Skip to main content

Full text of "Jahrbuch des Vereins für Niederdeutsche Sprachforschung"

See other formats


This  is  a  digital  copy  of  a  book  that  was  preserved  for  generations  on  library  shelves  before  it  was  carefully  scanned  by  Google  as  part  of  a  project 
to  make  the  world's  books  discoverable  online. 

It  has  survived  long  enough  for  the  Copyright  to  expire  and  the  book  to  enter  the  public  domain.  A  public  domain  book  is  one  that  was  never  subject 
to  Copyright  or  whose  legal  Copyright  term  has  expired.  Whether  a  book  is  in  the  public  domain  may  vary  country  to  country.  Public  domain  books 
are  our  gateways  to  the  past,  representing  a  wealth  of  history,  culture  and  knowledge  that 's  often  difficult  to  discover. 

Marks,  notations  and  other  marginalia  present  in  the  original  volume  will  appear  in  this  file  -  a  reminder  of  this  book's  long  journey  from  the 
publisher  to  a  library  and  finally  to  you. 

Usage  guidelines 

Google  is  proud  to  partner  with  libraries  to  digitize  public  domain  materials  and  make  them  widely  accessible.  Public  domain  books  belong  to  the 
public  and  we  are  merely  their  custodians.  Nevertheless,  this  work  is  expensive,  so  in  order  to  keep  providing  this  resource,  we  have  taken  Steps  to 
prevent  abuse  by  commercial  parties,  including  placing  technical  restrictions  on  automated  querying. 

We  also  ask  that  you: 

+  Make  non-commercial  use  of  the  file s  We  designed  Google  Book  Search  for  use  by  individuals,  and  we  request  that  you  use  these  files  for 
personal,  non-commercial  purposes. 

+  Refrain  from  automated  querying  Do  not  send  automated  queries  of  any  sort  to  Google's  System:  If  you  are  conducting  research  on  machine 
translation,  optical  character  recognition  or  other  areas  where  access  to  a  large  amount  of  text  is  helpful,  please  contact  us.  We  encourage  the 
use  of  public  domain  materials  for  these  purposes  and  may  be  able  to  help. 

+  Maintain  attribution  The  Google  "watermark"  you  see  on  each  file  is  essential  for  informing  people  about  this  project  and  helping  them  find 
additional  materials  through  Google  Book  Search.  Please  do  not  remove  it. 

+  Keep  it  legal  Whatever  your  use,  remember  that  you  are  responsible  for  ensuring  that  what  you  are  doing  is  legal.  Do  not  assume  that  just 
because  we  believe  a  book  is  in  the  public  domain  for  users  in  the  United  States,  that  the  work  is  also  in  the  public  domain  for  users  in  other 
countries.  Whether  a  book  is  still  in  Copyright  varies  from  country  to  country,  and  we  can't  off  er  guidance  on  whether  any  specific  use  of 
any  specific  book  is  allowed.  Please  do  not  assume  that  a  book's  appearance  in  Google  Book  Search  means  it  can  be  used  in  any  manner 
anywhere  in  the  world.  Copyright  infringement  liability  can  be  quite  severe. 

About  Google  Book  Search 

Google's  mission  is  to  organize  the  world's  Information  and  to  make  it  universally  accessible  and  useful.  Google  Book  Search  helps  readers 
discover  the  world's  books  while  helping  authors  and  publishers  reach  new  audiences.  You  can  search  through  the  füll  text  of  this  book  on  the  web 


at|http  :  //books  .  google  .  com/ 


über  dieses  Buch 

Dies  ist  ein  digitales  Exemplar  eines  Buches,  das  seit  Generationen  in  den  Regalen  der  Bibliotheken  aufbewahrt  wurde,  bevor  es  von  Google  im 
Rahmen  eines  Projekts,  mit  dem  die  Bücher  dieser  Welt  online  verfügbar  gemacht  werden  sollen,  sorgfältig  gescannt  wurde. 

Das  Buch  hat  das  Urheberrecht  überdauert  und  kann  nun  öffentlich  zugänglich  gemacht  werden.  Ein  öffentlich  zugängliches  Buch  ist  ein  Buch, 
das  niemals  Urheberrechten  unterlag  oder  bei  dem  die  Schutzfrist  des  Urheberrechts  abgelaufen  ist.  Ob  ein  Buch  öffentlich  zugänglich  ist,  kann 
von  Land  zu  Land  unterschiedlich  sein.  Öffentlich  zugängliche  Bücher  sind  unser  Tor  zur  Vergangenheit  und  stellen  ein  geschichtliches,  kulturelles 
und  wissenschaftliches  Vermögen  dar,  das  häufig  nur  schwierig  zu  entdecken  ist. 

Gebrauchsspuren,  Anmerkungen  und  andere  Randbemerkungen,  die  im  Originalband  enthalten  sind,  finden  sich  auch  in  dieser  Datei  -  eine  Erin- 
nerung an  die  lange  Reise,  die  das  Buch  vom  Verleger  zu  einer  Bibliothek  und  weiter  zu  Ihnen  hinter  sich  gebracht  hat. 

Nutzungsrichtlinien 

Google  ist  stolz,  mit  Bibliotheken  in  partnerschaftlicher  Zusammenarbeit  öffentlich  zugängliches  Material  zu  digitalisieren  und  einer  breiten  Masse 
zugänglich  zu  machen.  Öffentlich  zugängliche  Bücher  gehören  der  Öffentlichkeit,  und  wir  sind  nur  ihre  Hüter.  Nichtsdestotrotz  ist  diese 
Arbeit  kostspielig.  Um  diese  Ressource  weiterhin  zur  Verfügung  stellen  zu  können,  haben  wir  Schritte  unternommen,  um  den  Missbrauch  durch 
kommerzielle  Parteien  zu  verhindern.  Dazu  gehören  technische  Einschränkungen  für  automatisierte  Abfragen. 

Wir  bitten  Sie  um  Einhaltung  folgender  Richtlinien: 

+  Nutzung  der  Dateien  zu  nichtkommerziellen  Zwecken  Wir  haben  Google  Buchsuche  für  Endanwender  konzipiert  und  möchten,  dass  Sie  diese 
Dateien  nur  für  persönliche,  nichtkommerzielle  Zwecke  verwenden. 

+  Keine  automatisierten  Abfragen  Senden  Sie  keine  automatisierten  Abfragen  irgendwelcher  Art  an  das  Google-System.  Wenn  Sie  Recherchen 
über  maschinelle  Übersetzung,  optische  Zeichenerkennung  oder  andere  Bereiche  durchführen,  in  denen  der  Zugang  zu  Text  in  großen  Mengen 
nützlich  ist,  wenden  Sie  sich  bitte  an  uns.  Wir  fördern  die  Nutzung  des  öffentlich  zugänglichen  Materials  für  diese  Zwecke  und  können  Ihnen 
unter  Umständen  helfen. 

+  Beibehaltung  von  Google -Markenelementen  Das  "Wasserzeichen"  von  Google,  das  Sie  in  jeder  Datei  finden,  ist  wichtig  zur  Information  über 
dieses  Projekt  und  hilft  den  Anwendern  weiteres  Material  über  Google  Buchsuche  zu  finden.  Bitte  entfernen  Sie  das  Wasserzeichen  nicht. 

+  Bewegen  Sie  sich  innerhalb  der  Legalität  Unabhängig  von  Ihrem  Verwendungszweck  müssen  Sie  sich  Ihrer  Verantwortung  bewusst  sein, 
sicherzustellen,  dass  Ihre  Nutzung  legal  ist.  Gehen  Sie  nicht  davon  aus,  dass  ein  Buch,  das  nach  unserem  Dafürhalten  für  Nutzer  in  den  USA 
öffentlich  zugänglich  ist,  auch  für  Nutzer  in  anderen  Ländern  öffentlich  zugänglich  ist.  Ob  ein  Buch  noch  dem  Urheberrecht  unterliegt,  ist 
von  Land  zu  Land  verschieden.  Wir  können  keine  Beratung  leisten,  ob  eine  bestimmte  Nutzung  eines  bestimmten  Buches  gesetzlich  zulässig 
ist.  Gehen  Sie  nicht  davon  aus,  dass  das  Erscheinen  eines  Buchs  in  Google  Buchsuche  bedeutet,  dass  es  in  jeder  Form  und  überall  auf  der 
Welt  verwendet  werden  kann.  Eine  Urheberrechtsverletzung  kann  schwerwiegende  Folgen  haben. 

Über  Google  Buchsuche 

Das  Ziel  von  Google  besteht  darin,  die  weltweiten  Informationen  zu  organisieren  und  allgemein  nutzbar  und  zugänglich  zu  machen.  Google 
Buchsuche  hilft  Lesern  dabei,  die  Bücher  dieser  Welt  zu  entdecken,  und  unterstützt  Autoren  und  Verleger  dabei,  neue  Zielgruppen  zu  erreichen. 


Den  gesamten  Buchtext  können  Sie  im  Internet  unter  http  :  //books  .  google  .  com  durchsuchen. 


Niederdeutsches  Jahrbuch. 


Jahrbuch 


des 


Vereins  dir  niederdeutsche  Spradiforschung. 


Jahrgang  1908. 


XXXIV. 


NORDEN  m  LEIPZIß. 

Diedr.   Soltau's  Verlag. 
1908. 


Ausarbeitungen,  deren  Abdruck  im  Niederdentsehen  Jahrbnclie 
gewünscht  wird,  sind  dem  Mitgliede  des  Eedactionsausschusses  Prof. 
W.  Seelmann,  Charlottenburg ,  Pestalozzistrasse  103  zuzusenden.  Die 
Zahlung  des  Honorars  (von  32  Mk.  für  deiL  Bogen)  erfolgt  durch 
den  Schatzmeister. 

Zusendungen,  deren  Abdruck  im  Korrespondenz-Blatt  erfolgen 
soll,  nimmt  Dr.  G.  Walther,  Hamburg  24,  XJlilandstrasse  59  entgegen. 

Die  Mitgliedschaft  zum  Niederdeutschen  Sprachverein  wird  durch 
Einsendung  des  Jahresbeitrages  (5  Mark)  an  den  Schatzmeister  des 
Vereins  Herrn  Johs.  E.  Habe,  Hamburg  I,  Gr.  Beichenstr.  11113  oder 
durch  Anmeldung  bei  einem  der  Vorstandsmitglieder  oder  Bezirks- 
vorsteher erworben. 

Die  Mitglieder  erhalten  für  den  Jahresbeitrag  die  laufenden  Jahr- 
gänge der  Vereinszeitschriften  (Jahrbuch  und  Korrespondenz-Blatt) 
postfrei  zugesandt.  Sie  sind  berechtigt,  die  ersten  fünf  Jahrbücher 
zur  Hälfte,  die  folgenden  Jahrgänge  sowie  alle  übrigen  Vereins- 
Veröffentlichungen  (Denkmäler,  Drucke,  Forschungen,  Wörterbücher) 
zu  Dreiviertel  des  Ladenpreises  zu  beziehen,  wenn  die  Bestellung  unter 
Benifung  auf  die  Mitgliedschaft  direkt  bei  dem  Verleger  Diedr.  Soltau 
in  Norden  (Ostfriesland)  gemacht  wird. 

Bis  auf  weiteres  können  die  Mitglieder  von  demselben  auch  das 
'Wörterbuch  der  Ostfriesischen  Sprache'  von  J.  ten  Doornkaat  Koolman 
(3  Bände  gr.  8^  kartonirt)  für  15  Mark  (Ladenpreis  44  Mark)  post- 
frei beziehen. 

Bücher  oder  Sonderabzüge,  deren  Anzeige  oder  Besprechung 
gewünscht  wird,  sind  mit  dem  Vermerk  ^Zur  Besprechung'  oder  dgl. 
dem  Verleger  oder  einem  der  anderen  genannten  Herren  zuzusenden. 


.S^^»4<4>r>^- 


Niederdeutsches  Jahrbuch. 


Jahrbuch 


des 


Vereins  dir  niederdentsche  SpracMorscliimg. 


Jahrgang  1908. 


XXXIV. 


NORDEN  nnt  LMIff. 

Diedr.  Soltau's  Verlag. 
1908. 


Druck  Ton  Diedr,  Soltau  in  Norden. 


••  •••  •     •  • 

•  T   •       «  •     •     • 

Z    •    •  ••       • 

•        •  •       •         • 


I  •       • 


••   •     •    •     • 

••  •  ••*  •  !••  1 


Tfscci 

Inhalt.  V5 

—  V.  34-57 


Seite 

Die  Mundart  von  Prenden  (Kreis  Nieder-Bamim).     Von  Erich  Seelmann.  1 

Die  Laute  der  Mundart 3 

Die  Vokale  in  historischer  Entwicklung 5 

Diphthongierung  Ton  I  und  il 18 

Vokalkarsungen 19 

Vokaldehnung  bei  ^^-Sohwnnd •  20 

Yokaldehnung  bei  »«-Schwund 21 

Die  Konsonanten  in  historischer  Entwicklung 22 

Anhang:  Monophthonglerungsvorginge 30 

Zum  VokatismuB  der  Neumark 32 

Die  Entstehung  des  Berliner  a 33 

Die  Entstehung  der  Tondehnung 34 

Zu  Laurembergs  Scherzgedicht  I  v.  18  und  21 37 

Sprachprobe 39 

Die  Konjunktion  *und'  in  der  Mundart  von  Cattenstedt.    Von  E.  Damköhler  40 

Idiotikon  von  Eilsdorf  (bei  Halberstadt).    Von  K.  B 1  o  c  k 45 

Der  Spiegel  der  Weisheit     Von  J oh   B ölte 103 

Dithmarsche  Gewerbeausdrücke  aus  der  Gegend  von  Lunden.    Von   Heinr. 

Carstens 109 

Schweinschlachten 109 

Zichorienbau     ...         112 

Ghetelens  Nye  Unbekande  Lande.    Von  DanielBShumway      .     .    .     .  113 

Aus  Ghetelens  hochdeutscher  Vorlage 136 

Gedicht  auf  die  Niederlage  des  Varus     Von  H.  Deiter 143 

Reime  und  Sprüche  aus  Lippe.    Von  K.  Wehrhan 145 

Rätsel 145 

Kinderlieder  und  Kinderreime 147 

Volkslieder 151 

Inschrift  auf  einer  Tafel  aus  der  Lemgoer  Ratskammer 157 

Luckenbüsser :  abgebrannt.     Von  W.  Seelmann 158 

Anzeige:  Das  Kieler  Deukelbok  hrg.  von  Gundlach.    Von  Edward  Schröder  159 


232641 


Die  Mundart  von  Prenden 
(Kreis  Niederbarninn). 


§  1.  Das  kleine  rings  von  weithin  sich  erstreckenden  Wäldern 
eingeschlossene  Dorf  Prenden,  aus  dessen  Mundart  hier  das  Wichtigste 
dargestellt  werden  soll,  liegt  in  dem  Teile  des  Barnim,  welchem  auch 
die  vier  Meilen  südlicher  gelegene  Hauptstadt  Berlin  angehört.  Dieses 
Gebiet  nebst  dem  benachbarten  durch  den  Unterlauf  der  Spree  von 
ihm  getrennten  Teltow  ist  noch  i.  J.  1220  slavischer  Besitz  gewesen 
und  erst  damals  an  Brandenburg  gekommen.  Alles,  was  wir  hierüber 
wissen,  stützt  sich  auf  die  Chronistennotizen,^)  dass  die  Markgrafen 
Johann  (1220—1266)  und  Otto  III.  (1220—1267)  a  dmiino  Baniem, 
terras  Barnonein  et  Teltowe  et  alias  plures  obtinuerunt  und  die  Städte 
Berlin,  Struzeberch  .  . .  Livenivalde  ,  .  .  et  alia  loca  plurima  extrujcernnt, 
und  auf  zwei  Urkunden  von  1232  und  1238.2)  In  der  älteren  ordnen 
die  Markgrafen  an,  dass  oinnes  de  nova  terra  nostra  Barnem  (alle  dy 
mn  dem  Nyen  Barnem)  von  Spandau  Recht  holen  und  nehmen  sollen, 
in  der  andern  wird  gesagt,  dass  jeder  Kirche  im  neuen  Lande  min- 
destens vier  Hufen  zugeteilt  sind.  So  dürftig  diese  Nachrichten  auch 
sind,  ist  ihnen  doch  zu  entnehmen,  dass  die  Besitznahme  des  neuen 
Barnim  zwischen  1220  und  1232  erfolgt  und  alsbald  mit  der  Anlage 
deutscher  Kirchdörfer  und  einiger  Städte  begonnen  ist. 3) 

Woher  die  neuen  Besiedler  des  Nieder-Barnim  gekommen  sind, 
ist  uns  ebenso  unbekannt  wie  die  Herkunft  der  Besiedler  des  benach- 
barten schon  früher  deutsch  gewordenen  Havellandes.*)  Die  Ähn- 
lichkeit der  Mundarten  beider  Gebiete  und  der  des  Teltow  macht  je- 
doch wahrscheinlich,  dass  hier  wie  dort  dieselben  ethnographischen 
Elemente  zur  Bildung  der  Mundart  mitgewirkt  haben.  Diese  selbst 
zeigt  viele  Einzelzüge,  welche  an  Besiedler  aus  der  Altmark  und  von 
der  unteren  Saale  oder,  wie  Siewert 5)  aus  der  mnd.  Schriftsprache 
Berlins  schliesst,  vom  Niederrhein  denken  lassen. 

Die  ehemals  lebende  plattdeutsche  Mundart  Berlins  und  seiner 
nächsten  Umgebung  ist  verstummt,  ohne  dass  ihre  auf  die  heutige 
Aussprache  nachwirkenden  Lauteigenarten  überliefert  sind.  Trotzdem 
ist    vielleicht    Aussicht   vorhanden,    die    wesentlichsten    Eigentümlich- 


*)  Märkische  Forschungen  9,  24. 

«)  Riedel,  Cod.  dipl    I,  Bd.  11,  S.  1  f ;  8.  S.  151  f. 

»)  Lutter  in  der  Wochenschrift  der  „Bär"  Jg.  10  (1884)  S.  208  if. 

*)  E.  Bartels,  Der  Nieder-Barnim  unter  den  Anhaltinern.    Progr.   Berlin.    1892. 

»)  Nd.  Jahrbuch  29,  65  flf. 

Niederdeutsohes  Jahrbuch  XXXIV.  1 


käÜtefL:€^f*%na  !&tlux  ^erum  noch  zu  Anfang  des  vorigen  Jahrhunderts 
gesprochenen  Mundart  zu  erforschen,  nicht  unmittelbar  freilich,  sondern 
mittelbar.  Die  Grundlage  dieser  Erforschung  gibt  die  grosse  Ähn- 
lichkeit oder  Gleichheit  der  Mundarten  ab,  welche  in  den  noch  platt- 
redenden Dörfern  des  Barnim  und  des  Teltow  gesprochen  werden. 
Die  heutigen  Abweichungen  des  Teltow  sind,  soweit  ich  bis  jetzt  sehe, 
zum  grossen  Teil  nur  sekundär,  es  sind  Weiterentwicklungen  von 
Barnim-Formen,  welche  sie  zur  Voraussetzung  haben,  entstanden  z.  B. 
durch  Entrundung  von  Vokalen,  Übergang  des  a  zu  o,  Vokalisierung 
auslautender  r  usw. 

Die  Prendener  Mundart  hat  im  Ganzen  ihre  alte  Eigenart  be- 
wahrt. Sie  hat  zwar  recht  viele  hochdeutsche  Worte  aufgenommen, 
aber  —  mit  nicht  allzuvielen  Ausnahmen,  —  sie  wie  Fremdworte 
unverändert  gelassen,  nicht  mit  plattdeutschen  Lauten  sie  zu  ^mis- 
singschen"  verquickt.  Der  alte  Lautstand  und  die  alte  Aussprache 
ist  im  wesentlichen  unverändert  geblieben. 

Prenden  dankt  das  seiner  abgeschiedenen  von  der  Eisenbahn 
entfernten  Lage  und  der  Eigenart  seiner  Bauern.  Jeder  bewirtschaftet 
mit  seinen  Familienangehörigen  ohne  Hilfe  von  Knechten  und  Mägden 
seine  dürftigen  Ländereien.  Tagesarbeit  und  Sparsamkeit  halten  den 
Bauern,  wenn  er  nicht  auf  dem  Acker  zu  tun  hat,  im  Hause.  Nur 
seltene  Gelegenheiten  bewirken  geselliges  Beisammensein  mit  anderen 
Dorfgenossen.  Auch  im  Dorfkruge  sieht  man  den  Bauer  nur  selten. 
So  ist  der  durch  Verkehr  geförderte  Ausgleich  der  Mundart  nicht 
gross,  und  es  befremdet  deshalb  weniger,  dass  kleine  Verschieden- 
heiten in  der  Aussprache  und  sogar  in  den  Wortformen  bei  den  einzelnen 
Familien,  auch  wenn  sie  ortsgebürtig  sind,  obwalten. 

Was  hier  berichtet  ist,  gilt  jedoch  nur  von  den  landbauenden 
Bauern  und  Büdnern.  Während  diese  fast  ausschliesslich  in  und 
ausser  dem  Hause  ihre  heimische  Mundart  sprechen,  hört  man  vielfach 
die  Handwerker  und  besonders  die  Maurer,  welche  meist  Montags 
früh  nach  Berlin  fahren  und  erst  Sonnabends  zu  ihren  Familien 
zurückkehren,  hochdeutsch  reden. 

Li  meiner  Darstellung  ist  nur  die  Mundart,  wie  sie  sich  bei 
den  Bauern  und  Büdnern  findet,  berücksichtigt  worden  und  besonders 
habe  ich  mir  angelegen  sein  lassen,  von  den  ältesten  unter  ihnen 
meine  Kenntnis  der  Mundart  zu  erwerben,  vor  allem  von  dem  alten 
Gottlieb  Gläser  auf  dem  Heller,  einem  kleinen  Büdnergehöft  mitten 
im  Walde,  das  einen  Kilometer  vom  Dorfe  entferiit  liegt.  Er  wohnt 
hier,  wie  0.  Monke  in  der  Monatsschrift  ^Brandenburgia*'  Bd.  12 
S.  491  berichtet,  ^mit  seiner  Frau  seit  fünfunddreissig  Jahren  in  einer 
Weltabgeschiedenheit,  die  ihresgleichen  sucht,  insbesondere  in  so 
unmittelbarer  Nähe  der  Grossstadt  sich  wohl  schwerlich  öfter  findet*. 
Nach  seiner  Meinung  spricht  der  Heller-Gläser  genau  dieselben  Wort- 
formen, wie  sein  Vater,  der  auch  schon  ortsgebürtig  war,  und  er  ist 
sich  auch  keines  Unterschiedes  in  der  Aussprache  bewusst. 

Von  ihm  und  einigen  anderen  Alten  habe  ich  auch  zu  erkunden 


gesucht,  ob  den  Prendener  Bauern  früher  sich  öfter  wiederkehrende 
Gelegenheiten  boten,  mit  Leuten  aus  entfernteren  Dörfern  zusammen- 
zukommen. Derartige  Mitteilungen  können  wertvoll  werden,  um 
Beeinflussungen  durch  fremde  Mundarten  zu  erkennen.  Ich  erfuhr 
in  dieser  Hinsicht  nur,  dass  früher  zu  gewissen  Zeiten  manche  Bauern 
mit  Hopfen  oder  grünen  Bohnen  nach  Berlin  gefahren  sind,  nnd  dass, 
ehe  es  Chausseen  und  Eisenbahnen  gab,  also  bis  etwa  1829,  zahllose 
ückermärkische  Gespanne  im  Herbst  durch  Prenden  und  das  nahe 
Klosterfelde  gekommen  seien,  um  Korn  nach  Berlin  zu  bringen.  In 
den  genannten  Dörfern  nahmen  sie  ihre  letzte  Nachtherberge  vor 
Berlin.  Die  Dorfkrüge  reichten  nicht  aus,  die  Menge  zu  beherbergen, 
aber  eine  grosse  Zahl  Bauernhäuser  nahm  viele  von  ihnen  als  Gäste 
auf.  Die  Möglichkeit  uckermärkischen  Einflusses  ist  also  gegeben, 
und  er  hat  vielleicht  mitgewirkt,  dass  in  Prenden  heute  wie  in  der 
Uckermark  der  Dorfkrug  Arto,  der  Pflug  plöx  heisst;  vgl.  §  68  i. 

Neuniederdeutsche  Bücher  in  der  Mundart  des  Nieder -Barnim 
gibt  es  nicht.  Auch  plattdeutsche  Volks-  und  Kinderlieder  ertönen 
nicht  mehr.  Doch  sind  im  Volksmunde  in  Prenden  wie  in  anderen 
Dörfern  sogenannte  Nachbar-  oder  Hausreime  aus  den  1830er  oder 
1840er  Jahren  erhalten. 

Die  Laute  der  Mundart. 

Lautschrift. 

§  2.     Die  Lautschrift,  der  ich  mich  bedienen  werde,  ist  die  der 

letzten  Jahrgänge  des   Niederdeutschen  Jahrbuches.     Die  Buchstaben 

e  i  0  u  ö  ü  bezeichnen  kurze  offene,  e  i  ö  ü  5  ü  lange  geschlossene, 

f  V  (^  lange  oflene  Laute,  ä  einen  Zwischenlaut   zwischen   a  und  ä, 

a)    Monophthonge. 
§  3.     Den  Bestand   der   Mundart   an   einfachen   Vokalen   zeigt 
folgende  Tabelle: 

geschlossen  ü  ü  t 

offen  u  ü  i 

geschlossen  öS  e 

offen  0  g      ö  ^  e  ^ 

weit  offen  9       ä  ä 

neutral  a  a 

Ausserdem  kommt,-  aber  nur  in  dem  Worte  r^n  Regen,  regnen, 
ein  stark  nasalisiertes  f  vor.  (Auch  im  Teltow  erscheint  dieses  Wort 
in  gleicher  Aussprache.) 

Die  gerundeten  Vokale  werden,  wie  meist  auch  in  Berlin,  mit 
schwacher  Lippenrundung  gesprochen.  Die  Folge  ist,  dass  j>,  der 
Zwischenlaut  zwischen  hd.  öh  und  äh,  nicht  so  volltönend  wie  in 
Mecklenburg  klingt  und  nicht  so  deutlich  vom  ^  sich  scheidet.  In 
einigen  Familien  ist  er  sogar  mit  letzterem  zusammengefallen.  Da- 
gegen werden  trotz  der  geringen  Lippenrundung  ü  und  i,  ö  und  e 
Ton  allen  deutlich  geschieden. 


a,  a  sind  mittlere,  neutrale  a ;  ä  und  ä  liegen  zwischen  a  und  ß, 
—  in  der  alten  echten  Aussprache,  wie  sie  z.  B.  der  Heller  -  Gläser 
hat,  fast  näher  dem  a  als  dem  «,  bei  manchen  anderen  näher  dem  6, 
so  dass  bei  ihnen  ä  den  Klang  eines  recht  breiten  hd.  äh  hat.  Aber 
auch  diese  scheiden  es  deutlich  vom  f  =  hd.  äh.  Bemerkt  sei,  dass 
dieser  Zwischenlaut  zwischen  a  und  e  auch  ausser  dem  Barnim  sich 
findet  oder  fand.  Ein  aus  einem  Dorfe  etwas  nördlich  von  Neu-Ruppin 
gebürtiger  Herr  erinnerte  sich  aus  seiner  Jugend,  dass  damals  einige 
Greise,  welche  noch  die  Befreiungskriege  von  1813 — 1815  mitgemacht 
hatten,  einige  Worte  wie  z.  B.  „Hemd*  anders  als  es  heute  geschieht, 
ausgesprochen  hatten.  Die  weitere  Nachfrage  und  Vorsprechen  ergab, 
dass  sie  hätnt  gesagt  haben,  d  findet  sich  femer  noch  im  Teltow, 
in  der  Uckermark  und  Prignitz,  sowie  nördlich  von  Braunschweig 
und  in  der  Altmark. 

b)    Diphthonge. 

§  4.  1.  mit  steigendem  Accent:  ai,  au,  oi.  Aussprache  wie  im 
Berliner  Hochdeutsch  mit  i  bezw.  u  endigend. 

2.    mit  doppelgipfligem  Accent: 

?^  «S  ?«,  $S  p«,  p^  wo,  üe,  üe. 

Die  Aussprache  dieser  Diphthonge  wechselt  sehr,  mitunter  sind 
beide  Komponenten  deutlich  und  fast  getrennt  hörbar,  mitunter  ver- 
schwindet fast  oder  ganz  der  zweite  überkurze  und  verrät  sich  nur 
durch  die  Tonsenkung  des  ihn  aufnehmenden,  gedehnter  gewordenen 
ersten  Komponenten  zu  Schluss  und  durch  mehr  oder  weniger  merk- 
lich geschleifte  Betonung.  Statt  üo  kann  ««  eintreten,  ohne  dass  eine 
feste  Regel  erkennbar  ist,  vgl.  §  33.  Bemerkenswert  ist  noch,  dass 
besonders  in  ausdrucksvoller  und  stark  betonter  Rede  einzelne  Leute 
die  Tonhöhe  der  Stimme  bei  dem  zweiten  Komponenten  so  erheblich 
sinken  lassen,  dass  das  Intervall  etwa  eine  grosse  Terz,  wenn  nicht 
mehr,  ausmacht,  während  sonst  der  Tonhöhenunterschied  zwischen 
betonter  und  unbetonter  Silbe  nicht  sehr  bedeutend  ist. 

c)    Konsonanten. 
§  5.    Bestand  und  Artikulation  lässt  folgende  Tabelle  überblicken. 


Artikulations- 
stelle 

Lip] 
bilabial 

3en 

labio- 
dental 

Zunge 
ui 
Zahn- 
fleisch 

nrand 

Ld 
harter 
Gaumen 

Weicher 
Gaumen 

Rachen 
(Hauchlaut) 

gl^          8th. 

b 

d 

•i^        8ti. 

P 

t 

k 

k 

8th. 

to 

V 

s  i 

J 

5 

^l                8tl. 

f 

8l 

X 

X 

h 

&  ?"      Nasale 

m 

n 

v> 

Liquidae 

l  r 

r,  w.  Der  labiale  stimmhafte  Reibelaut  wird  verschieden  arti- 
kuliert. Nach  ^,  i,  t  wird  ziemlich  allgemein  bilabiales  w?,  in  den 
übrigen  Fällen  von  alten  Leuten  meist  auch  w^  von  jüngeren  gewöhn- 
lich labiodentales  v  gesprochen,  also  z.  B.  §walv9n  Schwalben. 

r  ist  bei  allen  alten  und  meist  auch  den  jüngeren  Prendnern 
Zungen- r. 

i  wird  vor  l^  r,  w?  (z.  B.  äriff)  und  in-  oder  auslautendem  p,  t 
(z.  B.  foi'st)  breiter,  dagegen  in  anlautendem  .«Jp,  St  (z.  B.  äpan^  std) 
dünner,  d.  h.  mit  viel  geringerer  Zungenstülpung,  gesprochen. 

jy^  t,  k  werden  anlautend  schwach  aspiriert  gesprochen. 

Silbenbildende  sowie  überlange  /,  w,  w,  r  sind  mit  /,  m,  w,  r 
bezeichnet. 

§  6.  Verhochdeutschung  der  Aussprache  tritt  mehr  und 
mehr  bei  denen  ein,  welche,  wie  besonders  Maurer,  Soldaten,  Dienst- 
mädchen längere  Zeit  sich  in  Berlin  aufhalten.  Sie  entwöhnen  sich 
der  nur  mundartlichen  Laute  und  ersetzen  sie  durch  die  der  Berliner 
Vulgärsprache,  d  durch  «,  ä  durch  f,  g  durch  a  oder  ö,  f«,  f«,  üo  u. 
s.  w.  durch  ß,  I,  ü.  Ferner  tritt  a  an  Stelle  von  auslautendem  '9r, 
-m  für  auslautendes  twn  ein. 

Greift  der  Einfluss  Berlins  auch  auf  die  Wortformen  über,  so 
verschwindet  zuerst  der  lautgesetzliche  Wechsel  von  e  und  ai 
(c5§  27 — 29),  und  man  hört  hecb  statt  haicb,  dein  statt  dc$iln. 

Die  Vokale  in  historischer  Entwicklung. 

§  7.  Der  nachfolgenden  Darstellung  der  Lautentwicklung  wird 
das  Schema  der  gemeinmittelniederdeutschen  Schriftsprache  zu  Grunde 
gelegt  werden.  In  den  Fällen,  in  welchen  die  mnd.  Urkunden  der 
Mark  dialektische  Abweichungen  aufweisen,  werden  diese  beigemerkt 
werden,  sofern  sie  als  Vorgänger  der  heutigen  Laute  anzusehen  sind. 

Mnd.  kurze  Vokale. 

§  8.  Die  mnd.  kurzen  Vokale  sind  in  der  Regel  unverändert  er- 
halten, soweit  nicht  konsonantische  Einflüsse  Änderungen  bewirkt  haben: 

a. 
§  9.  Mnd.  a  <  as.  a  bleibt  a:  a)  af  ab,  ahr  Acker,  cm^st 
Angst,  «73/  Angel,  aj)}  Apfel,  asd  Achse,  bakn  backen,  bant  Band, 
Uafn  bellen,  dax  Tag,  dak  Dach,  dwnp  Dampf,  dam  Fichte,  duntsan 
tanzen,  fat  Fass,  jras  Gras,  kameb  Kamille,  katd  Katze,  kladorix 
kläterig,  mate  Metze,  maxolihr  Wachholder,  nat  nass,  padd  Frosch, 
]Hifi9  Pfanne,  rat  ßad,  zalvaid  Salbei,  zant  Sand,  aap  Schrank,  smal 
schmal,  Swalu^  Schwalbe,  taka  Zacken,  tayn^  plur.  tamo  zahm,  tsa^x  zage. 

b)  Mnd.  a  verkürzt  aus  as.  a  bleibt  gleichfalls  a:  blador  (as. 
blddara)  Blatter,  braxt^  brachte,  daxt  (ahd.  täht)  Docht,  daxta  (as. 
thähta)  dachte,  janwr  (mnd.  jdmer^  Jammer)  Jammer,  zaxt  (as.  scifto)  sanft. 

c)  As.  mnd.  a  vor  W,  It  wird  o\  vgl.  §  13c.  Über  det^  ddt  das 
vgl.  §  10b. 


6 

f  und  umgelautetes  a. 
^  10.  Die  Prendener  Mundart  lässt  bei  isolierten  Formen  er- 
kennen, ob  der  Umlaut  schon  in  as.  Zeit  oder  erst  später  eingetreten 
ist.  Im  ersten  Falle  wird  heute  oifenes  e,  im  anderen  ä  gesprochen. 
Wenn  neben  umgelauteten  Formen  nicht  umgelautete  in  demselben 
Paradigma  oder  einer  nah  verwandten  Ableitung  erhalten  sind,  tritt 
stets  ä  ein. 

a)  Mnd.  §  <  as.  ?  wird  e\  iletioivant  (ahd.  tentii)  Scheidewand 
zwischen  Tenne  und  Tass,  ekä9  (as.  aex,  aecsa  bei  Gallee,  Vorstudien 
zu  einem  as.  Wörterbuch  S.  2)  Axt,  fen  (as.  feni)  n.,  sumpfige  mit 
Gras  oder  Schilf  bewachsene  Niederung,  fest9  (as.  fest  bei  Gallee)  fest, 
ler99  Lende,  mets9r  Messer,  meni  Mensch,  neta  Netz,  penmk  Pfennig, 
redn  retten,  trextar  (as.  trehteri  bei  Gallee)  Trichter.  Ferner  das  as. 
nicht  belegte  ei^kd  Pfropfreis,  etikn  pfropfen. 

b)  Mnd.  a  bezw.  e  wird  d :  dntd  Ente,  bdndd  (mnd.  bande^  hende) 
Bänder,  hdksl  Häcksel,  Mlftar  Halfter,  hdmdd  Hemd,  MndB  Hände, 
ferjdln  vergällen,  jdntar  Gänserich,  jdsta  Gäste,  jrdnsn  grenzen,  Idnwr 
Lämmer,  indnd^r  Männer,  pdn  (neben  pan)  pfänden,  Mfts  Stiefelschäfte, 
samt  Schemel,  tdkhr  Teller,  trdpa  Treppe.  —  Ferner  ddt^  det  das,  der 
Umlaut  erklärt,  sich  aus  der  häufigen  Verbindung  diu  in. 

e\  e. 
§  11.  a)  Mnd.  e<  as.  e\  e  bleibt  e:  bem  Raufe,  besn  Besen, 
br(}}jn  bringen,  dresaln  drechseln,  fextn  fechten,  feit  Feld,  felß  Felge, 
fei  Fell,  ferakl  Fenchel,  helpm  helfen,  lediy^  leer,  kweln  quellen,  meh 
Melde  (Pflanze),  mes  (as.  tnesty  mist)  Mist,  met  (as.  med,  mid)  mit, 
nest  Nest,  äelp  Schilf,  Smeltn  schmelzen,  zejd  f.  Seggegras,  ster/  Steg. 
—  emar  Eimer,  et9r  Eiter.  —  Ausnahme:  äumtar  Schwester. 

b)  Mnd.  e  <  as.  i  bleibt  e:  melk  Milch,  .Ued^  (as.  slido,  mnd. 
siede,  sledde)  f.  Schlitten,  ^^met  (as.  smith)  Schmied,  ^wem  schwimmen. 

c)  Mnd.  e,  verkürzt  aus  as.  e  (germ.  ai)  ist  mit  mnd.  e  zusammen- 
gefallen: en  (unbetont,  sonst  en)  ein,  erft  echt,  fet  feist,   led9r  Leiter. 

d)  Mnd.  e  wird  ö\  dröä'^  dreschen,  rön  rennen,  äöp7j[t  schöpfen, 
twölivd  zwölf,  wöltüQH  (mnd.  wehen)  wölben. 

e)  Mnd.  e  wird  f,  ü  neben  ä  und  /  in :  siln  (mnd.  scheiden)  schelten, 
lii^n  (mnd.  leschen)  löschen. 

f)  End-ß.  Im  Mnd.  erscheint  auch  nach  vorangehender  un- 
betonter Silbe  mit  e  und  Liquida  ein  aus  älterem  a  oder  i  geschwächtes 
oder  epithetisches  e,  ersteres  z.  B.  in  bovene  oben,  hovede  Häupter, 
letzteres  in  neutralen  Pluralen  wie  dorpei'e  Dörfer,  honere  Hühner, 
kindere  Kinder  s.  Lübben,  Mnd.  Gram.  §  70.  Im  Teltow  sind  diese  e 
noch  heute  erhalten,  es  heisst  also  hier  bläderd  Blätter,  d^ld^ra  die 
Taler,  atars  Eier,  krabah  Krätze,  lenjüdard  Lehngüter  usw.  (Vgl.  jetzt 
Siewert,  Nd.  Jb.  33,  23).  Wie  bäm  (mnd.  bavene),  küh  Kugel,  öna 
Augen  u.  ä.  beweisen,  hat  auch  der  Barnim  diese  e  früher  gehabt. 
Die  lebende  Mundart  hat  sie  nur  nach  betonter  Silbe  bewahrt,  nach 
unbetonter  abgeworfen.     Es  heisst  also  in  Prenden  einerseits  hümdar 


Hühner,  kdlwsr  Kälber,  ki739r  Kinder,  andrerseits  J9zijt9  Antlitz,  heb 
heil,  het9  heiss,  hQ<*n9  Hahn,  rtkd  reich,  rlp^  reif,  §pi799  Spind,  äürd 
Regenschauer. 

L 
S  12.  a)  Mnd.  i  <  as.  i  bleibt  i:  jlit  Glied,  jszkcto  Antlitz j  dik 
dick,  dil  Dill,  ditok  Ding,  rfis^/  Distel,  rfW/iJ  Trift,  fidl  Fiedel,  fink 
Fink,  fi§  Fisch,  fits»  Gebinde  Garn,  flikii  flicken,  friä  frisch,  himbärd 
Himbeere,  ik  ich,  kin9  f.  Kinn,  kint  Kind,  snitlöf  Schnittlauch,  li^m 
Linde,  milt9  Milz,  /wirf/  Mittel,  pip  Pips  der  Hühner,  kmk  fest  (vom 
Fleisch),  rifo  Kippe,  älits9  f.  (mnd.  s/isse)  Schlitz,  zvf^  sich,  ^ii/  Sichel, 
zitii  sitzen,  ziltv^r  Silber,  ivitman  Witwer,  tsika  Ziege.  —  ktimk  (mnd. 
ktnit)  Kiebitz. 

b)  Mnd.  i  verkürzt  aus  as.  I,  igi  oder  io  bleibt  i:  bixts  (as. 
Ififßhto)  Beichte,  rfij^fe  dicht,  drilv/^  Drillich,  liyt  (as.  Höht)  Licht,  /*Wi^- 
/m«^  Leinwand,  wtä9  (as.  *mska)  feuchte  sumpfige  Wiese,  ivit  weiss. 
—  Ferner:  rit  reitet,  6t7  beisst,  ^m7  schneidet  u.  a. 

c)  Mnd.  t  <  as.  ^  bleibt  i  in  hiraest  (mnd.  hingest)  Hengst,  him  Henne. 

d)  Mnd.  *  <  as.  e'  bleibt  i  in :  jistam  (vgl.  mnd.  Srgisteren)  gestern, 
(fiz9r  dieser,  Miim  Stimme. 

e)  Mnd.  i  wird  ü  in  folgenden  Wörtern:  durch  Vorwegnahme 
der  Lippenrundung  des  ä  vor  ä,  t^,  l^  in  düs  Tisch,  ßedorwü^  Fleder- 
wisch, bätskin  bischen,  nüst  nichts,  piil39  m.  Pilz ;  vor  m  n  /  in  p^p^r- 
mn*nt9  Pfeffermünz,  pünzl  Pinsel,  riint  Rind,  ümdr  immer,  ülmk  Iltis. 

0, 

§  13.  Mnd.  0  bleibt  o.  —  a)  Mnd.  o  <  as.  o:  bodn  Erdboden, 
(hxter  Tochter,  flot  Angelspule,  fos  Fuchs,  hof  Hof,  hokd  Garben- 
haufen, holt  Holz,  klopm  klopfen,  hiot  (as.  knotto)  Knoten,  mofo  (as. 
molda)  Mulde,  mos  m.  Moos,  osd  Ochse,  pot  Topf,  roT^d  Roggen,  rotn 
verrotten,  .^ot  (eigentlich  Geschoss)  Schuss,  Hok  Stock,  trox  Trog, 
icok9  Spinnrocken. 

b)  Mnd.  bezw.  as.  Formen  mit  o  wird  man,  wo  im  Mnd.  oder 
As.  neben  jenen  auch  t/-Formen  vorhanden  waren,  gleichfalls  für 
folgende  Wörter  anzunehmen  haben:  brost  (mnd.  borst  as.  bnist)  Brust, 
kno]^  Knospe,  mol  m.  Maulwurf,  olmv/^  (mnd.  olmich,  ulmich)  verrottet, 
Mkeh  Schosskelle. 

c)  Mnd.  0  <  as.  oder  frühmnd.  a  vor  Id  oder  It:  foJjdn  (mnd. 
folden)  falten,  holn  (mnd.  holden)  halten,  kolt  kalt,  olt  alt,  ä7nolt 
Schmalz,  zolt  Salz  — :  Ausnahme:  bah  (as.  baldo)  bald.  Es  ist  be- 
merkenswert, dass  auch  in  der  Prignitz,  der  Uckermark,  im  Teltow 
(Nd.  Jahrb.  32  S.  35;  33  S.  10.  30)  in  Mecklenburg  und  zwischen 
Elbe  und  Harz  bah,  bal  gesprochen  wird,  trotzdem  es  überall  olt 
oder  ölt  usw.  heisst. 

0. 

§  14.  Mnd.  ö  bleibt  ö.  a)  ö  <  as.  o:  hölt9r  Hölzer,  köpe  Köpfe, 
kropm  Bäumen  die  Krone  abhauen,  köst9r  Küster,  pöt9  Töpfe,  §töh) 
Stöcke  u.  a. 


8 

b)  ö  <  as.  u:  föln  (as.  fxilin)  Füllen,  fös9  Füchse,  höltn  hölzern, 
möb  Mühle,  mölxhr  Müller,  §ötl  (as.  scutil)  Schüssel. 

c)  0  <  as.  a  vor  Id  oder  lt\  kölcbr  kälter,  öldar  älter,  cjld9rn 
Eltern,  —  köh  Kälte. 

d)  ö  verkürzt  aus  umgelautet  as.  6:  jösl  (mnd.  gosselen)  junge  Gans. 

u. 
§  15.  Mnd.  u  bleibt  u:  a)  u  <  as.  u:  dumj^i  dumpf,  huf9  Hüfte, 
fifrustsni  verrosten  (mnd.  verriistern)^  ju7jk  jung,  Huko  Glucke,  kum 
hölzerner  Trog  oder  oben  offener  Kasten,  §rumpln  schrumpfen,  suldar 
Schulter,  §uU  Schuld,  ^ult9  Schulze,  truml  Trommel,  tvxt  Zucht,  up 
auf,  zum  Sonne. 

b)  Mnd.  bezw.  as.  Formen  mit  ti  wird  man  auch  in  folgenden 
Wörtern  vorauszusetzen  haben,  in  denen  neben  jenen  auch  as.  oder 
mnd.  Formen  mit  o  belegt  sind:  buk  Bock,  dul  toll,  dHnd9r  Donner, 
f'ul  voll,  pm  Kuss,  tHn9  Tonne,  ividi)  Wolle,  tndf  Wolf,  wulkd  Wolke. 

c)  Mnd.  u  verkürzt  aus  as.  ö  bezw.  uo\  btisn  Busen. 

ü. 

§  IG.  Mnd.  il  bleibt  n:  a)  Mnd.  ü  <  as.  //:  bn'ijd  Brücke,  bühi 
bücken,  drilkn  drücken,  dil/tv/  tüchtig,  dllmpl  Tümpel,  duna  dünn, 
hillpd  Hilfe,  hillzo  Hülse,  ImiZiß  Achsnagel,  miijo  Mücke,  mül  Kehricht, 
Staub,  niit9  nützlich,  püto  Brunnen,  rüjd  Rücken,  strilpo  Bindfaden, 
stak  Stück,  si'qid  Wurfschippe,  tilfl  Pantoffel,  um  um,  wüli(\^  Wölfe. 

b)  Mnd.  ä  verkürzt  aus  as.  iu:  lir/p  Leuchter,  lüyfn  leuchten, 
—  Ausnahme  kiyißxb  (mnd.  vüchte^  as.  ßuhtui^  ßuhUi)  P^ichte. 

Mnd.  tonlange  Vokale. 

§  17.  Nach  dem  zuerst  von  Nerger  (Germania  11,  452 — 457) 
dargelegten  und  benannten  Gesetze  der  Tondehnung  sind  im  Mnd. 
kurze  Vokale  in  betonter  offener  Silbe,  denen  eine  unbetonte  folgte, 
gedehnt  worden.  Mit  dieser  Dehnung  verband  sich  eine  Vokalsenkung, 
indem  in  der  mnd.  Schriftsprache  altes  i  zu  6,  xi  zu  ö  wurde.  Eine 
zweite,  vor  1400  einsetzende,  aber  nur  einen  Teil  Niederdeutschlands 
einschliesslich  der  Mark  umfassende  Senkung  betraf  nur  die  aus  as. 
0  wie  u  entstandenen  tl.  o,  die  von  jener  Zeit  ab  a  geschrieben  sind. 

Die  Prendener  Mundart  hat  die  überkommenen  mnd.  tonlangen 
Vokale  diphthongiert. 

Tl.  a. 

§  18.  a)  Mnd.  tl.  a  <  as.  a  wird  9«,  wofür  auch  q^  oder  doppel- 
gipfliges  9  (vgl.  §  3  b)  eintreten  kann.  Vor  /  und  n  in  geschlossener 
Silbe  ist  letzteres  in  der  Regel  der  Fall,  während  im  Auslaute  statt 
$«  gern  9«  gesprochen  wird:  qn  ahnen,  qkdlaid  Akelei,  brg<^k9  Brache, 
dqld^r  Taler,  drq^^ko  Drache,  fq^^m  (mnd.  vadem)  Faden,  /^«/w  Fahne, 
fq^tn  fassen,  J^>«,  jq^^  jq  ja,  jrq^do  gerade,  j/q^^zdr  Glaser,  hq^ne  Hahn, 
hg^iZi)  Hase,  knq^ka  Knochen,  kq^^n  (mnd.  kane)  Kahn,  köl  kahl,  kqf^t)r 
(ahd.  kater)  Kater,  ßeslq^ky  Salzlake  für  Fleisch,  mq^do  Made,  mq^kn 


9 

macheo,  mgln  malen,  nQfng^t9  (eig.  Nachmat)  Grummet,  niQan  mahnen 
nmtw  Name,  nQ^kdix  (vgl.  mnd.  nakedicheid)  nackt,  plq^stdr  Pflaster, 
rj^jww  raffen,  auflesen,  z.  B.  von  Kartoffeln,  rq^^zn  Rasen,  zq^^na  Sahne, 
sw^<*d9  (plur.  zu  swat^  ae.  s^wadhu,  ndl.  stvad)  Reihen,  in  denen 
gemähtes  Heu  oder  Stroh  liegt,  äpQ^dd  f.  Spaten,  tq^dl  Tadel,  tQkdl 
Takel,  wQ<*t9r  Wasser,  ivrQ<^n  feuchter  Dampf,  w^dd  (an.  vadr)  grosses 
Fischernetz,  vQdika  (neben  voika)  abgerahmte  saure  Milch. 

b)  Ausnahmen  sind  durch  hochdeutsche  Beeinflussung  bewirkt: 
aiverst  aber,  kölräba  Kohlrabi,  räni  Rahmen,  zäm  Samen,  fädar  Vater. 

TL  f  und  umgelautetes  tl.  a. 
§  19.  Die  Umlautung  alter  a  in  offener  Silbe  hat  drei  ver- 
schiedene Laute  ergeben.  Von  diesen  ist :  a)  §«  durch  die  Tondehnung 
aus  mnd.  e  entstanden,  b)  ä  findet  sich  nur  in  Wörtern,  in  denen 
n  durch  Ausfall  von  Lauten  lang  geworden  war.  Die  a  hatten  daduröh 
die  Qualität  organisch  langer  a  erhalten  und  sind  nach  der  Regel 
dieser  umgelautet,  c)  p«  ist  ein  Analogie-Umlaut  neundd.  Zeit  für 
das  nach  §  14  aus  tl.  a  entstandene  ^^. 

a)  f^  <  as.  mnd.  e:  rödd  be^zi'm^  bezii^a  Erdbeeren,  §^zl  Esel, 
hekl  Hechel,  hemm  heben,  k^^tl  Kessel,  kreß  (mnd.  krevet)  Krebs, 
le/jßär  (ahd.  leffil)  Löffel,  n^Hl  Nessel,  ^^f^cfo  (ndl.  altmärk.  päge) 
Quecke,  ^^p}  Scheffel,  utdsn  ausdehnen. 

b)  Umgel.  mnd.  tl.  a  wird  ä:  änli/^  (mhd.  aneltch)  ähnlich, 
mäkd^ti  (mnd.  megedikin)  Mädchen;  vgl.  auch  kala  (mnd.  kegele) 
Kegel  §  68. 

c)  Umgel.  mnd.  tl.  a  wird  ^^\  b^^tuf  Boden,  dp^mliy^  d^Uiy 
dämlich,  h^^na  Hähne,  h^^skin  Häschen. 

Tl.  e, 
§  20.     Mnd.    aus   as.  e   oder  i  entstandenes  tl.  e   ist  mit  mnd. 
tl.  e  zusammengefallen  und   hat  sich  wie  dieses  zu  e^  entwickelt,  für 
welches    auch   in   schnellerer  Rede   q   mit   und    ohne   doppelgipfligen 
Accent  gesprochen  wird, 

a)  tl.  e  <  as.  e:  b^^dn  beten,  befkar  Becher,  h'^^kn  brechen,  f^^dar 
Feder,  fem  fegen,  fre^tn  fressen,  jetmn  geben,  kn^Hln  kneten,  kquyjr 
Käfer,  l^^ioan  leben,  le^iwr  Leber,  n^  nehmen,  neivdl  Nebel,  ät^ln 
stehlen.  Mi^^kn  stechen,  .Urq^na  Strähne,  Flechte,  sweHn  (ae.  swelan) 
schwelen,  äw^^cdn  schweben,  äweßwsl  Schwefel,  w^^tvan  weben,  wq^/^r 
Weber. 

b)  tl.  e  <  as.  i:  deh  Diele,  Brett,  kle^ivan  (as.  klibön)  kleben, 
pe/kl  Pökelbrühe,  sm^^da  Schmiede,  .^f^7ia  pl.  sqtcan  und  sm  (mhd. 
achiver)  Flachsschebe,  zeAwan  sieben,  z^^tva  (ursprünglich  Plural  zu  dem 
gleichfalls  noch  gebräuchlichen  zef)  Sieb,  ^g^ptq^ka  (ndl.  teek)  Schaf- 
laus, äp§l  (mnd.  spei)  Spiel,  str^^ka  Streiche  zum  Sensenschärfen, 
.^tr§ml  Streifen,  w^^za  (neben  wiäa)  Wiese,  w^^zl  Wiesel. 

c)  Ausnahmen  (durch  hd.  Einfluss):  -smldn  (got.  gasmi^on) 
schmieden,  smqt  (mnd.  smit,  smet  gen.  -edes)  Schmied. 


10 

Tl.  0  (mark.  mnd.  a). 
§  21.     Mnd.  tl.  0  ist   aus   as.  o  oder   as.  u  entstanden   und   in 
beiden  Fällen  zu  $«  (9«,  g)  geworden. 

a)  Mnd.  tl  0  <  as.  0:  g^^pm  offen,  bgle  Bohle,  bg^^dn  geboten, 
jdbrg<^kn  gebrochen,  knqf^kn  Knochen,  jdnQ^m  genommen,  jdng^tn  ge- 
nossen, J9^prg<*kn  gesprochen,  jsMgafn  gestohlen. 

b)  Mnd.  tl.  0  <  as.  w:  kg^m  kommen,  wgn  wohnen,  zg^fw  Sohn, 
ferner  das  Partizipium  jdkgf^m  gekommen. 

Tl.  ö  (mark.  mnd.  a). 
S  22.     Mnd.  tl.  ö  wird   g^   sowohl   als    Umlaut   von    as.    0   als 
auch  von  as.  u, 

a)  Mnd.  ö  <  as.  0:  kng^kam  knöchern,  krg^tif  (as.  krota^  Gallee 
Vorstudien  S.  185)  unartiges  Kind,  gtmr  über,  stg^kern  stochern,  Obst 
mit  einer  Stange  von  den  Bäumen  schlagen. 

b)  Mnd.  tl.  ö  <  as.  u\  jg^kn  (mnd.  Jofew^  jucken,  krg^pl  Krüppel, 
ng^tif  f.  die  Nuss,  slg^tsr  Schlüssel,  zg^^m  Söhne,  zg4n  sich  im  Schmutze 
wälzen,  schmierige  Arbeit  verrichten. 

Hnd.  lange  Vokale. 

§  23.  Die  nachstehende  Übersicht,  in  der  jedoch  die  besonderen 
vokalischen,  konsonantischen  und  anderen  Einwirkungen  nicht  be- 
rücksichtigt sind,  stellt  die  langen  Vokale  der  mnd.  Schriftsprache, 
der  Handschrift  C  des  Heliand  und  die  entsprechenden  Laute  der 
Prendener  Mundart  neben  einander,  ohne  dass  eine  Verwandtschaft 
der  Mundart  von  C  und  des  Barnim  gefolgert  werden  soll  Das 
Vorkommen  alter  ie  und  uo  war  nicht  auf  eine  einzige  Gegend  be- 
schränkt, etwa  den  Niederrhein,  sondern  ist  auch  für  einen  Teil  der 
Provinz  Sachsen  und  Anhalts  erweisbar. 

Mnd.       d     <^i     e^2     ^8      i^    i^         öl     02     a. 
Hei.  C  ä     e      S      e       ie     io,ie    uo    6      fi. 
Prend.    $»  ö      e      ai      i^     f«         fto    ö      ü. 
Wenn  diese  Zusammenstellung  zu  dem  Schlüsse  berechtigt,  dass 
das   Prendener   Vokalsystem    nicht    aus   dem   Gemeinniederdeutschen 
sondern   aus   einem   solchen,   wie    ihn   die  Mundart   des  Cottonianus 
aufweist,  hervorgegangen  ist,  so  lässt  sich  hieran  die  zweite  Folgerung 
knüpfen,  dass  die  alten  Längen  meist   ohne  wesentliche  Änderung  in 
Prenden  fortleben.     Grössere  Verschiedenheiten   bietet  eigentlich  nur 
die  Entwicklung  von  ä  über  das  gemeinndd.  g  zu  g^  und  von  e  über 
ei  zu  ai  unter  dem  Einiluss  eines  folgenden  i. 

§  24.  Mnd.  ä  ist  zu  g<*  geworden,  das  inlautend  durch  doppel- 
gipfliges  $,  auslautend  durch  $«  und  doppelgipfliges  g  vertreten  werden 
kann,  vgl.  §  4:  a)  Mnd.  d  <  as.  ä  wird  $»,  g\  gl  Aal,  pl.  ^fe,  g^dsr 
Ader,  öbrgf^m  Augenbraue,  g^nw  (mnd.  ä  wird  erwiesen  durch  westf. 
oani9  Funke,   Kuhn's  Ztschr.  2,  194),   g^mels  von  brennendem  Stroh 


11 

abfliegende  Teilchen,  hl^a^^  Blase,  brgf^dn  braten,  hri}<*dd  Braten,  dQH 
Tat,  dQ<^z9  Viehbremse,  jQ^i  gehen,  kwgf^cb  klein,  Aj^fe  Haken,  krgf*^m 
Kram,  lg<*tn  lassen,  fngl  Mahl,  mgf*n  Mohn,  mqo,nsln  Mondschein, 
nq^hi  nahebei,  nQf^t  Naht,  nq<»tl  Nadel,  9«/w  ohne,  pq^^l  Pfahl,  kw^^^za 
(vgl.  mnd.  qtmse,  ostfr.  kwäse^  kwese^  dän.  kvwse)  eine  durch  Quetschung 
entstandene  Hautblase,  rQf^da  Kornrade,  r^^  Rat,  slQj)  plur.  älgpa 
Schläfe,  Ä^öfo  Schale,  sQ^2^9  Schafe,  ^lyrQf^kd  Sprache,  stql  Stahl,  sti}n 
stehen,  strqafd  Strafe,  itrq^l  Strahl,  strqf*t9  Strasse. 

b)  Mnd.  auslautendes  ä  wird  9»,  9«,  Q:  (/$«,  f/9«,  dq  damals, 
M  i?^  i?  ja,  w?^  nahe. 

e^  und  umgelautetes  «. 
§  25.  Altes  (i  ist  a)  zu  geschlossenem  e  geworden,  wenn  die 
Umlautung  schon  in  as.  Zeit  erfolgt  ist;  b)  zu  offenem  §,  wenn  erst 
(las  Mnd.  den  Umlaut  eintreten  liess;  c)  zu  ä^  wenn  in  späterer  Zeit 
umgelautet  wurde  oder  d)  ä  sich  aus  as.  äi  entwickelt  hatte;  e)  zu 
p«',  wenn  der  Umlaut  in  jüngerer  Zeit  zur  Bildung  von  Pluralen  von 
diphthongiertem  $<»,  entstanden  aus  mnd.  ä  (vgl.  §  24),  eingesetzt  ist. 

a)  >  ö:  kez9  (as.  kesi)  Käse,  l^'^  niedrig,  sre/^  (vgl.  mnd.  schritt, 
tlekt.  schruda)  schräg. 

b)  >  f :  bektofm  (mnd.  berpteme  neben  hequame)  bequem,  anßtiem 
angenehm,  te  (mnd.  tege  neben  td)  zähe,  retsf  (mnd.  redelse,  rädelse) 
Rätsel,  smeliy  (mnd.  smelik)  schmählich,  vöniem  vornehm. 

c)  >  a:  äpäda  (ahd.  spati^  as.  sjmh,  mnd.  5/;drfe,  spede)  spät, 
-:ra/i)r  selig,  betrunken,  äläpariy^  (mnd.  slaperkh)  schläfrig,  sop^r  Schäfer, 
stäbni  stählern. 

d)  as.  ai,  wofür  mnd.  e^g,  ei,  d  eintritt,  erscheint  gleichfalls  als 
a:  dran  drehen,  krän  krähen,  man  mähen,  nän  nähen,  §mdn  schmähen, 
wän  wehen,  zän  säen. 

e)  >  p«:  kr^enwr  Krämer,  kw^^ziy  dumm,  n^t  pl.  n^He  Nähte, 
p^lf  (neben  pqf^b)  Pfähle,  ät^ln  stählern. 

e. 

§  26.  Prenden  differenziert  genauer  als  irgend  eine  der  bisher 
dargestellten  ndd.  Mundarten  die  verschiedene  Herkunft  der  mnd.  e. 
Es  sind  etymologisch  folgende  mnd.  e  zu  unterscheiden: 

^1,  der  Umlaut  zu  as.  mnd.  ä  vgl.  §  25. 

e^,  das  aus  germ  ai  entstandene  und  nicht  durch  nachfolgendes 
i  beeinilusste  e, 

e^,  welches  aus  germ.  ai  entstanden  ist,  dem  ein  i  folgte. 

e*  entstanden  aus  germ.  e^  oder  germ.  eu. 

e^y  durch  Kontraktion  oder  Dehnung  entstandenes  e. 

§  27.     Mnd.  e^  <  as.  ^  <  wg.  ai  wird  ß. 

a)  vor  altem  w  h  und  im  Auslaut:  Swiy^  ewig,  7ie  nein,  re  Reh, 
me  Schnee,  swe  zwei,  te  (plur.  tefid)  Zeh,  we  weh,  ze  See,  zeb  Seele. 


12 

b)  ß2  vor  anderen  Konsonanten :  hen  Bein,  bUk  bleich,  brU  breit, 
dd  Teil,  dey  Teig,  en  ein,  fle§  Fleisch,  Mb  heil,  A^.^  heiser,  hetsn 
heissen,  kUt  Kleid,  klewdr  Klee,  lern  (ahd.  ^^>wo)  Lehm,  Ut  leid,  m^,^^ 
Biermaische  {m^.<dn  maischen),  mezd  Meise,  rep  Tau,  an  dem  die 
grossen  Fischnetze  hängen,  ä^f  (an.  sceifr)  schief,  wek  weich,  wen 
weinen,  ik  wet  ich  weiss,  ziild^r  Seiler,  —  ausserdem  die  Präterital- 
formen:  bet  biss,  blef  blieb,  dref  trieb,  jrejy  griff,  kek  sah,  kr^y  kriegte, 
ret  ritt,  ^^n  schien,  smet  warf,  änet  schnitt,  ärey  schrie.  —  Als 
hochd.  wird  Sakkn  (nur  in  siy  s,  iQ^tn)  empfunden. 


§  28.  Mnd.  e^  <  wg.  ai  4-  i  wird  ai:  aikl  Eichel,  arbait  Arbeit, 
berait  bereit,  bkiikn  bleichen,  dailn  teilen,  jail  üppig  (von  Gewächsen), 
ranzig  (vom  Speck),  jdtnaind  Gemeinde,  haidi)  Wald,  hailiy  heilig, 
halt  in  Compositis  (vgl.  Holthausen,  As.  Elementarbuch  §  306,  2) 
z.  B.  dumhait,  inwaikn  einweichen,  klaifi  klein,  laün  (Vieh  am  Stncl<) 
leiten,  main  meinen,  raikn  reichen,  raim  rein,  äaida  Feldscheide,  .^aidl 
Scheitel,  äpraida  {flas  tip  dld  äpraids  lejn  Flachs  auf  dem  Erdboden 
ausbreiten),  äpraidn  spreiten,  wainiy^  wenig,  waita  Weizen,  wolfail 
(ahd.  feili)  wohlfeil. 

e\  3. 

§  29.  Es  ist  das  Verdienst  Holthausens  zuerst  erkannt  und  in 
seiner  „Soester  Mundart"  §  69  ausgesprochen  zu  haben,  dass  germ. 
ai  sich  verschieden  entwickelt  hat,  je  nachdem  ursprünglich  i  folgte 
oder  nicht.  Die  hierdurch  bewirkte  Differenzierung  findet  sich  in 
den  meisten  binnenländischen  Mundarten  von  Westfalen  bis  zur  Oder. 
Überall  findet  sich  aber  auch  eine  Anzahl  Wörter,  welche  zu  der 
Regel  nicht  stimmen  oder  nicht  zu  stimmen  scheinen.  Einige  Aus- 
nahmen erklären  sich  leicht  durch  Angleichung,  wenn  z.  B.  in  Soest, 
weil  es  doli  heisst,  für  „teilen"  heute  doiln  statt  dailn  gesagt  wird. 
Andere  Ausnahmen  erscheinen  uns  vielleicht  nur  als  solche,  weil 
ältere  Nebenformen  mit  i  wohl  vorhanden  waren,  aber  zufällig  in 
den  erhaltenen  Denkmälern  nicht  belegt  sind,  ein  Fall,  der  höchst- 
wahrscheinlich bei  aik9,  spaiko  und  wohl  auch  noch  anderen  Wörtern 
vorliegt.  Jedenfalls  bieten  die  nachverzeichneten  Ausnahmen,  welche 
die  Prendener  Mundart  hat,  zum  Teil  keine  blos  lokalen  Verstösse 
gegen  die  Regel,  wie  die  angemerkten  Angaben  aus  anderen  Mund- 
arten beweisen. 

aika  (ae.  äk)  Eiche  (ebenso  i^  in  der  Prignitz),  aikhorn 
Eichhorn,  aijdn  eigen  (ebenso  Prignitz),  hailiy  (ahd.  heilag  as.  helag) 
heilig,  hahn9  (ahd.  heimo)  Heimchen,  luiMyi  (got.  laists  «--Stamm, 
mnd.  lest  leste)  Leisten  (ebenso  Prignitz),  raiza  (ahd.  reisa)  1.  Reise, 
2.  Tracht  von  zwei  Eimern  am  Trageholz,  raizri  reisen  (auch  mnd. 
stets  reise,  reisen),  spaik9  (ahd.  sjyeihha,  as.  speka,  ndl.  speek)  Speiche 
(ebenso  Prignitz;  verwandt  scheint  die  as.  Ortsbezeichnung  -spekia 
Pfahldamm),   taikn  (got.  tailxns  i-Stamm)   Zeichen    (ebenso    Prignitz), 


13 

fraid9  Viehweide  (ebenso  Münster,   Prignitz;   auch  mnd.  stets  waide\ 
mj9tcai(b  Eingeweide  (auch  mnd.  weide). 

c*  (mark.  mnd.  i). 

§  30.  a)  Mnd.  ^*,  as.  io,  wird  f«:  hl^don  bieten,  hl^st  Biestmilch, 
hl^zl  Binse,  bl^zs  Binse,  di^f  Dieb,  dim  dienen,  fordriHn  verdriessen, 
AM  Fliess,  Bach,  jlHn  giessen,  jrl^u^  Griebe,  kmiv  plur.  kuc9n  (zu 
as.  hiuwan  kauen  bei  Gallee,  Vorst.  S.  176;  hd.  Kiemen  ist  in  der 
Gegend  von  Wittenberg  aus  dem  Plural  kievn  <  kiewen  entstanden), 
A-«l«  Knie,  ll^f  lieb,  pri^m  Pfriemen,  rVm  Riemen,  rlH  Ried,  SlHn- 
schiessen,  äprlHn  spriessen,  wt^dsn  (as.  modm)  jäten,  2^«dan  sieden, 
zi^k0  siech,  dauernd  krank. 

b)  Mnd.  i\  anfr.  ie  <  germ.  S^  oder  lat.  ^,  ist  f«  geworden: 
bi^st  Untier,  brl^f  Brief,  himfijto  Kienfichte,  Kiefer,  rnl^d»  Miete,  Lohn, 
pri^st9r  Priester,  ti^kd  (ahd.  ziahhä)  Bettzieche.  Ferner  ht^t  hielt, 
liH  Hess,  Mfep  schlief.  Ausnahme:  ßtwr  Fieber,  mita  (lat.  meto)  Ge- 
treideschober oder  Kartoflfelgrube. 

e^  (mark.  mnd.  t). 
§  31.     Durch  Kontraktion  sind  entstanden:  J9sim  (<  gescehan) 
geschehen,  um   (<  sehan)  sehen,  ß   (<  fehu;   wegen  des  Auslautes  e 
statt  ai)  Vieh,  ß^d^r  (<  iohwedJmr)  jeder. 

%, 

§  32.  a)  Mnd.  C  <  as.  I  ist  I  geblieben:  bliiv9n  bleiben,  i«/ Beil, 
dlk  Teich,  distl  (as.  thtsla)  Deichsel,  drist  dreist,  ßb  Feile,  kllstar 
Kleister,  knipm  kneifen,  krlda  Kreide,  ktl  Keil,  ih  Eile,  is  Eis,  iz7i 
Eisen,  Im  leinen,  li7W  Leine,  mir9  Ameise,  r'lpe  reif,  ztni  (fries.  s-tm, 
mnd.  sime)  Angelschnur,  ziporn  sickern,  Mu^  Scheibe,  äin  Schein, 
stein  Schwein,  ,^trikp^  streichen,  tstzi-/^  Zeisig,  tU  Zeit. 

b)  Mnd.  t  >  ü:  ätrüml  Stummel  (vgl.  mhd.  stHmele  Streifen). 

öl  (mark.  mnd.  u). 
§  33.  Mnd.  öl,  welches  as.  6  <  urg.  6  wiedergibt,  wird  ü», 
geschwächt  ü«.  In  Wörtern,  in  denen  üo  gesprochen  werden  kann, 
hört  man  oft  und  besonders  im  Wort-  oder  Silbenauslaute,  d.  h.  in 
offener  Silbe,  auch  ft«.  In  manchen  Worten  ist  letzteres  allein  üblich, 
z.  B.  hört  man  düon  und  düm^  stets  aber  tti  düetid  zu  tun.  Für  beide 
kann  doppelgipfliges  ü  eintreten. 

a)  blüoing  Blume,  hlüot  Blut,  brüodor  Bruder,  büok  Buch,  drüesl 
Drossel,  flü^im  Fischschuppe,  füH  Fuss,  hü^da  Herde  (von  Gänsen), 
ki-ü^s  irdener  Krug,  kü^  Kuh,  pü4  Pfuhl,  Pfütze,  Mü^^pd  Stufe,  Müot9 
Stute,  §üo  (plur.  .^«)  Schuh,  .^ostar  Schuster,  üok9n  (Reuter  auken^ 
ostfr.  öken)  der  innere  Winkel,  welchen  das  Dach  mit  dem  Hausboden 
bildet. 

b)  Eine  Ausnahme  macht  das  Wort  plöx  (ahd.  pflnog)  Pflug 
und  kröx  mit  der  Nebenform  knix  Dorfgasthaus.  Die  Erklärung 
gibt  §  68  k. 


14 

81. 

§  34.  ßi,  der  Umlaut  von  ö^,  erscheint  jetzt  als  ««,  das  aus 
ü^  entstanden  ist;  vgl.  §  68k:  hlü^ta  Blüte,  hrü^fhr  Brüder,  hüdv 
Buche,  fü^tQ  Füsse,  /wä^'cfo  müde,  püh  (plur.  zu  ^^ü«"/)  Pfützen,  zfid-n 
suchen,  züfto  süss. 

b)  Ausnahme:  rou^  Mohrrübe,  Lehnform  für  das  altheimische  nioi-o. 

§  35.  Mnd.  ö2,  welches  aus  urg.  au  entstanden  ist,  erscheint 
als  ö:  blöt  bloss,  hörn  Baum,  börie  Bohne,  bröt  Brod,  jröf  gross,  //ö.r 
hoch,  lö])rn  laufen,  lös  los,  rök  Rauch,  7'ökn  rauchen. 

82. 
§  36.    Der  Umlaut  von  mnd.  ö2  erscheint  als  ö:  homo  Bäume,  ch&in 
träumen,  hojdr  höher,  ^75?/^n  glauben,  jr^^m  kaufen,  ro/z'^r  Räuber,  rokvni 
räuchern,  ätröpar  (vgl.  mnd.  stropen)  Vagabund,  toh  (mnd.  tö)  Hündin. 

öS  Ö8. 

§  37.  63  heissen  diejenigen  mnd.  ö,  welche  weder  aus  urg.  6 
noch  urg.  au  entstanden  sind,  aber  die  Qualität  von  6^  oder  6^  an- 
genommen haben.  Vgl.  Nd.  Jahrbuch  Bd.  18  S.  141  if.  Die  Pren- 
dener  Mundart  bietet  folgende  Beispiele: 

öS  =  öl  wird  üo  oder  ä«:  kmnyid  Krume,  .^püon  Spahn,  ferner 
das  Lehnwort  süoh  Schule. 

8S  =  81  wird  ß«:  krü^ml  Krümchen,  Apü^k  Spuk,  spüfkn  spuken, 
spü^no  Spähne. 

öS  =z:  ö2  wird  ö:  frO  froh,  rö  roh,  zö  so,  sirö  Stroh,  ausserdem 
die  Lehnwörter  kröm  Krone,  rözd  Rose. 

88  =  82  wird  o:  flo  (plur.  floyi)  Floh. 

ü. 
§  38.     Mnd.  ü  ist  a)  aus  as.  ^,  b)  aus  as.  ö  nach  w  entstanden. 
In  beiden  Fällen  wird  es  ü. 

a)  ^  <  as.  Ä:  brühn  brauchen,  b^üt  Braut,  buk  Bauch,  düuv 
Taube,   fül  faul,   klüt  Kloss,   krüpm  kriechen,   küm    kaum,    lüt  laut, 

jnüs  Maus,  nü  nun,  rücb  Räude,  rükri  riechen,  mp9  Raupe,  tun  Zaun. 

b)  Mnd.  u?ü  <  as.  wd:  ätvül  (ae.  swol)  schwül,  um  (ae.  hrö)  wie. 

ü. 
§  39.     Mnd.  ü  ist  ü  geblieben:   a)  Mnd.  fl,   der  Umlaut   zu  ü: 
brüdd  Bräute,   dmvokin  Täubchen,   forzüm  versäumen,   hüzor   Häuser, 
kmtsd  Kreuz,  krüzl  Kreisel. 

b)  Mnd.  ü  <  as.  iu\  düpt9  (as.  diupi)  neben  dl^p9  Tiefe,  hüln 
heulen,  kükn  Küchel,  küU  Keule,  lüdd  Leute,  lüd,^  (as.  lius  Galice 
Vorstudien  S.  198)  Lieschgras,  mz9^  Hl^zo  (ahd.  rtise^  *got.  rusjo) 
Reuse,  tü/^  Zeug.    Ausnahmen:  düstdr  (as.  thiuatri)  düster,  daihl  Teufel. 

c)  Mnd.  ü  <  as.  A:  Uüt2i  schliessen. 

d)  Mnd.  ü  <  as.  ugi:  ä^um  (ahd.  scugiua)  Scheune. 


15 

au,  ou. 
S  40.     Mnd.  au  ist  aus  as.  a  vor  w  diphthongiert  und  wechselt 
mit  nw,  mv^  ouw.     In  allen  diesen  Fällen  ist  es  au  geworden.    Vgl.  G2. 

ei. 
§  4L     a)  Mnd.  ei  <  as.  ei  bleibt  ai:  ai  Ei,  mai  Mai. 

b)  Mnd.  ei  <  as,  agi  wird  ai\  zais9  (as.  Hagima)  Sense,  umirön 
Majoran. 

c)  Mnd.  ei  =  mnd.  e^-^  vgl.  §  28— §  29. 

eu,  oi. 
§  42.     Mnd.  eu^   der  Umlaut   von   mnd.    «?/,   wird   oi:   hoi   (as. 
homci)   Heu   (aber   haihöp  Heuhaufen),   ätroin   (mnd.  stroieriy   Strogen^ 
>ifrouwen)  streuen,   .Uroi  Streu,    toi   die  hölzernen  Halmfanger   an  der 
Komsense,  froidff  (mnd.  iroude,  mvuwede)  Freude. 

Die  mnd.  Vokale  vor  r. 

ar, 

§  43.  a)  Mnd.  auslautendes  ar  bleibt  ar  nur  in  dem  hd.  Lehnwort 
Mar  (in  der  alliterierenden  Formel  ätar  im  sttf)  starr. 

b)  Mnd.  auslautendes  ar  wird  ^r,  wenn  a  ursprünglich  oder  in 
den  flektierten  Formen  in  oifener  Silbe  stand:  hQr  jelt  bar  Geld, 
J9w^r  gewahr,  J^r  (as.  ga7ni  garo)  gar,  ganz,  klqr  klar,  naxhqr  (hd.; 
mnd.  nAchhür\  plöxägr  (ahd.  skara)  Pflugschar,  .^gr  Schaar. 

c)  Mnd.  ar  wird  Qr  vor  rn  und  aus  rd  entstandenem  rt:  bgrf 
Bart,  f^rt  (as.  vard)  Fahrt,  jQrn  (mnd.  gam)  Garn,  jgrn  (mnd.  gardm) 
Garten,  hgoznägrt  (ae.  luersceard)  Hasenscharte,  kgrt9  (mnd.  karda) 
Karte,  §pekäwQrd  (mnd.  swarde)  Speckschwarte,  wqrn  (mnd.  warden) 
warten.  —  Ausnahme:  hart  (mit  hd.  rt,  mnd.  harde), 

d)  Mnd.  ar  wird  gr  vor  ^  in  ft^ri  Barsch.  Ausnahme:  barf^ 
(mnd.  barsch)  barsch,  wohl  weil  hd. 

e)  a  bleibt  in  allen  übrigen  Wörtern:  arm  Arm,  a^y^  arg, 
barft  barfuss,  darf  darf,  Aarfe  Rechen,  jaru'9  Garbe,  karnikl  Kaninchen, 
kar9  Karre,  madar  (mnd.  marder)  Marder,  marks  Mark,  marjt  Markt, 
.^par9  Sparren,  äivart  schwarz. 

§r  und  umgelautetes  ar. 
§  44.     a)  Mnd.  §r,  ar  wirdar:  änw^r  ärmer,  Aarfer  härter,  kdi'l 
Kerl,  Wnn  (frz.  alarme)  Lärm. 

b)  Mnd.  ^  wird  er:  ertc9  Erbe,  e;/i^  Erbse,  ^>'w/  Ärmel,  merßl 
Mergel,  utmertsn  Schafe  ausmerzen. 

c)  Mnd.  qr  wird  ar:  arpl  Enterich,  farkn  Ferkel,  harwest  Herbst, 
sarliidk  Schierlink,  äparliTdk  Sperling,  tarn  zanken. 

er,  er. 
§  45.     a)  Mnd.  auslautendes  f-V  wird  ar:  Mr  Bär,  här^  //a  (mnd. 
her)  her,  spar  Speer,  tär  Teer. 


16 

b)  Mnd.  er  vor  d  wird  är:  ärd»  Erde,  hart  Herd,  härdd  Herde. 
Ausnahme  macht  Mrcfo,  siehe  bei  c. 

c)  Mnd  er  wird  är\  ämst  (mnd.  ernesf)  ernst,  härda  Hirt,  kam 
Kern,  ^^rn  Stern,  ätärt  Sterz. 

d)  Mnd.  ^r  wird  er:  herke  Birke,  derwB  derb,  fdrdem^n  verderben, 
her^  Hirse,  kerf  (plur.  körwd)  Kerf,  Kerbe,  äw^^*^  Quirl,  ,«?^em  Stirn, 
f^^'6/  Wirbel,  werk  Werg. 

e)  Mnd.  er  wird  ar:  barätn  bersten,  6ar^  Berg,  Aarfe  Herz,  jarstd 
Gerste,  §arwd  Scherbe,  .^tariodn  sterben.  —  In  manchen  Familien  wird 
abweichend  bärstn^  bdr^^  hart»  usw.  gesprochen. 

f)  Mnd  er  wird  ör:  börj9  (schon  mnd.  meshorje)  Trage  für  Mist, 
for§t9  Dachfirst,  km'wd  (plur.  zu  kerf)  Kerben. 

fr,  ur. 
§  46.     Gemein-mnd.  ir  und  ur  gab  es  nicht,   weil  as.  ir  zu  er^ 
ur  zu  or  wurde.     Das  Wort  J9§ir  Geschirr  ist  hd.  Herkunft. 

or, 
§  47.     a)  Mnd.  or  <  as.  or  wird  auslautend,   vor   as.  d  und  u 
zu  ör:  dOr  Tor,  dörnätrük  Dornstrauch,  jrashört  Grasrain,  körn  Korn, 
i/'ör^  Wort. 

b)  Mnd.  or  <  as.  ur  wird  in  denselben  Fällen  gleichfalls  zu  ör\ 
,^pöm  Sporn,  üthörtn  das  Land  durch  Schafhürden  düngen. 

c)  Mnd.  or  <  as.  or  bleibt  or\  korf  Korb,  morjan  morgen,  ,^orf 
Schorf,  ätorm  Sturm,  zorjd  Sorge. 

d)  Mnd.  or  <  as.  ur  bleibt  or:  borät9  (as.  bursta)  Borste,  brost 
Brust,  dartüdn  (as.  thurbhan)  darben,  dorät  Durst,  horU  Hürde,  jort 
(mnd.  garde,  gort)  Gurt,  koräta  Brotkruste,  kort  kurz,  tonn  Turm, 
worm  Wurm,  twrät  Wurst,  wortl  Wurzel.  —  Ausnahme:  karmtso  f. 
(mnd.  korbitze)  Kürbis,  murkl  (ahd.  miirhila)  Morchel. 

ör. 
§  48.     a)   Mnd.   ör  <  as.    or  vor   n   oder   d  wird   ör   in   Iiorn 
(Umlaut  aus  dem  Plural)  Hörn,  wörda  Worte. 

b)  Mnd.  ör  <  as.  ar  wird  ör  in  dörp  Dorf,  Äc^rAw  horchen. 

c)  Mnd.  ör  <  as.  ur  wird  ör  in:  börMo  Bürste,  dör/  durch, 
hörf^ta  (Plur.  zu  as.  hurst)  Horst,  inselartige  sandige  Erhebung  im 
nassen  Lande,  körtar  kürzer,  ,^örto  Schürze,  wör'pn  würgen,  irörsfo 
Würste. 

Tl.  ar. 
§  49.     a)  Mnd.  tl.  ar  wird  ör:  .^r  (mnd.  schare)  Schar,  Haufen, 
plöxsqr  (mnd,  schare)  Pflugschar,  /?/>^>rw  sparen,  tvörri  (mnd.  waren)  warten. 

Tl.  §r,  umgelautetes  tl.  ar  und  tl.  er. 
§  50.     a)  Mnd.  tl.  er  wird  är:  bära  (as.  beri)  Beere,  baMrn  (as. 
skerimi)  bescheren,  kärn  (mnd.  keren)  fegen,  härmk  Hering,  fiäri-^  (mnd. 
nerich)  fresslustig,  pärt  (as.  perith)  Pferd,  äwärn  (as.  swerian)  schwören, 
tarn  zehren. 


1^ 

b)  Mnd.  erst  in  jüngerer  Zeit  umgelautetes  tl.  a  wird  ^: 
jt^^rkin  Pärchen. 

c)  Mnd.  tl.  er  wird  är:  ämär  (as.  smero)  Schmeer,  ätnärn 
schmieren,  spar  n.  Speer,  ätcärn  (ahd.  sweran)  schwären,  eitern. 

Tl.  or. 
§  51.     Mnd.  tl.  or  <  as.  ur  wird  ör  in  förd  Furche. 

Tl.  ör. 
§  52.     a)  Mnd.   tl.   ör  <  as.   or  wird  or  in  niot-d   (as.   moraha) 
Mohrrübe. 

b)  Mnd.  tl.  ör  <  as.  nr  wird  5r:  l}Örn  (as.  burian)  heben,  rf5r9 
Tür,  for  für,  /wor  (ahd.  murutvi)  mürbe,  fdrtörn  erzürnen,  tsSr»  alte 
Stute,  Gaul. 

dr. 

§  53.  Mnd.  är  wird  ö^r,  Qr:  bqrd  Bahre,  jdf(}r  Gefahr,  g**pmb^ 
offenbar,  Qr9  Ähre,  .Ug^r,  stör  Staar,  äwQr  schwer,  w^r  wahr. 

Umgelautetes  är:  när  näher.  —  Jüngerer  Umlaut  von  mnd.  är 
erscheint  in  ätpr9^  plur.  zu  ätQ^r  Staar. 

er. 
§  54.     a)  e^r  wird  in   ktm  wenden,  vgl.  as.  kern  Wegscheide, 
sinf  (as.  scära  und  scera)  Schere. 

b)  e^r  wird  ßr  in:  er  (got.  air,  airis)  ehe,  eher,  ör9  (as.  irä) 
Ehre,  —  wird  fr  in:  mir  mehr,  ^w  2«r2>  zu  sehr. 

c)  cV  wird  ir  in:  ^wers^  zuerst,  Är^w  (as.  lerian)  lehren,  lernen. 

d)  e^r  wird  fr  in:  6fr  Bier,  dir  Tier,  dfrw  Mädchen,  f9rhrn 
verlieren,  ßn  vier,  wfr^  Niere. 

e)  e^r  wird  ai(^)r  in:  baür  (mnd.  6^'^,  langob.  pahir^  Nebf.  zu 
mnd.  ier,  as.  bier^  ber)  Zuchteber,  äwair-,  §icaidrzQ<*n9  (as.  ^swehir-^ 
ahd.  swehur-)  Schwiegersohn. 

tr. 
§  55.     Mnd.  %r  bleibt  fr:  iwfr9  Ameise,  .^fr  schier,  Adj. 

ö^r. 
§  56.     Mnd.   o^r  wird  ür:  füre  Fahrt   (ahd.  fuora\  fürd  (mnd. 
rörf^,  rör^;  Teltow,  fü^dä)  Fuder,    snür  Schnur,  iümflür  (mhd.  vluor) 
Tenne. 

8ir. 

§  57.     Mnd.  ö^r  wird  «Tr;  /2rw  (as.  fortan)  fahren,  rürn  rühren. 

Ö2r. 
§  58.     Mnd.  o2r  bleibt  ör:  rör  Rohr,  ör  Ohr. 

82r. 
§  59.     Mnd.  82r  bleibt  or:  hörn  hören,  §torn  stören,  rSrd  Röhre. 

Ki»derd«atschei  Jahrbuoh  XXXIV.  2 


18 

ür. 
§  60.     Mnd.    ür   bleibt   ür:  zur  sauer,   züramp9r   Sauerampfer, 
trü9r  Trauer,  bürd  Bauer.  —  Ausnahme :  hochd.  maiir  Mauer,  maiirdr 
Maurer. 

Qr. 
§  61.     Mnd.  Qr  bleibt  ür:  dür9  teuer,   dürn  Dauer  haben,   für 
Feuer,  inzürn  einsäuern,  äüi'd  (as.  sciura)  Schuppen. 

Diphthongiernng  von  i  und  u. 

§  62.  Mnd.  t  wird  vor  folgendem  Vokal  sowie  im  Auslaut  zu 
ij  (in  den  Handschriften  oft  ig  geschrieben).  Aus  ij  mit  schleifen- 
dem Akzent  hat  sich  dann  später  *ei  und  schliesslich  ai  entwickelt. 

a)  i  inlautend:  fraian  freien,  fraijq<^t9  (mhd.  tmiUe,  in  Oschers- 
leben  frijgt)  Freite,  Brautwerbung,  klai9  (mnd.  khe,  klige)  Kleie, 
maraidnwörnwkin  Marienkäferchen,  rosmarabn  Rosmarin,  safamistet 
Sophienstedt,  änain  (mnd.  snten,  snigen)  schneien,  ärain  (mnd.  scrten, 
scrigen)  schreien. 

b)  t  auslautend:  brai  (mnd.  brt,  hrig)  Brei,  frai  (mnd.  r^H,  vrij) 
frei,  blai  (mnd.  bli,  blig)  Blei,  naiy  nait  (mnd.  rvfy  nie,  ntge)  neu,, 
neues,  ärai  (mnd.  schrie,  schrige)  Schrei,  .§lai  (mnd.  sli)  Schlei.  — 
Eine  Ausnahme  machen  indeklinable  Wörter  wie  mi  mir,  di  dir,  bi  bei, 
8i  sei,  doch  hört  man  im  Teltow  bait  (=  bi  et).  Es  ist  deshalb  an- 
zunehmen, dass  ij  <  l  zuerst  inlautend  unter  schleifendem  Akzent  vor 
folgenden  Kasusendungen  gebildet  wurde. 

§  63.  Mnd.  ü  vor  Vokal  und  im  Auslaut  wird  über  üir,  ouw 
zu  au:  B.)  ü  inlautend:  bau^n  (mnd.  ftw^w,  büwen^  bouiven)  bauen, 
bramn  (mnd.  Irrüen^  brotveti^  brütven)  brauen,  jati^  (mnd.  jüwe)  euer, 
ätaun  (mnd.  stüwen^  stouwen)  stauen,  f9rtrau9n  (as.  tnion,  mnd.  trüwen^ 
trouwen)  trauen.  —  Ausnahme:  snüumi  schnauben. 

b)  ü  auslautend:  frau  (mnd.  früwe^  frouwe)  Frau,  jmt  (mnd.  jtf, 
jüiv)  euch,  glau  (mnd.  glä)  fein,  schmuck,  äau  (mnd.  srhil,  schmve) 
scheu,  älau  (mnd.  slü)  schlau.  —  Ausnahme  machen  auch  hier 
indeklinable  Wörter:  du  du,  nü  nun,  unl  wie. 

§  64.  Mnd.  üg  (üj)  wird  au:  —  Das  einzige  Beispiel  aus 
Prenden  ist  zäun  saugen.  Ein  zweites  bietet  der  Teltow:  ram 
Roggen,  (aber  ruJ9tml  Roggenmehl).  In  beiden  Fällen  muss  Ausfall 
des  ge  (§  68  n)  der  Diphthongierung  vorangegangen  sein. 

§  65.  Mnd.  (Jm;  wird  au  in:  blau  (mnd.  6/a,  W«/r,  blamve)  blau, 
(lau  (mnd.  dötv^  douwe^  d/nve^  dau)  Tau,  jrau  (mnd.  gräw^  grau,  grawe) 
grau,  lau  (mnd.  l(hi\  lauw)  lau,  kaun  (mnd.  *kawen^  ndl.  kauwen) 
kauen,  daun  (mnd.  dawen^  dowven)  tauen.  —  Denselben  Lautübergang 
zeigen  die  Städtenamen  mit  der  alten  Endung  -awe^  für  welche  später 
'OM)e  und  schliesslich  oft  -au  eintrat,  z.  B.  Bernawe  >  Beriiowe  >  Beriiau^ 
Spandawe  >  Spandowe  >  Spandau. 


* 


Vokalkfirzungen. 

§  66.  Die  bereits  im  Mittelniederdeutschen  vollzogenen  Kürzungeii 
as.  langer  Vokale  und  Diphthonge  sind  bei  den  einzelnen  mnd.  Vokalen 
berücksichtigt  worden.  Die  meisten  derselben  sind  vor  Konsonanten- 
gruppen und  namentlich  solchen,  deren  letzter  Laut  t  war,  eingetreten. 
Besonders  häufig  ist  der  Fall,  dass  in  der  3.  Person  Sing.  Präs.  und 
im  Part.  Prät.  e  durch  Synkope  in  den  Flexionssilben  ausfiel  und 
dadurch  auslautendes  t  unmittelbar  an  den  vorangehenden  Konsonanten 
trat,  also  eine  vokalkürzende  Konsonantengruppe  gebildet  ward,  vgl. 
as.  Iniulit  (>  *biudt}  >  mnd.  biit,  as.  farkopod  >  mnd.  verkoft;  as. 
Iwdid  >  mnd.  hot  gehütet.  Durch  falsche  Analogie  ist  auch  in 
Prenden  dann  die  Kürzung  auf  Formen  übertragen,  welche  keine 
Synkope  erfahren  hatten,  vgl.  wet  er  weiss  neben  wet  ich  weiss,  ferner 
müt  ich  muss,  er  muss. 

Die  Regel,  dass  das  schwach  gebildete  Part.  Prät.  kurzen  Stamm- 
vokal erhält,  auch  wenn  der  Infinitiv  langen  Vokal  oder  Diphthong 
aufweist,  hat  in  Prenden  weiten  umfang,  aber  doch  nicht  ausschliess- 
liche Geltung.  Lehrreich  in  dieser  Beziehung  sind  folgende  von  mir 
beobachtete  Beispiele.  Hinter  einem  Hofzaune,  an  dem  ich  vorüber- 
kam, hörte  ich  eine  Frau  zu  ihren  Kindern  folgende  Worte  sprechen, 
zuerst:  nu  örntlvf  anJ9fg^t!  —  dann  kaum  eine  Sekunde  später:  an- 
pfot !  Eine  andere  Frau  erzählte :  ik  heh  nox  nl  J9köft9  Ihwwant  jdkoft 
(gemeint  war  'von  einem  Händler  gekaufte  und  verkaufte  Leinwand'). 
Also  Doppelformen  im  gleichzeitigen  Gebrauch  in  demselben  Munde. 
Beide  Fälle  stimmen  zu  der  mir  von  einem  Prendener  gegebenen  Be- 
lehrung, dass  er  gewöhnlich  die  verkürzte  Form  gebrauche,  die  andere 
nur,  wenn  er  einen  dauernden  Zustand  bezeichnen  wolle. 

So  begegnen  noch  neben  einander,  —  es  sind  nur  einige  Bei- 
spiele hier  aufgezeichnet,  —  J9mQ<*kt  — jdmokt  gemacht,  lö^t  —  lot  lass, 
prompt  —  J9ro2)t  augelesen,  jdblüH  —  jdhlut  geblutet,  J9lmH  —  J9hfä 
gehütet. 

Es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  jamokt  u.  a.  einst  aus 
jjmg<^ket  oder  jdmqket  gekürzt  sind.  Ebenso  sicher  scheint  aber  die 
Tatsache,  dass  dieses  alte  J9mö<*ket  nicht  etwa  bis  heute  sich  erhalten 
hat,  sondern  dass  aus  dem  Infinitiv  7ng<*ken  in  jüngerer  Zeit  eine 
zweite  Partizipform  jainq^kt  neu  gebildet  ist. 

Diese  Neubildungen  zeigen,  dass  die  Prendener  Mundart  keine 
Vorliebe  für  Vokalkürzungen  hat.  Von  den  nachstehend  verzeichneten 
mag  manche  noch  in  die  mnd.  Zeit  zurückreichen. 

§  67.  a)  Mnd.  (i  >  Q  >  o\  hrofd  bratete,  rot^  ich  riet,  lotd  ich 
Hess  u.  a. 

b)  Mnd.  t'^  >  e\  wet  er  weiss,  en  (unbetont  für  en  oder  en) 
ein,  einen. 

c)  Mnd.  e^  >  e:  klmdar  kleiner,  rmtli/^  reinlich. 

d)  Mnd.  i  >  i:  kikt  schaut;  ferner  in  dem  Diminutivsuffix  A'iw: 
b&inokiyi  Bäumchen,  wönmkin  Würmchen. 

2* 


e)  Mnd.  6^  =  üo  >  u:  hhit  blutet,  M.  (unbetont  für  tüo)  zu, 
2nixf^  suchte. 

f)  Mnd.  Öl  =  S«  >  w:  hüt  hütet. 

g)  Mnd.  ö2  >  o:  hoxtU  Hochzeit,  änitlof  (mhd.  louch)  Schnittlauch, 
h)  Mnd.  82  >  ö:  jröt9r  grösser,  äöndor  schöner,  Möt  stösst. 

i)  Mnd.  ü  >  u:  .<ufl  (mnd.  schüfele,  schuffei)  Schaufel, 
k)  Mnd.  &  >  w:   äüzl   (mhd.    schüsel)    Scheuche,    krüpt    kriecht, 
bat  bietet. 

Vokaldehnniig  bei  gre- Schwand. 

§  68.  Mnd.  ge  ist  fortgefallen,  wenn  ein  Vokal  unmittelbar 
voranging.  Die  in  Verbindung  mit  diesem  Lautausfall  entstandenen 
Vokaländerungen  sollen  hier  mit  den  zu  erschliessenden  Zwischen- 
formen nur  belegt  werden.  Eine  genauere  Darlegung  und  Begrün- 
dung folgt  in  §  89. 

a)  Mnd.  age  (>  *g^'^9)  wird  ä:  drän  tragen,  dräd  Trage,  Trage- 
holz, hal  Hagel,  klän  klagen,  niä  f.  Magen,  mar  mager,  dimstmät 
Magd,  näl  (plur.  näh)  Nagel,  .^wär  Schwager,  wän  (plur.  wäm)  Wagen, 
zä  Säge,  zän  sägen. 

b)  Mnd.  e  (q  e)  -ge  ( >  §«39,  ä^yl)  wird  q  oder  ä :  biwän  bewegen, 
br^n  Bregen,  edd  (as.  egithu^  mnd.  egede^  eide)  Egge,  ^/e,  äwins-eb  Igel, 
entj^m  entgegen,  ütfän  ausfegen,  dröäfld  Dreschflegel,  käb  pl.  Min 
Kegel,  läat  (zu  lejdn^  prät.  /f«cfo)  legt,  r^hi  Regen,  regnen,  ^läa  (plur. 
zu  §lax)  Schläge,   wä  (plur.  zu  wex)  Wege,   wän  wagen,  J9zut  gesagt. 

c)  Mnd.  oge  >  age  (>  *^«3a)  wird  ä:  bän  Bogen,  banzB  Bogensee, 
fal  (plur.  fäb)  Vogel. 

d)  Mnd.  öge  (>  *^«3^)  wird  f:  fl^l  (mnd.  vlögel)  Flügel,  tre 
(plur.  zu  trox^  neben  einem  jüngeren  Plural  trojd)  Tröge. 

e)  Mnd.  oge^  age  mit  gleichem  Umlaut  (§  22  b)  über  '^^^7^9 
wird  d:  bäl  (mnd.  bogel)  Bügel,  man  mögen. 

f)  Mnd.  (^ge  (>  *^«39)  wird  a:  frän  fragen,  kra  (mhd.  krage) 
Krähe,  krä  (as.  krdia^  mnd.  krage)  Kragen,  jj^te  Plage,  trä  (mnd. 
träch,  träge)  träge,  wa  (plur.  wa)  Wage,  wän  wagen. 

g)  Mnd.  ege  (ndfrk.  t^ge)  >  {*i^y)  wird  en:  hodren  betrügen, 
fl^  Fliege,  ßen  fliegen,  len  lügen,  äpil  Spiegel. 

h)  Mnd.  ige  wird  t:  krtn  kriegen,  empfangen,  krif  kriegt.  (lU 
ist  dagegen  nicht  aus  mnd.  ligget  gebildet,  sondern  entspricht  der 
mnd.  Kontraktion  lit). 

i)  Mnd.  b^ge  (>  *ü^y)  wird  o:  blon  (mnd.  bldgen^  bloien)  blühen, 
bro  (mnd.  b^'oge^  broie)  Brühe,  zon  (mnd.  stSgen)  säugen,  kro  (mnd. 
kr^ge^  plur.  zu  Prend.  kröx^  krüx)  Dorfkrüge,  kror  (mnd.  kr&ger) 
Krüger,  Gastwirt,  ko  (mnd.  koge,  plur.  von  Prend.  küd)  Kühe,  />/J 
(mnd.  pltge)  Pflüge.  — 

k)  Der  Umlaut  zu  üo  lautet  jetzt  ä«.  Die  gekürzten  Formen 
blon  usw.  beweisen,  dass  5«  aus  #  entstanden  ist.  Diese  Regel  be- 
wirkte also  in  einigen  Fällen,  dass  zu  Singularformen  auf  üox  {*hil<^ch 
Dorfkrug,  *küo^  küe  Kuh,  *2^lüox  Pflug)  Plurale  auf  o  entstanden,  also 


21 

mit  demselben  Laute,  den  die  umgelauteten  Plurale  zu  ö2  haben; 
vgl.  bröt  plur.  brods.  Diese  Analogie  führte  weiter  dazu,  auch  aus 
jenen  5  neue  Nominative  auf  ö  zu  bilden,  welche  die  älteren  ver- 
drängten, so  aus  kro  den  Sing,  kröx  Dorfkrug,  aus  pl8  den  Sing. 
plöx  Pflug.  Diese  neuen  Nominative  Sg.  drangen  um  so  leichter  ein, 
weil  die  zahlreichen  Uckermärker,  welche  nach  Prenden  kamen  (S.  3), 
lautgesetzliches  Aröa?,  plöx  (s.  Teuchert,  Nd.  Jb.  33,  35)  sprachen. 

1)  Mnd.  ö^ge  wird  ö:  lö  (mnd.  löge)  Lauge,  ö,  plur.  öm  (mnd. 
oge)  Auge,  rodö  (mnd.  roddöge)  Rotauge,  Barbe. 

m)  Mnd.  iflge  wird  o:  bon  beugen,  biegen,  dro  trocken,  dron 
trocknen,  uphon  erhöhen. 

n)  Besondere  Fälle:  zäun  saugen,  kilb  Kugel.  —  Ausnahmen: 
ßlj^r  Jäger  und  Lehnworte  aus  dem  Hochdeutschen  oder  An- 
gleichungen  daran. 

Vokaldehnnni;  bei  t;e- Seh  wund. 

§  69  Nach  mnd.  ä  und  ursprünglichem,  sowie  dem  aus  o  ent- 
standenen tonlangen  a  fällt  in  der  Regel  mnd.  ve  aus:  a)  an  (bakan, 
bretidn,  kaxlän)  Ofen  (dagegen  öferi  eiserner  Ofen  als  Lehnwort),  ans 
abends,  änt  Abend,  band  (mnd.  bovene,  bavene)  oben,  ka^  ätvtmka 
Schweinekoben,  käb  (mnd.  kavele)  Loosteil  von  Holz,  Acker  usw., 
kla^  f.  (plur.  kldfiy  mnd.  klove,  klave)  Holzkloben,  näl^  büknäl  Nabel, 
ra  Rabe,  ^lal  Schnabel. 

b)  Der  Ausfall  von  ve  hat  nicht  stattgefunden,  wenn  ein  r  folgte. 
(Vgl.  utv9nit  aber,  hötr<fr  Hafer).  Ferner  nicht  in  Qf^ft  Obst,  weil  der 
Ausfall  wohl  erst  eingetreten  war,  als  mnd.  $»w^^  <  mnd.  ovet  schon 
zu  g**ß  verkürzt  war.  —  Die  Ausnahme  naw9  Radnabe  erklärt  sich, 
weil  dieses  Wort  junges  Lehnwort  ist.  Wäre  es  altprendensch,  würde 
es  nö<twd  heissen  müssen.     Der  ^märkische  Ausdruck  dafür  ist  buk 

Ausser  nach  a  ist  ve  nur  ausnahmsweise  in  Prenden  geschwunden. 
knel  (mnd.  knevel  >  *knPAfr<fr)  Knebel,  hön  (mnd.  hovefi,  später  *hüow9n) 
in  dem  alten  Ortsnamen  ;,dreissig  Hufen*',  amtlich  jetzt  ^ Neudörfchen ^, 
^eno  neben  ^^ma  und  äetv9n  (plur.  zu  mnd.  schewe)  Schebe,  Flachs- 
abfalle. 

Der  Umstand,  dass  ve  nach  a  fast  regelmässig,  nach  anderen 
Vokalen  nur  ganz  vereinzelt  geschwunden  ist,  lässt  folgern,  dass  wir 
es  hier  mit  einem  in  seiner  Entwicklung  beginnenden,  aber  nicht  bei 
allen  Vokalen  zur  Durchführung  gelangten  Lautgesetze  zu  tun  haben. 
Um  so  leichter  konnten  Fälle  eintreten,  wie  die  in  dem  hier  folgenden 
Abschnitt  behandelten. 

Die  oben  verzeichneten  Beispiele  belegten  den  regelrechten  Ver- 
lauf des  Lautwecbsels.  Neben  diesen  gibt  es  eine  kleine  Anzahl 
Wörter,  welche  denselben  Vokalwandel  zeigen,  in  denen  aber  -ve  ent- 
weder erhalten  oder  wieder  eingesetzt  ist.  Man  wird  das  letztere 
annehmen  müssen.  Grund  wird  teils  das  Streben  nach  unzwei- 
deutigen Wortformen  im  Verkehr  mit  Fremden  gewesen  sein,  teils  der 


22 

feinfluss  nördlicherer  Mundarten  auf  die  eigene.  In  einem  und  dem 
anderen  Falle  kann  auch  die  Möglichkeit  in  Frage  kommen,  ob  niclit 
Lehnformen  aus  dem  Uckermärkischen  vorliegen. 

bäwdn  (<  *hQ(HD9n  <  mnd.  baven)  nicht  allgemein  gebräuchliche 
Nebenform  für  hClm  oben;  dewd  (<  do^wdl  <  mnd.  dövel,  mhd.  tübel) 
Zapfen,  h^u^  (<  *A^«wv9  <  mnd.  höve)  Höfe,  mörr5w9n  (<  *rü^u^  <  mnd. 
r^üe)  Mohrrübe;  n^icdl  (<  *n^^tvdl  <  mnd.  nevel)  Nebel;  otvar  (<  *ü^u^r 
<  mnd.  6cer)  Ufer,  prötvdu  (<  *pmoiv9n  <  mnd.  jyroben)  prüfen,  säumi 
(<  *^g<^iV9n  <  mnd.  schaven)  schaben. 

In  anderen  Dörfern  des  Barnim  findet  sich  re- Schwund  auch 
nach  anderen  Vokalen,  in  Klosterfelde  bei  Prenden  z.  B.  in  j^l  Giebel, 
stü  Stube. 

In  grösserem  Umfange  ist  i^e  im  Teltow  ausgeschieden,  z.  B.  h{)r 
neben  hgm^r  Hafer,  hQ-dq<*  (mnd.  hovedaye)  Hofdienst,  Ap  (mnd.  hove) 
Gärten,  äUim  Stube,  d(iv;9  Taube. 

Wie  die  vermerkten  Beispiele  zeigen,  ist  hier  der  neue  Vokal 
ein  anderer  als  im  Barnim. 

Eine  ähnliche  durch  Dehnung  bewirkte  aber  regressive  Ver- 
schiebung des  Akzentes  findet  sich  in  der  Münsterschen  Mundart,  in 
welcher  u6  ii  vor  b  g  w  zuweilen  zu  ii*o  und  l*e  gedehnt  werden. 
Vgl.  Kaumann,  Entwurf  einer  Lautlehre  (1884),  §  20. 

Die  Konsonanten  in  liistorischer  Entwicklung. 

§  70.  Der  mnd.  Vokalismus  hat  in  den  lebenden  Mundarten  eine 
sehr  mannigfache  und  grosse  Unterschiede  aufweisende  Entwickelung 
erfahren,  welche  vermuten  lässt,  dass  die  einzelnen  mnd.  Vokale  in 
den  verschiedenen  Landschaften  sehr  verschiedene  Qualität  hatten. 

Im  Gegensatz  hierzu  sind  die  Abweichungen,  welche  die  ver- 
schiedenen ndd.  Dialekte  in  Bezug  auf  den  Konsouantismus  zeigen, 
im  wesentlichen  das  Ergebnis  von  Lautänderungen,  welche  jünger  als 
die  mnd.  Formen  sind. 

Das  mnd.  Auslautgesetz,  welches  ausser  Vokalen  und  Liquiden 
keine  stimmhaften  Laute  am  Wortende  duldet,  sondern  an  ihre  Stelle 
stimmlose  treten  und  b  hinter  m  (z.  B.  in  as.  criimb^  lamb)  assimiliert 
oder  ausfallen  lässt,  gilt  auch  für  die  Prendener  Mundart.  Im  Aus- 
laut werden  also  auch  in  ihr,  sofern  nicht  besondere  Regeln  eingreifen, 
b  >  p^  d  >  t^  '^  >  X,  j  >  1^  V  >  f^  z  >  s,  79  >  wk. 

Der  grammatische  Wechsel  zwischen  inlautenden  stimmhaften 
und  stimmlosen  Spiranten  ist  durch  Ausgleichungen  schon  in  as.  und 
mnd.  Zeit  stark  beeinträchtigt  worden.  In  der  lebenden  Mundart  ist 
er  innerhalb  des  Verbalsystems  fast  gänzlich  beseitigt.  Die  einzige 
Spur  seiner  einstigen  Wirksamkeit  in  diesem  bietet  die  Verschieden- 
heit der  Konsonanten  in  wQrn  waren,  J9west  gewesen. 

Die  nachfolgende  Übersicht  wird  sich  im  Allgemeinen  auf  den 
Nachweis  der  Abweichungen  der  lebenden  Mundart  von  dem  mnd. 
Konsonantismus  beschränken  können. 


23 

6. 

^71.  Mnd.  und  prendensch  b  kommt  nur  an-  und  inlautend 
vor,  letzteres  aber  nur,  wenn  (abgesehen  von  Kompositis)  1)  es  ent- 
weder eine  hoch-  oder  nebentonige  Silbe  beginnt,  2)  el  folgt  oder 
3)  es  as.  bh  vertritt  und  ein  kurzer  Vokal  vorangeht.  Wo  diese 
Bedingungen  nicht  zutrefiFen,  tritt  statt  b  mnd.  v  oder  /",  prendensch 
w  oder  f  ein. 

Anlautend:  bäm  oben,  6e;w  Raufe,  bl^zl  Binse,  borf^  verschnittener 
Eber,  ftfocfor  Blatter  usw. 

Inlautend:  1)  arbait  Arbeit,  leb^ndi'i  lebendig,  (dagegen  l^eu?9n 
leben),  brumbärd  Brombteere,  ^rb^r  ehrbar,  (dagegen  erwd  Erbe,  erfts 
Erbse),  naxbör  Nachbar,  probirn  probieren  (dagegen  prötvdn  prüfen).  — 
In  kesp9r  (mnd.  kasbere^  kersebere)  Kirsche  hat  vorangehendes  s  den 
Übergang  zum  stimmlosen  Labial  bewirkt.  —  2)  tgbl  Kober,  tobalitd 
Koberdeckel,  werbl  Wirbel,  ätlbl  Stiefel,  jrübaltrn  grübeln.  3)  heb» 
habe,  (dagegen  heMvan  heben),  kriba  Krippe,  rib9  Rippe,  ärubar  Schrubber, 
(dagegen  ,^rüu;9  Schraube),  ätubd  Wurzelstumpf  (dagegen  ätütv9  Stube, 
zahcah  Salbei). 

d. 

§  72.  Anlautend  ist  mnd.  d  im  Allgemeinen  geblieben,  doch 
ist  dw  teils  zu  kw  geworden:  kwazln  (mnd.  dwdsm)  töricht  reden, 
ßrdg/n  (mnd.  vordtvälen)  verirren,  f9rkwQ<^zn  (mnd.  vordtvdsen)  ver- 
geuden, kw^r  (mnd.  dwer)  quer,  hverl  (mnd.  dwert)  Quirl,  —  teils 
durch  nhd.  ts.  ersetzt:  tswern  Zwirn,  tswölwd  zwölf. 

Inlautend  wird  mnd.  d  in  folgenden  Fällen  verändert: 

a)  Id  wird  l  vor  e  und  en  (aber  nicht  vor  er)\  bakmob  Back- 
mulde, bah  bald,  holn  halten,  dl^  oln  die  Alten,  (aber  olt  alt,  öldar 
das  Alter,  ökhrn  Eltern),  meh  Melde,  siln  schelten.  Ferner  in  abwih 
(mnd.  al  de  ictle)  gerade  jetzt.  —  Ausnahme  jeldn  gelten. 

b)  Während  in  einigen  benachbarten  Mundarten  d  regelmässig 
zwischen  Vokalen  oder  zwischen  Vokal  und  r  ausfällt,  bietet  Prenden 
diesen  rf-Schwund  nur  in  folgenden  Wörtern: 

fqam  Faden,  jqrn  Garten,  laidn  (Vieh  am  Zügel)  leiten,  mäi-ak 
(mnd.  mert'edik)  Meerrettig,  grntli/^  ordentlich,  äpekäwgrd  Speckschwarte, 
wih()p9  Wiedehopf,  woika  {no^QnwQdikSy  mnd.  wadike)  Molken,  wQrnwsiTien. 

c)  Id  wird  Ij  in  folß  (mnd.  volde)  Falte,  folJ9n  falten. 

d)  nd  wird  tj,  wenn  nicht  a  vorangeht:  bmn  (prät.  btwk)  binden, 
finn  finden,  hem  Hände,  hiijar  hinter,  jrüryolmk  (mnd.  grundelink) 
Gründling,  kiy^r  (plur.  von  kint)  Kinder,  liidd  Linde,  pändar  (zu  mnd. 
fanden)  Feldhüter,  prd79n,  pretcm  Prenden,  rirD9  Rinde,  äiTan  schinden, 
spiw  (plur.  die  §pint)  Spinde,  tuwr  Zunder,  uToen  unten,  U799rslt 
Unterschied,  icet^d  (plur.  von  want)  Wände,  wir99  Winde.  —  Aus- 
nahme: hunds  Hunde,  rämbr  Rinder,  —  jamaim  (schon  mnd.  gemeine 
neben  gemeinde)  Gemeinde. 

e)  Nach  a  ist  nd  zm  w  nur  in  dem  Worte  sa'm  (Westhavelland 
schände^  wendisch  sanda)  Sensenband  geworden.  Es  heisst  stets  äandd 
Schande,  bandd  Bande,  tu  ätanda  zustande  usw. 


24 

f)  Analog  dem  Übergang  sb  >  sp  (§  7lb)  ist  sd  >  st  >  ät  in 
dundar^Uix  Donnerstag  geworden.  Dieselbe  Lautänderung  zu  .s^  lag 
in  zahlreichen  mnd.  Dorfnamen  vor,  wie  z.  B.  Borgerstorp  Borgsdorf, 
Egbrechtstorp  Eggersdorf,  Kavelstorp  Kanlsdorf,  Riikvestoty  Ruhlsdorf, 
Smetstorp  Schmetzdorf,  Utstorp  Ützdorf  usw.  —  Heute  werden  diese 
Ortsnamen  sämtlich  mit  d  geschrieben  und  gesprochen. 

g)  Mnd.  unde  ist  un  geworden,  doch  ist  das  d  in  der  Formel 
ümundüm  'ganz  und  gar'  erhalten. 

h)  Hochdeutsches  t  ist  schon  mnd.  eingetreten  in  hüta  heute. 

i)  Entlehnung  aus  einer  der  Mundarten,  welche  r  vokalisieren, 
verbunden  mit  falscher  Umsetzung,  liegt  vor^'in  dt«  m(}^d^  (mnd.  märe^ 
meckl.  mi^^  mq^t)  die  Mahr,  Alp. 

9' 

§  73.  Anlautendes  g  ist  in  allen  Fällen  zu  j^  inlautendes,  so- 
fern es  nicht  nach  §  68  ausfiel,  nach  Konsonanten  oder  palatalen 
Vokalen  zu  j,  nach  a  und  o  zu  ;  geworden. 

Anlautend:  anjlüpm  anglotzen,  jllyi^  sofort,  jam  ganz,  Gans, 
jantar  Gänserich,  jnvh»  am  Boden  angefrorenes  Stück  Erde. 

Inlautend:  börjd  (mnd.  niesbar ge)  Mistbahre,  bräja  Brücke,  jäj<fr 
Jäger,  franj9  (frz.  frange)  Franse,  inuj9  Mücke,  rüjd  Rücken. 

Inlautend  3:  d4>7^n  taugen,  ho-zj»  hohe,  inäi^dr  mager,  ro7^9  Roggen, 
äwayr  (Nbf.  äwar)  Schwager. 

Ausfall  und  Ersatz  durch  Nasalieruug  des  vorangehenden  Vokals 
tritt  ein  in:  r^n  Regen,  regnen. 

ig  wird  ai,  vgl.  §  62. 

sg  ist  i  geworden  in  naislny^  (=  mnd.  nigesgirig)  neugierig. 

eh. 

§  74.  Mnd.  ch  erscheint  nach  palatalen  Vokalen  und  nach 
Liquiden  als  X)  T^SLch  gutturalen  Vokalen  als  x. 

