgekehrt auch für um-
gelautetes ö die Schreibung o eintreten konnte.
Da ö in der Handschrift durch ein durchstrichenes o bezeichnet
ist, so erklären sich gewiss viele der nicht umgelauteten Formen
einfach als Folge der Unachtsamkeit des Schreibers.
Eine Zusammenordnung aller mit Umlaut von o und ti versehenen
Wörter nach den grammatischen Kategorien mag diese Untersuchung
beschliessen :
Substantiva.
börste, bröke, brysten, döre, knöpe, köre, nöden, vöte, wörde, wörpen. — böke.
— brödere, moderen. — pole, vöghede. — döve, gröte. — dryppe, hylpe, nüske,
stücke, vormynde, börghe, inghedöme, töwe ; höved, lövede ; armöde, clenöde.
— böddel, dröppel, knyppel(en), slöttel. — löghene, kökene. — cyssen.
— döfnisse. — köning, löninge. — bödekere, börghere, hökere, mölnere,
mördere, pyndere, serödere, vormyndere. — scyldemer. — rylfersce. —
scylt, voTvlycht. — vöder, öghen.
Faitgftbe (Nd. Jb. XXXVU). 2
18
Adjectiva.
dröghe, dryghe, dynne, nytt«, scöne, vöre. — lychtere, öldere, vordere. —
Overste, vOrste. myndich, scyldich, ghewöldich; kyndich in kyndeghen,
vlychtich. — bröderlik, dörlik, hönlik, synderlik, nncöstelik. — holten.
— götensch, nörnesch.
Verba.
Infinitive: boren, börghen, böten, be-drOven, dynken, be-göwen, gbelOven,
höghen, hören, be-höven, knyppelen, köpen, be-cösteghen, kyndeghen,
kybben in vorkybbinghe, kyssen, lösen, lychten, lysten, ge-nöghen, be-
nömen, pröven, röpen, be-scyldeghen, söken, spören, stöten, yörderen,
Yören, wröghen.
Conjanctive: dröghe, irhöve, hylpe, möchte, möghe, kynne, sölde (zölde), stöde,
Btörve, Btynde, töghe, verlöre, vorsöke, vöre, wölde, wörde.
Praeteritopraesentia : dörven, möghen, roöten, syllen (scylien).
3. sg. präea. : blödet (zu blöden oder blöden), döt, köpet (zn kopen oder köpen),
kymt, löpet.
Die beiden Verzeichnisse lassen mit der wünschenswertesten
Deutlichkeit erkennen, wie conaequent und sicher der Schreiber die
Bezeichnung des Umlauts durchgeführt hat. Sind auch die Fälle
nicht selten, wo wir diese Bezeichnung vermissen, so ist dagegen
eine falsche Verwendung der gewählten Zeichen {ü, y, 0) nur in ganz
vereinzelten Fällen zu beobachten.
Durch diese Sorgfalt in der Durchführung der Umlautsbezeich-
nung steht die Stockholmer Hs. des Wisbyschen Stadtrechtes ganz
einzig da. Es fehlt ja auch anderen mnd. Handschriften nicht an
Versuchen, durch allerlei diakritische Zeichen die unzweifelhaft vor-
handenen 0 und ü für das Auge kenntlich zu machen; aber meines
Wissens ist in keiner Hs. eine solche Regelmässigkeit in der schrift-
lichen Bezeichnung des Umlauts beobachtet. Auch in Wisby selbst
ist, soweit die dort geschriebenen Denkmäler es zu erkennen erlauben,
diese vom allgemeinen mnd. Schreibgebrauch abweichende Eigenart
nicht Regel gewesen. Die dem 13. Jh. entstammenden Bruchstücke
einer älteren Fassung des Wisbyschen Stadtrechtes (hg. von mir in
d. Mitt. d. Ges. f. Gesch. u. Alt. d. Ostseepr. Bd. 18) kennen keine
Umlautsbezeichnung für 0 und u; nur für die in der Stockholmer
Hs. streng durchgeführte Setzung des y für as. iu finden sich ein
paar Belege (dhydesch, lyde, cyset)\ s. das., S. 512. Ebenso zeigt die
Urkunde über den zwischen Jaroslaw und den Deutschen und Goten
geschlossenen Vertrag vom J. 1269 (Hans. U. B. I, no. 665) keine
y oder 0. Deutlich heben sich auch die von Schlyter in seiner Aus-
gabe durch kursiven Druck hervorgehobenen jüngeren Zusätze durch
ihre abweichende Orthographie von dem Originalbestandteil der Hand-
schrift ab. Hier wird y auch für kurzes i vei^wendet (bynnen^ myn^
yn^ ynne, nycht, syk, vortcynnen, dertych usw.); der Umlaut von 0
und u wird entweder gar nicht bezeichnet (tohoret^ vogede^ worde^ vor-
soke^ vordorve, borghere, towe; beschuldiget^ duft^ sunke^ bedrughe^ bescut,
vöreniunder, t^orsumenis.^e) oder mit verschiedenen Mitteln und incon-
19
sequent (dufte, fünde, versümet, aldüs, hrytteghe, kryde, vormyndere):
ebenso ungleich wird der verdampfte Laut bezeichnet: sülver, aldüs,
sulf, sylf neben selves, silvers, und das aus as. iu entstandene ü in
vrunde, lyde.
Aus Wisby ausgegangene deutsche Schreiben des XIV. Jh's.
zeigen zwar zum teil dieselben Grundsätze der Umlautsbezeichnung
wie die Stockholmer Handschrift. So findet sich in einem Briefe
vom J. 1380 (Hanserec. III, no. 126) y in lyde, byssen, in no. 127
und 129 aus derselben Zeit 0 in beret, upheren, kene, können, h0ghe-
like, ü in vründe, ahüsdan u. s. w. ; aber teilweise verschmähen sie
entweder jeden Versuch, die umgelauteten Wortformen zu kennzeichnen,
wie in, no. 475 (vom J. 1390) oder führen die beabsichtigte Regel
(0 und ü) nicht consequent durch (II, no. 139 vom J. 1376).
Mit ziemlich grosser Regelmässigkeit ist die Umlautsbezeichnung
innegehalten in der im J. 1401 in Wisby angefertigten md. Über-
setzung des Gotlandrechtes (Ausgabe von Schlyter im VII. Bande
seines Corpus iuris Sueo-Gotorum). Der Umlaut von u und ü wird
durch ä, das auch as. iu vertritt, der von 0 und 6 durch ö bezeichnet.
Die Sprache ist mitteldeutsch, aber durch Aufnahme vieler mnd.
Formen entstellt. So können Schreibungen wie kämpt, lüchter, rücken,
süster (sg.), Wisbü, brutögher, gördel u. a. die Orthographie der
Stockholmer Hs. bestätigen oder verbessern.
Jedenfalls handelt es sich bei der Stockholmer Handschrift um
eine ganz besonders sorgfältige Handhabung einer geregelten Ortho-
graphie, die wir vermutlich einem in schwedischer Schreibschule aus-
gebildeten oder mit schwedischem Schreibgebrauche vertrauten Schreiber
verdanken. Dass aber auch in Deutschland stellenweise neben der
willkürlichen Behandlung der Umlautsbezeichnung (s. Koppmann in
der Einl. zum 3. Bande der Hanserecesse S. X ff.) ein oder der
andere Schreiber den Versuch machte, sich selbst eine strengere Regel
zu schaffen, ist ja aus dem Beispiel des Wismarer Stadtschreibers
Hinrik von Embeke (1317—1338) bekannt (s. Nd. Jahrb. III, 1 ff.).
Aus etwas älterer Zeit führe ich noch als Beispiel an die Lübecker
Handschriften der älteren und der jüngeren (2.) Nowgoroder Schra
(abgedr. in Sartorius-Lappenberg, Urk. Gesch. der d. Hanse II, no.
IX und XCV und im Lüb. U. B. I, S. 700; der Abdruck bei Sartorius
ist aber hinsichtlich der Umlautsbezeichnung zuverlässiger). In der
älteren Schra ist das durchstrichene 0, wenn auch nicht mit Con-
sequenz, doch ziemlich häufig zur Bezeichnung von kurzem und
langem ö gesetzt Qielt\ cmiet, slotele; heren, seken, veren, neden, dum"
C0ne, hmetman, lesen-, in der jüngeren Schra ist dieses der nordischen
Orthographie entlehnte Zeichen durch m oder ö ersetzt und mit
Verständnis verwendet: möge, körnet, hövede, möchte, wörde, moste, koeft,
bröke, doet, övele u. s. w.; für den w-laut, sei er Umlaut oder Ver-
treter von iu, wird y geschrieben: dydesch, symen, vorsymeti, syke,
synderlik, tych, Ny, schijt (3. sg. von scheten), pyndere, vortygen, lyde,
rorlyset, bekymmert ; in einzelnen Fällen vertritt auch ü (v) den umgelauteten
2*
20
Vokal: kümet (neben kumt^ körnet)^ tU (3. sg. von teil) vorvlüditich,
tourde; noch seltener muss ui (schuü, scuü)' zur Bezeichnung von ü
dienen, oder aber der w-laut bleibt ohne jeden Versuch einer schrift-
lichen Wiedergabe (sculdich^ humt^ Lvbeke u. s. w.). Diese Hand-
schriften könnten in Wisby selbst oder in Lübeck von einem in
Wisby mit schwedischem Schreibgebrauche bekannt gewordenen
Schreiber geschrieben sein.
Schliesslich weise ich noch auf eine gleichfalls im fernen Nord-
osten entstandene Handschrift hin, die in ziemlich strenger Con-
sequenz den Umlaut von o mit 5, den von u mit ü (nur ganz aus-
nahmsweise mit y) bezeichnet. Es ist die Ende des 13. oder Anfang
des 14. Jh.'s geschriebene Handschrift der 'Umgearbeiteten Rigischeu
Statuten', mit grosser Treue abgedruckt in der Ausgabe der 'Quellen
des Rigischen Stadtrechts' von Napiersky (Riga, 1876). Es hat
keinen Zweck, hier alle durch Umlaut ausgezeichnete Wörter auf-
zuführen, ich möchte nur hervorheben, dass folgende Formen eine
willkommene Bestätigung für die im Stockholmer Codex des Wisbyer
Stadtrechtes gebrauchte Orthographie bilden: kirnet, 8c6ln, Hcolen.
doyt, untlbpt^ vorderen, oder, vor-, towe, holt, mögen, moten; aldiis^
süster, vründe, itlmant, scüldetner, müchte, wülden, müste, mlver, sehnt ^
pündere, diive, sülven, kümt (neben komet), müre. Ich bemerke noch,
dass m-omede, sone und cruce, die im Wisb. StadtR. der Umlauts-
bezeichnung entbehren, hier den vom und. geforderten Umlaut auf-
weisen, und dass neben scult auch hier die Form scult für den sg.
belegt ist {II, 22. 23). Hinzuzufügen ist noch, dass einige Wörter
das auch sonst einigemal als Unterscheidungsmerkmal neben n und
V verwandte Umlautszeichen (sünnendages, tvüJhoi^t = vuJbort^ ghe-
umnden = gheounden, nthgesündert), erhalten haben, wo kein klarer
(irund dazu vorliegt: hüs, geb^^üken.
Als Ergebnis vorliegender Untersuchung glaube ich feststellen
zu können, dass bereits im 14. Jh. in den nordöstlichen Teilen des
mnd. Sprachgebietes, wahrscheinlich durch die Orthographie der
benachbarten skandinavischen Länder angeregt, ein Streben sich
geltend machte, die neben o und u vorhandenen ö- und w-laute in
möglichst consequenter Durchführung auch durch die Schrift kenntlich
zu machen. 1)
DÜRPAT. W. Schlüter.
1) Bemerkenswert ist auch, dass eine im J. 1888 von den deutschen Kanf-
leuten in Nowgorod nach Reval gesandte Mitteilung y als Umlaut für u (kysserif
Hchyedichj crydere, cryse^ Kyscen) und als Vertreter von as. tu (lyde, Bysce) mit
Regelmässigkeit durchfuhrt und auch einigemale, aher ohne Conseqiienz, 0 für o
(b&dclj b0ren, vorsWren) verwendet.
21
Kölner Klosterpredigten des 13. Jahrbonderts.
Mit der im 14. Jahrhundert äusserst zierlich geschriebenen
Hamburger Pergamenthandschrift Theol. 2205 12^, in rotem Original-
Ledereinband, mit 136 Blättern (auf 17 Lagen verteilt, 20 Zeilen auf
der Seite) hat sich die Forschung m. W. bisher nicht befasst, und
doch erheischt sie unsere Aufmerksamkeit sowohl inhaltlich wie in
sprachlicher Beziehung. Auf der Innenseite des vorderen Deckels
findet sich von einer Hand des 15. Jahrhunderts der Eintrag Dat
boich is dei' suster zo Camp jn dei' clusen intgen boppart. Gemeint
ist die von Tertiarierinnen bewohnte Klause Kamp gegenüber Boppard,
deren Bücherbestand wir z. T. überschauen können: die Schwestern
besassen Legenden aus dem Väterbuch (Hamburg Cod. 213 in scrinio,
8. Philologica Hamburgensia 1905 S. 18), Taulers Predigten (Wien
2739, s. HofFmanns Verzeichnis nr. 262), den Traktat von den 15 Graden
(Germania 6, 144), eine Übersetzung des Psalters und Gebetbücher
(Göttingen Cod. theol. 215, s. Die Handschriften in Göttingen 2 (1893),
432; Brüssel Königl. Bibl. 14686/7, s. Borchling, Niederdeutsche Hand-
schriften 1, 268). Vor ihrem jetzigen Besitzer gehörte auch unsere
Handschrift wie so viele andere der Hamburger Stadtbibliothek zu
der reichen Utfenbach-Wolfschen Sammlung : hierauf beziehen sich die
Zahlenvermerke auf der Innenseite des vorderen und hinteren Deckels:
'p. 642 n 3' ist die v. üflfenbachsche Signatur, s. Bibl. Uffenb.
Universalis t. III 1730; '940»»' die Signatur von Wolf, doch steht
940^ nicht in dem Exemplar Cat. Mss. Codicum Bibl. Uflfenb. 1747
eingetragen ; unsere Handschrift ist dort angereiht an 940, die oben
genannte Handschrift des Väterbuchs.
Die Handschrift, in der schwächer betonte Wörter nicht selten
ohne jeden Zwischenraum dem vorhergehenden angefügt sind, weist
von gleicher Hand Correcturen auf und setzt, da sie, wenn auch nur
vereinzelt, ursprünglich ausgelassene Wörter und Sätze nachträgt,
eine schriftliche Vorlage (vielleicht auch mehrere Einzelvorlagen)
voraus. Sie enthält eine grössere Sammlung von Predigten ver-
schiedener durch Rubrum kenntlich gemachter Verfasser, Sermones
sdcre variorum, wie der von jüngerer Hand geschriebene Rückentitel
besagt, und zwar in folgender Anordnung, Die üblichen Abbreviaturen
habe ich aufgelöst.
1. 5/. 1» Diesen sermon sprach der rode prio(r). Das Bubrum ist geyen
Ende verblichen wie auch sonst die Tinte auf BL 2* öfter stark
verblasst ist.
Anfang: Unse here sprach, dat wir bruderliche minne inde vriede
ander ein haven {Joh. 13, 34). mit zwein dingen irwirft man
22
diesen vriede. Die Predigt handelt im weiteren Verlauf von acht
Seligkeiten.
2. Bl. 2^ Senno rufi priori s.
Anfang: Sente Paulus bekerunge begeit man umbe dru dinc.
3. BL 4^ Sermo rufi prioris.
Anfang: Zien dinc hast unse here. die süle wir ouch hassen.
4. BL 6» Prior ßufus.
Anfang: Man(t) vint zweirhande sunnen. die eine is eine sunne
in hiemelriche. die ander is eine sunne in ertriche.
5. BL 8» Prior Rufus.
Anfang : Dat alier edilste inde dat allir beste dat ertriche geleisten
mothe, dat sande wir deme vadere, dat was unse (8^) here Jhesus
Christus, du sande he her wiedere dat alre edilste inde dat alir
beste, dat in ime selvere was, dat was der heilige geist Nu sal
man prüven vunf dinc.
6. BL 13» Prior de wizenburg.
Anfafig: Ein heilige spricht: here, dine e is reine ind umbevlect
inde si bekerit die seien zu dir wert, dit in is niec anders dan
die minne.
7. BL 15» Sermo fratris Johannis nigri.
Anfang: Dat eirste is arbeit sunder yirdroz, dat ander eine bir-
nunge, die niemanne gesaden inmach, dat dirde is ein iamer, den
nieman getroisten inmach, dat vierde is eine virmessinheit, die
nieman yirhoin inmach, dat vunfte is eine geduldicheit, (16^) die
nieman overwinden inmach, dat seiste is ein baut, den nieman
inbinden inmach.
8. BL 18» Frater Henricus de sanctis virginibus.
Anfang: Sente Paulus spricht: cleidt uch mit der minnen (Koloss,
3, 12 ff.), alse der mantel me zierit dan die cleidere inde dure
inde werdere is, also zirt die minne alle dügede. Karitas heist die
minne, da uns got mit gemint hait, dat is die in alzemale satche
uzer ime selvere in uns, mit der selver minnen süle wir in wieder
minnen. Das letzte [Drittel von BL 22» ist unbeschrieben; der
Schltcss der Predigt fehlt
9. BL 22^ Frater Johannes de (Easur).
Anfang : Sente Paulus sprict : der vriede unsis herrin Jhesu Christi
de miize sich vrouwin in urme herzen {PhiL 4, 7. Koloss. 3, 15).
De reethen vriede wilt haven, de müz duin alse ein herre, de eine
burch besezzin hait.
10. BL 24» Frater Godefridus de kelse.
Anfang: Sente Paulus spricht (1. Tessal. 4, 1): wir biddeu sunder
underlaiz vür uch inde heischent gode, dat ir vol wert bekennisse
des willen gotz, dat ir vol wert geistlicher wisheide inde geistlicher
verstentenisse inde dat ir wandilt dat spricht na deme willen godz,
dat al ur dun inde al ur lazen gode behegelich si, dat ir vrutberlich
sijt an allen guden werken inde dat ir alwege waissinde sijt iu
deme bekennisse godz inde dat ir gesterkit wert in dügeden.
11. BL 28» Bin minir (nachträglich attsradiert) b rüder.
Anfafig: So wilch mensche de sich also bereidit intgegen unsen
heren, alse he billichen sal, de intfeit zwelf nutze zu siner seien.
Mit Dat zweilfte h'irht BL 29^ der Text ah, hierauf zwei Zeilen
lee7er Baum.
23
12. Bl. 29^ Brüder KirstiaDs aermon.
Anfang: Jacob de sag eine ledere van der erdin in den hiemel.
da ovene np der lederen sach he nnsen heren Jhesum Christum
sich neigen, die zwene ledereboume dat (30*). is yorte inde hoffe-
nnnge. Sente Agnstinns macht dieser leideren echte sprozen.
13. Bl. 30» Van keilse brüder Godevrit.
Anfang: Man list in deme ewangelio {Matth. 8, 23 ff.), dat unse herre
got (30 ^j gienc in ein schif inde sine lungere giengen mit ieme.
he inslief inme schiffe, da huif sich ein groiz stnrm in der se.
du weckedin in die inngere unsen herren inde sprachen: herre hilp
ans, wir yirderven iezü. die se bezeichint nns diese ebbende werilt.
dat schif bezeighint nns des menschen herze. Dass Gott zum
Herzen komme, dazu gehör-en sieben Dinge.
14. Bl. 32» byschof Ailbrets Sermon.
Anfang: Benedicamns patrem et filiam cum sancto spiritn. Wir
loyen den yader inde den sün bit deme heiligen geiste. Weirliche
de loyit den yadir, de in loyit in deme geiste inde in der wairheit,
inde de loyet den s^n, de in loyit in heilicheide inde in gereitheide.
15. BL 37^ Byschof Albrethis sermon.
Anfang : Ir sülit scheppin die wazzere yan den bamen des behelderis
(Jes. 12, 3). Man (38») liesit yan yiere künne donfen {Wasser,
h. Geist, Feuer, Blut). Mer sente Paulus de legit zwa darzö
{Wolke^ Meer, s, 1. Kor. 10, 2). De eirste is: in deme wazzere
weschit aye die eryesunden
16. Bl. 43*» Der Verfasset-^name ist ausradiert.
Anfang: Du salt got minnen yan alle dime herzin, yan alle diner
seien inde yan allin dinen creichtin {Mattk. 22, 37), want got is
die minne. godis minne is ein yur inde die minne is ein burne des
leyenis inde yüdunge des rechtin sprungis yan der minnen. Schluss :
Bl. 45» Spreche ich mit der engele zunge yan wisheide inde druge
ich dat hoir uzer der strazen yan oitmüdicheide inde hedde ig so
starken geloyen, dat ich die berge inde dat mere dede gain, inde
geyich al min güit durch godis wille, inhed (46^) ich der gewarir
minnin niet, id inwere allit niedes wert (1. Kor. 13, 1).
17. Bl. 46^ Kein Verfassemame.
Anfang: Got sprach zu sinen lungeren (Joh. 16, 7): it is uch güit,
dat ich yan uch yare, want ir inmüth den heiligen geist niet int-
fain, also lange alse ir mich mensliche minnit. Intzwiyilt des niet,
got inhedde in wale gegeyen, inwolde he, want si inmothen in niet
intfain, sint godis menscheit des geistis hindemisse was.
18. Bl. 46^ Meister Gerards sermon.
Anfang: Du salt dinen got minnen yan aller diner crait inde yan
alle dime herzen inde yan aller diner seien inde yan alle dinen
gedenken (Matth. 22, 37), also dat du dar up yeryliezes mit minnen.
wa der mensche alremeist mit minnen up yiryluzit, dat is ein
zeichen, dat he dat alre meist minnit.
19. Bl. 47*> Sermo magistri Gerardi.
Anfang: Sente Johannis sprichit {Joh. 1, 14); dat wort is yleiz
worden inde wont in uns inde wir hain in gesien in siner glorien,
dat is in siner loyelicher eren, alse einin geborrenen sun yan sime
yadere yol aller genaden in aller wairheide. warum be sprach sente
24
Johan: dat wort is yleiz worden (48*) inde sprach niet aUe man
gemeinlichen spricht: got is mensche worden?
20. Bl. 49* Meister Qerards sermon.
Anfang: Also schiere alse onse here gedonfit wart, da wart he
geruit in die wnstenonge. da wart he hekort vanme duvele. nmbe
dm dinc wolde anse here bekort werden.
21. B. 50^ Meister Gerards sermo.
Anfang: Man sal präyen yunf dinc an der (51*) Tasten, dat eirste
wammbe dat man nn vast. dat ander, wammbe dat man vast in
dieser zit. dat dirde, wanunbe dat der ▼ie(r)zich dage sin. dat
vierde, wie wir si geyasten, dat si uns nntselich sin. dat yonfte
die yrnit des yastens.
22. Bl. 63» Meister Gerards Sermon.
Anfang: Here, cum, e min kint sterye yan deme natürlichen dode,
(Joh. 4, 49) oye knm, e mine sele sterye yan diner genaden eye
mit einicheme dode der hoyitsunden. in deme werde dat he sprichit
'here\ da ane irzoint he ime 8in[r]e gotiiche ere inde yorte ....
23. Bl. ö?*" Magistri Gerardi.
Anfang: Unse here sprach: yronwe hole dinen man {Joh. 4, 16).
Sente Agnstinos macht dm dinc in deme menschen, he macht einen
slange, dat is die yielicheit. dat ander is die niederste bescheden-
geit, dat is die yronwe. dat dirde is die oyerste beschedengeit,
dat is der man.
24. BL 69^ Sermo magistri Gerardi.
Anfang: Sente Paulus sprichit, dat wir prüyen of (60*) wir des
in uns geyülen, des unse here Jhesus Christus in ieme geyülde
(Fhil. 2, 6). yunf (es werden dann aber nur vier besprochen)
dinc geyülde unse here Jhesus Christus in ieme. dat eirste dat
was sine groze oitmndicheit, dat he yan hiemelriche in ertriche
kamen wolde inde wolde mensche werden durch unsen wille inde
wolde knetz gedene an sich nemen ....
25. Bl. 62^ Sermo magistri Gerardi.
Anfang: Seinte Paulus spricht: sijt ir up irstanden mit Christo,
so Silke die dinc die hie inhoyen sint inde smach der dinge, da
Christus (63*) is zu der zesewin haut des yader {Koloss. 3, 1).
Handelt in eindrucksvoller Eedeweise von der Auferstehung.
26. M 69* Sermo Magistri Gerardi.
Anfang: Den mine sele mint, zöge dich mir inde sage mir, wa
spistu dine schof? inde wa lestu dich nieder an deme middeme
dage (Höhet. 1, 7) . . .
27. Bl. 73* Sermo magistri Gerardi.
Anfang: Der mich mint, de helt mm gehoth inde min yader sal
in minnen inde wir sulen zii ieme kümen inde buwen eine woninge
in ieme {Joh. 14, 21).
28. Bl. 75^ Sermo magistri Gerardi.
Anfang: Die yürige zungen erschienen den apostelin. die kristeu-
heit wart geplanzit in godis gebärde, in siner martilien wüz si.
ze pincsten blüjede si. darumbe biddit du blüit, dat he si na
trecke da he is Zien Sachen wirkit dat yuir.
o
29. Bl. 79* frater ülricus proyincialis.
Anfang: Thoma, want du mich sijs, darambe gelouyis du in mich,
selich sint die min niet insient inde gelouyent in mich {Joh. 20, 29).
25
die glorie unsis herren upirstendinge was also groiz, dat sümelicb«
da ane zwiyelden. der was sente Thomas ein.
30. Bl. 83* Senno magistri Qerardi.
Anfang: Vur allen creatnren so bin ich gebieldet na deme de da
is Yur der werilde {Sprüche 8, 22. 23). dit is gesprochen van
unser vronwen inde darna van uns allen inde van iere zu aller
▼orderst. Marienpredigt ^. Sept.).
31. ij/. 86* Senno magistri Qerardi.
Anfang: Johannes de sprichit {Offenb. 7, 2): ich sach einen andrin
engil her ave kümen (86^) vanme hiemele mit grozer gewalt, van
der Zukunft siner glorien wart dat ertriche irlügt. Hie bi is uns
gegeven zu virstane sente Dominicus of ein ander volkümen lerere,
die mit iere lerin die werilt irlüthit haint. de is geheischen ein
ander engel.
32. BL 90* Meister gera(r)dis sermon.
Anfang: Sente Johannis spricht {Offenb. 7, 2): ich sach einen
andrin engel kümen vanme hiemele mit grozer gewalt, (90^) van
der Zukunft siner glorien wart dat ertriche irlüit. bi dieseme engele
is uns gegeven zu virstaine sente Dominicus of ein ander volkümen
lerere, die die werilt irlüit haint. die sint genant Engele. Dit
insaltu niet yerstain, dat ein mensche yan naturen engel werde of
iemer werden müge
33. BL 94* Meister Gerards sermon.
Anfang: ünse here sprichit, dat die kiudere dieser werilde wiser
sin in ir achte dan die kindere des liethes in Ir achte {Luc. 16, 8).
dat da wiser is, dat müz wiz sin inde müz iet inboven dat hain,
mit deme dat id wiser si. dat bezzir is, dat müz gut sin inde
müz getzwat hayen mit deme dat it bezzir si.
34. ÜZ. 99* Meister Gerards sermon.
Anfang : ünse here sprach : Maria hait dat beste deil irkorin {Ijuc,
10, 42). de kiesen sal, de müz dru dinc hayen. Schluss: BL
105* dis sermon is darumbe gedain, of wir noch herzu kümen, dat
wir wizzen wat id si, die niet dar zu insint kümen, dat si dar
na jamere.
35. i?/. 105* Meister Gerards Sermon.
Anfang: Eümet her üyer zu mir alle die min (105^) begerint inde
werdit iryüllit yan miner geburde, want min geist, de is süzere
dan einigh honigh. mine geburt is inboyen alle süzicheit. de ir
eines gizzet, den hungert eyer. de ir einis gedrinkit, den durst
eyer {Sirach 24, 25. 27 — 29). diese wort sint gesprochen yan
unser yrouwen inde sint gesprochen yan iere einiger personen.
Marienpredigt (16. Aug.).
36. M 115^ Meister Gerards.
Anfang: Die wisheit hait iere gecimbirt ein hüls, des fundament
is der gelouye. de wirt geyestint mit der doufen. die wende sint
bezeichent mit der hoffenungen, die up gerietet wirdit der yirmuugeu.
37. BL 121* am Schluss der Seite Diesen sermon sprach meister Gerart utul
twchinals BL 121*> oben.
Meister Gerards sermon.
Anfang: Ir sint yirgeyen yiele sünden, want si sere minnede
{Luc. 7, 47). Agustinus sprichit: gotliche minne si inmach niemerme
so deine sin, si inyirdielie alle dine sünden.
26
38. BL 125^ Heister Gerards.
Anfang: BL 126* Mitz in der nait wart ein gerüthe: siet, der
brüdegüme kümit, giet lerne intgegin (Matth, 25, 6). Engeln' inis
de dat müge wizzen, of he noch ie den eirsten strich zu gode si
gegangen, mer de sal is hoifen, de in güden willen inde avingen
guder werke alwege is.
39. BL 130^ Heister Gerards Sermon.
Anfang: Unse bere spricht in deme Ewangelio (Luc. 14, 10): alse
dn geladen bist zu der wirtschaf, so salt du sitzen an die niederste
stat. alse he dan kümit de herre de dich geladen halt, so sprichit
he: vrünt, geit hoire, so wirdis du geerit nnder alle (131*) den die
da sint zu der wirtschaf. bi dieser wirtschaf is uns bezeichint die
bralait, die nnse here Jhesns Christas ieme selver hat gemeilt inde
ieme gebradit mensliche natnre.
40. Ml33^meister gera(r)ds.
Anfang: Eneit gut getrüe, ganc in die vronwede dines hereu
(Matth. 26, 21). damit dat he spricht *kneit\ da mit git he uns
ze yirstaine die oitmüdicheit sines levens. ScJUtiss BL 135^.
Hierauf folgen Bl. 135** — 136^ von anderer Hand noch einige
bedeutungslose geistliche Betrachtungen, wohl nur geschrieben um
den Best der. 17. Lage zu füllen.
Die Aufzeichnung der Predigten weist in ripuarisches Gebiet,
genauer nach Köln, wie schon aus den folgenden Excerpten und den
am Schluss ausgehobenen Stücken zu ersehen ist; eine alle Einzel-
heiten zusammenfassende Darstellung der Sprache^) bleibt besser bis
zur Veröflfentlichung des Ganzen — vielleicht nehmen sich die
Deutschen Texte des Mittelalters unserer Predigtensammlung an —
verspart. Aber auch die Sermone selbst lassen ihren Kölnischen
Ursprung erkennen. Es heisst in der Predigt (Nr. 7) des Bruders
Johannes Nigri Bl. 16»:
wie heet mich got gewert! nn inmach ich einen hellinc niet geleisten«
got de heet mich doch gewert, he heet mir gegeven einen orden inde
eine kappe, de mich nn vragede: bruder Johan, wilt ir üre kappe lazen
alse lange bis man zu der düren gegain mach? da nent he allit dat zu
sime ordene gehört inde zu heiligeme levinne nmbe dat bizdum van Colne.
nein ich! woltn nemen dat keiserriche? nein ich! woltn nemen allit dat
got geschaffen hat? he sprach: nein ich!
und Bl. 129^ lesen wir:
manich schif ilit ze Colne, der sümelich niemer ingein dar inkümit, etze-
liche blivint underwilen danne vier of zien milen.
Ebenso lassen sich die Namen einiger der citierten Prediger in Köln
belegen: der Prior Ruf us (Ruftis priar, der roih prior) ^ der die Samm-
lung mit fünf Predigten einleitet, gehört, wenn ein Prior dieses
Namens sich auch nicht auffinden Hess, doch wohl dem bekannten
Kölner (ieschlechte an, vgl. R. Hoeniger, Kölner Schreinsurkunden
1) Ich glaube bei den einzelnen Predigern hie und da kleine Verschieden-
heiten in der Aufzeichnung wahrgenommen zu haben. Weisen diese vielleicht auf
ältere EinzeWorlagen hin?
27
des 12. Jahrhunderts 2, 2, 256; Ennen und Eckertz, Quellen zur
Geschichte der Stadt Köln 2, 649*. 3, 568»»; Fahne, Geschichte der
Kölnischen — Geschlechter 1, 275. 363. Zum bereits genannten
Johafifies Nigri (Nr 7) vgl. Joh. dictus Niger, Canonicus an S. Severin
in Köln zum Jahre 1358 (Annalen des Historischen Vereins für den
Niederrhein 20, 89), Peter Nigri 0. Pred. (ebenda 52, 230). Hen-
ricm de sanctis virginibus (Nr. 8) wird wohl mit dem clericus, vicarius
aut canonicus perillustris coUegiatae St. Ursulae et sociarum mar-
tyrum identisch sein, der nach Hartzheim Bibl. Colon, p. 127* eine
Historia sanctae Ursulae einsque parthenii sodalitii verfasste. Zu
S. Ursula war Kelz gehörig (Annalen 31, 60. 100), nach dem sich der
Prediger von Nr. 10 und 13 nennt: Godefridas de Ke{%)l8e. Ein Joh.
de Kelsse war Canonicus an der Kirche zu den 11000 Jungfrauen
(Annalen 28, 69), ein Nicolaus dictus de Kelse thesaurarius ecclesiae
S. Apostolorum Col. 1299 (ebenda 46, 82), Godefridus Godefridi de
Kelse 1343 Canonicus Col. (Sauerland, Urkunden und Regesten zur
Geschichte der Rheinlande 3, 90). Über 'her Joh. van Keilse ein
canunch sente Apostelen, de rentmeister was des bischofs van Collen^
(1375. 1377) s. Chroniken der niederrheinischen Städte. Cöln. 2, 25, 12.
3, 721, 35. Bischof Älbrechty vertreten durch sermo 14 und 15 und
auch Bl. 11* citiert, ist in dieser Umgebung gleichfalls für Köln
zeugend, wo er urkundlich als Lesemeister der Dominikaner zuerst
1252 begegnet, vgl. Cardauns, Konrad von Hostaden S. 138; Finke,
Ungedruckte Dominikanerbriefe des 13. Jahrhunderts S. 19. 52.
Endlich spricht zu Gunsten der rheinischen Metropole — von Kölns
Tfaffen' hiess es damals, sie seien nebst denen von Paris 'die besten
vor allen Reichen' (von der Hagens Germania 8, 307) — noch der
Umstand, dass das seelsorgerische Wirken einer grösseren Reihe von
Geistlichen an einem und demselben Orte, in einem Frauenkloster
oder Beginenhausi), einen grösseren Mittelpunkt geistlichen Lebens
voraussetzt. Dass die Sermone für eine weibliche, und zwar klöster-
liche Zuhörerschaft bestimmt sind, ergibt sich aus einer Stelle, wo
der Prediger sich direct an die 'Klosterjungfrau' wendet (Bl. 16*):
an vrage ich dich iancvrouwe, du da inme cloistere bist, of du wolt lazen
dat cloisterleven, dat du ere inde rigdam dieser werilde haves inde wale
ezzen inde wale drinken? ich sprechen: nein ich!
Und auch die folgenden Stellen kann man sich nur vor einem
weiblichen Publikum vorgetragen denken:
BL 97* Dat liet heet ouch an ieme, dat it schinit up unvlediche
dinc inde dan af inwirt id niet bevleckit. hi bi sin gelerit die giene die
bewilen wiilent die lüde bekerin van ieren sündeu inde sünderliche vronwen-
namen. wirdis du geware, dat dine reinicheit noch bevleckit mach werden,
so la in liever in siner boisheit alleine dan dat he dich mit ieme zie in
1) Vgl. J. B. Haasz, Die Convente in Köln und die Beghinen. Köln 1860.
S. 32. 34; Cardauns, Konrad von Uostaden S. 129 f.
28
sine boisheit, want de dügentliche werc sal wirken, de müz ieme selver
gewalt dün inde müz inboyen sich wirken.
BL 101* du inmait onch niet zu retheme namen heischen vroawe,
du inhavis alle die dinc virwunnen, die dich hinderen mügen.
Ob auch Bl. 88^ (s. unten Excerpt 21) in diesem Zusammen-
hang angeführt werden darf?
Auf die Örtlichkeit und Umgebung, wo und in der die Predigten
gehalten worden sind, wird gelegentlich angespielt, vgl.
BL 83* Man sprichit dat der mensche süle werden claire dan die
sünne. (83b) inde ich spreche, dat in dieseme huiz ingein mensche inia,
he insi hundert werf claire wan die sunne intgegenwordich also viele,
alse geistliche dinc werdiger sint dan weriltliche dinc.
BL 86* . . . also dat ein mensche mothe uzer deme huis gain up
diesen kirchof, dat he me lonis neme dan ein ander de zu sente Jacobe
gi-'nge. dit Sprech ich durch einis menschen wille of durch zweijere.
Welcher Gemeinschaft aber haben wir die Prediger zuzuweisen,
wenigstens ihrer Mehrzahl nach? Ich glaube, dass dafür der Domini-
kanerorden^) in erster Linie in Betracht kommt und zwar auf Grrund
einiger Stellen in zwei Predigten (Nr. 31 und 32) des Magisters
Gerhard, der damit dann selbst dem Predigerorden wird zugewiesen
werden müssen. Bl. 86*. 90* wird von dem genannten Prediger das
Thema Apoc, 7, 2 behandelt und der 'andre Engel' zunächst auf S.
Dominicus bezogen:
Hi bi is uns gegeven zu virstane sente Dominicus of ein ander volkümen
lerere, die mit iere lerin die werilt irluthit haint.
BL 87*» Nu sprichit he (Johannas): ich sach in kümen vanme
hiemele. dat diese persone (Dominicus) diesen ordin auevienc, da der
werilde alse viele nutz is ave kümen, dat was eine sunderliche gave
vanme hiemele.
BL 91^ des hadde sente Dominicus Urkunde van deme pavese, de
sin leven beschrieven hait (welcher Papst ist gemcinty Gregor IX. ? ein
Papst als Verfasser einei' Vita des h, Dominicus i^t nicht bexeugi),
dat he nie hovitsunde ingedede, want sunder dagelis sunde inmothe he
niet leven.
Das vergleichsweise Hervorheben des Dominicus ist jedenfalls
beachtenswert. Es wird noch bedeutsamer, da ausserdem, wie schon
erwähnt, Bischof Albrecht (Albertus Magnus) mit einem Citat (Bl. 11*)
und zwei Predigten erscheint, deren erste eine Blütenlese von ver-
schiedenen Aussprüchen dieses berühmten Ordensmitgliedes ist, der
frater Ulncus provincialis aber, dem sermo 29 zugeschrieben ist, kaum
ein anderer sein kann als Alberts des Grossen Schüler und Freund
Ulrich Engelbert von Strassburg, der in den Jahren 1272 — 1277
Provinzial der deutschen Provinz des Dominikanerordens war (s.
Finke, Ungedruckte Dominikanerbriefe des 13. Jahrhunderts 1891
S. 18 if. ; Michael, Geschichte des deutschen Volkes 3, 123; M. Grab-
>) über das angesehene Kölner Dominikanerkloster s. Cardauns, Konrad von
Hostaden S. 136 f; die Frauen von S. Gertrud waren den Dominikanern unterstellt,
s. ebenda S. 116; Annalen 38, 32. Sollten vor ihnen unsere Predigten gehalten sein?
mann in der Zeitschrift für katholische Theologie 29, 82. 315. 482.
()07). Damit ist dann noch ein weiterer Anhalt gegeben, die Ab-
fassung der Predigten ins 13. Jahrhundert zu setzen. Wer aber ist
der meister (magister) Get-ard, von dem nicht weniger als 22 Sermone
(Nr. 18 — 28. 30 — 40; dazwischen steht die Predigt des Provinzials
Ulrich) vorliegen. Magistri mit dem Namen Gerhard begegnen im
13. und 14. Jahrhundert in den zahlreichen Kirchen und Klöstern
Kölns mehrfach. Für uns können aus dem oben S. 28 angeführten
Grunde nur solche Namensträger in Frage kommen, die dem Prediger-
orden angehören. Quetif-Echard nennen Scriptores Ord. Praed. 1,
725* Gerardus Coloniensis Teuto aus dem 14. Jahrhundert (1314) als
Verfasser zweier Schriften De meduUa (medela) animae und Recreatio
animae ; ob Johann Meyer im Recht ist, wenn er Giraldus Coloniensis
in die Liste der sacre pagine doctores einreiht, bleibt freilich fraglich
(Denifle im Archiv für Literatur- und Kirchengeschichte 2, 190 £F.).
Eher möchte ich an Gerhard von Minden denken, an den frater
Gerardus theuton. bacularius, der super metaphysicam und super
Ecclesiasten geschrieben hat und um 1277, von andern vor 1400 an-
gesetzt wird (Quetif-Echard 1, 725^; Denifle aaO. 2, 240). Heinrich
von Herford zählt ihn neben Ulrich von Strassburg, Dietrich von
Freiberg und anderen zu den berühmtesten Theologen des Prediger-
ordens in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts (Liber de rebus
memorabilioribus ed. Potthast 1859 S. 204). Den Prior de Wizenhurg
(Nr. ()), der von Johannes und Conrad von Weissenburg (Wacker-
nagel, Literaturgesch. § 90 Anm. 55) fernzuhalten ist, mit dem dor-
tigen Dominikanerkloster in Beziehung zu bringen, wäre voreilig, da
das Kloster erst 1288 erbaut wurde (MG. SS. 17, 215, 33); auch
begegnet ein minir hrfider als Verfasser von Nr. 11, wo freilich die
Bezeichnung der Ordensgemeinschaft nachträglich auszuradieren ver-
sucht worden ist.
Wir müssen uns zunächst an diesen Andeutungen genügen lassen.
Leider sind alle meine Nachforschungen nach urkundlichen Belegen,
bei denen mich die Herren Archivdirektor Dr. Hansen und Archivar
Dr. Keussen freundlichst unterstützt haben, wofür ihnen auch an
dieser Stelle herzlicher Dank gezollt sei, ergebnislos geblieben.
Ersterer schreibt mir, dass das Archiv und die Bibliothek des Kölner
Dominikanerklosters ganz besonders schlecht überliefert ist, dort nur
unbedeutende Fragmente vorhanden seien, und auch das Düsseldorfer
Staatsarchiv, dessen das Dominikanerkloster betreffende Archivalien
erst mit dem Jahre 1330 beginnen, nichts für unsere Fragen enthalte.
Die Form, in der die Sermone überliefert sind, verlangt ein
kurzes Eingehen auf die Art ihrer Aufzeichnung. Da ihnen jede An-
rede an die Zuhörerschaft abgeht, sie ohne jedes ermahnende Wort
am Schluss ausklingen — nur Nr. 30 und 34 kennzeichnen das Ende
in besonderer Weise — , könnte die Annahme zunächst berechtigt
scheinen, in ihnen Niederschriften von sog. Collationen zu sehen und
daraus die losere Form zu erklären. Auch das oft frei gewählte
30
Thema könnte dafür sprechen. Möglich aber auch, dass unsere Hand-
schrift direct oder indirect aus Nachschriften von Predigten hervor-
gegangen ist, die bei der schriftlichen Wiedergabe bereits gleichzeitig
oder später insofern eine Redaktion erfahren haben, als dafür die
Form des Excerpts gewählt wurde; es kam dem Aufzeichner nur auf
das Wesentliche an. Dann aber konnten die formelhaften Eingänge
sowie die Schlussformeln in W^egfall kommen. Vor allem jedoch lässt
sich die excerpierende Methode daran erkennen, dass bisweilen von
dem Prediger in dritter Person geredet wird, so wenn es mitten in
einem Sermon des Weissenburger Priors heisst: der hrüder Sprech
(s. unten Excerpt 5) und in gleicher Weise Meister Gerhard in seinen
eigenen Predigten citiert wird (s. unteij^ Excerpt 18 und 31). Die
als Bysckof Ailbrets Sermon bezeichnete Nr. 14 (s. unten S. 34 ff.) setzt
sich aus lauter Excerpten und Aussprüchen Alberts des Grossen zu-
sammen, die jedesmal mit OwoA sprach he dit wort, an einer zU sprach
he ouch ein wort und ähnlichen Wendungen eingeleitet werden.
Ihrem Inhalte nach knüpfen die Sermone meist an den in
deutscher Sprache — allein Nr. 14 zeigt lateinischen Eingang —
gegebenen biblischen Text an, auch freiere Themata, für die die
Anregung aus dem traditionellen biblischen Stoff geschöpft ist, ohne
sich an eine bestimmte Textstelle anzulehnen, sind beliebt. Vereinzelt
wird von einem apokryphen Citate ausgegangen (Nr. 6). Die Aus-
legung im Einzelnen schaltet bald in grösster Ungebundenheit mit
dem Bibelwort, bald zergliedert und zerfasert sie den Text echt
scholastisch, mit sichtlichem Behagen an zahlreichen Einteilungen
und ergeht sich in allegorischen und moralischen, gelegentlich auch
dogmatischen Deutungen ; letztere finden sich namentlich beim Meister
Gerhard, der zudem durch häufige Berufung auf patristische und
spätere Literatur seiner Lehre grösseren Nachdruck zu geben weiss.
Ausser der heiligen Schrift (69*. 83^. 122^) citiert er Augustin nicht
weniger als 19 mal (57». 65^ 66^ 68». 71»^ 74^ 78». 85*. 98*. 103*».
115*. 120»^ 12P. 127•^ 128^ 132^), den h. Bernhard 8 mal (67*.
105^ lll•^ 115*. 122^ 123». 125»), s. Dionysius 5 mal (73». 74*.
78^ 87^ 93»), s. Gregorius 3 mal (73^ 123». 125»»), Origenes (75».
106*), s. Hieronymus (126*), er zieht die Recognitiones S. Clementis
(100* f.) sowie die Glosse zu einem Marienleben (? 105*) heran und
redet von des h. Athanasius und s. Hilarius Zeiten (Excerpt 27).
Ausserdem finden sich Berufungen im Allgemeinen wie: darufnbe sprach
ein, de leider unsis geloven niet inwas (Excerpt 13), ein heilige sprichü
(Excerpt 14.— 71*. 73»), ein heilig man (106»), die meistere (103*. 125»).
Auch den übrigen Predigern ist Augustin Hauptquelle: sie nennen ihn
12 mal (15*. 21». 27* (2 mal). 29». 30». 31». 32». 32* (2 mal). 35*. 41*)
und sonst noch den h. Bernhard (22*), s. Gregorius (28»), s. Dionysius
(81»); vgl. auch ein heilige sprichit (13». 15*), ein heilich wisman sprach
(31*), die meistere sprechint, die heidene 7neistere sprachen (Excerpt 9).
Der verhältnismässig grosse Gitatenreichtum ist übrigens dem
seelsorgerischen Zweck, den die Prediger verfolgen, nicht hinderlich
gewesen. Neben der Umschreibung und Ausdeutung des biblischen
31
Wortes behandeln sie meist allgemein erbauliche Fragen und suchen
die einzelnen Glaubenswahrheiten, hie und da sogar in warmherziger
Rede, ihren weiblichen Zuhörern nahe zu bringen. Sie erschliessen
ihnen das Wesen Christi, der Maria, der Engel und des heiligen
Geistes, predigen ihnen von der Sünde wie von der Minne, insbesondere
der göttlichen, von Furcht und Hofinung und wahrem Frieden, von
den guten Werken und dem Zweck des Fastens, von der Seele und
vom Menschenherzen, in das Gott kommen soll, vom Aufgehen in Gott
und geistigem Schauen, von der geistigen Taufe und von der Auf-
erstehung. Sie reden ihnen von den Kindern der Welt und des
Lichts und lassen vor ihnen das Ideal des guten Menschen erstehn.
Was die Persönlichkeit der einzelnen Prediger betrifft, so tritt
nur Meister Gerhards Bild schärfer hervor, da die Überlieferung bei
ihm verhältnismässig reich fliesst. Es fehlt seiner Predigt nicht an
markanten Zügen. Sie ist einerseits stark scholastisch gefärbt und
gefällt sich bisweilen in spitzfindigen Deductionen; andererseits aber
weiss der Redner seine Ausführungen subjectiv zu beleben, in dem
er seinen Standpunkt gegenüber den Auffassungen anderer {sümeliche
sprechent, haint gesp'ochen 47'. G5*. 127* vgl. auch 103^) darlegt,
dogmatische Fragen gegenüber ketzerischen Ansichten (Excerpt 11,
vgl. auch 59** Excerpt 15; 102» Sermo 34) verficht, dabei aber sich
sehr wohl der Grenze päpstlicher Machtvollkommenheit bewusst ist
(54* Sermo 22; der Papst wird auch im Excerpt 15 genannt). Der
Prälaten Rechte voll anerkennend (Excerpt 24), äussert er sich doch
freimütig über die Herrschsucht und Rechthaberei, Ungerechtigkeit
und Übervorteilung im geistlichen und weltlichen Stande (101^ ff.
Sermo 34 über Richter und solche, die gern Prälaten wären, vürkouf
mit Wein und Korn). Das geistige Niveau seiner Zuhörerschaft muss
er ziemlich hoch einschätzen, wenn er (85* Sermo 30) meint, nur die
Bauern und Leute ihres Schlages Hessen sich vorpredigen von der
Hölle, in der es Kröten und Schlangen, Schwefel und Pech gebe:
dem diet müsse man die blose Wahrheit zu predigen verstehen. Er
weiss durch Fragen und Ausrufe, durch stilistische Häufungen und
Wiederholungen seinen Vortrag zu würzen und wählt seine Ver-
gleiche gern aus dem täglichen Leben, indem er auf Hausbau
(Excerpt 14), Gewichtsverhältnisse (55^. 56» Sermo 22), Schiffswesen
(Excerpt 36. 37. 38), Jagd (Excerpt 28. 32), den ärztlichen Beruf
(54^ Sermo 22) und das Verhältnis des Amtmanns zu seinem Herrn
(Excerpt 23) anspielt; oder er veranschaulicht seine Lehre durch
Hinweise auf die Naturkunde, auf Physik und Chemie (Gesetz der
Schwere; Blei, Kupfer und Gold, Excerpt 25. 32). Auch die Excerpte
17. 33. 35 entbehren nicht des Originellen.
Weiteres muss einer vollständigen Publication der Predigten
vorbehalten bleiben. Ich bringe im folgenden sechs Sermone zum
Abdruck, denen sich eine Reihe von Excerpten aus den übrigen
anschliessen möge. — Den Herren Prof. Bihlmeyer und Steph.
Beissel S. J. habe ich für freundliche Unterstützung beim Aufsuchen
einiger entlegenerer Quellennachweise auch an dieser Stelle zu danken.
82
Sechs Predigten.
3. Sermo Ruft priori».
(4^) Zien dinc hast unse Here, die süle wir (5*) onch hassen. Dat eirste
dat sint die ho siende ongen. dat sint ho siende ongen, die alwege uver
sich sient na eren, na gewalt, na rigdüme inde na weriltlichen sacben.
alieine he dit hast an allen laden, doch hast heid sanderliche an armen
6 laden, want si haint ein niedertrecken zu oitmüdicheide. Dat ander is
die liegende znnge. aller andagt mach man büze sander der liegender
Zangen. Dat dirde is blüt starzen. Sente Johannes spricht: de is man-
slait, de den anderen hast. Vier sunden sint, die wilt Got niet lange
beiden, he inwrecliRe. die eine dat is manslait. Dat ander is anmen-
10 Bchelighe sanden wieder die natare. dat dirde is anreit gewalt üver die
armen. Dat vierde is dat man den (5^) armen iren loin inthelt. Dat
vierde dat Got hast, dat sint die vüze, die zu den sanden geint, da salt
dich doch beraden einen dach ove zwene, e dn zu den geis. da in taschen
mag dir Got sine genade geven, dat der sanden gehut werden. Dat fanfte
15 dat Got hast, dat is ein grimmich herze, dat allewege vol zomis is.
Dat seiste dat is valz gezach. Dat sievende dat is ein herze dat alwege
nnvride inde arlüge sait ander den laden inde bort hie ein wort inde
draidit dare inde bort da ein wort inde dreidit her wieder. Dat eichte
dat sint die da sint van Esaawis geslethe, dat sint die giene, die so
20 lietlicben virkovint ire genade nmbe eine deine gelast ove ambe eine
deine genngde. (6») die sülen sig selver prüven, want si schinent dügde
baiu. dit is ein gedwnngen dinc. büde iman ied drambe, id were alse
wale Teile alse dat ander. Dat nande dat Got hast, dat sint des
kint. dat sint düvels kint, want si wirkiut sine werc. Dat ziende dat
25 Got hast, dat sint die vremde bielde. Unse here zoinde eime Prophetin
den Tempil van Jhernsalem inde sprach: graf darg. du vant he dinne
manicher kunne grawelicher bielde. Du sprach he: alsus heit sich die
dother van Jernsalem inb innen gemailt.
8. Frater Henriens de sanetis virginibas.
(18^) Sente Panlas spricht: cleidt ach mit der minnen. alse der mantel
30 me zierit dan die cleidere inde dare inde werdere is, also zirt die minne
alle dügede. Karitas beist die minne, da ans Got mit gemint hait, dat
is die in alzemale satche azer ime selvere in ans. mit der selver minnen
süle wir in wieder minnen. Sieyen zeighen sint an der minnen, di die
giene hant die eflichen minnent. Dat eirste zeighen dat is, dat si viele
35 gedenkint inde viele begrifent mit der begerrnngen. lutzil sprechint also,
dat id nieman inmach verstain dan den si minnent. dit is an den gienen,
die alzemale nzer in selven sint gesath in Got. mit balven worden
sprechent si also, dat id nieman inmach virstain dan den si minnent
(18^) alse die sele in der minneu buche spricht: Min lief mir inde ich
40 ime. wat is dit gesprochen? we kande dit verstain dan der gien alleine
den si mint? Dit is gesprochen: min lief beet mir alzemale geleeft inde
ich hain ime alzemale geleeft. Etzeliche lüde willint Gode leven inde
oach der werilde. des inmac niet sin. Sente Johannes sprichit: so we
der werilde leevit, de is Gots vient, min lief is mir ze male gestorven.
5 niedertrecken, rfo« t erat durch JRasur entstanden. 7 1. Joh. 3, 16. 14
lies dir s. gehat? die Hs. Hesse freilich gehaz erwarten. 23 die Lücke in der
IIs. 25 Hcsek. 8, 8 f. 29 Koloss. 3, 12 flf. 39 Uohel 2, 16. 43 vielmehr Jak. 4, 4.
3$
inde ich bin ime ze male gestorven. Min lief kümt mir alleine evene inde
ich körnen ime alleine evene. Min lief is mir ein loin alle siner pinen
inde arbeit. Want alle sine pine hait he durch mich gelieden. (19*) Dat
ander zeighen, dat die giene haint die efliche minnent, dat is dat in ir
5 gebeene virdorrit van minnen. Dat is geistlichen an den gienen, die nzer
in selven sint gesath in groze minne, dat alle vleisliche begerrange vir-
dmgit an in. der duvel vlnet diese sele, want wa der davel netzede yint,
dar setzt he einen ynz. Dat dirde zeighen dat si haint die efiichen minnent,
dat is dat in die oogen in vallint. Dit is geistliche an den gienen, die
10 mit minnen alze male in Got sint gesath. Die sele heet zwei ougen da
ii}it dat si siet. dat eine dat is ir verstentenisse. Dat ander is ir begeringe,
die heet die sele in gezogen inde s^*t alwege inwendich, dat si niet indü, dat
sinen engen (19^) missevalle, want he alwege in dat herze siet. euch s\jt si
dmmbe inwendich, wanne dat he küme of wanne dat he vare. wanne kamt
15 Qot? alse he dir nuwe inigheit brengit. wanne yert Got yan dir? alse he dir
die genade inzuit. dat deit he nmbe vnnf dinc. Dat eine dat he die begeringe
mere inde wide, want he wilt kamen mit nnwer genaden. want id infngt eime
grozeme herren niet, dat he in ein arm hnis kftme. Dat ander, dat der mensche
die oitmüdiger werde inde dat he dat bekenne, dat he niet inhave, id insi van
20 Gode. ein riugeleet liet geit nzer Gode in die Engele. alse si dat besient,
dat si Got van siner eigener güden hait gemachit, so drant sit wieder in
Got ime zu love. alsus deit die (20*) sele. Dat dirde dat si der kost niet
gedragen inmach, want die sele is also affeit, mothit an iren willen sin, si
virdede np einen dach also viele si inknnde binnen vnnf iaren niet vir-
25 gelden. Dat vierde dat die sele prüve, wie engistlich dat geschiet, is,
dat die sele ewegclichen van Gode is gescheiden, want düsint hellen insint
niet alse swair ze lidene alse van Gode zu scheidene. Dat vunfte, alse
he dan kamt, dat si in wirtlicher behalde. Dat vierde zeighen dat die
giene haint, die efliche minnent, dat in die engen verdrugent, dat si niet
30 schrien inmügen nmbe allit dat in geschiet. ane hoirden si einen minnen-
sanc van deme, dat si minnent, so schruwen si. alsus deit oug die sele, die
nzer ir selver is gesath (20^) in Got: den sint die treue oug virdrugit.
also wat in geschiet an vrunden inde an magen, an schade des güdes, mit
sugeden an ieres selvis live, darumbe inmügen si niet schrien, wanne
35 hoirden si einen minnensanc van ierme lieven herren Jhesu Christo, so
•schruwen si ein minnensanc, dat is die mettene, want unse herre Jhesus
Christus durch iere minne gevangen wart. Ein minnensanc dat is die
prime, want unse herre Jhesus Christus durg iere minne vür geriethe stunt.
Ein minnensanc is die Tercie, want unse herre Jhesus Christus durch iere
40 minne gegeissilt wart, ein minnensanc is die Sexte, want he durch iere
minne an dat cruce geslagen wart, ein minnensanc dat is n&ne, want he
durch iere minne anme cruce (21*) starf. alse sente Agustinus spricht:
0 herre, da ich der minnen sanc hoirde singen, du goiz ich riueliche die
treue lüde mir was wale mit in. Dat vunfte zeighen: dat in der puls sere
45 sleit inde sprinct in. der seien puls dat is ir begeriuge, de sleit alwege
ho in Got. Alse der propheta sprichit: Min herze inde min lif sprinct in
den levenden Got. Dieseme slüch sin puls sere. Alse der propheta sprach
an einre ander stat: wanne kam ich vür sin antlietze? want ich des niet
inhain, darumbe sint mir mine treue eine spise nait inde dach. Dat seiste
50 zeighen : dat si geent alse si virbaist sin. wat man in sait van der werilde.
46 Fs. 84, 8. 48 Fs. 42, 8 f.
FMtgab« (Kd. Jb. XXXYU).
34
si geberiut alse si intslaven sin. aue wat mau iu sait vau irme lieven
herren Jhesu Christo, so intspringent si. (21^) dan af kumdit, dat si loifvent
van einer predgaden zu der andere inde inkünnius niemer sath werden.
Dat sieveude zeigheu is: aisi ein gelignisse si^nt des, dat si miunent, so
5 wenent si in mer, dat id dat si dat si minnent, inde werdint van eima
traue alse dmnken, dat si inwiszen, wie si geberen mügen. Alsas geschag
sente Petro, du in unse here np den berg geleit hadde inde sente Johannem
inde sente Jacobnm. Du sich unse herre da virwandilde vür in, dat i'me
sin antlietze wart alse die saune inde sine cleidere wis alse des sne, du
10 erschein da Elyas inde her Moyses inde reeden mit irme heren. Hin af
was sente Peter so drunken worden, dat he inwiste wat he sprach. Herre,
sprach he, la aus hie macheu (22*) dru gezelt: dir ein inde Moysi ein inde
Elyas ein. Dra gezuch hain wir van den heiligen, dat he inwiste wat
he sprach. Dat eine is, dat unse herre wieder in lange gesprochen badde,
15 dat he zu Jerusalem den doit solide lieden. dis hadde (he) allis virgessin
van dranckingheide. Dat ander is, dat Ysaias hadde gesprochen: dat nie
oage ingesag noch nie ore ingehoirde, dat halt Got sinen vrunden bereit,
dat sach he bit oagen inde hoirdit bit oren
14. Byschof Ailbrets Sermon.
(32*) Benedicamus patrem et filiam cum sancto spirita. Wir loven den
20 vader inde den sün bit deme heiligen geiste. Weirliche de lovit den vadir,
de in lovit iu deme geiste inde in der wairheit, inde de lovet den sün, de
iu lovit in heilicheide inde in gereitheide. Agustinus sprichit: Der beilige
geist si der miunen baut. Blut mich minnincliche zu der minneu inde
werliche zu der wairheit inde darnechtliche zu der gereitheide, dat ich in
25 der minneu blive, waut da biz minne inde du biz wairheit inde da biz (32^)
heilige süzicheit, da minliche inde du herzeliche unse herze durch geit.
dit geschie na minneu begerde.
An deme latine dat da vüre geschrie ven steit, so wart viele güdis
gesprochen van meister Albrethe. Etzeliche sine wort dun wir scbriven
30 ambe güit, dat id ans blive iu anseme gehachenisse, waut selich sint sl
die dat wort horent inde dat behaldent, alse unse herre sprichit. In eime
sermone sprach Agustinus : Got de was ie guit inde ein güit, de siner gülden
volheit niet gedrageu inkünde, heue geschnffe edele creaturen, die sin güit
intfain mothen. waut dat is recht, dat dat geregthe güit alwege si vlie-
35 zinde iu sime güide. Dat is gerecht güit, sprach Agustinus, dat ieme selver
niet vluzet inde in deme vloze wirt gewit (33*) lüde gemerit van der
miunen, dat it vliezeu müz inde dat it hitzeliche inde balde mit sines
selves weseue na sturcende is sime güit. 0 we is dit güit? dat sprechent
alle die heiligen, it si Got. 0 güit inde güde! güide mich mit diner
40 güiden, so werde ich güit inde edel mit dinen engelen inde mit dinen
heiligen zu intfelne dat güit dat du biz. Inde etzelich wort wart ge-
sprochen van heydenen inde ein de sprach, wat dat were: rechte weelde.