X:  ^te)(^  Steg,  we-/^  Weg,  tü-/^  Zeug,  nij^  nicht,  zi/^  sich.  —  ar/^ 
arg,  balx  Balg,  bar^  Berg. 

x:  dax  Tag,  höx  hoch,  jüX9n  jauchzen. 

In  gleicher  Weise  scheiden  die  meisten  nd.  Dialekte  beide  Laute, 
jedoch  nicht  alle.  In  mecklenburgischen  Dörfern  z.  B.  kann  man 
sehr  oft  nixt^  rext  u.  ä.  sprechen  hören. 

In  dem  Imperativ  diuc  (mnl.  doch)  *tu'  ist  x  aus  einer  mnd. 
nicht  belegten,  aus  duon  erweiterten  Form  *duojen  zu  erklären,  vgl. 
Franck,  Mnl.  Gram.  §  116,  Weinhold,  Mhd.  Gr.  §  362.  Gleichfalls 
als  alte  Formen  erweisen  sich  die  Imperative  zi^  (as.  sih^  mnd.  mnl. 
sich)  siehe,  skuv  (as.  slah^  mnd.  mnl.  slach)  schlag,  jox  (mnl.  jach, 
jaghe)  jage.  Nach  Analogie  sind  dann  die  Neubildungen  jox  (neben 
i?*)  8^\  ^^^^  (neben  ätg»)  steh  entstanden. 

A. 

§  75.  Im  Teltow  hört  man  mancherorts  ein  anlautendes  h 
sprechen  und   umgekehrt   ein   solches   fortlassen;    z.   B.   eute  habend 


25 

statt  heute  abend.  Es  zeigt  sich  hierin  alter  nachwirkender  Einfluss 
der  wendischen  Mundart.  In  Prenden  und  den  ihm  benachbarten 
Dörfern  hört  man  derartiges  nicht. 

j- 

§  76.  Unorganisches  j  ist  vorgetreten  nur  in  jaU*hunt^  Allee- 
hund (Schimpfwort). 

j  ist  entwickelt  in  ßjdlim  Violine,  Itfiajdl  Lineal. 

hülij9nkiw9r  Geschwisterkinder  ist  nicht  aus  gleichbedeutendem 
rand.  bölekenkinder  entwickelt,  sondern  mit  dem  Diminutivsufl5x  -jen 
gebildet,  wie  in  hölipn  (vgl.  mnd  anebolt  Amboß)  kleiner  Ambos,  auf 
dem  die  Sense  geklopft  wird. 

k, 

%  11.  a)  Mnd.  k  bleibt  in  der  Regel:  duk  Dach,  fak  Fach, 
{er?kl  Fenchel,  hed^rik  Hederich,  hörkn  horchen,  ik  iks  ich,  jok  (plur. 
jdh^)  Joch,  kikn  gucken,  klü^k  klug,  kükn  Küchlein,  marak  Meerrettig, 
murkl  Morchel,  tverk  Werg,  zark  (as.  mnd.  sark)  Sarg,  zikl  Sichel. 

b)  k  wird  jj  x  m  der  Endung  -lieh  z.  B.  Qrntlij^  ordentlich,  in 
ziy  sich,  lüx9  Luke,  mai'yt  Markt. 

Dagegen  ist  blintälaifd  Blindschleiche  nicht  aus  blintschllke  ent- 
standen, sondern  Lehnwort  aus  dem  Md.,  vgl.  mhd.  sliefen  schlüpfen. 

/. 
§  78.     a)  Die  Endung  -ler  wird  Iddr:    rf^/efor.  Taler,    hekbr^  hd. 
Heller,  urspr.  Fischbehälter,  jetzt   Gehöftname,   keldsr  Keller,   z^ldar 
Seiler,  koldifr  Koller,  wq^tsrmöhbr  Müller,  taldar  Teller. 

b)  Die  Endung  -el  in  mehrsilbigen  Wörtern  wird  /:  truml 
Trommel,  dümpl  Tümpel,  aikl  Eichel,  neHl  Nessel  usw. 

c)  Mnd.  l  wird  r  in  kristlr  Klystier,  wiidsr  Windel;  —  durch 
Dissimilation:  A'/p^^T^r  Glockenklöpfel,  l^^pär  (mnd.  lepel)  Löffel,  Mp^t^r 
(mnd.  slotel)  Schlüssel;  —  dagegen  klöflök  (mnd.  knuflök,  mhd.  knobe- 
loHc/i,  klobelouch)  Knoblauch.  . 

d)  Mnd.  l  wird  n  in  kneprwr  (zu  mnd.  kleperen  klappern)  Storch. 

m, 

§  79.     Auslautendes  mnd.  m  in  betonter  Silbe  ist  in  fg^^m  (mnd. 

vüdem)  erhalten,  in  unbetonter  ist  es  zu  n  geworden:  besn  (mnd.  bessern) 

Besen,    bod^   (mnd.    boddenie,   bodden)   Erdboden,   btis7i   (mnd.    busein^ 

bossein)  Busen,  ^«flbw  (mnd.  adetn)  Atem,  tvrg<*z9n  (mnd.  wasem)  Brodem. 

—  torm  (mnd.  tom)  Turm  verdankt  sein  m  wohl  dem  Hochdeutschen. 

—  Ausgefallen  ist  tn  in  äandäi^d  Gensdarm. 

§  80.  a)  Inlautendes  n  vor  5,  z  ist  im  Gegensatz  zu  manchen 
anderen  Mundarten  erhalten  in:  jam  Gans,  uns  uns,  wiz»  unser,  Eq 
fehlt  wie  schon  mnd.  in  jösl  junge  Gans. 


26 

b)  Mnd.  n  vor  unbetontem  auslautendem  er  wird  nd:  diindsr 
Donner,  end^r  einer,  ßriytsmdmbr  Schöffen,  hü^pidar  Hühner,  ketubr 
keiner,  mdnd^r  Männer. 

c)  Mnd.  nd  wird  td  siehe  §  72  d. 

d)  Mnd.  n  wird  m  vor  Labialen :  ßmf  fünf,  hämp  (mnd.  hennep) 
Hanf,  jumf9r  Jungfer,  zemp  Senf;  ferner  in  brmi  (veraltete  Nbf.  zu 
bren^  bre^gdn)  Gehirn,  vielleicht  übernommen  aus  einem  anderen  ndd. 
Dialekt  und  in  diesem  unter  dem  Einfluss  von  bremworät  (Röstwurst 

'  aus    Schweinsgehirn,    Semmel   und    Rosinen)    gebildet,    öbrQ^m   (mnd. 
dgenbräne)  Augenbraue. 

e)  Mnd.  n  wird  l  in:  kloil  Knäuel,  kliipl  (mnd.  kluppel^  knuppel) 
Knüppel.  —  Dagegen  ist  postl  „Pfosten*  wohl  Diminutiv  zu  mnd. 
post  Pfosten. 

f)  Auslautendes  mnd.  -en  wird  in  zusammenhängender  Rede  nach 
b  oder  p  zu  m,  -men  wird  w,  nen  wird  w,  -len  wird  In.  In  allen 
übrigen  Fällen  wird  -en  zu  an  oder  w.  Wird  ein  Wort  einzeln  vor- 
gesprochen, so  hört  man  die  Endung  meist  -rin  sprechen. 

ben  >  bm:  hebm  haben,  kribm  Krippen,  ribyn  Rippen.  —  Nur 
der  Heller-Gläser  spricht  hebn  (neben  kribm  usw.). 

pen  >  iJm:  drüpm  tropfen,  grlpn  greifen,  hupm  hüpfen,  kopm 
kaufen,  krüpm  kriechen,  löpm  laufen,  rq^^pm  aufrafi'en,  slipm  schleifen. 

men  >  m:  blü(*m  Blumen,  dum  Daumen,  hqf^m  (mnd.  harnen) 
Nachgeburt  der  Kuh,  ju^m  Gaumen,  Fischkieme,  Ao«w  kommen, 
ßkg^m  gekommen,  rif^m  Riemen. 

nen  >  n:  bren  brennen,  dini  dienen,  dun  Daunen,  mairi  meinen, 
min  (accus,  zu  tnin  mein)  den  meinigen,  rön  rennen,  !^in  scheinen, 
utden  ausdehnen,  J9tve7i  gewöhnen. 

fen  >  In:  airsqf^ln  Eierschalen,  boln  Zwiebeln,  />rö7n  brüllen,  faln 
fallen,  heln  heilen,  holn  halten,  fortein  erzählen,  foln  Füllen,  nihi 
wollen. 

g)  Nach  w,  5,  j  wird  en  zu  <m:  alkowan  Alkowen,  bluv9n  bleiben, 
enVfOU  soeben,  9rlöu^i^  erlauben,  lecwan  leben,  malwr^n  Schwalben.  — 
döT^dn  taugen,  miij9n  Mücken,  pre.dijdn  predigen.  —  Neben  ki^u^^n, 
plur.  zu  klfW9  Fischkieme  hört  man  den  wohl  durch  hd.  Einfluss  be- 
wirkten Plural  ki^m, 

h)  Nach  d,  f,  r,  s,  t  wird  -en  zu  n:  jQrn  Garten,  bidn  bitten, 
brq^dn  braten,  lidn  leiden,  redn  retten,  blafn  bellen,  börn  heben, 
bibdrn  beben,  födarn  fordern,  hhidrn  hindern,  besvt.  Besen,  utmertm 
ausmerzen,  fr^Hn  fressen,  mütn  müssen,  hf^tn  lassen,  ivait^  Weizen. 

i)  Zu  allen  übrigen  Fällen  hört  man,  wenn  ein  kurzer  Vokal 
vorangeht,  w,  bei  langem  Vokal  n  oder  m:  lain,  Jahn  leihen,  trekn 
ziehen,  nidkn^  mäk^n  Mädchen,  raikn^  raik^n  reichen,  takn  Zweige, 
lil^n  löschen,  kwdtsn  quetschen,  am  mi^Hn^  mirMan  am  meisten,  rüsifn 
rauschen,  jyrüäan  niesen,  fneäm  maischen,  h^^zn,  hö^zdn  Hosen,  Hasen. 
—  Regen,  regnen  heisst  r&n. 


27 

ng  (f9), 

§  81.  Mnd.  auslautendes  ng(k)  erscheint  als  7jk:  etak  eng,  läwk 
lang,  lie  zitt?k  er  sang  und  er  sank. 

Im  Gegensatz  zu  anderen  Mundarten  ist  es  als  t^  erhalten  in 
jmuok  (neben  J9nux)  genug,  penirak  Pfennig. 

P- 

§  82.    a)  Mnd.  p  ist  fast  immer  erhalten :  ziirampdr  Sauerampfer, 

'%>  Taufe,    damp  Dampf,   dump  dumpf,   stü^pd  Stufe,  p^^pdv  Pfeffer, 

jmnt  Pfand,  pQ^l  Pfahl,  plantd  Pflanze,  prvm  Pfriemen,   tapd  Zapfen, 

pot  Topf,  zarp  sehr  sauer  usw.  —  Ausgefallen  ist  p  in  krania  Krampe. 

b)  Hd.  p  findet  sich  in  pr^Mf  Bräzel,  jmkl  Buckel.  —  Dagegen 
ist  das  auch  in  Westfalen  bekannte  piujl  Bündel  Diminutiv  von  mnd. 
[ftniffe  'kleiner  Sack'  (vgl.  got.  puggs  Beutel). 

c)  2^^  ist  kein  ndd.  Anlaut  und  für  manche  Dorfschüler  noch 
heute  unaussprechbar;  psalm  ist  deshalb  zu  salm,  zahn  geworden. 
Davon  zalm  langdauernd  reden. 

d)  Mnd.  ft,  fst  (<  pt,  pst)  in  köfty  köfst  ist  im  Präs.  durch  die 
Neubildung  köpt,  köpst  verdrängt,  im  Prät.  köft^  dagegen  erhalten. 

e)  Neuentstanden  scheint  p  zwischen  m  und  n  in  le}np9  (lat. 
(amna,  lamina)  Messerklinge. 

r. 
§  83.     a)  Inlautendes  r  ist  geschwunden  in  föd^rn  fordern,  mad9r 
Marder,  gfsaüb  Ortscheid,  atolrt  Artillerie,  ekairn  exerzieren,  also  vor 
Dentalen. 

b)  Vokalisiert  ist  r  in  fe^zd  Färse,  junge  Kuh,  i^std  der  erste, 
(loch  wird  von  anderen  ferzd,  irstd  gesprochen. 

c)  Neubildung  eines  r  findet  sich  in  kannkl  Kaninchen,  äwart 
n.,  (plur.  .^iv^^ds)  Schwade,  tär  (ahd.  zähi)  zähe.  Letzteres  wird  von 
anderen  tä  gesprochen.  Vereinzelt  hört  man  auch  da'  der,  ha'  er, 
hdUhok  Semmel,  eigentlich  Hellersemmel,  gewöhnlich  aber  d^,  Äf;  helwk. 

d)  r  wird  l  in  balblrn  barbieren. 

s. 

§  84.  Anlautend  ist  mnd.  s  vor  Vokal  stets  zu  Zj  sc  stets  zu  ä, 
>  vor  l,  m,  H,  ir,  t,  p  stets  zu  s  geworden:  zant  Sand,  zupm  saufen, 
—  snwifH  schreiben,  sqr  Schaar,  —  slq^n  schlagen,  ämär  Schmeer, 
^nal  Schnabel,  iw-i/w^///  ohnmächtig,  strump  Strumpf,  ^piwd  Spind. 

Auf  Grund  der  Tatsache,  dass  in  gewissen  Gegenden  §1,  am  usw. 
aus  sl,  SM  usw.  nachweislich  erst  in  der  jüngsten  Zeit  geworden  ist, 
in  anderen  erst  in  der  Gegenwart  sich  verbreitet  und  sogar  auf 
grossen  Gebieten  unbekannt  ist,  hat  man  mehrfach  ausgesprochen, 
dass  auf  nd.  Gebiete  .^  in  diesen  Fällen  das  Ergebnis  eines  recht 
jungen  Lautwandels  sei.  Hiergegen  ist  bezüglich  der  Mundart  des 
Barnim  auf  die  Angaben  zu  verweisen,  welche  Christian  Pudor,  Pre- 
diger zu  Straussberg  (Oberbarnim)  in  seinem  Buche  ;,Der  teutschen 
Sprache   Grundrichtigkeit*'    (Köln  a,    d.  Spree    1672)   S.  6   über   die 


28 

Aussprache  des  s  macht:  ;, selbiges  wird  vor  dem  p  und  t  mit  einem 
sibilo  Gezische  [also  s-p,  s-t]  ausgesprochen.  E.  gr.  sprechen,  straffen, 
sparen,  stehen,  spotten.  Etliche  wollen,  dass  auch  das  s  vor  /;  m,  n,  iv 
ohne  ch  cum  sibilo  soll  ausgesprochen  werden:  slagen,  smecken,  snelt, 
sireigen.  Nach  dem  Exerapel  der  Lateiner,  welche  sagen  smilax, 
Sleidamis  etc.  Aber  wir  lassen  uns  von  den  Lateinern  hierin  nichts 
vorschreiben.  Zudem  würden  wir  durch  Auslassung  des  ch  in  ob- 
berührten  Worten  in  die  Pommerische  und  Westfälische  Mundart 
fallen,  welche  saget,  Smertz,  Swerd,  Smecken.^ 

Da  auch  heute  noch  die  provinzielle  hochdeutsche  Aussprache 
beim  sp,  st  usw.  die  mundartliche  gleicher  Gegend  wiederspiegelt,  so 
dürfen  wir,  was  Pudor  von  dem  hochdeutschen  s  sagt,  ohne  Anstoss 
auch  auf  die  Mundart  des  Barnims  übertragen.  Es  ergibt  sich  dann, 
dass  hier  zu  seiner  Zeit  zwar  noch  sj)  st,  aber  schon  M,  sm,  sn,  sw 
gesprochen  wurde.  Diese  unterschiedliche  Entwicklung  beider  Laut- 
gruppen kommt  in  der  Prendner  Mundart  übrigens  heute  noch  in  der 
Verschiedenheit  der  Artikulation  zum  Ausdruck,  vgl.  S.  5. 

Ohne  weiteres  ist  vorauszusetzen,  dass  damals  auch  .v  für  mnd. 
sc  gesprochen  wurde.  (Vgl.  Nd.  Jahrb.  29,  34  §  71).  Das  für  sc  ein- 
getretene ä  ist  vermutlich  der  Ausgangspunkt  der  Entwicklung  der 
übrigen  s  gewesen. 

b)  In-  und  auslaut.  s  —  Mnd.  ss  oder  neben  Konsonanten 
stehendes  s  wird  s,  intervokalisches  s  zu  z,  auslautendes  postvokales 
s  zu  s. 

SS  >  s:  hesn  (mnd.  bessern,  beseni)  Besen,  busn  (mnd.  busme, 
bossen)  Busen,  dresln  drechseln,  drü^sl  (mnd.  drösle)  Drossel,  fösd 
Füchse,  haslno^t^  Haselnüsse,  os9  Ochse,  zais9  (mnd.  sessen,  sesne)  Sense. 

s  >  s  m  pet9rsilJ9  Petersilie. 

s  >  z  nach  kurzem  Vokal:  bizn  durch  Bremsenstich  wild  werden 
(von  Kühen),  bi(^  Wiege,  diz9r  dieser,  druzln  schlummern,  dm/n 
(mnd.  dusen)  gedankenlos  sein,  kuzl  Kiefernbusch,  kwazln  quasseln, 
niizln  nusseln.  —  Nach  langem  Vokal:  blq^29  Blase,  drü^zd  Drüse, 
k&zd  Käse,  wrQ^n  Brodem  usw. 

Auslautend  s  >  s:  9«s  Aas,  flas  Flachs,  fos  Fuchs,  hüs  Haus, 
ris  Reis  usw. 

c)  Mnd.  st  bleibt  nach  Vokal  stets  st:  amst  Angst,  bi^st  Biest- 
milch, brost  Brust,  dest9  desto,  distl  Distel,  distl  Deichsel,  drtstd  dreist, 
dustar  düster,  festa  fest,  füsta  Faust,  harwest  Herbst,  mst  Rost, 
swäst^r  Schwester. 

d)  rst  wird  zu  r§t  in:  awerät  aber,  borst9  Borste,  borstd  Bersten 
des  Eises,  Schrunde,  börätd  Bürste,  dorH  Durst,  dund^rHax  Donners- 
tag, för§t9  Dachfirst,  jarite  Gerste,  hörät9  Horst,  körät9  Brotkruste, 
worät  Wurst 

e)  TS  vor  Vokal  wird  zu  rz  in  herh  Hirse;  rz  in:  ferz9  Färse, 
sonst  stets  rä:  bqr^  Barsche,  far§d  Verse,  mörsdr  Mörser.  —  Aus- 
lautend r§  in  bors  Bars  (Fisch),  kars  aufrecht,  stolz  sich  bewegend. 
Lehnwort  ist  hör§  Hirsch. 


f)  Mnd.  ns  wird  nz  in  kränzd  Kränze,  breinza  Bremse,  jrunzn 
grunzen,  hälzd  Hälse,  jänzd  Gänse. 

g)  Es  bleibt  Is,  ns  in  hals  Hals,  gränsa  Grenze,  äimns  Schwanz, 
Mmns9  Schwänze,  dafisn  tanzen  usw.  und  wird  lä  in  dem  Lohnwort 
jnVs9  Pilze. 

h)  Postkonsonantisches  s  wird  gleichfalls  zu  ä  in  hüUkin  bischen, 
fH)  Axt,  jöpsd  Handvoll,  nuM  nichts  (mnd.  nichtes),  —  Sonst  bleibt  s: 
häksl  Hecksei. 

i)  Mnd.  seh  erscheint  stets  als  ,^:  bruä9  (mhd.  brüsche)  durch 
Schlag  entstandene  kleine  Anschwellung,  ßs  Fisch,  ßän  fischen,  flüä 
Flausch,  man  rauschen. 

k)  s  ist  angetreten  in  marks,  m.,  Mark  (as.  marg),  wohl  gen.  partit. 

t. 
§  85.     a)  Mnd.  t  ist  in  allen  Stellungen  mit  wenigen  Ausnahmen 
erhalten,  auch  in  dlstl  Deichsel,  jäntor  Gänserich,  jaläntar  (mnd.  lante) 
Geländer,  milta  Milz,  w^«^/  Nadel. 

b)  t  ist  geschwunden  in  handüok  Handtuch,  hinbä)'d  Himbeere, 
tiiy  nicht,  dünv/Jüt  Taugenichts. 

c)  Neues  t  ist  entwickelt  in  p^star  Äser,  plur.  von  ö«5,  Schimpf- 
wort,  strütsa   Strauss,   qnvont  soeben,   rentlr/i^   reinlich,   kitfdrt  Koffer. 

d)  t  wird  k  in  klvik  (mnd.  ktuit)  Kibitz. 

e)  Eine  Besonderheit  ist,  dass  ein  Teil  der  Prendner  mildn 
^müssen ^  sagt,  andere  sprechen  mütn. 

ts  (nhd.  2). 

§  86.  Als  Wort-  oder  Silbenanlaut  erscheint  die  Affrikata  ^.s* 
nur  in  Wörtern,  welche  dem  Hochdeutschen  oder  fremden  Sprachen 
entlehnt  sind.  Der  nd.  Mundart  ist  sie  ursprünglich  fremd,  und  sie 
wird  noch  heute  vielfach  in  Mecklenburg  und  der  Mark  nicht  korrekt 
wiedergegeben,  sondern  es  erscheint  statt  ihrer  ein  stimmloses  s, 

tsän  zehn,  tsax  zage,  tsedl  Zettel,  tsikd  weibliche  Ziege,  tsipl 
Zipfel,  tsoi'd^  sord  alte  Stutfe,  Mähre  im  verächtlichen  Sinne,  tswern 
Zwirn,  —  sw^  zwei,  swöhvB  zwölf,  —  tzib9,  siba  weibliches  Schaf  oder  Ziege. 

Inlautend  ist  ts  nd.  Ursprungs  durch  Zusammentritt  von  t  und 
••f  in  metHdr  (ae.  meteseax)  Messer. 

Hochdeutscher  oder  anderer  Herkunft  ist  es  in  etsit^k  (mhd. 
f^ch,  mnd.  ettik)  Essig;  fülenfsan  faulenzen,  kamtsa  (mnd.  karufse, 
karuss9)  Karausche,  karwitsa  f.  Kürbis,  kratsn  kratzen,  kräts9  Kreuz, 
ütmertsan  ausmerzen,  swetson  (mhd.  schivetzeu)  schwatzen.  Auslautend: 
.v/nY.s  Seh  weiss. 

§  87.  a)  Die  mnd.  stimmlose  Spirans  /*,  welche  in  den  mnd. 
Handschriften  im  Anlaut  meist  r  geschrieben  wird,  erscheint  durch- 
weg als  /",  und  umgekehrt  scheint  jedes  Prendener  f  aus  mnd.  f  her- 
vorgegangen zu  sein.  Das  ist  wohl  auch  der  Fall  in  hufd  Hüfte, 
vgl  mnd.  huf  (mnd.  Wtch.  s.  v.  hufhalt).     Ferner  bei  ivefd^  Striemen 


auf  der  Haut   nach   einem  Peitschenhiebe,   vgl.   mnd.  wefe,  weve  Ein- 
schlag in  Geweben ;  schliesslich  bei  stlfvgd9r  (mnd.  stefrader),  HtlfzQ<^m 
usw.  mit  mnd.  aber  aus  dem  Hochdeutschen  entlehntem  f. 
Lehnform  aus  dem  Hochdeutschen  ist  dlpHQl  Diebstahl. 

b)  Anlautendes  mnd.  v  erscheint  als  f:  fak  Fach,  fih  viele,  fluk 
flach,  flu  Fleiss,  fraidax  Freitag,  frän  fragen,  ful  voll,  fül  faul. 

c)  Inlautend  ist  v^  wenn  nicht  t  oder  st  folgt,  nach  langen 
Vokalen  sowie  hinter  /  oder  r  zu  lo  geworden:  blttven  bleiben,  bn^we 
Briefe,  fit€9r  Fieber,  hüwl  Hobel,  n§^wl  Nebel,  swP^wl  Schwefel,  slir^ 
Scheibe,  z§«tv9  Siebe.  —  halw9  tnate  halbe  Metze,  kälw9r  Kälber,  zalipd 
Salbe,  —  harto9st  Herbst,  $arv?9  Scherbe,  ärütm  Schraube,  ätartvan  sterben. 

d)  Nach  kurzen  Vokalen,  ferner  vor  t  oder  st^  sowie  im  Auslaut 
wird,  wie  schon  im  Mnd.  und  zum  Teil  As.  v  (as.  b)  durch  f  vertreten : 
blafn  bellen,  gafl  Gabel,  barft  barfuss,  drift  Trift,  jeft  gibt,  hoftlant 
(mnd.  hovet'y  hoft-)  Kopfende  des  Pfluglandes,  krPft  (mnd.  krevet^  kreft) 
Krebs,  Q<*ft  (mnd.  ovet)  Obst,  —  derfst  darfst,  jafnt  gabst,  —  jraf 
Grab,  half  halb,  halfter  Halfter,  kalf  Kalb,  Hoi-f  starb,  zef  Sieb. 

e)  Über  Schwund  von  v  hinter  a  vgl.  §  69. 

w, 

§  88.  a)  Anlautend  ist  mnd.  ivr  erhalten  in  icraron  ringen, 
wrmM  Wränge,  torüj  Rügegericht  (veraltet),  tcrö^zm  Brodem,  trrük^ 
Futterrübe,  wrat9  Warze.  —  Ausnahmen:  rliran  (sclion  mnd.  urheu 
und  r%ve}i)  reiben,  rQ^^zn  (hd.,  mnd.  wrase)  Rasen. 

b)  Mnd.  wl  wird  /  in  lü^nwrv/^  (zu  mnd.  ulöm^  osnabr.  tvlom) 
trübe  vom  Wasser 

c)  Mnd.  w  wird  m  in  majcoUbr  Wachholder. 

d)  Inlautend  ist  w  aus  u  vor  Vokal  entwickelt  in  feifvrwQr  Februar. 

e)  Über  vokalisiertes  w  vgl.  §  63. 

f)  Inlautend  steht  w  nur  nach  langem  Vokal,  sowie  nach  /  oder 
r:  ewif^  haui/t  Habicht  (auch  häirala)^  Iowd  Löwe,  —  uiUwi)  Milbe, 
.^iralfr<)  Schwalbe  —  jerwon  gerben,  konvitm)  Kürbis. 


Anhang.^) 

Monophtho]igierang8vorg&nf>;e. 

§  89.  Mnd.  d  und  tl.  o,  a  sind  in  Freuden  zu  $»  geworden, 
es  heisst  also  §q<^p  Schaf,  hq<^n9  Hahn,  zq<^m  Sohn  (§S  18,  19,  21,  23). 

Diese  Regel  erleidet  eine  scheinbare  Ausnahme,  wenn  nach  jenen 
mnd.  Vokalen  ge  oder  ve  durch  Kontraktion  ausgefallen  ist.  Aus 
mnd.  vagel^  vogel  ist  /il/,  aus  bavme^  borene  ist  bäw  geworden.  Vgl. 
§§  68,  69. 


1)  Die  Ausführungen,  welche  der  Anhang  bietet,  sollen  teils  Einzelheiten 
der  Prendener  Mundart  erläutern,  teils  dieselbe  für  ausserhalb  dieser  Mundart 
liegende  Fragen  verwerten. 


£&  erhebt  sich  also  die  Frage,  ob  hier  das  mnd.  lange  a  sich 
erhalten  hat,  oder  ob  es  das  Ergebnis  eines  besonderen  lautlichen 
Vorganges  ist. 

Nach  der  Regel,  dass  altes  ä  zu  9^  wird,  müsste  aus  fdl  Vogel, 
hdn9  oben  fg^b  bq^n9  geworden  sein,  wenn  der  Ausfall  des  ve  und  ge 
älter  wäre  als  das  Lautgesetz,  welches  ä  zu  ö^  werden  Hess.  Es 
muss  also  die  Diphthongierung  zu  Q^  älter  als  der  Schwund  von  ge 
und  ve  sein.  Nach  dieser  Feststellung  wird  man  den  Vorgang,  welcher 
die  Monophthongierung  von  ^o  zu  ä  bewirkt  hat,   ermitteln  können. 

Aus  mnd.  age^  ave  entstand  zunächst  $«3«,  Q^wd\  als  in  diesen 
Lautverbindnugen  die  mit  starkem  Stimmton  aber  schwachem  Geräusch 
gebildeten  Spiranten  unterdrückt  wurden,  geschah  dies,  indem  man 
die  zur  Geräuschbildung  nötige  Hebung  der  Hinterzunge  unterliess 
und  annähernd  so  lange  Zeit,  als  jene  Artikulation  erfordert  hätte, 
den  unmittelbar  vorangehenden  Schlusslaut  des  Diphthongs  ^^  anhielt 
und  ihm  die  ganze  Kraft  des  Stimmtones,  den  3  oder  v  erforderten, 
zukommen  Hess.  Die  Tatsache,  dass  in  den  so  entstandenen  Lauten 
tf  der  erste  Vokal  ausfiel,  rechtfertigt  die  Annahme,  dass  mit  der 
Dehnung  und  Tonverstärkung  des  a  eine  Verschiebung  des  Silben- 
akzentes von  9  zu  ö  verbunden  war. 

Die  vorstehende  Darlegung,  dass  es  sich  bei  dem  besprochenen 
Vorgänge  um  eine  Monophthongierung  handelt,  findet  ihre  Bestätigung 
dadurch,  dass  ganz  analoge  ErscLeinungen  in  allen  übrigen  Fällen, 
wo  ge,  oder  ve  nach  einem  Diphthong  ausgefallen  sind,  sich  ergeben 
haben.  Zahlreiche  Belege  hierfür  bieten  die  §  64.  65  zu^mmen.^e- 
stellten  Wortformen.  Es  mag  genügen,  wenn  hier  nur  noch  an  einigen 
Beispielen  die  Wandlung  diphthongischer  Laute  zu  einfachen  dar- 
gelegt wird. 

Mnd.  tl.  e  ist  e/  geworden,  z.  B.  lever  Leber  zu  l^^iwr.  Eine 
Ausnahme  bewirkt  auch  hier  der  Ausfall  eines  ge  oder  ve.  Es  ist 
geworden:  knevel  Knebel  über  H-ne/wdl  zu  kml^  flegel  Dreschflegel  über 
ß^;},3l  zu  /g/. 

Ferner  wird  mnd.  tl.  ö  zu  ^^,  also  söne  Söhne  zu  z^^m  (§  22). 
Dagegen  ist  (§  68 d)  tröge  Tröge  über  Hv^^t^q  zu  Ire  geworden. 

Mnd.  e^  hat  sich  sonst  zu  i^  entwickelt  (§  30).  Dagegen  ist 
mnd.  rlegeii  fliegen  nicht  *ßi^yn  sondern  flen  geworden. 

Mnd  6^  erscheint  sonst  als  ü^  (§  33).  Dagefjen  ist  geworden 
mnd.  hoven  Hufen  nicht  hüoiren  sondern  hön.  Mnd.  8^  erscheint  sonst 
als  ?/«.  Letzteres  muss  aus  ü^  entstanden  sein;  dafür  spricht  nicht 
nur  die  Theorie  des  Umlautes,  sondern  auch  folgender  Lautwechsel: 
Ks  ist  mnd.  A^^gen  säugen  über  "^zü^yn  zu  zon  geworden. 

Einen  literarischen  Beleg  für  alten  Ausfall  von  ge  und  ve  bietet 
das  im  Nd.  Korr.-Bl.  11  S.  66  gedruckte  Kremmener  Hochzeitsgedicht 
von  1698,  in  welchem  sich  grüel  statt  grihvely  schräen  statt  schregen 
findet  (Vers  2  und  52). 


Zorn  Vokalismas  der  Nenmark. 

§  90.  Die  in  dem  yorangegangenen  Abschnitte  gewonnenen 
Ergebnisse  dürften  grundlegend  für  die  richtige  Auffassung  der  Ent- 
wicklung einer  ganzen  Reihe  Vokale  der  neumärkischen  Mundart  sein. 
Eine  Laut-  und  Flexionslehre  dieser  märkischen  Mundart,  die  dem 
Barnimer  Dialekt  benachbart  ist,  hat  H.  Teuchert  in  der  Zeitschrift 
f.  dtsche.  Mundarten  2,  103  ff.  gegeben.  Er  bietet  als  heutige  Ent- 
sprechungen mnd.  tonlanger  und  mancher  mnd.  organisch  langer 
Vokale  durchweg  Monophthonge,  wo  im  echten  Prendener  Platt  Di- 
phthonge oder  doppelgipflige  Laute  gesprochen  werden,  und  sieht 
in  ihnen  unmittelbare  Fortsetzungen  älterer  Monophthonge. 

Es  ist  nun  bemerkenswert,  dass  in  seiner  Mundart,  welche 
gleichfalls  den  Schwund  des  ge  und  ve  aufweist,  gewisse  Vokale  sich 
yerschieden  entwickelt  haben,  je  nachdem  ge  ve  ausgefallen  ist  oder 
nicht,  z.  B. 

mnd.  tl.  a       >  9  (Prenden  9»  $),  aber  age  >  ä 
r>       n    oK^  >  g  {     „  „    „),      „      oge  >  a 

Es  heisst  also  neumärkisch  wie  in  Prenden:  ämt  (Pr.  änt)  Abend, 
an  Ofen,  J9flan  geflogen,  lidl  Hagel,  ma(9)  Magen,  näl  Nagel,  plä(9) 
Plage,  ivän  Wagen  usw.  Man  wird  für  diese  ä  dieselbe  Entstehung 
annehmen  müssen,  wie  für  die  Prendener,  also  alte  9«  vorauszusetzen 
haben. 

Wenn  Teuchert  §  30  zur  Erklärung  bemerkt  „Im  Nmk.  bleibt 
bei  a  0  {\7)  vor  3,  j  und  v  die  ursprüngliche  Qualität  erhalten **,  so 
muss  ihm  seine  eigene  Annahme,  §  30,  dass  tl.  a  sich  schon  mnd. 
zu  einem  verdumpften.  also  weit  offenen  ö  oder  Q  entwickelt  habe, 
Schwierigkeit  machen.  Das  heutige  reine  a  müsste  dank  dem  Ein- 
flüsse des  Spiranten  3  oder  v  seine  Qualität  aus  der  älteren  mnd. 
Zeit  bewahrt  haben.  Dazu  steht  aber  im  Widerspruch,  dass  auch 
das  erst  in  späterer  Zeit  aus  0  entstandene,  schon  bei  seiner  Ent- 
stehung (vgl.  Mackel,  Nd.  Jahrbuch  32  s.  6,  §  189,4)  dumpfe  a  heute 
in  reines  a  verwandelt  wäre;  vgl.  mnd.  vogel,  vagel^  heute  fal. 

Vergleicht  man  die  Lautentwicklung  des  Neumärkischen  mit 
der  im  Barnim,  so  trifft  man  auch  sonst  auf  Übereinstimmungen, 
welche  überraschen  müssten,  wenn  die  benachbarten  Mundarten  nicht 
von  oft  gleichen  alten  Formen  ausgegangen  und  in  älterer  Zeit  gleiche 
Wege  gewandelt  wären.  Der  Unterschied  ist  öfter  nur  der,  dass 
Prenden  einen  älteren  Lautstand  bewahrt,  die  Neumark  mit  oft  hoch- 
deutscher Lauteinsetzung  diphthongische  oder  doppelgipflige  Laute 
in  einfache  gewandelt  hat.  Verwertet  man  diese  Beobachtung,  so 
wird  man  auch  andere  heute  einfache  Vokale  der  Neumark  auf  alte 
Diphthonge  zurückfuhren. 

Teuchert  führt  z.  B.  l  in  brtf  Brief,  dmst  Dienst,  „unter  hd. 
Einfluss*  auf  mnd.  e  zurück.  Einfacher  erklärt  sich  l  als  entstanden 
aus  f«,   was  Prenden   neben   «   noch   heute    bietet   und   worauf  viele 


33 

Schreibungen  in  mnd.  märkisclien  Urkunden  deuten.  Ähnlich  verhält 
es  sich  mit  nmk.  ü  in  blürm  usw.  Auch  hier  bietet  Prenden  die 
Vorstufe  üo^  ü. 

Die  Entsteliniig  des  Berliner  a. 

§  91.  Das  lange  a  hat  schon  im  Mittelalter  in  fast  allen 
deutschen  Mundarten  begonnen  sich  im  Klange  dem  ö  zu  nähern, 
und  ist  heute,  wenn  man  von  dem  westlichen  Ostfriesland  absieht, 
in  allen  Mundarten  Norddeutschlands  zu  g  oder  einem  $- ahn  liehen 
Laute  geworden.  Eine  Ausnahme  macht  ein  Landstrich  Braunschweigs, 
wo  statt  ^  ein  dem  f  ähnlicher  Laut  begegnet.  Mit  dem  sich  nach 
g  bezw.  §  bewegenden  langen  a  ist  das  ndd.  tonlange  a  zusammen- 
gefallen ;  nur  in  Westfalen  und  am  Niederrhein  hat  es  sich  als  reines  ä 
erhalten,  und  so  sind  die  hier  gesprochenen  Mundarten  die  einzigen, 
welche  altes  ä  bewahrt  haben.  Ein  besonderer  Fall  liegt  in  der 
Mundart  des  alten  ,, Landes  Berlin^  oder  des  Barnim  vor,  wo  zwar 
gleichfalls  die  langen  und  tonlangen  a  zu  9  geworden  sind,  sich  aber 
durch  die  oben  §  68  dargelegten  Vorgänge  ein  neues  reines  ä  in 
einer  Anzahl  von  Wörtern  entwickelt  hat. 

Als  man  in  den  Städten  Niederdeutschlands  begann  hochdeutsch 
zu  reden,  nahm  man  nicht  die  Aussprache  Ober-  oder  Mitteldeutsch- 
lands, wo  übrigens  gleichfalls  altes  ä  fast  durchweg  9  oder  ö  geworden 
war,  zur  Richtschnur,  sondern  man  sprach  in  den  zunächst  aus  Hand- 
schriften oder  gedruckten  Büchern  erlernten  hochdeutschen  Wort- 
formen die  einzelnen  Buchstaben  so  aus,  wie  man  es  bei  mnd.  Schrift- 
stücken gewöhnt  war.  Beispiel  solcher  durch  die  Schrift  veranlassten 
Vertretung  hochdeutscher  durch  niederdeutsche  Laute  ist  z.  B.  der 
Verschlusslaut  b  statt  der  von  den  Mittel-  und  Süddeutschen  ge- 
sprochenen stimmlosen  Lenis  in  Worten  wie  ;,bin*,  »BeiP,  oder  statt 
der  Spirans  v  in  Worten  wie  „aber,  eben^.  In  gleicher  Art  verfuhr 
man  mit  dem  hd.  langen  a;  dort,  wo  die  nd.  Mundarten  ein  reines  a 
kannten,  wurde  es  als  solches,  sonst  überall  anfangs  als  Q^)y  später 
als  dumpfes  ä  gesprochen.  Die  Aussprache  des  a  mit  o-Klang  als 
sogenanntes  offenes  oder  dumpfes  a,  welche  noch  heute  in  vielen 
Städten  trotz  der  Anweisung  der  Schule  und  des  Vorbildes  der  Bühnen- 
sprache weite  Ausdehnung  hat,  war  noch  vor  sechzig  Jahren  auch 
unter  Gebildeten  sehr  verbreitet,  und  ältere  Herren  wissen  von  den 
Mühen  der  Lehrer  zu  erzählen,  ihren  kleinen  Schülern  die  Aussprache 
ff}for,  tqt  Vater,  Tat,  abzugewöhnen.  Nur  an  der  holländischen  Grenze, 
in  Westfalen  und  in  Berlin  hörte  man  allgemein  reines  ä  sprechen. 
In  jenen  westlichsten  Teilen  Deutschlands  erklärte  sich  die  Anwendung 
des  reinen  a  aus  seiner  Erhaltung  in  den  dortigen  Mundarten.  Für 
Berlin,  aus  dessen  näherer  Nachbarschaft  noch  keine  Mundart  dar- 
gestellt war,  folgerte  man  dasselbe.  Auch  seine  alte  Mundart  müsste 
es  bewahrt  gehabt  haben.    Die  vermutete  Herkunft  der  alten  Besiedler 

1)  Vgl.  Georg  UoUeDhagens  Angaben,  Nd.  Jahrbuch  18,  120. 

Ni6d«Tdeatsc1ieB  Jahrbnoh  XXXIV.  S 


34 

der  Mark  vom  Niederrhein  stimmte  gut  zu  der  Annahme.  Diese 
schien  jener  Vermutung  eine  neue  Stütze  zu  geben.  Die  in  der  vor- 
liegenden Arbeit  gewonnenen  Ergebnisse  nehmen  zwar  diesen  historischen 
Annahmen  den  Boden,  bestätigen  aber,  dass  in  der  Tat  Berlins  alte 
Mundart  ein  reines  a  gekannt  hat. 

Die  Herkunft  des  Berliner  a  hat  besonderes  Interesse,  weil  es, 
wenn  Trautmann  u.  a.  recht  haben,  von  der  Schul-  und  Bühnensprache 
(vgl.  Trautmann,  Die  Sprachlaute,  Halle  1884  §§  339,  915)  über- 
nommen ist.  Für  die  hier  behandelten  Fragen  ist  es  vielleicht  von 
Bedeutung  als  ein  Mittel  das  Alter  der  §  68  untersuchten  Laut- 
wandelung bestimmen  zu  helfen.  Diese  muss  mindestens  früher  be- 
gonnen haben,  als  das  Berliner  reine  a  alt  ist. 

Die  hier  vorgetragene  Annahme  hat  zur  Voraussetzung,  dass 
das  a  nicht  etwa  dem  Einflüsse  der  seit  1682  in  Berlin  bestehenden 
französischen  Kolonie  auf  die  Berliner  Schulen  und  die  Berliner  Bühne 
seine  Entstehung  verdankt.  Es  wird  sich  nachweisen  lassen,  dass 
das  reine  a  der  Mark  Brandenburg  schon  gesprochen  wurde,  ehe  ein 
solcher  Einfluss  gewirkt  haben  kann. 

Dass  1715  das  reine  a  schon  eine  Eigentümlichkeit  der  mär- 
kischen Aussprache  des  Hochdeutschen  war,  bezeugt  der  Bautzener 
Longolius  in  seiner  in  jenem  Jahre  erschienenen  ;,Einleitung  zu  gründ- 
licher Erkäntniss  einer  jeden  Sprache^.  Seite  10  unterscheidet  er 
nämlich  „das  Männer  a  mit  langem  Munde  wie  bey  den  Schlesiern^ 
und  „das  Weiber  a  mit  breitem  Munde  wie  bei  den  Märekern''. 

Night  ganz  so  eindeutig  ist  ein  noch  älteres  Zeugnis.  „Deutsches 
Lesebüchlein''  (Berlin  1639)  Bl.  3b  heisst  es:  „Merket,  es  wird  nicht 
undienstlich  seyn,  den  Kindern  die  Veränderungen  des  Schalles  in 
den  Vokalen  anzuzeigen.  Alss:  haUj  haar,  ha  ein  hell  ä  als  im  Wort 
Bart,  hä  ein  dumpfig  ä  als  im  Wort  hold  etc.  Bie,  Bier,  bi  (helle) 
Bisem,  bi  (dumpfig)  bin.  Bö,  Böge,  bö,  Boltz*'  usw.  Es  wird  also 
der  offene  I^aut  der  kurzen  Vokale  dem  geschlossenen  der  langen 
entgegengestellt  und  dem  langen  a  die  Qualität  der  geschlossenen 
Vokale  beigelegt.  —  Es  ist  zu  Anfang  dieses  Abschnittes  darauf  hin- 
gewiesen, dass  in  den  Landstrichen,  in  denen  sonst  reines  a  im  Hd. 
gesprochen  wurde,  auch  die  Mundart  ein  solches  a  kannte.  Man 
wird  dieselbe  Erklärung  auch  auf  das  Berliner  a  übertragen  und 
weiter  annehmen  müssen,  dass  die  nach  §  68  entwickelten  a  schon 
in  der  Mundart  vorhanden  waren,  als  das  Hochdeutsche  in  Berlin 
Schul-  und  Volkssprache  wurde. 

Die  Entstehung  der  Tondehnnng. 

§  92.  Der  Niederbarnim  ist  von  den  Deutschen  erst  nach  1220 
(S.  1)  besiedelt  worden.  Dass  damals  die  Tondehnung  schon  im 
linkselbischen  Stammlande  vorhanden  war  und  die  durch  sie  aus  i 
und  u  entstandenen  tonlangen  e  und  o  für  die  Entstehungszeit  der 
niederbarnimschen  Mundart  vorausgesetzt  werden  dürfen,  wird  sich 
erweisen  lassen.  Bisher  ist  die  Zeit,  in  welcher  die  Tondehnung  be- 
gann oder  ihren  Abschluss  fand,  noch  nicht  festgestellt  worden.     Bei 


35 

ihrer  Ermittlung  ist  man  wegen  des  Mangels  datierter  deutscher 
Schriften  aus  der  Zeit  vor  1227  auf  die  mnd.  Eigennamen  in  lateinischen 
Urkunden  angewiesen.  Die  Durchsicht  einer  Anzahl  Urkunden bücher 
ndd.  Städte  ergibt,  dass  die  alten  Namensformen  mit  i  und  u  im 
13.  Jahrb.  von  den  Schreibern  noch  lange  festgehalten  wurden,  und 
tonlange  e  und  o  nur  vereinzelt  zwischen  und  neben  jenen  begegnen. 
Derselbe  Schreibergebrauch  tritt  uns  noch  in  dem  ältesten  datierbaren 
mnd.  Prosadenkmal,  dem  Braunschweiger  Stadtrecht  von  1227  (Ur- 
kundenbuch  der  Stadt  Braunschweig  1,  S.  3  ff.)  entgegen.  Wie  in 
den  gleichzeitigen  Urkunden  überwiegt  noch  die  alte  Schreibung  mit 
i,  H,  nur  vereinzelt  finden  sich  die  neuen  e  und  o  z.  B.  enie  ihm  §  9. 
12.  21.  31;  me  ihn  25.  32;  erm  ihren  38;  hegrepmi  ergriffen  24; 
heneden  unter  48;  h'eket  bricht  8;  speletnan  Spielleute  21 ;  vrede  Friede 
32.  57.  64  ö.;  wete  wisse  23.  26  ;  schotelen  Schüsseln  21.  Die  frühesten 
Belege  der  Tondehnung,  welche  ich  gefunden  habe,  bieten  die  in  A. 
U.  ab  Erath's  Codex  diplomaticus  Qmdlinhurgensis  (Fraticofurti  ad  M. 
1764)  abgedruckten  Originalurkunden  in  den  Namensformen  der  Stadt 
Quedlinburg,  as.  Quidelingaburg,  ahd.  Quitilincahurc,  Die  älteste  Ur- 
kunde mit  einem  tonlangen  «,  S.  101,  n.  28  ist  von  1180,  die  Aus- 
stellerin nennt  sich  Athelheidis  Qiiedelingehirgensis  abbatissa.  Die 
nächst  ältesten  Belege  finden  sich  in  den  nicht  datierten  Urkunden 
bei  Erath  S.  111  f  nr.  43.  44.  Da  die  Ausstellerin  Agnes  Qtiede- 
lingilnirgetisis  abbatissa  dieses  von  1184 — 1203  (s.  Fritsch,  Geschichte 
der  Stadt  Quedlinburg  1,  118  ff.)  war,  müssen  die  Urkunden  in  dieser 
Zeit  geschrieben  sein.  Fernere  Belege  mit  Q^iedelingheburg  enthalten 
die  Urkunden  auf  S.  127  nr.  10  von  1208,  S.  137  nr.  23  von  c.  1219 
und  S.  139  n.  29  von  1222.  Tonlanges  e  findet  man  ferner  S.  124 
nr.  7  V.  j.  1206  in  dem  Ortsnamen  Wenethmeti  (heute  Wendhausen), 
dessen  ältere  Form  Winathehtisiün,  Winethusen  war.  Fast  genau  ebenso 
alt  wie  der  früheste  Beleg  der  Namensform  Quedelingeburg  mit  e  statt 
altem  i  ist  die  älteste  mir  bekannte  Urkunde,  welche  das  aus  altem  u 
entstandene  tonlange  o  aufweist.  Sie  findet  sich  in  den  von  v.  Schmidt- 
Phiseldeck  bearbeiteten  „Urkunden  des  Klosters  Stötterlingeburg^ 
f Halle  1874)  als  Nr.  4,  ist  v.  J.  1182  und  enthält  dreimal  die  Form 
Stoterlinge,  während  die  älteren  Urkunden  und  auch  die  wenigen  uns 
aus  der  Zeit  zwischen  1182  bis  1272  erhaltenen  die  Form  Stuterlinge- 
bürg  bieten. 

Wenn  die  tonlängen  e  und  o  schon  um  1180  in  der  Schrift  er- 
scheinen, darf  ohne  Weiteres  angenommen  werden,  dass  sie  selbst 
oder  doch  die  sie  erzeugende  besondere  Aussprache  der  alten  i  und  u 
in  betonten  offenen  Silben  schon  früher  im  Volksmunde  vorhanden 
waren  und  von  den  alten  Kolonisten  der  Mark  aus  dem  linkselbischen 
Stammlande  in  die  neue  rechtselbische  Heimat  mitgebracht  wurden, 
und  zwar  nicht  allein  von  den  Besiedlern  des  erst  nach  1220  deutsch 
gewordenen  Barnim,  sondern  schon  von  den  unter  Albrecht  dem  Bären 
(1134 — 1170)  die  alte  Nordmark  besiedelnden  Deutschen. 

Schwieriger  ist  die  Feststellung  des  phonetischen  Wertes,  welchen 
die  durch  die  Tondehnung  sich  entwickelnden  Laute  anfänglich  hatten. 

3* 


36 


Die  nahe  liegende  Annahme,  dass  sich  aus  i  und  u  zunächst  Zwischen- 
laute, dann  geschlossene  e  und  o  entwickelt  haben,  scheint  freilich 
durch  die  heutige  Mundart  eines  Teiles  der  Provinz  Sachsen  unter- 
stützt zu  werden.  In  Quedlinburg,  Oschersleben  usw.  ist  tonl.  e  später 
mit  dem  mnd.  Umlaut  e  zusammengefallen,  und  es  haben  die  tl.  e 
und  0  heute  genau  die  geschlossene  Aussprache  der  alten  Längen  e 
und  ö.  Nur  wo  später  Vokalkürzung  eingetreten  ist,  erscheinen 
offene  e  und  o,  es  also  ik  nerm  ich  nehme,  f6h  viele,  j6m  geben,  aber 
d§rem  geschrieben  und  kwedlnbory^  Quedlinburg,  böbm  oben,  dhrökn 
gebrochen,  aber  dnom  genommen  heisst. 

Ganz  anders  stellt  sich  jedoch  die  Entwicklung  ausserhalb  dieses 
Gebietes,  wie  die  nachstehende  Tabelle  erkennen  lässt,  in  der,  um 
eine  Vergleichung  möglich  zu  machen,  auch  das  mnd.  Ümlauts-e  und 
das  aus  westgerm.  au  entstandene  o  berücksichtigt  sind. 


Mnd.              tl. 

a 

e 

e 

0 

0 

n 

6 

Uli 

ö 
0 

As. 

a 

e 

i 

0 

u 

e 

Münster 

a 

'V,  /« 

{%  l^ 

«0;       ÜO 

u^,  ü^ 

Gl 

Oschersleben 

Q 

5 

e 

ö 
Q 

ö 

e 
e 

Mecklenburg 

9 

? 

? 

Q 

Prenden 

qa 

r 

ee 

qa 

ga 

e 

ö 

Geht  man  von  der  Voraussetzung  aus,  dass  die  Entwicklung 
der  verschiedenen  Bezirksmundarten  von  wesentlich  gleichen  Anfängen 
ausgegangen  ist,  so  erscheint  die  Annahme,  dass  die  tl.  mnd.  e  und  o 
anfangs  monophthongische  Vokale  waren,  angesichts  der  heutigen 
Entsprechungen  in  Münster  usw.  nicht  haltbar.  In  diesem  Falle  hätten 
sie  z.  B.  in  Mecklenburg  wie  in  Prenden  irgendwann  mit  mnd.  (t^ 
und  6^  zusammenfallen  müssen.  Wird  aber  ausgeschlossen,  dass  die 
tl.  e  und  0  allmählich  sich  dehnende  Monophthonge  waren,  so  bleibt 
nur  übrig  in  ihnen  ursprünglich  kurze  Vokale  zu  sehen,  welche  in- 
folge der  Schwächung  des  Endsilbenaccentes  zu  dem  eigenen  einen 
schwächeren  zweiten  Accent  erhielten,  d.  h.  zu  Vokalen  mit  schleifendem 
Accent  wurden,  unter  dem  sich  zunächst  ein  überkurzer  Vokal  hinter 
dem  ursprünglichen  i  oder  w,  also  zunächst  i^  und  m«  bildete.  Die 
weitere  Entwicklung  führte  dann,  je  nach  den  Sondergesetzen  der 
einzelnen  Bezirksmundarten,  allmählich  zu  einfachen  Längen  oder 
Diphthongen.  Wenn  Ghytraeus  1582  und  andere  Mecklenburger  vor 
ihm  (Nerger,  Grammatik  des  meklenb.  Dialektes  §  26)  das  tonl.  e 
durch  ein  übergesetztes  kleines  «  bezeichnen,  welches  sie  bei  dem 
ursprünglich  langen  e  nicht  verwenden,  so  kann  man  hieraus  schliessen, 
dass  dieses  übergesetzte  «  nicht  Zeichen   der  Länge  ist,   sondern  den 


37 

damals  noch  hörbaren  nachschlagenden  Vokal  bezeichnet.  Für  das 
Mittelniederdeutsche  ergibt  sich  aber,  dass  die  tl.  e  und  o  auf  einem 
grossen  Teil  seines  Gebietes  noch  diphthongische  Laute  waren.  Wenn 
sie  trotzdem  in  den  mnd.  Handschriften  als  einfache  Vokale  erscheinen, 
so  erklärt  sich  diese  Tatsache  aus  der  mnd.  Regel,  dass  Diphthonge 
durch  einen  einzigen  ihrer  vokalischen  Komponenten  bezeichnet  werden 
konnten. 

Zu  Laarembergs  Seherzgedicht  I.  v.  18  n.  21. 

§  93.  Nachdem  Lauremberg  die  Lehre  von  der  Seelenwanderung 
kurz  dargelegt  hat,  fahrt  er  fort: 

17,    Ein  Kriegsman  und  Soldat,  wenn  em  de  Seel  entführ, 
Keem  se  tooll  in  ein  Peer  dt,  edr  in  eine  olde  Sör. 

21.     Ein  riker  Wanst,  de  sich  stattlich  tracteren  plecht, 
De  würde  woll  ein  Svoyn,  und  eet,  mit  Gunst  gesecht. 

In  diesen  Versen  ist  das  Wort  Sör  bisher  von  allen  Übersetzern 
und  Erklärern  als  *Sau'  aufgefasst  worden.  Schon  die  dänische 
Übersetzung  von  1652  (Neue  Ausgabe  von  Paludan,  Kjöbenhavn  1889), 
von  der  man  gern  vermuten  möchte,  dass  sie  unter  einiger  Mitwirkung 
Laurembergs  veranstaltet  sei,  hat  das  Wort  so  verstanden. 

En  Krigs  Mand  oc  Soldat  naar  som  hans  Sial  udfoer, 
Kom  den  udi  en  Seat,  eller  i  Svine  Hiord. 

Der  allgemeinen  Annahme  folgt  auch  Braune,  wenn  er  S.  112 
seiner  Ausgabe  sagt:  „Sör  f.  Sau.  Aus  dem  Dänischen  so,  plur.  söer. 
Sonst  braucht  L.  stets  das  ndd.  Söge.^ 

Da  Lauremberg  lange  Jahre  Professor  an  der  dänischen  Akademie 
in  Soroe  war,  ist  die  Annahme  von  Danismen  in  seinen  Scherzgedichten 
zulässig.  Trotzdem  ist  es  nicht  verständlich,  dass  Lauremberg  eine 
Sör  gesagt  haben  soll,  wenn  im  Dänischen  eine  Sau  en  So  heisst  und 
Söer  stets  Plural  ist.  Auch  lässt  sich  gegen  diese  Erklärung  anführen, 
dass  einige  Verse  später,  V.  22,  das  Schwein  als  die  geeignete  Stätte 
für  die  Seele  reicher  Dickwanste  genannt  wird. 

Die  künstliche  Deutung  von  Sör  als  Sau,  mnd.  söge,  dänisch  so, 
verdankt  ihre  Entstehung  dem  Umstände,  dass  bisher  kein  gleiches 
ndd.  Wort  nachgewiesen  ist,  welches  hier  in  den  Zusammenhang  passt. 
In  §  86  dieser  Arbeit  ist  ein  solches  W'ort  gefunden.  Das  hier  ver- 
zeichnete tsor9  ^schlechte  Stute"  kann,  wie  nachgewiesen  werden  soll, 
zu  Laurembergs  Sör  stimmen,  und  man  wird,  da  mnd.  pert  (mnd. 
Wtbch.  3,  322)  im  besonderen  ^Hengst*  bedeuten  kann,  Vers  18 
übersetzen  dürfen:  ;,kam  die  Seele  eines  Soldaten  in  einen  Hengst 
oder  je  nachdem  in  eine  alte  Stute."  Das  Beiwort  ^alte"  wird  noch 
heute  gern  mit  tsore  verbunden,  da  dieses  Wort  genau  wie  mhd. 
gurre,  gorre  zur  herabsetzenden  Bezeichnung  alter  schlechter  Stuten  dient. 

Zur  Stütze  der  neuen  Erklärung  bedarf  es  noch  zweier  Nach- 
weise, erstens  des  Vorkommens  des  Wortes  in  äjterer  Zeit  und  in 
Mecklenburg,  zweitens  der  Möglichkeit,  dass  s  statt  z  in  tsore  ge- 
schrieben werden  konnte. 


38 

Dass  das  Wort  auch  in  Mecklenburg  und  Vorpommern  bekannt 
ist,  beweist  der  Beleg  bei  Gilow,  De  Diere  (Anklam  1871)  S.  769. 
j^Zür^  Züre,  Zöi%  Zurre,  ein  altes  schlechtes  Pferd^.  Einen  Beleg 
V.  J.  1675  bietet  das  ndd.  Lied  im  Ndd.  Jhb.  31,  43  vgl.  Anm.  1, 
in  der  meine  Erklärung  bereits  angedeutet  ist.^) 

Die  Möglichkeit,  dass  im  Anlaut  das  schriftsprachlich  richtige  z 
(=  lautspr.  ts)  mit  s  wiedergegeben  werden  könnte,  folgt  gleichfalls 
aus  der  §  86  bereits  mitgeteilfen  Tatsache,  dass  von  Niederdeutschen 
im  Anlaut  statt  des  hd.  z  {ts)  oft  einfaches  stimmloses  5  gesprochen 
wird.  Auch  in  Mecklenburg  ist  das  der  Fall,  wie  Nerger  §  67,  vgl. 
auch  Mackel  Nd.  Jhb.  31  S.  156  §7,  ausdrücklich  bezeugt.  Zahl- 
reiche Belege  für  die  Verwechslung  von  hd.  s  und  hd.  z  bietet  auch 
das  mnd.  Wtb.  vgl.  z.  B.  sahel,  zahil;  sage,  z(ige;  sedele,  tzedule;  seder, 
ceder;  sedner,  czedewar^  zedetvort;  sege  tzege;  sirät,  tzirot;  siren  tziren 
usw.  Um  so  eher  konnte  Lauremberg  sich  für  s  entscheiden,  da  er 
in  Dänemark  lebte.  Die  dänische  Aussprache  setzt  s^ets  stimmloses  8 
für  anlautendes  hd.  z  ein. 

Ein  kleines  Erlebnis  in  Dänemark,  wo  ich  so  oft  deutsch  redende 
Dänen  ,,ßeit^  statt  „zeit"  aussprechen  hörte,  ermöglicht  mir  die  richtige 
Deutung  einer  zweiten  bislang  gleichfalls  nicht  verstandenen  Stelle 
der  oben  angeführten  Verse.  Ein  älterer  Herr  fragte  eine  Dame: 
„Haben  Frau  Doktor  schon  Erdbeeren  gefressen?^  Als  die  deutsche 
Dame  tat,  als  wenn  sie  die  Frage  nicht  gehört  habe,  wiedei'holte  er 
sie  mit  erhobener  Stimme  so  laut,  dass  die  ganze  Tischgesellschaft 
sie  vernahm  und  eine  der  anwesenden  dänischen  Damen  den  unbe- 
absichtigten Missgriflf  des  alten  Herren  erklärte  und  entschuldigte.  — 
Das  lautlich  dem  ndd.  eten^  hd.  e^sen  entsprechende  dänische  Wort 
cede  wird  nur  vom  Vieh  gebraucht.  Jenem  dänischen  Herren  wollte 
deshalb  das  Wort  „essen**  nicht  über  die  Zunge.  Er  geriet  auf  das 
Wort  „fressen"  und  kam  so  zu  dem  Missgriflf,  den  er  gerade  hatte 
vermeiden  wollen. 

Aus  demselben  Gefühl,  dass  eten  eigentlich  kein  schickliches 
Wort  sei,  wenn  von  einem  Menschen  die  Rede  ist,  fügte  Lauremberg 
den  Worten   und  eet   die   Formel   mit  gunst  gesecht   bei.     Die  Stelle 


^)  Herrn  Proiessor  Dr.  Siebs  verdanke  ich  den  Hinweis  auf  folgende  aus 
einem  mhd.  Arzneibuche  des  14/15.  Jahrh.  in  den  Mitteüungen  der  Schles.  Gesell- 
schaft für  Volkskunde  Heft  13  (Breslau  1905)  S.  23  abgedruckte  Stelle:  wer  verrc 
riten  sal,  der  sal  verbenam  unde  arthemisiam  dem  pherde  under  den  scopph  binden, 
es  erliget  numtner  unde  wert  ouch  ummer  (lies  nummer)  czüre.  Ein  anderes 
Arzneibuch^  hrg.  von  F.  Pfeiffer  in  den  Wiener  Sitzungsberichten,  hist-phil.  Classe, 
Bd.  42  (1863)  S.  150  bietet  dieselbe  Stelle  mit  dem  Wortlaut  Swer  verre  riten  sol, 
der  binde  verbenam  unde  artimisiam  dem  ross  umbe  den  schoph,  zwar,  es  erlit 
nimmer,  es  entoirt  ouch  nimmer  ze  rceche.  Die  sinngleiche  Wiedergabe  der  ge- 
meinsamen Quelle  beider  Arzneibücher  vorausgesetzt,  muss  züre  =  ze  rieche,  also 
^steif  bedeuten.  Das  Wort  züre  fehlt  bei  Lexer,  mnd  würde  ihm  t^re  entsprechen, 
und  es  würde  dann  mit  dem  mnd.  Verbum  tären  verwandt  sein,  welches  sich  bei 
Pseudo-Gerhard  von  Minden,  Fab.  59,  65  findet.  £in  Esel  sagt  hier  zu  einem 
Pferde :  Nu  ju  des  tomes  is  vorduret,  nu  ju  de  lamen  lede  turet,  nu  is  der  stolt- 
heit  ju  gesturet. 


39 

wird  man  also  sinngemäss  zu  übersetzen  haben :  ^Ein  reicher  Dick- 
wanst würde  wohl  ein  Schwein  und  frässe,  mit  Respekt  gesagt.*  Dass 
mnd.  eten  auch  ^fressen*'  bedeutet,  belegt  das  mnd.  Wörterbuch. 

Spracbprobe. 

§  94.  Die  Sätze,  deren  Übertragungen  Wenkers  Sprachatlas 
zugrunde  liegen,  lauten  in  der  Mundart  von  Prenden: 

1.  in  tvint9r  flen  dt«  dron  blädar  döry^  die  luft  rämhär.  —  2.  et 
hört  jlly  up  tü^  änami,  den  wart  ddt  ice^ddr  wecbr  besar.  —  3.  diix 
kö^ln  in  den  kaxl'än,  dat  di«  melk  bah  an  tu«  koxon  fant.  —  4.  d^ 
jü^d^  oh  man  is  met  ddt  pärt  dörf^  ddt  zs  jdbrqf^kii  un  in  ddt  koh 
tvö^tdr  jdfaln.  —  5.  he  is  för  ßr  öd^r  zeks  woxn  JBätortmn.  —  6.  ddt 
für  icgr  tü^  heta,  dif  kü^kn  zint  jQ  umn  jans  äwart  jdbrdnt,  —  7.  he 
et  die  dir  ümar  g<^n9  zolt  un  p^^p^r,  —  8.  dl^  füeto  dün  ml  zlrd  iv^, 
ik  jloico,  ik  hebd  zi^  döiyjdlöpm.  —  9.  ik  bin  bl  di»  frau  ßwest  un 
heb9  et  ^r  jdzast,  un  zl^  zexh,  zi^  tvolt  ök  pvdr  doxter  zejen  (^auch  zän), 
—  10.  ik  tril  et  ök  niy  weckr  düon.  —  11.  ik  älg«  d%  jliy^  met  den 
koxl^^pdr  um  dd  örn,  du  Q^psl  —  12.  wo  jaistü  hen,  zöh  m  met  dl 
j(}^n?  —  13.  et  zint  äleyta  tldn,  —  14.  min  llnvdt  kint,  bltf  hie  uwri 
Hq^n,  die  hozd  jdnzo  bltn  dl  döt.  —  15.  du  hest  hüto  am  mlrstn  jdllrt 
im  bist  grtiy  ßtvest,  du  derfst  fro9r  na  hüza  jq<^n  as  die  amrn,  — 
16.  du  bist  nox  niy  jröt  jdnnx  um  end  flasd  wln  üt  tu  dritjkn,  du 
mütst  trst  nox  en  em  wasn  un  jroter  wern,  —  17.  zl  zö  jüet  un  zejd 
dim  §tcdst9r,  zie  zal  die  kled^r  för  jatw  mutr  fertig  nän  un  met  die 
bör§t9  raim  mQ^kn,  —  18.  hetst  du  etn  jdkent,  den  w^rdt  änderet  p- 
kq^m,  un  et  d^do  bes9r  met  em  stq^i,  —  19.  w^  het  ml  min  korf  met 
jle^  JQätgf'ln  ?  —  20.  h§  het  zö  jadö^^n,  as  hedn  zte  em  tum  drö§n  bd- 
stelt;  zie  hebm  et  äuvr  alend  jddgn,  —  21.  wen  het  h§  die  naid  jaäiyp 
f^rtelt?  —  22.  man  milt  lüt  ärain,  ziis  farätait  he  uns  niy .  —  23.  wi 
zint  müedd  un  hebm  dorät.  —  24.  as  wi  jist9rn  änt  turiijd  kern,  dq<* 
län  die  andam  äön  tue  hedd  un  wgrn  festa  inj9älg^pm.  —  25.  dq  änB 
is  diz9  naxt  bi  uns  lijn  jdbl^etc^n,  äu^r  hüte  morjdn  is  he  J9ämoltn.  — 

26.  hitc^r  unzd  hüs  stg^n  drai  Sono  djylbomdkins  met  röds  dp/kins.  — 

27.  km  jl  niy  nox  Sn  önblik  up   uns  wgrri,  den  jg^n  wi  7net  jau.  — 

28.  jl  denvon  niy  zona  kiT^araion  drUv9n.  —  29.  unz9  bdrjd  zint  niy^ 
zird  höx,  die  jaun  zint  fib  hojor.  —  30.  wo  fib  punt  wor§t  un  wo  fib 
bröt  wiln  jl  hebm?  —  31.  ik  fdrstg  jau  niy^  ji  müdn  en  bütskin  lübr 
fipr^ekn,  —  32.  hebe  ji  kdn  stükjdn  unt9  zepe  för  ml  up  min  düä  jd- 
fu79n?  —  33.  zin  brüedor  wil  ziy  twe  sono  naie  hüzsr  in  jaion  jq^rn 
bann.  —  34.  ddt  wört  kam  etn  fönt  hdrte.  —  35.  ddt  wQr  re-yt  fon 
em.  —  36.  wat  zitn  dgf^  för  fäbkins  band  up  die  maiier.  —  37.  die 
bätv  hadn  fümf  osn  un  noin  ko  un_  tswölf  sg<^p9  för  ddt  dörp  jdbraxt, 
die  wühl  zie  fgrkopm.  —  38.  die  lüde  zint  hüte  ab  bütn  up  ddt  feit 
un  man.  —  39.  jox  man,  de  brüne  hunt  düet  di  nilSt.  —  40.  ik  bin 
met  die  ISde  dö<*  hip  owdr  die  weeze  in  ddt  kgrn  jdfürt. 

CHARLOTTENBURG.  Erich  Seelmann. 


40 


Die  KoDjanktioD  'und'  in  der  Mandart  Yon  Gattenstedt 
(bei  Blankenburg  a.  Harz). 


I.  Formen,  a.  Die  bei  weitem  häufigste  Form  der  Koujunktioii 
'und'  in  der  Cattenstedter  Mundart  ist  un. 

b.  Abschwächung  zu  en  und  n  findet  statt  in  den  aus  Einer 
und  Zehner  zusammengesetzten  Zahlwörtern^  z.  B.  einenfufzich,  zwein- 
fufzich,  dreinfufzich,  ftrenfufzich,  ßnewenfufzich,  sexenfufzich,  achtefi- 
fufzich,  neunenfufzich.  In  der  Zusammensetzung  mit  sehen  und  meist 
in  hd.  Form  siben  wird  das  en  oder  n  nicht  mehr  gehört,  z.  B.  sehen-, 
sthenfufzich.  Zu  en  ist  *und'  ferner  geworden  in  folgenden  feststehenden 
Verbindungen:  körten  klein,  got  loben  dank,  got  eren  dank,  jären  dach; 
vielleicht  auch  in  ßtzen  fei,  wofür  in  Helmstedt  ßx  un  fei  gesagt  werden 
soll.  Der  Ausdruck  wird  gern  von  Kindern  und  jüngeren  Leuten 
gebraucht,  die  noch  ohne  Erfahrung  sind  und  furchtlos  und  unvorsichtig, 
ohne  Gefahr  zu  ahnen,  etwas  tun,  das  ihnen  Schaden  bringt.  Man 
sagt  dann  zu  ihnen:  st  nich  imme^'  sau  fitzenfei  oder  wurumme  biste 
sau  fitzenfei,  du  7nost  Srscht  dorch  schaden  klauk  wh*en. 

c.  Als  end  und  nd  erscheint  'und'  in  den  Verdoppelungen 
ütendüt,  ummendum,  ewwerndewwer,  und  zwar  wird  beim  Sprechen  das 
d  zur  folgenden  Silbe  gezogen. 

II.  Gebrauch.  'Und'  verbindet  koordinierte  Sätze  und  Satz- 
teile und  ist  ursprünglich  lediglich  aneinander  reihend  oder  aufzählend, 
aber  je  nach  der  Beschaffenheit  des  durch  'und'  verknüpften  Satzteiles 
erhalten  diese  Verbindungen  oft  eine  eigenartige  Bedeutung. 

A.     Verbindung  von  Satzteilen. 

1.  'Und'  verbindet  beliebige  Satzteile.  Dieser  Fall  ist  der 
häufigste  und  bedarf  nicht  vieler  Beispiele:  pSivt  un  esel.    gröt  un  rasch. 

2.  'Und'  verbindet  denselben  Satzteil. 

a.  Ist  dieser  ein  Verb,  so  wird  dadurch  eine  längere  Dauer 
der  durch  das  Verb  bezeichneten  Tätigkeit  ausgedrückt,  die  allerdings 
auf  Momente  unterbrochen  sein  kann.  Diese  Ausdrucksweise  ist  beliebt, 
z.  B.  hei  kukke  un  kukke;  ek  junk  im  junk  (ging);  ek  laus  un  laus 
(las);  et  rhte  un  r&ne, 

b.  Wird  derselbe  Komparativ  durch  'und'  verbunden,  so  wird 
dadurch  eine  Verstärkung  des  ersten  Komparativs  ausgedrückt,  z.  B. 
necher  im  necher  kommen,  näher  und  (noch)  näher  kommen;  et  rhie 
immer  didder  un  dulder;  hei  leip  immer  rascher  un  rascher, 

c.  Ein  hoher  Grad,  ein  Superlativ  wird  bezeichnet  durch  die 
Wiederholung  desselben  Adverbs,  z.  B.  dorch  un  dorch  nät  sin,  ganz 
durchnässt  sein;   rfä  appel  is  dorch  un  dorch  fül,   der  Apfel  ist  voll- 


41 

ständig  faul;  eunoerndew^wer  scheif  stn^  völlig  schief  sein;  ütendüt  riten, 
vollständig  zerreißsen;  ummendum  schmUen,  ganz  übereinander  werfen; 
nd  nn  nä^  ganz  allmählich.  Diese  Ausdrucksweise  beschränkt  sich 
jedoch  auf  diese  wenigen  Fälle 

d.  Rein  aufzählend  dagegen  ist  'und'  in  den  Verbindungen 
fia  un  dft,  der  und  der;  dat  un  dat\  sau  un  sau^  in  denen  dasselbe 
Wort  an  zweiter  Stelle  eine  andere  Beziehung  hat  als  an  erster. 

3.  'Und'  verbindet  Zusammengehörendes.  Stehende  Wendungen 
dieser  Art  sind  wägen  un  p&rt,  sölt  un  hrot,  dat  is  sin  plausch  un 
ejje]  ferner  folgende  Benennungen  beliebter  Gerichte:  appel  un  bSren, 
khinz  un  beren,  klunz  tm  schwetschen,  schtvarts^tir  un  klmiz. 

4.  Die  Verbindung  zweier  Satzteile  durch  'und'  dient  zum 
Ausdruck  eines  einzigen  Begriffs;  sie  hat  etwas  Anschauliches  und 
Natürliches  und  lässt  sich  etwa  folgendermassen  gruppieren. 

a.  Verbindung  von  Gegensätzen,  dat  schunn  is  under  nischt 
ni  koj)  un  ärsch  =  ist  sehr  kurz,  op  leben  tm  döt  (/an,  op  un  nedder. 
rop  un  runder,  rüt  un  rin.  üt  un  in  gdn.  gröt  un  klein,  freu  un 
schp^de.  nich  rikwarts  un  nich  fonvarts  kennen,  wt  hunt  un  katte 
leben,  heit  un  költ  wiiren.  einen  för  kort  un  lank  üt^chiln,  jemand 
tüchtig  ausschimpfen,  arge  Schimpfworte  gegen  jemand  gebrauchen. 
gut  wn  kr-üt.  links  un  rechts  wekke  umme  de  oren  hin.  undne  un 
oben,  op  un  df  gdn.  op  tm  nedder  gdn.  hen  un  Mr.  hen  un  der 
wedder,  bisweilen,  hir  un  dd,  vereinzelt  datm  tm  Idten:  me  wet  mch, 
wat  me  daun  un  loten  salj  man  ist  unentschlossen.  u^i%  me  geit  tm 
schteit,  überall  sau  un  me  geit  un  schteit,  so  wie  man  gerade  gekleidet 
ist,  sofort. 

b.  Verbindung  von  Synonymen,  putz  tm  schtdt  mdken.  krtmi 
un  Idm  stn.  eilten  döf  tm  blint  schldn.  krik  tm  obenschtel,  Krücke 
und  Ofenstiel,  d  h.  Kreti  und  Pleti.  hak  tm  mak.  sek  dul  tm  ful 
süpen.  dp  m'rt  tm  dötschläch  ütgdn.  schtein  un  bein  klän.  tdder 
nischt  ivi  küt  un  knöken  stn.  schnei  tm  is.  sek  schinnen  un  hvSilen. 
fr^Aten  un  süpen,  schwelgen,  lopen  tm  schtarzen.  sein  un  heren.  dik 
tm  fet.  schttf  tm  feste,  dum  un  ahvern  w^ren,  nervös,  verrückt  werden. 
met  ach  un  krach  üfnander  gdn,  sich  unter  Zank  trennen,  kein  hint 
un  kein  kint  hebben,  ganz  allein  sein,  niemand  zu  versorgen  haben; 
hint  =  Hund?  luch  un  druch.  sek  met  hennen  un  feuten  weren.  sek 
heun  un  wären,  sich  sehr  hüten,  sek  drein  un  wennen.  met  sak  un 
pak.  met  frü  tm  kint.  döt  un  taufal.  leben  un  schtveben,  wimmeln. 
lank  un  breit,  ausführlich,  alles  lin  tm  $chtän  Idten,  unverzüglich. 
mal  tm  nise  opschparn,  ganz  verwundert  sein,  schtr  un  blank,  sehr 
rein,  sehr  sauber,  kr  um  un  scheif.  krank  un  schwach  stn.  et  sat  tm 
dikke  hebben,  einer  Sache  überdrüssig  sein,  tvt  dach  tm  nacht  stn, 
himmelweit  voneinander  verschieden  sein,  tmime  (for)  nischt  tm  lange- 
teile  drbein^  umsonst  arbeiten. 

c.  Verbindung  alliterierender  Satzteile,  die  oft  zugleich  synonym 
sind.  Das  Wesen  dieser  Alliteration  ist,  einen  Begriff  durch  zwei 
Worte  auszudrücken,     drin   un  drop  jeben,  reichlich  geben,     schobben 


42 

un  schtreHj  gründlich  scheuern,  körten  klein  schldn,  ganz  entzwei 
schlagen,  buk  un  bdk  ful,  ganz  voll,  ganz  be])ackt.  kint  un  kkjel. 
etvwer  schtok  un  schtein.  met  hüt  un  hären.  ItAs  un  hof,  krimmen 
un  kratzefi.  klip  un  klär,  blitzen  un  blenkern,  äusserst  blank  geputzt 
sein,  for  dau  un  ddge,  in  aller  Frühe,  fri  un  frank,  bi  nacht  un 
neunvel,  in  völliger  Dunkelheit,  met  schtrunk  un  schiel  utriten,  voll- 
ständig ausreissen.  (de)  kriz  un  kwsir.  yreun  un  Ja/  schlän,  gehörig 
verhauen,  nich  half  un  nich  heile  stn,  nichts  Ordentliches,  Rechtes 
sein,  meu  un  marode,  ganz  ermattet  sein,  dum  un  dhnlich,  ganz 
dumm.  schimp  un  schanne.  tvint  un  wMer.  samt  un  sondersch. 
sek  nich  rippeln  un  rin,  sich  garnicht  bewegen,  jift  un  gäben,  jift 
(venenum)  un  galle.  gät  un  j&rn.  nischt  te  btten  un  te  bräken  hebben. 
fon  ktks  un  kaks  nischt  wetten,  et  is  mek  noch  kutschen  fei  un  fleisch, 
ich  bin  noch  unschlüssig  ein  ei  un  ein  eierkauken  sin,  die  dicksten 
Freunde  sein,  ru  un  rast,  nich  emäl  for  jelt  un  gude  were  kämme 
wat  krtn. 

B.     Verbindung  von  Sätzen. 

1.  'Und'  verbindet  beliebige  koordinierte  Sätze.  Beispiele  sind 
nicht  nötig. 

2.  Ein  Satz  mit  *und'  statt  eines  Infinitivs  mit  *um  zu'  oder  'ohne 
zu'  steht  nach  einigen  Verben,  besonders  nach  den  Verben  der  Bewegung: 
kum  mek  jö  nich  wedder  un  uit  wat  hebben.  dd  kirnst  mek  tnan 
wedder  un  uit  wat  hebben.  hei  kam  un  sä  atje  oder  umme  atje  te 
sein,  hei  junk  (ging)  und  sä  nich  emdl  atje  oder  one  atje  te  sein. 
hei  schikke  en  boden  un  leit  sein,  löp  un  häle  melk,  hei  is  nä 
Reuwelant  efären  un  Mit  brMer  oder  umme  brMer  te  hälen.  hei  is 
ndW  mele  un  hält  schret.  ek  mofn  gayizen  dach  schtän  un  waschen, 
hei  schtunt  wn  Iure, 

3.  Ein  Satz  mit  'und'  statt  eines  Infinitivs  oder  bisweilen  statt 
eines  dass-Satzes  steht  nach  ergänzungsbedürftigen  Ausdrücken.  Dieser 
Sprachgebrauch  ist  für  das  Hochdeutsche  von  Behaghel  in  der  Zsch. 
f.  d.  Wortforschung  VI,  366 — 368  ausführlich  behandelt  und  mit 
Beispielen  aus  den  verschiedensten  Gegenden  und  Schriften  belegt. 
Hier  handelt  es  sich  um  die  Ausdehnung  dieses  Sprachgebrauchs  in 
der  Mundart  eines  einzigen  Dorfes. 

a.  Nach  Substantiven  ohne  oder  mit  einem  auf  das  Folgende 
hinweisenden  Pronomen.  lust  hebben:  wenne  lust  hest  un  medde 
schpvlen  wit  oder  medde  te  schpclen.  Aber  nur  heste  lust  medde 
te  schpclen? 

koräge  hebben  (spr.  g  wie  franz.  g):  wenne  koräge  harre  un 
hen  jinge. 

iti  schtanne  shi:  rfä  is  in  schtanne  un  secht  dat.  Aber:  hei  is 
nich  in  schtanne  dat  te  dran. 

(/an  je  fallen  dann:  dauch  mek  dhi  jef allen  un  gäch  hen  (nie: 
hen  te  gän).  hei  deut  mek  c/äw  jefallen  nich  un  geit  hen  oder  dafe 
hen  geit.  wenne  mek  dan  jefallen  de  un  hen  jinge  oder  hen  te  gän. 
deuste  mek  wol  dän  jefallen  un  geist  hen  ? 


43 

oj)  dkn  jedanlcen  {da  ide)  kommen:  mi  kimmeste  man  op  d^n 
jedanken  an  geist  da  hen?  oder  da  hen  te  gdn?  ek  warre  nich  op 
rfan  jedanken  ekommen  un  warre  dd  hen  egän  oder  da  hen  te  gdn. 
teil  sal  ek  wol  op  dän  jedanken  kommen  un  da  hen  gdn  oder  da  hen 
te  gdn  oder  dat  ek  da  hen  gd.  Ebenso  häufig  wie  der  Infinitiv  mit 
zu  ist  'und'  nach  einem  Infinitiv  des  Ausrufs  oder  der  Verwunderung: 
nich  op  d&n  jedanken  te  kommen  un  dat  te  sein,  rfä  kordge  te  hehhen 
un  dd  hen  te  gdn. 

da  kordge  hebten:  ek  harre  d&  kordge  nich  ehat  an  harre  dat 
esecht  oder  dat  te  sein.  Aber  hei  het  nich  rfä  kordge,  dat'e  dat  secht 
oder  dat  te  setn.  Ebenso  nur:  hei  het  nich  de  lust,  dafe  sek  bikt 
oder  sek  te  bikken. 

In  derselben  Weise  wie  in  den  angeführten  Beisi)ielen  steht  *und' 
nach  rfä  drtstichkeit  hebben,  rfa  insicht  hebben,  op  dan  infal  kommen, 
t/an  forschtant  hebben,  sinen  tüillen  hebben  (dorchsetten),  stnen  kop  op- 
oder  dorchsetten,  sinen  schus  (Anfall,  Einfall,  Laune)  krtn,  in  der  läge 
sin:  ich'  in  rf&r  läge  is  un  dat  kan;  wenn  ek  in  dSir  läge  warre  un 
dat  kenne.  Aber  nur:  ek  bin  nich  in  rfSr  läge,  dat  ek  dat  kan  oder 
dat  te  kennen. 

b.  Nach  Substantiven  mit  vorhergehendem  sein,  saun'^)  (so  ein, 
solch)  oder  saufei,  ja,  denke  mal  hen,  saune  dumheit  mdke  ek  noch  un 
gä  da  hen.  mäkste  6k  noch  saune  dumheit  un  geist  du  hen?  wenn  ek 
seine  dumheit  mäkte  un  da  hen  jinge,  denn  schien  mek  min  fdder  dot. 
w\\r  wart  wol  seine  dumheit  mdken  un  da  hen  gdn.  saune  dumheit  mäk 
man  un  gdch  dd  hen.     saune  dumheit  te  mdken  un  dd  hen  te  gdn! 

saufei  forschtant  mot  doch  wol  en  minsche  hebben  un  dat  seift 
(sehen)  oder  dafe  dat  sU.  wenne  saufei  forschtant  harre  un  dat  inse 
oder  dat  in  te  sein  oder  dafe  dat  inse.  nich  saufei  forschtant  te  hebben 
un  dat  te  sein,  du  sostest  doch  wol  saufei  insicht  hebben  un  dat  täten. 
In  negativen  und  Fragesätzen  dagegen  scheint  un  nach  saufei  wenig 
oder  gar  nicht  üblich  zu  sein. 

In  der  angegebenen  Weise  steht  'und'  nach  den  W^endungen  saune 
kordge,  dristichkeit  hebben;  op  seine  jedanken,  op  seinen  infal  kommefi; 
seine  jeschichten,  schtreiche,  galeppe  (Torheiten)  nuiken;  saun  natre, 
trop,  jakop,  dumbatz,  duseldir,  scMpskop  sin;  saufei  ndjedanken,  tust, 
ewtcerleiunk  hebben. 

c.  Nach  Adjektiven  mit  vorausgehendem  sau.  Statt  eines  Satzes 
mit  'und'  kann  auch  ausnahmslos  ein  dass-Satz,  aber  nie  ein  Infinitiv 
mit  'zu'  folgen,  rfä  is  sau  dum  un  secht  dat.  is  hei  wol  sau  driste 
un  geit  da  hen?  wenn  hei  sau  arme  is  un  dat  nich  betdien  kan. 
st  sau  gut  un  hdle  mek  dat  mal  Aar. 2)     si  nich  sau  dum  un  sech  jd. 


1)  Ebenso  im  Mnd.,  z.  ß.  du  schalt  komen  in  sodan  not  unde  mit  swete 
eten  dat  brot.  Statwechs  gereimte  Weltchronik,  herausg.  von  Artur  Korldn, 
Vers  79/80. 

')  Ähnlich  im  Schwedischen:  vill  ni  vara  god  och  säga  mig.  var  god  och 
kom  ihäg  det. 


44 

wSir  is  wol  sau  alwern  un  deiU  aau  wat!  ek  kan  nich  sau  schlecht 
sin  nn  einen  beiein  (belügen),  sau  hitzig  te  sin  un  gliks  te  schMn. 
rfä  is  sau  dum  nich  un  secht  dat.  du  bist  sau  dum  un  weist  dat  nich  'i 
Aber  nur  hei  is  sau  arme  nich,  dafe  dat  nich  betdien  kan  (kenne). 
Andere  Adjektiva,  nach  denen  gern  ein  Satz  mit  *und'  folgt,  sind: 
klauk,  schlü,  forrikt,  gut,  trüharzich,  tränpettich,  hinderlistich,  forsch- 
tennich,  jescheit,  kumpdwel  (fähig),  forwart,  forsiehtich,  ordinSir,  op- 
dringlich,  diknSiSich. 

d.  Nach  einem  Adjektiv  mit  nachgesetztem  e^iauch,  nauch 
(genug).  dSi  is  dum  etiauch  un  deut  sauwat  (dat).  Diese  Ausdrucks- 
weise ist  jedoch  seltener,  meist  steht  dafür  ein  dassrSatz. 

e.  Nach  Verben  mit  einem  auf  das  Folgende  hinweisenden 
Pronomen  wie  sauwat,  dat,  dutau,  et,  auch  sist  wat  oder  sonst  wat. 
um  kanste  man  sauwat  mdken  un  dhi  akker  kepen.  um  biste  man 
dätau  kommen  un  hest  dhi  akker  ekoft.  wenn  hei  sek  dat  forenommen 
het  oder  wenn  hei  et  sek  in'n  kop  eset  het  un  dat  hüs  kepen  unl,  denn 
d£ut  hei  d<it  6k.  In  diesen  Fällen  kann  auch  ein  dass-Satz  folgen, 
aber  niemals  nach  sist  wat,  z.  B.  ek  unl  ne  sist  (sonst)  wat  duun  un 
for  ene  da  hen  gän. 

f.  Nach  einigen  Verben  ohne  einen  auf  das  Folgende  hin- 
weisenden Zusatz,  um  den  Inhalt  dieser  Verben  auszudrücken,  h^i 
trotzt  un  wil  nich  kommen,  hei  schüt  sek  un  unl  nich  hen  gän.  wenn'e 
sek  äwer  weijert  un  nich  betdlt.  wenn'e  dwer  nei  secht  un  nich  kirnt, 
wenn'e  dwer  nich  unl  un  dat  mSiken  sitten  let?  wenn'e  äwer  tau  (ja) 
secht  un  kirnt? 

Schlussbemerkung.  Bei  dieser  kleinen  Untersuchung  über 
den  Gebrauch  von  'und'  in  der  Cattenstedter  Mundart  mag  mir 
manches  entgangen  sein;  wer  aber  weiss,  wie  schwierig  es  ist,  den 
Sprachgebrauch  in  einer  lebenden  Mundart  in  seinem  ganzen  Umfange 
festzustellen,  der  wird  gern  Nachsicht  üben.  Hinsichtlich  des  Wertes 
des  e  in  den  Endsilben  bemerke  ich,  dass  dasselbe  vor  einfachem 
Konsonanten  stumm  ist,  vor  Doppelkonsonanten  nicht  immer.  Letzterer 
Fall  bedarf  noch  näherer  Untersuchung. 

BLANKENBURG  a.  H.  Ed.  Damköhler. 


45 


Idiotikon  von  Eilsdorf 

(bei  Halberstadt). 


Harz,  Bode,  Bruchgraben  und  Oker/Ilse  begrenzen  ein  Viereck, 
in  dem  sich  als  beherrschender  Höhenzug  der  Huy  (spr.  hü)  erhebt. 
Die  Mundart  dieses  Gebietes  möchte  ich  Huymundart  nennen.  Sie 
zeigt  nur  geringe  örtliche  Verschiedenheiten,  sodass  sie  von  den 
uDgelehrten  Landbewohnern  als  einheitlich  empfunden  wird.  Die 
sprachliche  (irenze  bildet  im  Westen  die  Diphthongierungslinie  i\ei^ 
die  Damköhler  1)  genau  festgestellt  hat;  im  Norden  die  tA;- Linie;  im 
Osten  die  Bodemundart  mit  der  Endung  -en  (-n)  im  plur.  praes.  und 
im  Süden  die  Mundart  des  Harzes,  deren  Eigenheiten  Damköhler  2) 
dargelegt  hat. 

Dieser  Huymundart  gehört  die  Mundart  von  Eilsdorf  an,  deren 
Wortschatz  hier  dargeboten  ist.  Eilsdorf  ist  ein  Dörfchen  12  km 
nördlich  von  Halberstadt.  Trotz  der  Nähe  der  Stadt  ist  seine  Mundart 
rein  niederdeutsch.  Die  geringe  Beeinflussung  durch  das  Hochdeutsche 
mag  ihren  Orund  darin  haben,  dass  Plattdeutsch  wohl  von  allen 
Kreisen  der  Stadt  verstanden  und  von  einigen  auch  —  wenn  auch 
nicht  rein  —  gesprochen  wird. 

Die  Mundart  ist  noch  für  alle  Dorfeingesessenen  die  Umgangs- 
sprache. Erst  in  jüngster  Zeit  beginnen  einige  Familien  mit  ihren 
Kindern  hochdeutsch  zu  sprechen.  Ob  eine  hochdeutsche  Beeinflussung 
der  Mundart  darin  zu  sehen  ist,  dass  in  der  Aussprache  des  an- 
lautenden s  vor  Kons,  bei  manchen  Wörtern  ein  Schwanken  zwischen 
s  und  seh  zu  bemerken  ist,  bleibe  dahingestellt.  Unzweifelhaft  aber 
liegt  sie  vor  im  häufigen  Gebrauch  der  hochdeutschen  Zahlwortformen. 

Den  Stichwörtern  ist  die  lautschriftliche  Angabe  der  Aussprache 
in  Klammern  beigefügt,  wo  ein  Zweifel  möglich  erschien.  Die  gewählte 
Lautschrift  ist  dieselbe  wie  die  S.  3  fl".  in  Anwendung  gebrachte,  nur 
ist  hiervon  abweichend  durch  cl  das  hintere  a  bezeichnet. 

Meinen  lieben  Eltern,  deren  Sammeleifer  ich  manches  seltene 
Wort  verdanke,  fühle  ich  mich  zu  besonderem  Danke  verpflichtet. 


a  (a)  ach,  in  a  wat,  ach  was. 

Aa  (ad)  in   der  Kindersprache  Kot,   't 

Kint  hat  Aa  maket. 
ä  (ä)  pfui!    ä,  smit  wech. 
Abend  (äbmt)  Abend. 
acht«,  acht.    Et  sleit  achte.      Vor  dem 


Subst.  acht.    Hei  hatt  acht  Peere  in 

Stalle, 
achteckich,  eigensinnig  und  dabei  etwas 

heimtückisch.    Dat  is  en  achteckigen, 
achteine,  achtzehn. 
Ackerhoff,  Bauernhof. 


*)  Damkuhler,  Die  Eis-  und  Weinlinie  von  Bettingerode  bis  Neindorf  usw. 
Niederd.  Jahrbuch  XXII. 

*)  Danikuhler,  Zur  Charakteristik  des  niederdeutschen  Harzes.    Halle  1886. 


46 


ackerat  (aJc9rä't)f  sauber,  ordentlich; 
ebenso,  ^n  ackeraten  Burssen ;  ackerat 
saa  grot. 

ackerickera't,  ganz  genau  ebenso. 

Aekermann,  Landwirt. 

AckermenneckeD,  Bachstelze.  Kinder- 
reim :  Ackermennocken,  pleu  meck  wat, 
sast'n  gluhn  Dahlder  hebben.  Vgl, 
Grimms  Wb.  s.  cnke. 

afbnn  (äfbün),  scherzhaft  für  abreisen, 
ausrücken.    De  Besuch  is  war  awebut. 

ackern,  den  Äcker  bestellen ;  durch 
tiefen  Schmutz  mühsam  gehen. 

Adler  (ädlfr),  Adler.  (Die  Endsilben 
-ler  und  -ner  ?iaben  stets  langes  f, 
dagegen  heisst  es  naustsr,  dis^r). 

af  (äf),  in  Pausa  awe  (äw9)  ab.  Doch 
gung  de  Sache  noch  sau  af :  af  un  tau, 
ab  und  zu ;  hei  hat  'n  Telaer  awe,  er 
hat  seinen  Teller  völlig  leer  gegessen, 
't  Bein  is  awe,  das  Bein  ist  abge- 
brochen, ek  bin  awe  (beim  Abzähl- 
spiel.) 

afbacken,  abbacken,  't  Broet  is  awe- 
backet,  so  gebacken,  dass  zwischen 
Kruste  und  Krume  eine  luftgefüllte 
Höhlung  ist,  man  sagt  auch  wohl  da 
is  de  becker  dorchekropen 

af  binnen  (äfbin)  abbinden,  de  Bock  is 
awebunnen,  d.  h.  kastriert,  de  Zement 
hat  gut  awebunnen,  ist  sehr  fest  ge- 
worden. 

afdempen  (äfdemim),  erdrosseln. 

afdösenen  {äfdösn),  eilend  ablaufen.  Ilei 
hat  't  ganze  Dörp  awedöschet 

afeschern  (äf-es?rn),  abhetzen  durch 
Laufen. 

affenrn,  abfahren. 

affin en,  die  Haut  abschinden.  Hei  hatt 
seck  sin  Scheenbein  awefilt. 

affattern,  den  Pferden  zur  Nacht  Heu 
in  die  Raufe  tun,  Hast'n  all  awe- 
futtert? 

afglipen  (äfgllpin),  abgleiten,  \  Mest 
is  aweglipet. 

af^narpen,  abnagen^  z.  B  Obst,  Gemüse. 

afnannen,  abhanden. 

afhelen  {äf-h^lrj),  deti  obern  Teil  einer 
Flüssigkeit  vorsichtig  abgiessen,  wenn 
z.  B.  der  Bodensatz  oder  feste  Stoffe 
im  Gefässe  zurückbleiben  sollen. 

afhenn,  abhüten,  abweiden. 

afhilpen  (äfhüj)7p),  behilflich  sein  beim 
Absetzen  einer  Traglast. 

afhöweln,  abhobeln, 

afholen  (äf-hö'in),  abhalten,  't  Kint  af- 
holen,  das  Kind  seine  Notdurft  ver- 
richten lassen. 


af  hacken,  eine  Last  vom  Bücken  absetzen. 

afkaddeln,  etwas  so  abschneiden^  dass 
die  Schnittflächen  uneben  oder  zer- 
rissen erscheinen. 

afkarten,  afkartgen  (äfkärtn),  abkarten. 

Afkate  (afka'tsi),  Advokat. 

afkenln,  abkühlen. 

afklmen,  von  Kartoffeln,  die  im  Keller 
Keime  gelrieben  haben,  diese  entfernen. 

afklein,  abkratzen. 

afkleppern,  afklappern,  das  Dorf  oder 
eine  Anzahl  Häuser  zu  irgend  einem 
Zwecke  ablaufen. 

afklnben,  abklauben. 

afkramen,  abräumen,  z.  B.  den  Tisch. 

afkrin  (äfkrln),  abkriegen ;  Obst  pflücken. 

afkiinnejen,  von  der  Kanzel  verkündigen. 

aflan  (äf-län),  abladen. 

Aflar  (äf-lär),  Abiader  (des  Heus  usw.), 

aflen    nf-lfn),  ablegen^  entfernt, 

af  lachten,  in  der  Luft  trocknen;  lat  de 
Wech  erst  afluchten. 

aflaksen,  heimlich  absehen. 

aflasen,  die  letzten  Früchte  absuchen, 

af  Ol  essen,  ausmisten. 

afniean,  abmühen. 

afmarksen,  umbringen,  schlachten. 

afmaseln,  schnell  und  oberflächlich 
waschen. 

afnemels  nont  (äf-n^me1s  mcfnt),  ab- 
nehmender Mond,  bi  a.  m.  dört'n  nich 
cn  Middel  gegen  de  Wörme  innemen. 

afran  (äf-rän),  abraten. 

afrapen,  das  Getreide  hinter  dem  Mäher 
zusammenraffen,  um  es  in  Garben  zu 
binden  oder  als  Frösche  niederzulegen, 

afraapen  (äf-raupm),  1.  (mit  betonter 
erster  Silbe)  abrufen,  abholen.  2.  (mit 
bei.  zweiter  Silbe)  vernehmlich  zurufen, 
se  wonen  (wohnten)  sau  nahe  dat  se 
seck  afraupen  können. 

afrekcn  (äf-rfkji)  abrechnen. 

äfrecken,  die  Getreidegarben  vom  Wagen 
abladen,  mit  der  Forke  in  die  Scheunen- 
oder Bodenluke  reichen. 

afr<^cken,  erreichen.  Wenn  jemand  von 
seinem  Platze  einen  andern  mit  der 
Hand  noch  erreichen  kann,  so  sagt  er 
wohl  ek  kan^n'e  grade  noch  afrecken. 

afremen  {äf-rfm),  abrahmen. 

Afrnm,  Abraum;  die  in  Sandgruben, 
Steinbrüchen  usw.  abgeräumte  Erde. 

afrümen,  abräumen. 

afscharben  {äf-.s'arbm\  in  dünnen  Schei- 
ben u.  kleinen  Stückchen  abschneiden. 

afschelln,  abschälen. 

afschobben  (äf-,Hobm),  abschaben. 


47 


af seh  rammen,  sterben,  von  hinnen  gehn ; 
derber  Ausdruck. 

afschrapen,  abputzen,  abkratzen. 

afslan,  abschlagen. 

afümeekig,   üblen  Beigeschmack  habend. 

afspeuln,  absjmlen,  reinigen. 

afstaekeln,  mit  einer  Stange  herunter- 
stossen,   z.  B.  Obst  von  den  Bäumen. 

afhtöaben,  abstäuben. 

af^itrean,  abschreiten,  mit  Schritten 
messen.    Siehe  stredn. 

afstrepeln,  Blüten,  Blätter  usw.  ab- 
streifen, indem  man  sie  durch  die 
Hände  zieht. 

afstrenfen,  eine  Gegend  absuchen,  spähend 
durchstreifen. 

afsopen  (äfzüp^n),  1.  abtrinken,  leer 
trinken.  2.  'n  Lampen  afsupen.  In 
manchen  dörflichen  Spinn  Stubenver- 
einigungen (Klup),  in  denen  heute 
allerdings  der  Spinnrocken  nicht  mehr 
surrt,  herrscht  die  bitte,  die  letzte 
Winterzusammenkunft,  bei  der  zum 
letzten  Male  die  Lampe  brennt,  bei 
einem  Glas  Bole  zu  feiern :  de  Lampm 
wart  awesoopen.  Im  Sommer  finden 
die  Zusammenkünfte  nach  alter  Sitte 
im  Freien  statt. 

af tappen  (äftapin),  abzapfen. 

aftellei,  abzählen,  auszählen.  Abzähl- 
reime: eno,  dena,  wippen,  wap,  du 
bist  ab.  —  eins,  zwei,  drei;  Puter 
lecht'n  Ei,  Puter  lecht'n  fules  Ei; 
eins,  zwei,  drei. 

altem  (äft^rn),  abzehren. 

aftömen  (äftö'm),  abzäumen. 

af  trecken,  abziehen. 

aftren  (äf-trfn),  abtreten. 

Afwarange,  Abwartung,  Pflege. 

afwenen  (Vi/t?e«;),  abgewöhnen,  entwöhnen. 

afwennen,  abwenden. 

afwen,  abwiegen, 

all,  alle,  aüe,  alles;  dat  is  feal  all^  das 
ist  aber  Erwarten  viel;  all  min  dag, 
mein  Lebtag;  alle  maken,  alle  krin, 
sein  Vermögen  verschwenden;  alle 
weam,  alle  sin,  zu  Ende  gehn;  zu 
Ende  sein. 

all,  schon,  bereits,    hei  is  all  da. 

allart,  flink,  frz.  alerte.  Wird  auch 
auffordernd  geltraucht. 

Alldt^  (aldäx),  Alltag,  Werktag.  Genitiv 
aldas.    aldas  gak  nicb  in^n  kraug. 

aldaseh  (aldä.s),  alltäglich,  Alltags-, 
trecke  diu  aldasche  (aldäsa)  Tuch  an. 

AUdastiieh,  Werktagsgtwand. 

alldefedl  (ald^f^l),  allzuviel,  viel  zu  viel. 

ai  Iderar  (ald9rär),  gar  zu  schön,  zu  gut. 


allderwechen,  allerweehen,  allerwegen, 

überall.       Ek     bewwe     alderwechen 

esocht 
allheile,  ganz  und  gar,  überall. 
allebot,  immer,  jedesmal,  immerzu. 
allehodpa,  alle  zusammen,  aus  alle  de 

Hoape. 
allen»  (aWn»)  allein. 
alles,  alles. 
alle-nnderlat    (-lät),  fortwährend,    oft. 

hei  kummet  alle-underlat. 
allewile  (abwlb  und  abvtb),  jetzt,  zur 

Zeit. 

allnajera  (alnäj9rä),  nachgerade,  all- 
mählich. 

alls,  als,  wie;  nie  temporal 

allsan,  also. 

allwern,  l.  albern,  kindisch.  2.  sich 
albern  benehmen,  rumalwern. 

Amacht  (äma^rt),  Ohnmacht.  Se  is  in 
amacht  efalln. 

Amman,  Amtmann,  hei  sit  da  wi  'n 
Amman,  er  tut  gross,  brüstet  sich. 

ammaun  sin,  zumuten.  Ek  kon  'ne  dat 
ok  nich  ammaun  sin. 

amerhtich,  ohnmächtig. 

Ammensche,  Amtmännin.  Bezeichnung 
beleibter,  grosstuender  Frauen. 

ampeln,  mit  Händen  und  Beinen  An- 
strengungen machen,  etwas  zu  er- 
reichen; bes.  von  Kindern  gesagt. 

Amnishoif,  Amtshof,  Domäne. 

Amt,  Amt,  Tätigkeit,  Auftrag,  Domäne, 
staatliches  Gut. 

Amsswin,  Gutsschwein,  fett  wi  ^n  ams- 
swin. 

an,  ane  (an,  än9\  an;  unbetont  klingt 
es  meistens  on  ;  ane  wird  meistens  mit 
Zustandsbeeeichnungen  verbunden.  Ek 
set  er  (9r)  mek  an,  ich  setze  mich 
neben  ihn,  aber  ek  sit  or  ane,  ich 
sitze  neben  ihm.  Gern  wird  es  mit 
dr  (aus  dor  dar)  zus.  gesetzt  du  bist 
drane,  du  musst  jetzt  spielen ;  et  moter 
doch  nist  drane  sin,  er  muss  doch 
nichts  wert  sein. 

anbacken,  1.  ankleben.  2.  einen  wat 
anbacken,  jenvand  die  Wahrheit 
sagen. 

an b ein,  anbieten. 

anbeutn,  anzünden,  hastn  schon  Für 
anebot? 

an  binnen  (änbin),  anbinden,  't  Geburts- 
dagskint  anbinnen,  dem  Geburtstags- 
kinde einen  Strauss  an  den  Arm 
binden. 

anbläken,  anschreien.  De  hat  mek  awer 
anebläket. 


48 


anblarren,  anschreien. 

andaaOf  antun,  zufügen  (Böses,  Leid). 

andermann,  man,  ich  selber,  d.  i.  für 
den,  von  dem  man  redet,  der  andere, 
'n  andermann  lett  sek  alles  jefallen, 
man  lässt  sich  alles  gefallen,  andere 
dagegen  sind  nicht  so. 

Andreis,  Andreas,  Drea«,  Andreas. 
Drees,  Dreas,  Drat, 
Hatten  läddern  Bart, 
Hatt'n  läddern  Slipstein, 
Kann  nich  in  de  Siinne  sein. 
(Siehe  Nd.  Kbl.  28,  74) 

andrepen  (ändrfim),  antreffen. 

andriben  (ändrllm),  antreiben, 

andrüan,  antrocknen,  festtrocknen. 

andndclD,  einen  andudeln,  betrinken. 

andün,  androhen,  wörtl.  andeuten,  ek 
hewwene  ne  Dracht  Sie  anedüt,  wenne 
wer  sau  spät  no  hus  kummet,  ich  habe 
ihm  eine  Tracht  Schläge  verheissen, 
tcenn  er  wieder  so  spät  nach  hause 
kommt. 

anebehoaln,  anbehalten,  nicht  ausziehen. 

Anewendel,  der  Teil  des  Ackers,  auf 
dem  Zugtiere  und  I^lug  umwenden 
und  der  zum  Schluss  in  der  Quer- 
richtung gepflügt  wird,  westf.  anwand. 
altm.  aonweud. 

Aneworp,  ein  zum  Türverschluss  die- 
nendes Eisenblech,  dessen  Schlitz  über 
eine  Krampe  geführt  wird  (an  Gar- 
ten- und  Kcllertüren  usio).  Bei 
Sprenger  anworf. 

anfengeu,  anfangen.  Die  abhängige 
Nennform  wird  ntit  mit  de  gebildet. 
Wei  wilt  morgen  anfengen  mit  de  pleun. 

anfcttln,  anfühlen,  betagten. 

Anvorwante  (änforvantd),  Anverwandte. 

anfnln,  anfaulen,  anfangen  faul  zu 
werden, 

anfiirn,  anführen,  täuschen,  zum  Narren 
haben. 

angan,  1.  angehen,  de  Schaule  geit  an; 
wat  geit  dek  dat  an.  J2.  anfangen  zu 
faulen  oder  zu  kränkeln,  de  Appel 
is  anegan. 

Angest,  Angst. 

angestf  angst. 

Angesthase,  Angestboase,  Angestkötl, 
Bezeichnungen  ängstlicher   Menschen. 

ängestlicb,  ängstlich. 

Anjewene,  Gewöhnung. 

anglupschen  (ftnglup.s9n),  anstieren,  starr 
anblicken. 

angnarpen  (ängnarpin),  an  Früchten 
herumkauen. 


anhaeken,  an  die  Kartoffelbüsche  Erde 
häufeln. 

anhichen  (änhiyßn),  anhauchen;  beson- 
ders in  der  Bedeutung  jemand  die 
Wahrheit  sagen,  ek  hewwe  ne  omt- 
lich  anehichet. 

Anholt,  Anhalt. 

anhodsen,  anziehen,  ankleiden. 

anbuppen  (-hupin),  anspringen. 

anhupen,  anhäufen. 

anhnrken,  anlehnen,  kauernd  anlegen, 
wie  Küken  sich  unter  die  Henne 
kauern. 

anken,  ächzen,  stöhnen. 

ankleon,  ankleiden;  seltener  gebraucht 
als  an  trecken 

ankrakeiln  (änkrakailn),  Streit  anfan- 
gen; scherzhaft:  anrufen,  auf  .der 
Strasse  um  etwas  angehen. 

ankrin  (änkrin),  anziehen  können,  ek 
kri  de  schau  nich  an. 

anlannen  (-lan),  anlanden,  ankommen, 
hei  is  wer  anelant. 

anlejjen,  anlegen,  mit  Goldgrund  ver- 
sehen, ohrfeigen. 

anlenen  (-li^n)]  anlehnen. 

Anlijjen,  Anliegen,  Bitte. 

anloben  (-U/lnn),  geloben,  hei  hat  mek 
anelowet. 

Anloop,  Anlauf, 

anlntjen  (änWjan),  anlehnen,  anschmie- 
gen, wie  kleine  Kinder  tun. 

anmischen,  verhauen. 

anmellen,  anmelden. 

anmüln,  schaden  tun.  hei  hat  sek  wat 
anemült. 

anrooken,  anrauchen  1.  Zigarre,  Pfeife. 
2  betrinken,  hei  hat  sek  einen  anc- 
rodket. 

anröokern,  anräuchern,  leicht  räuchern, 

anrÜan,  anrühren,   in  Bewegung  setzen. 

Anschin,  Anschein. 

anschirren,  anschirren,  den  Zugtieren 
das  Geschirr  anlegen. 

anschiten,  betrügen,  anputzen. 

anschünnen,  heissen,  aufhetzen,  wer  hat 
ne  denn  dat  aneschüntV  wer  hat  ihn 
den  Streich  geheissen,  dazu  aufgeheizt  ? 

ansein,  anesem,  ansehen. 

Ansein,  Ansehen,  Berühmtheit. 

anslan,  anschlagen.  Slache  mal  an,  wat 
dat  hus  kost. 

anslänern,  'n  anslänern  kop  hcbben, 
leicht  auffassen,  begabt  sein,  kluge 
Gedanken  äussernd 

ansnallen,  anschnalleti. 

anstellich,  anstellig,  geschickt. 

anstennich,  anständig. 


49 


aD8t09t]i,  anstossen. 

anstriken,  anstreichen. 

ansapen  (amüpm).  Es  ist  Sitte,  dass 
die  eben  konfirmierten  Knaben  den 
äwas  altern  Burschen  Bier  zum  besten 
gehen,  damit  sie  von  diesen  im  Trinken 
unterwiesen  werden;  eine  Art  feier* 
licher  Aufnahme  unter  die  jungen 
Burschen,    Die  SfUe  heisst  ansupen. 

ÄBte  (änt9),  Ente. 

antellen,  aneahlen. 

antrecken,  anziehen,  ankleiden. 

aotwllani,  antworten. 

Antwoert,  Antu}ort. 

antnsehen  {äntuü9n),  tuschen,  anmalen; 
jemand  etwas  auswischen,  schlagen. 

antsant  (antsant),  indessen,  derweüe.  ek 
ga  antzant  hen. 

anwennen,  anwenden. 

anwenen  (-wfQ),  angewöhnen. 

aDzettern,  hei  kämmet  anjezettert,  er 
kommt  zitternd  an.  üeberhaupt  wer- 
den  gern  alle  Ztw.,  die  den  Betriff 
des  Herbeikommens  haben  oder  an- 
nehmen können,  mit  an  verbunden. 
hei  kummet  aigegan,  ai\jelopen,  anje- 
slendert,  aDJeschetn,  anjesprungen, 
ankarjodlt,  anjedanzet,  anjelatscht  usw. 

Ape,  /.  Affe.  Bezeichnung  einfältiger 
Mädchen  und  Frauen.  Daher  loohl 
der  Gebrauch  des  weibl.  Geschlechtes. 
Das  Tier  selbst  wird  mit  Aflfe  m.  be- 
zeichnet.   Bist  'ne  ape. 

Äppel,  Apfel 

Appelsehelle,  Apfehchale. 

Appelspleate,  Apfelschnitte. 

Apteike,  Apotheke. 

arbeiD,  arbeiten. 

Arbcir,  Arbeiter. 

Arbeitslii,  Arbeitsleute,  Arbeiter. 

arben  (arbm),  erben. 

Arbentins,  Arbenzins,  Erbzins,  Abgabe 
für  die  in  Erbpacht  befindlichen 
Grundstücke. 

areb,  arg,  schUmm.  mak  et  nich  de 
arch,  hüte  dich. 

Areh,  Arg,  Argwohn,  hei  har  dor 
nist  Arjes  drut,  er  dachte  sich  nichts 
Schlimmes  dabei,  er  erwartete  nichts 
Arges  davon. 

Apf,  Aehre. 

Arfdeil,  Erbteil. 

Arfsehop,  Erbschaft. 

Apfte  (arft9),  Erbse. 

Arftkratf  Erbsenkraut,  Stengel  und 
Blatter  der  Erbsenpflanze  t'iw  frischen 
Zustande. 

Arft8tr09,  trockenes  Erbsenkraut. 

Ni«derdttaUohes  Jahrbuch  XXXIY. 


Apije,  Arie,  Lied. 

Äpjep,  Aerger. 

ärjern,  ärgern. 

Arkner  (arknfr),  Erkner. 

am  (ärn),  gut  in  die  Art  schlagen,  ge- 
deihen,   dat  Swin  art  sek. 

Appaal,  stinkende  Pfütze,  Jauchenlache. 

Äppel,  Appel  (erpl,  arpl),  Enterich. 

Ars  (ärs),  Hintere. 

Apslock,  After;  auch  Schimpfwort. 

Art,  Art.  Art  lett  nich  von  Art,  gleich 
und  gleich  gßsellt  sich  gern. 

Apz9Di,  Arznei. 

As  (äs),  Aas ;  besonders  als  Schimpfwort 
gebräuchlich. 

Asehenloel^  Aschengrube. 

Ansfattep,  die  Holzbekleidung  der  eiser- 
nen Wagenachse. 

Asse,  Achse.  Man  ruft  Vorbeifahrenden 
scherzhaft  zu:  de  Asse  sitt  in  Ra. 

asten,  schwer  tragen,  schleppen,  auch 
mühsam  einen  Berg  erklettern. 

atche,  atehegs,  'tche,  adieu. 

Atlpl,  Artillerie. 

Atlpiste,  Artillerist. 

ätsch  (fW,  das  Wort  dient  zum  Be- 
schämen, ätsch,  du  most  man  de  hus 
hüben. 

ätschen  (fA^^n),  atätsehen,  Ztw.  zum 
vorigen. 

Atn,  NatD,  Atem.  Natn  haln,  Atem 
schöpfen,  ut'n  Natn  sin,  ausser  Atem 
sein. 

atn,  atmen. 

attepieh,  eigensinnig,  leicht  gereizt,  mnd. 
aderich,  altm.  adderig.  Das  Grund- 
wort atter,  Natter,  ist  in  E.  nicht  ge- 
bräuchlich. 

Atterkop,  eigensinniges  Kind. 

Aukenwatep,  nur  in  der  Eda.  hei  is 
dumm  wi  Aukenwater. 

Antep,   Urheber,  Anstifter,  Autor. 

äwel,  übel,  unioohl.  ek  bin  äwel  un 
selzen  eworn,  mir  ist  schlecht  geworden. 

awep,  aber. 

Awepgloewe,  Aberglaube,  Glaube  an 
übernatürliche  Dinge ;  falsche  Ansicht. 
dat  is  ja  Awergloawe. 

awepglöowisch,  abergläubisch;  leicht- 
gläubig. Düt  is  en  awergluawischen, 
dem  kann  man  leicht  etwas  vormachen. 

Baba  (bäbä),  Wiege,  Beuchen  in  der 
Kindersprache. 

babba,  Ausdruck  der  Missbilligung  wie  ä 

Back,  m.,  die  Gesamtheit  der  Kuchen, 
der  Brote  usw.^  die  mit  einem  Male 
gebacken  werden,  der  Gang,  ek  koemd 


50 


eerst  in  tweitn  Back,  sagt  eine  Frau 
zur  andern. 

Backe,  Bücken,  *  Rückenstück.  In  dieser 
Form  nicH  alleinstehend  gebraucht , 
sondern  nur  in  den  Zusammensetzun- 
gen Hinderbacke,  Huckoback. 

Backe,  Wange. 

backen,  1.  backen.     Kinderreim: 
Backe,  backe  Kauken  I 
De  Becker  batt  eraupen, 
Wei  solin  knen; 
Het  de  Tit  vorlen. 
Scbuf   in,    scbuf   inl   de   Kauken    is 

all  gar. 
dabei  schlagen  die  Kinder  die  Hände 
zusammen ;  bei  schuf  in  reiben  sie  die 
Handflächen  aneinander.  2.  kleben, 
ballen,  de  Blädder  sunt  desamme 
backet.  —  de  Snei  backet  all,  der 
Schnee  lässt  sich  schoti  ballen. 

Baekenbearn,  geringe  Habe,  wertloser 
Besitz,  hei  packet  sin  Baekenbearn 
desamme.  Sprenger  nimmt  zur  Er- 
läuterung die  Bedeutung  gebackene 
Birnen  an.  Könnte  man  nicht  auch  an 
back,  Rücken,  und  böarn,  ahd.  bei'an, 
tragen,  denken?  Also  das,  was  man 
auf  dem  Rücken  tragen  kann? 

Baekhus,  Backhaus,  Bäckerei,  wu'n 
Bruhus  steit,  kan  kein  Baekhus  stan, 
wer  viel  getrunken  hat,  kann  nicMs 
essen, 

Backtrog  C6a/iemr;,  deichtrog,  Backtrog. 

Bädde,  Bett,  de  Bädde,  zu  Bett,  mit 
'n  Heundern  de  Bädde  gan,  früh  zu 
Bett  gehen. 

Bäddelaken,  BetÜaken,  BetUuch. 

Bäddespunnije,  Bettstelle. 

Bake  (baka),  Gausebake,  Lendenrücken- 
stück der  Gans. 

balle,  bald.  Kum  balle  mal  wer!  stän- 
dige Formel  der  Einladung  zum 
Wiederbesuch.  —  Tanzlied:  balle 
Wille  düt  nicb,  balle  wille  dat  nich, 
balle  wille  Klump  und  Beom  nich. 

Ballech,  Balg,  ungezogenes  Kind. 

ballejeiij  balgen. 

Ballejen,  Balgerei,  Ringen. 

Balten,  Palten,  Erdballen. 

Bammali,  Gehänge,  Gebammel,  baumelnde 
(Quasten. 

bammeln,  baumeln. 

han,  baden. 

Bane ,  l.  Bahn,  Eisenbahn.  2.  Ruf  beim 
Schlittenfahren,  Schlittschuhlaufen : 
Bahn  frei! 

Bange  /.  Angst,  Bange.  Hast  wol  bange  ? 


bange,  angst,  bange,  ek  bin  angest  un 
bange  worn. 

Banne,  de  Banne  krin,  in  Ordnung 
bringen,  fertig  machen,  ek  kan  nich 
de  Banne  wearn,  ich  kann  nicfU  fertig 
werden. 

bannich,  in  hohem  Grade,  sehr. 

Bant,  Bent,  m.,  Band,  Bindfaden.  Beut 
hört  man  nur  ganz  selten  und  nur 
von  alten  Leuten. 

Bantlock,  im  Fachwerk  eines  Gebäudes 
der  Raum  zwischen  einem  senkrechten 
Balken,  einem  schrägstehenden  und 
einem  Querriegel.  Fig.  Atisrede, 
Ausflucht,  hei  hat  sek  an  Bantlock 
oapm  alatn. 

Banse,  /.,  ein  von  der  Tetme  durch  eine 
niedrige  Wand  getrennter  Raum,  der 
das  Getreide  oder  Stroh  aufnimmt. 

bansen,  Stroh,  Heu  und  dgl.  in  die 
Scheune,  auf  den  Boden  usw  packen. 

barbarscb,  sehr,  in  hohem  Grade,  hei 
kan  barbarsch  eten. 

Barch,  Berg. 

barcbraf,  barchrafer,  bergab. 

barchrop,  bergauf 

barchr'nn,  barehr  ander,  bergab. 

Bare,  kurzstielige  Axt. 

Bare,  Bahre,  Leichentrage. 

Bare,  Bär. 

Barhns,  Bahrhaus,  Schuppen  für  die 
Bahre.  Der  Aufbahrungsraum  heisst 
Likhus. 

barmen  (bann),  klagen,  jammern,  er- 
bärmlich tun,  hei  hat  mek  wer  de 
Oam  fullebarmet. 

Barmstein,  Bernstein,  Backstein. 

bärnmässig,  in  hohem  Grade. 

Bärnschite,  Bärendreck,  Lakritze. 

barsch,  hart,  rauh,  steif,  grob,  't  Lenne- 
want  is  barsch.  In  Hibertragener  Be- 
deutung vom  Charakter. 

Bart,  1.  Bart,  an  Bare,  am  Barte. 
2.  Kinn. 

barwet,  barfuss.  Zuweilen  auch  von 
andern  Körjierteilen. 

baselig  (baz^lix),  vergesslich,  unauf- 
merksam. 

basein  (baz9ln),  unaufmerksam  und  zer- 
streut sein. 

battern,  gehen,  die  ersten  Gehversuche 
machen. 

Bank,  plur.  Beuker,  Buch. 

Bank,  Frucht  der  Buche,  Buchecker. 
Stoffname,  meist  ohne  Artikel.  Wei 
senket  unsch  Bank. 

Bankeckern,  BucJieckern. 

Bankfinke,  Buchfink. 


51 


Bawanne  (bävand),  Badewanne, 

Bawel,  Gerumpel f  wertlose  Geräte. 

Bäwer,  Gaüerte,  eig,  Bibber. 

bäwern,  beben,  zittern,  hei  bäwert  wi 
'n  Loafblat. 

Iiats,  wird  angewandt,  wenn  ein  Schall 
dünner  und  heller  ist  als  bei  bauts. 

batsen,  KnaU  verursaclken.  de  Döar 
taubatsen,  die  Tür  mit  lautem  Knall 
zuschlagen, 

beeben  (be^bm),  über  einem  mit  kochen- 
dem Wasser  oder  kochenden  Kartoffeln 
gefüllten  Kessel  ein  Schwitzbad  neh- 
men. Der  Kranke  setzt  sich  über  den 
Toi)f  und  hängt  über  Kopf  und  Körper 
einen  Mantel, 

Becker,  Bäcker. 

Beekeri,  Bäckerei. 

bedöndert,  verstört,  verblüfft,  verwirrt. 
hei  is  ganz  bedöndert. 

bedrein,  beirügen,  Abwandlung:  ek  be- 
drei,  du  bedrüchst,  hei  bedrücht,  wei 
bedreit,  ji  bedreit,  sei,  verkürzt  so 
bedreit;  ek  bedroech;  bedroen. 

bedrenwet,  betrübt,  niedergeschlagen. 

Bedrng  (b^drux),  Betrug  Dat  is  lauter 
Luff  un  Bedrug. 

bedadeln,  bedaddeln,  betrinken. 

bedün,  bedeuten,  wat  sal  'n  dat  bedün  ? 
zur  Vernunft  bringen,  zufrieden 
sprechen,    ek  hewwene  wer  bedüt. 

bedaro,  bedauern. 

bef rannen  (b^frün),  befreunden. 

befonneln,  untersuchen,  eigentlich 
t€istend  befühlen,  wei  weort  de  Sache 
schon  befummeln. 

begnanlfn,  in  gehässiger  Weise  über 
etwas  schwatzen,  bereden. 

begnawwelln,  bereden,  über  etwas 
schwatzen. 

begnengen,  begnügen.  Nur  noch  selten 
Gebraucht. 

beholdern,  'n  behöldem  Eop  hebbcn, 
ein  gutes  Gedächtnis  haben,  leicht  be- 
halten. 

behoeln,  behalten,  behoalo,  behölst, 
beb  ölt,  behoolt;  beheilt;  behoaln. 

Beiderwant,  ein  Stoff  aus  Leinen  tmd 
Wolle. 

bein,  J.  bieten,  anbieten,  beie,  büttst, 
butt,  beit;  boot;  oboon.  2.  gebieten, 
anordnen,    hei  bütt  Ran. 

bfinieh,  gut  auf  den  Beinen,  rüstig. 
bi  sinen  ölder  isse  noch  höllisch  bei- 
nich. 

Beur,  Bier. 

Beisenro^r  (baiz9nrc^r),  Binsenrohr. 

BeiHentttanl,  Binsenstuhl. 


Beist,  Tier,  Schimpfname. 

Beek,  Bach:  in  Ortsnamen  der  Um- 
gegend -heck:  Anderbeck,  Swanebeck. 

belemmert,  Ausdruck  der  Missachtung. 
dat  is  belemmert,  da  bist  belem- 
mert. 

Beljentrer  (beljdntrfr),  Bälgentrcter  beim 
Orgelspiel. 

belÜD,  beläuten,  einen  Verstorbenen  ein- 
läuten; sobald  jemand  gestorben  ist, 
werden  die  Glocken  geläutet.  Hüte 
morgen  iso  belüt. 

bemengen,  sich  mit  etwas  abgeben,  be- 
menge  dek  doch  nich  mit  dene. 

bemean,  bemühen. 

bemin  (l)dmin),  mit  Urin  beschmutzen. 

behn  (b^n),  beten. 

bennijen,  bändigen. 

Bent,  Band,  s.  bant. 

beranpen  (bdrawpm),  berufen,  ein  Un- 
glück herbeirufen.  beraupet  man 
nich,  warnt  man  wohl  jemand,  der 
sich  rühmt,  nie  krank  gewesen  zu  sein. 

Beere,  1.  Beere,  Stickbeore,  Jehanse- 
beore  usw.    2.  Birne. 

ßeernmaas,  Birnenmus. 

besein,  1.  besehen,  betrachten.  2.  besäen. 

beHeten,  besessen,  dat  Ei  is  al  besetn, 
das  Ei  ist  schon  bebrütet.  —  du  bist 
wol  fon  Dullworm  besetn,  du  bist  wohl 
närrisch,  toll. 

besetten,  besetzen. 

beseaken,  besuchen. 

beninneii  (bdzin),  besinnen,  besinne, 
besin8t,besint,be8iat;besunt;besunnen. 

besitten,  besitzen  (i,  a,  e). 

Bessen,  Besen.  Die  hd.  Form  wird  als 
Schimpfwort  gebraucht:   saun    Besen. 

Bessensteel,  Besenstiel, 

Beet  (bf^Of  «•    Gebiss,   Eisenknebel  am 

Zaume  des  Pferdes. 
bet  (bet)f  bis. 
betain,  bitaln,  bezdMcn. 
betjen,   betten,    bischen,   wertig.    kumm 

Nommedag    en    (nomadCuv^n)    betten 

wer,  komm  nachmittag  wieder,    jif  ene 

(jif9n9)   en   beljen   fon,   gib  ihm  ein 

bischen  ab, 
bet09nen,  betonen. 
betren  (bHrfn),  betreten. 
Beuke,    Buche.     Die    Früchte    heisken 

Bauknöete,  Baukeckern  oder  kurz  Bank. 
benken,  buchen,  aus  Buchenholz,  beuken 

Holt,  'n  beuken  Kuppel, 
beune,  dicht,  \  Fat  is  beune,  das  Fass 

ist  nicht  spack. 
beuten,    in    Brand    setzen,    ajizünden. 

beute,  bottst,  bott,  beut ;  imperj.  unge- 


52 


hräuchlich;  pari,  ebott  Se  het  Füor 
cbott. 

bewäcblieh  (hovf^ix),  rührend,  beküm- 
mert, voll  innerer  Bewegung,  dat  Kint 
sach  einen  sau  bewäcblieh  ane. 

Bewep  (bdv^r),  Beschäftigung;  selten. 
Siehe  das  folgende. 

bewern  (b9V^rn)f  beschäftigen,  abgeben. 
Nur  gebräuchlich  im  Sprichwort:  wer 
sek  mit  Hunnen  un  Jungens  bewesrt, 
den  is  nist  Gus  bescheart. 

bewisen,  beweisen. 

bi,  bei.  hier  keim  nist  Gnes  bie  rut. 
kum  bi  mek,  komm  zu  mir. 

bi-ane,  neben,  nebenan.  hei  woant 
bi-ane. 

Bibestant,  Beistand, 

Eicht,  /.  Beichte. 

bichten,  beichten. 

Biehtstaul,  Beichtstuhl. 

Bicke,  Spitzhacke. 

bicken,  hacken,  stossen.  de  Küken  hett 
ebicket,  die  Küchlein  haben  ein  Loch 
in  die  Eischale  gehackt. 

bidden,  bitten. 

Bifall,   Beifall,  Zustimmung. 

bifallen,  beifallen,  zustimmen,  ek  mott 
ne  bifaln. 

Bigraft,  /.  Begräbnis. 

Bigraftskaaken,  Begräbniskuchen,  der 
nach  dörflicher  Sitte  sehr  dick  sein 
muss;  jeder  Kranzspender  erhält  davon 
ein  Stück. 

Bil  (bil)y  Fleischerbeil 

Blla  (Wä),  f.,  langer  schmaler  Kasten, 
der  in  der  Lade  (Truhe,  Koffer)  an- 
gebracht ist. 

bimmeln,  bammeln,  mit  der  kleinen 
Glocke  läuten,  z,  B.  zum  Feierabend, 
zur  Taufe  usw. 

bina,  beinahe,  fast. 

Binne,  Binde,  Halsbinde,  einen  binder 
de  Binne  kippen,  trinken. 

Binneke,  schmales  Band,  z.  B.  Schür- 
zenband. 

binnen  (bi^),  binden,  binne,  binst, 
bint;  bunt;  ebunnen. 

Binneplok,  Bindepflock,  ein  unterarm- 
langer  Stab,  der  beim  Binden  der 
Getreidegarben  verwandt  wird. 

Bintfamat,  Bintfamt,  Bimfamt,  Bind- 
faden. 

bisammen  (blzdm),  beisammen, 

bisluten,  wegschliessen,  einschliessen.  ek 
hewet  Jelt  bisloatn. 

bispnnnen,  einsperren,  ins  Gefängnis 
setzen. 

Bist,    Bestie,    Tier;    besonders    unange- 


nehme Tiere,  gleichviel  welcher  Grösse, 
werden  im  Unwillen  so  genannt. 

bistan,  beistehen,  unterstützen,  helfen. 

Bistant,  Bibestant,  Beistand,  Unter- 
stützung,   hei  kricht  keinen  Bibestant. 

bisteken,  verstecken,  einstecken.  Haste 
jelt  bistoaken? 

bistern,  irren,  unbeirren,  im  Dunkeln 
gehen,  hei  is  dorcht  Holt  ebistert. 
Siehe  forbistem,  twinbistem. 

bitan,  nebenbei,  daneben;  wörtL  beizu, 
wie  auch  Leute,  die  das  Hochdeutsche 
nicht  beherrschen,  statt  daneben  sagen. 
Se  hat  de  Melk  bitau  joatn ;  unbeachtet : 
hei  Sit  bitau. 

bitin  (biiln),  beizeiten,  früh,  ek  bin 
bitin  wer  derüjje. 

biten,  beissen.  bite,  bittst,  bitt,  bit; 
l)eit;  ebetten. 

Bla,  siehe  blau. 

blackern,  laut  mit  hellem  Tone  lachen. 

bladdern,  siehe  afbladdern. 

blaffen,  bellen,  husten. 

blaken,  blaken,    de  Lampe  blakat. 

bläken,  blöken. 

blan  (blän),  abblättern ;  von  Futter-  und 
ZuckenTÜben  knickt  man  einzelne 
Blätter  ab,  um  sie  als  Viehfutter 
zu  benutzen.  Dazu  das  Hptw.  Bla, 
das  Abgeblätterte,   wei  futtert  jetzt  Bla. 

blarren,  l.  das  schreiende  Meckern  der 
Ziege.  Neckender  Zuruf:  Edewart, 
de  Zicke  blarrt.  —  2.  das  weinende 
Schreien  der  Kinder,  dat  Kint  blarrt 
ut  füllen  Halse. 

Blesse,  m.  u.  f.,  1.  Bezeichnung  für 
Kühe  und  Pferde  mit  einem  weissen 
Fleck  vor  der  Stirn,  ek  neame  'n 
Blessen  tan  pleun.  —  2.  der  Fleck 
selbst. 

blasen,  blasen.    Schwaches  Ztw. 

Blat,  Blatt,  Zeitung,  ek  hewwet  in  Bla 
leset.    Mz.  Blädder. 

Blanmdiscb,  Blumentisch. 

Blanme,  Blume,  Blüte. 

Blan,  Waschblau. 

blann,  die  Wäsche  blau  färben. 

bleckern,  am  Blech. 

bleik,  bleich. 

Bleike,  Bleiche.^  't  Lennewant  is  op  de 
Bleike. 

bleiken,  bleichen.    Siehe  afbleiken. 

Bleikeplock,  Mz.  Bleikeplöcke,  kurze  den 
Zeltpflöcken  äJmliche  Hölzer,  die  auf 
der  Bleiche  in  die  Erde  geschkigen 
wer  den  j  damit  die  Jjcinewand  daran 
geknüpft  wird. 

Bleikestea,  Platz  zum  Bleichen. 


53 


Bleikewedder,  Wetter  zum  Bleichen. 

Ble*k,  Fleck,  Stelle,  Platz,  hei  hat  'n 
kal  Bleak  opm  Koppe.  Eine  Dienst- 
stelle ist  ein  Bledk.  Ida  hatt'n  gut 
Bleak  —  Ausgehstelle,  wu  geistn  hüte 
Abeot  hen;  hast  wol  kein  Bledk? 

blennen  (bleu),  blenden. 

Blenke,  1.  Gestell  für  Geschirr  und 
Geräte.    2.  hölzernes  Staket. 

blenj,  blutig. 

Bleaiueken,  Blümchen. 

bleoD,  bluten,  hei  bleut  wi  'ü  Swin.  — 
jif  diue  Swester  wat  fou,  süs  bleut 
se't  Harte,  gib  deiner  Schwester  etwas 
ab,  sonst  blutet  ihr  Herz. 

Bii,  Blei. 

bliben  (blibm),  bleiben,  bliwe,  bliifst, 
blifft,  bliwet;  bleif;  eblebben. 

blidrn,  bleiern. 

Blikale  (bllküh),  Bleikugel. 

Blime98eke,  Blaumeise. 

Biinne,  Blinder,  du  kannst  doch  kein  'n 
Blin^D  wat  lüchtn,  du  kannst  mir 
nichts  weis  machen. 

Blinnekau,  Blindekuh. 

blint,  blind,    ue  bliune  Fru. 

bliwerant,  verwirrt;  frz.  bleu-mourant. 

Bliwitf,  Bleiweiss. 

blÖ9,  blöde,  schüchtern. 

blÖekern,  j)oltemd  gehen,  bes.  wenn  man 
durch  schlechten  Weg  dazu  gezwungen 
ist.  hei  is  al  for  Dau  un  Dag  loase- 
blöckert. 

Blofksbareb,  Brocken. 

Blockshorenbareh  (bloksho9rnbarx),  ein 
Hügel  dicht  bei  Eilsdorf.  Man  er- 
zählt sich,  Wendenfrauen  hätten  ihn 
in  ihren  Schürzen  zusammengetragen. 
Wahrscheinlich  eine  alte  Begräbnis^ 
Stätte.  Dieser  Hügelname  kommt  in 
der  Umgegend  noch  einige  Mal  vor. 
Vgl.  auch  in  Sp^rengers  Idiotikon 
Boxhörenschanze. 

blodt,  bloss,  nackt. 

Bio^te,  m.  der  nackte  Hintere,  et  jift 
wat  for'n  Bloatn. 

blastern,  flattern,  mit  den  Flügeln 
schlagen. 

Boa,  Bote;  meistens  nur  in  der  Ver- 
bindung, Postbod. 

boabeo  (b^hn),  oben. 

böekeD,  begatten  und  begatten  lassen. 
de  Zicke  hat  eböcket 

böekHCb,  von  brünstigen  Ziegen  gebraucht; 
nach  dem  Bock  verlangend,  de  Zicke 
is  böcksch. 

Boddo,  Boden, 


Boddnbedeckels,  Bodenbedeckung,  das 
was  gerade  den  Bodeii  eines  Gefässes 
bedeckt. 

Boggel,  Böjjel,  Bügel,  Bogen.  Flitz- 
boggel. 

boldern,  poltern,  rollendes  Getöse  ver- 
ursachen, an  de  Döar  boldern,  an  die 
Tür  klopfen  und  schlageti.  et  junk 
holder  de  bolder,  es  ging  schnell,  pol- 
ternd, alles  durcheinander  werfend. 

Bolder wan,  nicht  federnder  Wagen. 

Boole,  Bohle,  starkes  Brett. 

bÖlken,  schreiend  weinen,  dat  kint  bölket 
'n  ganzen  Dag. 

Boltchen,  Bonbon, 

Boltn,  Bolzen. 

Boltnkop,  Boltsenkop,  Dickkopf y  Schelt- 
wort. 

Bollwark,  Bollwerk,  altes,  baufälliges 
Haus.     Gerumpel. 

bollwarken,  jwltemd  herumwirtschaften. 
hei  bolwarket  ^n  ganzen  Dag  opm 
Bodden  rum. 

BodDi,  Baum;  Mz,  Böomo.  de  kann 
Böama  utritn,  der  ist  sehr  stark. 

böen,  biegen,  bö9,  böest,  bödt;  booch; 
ebödt.  hei  lücht,  dat  sek  de  Balken 
böot. 

hödVLe>u^  glätten,  bohnen  (Wäsche,  Flachs), 

Boond,  Bohne,  nich  de  Boana,  nicht  das 
geringste,  dat  sunt  dine  Boanen  nich, 
das  geht  dich  nichts  an, 

Böanaböttel,  rundes  Holz  zum  Glätten 
des  Flachses  u.  d.  Wäsche. 

Böanastein,  Steiniüatte,  auf  der  der 
Flachs  geglättet  wird. 

Boor,  ».,  Bohrer. 

Borjeniester,  Bürgermeister. 

Borch,  Borg ;  op  Borch  neamen,  borgen. 

Borke,  Rinde,  einen  de  Borke  lüften, 
jemand  verhauen. 

Borm,  Brunnen,    Mz.  Börme. 

Boriuniaker,  Brunnenmacher. 

Bormslink,  Steinfassung  eines  Brunnens, 
aus  dem  das  Wasser  heraufgeiounden 
wird.  Auf  zwei  Gegenseiten  vom 
Slink  liegt  die  Winde. 

Bormwinne,  Brunnenwinde, 

boarn,  bohren. 

böarn,  heben,  tragen. 

Böart,  Wandbrett,  in  alten  Bauernstuben 
in  Reichhöhe  rings  an  der  Wand 
hinlaufend. 

Boertoern,  Bohrturm. 

böese,  böse,  schlimm.  Kinderreim :  biste 
böase,  krup  in  'n  Kease,  biste  wer  gut, 
krup  wer  rut. 


54 


boseln  (hoz^ln)^  im  Sande  imihlen.  de 
Ileunder  boselt  Locker  in  'n  Sant. 

BoHSen,  m.,  Busen,  Raum  zwischen 
Brust  und  Kleidung  bei  Mann  und 
Frau,     stick  dat  Bauk  in  'n  Bossen. 

Bost,  1.  Brust,  for  de  Bost  hebm,  einen 
Luftröhrenkatarrh  haben.  3.  weib- 
liche Brustf  Brüste. 

Bost,  Bürste. 

Bostdaak,  Brusttuch,  ein  ärmelloses 
Wams. 

Böste,  /.,  Bürste. 

Bostkint,  Brustkind, 

hosten,  bürsten,    afböstn,  utböstn. 

Bostn,  Mz.,  1.  Borsten.  Swinebostn 
2  die  Rauhigkeiten  der  Haut,  bes.  der 
Hände,  wenn  sie  durch  Kälte  oder 
Nässe  aufgezwungen  ist. 

Bott,  Gebot,  Gehorsam;  nur  in  der 
Rsa.  kein  Bott  kennen,  nicht  gehorchen, 

bötgen,  (boHJ9n),  den  gereppelten  Flachs 
in  Mengen  von  zwei  Hände  voll  zu- 
sammenbinden. Eine  solche  Menge 
heisst  Bötge  (bo'tJQ).  Zehn  Bötgen 
»ind  ein  Bund. 

Böetel,  der  obere  Teil  des  Schweinebeines. 

Botter.  Butter. 

Botterolaume,  Butterblume,  gelber  Hah- 
nenfuss. 

Botterfat,  Butterfass. 

Botterfoggel,  Schmetterling. 

bottern,  buttern,  Butter  machen,  in 
Drecke  bottern,  im  Schmutz  herum- 
gehen. 

Botterstttcke,  Butterbrot. 

Bottertelder,  Butterteller. 

böwwepst,  Oberst,  hei  is  de  böwwerste, 
er  hat  den  ersten  Platz  in  der  Schule. 

bpp!  halt!    Zuruf  an  Pferde. 

Bra,  /.,  Bratest. 

Brabender,  Brabanter  Pferd;  allg,  jedes 
starke  Pferd. 

Brabeern,  Bratjebeorn,  gebackene  Birnen. 
Siehe  Bratchen. 

Brädejam,  Bräutigam. 

brak,  brach,  unbebaut,  de  Acker  lit 
brak. 

Brake,  Flachsbrache. 

brakeii,  Flachs  mit  der  Brake  bearbeiten, 

Bräm,  Brägen,  Gehirn. 

brammeD  {bram),  weinen. 

Brämpanne,  Schädeldecke,  Schädel. 

bran,  braten,  lat  dek  wat  bran,  ab- 
weisender Ausdruck. 

Bransmalt,  Bratenschmalz,  beim  Braten 
gewonnenes  Fett. 

Bran  stücke,  ein  Stück  Fleisch,  das  gut 
zum  Braten  taugt. 


Brapanne,  Bratpfanne. 

braselicb,  faselig,  vergesslich. 

Bratche  (brät-^fid),  gebackene  Birne. 

Brathärich,  Brathering. 

bratsch,  hei  is  bratsch  hennefallen, 
klatschend  auf  die  Breitseite.  Man 
bildet  auch  wohl  das  Ztw.  henbratschen. 

Bratwostfleiseb,  gehacktes  Schweine- 
fleisch. 

Brauk,  n.,  Bruch,  die  weiten,  zum  Teil 
moorigen  Wiesen,  die  nördlich  vom 
Eilsdorf  am  grossen  Bruchgraben 
zwischen  Bode  und  Ilse  entlang  ziehen. 

Brankhen,  Heu  aus  dem  Bruche. 

Branr,  Bruder.    Mz.  Breure. 

Braarndoebter,  Nichte. 

Branrnsoene,  Neffe. 

Brei,  /.,  l.  Breite  (Ausdehnung).  3. 
Ackerplan  von  grosser  Ausdehnung. 
Reuwebrei,  Amsbrei. 

Breif,  Brief.    Mz.  Breiwe. 

brein,  breiten,  ausbreiten,  henbrein. 
utbrein. 

breit,  breit,  flektiert  brei.  de  breie 
Strate. 

breken  (brfkn),  brechen,  zerbrechen, 
übergeben,  breke,  brickst,  brickt,  bre- 
ket;  broek ;  ebroöken.) 

Brender,  Brenner,  Kaffeeröster,  Lam- 
penbrenner. 

Brenderi,  Brennerei. 

brenderich,  nach  Brand,  brandartig. 
et  rucket  sau  brenderich,  es  riecht, 
als  sei  etwas  verbrannt. 

brennen  (breii)^  brennen.  Imperf,  brenne, 
Partie,  ebrent. 

Brennewin,  Brantwein. 

Brennewinskoscbale,  Brantwein,  in  den 
Brot  oder  Honigkuchen  gebrockt  ist. 

Bret  (brft),  Brett.  Mz.  Bredder,  dativ 
Bre.    de  Kauken  is  hart  wi  'n  Bret. 

Breu,  Brühe,  Sosse.  da  wart  de  Breu 
dürder  wi  de  Bra,  das  verlohnt  sich 
nicht. 

brenn,  brühen. 

Bri,  Brei.  Kartuflfelbri,  is  de  Woche 
forbi. 

bringn,  bringen,  bringe,  bringest,  bringet, 
brochte,  ebrocht. 

Briten  (brltn),  heisser  Wasserdampf. 

britnich,  schwül. 

Bröddel,  Gerumpel,  wertloses  Zeug,  Durch- 
einander,    westf.  bruddel. 

Brönswik,  Brenswik  (brönswik,  brens- 
wlk)y  Braunschweig.  Himmelsrichtung 
Nordwesten,  de  Wint  kummet  fon 
Brönswik. 

brönswiksch,     braunschweigisch.       de 


55 


bröDSwiksche  Ecke,  Nordwesten,  in 
der  brönswikschen  Ecke  etat  de  Je- 
wittcrköppe. 

Broel  (brfft},  Brot.  Mz.  Broe,  dativ 
Broe.  et  wart  alderwechen  Broet 
ebacket,  man  findet  überall  sein  Aus- 
kommen, 

Bro^tko^m,  Boggen. 

Brueber,  Steinbrucharbeiter. 

Brahas,  Brauerei. 

Briijje,  Brücke. 

Bruk,  Brauch. 

braken,  gebrauchen,  nötig  haben,  an- 
wenden, lläufig  ellipt.  in  der  Be- 
deutung: ein  Heilmittel  gebrauchen, 
wat  haste  deniie  bruket? 

BrummkilKe],  Kreisel. 

brummeo  {brum),  brummen;  im  Ge- 
fängnis sitzen. 

Brummer,  grosse  Fliege. 

Brummes e,  Hummel. 

brun,  braun,  'n  brun'n  Rock.  —  se  bat 
ne  brun  un  blau  slan. 

braen  (brü*n),  brauen. 

Braer^  Brauer. 

Braeri,  Brauerei. 

Bruse  (brüZ9),  f.,  1,  Brause  an  der 
Giesskanne,  der  Badeeinrichtung.  2. 
Anschwellung  am  Kopfe  nach  einem 
Stosse  oder  Sturze. 

Brut,  Braut.    Mz.  Brü. 

Brutlii,  Brautleute. 

Ba,  1.  m,  Bau.  2.  n.  Vorwerk,  das  von 
einem  Nachbargute  angelegte  Wirt- 
schaftswerk. 

Bueht,  /.,  durch  Bretter  oder  Latten  von 
einem  Baume  abgetrenntei'  Teil. 

Bttdde,  Harnblase. 

Buddeker,  Böttcher.    Kindervers: 
Büddeker,  Büddeker,  bum  bum  bum! 
Sleit  sine  Fru  in  Huse  rum, 
Jift  sen  Stücke  Keasebroat, 
Sleit  se  mit  der  Küle  doat. 

Bnddel,  kleine,  bauchige  Schnapsfiasche. 
Daneil  stelU  es  zu  huit,  kurzes,  dickes 
Ende. 

buddeln,  trinken,  bes.  Schnaps. 

Bnir,  m.,  Stoss.  de  Zickenbock  bat  mek 
'n  düchtigen  Buff  ejedbm. 

bufTen,  stossen,  puffen. 

Bnflieli,  Stoss.  bei  hat  'n  orntlichen 
Baftich  awekräjjen. 

Buk,  Bauch,  hei  hat  Buk  un  Bak 
(Bücken)  füll. 

buckeru,  unruhig  sein,  unzufrieden,  nicht 
still  sitzen  können. 

Bufkseu,  Hosen.  Verschwindet aümiiMich. 


bucksen,  stehlen,  mausen. 

Bukweida,  Leibschmerzen. 

Bii],  Beutel,  ahd,  butil, 

Bulderlok,  Grab  in  der  Kindersprache. 

buldern,  bibuldern,  1.  begraben,  Erde 
auf  etwas  werfen,  2.  buldern,  Be- 
zeichnung des  Geräusches,  das  bei 
Durchfall  entsteht. 

Buldersoelt,  Bullrichs-Salz,  doppelt- 
kohlensaures Natron.  Volksetymolo- 
gische Umbildung  aus  Buürichs-Salz, 
weil  das  Mittel  durcJischlagend  wirkt. 
Siehe  buldern  2. 

Bule  (tüb),  Beule. 

Biilnmel  (bühmfl),  ein  geringwertiges 
Mehl,  das" beim  Mahlen  nach  dem 
guten  Weizenmehl  und  vor  der  Kleie 
abgeschieden  wird. 

bun,  bauen. 

Bunke,  Schlingel.    Vgl.  Nd.  Kbl.  24. 

Bur,  n.,  Vogelbauer. 

Bure,  m.,  Bauer,  Landmann,  wat  de 
Bure  nich  kent,  dat  f ritte  nich. 

Bure,  Bettüberzug. 

Burjemester,  Bürgermeister. 

Burliase,  Bauernhase,  das  Bauchstück 
vom  Schwein, 

Burhoff,  Bauerhof,  Gut. 

Burjunge,  Burmejen,  ein  Weihnachts- 
gebäck in  Fuppenform. 

Burr^,  Poree,  AUium  porrum.    L. 

Burschinken,  der  zwischen  Schinken 
und  Botel  befindliche  Teil  des  Schweine- 
beins. 

Bnrsse,  Bursche.  Ab  und  zu  hört  man 
auch  schon  Bursche. 

Buschboom,  Buchsbaum. 

Buschen,  die  Leute  vom  Vorwerk,  be- 
sonders die  polnischen  Arbeiter.  Siehe 
Bu. 

Busse,  Büchse. 

Bfite,  Mehlkiste. 

buttewennicb,  auswendig,  aussen,  an 
der  Aussenseite. 

butten,  dr aussen, 

bttttenut,  draussen.  hei  woant  buttnute, 
draussen  vor  dem  Dorfe. 

Butse,  kleines  Zimmer. 

da,  da,  dort ;  bestimmt  Ort,  Zeit,  Grund. 
—  In  unbetonter  Stellung  tritt  für 
älteres  dar  häufig  dar  oder  r  ein. 
Dieses  r  wird  mit  dem  vorhergehenden 
Worte  verbunden.  —  ek  fra  nist  derna 
(ddrnä').    ek  hewwer  doch  nist  von. 

Dacht,  Docht. 

davor  (da'for),  davor,  dafür.  Ellipse: 
hm,  davor,  d.  h  deshalb  ist  mir  nicht 
bange. 


56 


Dag  (d(ix)f  Tag.  —  düsse  Da,  in  diesen 
Tagen ;  dat  hewwek  min  Dag  nich  esein, 
das  habe  ich  mein  Lebtag  nicht  ge- 
sehen ;  on  hcllerlichten  Da,  am  hellen 
Tage. 

Daglohn  (däxh'/n),  Tagelohn. 

Daglöhner  (Wnor),  Tagelöhner. 

Dagsack;  ein  Kind,  das  den  Tag  über 
sich  spielend  ausserhalb  des  Hauses 
umhertreibt,  wird  bei  seiner  Heimkunft 
wohl  so  angeredet. 

Dak  (däk),  Dach. 

Dakdeeker,  Dachdecker. 

Dak-ease,  der  untere  Rand  des  Daches. 
de  Dakeuse  drüppet. 

Dal  (dal),  Ted. 

dal  (däl),  nieder,  sett  dek  dal. 

Dalder  (däldjr),  Taler.  Kinderreim  mit 
entsprechenden  Handbewegungen :  hier 
haste  ^n  Dalder,  geiste  non  Marchte, 
kofst  dek  ne  Kau,  'n  Kälweken  krisle 
tau,  Kälweken  hat  'n  Swänseken,  makt 
didldidldänseken. 

Daleke  (dahkd),  Dohle. 

dalli,  schnell,  antreibender  Zuruf. 

damank,  dermank,  dermanke,  da- 
zwischen, dazugehörig. 

Dämelack,  dämliger  Mensch. 

Damp,  Dampf. 

dam  pich,  1.  dampfig,  voller  Dampf,  in 
de  Küche  isset  sau  dampich.  2.  eng- 
brüstig, kurzatmig,  't  Perd  is  dampich. 

dampen  (dampvj),  dampfen. 

dana,  darna,  derna  (ddrmV),  danach. 
et  is  ok  derna,  es  ist  nicht  viel  wert. 

Dannappel,  Tannenzapfen. 

Daone,  Tanne,  Fichte. 

dannen  (dan),  tannen,  von  Tannenholz. 

Dänseken  (demdkon),  Tänzchen. 

Danz,  Tanz. 

darren  (dar  ),  erzittern,  federn,  et  darrt, 
wenn  man  z.  B.  in  ein  Brett,  das 
keine  feste  Unterlage  hat,  einen  Nagel 
schlügt. 

darop,  darauf. 

Darfseil,  Dardesheim,  sw.  von  Eilsdorf. 

daramme,  darum.  Wenn  Kinder  nicht 
auf  die  Frage:  warum?  antworten 
wollen  oder  können,  so  erwidern  sie 
gern:  weil  därumme. 

darwe,  derb. 

dat,  das,  dass.  In  unbetonter  Stellung 
verkürzt  zu  et  (9t)  oder  't. 

Dat  (dät).  Tat.    op  frischer  Dat,  sogleich. 

datau,  dertan,  dazu. 

Däts  (däts),  Schädel. 

Dan,  Tau,  Feuchtigkeit,  vor  Dau  un  Dag, 
sehr  frühe. 


Dank  m.,  Tuch. 

dann,  tauen. 

dann,  tun;  ek  dau,  du  deist,  hei  deit, 
wei  daut;  ek  dat,  wei  doiu;  edan. 
In  der  abhängigen  Nennform  sagt 
man  daunen  (dau^).  hei  hat  nist  de 
daunen.  —  Die  Bedingungsform  dient 
zur  Bildung  des  Konditionalis  bei 
allen  Zeitwörtern,  ek  deu  no  IIus 
gähn,  went  nich  sau  renen  deu. 

Dans,  As  im  Kartenspiel. 

dansend,  tausend. 

de  (da  und  de),  der,  die;  die  unbetonte 
Form  ist  Geschlechtswort,  die  betonte 
Fürwort.  Der  2.  Fall  fehlt;  das 
Besitzverhältnis  wird  durch  von  oder 
durch  ein  pron,  poss.  ausgedrückt. 
Dat.  u.  Äkkits.  lauten  gleich^  nämlich 
den,  verkürzt  männl.  'n,  loeibl.  de  (da). 
In  selbständiger  Stellung  lautet  3,  und 
4.  Fall  dene  (denj).  —  Der  Akkus. 
'n  steht  auch  vor  den  Namen  der 
Wochentage,     'n  Mandag  vorreise  ek 

de  (do),  zu  vor  abhäng.  Nennformen 
statt  des  betonten  tau. 

deffen,  schlagen,  stossen. 

foT&eieüiliieren,verteidigen,verantworten. 

defren  (cbfre'n),  zufrieden,  lat  ne  midde- 
freu,  lass  ihn  in  Ruhe. 

Deig  (daiyO,  Teig.  —  Sprichwort:  hei 
grient 'wieli  Esel,  de  Deig  efreten  hatt. 

Deigaffe,  Spottname  für  den  Bäcker. 

Dell,  Teil,  Menge,  'n  ganz  Deil,  ziemlich 
viel. 

deilen,  teilen. 

deinen  (dai^),  dienen,  irgendwo  als 
Knecht  oder  Magd  sein,  wat  makt 
denn  Dres?  ~  de  deint.  —  Soldat 
sein  wird  dagegen  mit  der  hd.  Form 
ausgedrückt:  hei  dient. 

Deinst,  Dienst. 

deip,  tief. 

Deirt,  Deir,  Scheltwort  mit  der  Bedeu- 
tung: albernes  Mädcheyi. 

de  Jare,  vergangenes  Jahr. 

dek  (dek),  dir,  dich.  Einige  wenige  Zu- 
gezogene sagen  dik. 

Dele  (de'h),  Diele,  Fussboden. 

dellejen  (debjdn),  schwer  heben ^  mühsam 
etwas  tragen,  delleje  dek  doch  nich 
mit  den  swahren  Korwe  rum. 

delen  (d^ln),  dielen,  mit  Dielen  belegen. 

dempen  (dempm),  dämpfen;  afdempen, 
erwürgen,  die  Kehle  zuschnüren. 

denn,  dann. 

dengeln,  die  Sense  schärfen,  indem  man 
die  Schneide  mit  einem  Hammer  klojjft. 

derngge  (ddrü'ja),  zurück. 


57 


derwedder,  dewedder  (d9ve'd9r),  da- 
wider, dagegen,  ek  hewwe  nist  der- 
wedder. 

des«Iat  (d9Z9lä't),  matt,  ermüdet,  zer- 
schlagen. 

Defsen  (d^s^n)^  Deersheim,  Ortsname. 

deireddern  (dsxejddm),  zuwider,  über- 
drüssig, ek  liewwe  mek  Hmalt  de- 
weddern  ejettn. 

dichte,  dicht. 

diehtebie,  nalie,  dicht  dabei,  da  wird 
in  der  verkürzten  Form  vorweggestellt : 
ek  bin  der  diehtebie;  hei  isser  dieh- 
tebie. 

didlditchen,  in  der  Kindersprache  Nach- 
ahmung der  Tanzmusik, 

Diese],  Tiegel. 

Diel,  Teich. 

Die kde,  Dicke,    twei  Faut  in  de  Dickde. 

dieken,  tilgen,  hei  hat  siene  Schuldn 
edieket. 

diekfellig,  gleichgültig. 

Diiune  f.,  Diemen,  Feimen,  't  Korn  is 
inne  Dimme  feurt. 

din,  dein.    Dat.  Acc.  dienen  (din). 

DiBJ^elken,  kleines  Ding.  Nach  aus- 
lautendem Gaumenlaut  tritt  vor  -ken 
-el. 

Dineelste  (-st^),  Dingelstedt,  südlich  v. 
Eilsdorf, 

Diisda^,  Dinsedag  (dinzedax),  Dienstag. 

Diereks,  Dietrich,  Nachschlüssel. 

Di«cb,  Tisch. 

Discher,  Tischler,  Schreiner. 

disfhern,  tischlern,  schreinern. 

Diefse  (dtS9),  der  am  Spinnrocken  auf- 
gesteckte Flaclis. 

Diefsel,  Distel. 

Diefnenblad,  bunt  bedruckte  Pappe,  die 
um  den  Flachs  am  Spinnrocken  ge- 
tcickelt  wird,  um  ihn  zusammen- 
zuhalten. 

diwweni,  lebhaft  beraten,  unterhalten. 

Doehter.  Tochter. 

Döehterken  (d&nprksn),  Töchterchen. 

dof  (diff),  taub;  ohne  Frucht.  —  op 
doben  (dtTbin)  Dunst,  aufs  Geratewohl. 

doj  (diTyJ,  tot. 

Doie  (dÖ'JQ),  Tote,    da  ligget  de  Dojen. 

doli,  toll,    et  is  tan  doli  weren. 

dolmern,  hastig  arbeiten  mit  der  Neigung 
zur  Oberflächlichkeit.  hei  dulmert 
wat  drop  los. 

dornen  (do'm),  blaken,  rauchen,  de 
Lampe  dornet. 

dön  (do'n),  taugen  (dö9,  doxst,  doxt, 
dißat;  doxt»;  adaet). 

Don  (dö'n),  Tonerde. 


Dönder,  Donner. 

Dönderbohne,  Donnerbohne,  grosse  Fett- 
henne, Sedum  telephium.  —  Junge 
Mädchen  legen  ein  Blatt  dieser 
Pflanze  in  den  Schuh  und  meinen, 
der  Bursche,  der  ihnen  zuerst  begegnet, 
werde  ihr  Bräutigam 

Dönderda^f  Donnerstag. 

döndern,  donnern. 

den,  done  (dö^no),  da,  darauf. 

dönen  (do^n),  dröhnen,  et  dönt  dorch 
de  Knoken. 

Donfra  (difnfrü),  Leichenwäscherin. 

Donsränrer,  Totengräber. 

Donkopp,  Totenkop,  Schädel. 

Donknnle,  Ton^M^e. 

dÖDSch  (dö*n.H),  beschränkt,  dumm. 

Dop ;  nur  in  den  beiden  Bedeutungen 
Obertasse  (Tassendop)  und  Eischale 
(Eidop)  gebräuchlich. 

Dope  (dü^p»),  Taufe. 

Döpewater,  Taufwasser,  dat  hatt'e  mit 
'n  Döpewater  ekreggcn,  das  hat  er 
von  Anfang  an. 

dopen  (do^pm)y  taufen  (döl'p?,  dofst, 
dö*p9t;  dof  19;  ddoft  und  9do'p9t). 

döppen  (döinn),  afdöppeo,  u)ie  eine  Ei- 
schale abheben ;  z.  B.  wird  der  Schorf 
von  einer  eitrigen  Wunde  awedöppet. 

Dor  (dö'r),  Trespe,  Bromus  secalinus, 
ein  Unkraut  im  Flachs. 

Dop,  Tor,  Hoftor. 

DÖr,  Tür.  Kinderreim:  Witkop  (od. 
Jakob),  fritt  de  Kese  op,  mak  de  Dur 
tau,  meck  frürt  sau. 

doreb,  durch. 

Dorehfall,  Durchfall. 

dorehsien,  durchseihen. 

Dorchsla^,  Durchschlag. 

Dorn  (diTrn),  Dorn,  Stachel. 

&ÖTn(dd'rn),  dürfen  (doy9,  dö'rst,  dö'rt; 
dorst9,  dorstn;  9dorst). 

Dörp,  Dorf.  Die  älteste  Strasse  des 
Dorfes,  an  der  ursprünglich  die  An- 
siedlungen  entstanden,  heisst  kurz 
\  Dörp.  hei  wohnt  in  Dörpe  {in  der 
Dorfhauptstrasse),  wei  gaht  dorchet 
Dörp. 

Dortehen  (d<yrtx9n),  Dorothee. 

Dorweg  (dffrwfxh  n.,  Tor,  sowohl  die 
Toröffnung,  die  Durchfahrt,  als  auch 
das  Tor  aus  Holz  oder  Eisen,  in'n 
Dorwe  (difrve)  stahn.  't  Dorweg 
opmaken. 

Döschefläre,  Döscbfläre,  Dreschflegel. 

döschen,  dreschen. 

DÖHcher,  Drescher,  de  fritt  wie'n  Schep- 
peldöscher. 


58 


Döst^  Durst. 

döstig  (döstix),  durstig, 

Dot  (dö't)y  Tod, 

dote  (d(ftd)f  tot,  siehe  doj. 

dotstarbenskrank  (d&'tstarbimkraisik), 
todkrank. 

dtfwe  Nette],  Taubnessel,  Lamium, 

Döwwer,  Täuberich.  Worts2)i€l:  de 
dicke  Düwwer  draug  de  dicke  Duwe 
dorch  den  deipen  Dreck;  da  dank  de 
dicke  Duwe  den  dicken  Duwwer,  dat 
de  dicke  Döwwer  de  dicke  Duwe 
dorch  den  deipen  Dreck  draug. 

Dra,  Trage,  Gestell  zum  Tragen.  Mefs- 
dra,  Kaukendra,  Reuwedra. 

drabeii  (dräbm),  traben. 

Dracht,  Tracit.  ne  Dracht  Water,  eine 
Traglast  Wasser;  ne  Dracht  krien, 
Prügel  bekommen. 

Dragkorf,  Tragekorb  (auf  dem  Racken 
zu  tragen) 

Dragstrick,  Strick,  Tragband  am  Trage- 
korb. 

Drake,  /.,  Drachen,  scherzhaftes  Schelt- 
wort für  Mädchen, 

dralle,  schnell,  flink,  ek  mot  dralle 
maken. 

drammarsen  (dram-ärz9n),  peinigen, 
quälen:  Wenn  ein  Kind  die  Mutter 
an  der  Schürze  zieht,  damit  sie  mit 
ihm  gehe,  so  sagt  sie  wohl  no,  saun 
drammarsen. 

dran,  (drän),  tragen  (ek  drä,  d.  drerfßt, 
h.  dr^,  wai  drät;  ek  draux,  wai 
droin;  odrän). 

drane,  dran,  daran;  in  Zusammen- 
setzungen dran. 

Drap,  Trab,  op  en  (opm)  Drap  bringen, 
wegjagen,  auszanken,  make  drap,  be- 
eile dich. 

dräpen  (drfpin),  treffen  (drfpe,  drüpdst, 
drüpdt,  drfpdt;  drö'p,  dr(fpin; 
ddrö^pm), 

Drär,  Drajer,  Träger,  Leichenträger. 

Drär^chörte,  Schürze  mit  Tragbändern. 

Dräsen,  Ladentisch. 

drann,  drohen 

Draus,  Pferdekrankheit, 

Drewet  (dr^wH),  Dreifuss. 

dreharig,  widersprechend,  trotzig. 

dreiD,  sw.,  drehen. 

drein,  trügen,  täuschen,  (drai,  drüxst, 
drüxt,  drait;  drö^x,  drÖ'n ;  sdri^n). 
dat  drücht  höllisch. 

drecklich,  dreckig^  schmutzig. 

Dreien  (dr^ln),  n,  Drell,  Drillich. 

dreien,  aus  Drillich,  twei  dreien 
Ilandeuker. 


Dres  (dr^s),  Andreas. 
Dresler  (dresl^r),  Drechsler. 
dresHeln,  drechseln. 

dreweseh  (dr^v9s),  dreist,  keck,   unver- 
froren. 
driben    (dribin),   treiben    (drlva,    drifst, 

drift,  driv9t;  draif  drebm;  ddrebm). 
Dribenkiel,  frecher  Junae. ' 
Dridde,  Dritte,    'n  Dridden  afslan,  den 

Dritten  abschlagen,  Spiel. 
driddehalf,  drittehalb. 
Dridderat,  Gewebe,  Stoff, 
dridderatscb,  aus  Dridderat, 
Drifft,  Trift,  schmaler  Grasweg  zwischen 

Äckern, 
drillen,  mit  der  Maschine  säen, 
drinken,      trinken      (driakd;      drujdk; 

ddruidkBn), 
Drier,  Dreier. 
drierlei,  dreierlei. 
driscbakeln,  quälen. 
Drischar,  dreischäriger  Pflug. 
driste  (drist9),  dreist. 
drifteine,  dreizehn. 
drittieb,  dreissig. 
driwweliern,  ungeduldig  und  anhaltend 

etwas  fordern. 
Driwer,  Treiber. 
dröe  (dro*),  trocken,    de  Kau  steit  dröe, 

die  Kuh  hat  keine  Milch. 
droben  (dröbin),  drüben. 
droj  (droW  trocken. 
Dröjnis,  Trockenheit. 
Drom  (drö'm),  Traum. 
Drömeker,  Träumer. 
drÖmekich,  träumerisch,  schläfrig, 
drömmen  (dr&iii),  träumen. 
dröen  (dro^n)^" trocknen. 
dröhnen  (dro^i^),  dröhnen. 
dröwwer,  drüber. 
Dräfel,  Traube. 
Draft,  Trieb,  Antrieb,  Druck,     ek  mot 

emal  Druft  derhinder  bringen. 
Drümpel,  m.,  Häufchen,  bes.  Kot. 
drnnder,  drunter,  dröwwer  un  drunder. 
Drnnk,  Trunk,  Trank. 
drüppeln,  tröpfeln. 
Drappen  (druptn),  Tropfen, 
drttppen  (drüpm),  tropfen. 
Driippe,  /.,  Tropfen, 
drnsseln    (druzaln),    im    Zulande    des 

Einschlafens    sein,    hindämmern,     ek 

war  inedrusselt. 
Drofsen  (drüs9n);  hei  is  in  Drufsen,  er 

ist  ohne  Bewusstsein.    ek  hewwene  in 

Drufsen  oslan. 
Druwe,  Traube,     Wie  mir  scheint,  nicht 

so  häufig  gebraucM  wie  Drüfel. 


59 


dttf  pers.  Fürtüort ;  abgeschwächt  dd,  das 
nach  auslautendem  Zahnlaut  mit  die- 
sem zusammengezogeti  wird,  haste, 
hast  du;  bringeste,  bringst  du. 

dächti/i;,  tüchtig^  sehr,  in  hohem  blasse. 
den  hat  hei  düchtig  anoführt. 

Daddel;  io  'n  Duddl  sin,  betrunken  sein. 

dadeln,  missfäüige  Bezeichnung  des 
Drehorgelspielens,  des  Bingens  u.  ä 

Dtdelsaek,  Dudelsack. 

doffen,  stossen,  knuffen. 

docken,  1.  tauchen,  hei  hat  ohne 
ducket  —  2.  niederkauern,  bücken. 
de  Hase  ducket  sek. 

ducknackieh,  gebeugt^  mit  vorgeneigtem 
Kopf. 

Dskser  (duk-s9r),  Sperling.  Vgl.  Nd, 
Kbl.  27  f, 

dall,  1.  toll  'n  duln  Hand.  —  2.  ärger- 
lich,   ek  bin  sau  dull.    Siehe  doli. 

dalder,  toller. 

Dallworn ;  hei  is  wie  von  DuUworm 
besetn  (bdzfiii),  er  ist  närrisch. 

Oiihme,  kleiner  Eisenzapfen,  der  das 
seitliche  Abgleiten  der  Wagenhort 
verhindert. 

Damen  (dum),  Daumefi, 

Dttuling,  Däumling  im  Handschuh. 
Vgl.  Fautliog. 

dumm  un  alwern,  Verstärkung  von  dumm. 
hier  hindern  Oben  wart  'n  dumm  un 
alwern. 

Dnmmbiihl,  Dummbeutel,  hei  hat  wat  mit 
'n  Dummbühl  ekreggen,  er  ist  be- 
schränkt. 

dämme  komen  (kö*m),  dumm  kommen, 
frech  antworten,  patzig  widersprechen. 

Dummerjan,  Dummkopf 

damp,  dumpf. 

dobn,  betrunken. 

doon,  da,  dann. 

dahi,  deuten, 

DoDderkiel,  Donnerkeil,  Ausruf  des 
Erstaunens. 

Donderwäder,  -wedder,  J.  Ausruf  des 
Erstaunens,  2.  Fluch,  Ausdruck  des 
Unwillens. 

Dihne.  Daune. 

Dinneje,  Schläfe. 

Djhp,  Dauer. 

diihp,  teuer.  —  dühre  Tit,  Teuerung, 
gebräuchlich  in  der  Redensart  wie  de 
dühre  Tit  trecken,  langsam  gehen. 

duhrn,  dauern,  wahren, 

diihrn,  dauern,  betrüben. 

dfise  (düz9),  dieser,  diese. 

dügflig  (düz9lix),  schwankend,  schwind- 
Ug,  taumelig. 


Diiseldier,  Schimpfwort:  dummer  Mensch, 

Dunelkop  (duz9tkop),  unaufmerksamer 
Mensch. 

dii bsein,  drehen^  kreisen. 

dahseln,  dusseln  (duzdlh),  träumerisch 
sein. 

dusend  (düz?nt),  tausend. 

düster,  dunkel,  finster. 

dät,  dieses 

Dutten,  m.,  kleiner  Knäuel  Haare,  Fäden 
u.  dgl.  in  dutten  sien,  entzwei  sein. 
de  Tasse  is  in  dutten. 

Dnts,  Dutzend. 

diitHch  (düts),  deutsch. 

Diitscbe,  Deutscher,  'n  ölen  Dütschen, 
ein  Mensch,  der  nicht  viel  Formen 
macht,  der  geradeaus  sagt  und  tut, 
wie  ers  meint, 

Diitsehland,  Deutschland. 

Dawe.  Taube. 

Däwel,  Teufel,  —  Von  einer  zank- 
süchtigen Frau  sagt  man:  de  hat  'n 
Düwel  barwet  lopeu  sein.  Leute,  die 
abends  ausgelassen  sind,  werden  ge- 
warnt: wer  et  abends  piepet,  den 
danzt  de  Düwel  op  en  Dake. 

dnwwelt,  doppelt. 

eben  (ebm),  eben,  flach,  gerade;  jetzt. 
ek  bin  eben  ekomcn;  dat  mein  ek  eben. 

ebensau,  ebenso. 

£ido»,  halbleere  Eierschale. 

Eierkanken,  Eierkuchen. 

Eiiei  m.,   liebkosendes   Backenstreicheln. 

eyein,  die  Backen  streicheln. 

Elke,  Eiche. 

Elken,  kleines  Ei. 

eiken,  eichen,  aus  Eichenholz, 

eiken,  eichen,  abmessen. 

einder,  jemand,  man,  irgend  jemand. 
da  kann  einder  nist  bie  wem;  —  da 
kummet  einder. 

eine,  Zahlw.  eins;  adjektivisch  ein. 

eins,  einig,  in  Freundschaft,  se  sunt 
war  eins. 

eifj  eher. 

eisich,  schaurig,  in  Holte  wart  sau  eisich. 

ek  (ek),  ich.  Das  e  fällt  nach  vokalisch 
auslautenden  Wörtern  meistens  aus. 
dat  dau^k  nich.  Dat.  u.  Akkus,  mek. 
—  Eilsdorf  liegt  an  der  Nordgrenze 
des  ek- Gebietes. 

Ecker,  Eckere,  'Eichel,  hei  mot  Eckern 
bekennen,  er  muss  Farbe  bekennen. 
Vom  Kartenspiel. 

eck»;  öwwer  ecks,  von  Ecke  zu  Ecke, 
in  Diagonalrichtung. 

Eckse,  Axt. 

Eider u.  Eitern. 


60 


Ellenboe  {elnhff),  Kllenhogen. 

Emme  /".,  der  Uolzteily  der  im  Wagen- 
gesiell  auf  dem  Assfutter  den  Vorder- 
Wagens  unte^  dem  Weschemel  hegt. 

Emmer,  Eimer. 

en  (9n),  ein ;  oft  verkiirzt  zu  'n.  Weibl. 
ne.    'n  Mann,  'ne  Fru. 

enaag  (enaux),  naug,  genug. 

Enke  m ,  Kleinknecfit,  Iferjiejunge. 

Enkel,  Fussknöchel. 

Enne,  Ende,  Ausgang,  et  geit  de  Enue. 
—  Stück,  Teil,    'n  Enne  Wost. 

entelii  (enteln),  einzeln. 

entwei,  entzwei.  Nicht  so  häufig  wie 
kaput. 

ehr  (e^r),  eher. 

Ere  (^r9),  Erde,  1.  Erdboden.  3.  Erd- 
kugel. S.  der  Fussboden.  't  Mest  is 
ane  Ere  falln. 

erfinnen  (erfifj),  erfinden, 

ehrgistern  (^rjistdrn),  vorgestern. 

erkunnijeD,  erkundigen. 

ehrn  (^m),  irden.    *n  ehrn  Pot. 

Ehp^  (^rn)  /*.,  Ernte. 

ehrn,  ernten  (ek  ^rnd,  ek  hewa  e'rnt). 

Ehrn8t,  Ernst,    hei  ma]|:e  Ehrnst. 

ehrnst,  ernst. 

erstan  (^rst-än),  anfangs,  in  de  erst, 
anfänglich,  nächste  Woche  de  ersten 
Da,  Anfang  nächster  Woche. 

Ertnot  ((TrtnÖ'tJy  Erdnuss, 

eMchern,  af-eschern,  abquälen,  durch 
Laufen  abmatten, 

Esel  (ez9l),  Esel. 

Esige  (f'zijd),  grosse  Menge. 

et  (9t),  es. 

Ete waren,  Esswaren, 

eten  (Hn).  essen  (ek  el9,  du  itst;  vat  et; 
ek  ät,  vai  ailii;  9Jetn), 

Etter,  Eiter, 

etterig,  eiterig,    siehe  unferig. 

eaben  (qibm),  üben,    ut-euben,  verüben. 

Euse,  Öse/  siehe  Neuseke. 

Euwer,  Ufer, 

Ewer,  Eber, 

ewig  (ewix),  cmig.  dat  duhrt  ewig  nn 
drei  Da,  d.  h.  sehr  lange. 

fackeln,  zögern,  scherzen,  erdichten,  hei 
fackelt  nich  lange,  sondern  macht  Ernst, 

Vader,  Vater,    siehe  Var. 

Vaddcr,  1,  Gevatter,  Pate.  Vadder  stahn, 
Vate  sein.  —  2.  scherzhafte  tadelnde 
Bezeichnung,  du  bist  mek  en  schönen 
Vadder.  —   Veraltet  ist  Yaddersmann. 

Fäddere,  Fede^; 

Vaddernbreif,  Vateneinladungskarte. 

Vaddersche,  Gevatterin, 

fafteine,  fünfzehn. 


Päjer,  ungeschlachtery  starker  Mensch. 
Fat  (fäk),  Fach;  im  besondern  der  von 

der  Tenne  durch  eine  brusthohe  Wand 

getrennte  Raum,  der  zum  Aufbewahren 

des  Strohes  dient,    smiet  dat  Stroe  int 

Fak.  —  Desgleichen  der  Raum  zwischen 

den  Balken  einer   Wand  (Fachtoerk). 

Daher  die  Redensart  under   Dak   un 

Fak  sien. 
Fakstein,     Sandsteinplatie,    womit    ein 

„Fak"  ausgefi'dü  wird. 
Fakwand,  Hauswand  mit  Fachwerk. 
fämen  (ffm),  fädeln. 
Famt  (fänlt),  Faden. 
Var  (fdr),   Vater.     Veraltete  Zusammen- 

Ziehung  aus   Vader. 
var-    (far),    Vorsilbe    ver    in    wenigen 

Wörtern,  z.  B.  vardammt,  varflucht. 
färben  (farbin),  färben. 
Farken,  Ferkel. 
Färnits,  Firnis. 
Farwe,  Farbe,  Färberei. 
faseln,  gedankenlos  sein,  träumen. 
Fasselabend  (fas9lahmt),  Fastnacht. 
Fat  (fät),  Fass;  itf-f/Fäte. 
Fatbinder,  Fassbinder,  Böttcher,  de  löpt 

wie  'n  Fatbinder. 
Fatbotter,  Fassbutter,  Margarine. 
faten  (fäln),  fassen.   —   sek  faten,  mit 

jemand    ringen,    die    Kräfte    messen. 

hei  hat  sek  mit  mek  efat. 
Fats;  nich  en  Fats,  nich  das  Geringste. 
Fäts  (ffts),  Getue,  Gerede. 
Faalenzia,  Influenza, 
Faure,  Fuhre. 
Faarlfi,  Fuhrleute. 
Fanrmann,  Fuhrmann. 
Fant,  Fuss,  Körperteil  und  Mass.  öwwer 

'n  Faut  mit  einen  spannen,  sich  mit 

jemand  erzürnen. 
Fautling,  Fentling,  der  TeildesStrximiyfes, 

der  den  Fuss  bedeckt. 
fei,  schüchtern,  verzagt,  as.  fegi. 
Fei,  Vieh. 
veire,  vier, 
vel  (f^l),  viel. 
Felje,  Radfelge. 
velmals,   viele   Male,   oft,    ji    solln   ok 

velmals  bedanket  sien. 
Feld,    Feld,     in   Felle,    im    Felde.    ~ 

öwwer  Feld  sien,  verreist  sein, 
Veltn,  Veitheim. 
fengen,  fangen  (ek  feng»;  ek  fonk,  vai 

foB9n;  9f€B9t  statt  älterem  dfo^9n). 
vere  (ff^re) ;  sülf  vcre,  selb  viert. 
verteine  (f<frtain9),  vierzehn. 
vertel  (fcrtl),  viertel. 
Fese  (fez9),^  Faser. 


61 


feste,  ftit,    slag  feste. 

Vetter,  Yeiief;  die  gewöhnliche  Anrede 
für  Herr.  *n  Dag,  Vetter  I  —  da  kummet 
Vetter  Kruse.  —  Anverwandter,  Onkel. 
ek  will  usen  Vetter  beseuken.  Vgl. 
Wesche. 

feuln,  fühlen. 

Fenre,  Furche. 

fearn,  fahren. 

Featliog;  siehe  Fautling. 

Fewerwar  (fe/w9rvär)y  Februar. 

Ficke,  Tasche.  Fickenfeulders  kriet  Ohr- 
fien. 

fiekfaekeo,  necken,  unnütze  Dinge  treiben. 

Fickfaekerie,  Neckerei,  Getändel. 

fidipse,  besonders  in  der  Verbindung 
hunneiidipse  als  Antwort  auf  Bitten, 
die  man  nicht  erfüllen  toill  oder  auf 
neugierige  Fragen.  Hauptsächlich  in 
der  Kindersprache. 

Fiddel  (fidl),  Fiedel 

fiddelD,  fiedeln. 

Fidler  (fid^lfr),  meist  in  der  Verbindung 
UoDnefldler,  Hundekäufer;  eigentlich 
Schinder,    zu  filln,  das  Fell  abziehen. 

fif,  fünf,  veraltet. 

Vijaule,   Veilchen,  Viola. 

Vijjeline,  Geige,  Violine. 

Vijjelinenstriker,  eigentl.  Geigenspieler; 
bezeichnet  einen  Menschen,  der  sich 
durch    listige    'Täuschungen    um    die 

.  Arbeit  su  drücken  sucht. 

Fiken,  Sophie. 

Filderkuhle,  die  Grube,  in  der  toten 
Tieren  das  Fell  abgezogen  wurde. 

File,  Feile. 

ftlen,  feilen. 

fillD,  affilln,  das  Fell,  die  Haut  ver- 
letzen, abschaben,  ek  hewwe  mek  et 
Knie  awefillt. 

IId,  fein. 

Finne,  Geschwür  am  Augenlide,  sogen, 
Gerstenkorn. 

finnen  (fifj),  finden  (ek  fin9,  du  finst,  hai 
fint,  vai  fint ;  ek  funt,  vai  fuii ;  dfuy.). 

Fint  (fint),  Feind,    selten. 

Fir,  Feier. 

firen,  feiern. 

Fisematenten,  Faxen,  nicJUige  Dinge. 

Figeln,  Faser chen. 

Fittehen,  Ftügel,  Fittich,  'n  Fittchen 
hebben  (heljp),  nicht  gescheit  sein, 

fittehen,  mit  einem  VogelfiUich  fegen. 

fit-fit  (fit),  Lockruf  für  Enten.  In  der 
Kindersprache  Bezeichnung  der  Enten. 

Fiteken,  Fitjeken,  Entchen. 

Vizebohne  (flts^bffn?),  Stangenbohne, 
Vietsbohne,  Phaseolus  vulgaris  L. 


Fitsken  n.,  wenig,  ein  bisschen. 

Fiwer,  Fieber. 

Flädderfittchen,  Fädderiittehen,  Fädder- 
flitchen,  Vogelfittich,  der  zum  Fegen 
benutzt  wird,  Flederwisch. 

Fläddermns,  Fledermaus. 

fladdrieh,  flattrig,  lappig. 

Fläre,  /.,  Dreschflegel. 

Flarn,  m.,  grosses,  dickes  und  unge- 
schickt geschnittenes  Stück  Brot. 

Flass,  m.,  Flachs. 

Flasskan,  Vorrichtung  zum  Zerkauen 
der  Flachsstengel.  Sie  hat  eiserne 
Kauleisten,  die  Brake  dagegen  hölzerne. 

Fiats,  arober,  ungeschliffener  Mensch. 

Flat'tscnen,  breite,  formlose  Masse. 

flätsen,  sich  räkeln,  wie  ein  Fiats  be- 
nehmen,   hei  fiätset  sek  oppet  Sofa. 

Flaamen  (fiaum),  Bauchfett, 

Flei,  Fliege. 

flein,  fliegen  (ekflai,  duflü^st,  vaiflait; 
ek  fllfx,  vai  flifn ;  9fl(fn). 

Fleinnnepper,  Fliegenschnäpper,  Mus- 
cicapa  grisola, 

Fleit;  nur  in  der  Redensart. •  dat  Mest 
snitt  wie  'n  Fleit,  d.  h.  es  ist  sehr 
scharf. 

Fleitje,  Flöte ;  nur  in  dem  Kinderverse : 
Kumpel,  rumpel,  reitje,  Schaper  hat 
ne  Kleitje,  Schaper  hat  ^n  Dudolsack, 
Dudelt  usen  Kinne  wat.  —  Vgl. 
Fleutje. 

fleitn,  fliessen  (et  flüt;  fliTt;  9fl(ft{i).  — 
de  Snnte  fleitn  hebben,  vorlaut  sein, 
zwischenreden,  prahlen,  sich  mit  Wor- 
ten vermessen. 

flennen,  (flen),  weinen, 

Fleutje,  Pfeife  (zum  Pfeifen). 

flentjen,  mit  dem  Munde  pfeifen. 

fliestern,  flüstern. 

flieticli,  fUissig;  vom  Hd.fast  verdrängt. 

flitchen,  mit  den  Flügeln  schlagen. 

Flitsbog^el,  Bogen  zum  Schiessen,  frz. 
fleche. 

flitsen,  eilen,  laufen. 

Flöe  Cflö'),  f.  u.  m.,  Floh. 

¥  1  «ggel ,  Mühlenflügel. 

flöen,  Flöhe  fangen. 

Flöenkrnt,  Flohknöterich,  Polygonum 
persicaria.  Bote  Flecke  auf  den 
Blättern  'dieser  Pflanze  deutet  man 
als  Spuren  dtr  Jungfrau  Maria. 

Flöte,  (flöU^),  Flöte.    Bdsa.  flöten  gähn. 

Flöte,  Botterflöte,  eine  hölzerne  flache 
Schaufel,  mit  der  die  Butter  aus  dem 
Butterfass  genommen  wid  in  die  But- 
terform (pundsnap)  gedrückt  wird. 


62 


Flüebter,  Feldtauben -,   Tauben,  die  den 

Bof  verlassen  und  umherschweifen. 
Utiebten,  fliehen. 
Flüctatchen,    der  aus   einer  Zwecke  und 

einem  Läppchen   hergestellte    Schiess- 

bolsen  für  das  Blasrohr  (Pusterohr). 
fluschen,   schnell  von  statten  gehn.    da 

fluschet  de  Arbeit. 
foddern,  föddern,  fordern. 
MU  (foft9)y  fünfte,  selten. 
fofteine,  fünfzehn,  häufiger  ist  fafteine. 
Foeken,   m.,   grosses   Stück  Brot,    hast 

dek    en    schöuen  Pocken    awesuedn 

(äwQsnedn).     Synon.  Flarn,   Kniewel. 
Fole  (f(fl9),  Falte;  meistens   beschränkt 

auf  die  Bedeutung  Stirnfalte,  während 

sonst  die  hd.   Form  gebraucht  wird; 

z.  B.  Faltnstäwwel. 
folgen,  folgen.  —  hei  hat  efolget,  er  ist 

dem  Sarge  als  Leidtragender  gefolgt. 
folen  (fö'ln),  falten,     de  Hanne  folen, 

die  Hände  falten. 
Füllen  (föln),  Fohlen. 
Fomilich,  Familie. 
fon-eer,  fon-eir,  wann. 
foppen  (fopm),  foppen,  necken. 
fop    (mit    kurzem    o),    1.   für.    2.    vor. 

3.  Vorsilbe  ver-, 
vorbellen,  verstauchen 
vorbi,  vorbei. 

vorbimmesen,  verhauen,   durchprügeln. 
vorbomjacken,  verprügeln. 
forcht-  (foryj),  vorig-,  forchtn  Mandag, 

am  vorigen  Montag. 
vordarben  (fordarbm),  verderben. 
Vordarf,  Verderb,    'dat  is  sien  Vordarf, 
vordeinen  (-deiri),  verdienen. 
Vordeinst,  Verdienst. 
vordeawelt,  verteufelt. 
Vordrag,       Vertragen,     Einvernehmen, 

Friede,    et  is  kein  Vordrag  zwischen 

den  beiden. 
vordran,  vertragen. 
vordreitn,  verdriessen  (dt  fordrüt;   for- 

drift;  fordrÖ'lfi). 
Vorein,  Verein. 
vorändern,    verändern;  sek  vorändern, 

lieiraten. 
yorfehrn,  ei'schrecken. 
vorfreirn,  erfrieren. 
vorführen,  1.  verführen.     2.  vollführen, 

ausführen,    se  het  'n  höllischen  Lärm 

forführt. 
Vorgang  (forjdiak),  m..    Vergehen,  Ver- 
minderung,     on    düsen   Tue   is  kein 

Vorgang, 
vorjetn,  vergessen. 
vorjettern,  vergesslich. 


Vorgliek,  Vergleich. 

vorglieken,  vergleichen. 

vorgröttern,  vergrösser n. 

vorhalen,  erholen,  ausruhen. 

Vorhimme,  Vorhemd. 

vorholen  (forhif'ln),  aushalten,  ertragen. 
hei  kann  wat  vorholen. 

vorholen,  vorhalten,  z.  B.  die  Leine  vor 
die  Brautkutsche,  um  ein  Geschenk  zu 
erhalten. 

Vorkarre,  Vorkarre,  Karren  vor  dem 
Pfluge.    Siehe  Vortuch. 

Forke,  Gabel  zum  Heu-  und  Stroh- 
aufladen. 

vorketteln,  an  der  Brennessel  verbrennen. 

vorknnsen,  jem.  leiden  können,  ek  kan 
ne  nich  vorknusen. 

vorklahn,  verklagen,  scherzhaft:  einen 
Torklahn,  die  Notdurft  verrichten. 

vorklomen  (forklifm),  erstarren,  't  Küken 
is  in  de  Külle  ganz  vorklomet. 

Vorko»,    Vorderschädel,  Stirn. 

vorkiillen  (-küln),  erkälten. 

Vorlat,  m.,  Verlass.  et  is  kein  Vorlat 
op  'ne,  er  ist  nicht  verlässlich. 

forleif,  fürlieb. 

vorleirn,  verlieren  (ai,  ü;  ö,  ö ;  ö). 

verloben  (-lö'bin),  Erlaubnis  holen,  ek 
hewwe  mek  ut  de  Schaute  vorlöwet. 

vormann  Nien,  vermuten,  erwarten,  ek 
bin  mek  wat  vormaun. 

formest  (-mifst),  famos,  spassig. 

vormiinderu,  ermuntern,  munter  werden. 

vorprnsten,  verschnaufen. 

vorqnasen,   vergeuden,  verschwenden. 

vor q atmen  (forkwlm),  verrieclien,  den 
Geruch  verlieren. 

Vorak  (f(frak),  m.,  der  bei  der  Flachs- 
zurichtung vor  der  Hede  entstehende 
Abfall. 

vorrnngenieren,  ruinieren. 

voröwweln,  verübeln. 

vorrnken,  verriechen;  verdrängt  jetzt 
das  äUere  vorquimen. 

forsch,  stark,  kräftig. 

verschalen,  mit  Schalhölzen  bedecken. 

Forsche,  Kraft. 

vorschÜDnen,  (-^ün),  verhetzen,  verfüh- 
ren, veranlassen,  etwas  unrechtes  zu  tun. 

vorschiitten,  (förmin),  aussperren  durch 
verriegeln  der  Tür. 

Forst,  First. 

vorstabn^  verstellen. 

vorstännig,  verständig. 

vorstöhrt,  verstört. 

Forstweg,  Firstweg;  der  Weg,  der  auf 
dem  Kamme  des  Huys  entlang  geht. 

Forswint,  Hautausschlag. 


fohrt  (/ö*ry,  fort 

forteilen,  erzählen, 

Tortehren,  verzehren. 

Vortl.    Vorteil,  Nutzen. 

vortobftfken,  verhauen. 

vortreeken,  verziehen.  Reuwe  vor- 
trecken, unter  den  jungen  Buben- 
pflanzen  die  schwachen  wegnehmen, 
sodass  die  kräftigen  noch  besser  ge- 
deihen können. 

Vortiig  (förtüx),  Gestell  mit  zwei  Bädern 
vor  dem  Pfluge. 

vorammesiis,  umsonst. 

vorat,  voraus,    in  vörut,  im  voraus. 

vor  weit,  umgewandt.  Meist  nur  in  der 
Bdsa.:  krist  wat  mit  de  Vorwente,  du 
bekommst  was  mit  dem  Handrucken. 

vorwogen  (-vo'yn),  übermütig,  keck. 

Fortz,  Bauchwind. 

Fos8,  Fuchs;  Verräter. 

losrli  (f(f^),  unpass,  unlustig,  faul,  ek 
bin  sau  fosch  —  et  Holt  is  all  fosch, 
etwas  angefault. 

fossen,  angeben,  verraten. 

fossig,  fuchsig. 

Fossswanz,  Angeber. 

Fotze,    Vulva. 

Fra,  Frage. 

Frähmte,  1.  Wermut,  Ärtemisia  absin- 
thium.    2.   Wertnutschnaps. 

fr  ahn,  fragen. 

fransen,  ringen,  balgen. 

Franjen,  Fransen. 

Fre  (frf^),  Friede.    Fre  holen. 

freirn,  frieren. 

Frese  (fr^zd),  HalRfrene,  Halsschmuck 
nus  Bändern. 

frete  (fre't»),  hübsch  herangewachsen. 

freien  (Jrfltj),  fressen. 

Fretsaek  (frft-),  Vielesser. 

fren,  früh. 

Frenjahr,  Frühling. 

frentietlieh,  frühzeitig. 

fri,  frei. 

Priedag  (frldäx),  Freitag,  stillen  Frie- 
dag,  Karfreitag. 

Friejat  (frtjäi),  Heirat. 

fritkeln  (frik9ln),  hin  und  her  be- 
wegen, ftich  durch  Enges  und  Ver- 
zwicktes, z.  B.  Gassen,  hindurch- 
finden ;  mit  einem  schlecht  passenden 
Schlüssel  ein  Schloss  zu  öffnen 
suchen  usw. 

frielich,  freilich. 

frieneaen  (frlmoix),  freimütig. 

frien,  freien,  heiraten. 

fringen,  ntfringen,  die  Wäsche  aus- 
wringen. 


Frinffmaschine,  Wringmaschine. 

frisch  (frw)  heiratslustig. 

Priwarwer  (frwarw9r)^  Freiwerber. 

friwarwern,  den  Freiwerber  spielen. 
taufriwarwern,  einen  Gatten  ver- 
schaffen. 

Priseheiten,  Schützenfest. 

Fromme,  m.,  Fremde. 

frömt,  fremd. 

FrOHch ;  die  zu  Garbenstärke  zusammen- 
gelegten Schwaden  der  Gerste  und  des 
Hafers  bleiben  zum  Trocknen  auf  der 
Erde  liegen,  man  nennt  sie  Frösche ; 
die  des  Boggens  und  Weizens  werden 
dagegen  gleich  gebunden  in  Mandeln 
aufgestellt. 

fröflterig,  leicht  frierend, 

Frösterköttel  (-kötl),  ein  Mensch,  den 
leicht  friert. 

Fru,  Frau.  —  Dienstboten  nennen  die 
Dienstherrin  use  Fru. 

Prfinne.  Verwandte. 

Franslu,  Frauen. 

Fransminschen,  Frnminschon,  n., 
Frauenzimmer,  Weib,  (nicht  im 
schlechten  Sinne). 

FrUnt,  Freund. 

frfint,  verwandt. 

Frfint8chop,  Freundschaft,  Verwandt- 
schaft. 

fräntlieb,  freundlich. 

Frunzen  (frünts^n),  n.,  Frau,  Weib. 

fachtidi  (fuxiiyQ,  ärgerlich,  gereizt. 

fuchteln,  mit  einem  Gegenstande  vor  dem 
Gesichte  eines  andern  heftige  Be- 
wegungen machen. 

fackeln,  tasten,  fühlen,    hei   fackelt  in 

Qeldbühle  rum   —  et  war  sau  düster, 

ek  moste  mek  no  Hus  fuckeln. 
fal,  faul. 

Falbohmj  Faulbaum. 
fnle  öreite,  faule  Grete,  Lerchensporn, 

Fumaria  bulbosa. 
fall,     1.    voll,    gefüllt.      2.    schmutzig. 

make  dek  dien  Klet  nich  füll, 
fullkomcu  (fulk(ftn)f  vollkommen,  gross, 

weit,    sien  Anzug  is  en  betchen  full- 

komeu. 
Fällekelle,  grosser  Schöpflöffel. 
fallich,  7.  weit,  gross;  2.  völlig. 
fUhln,    einen  Bauchwind  lassen. 
fallop,  vollauf. 
fal  Ins,  vollens,  ganz  und  gar. 
Falpelz,  Faulpelz. 
fammeln,   tastend  berühren;    ungetoisse 

bewegungen  machen. 
fUnewe,  fünf. 


64 


fankelnagelniet,  fankelhagelniet,  fun- 
kelnagelneu. 

FuBzel,  schlecht  brennendes  Licht. 

Püer  (fü'r)y  Feuer. 

fiirieh,  feurig;  glänzend;  heiss;  ~  auch 
eine  durch  Entzündung  stark  gerötete 
Wunde  bezeichnet  man  als  färich. 

fiirken,  scfuiukeln.  Vgl.  furkeln  in 
Grimms  Wb. 

Furteiken.  Vor  der  Bildung  der 
Fflichtfeuerwehr  xourden  Blechschilder, 
die  mit  einem  Riemen  versehen  und 
mit  fortlaufenden  Nummern  bezeichnet 
waren,  wechselweise  an  eine  Anzahl 
Männer  ausgegeben,  die  dadurch  ver- 
pflichtet wurden,  bei  Feuersbrünsten 
die  Spritze  zu  bedienen.  Die  Schilder 
hiessen  Furteiken. 

Füsel  (ftizdl),  Fäserchen. 

Fusel  (füz9l),  geringwertiger  Schnaps. 

Fast.  Faust. 

Fastnanschen,  Fausthandschuh. 

fatseh,  fort,  verschwunden. 

Futterswenge,  Futterschwinge,  flache 
Korbschale,  mit  der  Pferden  und 
Kühen  das  Futter  en  die  Krippe  ge- 
bracht wird. 

gackern;  die  Henne  gackert. 

I^aldern,  mit  der  Peitsche  knallen. 

Oal;!;en  (galjan),  Galgen. 

gamfeii,  sek,  sich  verhauen. 

gähn,  gehen  (ek  gä,  du  gaist;  junk, 
juwn ;  dgän). 

gang  (jaBk);  et  is  jang  un  jewe,  es  ist 
so  üblich.  —  hei  is  war  jang,  er  ist 
wieder  auf  den  Beinen. 

tians  (jank),  Gang,  Flur,  Vorsaal  in 
Obergeschossen. 

Uanter,  Gänserich. 

garhen  (garbm),  gerben,  prügeln. 

fiare,  Garten^ 

(larn  (gärn),  n.,  Garn, 

garni§t,  gamichts. 

garrn,  herumtreiben. 

Uarrnlock,  Schallloch  am  Kirchturme. 

(iärtner  (jertnfr),  Gärtner. 

gärtnern  (jertnfm),  unbefugt  den  Gärt- 
ner spielen,  d.  h.  Obst  stehlen. 

tiarwe,  Garbe  von  Getreide  im  Gegen- 
satz zu  Bund,  das  aus  gedroschenem 
Stroh  besteht. 

<iaste,  tiastn,  m.,  Gerste. 

tiastenkaf,  Gerstenkaff,  Grannen  der 
ausgedroschenen  Ähren. 

tiastengriitte,  Gerstengrütze. 

gastricil,  garstig,  ungezogen. 

Satt,  Loch,  Öffnung. 

Gatter,  Eiss  im  Kleide. 


gätlieh  (jf^lix),  bequem,  passend. 
gatschen     (gätsdn),     heftig    platschend 

regnen. 
Gatze,  Gasse,  sehr  schmale  Strasse.    In 

Eilsdorf    gibt    es    eine     Pinnengatse 

(pirjgatS9). 
ganndern,  spotten. 
Gans,  Gans. 
Gansehnt;  die  durch  Kälte  oder  Sehreck 

erzeugte  Körnelung  der  Haut. 
Gansetrappe,    Gänsefingerkraut,    Poten- 

tilla  anserina. 
Gebet  (j^bai),  Gebäude. 
geben  (j^bm),  geben  (e,  ä,  ä,  e). 
Gebind  QMnt),  n.,  Gebinde, 
Gebrnk  (jdbrük),  Gebrauch. 
gebriiklich,  gebräuchlich. 
Gedanne,   Unrat. 
gediillieh,  geduldig. 

gednlligen  (ßduUjan),  gedUlln,  gedulden. 
geffeln,  heftig  regnen. 
gegen  (jej9n),  gegen. 
Ge^enpart,  Gegner. 
gelten  (jaitn),  giessen  (ai  ü,  ö,  ö,  ö). 
Gejnche,  Jauchzen,  Gejodel. 
gel  O'el  u.  jfl),  gelb. 
gelieh,  gelblich. 
gelriepe,  beinahe  reif. 
Gemachte   {J9merftd),    Unterleibsteil,    hei 

trat  ne  vor  't  Gemachte. 
gemeinlieb,  gewöhnlich. 
geneitn  (J9naiin),  gemessen. 
geran  (jorän),  geraten.     (9t  J9ret.) 
gern  (j/rn),  gern. 
gerttmich,  geräumig. 
gerühn,   1.  gereuen,    leid   sein,     et    is 

mek  ger&hn,  ich  bereue  es. 
gescheut,  gescheit. 
Gesehirre,  Geschirr. 
Gest    (jest),    Hefe.    —    mek    geit    de 

Gest   von   liiewe   run,   mich   schwitzt 

stark. 
Gewarwe,    Gewerbe,    Grund,    Ausrede, 

Vor  wand. 
gewinnen  (J9vin),  gewinnen  (i,  u,  u,  u). 
Gewinne,  Gewinde. 
Gewinst,  Gewinn. 
Gewwel  (jew9l),  Giebel. 
giddeln  (jidln),  geigen. 
gilln  (jün),' gelten,    (i,  m,  u). 
Gilte     (jilt))y    kleine    Holz  wanne,    ahd. 

gellita. 
Gier  Q^r),  Gier. 
giern,  gierig  sein  auf  etwas. 
gi Stern,  (jist9rn),  gestern. 
Giez   (Jus),  m.,   1.    Geiz.     2    der  Saft- 
trieb, bes.  bei  der  Weinrebe. 
giezen,     die    Safttriehe    der     Weinrebe 


65 


ausbrechen,    damit   der    Saft    in    die 

Trauben  geht. 
»las  (glas),  Glas. 

^lätteheo,  glätten,  de  Katte  glättchet  sek. 
(jlattis,  Glatteis. 

elaam,  getrübt,  de  Oen  seit  sau  glaum  ut. 
(ilaot,  Glut. 

^lantniet,  glänzend  neu. 
<jlanwersolt  (•zd'lt),  Glaubersah. 
gleimeken,  falsch,  hinterlistig  lächeln. 
gienmieh,  getrübt.    Siehe  glaum. 
glik,  gliks,  gleich.     Meist  zeitlich  (vgl. 

like.; 
gliken,  gleichen. 
^limnen  (gliin),  glimmen. 
glimnern,  glänzen. 
gliprich  (glipriyj,  glatt,  schlüpfrich. 
glippen  (gliprn),  gleiten,  glitschen. 
(ilitt   Glied.     Ohne  Plural,    ek  könne 

kein  Glitt  röen. 
glittüchen,  gleiten. 

gliwrieh,  glitschig,  glatte  schlüpfrig. 
i;;löben  (glö'bm),  glauben. 
glösen  (glol'zyl),  glimmen. 
tilowe,  Glaube. 
gla,  1.  glühend,   glu  sien,  glühen,    't  Isen 

is  glu.     2.  glänzend,    blank.    Acker- 

männeken,  pleu  mek  wat,  säst  'n  gluhn 

Dalder  hebben  (Kinderlied). 
Glfimer,  Engerling. 
glamich,  dämmerig. 
tilDmige  /m  Dämmerung,    wei  het  noch 

en  Schur  in   de  G lumige  setn   (zetn). 
glapen,  glappen,  kucken,  spähen. 
j^lapsch,  falsch  blickend. 
{^lästern,  (glüst^rn),  beobachten,  heimlich 

zusehen.     Es  bezeichnet  das  für  den 

Gesichtssinn    was    horchen  für    den 

Gehörssinn  bedeutet. 
gDahn,  unreifes  Obst  essen. 
^narpen    (gnarprn);    mit    knirschendem 

iMut  kauen,  wenn   man  z.  B.   einen 

Apfel  isst. 
parrD,  weinen.  Siehe  brammen,  gnatsen, 

paun,  gnauln. 
(inats,  Geiz. 
patsieb,  geizig. 
gnatsen,   weinen,    't  £ind  hat'n  ganzen 

Dag  egnatset. 
^anln,  /.  weinen.  —  2  reden,  schwatzen. 
^Dawweln,  mit  schneller  Mundbewegung 

an  harten  Sachen  kauen. 
iiDawwelring,  Hörn-  oder  Beinring,  auf 

dem    die   Kinder    die   Zähne    durch- 

heissen  sollen. 
gaawwern,  knabbern. 
^neirig,  neirig,  bettlig,  von  allem  ver- 
langend. 

Niederdeutsches  Jahrbach  XX XIV. 


gneim,  neirn,    betteln,  verlangen ;  bes. 

von    Kindern    gebraucht,    die    nach 

Leckerbissen  verlangen. 
Onitten,  kleine  Mücken. 
gniwwieh,    hager,    verhungert;    patzij, 

schnippisch,  bissig. 
gnöseln,  näseln. 
gn äffen,  knuffen,  stossen, 
gnarreiif  knurren. 
gonneii  (jbi^),  gönnen. 
Göpel  (jö*p9l),  Göpel 
Gorgel  (gorjdl),  Gurgel,  Kehle. 
fforgeln,  gurgeln. 
Gorts,  GoUfried. 
Gösseln  n.,  junge  Gans. 
Gote  (jö^t9),  Gosse. 
graben  (gräbrn)  sw.,  graben. 
grade,  gerade 
Graf  (gräf),  Grab. 
Graft  /.  Grab,  flache  Chrube. 
Gramme,  Grummet. 
Grand,  Kies. 

Grane tchen,  Beinette,  Apfelart. 
grannich,  sandig,  kiesig. 
grapschen  (grapädn),  schnell  fassen  und 

an  sich  reissen,  packen. 
Gras  (gras).  Gras. 
Grasedrifft,  Grasweg,  Trift  zwischen  den 

Äckern. 
Grasehttpper,  Heuschreck. 
Grasetorf,  Basen. 
Grawe,  Graben,  Graben. 
grawweln,  kitzeln,  tasten,  krabbeln. 
Greite,  Grete.     Veraltet. 
Grewe,  Griebe,  Bückstand  beim  Auslasseti 

des  Speckes. 
^renneken,  grinsen. 
Grepe  (gr^p»),  Mistgabel 
crenn,  grün. 
Grennejum,  Geranium. 
grienen  (grln),  grinsen,  lächeln. 
grienich,  grinsend. 
griepen,   greifen   (grlpo,  gripst;  graip, 

greprn,  dgrepm). 
gries,  greis,  grau. 
Gripps,  Verstand. 
grisselich  (grizalii),  graulich,  mit  feinen 

Punkten. 
Griwwel,   schmaler  Spaten  zum  Buben- 

roden. 
groff,  grob, 

grölen  (gro'ln),  lärmend  schreien. 
Groschen,  Groschen. 
grot,  gross. 
Gröte,  Grösse. 
Grotefaer,  Grossvater. 
{iT0Unute^Grossmaul,grosss2)recherischer 

Mensch. 


Orotspänder,    Grossspänner,    der   erste 

Knecht. 
Gpü.  Grude. 
Grnnl,  Grauen,  Abscheu,    ek  hewwe  'n 

Gruhl  dervor. 
(iriihl,  Lärm,  Zank,     maket  nich  saun 

Grühl. 
grahlen,  fürchten,  Grauen  haben. 
grnhlich,  1.  furchtsam,  ek  bin  in  Düstern 

grublich.  —  2.  Furcht  erregend,    hei 

sach  gruhlich  ut. 
^ählich,  greulich,  schwer  zufrieden  zu 

stellen. 
grummeln,     brummen,     summen;     leise 

donnern. 
Grund,  Grund.  Dai.  Grunne ;  Plur.  Granne. 
Grapen  (grüprn),  Graupen. 
Orütte,  Grütze. 
Gttffel  (jüf9l),  Gttflfele  (ßlfh),  lange  Gabel 

au^  HolZy   die  z.  B.  zum  Stützen  der 

Wäscheleine  dient. 
gut,  gut.    nist  gus,  nichts  gutes;  'n  gun 

Hinsehen;  gu  Kinder. 
Habak,  Habicht. 
haffen,  beissen  (Kindersprache). 
Hagelstreich,  dummer  Streich. 
Hacke  /.   Hacken  m.,   Ferse   am  Fuss 

und  im  Strumpf,  Stiefelabsatz. 
Uäkedör,   die  quer  geteilte  Haustür  in 

älteren  Häusern. 
häkeln,  sich  zanken,  streiten. 
haken,  zurückgehen,  den  Wagen  zurück- 

stossen,    hake  dock  gliks  op'n   (opm) 

Hoff. 
half,  halb. 
Halfpnndsnap,  Holzform  für  ein  halbes 

Pfund  BuUer. 
Halfslag,    Hälbschlag,    Bastard,    nicht 

rassereines  Tier. 
Halfspänder,  Halbspänner,  Besitzer  eines 

kleinen  Bauerngutes. 
Halfstäwwel,    Halbstiefel. 
halen  (häln),  holen. 
Halshimme,  bis  an  den  Hals  schliessendes 

Frauenhemd. 
Halwe,  Seite. 
haiweh,  halwegs,  ungefähr,  ein  wenig, 

irgendwie,   wennt  halwegs  geit,  beseak 

ek  dek.  —  mak  et  man  haiweh,  zähme 

dich.    • 
hamm  holen,   schwer  halten,   schwierig 

sein, 
Hamel  (ham^l),   1.  Hammel,  Schafbock. 

—    2.    Nachgeburt    der    Ziegen    und 

Schafe.  —  3.  schleppender  Dreckrand 

am  Kleide. 
Hamer  (häm^r),  Hammer. 
hamern,  hämmern,  hämmern. 


Uandank,  Handtuch. 

Hahnp,  Hahn;  Mhrz.  Hahns.  Wenn 
Leute  den  Hof  betreten,  lässt  ihn  der 
Volksmund  rufen :  lauter  grote  Lüüü . . ., 
den  Enterich  darauf:  Pack,  Pack.  — 
Auf  den  Hahnenruf  reimt  man: 
Kückerückeküh,  De  Botter  is  dühr, 
De  Kese  sünd  wolfeiie,  Miene  Mutter 
hat  doch  keine. 

flahnebalken,  der  oberste  Querbalken 
im  Dachstuhl,  wie  auch  der  dreieckige 
Raum,  der  durch  Hahnebalken  und 
Dachbalken  gebildet  wird.  Leg  de 
Latten  in'n  Hahnebalken. 

hahnebenken,  hahnebüchen. 

hahnefeutsch,  hahnefentsehen,  stapfend, 
hinkend  gehen. 

Hanep,  Hanf. 

Uahnepateheo,  Hapntehen,  Hagebutte. 

Hänferling.  manchmal  für  Hänfling. 

sek  hängen,  begatten  (von  Hunden). 

Hängeholt,  ein  krummes  Holz  zum  Auf- 
hängen des  gescMacfUeten  Schweines. 

Hankorf,  Handkorb. 

Uanschen,  Handschuh. 

Hansper,  Hamster.  —  sure  Hausper, 
Sauerampfer,  Rumex  acetosa. 

Hand,  Hand,  Plur.  Hanne.  —  um  de 
Hand  de  nehmen  hebben,  zu  tun  haben ; 
handgrieplich,  handgreiflich;  af  bannen, 
abhanden;  tar  Hand  gähn,  1.  helfen, 
unterstützen  —  2.  rechts  gehen  (vom 
Pferde  gesagt.     Vgl.  Handperd). 

handlieh;  maket  man  bandlich,  werde 
nicht  zu  dreist,  geh  nicht  zu  weit. 

Handperd,  dcLS  rechter  Hand  gehende 
Pferd. 

Handslag,  Handgriff,  'n  Handslag  dann, 
etwas  arbeiten. 

Handwieser,  Wegweiser. 

Handwarkslü,  Handwerker. 

hapern,  gehindert  sein,  nicht  von  statten 
gehn. 

Happen  (hapm),  Bissen;  auch  wenig, 
bisschen. 

happich,  recJU  anspruchsvoll  beim  fordern. 

Harke,  Rechen. 

harre,  hart.  —  harre  holen,  schwer  halten. 

Harre  Christes,  Herr  Christus,  Ausruf 
des  Erstaunens  oder  Erschreckens. 

harsch,  rissig,  barsch,  rauh. 

hartmülsch,  hartmäulschy  wenig  empfind- 
lich am  Maul  (z.  B.  Pferde). 

Harte,  Herz.  —  et  Harte  bleut  'ne,  es 
tut  ihm  weh  im  Herzen. 

Hahrnle,  wörtl.  Haar -Eule,  d.  h.  eine 
Frau,  deren  Haar  unordentlich  oder 
gar  nicht  gekämmt  ist. 


67 


harwe,  herb,  bitter, 

harwest,  Herbst. 

JisseDbrot,  Hasenwost,  Beste  des  Vesper- 
brotes, die  der  Vater  den  Kindern 
mitbringt  und  die  er  angeblich  den 
Hasen  abgejagt  hat. 

Haspel  m.y  Winde,  auf  die  das  Garn 
der  Spule  gewickelt  wird. 

flaspelstieken^  kurzer,  dünner  Eisenstab 
mit  Handgriff,  auf  den  die  gefüllte 
Spule  gesteckt  wurde,  um  das  Garn 
(Aeuha^eln. 

Hasselblanme,  Leberblume,  Hepatica. 

Hasselbnseli,   Haselstrauch. 

Hasseln  m.,  Haselstock,  Mute. 

Hasselnot,  Haselnuss. 

Hattf,  Huf 

Haan,  Huhn;  Plur.  Heunder. 

Haanderhns,  Hühnerhaus. 

HauBderswarwe,  Sternmiere,  Stellaria 
media. 

Haust,  Haasteil,  m.,  Husten. 

haasten,  husten,  ek  will  dek  wat  haustn, 
ich  will  deinen  Wunsch  nicht  erfüllen. 

Haut,  Hut;  Plur.  Heu. 

flaawe,  Hufe. 

Uawere,  Hawern,  Hafer. 

Uee  (h^),  Hede. 

hebben  (hebrn),  haben  (ek  hqw9,  du  hcist, 
vai  het ;  ek  hard ;  9hat). 

beeken,  begatten  (von  kleinen  Vögeln ^ 
Mäusen). 

Heekele,  Hechel. 

Heekelnstaol,  Hechelstuhl.  Das  Sitzen 
auf  dem  Heckeinstaul  ist  eine  der 
höllischen  Qualen. 

Heekerling,  Häcksel. 

Ueddreck,  Hederich. 

Hegge  (hejj9),  Hecke. 

bei,  er.  Mit  vorhergehendem  Zeitworte 
als  a  zusammengezogen  Wat  salle 
denne?  Was  soll  er  denn?  —  Datio 
u.  Akk.  ohne. 

Hei  /.,  Heide, 

beil.  1.  geheilt;  2.  ganz,  'n  heilen  lieben 
Dag. 

beilbeinig,  ganzbeinig. 

Heilebart,  Storch,  Heilebart,  du  Lang- 
bein, Fonehr  wut  du  utfiein  ?  —  Wenn 
de  Rogge  riepet,  Wenn  de  Muse  piepet. 

Heilebartablaame,    Storchschnabel, 

Heilebeem,  Heidelbeeren, 

heillos,  schlimm, 

Heineke,  Heimchen,  Grille. 

^nme\LenViu^tT^Heimlichtuer,Schleicher, 
jemand,  der  seine  eigenen   Wege  geht. 

beisch,  heiser, 

beit.  heiss. 


Heitrok  (haitr^k),  Höhenrauch,  der  von 
den  Torfmooren  Nordwestdeutschlands 
nach  dem  Binnenlande  getrieben  wird. 

helle,  hell, 

hellhörig,  den  Schall  schnell  fortpflan- 
zend    de  Luft  is  hüte  hellhörig. 

hellerlieht,  vollständig  hell,  hei  hat  on 
hellerlichten  Da  stöhlen. 

helen  (h^ln),  den  Flüssigkeitsrest  eines 
Gefässes  vorsichtig  ausgiessen^  dass 
der  Bodensatz  zurückbleibt. 

help  Gott,  veraltete  Grussformel, 

Heister,  Halfter. 

hen,  hin. 

Hengest,  Hengst, 

Heengünele  (h^njüfdh),  grosse  Holzgabel, 
die  bei  der  Flachszurichtung  gebraucht 
wird. 

Henk  n.,  Henkel,  Zeug-  oder  Bandöse 
zum  Aufhängen  der  Kleider,  ebenso 
Henkel  an  Töpfen  und  Tassen, 

Henkhimme,  Achselhemd,  ärmellosesHemd. 

Henkpot,  Topf  mit  einem  Traghenkd, 

H6per,  Hedeper,  Ortsname. 

Uere  (h^r9),  Herr;  nur  noch  für  Brot- 
herr, niemals  Anrede,  use  Here  (vgl. 
use  Fru). 

hervorn  (herfifm),  vorhin. 

Herig  (hfrix),  Hering. 

Herrschop,  Herrschaft. 

Herd  (h^rt),  Herd. 

Hesse  /.,  Hechse,  Kniebug  des  Pferdes, 

Hespe,  Haspe,  Türangel. 

hessich,  gehässig,  missgünstig, 

heten  (h^in),  heissen  (h^ld,  hetst,  het, 
htt;  halt;  dh^tn).  hei  hett  Otto.  — 
de  Bäcker  hat  knen  eheten,  der  Bäcker 
hat  zum  Kneten  aufgefordert,  indem 
er  herumgeht  im  Dorfe  und  bei  den 
Frauen,  die  Brot  backen  wollen,  klopft. 

Hetze/.,  Menge,  et  sünd  ne  ganze  Hetzei 

he  an,  hüten,  sek  heun  un  wahrn,  sich 
in  acht  nehmen,  um  seine  Sicherheit 
besorgt  sein. 

Hentnslewwe,  Hötensleben. 

hieehen,  hauchen;  im  übertragenen  Sinne: 
eine  Absicht  merken  lassen,  ek  bruke 
blofs  de  hieehen,  denn  springete  schon. 

Uiechebild,  Hiecheblat,  Gelatineblatt,  das 
sich  beim  Draufhauchen  krümmt, 

Hickerken,  Hickers,  Zähnchen. 

Hickhack,  Zank,  Streit. 

hickhaeken,  zanken. 

Hille,  Baufe, 

hille,  eilig, 

hillig,  heilig,  —  de  hillige  Christ,  der 
heilige  Christ,  das  Christkind;  meist 
in  der  Bedeutung  Weihnachtsgeschenk, 


68 


Patengeschenk,  ek  hewwe  mek  en 
billigen  Christ  ehalt.  —  wat  wünschest 
'n  dek  taun  hilligen  Christ? 

hilpen  (Mpin),  helfen  (i,  m,  u,  u). 

Himme,  Hemd. 

hinder,  hinter,  de  Hinderste,  der  Hintere^ 
Steiss.    set  dek  oppen  Uindersten. 

HiHderyertel,  Hinterteil. 

Uinderkiile,  Lende,  Keule. 

hinnen  (hiii),  hinten. 

hinnen-nah  (hiijtä),  hintennach. 

hier;  du  bist  wol  nich  von  hier,  ich 
versiehe  dich  nicht ,  du  bist  so  seltsam. 

bissen,  hetzen,  hei  let  sek  nich  hissen 
un  nich  locken,  er  folgt  toeder  Er- 
mahnungen noch  Drohungen. 

Hitte,  Hitze. 

bitten  (hitn),  heizen. 

Hoebkant,  Schmalseite,  set  dat  Bret  op 
Hochkant. 

Höcbte  ßä/p),  Höhe. 

Hochtiet,  Hochzeit. 

Hoff,  1.  Hof.  op  en  (opm)  Howwe,  auf 
dem  Hofe.  —  2.  Gehöft,  Gut.  hei 
hat'n  schönen  Hoff. 

ho^anen  (hifjän),  gähnen. 

Iiöjjer,  höher. 

hökern,  klettern  mit  der  Nebenvorstellung 
des  Hockens.  hei  hökert  op  en  Sofa 
rum. 

bolderdebolder,  polternd,  eilig,  et  gung 
holderdebolder  de  Treppe  run. 

Holdem,  Holunder,  Sambucus  nigra. 

Uöldernplecke,  Sommersprosseti. 

holeken,  böleken,  aushöhlen. 

holich  (h(^iiyOt  hohl. 

Holkarre,  Schubkarre. 

höllisch,  höllseb,  höllisch,  stark,  sehr. 
Dient  zur  Superlativbildung,  hei  war 
höllisch  ärgerlich. 

holen  (h(/ln),  halten  (höl'b,  holst;  haiü, 
haihj.;  dho^ln). 

Holander,  spanischer  JFlieder,  Syringa 
vulg. 

bolstern,  holpern,  geräuschvoll  gehen, 

Holster,  Bezeichnung  eines  Menschen, 
der  geräuschvoll  polternd  geht. 

Holt,  Wald,  Gehölz;   Holz  (Stoffname). 

HolKcben,  Holzpantoffel,  Holzschuh. 

Holthacker,  Holzhacker. 

holten,  hölzern. 

Holtsla,  Holzschlage.  Grosser  Holz- 
hammer, mit  dem  beim  Holzspalten  der 
Keil  ins  Holz  getrieben  wird.  — 
'n  Kopp  wie  ne  Holtsla  hebben,  einen 
dicken,  feurigen  Kopf  haben,  schwitzen; 
dafür  sagt  man  auch  *n  Kopp  wie  'n 
Leggebaun  hebben. 


Homester,  Hofmeister,  Aufseher  der 
Knechte. 

homestern,  beaufsichtigen,  sich  aitf spielen. 

Hop  (hö^p),  kleiner  Kerl;  verstärkt 
Schietbop. 

hopen  (h(fpm),  hoffen,  warten. 

Hoppen,  Hopfen. 

Hopner,  Polka. 

Höer  (ho'r),  Hüter,  Hirte. 

borken,  horchen. 

Horn  (h^rn),  Hörn  als  Stoff. 

Hörn  (hö'rn),  Horn,  Gehörn,  Blashorn, 
Anschwellung. 

hörn,  hören,  gehören. 

Uörnzicke,  Ziege  mit  Hörnern. 

Hort  (h^rt)  f ,  Seitenbretter  des  Acker- 
wagens.    Siehe  auch  Kesehort. 

hotte,  rechts;  Leitruf  für  Pferde. 

Hottehü,  Pferd. 

Hotteperd,  Hottopferd. 

Höwwel,  Hobel. 

hii,  links. 

Hnfke,  bestimmte  Menge  Flachs,  eine 
Hucke  hat  zehn  Riste. 

hnckebaek  maken,  auf  dem  Rücken 
reiten  lassen. 

hncken,  ophncken,  etwas  auf  den  Rücken 
nehmen. 

hnddern,  vor  Frost  schauern;  dazu 
Eigenschaftswort  hudderich. 

Hoffe,  Hüfte. 

Hake  (huka),  Hakije,  Kniebeuge,  hei 
Sit  in  de  Huke. 

hnken,  kauern,  ducken,  in  Kniebeuge 
sitzen,    se  hat  seck  närehuket. 

hnllijen,  dulden,  nichts  dagegen  haben. 
bullije  doch  dat  nich. 

hnlen  (hüin),  heulen. 

Haipe,  Hufe. 

humpeln,  hinken. 

Hannig,  Honig. 

Hand,  Hund;  Mehre.  Hunne.  hei  is 
bekannt  wie  'n  bunt  Hund.  —  Hanne- 
bra,  Hunnefidipse,  Hunneschiete  sind 
derbe  Ausdrücke  der  Abweisung  irgend 
eines  Verlangens.  —  Starker  Stab, 
dessen  Spitzen  in  die  Erde  stemmen 
und  ein  Rückrollen  des  Wagens  ver- 
hüten. 

Hnndsfott,  Mensch  von  niedriger  Ge- 
sinnung. 

Hnnnegeblaffe,  Hundegebell. 

hiipie  (hüpix),  mit  Haufen,  de  Matte 
is  hüpig  Yull  Korn,  so  voll  dass  ein 
Haufen  drauf  ist. 

Hape,  Hapen  (hüpm),  Haufe. 

hiipen,  häufen. 

happen  (hupm),  httppon,  hüpfen,  springen. 


69 


Harke,  Gurke. 

harken,  kauern^  besonders  von  der  Henne 

gebrauchij   die  sich  über   die   Küken 

kauert,    de  Klucke  hurket. 
Hos,  Haus. 

ha»ba(*ke]i,  su  Hause  gebackenes  (Brot). 
hasfh;   op  en  husch  komen,  auf  einen 

Augenblick  kommen. 
Hasfhe  (hun^).  Weiter  schauer. 
HäsekeD,  Abort. 
Moshöldersche,  Haushälterin. 
Hat.  Haut. 

hüte,  heute;  verstärkt  hütigen  Dags. 
Hotsche,  Fussbank. 
hatsehen,  auf  den  Knieen  rutschen. 
fluwe.  Haut  auf  der  Ölfarbe. 
iehtens  (ijti^^)>  irgendwie,  wenn  't  ichtens 

geit,  denn  komek 
ilder-,  ganz  und  gar,  Ausdruck  der  Ver- 
stärkung,   ilderbest,  ilderletzt. 
ile,  eitel,  rein,    ile  Brot,  trockenes  Brot; 

ile  Water,  nichts  als  Wasser 
Ile/.,  Egel.    Blautile. 
Ile.  Eile. 
iiiS  ßl^)f  eilig. 
llk,   Iltis.    —   £ier-Ilk  ist  scherzhafte 

Bezeichnung  eines  Menschen,   der  die 

Eier  aus  den  Nestern  nimmt,  um  sie 

auszutrinken. 
iln,  eilen. 
Inme,  Biene. 
ja-,  Vorsilbe  ein-. 
inaenander  (inand^r),  ineinander. 
inbenten,  einheizen. 
inbillen,  einbilden. 
ifidaav,  einfüllen,     du  most  noch  Korn 

indaun. 
lofall,  Einfall.  —  hei  hat  Infälle  wie  'n 

olt  Hus,   er  hat  lächerliche  Einfälle. 
infamen,  einfädeln. 
infreirn,  eingefrieren. 
iBgedeame  (injodoim^),  die  ganze  Wirt- 
schaft, alle  Wirtschaftsgegenstnnde. 
iahenn,  das  Haus  hüten,  allein  zu  Hause 

bleiben. 
in  kalken,  Weizen  in  Kalkmilch  einquellen. 
inklappen  (inklapm),  durch  Handgeben 

begrüssen. 
lalet  (inl^t),  Inlaid. 
laaahMe,  Einnahme;  Zollhaus. 
iaae,  elliptisch:  im  Hause,   im  Zimmer. 

gah  man  rin,  de  Yader  is  inne. 
inaebolen,  einhalten. 
iaoehmer,  Steuereinnehmer. 
ianeaseln,  einnisten. 
iaaeweiDig,  inwendig. 
iistippen,  Kuchen  oder  Semmel  in  das 

Getränk  tauchen. 


is,  ist. 

Is  (Is),  Eis. 

Isegrintm,  unfreundlicher  Mensch. 

IseD,  Eisen. 

isen.  Eis  vom  Teiche  wegholen. 

Irienbahne,  Eisenbahn. 

Iserappel,  Eiserapfel,  eine  sehr  haltbare 
Apfelart 

isern,  eisern. 

Isernot,  eiserner  Topf. 

iskolt,  eiskalt. 

Istacken,  Eiszacken. 

Iwep,  Eifer. 

iwrig,  eifrig. 

jachtern,  herumjagen. 

Jacke,  Frauentaille,  einen  de  Jacke 
vullbauen,  jemand  verhauen.  Hose 
wie  Jacke  sien,  ganz  gleich  sein. 

jackeln,  Trab  reiten;  auch  nur  die  Auf- 
und  Abbewegung  des  Trabreiters  aus- 
führen. 

Jackenfett,   Hiebe,    et  gifft  Jtfckenfett. 

Raffen,  blaffen,  bellen. 

Jahn,  jagen  (ek  ja,  du  je^st,  vaijät; 
ek  jaux,  vaijoin;  djät). 

jappen  (japrn),  nach  Luft  schnappen. 

jappig,  Eigenschaftswort  zum  vorigen. 

japsen,  jappen. 

Jahr;  de  Jahre,  im  vorigen  Jahre. 

Jaake,  Jauche. 

Jankeborm,  Jauchepumpe. 

Jankelock,  die  Grube,  in  die  die  Stall- 
jauche  fliesst. 

Jaakel,  Scherz,  Spass. 

jankeln,  scherzen. 

jaaln,  heulen,  schreien,    de  Hund  jault. 

Jehannich,  Johannistag. 

Jehansebeere,  Johannisbeere. 

jentsiet,  jenseit. 

jenne,  jene,    op  jenner  Siete. 

Jerksen,  Jerxheim. 

Jenes,  Ausruf.  Jeses  nä,  dat  is  doch 
Dich  slimm. 

ji,  ihr.  Dat.  Akk.  jiech.  ji  ist  auch 
Anredewort,  macht  allerdings  immer 
mehr  der  3.  pers.  plur.  sei  Platz. 

j lernen  (jim),  schwer  und  geräuschvoll 
atmen. 

jiemich,  engbrüstig,  kurzatmig. 

Jipp  m.,  Verlangen,  Appetit,  ek  hewwe 
'n  Jipp  op  Bratwost. 

jiepern,  heftig  nach  einer  Speise  verlangen. 

jitterich,  aufgeregt  im  Verlangen  nach 
etwas.  Hindern  Fate  mot  ne  Mus 
Sitten,  de  Hund  is  ganz  jitterich. 

Jochen,  Joachim. 

jöe,  Zuruf  an  Pferde,  um  sie  zum  An- 
ziehen zu  veranlassen. 


70 


Jökelie,  schlechtes  Fahren. 

jökeln,  auf  schlechtem  Wege  fahren, 
sodass  der  Wagen  hin-  und  herschlägt. 

Joppe,  Jaket. 

ja,  euer,    ju  Hus;  in  jun  Huse. 

jachen  (jüxdn)^  jauchzen,  jodeln. 

Juchhei;  nah  Jachhei  kumt  Nackenklei, 
nach  übermütiger  Freude  kommt  der 
Schmers. 

jackeln ;  die  Bedeutung  von  'jackeln'  ins 
Gemeine  übertragen. 

Jumfer,  Jungfer. 

Jamfernsppel,  Apfelart. 

Jank,  jungy  junk  wehrn,  geboren  werden, 
vgl.  Zs  f.  d.  ü.,  21.  Jahrg.  10.  H. 

Janke,  Junger,  Unverheirateter,  hüte  het 
de  Janken  Danz,  heute  haben  die 
Unverheirateten  Tanz.  Daher  die 
Zusammensetzungen  Junkendanz,  Jan- 
kenbodn  (Tanzboden  für  die  Jugend). 

Jiingelken,  Kosename  für  Junge. 

Rabache,  Hütte^  baufälliges  Haus. 

kabolzen,  kobolzen,  poltern,  lärmen. 

Kabolz  scheiten,  Purzelbaum  schiessen. 
Nd.  Kbl.  26,  21. 

kaddeln,  mit  stumpfem  Messer  schneiden. 
Dazu  Kaddelie. 

Kaf,  Koffy  Spreu,  die  beim  Dreschen 
abgeschlagen  en  Getreidegran  n  en . 

Kaffeebrot,  Zwieback. 

kakelich,  mit  blossem  Halse,  nüchtern 
aussehend. 

kakeln,  vor  sich  hinpapeln  der  Kinder. 

kakeln,  taumeln. 

Kackstaal,  Nachtstuhl 

kalben  (kaUmi),  kalben. 

Kaleb,  Närrchen. 

Kalf,  Kalb;  Mhrz.  Kälwer.  Bezeich- 
nung alberner  Personen. 

Kaidane,  Kaidaune,  Darm. 

kalmttsern,  siehe  utkalmüsern. 

Kamaschen,  Gamaschen;  Furcht. 

Kamer,  Kammer,  op  de  Kamer,  in  der 
Kammer. 

Kannenkrat  (kaiikrül),  Schachtelhalm. 

Kante ;  op  de  hoe  Kante  leggen,  sparen, 
weglegen. 

Kanthaken;  einen  bi^n  Kanthaken 
krien. 

Kanter,  Kantor,  vor  *n  Kanter  her  sien, 
vorlaut  sein. 