Is dat weelde : schone wesen inde schone ezzen inde schone drinken inde
schone cleidere dragin inde müzich gain inde manich andere dinc, die de
2 loifuent. 6 MaUh. 17, 1 ff. 15 haddin. 16 Jes. 64, 3. 19 die do.ro-
logische Formel Benedicamus patrem et filium cum sancto spiritu (: laudemus et
superexaltemas eum in saecala) stammt aus der kirchlichen Liturgie und ist an das
zu den Laudes im officium divinum gehörige Canticum trium puerorum (Dan. 8,
57— 88J angefügt. 26 herze] in der IIs. h' und dann freier Raum für zwei Buch-
staben. 31 Luc. 11, 28. 38 volheilt. 38 sime] si.
35
werilt weelde daukitV Neiu niet! sprach de beiden, dis muge wir uns
alze sere schämen. Dat is rechte weelde, sprach he, alse die sele wirt
berurt (33^) van deme güide, dat ir natarlich is. Eyn ander heyden
sprach du zu dieseme worde: Ja! alse si eine blume begrifet, des si dan
5 gevület. Ja! sprach de meyster. Wat is der seien natarlich güit? dat is
üod alleine. Inde wanne so wirt dine sele gerurit van irme naturlicheme
güde? Dat is alse si intfeit ein lieth erkennisse der Gotheit inde dat si
gevület, dat Godis wille in ire levit bit weelden.
Onch sprach he dit wort: alse da dich wolt yirgain bit dinen ge-
10 denken, so salta din herze setzen ander die flammende Seraph in inde salt
sien in Gode, in wat eren inde in wat edelcheide dich Got geschaffen have.
An einer zit sprach he ouch ein wort, etzelich wart genumen van
deme geiste inde wart gevurt up einin (34*) hoin berch inboven die erde
inde ander den hiemel, dat ein wenich minre si dan die engele inde die
15 heiligen inde also yil minre als man gecleit is mit dieser menscheide.
Ein ander wort sprach he oach Tan Job. Des düvels vurganc de deit
dat mere wallen, dat geschiet als he din herze vuUit bit grozen bekoringen
inde bedrufenisse. So geistu zu anseme herren Gode of liethe an eine
heimeliche stat vür einen alter inde clagis anseme herren Gode din bedrüfe-
20 nisse. van deme iamere dinis herzen so kümit ein bitter wazzer azer dinen
ongen inde vlüzit ap ansen heren inde mit bittercheide kämit id van dime
herzen inde uver karthe wile kümit id bit süzeme troiste (34^) inde bit
vroadin inde bit yrieden gevlözin zu dime herzen, warambe is dat? dine
geringe gazis du ap die süze salve, dat is Jhesas Christus, darambe kümit
25 id mit süzicheide zu deme herzin, want de aller süziste de heet dit ge-
mengit mit siner süzer salven. also heizet he selve salvende.
In einer zit sprach he oach ein wort, du he viele sprach van minnen.
Ein prophete, sprach he, de sach unsen heren want inde he vragede: we
wunde dich aldus? It geschag mir, sprach he, in der giener huis, die
30 mich minden. darambe is he alwege nawe want, want ime alle zit int-
gegenwordich is, dat he minnet inde dat in wundit.
An einer zit sprach he oach van volküminre oith(36*)müdicheide,
wie sich die vürsten in dieser werilde underwundint der erin inde der ge-
walt, die Got alleine ze rethe sal haven. allit dat ich have, dat geven
35 ich inwech van minnen ane mine ere inde mine gewalt, die ingevich nie-
manne, dit sprichit he selve. Nu mothe etzeliche mensche denken, sprach
he, hie miede inhain ich niet ze dune, ich inbin ingein vürste der werilde.
intrüwen, sprach he, ich vorten, dat wir alle drane schaldich sin, curteliche
gesait. wie gesohlt dit andir? dat is zu der zit, als dich des dankit van
40 dir selver, dat du so viele haves vaa uaturen ove van genaden, dat du
dich grozer dinge underwindes ze düne, niet also, dat du gerüfin sis van
Godis geiste ove van güden (35^) lüden, mer ecker dat da duis dinen
willen zu diner genügeden. Aldus beniemis du Gode sin ere inde sine
weide, die he drave solde van rethe hain, want he was de is began inde
45 he was die wisheit die it geleide inde die güde, die it volbrathe. Ein
wort ouch David sprach: ey here, wie sere intforte ich den dach, wilchen
dach meinis du, David? sprach Agustinas. meinis du den dach Godis
antlietzis? Nein du! truwen, den intforte wir niet, des hoffe wir alle,
du meinis den dach des gelükis van dieser werilde. 0 here, sprach he,
50 blif alle mine weelde, want mir in is niet weelde wan Got alleine, des
28 Sach. 13, 6. 46 2. Sayn. 6, 9.
8*
36
muge wir uns alze sere schämen» die so maniche weelde s&kent an deinen
dingen.
(36*) Oach sprach he ein wort, wie man Gode sin ere beneme.
Dat is als da mit schonen gelaze inde mit worden van minnen ieme beniemis
5 sin herze/ die intrnwen liethe gelogin sint. hie beniemis dn Gode sin ere
inde stoizis in van deme stüle siner weelden. want he sprichit in deme
Propheten, des menschen herze si sine weelde. zonis da enich gemachit
gelaiz TÜr dime yründe ove vür iemanne anders, dat die wairheit in dime
herzin niet in is, da deis groze sande. ore bis da nrsache in eincheme
10 dune dines gelazis ove diner worde, dat die wairheit niet in is in dime
herzin, beniemis da iemanne sin herze da miede, so beniemis da Gode sin
ere inde sin gewalt, want (36^) da anderwindes dich des, des sich Got
anderwinden solde. Awi wie dicke geschiet dit Tan ans laden, des wir
wenich wizzen willen!
15 Zu einer zit sprach he: Die tafele is gesath, die wirtschaf is bereit,
iien wir mit grozer begerringen zu dieser grozer wirschaf, da al is bereit
inde niet ingebrichit. die boden sint gesant manichyeltliche inde noch
alle dage werdint gesant ans ze ladene inde ans ze rüfene zu dieser wir-
schaf. De allir beste bode dat is Godis geist. de wirt gesant zä anseme
20 herzin ans ze manene inde ze sagene, id is allid bereit, dat wir balde ilen
inde niet inmerrin an ingeinen dingen van ertriche. we sal ieme geschien,
de diesen boden versmeit inde verdrivet (37*) dicke van sime herzin. Dii
sprach he ein engistlich wort: also manichen guden gedanc alse da ver*
drives van dime herzin, de dich manit din leven ze bezzerne, also manich
26 geznig sal ta haveu an dem dage des ardelis üver dich ze clagene, dat da
diesen boden niet eirliche intfingis nog inwoldis volgen siner warer leren.
Ey intfeit den boden bit geringe, de da sprichit zu anseme herzen in Jhesu
namen. amen.
Nu an einer zit sprach he ong: wir sülen alle dinc sien in deme
30 bielde Godz. Sis da die werilt ane na diner genügeden ove einich dinc,
die in der werilde sint, zu hantz steis da mit eime anknizheme herzin vür
Gode. noch dan dat da nie me nnkniz inwnrdes anme live, noch (37^) dan
heizes da eine ankaizhe sele vür Gode, want dune soldis ingeine weelde
haven dan van Gode. da hees ieme anreeth gedain, want da hees in vir-
35 korin inde begeris ze gevallene eime anderen minneren. Godes weselich
bielde dat solde also gesnnkin sin in nnse sele, dat sich alle dinc bielden
in anseme herzen na deme inde niet na unser genuchdin. also sere soldin
wir starin in dit liet inde in dit bielde Godis, dat wir alle dinc da miede
segin, niet mit uns selveme noch niet mit der werilde: also solde uns ge-
40 schien alse eime, de in die sänne starit inde dar na andirs wäre siet.
22. Meister Gerards Seraoit
(53^) Here, cum, e min kint sterve van deme natarlichen dode, ove kum,
e mine sele sterve van diner genaden ove mit einicheme dode der hovit-
sanden. in deme worde dat he sprichit *here\ da ane irzoint he ime 8in[r]e
Gotliche ere inde vorte. da liet anevanc allir sanden: alse da eine sache
45 irknsis inde dar np mit allir diner begerden veivlnzis wieder Got sander
vorte, da miede rovis da Got siner eren, des he siner müdir niet ingande.
he heet alle dinc geschaffen zu gebrnchene zu noitdnrticheide, neit zä ge-
n&geden. AI nnse genügede sal van Gode sin. 0 virküm, herre, inde vir-
1 wo? 15 vgl Luc. 14, 16 f. 88 dat] dar. 41 Joh, 4, 49. 44 anevanc, vanc
über ursprünglichem wech.
37
gif die Sauden inde bele mine wunden. Du aalt dat wiszen, die minste
sandin, die da ie gededis, (54*) der inmach dir yirlazen ingein priester
noch der pavis selye, mer 6ot alleine, si mügen dich wale dar zu be-
reidigen, mer sunden virgeveni dat is ein also groiz werc, dat it nieman
5 inmach yolbrengin, mer he wirkit id selve hemeliche in diner seien. He
inmothe niet einen apostolin geven diese gewait, ane hedde heet onch gerne
willen duin, want id is ein Gotlich werc. mer dat sal din gelove sin,
wanne da dich oitmüdigis yur deme pri'stere, dat Got geginwordich is inde
reinichit dich, noch dan dat die sanden mit retheme rüwen inde mit buzen
10 werdent virgeven, noch dan bliTint in ans ?ünden dat is quickinge der
sanden inde nekange zu deme boseme. dis gebreches (64^) inwart nie
mensche üverhaven want sente Marie aleine. darumbe also der sieche al-
wege begert des arcietirs, dat he mit der arcedien yirdrive die hitzede,
also Salt da alwege Got bidden^ dat he mit deme ylüze siner genaden vir-
15 lezche in dir die hitze inde alle qaickinge der sanden inde wirke sine
Gotliche werc in dir. want die sülen eweliche irschinen tut ieme inde
hose nekinge wirt mit in yirdilijt. Here, cam oag inde brenge mir yrüt
miner werc. dat inmothe nie geschien den alden yederen, onch wie helich
si weren, want dat liet in gebrüchnisse der Gotheide. dat na zu hantz
20 geschiet allen, die sander sande steryent. Here, cam oach inde brenge din
Gotliche leyen in mich, niet dat leyen, (55*) dat he gemenliche sander
sine geginwordicheit giyet, mer werliche al sülich leyen, al(s) he selye is,
ylazit he diner seien gegenwordich in, want he is werlicher in snlcher
seien dan in deme liflicheme hiemeie, da he mit den engelin wanet. salt
25 da is da gebrüchen, da salt it hie zeirst winnen, andirs inwürdis du is da
niemer ewendelich. Here, cum oach inde wiedermache dat bielde miner
seien, da ane liet da hoiste selicheit, da mit siner genaden wider gemachit
werde dat natürliche bielde, dat mit der sanden yirdilijt is. noch lengede
des guden leyenis noch gebeth noch manichyeldicheit der werke yireiuichit
30 dich zu Gode, mer da stände da da qaemis in dat Gotliche leyen. Darambe
soldis da dich (55^) ylischen, dat da doch einis qaemis in diese hemelicheit
des Gotlichen leyins, noch dan dat da iet dar na yirlüris mit degelichen
sanden. want die minne inboyen geit, si, dat da it niet yerliezis mit
hoyetsanden. so sal dich Got intfain inde urdelen in deme hoisten pante,
dar da ie in qaemis. mer in is dine minne niet meire wan si was, du da
35 Gode zu eirst bestündis zu dienene, wie manichyeldich sint dine werc
[hayen] geweest, na der eirstir minne sal dir werden geloint, want de
groizde des lonis liet in der dameitigere minnen. eine gude maze sal ans
gegeyin werdin in ansen schoiz. dat is eine güde maze, also der heyede
als yiel is als da maze, is dat dine sele also yiele sal begri(56*)fen also
40 si wit is zu begrifene. oach sal ans eine gerüsilde maze gegeyen werden,
die sal denen alle dine crethe inde iryallen alle die winkele diner seien,
oye da iet me mügis intfain. oach sal man ans geyen eine gehaifde maze,
die in allin endin oyirge. Godis genade üyergeit manchen, also dat ieme
aye risit. dat wirt den gegeyen, die min mügen begrifen. ans sal oach
45 gegeyen werden eine oyerylaziche maze, dat is, dat da alle zit inde standen
salt intfain nüwe yronde. Da salt dat wizen, dat de begrif diner seien
yan natnren also deine is, dat da Got niemer inkans begrifen als he is.
mothene dine sele gegranden, so inwere he niet ein ewich GFot, noch da
(56^) inweris niet eweliche selich mit ieme. Inde want da in niemer in-
81 hemelicheit, ncich detn anlautenden h: i eingefügt.
38
kanz begrifen, darnmbe steit alwege ein hunger in dir, want du in maith
sin niemer sat werden, niemer inmügen wir in beschouwen, wir inknmen
np also groze reinicheit, als wir in der doufen intfiengen, also dat alle rlecken
der Sunden aye sin gewesebin inde alle gebrecb inde negnnge der snnden
5 pnirlicbe volbrait werden, want blivet uns einlebe bessernnge einer deg^e-
lieber snnden, niemer werden wir oyerbaven des vegeyaris. want Tande
Got noeb in dieseme levene einleben reinen van allen snnden inde ne^unge
zu den snnden, sine geretcbeit yirbenede niet lerne, dat be einlebe ure van
ime gesnndert wurde, noeb ingeine (57*) ereature inmotbe in hinderin want
10 alleine dat licham, dat alwege die sele beswerit.
30. Sermo magistri Gerardi.
(83*). VCir allen creatnren so bin ieb gebieldet na deme, de da is vür
der werilde. Dit is gesprocben van unser vrouwen inde dama van uns allen
inde van lere zu aller vorderst: dat der vader is unse anevanc, de in ieme
is sunder anevane. van deme sin wir sunder middel inde na dem sune, de
15 da is ein bielde des vader inde ein gelantz, des bielde sin wir sander
middel. Man spricbit, dat der mensebe süle werden elaire dan die sünne,
(83^) inde ieb sprecbe, dat in dieseme buiz ingein mensebe in is, be in si
bnndert werf elaire wan die sunne intgegenwordicb, also viele alse g^eist-
liebe dinc werdiger sint dan weriltliebe dinc. wir sin oucb gebieldet ua
20 deme bieligen geiste sunder middel, de da is die minne des vader inde des
sünis. des bielde sin wir sunder middel. bedde be uns gesebaffen van
einieber materien, so motbe be sig intscbuldigen inde motbe spreeben, da
in motbe niet bezzers uz werden. Nu sagit uns die beilige gesehriethe,
dat be uns bait gesebaffen van nietbe. Darumbe inmotbe be uns niet
2ö gesebaffen dan na ieme selver. also verre alsit mügelieb was der ereaturen
zu intfaine, alsus sin wir ane middil van Gode gesebaffen inde (84*) ane
middil na Gode gebieldit inde sunder middil wieder in Got geordint, also
dat tuseben uns inde ieme nietz niet in sal sin. Darumbe wart Got aelve
mensebe, dat be uns sunder middil bretbe wieder zu ieme selver, want be
30 motbe wale bain gesant einen engel, of be motbe bain gesebafßn einen
also sülehen menseben, de unsebuldieb were van Adamis valle inde motbe
in den bain gelait eine also sulebe mügentbeit, dat be bedde uns irloist.
dat bedde be wale virmoit. so were wir deme losere sebuldieb gewest ze
dienene al unser leven me wan deme, de uns gesebaffen bait. So motbe
35 wir wale spreeben: wir unseliebe lüde, süle wir immerme sunder middel
kümen in unsen ürsprune, da wir uz gevlozin (84^) sin? inde darumbe is
be selve mensche worden, dat wir mit al unser minnen inde mit al unseme
berzen inde al unse leven niemanne sebuldieb in sin wan ieme alleine, dat
wir bit al unsen sinnen up in virvliezen al so, dat wir sunder middil stein
40 in siner intgegenwordiebeide. Nu dun wir, of Got si inweis wa, inde be
is uns docb naire dan wir uns selve sin. want wir sunder middil in ieme
niet instein mit unser betratungen inde mit unser begerungen, darumbe
loufe wir inde werden also krane, dat wir virvliezen up also eleine dinc.
so süle wir zebantz mit unser besebeidenbeit unse genügde dan ave trecken.
45 Alsus valle wir van eime up dat ander inde wir insülen doch niemer
gemerrin, (85*) wir inkümen up unse eirste pünt, inde wir sülen denken
wieder uns selven, du bist zu meiren dingen geordint wan dat du hie
blives. Aldus süle wir mit al unseme bekentenisse inde mit al unser
1 in dir nachgetragen. 5 vor puirliche: inde fälschlich eingeschaltet, 11 Sprüche
8, 22. 23. 23 2. Macc 7, 28.
39
minnen alzemale up Got keren iude die genuchde die dan af np steit, dat
is hie ein begin der ewiger vrouden. Sente Agustinus sprichit, dat dat
hiemelriche andirs niet inis dan anegesiethe Godis. Alse inis die helle niet
ine wan ein ewich gescheiden van Gode. Dat man spricht, dat in der
5 hellen sint craden inde slangen, swegil inde pech, dat aal man predigen
geboren inde sülghen luden. man sal ever den diet virstain kfinnen
predigen die blose wairheit. Na süle wir zu allen ziden uns vlizigen,
(85^) dat wir bekennen underscheit tuschen den dingen die virgenclich sin
inde ewich sin. alse alle üvinge inde alle werc der barmeherzicheide inde
10 alle dugede wie güit die in selver sin, so süle wir uns doch trecken in die
dinc, die sich hie beginnen inde mit uns ewich sin, dat is alleine bekente-
nisse inde minne inde gebruginge. diese dru die sint mit uns ewich. die
andere stervent alle mit uns wat der is, sunder diese dru, die hevent hie
ane inde werint eweliche mit uns. wanne ich ein dinc hören inde behalden
15 inde weis, noch dan in is id min niet. wanne ich mich ever drup neige,
so bieldit sich in mig inde bielde mich in id inde dan ave is it min. Die
werc, die ein edil mensche düt, die sint viel kretiger. ich (86*) in meinen
niet edilgheit dieser werilde, sunder dar na dat der mensche reine is, so
he me bereider is zu intfaine des Gotlichen liethes. inde so he me Got-
20 liehe liet intfeit, so he euch me der Gotlicher minnen intfeit. Gotlich liet
inmach nieman intfein snnder heilige minne. So der mensche der Gotlicher
minnen me halt so he lutere inde yriere in ieme selvere is inde dar na
dat he yri is, dar na sint ouch sine werc intfenclich. also dat ein mensche
mothe uzer deme huiz gain up diesen kirchof, dat he me lonis neme dan
25 ein ander de zu sente Jacobe gi«nge. dit Sprech ich durch einis menschen
Wille of durch zweijere.
34. Meister Gerards Sermon.
(99*) Unse here sprach: Maria halt dat beste deil irkorin. De kiesen sal,
de müz dru dinc haven. Dat eirste dat he kenne dat he kiesen süle.
Dat ander dat he mait haye ze kiesene, want manich mensche de bekennit
30 wale wat he kiesen sal inde he inhait der mait niet ze kiesene. Dat
dirde, dat he wille have ze kiesene, want manich he bekent wale, wat he
kiesen sal inde halt die mait wale ze kiesene, want der wille is up ander
dinc geneigit. Want si Maria hiez inde )iaria was, darumbe mothe si
kiesen. Maria spricht züme eirsten male alse ein de virlüit is inde yort
35 yirlüit. Nu Sprech ich yan der irlütungen, dat der mensche sich selyer
bekent, (99^) want die is dir die intfencligste inde dir die nütziste. be-
kendestu die gebrech, die dir kümen sint yan sunden, so oitmüdigis du
dich alze seir. bekendistu die wirdicheit diner naturen, dar zu dat du ge-
ordent bist, so yirsmedistu alle kleine dinc inde alle suntliche dinc tredistu
40 under dine yüze. bekendistu dine naturliche mait, die du yan Gode hais,
so bekenstu dat, dat niet so ho in is, du inmügis dar zu kümen. dat is,
dat ingeine heilicheit noch ingeine dumetlicheit so groiz in mag sin, du
in mügis dar zu kümen, noch dat dir ingein so umbekennich inis, du in-
mügis bekenninde werden allit dat Got geschaffin heet, niet alleine dat he
45 geschaffin halt, mer den scheppere de id geschaffin halt, wistu, war zu
lüde sint kümen yan naturligme (100*) sinne! dat si dar zu quamen, dat
18 nach dru: dinc ausgestrichen. 19 f. ursprünglich he it me Gotliche s^t inde
intfeit, durch Unterpunktieren und liet am Bande erUstand obiger Text, 25 vgl,
Wähdm, Deutsche Legenden S. 153. 27 Luc, 10, 42. 34 Maria illuminatrix.
40
81 wisten, wat deme hiemele solde geschien over aeis inde drizich ddaint
iur, inde satin, wat deme hiemele solde geschien over iweünzwensich
d&sint iair, inde sprachen np den dach tuschen primen inde tercien bi eime
hairbreit deme eineme nie nare dan dem andrin, inde maiin mit natarlicheme
5 sinne, wie ho it hinne is sü dem hiemele den wir sien; inde wie manch
der hiemele- sin da in boyen inde wie verre id immer van eime su deme
andrin is, inde prüveden, dat geistliche creatnren mästen da inboven sin,
die si nmbedrieyen, inde dat inboven ein scheppere muste sin, die dit allit
geschaffin halt: wis man her zu kümen mach van natnren. Na prave,
10 war zu man kümen mag yan genaden. Maria spricht" inme (100^) andrin
bekennisse alse yiele alse eine yronwe, die al ir güit besezzin hait in
retheme yrieden, also dat ir nieman inmach benemin inde si allit dat ujider
iere yäze getredin hait, dat si nosen mach, wistn, wat du yirmait, of du
dich dinne onfdis! Sente Peter sprach zu sente demente: ich hayen dat
15 geprüft, dat deme menschen niet nnmügelich inis, he inmüge dar zu kamen
mit langir üyingin inde mit güder gewoinheit. dat weis ich da bi. Hie
biyurmails du ich mines meister wort hoirde, du waren si mir alzegenüg-
lich, dat ich des nathis lach inde irgaf si bi mir selyer. da mit bin ich
kämen in eine gewoinheit, dat ig des nathis intwachen zu mettenzit; of
20 ich is niet nmbe Got indede, so inkünde ich doch niet geslayen. Sente
(101*) Clemens spricht: ich hayent onch geprüft bi mir selyer, dat ingeine
dinc so groiz insint, si insin deme menschen mügelich, de sich dinne oayen
wilt lange inde ylizlichen inde brengder sich in eine gewoinheit. Du
sprach sente Peter: her zu helpent dm dinc. Dat eine, dat man yan kinde
26 wale ane gelait si inde zu einer güder scholen gesath si. Dat ander, dat
wir sin ander güder geselleschaf, die allewege yan güden dingen inde yan
hoin dingen redin. Dat dird^ dat is: dat allir meist hilpit, dat is güde
gewoinheit. Du inmait onch niet zu retheme namen heischen yronwe, da
inhayis alle die dinc yirwnnnen, die dich hinderen mügen, also dat din
30 Wille si geneigit np dat dinc dat dn kiesen salt. wanne wirt din wille
geneigit zu krancheit, (101^) so inmait du niet kiesen dat beste, want alle
snnden die liegent me inme willen dan in den werken. Maria spricht zürne
dirden male alse ein bitter mere, dat dir alle dinc bitter sint inde wieder
sint, die zu sunden of zu krancheit gedragint. nu alzerst bis du mügelich
35 zu kiesene. hema saltu hayen eine bereidunge. dat sal sin üyer mitz
yier dügede. Die eirste dat. is gereticheit. Dat ander dat ig meissicheit.
Dat dirde dat is yürsieticheit. Dat yierde dat is stercde. Gereticheit liet
da ane, dat dn eime andrin geliche willes dragen beide schade inde yrüme.
9 wis] wil. 10 vgl Myst 1, 16, 8 f. 14 vgl, Recognitionum S. Clemeniis
Üb. II, 1 (Migne, Patrol graec. 1, 1249): Mirari me equidem fateor, fratres, hu-
manae naturae vim, quam ad omnia aptam habilemque esse video. Hoc autem
dicere in memoriam venit ex bis quae rebus ipsis expertus sum. Ut enim trans-
ierit medium noctis, ego sponte iam suscitor et ultra somnus neqnaquam yenit ad
me; quod mihi accidit ex eo, quia in consuetudine habui verba domini mei, quae
ab ipso audieram, revocare ad memoriam, et pro ipsorum desiderio suscitari animis
meis et cogitationibus imperavi, ut evigilans ad ea et singula quaeque recolens ac
retexens possim memoriter retinere. Ex hoc ergo, dum omni cum duIcedJne 8e^
mones domini versare in meo corde desidero, consuetudo obtinuit vigilandi, etiam
si nihil sit quod cogitare velim. 20 £f. für das folgende habe ich in den Reeogni-
tionendrucken das Citat nicht aufzufinden vermocht. 83 vgl. Salser, Sinnbilder
und Beiworte Mariens S. 516 ff. 35 zu kiesene nachgetragen. 87 bei yürsieticheit
ist von gleicher Hand wisheit übergeschrieben.
41
want wirt din wille me geneigit zu dime vrümeD, so inkanstn die gereti-
cheit niet bekennin. hin ave kümit al angereticheit. Herambe was yir-
boden alle den rieterin, (102*) dat si van niemanue ingeine miede innemin,
want miede die virblendit dich also, dat da ingein reet nrdeil inkanst ge-
5 geven inde dich dat nnreet reet wirdit dünkende, alse meistere saminne
disputierent inde der ein kümit up eine yalsheit die ieme bevellit, wilt dan
die ieman wiederredin, so sükit he alle die geschriet her nz van Moyse
bis an diese zit. Inde alle die dinc, die ieme dan mügen helpen dit zu
bewerene inde alle die dinc, die wieder dit sint, der inkan he niet bekennen
10 durch die lieve, die he zu der valsheit halt. Hin af küment groze meistere
in ketzerie. Dit selre is an den, die gerne prelate werin of heirschaf
hedden, dat si sükint alle die sachin, warambe dat it güit si inde warnmbe
dat it nntzelich si, (102^) inde willint, dat it bessir si inde sichere si dan
willinolich armüde. de armüde minnit, de sükit allit dat ieme her zu helpen
15 mach inde dat wieder den richdnm is inde wieder die ere. Dit siet ir
wale an den, die ambegeint mit vürkoufe inde mit dieseme wine inde mit
diesen corne. alse man iezü alle die liste halt yünden, die dar wieder sint,
so yindent si nüwe liste inde sprechint, id si güit, die lüde inkünden sich
andirs niet generin. Dit deit allit die angerethe lieve, die si ha^nt zu
20 deme genieze. das düit die geretigheit, die magt dich Gotlich inde Engeliseh.
her na Tolgit meissicheit in essinne inde an drinkene, an slaffene inde an
wachene inde in allin dingen, diese dücht macht dich rieh inde snel.
Heraa (103*) volgit vürsietiche wisheit, da magt dich luther inde clair,
dat dir niet inmach vürstain da in virsteist, die macht dich starc, dat dir
25 ingein dinc vürstain inmach, du in dürris id bestain umbe Got. Na alzerist
haistu eine bereidange, noch inbista niet ap in eirsten vüztrappe getreeden
dit gut ze sükene. Saltu ap den wech kümen, so müsta üvergangin han
alle santeliche dinc inde üver alle bewegnnge inde alle lifliche dinc inde
üver werc der barmeherzicheide kümen sin inde üver alle die dinc, die zu
30 Marien levene gehorint inde die nochdau güde werc sint. Na salt du
wissen, war üver dat da kümen salt, da müstu immer zerist zu kümen sin.
Na sathe ich gerne, in wie manicher (103^) wisen die meistere dit güit
gesüit hayin. Die eine die haint id gesüit in den creataren. Die andere
die haint it gesüit in den sinlichen creaturea. Die dirden haint id gesüit
35 in den redelichen dingen. Die yierden haint id gesüit in bieldangen. Zu
den sprach anse herre: wilt ir mir ein bielde setzen of eine fignre, wie
wilt ir dat dün? wa gesagit ir mich ie? hie ane begrifint ans die Juden
inde sprachen, wir yirbielden ansen heren. wir in düin. wir in yirbielden
die Gotheit niet. wir bielden ansen herren Jhesam Ghristam inde sine
40 Heye müder, die mach man bielden. Na wille ich ach sagen, wat sente
Agnstinus sprach yan dieseme güde. Dit güit deilit he in drin. Dat ein
dat is hiemel inde erde inde sänne inde mane inde alle lifliche (104*)
creatnre. Dat ander dat sin wir selve in dügeden inde in genaden. Dat
dirde is nrspranc allir güde, da allit dat güit nz geylozzin is. dat is ein
45 also gedain güit: de alle die güde züsamene smelte, die nzer deme güde
ie geyloiz, si inkünde niet ein wiederbielde gemachin siner güde. diesem
güde sich nekin inde ieme ane heften inde sich dar in setzin: dit is <lat
gut, dat Maria hadde irkorin. Säle wir zu dieseme güde kümen, so süle
wir üyer allit dat kümen, dat wir mit ansen sinnen begrifen mügen inde
üyer alle bieldnnge. her zu küment alse Intselief (1) lü4e, dat ich niet in-
31 imer über ausgestrichenem eyir. 36 Jes. 46, 5.
42
weis, of ich ir einichen gesege, de üver allit (dat kümen si), dat nnst
bescheidenheit begrifen mach, in eime restlichen Trieden da salt da Godis
gebrnchen snnder (104^) middil. geschiet dir dan einich zac, dat in is niei
in diner mait, dat steit in Gode. geschiet dir dan einiche irlütinge ?ui
5 Gotlicben dingen, dat saltn also eirberlichen haldin, dat dn id den engelin
niet insalt gemeinsamen, of dn id in virbergin mait. Na solde wir wizen,
warnmbe id dat beste were. id is dat beste, want id dit reiniste is lade
want id dit vriedeiichste is inde want id dit genüchligste is inde want id
anverdmzlich is inde dat da niemer ingein yirdries in in mach vallen inde
10 want id ewich is, dat id niemer af ingegeit alda is man nser deme reche
kümen. herin Jacobs hnisvroawe Tir Lie, die was snirongich inde hadde
viele vrnthe. vir Bazel hadde clare engen inde sach cleirlichen, want si
mit niethe beknmbert inwas. (105*) Dammbe is it dat yriedelichate, want
da[n] is man gesezzen zu den vüzen alse Marie Magdalene, die alwege zu
15 den vüzen saz. dammbe is it dat genügligste, want des menschen be-
geringe alzemale dar np gesät is. dammbe mach man is sich alremeist
gevroawen. inde want it nnverdrnzlich is, dat da niemer ingein virdries
in inmach vallen, dammbe is id dat ewigste, want Marien leven sal vir-
gain inde werc der barmeherzichede. mer dit leven dit beginnit hie inde
20 wirt volbrait na dieseme levene ewencliche. Dis sermon is dammbe gedain.
of wir noch herzu kümen, dat wir wizzen wat id si; die niet dar zu in
sint kümen, dat si dar na iamere.
Excerpte.
Ans den Sermonen des Prior Rufas.
2* ein gelignisse horit herzfi: dat der wolf vant rinder gain up einer
weiden, du sprach he, wes si da giengen. du antwürden si, si giengen
25 up güder weiden, du sprach he: ich wil uch wisen up viele bezzere
weide, du he si gescheiden hadde, du az he si. alsus deit noch der düvel. |1
10^ dat ander in wilgher stunden vanme dage dat der heilige geiit
queme. he hadde ieme eine snnderliche stände vanme dage uz IrkoreQ,
in der he kümen woilde. dat was zu midden morgen, so (11^) is id
30 die aller süziste zit inde die aller beste zit ze arbeidene an deme dage.
dammbe wolde der heilige geist kümen an der morgenstnnde, dat wir
quemen zu siner scholen. Dit wort sprach bischof Albret: wir sülen
kümen mit gesamindin sinnen inde mit offenen oren inde mit hangindin
herzen mit urlove gesprochen also virleokert, dat wir in geiner ander
35 scholen inbegerin, dat is dat wir in geine genügde an ertschen dingen
in süken. wilt sich ein scholere züme eirsten male setzen bi sinis
meisters siden, alse he leren sal, dat is ein zeighen, dat he küme zu
eren süle werden, he sal sich zu vüzen setzen, die vüze dat is barme-
herzicheit, die hevent uns al(llb)wege up, dat wir niet inverzwivelen
40 die geretigheit die druct uns dat wir uns niet inverheven. Got heet des
langen menschen dinst einen dach lievere dan seiszien iar eines alden
menschen dinst. eines also gedanis aldes menschen leven, den die werilt
heet virworpen inde einis also gedanes iungin menschen leven, de in
siner blüt is, de der werilde wale bevellit inde ime selver van natareo
45 die werilt bevellich is inde allit dat virsmeit: des menschen dienst heet
Got ein dach lievere dan seiszin iair einis alden menschen leven. eio
1 ir ei einichen. 11 1. Mos. cap. 29.
43
alt mensche mach den heiligen geist also voiiinclichen intfein alse ein
innc mensche, der lange mensche de heet id ie zweier hande bezzer.
(12*) Solde man einen grozen heren intfein in ein alt huis, dat zebrochen
were inde da die spannen inne genistilt weren inde dat schimbelich were
ö inde vol gestabbis, da hedde man viele arbeide üvere e mant schone
gemachde, noch dan raghid lange name schimbele. dat is dat si ire
gewonheit gerne dnnt. Dat nawe hals dat ragit wale inde is schone,
da indarf man niet viele drain az, man dreet dar me in dan drns. so
wanne dat der mensche den heiligen geist yollinclichen intfeit, so is he
10 alwege drivende in deme menschen van einer dügit in die andere inde
van eime güden werke in dat ander, so wanne dat der mensche siech
is inde niet gedun inkan inde alse alt is, dat he Tan aidere (12**) niet
geduin inkan inde der mensche wale sijt, dat he sine zit virloren halt,
dat is pine inboven alle pine, alse der mensche den heiligen geist intfeit
15 inde niet geduin inkan. [2
Aas dem Sermon des Priors von Weissenbarg.
13* ir siec dat wale, dat golt noch silver noch ingein gesmide gelutert
(13^) iumach werden dan mit den vüre. alse inmach der mensche niet
gelutert werden dan mit der minnen. nu mothir sprechen : ich hain dicke
boren sain, dat reet mwe den menschen reinighit. de hie ane zwivelt,
20 de inweis des niet wat sibbeschaf intuschen deme rethin rawen is inde
der minnen. da is also gedane sibbeschaf intuzchen alse tnschen der
müder inde deme kinde. [S
13'» der brüder (gemeint ist der Prediger selbst) sprach: ich hain (14*)
gode zweijr iare min dan vünzich iair gedienit. weris noch zwenzich
25 werf alse viele, id düthe mich allit ein deine dinc umbe dat mir got
reethin rawe an mime ende woide geven. [4
14^ dat dirde is dat der mensche vireinichit wirt mit gode gelicher wis
alse de einen drofve wazzers neme inde dedin in ein vaz vol winis.
gelicher wis alse de droffe wazzeris wurde gewandelt in den win inde
30 alse dat iserin mit dem vure inde alse die blüme mit der varwen: noch
viele eiginclicher wirt got mit der seien vireinichit. [5
Aas dem Sermon des Frater Johannes de?
23i> der mensche he nedarf sig niet virlazen up sine heilicheit, nu de
heiige David gevallin is, noch up sine wisheit, nu de wise Salomon ge-
valiin is, noch up sine sterkede, nu de starke Samson gevallin is. [6
Aas den Sermonen des Uotfried von Kelz.
35 24*> Es gibt xweierlei Leute, J}ie einen tun keine guten Werke. 'Man
soll den bösen Baum abhauen und in das Feuer werfen' der hose
boum dat is der böse mensche. Deni gegenüber die guten Metischen, [7
26^ Egyptinlaut spricht alse viele alse ein dinsternisse inde ein iamer
inde bezeighint uns diese werilt, in der wir alwege mit iamere leven
40 {vgl. Sckönbach, Altdeutscfie Predigten 1, 83, 28 An7n,] 2, 7, 40). Rich-
dam van Egyptin lande {lies Jerusalem?) is aflaiz allir sunden inde is
ein rigdum den diese werilt niet geleisten inmach, he muz alleine van
gode vliezen. [H
44
Ans dem zweiten Sermon Bisebof Albreelits.
40^ die meistere sprechint, dat dat vule yleiz niemer geheilit an deme
menschen, man inmrit mit ginndeme (41*) goilde. de hiz des alden ütcUs
he irret also sere in nns, dat die heidene meistere sprachen, dat ein slange
inme menschen were, de dm hovit hedde, dat die niemer ave wurden
5 gesnieden, si inwüzen wiedere, inde vnnden, dat si mothen ave gesnieden
werden mit eime vnricheme swerde, dan ernffen die aideren inde wurden
ein ende. Vgl. auch oben S, 42, 32 ff. [•
Ans Seme Nr. 16.
44^ also alse de harne den man leidit mit pifin, de is riche an sime
(45*) spränge, alse die piffin hrechint, so virlnsit de hnrne einen ganc.
10 also is die minne. [10
Ans den Seratonen Meister Gerhards.
47* Schlnss von Nr. 18: Sümeliche sprechint, dat die sele si gotlicher
nataren inde sprechint euch, dat si wieder zu gode küme, also dat si
alzemale niet inwerde, dat sint unreine ketzere, alleine die sele ewelicbe
(47^) in gode gewest si, so is si doch eweliche eine creature gewest,
15 e si got ie geschüfhe inde sal also wieder ze gode kümen, dat si ein
wesen in ir selver eweliche sal behalden. also als de sunnen schin des
manis schin in ieme züit inde siues schines niet inwirt beronvet in ieme
selvere, also sal got die sele alzemale in sich treckin, also dat si ein
lieth inde eine clairheit mit ieme wirt inde wirt doch dammbe ieris wesens
20 niet beronvet. [11
48^ were nnse natnre niet blieven dat si was, so hedde wir unse edelcheit
virloren, so in were si nnse suster niet. , [12
60* dammbe sprach ein, de leider unsis geloven niet inwas, he sprach
ein wort, dat wir lievere solden hain dan also groiz goldis als du selver
25 groiz biz. he sprach: si küment under wilen inde sprechent, du salt die
e halden. wolt du dan wizzen, dat du niemer bedrogen inwirdis, so sal
tu Sien in des gienis leven, de dir die e brengit, of he van heiligeme
levene si inde sunderlichen of he van reineme levene si. so salt da
(50^) sicher sin, dat si van gode kümt. hie miede sin wir virsichert,
30 dat unse e van gode kämen is. waut de unse e brathe, de hadde ein
reine leven inde ein heilich leven. ^IS
52* Fasten, Wachen und Kasteien sind ein vündemunt aller dügeden.
dar up sprichit eine heiige: de dügede samint sunder dit v&ndemnnt, de
deit als de ein huis zimbert up saut, dat velt schiere, al darna dat wir
35 cimberen willen, al darna sule wir unse vündemunt legen breit inde dief,
want wir willen cimberen eweliche kuisheit inde willinclich armüde, ho
begerringe inde ho betratunge. ir siet dat wale, dat lüde ze valle
küment, die lange in gudeme levene haint geschienen, dat künt dan af
wat si up dit vündemunt niet gecimbert inhaint. z& hantz alsi lazint
40 van der meisicheide, so samint (sich) hose gerde inme vleiza. dammbe
siet ir dat wale, dat (si) meistelichen vallent in vleizliche sunde. [l^
58^ einis eweligen menschen geist is in deme menschen alse (59*) ein
pais in der kristenheit. der pais heet sweiir bände üvinge. Dat eine,
dat he sich bekumbert mit Gode inde besgt, wat Ootz wille si inde wie
26 nach halden: inde die durch Punkte getilgt.
45
sin ordenaDge b! inde wie man alle dinc wieder Qode ordennen muge.
inde darna ordint he die kristenheit. alsus sal ein iewelich mensche in
ieme selvere geordint sin, dat he drucke sine yielicheit mit harder
penitencien inde halde sich intgegin sine nesten mit güden sieden inde
5 dat he sime geiste nnderdenich si inde gehoirsam. zweiir hande wis mach
des menschen geist kämen in irredum : dat du van Gode denkis, dat he niet in is,
alse die brut sprichit in der minnen büghe {Hokel, 5, 10): Min lief is wis
inde rot. niemstu dit gelignisse (59^) vür eine wairheit, it were groz
ungelove. Dat ander, dat man van Gode denkit, dat (he) in virgessen müge,
10 also als man spricht: Got sal diner sunden yirgessin, dat is also zu vir-
stane, dat he i"re niemer ingedenkit ze wrechene: de alsus gedane dinc
wolde denken van Gode alse virgessinheit inde ander dinc, des an Gode
niet in is. alse dieser dinge gedenct ein mensche in ieme selvere: wat
geit dich dis ane, id is dir z& ho, la id varen, wan würdis duis bescheiden
15 van wisen luden, so hielzt duit yür eine wairheit: diese gedenke sint
dalis sunde. werit also, dat du mit vrevele drane woldis bliven, so
werit ketzeria. [15
61* unse here Jhesus Christus sprach seWe mit sime munde {Matth.
8, 20): der vüiz heet sin hol in deme walde inde der v&gel heet sin
20 nist up deme bome: des menschen (61^) kint inheet so viele da it sin
houvit up geneige. [16
65* Sumelichen haint gesprochen, dat man sich me vrouwen sule einer
ander vrouden dan der sinre. des inis niet. ich vrouwen mich me vünf
Schillinge in mime hudele dan hundert ma(r)ch in einis anderis kisten. [17
25 65^ ein paffe stunt einis up inde sprach: geistliche lüde solden wonen
in der wustenungen. du saminde meister Gerart beide geistliche inde
werilt(66*)liche lüde inde bewisdin dat: dat van aneginne der werilde
alle die gode ie heimelich waren, dat si der heilige geist uz dreif der
werilde ze nutze inde ze besseringen. Dies toird an Abraham, Johannes
30 Bapiisia, allen Propheten und Christus veranschaulicht. [18
67* dicke hain ich dar na gedait, wat si da mit meinen, dat si sülen
sprechen anme iungisten dage: berge inde (67^) hüvele kümt inde vir-
dect uns, dat wir niet zu geriethe inkümen. dat is darumbe, dat si sich
des alse sere schament, dat si sich alse nieder haint gesath, wat in Got
35 dun mach, dat is minre dan dat si in selvere haint gedain. [19
69* drier hande wis giet sich got zu irkenninne. dat eine is in der
geschriethe, dat ander dat is in eime (69^) geistelicheme bekennisse in-
wendich an der seien, dat dirde dat is snnder valz inde sunder biel-
dunge inde sunder gelignisse. [20
40 88^ Nu vrage wir under uns, of die genade werde intfangen na der naturen.
an den engelin spreche wir: ia. an den luden sprechen wir: nein, want
der minste man, de is mere van naturen dan die meiste vrouwe. Noch
dan sien wir dicke, dat die vrouwe mit iere andait mere genade irkrigit
dan der man. aldus in is id anme engele niet, want si reckint sich inde
45 si denint sich mit al irme verstentenisse inde mit al ire (89*) begerungen,
dat si alle die genade intfeint, die in mügelich is, dat si der in ein
pennewert niet inlazint. intgain dis selven bistu wardinde na dieseme
levene, dat alle die stucke, die an dir sint, die genade intfein mügen,
dat si irvült sülen werden mit der genaden, dat du die genade alzemale
50 sülis intfein alse verre alsit dir mügelich is. [21
46
89* waut got alle creaturen alse si sint in in selvere, du in dir inde ich
in mir inde der bom in ieme inde alle creaturen hait got in in verbieldet. i siS
92^ Dat ander ambt dat si {die Engel) haint under ein ander, dat is,
dat die oversten allewege denkint inde tratint wat den niedersten nutze) ich
5 si inde dat si in des van rether niinnen niet invirsumint. gelicher wis
alse ein ambtinan sime heren (93*) vürsijt, wat ieme urbürlich si an einer
ieweiicher zit, dat he have anme arne bachen sinen sniederen inde anme
wintere boltz inde liet inde des he dan bedarf. Die niedersten muzen
sich gütliche inde minnencliche vügen zu den oTersten, dat si van niinnen
10 intfein. [2S
93^ dit solden unse prelate intgegen uns üven, dat si uns soiden veg«n.
dat solden si dun mit berispnngen inde mit scheldene inde mit slane,
of wir is bedorten, want alle undngt kumit van umbekennisse. l^^
94* nu mach man ein kuffer also puren inde also (94^) reinichen, dat
15 id is in sine athe bezir dan goit, dat da gemengit is bit siivere of mit
kuffere of mit anderen dingen in sime athe. dog heddich dat golt liever
also gemengit dan dat kuffer dat da gepurt is. |25
96^ Darumbe (97*) is dat vegevüir vünden niet darumbe, dat der mensche
du oitmüdiger werde of du dumetiger werde an der minnen of du an-
20 degtiger of du geduldiger, wan niergen umbe dan dat he küme np vol-
kümene reinicheit. [:e6
97* Nu sprechint si, want si niet gelerit insin van der geschriet, darumbe
müge man si schiere wiederdriven. Des inis niet. In den geziden de
heilige, de Qulcumque vult machde: in sinen geziden du was der keiser
25 inde alle die lüde ungelouvich inde bestäint alleine mit der wairheide.
dit selvet was in sente (97^) Hylarius geziden. du was der pavis inde
der keiser inde alle die lüde, die warin begriffen mit ungeloven inde he
widerstüint alleine mit der wairheit. [27
98^ die meisicheit die maghit dich geringe inde snel. du mait dinen
30 lif alse meislichen halden, dat he dir also gehoirsam wirt alse die sunne
irme scheppere inde wurde also snel alse ie einich wint gewart de einen
hasen iagede. [%^
105*» in directem Anschluss an den oben S. 25 ausgehobenen Anfang
von Nr. 35: van deme dat si {Maria) uns selver lee(r)t, da ane virstein
35 wir iere groze oitmüdicbeit inde mit iere oitmüdicheit so bewisit si uns,
dat si eine reine kusche magit was. dar umbe spricht die Glose up dit
wort: also viele alse der mensche reiner si, also viele si he oitmüdicher.
Glose dat spricht also viele alse düdinge der wairheit, die nieman wieder-
sprechen insal noch inm&z. >29
40 107* Etzelichen den smeicht he (der vient = Teufel) inde spricht aldus :
z waren id gevügede (107^) diner naturen wale inde diner edilgheit inde
ouch bistu riebe genüch darzü inde iunc inde god inmothit dir niemer
missewenden noch nieman inmothit dir virkeren. deme he hie mit niet
20 niergen umbe dan von gleicher Hand eingeschaltet, 24 das Äthanasianum
ist gemeint 26 Hilarius von Ärles, vgl Protest. Realencyklopädie^ 2, 180, 44;
182, 8 f. 37 vgl. bei Ämbrosius ille laudabilior qui humilior De poeniUntia II 10;
quo sanetior hoc humilior De interpellatione Job et David II 6 (Migne 16, 519.
14, 820).
47
ane inkan g^ewinneu, deme gelouvit he iude lugit ieme allit dat he ieme
geloaft. inde sprach (?): dat sal draf kumen inde dat sal draf kümeD.
inde gelouft viele, deme he hie mit niet ane inkau gewinnen, dem
brengit he ever ein ander, dat he denct in sime herzen: du bist ze kranc,
5 du inhais an der mait niet inde da inhais an den sinnen niet inde liethe
ingestait mans dir niet, dii mait dir also lief bezide draf lazen alse du
langer beidis. den he alsus niet zu inmach, deme brengit he ein ander
ever, dat si denkint, dat si zu armude sfilen werden (108^) inde dat in
nieman niet geven insule inde dat si siech sulen werden, dat in dan
10 nieman niet helpen insüIe in iere sügden. die he da mit niet verwinnen
inkan, die brengit he in einen zwivel, dat si denkent: du bis ein unselich
mensche, dn ingedenkis ingein gut inde du insprichis ingein gut inde du
ingededis nie iugein gut. die he hie mit niet virwinnen inkan, up die
wirpt he noit inde arbeit, up dat he sie da undene virdrncke inde irvelle.
15 Da salt vurwair wizzen, dat he des ingeine mait inhait wan alse verre
alsis ieme Got virhengit. Sümelichen den bewint he sich in der spisen
inde brengit in eine gelast, dat si der spisen me nement dan ir notnrde
si, up dat, dat he sich mit der nndügt, die hie van up steit, sich ver-
dränge in den menschen. Du sprach he: dat ich (108^) ir hundert dusent
20 hedde in mimen (!) magen, ich ingeve dar up einen holtzappel niet.
also lange alse si mir mine sinne niet invirirden noch min verstentenisse
niet inverdnsterden noch mine begeringe niet inneigeden zu ingeiner
krancheit, so inhedde ich is niet ze dune, wie viele dat iere in mime
live weren. [80
25 112^ Du sprach meister Gerart van grozeme wandere, here, sprach he,
dat ein mensche {Maria ist gemeint), de ein mensche was als ich nu
bin inde die sele suster was miner seien, dat die allir heiligen inde allir
engele inde der Seraphine wirdicheit ander ieren vüzen hait, dat is also
ze virstane, dat si is inboven iere allir wirdicheit. Es folgt eine Aics-
30 deuiung von Apoc. 12, 1. [SI
114* zweiirhande bewegunge is in uns. Die eine is van gewalt. Die
andere is van natnren. Gelicherwis als ir siet de einen stein neme
inde warpin van einen berge nieder, mothe he in dat afgründe vallen, so
he deme afgründe nare queme, so he snellicher vellit. de einen stein up
35 würpe, so he hoire qaeme, so he gemeghelicher gienge, inde alse he
queme up dat overste, so resde he inde viele dan her nieder, ir siet
ouch dat wale, de bli lieze vallen her nieder: van grozeme ilene inde
van grozer hitzden, da it durch vure, so zesmnlze it inde (114^) zevlüze
it alze male, also lange alse die jagehunde niet insint kümen up dat
40 spüre, so gient si wale algemegheliche samen in der kuppelen bi deme
jegere. mer also schiere alse si küment up dat spüre, so brechent si
sich van ein. mer gewinnent si des dieris einen roch, so loufent si
inde bielent. is ever dat si dat dier gesient, so loufent si, dat si sich
in in selver zebrechent. Alsus Sprech ich: also lange alse der mensche
45 niet inwirt geware Godis genaden, so in agtit he Godis wort niet noch
andere güder dinge. So du Godis genade me iutfeis, so dir herdir wirt
zu allen güden dingen. Du mait so gedane süzicheit intfein inde Got
so bekennende werden, dat du niet alleine loufinde inwirdis, want dn
wirdis (115*) vliegende inde niet alleine vlieginde, want du sturzis dich
7 li€8 den? 20 vgl. Myst. 1, 171, 30.
4g
U£er dir selver alsemale alse ein pil, de da yert ucer eiiae wale ge-
spanninden annbante. 'SS
123^ geve mir got allit dat sine gereticheit kan geleisten : sine Seraphine
zu achoiere, die van minnen birnent, inde alle sine engele su knegthen.
5 dat si mine schuttelen spülten, he inhedde miner minnen niet gelonit.
sine minne inis niet alse die unse.- he minnet bit sines selves minnen. [SS
124* Zürne andermale saltn minnen allit dat geboden is se minnene.
inde natürliche, süle wir minnen, so müie wir leven inde lifliche T&dinge
hain. dat liet an gründen inde an erdischen güde. des salta also ge-
10 brnchen, dat du it ordins niet zu dime nntze, mer alleine z& godis eren,
also siecht: of dich dine mage inde dine vrant of erdisch gut binderint,
dat dnit zu hantz begeves, want du inmüzt noch dich selven minnen, dan
umbe got. mer in dieser ordenongen inmacht da niet allewege sin. also
dicke alse da izzis of drinkes, dat da denkis: dit (124^) du ick gode zu
15 eren; ich stain dicke up ze mettenen, dat ich is niemer virbuge. de dat
van mir vordirde, id were wieder mine natnre. du ich dit s^istliche
leyen ane vienc, du was dat min wille, dat ich Tasten inde wachen inde
alle lifliche arebeit allewege umbe got wolde liden. in deme willen inde
in der ordenangen stain ich allewege stede, also lange alse ingein ander
20 wille diesen niet andergeit, de zu hoavitsünden treffe, want die virstorint
alzemale diese ordenunge, dat si niemer wieder ink&mit dan mit groxem
rüwen inde büzen. ein idel ere of iet andirs mach si wale drucken, mer
si invirstorit si niet. [S4
125* man vragit, warambe der mensche niet also snel insi ze denkene
25 van gode inde van sinen engelen alse he izzit van prümen inde van bieren.
dan aye antwürden die meistere, dat in deme menschen zwa naturen aint,
die eine geistlich, die andere liflich. want wir ans me nven in liflichen Sachen
dan in geistlichen, darambe sin wir (125^) snelre zu liflichen Sachen. [S5
126^ Dan ave sprichit Salomon: de des deinen niet inagtit, de virvlözit
30 allenzelin. alse ein schif yol sandis virdrinkit also balde als ein geladio
mit ankersteinen : also virvlüzit man dicke van böser gewoneden in hovet-
Sünden inde werdint also gewonelich alse dalis sünden. [S6
129^ manich schif ilit ze Colne, der sümelich niemer ingein dar inkümit,
etzeliche blivint underwilen danne vier of zien milen. da salt dat wissen :
35 alse manich sandiscorn als inbinnen hundert milen ligit, also manichen
sünderlichen grait halt die reinicheit, mit den dat ein den andrin üver*
geit. inde in alle dieser werilde in mait dn niet zwei menschen vinden,
die diese reinicheit haven gelig. dat sind die stüle, van den dat man
liesit, die inme hiemele sint, dat der ein nare gode si dan der ander,
40 de mit mere reinicheide den anderen üvergeit. [S7
130* rethe alse dat laut, dat stede steit, inde dat schif zu ieme gedunsen
wirt, also steit got stede in siner gotheide, die niemer sich genegit noch
inbongit. mer wilt du zu ieme kümen, du salt dich mit dieser reinicheide
dinsen zu ieme. [S8
HALLE a, S. Philipp Strauch.
88 Matth. 20, 21. 28.
4»
Zur altsäehsisehen Wortkunde.
1. sostra, suster.
Im Essener fleberegister finden sich die eigentümlichen Formen
sostra (Plur.) und suster *Sechter' aus lat. sextärius. Offenbar sind
dieselben an das Zahlwort sechs angelehnt, das im Norden und Osten
des niederdeutschen Sprachgebietes die Formen sös^ sos und süs zeigt,
vgl. Wrede im Anz. f. d. Alt. XVIII, 413. Damach herrscht sös im
mittleren Drittel des niederd. Sprachgebietes; die Grenze im Westen
ist die Weser bis zur Allermündung, dann eine Linie über Verden,
Rotenburg, Walsrode, Soltau, Celle, Wittingen, Gifhorn, öbisfelde,
Gardelegen, Cahörde, Helmstedt; im Osten etwa die Linie Stolp*
Schlawe-Thorn. süs erscheint zwischen Eibmündung und Oste sowie
nördlich der Elbe häufig an der Küste. Endlich findet sich sos oft
zwischen Oste und Unterweser. Diesen Gebieten dürfte also der
Schreiber der Handschrift angehört haben.
2. geri((l)a.
In den Essener Evangelien glossen findet sich zu Luk. III, 11
(Wadstein S. 54 b, 28) die Glosse usui : geri . on. Zwischen % und o
ist ein Buchstabe erloschen, den ich als d ergänzen möchte; geridofi
wäre der schw. Dativ von gerida^ gerifSa = ahd. garawida 'apparatus,
praeparatio, habitus\ Über den Schwund des w vgl. mein As. Ele-
mentarbuch § 165, wo auch ger(w)idin, giger(w)i und gar(w)a belegt sind.
3. siili.
Ib. XVII, 8 ist tractatus vsstis durch svli thes giuuadias glossiert.
Da sali offenbar soviel wie ^Schleppen, Schleifen^ bedeuten soll, er-
blicke ich darin eine Verschreibung für sluri = ndl. sleur 'Schleppen',
mnd. slör m. 'langsamer, träger Gang', westf. (Woeste) sl^r 'schwacher
Kaffee, Viehtrank\ Dass suli nichts mit lat. solea zu tun hat, wie
Leitzmann, Herr. Arch. CV, 385 annimmt, scheint mir sicher zu sein.
4. uuithar(7netan).
Die unvollständige Glosse comparata : uuithar in den Gregor-
glossen (Wadstein S. 62 b, 6 f.) ist wohl zu uuüharmetan zu ergänzen,
vgl. ae. mtSmetaUj mhd. mdermezzen 'vergleichen'.
5. gihik.
Die as. Glosse gihik ist am Rande auf pag. 28 a der Gregor-
glossen (Wadstein S. 62 a, 6 ff.) eingekratzt. Der Herausgeber möchte
sie als gihu ik ergänzen, was mir unwahrscheinlich vorkommt; ich
ziehe vor, sie zu gih(iiil)ik zu ergänzen und beziehe sie auf das
quenilibet des latein. Textes.
Festgabe (Nd. Jb. XXXVII). 4
50
6. uüah.
Ib. S. 64 a, 5 f. liest W. sciendum uero est : (ui)tah is us. Dieses
uüah wird im Glossar, allerdings mit Fragezeichen, zu mtaff gestellt,
wozu es aber der Bedeutung nach gar nicht passt. h wird einfach
als n zu fassen sein, dann erhalten wir den Inf. uitan 'wissen', viel-
leicht Kürzung eines ursprünglichen te uuitanne, vgl. zu Nr. 9.
7. de{rian).
Ib. steht neben nocere die abgekürzte Glosse de. Sie ist ohne
Zweifel zu derian zu ergänzen.
8. thl
Ib. b, 6 steht neben quippe quia ein th% das W. als Artikel
betrachtet. Es dürfte eher aus bi thiu abgekürzt sein, denn dies
findet sich als Glosse zu ergo S. 63 b, 11.
9. to.
Zu in quo uidelicet gehört die Glosse Üiuro that to S. 64 a, 1.
Ich ergänze sie zu to uuitanne, vgl. das ne. to mt 'nämlich\ Im
übrigen vgl. zu Nr. 6.
10. ytias.
Im Indiculm superstitionuw. steht die vielerörterte Glosse: dr
pagano cursu quem yrias nominant. Vgl. darüber zuletzt Leitzmann,
P. Br. Beitr. XXV, 589 f. Ich kann mich seiner Erklärung, wonach
yrias zu jär, fries. j^ gehören soll, nicht anschliessen, sondern möchte
das Wort mit norw. schwed. yr 'wild, ausgelassen, toll' zusammen-
bringen, das Falk-Torp zu Schweiz. ür(ig) 'wild, stürmisch, böse', bair.
eurisch 'mürrisch' stellen. Im Ablaut dazu steht nach ihnen aisl.
0Vr, dän. 0r, schwed. ör 'wirr, betäubt, schwindlig' etc. Das y in
yrias wäre also langes ü wie bei nödffr 'Notfeuer' in demselben Denkmal.
11. rotherstidi.
Die Lamspringer Glossen enthalten das bisher nicht richtig
gedeutete Yf ort rotherstidi in der Stelle in saltu: an theru rotherstidiu
S. 67 b, 15. Wadstein erklärt es im Glossar — allerdings mit Frage-
zeichen — als 'Rodung', das aber sowohl nach Form wie Bedeutung
nicht passt. Ich vermute vielmehr darin ein ursprüngliches hrdther
'Rind' mit 6 aus an, wie z. B. in sdth 'wahr'. Dies hrdther steht mit
as. hrith 'Rind' (dazu das Adj. hritherin) und ae. hrtder, hr^ier, n\.
rund im Ablautsverhältnis, sodass wir jetzt sämtliche Vokale der
ß-Reihe im Paradigma zusammen haben. Identisch damit ist ohne
Zweifel das von van Holten, P. Br. Beitr. XXV, 225 besprochene
poder^ p{r)oter, ponder, pordor 'animal' der Malberg. Gll. hrötherstidi
bedeutet also 'Rinderstätte' = lat. saltus 'Weideplatz' (vgl. Georges).
12. furJUu-werth?
Ein solches Adjektiv setzt W. fragend mit der Bedeutung
'furchtbar, fürchterlich' an; er findet es in den Merseburger Glossen
S. 71b, 23, wo die betr. Stelle lautet: intremendi examinis die: an
51
themu degq t furhtuuerthan gsculun .... Um mit dem letzten Worte
anzufaugeu (das dahinter noch gelesene diuran oder di ur vermag
ich nicht zu deuten), so wird es wohl sctdun 'sollen' sein; gsculun
steht gewiss für sgculun^ vgl. Schreibungen wie ßSsgke im Wurmsegen !
furhtuuerthan ergänze ich zu (an) furhtu {u)uerthan^ vgl. huuisu =
hü uuisu: quali modo Ess. GL, Joh. 3, 8. Sollte das vor furhtu
stehende t, das einer Klammer ähnlich sieht, vielleicht die Wieder-
holung des ersten a7i bedeuten? intretnendi etc. ist doch wohl zu
trennen als in treinendi examinis die 'an dem Tage des furchtbaren
Gerichtes'.
13. biseffe.
Die. Form hiseffe am Ende der Merseburger Gll. erklärt Wad-
stein als Imp. Sgl, während es doch nur die 3. Sgl. des Opt. sein
kann! Allerdings wäre es eine merkwürdige Übersetzung von con-
stituat und ich möchte es daher lieber zu dem folgenden seruet
ziehen, wie dies auch Gallee in seinen Vorstudien zu einem altniederd.
Wtb. S. 27 tut.
14. möt'fandi?
In den Pariser PrudentiusgU. steht p. 161b zu festis choreis
die Randglosse tnot sandium. Das letztere Wort bessert W. S. 88,
Nr. 688 kaum richtig in fandium und setzt dann fragend im Glossar
ein höchst zweifelhaftes möt-fandi 'kontertanz' an! Zu diesem Kom-
positum ist er wohl durch die zahlreichen schwedischen Bildungen
mit dem Präfix mot- 'gegen-' gekommen. Da aber die westgerman.
Sprachen dieses nicht kennen, dürfte es geratener sein, mot als
Schreibfehler für mit zu fassen, vgl. nul = mit in derselben Hand-
schrift 485, die auch sonst mehrere Schreibfehler aufweist, d in
sandium ist vielleicht für cl der Vorlage gesetzt und lium steht wohl
für licun. Wir erhalten dann das Adjektiv sar^ltcun^ vgl. ahd. sanglth
'musikalisch' (Schade).