Kannenbret,  an  der  Küchenwand  hin- 
laufendes Brett,  auf  das  Geschirr 
gestellt  wird. 

Kannrick,  Gestell  für  Kannen. 

kapeniern,  entzwei  machen. 

kapitteln,  zanken. 

Kaptal,  Kapital. 


karben    (karbin),    kerben,    Einschnitte 

machen. 
Karf,  n,  Kerbe,  EinschniU. 
karjolen  (karji^l^),  im  leichten  Wagen 

schnell  dahinfabren. 
Kärke,  Kirche;  veraltet. 
Karpen  (karprn),  Karpfen. 
Karre,  Karren. 
Karreite,  klappriger  Wagen. 
Karrenseil,  Seil,  das  der  Karrenschieber 

über  die  Schultern  hängt. 
Kärsche,  Kirsche. 
Karte  (kärtB),  Karte. 
kartjen,  Karte  fielen. 
Kartaffele,  Kartoffel. 
Kartaffelnkaaken,  Puffer. 
Kartan,  Kattun. 
kartanen  (kartüjj^),  aus  Kattun. 
karwatschen,  peitschen. 
Karweil,  Kümmel. 
kaschen,  ertappen,  erwischen. 
kaseln  (käzdln),   irre  reden,  im  Schlafe 

reden. 
Kaspergarn  (-gärn),  das  von  der  Hede, 

den    minderwertigen     Flachsabfällen, 

gesponnene  Garn. 
Kastit,  Staekit,  Lattenzaun,  Staket. 
Kasten,  n.,  Kasten,  m. 
Kastenkehrl,  Hausierer,  der  seine  Ware 

im  Kasten  auf  dem  Bücken  trägt. 
katolsch   (katö'ls),   katholisch,     'n  Mai; 

käwer  katolsch  maken,  dem  Maikäfer 

den  Kopf  eindrücken. 
Katrei,   Unruhe,  Hin-  uad  Herrennen, 
Katte,  Katze. 
kattewitt.  schnell,  flüchtig,  laufend,    hei 

make  katte wit,  datte  no  Hus  kam. 
Kan,  Kuh;  Mhrz.  Keu.    man  ward  sau 

olt  wie  ne  Kau  un  lehrt  ümmer  noch 

wat   tau.   —  Wenn   eine  Kau  schitt, 

bohrt  de  andere  'n  Swanz  hoch. 
Kan,    Flass-Kaa,    ein     Werkzeug    zur 

Flachsbearbeitung,  der* Brake' ähnlich. 

Während   die   Brake  ganz  aus  Holz 

besteht,  hat  die' Kau'  eiserne  Kauleisten. 
Kaublanme,  Löwenzahn,  Leontodon. 
Kauhöer,  Kuhhirt. 
Kaaken,  Kuchen. 
kaale,  kühl. 
kaan,  kauen,    et  is  als  wenne  Lüse  kaut, 

er  kaut  langsam. 
Kanpe,    Kufe,    grosses,    langgestrecktes 

Wasser-  oder  Jauchefass. 
Kaar,    Chor,    Gallerie   in    der  Kirche 

op  en  Kaure. 
Kants,  Haarschopf,   der  aus  den  Haar- 
flechten zusammengesteckte  Knäuel. 
Kawer,  Küfer. 


71 


kawweln,  zanken,  streiten. 

Kedde,  Kette. 

Kefter,  kleines  Zimmer. 

Keiseken,  schwarzer  Flieder ^  Sambucus 
nigra. 

Keisekentee,  Fliedertee. 

keiln,  schlagen,  prügeln. 

Kelle,  Schöpfkelle,  Maurerkelle. 

Kenpe,  m.,  männliches  Schwein,  Zucht- 
eber.    Gebräuchlicher  ist  Kem-Swin. 

-ken,  Verkleinerungssilbe  -chen.  Mit  dem 
konsonantisch  auslautenden  Haupt- 
worte wird  sie  durch  e  verbunden; 
z,  B,  Steuleken,  Hüseken.  Nach 
Gaumenlaut  steht  die  Bindesilbe  el; 
z.  B.  Beukelken,  Büchlein,  Jüngelken, 
kl.  Junge.  —  Beliebt  ist  die  Endung 
in  der  Sprache  der  Mütter,  die  sie 
an  alle  möglichen  Wortarten  hängen; 
z.  B.  komekeo,  schöneken;  't  Kinne- 
ken is  hennefalleken. 

kendera,  platzen,  reissen.  Risse  be- 
kommen. 

kennen  (ke^),  kennen;  ohne  Rückumlaut. 

Kehr,  Richtung,  ut  de  Kehr  sien,  aus 
der  Richtung  sein, 

kehren  (k^r^),  fegen.  Kehrbessen, 
Kehrbesen. 

Kern,  (kfm),  Kerne,  Obstkerne. 

KernhuB,  Grieps. 

Kere  (kfrd),  Gummihut  auf  Flaschen, 
Nutsch. 

Kehrl  (k^rl),  Kerl,  Mann,  Ehemann. 
mien  Kehrl  is  nich  de  Uns. 

Kese,  (k^s9)y  Käse. 

Kesehort  (-hf/rt),  Gestell  zum  Käse- 
trocknen. 

Kesekrnt,  Malve. 

kesig,   käsig. 

Kesewark,  Quark. 

Kettf^l  (ketl),  Kessel. 

ketteln  (ketln),  reizen,  zanken.  Siehe 
au<ih  vorketieln. 

ken  In,  kühlen. 

Kijack,  Luftröhre  der  Gänse. 

kijaeken,  Zeitw.  zum  vorigen,  bezeichnet 
das  Schreien  der  Gänse. 

Kieker;  op  en  Kieker  hebben,  im  Auge 
haben,  aufjemd.  etwas  zu  sagen  haben. 

Kieks  nn  Kahks;  de  wet  von  K.  un  K. 
nist,  der  weiss  gar  nichts. 

Kiel,  Keä. 

Kiel,  Nasenschleim, 

kieln,  festekieln,  festkeilen,  durch  einen 
Keil  befestigen. 

Kiem,  Keim. 

kiemen,  keimen.  —  afkiemen^  die  Keime 
von  den  Kartoffeln  entfernen. 


Kienbndde,  Kienrussfässchen. 

Kiepe,  Tragkorb;  geflochtene  Tasche,  in 
der  die  Feldarbeiter  Frühstück  und 
Vesperbrot  mitnehmen.  Siehe  Tower- 
kiepe. 

Kiewit,  Kiebitz. 

killn,  Kältegefühl  verursachen,  en  kolt 
Himme  killt. 

Kimmije,  Kerbe,  bes.  zwischen  den 
Gesässhälften. 

Kind,  Kind;  Dativ  Kina^.  —  Braurnkind, 
Neffe;  Swesterkind,  Nichte;  Sohnen- 
kind,  Dochterkind,  Enkel;  Swester- 
dochterkind  usw. 

Kindermntter,  Hebeamme. 

Kinkerlitzchen,  Spielereien,  wertlose 
Kleinigkeiten. 

Kinnkedde,  Kette  am  Gebiss  der  Pferde. 

Kinneken,  Kindchen. 

Kipp,  der  aus  den  Flechten  auf  dem 
Kopfe  zusammengesteckte  Haarknäuel. 
Vgl.  westf.  Kipp,  Spitze 

Kippkarre,  zweirädriger  Wagen,  der 
wie  die  Kipploren  zum  Kippen  ein- 
gerichtet ist  und  zum  Transport  von 
Kies,  Sand  u.  dgl.  dient. 

kippeln,  wackeln,  Neigung  zum  Um- 
schlagen zeigen. 

kippen,  umschlagen. 

Kirchenhant,  Zylinder. 

kisselich,  kitzelig. 

kisseln,  kitzeln. 

Kisserlinff,  Kieselstein;  bes.  werden  die 
erratischen  Blöcke  so  genannt. 

Kittel,  blauleinenes  hemdartiges  Ober- 
gewand der  Männer. 

Kiwweke,  f.,  Ausschlag  in  den  Mund- 
winkeln; die  gelbe  Haut  in  den 
Schnabelwinkeln  junger   Vögel. 

Kla,  Klage,  hei  kummet  mit  der  Vorkla, 
er  beklagt  sich,  ehe  man  ihn  gefragt 
hat,  um  einer  Klage  gegen  sich  zuvor- 
zukommen. 

klabastern,  polternd  bewegen,  klettern. 

Klack,  m.,  Klecks,  etwas  Hingekleckstes, 
Hingeklitschtes. 

K lacke,  unaezogenes  Mädchen. 

klacken,  klackern,  klickern,  etwas  hin- 
klitschen. 

Klacksnei,  loser,  grossflockiger  Schnee, 
auch  Heilebartsnei  genannt. 

Kladde,  Konzept,  Entwurf;  Buch  für 
Konzepte. 

kladdern,  hinklitschen,  beschmutzen, 
unordentlich  hinwerfen  (z.  B.  den 
Anzug). 

klamm,  klemmend,    de  Dör  geit  klamme. 

klahn,  klagen. 


72 


klappen,  mit  der  Peitsche  knallen. 

Klapperjagd,  kleine  Jagd,  Nachjagd. 
Klapp  ist  wohl  Ablautstufe  zu  klipp, 
klein;  das  altm.  Wb.  hat  für  Klipp- 
schulden auch  Klapper  schulden. 

Klappbüsse,  Knallbüchse. 

Klappstücke,  Brot,  aus  zwei  zusammen- 
geklappten Hälften  bestehend. 

Klaps,  leichter  Schlag. 

klar;  Redensarten:  klar  wie  dicke 
Tinte;  klar  wie  Bottermelk;  klar  wie 
Ereinschiete. 

klatrig,  schmutzig,  im  übertragenen 
Sinne  patzig. 

Klattern,  die  trocknen  Ausscheidungen 
der  IWmendrüse  in  den  Augenwinkeln. 

klaak,  klug. 

Klaatsch;  Scheltwort  für  jemand,  der 
andern  tölpelhaft  auf  die  Füsse  tritt. 

klantschen,  breit  und  schwer  wie  eine 
Kuh  auftreten. 

Kled  (kl^t),  Kleid.    Dativ  Klee  (kl^). 

Kledasche  (kledäi»),  Kleidung. 

Klei,  tonige  Erde.  Danach  der  Flur- 
name Kleibarg. 

kleimeken,  Nebenform  zu  kleimen. 

kleimen  (kleim),  kleiben,  schmieren, 
kleben. 

klein,  schmieren,  beschmieren,  hei  hat 
alles  vullekleit,  schlecht  schreiben. 

klein,  kratzen  mit  der  betonten  Bedeu- 
tung des  Hineindringens,  de  Oen 
utklein,  die  Augen  auskratzen. 

klein,  das  Getreide  zusammenraffen. 
Vgl.  afrapen.  Dazu  Kleier,  der  das 
Getreide  zusammenrafft,  hindern  Meier 
(Mäher)  geit  de  Kleier. 

kleineke,  kleineken,  demütig,  zurück- 
haltend, niedergedrückt. 

klein  maken,  zerkleinern,  zerhacken. 
hei  maket  Holt  klein. 

kleen  (kl^n),  kleiden,  passen. 

klentern,  klettern. 

Klepp,  Klinke  aus  einer  Holzleiste,  die 
von  aussen  durch  einen  Riemen  be- 
wegt wird;  wenn  man  den  Riemen 
nach  innen  durchzieht,  kann  die  Tür 
von  aussen  nicht  geöffnet  werden. 

kletsern,  wählerisch,  leckerig. 

Kienkern,  klügeln,    utkleukern. 

Kiewer,  (kWwdr),  Klee. 

Klicke,  Sippe,  Gesellschaft,  Clique. 

klickern,  klecksen,  kladdern. 

Klie,  Kleie. 

Kliester,  Kleister. 

Kliftchen,  dünnes  Kleid. 

Kliiikhaken,  i.  der  Haken,  in  den  die 
Türklinke  schnappt.    2.  der  Rest  Hner 


Speckseite,  der  am  Aufhängeriemen 
verbleibt. 

Klipp,  Taubenschlag. 

klipp  nn  klar,  ganz  klar. 

Klippschanle,  kleine  Winkelschule. 

Kloben  (kl^bin),  m.,  durch  Spaltung 
eines  Teiles  eines  Baumstammes  ge- 
wonnenes grosses  Stück  Holz.  ek 
hewwe  twei  Meter  Klobenholt  ekofft. 

Kloben,  Flaschenzug. 

klöben,  spalten,  klieben. 

Klocke,  Glocke.  —  et  is  Klocke  fünewe, 
es  ist  5  Uhr. 

klomen  (klifm),  steif  werden  vor  Kälte. 

kloppen  (klopin),  klopfen. 

Kloppe,  Schläge. 

Klöppel,  Glockenhammer. 

Klopper,  Ausklopfer. 

Klöpper,  1.  Schlägel,  Holzhammer,  mit 
dem  auf  den  Meissel  geschlagen  wird. 
2.  Türkloi)fer. 

Kloppetäch,  Werkzeug  zum  Klopfen  der 
Sensen,  bestehend  txu8  *Hamer'  und 
^StawelS 

Klot  {kl^t),  Testiculus. 

Klots-Kiel-Hamer,  ein  Kinderspiel. 

klotsen,  fallen,  stolpern. 

klotzich,  sehr;  supcrl.  Ausdruck  wie 
höllisch,  bannich. 

klowig,  klobig,  knorrig,  wie  ein  Stück 
Holz. 

Klaben  (klühm),  ».,  Knäuel  Garn. 

kluben,  klauben  (ü  u,  ö,  ö,  ö).  hei 
kluft  in  der  Nese. 

Klnft,  Kleidung. 

Klneke,  Henne,  Glucke. 

klncken,  brüten  wollen. 

klncksch,  zum  Brüten  geneigt. 

Klnmp,  m.,  Kloss,  Klumpen,  Erdkloss. 
Klump  im  besondern  ist  Topfkuchen, 
Aschkuchen  und  ein  aus  Kartoffeln 
hergestellter,  in  glühender  Asche  gar 
gemachter  Kloss. 

kliimpern,  polternd,  schwerfällig  gehen. 

Klampfant,  verkrüp^yelter  Fuss. 

kliimprieh,  aus  Klumpen  bestehend,  de 
Acker  is  recht  klümprich. 

klnntern,  klnntsen,  polternd,  störend 
gehen. 

Klnntern,  Klunkern,  Troddeln,  be- 
sonders durch  Schmutz  gebildete  Haar- 
filze. 

Kl  Uten  (klüin),  Erdklumpen,  Erdscholle, 
klumpiges  Gebilde. 

Kltttentramper,  Spottname  für  den 
Landwirt. 

klütern,   mit  Erdklumpen  werfen. 

Knacks,  Knack,  körperlicher  Schaden. 


73 


knadolseh,  unklar,  unsinnig,  verwirrt , 
verstört.    Aus  katholisch. 

kaappe,  eng,  knapp;  kaum. 

knapsen,  knapp  bemessen. 

Knarre,  ein  knarrendes  Spielzeug. 

Knarrpudel,  eine  nach  hinten  zuge- 
spitzte Frauenhaube. 

knatterig,  steinig  (Äcker);  zornig, 

Knanp,  Knopf. 

knawwern,  knabbern. 

knehn,  kneten. 

Knep  (kn^p),  Kniff,  Falte. 

Knewwel  (knewel),  Knebel. 

Kniek,  m. ;  so  wird  heute  nur  noch  ein 
bestimmter  Fussweg  bezeichnet j  der 
über  eineti  Acker  führt,  wei  gabt 
öwwern  Knick. 

kniepen  (knlpm),  kneifen  (l  i,  ai,  c,  e). 
de  Bäcker  hat  ekneppen,  der  Bäcker 
hat  von  dem  gebrachten  Teige  etwas 
für  sich  abgekniffen. 

Knieptange,  Kneifzange. 

Knit^wel,  dickes  Stück  Brot 

knistern  an  knastern,  knittern  nn 
knattern,  gebräuchliche  Zusammen- 
stellungen. 

knitterkolt,  so  kalt,  da^s  der  Schnee 
knirscht. 

Knitterkiille,  strenge  Kälte. 

kniwwelig,   knifflig,  schwie^'ig. 

Knoke,  Knoken,  Knochen. 

knökern,  knöchern. 

knokich,  knochig, 

Knop,  Knopf;  älter  ist  Knaup. 

Knöpnatel,  Stecknadel. 

knöppen  (knöpm),  knöpfen. 

knorn  (kno'rn),  krunksen,  eine  Arbeit 
mit  dumpfen  Lauten  begleiten.  Dazu 
die  Benennungen  Knörhans,  Knörpeter. 

knörn,  zerknittern,  knüllen. 

Knowwe,  Knospe. 

knndeln,  zerknüllen,  in  höherem  Grade 
als  knörn  2, 

knuffen,  stossen. 

Knuflok,  (knufi^k),  Knoblauch. 

Knüppel,  Knittel.  de  l^nüppel  is  bie  'n 
Hund  ebunnen  sagt  man,  wenn  jemand 
nur  aus  Furcht  vor  Strafe  sich  nicht 
vergeht. 

ivnüppel,  Holzschlägel  der  Steinmetze. 

Knuppen  (knupm),  Knoten. 

knurren  (knurn),  murren. 

Knust,  Banft,  Anschnitt  oder  Rest  vom 
Brote. 

Knntte,  Knntten,  Knoten. 

knutten,  stricken,  knüpfen. 

Kuuttenkaf,  Flachsspreu;  die  abge- 
streiften Fruchtkapseln   des  Fiachses. 


Knüttel  sticken,  Stricknadeln. 

Knattere,  Erdkloss,  harte  Unebenheit 
des  Bodens. 

Knättetttg,  Strickzeug. 

knuwweln,  mit  den  Fingerknöcheln  be- 
arbeiten. 

Koben    (k(Tfmi),  Schweinestall. 

Kobenlet  (kffömJ^t),  Loch  in  der  Wand 
des  Schweinestalles,  durch  welches  das 
Schweinefutter  gegeben  wird. 

kobolzen;  wie  kabolzen. 

köehen  (köx^n),  husten. 

köddern,  reden^  erzählen,  sprechen. 

koddela,  oberflächlich  waschen. 

Koddelwäsehe  (kodloeAa),  oberflächliche 
Wäsche. 

koddorich  (kodrix)*  übel,  unwohl,  mek 
is  sau  kodderich  de  Sinne.  —  'ne 
kodderige  Snute  bebben,  patzig  ant- 
wortcn,  frech  sein. 

Koffent,  Dünnbier. 

Köjjel,  Unterkinn,  Fettwulst  unterm 
Kinn. 

Koffee,  Koffei,  Kaffee. 

Koke  (kö'ks),  Küche,    veraltet. 

koken  (kÖ'k9n),  kochen. 

Koksern,  Grude,  Herd  für  Koksfeuerung. 

Kohl  (k^l),  Kohl,  Kraut. 

Kolk  w.,  tiefes  Wasserloch  auf  Wiesen 
und  Feldern. 

Kolkrawe,  Babe. 

kohlen  (k(f,n),  Kohlmaken,  albern  reden. 

KoUe,  Kohle. 

Kollrabieh,  Kohlrabi, 

kolt  (kfflt),  kalt. 

komen  (kifm).  kommen  (o  u,  «,  ä,  ö). 

Kop  (kcrp)," Kauf 

Koplä,  Kaufleute 

köpen  (ko^pin),  kaufen. 

Kopp,  Kopf^ 

koppelsant,  zuvorkommend,  höflich,  ge- 
fällig,   frz.  complaisant. 

köppen  (köpin),  köpfen. 

koppschtt,  kopfscheu. 

Koppschal,  Kopfbedeckung  der  Frauen, 
Kappe. 

Koppweida,  Kopfschmerzen. 

Kor  (kö*r),  Schar,  Menge,  en  Kor 
Geuse,  eine  Schar  Gänse. 

Korf,  Korb. 

Korfslehn,  Korbschlüten. 

Korfwahn,  Korbwagen. 

köhrn,  (k^rn),  sprechen. 

Kohrn,  Korn,  Getreide. 

Köhrn  (kö'rn),  einzelnes  Korn. 

Kohrnwief,  Kornweib,  Gestalt  der  Volks- 
sage. Kindern^  die  ins  Getreide 
laufen,  wird  mit  ihr  gedroht. 


74 


kort,  kurz. 

kortenklitzenbagelklein,    in   unendlich 

kleine  Stückchen  zermalmt. 
Koschale,   Kaltschale,    kalte   Suppe  von 

Milch  oder  Bier. 
Kost,  Speise,  Lebensmittel.     Husmanns- 

kost,  bürgerliche  Speise. 
kostspelig,  kostspielig. 
Kote  (ko'te),  Gelenk  über  detn  Huf  des 

Pferdes. 
Kötep,  (k3't9r),  Hund. 
Köttel  (kötl),  Kot. 

kötteln,  (kötln),  den  Kot  fallen  lassen. 
kowweln,   tauschen,  toie   es   bes.   unter 

Kindern  üblich  ist.  vorkowwelD,  etums 

weggeben,    um     anderes    dafür    ein- 
zutauschen.    Vgl.  kütjebütjen. 
Krabaten,  Kinder. 
Krack,  Krach,  Zank. 
kräje,  lustig,  keck,  lebhaft. 
krakeilen,    krakeelen.    Streit    anfangen, 

lärmen. 
Krakeil,  Lärm,  Streit. 
Krale,  Glasperle,  Koralle. 
kram,  m.,  1,  geringschätzender  Ausdruck 

für    Sache,     Ware.      2.    Bauernhof, 

Besitz. 
kramen,  mit  Sachen  abgeben,  mit  etwas 

beschäftigen,    hei  kramet   en  ganzen 

Dag    in    Stalle    rum.    —   utkramen, 

au^acken. 
Krampe,     Türhaken,     klammerförmiger 

Haken. 
Kran  (kr an),  Kragen. 
kraspeln,  rascheln;   durch  Kratzen  auf 

Papier  u.  dgU  Geräusch  vei'ursachen. 
Krätsch  m.,  Rederei,  Umstände,   da  wort 

n  Krätsch  drumme  maket,  das  wurde 

so  wichtig  behandelt. 
Kräng  (kraux),  Krug,  Trinkgefäss. 
Kraag,  Gastwirtschaft,  Schenke,  in  Krau. 
Kranme,  Krume,     de  Kraume  hört  de 

Maume,  de  Rinne  hört  'n  Kinne. 
K rann 8 beere,  Kronsbeere. 
Krawwe,  Kind, 

krawweln,  krabbeln,   kriechen;  kitzeln. 
Kräwweln,    Kribbeln,      ek    hewwe    de 

Krawweln,  ich  habe  das  Kribbeln  in 

den  Fingern  (von  der  Kälte). 
Kräwet,  Krebs. 

krazböstig,  leicht  aufbrausend,  mürrisch. 
Krei,  Krähe. 

Kreiken,  kleine,  säuerliche  Pflaumen. 
krein,  krähen. 
Krein-Oe,  Hühnerauge. 
Krempe,  Krampe. 
krempen     (krempm),     krempeln,     zur 

Krampe  biegen. 


krenmeln,  krümeln. 

Krear,  Krüger,  Gastwirt. 

Krickel,  Griff  an  derWeüe  des  Brunnens, 
der  Drehorgel,  Kurbel. 

krickeln,  krackein,  einen  Handgriff 
unregelmässig  hin-  und  herbewegen. 

Krieg  (krlx),  Krieg.  Plur.  Krie,  Dativ 
Krie. 

kriemen  (krvn),  die  Erzeugung  eines 
stechenden  &efühles  in  der  Nase  durch 
scharf  riechende  Stoffe,  de  Marreik 
kriemet  in  de  Nese. 

kriemich,  scharf  riechend. 

krien,  kriegen,  erlangen,  haschen  (li,  ai, 
e,  e).  —  af krien,  Obst  abnehmen ;  von- 
krien,  teil  haben,  abbekommen;  tau- 
krien,  eine  Zugabe  erhalten;  utkrien, 
ein  Nest  ausnehmen. 

krieschen,  kreischen,  schreien. 

Krimmelink,  kleines  Krummholz. 

Krimskrams,  wertloses  Zeug. 

Krips ;  einen  bie'n  Kripse  krien,  jemand 
packen 

Krisehan,  Christian. 

Kristaneie,  Kastanie. 

Kristoffel,  Stoffel,  Christoph. 

Krite,  Kreide. 

kritewit,  kreideweiss ;  verstärkt  in  krite- 
slotewit. 

Kriwwe,  Krippe. 

Kriwwelkop,  eigensinniger  Mensch, 

kriwweln,  jucken,  stechen. 

kriwwelig,  empfindlich,  leicht  erregt. 

Kröndel  (fcrS'ndl),  Werkzeug  der  Stein- 
metze,  aus  einer  Beihe  fest  aneinander 
gekeilter  spitzer  Eisen  bestehend.  Durch 
Bearbeitung  des  Steines  mit  dem 
'KröndeV  wird  eine  gekörnelte  Ober- 
fläche erzeugt;  das  Wort  ist  daher 
vielleicht  aus  Körndel  entstanden. 

Kropp,  Kropf 

kröplig,  krüppelig. 

Kröppel,  Krüppel. 

Kroptü^,  Kropzeug, 

krösselich,  krümelig,  körnelig. 

Krösseln,  Krümchen. 

Krnck,  Stockkrücke. 

Kracke,  Hacke  zum  Zusammenkratzen 
des  Strassenschmutzes. 

kracken,  Schmutz  zusammenkratzen. 

Krackstock,  Krückstock. 

Krake,  Tongefäss. 

Krülleke,  Locke. 

Krällekenkop,  Lockenkopf. 

Krümmer,  Ackergerät,  dessen  gekrümmte 
Spitzen  den  Boden  lockern  soüen. 

Krümmije,  Krümmung,  bes,  Wegkrüm- 
mung. 


75 


kronksen,  leicht  ächzen. 

Krapbohne,  Bohnenart. 

Krapen  (krüpm),  kriechen. 

kr  US,  kraus. 

Rrase,     Krise,     Krause,     gekräuselter 

Kragen. 
KrÜHel  (krüz9l),  Lampe  ohne  Fuss. 
kriiseii,  kräseln,  kräuseln. 
Krat,  Kraut,  krautige  Pßanzenteile ;  im 

besondern :  Unkraut,   et  Kohrn  vorgeit 

in  Kru 
Krntse,  Kreuz.  ^ 

kseb !    Ruft  um  Vögel  zu  verscheuchen. 
Kack,  Blick,  Äugenblick,     hei  is   blofs 

emal  op  en  Kuck  ekomen. 
knckeiif  gucken. 

Kaddelmuddel    (kudlmudl),    Durchein- 
ander, Verwirrung,  Unordnung. 
Koffer,  Kaffert,  Koffer. 
Kliffe,  schlechtes  Haus,  Hütte. 
Ksffswien,  Schwein. 
kajenieren,  ärgern,  foppen. 
Knjon  (kujö'n),  Schlingel. 
Kiiek,  Nusskem. 
KftkeB,  Küchlein;  der  drehbare  Teil  im 

Bierhahn. 
Kukenblaame,  Bittersporn,  Delphinium 

eonsolida. 
kaldern,  kullern,  kollern. 
Knie,  Grube.  —  in  de  Kule  trehn,  hinken. 
Kttle,  Kugel. 
Kille,  Keule. 
Kulle.  Kälte. 
kallig,  kühl,  kaU. 
knlpen  (kulpm),  schlafen. 
Kalp-oe,  Schlafauge,   Nd.  Kbl  25,  71. 
Kanpelmente,  Komplimente. 
Kamp  holt,  das  Holz,  worauf  das  Leder 

des  Kummets  gepolstert  wird. 
Kampklotz,  ein  Klotz,  den  der  Sattler 

bei    der   Herstellung    von    Kummeten 

gebraucht. 

Kampen  (kumpm),  Kummet. 

Kanne,  Kunde.' 

Küpper,  Kupfer. 

knppern,  kupfern,  von  Kupfer. 

kapprig,  kupfrig. 

Karre,  schartiges  Messer. 

Kiisel,  Kreisel,  Brnmmküsel ;  Haarwirbel. 

kaue  In,    drehen,    taumeln,      hei    küsele 

ammendumm. 
KÜHsen,  Kissen. 

kfitjeb&tjfn,  unerlaubt  tauschen. 
Katte,  cunnus. 
La,  Lade,  Truhe. 
Lsddek,  Lattich,  Lactuca;  Klette,  Lappa 

major. 
Laddekenblädder,  LaUichblätter. 


laddern,  läddern,  abblättern. 

lad  rieh,  lumpig,  zerschlitzt,  zerledert. 

lafeirn,  Durchfall  haben. 

Lack;  in  der  Redensart:  de  Zuppe  hat 
war  Lack  noch  Smack,  die  JSuppe 
schmeckt  nüchtern,  es  fehlt  etwas  daran. 
Vgl.  westf  Rak  of  Smak,  weder  Geruch 
noch  Geschmack. 

Laken,  Lachen,  Laken. 

Lakritsche,  Lakritze,  scherzhaft  Bäm- 
schiete. 

lammen  (lain),  ein  Lamm  werfen,  de 
Zicke  hat'elammet. 

Lftmmeken,  Lämmchen. 

lämmekenbant,  der  Himmel  ist  mit  kleinen 
weissen  Wolken  bedeckt.  Dazu  Läm- 
mekenbant n. 

Lampen  (lampm)  m.,  Lampe. 

lahn,  laden. 

längest,  längst. 

Langewiele,  Langeweile. 

langwielig,  langweilig. 

lank,  lang,    de  lanke  Strate. 

Lanke,  Längsriemen  am  Geschirr  des 
Pferdes. 

Lankwab,  m.,  Stange,  die  Vor-  und 
Hinterwagen  zusammenhält. 

Land,  Feld  im  Gegensatz  zu  Garten. 
in  Lanne. 

Larwe,  Maske. 

lasch,  matt,  abgespannt. 

Lasche  /.,  Lederlappen  am  Schuhschluss. 

lästern,  spotten,  sich  lustig  machen. 

latiensch,  lateinisch. 

Latiig  (lälüyi)^  Ladezeug;  Gestell,  durch 
das  der  Ackerwagen  für  das  Getreide- 
und  Heu  fahren  verbreitert  wird. 

laten  (lätn),  lassen  (ek  lätd,  du  letzt;  ek 
lait,  vai  laitti;  dläln). 

Lawwe,  gewöhnlicher  Ausdruck  fürMund. 

lawwerig,  widerlich  weich  (Nahrungs- 
mittel). 

lawwern,  weiche  Speise  geräuschvoll  zu 
sich  nehmen. 

leben  O^bm),   leben   (ek  Ww?;  dWwdt). 

lech  (l^yQ,  mager,  hungrig  aussehend. 

leckerig,  wählerisch  beim  Essen. 

Ledder,  Leder. 

leddig  (ledix),    ledig,  leer,  frei. 

leggen  (lejon),  legen,    elext. 

Legge haan ;  hei  hat  'n  Kop  '  wie  'n 
Leggehaun,   er  hat  einen  roten  Kopf. 

leif,  lieb.     Veraltet. 

Leik,  Laich. 

lein,  lügen  (ai  ü,  ö,  ö,  ö). 

Leire,  Leiter. 

Leirwahn,  Leiterwagen. 

Leitung,  Zügel  des  Pferdes. 


76 


leiwe ;  leiwe  sien,  einem  liebf  angenehm 
sein;  nicht  wie  im  hd.  unpersönlich 
*es  ist  mir  Ueb\  sondern  persönlich. 
ek  bin  sau  leiwe,  datte  komen  bist. 

Lehmkale  (l^m-),  Lehmgrube. 

lehnen  (le^n),  lehnen. 

Lehne  (le^n9),  Lehne. 

Leone,  Lende. 

Lennewand,  Leinwand. 

Leppel,  Löffel. 

leppeln,  löffeln^  mit  dem  Löffel  essen. 

leppern;  et  leppert  sek  desamme,  es 
kommt  nach  und  nach  zusammen. 

Lereke  (l^rdkd),  Lerche. 

lehrn  (l^rnj,  lehren  und  lernen. 

Lehrjange,  Lehrling. 

Lehrmester,  Lehrmeister. 

Lese,  Bund  am  Hemd. 

Letter,  Leiter.    Selten. 

Let  (l^t)f  Lid,  Augenlid;  Mehrz.  Lehnen 
(l^n);  Fingerglied;  Massbezeichnung. 
et  war  man  'n  Let  lank. 

Let,  Leid,    de  Lee   dann,  zu  leide  tun. 

Let;  siehe  Kobenlet 

lenben  (loibin),  loben 

Lewe ;  sien  Lewe,  sein  lebelang,  während 
seines  Thebens. 

lewig  (l^wix),  lebend. 

Lew  wer,  Leber,  ne  dröe  Lew  wer  hebben, 
immer  Durst  haben. 

liebte,  leicht. 

lichtferich,  lichtförich,  leicht  zu  machen, 
ohne  Schwierigkeit. 

lichtglSwich,  leichtgläubig. 

Lichthaken,  Haken,  der  zum  Heben  der 
Kggen  benutzt  wird. 

lichtlerich,  leicht  lernend,  von  schnellet' 
Auffassung. 

lichterlu,  ganz  hell,  stark,  lichterlu 
brennen;  lichterlu  schrien. 

lichten,  aufheben,  hochheben,  'n  Faut 
lichten,  den  Fuss  heben. 

licken,  lecken. 

Lief,  Leib,  in  Liewe,  im  Leibe.  —  de 
Liewe  dann  od.  nehmen,  tüchtig  essen. 

Liefweida,  Leibschmerzen. 

Liekdöre  /.,  Leichdorn,  Warze.  —  Um 
die  L.  zu  beseitigen,  macht  man  eben- 
soviel' Knoten  in  einen  Faden,  den 
man  unter  A  nrufung  der  Dreieinigkeit 
in  ein  Mauseloch  steckt  oder  über  Kopf 
ins  offene  Grab  wirft. 

Lieke,  Leiche. 

lieke,  gleich,  ebenso,  beide  sünd  lieke 
grot.  —  op  lieker  Ere  sien,  auf  ebener 
Erde  sein. 


Liekhns,  Leichenhaus,  Vorraum  in  der 
Kirche  zur  Aufbahrung  der  Toten. 

Liekstein,  Leichenstein,  Grabdenkmal. 

L\^m,  Leim. 

liemen  (lim),  leimen. 

lien,  leiden,  ertragen  (9ledn). 

Lien,  Lein,  Flachs. 

Lienije,  L  Leine.    2.  Linie. 

Liensat  (linzät),  Leinsamen. 

Lier,  Leier,  Gang,  et  is  (immer  deselwe 
Lier. 

liern,  leiern. 

Lieschen  (Min),  Elisabeth. 

liese,  leise. 

lieseken,  leise. 

Liesten  (iist^Jj  Leisten. 

Lieste,  Leiste, 

liegen  (UJ9n),  liegen  (ek  lij9,  du  litßt; 
läx;  lain;  9lfn) 

limen,  leimen. 

linnen  (Hn),  leinen,  aus  Leinwand. 
man  kann  linnen  un  wüllen  reden, 
hei  hört  nich. 

Linnen,  Leinen. 

Linksfnehtel,  Linkshand. 

Linne,  Linde. 

Lister,  Lüster,  dünner  Stoff. 

Liweken  (llvekdn),  Leibchen,  ärmelloses 
Kleidungsstück  der  Mädchen. 

liwern  (llvdrn),  liefern. 

Lo  (lö'),  Gerberlohe. 

loben  (löf'bm),  geloben,  versprechen,  hei 
hattet  mek  in  de  Hand  elowet.  Vgl. 
Nd.  Kbl.  26,  42. 

Lock,  Loch. 

löckerig,  löcherig. 

Lodderbast,  Lodderjahn,  Lotterbube, 
unordentlieher  Mensch. 

lodderi^,  unordentlich,  lumpig.  -  vor- 
loddern,  unordentlich  werden. 

Lof,  O^f),  Laub.  —  hei  zittert  wie  'n 
Lofblad. 

Logge  (löj9),  Lüge. 

Löggendier,  Löggenprinz,  Löggensack, 
liügner. 

Lok  (lÖ'k),  Lauch. 

lomig  (l^miyj,  feucht,  dumpfig.  Vgl. 
smeu. 

lön  (lö^n),  löten. 

Lönz  (lö^nts),  Lünse,  Achsnagel. 

lopen  (änlöepm),  laufen. 

Lopp,  Lob. 

Lopp,  bestimmte  Menge  Garn.  Man 
unterscheidet  Koplopp  f=  10  Schock), 
das  noch  vor  50  Jahren  zum  Tausch- 
handel diente,  Kasperlopp  (*»  5 
Schock)  und  Bleikelopp  (=  20  Schock 
Fäden).  -—  Dienstboten  und  grössere 


77 


Kinder  waren  gehalten,  jede  Woche 
eine  bestimmte  Anzahl  *Lopp^  abzu- 
liefern. Das  gesponnene  Garn  wurde 
auf  den  Haspel  gewickelt;  60  Um- 
drehungen machten  ein  Schock. 

Loper,  Läufer;  ein  Kind,  das  ^eben 
laufen  gelernt  hat. 

lopen  (l^pm),  laufen  (ö  ö,  ai,  ai,  ö). 

Loppass  (l^^pas),  Laufpass,  Aufforderung 
zur  Entfernung,  hei  bat  'n  Loppass 
ekreggen. 

llipseh  (lö'ps),  hitzig,  brünstig;  bes.  v. 
Hunden  gesagt. 

Lork,  Kröte. 

Löwe  (lo*w9)t  Laube. 

la,  lat,  laut. 

Lii,  Leute.  —  Man  fasst  gern  Menschen 
einer  bestimmten  Gattung,  Lebens- 
gemeinsehaft  tisw.  mit  dem  Worte  *Lü^ 
zusammen:  Burslä,  Frunslü,  Mannslü, 
Nawerslü,  Arbeitsia,  Beddellü. 

Lacht,  Luft,  veraltet. 

Liichte  (lüxt9),  Leuchte,  Laterne. 

lachten,  1.  leuchten,  Licht  geben.  — 
2.  blitzen,    et  lacht,  es  blitzt. 

lachten  (luxiri),  durch  die  Luft  trocknen. 
afluchten,  utluchten. 

Lächter,  Leuchter. 

lacker,  locker. 

lackern,  lockern. 

lack&en,  spähen,  heimlich  zuschauen. 

La^,  Lüge.  Lug  un  Drug,  Lüge  und 
Betrug. 

l&hn,  läuten. 

Lake,  Maueröffnung  im  Bodenraum. 

Lalatsch  (lüklts)^  Tolpatsch,  schwerfällig 
gehender  Mensch. 

Laiigenkrat,  Lungenkraut,  Pulmonaria. 

longenseikscb,  lungenkrank. 

lünsehe,  (lünh),  niedergeschlagen,  ge- 
drückt, still. 

Lante,  DocJU. 

Lar,  Lauer. 

Lär,  Klockenlur,  Glockenläuter. 

laren  (turn),  lauem. 

larig,  schwül,  drückend,  windstill. 

Lorre,  Lüge. 

larren,  (lurn),  lügen. 

Las,  Laus.  —  wie  de  Lua  in  Schorwe 
Sitten,  eine  gute  Stelle  haben.  —  ne 
Las  in'n  (i^)  Pelz  setten,  einem 
etwas  am  Zeuge  flicken.  —  op  en 
(opm)  Lusekamme  piepen,  nichts  zu 
ensen  haben,  verarmt  sein. 

Laseknicker,  Bezeichnung  des  Daumens. 
Vgl.  Nd.  Kbl  29,  29. 

lasen,  lausen,  Läuse  absuchen.  —  vor- 
lasen, voller  Läuse  sein. 


lasig,  mit  Läusen  behaftet 

LHsse    (Iüsb),     Wagenrunge  ^     die    an 

der    Achse    der   Hinterräder  befestigt 

wird     und     der     Hort    Gegendruck 

leisten  soll. 
lüt,  laut. 

Luteben,  Ludwig. 
Intcben,  anlutcben  (lütx,9n)^  anschmiegen, 

an  die  Mutter  lehnen. 
Inter,  lauter. 
Intbals,  aus  vollem  Halse,    hei  bat  lut- 

hals  elacbet. 
lättjioh,  klein.  -   de  Lüttje,  der  Kleine. 
Lnzarne,  Luzerne. 
Ma,  Made. 
Ma,  /.,  Magen. 

maddern,  im  Wasser  plantschen. 
Madeborch,  Magdeburg. 
Blaffen,  Türen  u.  a.  lärmend  zuschlagen. 

—  maflfl  dazu  gehöriger  Ausruf. 
majerent,  grossjährig. 
Mann,    Mohn. 

maj  (mäyj,  mager,  de  Maje,  der  Magere. 
Mäjen  (mfj9n  v.  mejdn),  Mädchen. 
mäkeln,  tadeln. 
maken,  machen,  tun;  ellipt.  sich  beeilen. 

make  doche,  beeile  dich  doch. 
Mäken,  Mädchen,  selten. 
Makije.  /.,    Mache,   Arbeit,     de  Snier 

hat  de  Hosen  in  de  Makije. 
Mal,    Fleck,    Zeichen,    Schlagmal    beim 

Spielen. 
malen,    mit    einem   Mal   versehen,      de 

Mutter  hat  de  Geuse  malt. 
malörn,  missraien,  nicht  gelingen. 
Malt,  1.  Malz.  -   2.  Frucht  des   Weiss- 
dorns,  die   auch   Malterbrot  genannt 

wird. 
Maltiet,    Mahlzeit;     Grussform:    geseg- 
nete Mahlzeit. 
man,    nur,    aber,    mek    durt   man    de 

ormen  Kinder. 
Mandag,  Montag. 

Mangel  holt,  Mangelholz,  Glattwalze. 
mangeln,  mit  dem  Mangelholz  glätten. 
man^eniern,  marinieren  (Hering). 
raaniger  (manijdr),  mancher. 
mank,  zwischen,    hei  stund  midden  der- 

manke 
mankedorcb,  zwischendurch. 
Männeken,  Männchen. 
Mannse,  Mann. 
Manns lü,    Mannsleute;    die    Gesamtheit 

der    erwachsenen    m.     Glieder    einer 

Familie. 
Mannsminsehe,    Mann,     en   Mannsmin- 

sche   kann   doch   mehr   dann   wie  'n 

Frunsminschen. 


78 


manschen,  matschen,  plantschen, 

Manschetten  faebben,  Angst  haben, 

Mantgeld  (mäntjelt),  Monatsgeld,  Steuer. 

niaraehen,  afniarachen  (maräocati),  über- 
anstrengen. 

Marcht,  Markt. 

marchten,  markten,  kaufen. 

Mar  dämm  (mar  dam),  Schlamm. 

Mareik,  Meerrettig. 

Markelie,  Quälerei  eines  jungen  Tieres 
durch  vieles  Hätscheln. 

markein,  junge  Tiere  durch  vieles  An- 
fassen quälen  und  schwächen. 

marken,  merken ;  die  hd.  Form  ist  aber 
häufiger. 

Marks,  Knochenmark. 

Marlieschen,  Marie  Elisabeth. 

Mars  (märs),  Hintere,  licke  mek  in 
Marse  (märz9),^  derbe  Abweisung.  — 
in  Marse  hebben,  aufgegessen  haben. 
—  Kinderreim:  Nakedei,  Vor  'n  Marse 
isset  Himm'  entwei. 

Marte  (märtg),  f.,  Marder. 

Martendrücken,  Albdrücken. 

Martinich,  Martinstag,  der  Tag,  an  dem 
die  ländlichen  Dienstboten  ihren  Dienst 
antreten. 

maschieren,  marschieren. 

Masse,  Rübenschnitzel. 

massich,  in  grosser  Menge. 

Mat,  Mass,  Gemäss,  Trinkgefäss aus  Blech. 

Mate,  Mass,  Masse,  Längenmass, 
Bandmass. 

Matsch,  m.,  wässeriger  Strassenschmutz, 
feuchte,  weiche  Masse. 

matschen,  im  Wasser  oder  Matsch 
herumwühlen. 

Matstock,  Metei'mass,  Massstab. 

Matte,  /.,  Mdze. 

Matthacke,  /.,  Schwächling,  schwacher 
Mensch. 

Mattier,  m.,  alte  Münze.  Vgl.  den  Orts- 
namen Mattierzoll  im  Braunschweigi- 
schen. 

man,  misslich,  unsicher,  de  Sache  is 
mau,  der  Erfolg  ist  zweifelhaft. 

Manme,  Muhme,  alte  Frau,  de  Rinne 
hürt'n  Kinne,  de  Kraame  hört  de 
Maume. 

mann,  miaun. 

Manre,  Möhre,  Mohrrübe. 

Maurnsaft,  Mohrrübensaft;  in  Swanne- 
beck  da  wohne  ek,  Maurnsaft  vor- 
kope  ek. 

Mans,  Mus. 

mausen,  Mus  kochen. 

Manspiimpel,  Musri^rer. 

maatwillig,  mutwillig. 


Maat ;  sienen  Maut  keulen,  sein  Mütchen 

kühlen. 
Mee  (mf^),  Miete. 
Meibohm  (maibö'm),  Birke. 
Meie,  Birke. 
Meikatte,  im  Mai  geborne  Katze.    Solche 

Katzen  sollen  die  besten  Mäusejäger 

sein. 
mein,  mähen. 
mein,  meiden. 
mein,  sehnen,  härmen,  grämen,    hei  meit 

sek. 
Meir,  Mäher. 

Meiran,  Majoran,  ein  Gewürz. 
meist,  mehrst,  mehst,  meist,  yor't  mehste, 

meistens 
Meistrnk,  Birkenzweig. 
mek  (mek),  mir,  mich. 
Melchert,  Müchert,  männl  Hering. 
Meldan,  Meltau. 
Melk,  Müch. 
melken,  milchen. 
Melkpot,  Milchtopf. 
Melkschrank,  Schrank  für  die  Milch. 
mehln,  mahlen ;  im  übertragenen  Sinne 

das  tiefe  Eindringen  der  Wagenräder 

in  den  Strassenstaub,  sodass  der  Staub 

über    den   Radfelgen  zusammenrinnt. 
melln,  melden. 
meen  (mfn),  mieten. 
Meepennig,  das  Angeld,  das  die  J^ienat- 

boten  beim   Vermieten  erhalten. 
Mess,  Mist. 
Messdra,  Misttrage. 
Mese,  Vulva. 
Meseke,  Meise. 

messen,  misten,    afmessen,  utmessen. 
Messfinke,  dreckiger  Mensch. 
Messgrepe,  Mistgabel. 
Messknie,  Mistgrube. 
Messmele,  Melde,  Atriplex. 
messnat,  ganz  durchnässt. 
Mest,  Messer. 
Mester,  Meister. 
mestern,  meistern,  beherrschen. 
meten  (metjjt,  mfhi),  messen. 
men,  müde,    hei  is  dotmeu. 
Meu,  Mühe. 

Miante  (mi'änt^),  Miantje,  Ameise. 
Mich«* i lieh,  Michaelistag. 
mickrich,  klein,  winzig. 
Middag,  Mittag,    in   Midda,   im   Süden. 

—  Bei  Verlust  des  Tones  wird  i  zu  e 

in  Vörmedag,  Vormittag,  und  Nömme- 

dag,  Nachmittag. 
Middasebrot  (mtdä'z^bri/t),  Mittagessen. 
Midde,  Mitte. 
Middegaft,  Mitgift. 


79 


mlddewegs,  in  der  Mitte  des  Weges. 

Middewochen,  Mittwoch, 

Middel,  Miüei 

Middeldrift,  mittlerer  Feldweg, 

Middelhee,  Flachsabfall  zwischen  'Vor- 
rak"  und  'Hee'. 

■idden,  mitten, 

Mie  (nn)f  f.  Harn, 

MiejkfisseD,  Miejpöhl,  Kissen,  dos  kleinen 
Kindern  untergelegt  wird, 

Mifiwarn,  lauwarm. 

Mieke,  Marie. 

Niele,  Meile. 

nien  (min),  mein. 

nien  (min),  harnen,  (ml,  mixst,  mixt,  mit ; 
maix,  mej9n;  9mej9n). 

niendae,  in  meinen  Tagen,  dat  hewwek 
miendag  nich  esein. 

nienirh,  meinig.  et  geit  ja  von  mie- 
nichten. 

■ienswegen,  mientwegen  (-wfjon),  mei- 
netwegen. 

■ierieh  (mlrix),  geizig,  kleinlich.  Nd, 
Kbl.  25,  42.  65.  89. 

Miesekatt^,  Katze  in  der  Kindersprache; 
ebenso  Mieseken.  Kinderreime :  Miese- 
makättcben  mau,  wuvon  bist  du  sau 
grau?  „£k  bin  sau  grau,  ek  bin  sau 
matt,  ek  krie  dat  liewe  Futter  nich 
satt  **  —  oder :  Miesemukättchen,  wu " 
wutte  denn  ben?  „Ek  will  no  Grote- 
yaers  Huse.**  Wat  wutte  denn  da 
daun?  „Da  bin  ek  mek  wat  vormaun; 
da  slacht  se  'n  Swien;  da  drinket  se 
Wien;  da  kann  man  lustig  un  früblicb 
bie  sien.*' 

Miete  /.,  Haufen  von  Buben,  Kartoffeln 
u.  dgl.,  welche  auf  dem  Felde  mit  Stroh 
und  Erde  bedeckt  über  Winter  liegen 
bleiben. 

Milte,  MiU. 

Minsche,  Mensch. 

Misse,  Messe, 

Bissen,  missen,  ek  kann  keinen  Dag- 
löhner  missen. 

Mist,  Nebel. 

■listig,  neblig. 

■ittewiele,  mittlerweile. 

Modder,  Madder,  Schlamm,  schlammiger 
Bodensats. 

noddern,  im  Schlamme  vmhlen. 

■•ddrig,  modrig,  schlammig,  schmutzig. 

Bol  (mlfl),  mürbe,  weich  (Obst). 

Mlile,  Mühle. 

Mölenflöggel  (moUnflößl),  Mühlenflügel. 

Mölstein,  Mühlstein. 

Molle,  Mulde. 


mön  (m8'n),  mögen. 

mÜn,  möjeii,  erleiden,  getroffen  werden. 
hei  hat  wat  emöjet,  er  hat  etwas  alh 
bekommen. 

Mönnek,  Mönch. 

Moppe,  Ohrfeige. 

mör  (mo'r),  mürbe. 

Mor  (mö^r),  Moire-Stoff. 

Morast,  Mörass,  Mürass,  Schlamm, 
Strassenschmutz. 

Morgen  (morpn),  Ackermass,  ungefähr 
25  Ar. 

Morgenblanme,  Gänseblume,  Bellis  pe- 
rennis, 

morsch,  mürbe,  brüchig. 

Mord  un  Dotslag,  ärgerlicher  Ausruf, 

mötn,  müssen  (mot,  most,  vai  möt; 
mo8t9).  * 

mn,  Nachahmung  der  Kuh.  Mukau  von 
Haiewerstadt,  Anfang  des  bekannten 
Verses  Buko  v.  Halberstadt, 

mäeheln  (müydln),  stänkern,  sich  un- 
anständig aufführen. 

Madder,  Schlamm,  Trübung. 

mnddlich,  trübe  (bes.  Witterung). 

muddeln  (mudin),  schmollen. 

Muffe  /.  Muff." 

muffeln,  muffeln,  sich  unanständig  auf- 
führen. 

muffen,  muffen;  wie  muffeln. 

muffich,  dumpfig,  verschimmelt  riechend. 

Mägge  (müjd),  Mücke.  Alitterierende 
Zusammenstellung  zur  Bezeichnung 
grosser  Anzahl:  Müggen  un  Man  (man), 
Mücken  und  Maden. 

muekeln,  schmollen. 

muekeln,  dämmern, 

mncklig,  dämmerig,  trübe,  bewölkt. 

mucksen  sien,  schmollen. 

Mal,  Maul,  Mund;  das  Maul  der  Tiere 
heisst  gewöhnlich  Snute. 

Maider,  Müller. 

müldern,  Müller  sein,  MüUerarbeit  tun. 

mulmen  (mulm),  mfilmen,  Wolken  bilden. 

mulmich,  mit  Wolken  bedeckt. 

mulen  (müln),  maulen,  schmollen. 

müln,  anmüln  (änmüln),  einen  Schaden 
tun,  etwas  auswischen,  hei  hat  sek 
wat  anemült. 

mullsch,  morsch,  brüchig,  verfauU. 

mullstrig,  muffig,  verschimmelt.  H  Stroh 
rucket  mulstrig. 

Mulwark,  Mundwerk. 

Mulworm,  Mullworm,  Maulwurf. 

Mume  Suse,  langsame,   einfältige   Frau. 

mummeln,  mit  zahnlosem  Munde  kauen. 

inmummeln,  einhüllen,  tn  warme  Tücher 
und  Kleider  einscMagen. 


80 


mankieren,  moquieren,  über  etwas  auf- 
halten. 

manstern,  ntmonstern,  auftakeln^  auf- 
fällig  und  geschmacklos  kleiden. 

Mar,  Maurer. 

Mure,  Miire,  Mauer. 

Marjahn  (murjän),  ungewaschenes,  un- 
sauberes Kind. 

marken,  murren,  brummen. 

Mnrkepot,  scherzhafte  Benennung  eines 
brummigen  Menschen. 

maren  (münit),  mauern. 

Marwark,  Mauerwerk. 

Ma§,  Maus;  Daumenballen.  Gleichheit 
bedeutet  der  Ausdruck :  Mus  wie  Maus 
(ndd.  Mus  =  hd.  Maus,  und  ndd. 
Maus  -=  hd.  Muss).   - 

Masche  NiitHcb,  Fersonenbezeichnung,  in 
der  eine  leichte  Drohung  oder  Warnung 
liegt. 

Masekante,  Musikant. 

Masekantenknoken,  das  spitze  Ende  des 

Ellenknochens. 
Masefallenkehrl,  Mausefallenhändler. 
mtisekenstille,  mäuschenstill. 
Maseköttel,  Mausdreck. 
Uin8elich(^mu^p/tx>),  unklar,  unrein,  getrübt. 
masen,  Mäuse  fangen,  de  Katte  muset  gut. 
Mttseohren  (müzdifrii),  kleine  Ohren. 
inasig   (müzix),   dreist,  übermütig,    sek 

musig  maken. 
Mast,  Moos. 
Matte,  MoUe. 
'n,  'ne,   Verkürzung  von  ohne;  ek  hew- 

wene  sein. 
^n,  ein,  einer,  man.    da  wort'n  utelachet, 
na,  no,  Ausdruck  des  Unwillens. 
nä,  nein. 
nah,  nach ;  unbetont  no.    kumm  no  mek. 

—  nah  Pingesten.  —  nahn  Midda.  — 

nahn  Gasten, 
nah,  nahe. 

nachern  (nä'xdrn),  nachher. 
Nachtmahl,  Abendmahl. 
Nachtslapenertiet  (naxtsläpmnertli),  zur 

Nachtzeit. 
Nachtale,  Eule. 
nädrieh,  niedrig. 
Nafra,  Nachfrage. 
nahgrehpsch  (nägre'ps),  habgierig,  nach 

allem  greifend. 
Nahgedanke,  Überlegung. 
Nahgesmack,  Nachgeschmack. 
näggene  (nej9n9),  neun. 
näggenteine,  neunzehn. 
nahgerah  (nOjdrä),  nachgerade. 
Nakedei,  Nakeldei,  Nackender. 


nakelig,  nackend. 

Nackenklei,  Nackenschläge,  Juchhei  gift 
Nackenklei. 

Nackenslä,  böse  Folgen,  Undank. 

Napp,  Napf, 

nähr,  nieder. 

nährich,  geizig,  kleinlich,  mäklig. 

närgens  (nerjdns),  nirgends. 

Narre,  Narr,    ein  Narre  makt  teine. 

narren  (nar^),  einen  Hund  reizen, 
necken. 

Narrenspei,  Narrenspiel,Fopperei.  Sprich- 
wort: Narrenspei  will  Ruhm  hebbcn. 

narrsch,  närrisch. 

Narwe,  Narbe. 

nat,  nass. 

Nate,  Naten  (näiii),  Atem, 

naten  (nätn),  nässen,  fein  regnen. 

naag  (naux),  genug. 

Nawe,  Radnabe. 

Nawel,  Nabel. 

Nawer,  Nachbar. 

Nawersche,  Nachbarin. 

Nawerschop,  Nachbarschaft. 

Nawerslii,  Nachbarn. 

Nechde,  Nähe,  Nachbarschaft,  hei  is 
op  de  Necbde. 

nechor  (ne%dr),  näher. 

nein,  nähen. 

Neire,  Niere. 

neirn;  siehe  gneirn. 

Neirsche,  Näherin.. 

Neitiig,  Nähzeug. 

Neleke  (ye'bkd),  Nelke. 

Nese  (nPZ9),  Nase. 

NeHtkiiken,  Nesthocker,  kleines  Kind. 

N'ete  (u^t9),  Nisse,  Lauseeier. 

Nenseke,  Öse,  Schlinge. 

nich,  nicht;  fragend  niche. 

nichte  ;  de  nichte  wem,  zu  nichte  werden, 
verderben  —  de  nichte  maken,  über- 
anstrengen, Schaden  antun. 

Nickelkehrl,  Nur.,  Brunnengeist.  Kin- 
der werden  gewarnt,  in  den  Brunnen 
zu  sehen,  weil  sie  sonst  der  *Nickel- 
kehrV  hinabziehe. 

nie,  niet,  neu. 

Niejahr,  Neujahr. 

niepe,  genau,  scharf  (sehen),  et  süht 
sau  niepe  tau. 

niern,  leckerig,  lüstern,  verlangend. 

niet,  neu. 

nietiech,  neugierig. 

Nietibranr,  Neugieriger. 

nietmelk^ch,  neumilchend. 

Nipp,  kurzer  Schlaf. 

nist,  nichts. 

no,  Ausdruck  des  Unwillens. 


ü 


81 


Doehtem,  nücfUern;  verstärkt  nnmmer- 

nöchtern. 
nödig  (n5*dix),  nötig. 
oddi^^en,  einladen,  nötigen,     ek  hewwe 

nödiget,  ich  habe  eingeladen. 
nölen  (fiö'lrt)j  zögern,  langsam  sein,  nicJU 

von  der  Stelle  kommen. 
üölhans,  Nölpeter,  langsamer  Mensch. 
BOlig  O'oUix),  langsam. 
Nomineda;^,  Nachmittag. 
Böseln  (nözdln),  goöseln,   näseln,   durch 

die  Nase  ^rechen. 
Not  (n^t),  Nuss. 
Noidöpe,  Nottaufe. 
Notknaeker,  Nussknacker. 
Notpennig,  Sparpfennig. 
Notstall,   enges    Gelass,   in  das   Ochsen 

gesperrt  werden,  die  beschlagen  werden 

sollen. 
notwennig,  notwendig. 
nn,  nun.     Beim  Suchenspielen  rufen  die 

Kinder  ein  langgezogenes  du. 
nacken,  nicken. 
Niifkf,  /.,  Tücke,  Ixiune.     hei  hat  wat 

in  der  Nucke;  hei  hat  siene  Nucken, 

er  hats  hinter  den  Ohren. 
Nusehel,  Schnauze. 
natschen  (nüt^^n),  saugen. 
niitte,  nütze. 
natten  (nüti^),  nützen. 
oben  ((fbm),  oben. 
Obeudör  (^bmdo'r),  Ofentür. 
oder  ((Tdr)f  oder. 
Oe     07),     1.    Auge;     Plur.    Oen    ((fn). 

2.  Masche  beim  Stricken. 
off,  ob. 
ofte,  oft. 
Oglet   ((fxl^t),  Augenlid;  Mhrz.   Oglen 

(ffx^^n). 
ok  ((fk),  auch. 
Ölder,  n.,  Alter,  Lebensalter. 
oldern,  altern. 
Ole  (c^b),  Alter,    mien  Ole,  mein  Alter 

(Ehemann,   Vater). 
Olendeil  (o'^'^dail),  Altenteil.     Wenn  der 

Bauer    Hab   und   Gut  seinem  Erben 

übergibt f  bedingt  er  sich  ein  Altenteil, 

d.  i.   Wohnung  und  Unterhalt,  aus. 
«lewe,  elf;  adjektivisch  ölef.    -    ölben- 

twintig      (öl9fmitwintix)j      unmögliche 

Zahl.     Vgl.  Eingang  zu  „Hans  unter 

den    Soldaten**:  im  olffnndtwintigsten 

johre. 
Olsehe    ((fl^9),    Alte,      miene     Olsche 

( Mutter f   Frau).   —   Anrede  für  alte 

Kühe  und  Ziegen. 
Olste,     der    Älteste.      Bezeichnung   des 

FamüienäHesten, 


olt  (c^lt),  alt. 

Ölwiseh,    mit   dem  Drehwurm  behaftet; 

verrückt, 
OD,  tonlose  Form  von  an  (an),  an. 
ohne  (8*n9),  ihm,  ihn. 
Onmate  (^nmäts)^  Augenmass. 
Onsehien  (^nSln),  Augenschein. 
op,  auf.    op  de  Nacht,  der  Nacht  zu. 

—     Wo    in   Zusammensetzungen   von 

op    mit    Zeitwörtern    in    diesen    der 

Begriff  der  Dauer  liegt,  lautet  es  oppe. 
opbänken,  einen  zu  bearbeitetiden  Stein 

auf  eine  Bank  od.   einen  Stein  legen. 
opbinnen     (-bii^'),     Getreidefrösche    zu 

Garben  zusammenbinden,  ebenso  Heu 

zu  Bündeln. 
opgaweln,  jemand  zufällig  finden. 
opgeben    (-j^bra),    die    Suppe    in    die 

Schüssel  füllen. 
Opgeboit,    Aufgebot;    für    „aufgeboten 

sein*'  sagt  man:  in  Kasten  hängen. 

opbilpen,  jemand  eine  Traglast  auf  den 

Rücken  helfen. 
ophopen,  auf  jemand  warten. 
opkloben,  spalten. 
opkramen,  in  Ordnung  bringen. 
Opiöper,  Auflauf,  ein  Gebäck. 
oplalirn,  erwarten. 
open  ((fpm),  offen. 
oppe.  auf. 
oppebeholen,    eine   Kopfbedeckung  auf 

dem  Kopfe  behalten. 
oppeblieben,  aufbleiben,  nicht  schlafen 

gehn. 
oppe    hebben,   auf  dem   Kopfe  haben; 

eine  Speise  verzehrt  haben. 
oppunnen     (oppurß,     auspfunden,    die 

Butter  in  Pfunde  zerteilen. 
oppern,  opfern. 

oprapen,  die  Kleider  hochraffen. 
op  recken,    Getreidegarben  zum  Wagen 

hinaufreichen. 
opsein,  beaufsichtigen. 
Opseir,  Aufseher. 
opsmieten,  dem  Vieh  Streu  in  den  Stall 

werfen. 
opsteken,  dem  Pferde  Heu  in  die  Raufe 

stecken,    ek  will  'n  Pere  wat  opsteken. 
opstnken,    die  gemähten    Futterkräuter 

in  Puppen  zum  Trocknen  aufstellen. 
opteiken,  aufzeichnen. 
op  waren,  haushalten,  pflegen. 
Opwarang,  Pflege,  Wartung. 
Or  (^r),  Ohr.    as.  ora. 
ör  CöV;,  ihr. 
Orbammel,  Ohrgehänge. 
Orfie,  Ohrfeige. 
orm,  arm. 


NiederdentRchefi  Jahrbuch  XXXIY. 


82 


Opm,  Ann. 

Örmel,  Aermel. 

Ormhas,  Armenhaus. 

Ort  ((jTrt),  Schusterahle. 

Ort  fö*ry,  Ort;  öwwer  Ort  bringen, 
wegschaffen. 

Osse,  Ochse. 

08860,  nach  dem  Stiere  verlangen. 

088i^,  Eigenschaftswort  zum  vorigen. 

Ossenkopp ;  Scheltwort. 

OHterffir  ((fst9rf{ir),  Osterfeuer. 

öt  (oH),  es,  Fürwort  der  weibl  pers.; 
unbetont  et.  Besonders  unverheiratete 
weibl.  Personen  werden  mit  öt  be- 
zeichnet. 

Owe  (cl'w9),  Ofen,  hindern  Oben  ((fhn). 

Owet  (^W9t),  Obst. 

öwwer,  über,  de  Lieke  steit  öwwer  de 
Ere,  der  Tote  ist  noch  nicht  beerdigt. 
sek  mit  einen  öwwem  Faut  spannen, 
sich  mit  jemand  erzürnen. 

öwweräseken,  leicht  übereisen,  dünne 
Eiskruste  bilden. 

öwwerbliebeD,  übrig  bleiben, 

öwwereiD,  gleich,  use  Anzüge  sünd  ganz 
öwwerein. 

öwwergahn,  über  die  Trächtigkeitszeü 
hinausgehen. 

öwwer  Kop  8cheiteD,  einen  Purzelbaum 
schlagen. 

öwwerleieh,  überflüssig,  zu  viel. 

öwwerndöwwer,  kopöwwerndöwwer, 
drüber  und  drunter. 

öwwerndöwwermorgen,  am  Tage  nach 
übermorgen. 

Öwwertog,  Bettbezug. 

Öwwerwöckels,  der  Stab  am  Spinn- 
rockeny  um  den  die  y.Diesse'*  ge- 
wickelt ist. 

Padde,  kleines  Kissen, 

paddeln;  de  Hund  hat  de  Ere  feste- 
paddelt, d.  h.  die  weiche  Erde  fest- 
getreten. 

paffen,  rauchen. 

Pack,  Pöbel,  Gesindel. 

Package  (pak(U9),  Gesindel 

Paeke,  /,  Menge,  hei  hat  ne  Packe  Lü 
un  keine  Arbeit. 

Parken,  erfassen,  ergreifen. 
ackeo,  n.,  Bündel,  Sack,  Pack. 
packen    sek,    sich   scheren,    weggehen; 

miteinander  ringen. 
Pahl,  Pfahl 
pahlrecht,  aufrecht. 

pampicb,  unfreundlich,  kurz  angebunden, 
Panne.  Pfanne. 
Pannekauken,  Pfannkuchen. 
Pannemann,  Dorfpolizist,  Feldhüter. 


pannen  (pa^i),  pfänden. 

Panzen,  Pansen,  Magen  der  Wieder- 
käuer; Leih. 

pftpich,  zimperlich,  empfindlich,  kränklich. 

Päpgösseln,  zimperlicher  Mensch. 

pappen  (papvj),  essen. 

papporlapapp,  quatsch. 

rappstOnel,  ungeschickter  Mensch,  Tölpel. 

Pärchen,  Barchent. 

pardauz,  Ausruf  beim  Fallen, 

Päreken,  Pärchen. 

Parlmntter,  Perlmutter. 

Parjemutte^  Bergamottbime. 

Parre,  Pfarre. 

Parhoff  (pärhoff),  Pfarrhof. 

Parhns  (pärhüs),  Pfarrhaus. 

Part,  Teil    halfpart  maken,  halbieren. 

Part,  Partei,  Gruppe,  Mieter,  da  wohnt 
drei  Part  in  Huse. 

pass;  et  kämmet  de  pafs,  es  kommt 
gerade  recht. 

passich,  passend. 

Pastor  (pastif'r),  Pastor. 

Pastörsche  (pastö^rs»),  Frau  Pastor. 

Patchacker,  armer  Teufel. 

Pater,  ein  Ackergerät,  dem  'Krümmer' 
ähnlich. 

patsch,  klatsch. 

Patschhand,  Hand  in  der  Kinder  spräche. 

Patt,  Schorf;  zusammenhängendes  Un- 
kraut. 

pattich,  fest,  dicht  (z.  B  dicht  geregnete 
Erde.) 

patzig,  schnippisch,  unfreundlich. 

Paul,  Pfuhl,  Pfütze,  Lache. 

paun,  weinen,  weinerlich  sein. 

Pechhengest,  Schuhmacher. 

Peias  (paias),  Hanswurst,  Narr. 

Peisel  (paizDl),  die  Ausscheidungsöffnun- 
gen des  Schweines,  die  herausgeschnit- 
ten werden  und  zum  Einfetten  der 
Säge  dienen. 

Pek  (p^k),  Pech. 

pekeblau,  pichblaa,  pechblau,  wie  z.  B. 
die  Haut  nach  einem  heftigen  Schlage 
aussieht. 

Pekedraht,  Pechdraht. 

Peckel  /.,  Pökel,  Salzlauge,  in  de  Peckel 
sien,  eingepökelt  sein. 

Peletenz,  Pein. 

peltsen,  schlagen,  hauen,  vgl.  wammesen. 

Pennig  (penix),  Pfennig. 

peppeln,  mühsam  aufziehen. 

Peermie,  jy^rrfemtn^g,  Mentha  silvestris. 

Peerstall,  Pferdestall 

Peert  (pf^rt),  Pferd. 

Petze  (pets9),  Hündin, 

Petersilje,   Petersilie,     dek    is   wol  de 


83 


Petenilje    vorhagelt,    dir   hat   etwas 

nicht  gepasst. 
Petsf],  Aschenbrödel. 
peBseln,  in  der  Wirtschaft  zu  schaffen 

machen. 
pieheln,  sechen. 

Piekelhart,  steinhart, 
iddek,  Mark  im  Holz. 

Piek,  Grolly  Aerger.  'n  Piek  op  einen 
hebben. 

pieken,  stechen, 

pie],  steil,  aufrecht  hei  steit  piel  in  de 
Höchte. 

Pieldep,  Pfeiler. 

piele!    Lockruf  für  Gänse, 

Pieleeans,  Gans, 

Pielelen,  Gänschen, 

Pien,  Fein. 

pienegen  (pin9J9n),  peinigen. 

Piepe,  /yei/e,  Tabakspfeife;  kurzer 
Speiseröhrenrest  am  Magen. 

Diepen  (plpm),  pfeifen.  - 

Piepe» kopa ° (pipmkop),  Pfeifenkopf. 

Piepenstock  (plpmstok),  Stab,  der  durch- 
bohrt wird  und  dann  das  Pfeifenrohr 
bildet. 

Piepvosgel,  Vogel  in  der  Kinder  spräche, 

Piephaoo,  Membrum  virile. 

Piepwost,  Wurst,  die  in  den  Magen 
gefüllt  wird. 

piern,  blinzeln,  äugen,  mit  wenig  ge- 
öffneten Augen  sehen. 

piesacken,  quälen,  peinigen. 

Piet8ehe,  Peitsche. 

Pilf,  Pelz,  Pelz. 

Pingesten,  Pfingsten.  Ulenpingesten, 
ein  nie  erscheinender  Tag,  auf  den 
man  unbequeme  Sachen  verschiebt. 

Pingestosse,  aufgeputzte  Person. 

pink,  Nachahmung  des  scharfen  Lautes, 
der  entsteht,  wenn  man  auf  Metall 
schlägt, 

pinken,  einen  scharf  klingenden  Laut 
erzeugen. 

pinkepanke,  Ablautbildung  zu  „pink'^. 
Xachahmung  des  Geräusches,  das 
entsteht,  wenn  der  Schmied  auf  den 
Amboss  schlägt.  Kinderreim:  Pinke- 
panke, Smed  is  krank,  Liet  op  siener 
fulen  Bank. 

Piakeswamm,  Feuerschwamm. 

Pinne,  kleiner  Nagel,  Blaukopf. 

pinneken,  pinneo,  (piri),  mit  kleinen 
Nägeln  nageln, 

pingeiieh,  empfindlich,  kränklich, 
schwächlich, 

Pipp,  Pipps  m,,  harte  Zungenspitzenhaut 
bei  Geflügel. 


Pisse,  Urin, 
pissea,   Wasser  lasseti. 
Pisshahü,  Membrum  virile. 
Pisspott,  Nachttopf. 
pitsehenat,  durchnässt, 
Pia,  Plage,  Krankheit, 
Plack,  m.,  Flecken,    Fettplack,  Dreck- 
plack usw. 
plaeken,^  schinden,  quälen. 
Plackerie,  Schinderei. 
plack  henfallen,   der  Länge  nach,  wie 

ein  Brett  hinfallen. 
pladdern,  Flüssigkeit  verschütten. 
plan,  plagen. 
Plane/.,  Planlaken,  grosses  Leinenlaken, 

das  bes.  zur  Bedeckung  von  Wagen 

dient. 
Planwahn,    Wagen  mit  übergespanntem 

Laken, 
Plante  (plent»),  Pßänzchen. 
planten  (plani'g),  pflanzen. 
Plänter,  Pflanzer,  spitzer  Stab  zum  Loch- 

bohren. 
Plaster  (plästsr)  n.,  medizinisches  Pflaster. 
Plaster  (plastar)  n.,  Strassenpflaster. 
plastern,  pflastern. 
Plang  (plaux),  Pflug. 
Plangisen,  Pflugschar. 
Plan^karre,    karrenähnliches   Fahrzeug 

zum  Transport  des  Pfluges. 
Plan^Iienich,  Pflugleine. 
p lecken,  flecken,  schmutzen. 
pleckig,  fleckig. 
Plettchen,      Plätzchen.       Schokoladen- 

pletchen,  Zimtpletchen. 
plenn,  pflügen. 
Plickars,  Schläge  aufs  Gesäss.    krist  'n 

Plickars 
plicken,  auf  den  Hintern  schlagen. 

P linken,  zwinkern. 
lock,  Pflock. 
Plocke,  f.,  Stück,  Flocke,     'ne  Plocke 

Zucker;  'ne  Sneiplocke 
plooken,  zerstückeln,    inplocken,  Kuchen 

einbrocken. 
Plockenzncker,  Würfelzucker. 
plücken,  pflücken. 
Plnme,  Pflaume,  edle  Sorte  im  Gegensatz 

zu  Zwetsche. 
Plunder,  wertloses  Zeug. 
Pliinnen  (plün),  Stück  Leinen,  das  um 

den  verwundeten  Finger  gewickelt  wird. 

von  Lappen  in  Plünnen  komen  ffon 

lapm  tn  plü^   kf^m),  vom  Regen    in 

die  Traufe  kommen. 
planschen,   eine  Flüssigkeit  verschütten, 
plass,  dick,  beleibt.    Vgl.  Nd.  Khl.  29,  2.1. 
Pocke,  /  Blatter. 

6* 


84 


Pohl  (pS'l),  Pfühl,  langes  Kissen. 
Polacke,  m.  u,  f.,   Pole,  Sachsengänger. 
Polacke,  Pfeifenrest.  Vgl.  Nd.  Kbl  27, 58. 
polacküch,  polnisch. 
rolk,  dickes,  rundes  Schweinchen. 
polken,  palken,  klauben,  mit  dem  Finger 

bohren. 
Polle.  Blumenzwiebel. 
polscli  (p(flä),  polnisch. 
inpohcheD  Bogen,  in  Bausch  und  Bogen. 
poische  Nese,  Polonaise. 
Popper.  Pfeffer. 
_._. ^^  pfefferig. 


pöppench, 
Poppier,  I 


roppier,  Papier. 

Porte  (pi^rtd),  Pforte,  Tür. 

Portendör  (pi^rti^dE^r),  Tür  im  Hoftor. 

posen  (p^z9n),  herumwirtschaften,  zer- 
treten, da  hat  einder  op  en  Kartuffeln 
rummer  eposet. 

Postboe,  Briefbote. 

PoNten,  Pfosten. 

Pott,  Topf,  ^n  Pott  insetten,  Suppe  und 
Fleisch  kochen  im  Gegensatz  zu  Braten 
machen. 

pötchero,  Geschirr  entzweiwerfen. 

Fote  (pd't»),  Pfote. 

Pottsasen,  eine  Speise,  die  durch  Zu- 
sammenbraten  kleiner  Fleisch-  und 
Fettstückchen  hergestellt  wird. 

power,  ärmlich. 

Pracher  (praoar),  Quälgeist. 

praehern,  quälen,  betteln,  bitten. 

pralL  straff  gespannt.       * 

prahlen  (präly,),  gross  tun;  schreien. 

Prahlhans,  Grosstuer. 

Prätsele  (prfts9l9),  Bretzel,  Gebäck. 

preimsch,  feind,  böse,  de  beiden  sünd 
preimsch,  die  beiden  sprechen  nicht 
miteinander. 

preschen  (presi^),  eüen,  hasten. 

prensch,  preussisch;  freund,  se  sünd 
nich  preusch,  sie  sind  feind. 

Prieche,  Empore  in  der  Kirche, 

priechen,  schwer,  geräuschvoll  atmen. 

prick,  prall,  straff  gespannt. 

Prickel,  Beiz. 

prickeln,  stechen,  sticheln,  Stechreiz  auf 
der  Haut  empfinden. 

Pries,  Preis. 

priesen,  preisen. 

Prilleke,  Pfannkuchen  aus  einer  Art 
Kuchenteig. 

probe iren,  probieren. 

proben  (prö'brn),  kosten,  die  Probemachen. 

prSddeln  (prödlj^),  beim  Kochen  geräusch- 
voll wallen. 

Proppe,  Kork,  Stöpsel. 


proppen    (propin),  pfropfen,    ein    Reis 

aufsetzen. 
Proppries,  Pfropfreis. 
pröichern,     krakeelen,     Unzufriedenheit 

äussern. 
Prott,  grosstuiges  Wesen;  Prot  hebbeu, 

gross  tun,  sich  vermessen. 
prottich,  protzig,  aufgebläht. 
prndlich  {priiHix),  schlecht  genäht. 
Prndlie,  schlechtes  Nähen. 
prndeln,  liederlich  nähen. 
prnkenieren,  eigensinnig  etwas  erbitten, 

ertrotzen. 
Prummel,    Ding  von  rundlicher  Form; 

kleiner,  dicker  Mensch. 
prnmmelig,  rundlich. 
Prustbacken,  dicke  Backen. 
prusten  (prüstn),  niesen. 
pnchen  (puxdn),  aufpochen,  trotzig  etwas 

verlangen. 
Pnckel,  Rücken. 
pnckelig,  bucklig. 

pnckelii,  auf  dem  Rücken  schleppen. 
Puckere,   Unebenheit  der  Haut,  Blüte. 
pndden    (pudy),    kränkeln,    nicht  recht 

gedeihen. 
Pndel,  Fehler,  Versehen. 
vorpndeln,  versehen,  falsch  machen. 
Pulle,  Flasche. 
Pnlleken,  Fläschchen. 
pnlken,  klauben. 
Pämpel,  Musrühr  er,  Muskeule. 
Pnmperkiile,  Schilfkolben. 
Punasnap,  Butter  form. 
puppern,  vor  Ungeduld  zittern. 
pnre,  rein,  lauter. 
pnrzen,  zu  Stuhle  gehen. 
Puseke  f,  Yulva. 

Pnssel  (puz9l),  kleines  Wesen,  Kind. 
pnsseln  (puzBln),  eilig,  geschäftig  in  der 

Wirtschaft  herumbetvegen. 
Pnste,  Atem. 
Pnsterohr,  Blasrohr. 
pnstig,  kurzatmig. 
puNten  (püs(^),  blasen. 
pntt-pntr,  Lockruf  für  die  Hühner. 
Puter,  Truthahn. 

quack,     Ausruf    bei    klatschenden    Ge- 
räuschen. 
qnacken,   heftig  hinwerfen,    hei  hat  ne 

gegen  de  Wand  equacket. 
Qnaddele  (kwadh),  Quaddel. 
qnaddern,   Wasser  verschütten. 
quäken,  mit  breit  gellendem  Tone  schreien. 

5nalmen  (kwalm),  rauchen. 
ualmtute,  ScKwätzer. 
Qnalster,  schleimiger  Speichel. 


85 


qnanter,  in  höherem  Orade.  dat  kum- 
met  noch  quanter. 

(ltta|ipe,  junger  Frosch.  Die  eben  Kon- 
firmierten necken  die  in  der  Schule 
Zurückbleibenden  mit  der  Bezeichnung 
Schaolquappe,  die  wohl  aus  Kaut 
quappe  umgedeutet  ist. 

qaappieh,  qnackicli,  nicht  widerstands- 
fähig (von  jungen  Tieren  gesagt). 

qaarren  (kwarn),  weinen. 

qnaseii  (kwäzdn),  nicht  JiausMUerisch 
umgehen^  vergeuden. 

qnasseln  (kwaz9ln),   Geschw&tz  machen. 

((natseh,  Unsinn. 

qDatsehen,  Unsinn  reden. 

qoatscbe-nat  (-nät),  durchnässt;  ver- 
stärkt: quatsche  messnat. 

qnei,  weich,  lind,  mild,    't  Water  is  quei. 

Qoeif,  unnötige  Sache,  massiges  Gerede. 

ftoeke  (k^^kd),  Quecke,  Unkraut. 

Qaellnbor^,  Quedlinburg, 

Uaerl  (kwtrl),  Schürzen-  oder  Rockbund. 

(laeae  (kic^z9),  Hautblase;  Waterquese, 
Wasserblase ;  Blaut quese,  Blutblase.  — 
de  Quese  h ebben,  nicht  gescheit  sein. 

Unesenkopp,  Quenenpeter,  dummer  Kerl. 

qaestigen  (kwestijdn),  peinigen,  eindring- 
lich fragen. 

((netsche,  Fresse. 

qoieken,  kreischen. 

Qaien  m.,  Geruch,  Gestank. 

qaieneD,  übel  riechen,  schlechte  Dünste 
ausströmen. 

qnillen  (kwihi),  quellen. 

qnittengel  (kwiii^jfl),  von  sattgelber 
Farbe. 

qonrkeo,  Bezeichnung  des  gurgelnden 
Lautes,  der  entsteht,  wenn  man  z.  B. 
in  Moorboden  ttitt. 

(tDiirl,  Quirl. 

'r,  >r  (9r),  Verkürzung  von  dar;  siehe  da. 

raekeln,  rütteln,  klappern,  da  rackelt 
einder  an  de  Dör. 

Rarker,  Schlingel. 

raf  (räf),  rafep,  herab. 

Riegel  (rej9l),  Riegel. 

räTReln,  riegeln.* 

Rahseke,  Radehacke. 

räkeln,  sich  flegelhaft  setzen  oder  legen. 

Ral  (räl),  Ralblanine,  Kornrade. 

Ralsteker,  kleiner  Spaten  zum  Aus- 
stechen der  Kornrade. 

Raneker  (rämekdr),  Stellmacher,  Wagner. 

ranenteii,  xioirtsehaften,  klettern. 

Raum,  Krampf. 

ramnelo,  wälzen,  hei  rammelt  sek  in 
Grase  nun. 

rahs,  raten. 


Ranken  m.,  ein  grosses  Stück  Brot. 
ranken,    afranken,    ein   grosses   Stück 

Brot  abschneiden. 
rann,  heran. 

Raphann  (räphaun),  Rebhuhn. 
rapen  (räpm),  raffen. 
Rappel;  'n° Rappel  hebben,  nicht  recht 

bei   Verstände  sein. 
rappeln;  bie  dek  rappelt  et  wol,  du 

bist  wohl  nicht  recht  bei  Verstände. 
Rapsnftwel      (räpsnäwdl),      habgieriger 

Mensch. 
rar,    gut,    schön,    artig,     bist    'n    ram 

Jungen, 
rasch,  flink,  schnell    dat  Kind   is  sau 

raschen. 
Raspe,  grobe  Feile. 
raspeln,  feilen. 
Rad  (rät),   Rad;  Mhrz.   Rädder.   —  in 

Ra,  im  Rade. 
rattenkahl,  ratzenkahl,  ganz  kahl. 
ratsen ;   hei  kann  sek  nich  ratsen,  er 

kann  sich  nicht  zähmen,  nicht  massigen. 
ratsch,     Ausruf    beim    Zerreissen    von 

Papier  oder  Stoff. 
Ratsch  m.,  Riss, 
ratschen,  reissen. 
rattern,   das  Geräusch  einer  Maschine 

oder  eines  Wagens. 
Ran,  Ruhe. 

Ran,  Rute,  Flächenmass. 
rann,  ruhen. 
raupen  (raupni),  rufen  (ek  raup»,    du 

röpst    oder  'röpp98t,    vai  raupet;    ek 

raip,  vai  raipm;  9raupm). 
Rause,  Rose. 
Rant,  Russ. 
rawweln,  schwatzen,  schnattern,  schnell 

sprechen. 
räwweln.      Gestricktes    auflösen;     zer- 
fransen,   ek  will  noch  'n  Strnmp  op- 

räwweln  —  de  Hose  räwwelt  unnen  op. 
Ree  (r^),  Reihe. 
redden  (redy,),  retten, 
Refermänt,  Tadel,  ScheUe. 
Re^ätt  m.,  Bange,  Scheu. 
Reim  m.,  Riemen. 
reinefieren,  reinigen,  erneuern. 
Reip,  Seil. 

Reise,  Tracht  Prügel. 
recken,   reichen,  darreichen,    afrecken, 

oprecken,  henrecken. 
reken  (rfk9n),  rechnen. 
reckhalsen,     mit     ausgerecktem    Halse 

spähen. 
Rehn,  Regen, 
rehnen  (r^),  regnen. 
Renne,  Rinne. 


86 


renuen  (ref^i),  eilen. 

sek  rengen,  sich  recken,  dehnen. 

rentlich,  reinlich. 

Rentlichkeit,  Reinlichkeit. 

Reentreckcr  (r^ntrek^r),  Heihemieher, 
rechenähnliches  Gerat,  mit  dem  in  Feld 
und  Garten  Beihen  gebogen  werden. 

Reppelbohn,  Balken  mit  Eisenzacken, 
zwischen  denen  der  Flachs  von  den 
Samenkapseln  befreit  wird. 

KeppelbuKeli,  grosser  Eisenkamm  auf 
dem  Reppelbohm. 

reppelD,  die  Samenkapseln  vom  Flachs 
abstreifen,  indem  man  ihn  zwischen 
den  Zacken  des  Reppelbusches  hin- 
durchzieht. 

Reppelrad,  Wagenrad  mit  Eisemacken 
zum  Reppela  des  Flachses. 

Res  (r^s),  Spreu,  Getreidespehen. 

Reskorf,  ein  sehr  grosser  Korb;  über- 
tragen: grosses  Mass. 

reumen  (roim)y  rühmen,  loben. 

reiiren  (roirn),  rühren. 

Reuster,  Biester,  Lederflecken  zum 
Schuhflicken. 

Reawe,  Bube. 

ribben  (ribin),  mit  einem  Eisen  den 
Flachs  bearbeiten,  dass  die  Holzteile 
(Schewe)  entfernt  werden. 

Richte,  Bichtung.  in  de  Richte  gähn, 
den  geraden  Weg  gehen. 

Richteweg,  Bichtweg. 

rieben  (rlbm),  reiben. 

Rief,  Beif,  gefrorner  Tau. 

Riefe,  kleine  Binne. 

riefen,  reifen,  zu  Beif  gefrieren. 

Riek,  Beich. 

Rieke,  Marie. 

rieke,  reicJi. 

rieklich,  reichlich. 

Riem,  Beim. 

riemen  (rlm),  reimen. 

rien,  reiten  (n,  ai,  e,  e). 

riepe,  reif. 

riepen  (rlpm),  reif  werden. 

Ries,  Beis;  Zweig. 

Ries,  Beis  (Frucht). 

rieten  (rltn),  reissen. 

Riethose;  de  Riethose  antreken,  aus- 
reissen. 

Rietmns,  Wühlmaus. 

Rietnagel^  Beissnagei 

Rietenspliet,  ein  Kind,  das  oft  seine 
Kleidung  zerreisst. 

Riet-nt,  Beissaus. 

riets,  Ausruf  beim  Zerrcisttvn  eines 
Stoffes. 


Rick,  Stange,  auf  der  Wäsche,  Teppiche 
u.  dgl.  aufgehängt  werden. 

Rillsch,  Schafgarbe. 

ringe,  gering,  klein. 

rinn,  herein,  hinein. 

Rinne,  Binde. 

Risse,  Hiebe,  Schläge. 

Riste,  soviel  Flachs,  wie  man  mit  einer 
Hand  umschliessen  kann. 

Risten,  Schilfhalme. 

Riwe,  Beibeisen, 

Riwwe^  Bippe 

Riww-isen,  ein  Eisen  mit  Holzgriff  zum 
Loskratzen  der  holzigen  teile  des 
Flachsstengels.     Siehe  ribben. 

Rock  an  Stock,  Hab  und  Gut. 

Rockflittehen,  Bockschösse. 

Röggener  (rö'pnfr),   weiblicher  Hering. 

rohn  (rffn),  roden,  reuten.  Die  Orts- 
namenendung -rode  (Wernigerode  usw.) 
lautet  -roe  (Wannij^riT). 

röhn  (ro^n),  rühren,  bewegen. 

Rohr  (rij^r),  Bohre. 

Rohr  (riTr),  Boder.  Reuwerohr,  Bübeti- 
roder. 

Rok  (rö'k),  Bauch. 

roken  (r^k^n),  rauchen. 

Rökerbodden,  Bodenraum  zum  Bäuchem . 

rökern,  räuchern. 

Rokkamer  (rifkkämdr),  Bauchkammer. 

rökrieh,  rauchig. 

Römer  (rSUndr),  Schnapsglas. 

rop,  herauf,  hinauf. 

rop-rop,  Buf,  mit  dem  man  die  Hühner 
ins  Hühnerhaus  treibt. 

Rosch  {ro.<i) ;  nicht  ganz  reifes  Obst  tvird 
ins  Bettstroh  gesteckt,  ßamit  es  mürbe 
wird:   man  legt  die  Äpfel  ins  Kosch. 

Röste  f.,  Feuerungsrost. 

rot  (rifO,  rot.  —  nich  en  roen  Pennig 
hebben,  besitzlos  sein. 

Rotkeleken,  Botkehlchen. 

Roten  (r^tn),  stehendes  oder  langsam 
fliessendes  Gewässer,  in  dem  der  Flachs 
verrotten  muss  oder  geröstet  wird. 

roten  (riftn),  verrotten, 

Rotsjnnge,  Rotsleppel,  Rotsnese,  Schimpf- 
wörter. 

rottenfnl  (rotrjfül),  rottefal,  rotzenful. 
verfault  zu  einer  schleimigen  Masse 
(z.  B.  Kartoffeln). 

Rotwost.  Blutwurst. 

röwwer,  hinüber,  herüber. 

rn,  rauh. 

Rü,  Rähl,  Pflugstock  des  Landmannes, 
weatf.  rudder. 

riickarseu,    hin-   und   herrücken,   unye- 


87 


duldig  sein,  westf.  rükaesen.  Vgl. 
frs,  reculer. 

rae ken.  einen  Huck  geben,  plötzlich  be- 
wegen. 

rndig,  flegelhaft,  ungezogen. 

Rä^ge^rat,  Rückgrat. 

Hü^^gen  (rüßn),  JRäcken. 

rii|:|?enfrie,  rückenfrei  sek  rüggenfrie 
(oder  puckelfrie)  holen,  sich  einen 
Ausweg,  eine  Ausrede  lassen, 

Rabm,  Raum,  rähmirli,  ^erühmig,  ge- 
räumig. 

rihraen  (räm),  räumen,  Platz  machen. 

rohii,  mausern,    ase  Heunder  ruht. 

i'ttkeii,  riechen  (ü  u,  ö,  ö,  ö). 

Ralle,  Rolle. 

Rammdriewer,  Herumtreiber.  rumm- 
drieben,  heru  mtpeiben . 

Romp,  Rumpf. 

Rampe Ikarre,  Rumpelkasten,  wackelndes 
Fahrzeug. 

rumpelo,  schaukeln,  rollen. 

Rnmpelperd,  Schaukelpferd. 

ramplig,  wackelig,  wälzbor. 

ramtnmme  (rumtums),  umher,  hei  löppet 
rumtumme. 

Rnndeil,  rundes  Beet,  frz.  Rondel. 

rander,  herunter,  hinunter. 

Runge,  Wagenrunge. 

runn,  herunter,  hinunter. 

riinnen  (rün)^  rinnen;  gerinnen,  de 
Pot  rüontr    de  Melk  is  erännt. 

Rupe,  Raupe. 

rnpen  (rüpm),  die  Raupen  ablesen. 

ruppeu  (rupm),  rupfen,  pflücken, 

ruppieh,  zerzaust. 

Runef,  Rauhreif.  Kinderreim:  't  hat 
erurieft,  't  hat  efroren,  treck  en  Zappel 
öwwer  de  Ohren. 

rnseh.  russisch,    rusch  Rohr,  Esse. 

ruseheln,  rascheln. 

rusf  heu,  rauschen. 

RuMchmnsfh,  Wirrwarr,  verdächtiges 
Geräusch. 

rusen.  herumwirtschaften,  herumwühlen, 
in  Kästen  u.  dgl.  herumsuchen. 

Rnst  (rust),  Rost,  Eisenoxyd. 

Rast  n.,  Gerüst. 

Rastpabl,  Gerüstbalken. 

RÜNter  (rüstsr),  Handgriff  am  Pflug. 

rüsten  (rustti),  rosten. 

rastrjg,  rostig. 

ruHtrig,  ungewaschen  und  ungekämmt, 
unordentlich. 

rat  (rüt),  heraus,  hinaus. 

Rate,  Fensterscheibe. 

rater,  Iieraus. 

Sa^  Säge. 


säbbenteine  (zebmJtain9),  siebzehn. 

Saboek,  8ägebocl\ 

sachte,  langsam,  still. 

Saekdrelen  (zakdr^hß,  grobes  Sacktuch. 

saeken,  senken,  einsinken,  sich  setzen. 
de  Ere  mot  sek  erst  sacken. 

sädiffen,  sättigen. 

Sadel,  SaUel. 

Sadeler  (zäHfr),  Sattler. 

sadeln,  sedeln  (z^dln),  satteln. 

Sadelperd,  das  im  Gespann  links  gehende 
Pferd. 

Sadeltüg,  Sedeltfig,  Sattelzeug,  Pferde- 
geschirr. 

saggen  (zeßn),  sagen  (ek  zQd,  du  zefßt). 

sahn,  sägen. 

8al  (zäl),  Südwesten  (Richtung  nach  der 
Saale),    de  Wind  kummet  ut  der  Sal. 

Salfei,  Salbei,  Saloia. 

Salm,  lange  Rede  ohne  Bedeutung. 

Salwe,  Salbe. 

Samel,  Samuel. 

Samerie,  Sämerei. 

}$ämich,  sömich  (zo'miyj,  sämig,  de  Zuppe 
is  sömich. 

sammen  (zam),  sammeln,  bes.  die  Getreide- 
garben zu  Mandeln. 

sau  (zän),  sägen. 

Sand^  n.,  Sand  m.    in  Sänne,  im  Sande. 

sannig,  sandig. 

Sark,  Sarg. 

Satkorn  (zätkcfm),  Saatkorn. 

Satlaken,  Leinentuch,  das  zur  Aufnahme 
des  Saatkornes  dient. 

Satte,  ein  niedriges  irdenes  Gefäss,  meist 
zum  Aufbewahren  der  Milch  dienend. 

sau,  so. 

säwwene,  sieben;  adjektivisch  säbben 
(zel/m). 

Sa  w  wer  lätzeben,  Schutztuch  gegen  den 
Speichelfluss  kleiner  Kinder. 

sawwern,  sabbern;  dazu  Sawwerie. 

Scba,  Schade,  de  Scha  is  sau  grot  niche. 
Im  Ausruf:  schade! 

Schacht  (saxt)  f.,  Schacht  eines  Berg- 
werks. 

Scbacbter  (saxtdr),  Bergwerksarbeiter. 

schachten,  utHcbachten,  einen  Schacht 
graben,  den  Grund  zum  Hausbau 
graben. 

schaffen,  schnell  von  statten  gehn.  dat 
schaffet. 

schal,  schal  vo7i  Geschmack. 

Schaldank,  dickes  Halstuch. 

Schalholt,  plur.  Schalhölter,  Schalhölzer, 
die  zwischen  die  Balken  gelegt  die 
Decke  eines  Raumes  bilden. 

vorNchalen,  mit  Schalhölzern  belegen. 


88 


Bchamfleren,  schimpfen,  scheüeti. 

sehamineln,  schampeln,  so  gehen^  dass 
die  Hosen  aneinander  reiben. 

sehan  (San),  schaden. 

Sc'handarre  (Sandar9),  Gensdarm. 

Sehanne,  Schande,  hei  is  Schimp  un 
Scbanne  gewohnt,  make  nich  saune 
Schanne,  Lärm,  Geschrei;  de  schanne, 
eu  Schanden,  zu  nickte,  hei  fritt  sek 
de  nichte  un  de  schanne. 

Sehanne  /.,  Tragholz  für  zwei  Wasser- 
eimer. 

Sehandsnute,  loses  Maul;  jemand  der 
schlechte  Beden  führt. 

Sebap  (ääp),  Schaf. 

Sehaper,  Schäfer. 

Sehaperie,  Schäferei. 

Schaperkarre  /.,  zweirädriger,  über- 
bauter Karren,  in  dem  der  Schäfer 
im  Freien  nächtigt. 

Sehapköttel,  Schafdreck. 

Sehäpken,  Schäfchen. 

Sehapp,  Schrank. 

Schar  (äär),  Pflugschar. 

seharben  (Sarbfn),  schnitzeln,  zerschnei- 
den, in  dünne  Scheiben  schneiden. 
ek  hewwe  de  Zicke  ne  Turniks 
escharwet. 

seharig  (Särix),  zu  Schar,  'n  drie- 
scharigen  Plaug. 

seharp,  scharf. 

seharpen  (sarpm),  schärfen. 

Sehärr,  Schttrrholt,  starkes  Holz,  an 
dem  die  Schwengel  mit  den  Zugsträngen 
der  Zugtiere  befestigt  sind. 

Seharrierisen,  breites  Eisen  der  Stein- 
metze. 

seharriern,  einen  Stein  mit  dem  Schar- 
riereisen  bearbeiten. 

Scharsee  (Sarze'),  Chaussee. 

schar  warken,  arbeiten,  herumwirt- 
schaften. 

Seharwarker,  Hofarbeiter. 

scharwenzeln,  schmeicheln,  liebedienern. 

Sehan,  Schuh,  —  Berühmtes  Wiegenlied : 
Mukau  (Buko)  von  Haiewerstadt,  Bring 
doch  usen  Kinneken  wat.  —  Wat  sali 
ek  en  denn  man  bringen  ?  ~  Ein  Paar 
Schau  mit  Ringen,  Ein  Paar  Schau 
mit  Golle  beslahn,  Da  sali  nse  Kind 
oppe  danzen  gähn. 

Schauband,  Schanbend,  Schuhband, 
Schnürsenkel. 

Schanle,  Schule. 

Schaaslarben  (äauslarbrn),  grosse  Feld- 
bohne. 

Sehaaster,  Schuster.  —  Bätsei:  Tweibein 
sitt  op  Dreibein.   Da  kummt  Veirbein 


un  will  Tweibein  bieten;  da  nimmet 
Tweibein  Dreibein  un  deit  Veirbein 
smieten.    (Schuster,   Schemel,  Hund.) 

Sehan wark,  Schuhwerk. 

Sehäwwerdecker,  Schieferdecker. 

Schäwwere    f,  Schieferplatte;   Scherbe. 

Schäwwertehn,  spitzer  tind  übermässig 
langer  Eckzahn  der  Schweine. 

-sehe  (-sa),  Nachsilbe  zur  Bildung  weib- 
licher Zunamen,  ähnlich  hd.  -in. 
Müllers  Frau  heisst  de  Müldersche, 
ebenso  Linnemännsche,  Beckersche  usw. 

Sehei,  Scheide.  Slachteschei,  die  Scheide, 
in  der  der  Schlächter  seine  Messer 
bewahrt. 

Sehei,  Scheit,  die  breiten  Leitersprossen. 

seheii,  schief. 

sehein,  geschehen  (dt  Süt,  9t  ä^x,  9t  i^ 
9sain). 

Seheinig  (§ainix),  Schöningen. 

scheiten  (saüij^),  schiessen  (aiü,  ö,  ö,  ö). 

Schelle,  Schale,  Pelle. 

schellen  (äeln),  schälen. 

Schein  fä^m),  Schatten. 

Schemel  (sem9l),  Holzschemel. 

schemmerii'h,  dämmerig,  durchscheinend. 

schemmern,  durchscheinen,  dämmern, 
schimmern. 

Sehenbein  (ä^nbain),  Schienbein. 

Schene  (§^n9),  Schiene. 

Scbene,  schlechte  Stelle  im  Äcker. 

schenen  (ä^^),  schienen. 

Sehepe  (^^p9),  Schöffe. 

Seheppel,  Scheffel. 

scheppeln,  einbringen,  scheffeln. 

Scherbohm  (i^rbc^m),  Stange  am  ein- 
spännigen Wagen. 

Schesf  (§^Z9),  leichter  Wagen,  frs.  chaise. 

schesen,  spöttelnde  Bezeichnung  für 
gehen,  weggehen. 

schett,  abweisender  Ausdruck;  verstärkt 
in  scbetterlet^tt. 

sehetterich,  bleich,  fröstelnd,  kränklich 
aussehend. 

Sehenlder,  Schüler. 

Schewe  (§^W9),  die  bei  der  Flachs- 
zurichtung vom  Flachs  absplitternden 
holzigen  Teile.  Sie  mrd  mit  Lehm 
vermischt  aJs  Schewelehm  vom  Maurer 
gehraucht. 

Schild,  Schild,  in  Schule,  im  Schilde. 

Schilderhas,  Schilderhaus. 

Sehille,  Schelte. 

schillen  (sihß,  schelten,  tadeln,  schimpfen 
(i,  u,  u,  u). 

schilp,  Sperlingsgezwitscher. 

Schimp,  Schimpf,  Makel. 

schimpen  (simpm),  schimpfen. 


S9 


Schill  (^n),  Schein, 

schinen  f^^^),  scheinen,  glänzen. 

Srhinder,  Abdecker. 

Schinderie,     Schinderei,     Anstrengung, 

Quälerei. 
Sehinke  /.,  Schinken  m.,  Schinken, 
Schinkenspeck,  Name  der  Blaumeise. 
Schinn,  Kfipf schuppen. 
Schinnen  (ätri),  schinden,  placken,  Haut 

abschaben. 
sehir,  sauber,  rein,  klar,     de  Gaus  is 

sau  schir,  die  Gans  hat  keine  Stoppeln. 
schiren  (slrn),  bebrütete  Eier  in  heissem 

Wasser  prüf en,  ob  ihr  Inhalt  lebendig  ist. 
Sehite,  Kot.  Sprichwort :  schickten Schite 

hen,  kricht  'n  Schite  war,  d.  h.  wie 

es  in  den  Wald  schallt,  so  hallt  es 

wieder  heraus. 
Schithns,  Abort. 
Hchiten  ßViith  ausleeren,    ek  will  dek 

wat    schiten,    gewöhnliche  Abweisung 

einen  Wunsches, 
Schiterie,  Durchfall. 
Sehitpanze,  gemeines  Schimpfwort. 
Sthiwe,  Scheibe;  Mhrs.  Schiben  (übin). 
Sehlnmhnm,     unordentlicher,     lumpige^' 

Mensch. 
Sfhlnnz,  lumpiger  Mensch. 
schlnnzig,  lumpig,  unordentlich. 
schlnnzen,  lumpig  gehen. 
sehlawwerig,  gallertartig. 
§€hlawwernf  wie  Gallert  sein. 
Sehmadder^  Smadder,  Schlamm. 
Mchmaddeng,  schlammig. 
Mchobben  ßobrn),  kratzen,  schaben. 
Schof  (s^f),  Bund  glattes  Stroh :  Mhrz. 

Schöwe. 
schofel,  schlecht,  gemein. 
Schollichen,     unordentliches,     lumpiges 

Mädchen. 
schölen    (Sd'hi),    im    Wasser    hin-    und 

herschwenken,  spülen. 
schon  (äc^n),  schon. 
schone,  schön. 
schonen  (sö''^),  schonen. 
Schöppe,  Schöffe. 
Schoppen  ßöpm),  schöpfen. 
Sehorf,  Ausschlag,  Grind;  Mhrz.  Schörwe. 

wie  ne  Lus  in  Schorwe  Bitten,   einen 
guten  Platz  haben. 
Seh  ort  n.,  Schar,  Menge,  en  Schort  Geuse. 
Sehorte,  Schürze. 
schörten,    knüpfen,      anschörteu,    zwei 

liänder  zusammenschürzen.    Knoploch 

schörten,   das  Knopfloch  mit  Schleif- 

Stichen  umstechen. 
Schose,  Sache,  Ding,  Ereignis. 
Setaosskelle,  der  Sitz  am  Ackerwagen. 


Schostein,  Schornstein,  Esse. 
Schosieinfeger     (sostainffpr),      Essen- 
kehrer. —   Volksreim: 
Schosteinfeger  sitt  in  Locke, 
flicket  Biene  Schau, 
kumt  'n  lüttjek  Bäckermäjen, 
süht  sau  niepe  tau. 
Mäjen,  wenne  frien  wut, 
frie  en  groten  Papen, 
kannste  lange  slapen; 
slöpste  lange,  warste  witt, 
kricht  de  Pape  Lust  tau  dek. 
Schot  (^Ö't),  Schoss. 

Schote,  grosses  wannenähnliches  Gefäss, 
in  dem  das  geschlachtete  Schwein  ab- 
gebrüht wird. 
Schotfell,  Lederschürze  mancher  Hand- 
werker. 
Sehotentoffel,  Toffel,  Tölpel,  Grobian. 
Sehottschen,  Folka,  schottischer  Tarn. 
Schütteibret      (söilbrf.t),      Schüsselbrett, 
Tablett     da  hülste  ümmer  midde  op 
en    Schöttelbree,    das    hältst    du    bei 
jeder  Gelegenheit  vor. 
Schott eldank,  Schüsseltuch. 
Schöttele  (sötb),  Schüssel. 
Schräge  (ärfjd),  schiefe  Richtung. 
Schramme,  Schürfwunde. 
schrammen  (sram),  schürfen,  die  Haut 

verletzeti. 
Schrank  n..  Schrank. 
Schrapels  (äräpdls),   zur  Fütterung  die- 
nende Schnitzel  von  Kartoffeln,  Buben 
u    dgl. 
schrapcu   (sräpin),   schnitzeln,   schaben, 

kratzen 
Schranlmns,  Spitzmaus. 
schranln,  schreien,  kreischen. 
schren  (sr^n),  schroten. 

Schret  (sr^t),  Schrot,  grob  gemahlenes 
Getreide. 

schrieben  (srlbin),  schreiben  (li,  ai,  e,  e). 

schrien,  schreien,  weinen. 

Schriewer,  Schreiber. 

schrinnen  (äri^i) ;  bezeichnet  den  bren- 
nenden, juckenden  Schmerz  einer 
Schürfwunde. 

schrög  (srö'j),  schräg. 

Schröge,  schräge  Richtung. 

Schröppkopp,  Schröpf  köpf. 

schruppen  (sröpm),  schröpfen. 

Schrot,  schräg. 

Schrotkörn  (sröHkö^rn),  Schrotkorn. 

Schrotleire,  schräge  Stehleiter. 

Schrotsa,  Schrotsäge. 

schrnben  (ärülfni),  schrauben  (ü  u,  ö,  ö,  ö). 

Schrnfstock,  Schraubstock. 

Schrnlle,  Eigenart,  Laune. 


90 


scliruUich,  mit  Schrullen  behaftet,  lau- 
nisch. 

sefarampen  (.srumprn),  schrumpfen. 

scliraniplig,  runzlig. 

Sehrappe,  Steintrümmer,  die  hei  der 
Bearbeitung  von  Steinen   abspringen. 

Schrawe,  Schraube. 

Selirawwer,  Schrubber. 

sehü,  scheu. 

Hiihühe^n  (süb7n),  schieben  (a  u,  ö  ö  ö), 

^Q\vSi^\ii^t  m.f  Vogelscheuche ;  —  ??.,  un- 
ordentlich gekleidetes  Mädchen. 

Schuck,  Äufstossen,  Auf  schluck. 

Schackeborin,  Brunnen  mit  Saugpumpe. 

schueken,  den  Pumpschwengel  in  Be- 
wegung setzen. 

Schüddeholt,  Gabel  aus  Holz  zum  Auf- 
schütteln des  Strohes. 

schuddern,  schaudern,  schauern. 

Schaddernmp,  unordentlich  angezogener 
Mensch. 

schäddeln,  schütteln,  schütten. 

Schüddelstanl  (südlstaul),  grosser  Lehn- 
sessel. 

Schüffeie,  Schaufel 

Schafkarre,  Schaffkarre,   Schiebekarre. 

Schäften,  schwer  arbeiten,  anstrengen. 

Schn-klappen,  Scheuklappen, 

Schalder,  Schulter. 

schulen  (süIq,),  ängstlich  schleichen. 

schUUig  (sülix)j  schuldig. 

schülpen  (sülpm),  überschwappen^  über- 
fliessen  lassen. 

Schum  {Schaum). 

schümen  (.^um),  schäumen. 

sehiimig,  schäumend. 

schuramern,  dämmern. 

schummeln,  täuschen,  überlisten,  hinter- 
gehen. _ 

schün  (üün),  scheuen. 

Schändak,  Scheunendach. 

Sehüne,  Scheune. 

Schunkel,  Schaukel. 

Sehunkelperd,  Schaukelpferd. 

schfinnen  (Aütj);  hei  hat  inek  dat  ane- 
schünnt,  er  hat  mich  dazu  aufgehetzt, 
verleitet,     as.  anscundian. 

schuppen,  stossen. 

schuppen,  schaufeln. 

Schuppe,  Schaufel 

Schur,  Schuppen,  Wetterdach. 

Schur,  Schauer,  Unwetter. 

Schur,  Weile,  Zeit,  ek  bin  eu  Schur 
vorreist  ewest. 

Schur ;  tan  Schure  dann,  zum  Ärger  tun, 
jemand  einen  Streich  spielen. 

schüre,  schauer,  vorm  Wetter  geschützt. 

Schürlappen,  Scheuerlappen. 


schürn  (sür^),  scheuern. 

schurren  (suriß,  scharren,  surren,  mit 
'n  Staule  schurren,  den  Stuhl  weiter- 
schjeben,  sodass  dabei  durch  die  Rei- 
bung ein  Surren  entsteht. 

Schurrhaust,  rauher,  heiserer  Husten. 

Schutt,  Schutzbrett  am  Wagen  (vorn  und 
hinten).  Schütz. 

schütten;  insehütten,  einsperren. 

Schnttßnhere,  Vorstand  des  Schützen- 
vereins. 

schuttern,  erschüttern. 

Sthnw^T  ^Schieber. 

Scbuwwejak,  Schubbiak,  gemeiner  Kerl 

schwunken,  swunken,  schwanken,  sich 
biegen. 

schwul,  schwül 

se  (z9),  sie;  unbetonte  Form. 

sehen  (z^bin),  sieben,  durchs  Sieb  laufen 
lassen. 

Seckele,  SicJiel 

Seckelnkrut  Sicheldolde.  Falcaria  Ei- 
vini. 

Sedeltüg  (z^dltüyj,  Sattelzeug. 

Sei  (z^f),  Sieb)  Mhrz.  Sewe. 

sei,  sie.  -  Das  Wort  wird  immer  mehr 
Anredewort  und  verdrängt  ji. 

Seiche,   Urin. 

seichen,  harnen. 

seik,  siech,  schwach^  kränklich. 

Seikenholt,  ÖrtlichkeiL 

Seikeupeiter,  kränklicher  Mensch. 

Seims blädder,  Blätter  von  (-assia  senna, 
deren  Abkochung  als  abführendes 
Mittel  gebraucht  wird. 

sein,  sehen  (ek  zai,  du  zilst;  ek  zäx, 
vai  zat*n ;  dzain). 

sein,  säen. 

Seisse  (zaisd),  Sense. 

Seissenkrut,   Storchschnabel,  Geranium. 

sek  (zek),  sich. 

Sele  (z^U),  Fischblase. 

Selschop  (zeUop),  Gesellschaft,  dau  mek 
en  betten  Selschop. 

seltsen,  selten. 

seltsen,  seltsam  zu  mute,  unwohl. 

Semmele,  Semmel 

Semmel wark,  Gemisch  von  geriebener 
Semmel  und  Schweinsgehirn. 

Semmel  wost,  Semmelwurst,  aas  gerührtem 
Gehirn,  Semmel  und  Rosinen. 

Senep,  Senf. 

Sepe  (ze'pd),  Seife. 

sepen  (zi^pin),  seifen. 

sesse.  sechs;  vor  dem  Hauptwort  sess. 

sesteine,  sechszehn. 

selten  (zet^),  setzen. 


91 


seakeD.  suchen  (ek  zoik9,  du  zoxst;   ek 

soxtai;  9Z03ct). 
Seale,  Salesole, 
Keate,  süss. 
Siebt,     Gesichtsfeld.       in     Sicht     sien, 

gesehen  werden. 
Sie,  Kleeseide,  Cuscuta. 
Sie.  Seite,  Speckseite. 
Sie,   Weibchen  bei  kleinen  Singvögeln. 
Siedaak,  Seihetuch,  dünnes  Gewebe,  das 

zum  Durchseihen  der  Milch  dient. 
Siede,  Seide, 
sieden,  seiden. 
sielen  (ztl^),  liegen,  rekeln. 
sien,  sein  (bin,  bist,   is;  vai  sunt;  zl, 

Sit;  ek  vär;  ek  vÖr9 ;  doest). 
»ien,  sein  (Fürwort). 
sienieht,  seinig.  't  sienichte,  das  Seinige. 
sienesglieken,  seinesgleichen. 
»iet,  niedrig. 
Siete,  Seite. 

Sietoben    (zlt  <7bm),   die  niedrige    Ver^ 
bindung  zwischen  Küchenfeuerung  und 
Stubenofen. 
§ihn,  seihen. 

Hinmeliern,  nachdenkett,  grübeln. 
SiiBins,  Gesims. 
Sitten  (zü^),  sitzen. 
Sla,  grosser  Holzhammer,  Schlage. 
slaehten  (slaxtn),  schlachten.    Sl achter. 
Slaeke,  Schlackwurst. 
Sladderkaram,  lappiger  Hühnerkamm. 
sladderig   (sladriyj,   lappig,   ohne  Halt. 
sladdern,  lappig  sein. 
Slafittchen,  Schlafitclien.    einen  bie  de 

Slafitchen  krien. 
Slag  (släx),  Schlag. 
Slagbohm,  Wegschranke. 
Slagedot      (slägddc^t),      ungeschlachter, 

starker  Mensch. 
i^lahn,  schlagen  (slä,  slaist;  slaux,  sloin; 

9slän). 
Slap  (släp),  Schlaf. 
Släper,  Schläfer. 
.slaprig,  schläfrig. 
Slaplüse;  dek  het  wol  de  Slaplüse,  du 

bist  wohl  müde? 
slapen  (släpin),  schlafen  (slap?,  slöpdst; 

siaip,  slaipm;  isläpm). 
slapp,  schloff! 
s läppen    (slapm),    schlappe)},    am    Fuss 

nicht  scMiessen. 
Slappslilre,  Schleuder. 
Starben  (slarbm),  Pantoffel,    einen  Schau 
un    einen   Slarben,    is    dat    nich    tan 
Gotterbarmen. 
Hiarben,  auf  Pantoffeln   so  gehen,   dasn 
die  Absätze  auf  dem  Boden  schleifen. 


slarf;    dat   geiht    ümmer   slarf,    slarf, 

wenn  jemand  die  Pantoffeln  schleifen 

lässt. 
slawwern,  schwatzen,  schlabbern. 
siecht,  schlecht. 
Slecker  m.,  nasskalter  liegen. 
Slee  (sie),  Schläge,  Hiebe. 
SIee  (sle^),  Schlehe. 
Slebn,  Schlitten. 
slehnen   (slem),  Schlitten  fahren.    Wei 

het  unsch  eslehnt. 
slemmen,  schlämmen,  Schlamm  machen. 
Slemmkriete,.  Schlemmkreide. 
slenkern,  schlenkern,  schleudern. 
Slepe  (sl^pd),  breiter,  niedriger  Schlitten 

zum  Fortschaffen  von  Mist  u.  dgl. 
slepe n  (sWpm),  Mist  u.  dgl.  schleifen. 
slepen,  schleppen. 
Sieufe,  Schleife. 
sucht,  schlicht,  eben,  gerade,    de  Matte 

is  slicht  vuli. 
Slickerbahne,    Schlitterbahn    auf    dem 

Eise. 
Slickern,  Schlittenkufen. 
sliekern,     auf     dem     Eise     schlittern  ^ 

schusseln. 
slieken,  schleichen. 
Slieker,  Schleicher. 
Sliem,  Schleim. 
slienien  (sltm),  schleimen. 
sliemig,  schleimig. 
sliepig,  seifig,  dicht,  z.  B.  ein   Wasser- 

streifen  im  Brot. 
sliepen  (sHpm),  schleifen. 
Sliepstein,  Schleifstein. 
slinm,    schlimm,    unangenehm;    wund, 

entzündet,    et  hat  en  slimmen  Finger. 
Slinge,  Schlinge. 
slin^en,  schlingen. 
SlinK  n.,  die  steinerne  Umfassung  eines 

offenen  Brunnens. 
Slippen  (sliptn),  Rockschösse. 
Slits,  Schlitz! 
SlÖks    (sWks),     Tölpel,    ungeschlachter 

Mensch. 
Slöp,  Schleife. 

slope,  langsam,  sacht,  leicht. 
slöpen    (slo'p^n),    zur    Schleife    binden, 

schlingen. 
Slot  (slfft),  Schloss  (an  der  Tür). 
Sloten  (slöUn),  Schlössen. 
sloten,  hageln,  schlössen. 
slotewitt,  schlohwciss. 
Slöttel  (slötl),  Schlüssel. 
sla,  schlau,' listig,  klug. 
Sluck,    Schluck:    Branntwein,    Schnaps. 
Sluck,  Kehle,    ek  hewwet  op  en  Siucke, 

ich  kann  nicht  schlucken. 


d2 


sl ädern,   Waren  billig  verkaufen. 

sinken  (slühn),  schlucken, 

slnmpen   (slumytn),   noch  gelingen,  noch 

durchgehen,   et  hat  grade  sau  slumpet. 
slnmperwise,  zufällig. 
Slnnipsläer,     unordentlich    angezogener 

Mensch. 
Slfinsel,  Schlingel. 
$]nnK  m ,  Speiseröhre. 
Slnnz,  Sc  hl  an z,  lumpiger  Mensch. 
slnnzich,  schlnnzich,  lumpig. 
Slnppige    (slüjjij»),  Zwischenraum    zwi- 
schen zwei  Gebäuden,  Schlippe. 
slnrfen,  schlürfen. 

slilren  (slüni),  schleudern,  schlendern. 
slnten  (slü'n),  schliessen   (ü  u,  ö,  ö,  ö). 
smächtig,  schmächtig. 
Smachtreim,  Gürtelriemen  zum  Festhalten 

der  Hosen. 
Smack,  Geschmack,    de  Zappe  bat  w&r 

(weder)  Lack  noch  Smack. 
smacken,  schmatzen,  hörbar  essen. 
Smadder,  Schmadder,  Schlamm. 
smaddei  ig,     schmadderig,     schlammig, 

weich  wie  Schlamm. 
smaddern,    schmaddern,    im   Schlamme 

wühlen;  etwas  wie  Schlamm  von  sich 

schlenkern. 
smal,  schmal. 