15. gisamward(on).
Die Pariser Prudentiusgl. conspirare : gisomuuar^ erklärt W. im
Glossar als gisamwardon 'zusammen auf etw. spähen, sich verschwören'.
Ich möchte aber darin keine Zusammensetzung von sam und wardon
erblicken, sondern eine Ableitung von *sam'Ward (vgl. tö-ward 'bevor-
stehend' und die zahlreichen ae. Bildungen mit ur^rd). Möglich
wäre auch vielleicht gisamwurdian als Ableitung von sam-wurdi
'Übereinstimmung', sam-wurdig 'übereinstimmend', indem man a vor r
entweder als Verschreibung, oder aber als spätere Entwicklung aus
0, u fasste.
16. gr^-bline.
grS'bline 'cerula' in den Lamspringer Glossen dürfte für grß-
bllhe 'graufarbige' verschrieben sein und zu bl% 'Farbe' mit hiatus-
deckendem -Ä- gehören. Über A = w vgl. zu Nr. 6.
4*
52
17. iuctaman.
Dies nur einmal in der Freckenh. Heber, vorkommende Wort ist
bisher nicht genügend erklärt worden; W. übersetzt es fragend mit
'Umfriedigung eines Joches Land'. Die betr. Stelle lautet: themo
uuidera en modium gerston te iuctamofi. An täm = tdm ^Zaum" ist
schwerlich zu denken, trotz Jostes, Germ. 24, 298, dem Gallee in
seinen Vorstudien zu einem and. Wtb. folgt, und ich möchte daher
mit Einschiebung eines Buchstabens iuc-tramon dafür lesen, tramon
würde zu mnd. trdme ^Querstab, Sprosse' = mnd. drdm(e)y trdm(e)
'Balken, Riegel, Stück, Splitter' gehören, das auch als tram ins Eng-
lische gedrungen ist, dessen Heimat und Grundform aber noch unklar
ist. Unter den ittc-trämon wären dann 'Jochbalken' zu verstehen, also
etwas ähnliches wie iuc-fac 'jugalis sepes', vgl. Heynes Glossar zu
seinen El. altniederd. Denkm., 2. Aufl.
18. koke.
koke im Anfang der Freck. Heberolle erklärt W. als 'Küche\
was sprachlich und auch nach dem Zusammenhange ganz unmöglich
ist. Der Text liest nämlich: de koke II maldra ca8eo7'um, I hradum
triti ad prebendam. Wie sollte das wohl aus der Küche (aus welcher?)
geliefert werden? Ich sehe in koke einen Ortsnamen, vielleicht mit
Kukonhem identisch, das auch bei W. S. 27, 23 wie an obiger Stelle
mit Beton zusammensteht. Aus kukonhem^ geschrieben kukdhe^ konnte
ein Abschreiber leicht mit Weglassung der ersten Silbe sowie der
Abkürzungszeichen kohe oder koke machen. Ein Eigenname kok ^Koch*
ist wohl für jene Zeit noch nicht anzunehmen!
19. etnimegnenem.
Diese rätselhafte Glosse steht in den Lamspringer Gll. am
Rande neben dem Verse: quicquid erit lesi tangit qtwd corda mariti,
vgl. Wadstein S. 67 b, Anm. 17. Vielleicht darf man et zu tJiet und
nem zu nemn(i)an ergänzen und in ne einen Schreibfehler für he
erblicken (vgl. grehline ib. = griblihe). Das Ganze würde dann lauten :
(th)et ni meg he nem(nan) = 'das kann er nicht nennen'. Anglofries.
Lautgebung findet sich auch sonst in den Glossen, vgl. ashmen 'north-
manni', gihäfdade 'decapitabimini',, gre 'cerula'. Der Zusammenhang
der Glosse mit dem lat. Texte bleibt mir allerdings auch nach der
Ergänzung noch unklar.
KIEL. F. Holthausen.
63
Berg in Strassennamen
und der Berg in Hannburg.
In Hamburg hiess ein Platz des ältesten Stadtteiles der Berg.
Er bestand bis zu dem Brande des Jabres 1842. Seine Lage wird
durch die Rathausstrasse im Norden, die Grenze des S. Petri-Kirch-
hofes im Osten, die Schauenburgerstrasse im Süden und die Pelzer-
und Knochenhauerstrasse im Westen bestimmt. In der ^Historischen
Topographie der Freien und Hansestadt Hamburg (1880)* S. 8. 12. 15,
nimmt C. F. Gaedechens an, der Name stamme 'wohl ursprünglich
von einem Hügelgrab, denn es befand sich später dort weder eine
Anhöhe, noch war es der nächstgelegene höchste Punkt'. Alte Gerber-
gruben, 'die in der Richtung von der Mitte der Knochenhauerstrasse
durch den westlichen Teil der Rathausstrasse und den nördlichen der
Kleinen Johannisstrasse lagen\ seien 'wahrscheinlich' mit dem ab-
getragenen Berge ausgefüllt worden, als unter Adolf II von Schauen-
burg Veränderungen des westlichen Teiles der Stadt vorgenommen
wurden, und so sei der freie Platz entstanden. 1251 wird er juxta
montem genannt.
Auch bei nur massiger Bodenerhebung ist der Städter leicht
geneigt, einer Strasse oder einem Platz den Namen Berg zuzubilligen.
In der „Ortlichen Beschreibung der Stadt Frankfurt am Main
(1861—1875)" IV S. 117 f., sagt Johann Georg Bat tonn von dem
berühmten Platz, der anfänglich in Monte^ dann wegen des Sonn-
abendmarktes Samiztagberg und später nach dem im Anfang des
15. Jhs. aufgekommenen Rathaus zum Römer benannt wurde: ^Weil
dieser Platz sich von Süden nach Norden allmählich erhebt, so legten
ihm unsere alten Vorfahren den Namen des Berges bei, was er doch
nach dem eigentlichen Sinne des Wortes nicht ist. Ein reisender
Engländer sagte einstens im Scherz: Ich habe in Frankfurt von zwei
Bergen sprechen gehört, habe sie aber nirgens vorfinden können'.
Der zweite Berg ist der Rossebühel, später Unser Frauen Plan,
Frauenberg, Liebfrauberg geheissen.
Der hamburgische Berg ist seiner natürlichen Beschaffenheit
nach verschieden von anderen dortigen örtlichkeiten, dem Anberg,
Heuberg, Kuhberg, Venusberg, die ansteigen, zum Tei\ ziemlich
steil, auch ungleich der Bergstrasse, welche seit 1836 wftÄtfeW^ der
engen Gasse zwischen den Domkurien von S. P^tri \iv\i«Xifiii\iTeii4
angelegt und später bis zum Alsterdamna verVatv^^rt "wä4^^ Aät
gleichnamigen Strasse in Sankt Georg, d^r sciVioii -y^xiv ^^^^ ^^i
burgerberg genannten hochgelegenen Geg^^^d^ itv ^^^-^ot^^^^^^^
Pauli und der Bergstrasse daselbst.
54
Aber die Äusserung über das Hügelgrab bemht nur auf einer
Vermutung. Es scheint der Prüfung wert, ob der Name Berg nicht
einen anderen Ursprung haben kann.
Auch anderwärts gibt es die Bezeichnung Berg, wo an eine
Erhebung des Geländes nicht zu denken ist.
Am auffillligsten ist eine Ortsangabe von 1477 im Leipziger
Schöffenbuch: 4m Brühl auf dem Berge gelegen'. Brühl bedeutet
campus aquis irriguus, pratum palustre, und nach G. Wustmann,
9 Geschichte der Stadt Leipzig (1905)'' S. 185, hat es schwieriger
Trockenlegung bedurft, ehe sich die sumpfige Gegend zu einer der
Hauptstrassen der inneren Stadt entwickeln konnte. Wustmann ist
der Ansicht, die gemeinte Stelle müsse doch etwas höher gelegen
haben als die ganze übrige Strasse.
In Lübeck ist der 1393 zuerst vorkommende Lohberg gleich
dem 1323 erscheinenden Poggenpol, einem sumpfigen Vorlande an
der Waknitz. Hier erklärt sich der spätere Name nach W. Brehmer
in den „Hansischen Geschichtsblättern", Jahrg. 1880/81, S. XXXV,
sehr einfach daraus, dass die am Weiten Lo.hberg wohnenden
Gerber den breiten Raum dieses Platzes zur Lagerung der Lohe
benutzten und dadurch allmählich erhöhten. Auf den Langen Loh-
berg wurde die Benennung dann übertragen.
Li Stettin kommt 1306 ein mons canum Yor; 1308 heisst er
rodenberch, 1383 platea canum. Nach H. Lemcke, ,, Die älteren
Stettiner Strassennamen gesammelt und erklärt (1881)^ S. 48 f., ist
diese Benennung auf den unteren Teil des Rosengartens zu beziehen,
der bis 1550 einfach baven dem roddenberge hiess. Die Er-
klärung dafür, dass gerade der untere Teil dieser Strasse den
Bergnamen bekommen hat, findet Lemcke durch die dort zu suchenden
Abdeckergruben. Dem Abdecker habe auch das Füttern der Rüden J
obgelegen, wie dies 1678 in Berlin bezeugt ist, wo sich an der Stadt- |
mauer die Abdeckerei und die Ställe für die kurfürstlichen Hunde
befanden. Um eine Abdeckerei musste sich der Boden durch die
Abfälle nach und nach aufhöhen.
Die Nähe des Rosengartens spricht für die Richtigkeit der j
Vermutung. Denn es ist bekannt, dass die häufigen Rosenstrassen,
Rosenhagen, Rosenwinkel, Rosentäler und Rosengärten zumeist euphe-
mistische Namen tragen und von unehrlichen Leuten bewohnt waren.
Im Korrespondenzblatt 27, 62 und 73, 29, 90 f. sind derartige Ham-
burger Strassennamen, die einem Volkswitz ihre Entstehung verdanken,
besprochen worden, und es lassen sich viele Belege und Parallelen
hinzufugen. Für Rosengarten sei hier nur auf einen mecklenburgischen
Reim hingewiesen, den R. Wossidlo, ^Die Tiere im Munde des Volkes
(Wismar 1899)*^ in mehreren Fassungen bietet. Nr. 1173a lautet:
Wih wih huur,
dien vadder is'n buur,
dien mudder eilt in'n rosengoorn,
spinnt de spool mit flässengoorn.
55
In Altendresden auf dem rechten Eibufer gab es 1455 und 1497
Bosengassen. Ihre Lage ist nicht sicher zu bestimmen. Nach 0.
Richter, ;, Verfassungsgeschichte der Stadt Dresden (1885)*^ S. 43 und
46, fallen sie mit djort gelegenen Bergstrassen zusammen: 1491
haws und hoffe uff dem berge gelegen, 1555 Bergkgasse, 1633
kleine und grosse Bergkgasse. Doch stiegen die Eibufer wohl
merklich an.
Die Anrüchigkeit des Stettiner Rodenberges wird durch zwei
Zeugnisse aus dem 16. Jh. bestätigt. Die Gesellenartikel der Schneider
von 1536 sagen: 4tem eff ock ein geselle beschlagen werde an groten
festdagen edder an andern dagen vppe deme rodenberge efft in dem
hurhuse, de bute einen groschen\ Die Gesellenartikel der Kürschner
von 1564 verschärfen dies: 'es soll auch kein geselle sich nicht finden
lassen auff dem Bödenberge oder sonst in vnzüchtigen heusern . . .
bey straff zwehen wochen'.
Mit diesen Verwarnungen vergleiche man eine Eintragung von
1367 in einem Breslauer Stadtbuch, die H. Markgraf, ;,Die Strassen
Breslaus nach ihrer Geschichte und ihren Namen (1896)*' S. 213, mit-
teilt: 'An dem seibin vrytage (ante diem b. Mathei) hat sich Bar-
tholomeus Althus vorlobt vor uns, daz her vorbas me bescheiden syn
welle und keyne unczucht tryben sulle und mit namen, daz her uf
den thassinberg nicht gen sulle; wo her doruffe gesehen wurde
adir keyne andir unbescheidenheit tryben wurde, so sulde man is em
abnemen an dem lybe, und domite sal her des oven czigils nicht
ledig syn, vor den Andris syn brudir hat globt'. Ein Brand Ziegel-
steine ist eine oft vorkommende Busse. Diese Erklärung vor dem
Stadtschreiber ist eine der 'Wetten', wie sie C. W. Pauli, „Lübeckische
Zustände im Mittelalter (1878)" II S. 72 ff., aus dem lübischen Nieder-
stadtbuch bekannt gemacht hat. Ein Vermerk von 1495 im Dresdener
Stadtbuch, der inhaltlich ganz nahe steht, ist in dem angeführten
Werke von 0. Richter II S. 156 Anm. abgedruckt.
Über den Breslauer Taschenberg, die jetzige Taschenstrasse,
und die anderen mit Berg gebildeten Breslauer Strassennamen samt
schlesischen und anderweitigen Verwandten habe ich in einer Unter-
suchung gehandelt, die binnen kurzem in den Mitteilungen der
schlesischen Gesellschaft für Volkskunde Band XIII erscheinen soll.
Es sind der Ket'zerberg, der Sperlingsberg und der ihm benach-
barte Venusb er g, Gassen, die alle fast eben sind, an den alten Stadt-
grenzen liegen und in üblem Rufe standen. Hier werde nur auf
eine von H. Luchs, „Über das äussere Wachstum der Stadt Breslau I
(1865)*' S. 24 f., gemachte Bemerkung Bezug genommen, dass Bres-
lauer Strassen, die auf die Mauer ausliefen und dort \d«vi[ie ireie
Plätze bildeten, den Namen Berg tragen. Aucb iix HainJöWT^ \agei\
an der alten Stadtgrenze solche Berge: ein Mes\>^x% \>^yd\ ^'wv&et-
baum, 1266 ein Teil des Clingenbergs, g^b de^x öiOt^^^^'^ ^^^^^"^^
den Namen, er wurde 1458 abgetragen; eii^ ^iW^^^^^t ^ «\.^^^^^^^^^-
S6
Schaffung 1464 Ausgaben gemacht worden sind, war beim Doveo-
oder Neddern-Tore; s. Gaedechens a. a. 0. S. 20. 44. 45. 83.
Wenn die Ansammlung von Unrat da, wo Strassen auf die Mauer
stiessen, erklärlich ist, so müssen wir an die geringe Sorge des Mittel-
alters für Reinigung der Stadt und Abfuhr denken, um zu yerstehen,
wie das gleiche auch auf grösseren Plätzen eintreten konnte. Barthel
Stein sagt 1512 in seiner Beschreibung des Breslauer Neumarktes
(Scriptores rerum Silesiacarum XVII S. 40), er übertreffe den grossen
Ring an Ausdehnung und Häuserzahl, nicht jedoch an hübschem Aus-
sehen. ^Nam et media area, preterquam quod oppleta sordibus, in
tumulum terreum abyt, nee inutilem tamen et circumhabitancium
et advenarum pauperum, quorum ibi jumenta stabulantur, asibus".
In Berlin hatte zwar nach E. Fidicin, „Historisch-diplomatische Bei-
träge zur Geschichte Berlins (1837—42)« I S. 44 und V S. 360, der
Totengräber am Ende des 14. Jhs. das Amt Unrat, dat har, Ton den
Strassen fortzuschaffen, aber noch 1614 verpachtete der Rat den
Steindamm vom Sankt*Jürgen-Tor bis zur Klosterstrasse an einen
Bürger, 'dass er daselbst mag Mist machen,^ und die Markt- und
Kirchplätze wurden zur Aufschüttung des Kehrichts und Düngers be-
nutzt, 'der sich oft zu Hügeln auftürmte und selbst die Passage hemmte.^
Der breslauische Yenusberg lässt durch den Namen den Cha-
rakter der Bewohnerschaft unzweideutig erkennen. Dort stand das
gemeine Frauenhaus, dort wohnte der Stöcker, der die Aufsicht über
die Dirnen hatte. Diese seine Tätigkeit geht für Görlitz aus dem
Codex diplomaticus Lusatiae superioris III 576 hervor, für Frankfurt
bezeugen sie die Worte bei Battonn V 158 f.: 'domus preconis,
domus prostibuli, domus lupanaris, in qua domo habitabat olim der
Stökker, nunc autem conversa in domum lupanarem.' Der Stöcker
gab davon der Stadt einen Zins und erhielt dagegen Abgaben von
den 'gemeynen dochteren^ (Y 291), wie das auch anderwärts vorkommt.
Gaedechens trifft S. 139 schwerlich das Richtige mit seiner
Yermutung, der zuerst 1643 im Hamburger Stadterbebuch genannte
Yenusberg, Yendsberg oder Veensberg führe seinen Namen nach
einem dortigen Besitzer.
Es will sogar scheinen, als habe sich mit der Benennung Berg
wegen der Beschaffenheit jener Stätten eine verächtliche Nebenbedeu-
tung verknüpft. Die Bergstrasse in Sankt Pauli führt von der
Silbersackstrasse zur Trommelstrasse. Dies erinnert an eine
Reihe von Magdeburger Gassen in ehemals schlechter Stadtgegend
um das Brücktor. Auf den dort gelegenen Platz am Dreckwall
stösst von der einen Seite der Seiden beutel, jetzt Fürstenstrasse,
von der anderen der Sperlingsberg, jetzt Johannisfahrtstrasse, in
den der Trommelsberg mündet, der frühere Tutenklapp, 1552
Zitzenklap genannt. (G. Hertel in den Geschichtsblättern für Stadt
und Land Magdeburg XIY, 1879, S. 255 ft'. 26!).) Offenbar obscöu
sind die Strassennamen am Ramsberge in Stralsund in der Nähe
des Knieper Walles und Rammeisberg in Rostock, jetzt Hinter der
57
"Mauer. K. Koppmann, ^Beiträge zur Geschichte der Stadt Rostoct"
III Heft 3, S. 6, leitet sie von rammelen 'coire' ab und citiert eilte
Stelle aus dem Spegel des Pawestdomes von Nicolaus Gryse, wo\^
*rammelsberge, fegefürsstraten und sonderlyke horenwinckele' zu-
sammengestellt werden.
Auf den Hamburger Platz passt der Name Berg im gewöhnlichen
Sinne nach den natürlichen Bodenverhältnissen schlecht, die im Vor-
stehenden zusammengetragenen Merkmale verschiedener Örtlichkeiten,
die als Berge bezeichnet werden, finden sich dagegen bei ihm ver-
einigt wieder. In den südöstlichen Winkel des Berges mündete von
der Schmiedestrasse herkommend die Hutwalker- oder Filter- Strasse.
An dieser Ecke des Platzes lag schon 1266 das Haus des Büttels,
domus preconis, 1357 domus bedelli, die spätere Fronerei. 1534
wurde der Kaak nach dem Berge verlegt. Der Büttel hatte nach
Otto Beneke, ;,Von unehrlichen Leuten (Hamburg 1863)'', S. 166. 169,
eine Kruggerechtigkeit. Seine Gäste können natürlich nur Gesindel
schlimmster Art gewesen sein, wenn er weibliche hatte, so waren sie
der Auswurf des Geschlechtes. Von der Südwestecke des Berges lief
nach Süden die Pelzerstrasse, von dieser aber ging nach Westen als-
bald die Hundestrasse, später Beckmacherstrasse oder Armesünder-
strasse, ab, sodass die heutige Schauenburgerstrasse in ihrer und
der eben erwähnten Filterstrasse Richtung verläuft. Danach scheint
der Büttel wie in Stettin und Berlin so auch in Hamburg mit der
Fütterung von Hunden beauftragt gewesen zu sein. An eine Pflaste-
nmg des Platzes ist für die ältere Zeit nicht zu denken. Daher
wird sich durch die Abfälle, die beim Gewerbe des Büttels unver-
meidlich waren, der Boden bald zu einem tumulus erhöht haben,
wie auf dem Neumarkt in Breslau, dem Lohberg in Lübeck, dem
Brühl in Leipzig. Wie C. Walther in den Mitteilungen des Vereins
für hamburgische Geschichte X S. 368 f. nachgewiesen hat, besassen
Hutfilter Häuser auf dem Platze. Auch die Abgänge der von ihnen
und von den benachbarten Kürschnern verarbeiteten Stoffe mögen
dazu beigetragen haben, den Unrathügel zu vergrössern, sodass wie
bei den Mesbergen der Name Berg wohl erklärlich wird.
BRESLAU. P. Feit.
58
Eine neue Zeitung vom Berge Sinai 1511
Fragment eines niederdeutschen Druckes.
Unter den Bänden, die 1824 aus der ehemaligen Dombibliothek,
damaligen Gymnasialbibliothek zu Halberstadt in die Universitäts-
bibliothek zu Halle übergeführt wurden, befand sich unter K 85 des
Ualberstädter Verzeichnisses ein jetzt die Standnummer Ko 2310
tragendes Buch in klein Octav : Formulare Äduocatorü I et procuratot-ü
Motnane Curie et Regii Perlamenti: I Practicam sz iura communia da-
rissime ostendens (CCXXHI Blätter) Hagenaw per Henricum Gran 1505
tertio Non, Jun. Im Vorder- und Hinterdeckel klebten zwei von mir
im Jahre 1900 abgelöste bedruckte Papierblätter, während das Titel-
blatt und der freigelegte vordere Deckel mit handschriftlichen Notizen
bedeckt waren und in dem Bande ein loses, von einer Hand des aus-
gehenden 15. Jahrhunderts beschriebenes Papierblatt in Octav lag.
Die Notizen betreffen, wie sich bei näherer Untersuchung ergab, den
sogenannten Prälatenkrieg zu Lüneburg, i) der Druck erwies sich als
die zweite Hälfte einer niederdeutschen, bei Jürgen Richolff in Lübeck
gedruckten 'neuen Zeitung' über ein 1511 auf dem Berge Sinai ge-
schehenes Wunder, von der bei Panzer und Weller 2) hochdeutsche
Ausgaben von 1514 und 1512 angeführt werden. Der Richolffsche
Druck stimmt von den beiden Münchener Exemplaren mit dem ersten
H. As. 782 bezeichneten überein, dessen Text ich zum besseren
Verständnis des erhaltenen niederdeutschen Bruchstückes mit den
Varianten des zweiten Exemplars (P. Lat. 656) hier zum Abdruck bringe.
L Hochdeutscher Druck.
(la) £in grofs wunderzaichen
auff dem perg Sinay
bey fant Eatherinen
grab geschehen jm
aylfften jarc».
d Diie newe zeyttung hat ein frümer parfölTer | prüder von der obferuantz,
von jherufalem | auf den Reychfztag gen Trier pracht. | Yn da^ geoffennbart allen
ftenn | den des Reychs auff^ fon | tag^ Trinitatis. | {Ib leer)
«) In anno vndecimo 2. ^) fehlt 2.
^) 1450 — 63 8. über ihn: Francke, Der Lüneburgsche sog. Prälatenkrieg im:
6. und 6. Jahresbericht des Museumsvereins für das Fürstentum Lüneburg 1882—83 L.
1884 S. 1-72.
2) Panzer, (Deutsche) Annalen nr. 692 nennt eine Leipziger Ausgabe vou
1514 und eine ohne Ort, Weller, Ilcpert. typogr. 752 und 753 verzeichnet zwei ohne
Ort von 1512, welche sich in der Münchener Hof- und Staatsbibliothek befinden.
Für die mir in Berlin ermöglichte Benutzung sage ich der Verwaltung der Münchener
Hof- und Staatsbibliothek auch an dieser Stelle besten Dank.
59
(2a) d Es ift ain ParfulTer Münch von der obferuantz aufz / Hungern vor
ettlichen jaren gen jherufalem in dz klo / fter bey dem heyligen grab vnfers herrn
kämen, vnnd / da gewont, bifz vngefarlichen fich begeben hat jm jar» / M. d. x.j.
vmb fafznacht. Ift zu jherufalem ain reyche / junckfraw von hohem gefchlächt
gewefeu, die vil b^ / den vättem parfolTer ordens gewonet, vnd durch dye / frnmen
prüder des criftenlichen gelauben vnderwifen / AUfo das die felb junckfraw, zu letzst
durch fchickung / gottes des allmächtigen, bewegt worden ift, ain Chri / ftin zu
werden« hat den vatter jm felben clofter Rapha / hei genannt, offt vnnd vleylTigk-
liehen erfucht, ermant / vnnd gepeten, das er fy tauffen wölt. Die weyl aber / ain
pact vnnd veraynignng vor ettlichen jaren aufge / rieht ift, zwifchen dem Soldan,
vnndter des gepieten / jherufalem ift, an ainem, vn dem hochmayfter zu Ro / dis,
der zu jherufalem der parfuiler befcbirmer fein fol. / Anderfztails. Nemlichen das
die parfuiler zu jherufa / lem niemandts tauffen, auch nichts predigen föUent. /
Hat d' früm vatter Raphahel, defzhalb sich lang zeyt. / die junckfraw zu tauffen
gewidert, doch zu letzst, auff / vilfaltig vnd vleyHig anhallten, fo die junckfraw
bey / jme gethan, hat er fy haimlich getaufft, vn jr ain Cru / cifix geben, auch
ain pildnufz vnnfer lieben frawen der / junckfrawen Marie, das hat die früm jück-
fraw mit / groffer andacht i jrer kamer behalten, fich darnach vor / jren elltern,
vnd haufzgefind haimlich in der kamer vil / faltigklich in jrer andacht verporgen-
lichen gehalten. / Vnd fich täglichen gekeftiget vnnd felbs gepeyniget / mit ainer
gayfei, geschlagen, das fy jr plut hat auf die / erden vergoffen, vnd das felb plut
scheinparlichenb auf / dem pflecz bliben ift. Do aber jre elltern, vnnd das ge-
{2b) Hnd sich verwunderten, das die jückfraw alfo verpor / gen wider jr allte ge-
wonhait in der kämer follt ligen. / haben fy des vrfach wiffen wollen, auch das
plut, auff / dem pflecz, das fy durch die gayfzlung verret» hat, gar / scheinparlichen
gefunden vn des auch vrfsch gefragt / Nach groffem ernnft fo«^ an d fyd gelegt ^
Ut^ worden.^ hat / die junckfraw bekennt vnd^ gefagt,^ das fy ein Criftin / sey
worden, w51l auch allfo in^ criftenlichemd gelauben d / fterben, dum es fey der recht
vndd warhafftigd glaub etc. / daruon fy nyemandts hat bewegen oder^ pringen^
m6 / gen. Haben jre ellter vnd das haufzgefind wiffen wöl / len, wer fy doch zu
Criftin gemacht oder getaufft, hatt / fy aufz groffer forcht vnd^ zwancknus^ fo an
fy gelegt / ift worden ^ vatter Raphaheln genennt.
d Als nun die« junckfraw von difem criftenlichen glau / ben nit hat steen
w511en, weder d durchs lieb^ noch^ layd^. / haben jre ellter dem Solldan jrem
kayfer folliches für/pracht vnd angezaygt, der dann ein Mameluck vnnd / verlau-
genter crift fein mufz darunder das heylig grab' ift. vnd der yetzig Solldan >) ift
ain doctor in der heilige / theologia zu Parifz gestudiert vnd zu Solldan erkuft /
vnd erwölt, aufz ainer ftatt in dems nyderland genannt / Tortrich, der feiner muter
offt vnndd dick^ vil gelts her/ aufz geschickt hat. Derfelb Solldan hat von ftundao /
gepoten den^ feineu d die junckfrawen vnd alle Barfuf / fer münch zu jherufalem zu
fahen, vnnd jm die gen AI / kayren ze pringen, follichs dann^ gefchehen iCt. hat
der / Solldan von ftundan vatter Raphahelen, vnnd auchd j ^{q junckfrawen jn
»)jnanno^. i>) sichtpai liehen ^. <») verrert ;2. d) fc]\U2. «^^^^«^^^^^ ^•
0 heylig land 2. g) jm 2. h) das auch 2. ' cj u •
^) Äshraf-Kansuh el Ghuri 1501-17, der Ui^te lär^^A^^^^K.TT^ix'« -
Ägypten, Lane-Poole, History of Egypt in the MiddU age WaaI^ ^^^^^*^^^"
seine hier angegebene Herkunft ist ganz unerweislicl^ ^^mO
60
bej fein, der andern prüder gefragt / Wie die fachen ftanden, haben fy gleich allen
handel. / wie der geschehen ift, erzelt vnd bekennt.
(I Do nun der« Solldan die junckfrawen, auch die hn(3a)mBn parfolTer
m&nch nicht b von criftenlichem glauben /kern noch« pringen« m5gen, hat ervatter
Raphahelen / creuczigen lallen. AUfo ain nagel durch dye ftirn, vnd / durch den
leyb gefchlagen. vnd darnach die junckfrau /wen verprennt, die« dann« alfo« baide«
gare criftenlicheo ge/ ftorben^ findo, die andern barfufTer^ münch gefangen ge/legt
in harte gefencknus zehen monat, an henden vnd / fuITen mit eyfznin kettinen d.
d Do nun des Solldans Ambleüt vnnd gewalltigen / bey dem perg Sinay.
do die heylig junckfrw Katheri / na« begraben ligt, glaublichen der gefencknus der
Mü/nich Yon jherufalem angelangt hat, haben fy gedacht. / fy thun wider den
Soldan nit, wo fy der heiligen junck / frawen grab ' zerreylTen vnd zerprechen, vnd
auch« dz / einnemen, vnnd dies Münch all vahen oder erfchlage. / das werd der
pest weg, Tund mögen i^ das gegen dem Soldan wol verantworten.
d Nicht verrt von dem« perg« Sinay, haben fich die fei / ben gewalltigen mit
neun pferden in jrem hamafch er / hebt, vnnd auff den perg Sinay jren anschlag
gehabt / vnd<) befchlolTen,« der heyligen junckfrawen Katherine^ / grab zerrey/Teo«
vnndo zu erftören, auchi die Munch zu erwübrgeno vnd« tddten. Do« fy« nun«
zu« dem« pergo find« kü / men,« find jr vier von jren pferden geftanden, vnd^ find«' /
aufo den« perg» zu« dem» clofter^ kümen,« das haben die frum / men prüder ve^
nümen vnd gemerckt,™ haben zu einan / der gefprochen vnd geredt » was find das
für leüt, ift do / ch in vil» Monaten kein pillgrem auf den perg Sinay / za fant
Katherinen kümen, verwunderten fich gar« fer / darab, wer doch« da zn jnen in
harnafch gewappent kä/me. Vnnd als fy die wappner « anfahen, berieten fy ficb
{3b) vnnd« fprachen« zu« einander«. Wollen wir vnns werenp / oder nit, doch zu
letzst befchlos der Gwardian mit denq prüdem vnnd« fprachc. Wir wollen ' jr
auff dem perg er/ wartten, vnd wollen« vnns« got« dem allmUchtigen be / uelhen vnd
der heyligen junckfrawen Katherinen *.
d Do nun« die vier gewappenten hinauf kameod, do« / fchlugen fy auf die
Münch, vnnd nämlichen jr vier zu / tod, die andern Münch entluffen« vn« be-
fchluITen die kir / chen« vnd« die« thor. Aber^ der Gwardian feczet fich ne / ben^ das
grab fant« Katherinen« vnd« trucket fich^^ daran«. / alle augenplick warttendt,
erfchlagen oder durchsto / chen zu werden.
d Alfo horten diey Münch« ain grofz« gepoch an der kir- / chenthür, dann
dye vier vnndterftunden fich dye thor / auf zuftofTen, doch het das gepoch bald
ein ennde,> vnd / ward ftill, ftund^ der Gwardian auf von dem 3 grab, vn / befahe,
wo doch die vier gewappnoten w&rn, vnd« defz / gleychen« fein« vier« prüder«
die« da« vor« dem« clofter« bliben« / waren,« gieng für die kirchthür,^ do fand er
die 4 vier ge / wappoten« (!) fteen in den poiren,<^ die< ain yeder jm aufftof / fen
an fich gennmen het, vn waren all gantz erftarret.7 / er griff fy an. fand er das
») Vnnd do der J^. ^) nit 2. «) fehlt 2. d) münich gefanngen zehen monat in
gefencknus laffen ligen 2. «) sant K. 2, f) fy fant Katharinen grab 2, 8) auch die '2.
1») möchten 2. ») Vnnd nicht verr 2. k) sant K. 2. i) und 2. >») gem. u. vern -
n) haben — geredt /'«Äft, dafür vnnd gedacht 2. «) ettlichen 2. v) ob fy fich
weren wölten 2. q) seinen 2. r) fy wölten 2. •) fich got 2. *) vnd sant K. 2.
u) e. zu fant Katherinen grab 2. v) und 2. w) neben an 2. x) fich truckend '2.
y) sy 2. ■) pald auf gehört 2. i) wischt 2, 2) vom 2. ») thür 2. *) sy all 2.
5) i. d. p. St. 2. 6) den 2. i) zerstarret 2.
61
Ty in (tainpilder verwandelt / waren. Do gieng yon ftondan der Gwardian wider /
in das clofter. vnd berufft» die anderen lebendige mftnch / Yiind fiengen an fr5-
lich xe ßngen das^ lob gelang.^ Te / deum laudamus etc. Do wurden die er-
tödten MAnch / wider lebendig abero die vier gewappneten unglaubi- / ger gewall-
tiger hayden, die in stainine pilder verwan / delt wurden, beliben alfo fteen.
als fy auch noch^ fteen. / Wie wol die münch fr51ich. fo wurden fy doch forcht /
fam vnd^ nit^ vnpillichen^
d Der andern f&nff hayden halben fo noch vnnden am {4 a) perg bey den
pferden hiellten. bedachten fy möchten / mer gewallts mit jnen üben, zu dem«
leczsten da^ wagte / Heb der Gwardian mit ainem münch' den^ perg^ hinab. /
zu den füoffen zus geen. jnen das grofz mirackel vnnd^ / wunderzaichen^ an jn
begegnet an zu zaygen, die hay / den woltens nichtig glauben, doch zu letzst
gienngen fy / mit den München auf den perg Sinay. funden jre her / ren nit on
groiles layd vnnd forcht. in ftainine pilder / verkert vnd verwandelt, das ward
dem Soldan jrem / kayfer von ftundan kundt gethan. der noch die überige / par-
f affer münch von j beruf alem in hartter ftrennger^ / gefencknus hiellt. Nämlichen
an helfen, armen vnnd / fchennckeln mit eyfznen ketten angeschlagen.
d Aber der Soldan wolt difem mirackel vnd wunder / zaichen auch kein
glauben geben, bifz dz er es* felbft per / fonlich erfaren vnnd gefehen hat.
Allfo^ bald er wider / vom perg iinay gen Alkayren haym käme, doch wol / von
den feinen verwart, das er der foUdan jnen nit en / trunne. Zehen tag vor Natiui-
tatis Crifti Anno etc. jm / aylffteni hat er die Münch widerüb gen iherufalem ge /
fchickt die lebendigen parfuffer fo er zu Alkeyr in^ ge / fencknus^ hat gehabt.«^
all felber mit feiner handt ledig / gelairen.n Auch erlaubt vnangefehen das der
hochmay / fter von Rodis. vnd Er. zwifchen jnen pacten betten / das fy die
münch nit predigen oder niemandts füllten / tau£fen.o möchten fy doch furo hin
die baide thun feint / halben vngeftrafft. doch das fy dannocht bedächten dz / fy
das nit übermachtend, damit die hayden fein vnder / than. fy nit zu tod fchliegen.
0 Gedruckt Anno etc. jm zwelff / ten jare Freytag hach JacobiP {4b ist leer),
II. Niederdentseher Druck.
(1^)» Holzschnitt: ein Mönch steht vor einem Ritter, der eine
Fahne mit drei Lilien hält, zur Seite und oben vier Vögel.
dat fe wolden anlangen vnde mit wreue / lerne mode antaften
dat graff der hylgen / junkfrouwö funte Katherinen, dat to vor /
ftörende vnde to vornichtigende, vfl dat (1^) gantz innemen, vnde
wolden [dej*i monnike / dar alle doet flaen vnde vordelgen, wen / te
fe vormoden fick des, wanner dyt ...**/ ghefchege vft vuUenbracht
worde, en we / re nicht gegen den willen des Soldans. / men vor
eynen groten denst anneme.
») Von ftundan berufft d. G. jm cl. 2, ^) fehlt 2. o) vivad 2. ^^ ^^^^ ^ 2.
•) zum 2, 0 a. andern m. 2, «) zu jnen zu 2, ^) nit 2, ^ \i\£^ ötU ä. ^^ ^?^-
1) anno M. d. xll (!) 2, «) gehallten het 2. n) gelall'en ineii ääb Y^«^^%«^''^T •
bevolhen vnd eingeben 2, o). t, f. 2. p) In 2: Q Dife i^^xi^u ^el^^^ssJi, ;^ ^i^
frümer parfuffer pru / der von der obferuantz, von ]herU^a\%tx. ^^€ ^ wSJ'\
tag gen Tryer pracht, vnd geoflfenn / hart allen St^^^aen, ^^^cty^^^""^ ^
Q Gedruckt Anno etc. jm zwelfften. q) Lücke in J^ ^^ ^^>S»'^
62
(I Nicht verne van dein berge Sinay fo / hebben fick vorwegt^t
negen heyden myt / erem harnfche to perde gbekamen an den / bercL
Sinay, vll hebben fik dar bedacht / vnde befpraken in welker wife fe
ere vor- / nement vnde anflach mochten betengen / dat dat graff
worde vorftoret, vfi ock de / monnike vorf lagen vnde vordelget wor
den To leften fo fint erer vere af ghefeten / von eren perden, vnde
quemen den berch / vp na dem klofter De brßdere im klofter worden
erer ghewar, vnde vormeynden / dat yd pelegrimen scholden syn,
vfi que / men vth gande vor dat klofter fe to ent- / fangende Je-
doch fo weren fe fick des fe / re vorwunderen, dat pelegrime fchol-
den / to en kamen, wente to langen tijden dar / (2<») nene pelegrime
gheweft hadden, mit des / [fege]*n fe dat yd ghewapende mans we
[ren m]*yt groter vnde ftarker were Do fe / de de Gardian Wat
willen wy nu doen / wil wy vns were, efFte wat doen, wy To / left^D
befloet de Gardian dat fe fick wol / den geuen in de macht gades
vnde in de / befcherminge der hilgen junckfrouwe fun / te Katherinen
vnde wulden erer dar vor / beyden, villichte wat en god toschickede.
Do nu de vere ghewapSde by de brödere / quemS, de doch nene were
enhadden, fl6 / gen fe fo grefeliken vp de monnike, vnde / van den
bröderen fo flögen fe vere to do / de de dar beliggende bleuen De
anderen / worden fere vorueret, vnde van leyde fo / lepen fe na der
kerken, vnde flöten de va / fte to, beft dat fe konden, vnde vorhud-
de / fick dar inne eyn jewelick wor he konde, / Auer de Gardian
ginck litte by dat graf der hilgen junkfrouwen funte Katherine ;
vnde helth fick dar harde an, vnde fetthe / fik vor, dat he dar (erer
wachtende vnde / (2^) vorbeydende alle ogenblicke to kamende / vfi
ene dar to vormordede) fteruen wolde.
(I Nicht lange dar na quemen de wapen / de mans vor de
kerckdören myt grotem / ftorme vnde balderinge, vnde neme vor
to betengen up to brekende de kerckdören / dar vor de bröders fick
gantz enfetteden. / Men nicht lange warende, fo nam dath / balderen
vnde ftormen vor der kerckdö- / ren eyn ende, vnde wart ock gantz
ftille, / Do fe dar nicht meer en vornemS, eyn je- / welick dar he
fick henne vorhoddet had- / de, quam wedder her vor, vfi vunde
den / Gardian alleynS fittende by deme graue / funte Katherine De
Gardian vorwoech / fick drijftliken vfi öpende de dören to be- ,
feende, wo yd doch were vfäe de veer brö / dere de vor deme klofter
gebleuen weren, / Do vant he de veer ghewapende heyden / ftaen
vor d' kerckdören eynen jewelken in / finer wife vfi polTie, fo alze
he de kerke an / to gande an gename hadde, vfi were gatz / ftyff
vnde hart Myt grotem vruchte ta / ftede he fe an, do beuant he
dat fe weren (3«) vorwandelt in ftenende bilde, ock de veer / bröders
vant he vormordet vnde weren / doet Do ginck de Gardian vort
wedder / in dat klofter myt finen broders de noch / leuendich weren,
vfi in eyne ftacien ftaen / vfi fungen den lauefanck Te deum lauda /
») Lücke in H.
63
inus Vnd' welkere lauefange de veer do / den mönike wedd' leuen-
dich worde / vnde ginge by fe ftaen in de ftacien, me de veer /
heyden de in ftenen bilde wer6 geworden / de bleue ftenö, vü fteen
dar noch beth vp / deffen dach Vfl wo wol de monnike fun / gen
in vrolicheit, fo were fe doch ock mit / grotem vruchten vmmeuange
vnde dat / nicht vmbildeliken.
(J Dar na dachte de gardian mit line br6 / deren, dat fe noch
mochten werden ouer / vallen dorch etlike andere heyden Hyrura /
me fo nam he to fik ein vä de bröders vfi / gink drijftliken vth hen
dale an den berch / dar he de andere vyf heyden noch holden / de
vant, den vorkundigede he dath grote / (56) mirackel vfi [wunder-
teken d[at]* an den veer / heyden ghefcheen [is, d]»at de heydS
nicht / löuen wolden, fund' fe gingen myt de m5 / niken vp den berch
Sinay, vnde vunden / dar ere heren (nicht ane grote leyde vnde
vruchte) vorwandelt vfi geworden to fte / nen bilde Do fe dyt fegen,
fint fe gereden / to dem Soldan ere keyfer vfi hebben em / deffe
wunderteke to vorftande geuen, de / de baruoter monnike van iheru-
falem noch / alle hadde in fwarer venkeniffe.
(I Do der Soldan dyt horde, wolde he de / mirakel nenen louen
geuen beth fo lange / dat he dar perfonliken kamen is, vnde de /
dinck ghefeen vnde angemerket heft Dar / na reyfede he van deme
berghe Sinay na / hufzwert to Alkayren, jodoch wol bewa / ret va
den finen dat he en nicht enqueme / Teyn dage vor wynachten im
jare. M. / ccccc. vnde XI heft he de vangen mö / nike loefz gegeue
vnde fe wedd' ghefant na / jherufalem vfl en vor orlouet (nicht an /
ghefeen den contract vfi ouer eynkament / (4a) twilTchen em vfl dem
hoe mefter to Bo / dis alze des predekens vfi d6pens halue) / dat
fe möge de beyd' leye doen beyde döpö / vfS predeken vor fick, finen
haluen vnge / ftraffet, jodoch dat fe denne noch bedech / ten vnde
nicht auermakeden, dat de heydS / fine vnderdaen fe nicht to dode
enflögen.
Jürgen Richolff
Druckerßgnet
(4b ist leer.)
BERLIN.
M. ^^yVdäöcv.
») L&cke in H.
64
Der Anteil NorddentscbUs am eYaogeliscben Kircbeiilied i
des 17. JaModerts. i
An der Grenze mittel- und niederdeutschen Wesens nahm die
Reformation ihren Ursprung, über weite Gebiete Norddeutschland^
breitete sie sich aus: kein Wunder, dass sich auch der evangelische
Liederfrühling, der gleichfalls von Wittenberg ausging, bald nach
Norden hin fortpflanzte. Teils bediente man sich dort der altüber-
lieferten Sassenmundart (Decius, Bonnus, Freder, Knopken, Woldvr.
Moyse, Wepse), wie man auch die hd. Lieder verniederdeutschte, teils
sang man schon früh in der Luthersprache (Magdeburg, Ringwaldt«
Nicolai u. a.). Diese Lieder des 16. Jahrhunderts liegen schon seit
längerer Zeit in einer guten Ausgabe vor, in Wackernagel>
bekanntem Werke. Dies hat neuerdings eine gleichwertige Fortsetzung
erhalten in Fischer-Tümpels deutschem evangelischem Kirchenlied
des 17. Jahrhunderts. 1) Wie bei Wackernagel sind hier die Lieder
nach dem ältesten Druck so sauber und zuverlässig wiedergegeben,
dass die Texte auch bei sprachlichen Untersuchungen zu Grunde gelegt
werden können. Nach dieser Quelle soll im folgenden über den Anteil
Norddeutschlands am evangelischen Kirchenlied des 17. Jahrhunderts
gehandelt werden.
Fischer -Tümpel unterscheidet die Periode des Bekenntnisliedes
( — 1648) von der des Erbauungsliedes. Letztere führt er flur bis
1680, da nun der Pietismus einsetzt, der dann weit bis ins 18. Jahr-
hundert reicht. Wird so das Thema — aus einem durchaus zu
billigenden Grunde — nicht völlig erschöpft, so bringt der I. Band
manchen Dichter, den man in dem Werke nicht erwartet: er soll
Wackernagels Werk in der Weise ergänzen, dass auch die Dichter
des 16. Jahrhunderts (seit 1570), die dort fehlen oder unvollständig
vertreten sind, berücksichtigt werden.
Von diesen sei hier Daniel Rumpius genannt. Bd. IS. 197
kennt nur den Namen, Bd. II S. VI kann nach der Widmung eines
durch Rumpius ;, gestellten*^, 1587 erschienenen Liedbüchleins feststellen,
1) Das deutsche evangelische Kirchenlied des siebzehnten Jahrhunderts.
Von D. Albert Fischer f, weil. Oberpfarrer und Superintendent a.D. zu Qross-
Ottersleben. Nach dessen Tode vollendet und herausgegeben von W. Tümpel,
Pfarrer in Unterrenthendorf (S.-Altenburg) (jetzt Göllnitz, S.-Aitenburg). Gütersloh,
C. Bertelsmann. 1. Bd. 1904. 2. Bd. 1905. 3. Bd. 1906. 4. Bd. 19«8. 5. Bd. 1911.
Es fehlt nur noch der Schlussband mit Bibliographie und anderer Zubehör. —
Eine vortreffliche Übersicht über das ganze Gebiet gibt Wilhelm Nelle:
Geschichte des deutschen ev. Kirchenliedes. Zweite erweiterte und verbesserte
Auflage. Gustav Schloessmanns Verlagsbuchhandlung. Hamburg 1909.
1) Im folgenden benutze ich die mir von ihm mUcreteiVteii \A8<iX^'^. ^"i ^^^'
lieh ist es bei David Wolder, Wackernagel V Nr. 5^4^501. ^\\cV^ ^^^"^^^^ *^^^
nach Band, Nr. und Strophe.
Festgabe (Nd. Jb. XXXYII).
65
dass er 1549 geboren ist, 1570 Pfarrer zu Creyen in Mecklenburg,
später Pfarrer zu Marienfliesa an der Stepnitz (Prignitz) wurde. Die
bei Fiscber- Tümpel a. a. 0. nach Musae Sioniae Michaelis Praetorij
1609/1610 mitgeteilten sechs Lieder sind sämtlich schon im Lied- ^
büchlein vorhanden und also vom Verfasser selbst herausgegeben. i
Und zwar weicht, wie Herr Oberbibliothekar Milchsack nach dem in !
der Wolfenbüttler Bibliothek vorhandenen Exemplare festzustellen
die Güte hatte, der Text von 1587 von dem von 1609/1610 meist
nur in orthographischer Beziehung ab.i) Die Lieder sind in hd.
Sprache abgefasst und reimen ausserordentlich unrein. Einige (keines-
wegs alle) unreine Reime könnte man beseitigen, wenn man die nd. i
Form einsetzte^) : Domini : mi (statt Domini : mir) I. 248. 7,8) goi : brod
(statt gut : Brod) 249. 3, eppel : lepel (statt öpfel : löffel) 249. 4,
Güder : Brüdern (statt guter : Brüdern) 249. 5, gegaten : gelaten (statt
gegossen : gelassen) 250. 3, tit^ gebaren : vlit^ betvaren (statt zeit^ ge-
hören : ßeis, bewaren) 250. 4, lehren : regeren (statt lehren : regiren)
250. 5, not : dot (statt not : thut) 250. 9, dot : blot (statt Todt : Blut)
251. 5, vur : mur (statt Feur : maur) 252, 8, vorten : sen (statt wr-
zihen : seheti) 253. 1, wachten : lachen (statt warten : lachen) 253. 4. Soll
man nun darum annehmen, dass Bumpius zuerst nd. gedichtet habe?
Das ist an sich nicht sehr wahrscheinlich, erscheint aber deshalb
um so weniger glaubhaft, weil in anderen Fällen die Einsetzung der
nd. Form den Beim zerstören würde : gebracht : gemacht (nd. gebracht :
getndket) 249. 5, rein : Jesulein (nd. rein : Jesulin) 250. 3, rein : dein
(nd. rein : din) 250. 4, Oeist : fleis (nd. geist : vlit) 250. 7, dich : stetiglich
(nd. di : stedichlik) 250. 10, hat : gnad (nd. heft : gnad) 251. 2, worten :
pf orten (nd. worden : porten) 251. 6, aufsen: hause (nd. utenihuse)
253. 1, zeit : freud (nd. tit : vroude) 253. 4. Auch der Wortschatz
trägt kein nd. Gepräge, wenn man von Kenelein 252. 4 absieht, das
bezeichnender Weise im Abdruck der Musae Sioniae Praetorij von
1610 durch die Parenthese Schiffelein erläutert wird. Ich glaube
also, der Dichter wollte von Anfang an hd. schreiben. So hat er
sich bei der Niederschrift auch dann der hd. Form bedient, wenn er
den Reim nach seinem mundartlichen Gehör gebildet hat. Genau so
reimen die Dichter der schlesischen Schule und auch solche aus
Preussen (s. u. S. 6H) ihrer Mundart entsprechend kimmt (aus kümmt)
auf nimmt^ schreiben aber immer kömmt : nimmt (Grimm, Wörter-
buch y, Sp. 1629).
Wenden wir uns jetzt dem 17. Jahrhundert zu, so ist es merk-
würdig, wie verschieden die einzelnen Landschaften Norddeutschlands
an der Pflege des ev. Kirchenliedes beteiligt sind.
Sehr steht der Westen zurück. Für die vielen kattiolischen
Gebiete in Rheinland und Westfalen ist das selbstverständUch, und
I
66
bei den Reformierten hat die Ausbreitung des Psalmengesanges
zum fast völligen Erlöschen der eigenen Produktion geführt. Es ist
aber so, als ob auch die lutherischen Gegenden von dieser Unfrucht-
barkeit angesteckt wären. Fischer-Tümpel behandelt die Dichter nach
landschaftlichen Gruppen, berücksichtigt aber hierbei namentlich den
Ort ihrer Hauptwirksamkeit. Das Bild verschiebt sich, wenn man
vom Geburtsort ausgeht. So müssen wir von den vier westfälischen
Dichtern, die II S. 476— r)()(i aus der Zeit von 1618—1648 angeführt
werden, drei streichen, und es bleibt nur Hadewig übrig. Er stammt
aus Äbrenshorst im Osnabrückischen. Nehmen wir dazu aus der
Stadt Osnabrück den Schuhmacher Rudolf von Bellinckhansen [l.
245 — 247) und aus dem Tecklenburgischen Johann von Münster, einen
der wenigen reformierten Sänger (I. 287), beide der Übergangszeit
vom 16. zum 17. Jahrhundert angehörig, so sind wir mit den Dichtern,
die zweifellos aus Westfalen stammen, fertig, und aus der Rhein-
gegend (Hilden bei Düsseldorf) ist gar nur Wilhelm Fabricius, 1560
bis 1634, (I. 229) zu nennen: Landschaften wie Minden, Ravensberg.
Mark fallen ganz aus. Mit Unrecht führt Schwering in der Literatur-
geschichte der westfälischen Mark (Die Grafschaft Mark. Festschrift
zum Gedächtnis der 300jährigen Vereinigung mit Brandenborg-
Preussen. Dortmund, Fr. Wilh. Ruhfus, 1909) S. 305 den obenge-
nannten Hadewig an: nicht nur der Geburtsort, sondern auch die
Stätten seiner Wirksamkeit (Lübbecke, Rinteln) fallen ausserhalb der
Grenzen der Mark. Ganz unvertreten sind auch die nördlich an West-
falen angrenzenden Gebiete: Ostfriesland, die Stadt Bremen (beide
reformiert), Oldenburg. Auch der äusserste Nordosten, die jetzt
russischen Ostseeprovinzen, stellen nur wenig Dichter. Etwas zahl-
reicher sind die geborenen Mecklenburger und wieder etwas häufiger
die Pommern. Aber die eigentlichen Heimstätten des ev. Gesanges
im 17. Jahrhundert sind die Weifenlande mit den nördlich und östlich
angrenzenden säkularisierten Stiftern, also im wesentlichen das Land
zwischen Weser und Elbe, ferner Schleswig- Holstein und schliesslich
Preussen mit ihrer Nachbarschaft. Bemerkenswert ist es, dass nicht
weniger als drei dichtende Mitglieder des Weifenhauses aufgeführt
werden, alle aus der Zeit des Erbauungsliedes: Ferdinand Albrecht,
Herzog zu Braunschweig -Lüneburg, (IV. 565 — 566), Anton Ulrich,
Herzog zu Braunschweig -Wolfenbüttel (V. 36S-382) und seine Tochter
Elisabeth Eleonore (V. 407 — 409). Aus dem Lande zwischen Weser
und Elbe seien sonst nur noch Bucholtz (IL 348—363) und Gesenius
(IL 364 — 450), einer der frühesten „Liederverbesserer^, genannt, aus
'Brandenburg Runge (IIL 511 — 542) und Pauli (IIL 547—557), der
Freund Paul Gerhardts, aus Holstein der so überaus fruchtbare Rist
(IL 184 — 306). P>wähnt sei noch, dass, während Bd. I — IV keinen
geborenen Lübecker aufweisen, Bd. V deren drei enthält: Finx (Fran-
cisci) (267—293), Heinrich Müller (538—549), Tribbechov (550):
ihre Wirkungsstätte haben aber alle drei anderswo gehabt, und der
erstere wird zum Nürnberger, die zwei anderen zum jüngeren Schlesi-
67
sehen Dichterkreis gerechoet. Die meisten Mitglieder des Königs-
berger Dichterkreises wieder sind im Lande geboren: ich nenne nur
Weissei (III. 6—23), Dach (III. 79—125), Valentin Thilo d. J. (III.
131 — 147). Darum sind doch nicht alle Niederdeutsche: bekannt ist
ja die grosse hochdeutsche Sprachinsel im Ordenslande. Sehen wir
bei Preussen deutlich, wie der Reichtum an Liedern, den es aufweist,
mit bewusster Pflege des Gesanges zusammenhängt, so muss die Auf-
findung der Gründe, warum sonst zu einer bestimmten Zeit das eine
Gebiet mehr, das andere weniger Dichter aufweist, soweit sich die
Sache überhaupt ergründen lässt, örtlicher Forschung vorbehalten
bleiben, die auch eine schöne Aufgabe darin sehen sollte, die vielen
Fragezeichen im Leben der einzelnen Dichter zu beseitigen. Nur
auf einen Zusammenhang, der allerdings ausserhalb des Rahmens
unserer Aufgabe fallt, sei hier noch hingewiesen: sobald der Pietis-
mus der reformierten Kirche gewissermassen wieder die Zunge gelöst
bat, weist derselbe Nordwesten, der vorher so unfruchtbar war, gleich
zwei namhafte Dichter auf, Neander aus Bremen und Buchfelder aus
Bentheim (vgl. Nelle a. a. 0. S. 186. 191.)
Wir behandeln jetzt die Frage, wie weit sich in der Sprache
der einzelnen Dichter ihre nd. Herkunft bemerkbar macht. Und da
sei zunächst als wichtigste Tatsache hervorgehoben, dass, während
die plattdeutschen Gesangbücher aus früherer Zeit weiter gebraucht
und neu aufgelegt, auch hd. verfasste Lieder weiter ins Plattdeutsche
umgedichtet wurden, so die von Nicolai seit 1607 (vgl. Nelle a. a. 0.
S. 88), doch neue Kirchenlieder nach 1600 nur ganz vereinzelt in nd.
Sprache veröflFentlicht wurden. Bei Fischer-Tümpel finden sich nur einige
Lieder des Mecklenburgers Gryse (I. 235 — 237, erschienen 1602; 234
erschien schon 1593) und eine namenlose Dancksegginge (I. 270, ent-
nommen den Christlichen Kinder Oeheden, Gedrücket fho Hamborch 1614).
Häufiger sind natürlich einzelne mundartliche Anklänge bei
vorwiegend gemeinsprachlichem Charakter der Texte.
Bei mehreren Dichtern findet sich Erhaltung von s vor /, w, w, w.
Wo sie vereinzelt auftritt, wird meist Nachlässigkeit des Dichters
oder auch des Setzers anzunehmen sein: swdche (Rist II. 184. 9),
Smach (Georg Weber II. 491. 6), slachte (Runge III. 536. 6), swaches
(Christian von Stöcken IV. 555. 4). Bei anderen liegt aber offenbar
Absicht vor. Vinzelberg hat zwar schlagen^ schlecht, schlage (II. 342.
2. 12. 14), aber Smertzen, Smertz, swere, snaube^i, swache (11. 341. 1. 4.
342. 2. 12). Und Hadewig, der in seiner Poetik (Rinteln 1650 vgl.
Schwering a. a. 0. S. 305 f.) diese Schreibweise theoretisch begründet,
führt sie in den bei Fischer-Tümpel mitgeteilten Proben ausnahmslos
durch: versmehet^ swermi, Smertzen, swere, besweret, zerslagen und zer^
smett&rn (IL 484. 2. 485. 1. 2. 7. 486. 5. 487. 4).
Merkwürdig selten und wenig charakteristisch sind uiw^iÄchobeiie
Konsonanten: verdrocknet (unbekannt I. 264. 2), tröplest (^"Ri^t II.
223. 8), du liedest (Voidius III. 76. 7 Fassung yon Ift\5)\ Äx^ ''^'^ ^^^^
hat lidiest), propfe (Runge III. 527. 5), bedrilht (FaYvr^xvÖLOtrt X'^.^'i^- ^V
68
Aus dem Vokalismus seien genannt Yerbalformeu mit e statt t
wie helft^ helf = hilf (Anna Hoyer III. 379. 4. 10), sehe = sieht
(Bekkh IV. 511. 3), Fehlen des Umlautes: die Ahr = Ähren (Peter
Hagen III. 3. 5), gerostet : gekostet (Gustav von Mengden IV. 578. 4),
Verlängerungen, wie sie durch Reim und Schreibweise angedeutet
werden : Wohrt (Rist II. 248. 9), erstahten : gerollten (Christian von
Stöcken IV. 562. 8), dann der Reim umärnwn : wärmen (Heinrich
Müller V. 539. 1). Auch in statt ein in Fällen wie intrifft^ inverl^eibt
(Rist II. 248. 9. 256. 3) gehört hierher. Ob sich die Schreibweise
stänen^ stehnen = stöhnest (vgl. thränen : stehnen^ Thränen : stäneti bei
Pauli ni. 548. 1. 549. 4, sehnen : stehnen bei Fabricius IV. 631. 2)
im 17. Jahrhundert überall findet oder auf Nord- und Mitteldeatsch-
land beschränkt ist (vgl. stehnen : sehnen : Thränen bei Mi^ukisch aus
Bärtelsdorf bei Freiberg i. S.), vermag ich nicht zu sagen: jedesfalls
stammt das Wort und zwar in der ^-Form aus Niederdeutschland
(vgl. mnd. stenen). — Entrundung begegnet dem Dialekt entsprechend
nicht selten bei den preussischen Dichtern: streibte (Weissei III. 16. 2),
liehen : betrieben (Georg Werner III. 41. 3), verliebet : betriebet (Dach
III. 86. 2), betreigt : neigt (DoikSLÜ III, 171. 3). Hierher sind auch (s.
0. S. 65) Reime zu rechnen wie benimt : herkmnt (Georg Werner III.
47. 2), kömpt : annimmet (Unbekannt III. 196. 2).
Ich führe jetzt die nicht seltenen Fälle an, wo Unsicherheit im
Gebrauch des Dativs und Accusativs zu Tage tritt: regier uns sanfft
durch deine^n StaV (Rist 11. 251. 5), fdrüfh] verlangt mir sehr zu
dienen dir; gibs zu deiner Ehr^ allein, mich zur Seligkeit (Georg Weber
II. 507. 10. 509. 5), sol der Fluch auf dich bleiben (Lütkemann IV.
505. 4), was mir sonst kan quählen (Christian von Stöcken V. 556. 2|,
du solt sein der Gast bey ihn : hin; [ein Haus,] das nach dich, mein
Jesu, lalle; mit sie beede ümbzugehen; [wann ich] meine Nidrigkeit bey
deiner Hoheit lege (Anton Ulrich zu Braunschweig-Wolfenbüttel V.
370. 2. 2. 372. 2. 11. 379. 1), stund nicht mein Hertz und Sinn nach
JEsum immer hin'^ (Heinrich Müller V. 548. 6). Diese Erscheinung
hängt damit zusammen, dass Dativ und Accusativ im Nd. so oft zu-
sammenfallen. Übrigens findet sich schon mnd. bei den Präpositionen
keine strenge Beobachtung der Rektion (Lübben, Mnd. Grammatik S. 120).
Was den Wortschatz anbelangt, so seien zunächst einige Fälle
von abweichendem Genus genannt: Strick n. (Rist II. 244), Thränen-
bach, Bachf (Runge III. 511. 5. 512. 3), Windelband m. (Schottelius
V. 48. 4). Echt nd. ist der Komparativ in der Wendung: zu Gottes
Rechtern Hand (Rist II. 294. 6). Ferner kommen folgende Wörter
in Betracht: wachten = warten im Reim auf achten (Theodor Sommer
1. 225. 6), linst = Ruhe^ Gestammer ^ Bahren = Wogen, bahteti =
helfen im Reim auf gerahten (Rist II. 203. 3. 227. 5. 238. 10. 264. 5.
Zu Bahren vgl. Versuch eines Bremisch-Niedersächs. Wörterb. I S. 50
s. V. Bare, zu bähten die neueste 5. von Hirt besorgte Auflage von
Weigands Deutschem Wörterbuch I Sp. 166 s. v. batten)^ sich rüsten
== ruiwn im Reim auf nisten (Kaldenbach III. 191. 2), Springlein =
69
Böt-nlein (Johann Berkow III. 499. 4), schwemmen = schtvitnfnen (Bur-
meister IV. 535. 2 dies Herz, das schwemt in Thränen\ rangen, rallen
(Gustav von Mengden IV. 575. 6 Ihr [der Welt] Wollust, Rangen,
Rallen will mir gar nicht gefallen)^ zmchlafen = einschlafen (Wilhdlm
Olter IV. 638. 14 Drum leg ich mich getrost zu Ruh und schlaff in
Deinem Namen zu vgl. mnd. toslapen).
Überblicken wir unsere Zusammenstellungen, so müssen wir
sagen: viel ist es nicht, was die nd. Herkunft dieser Dichter verrät.
Berücksichtigen wir femer, dass manche der genannten Erscheinungen
— ich erinnere nur an Bach als f, — auch in md. (selten od.) Mundarten
begegnen und von da aus in die Literatur des 16. und 17. Jahr-
hunderts eingedrungen sind, so dass unsere norddeutschen Dichter,
wenn sie sich der ihnen geläufigen mundartlichen Wendungen be-
dienten, meinen konnten, sie folgten der Gemeinsprache, so müssen
wir sagen: wunderbar rasch haben sie sich ein reines, unverfälschtes
Hd. angeeignet. —
Habe ich gezeigt, eine wie reiche Fundgrube für Lexikographen
und Grammatiker Fischer-Tümpel ist, so harrt hier sicher auch für
Theologen und Literarhistoriker noch eine Fülle ungelöster Probleme.
Nur an eines sei zum Schluss noch erinnert! Wer hat die Lieder
gedichtet (V. 647—650), die unter dem Namen der Kurfürstin Luise
Henriette, der ersten Gemahlin des Grossen Kurfürsten, gehen? Man
sollte noch einmal Otto von Schwerin ins Auge fassen, die von ihm
vorhandenen, mir nicht zugänglichen Gedichte nach Stil, Wortschatz
und Versbau mit den der Kurfürstin zugeschriebenen Liedern ver-
gleichen: mit den Liedern Kunges (III 511 — 542), auf den man auch
geraten hat, scheinen mir letztere keine auffallende Ähnlichkeit zu
haben, (vgl. zu der ganzen Frage Fischer, Kirchenlieder -Lexicon
1. Hälfte S. 390 flf.).
BIELEFELD. H. Tümpel.
70
Katholisches in der niederdeutschen
Mundart der Prignitz.
In seiner Grammatik der Nürnberger Mundart (Band VII der
von 0. Bremer herausgegebenen Sammlung kurzer Grammatiken
deutscher Mundarten, § 392 Anm.) erklärt A. Gebhardt seiwln 'näm-
bergerisch reden' überzeugend aus SBbald^ dem Namen des Schatz-
heiligen der ältesten und Hauptkirche Nürnbergs. In seinem lateinisch-
romanischen Fremdwörterbuch der schlesischen Mundart (Wort und
Brauch, hrg. von Siebs u. Hippe, Heft 2) S. 104 stellt Jäschke das
Ztw. Patern 'bei Seite bringen, sich heimlich aneignen', besonders
Abfälle, Zeugreste u. dergl. (von Schneidern, auch von Spinnern und
Webern gesagt), einpHern 1. = pStem^ 2. = zusetzen beim Verdienst;
p6tet\ pSterscJiflekk, Abfall von Tuch, Leinwand, Zeugrest mit grosser
Wahrscheinlichkeit zu dem Apostelnamen Pster, Pitrus.
Wenn in Gegenden, in denen die katholische Kirche zu Hause
ist, derartige Wörter sich bilden und weiterleben, so ist das nicht
auffallend. Merkwürdiger ist schon, dass auch in solchen Gebieten,
die seit 400 Jahren eine rein protestantische Bevölkerung haben,
die Sprache immer noch Erinnerungen an die Zeit bewahrt, in der
auch hier die katholische Kirche herrschte. Ich will hier nicht von
den ungezählten niederdeutschen Familiennamen sprechen, die auf
die Namen von biblischen Persönlichkeiten, Aposteln, Märtyrern.
Heiligen, Schutzpatronen zurückgehen, auch nur kurz daran erinnern«
dass auf dem platten Lande für die Einteilung des Jahres, die
Regelung der ländlichen Arbeiten und Verrichtungen, den Wechsel
der Dienstboten auch ausser Johannis und Michaelis noch eine
Reihe von Kalenderheiligentagen im Schwange sind, vor allem Jacobi,
Martini und Maraien (Maria Verkündigung, 25. März).
Wichtiger ist für uns schon, dass in den auf niederdeutschem
Boden so zahlreich umgehenden Besprechungsformelu und
Zaubersprüchen, die beim 'Böten' oder 'Stillen' gegen Krankheiten
aller Art bei Mensch und Vieh, Entzündungen, Blutungen gebraucht
werden, nicht wenig Katholisches sich erhalten hat. Freilich, die
meisten dieser Sprüche haben mit der Zeit ein evangelisches Aus-
sehen erhalten, so wie vormals die heidnischen Sprüche, auf die sie
im letzten Ende zum grossen Teile zurückgehen, ein römisch-katho-
lisches Kleid angenommen hatten. Zunächst: Sie haben in steigendem
Masse das hochdeutsche Gewand der Sonntagspredigt angezogen,
ohne Frage, weil auch für diese Sprüche das werktägliche Platt nicht
mehr feierlich genug erschien. Ich habe in der Prignitz bisher nicht
einen einzigen plattdeutschen Bötespruch aufgefunden, kann aber bei
71
den meisten aus den Beimwörtern noch feststellen, dass sie einst
plattdeutsch waren. Sodann: in den meisten Bötesprüchen wird heut-
zutage nur noch Jesus Christus als Nothelfer angerufen. Das gilt
im allgemeinen auch von solchen Sprüchen, die nach Art der Merse-
burger Zaubersprüche einen epischen Eingang haben und schon
dadurch ein hohes Alter erweisen dürften, wie die zahlreichen und
über das ganze Gebiet verbreiteten Sprüche, die anfangen ;, Unser
Herr Jesus ging über das Land (die grüne Wies)^ oder doch ähnlich.
Ich begnüge mich, aus der Prignitz als Beispiel folgenden Spruch
gegen den 'Brand' anzuführen:
Herr Christ geht über Berg und Land,
Er hat den Stab in seiner Hand,
Hiermit stillt er Hitz und Brand.
Aber es sind doch auch jetzt noch solche Bötesprüche nicht
selten, in denen Heilige der katholischen Kirche, die Mutter (oder
Jungfrau) Maria an der Spitze, Schwurzeugen sind. Ich führe aus der
Prignitz folgende Beispiele an:
All die Wehdag, all die Wunden
Widerspricht Matter Maria
Aus ihrem Atem und ihrem Munde.
(Ins Plattdeutsche zurückübersetzt entsteht der reine Reim wun : mtm.)
Der Mensch hat sich vergangen
im Wachsen (Wasser?) und im Wind.
Dazu hilft Maria Mutter Kind.
(Gegen das ;, Anwachsen^.)
Stärker noch tritt das frühere katholische Wesen in folgendem
Bötespruch gegen den 'Därmschlag' der Pferde hervor, den, wie den
vorhergehenden, mein Grossvater aufgezeichnet hat:
Petrus und Paulus gingen zum Bruch,
Kräuter täten sie suchen,
Das braune Pferd den Därmschlag zu berufen u. s. f.
Der Spruch ist auch deshalb interessant, weil sein Eingang in auf-
fallender Weise an den Eingang des 2. Merseburger Zauberspruches
erinnert: Phol ende Wodan vuot'un zi holza, und zwar mehr noch,
als der von Bartsch, Sagen, Märchen und Gebräuche aus Mecklen-
burg, II, 415 aufgezeichnete Spruch: ^jJohannis und Jacobus gingen
über die Strass u. s. {.^
Ich erinnere zum Schlu&s noch an den von Fromm und Struck
im Archiv für mecklenb. Landeskunde 1864 S. 515 angeführten Spruch
gegen den Botlauf:
Ich höre eine Glocke klingen,
Und alle Heiligen singen,
Und eine heilige Messe lesen:
Du sollst vom Rotlauf genesen.
72
Auf einen Heiligen stosBen wir auch in einem bekannten nieder-
deutschen Bastlösereim. Er hat literarische Bedeutung dadurch
erhalten, dass ihn Beuter in Hanne Nute verwandt hat Danach ist
die Stavenhäger Lesart des Reimes:
Pipen, Papen, Pasterjabo,
Lat de widen Flaut afgahn,
Lat s' ok nich verdarwen,
Lat s' recht lustig warden.
Dass Tasterjahn' aus Bastian für Sebastian entstellt ist, ist ^eit
längerer Zeit erkannt. Papen ist von C. Walther Ndd. Korresp.-
Blatt 25, 42 mit Rücksicht auf die alte Wetterregel
Fabian Sebastian
Lett den Sapp int Holt g&a.
mit Wahrscheinlichkeit als eine Entstellung aus Fabian gedeutet
worden. In der Prignitz lautet der Spruch übrigens:*)
Huppup, Huppup Pasterjgn,
Löt sei fldln un fiöuty^ gqn.
Löt sei nich fddd^m
Löt sei güde tod'ijk.
Aber nicht nur die Heiligennamen in ihrer mannichfachen Ver-
wendung zeugen von der katholischen Vorzeit. Von ihr zeugen auch
manche der im Fluss der alltäglichen Rede gebrauchten Wörter und
Wendungen. Es ist und bleibt eine bemerkenswerte Tatsache, dass
die Bezeichnung für den katholischen Geistlichen ^prester, preister
einfach auf den evangelischen Geistlichen übertragen worden ist.
Erst neuerdings fängt das Wort an, von dem hochdeutschen Trediger
verdrängt zu werden. Wenn ferner das Feierabendgeläute mit seinen
drei Endstössen in Brandenburg und weiterhin ganz allgemein *Bet-
glocke' (prign. bßrklok, sonst h^deklokke) heisst, so wurzelt dieser Aus-
druck sicherlich in dem Angelus- oder Ave Maria-Geläute der katho-
lischen Kirche. Und wenn man in der Prignitz von jemand, der
dummes Zeug schwatzt, sagt, hei pQtet% und jemand, der töricht und
weitschweifig redet, ^löt doch dät gepQter sin' zuruft, so mögen das schon
vor 400 Jahren die, welche die neue Lehre angenommen hatten,
denen zugerufen haben, die noch nicht von eingewurzelten, alten
Gebräuchen lassen konnten und ihr 'patei' noster^ weiterbeteten: wir
glauben nicht fehlzugehen, wenn wir „patern* auf das pater tiostt-r
des Rosenkranzbetens zurückführen.
In diesen Zusammenhang scheint mir aber auch das Wort
mettensommer Alteweibersommer zu gehören. Die bisher von diesem
Worte gegebenen Deutungen genügen nicht. Nach der Erklärung,
die noch am ernsthaftesten zu nehmen ist, gehört 'Metten' zu mndd.
*) ^, ö bezeichnen langes offenes <?, o (etwa wie in franz. phre, encore)\ a ist
ein Zwischenlaut zwischen a und ä, wie a in englisch hat.
73
meddeke^ meddik Regenwurm. Sie findet sich schon im Bremer Wörter-
buch (Zusätze und Verbesserungen), ist in Grimms Wörterbuch über-
gegangen und Yon Kluge, wenn auch mit einem Fragezeichen, auf-
genommen worden. Sie ist ganz unannehmbar, schon aus sprach-
lichen Gründen. Das Wort ist mit am meisten heimisch in der
Prignitz und in Mecklenburg. In der Prignitz ist das Wort inaddik,
meddik (es würde *mdrrdk heissen), überhaupt nicht bekannt, in
Mecklenburg heisst es marrik aus maddik^ in Vorpommern auch
madding^ mit Suffixvertauschung. Es ist nicht ersichtlich, wie dazu
das mecklenb. mettensommer oder sommerm^ten gehören soll. Dann
aber auch aus sachlichen Gründen. Es kann doch wirklich keiner
von selbst darauf kommen, das feine, leichte, weisse, in der Luft
fliegende Gespinst mit dem schwerfälligen, braunen Regenwurm in
der Erde zu yergleichen. Das ist ganz einfach eine hinterher zurecht-
gemachte Etymologie. Ehe wir uns nach einer besseren Erklärung
umsehen, wollen wir das Verbreitungsgebiet des Wortes und seine
mundartlichen Wortformen feststellen, soweit es uns möglich ist.
Kluge gibt unter 'Alteweibersommer^ eine Form mettkensamer an und
hebt als ihre Heimat Pommern hervor. Diese Angabe beruht auf
Dähnerts Tlattdeutschem Wörterbuch nach der alten Pommerschen
und Rügischen Mundart^ (Stralsund 1761). Dazu ist zu bemerken,
dass das Wort in Hinter-, Mittel-, aber auch in dem grössten Teil
von Vorpommern gänzlich unbekannt ist. In Hinter- und Mittel-
pommern heissen die fliegenden Fäden früge{n)ssQmer^ in Vorpommern
olwlwersommer. Nur im westlichsten Teile von Pommern, also in dem
Teile, der an Mecklenburg grenzt, findet sich daneben die Bezeichnung
sommerm§ten. So oder nv^tensommer heisst das Wort auch im östlichen
Mecklenburg, im grösseren westlichen Teil aber tnettensoinmer. Auf-
fallend ist der Vokal d in der Prignitz: man sagt dort mättensofnmer^
an der Elbe (Lenzen und Umgegend) fndtkensommer. In der Altmark
habe ich das Wort bisher nicht entdecken können; dazu stimmt, dass
Danneil es nicht angibt. Aber Schütze, Richey, das Bremer Wörter-
buch und Schambach bezeugen es für Holstein, Hamburg, Bremen,
liübeck und Hannover, und zwar übereinstimmend in der Form
sotmnernietjen oder metjensonmier^ Klopstock hat es gebraucht, J. H.
Voss gekannt.
Soweit über die Verbreitung. Auf zwei Wegen kann mau nun
zu einer anscheinend befriedigenden Etymologie gelangen. Man kann
ausgehen entw. von dem prign. mättensommer oder von dem ostmecklenb.
sommermeten (Reuter: sommermetten). matten ist die lautgesetzliche
prignitzische Form für Merten aus Martin. Nun war nach dem
Julianischen Kalender der St. Mertendag^ der 10. November, das Ende
des Sommers Dazu kommt, dass die letzten schönen Tage des Spät-
herbstes, die letzten Tage auch, wo noch die Fäden ziehen, in Frank-
reich allgemein l'et6 de la Saint-Martin heissen. Leider wollen sich
die mundartlichen Nebenformen in diese Herleitung nicht recht fügen,
schon nicht das mdtkensommer des westlichsten Teils der Prignitz,
_ii
74
noch weniger das holsteinische metjeti-, das mecklenburgische meite^t-
und m^ten-. So leicht es wäre, prign. matten aus niätken zu erklären
(vgl. b§ten aus b§tken 'bischen', lütten aus liitken und Ndd. Jb. 3:>, 40 .
so schwer umgekehrt mdtken aus matten. Im Holsteinischen und
Mecklenburgischen aber würde matten die lautgerechte Form au<
Merten sein, da in diesen Mundarten e vor r -\- t zvl a wird (Ndd.
Jb. 31, 71, vgl. auch 'Matten dei H^s'),
Wir müssen es also mit dem anderen Wege versuchen und von
7n^ten ausgehen. In demselben Gebiete, in dem m^ten gesagt wird,
heisst das 'Mädchen', soweit nicht didn verwendet wird, meten:
m^tensommer könnte also 'Mädchensommer' bedeuten, m^ten ist
aus mndd. megedekin über mBdeken (vgl. segede > s^de 'sagte', te^erft
> l^de 'legte'), m^dken^ m§tken entstanden wie b^ten 'bischen' aus
b^tken. Nun heisst auch im westlichen Mecklenburg das Mädchen
meten (neben dem häufigeren dfdn)^ und es müsste das kurze e des
hier gebräuchlichen mettensommer erklärt werden. Man könnte an-
nehmen, e sei vor Doppelkonsonans zu einer Zeit verkürzt worden,
als man noch m^tkensrnnmer sagte, oder es handle sich um einen der
Fälle, in denen der lange Vokal im betonten ersten Gliede von Zu-
sammensetzungen kurz geworden wäre (Ndd. Jb. 31, 132). So auf-
gefasst, würde auch das westelbische metjen sich wohl mit dieser
Herleitung vertragen. Schwierigkeiten machen nur die Prignitzer
Formen matten und mdtken. Wie in ganz Brandenburg, so ist auch
in der Prignitz das mndd. mBdeken zu yn^ken (selten neben rföd«) zu-
sammengezogen, was darauf deutet, dass der ^Laut hier sehr früh
verloren gegangen ist, da -tk- regelrecht sonst zu t assimiliert wird.
Aber auch wenn man annehmen dürfte, dass in der Zusammensetzung
*medeken'807ner das Wort eine Sonder-Eiitwicklung genommen habe
und auch in der Prignitz zunächst m^tken-sommer ergeben habe, in
dem sich dann in einem bestimmten Striche -tk- abweichend vom
gewöhnlichen Gange erhalten habe etwa wie in den Eigennamen
Lütk(e) aus Lüdeke^ B^tk{e) aus Bedeke (zu badu Kampf), so bleibt
immer noch das d der jetzigen Aussprache fndtken, mdtten auffallig:
es wäre auch hier e zu erwarten gewesen. So komme ich für
mdttensommer von der Herleitung von Merten nicht los, meine aber,
dass die übrigen Formen 'Mädchen'sommer bedeuten. Das Mädchen
aber, das gemeint ist, kann keine andere sein als die 'Magd' Maria:
sodass sich der Ausdruck stellen würde zu 'Mariengarn', 'Mutter
Gottes Gespinst', frz. lils de la vierge.
STETTIN. E. Mackel.
75
Der Anteil des Niederdentscben am Lelinwörterscbatze
der westslafiscben Sprachen/^
Erst spät sind Westgermanen und Slawen unmittelbare Nach-
barn geworden. Lange schob sich zwischen ihnen der breite Gürtel
der ostgennanischen Völker hinein, seitdem diese, von Skandinavien
herkommend, die ursprünglichen Besitzer der Lande zwischen *Oder
und Weichsel, thrakische Stämme, nach Südosten zurückgedrängt
hatten. Ostgermanischer (gotischer) Herkunft ist der nicht unbe-
trächtliche germanische Lehnwörterschatz des Altslawischen, der von
Miklosich, Matzenauer, Brückner, ühlenbeck, Loewe, Hirth und zuletzt
von J. Peisker ausfuhrlich behandelt worden ist. Für diese alten
Lehnwörter ist es charakteristisch, dass sie in allen slawischen
Sprachen wiederkehren, da eben damals das Slawische noch viel mehr
eine grosse compakte Masse ausmachte, die in den alten Sitzen öst-
lich der Weichsel sass. Kürzlich hat J. Peisker 2) den Versuch ge-
macht, auf Grund lautlicher Kriterien die sociologisch allerwichtigsten
Lehnwörter des Altslawischen, wie plug (Pflug), mliko (Milch), nuta
(Vieh), skot (Vieh, nur altrussisch auch = Vermögen, Geld), aus dem
Westgermanischen, und zwar aus einer niederdeutschen Mundart,
herzuleiten; skot ist ihm sogar, wegen seiner sekundären Begriffs-
entwicklung zu „Vieh*, friesischen Ursprungs, weil im Altfriesischen
des 13. — 15. Jahrhunderts sket eine ähnliche Bedeutungsdoppelung
zeige. Peiskers Ansätze und gewaltsamen Construktionen sind von
O. SchraderS) und J. Janko*) mit Recht zurückgewiesen worden.
Bei dieser Gelegenheit ist auch die alte, von den slawischen auto-
chthonistischen Forschern gern behauptete Identität der rheinischen
Nemetes mit dem slawischen Namen der Deutschen Nhnec noch
einmal nachdrücklich abgelehnt worden 5): N^mec mit seinem Grund-
Avort n^m (stumm) hat ursprünglich langen Stammvokal, Nemetes
dagegen kurzen; auch der Consonant des Suflixes stimmt nicht. Die
1) Über die nd. Lehnwörter in der polnischen Schriftsprache habe ich im
September 1909 auf der Philologen Versammlung zu Graz gesprochen, die nd. Be-
standteUe im Wortschatze des Polabischeui Kaschubischen und der polnischen
Mundarten West- und Ostpreussens in meinem Vortrag auf der Jahresversammlung
des Nd. Sprachvereins zu Danzig Pfingsten 1910 behandelt. Auf einer erweiternden
Bearbeitung dieser beiden Vorträge beruht der vorliegende Aufsatz.
2) Die älteren Beziehungen der Slawen zu Turkotataren und Germanen,
Stuttgart 1905, S. 96 f.
>) Zeitschrift f. deutsche Wortforschung Bd. 9 (1907), S. 328 f.
<) V^stnik Cesk(? Akademie Bd. 17 (Prag 1908), S. 100—131. 139-192.
Worter u. Sachen, Heft 1 (1909), S. 94—109.
») Janko S. 108.
7«
Slawen sind also schwerlich jemals unmittelbare Nachbaren der
Nemeter gewesen.
Mit der Abwanderung der ostgermanischen Stämme aus den
Landen zwischen Oder und Weichsel nach Südosten begann jene gi'-
waltige Völkeryerschiebung, die Osteuropa YÖllig umgestaltete. In
die verlassenen Sitze der Ostgermanen rückten allmählich die slawischen
Stämme ein und drängten mit starker Wucht bald auch auf die nun
ihre Nachbarn gewordenen westgermanischen Völkerschaften westlich
der Oder ein. Während sich so die Westslawen gewaltig ausdehnten,
riss auf der anderen Seite der Zug der ostgermanischen Völker nach
dem Schwarzen Meer und der Balkanhalbinsel grosse Massen ?on
dem« Kerne des slawischen Volkes los und mit sich nach Süden. So
haben wir es seitdem nicht mehr mit einer compakten Masse der
Slawen zu. tun, sondern mit drei slawischen Gruppen, den Ost-, West-
und Südslawen. Um 600 nach Christi hatte die sich nach Westen
wälzende slawische Flut ihren höchsten Stand erreicht und nicht nur
das alte ostgermanische Gebiet YÖllig überflutet, sondern auch aus
dem westgermanischen, deutschen Besitz ein grosses Stück heraus-
gerissen. Bis zum limes Saxonicus im mittleren Holstein und zur
westlichen Grenze des hannoverschen Wendlands reichten jetzt die
s. g. polabischen Stämme, zwischen Saale und Elbe breiteten sich
die Sorben aus, am oberen Main sassen westlich bis Bamberg die
Redanzslawen, und weiterhin trennte der Böhmerwald die Czechen
von den Bayern. Zwischen Czechen und Slowenen hatten sich die
nicht-indogermanischen Awaren eingeschoben, die gegen Ende des
8. Jahrhunderts von Karl dem Grossen vernichtet wurden. In ihr
Gebiet teilten sich die von Osten nachrückenden Magyaren und die
nach Osten vordringenden Bayern, die das Land zwischen Donao,
Mur und Leitha und den Südrand von Böhmen und Mähren besetzten.
Damit war die Trennung der Nord- und Südslawen definitiv geworden.
Wir wollen im Folgenden die Südslawen (Alpenslawen) und die öster-
reichische Ostmark ganz aus dem Spiele lassen; die sehr engen
sprachlichen Berührungen dieser beiden Gruppen werden von einigen
österreichischen Gelehrten aufmerksam studiert. Ich nenne nur Namen
wie Hugo Schuchardt — Graz, P. Lessiak — Freiburg i. Schw. und K.
ätrekelj — Graz.
Auch das Ostslawische kommt für unsere Untersuchung kaum
in Betracht. Jahrhundertelang haben die russischen Stämme, ebenso
wie die griechischen Südslawen, unter dem fast ausschliesslichen
Cultureintlusse von Byzanz gestanden. Die Begründung des russischen
Reiches durch Rurik hat einige nordgermanische Elemente in da>
Altrussische hineingebracht. Dann folgt die Jahrhunderte lan^f
Tatarenherrschaft, die Russland völlig von der westlichen Welt los-
löste. Ob in dieser Zeit durch den hanseatischen Handel nach Now-
gorod das eine oder andere niederdeutsche Wort ins Russische ein-
geschleppt worden ist, bedarf noch näherer Untersuchung. Russische
Wörter in hansischen Urkunden des 13. 14. Jahrhunderts hat Jak^b
77
Cirimm einmal in einem Brief an B. Kopitar zusammengestellt. i) Sie
»ind nicht alle wirklich slawisch, andere wie cht allgemeinslawisch
(vgl. auch nihd. gUt)^ der Rest aber specifisch russisch, wie z. B. an de
j7ogribbefi leggen^ da pogreb nur im Russischen Keller, sonst überall
iiegräbnis bedeutet. Als Russland am Ende des 15. Jahrhunderts
die Tatarenherrschaft wieder abgeschüttelt hatte, übernimmt das
Polnische zunächst die Vermittlerrolle zwischen Russland und dem
Westen: eine starke Schicht deutsch-polnischer Lehnwörter ist vom
16. — 18. Jahrhundert ins Russische gelangt. Endlich hat das Russische
seit Peter dem Grossen eine letzte Schicht rein neuhochdeutscher
Fremdwörter (nicht Lehnwörter!) übernommen, die an ihrer jungen
lautlichen Form leicht erkennbar sind.^)
Der Rückstoss der deutschen Stämme gegen die siegreich vor-
gedrungenen Westslawen hat sehr langsam eingesetzt und ist mehr-
mals nachhaltig ritardiert worden. Noch Karl der Grosse hat, um
seine sächsischen Feinde empfindlich zu treffen, die Herrschaft der
Slawen auf Kosten sächsischen Gebiets verstärkt. Die Erfolge der
kraftvollen Politik Ottos L, die mit dem Christentum zugleich den
deutschen Einfluss weit nach Osten vorschob, vernichtete der furcht-
bare Wendenaufstand von 982 mit einem Schlage. Volle 150 Jahre
behaupteten seitdem die polabischen Völker und die nördlicheren
sorbischen Stämme ihre Unabhängigkeit und ihr slawisches Heidentum.
Ein grosses nationales slawisches Reich erstreckte sich eine Zeitlang
von Oldenburg in Wagrien bis nach Stettin; weitberühmte Tempel,
wie der von Rethra und etwas später der hochragende Swantewit-
tempel auf Arkona, werden uns als sakrale und politische Mittelpunkte
dieser Nordwestslawen genannt und bezeugen uns zugleich eine starke
Weiterentwicklung der Gedanken der altslawischen Mythologie bei
den Polaben. Als um die Mitte des 12. Jahrhunderts die polabischen
Reiche dem vereinigten Anstürme der Deutschen und Dänen endlich
unterlagen, und zugleich im Süden Albrecht der Bär die Sorben der
Mark endgültig unterwarf, flössen Ströme von Blut. Es bedurfte langer
erbitterter Kämpfe, von denen uns Helmold in seiner Slawenchronik
anschaulich genug berichtet. Heinrich der Löwe und Albrecht der
Bär kolonisierten mit Feuer und Schwert, wie 100 Jahre später der
Deutsche Orden im heidnischen Preussenlande. Wie in Preussen vor
dem Schwerte der Ordensritter der Stamm der Pruzzen dahinschwand,
so ist auch im Polabenlande und Sorbenlande das wendische Element
gleich bei der Eroberung arg decimiert worden. Trotzdem sind zu-
nächst immer noch ganz ansehnliche Reste wendischer Bevölkerung in
den eroberten Gebieten zurückgeblieben. Hauptkronzeugen dafür sind
^) Der Brief ist 1908 von A. Sauer in den Prager Deutschen Studien,
herausg. von C. v. Kraus und A. Sauer, Heft 8, S. 39—41 abgedruckt worden.
^ Vgl. 0. Schrader, Die germanischen Bestandteile des russischen Wort-
schatzes und ihre kulturgeschichtliche Bedeutung in den Wissenschaft!. Beiheften
zur Zs. d. Deutschen Sprachvereins, IV. Reihe Heft 28/24 (1903) ; dazu die Recension
A. Brückners, Deutsche Erde Bd. 3 (1904), S. 94.
78
und bleiben immer die Wenden im s. g. hannoverschen Wendlande,
deren slawische Sprache erst Ende des 17. Jahrhunderts erloschen
ist. Ähnliche slawische Inseln im niederdeutschen Sprachgebiete hat
Hans Witte 1) für Mecklenburg nachgewiesen; mit Hülfe der Orts-
namen (die zwar kein so einwandfreies Zeugnis bilden wie die Ton
Witte herangezogenen Familiennamen) lassen sich auch sonst hier
und da noch Spuren zurückgebliebener wendischer Reste aufzeigen.
Alle diese Wenden innerhalb des später niederdeutschen Sprachgebiets
werden schon vor ihrer endgültigen Aufsaugung durch das Nieder-
deutsche längst starke niedei'deutsche Einflüsse auf ihre Sprache er-
litten haben. Leider fehlt uns aber dafür, bis auf das hannoversche
Wendland, jegliches sprachliche Material.
Mit der Niederwerfung der Polaben und Sorben war die Unter-
jochung und Germanisierung der ersten Staffel der slawischen Völker-
schaften, die sich der deutschen Ostgrenze vorlagerten, vollendet.
Die Redanzslawen waren schon vorher von Ostfranken aus unter-
worfen, und in den beiden Lausitzen und der Mark Meissen ist der
deutsche Einfluss nie so völlig unterbunden gewesen wie in den sla-
wischen Nordwestgebieten. Seit dem. Ende des 12. Jahrhunderts nun
richtet sich die Expansion der deutschen Volkskraft gegen die zweite
Staffel der Westslawen, die Pommern, Polen, Schlesier und Czechen.
Es beginnt die Zeit der grossen Colonisation des deutschen Ostens,
die nicht mit Feuer und Schwert, sondern in friedlicher Culturarbeit
vor sich ging. Die slawischen Fürsten und adligen Herren riefen
selbst die Colonisten ins Land, die durch ihre bessere Bodenkultur
grössere Erträge für den Grundherrn herauswirtschafteten, und an
der Kirche hatte das vordringende Deutschtum damals eine unschätz-
bare Stütze. Die weiteste Ausdehnung hat das deutsche Element in
den slawischen Landen aber durch die Begründung zahlreicher
deutscher Städte gewonnen. Mit der den Slawen damals überhaupt
noch unbekannten ^Stadt^ zog auch das deutsche Recht und die
ganze deutsche bürgerliche Cultur in das Slawenland ein. Bis weit
nach Gross- und Kleinpolen und nach Galizien hinein reichten die
deutschen Städte, wo es längst keine deutschen bäuerlichen Colonisten
mehr gab. Bei dem lebhaften sprachlichen Austausch, der sich
während dieser Periode der Durchdringung des westslawischen Gebiets
durch das Deutschtum von selbst ergeben musste, haben die cultarell
entwickelteren, älteren Deutschen den jüngeren Slawen naturgemäss
viel mehr an sprachlichem Lehngute gegeben als von ihnen erhalten.
Der grösste Teil des deutschen Lehnwörterschatzes, der allein den
westslawischen Sprachen eigen ist, stammt aus diesen Jahrhunderten
des friedlichen Ringens.
Wie stark ist nun an diesem älteren Lehnwörterbestande des
Westslawischen das Niederdeutsche beteiligt? Niederdeutsche Beein-
^) Wendische Bevölkerungsreste in Mecklenburg (« Forschongen z. deutschen
Landes- und Volkskunde Bd XYI, 1) 1905.
79
flussung wird man von vornherein für Pommern und die Mark er-
warten, für Böhmen dagegen ausschalten, weil niederdeutsche Colo-
nisten, soweit wir wissen, kaum jemals nach Böhmen gelangt sind.
Von den slawischen Mundarten Pommerns und der Mark sind uns
nun aber bis auf das Kaschubische überhaupt keine Sprachreste er-
halten geblieben, sodass wir darüber ebenso wenig etwas aussagen
können wie etwa über die slawischen Mundarten Meckelnburgs und
Wagriens. Das Kaschubische aber und die polnischen Mundarten
West- und Ostpreussens, die ja in intensive Berührung mit der haupt-
sächlich von den Hansestädten her gepflegten niederdeutschen Be-
siedlung kommen mussten, zeigen heute doch nicht so starke nieder-
deutsche Spuren in ihrem Wortschatze, wie man erwarten sollte.
Freilich darf man nicht vergessen, dass die heutige hochdeutsch-
niederdeutsche Sprachgrenze auf dem Colonialgebiet östlich der Elbe
sich keineswegs mit der ursprünglichen Verteilung der niederdeutschen
und mitteldeutschen Colonisten deckt. Heute setzt sich die Sprach-
grenze, wo sie die Elbe überschreitet, fast geradlinig fort, bis sie
bei Birnbaum an der Warthe nach Südosten umbiegt und nördlich
von Posen vorbeiziehend sehi^ bald ihr Ende erreicht. Diese sehr
einfache Struktur des ostdeutschen Colonialgebiets ist erst das Resultat
jahrhundertelanger Entwicklung. Ursprünglich war die Mischung der
niederdeutschen und mitteldeutschen Elemente sehr viel bunter; noch
heute haben wir in dem sonst rein niederdeutschen Ostpreussen die
grosse mitteldeutsche Insel des s. g. Breslauischen im südlichen Erm-
land, in Teilen von Schlesien können wir deutlich eine ältere niederdeutsche
(oder vielmehr niederländische) Schicht der Besiedlung sich von der
späteren mitteldeutschen abheben sehen; und wie stark der nieder-
fränkische (und z. T. mittelfränkische) Einschlag in der Mark Bran-
denburg und sonst gewesen ist, hat 0. Bremer in seiner Ethnographie
der germanischen Stämme S. 897 f. hübsch zusammengestellt.
Man sollte bei dieser Lage der Dinge erwarten, dass der Lehn-
wörterbestand der beiden in der Mitte gelegenen Stämme der West-
slawen, der Polen und der Schlesier, sowohl mittel- wie nieder-
deutsche Bestandteile aufzeigte. Dem ist aber nicht so, wir finden
ein ausschliessliches Vorherrschen des Mitteldeutschen in der polnischen
Literatur- und Schriftsprache und, wenn man von den polnischen
Dialekten der beiden Preussen und der nordwestlichen Grenzdistrikte
Grosspolens absieht, auch in sämtlichen polnischen und schlesischen
Volksmundarten. Umgekehrt sind fast alle unsere slawischen Lehn-
wörter, die wir jetzt im Deutschen haben, den Weg zu uns durch
das Mitteldeutsche gegangen. Zur Erklärung dieser auffälligen Er-
scheinung kann man mehrere Gründe ins Treffen führen. Der wichtigste
ist wohl die starke Abhängigkeit der älteren polnischen Sprache und
Literatur von der altböhmischen. Die hervorragende Stellung der
czechischen Nation unter den Westslawen im Mittelalter ist unbestritten.
Von dort kam den Polen das Christentum, von dort auch die ersten
literarischen Anregungen. Der hl. Adalbert war Böhme wie der hl.
so
Waclaw, dem die Kathedrale zu Krakau gewidmet ist und der auch
in Polen niemals in seiner polnischen Namensform Wendaw, sondeni
immer in der nasallosen czechischen erscheint. Der Name Silesia
(Schlesien) hat czechische, nicht polnische Lautform. Von Böhmeo
her haben die Polen nicht nur die Termini der christlichen Kirche,
sondern auch zahlreiche andere deutsche Lehnwörter in mitteldeutscher
Laütform übernommen. Soweit aber nicht Böhmen den deutschen
Cultureinfluss nach Polen vermittelte, kam er durch das dem mittel-
deutschen Einfluss unterworfene Gebiet der beiden Lausitzen nach
Schlesien und von da weiter in das eigentliche Polen. Die Lausitzen
waren, mit einer kurzen Unterbrechung 1018—1031, wo sie eben
zu Polen gehörten, stets unter deutscher Herrschaft verblieben, also
das früheste Einfallstor für deutsches Wesen, längst ehe die Nord-
westslawen endlich durch WaflFengewalt bezwungen ihr Gebiet eröff-
neten i). Den Vorsprungj den das Mitteldeutsche auf diese Weise für
die Eroberung der polnischen Lande gewonnen hatte, befestigten end-
lich die zahlreichen deutschen Städte des Landes, die samt und
sonders die auf böhmisch-schlesischer Grundlage beruhende ostmittel-
deutsche Geschäfts- und Verkehrssprache gebrauchten. Damit in
engstem Zusammenhange steht der Siegeszug des stets in mittel-
deutscher Sprache abgefassten Magdeburger Rechts durch den
slawischen Osten. Und wo einmal nicht Magdeburg, Halle oder
Neumarkt Oberhof der polnischen Städte war, sondern wie in ganz
Masowien Culm, da war es doch im Grunde wieder nur Magdeburger
Recht, nur in der etwas modificierten Geschäftssprache, wie sie der
Deutsche Orden ausgebildet hatte. Von Niederdeutsch war aber auch
hier keine Rede. Hat doch sogar das rein niederdeutsche Danzig
sich ziemlich früh zur Übernahme der mitteldeutschen Rechtssprache
entschlossen. Schliesslich sei doch auch daran noch erinnert, dass der
jüdisch-deutsche Jargon der zahlreichen Juden Polens sich auf einer
mitteldeutschen Grundlage aufbaut^). Durch so viel Kanäle gelangte
der mitteldeutsche Einfluss in das polnische Sprachgebiet hinein und
konnte den deutschen Lehnwörterbestand des Polnischen bestimmen.
Umgekehrt ist von einer irgend wie lebhaften Verbindung Polens mit
den niederdeutschen Bezirken der Mark und Pommerns wenig die
Rede. Die langgestreckten Bruchlandschaften, die sich von der
Weichsel bis zur Oder hinziehen, mögen mit daran Schuld sein. Mehr
aber wohl der Umstand, dass, als endlich die Polen direkte Nach-
barn der Niederdeutschen wurden, der politische Schwerpunkt des
polnischen Reiches bereits nach Kleinpolen verlegt war. Die noch
auf grosspolnischem Gebiet entstandene polnische Schriftsprache hat
keine niederdeutschen Einflüsse mehr empfangen, aber ihrerseits durch
ihren mitteldeutschen Lehnwörterbestand die Volksdialekte des Nord-
westens so stark beeinflusst, dass auch in ihnen die niederdeutschen
') Vgl. Erich Schmidt, Geschichte des Deutschtums im Lande Posen, S. 75.
*) Vgl. Jac. Gerzon, Die jüdisch-deutsche Sprache, Frankf. a. M 1902, S. 181.
Elemente vor den mitteldeutschen zurückstehen. Selbst die Besiedlung
der Netze- und Obrabrüche durch niederdeutsche Colonisten, die im
17. und 18. Jahrhundert aus der Mark und aus Pommern herüber-
kamen und zusammenhängende niederdeutsche Dialektgebiete im
Nordosten und Nordwesten der heutigen Provinz Posen geschaffen
haben, hat höchstens der allernächsten Nachbarschaft ein paar nieder-
deutsche Worte vermittelt. Dagegen hat seit dem 16. Jahrhundert
in immer steigendem Masse die neuhochdeutsche Schrift- und Ver-
kehrssprache auf die polnische Sprache einzuwirken begonnen und
eine jüngste, stattliche Gruppe deutscher Lehnwörter im Polnischen
entstehen lassen, die sich in ihrer äusseren Gestalt deutlich von den
älteren Entlehnungen abheben. Niederdeutsches Gut haben diese
Wörter natürlich nur in den seltensten Fällen übermittelt.
Wenn ich jetzt dazu übergehe, den Wortschatz der einzelnen
westslawischen Sprachen und Mundarten, soweit sie uns erhalten
geblieben sind, auf ihre niederdeutschen Lehnwörter zu untersuchen,
so gehe ich vom Westen nach dem Osten. Ich beginne mit der
Mundart der Polaben des hannoverschen Wendlands, wo wir die
stärksten niederdeutschen Einwirkungen finden. Viel geringer schon
ist der niederdeutsche Einschlag in der Sprache der Easchuben und
der polnischen Mundarten West- und Ostpreussens. Fast ganz negativ
verläuft das Suchen nach niederdeutschem Sprachgut in der polnischen
Schriftsprache, deren Behandlung ich deshalb an den Schluss stelle.
Die Sprache der alten slawischen Bewohner des hannoverschen
Wendlands gehörte dem polabischen Zweige des Westslawischen an,
ist aber bereits gegen Ende des 17. oder spätestens zu Anfang des
18. Jahrhunderts ausgestorben. Kurz vorher war zum Glück durch
mehrere gelehrte und ungelehrte Freunde der alten Sprache ein ver-
hältnismässig umfangreiches Material, meist in lexikalischer Form,
geborgen worden. Das antiquarische Interesse wandte sich damals,
zum grossen Teil unter Leibnizens direkter Einwirkung, überhaupt
sehr lebhaft den untergehenden Mundarten Norddeutschlands zu; es
war dieselbe Zeit, wo auch das absterbende Altfriesisch im Lande
Wursten und in Ostfriesland in ganz ähnlicher Form wie das Wendische
aufgezeichnet wurde. Zu dem damals von Mithof, Pfeffinger, dem
Pastor Christian Hennig von Jessen, Johann Parum Schultze u. a.
gesammelten Material ist in jüngster Zeit noch die durch Kühnel,
Mucke und Rost besorgte Aufnahme der Orts-, Flur- und Personen-
namen des Wendlands hinzugekommen, eine zweite wichtige, z. T.
ältere Quelle der polabischen Mundart. Alles zusammen liegt jetzt
in der handlichen Ausgabe von P. Rost^) vor. Durch Rosts Wörter-
verzeichnis ist auch die dankenswerte Zusammenstellung der deutschen
1) Die Sprachreste der Draväno- Polaben im Hannoverschen, gesammelt,
herausgegeben und mit Wörterverzeichnis versehen von F. Rost, Leipzig, Hinrichs 1907.
Festgabe (Nd. Jb. XXXVII). ß
82
Bestandteile des wendischen Wortschatzes überholt, die A. Brückner l)
1877 gegeben hatte.
Die uns erhaltenen Reste des Polabischen zeigen die Sprache
in vollster Auflösung begrifiPen: nicht nur sind die rein slawischen
Laute sehr stark und eigenartig weiterentwickelt worden, weil keinerlei
schriftliche Aufzeichnung da ritardierend hätte einwirken können.
Mehr aber noch fallt das ungehemmte Eindringen der lokalen nieder-
deutschen Mundart in den Wortschatz ebenso sehr wie in die Wort-
bildungslehre dieser slawischen Mundart ins Auge. Es ist schwer,
bei dieser Überfülle eine Chronologie der Entlehnungen aufzustellen:
man kann nur im Allgemeinen sagen, dass Lehnwörter, die jüngere
Lautentwicklungen des Wendischen selbst mitgemacht haben, älteren
Ursprungs sein werden. Vgl. z. B. kokö Pranger (= mnd. käk),
strotö Strasse (= nd. sträte), aber strüöt Strote, Luftröhre (= nd.
strote)] teid (dessen ei nicht etwa aus dem Nhd. stammt!) Zeit, neben
altidöi allzeit, moltid Mahlzeit; tyarl Kerl u. a. Ich führe deshalb
nur kurz ein paar echt nd. Lautcharakteristika in deutschen Lehn-
wörtern des Wendischen an, ohne ihr Alter näher bestimmen zu
wollen: das sicherste Kennzeichen nd. Lautgebung nd. t = hd. z
haben wir hier sehr oft, wo z. B. tal Zahl, toi Zoll, tarne zahme;
spet Spiess, kHvit Kiebitz, bükv4it Buchweizen, milta Milz, krawad
Krebs. Nd. k = hd. ch in dlk Teich, lik gleich, pank'ü*ök Pfann-
kuchen etc. Metathesis des r in daräär Drescher, bdrvin Branntwein
etc.; hs > ss in las Lachs, bü'äa Büchse; nd > nn in spinna Spinde,
Schrank; ft > cht in achterska mos Hinterachse. Vgl. femer Itfka
Schnürleib, bek Bach, driste mutig, drö*g*e trocken, üdc Iltis, speidd
Bratspiess, Angelrute etc. etc. Sicher jüngeren Ursprungs sind aber
andere Gruppen: einmal solche Verbindungen wie imertd immerzu,
v^le reis oftmals {reis schon mnd. = mal), dann Composita wie
daglik'e, kunstUk*e^ radlik*e redlich; tosage Zusage, tobringdje er fuhrt
zu. Hier beginnt also schon das Gebiet der hybriden Bildungen:
an einen nd. Stamm tritt die slawische Endung, so werden dann
weiter gebildet komöt Inf. kommen, krig*6t^ bring*6ty wie man sieht
Verben von allgemeinster Bedeutung. Aber auch da macht die Zer-
setzung noch nicht halt, schliesslich componiert die Sprache sogar
slawische Praeposition mit deutschem Verbum, wie in pri-lid^öt er-
leiden, sa-bruköne abgenutzt, voi-dMca er denkt aus, voi^bed'at aus-
bieten, voi-mSsat ausmisten ; oder deutsche Praeposition mit slawischem
Verbum, wie in to-pSije er trinkt zu, to-rize er schneidet zu, bi-sapöl
er schlief bei etc.
Die betrübendste Erfahrung muss aber der Liebhaber der alten
wendischen Sprache machen, wenn er entdeckt, dass auch unter den
wenigen altslawischen Wörtern, die der nd. Dialekt des Wendlands
bis auf den heutigen Tag als kostbare Erinnerungen bewahrt hat
und die von Hennings, Mucke und Rost mit besonderem Stolz auf-
^) Die slawischen Lehnwörter ün Litauischen, Weimar 1877, S. 12 N. 12-
S3
gezählt werden, sich mehrere solcher nd. -slawischer Mischbildungen
finden, die also als verhältnismässig junges Gut zu gelten haben.
Sie haben alle die gleiche Endung -neitz^ die einem älteren -nica
entspricht, so klinkerneitz Geldbeutel (Klingelbeutel), vgl. nd. klinken
hell tönen (Lübben-Walther 177 a), pinkelneitz Schaukel zu nd. bingdn *
hin und herschweben (Rost), punkeneitz Zugabe, Geschenk (zu punge
Beutel?), gungelneitz Geige (aus güggelneitz zu gtge\ tötemeitz {zu nA,
tüthorn !). Diese hybriden Bildungen mitgerechnet, bringt es E. Mucke i)
doch nur zu der Gesamtsumme von 39 Wörtern, die wenigstens noch
um eins (butze Schlafstelle) zu vermindern ist. Von dem Rest hat
allgemeinere, über die Grenzen des hannoverschen Wendlands hinaus-
gehende Bedeutung nur döns (dörns), ein altes Lehnwort aus polab.
d(w)omica, das durch seinen w-Ausfall die Herkunft aus einer pola-
bischen Mundart,^) und wegen seines t in mhd. tümitz (neben dümitz)
den Durchgang durch das Nd. beweist; pamel, pomel platter Fladen
(cf. Frischbier, Preuss. Wtb. 2, 118) und pracher Bettler (Frischbier
2, 174 und in andern nd. Maa.) sind nicht slawischen Ursprungs.
Wie weit die von Mucke aufgezählten 39 slawischen Worte heute
noch wirklich lebendig sind, vermag ich nicht zu sagen. Von den
8 — 9 Eigentümlichkeiten der Lautlehre und Syntax, die das wend-
ländische Plattdeutsch aus dem alten Polabischen beibehalten hatte
und die schon MithoiF 1691 in seiner Epistola an Leibniz zusammen-
stellt 3), sind jedenfalls mehrere inzwischen längst verschwunden.
Schon 1809 bemerkt Jugler, dass die Verwechslung eines v (f) und tc
in der Aussprache nicht mehr vorkomme, so wie sie z. B. das Gebet
bei Mithof in Wan fin hun wan brade (== van win un van hrdde)
zeigt.^) Am bekanntesten ist aber der Wendländer, wie der Spree-
wälder, seinen nd. Nachbarn durch seine unrichtige Setzung des an-
lautenden Ä geworden: Du kom ihr Er (= hier her) im hd. Teile
von Parum Schnitzes Glossar^), giff hunk tho häten im Gebete bei
Mithoff^). Das geht bis in die neuste Zeit hinein, wird aber jetzt,
ebenso wie die beliebte Unterdrückung des Artikels {Fra\ie lege Kindt
in Wiegen: P. Sch.)7), die Vorliebe für die reflexiven Verba und das
für alle Personen angewandte sick (gah sick hup höhne = ich gehe
auf den Boden : Mith.)^) und die Verwendung des Maskulinums he für
1) Szcz^tki j^zyka polabskiego Wendöw Lüneburskich in „Materyaly i prace
komisyi j^zykowej*' der Krakauer Akademie, Bd. 1 (1908) S. 420—427. Zuletzt hat
F. Kühnel, Altsachsenland Jahrg. 1909, S. 61—66 über diese Wörter gehandelt,
auch seine Liste, die auf 66 Wörter angewachsen ist, bedarf einer kritischen Revision.
2) Vgl. E. Bemeker, Slay. etymol. Wörterbuch, S. 241.
3j Rost S. 48 f. E. Mucke, Altsachsenland, Jahrg. 1908, S. 232 f.
^) Rost S. 50 Z. 4 (wo sin natürlich in fin zu bessern ist), Mucke S. 288.
^) Rost S. 67 Z. 9.
*) Rost S. 50 Z. 4; „Err Hammann, wenn myn Eers hupgeiht, achaU hem
hook wat hafebben'* (= Herr Amtmann, wenn meine Hirse aufgeht, soll Er auch
etwas abhaben) Mucke S. 233 nach Jugler.
') Rost S. 72 Z, 7.
») Rost S. 49 Z. 5.
6*
u
alle drei Geschlechter (he et sick spöhkt = es hat gespukt: Jugler)i)
wohl stark im Abnehmen begriffen sein. Die Aussprache des an-
lautenden j wie di und des anlautenden z wie fz ist im Nd. auch
sonst weit verbreitet und braucht keinesfalls slawischem Einfluss zu-
* geschrieben zu werden. —
Die zweite Gruppe von Dialekten, mit der wir uns hier zu
beschäftigen haben, ist die Sprache der Easchuben im äussersten
Nordosten der Provinz Pommern und den angrenzenden Kreisen der
Provinz Westpreussen. Über die Stellung des Kaschubischen, und
seines westlichsten Dialekts, des Slowinzischen, innerhalb der slawischen
Sprachen ist seit 1893, wo Ramuit's Wörterbuch der pommerscheD
oder kaschubischen Sprache erschien, ein erbitterter Kampf zwischen
den Slawisten gefuhrt worden, in den auch das nationale Element
mit hineinspielte. Ich schliesse mich hier der Ansicht von K. Nitsch-)
in Krakau, jetzt wohl dem besten Kenner und fleissigsten Förderer
der polnischen Dialektstudien, an, der ähnlich wie vorher schon
J. Baudouin de Courtenay 3) zwischen den beiden Extremen vermittelt.
Danach nimmt das Kaschubische von Haus aus eine Sonderstellung
unter den westslawischen Sprachen ein, es ist der letzte Rest der
slawischen Dialekte Pommerns und bildet den Übergang vom Pol-
nischen zum Polabischen; mit beiden zusammen macht es die grössere
Gruppe des s. g. Lechitischen aus, das seinerseits dem Sorbischen in
den beiden Lausitzen und dem Gzechisch-Slowakischen coordiniert ist.
Nun hat aber das Kaschubische im Laufe der letzten Jahrhunderte
so starke Beeinflussungen durch das benachbarte Polnische erfahren,
so viele gemeinsame Lautentwicklungen mit ihm durchgemacht, dass
man es heute notgedrungen mit zu den Dialekten des Polnischen
rechnen muss. Aber noch immer gebührt dem Kaschubischen hier eine
bedeutsame Sonderstellung^), hat es doch bis heute sich noch nicht dem
festen Accent des Polnischen gefügt, und andererseits allein von allen
polnischen Dialekten den Zusammenfall der palatalen Zischlaute
8\ c\ z', dz' mit den reinen Dentalen 5, c, 0, dz vollzogen. Auch in
der Frage, die uns hier beschäftigt, nimmt das Kaschubische eine
Art Mittelstellung ein. Ganz Pommern ist ja auf friedlichem Wege
germanisiert worden; diese langsame Verdrängung der slawischen
Volksdialekte durch das Nd. ist heute bereits über die Westgrenze
des kaschubischen Gebiets vorgedrungen: das s. g. Slowinzische, das
Fr. Lorentz in den letzten Jahren mit ausserordentlich grosser Sorgfalt
und Sachkenntnis aufgezeichnet hat, stirbt mit der heute lebenden
älteren Generation völlig aus. Aber sowohl dieser von Lorentz
gerettete Teil des Kaschubischen wie die weiter östlichen Dialekte
1) Mucke S. 232, cf. Rost S. 49 N. 2.
>) Stosunki pokrewieiistwa j^zyköw lechickich in den Materyaly i prace
komisyi j^zykowej der Krakauer Akademie, Bd. 8 (1907) S. 1 ff., vgl. besonders
S. 47 f.
') Kurzes Resum^ der kaschubischen Frage im Archiv f. slaw. Philol. Bd. 26,
S. 366 ff.
*) Vgl. jetzt K. Nitsch's eben erschienene Übersicht der polnischen Dialekte
(Pröba ugrupowania gwar polskich, Krakau 1910) S. 7.
85
zeigen zwar starke nd. Elemente im Wortschatz, aber längst nicht
die völlige Durchdringung und Zersetzung des Wortschatzes und der
Wortbildung wie die Reste des Polabischen im hannoverschen Wend-
land. Das kommt daher, weil das Kaschubische einen starken Rückhalt
an dem benachbarten Polnischen hatte. Dadurch blieb dem Kaschu-
bischen der slawische Charakter seiner Lautlehre und Wortbildung
durchaus bewahrt, und im Wortschatz stand neben den zahlreichen
nd. Lehnwörtern von jeher auch ein ebenso beträchtlicher Prozentsatz
von Entlehnungen md. Lautcharakters, die aus dem Gesamtpolnischen
ins Kaschubische überführt worden sind. Durch den Niedergang des
Plattdeutschen und das gleichzeitige Vordringen der polnischen Schrift-
sprache ist im Kaschubischen heute das md. Lehnwörtermaterial sogar
an Umfang weit über das nd. hinausgewachsen.
Aus dem Kaschubischen sind uns ältere Texte überhaupt nicht
überliefert worden, alles was wir an sprachlichem Material haben,
ist erst in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts an Ort und Stelle
gesammelt worden. Von den älteren Arbeiten ist mir nur das kleine
Werkchen von G. Pobiocki^) zugänglich gewesen; aber erst die
grossen Wörterbücher von St. Ramult^) 1893 und Fr. Lorentz^) 1908
lassen uns den Sprachschatz einigermassen übersehen. Als weitere
Hülfsmittel sind die Arbeit von A. Berka^) und das grosse fünf bändige
Wörterbuch der polnischen Mundarten von J. Karlowicz ^) heranzuziehen.
Beide Werke liegen aber vor Lorentz' umfassender Arbeit, so dass
heute ein grosses zusammenfassendes Wörterbuch des Kaschubischen
gleichwohl ein dringendes Bedürfnis bleibt. Dies neue Wörterbuch
müsste zugleich, wie es beim Polabischen geschehen ist, die kaschubischen
Orts- und Flurnamen mit verzeichnen und bei der phonetischen Trans-
scription der kaschubischen Laute eine weise Mässigung walten lassen.
In den deutschen Lehnwörtern des Kaschubischen habe ich nur
ein einziges Beispiel gefunden, wo im Anlaute nd. t erhalten geblieben
ist: tSmret das grössere Seitenbrett am Mistwagen. Es kehrt im
preussischen Nd. als timmbrett wieder und wird von Frischbier 2, 402
mit nd. timmer in Verbindung gebracht. Inlautend und auslautend
ist t = hd. z etwas häufiger, vgl. szatnic schätzen: poln. szac<mac\
rechilt (rechot) Balken oder kleine Wand, die einen Verschlag abtrennt,
vom nd. richtholt. Das Wort wird in Lindes Poln. Wörterbuch aus
dem Altpolnischen als rechot Verhau belegt. Die zahlreichen Zu-
sammensetzungen mit 'hohsy die das Polnische sonst hat (Korbut
S. 502) endigen sämtlich auf -ulec^ setzen also die hd. Form voraus,
ebenso westpreussisch richtolec, kaschubisch szt^pölc Stampf holz, ätrbchölc
Streichbrett f. d. Sense u. a. Das nd. buten hat das Kaschubische
^) Stowjoik kaszubski z dodatkiem idyotyzmöw che^minskich i kociewskich,
Kulm 1887.
2) Slownik j^zyka pomorskiego czyli kaszubskiego, Erakau 1893.
3) Slovinzisches Wörterbuch 1. Teil A— e, St. Petersburg 1908.
*) Stownik kaszubski poröwnaczy, in den Prace filologiczne, Bd. 3 (Warschau
1891), S. 367 ff. und 585 ff.
•) S^ownik gwar polskicb, Bd. 1—5, Krakau 1900—1907.
86
sowohl als Adverb wie als Praeposition übernommen: wenekäj p$a
hüten jage den Hund hinaus! und hüten szeku über das Mass (p. nad
miar^). Kasch. huktmtny 'aus Buchweizen bereitet' steht poln. tatarczany
gegenüber. Dagegen stimmt das Kasch. mit dem Polnischen in der
Verschiebung des t> z überein z. B. in cegla Ziegel, cug Zug, slowinz.
cäpelk Zipfelchen, c^l Ziel, caul Zoll, cüopä Zopf, havzäcd Absatz, szdt^
Schultheiss etc.
Bei der Verschiebung von p > f und k > ch muss man sehr
vorsichtig sein, denn in den deutschen Lehnwörtern des Polnischen
und seiner Dialekte können p und k unter Umständen auch einem
hd. pf^ f und ch entsprechen. Die slawischen Sprachen hatten
ursprünglich überhaupt gar kein f und ersetzten deshalb in der
älteren Zeit germ. f durch p oder ft, vgl. post Fasten, puik Volk,
putap Vorlaube, Szczepan Stefan, Pabjan Fabian; kasch. (u. posnisch)
purty purtac Furz, furzen (wo das rt wie in md. kurt = kurz zu
beurteilen ist). Gegen das durch die hd. Lautverschiebung entstandene
pf hatte das Slawische noch lange eine starke Abneigung und ersetzte
es durch p^ ohne dass nd. Einfluss mitspielte, denn auch das Czechische
macht diese Lautsubstituierung mit. So haben wir im Polniscbeo
neben älterem pienit^e die jüngere Entlehnung fenik, neben panetr:
hrytfanna neben pieprz: fefer. Das Polnische folgt da genau der
Entwicklung des Ostmitteldeutschen, das seit dem 14./ 15. Jahrhundert
das pf überall zu f erleichtert; in der Gemination hat dagegen das
Ostmitteldeutsche überall das alte pp bewahrt, ebenso das Polnische
in Wörtern wie cypel, propek^ capstrzyk etc. So haben wir auch im
Kaschubischen nebeneinander älteres plynt und jüngeres fun*ty ohne
dass wir für die erstere Form nötig hätten, nd. Herkunft zu ver-
langen. Ja sogar für pipa steht die gleichlautende altpoln. und
cz6ch. Parallele zur Verfügung, wenngleich es schwer fallen mag,
hier für das Easch. den Einfluss des Nd. ganz auszuschalten. Bein
nd. ist dagegen sicher pot {puet) Topf, plaga Plagge beim Torfstechen,
und im Inlaut slowinz. haupen offen, szejper Schäfer, während es bei
szeper Schiffer wieder zweifelhaft ist. Umgekehrt sind sicher md.
Lehnwörter wie szneptuch Schnupftuch, tbpdek Topftuch (trotz der
Form dek s. u.), trafic treffen, strefla Strumpf, das mit streife zu-
sammenhängt.
Die Verschiebung von k > ch spielt nur für den In- und Auslaut
eine Rolle, aber auch hier beweist erhaltenes k nicht immer nd.
Ursprung. Das Polnische ersetzt wiederum in älteren Lehnworten
häufig md. ch durch k. In den Namen auf -ri/k wird Einfluss des
Lateinischen vermutet, weil die Formen auf -ryk nur der Schriftsprache
angehören, während das Volk statt Henryk, Fryderyk^ Olryk nur
Jf^drzych, Bedrzych, Oldrzych etc. kennt. Neben älterem pak Pech
steht jüngeres pech nur in der Redensart mied pech P. haben, neben
hlak jüngeres blacha Blech; in capstrzyk Zapfenstreich und halszid'
Halstuch beweist die im übrigen hd. Form des Wortes ebenfalls für
Lautsubstitution, und das alte Lehnwort szukac suchen wird durch
czech. sukati als md. erwiesen. So ist auch für kasch. dak Dach
87
neben poln. cbich die Entscheidung nicht leicht, und in sznepdek (neben
szneptuch s. o.) und töpdek darf man wohl die gleiche Umwandlung
des ch> k sehen wie in poln. halszlvk! Nur ist in allen diesen Fällen
für das Easchubische eine sekundäre Mitwirkung des Nd. an der
Erhaltung dieser ungewöhnlichen k wohl nicht zu bestreiten. Für
sicher nd. halte ich dagegen die in einigen Wörtern bezeugte Aus-
sprache des anlautenden seh als i^ ^^^^ ^^' ^^^ ^^^ ^^^ nicht ein
nachträglicher Einschub eines ch oder &, wie Lorentz, Slovinz. Gramm.
S. 154 meint, sondern eine vom Nd. beeinäusste Entwicklung des
germ. sk^ der Rest einer älteren Aussprache des seh. Das beweist
kasch. skuniay szkuna Scheune neben polab. stjenid (mit jüngerer
Palatalisierung des k) und litauisch sk^ne (im Poln. dafür stodola).
So fasse ich daher auch auf szkalec^ szkalowac schelten und slowinz.
syrüva (neben kasch. szruwa bei Ramult) Schraube, ä^ä^lc^ Schale.
Rein nd. Consonantismus zeigen ferner Wörter wie slowinz. dtivof
Treiber b. d. Jagd, livk Weste (Leibchen), bufka Räuber, Hallunke,
von nnd. bdfke; stach die Stagleine; slowinz. dresler (und seine Sippe)
Drechsler, poln. dagegen tokarz. Nd. Worte sind auch rem kleines
Ruder, bal&ja Wanne, drist dreist, &etn*6 Butterfass nebst seinen
Ableitungen, von nd. kerne^ karne (Ramuit S. 19) u. a. Den deutschen
Einfittss im Kasch. beleuchten endlich Worte, deren Herkunft indifferent
ist, wie sztek chleba (Stück Brot), preszU w sztrid (sie gerieten in
Streit), szwemucki (Adj. zu schwerenot), sztelowac se (sich verstellen),
renotmc (Lärm machen, eig. durch Umherlaufen) etc. etc.^). —
In einem dritten Abschnitte vereinige ich endlich alle übrigen
polnischen Dialektgebiete, die unmittelbar an nd. sprechende Gegenden
angrenzen. Dazu gehören vor allem die polnischen Volksmundarten
von West- und Ostpreussen, dann der nördliche Teil der Provinz Posen.