Smalhans,  Smalhennich,  dünner  Mensch. 
Smalt,  SchmalZy  Schweinefett. 
Smaltstücke,  Schmalzbrot. 
Smär,  Schmiere;  Fett 
Smärfinke,  schmieriger  Mensch. 
Smärhnt,   Haut,  die  das  Bauchfett  des 

Schweines  umgibt. 
smären  (smänj),  schmieren. 
smärig,  schmieren. 
Smärkese,  Schmierkäse. 
Smarre,  Schmarre. 
smarren  (smarn),   brennend  schmerzen, 

Schmarren. 
smanfen,  schmanfen,  fortwährend  leicht 

regnen. 
Sme  (sm^),  Schmiede. 
afsmeckig,   vom  natürlichen  Geschmack 

abweichend. 
smeeken,  schmecken. 
smehn  (sm^n),  schmieden. 
Smett,  Schmied. 

smen,  feucht,  weich,  geschmeidig. 
smiedig,  geschmeidig,  biegsam. 
Smiege   (smljd),    Winkel,    bes.   stumpfer 

und  spitzer. 
smiege,  winklig. 
smiegen,  schmiegen. 

smilten  (smiltn),  schmelzen  (i,  u,  u,  u). 
Smirgel,  Schmirgel. 


smieten  (smttn),  schmeissen,  werfen 
(i  i,  ai,  e,  e). 

Smok  (smü^k),  Feldmohn,  Fapaver  rhoeas. 

sniöken,  rauchen,  schmauchen. 

Smöker,  Baucher. 

smoren  (smifrii),  schmoren. 

Smorwost,  Schmorwurst,  md.  Bratwurst. 

smn  maken,  heimlich  aneignen,  beiseite 
legen. 

smnek,  schmuck,  hübsch. 

smnddeln   (smudln),   regnen,  schmutzen. 

snmddelig,  unsauber. 

8mnggel,  Schmuggel 

smnggeln,  schmuggeln. 

Smnrgel,  schmutzige  Frau. 

smnrkelig,  schmutzig^  unsauber. 

smnrkeln,  schmutzig  machen. 

smntzen,  schmutzig  werden,  düt  Tüg 
smutzet. 

snack,  schmuck. 

Snack,  Schnack,  Geschwätz. 

snacken,  schwatzen. 

snaeksch,  drollig,  possierlich. 

Snake,  Regenwarm. 

Snalle,  Schnalle. 

snappen  (snapm),  schnappen. 

Snapper,  federnder  Biegel. 

snar  (snär),  schlank. 

snarren  (snarn),  schnarren,  Gaumen-r 
sprechen. 

snattern,  schnattern. 

Snanr,  Schnur. 

Snawel,  Schnabel. 

snäweln,  schnäbeln. 

snawweln,  schnawweln,  schnattern,  leb- 
haft sprechen. 

Snei,  Schnee. 

Sneidaleke,  Schneedohle,  gewöhnlich 
Bezeichnung  d9r  Wildgänse,  deren 
Geschrei  auf  den  herbstlichen  Wander- 
Zügen  Schnee  verkünden  soll. 

Sneikehrl,  Schneemann. 

sueikolt,   kalt,   dass  es  schneien  könnte. 

Sneiplocke,  Schneeflocke. 

Sneppsnaur,  Peitschenschnur.  Siehe : 
Swepsnaur 

snenren  (snoirn),  schnüren. 

Snieke,  Schnecke. 

snicken,  im  Winde  oder  durch  heftiges 
Weinen  den  Atem  verfangen. 

snickenfett,  fett  wie  eine  Schnecke. 

Sniebank,  Schneidebank. 

Sniela  (snhlä),  Lade  zum  Häcksel- 
schneiden. 

snien,  schneiden  (i  i,  ai,  e,  e). 

snien,  schneien. 

Snier,  Schneider. 

snippeln,  schnitzeln,  zerschneiden. 


93 


sijttelieni,  schniUen. 

Soitt,  Schnitt. 

snöekerD,  schnuppern;  herumstöbern. 

SDOddfr,  Nasenschleim. 

snodderig      (snodrix),     widersprechend, 

irolsig, 
Snoppe  fity  Schnupfen;   Lichtschnuppe. 
Snoppfütost,  jemand,  der  einen  heftigen 

Schnupfen  hat. 
snorken,  schnarchen. 
Snöttel  (snötl),  Schlüssel. 
snaben  (snüftni),  schnauben. 
snacken,  schluchzen. 
Snaifdaak,  Schnupftuch. 
SniiflV],  neugieriger  Mensch,  der  überall 

herumschn  öckert. 
SDuffeln,  schnüffeln,  schnobern. 
Snntfiaback,  Schnupftaback. 
Snarl,  Membrum  virile. 
Snurrbart,  Schnurrbart;  auch  SmirrwickB. 
snarren     (snur%i),    schnurren,    sausen; 

betteln,  erbetteln;  lügen. 

Snurre,  Lüge. 

SDnrrig,  schnurrig,  seltsam. 

Snartehen,  buntes  Bändchen. 

Sonte,  Schnauze. 

Snateken,  liebkosende  Benennung. 

Snutentiig,  Mundwerk. 

Sockel  m.,  Hausschuh  aus  Filz  oder 
Gewebe,  einen  mit  'n  Socken  ekräggen 
hebben,  einfältig  sein. 

socken,  herumlaufen. 

Söe,  Sau. 

Soff,  unangenehmes  Getränk. 

Sohle  C^ö^fe;,  Sohle;  Sole. 

sollen  (zöl^),  sollen  (ek  zal,  du  zast, 
vai  zöU;  ek  eob,  du  zost;  9Zolt). 

Solt  (zurit),  Salz. 

sollen  (z&'U^),  salzen. 

soltrig,  salzig. 

Sohn  (zifm),  Saum, 

Hohmen  (z3*m),  säumen,  einfassen. 

Sommersaat,'  Sömmerkohrn,  Sommer- 
getreide. 

Sömmerweiten,  Sommerweizen. 

söen  (zo*n),  saugen. 

Sohne  (z^n»),  Sohn. 

Söhneken,  Söhnchen. 

Sohnemann,  Sohn,  Bursche ;  meist  scherz- 
haft drohend  gebraucht. 

Sönndag  (zöndäx),  Sonntag,  'n  Sünndag, 
nächsten  Sonntag.  Sönndas  (zöndäs), 
Sonntags. 

Sonndasche  (zöndä.^?),  Sonntagskehle, 
Luftröhre,  hei  bat  wat  in  de  Sonn- 
dasche kreggen,  ihm  ist  eine  Krume 
in  die  Speiseröhre  geraten. 


sohr,  trocken,  dürr,  wei  het  sohrn  Wind, 
austrocknenden  Wind. 

Sohrbrennen,  Sodbrennen. 

Spachtel  (spaxU),  Spatel,  vorspachteln, 
verzehren. 

Spahn,  Spaten. 

Spann,  Fussrücken. 

Spanuholt,  Spannknäppel,  Knüppel,  mit 
dem  man  ein  Seil  straff  spannt. 

Spannkedde,  Kette,  mit  der  bei  schwerer 
Ladung  die  Wagenhorte  zusammen- 
gehalten werden. 

Spannreim,  Knieriemen  des  Scliusters. 

Spannwark,  Gespann,  Fuhrwerk,  hei 
is  mit  Spannwark  da. 

Sparbasse,  öparbüchsc. 

Spardnks,  Sperling. 

Sparenzken,  Spässe,  Wippchen,  dumme 
Streiche. 

Sparling,  Sperling. 

sparrangelwiet,  sperrangelweit,  so  weit 
wie  die  Angeln  zulassen. 

sparrbeinig,  breitbeinig. 

Sparren  (sparn),  sperren. 

Sparre,  Sparren,  Latte;  Dachsparre. 

Sparrholt,  Sperrholz  zum  Zusammen- 
halten der   Wagenhorte. 

Spat  (spät),  Pferdekrankheit. 

Spaak,  Spuk. 

Spanle,  Spüle,  Feder  spule. 

Spaulworm,  Spulwurm. 

Spann,  S2)an,  Holzspan. 

spei,  zurückhaltend,  schnippisch. 

Speike,  Speiche. 

Speil,  Spiegel. 

Speck  M ,  S2)eck  m. 

Spei  (spf^l),  Spiel. 

speien  (sp^lnj,  spielen. 

Spelge,  Pßnumensorte. 

Spelte,  Apfelschnitte. 

Spelwark,  Spielwerk. 

spendawel,  freigebig. 

Spendierhosen  anehebben,  freigebig  sein. 

8peak«*n,  spuken. 

Spenkedinges,  Spuk,  Gespenst. 

Spenlige  (spoVUp),  Ort  zum  Spülen  der 
Wäsche. 

spenlen  (spoil^),  spülen. 

Spiele,  Speile,  dünnes  Holz  zum  Schliessen 
der  Wurst. 

Spiereken  n,  wenig,  bisschen. 

Spiese,  Speise. 

spiesen,  speisen. 

Spiet,  Spott,  Schimpf. 

spieten  (spVri),  spotten. 

spildern,  schwächlich,  bei  is  man  spil- 
dern,  von  zartem  Körperbau. 

Spillen  tilg  (spilntüx),  Spille,  der  bügeU 


94 


förmige  Teil  des  Spinnrockens,  auf 
den  die  Rolle  gesteckt  wird. 

spinnen  tom),  spinnen  (i,  u,  u,  u). 

Spinne  wer  (spiudvff),  Spinngewebe. 

Hpitakeln,  Spektakel  machen,  schimpfen. 

Splete  (spl^td),  abgesjjalteneSf  biegsames 
Hole,  wie  es  zum  Flechten  grosser 
Körbe  und  zur  Herstellung  von  Fach- 
werk  und  Zimmerdecken  dient 

splieten  (spllt{i),  spalten;  Feddern  af- 
splieten,  Federn  schleissen,  die  Kiele 
von  den  Fahnen  befreien. 

Splitt  n.,  Splint. 

Splittere  f.,  Splitter. 

Spop  (spffr)  n.,  Spur,  Fussspur,  Wagen- 
spur. 

SpOP,  der  gaffelartig  gespaltene  Balken, 
der  unter  dem  Wagenboden  liegt. 

Kpopen  (spifrn);  de  Wahn  sport,  der 
Wagen  ist  so  breit  wie  andere,  sodass 
seine  Räder  in  der  allgemeinen  Wagen- 
spur laufen. 

spöpen  (spo^rn),  spüren. 

sppein,  sprühen. 

sppeken  (sprfkn),  sprechen  (fi,  ö,  ö,  ö). 

Sprenkel,  Schlinge,   Vogelschlinge. 

sppenklig,  bunt  gefleckt,  getüpfelt, 

Sprick,  Sprache,  Sprachton.  bei  hat  'n 
düchtigen  Sprick,  er  spricht  laut  und 
eifrig. 

Sppitcbe  /.,  Spritzer. 

Spritehen,  spritzen. 

Sppot  (spröH),  Eiersprott. 

Spucke,  Speichel. 

spunnen  (spmi);  inspuzmen,  einsperren, 
gefangen  setzen. 

Spnnnige  (spuniß),  Bettstelle. 

staekeln,  mit  einem  Stecken,  einer  Stange 
hantieren,  lat  unsch  en  paar  Swetschen 
afstackelü. 

Stahl  n.,  die  untern  Schichten  der  auf- 
einandergepackten  Getreidegarben. 

Stake  /.,  der  starke  Stamm  der  Saatrübe. 

stak  ig,  wie  ein  Stock,  steif,  U7ischön 
gebaut. 

Stakitt,  Staket. 

Stak  Pen  we,  Saatrübe. 

statin,  stehen  (ä  ai,  u,  u,  ä). 

stallen  (stahi);  se  könnt  sek  nich  stallen, 
sie  vertragen  sich  nicht. 

Stank,  Gestank. 

Stand;  in  Stanne  sien,  im  Stande  sein. 

Stappe,  Faatstappe,  Fussstapfe,  Spur. 

stappen  (stapm),  tappend,  unsicher,  mit 
kurzen  Schritten  gehen. 

starben  (starl/in),  sterben  (a,  o,  o,  o). 

Stapf;  op  Starf  köpen,  ein  Tier  in  der 


Voraussicht  kaufen,  daM  es  sterben 
wird. 

stätsch,  städtisch,  vornehm,  fein. 

Stanl,  StuM. 

Staupe,  Stufe,  Treppenstufe. 

Stawel,  ein  eiserner,  in  die  Erde  ge- 
triebener Keil,  auf  dem  die  Sense  ge- 
klopft wird.  Ein  Qaereisen  verhindert 
das  zu  tiefe  Eindringen  in  die  Erde. 

Stäwwel,  Stiefel. 

Steckerling,  Stichling. 

stecklig,   punktiert,  getüpfelt. 

Stee  (si^),  Steile,  Stätte;  in  Ortsnamen 
für  Endung  -stedt. 

stMen  (stfJjjt),  stehlen  (f,  ö,  ö,  ö). 

Steip,  Örtlichkeit:  steiler  Weg. 

Stehe  (st^k9),  Stichfleisch. 

Nteken  (stekan),  stechen  (ek  stekd,  du 
stikast;  st(fk,  stifkan;  astö'kan). 

Stekep,  Riegel. 

Stehl  (steU),  Stiel. 

Stelage  (stehVit?),  Gestell. 

Stell,  Gestell. 

Stellmakep,  Stellmacher. 

stemmen  (stem),  meisseln. 

stemmig,  stark,  kräftig. 

SIemmiesen,  Stemmeisen. 

stenkepn,  Streit  suchen. 

stennig,  ständig. 

Stentsen,  jemand  zur  Ordnung  weisen, 
tadeln,  verjagen. 

Steppel,  Steppele,  Stoppelfeld. 

Stenrkettel,  Kasseroi  mit  Stiel. 

Stehpn  {si^rn),  Stern. 

Stehpt,  Schwanz,  Stiel. 

Stehpttitsche,  Kaulquappe. 

Stich ;  de  Botter  hat'n  Stich,  die  Butter 
beginnt  ranzig  zu  werden. 

sticheln,  reizen,  foppen. 

Stidde,  Statte,  Stelle. 

Stie  /.,  Stiege,  zwanzig  Stuck. 

stiebitzen,  entwenden. 

stieben  (stlbm),  stärken,  steifen. 

stief,  steif. 

Stiefel,  Stange.  Bohnenstiefel  (bifn- 
sllfA),  Bohnenstange. 

Stiefel bohne,  Stangenbohne. 

stiefeln,  rankende  Pflanzen  mit  Stangen 
versehen. 

Stief  sc  hot,  ungelenker  Mensch. 

Stieg  (stiyj.  Steig,  Fussweg.  in  Stie, 
auf  dem  Fusswege. 

stien,  steigen  (ek  stl,  du  stixst,  vai  stit; 
ek  staix^  vai  steßn;  astejan). 

Stiene,  Christine. 

Stiets,  kleiner  Bretterverschlag. 

Stiewe,  Stärke. 

stiewein,  marschieren. 


95 


Stiekbeere,  Stachelbeere. 

stickeD,  ersticken. 

Stirken  m.,  Pflock,  Riegel,  Hölzchen, 
Stäbchen  (Stricknadel,  Streichholz). 

stifkendiister,  sehr  dunkel. 

stickennaclif,  dunkle  Nacht. 

.stille,  still,  stille  Friedag,  Karfreitag. 
stille  Woche,  Karwoche. 

Stilleken.  still 

sti Ileus wieoH  (stUj^wlns),  Stillschweigens. 

stinken,  übel  riechen. 

Slippe  /.,  Blütchen,  Hautunreinigkeit. 

Stippe,  Stippeis,  Tunke,  Sosse. 

stippen  (stipm),  tunken,  eintauchen, 
titschen. 

Stippeding,  Wassernäpfchen  am  Spinn- 
rocken zum  Benetzen  der  Finger. 

Stipstoreken,  kleine  Geschichten,  Anek- 
doten. 

stob<^ndig  vnll  sien,  gestopft  voll  sein, 
ganz  und  gar  gefüllt. 

stöben  (sto'bm),  stäuben. 

Stof  (slfff),  Staub. 

Stoffel,  Christoph. 

stoekedof,  dumm,  beschränkt. 

Htockedäster,  sehr  dunkel. 

Stolperjoehen,  Stolprian. 

Stolt,  Stolz. 

Stölten  (stöltiO,  Stelzen. 

Stoppen  (stopm),  Leinwandnutsch. 

stoppen,  stopfen, 

Stöpsel,  Pfropfen. 

stören  (sto'rn),  stören. 

störten  (stör in),  stürzen. 

Störten  (sto^rln),  die  untern  Enden  der 
Getreidehalme  in  der  Garbe,  oben 
Bund  de  Ähre  an  unneo  de  Störten. 

stossen  (st(fs9n).  Steine  mit  einem  spitzen 
Werkzeug  grob  behauett. 

stöten  (stoUn),  stossen. 

stottern,  stottern.   Stötterbock,  Stotterer. 

Htöwern,  stöbern. 

Btöwig  (sto*wix),  staubig 

strakeln,  räkeln,  wälzen. 

Strale  /.,  Leitersprosse. 

stramaen  (stram),  das  Gefühl  des 
Strammseins  erzeugen;  enge  Hosen 
z.  B.,  oder  Haut  über  einer  Geschwulst 
„fitrammen". 

strapzieren,  anstrengen. 

Slrate,  Strasse. 

Stran,  Streu.     ■ 

strann,  streuen. 

Stree  (stre^)  f.,  Schritt. 

streen  (str^n),  schreiten. 

Streke,  Euterzitze;  Sensenschärfer. 

Strensrhe,  kleine  Handspritze,  meistens 
aus  dem  Holze  des  schwarzen  Flieders. 


strenschen,  sjnrilzen. 

s treppein,  abstreifen  z.  B,  Blätter  vom 
Zweige. 

strettfen,  schweifen,  umher  streifen. 

Strewe  (slr^w»).  Strebe,  Stützbalken. 

Striegel  (strljdl),  Striegel. 

strieken,  streichen,  glätten;  malen; 
massieren. 

Striekstioken,  Streichholz. 

Strien,  streiten  (l,  ai,  e,  e). 

Striepe  f.,  Streifen,  hier  haste  ne  Striepe 
Kauken. 

striepig,  gestreift. 

striepen  (strlpm),  streifen. 

Striet,  Streit. 

Stripse,  Hiebe. 

stripsen,  schlagen. 

stripp-strapp-strnll,  Ablautbildung  zur 
Bezeichnung  des  stossweisen  Hervor- 
quellens  der  Milch  beim  Melken. 

strömen  (strcfm),  umherschweifen,  hei 
is  en  ganzen  Dag  in  Felle  rumme- 
strömet. 

stromern,  Landstreicher  sein. 

Ströpke  (stro^pkd),  Ströbeck. 

Strote,  Luftröhre. 

straf,  rauh,  widerstrebend. 

Strnk,  Strauch. 

strallen  (struln),  rinnen. 

Stramp,  Struni2)f. 

Strumpsoeke  /.,  der  untere  Teil  des 
Strumpfes. 

Strank,  Stumpf,  Best  einer  Pflanzen- 
staude. 

strnwelig,  rauh,  zottelig,  wirr. 

Struvvelkop,  Kopf  mit  wirrem  Haar. 

Struze/,  Urauss,  Büschel. 

Strazlereke,  Haubenlerche, 

Stnbendör  (stübmdo*r),  Stubentür. 

Stücke,  Stück,  jif  mek  en  Stücke  Kau- 
ken. —  Brot,  Bemme,  ek  ete  'n  Bot- 
terstücke  -  Acke^-plan.  op  einen 
Stücke  hewwe  Gasten  stahn.  —  'n 
Stücker  teine,  ungefähr  zehn. 

Stäekschen,  Geschichte,  Anekdote,  Er- 
eignis, hei  kann  schöne  Stückschen 
vorteilen. 

Stak  (stak).  Stauch,  Stoss. 

Stake  f.,  Flachspuppe;  Wurzelstück, 
Strunk,  Stumpf. 

staken,  stauchen,  stossen,  —  utstuken, 
die  Wäsche  ausstauchen. 

Staken  m ,  Baumstumpf,  Knorren. 

Stalpe  f.,  Manschette. 

stülpen  (stülptn),  stülpen. 

Stiilpstiieke,  aus  zwei  Schnitten  zu- 
sammengelegte Bemme. 

Stalpstäwwel,  Stulpenstiefel. 


96 


Stümmeke,  Stummer. 

stamp,  stumpf. 

stampen  (stumpm)^  stampfen^  zerstossen. 

Stnniie,  Stunde. 

Staus,  Stündchen  (siüns^n),  Hölzgefäss 
mit  aufrechter  Handhabe. 

Htappen  (stupin),  stossett,  stampfen^ 
stapfen. 

StiiP,  Steuer.  Holt  Stür,  zähme  dichy 
sei  nicht  voreilig. 

starr,  starr,  aufrecht.  diene  Haare 
staht  sau  sturr. 

stttrmeo  (stürm),  die  Feuerglocke  läuten, 

8tarrsch_,  kurz  abgebrochen,  starr. 

Stiit  (stüt),  Hinterteil  beim  Geflügel. 

Stats ;  hei  kam  op  en  Stuts,  er  kam 
unerwartet. 

Stt,  Sau. 

SadieSHel,  Kratzdistel^  Cirsium. 

süfzen,  seufzen, 

sfifzen ;  eine  Wunde  scheidet  Wasser  aus. 

sttfzieli ;  die  Wunde  ist  feucht. 

sfilbeo,  selber. 

sülf,  selb,  sülfander,  zu  zweien;  sülf- 
dridde  usf.  ~  sülfgespunnen  Gahrn, 
selbstgesponnenes  Garn. 

Säle,  Säule 

Süll,  Tärschwelle. 

SttUe,  Sülze. 

Siilwep,  Silber. 

siilwern,  silbern. 

siilwest,  selbst. 

sümen  (züm.)^  säumen,  zögern. 

)!>WBii[kd\i^VL^  (zunähmt),  Sonnabend. 

Sonne,  Sonne. 

Sänne,  Sünde. 

Sannenknicker,  Sonnenschirm. 

sännigen,  sündigen. 

Sannenscbien  (zun.^n),  Sonnenschein. 

sünd,  sind. 

sapen  (züprn),  saufen  (züp9,  zupdst; 
z(fp,  zÜ'pm]  dzifpm). 

Super,  Säufer;  ebenso  Suput,  Saufaus. 

sar,  sauer. 

Sar,  Essig,    swart  Sur,  Schwarzsauer. 

Sardeich,  Sauerteig. 

Sürken  (zürk9n)  n.,  Pustel,  Blüte. 

särlich,  säuerlich. 

süren  (zürn),  säuern,  Mehl  mit  Sauer- 
teig vermischen. 

sarpötsch,  sauertöpfisch,  missmutig. 

Surtappen  (sürtaprn),  Zapfen  im  Essig- 
fasse; nur  gebräuchlich  in  der  Redens- 
art: du  hast  dek  en  richtigen  Sur- 
tappen edreit,  —  dien  Kipp  is  wie 
en  Surtappen,  d.  h.  du  hast  dein 
Haar  recht  hoch  und  spitz  zusammen- 
gedreht. 

Sus  (züs)y  Saus. 


säs  (züs),  sonst,  früher. 

snsen  (züz9n),  sausen. 

Sastarwe,  grosser  Becken  zum  Zusammen- 
harken des  Getreides,  das  nach  dem 
Binden  der  Garben  noch  liegt.  Das 
Gesammehe  heisst  Su starweis.  Zeit- 
wort sustarben  (züstarbrn). 

Saswien,  Sau  im  Gegensatz  zum  Kem- 
swien,  dem  männlichen  Tier. 

8 wach  (swax),  schwach,  gebrechlich. 

S wache  (sweyiji),  Schwäche. 

swächlich,  schwächlich. 

Swager,  Schwager 

Swale,  Schwalbe. 

Swalekennest,  Schwalbennest. 

Swamm,  Schwamm. 

Swan,  Schwan. 

swanen  (swän),  schwanen,  vermuten, 
Vorgefühl  haben. 

Swanz,  Schwanz. 

Swänseken  (swenz^kdn),  Schwänzchen. 

swänzeln,  schwänzeln. 

Swanzgeld,  Trinkgeld  beim  Verkauf 
eines  Tieres  für  dessen   Wärter. 

swapp,  schwapp,  plötzlich,  mit  einem 
Male.    Swapp,  war  de  Dör  tau. 

swar,  schwer,  swörder,  swörst. 

Sware,  Schwarte. 

Swäre,  Geschwür. 

Swärebrett,  Schwärebrett,  Entru.^tMngs- 
oder  Verwunderungsausdruck. 

S Wäreken,  gekochte  Schwartenstückcken. 

Swarm,  Schwärm. 

s wären,  eiti  Geschwür  bilden. 

swart  (swart),  schwarz. 

swartbant,  schwarz  gefleckt,  wei  het 
ne  swartbunte  Kau 

Swat,  Schwaden,  die  Getreidemenge,  die 
auf  einen  Sensenhieb  fällt. 

swaiil,  schwül. 

swawweln,  schwawweln,  schwatzen,  Ge- 
rede machen. 

Sweffel,  Schwefel. 

Sweffelsticken,  Streichholz. 

Swenge,  Fntterswenge,  flaches,  gefloch- 
tenes Gerät,  mit  dem  man  den  Pferden 
Futter  in  die  Krippe  schüttet. 

S  wen  gel,  Schwengel. 

Svveppe,  Peitsche. 

Sweppsnaur,  Sneppsnaur,  Peitschen- 
schnur. 

Swester,  Schwester. 

Swet  (sw^t),  Schweiss. 

sweten  (sw^in),  schwitzen. 

Swetsche,  Zwetsche,  getcöhnliche  Pflaume. 

Swiemel,  Taumel,  Schwindel,  Ohnmacht. 

8wi<>melig,  swümelig,  schwindlig, 

swiemeln,  sehwiemeln,  liederlich  leben, 
in  den  Kneipen  liegen. 


97 


Sniemler,  Sehwiemler,  Lebemann. 

Swien,  Schwein. 

8wieD,   schweigen   (eJc  swl,    du    swiyjsl; 

8wai)(^  9weßn;  9swej9n;  imper.  sunXt 

swU), 
Swieneegffel    (8wtn9^9T),   Schweineigel; 

ebenso  Swienepnckel. 
8 willen,  schwellen,  ansehwellen  (i,  u,  u,  u). 
Hwinnen  (sufi'^),  schwinden  (i,  u,  u,  u), 

▼orswinnen. 
swingen  (swiwn),  schwingen ;  technischer 

Ausdruck  bei  der  Flachsbearbeitung: 

den    Flachs   über    das    „Swingebret** 

schlagen. 
Swingebret  (swiwbrft),  Schwingebrett. 
swinne,  gesehwind,  schnell. 
Swalst,  Schwulst,  Geschwulst;  Mühe. 
swümelig,  schwindlig. 
swümmen  (swüm),  schwimmen. 
Swiirken,  gekochte  Schwartenstückchen. 

Daraus  SwürkenwoBt. 
't,  es;  verkürst  aus  et.    Wenn't  (vent) 

gut  geit. 
tft  (tA),  da,  sieh,    ta,  da  hastet, 
ta,   zu:   unbetonte   Form   von   tau.     ta 

Wienachten,    su     Weihnachten;    tar 

Tacht,  jsur  Zucht;  tan  Huse  rut,  sum 

Hause  hinaus. 
ta<*h  (taa;)f  zähe. 
Tar  he  (tax9),  Hündin. 
Tachtcl,  Ohrfeige. 
taehteln,  ohrfeigen. 

Tacke  /.,  Zacke,  Zacken,  Spitze  {Gewebe). 
Tacken  m.,  Zacken,  Zweig,  Ast;  Menge. 

Hast  'n  schönen  Tacken  egetten. 
tafeln,  essen,  speisen. 
Tafele,  Tafel. 

Takel,  Takeltiig,  Gesindel,  Pack. 
takeln,  optakeln,  aufputzen,  geschmack- 
los und  überladen  kleiden. 
Tal,  Zahl.  —  nich  de  Tale  komen,  das 

Vorgesetzte  nicht  erreichen,   das  Er- 
wartete nicht  erfüllen» 
Tal  n.,  bestimmte  Menge  Flachs,    drei 

Luppe   war  Tal,   d.   h.   soviel   musste 

jeder  spinnen, 
taletzt,  suletzt. 

talfen,  grob,  ungeschickt  packen. 
talpsen,  wie  talfen. 
tan  (täm),  zahm. 

tarnen  {tfrn),  zähmen,  zurückhalten,  zügeln. 
tarnen  (tfm);  sek  t&men,  sich  gönnen, 

sich  zu  gute  tun.    hei  tarnet  sek  ok 

garnist. 
Tange,  Zange. 
Tapet  (tape't);  opt  Tapet  bringen,  zur 

Sprache  bringen. 
tapen  (täprn),  müssig  necken,    se  tapet 
desamme* 

NiedardeatBohes  Jahrbuch  XXXIY. 


Tappe,  Spur,  Stapfe. 

Tappen  (tapin)  m.,  Zapfen. 

tappen,  zapfen, 

tappen,  ertappen. 

Taps,  Dummkopf,  Tölpel. 

tapsen,  fest  auftreten,  schwerfällig  gehen. 

Tassendop,  Obertasse. 

Tatere  (tätara),  Zigeuner. 

Tätgeld  (tfkieh),  Zehntgeld,  der  Zehnte. 

tan,  zu,  af  nn  tau,  ab  und  zu.  Die 
unbetonte  Form  ist  de  (d?j,  bei  An- 
gabe des  Zieles  ta,  te.  de  Vader  is 
de  Hus.  —  Segg  'undag  tan  Vader. 

Tandat  (taüdät),  Zutat,  Beigabe. 

tanvel  (taüf^l),  zuviel;  devel  (d^feTl), 
zuviel. 

Tanvortrnen,  Zutrauen. 

tankrien,  Zugabe  erhalten.  Otto  hat 
wat  taukreggen. 

tanloben  (taülö^bm),  geloben,  versprechen. 

tanschrieben  (taüMbm),  testamentlich 
zusagen,  vererben.  Sei  hat  ne  et  Hus 
tauschriehen  laten. 

Tanseinder,  Zuschauer. 

Teckel,  Dackel;  krummbeiniger  Mensch. 

teckelig,  krummbeinig. 

teckeln,  gehen  wie  ein  Dackel. 

tei  (tai),  zähe. 

teiken,  zeichnen,  bezeichnen,  ein  Zeichen 
machen. 

Teiken  n.,  Zeichen,  Mal. 

Teile,  Ziegel. 

Teilie,  Ziegelei. 

teine,  zehn;  adjekt.  tein. 

teinte,  zehnte. 

Teite,  Teitje,  Voter.    veraltet. 

Tek  (t^k),  erhärtete  Wagenschmiere. 

Teke  {t^kd),  Zecke. 

Telder,  Teller. 

teilen  (tely,),  zählen.  —  vorteilen,  er- 
zählen; Vorteilige,  Erzählung. 

Ten  (ten),  Zahn. 

tennen  (teij),  zinnen,  aus  Zinn. 

Teneweida,  Zahnschmerzen. 

Teepot,  törichter  Mensch. 

teeren  (tern),  zehren. 

tenben  (toibm),  warten,  hei  teuwet  niche. 

tenf !  warte!  Ausruf  der  Befriedigung, 
wenn  man  einem  etwas  angetan  hat. 

Tewe,  m.  u.  f.,  Hund. 

ticken,  picken,  Futter  aufpicken.  — 
anticken,  leise  berühren. 

Tie,  Name  einer  Feldmark  dicht  am 
l)orfe  (ohne  Erinnerung  an  die  ge- 
schichtliche Bedeutung).  Er  war  vor 
der  Ackerseparation  1849  Brachland, 
genannt  Welderwenne. 

tiedig,  zeitig,  früh. 

Tiet,  Zeit.  —  da  wart   einen   Tiet  un 


98 


Wiele  lank.  —  wat  istn  anderttt?  wie 
spät  ist  es? 

Tietvopdricf,  Zeitvertreib. 

tilfeutcben,  ungeduldig  etwas  begehren. 

Timmermann,  Zimmermann, 

timmerD,  zimmern. 

Timpe],  Stapel,  Haufen, 

timpeln,  stapeln,  aufeinandersetzen. 

TinDe,  Zinke  am  Becken. 

Tinshahne;  wie  'n  Tinshahne  sien,  auf- 
geregt sein. 

tippen  (tipm),  mit  der  Fingerspitze  be- 
rühren, tupfen. 

tippeln,  mit  kleinen  Schritten  schneU 
gehen 

Titten.  Tittchen,  weibliche  Brüste,  't 
Kind  kricht  'n  Tittchen.  Bei  Tieren 
gebraucht  man  meistens  nur  Titte, 
Mhrz.  Titten. 

Tiwwetat,  Deputat. 

Töbaek,  Tabak,  Tabak. 

Toch  (tox)  m.,  Bügel  an  der  Sense  zum 
Mähen  von  niedrigem  Getreide. 

tockeln,  ruckweise  ziehen,  zerren,  zügeln, 

toeken,  ziehen,  zupfen;  umziehen. 

Töekerie,  Zögerung. 

töckern,  zögern,  verweilen. 

Toffel,  Tölpel. 

Toggel,  Töggel  (töjjl),  Zügel. 

toggeln,  zügeln. 

Toll,  Zoll,  Mass. 

Toll,  Zoll,  Abgabe;  Zollhaus. 

Töle,  f.,  Hund. 

Tolle,  t«  die  Stirn  herabhängendes  Haar. 

Töllegen  (töbjdn),  Zweig,  Ast. 

Tollen  (tolii),  Zollhaus. 

Tollstock,  Zollmass. 

Tollpatseh,  Tölpel. 

Tom  (t(fm),  Zaum. 

tömen  (to'm),  zäumen. 

Ton  (tiTn)  m.,  Zehe. 

Topp,  Knäuel  Fäden  oder  Haare,  da 
liet  'n  Topp  Flafs. 

Torf,  Basen. 

Torkappe],  Kürbis  (türkischer  Apfel). 

Torkel,  Tnrkel,  Glück,  Dusel,  Zufall 

torkschen  Weiten,  Mais  (türkischer 
Weizen). 

Tom  (t<rrn),  Turm. 

Tort,  Unrecht,  Schaden,  Ärger,  hast 
mek  en  schönen  Tort  anedahn. 

Tost  (tost),  Büschel,  Knäuel,  'n  Tost 
Haare,  ein  Büschel  Haare. 

töweik  {to'-vaik),  windelweich. 

Towelkiepe  (tifwMipa),  Towerkiepe, 
schachtelfurmige,  geflochtene  Kiepe  oder 
Tasche,  in  der  die  Feldarbeiter  und 
Knechte  ihr  Brot  mitnehmen. 

traffen,  schwer  gehen,  stark  auftreten. 


Tramp  andann,  zwingen,  ek  mot  ne 
erst  'n  Tramp  andaun,  siis  kummete 
nich. 

trampen  (trampin),  treten,  geräuschvoll 
gehen. 

Trane,  Träne;  Mhrz.  Tranen  (trä^). 

tränen  (trän),  tränen,  de  Oen  tränt  mek. 

Tranfanzel,"  trübe  Lampe. 

Tränt,  Zusammengehörigkeit,  in  einen 
Tränte,  in  derselben  Beihe,  im  selben 
Büschel,  an  einem  Stiele,  von  gleichem 
Alter  usw. 

Trappe,  Fussspur. 

trappen  (trapni),  geräuschvoll  auftreten. 

trawalgen,  schwer  arbeiten,  abmühen. 

Trechtel,  Trechter,  Trichter, 

trechteln,  durch  den  Trichter  giessen. 

Treckeborm,  Ziehbrunnen. 

trecken,  ziehen.  Torträcken,  Buben 
verziehen. 

Treekekau,  Ziehkuh. 

tren  (trfn),  treten  (ek  trf,  du  tritst;  ek 
trat;  9trfn  oder  9tred^). 

Trense,  einfacher  Zaum,  Lenkriemen. 

Triene,  einfältiges  Mädchen. 

Tritt.  Stufe. 

Troddel  (trodljf  (Quaste. 

Trödelie  (tro'dll),  Saumseligkeit,  Bum- 
melei, 

trödeln  {tro'dln),  säumen,  zögern,  bum- 
meln. 

Trog  (trox),  Trog ;  Mhrz.  Trögge  (tröjo). 

Tropp,  Tropf,  Einfältiger. 

Tröpken,  Tropf. 

tru,  trü,  treu;  einfach,  et  is  ne  truo 
Seele. 

Trale,  Trüle,  Bolle,  Bädchen. 

trnlen  (trüln),  triilen,  rollen,  ein  Bad 
laufen  lassen. 

Trnlrad  (trülrät),  Bad,  dns  die  Kinder 
laufen  lassen. 

Trnmmele,  Trommel 

trnmmeln,  trommeln. 

Trnmpeite,  Trompete. 

Trnmpeiter,  Trompeter. 

trampelten,  trompeten. 

trnn,  trauen,  glauben,  ehelich  verbinden. 

Trnr,  Trauer. 

trnrig  (trüri-/),  traurig. 

trnren  (trünj),  trauern. 

Trnwel,  Trubel,  Unruhe,  Gedränge. 

Tnbben  {tubtn),  Gefäss  aus  Holz  mit 
aufrechter  Handhabe  (Stünschen). 
Melktubben,  Milchgefäss. 

Tucht,  Zucht;  Nachkommenschaft,  Fort- 
pflanzung, ek  will  en  paar  Heunder 
tar  Tucht. 

Tack,  kleines  Stück,  Bück.  Feure  noch 
en  Tuck  tau,  fahr  noch  einen  Bück  zu. 


99 


tofkem;  der  Hahn  tuckert^  ioenn  er 
die  Hühner  lockt. 

turksch,  schmollend,  verdrossen,  unzu- 
frieden. 

tickHchen,  schmollen,  böse  sein. 

Tuffele  fit.,  Pantoffel 

täfteiD,  tifteln,  grübeln,  nachsinnen, 
probieren. 

Tilg  (tüih  Zeug,  Gerät,  Sache.  —  watt 
et  Tüg  holen  will,  im  höchsten  Grade. 

Tülle,  Ausflussröhre  an  Kannen,  Aus- 
gussrinne  an  Töpfen. 

Tan,  Zaun;  Mhrz.  Tüne. 

Tander,  Zunder. 

Tange,  Zunge. 

Tonköniff,  Zaunkönig. 

Tanne,  Tonne. 

Tanpal  (tünpäl)^  Zaunpfahl,  mit  'n 
Tunpal  winken. 

Tappen  (tupm),  kleines  Waschfass. 

Tur,  Gang,  tlmgang.  hei  hat  in  einer 
Tar  herekncket. 

tarich  (turiyO,  langsam,  zögernd, 

Tarkel,  Glück,  Dusel. 

taren  (turn),  langsam  gehen,  schlendern. 

tarren  (turn),  fliegen,  surren,  da  turrt 
de  Sparling  hen. 

Tarrniks,  Turnips,  Futterrübe. 

Tasfh  (iü,^),  Tausch. 

tasch  sien  (tu.s  sin),  matt,  niederge- 
schlagen, gedemütigt  sein. 

tascheln,  wispern,  zusammen  flüstern. 

laschen  (tüs^n),  tauschen. 

tasrhen  (tuit^n),  maletif  färben. 

tasfhen  (tustn);  einen  wat  antuschen, 
einem  etwas  auswischen. 

tatcken  (tütx^n),  weinen. 

Täte,  Tüte,  Düte. 

taten  (tütn),  blasen. 

Tatkörn  (tütho^m),  Blashorn. 

twei,  zwei. 

tweidawwelt,  vierfach. 

tweit,  zweit,    ta  tweit,  zu  zweien. 

twep  (twe^r),  quer. 

TwePB  (tw^rn),  Zwirn. 

Twete  (tw^te),  Gasse,  enge  Strasse. 

Twiebaek,  Zwieback. 

Twiefel,  Zweifel. 

Twieg  (twlO,  Zweig.    Siehe  Twien. 

Twien,  Zweig. 

twienbiestern ;  in  twienhiestern  sien,  im 
unklaren,  verwirrt  sein. 

twierlei,  zweierlei. 

twiesläpern,  zweischlöfern  (Bett). 

TwiUinge,  Zwillinge. 

Twillingsmest,  Messer,  dessen  Fabrik- 
marke ein  Zwillingspaar  zeigt. 

t winden,  zwingen,  bezwingest  (?,  m,  «,  u). 

twintig  (twintiyOf  zwanzig. 


twischen,  zwischen. 

TvviNchenstiicke,   lange  Steine,   die   bei 

der    Grabeinfassung    die    Querstücke 

verbinden. 
twölewe,  zwölf;  adjekt.  twolef. 
Üben    (ubm),  enben    (oibm),    üben   (ek 

UW9;  9UW9t), 

tth,  Zuruf  an  Ff  er  de,   um  Anziehen  zu 

veranlassen. 
Ule,  Eule. 

Ulenklnster  (uti^klüstsr),  Sonderling. 
lllenpingesten,   nie   erscheinender   Tag, 

auf  den  man  jemand  vertröstet. 
Ulenspeil,  Narr, 
um,  nmme,  um.    Umme  mek   brukeste 

keine  Angest  de  hebben.   —   dat  is 

umme,  da  geit  'n  sek  umme,  das  ist 

ein    Umweg.    —    In    Verbindung  mit 

einem  Zeitworte  stets  umme.    umme- 

binnen,  ummegraben  usw. 
Ummedriewers,  Gänse,  die  vom  Händler 

von  Dorf  zu  Dorf  getrieben  und  aus- 
geboten werden:  Kopgeuse. 
timmer,  immer. 

Ummerant  m.,  Umstände,  Wirtschaft. 
Ummesein  n.,  Augenblick,    in  Ummesein 

wäre  weg,  im  Handumdrehen  war  er 

weg. 
nmmeHingen,    Neujahr    von    Haus   zu 

Haus  gehen  und  singen. 
Ummestänne,  Umstände. 
nmmestnken,  die  Flachspuppen  umstellen. 
uiiniesä's,  vornmmesäH,  umsonst. 
un,  und. 
nniier,  unter. 
nnderdes,  unterdessen, 
Ünderhose,  Unterhose. 
Ünderkolrabich,  Unterkolrabi. 
Tnderlat;    alle  Underlat,  fortwährend, 

häufig,    hei  kummet  alle  Underlat. 
nndernander,  untereinander. 
uneins,  uneinig. 

unferig  (unfe^rix),  entzündet,  wund. 
Unflat,      Schmutz,     Kot;     tolpatschiger 

Mensch,    mhd.  vlät,  Schönheit. 
unflätsch,  ungestalten. 
Unfpee,  Unfriede. 
nngenearen    (unjonoim),    ungeschliffen, 

unbescheiden. 
nnnen  (un),  unten. 
unreine,  unrein. 
unsch,  uns. 

use  (ÜZ9),  unser,  unse. 
usieht,  unsrig. 
ut,   aus.     Bei   Bezeichnungen    des   Zu- 

Standes,  der  Dauer  heisst  es  ute.    Vgl. 

op,  oppe.  —  Drink  ut.    Ek  hewwe  all 

Ute    —  uteblieben. 


100 


ntbrin^en,  ausbrüten,  de  Klucke  bringet 
hüte  ut. 

utvorsehämt,  unverschämt,  unbescheiden, 

uthaan,  ausschlagen  (Pferd);  verhauen; 
gut  gehen,  reichen  (Geld):  wenn  dat 
man  uthaut !  meisseln,  Schrift  in  den 
Stein  hauen:  ek  mot  noch  en  Namen 
uthaan. 

atkalmüsern,  herausfinden,  lösen,  aus- 
tifteln. 

ntkomen,  aus  dem  Ei  kriechen. 

ntlüchten,  Pflaumen  auskernen. 

ntmaken,  reinigen,  'n  Diek  utmaken, 
den  Teich  vom  Schlamme  reinigen. 

nt messen,   den  Stall  vom  Mist  reinigen. 

ntenander  (ütnandar),  auseinander. 

üter,  ausser. 

ntpannen  (utpai^)^  auffänden. 

Ütsche  (üt§d),  Frosch. 

Ütschenleik,  Froschlaich;  eine  Fadenalge. 

Ütschenstaul,  Pilz. 

Iltternng  (üt-terunk),  Schwindsucht. 

ntwein,  auf^jäten. 

ntf ringen,  auswinden,  wringen. 

Wa/.,  Wade. 

Wa  /.,  Wage. 

Wa  m.,  Wan  (vän),  Wagen. 

wachten  (vaxtn),  wachen,  bewachen, 
Wächter  sein. 

Wachsdank,   Wachstuch. 

wackeln,  schwanken,  bewegen. 

wackelig,  wackelnd,   nicht  fest  stehend. 

Waddeke  /.,  die  beim  Käsemachen 
zurückbleibende  Milch. 

wädderlich,  widerlich. 

wäddern;  de  wäddern,  zuwider,  über- 
drüssig, hei  hat  sek  Smalt  dewäddern 
egetten. 

waken  (väksn),  wachen. 

wäldag  (vfldäx),  ausgelassen,  übermütig, 
mndd.  weldage,  herrliches  Leben. 

walig  (välix)t  übel,  schlecht  zu  mute, 
ohne  Appetit. 

walken;  einen  vorwalken,  jemand  ver- 
prügeln. 

Walnot  (valn^t),  Walnuss. 

Wamme,  die  schlottrige  Haut  am  Halse 
des  Jiindes.     Got.  wamba,  Bauch. 

Wammes,  Wam^,  eng  anliegendeSy  ärmel- 
loses Kleidungsstück  des  Oberkörpers. 

wammesen  (vanntzan),  hauen,  prügeln, 
vorwammesen,  durchhauen. 

Wan  (vän),  Wa,  Wagen. 

Wand;  Mhrz,  Wanne.  —  siene  Wand 
maken,  etwas  leisten  in  irgend  einer 
Weise,  hatte  denn  eslapen?  Ja,  hei 
hat  siene  Wand  emaket. 

Wank  ige     (vankiß),      Verkehr.       op'n 


Dingelsteschen  Wee  is  vel  Wankige 

(optn   diTig9lst^s9n  ve  is  f^l  vavikip), 

der' Dingelstedier  Weg  ist  belebt. 
Wanne,  Waschfass. 
Wanniiero,  Wernigerode. 
Wansdie,  Wanze. 
Wanst,  Bauch,  Leib. 
war,  wieder,  noch  einmal.    Kumm  balle 

mal  war. 
warben,  werben.  —   Friewarwer,   Frei- 

Werber. 
waren  (värn),  icarten. 
Warf  m.,  Vorwand,    sek  en  Warf  maken, 

einen  Vorwand  suchen,  etwas  vorgeben 

bei  anderer  Absicht. 
Wark,  Quark. 
Wark,  Werk. 
warken;  utwarken,  den  Teig  zum  Brot 

formen. 
warmen  (varm),  wärmen. 
Warmflasche, "  Wärmflasche. 
warseggen  (värzepn),  wahrsagen. 
Warsegger,  Wahrsager, 
Warseggersche,  Wahrsagerin. 
W^artorn  (värtifrn),    Warte^   Wartturm. 
Warwel,  Warwels,  Wirbel 
Warwnlf    (värvulf),    Werwolf;    nur    in 

der  Redensart  hei  fritt  wie'n  Warwulf, 
Wascheholt,  Wascherholt,   kurzes  Brett 

mit  Stiel  zum   Schlagen   der  Wäsche. 
Wasen   (väzdn),   Reisig,     ek   hewwe   'n 

paar  Meter  Wasen  ekoft. 
wassen  (vasQn),  wachsen. 
wat,  was;  etwas. 
Water,  Wasser.   —    Aukenwater  in  der 

Redensart  hei  is  dumm  wie  Aukenwater. 
Waterkanken,  ein  beliebtes  Gebäck  aus 

ungesäuertem  Brotteig. 
Waterjnmfer,  Libelle. 
wätern,  wässern,  spülen. 
Wangörme    (vaux-örmd),   die  Arme   am 

Vorderteile  des  Wagens,  an  denen  die 

Stange  befestigt  wird. 
wankern,  wuchern. 
Wanl,  Geschrei,  Getue,    'n  Waul  maken, 

um   geringe    Sache   grosses    Geschrei 

machen. 
wawwelich,  wiwwelwawwelieh  (viiool- 

wawaliyQy    verwirrt,    drehend,    unklar 

im  Kopfe. 
Wedde  (veda).  Weite. 
wedden  (vedn),  weiten. 
Weddor  (vedlr),  Wetter. 
Wee  (vf^),  Wiege. 
Weg   (veyj,  Weg;   Mhrz.  We  (ve).    op 

en  We  (opm  ve),  auf  dem  Wege,    de 

We  bringen,  zuwege,  zustande  bringen. 
wegwitschen,  ausreissen. 
wenn  (ven).  Gewicht  feststellen. 


101 


iiehn  (v^n),  die  Wiege  bewegen. 
wehneD    (tei^),    gewöhnen,       afwehnen 

(äfven),  entwöhnen. 
Wehnkorf  (ve'nkorf),  Weidenkorb. 
wehren  (v^r^),  treiben,  jagen,    de  Geuse 

wehren,  die  Gänse  treiben. 
Wehrslewwe  (v^rslewd),  Wegersleben. 
wei  (vai),  wir. 

wei  (vai),  weh.  —  wei  daun,  schmerzen. 
Weida  (vaidä),  Schmerzen,  mndd.wedage. 
weik,  weich. 
weiklieh,  weichlich. 
wein,  wehen,    de  Wind  weit  einen  binah 

umme. 
wein,  jäten,  von  Unkraut  reinigen,    wei 

willt  Maaren  wein. 
Weiten  (vait^),  Weizen. 
weitern,   schlendern,  ohne  Ziel  umher- 

streifen,    hei  is  umher  eweitert. 
weck,   welch,    wecke,   welcher,   welche; 

wecket,  welches. 
wecken,  aus  dem  Schlafe  wecken,  nicht 

auch  wachen,  wie  im  Obersächsischen. 
weltern,  wälzen,  rollen, 
wennen  (ve^),   wenden;  inwenneo,   das 

Fuhrwerk  wenden  und  zurückfahren. 
wenn-ehr,  wann. 
wenken,  unnken. 
wenniff  (venix),  wenig. 
Wenseb,    Kartenspiel. 
Werkstee,  Werkstelle. 
Werkstücke,     unfertiges    Stück,     Boh- 

material. 
wcrn  (v^rn),  werden  (v^rd,  varst;  vort, 

vorn;  9vorn). 
wert  (v^rt),  wert. 

Wesch  n.  (ves),  schmutziges,  mit  Speise- 
resten durchsetztes  Wasser,    smiet  den 

Knoken  in't  Wesch. 
Wesche  (vetta),  Frau,  Tante;  bezeichnet 

Verwandte  und  dient  auch  zur  Anrede 

jeder  verheirateten  Frau,  besonders  in 
•     Verbindung  mit  dem  Personennamen: 

Frau  Müller  =  Mülders wesch  e,  Frau 

Schulte  =s  Schultigwesche. 
We-schemel    (ve-semdl),    der    auf    der 

Vorderachse  ruhende,  mit  den  Bungen 

versehene    Teil     des     Wagengestelles, 

unter  dem  sich  die  Vorderachse  dreht' 
Weschemmer,  Eimer  für  das  „Wesch". 
Wesel  (vez9T),  Wiesel. 
wesseln,  wechseln. 
Wetree   (uetre),    Vogelknöterich,     Pohj- 

gonum  aviculare. 
wetten  (vetjj),  wissen  (vetj,  vust?,  dvust). 
weulen  (volln),  icühlen. 
wensen  (voiz9n),  wüsten^  verschwenden, 

schlecht  wirtschaften. 
wottHt,  wüst. 


Weewinne  (v^oi^i»}}  Äcjccßwiidp*':^  l\i  J  ^ 
Wickel ;  einen  bie'n  Wickel  krien,  'einen  ' 

packen. 
Wickelband,  Band  zum  Umwickeln  des 

Flachses. 
wie,   als;  Zeitbestimmung,    wie   ek   no 

Hus  kam,  war  de  Breif  all  da. 
Wie  (vi)  f.,  Weihe  (Baubvogel). 
Wief,  Weib. 
wieken,  weichen. 
Wiele.  Weile. 
Wieleken,  Weilchen. 
wielen  (viln),  weilen ;  vorwielen,  verweilen. 
Wien,  Wein. 

Wienachten,  Weihnachten. 
Wienbohm  (vlnbö^m),  Weide,  Salix. 
Wiendrüfele,   Weintraube. 
Wienkop  (vink^p),  der  Abschluss  eines 

grossefi    Kaufgeschäftes,     wobei    der 

Verkäufer  Wein  zum  besten  gibt. 
Wiendranke,  Wienranke,  Weinrebe. 
wier,  weiter. 
Wiesche,  Wiese. 
Wiese,  Weise,  Art. 

wiesen  (vlzon),  weisen, zeigen;  herreichen. 
Wieser,     Weiser,     Zeiger.      Ührwieser, 

Handwieser. 
wiet,  weit.  Compar.  wier ;  superl.  wiesten. 
wietlöftig,  weitläufig,  entfernt,    wei  sünd 

wietlöftig  Yorwandt. 
Wieweken  (vlw9k9n),  Weibchen   kleiner 

Tiere. 
Wiewestücke,     derber    Ausdruck     für 

Frauenzimmer. 
willig  (vilix)f  gefällig,  folgsam ;  locker, 

lose,    't  Slot  is  höllisch  willig, 
willen    (vihi),   wollen    (ek  vil,   du   vut, 

hei  vil,   vai   vilt;   ek  volle,   du  vost; 

9V0lt). 

Winkel;  in  Winkel  sien,  rechtwinklig 
sein. 

Winkeltöme  (viBk9ltö''m9),  Wi.nkelzüge, 
Ausflüchte,  Ausreden. 

Winne,  Winde,  Gerät  zum  Winden; 
Ackerwinde. 

Winn-Ei,  Windei. 

winnen  (vin)^  winden  (i,  u,  u,  ü). 

winnig  (viniyj,  windig. 

Wind;  Mhrz.  Winne.  in  Winne,  im 
Winde. 

Wintersaat,  Baps. 

Winterweg,  der  gepflasterte  Teil  der 
Chaussee. 

Wipchen,  Splisse,  närrische  Streiche. 

wippen  (vipm),  schnellen. 

Wisch,  was  zum  Wischen  dient;  Stroh- 
wisch, zusammengebundenes  und  ge- 
drehtes Stroh, 

Wispelkule,  Marmel,  Tonkugel. 


102 


•Wi'4)N}if  Mi  iMc^Mn^Bpielen,     Siehe 

meine  narstetiung  ctes  Spieles  im  Nd. 

Kbl  28,  56. 
wisHe,  gewiss,    et  is  ganz  wisse. 
Witt,  weiss. 

wittchen,  weissen,  kalken. 
Wittcher,  Maurer,  der  die  Wände  weisst. 

wei  het  hüte  'n  Wittcher. 
Wittfra,  Witwe. 
Wittkop,    Weisskopf.     Spottvers:   Witt- 

kop,  Stelle  Kegel  op,  Make  Dör  tau, 

Mek  frürt  sau. 
Wittmann,  Witwer. 

wittsehen,  bleich,  et  süht  sau  witschen  ut. 
Witterunge,  Witterung,  Wetter. 
wiwwelwawwelig ;  siehe  wawwelig. 
Woeken  m,  Spinnrocken, 
Woekenblat  (vokanblät),  Pappe,  mit  der 

die  f,Diesse"  ummckelt wird;  spöttische 

Benennung  aller  dürrer  Weiber. 
woil,  wohl,    de  kann  mek  woll  gefallen. 
Wolldat  (voldät),  Wohltat. 
wolknig,  wolkig. 
wollop,  wohlauf,  gesund. 
Wolte,  Walze, 
weiten  (voltn),  walzen. 
Wopm,  Wurm,  Made. 
Wörmeken,  Würmchen. 
wormen  (vorm),  wurmen,  ärgern,  inner- 
lich quälen. 
wormig  (vormix),  wörmig,  wurmig,  madig. 
worpelD,   wörpeln,    das   Getreide   über 

die  Tenne  werfen,  damit  Körner  und 

Spreu  geschieden  werden, 
Wopp  schüffeie,        Wurfschaufel       zum 

Worpeln. 
Wort  (vö'rt)  n.,  Wort;  Mhrz,  Wöre. 
Wort    (v^rt)   f.,    Ackergrundstück    am 

Gehöft ;  erhöhtes  Feld  mit  dem  Gehöft. 
Wörtel  (vörtl),  Wurzel. 
Wost,  Wurst. 

Wosteband,  Band  zum  Binden  der  Wurst. 
Wostekrnt,  Majoran  und  Thimian. 
Wostespiele,      Speile,     Stäbchen     zum 

Schliessen  der  Wurst. 
wu,  wo.    wuvel  (vüf^l),  wuvor,  wahen, 

wumidde. 
Wucht,  Gewicht.  Druck,  Schwere. 
wachten,   durch  die  Körperschwere  mit 

Brecheisen  Steine  heben  oder  losbrechen, 
Wulf,    Wolf;    Mhrz.    Walwe    (vüldwd), 

hei  is  hungrig  wie  en  Wulf. 
WttUe,  Wolle. 

wallen  (vuhi),  Gänse  rupfen. 
wfillen  (vüln),  aus  Wolle. 
Wanne,  Wunde. 


woptig,  Ausdruck  schneller,  plötzlicher 
Sprungbewegung. 

zach  {tsax),  zäh. 

Zacke],  Trab, 

zackein,  traben. 

Zadder,  sehnige  Bestandte^-le  des  Koch- 
fleisches, 

Zaldate  (tsaldät9),  Soldat, 

Zappel,  spitze  Mütze. 

Zapperment,  Bekräftigungsausdruck. 

Zappermenter,  Schwerenöter, 

Zaree  (tsarj»),  Seüenbekleidung  der 
Fenster  und  Türen. 

zarren  {tsar^i^),  zerren,  ziehen, 

Zeddel  (tsedl),  Zettel. 

Zelrie,  Sellerie. 

Zentner  (tsentn^r),  Zentner. 

zetern,  schreien,  jammern. 

Zetermarjan;  hei  schriet  Zetermurjau, 
er  schreit  aus  vollem  Halse,  —  Ob 
entstanden  aus  Zeter  Mordio? 

zetterig  (tsetdriyj,  zitterig. 

zettern,  zittern. 

Zicke,  Ziege;  schmächtiges  Mädchen. 

Zickenlamm,  Ziegenlamm, 

Zigeander  (tsigoinddr),  Zigeuner. 

ziUeken,  zwitschern  wie  z.  B.  Sperlinge 
—  sich  über  einen  einem  andern  zu- 
gefügten Streich  freuen. 

Zinshahne,  Tinshahne,  leicht  erregbarer 
Mensch. 

Zip611e,  Zwiebel,  Küchenzwiebel. 

ziepen  (tslpin),  an  den  Haaren  ziehen. 

ziepern,  mit  zusammengekniffenen  Lippen 
saugen. 

Zippelmütze,  Zipfelmütze. 

Zirop,  Sirup. 

Ziseken  (tslzdksn),  Zeisig, 

Zisekenwost,  Saucischen,  Würstchen. 

Zittlose,  Herbstzeitlose. 

Ziwwe,  weibliches  Kaninchen. 

Zoddelbäre  (tsodlbfr?),  Zottelbär;  un- 
gekämmter Mensch. 

zoddelig  (tsodlix),  zottelig. 

Zoddeln,  Haarzotten. 

Zopp,  Zopf. 

zackein,  traben. 

Zuckerkannich,  Zuckerkant,  Kandis- 
zucker. 

Zulk,  Sumpf. 

zulkig,  sumpfig,  schlammig, 

zttmfern,  schmollend  weinen. 

züniftig,  nach  allen  Begeln.  du  krist 
ne  zümftige  Dracht  Slee. 

Zappe,  Suppe. 

Znppenkrat  (tsupmkrüi),  retersilie. 


LEIPZIG. 


R.  Block. 


103 


Der  Spiegel  der  W^eisheit, 

eine  Kölnör  Spruchsammlung  des  16.  Jahrhunderts. 


In  einem  Sammelbande  der  Trierer  Stadtbibliothek  fand  ich 
folgenden  bisher,  wie  es  scheint,  unbekannten  Kölner  Druck  aus  der 
Werkstatt  des  von  1536  bis  1546  tätigen  Johann  van  Aich: 

Der  Spiegel  der  Wifs  |  heyt  mit  vil  schonen  leren,  Noch  vil  |  tII  säuerlicher 
stuck  dartzo  gedain  die  vur  |  niet  gedruckt  en  synt.  |  [Holzschnitt,  10,4X12,1  Cm. 
Um  den  mit  Zepter  und  Scbw'ert  thronenden  Kaiser  stehen  fünf  Männer  herum.]  | 
Gedruckt  zu  C511en  bei  Sent  Lupus,  Johan  van  Aich.  |  4  Bl.  4®. 

Der  hier  in  neuer  Auflage  erscheinende  Weisheitsspiegel  enthält 
eine  wohl  dem  15.  Jahrh.  angehörige  gereimte  Anweisung  zu  christ- 
lichem Leben  und  bürgerlichen  Tugenden,  die  sich  nur  selten  mit  den 
bekannten  Sprüchen  Catos  berührt  i),  dazu  Lehren  aus  Aristoteles, 
Seneca,  Hieronymus,  Augustinus,  Bernhard  und  der  Bibel.  Angehängt 
sind  die  zehn  Gebote  und  eine  weitere  Reihe  von  Reimsprüchen,  in 
denen  mehrere  Ausdrücke  auf  niederländische  Herkunft  hinweisen. 
Den  Nachweis  der  Quellen  muss  ich  andern  Forschern  überlassen. 

1.    Der  Spiegel  der  Weisheit. 

(Der  Meister  spricht.) 
[-4  ib]  Als  du  des  morgens  vp  steis,  so  danck  ynnertlichen  Gode  dem  heren; 
Byd  jhn,  dat  he  dich  spare  den  dach  inn  doechden  vnndjhn  Eerenl 
Befill  dich  dym  hilgen  engel,  dym  apostel,  dinen  andern  hilgen 

fründen, 
Vifs  gaind  oder  inkomende  bewar  dich  für  doitlichen  sünden! 
5  Mach  yt  dir  geboren,  so  hör  al  dag  mifs  mit  innicheit; 
Wat  dich  niet  angeit,  da  bekumme[r]  dich  niet  mit! 
Soech  alle  wege  wyse  geselschaflft  vnnd  erber! 
Du  syfs  rieh  oder  arm,  bewair  dich  für  mossich  gain! 
Wat  tzom  qwaden  ende  dregt,  saltu  niet  bestain. 
10  Soch  vrede,  flew  achterclaifen,  beware  dich  vur  dronken  drincken! 
Verzürnet  dich  jemantz  buissen  diner  schult,  dynen^)  moit  [en] 

laifs  sincken! 
Dobbelen  vnd  ander  spylen  saltu  flyen 
Vnnd  suich  tzo,  dat  id  din  kinder  niet  enleren! 
Bis  erenthrych,  oitmodich  vnd  godertieren, 
15  Arbeit  niet,  wanne  dir  geboden  is  zu  vyren! 
Priester  vnnd  ander  erliche  luid  saltu  eren. 


1)  Zu  Y.  7,  10  und  12  vgl.  Catonis  philosophi  Über  ed.  llauthal  1869,  Prolog  6: 
Cum  bonis  ambula,  22:  Vino  tempera,  37:  Aleam  fuge  u.  a.     ')  dynenne. 


104 

Halt  dyn  kynder  van  der  straissen,  laifs  sie  wyfsheit  leren! 

Ganck  jhn  seiner  wifslich  vnd  erbar  für,  dat^)  is  min  rait; 

Zo  vil  willens  jhn  zo  laissen  dat  is  quait. 
20  Als  du  tzu  der  tauen  geifs,  so  gesegen  din  essen 

Vnd  wils  der  armen  für  diner  duir  niet  vergessen! 

Nodich  niemant  zo  essen  oder  zo  trincken  ouer  sin  macht, 

Plumenstricher  off  achterkleffer  nim  niet  in  din  gelaich! 

Bis  trew  vnd  vprecht  inn  allen  dinen  wercken, 
25  Halt  ouch  die  geboder  der  hilger  kirchen! 

Bistu  dem  volck  für  gesatzt  zo  regeren  van  gotz  gnade. 

So  regier  dich  seiner  früe  vnd  spade! 
[A  2ä]  Gedenck  al  wege  der  vier  ding,  die  ich  dir  wil  verzelen : 

Den  doit,  dat^)  leste  ordel,  die  ewige  freüd  vnd  bitter  helle. 
30  Bespot  noch  verschmae  die  armen  niet  vp  der  straissen, 

Frew  dich  niet  ander  luid  vnglucks,  noch  wil  niemant  verlassen ! 

Dins  nabers  schand  will  altzit  decken 

Ynnd  alle  dinck  tzo  dem  besten  trecken! 

Sprich  uit  haistlich,  mer  bedenck  din  reden  wail  zo  voren, 
35  Verheef  dich  niet,  all  bistu  zo  einem  staid  gekoren; 

Watt  2)  du  wilt  das  dir  gesche,  eim  andern  do  des  glichen  zail; 

Wiltu  straiffen,  so  besieh  dich  seluer  wail! 

Bistu  arm,  so  gewinn  din  broit  mit  eren, 

Gude  werck,  die  du  niet  kanfs,  saltu  leren. 
40  Watt  du  niet  volenden  en  kanfs,  dat  wil  niet  beginnen; 

Ordeyl  niet  na  gunst,  mer  na  recht  in  al  dinen  sinnen! 

Bistu  ein  raitzman,  so  rait  altzit  dat  beste, 

Der  gemein  nutz  gä  für  din  profyt  int  leste. 

Bistu  ein  gemein  man,  bekummer  dich  niet  mit  der  ouersten  Sachen ; 
45  Ein  jetlicher  nem  sins  selbs  war,  dat^)  is  jm  vreden  machen. 

Kyff  noch  fecht  niet,  dat  raden  ich  na  mym  verstände, 

Want  da  volgt  gern  vngluck  na  schmertz  vnd  schände. 

Ganck  in  niemantz  rait,  man  roiff  dir  dan  off  man  laifs  dich  holen  3), 

Borg  niet  me,  dan  du  kanfs  off  wilt  bezaien! 
50  Allen  geysten  wil  niet  bald  geleuuen, 

Vmb  verloren  gut  wil  dich  nit  seer  bedrouen! 

AI  bistu  gut*),  wil  dich  seluer  niet  prysen. 

Regier  dich  also,  datt  niemandt  mit  fingeren  vp  dich  wyse! 

Schew  brassen  5),  dantzen,  pyffen  vnd  springen, 
55  Die  geboder  gotz  will  na  dym  vermögen  volbringen! 

Ja  vnd  neyn,  dat  sie  dyn  bryff  vnd  segel. 

Van  wat  staitz  du  bifs,  verware  den  regel! 

Du  syfs  geystlich  off  wertlich,  datt  wort  Gotz  wils  niet  verschmaen 

noch  versumen, 
[A2b]  Des  auentz  saltu  die  Strassen  by  güder  zyt  rumen! 


1)  dz.    2j  Wattu.    3)  holen.    *)  giir.    ß)  brasstii. 


105 

60  Gedenck,  wann  du  schlaiffen  geifs,  wie  du  den  dach  haeffs  zo 

gebracht, 

Kenstu  dich  gebrechlich,  bicht  vnd  do  bufs  na  alle  dinre  macht ! 

Segen  dich  des  auentz  vnd  will  dich  die  nacht  besorgen, 

Grünt  dir  gott  des  leuens  bifs  an  den  morgen, 

So  dancki)  jhm  flyfslich,  als  du  voir  bist  geleirt! 
65  Frünt,  dise  letze  is  sonder  tzwyuel  wail  probiert. 

(Der  Schüler  fragt.) 

Meister,  du  leres  mich  güde  kunst;  nu  lere  mich,  dat  ich  doegsam  werd! 

Do  antwort  der  meyster  vnd  sprach  tzo  jhm: 

Son,  als  du  geyfs,  so  sich  vur  dich! 

Als  du  sprechen  wilt,  so  bedenck  dich! 

Flew  qwade  geselschafft! 

Nit  enbericht  me,  dan  dir  beuolen  is! 
70  Coden  lüden  bis  heimlich! 

So  dirt  wail  geit,  bis  meesich, 

Als  es  dir  ouel  geit,  bifs  geduldich! 

Gegen  den  houerdigen  bifs  oitmoidich, 

Gegen  den  zornigen  bis  lydlich, 
75  Dem  gecken  saltu  verdragen, 

Den  wysen  hören,  den  alden  schwygen 

Ynd  den  wendeleren  sachtmodich. 

Din  sprach  sal  meesich  syn, 

AI  din  begerung  vnd  gedan[n]cken  sullen  zo  gode  vp  gericht  sin, 
80  Alle  vergenckliche  ydel  ding  saltu  vpgeuen, 

Aller  oitmSdicheit  saltu  pflegen. 

Wat  du  niet  gewinnen  en  kanfs,  da  verluifs  niet! 

Den  du  niet  geuen  wilt,  den  nym  ouch  nyet! 

Wat  du  niet  besseren  enwilt,  dat  erger  ouch  niet! 
85  Do  gein  dinck  in  der  zyt,   dat  dich  reuwen  mach  na  der  tzyt! 

Vp  wen  du  gein  gut  sprechen  wilt,   vp  den  sag  och  niet  quait! 

Wat  dich  niet  an  geit,  des  enkummer  dich  niet! 

Werstu  so  wyfs  als  Salomon,^) 

Also  schein  als  Absolon, 
00  So  starck  als  Sampson, 

So  rieh  als  köninde  Artus, 

Wat  wer  dat^)  alzomail, 

Wan  du  nit  heddes  godes  huld! 
[il5a]Herumb  gedenck,  dat  dir  niet  mee   na  envolget   vur    gotz    an- 

gesicht   dan    din    güde   wercke!      Kanstu   dit,    so    kanstu   aller 

meyster  kunst. 

(Lehren  anderer  Meister.) 
Item  dese  nageschreuen  leren  hait  gesaut  der  heydensche  meyster  Aristoteles 
dem  groissen  köning  Alexander  zo  eyner  letzen  oder  lerungen. 
95  Alle  heymlicüe  ding  saltu  holen. 
Wenich  salt  du  sprechen. 

1)  danckt.     »;  Vgl!  Alemannia  17,  260.     3)  dz. 


106 

Bifs  wairhafFtich ! 

Wyfslich  ouerdenck  alle  dinck! 

Dinen  zorn  saltu  brechen. 
100  Kyff  vnd  vnfreden  saltu  schuwen, 

Niemantz  gebrechen  saltu  jhm  verwyssen. 

Hüed  dich  für  druncken  drincken^)! 

Bis  barmhertzich! 

Gedenck  zo  steruen! 
105  Mit  vnbekanten  haeflf  geyn  geselschaflft! 

Niet  liechtelich  saltu  alle  ding  geleuuen. 

Dinem  versoenden  fründ  [1.  fiend]  geleüff  niet  vp  dat  nauste!  2) 

Vmb  ein  verloren  dinck,  dat  nit  weder  zo  kregen  is,  bedroft*  dich  niet ! 

KyfF  noch  fecht  mit  niemant,  der  mechtiger  is,  dan  du  bifs. 
110  Macht,  rycheit,  starckheit,  schonheyt,  altzit  zo  düren, 

Dar  yp  is  quait  zo  muren; 

Want  dat  3)  fundament  is  der  doit. 

Hören,  schwigen  beide  sint  gut, 

Verdragen  is  dat  beste;*) 
115  Der  wail  kan  bezwingen  sinen  moit. 

Der  ouerwynt  al  tzit  in  den  lesten. 

Salomon^)  spricht:  Die  zyt  des  menschen  off  menschlichen*)  leuens  is  uiet 
also  kurtz  als  vnsicher;  warumb  wil  sich  dan  ein  minsch  verheuen,  der  van  erden 
vnd  eschen  is  vnd  also  bald  dat  selff  sai  werden! 

Jheronimus  spricht:  He  mach  gering  al  waillust  deser  werlt  verschmaen, 
der  altzit  denckt,  dat  he  steruen  sal. 

Van  den  mechtichsten,  edelsten,  schönsten,  wysten  vnd  richsten,  leest  ein 
beschlofs  in  der  Bibel  van  jhn:  Et  mortuus  est,  dat  is  so  yil  gesprochen:  He  is 
gestoruen  vnd  is  doit. 

Die  Poeten  sagen,  dat  die  allerbeste  kunst  is,  die  je  van  hemel  her  neder 
quam:  Minsch,  bekenne  dich  seluer,   wat^)   du  bist  vnd  wat  du  werden  solst  na 
einer  kurtzer  tzit. 
[A3b]E.e  is  wyse,  der  vergadert  vnd  spart 

Gegen  die  lange  8)  hinne  fart, 

Och,  wie  scharp  is  eynem  dat  scheyden, 
120  Der  dat  all  vp  sym  doitbeth  sal  bereyden! 

Sent  Augustin  spricht:  Lyfs  vnnd  5uer  lyfs  alle  die  geschryfl't  der  hitgcr 
lerer,  so  enfindestu  niet  grüwelicher  ader  verferlicher,  dan  dat  ein  mensch  leefft 
in  sulchem  staed,  da  he  niet  gern  inn  steruen  w61d. 

Sent  Bernhart  spricht:  Men  mach  nie  soessers  vinden,  niet  frolichers  hören, 
niet  bessers  dencken,  dan  den  namen  Jesus,  des  leuendigeu  gotz  son. 

Item  Seneca^):  Als  man  inn  groissem  geluck  steit, 
Dann  sint  die  f runde  zo  kennen  quait; 
Mer  als  dat  geluck  vmb  went, 
So  sint  die  fründ  zohantz  bekant. 
125  Wail  doin  is  ein  kleynet  groit, 


*)  Vgl.  oben  S.  103  V.  10  und  unten  S.  108  V.  45,  Wigands  Archiv  f.  Gesch. 
Westfalens  5,  37:  *  Wacht  dy  vor  droncken  dryncken'.  ^)  Wander,  Sprichwörter- 
lexikon 1,  971 :  ^Versöhntem  Feinde  traue  nicht'/  3)  dz.  *)  Vgl.  unten  S.  107  V.  13. 
*)  Weisheit  Sal.  2,  1  f.  ^j  menschlichem  '^)  wz.  *)  laugee.  ^)  Seneca,  De  remediis 
fortuitorum  10,  4.     Epist.  19,  4. 


107 

Dat  eynem  volget  na  dem  doit. 

Waildait  die  sal  dich  verbeiden, 

Als  die  seel  van  dym  licham  sal  scheiden. 
Hye  hat  der  Wyfsheit  spiegel  eyn  end, 
130  Gott  all  vngluck  van  vns  wendt. 

Wer  der  leer  folgt  vnnd  mit  flyfs  darnach  deyt, 

Dem  wirt  aen  tzwyuel  ewyge  freiid  bereit. 

Nu  volgent  herna  die  tzyen  gebodt, 

Die  moissen  gehalden  syn  sonder  spot 
135  In  desem  vergencklichen  leuen  vp  erden, 

Willen  wir  hernamails  selich  werden. 

2.    Die  zehn  (irebote. 

Du  Salt  geleuuen  an  eynen  warhafftigen  Gott, 
Du  salt  niet  schweren  by  jhm  inn  spote. 
Die  hylge  dage  saltu  vieren, 
Vader  vnd  moder  saltu  eren. 

Du  salt  niemant  d6den  mit  worden  noch  mit  wercken. 
Du  salt  niet  dyn  E  brechen. 
[A4a]Du  salt  nit  stelen  noch  rouuen. 

Du  salt  gein  falsch  gezeuchnifs  l)  geuen  widder  dynen  neesten. 

Du  salt  niet  begeren  ander  lüde  gut. 

Du  Salt  niet  begeren  eyns  anderen  bethgenoifs, 

Knecht,  magt,  fyhe  off  watt  syn  is. 

3.    Anhang. 

Noch  me  vil  schöner  leren  volgent  herna. 

Siet  beleefft^)  vnd  eren  fast, 
Stanthafftich  vnd  port^)  vast 
Van  sprechen  vnd  schwigen, 
Vmb  eer  vnnd  docht  zo  verkrigen! 
5  Hie  sie  vrede  by  dissen  gesellen, 
Hie  enmoifs  man  niemantz  gebrechen  vertzellen. 

So  wer  hie  wil  drincken  off  essen, 
Der  moifs  schwygen  off  van  gode  sprechen. 

Wer  alle  dinck  wylt  melden, 
10  Der  bliue  hie  hier  buissen  vnd  kom  her  seiden. 

Vff  erden  is  gein  besser  list*) 
Dan  der  siner  zungen  meister  yst. 
Hort,  schwycht,  siet  vnd  verdragt,^) 
So  enweyfs  niemant,  wat  jhr  yaecht. 
li>      Der  doit  vnd  dat  leuen 

Is  in  der  zongen  macht  gelegen. 6) 


^)  gezruchnifs.  ^)  beleeft,  mnl.  =  verständig.  ^)  porreu,  mnl.  =  vorwärts 
schreiten.  <)  Vgl  Wander,  Sprichwörterlexikon  3,  197  nr.  4.  *)  Wander  2,  777 
w.  31.    Oben  S.  106  V.  114.    «)  Wander  4,  1240  nr.  338. 


108     ' 

Doit  dat  goit  vnd  last  dat  quat, 
Dat  is  meister  Jesus  rait. 

Die  meiste  wyfsheit,  die  men  vint, 
20  Dat  ein  jeglich  got  vnd  sich  seiner  kent.*) 

Edeler  dinck  is  nie  gevonden 
Dan  trouwe  van  hertzen  vnd  hoefs^)  van  monde. 
Trouw  sal  hauen  broit, 
Als  vntrouw*)  is  inn  groisser  noit.*) 
25  Etzliche  willen  trouw  syn  geheissen. 

Mer  sint  sie  getrow,  dat  sal  man  jm  lesten  freyschen.*) 

Der  niet  en  besuirt,  der  en  besoist  ouch  niet.®) 
En  veracht  den  trouwen  fründt  niet! 
Wer  einen  treuwen  fründt  hat  geuonden, 
30  Der  hat  einen  gülden  berch  zo  allen  stunden. ''j  , 

Halt  vast,  will  niet  vergessen, 
Wer  niet  arbeit,  sal  niet  essen. 

Van  ledicheit®)  kompt  diick  schandt^ 
Huid  dich  vur  des  vyantz.  banden. 
[Ä4b]     Bewar  dyn  eer  vur  allen  sachenn, 

Off  du  sals  dich  seiner  zu  niet  machen. 
Gelt  vnd  goit  is  wael  zo  krigenn, 
Wer  gein  eer  hait,  der  moifs  schwigen. 
So  wer  sich  hüet  vur  quader  dait, 
40  Der  valscher  loegen  wurt  wail  rait. 

Onschamele^)  wiuer  vnd  nit  vroit 
Verderuen  lyff  vnd  goit. 

Het  der  dieff  gelaissen  sin  steelen, 
So  weer  hie  niet  gehangen  by  der  keelen. 
45       Hüed  dich  vur  droncken  drincken,*®) 
Vur  speien  vnnd  clincken.") 

Lere  schwigen,  wychen,  duken, 
Wilt  jr  vrede  vres  hertzen  gebruken. 

Such  vur  dich, 
50  Trewe  is  mifslich.*') 

Heffs  du  den  geck  in  der  mauwen,^*^) 
Laifs  inn  vmmer  niemant  anschauwen. 

Ich  sagen,  wem  die  plompheit  is  bekant. 
Der  sal  seiden  krygen  goit  verstaut. 
55       Het  sint  al  verloren  werken, 

Dat  man  die  rosen  streu  für  die  verken.**) 


*)  Wander  5,  140  nr.  8.  «)  hoefs  =  hovesch.  s)  vtrouw.  *)  Wander  4,  1311 
nr.  62.  ^)  freyschen  =  erfahren.  ®)  Schon  bei  Jacob  van  Maerlant,  Alexanders 
geeeten  1/  1322:  'Die  niet  besürt,  niet  besoet'  =  Wer  sich  nicht  miiht,  hat  keinen 
Genuss.  ^^  Wander  1,  1195  nr.  510.  515.  ^)  —  Müssiggang.  ^)  =  schamlos. 
»0)  Vgl.  oben  S.  106  zu  V.  102.  ^i)  sonst  klinken  slan  =  bummeln.  ^^)  Wander 
4,  1311  nr.  60.  i^)  Vgl.  Wander  1,  1391  nr.  35.  42.  *<)  In  mittelalterlichen  Kirchen 
begegnet  öfter  die  Darstellung  eines  Mannes,  der  Schweinen  Blumen  hinstreut,  so 
in  Emmerich  und  Kempen  (Meissner,  Archiv  f.  neuere  Spr.  65,  227.  229),  eine  eigen- 
tümliche Umdeutung  des  biblischen  ^margaritas  ante  porcos'  (Wander  3,  1210  nr.  11). 


•  109 

Maisse  sal  stain, 
Ommaisse  sal  vergan.^) 

Lert  verdrageo,  wie  jhr  siet, 
60  Der  meist  verdraget  der  wint  den  stryt. 

Der  is  geck,  der  vrab  sinen  grammen  moit 
Sich  seluer  schade  off  schände  doit. 

Blyfft  altzyt  inn  reden  ^)  staen, 
So  sal  idt  Ych  altzit  wael  gaen. 
65       Reden  ^)  is  ein  hemels  goit, 
Sonder  rede  is  gein  dinck  goit. 

Haefft  gott  lyeff  vnnd  halt  stede  sine  gebode, 
So  mocht  jhr  by  jhm  erweruen  gnade. 
Bewyst  die  werckenn  der  lieffden  vrem  euen  christenn  minschen! 

BERLIN.  Joh.  Bolte. 

Ditbmarsclie  Gewerbeaasdrücke  m  der  Gegend  von  Lnnden. 

SchweinscMacbten. 

Hura!  Vandag  schüllt  wi  Swin  slachn,  vandag  is  Swinsküstl 
Nu  giv  dat  Wust!  Vandag  kamt  wi  ni  to  Schol;  wi  schüllt  de  Stiert 
biholn.3)  's  Morns  bitiden  ward  de  Brögrap  mit  dat  Bröwadr  to 
Füer  kragn.  De  Slachdr  kumt,  un  wen  dat  Bröwadr  kakt,  ward  dat 
Swin  ut  de  Swinkaf  rudrkregn.  An  dat  een  Achdrbeen  bind  he  en 
Strengn.  Mit  en  kordr  Ruck  rit  he  dat  Swin  up'e  Sid.  Mit  de 
Strengn  ward  dat  een  Been  stramm  holn.  En  annr  holt  dat  annr 
Achdrbeen  fast.  De  Slachdr  liggt  mit  een  Kne  up  dat  Swin,  schrapt 
mit  sin  Mess  de  Haar  en  bet  bi'n  Hals  weg  un  stikt  dat  Swin,  dat 
et  ganz  schreckli  schriggt.  Molr  fankt  Blot  un  rührt  dat  düchdi  um. 
Dat  dort  ni  tosamlopn  un  klüderi  warn.  Dat  Blot  mut  so  langn 
rührt  warn,  as  dat  Swin  levt.  Will  dat  Swin  ni  recht  mehr  blödn, 
so  stickt  de  Slachdr  dat  Swin  grad  in't  Hart  rinnr.  Dat  tinkelt  den 
noch  en  paarmal  mit  de  Been  un  —  dot  is  't.  Dat  Tinkeln  het,  dat 
Swin  teilt  sin  Geld.  Bedurn  dort  een  son  Dirt  nich,  deit  een  dat, 
so  kriggt  man  sülm  en  swar  Endn. 

Nu  ward  dat  Swin  afbröt.  De  Slachdr  sülm  mennimal 
sunst  en  Hölgr,  begüt  dat  mit  kaknhidde  Wadr  un  plückt  un  schrapt 
de  Haar  raf.  De  Swinshaar  ward  wegsmädn.  Fröhr,  as  noch  de 
dänschn  Swin  hir  dal  keem,  de  dr  Bössn  drogn,  do  wurn  de  up- 
hewahrt  un  verköfft.  Is  dat  Swin  nu  ganz  rein  un  ock  saubr  naputzt, 
so  löst  de  Slachdr  bi  de  Achdrbeen  de  Hacksehn  un  stickt  dor  en 
Swengl  dör.     Nu  ward  dat  Swin  npe  Lellr  leggt,   dat  Swengl   an  en 

1)  Wander  8,  490  nr.  54.    «)  =  Vernunft. 

')  Die  Kinder,  heisst  es  im  Scherz,  müssen,  um  auch  etwas  mitzuhelfen,  den 
Schwanz  des  Schweines  beihalten. 


110 

Treem  fastbundn  un  so  schreg  an'e  Wand  npstellt.  Olr  uk  man 
hankt  dat  Swin  an  en  Hakn,  de  an  en  Balkn  in'e  Rök  (Käk)  olr 
up'e  Deel  sit,  mit  de  Kopp  na  nern;  dat  Blot  schall  afleckn. 

Nu  ward  dat  Swin  utnahm.  Lingelangs  ward  et  upsnädn.  De 
Weid  ward  rutnahm  un  in  en  Balli  olr  Butt  leggt.  Dat  Fett  ward 
van'e  Weid  afplückt.  Dat  het  Plückfett.  De  Weid  ward  in't  Wadr 
leggt  un  rein  makt.  Se  ward  umtrockn  un  Wadr  dor  dör  lopn  ladn. 
De  Mist  schall  dar  rein  rudr.  Hüpi  ward  de  Binnrsit  mit  en  Spon 
reinschrapt.  Dar  schüUt  de  Wüst  in  stoppt  warn.  Wust  is  en  Lust, 
is  en  Härnädn.  —  De  Stak  ward  utsnädn.  En  grot  Stück  Speck 
mit  de  Stell,  wo  de  Slachdr  dat  Swin  stäkn  het,  daher  Stak,  ward 
ünnern  Hals  rutsnädn.  De  Stak  ward  kakt  olr  brad't.  Darto  ward 
Pulkantüffeln  kakt  un  's  Abnds  ward  Stak  un  Eantüffeln  ädn.  Dar- 
to ward  uk  wul  Nawers  Lud  un  gude  Fründn  inlad't.  Nat  Ädn  drinkt 
se  en  Snaps,  smökt  en  Pip  Tabak  un  klönt  un  snakt  äwer  gude  un 
slechde  Tidn  un  dat  Wallr.  Dat  het  Swinsküst.  AI  wen  dat  Swin 
slacht  ward,  kamt  de  Nawers,  um  dat  Swin  to  taxirn  un  mit  up'e 
Lellr  to  hölpn.  Darbi  ward  uk  al  af  un  to  en  Snaps  inschenkt. 
Dat  het  uk  al  Swinsküst,  bi  Wesselburen  Finnspöln.^) 

De  Flom  ward  utbred't  na  de  büdr  Sid  van't  Swin.  In'e  Flom 
sit  runne  Karin,  uk  Klirn  nömt,  de  ward  rutspult.  Dat  Swin  ward 
utnannr  spilt.  Dat  Speck  schall  to  's  Abnds  kolt  wen.  Is  de  Flom 
kolt,  so  ward  s'  aflöst  un  mit  dat  Plückfett  sosam  in  lütje  verkandige 
Stückn  snädn  un  utbrad't.  De  utbrade  Stückn  het  Grebn.  In  Grebn 
ward  Kantülfeln  upbrad't.  Warme  Grebn  up  en  Stück  Swartbrot 
smekt  ganz  net.     Welk  Grebn  kriggt  man  uk  mank  de  Grüttwüst. 

En  Del  Blot  ward  to  Swartsur  brukt.  Swartsur  un  Kantüffeln 
un  Ball  2)  is  en  prächdi  un  defdi  Ätn.  In't  Swartsur  kamt  de  Uhrn, 
de  Nirn,  de  Stirt  un  wat  Bukspeck,  ük  ward  de  Uhrn  väl  to  Press- 
kop  brukt,  olr  in  Arfn  or  Welgn^)  kakt.  Wat  Blot  ward  to'n  swedign*) 
Mehlbüdel  nahm;  de  ward  in  Blot  stäts  in  Melk  anrührt.  Dat  letzte 
Blot  kumt  in'e  Blotwüst. 

's  Abnds  kumt  de  Slachdr  to  Tohaun.  He  snit  un  dreit  ers 
de  Kopp  af.  Den  snit  he  dat  Swin  an  beide  Sidn  van'e  Rügg  dal 
in  twe  Hälfdn.  De  Rügg  ward  in  welke  Del  delt.  Dat  irste  un 
grötste  Del  an'e  Kop  het  Nacknbrad.  De  ward  to  Wihnahnabnd 
ädn.  En  nedde  Bradn  gift  de  Märbrad,  uk  Mettstrangn  olr  Has' 
nömt,  af.  Alns  ward  wagn.  De  Rügg  ward  wagn,  ehr  man  em 
tweisnit.  Jedr  wil  girn  wädn,  wat  sin  Swin  wagn  het.  Dat  Plückfett 
ward  välfach  ni  mitwagn,  dat  räkt  man  för't  Slachn.  Van'e  Sidn- 
stückn  ward  nu  de  beidn  Achdrschinkn  afsnädn.  De  Podn  un  de 
Knurn  olr  Knüssln  ward  afhant,  un  bahn  up  mit  in'e  Päckel  leggt. 
Swinsföt  un  Knüssln  smekt  gut  in  Arfn,  Kortkol  olr  Welgn.  Swins- 
föt  smekt  söt.  De  Schinknknakn  un  de  Warwlknak  ward  utlöst,  de 
stik  sik  to  ligg  an,  ward    siech   un   smekt  ni   gut   in't  Ädn.     Ebnso 

^)  Bei  Husum  und  südlich  von  Flensburg  (Wanderup)  Swinkik.  <)  Ball, 
Klösse.  ')  Welgn,  Suppe  mit  Reis,  Graupen  oder  Krupbohnen  mit  Speck.  Outzen, 
S.  380:  Welling,  Wälling,  Wellchen.     <)  Swet,  Blut. 


111 

ward  uk  van'e  Vörschinkn  de  Podn  un  de  Knüssln  afhaut,  un  disse 
Schinkn  den  mit  de  Achdrschinkn  insolt  in'e  Päklkup,  Päkltünn. 
Twischn  Achdrschinkn  un  Vörschinkn  sit  de  Middlschröd.  Uk  de 
ward  insolt  olr  inpäklt.     Fror  het  dat  Swintohaun  uk  schrödn. 

Bahn  up  in'e  Päkelkup  leggt  man  de  Stückn  van't  Swin,  de  ni 
to  solt  warn  schult  un  de  ut  de  Päkl  frisch  upädn  ward.  Nawers, 
Fründn  un  Verwände  krigt  wat  van't  Slachn:  En  Rüggstück,  en 
Rippnstück  un  en  Bratwust.  Un  dat  is  uk  wul  noch  en  Del  van'e 
Swinsküst. 

's  Ahnds  ward  Mett  snädn  un  Mettwust  stoppt.  De  een  Endn 
van'e  Weid  ward  äwer  en  Wusthorn  tröckn,  un  dor  d&r  den  dat 
Mett  in'e  Weid  rinnrstoppt.  Dat  Flomfell,  wat  um'e  Flom  sit,  ward 
aftrockn,  tosamneit,  un  darin  uk  Mett  stoppt.  Dat  givt  schöne  dicke 
Mettwust,  un  bannige  Lappns  up  Boddrbrot.  De  Läwer  ward  finstött 
mitünnr  mit  de  Hochkant  van  en  holtn  Tellr.  Mit  en  Läpl  ward  dat 
in'e  Weid  föllt.  Sogar  de  Lungn  ward  tweisnän  un  darvun  Lungnwust 
makt.  Wen  de  en  bedn  Rok  kregn  hebbt,  smeckt  de  gut  in  Arfn  un 
Kortkohl.  Ik  bin  dr  jus  ni  stark  vär.  Vä,r  de  Kinnr  sünd  awr  Grütt- 
wast  de  bestn.  De  Grütt  —  Hawrgrütt  olr  Gassegrütt  —  ward  up- 
krellt,  dat  het  kakt,  awers  ni  ganz  gar.  De  Grütt  ward  mit  Blot 
mengelirt  un  den  in  Weid  stoppt.  De  Mag  ward  uk  vuU  Grütt  füllt. 
Sogar  de  Süstr,  de  Mag  sin  Süstr,  uk  Titt,  en  dicke  Endn  Weid  — 
de  Slachdrs  nömt  em  Endbtil  —  ward  vul  Grütt  füllt.  De  Endn  van'e 
Weid  ward  mit  Präkeln,  Prickeln,  Wustprickeln  tostäkn.  De  Wust- 
präkeln  ward  ut  Föhrnholt  snädn  un  de  Spitze  babn  d'  Für  en  bädn 
anbrennt,  dat  se  harrer  nu  scharper  ward.  Uk  brukt  man  to  Präkeln 
de  Durn  van'e  Swartdum  olr  Slöndurn.  Grüttwust  un  Läwrwust 
ward  in'e  Wustgrap,  Wustkädl  kregn  nu  gar  kakt,  un  darmit  se  nich 
so  liggt  tweikakt,  wen  se  babn  kamt,  düchdi  prickelt,  mit'n  Präkel 
stäkn.  Vär  alln  Dingn  möt  se  uk  ni  to  fast  stoppt  wen.  Je  vuUr 
se  sünd,  je  liggdr  platz  se.  Mild  un  Gall  ward  wegsmädn.  Min 
Husslachdr  fror  nehm  de  Mild  mit  na  Hus.  He  sä,  de  mug  he  girn. 
De  Blas'  ward  uppust  un  uphungn.  De  Blas'  ward  brukt,  Glashabn 
totobindn,  un  de  Jungs  brukt  em  uk  äwer  de  Rummlputt.  De  Jungns 
makt  sik  uk  ut  de  Wees  en  Knackblas',  Knappblas'.  De  Bräm, 
Brägn  ward  in'e  Pann  brat,  un  wen  se  den  so  rech(t)  schübn  deit, 
in'e  Pann  up'n  Disch  stellt,  un  dar  Pulkantüffln  instippt.  Mank  de 
Bräm  brad't  man  uk  de  Bors  olr  dat  Slott.  De  Päs  van  en  Borg 
ward  uphungn  un  upwahrt.  Darmit  ward  Fottüg  äwrwischt  un  de 
Sag  mit  smart,  dat  he  bädr  därt  Holt  glit. 

Het  dat  Speck  nu  viertein  Dag  olr  dre  Wäkn  in't  Solt  legn  un 
is  dat  jümmers  gut  mit  Säl  bedabn  wen,  so  ward  dat  in'e  Rok  hungn. 
Mitünnr  ward  de  Säl  uk  nochmals  upkakt  un  wallr  daräwer  gadn. 
In'e  Speckstückn  ward  Söckr  stäkn  un  dar  dar  Taun  bundn.  Uk 
stikt  man  Speckhakns  dor  dar,  un  daran  ward  dat  Speck  den  in'e 
Schosteen,  seltn  noch  ünnern  Wiem,  Speckwiem  uphungn.  De  Swins- 
kop  ward  uk  rökrt.  Swinskop  un  Mehlbüdl  mag  de  Dithmarscher 
far  sin  Lehn  giern.     En  Swinsgehör  drog  ik   as  Jungn  jümmers  iu'e 


112 

Tascli,  dat  schul  Glück  bringn  in't  Kardnspäln.  En  oln  Mann  ut 
Eiderstedt,  de  ümmer  en  Swinsgehör  bi  sik  drog,  sä,  dat  schütz  tega 
Krankheidn.     Dat  Losbännign  ut  de  Päkl  ward  toirs  upädn. 

Zichorienban. 

In  Lundn  is  en  Zichurnfabrik  un  bi  Lundn  up^t  Sandland  ward 
al  sid  väle  Jahrn  Zichurn  but.  Dat  Zichurnsat  ward  in'e  Mai  seiht. 
Um  dat  Sat  nu  rech  egal  to  seihn,  mengelirt  man  dat  mit  Sand,  jus 
so  as  Wuddlsat,  un  streut  dat  up't  (in't)  Land.  Dat  Land  mut  awers 
gut  in'e  Wehr  nu  kräfdi  (mut  gar)  wen.  Is  de  Zichurn  nu  upkam 
un  wast  de  Summrschit  al,  so  ward  se  jüht,  un  nösn  nochmals  jüht. 
Bi  d'  Jühn  krupt  de  Fruns  dröwer  weg,  jus  as  bi  d'  Wuddln  jühn 
un  Flasjühn.  In'n  Oktober  ward  de  Zichurn  wuddln  upkregn.  Mit'n 
Spadn  ward  de  Eer  losmakt  (upwüppt)  un  den  de  Wuddeln  ruttrockn. 
Darbi  mut  man  sik  in  ach(t)  nehm,  dat  nellrs  Endn  ni  aftoridn. 
Egntli  schall  man  ni  mal  de  fin  Sidnsprandn  afridn.  De  Zichurn- 
wuddln  blöt  sik  ligg  dot.  Awers  nimmt  man  sik  ok  noch  so  tosam, 
so  is  dat  Land,  wo  de  Zichurnwuddln  legn  hebbt,  dochn  ganz  wit- 
placki  van'e  widde  Melk  (Saft). 

Dat  Lof  ward  vun'e  Zichurnwuddln  afdreit  olr  afknickt.  Den 
ward  de  Wuddln  reinwuschn.  Darbi  brukt  man  en  Folk.  Mit  de 
Händn  wur  dat  väl  to  lanksam  gähn.  Öwerhöf  is  dat  Zichurnwuddln 
upkrign  banni  lankwili.  Mit'n  Folk  ward  de  Wuddln  uk  up'e  Wag 
lad't.  Up  de  Wag  möt  se  en  Ebnlid  stahn  to  afleckn.  Up  son  Wag 
ward  2500  bet  3000  Pund  uplad't;  awers  den  möt  Sidnbräd  bahn  de 
Lellrn  eveen.  De  Wag  mit  de  Zichurnwuddln  ward  wagn  un  na  Lundn, 
na  de  Zichurnkrögr^)  —  so  nömt  man  den  Besiddr  van'n  Zichurnfabrik 
—  fährt  un  bi  hunnertpundwis'  verköft.  Dat  hunnert  Pund  kost 
1   Mark  tachndi  Penn. 

Hir  in'n  Fabrik  ward  de  Zichurnwuddln  in  Stückn  snädn,  öwer 
en  Für  up'n  Därn  därnt.  Nu  mät  se  noch  veer  Wäkn  up'n  Bahn 
liggn,  un  dan  ward  se  brennt.  Darbi  mut  genau  uppasst  warn,  een 
Minut  tolangn  brennt,  deit  den  Fabrikantn  en  hunnert  Mark  Schadn. 
Den  ward  de  Zichurn  up'n  Mal,  vär  de  Pär  gabt,  fin  mahlt.  Nu  is 
de  Zichurn  sowid  trech.  He  ward  in  Tutn  kregn,  intut  het  dat.  De 
Tutn  mit  de  Zichurn  ward  likup  un  dich  an  dich  in  en  Kist  instellt, 
un  de  Kist  den  en  Tidlank  düchdi  up'e  Eer  stött.  De  Zichurn  schall 
sackn,  un  dat  het  stampn. 

Fror  schall  dat  Zichurnbun  noch  mehr  Bruk  hir  wen,  un  to 
een  Tid  de  Zichurnwuddln  na  de  Heid  läwert  wurn  hebbn,  na  de 
Brauersche  Fabrik,  de  nu  wul  al  langn  ingahn  is. 

DAHRENWURTH  b.  Lunden.  Heinr.  Carstens. 


1)  Ein  Arbeiter,  der  viele  Jahre  in  der  Zichorienfabrik  gearbeitet,  hiess  nie 
anders,  als  „Willem  Zichurn"  oder  „Zichurn-Willem". 


113 


Ghetelens'Nye  Unbekande  Lande. 


Folgende  Auszüge  sind,  wie  die  Überschrift  besagt,  ans  dem  seltenen  Werke, 
Ghetelens  Nye  Unbekande  Lande,  das  ich  im  Nd.  Jahrbuch  33,  S.  53  if.  ausführlich 
behandelt  habe.  Ich  habe  als  Auszüge  ausgewählt,  zunächst  Ghetelens  Vorrede, 
sodann  die  ersten  fünf  Kapitel  des  Werkes,  femer  einen  Teil  des  Berichtes  über 
die  Entdeckungsreisen  des  Kolumbus,  als  von  allgemeinem  Interesse,  ferner  auch 
den  Brief  des  Königs  Emanuel  an  den  Papst  und  den  Bericht  einer  nach  der 
Berberie  entsandten  Expedition,  die  nicht  im  ital.  Original  stehen,  und  schliesslich 
die  Schlussschrift  des  Ghetelens.  Der  leichteren  Vergleichung  halber  habe  ich  als 
Anhang  ein  paar  Kapitel  aus  Ruchamers  hochdeutscher  Übersetzung,  die  Ghetelen 
übertrug,  beigefügt.  Die  Ligaturen  und  die  in  übergesetzten  Strichelchen  bestehenden 
Abkürzungen  des  Druckes  sind  aufgelöst  und  durch  cursiven  Satz  kenntlich  gemacht. 

Daniel  Bussier  Shumway. 


Enem  'etliken  anschoawer  desses  Bokes  entbnet  flenningiis  Ghetelen 
sinen  denst  \nde  vrflntschop. 

Myt  gunst  vnde  wyllen  des  werdigen  vnde  hochgelereden  heren 
Josten  Ruchamer  der  vryen  künste  vnde  arstedye  Doctoren  &c.  welker 
dyt  Boeck  heift  erstmaels  gemaket  vth  deme  waischen  in  hochdüdesch  / 
dorch  bede  vnde  anlangent  ener  siner  guden  vründe.  So  hebbe  ick 
Henningus  Ghethelen  (vth  der  keyserliken  vryen  Stadt  Lübeck  geboren) 
vor  my  genamen  /  dyt  Boeck  to  maken  vnde  to  wandelen  vth  deme 
hochdüdeschen  in  myne  moderlike  sprake  /  alse  men  redet  in  den 
loffwerdigen  Hensesteden  /  vnde  ok  in  den  wyd  beropenden  landen 
Sassen  Marcke  Pomeren  Prüssen  Mekelenborch  Holsten  &.  Angeseen 
dat  dyt  volck  myner  moderliken  sprake  ock  seer  geneget  is  nye  dinck 
vnde  vnerhörede  wnnderbaerlike  materye  vnde  historien  to  hören. 
Doch  wert  men  nicht  hyr  in  dessem  Boke  alleine  nye  swencke  ynde 
lachelick  vnde  wente  nu  here  vnerhörede  wunderlike  dinck  vinden  / 
sunder  ein  yder  mach  hyr  vth  vorstaen  na  sinem  state  wor  kramerye 
ynde  spysserye  here  kümpt  /  vnde  wo  vele  se  dar  tor  stede  gylt  &. 
In  dessem  Boke  werstu  ok  vinden  de  wunderbaerliken  erfindingen 
der  nyen  vnde  lange  tyd  vnbekanden  werlde  /  welkes  dar  ock  is  tegen 
de  Natürliken  Meystere  der  Sterne  vnde  lope  des  hemtwels  vnde  an- 
deren velen  hochgelereden  de  dar  geschreuen  hebben  /  dat  an  dessen 
orden  effte  enden  nene  mynschlike  waninge  mögen  sin.  Welche  desse 
reyße  effte  segelinge  is  gescheen  vth  beuele  Yude  beschickinge  der 
allerdörchlüchtigesten  kowningen  van  Porthegal  ynde  Hispania  /  vnde 
bewysen   klaerliken   desse   segelinge  tegen  de   Natürliken  Meystere  / 

Niederdeutsches  Jahrbuch  XXXIV.  g 


114 

dat  jd  nicht  so  is  alse  se  hebben  geschreueii.  Wente  an  dessen 
suluesten  örden  vnde  enden  hebben  se  wünderlike  schöne  vnde  lustige 
jnseln  vnde  Eylande  gefunden  /  myt  nakeden  swarten  Tnde  grawen 
lüden  /  welche  ock  sin  van  vnerhöreden  seden  wysen  vnde  waenheyden  / 
ock  van  selsamen  wunderbaerliken  deerten  /  meerwunderen  /  vischen  / 
vögeln  /  köstliken  bömen  /  durbaren  vrüchten  /  vleten  /  kruderew  / 
wörtelen  /  spysseryen  /  krameryen  /  mannigerleye  eddelstene  /  perlen 
vnde  goldt  /  welcke  by  vns  groet  vnde  hoch  geacht  sin  /  vnde  by 
en  doch  gemeyne  sin.  Alsus  mach  ein  yder  beke?inen  de  groten 
wünderteken  godes  des  almechtigen  /  de  dar  de  werldt  geschapen 
vnde  gezyret  hefft  /  myt  so  mannigerleye  gesiechte  der  mynschen  / 
landen  /  jnseln  vnde  selsen  creaturen  /  alze  vor  gesecht  is.  Welches 
alles  vor  desser  tyd  by  der  Christenheit  vnde  unser  landtschöppe 
edder  natione  is  vnbekant  gewesen  /  vnde  sunderlick  seer  wünderlick 
is  /  dat  de  Christen  sulke  wyde  /  verne  /  wünderlike  /  vaerlike  vnrf^ 
erschreckende  reyße  efte  segelinge  gedaen  hebben.  Alle  desse  vor- 
gesechten  reyße  /  ock  wat  dar  nyes  vnde  selsens  gefunden  is  vor 
.  xl  .  vnde  .  1  .  jaren  wente  nu  beer  /  wert  dyt  Bökelin  /  welck  de 
nye  werldt  genant  is  /  alles  na  der  ordeninge  ynde  schickelicheit 
siner  Capittel  vnde  Register  klaerliken  bewysen  vnde  bescheden.    Dixi. 

Eiusdem  Henninghi  Ghetelen  Lubecensis  &  adolescentuli  Hexa- 
stichon  Ad  lectores. 

Euomit  insignis  Stuchs  calcographia  Georgi  Teutonico  :  ex  France  : 
iam  noua  regna  stilo.  Quo  patet  aethiopum  mores  &  regna  :  reuelat 
en  mundi  populos  &  simulachra  noui.  Mira(legas)nostri8  animalia 
pandit  ocellis  Monstra  sed  humanis  euolat  apta  iocis. 

H 

TELOS 

G 

ANFANG  DES  BUCHELINS  van  den  ersten  schypfarthen  /  aner  dat 
Mere  Occeannm  /  in  de  lantscöppe  der  Moren  /  in  deme  nedderen 
Morenlande  /  vth  ghebede  vnde  beuele  /  des  aller  dörchtlüchtif^sten 
Forsten  heren  /  heren  Hürieh,  der  eyn  Broder  was,  heren  Donrth  des 
könninges  tbo  Porthegal.  q  Dat  erste  Capittel,  wer  Erstliek  er- 
fanden hefft  de  scypfarthe  des  Meres  Occeani,  yegen  Süden^)  edder 

tegen  dem  middaghe. 

ALS  yck  Aloysius  van  Cadamosto,  van  gebort  vth  der  laueliken 
Stath  Venedie,  waß  der  erste,  der  sick  erhoeff  tho  auerschepen  dat 
Meer  Occeanum  genant^),  tegen  den  örden  \nde  winckelen  gelegen 
yegen  middach,  in  de  lande  der  Moren,  des  vndern  Mornlandes,^) 
dar  hebbe  ick  vp  desser  myner  reyße   edder  Schipfarth   gheseen  vele 


^)  Süden  nicht  bei  Euchamer, 

2j  Jtal:  a  nauigare   el  mare   occeano  di  fori  del  stretto  de  Jibeltera  (Gi- 
bralta).    Den  Eigennamen  hat  R.  nickt  erkannt  und  Hess  die  Worte  also  weg. 
3)  Ital.:  de  la  bassa  Ethiopia. 


115 

nyes  dinges  werdich  tho  merkeD,  went  myn  vpsaeth  gewesen  iß,  tho 
beßöken  selßene  dinck,  an  mawnigen  vnde  nyen  örden.  Alßo  dat  in 
warheit  vnser  Lande  gebruke  wyße  efft  gewonheyt,  ock  vnßen  örden 
enden  edder  lantscöppe,  tho  einer  gelicknisse  der  dinge  ßo  ick  geseen 
hebbe  vnrfß  v6ruaren,  eyne  andere  werlt  möchte  gheheten  werden. 
Darumwe  ick  sulke  dinck  billiken  achte  tho  merken.  Vnde  also  so 
vele  my  de  gedechtnysse  wyl  hülpelick  syn,  ßo  wyl  ick  beschriuen 
ßüicke  itzgemelte  dinghe.  Wnde  efft  ick  ßülckes  in  ördenliker  effte 
gheschickeder  ördeninge  nycht  worde  setten.  Alß  denne  de  materia 
desser  dinghe  erfordert,  schal  doch  de  warheyt  hyr  ynne,  an  allen 
enden,  nicht  vmmegangen  werden,  vnde  sunder  twyuel,  wyl  ick  er 
wat  to  weynich  seggew,  wen  ichts  neuen  der  warheyt  apenbaren. 
Iß  nu  tom  mael  tho  weten,  wer  dar  gewest  sy  der  erste  orsaker 
effte  anfanger  /  de  dar  hefft  aueruare^i  laten  den  ort  des  Meres 
Occeani  /  yegen  middach  /  in  desse  lande  der  Moren  /  des  nedderew 
Moerlandes  /  welcke  ßödder  Adams  tyden  went  nu  beer  (dat  kuntlich 
yß)  nicht  sin  geschepet  worden  (dar  vann  schryfft  ock  Plinius)  went 
in  dessen  somer.  Der  dörchluchste  Forste  /  Her  Hürich  /  des 
allerdörchlüchtigesten  herew  Johansen  /  könings  to  Porthegal  Söne. 
Van  welckes  mercklyken  dögheden  vele  were  to  seggen  /  welcks  ick 
vmme  der  körthe  vnderlathe  /  men  alleyne  dat  der  ytzgemelte  Forste  / 
her  Hurich  gantz  vnde  gaer  geneget  iß  gewest  /  to  desser  Ridderscop 
vnses  heren  Jhesu  Christi  /  mit  krigen  /  tegen  de  wylden  vngetewmedew 
vulcker  /  myt  en  to  striden  vmme  des  Christlikens  gelouen  willen. 
He  wolde  nü  eyn  w^yff  nemen  /  sunder  jn  groter  kuscheyt  entheelt 
he  syck  in  syner  jöghet.  He  hefft  ock  vele  Eerlker^)  vnde  Ridder- 
like  daet  ghedaen  /  dörch  sine  egen  persoen  /  ock  dörch  sine  lysti- 
cheyt  /  edder  dörch  sine  behenden  vornufft  /  jn  den  slachtingen  tegen 
de  Moren  /  welck  to  mercken  wol  werdick  yß  /  Alß  auer  nu  sin  vater 
her  Johanse  köninck  to  Porthegal  kranck  lach  /  went  jn  den  doet  / 
Esschet  he  dem  obgemelten  Forsten  /  heren  Hurich  /  sinen  Söne  / 
vnde  beuoel  em  de  gemeinschop  der  ßyddere  van  Porthegal  /  vormanede 
em  /  Yude  badt  en  dat  he  wolde  vuldoen  synem  Götliken  vnde  loff- 
liken  vpsathen  /  des  he  in  willen  wat  to  vorvolghen  vnde  tho  vor- 
stören /  na  sinem  besten  vormögen  /  de  viende  des  hilligen  Christ- 
liken  gelouens.  Welcker  Fürste  /  kort  to  spreken  sick  vlytede  / 
sulcke  synes  vaders  /  des  Könninges  begeren  to  volbringen.2)  Vnde 
na  dem  dode  des  vaders  /  hadde  he  vil  krige  in  Affrica  /  teghen  de 
vth  deme  Ryke  Feß  /  tegen  welcke  he  vele  jaer  vient  waß  /  \nde 
gedachte  jn  alle  mögliker  wyße  /  de  obgemelte  Forste  her  Hürich  / 
tho  vorstoren  /  dat  ytzghemelth  Könninckrike  Feß  /  vnde  dat  dede 
he  ock  an  velen  örden.    Welckes  Ryke  iß,gheleghen  am  mere  Occeano.S) 


^)  Bei  R:  Erlicher. 

2j  Ital.  fügt  hinzu :  fece  cum  el  fanare  del  Re  Dourth  suo  fratello  majore 
che  sucesse  al  dicto  regno  di  portogalli  molta  guerra  in  Afrika. 