Die grosspolnischen Dialekte sind bisher sehr wenig durchforscht,
brauchbare lexikalische Sammlungen gibt es noch gar nicht, so lass
ich die posenschen Dialekte zunächst aus dem Spiel. Ein grösseres
Werk, das E. Nitsch soeben ankündigt, wird hier hoffentlich bald
Wandel schaffen. Für die polnischen Mundarten West- und Ostpreussens
haben jedenfalls Nitschs Arbeiten aus den Jahren 1906 — 19072)
den festen Grund gelegt. Die polnischen Mundarten Westpreussens
zerfallen nach Nitsch in drei Gruppen: die Mundarten der Tucheier
Heide (poln. Bory) nebst dem nördlich der Netze gelegenen Teile der
Provinz Posen (poln. Krajnd) bilden einen Übergang vom Kaschubischen
zum Grosspolnischen ; für sich steht auch das Kulmerland, zusammen
mit dem östlich anstossenden Dobriner Lande (in Russ. Polen); die
dritte Gruppe, die sich scharf von den beiden andern abhebt und
deshalb von Nitsch als ein erst später von der polnischen Sprache
1) Vgl. die Zusammenstellang bei L. Biskupski, Die Sprache der Brodnitzer
Kaschuben, Dies. pbil. Breslau 1888, S. 12.
2) Rocmki Towarzystwa naukowego w Toruniu (Jahrbb. d. Wiss. Gesellsch.
zu Thorn), Jahrg. 13 (1906), S. 161 ff.; Materyaly i prace, Bd. 8 (1907), S. 101 ff.
306 ff. 397 ff.
88
erobertes Colonisationsgebiet angesprochen wird, umfasst das Gebiet
zwischen Weichsel und Schwar^wasser (poln. Kociewie, d. h. die Kreise
Stargard und Neustadt), und auf dem rechten Weichselufer die
polnischen Mundarten um Marienburg, Graudenz und Löbau. In
Ostpreussen endlich fällt der Hauptanteil dem Masurischen zu, kleinere
Bezirke bilden das südliche Ermland und die Mundarten um Osterode,
die mit den westpreussischen Mundarten um Löbau zusammengehören.
Brauchbare Spezialwörterbücher gibt es für alle diese Dialekte noch
nicht; wir müssen uns daher auf die knappen, aber mit kundiger
Hand ausgewählten Wörterverzeichnisse beschränken, die Nitsch den
drei Abteilungen seiner west- und ostpreussischen Dialektstudien bei-
gegeben hat. Da fällt es sofort auf, dass für unsere Untersuchung
alle diese Dialekte fast das gleiche Bild ergeben. Sie alle sind sehr
reich an deutschen Lehnwörtern und übertreffen darin, wie Nitsch
ausdrücklich bemerkt, die grosspolnischen sowohl wie die ober-
schlesischen Dialekte, i) Aber nirgends hat dieses Eindringen de>
Deutschen bereits zur Zersetzung der Dialekte geführt; nur von einem
einzigen, ganz an der westlichen Grenze gelegenen Orte Briesen
(Kr. Schlochau) sagt Nietsch S. 111, - dass es hier von deutschen
Stämmen mit polnischer Endung geradezu wimmele. Sonst ist der
Standpunkt des Easchubischen gewahrt. Nur ist der Anteil des Nd.
an den deutschen Lehnwörtern noch bedeutend geringer als im
Easchubischen.
Vom Easchubischen her ragt tamrat (=: k. temret) noch in das
benachbarte Westpreussische hinüber. Dazu taucht am entgegen-
gesetzten Ende im östlichen Masuren ein tina^ tinka Milcheimer auf,
von mnd. ttne. Hier sowohl wie in keiner Kötner fehlt die hd. Form,
die z zeigen müsste. Nd. p zeigen anlautend pyranc Regenwurm,
Bandwurm (westpr.) zu mnd. piräs^ von ptr Regenwurm; vgl. preuss.
nd. piras und ptratz (Frischb. 2, 148); plumi gelbe Pflaumen (Erml.)
und prüpa^ prüpek Pfropfen (Mas.). Inlautend apen oft'en (Graud.),
grdpa Eochtopf (östl. Westpr.). Auch westpr. warp aus Wolle ge-
webtes Zeug geht auf preuss. nd. iverp (Frischb. 2, 465) zurück
Wie im Easchubischen finden wir brükowa^^ Wdk (Gebrauch, Be-
dürfnis), dek Dach (nur östl. Mas.!); dazu aus Graudenz Mukowac
Wäsche stauchen, äkalowac tadeln, schelten hat die gleiche Behand-
lung des anlautenden seh wie das kasch. Wort. Sicher nd. sind ferner
dachlän Bezahlung jeder Art, eig. Tagelohn (Tuchel), omätd Haar-
nadel (wegen des nd. ^), kodrowac ruinieren (vgl. preuss. nd. kod€ler[n]),
knafel Enopf (zu nd. knovel Enöchel, vgl. Frischb. s. v. Knobel)^ ffoß^f
^) Umgekehrt sind wohl nirgends so viele slawische Lehnwörter ins Deutsche
eingedrungen wie gerade in den preussischen Mundarten. Frischbiers Wörterbach
einmal daraufhin durchzuarbeiten, wäre eine sehr lohnende Aufgabe, mit der sich
übrigens jetzt Prof. K. Strekelj.in Graz, wie er mir mündlich mitteilte, beschäftigt.
Bei einer flüchtigen Durchsicht des Frischbier habe ich allein unter P (allerdings
dem markantesten Buchstaben!) nicht weniger als 158 Bntlehnungen aus dem
Slawischen uod (zum kleineren Teil) aus dem Litauischen gezählt.
89
Gabel (östl. Mas., cf. kasch. gafle Heugabel), hres Brachsen (Fordon),
aber huksi Hosen. Nicht nötig ist nd. Herkunft bei anlaut. d yon
drap Trab (Comparativ drah*i schneller) und dübelt doppelt (allgemein
poln.), hier sprechen Sandhiregeln mit; auch das u statt au in rupa^
kruza, durowat braucht nicht nd. Ursprungs zu sein, eher schon in
ostpreuss. brutka^ brutkdn Bräutigam und erml. ru7n. In vzhyne drinnen,
in der Stube (Mühlbanz, Kr. Danzig) steckt nach Nitsch S. 281 das
nd. hinnen. —
Die deutschen Lehnwörter der hochpolnischen Sprache sind
in der tüchtigen Warschauer Dissertation von Gabrjel Korbut^) zu-
sammengestellt und verarbeitet worden. Zwar erschöpft auch Korbuts
Sammlung nicht den ganzen Reichtum, zumal aus älteren Quellen
wird sich noch mancher Baustein hervorholen lassen. Aber seine
Arbeit giebt doch für Untersuchungen wie die vorliegende ein aus-
gezeichnetes Material ab. Weniger kann der Germanist mit der
grammatischen Behandlung der deutschen Lehnwörter zufrieden sein.
So vielseitig auch Korbuts S})rachliche Zergliederungen und Erläute-
rungen der einzelnen Wörter sind, und so Vieles sie auch im Einzelnen
richtig beobachten und ans Licht stellen : im Ganzen macht doch die
Behandlung und Gruppierung der einzelnen Laute oft einen recht
mechanischen Eindruck. Es fehlen Korbut offenbar die tieferen ger-
manistischen Kenntnisse; wäre er überall strikte von den zu Grunde
liegenden deutschen Lauten ausgegangen, wie sie beim Übergang
in die fremde Sprache als vorhanden angesetzt werden müssen,
so hätte er sich manche Wiederholungen und viele Unklarheiten
ersparen können, die ihm so passieren, weil er viel zu sehr mit den
Lauten des bereits eingebürgerten Lehnworts rechnet. Ganz unsicher
ist Korbut aber, wenn es gilt, zwischen niederdeutschem und mittel-
deutschem (er spricht immer nur von ^hochdeutschem^) Einflüsse
bei einem Lehnworte zu entscheiden. Er nimmt deshalb viel zu oft
niederdeutsche Grundwörter an, wo genauere Prüfung keine Veran-
lassung giebt, von einer mitteldeutschen Basis abzugehen. S. 372
giebt er im § 7 seiner allgemeinen Betrachtungen über die deutschen
Lehnwörter eine Liste von 19 Wörtern, die aus dem Niederdeutschen
ins Gesamtpolnische übergegangen seien, die 6 letzten davon gehören
der Schiffersprache an.^) In der zugehörigen Anmerkung zählt er
dann noch einige nd. Lehnwörter des Kaschubischen, Posenschen
und Masurischen auf. Dazu kommen aber noch zahlreiche andere
Beispiele in der systematischen grammatischen Darstellung. Korbut
^) WvrazY niemieckie w j^zyku polskim pod wzgl^dem j^zykowem i cywUi-
zacyjDym, abgedruckt in Bd. 4 der „Prace filologiczne'', herausg. von J. Baudouin
de Courtenay, J. Kar^owicz, A. A. Krynski und L. Malinowski (Warschau 1893),
S. 346—660.
^) £8 sind die Wörter ssperac spüren, azukac. suchen, szorowac scheuern,
kawal Kabel, i.ari Scherz, kaplun Kapaun, fUdra Flunder, hursztyn Bernstein, kufer
Koffer, wart wert, hol Bohle, blakowac bleichen; ster Steuer, tratwa, trafia Traft
yz= Weichselfloss), rafa Riff, lina Leine, szi/per Schiffer, duny Dünen.
folgt in dieser Neigung, recht viele nd. Lehnwörter im Polnischen za
statuieren, aber nur seinen Vorgängern auf diesem Specialgebiete.
L. Biskupski, Die Sprache der Brodnitzer Easchuben (Breslaner
Dissertation 1883), bemerkt in seiner Einleitung S. 11: „Ich möchte
darauf aufmerksam machen, dass eine Reihe von polnischen Wörtern,
welche aus dem Deutschen entlehnt sind, die niederdeutsche Lautform
zur Vorausetzung haben ; so hätte Scherbe unmöglich äierba abgeben
können etc.^ Von den bei Korbut aufgeführten Beispielen nennt auch
er wart^ lina, kufer; ausserdem pleiter, kram^ miarkoioac merken, pal
Pfahl, pram Prahm, szatwija Salbei, traßc treffen, und zaUarz Psalter
Mit verblüffender Kürze hatte aber schon längst vorher kein Geringerer
als Johannes Schmidt die Mehrzahl der deutschen Lehnwörter des
Polnischen überhaupt für niederdeutsch erklärt. Diese überraschende
Äusserung findet sich in einer Anmerkung Schmidts zu L. Malinowskis
Abhandlung ^^Zur Lautlehre der Lehnwörter in der polnischen Sprache^
im 6. Bande der damals von Johannes Schmidt mitherausgegebenen
Beiträge zur vergleichenden Sprachforschung (Berlin 1870). Malinowski,
der übrigens nur denConsonantismus der deutschen Lehnwörter behandelt
und hier Korbut gut vorgearbeitet hatte, sagt S. 295 : J schwindet im
Inlaute zwischen Vokalen: in armuSmal = *ajerim§mcUc = Eier im
Schmalz ; aus den Verbindungen : äpeßik = Speilfleck, trepchauz = Treib-
haus. ^ Dazu bemerkt Job. Schmidt in einer Fussnote : „Richtiger ist wohl
dass, mit Ausnahme des ganz unkenntlich gewordenen arrnuitnal,
diese Worte wie die meisten Lehnworte aus dem Nieder-
deutschen entnommen sind, den Diphthong also nie gehabt
haben. ^ Und S. 299 eine zweite Fussnote: „Der Wandel von ftj^
cht ist nicht erst polnisch, obige Worte sind vielmehr aus dem Nie-
derdeutschen entlehnt. J. S.^ So ist es denn kein Wunder, wenn
auf solche Autorität hin Korbut nun eifrig nach nd. Lehnwörtern im
Polnischen fahndet. Freilich gerade bei den von J. Schmidt so kate-
gorisch als nd. erklärten szpejflik und trepauz wagt selbst Korbut S.
420 einen leisen Zweifel zu äussern, trepauz geht natürlich nicht
auf nd. drtfhüs^ sondern auf nhd. Treibhaus zurück, und ebenso bat
speilflick (Frischbier 2, 349) ein nd. spilflöckj nicht etwa speiflick.
neben sich. Erst in jüngster Zeit wird nhd. ei als aj oder ^ ins
Polnische übernommen {knajpa^ majster^ harb^tel^ cajkaua etc.) Mi
früher galt e für germanisch ^', für germ. % dagegen t, y, die ältesten Lehn-
wörter ersetzen selbst mhd. ei durch t, y, wie mistrz Meister, gmina
Gemeinde, tylarz Seiler. In Nebensilben bleibt y für mhd. ei auch
später noch: ortyl Urteil, bursztyn Bernstein. Das y in bursztyn ist
also kein speciüsch nd. Kriterium, und die Grundform der 1. Silbe
Born- oder Börnstein kommt nach Kluge ^) in der 2. Hälfte des 16.
Jahrhunderts auch mittel- und oberdeutsch vor. Ursprünglich ist
das Wort natürlich nd. Herkunft; das Gzechische kennt nur ag^i^^
(= hd. Ägstein) und jantar. — Deutsches au wird nur in den jüngsten
>) Korbut S. 421. 2^ Etym. Wtb. S. 39.
91
Lehnwörtern als au übernommen, in allen älteren erscheint es als u,
seltener o oder a. Korbut stellt ein paar Mal selbst mhd. oder nd.
Ursprung zur Wahl, so S. 416 bei szufla Schaufel, S. 471 kaplun
Kapaun, S. 457 kaldun Kaidaune. — p. duny (Korb. S. 413) geht auf
deutsches dünm zurück, dies kann aber wiederum hd. und nd. sein,
in beiden ist es wegen des ü nid. Import i). — Ebenso wenig hilft
Korbuts Hinweis auf nd. schüren für die Erklärung des lautlich
schwierigen szorowac scheuem, reinigen, wischen; szorulec Schürholz
(Korbut S. 415). Vielleicht hat ausser mhd. schiuren^ schüren auch
das verwandte mhd. schorn (mit der Schaufel zusammenkehren) auf
das Lehnwort eingewirkt; und. schören (mnd. scharen) ist jedenfalls
ganz fernzuhalten. — p. ster Steuerruder, Leitung, Regierung ist ein
altes Lehnwort, es geht auf älteres styr zurück, dessen y im 15.
Jahrhundert die allgemeinpolnische Entwicklung zu e mitmachte, wie
cztery^ szeroki und später die Verben auf -erawac statt -irouxit, Korbut
behandelt S. 410 f. diese Lautentwicklung eingehend, wagt aber nicht,
styr > ster ihr zu unterwerfen, sondern rekurriert lieber auf ein un-
mögliches nid. stör^ oder schwed. styr^ am liebsten aber auf nd. stür
(ausser S. 372 auch S. 451. 490. 518 für sterouxjK, steuern). S. 411
fügt er verschämt auch mhd. stiure mit auf, das jedenfalls genau so
berechtigt ist wie die nd. Form. — Ganz wie ster ist auch szperac
spüren zu behandeln, das aber wegen seines sz ein etwas jüngeres
Lehnwort ist. — lina Leine kann ebensogut mhd. Une entsprechen
wie der von Korbut und Biskupski verlangten nd. Grundform. —
koffer hat im 17. und 18. Jahrhundert auch im Hd. die Nebenform
kuifer neben sich 2); die nd. Form heisst heute meist huffert. — Bei
p. hat Boot, das Korbut S. 402 als nd. bucht, steht es ähnlich wie
bei duny. Sowohl das Hd. wie das Nd. kennen nur die Form Boot^
die aus dem Mittelenglischen ins Nid. und Nd., etwas später auch
ins Hd. gewandert ist.^) Die a-Form ist aus dem Altenglischen in
das Skandinavische und in die romanischen Sprachen eingedrungen.
Da die Form baHd schon in dem von Erzepki herausgegebenen pol-
nisch-lateinischen Vokabular des Bartholomeus de Bydgostia von 1532
vorkommt,^) haben wir es vielleicht mit einem alten nordischen Lehn-
worte des Polnischen zu tun; czechisch fehlt es. Auch im späteren
Polnischen ist das häufigere Wort das synonyme I6dz\ Neben bat
verzeichnet Korbut S. 443 bosak Bootshaken, bosman Bootsmann. —
]). bal Bohle (Korbut S. 372) vermag auch ich nur aus nd. bale neben
hole zu erklären. — Dagegen ist die Verschiebung von e zu a vor
r 4- Consonant auch in der Sonderentwicklung des Polnischen gut
belegt: so ist der Vokal von zart, wart, miarkotcac kein Zeichen nd.
Herkunft. Auch vor f wird e gern zu a, vgl. altpoln. trefic = späterem
M Vgl. Kluge, Etym. Wtb. S. 85.
2) Kluge, Etym. Wtb. S. 218.
3) Kluge S. 52 f.
*) Posen 1900, S. 139: batki aselli, von Erzepki als Plural zu batka = lödka
(kleines Boot) erklärt.
92
trafic (Korbut S. 518), wo schon das anlautende t jeden Verdacht
des Niederdeutschen ausschliesst. Altpoln. tret Tritt soll nach Korbut
S. 504 von einem nd. tretUy nicht von mhd. trit herkommen. Nd.
heisst das Substantiv aber meistens trede^ seltener tret\ bei dem pol-
nischen Lehnwort wird eher die Analogie des Verbums Hretoicac,
später tratowa^^ eingewirkt haben. Das polnische trafta {iratwa)
Weichselfloss heisst naeh Frischbier 1, 150 jetzt im Hd. gewöhnlich
auch Traft. Das wird eine Rückentlehnung aus dem Polnischen sein.
Die alte deutsche Grundform muss treft gewesen sein, eine Form,
die man wegen ihres anlautenden t keinesfalls nd. nennen darf, ob-
wohl sie die auch im nd. dröft (Frischbier) vollzogene Verbreiterung
des ursprünglichen i mitgemacht hat. — Auch rafa Riff setzt eine
nd. beeinflusste Nebenform reff voraus. — stnarowac schmieren end-
lich (Korbut S. 412) geht auf älteres polnisches smeroufac zurück,
ist also nd. Ursprungs.
Schärfer als im Vokalismus pflegen die speciiisch niederdeutschen
Eigentümlichkeiten der deutschen Lehnwörter im Consonantismus
herauszutreten. In dem ganzen von Korbut ausgeschütteten Lehn-
wörtermateriale findet sich nur ein einziges Beispiel, wo im Anlaut
ein nd. t statt des hd. z erscheint, und dies einzige Beispiel (S. 454
moUych, maUyk Mahlzeit) ist aus den nordwestlichen Grenzdialekten,
nicht aus dem Hochpolnischen genommen und wird nur angeführt,
um die Umbildung des Auslauts zu belegen, die volkstümlich auch
sonst öfter vorkommt, vgl. apetyk^ 8zpinak u. ä. — Ein nd. t im
Auslaut würde zart Scherz, Spass haben, wenn es wirklich, vrie Korbut
S. 446 meint, mit dem deutschen scherz identisch wäre. Aber die
schwersten Bedenken sprechen dagegen: im Mnd. giebt es das von
Korbut angenommene schert gar nicht, sondern nur das dem Hd.
entlehnte schers] auch mnld. schertsen ist nur ganz vereinzelt als hd.
Lehnwort bezeugt. Andererseits wäre yurt^ dem übrigens ein czech. ierf,
obersorb. iort genau entspricht, das einzige Beispiel, wo ein deutsches
seh im Anlaut durch ± wiedergegeben würde. Dagegen ist anlautendes t
die regelmässige Entsprechung des weichen mhd. s. P. Lessiak wird
also gewiss mit seiner auf der Grazer Tagung mündlich geäusserten
Erklärung recht haben, dass dies westslawische iert auf das mhd.
starke Verbum serten zurückgeht, das ursprünglich stuprare futire
bedeutet, dann aber auch in den iert näher liegenden Sinn von
flocken, verführen, täuschen, betrügen* übergeht. — Endlich führt
Malinowski in der oben citierten Arbeit S. 286 noch das Wort „fortU,
ein Aufruf in den Bergwerken = nd. vorüt" an. Das ist unzweifel-
haft nd., aber Malinowski giebt nicht an, wo dieses Wort gebräuch-
lich ist. Korbut kennt es nicht, der hochpolnischen Sprache gehört
es keinesfalls an; ich finde es aber auch bei Karlowicz im Wörter-
buch der polnischen Dialekte nicht, oder sollte es etwa mit dem dort
Bd. 2, S. 25 behandelten fort^ fürt (unserm fort) identisch sein, und
Malinowski's Herleitung aus dem Nd. also irrig sein? — In der Ver-
wendung des hd. t (= nd. d) im Anlaut und Inlaut sind die deutschen
93
Lehnwörter des Polnischen sehr inconsequent. Korbut S. 439 f. zählt
eine stattliche Anzahl von Wörtern auf, bei denen wir statt des t
ein d finden, aber selbst Korbut wittert in Beispielen wie drcd) Trabant,
drahowac traben, drabina Treppe (auch nd. trappel), kaldeszan kalte
Schale, szotdra Schulter, inderdk Unterrock etc. keine nd. Einflüsse.
Nur rada fem. Rat soll altsächsisch sein! da es auch czechisch in
dieser Form, und auch als Femininum, erscheint, wird es wohl erst
nachträglich aus rät gebildet worden sein.
Über die Schwierigkeit, das anlautende p in den deutschen
Lehnwörtern des Polnischen richtig einzuschätzen, habe ich schon
oben S. 86 f. beim Kaschubischen ausführlich gehandelt. Während
Fälle wie p. tyn^ Tyniec zu germanisch tun nur in der allerältesten
Schicht der germanischen Lehnwörter des Polnischen möglich sind,
später stets nd. Herkunft des Lehnworts nötig machen würden, geht
die Vorliebe des Slawischen für das p in weit jüngere Zeiten hinunter,
bis schliesslich das ostmitteldeutsche f das germanische p direkt
ablöst. In der Gemination bleibt aber das pp auch dann noch
bestehen. Nicht-niederdeutsch ist also z. B. das alte Lehnwort litkup
(Korbut S. 429) = mhd. litkouf, dem gegenüber sich wyderkaf sofort
als eine viel jüngere Form charakterisiert. Auch kopersztych (Korb.
S. 431), koperwas Kupferwasser (Malinowski S. 285) sind md. Das
einzige Wort, das doch wohl nicht md. erklärt werden kann, ist
szyper Schiflfer (Korbut S. 429); denn hier ist das pp keine alte
Gemination, die ein hd. Schipfer ergeben würde, sondern das Wort
ist aus schip-kerre entstanden. Das von Biskupski als nd. Lehnwort
gedeutete pram Prahm kommt auch im Czechischen als prdm Tor
und ist nach Kluge i) umgekehrt aus dem Slawischen ins Nd.
gedrungen, plaster und vielleicht auch pal lassen sich direkt aus dem
Lateinischen herleiten, pal könnte aber auch schon zu den älteren
Lehnwörtern gehören, also ruhig mit mhd. pfdl gleichzusetzen sein.
Ähnlich wie beim p verhält es sich auch beim k; auch hier
bedeutet Erhaltung des germanischen k nicht ohne Weiteres nd. Laut-
form, vgl. oben S. 86 f. Dadurch erledigt sich auch das von Korbut
an mehreren Stellen ausdrücklich immer wieder als nd. hingestellte
szukac suchen, vgl. oben S. 86. Im Auslaut wirken noch allerhand
Analogiebildungen mit, die das k begünstigen (vgl. Korbut S. 454
und 508). Daher das oben besprochene halsztuk^ pak Pech, das ganz
hd. tynk Tünche u. a. mehr. Selbst blakotaac bleichen (Korbut S. 519)
möchte ich jetzt höchstens wegen seines Vokals nd. Herkunft für
verdächtig halten.2) Ein jüngeres blechofcac führt Korbut S. 419 an;
in der modernen Sprache lebt nur noch blakm^c erbleichen. — In p.
fokttisza Lakentuch (Korbut S. 505), das im czech. loktuäe wieder
erscheint, beweist das sz ein altes ch, im ersten Bestandteile ist
dagegen das nd. k von laken bewahrt geblieben.
>) Etymolog. Wtb. S. 303.
^) Vgl. F. Tamm, Slayiska länord fr&n nordiska spräk (= Upsala Universitet«
Ärskrift 1882), S. 20.
94
Von besonderer Wichtigkeit ist die Behandlung des anlautenden
seh in den deutschen Lehnwörtern, akiba (Scheibe, Brodscheibe, Erd-
scholle, Furche), das Biskupski a. a. 0. als nd. bezeichnet, kehrt in
gleicher Bedeutung (Schnitt, Brodscheibe) als skyva im Czechischen
wieder, ist also ein ganz altes gemeinsames Lehnwort der westslawischen
Sprachen. Das Polnische allein hat daneben ein sehr viel jüngere?
Lehnwort szyba Fensterscheibe aus mhd. Zeit. Der Anlaut des an
erster Stelle von Biskupski genannten szczerba Scherbe (Korbut S. 433 1
dagegen geht schon nicht mehr auf die älteste Lautform sk zurück,
sondern auf die zweite Stufe, in der sk > ik geworden war. Ich
habe oben S. 87 f. bei kaschub. sskuna^ szkcdowac, westpreuss. Muko-
tvac eine starke nd. Beeinflussung bei dieser Lautentwicklung an-
genommen, p. szczerba ist aber kaum zu trennen von dem ganz
parallelen slowenischen äkrba (Scharte im Zahn, Scherbe), das
P. Lessiak im Anz. f. deutsches Altert. Bd. 32 (1908) S. 133 bespricht.
Er stellt dort ganz die gleichen drei Entwicklungsstufen für das
alpendeutsche sk > seh auf, die wir hier in p. skäxi^ szczerba und szybtt
belegen konnten. Diese Entwicklungsreihe kann aber aus den Lehn-
wörtern des Polnischen ebensogut für eine md., wie für eine nd.
Mundart abgelesen werden, es sind eben rein chronologische, keine
ausschliesslich mundartliche Differenzen. Bei einem zweiten Belege
der Stufe äk p. szkuta flaches Flussschiff, Schute nimmt Korbut S. 414
sogar skandinavische Entlehnung an, während die kaschub. Nebenform
szuta direkt aus nd. sehnte stamme. Auch hier haben wir es allein
mit zeitlich unterschiedenen Entlehnungen zu tun, beide wohl aus
dem Nd.
Nur noch zwei Lauterscheinungen bleiben übrig, die beide Con-
sonantverbindungen betreffen und für die nd. Mundarten als besonders
charakteristisch gelten, der Übergang von ft > cht und von hs > s."?.
Beide sind aber doch nicht ganz strenge auf das nd. Gebiet beschränkt,
sondern ragen noch etwas in das Md. hinein. Die Grenze von luft j
lacht verzeichnet Wrede Anz. f. deutsches Altert. 19, 277 fA) Nach
Korbut S. 430 ist lucht krakauisch, luft allgemein polnisch, kruchta
(Vorhalle in einer Kirche) ist = Gruft, auch Krypta spielt wohl mit
hinein; es kommt aber auch im Czechischen als kruchta Emporkirche,
Chor vor. p. kluchta Kluft heisst dagegen czech. klufta, und p.
konszachty (geheimes Einverständnis, urspr. Kundschaften) steht auch
allein. Zu p. krochmal (aus krachtmel Kraftmehl) ist durch einfache
Angleichung stochmal Staubmehl gebildet worden, das wohl auf nd.
stofmel^) zurückgeht. Auch ochmistrz Hofmeister gehört schliesslich
hierher. Diese weitgehenden Umformungen der Lautgruppen ft und
1) Vereinzelte Reime von ft : cht kommen auch in der md. Sprache Jeroschins
und des Passionals vor (Weinhold, Mhd. Gramm. § 286 a. £.).
<j Nd. V (f) 80 noch in szuflada (Korb. 428), kawal Kabel, kufel Kübel
(Malinowski 286), hetoar Heber (= czech. hever). kilof, das Korbut 438 za nd.
kUhaeke stellt, gehört zu mhd. kiUMutoe. — b und p conkarrieren in dubeüowi/
doppelt (Korbut 428) und dupel-hir (Korbat 469).
95
fm mässen mit speciellen Tendenzen der westslawischen Sprachen
zusammenhängen, vgl. noch czech. vrhcaby = mhd. worfzabel (poln.
warcab Korbut S. 469), und czech. krecht Grube, Senkgrube, Wasser-
graben = nd. gracht. — Ganz ebenso haben Polnisch und Czechisch
eine Abneigung gegen die Verbindung ks, vgl. p. Auss^rg Augsburg,
ivarsztat Werkstatt, hindas Bindaxt (Korbut S. 468), vgl. mnacht
Hausknecht. So concurriert auch in Fällen wie Sas Sachse, puszka
Büchse (Ortyle Magdeburskie Korbut S. 444), dyszel Deichsel (Korbut
ibid.) diese einheimische Tendenz mit der bekannten nd. Assimilation
des hs > SS. Übrigens bietet nach Weinhold, Mhd. Gramm. § 209 u.
244, Paul, Mhd. Gramm. § 103, Beyer, Segremors S. 38 auch das
Md. zahlreiche Beispiele dieses Übergangs, wenngleich mehr aus den
mittelfränkischen und hessischen Gegenden. —
Die Untersuchung der deutschen Lehnwörter der hochpolnischen
Sprache hat nur sehr wenige sichere Spuren nd. Einflusses aufzeigen
können. Wie geringfügig dieser nd. Einschlag ist, tritt erst dann
ganz deutlich hervor, wenn als Gegenprobe einmal die unzweifelhaft
md. Bestandteile systematisch untersucht und zergliedert würden.
Diese Arbeit würde auf nicht weniger und nicht mehr als auf eine
TÖllige Neubearbeitung des Korbutschen Buches hinauslaufen, aber sie
würde auch unsere Kenntnis von der ostmitteldeutschen Geschäfts-
und Verkehrssprache ganz erheblich weiterbringen.
HAMBURG. C. Borehling.
Korrekturaote. Weil einzelne Lettern nicht ssor Verfügung waren, smd
1) die punktierten e ohne Punkt in mehreren Wörtern auf S. 82, ferner in eil
S. 86 Z. 6, sk^ne S. 87 Z. 12, rem Z. 18; 2) die circumflektierten e und a ohne
Circumflex in cäpelk S. 86 Z. 6, dresUr S. 87 Z. 17, catd, havzäcl S. 86 Z. 6;
3) das II mit einem nach unten offenen Halbkreise ohne diesen in caül S. 86 Z. 6
wiedergegeben.
96
Zur Magdeburger Sehöffenehronik,
Die Magdeburger Schöffenchronik nimmt unter den deutschen
Städtechroniken eine hervorragende Stellung ein. Sie hat das ihrer
Form wie ihrem Inhalt zu danken. Als sie 1869 in der Sammlung
der Chroniken der deutschen Städte, von Karl Janicke herausgegeben,
erschien, 1) habe ich ihr eine eingehende Besprechung in den Götting.
gel. Anzeigen (1869 October 13 St. 41) gewidmet, die die Quelle
nach beiden Seiten hin zu würdigen suchte. Sie ist reich an rechts-
historischem Inhalt: für Städtewesen, Rechtsqueilen wie Sachsenspiegel
und Magdeburgisches Recht, Gerichtswesen, bietet sie mannigfachen
StoiF. Wiederholt haben mich daher meine Arbeiten auf sie zurück-
geführt. Dabei sind mir immer zwei Stellen der Chronik aufgefallen,
die Schwierigkeiten in sich schliessen, welche in der Ausgabe zwar
bemerkt, aber nicht gehoben sind. Kann ich auch nicht abschliessende
Erklärungen vorlegen, so benutze ich doch die Gelegenheit, um die
Aufmerksamkeit eines philologischen Altmeisters, der immer für Form
und Inhalt der niederdeutschen Quellen ein offenes Auge gezeigt hat
und der Freunde dieser Literatur aufs neue auf diese Stellen hinzulenken.
I.
Die erste Stelle gehört dem dritten Teil der Chronik an, der
die vom Chronisten selbst durchlebte Zeit, die Jahre 1350 — 1372.
umfasst. Über Personen und Ereignisse, deren hier gedacht ist, be-
richtet er oft aus eigener Anschauung. In der Zeit, da er das Amt
eines Schöffen- und Stadtschreibers zu Magdeburg bekleidete, starb
Erzbischof Otto (1327—1361). Ein Teil des Domkapitels wählte den
Bischof Ludwig von Halberstadt zum Nachfolger, eine Wahl, die den
Bürgern und Landleuten des Erzstifts nicht sehr lieb war, denn der
Gewählte „was ein junk inan van grotein siechte^ — er war ein Mark-
graf von Meissen — und hatte sein Bistum so regiert, dass seine
Untertanen „al to sere ome nicht dankeden" und ihn ganz gern den
Magdeburgern überlassen hätten, „und hedden uns on wol gelai^n*'
(2341 ff). Während Streit innerhalb des Domkapitels und zwischen
Kirche und Stadt über die Neuwahl zu entstehen drohte, zeigte Kaiser
Karl IV. den Magdeburgern an, dass er dem bisherigen Bischof von
Minden, dem der Papst mittels Provision das Erzbistum Magdeburg
erteilt und das Pallium übersandt, die Regalien verliehen habe^j.
Während das Domkapitel noch schwankte, trat der Domdechant,
1) Ghron. der deutschen Städte Band VIl.
8) Huber, Regest. K. Karl IV. Nr. 3762.
97
Arnold von Karsheim, i) entschieden für die vom Kaiser getroffene
Wahl ein, durch die ^Gott und der Stuhl zu Rom und der Kaiser^
„dit godeshiAS mit einem cloken riken bischope" versorgt habe (23422).
Auch die Stadt war bereit ihn zu empfangen, wenn er ihr ihre Privi-
legien bestätigte und den Bürgern die Lehen „ane gave" wie bisher
zu leihen verspreche. Der neue Erzbischof war den Bürgern und
dem, der die bisher benutzte Erzählung schrieb, keine unbekannte
Persönlichkeit. Ihre Abgesandten und der Schöffenschreiber hatten
schon einige Jahre zuvor mit ihm, als er noch Bischof von Minden
war und der nächsten Umgebung des Kaisers angehörte, eine Ver-
handlung über das Magdeburgische Burggrafenamt geführt.
Am 16. Nov. 1361 zog Erzbischof Dieterich in Magdeburg ein.
Nachdem die Chronik darüber und über die ersten Verhandlungen
mit den Domherren und den Bürgern berichtet hat, beginnt sie einen
neuen Abschnitt unter der Überschrift: van hifchop Diderikes gebort
und wo he hifchop wart to Magdehorch (237 ^ö). Seinen Eingang
bildet die kritische Stelle : „Bischop Thiderik was van hovescher gehurt,
eines wantmekers sone van Stendal**. So übereinstimmend die beiden
allein in Betracht kommenden Handschriften, von denen die der Kgl.
Bibliothek zu Berlin (A) dem Ende des 15., die der Magdeburger
Stadtbibliothek (B) dem 16. Jahrh. angehört, nach der Ausführung
des Herausgebers zwei von einander unabhängige Abschriften eines
Codex, der nur wenig älter als A sein kann (S. XLVII). Nach dem,
was die Chronik sonst noch über die Herkunft des Erzbischofs
berichtet, hat sich der Herausgeber für berechtigt gehalten, den Text
zu ändern und hinter dem Worte was ein nicht einzuschieben. Mit
dieser Lesart ist der Satz auch in dem Mnd. Wb. II 316 unter den
Belegen für hovesch aufgeführt.
Janicke erklärt die Hinzufügung der Negation für notwendig.
Eine hovesehe^ dem Hofe gemässe, Geburt wolle eine vornehme Her-
kunft ausdrücken. Im Gegensatz dazu legt die Chronik an andern
Stellen dem Erzbischof eine „kleine*, eine „schlichte*' Geburt bei.
Als die Stadt im J. 1363 Bauten begann, die die Stiftsfreiheit be-
drohten, suchten die Domherren den Erzbischof gegen die Bürger
mit dem Vorgeben einzunehmen: der Bau sei ihm ^to smaheit^ ins
Werk gesetzt, „wenn were he ein bom vorste, de borgere endorften des
nicht don" (23821), einem geborenen Fürsten gegenüber hätten die
Bürger solches zu tun nicht gewagt. In gleicher Weise gingen die
Domherren vor, als die Bürger den Dekan von St. Nicolai gefangen
gesetzt hatten: auch dies sollte dem Erzbischof j^to smaheit gedan^
sein, „umme dat de hifchop van deiner bort was^ (24828). In allen
diesen Fällen liess sich der Erzbischof nicht aufhetzen gegen die
Bürger, sondern richtete und schlichtete die Streitigkeiten mit Klug-
heit und Sanftmut. Der Schöffenschreiber, obschon er in Sachen der
Stadt wiederholt dem Erzbischof in ernsten Verhandlungen gegenüber
>) Hertel, Magdbgr. Gesch.-BU. 1889 S. 237.
F«ttg»be (Nd. Jb. XXXVU).
98
getreten war, schliesst doch sein Urteil über ihn würdig und aner-
kennend. Den Höhenpunkt in dem Leben des Erzbischo& bildet die
Einweihung des Magdeburger Doms am 22. Oktober 1363. Seit
anderthalb Jahrhunderten hatte kein Bischof, j^xioo tool eüike groU
vorstenkindere weren^^ aus Furcht vor den Kosten den Dom zu weihen
gewagt. y^Diffe bischop van slichter bord^ brachte es zu Wege; ja es
blieb noch Geld übrig, ^toente he ed mit clokheU ut dem lande toeh^
(251 1^). So bewährte er, was der Domdechant vorausgesagt hatte,
das Bistum würde an ihm einen chken riken bischop erhalten (ob. S. 97);
wobei jffik^ gewiss mehr als in dem Sinne von dives in dem von
potens^ einflussreich, mächtig zu verstehen ist.
Diese Zeugnisse des Chronisten stimmen alle darin überein, dass
Erzb. Dieterich nicht von edler oder vornehmer Herkunft war. Er
setzt positiv hinzu: er war eins tvantmekers sone van Stendal^ der
Sohn eines Stendaler Tuchmachers, nicht eines tvantsnider^ eines
Tuchhändlers. Ob das tatsächlich richtig war oder nicht, ist für das
Verständnis der Chronik zunächst gleichgültig. Ihr Verfasser hielt
die Nachricht jedenfalls für verbürgt. Wie kam er aber dazu, trotzdem
eine solche Herkunft als hovesch zu bezeichnen? Den Ausdruck
„hovesche gebort^ verwendet er nur an dieser Stelle, so sehr er sich
auch sonst in Bildungen aus dem Worte hove gefällt, i) Rechtfertigt
das nicht den kühnen Schritt, zu dem sich ein Herausgeber nicht
leicht verstehen wird, ein „nicht'' in den Text zu setzen? Janicke
war seiner Sache nicht ganz sicher und liess die Möglichkeit offen,
dass dem Worte hovesch ein noch nicht ermittelter Sinn beiwohne,
der es zu einem Synonym von „clein'' und j^slicht'' mache (237 Var.).
Ich habe schon früher die Vermutung geäussert, dass j^hovesch"^
in einer Verwendung wie in der Magdeburger Chronik einen spezifisch
städtischen, mit StandesverhältnilTen in den Städten zusammen-
hängenden, Sinn haben könne.^) In einem Urteil, das die Magde-
burger Schöffen 1331 an die von Stendal senden, lautet die Anrede:
wy schepen der stad to Magdeborch bekennen, dat we den kloken unde
den hoveschen mannen, den schepenen to Stendal . . . (Behrend, ein
Stendaler Urteilsbuch aus dem 14. Jahrb. [Berlin 1868] S. 11.) Ebenso
in einem Urteil v. 1340: den hovescheti mannen unsen vrunden den
scepen to Stendal untbede toye scepen der stat to Magdeburch usen
unllegen denst (das. S. 91). Die übrigen Schöffenbriefe der Hand-
schrift, alle von Magdeburg an die gleiche Adresse gerichtet, zeigen
in den Anreden vielfachen Wechsel: den erbaren mannen (99), den
ivisen (112), den kloken (19; 11), den bescedenen (95; 28) ebenso auch
die lateinischen: prudenttbtis viris, honestis, discretis (114; 117). Einmal
lautet sie auch: den kloken mannen, den heren (19). Auch in den
Magdeburger Schöffenbriefen anderer Sammlungen zeigt sich eine
grosse Mannichfaltigkeit der Anreden. Die wechselnde Mode, die
1) Glossar zu St&dtechron. VII S. 461.
s) G. G. A. 1869 S. 1636.
99
Übung der einzelnen Schreiber mochte darauf von Einfluss sein. Unter
denen des 14. Jahrhunderts, soviel ich deren durchgesehen habe, ist
mir eine unserm Worte verwandte Bezeichnung nur einmal begegnet :
1339 schreiben die von Magdeburg an Zerbst: dm kloken unde den
hoveUhen mannen den ratmannen to CerwistA)
Von den vorstehenden Ausdrücken hat sich einer sicher zu einer
Standesbezeichnung verdichtet. In den Nürnberger Jahrbüchern des
15. Jahrhunderts wird der städtische Aufstand von 1348 kurz mit den
Worten geschildert: da schlugen die hantwerker die erber gen auß
der stat^ oder in lateinischer Fassung : mechanid expulerunt de civitate
honestiores vulgo die erbernß) In einer Geschlechtsaufzeichnung der
Augsburgischen Familie Ilsung aus dem 15. Jahrhundert wird aus-
einandergesetzt: durch den Gebrauch des Wortes erbar, erbrigkaü
für die obern Klassen der Bürgerschaft solle der nicht dazu Gehörige
nicht beschimpft sein: es mag yedlicher erber sein vir sich selbst^ als
Standesbezeichnung gebühre es nur denen, die selbst und ihre Vor-
fahren lang in grossen Ehren und Bechten gestanden haben (Augsb.
Chron. I 149). Ähnlich wie mit dem Worte „erbar^ wird es mit
„hovesch^ gegangen sein. Anfangs eine Höflichkeitswendung, wird es
zu einer Standesbezeichnung. Gab dort die dauernde Bekleidung
städtischer Ehrenämter, der honores, dem Worte seine neue, dem
Bürgerwesen eigene, Bedeutung, so wird hier das Eindringen höfischer
Sitten in die hohem Bürgerkreise diesen die Bezeichnung „hovesch^
verschafft haben. Seitdem auch unter den Kaufleuten nach dem Aus-
schreiben der Magdeburger Constabeln von c. 1280 solche vorhanden
waren: „de dar ridderschap wolden oven^^^) gab es Bürger, deren Leben
und Treiben ,^hovesch^^ dem Hofe gemäss war.
Ehrbar (ehrlich) und höfisch werden dann auch zusammengestellt :
Von rades wegen des capitels sin tohope eschet deprelaten, geistUke personen,
de pernere unde vele andere hovesche v/nde erl^e personen unde dat ganze
volk (Chron. des Goslarschen Stifts S. Simon und Judas, hg. v. Weiland
in Deutsche Chron. II 599).
Eine Ausgleichung des Gegensatzes zwischen Tuchhändlem und
Tuchwebern hatte in Stendal seit 1345 stattgefunden, wo die bisherige
aristokratische Stadtverfassung einer demokratischen Ordnung gewichen
war. Die Gewandschneider, die bisher das Regiment in der Stadt
geführt hatten, waren seitdem den übrigen Gilden gleichgestellt.^)
Die Person des Erzbischofs Dieterich von Magdeburg spielt auch in
der Geschichte des Bismarckschen Geschlechts eine Rolle; doch ist
die Frage seiner Herkunft und der Bericht der Magdeburger Schöffen-
chronik darüber in den Untersuchungen, soviel ich sehe, wohl gestreift,
doch keiner eingehendem Erörterung unterzogen.^)
1) Magdeburger Schöffensprüche hg. v. Friese und Liesegang I (1901) S. 115.
S) Städtechron. X 124. Schmeller, Bayr. Wtb. I 126.
>) Schöffenchron. 168 1*.
«) Hegel, St&dte und Gilden II 482, 486.
>) Riedel in Märkische Forschungen XI (1867) S. 80.
7*
100
Eine Bestärkung meiner Vermutung, dass „hovesch'^ geeignet
war und gebraucht wurde, um Personen des hohem Bürgerstandes
zu bezeichnen, finde ich in der spätem Übung, von „hübschen Familien^
zu reden. Sie war, wie es scheint, nur in Hannover verbreitet
Nicht-Hannoveraner reden missverständlich von „schönen Familien^
(v. Treitschke, Deutsche Geschichte III [1885J S. 540). Einen lite-
rarischen Beleg aus der Zeit, da die Sache noch existierte, habe ich
nicht gesehen; ich kenne die Wendung nur aus mündlicher Über-
lieferung. Sie fasste die Beamtenfamilien zusammen, die einerseits
nicht dem Adel angehörten, auf der andern Seite aber doch gewohn-
heitsmässig in die höhern Stellen des öffentlichen Dienstes gezogen
wurden, die nicht nur dem Adel zugänglich waren. Vorzugsweise
wurden aus ihnen die Stellen der geheimen Secretaire, wir würden
heute sagen, der Referenten und vortragenden Räte in den Ministerien,
besetzt. Der Adel bildete den Hof des Landesherm; höfisch oder
hübsch waren die dem Hofe nahe standen, aber ihm doch nicht an-
gehörten, i) Eine alte populäre Erklärung der hübschen Familien soll
sein: Familien, deren Kinder mit denen der Adeligen spielen dürfen.
Der Sprachgebrauch, bisher wenig beachtet, verdiente eine genauere
Verfolgung. Im Grimmschen Wörterbuch IV 2 Sp. 1852 findet sich
nur eine schwache Andeutung.
n.
Die zweite Stelle betrifft eine innerhalb der Bürgerschaft spielende
Streitigkeit, wie sie in der mittelalterlichen Geschichte Magdeburgs
häufig waren. Sie fällt ins Jahr 1293, also weit vor die Zeit, über
die der Chronist aus eigener Kunde berichten kann. Ein damals
errichtetes Statut schloss vom Rate Personen aus, die in Dienst oder
Brot eines Fürsten stehen; bereits vorhandene Mitglieder solcher
Stellung sollten aus dem Rate verwiesen werden. Mehrere Ratmannen,
die besonders auf die Fassung dieses Beschlusses hingearbeitet hatten,
begaben sich darauf in den den Gewandschneidem gehörigen heiligen
Geisthof und zeigten die Urkunde über das neue Statut Henning Jans
und seinem Rmder Cone mit der Bemerkung, sie seien damit nicht
gemeint, „wente m wolden ju holen to Colne, wenn dat wi ju vorwiseti
ioolden ute dem rade*^ (173 2). Als dann bei der nächsten am 12.
Februar 1293 vorgenommenen Wahl aus der Innung der Gewand-
schneider Cone Jans in den Rat gewählt wurde, verwies man ihn
sofort aus dem Rate. Der Berichterstatter fugt hinzu: umme oldes
hates willen, als he des nue vorschult hadde. Er will also wohl sagen :
Dem Vorgehen gegen Cone Jans lag eine alte von ihm unverschuldete
Feindschaft zu Grunde, eine Intrigue, die man in die Gestalt einer
rechtlichen Neuordnung kleidete.
Eine Satzung des angegebenen Inhalts findet sich oft in städ-
tischen Statuten und ist erklärlich genug. Hamburg 1270 I 3: nocli
1) Vgl. m. Aufsatz m Ztechrft des Histor. Verems f. Niedenaclisen 1911 S. 4.
101
voghet noch mutUemester .... nocA nen ammet^nan unses heren ....
schal in deme rode toesen, Sg. Ratswahlordnung Heinrichs des Löwen
für Lübeck: tvi settet ok, dhat men nemene te in den rat, hene si echt
. . . unde ok nin ammet hebbe van heren A) Das Interessante an der
Nachricht des Chronisten enthalten die Worte: wi wolden ju holen to
Colne. Janicke fügt dem Worte Colne hinzu: schwerlich richtig.
Der Sinn ist aber doch offenbar der: euch aus dem Rate zu weisen,
ist sowenig unsere Absicht, dass wir euch eher von Cöln holen würden,
als auf euch zu verzichten. Soll damit bloss ein entfernter Ort
bezeichnet sein, von dem man jemanden mit Mühe und Kosten für
ein Amt erwerben würde, ehe man die Dienste des Gegenwärtigen
entbehren möchte? Ich glaube, die Erwähnung Cölns in dieser Ver-
bindung hat einen tiefem Sinn. Cöln galt dem Mittelalter als der
Anfang und Urquell alles städtischen Wesens. In einem Streit zwischen
dem Erzbischof Dieterich und der Stadt über die Schöffenwahl setzte
der Schöffenschreiber den Bürgern auseinander : de groteste vriheit und
bewißnge differ stad steit an diffem köre, wente keiser Otto satte
sulven de ersten schepen und dat recht und stedigede se mit ordelen in
dem hove to Colm (241 9). Als gegen Ende des 14. Jahrhunderts
Streitigkeiten über das Recht des Vorsitzes in der Hanse entstehen,
dringt Bremen darauf, in Cöln, das gegen Lübeck das Recht in
Anspruch nahm, nachzuforschen, „of unr (die Cölner) eyniche schriefte
van der fundacien der Duytzschen henscze, wo die begriffen ind gemacht
sin, hedden,^ Die Cölner fanden, wie begreiflich, nichts, vertrösteten
aber die Bremer, sie wollten weiter nachforschen und, wenn sie etwas
fänden, ihnen mitteilen.2) In dem Sächsischen Weichbildrecht wird
zu Eingang zwischen dreierlei Rechten unterschieden: Gottesrecht,
Mafktrecht, Landrecht. Von dem zweitgenannten wird dann aus-
geführt: marktrecht ist daz die marktlute under en sehen gesazt haben
nach der alden gewonheit, als die von AtheniSj von Kollen over Ryn und
andere gtUe stete halden,^) Das ist dieselbe Ansicht von der Entstehung
des Stadtrechts, die schon dem ältesten Freibrief für Freiburg i. B. zu
^) „we in der vorsten rade wer edder ore cleiding neme edder or toinner
were*^ neisst es in dem Maffdeb. Statute 172^. Das Wort toinner ist unerklärt
geblieben (S. 483). Das Mnd. Wb. Y 782 will wörtlich darunter jemandem ver-
stehen, der für einen Fürsten Gewinn macht Wer wäre damit gemeint? Das in
Lübeck bekannte „in der heren winne eitlen*^ (Wehrmann, Zunftrollen S. 880)
bietet, wie mir scheint, einen Fingerzeig, nur dass man es nicht lokal, wie im
Mnd. Wb. y 780 geschieht, im Anschluss an Wehrmann verstehen darf. Winner
könnte danach jemand sein, der in einer vom Herrn gewonnenen Stelle sässe.
Scb melier II 980 verzeichnet aus Kilian landtoinner oder blos toinne f&r Land-
bauer, agricota-, vgl Mnd. Wb. II 629 Die Worte des Reimar Eock: und tcinnen
dat recht wedder an haben keine besondere Beziehung zu den Stellen der Nädeler,
de dar Sitten in der heren toinne^ sondern gehören zu den feierlichen Formen der
Gerichtseröfihung und bedeuten etwa: die Erlaubnis zur Wiedereröffnung des eine
Zeitlang geschlossen gewesenen Gerichts erteilen.
<) Hanserecesse I 6 S. 594 Nr. 601. M. Aufsatz in Hans. Gesch.-BU. 1898
S. 88; Stein das. 1906 S. 148, 166.
3) v. Daniels, Rechtsdenkm. des deutschen MA. (1368) S. 64.
102
Grande liegt: die Streitigkeiten unter den Bürgern Bollen entschieden
werden „jtto consttetudinario et legüimo jure (nntiium mereatorum
praecipue autem Coloniensium.'^ ^) Dhs jus mereatarum des Freiburger
Privilegs, die markUute und das marhtrechi des Sächsischen Weich-
bildes haben keine besondere Beziehung zum Handel oder Handels-
recht, sondern bedeuten Städter und Stadtrecht, wie im weitem
Verlauf der Stelle von Städten die Rede ist. Dass Cöln aber froh
auch im Handel und Verkehr die grösste Bedeutung errang, beweisen
das kölnische Pfimd und die kölnische Mark, die, seit dem 11. und
12. Jahrhundert bezeugt,^) so lange hin, die kölnische Mark bis zur
Münzconyention von 1857, in Geltung geblieben sind. In dem be-
kannten Wettstreite des Hamburgers und des Bremers über den Vor-
rang ihrer Städte, den die Chronik Yon Rynesberch und Scheue
erzählt, geben beide Teile zu, j,dat Colne ene hiwetstad is in Älmanyen,
dat Colne dai varegand heffi boven anderen sieden in Älmanygen,*'^)
K. F. Eichhorn hat einst in der Verfassung von Cöln das Ur-
bild der deutschen Städteverfassungen finden wollen. Ist diese An-
sicht längst als unhaltbar erwiesen, so gehörte es doch offenbar zu
den das deutsche Mittelalter beherrschenden R^chtsanschauungen,
dass von Cöln ausgegangen sei, was in den Städten als Grundlagen
von Recht und Gericht, von Handel und Verkehr galt. Eine bekannte
Neigung des Mittelalters fuhrt die Entstehung vorhandener Einrich-
tungen auf bestimmte Urheber zurück oder knüpft sie an bestimmte
Ursprungsstätten. Für das Gebiet des deutschen Städtewesens glaubte
man in Cöln als einer Stadt des höchsten Alters und des grössten
Ansehens in kirchlicher und in weltlicher Beziehung das Muster für
alle andern zu finden. Auch die Rechtssagen bilden einen Bestandteil
der Rechtsgeschichte.
GÖTTINGEN. F. Frensdopff.
1) Keutgen, Urk. z. städt. Verf.-Gesch. S. 118.
^ Waitz, yerf.-ae8ch YIII 884 ff. Schröder, Rechtsgesch. S. 587, 921.
') Lappenberg, Qe8ch.-Qa. t. Bremen S. 79.
103
Schauer.
In der gereimten Paraphrase des Hohenliedes, welche Brun
von Schonebeke in den Jahren 1275 und 1276 verfasste, findet man,
V. 1617, das Wort schür ^ "Hagel- Regen- Gewitterschauer", in einer
Bedeutung, die bisher nicht in mittelalterlichen Quellen nachgewiesen
ist. Die Stelle handelt von den Eigenschaften der zwölf Edelsteine,
mit denen dem Gedicht zufolge das Bett Salomos geschmückt war.
Es heisst dort vom Rubin: Der andir stein git turen schin der heizet
karbimkel und ruMn (v. 1606 f.) . . . Der stein brinnet als ein vur
iz si tag adir nachtschur Her irluchtet daz ist gewisse alle di nn-
stemisse (v. 1616 l)A)
Das Glossar des Herausgebers umschreibt nachtschur mit
^'schauerliche Nacht", eine Übersetzung, welche mhd. schür die Be-
deutung des heutigen Schauers = Schauder 2) beilegt. Der Abschnitt
vom Rubin giebt augenscheinlich eine der zahlreichen Stellen in der
mittelalterlichen Litteratur wieder, wo von diesem Stein erzählt
wird, dass er vor Allem im Dunkeln und in der Nacht leuchte —
ich citiere beispielshalber zu v. 1616 etc. Beda Hexam. lib. I (Migne
91, c. 46): "Est autem carbunculus, sicut et nomine probat, lapis
ignei coloris quo noctis quoque tenebras illustrari perhibetur" 8). Die
richtige Übersetzung, die schon aus dem Gegensatz zu tac : tag adir
nachtschur^ hervorgeht, ist demnach lediglich "Nacht", "nächtliche
Weile" = mhd. nachtzit. Diese Bedeutung setzt voraus, dass mnd.
schür die Nebenbedeutung "Zeit", . „Weile" haben konnte.*)
In den lebenden nd. Mundarten ist schür in der Bedeutung
Zeitdauer, Weile keineswegs ungewöhnlich. Es genügt ein Blick
in die bekannten Idiotica von Danneil, Schambach oder das
Brem. Wtb. um sich davon zu überzeugen. Den nd. Beispielen: en
god schür slapeti, wenen, set di en schür hen etc. kann ähnliches aus
dem Friesischen z. B. nordfr. an skürki "eine kleine Weile", e
1) Das Hohelied Brans von Schonebeck, hrg. von A. Fischer Bibl. litt.
Verein Stuttg. vol. 198.
*) S. die Wtbb. s. yy. Schauer, Schauder, schaudern.
>) Vgl. aus späteren Quellen '^Carbunctdus gemma rubicundissimua est, in
obscuro et tenebris lucens ut carbo" Arnoldus Saxo XllI, und '* Carbunculus est
lapis omnium pretiosissimus et cariasimus et amnium lapidum perhibetur virtuiibus
preeditus. Ht/^jus color igneus est et nocte magis quam die lucet; nam die obscuratur,
nocte vero tantem refulget, ut circa se noctem quasi in diem vertat", Vincentias
Bellovac. Spec. nat. IX, 61. Die Bedastelle zu Gen. II, 12 (vers. Ital.)
^) Dem Zusammenhang genügt auch "n&chtliches Dunkel", aber eine solche
Bedeutung, etwa aus "Schauerwolke, dunkle Gewitterwolke" entwickelt, ist ebenso
zweifelhaft als "schauerliche Nacht".
104
skür diarefter u. s. w. i) entgegengestellt werden. Das nämliche Be-
deutungsphänomen wiederholt sich auf ndl.-sächsischem Boden, im
Dialekt der Graafschap, bei stonn, das ebenfalls die Bedeutungen
Schauer und Zeitmoment in sich vereinigt: eine Weile, een poosje
heisst hier allgemein n' störmken.^)
Der Bedeutungsübergang Schauer : Weile kennzeichnet sich
deutlich als eine nur volksmundartliche Erscheinung. Diese Tat-
sache findet sich in Einklang mit dem heutigen Sprachgefühl, dem
die engere Verknüpfung der Begriffe Zeit und Schauer fremd ist
Das Phänomen kann aber im früheren Leben des Germanischen von
grösserer Gewichtigkeit gewesen sein. Ein unzweideutiges Zeugnis
dafür ist uns aus dem Skandinavischen erhalten. Es ist dies altn.
ArfJ) f. "Schauer", "Gewitter", das bekanntlich sowohl altisl. als
altschw. als Synonymen von stund^) verwendet wird, wie aus den
geläufigen Ausdrücken langa (h)n^, litla (h)ri^, umb hri^ ''eine Zeitlang''
etc. zur Genüge hervorgeht.*) Diese Verwendung ist noch in neu-
norw. dial. rid, n f.: ei liti rt "eine kleine Weile", ei god r% "eine
gute Weile" lebendig. In den lebenden skandinavischen Mundarten
zeigt sich dasselbe Bedeutungspaar in norw. dial. fauka, fuku f. fänk
f. m. "Schauer", "Schneegewitter", auch "Weile, Zeitabschnitt": äi
häile fwuk(a) "eine ganze Weile" Aasen, Boss, schw. dial. fäuk f. m.
fuku f. (Sv. Landsm. 1906, S. 60) "Weile, eine kleine Weile''
Rietz etc., und vielleicht noch in anderen Worten. Das nordische
Wort lehrt, dass dem Phänomen eine allgemeinere Geltung zukommt,
als seine Umgrenzung im Festlanddeutschen an die Hand giebt.
Das hier abgehandelte Bedeutungsphänomen ist als Moment in
einem umfassenderen Bedeutungskomplex zu verstehen. Überblickt
man die wichtigeren in germ. skur, hri^ etc. vorhandenen Bedeu-
tungen, so ergeben sich zwei begrifflich verwandte, aber in sich ge-
schlossene Hauptserien:
1. (vom Wetter) Schauer, plötzliches, schnell vorübergehendes
oder sich mit Zwischenräumen wiederholendes bez. andauerndes Ge-
witterphänomen ; Regen-, Hagel-, Gewitterschauer, Windstoss, Bö ;
Regenwolke, Gewitterwolke ; kürzere oder längere Periode von Regen,
Sturm, SchneC; Kälte etc.
^) S. die genannten Dial.-Wtbb. und Johansen, Nordfriesische Sprache
S. 230, 286, 249 etc. — Mit der Bed. Weile geht, durch eine leichte semasiologische
Verschiebung, die Bed. "Strecke, Wegstück" Hand in Hand: efter dat wat an skürki
(eine Weile, ein Stück) merkööder gingen totar ib. 226; de weg dögt bi schüren
(stellenweise) nig veel Brem. Wtb.
^) S. Gallde Wdb. op het Qeldersch-Overrjsselsch Dialect s. v. storm, Yan
de Scheide tot den Weichsel I, 462 ff.: n' störmKen eleen 472 n' goed etörmken
ib., n' störmken praten, kuijeren 462, 497.
') auch in der Bed. Abstand, Wegstrecke.
^) n]) ä. aschw. nur in ^iv^ari}^ "Thingstermin", j. aschw. fiidh f. m. häufig.
— an. hri}^ = tid : var }^at eigi long hri}^ c&r H, andadie 0. T. 21 (£ g i 1 s. Lex.)
hrip Zeit, WeUe an. erst in der Prosa belegt: lüea hri^ Einl. zu Grottasongr etc.
105
2. Fieber, Zitterschauer, Paroxysmus, besonders bei Krampf,
Epilepsie oder Geburtswehen; überhaupt heftige« Torübergehende oder
mit Zwischenräumen wiederkehrende Anwandlung eines körperlichen
oder seelischen Übels, Anfall von Schmerz, Krankheit, Fieber, Schau-
dern, Schwindel etc., Anwandlung von Zorn, Wut, Weinen, Lachen,
Laune etc.
Dieser vollständigere Bedeutungskomplex, der ausser ''Weile,
Zeit" noch andere Nebenbedeutungen enthält, ist, wie die folgende
Beispielssammlung zeigt, nur im Nordgermanischen, bei Schauer^
spec. in dem nd.-engl. Gebiet, vorhanden, i)
nd. schür: Begen-, Hagel-, Gewitterschauer, Windstoss, s. spec. Brem.
Wtb., Schambach, Dann eil; nd. ragen- hagel- dönnerschur; ndl. Sachs. <cAo«r
=s mnl. schuur (jetzt ndl. bu%): regen- donder- windsehoer Gall^e, Molema,
Draaijer; holl. frs. ekoer Bö, toynskoer; nordfra. n. Helgol. skÜTf sklr, rinskür
Regenschauer, Waog. thünerschür Gewitterregen Fr. Ar eh. I, 399; e. ahower
allg. Regenschauer ^agel-), dial. anhaltender Sturzregen; nord. skur allg. Regen-
und Hagelschauer, dial. auch möskur etc., — (dunkle, schwere, drohende) Ge-
witterwolke, Regenwolke: schoer, donderschoer, en dicht schür Molema, Draaijer,
Brem. Wtb.: dar sü schürs an de lücht Draaijer; doar sat een donder-
schoere aan de locht (Drenthe) Van de Scheide tot den Weichsel I, 604,
▼gl. Wang. ihünerlucht Donnerwolke: de lucJU groit up, wat gröit der 'n thüner-
lucht up Fr. Ar eh. II, 74, vgl. ndl. ontceersbui ^'Gewitterwolke", nd. de bö(e)
stigt, drivt.
norw. dial. skura f. "eine Zeit Yon hartem, besonders kaltem Wetter" R o s s.
nd. schür dem. schürken*) Fieber- Krankheitsanfall, Krampf — auch md.,
hess. und thür., s. Vi 1 mar und Hertel — thwung- reddelskür Fieber- Zitter-
schauer Johansen, bes. "Anstoss der fallenden Sucht" Brem. Wtb., paese
schür Epilepsie Stieger Ma. (DWB), bese schür "schlimmer Anfall" Hertel =s
slim schür Schütze etc.; schurkens Zuckungen bei kleinen Kindern Danneil,
DWB; Schmerzanfall: holl. fn. skoerring zu «Soerr^fi "schauern, böen" Dijkstra
— Ygl. dän. u. schw. (dial.) Hing Bö, norw. dial. eling f. Schauer,. Schmerzanfall,
Oicht, zu dän. norw. dial. el =s an. H Bö, Regenschauer, Schneesturm, schw. ü
Windistoss; vorübergehender Anfall einer Gemtttsstimmung — vgl. ndl. vlaag und
hui — Anwandlung von Laune, Wut, Toben, Weinen etc.: he hk wer sin schür
Schambach, DWB etc. dat (de) dtüle schür Brem. Wtb., DWB. etc., nordfri.
skür Laune Siebs Pauls Grundr. I, 1406 — vgl. schott. diaL spdlwind *'a riolent
outburst of passion, a gust of rage" Wright (Jam.).
e. dial. shower "a sharp attack, a throe, agony, parozysm, the pangs of
child-birth — a strong push, a sudden tarn — a copious supply, a quantity')
Dial. Dict.
norw. dial. rid f. (nördl.) "üngewitter, hartes Wetter, Zeit mit Kftlte, Schnee
und Sturm: kald- snjo- w)edrsri(d) = fauka Aasen; neuisl. hH^ f. Schneesturm
= schott. und north. snoW'WreaiK\
norw. dial. r^(d) f. (allg.) Anfall von Krankheit oder Schmerz, bes. von den
einzelnen Anfällen der Geburtswehen: federid etc. = fedeflaga Aasen; neuisl. PI.
hri}^ir Fieberanfall, Schmerzparoxysmus, Geburtswehen Yigfuss. etc.; schwed.
dial. ri f. z. B. svemmeri Schwindelanfall, PL bamarier Geburtsschmerzen Rietz
1) Die obd. Dialekte haben bekanntlich den Bedeutungskreis des Schauers
auf die Erscheinung des — von Blitz und Donner begleiteten — Hagelgewitters
eingeengt. S. bes. Pauls Deatsches Wtb. und die Dialektwtbb. von Schmeller,
Schöpf und Lexer. Bereits mhd. und spätahd. ist schür meist gleich hagel^ lat.
grando — s. die mhd. Wtbb. und Graff VI, 685.
') schw. dial. sk^ka Fieberanfall Rietz.
') Vgl- schw. skur af ovett "Schauer" von Scheltworten.
10«
nonr. dUl. r\da (tie) f. Fiebenchaaer, Laune, OemfltMtimmniig, rida (rie) f.rln
AnüJl Yon Weinen etc.: dar kam da Hie paa 'aam, n riie te ffraate Bobs —
schw. dial. rld (schlechte) Laone Rietz.
nonr. dial. fauka, fuku f. Ungewitter das mehrere Tage anhält, Zeit mit
anhaltendem Qewitter « nd: snjofukuy vedrfäuk(u) etc.; aach Windstosa, Bd.
vinnfoku Boss » vindflaga Aasen: fuku kleiner Begenschauer, Begenwolke,
Gewitterwolke, vom Meer hereinziehender Nebel mit Bogen Aasen = foku Meer-
nebel Boss fuke UL feiner Bogen Aasen; norw. foky dän. fog: dial. st^afok etc.
Gestöber, Schneegewitter = altn. fok, norw. dial. f0yk m. Gestöber, Wind(8t08s|
mit Schnee Aasen ss feykja f., f^ylsje n.: tnefeyke Boss, Tgl. fjukoy din. fygt
/ (Tom Schnee etc.) stieben, stöbern = ftfykja stieben '*?om Schnee, eigtl. Yom
Winde" Aasen.
fauka, /u&u f. Anfall, Anstoss, z. B. einer Krankheit = fld, flaga Aasen,
Boss; Anwandlung, Laune, z. B. galnfuku^ auch -fauka -fäuk Anfall Ton wilder
Ausgelassenheit, yon unsinnigem Benehmen — Tgl. nd. schür, duüe schür — Boss
fok n. Taumel, Eile Aasen = füka, foka f. (reissende) Eile Böse fjuka
f. Eile, Tgl. altn. fjuk "Gestöber" Boss; f&yk m., f^yk^ja f. ffiykje n. (heftige)
Eile Boss, fauk m. Kampf, Bingen Boss.
Die Bedeutungsserie des Gewitters ist in dem obigen Überblick
vorangestellt worden, weil ihre Ursprünglichkeit im Germanischen als
sicher gelten darf. In Schauer ist das hohe Alter der Bedeutung
des Gewitterschauers durch die Gleichung skür = lit. sziaurys "Nord-
wind" sziäurt "Norden", altbg. shverü "Nord(wind)" "boreas", lat.
caurus "Nordwestwind", arm. (V) curt "Kälte, Schauer"^) über allen
Zweifel erhoben, und fauka^ fok etc., das am frühesten in der alt-
nordischen Prosalitteratur als fok oder fjük "Schneegewitter" vor-
kommt, wird durch lett. püga "Windstoss" in das richtige Licht
gestellt. Zu hr%}^^ r% fehlt eine aussergermanische Entsprechung,
wodurch die Priorität der Bedeutung Schauer dargelegt werden
könnte, aber innerhalb des Germanischen vergleicht sich an. hregg
germ. *Äraya "Gewitter stürm" 2) das wahrscheinlich die mhrl^ germ.
*hrei}^i' vorhandene Verbalwurzel qrei- in starker Stufe enthält.
Jedenfalls tritt in hrf^ wie in skür die Bedeutung des Gewitter-
phänomens von den ältesten Belegen ab deutlich als Grundbedeutung
hervor — got. skura^) (windis) 'koLikx^ (ave(i.ou), ahd. scur tempestas
Voc. S. Galli s. VII/VUI, ags. scur m. Wind- Hagel- Regenschauer;
altn. Anj) f. Schauer, Gewitter, Bö (Arf{) veprs)^) = ags. ArJ|) **Schnee-
sturm": Anf» hrSosetide Widsith 102. Aus der primären Vorstellung
des Schauers, nicht aus dem einfacheren Begriff des Stosses, der
sich bequem aus skura windis und hri^ vej^rs abstrahieren Hesse —
skür ist der Schauer (die Gewitterwolke etc.) mit all seinen charak-
1) Joh. Schmidt in Kuhns Beitr. VI, 149, Kuhns Zs. XXIB, 366, vgl
Bezz. Beitr. XXIX, 58. Der Zusammenhang der BegriiFe K<e und Schauer
erhellt u. a. aus neufri. Wang. keiU "Wind": göd, swer keilt etc. Fr. Arch. II, 75,
wohl aus afr. *keid = nord. köld ft. kyld — vgl. an. kui kalter Wind, nord. dial.
kula, kylja "(kalt) wehen" = schw. dial. kala, &. dän-. kule Bö. Daneben Wang.
kuld vgl. an. kuldi etc. K<e.
«) hregg = hrcuja Fick-Torp Wtb.
'j wahrscheinl. als skura st. f. anzusetzen, ygl. an. skur f., nd. dial. schüre f.
Bauer-Collitz (Waldeck), donderschoere f. Van de Seh. tot den W. 1, 604.
*) in der Skaldendichtung von etwa 900 an belegt.
107
teristisclieB Eigenschaften der plötzlichen Bewegung, der Heftigkeit,
der kurzen Dauer, der Dichtheit, Dunkelheit oder Kälte — erklärt sich
der heutige Bedeutungsinhalt des Wortes in seinem ganzen Umfange
sowie seine übertragene Verwendung in der altgerm. Epik, von den
^'Schauem^\ Anläufen, Absätzen des Kampfes, den Schauem der
Streitwaffen, der (dichten) Stösse, Hiebe, Schläge oder Schüsse, der
reissenden Eile, ^'motus rapidus" (Grein), 'Impetus, vehementia'^
(Egilsson, Lex. poet.), welche in skür und ArfJ) durch zahlreiche
Beispiele vertreten ist.
Aus viel späterer Zeit als die Grundbedeutung des Gewitters
ist die daraus abgeleitete des Paroxysmus überliefert. In dieser
Verwendung begegnet skur erst in einem westfriesischen Text des
15. Jh.s (Jur. Prud. Fr. 2, 298). Das altfr. Wtb. übersetzt ganz
allgemein : "Schauer, eine Krankheit^', ohne näher auf die Stelle ein-
zugehen. Der Zusammenhang: dat aeft (die Ehe) meyma scheda hör
(weder) om schuur ner (noch) om dyn quada adema^ lässt aber kaum
darüber im Zweifel, dass von dem "bösen Schauer", der fallenden
Sucht, die Rede ist, demnach von der spezialisierten Bedeutung, die
das Wort in den lebenden nd. Mundarten hat. Im Nordischen ist
Arif) Paroxysmus, erst im jüngeren Altschwedischen nachgewiesen:
ridh och hold etc. "Fieber und Geschwulst" Läkeb. 8, 51, hardaridhe
(= neuisl. hardar ÄriJ)iV) Leg. 3, 158, an letzterer Stelle von den
Anfällen des Todeskampfes, i)
Es wäre leicht die Beispiele der Worte zu vermehren, in denen
die Bed. Schauer mit der Nebenbedeutung des Paroxysmus, der
Anwandlung, des Zeitmoments verbunden erscheint. Ich erinnere nur
kurz an norw. dial. rykk m. "Ungewitter, Krankheitsanfall, Ruck,
Weile",2) e. dial. gird "a rush of wind, a spasm of pain, a fit,
a sudden jerk, a moment", und vor Allem an nd. vläge^ nl. vlaag^
e. flawy n. flaga Bö, Regenschauer, Schmerzanfall, Anwandlung etc., 2)
das innerhalb derselben Grenzen als schür die Bed. Weile aufweist. 3)
Die älteste Geschichte dieser Worte entzieht sich unserer Kenntnis,
und es bleibt die Möglichkeit, dass die Bed. Gewitter etc. sich erst
auf germ. Boden aus der allgemeinen Vorstellung des Stosses, der
plötzlichen Bewegung entwickelt hat.^) Erwägt man aber, dass diese
Bedeutung in germ. skur durch sekundäre Entwicklung entsteht, wie
1) Ag8. ahd. hd]^y -a, rü(t)o etc. Fieberschaner (9/10 Jh.), cyinr. crydy mit-
telir. erith etc. — auch hier ist wohl Gewitter die nrspr. Bed.
^ vgl. n. dial. wykk üngewitter, Nachwinter, späte Eälteperiode = rtdt
sküra, e. »peü (of cold weather) anhaltende Kälte.
') allg. engl. nd. nord. (dial.) Bö, Schauer, Regenwolke, bell. fri. toyttfleach, allg.
nd. nora. (mal.) Krankheitsanfall, Anwandlung, spec. PL fleagen = nd. nl. vlctgen
Geburtswehen, wang. da flog Fr. Arch. I, 896 — vlSi(e) Weile allg. nd., auch fri. fleach
— nach an. acc. flögu f. (Sverrissaga 18. Jh.) ist mhd. md. vUige Schauer, plötzl.
Angriff ton lang (Wtbb. d) anzusetzen.
<) "Ruck" = "Augenblick", z. Teil auch "Anwandlung" ist häufig: nord.
dial. repp (rapp), tak, akov, struku, e. spdl, start — nd. 8t^^jen (Geldern) : n' steutjen
praoten Van de Scheide tot de Weichsel I, 494.
108
e. dial. shower beweist, so darf die Bed. Gewitter vielleicht sogar in rykk
= Ruckj nl. rttk als die ursprüngliche angesetzt werden. Ahd. (spät)
ruccha PI. '^motus" (planetarum) yergleicht sich dann mit ags. scur
'^motus rapidus'\ und ahd. rttcchen '^(sich schnell) bewegen" steht zu
rukk '^Gewitter" in ähnlichem Verhältnis wie neufr. dial. skoerre
"böen", norw. dial. sküra, skyra ^'daherstürmen, losfahren" zu
(toffn)8koer^ skur^ nord. rma "dringen, eilen" zu an. rosi "Windstoss".!)
Am deutlichsten ist Schauer als Grundbedeutung in vlage ausgeprägt
wie die Verbreitung des Wortes in dieser Bed. im Ndl. und Nd..
sowie in nord., engl, und fri. Dialekten an die Hand giebt.
Der Bedeutungsübergang Schauer (Paroxysmus), Weile wirft ein
neues Licht auf zwei altgerm. Worte, die noch keine befriedigende
Erklärung gefanden haben, ags. ^räg und got. theihs.
Ags. ]^räg "time"; ecUle ^räge Wids. 88, Jud. 237 etc., lange
}^räge Beow. 54, 114 etc., ^räge lange Beow. 87, "interim" (= inter-
dum) Corp. Gl. s. Vn/VEtl 1064 etc., ist am häufigsten als Synonym
von htall und wird seit Ettmüller und Grein als "cursus, decursus
temporis" erklärt. 2) Aber an keiner einzigen Stelle in der ags. Litt,
hat das Wort zweifellos die Bedeutung "cursus" "Lauf". Diese Er-
klärung beruht augenscheinlich auf der Zusammenstellung des Worten
mit got. ^ragjan schw. v. 1, das mit langer Silbe in ags. (poet.)
^i(je*gan wiederzukehren scheint — eine Zusammenstellung, die jedoch
schon an dem Umstände scheitert, dass ^rdg germ. }^raigö f. voraus-
setzt. 3) Die richtige Erklärung ist eher in der zweiten Bedeutung
zu suchen, die ags. }^räg aufweist. Diese ist Anwandlung, ^'paroxysm,
fit", belegt in sio wode ^rdg ("the mad fit") t/uere tvrcefinesse Boeth. ed.
Sedgefield p. III, 1. 28 = tluere wrcennesse wod]^räg micel Metr. Alfr.
25, 41 Grein II, 329.^) In dem Bedeutungskreis des Schauers findet
nun auch }^rcb*gan seine Aufklärung: es ist von ^räg in der bisher
nicht gefundeaen Bed. Schauer '4mpetus" abgeleitet, und seine eigent-
liche Bedeutung wird die der heftigen Bewegung sein.^) Ob as
threga Drohung = ^raigö: fan thim thrigon minis Werd. Prud. Gl.
1) Doch rukk '^Gewitter" wol altgerm. aus der allg. Bed. Rack.
*) ^rdgum z. B. R&. 82, 4 = hwüum ib. 6 (and häufig) "ab und xu, zu-
weilen" = an hri^um "zuweilen", eig. "ruckweise" — Grein übersetzt "cursua''
— ^rdgmeelum periodicaily = scurrmdum? (unsicheres Wort) Boeth. 20 = nd.
bischuren, bistöten (vom Winde etc.) — ^rägum lange £1. 1288 etc. langt hwile
Hol. Rood 24 etc. göde hwüe ib. 70 — htoüe lauge Beow. 105 etc. — ^dg in
der Epik auch "harte Lage" = e. /!< position of hardship, painfui ezperience (obs.).
>) Vgl. Sweet 0. E. Tezts, S. 591, wo ^räg unter ä = ai aufgeführt ist
*) Boeth. lib. IV, metr. 2: libido (versat avidis corda venenis) — tood^äg
ausserdem dreimal als Übersetzung von furor, vesania Fast. Gare ed. Sweet S.
182 ff., cf. Migue 97, c. 52 f.
>) s. Grein Sprachsch. s. v.: daherstOrmen (vom Pferde) £1. 1263, R&. 20, S,
sich (sdinell) bewegen (vom Umlauf der Planeten): ]^earle ^rtegei Metr. Alfr.
Boeth. 28, 24, vgl. swa ]^eo8 woruld far^ scurum scyndt^ Cod. Ex. 469, 24 —
^rdg vielleicht urspr. Ruck, Stoss, vgl. ags. scacan intr. to move quickly.
109
mit dem Verbum thrSgian Hei. Cott. 5369, nl. dreigen ebenfalls
urspr. in die Sphäre der Gewitterworte gehört oder nicht, lasse ich
dahingestellt.
Die hier gegebene Erklärung des ags. Wortes bleibt insofern
hypothetisch, als die Möglichkeit einer entgegengesetzten Bedeutungs-
entwicklung von Zeit(abschnitt), Moment zu Paroxysmus eingeräumt
werden muss. Ein sichereres Beispiel von der Entstehung der Bed.
Zeit im Bedeutungskomplex des Schauers ist aber got. ^eÜis n. Zeit:
t>ato }^eihs (acc.) tov xatpov Rom. XIII, 11, U [)0 peihsa jah mela'Ktfl
Töv j^povöv xai Töv xaipöv I Thess. V, 1, mit ^eihwo schw. f. und
dessen aussergermaniscnen Verwandtschaft verglichen. Got. ^eihwö
Donner: (acc.) ^eihvo ßpovrvjv Joh. XII, 29, (gen.) }^eihv(ms ßpovrvjc
Marc. III, 17 ist von Joh. Schmidt Anz. f. d. Alt. VI, 120 als ^en-
hwön mit altkslv. tabi Regen(schauer) vorslav. tonhiä identifiziert
worden, und später, Kuhns Zs. XXXV, 479 f, hat Solmsen diese
Gleichung unter Hinweis auf neuslav. serb. tu^ slov. toha Hagel,
russ. tu^a^ (iech. polah etc. tuiej toca^ tania Regenwolke (dunkle, dichte)
Gewitterwolke 1) ausführlicher begründet. Die Zusammenstellung von
]^eihs und ^eihwo ist wol öfters gemacht worden, u. a. von Diefen-
bach und Solmsen a. a. 0., aber erst germ. skur Schauer, Gewitter-
wolke zeigt den richtigen Zusammenhang der Worte. Got. ^eihs ist
nicht der primäre Begriff, zu dem ^eihwo sich als tempestas Gewitter
zu temptis Zeit verhält,^) sondern ^eihwo enthält die primäre An-
schauung, in der ^eihs seine Erklärung findet.^)
Der Schluss liegt nahe, dass die in diesem Aufsatz erörterte
Verknüpfung der Bedeutungen Schauer, Paroxysmus, Weile uralt ist
und das Germanische als Spracheinheit charakterisiert. Dass der
Zeitbegriff im Germanischen auch aus andern Quellen abgeleitet
worden ist, braucht nicht nachgewiesen zu werden.
UPSALA 1905 (10). Hj. Psilander.
1) Auch '^dichte Masse" u. ä Solmsen a. a. 0. — ähnl. in schür und vlaag
vorhanden.
>j Als tempas, tempestas, Zeit, Wetter, Gewitter hat Liddn PBB XV,
611 f. an. hri^ erklärt.
') Got ^eihwo mit -wo abgeleitet — vgl. uhtwo neben uht-eigs — oder ^^eihs
aus ^eihwae mit verlorenem w-Element Solmsen «. a. 0.
110
Missingsch.
Die Sprache Onkel Bräsigs, die Ansprach darauf macht Hoch-
deutsch zu sein, aber überall ihre niederdeutsche Grandlage yerrät,
geht unter dem Namen '^Missingsch" oder ''Messingisch". Man pflegt
das Wort so zu erklären, dass es "gemengt, gemischt" bedeute, also
ein Gemisch aus Hochdeutsch und Plattdeutsch bezeichne i). Aller-
dings handelt es sich um eine Mischsprache. Aber die "Missingsch"'
sprechenden sind sich dieser Tatsache schwerlich bewusst. Onkel
Bräsigs Absicht ist doch wohl, Hochdeutsch zu sprechen, nicht ein
Gemisch aus Hoch und Platt. Und nicht nur er, sondern jeder der
"Missingsch" spricht, versucht es offenbar mit dem Hochdeutschen
so gut er kann. Dass das "Missingsch" sich von dem Einflasse des
Plattdeutschen nicht frei halten kann, ist ganz natürlich, ebenso wie
es sich von selbst versteht, dass das Hochdeutsche in Schwaben oder
Ostreich eine Beimischung von Schwäbisch oder Ostreichisch hat.
Vielleicht also ist es eine ungerechtfertigte, nur durch den Anklang
an das Wort "Messing" verursachte Voraussetzung, der Ausdruck
"Missingsch" müsse den Begriff einer Mischung enthalten. Jedenfalls
ist es bis jetzt nicht gelungen, von jener Voraussetzung aus die Her-
kunft des Ausdruckes "Missingsch" genügend aufzuklären, und es
darf also der Versuch gemacht werden, auf anderem Wege zmn Ziele
zu gelangen.
Das Hochdeutsche hat sich vom 16. Jahrh. ab an die Stelle
des Niederdeutschen zunächst als Kirchen- und Schulsprache gesetzt.
Von der Kirche und Schule aus dringt es in die Literatur ein; erst
später und ganz allmählich wird es auch zur Umgangssprache der
Gebildeten oder auf Bildung Anspruch machenden. Es musste sich
also in Norddeutschland schon zu einer Zeit, als man noch allgemein
Niederdeutsch sprach, das Bedürfnis nach Ausdrücken zur Unter-
scheidung der beiden neben einander laufenden Sprachen geltend
machen. Beide werden zwar im 16. Jahrh. gemeinsam als düdescb
bezeichnet; z. B. wird am Schlüsse der Lübeckischen ndd. Bibel vom
1) Adelung, Gramm -krit. Wörterbuch der hochd. Mond&rt, 2. Aufl., s. t.
"Messingisch": Franz Pfeiffer, Nicolaus y. Jeroschin (Stuttg. 1854) S. VIII; Sauden,
Wörterbuch der deutschen Sprache, Bd. II (1863) s. v. *'Messing"; Berghaus,
Sprachschatz der Sassen, Bd. II (Berlin 1883) s. y. ''Messingsch, missingsk". Vgl.
ferner z. B. Grimm, Dt. Wörterbuch Bd. 6 (1886) u. Kluge, Etym. Wörterb.^
(1910) 8. V. ^^essingisch". — Eine andere aber offenbar verfehlte Deutung
("Messing" = franz. measin "der unreme französische Dialekt der Stadt Metz'')
bei Weigand, Dt. Wörterb. « u. Woeste, Westfäl. Wörterbuch s. v. "Messing".
111
J. 1534 angegeben 1), die Übersetzung sei mit ihrem dAderchen (d. h.
hochdeutschen) Originale verglichen und die Druckfehler zum Besten
des düdeßchen (d. h. niederdeutschen) Lesers sorgfaltig angemerkt.
Aber gleichzeitig unterscheidet man zwischen Hochdüdesch und dem
Sassischen Düdesch, Z. B. heisst es zu Anfang der Vorrede Joh.
Bugenhagens^) zu der eben genannten (Lübeckischen) Bibel: '^De
Vthlegynge Doctotis Martini Luthers . . . ys jn dyth Saßefche düdefch
vth dem hochdüdefchen vlitich vthgefettet . . ."
Dieselben Ausdrücke gebraucht Bugenhagen in seiner Vorrede
zu der Wittenbergischen (you Hans Lufft gedruckten) Bibel von
1541.3) Luthers Bibel heisst dort de hochdüdefche Biblia, die nieder-
deutsche Bibel de Saßifche^) Biblia, die Sprache der letzteren dyt
Saffefrche^) düdefch] Bugenhagens Beigaben sind abgefasst^n Saßircher
fprake.
Die Bezeichnung "Hochdeutsch^' aber galt damals nicht nur von
der Sprache Luthers, sondern auch von anderen hochdeutschen Schrift-
sprachen jener Zeit, insbesondere der schwäbischen und schweizerischen.
Wollte man Luthers Sprache und überhaupt die Sprache Mittel-
deutschlands bestimmter bezeichnen, so nannte man sie in Nord-
deutschlaud "Meifsnisch^', ndd. Misnisch^ lat. idioma Misnicum.
"Niederdeutsche mussten", bemerkt Burdach 5), "um das Hoch-
deutsche oder, wie sie es nannten, 'Meifsnische' zu lernen, erst nach
Mitteldeutschland gehen: 1572 liess z. B. ein Mecklenburger Maler
Erhard Gaulrap, der in Wittenberg ausgebildet war, seinen Bruder
zu sich kommen, damit er bei ihm die meifsnische Sprache erlerne
(Lisch in den Jahrbüchern des Vereins f. mecklenburg. Geschichte
21, 304, s. Rud. Hildebrand in den Grenzboten 1860 I, 111)."
Burdach verweist ferner auf die Stralsunder Schulordnung von
1591®), wo von dem Misnico, Suevico, Alsatico idiomate (d. h. der
mitteldeutschen, schwäbischen und schweizerischen 7) Schriftsprache)
im Unterschiede von nostro idiomate (d. h. dem Niederdeutschen) die
Rede ist.
Diese Bezeichnung des Hochdeutschen bürgert sich vom Ende
des 16. Jahrb. ab auch bei den Herausgebern und Druckern der
niedersächsischen Bibeln ein. In der im J. 1596 von David Wolder,
>) Siehe den Wortlaut bei Joh. M. Goeze, Versuch einer Historie der ge-
druckten Nieders&chs. Bibeln vom J. 1470 bis 1621 (Halle 1776), S. 212 f.
<) Vgl. Goeze a. a 0. 218.
') Diese Vorrede ist gleichfalls von Goeze (a. a. 0., S. 247) abgedruckt.
Sie findet sich auch in anderen Drucken der ndd. Bibel als Vorrede za Bugen-
hagens Sammarien, z. B. in der (in meinem Besitze befindlichen) Folio-Ausgabe
von Wolffgang Kirchner in Magdeburg yom J. 1578.
*•) In dem Kirchnerschen Drucke Sachffefche.
') Die Einigung der nhd. Schriftsprache. Einleitung. Das 16. Jahrhundert.
(Habilitationsschrift.) Halle 1884, S. 17.
*) Vombanm, Evangelische Schulordnungen des 16.— 18. Jahrb., Bd. 1, 607.
^) Unter dem idioma Älsaticum ist eher die Schriftsprache der Schweiz als
die des Elsasses zu verstehen. Vgl. Kluge, Von Luther bis Lessing ', S. 108 f.
112
Diaconus an der Hauptkirche St. Petri in Hamburg, herausgegebenen
und von Jac. Lucius dem Jüngern in Hamburg gedruckten Bibel
heisst es auf dem Titel jedes der drei Bändet):
'^Ock na den Mirnifchen Exemplaren, fo D. LtUher kort vor fynem
Dode fAlvefl corrigeret, an veelen Orden toedder tho rechte gebracht vnde
gebeteret!'
Von der Meifsnischen Sprache ist ausserdem die Rede in der
Zueignungsschrift an die Räte der sechs ^^wendischen" Städte (Lübeck,
Hamburg, Rostock, Stralsund, Wismar, Lüneburg), denen Wolder sein
Bibelwerk widmete. Die betr. Stellen lauten (nach Goeze):
''. . . ^ hMe ick in allen mynen arbeyde, dal ick dißer Bibel
haluen ge/iadt, darhenne gefehen: . . . dat wy de rechte purreyne Sa/Sifche
Sprake, mit der Mifnifchen, edder OlcUfrenkifchen, vnde Vkerwendifcheti
Sprake vnvormengt darinne möchten hebben, vnde lefm," —
'', . . de Lefer , . , fee mit er He vp den Mifnifchen Text, wo ydt
darinne ludt, vnde dama vp de rechte Saßifche fprake, wat ere recläe
art yßr —
^'So hebbe ick ock . . . diße gantze Bibel, vnde alle Capittel, m
Art vnde Wyfe, alfe nu ein tydlank in Mifnifcher vnde thoviren in
andern fpraken gefcheen ys^ in verfikel . . . affgedeelet/'
Unter dem Einflüsse der Wolderschen Bibel stehen die weiteren
Drucke der Niedersächsischen Bibel, von denen Goeze (S. 383) den
Wittenberger von 1599/1600 und die beiden (von Hans Stern in Lüne-
burg verlegten) Goslarer von 1614 und 1621 näher beschreibt. Sie
übernehmen von Wolder die Angabe, dass sie ^'na den Mifnifchen
Exemplaren . . . corrig&ret^' seien.
Misnisch also war gegen Ende des 16. und im Anfang des
17. Jahrh. im Niederdeutschen gleichbedeutend mit "Hochdeutsch"',
und die Vermutung liegt nahe, dass Missingsch nichts anderes als
eine spätere volkstümliche Umgestaltung dieses Ausdruckes ist. Die
Umformung der Endung muss sich im Laufe des 17. oder des
18. Jahrh. vollzogen haben.
Bezeugt ist die Form Missingsch oder (mit Änderung des Stamm-
vokales) Messingisch meines Wissens zuerst durch Job. Chr. Adelung,
und zwar in der zweiten (nicht in der ersten) Auflage seines
Grammatisch -kritischen Wörterbuches der Hochdeutschen Mundart,
Bd. in (Leipzig 17982).) Da alle folgenden Wörterbücher unmittelbar
oder mittelbar auf Adelungs Angaben fussen, mögen letztere hier
vollständig mitgeteilt werden:
'^Meffingifch, adj. et adv., welches nur in Niederdeutschland
üblich ist, wo es besonders von derjenigen Sprechart gebraucht wird,
wo man Hoch- und Niederdeutsche Wörter und Endungen unter ein-
ander mischt. Eine meffingifche Sprache, Meffingifch reden,
1) Qoeze a. a. 0., S. 876. (Der Vermerk ist fast buchstäblich derselbe, nar
dass auf dem Titel des Neuen Testamentes Doet statt Dode steht).
*) Mir z. Z. nur zugftnglich in dem Wiener Nachdracke vom J. 1811.
113
wie besonders die nach Oberdeutschland gewanderten Niederdeutschen
Handwerksbursche zu thun pflegen. Als man in Niedersachsen anfing,
die Plattdeutsche Sprache von den Kanzeln und aus den Gerichten
zu verdrängen, und doch dem gemeinen Volke nicht unverständlich
werden wollte, so ward diese messingische oder vermischte Mundart
sehr gemein. Ein solches Testament von 1632 stehet unter andern
auch in dem Rostockischen Etwas 1738, S. 514. Dieses Wort hat
mit dem Hauptworte Meffing nichts als den gemeinschaftlichen
Ursprung gemein. Es stammet, so wie dieses, unmittelbar von
mifchen ab, und bedeutet eine vermischte Sprache, welche man in
Oberdeutschland Mengelfprache und Mengfprache, im Ital. aber
Mefcolanza und Mefcuglio nennet.'*
So gut wie Adelungs Herleitnng des Wortes Messing aus dem
Zeitworte mischen, werden wir seine Etymologie des Ausdruckes
Messingisch aufgeben müssen. Adelungs Artikel ist offenbar auch
in seinen tatsächlichen Angaben unter dem Einflüsse dieser Etymologie
abgefasst. Aber es bleibt Adelung das Verdienst, den volksmässigen
Ausdruck zuerst in seinem Wörterbuche verzeichnet und eine Etymologie
versucht zu haben.
Nacbtrag (Korrektamote). Die hier dargelegte Auffassung des Wortes
Missingsch hege ich seit einer Reihe von Jahren. Sie liegt so nahe, dass von
vornherein anxunehmen war, sie sei schon von andern vorgebracht. Aber es gelang
mir nicht, eine Stelle zu finden, wo sie ausgesprochen war. In allen mir zugäng-
lichen Wörterbüchern, z. B. noch in der letzten Auflage von Kluges Etym. Wörter-
buche vom J. 1910, stiesB ich immer nur wieder auf die hergebrachte Ableitung
aus dem Worte Messing. Erst jetzt, nach dem Eintreffen der Korrektur, werde
ich durch die Anführung bei Mentz in der Zeitachr. f. deutsche Mundarten, Jhg.
1910, S. 85, auf den Aufsatz 'Missingisch' von Karl Scheffler in der Zeitschr. des
Allgem. Dt. Sprachvereins, Jhg. 1906, Sp 45 — 47, aufmerksam, wo die Qleich-
setzung der Ausdrücke missingsch und hochd. meissnisch mit überzeugenden Gründen
befürwortet ist. Scheffler gibt auch an, dass diese Deutung anscheinend zuerst
von Jänicke in einer Besprechung des Weigandschen Wörterbuches (Zeitschr. f. d.
Gymnasial wesen 1871, S. 765) aufgestellt ist, und dass sich ihr Andresen (Deutsche
Volksetymologie, S. 266) und Sandvoss (Preuss. Jahrbücher 1897, S. 535) ange-
schlossen haben. Ich hätte darnach am liebsten meinen Aufsatz umgearbeitet oder
durch einen andern Beitrag zu dieser Festschrift ersetzt ; aber dazu war keine Zeit
mehr. Vielleicht können meine Ausführungen wenigstens dazu beitragen, dass
diese Auffassung nicht wieder in Vergessenheit gerät. Ausserdem sei der Wunsch
gestattet, dass es unserm Jubilar gefallen möge, etwaige weitere ihm zugängliche
Belege für mnd. missensch i^ der Bedeutung 'hochdeutsch' mitzuteilen. Einst-
weilen findet sich missinges(ch) im Mittelniederd. Handwörterbuch nur als Adjektiv
zu missink m. 'Messing'.
BALTIMORE, Hermann CoUitz.
Johns Hopkins üniversity.
ITMigabe (Kd. Jb. XXXYII).
114
Niederdeutsehe Kleinigkeiten aus dem
Göttinger Cod. jurid. 736.
Mit einer Untersuchung der niederdeutschen Elemente in der
Jenaer Liederhandschrift, die ich für diese Festschrift geplant hatte,
bin ich nicht fertig geworden. Aber im Kreise der Glückwünschendeu
möchte ich nicht fehlen. So sei es mir gestattet, hier ein paar alte
Blätter darzubringen, Abschriften niederdeutscher Kleinigkeiten aus
meinen Göttinger Tagen.
Ist der mittelniederdeutschen Dichtung ein originales Werk
grossen Stils nicht beschieden gewesen, so ist die Kleinkunst, die
mit guter Laune und gutem Rat das Alltagsleben umkränzt, um so
üpi)iger gediehen. Die akademische Handschrifteninventarisation
liefert ununterbrochen neue Belege für die Beflissenheit, mit der
niederdeutsche Schreiber ihre Versehen, Sprüche und Scherze am
Bande, im Texte, auf Vor- und Zusatzblättern ausschütteten, weit
regelmässiger und reicher als wir das in hochdeutschen Handschriften
gewöhnt sind.
Von dieser Neigung zeugt nun auch jene juristische Handschrift
Cod. Gott, jurid. 736, die, grösstenteils in der zweiten Hälft« des
16. Jahrhunderts, von Bl. 216 an sogar erst im 17. geschrieben,
hauptsächlich friesische Rechtsquellen enthält: die 5 Eide, die 17
Küren, das ostfriesische Landrecht, das Deich- und Sielrecht. Aber
daneben füllt sie eine Reihe von (meist zweispaltigen) Vor- und Zusatz-
blättern mit lateinischen Sprüchen theologischen und astronomischen
Inhalts, mit Epitaphien und Fabeln, mit Zahlen- und Masstabellen,
Kaiendarien, Recepten, geographischen, medizinischen, statistischen
und geschichtlichen Notizen in reicher Fülle (vgl. Wilh. Meyer, Die
Handschriften in Göttingen I 484). In diesen Miscellen aller Art
stecken nun die unten mitgeteilten Verschen, z. T. Verdeutschungen
vorangegangener lateinischer Sprüche.
Nicht Alles ist unbekannt: die Reimsprüche VI 4 — 6 stehn
schon im Rimbökelin S. s8. 58. 63 des Seelmannschen Neudruckes,
und das geschichtliche Verschen V hat Liliencron aus des Eggerik
Beninga ostfriesischer Chronik als Nr. 98 unter seine Historischen
Volkslieder (I 451) aufgenommen und historisch erklärt.
Die andern Stückchen kann ich sonst nicht nachweisen. Das
geistliche Lied III und das deutsch-lateinische Ströphchen IV zeigen
in der Handschrift Noten. Formales Interesse bietet die Tirade VI:?,
115
deren nach niederdeutscher Art sehr silbenreiche Zeilen mit Ausnahme
des Schlusspaares den gleichen Reim durchfuhren: das Thema von
dem Lehrer, der den rechten Weg weiss, aber selbst nicht geht, war
dem Mittelalter ja sehr geläufig. Die Prophezeiung n verrät
streckenweise die niederdeutsche Vorliebe für die Priamelform, die
VI 1 auch in einem reinen Beispiel vertreten ist. Anfang und Schluss
der Reihe bilden Übertragungen aus dem Lateinischen ; die originalen
niederdeutschen Kalenderverse pflegen lebensvoller zu sein als die
Öde Copie Nr. VIL
Ausser den Versen wurde schliesslich ein Prosastück als Nr. VIII
mitgeteilt: die Fabel, die sonst vom Schosshund und vom Esel erzählt
wird, führt hier statt des Hündchens den Aflfen ein und wird weiter
durch eine parallele Menschenfabel, wie Lessing sie liebte, und einige
allgemeine Sätze zu einem weltlichen Tractat über Undankbarkeit
erweitert.
Interpunktion und Majuskelgebrauch wurden in üblicher Weise
geregelt, die Abbreviaturen sind (bis auf einige nicht zweifelfreie it)
aufgelöst; im Übrigen ist der Abdruck buchstabengetreu.
I.
[Fol. P*] Sic martyrum cruore purgatorium ignem sacrifici suffocant.
satis incruentas obtulerunt hostias, missam cruentatn proferunt
So wtlesschen de papenn des vegeuuyrs gloeth
Mit der gtuygen Christi bloet.
Eere offer is lange vnbloedig gewest,
De blodige missa is em idtz d^t beest.
II.
[Fol. IV'»>] 1) Nota.
Daer ist gepropheteert atier 120 ja{er'\
Vann dat 60. iaer, ick segget verwa[er].
We dan beuunden werth inden leuen[n],
De wert eruaren, wat daer van is geschre{tien]
Van grusame teken, van Godt togel[aten],
Vmme de grote sunde, de wy nigt unllen l[ate7i].
We int 64. 65. iaer nigth verdertiet
Vmid int 66. 67. iaer nigth staruet,
Vnnd int 68. 69. iaer nigt wert erslalßen],
De ivurth daer ?iha groet wunder nasag({n\
Oeck offte dusse prophetie sy tvaer vnnd reg[t],
Wes der tverldt {eere sunde haluen) is vpg\elegt\
Daer nha werden kamen gude iaren vnnd tyd[eyi\.
Oeuerst weynig werdest sig daer van verbUyden].
Godt sy vnns gnedig vnnd barmherti\g\
AMEN.
1) Das Blatt ist stark beschnitten, so dass die Versschlüsse zum Teil ergänzt
werden mussten..
8*
HC
ni.
[Fol. VI^] Ben christlig vnnd geestlig dansleytkenn.
1. Nu laeth vnns froelig singen
Vann vnser salicheytj
Inn Gades hties soelen wy sprin-
gen,
Dat Christus hefft bereyt,
All hyr ßo motenn wy lydenn
Vnnd stryden int iamerdael,
Als wy tho Jiemmel kamen,
Szo isset vergetenn all,
2. Nu laeth vns nigth vertzagen,
Men froelig treden ann,
Vph Godes woert vnllen tvy idt
wagenn,
He werth vns wol hystaen
Allhyrßofliotenn uylydefi^) . . .
3. Nu laeth vns froude makenn,
Verbliden^) in dein heren,
Christi lydenn soelen wy sma-
kenn
Vnnd doen nha syne lere
AI hyr ßo . , ,
4. Watt willenn wy tneer hegeren,
Dan kynder Godes to synn.
Wat sulde vnns moegen verueren
Mit drouwen rnnd oeck myt pynn.
All ...
5. Vnnse heylandt hefft geledenn^)
Vnnd nümant wederstaen,
Wy soelen wesenn to fredenn,
Vntfangen dat eun/ge loenn,
AI hyr ßo moten wy , . .
6, Vnse heylandt hefft gespraken^
Dat lamkenn weset ghelyck,
Vnnd geuet my de wrake,
Jw is breit myn ryck.
All hyr , . .
7, Vnnse heylandt is gesturuen
Vnschuldig ann dat holdt,
Syn ryck hefft he vtins erwuriu-n,
Weele edeler als suluer vn nd goldt.
AI hyr ßo motenn tvy . ..
8, Vnse heylandt de werth kamen
In eener korter tyt,
Vnns rigtenn alle tosametin,
Hyr vmtne weset verblyt.
All ...
9, De hemmeise bruydegam is bereit,
Synn brueth leefflig vntfangenn,
Daer rmme hefft ds soenn ge-
ledenn leydt
Nha des ,hiüigenn geests rer-
langenn.
AI hyr ßo motenn wy lydenn
Vnnd strydenn int idmerdaef,
Als
10, Nu ptyseth Godt almegtig.
He is vnnse vader gueth,
He helpet de syne waeragtich,
Hyr vmme hebbet guden moeth.
AI hyr ßo motenn wy lydenn
Vnnd schrydenn intiämerdüeJ.
Als wy tom hemmel kamen.
So isset ver[getenn all].
[Fol. 202']
IV.
De alle synn leyth wil wrekenn
manu bellatoria,
Simpsons magth moeth he tobreken,
nee erit victoria,
Lyt rnnd lere dy suluen brekenn,
sie vinces cum gloria,
Allehiia.
>) Der RefraiD ist Iq der Regel nur bis zum Schluss der Spaltenzeile aus-
geschrieben ; daher die Ungleichheit der verschiedenen Strophen. *; Ha. Verbbiden.
^) Dahinter durchstrichen : vnschuldig ann d, aus Str. 7 hierher Yoraus genommen.
117
Daneben am Rande: So starck moet h[€] tvesenn, nog we{rt] dat
nigih helpe[nn].
V.
[Fol. 210^] Anno 1433 hegunde de Hamhorger feyde, vnnd duyrede
to 53, jaer.
Item int iaer do men schreeff
Dusent 453 in mennigen breeff,
Do schagt vp samt Magnus dach,
Dat men de Hamborgers voer Oesterhusen sack.
Dat wurde heer Syho balde waer
Vnnd dreef de Hamborgers van daer
Mit voele scharpe pylenn,
Des makedenn ße körte mylenn.
VI.
(Fol. 213^»J 1.
Eenen vetten beginen pater,
Eenen groten fißkers kater,
Eenen schoenen mullers hane,
Eenen fursten vnnd heren krane,^)
Eenen starketi knakenhouwers hunt,
De wulden tvol, dat de wei'lt aldus eewig stunt.
Eeti handt, de by dem wege steyt,
Den weg wiset vnnd nigt geyt,
Also is de lerer de der leert vnnd nicht ena
Syn lere voer Gade nigt besteyt^
He sogt syn bueck vnnd nigt de geregtigheit.
Dar vmme is heer Omnes^) geneget to aller boesheyt.
De Seggen van eere eegensoekicheyt,
De nu by volen wasset und upsteyt,
Christus heft uns een ander weg bereit
Vnnd verbadenn alle eegensoekicheit,
Vnße arme broeder helpen in syne eelendicheit,
De wert gekronet in eewicheyt,
Se wysenn wol den weg vnnd waerheyt.
Seetj ofte he den oeck wandert vn in geyt,
Synen negesten to helpen in syne elendicheyt,
Tis anders vergeefs vnnd verloren arbeyt.
Dit is een kmippel gewurpen rmler alle man.
We nigt schuldig is, de trecktem yiigth ann.
^) Ist der Kranich seines stolzen Ganges wegen zum Vogel der Fürsten und
Herren gemacht? Oder liegt ein Wortspiel von krön und kröne vor? Dass die
Müllershenne keine Hungersnot leidet und dass die Katzen gerne Fische fressen,
erzählt das Sprichwort. '; Vgl. Kimbökelin 638.
118
3.
ÄUe liter pnnd vernuft, wyße, hogetnoet
Stellen sick nha groet gelt vnnd goet.
De wile se dan dat doenn verweruen,
So werden ße kranck vnnd staruen.
Daer mit is verlaren de eedele tyt,
Vnnd is dan nog geuninnen gaer nigt.
4.
Ick quam gaen in een fremth lannt,
Daer stunt geschreuen ann der toant:
Wes ick nigth beterenn künde,
Schulde ick latenn, we ick dat funde.
5.
Een godtfrugtig vnnd wysen raeth,
Voele christlige borger in eener stath
De stercsten muyren vnnd wallen sinth,
Nergen nene beter ick finth,
6.
Wilde swine, baren mmd louwenn,
De kann men temmen vnnd clouwen.
Ick sack ne ßo ivys eenn mann,
De een boes wyff temmen kann;
Daer helpen nog siege nog kyuen;
Wat in eer is, dat wil wol bliuenn.
[Fol. 215^] VII.
Annas partitur in hebdomadas vt sequitur.
Sex sunt ad Puri, bis sex sunt vsque Philippi,
Ad Jocobi totidetn, nouem sunt ad Michaeüm,
Sex ad Martini, sex ad natalia Christi;
Adde dies octö, totus complebitur annus.
Ses weke sinth to Lechtmissenn dag,
Twe mael ses sinnenn to Meydach,
Tho sanct Jacob sinnen oeck ßo voel,
Negenn sinnenn to sanct Michael,
Tho sanct Matin sinnemi oeck ßes,
Ses si7itienn oeck tho Christsmis,
Oeck sinth agte dage tho Neyjaere,
Dat sinth twe vnnd vifftig weke verwaer.
Die oben genannten Termine sind: 2. Febr. (Purificatio Mariae,
Lichtmesse), 1. Mai (Meydach, Festus Philippi et Jacobi ap.), 25. Juli
(Jacobi), 21). Sept. (Michaelis), IL Nov. (Martini).
119
[Fol. 214'»] VIII.
De here hadde eenen appenn vrincf^) eenen eesel, de ape sprunck
ds herenn vpt hoeuet vnnd vtnme den hals, vnnd alle wes de ape syneni
heren dede, getvil dem heren woL Vnnd de here hadde stro in synen
schoenn, dat sag de eesel, vnnd wulde sijnem heren eenenn definst doefin,
i^nnd toeg etn dat sthro wthen schoenn, des sick de here seere schetnede,
der anderen de by em stundenn, vnnd sloeg den eezel mit stockenn, voer
syne wolduet. Alßo isset nog, mennig do wes he wil, kan nog neen
dannck verdeneiln, vnnd eilige anderen wurden alle boese nucke vnnd
houerei^ voer gueth geholden. So dede de keyser Dionisius, de heeth
den besten harpenspeler voer sick bringenn, den he becamen künde, vmvd
sprack: 'Sla fluck vph, de beste dattu kannst, tja beter du speiest, ia
meer Ihoen du vntfangen wursf. Do he nu wol gespelet hadde, begeerde
de speelman syn Ihoeiln, Do sprack de keyser: 'Jck hebbe dy dyn Ihoen
ghegeuen\ He sprack: ^Neen, jck hebbe nigts vntfangen'. De keyser
sprack. 'Ya, du hefst dyn Ihoen weg, jck hebbe dy wollust ghegeuen
voer wollusth, wente als du my verlustiget hefst mit dynem spelenn, so
hebbe ick dy wedder vorlustiget mitter hapinge der betalinge, vnnd myne
lustige, froelige danzenn vnnd sprunge\
Alße beghift sick nog mit voelenn, jst der haluenn een oldth
sprickwoert: 'He is nigth guder aerth, de nigt gedencket ann bewesene
wolldaeth'. De vndanckber werldt spreckt durch vnuerstanndt : 'Do my
gueth^ jck do dy quaet; help my vph, jck schuue dy nedder; eere my,
ick sehende dy wedder^.
De geloeuige doen nigth allenigen den guden vnnd frenden gueth
vnnd leeffte, sunder oeck denn feyanden kundenn ße dat to gude vnnd
danncke (tvth grundt eeres herteti) anyihetnenn . . .
WESTEND. Roethe.
^) zweimal geschrieben.
120
Mittelniederdeutsche Fischereiansdrücke.
Auf der niederdeutschen Vereinstagung zu Pfingsten 1882 in
Hannover klagte Lübben, der 1881 das grosse mittelniederdeutsche
Wörterbuch abgeschlossen und wenig später seine mittelniederdeutsche
Grammatik vollendet hatte, dass ihm eine neue wissenschaftliche
Aufgabe fehle. Sie sei ihm Bedürfnis, da er an tägliche Arbeit
gewöhnt sei. Eine niederdeutsche Litteraturgeschichte wollte er nicht
schreiben, weil er glaubte und wünschte, dass ich selbst eine solche
verfassen würde. Ich sagte ihm: ^ Seien Sie doch Ihr eigener Lexer !
Warum wollen Sie nicht mit Hilfe Ihres grossen Wörterbuches ein
kleineres herstellen?" Der Gedanke gefiel ihm und dem anwesenden
Verleger. Schon am nächsten Tage sagte mir dieser, dass Lübben
die Herstellung eines Handwörterbuches übernommen habe.
Es war ihm nur vergönnt, die erste Hälfte zu vollenden, als
der Tod ihn abrief. Die Fortsetzung des Werkes wurde in die Hand
Christoph Walthers gelegt. Es konnte keine bessere Wahl getroflfen
werden. Liebe für die Sprache, deren Wortschatz er verzeichnete,
verband sich mit einer vertrauten Kenntnis der alten und neuen
Mundart, mit grammatischer Schulung und mit vorsichtiger Methode.
Durch ergiebige eigene Sammlung konnte er Lübbens Material er-
heblich vermehren. Das Handlexikon bietet keine Belege. Im übrigen
ist es in jeder Beziehung besser, d. h. vollständiger, in den Wort-
ansetzungen genauer und in den Erklärungen oft richtiger als das
grundlegende grosse Wörterbuch. Noch mehr als von der von Lübben
verfassten ersten Hälfte gilt das von der durch Walther mit aller
Sorgfalt bearbeiteten zweiten Hälfte.
Das mnd. Handwörterbuch ist das unentbehrliche Hilfsmittel der
niederdeutschen Philologie geworden. Es ist nicht nur in eines jeden
Hand, den mnd. Dichtungen, Geschichts- und Rechtsquellen beschäftigen,
es hat auch wesentlich zum Aufblühen der den lebenden Mundarten
Niederdeutschlands zugewandten Forschung beigetragen. Aus ihm
holt sich jeder Rat über die alte Sprachform der heutigen Wörter.
Die alte und die neue Mundart beleuchten sich gegenseitig. Die
Vergleichung ihrer beider Wortformen und Wortbedeutungen wird
manches Rätsel der mnd. Lexikographie lösen helfen. Die nach-
folgenden zu diesem Zwecke angestellten Erörterungen werden, hofl'e
ich, einige Beiträge zur Ergänzung und Verbesserung für die nötig
gewordene zweite Auflage des Handwörterbuches bieten. Sie betreflfen
sämtlich märkische in den Urkunden^) überlieferte Fischereiansdrücke.
1) Ein Verzeichnis bietet v. Buchwald, Begesten aus den Fischerei-Urkunden
der Mark Brandenburg. Berlin 1908.
121
Von den falschen Worterklärungen des Mnd. Wörterbuches,
die ich zu berichtigen habe, ist von Schiller und Lübben ein Teil
dem bekannten teutsch-lateinischen Wörterbuche Job. Beruh. Frischs
entnommen. Mir fällt nicht ein die historische Bedeutung dieses
überaus fleissigen und in seiner Weise sorgsamen, für seine Zeit
wertvollen Werkes zu läugnen. Aber nach den Erfahrungen, welche
ich jetzt und bei früheren Gelegenheiten gemacht habe, muss ich
warnen, ihm noch jetzt irgend welche Autorität zuzuerkennen und
seine Angaben ungeprüft zu übernehmen, wie das so oft und besonders
auch im Grimmschen Wörterbuche geschehen ist. Wir wissen, dass
Frisch die Absicht gehabt hat, ein märkisches Idiotikon herauszu-
geben.i) Das Vorurteil schien deshalb berechtigt, dass Frischs Wort-
erklärungen einer umfassenden und gründlichen Kenntnis der Sprache
seiner Zeit entstammen. Das Gegenteil ist richtig. Er hätte in
vielen Fällen nur auf den Markt gehen und die Verkäufer, oder auch
seine eigenen Schüler zu befragen brauchen, um über die Bedeutungen
der ihm aus gedruckten Urkunden und Büchern bekannt gewordenen
Wörter gut unterrichtet zu werden. Statt dessen verfuhr er ebenso,
wie er es bei der Erklärung von Worten von Schriftstellern des
Altertums gewohnt war. Er suchte den Sinn aus dem Zusammen-
hange zu erraten, selbst dann, wenn er nur einen oder nur einige
Belege zur Verfügung hatte. Den Beweis für mein Urteil erbringt,
was ich zu den ersten beiden hier erörterten Worten angeführt habe.
Bei den übrigen habe ich es für überflüssig gehalten ihn zu erwähnen
und zu widerlegen.
älrep n. Aalschnur (lange Nachtangel für Aale).
Das äh'ep wird im Hwb. S. 12 als Aalreuse erklärt. Diese Deatnng geht
auf Frisch zurück, bei dem es S. Ib heisst: Aalrepp oder Aalreff, eine Beuse,
Aalen xu fangen. Dass das Aalrep keine Rense, sondern ein Seil (mit Angel-
haken) war, zeigt die lateinische Übersetzung funem angnillarum quem alrepe
nominarmLS in einer Urkunde von 1292, Mekl. Urk.-Buch 1, S. 194. Jetzt ist
anstatt Aalrep die Benennung Aalschnur üblich. Sie besteht in einer bis c.
500 Meter langen Leine, an welcher in Zwischenräumen yon je einem Klafter
einzelne armlange Schnüre mit Angelhaken angebracht sind. Den ältesten Beleg
des Wortes älrep bietet die bei Riedel, Cod. dipl. Brandeb. I, Bd. 8, S. 116 f.
abgedruckte Urkunde y. J. 1187, welche eine ganze Anzahl alter niederdeutscher
Benennungen für Fischereifanggeräte enthält. In derselben wird von Markgraf
Otto IL dem Domkapitel zu Brandenburg die Fischereigerechtigkeit auf einem
Teile der Havel mit der Bestimmung übereignet, dass ohne seinen Willen nullus
in ea cum puvert lamme alrep hevekorven rusestellen esekorven klevenetten
vloken .. debeat piscare. Spätere Belege sind in den mnd. Urkunden von 1389
bei Riedel I, 7, 361 nr. 380 und 1399 ibid. 8, 349 nr. 67.
*) Vgl. L. H. Fischer im ^Archiv der Brandenburgia' Bd. 2 (1896) S. XXIII,
XXYI, 60 ff. Gerade den Fischerei- Ausdrücken hat Frisch besondere Aufmerk-
samkeit zugewandt.
122
älvlote f. Äalpuppe (schwimmendes Binsenbündel mit anhängender
Angelschnur).
Lübben Hwb. S. 13 verzeicbDet ^äl-vlei Aalspiess (= ///- elger, fuseind).'
Er bat Wort and Erklärung Friscbs nnd Kosegartens Wörterbüchern eotnommec.
Letzter sagt S. 180 ^älvlöte, der Aalstecber, mit welchem der Fischer die Aale
sticht; in einer Urkunde mit aelvlöteti visdien edder werpen\ Frisch Bd. l S. 1.
Dies Wort gehört wohl za vUt Fiiete, Aderlasseisen . . . elger^ m. Aaalspeer . . ;
wangeroisch etc.'' Kosegarten ist wieder abhängig von Frisch, der 8. 1 * die
Stelle aus der Urkunde von Himmelpforten beibringt und zur Erklärung auf
Flute, Flete 'ein Aderlass-Eisen' (S. 278) verweist. Dieses fleie haben dann
Schiller- Lübben 1, S. 65 als ähUt mit beigefügtem '(?)' angesetzt, erst im Hwb.
fehlt das Fragezeichen. Frisch hat sich, durch werpen verführt, sehr geirrt.
Wort, Redensart und Bedeutung sind heute noch in der Mark allbekannt. In
der e statt ö durchführenden Mundart des Teltow sagt man Aalflete schmiten
für Aalangeln legen (v. Schulenburg, Fesuchrift v. J. 1903 des Fischerei Vereins
für die Prov. Brandenburg S. 50), in der Ükermark Aalflöt, im Niederbarnim
Aalflöte, gesprochen öHfl^Ho. Letztere Form beweist (Nd. Jahrb. 34 S. 10 § 22),
dass im Mnd. tonlanges o anzusetzen ist, also flöte = flöte 'Floss' ist, langes
6^ würde unverändert geblieben, o^ aber flüHd ergeben haben. Die Bedeutung
ist die des hochdeutschen Wortes Aaljmjype.
bistellen n. die Setzung von Stellnetzen neben grosse Zugnetze.
Belege: dy vom Posyn unde Cxudam scholen uven sodane vnsch&rie
cUse sy van older geuvet hebben tippe dy vorbenumpde tvatere, uthgenamen
flakeri unde by stellen by dal gi'oie garne, (Brandenburg 1444) Riedel Cod. I 9
S. 161. — Schelinge . . in vmtyden i.s gewest umme etlicJie viscJierye fiem-
liJcen flaken, byskllen vnd chvenetten to stellen . . . mit flaketi, bysteUen,
clevenetten umle alle amlere vischerie (ebd. 1440) ibid. I, 9 S. 161. — flaekerie
unde bystelkn yn der Oldenstadt Brandenborgk watere (1452) ibid. I, 9 S. 176.
— Das Hwb. setzt an „bistel (lerät zum Fischen; eine Art Netz?*' Das bisteJJ^n
wird als zum Substantiv gewordener Infinitiv aufzufassen sein. Das Wort bei-
stellen plattd. bistellen ist heute noch gebraucht. „Das Beistellen wird haupt-
sächlich von Kleinfiscbern betrieben. Dieselben stellen rechts und links vom
grossen resp. Sommergarn, wenn der Grossfischer damit fischt. Netten und
Poorten aus und fangen die Fische, welche aus dem Netz flüchten, auf, aber
auch die kleinen Fische, welche der Grossfischer ins Wasser wirft, werden damit
gefangen." (0. Stargardt's Beschreibung der im Reg.-Bez. Potsdam vorkommenden
Fischerei-Fanggeräte, S. 46.)
drachgarn n. eine Art Fischnetz mittlerer Grösse.
Die Stadt Fürstenberg versichert dem Kloster Himmelpfort, dass in den
Klostergewässern cmn iribus reiibus qus draehgam dicuntur, et cum minutis
retibus pohdmus piscari, et de quoiibet reihe, quod ein draehgam dicitur,
dedimus VI solidos (1361) Meckl. Urk.-B. 15 S. 46. — Aus dem Zusammen-
hange und der Bedeutuiig 'Traggarn' läset sich nur folgern, dass das dradigarn
nicht zu den grössten Netzen gehörte.
esekorf m. mit Köder versehener Korb zum Fischen.
Beleg in der Urkunde von 1187, siehe oben bei älrep. Das Wort ist
mir nirgend sonst begegnet, doch sagte mir ein märkischer Grossfischer, er habe
123
irgendwo gehört, dass es ein Korb wftre, in den KOder getan würde, um
Fische oder Krebse anzulocken. Diese Erklärung gewinnt dadurch an Gewicht,
weil die Wortform damit in Einklang zu stehen scheint. Ein in jüngerer Zeit
entstandener Umlaut von ä$- *Aa8' würde ?•«- ergeben, ein mittelalterlicher
ergibt aber es-, vgl. kexd *K&se\ plr-exl, Diminutiv von pirds 'Regenwurm*.
(Bei der Korrektur empfange Ich von Herrn K. Wilke aus Oderberg die Mit-
teilung, dass das Wort den Fischern längs der Oder noch bekannt ist.)
garnmeister m. herrschaftlich bestellter Fischmeister.
Fehlt im Hwb. — Belege : (Markgraf Albrecht ordnet an) dat die genante
apt und edle siene nakamen henfordt allewege einen garnmeister binnen der
Stadt tko Liehen sollen kebben und vorkopen, doch det die apt tkovome uth
sine hemfische daruan nehmen mach und die ander fisch schal die game-
meister alle den in der stadt feile hebben und vorkopen (1462) Riedel Cod. I, 9
S. 86. — Ok schal des provestes (in Brandenburg) garnsmeiMer sin game füre
und redeliken holden, aJse dye von olden tidsn gefurt sin und nicht nyes up-
bringen (1483) ib. 9 S. 223. — In späterer Zeit wurde die Bezeichnung Garn-
meister oder Kabbemeister auch den Pächtern herrschaftlicher (fürstlicher,
städtischer u. a) Gewässer gegeben, welche mit dem grossen oder kleinen Garn
fischten.
hake m. sehr kleinmaschiger Netzsack.