')  Ital.  fügt  hinzu:  dala  pte  di  fori  del  strecto  de  jibelterra,  was  B.  wie 
oben  toegliess, 

8* 


116 

Vnde  sulckes   dede   he   mit  vorgunst   des  Köninges  /  hern   Dourth  / 
synes  öldern  broders  /  welk  na   affgang  des  vaders   köninck  wart  to 
Porthegal.     Alßo  sendede  de  obghemelte  Forste  /  syne  schepe  /  vnde 
dede  den  Morn   groten   schaden   van  jaren   to  jaren.     Alßo  dat  der 
obgemelte  Forste  besorgede  /  se  worden  ene  reysigen^)  /  dat  he  alle 
jaer  wyder  hen  jn  w6rde  theen.     He  leth  ße  theen  beth  an  ein  ge- 
berghe  /  genant  in  walsch  Capo  Non  /  dat  iß  in  dAdesch  /  alß  /  de 
orth   neen   /  welcker   orth  /  iß   noch   alßo    genant   vp   dessen   dach. 
Vnde  desse  orth  waß  alle  tid  dat  ende   desser  varthe.     Wente   nicht 
iß  gehöret  worden   dat   ener   vormals   auer    de   örde  geuaren  were  / 
der    wedd^   were   tho    huß    gekomew.     Alßo    dat  /  dat    sprickworth 
waß  /  dat  men  sprack.     Welcker  (aij)  dar  thüth  auer  den  orth  neen  / 
der  kümpt  ok  wedder  neen.     Als  efft  se  wolden  spreken      He  kümpt 
nümmer  wedder.     Vnde  also  quemen  de    obgemelten  Schepe  went  an 
dat  ort  Non  vnde   dar   suluest   dörsten    se    nicht   wyder   vare«   auer 
nycht  tho   myn   begerde   de   obghemelte   Forste  /  wyd«-   to    schepen 
Ynde   to   voruaren.      Also   jm   nauolgedem  jare    /    schickede  he  sine 
schepe  dat  se  hen  wart  wyder  segelden  /  achter  den  orth  Non  /  myt 
der  hulpe  godes  /  wente   de   schepe  van   Porthegal   sin   beter  /  den 
andere  schepe  vp  dem  Mere  mögen  sin  /  van  Segeln   /    Ynde  do    se 
nu  mit  den  schepen  wol  bewart  weren   ock  myt   allem   vorraet   alse 
men  in*  schepen  bederuet  /  toTaller   notrofft  /  meneden   ße  /  id   wer 
wol  mögelick  to  varen  an  alle  örde  efft   ende.     Weren  begeren  /  to 
voruaren  nye  dinck  /  alleyn  darvmme  /  dat  ße  möchten  voruaren  dat 
wesen  der  Inwaner  /  an  den   suluen   örden  /  Ynde   dat   ße   möchten 
störmen  efft  berouen  de  Moren^)  rüsteden  se  sick  wol  mit  dren  schepen 
mit  aller  noettroft  ynde  to  behöringhe  /  als  mit  wapen  vnde  koste  / 
efft  prouision  /  van  spyße  /  Ynde  ock  anderen  dingen  /  Vnd^  setteden 
dar  jn  Reddelike  stritbare  menne  /  welcke  dar  hen  schepeden  /  Vnde 
vören  int  erste  vth  /  vorde  obgemelten  berge  /  edder  den  orth  Non  / 
An  der  syden  segelden  wy  des  dages  /  by  der  nacht  beeide  wy  stille  / 
Also  dat  wy  by  der  mate  vp   der   syden  geuaren  weren   by   hundert 
mylen  /  vor  vth  /  vor  dat  obgemelte    geberghe   Non  /  Ynde   vunden 
noch  wer   volck  /  noch   waninge   dar   suluest  /  den  eyn   deeP)   was 
sandych  vnde  dröge  landt.     Also  töge   wy   wedder   to    rügge  /  Vnde 
de  obgemelte  Forste  erkande  /  dat  he  jn  dessem  jar  /  nichtes   nyes 
mochte  voruaren  /  Rüstede  he^'des  nauolgeden  jares  sine  schepe  Vnde 
schickede  auer  ein  mael  ein^volck  vth  /  wol  gerüstet  /  dat  se  wyder 
hen  jn  scheiden  schepen  /  den  de  ersten  sin  volck  gesegelt  hadden  / 
Ynde  also  segelden  se  wyder  hen  jn  /  meer    den   hundert  vnde  .  1  . 
myle  /  Also  vören  se  beter*)  hen  wech  /  ynde  vorvuUeden   dat  both 
eres  Forsten.      Ynde   vunden   doch   anders   nicht  /  den    eyn   sandich 
vnde  dröge   landt  /  ane   alle   waninge  /  vnde    tögen    wedder   heem  / 
Den   noch   nicht   to    myn    vureden   ere   herte   alle    dage   mit  groten 


>)  Hd.  jne  reytzen.     «)  Ital.:  per  uoler  offender  a  mori.     »)  Bei  B.:  dann 
eytel  sandig  vnd  drucken  landt.     ^)  beter  nicht  bei  E. 


117 

begeren  /  to  voniaren  vDtfe  erkundigen  de  suluen  lande.  Schickeden 
jm  dnidden  jar  auer  twe  schepe  /  Nnde  kort  to  spreken  /  schickeden 
ße  hen  jn  so  vaken  \nde  vele  /  etlike  jare  na  einander  /  so  lange 
ße  vunden  etlike  orde  /  dar  jnne  waneden  Arabier  /  de  hadden  ere 
waninge  jn  den  suluen  wöstenien.  Ynde  dar  na  wyd^  hen  jr  / 
Tunden  ße  auer  ein  ander  volck  /  de  ße  heten  Azanegi  /  dat  sin 
grawei)  mynschen  van  welcken  ick  (ßo  wy  beter^)  in  dith  boeck 
werden  komen)  meer  seggen  wyl  /  vnde  also  queme  wy  ßekerlick  / 
dat  wy  wislick  vunden  de  lande  der  vördesten  Mom3)  /  Ynde  dar 
na  van  ener  tyd  to  der  anderen  /  dat  wy  vunden  andere  gesiechte 
desser  Morn  /  van  selsenen  wysen  /  spraken  /  seden  /  vnde  gelouen  / 
alße  du  hörende  werst  ßo  wy  wyder  jn  dyt  vnse  böcklin  beter  jn 
werden  komen. 

DAT  ANDER  CAPITTEL  VAN  den  dingen  /  ßo  Aloysins  van  Cadomost« 
in  der  anernart  /  schepinge  efite  segeiinge  jn  iem  Lande  der  Moren 

erfanden  hefft. 

Na  der  gebort  vnses  hern  Jhesu  Christi  MCCCCLiiij,  als  ick 
Aloysius  to  der  tyd  to  Venedie  was  /  myner  jare  olth  by  twe  vnde 
twyntich  jaren  /  vnde  hadde  ok  vor  desser  tyd  mere  geuaren  eflFte 
gesegelt*)  vp  vnsen  Meren  /  jn  der  herschop  der  Venedier.  Settede 
ick  my  v6r  /  jck  wolde  wedd^  varen  jn  Flanderen  /  dar  ick  to  vören 
ock  eyn  mael  was  gewest  /  vnde  dat  vmme  des  willen  /  dat  ick 
jchteßwes  möchte  voröbern  vnde  gewinnen  /  wente  al  myn  vpsaet 
was  tor  suluen  tid  dat  ick  my  wolde  vmme  doen  allen  mögeliken 
wegen  /  to  bekomen  etlike  temelike  rikedoem  vnde  dat  ick  mochte 
dar  na  komen  tho  beteringe  mynes  states  /  vnde  to  Eren  /  Ynde 
alse  ick  my  also  hadde  vörgeseth  to  reyßen  /  als  ick  nu  ytz  gesecht 
hebbe,  Rustede  ick  my  mit  deme  kleynen  gelde  dat  ick  do  tor  tyd 
hadde.  Ynde  sath  vp  vnse  Galleyn  van  Flandern  /  der  höuetman  was 
her  Marcus  ein  Ridder  /  mde  also  jn  dem  namen  gades  töge  wy  hen 
wech  van  Venedie  myth  den  ghemelten  Galleyen  /  an  dem  achten  dage  des 
Augstmans  /  Im  MCCCCLiiij.  Jare.  Ynde  vören  hen  wech  vnse  dach- 
reyse  /  vnde  stunden  vth  /  an  vnsen  gewöntliken  enden  also  lanck 
dat  wy  quemew  jn  Hispania  /  Vnrf^  alse  wy  hadden  vngeweder  do 
bleue  wy  myt  vnsen  Galleyen  an  enen  ort  /  to  sunte  Vincentius  / 
alse  wy  dar  sulues  weren  /  nicht  wyd  dar  van  /  begaff  id  sick  dat 
der  obgemelte  Forste  her  Hurich  /  lach  in  enem  dörpe  /  in  der  suluen 
vmmelegenheit^)  gheten  Reposera.  Welker  Forste  /  als  he  vnser 
gewaer  wart  /  schickede  he  to  vns  enen  siner  Secretarien  /  de  heeth 
Anthonius  Conzalles  Vnd^  mit  em  enen  anderen  genant  Patricius 
de  sulue  sprack  he  were  eyn  Venediger  /  vnde  were  ein  Raetman 
(vth  vnsem  lande)  in   dem  Ryke   tho  Porthegal   /   dat  betügede   he 


^)  liaL:  beretini.     ^)  Hd.  baaz.     ')   Ital.:   de   primi  nigri.     *)  effte  ge- 
segelt nicht  bei  E,    ^)  Bei  B.  steht:  Riuiere. 


118 

alßo  tho  sin  mit  enem  iJreue  van  vnser  herschop  tho  Venedie  / 
welker  hadde  ein  anhangede  Segel.  Welker  Patricius  was  ock  ein 
haueman^)  jm  zolte  an  dem  houe  des  obgemelten  Forsten  heren 
Hürichs  Vnde  also  quemen  se  to  vnsern  Galieyen  /  vth  beuele  des 
vorgespraken  Forsten  /  mde  brachten  mit  sick  /  etlike  proben  des 
Zuckers  /  vth  der  jnseln  Medera  /  vnde  sanguinem  draconis  /  dat  is 
drakew  bloet  welck  men  in  der  arstedie  gebruket^),  brochten  ok  ander 
dinck  /  alse  se  hadden  gebröcht  vth  den  orden  Yude  jnseln  /  des 
ytzgemelten  Forsten  vnde  sulk  eine  probe  wyseden  se  meer  lüden  / 
Wnde  alse  ick  nu  iegewwardich  was  \n(le  vragede  de  vnsen  in  der 
Galleyen  van  mannigerleye  dingen  Seden  se  my  /  wo  desse  Forste 
hadde  besettet  in  kort  vnd  nyelick  jnseln  /  welcke  vor  desser  tid  nü 
van  mynschen  jngewanet  weren  vth  welken  men  brochte  sulke  zucker 
ynde  draken  bloet  /  vnde  andere  köstlike  nutte  durbaer  dinck  Vnde 
wo  dat  nichtes  nicht  were  tho  achten  yegen  andern  dingen  xude 
kopenschop  de  men  vth  den  suluen  jnselen  bringet  /  de  raynen  geuen 
my  ok  to  vorstaen  /  wo  de  bemelte  Forste  nu  etlike  tydlanck  heer  / 
hadde  auerschepet  etlike  Mere  /  dede  in  vörtiden  van  andern  nü  sin 
geseen  worden.  Vnrfe  hefft  an  dew  suluew  Merew  gevunden  /  lant- 
schöppe  /  van  ma/migerleye  vnde  seltzamen  gesiechten  der  mynschen. 
An  welkew  orden  men  ock  vünde  selsene  vnde  wünderbaerlike  dinck. 
Vnrfe  welke  de  yennen  weren  de  an  sulke  örde  gereyset  hadden  / 
mit  grotem  gewinne  weren  wedder  to  huß  gekomen  van  den  uyeu 
erfunden  lüden.  Went  ein  ßilling  gewünne  dar  suluest.  vij  ßilling 
vnd  .  X  .  vnde  dar  by.3)  Wnde  seden  my  ok  so  vele  van  den  dingen  / 
dat  ick  my  sulkes  ja  seer  vast  vorwünderde.  Also  dat  do  tor  tid 
by  my  mochten  wassen  /  de  begere  to  reysen  an  sulke  örde.  Vnde 
also  vragede  ik  se  /  efft  de  obghemelte  Forste  lete  enen  etliken  gern 
theen  /  de  dar  wolde  an  de  suluen  örde  varen.  Seden  ße  my  /  Ja  / 
doch  mit  twierleye  gedinge  edder  vnderscheyt  /  Also  /  wer  reysen 
wolde  an  desse  ende  /  vnde  dat  schyp  versorgen  /  vp  sine  egen  kost  / 
mit  prouision  vnde  kopenschop.  Vnde  so  de  sulue  wedder  to  huß 
queme  /  scheide  he  dem  Forsten  reddeliken  schüldich  sin  to  geuen  / 
den  Verden  deel  van  alle  der  kopenschop  /  so  he  vth  den  jnseln 
bröchte  /  an  den  suluen  örden  vnde  landen  /  vnde  dat  drüdde  deeH) 
were  des  Forsten.  Eflft  also,  De  obgemelte  Forste  /  de  besorgede 
dat  schyp  mit  aller  to  behöringe  /  prouision  effte  vittally  /  vp  sin 
egen  kost  /  Doch  dat  desser  /  welker  sulk  eene  reyse  wyl  annemen 
sin  kopenschop  suluest  to  vorleggen.  So  den  de  sulue  to  huß  kümpt  / 
scheide  dew  Forsten  schüldich  sin  dat  halue  deel  to  geuen  /  van  allen 
den  güdern  efft  kopenschop  /  alse  he  brinck(t)  van  den  suluen  örden. 


*)  Bei  E,  steht:  hofmann.  ^)  Diese  Erldärung  nicht  im  iial.  Original. 
')  Ital,  circa.  *)  Ital.  le  tre  parte  fosse  sue.  Dies  hat  R  falsch  übersetzt  als: 
der  dritte  teyl  der  wer  seyn  statt  die  drei  Teile  wären  sein  und  verdunkelte  den 
Sinn  der  Stelle,  G.  versucht  sich  zu  helfen,  indem  er  dat  drüdde  deel  were  des 
Forsten  schreibt,  was  wiederum  mit  dem  obenerwähnten  vierten  Teil  in  Widerspruch 
steht.    Diese  Stelle  liefert  einen  weiteren  Beweis,  dass  G,  nur  Muchamer  benutzt  hat. 


119 

Vnd^  eflFt  jd  sake  weer  /  dat  he  nichtes  nicht  mochte  wedderumme 
her  vter  bringe«  /  so  schal  de  kostinge  gaen  vp  den  Forsten  /  also  / 
dat  de  Forste  den  schaden  wil  entrichten  /  Ynde  sulke  ein  anmer- 
kinge  /  dat  men  nicht  wedder  her  vth  mach  komen  /  dan  myt  grotem 
gewinne.  Vnde  so  ener  vth  vnsern  landen  edder  Natione  /  de  reyse 
doen  wolde  /  was  deme  Forsten  wol  anghename  vnde  ertögede  eme 
gunstigen  willen  /  Wente  he  gedachte  /  dat  men  in  den  suluen  örden 
vünde  spytzerye  fröyt  vnde  andere  nutlike  dinck.  Vnde  he  meende 
de  Venediger  kanden  sulke  dinck  vp  den  besten^)  den  andere  Nationes  / 
edder  lüde.  Als  ick  sulkes  hörde  /  settede  ick  my  vor  desse  reyse 
to  doen  /  vnde  mit  sampt  den  anderen  /  sprack  ick  mit  dem  Forsten. 
Also  mit  der  körte  bewysede  my  de  .Forste  /  dat  jd  alles  waer  weer  / 
dat  my  de  sine  obgemelten  gesecht  hadden  /  vnde  noch  vele  meer. 
Ock  lauede  he  my  /  he  wolde  my  Ere  rade  vramen  laten  to  staen  / 
wen  ick  desse  reyse  wolde  annemen.  Alse  ick  nu  denne  sulks  vörnam  / 
bedachte  ick  /  dat  ick  junck  \nde  stark  was  /  vnde  geschicket  to 
erliden  alle  moye  ynde  arbeyt  /  vnde  begeerde  to  seen  de  werlde  / 
vnde  wünderbarlyke  dinck  /  der  gelike  keyner  vth  vnsen  landen  nü 
geseen  hadde.  Ick  hadde  de  höpeninghe  /  in  sulcker  reyse  to  erlangen 
gud  (aiij)  vnde  ere  /  bedachte  my  gantzlick  desse  reyße  to  vuUen- 
bringen  /  also  riistede  ick  my  /  myt  noettröfiftigen  dingen  '/  in  de 
Galleye  /  vnde  beuoel  alle  myne  gudere  /  einem  guden  vründe^)  yegen 
neddergange  der  Sunneh  /  dat  is  int  Westen^)  vnde  stegen  vth  an 
dat  landt  /  ynde  de  Galleien  vorvolgeden  vor  an  erem  wege. 

DAT  DRYDDE  CAPITTEL  \AN  der  tyd  /  alse  de  Oalleyen  hen  wech 
gingen  /  vnde  myt  wat  wynde  se  segelden. 

ALS  ick  gebleuen  was  /  an  dem  orde  to  Sunte  Vincentius  / 
alse  ytz  gesecht  is  /  des  hadde  de  obgemelte  vnser  Forste  /  groet 
wolgeuallen  an  mynem  blyuen  dar  suluest  /  bewysede  my  vele  vrunt- 
schop*).  Vnde  na  dem  etlike  vele  daghe  /  leeth  he  my  to  rüsten 
eyn  schyp  /  dat  men  nömet  in  walsch  Carauella  dat  dar  konde  dragen 
by  .  xc .  Butten  /  dat  is  vngeuerlick  by  .  xl .  voder  wins  /  des  ein 
yoder  veer  perde  mochten  trecken^).  De  patroen  was  einer  genant 
Vincentius  van  Lagus  /  dat  is  ein  orth  by  sunte  Vincentius  ßösteyen 
myle.  Vnde  dat  schyp  was  besorget  myt  allerleye  noettroflft  to  vnser 
vaert.  Also  vöre  wy  hen  wech  /  van  dem  vorgemelden  orde  Sünthe 
Vincentius  /  jn  dem  namen  godes  /  an  dem  .  xxij  .  dage  des  Mertzen 
jm  .  MCCCCLV  .  Jare  /  mit  middernacht  winde®)  eft  Norden 7)  jm 
nigge  /  ynde  richtedew  vnsen  wech  yegen  de  jnseln  Medera  /  yegen 
neddergange  den  richte  wech.  Ynde  quemen  in  de  jnseln  Porto  sancto 
vmme  den  middach  /  am  .  xxv  .  daghe  des  Mertzen  /  dat  is  van  dem 
obgemelten  orde  sunte  Vincentij  by  ßößhundert  myle. 

*)  JBW. :  basz  dann.  *)  Ital:  a  uno  mio  parente.  ^)  nicht  bei  R,  *)  Ital: 
mi  fece  festa  assai.  ')  Diese  Erklär unfj  nicht  im  ital.  Original  noch  bei  U. 
•}  Ital.:  cum  vento  greco  e  tramontano.  i)a  B.  nicht  tousstc,  dass  vento  greco 
gleichbedeutend  mit  Nordostmnd  ist,  Hess  er  es  weg.     7)  Norden  nicht  bei  B, 


120 

DAT  YEERDE  CAPITTEL  VAN  der  Inseln  Porto  sancto  /  vnde  van 
erer  ^helej^enheit  /  vnde  van  den  dingen  de  dar  snlnest  wassen  / 
alse  draken  bloet  /  vnd^  wo  men  dat  maket  /  vnde  ran  dem  aller- 
besten honnige. 

DEsse  Insel  Porto  sancto  /  is  vast  eyn  kleen  dinck  /  by  .  xxv  . 
mylen  groet  jm  vmmeuange.  *  Se  is  gevunden  worden*  in  .  xxvij  .  jaren 
heer  van  den  Schyplüden  des  obgemelten  Forsten  Hürich.  Vnde  hefft 
ße  mit  sinem  volcke  van  Porthegal  besettet  /  vnde  ße  js  vormals 
nü  nicht  jngewanet  gewesen.  Ynde  de  gubernator  edder  höuetman 
der  suluesten  Inseln  /  is  Bartholomeus  Polastrellus  ein  dener  des 
bemelten  Forsten.  In  desser  jnseln  vindet  men  körn  vnde  haueren  / 
vnde  is  anervlödich  van  ßindtflesch  /  vnde  van  wilden  swynen  /  vnde 
kannine  auer  de  mathe  /  Cuniculos.  Vnde  in  desser  jnseln  vint  mew 
ok  draken  bloet  /  welker  bloet  wasset  an  den  bömen  /  de  dar  suluest 
staen  /  welkes  draken  bloet  is  eyn  gummi  /  glaer  /  edder  hart  /  dat 
16pt  vth  den  suluesten  bömen  /  in  ener  benanten  tyd  in  dem  jare. 
Vnde  se  bringent  aldus  vth  den  bömen.  Se  maken  etlike  streke  mit 
ener  Exen  efft  mit  einem  Byle  vnder  den  boem  /  vnde  jm  nauolgenden 
jare  /  to  ener  wol  bekanden  tid  so  wunden  edder  houwen  de  suluen 
in  de  gummi,  hart  edder  glaer  /  welkes  se  dar  na  seden  /  lütteren 
vnde  reinigen  /  vnde  also  maken  se  dat  draken  bloet.  Vnde  desse 
boem  drecht  ock  eine  vrucht  welke  in  dem  maen  des  Mertzen  tydich 
vnde  ryp  wert  /  vnde  is  wol  gud  to  eten  /  vnde  is  gelick  ener  ker- 
sebern  eft  wyselen  /  men  is  geel.  Men  vindt  ock  vmme  desse  jnseln 
grote  vische,  Dentali  vnde  Orade  /  vnde  ander  gude  vische.  Desse 
jnsel  heflft  neue  porten  efte  hauen  /  hefft  doch  ßüs  enen  guden  standt, 
dar  men  bewart  is  vor  allen  winden  /  vthgenomen  vor  dem  vpganck 
vnde  middach  wind  (dat  is  Osten  vnde  Südeni)  vor  den  suluen  winde;* 
is  men  nicht  wol  bewaret.  Desse  jnsel  is  gebeten  porto  sancto  / 
vnde  dar  maket  men  dat  allerbeste  honnich  (alse  ick  gheloue)  so 
men  in  der  werldt  möghe  vinden  /  ock  wasses  etlike  grote  dele. 


DAT  VEFFTE  CAPITTEL   VAN  ENER  PORTEN  EPPTE  HAUEN  IN 

DER  INSELN  Medera  de  haue  is  genant  Monericho  /  Ynde  wo  wyt 

se  gelegen  is  van  Porto  sancto. 

Dar  na  an  dem  .  xxvij  .  dage  des  Mertzen  /  vore  wy  hen  wech  / 
van  der  vörgemelden  jnseln  Porto  sancto  /  vnde  vp  den  suluesten 
dach  queme  wy  tho  Monericho  /  dat  is  ene  van  den  porten  vnde 
hauen  der  jnseln  Medera  /  welck  yegen  is  van  Porto  sancto  .  xl  .  myle 
wyd.  Vnde  wen  dat  weder  klaer  is  so  suet^)  men  van  enem  tom 
anderen. 


1)  Die  Puranihese  nicht  bei  R    V  Hd.  syhet. 


121 

HYR  HEDETH  SIOK  AN  DATH  VEERDE  BOECK:  VNDE   18  van  der 
schypfart   des   koDninges   van  Castillia  /  van  jnseln  vnde  landen  in 

kort  gefunden. 

DAT  /  LXXXnil  /  CAPITTEL:  WO  de  Konninck  van  Hispania  rfistet 

edder  bereydet  twe  schepe  dem  Christoffer^)  Dnner^)  van  Jenna  to 

segeln  tegen  neddergattck  edder  Westen^). 

DEsse  Christoflferi)  Duuer^)  van  Jenua  /  was  ein  vrischer^) 
langer  man  /  ynde  was  groter  vornufft  /  he  hadde  ein  lanck  ange- 
sichte  /  he  na  volgede  vnde  lange  tyd  anhengede  den  allerd6rch- 
lüchtigesten  kowningen  van  Hispania  /  an  alle  6rde  vnde  so  men  hen 
reysede  to  segelen*)  begeerde  ock  dat  se  eme  scolden  helpen  to  rüsten 
vnde  beladen  ein  schyp  vnde  vthboet  sick  /  he  wolde  vinden  yegen 
dem  neddergange  effte  Westen^)  Inseln  /  an  India  anstötende  /  dar 
suluest  ock  dann  de  vulle  der  eddelen  stene  is  /  vnde  spyssereyen  / 
vnde  ock  des  goldes  /  welcker  men  mochte  lichtHck  auer  kamew.  De 
Konninck  yude  Konninginne  /  vnde  ock  alle  de  vorgenömesten  in 
Hispania  /  hadden  lange  tyd  ein  spyl  /  tydvordriflP  eiFte  spot  an 
dessem  vornemen  des  Christoffers  /  vnde  am  lesten  na  ßöuen  jaren 
effte  auer  ßouen  jaren  /  \nde  na  sinen  mawnichuoldigen  begeren  / 
beden  /  \nde  anlangen  /  worden  se  sinem  willen  to  vallen^)  vnde 
rüsteden  eme  eine  Naue  /  dat  is  ein  groet  schyp  /  vnde  twe  Grauele  / 
mit  welcken  he  hen  wech  segelde  van  Hispania.  Vnde  anfangede 
alzo  sine  schypfarth  vnde  reyße  /  vmme  de  ersten  dage  des  Sep- 
tember /  dat  is  des  Heruestmaens  /  jm  .  MCCCCxcij  .  jare. 

DAT  /  LXXXV  CAPITTEL :  VAN  vnbekanden  vnde  vnerhöreden  Inseln. 
Alse  desser  Christoffer  Dnner  van  Jenna  hefft  gefunden. 

DEs  ersten  mals  schepede  he  van  Gades  /  to  den  jnseln  for- 
tunate  /  dat  is  to  den  gelückseligen  jnseln  /  welcke  hiide  by  den 
Hispaniern  sin  genant  Ganarie  /  \nde  werden  van  den  olden  genant  / 
de  gelückseligen  Inseln  /  in  deme  Mere  Occeano  /  wyd  an  deme  ströme  / 
dusent  vnde  twehundert  walsche  myle^).  Vnde  veer  walsche  myle 
sin  ein  Lega  /  dat  is  eine  düdesche  myle^)  /  Desse  Inseln  Canarie 
weren  genandt  Fortunate  /  dat  is  geluckselich  /  van  wegen  des  tem- 
pereerden  vnrf^  guden  luchtes  dar  suluest.  Vnde  sin  gelegen  vth  der 
helffte  des  Clima  edder  Cyrkels^)  Europe  yegem  Myddage  edder 
SüdenlO)  /  se  sin  ock  besettet  mit  nakedem  volcke  /  welcker  ock 
levet  ane  alle  Christenlike  gesette  /  an  desse  ende  schepede  effte 
segelde^)  Christoffer  Duuer  /  dar  suluest  water  to  nemen  /  vnde  sick 
to  vorquicken.  Tom  ersten  schepede  he  mit  grotem  vlyte  /  m6ye  / 
vnde  arbeyde  /  na  den  nauolgeden  Inseln  /  yegen  neddergange   effte 

1)  Hd. :  Christoffel.  «)  Jtal. :  Colombo,  B.  Dawber.  ^)  nicht  bei  R.  *)  t  o 
segelen  nicht  bei  R.  ^)  nicht  bei  R.  ^i  Ital:  Compiacetteno  a  sua  volunta; 
R.  wurden  sie  zu  gefallen  seynem  willen.  '')  Ital:  Conta  dal  streto.  Mcc.  miglia 
secundo  sua  rason  che  dicono  xxx  leghe.  *)  Diese  Erldürung  auch  bei  R.  »j  Cyrkel 
nicht  im  ital  Original,     ^^  Süden  nicht  bei  R.     ")  nicht  bei  R. 


122 

westeil  1).  Also  /  dat  he  stedes  na  einander  schepede  dre  vnde  druttich 
dage  /  vnde  nachte  /  dat  er  nü  kein  landt  efte  erdtrike  sach  /  na 
dessem  steech  einer  vp  de  Gabia  des  Schepes  /  dath  is  /  de  marße^). 
Do  segen  se  landt  vnde  vünden  ß6ß  jnseln.  Vnder  welcken  weren 
twe  de  weren  einer  vnerhöreden  gröte  /  vnde  eine  is  genant  Spagnola  - 
de  ander  Zoanna  mela. 

DAT  /  LXXXVI.  CAPITTEL  VAN  dessen  ytzgemelden  twen  groten 
Inseln  /  dat  is  Zoanna  mela  vnde  Spagnola. 

GRüntlick^j  konde  wy  nicht  weten  eflft  Zoanna  ein  Inseln  were  ,' 
men  alze  wy  dar  hen  quemen  in  de  naheyt  /  ynde  schepeden  dar 
suluest  vmwe  here  an  dem  ströme  /  in  demß  Maente«Nouember  /  dat 
is  /  in  dem  wintermaente  do  hoerde  wy  in  den  allerdickesten  woldeu 
ymle  huschen^)  de  Nachtegalen  singen.  Vnde  vünden  to  male  sere 
grote  vlethe  van  ßötem  water  /  vnde  vast  gude  hauen*)  edder  porthen  / 
Alze  wy  also  in  desser  mathe  schepeden  an  dem  ströme  der  Inseln 
Zoanna  /  meer  da,um  achtehundert  walsche  myle  /  vnde  (gij)  vünden 
dar  neuen  ende  /  noch  ein  teken  des  endes  /  do  gedachte  wy  jd  were 
eyn  vast  landt  /  vnde  meneden  wedder  vm;«e  to  keren  /  edder  wedder 
to  rügge  to  varen  /  wente  dat  Mere  begünde  sick  enge  vnde  smal 
tho  maken  /  vnrf^  de  dach  wolde  sick  ock  ytzundt  negen.  Alze  wy 
nu  dat  Schyp  hadden  gewendet  yegen  deme  vpgange  effte  Osten^)  . 
do  werde  wy  vinden  de  Inseln  Spagnola  /  vnrfö  meneden  to  eruaren 
de  gelegenheyt  der  6rde  yegen  middernacht  edder  Norden^)  /  do 
nalede  sick  ytzundt  dat  landt  /  vnde  dat  gröteste  schyp  ginck  vp 
euer  euenen  drögen  grundt  /  welcke  dar  was  mit  water  bedecket. 
Also  /  dath  dyt  sulue  schyp  sick  vp  dede  edder  vp  ginck  Ynde  brack 
entwey  /  men  dar  vmwie  dat  jd  dar  suluest  vnder  dem  water  an  deme 
boddem  efte  der  grunt^)  euen  vnde  stenich  was  /  so  mochte  jd  nicht 
vnder  gaen  vnde  vordrincken.  Also  stech  dat  volck  in  de  kleynen 
Grauele  /  vnde  gingen  dar  na  to  lande  /  dar  segen  se  de  lüde  vth 
desser  inseln  /  welcke  /  alze  se  vns  worden  seen  /  do  vlögen  se  in 
de  allerdickesten  wölde  /  gelikerwyß  alze  dat  wildt  nimpt  de  vlucht  . 
so  man  jd  voruolget  mit  den  hünden  /  Dyth  volck  is  ein  vnerhoreder 
gesiechte  /  de  vnsern  volgeden  enen  na  /  ynde  vengen  eine  vrouwen 
vnde  vöreden  se^)  to  deme  schepe  /  dar  suluest  geuen  se  eer  wol  to 
eten  /  vnser  spyse  Yude  wyn.  Vnde  klededen  se  ßiiuerlick  /  wente 
se  gaen  bloth  edder  naket^^  /  dar  na  lethe  wy  se  wedder  \mme  gaen. 

DAT.  LXXXVII  .  CAPITTEL:  VAJV  dem  wegen  /  seden  /  gewaen- 
heyden^)  /  ynde  egenscop  der  Inseln  Spagnola. 

ALso  vorth  do  desse  vrouwe  wedder  vmnie  to  den  eren  quam 
(wente  se  wol  wüste  wor  se  weren)  ertogede   vnde  wysede   se  ene  de 

^)  nicht  bei  E.  ^)  Diese  Erklärung  nicht  bei  R.  ^)  Ital:  ben  certo;  B. 
Aygentlich.  *)  Hd.  gestatte.  ^)  nicht  bei  1{.  •)  G.  Juxt  hier  den  Druckfehler  so, 
aber  Hd.  sie. 


123 

wunderbaerliken  kledere  /  alze  se  van  vns  hadde  entfangen  /  vnde 
vüse  gute  vnde  mildicheyt  /  do  quemen  se  alle  samptliken  gelopen 
an  dath  Mere  /  mit  grotem  verwunderen  vnde  vngestüme  effte 
krischen^)  vnde  meneden  /  wy  weren  ein  volck  vaw  dem  hemmel 
beer  gesenth  /  se  Sprüngen  in  dat .  water  /  vnde  bröchten  goldt  mit 
sick  /  welkes  se  dar  sulues  hebben  /  vnde  vorwesselden  efte  vor- 
buteden  dat  goldt  vmme  erdene  theller  /  vnde  glesene  schalen  /  wer 
enen  gaff  einen  natelremen^)  efte  hasenremen  /  edder  eine  /  schelle 
efte  klocken  edder  ein  stücke  spegels  /  efte  anders  wat  des  geliken  / 
deme  geuen  se  sulkes  goldt  wedder  /  wente  des  hebben  se.  \nde 
se  hadden  ytz  alrede  samptliken  mit  vns  gemaket  früntlike  kuntschop. 
Alze  wy  vrageden  van  erem  wesen  yude  seden  /  do  erkende  wy  an 
eren  teken  vncfe  gebeerden  /  dat  se  vnder  sick  enen  kowninck  hadden. 
\nde  alze  wy  nu  vth  stegen  to  lande  /  do  worde  wy  vp  dat  aller- 
heerlikeste  vaw  dem  Konninge  entfangen  /  yude  des  geliken  van  den 
jnwaneren  desser  Inseln  worde  wy  lefliken  angenomen.  Alze  nu  der 
auent  quam  vnde  de  unseren  lüdden^)  to  beden  dat  Aue  maria  /  do 
kneeden  wy  vns  nedder  /  des  geliken  deden  se  ock.  Vnde  alze  se 
segen  dat  de  vnseren  anbededen  dat  Grütze  /  des  geliken  deden  se 
ock.  Ock  do  se  segen  /  dat  vnäer  vörgemelde  schyp  was  tho  braken  / 
do  voren  se  to  dem  suluen  vp  eren  kleynen  scheepkens^)  \nde  vöreden 
vnse  volck  vnde  güdere  tho  lande  /  mit  sulker  leue  vnde  vrüntscop  / 
dat  jd  is  wünderbaerlick  tho  vorteilen.  Item  ere  schepe  sin  gemaket 
van  einem  enigen  holte  /  se  sin  vthgeholket  /  edder  hol  gemaket  / 
mit  seer  scharpen  stenen  vnde  sin  lanck  vnde  enge.  Se  hebben  ock 
etlike  Schepe  dar  suluest  /  der  eines  hefft  by  achtig  Rodere.  Se 
hebben  mit  alle  neen  yseren  in  der  suluen  Inseln  /  dar  vmwe  vor- 
wünderden  sick  de  vnseren  tho  male  sere  /  wo  se  doch  makeden  edder 
buweden  ere  hüsere  /  welcke  wünderbaerlick  sin  gebuwet  /  vnde  ock 
ßüs  andere  dinge  de  se  hebben.  Also  vorneme  wy  dat  se  sulkes 
alles  makeden  mit  etliken  vast  harden  stenen  vth  den  vleten  /  welke 
ock  vast  scharp  sin.  Wy  vornemen  ock  dat  nicht  verne  effte  wyde 
van  desser  jnseln  ock  weren  etlike  Inseln  /  in  welken  seer  grwsame 
lüde  waneden  /  de  suluen  ethen  mynschen  vlesch.  Vnde  dar  vmme 
so  was  dyt  de  oersake  /  dat  se  tom  ersten  /  alze  se  vns  segen  de 
vlucht  nemen  /  wente  se  gedachten  wy  weren  der  suluen  lüde  /  welke 
genandt  sin  Canibali.  Vnde  de  vnseren  hadden  de  Inseln  desser  lüde 
Canibali  liggen  laten  /  vngeueerlick  vp  deme  haluen  dele  des  weges  / 
vp  der  syden  yegen  dem  middage  /  dat  is  Süden^). 

DAT  LXXXVIII  CAPITTEL :  YAN  den  seden  \nde  gebruken  desses 

volckes  Oanibali. 
ÜEsse  arme  lüde  beklagen  sick  'to  male  sere  /  wo  se  belastiget 
werden  vnrfe  gepyniget  van    dessen    Canibali  /  nicht  anders  dann  wo 

')  nicht  bei  B.  *)  Hd.  hosen  nestel  ^)  Hd.  lewten  (=  läuteten).  Ital : 
dato  el  signo  de!  Aue  Maria.  *)  Das  ital.  Original  fügt  hinzu:  che  chiamanano 
Canoe.     «;  Nicht  bei  B. 


124 

de  wilden  deerte  voruolget  werden  van  den  Löuwen  vnde  van  den 
deerten  Tygris.  De  jungen  knechte  wen  se  de  suluen  gefangen 
hebben  /  so  vorsnyden  se  denne  de  suluen  /  alze  wy  doen  den 
ha/nmeleni)  efte  bötlingen  /  vp  dat  /  dat  se  dester  vetter  scholen 
werden  *to  dödew.  Men  wann«  se  manne  vangen  /  so  döden  se  de 
alze  se  sin  /  \nde  ethen  sine  darnien  edder  jngeweyde^)  also  vrisch 
eifte  versch2)  /  des  geliken  sine  vthwendighen  ledemate^)  sines  lyues  / 
alze  de  hende  vnde  de  v6te  &c.  Vnde  dat  ander  deel  sines  lichammes 
solten  se  in  /  \nde  behelden  efte  bewaren  dat  beth  tho  siner  tyd  / 
gelick  alze  wy  doen  mit  dem  vlesche.  Men  wanner  se  wyuer  vangen  / 
de  suluen  ethen  se  nicht  /  yodoch  behoelden  se  desse  vmme  des 
willen  dat  se  scölen  kinder  dragen  /  nicht  anders  dann  alze  wy  de 
hennen  holden  vmnie  der  eyer  willen.  Vnde  de  olden  wyuer  gebruken 
se  vor  Sclaven  /  dat  is  to  denerinnen  in  allem  swaren  Ynde  hardem 
arbeyde.  De  jnwanere  desser  jnseln  samptliken  beyden  man  vnde 
vrouwe/j  /  wanner  se  mercken  wnde  bekennen  /  dat  de  Canibali  willen 
sick  enen  to  nalen,  so  weten  se  sick  nene  andere  erlösinge  effte 
vristinge  eres  leuendes  /  dann  alleyne  de  vlucht.  Dyt  volck  bruket 
ok  wapen  /  dat  sin  seer  scharpe  gleuinge*)  edder  gauelinen*)  /  men 
wedder  to  staen  der  grimmigen  douendicheit  \nde  bitterheyt  desser 
Canibali  /  so  helpet  jd  gaer  weynich.  Dyt  volck  sprack  ock  /  wawner 
teyen  der  Canibali  auerkamen  der  eren  hundert  yodoch  auerwinnen 
de  teyen  Canibali  der  eren  hundert.  Wy  mochten  nicht  wol  vornemen 
effte  erkennen  wat  dyt  volck  anbedede  /  danne  den  hemwel  Sunne/i 
Ynde  Maen.  Van  den  seden  ynde  gebruken  der  andern  jnseln  mochte 
wy  sunderlick  nichtes  nicht  eruaren  /  vmwe  der  körte  willen  der  tyd  / 
Ynde  feyls  efte  gebrekes  d^  Tolke^.) 

DAT  LXXXIX  OAPITTEL:  VAN  den  seden  geviraenheyden  vnde  ge- 
bruken der  jnwanere  in  der  jnseln  Spagnola. 

DAt  volck  in  desser  jnseln  gebruket  in  der  stede  des  brodes 
wörtelen  /  de  sin  in  der  grote  Ynde  forme  alze  de  langen  ynde  gelen 
moerwortelenß)  /  vnde  sin  ein  weinich  ßöthe  /  alze  de  verschen 
Castanien^)  /  desse  wörtelen  nömen  se  Ages.  Dat  goldt  is  by  en  in 
etliker  mathe  geachtet.  Se  dragen  dat  goldt  anhangende  an  den 
Oren  vnrfe  Nasen.  Wy  erkanden  ock  /  dat  se  nicht  hantereu  mit 
kopenscop  /  van  dem«  enen  orde  to  deme  andern.  Vnde  vrageden 
se  ock  dorch  bedudinge  Ynde  teken  /  wor  se  dyt  goldt  vünden  /  do 
vorstünde  wy  Ynde  vornemen  /  dat  se  jd  vünden  in  dem  sande  etliker 
vlete  edder  beken^)  alze  dar  kamen  effte  lopen  /  van  den  aller- 
högesten  bergen  /  vnry^  vinden  edder  sammelen  jd  in  runde  körnekens 
wyse^)  Ynde  dar  na  slaen  se  jd  to  breden  stücken  /  alze  ein  koke^ö)  / 


^)  Ital  noi  castrati.  *)  Nicht  bei  E.  ')  Ital  li  estremi  membra  del  corpo ; 
R.  auszerliche  glider.  *)  R,  hat  nur  lentzelein.  ^)  Hd  mangel  der  Dulmetschen. 
®)  Hd.  Steckrüben.  ^)  Hd.  kosten  oder  Castanien.  ^)  nicht  bei  R.  •)  Hd.  in 
kugeis-  oder  körner  weyse.     *°)  Hd,  nur:  zu  plechen. 


1^5 

yodoch  vindet  men  goldt  an  dessem  orde  der  jnseln  dar  wy  weren  / 
alze  wy  denne  noch  dar  na  voruören  ynde  eruörschedewi)  do  wy 
gingen  vmme  de  jnseln  /  noch  dann  alze  wy  dar  suluest  hen  wech 
vore  /  do  queme  wy  vngeuerlick  an  ein  seer  groet  vleet  /  vnde  alze 
wy  dar  suluest  gingew  to  lande  to  vischen  /  Ynde  water  to  nemen  / 
do  vünde  wy  dat  sandt  mit  golde  seer  vormenget.  Ock  seghe  wy 
nicht  in  desser  Jnseln  ein  veeru6tich  deerte  /  danwe  dryerley  Canninen 
vp  latin  Cuninculos.  Ock  sege  wy  einen  groten  hopen  seer  gröter 
slangen  /  welke  de  sulue  jnsel  erneret  vnde  spyßet  /  \nde  de  suluesten 
slangen  doen  nemant  schaden.  Wy  sogen  ock  dar  suluest  wilde 
Tertelduuen  vnde  Antuögel^)  /  de  weren  gr6ter  dann^  de  vnseren. 
Ock  sege  wy  G6ze  /  de  weren  vthermaten  schöne  ynde  wyth  \nde 
haddew  einen  roden  kop.  Item  wy  sogen  ock  Papagalli  (na  etliker 
vthleggen  Papegoyen^)  welcke  etlike  grön  sin  /  etlike  gantz  geel  / 
etlike  weren  gelyck  den  van  India  /  Ynde  hedden  enen  roden  hals 
efte  kele  vnde  hörst.  Wy  vöreden  erer  by  .  Ix  .  mit  vns  hen  wech  / 
de  weren  van  mannigerleye  varue  /  desse  suluesten  Papagalli  bewyseden  / 
(lat  dessc  jnsel  ein  deel  effte  weynich  der  arth  sy  des  landes  India  / 
(iorch  de  nature  edder  dörch  de  naheit.*)  Dyt  landt  dat  brinckt  van 
nature  Tele  Mastix  Aloe  BoemwuUe  /  ynde  andere  sulke  dinge.  Id 
brinckt  ock  etlike  körnekens  de  sin  roet  /  Ynde  ock  mannigerleye 
varue  /  se  sin  scharper  /  bitter  /  edder  beter^)  dann  de  Peper  /  wy 
hebben  de  körnekens  vorßöcht.  Id  brinckt  ock  Canneel  vnde  Engeuer  / 
welker  wy  mit  vns  hen  wech  vöreden.     (giij). 

DAT  XC  CAPITTEL:  WO  DAnnewyß  der  Christoffep  Dauer  Iceth  to 
rfigge  achter^)  sick  .  xxxviij  .  mattne  /  vp  de  tyd  alze  he  heu  segelde 
effte  sehepede^)  /  welke  manne  scolden  leren  vnde  eruaren  dat  wesen 

der  jnseln. 

DEr  Christoffer  Duuer  (vp  latin  vnde  walsch  heth  he  Christof- 
ferus  Columbus')  was  vp  dyt  mael  to  vreden  an  dessem  nyen  lande. 
He  bekende  an  etliken  meldingen  /  dat  an  den  örden  eine  vnerhörede 
werldt  were.  Vnde  alze  jd  im  Sommer^)  was  /  so  menede  he  vnde 
v«*«rsettede  sick  na  büß  to  varen  /  alze  he  denne  dede.  Vnde  leth 
by  deme  vorgeraelden  konninge  sines  volckes  xxxviij  manne  /  welke 
scolden  leren  Ynde  eruaren  de  gelegenheit  Ynde  egenscöppe  desses  / 
landes  /  beth  tho  siner  tho  kumpst.  Desser  konninck  was  genandt 
tTuacranarillo  /  mit  welkem  konninge  makede  der  Christoffer  Duuer 
ein^gedinge   /   eyninge   effte   vorbundt    vrame   siner  .  xxxviij  .  manne 

^)  nicht  bei  B.  ^  Hd.  fügt  hinzu:  ader  Endten  ^)  Die  Parenthese  nicht 
^fei  R.  *)  Das  ital.  Original  fügt  hier  hinzu :  benche  la  opinione  di  Colombo  pari 
aduersa  ala  grandeza  de  la  spera.  Atestando  maxime  Aristotele  nel  fin  del  libro 
de  celo  e  mundo  Seneca  e  altri  che  nö  söoo  ignoranti  de  cosmographia  dicono 
lindia  (Indien)  nö  molto  distare  de  la  Spagna  per  longo  tracto  de  mare.  ^}  Hd. 
scherpffer  oder  reßer.  *j  Hd.  nur:  hinter  sich.  ')  Hd.  nur:  hinweg  schyflFte. 
*)  Ital  la  prima  uera;  B.  im  Lentzen. 


126 

haluen  /  alze  he  by  eme  leth  /  dat  he  desse  ma;me  wolde  hoelden 
in  guder  bescherminge^)  /  Ynde  behoelden  se  by  dem  leuen.  Alze  nu 
de  konninck  desse  ma^me  ansach  /  dede  vp  de  tyd  dar  suluest  by 
eme  scolden  bleuen  /  do  wart  he  beweget  mit  barmherticheyt.  Also  / 
dat  eme  de  tränen  efte  dat  water  van  den  ogen^)  vthgingen  /  ynde 
nam  se  in  de  arme  /  to  einer  betekinge  dat  he  ene  wolde  alle  vriint- 
scop  vnde  guden  willen  bewysen.  Also  na  dessem  segelde  ChristofFer 
Duüer  hen  wech  na  Hispania  /  vnde  vörede  mit  sick  teyen  manne  vth 
desser  Jnseln  /  van  welken  teyen  mannen  he  möchte  erkennen  /  dat 
ere  sprake  were  lichtelick  to  leren  /  vnde  men  mag  se  ock  schriuen 
mit  vnsen  boeckstauen.  Se  nomen  den  hemn?el  Turci  /  ein  huß  Boa  / 
dat  goldt  Cauni  /  vnde  einen  erbaren  man  nömen  se  Toyno  /  wnde 
nichtes  Maxani  /  ynde  andere  ere  w6rde  reden  edder  spreken^)  se 
nicht  to  myn  /  dann  alze  men  im  latin  alle  worde  reden  vn^^^  spreken 
mach.     Dyt  is  alzo  gescheen  in  der  ersten  schypfarth  eflfte  segelinge.^) 

DAT  XCII  CAPITTEL.    WOdanewyß  der  Christoffer  Dauer  vanth  de 
jnseln  der  Canibali  /  der  mynschen  vreteren. 

AN  deme  ersten  daghe  des  Octobris  /  dat  is  /  des  Wynmaens  / 
do  schepede  Christoffer  Duuer^)  hen  wech  van  Canaria  /  vnde  voer 
effte  segelde^)  ein  ynde  twintich  dage  vp  deme  Mere  eer  he  denne 
landt  vanth  /  he  schepede  auer  dath  Mere  tho  der  luchteren  handt  / 
yegen  dem  myddages  winde  edder  Süden 3).  Dyt  was  eine  andere 
erste  reyse  effte  schypfarthe  /  in  welker  he  quam  in  de  jnseln  der 
Canibali.  Vnde  tom  ersten  segen  se  einen  waldt  /  desse  was  also 
dicke  van  bömen  /  dat  men  nicht  mochte  erkennen  /  wat  dar  suluest 
were  /  vnde  jd  was  an  einem  Söndage  alze  se  dyt  segen  /  do  nömeden 
se  desse  landtscop  Söndach^).  Vnde  alze  se  bedachten  dat  jd  dar 
weer  jngewanet  do  bleuen  se  dar  suluest  nicht  /.ßunder  se  schepeden 
wyder  vor  an  hen  wech.  Se  schepeden  efte  segelden^)  in  dessen  ein 
vnde  twyntich  dagen  na  erem  beduncken  /  achtehundert  ynde  twyntich 
düdesche  myle  edder  Lege  (men  n6met  jd  ock  wol  eine  wekesees^) 
se  hadden  vp  de  tyd  guden  windt  van  myddernacht  efte  Norden.  Alze 
se  nu  van  desser  vor  gemeiden  jnseln  hen  wech  vören  /  do  quemen 
se  in  korter  tyd  in  eine  andere  jnseln  /  de  was  auervlotichliken  vul 
bome  /  de  geuen  einen  wünderbaerliken  r6ke.  Id  giengen  erer  etlike 
to  lande  /  de  segen  nene  mynschen  /  ock  neue  andere  deerte  dann^? 
Lacertas  /  dat  sin  egedytzen^)  /  de  weren  einer  vnerhoreden  gröte  / 
Desse  jnseln  nömeden  se  to  deme  Grütze  /  ynde  was  dat  erste  inge- 
wanede  landt  /  dat  se  segen  na  erem  affscheden  van  den  jnseln 
Canarie.  Desse  Insel  was  der  Canibali  /  alze  se  vp  de  tyd  dar  na 
erkenden  dorch  de  voruarenheyt  ynde  dorch  de  Tolcke  vth  der  jnseln 

')  Hd.  schütze  vnd  schirme.  *)  Hd.  trehem  oder  zeehem  von  den  äugen. 
')  nicht  bei  B.  *)  Ital.  le  Admirante  Golombo.  '}  Ital  Domenica.  •)  Die  Paren- 
these nicht  bei  B,  vekesees  etwa  4  oder  ö  Scenieiknj  vgl  mnd.  Wh.  V  059. 
^)  Diese  Erklärung  nicht  im  ital  Original 


127 

Spagnola  /  welke  se  mit  sick  hadden.  Vnde  alze  se  voren  vmme 
desse  vor  gemelden  jnseln  /  do  vünden  se  vele  doerpkens^)  /  welker 
einer  by  twyntich  beth  in  drüttich  hüser  hadde  /  welke  alle  weren 
gebuwet  na  der  ordeninge  /  geringeswyß  vmwe  einen  runden  Plaen  / 
welcke^)  do  was  dar  suluest  in  deme  middel.  Se  weren  alle  van  holte 
gebuwet  /  mndt  alze  ein  bozelkloet^).  To  dem  ersten  so  maken  se 
in  de  erden  vele  höger  bome  /  welke  dar  maken  den  vmme  gryp  edder 
vmme  kreetb^)  des  hußes  /  dar  na  maken  se  dar  in  etlike  körte 
balcken  de  sin  jngeslaten  /  geschortet  effte  angehechtet*)  an  desse 
langen  holter  /  dat  se  nicht  können  vmme  vallen.  De  auer  decke 
edder  dath  dack  maken  se  geformte  edder  gestalt^)  /  gelick  alze  dat 
dack  enes  Teldes  /  Ynde  alle  desse  huser  hebbew  spysse  dake  /  dar 
na  schörten  /  vlechtew  /  edder  knutten^)  se  desse  langen  holter  mit 
Palm  biedern  /  vncfe  ßus  ock  mit  anderen  biederen  desser  gelick. 
Also  /  dat  se  seer  wol  sin  bewaret  vor  water  /  (giüi).  Vnde  jnwendich 
van  vnder  beer  /  vlechten  se  de  korthen  balken  mit  boemwuUen 
stricken  /  vnde  mit  wörtelen  de  sin  gelick  den  heyde  büschens  /  dat 
is  Genestra.  Se  hebben  etlike  ere  beddestede  staen  in  der  lucht  / 
vp  welke  se  leggen  boemwulle  mde  stro  /  to  einem  bedde^)  /  wy  segen 
an  einem  ende  twe  höltene  sulen^)  de  stünden  vp  twen  slange«  /  wy 
meneden  dat  jd  ere  aflfgödere  weren  /  men  se  weren  alleine  so  vp 
geseth  to  einer  schoenheyt  edder  zyrheyt  /  wente  se  anbeden  alleyne 
den  hemmel  vnde  de  planeten.  Alze  de  vnsern  sick  nalende  worden 
tho  dessem  ende  /  do  worden  de  manne  vnde  vrouwen  desser  Inseln 
dar  van  vleen  edder  lopen  vnde  verlöten  ere  hüser  /  do  vünde  wy 
drüttich  vrouwen  Yude  junge  knechte  /  de  hadden  se  geuangen  de 
suluesten  Canibali  /  in  etliken  jnseln  dar  ßüluest  vm^ne  liggen  /  vp 
dat  se  desse  wolden  ethen  /  vnde  de  wyuer  to  hoelden  vor  Sclauen  / 
de  ylögen  to  vns.  Ynde  alze  wy  in  ere  hüsere  gingen  /  do  vünden 
wy  dat  se  hadden  stenen  schottelen  eflfte  vathe^)  /  na  vnser  wyse  / 
van  allerleye  forme  edder  gestalt^)  /  \nde  in  den  koken  hadden  se 
mynscheM  vlesch  to  seden  /  mit  sampt  Papegoyen  Gözen  vnde  Endten  / 
de  steken  an  den  bratspitten  to  braden.  Vnde  vünden  ock  armen 
bene  /  vncfe  der  geliken  van  den  schincken^)  der  mynschen  /  welke 
äe  beholden  Yude  vorwaren  /  dar  vth  to  maken  spyssen  an  ere  pyle  / 
wente  se  hebben  nicht  yseren.  Wy  vünden  ock  ein  höuet  van  enem 
jungen  knechte  /  desse  was  kortlick  to  voren  gedödet  /  dat  hengede 
an  enem  balken  effte  wymen^)  /  wnde  dat  bloet  droep  noch  dar  vth. 
Desse  Insel  hefft  achte  grote  vlete  /  vnrfe  se  nömeden  se  Guadipea  / 
dar  vmme  dat  se  gelick  is  vnser  leuen  vrouwen  berge  to  Guadaluppi 
in  Hispania.  De  jnwaner  dar  suluest  nömeden  se  do  Carachara. 
Men  brinckt  vth  desser  jnseln   Papegoyen  /  de    sin    groter   dann^  de 

')  Hd.  weyler.  *)  Hd.  bloss:  kögelath.  ^)  Hd.  nur:  vmbschwayfFe.  *)  Hd. 
««r:  eingeschlossen  oder  angeheffthe.  *)  nicht  bei  B.  ^)  Das  ital.  Original  fügt 
hinzu:  Et  hanno  portichi:  done  se  reduccano  in  ziiccare,  was  E.  wegUess,  weil  er 
das  seltene  se  reducano  wahrscheinlich  nicht  verstand,  7)  Ital.  statue.  ^)  Hd, 
nur:  geveße.     •)  Hd.  schenkein. 


128 

Fasani  edder  F^ysanen  /  vnde  sin  vele  anders  gestalt  danwe  de  andern  / 
se  sin  am  gantzen  lyue  roet^)  YJide  de  vlögel  sin  mannigerleye  varue  / 
YTide  de  w6lde  dar  suluest  sin  vul  der  Papegoyen^)  /  welken  desse 
lüde  tho  ethew  geuen  vnde  vp  v6den  /  vnde  dar  na  so  ethen  se  denne 
de  suluen. 

Der  Christoffer  Duuer^)  leeth  vele  schenckinge  doen  den  wyueren 
so  dar  vp  de  tyd  weren  to  eme  geflagen  /  vnde  jd  geuil*)  effte  be- 
leuede  enen  /  dat  se  mit  dessen  schenckingen  scolden  henne  gaen  to 
ßöken  de  Canibali  /  dar  vmme  /  wente  se  wol  wüsten  /  wor  se  weren. 
Also  gingen  de  gemeiden  wyuer  hen  /  vnrfe  vundew  erer  einen  groten 
hopen  edder  tal.^)  Men  alze  se  segen  de  vnseren  /  efft  jd  geschach 
vth  vruchten  /  alze  se  möchten  hebben  /  efft  vth  eren  weten^)  auer 
ere  b6zen  wercke  /  edder  missedaet  /  so  sach  eine  dem  andern  in 
dat  angesichte  /  vnde  worden  alle  vleen  in  de  dale  Yude  wolde  van 
dar  nicht  verne.  Alse  de  vnsen  de  jnseln  hadden  vmmegangen  /  do 
quemen  se  to  den  schepen  der  Canibali^)  ynde  to  breken  se  alle  / 
also  vele  se  erer  vünden.  Vnrfe  also  voren  de  vnsern  hen  wech  van 
desser  Guadaluppa  /  to  ßöken  ere  geselscop  in  der  jnseln  Spagnola  / 
ynde  leten  vp  der  ersten  varth  to  der  rechten  vnde  luchteren  efte 
lincken  handt  vele  jnseln  liggen.  Id  erscheen  ene  yegen  myddernacht 
edder  Norden  eine  grote  jnsel  /  do  spreken  de  yennen  so  Christoffer 
Duuer^)  hadde  mit  sick  geuöret  vth  der  jnseln  Spagnola  de  konden 
de  sprake  /  ynde  ock  de  yennen  /  so  wy  erlöset  hadden  vth  den 
henden  der  Canibali  /  se  weren  genant  efi'te  gebeten^)  Marinina^j  / 
ynde  sprekens  vorwaer^^J  /  dat  in  desser  suluen  jnseln  anders  nemant 
en  wanede  /  dann^  alleyne  wyuere  /  welke  to  einer  tyd  im  jare  sick 
vorsammelden  /  ynde  lyflick  to  samen  quemen  mit  den  Canibalen^^)  / 
vnrf^  wanner  se  dene  dar  na  Söne  telen^)  edder  geberen  /  so  neren 
efte  vöden^)  se  denne  de  suluen  /  ynde  schicken  se  denne  to  eren 
vadern.  Men  wanner  jd  döchter  weren  so  beheelden  se  de  suluen 
by  sick.  Se  spreken  ock  dat  desse  wyuer  /  hadden  etlike  grote 
grauen  /  knien  /  grouen  ynde  höler^^)  vnder  der  erden  in  welke  se 
vleen  efte  de  vlucht  nemen^)  /  so  euer  to  ene  kümpt  /  to  einer  andern 
tyd  im  jare  /  dann  jd  vthgesettet  edder  vthgedelet  is.  Ynde  so  ener 
vth  vyentscoppe  efte  mit  gewalt  /  wölde  hen  in  ere  jnseln  /  so  be- 
schütten effte  beschermen^)  se  sick  /  ynde  weren  sick  mit  schotte  ynde 
mit  pylen  /  mit  welken  se  seer  wol  scheten  könen.  De  vnsern  mochten 
to  der  suluen  tyd  nicht  nalen  to  desser  vor  gemeiden  jnseln  /  ynde 
schepeden  hen  wech  /  na  deme  se  desse  jnseln  geseen  hadden  /  vyfftich 

*)  llal.  häno  tutto  el  corpo :  &  le  spalle  rosse.  Die  leUten  vier  Worte  Hess 
R.  als  unnötig  weg.  ^)  Itat.  Non  mancho  copia  häno  de  Papagalli,  che  appressi 
de  noi  Ciligati.  ')  Ital  Lo  admirante  Colombo.  *)  Ital  ordinaro ;  R.  er  beualche 
inen.  G.  hat  es  also  falsch  verstanden.  *)  Ital  fügt  hinzu:  de  qlli  li  quali  veniano 
per  in  gordita  de  11  domi  (domi  Druckfehler,  vgl.  Ital.  per  ingordita  de  li  donni 
=  Frauen.)  R.  Hess  die  Stelle  als  unverständlich  weg,  *)  Ital.  conscientia ;  Ud, 
gewissen  7)  nicht  bei  R.  *j  Ital.  lo  admirante.  ^)  Schon  bei  JB.,  aber  Ital, 
Matinina.  ^^)  Hd.  aygentlich.  ")  Ital.  fügt  hinzu:  come  se  dice  de  le  amazone. 
*^j  Fiir  die  vier  Wörter  hat  R.  nur  gruben  und  holen  und  Ital.  nur  caue. 


129 

walsche  myle  Ynde  v6ren  vor  ene  andere  Inseln  /  van  welker  de 
vaken  gemeiden  vth  der  jnseln  Spagnola  spreken  /  dat  se  mit  sere 
vele  Volkes  beseitet  weer  /  vnde  weer  auerulödich  van  allen  dingen 
alze  dar  noet  sin  to  entholdinge  des  mynschen  /  vnde  wo  se  were 
val  höger  berge.  Also  geuen  se  der  jnseln  so  danen  namen  Mon- 
ferrato  /  dat  is  /  de  yseren  berch.  Ock  sprecken  de  vaken  gemeiden 
vth  der  Jnseln  Spagnola  /  des  geliken  ock  de  dar  gelöset  weren  van 
den  Canibali  /  dat  de  Canibali  yo  by  wylen  dusent  walsche  myle  vth 
voren  /  vp  dat  sie  mochten  mynschen  vangen  /  vnde  de  suluen  to 
ethen.  Dar  na  des  andern  dages  quemen  se  to  ener  anderen  jnseln  / 
de  was  rundt  edder  ringeßwiß  gestalt  /  der  gaff  Christoffer  Duuer^) 
den  namen  Sancta  Maria  rotunda.  Vnde  dar  na  noch  eine  ander 
jnseln  /  de  was  wyder  hen  vth  /  desse  nömede  he  /  tho  Sunte  Märten  / 
men  in  nener  desser  jnseln  töueden^)  efte  rasteden  se.  Vnde  an 
deme  drudden  tage  viinden  se  noch  ein  mael  eine  andere  Insel  / 
welke  na  erem  beduncken  edder  gyssen^)  was  an  deme  ströme  van 
deme  vpgange  yegen  neddergange  /  dat  is  /  vam  Osten  yegen  Westen^)  / 
anderhalfifhundert  walsche  myle  lanck.  De  Tolcke  desses  landes 
spreken  warafftichlick  dat  desse  vaken  gemeiden  jnseln  /  alle  sament- 
iick  eflfte  mit  einander^)  wünderbaerlick  schön  weren  /  vuifie  vruchtbaer. 
Vnde  desse  lesten  nömeden  se  tho  Sancta  Maria  antiqua.  Na  desser 
vunden  se  noch  to  malen  sere  vele  jnseln  /  vncfe  ßünderlick  by  veer- 
hundert  walsche  mylew  van  dawne  dar  viinden  sie  eine  de  was  gröter 
äsLJxne  alle  de  anderen  /  welke  van  den  jnwaneren  dar  suluest  is 
genant  /  Ay  ay  /  vnde  de  vnsern  nömeden  se  to  deme  /  Hilligen 
Crutze^j  AI  dar  nemen  se  water  Vnde  der  Christoffer  Duuer^) 
sendede  drüttich  manne  to  lande  /  vth  sinem  schepe  /  de  scholden 
de  jnseln  beseen  vnrfe  bschouwen  /  dar  van  to  vorkünden  vnde  to 
beduden^).  Also  viinden  se  veer  Canibali  /  mit  veer  wyueren  /  welke 
de  vnsern  segen  /  vnde  desse  weren  mit  den  henden  to  samen  ge- 
bunden /  so  bedachte  en  dat  se  begereden  hülpe  /  also  löseden  se  de 
vnseren  /  vnde  de  Canibali  nemen  de  vlucht  hen  in  de  wölde.  Vnde 
alze  der  Christoffer  Duuer^)  dar  suluest  twe  dage  hadde  gewesen  / 
do  leeth  he  dar  suluest  bliuew  siner  menne  drüttich  stedes  vorborgen. 
In  deme  suluen  segen  de  vnseren  kamen  eyne  Barcka^)  edder  schyp  / 
mit  achte  mannen  \nde  achte  vrouwen  /  dat  sulwe  schyp  anrönnedew 
de  vnsern  /  men  de  in  deme  schepe  de  wereden  sick  mit  pylen.  Also  / 
dat  to  der  tyd  eer  sick  de  vnseren  mit  Schilden^)  edder  borstweren 
bedeckeden  /  so  wart  vnser  einer^)  geschaten  van  der  vrouwen  einer  / 
welke  ok  ßüs  noch  einen  anderen  hertlick  vorwundede.  De  vnsern 
bekenden  wol  dat  ere  pyle  vorgyfftiget  weren  wente  bauen  an  der 
spysse  weren  se  gesaluet  /  mit  einer  vörgyfftigen  salue.  Vnder  welken 
was  ein  wyff  welkerer  de  anderen  alle  gehorsam  Yude  vnderdanich 
weren  /  gelikerwyß  alze  einer  konninginnen  /  de  sulue  hadde  by  sick 

*)  Ital.  lo  admirante.     ^)  nicht  bei  R,     ')  Ital.  sancta   croce.      *)   lUnh  una 
Chanea  cioe  una  Bracha.     *)  Ud.  Tartschen.     *)  Hd.  jre  einer,  was  falsch  ist. 

Ni«derdeat>ohefl  Jahrbuch  XXXIV.  9 


130 

einen  jungen  /  dyt  was  eer  Sone  /  de  was  grwlicker  vnde  grwsamer 
gestalt  /  mit  einem  angesichte  alze  ein  mördeneer.  De  vnsern  be- 
sorgeden  sick  dat  se  mochten  mit  eren  pylen  gewundet  werden  /  vnde 
gedachten  vor  dat  beste  /  an  se  to  nalen.  Also  qiiemen  .se  to  en  / 
Ynde  vnderßuncken  en  ere  schepe  /  dar  na  swömmeden  beyde  manne 
xnde  vrouwen  im  water  /  yodoch  nicht  to  myn  schoten  se  to  den 
vnseren  /  gelikerwyß  alze  weren  se  noch  in  crem  schepe  gewesen  / 
vnde  quemen  vp  enen  vasten  boddem  eflfle  steengrunt  mit  water 
bedecket.  Alse  se  sick  dar  suluest  trostliken  yegen  vns  wereden  / 
do  worden  se  geuangen  van  den  vnsern  /  \rxde  einer  van  en  wart 
doetgeslagen  /  wnde  der  konninginnen  Söne  wart  verwundet  mit  twen 
wunden  /  \ude  men  bröchte  se  geuangen  vor  den  ChristofFer  Duuer^)  / 
do  stelden  se  sick  also  grwsamlick  vnde  grwliker  wyse  /  gelikerwyß 
alze  ein  wylder  I6uwe  wawner  he  völt  edder  vornimpt  dat  he  gebunden 
vnde  geuangen  is  /  so  wert  he  mer  dörder  Ynde  dauendiger.  AI  de 
se  ansach  de  vorschrack  \nde  vrüchtede  sick  v6r  en  /  also  vor- 
schreckelick  vnde  düuelsch  weren  ere  angesichte  Ynde  gestalt.  Alze 
nu  de  vaken  gemeide  Christoffer  Duuer^)  alduß  voer  hen  vor  an  / 
nu  yegen  myddach  efte  Süden  /  nu  yegen  neddergange  edder  Westen  / 
so  quam  he  vp  eine  wyde  des  Mores  /  de  was  vul  mannigerleye  jnseln 
ane  tal  /  etlike  ersehenen  mit  velen  w61den  /  vncfe  lustich  /  etlike 
dorre  /  vnfruchtbaer  /  stenich  /  ynde  vul  berge  /  etlike  ertögeden 
sick  twischen  den  bieten  bergen  Krymisin  varue  /  de  andern  Violen 
varue  /  de  anderen  de  aller  wyttesten  varue  /  also  dat  vele  meneden '/ 
jd  weren  äderen  effte  ströme  van  metalle  \nde  eddelen  gesteinten  / 
Se  schepeden  nicht  dar  suluest  hen  auer  /  wente  dat  weder  was  nicht 
gud.  Se  beurüchteden  sick  ock  vor  de  veelheyt  der  jnseln  /  dat  de 
grotesten  schepe  mochten  lopen  an  de  klyppen  vnde  b6sen  gründe  / 
Ynde  nemen  schaden  /  vnrf^  na  leten  dyt  vp  dat  mael  /  villichte  beth 
vp  ein  ander  tyd  to  teilen  einen  sulken  hopen  der  Inseln  /  so  wun- 
derbaerliken  vnder  einander  vormenget.  lodoch  so  gingen  effte  voren 
etlike  Grauele  edder  schepe  /  so  dar  nicht  deep  water  bedorueden  / 
dar  suluest  hen  in  de  naheyt  /  Ynde  telden  der  suluen  jnseln  ßöß 
vnde  veertich.  Vnde  nömeden  desse  örde  Arcipelago  /  dat  is  ein 
Ertzemeer  /  vmwe  der  veelheyt  willen  der  suluen  so  velen  Inseln. 
Alse  se  noch  hen  vor  an  schepeden  vp  desser  varth  /  do  vünden  se  vppe 
haluen  wege  eine  jnseln  genant  Buchema^)  /  dar  suluest  weren  der 
yennen  vele  so  dar  verloset  weren  vth  den  henden  der  Canibali  de 
spreken  /  dat  se  mit  to  malen  velem  volcke  were  beseten  edder 
jngewanet  /  Ynde  hadde  gebuwede  edder  geackerde  velde  effte  erdt- 
rike  /  Ynde  were  vul  klyppen  Ynde  w61de  /  Ynde  spreken  /  wo  de 
Inwaner  dar  sulust  weren  stedes  vyende  gewest  der  Canibali.  Se 
hebben  dar  suluest  neue  schepe  /  vp  welken  se  mochten  varen  in  de 
Inseln  der  Canibali.     Wanner  jd   sick  denne  by  wylcn  begyfft  /  dat 


1)  Ital,  lo  admirantc.     ^)  Ital.  Büchema. 


131 

de  Canibali  kamen  in  ere  jnseln  /  se  to  bereuen  ynde  wech  to 
voren  /  \nde  so  se  en  mögen  \nde  könen  auerwynnen  /  so  steken  se 
en  de  ogen  vth  /  ynde  houwen  se  to  stucken  /  braden  se  \nde  vrethen 
se  vor  einen  roeff  /  ynde  dyt  wart  vns  alle  gesecht  dorch  de  Tolcke  / 
de  wy  mit  vns  badden  geuöret  vth  der  jnseln  Spagnola.  De  vnseren  / 
Tp  dat  se  nicht  vorßümet  worden  /  so  na  leten  se  desse  jnseln  /  vth- 
genamen  vp  enem  orde  yegen  den  nedderganck  dar  stegen  se  vth  /  dar 
suluest  water  to  nemen  /  so  viinden  se  dar  ein  schoen  groter  büß  na 
eren  seden  /  mit  sampt  andern  twelff  kleinen  büseren  /  de  stünden  w6ste 
efte  leddich  /  men  sie  wüsten  nicht  efft  dyt  de  oersake  was  /  dat  se 
tho  der  suluen  tyd  des  jares  in  den  bergen  waneden  /  vmme  der  bytte 
willen  /  ynde  ock  vmwe  des  vruchten  der  Canibali.  Alle  desse  jnseln 
hebben  einen  einigen  kowninck  /  welkeren  se  nömen  Chiachichio  / 
vnffe  alle  dyt  volck  is  em  mit  seer  groten  eren  vnderdanicb.  De  stroem 
desser  jnseln  erstrecket  sick  yegen  middach  edder  Süden  /  by  twe- 
hundert  waischen  mylen.  In  desser  nacht  Sprüngen  vns  twe  jungen 
\ude  twe  vrouwen  in  dat  Mere  /  dede  verloset  weren  vth  den  henden 
der  Canibali  /  ynde  swömmeden  in  desse  jnseln  /  welke  eres  vaderlandt 
edder  ere  heyme  was. 


DAT  CXLIII  CAPITTELi)  /  EIN  aifschrifft  eines  Sendebrenes  /  so 
vDsem  aller  billigesteH  vader  dem  Paweste  Jnlio  dem  .  ij  .  is  gesaut 
worden  van  dem  allerd6rchlüchtigestem  Forsten  vnde  heren  /  heren 
Emannel  konninek  to  Porthegal  &.  An  deme  .  xij  .  dage  Jnnij^)  des 
Brackmaens  /  jm  .  Mccceeviij  .  jare  /  \üde  holt  in  sick  van  den 
vorgemelden  wünderbaerliken  reyßen  ynde  sehypfarten  yegen  Vpgange 
efte  Osten^)  /  doreh  de  Porthegalier  vnllenbröcht  /  in  welken  se 
voronerden  xwle  vnder  sik  hebben  gebrocht  Lande  Stede  Blicke  ynde 
DSrper  dar  sulnest  myt  groter  manslaehtinge. 

DEme  allerhilligestem  vader  in  Christo  vnde  allerseligestem 
heren  /  heren  Julio  vth  götliker  ordeninge  allerhogesten  Bischoppe  / 
secht  siner  hillicheit  de  andechtiger  Sone  Emanuel  /  van  gades  gnaden 
Ko/minck  tho  Porthegal  ynde  Algarbien  /  hir  beer  ynde  dar  hen  des 
Meres  in  AflFrica  Here  der  schypfart  ynde  kopenschop  to  Ethiopia 
Arabia  Persia  ynde  India  /  der  suluen  hillicheit  vothe  allerdemodigesten 
küsse.  Allerhilligeste  vader  /  der  almechtige  godt  de  meret  ynde 
bewyset  va?^  dage  to  dage  sine  wünderbarlike  groetmechticheit  auer 
dessen  hilligen  Stoel  /  to  einem  teken^)  yuwer  hillicheit  /  ynde  to 
einer  vorheuinge  /  edder  vorhoginge  d^r  Christliken  kerken.  He  suet 
beer  äff  van  dem  he?nrael  na  siner  vnentliken  güdicheit  visiteret*)  / 
\nde  vullenkamen  maket  sinen  Wyngaerden  /  welken  sine  gotlike  gnade 
wil  hebben  dat  he  gebuwet  werde  an  den  orden  des  Osten  durch  vns  / 


*)  Dieses  Kapitel  bei  K  aber  nicht  im  ital.  Original.     ^)  nicht  bei  B-    ')  J^f^- 
Zierde.     *)  Hd.  heimsuchte. 


132 

\nde  hefft  vns  vrölike  dinge  ein  na  dem  anderen  stedes  laten  erschynen 
YTide  to  staen  /  so  hebbe  wy  gedacht  sulkes  yuwer  hillicheit  /  to 
sampt  der  gantzen  gemeinschop  der  Christenheit  to  vorkünden.  Id 
is  vp  dyt  mael  gekamew  allerhilligester  vader  vnße  schypfart  geladen 
myt  Mertze  edder  kopenschop  yth  India  ynde  anderen  6rden  des 
Osten  /  welkere  wy  in  vorgangener  tyd  dar  hewne  sendeden  /  se 
konden  doch  des  suluen  jares  nicht  to  India  kamen  van  des  störmes 
weghen  der  wynde  /  welke  se  vorwürpen.  Welkere  arbeitsame  efte 
sware  schypfarth  de  götlike  güdicheit  denne  noch  also  gemetiget  hefft  / 
dath  se  nicht  hefft  willen  sulke  erdöme  \nde  dröffnisse  wedderumme 
blytschop  to  erlangen.  Alse  de  almechtige  got  gyfft  vns  vaken  nicht 
dat  sulue  dar  vmwe  wy  dewne  bydden  vp  dat  he  vns  ein  beters  geue  / 
dar  mit  he  villichte  bystant  wil  doen  den  vnseren  in  eren  arbeiden  / 
to  einer  des  to  ringern  bestrydinge  (alse  wy  hapen)  der  Sarracenen 
an  den  örden  Arabie  vnde  Persie.  Alße  nu  de  öuerste  Höuetman 
vnser  schypfart  alßo  van  der  angeuangen  schypfart  vorhyndert  wart 
do  bestreet  he  ynde  anstickede  etlike  rike  Stede  der  Sarracenen  in 
Ethiopia  /  an  den  örden  dar  jd  seer  na  stöt  an  Arabia.  Vnder 
welken  Steden  was  eine  genant  Xer  de  wart  vorschrecket  van  den 
doetslagen  so  dar  geschegen  an  den  anderen  negesten  vmweliggenden 
orden  /  \nde  auergaf  sik  vns  jaerliken  tynßbaer  to  sin.  \nde  gaf 
to  hant  den  ersten  tynß  edder  lösinge  an  ydelew  Marcellen  /  dat  is 
eine  Venedyer  Münte  /  jd  sint  Schillinge  alse  by  vns  do  dubbelden 
Lübeschen  Schillinge^)  mögen  sin.  Vth  welkem  men  merjten  mach  de 
gewalt  der  Christen  /  so  dar  vthgestrecket  wert  beth  an  den  aller- 
ütersten  orth  des  landes  Ethiopia.  Na  deme  bestreet  he  vp  der 
ßüluen  vart  de  allerrikesten  /  vnde  (liij)  berömesten  vnd  aller- 
strytbaersten  stadt  genant  Braua  /  \nde  voniolgede  dar  suluest  myt 
ernstlikem  stryde  de  jnwaner  ßo  öme  vth  der  Stadt  entegen  quemen 
to  vorachtinghe  der  vnsen.  Jodoch  alse  de  vyende  wedderumme  de 
vlucht  in  de  stadt  nemen  /  do  nauolgeden  de  vnsen  hen  in  beth  in 
de  Stadt  /  vnde  deden  dar  suluest  in  der  gemeiden  stadt  einen  gvoten 
doetslach.  lodoch  alse  de  vnsen  dat  Sloth  bestreden  /  do  haddeii  se 
merkelike  möye  vnde  arbeit  /  vmme  des  suluesten  volkes  behende 
lysticheit  /  vörsichticheit  vnde  vorstoppeder^)  vortwyuelinge  wyllen. 
Do  nu  de  vnsen  gewiinnen  do  vorslögen  wnde  wörgeden  ße  alle  de 
jnwaner  dar  suluest  /  ynde  vorbrenden  de  Stadt  gantz  vth  beth  vp  de 
grünt  /  vp  dat  /  dat  dar  nu  geseen  mochte  werden  /  de  almechticheit 
vnses  salichmakers  in  allen  dingen  so  durch  de  vnsen  an  den  suluen 
örden  sin  vullenbröcht  /  ynde  voruullet  worde  de  spröke  Dauid  an 
deme  .  xcvi  .  Psalmen  /  dar  he  sprickt.  Ignis  ante  ipsum  precedet 
et  inflararaabit  in  circuitu  inimicos  eius.  Dat  vür  wert  vor  beer  gaen 
vor  dem  heren  /  ynde  wert  vorbernen  in  dem  vmmeuange  sine  vyende. 
Alßüs  worden  vorslagen  der  vyende  /  alleine  myt  dem  jseren  by 
anderhalff  dusent  /  vnde  in  der  suluen  slachtinghe   worden   gefunden 


*)  lfd.  die  Issprucker  Schilling.     ^)  lld.  verstockter. 


133 

\'mk  genamen  by  den  anderhalff  dusent  talenta  van  ßülueren  ringen 
der  Perde  /  vnde  andere  klenode  na  der  gewaenheit  des  suluen 
Volkes  /  so  se  an  erem  lyue  gedragen  hadden  /  jd  wart  ock  vele 
meer  gheschattet.  Vnde  ein  talentum  is  gemeinlick  ein  gewichte  van 
.  Ixxij .  punden.  Also  na  dessetw  do  toech  de  Houetman  vnser  schyp- 
fart  (alse  ome  beualen  was)  vor  de  vmchtbaersten  jnseln  der  Christen 
^elege»  vaw  dawne  by  negentich  waischen  mylen  /  de  se  nomen 
Zocothora  /  de  dar  vnderworpen  is  den  Sarracenen  /  vnde  is  seer 
na  an  den  strömen  edder  stranden  des  landes  Arabia  /  vnde  is  ock 
seer  wyd  gelegen  van  des  Persischen  vnde  Arabischen  Meres  vthuleten. 
In  der  suluen  jnseln  bestelde  wy  ein  Castel  Lantweer^)  edder  Vesten 
to  buwen  /  dar  vmwe  dath  men  bestryden  vnde  vorst^)ren  mochte 
dat  Sloth  der  Sarracenen  to  Mecha.  Vnde  ock  dar  vmme  dat  vor 
an  ien  Sarracenen  gantzlick  benamen  worde  de  macht  edder  vryheit 
to  schepen  in  de  Sinus  /  dat  is  in  de  vthulete  des  Arabischen  vnde 
Persischen  Meres  /  also  dat  ße  an  den  suluen  örden  des  Meres  nu 
nicht  meer  handelen  edder  koepslagen  mochten  /  van  wolker  hande- 
linge  efte  kopenschop  sik  de  minschen  in  myddeln  lantschoppen  ok 
seer  enthoelde/j.  Alßus  dyt  werck  to  vullenbringen  so  voreden  de 
^Tisen  mit  sick  ein  holten  Castel  /  ingedelet  in  de  schepe  /  welker 
(alse  se  dar  henne  quemen)  vnuorsagentliken^)  vp  richteden  to  einer 
beschuttinge  tegen  de  ßuluen  /  so  en  mochten  vordreet  edder  wedder- 
stant  hebben  gedaen  /  de  wyle  ße  jnwendich  de  Nauen  buweden  / 
yodoch  so  behödde  gnedichliken  de  barmhertige  god  de  vnsern.  Alse 
nu  doch  de  vnsern  quemen  to  der  jnseln  /  do  vündew  se  dar  suluest 
ein  seer  wol  vorßöchtet^)  Castel  (welker  vns  vnwytlick  was)  ghebuwet 
van  den  Sarracenen  /  vnde  in  deme  suluen  Castelle  eine  seer  vaste 
beuestinge.  In  welker  de  richter*)  edder  vaget  was  ein  Sone 
Fartbarach  des  konninges  in  Arabia  /  welker  vth  der  besittinge  edder 
vugedye  desser  jnseln  by  den  Sarracenen  seer  hoech  geadelt  efte 
geeddelt  was  /  dar  vmme  dat  se  der  Christe/i  was  /  ock  dar  vmme 
dat  desse  jnsel  was  eine  alleruasteste  beschuttinge  vor  den  stoerm 
vnde  andere  vaerlicheit  der  vthulete  des  Arabischen  vnde  des  Per- 
sischen Meres.  Alßo  vorth  do  sick  nu  de  vnsern  to  velde  gelecht 
hadden  /  do  quam  en  der  Sone  des  kowniüges  entegew  beer  vth  v6r 
dat  Castel  /  myt  sinem  gewapendem  volcke  /  de  worden  van  den 
vnsen  auerwunnen  vnrfe  voriaget  /  also  dat  se  wedder  vmme  de  vlucht 
tom  Castelle  nemen  mit  sorgen  vnde  anxsten  in  welkem  de  vnsern  en 
na  yleden  vnde  vormenget  samptliken  myth  en  villen  int  Castel. 
Vnde  alse  nu  eine  lange  tyd  de  emstlike  stryd  vp  beider  parthye 
gewart  hadde  /  do  worden  tom  lesten  de  Sarraceni  vorslagen  /  na 
deme  do  se  sick  nicht  woldon  vangen  geuen  /  doch  so  worden  denne 
noch  twe  van  en  geuangen  vnde  nicht  meer  /  al  sulck  eine  harde 
vorstoppinge  efte  hardenackicheit  was  in  en  allen  /  dat  se  eer  den 
doet  erleden.     Also  worden   dar  suluest  vele  der  vyende   wapcn  ge- 

^)  nicht  bei  M.    *)  Hd.  vnverzögelichen.    ^)  UcL  wolversorgtes.    *)  lld.  ptleger. 


134 

nameu  /  alse  dar  sin  Bussen  vnde  ander  schotwerck  /  oek  manniger- 
leye  Sweerde  /  alse  men  dat  beuint  /  wo  wol  jd  vnbillick  is  /  dat  se 
en  van  den  Christen  sin  togesant  /  vp  welken  de  namen  der  Christ- 
liken  wercklüde  myt  Latinischen  boeckstauen  vthgegrauen  edder  ge- 
smöltet  vnde  gegaten  weren.  Vnde  vppe  etliken  was  geschreuen. 
Dens  adiuua  me  /  dat  is  God  helpe  my.  lodoch  alse  nu  dyt  Castel 
was  gewunnen  /  de  Sarraceni  vorslagen  /  vnde  de  jnsel  vorlözet  /  do 
worden  sick  de  Christen  jnwaner  dar  suluest  groetliken  voruröuwen  / 
vnde  sick  myt  den  vnsen  wünderbaerliken  to  vröuwen.  Id  sint  in 
desser  jnseln  by  veertich  dusent  mynschen  /  yodoch  so  hoelden  se 
in  velen  dingen  de  Jödeschen  gewaenheit  /  darum/we  dat  se  nu  lange 
tyd  hebbew  gebreck  gehadt  an  rechten  warafftigew  Lerem  des  Christ- 
liken  louens  /  de  se  in  dem  suluesten  louen  gelert  vnde  gehoelden 
hadden.  Id  sin  to  hant  erer  vele  gedofFt  worden  willichlick  dorch 
vnse  Prester  vnde  geistliken  eines  vullenkamen^j  leuendes  /  welkere 
wy  alle  jaer  dar  hen  senden.  Vnde  vns  is  kunt  gedaen  /  dat  sik  de 
anderen  alle  werden  dopen  laten  /  so  der  vnsern  Indianer  ock  vele 
in  India  gedofft  werden.  Ere  gröteste  vröude  is  ock  gheweßen  in 
deme  /  so  en  vnse  vnderdanen  in  erer  vorlösinge  ere  döchtere  hebben 
weddergeuen  /  welke  sick  de  Sarraceni  (alse  de  geuangen)  to  aller 
vnreddelicheit  myßbruken.  Se  hebben  ok  allerhilligeste  vader  kerken  / 
in  welkeren  se  sick  vmme  bedens  willen  des  Morgens  /  tor  Vesper 
vnde  Nachtsanges  tyd^)  vorsammelen.  Vnde  hebben  ock  dat  Grütze 
des  heren  /  welker  ok  de  Prester  to  einer  sekerheit  to  dragen  gyfft 
den  yennen  so  by  wylen  vmwee  eine  myssedaet  in  der  jnseln  nicht 
doruen  vmwie  gaen.  Se  hebben  ok  vnse  vorgenömesten  Feste  vnde 
Vasten.  Se  hebben  ock  dat  Aduent  /  vnde  de  Vasten  der  veertich 
dage  /  vnde  ock  etlike  andere  Feste  /  to  welkeren  se  sick  nicht  alleine 
van  der  spyße  des  vlesches  enthoelden  alse  wy  /  sunder  ock  der  vische. 
Se  geuen  den  Tegeden  /  Decimas^)  welkere  ere  Prester  vthgeuen 
alleine  vmme  dat  buwete  der  kerken  /  vnde  den  armen.  Item  so  einer 
einen  vth  eren  Presteren  belastiget  edder  schaden  deit  /  de  suhie 
hefft  dar  suluest  an  neuem  orde  sekerheit  edder  vryheit.  Id  hefft  ock 
sulkes  vnse  Vaget  edder  Richter*)  laten  vth  ropen  /  dat  is  /  dat  sulck 
einem  myßdeder  der  Prester  wer  dat  castel  noch  vnse  beuestingc  to 
hülpe  edder  tor  sekeringe  schal  kamen.  Alße  wy  nu  allerhilligeste 
vader  desse  jnsel  voröuert  hadden  /  welker  wy  to  male  seer  wiins- 
scheden  /  \nde  dar  jnne  de  beuestinge  der  vnsern  vaste  bewaret  vnde 
besettet  hadden  myt  einem  Eddelen  gestrengen  Vagede  /  vnde  hadden 
ok  an  dem  suluen  Mere  enen  reddeliken  deel  vnses  Volkes  gelaten. 
Do  voer  dar  na  vnse  schypfart  /  vth  vnsem  beuele  /  yegen  India 
hen  aflf  /  de  was  seer  wol  myt  Reysigem  volke  \nde  wapen  gerüstet  / 
vj)  welkerer  vart  de  vnsen  vele  schepe  der  Sarracenen  vangeden  vnde 
vorbrenden.  Vnde  nemen  einen  groten  roeff  van  allerleye  kopenschop  / 
vnde  sunderlick  einen  seer  groten  Su/wma  van  lakcn^)  edder  doken  / 


»)  Hd.  bewerte.     ^)  Hd.  Complet  zeyte.     »)  Nicht  bei  R    <)  Hd,  pfleger. 


135 

Tnde  anderen  dingen  /  dat  se  jd  nicht  voren  konden  /  sunder  se 
würpe«  jd  in  dat  Meer  /  also  dat  jd  geschach  dat  de  vnseren  vp 
sulkem  roue  so  se  int  Meer  gevrorpen  badden  /  droges  votes  van 
einem  schepe  tom  anderen  gaen  mochten.  lodoch  do  nu  de  vnsern 
io  Indiam  weren  gekamen  do  vorbrenden  se  myt  grotem  stryde  vele 
schepe  der  Sarracenen  /  in  eren  steden  /  hauen  /  ynde  porten  des 
Meres  /  welke  se  an  desse  6rde  vth  vruchten  wech  weken  /  vnde 
myth  grothen  schranckwercken  vnde  bolwercken  vorwaret  badden. 
Vnde  dat  to  der  tyd  desses  hilligen  Stoles  /  vnde  by  yuwer  hillicbeit 
dat  gröteste  schal  sin.  So  spreken  de  vnseren  vorwaer  dat  jd  ge- 
scheen  is  /  dat  de  Sarracenier  hebben  vorkündiget  (dede  dar  na  deme 
affscheden  der  vnsern  van  India  weren  gekamen  van  dem  Persischen 
vnde  Arabischen  Mere)  welkerer  bodeschop  alse  van  den  vyenden  meer 
to  louen  is  /  dat  dat  ander  deel  vnses  volckes  dat  dar  to  Zacothara  / 
alze  vor  beer  gemelt  is  /  gebleuen  is  /  einen  sulken  krick  /  erschrecken  / 
vnde  vruchten  den  Sarracenen  an  den  suluen  orden  gedaen  vnde  ge- 
maket  befft  /  dat  etlike  Stede  des  landes  Arabie  /  ock  dat  aller- 
wydeste  Ynde  beromeste  Blick^j  Arciuun  /  welker  Ptolomeus  nomet 
Annusa  /  dat  gelegew  is  jm  jngange  des  Persischen  vth  vletes  /  vnd^i 
k  dem  Sophi  vnderdanich  /  nu  sick  in  vnse  auerheit  ynde  gebcdc 
pegeuen  hebben  /  also  dat  to  verwunderen  sin  de  geschicke  der  güt- 
liken  mechticheit  /  de  dar  vnderwerpet  de  orde  des  Sophi  (der  sik 
vnder  anderen  groetmechtigen  der  werldt  vnde  vnder  allen  volckeren 
edder  mynschen  eynen  vorscbreckliken  Heren  hoechmotichliken  bewyset) 
den  vnsern  /  einer  kleinem  herdew  Christi  to  laue  vnde  to  eren  des 
allergrotesten  Christliken  namens  vnde  to  einer  gelückseligen  vorbei- 
dinge eines  tokümpstigen  Triumphes  wnde  Segeuechtinge  /  ock  Auer- 
winninge  der  Christliken  kerken  in  der  gantzen  werldt.  So  doch  aller- 
hilligeste  vader  sulke  toualle  kamen  vth  der  gewalt  gades  /  wol^)  wyl 
an  dem  twyuelen  vnde  nicht  erke/men  /  dat  sulke  alle  desse  dinge  durch 
de  handt  gades  vullenbrocht  werden  /  welker  /  alles  dat  he  wyl  dat 
deit  he  /  in  dem  hemmel  vnde  vp  der  erden  /  de  dar  ock  vuUcnbrinckt 
sinen  wyllen  in  Babilone  /  vnde  sine  macht  in  Caldeyern.  Vnde  dar 
nnme  wol^j  wyl  dar  affwenden  sine  vthgestreckede/t  baut  Edder 
wol2)  wyl  dar  vorhynderen  dat  sulue  dat  he  sick  hefft  vorgeseth. 
lodoch  so  weren  noch  vele  meldinge  werdige  dinge  to  schriuew  ock 
van  den  götliken  gnaden  vnde  güdicheit  so  den  vnseren  gescheen  is 
an  dessen  orden  des  Vpganges  edder  Osten  /  dyt  wylle  wy  vmwe  der 
körte  willen  des  sendtbreues  vnderlaten  /  ßunderlick  ock  /  ßo  genoech- 
samlick  vth  den  vorgeschreuen  geschichten  erschynet  /  wo  der  almech- 
tige  god  ytzundt  sick  erheuet  /  to  einem  ördel  vnser  ßake  gedechtich 
der  smaheyt  ynde  houarth  siner  viende  /  so  dar  nicht  willen  na  volgen 
deme  Heren  Christo  /  de  dar  so  wünderliken  nu  anheuet  to  stryden  / 
to  einer  vorlosinge  der  Christliken  kerken  vnrf^  sines  volkes  ock  in 
den  vtersten  vnde  wydesten  edder  vordesten^)  landen  /  welke  wer  god 


')  Hd,  Marckte.     «)  Bd,  wer.     ^)  Nicht  bei  B. 


136 

noch  sick  suluest  erkennen.     Datum  Alcochethe  /  am  .  xii  .  dage  Junij 
des  Brackmaens  /  jm  .  mcccccviij  .  'jaren. 

DÄr  na  am  .  xxiiij  .  dage  Julij  des  Höwmaens  /  ock  in  dessem 
jare  Dusent  viflfhundert  vnde  achte  /  is  schrifftlike  bödeschop  vth- 
gegangen  vth  Lyßbona  /  van  einem  eerbaren  loffwerdigem  koepmanne  / 
welkes  sin  name  wol  bekawt  is  /  wo  dat  desse  vörgemelde  aller- 
dörchlüchtigeste  Kowninck  to  Porthegal  hebbe  gesant  in  Barbaria 
veftich  schepe  wol  gerüstet.  Vnde  dar  to  by  ßöuen  hundert  rüteren^) 
to  Perde  /  vnde  by  veer  dusent  voetknechten.  So  is  vor  beer  sulck 
Volk  dat  ok  siner  gnaden  is  /  ock  wol  also  vele  dar  suluest  /  in  veer 
stede  vthgedelet  /  welkere  ock  sine  gnade  in  vorgangener  tyd  ge- 
wuwnen  heflft.  lodoch  wat  sine  kownincklike  Maiestaet  myt  sulckem 
volcke  vth  richten  wyl  /  dyt  is  noch  to  dessewi  male  in  der  gemeine 
vnbekant  /  doch  jd  mach  to  siner  tyd  ock  an  den  dach  kamen.  Denne 
so  vüge  de  almechtige  God  sulkes  alles  (mit  sinen  götliken  gnaden 
\nde  barmherticheit)  to  dem  besten.  Vnde  vörluchte  de  düsteren 
ynde  dwalende  herten  der  vngelöuige  to  einer  erhöginge  vnde  vor- 
meringe  der  hilligen  Christliken  kerken.  Welkem  dar  sy  LoflF  Ere  vnde 
Danckbaerheit  /  van  allen  Creaturen  vmmer  vnde  ewichlick  Amen. 

Also  hefft  dyt  Boeck  einen  ende  /  welker  vth  Walscher  sprake 
in  de  Hoechdüdeschen  gebröcht  vnde  gemaket  is  /  dörch  den  wer- 
digen vnde  hoechgeleereden  heren  Josten  Ruchamer  der  vryen  künste 
vnde  arstedyen  Doctoren  &c.  Dar  na  dörch  Henninguw  Ghetelen 
vth  der  keyserliken  Stadt  Lübeck  gebaren  in  desse  sine  Moderliken 
Sprake  vorwandelt.  Vnde  dörch  my  Jürgen  Stüchßen  to  Nüreinberch 
Gedrücket  \ude  Vulendet  na  Christi  vnses  leuen  heren  gebort 
Mcccccviij  .  jare  am  Auende  Elizabeth  der  hilligen  Wedewen  /  dede 
dar  was  am  achteyenden  dage  Noue/wbris  des  Wyntermaens. 
Henninghi  Ghetelen  Lübecencis  Distichon. 

Vasta  periclo  sceptra  graui  scrutata  Columbi 

Regis  et  insignis  Emanuelis  ope. 

H 

TELOS 

G 


Anhang.   Ans  fihetelens  hochdeatscher  Vorlage. 

RUCHAMERS  NEWE  LANDE. 

Die  Vorrede  dyses  Büchleins. 

Nach  dem  mir  etwan  in  kurtz  vergange;»  tagen  einer  meiner 
guten  fründe  /  dyses  büchlein  (in  wellischer  spräche  gemachte)  vber- 
antworte  /  an  mich  begerewde  sulches  in  deutsche  spräche  zu  bryngen  / 
der  maynunge  vnd  wyllens  dasselbyge  darnach  myt  schryfften  auft' 
zu   drücken  /  als   dann   beschehen  /  wurde   ich   ytzgemeltes   büchlein 

^)  Hd,  raysigen. 


137 

zum  tayle  verlesen  /  vnd  in  den  vinden  so  wunderbarliche  vnd  byß- 
here  vnerhorte  dinge  /  welche  auch  an  etlichen  orten  den  geschrifften 
der  alten  Natürlichen  Mayster  vnd  hochgelerten  wyderwertige  sein  / 
in  deme  /  das  ist  /  so  sie  geschryben  haben  vnther  etlichen  kraisen 
des  hymels  (aufif  dem  erdtriche  /  kain  wonunge  der  menschen  zu  sein. 
Welches  dyse  rayße  ader  schyeffarthe  so  gethan  ist  worden  auß  ge- 
schicke  ader  beuelhe  der  allerdurchleuchtigsten  küngen  zu  Porthugal 
vnd  Hispania  /  klerlichen  anders  anzaigte  /  nach  jnhalte  dyses  bfich- 
leins  /  dann  sie  an  den  selbigen  orthen  gefunden  haben  /  wunderbar- 
liche schöne  vnd  lustige  jnseln  /  mit  nackenden  schwartzen  lewten 
seltzamer  vnd  vnerhörten  sitten  vnd  weyse  /  auch  seltzamew  wunder- 
lichen thyeren  /  geflugeln  /  köstlichen  bawmen  /  spetzereyen  /  man- 
cherley  edeln  gestayne  /  berlen  vnd  golde  /  welche  bey  vns  hoch 
geacht  /  vnd  daselbste  by  jnen  gemayn  sein.  Als  ich  aber  sulches  in 
dysem  buchlein  befunde  gedachte  ich  dysem  obgeipelthen  meynem  guten 
frunde  zu  gefallen  zu  werden  /  vnd  dyses  büchlein  in  dewtsche  spräche 
zu  bringen  /  vnd  also  etwan  zu  meinen  muessigen  zeyten  /  so  ich  mochte 
gehaben  /  dewtschte  ich  dyses  büchlein  myt  der  zeyte  /  byß  zu  dem  ende. 
Auff  das  meniglich  erkennen  vnd  erkündigen  mochte  /  die  grossen 
wunderbarlichen  wunder  gottes  des  almechtigen  /  der  die  weite  mit 
so  mancherley  geschlechten  der  menschen  /  landen  /  jnseln  vnd  sel- 
tzame»  creaturen  (wie  oben  angezaygt  ist)  erschaffen  vnd  gezyerthe 
hat  /  welches  alles  vor  dyser  zeite  /  bey  der  Christenhaythe  vnd  vnser 
natione  ist  vnbekante  gewesen.  Vnd  auch  welches  vast  wunderbarlich 
ist  /  das  die  Christen  sulche  weythe  /  verliehe  /  vnbekanthe  vnd 
wunderbarliche  rayße  ader  schieffarthe  gethan  haben.  Welches  nach 
der  ordenung  dyses  Büchleyn  /  das  do  genandte  wyrt  /  Dye  newe 
weldte  /  alles  in  nach  volgenden  klerlychen  wyrt  anzaygen. 

Anfang  des  Büchleins  .  von  der  ersten  schyffarthe  /  vber  das  Mere 
OceeanuYn  /  in  die  Landtschaffte  der  Moren  /  in  dem  nidern  Morn- 
landt  /  anß  gebiete  vnd  beneihe  /  des  Dnrchlenchten  Fnrstenn  vnd 
Iierren  /  berren  Hüriehi)  /  der  ein  brnder  was  /  berren  Donrthi)  / 

des  knni/^s  zn  Porthogal. 

Das  erste  Capitel  /  vrer  Erstlieh  erfunden  habe  /  die  Schyffarthe  des 

Heres  Oeceani  /  gegen  dem  mittemtag. 

Als  ich  Aloysius  von  Cadamosco^)  vom  geburt  auß  der  löb- 
lichen Stat  Venedig  /  was  der  erste  /  der  sich  erhübe  zu  vberschyffen 
das  Mere  Occeanum  genandt  /  gegen  den  orten  gelegen  gegen  mittem- 
tag  /  in  die  Lande  der  Moren  /  des  vndern  Morenlandts  /  do  hab 
ich  auff  diser  meiner  Ileyße  /  oder  Schyjft'arthe  /  gesehen  vil  newer 
ding  /  wirdige  zu  mercken  /  wawi  mein  furnemen  gewesen  ist  /  zu 
besuchen  seltzamme  ding  /  an  manchen  vnd  newen  orten  /  Also  das 
in  warheyt  /  vnser  lande  gebrauche  /  oder  gewonheyten  /  auch  vnsere 

')  Im  Berliner  Exemplar  wird  Hürich  durch  Heinrich  U)\il  JJourth 
durch  Eduard  [von  einer  modernen  IlandJ  glossiert.     ^)  ItaL:  Ca  A«  x^osto. 


138 

orte  oder  landtschaffte  zu  gleychnuß  der  dinge  so  ich  gesehen  habe  / 
vnd  erfaren  /  ein  andere  weit  möcht  genandt  werden  /  Darumb  ich 
suliche  ding  billichen  achte  zu  mercken  /  Vnd  also  /  so  vil  mir  die 
gedechtnuß  wil  beholffen  sein  /  so  wille  ich  beschreyben  sulch  ytzge- 
melte  ding  /  Vnd  ob  ich  sulchs  in  ordenlicher  /  oder  geschyckter 
ordenung  nicht  wurde  setzen  /  Als  dann  die  materien  diser  dinge  er- 
fordert /  solle  yedoch  die  warheyt  hierinnen  an  allen  orten  /  nicht 
vmbgangen  werden  /  vnd  sunder  zweyfel  /  wille  ich  ee  was  zu  wenig 
sagen  /  dan  etwas  neben  der  warheyt  offenbaren  /  Ist  nun  zumal  zu 
wissen  /  wer  do  gewest  sey  der  erste  vrsacher  oder  anfenger  /  der 
do  hat  lassen  vberfaren  die  ort  des  Meres  Occeani  /  gegen  mittemtag  / 
in  dise  lande  der  Moren  /  des  nidern  Morenlands  /  welche  seyder 
Adams  zeytten  bißhere  (das  wissentlich  sey)  nicht  sein  geschyffet 
worden  (do  von  schreybt  auch  Plinius)  biß  in  disem  sumer  /  Der 
durchleuchte  Furste  /  Herr  /  Hurich  /  des  allerdurchleuchtcn  herren 
Johansen  /  kunigs  zu  Porthogal  Sune  /  Von  welches  mercklichen 
tugenden  vil  zu  sagen  were  /  Welches  ich  vmb  kurtz  vnderlasse  / 
dann  alleyn  das  der  ytzgemelte  Fürst  herr  Hurich  /  gantz  vnd  gar 
genaygt  ist  gewest  /  zu  der  RitterschafFt  vnsers  herm  Jhesu  christi  / 
mit  kriegen  /  wider  die  wilden  vntzamen  völcker  /  mit  jnen  zu  streyten 
vmb  Christlichens  glaubes  willen  /  Er  wolte  nie  keyn  weyb  nemen  / 
sunder  in  grosser  keuschheyt  enthielt  er  sich  in  seyner  jugent  /  Er 
hat  auch  vil  Erlicher  vnd  Ritterlicher  thate  gethan  /  mit  aygner 
person  /  durch  sein  listigkeyt  /  oder  durch  sein  subtile  Vernunft  /  in 
den  schlachten  wider  die  Mom  /  das  zumercken  wol  wirdig  ist  /  Als 
aber  nun  sein  vater  /  herr  Johanse  Kunig  zu  Porthogal  kranck  läge  / 
auff  den  tode  /  Berüffte  er  den  obgemelten  Fürsten  /  herren  Hurich  / 
seynen  Sune  /  vnd  beualhe  jme  die  gemaynschafft  der  Ritter  von 
Porthogal  /  vermante  /  vnd  bäte  jne  das  er  wölte  volg  thun  seynem 
Gotlichen  vnd  löblichen  furnemen  /  des  er  in  willen  was  zu  veruolgen 
vnd  zerstören  /  nach  seinem  besten  vermugen  /  die  veynde  des  heyligen 
Christlichen  glaubens  /  Welcher  Furste  /  kurtz  zu  reden  /  sich  flysse  / 
sulche  seynes  vaters  /  des  Kunigs  begeren  zu  volstrecken  /  Vnd  nach 
dem  tode  des  vaters  /  fürt  er  vil  krieg  in  Affrica  /  wider  die  auß 
dem  Reyche  Feß  /  wider  welche  er  vil  Jare  entzundte  was  /  vnd  ge- 
dachte in  alle  mügliche  weyse  /  der  bemelt  Fürst  /  herr  Hurich  /  zu 
zerstörn  /  das  yetz  gemelt  Kunigreych  Feß  /  vnd  das  thet  er  aucli 
an  vil  orten  /  Welches  Reych  ist  gelegen  am  mere  Occeano  /  Vnd 
sulches  thet  er  mit  vergunst  des  Kunigs  /  herren  Dourth  /  seynes 
eitern  bruders  /  der  nach  abgang  des  vaters  /  kunig  wurde  zu  Por- 
thogal y  Also  sandte  der  obgemelte  Fürst  /  seyne  Schyffe  /  vnd  thet 
grossen  schaden  den  Morn  von  Jar  zu  jar  /  Also  das  der  bemelt 
Furste  besorgt  /  sie  wurden  jne  reytzen  /  das  er  alle  Jare  weyter 
hinein  wurde  ziehen  /  Er  ließ  sie  ziehenn  biß  an  ein  gebierge  /  ge- 
nandt in  welsch  Capo  non  /  das  ist  in  Deutsch  /  als  /  das  orte  nayn  / 
welches  orte  /  ist  noch   also  benent   auff  disen   tag.     Vnd  ditz   orte 


139 

was  alle  mal  das  endte  diser  farthe  /  Wann  nicht  gehört  ist  worden  / 
das  yemands  ye  vber  das  orte  gefaren  were  /  der  wider  haym  were 
kommen  /  Also  das  /  das  sprichwordt  was  /  das  man  spräche  /  Wer 
zeucht  vber  das  ort  nayn  /  der  kumpt  auch  wider  nayn  /  Als  wollen 
sie  sprechen  /  Er  kumpt  nymmer  wider  /  Vnd  also  kamen  die  obge- 
melten  Schyffe  biß  an  das  ort  Non  /  vnd  daselbst  dorfften  sie  weyter 
nicht  faren  /  aber  nicht  desterminder  bete  der  offtgemelt  Fürst  /  be- 
gierde  weyter  zu  erfaren  /  Also  jm  nachuolgenden  jare  /  schickt  er 
seyne  schyffe  /  das  sie  hinfuro  weyter  füren  /  hinder  das  ort  Non  / 
mit  der  hilffe  gottes  /  wann  die  schyffe  von  Portho'feal  sein  besser  / 
dann  kain  schyff  auff  dem  Mere  mügen  gesein  /  von  Segeln  Vnd  do 
sie  nun  mit  Schyffen  wol  bewart  waren  /  auch  mit  allem  vorrath  / 
darein  gehörig  /  zu  aller  notturfft  /  meynten  sie  /  es  wer  wol  müg- 
lich  zufaren  an  alle  ort  /  Waren  begirig  /  zu  erfaren  newe  ding  / 
alleyn  darumb  /  das  sie  möchten  erfaren  /  das  wesen  der  Inwoner  / 
an  den  selbigen  orten  /  Vnd  das  sie  möchten  beschedigen  die  Moren  / 
rüsten  sie  sich  wol  /  mit  dreyen  schyffen  /  mit  aller  notturfft  vnd 
zugehörunge  /  als  mit  waffen  /  vnd  prauandt  /  oder  prouision  /  von 
speyse  /  vnd  auch  andern  dingen  /  Vnd  satzten  darein  Redliche  streyt- 
bare  manne  /  welche  hinweg  schyfften  /  Vnd  füren  furauß  /  für  das 
obgemelt  gebierge  /  oder  das  orte  Non  /  An  der  seytten  schyfften 
wir  des  tages  /  bey  der  nacht  hielten  wir  stil  /  Also  das  wir  der 
maß  auff  der  seyten  gefaren  warn  bey  c.  meylen  /  furauß  /  für  das 
obgemelte  gebierge  Non  /  Vnd  funden  weder  volck  /  noch  wonunge  / 
daselbst  /  dann  eytel  sandig  vnd  drucken  landt  /  Also  zugen  wir 
wider  zu  rucke  /  Vnd  do  der  obgemelte  Fürst  erkante  /  das  er  in 
disem  jar  /  nichts  newes  mochte  erfaren  /  Rüste  er  des  nachuol- 
genden Jares  seyne  Schyffe  /  Vnd  schickte  aber  mals  auß  ein  Volcke  / 
wol  gerüste  /  das  sie  weyter  hinein  selten  schyffen  /  Dann  die  ersten 
seine  völcker  gefaren  betten  /  Vnd  also  schyfften  sie  weyter  hinein  / 
mer  dann  hundert  vnd  funfftzig  meyl  /  Also  füren  sie  hinweg  /  vnd 
erfulten  das  gebot  jres  Fürsten  /  Vnd  funden  doch  anders  nicht  / 
dann  ein  sandig  vnd  drucken  landt  /  one  alle  wonung  /  vnd  zugen 
wider  haym  /  Dannoch  nicht  desterminder  wüchse  Inen  teglichen  mer 
begierde  /  zu  erfarn  vnd  erkundigen  dieselben  lande  /  Schickten  jm 
dritten  jare  aber  zwey  schyffe  /  Vnd  kurtz  zu  sagen  /  schickten  sie  / 
so  vil  vnd  offt  etliche  jare  nach  einander  hinein  /  biß  sie  funden 
etliche  orte  /  darinnen  wonten  Arabier  /  die  betten  jre  wonung  in 
den  selbigen  Wüstungen.  Vnd  darnach  weyter  hinein  /  funden  sie 
aber  ein  ander  volcke  /  die  sie  nanten  Azanegi  /  das  sein  grabe 
menschen  von  welchen  ich  (so  wir  baß  in  ditz  buche  werden  kumen) 
mer  sagen  wille  /  vnd  also  kamen  wir  aygentlich  /  das  wir  erfunden 
die  lender  der  vordersten  Morn  /  Vnd  darnach  von  einer  zeyt  zu 
der  andern  /  das  wir  funden  andere  geschlechte  diser  Moren  /  von 
seltzamen  weysen  /  sprachen  /  sytten  /  vnd  glauben  /  als  du  hören 
wirst  /  so  wir  weyter  in   ditz  vnser  büchlein  hinein  werden  kumen. 


140 

Hie  anhebet  das  vierde  Buche.  Vnd  ist  von  der  schieflTarthe  des 
knniges  von  €astilia  /  von  Inseln  vnd  landen  in  kürtze  erfunden. 
Das  LXXXIIII  Capitel  /  wie  der  Kunige  von  Hispania  rüstet  /  oder 
beraythe  zway  schieffe  /  dem  Christoffel  dawber  von  Jenna  zu  faren 

gej^em  nidergang. 

DIser  Christoffel  Dawber  von  Jenua  was  ein  manne  lang  vnd 
gerade  /  was  grosser  vernunfft  bette  ein  lang  angesicht  /  nachuolgte 
vnd  anhienge  lange  zeythe  den  Allerdurchleuchtigsten  kunigen  von 
Hispania  /  an  alle  ortbe  vnd  ende  so  sie  hin  raysten  /  begerthe  das 
sie  jme  solten  helffen  zu  rüsten  vnd  belastigen  etwan  ein  Schieffe  / 
erbothe  sich  /  er  wolte  finden  gegen  dem  nidergange  Inseln  /  an- 
stossende  an  India  /  daselbst  dann  die  mennge  ist  der  Edelen  ge- 
staynen  /  vnd  Spetzereyen  /  vnd  auch  des  goldes  /  welches  man 
leychtlich  mochte  vbcrkummen  /  Der  Kunig  vnd  Kunigin  /  vnd  auch 
alle  die  vorgeensten  in  Hispania  /  hetten  lange  zeyte  ein  spyle  /  oder 
kurtzweyl  an  disem  furnemen  dises  Christoffels  /  Vnd  zu  letzste  nach 
siben  jaren  oder  vber  siben  jare  /  vnd  nach  seynem  manigualtgen 
begeren  /  bitten  /  vnd  anlangen  /  wurden  sie  zugefallen  seynem  willen  / 
vnd  rüsten  jme  ein  Naue  /  das  ist  /  ein  grosses  schieffe  /  vnd  zway 
(irauele  /  mit  welchen  er  hinweg  füre  von  Hispania  vnd  also  anfienge 
sein  rayse  /  oder  schieffarthe  /  vmb  die  ersten  tage  des  September  / 
das  ist  /  des  Herbst  mondes  im  MCCCCXCII  Jare. 


Das  LXXXV.  Capitel  von  vnbekanten  vnd  vnerhorten  Inseln  /  so  er- 
funden hat  diser  Christoffel  Dawber  von  Jenna. 

DEs  ersten  schieffte  er  von  (rades  /  zu  den  Inseln  Fortunate  / 
das  ist  zu  den  glückseligen  Inseln  /  welche  hewt  bey  den  Hispaniern 
genant  sein  Canarie  /  vnd  warn  von  den  alten  genant  /  die  glück- 
seligen Inseln  /  in  dem  Mere  Occeano  /  weyte  an  dem  strame  / 
tausent  vnd  zway  hundert  welche  meyle  /  Vnd  sein  vier  welche  raeyl 
ein  Lega,  das  ist  /  ein  dewtsche  meyl.  Dise  Inseln  Canarie  /  waren 
genandte  Fortunate,  das  ist  /  glückselig  /  von  wegen  des  temperirten 
vnd  gutten  lufftes  daselbste  /  Vnd  seyn  gelegen  ausserhalb  des 
Clima  oder  zirckels  Europe  gegem  mittemtage  /  seyn  auch  besatztc 
mit  blossem  volcke  /  welches  auch  lebte  one  alle  Cristenliche  gesatze  / 
da  hyne  Schieffte  diser  Christoffel  Dawber  /  daselbste  wasser  zu 
nemen  /  vnd  sich  zu  erquicken  /  Des  ersten  schieffte  er  mit  grossem 
rteysse  /  mwe  /  vnd  arbeyte  /  nach  den  nachuolgenden  Inseln  /  gegem 
nidergange  /  also  /  das  er  stetigs  aneinander  schiffte  /  drey  vnd 
dreyssig  tag  vnd  nachte  /  das  er  nie  kein  lande  oder  erdtrich  sähe  / 
nach  disem  stayge  einer  zu  oberst  auff  die  (labia  des  schieffes  /  do 
sahen  sie  lande  /  vnd  funden  sechs  Inseln  /  vnther  welchen  warn 
zwo  /  die  warn  einer  vnerhorten  grosse  Vnd  ist  eine  genant  Spag- 
nola  /  die  andere  Zoanna  mela. 


141 

Das  LXXXVI.  Oapittel  von  disen  yetzgemelten  grossen  zway en  Inseln  / 
das  ist  Zoanna  mela  /  vnd  Spagnoia. 

Aygentlich  kunthen  wir  nicht  wissen  /  ob  Zoanna  ein  Insel 
were  /  als  wir  aber  dahin  kamen  in  die  nehe  /  vnd  schieften  daselbst 
vmbhere  an  dem  Strame  /  in  dem  monat  Nouember  /  das  ist  /  in 
dem  wintermonde  /  do  horten  wir  in  den  allerdicksten  weiden  die 
Nachtgallen  singen  /  Vnd  funden  zu  mal  sere  grosse  flüsse  von  süssem 
waßser  /  vnd  vast  gute  vnd  grosse  gestatte  /  oder  porths  /  Als  wir 
also  der  massen  schiefften  an  dem  strame  der  inseln  Zoanna  /  mer 
dann  acht  hundert  welische  meyle  /  Vnd  funden  keyn  ende  /  noch 
ein  zaychen  des  endes  /  gedachten  wir  /  es  were  vestes  lande  /  vnd 
vermaynten  widerumb  zu  keren  oder  zu  rucke  zufaren  /  wanii  das 
Mere  wurde  sich  engen  vnd  schmale  machen  /  Vnd  der  tage  wolte 
sich  ytzundt  auch  naygen  /  Als  wir  nun  das  Schieffe  gewandte  betten 
gegen  dem  auffgange  /  do  wurden  wir  finden  die  Inseln  Spagnola  / 
vnd  maynthen  zu  ersuchen  die  gelegenhaythe  der  orthe  gegen  mitter- 
nacht  /  do  nehendte  sich  yetzundt  das  lande  /  Vnd  wurde  das 
grösser  schieffe  geen  auff  einer  ebenen  truckene  /  die  do  bedachte 
was  mit  wasser  /  Also  /  das  daßselbige  Schieffe  sich  auffthate  oder 
auffgienge  vnd  brache  j  aber  darumb  das  es  daselbst  vndter  dem 
wasser  am  boden  eben  vnd  staynig  was  /  mochte  es  nicht  vnther 
geen  vnd  ertrincken  /  Also  stayge  das  volcke  in  die  klaynen  Grauele  / 
vnd  giengen  darnach  zu  lande  /  do  sehen  sie  der  lewte  auß  diser 
Inseln  /  welche  /  als  sie  vns  sahen  wurden  /  do  tiuhen  sie  in  die 
aller  dickeste  weide  /  gleycher  weyse  /  als  das  wilde  tteuchte  /  so 
man  es  veruolgthe  mit  den  hundten  /  ist  ein  vnerhort  geschlechte  / 
Die  vnseren  volgten  inen  nach  /  vnd  fiengen  ein  frawen  /  vnd  fürten 
sie  zu  dem  schieffe  /  daselbst  gaben  sie  jr  wol  zu  essen  /  vnserer 
speyse  vnd  weyn  /  Vnd  beklaydten  sie  sewberlich  /  wann  sie  geen 
bloß  /  vnd  Hessen  sie  darnach  widerumb  geen. 

Das  LXXXVII.  Capitel  :  von  dem  wesen  /  sitten  /  vnd  aygensehafften 

der  Inseln  Spagnola. 

Als  balde  sie  aber  widerumbe  zu  den  jren  käme  (wann  sie 
wol  wüste  wo  sie  waren)  zaygte  sie  jnen  die  wunderbarlichen  klay- 
duuge  /  so  sie  von  vns  entpfangen  het  /  vnd  vnser  gute  vnd  mildtig- 
keyt  /  do  kamen  sie  alle  samentlich  geloffen  an  das  Mere  /  mit 
grossem  verwunderen  vnd  vngestüme  /  maynthen  wir  weren  ein  volcke 
gesandte  von  himel  /  sprungen  in  das  wasser  /  vnd  brachten  mit 
jnen  goldte  /  welches  sie  daselbste  haben  /  vnd  verwechselten  oder 
verdawschten  das  golde  /  vmb  eerdene  theller  /  vnd  glesene  schalen  / 
Wer  jnen  gäbe  ein  hosen  nestel  /  oder  ein  schellen  /  oder  ein  stucke 
eines  spiegeis  /  oder  etwas  anders  sulches  /  dem  gaben  sie  vmb 
sulches  golde  /  das  betten  sie  /  Vnd  sie  betten  yetzt  geraydt  sament- 
lich gemachte  ein  freundtliche  kuntschaffte  /  Als  wir  fragten  von  jrem 
wesen  vnd  sitten  /  erkanten  wir  an  jren  zaychen  vnd  ge\)^rAc^  I  ^^^ 


142 

sie  einen  kunig  betten  vnther  jnen.  Vnd  also  wir  außstaygen  zu 
lande  /  wurden  wir  auflf  das  aller  eerlichst  entpfangen  von  dem  Ku- 
nige  /  vnd  deß  gleychen  von  den  jnwonern  diser  Inseln  wurden  wir 
lieblichen  angenomen  /  Als  nun  käme  der  abent  /  vnd  die  vnsern 
lewten  zu  bethen  das  Aue  maria  /  do  knyetben  wir  nider  /  deß 
gleychen  thaten  sie  auch  /  Vnd  als  sie  sahen  das  die  vnseren  an- 
bethen  das  krewtze  /  deß  gleychen  thaten  sie  auch  /  Auch  als  sie 
sahen  /  das  vnser  obgemelte  schieflfe  was  brochen  /  schiefften  sie  zu 
dem  selbigen  /  auff  jren  schieflen  /  vnd  fürten  vnser  volck  vnd  guter 
zu  lande  /  mit  solicher  liebe  vnd  freundtschafft  /  das  es  wunderbarlich 
ist  zu  sagen.  Item  jre  schiefFe  sein  gemacht  von  einem  aynigen 
holtz  /  sein  außgeholt  /  oder  hol  gemacht  /  mit  vast  scharpffen 
staynen  /  vnd  sein  lange  vnd  enge  /  Sie  haben  auch  etliche  Schieffe 
daselbste  /  der  eines  bey  achtzig  Rudern  hatte  /  Sie  haben  gar  keyn 
Eysen  in  der  selbigen  jnseln  /  Darumb  verwunderten  sich  die  vnsern 
zu  mal  sere  /  wie  sie  doch  machten  oder  bawthen  jre  hewser  /  welche 
wunderbarlich  erbawt  sein  /  vnd  auch  sunst  andere  dinge  so  sie 
haben  /  Also  vernumen  wir  /  das  sie  suUiches  alles  machten  /  mit 
etlichen  vast  herten  staynen  /  auß  den  Aussen  /  welche  auch  vast 
scharpflf  sein  /  Wir  vernamen  auch  das  nicht  weyte  von  diser  Inseln  / 
waren  etliche  Inseln  /  in  welchen  vast  grawsame  lewthe  wonthen  / 
die  selbigen  essen  mewschen  fleysch  /  Vnd  darumb  /  so  was  ditz  die 
vrsache  /  das  sie  des  ersten  /  als  sie  die  vnsern  sahen  /  die  fluchte 
namen  /  wann  sie  gedachten  /  wir  weren  der  selbigen  lewte  /  welche 
genant  sein  Canibali  /  Die  vnseren  betten  /  die  Inseln  diser  lewthe 
Canibali  ligen  lassen  /  vngeuerlich  auflf  dem  halbtayl  des  weges  / 
aufF  der  seytten  gegen  dem  mittemtage. 

PHILADELPHIA,  Pa,  Daniel  B.  Shumway. 


143 


Gedieht  auf  die  Niederlage 
des  Varus. 


Die  Sammelhandschrift  694  der  Königl.  Bibliothek  in  Hannover 
enthält  unter  Nro.  7d  das  directorium  archivi  civitatis  Hametensis 
elaboratum  a  Sehast.  Spilker  anno  1652  und  am  Schlüsse  desselben 
S.  626  ff.  das  folgende  niederdeutsche  Gedicht  auf  die  im  Jahre  9 
nach  Christus  erfolgte  Niederlage,  die  der  römische  Feldherr  Varus 
durch  den  Cheruskerfiirsten  Armin  im  Teutoburger  Walde  erlitt.  Am 
Ende  des  Gedichts  steht:  Hticusqiie  Seb.  Spilkeri  directorium.  Die 
Handschrift  gehört  dem  17.  Jahrh.  an.  Der  Verfasser  der  nieder- 
deutschen Verse  ist  nicht  angegeben,  dürfte  aber  höchst  wahrschein- 
lich in  der  Gegend  des  Schlachtortes  gelebt  haben. 


De  inwohner  al  an  der  Emmer 

Sint  gewesen  wol  kene  Lemmer, 

Sint  uth  Franckrick  und  uth  Westphalen 

Herkomen  un  seck  in  den  dalen 

An  der  Emmer  neddergelathen, 

De  ön  den  nahm  Ambronen  shapen. 

Ambrones,  de  gar  dappern  beiden, 

Dat  düdshe  Lugden^),  Lugd  zu  (!)  melden, 

Hebben  gebuwet  und  den  Varum 

Des  Augusti  Feldoversten  darum, 

Dat  he  se  wy  dat  wild  in  garen 

In  Lipsken  land  tog  by  den  baren 

Under  Hermin  den  dydsken  forsten. 

Dem  nha  dögend  und  ehr  ded  dörsten, 

Nu  raet  um  Herminsborg  geholden, 

Mit  list  den  vördel  öhm  besolden, 

Da  öhm  de  Ambroner  wys  maken, 

Westphalen  wolle  de  plicht  lathen 

Und  öhm  sek  donn  bald  wedder  setten, 

He  möchte  se  by  tyden  pletten. 

Da  he  nu  uth  dem  vordeel  komen, 

De  Ambroner  gevt  wenig  fromen, 

Se  slaet  den  Varum  vor  de  hunde, 

Dat  kayser  August  stört  een  wunde 

In  den  kop  an  de  wand  tho  Roma 


1)  Lügde. 


144 

Verkehrt  genant,  went  klökliken,  mora 

Vertog  hedde  öhm  dat  volk  beholden, 

Welk  keyser  August  wolde  besolden, 

Se  sek  erstrekt  up  3  legionen 

(levarfen  uth  veel  regionen. 

Do  nehmen  de  Ambroner  sharen 

(Na  dütsker  beiden  wys  verfahren) 

Öhrer  vornehmsten  fyende  balgen 

In  dat  füer  und  an  den  galgen, 

Int  hilge  füer,  so  de  Veste  waren. 

Als  Schelpyrmont  un  andere  aren. 

De  mynsken  opper,.  meinten  alle, 

Meer  söne  götter  un  gefalle. 

Doch  teen  se  uth  dem  füer  den  Varum 

Haot  öhm  dat  höft  heraf  darum, 

Dat  seyt  dem  keyser  thom  spectakel 

Senden  nich  ohn  syns  blödes  makel. 

Keyser  August  dat  sülve  mit  ehren 

Thoe  erd  bestat  nha  syn  begehren 

Düt  daet  frantzösisch  un  westfählish. 

Vermeng  des  bloet  gantz  up  itälish. 

Alse  de  Römer  de  Samniten 

Öhre  gesellen  deden  bieten. 

Da  öhn  de  siet  leyst  Öhrs  jegenparts, 

Dat  se  se  drücken  gantz  underwarts. 

Düt  hebben  de  edlen  Ambroner 

An  der  Emmer  und  Lügd  inwoner 

AI  by  Christi  tyden  uthgericht, 

Öhre  hendel  mit  vpstands  gewicht 

Afwogen  un  tho  warck  gerichtet. 

Tapper  de  saak  doort  shwert  geshlichtet. 

Lügd  hefft  noch  veeruntwintig  geshlecht, 

Den  hört  von  older  tyt  ör  hold-recht 

Im  haegenshloten  de  haegmester 

Is  glik  ör  egen  börgemester, 

De  den  hagen  vorsteit  un  förster 

Shikt  up  de  hölter  ane  köster, 

Welcke  hölter  den  Öhren  nahmen 

Van  den  geslechtern  vor  bekamen, 

Da  de  so  könen  amberhelde 

Tho  Lygd  sek  settet  in  dem  felde. 

HANNOVER.  H.  Deiter. 


145 


Reime  und  Sprüche  aus  Lippe/) 


I.    Rätsel. 


1.  Achter  iusen  Hiuse 
Ploijet  Mäster  Kriuse, 

Eune  Fleug  un  eune  Peer  — 
Niu  roe  mol,  watt  es  datt! 

(Maulwurf.) 

2.  Achter  lasen  Hiuse 
Harket  Mäster  Kriuse, 

Hätt  'e  äuk  nich  Harke  un  Fleug, 
Se  harket  'e  d9ch  d^ip  geneug. 
(Maulwurf.) 

3.  Achter  iusen  Hiuse 

Do  stpit  'en  Kunkelfiuse, 
Da  brennt  Dach  an  Nacht 
Un  brennt  dpch  nich  äff! 
Watt  es  datt?         (Brennnessel) 

4.  Et  äs  watt  achtern  Hiuse 
Datt  breont  dti  Dach  un  Nacht 
Un  kann  d^ch  nich  verbrennen  — 
Wat  datt  wall  es?     (Brennnessel.) 

5.  Et  brennt  du  wat  in  'en  Holte, 
Dat  brennt  du  Dach  un  Nacht  ^ 
Wat  es  datt?    Niu  giff  acht! 

(Brennnessel.) 

6.  Achter  iusen  Hiuse 
Sitt  'en  Fiule-Piuse, 

Je  maier  de  lyiwe  Sunne  schinnt, 
Je  maier  de  Fiule-Fiuse  grinnt  — 
Watt  sali  datt  sftin? 

(Eiszapfen  am  Dach.) 

7.  Eck  hall  'en  Stall  vull  briune  Peer, 
Eck  kenn  'ser  nich  iuttocken, 

Eck  konn  'ser  nich  iutlocken, 
Plattfoitken  mosst  'ser  mü  heriut- 
hahlen.  (Backofen.) 

8.  Runzelpunzelken  up  de  Bank, 
Ranzelpunzelken  unner  de  Bank ; 
Es  k^in  Dokter  in  Engelland, 
Da  et  wi'er  kuriern  kann.     (Ei.) 


9    Äppelken,  Fäppelken  up  de  Bank, 
Äppelken,  Päppelken  unner  de  Bank, 
Do  es  nemmes  in  Brobant 
De  Äppelken,  Päppelken  wi'er  ku- 
riern kann.  (Ei.) 

10.  Witt  schmuit  eck  't  upp  'et  Dack, 
Un  gäU  kümmt  et  wi'er  herrunner. 

11.  Lang  schmuit  §ck  'et  upp  'et  Dack, 
Un  twees  kümmt  et  wi'er  herunner. 

(Schere.) 

12.  Rund  schmuit  äck  'et  upp  'et  Dack, 
Lang  kümmt  et  wi'er  herunner. 

(Knäuel  Garn,) 

13.  Et  gpit  watt  ^wwer  de  Brujjen 
Un  hätt  datt  Hius  upp  'en  Rigjen. 

(Schnecke.) 

14.  Et  hätt  twvi  Koppe   un   bleus  twvi 

Henne, 
Et  hätt  sess  Foite  un  tgjjen  Tainen. 
(Pferd  und  Reiter.) 

15  V^er  gengen, 
Vper  hengen, 

Twyi  Lüchters,  tw(?i  St^iters 
Un  9in  Nohklapp !  (Kuh.) 

16  Vürne  äs  'en  Gaffel 

In  'er  Mitten  es  'n  Drangtunn'n 
Achter  68  'enWipprßun  —  wat  es  dat  ? 
(Kuh.) 

17.  Et  l9ppet  jümmer  teu 

Un  dgch  werd  et  nich  mo^e  — 
Watt  kann  datt  wall  süin? 

(Wasser.) 

18.  Kümmt    'en    Witten   Keerl    van   'n 

Hcramel, 
WoU  de  ganze  Welt  bödecken, 
Konn   dych   nich   mol   'n  Fohl  be- 
decken — 
Ni  roe  mol,  watt  datt  niu  ös? 

(Schnee.; 


>)  Die  Niederschrift   ist  in  der  Mundart  des  Dorfes  Heideu^YiC^^^^^  ^^^ 
Id  angefertigt. 


Detmold  angefertigt 

NitderdaatBohei  Jahrbuoh  XXXIV. 


146 

19.  Et  ggit  in  olle  Welt,  21.   Es  watt  in  iusen  Holte, 

Da  9ine  hätt  'en  Buil,  Datt    beschinnt    nich    Sunne,    nicb 

Da  annere  dat  Geld  —  Mond  — 

Wo  hglst  diu  et  mett?  Ni  sägg  mü  mol,  watt  datt  es! 

(Mit  der  Hand.)  (Schatten.) 

20.  Hart  gebacken,  22.    Griemgram  greuf  in  'er  Eern, 
Hätt  dfQi  Tacken,  Püiderittken  st^nnt  nicb  feern; 
Pott  es  't  —                                                   Wpr  Israel  nicb  dorteu  kommen, 
Watt  es  't?  Wgr   Päiderittken    um    'et   Lieben 

(Dreifüssiger  Kochtopf.)  kommen.     (Sau, Wurzel,  Hund.) 

23.  Do  gvit  watt  iuten  Hiuse,  dat  bablt  nenne  hunnert  Peer  wi'er  in  1    (Rauch.) 

24.  Do  kümmet  watt  in  iuse  Hius,   dat  könnt  'er  diusend  Saldoten  nicb  wi'er  riut 
rüitenl  (Bauch.) 

26.   Oin  Mann  badde  sieben  Döcbter,  j§ide  Dochter  badde  tw^i  Broier  —  wovell 
Kinner  badde  de  Mann?  (Neun.) 

26.  Oin  liand  vull  un  docb  nönne  Hand  vull  —  watt  es  datt?  (Wind.) 

27.  Watt  kriggt  de  Biwwer  für  'en  Foier  H^cb,  wenn  dat  Pnnd  ßottern   twintig 
Penige  kost't?  (Seine  Pferde) 

28.  Watt  wutt  di  l^iwer  süin :  „'en  Kriup  dür  'en  Tiun**,  edder  „'n  Breek  dür  'en 
Tiun"  ?     (Je  nach  der  Antwort :  eine  kriechende  Schlange  oder  ein  Schwein.) 

29.  Watt  es  'et  Beste  twisken  Snüssel  un  Steert?  (Das  Schwein) 

30.  Watt  macbst  'e  an  'en  Ipiwesten:   „'n  frisken  Scbett"  är  „Lick  'en  Scbnutt"? 

(Letzteres:  die  Ochsenzunge.) 

81.  Watt  Wutt  de  l^iwer :  'n  Dach  hungern  är  sieben  d$ipe  Lecker  in  'en  Kopp  ? 

(Die  sieben  Löcher  sind:  Mund,  Nase,  Augen,  Ohren.) 

82.  Watt  es  datt  Beste  an  'er  schwarten  Keub? 

(Dat  se' nenne  swarte  Mälke  giffi.) 

88.  Watt  g§it  upp  vper  Beinen  in  'e  Kärken  ?     (Der  Lahme  mit  zwei  Krücken.) 

84.  Wer  gpit  upp  'en  Koppe  in  'e  Kärken?  (Der  Schuhnagel.) 

85.  Räut  scbmüit  eck  'et  in  'et  Water  un  schwärt  kümmt  et  wi'er  herriut? 

(Glühende  Kohle.) 

86.  Wo  flüggt  de  Kuckuck  benn,  wenn  'e  twyi  Johr  äult  es?  (Ins  dritte.) 

37.  Worümme  fretet  de  Kojje  Gras?  (Weil  es  ihre  Vorfahren  auch  taten.) 

38.  Worümme  Ivppt  de  Voss  ^wwer  'n  Berg,  wenn  'er  de  Rüe  achter  es? 

(Wenn  de  Berg  'en  Lock  hedde,  dann  Wip  'c  dodüer.) 

89.  Watt  es  lütker  ps  'en  L9ck?  (Wat  'er  in  g'git.) 

40.  Wekke  Isel  hätt  se  hadder  reupen,  dat  et  olle  Isels  upp  'er  ganzen  Welt  b^ert 
hätt?  (Da  Isel  in  Noah  süiner  Arche.) 

41.  Watt  kümmt  teu  'n  ersten  in  'e  Kärken?  (De  tu>öUe) 

42.  WouQer  ds  de  längste  Dach?  (Wenn  de  körtste  Nacht  es.) 

43.  Wer  spielt  jümmer  un  gewinnt  jümmer?  (De  Musekante.) 

44.  Wonyer  säggt  de  Biwwer  de  Wohrbyit? 

(Wenn  'e  krank  es,  —  Watt  säggt  'e  denn? 
Eck  sin  nicks  weert;  eck  däuje  nicks.) 

45.  Do  stvit  'n  lüttke  Fruwwe  in  'en  Holte,  hätt  'en  räue  Müssen  upp. 

(Erdbeere.) 


14? 

46.  Achter  freet  eck,  vürne  schüit  ßck.  (Häckselmaschine.) 

47.  'n  üisern  Peerd    mett  'n  fiässen  Steert  —  watt  es  datt? 

(Nähnadel  mit  Faden,) 

48.  Watt  hängt  an  'er  Wand    eune  Narel,  eune  Band?  (Der  Speichel.) 

49.  Watt  l^ppt  pwwer  olle  Strootens  un  kickt  in  olle  Lgcker?        (Der  Wind.) 

50.  Salt  man  et,  dann  iQtt  man  et  lüjjen,    suit  man  et  nich,  dann  nimmt  man  et  upp  I 

(Wurmstichige  Nuss.) 

51.  lat  wekken  Säue  wutt  diu  drinken:   gine  es  teudeckt,   in  Qinen  fällt  'et  Lauf, 
un  Qwwer  den  annern  hängt  de  Wippreun? 

(Der  erste  ist  die  vulva  oder  auch  der  penis,  der  zweite  ist  der 
richtige  Brunnen,   die  „Wippreun"  ist  der  Kuhschwane.) 

52.  Van  wekken  Water  machst  'e  an  'en  Igiwesten  drinken:  wo  de  Sunne  in  schinnt, 
wo  'et  Lauf  in  fällt  är  wo  de  Wippreun  öwwer  bammelt  ? 

(Das  erste  ist  die  Scheide  der  Ziege,  das  andere  wie  eben.) 

53.  Watt  nimmst  'e  an  'en  l^iwesten:  wat  van  'n  Berje  gpit,  watt  'er  van  läppet, 
är  watt  'er  uppe  stöhn  blifft?  (Die  Kuh,  ihr  Urin,  ihr  Kot.) 

54.  Watt  wutt  'e  an  'en  Ipiwesten  deun:  van  'n  Beije  gohn,  van  'n  Berje  läupen, 
är  upp  'en  Beije  stöhn  blüiben? 

(Je  nach  der  Antwort:  Der  Mensch,  sein  ürin^  sein  Kot.) 

55.  Worumme  sitt  'n  Hahn  upp  'n  Kärktewwern  un  nich  'en  Heun?    (Süss  mösst 
'er  da  Köster  jg  jöiden  Mqern   uppstäijen  un  tasten,  off  et  'en  ()gg  hedde.) 

56.  Worümme  maket  de  Hahne  da  Äujen  teu,  wenn  'e  krajjet? 

(Wüil  höi  et  van  biuten  kann^  watt  V  krajjen  mott.) 

57.  Worümme  hätt  Jiudas  'en  räuen  Beert  hat?         (Um  'et  Kinn  herrümmen) 

58.  Watt  es  lütch  un  wat  es  graut  un  dgch  jümmer  'n  Föut  lang?    (Ein  Schuh.) 

59.  Watt  gs  'n  Feut  lang  un  'n  Feut  breit  un  es  d9ch  nenn  Quadratfeut? 

(Ein  menschlicher  Fuss.) 

IL    Kinderiieder  nnd  Kinderreime. 

Bnkindken  van  Halwerstadt,  Möller,  Möller,  Mahler, 

Bring  iusen  lüttken  N.  N.  watt!  —  Jungens  kost  'en  Daler, 

Watt  sali  eck  'en  denn  mettbringen  ?  —  Luitens  kost  'en  Hönnerdreck, 

Blanke  Scheuh  mett  Ringen,  Kehrt  man  mett  'en  Besp'm  weg. 

Do  sali  hl)i  mett  danzen  un  springen.  ,,  „       „  „       ,,  , , 

Möller,  Möller,  Mahler, 

Bukoisken  van  Bremen,  N.  N.  kost  'en  Daler; 

L^tt  iuse  lütge  Kindken  betdhmen;  N.  N.  kost  'en  Julenschett, 

Un   l^sst  diu  kleine  Kindken  betebmen  Schmeert  'e  sick  de  Miulen  mett. 

nich, 

Söu  krigst  diu  vau  müiner  Flyiskwost  Klipp,  klapp,  S^ltfatt, 

äuk  nicks!  Mpern  est  et  Sundach. 

(Beim  Händeklappen.) 
A  —  b  —  c 

De  Katte  lyip  in  'en  Schnee,  Kinnewippken, 

De  Rüe  Ipip  ehr  noh,  Mummelfötken, 

Da  see  de  Katte :  jo !  N6sepippken, 

A  —  b  —  c  usw.  Äujenbrünken 

Töppken,  to  beere; 

Müller,  Möller,  Mahler,  Wutt  'e  ma'er,  söu  kuuim ! 
Mekens  kost't  'en  Daler, 

Jungens  kost 'en  Hopphopp-Pöerd  (Ritter-  Sije  —  sajc, 

Dat  es  diusend  Daler  wört.  peerd)  Hottewaje, 

\0* 


14g 


SpQJn  inH  Fuier, 
't  Holt  es  teu  duier, 
Klabutse  in't  Fuicr! 

Sije  —  saje, 

Holtewaje, 

Spgin  in  'et  Filier 

't  Holt  es  duier.  — 

Watt  kost  'et  denn?  —    (Wat  kost  'en 

'n  dicken  Daler!  —  Foier?) 

Plumps,  plumps  —  in  'et  Water  I 

Bummele,  bummele,  biuse. 

Wo  wonnt  de  Mester  Kriuse?  — 

In  den  nüjjen  Hiuse 

Wo  de  blanken  Tellers  stoet, 

Wo  de  Jumfers  danzon  goet. 

(Wo  de  Jumfem  walzen  goet) 

Eck  sin  krank.  — 

Für  'en  Bräutschappe  lang, 

Für  'n  Botterbecken  twees, 

Mett  'er  Renn  wecke  für  'en  Ees. 

Kick,  sä  de  Katte  kaik  se  in  'en  Pott, 
Kraig  se  vinen  mett  'en  Schl^iwe  für  'en 
Kopp. 

Hainerich,  Katuffelbrich, 
Siwwern  Käul,  denn  mach  'e  nich, 
Soiten  Käul,  denn  krigt  'e  nich, 
0  —  müin  l^iwe  Hainerich. 

Kösken  springet  vwwer  'en  Tiun, 
Kreumen  blifft  'er  für  stoen. 

Ässt  'e  düjet  briun'n  K&ul 
Dann  sitt  'et  Kleid  äuk  wacker. 

Hoi,  hoi,  Hammelfl^isk, 
Roiben  druppi 

Luibettken,  den  Leppel  häer, 
Gr9itken,  füll  uppi 

Melke  upp  Wüin  — 
Es  yemüin, 
Wüin  upp  Melke  — 
Es  für  elke. 

Wer  nich  kümmt  in  rechter  Tüit, 
De  es  süiner  Mohltüit  quüit. 

Wer  nich  passet  upp  'en  Disk, 
De  mot  eeten,  watt  vwwer  blifft. 

Wer  te  late  kümmt, 

Sitt  schlecht,  eer  ätt  schlecht. 

Wenn  olle  Berje  Bottern  w^r'n 

Un  olle  Grünne  Grütte, 

Un  de  Sunne  upp  de  Berje  schüin  — 

Wat  woU  dat  wall  für  'n  Freeten  süin! 


Tuck,  tuck,  tuck  müin  Hoiuecken, 
Tuck,  tuck,  tuck,  müin  Hahn! 
Diu  plückst  mü  olle  Bloimecken, 
Wo  sali  du  datt  näu  gähn! 
Watt  sali  de  Mamme  schellen, 
Watt  sali  de  Taite  schlohn 
Tuck,  tuck,  tuck,  müin  Hoineckeu, 
Wo  sali  du  datt  näu  gohn! 

Wenn  olle  Berge  Bottern  wgr'n 

ün  olle  Grünne  Grütte, 

Un  et  k^ime  dann  'en  warmen  Sunncn- 

schüin, 
ün  de  Bottern  feil  in  'e  Grütte  herin  — 
Wat  soll  datt  wall  für  'n  Freeten  süin! 

Ettelmann,  Bettelmann, 
Dokter,  Büste wwer; 
Kaiser,  König, 
Schwüinemajewwer. 

Wippe,  Wippe  Schinken, 

De  Köster  liggt  upp  'en  Brinke. 

Sapp,  sapp,  sapp,  sapp,  Püipken, 

Won^er  wutt  'e  rüipken? 

In  't  Mpjjedach,  in  't  Möjjedach, 

Wenn  olle   Vüjel  Ojjer  Igjjet; 

Dann  krüye  wüi  'n  K^rfel   (Pott  vull) 

Öjjer.  — 
Kättken  l^ip  'en  Berg  henan, 
WoU  'n  Pott  vell  (vull)  Sapp  halen, 
Kamm  de  schwarte  Kpiser  an, 
Howw'  er  Kättken  'en  Kopp  äff 
Rump  äff,  Stäert  äff, 
Ollens,  watt  'er  uppe  satt, 
Schmait  'e  Kättken  in  't  Mühlenrad, 
Kok  'er  Stinten  un  Mälke  van   — 
(Fratt  sick  Stinten  un  Mälke  satt.) 
Roer,  roer,  ruppuppupp! 
Roer,  roer,  ruppuppupp! 

Sappüipken,  Sappüipken, 

Winker  wutt  'e  rüipken? 

Mgem  in  'en  Dare  — 

Kättken  l9ip  'en  Berg  herup 

ün  woU  'n  bettken  Säffken  hal'n  — 

Kamm  de  blinne  Hesse  beer 

Un  schnait  'er  Kättken  Hoer  äff 

Ollens,  wat  'er  uppe  satt  — 

Pille,  palle,  puss  äff, 

M^ern  es  et  Sunndach ! 

Wenn  de  Meekens  in  'e  Kärken  goht, 
Dann  sind  se  wall  se  scheine  — 
Owwer  wenn  se  achter  'n  Potte  steht, 
Dann  s^it  se  iut,  ^sse  de  Duiwel. 

(Schwalbenruf,) 


149 


Spinn  dicke,  spinn  dicke.  — 
Spinn  dünne,  spinn  dünne.  — 

(Kohhneisenruf.) 

W^je,  wijje,  wijje  bäule  Käulsoot  sajjen  ? 
(Buchfinkenruf.) 

Lick,  lick,  lick,  mü  in  'et  Stüet! 

(Goldammerruf.) 
Phüiüpp,  mak  de  Düer  upp !   (Dasselbe.) 

Stripp,  strapp,  strull  — 
Es  de  Emmer  nä  nich  yuU? 

Pink  —  pank, 

Schmieskamp, 

Badden  Süimen 

Liggt  upp  'er  Bank, 

Ganz  lang.  (Bahnglockensprache.) 

Bring  mui'n  Sack  vuU  TüUällüt, 
Mgrjen  kümmt  müin  Tante, 
Bringt  'n  Sack  vell  (vuli)  Lewwerwost 
Un  de  Musekante. 

Platz  gemacht,  Platz  gemacht, 
M^rjen  kümmt  'e  Tante, 
Bringt  mü  äuk  wat  Schönes  mett. 
Dann  s^gg  eck  äuk:  Danke! 

Schnüider  wipp  upp, 
Büert  'et  Blick  upp. 

Schnüider,  Schnüider,  wipp,  wipp,  wupp, 
Sett  mü  hüer  'n  Flicken  upp! 

Sieje  Igip  den  Berg  henan, 
L^it  datt  Eeslock  blicken; 
Sieben  Schnüider  achteran, 
Mett  Scheem  un  mett  Flicken  — 
„Schnüider,  Schnüider,  steck  mü  nich 
Eck  sin  seu  'n  armet  Siejenblick  — 
Mäck,  mäh  —  mäck,  mäh!'* 

Oine  Stunne  meetet  s$i, 

Oine  Stunne  eetet  s^i, 

()ine  Stunne  Hwwert  89 i, 

Oine  Stunne  miwwcrt  s^i 

Öine  Stunne  schm9iket  se  Tabak  — 

Un  sen  yergvit  de  ganze  Dach. 

Schemester,  Schemester,  Bäspenstell, 
Howwet  'e  Kinner  olls  te  vell, 
Olls  te  Yell  es  ungesund, 
Schi^mester,  Schemester,  Schwüinehund. 

Des  Obends  in  'er  iulen. 
Dann  spinnt  de  Fiulen, 
Dann  g^it  datt  Rad  wall  klipp  un  klapp 
Dann  hedden  se  gehm  upp  'en  Haspel 
watt. 


Ackersmann  —  Schiackersmann, 
Eck  lobe  mü  den  Handwerksmann. 

Wü  Witt  'en  Jiuden  'en  Boert  afischnüin, 

Hv  sali  'er  sülmst  mett  büi  süin. 

Jiude,  Jiude,  Schlickschlack, 

Schloh  den  Jiuden  'et  Knick  äff; 

Stpit  et  nich  teu  lang  äff. 

Dann  hast  diu  mpern  wedder  watt. 

Baue  Hoer  un  EUernhüchte, 
Drejet  selten  geue  Früchte. 

Lütch  un  kriejel 

Es  better  9s  'en  grauten  Fliejel. 

Blomberg  de  Kreune, 
Hewwern  de  Bleume, 
Deppel,  datt  häuje  Fest, 
Lemje,  datt  Hezennest, 
Jufel,  dat  Soltfatt, 
Bamtrup  will  äuk  nä  watt. 

Wöbbel  in  'er  Grund, 
B9rksen  wäggt  'en  Pund. 

In  Deppel,  in  Deppel, 

Doer  gifft  'et  wekke  mett  'en  Leppel. 

In  Deppel,  in  Deppel, 

Do  gifft  'et  nicks  9sse  Äppel. 

Deppelske,  Deppelske  Tellerlicker 
Sind  dat  ganze  Lieben  schlicker. 

In  Loje,  in  Loje, 

Gifft  et  nicks  9sse  Ploje. 

In  Iliddsen,  in  Hiddsen, 
Gifft  et  jümmer  Schnitzen. 

Hainer,  bidebainer, 
Katutter,  katainer, 
Katutter,  katatter, 
Katholske  Hainer.  — 

Johann,  spann  an, 
Dr9i  Katten  vüran, 
Dr9i  Muise  vürupp. 
Den  Blocksberg  henan. 

Wilmstrick, 

Hasenblick  —  Mäck,  mäck,  mäh. 

Herm'n,  dicke  Därm'n, 
Schl9it  Pulver  in  'e  Därm'n. 

Bim,  bam,  Klocke, 
Hänsken  in  'en  Stocke. 
Es  'en  äult  Männeken  d^^t 
Hett  Johann  Sparbräut.     ^^ 


150 


Fritze,  Fritze, 

Makt  jümmer  dumme  Witze. 

Fritzken,  St^elitzken 

De  Yurel  es  däut 

Sitt  achtern  Oben 

Un  frätt  nenn  Stacke  Braut. 

Ealine,  Kalane, 
Se  röppet  de  Hahne, 
Mett  sieben  Saldoten, 
Kann  'et  reupen  nich  loten. 

Ridderidderettken, 
L^isemanns  Jettken. 

Hawermann 

Tui  de  Büxen  an. 

De  Hammel  es  fett,  de  Hammel  es  fett, 
Witt  'en  mgern  schlachten. 

Schnewwer,  Schnewwer  rund  um  'et  Hius 
Wiske  'er  Taiten  'et  Eeslock  iut. 

Orster  Gewinn  — 
Kattengewinn. 

An  'en  ersten  April, 

Kann  'en  narr'n,  wen'n  will. 

An  'n  ersten  April, 

Kann  'en  Narr  süin,  wer  will. 

(Schickt  man  'en  Narr'n,   wo  man  will) 

Appelken,  Pappelken  — 

Pien,  pahn,  puff.  (Abzählreim.) 

Jettken,  Pettken,  Pulrermius, 
Kam  vannacht  in  iuse  Hius 
ün  woll  den  Schinken  stehlen. 
Da  kriejen  wü  'et  bü  de  Kehlen. 
Un  schmait  'en  et  upp  'et  Dack, 
Do  see  et:  quack! 

Öppke,  Döppke,  Pulvermius, 
Kamm  dösse  Nacht  iu  iuse  Hius 
Mett  'en  grauten  Laken, 
Woll  US  bange  maken 

Ute,  tute,  Tintefatt, 
G9nk  in  'e  Schöul  un  16hr'  watt; 
Wenn  'e  wier  herriutern  kümmst, 
Dann  kannst  diu  watt! 

Ater,  bater,  Grabengräuter, 
Stiutenbäcker,  Wajentrepper 
Ipp,  app,  Kaisenapp; 
Läup  diu  do  henn. 
Dann  bist  diu  äff. 


Enne,  Menne,  Igtt  mü  lieben. 
Will  du  'en  bunten  Vurel  gieben, 
Yurel  sali  mü  Sträue  sammeln, 
Sträue  wi'ck  'er  Koisken  gieben, 
Koisken  sali  mü  Melke  gieben, 
Melke  wi  wü  'en  Bäcker  bringen, 
Bäcker  sali  müi  'en  Stiutken  backen, 
Stiutken  wi  wü  'er  Mömme  gieben, 
Mömme  sali  mü  'en  Titte  gieben, 
Titte  wi'ck  'er  Kättken  gieben, 
Kättken  sali  mü  Muise  fangen, 
Muise  wi'  wü  an  'en  Galgen  hangen. 

Eck  grattelier  juff  äuk  teu'n  nüjjen  Johr, 

Gesundheit  un  langet  Lieben, 

Niu  möjje  mü  äuk  'en  dicken  Appel  gieben. 

Preust  Nüjohr! 

Gesundheit  un  langet  Lieben, 

Mött  mü  'en  düjeten  Krengel  gieben! 

Fasselobend,  Fasselobend  anjefangen. 
Heda!    Mutter,  Mettwost  hangen! 
Heda!     Hönner,  schwärt  un  witt, 
Da  juff  'en  half  Schock  Ojjör  schitt  — 
Oint  es  nich,  tw$i  es  watt, 
Giwet  US  drpi,  dann  goh  wü  patt! 

Wenn  et  Austern  es,  wenn  et  Austern  es. 
Dann  schlacht  müin  Taite  'en  Bock, 
Dann  spinnt  müine  Mömme, 
Dann  wörkt  müin  Vaer, 
Dann  gifft  et  'en  nüjjen  Rock. 

Rund,  rund,  rund,  rund  Klowemblatt, 

Lot  't  'en  watt,  lot  'et  'en  watt! 

Lot  'et  US  nich  teu  lange  stöhn, 

Wü  mött  't  näu  'n  Huisken  foider  gohn, 

Van  hüer  bett  na  Köllen; 

Köllen  es  näu  wüider  henn 

Mött  't  näu  jümmer  maier  henn 

Oine,  twgie, 

Dr9ie,  vpier, 

Füiwe,  sesse, 

Sieben,  achte, 

Niejen,  tgjjen 

Elm  'n  wi'  wü  in  'e  Pannen  schlohu 

Twelwe  sali  upp  'n  Diske  stöhn 

Krüije  we  niu  'en  i)g? 

Wü  Witt  den  Heern  huldijern, 

Giwet  'en  watt! 

Lot  't  en  watt! 

Lot  't  'en  nich  teu  lange  stöhn, 

Wü  Witt  näu  'en  Huisken  foider  gohn 

Van  hüer  bett  na  Köllen; 

Köllen  es  nä  wüider  henn, 

Do  kommt  nä  jümmer  maier  henn 


151 


Oine,  tw$i, 

Dryi,  vgier  etc. 

Elwe,  twelwe, 

Twelwo  wi  wü  in  'o  Pannen  scblohu, 
Lot  't  US  nich  teu  lange  stobn,  — 
Lgiwe  Fniwwe,  giwet  us  watt! 

Wü  Witt,  wü  Witt  Kristolljen  jaren 

Giwet  US  watt, 

Lot  H  US  watt! 

Lot  't  US  nich  teu  lange  stöhn 

Mött  'et  näu  'n  üuisken  foider  gohn 

Van  hüer  bett  na  Köllen  usw. 

Oiner  —  tw^i, 

Drgier  —  vper, 

Füiwer  -    sess, 

Siebener  —  acht, 

Nijener  —  tgjjen, 

Elmen  wi'we  in  'e  Pannen  schlohn!  — 

Jiu!    { Juchzer!)    Änoinke,  näu  pine; 

Sünte  Märten,  geut  Mann, 

De  US  wall  watt  gieben  kann  (verteilen 

kann) 
Da  Äppel  un  de  Biern, 
Da  Nötte  goet  na  miern  (näu  met). 
L^iwe  Fruwwe,  gifP  us  watt, 
LQtt  US  nich  teu  lange  stöhn, 
Wü  Witt  näu  'en  Huisken  foider  gohn, 
Van  hüer  bett  na  Köllen;  (Deppel) 
KöUen  es  nich  wüit  van  hüer, 
Giwet,  giwet,  giwet, 
Dat  wü  lange  liewet; 


Giwet  US  'en  Nott, 

De  schloe  wü  in  'en  Pott; 

Giwet  US  'en  Wannott, 

De  schloe  wü  in  'en  Käulpott. 

Vijjeline,  vijjelane, 

Wie  schön  ist  die  Dame; 

Vyjeline,  vijjelane, 

Wie  schön  ist  der  Herr! 

Wenn  de  Schlöttel  klappert, 

Krüje  wü  wall  'en  Appel; 

Wenn  de  Schlöttel  klinget, 

Werd  se  us  wall  watt  bringen. 

Klipp,  Klapp,  Reusenblatt, 

Mgern  est  'et  Sunndach! 

Sünte  Märten,  geut  Mann, 

Da  et  näu  wall  deun  kann. 

Da  Äppel  un  de  Biern 

Da  Nötte  mach  eck  geern. 

Lgiwe  Fruwwe,  giff  us  watt, 

L^tt  US  nich  teu  lange  stöhn, 

Wü  mött  'et  nä  'en  Huisken  foider  gohn. 

Van  hüer  bett  na  Deppel. 

Deppel  es  nä  wüit  van  hüer, 

V9rentwintig  Stunne. 

Wenn  de  Schlöttel  klinget  usw. 

A.  Rodder,  rodder  Pewwerten  (Pforte)  \ 
B   Männchen  un  Knaben  — 

A.  Wovell  kann  'et  maken? 

B.  Lytt  se  mol  jappen ! 

(SchneUzählen  mit  Nüssen.) 

Pinkepanke  —  in  wekker  Hand 

In  dösser  är  in  der?  (Nussspiel.) 


III.    Volkslieder.!) 


Meeken,  komm  nohl  vnr  de  Diier! 

„Meeken,  kumm  mohl  vür  de  Düer, 

Kumm  mohl  'n  bett'u  herriut, 

Wü    Witt   mohl    'n   bett'n    van    'n 

Früjjen  küern. 
Diu  sasst  süin  müine  Briuf 

„Datt  sali  eck  wall  blüib'n  looten. 
Wenn  datt  da  Äulske  suit; 
Olle  Düorns  sind  verschlooten, 
S9  passet  upp  ehr  Luit.** 
(Oder :  Dann  könn  eck  man  wüit  weg 

läupen, 
lut  'n  Lippsken^herriut) 


3.  „Sali  eck  mohl  da  Leddern  halen, 
Da  achtern  Hiuse  stpit, 

Un  mohl  'n  bett'n  teu  dui  kommen 
Un  s^in  mohl,  wo  'et  du  göit?** 

4.  Qsse  hpi  niu  do  beben  was, 
Do  küsst  hpi  süine  Briut ; 
S^i  versproiken  sick  de  Trui 
Bett  ten  Däne  heniut. 

6.   Qsse  da  Äulske  dat  vernamm. 
Sprang  s^i  iut  'n  Bedde  herriut: 
„Juff  sali  dgch  de  Duiwel  halen 
Juff  vermuckte  Tuig  1^ 


^)  Die  Stücke  Nr.  1—8,  14  und  15  habe  ich  aus  dem  Volksmunde  und  zwar 
meistens  von  meiner  Mutter;  Nr.  9  ff.  sind  zwei  lippischen  Lokalbl^^tero  entlehnt, 
nämlich  dem  „Lippischen  Magazin''  Jg.  1841  und  den  „VaterländiarViei^  Blättern** 
Jg.  1847.  ^ 


152 


6.  Qsse  da  Junge  dat  Yernamm, 
Sprang  hgi  teu  'n  Fenster  heniut, 
Bucksen  bleif  an  'en  Riejel  hangen  — 
Datt  sach  patzig  iut. 

7.  Qsse  hgi  nia  unner  was, 
Kaik  hvi  herup  un  rQip, 

„Oh,  Hannchen,  schmüit  müi  müine 

Püip'n  herriat 
Un  müin'n  Tabaksbuil!'' 

8.  „Seu  ggit  et  mui  ni  j^idesmohl, 
Wenn  eck  no  *en  Luitens  goh, 
Datt  eck  mott  do  bluten  stöhn 
Qsse  seu'n  stüib'n  Pohl." 

2.    Bruehstfick  ans  einem  Volksliede. 

0  Hannes,  wekken  HeutV 

Da  Heut,  d&  hat  'n  Daler  kost, 

De  äule  sch^iwe  Heut. 


3.    Spinn,  müine  Ipiwe  Doehter. 

1.  n^piiiii)  müine  l^iwe  Dochter, 
Eck  giwe  düi  'n  paar  Schöuh!'* 
„„Jo,  müine  l^iwe  Mudder, 

'n  paar  Tuflfel  dorteu; 
Eck  kann  nich  spinn'n, 
Müi  schweert  de  Finger; 
De  Dium'n,  de  Dium'n, 
Da  doit  müi  seu  wgih."" 

2.  „Spinn,  müine  Igiwe  Dochter, 
Eck  giwe  düi  'n  Kockf* 
„„Jo,  müine  Ipiwe  Mudder, 
'n  Kamsol  dorteu; 

Eck  kann  nich  spinn'n, 

Müi  schweert  de  Finger  usw."** 

3.  „Spinn,  müine  l^iwe  Dochter, 
Eck  giwe  düi  'n  Däuk!" 
„„Jo,  müine  Igiwe  Mudder, 
'n  Müssen  dorteu; 

Eck  kann  nich  spinn'n  usw.**" 

4.  „Spinn,  müine  Igiwe  Dochter, 
Eck  giwe  düi  'n  Mann!** 
„„Jo,  müine  l^iwe  Mudder, 
Datt  st^it  müi  wall  an; 
Eck  kann  wall  spinn'n, 

Müi  schweert  kgin  Finger, 
De  Dium'n,  de  Dium'n, 
De  doit  müi  nich  wgih!**** 


4.    Beim  Flaehsrenpen,  um  einen  Trank 
zn  lordern. 

0  w^ih,  o  w^ih, 
Doit  müi  müin  Lüif  seu  w^ih, 
0  wgih,  0  w^ih, 
Doit  et  müi  söu  wgih! 
Hädd'  eck  'en  Drüppen  Brannewüin, 
.  Möcht  'er  wall  geut  für  süin  — 
O  wgih,  0  w^ih, 
Doit  müi  seu  w^ihl 


5.    Repelied. 

Rüipe,  rüipe  Gäst'n 
Wi'  wüi  majjen, 
Stoppeis  in  den  Failem, 
Wi'  wüi  loot  'n  stöhn; 
Olle  wackern  Meekens 
Wi'  wüi  früjjen, 
Olle  äul'n  Jumfern 
Wi'  wüi  loot  'n  stöhn. 

6.  0,  diu  änle  Schlnnkenschl^if. 

0,  diu  äule  Schlunkenschl^if, 
Hast  müin  Hert  gar  nich  l^if, 
0,  diu  äule  ilöltenschl^if, 
Hast  müi  nich  V^if; 
Kickst  mü  mett  'en  Meese  nich  au, 
Wpist  nich,  watt  koomen  kann  — 
0,  diu  äule  SchlunkenschlQif 
Hast  müi  nich  Ipif. 

7.  Hänsken  in  >n  Seh^ttst^ine. 

1.  Hänsken  satt  in  'en  SchQttstgine 
Un  flicke  süine  Scheuh, 

Da  kämm  seu  'n  wacker  Meeken  (hcer) 
Un  kaik  seu  nüipe  teu. 

2.  Meeken,  wenn  diu  früjjen  wutt. 
Denn  früjje  diu  man  müi, 

Eck  häbb  'n  blanken  Daler  (funn'n), 
Denn  will  eck  gieb'n  düi! 

8.   Meeken,  deu  et  nich,  Meeken,  dvu. 

et  nich 
E'(n  hätt  'en  schgib'n  Feut! 
Schmeer  Salb'n  upp,  schmeer  Salb'n 

upp, 
Denn  wert  et  wedder  geut! 


8.    Wenn  de  Pott  nin  ^wwer  'n  Lock  hat. 

1.   „Wenn  de  Pott  niu  9wwer  'n  Lpck  hätV 
Lyiwe  Heinerich,  lyiwe  Heinerich?** 
„„Stopp  et  teu,  dumme,  dumme  Liese, 
Dumme  Liese,  stopp  et  teu!"** 


153 


2.  „Womet  sali  eck  et  denn  teustoppen, 
Lpiwe  Heinerich,  Ipiwe  Heinerich?" 
„„Met  Sträub,  dumme,  dumme  Liese, 
Dumme  Liese,  met  Sträuh!'**' 

3.  „Wenn  et  Sträub  niu  Qwwer  teu  lang  es,  1.  H.,  1.  II.?'' 
„„Howw'  et  äff,  dumme,  d.  L "" 

4.  „Womet  sali  eck  et  denn  affbobb'n ?" 

„„Met  der  Boem "** 

5.  „Wenn  de  Boem  niu  gwwer  stumpfes ?" 

„„Mak  se  scbarp ^*^ 

6    „Womet  sali  eck  se  denn  scbarp  maken 7^ 

„„üpp  en  StQin **** 

7.  „Wenn  de  St9in  niu  ^wwer  teu  dr^ije  es ?" 

„„Mak  en  natt "" 

8.  „Womet  sali  eck  en  denn  natt  maken ?** 

„„Met  Water «« 

9.  „Womet  sali  eck  denn  et  Water  balen ?" 

„„Met  en  Potte "" 

10.    „Wenn  de  Pott  niu  ^wwer  'n  Lock  hat " 

„„Stopp  et  teu usw.  usw."" 

9.    Os  eck  näu  'no  Jamfer  was. 

1.  0,  wenn  eck  d9cb  ^inmol  in  'en  Hemmel  grst  wgr. 
Et  kämmt  mü  seu  siwwer  in  'en  Oihestand  für; 

0,  W9r  eck  dpcb  jümmer  'ne  Jumfer  blieben, 
Un  hädde  mü  nich  an  datt  Früjjen  gieb'n. 
Niu  sitt  eck  an  'er  Wpgen  un  singe  popei, 
Eia  popeia,  eia  popei. 

2.  Qs  eck  näu  'ne  Jumfer  was,  was  eck  seu  füin, 
Qsse  nenne  gnädije  Fruwwe  kann  süin, 

Do  ging  mü  dat  Köppken  seu  seu  un  seu  seu, 

Do  was  eck  seu  füin  un  seu  schmuck  un  seu  fräub  — 

Niu  sitt  eck  usw. 

3.  Qs  eck  näu  'ne  Jumfer  was,  do  ging  eck  upp'n  Danz, 
Upp  HQcbtüit  un  Kärmiss  un  äuk  biut  'n  Lanns, 

Do  kaiken  de  Jungens  van  'er  Halb'n  müi  an, 
Un  dachten:  0  Jumfer,  wQr  eck  dgcb  düin  Mann! 
Niu  sitt  eck  etc. 

4.  Da  Qine,  da  nicke,  da  annere,  da  wenke. 

Da  drüdde  den  Heut  upp  'en  Koppe  'rüm  schwenke. 
Da  ?9rde  de  gij'le  un  gaff  teu  verstohn, 
Hpi  woll  wall  vanobend  na  Hius  mett  müi  gohn  — 
Niu  sitt  eck  usw. 

5.  Un  was  niu  upp  'er  Kärmiss  nicks  maier  teu  denn, 
Dann  konn  eck  des  Obends  mett  'en  Rae  iutgohn; 
Dat  sang  sick,  dat  spann  sick  mett  Lust  un  Pläsier, 
Dann  se  'en  da  Jungens,  't  es  dpch  'en  schmuck  D^Jer 
Niu  sitt  eck  usw. 

6.  Seu  gink  et  müi  gs  eck  'en  Jumfer  näu  was, 
Do  gink  da  Vijjelüin'n,  niu  brummet  da  Bass. 
Ei,  wpr  eck  man  jümmer  'ne  Jumfer  verblieb'n, 
Un  hädde  mü  nich  an  datt  Früjjen  begieb'n  — 
Niu  sitt  eck  an  'er  wgijen  un  singe  popei 

Eia  popeia,  eia  popei. 


154 


10.    Hört  an,  mein  bester  Freund. 

1.  Hört  an,  mein  bester  Freund, 
Ich  muss  euch  etwas  fragen, 
Könnt  ihr  mir  nicht  davon 
Die  rechte  Nachricht  sagen? 
Wohnt  nicht  ein  Schäfer  hier 
Der  sich  Herr  Jakob  nennt? 
Kommt!    Sagt  es  mir  doch  recht, 
Wo  ist  sein  Logement? 

2.  Jo,  jo,  müin  Igiwe  Heer, 
Datt  könn  jü  wal  erf obren : 
Den  Jakob  kenn  eck  niu 
Bünoh  'en  Stüije  Johren; 
Hö  es  JQ  niu  müin  Heer, 

Eck  sin  süin  Schaipersknecht  — 
Watt  hätt  'e  juff  denn  dohn  ? 
0  svjjet  datt  mü  recht! 

8.    Er  hat  ein  Schäfchen  schön 
Von  uns'rer  Weid'  entführet, 
Deshalben  bin  ich  ihm 
Nun  Selbsten  nachgespüret ; 
Hab'  auch  erfahren  schon, 
Dass  er  es  bei  sich  hat, 
Er  hält  es  lieb  und  wert 
An  seiner  Liebsten  Statt. 

4.  Watt  'en  Duiwel  kür  jü  do  ? 
Soll  müin  Heer  Schoope  miusen? 
Wenn  hpi  datt  Ding  erfohrt. 
Den  Kopp  werd  h^i  juff  liusen. 
Büi  müiner  armen  Spil, 

Juwwe  Schnaken  stpit  nich  füin, 
Müin  Herr,  de  werd  gewiss 
De  Schoopedyif  nich  süin. 

5.  Gemach,  gemach,  mein  Freund, 
Lasst  euch  doch  unterrichten. 
Gestohlen  ist  es  nicht. 
Gemauset  auch  mit  nirhteu; 
Bekanntschaft  hat's  gemacht, 
Dass  es  gefolget  frei  — 
Urteilet  Selbsten  nun, 

Ob  das  ein  Diebstahl  sei. 

6.  Müin  Herr  hätt  Schöpc  vell 
üpp  süin'n  Howe  läup'n: 
Schwärt,  witt  un  äuk  wall  bunt 
Hat  bgi  se  do  büi  'n  Häup'n; 
Un  Ipiwet  mü  man  drüist. 

In  düssen  ganzen  Land 
Sind  Schöpe  graut  un  lütk. 
Den  Lui'en  wall  bekannt. 

7.  Ich  höre  schon,  mein  Freund, 
Ihr  könnt  mich  nicht  verstehen; 
Es  gibt  der  Schäfchen  auch, 
Die  auf  zwei  Füssen  gehen; 


Man  wahret  sie  so  gern 
In  seinem  Hof  und  Haus, 
Man  hält  sie  lieb  und  wert 
Und  ehrt  sie  überaus. 

8.  Watt  'n  Duiwel  kür  jü  niu, 
Jü  makt  mü  liuter  Fratzen; 
Dat  makt  jü  müi  nich  wüis, 
Seu  fängt  man  nenne  Spatzen. 
Oiu  Ape,  Rüe,  Beer, 

Könnt  upp  twpi  Foit'n  gohn. 

Van  Schöpen  Igiw'  eck   et  nich  — 

De  Duiwel  mach  't  verstohn. 

9.  Mein  Freund,  man  kann  doch  auch 
Die  Mädchen  Schäfchen  nennen, 
Die  fromm  sind  oder  gut; 

Ihr  müsst  sie  doch  auch  kennen. 
Ein  solches  hat  eu'r  Herr 
Mir  weggelockt  durch  List. 
0,  schafft  es  mir  zurück; 
Der  Lohn  euch  sicher  ist. 

10.    Hejj  jü  dat  glück  mü  säggt, 
Qs  jü  9rst  teu  mü  köim'n, 
Dann  hädd'  eck  juff  besch^it. 
Wo  jü  no  frojen  dpin: 
Heer  Jakob  hätt  datt  Wicht, 
Wo  jü  no  soikeo  geht  — 
Jü  krüijet  'et  Qwwer  nich, 
Un  wenn  je  upp  'n  Koppe  stobt!  — 

II.    Hans  un  Gr^itken. 

Hans. 
Lütket  Meeken,  triute  Dpiem, 
Jammert  du  denn  nich  müin  Schmert? 
Lott  du  d^ch  9inmol  erw^iken, 
Gr^itken,  blüif  dgch  nich  seu  hart; 
Denn  diu  hast  9II  lange  wusst, 
Dat  eck  teu  düi  häwwe  Lust. 
D'rüm,  0  Gr^itken,  lott  us  maken 
Mett  den  Saken,  mett  den  Saken, 
Da  US  bgiden  sind  wall  bewusst. 

Grpitken. 
Hans,  wenn  man  hett  junge  Dgiern, 
Dann  hätt  gin'n  de  Luie  l9if, 
Un  dat  Keerlsvolk  suit  Qin'n  geeru, 
Bückt  sick  für  pin  'n  krumm  un  sch^if ; 
Wenn  man  pwwer  ^rst  früjjet  hätt. 
Dann  es  man  nich  maier  seu  glatt, 
Dann  seu  Iptt  man  dat  Tuig  hangen. 
Käue  Wangen,  räue  Wangen 
Geht  dann  olle  duister  affl 

Hans. 
Gr^itken,  eck  wgit,  et  sali  du  hajen. 
Wenn  de  Kinner  Mamme  svjjet. 
Wo  säst  diu  se  wüijeln,  wajeln, 
Wenn  se  teu  düi  püip'n  plejet; 


155 


Diu  wind'st  se  in  'en  Bündken  in  — 
Diu  wutt  olltüit  sea  helle  siiin, 
Sacht  un  liue  Junge  Fruwwe  Junge  Fruwwe 
St^it  düi  dat  nich  wall  kurejeus? 

Qr^itken. 
Früjjen,  datt  es  wall  vell  wojet, 
Dor  es  äuk  Lärm  geneug  dobüi; 
Wenn  man  sick  mett  Kinnern  plojet, 
Dann  es  man  nich  maier  recht  fräuh ; 
Dann  willt  se  bäule  düt  un  bäule  dat, 
Dann  sind  se  bäule  achter  un  vürne  natt, 
Un  man  hgert  dann  nicks  9sse  gnarrn, 
Schrgjjen  un  blarr'n,  schr^jjen  un  hlarr'n, 
Un  wat  Tuijes  nä  maier  es. 

Hans,  müine  Mömme  un  müin  Vadder, 
Da  s^jjet,  eck  wör  näu  teu  jung  dorteu; 
Eck  sin  ^rst  van  füftejjen  Johr'n, 
Eck  mott  näu  gin  lutk  betten  blüib'n  seu 
Qs  eck  näu  jetzunner  sin. 
DVfim  schlich  diu  mü  man  iut  'en  Sinn 
Denkst  diu  9wwer,  müi  teu  l^ib'n, 
Seu  most  diu  toib'n,  seu  most  diu  toib'n, 
Bett  datt  eck  ^rst  näu  Qller  sin. 

Hans. 
Dia  kannst  dat  Früjjen  wall  verdrejen, 
Diu  bist  äuk  äult  geneuch  dorteu; 
Et  verderwet  du  nich  den  Majen, 
Diu  bliffst  eben  dorümme  lüike  seu 


Gröitken,  nimm  diu  müine  Hand, 
Teu  'n  gewissen  Unnerpand, 
Dat  eck  du  mach  geern  lüien, 
Un  teer  Frubb'n,  un  teer  Frubb'n 
Müi  nenne  annere  weer'u  sali. 

Gr^itken. 
Hüer,  seu  hast  diu  müine  bgid'n  Fuiste, 
Kopp  un  Foite  äuk  dorbüi; 
Un  datt  schwör  eck  düi  upp't  drüiste, 
Datt  müin  Härte  düin  gijen  süi! 

Hans  un  Qr^itken. 
D'rüm  seu  nimm  diu  müine  Hand 
Teun  gewissen  Unnerpand, 
Datt  diu  bist  müin  Suckerpüppken, 
Triute  Trüppken,  Triute  Trüppken,    . 
Un  müin  löiwer  Odrion! 

12.    Ilirtenlied. 

Imbtepott,  heb ! 
Diu  fiule  K9ck,  heb! 
Wangier  sali  eck 
Müin'n  Imbtepott  häbb'n! 
Niejen  Iwwer  est  'et, 
Töjjen  werd  et  äuk, 
Elb'n  drüiw'  ek  in. 
Müine  Kojje  sind  dicke, 
Hätt  Mälke  in  'en  Titte  — 
Imbtepott,  heb  I 
Diu  fiule  Kock,  heb! 


13.    Da8  Lied  ?om  Herrn  von  Falkenstein. 

1.  Eck  sach  müinen  Heern  van  Falkenstgin 
Na  süiner  Burg  uprüien; 

Qin  Schild  foire  h9i  bünoben  sick  beer, 
Blank  Schwert  an  süiner  Süien. 

2.  „Gott  gruisse  jufif  Heern  van  Falkenstcpin 
Sin  jü  des  Lannes  Qin  Heere? 

Seu  giwet  mü  w edder  den  Gefangenen  müin, 
Ümme  oller  Jungfrubben  Ehre!** 

3.  „„Den  Gefangenen,  den  eck  gefangen  häww', 
I)ä  es  mü  woern  siwwer ; 

Da  liggt  teun  Falkenstgin  in  'en  Täwwern, 
Dorin  sali  h^i  verfiulenl"" 

4.  „Sali  h^i  teu  Falkenstpin  in  'en  Täwwern, 
Sali  hgi  dorin  verfiulen? 

Ei,  seu  will  eck  tijen  de  Miwwern  treen, 
Un  helpen  L^ifken  trewwernl** 

5.  Un  9S  se  wall  tijen  de  Miwwern  tratt, 
H9er  S9i  ehr  LQifken  innen  — 

„Sali  eck  juff  helpen?    Datt  eck  nich  kann, 
Datt  nimmt  mü  Witt  un  Sinne!'' 


156 


6.  „„Na  Hills,  na  Hins,  müine  Jungfruwwe  zart, 
ün  trpistet  juwwe  armen  Waisen; 

Nemmt  juif  upp  dat  Johr  *n  annern  Mann, 
Da  juff  kann  helpen  trewwern!"** 

7.  „Nemm  eck  upp  datt  Johr  ^inen  annern  Mann, 
Büi  enne  mösst  eck  schlopen, 

Seu  ]9it  eck  dann  äuk  müin  Trewwern  nich, 
Schloig  hgi  müine  armen  Waisen. 

8.  Ei,  seu  woU  eck,  datt  eck  'en  Zelter  hedde, 
Un  olle  Jungfrubben  rien, 

Seu  woU  eck  mett  Heern  van  Falkenst^in 
Ümme  müin  Füinlgifken  strüienP 

9.  „„0  nai,  o  nai,  müine  Jungfruwwe  zart, 
Dess  mösst  eck  drejen  Schanne; 

Nemmt  jufT  juwwe  L^ifken  wall  büi  der  Hand, 
Trecket  jü  dormett  iut  'en  Lanne!"" 

10.  „Iut  düinen  Lanne  treck  eck  seu  nich, 
Diu  giffst  mü  denn  ^in  Schrüib'n, 
Wenn  eck  niu  komme  in  frömde  Land, 
Datt  eck  dorin  kann  blüib'n!" 

11.  Qs  söi  wall  in  de  graute  Höie  kam. 
Wo  liude  d^i  s$i  singen: 

„Niu  kann  eck  den  Heern  van  Falkenstgin 
Mett  müinen  Wewwern  betwingen. 

12.  Doer  eck  et  niu  nich  henne  s^jjen  kann, 
Doer  will  eck  et  denn  hcnn  schrüib'n, 
Datt  eck  den  Heern  van  Falkenstgin 
Mett  müinen  Wewwern  kann  twingeu!" 


14.    Brnchstiick  ans  einem  Liede. 

Seu  lange  dat  nä  geiget 

Met  Pulver  un  met  Blie, 

Seu  lange  blieben  wi  iusen  Fürsten 

Ter  Lippe  äuk  n&  trü.  — 

:,:  Zum  trullallallalla  :,: 

Zum  trulla,  und  die  Lipper,  die  sind  da ! 

Un  Qsse  wi  niu  keimen 
No'en  leiben  Paderbgm, 
Do  hadden  wi  9II  iuse 
Fahnen  verloem.  — 
Zum  trullallallalla 


Un  9sse  wi  niu  keimen 
Na  KpUen  an  den  Rhüin, 
Bekeken  us  de  Mekens 
Van  achter  un  van  vüern. 
Zum  trullallallalla.  .  .  . 


15.    OaHHenlieder. 

Hans  hätt'n  dicken, 
Hans  hätt'n  dicken, 
Hans  hätt'n  dicken 
Knäup  up'n  Stock; 
Jule  hätt'n  räue, 
Jule  hätt'n  räue, 
Jule  hätt'n  räue 
Müssen  up'n  Kopp 

J&i  i^j  jft«  JA- 
Jule  hätt'n  räue 
Müssen  up'n  Kopp. 


Ridder,  ridder,  Rättken, 
Lvisemanns  Jettken 
Sitt  vür  der  Düer 
Un  spielt  mett'n  Kättken. 


157 

IV.    Inschrift  auf  einer  jetzt  nicht  mehr  vorhandenen  hSIzernen 
Tafel  ans  der  Lemgoer  Ratskammer,  i) 

Urbis  si  fueris  rector  duodema  notabis. 
Wer  einer  Stadt  vorständer  iß 
De  mercke  twelfi  artickel  wiß. 

Unum  fac  populum,  communem  respice  fructum. 
Tbom  ersten  make  dat  volck  ein; 
Gemeinen  nut  saltu  an  seyen. 

Yim  des  expertis,  servetur  redditus  urbis. 
Unde  ghiff  macht  den  erfahren; 
Stades  gut  mit  truwen  ware(n). 

Crescat  et  in  melius,  tibi  sit  vicinus  amicus. 
Unde  dat  mere(n)  to  alier  tyd; 
Frund  dines  nabers  wes  an  uyd. 

Aeqaum  protege  jus,  et  stant  (1.  stet)  par  dis  et  egenis. 
Dat  rechte  recht  bescherme  yo ; 
Dem  armen  alß  dem  riken  do. 

Atque  statufa  tene  bona,  quae  sunt  mala  repelle. 
Unde  darto  halt  gude  säte; 
Alle  quad  mit  sinne  late. 

Et  dominum  terrae  cole,  dicta  tene  sapientum. 
Hebb  leff  dienen  landesheren, 
In  dogheden,  tucht  un  eren. 
Darto  holt  jo  der  w(e)i8en  rad, 
So  werd  die  vorstand  nummcr  quad. 

ürbs  nam,  quae  caret  bis,  raro  fulget  sins  cura. 
Welke  stad  dussen  ein  gebricht, 
De  schinet  sunder  sorghe  nicht. 

FRANKFURT  a.  M.  K.  \A^ehrhan. 


^)  Einem  Wunsche  des  Schriftleiters  des  Niederdeutschen  Jahrbuchs  nach- 
kommend, bringe  ich  die  von  Otto  Preuss  (Die  baulichen  Altertümer  des  Lippischen 
Landes.  2.  Aufl.  Detmold  1881,  S.  63  f.)  bereits  mitgeteilten  mnd.  Verse  hier 
zum  Abdrucke.  Eine  Vergleichung  mit  dem  28  Verse  bietenden  Spruche  Wultu 
eine  Stadt  regeeren,  eer  mit  truwen  vorwesen,  Busse  twolf  stucke  sc/^aUu  mercken 
unde  averlesen,  der  im  *  Deutschen  Magazin.  Hrg.  von  C.  U.  D.  v.  flogers^  ^^*  ^^ 
(Altona  1796),  S.  27  abgedruckt  ist,  war  beim  Mangel  dieses  Buchea  ^fc^t  mogVich. 


158 

Liüekenbüssep 

abgebrannt 


Nach  J.  Grimm,  Wörterbuch  1,  16  bedeutet  abgebrannt  *arm, 
von  Gel  de  und  allen  Mitteln  entblösst'.  Campes  Wörterbuch  erklärt 
'einer  Sache  beraubt,  davon  entblösst'.  Dem  lebenden  Sprach- 
gebrauche entspricht  m.  W.  nur  die  Bedeutung,  welche  'Der  richtige 
Berliner'  von  Hans  Meyer,  (6.  Aufl.,  Berlin  1904  S.  2)  anmerkt: 
'Abgebrannt,  ohne  Geld'.  Dieser  engeren  Bedeutung  entspricht  auch 
der  in  Grimms  Wörterbuche  verzeichnete  Beleg  Freilich  liegt  es 
nahe,  an  eine  Verengung  des  Sprachgebrauchs  zu  glauben,  sodass  mit 
dem  Worte  ursprünglich  'ein  abgebrannter  Mann,  der  das  Seinige  in 
einer  Feuersbrunst  verloren  bat'  gemeint  wäre. 

Die  nachstehend  zum  Abdruck  gebrachte  Schilderung  eines  alten 
Gesellenbrauches  eröffnet  die  Möglichkeit  einer  Herleitung  der  heutigen 
Bedeutung  zunächst  aus  der  alten  Zunftsprache.  *  Sie  gewinnt  dadurch 
erhöhte  Wahrscheinlichkeit,  dass  durch  sie  die  Beschränkung  der 
Bedeutung  auf  das  bare  Geld  von  vornherein  gegeben  ist 

Die  erwähnte  Schilderung  findet  sich  in  dem  Aufsatze  'über 
Missbräuche  und  Unordnungen,  so  unter  den  Handwerks-Gesellen, 
besonders  unter  den  Hutmacher-Gesellen,  in  Preussischen  Staaten  noch 
üblich  sind',  welchen  der  Hutfabrikant  Franz  Bock  in  Potsdam  in 
den  Annalen  der  Märkischen  Oeconomischen  Gesellschaft  zu  Potsdam 
Bd.  2,  Heft  3  (Potsdam  1796)  hat  abdrucken  lassen,  auf  S.  25  f. 
und  lautet: 

Vom  Abbrennen.  Diese  böse  Gewohnheit  geschiehet:  wenn  sie  [die 
Handwerksgesellen]  am  Montag,  Dienstag  und  Mittwoche  noch  auf  ihrer  Herberge 
schwärmen  und  nicht  alle  beisammen  sind;  so  sagt  einer  zu  dem  andern:  H**' 
oder  B**  (Geselle)  muss  wohl  arbeiten?  wir  wollen  hingehen  und  ihn  abbrennen. 
Dieser  arme  Geselle,  der  oft  keine  ganze  Schuhe  an  den  Füssen,  einen  zerrissenen 
Rock  und  kein  Hemde  hat,  und  gern  etwas  verdienen  will,  wird  nun  durch  8  oder 
10  Gesellen,  oder  soviel  an  dem  Orte  arbeiten,  abgebrannt;  für  alle  diese 
Müssiggänger  muss  er  Branntwein,  Bier  und  Semmel  aoschaflfen,  und  zwar  so 
reichlich,  bis  sie  alle  besoffen  werden,  alsdenn  muss  dieser  arme  Geselle  die  Arbeit 
liegen  lassen,  und  mit  diesen  Tagedieben  auf  ihre  Herberge  gehen.  Das  Feuer 
brennt  unter  den  Kesseln  ab,  der  Meister  oder  Fabrikant  verliert  sein  Holz, 
erhält  keine  Arbeit  von  seinem  Gesellen,  oder  die  angefangene  Arbeit  ist  halb 
verdorben  .  .  .    Dies  nennen  sie  abbrennen. 

Welche  ursprüngliche  Bedeutung  das  Abbrennen  der  Gesellen 
gehabt  habe,  ist  eine  besondere  Frage  Bock  hat  in  seiner  hier 
wiedergegebenen  Ausführung  die  Worte  'Das  Feuer  brennt  unter  den 
Kesseln  ab'  durch  fetten  Druck  hervorgehoben,  also  dem  Abbrennen 
des  Feuers  eine  besondere  Wichtigkeit  bei  dem  Gesellenbrauche  bei- 
gelegt. Indertat  wird  seine  Benennung  hiermit  zusammenhängen. 
Der   Gesell   soll   die   Werkstatt   nicht   verlassen,    solange   das   Feuer 


159 

unter  dem  Kessel  oder  auf  dem  Werkplatz  flammt.  Erst  wenn 
dieses  abgebrannt  ist,  kann  er  zur  Herberge  gehen.  Die  ihn  hier 
erwartenden  fremden  Gesellen  kommen  deshalb  in  seine  Werkstatt, 
um  das  Feuer  hier  zum  Abbrennen  zu  bringen.  Der  Meister  musste 
sich  diese  gewaltsame  Unterbrechung  der  Arbeit  seines  Gesellen  am 
Montage,  Dienstage  oder  Mittwoch  gefallen  lassen,  wenn  an  seinem 
Wohnorte  Brauch  war,  dass  an  diesen  Tagen  die  Gesellen  feiern  durften. 

CHARLOTTENBURG^  ^/V.  Seelmann. 


Anzeige. 

Das  Kieler  Denkelbok  herausgegeben  von  Frans  Gundlacli  [Mitteilungen 

der  Gesellschaft  für  Kieler  Stadtgeschichte,   24.  HeftJ,   Kiel,   Lipsius  und 

Tischer  1908.    XIX  u.  238  SS.    8». 

l5ie  Gesellschaft  für  Kieler  Stadtgeschichte  hat  in  den  letzten  Jahren,  wie 
der  angehängte  18.  Bericht  ergibt,  mit  allerlei  widrigen  Umständen  zu  kämpfen 
gehabt:  um  so  mehr  darf  man  ihr  Gluck  wünschen,  dass  Dr.  Gundlach,  den  die 
Stadt  Kiel  mit  Beginn  des  Jahres  1907  zur  Leitung  des  von  ihm  zuvor  geordneten 
Archivs  berufen  hat,  das  festgefahrene  Schiffiein  mit  einem  energischen  Ruck  wieder 
flott  macht,  indem  er  zunächst  durch  das  vorliegende  Heft  die  Publicationsserio 
der  Kieler  Stadtbücher  zum  Abschluss  bringt:  vorausgegangen  sind  das  älteste 
Stadtbuch  (ed  Hasse  1876),  die  Rentebücher  I  und  II  (edd.  Reuter  1891—93  und 
Stern  1904),  der  erhaltene  Teil  des  Erbebuchs  (ed.  Reuter  1896)  und  das  Varbuch 
(ed.  Luppe  1899).  Ist  die  Überlieferung  dieser  Quellengruppe  auch  unvollständig, 
so  besitzt  Kiel  in  ihr  doch  immerhin  einen  sehr  reichen  Stoff,  der  die  Wirtschafts- 
und Kulturgeschichte  der  Stadt  vom  Ausgang  des  13.  bis  zum  Beginn  des  17.  Jahr- 
hunderts eindringlich  zu  beleuchten  gestattet  und  auch  manches  für  die  politische 
Geschichte  abwirft. 

Der  Titel  ^Denkelbok',  der  sich  für  den  ganzen  hier  publicierten  Band  ein- 
gebürgert hat,  kommt  eigentlich  nur  dem  grössern  Hauptteil  zu:  für  diesen,  der 
im  J.  1490  angelegt  wurde  und  bis  1575,  mit  einzelnen  Eintragungen  bis  1588,  ja 
mit  Nachträgen  und  einer  Ratsliste  bis  1711  herunter  reicht,  wurde  nämlich  das 
freigebliebene  Papier  eines  Liber  copiarum  benutzt,  den  man  1465  begonnen,  aber 
bereits  1472  bei  Seite  gelegt  hatte;  auch  diese  Eintragungen  sind  also  in  unsere 
Pnblication  eingeschlossen.  Die  Sprache  ist  bis  zum  Schluss  des  Grundstücks 
niederdeutsch,  obwohl  sich  schon  in  der  ersten  Hälfte  des  16.  Jhs.  hochdeutsche 
Einflüsse  zeigen,  die  bei  dem  Schreiber  Hermannus  Sifrit  (1561—1575)  stärker 
hervortreten. 

Der  Herausgeber  hat  eine  sehr  sorgfältige  Scheidung  der  Schreiber  vor- 
genommen (s.  XI— XIV)  und  eine  knappe  Übersicht  über  den  Inhalt  (I.  Verwaltungs- 
sachen, II.  Gerichtssachen  s.  XIV— XVIII)  gegeben.  Beim  Abdruck  verfährt  er 
sehr  conservativ  und  erklärt  dies  damit,  dass  die  mittelniederdeutschen  Schreiber 
im  allgemeinen  nicht  so  zum  Eingreifen  und  Beschneiden  herausfordern  ^^^  ^^^^ 
hochdeutschen  Kollegen  mit  den  gräulichen  Consonantenhäufungen.     ^      \%t  schon 


160 

richtig,  aber  Unarten  wie  das  h  in  ßuderde,  mhan,  Jiernha  sollte  ein  Herausgeber 
doch  Dicht  dulden,  und  erst  recht  nicht  sollte  er  so  ein  fhu  vor  fl  in  das  Alphabet 
des  Glossars  einstellen. 

Im  übrigen  macht  der  Text  den  Eindruck  sicherer  Lesung,  er  ist  verständig 
interpungiert  und  sauber  gedruckt.  Der  Wortschatz  ist  ziemlich  reichhaltig  und 
ergibt  nicht  nur  gute  Belege,  sondern  auch  neue  Artikel  für  das  mittelniederdeutsche 
Wörterbuch.  Der  Herausgeber,  der  diese  Edition  seinen  ersten  Versuch  im  Nieder- 
deutschen nennt,  hat  auch  diesen  Dingen  seine  Aufmerksamkeit  nicht  entzogen: 
die  drei  Begister  sind  mit  Liebe  gearbeitet;  nur  muss  man  sich  merken,  dass  die 
interessantesten  Wörter  nicht  etwa  unter  III  *Wort-  und  Sachregister'  zu  finden 
sind,  sondern  unter  I  'Register  der  Personen  und  Ortsnamen'  und  II  Topographisches 
Register  der  Stadt  Kiel' !  Hier  sind  nämlich,  sachlich  nicht  unberechtigt,  aber  für 
den  Lcxicographen  doch  unerwartet,  eine  grosse  Anzahl  von  Appellativen  aus  den 
verschiedensten  Gebieten  des  öffentlichen  Lebens  untergebracht,  sodass  man,  um 
ein  paar  noch  bei  Lübben  und  Walther  fehlende  Wörter  herauszugreifen,  tegel- 
kyndere  ^jugendliche  Ziegelarbeiter'  (s.  159)  unter  den  Eigennamen  (I  S.  206), 
kerksworen  *Kirchgenerale'  (vielfach  belegt)  gar  unter  'Nicolaikirche'  (II  s.  215) 
findet.  Das  'Wortregister'  selbst  ist  mit  Erklärungen  gar  zu  sparsam:  so  ist  der 
Plural  futte  f.  vote,  vbte  doch  nicht  so  geläufig,  dass  jedermann  sofort  wüsste,  was 
uj)  fryen  fasten  futten  S.  77.  78  bedeutet :  dass  es  der  Herausgeber  verstanden 
hat,  bezweifle  ich  nicht,  obwohl  ich  es  bei  einem  nmd.  Glossar  noch  mehr  als 
anderwärts  rügen  muss,  dass  F  und  Y  getrennt  worden  sind.  In  dem  betr.  Stück 
(nr.  90),  das  (wie  manches  andre)  interessante  Zeugnisse  zur  Zeitgeschichte  (1524) 
liefert,  ist  übrigens  S.  77  Z.  15  v.  u.  mlver  und  galt  zu  lesen;  der  Herausgeber 
selbst  bittet  Z.  IS  v.  u.  rigea  (rügisch)  ther,  aake  zu  trennen,  wie  er  auch  S.  217 
Z.  5  V.  u.  deuestygis  (d.  i.  devesiyge)  statt  denestyge  zu  lesen  ersucht. 

Schliesslich  ein  Wort  über  den  Titel.  Dass  er  eine  Übersetzung  von  'Liber 
memorialis'  ist,  scheint  klar.  Es  ist  einiges  jener  merkwürdigen  Komposita  mit 
-el  im  ersten  Bestandteil,  die  ja  längst  bekannt  und  im  Mnd.  Wb.  verzeichnet  stehn; 
eine  besonders  grosse  Zahl  ist  mir  neulich  bei  der  Lektüre  der  'Bürgersprachen 
der  Stadt  Wismar'  aufgestossen,  die  Fr.  Techen  in  den  'Hansischen  Geschichts- 
quellen' herausgegeben  und  vortrefflich  erläutert  hat.  (Leipzig  1906).  Ich  notiere 
unbekanntes  längst  belegten  einordnend :  etheltoare,  gevelbeer  und  geveltoin,  Ibvdbeer 
(Kiel),  mekelgheltf  tappelmUe,  treekeUunne  (Rostock,  zu  treeken  'feierlich  aufziehen'). 
Femer  anderweit  okelpenning  'denarius  augmentabilis',  schouwelpenning  'nummus 
memorialis'.  Wann  und  wo  kamen  diese  auf  den  Nordosten  beschränkten  Bildungen 
aufV  Und  wirken  dabei  vielleicht  die  lateinischen  Bildungen  auf  -alis,  -üis  {me- 
morialis, comestibilis,  nupiialiSf  sponsalis,  festivaUs)  wenigstens  fördernd  mit  ein, 
in  ähnlicher  Weise  wie  dies  Polzin  für  die  hochdeutschen  Deminutiva  auf  -üCin) 
nachzuweisen  versucht  hat  ?  Dagegen  spricht  freilich,  dass  für  unser  Sprachgefühl 
von  heute  der  erste  Teil  verbaler  Natur  ist.  J.  Grimm  Gr.  II  540  hat  unsere 
Gruppe  übersehen,  wie  überhaupt  die  Wortbildungslehre  des  Mittelniederdeutschen 
bei  ihm  nicht  zur  Geltung  kommt  —  und  infolgedessen  allenthalben  vernachlässigt 
geblieben  ist. 

GÖTTINGEN.  Edward  Schröder. 


Berichtigung.    S.  4  §  4,  1  lies:  mit  fallendem  Acceat. 


Niederdeutsches  Jahrbuch. 


Jahrbuch 


des 


Vereins  für  niederdeutsclie  Sprachforschung. 


Jahrgang  1909. 


XXXV. 


NOßDEN  nnd  LEIPZIG. 

Diedr.  Soltau's  Verlag. 
1909. 


Ausarbeitungen,  dereu  Abdruck  im  Niederdentschen  Jahrbnche 

gewünscht  wird,  sind  dem  Mitgliede  des  Redactionsausschusses  Prof. 
W.  Seelmann,  Berlin  W.  15,  Pariser  Strasse  37  zuzusenden.  Die 
Zahlung  des  Honorars  (von  32  Mk.  für  den  Bogen)  erfolgt  durch 
den  Schatzmeister. 

Zusendungen,  deren  Abdruck  im  Eorrespondenz-Blatt  erfolgen 
soll,  ninmit  Dr.  C.  Walther,  Hamburg  24,,  Uhlandstra^se  59  entgegen. 

Die  Mitgliedsohaft  zum  Niederdeutschen  Sprachverein  wird  durch 
Einsendung  des  Jahresbeitrages  (5  Mark)  an  den  Schatzmeister  des 
Vereins  Herrn  Johs.  E.  Rahe,  Hamburg  I,  Gr,  Heichenstr.  11113  oder 
durch   Anmeldung  bei  einem  der  Vorstandsmitglieder   oder   Bezirks-  | 

Vorsteher  erworben.  i 

Die  Mitglieder  erhalten  für  den  Jahresbeitrag  die  laufenden  Jalir-  i 

gänge  der  Vereinszeitschriften  (Jahrbuch  und  Jforrespondenz-Blatt) 
postfrei  zugesandt.  Sie  sind  berechtigt,  die  ersten  fünf  Jahrbücher 
zur  Hälfte,  die  folgenden  Jahrgänge  sowie  alle  übrigen  Vereins- 
Veröffentlichungen  (Denkmäler,  Drucke,  Forschungen,  Wörterbücher) 
zu  Dreiviertel  des  Ladenpreises  zu  beziehen,  wenn  die  Bestellung  unter 
Berufung  auf  die  Mitgliedschaft  direkt  bei  dem  Verleger  Diedr.  Soltau 
in  Norden  (Ostfriesland)  gemacht  wird. 

Bis  auf  weiteres  können  die  Mitglieder  von  demselben  auch  das 
'Wörterbuch  der  Ostfriesischen  Sprache'  von  J.  ten  Doomkaat  Koolman 
(3  Bände  gr.  8*^  kartonirt)  für  15  Mark  (Ladenpreis  44  Mark)  post- 
frei beziehen. 

Bücher  oder  Sonderabzüge,  deren  Anzeige  oder  Besprechung 
gewünscht  wird,  sind  mit  dem  Vermerk  'Zur  Besprechung^  oder  dgl. 
dem  Verleger  oder  einem  der  anderen  genannten  Herren  zuzusenden. 


^>^-«»<i4>^^*M^ 


Niederdeutsches  Jahrbuch. 


Jahrbuch 


des 


Yereins  für  niederdentsche  Sprachforschnng. 


Jahrgang  1909. 


XXXY. 


NOIIDEN  Mll  LMia. 

Diedr.  Soltau's  Verlag. 
1909. 


Iiruok  ▼on  Diedr.  ßoltau  in  Norden. 


Inhalt. 

Seite 

Eine  neue  Quelle  für  Reutersche  Anekdoten.     Von  Ernst  Brandes     .    .    .  1 

Das  Lübische  Wörterbuch  des  Jacob  von  Melle.    Von  Colmar  Schumann  17 

Volkstümliche  Redensarten  aus  Lübeck.     Von  Colmar  Schumann.    .    .    .  81 

Ein  Sündenverzeichnis  des  15.  Jh.    Von  Joseph  Fritz 44 

Papphahne  als  Münzname.    Von  Franz  Heimann 46 

Pumpernickel.    Von  Aug.  Grabow 48 

Sprichwörter  und  Redensarten  aus  Lippe.    Von  K.  Wehrhan 56 

Niederdeutsche   Gedichte  aus   den   Üannöversch-Braunschweigischen  Landen 

von  1684—1726.    Von  H.  Deiter 65 

Über  germanische  Personennamen  in  Italien.     Von  H.  Saake 124 

Topographischer  Volkshumor  aus  Schleswig-Holstein.    Von  C.  F.  Meyer    .  136 

Anzeige :  Die  Chroniken  des  Klosters  Ribnitz  bearbeitet  von  Friedrich  Techen. 

Von  Edward  Schröder '. 151 


Eine  neue 
Quelle  für  Reuter'sehe  Anekdoten. 


Läusehen  nn  Rimels.!) 

Um  9 die  von  Schriftstellern  so  sehr  beneideten  und  so  glänzend 
geschilderten  Erfolge  eines  Verlags  kennen  zu  lernen^,  hat  Heinrich 
Hoffmann  von  Fallersieben,  wie  er  uns  in  seinen  Aufzeichnungen  und 
Erinnerungen:  ^Mein  Leben '^  ausführlich  schildert,  eine  ganz  eigen- 
artige Anekdotensammlung  einmal  selber  verlegt.  ;, Schon  lange  hatte 
ich  daran  gedacht^,  so  erzählt  er  aus  dem  August  des  Jahres  1849  2), 
^die  vielen  Geschichten,  Schnurren  und  Witze,  womit  ich  mich  und 
andere  zu  ergötzen  pflegte,  in  eine  Form  zu  bringen,  worin  sie 
meinen  Freunden  und  Bekannten  wieder  lieb  und  wert  würden.  Ich 
dachte  mir  eine  Gesellschaft  Von  Stammgästen,  die  sich  jetzt,  nachdem 
es  gefährlich  geworden^  sich  über  Politik  frei  auszusprechen,  auf 
harmlosere  Weise  unterhielten.  Jedem  besonderen  Charakter  sollten 
eben  die  demselben  entsprechenden  Geschichten  in  den  Mund  gelegt 
werden.  Ich  verteilte  den  Stoff  auf  eine  Woche,  also  sieben  Sitzungen.^ 
Nach  einer  Umarbeitung  war  das  Buch  Anfang  Januar  1850  fertig 
und  erhielt  zuerst  —  mit  Anspielung  auf  ein  altes  Schwankbuch  — 
den  Titel  ^Die  lustige  Gartengesellschaft^,  dann  ,yDer  Nationalklub^ 
und  schliesslich  „Das  Parlament  zu  Schnappet.  Für  Satz  und  Druck 
zahlte  der  Dichter,  der  das  Papier  selber  lieferte,  dem  Buchdrucker 
Dettmer  in  Rüdesheim  bei  einer  Auflage  von  1000  Exemplaren  13  FL 
Da  es  indess  mit  dem  Selbstverlag  doch  nicht  so  recht  gehen  wollte, 
wandte  sich  Hoffmann  an  seinen  Freund  Freiligrath  und  dieser  wies 
ihm  als  einen  ;,anständigen  Verleger^,  der  den  Vertrieb  übernehmen 
wollte,  W.  H.  Scheller  (Schaubsche  Buchhandlung,  Düsseldorf)  nach. 
Zu  dem  wanderte  denn  nach  kurzer  Vereinbarung  der  Bedingungen 
die  ganze  Auflage  in  zwei  neuen  Kisten,  ohne  dass  der  Dichter  je 
wieder  etwas  von  ihr  gehört  und  ausser  einigen  Musikalien  für  seine 
Frau  im  Werte  von  4  Talern  28  Groschen  je  etwas  bekommen  hätte. 


1)  Mit  einigen  Abänderungen  aus  der  Sonntagsbeilage  der  Voss.  Zeitung, 
1909,  Nr.  38  u.  34. 

2)  Mein  Leben  (6  Bände,  Hannover,  Carl  Rümpler,  1868),  Bd.  6,  S.  91  f.; 
vgl.  ausserdem  noch  S.  102  und  S.  107  f.  Gerstenberg  war  in  seiner  Hoffmann- 
ausgabe  (Berlin,  Fontane)  gezwungen,  vieles  aus  der  recht  breiten  Selbstbiographie 
des  Dichters  wegzulassen;  man  wird  aber  für  manches  PersönUc\xe  ^^^  Klein- 
Interessante  auf  das  Original  zurückgreifen  müssen. 

NiederdentBohes  Jahrbuch  XXXV.  \ 


In  der  Schaubschen  Buchhandlung  scheint  nun  auch :  „Das  Parlament 
zu  Schnappel.  Nach  stenographischen  Berichten  herausgegeben  von 
Hoffmann  von  Fallersleben^  verschollen  zu  sein ;  wenigstens  trägt  mein 
Exemplar  unten  nur  den  Vermerk:  „Bingerbrück  1850.  Selbstverlag. 
Auch  zu  haben  bei  Ant.  Wittig  zu  Bingen  am  Rhein.*,  aber  keine 
Angabe  des  Düsseldorfer  Kommissionärs;  es  ist  also  höchst  wahr- 
scheinlich von  Hoffmann  aus  Bingerbrück  seiner  Zeit  irgend  einem 
Freunde  zugesandt  worden. 

Unter  diesen  Umständen  kann  es  nicht  wunder  nehmen,  dass 
Hoffmanns  ,, Parlament  zu  Schnappel*  als  eine  Art  von  buchhänd- 
lerischem Unikum  höchst  selten  einmal  in  Antiquariatskatalogen 
angeboten  wird  (dann  übrigens  schon  zu  einem  ziemlich  hohen  Preise) 
und  dass  selbst  bedeutende  Literarhistoriker  von  dem  Buch  keine 
Kenntnis  haben.  Sonst  würde  diese  sehr  interessante  Anekdoten- 
sammlung z.  B.  bei  der  Quellenforschung  von  Reuters  Läuschen  un 
Rimels,  die  seit  Seelmanns  und  Boltes  grundlegender  Arbeit  im  ersten 
Bande  der  Reuterausgabe  des  Bibliographischen  Institutes  mit  Eifer 
betrieben  wird,  sicher  herangezogen  und  verwertet  worden  sein,  da 
eine  Reihe  von  Reuter^schen  Lauschen  mit  Hoffmann^schen  Anekdoten 
meist  ganz  auffällig  übereinstimmt. 

Der  erste  Fall,  der  hier  erörtert  werden  soll,  wird  zunächst 
unwichtiger  erscheinen,  zumal  er  sich  auf  kein  ganzes  Läuschen, 
sondern  nur  auf  die  Einleitung  oder  die  Vorrede  eines  solchen  bezieht. 
In  der  Schapkur  (I,  21)  sucht  Reuter  seinen  scharfen  Angriff  auf  die 
mecklenburgischen  Rittergutsbesitzer,  die  er  in  der  Person  des  un- 
gebildeten und  beschränkten  Herrn  Karbatschky  lächerlich  macht,  im 
Eingang  dadurch  etwas  abzuschwächen,  dass  er  dem  Kredit  der  Guts- 
besitzer seine  eigene  Kreditlosigkeit  gegenüberstellt:  Wenn  so  ein 
grosser  Herr  schreibe:  „Mein  lieber  Moses,  schickt  mich  mal  gleich 
auf  die  Stell  en  dausend  Daler  Geld,*  so  erhalte  er  es  umgehend; 
wenn  der  Dichter  es  aber  auch  mit  ^mir*  und  „mich*  richtig  mache 
und  bitte:  „Mein  lieber  Moses,  lieber  Freund,  wollt  Ihr  mir  nicht 
einen  Taler  leibn?*,  so  bekäme  er  doch  unter  keinen  Umständen 
etwas.  —  Man  hat  bereits  im  Niederdeutschen  Jahrbuch.  Bd.  29, 
S.  57  u.  55  (1903),  auf  eine  ganz  ähnliche  Anekdote  in  Raabes 
Mecklenburgischem  Volksbuch,  1846,  S.  226,  als  mutmassliche  Quelle 
Reuters  hingewiesen ;  ihr  Wortlaut  mag  zur  Ver^leichung  hier  folgen : 
„Mir  soll  der  Teufel  holen,  wenn's  nicht  wahr  ist,*  sagte  der  sehr 
wohlhabende  Schustermeister  L.  in  Schwerin  zu  seinem  Jugendgespielen, 
dem  Herrn  H.  „Aber  alter  Freund,*  entgegnete  dieser,  „er  holt  Euch 
wahrhaftig  nicht,  wenn  Ihr  so  sprecht,  sintemalen  der  Teufel  hoflfentlich 
richtig  deutsch  spricht  und  Euch  also  nicht  verstehen  wird.*  »Ach, 
das  ist  all  ein  Tun;  wenn  man  Kredit  hat,  so  verstehen  einen  alle 
Leute.  Parexemple:  wenn  Sie  unserem  Rothschild  schreiben:  „Schicken 
Sie  mir  mal  100  Stück  Louisdor*  —  so  schreibt  der  Jude  Sie  wieder: 
„Bedauere  sehr,  aber  habe  augenblicklich  nicht  so  viel  in  Kassa ;  und 
wenn  ich  denselben  Augenblick  zu    ihm  gehe   und  sage:    „Geben  Sie 


3 

mich  mal  100  Pistoletten,^  so  sagt  er:  ^^ Wollen  Sie  auch  mehr  haben, 
Herr  L.?"" 

Hoffmann  in  seinem  ^^Parlament  zu  Schnappel^,  S.  22  f.,  bietet 
dagegen  folgende  Fassung :  Ein  reicher  Schuhmachermeister  (in  Wolfen- 
büttel)   ,   er  lebte  jetzt  von  seinen  Zinsen ,   rief:  Markör, 

geben  Sie  mich  noch  eine  halbe  Bouteille!  —  Da  sagte  ein  junger 
Leutnant,  ich  glaube,  er  stand  in  Braunschweig  in  Garnison:  Herr 
Lüth,  warum  sagen  Sie  denn  immer:  geben  Sie  mich,  es  heisst  ja 
mir.  —  Sehen  Sie  mal,  Herr  Leutnant,  das  ist  ganz  einerlei,  ob  ich 
mir  oder  mich  sage.  Ich  will  Sie  sagen:  wenn  ich,  der  Schuster 
Lüth,  an  Moses  Amschel  schreibe:  Schicken  Sie  mich  mal  100 
Pistoletten  .  .  .,  Herr  Leutnant,  so  kriege  ich  se,  wahrhaftig,  ich 
kriege  se.  Sie  aber  können  schreiben :  Schicken  Sie  mir  und  mich 
einen  halben  Dukaten,  und  es  kommt  nichts   danach,    garnichts. 

Dass  Reuters  eingestreuter  Witz  der  Hoffmann'schen  Anekdote 
erheblich  näher  steht  als  der  des  Mecklenburgischen  Volksbuches, 
beweist  allein  schon  die  genau  übereinstimmende  Pointe;  fast  noch 
schwerer  wiegt  der  zunächst  geringfügig  erscheinende  Umstand,  dass 
der  ,Moses  Amschel'  Hoffmanns,  unter  dem  sich  natürlich  der  Roth- 
schild (=  Moses  Amsel  Rothschild)  des  Volksbuches  verbirgt,  von 
Reuter  in  einen  beiden  Anekdoten  fremden  einfachen  Moses  verkürzt 
ist.  Wenn  man  ferner  beachtet,  eine  wie  prägnante  und  leichte 
Fassung  unser  plattdeutscher  Dichter  der  Schnurre  gegeben  hat,  so 
möchte  man  beinahe  für  gewiss  annehmen,  dass  er  die  unmittelbar 
auf  die  Hoffmann'sche  Anekdote  folgende  Kritik  eines  anderen  Mit- 
gliedes der  Schnapperschen  Tafelrunde  gelesen  und  beherzigt  hat: 
Kürzer  gefasst  eine  gute  Geschichte.^) 

Keine  unmittelbare  Abhängigkeit  liegt  dagegen  bei  Läuschen  H, 
17  vor:  Täuw,  di  will  ick  betahlen.  Der  Kleinbürger  Seh  wenn  fragt 
hier  seinen  Nachbar  Glandt,  was  die  Worte  bon  jour  bedeuteten,  mit 
denen  ihn  der  Advokat  Besendahl  immer  begrüsse;  dieser  sagt  ihm, 
bon  jour  sei  ein  ganz  niederträchtiges  Schimpfwort,  und  rät  ihm,  den 
feinen  Herrn  mit  dem  noch  viel  schlimmeren  serviteur  abzutrumpfen; 
das  geschieht  denn  auch.  Hoffmann  S.  37—38  hat  die  Anekdote  nun 
in  folgender  Form: 

')  Anders  liegt  der  Fall  II,  23  (Dat  Best) ;  hier  hat  sich  Reuter  eng  an  die 
Anekdote  im  Mecklenburgischen  Volksbuch  184G,  S.  226  f.,  angeschlossen;  vgl. 
Ndd.  Jahrbuch,  Bd  29,  S.  57  (1903).  HoflFmann,  S.  K'5  f ,  hat  zwar  dieselbe  Pointe, 
aber  eine  ganz  andere  Situation  und  Erzählung:  Der  Buchhändler  Ferdinand  Irth 
legte  einen  grossen  Wert  auf  Novitätenrechnungen  und  stattete  selbige  sehr  sinn- 
reich und  geschmackvoll  aus.  Da  stand :  Zu  gefälliger  Auswahl,  schwarz  ge- 
druckt, Prüfet  alles,  rot  gedruckt,  und  das  Beste  behaltet,  in  Gold  gedruckt. 
Dann  folgte  zierlich  geschrieben  der  Name  des  werten  Empfängers  und  darunter 
die  Titel  der  beliebten  Bücher  mit  den  resp.  Preisen.  Der  Königliche  Ober- 
landsgerichtsauskultator  0.  L.  B.  W.  von  Lappenberg  war  auch  im  Laufe  des 
Jahres  mit  ganzen  Stösseo  Novitäten  nebst  derartigen  Rechnungen  beglückt.  Am 
Ende  des  Jahres  sendete  er  alles,  aber  auch  alles,  sogar  den  neusten  Termin- 
kalender, zurück  mit  den  aufrichtigen  Worten:  Ich  habe  alles  geprüft  und  das 
Beste  behalten  .  .  .  .  mein  Geld. 


Auf  dem  Baumhause  in  Hamburg  ist  ein  ewiger  Verkehr  von 
Leuten  aller  Nationen.  Meist  sieht  man  SchiiFskapitäne  und  Schiffs- 
makler. Mitunter  finden  sich  denn  auch  Hamburger  Erbgesessene 
ein,  weil  der  Porter  dort  eben  nicht  mehr  kostet  als  in  London  Tavern. 
Eines  Abends  tritt-  ein  französischer  Schiffskapitän  ein  und  grüsst  sehr 
freundlich:  Salut,  messieursi  —  Wat  will  de  Keerl?  fragt  Herr  Mey- 
boom,  ein  Hamburger  Schlachter.  —  Och,  sagt  ein  anderer,  dat  hett 
so  veel  as  du  Schaapskopp  I  —  I  de  verfluchte  Keerl  1  Wat  mott  i  k 
denn  seggen?  Dat  kann  ik  my  doch  nich  gefallen  laten.  —  Sech 
du  man,  wenn  he  wedderkummt:  bon  soir,  monsieur!  —  Wat  hett 
denn  dat?  —  Och,  dat  is  ook  so  watt  wie  Schaapskopp  —  Den  fol- 
genden Abend  stellt  sich  der  Franzose  wieder  ein  und  grüsst  sehr 
freundlich :  Salut,  messieurs !  —  Da  erhebt  sich  Meister  Meyboom 
und  schreit  ihm  mit  drohender  Hand  entgegen:  Bon  soir,  monsieur! 
un  nochmal  bon  soir,  un  nu  nochmal  bon  soir,  un  nu  gab  hen, 
Schaapskopp,  un  verklag  my! 

Darauf,  dass  die  äussere  Einkleidung  bei  Reuter  eine  andere  ist 
wie  bei  dem  mehr  grosszügigen  Hoffmann,  ist  weniger  Gewicht  zu 
legen  als  auf  die  verschiedenen  Grussformeln.  Die  Schlusspointe  ist 
freilich  gleich;  das  beweist  aber  zunächst  nur,  dass  die  beiden  Anek- 
doten eine  gemeinsame  Mutter  haben,  nicht,  dass  die  zeitlich  jüngere, 
also  die  Reuter'sche,  aus  der  älteren  hervorgegangen  ist.  Wie  vor- 
sichtig man  überhaupt  bei  der  Beurteilung  solcher  Fragen  sein  muss, 
erfuhr  ich  vor  zwei  Jahren  bei  einer  Kritik  der  übrigens  sehr  em- 
pfehlenswerten Läuschensammlung:  ^Biweg'  lang^  von  Felix  Stillfried 
(Rostock,  Koch),  die  unter  dem  Titel  ^^Messih''  eine  nur  in  der  Sphäre 
wieder  abweichende,  sonst  aber  schlagende  Parallele  zu  unserer  Reuter- 
anekdote bietet.  Der  Dichter  teilte  mir,  der  ich  halb  und  halb  an 
eine  unmittelbare  Anlehnung  glauben  wollte,  dann  brieflich  mit,  dass 
er  die  Schnurre  von  einem  Bekannten  gehört  und  die  Ähnlichkeit 
seiner  Geschichte  mit  der  Reuter^schen  erst  nachträglich  wahrgenommen 
habe.  Eine  andere  Stoffähnlichkeit  seiner  Läuschensammlung  mit  einer 
jüngeren  von  Paul  Warncke  in  „Snurrig  Lud*'  (Leipzig,  Voigtländer) 
hatte  aber  einen  anderen  ihm  bekannten  Herrn  zu  schwerer  Entrüstung 
über  diese  „Entlehnung*'  veranlasst,  obgleich  für  jeden  unbefangenen 
Beurteiler  irgend  eine  Abhängigkeit  ganz  ausgeschlossen  war.  -  Kann 
also  auch  in  unserem  Falle  nicht  angenommen  werden,  dass  Reuter 
die  Hoffmann'sche  Anekdote  vor  Augen  gehabt  und  unmittelbar  benutzt 
hat,  so  bleibt  doch  die  grosse  Stoffahnlichkeit  interessant,  umsomehr 
als  hier  zum  ersten  Mal  eine  Parallele  zu  dem  Reuter^schen  Läuschen 
nachgewiesen  werden  konnte. 

Ähnlich  liegt  die  Sache  bei  Lauschen  un  Rimels  I,  37 :  Dat 
Tausamenleigen.  Die  Geschichte  erzählt  in  breiter  Behaglichkeit  und 
mit  vielen  kleinen  Einzelausführungen  von  einem  mecklenburgischen 
Lügenmajor,  der  einen  Hirsch  zugleich  am  Gehör  und  Hinterlauf  ge- 
troffen haben  wollte.  Sein  Johann  hilft  ihm  den  zweifelnden  Gästen 
gegenüber    zwar    so  einigermassen    aus    der  Not   mit   der  Erklärung, 


dass  sich  das  Tier  gerade  am  Kopf  gekratzt  habe,  aber  die  Gäste 
fahren  doch  bald  kopfschüttelnd  fort,  nnd  Johann  bemerkt  dann  seinem 
Herrn:  „Sie  lügen  aber  auch  zu  weit  auseinander:  Kopf  und  Bein! 
Das  kriege  ich  auch  nicht  mehr  zusammengelogen.^  Schon  Hans 
Sachs  hat  diesen  alten  Schwank  in  seinem  Meisterlied :  „Der  verlogen 
edelmon'^  gereimt  i),  und  Reuter  stimmt  mit  ihm  inhaltlich  auch  über- 
ein. Eine  unmittelbare  Benutzung  dieser  Quelle  ist  aber  ausgeschlossen, 
und  andere  neuere  Überlieferungen  fehlen.  Da  ist  es  nun  von  Wich- 
tigkeit, dass  Hoffmann  diese  Anekdote  S.  199  f.  in  folgender  Gestalt 
bringt:  Herr  von  der  Decken war  ein  leidenschaftlicher  Jagd- 
liebhaber. Jedes  Jahr  gab  er  eine  grosse  Jagd  und  lud  dazu  alle 
seine  Freunde  von  nah  und  fern.  Wenn  das  Jagen  vorbei  war,  folgte 
ein  heiteres  Mittagsmahl.  Jeder  erzählte  dann  seine  Jagdhistörchen. 
Was  einem  doch  wunderliche  Dinge  begegnen  können!  begann  der 
Hausherr.  Da  schiesse  ich  heute  vor  acht  Tagen  einen  Sechzehnender 
dnrch  das  Gehör  und  durch  den  Hinterlauf.  —  Alles  lacht.  —  0  lachen 
Sie  nicht,  meine  Herrn!  Die  Sache  ist  ganz  richtig,  hier  steht  mein 
Zeuge.  Johann,  erzähle !  Du  warst  mit  dabei.  —  Johann  der  Jäger 
erzählt:  Allerdings,  der  gnädige  Herr  schoss  den  Sechzehnender  ge- 
rade, als  er,  nämlich  der  Hirsch,  nicht  der  gnädige  Herr,  sich  hinter 
den  Ohren  kratzte.  —  Heimlich  sagte  dann  später  Johann:  Lügen 
Sie  nur  künftig  nicht  so  weit  auseinander!  Ich  konnte  es  beinahe 
nicht  zusammenbringen. 

Reuters  Läuschen  hat  mit  dieser  Fassung  so  vieles  gemeinsam, 
dass  man  mit  gutem  Grunde  an  eine  ganz  unmittelbare  Beeinflussung 
von  Seiten  Hoffmanns  glauben  dürfte,  wenn  das  handschriftliche 
Anekdotenverzeichnis  des  Dichters,  das  er  nach  Gädertz  (Fritz  Reuter, 
Bd.  1,  Schriften  S.  133)  sich  Neujahr  1853  anlegte  und  bis  auf  170 
Nummern  brachte,  2)  nicht  die  Notiz  enthielte  (bei  Gädertz,  Reuter, 
Bd.  1,  Läuschen  un  Rimels  I,  S.  94):  Der  am  Ohr  und  Hinterfuss 
getroffene  Hirsch  (so  wid  ut'nanner  leigen).  Danach  aber  ist  es 
höchst  wahrscheinlich,  dass  Reuter  die  Anekdote  mindestens  zum  Teil 
plattdeutsch  hat  erzählen  hören.  Man  wird  also  annehmen  müssen, 
dass  entweder  Reuters  Gewährsmann  die  Geschichte  aus  dem  Parla- 
ment zu  Schnappel  kannte  und  dem  Dichter  nun  plattdeutsch  vortrug 
oder  dass  die  hochdeutsche  wie  die  plattdeutsche  Fassung  eine  und 
dieselbe  Urquelle  haben.  Von  geringerer  Bedeutung  sind  dabei  die 
Namen  der  Peisonen,  von  denen  die  Schnurren  erzählt  werden,  denn 
solche  werden  gerade  bei  Reuter  öfters  aus  bestimmten  Gründen 
geändert.  Immerhin  verdient  es  in  unserem  Falle  einige  Beachtung, 
dass    nach    einer    anderen    Notiz    bei    Gädertz    ein   in    Mecklenburg 


1)  Vgl.  Seelmann,  Reuterausgabe,  Bd.  I,  S.  897—8 

')  Dazu  kam  später  noch  ein  zweites,  s  Gädertz,  Reuter  Bd.  1,  Schriften 
S.  139  f.  und  Anhang  zu  Läuschen  un  Rimels  II,  S.  174.  Es  wäre  sehr  zu 
wänschen,  wenn  diese  beiden  Verzeichnisse  endlich  einmal  ganz  und  im  Zusammen- 
hange Yeröffentlicht  würden,  damit  jeder  Reuterforscher  sie  ^xbersehen  und 
benutzen  kann. 


6 

begüterter  Major  (;,Majur  von  Voss  un  de  Büchsenklapp*^)  in  dem 
Läuseben  gemeint  sein  soll.  Dieser  Major  y.  Voss  kommt  nun  auch 
in  dem  lustigen  Eriegskapitel  (21)  der  Reis'  nab  Belligen  und  in 
Läuseben  un  ßimels  II,  36  (De  scböne  Spandillg)  vor,  wo  wir  erfabren, 
dass  Voss  auf  dem  Rittergute  Grabowhöfe  gewobnt  bat.  Dies  liegt 
ein  paar  Kilometer  von  dem  grossen  Kircbdorf  Jabel,  das  in  Fritz 
Reuters  Leben  bekanntlicb  eine  so  grosse  Rolle  spielt,  weil  dort  des 
Dicbters  Lieblingsobeim  Ernst  Reuter  von  1811  bis  1845  Pastor  war 
(nacb  ibm  sein  Neffe  und  Schwiegersobn  Karl  Reuter  bis  zu  seinem 
Tode  1860)  und  weil  dort  Köster  Subr  lebte.  Unser  Major  v.  Voss 
aber  ist  auf  dem  kleinen  Kircbhof  zu  Sommerstorf  i)  etwa  IV2  Kilo- 
meter nördlicb  von  Grabowböfe,  beerdigt  worden ;  die  für  die  Reuter- 
forscbung  nicbt  unwicbtige  Inschrift  seines  Grabsteines  lautet:  Carl 
Friedrich  Christian  von  Voss,  Major  und  Kammerherr,  Erbherr  auf 
Tessenow,  geb.  d.  25.  Aug.  1780,  gest.  d.  20.  März  1838.  Neben 
ihm  ruht  seine  Gattin:  Frau  Louise  Hedwig  Johanna  von  Voss,  verw. 
gewes.  Gräfin  v.  Hahn,  geb.  v.  Wolffradt,  geb.  d.  13.  Nov.  1784,  gest. 
d.  30.  Jan.  1851.  Grabowhöfe  war  also  —  wie  man  hieraus  schon 
schliessen  kann  —  kein  Vosssches,  sondern  ein  Hahnsches  Gut  (und 
zwar  bis  vor  nicht  allzu  langer  Zeit);  Tessenow  dagegen  liegt  etwa 
eine  Meile  südlich  von  Parchim*.  Es  ist  sehr  wohl  möglich,  dass 
Reuter  schon  während  seiner  Schulzeit  in  der  letztgenannten  Stadt 
(1827 — 31)  von  dem  mindestens  doch  zeitweise  auf  Tessenow  wohnenden 
Major  mancherlei  vernommen  und  deswegen  später  auch  sein  Läuschen 
vom  Zusammenlügen  in  die  südlich  von  Parchim  sich  ausdehnenden 
Waldungen  des  Sonnenberges  verlegt  hat.  Er  mag  ihn  dann  aber 
auch  noch  vor  seiner  Festungszeit  bei  Besuchen  in  Jabel  persönlich 
kennen  gelernt  und  von  dem  sicher  originellen  Mann  auch  sonst  so 
viel  gehört  haben,  dass  Voss  zu  einer  Art  Lieblingsfigur  für  ihn 
wurde.  — 

Auch  für  das  Läuschen  I,  45:  Dat  heit  ick  anführen,  für  das 
bisher  keinerlei  Quelle  nachgewiesen  werden  konnte,  findet  sich  — 
ähnlich  wie  oben  —  eine  höchst  bemerkenswerte  Parallele  in  dem 
Parlament  zu  Schnappel.  Bei  Reuter  kocht  sich  ein  alter  geiziger 
Jude,  um  die  Feuerung  zu  sparen,  seine  dicken  Erbsen  auf  drei  Tage 
in  Vorrat,  was  bei  der  Sommerhitze  natürlich  die  Folge  hat,  dass  sie 
sauer  und  schimmlig  werden;  um  sich  nun  trotzdem  zum  Essen  zu 
bringen,  verspricht  sich  Levi  selber  ein  Gläschen  Kümmel,  das  er 
nachher   aber  wieder   in   die  Flasche   zurückgiesst   mit  den  Worten: 


1)  So  wird  der  Name  auf  den  älteren  mecklenburgischen  Karten  geschrieben. 
In  diesem  kleinen  Dörfchen  ist  bekanntlich  Joh.  Heinrich  Voss  als  spurius  der 
Tochter  des  Küsters  geboren.  Sein  Geburtshaus  ist  indes  seit  Jahren  nicht  mehr 
vorhanden:  es  soll  nach  Angabe  des  ältesten  Dorfinsassen  abgerissen  worden  sein, 
damit  der  Kirchhof  erweitert  werden  könne;  und  in  der  Tat  ist  an  beiden  Seiten 
deutlich  zu  sehen,  wo  die  neue  Mauer  angestückt  ist.  Die  alte  Küsterwohnung 
hat  in  der  jetzt  linken  Kirchhofsecke,  vom  Kingange  aus,  gelegen. 


„Da  hab'  ich  den  alten  Levi  angeführt!^  Diesen  Triumph  des  Geizes 
hat  Hoffmann,  S.  146  f.,  in  folgender  Fassung: 

Moses  Hitzig  in  Oflfenbach  —  —  ist  doch  ein  kluger,  ein 
gescheiter  Mann.  Eines  Morgens  begegnet  ihm  seine  Frau,  hat  eine 
Schüssel  voll  Erbsen  in  der  Hand,  will  damit  auf  den  Hof.  Memme, 
was  bringst  du?  —  Erbsen,  sein  verdorben,  sein  sauer  und  stinken, 
will  ich  sie  wegschütten,  die  isst  kein  Mensch  mehr.  —  Kein  Mensch? 
.  .  .  spricht  Hitzig,  will  ich  sie  essen.  —  Am  Mittag  muss  die  Memme 
die  Erbsen  bringen.  Der  alte  Hitzig  setzt  sich  davor,  sieht  sie  an, 
schnuppert  daran,  macht  ein  verdriesslich  Gesicht,  holt  eine  Flasche 
Branntwein,  schenkt  sich  ein  und  sagt  zu  sich:  Alter  Hitzig,  iss  die 
Erbsen!  iss  die  Erbsen I  kriegst  en  Schnaps!  —  Er  isst  sie  auf,  und 
als  er  ist  fertig,  giesst  er  den  Schnaps  wieder  in  die  Flasche:  Ah! 
hab  ich  den  alten  Hitzig  doch  angeführt! 