Fehlt dem Hwb. in dieser Bedeutung. Beleg Ok schal he (der Garn-
meister des brandenburgischen Frohstes) neyne siinthaken hinder an synen
game füren (1483) Riedel Cod. I, 9, 223. — Dasselbe Wort erscheint in der
Fischerordnung von 1574: Die Garneleute sollen Iceine Ak&n oder Stinthacken
an die Qarnesecke hengen M3'lius, Corp. IV, 2 S. 196. — Ferner in der von
1690: Die Qarneleute sollen keine Aclcen- oder Stint-Flöcken an die Mäteritxen
hängen d. h. die Fischer sollen die Meteritzen (Netzsäcke der grossen Zugnetze)
nicht durch ganz kleinmaschige Netzsäcke, in denen sich die kleinen Fische
fangen, verlängern. Die Abwerfung eines anlautenden ist wie die Vor-
setzung eines falschen h eine häufige Erscheinung in Gebieten mit ursprünglich
wendischer Bevölkerung. Aus der mundartlichen Aussprache von Hake, Ake,
die hq^ka (Nd. Jb. 34. 8 § 18) lautet, erklärt sich die Schreibung oice in der
Fischerordnung von 1574 (Mylius, Corp. const. 4, 2, 188) Die Qarneleute sollen
keine Oken ader Stinthaken an die Garnesecke hengen. Es ist mir nicht be-
kannt, dass hake in der angegebeneu Bedeutung heute noch vorkommt. Möglich
ist freilich, dass heutiges Hakfisch 'Köderfisch* sich durch sie erklärt, aber
ebenso möglich ist, dass dieses Wort einen Fisch bedeutet, der für den Angel-
haken bestimmt ist. Sicher hängt aber mit mnd. hake das heutige den Fischern
der Mittelmark bekannte Wort Hakel {hö^kl) zusammen, *der hinterste eng-
maschige Endteil der Säcke der Zngnetze'.
hegewater n. Gewässer, in welchem geschont wird.
Fehlt im Hwb. — Belege : dye seinigen dnf water (Gewässer bei Branden-
burg a/H.) dat sin hegewatere^^unde sollen geheget iver den unde mpnant darup
fischen, ed worde detine erlovel von dem, de?t dye hegeivatcr hären . . wurde
over iemant darin sich vorgeten und die selbigen hegewater fischen und dar-
über betreden wurde, den mag man darum strafen nha sitiern vwdifiste (1483)
Riedel Cod. I, 9 S. 222. — Wie wol Moser (ein See) des chsters to Lenin
rechte hegewate)' von oUlers gewest und ock noch sye (1516) ib. 10, 361, —
vischen up dem Wosmick, dat des Heiligen Geystes eigen hegewater tu gades-
dinste und tu almuscn den anneyi voreygend is (1420) ib. I, 9 S. 112.
124
hevekorf m. Senkkorb zum Fischen. ^
Der älteste Beleg ist hevekorven in der oben bei älrep citierten Urkunde
von 1187. — dy horgher der Nienstad Brandenborch . . hebben unwanlike floke
und stehen hevekorve und maken alsus des capiiiels uxiter umste und tu ntchit
(1412) Kiedel I, 9 8. 91. — die fischer uth der Niensiadt Brandenborch ..
mögen flaken mit unden und engen netzen, mit balrusen und pufert und mit
korven unter die keven to stellen (1483) ib. S. 222. — Spätere hochdeutsche
Belege finden sich in alten Fischerordnungen : Unter die Hefen Körbe zu steilen
(soll erlaubt sein. 1551) Mylins Corp. const. 4, 2, lb7. — Hefen-Körbe zu
stellen oder Oründlings-Beusen von Ho/z. Fischerordnnng yon 1690.
Das Hw. erklärt heve-korf 'eine Art Fischkorb, -reuse'. Es liegt allerdiugB
nahe, bei einem Korbe znm Fischen an eine Beuse zu denken, da Korbgeflecht
in der Fischerei heute gewöhnlich nur zu Beasen und zu einer gewissen Art Fisch-
kasten yerwendet wird. Anderes kann für Ltlbbens Erklärung nicht geltend
gemacht werden. Heute hat man freilich in der Mark keine HebekOrbe mehr,
aber wohl kennt man noch — allerdings nicht in der Mark — Hebenetze, das
sind Senknetze, welche mit ihrem BOgel am Ende einer Stange hängen, ohne
oder mit Köder in das Wasser gelassen werden und, wenn man Fische oder
Krebse darin sieht oder glaubt, schnell hoch gezogen werden. Eine grosse Art
Hebenetz ist z. B. das Netz, mit welchem an dem bekannten Lachswehr in
Hameln Lachse eviporgehoben werden, welche in den Bereich des wie eine grosse
flache Schale geformten Netzes gelangt sind. In ähnlicher Weise muss man
früher Körbe yerwendet haben, die mittelst einer feststehenden Hebeyorrichtnng,
der Heoe, herabgelassen und gehoben wurden. In Colerns^ oft gedrucktem
Haussbuch (Bnch IV, Kap. 29; Ausgabe 1613 S. 683) heisst es: Eine Habe ist
(in Kurbrandenburg) auch eine sonderlicfie Fischerei oder Fisehstellung (d. h,
feststehendes Fanggerät, ygl. Vogelstellen) darinnen man grosse und kleine Netze
stellet. Hier ist Habe Verhochdeutschung yon Heve, und die Stelle lehrt, dass
man schon zu Colerus' Zeit begonnen hatte, die Körbe durch Netze zu ersetzen.
Mit hevekorf wurde übrigens, wie die oben yei^zeichneten Belege folgern
lassen, sowohl der Korb allein (ygl. unier die Hefen Körbe zu stellen), als auch
die ganze, Stange mit Bolle nebst Korb umfassende Vorrichtung (ygl. stehen
hevekorve) bezeichnet.
Eine dem Hevekorf gleiche oder ähnliche Vorrichtung finde ich bei
^y. Ehi^eukreutz, Das Ganze der Angelfischerei 5. Aufl. (1856)" S. 182 beschrieben.
„An stillen, tiefen Stelleu yersenkt man einen Korb, der durch drei Stricke an
einer Stange so befestigt ist, dass er beim Anfziehen seine gerade aufstehende
Lage behält. In den Korb legt man ein Gemisch yon fetter Erde, yerschiedenen
gequollenen Getreidearten . . . Wenn man den Korb des Tages 2 bis 3 mal . .
aufzieht, so wird man sehr oft einen ungewöhnlich reichen Fang der yerschieden-
artigsten Fische darin machen. Von einem Lager oder sonst einem anderen Schiffe,
das längere Zeit auf einer Stelle liegen bleiben muss, lässt sich ein solcher Fang
sehr leicht und am besten bewerkstelligen. ' Auf der nächsten Seite wird anf
eine ähnliche Vorrichtung mit Netz hingewiesen.
kanevisch m. eine Abgabe in Fischen, welche die hierzu verpflichteten
Fischer für jeden benutzten Kahn zu leisten hatten."
Beleg: (Dem Nonnenkloster in Friedland wird das Becht bestätigt auf)
ierciam partem plscium in Wrixna qui canevisch vulgariter appeUantur (1300).
Kiedel Cod. I, 12 s. 413. Später pflegte diese Abgabe in Geld entrichtet za werden.
125
klevenette n. einwandiges Netz, in dessen Maschen die Fische mit
den Kiemen hängen bleiben.
Im Hwb. S. 176 ist angesetzt ^klevenet^ Netz, das mittelst eines schweren
Gesenkes beim Zage am Boden hinstreicht.* Ferner heisst es bei Schiiler-Lübben
Bd. 2 S 482 s. v. klevenet zu dem in einer Belegstelle sich findenden Worten
twe cleuenetten, die hye hylanck dem rare mag stellen „mnss es nicht heissen
elenenetten?'^ Das ist alles von Anfang bis zu Ende falsch oder nngenan.
Erstens heisst das Netz klevenette^ zweitens braucht es nicht ein am Boden hin-
streichendes Zngnetz zn sein, sondern es wird nnd wnrde gewöhnlich als Steil-
netz benutzt und nur mitunter durch an den Enden befestigte Leinen in eine
Art Zugnetz verwandelt, drittens ist es nicht nötig, a. a. 0. kienenette zu lesen.
Das Wort klevenette, ahd. klevenezze, nhd. Klehenetx, Klebnetz ist heute noch
gebräuchlich. Früher konnte der Name allenfalls jedes Netz bezeichnen, in dessen
Maschen die Fische oder auch VOgel mit den Köpfen kleben, d. h. haften bleiben.
Gewöhnlich und beute immer wird durch Eleebnetz oder einfach Nette, wie die
märkischen Fischer es heute nennen, ein bis 60 Meter lan3;es, bis 3 Meter hohes
Stellnetz bezeichnet. Richtig ist, dass wie an seinem Oberrep Binsenflotte, so
an seinem Unterrep Bleistttckchen angebracht sind. Beides dient dazu, das im
Wasser ausgestellte Netz in senkrechter Lage zu erhalten.
kliekangel f. Nachtangel
Der im Mnd. Wtbch gegebene Beleg stammt aus Berlin. Mir ist das Wort
aus der lebenden Sprache nicht bekannt. Nach Ernst Friedel (Girculare des
deutschen Fischerei -Vereins 1881 Nr. 1 S. 103 — 106) wird als Klickangel von
den Fischern der Havel und Spree eine mit Steinen beschwerte Nachtangel (also
ähnlich oder gleich der Aalschuur) bezeichnet .das Herablassen macht ein eigen-
tOmliches Geräusch, welches der Fischer mit dem Ausdruck bezeichnet : Der Stein
klickt." Vgl. auch Eckstein, Mitteilungen d. V. f. Heimatkunde, Eberswalde 2
(1907) S. 1 ff.
klippe f. in der Fischerei: kleine Wate, Sommergarn.
Fehlt im Hwb. — Beleg: (so helfen) vortmehr der stadt {Bernstein)
watere die horgere mit kleinen towe fry tlio fischende und dat tho vormiedende
mit einen klippentoge sonder den gj'oten Poltx; wat die raht und de siadt
konen geneien mit groten game edder mit klippen, dat hebhen sie mit unllen
und volbort (S. 1487) Kiedel I, 18 S. 90 nr. 48. — Die Klippe ist unter diesem
Namen noch heute in der Mark Posen und Ostpreussen bekannt. Von dem , grossen
Garn'* unterscheidet sie sich nur durch ihre geringere Qrösse, so dass sie von
drei Mann bedient werden kann, zwei ziehen sie vom Ufer aus, während der
dritte neben her in einem Boote fährt, um das Netz, wenn es irgendwo hängen
bleibt, wieder frei zu machen.
kratberch m. Bodenerhebung inmitten eines Sees, auf der Kraut bis
aus dem Wasser herauswächst.
Das Wort Krantbm^g, plattd. Krudherg, ist noch heute den märkischen
Fischern im Teltow, Barnim und Havellande geläufig. Einen mnd. Beleg von
1486 bei Biedel Cod. I, 3, 305 nr. 23 (Der Kurfttrst von Brandenburg hat die
Havelberger Fischer privilegiert) dat en an den Samen und an den Krutbergen,
an der Havelen und an allen a'ndom tren gerechtigkeiden, die s^ie liebben an
den fischereien . . nimants hinder. — Vgl. ebd. 3, 397 das sie die engheler
czu Havelberge an dy same u?id an die Icrudberg etc. (1371).
126
lamme f. feinmaschiger Hamen zum Fang von Köderfischen.
Die Lamme, welche weder Schiller-Lttbben noch das Hwb. Terzeichnet.
wird in der oben s. v. dlrep citierten Urkunde von 1187 sowie in einer die
bezttglichen Worte wiederholenden Urkunde von 1320 (Biedel Cod. J, 8 S. 222
genannt. Ich glaube mich zu erinnern, dem Worte noch in späteren Urkanden
begegnet zu sein, kann aber jetzt nur zwei mnd. Belege anführen. In einer
iu alter Abschrift erhaltenen Urkunde von 1412 (Biedel Cod. I, 9 S. 91) heisst
es: {dy borgher der Nienstad Brandenborch vnde ere vndersaien) varen mit
puvert netten vnde lamen in den hekeileck (d. h. Hechtleich). Ferner in einer
copierten Urkunde von 1483 (ibid. 9 S. 223) nymani schal forder keine kuk-
barscheflackerye ock nicht lam[m]en odder queste leggen. Genaueres erfahren
wir durch die Fischerordnungen von 1574 und 1690 in Mylius Corpus con-
stitutionum Marchicarum IV, 2 S. 196 u. 252. „Die Lammen domii man de^s
jungen Visclies (1690: Saam-Fisches) tnefir denn das gewachsen (1690: deiin
des gewachsenen) ziigleich (fehlt 1690) ausfüllet, sollen aueh verbotten sein.
Es waren also kleinmaschige Beutelnetze. Heute, wo man zum Fang der K&der-
fische andere Netze, die Grei-Wate, die Uklei-Wate und die Senke verwendet,
ist die Ijaimne in der Mark nicht mehr bekannt. Wohl aber gibt oder gab es
ein so benanntes Netz in Dietmarschen, vgl. Bichey, Idiot. Hamburgense S. 417:
Lamm: ein Fisch-Neix, welches in einem dreyeckichien Böhmen befasset, und
mit einer langen Stange versehen ist. Das beschriebene Netz hat also die
Gestalt der ausgespannten Uklei-Wate, welche aus der Lamme dadurch ent-
standen scheint, dass man um das Netz zusammenfalten und so leichter tragbar
zu machen, statt der Stange zwei sich wie eine Schere Öffnende und schliessende
Schäfte einsetzte.
lanke f. Zipfel oder Einbuchtung eines Sees.
Eine Lanke wird nicht „bei den märkischen Fischern eine Seite des
Wassers, wo man iischen kann^ (Frisch, Grimms Wtch, Mnd. Wtch) genannt,
sondern eine besondere von einem See sich trennende Buchtbildung oder eine
Verengung an seinem Ende. Mitunter entstehen Lanken durch längliche in einen
See sich hineinerstreckende Inseln oder Halbinseln, so am Bummelsburger See
bei Stralau : die ratma^me der stad Berlin syn eyn worden mit den waierheren
unde bure gemeynlich van Stralow umme dis toge ufid fi^cherie up die see
und up dy lanken (1423; Fidicin, Beiträge 1, S. 253) — ovk saX man dy
lanken und den sey tJm Stralow tyn (ziehen, mit Zugnetsen befischen) nicht
by nachte (ebd. S. 261). In Eigennamen 'Krumme Lanke' u. ä. werden mit
Lanke schmale, langgestreckte, kleine Landseen bezeichnet. In Teltow und sonst
tritt mitunter Vermischung mit dem Worte lake ein, so vielleicht schon in einer
Urkunde des 15. Jh.: Iahen das si?id ströme die aus den wassern gelten
Biedel cod. I, 11 S. 434.
meteritze f. Netzsack an den grossen Zugnetzen.
Über die Metritze der grossen Garne d. h. Zagnetze vgl. B. Benecke,
Fische etc. in Ostpreussen (1881) S. 336. In der oben s. v. hake citierten
Fischerordnung von 1690 heisst sie Mäteritxe. Ein mnd. Beleg in verderbter
Schreibung in abschriftlich erhaltener Urkunde des 15. Jh. bei Biedel Cod. I,
13 s. 105: Ludeke Warnstede met synen helperen nam uns eyn perd unde
sneet uns dy mether uysse (lies metherysse) af van unsem visdiergame. —
Ein anderer bei Fidicin, Beiträge 1, S. 254: wan di u^aterhsrfi fischen, so
mögen die hur hyan fischen unde scholen nicht selten up dimetei^txe (1423).
127
piivert n. Spiegelnetz (mehrwandiges grosses Staknetz).
Das in Urkanden und Fischereiordnangen der Mark Brandenburg oft ge-
nannte puvert begegnet ausser in dieser ältesten Form noch in folgenden, von
den Schreibern z. t. falsch yerhoch deutschten Schreibungen: bahert (1487)
bobard (1488) povard (1308) pufart (1452) pufert, puffert (1412 u. ö.).
Klarheit über die richtige mnd. Foim erhalten wir aus seiner heutigen, laut-
gesetzlich aus jener hervorgegangenen Benennung. Da im Gebiete der unteren
Spree und z. t. auch im Bayellaude, Barnim usw. (vgl. £. Seelmann, Nd. Jahr-
buch 34, S. 21 f.) aus altem üve (wahrscheinlich schon in früherer Zeit ü^v9
gesprochen) ö, z. B. aus rond. höveriy märkisch hüven, später hön wurde, so
musste auch mnd. puvert später zu pört werden. Ein Pomt genanntes Netz
ist in der Mark bekannt und von W. v. Schulenburg in der Testschrift' des
Fischerei- Vereins für die Provinz Brandenburg (Berlin 1903) S. 42 — 45 be-
schrieben worden. Im „Bremischen Wörterbuch*^ Bd. 6 S. 142 f. heisst es
Klevegarn, Es ist ein grosses dreiwandiges Staknetz (mark. Staaknette) von
c. 20 — 60 Meter Länge und 1 — 2 Meter Hohe, mit dem in Gelegen d. h. mit
Röhricht bestandenen Stellen in der Nähe des Ufers gefischt wird. Es besteht
aus zwei äusseren grossmaschigen Netzen (hd. Spiegel, mark. Leite oder Led-
deririge) und einem feinmaschigen Mittelnetz {Blad). Die hineingescheuchten
Fische dringen durch die vorderen Ledderinge gegen das Mittelnetz, stossen ein
Stück hiervon in die hinteren Ledderiuge, so dass sich ein Beutel bildet, in dem
sie sich fangen. In ähnlicher Weise würden aufgescheuchte wilde Enten, die
aus dem Röhricht gegen das Netz fliegen, mit ihrem Kopfe sich fangen. — Das
mnd. Hwb. setzt puvei't als masc. gen. au, richtiger ist es als neutrum zu be-
zeichnen, da man allgemein *das Poord* sagt.
starbniite f. Klapperjagd (besondere Art Fischerei).
(Die Stadt Fürstenberg vergleicht sich mit Kloster Himmelpfort, dass)
in pnmis quod inordinata piscaiio et indecens que starbunte dicitur, ab
aliquo nostronnn connvium seu incolarum in aquis monasterii Celiporte . .
nunquam de cefero debet exerceri (1361) Meckl. Urk.-B. 15 s. 45. — Von
dem Worte starbunte ist ohne Zweifel das Zeitwort strabuntxen abgeleitet, von
welchem bereits das Mnd. Wtb. einen Beleg gibt, wonach den Fischern gestattet
wurde, mett kleinen toicen to viscken, doch also, datt sie up solchen wateren
niM strabuntxen. Riedel, Cod. I, 13 s. 73. Ein anderer ist: strabuntxen dat
is vischen in den togen effte in der Verden (1428) Riedel, Cod. I, 13 s. 71 nr. 78.
— Es ist Walther nicht entgangen, dass das Westflämische das wahrscheinlich
identische Wort strabaniie kennt, und er weist im Hwb. s. v. strabunxen auf
dieses hin. Nach de Boo's Westvl. Idioticon heruitg. door Samyn s. 963 bedeutet
strabantiCt strabanse, storbancyCj catrabansie (lat. exturbatio^ disturbatio) 'ont-
steltenis, beroering, wanord, franz. trouble, d6sordre\
Es ist mir nur eine einzige Art zu iischen bekannt, welche mit den das
strabunxen betreffenden urkundlichen Belegen in Einklang gebracht werden kann:
die sogen. Koppelfischerei oder Klapperjagd. Sie wird von einer grösseren Anzahl
Leute und mit vielen Kähnen ausgeführt. Poortuetze werden strahlenförmig,
auch kreuz und quer, hauptsächlich im tiefen Wasser ausgeworfen und dann
wird ein möglichst starkes Geräusch erhoben, in den Kähnen gepoltert und
gelärmt, um die Fische in die ausgestellten Netze zu treiben. (0. Stargardt,
Beschreibung der Fischerei-Fanggeräte S. 27.)
Der Lärm und vielleicht Juchhei, der bei der Klapperjagd Brauch war
und die Andacht der Mouche des nahe an einem See gelegenen Klosters Himmel-
128
pforten stören mochte, war wohl der Grand, sie inordinaia piscatio et indecens
zn nennen. Ferner findet sie besonders in tiefem Wasser, in den togen effle in
der Verden d. h. im Fahrwasser, statt.
stevel Schaft, Stauge.
Im Hwb. nnr in der Bedeutung Stiefel. — Beleg : Ock willen tüy gumien
einen ieglichen wahnhafien bürger, dat he fnoge hawen riess, strewel (1. stewel),
röhr und gross, alse vele er bedarf . . . Ock Stollen die von Kietz und Tomair
(bei Freienwalde) stowelen holen in der stodt heller ah vele sie der bedeneti
io eren netten unde io eren secken, alse sie tragen können up eren ruggefi.
(1414) Riedel I, 12 S. 386 nr. 6. In der Bestätigung dieser Urkunde heiaat es
{unr) vorgunnen au^h eitlem ideren burger . . das er magk reyss röhr gra.^s
unde stewel gewinnen . . die küxer . . sollen , , in der stodt holtz stocken zu
secken hawen, alsse viele sie der auf den rücken trogen muegen, ib. S. 407.
Dieselbe Bedeutung findet sich in dem Worte Bohnenstiefel 'Schaft, an denen
sich die emporwachsenden grünen Bohnen anranken'.
ylogelruse f. Fliigelreuse.
Beleg bei Biedel Cod. I, 9, S. 91 in einer Brandenburger Urkunde von
1412 si stellen vlogelrusen btäen dy hovetpele vor dy vart.
vloteii sw. y. Aalpuppen auslegen.
Beleg : vorthmer schollen sie ock nicht vischen effle nho alen flotten uppc
dess vorgeschrevenen closters hegewottem (1428) Biedel Cod. I, 13 s. 71 nr. 78.
wintergarn n. grosse für die Eisfischzüge bestimmte Wate.
Beleg: vortmer so mögen die vorbenomden wodelude wol heekede soUen
unde brassen, dar sie ore wintergorne of betolen (1435). Biedel Cod. 1, 13
8. 72. — Das betreffende Zugnetz wird noch heute Wintergam genannt.
BERLIN. W. Seelmann.
129
Geistiges Leben im Deutsehen Orden/^
Der östlichste Teil unseres Vaterlandes, das Gebiet zwischen
Weichsel und Memel, hat durch die Ritter des Deutschen Ordens
sein Gepräge erhalten. Die Ordensritter haben in jahrzehntelanger
Arbeit das Land aus den Händen der heidnischen Preussen erobert
und in müheyoller Kolonisationstätigkeit für das Deutschtum und
Christentum erworben.
Sie begannen von Thorn aus die Eroberung des Landes und
rückten zunächst längs der Weichsel nordwärts und dann in nord-
östlicher Richtung zum Haff, um das Meer zu erreichen. Oberall
wurden feste Burgen angelegt, und an die meisten dieser Burgen
schlössen sich noch im 13. Jahrhundert rasch aufblühende Städte.
Sobald nach den langen Preussenaufständen Ruhe eingekehrt war,
konnte die Kolonisation sich energischer und tiefer wirkend gestalten.
So entstanden um das Jahr 1300 und in den folgenden Jahren zahl-
reiche Städte und Dörfer in dem neu erschlossenen Lande, und
deutsche Kolonisten kamen in Scharen, sodass wir ein rasches An-
wachsen des deutschen Elements, der deutschen Bevölkerung beob-
achten können.
Die Ritter verstanden es vorzüglich, Material und Baugrund
für ihre Burgen, die ^^Festung, Kirche und klösterliche Ordens-
behausung ^2) zugleich waren, zu verwerten. So schufen sie jenen
Typus der viereckigen Häuser, deren gewaltige Masse, von einem
Eckturm überragt, ,,in erstaunlicher Wucht meilenweit die Landschaft
beherrscht und in ganz einziger Weise dem Lande das Gepräge einer
willensstarken, grossdenkenden, planmässig gegliederten Herrschaft
aufdrückt.^ 3) Der architektonische Schmuck kommt vorzugsweise
in den Kreuzgängen und den Innenräumen durch wundervolle Stern-
gewölbe und fein zergliederte Verzierungen zur Geltung. Besonders
die Marienburg zeigt die künstlerische Seite der Bautätigkeit des
Ordens in hohem Masse. Schon die ältesten erhaltenen Teile, wie
die goldene Pforte im Hochschloss, beweisen die künstlerische Kraft
der ersten Erbauer. Nachdem aber 1309 der Hochmeistersitz nach
Marienburg verlegt worden war, der Meister selbst wie ein weltlicher
Fürst lebte und Könige und Fürsten in seinen Räumen empfing,
wurde die hochmeisterliche Residenz mit aller künstlerischen Pracht
ausgestattet. Ein aus dem Rheinland herangezogener Baumeister,
1) Vortrag, gehalten auf der Jahresversammlang des Hansischen Geschichts-
vereins und des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung. *) K. Lohmeyer,
Geschichte von Ost- und Westpreussen I. 3. Aufl. S. 267. ') Lohmeyer a. a. 0. 268.
Nl«d«rd«atsohM Jahrbuch XXXVII. 9
130
wahrscheinlich Jacob von Xanten, i) hat den eigentlichen Hochmeister-
palast geschaffen, und wir bewundern noch heute dort in dem Winter-
und Sommerremter Schöpfungen von so erhabener Wirkung, ^dass
keine andere Leistung gotischer Profanbaukunst ihr gleichkommt.'^)
Die Ritter Hessen die Räumlichkeiten ihrer Burgen vielfach mit
künstlerischen Malereien ausschmücken, sie bewahrten in den Ordens-
kirchen und auch sonst reiche Schätze der Goldschmiedekunst, und
manche Altäre, heute der grösste Schmuck der städtischen Kirchen,
stammen ursprünglich aus den Kirchen der Ordenshäuser.
Gewiss war die Natur des Ordens ihrem Wesen nach auf Krieg
und Eroberung gerichtet, aber es muss hervorgehoben werden, dass
die Ritter des Deutschen Ordens im allgemeinen künstlerisches Ver-
ständnis bcsassen, ebenso wie sie tüchtige Verwaltungsbeamte waren.
In nicht zu unterschätzendem Masse haben sie geistige Bildung gepflegt
und unterstützt, weit mehr als die übrigen Ritterorden.
Die Ordensgeistlichen nahmen in den andern Ritterorden eine
auffallend untergeordnete Stellung ein, im Deutschen Orden dagegen
eine günstigere, weil aus ihnen in der Regel die Domherren und
Bischöfe des Ordenslandes ernannt wurden. Sie besassen eine gute
Vorbildung und konnten ihrerseits an der Verwaltung des Staatswesens
teilnehmen. Jedes Konventshaus, in dem 12 Ritterbrüder und 6 Priester-
brüder waren, sollte — so bestimmte Winrich von Kniprode — »2 be-
sonders gelehrte Ordensmitglieder beherbergen, von denen der eine
ein gelehrter Theologe sein, der andere eine gründliche juristische
Bildung haben sollte. "^^
So hat der Orden frühzeitig auf das Schulwesen in seinem Staate
grosse Sorgfalt verwendet; er wurde darin von den Bischöfen und
Städten reich unterstützt.^) Schon um das Jahr 1300 lassen sich
Schulen in den Städten nachweisen, die älteste in Elbing, nach deren
Muster viele andere eingerichtet zu sein scheinen. Im 14. Jahrhundert
kennen wir Schulen in Danzig, Königsberg, Thorn, Marienburg, Grau-
denz, Braunsberg und vielen andern Städten. Auch auf dem Lande
gab es zahlreiche Schulen, doch geht die Behauptung Waschinskis
wohl zu weit, wenn er sagt, man müsse überall dort eine Schule
annehmen, wo sich eine Kirche nachweisen lasse. 5) Neben diesen
Schulen waren die Kloster- und Domschulen Bildungsstätten höheren
Ranges. Die Domschulen, deren es in den 4 Bistümern des Ordens-
landes je eine gab, dienten besonders zur Heranbildung der künftigen
Geistlichen und bestanden in einer artistischen Abteilung (Trivium und
Quadrivium) und der eigentlich theologischen Fakultät. Die Lehrer
1) 8. Schölten, Auszüge aus den Baarechnungen der St Victonkirche zu
Xanten. Berlia 1852. S. 6: Notiz aus dem Jahre 1861: Magistro Jacobo reverso
de Pruscia ... *) Lohmeyer a. a. 0. 261. *) H. Freytag, Die Beziehnogen der
Universität Leipzig zu Preussen von ihrer Begründung bis zur ^Reformation. Zeit-
schrift des Westpreussischen Qeschichtsvereins 44. 1902. ^) Über das Schulwesen
B. £. Waschinski, Erziehung und Unterricht im deutschen Ordenslande bis 1525.
Danzig 1908. ») Waschinski a. a. 0. S. 29.
131
waren im wesentlichen Geistliche, auf dem Lande auch vielfach ältere
Stndenten der Theologie, die die niederen Weihen bereits bekommen
hatten und nun eine praktische Vorbildung für einen Zweig ihres
künftigen Berufs erhielten. Doch hatte man im 15. Jahrhundert
gegen die aus Böhmen kommenden Studenten ein gewisses Misstrauen,
da sie von der hussitischen Lehre hätten beeinflusst sein können.
Die Sprache des Unterrichts machte wohl vielfach Schwierig-
keiten, denn die Lehrer massten ausser deutsch und lateinisch oft
auch preussisch oder polnisch verstehen ; der Anfangsunterricht geschah
in der Muttersprache. In Heilsberg und Frauenburg wurden Knaben
preussischer Herkunft in sogenannten ^^Preussenschulen*^ besonders für
das geistliche Amt vorbereitet, damit sie ihre Landsleute desto besser
unterrichten könnten. Um die Erlernung der preussischen Sprache
zu erleichtern, hatte schon im Jahre 1228 der päpstliche Legat
Wilhelm von Modena die damals übliche lateinische Grammatik des
Donat mit vieler Mühe ins preussische übersetzt, i)
Um dieses ganze System wohldurchdachter Fürsorge für die Volks-
bildung abzuschliessen, hat man aber ausserdem noch an die Gründung
einer Universität gedacht. Der Nachfolger Winrich von Kniprodes,
der Hochmeister Conrad Zöllner von Rotenstein, hatte den Plan gefasst,
in der damals blühenden Stadt Kulm eine Universität zu errichten,
und in der Bestätigungsurkunde des Papsts Urban VI. vom 9. Februar
1387 heisst es, man habe die Stadt Kulm gewählt, weil „sie die vor-
züglichste und vor andern Städten zu einer Universität bequem sei,
eine gesunde Luft, wie einen Überfluss an Lebensmitteln und andern
nötigen Dingen habe. Es soll eine vollständige Akademie, ein Studium
generale, für alle erlaubten Wissenschaften sein: damit dadurch die
Religion weiter ausgebreitet, die Unwissenden unterrichtet. Recht und
Gerechtigkeit beobachtet, die Einsicht aufgeklärt und der menschliche
Verstand erheitert werde. Dieser Sitz möge Männer in allen Fakultäten
hervorbringen und eine reiche Quelle sein für alle Liebhaber der
Wissenschaften. Diese Universität soll in allen Dingen der Universität
zu Bologna gleich sein, und es sollen zu allen Zeiten die Theologie,
das kanonische und bürgerliche Recht und alle andern erlaubten
Wissenschaften gelehrt werden. Die neue Universität soll das Recht
und die Vollmacht haben, alle akademischen Würden zu verleihen;
die an ihr Promovierten sollen das Recht haben, auf allen andern
Universitäten Vorlesungen zu halten.*' 2)
Dieser umfassende Plan scheint nicht zur Ausführung gekommen
zu sein, jedenfalls fehlt es gänzlich an Nachrichten über das Zustande-
kommen der Universität.*)
>) 8. Scriptores renim Pnissicaram. I 241. *) Ich habe hier die Nachricht
Pisanskis (Entwurf einer preussischen Liter&rgeschichte hsg. y. Philippi 1886. S. 28)
wiedergegeben, die freilich nicht sicher verbürgt ist. >) Über das höhere Schul-
wesen Kulms in späterer Zeit vgl. W. Heine, Academia Culmensis. Ein Abriss
ihrer Geschichte. Zeitschr. d. Westpr. Qeschichtsvereins Heft 41. 1900. S. 149 ff.
9*
132
Daher mussten die jungen Gelehrten des Ordenslandes aus-
ländische Universitäten besuchen, um ihre Bildung zu vervollständigen.
Schon im Jahre 1313 wird ein aus Preussen stammender Student in
Paris genannt. In den 200 Jahren von ca. 1325 — 1525 kennen wir
durch Perlbachs „Prussia scholastica^ i) etwa 4000 Studenten aus
dem Ordensgebiet. Von ihnen bezogen die meisten (über 1200) die
Leipziger Universität, an deren Gründung 5 akademische Lehrer und
35 Studenten aus dem Preussenlande Anteil nahmen; und in den
späteren Jahren haben Preussen oft (13 x) die Rektoratswürde
bekleidet.^) Sehr besucht waren auch Krakau, Prag, Wien, Köln
und später Wittenberg und Frankfurt. In Bologna studierten meist
Juristen in vorgerücktem Alter, die sich dort sehr ausgezeichnet haben.
Diese zahlreichen Studenten mussten in der Heimat eine ent-
sprechende Vorbildung genossen haben. Naturgemäss lieferten die
Städte die weitaus grösste Zahl der Studenten, aber viele stammten
auch vom Lande. Aus dem Bistum Ermland können wir in dem
Zeitraum der genannten 200 Jahre allein über 1000 Studenten nach-
weisen. Aus Marienbarg stammten 160 Studenten, Elbing 250, Königs-
berg 410 und aus der blühenden Handelsstadt Danzig die meisten, 750.
Sie haben sich in die Wissenschaften aller Fakultäten vertieft
und sind nach beendigtem Studium als Theologen, Juristen und Ärzte
in die Heimat zurückgekehrt; manche freilich zogen es vor, dem
akademischen Beruf auf den ausländischen Universitäten treu zu bleiben.
Geistliche und Juristen waren in jedem Ordenskonvent un-
entbehrlich. Die am hochmeisterlichen Hofe lebenden Juristen be-
gleiteten den Meister auf seinen Tagfahrten und waren seine ständigen
Berater. Ein solcher Jurista ordinis war Dr. Johannes Rymann, der
1389 in Prag promoviert hatte, dann im Auftrage des Hochmeisters
an vielen auswärtigen Höfen als Gesandter sowie als Ordens-Procurator
in Rom tätig war und 1409 Bischof von Pomesanien wurde. Als
juristischer Beirat bekam er nach dem Marienburger Tresslerbuch
einen Jahreslohn von mindestens 30 Mark. Der Wert der Mark betrug
nach den Berechnungen Vossbergs (Gesch. der preuss. Münzen) um
das Jahr 1400 etwa 13 Reichsmark.
Den Jahreslohn von 30 Mk. erhielt der Leibarzt des Hoch-
meisters. Im ^Marienburger Tresslerbuch" 8) begegnen wir zahlreichen
Posten von Geldausgaben, die an Ärzte, Wundärzte, Augenärzte,
Apotheker, ebenso für Medicamente und Salben gezahlt wurden.
Die Ärzte des Hochmeisters müssen sich eines guten Rufes erfreut
haben, denn wir hören, dass der Grossfürst Witold von Littauen den
Augenarzt aus Marienburg zu sich bitten lässt.^) In der Vorburg
des Marienburger Schlosses stand eine Apotheke, und wir wissen aus
1) Leipzig 1895. ^) Über die Beziehungen der Leipziger üniversit&t zum
Ordeusland Preussen sind wir durch die genannte Arbeit Freytags genau orientiert
*) Das Marienburger Tresslerbuch der Jahre 1399—1409. hsg. v. E. Joachim.
Königsberg 1896. *) Mbg. Trb. 70, 86 : 3 m. dem ogenarczte, den der meister csa
herzöge Wytowdt gesant hatte.
133
dem Tresslerbuch, wie teuer die Pulver oder purgaciones waren, die
der Apotheker dem Hochmeister oder den Ordensbrüdern bereitete, i)
Die Bezahlung der Ärzte war verhältnismässig vorzüglich: der Wund-
arzt Wachsmuth z. B. hatte im Jahr 1403 dem Ritter Nikolaus von
Schillingsdorf den Finger geheilt, der ihm auf dem Winterfeldzug
zweimal durchschossen war, und bekam dafür 3 Mark, eine für die
damalige Zeit erhebliche Summe. Meister Wachsmuth hat jahrelang
den Hochmeister auf allen Reisen und Feldzügen begleitet. Neben
ihm war Meister Bartholomeus angesehen, der oft nach weit ent-
fernten Burgen geschickt wurde, um besonders schwere Fälle zu be-
handeln; er stand auch am Krankenlager und Sterbebett des Hoch-
meisters Konrad von Jungingen 1407, wofür er einen besonderen
Lohn von 8 Mark erhielt.^)
Noch in einer andern Beziehung konnte sich im Orden und
unter seinem Einfluss im ganzen Ordenslande ein Zweig geistigen
Lebens ausbilden. Der Orden war Landesherr, und sein wichtigster
Besitz, das in sich abgeschlossene Ordensland Preussen, hatte seine
Landesgeschichte — anders als in den übrigen Ritterorden, Da nun
die Geistlichen eine angesehene Stellung im Orden einnahmen und
im allgemeinen wohl eine vorzügliche Bildung besassen, so fehlte es
nicht an Mönnern, die befähigt waren, eine Geschichte des Ordens
zu schreiben. 3) Der Ordenspriester Peter von Dusburg schrieb am
hochmeisterlichen Hof seine ^Chronik des Preussenlaudes^ und widmete
sie im Jahre 1326 dem Hochmeister Werner von Orseln.*) Für die
Jahre von 1288 — 1326 konnte er, durch eigene Erlebnisse unterstützt,
eine reiche Fülle von Tatsachen der Nachwelt überliefern, sodass er
für diese Zeit eine Quelle ersten Ranges ist. Für die Gründung des
Ordens und die ersten Jahrzehnte der Eroberung konnte er einige
Berichte und Einzeldarstellungen benutzen. Ein feierlicher Zug gebt
durch sein von alttestamentlichem Geist getragenes Werk: ;,Gott hat
herrliche Taten in Preussen vollbracht, indem er durch die Hand der
Ordensritter das Heidenvolk niederschmetterte und die christliche
Kirche zu Siegen und Triumphen führte. ^^) Dusburg ist sich seiner
grossen Aufgabe, zum ersten Mal eine zusammenfassende Darstellung
der Ordenstaten in Preussen zu schreiben, wohl bewusst, und sein
Werk ist das bedeutendste Denkmal der älteren preussischen Geschichte.
An diese erste Chronik schloss sich zur Ordenszeit noch eine statt-
liche Reihe anderer historischer Werke an, die zum grössten Teil in
der ausgezeichneten Sammlung der Scriptores rerum Prussicarum
vereinigt sind. Nur eine sei hier noch erwähnt, die Chronik des
Johannes von Posilge, der als Zeitgenosse im wesentlichen die Jahre
1) Mbg. Trb. 353, 22: item 8 Vi m. V« ^^' ▼or apoteke dem groskompthur,
als her von magistro Johanoi Rocge purgaciones nam. — 361, 11: item iVi m. in
die apoteke vor das pulfer, das unserm homeyster gemacht wart. *) Mbg. Trb.
425, 2 — 6. *) H. Protz, Der Anteil der geistlichen iStterorden an dem geistigen
Lieben ihrer Zeit. 1908, S. 10. ^) hsg. von M. Toeppen in Scriptores rer. Pruss. I.
*) Toeppen, Geschichte der preussischea Historiographie. Berlin 1853. S. 8.
1S4
von ca. 1380 — ca. 1419 beschrieb.^) Er besitzt eine weite Auffassung
und ein vielseitiges Interesse und schaut mit klugen Augen auch
über die Grenzen des Ordenslandes hinaus; es macht ihm Freude,
in patriotischer Gesinnung von den Heldentaten der Ritter zu erzählen.
Die Schlacht bei Tannenberg und die darauf folgende Belagerung des
Haupthauses Marienburg ist bei gänzlicher Schlichtheit äusserst an-
schaulich dargestellt. Max Toeppen, der gründliche Kenner der
preussischen Geschichtsschreibung, hat diese Chronik als „eine der
ausgezeichnetsten unter den Landeschroniken nicht bloss Preussens,
sondern des ganzen Mittelalters überhaupt^ bezeichnet.^)
Die Historiker Preussens beweisen, dass s^e die damals üblichen
gelehrten Werke gekannt haben. Wir wissen ferner durch die Arbeiten
Perlbachs,^) dass die preussischen Studenten von den fremden Uni-
versitäten Bücher in die Heimat mitbrachten. So bemühten sich auch
die Hochmeister und Gebietiger, Bücher zu kaufen oder abschreiben
zu lassen, um sie dann in den Ordenskonventen niederzulegen. In
dem Marienburger Tresslerbuch, dieser unerschöpflich reichen Quelle
kurz vor dem Tannenberger Sturz, ist uns in den Ausgaben der hoch-
meisterlichen Kasse für Bücher manche interessante Notiz erhalten.
So lässt der Meister ein deutsches Buch,^) ein Rechtsbuch,^) ein Buch
Dorothea ^) und zahlreiche für kirchlichen Gebrauch bestimmte Bücher
wie Messbücher, Psalter, Antiphonare, Notulare^) abschreiben oder
kaufen. Pergament dazu musste der Ordeuspriester selbst besorgen,
wenn er Anfang August zum Domnik nach Danzig reiste.^) Es ist
wohl nicht uninteressant, einige dieser Ausgaben für Uandschriften-
schreiben, Illustrieren, Einbinden u. dgl. nach dem Original kennen
zu lernen:
2 m. 2 sc. vor das sangebuch in die cappelle zu schriben.^)
1 m. Peter moler vor 2 gepaynyrte buchstaben in das selbe buch.^^j
6 m. 1 fird. vor eyn buch eyn anthiphonario zu schriben u.
3^2 m. vor eynen seitern und 1 m. vor ein martilogio.^^)
zu binden und zu illuminiren den seiter 1 m.^^)
1 m. vor vel, do dy bucher methe obirczogen sint.^^)
3 fird. dem cleynsmede, dy bucher zu beslon.^^)
8 scot zu schriben 26 blat do dy privilegia inne geschriben
synt gewant zwischen dem orden und der kirchen zu Samelandt.^^)
1 m. 7 sc. dem cleynsmede, der dy spangen zu den buchern in
dy capelle gemachet hat und 5 scot vor koppir zu negelen.^^)
1 m. Sigismundo, das her dy rothen buchstaben hat gemachet
in den grosen brevir.17)
0 hsg. v. £. Strehlke m Script, rer. Pruss. III, 79—888. ') Toeppen, Gesch.
d. preuss. Histor. 8. 88. *) s. M. Perlbach, Zar Geschichte des Bfichenresens im
Ordenslande Preussen. Gentralblatt f. Bibl. 11. 1894. 8. 168—168. «) Ifbg. Trb.
189, 5. •) 16, 81. •) 16, 22. 7) g. z.B. 16, 40. SO, 17. 66, 37. 96, 13—97, 16.
166, 1—14. 162, 18. 470, 10. 536, 15. •) 67, 1. 62, 16 ff. ») 166, 1. >«) 165, 8.
") 96, 13. >«) 96, 20. ») 96, 21. ") 96, 32. ») 97, 8. ") 97, 11. »0 97, 16.
135
So waren die Hochmeister bemüht, für die Vergrösserung der
Ordensbibliotheken Sorge zu tragenj ähnlich wie es ihrerseits die
Bischöfe und Äbte für die Bibliotheken ihrer Domkapitel und Klöster
taten. So bestimmten die Regeln des Ordens schon im 13. Jahr-
hundert, i) dass beim Tode eines Bruders dessen Bücher in den Besitz
der Konventsbibliothek übergehen sollten. Schon im Jahre 1246 hatte
Papst Junocenz IV. die Mönchsorden aufgefordert, aus dem Überflüsse
ihrer Handschriftenschätze der neu gegründeten christlichen Kirche
zu Preussen Bücher zukommen zu lassen.^) Der Ordensgeistliche und
Pfarrer an St. Marien zu Danzig Andreas von Slommow schenkte mit
Genehmigung des Hochmeisters Heinrichs von Plauen im Jahre 1413
seine theologische Büchersammlung der Marienkirche, wo sie sich
noch bis heute erhalten hat und durch reiche Vermächtnisse vermehrt
einen Handschriftenbestand von 238 Bänden umfasst.^) Dass man
im Ordensland Bücherschätze vermutete, beweist wohl der Umstand,
dass Papst Nikolaus V. im Jahre 1451 einen besonderen Abgesandten
nach Preussen schickte, der für die vatikanische Bibliothek Bücher
ankaufen sollte. Die Ordensgebietiger einerseits brauchten die
Statuten des Ordens mit den Regeln und Gewohnheiten, die Ordens-
geistlichen andrerseits hatten für den kirchlichen und gottesdienst-
lichen Gebrauch eine Reihe von Büchern nötig. Da ferner in den
Statuten vorgeschrieben war, dass während des gemeinsamen Mahles
vorgelesen wurde, so waren für diesen Zweck Bücher notwendig, die
allen Konventsmitgliedern verständlich waren, d. h. deutsche Bücher.
Dazu brachten wohl manche Ordensbrüder aus ihrer westlichen Heimat
Bücher mit, die ihnen dort lieb geworden waren und die sie in ihrem
neuen Beruf nicht missen mochten. So können wir annehmen, dass
in jeder Ordensburg ein gewisser, wenn auch kleiner Bücherbestand
vorhanden war. Doch die Burgen sind meist verfallen und die
Bibliotheken vielfach zerstreut oder gar vernichtet. Freilich besitzt
die Königsberger Universitätsbibliothek und das Königsberger Staats-
archiv noch ansehnliche Schätze, auch in Danzig, Wien, Stuttgart —
wohin sie über Mergentheim gekommen sind — und in andern Orten
werden noch wertvolle Handschriften aus den Ordensbibliotheken auf-
bewahrt. Vor mehr als 40 Jahren hat Stefifenhagen eine vorzügliche
Übersicht über die Rechtshandschriften und altdeutschen Handschriften
gegeben, die in Königsberg liegen und ohne Zweifel aus der Ordens-
zeit stammen;^) wozu Max Toeppen einige interessante Nachträge
geliefert hat.*^) Wir wissen auch, dass im Jahre 1541 die reiche
Bibliothek des Ordenshauses Tapiau in Ostpreusseu der Schloss-
bibliothek zu Königsberg einverleibt worden ist, doch fehlt uns leider
ein Verzeichnis der dorthin abgegebenen Bücher.^)
1) Die Statuten des Deutschen Ordens hsg. v. M. Perlbach. Halle. 1890.
S. 186. ^ 8. £. Steffenkagen, Regesten zur Geschichte der Bibliotheken im Deutsch-
ordenslanae Preassen. Petzolds Anzeiger 1863. S. 284—89. >) vgl. Freytag a. a.
0. S. 16. ') Die altdeutschen Handschriften zu Königsberg. Zeitschrift f. deutsches
Altertum 1Q67. 8. 601—74. *) Altdeutsche Handschriften in Preussen. Altpreuss.
Monatsschrift YI S. 97 ff. •) vgl. Faber, Beiträge zur Kunde Preussens 111 181.
136
Wir besitzen aber eine andre hochinteressante Quelle, ans der
wir über die Bestände der Ordensbibliotheken mit ziemlicher Voll-
ständigkeit orientiert werden, das Grosse und das Marienburger
Ämterbuch, die beide leider noch unediert im Königsberger Staats-
archiv aufbewahrt werden i) und aus denen Johannes Voigt ^) und
Steffenhagen schon einige Mitteilungen gemacht haben. Um die
Verwaltung des Landes noch sorgfaltiger durchführen und über die
finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse noch gründlicher orientiert
zu sein, hatte Winrich von Kniprode in den 60ger Jahren des 14.
Jahrhunderts in allen Ordensburgen Inventaraufnahmen machen lassen.
Jeder Komtur oder Vogt oder sonstiger Beamter hatte bei der Über-
gabe seines Amtes über das ihm anvertraute Inventar an seinen
Nachfolger schriftlich Rechnung zu legen. Im Jahre 1400 wurde ein
grosses das ganze Ordensland umfassendes Ämterbuch angelegt, und
in dieses die bisherigen Inventarisationen nachgetragen und in den
folgenden Jahren dazugeschrieben. Beschränkte man sich in den
ersten Jahren darauf, den Bestand an barem Gelde, Waffen und Vieh
aufzunehmen, so verzeichnete man später alle beweglichen Gegenstände
der Burg, und da sind uns unter den Kirchengeräten, die der be-
sonderen Aufsicht der Ordensgeistlichen empfohlen waren, auch die
Bücher überliefert.
In erster Linie sind dabei die für den gottesdienstlichen Gebrauch
bestimmten Bücher genannt, die Messbücher, Psalter, Antiphonare,
Gollectare, Noturale, Brevire u. a. Bücher dieser Art werden in allen
Ordenskirchen aufgezählt, auch in der von Heinrich von Plauen auf
dem Schlachtfeld von Tannenberg errichteten Kapelle finden wir 1416
3 Messbücher, 2 Antiphonare und 2 Graduale.') In fast allen Häusern
werden uns lateinische Werke genannt oft in mehreren Exemplaren:
Erklärungen der heiligen Schrift oder einzelner Teile derselben, die
historia scholastica des Petrus Comestor, die legenda aurea des
Jacobus de Varagine, ferner Nicolaus von Lyra, Jacobus von Lausanne,
de sanctis, de miraculis, de abstinencia und zahlreiche andre. In
Althaus bei Kulm ein Buch de sancta Barbora mit silbernen Schliessen.
In Thorn allein befanden fich 28 theologische Werke, deren Titel
uns überliefert sind.*)
Die Verzeichnisse der deutschen Bücher sind leider meist sum-
marisch gehalten, und so erfahren wir z. B. nur, dass in den ersten
Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts in Strasburg und Leipe je 5, io
Christburg und Osterode je 6, in Balga und Danzig je 9 Bücher
vorhanden waren, wobei aber zu bedenken ist, dass in jeder Hand-
schrift in der Regel mehrere Werke vereinigt waren. Im Jahre 1416
wird aus Schönsee nach GoUub neben andern Gegenständen auch ein
Kasten mit 8 Büchern überbracht, wobei ausdrücklich bemerkt wird,
dass sie ^^czu tische czu lesen'' sind;^) und im Graudenzer Inventar
>) Ordensfolianten 129. *) Geschichte Marienborgs 1824 S. 881 f. ^) Grosses
Ämterbach fol. 106. *) fol. 166 ff. *) fol. 160 f.
187
werden die 3 deutschen Bücher direkt ^Tischbücher^ genannt. Nur
in einigen Häusern wie Marienburg, Königsberg, Elbing, Thorn, wo
auch die grössten Bestände gewesen sein mögen, werden uns die
deutschen Bücher einzeln mit ihren Titeln angegeben. Daraus sehen
wir, dass das Bolandslied des Stricker mindestens in Marienburg,
Königsberg und Thorn, Barlaam und Josaphat in Marienburg und
Elbing vorhanden war; das Passional finden wir in 5 Ordenshäusern,
das Buch der Väter in 3, die Summa Johannis in 3 ; ferner die Kind-
heit Jesu von Konrad von Fussesbrunn, Thomasins Wälschen Gast,
der Seelen Trost, des Speculum humanae salvationis, eine Römische
Chronik u. a. Die kleinen Häuser haben einen durchschnittlichen
Bestand von etwa 20, die grösseren von ca. 50 Büchern und darüber.
Es dürfte wohl nicht unerwünscht sein, den Bücherkatalog etwa der
Marienburg von 1394 kennen zu lernen :i)
1 halbe glose obir den seltir,
Schölasiica historia.
postüle 9upra ewangelia,
2 brevire.
1 glose obir den salter.
1 glose super Matheum,
Summa ij/sani,
1 passionale.
Summa der buchir 41.
Dy duczschen bucher:
ApQcalypse und dy kro-
nike von Lyef lande in
eym buch,
Hiob.
dcus groz passionaU.
das cleyne passianale.
Summa Johannis.
Hester und Judith in
eyme buch.
Barlaam und Eolant in
eyme buche.
der vetere buch»
dyalogorum.
ein glosa ubir Lucam,
kronike von Pruzen.
1 teyl der duczchen bibel.
Summa der duczchen bu-
eher 12.
diz sint dy latinischen
bucher:
6 messebücher.
der romer.
1 frumessebuch.
4 antiphonaria.
4 gradudlia.
4 sdter,
2 legenden.
2 notularia.
1 biblia in 5 teylen.
1 katholicon.
1 buch prqprietatibus
rerum.
1 decretale.
Vier Jahre darauf finden wir dasfelbe Verzeichnis, nur ift ein 2. Teil
der deutschen Bibel dazu gekommen,^) und 1437 werden 19 deutsche
Bücher genannt, leider ohne Angabe im einzelnen.^)
Die Bücher belehren uns, dass bei den Rittern und Geistlichen
des Deutschen Ordens der Sinn für deutsche Dichtung nicht ent-
schwunden war. An den hochmeisterlichen Hof zu Marienburg kamen
jahraus jahrein Spielleute und Liedsprecher aus Böhmen, dem Rhein-
land und Süddeutschland und erhielten, wie die Ausgaben des Tressler-
buchs beweisen, reiche Geldgeschenke.
So darf es nicht wunder nehmen, wenn die geistliche und welt-
liche Dichtung hier im fernen Osten eine gewisse Nachblüte erlebt
zu einer Zeit, wo im Westen des Reiches der eigentlich schöpferische
Quell versiegt war. Aus einem dem Deutschen Orden nahestehenden
Kreise, vielleicht von einem Ordensbruder selbst ist noch im 13.
Jahrhundert das ;,PassionaP hervorgegangen, jene Sammlung von
Heiligenbiographien, die in schlichter Anschaulichkeit und mit feinem
psychologischen Verständnis erzählt sind.^) Vom selben Verfasser
rührt das ^Buch der Väter^ her, und beide Werke sind nach Inhalt
1) Marienbnrger Ämterbuch
Hahn und Kopeke.
fol. 99. ^) fol. 100. ») fol. 103. *) hsg. von
138
und Form, Stil und Sprache auf die spätere Ordensdichtung Yon
Einfluss gewesen. Der Westfale Heinrich yon Hesler hat neben andern
Werken die Offenbarung Johannis mit gutem Verständnis und mit
Heranziehung gelehrter Kommentare in mehr als 24000 Versen um-
gedichtet, i)
Die Blüte der Ordensdichtung knüpft sich an den Hochmeister
Herzog Luder von Braunschweig,^) einen Nachkommen Heinrichs des
Löwen und Verwandten der heiligen Elisabeth von Thüringen, der
mehr als 50 Jahre in den verschiedensten Ämtern das Ordenskleid
trug. Er war ein Mann von „wissenschaftlicher und künstlerischer
Bildung, ein Reformator des Schulunterrichts, ein Freund des Kirchen-
gesanges. ^3) Als ein Verwandter des sängerfreundlichen Hauses der
Landgrafen von Thüringen strebte er danach, die Marienburg zu
einem Musensitze zu machen, wie es vorher die Wartburg geworden
war.^) So hat er selbst die Legende der heiligen Barbara aus einer
lateinischen Vorlage in deutsche Reime gebracht 5) und vielleicht auch
das Buch der Makkabäer gedichtet,^) und andre Männer zu Dichtungen
aufgefordert und an seinen Hof gerufen. So entstanden unter ihm
und seinem Nachfolger Dietrich von Altenburg poetische Übertragungen
der biblischen Bücher Hiob^) und Daniel, und Thilo von Kulm dichtete
sein Werk „Von siben Ingesigeln^.^) Als Herzog Luder 1333 zur
Grundsteinlegung des Doms in Königsberg weilte, forderte er den
dortigen Ordenskaplan Nicolaus von Jeroschin, der bereits das Leben
des heiligen Adalbert^) besungen hatte, auf, nach der Marienburg
zu kommen, und übertrug ihm eine grosse dichterische Aufgabe, die
Umdichtung der Dusburgschen Chronik in deutsche Verse.^^)
Jeroschin hat den feierlichen Ton der lateinischen Chronik im
allgemeinen gewahrt, aber unter der Macht des Reimpaares hat er,
der getreu nacherzählen wollte, aus der Chronik eine Dichtung ge-
macht, i^) Er ist ein gewandter, lebendiger Erzähler, der auch ge-
legentlich humoristisch wird. Wie anschaulich er z. B. eine Pro-
zession, die mit dem aufgefundenen Haupte der heiligen Barbara,
darstellen kann, möge uns eine Probe beweisen:
V. 6556 ff. mit heilictum und vanen.
Und do si in di nShe Ouch volgite der banm
qudmen so hin zu der stat, mü andächt zwar vil reine
vil wol geardint kein in trat al dag volc gemeine
di lobeliche pfafheit tus der stat, toib unde man.
mit omäte angeleU BarmU sach man dise gan;
und gezirit schone so gingen gene wuUin.
in processione Ouch sach man do vil manche Mn
1) hsg. von K. Helm, Berlin 1907. >) Er war Hochmeister von Febr. 1331—
April 1335. ') Ph. Strauch, Die Deutschordensliteratur des Mittelalters. Halle
1910. S. 15. *) H. Prutz a. a. 0. S. 11. ^) Das Gedicht ist leider nicht erhalten.
«) hsg. von K. Helm. Tübingen 1904. ^) hsg. von Karsten. Berlin, 1910. *) hsg.
von K. Kochendörffer. Berlin 1907. *) Das Fragment ist von £. Strehlke in Scr.
rer. Pruss. II 423—8 herausgegeben. ") hsg. von E. Strehlke in Scr. rer Pr. I
291—624. >>) Über das Verhältnis Jeroschins zu Dosburg vgl. W. Ziesemer, Nico-
laus von Jeroschin und seine Quelle. Berlin 1907.
139
mit inprantin kerzin. Darnach in sügim döne
Äl8U8 in lütirm herzin irhüb di pfafheit einin sanc
und mit vil grosir zucht unde richtin iren ganc
ginc die cristinliche trucht widir kegn der stat wart
dem heilictum inkegin. mit dem heilictume zart.
Und do si wurden negin Darumme wart ein michel dranc
unde qudmen, da iz was, und ein wunninclicher clanc.
langis nidir an daz gras Die pfaffin suze sun/in,
vilin si do alle die glockin lüte clungin,
mit gebetis schatte di leigin ire leise
kegn dem haubte vrone. sungin di wegereise.
Jeroschins Temperament und die Wärme seiner Darstellung
reisst ihn einmal so weit hin, dass er mitten in eine epische Schlacht-
schilderung ein lyrisches Lied einstreut. i) So überwiegt bei ihm das
weltliche, wie bei seiner Vorlage das geistliche Element. Wie sein
Werk eine grössere Verbreitung fand als die lateinische Chronik, so
gewinnt auch die weltliche Dichtung im Deutschorden nun den Vor-
rang, entsprechend der politischen Entwicklung, wo aus dem Orden
ein Staat mit politischen Idealen wurde.
Der letzte Ordensdichter, der Ende des 14. Jahrhunderts lebende
Wigand von Marburg, dessen Werke uns leider nur in Fragmenten
und einer lateinischen Übersetzung erhalten sind,2) weiss nichts mehr
von den strengen geistlichen Gedanken der älteren Ordensbrüder; er
kennt nur Freude an WaiFen und Kampf und glanzvollem Rittertum. —
Gewiss, diese verschiedenen Äusserungen des geistigen Lebens
im Deutschen Orden sind weit und verzweigt, aber von einer Blüte
der Wissenschaften im Ordenslande kann deshalb noch keine Rede
sein. Dazu war die Kultur hier noch zu jung und die Heranbildung
zu einer Höhe geistigen Lebens in diesem Neulande zu schwer, wäh-
rend im Westen eine lange, reiche Tradition zu Gebote stand. Aber
grade, weil der Deutsche Orden eine Kultur neuschafi'en musste, ist
es zu bewundern, dass er in geistiger und künstlerischer Beziehung,
in der Pflege der Wissenschaften und der Kunst, von den Bischöfen
und Städten redlich unterstützt, das Ordensland so bereicherte, dass
es um das Jahr 1525 hinter den westlichen Ländern nicht mehr weit
zurückblieb.
KÖNIGSBERG 1. Pr. W. Ziesemer.
>) Vers 28719—28765 (Scr. I. 577). ^) hsg. von Th. Hirsch in Scr. rer.
8. 11
Pruss. II 429-662.
140
Anna Renata Breyne's aus Danzig
plattdeutsche Gedichte (1743).
Wenn man vom niederdeutschen Sprachgebiet redet, gedenkt
man im Allgemeinen kaum des Ostens. Das altersgraue Danzig
zumal wird gar zu leicht vergessen, da es bereits von den brandenden
Wogen des Polnischen umrauscht wird. Und doch gibt es hier in
Danzig von altersher bis in die Jetztzeit viel niederdeutsches Sprach-
gut, das wenigstens vom niederen Volke treu gehegt wird. Sitzen
doch in Danzig und Umgegend die Nachfahren jener Einwanderer,
die aus dem Westen, namentlich vom Niederrhein und Westfalen;
aber auch aus den grossen Hansestädten ins Preussenland zogen.
Das lehrt schon ein Blick in Löschin^s interessante Schrift: „Die
Bürgermeister, Rathsherren und Schoppen des Danziger Freistaates
und die Patricierfamilien, denen sie angehörten. Chronologisch und
genealogisch zusammengestellt. (Danzig 1868).^ Im sechszehnten
Jahrhundert war das Plattdeutsche in Danzig, obwohl die Stadt bereits
mter polnischer Oberhoheit stand, noch Schrift- nnd Amtssprache.
Bis weit in das achtzehnte Jahrhundert hinein waren die Danziger
gebildeten Familien im Plattdeutschen noch durchaus sattelfest, wie
es eben die Gedichte beweisen sollen, die ich im Folgenden vor-
zulegen gedenke. Derselbe Realschuldirektor Löschin, dessen Schrift;
eben erwähnt wurde, gedenkt in seinem Büchlein „Aus dem Leben
eines Amts- Jubilars^ seines eigenen Lehrers, des Danziger Geschichts-
schreibers und Professors am ehemaligen akademischen Gymnasium
Gralath, der seine Vorträge oft mit gutmütigen^ plattdeutsch vor-
gebrachten Spässen zu würzen pflegte. Späterhin freilich, im neun-
zehnten Jahrhundert, zog sich in Danzig das Plattdeutsche in die
Niederungen des Volkslebens zurück, wo es jetzt noch blüht und gedeiht.
Doch ich wollte plattdeutsche Gedichte einer Danzigerin aus
dem achtzehnten Jahrhundert mitteilen. Wer war diese Dame? Sie
hiess Anna Renata Breyne und stammte aus einer Gelehrtenfamilie.
Ihr Grossvater war Jacob Breyne, geboren 1637 in Danzig. Nach
der Allgemeinen Deutschen Biographie, worin der Name übrigens
ohne e am Ende wiedergegeben ist, war Jacob Breyne ein Kaufmann,
daneben aber ein bedeutender Botaniker; durch ausgedehnten Brief-
wechsel mit botanischen Fachgenossen erlangte er von diesen seltenere
Pflanzen, die er in mehreren Werken bekannt machte. Ich besitze
einen alten Stich; auf dem der JacohiAS Breynius Gedanensis, Botanicus
Celeberrimiis dargestellt ist. Darunter steht von alter Hand geschrieben:
Purem Celeberr. Dni, Joh, Philippi Breynii, D, med, Ged. Membri Acad.
141
Imperialis Nach (?) et Regiae Soc, ÄngL, qui opera Parentis Botanica
splendide edidit, A. 1739. Dieser jüngere Johann Philipp Breyne war
am 5. August 1680 geboren. Wie oben in der lateinischen Notiz auf
dem Bildnis seines Vaters berichtet wurde, gab er dessen botanische
Werke zum Teil neu heraus.
Unter des jüngeren Breyne Kindern ragt die eine Tochter namens
Anna Renata durch ungewöhnliche Begabung hervor. Sie war eine
für die damalige Zeit hochgebildete Dame. In gleicher Weise war
sie geschickt in der Handhabung der Nadel wie des Pinsels. Blumen,
Vögel, Fische und Naturalien mit seltener Naturtreue zu zeichnen
und zu malen verstand sie meisterhaft, wovon man sich auf der Herzog-
lich Gothaischen Bibliothek, wohin ihre Zeichnungen gekommen sind,
überzeugen kann. Herr Realschullehrer und Kunstmaler Christoph
Natter in Jena hat mir seiner Zeit in liebenswürdigster Weise darüber
Bericht erstattet. Neben der Malerei pflegte sie auch das Klavier-
spiel und den Gesang. Auch Sprachfertigkeiten besass sie, denn im
Französischen war sie ebenso zu Hause wie in ihrer Muttersprache,
von der sie nicht nur das Hoch-, sondern auch das Plattdeutsche
beherrschte. Zu alledem kam eine für die damalige Zeit nicht gewöhn-
liche, poetische Gewandtheit hinzu, von der wir auf der Danziger
Stadtbibliothek ein schönes Zeugnis besitzen.
Vor mir liegt, während ich im Lesezimmer der genannten
Bibliothek sitze, ein prächtig ausgestattetes und wohl erhaltenes
Manuskript, welches in besonders schöner Schrift hergestellt ist und
den Titel trägt: „Kleine Samlung Poetischer Einfälle bey müssigen
Stunden verfertiget von Anna Renata Brayne. Dantzig 1748.*' Die
Sammlung ist in folgende Abteilungen geteilt: Geistliche Gedichte,
Trauer-Gedichte, Giückwünschungs-Gedichte, Schertzhafte Briefe, Ver-
mischte Gedichte. In der Abteilung der ,, Scher tzhaften Briefe^ finden
sich einige Sendschreiben in einem wunderlichen, damals wohl beliebten
Gemisch von Deutsch und Französisch — „auf deutsch Fraukes
Manier^, wie die Verfasserin sagt. Uns interessieren hier aber
insonderheit die plattdeutschen Sendschreiben, die als Quelle für
unsere Kenntnis der alten Danziger Mundart den Abdruck verdienen.
y. Sendsehrelben.
Myn Gnädge, Hochgeehrt on leef Frn Bechteren!')
Et kam my hyd em Sen,
Wie! my de Lyde seden,
Eer Herr Schapnschken wehr en't Rechter Amt getreden,
Dat eck wat schmehren sali;
Et schord my aher nich, so wy eck geren wnll:
Doch wiel Se menichmaal wat pntzig plegt to wesen,
1) Gemeint ist von der Dichterin eine ihrer Schwestern, die Anfang 1786
einen Friedrich Reyger heiratete. Dieser wurde am 21. M&rz 1787 Richter, woza
Anna Renata ihm in einem hochdeutschen Gedicht gratulierte.
142
Laat eck Er dissen Schnack nht goden Harten lesen.
Det Rechter Amt es schwaar, so wy en yder segt,
Veel schwaarer, als de Keed de om Eer Post gel^,
Veel schwaarer, als de Banck de en Eer Hns' gedragen,
Man hOrt by dissem Amt Teel Grynen, Hylen, Klagen,
Veel Kabbeln, veel Geblarr, on wat des Kraams noch mehr,
Et es recht gmglich schwaar so wy eck seggen hör;
Doch Syner Herrlichkeit wet Sich hieren to faaten,
Se kennt jn Syn Qemöt, wy ewemht gelaaten,
On gödig dat He es, He maakt Sich alles licht,
De Sanftmoht on Gedolt, kickt recht nht Syn Gesicht;
On darby kan man ock en Synem gantzen Wesen,
Verstand, Scharbsennigkeit on groote Kloockheit lesen.
Es dat nich alles schön? nn, wat verlangt Se mehr?
Eck wensch en Hupen Gleck, to disser schwaaren Ehr;
Eck wensch ock dat dit Jaar sich alle Lyd bekeeren
De schlem gewesen sent, on en god Leben feeren,
So fraam als Lämmer sen, on kenen schlaanen dood,
Nich fautzen, oder sonst wat brnen dat nich goot;
Dat Syner Herrlichkeit, nich so veel Laarm darf hören,
On dat He kan de Tydt met Er vergnögt passeren;
Ho war wy altosam noch faacken lostig sen,
Myn Gnädge, Hochgeehrt on leef Fm Rechteren;
Eer Herr Schapnschken bed eck frindlich sehr to greeten,
Eck schlnt myn Zeddelken, on war my altyt heeten.
Von Ehnnen Beydersyts, de eck gewesen ben,
To denen weliget on truet Sösterken.
Dantzig.
En't Jaar 1737 d. 21 Hartz A. R. B.
IX. Sendsehreiben.
Myn tmhtstet Brodercken ! i)
eck wensch en gooden Dag,
Vergönn my dat eck Dy en bessken schelen mag:
Eck heb recht groote Lost Dy Dynen Peltz to waschen,
On dit wall sich op fransch ver dit mahl gar nich flaschen;
Drom docht eck t' geit oock wohl op pladdytsch beter an,
Eck hap Da warst noch wohl so vel darvon verstahn.
Wat bedel sali et sen, welsta nich an my schrywen?
Schwärt Oogschet Brodercken, wo lang warsta dat dryven?
Da denckst nich mehr an my, et es ja oppenbahr,
Dat eck geschrewen heb es wohl en halwet Jahr,
Ja watt en halwet Jahr wohl een on derrtig Wecken,
On darto sali eck nich en eentzig Wortken sprecken?
Eck docht all henn on her, es en den letzten Breef,
Wor wat met engeschlickt dat ehm nich allto leef;
Doch so wat fand eck nich; dat mass my ja verdreeten.
Eck sed, so oft als wy Dyn Schrywen haalen leeten.
Na ward oock wohl gewös an my en Breef ken sen;
1) über diesen Bruder der Dichterin, der sich damals als Student auswärts
aufhielt, konnte ich nichts Näheres ermitteln.
143
Doch wacht man emmer weg, myn schlemet Brodercken
Yergett my gantz on gar; dat kropt my nt der maaten,
On darto muss eck my noch utveckzeeren laaten;
0 sed denn mencher een, hold en met dyn gepraal,
Lach nt myn SOsterken, wacht bet en andermahl.
T docht eck oock darf er sal He gewOs wat hören,
Dat He Sich künftig henn wöt beter optofehren.
Eck wöt, myn Brodercken, Dn denckst en Dynem Sen,
Tomer man emmer weg, on schmäl man emmerhen,
Eck heb wat mehr to dohn, als Dn, eck mot stodeeren.
Eck mot Mattschmaatsch ') hier lehm on oock philausopheeren,
Dn aber sedst en Bnh en Dyne Yaderstadt
Tobreckst Dy nich den Kopp on mackst Dy möd on matt.
Doch wacht, myn Brodercken, dat kan eck oock nich lyden,
Dn deist my vel to yel, eck mot dy dat bedyden,
Eck Hg nich emerfort hier op de Baaren Hnht,
Eck maack my oock wohl möd, eck fahr sehr ifaacken nht;
Eck gab wohl von SchellmebP) bet an de See') spotzeeren,
To Waater on to Land mot eck my afstroptzeeren.
Ons leew* Herr Schwager maackt nns menchen lostgen Dag,
So mench Yermaack dat eck nich alles seggen mag:
Eck maack Dy t' Hart man schwaar, et mncht Dy oock verdreeten,
Dat Da nich met darvon en Deelcken kanst geneeten.
Drom hör eck leewer op; on schlnt oock mynen Breef;
Schryw kttnftig flytiger so heb eck Dy oock leef.
On snlstn oock so oft, als eck wohl wensch, nich schrywen,
So war eck darom doch so lang eck lew yerblywen
Na ohlen Schroot on Eoorn, wie eck sonst emer ben,
Myn leewet Brodercken,
To Dantzig. Dyn trnet Söstercken
ent' Jahr 1739 d. 15. Angstmahnt A. B. B.
X. Sendsehreiben.
Lewe Frindkes,^)
hört my to, wat eck ja verteilen wöll,
Aber lacht my ock nich at, oder eck schwig mnscken stöll,
Ver fyf Jahr om dise Tyd, wör en groter höllge Dag,
Eck mOn aller Heyligen, doch hört wyder wat geschach,
Ehn Paar leewe Heylige de nich emmer alto fram,
Eömen donn tom ersten mahl, by en goden Frind tosam,
Koosden met enander wat, on gefoUen sich so sehr,
Dat det gode Paar sehr bold met enander eenig weer,
Feer, ock noch dreefeerel Jahr hebben see sich all gehatt,
On se reden noch ter Tyd sich tosamen nemmer satt;
Eck als een recht ehrlich Bloot, wensch dat dise Heyige Dag,
Met vehl hundert dnsendt Glöck öfters weder kamen mag;
Schmeckt noch mengen schönen Braden met Qesnndheit on Vermack,
1) Mathematik. >) Schellmühl (bei Danzig), wo Reyger's (siehe S. 141) ein
Landhaus hatten. ') Ostsee. ^) An Reyger's gerichtet.
144
Drinckt ock noch mench Gläscken Wyn hOrt noch menchen lostgen Schnack,
Bedt on plndert noch sehr lang, aber denckt doch ock darby,
Dat eck von ja lewet Paar
1740
Am Dag aller Heyligen eene tme Frindin sy.
XL Sendsehrefben.
Myn tnitstt Hertz Vadercken!
eck wensch en goden Dag,
On dat dit Zeddeicken, em munter finden mag.
Eck heb vor langer Tyt als gant2 gewess vernahmen,
Dat he op disen Dag es op de Welt gekahmen;
Drom heb eck so stoddeert, on wall recht hardlich gern
Met eenen schönen Vers, em darto gratoleeren:
Doch wall det gar nich fort, eck bit my op den Nagel,
Eck kratzt mi en den Kopp, eck fnnt nich Kopp noch Zagel;
Eck docht, Hans Sachs komm da on help mi at der Noht
Doch wall de schlemme Schelm mi armet ehrlich Blot
Nascht, wat mi recht gefoU, en mine Fedder bringen;
Y, docht eck oock gantz böss well die denn nascht gelingen?
Best da denn gantz erschOpt? wat Bedel sali dat sen,
Lop to de Modersprack, din leew Hertz Vadercken
De kent din godet Hart, on sent det domme Saacken,
So warstn doch vyllicht em wat to lachen maacken.
Min tratst Hertz Vadercken, eck fren mi wol recht sehr
Dat He dit grote Jahr dat recht gef&hrlich wör,
(Det Dree on Sesstichste, wi veele Lyde seggen,)
Noch glöcklich on en Rah heft kaat torügge leggen.
Doch denck eck ver min Deel, on es ock gantz gewes,
Dat wol en ydet Jahr schlem on gefährlich es;
Drom wensch eck op det ny veel hnndert dnsend Seegen
To Syne Tröt on Schrot op allen Steg on Wegen.
Eck wensch von Härtens Grand dat dise schöne Dag
To onsen Trost on Freud noch oft erschynen mag.
So veel als Kinderckes nu henn on wedder lopen
On sich Schnorrpipery on Peperkoockskes kopen,
So veel Vergnögen, Glöck, Gesundheit on Vermaack,
Wensch eck tom Domneck i) Em met disen kleenen Schnaack.
Eck bed mi allemahl gewagen to verblywen;
Eck schlat min Zeddelcken on war mi altyt schrywen
On sen ock en der Daht, min tratst Hertz Vadercken!
Syn gantz gehorsamet on truet Dochtercken.
Anno 1743 d. 5. Aug.
Den ersten Domnecks Dag A. R. B.
DANZIG. NA/'alther Domansky.
>) Der berühmte Danziger Dominiks-Jahrmarkt, beginnend mit dem 5. Angust.
145
(
O:
u*
Bittlied aus W^estfalen
an die ^veibliehen Heiligen.
Das nachfolgende Lied steht in einem aus verschiedenen Fascikeln
zusammengesetzten Bande, welcher sich in der Bibliothek des Gym-
nasium Carolinum in Osnabrück befindet. Vgl. Thyen „Die Bibliothek
des Gymnasii Carolini^ 1 Abt. Prgr. Osnabrück 1875 s. 22.
Es ist für westfälische Nonnen gedichtet und hat auch wohl
wirklich praktische Verwendung gefunden. Beachtenswert ist es des-
halb, weil es eins von den Beispielen bietet, wie niederländische oder
in niederländischen Klöstern älter gewordene Brüder und Schwestern
die mittelniederdeutsche Sprache handhabten.
So die Verwechselung des Geschlechts. Str. 1. Vor alle de my
schaden mach.
Str. 5 sind im Reime bekoringe ;, Versuchung*^ und bekoren =
bekoringhe „das Bitten^ verwechselt.
Str. 6 vronscop statt vruntscop, — Str. 9 geu^erde statt geverde.
Dies ist nach Oudemans II, 661 mnl. Wechselform von geverde ^jfertig*',
aber nicht von geverde ;,Gefärte^.
Die Keime in Str. 6 und 13 Ägnete : stede und sarte : drade
entsprechen der im Bistum Osnabrück einheimischen Erweichung von
inlautendem t.
Str. 9 steht der got wohl statt an got^ indem der Autor an
niederländisch ter dachte.
1 0 Maria reyne maget 4 Dorothea gutlike vrowe [wende]
al myn noet sy dy geclaget myne armot vnde eilende
behode my alle dnssen dach giff my dyner doget ene rösen
vor alle de my schaden mach. de my van vndoget mote losen.
2 Help my Maria Magdalena 6 Margareta alle boze dancken
dat ik myne snnde bewene laet vt mynen horten wancken
lesche myner snnde gloet bozen wyllen vnde hose bekoringe
myt waren ronwen vnde der tränen vloet. bewar myn herte dar (Hs. dat) voren.
3 Qyfl my wisheit Eaterina 6Ik bidde dy jnncfron Agnete
dat ik al de viande mynne myn herte make stede
myt wysen antworde vorwynne dat ik dy vor ene werdynne kese
van mynes lonendes anbegynne. vnde dyner vronscop nnmraer vorlese.
NiederdeatscheB Jahrbuch XXX VII. 10
146
7 Agatha da wylle my leren
lef hebben gode ynsen heren
vnde ene denen in renicheit
mit line vnde sele in ynlherdicheit.
8 Cecilia help my jnncfronwe gar
dat godes engel my bewar
vor des bösen dnuela schar.
9 Elizabeth help my dat ik gene
myn gnt der got de wile ik lene
vnde de werlde yorama na dyner lere
np dat my werde de ewyghe ere
in watere vnde np erde
dar wes myn gewerde.
10 Ursnla vnde ere geschar
war ik byn vnde war ik var
dar behode my vorwar
vor des bösen gestes schar.
11 0 inncfrowe Lncie
wes myn artzedie
vor werltlike scande vnde vor ewige
plage,
12 0 Barbara wan ik sterve
godes lycham my vorwerve
dat he sy myn leste spise
vnde my in den hemel wise.
13 Gertrud inncArowe sarte
werff my ene herberge drade
hir wan ik van henne Schede
so wes my to gode en gnt geleyde.
Amen.
OSNABRÜCK.
H. Jellinghaus.
147
Zur 'Deutsehen Dialektgeographie'.
1. Zar Zirknmflexion im Niederrliemisclieii.
Es soll hier nicht die ganze ziemlich verwickelte und auch oft
von Ort zu Ort wechselnde Erscheinung im Niederrheinischen behandelt
werden, die unter dem Namen Zirkumflexion bekannt ist. Dieser
kleine Beitrag zu den niederrheinischen Lautverhältnissen ist durch
eine kleine Bemerkung von Ramisch in seinen 'Studien zur nieder-
rheinischen Dialektgeographie^ (im ersten Heft der 'Deutschen Dialekt-
geographie', Berichte und Studien über Wenkers Sprachatlas, hgg.
von F. Wrede) veranlasst worden und soll nur dazu beitragen, die
Zirkumflektionsverhältnisse eines speziellen Lautes in einem kleinen Teil
des Niederrheinischen aufzuklären.
Bei der Besprechung der betreffenden Lauterscheinung erwähnt
Ramisch auch (§ 12) den Umstand, dass während in dem grössten Teil
seines Sprachgebietes Zirkumfiexion von westgerm. i, ti, ai (== ahd. ei)^
au (= ahd. ou) 'nur in offener Silbe, also bei folgender Flexions-
oder Ableitungssilbe' eintritt, es ein beschränktes Gebiet gibt, das
eine verschiedene Entwicklung aufzuweisen hat. Dies Gebiet liegt
etwas nördlich von der Stadt Kempen und erstreckt sich von der
niederländischen Grenze bis ganz nahe an den Rhein quer hinüber.
Die Südgrenze, die man am leichtesten auf der der Abhandlung
Ramischs beigefügten Karte aufsucht, besteht aus folgenden (nicht
einbegriffenen) Orten: Niederdorf, Herongen, Wankum, Wachtendonk,
Gelinter, Schmalbroich, Broich, St. Hubert, Orbroich, Hüls, Niep,
Vluyn und Neukirchen, im Norden wird das Gebiet durch die folgenden
begrenzt: Straelen, Holt, Pont, Veert, Geldern, Aengenesch, Issum,
Hörstgen, Klosterkamp und Lintfort (s. Ramisch S. 13). Auf dem
auf diese Weise abgegrenzten Gebiet findet Zirkumflexion von west-
germ. au (= ahd. ou) und ai (= ahd. ei) nicht nur unter der oben
erwähnten Bedingung statt, sondern auch in geschlossener Silbe.
Während aber die Erscheinung bei au ausnahmslos ist, zeigt das
westgerm. ai (= ahd. ei) eine zweifache Entwickelung, indem die
Zirkumflexion nur in einigen Wörtern eintritt, in anderen
dagegen der Vokal eingipflig ist. Worin der Grund zu dieser
Doppelentwickelung zu suchen ist, hat Ramisch nicht ausfinden können,
und diese Lücke ist es, die ich hier auszufüllen versuchen werde.
10*
148
Zunächst werde ich die von Ramisch gegebenen Beispiele hier
anführen i) :
Es findet sich Zirkumfiexion in §we:t 'Schweiss', we:k 'weich',
he:t 'heiss', ze:p 'Seife', de:l 'Teil', Ste:n 'Stein', U:n 'Bein', während
in den folgenden Fällen eingipf liger Vokal erscheint: zh)9r 'Speichel,
Geifer', teka 'Zeichen', zSk9 'seichen', hetol 'Meissel', igd 'eigen', ek^m-
hö:m 'Eichenbaum', wit 'Weizen', blek 'Bleiche'.
Bei der Durchmusterung dieser Beispiele ist es mir sogleich ins
Auge gefallen, dass wir hier lediglich eine bisher unbekannte Seite
des Einflusses eines auf das ai folgenden i, j haben müssen. Es ist
ja seit dem Erscheinen von Holthausens Soester Mundart eine all-
gemein anerkannte Tatsache, dass in Soest das ai sich zweierlei ent-
wickelt hat, je nachdem darauf ein i, j folgte oder nicht, und später
hat sich dasselbe auch für andere niederdeutsche Dialekte bestätigt.
Untersuchen wir nun die obigen Belege mit Zirkumflexion, stimmen
sie sämtlich darin überein, dass sie umlautslos siod. Nach den ent-
sprechenden Formen auf dem ganzen germanischen Sprachboden
zu schliessen, wäre freilich Umlaut bei zwei von ihnen möglich, nämlich
bei zi:p 'Seife' und de:l 'Teil', von diesen beiden Wörtern begegnen
aber überall daneben Formen ohne t, j (s. Klug e, Etym. Wb. s. v.
^Seife' und ^TeiF), und nichts hindert also, in z€:p und (fe:l ebenso
gut wie in äwe:t, wS:k etc. unumgelautete Formen zu erblicken.
Ganz anders liegt die Sache bei den Wörtern mit eingipfligem
Vokal. In betal 'Meissel' (mit dem bekannten Werkzeugssuffix -i/,
8. Kluge, Nominale Stammbildungslehre § 90), u>€t 'Weizen', blek
'Bleiche' (vgl. in der Soester Ma. § 72 bla6k9 und das dort heran-
gezogene ahd. bleicht) und dem Kausativum zSke 'seichen' wird sicher
keiner an dem ursprünglichen Vorhandensein eines t, j zweifeln, und
in Anbetracht des Parallelismus got. aigin: *aigans, ahd. eiffin: eigan^
angs. (^"^en: d-z^en kann auch für ^g9 'eigen' die Möglichkeit eines i
in der zweiten Silbe nicht abgewiesen werden. Es bleiben also noch
zu besprechen zewr^ teka und ek9mbd:m. Für die beiden letzten
Wörter lassen sich aus niederdeutschen Dialekten sehr leicht Formen
mit umgelautetem Stammvokal heraussuchen. So findet man im
Münsterländischen aek^ aekbaom (ai wird dort > ^, ai-i^) > o«,
s. Schönhoff, Emsländ. Gramm. § 78), ebenso eik in der Priegnitz
(s. Mackel, Jb. XXXI S. 110), aik in der Ma. von Warthe
(s. Teuchert, Jb. XXXIII S. 34) und atto in den Dialekten der
Magdeburger Gegend (s. Krause, Jb. XXI S. 62 und XXII S. 3), —
1) Es ist zu bedauern, dass er so wenig Beispiele angeführt hat. Wenn es
sich um eine Lauterscheinung handelt, die man selbst nicht zu deuten wüsste,
sollte man doch zur Erleichterung etwaiger Erklärungsversuche anderer Forscher
möglichst vollständige Belege geben. Für den vorliegenden Fall wird freilich die
Sache dadurch etwas günstiger, dass er auf die reichlicher fliessenden Beispiele
aus dem Glevischen bei Geerling, Die Clevische Yolksmundart (Progr. Wesel
1841) hingewiesen hat, aber sicher wären noch mehrere Belege hinzuzufügen.
*) Mit ai'i meine ich im Folgenden ai mit t, j in der Folgesilbe, mit dem
im Gegensatz dazu stehenden ai dagegen unumgelaateten Vokal.
149
Für umgelauteten Stammvokal in ^Zeichen^ gibt es weniger Belege.
Ich kenne nur die folgenden: in der Priegnitz (s. Mackel a. 0.)
hat man teiktf^ und in der Magdeburger Gegend (s. Krause a. 0.)
spricht man taik9n, ^) Trotz ihrer geringen Anzahl bewirken diese
Formen, dass man nicht von vornherein die Möglichkeit eines um-
gelauteten Stammvokals in diesem Worte leugnen darf. — Noch
schlimmer steht es aber mit zSv9r 'Geifer'. Die ahd. Form seivar
bietet keine Stütze für die Annahme eines i in der zweiten Silbe,
und die meisten Dialektmonographien verzeichnen das Wort überhaupt
nicht. 2) Von den Mundarten, die ai und ai-i unterscheiden, weiss ich
nur eine, für die das Wort verzeichnet ist: die Priegnitzer (Mackel
a. 0.), hier geht es aber mit den Wörtern mit ai-i zusammen: zeivä^
ebenso das Verbum zeivän 'geifern^ was also für die Möglichkeit eines
umgelauteten Vokals auch in unserm Dialekt spricht.
Deswegen braucht man doch wohl nicht zu einer Suffix-
vertauschung (etwa ahd. *seivir, vgl. z. B. ahd. zeichor, -ur, ags. täcor,
'Ur : ahd. zeichir) Zuflucht zu nehmen, sondern ich möchte in diesem
Zusammenbang auf eine andere Möglichkeit aufmerksam machen, die
m. W. bisher von sämtlichen Forschern auf diesem Gebiete unbeachtet
gelassen ist, nämlich auf den Systemzwang. Wie oben gesagt, ist die
allgemein angenommene Erklärung der wechselnden Entwicklung von
germ. ai die zuerst von Holthausen gefundene: Einfluss oder Nicht-
Einfluss eines folgenden i, j. Aber es gibt noch eine andere, die
zuerst von Wrede in seinen Berichten über den Wenker'schen Sprach-
atlas ausgesprochen worden ist (Anz. f. d. Alt. XXI S. 290). Er
sucht den verschiedenen Vokalismus von der Ein- oder Zweisilbigkeit
der Wörter abhängig zu machen. M. E. enthält die Erklärung Holt-
hausens die grösste Portion Wahrscheinlichkeit, aber die Annahme
Wredes lässt sich nicht rundweg zurückweisen. In den modernen
Dialekten sind nämlich die Wörter mit ursprünglichem ai meistens
einsilbig, diejenigen mit ai-i meistens zweisilbig, es lässt sich also
leicht denken, dass solche Wörter mit Svarabhaktivokal oder
schwerer Ableitungssilbe oder sonst aus irgend einem
Grunde zweisilbig, denen von Hause aus kein i zukommt,
allmählich unter Einfluss der vielen zweisilbigen Wörter
mit umgelautetem Vokal auch diesen Vokal angenommen
haben.
Nach dem Gesagten wird wohl keiner die Möglichkeit leugnen
können, den bisher unerklärten niederrheinischen Wechsel von ein-
gipf ligem und zirkumflektiertem Vokal bei germ. ai ganz einfach auf
Formen mit und ohne *, j in der Folgesilbe zurückzuführen.
1) Aach für das Altfriesische ist fär die Wörter 'Eiche' und 'Zeichen' t-Umlaut
geltend zu machen. Vgl. hierüber einen Aufsatz von mir in den Indogerm. For-
schungen, wahrscheinlich Bd. 81.
') Das Wort fehlt in vielen Dialekten. Vgl. die unten abgedruckte Mitteilung
Seelmanns.
150
Wie die Sache lautphysiologisch zu erklären ist, ist eine
schwierigere Frage. Nach dem Parallelismus mit der unten zu
behandelnden Clevischen Mundart und auch aus anderen Erwägungen
(z. B. den Schreibungen in mitteloiederdeutschen Handschriften) scheint
es, als ob das i, j der Folgesilbe dazu beigetragen hat, den diphthon-
gischen Laut länger beizubehalten, während die anderen ai (ohne
folgendes t, j) früher monophthongisiert wurden, wobei (in unserm
Dialekt) Zirkumflexion als Ersatz für den verschwundenen diphthon-
gischen Laut eintrat. Die Monophthongisierung von umgelautetem
ei> e ist natürlich eine späte Entwicklung ; das Cleyische bewahrt ja
noch immer den Diphthong.
Die geringe Zahl von Wörtern, die Ramisch aus seinem Gebiet
belegt, wird wie oben gesagt dadurch vermehrt, dass er auf eine
entsprechende Erscheinung im Glevischen nördlich von der oben
genannten Grenzlinie Straelen — Lintfort hinweist, freilich mit dem soeben
erwähnten Unterschied, dass hier dem eingipf ligen e ein Diphthong
ei entspricht; dem gegenüber steht genau wie in dem behandelten
Gebiete ein zirkumflektiertes ^:. Die Beispiele aus dem Glevischen
findet man verzeichnet bei Geerling, Die Glevische Volksmundart
(Weseler Programm, 1841).i) Es wird also meine Pflicht sein, zur
Stütze meiner Theorie zu untersuchen, ob hier auch der Wechsel
hi: i: auf das Vorhanden- oder Nicht- Vorhandensein eines folgenden
t, j zurückzuführen ist.
Zunächst die Beispiele. Si findet sich in folgenden Wörtern
(natürlich sondere ich die hochdeutschen Lehnwörter mit ei < germ. i aus) :
heilig 'heilig', rein 'rein', klein 'klein', meine 'meinen', heid 'Heide' f.,
weit 'Weizen', scheide 'scheiden', reise 'Reise', beide 'beide', ameis
'Ameise', geist 'Geist', meister 'Meister', teiken 'Zeichen', eigen 'eigen',
ei 'Ei', eUand 'Eiland', Ui 'Schiefertafel', heitel 'Meissel'.
i: haben dagegen 6^ 'Bein' en 'ein', Ä^^'heiss', iZÄi 'Kleid', led
'Leid', Ur 'Leiter', schwet 'Schweiss', s$p 'Seife', del 'Teil', weh 'weich',
hret 'breit', h&s 'heiser', lest 'Schusterleisten', sten 'Stein', mist 'meist',
ed 'Eid', Uhne 'leihen', n& 'nein'.
In der letzten Gruppe können bekanntlich die meisten Wörter
kein i, j aufweisen. Ausser den oben behandelten 'Seife' und 'Teil'
haben m. W. nur lir 'Leiter', Ust 'Leisten' und Uhne 'leihen' in ver-
wandten Sprachen und Dialekten i-ümlaut, so angs. hke'd(d)er 'Leiter' ;
angs. lce*st, in der Priegnitz leistr^ 'Leisten' ; angs. Ice'nan, '(ver)leiben',
diesen stehen aber ahd. leitara, Uhanon und angs. last, neuengl. Utst
gegenüber. Nichts steht also im Wege, für sämtliche Wörter mit
e : Urformen ohne i, j in der ursprünglichen Folgesilbe anzunehmen.
Komplizierter sind die Verhältnisse bei den Wörtern mit ei,
teils weil hier Entlehnungen aus dem Hochdeutschen möglich sind,
1) Da dieses Programm in unserer hiesigen üniTersiUtsbibliothek nicht vor-
banden war, hatte Prof. Seelmann die Güte, mir brieflich die bei Geerling in
Betracht kommenden Wörter mitzuteilen.
I
151
teils wegen des oben erwähnten Systemzwangs der zweisilbigen Wörter.
Als sichere Lehnwörter betrachte ich das ursprünglich friesische
eiland, ebenso ameis, dessen s ja. den hochdeutschen Ursprung verrät, i)
Für die anderen Wörter liegt die Sache ziemlich klar: rein,
klein, meine, heid, weit, beide, ei, lei (alts. leia < *laiia) und nach dem
oben Gesagten auch teiken und eigen haben sämtlich umgelauteten
Vokal. Von den neu hinzugekommenen lässt sich für heilig Suffix-
vertauschung geltend machen : as. kSlig neben hSlag^ angs. hce^li^^ neben
hälii,, — Für das Verbum scheide ist Übertritt in die schwache Kon-
jugation anzunehmen (wie schon im Mittelniederdeutschen, s. Lübben,
Mittelniederd. Gramm. S. 69). Dieser Übertritt fand wohl statt in
Analogie nach den anderen schwachen Verben mit umgelautetem ei
als Stammvokal ('reichen', 'leiten', 'spreiten', 'bereiten', 'breiten' u. a.)
und rief auch eine entsprechende Veränderung des Stammvokals hervor ;
eine ähnliche Entwicklung hat in anderen Mundarten das bei Geerling
nicht verzeichnete 'heissen' mitgemacht (vgl. im Münsterländischen
syaedn und haetn bei Schönhoff, Emsländ. Gramm. § 78,2; Soest.
ha&tn bei Holthausen § 346, aber sxb^n § 345). — Vielleicht
lässt sich, wenn nicht der Systemzwang hier in Rechnung kommt,
denselben Einfiuss für ein aus reise 'Reise' zu erschliessendes Verbum
^reise 'reisen' annehmen, das dann seinerseits das Substantiv beein-
flussen könnte. Für umgelauteten Stammvokal in diesen Wörtern
spricht teils die fast konstante Schreibung mit ei im Mittelnieder-
deutschen (s. Lübben S. 35), teils die Entwicklung der Wörter in
den neueren Mundarten^) : in einigen waldeckischen Dialekten schliessen
sie sich nämlich denjenigen mit umgelautetem Stammvokal an
(s. Bauer- Collitz, Wald. Wörterb. S. 54*); in der Priegnitz gehen
sie mit dem Teil von Wörtern, die di haben: rdis (s. Macke|l § 82b,
wo sie freilich zu den hochdeutschen Lehnwörtern gezählt werden,
vgl. aber bdi(r) 'beide'). — In dem Wort 'Geist' findet man ebenso
umgelauteten Vokal in einem Teil vom Waldeckischen (s. Bauer-
Collitz a. 0.) und in der Priegnitz : gdist (Mackel sieht dieses auch
als hochdeutsches Lehnwort an, wohl auch mit Unrecht), vgl. auch
angs. T^ce^st neben T^dst, — 'Meister' zeigt im Mittelniederdeutschen
häufig die Schreibung ei (s. Lübben S. 36 ; daneben aber mester mit
in der Anrede vor Namen gekürztem Vokal). Dieses Wort zeigt auch
1) Da88 es wirklich Lehnwörter gibt, zeigt ausser ameis auch kleisieTf das
ja auf eine Grundform mit I zurückgeht (Diphthongisierung von i > ei in dieser
Stellung tritt natürlich nicht ein); zweifelhafter ist feind 'Feind', da bekanntlich
Diphthongisierung von I vor Hiatus ziemlich verbreitet ist. — Ein durch Analogie
verändertes Lehnwort ist auch sivoer * Seif er'. Professor Seelmann teilt mir darüber
brieflich mit: 'Da hochdeutschem ei in der Clevischen Mundart meist I entspricht
(vgl. spis 'Speise', taer '£isen', hlive 'bleiben', schwtge 'schweigen' etc.)» ist es denk-
bar, dass siwer 'Seifer' aus hochdeutschem 'Seifer' entstanden ist. Die Analogie
iwer 'Eifer' mag mitgewirkt haben. Meine Annahme ist nicht sehr kühn, da das
Wort 'Seifer' manchen Ortsmundarten fremd ist, z. B. auch der meiner eigenen
Heimat.'
*) Die meisten Dialektmonographien erwähnen freilich das Wort gar nicht.
152
in der Priegnitz Zusammenhang mit den Wörtern mit umgelauteten
Vokal: meistd.
Als Ergebnis unsrer Untersuchung darf als sicher betrachtet
werden : die Hauptmasse der Wörter mit eingipf ligem e (im Clevischen
£i') haben entschieden umgelauteten Vokal, und für die unsicheren
lassen sich leicht Entsprechungen mit Umlaut in anderen Mundarten
auffinden, während ebenso entschieden die Hauptmasse der Wörter
mit zirkumfiektiertem Vokal (e:) nichtumgelauteten Vokal haben.
2. Ostfries. hUjet, bifJU 'bissehen'.
Das erste Heft der 'Deutschen Dialektgeographie' enthält ausser
der Arbeit Ramischs auch eine Abhandlung von Prof. Wrede über
die Diminutiva im Deutschen, worin er, wie es scheint, in den Haupt-
zügen die Entstehung der grossen Hauptmasse dieser Diminutiva auf-
geklärt hat. Einzelne Fragen bleiben immer noch zu beantworten,
und hier werde ich speziell auf eine Diminutivform eingehen, die auf
einen kleinen Teil von Deutschland beschränkt ist, nämlich das in
der Nordhälfte des Ostfriesischen vorkommende bitjety hitjit 'bisschen'.
Wrede erwähnt die Formen S. 80 und kommt S. 83 auf sie zurück,
weiss sie aber 'nicht sicher zu deuten'.
M. E. liegt nach der Aufzählung der friesischen Formen bei
Wrede S. 80 die Erklärung auf der Hand, und dass Wrede sie selbst
nicht gefunden hat, wird sicher lediglich dem Umstand zuzuschreiben
sein, dass er in dem -jet^ -jit dieses Wortes eine den ostfriesischen
Namensformen auf -jet (Germania XHI S. 309) entsprechende Bildung
sehen will. Dass diese Zusammenstellung unrichtig ist, ergibt sich
schon daraus, dass -jet^ -jit^ wenn es eine regelmässige Nebenform
von 'je wäre, auch z. B. bei dem ostfries. Wort für 'Stückchen'
begegnen würde, was aber nach Wrede S. 80 keineswegs der Fall ist.
Es sprechen aber noch weitere Gründe gegen eine solche
Zusammenstellung des -jet in den ostfriesischen hypokoristischen
Namen und des -jet^ -jit in dem betreffenden Worte. Wrede scheint
nämlich von der Voraussetzung auszugehen, die in dem oben zitierten
Aufsatz (Ruprecht, Zu den ostfriesischen Kosenamen, Germania XIII
S. 301 ff.) angeführten Kosenamen auf -jet seien noch heute in
Ostfriesland geläufige oder wenigstens vorkommende Namen. Dies
ist aber keineswegs der Fall.
In seinem Aufsatz [verzeichnet Ruprecht (S. 308) auch einige
Kosenamen auf -tet^ die sämtlich Doppelformen anderer Namen auf
-t sind : Ältet : Ält^ Beutet : Beent^ Wütet : Wut u. a. Ruprecht gibt
das Alter der Namen nicht an, nach Wink 1er, Friesche Naamlijst
(in Dijkstra, Friesch Woordenboek) sind aber alle diese Namensformen
auf -tet veraltet, und der grösste Teil von den Belegen Ruprechts
stammt sogar aus dem 10. Jahrb.; er hat sie nämlich dem von
Crecelius herausgegebenen Index bonorum et redituum monasteriorum
153
Werdinensis et Helmonstadensis entnommen i). Die Namen auf -jet
berühren sich nun augenscheinlich mit diesen auf -tet^ vgl. Äljet : Altet
zu -4ft, Ällert; Minjet : Meintet^ Mentet (bei Winkler) zu Me{i)nt^ Mein-
hart u. a., und diese Erkenntnis gibt auch den Aufschluss über die
Entstehung des -jet: neben der hypokoristischen Form Alt bestand
das ebenso hypokoristische Altet^ und in Analogie hiernach bildete
man zu dem Kosenamen Alje eine neue Form Aljet. Diese Bildung
ist übrigens äusserst selten : ich kenne nur die wenigen von Ruprecht
verzeichneten Beispiele, in der grossen Sammlung von Winkler habe
ich keinen einzigen Beleg finden können, was wohl auch dafür spricht,
dass diese Formen extraordinär sind.
Aus dem Zusammenhange mit den Namen auf -tet folgt aber noch,
dass diese seltenen Formen auf -jet ebenso alt sein müssen und wohl
auch, dass sie mit jenen zu Grunde gegangen sind. Freilich Hesse
sich nun von vornherein die Möglichkeit nicht leugnen, dass diese
Eigennamen auf -jet auf die Form der anderen Diminutiva Einfluss
hätten üben können. Wrede hat ja überzeugend dargetan, dass die
ganze Diminutivbildung eben in den Hypokorismen wurzelt. Gegen
eine solche Möglichkeit spricht aber einerseits ihre grosse Seltenheit,
anderseits die schon oben hervorgehobene Tatsache, dass dieses -jet^
-jit sich nur in diesem einzigen Wort findet und nicht bei den anderen
Diminutiva vorkommt. Der Ursprung des -t in bitjet, -jit wird also
ein anderer sein müssen.
Ich sehe die Erklärung dieser Formen darin, dass das Wort
einen Teil seiner substantivischen Funktion eingebüsst hat und zu
einer Art neutrales Fürwort geworden ist, wodurch es natürlich auf
eine Stufe mit den ursprünglichen Pronomina kam. Dadurch kam
es aber auch dazu, das bei neutralen Fürwörtern häufige Schluss-^
hinzuzufügen, vgl. im Mittelniederd. die Wörter it, dat, dit, wat^ icht
mit zum Stamme gehörigem t und Formen wie alle{n)t, jent, desset,
dussety welke{n)t^ sulke{n)t mit Endungs-^ (got. -ata^ ahd. -az),^).
Für die Wahrscheinlichkeit dieser Aufl'assung des Wortes hitjet^
-jit als ein neutrales Fürwort spräche wohl schon die entsprechende
Bedeutungsentwicklung des hochdeutschen 'bisschen\ wenn aber dazu
der von Wrede S. 80 erwähnte Umstand kommt, dass eben in der
Gegend, wo die Formen mit -jet^ -jit zuhause sind (im nördl. Ostfries-
land), öfters statt dieser Formen das Fürwort wat eintritt, scheint
mir die Wahrscheinlichkeit zur Gewissheit zu werden.
LUND. N. Otto Heinertz.
') S. Stark, Kosenamen der Germanen S. 123, Note 8.
^) Die Formen finden sich ja meistens noch in den Mundarten, und ein
Beweis für die Lebenskräftigkeit des -t ist ja der Umstand, dass es bekanntlich
auch in die Adjektivdeklination gedrungen ist.
154
Mukau von Hal^ve^stadt.
Aus der Jugendzeit klingt es und singt es und ruft Erinnerungen
an kindheitsfroiie Tage in der Geborgenheit des Elternhauses wach:
Mukaa tob Halwentadt,
bring doch usen Kiimeken wat.
Wat sali ek en denn man bringen?
Ein Paar Schau mit Ringen,
ein Paar Schau mit GoUe beslahn,
da sali use Kind oppe danzen gähn.
Dem Kinde in der schaukelnden Wiege singt es die Mutter, die Gross-
mutter, denen es einst von ihren Ahnen gesungen wurde. Geschlecht
um Geschlecht fuhrt das Lied uns zurück in vergangne Tage. Wo
aber liegt sein Ursprung, und wie ist es zu deuten?
Das über ganz Norddeutschland verbreitete Lied wird gewöhnlich
auf Bischof Burchard IL von Halberstadt i) bezogen, ohne dass aller-
dings je der ernsthafte Versuch unternommen wäre, diese Ansicht
auch zu beweisen. Bischof Burchard hatte den Bischofsstuhl von
1059 — 1088 inne und war Heinrichs IV. erbittertster Feind unter den
Fürsten im alten Sachsenlande, sein tatkräftigster und ausdauerndster
Gegner. ^Zunder und Nahrung der Zwietracht* nennen ihn die Zeit-
genossen. Er verstand das Schwert des Kriegers ebenso zu hand-
haben wie den Krummstab. Doch sorgte er auch für seine Unter-
tanen und hat z. B. den Halberstädter Kaufleuten manche Vorrechte
verschafft. Wie weit politische Klugheit ihn dazu trieb, wissen wir
nicht. Dass er ein grosser Kinderfreund gewesen sei, wie es die
Deutung des Liedes auf ihn voraussetzt, ist geschichtlich nicht bezeugt,
und man scbliesst erst aus dem Liedanfange darauf. Wackermann 2)
sagt: »Auch in seinem Privatleben scheint er darauf Bedacht genommen
zu haben, sich beliebt zu machen. Denn gewiss ist die Volksüber-
lieferung von 'Buko dem Kinderfreund', an welchen ein noch heute
nicht verklungenes Volkslied erinnert, nicht eine grundlose Fabel.»
Ähnlich scbliesst Klamer Schmidt^); denn ^noch bis auf die heutige
Stunde zitieren ihn (den Bischof) unsre Kinderwärterinnen in voran-
stehendem Liede**. Wie Sello in den Mitteilungen des Vereins für
anhaltische Geschichte*) nachgewiesen hat, gehen fast alle Bearbeiter
mit ihrer Deutung auf Winnigstedts Halberstädter Chronik zurück.
In Abels Ausgabe 6) derselben heisst es in einer Fussnote S. 298:
1) vgl. Leers, Burchard II. von Halberstadt. Progr. Eisleben 1892, und
Wackermann, desgl. Progr. Biedenkopf 1878. — ") a. a. 0. Anm. 21. — *) Poetische
Briefe, Dessau 1782. S. 50. — ^) Mitteilungen des Vereins für anbaltische Geschichte
IV (1886), S. 838. — ^) Caspar Abel, Sammlung etlicher noch nicht gedruckter
Chroniken, 1782.
155
In etlichen Exemplaren wird auch hinzugetan, dass Buco als ein
grosser Kinderfreund denen kleinen Kindern immer was mitgebracht
und unter sie ausgeteilet habe, daher das bekannte Wiegenlied
gekommen : Buko von Halberstadt, bringe unsem Kinde wat etc. Abel
tritt dieser Meinung in seiner Ilalberstädter Chronik i) mit den Worten
entgegen: Was einige vor überflüssige Gedanken bei dem bekannten
Kinderliede ;,Mukoh von Halberstadt ^ gefasst, als ob dadurch dieser
Bischof verstanden würde, der ihrem Vorgeben nach ein grosser
Kinderfreund gewesen, und ihnen von Goslar immer allerhand Kleinig-
keiten zum Geschenke mitgebracht, gehört zu den schönen Noten des
Herrn Mathanasii über Colin's Lied, und halte ich festiglich davor,
dass die alten Weiber ebenso wenig bei der ;,Mukoh von Halberstadt ^
als bei der von Bremen und Halle an ihn oder andere Bischöfe gedacht.
Aber immer wieder tritt sie hervor bis in die neueste Zeit
hinein. Wir finden sie schon bei Richey2), der den ^einfältigen
Weibern*' berichtet, ^dass dieses Buköken sei der .... Bischof zu
Halberstadt Bucco oder Burchard, welcher eine solche Kinderliebe
(! Vf.) gehabt haben, dass er niemals ausgegangen, ohne denen . .
Kindern etwas zu schenken;* ferner im Holsteinischen Idiotikon von
Schütz 3) und in einer Besprechung^) desselben, sowie in Büschings
monatlichen Nachrichten für Freunde der Geschichte I, 1816. Nie-
mann *^) tut andre Deutungen mit dem Vorwurf der Geschichts-
unkenntnis ab. Ohne lange Prüfung entschliessen sich ebenfalls für
den Bischof Frantz«), Winter 7), Blume 8) und Polle»). Die Kritik
dieser Deutung, die Müllenhofif^^) albern erscheint, wird in der Er-
weisung einer bessern liegen.
Weniger hervorgetreten sind einige andere Deutungen. In
seinen Untersuchungen über Kultgebäcke^i) kommt Höfler zu der
Ansicht, dass mit den Anfangsworten unseres Liedchens ein altes
Kultbrot gemeint sei, das man den Kindern vom Burkartsmarkttage
mitbrachte. ;, Sonst war der Borkeis- oder Burkartswecken am
Burkartsmarkte am Dienstag nach St. Burkart als Patenbrot geschenkt
worden. In einem niederdeutschen Kinderliedchen heisst es darum:
^Buckäucken von Halberstadt, bring min kleen Kindicken wat!* d. h.
einen Burkartsweck vom Krammarkte.*
Andere Forscher deuten das Lied mythologisch. So sieht
Müllenhoffi^) im Buko von Halberstadt einen Hausgeist, der um Ge-
schenke gebeten wird. M. beachtet dabei nur die Form Buko oder
Buköken, die er mit den schottischen Bezeichnungen eines Hausgeistes
1) Abel, Halberstädter Chronik, 1764, S. 169 f. — ^) Idiotikon Hamburgense
1765. — ') Schütz, Holsteinisches Idiot^on 1800 unter Buko. — ^) Jenaische
Literaturzeitnng 1807, S. 49. — *) Geschichte von Plalberstadt 1829, I 177 —
<) Geschichte des Bistums Halberstadt 1858. — ^j Magdeburger Geschichtsblätter
10 (1876), S. 309. — ^) Mitteilungen des Vereins für anhaltische Geschichte IV
(1886, S. 294) — ») Drosihn, Deutsche Kinderreime 1897, S. 48. — >») Müllenhoff,
M&rchen, Sagen und Lieder, Kiel 1845, S. 603. - ") Vgl. Ztschr. für Volkskunde
1901, S. 197 und Ztschr. für rheinische und westf. Volkskunde II, S. 168, 316. —
") a. a. 0. S. 603.
156
bumann, bukow, boodie vergleicht. Wehrhan^) möchte sich seiner
Ansicht anschliessen.
Rochholz will in der Mukuh von Halberstadt das Johannis-
käferchen (Coccinella) erkennen. Er knüpft dabei an Namen an wie
Motschekühlein, Motschekiebchen, Hergottenkühli, Sonnenkuh usw.,
die in vielen Gegenden das rote Sonnenkäferchen bezeichnen. Dieses
Käferchen steht für die rote Kuh der germanischen Mythologie, die
beim Weltuntergange über die Himmelsbrücke geht. „Das rote Tier
gibt sich allenthalben als Sonnentier zu erkennen*'. „Das rote Marien-
käferchen, der Siebenpunkt, gilt selbst für ein rotfleckiges Rind.*' 2)
„Die meisten Kinderreime, die so zahlreich an dieses Tierchen ge-
richtet werden, behandeln dasselbe als eine ... Kuh/^j
Böhme ist unentschieden. In der Einleitung zu seinem Werke*)
Seite XXII meint er : so ist damit nicht der Bischof Burkard
von Halberstadt, noch weniger die rote Kuh beim Weltuntergange,
sondern der Sonnenkäfer oder Marienkäfer gemeint; Seite 33 aber
will er auf unser Lied das bekannte Wort Goethes, das dieser von
den Wunderhornliedern sagte, angewendet wissen : reimhafter Unsinn,
zum Einschläfern völlig zweckmässig. **
Die einzig richtige Deutung vertreten meines Erachtens Abel,
Sello und Harzen -Müller 5), die in dem Liede eine mütterliche Bitte
an die Kuh sehen. Auch im Volke wird es so aufgefasst. Abels
Meinung haben wir oben gelesen ; Sello^) tritt im Anschluss an Blumes
Ausführungen der Neigung entgegen, alles mythologisch und ge-
schichtlich deuten zu wollen und meint, dass das gar nicht schwer
sei, „wenn man nur nicht blöde im Aufsuchen von Vergleichungs-
und Anknüpfungspunkten ist*'.
Seine Deutung begründet er neben dem Hinweis auf andre
Muhkuhlieder mit der sprachlichen Form. Der bischöfliche Name
habe kurzes u gehabt, in den Liedanfängen trete dagegen langes
u auf. In der Tat ist die Kurzform des Namens Burkard schon mnd.
Bucco, Bucko oder Buggo. Dennoch steht mir gerade dieser Beweis
nicht ganz fest, weil das kurze u in Bticco auch durch den langen
Melodieton 7) hätte gelängt werden müssen. Das Lied ist ja nicht
gesprochen sondern gesungen. Ich kann mich nicht entsinnen, in
meiner Jugend das Lied je anders als gesungen gehört zu haben.
Vielmehr scheint mir die Betrachtung des Vokals der zweiten
Silbe zum Ziele zu führen.
Im Mittelniederdeutschen gab es mehrere qualitativ verschiedne o:
1) das aus westgerm. 6 entwickelte mnd. o^, 2) das aus westgerm.
>) Ztschr. für rhemische und westftlische Volkskunde II, S. 68. — «) Roch-
holz, deutscher Glaube und Brauch, 1867, II 264 ff. — ») Rochholz, Alemannisches
Kinderlied und Kinderspiel, 1857, S. 93. — ^) Böhme, deutsches Kinderlied und
Kinderspiel, 1897. — ») Ztschr. Niedersachsen 1901/02, S. 67. — •) a. a. 0. —
7) Vgl. die Melodien bei Böhme, a. a. 0., S. 81 f.
157
du entstandne mnd. o^, und 3) das mnd. 6^ von verschiedner Her-
kunft, das uns hier nicht weiter berührt^).
Wie sich aus der Weiterentwicklung von mnd. 6^ und 6^ in
den heutigen Mundarten zeigt, müssen diese Vokale schon im Mittel-
niederdeutschen und im Altsächsischen in ihrer Lautung voneinander
abgewichen sein. In der MundaH um Halberstadt, dem Entstehungs-
gebiet unsres Liedes, muss mnd. 6^ geschlossener geklungen haben
als 6^; nur so ist wohl zu verstehen, dass hier o^ zu d, o^ dagegen
zu au geworden ist 2).
Nun wird das o in Buko (Bucco) geschlossen gesprochen, hat
auch als nebentoniger Vokal von andrer Herkunft die Entwicklung
der mnd. Längen gar nicht mitgemacht. Hätten wir hier den Personen-
namen vor uns, so müsste er in allen Formen unsres Liedes seine
alte Gestalt bewahrt haben, auch in den heutigen Mundarten, die
mnd. 6^ zu au entwickelt haben. Anders aber, wenn die Silbe ko
etwa dem mndd. ko^ ^hd. Kuh^ entspräche. 3) Da mndd. ko (germ. ko^
ahd. kuo) mit 6^ in vielen Mundarten kau oder kou lauten muss, wie
z. B. in den Gebieten von Halberstadt — Magdeburg, Braunschweig,
in Lippe und im Sauerlande, im östlichen Mecklenburg und in Vor-
pommern, während es in andern ko geblieben ist, so muss sich aus
den heutigen Liedanfängen ergeben, welches 6 vorliegt. Ich habe
darum eine Reihe Formen zusammengestellt, die ich aus den bekannten
Sammlungen und aus dankenswerten schriftlichen und mündlichen
Mitteilungen gewonnen habe. Da das in den meisten Lesarten des
Liedes mit vorkommende Wort Schuh, mndd. scho, ebenfalls 6^ und
darum dieselbe Entwicklung hat, wie sie ko 'Kuh' haben muss, habe
ich es zur Vergleichung mit angeführt.
1) auj QU {äu, ot).
MukaUj Mukeuken^ Mukeuseken — Schau sind belegt aus EUsdorf, Dingelstedt,
Blankenbarg, Egeln, Olvenstedt, Groppendorf, Uhrsleben, Oschersleben
(Halber8t.-Magdebg.), Northeim (Göttingen), Dahlenburg (Lünebarger Heide) ;
Bukau — Scliau aus Sargstedt (Halbstdt), Lippe, Ponunem;
Motschekau — Schau aus Ballenstedt.
2) 0 (ö).
Buko Buköken — Sc?u)h liegt vor aus Zerbst, Rohrberg (Altmark), Münster, Ltlbeck,
Holstein ;
8) hochdeutsch.
Bu-, Höh-, Motschekühchen, Motschekuh — Schuh aus Weissenfeis, Schierstedt,
Bernburg, Nietleben.
Dazu kommen Mohkoken — Schau aus Kreis Kalbe, Bukoiken —
Schoh ausMieste, -Bwäo— Sc AwA aus Brandenburg, Buko — Schau zweimal
1) Vgl. Nd. Jb. 18, S. 141 ff. — >) Genauer habe ich diese Entwicklung zu
zeichnen versucht in der Lautlehre der Mundart von Eilsdorf, Ztschr. f. d. Ma. 1910,
§ 176. — *) Man könnte einwenden, dass o auch in Muko 'Kuh' Nebenton habe.
Aber dass es trotzdem, wie die folgende Übersicht zeigt, sich nur im Sinne *Kuh'
entwickelt hat, zeigt, dass hier statt des formellen Entwicklungstriebes ein andrer
wirkte, und das kann nur die im Volksbewusstsein von vornherein vorhandene
begriffliche Übereinstimmung mit ko 'Kuh' gewesen sein.
158
aus der Halberstädter Gegend. Die ersten beiden scheiden auch
hier aus, da sie auch als Bezeichnung der Kuh gelten. So bleiben
drei Fälle, wo das o in Buko als Bezeichnung der Kuh mundartlich
nicht berechtigt wäre. Es kann hier nur eine Beeinflussung, sei es
schon des Yolksmundes durch gelehrte Ansicht, sei es des Sammlers
durch Yorgefasste Meinung, angenommen werden. Besonders das bei
Böhme Nr. 121 E mitgeteilte ist auch sonst stark mit andern Formen
yermischt.
Die oben 1 — 3 mitgeteilten Liedanfänge sind sämtlich lautgesetz-
lich richtig entwickelte Bezeichnungen der Kuh. Es geht daraus wohl
unzweifelhaft hervor, dass wir in dem Halberstädter Wiegenliede eine
Bitte an die Kuh zu sehen haben. PoUe^) will zwar diese Bezeich-
nungen der Kuh auf yolksetymologische Umbildung des Bischofsnamens
zurückführen; ich sehe aber nicht ein, warum das überhaupt nötig.
Denn abgesehen davon, dass nach unsem obigen Ausführungen über
den Bischof Bucco gar kein Zeugnis vorliegt, dass er ein Kinderfreund
gewesen sei, und dass eine derart allgemeine und regelmässige Um-
bildung wunder nehmen müsste, so sprechen noch eine ganze Anzahl
andrer Kinderlieder, die unzweifelhaft von der Kuh handeln, für nnsre
Ansicht. Ich will aus den bekanntesten Sammlungen nur einige an-
führen:
Buköken buh, Bokoh und B&lamm
Wovon bist du so rah? ^ngen beid den Berg hinan.
Ik bin so roh, ik bin so glatt, (matt? Vf.) Bukah könnt nicht mehr gehn,
ik bin de Buhkuh von Halberstadt. Bälamm musste stille stehn.
Buköken buh. (Falkenberg.) Bukühchen bn,
warum bist du so roh?
Buköken von Halle, Ich bin so roh, ich bin so glatt,
wat steit in unsen Stalle? ich bin Boktthchen von Halbentadt
Eene schöne bunte Koh, (Weissenfeis.)
de hört uns' lütj Kin^jen to.
(Holstein).
Unsre Ansicht stimmt auch viel mehr mit dem Geist des Kinder-
liedes überein. Kind und Tier gehören zusammen. 2) Hunderte von
Wiegenliedern und Reimen voll fröhlicher Kinderlust singen von Tieren,
vom Putthühnchen, Bälamm, Hottepferd und der Miezekatze, selten
mal eins von einer Person.
Sello will nun zwar die Kuh in Zeile 1 angeredet wissen, glaubt
dagegen die folgende Bitte an eine dem Kinde bekannte Person ge-
richtet. Aber warum? Hat er nicht selber kurz vorher aufmerksam
darauf gemacht, wie auch andre Tiere als gabenspendend im Kinder-
glauben vorkommen, wie der Storch mit dem Kindlein auch Zucker-
werk für die andern bringt, wie der Hase Eier legtl Bringt nicht
auch heute noch der Vater seinen Kindern den Rest des Vesperbrotes
als Hasenbrot mit! Entstehung und Sinn des Liedes lassen sich
leicht so auffassen : Die Mutter tändelt mit ihrem Kindchen. Vielleicht
steht sie am Fenster und sieht auf dem Hofe die Kuh herumspringen,
1) Drosihn a. a. 0. S. 48 Anm. — >) Vgl. Böhme a. a. 0. S. XXVIII.
159
die der Vater vom Halberstädter Viehmarkte geholt, wobei er für
sein Kind schöne Sachen mit eingekauft hat, vielleicht lässt sie ihren
Liebling in den Stall schauen, wo die buntgefleckte Mukuh sich mit
fragendem Brummen nach den Gästen umschaut. Wie schnell fugt
sich da, aus den Umständen notwendig erwachsen, Reim an Reim:
Du Mukau ut Halwerstadt, bring doch usen Kinneken wat. Im Spiel
mit dem Kinde wird jede Mutter selbst wieder Kind. Sie schwelgt
in der Vorstellung der Geschenke, vielleicht drängen sich eigene,
unerfüllbare Wünsche mit auf die Lippen : Rote Schuh i) mit goldnem
Besatz, in denen sie im Geiste ihr Kind schon tanzen sieht. Andre
Fassungen singen unter Anlehnung an andre Kinderreime auch von
Zucker, Rosinen und Mandelkern, die das Kind gerne isst.
Aus ganz ähnlichen Umständen wird z. B. das Liedchen
erwachsen sein:
Mohköheken von Halle,
wat döhst du in unsen Stalle?
War ik Mohköhken von Halle nicb,
denn stünn ik in jnen Stalle nich.
Ganz im Sinne unsrer Deutung liegt auch die pommersche Um-
bildung unsres Liedes:
Huttfo&hre na de Stadt,
bring doch usem Jangke wat usw.')
oder:
Hento hü, na de Stadt,
bring usem kleinen Eindke wat!<)
Aus der Gegend von Halberstadt, wo es nach der Anlage der
ersten Zeilen entstanden sein muss, hat sich das Wiegenlied weit
verbreitet und dabei mancherlei sprachliche und inhaltliche Ver-
ändrungen ^) erlitten. Es ist dabei merkwürdig, dass es fast nur aus
niederdeutsclien Gauen klingt. Zwar finden wir es hier und da auch
im mitteldeutschen Sprachgebiete, nach den vorhandnen Belegen doch
aber nur da, wo einst auch die plattdeutsche Sprache herrschte, das
ist im Thüringer Lande bis Merseburg^). Aus dem übrigen Mittel-
deutschland und aus Oberdeutschland ist keine Form belegt, also
wohl auch keine vorhanden. Nur aus Siebenbürgen ö) werden Lieder
mit^dem gleichen Grundgedanken berichtet:
oder:
Patschhanderle, Patschhanderle, Patschi patsch! Handili,
was soll der Tata bringen? wat sal der tata br&ngen?
Rote Schuh mit Banderle, £n n& pur Schagen, n& pur otrimp,
dann soll der Bubi springen. do soll der Hansi sprängen.
7
dl
>) Rote Schuhe ist, wie Sello wahrscheinlich macht, die ursprüngliche Fassung.
«) Progr. Rogasen 1890. — ") Drosihn a. a. Nr. 80. — *) In welchem Verhältnis
die mit andern Städtenamen auftretenden Lieder, wie Buko von Bremen, von Halle,
Motschekuh von Dräsen zum Halberstädter Liede stehen, ob sie in Anlehnung
daran entstanden oder selbständige Erzeugnisse jener Gegenden sind, lasse ich
dahingestellt sein. Auch Buko vom Walle und B. von buten wären hier zu nennen.
— *) Vgl. Tümpel, die Mundart des alten niedersächs. Gebietes zw. 1800 u. 1600.
— ^ Höhr, siebenbürgisch-sächsische Einderreime. Progr. Schässburg 1903.
160 ,
I
Doch auch hier werden wir wieder nach Norddeutschland gewiesen,
da die alten Siebenbürger aus dem Moselgebiete stammen.
Wie das erste so ist auch das letzte Reimpaar ein Beweis mit
für die niederdeutsche Herkunft. Vielleicht hat die Unmöglickkeit,
diese Reime in hochdeutsche umzusetzen, die Verbreitung auf ober-
deutsches Gebiet mit gehindert.
LEIPZIG. R. Block.
Berichtigung zu Jb. 36, S. 146 ff. (Idiotikon von Eilsdorf.) Lies drP*hw
statt drel'hm und so immer * statt S; ferner tlfslt] (s. y. Beddelmann) Lasemajor:
(s. V. Gichtbeere) schwarze; hä&mfart-, (s. v. Kleinetsch) Appetit; optimpeln.
3Ca.
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