Reuters  handschriftliches  Verzeichnis  hat  unter  No.  53  die 
Pointe:  Hab^  ich  den  alten  Levi  angeführt.  Dazu  bemerkt  Gädertz, 
dass  nach  dem  Manuskript  Jude  Levi  in  (Neu-)Strelitz  gelebt  habe, 
was  wahrscheinlich  nur  so  viel  heissen  soll,  dass  in  der  Handschrift 
ursprünglich  statt  Bramborg  (=  Neubrandenburg)  Strelitz  gestanden 
hat.  Reuter  wird  dies  noch  vor  dem  Druck  getilgt  haben,  um  die 
Spuren  zu  verwischen,  und  dieser  Umstand  könnte  immerhin  dafür 
sprechen,  dass  es  in  Strelitz  einen  alten  geizigen  Juden  Levi  gegeben 
hat,  von  dem  auch  diese  Geschichte  erzählt  wurde.  Die  Gleichheit 
der  Pointe  in  beiden  Anekdoten  aber  beweist,  dass  sie  aus  einer 
Quelle  stammen  und  später  nur  verschieden  eingekleidet  und  lokalisiert 
worden  sind.   — 

Eine  ausführlichere  Besprechung  verlangt  das  Läuschen  II,  8: 
De  Körten.  Der  Baron  von  Sprudelwitz  in  Schwerin,  den  es  mehr 
zu  seiner  Pepita  treibt,  muss  Besuche  machen;  er  befiehlt  deshalb 
seinem  Johann,  die  Karten,  die  links  im  Schrank  liegen,  zu  holen 
und  auf  der  Fahrt  überall  rasch  eine  abzugeben.  Als  sie  nun  beim 
letzten  Hause  angelangt  sind  und  der  Baron  fragt,  ob  Jobann  noch 
eine  Karte  habe,  antwortet  der  ihm:  „Ja,  Herr,  Rutenburen.*  — 
Das  von  Reuter  hier  benutzte  Motiv  scheint  älter  zu  sein  und  findet 
sich  bereits  in  dem  1809  erschienenen  Lustspiel  Kotzebues:  Das 
Intermezzo  oder  der  Landjunker  zum  ersten  Mal  in  der  Residenz. 
Dort  lässt  sich  (Akt  III,  Scene  3)  der  gutmütige,  aber  ungeschickte 
und  wenig  erfahrene  Junker  Hans  von  Birken,  Erbherr  auf  Plumpers- 
dorf  in  Pommern,  von  einem  Berliner  Lohnlakai  dahin  belehren,  dass 
er  bei  allen  hohen  Herrschaften  zwar  Besuche  abstatten  müsse,  aber 
zur  Verkürzung  des  langweiligen  Geschäftes  bloss  Karten  in  den  ein- 
zelnen Häusern  abzugeben  brauche.  Er  weist  seinen  Bedienten  Matz 
nun  an,  sich  vom  Wirt  des  Gasthauses  Karten  geben  zu  lassen  und 
sie  in  der  Stadt  überall  da  herumzutragen,  „wo  so  ein  dicker  grosser 
Taugenichts  vor  der  Tür  steht,  mit  einem  Ordensband  von  rotem 
Tuch  mit  Silber  verbrämt.*'     Matz  macht  sich  mit   den  zwei  ganzen 


8 

Spielen,  die  er  bekommen  hat,  alsbald  auf  den  Weg,  aber  alle  Leute, 
denen  er,  von  Haus  zu  Haus  gehend,  die  Karten  anbietet,  lachen  ihn 
aus,  und  so  gibt  er  schliesslich  alle  miteinander  einem  ihm  auf  der 
Strasse  begegnenden  Herrn  mit  einem  Kreuzchen  auf  dem  Rock. 
Dieser  scheinbar  so  vornehme  Herr  ist  jedoch  ein  Spieler:  Baron 
Volta,  und  nimmt  das  gewaltig  übel;  seine  Verwicklung  mit  Matz 
führt  dann  aber  in  der  5.  Scene  zur  Bekanntschaft  mit  dem  Junker, 
der  nun  zum  Spiel  verlockt  und  betrogen  wird.  Kotzebue  hat  also 
das  Kartenmotiv  hier  für  seine  dramatischen  Zwecke  sehr  geschickt 
ausgenutzt;  aber  gerade  in  dieser  Verwertung  und  nicht  minder  in 
der  Ausführung  des  Ganzen  besteht  doch  zwischen  ihm  und  Reuter 
ein  so  grosser  Unterschied,  dass  nur  ein  ganz  loser  Zusammenhang, 
eine  Anregung  angenommen  werden  könnte.  Ausserdem  erfahren  wir 
aus  den  Reuternotizbüchern  (s.  Gädertz,  Reuter,  Bd.  1,  Schriften 
S,  140),  dass  der  Dichter  seine  Geschichte  wahrscheinlich  in  Treptow 
oder  Neubrandenburg  gehört  und  sich  mit  den  Stichworten:  der 
Bediente,  der  Karten  abgeben  soll.  Pikbur!  angemerkt  hat,  was 
eine  wenigstens  zum  Teil  plattdeutsche  Mitteilung  voraussetzt.  Aus 
dem  Pikbuben  ist  nun  freilich  im  Läuschen  selber  ein  Rutenbur  ge- 
worden, des  Rhythmus  wegen.  Wir  finden  ihn  aber  wieder  im  Par- 
lament zu  Schnappel,  S.  117: 

Frau  V.  Märzfeld  wollte  Besuche  machen.  Eben  ist  sie  in  den 
Wagen  gestiegen,  da  merkt  sie,  dass  sie  ihre  Visitenkarten  vergessen 
hat.  Sie  ruft  ihren  Jean  Paul,  der  ein  ganz  hübscher  Bursche  war, 
aber  von  der  Bedienten  Wissenschaft  noch  wenig  los  hatte:  Jean  Paul, 
hole  mir  meine  Karten!  Sie  liegen  oben  in  der  Schublade  rechts.  — 
Jean  Paul  geht  und  kehrt  wieder.  —  Wo  wir  niemanden  treffen, 
gibst  du  Karten  ab,  hörst  du?  —  Zu  befehlen,  Ew.  Gnaden!  — 
Jetzt  geht  die  Fuhre  ab.  Die  gnädige  Frau  findet  viele  Herrschaften 
nicht  daheim,  und  Jean  Paul  gibt  immer  Karten  ab.  Als  sie  eben 
beim  letzten  Hause  ankommt  und  wieder  niemanden  trifft,  sagt  sie: 
Jean  Paul,  hier  gib  3  Karten  ab!  —  Gnädige  Frau,  ich  habe  nur 
noch  Pikbuben  und  Herzendame. 

Dass  Reuter  statt  der  Frau  v.  Märzfeld  einen  im  Kladderadatsch 
zum  Witztypus  gewordenen  Baron  von  Sprudelwitz  hat,  ist  von  ganz 
geringer  Bedeutung,  und  auch  die  Kartenverdopplung  bei  Hoffmann 
macht  wenig  aus.  Dafür  zeigen  die  beiden  Bedienten :  der  französische 
Jean  Paul  und  der  deutsche  Johann,  eine  starke  Familienähnlichkeit, 
und  auch  der  an  sich  geringfügige  Umstand  verdient  Beachtung,  dass 
die  Karten  vergessen  worden  sind  und  sich  bei  Hoffmann  oben  in 
der  Schublade  rechts,  bei  Reuter  mit  kleiner  Veränderung  links  im 
Schrank  befinden.  Am  meisten  beweist  aber  der  beiden  Anekdoten 
ursprünglich  gemeinsame,  von  Reuter  im  Notizbuch  besonders  an- 
gemerkte Pikbur  dafür,  dass  beide  Geschichten  auf  dieselbe  Urquelle 
zurückgehen  müssen.  — 

Es  bleiben  nun  noch  zwei  Läuschen  übrig,  bei  denen  mit  grosser 
Wahrscheinlichkeit    eine    unmittelbare    Beeinflussung    Reuters    durch 


9 

Hoffmann  angenommen  werden  kann.  Der  Titel  des  ersten,  II,  16: 
;,Wenn  einer  deiht,  wat  hei  deiht,  denn  kann  hei  nich  mihr  dauhn, 
as  hei  deiht^  ist  zugleich  letzter  Teil  des  Mottos  vom  zweiten  Bande 
der  Läuschen  un  Rimels  und  ein  geflügeltes  Wort  geworden;  um  so 
kürzer  und  unbedeutender  ist  der  Inhalt  des  Geschichtchens.  Karl 
erzählt  seinem  Herrn  auf  Befragen,  dass  er  bei  Waterloo  tüchtig 
darauf  losgegangen  sei  und  einem  Feinde  sogar  beide  Beine  abgehauen 
habe.  ^Aber  weshalb  denn  die  Beine;  warum  hiebst  du  ihm  nicht 
den  Kopf  ab?**  „»Ja,  Herr,  der  Kopf  war  schon  ab.**'  —  Seelmann 
glaubt  in  der  Reuterausgabe  des  Bibliographischen  Institutes  die 
Quelle  dieser  Anekdote  in  den  von  G.  0.  Marbach  gesammelten 
Schnurren  (Volksbücher.  27;  Leipzig,  1842),  S.  80  gefunden  zu  haben, 
wo  sie  diese  Form  hat: 

Ein  anderer  (Gascogner)  erzählte,  er  habe  in  einer  Schlacht 
zwanzig  Feinden  Arme  und  Beine  abgehauen.  „Das  ist  grausam*, 
wurde  ihm  gesagt:  „Warum  schlugen  Sie  ihnen  nicht  gleich  die 
Köpfe  ab?*  —  „Hol  mich  der  Teufel*,  schrie  der  Gascogner:  „Die 
Kerle  hatten  keine  Köpfe  mehrl* 

Allein  die  Fassung,  in  der  Hoffmann  S.  195  den  anspruchslosen 
Schwank  vorträgt,  dürfte  trotz  mancher  zunächst  in  die  Augen 
fallender  Verschiedenheiten  der  Reuter^schen  noch  näher  stehen: 

Wenn  Sie  uns  auf  einem  faulen  Pferde  mal  ertappen  —  meint 
eins  von  den  Mitgliedern  des  Parlamentes  zu  Schnappel  — ,  so  müssen 
Sie  es  machen  wie  mein  alter  Oberst  Sengewald.  Ein  junger  Leut^ 
nant,  ein  braver  Soldat,  nahm  es  in  seinen  Erzählungen  auch  nicht 
80  genau.  Er  machte  mit  mir  die  Freiheitskriege  mit,  und  nach 
erlangtem  Abschiede  wurde  er  Gutsbesitzer.  Er  erzählte  eines  Abends 
viel  von  der  blutigen  Schlacht  bei  Belle-AUiance.  Ein  Fräulein  fragt 
ihn  endlich:  Herr  v.  Sparkäse,  erinnern  Sie  sich  keiner  Ihrer  Taten 
mehr  an  jenem  blutigen  Tage?  —  Ach,  es  zuckt  mich  heute  noch  in 
den  Armen,  es  ist,  als  ob  ich  zuhauen  müsste.  Ich  hieb  einem  fran- 
zösischen Grenadiere  das  linke  Bein  ab.  —  Das  Fräulein  unterbrach 
ihn:  Aber  warum. hieben  Sie  ihm  denn  nicht  den  Kopf  ab?  —  Mein 
alter  Oberst  rauchte  sein  Pfeifchen  und  fiel  schmunzelnd  ein:  Mein 
Fräulein,  den  hatte  er  nicht  mehr. 

Dem  Gascogner  mit  seinen  zwanzig  Feinden  steht  hier  eine 
deutsche  Situation  mit  der  Schlacht  bei  Waterloo  oder  Belle-Alliance 
und  einem  Feinde  gegenüber.  Die  Hoffmann'sche  Anekdote  hat  aller- 
dings einen  komplizierteren  Apparat  und  zeigt  besonders  am  Schluss 
eine  Verschiebung  der  Pointe.  Aber  gerade  diese  kürzte  sich  von 
selber,  nachdem  das  Ganze  vereinfacht  und  in  die  dem  plattdeutschen 
Dichter  gemässe  ländliche  Sphäre  übertragen  worden  war,  die  Reuter 
deswegen  schon  wählte,  weil  er  mit  dem  höheren  und  vornehmen 
Kreise  der  Hofimann'schen  Geschichte  nichts  Rechtes  anzufangen 
wusste.  Der  passte  nicht  zu  ihm,  nicht  zu  seinen  Leuten  und  nicht 
zu  seinem  Dialekt.  So  blieb  denn  von  den  vornehmen  Personen 
seiner  Quelle  nichts  weiter  übrig  als  der  Herr,  d.  h.  der  ^J5\x^%\)^Ä^Vier, 


10 

oder  vielmehr  in  diesen  wurden  der  Oberst  und  der  frühere  Leutnant, 
der  nachher  ja  auch  Landmann  geworden  war,  zusammengezogen. 

Noch  einleuchtender  als  hier  wird  im  nächsten  und  letzten  Falle 
Reuters  Abhängigkeit  von  Hoffmann  sein,  in  Läuschen  un  Rimels  II,  56 : 
De  Sokratische  Method'.  Der  Schulrat  Ix  (X)  aus  Ixenstein  besichtigt 
die  Dorfschule  zu  Ohserin,  aber  die  Kinder  und  nicht  weniger  ihr 
Lehrer  Rosengrün  sind  in  Angst  und  Verlegenheit  und  wissen  nichts. 
Da  greift  der  humane  Herr,  der  gut  geschlafen  und  gut  gefrühstückt 
hat,  mit  Menschenliebe  und  Sokratischer  Methode  ein  und  zeigt  seinem 
Untergebenen,  wie  man  Geographie  lehren  müsse.  Durch  den  Begriff 
der  Buße  bringt  er  mit  allerdings  sehr  nötiger  eigener  Nachhilfe  die 
Kinder  auf  den  Flussnamen  der  Busse,  die  dicht  am  Dorf  vorbeifliesst, 
durch  Hagel  auf  die  Havel,  welche  die  Busse  aufnimmt,  und  durch 
das  Zählen  bis  elfe  auf  die  Elbe,  in  die  die  Havel  mündet.  Nun  aber 
fällt  Rosengrün  ein  und  erklärt,  er  habe  die  neue  Methode  vollständig 
erfasst  und  wolle  jetzt  nach  ihr  weiter  unterrichten.  Er  lässt,  um 
festzustellen,  wo  die  Elbe  bleibt,  seine  Kinder  bis  zwölfe  zählen;  aber 
alles  schweigt,  als  die  entscheidende  Frage  gestellt  wird,  und  Rosengrün 
muss  sie  selber  beantworten:  „Stats  ,zwölfe'  müsst  ihr  ,Nordsee*  seggen.*' 

Diese  Anekdote  hat  ihr  ganz  ausführliches  Vorbild  im  Parlament 
zu  Schnappel,  S.  77  ff.: 

Unter  dem  Ministerium  Eichhorn  sollte  die  Sokratische  Lehr- 
methode auf  allen  höheren  und  niederen  Lehranstalten  eingeführt 
werden.  Die  höheren  gingen  nicht  darauf  ein:  den  alten  Professoren 
war  ihre  alte  Vortragsart  zu  lieb  geworden,  und  die  jüngeren  Dozenten 
konnten  keine  Studenten  dafür  gewinnen.  Das  Ministerium  wollte  aber 
doch  die  Sache  nicht  ganz  fallen  lassen  und  suchte  sie  nun  eifriger 
in  Bezug  auf  die  Volksschulen  zu  betreiben.  Jahr  und  Tag  war  ver- 
gangen, hohes  Ministerium  wollte  nähere  Nachrichten  über  den  Pürfolg 
haben.  Die  Schulkollegien  der  einzelnen  Regierungen  wurden  zum 
Bericht  aufgefordert,  und  diese  schickten  demnach  einzelne  Räte  ins 
Land,  die  Sache  in  Augenschein  zu  nehmen.  So  kommt  denn  ein 
Konsistorial-  und  Schulrat  zu  diesem  Zwecke  in  ein  Dorf  jenseits  der 
Elbe.  Er  fragt  nach  dem  Schulmeister.  Man  weist  ihn  in  die  Schule, 
wo  jener  eben  Unterricht  erteilt.  Der  Konsistorialrat  tritt  ein.  Der 
Schulmeister  wundert  sich  über  den  unerwarteten  Besuch.  —  Ich  bin 
der  Konsistorial-  und  Schulrat  und  beauftragt,  zu  untersuchen,  ob 
Sie  die  Sokratische  Lehrmethode  eingeführt  haben.  —  Sehr  wohl, 
Herr  Konsistorialrat!  —  Bitte,  wollten  Sie  nun  wohl  einmal  einige 
Proben  ablegen?  Worin  unterrichten  Sie  jetzt?  —  In  der  Erdkunde. 
—  Also  in  der  Erdkunde.  Gut.  Fangen  Sie  mal  an!  —  —  Der 
Schulmeister  fragt  und  fragt,  aber  die  Kinder  wissen  nichts.  Ärgerlich 
darüber  sagt  der  Konsistorialrat :  Ja,  lieber  Herr  Schullehrer,  das  ist 
auch  gar  nicht  die  rechte  Art  und  Weise,  Sie  müssen  die  Sache  an- 
bahnen, Sie  müssen  dem  Fassungsvermögen  der  Kinder  Rechnung 
tragen,  Sie  müssen  das  so  entwickeln,  so  herauslocken  aus  den  zarten 
Seelen  .  .  .  Ich  werde   mal  selbst   fragen.     Sagt  mal,   lieben  Kinder, 


11 

woran  liegen  wir  hier?  —  Alles  still.  —  Was  muss  man  tun,  wenn 
man  Böses  getan  hat?  —  Reu  und  Buße.  —  Recht  so:  Reue  und 
Buße.  Ihr  müsst  nur  nicht  sagen:  Buße,  sondern  Busse.  Woran 
liegen  wir  also?  —  An  der  Busse.  —  Recht  so:  An  der  Busse. 
Aber  sagt  mal,  lieben  Kinder,  worein  ergiesst  sich  die  Busse?  — 
Alles  still!  —  Was  fällt  vom  Bummel?  —  Regen  —  Was  noch  mehr? 

—  Schnee.  —  Was  noch  mehr?  —  Hagel.  —  Recht  so:  Hagel.  Ihr 
müsst  nur  nicht  sagen:  Hagel,  sondern  Havel.  Worein  ergiesst  sich 
die  Busse?  —  In  die  Havel.  —  Recht  so:  In  die  Havel.  Aber 
worein  ergiesst  sich  denn  die  Havel?  —  Alles  wieder  still.  —  Fangt 
mal  an  zuzählen!  —  Alle:  123456789  10  11...  —  Halt! 
elfe,  Ihr  müsst  nur  nicht  sagen  elfe,  sondern  Elbe.  —  Alle:  In  die 
Elbe!  —  0  Herr  Konsistorialrat  werden  erlauben,  dass  ich  nun 
fortfahre,  ich  weiss  schon,  wie  Sie  es  wollen.  —  Fahren  Sie  fort, 
lieber  Herr  Schullehrer !  fahren  Sie  fort !  —  Sagt  mal,  lieben  Kinder, 
worein  ergiesst  sich  denn  die  Elbe?  —  Alles  still,  ganz  still.  —  Fangt 
mal  an  zu  zählen!  —  Alle:  123456789  10  11  12...— 
Halt !  zwölf  Ihr  müsst  nur  nicht  sagen  zwölf,  sondern  ...Nordsee. 
Worein  ergiesst  sich  also  die  Elbe?  —  Alle:  In  die  Nordsee! 

Man  sieht,  Reuter  stimmt  in  der  Entwicklung  der  ganzen  Anekdote 

—  und  auch  in  manchen  nicht  weiter  hervorgehobenen  Nebensächlich- 
keiten —  genau  mit  Hoflfmann  überein,  besonders  darin,  dass  er  von 
einem  Flüsschen  Busse  ausgeht,  das  es  gar  nicht  gibt!  Gerade  dieser 
Umstand  ist  aber  für  das  unbedingte  Abhängigkeitsverhältnis  des 
plattdeutschen  Dichters  entscheidend,  in  dessen  zweitem  Anekdoten- 
verzeichnis (s.  Gädertz,  Reuter,  Band  1,  Schriften,  S.  140)  sich 
übrigens  auch  kurz  die  Pointe  vermerkt  findet:  Busse,  Havel,  Elbe, 
Nordsee,  ohne  dass  dies  hier  von  irgend  welchem  Gewicht  gegen  eine 
Entlehnung  von  Hoffmann  wäre,  wie  oben  in  anderen  Fällen.  Auch 
der  Umstand,  dass  die  Anekdote  in  Mecklenburg  lokalisiert  ist, 
spricht  keineswegs  dagegen,  mag  man  nun  mit  Seelmann  das  Läuschen 
nach  Rossow  an  der  Dosse,  in  die  mecklenburgische  Enklave  bei 
Neuruppin,  verlegen  oder  mit  Gädertz  in  Ohserin,  das  Kirchdorf 
Userin,  2  Kilometer  südwestlich  von  Neustrelitz,  erblicken,  weil  nicht 
allzuweit  nördlich  von  ihm  die  Havel  entspringt.  Der  Schwank  wird 
ursprünglich  ein  preussischer  gewesen  sein :  das  beweisen  das  Ministe- 
rium Eichhorn  und  die  verschiedenen  Einzelheiten,  die  Hoffmann 
zugleich  anführt.  Das  Dorf  ^jenseits  der  Elbe"  (d.  h.  rechts  von 
der  Elbe,  von  Bingerbrück  aus,  wo  der  abgesetzte  Professor  damals 
lebte)  ist  zunächst  zwar  so  allgemein  wie  möglich,  deutet  dann  im 
Zusammenhange  aber  schliesslich  auch  auf  Preussen  hin. 

Hoffmann  von  Fallersleben  hat  nach  Verlust  seiner  Breslauer 
Professur  1843  ein  vielbewegtes  und  recht  interessantes  Wanderleben 
geführt,  das  uns  seine  Selbstbiographie  vom  vierten  Bande  ab  mit 
tagebuchartiger  Weitläufigkeit,  aber  doch  meist  anziehend  schildert, 
wenn  für  den  guten  Geschmack  auch  die  Person  des  fahrende^^  Sängers 
etwas  zu  oft  in  einen  nicht  allzu  bedeutenden  Vordergrund  \x^\a'^  mag. 


12 

Einen  festeren  Punkt  gewann  der  TuoXuTpoTro;  März  1844  in  Mecklenburg, 
wo  ihn  sein   politischer  Gesinnungsgenosse  Rudolf  Müller   auf  seinem 
Pachtgut  Holdorf  bei  Brüel  bis  1850   oft  monatelang  gastlich  beher- 
bergte.   Von  hier  aus  wurden  nun  häufig  ^Kunstreisen*  und  Fahrten 
zu  benachbarten  und  entfernteren  Freunden  und  Gutsbesitzern  unter- 
nommen,   so   im  April   desselben   Jahres   schon   nach  Scharpzow   bei 
Stavenhagen,  wo  Karl  Müller,  ein  Bruder  Rudolfs,  wohnte.    Dort  fand 
sich  am  zweiten  Abend  auch  Fritz  Reuter  ein  und  erzählte  von  seiner 
siebenjährigen    Festungszeit    stundenlang    so    humoristisch,    dass    die 
Anwesenden   sich   garnicht   satt   hören    konnten   und  dass   Hoffmann 
ihn  mehrmals  dringend  bat,  alles  aufzuzeichnen  und  zwar  gerade  so, 
wie  er  es  eben  erzählt  habe  (Bd.  4,  S.  146).    Das  ist  damals  schwer- 
lich   geschehen,   aber   die   beiden   Männer    haben   sich    doch    kennen 
und  schätzen  gelernt     Irgend  ein  besonderer  literarischer  Zusammen- 
hang später  lässt  sich  allerdings  nicht  nachweisen  und  ist  auch  nicht 
einmal  zu  vermuten. l)     Nur   mittelbar  hat  ein  solcher  stattgefunden, 
und  zwar  eben   durch  das  ;,Parlament  zu  Schnappel^,   das  Hoffmann 
vom  Rhein  aus  seinen  alten  mecklenburger  Freunden  und  Duzbrüdern, 
insbesondere  Rudolf  Müller,  zugeschickt  haben  dürfte.     Durch  diesen 
kann    nun    auch    die    Anekdotensammlung    unserem     plattdeutschen 
Dichter,  vielleicht  bei   einer  seiner  Fusswanderungen  durch  Mecklen- 
burg in  den  fünfziger  Jahren,  irgendwie  bekannt  geworden  sein. 

II. 
Anderes. 

Es  ist  bereits  oben  erörtert  worden,  wie  schwer  bei  gleichem 
Gegenstande  das  Abhängigkeitsverhältnis  zweier  Schriftsteller  vonein- 
ander in  manchen  Fällen  zu  entscheiden  ist.  So  kann  es  denn  sehr 
wohl  möglich  sein,  dass  Hoffmann  verschiedene  von  seinen  Anekdoten 
in  Mecklenburg  gehört,  später  aber  in  andere  Verhältnisse  umgesetzt 
hat  und  dass  dieselbe  Geschichte  unserem  plattdeutschen  Dichter  aus 
derselben  oder  einer  ähnlichen  mecklenburgischen  Quelle  während 
seiner  Lehr-  und  Wanderjahre  zu  Ohren  gekommen  und  erst  nach 
Jahren,  doch  mit  getreuerem  Lokalkolorit  von  ihm  verwertet  worden 
ist,  ja  dass  in  einzelnen  Fällen  sogar  Reuter  die  Priorität  gebührt. 

Den  ein  oder  zwei  sicheren  Fällen  seiner  Abhängigkeit  von 
Hoffmann  können  wir  nämlich  ein,  vielleicht  sogar  zwei  Beispiele  aus 
dem  „Parlament  von  Schnappel"  gegenüberstellen,  wo  Hoffmann 
höchst  wahrscheinlich  von  Reuter  beeinflusst  worden  ist.  Bei  Gädertz, 
;,Aus  Fritz  Reuters  jungen  und  alten  Tagen^,  Bd.  3  (1901),  S.  155  f. 


1)  Wir  wissen  nur,  dass  Hoffinann  von  Fallersleben  Fritz  Reuter  besucht 
hat,  als  dieser  nach  Eisenach  übergesiedelt  war,  s.  A  Römer,  Fr.  Reuter,  S.  201. 
Ob  sie  auch  Briefe  gewechselt  haben,  steht  dahin;  jedenfalls  findet  sich  in  dem 
Huche  H.  Gerstenbergs:  An  meine  Freunde,  Briefe  von  Hoffmann  von  Fallersleben 
(Berlin,  1907)  nichts  auf  Fritz  Reuter  Bezügliches,  nicht  einmal  sein  Name  wird 
genannt. 


13 

yeröffentlicht  Moritz  Lazarus  (a.  d.  J.  1864)  einige  Erinnerangen  an 
den  Dichter,  aus  denen  eine  ältere  jenenser  Schnurre  besonders  her- 
aasgehoben  werden  muss: 

Auf  dem  Heimwege  erzählte  er  die  buntesten  Anekdoten,  auch 
aus  seiner  eigenen  Studentenzeit;  ein  Stück  harmlos-übermütiger 
Jugend  lebte  in  ihm  wieder  auf.  So  schilderte  er,  wie  er  mit  einigen 
jenenser  Kommilitonen  in  Apolda  seinen  'Knaster  den  gelben'  bei 
einem  originellen  Kaufmann  holte,  der  alles  doppelt  sprach.  £ines 
Tages  wollten  sie  es  ihm  gleich  tun  und  sehen,  was  für  ein  Gesicht 
er  dazu  machen  werde.  Es  entwickelte  sich  folgender  Dialog: 
„Guten  Tag,  guten  Tag!^  sprachen  die  Studenten  unisono.  —  „Guten 
Tag!  was  wünschen  Sie?  was  wünschen  Sie?*  —  „Zwei  Pfund  Knaster, 
zwei  Pfund  Knaster.''  —  Das  Geschäft  war  abgewickelt,  und  während 
der  Ladendiener  den  Tabak  einpackte,  zog  sich  der  Prinzipal  in  das 
Nebenstübchen  zurück  und  sagte  noch  auf  der  Schwelle  zu  seiner 
Frau:  „Närrische  Leute,  närrische  Leute,  sprechen  alles  doppelt, 
alles  doppelt!* 

Damit  ist  nun  zu  vergleichen,  was  HofFmann  a.  a.  0.  S.  57  f. 
erzählt: 

[Ein]  Kaufmann  ....  hatte  sich  angewöhnt,  immer  die  letzten 
Worte  eines  Satzes  zu  wiederholen.  Ein  Student  wusste  das,  und 
um  ihn  zu  necken,  ging  er  in  seinen  Laden  und  begehrte  etwas  mit 
diesen  Worten:  Ein  Lot  Schnupftabak,  Schnupftabak,  aber  von  dem 
besten,  von  dem  besten,  den  Sie  selber  schnupfen,  selber  schnupfen. 
—  Kaum  ist  der  Fremde  zur  Tür  hinaus,  so  eilt  der  Kaufmann  zu 
seiner  Frau  Liebsten:  Denk  dir  mal,  denk  dir  mal,  eben  war  ein 
närrischer  Kerl  da,  Kerl  da,   der  sagte  alles  zweimal,   alles  zweimal. 

Bei  der  Bestimmtheit,  mit  der  jenes  Geschiohtchen  als  Reuters 
eigenstes  Erlebnis  mitgeteilt  wird,  liegt  die  Annahme  nahe,  dass 
Hoffmann  es  in  seinen  mecklenburger  Tagen  ebenfalls  von  ihm  ge- 
hört hat.i) 


1)  So  ganz  unbedingt  sicher  ist  diese  Annahme  freilich  nicht,  denn  gerade 
Universit&tsgeschichten  vererben  sieb  oft  von  Generation  zu  Generation  und  werden 
dann  von  dem  jeweiligen  Erzähler,  um  der  Anekdote  ein  grösseres  Wahrheits- 
gepräge zu  geben,  gern  auf  die  eigene  Person  übertragen.  Dafür  ein  Beispiel. 
Babst  hat  in  seinen  Gedichten  („Allerhant  schBaaksche  Saken  tum  Tietverdriew'', 
Bd.  8,  S.  67  ff;  Rostock,  1790)  unter  dem  Titel:  De  Braden-Inspeckter  folgenden 
Schwank:  Vor  mehr  als  24  Jahren  kaufte  sich  einmal  ein  Bauer  auf  dem  Neuen 
Markt  zu  Rostock  beim  Garkoch  ein  Stück  Braten  für  einen  Groschen ;  aber  bevor 
er  es  verzehren  konnte,  trat  ein  „Schelm^  auf  ihn  zu,  fragte  nach  dem  Preise  und 
erklärte  den  für  viel  zu  hoch:  er  sei  der  Brateninspektor  und  wolle  das  Stück 
jetzt  auf  dem  Rathause  wiegen  lassen.  Damit  ging  er  durch  das  Rathaus  hindurch 
nach  einem  Keller,  wo  er  seine  Beute  zu  verzehren  begann.  Bald  darauf  kommt 
aber  auch  der  Bauer  zufällig  in  dasselbe  Lokal,  und  der  andere  kann  sich  vor 
dem  Erkanntwerden  nur  schnell  noch  dadurch  retten,  dass  er  sein  Gesicht  verstellt. 
Der  Bauer  fragt:  „Hett  He  dat  schewe  Muhl  lang  hatt?**  und  sagt  dann,  als  der 
Schelm  ihm  von  einem  Kriegsunglück  vorlügt:  „Sünst  woll  ick  Seggen,  dat  He 
hier  Gewiss  de  Brahd'n-Inspecter  wier.*^  —  Eine  ganz  ähnliche  Qe^ebicMe  findet 
sich  nun  in  „Felix  Schnabels  Universitätsjahren"  (Stuttgart,   1835;    'Keu^^^^  ^^^ 


14 

Auch  in  einem  zweiten  Falle  ist  es  nicht  unwahrscheinlich,  dass 
Hoffmann  von  Reuter  abhängt,  in  dem  Witz  von  dem  gebesserten 
Wege,  der  sich  in  Schurr-Murr  (Bd.  4,  S.  118  f.)  als  ein  Jugend- 
erlebnis des  Dichters  findet: 

Ein  gebesserter  Weg  war  der  Schrecken  der  Umgegend,  und  ich 
entsinne  mich  noch,  wie  ein  wohlmeinender  Pächter  einmal  zu  meinem 
Vater  sagte:  „Führen  S'  den  annem  Weg;  jo  nich  desenl  desen 
he w wen  wi  betert.^ 

Hoffmann  hat  dies  S.  73  in  folgender  Gestalt: 

In  den  letzten  Märztägen  [riet  mir]  ein  Bauer  im  Hundsrück,  als 
ich  die  alte  schlechte  Strasse  fuhr:  „Bleiben  Sie  ja  auf  diesem  Wege; 
der  andere  ist  gebessert,  und  da  ist  gar  nicht  durchzukommen.^  — 

Auch  sonst  berühren  sich  Hoffmann  und  Reuter  noch  in  mehreren 
Anekdoten  und  Witzen,  die  hier  kurz  folgen  mögen: 

Hoffmann,  S.  60: 

[Der  Pfarrer  fragt]  in  der  Kinderlehre:  Mein  Sohn,  welches  ist 
das  grösste  Fest  der  Christenheit?  —  Die  Schnappeier  Kirchweih 

Vgl,  damit  Reuter,  Schurr-Murr  (Bd.  4,  S.  145): 

Ein  Jahrmarktstag  war  ein  grosses  Fest,  und  unbedingt  hätte 
ich  mich  für  Hanne  Schlüters  Ansicht  erklärt,  der,  bei  der  Konfirmation 
nach  den  drei  christlichen  Hauptfesten  gefragt,  die  Antwort  gab : 
Wihnachten,  Pingsten  und  Harwstmark.  — 

Das  aus  der  Franzosentid  bekannte  „Tikzionnöhr  von  Pochen*' 
(Bd.  3,  S.  280)  findet  sich  auch  bei  Hoffmami  S.  197  ebenso  kurz 
als  „das  berühmte  Wörterbuch  von  Poche.''   — 

Das  Vorbild  für  die  Anekdote  von  dem  fe— igen  (statt  fähigen) 
Offizier,  die  Reuter,  Stromtid  I,  Kap.  10  (Bd.  2,  S.  185)  von  Axel 
V.  Rambow  und  seinem  Obersten  erzählt,  glaubt  Ricli.  M.  Meyer 
(Jahrbuch  1896,  Bd.  22,  S.  132)  in  Steinmanns  „Briefen  aus  Berlin*', 
Teil  2,  S.   161    (Hanau  1832)   gefunden  zu  haben,    wo  es  heisst:    Ein 


Otto  Jul.  Bierbaum,  Berlin,  Curtius,  1907),  S.  297  flf.  als  eigenstes  Erlebnis  von 
Schnabel,  „dessen  er  sich  sehr  rühmte  und  vor  Lachen  kaum  Worte  finden  konnte.  ** 
Hier  ist  der  Schauplatz  Jena,  und  der  Student  prellt  einen  Wurst  und  Semmel 
essenden  Bauern  auf  ganz  dieselbe  Art  wie  bei  Babst,  aber  doppelt  und  als  Wurst- 
inspektor. Die  Geschichte  entwickelt  sich  dann  auch  ähnlich  so  weiter:  Schnabel 
geht  in  den  „Adler*',  wo  er  Kredit  hat,  der  Bauer  ebenfalls,  weil  dort  sein  Fuhr- 
werk steht,  und  nun  kann  auch  der  Student  sich  auf  keine  andere  Weise  retteu 
als  dadurch,  dass  er  eine  Grimasse  schneidet  (:  „Schnabel  hatte  eine  eigene  Force, 
seinem  Gesichte  ganz  verschiedene  Formen  zu  geben,  er  war  ein  trefflicher  Fratzen- 
schneider**).  Der  Bauer  sagt  dann  schliesslich :  „Wenn  der  Herre  kein  schief  Maul 
hätte,  so  wollte  ich  druf  schwöre,  es  wärre  der  Herr  Wurst-Inspektor!**  Also 
nicht  bloss  der  Gang  der  Anekdote,  sondern  auch  die  Pointe  ist  genau  dieselbe. 
Und  doch  erscheint  die  Lokalfärbung  und  der  gauze  Vortrag  bei  Schnabel  so  echt, 
dass  man  diese  Geschichte,  die  sich  um  1830  in  Jena  zugetragen  haben  soll  (vgl. 
S.  123  if.),  zunächst  unbedingt  für  ein  Selbsterlebnis  hält.  In  der  Tat  wird  sie 
eine  alte  jenenser  Universitätsschnurre  sein,  die  spätestens  um  das  Ende  des  18. 
Jahrhunderts  auch  schon  nach  Rostock  kam,  was  sich  sehr  leicht  daraus  erklären 
lässt,  dass  die  Mecklenburger  (unter  ihnen  ja  bekanntlich  auch  der  alte  Amts- 
hauptmann Weber  und  sein  Bruder,  der  Rostocker  Professor)  damals  gern  und 
zahlreich  in  Jena  studierten. 


15 

Obrist  Ton  Adel  führte  einen  Offizier  in  den  Konduitenlisten  als  fähig 
auf,  schrieb  aber  nach  seiner  Orthographie:  feig.  Hoffmann  hat  S.  152 
diese  Schnurre  in  wirklicher  Anekdotenform: 

Es  ist  bekannt,  wie  ein  Regimentskommandeur  einen  jungen 
Leutnant  besonders  empfehlen  wollte  und  in  die  Konduitenlisten 
schrieb:  ein  sehr  feiger  Offizier.  Als  der  junge  Mann  nicht  be- 
fördert wurde,  erfuhr  der  Kommandeur,  warum,  und  rechtfertigte  sich: 
Dummes  Zeug!  ich  habe  ja  deutlich  genug  geschrieben,  da  steht's: 
fe  fa  i  fäi  ger  fä-i-ger!  — 

Eine  andere  Fassung  des  Postskriptums  im  zweiten  Fritz- 
Triddelfitzschen  Liebesbriefe:  Die  Liebe  wird  entschuldigen,  dass  ich 
dies  in  Hemdsärmeln  geschrieben  habe,  es  ist  eine  hahnebuchene 
Hitze  (Sttomtid  I,  Kap.  12;  Bd.  2,  S.  215)  —  liest  man  bei  Hoff- 
mann S.  142: 

Das  muss  man  den  Obersachsen  lassen,  höflich  sind  sie.  So 
schrieb  ein  Meissner  an  seinen  Braunschweiger  Freund :  Entschuldigen 
Sie  übrigens,  wenn  ich  Ihnen  heute  bei  der  drückenden  Hitze  in 
Hemdsärmeln  schreibe.  — 

Zum  Schluss  mag  hier  noch  eine  längere  Anekdote  aus  dem 
^Parlament  zu  Schnappel*'  angeführt  werden,  die  mit  einigen  Stellen 
in  den  ,,  Abenteuern  des  Inspekter  Bräsig"  (Schurr-Murr ;  Bd.  4,  S. 
62  ff.  und  83  f.)  eine  gewisse  Ähnlichkeit  zeigt,  jedenfalls  auch  frei- 
mauerischen  Charakter  hat.  Bei  Reuter  fällt  Bräsig  in  die  Hände 
eines  Gauners,  der  angeblich  „Meister  vom  Postwagen  im  Osten  und 
Westen  und  Ritter  mit  der  roten  Feder  von  der  Eisenbahn  dritter 
Klasse^  ist  und  sich  und  Bräsig  dadurch  freie  Fahrt  verschafft,  dass 
er,  „wie  der  Eiserbahnraensch  kommt  und  die  Billetter  einfordern 
will,''  dreimal  pfeift  und  bei  jedem  Pfiff  sich  mit  dem  Zeigefinger 
der  rechten  Hand  auf  die  Nase  schlägt.  Die  Pointe  ist  dann  freilich 
eine  harmlosere  und  eine  andere  als  bei  Hoffmann  S.  84  f.,  bei  dem 
die  Verspottung  des  Freimaurertums  viel  stärker  und  schroffer  her- 
vortritt : 

Ich  reiste  mit  der  Post  von  Minden  nach  Köln  —  so  erzählt 
einer  von  der  Schnappeier  Tafelrunde.  Auf  der  dritten  Station  stieg 
ein  junger  Kaufmann  aus  Münster  ein,  der  seinen  ersten  Ausflug  in 
die  Welt  machte.  Er  war  sehr  gesprächig,  sprach  über  allerlei,  und 
so  kam  er  denn  auch  auf  die  Freimaurerei.  Ja,  sagte  er,  ich  habe 
immer  gehört,  es  soll  von  ausserordentlichem  Nutzen  sein,  wenn  man 
so  auf  Reisen  ist  und  sich  überall  als  Freimaurer  vorstellen  kann. 
Ich  möchte  wohl  ein  Freimaurer  werden.  —  0,  bemerkte  ich  ihm 
darauf,  wenn's  weiter  nichts  ist!  Dazu  kann  ich  Sie  sogleich  machen: 
Sie  dürfen  nur  die  bekannten  Zeichen  sich  ganz  genau  merken. 
—  Sie  würden  mich  unendlich  verbinden,  wenn  Sie  mir  dieselben 
zeigten.  —  —  Ich  machte  sie  ihm.  Erstens  hielt  ich  den  Daumen 
der  rechten  Hand  an  das  Kinn  und  zitterte  mit  den  Fingern",  zweitens 
setzte  ich  den  Daumen  der  rechten  Hand  an  die  Nase  u^^d  zitterte 
mit  den   übrigen  Fingern;    drittens    verlängerte   ich    di^^^  V^S^^   ß^^^ 


16 

der  linken  Hand,  indem  ich  den  Daumen  der  linken  an  den  kleinen 
Finger  der  rechten  Hand  anfügte  und  deren  sämtliche  Finger  zittern 
Hess  .  .  .  Sehen  Sie,  sol  Dies  nannte  ich  das  Notzeichen.  Ich 
frage  nun  meinen  neuen  Schüler,  ob  er  jetzt  alles  begriffen  habe, 
und  lasse  ihn  das  Ganze  in  der  gehörigen  Reihenfolge  nachmachen. 
In  Köln  trennen  wir  uns.  Erst  nach  einem  halben  Jahre  sehen  wir 
uns  wieder.  Er  war  in  Frankreich,  ich  im  Süden  von  Deutschland 
gewesen.  —  Wie  geht's  Ihnen?  rede  ich  ihn  an.  —  0  ganz  gut.  — 
Was  macht  die  Freimaurerei?  —  Hören  Sie,  die  ist  mir  schlecht 
bekommen.  —  Wie  so?  —  Denken  Sie  sich!  als  ich  nach  Rheims 
komme,  setze  ich  mich  an  die  Wirtstafel.  Mir  gegenüber  sitzt  ein 
alter  französischer  Eolonel  und  speist  ein  Hühnchen.  Der  Mann 
scheint  mir  interessant,  und  ich  suche  seine  Bekanntschaft.  Ich 
mache  das  erste  Zeichen.  Er  sieht  verwundert  auf.  Ich  mache  das 
zweite,  er  stutzt.  Ich  glaube,  jetzt  ist  es  Zeit,  mit  dem  Notzeichen 
ihm  meine  Absicht  zu  verstehen  zu  geben  ....  steht  der  Kerl  er- 
grimmt auf  und  ....  schlägt  mich  hinter  die  Ohren.  —  So  weit  mein 
ehemaliger  Schüler.  0,  sage  ich,  da  haben  Sie  gewiss  die  Zeichen 
nicht  recht  gemacht.  —  Er  muss  sie  mir  vormachen  ....  Das  war 
sehr  ergötzlich!  Nun,  da  will  ich  Ihnen  sagen:  das  war  ein 
Meister  vom  Stuhl! 

DEMMIN.  Ernst  Brandes. 


17 


Das  Lübisehe  'Wörterbuch  des 
Jacob  von  Melle. 


Die  Stadtbibliothek  in  Lübeck  hegt  seit  mindesteDs  70  Jahren 
in  dem  Schatze  ihrer  Handschriften  ein  niederdeutsches  Wörterbuch 
von  Jacob  v.  Melle.  Kosegarten  und  nach  ihm  Schiller  und  Lübben 
haben  es  zu  Rate  gezogen,  sonst  ist  m.  W.  darüber  und  daraus  wenig 
mitgeteilt  worden.  Ich  selbst  habe  es  vor  einer  Reihe  von  Jahren, 
als  ich  zu  meinem  ;,Wortschatz  von  Lübeck^  sammelte,  nach  älteren 
Benennungen  für  Stand  und  Gewerbe  durchsucht,  aber  erst  jetzt,  auf 
Anregung  Dr.  G.  Walthers  in  Hamburg,  einer  genaueren  Durchsicht 
unterzogen.     Deren  Ergebnisse  veröffentliche  ich  hiermit. 

Jene  Handschrift  erweist  sich  als  das  Werk  zweier  geborener 
Lübecker,  des  Magisters  Jacob  v.  Melle  und  des  Kantors  Hermann 
Schnöbe  1.  Beide,  von  hause  aus  Theologen,  wurden  sogen.  Poly- 
historen. Sie  trieben  eifrig  und  erfolgreich  Geschichte,  Altertums- 
und Sprachkunde  und  erwarben  sich  sowohl  durch  ihre  reichen 
Kenntnisse,  zumal  lübischer  Dinge,  wie  durch  ihren  unermüdlichen 
Fleiss,  auch  im  Dienste  des  Gemeinwesens,  Ehre  und  Anerkennung 
über  ihre  engere  Heimat  hinaus. 

Johann  Jacob  v.  Melle  stammte  aus  einem  in  Quacken- 
brück  alteingesessenen  westfälischen  Geschlechte.  Sein  Vater  Ger- 
hard V.  Melle  verzog  nach  Lübeck  und  ging  hier  mit  der  Tochter 
des  Pastors  Stolterfoht  von  der  Marienkirche  die  Ehe  ein.  In  ihr 
wurde  Job.  Jacob  am  17.  Juni  1659  geboren.  Nicht  lange  danach 
verlegten  seine  Eltern  ihren  Wohnsitz  dauernd  nach  Kappeln  an 
der  Schlei  und  Hessen  ihn  in  Hut  und  Zucht  seines  Mutterbruders, 
des  Pastors  Krechting.  Dieser  erzog  und  unterrichtete  ihn  mit 
Hilfe  einiger  Lehrer  von  der  Katharinenschule  imd  brachte  ihn  soweit, 
dass  er,  erst  15jährig,  mit  tüchtigem  Wissen  ausgerüstet,  zum  Studium 
der  Gottesgelahrtheit  nach  Kiel  gehen  konnte.  Nach  2%  Jahren 
vertauschte  er  diese  Hochschule  mit  Jena.  Hier  wandte  er  sich  der 
Naturwissenschaft,  der  Philologie  und  der  Geschichte  zu.  Schon  im 
19.  Lebensjahre  machte  er  sich  daran,  eine  Geschichte  seiner  Vater- 
stadt zu  schreiben.  Die  Herausgabe  des  ersten  Teiles,  der  „historia 
antiqua  Lubecensis^,  verschaffte  ihm  die  Magisterwürde;  der  zweite 
und  der  dritte  Teil  folgten  binnen  weniger  Jahre  nach.  Nachdem 
Melle  sich  noch  kürzere  Zeit  in  Rostock  aufgehalten,  kehrte  er  in 
seine  Heimat  zurück.  1684  wurde  er  Prediger  an  der  Mariei^^i^^^®» 
1696  Hauptpastor  ebenda  und  1719  Senior  und  Vorsitzender  des 
geistlichen  Ministeriums.     Nach   langer,    in   und  ausser    ^^VrvetJ^  kmte 

Ni«derdentsotaes  Jahrbuch  XXXV.  % 


lg 

gesegneter,  Tätigkeit  und  nach  glücklichster  Ehe  mit  einer  Tochter 
des  Superintendenten  Pomarius  schied  er  hochhetagt  am  13.  Juni 
1743  und  hinterliess  viele  Söhne  und  Enkel.  Sein  Geschlecht  ist  noch 
nicht  ausgestorben  in  Lübeck. 

*  Die  uns  erhaltenen  zwei  ,,Nekrologe^  zeugen  von  seiner  Be- 
liebtheit und  seinem  Ansehen.  Eine  nicht  gewöhnliche  Arbeitskraft 
und  Schaffenslust  ermöglichte  es  ihm,  neben  seiner  ausgedehnten 
Amtstätigkeit  manche  andere  Wissensgebiete  zu  bestellen  und  sich 
durch  geschätzte  Schriften  einen  Namen  zu  machen.  Vor  allem  was 
seine  Vaterstadt  anging,  fesselte  ihn  zeitlebens  mächtig.  So  schuf  er, 
ausser  kleineren  Sachen  und  der  erwähnten  Erstlingsfrucht,  die 
^Gründliche  Nachricht  von  der  Stadt  Lübeck*  mit  einem  wertvollen 
Abschnitte  über  „Lübisches  Münzwesen*.  Dieses,  im  Drucke  erschienene, 
Werk  ist  ein  Auszug  aus  seiner  umfangreicheren  Handschrift  des 
gleichen  Inhaltes,  die  er  später  ins  Lateinische  übertrug  unter  dem 
Titel  „Rerum  Lubecensium  tomi  II*.  Von  hoher  Wichtigkeit  für 
Lübeck  ist  eine  andere  Handschrift  mit  Testamenten,  die  ihm  seine 
Beschäftigung  mit  dem  Niederstadtbuche  lieferte.  Im  Zusammenhang 
damit  schuf  er  die  Grundlagen  einer  ^Lübischen  Genealogie*.  Sie 
und  andere  grössere  Arbeiten  hat  er  selbst  mehrmals  abgeschrieben; 
so  auch  sein  Wörterbuch. 

Johannes  Hermann  Schnobel,  geboren  am  18.  Oktober  1727 
als  Sohn  des  Pastors  Schnobel,  trieb  die  gleichen  Studien  wie  Melle 
und  wirkte  dann  von  1756 — 1801  als  Lehrer  und  Kantor  an  der 
Katharinenschule.  Ein  Jahr  nach  seinem  Amtsaustritte  starb  er. 
Auch  er  verfasste  allerlei  deutsche  und  lateinische  Werke.  Als 
besondres  Verdienst  gilt,  dass  er  verschiedenes  von  Melle  teils  um- 
gearbeitet, teils  weiter  gefuhrt  hat,  darunter  die  Geschlechtslisten,  die 
Münzsammlung  und  das  Wörterbuch. 

Über  dessen  Handschrift  äussert  sich  Kosegarten  auf  Seite  IX 
der  Vorrede  zu  seinem  nur  begonnenen  „Wörterbuch  der  nieder- 
deutschen Sprache  älterer  und  neuerer  Zeit*,  Greifswald  1860,  fol- 
gendermassen : 

9  Das  Manuskript  bildet  einen  Quartband  und  befindet  sich  auf 
der  Stadtbibliothek  zu  Lübeck.  Es  ist  noch  in  der  Anlage  geblieben ; 
viel  Raum  ist  für  Nachträge  offen  gelassen,  und  bisweilen  ist  den 
eingeschriebenen  Wörtern  die  Bedeutung  nicht  hinzugefügt.  Öfter 
sind  auch  kleine  Sätze  und  Stellen  aus  alten  Büchern  und  Urkunden 
mitgeteilt,  imgleichen  Namen  der  Männer  und  Frauen.  Die  Wörter 
folgen  in  alphabetischer  Ordnung  auf  einander.* 

Diese  zutreffende  kurze  Beschreibung  werde  durch  weitere  An- 
gaben ergänzt. 

Der  Quartband  besteht  aus  holländischem  Papier  und  zählt  756 
gebrochene  Seiten.  Ursprünglich  hat  Melle  nur  die  linke  Spalte  in 
regelmässigen  Abständen  und  mit  kräftigen,  deutlichen  Buchstaben 
beschrieben.  Spätere  Zutaten  Melles  und  Schnobeis  füllen  zum  Teil 
die  Zwischenräume  und  ziehen  sich  auch  auf  die  rechte  Spalte  hinüber. 


id 

Einige  Seiten  sind  dadurch  bis  zur  Unleserlichkeit  überladen.  An 
den  schlimmsten  Stellen  hat  Schnobel  Zettel  mit  deutlicher  Abschrift 
oder  mit  seinen  Zusätzen  eingeklebt,  bei  „Jodute^  ein  ganzes  Quart- 
blatt mit  Phil.  Chr.  Ribbentrops  Aufsatz  über  dieses  Wort,  ent- 
nommen dessen  ^Beschreibung  der  Stadt  Braunschweig^  vom  J.  1798. 
Seine  Hauptarbeit  an  unserer  Handschrift  hat  er  damit  geleistet,  dass 
er,  im  Besitze  des  literarischen  Nachlasses  Melles,  dessen  „Auctarium^, 
eine  das  Wörterbuch  ergänzende  Sammlung  von  Redensarten  und 
Belegen,  in  jene  übertragen  bat.  Aus  welch  äusserem  Anlasse  er  sich 
solcher  Mühe  unterwunden  hat,  Hess  sich  nicht  ermitteln,  ebensowenig, 
wo  die  Urschrift  hingeraten  ist.  Daber  ist  nicht  überall  sicher  zu 
entscheiden,  ob  wir  Melles  oder  Schnobeis  Worte  vor  uns  haben;  denn 
auch  die  Schriftzüge  sind  bei  aller  sonstigen  Verschiedenheit,  vielleicht 
absichtlich,  mitunter  einander  zum  Verwechseln  ähnlich. 

Zwischen  Wörterbuch  und  Titelblatt  hat  Schnobel  seine  Abschrift 
der  Melle'schen  Vorrede  eingeheftet,  vor  dem  Titel  zwei  Quartblätter 
mit  alphabetisch  gereihten  Namen  von  Pflanzen,  Speisen  und  Arzneien 
aus  der  folgenden  Wortsammlung,  sowie  zwei  andere  mit  Nachrichten 
über  einige  hochdeutsche  und  niederdeutsche  Wörterbücher  und  son- 
stige gelehrte  Schriften  aus  den  ;, Göttinger  Anzeigen*.  Auf  ihrer 
letzten  Seite  hat  Schnobel  die  folgenden  Sätze  vermerkt:  In  hoc 
lexico,  magna  confecto  industria,  multae  voces  obscuriores  ac  rariores, 
in  omni  Saxonia  inferiori  olim  usurpatae,  hodie  vero  inusitatae,  et 
perpaucis  ideo  tantum  cognitae,  declarantur  et  illustrantur.  Ita 
judicat  de  hoc  opere  Job.  Henr.  a  Seelen,  S.  S.  Th.  Licent.  et 
Rector  Lubecensis,  in  memoria  vitae  b.  auctori  scripta  et  exsequiarum 
die  1743  21.  Juni  publicata  ac  distributa.  Es  ist  dies  die  Gedächtnis- 
rede, in  der  Seelen  das  Lexicon  und  das  Auctarium  Melles  aus«- 
drücklich  als  zwei  einzelne  Werke  aufzählt.  Auf  dem  Titelblatte  steht 
von  Melles  Hand:  ;, Lexicon  Linguae  Veteris  Teutonicae,  quae  vulgo 
de  Plattdüdesche  Sprake  vocatur*';  darunter  von  Schnobeis:  „item 
Auctarium  significationes  vocum,  Etyma  et  phrases  linguae  illius  con- 
tinens."     Unten  auf  die  Seite  hat  Melle  selbst  geschrieben :  „Horatius 

de  Arte  Poetica  v.  69   sqq verborum   vetus    interit   aetas   Et 

juvenum  ritu  florent  modo  nata  vigentque."  Der  Buchrücken  trägt 
die  Bezeichnung:  „Lexicon  Linguae  Veteris  Teutonicae*', 
darunter  den  späteren  Zusatz:    „Von  Melle.^ 

Die  Handschrift  muss  innerhalb  der  ersten  vier  Jahrzehnte  nach 
Schnobeis  Tode  auf  die  Stadtbibliothek  gelangt  sein,  genaueres  habe 
ich  nicht  erkunden  können.  Deren  Verwalter  war  von  1847  bis  1862 
Professor  Ernst  Deecke,  der  Herausgeber  der  „Lübischen  Sagen* 
und  anderer  auf  Lübecks  Vergangenheit  bezüglicher  Schriften.  Ein 
Geistesverwandter  Melles  und  Schnobeis,  hat  er  bei  seinen  Sprach- 
forschungen die  Handschrift  benutzt  und  dabei  hie  und  da  einzelne 
Wörter,  meist  naturwissenschaftliche  Benennungen,  flüchtig  und  zum 
grössten  Teil  ohne  Erklärung  auf  die  rechte  Spalte  geworfet^-  Seine 
Mitarbeit  ist  also  nur  gering. 


20 

Nur  die  bisher  beschriebene  Handschrift  war  Kosegarten  und 
anderen  bekannt.  Nun  aber  ist  im  Jahre  1899  unter  Schriftstücken, 
welche  aus  dem  Archive  der  „Gesellschaft  für  Lübische  Geschichte 
und  Altertumskunde**  vor  etwa  10  Jahren  an  die  Stadtbibliothek  ab- 
geliefert worden  sind,  eine  zweite  aufgetaucht,  und  zwar  die  letzte 
und  vollständige  Abschrift.  Sie  weist  lediglich  des  gealterten  Melles 
Hand  auf.  Ihre  Seitenzahl  beträgt  nur  450,  denn  die  Wörter  stehen 
ziemlich  dicht  untereinander.  Auch  hier  ist  noch  mancher  Ausdruck 
auf  der  rechten  Spalte  nachgetragen.  Die  Abweichungen  von  der 
ersten  Handschrift  sind  unbedeutend.  Der  Titel  ist  derselbe,  natürlich 
ohne  Erwähnung  des  „Auctarium*'.  Ein  Unbekannter  hat  dazu  ge- 
setzt: „Auetore  Jacobe  a  Melle^,  und  auf  dem  Rücken:  „Lexicon  der 
plattdeutschen  Sprake  von  Jac.  a  Melle. **  Der  Fund  setzt  uns  in  den 
Stand,  an  vielen  Stellen  zu  erkennen,  ob  etwas  von  Melle  oder  von 
Schnobel  herrührt.  Er  verschafft  uns  zugleich  die  Urschrift  der 
Vorrede. 

Diese,  wie  das  ganze  Werk,  lateinisch  verfasst,  gibt  uns  Auf- 
schluss  darüber,  was  Melle  bewogen  hat,  die,  nach  seiner  eigenen 
Erklärung,  äusserst  mühevolle  Herstellung  eines  plattdeutschen  Wörter- 
buches in  Angriff  zu  nehmen  und  bis  an  sein  Lebensende  fortzuführen. 
Ihn  bekümmert  tief  die  Missachtung,  mit  welcher  der  niederdeutschen 
Zunge  überall  begegnet  wird,  trotzdem  so  manche  gelehrte  Männer 
tapfer  für  sie  eingetreten.  Sie  verdient  ihm  schon  deshalb  grössere 
Beachtung,  weil  sie  vor  dem  Hochdeutschen  den  Vorzug  des  Alters 
und  der  Urwüchsigkeit  besitzt  und  in  ihr  die  alte  deutsche  Sprache 
in  weniger  veränderter  Gestalt  fortlebt.  Dies  sucht  er  an  mehreren 
älteren  Namen  darzuthun,  die  sich  aus  dem  Plattdeutschen  leichtlich 
erklären  Hessen.  Hier  steht  er  samt  seinen  Gewährsmännern  auf 
dem  naiven  Standpunkte  seiner  Zeit:  Arminius,  Herminius, 
Hermann  ist  eins  mit  westfälisch  Harm,  Bock^  Thumelico  mit 
oldenburgisch  Themel,  Fohlen^  Thusnelda  bedeutet  gar  die  to  litis 
Snelle.  Jene  enge  Verwandtschaft  des  Niederdeutschen  mit  dem  Alt- 
deutschen und  den  übrigen  germanischen  Mundarten  und  zugleich 
seine  Wortfülle  ins  rechte  Licht  zu  rücken  und  so  uimmstösslich 
festzustellen,  dass  diese  seine  Muttersprache  dem  Hochdeatschen 
durchaus  das  Wasser  reiche,  das  ist  Melles  höchst  rühmenswertes 
Bestreben.  In  diesem  Sinne  sagt  er  von  der  „plattdüdeschen  Sprake* 
und  seinem  Ziele:  „Hanc  igitur  linguam,  nobis  Lubecae  natis  ac 
degentibus  vernaculam,  qua  Circuli  inferioris  Saxoniae  Westphalicique 
incolae  et  eorum  vicini  utuntur,  quum  antiquissimo  Teutonum  idio- 
mati  magis  ac  quaevis  alia  respondeat,  haud  immerito  linguam 
vetermi  Teutonicam  vocamus  simulque  ob  aetatem  aliasque  graves 
causas  magnifacimus.*  Der  Kummer  über  ihre  Verkennung  und  die 
Erfolglosigkeit  der  bisherigen  Gegenversuche  leiht  ihm  die  Worte: 
„At  surdis  fuit  narrata  et  hodie  adhuc  narratur  fabula,  adeoque 
tan  tum  abest,  ut  ulla  linguae  pristinae  restituendae  spes  supersit,  ut 
illam   potius  in   dies   magis   magisque  fore  abolendam,   imo   tandem 


21 

penitus  esse  interituram  certo  existat  certius.*'  Unmittelbar  darauf 
kündet  er  seinen  Entschluss :  ;,No8  igitur,  summa  hujus  rei  indignitate 
moti,  quum  ferre  nou  possimus,  quod  nobilis  illa  et  antiqua  Patrum 
lingua  memoria  pariter  ac  ore  hominum  prorsus  excidat,  vocabula 
ipsius  et  loquendi  modos,  nobis  partim  quotidiano  usu  notos,  partim 
atUem  apt*d  scriptores  veteres  domesticos  et  in  membraniis  patriis  qtiam 
plurimis  observatos,  diligenter  in  chartam  conjicere  et  ab  interitu 
vindicare  operae  pretium  censuimus.*'  Nachdem  er  dann  noch  betont 
hat,  dass  er  sich  auf  keinen  Vorgänger  habe  stützen  können,  sondern 
den  ganzen  Stoff  selbst  habe  zusammen  bringen  müssen,  schliesst  er 
mit  den  für  seine  Denkart  bezeichnenden  Worten :  „Interim  nos  Lexicon 
vernaculum  horis  subcisivis  concinnantes,  haud  illibenter  tulimus  et 
tandem  quoque  superavimus  istiusmodi  molestias,  imo  laborem  hunc 
non  tam  gravem  atque  taediosum  quam  leyem  potius  noununquam 
et  jucundum  fuimus  experti,  quem  in  gratiam  posteritatis  et  perennem 
sermonis  patrii  memoriam  libenter  ac  propenso  animo  in  nos  susce- 
pimus.^     Name  und  Jahr  fehlen. 

Das  Wörterbuch  selbst  sucht  seiner  Bestimmung  in  jeder 
Hinsicht  gerecht  zu  werden.  Es  umfasst,  wie  ein  ^Nekrolog*  rühmend 
heryorhebt,  rund  20000  Wörter,  darunter  viele  Personennamen,  zumeist 
mit  Vermerk  des  Geschlechtes  und  möglichst  aller  Synonymen  sowohl 
in  lateinischer  wie  in  hochdeutscher  Sprache.  Der  Bedeutungsangabe 
folgen  bei  Stammwörtern  gewöhnlich  die  Formen  verwandter  Sprachen, 
vor  allen  des  Gotischen,  des  Codex  argenteus,  dann  auch  des  Angel- 
sächsischen, Englischen,  Holländischen  (Belgischen),  Dänischen,  Schwe- 
dischen, Isländischen,  Lateinischen,  Griechischen,  Italiänischen  und 
Französischen  und  zeugen  von  des  Schreibers  Hang  zur  vergleichenden 
Sprachkunde.  Sehr  oft  ist  die  Tonsilbe  durch  ein  Schrägstrichelchen 
kenntlich  gemacht  und  daraus  zu  ersehen,  dass  man  damals  den 
zweiten  Stamm  zusammengesetzter  Wörter  noch  häufiger  hervorhob 
als  heute,  z.  B.  in  afr/elen,  aft^ren,  af^^ken,  Bispele  u.  a  Dasselbe 
Wort  ist  je  nach  der  wechselnden  Schreibung  2 — 4mal  aufgenommen, 
teils  immer  in  gleicher  Ausführlichkeit,  teils  kürzer  mit  Hinweis  auf 
eine  andere  Stelle,  so  Born  und  Boom;  Bok,  Bock,  Boek;  Ant,  Aant, 
Aent,  Ahnt.  Ebenso  getreulich  findet  man  die  ablautenden  Zeitformen 
der  starken  Verben  und  unregelmässige  Pluralbildungen  von  Sub- 
stantiven besonders  und  einzeln  aufgeführt.  Um  so  auffallender  ist 
das  von  Kosegarten  gestreifte  Fehlen  der  Bedeutungen  in  so  vielen 
Fällen.  Sie  verteilen  sich  ziemlich  gleichmässig  auf  sämtliche  Buch- 
staben und  treffen  so  gut  leichtverständliche,  wie  seltnere  Ausdrücke. 
Solche,  wie  Watersuppe,  uthönen,  utkreien,  haben  das  genau  entsprechende 
hochdeutsche  Wort  hinter  sich ;  dagegen  Sarkdregker,  Sleusterbane,  kiken, 
fortwisen  und  ebenso  Windelasch,  Wruck  u.  a.  m.  stehen  blank  da. 
Bei  Melle  sind  es,  soweit  ich  sehe,  nur  Wörter  der  Umgangssprache, 
bei  Schnobel  aber  auch  andere,  z.  B.  aus  Gryse  und  au^  Chyiraeus 
entnommene.  Diese  Lücken  sind  nicht  einmal  in  der  z^^^\,etv  Hand- 
schrift geschlossen,  obwohl    hie    und    da  VervoUständigutx^ö^  'V^  ^^" 


22 

merken  sind.  Da  nun  im  allgemeinen  weder  Hast  noch  Lässigkeit 
noch  Unkenntnis  die  Ursache  zu  sein  scheint,  so  bleibt  die  Sache 
auch  mir  ein  Rätsel. 

Was  die  schriftlichen  Quellen  angeht,  so  ist  bald  Verfasser  und 
Schrift,  bald  nur  das  eine  oder  das  andere  angegeben,  und  zwar  teils 
ausgeschrieben,  teils  mehr  oder  weniger  gekürzt;  manches  kommt  mit 
verschiedener  Benennung  vor.  Die  Jahreszahl  ist  nirgends  zu  lesen, 
bei  den  nicht  in  Lübeck  herausgegebenen  Büchern  auch  nicht  der 
Druckort. 

Melle  selbst  verweist  auf  12  Originalwerke  oder  Übersetzungen : 

1)  De  Biblie  mit  vlitigber  achtingbe  recht  na  deme  latine  in  Dudesk  aaer- 
ghesettet.  Mit  vorluchtinghe  und  Glose  des  hochghelerden  Postillatoers  Nicolai 
de  Lyra  unde  anderer  velen  hillighen  doctoren.  Lub.  1499.  (Die  Anfubrung 
geschieht  immer  nur  mit:  Lyr.  Bibl.,  Lyr.,  L.  B.,  Bibl.  Lub.). 

2)  Psalterium  Manuscr.,  (Psalt.  Mscr.),  ohne  nähere  Bezeichnung,  welche 
der  auf  der  Stadtbibliothek  vorhandenen,  aus  dem  15.  Jahrhundert  stammenden 
Handschriften  gemeint  sei. 

8)  Bock  van  de  Navolghinghe  Jesu.  Eine  1498  gedruckte  Übersetzung  des 
bekannten  Werkes  von  Thomas  a  Kempis. 

4)  Passionale  efter  der  Hillighen  Levendt,  gedruckt  1499. 

5)  Lübisches  Niederstadtbuch,  liber  civitatis,  beginnend  um  1311. 

6)  Lübische  Eöstenordnung  von  1582. 

7)  Detmars  Lübische  Chronik,  geschrieben  um  1400,  gewöhnlich  unter  dem 
Zeichen  Lect.  Franc,  d.  i.  lector  Franciscus,  Franciskaner- Lesemeister. 

8)  Chronicon  Lubecense  oder  Epitome  Lectoris  Francisci,  Auszug  der 
vorigen  Schrift. 

9)  Wendische  Kroneke,  Fortsetzung  Detmars. 

10)  Keineke  de  Vos,  1498. 

11)  Hennynk  de  Han,  die  ziemlich  wertlose  Dichtung  des  Hamburgers  Sparre 
(Renner),  1732. 

12)  Hermann  Bonnus'  Elementale  in  usum  puerorum,  niederdeutsch  1559 
in  Magdeburg  erschienen. 

Schnobel   hat  ausserdem   die  nicht  lübischen  Werke  benutzt: 

1)  Nicolaus  Gryse's  Laienbibel,  Rostock  1604. 

2)  desselben  Spegel  des  antichristischen  Pawestdoms,  ebd.  1583. 

3)  David  Chytraeus'  in  Rostock  Schriften.    Genaueres  fehlt. 

4)  Gerhard  Oelrichs'  Glossarium  ad  Statuta  Rigensia  (dat  Ridderrecht), 
Bremen  1778. 

5)  Richey's  Hamburger  Idioticon,  1755,  und  für  die  Bnchstaben  A  bis  D: 

6)  Job.  Mothii  Quaestiones  grammaticae,  d.  i.  Moht's  deutsch-lateinisches 
Wörterbuch,  Hamburg  1617.  —  Hie  und  da  findet  sich  wohl  noch  ein  anderer 
Schriftsteller. 

Zur  Erläuterung  und  Sprachvergleichung  sind  vornehmlich  heran- 
gezogen: Ol.  Wormius,  de  Danica  Literatura  (1636)  und  desselben 
Monumenta  Danica  (1643);  Joh.  Peringskiold,  Vita  Theodorici 
(Holmiae  1699)  und  desselben  Notae  ad  Cochlaei  vitam;  0.  Sper- 
ling, Testamentum  Absolonis  Archiepiscoiri  Lundensis  (Hafniae  1698); 
Ol.  Rudbeckius,  Atlantica  plantarum  (Upsalae  1675 — 96);  Acta 
Eruditorum  (Leipzig  1712  u.  fgg);  Franc.  Junius  Glossarium 
Gothicum  (Holm.  1670);  Hadr.  Junius,  Nomenciator  germanice  et 
belgice  (Antwerp.  1576);  Georg  Stjernhclm,  Glossarium  Ulphilo- 
Gothicum  (Holm.  1670);  Schrevelius,  Lexicon  manuale  latino-graecum 


23 


(Leipz.  1690);  Hannot,  Nieuw  Woordenboek  der  Nederlandische  en 
Latynische  Tale  (Amsterd.  1704);  Dietr.  v.  Stade,  Erläuterung  und 
Erklärung  Deutscher  Wörter  in  Luthers  Bibelübersetzung  (Stade  1711); 
G.  Dan.  Morhoff,  Unterricht  in  der  Teutschen  Sprache  und  Poesie 
(Kiel  1682,  Lübeck  1702). 

Als  Probe  der  Handschrift  diene  der  wortgetreue  Abdruck  eines 
Blattes,  nämlich  der  Seiten  75  und  76  der  ersten  Reinschrift,  mit 
Gegenüberstellung  des  Abweichenden  in  der  zweiten.  Die  beiden  ein- 
gerückten Namen  stammen  von  Deecke. 


U.  1. 

berömet,  clarus,  celebris,  berühmt 

Beroop,  m.  vocatio,    Beropinge,  id. 

beropen,  beruffen,  vocare,  inclamare, 
ber&pskrut 

berören,  attingere,  berühren. 

berörich,  vegetus,  bey  guten  Kr  äfften. 

beronen,  berauben,  spoUare. 

Berouinghe,  /.  depraedatio,  Beraubung;  it.  privatio, 
spciiatio. 

bersten,  rumpi. 
bersvnn 

berüchtet,  famosus,  berühmt. 

berüchtighen,  diffamare. 

berücken,  f allere. 

berue,  probus.  v.  Auct.  p.  57.  Lect.  Franc,  ad  an. 
1391  de  Senator e  Lubecensi  Godeke  Trauelmann 
dioü:  Sin  Dat  was  menighen  Hinsehen  leih,  wente 
he  was  ein  berue  saiich  Mann.  An  berue  vox  con- 
tractu bederue?  an  veroper  transpositionem  literarum 
braue,  braf,  fortis? 

berüken,  beriechen,  subolere,  clfacto  explorare. 

berurt.  Den  pockygen  vnd  sehen  Mynschen  in  berurten 
Sieden,  d.  i.  in  Sieden,  wo  die  Buhe  herrscht  — 
a/.  in  berührten  Steden,  i.  e.  dictis  ciuitatibus  — 
synde,  geue  ick  eynen  SchyUingk  in  de  Handt. 
Test,  antiq.  Lub.  an.  1548. 

beruwen,  bereuen. 

beryfelt,  v.  berifelt. 

berjflick,  beryuen.    Rieh.  p.  213. 

Beryf,  ick  hebb  myn  Beryf.  id. 

besabbelen,  sputo  inquinare, 

besaken,  v.  vorsaken. 

besaluen,  salben,  iniungere,  besalben. 

sik  besammeln,  congregari,  sich  versammeln. 

Besäte,  /. 

beacelden,  prouocare,  appellare  superius  Judicium. 

beschafen,  beschaben. 

beschaffen,  auslichten. 

beschapen  syn,  comparatum  esse,  beschaffen  seyn. 

Beschapenheyt,  /.  modus,  conditio,  Beschaffenheit. 

beschatten,  obumbrare;  it.  confiscare,  beschatten  edder 
in  den  ghemenen  Kasten  bringhen,  pecuniam  exigere 
ab  aliquo.     Oelr.  p.  359. 

Besched,  m.  Bescheid,  responsum. 

beschedeghen,  offendere,  lacdere,  beschädigen. 


H.  2. 

fehU. 

nur  deutsch. 

fehü. 


ohne  die  zwei  letzten 
Worte. 

fehU. 


nur  —  p.  57. 


ohne  fSubolere*. 
fehü. 


fehU. 
fehU. 
fehU. 

fehlt, 
ohne  salben. 


die  2  letzten  Worte  fehlen. 


,qualitas'  zugefügt, 
fehlt 


24 


H.  1. 

beschedelik,  determinate.     Oelr.  p.  36(). 

beschedeliken,  scilicet,  nemlich,  cum  detcrminaiione. 
Oelr.  jp.  260. 

beschäden,  modestus,  bescheiden,  Suec.  heskiedelich. 
it.  definitum,  determinatum  Bescheden  Tyd.  Oelr, 
p.  259. 

bescheden,  definire,  assignare,  bescheiden;  it.  constituere, 
deccrnere.  Oelr.  p.  260.  ÄucL  p.  34.  Morgen 
Klocke  9  byn  ik  bescheden,  hora  nona  crastina 
mihi  est  praefinita.  Beschedene  Jare,  anni  definiti; 
beschedene  Tyt,  certum  et  definüum  tempus.  Einem 
bescheden  don,  haustu  potus  respondere,  praebibenti 
havMu  respondere, 

Beschedenheitf  /.  modestia,  Bescheidenheit. 

beschedentlyck,  moderate, 

beschedigen,  edder  vorswigen,  laedere, 

bescbelden,  in  iure  suo  increpare,  einen  an  seinen 
Ehren  und  Stande  berüchtigen.  Oelr,  p,  260, 
Bescheiden,  vituperare  sententiam  et  ad  superioris 
recognitionem  prouocare,     Oelr.  p.  260. 

Bescheldinghe,  prouocatio,   Berufung.      Oelr.  p.  261. 

bescheren,  concedere,  donare;  tondere.  v.  Stade 
p.  119  sq. 

beschermen,  defendere,  tueri,  beschirmen. 

Beschermer,  m.  defensor,  Beschirmer. 

Bescherminghe,  /.  Schutz,  defensio,  clientela,  Be- 
schirmung. 

bescheten,  stercore  inquinatus,  beschissen. 

beschimmeln,  mucescere, 

beschimpen,  convüiari,  subsannare,  ignominia,  con- 
tumelia  afficerCf  beschimpfen. 

beschinigheD,  probare,  bescheinigen. 

beschiten,  stereore  inquinare,  permerdare,  bescheissen. 


U.  2. 

fehlt, 
nur  —  nemlich. 

Fehlt  der  Zusatz  von 
item  an. 

fdesignare'  statt  assignare. 

ohne  ,it.  —    260*  u.   ohne 

die  Abschrift  der  Stelle  aus 

dem  Auctarium. 


fehlt, 
fehlt. 
fehU, 


fehü. 
ohne  jConcedere^, 


fehlt  ,Schutz'  und 
,clientela'. 


fehü  fConvitiari*  — 
,ignominia*. 

ohne  ,permerdare'. 


Nach  dem  bisher  Gesagten  gebührt  der  Name  eines  Lübischen 
Wörterbuches  im  Sinne  eines  ^Idiotikon^  eigentlich  nur  der  zweiten 
Melle'schen  Handschrift.  Diese  wird,  der  Vorrede  gemäss,  lediglich 
Ausdrücke  der  lebendigen  Umgangssprache  und  ältere  aus  lübischen 
Schriftwerken  enthalten.  Melle  selbst  freilich  scheint  zwischen  „sermo 
patrius"  oder  „lingua  avita^  und  Altsächsisch  oder  Plattdeutsch 
keinen  Unterschied  zu  machen.  Überhaupt  mangelt  jede  Andeutung, 
dass  er  wie  andere,  z.  B.  Richey,  niederdeutsche  Mundarten  trennt; 
vielmehr  äussert  er  sich  dahin,  nach  dem  Vorgange  des  Bremer 
Theologen  Gerhard  Meyer,  der  ein  Glossarium  linguae  veteris 
Teutoniae  seines  Wissens  wenigstens  geplant  habe,  wolle  er  ein 
Gleiches  beginnen.  Auch  keiner  unter  Melles  Lobrednern  spricht 
von  einer  Beschränkung  auf  Lübeck,  und  so  hat  denn  Schnobel 
keinen  Anstand  genommen,  Nicht-Lübisches  einzumischen  und  dadurch 
die  Sammlung  gewissermassen  zu  einer  allgemein  niederdeutschen 
zu  erweitern.  Das  zeitliche  Gebiet  der  Melle'schen  Aufzeichnungen 
reicht  etwa  von  1300  bis  1750,  das  der  Sehn  oberschen  ZutÄten 
ist   die   zweite   Hälfte   des    18.  Jahrhunderts,   soweit   Lübisches   in 


25 

Betracht  kommt;  endlich  Deecke  vertritt  die  Zeit  von  1820  bis 
1860.  Seitdem  sind  wir  nicht  allein  mit  dem  mittelniederdeutschen 
Wörterbuche  von  Schiller  und  Lübben,  dem  Handwörterbuche  von 
Lübben-Walther,  sowie  dem  Ergänzungs- Wörterbuche  von  Diefen- 
bach  und  Wülcker  beschenkt  worden,  sondern,  abgesehen  von  dem, 
leider  unvollendeten,  Sprachschatz  der  Sassen  von  Berghaus,  der 
Kosegartens  Plan  in  anderer  Ausführung  wieder  aufgenommen,  mit 
einer  stattlichen  Reihe  von  mehr  oder  weniger  wissenschaftlich  ge- 
haltenen mundartlichen  Sammlungen.  Alle  diese  bringen  den  Haupt- 
inhalt der  Melle'schen  Handschriften,  und  zwar  vielfach  in  richtigerer 
und  unseren  jetzigen  Kenntnissen  mehr  entsprechender  Weise.  Es 
wird  daher  genügen,  dasjenige  allgemein  bekannt  zu  geben,  was  in 
keinem  andren  Werke  niedergelegt  ist.  Solche  Ausdrücke  stelle  ich 
nunmehr  zusammen,  erlaube  mir  aber,  auch  mitunter  einen  andern 
aus  irgend  einem  Grunde  hinzuzutun  und  zum  Schlüsse  sämtliche 
Personennamen  mitzuteilen  Alles,  was  in  runden  Klammern  steht, 
ist  mein  Zusatz,  so  besonders  die  Ergänzung  der  Bedeutungen,  die 
mir  freilich  nicht  überall  gelungen  ist.  Das  Niederdeutsche  gebe  ich 
in  der  Schreibart  der  Handschriften. 


1.    WSrtor  Melles. 


achterdull,  an  von  vor  nich  klok,  insi- 
piens,  untoeise. 

Achter  Schapp,  n.  artnarium  posteritis. 
Im  Achterschappe  to  Bitten  kamen, 
spe  sua  frustrariy  in  seiner  Hoffnung 
betrogen  werden.  (In  Hdscbr.  2  im  A. 
Sitten.) 

Achter  Yerdendel,  Hinterviertel,  qucuirans 
aninudis  posterior. 

afbinden,  erUbitulen,  dissolvere. 

afleuen  enen,  aliquo  diutius  vioere,  ab- 
heben, überleben. 

aflüchten,  objurgare,  reprehendere. 

af  lungheren,  (abbetteln  ?) 

afpaten,  (absenken,  v.  inpaten,  einsetzen.) 

Afteen,  n.  intentio,  Abzieht. 

afsnüten,  emungere,  abschneuzen. 

afsyn,  abesse,  abwesend  sein. 

Afbrede,  m.  Abtritt. 

Angrepe,  m   ansa,  Griff, 

anklettende  Süke,  morbus  contagiosus, 
klebende  Seuche. 

anwesen,  adesse,  dasein. 

Ballior  maken,  edere  strepitum,  Geräusch 
machen. 

begasseln,  (zu  gasselo,  Brot  gersteln?) 

b€jen,  confiteri,  beichten,  bekennen,  Psalt. 
Msc 

Berghelden,  Landgesessene. 

bleyem,  (schräge  hin  und  her  schwebet^; 
Steinchen  ubers  Wasser  schnellen,) 


Blöd,  m.  homo  simplex  vel  misei'atione 
dignus,  ein  elender  Mensch. 

Brocdwele,  Brokäwele,  mantile  vel  viappa. 
Testam.  1479  (wohl  verlesen  statt 
,Brotdweie*). 

Bröjels,  n.  genitura,  Eierstock. 

Buddebu,  (Butzemanti,  Popanz.) 

Bnddensalter,  m.  nomen  convitiosum, 
(Tenfelsmagen?) 

Decht  Garent,  n,  JUa,  e  quibus  Ellychnia 
parantur. 

Deuesack,  m.  marsupium,  Schubsack. 

deuteren,  otio  indülgere,  müszig  gehen. 

Deutert,  m.  homo  otiosus,  Müsziggänger. 

Dömeland,  m.  judev  provincialis,  Land- 
richter. 

dorchkäteren,  (umändern.) 

Dorchlop,  m.  dysenteria,  Durchlauf. 

dorchsnudderen,  (durchschnökern,  schel- 
ten?) 

Dorchuore,  f.  Durchfuhre,  transitus. 

dorwracht,  durchgearbeitet. 

dranghe,  arctus,  enge. 

up  sinem  Dreue  sin  (im  Gange,  guten 
Stande  sein?    s.  Brem.  W.) 

Driölenschape,  m    (dreibeiniger  Tiegel'i^) 

Eebrekinghe,  f.  Eebröke,  adulierium, 
Ehebruch. 

erdftighen,  honore  afficer^     V^^M.  Msc. 

Erfschichtinghe,  f.  divUi,^  bcrcditatis, 
Erbteilung.  *^^ 


26 


EriDneringbe,  f.  recordatio,  Erinnerung. 
Erstghewassinghe,  f.  primifructus,  erste 

Früchte  des  Landes.    Lyr.  Bibl. 
Escher,  m.  Ugo,  Spade. 
Eteninnef  f.  saga,  venefica,  Hexe. 
Euenbord,  f.  nativitas  aequalis. 
euenbordich,  aequaXi  genere  natus,  gleicher 

Abkunft  und  Geschlechtes, 
fleuten  gan,  evadere,  erumpere. 
Flottholt,  n.  suber. 
De  Sänne  geit  to  Gade,  sol  oceidit,  die 

Sonne  geht  unter, 
to  Gade  wart,  zu  Gott,  versus  deam.  Lyr. 
Gheistknepe,  m.  macula  corporis  v.  cutis 

livida, 
Ghemöte,  n.  mens,  animus,  Gemüt. 
Ghemul,  n.  pulvis.  Staub,  Lyr. 
Gherule,  n.  strepitus,  Geräusch. 
Ghesete,  n    Gartenlaube. 
Ghetier,  n.  strepitus,  Geräusch. 
Glose,  f.  glossa,  Auslegung. 
Göde,  du.    Göder,  bona, 
Gottes  Boden,  domuncula  pauperum, 
Gottes  Pennink,  arrha. 
Grin  upn  Timpen,  homo  semper  ridens. 
gündhendes,  illuc,  dorthin.    Lyr. 
Hanpoten,  Hanepoten,  Ci/nosbatus,  Hunds- 
rose,   (b.  Berghaus  =:  spergula.) 
Hagen,  indago,    Gang  mit  Buden   und 

kleinen  Häusern 
it  is  em  in  de  Hasen  schaten,  non  est  is, 

qui  olim  fuit. 
Heisch,  Pingstheisch,  m.  ferialis  rurico- 

larum  pentecostalis 
Henlop,  m.  decursus,  Hinlauf.  Psalt.  Msc. 
Hertichdom,    Hertichdum,    n.    ducatus, 

Herzogtum. 
Heusterbeuster,  homo  peregrini  idiomatis. 
Heuetüch,  n.  Werkzeug. 
Heybey  Arbeit,  f.  labor  nullius  pretii  et 

fragilis. 
Honnichsemer,  m.  pnrans  mel. 
Honnichsemerie,  f.  dotnus,  ubimelparatur. 
hunnen,  beim  Ablaufen  der  Schiffe,  (mit 

dem   Stoseblocke,   dem   „Hunde",    die 

Fallen  oder  Stützhöher  wegtreiben.) 
Jeghenslüde,  adversarii. 
indich,  innich  to  Gade,  in  Deo  devotus, 
infädemen,  einfädemen. 
inheuen,  einheben,  einnehmen. 
Inheuinghe,  /.  Einnahme. 
in-öghelen,  adulnri,  schmeicheln. 
inweghen,  1)  einwiegen,  2)  einwägen. 
Kakel  Busse,  f.  {Schwatzkasten.) 
Kaiadrian,  m.  avis  species.  Lyr.  {Lerche.) 
kanckouwisch,   {wählerisch  beim  Essen.) 
Kik  Hot,  m.  jjt7cu9  stramineus  muUebris. 
Kindeken  Jes,  Christkindlein. 


Einderhus,  n.  orphanotrophium,  Waisen- 
haus. 

Kinderhüseken,  n.  incola  orphanotrophü, 
Waisenkind. 

Kinder  Vader,  m.  praefectus  orphano- 
tr<^hü. 

Kippe  Schullen,  (grosse  Schulden,  die  zu 
Falle  bringen.) 

Kleuelap,  m.  habitaculum  vile  ac  nullius 
pretü,  schlechte  und  verächtliche  Woh- 
nung. 

Klock  Spise,  f.  aes,  Erz. 

Klouer,  m.  (Hakennagel?  s.  Doomkaat, 
ostfries.  W.  unter  Klaver). 

Kluddehacke,  m.  (Klumpfuss.) 

Koken  Recht,  n.  jus  culinae,  Kiichen- 
gebühr. 

Köninkstol,  m.  thronus  regis. 

Konschopper,m  s2)eculator,  Kundschafter. 

Köppekenberg,  m.  locus  supplidi  capitis. 

Kragen  Yliersche,  f.  femina  ornans  col- 
laria. 

Krepende,  reptilia.    Psalt.  Msc. 

Kribbe,  m.  (Verdruss?) 

Krüdenap,  n.  {Salzfass.) 

Külpheket,  m. 

Landsüke,  f.  morbus  t^idetnicus,  pcstis. 
Psalt.  Msc. 

Latel  Dach,  m.  dies  solstitionis. 

Laue  Melk,  f.  (Dickmilch.) 

l^mdich,  pro  leuendich,  vivus. 

Lemvat,  n.  vas  fictile,  irdenes   Geschirr. 

libberen,  (in  kleinen  Zügen  trinken,  s. 
Frischbier,  ostpreuss.  W.) 

libberich,  subdulcis,  süss 

lifhaftighen,  vivificare,  lebendig  machen. 
Psalt.  Msc. 

Loppe,  capilli,  cincinni.    (?) 

lückelken,  f  elidier,  glücklich.   Psalt.  Msc. 

LüUkensack,  m.  utriculus,  tibia  täricula- 
ris,  Sackpfeife. 

Lurlock,  n.  (=  ,lurpus*  bei  Berghaus?) 

Martklatte,  f.  plica  polonica,  verworrenes 
Haar. 

Medebeschedinghe,  f.  Mitbedingung,  con- 
ditio» 

Melk  Span,  n.  mulctrum. 

mennichwerue,  saepius,  öfter. 

Mestfarcken,  n.  porcus  sagin atus. 

Min  Mote,  mensurae  diminutio,  defectus, 
Mangel  an  der  vollen  Masse. 

Mitenuale,  m.  (=  Mittewal,  Galbula, 
bei  Schmeller?) 

Moderlöseken,  n.  (Berghaus:  Moderlos, 
kleiner  Fisch.) 

Nakleiss,  m.  lictor.    (?) 

Naser,  amictus  muUebris.    (V) 

Nesekenstüuer,  m   (NasenHüber.) 

Nesselnatel,  f.  (Haarnadel,  Berghaus.) 


27 


nünen,  sanutn  edere. 

nüsselen,  muisiiarey  mussitando  quaerere 

nutteren,  murmurare. 

Oghenwank,  m.   fnomentum,  Augenblick. 

Oaerlaken.   n.   linteamen  lecti  superius, 

oberstes  Betttuch. 
Pade,    m.    Sponsor  luMricuSf    TaufpcUe, 

it  is  quem  e  baptismo  sttscepimus. 
pasich,  luridus,  bloss, 
Peferlink,  m.  tnorbosus. 
Pip  Höseken  speien,  {PiphäscJien  fielen, 

wobei     der     versteckte     Hase     dem 

Sachenden  ,Pip'  zuruft.) 
Plir  upn   Timpen,    m.    {Gegenstück   zu 

Grin  upn  T,) 
Pödeken,  diminutio  vocis  Fade. 
Preuthöniken,  n. 
Pulsse,  farcimina,  Würste. 
Pathülle,  f.  tnitra  coriacea. 
Quaddeder,  m.  mdleficus,  Übeltäter. 
Quit  gheuen,  dimittere,  loslassen. 
Quitancie,  f.  apocha. 
Quitpandinghe,  f.   (Schiller  u.  Lübben: 

Pfandlösungy  Bezahlung.) 
sachte  don,  demulcere,  liebkosen. 
Schabbürken,  n.  carcer. 
Schörbü,  m.  scorbutus. 
Schöttelplünde,  m.  fragmentum  linteum, 

quo  purgantur  patinae. 
Schröderlock,  n.  fissura  tunicae,  Schlitz 

eines  Weiberrocks. 
Schrodlone,  m   Schneiderlohn. 
Schrouelap,  m.  (Schimpfwort?) 
schrouwelen,   (=  schrumpeln,  runzeln?) 
schrouwelich,  rogosus. 
simmelen  (=  simmeieren,  sinnen?) 
Slabbervat,  n.  garrulus,  Plauderer. 
Sladde,  f.  vilis  et  sordida  mulier. 
Slarfen,  crepidae,  Pantoffeln. 
slätisch,  sletisch,  (abgenutzt.) 
Slethasen,   braccae  rusticae  ad  cdlceos 

%i8que  pertinentes. 
Sleusterbane,  f.  {Glitschbahn.) 
sleusteren,    lubrico  gressu  per  gladem 

ferri. 
sliperen,  cunctari,  zaudern. 
slippen  laten,  negligere,  oniittere,  aus  der 

Acht  lassen. 
Slummeringhe,  f.  somnus,  Schlaf.    Lyr. 
Smackbätjen,  n.  (Kosthappen.) 
smetisch,  (schmächtich.) 
SmuUich,  m.  (Schmutzfink  ?  s.  Brem.  W. 

Smu^'er.) 
Snee  Moss,   n.  ferculum    lacteum    nivi 

simile. 
Sorghe  Daghe,  Trauertage.    Lyr. 
Sorghe  Mantel,  f.  Trauermantel. 
dorch    de    Speisse  jaghen   (Spiessruten 

laufen  lassen.) 


Spittelszheyt,  f.  Upra,  Aussatz, 

splinter  nye,  prorsus  novus,  ganz  neu. 

sta£f  fule,  randdtM,  faul,  vom  Bier  ge- 
braucht.    Schnob el:  haud  defaecata. 

Stancker-Ilck,  m.  twmo  foetidus  et  putens. 

Stick  Saghe,  f.  serra  praeacuta. 

Strülleke,  f.  urina,  Seiche. 

Stuf  Eers,  m.  (=  mnd.  stüfstert.) 

Suke,  f.  vestis  muliebris.  (Bei  Schütze 
unter  ,Heyke*.) 

Swedeler,  Sweideler,  habiius  olim  muH- 
ebris.  Dazu  Schnobel:  Ghytraeo  est 
mantica,  Banzel,  Knappsack. 

sweudelen  (sweidelen,  hin  und  her  be- 
wegen.) 

swichtig  maken,  ad  silentium  redigere. 

swide  hebben,  se  valde  negotiosum  exhi- 
bere. 

Todrengher,  m.  (Bedränger?) 

tojäghen,  zujagen. 

tokaddelen,  vernichten. 

tokrökelen,  complicare.  (In  Hdschr.  2 
ohne  Bedeutung.) 

tol^ren,  docere,  zulehren. 

sik  tomartelen,  sibi  aegre  facere,  moU- 
stias  creare. 

Törnel  Touw,  n.  funis  cursum  navis  aquae 
immittendae  inhibens. 

tosmecken,  gusto  explorare,  zuschmecken. 

Tospröke,  f.  Zu^ruch. 

tostighen  kamen,  advenire,  herbeikommen. 

tostöuen,  bestäuben. 

totäkelen,  (auftakeln  ?) 

towölen,  zuumhlen. 

Treckel  Band,  m.  ligamentum^  quo  in- 
fantes  ducuntur. 

Trecklyff,  m   (in  H.  2  n.)  dass. 

Tröneken,  n.  lacrymala. 

trupelichy 

tüneken,  mentiri,  lügen. 

tünen,  sepem  facere,  zäunen. 

Tüntel  Nut,  f.  (wohl  Schimpfwort  für 
ein  langsames  Weib.) 

twesnedig,  anceps,  zweischneidig. 

Yadd erstand,  m.  cognatio  lustrica. 

Vade  (mnd.  Vaterschwester.) 

Yinckenblock,  m.  supplicii  locus  Lubecae, 
ubi  rei  virgis  caeduntur. 

vmlanghen,  ij^erumbringen?) 

vmtrummelen,  enen  Ossen,  tympanopulso 
vel  percusso  bovem  circumducere. 

vnbl^ket,  non  dealbatus,  ungebleicht. 

vnderaschich  Brod,  panis  cinere  cdlido 
paratus.    Lyr. 

Vnderlaken,  n.  unterstes  Betttuch. 

Vnderkörste,  Ynderköst^  f.  inferior 
crusta  panis.  * 

Yndersleuf,  m.  (UntersQJn   .r\ 


28 


Vnechteskopper,  m.  adulter,  Ehebrecher. 
Psalt   Msc. 

vnghedoket,  sine  velamine  linteo. 

Yngheues,  Arges,  Unverantwortliches. 

Yimösel,  m   homo  nauci. 

vnschoD,  turbidus     De  Win  is  vnschon, 
vinum  est  turbidum. 

Vnschonheit,  f.  deformilas,  Häszlichkeit. 

VnTornumpstheit,  f.   Unvernunft. 

vorfreten,  1)  vorax,  gefräszig,  2)  vorando 
consumere,  verfressen. 

vorhesebeset,  negotiosus. 

Vorhöghinghe,    f.    exaltatio,    Erhöhung, 
lactitia. 

Vorldoer,   m.  collator,   Verleiher. 

Vorlömder,  m.  calumniator. 

Vorlömdinghe,  f.  calumnia,  Verleumdung. 

Vormak,  n.  oblectatio,  Vergnügen. 

vormaket,  affektiert. 

Vorsekerheit,    f.    securitas,     Sicherheit, 
Versicherung. 

vortobben,  verzärteln, 

Votbencke,  f.  scamnum  pedale. 

Vot  Kiste,  f.  cistapedivel  fulcro  innitens. 

vpklouweren,  ascenderCf  aufsteigen. 

vpl^nen,  auf  leihen,  borgen. 

yppipen,  aufpfeifen. 

vpschüren,   differre,  procrastinari,    auf- 
schieben. 

Vpschüringhe,    f.    proer astinaJtio,    Auf- 
schub. 

vpslabbüren,  prodigere. 

Vpslan-Disch,    m.    mensa    complicatilis. 
Tisch,  der  aufgeschlagen  werden  kann. 

vpsolten,  aufsalzen. 

vpspanghen,  fibulas  solvere,  aufspattgen. 

vpspreken,   ad   differendum  persuadere, 
aufsprechen. 

Vpulighe,  m.  ornatus,  Zierat. 

Vrouwen  Moder,   f.    socrus,    Schwieger- 
mutter. 

Vrouwen  Vader,  m.  socer,  Schwiegervater. 

Vtdüder,  m   interpres,  Ausleger. 

VtdüdiDghe,  f.   interpretatio,  Auslegung. 

vtklötert,  (ausgetüftelt  ?) 

vtkreien,  auskrahen. 

sik  utmükeren  (=  mnd.  utmuteren?) 


Vtrop,  m.  »ubhastaiio,  auctio,  Ausruf. 

vtropen,    subhastare,   proclamare,    aus- 
rufen 

vtröpen,  in  H.  2:  vtropen,  ausrupfen. 

Ttsacken, 

Vtsacker, 

vtsetech,   vtsettesch,    vtsetich,    leprosus, 
aussätzig. 

Vtsetter,   m.  interpres,  Ausleger. 

Wackerschnell,  m   disertus. 

Wakersche,  f.  mulier  vigilans. 

Walk,  arnamentum  capitis  virginum, 
alias  „Kräntzgen". 

Wäne,  f.  Verruca,    (v.  mnd.  wene.) 

Waszstapel,  m.  cereus,   Wachsstock. 

wechulien,  (wegpacken.) 

wechförderen,  wegfordern. 

wechgliden,  weggleiten. 

wegjäckeren,  (wegfahren  ?) 

wechläken  (zu  laken,  tadeUn'/) 

wechslapen,  wegschlafen. 

wechslöpen,  traha  avehere,  wegsdüeifen. 

sik  wechwaren,  cavere,  sich  hüten. 

Weddermodinghe,  f.  adversitas,  Wider- 
spenstigkeit.   Lyr. 

Wedder8lach,m.  repercussio,  WidersMag. 

weddersportelen,  reccUcürare,  wider- 
streben. 

Weddersportelinghe,  f.  recalcüratio, 
Widerstrebung. 

Wedderuall,  m  relapsus,  Wiederfall. 

yan  Weghen  syn,  mente  captum  esse. 

Wepestärtjen,  n.  motacilla  avis. 
Windelasch,  f.  (Hemdachselstück.) 

Wineker,  m.  substüiUus  mercenarii. 

Wrantebüdel,  m.  (Starrkopf.) 

Wrekinghe,  f  ultio,  Bache. 

Wruck,  m.  (Hasz,  Streit.) 

Wruckbals,  m.  (Streithammel) 

wruckhalsen  (streiten  mit  Worten.) 

wüste,  saepe,  oft,  vielmal,  (Nebenform 
zu  ,vust*,  erwähnt  von  M  o  1  e  m  a  im 
Wtb.  d.  Groninger  Mundart). 

Zinghelslüter,  m.  Zingelschlieszer. 
Zisich,    m.     1)    phtisis,    Schwindsucht. 
2)  Zeisig. 


IL    Wörter  Schnobeis. 


Bulol  =  Kakemumme,  terriculamentum, 

tei'riculum.     Chytr. 
Dalernett,  n.  Talernetz.    Gryse. 
devotich,   devotus,   andächtig.    Thom.  a 

Kemp. 
Döpedochter,  f.  profdia,  Fade.    Chytr. 
Döpsöu,  m.  profilius,  Fade.     Chytr. 
dorchwegig,  pervius,  dardorch  ein  Wech 

geiht.    Moth. 


ghemete,  gemäsz. 
Hartgevicheit,  tenacitas.     Chytr. 
Hemmelbroder,    m.     Hemmelsüster,     f. 

Chytr.    (Frömmling  ?) 
Hojaninge,  oscitatio.     Bomii  El. 
Uönerjüche, jusculum  gallinaceum.  Chytr. 
Hillighe  Dingh,  n.   anthrax,  sacer  ignis, 

morbi  spedes,  Böse. 


29 


de  Inkomelingdach  im  Schaltjahr,  dies 

intercalaris,  insüätuSy    Chytr. 
Kalvermisse,    f.    der  israelitische  abgöt- 
tische Kälberdienst,    Gryse. 
Eammvoder,  n.  receptaculum  pectinum, 

Kammfutter. 
Kerstdagh,  Christtag ,  Passion. 
kettelharich,  {kitzlich.) 
Kettermeister,  m.  {Oberketzer.) 
Kickintland,   specula,  Warde,  Warttorn. 

Chytr. 
Klockendöffte,  f.  Glockentaufe.    Chytr. 
Klöckling,  m    KlügJing. 
Kosthus,  n.  Hochzeitshaus. 
Ledderlaken,  Test.  1494  {Ledertuch.) 
l^itsaghegheld,  praemium  ductoris^  hodie 

Lotsengeld.    Oelr. 
Liniendäntzer,  m.  funambulus. 
Loschedrunk,  m.  Labetrunk.    Chytr. 
Mütemaker,     molitor     novarum    rerum 

flaheüum  seditionis. 
Nedenkramer,  m.  Leinwandhändler.    {?) 
Neghensleper,  m.  ad  horam  nonam  dor- 

miens. 
Notwech,  actusj  Drift.    Chytr. 
Ohreopypinghe,  aurium  tinnitus.    Bonn. 
O Verbindeken,  n   ornatus  muliebris. 
PapeUtand,   Pfaffentand.     Buggenhagen. 
Papenkollatiou-Kroch.  m.  Caland.   Gryse. 
Patersbeer,  dal  beste  Beer.    Chytr. 
Pladdersüchticheit,     loquacitas,     garru- 

Utas.     Chytr. 
Plogkromme,  f.  buris.    Chytr. 
Plogfahr,  sulcus.    Chytr. 
dat  Plogwendent,  versura.    Chytr. 
reusteren,   tumultuari. 
sutmündig,     de    sötmündige    Glysnerie. 

Gryse,  Pawestd. 
Spülebake,  so  allenthalven  herumme  up 

de  Garde  ghan.   Gryse,  Pawestd.  (mnd. 

W.  spolebacke,  Saufbruder.) 


ein    Sure,    teredo,    Kopperworm,    Holt- 

worm.    Chytr.    it.  Totenuhr. 
Terenheyt,  f.   Zärtlichkeit.     Bok  v.   de 

Navolghinghe. 
Tovergifi,  n.  Zaubergift.    Gryse. 
Tungendröscher.  Gryse.  {Zungendrescher.) 
Vastendicheit,  f.  constantia,  Standhaftig- 

keit,    Lev.  d   Hill. 
Yerflökinghe,  f  dirae.  Chytr.  Flökinghe, 

Fluch. 
vmmestaken,  umkehren^  umstoszen.  Gryse. 
vnbedüsterd,  splendor  inobturabilis  Gryse. 
vnbefloten,   ein   unbefloten   Land,   terra 

solida.    Chytr. 
vnghepalleret,  impolitus,  unpoliert.  Gryse. 
Vnhöde,  f.  incuria,  Unachtsamkeit. 
Vnsedicheit,  f.  immodestia. 
vnseentlik,  invisibüis,  unsichtbar. 
Vnstormicheit,  f.   Ungestüm.    Lyr. 
Yntellicheyt,  f.  innumerabilitas. 
Vnvorverenheit,  f.  impcritia.    (!?) 
vnvorvdret,  imperterritus,  unerschrocken. 
Voerste,   n.  prora,   das  Vorderteil  eines 

Schiffes.    Lev.  d.  Hill. 
Vortorninghe,  f.  ira,  Zorn. 
Vtm^ter,  geometra.    Chytr. 
Walter,     Walze   zum    Ebenmachen    des 

Ackers  und  der  Diele.    Chytr. 
Waterhere,  m.  Dominus  maris. 
Waterfahren,   lirare,  {Samen  eineggen.) 

Chytr. 
wedderlunisch,  Gryse.    {wetterwendisch.) 
Wederhere,  der  dem  Wetter  zu  gebieten 

hat.    Gryse. 
weltherlick,  Gryse,   Spegel  d.  Pawestd., 

S.  4  der  Dedication :  Datsülve  Unkrudt 

schinbarlick    heryorgrönet    und    sick 

,weltherlick'  uthbredet  {üppig). 
Werckhillicheit,  f.  Heiligkeit  der  Werke. 

Gryse. 
Werckhilligher,  id. 
wreiliken,  pertinaciter,  hartnäckig. 


III.    Namen. 


Abel,  Abele,  Abelke,  ApoUonia  (!) 

Aleke,  Alheid,  Adalheidis. 

Alf,  Adolphus. 

Anneke,    Ännchen.      Dammel    Anneke, 

femina  nullius  pretü. 
Arnd,  Amoldus. 
Assele  (=  Ossel?) 
Beke,  Eebecca.    (?) 
Bele,   nom.   mul.   (Schiller   u.    Lübben: 

Abele  und  Hebele.) 
Bendix,  Benedictus. 
Beneke,    Benno,    Benedictus    (?)    Bern- 

hardus. 
Berend,  Bernd,  Bemhardus. 


Borchcrtf  Burchardus. 

Brand,  Hildebrandus  vel  Brandanus.  (?) 

Chim,  Joachimus,    Chimeken,  nom.  dim. 

Dirck,  Diderich,  fheodorictis. 

Drewes,  Andreas. 

Elsabe,  Elsebe,  Elseke,  Elisabetha 

Engheborch,  Ingheborch,  Ingheborgis. 

Ermengard,  Irmengardis. 

Eyle,  nom.  mul.  {Eila.) 

Fike,  Sophia. 

Fynne,  nom  mul.,  occurrit  a.  1381  in  Test. 

Gherardi  de  Alen.    (-Finne.) 
Gherd,  Gerardus. 
Ghese,  Gheseke,  Gertrudi,^ 


c,rvN 


30 


Grete,  Gr^teke,  Margareta, 

Hans,  Johannes. 

Harm,  Härmen,  Hermann. 

Hartich,  Hartvicus. 

Heleke,  Helenburgü.    (?) 

Henneke,  Johannes, 

Herdeke,  f.  Herdradis. 

Hese    f     Test.    Hinr.    Borhorst    1413 

(z.  masc.  Hesiko  b.  Heyne,  altniederd. 

Namen  ?) 
Heyleke,  f.  (=  Eileke,) 
Hille,  Hildegundis. 
Jürghen,  Georgius. 
Jutte,  f.  (Judith,  Johanna.) 
Kersten,  Christianus. 
Koneke,  Kaneke,  Conegundis. 
Leneke,  Magdalena. 
Lenert,  Leonhardus. 
Lise,  Liseke,  Elisabetha. 
Lücke,  Lucia.    (?) 
Lüdeke,  Ludolphus  s.  Ludovicus. 
Make,  Marquardus. 
Mariken,  Maria. 
Merten,  Martinus. 


Metteke,  Mechtildis, 

Mewes,  Bartholomaeus. 

Neze,  Nezeken,  Agneta. 

Ossel,  Ursula. 

Pasche,  Paschasius. 

Peter,  Petrus. 

Sanneke,  Susanna. 

Steffen,  Stephanus. 

Steneke,  Steneco,  dim.  a  Steno. 

Stine,  Stineke,  Christina. 

Sweneke,    1)    nom.    mul.    (zu    Swana), 

2)  dim.  a  Sweno. 
Tale,  Taleken,  Adelheidis. 
Telse,  Telseken,  Elisabetfia. 
Tenghele,  f.  a.  1360  Test.  Gher.  Hynnen- 

berch  (=  Engel,  Engela.) 
Tewes,  Mathias 
Tibbeke,  f.  Tibburgis. 
Trine,  Trineken,  Catharina. 
Vike,  {Sophia.) 

Webbeke,  Wöbbeke,  Walpurgis. 
Wendele,  nom.  mul. 
Willem,   Wilhelmus. 
Windel,  Windelke,  nom.  mul. 


Diejenigen  Ausdrücke,  bei  welchen  ich  meine  Erklärung  mit 
einem  Fragezeichen  versehen  habe,  kann  ich  nicht  weiter  belegen. 
Gar  keine  Deutung  weiss  ich  für  trupelich  und  Schroiielap.  Ein  drittes 
Wort,  Preuthöniken,  kann  ich  nur  sehr  zweifelnd  mit  Präter,  Prüte, 
dem  hiesigen  Kosenamen  und  Lockrufe  für  Wasservögel,  zusammen 
und  somit  dem  Putthöniken  gleich  stellen.  Endlich  KtUpheket  habe 
ich  allerdings  weder  mündlich  noch  schriftlich  im  Gebrauche  gefunden, 
darf  darin  aber  wohl  die  Bezeichnung  eines  irgendwie  plump  gebauten 
Fisches  erblicken.  Nicht  nachweisbar  ferner  für  mich  sind  Ballior, 
Nakleiss,  Walk  und  Nedenkramer,  Bei  keinem  ist  eine  Quelle  ver- 
merkt, danach  scheinen  alle  der  Volksrede  anzugehören.  Ballior 
könnte  man  als  scherzhaftes  Latein  für  Geballer  ansprechen,  Neden- 
kramer aber  macht  ganz  den  Eindruck,  als  hätte  sich  der  nicht 
immer  ganz  zuverlässige  Schnobel  arg  versehen  und  eigentlich  Heden- 
kramer  im  Sinne  gehabt,  was  ich  freilich  auch  nicht  habe  aufspüren 
können. 


LÜBECK. 


Colmar  Schumann. 


31 


Volkstümliche  Redensarten 

aus  Lübeck.  ! 


Die  hier  mitgeteilte  Sammlung  ist  das  Ergebnis  meiner,  vor- 
wiegend von  1880  bis  1895,  in  Lübeck  und  den  zu  ihm  gehörigen 
Ortschaften,  besonders  den  Fischerdörfern,  geschehenen  Nachfrage. 
Sie  bringt  allgemeine  und  scherzhaft  gewandte  Sprichwörter,  volks- 
mässige  Wendungen  über  häusliches  und  geselliges  Leben,  Lebens- 
umstände, Körper,  Geist,  Wesen,  Benehmen,  sowie  Orts-,  Zeit-  und 
Artbestimmungen  und  schliesslich  Wettersprüche  und  ähnl.  Zu  den 
Sprichwörtern,  die  ja  nach  Weise  aller  Volksüberlieferungen  mancher 
Änderung  und  Vermischung  unterliegen,  zum  Schaden  ihres  Verständ- 
nisses und  ihrer  sachlichen  Richtigkeit,  bemerke  ich  zuvor  folgendes. 

Ruch  is  rik,  bei  Wand  er,  Sprichwörter-Lexikon  3,  1504,  hoch- 
deutsch :  Wer  rauch  ist,  ist  reich,  erklärt  sich  aus  der  ostpreussischen 
Fassung:  Wet'  ruch  ös,  ös  ok  warm  (ebda.)  als  eine  Vertauschung 
der  Begriffe  „warm*^  und  ;,reich".  Die  Pelze  sind  im  Besitze  der 
Reichen,  diese  frieren  nicht,  also  wer  warme  Kleider  trägt,  ist  reich. 

Üt  en  annern  sinen  Büdel  is  göt  Remen  sniden  lautet  bei  Wander 
3,  1683  ursprünglicher:  Aus  anderer  Leute  Haut  ist  gut  Rietnen 
schneiden.  Da  aber  dieser  Ausdruck  überhaupt  den  Sinn  angenommen 
hatte  „Vorteil  aus  etwas  ziehen",  so  konnte  die,  eigentlich  unstatt- 
hafte, Verwechslung  um  so  leichter  eintreten. 

De  Blinn  krichift  toirst  up  de  Ogen  ist  so  nicht  zu  verstehen, 
wohl  aber  das  hochdeutsche :  Der  Blinde  fürchtet  nichts  für  seine  Augen 
bei  Wander  2,  402.  Die  Sinntrübung  ist  bewirkt  durch  andere 
Sprichwörter  des  Inhaltes,  dass  ein  Unglück  selten  allein  kommt, 
wie  deren  unten  einige  sich  finden. 

Sonstige  Erklärungen  im  Texte.  Dieser  berücksichtigt  nur  Reim- 
loses. Für  die  Reimsprüche  darf  ich  auf  meine  „Volks-  und  Kinder- 
reime aus  Lübeck"  verweisen,  für  Bezeichnungen  von  Vorgängen 
in  Wetter,  Wind  und  Wasser  auf  meinen  „Wortschatz  von  Lübeck", 
S.  29—32. 

Wer  Honnich  licken  wil,  de  müt  weten,  dat  em  de  Immen  stSkt. 
Wat  brent,  dat  smÖkt. 
As  dn  mt  Holt  röpt,  so  kümt't  trüch. 
As  de  Man  is,  wart  de  Wust  braden. 
Lät  di  niks  iD'n  Nacken  flegen. 

Von  de  G8s'  is  siecht  Haber  köpen.  (Dat  is  gräd,  as  wen  man  von  de  GBs' 
Haber  köft.) 

Schenken  un  Schiten  wart  mit  enen  Bökstaben  schreben. 
Wer  licht  gl8ft,  wart  liht  bedragen. 


ä2 

Menen  un  Denken,  dat  dracht. 

Wo  man  nich  sülbst  kümt,  wart  enen  de  Kop  nich  wuschen. 

Wen  de  Fisch  braden  is,  helpt  em  dat  Water  nich  m^r. 

Wat  f röcht  de  KrSft  dorna,  wen  du  om  versüpst 

Stel  de  Stang  nich  wider,  as  du  springen  kanst. 

H8d  di  Yör  d^n,  dSn  Got  tekent  het. 

Man  kan  nich  weten,  wat  en  holten  Buk  f8r  Talch  het. 

Man  kan  en  dodich  Kat  nich  fast  noch  anbinnen. 

Du  kanst  nich  er  Pankoken  backen,  as  du  M^^l  best ;  du  kannst  nich  £r  welk 
däl  slucken,  as  du  6r  in  de  K^l  best. 

£rst  en  N6s'  un  den  en  Bril. 

Fül  de  Ogen  nich  ^r  as  den  Buk. 

Hol  di  an  de  Latten,  de  Himmel  is  hoch. 

Nim  di  niks  v8r,  den  sleit  di  niks  fSl. 

Gegen  en  Foder  Mes  is  nich  antostinken. 

Snid  ik  min  Nds^  schänd  ik  mtn  Angesicht. 

Beter  Schimp  as  Schann. 

Bäckers  Kinner  Stuten  geben  is  Sann. 

Wer  langs&m  fdrt,  kümt  ök  to  Stat. 

Je  m^r  man  de  Kat  sträkt,  je  höger  holt  se  den  Stert.  (Wen  man  de  Kat 
sträkt,  bort  se  den  Start  up.) 

Mau  müt  de  Lud  reden  laten,  de  Gös*  kOnt  ^t  nich. 

Lät  du  Got  den  Vader  sorgen  un  den  Dabei  brummen. 

Lßnt  Göder  müt  man  lachend  wedder  bringen. 

Reisend  Lud  müt  man  nich  uphollen 

Bltf  up  den  rechten  Wech,  so  siän  di  k^^n  Busch. 

Beter  lütherschen  (armselich)  fören  as  grötherschen  gän. 

Beter  6n  N^m-mit  as  twe  Häl-na. 

Beter  hebben  as  krigen. 

Ik  heb  is  beter  as  ik  harr. 

Beter  en  Lüs  in'n  K61  as  g6r  ken  Fet  (Flusch). 

Frei  di,  dat  du  in  de  Welt  büst  un  best  kenen  Puckel. 

Jedes  Dink  het  en  Enn  un  de  Wust  twe. 

H6ch-wat  het  wat,  Frit-up  het  niks. 

Spar  wat,  hestu  wat;  16r  wat,  wötstu  wat. 

Sp&rhans  het  Wolleben  sfu  Hüs  küft. 

An'n  Brot  het  man  lank  wat,  wen  man  dat  nich  it. 

liest  du  nich,  so  kanst  du  nich. 

Wer  en  Ei  ünnern  St^rt  het,  het  g6t  kakeln. 

Wo  niks  is,  kümt  niks  hen. 

Wen  de  Wiut  west  is,   kan   de  Möller  nich   malen.     y^West*'  dopprhiinn'g. 

AI  söben  Jör  kümt  en  Dink  to  Pas. 

Mach* nich  licht  upn  Kirchhof,  un  Kan-nich  licht  dicht  dorbi. 

Wer  H  nich  in^n  Kop  het,  müt't  in  de  B^n  hebben. 

En  scharp  Wort  holt  den  KM  von  de  Dftr. 

Jeder  fdr  sik,  Got  f8r  uns  all 

L^rwark  is  k^n  Meisterstük. 

Befeien  deit  't  nich,  sülbst  angripen,  dat  helpt. 

Inbillung  is  duller  as  de  Pestilens 

AI  to  vdl  ilT  is  half  Schann. 

Hoifart  let  k^n  Kül  to. 

Den  Fulen  is  nich  beter,  as  dat  he  licht. 

De  lange  slöpt  un  den  man  löpt,  kümt  ök  to  Gank;  aber  de  lange  slöpt 
un  den  langsam  is,  kümt  v^l  to  kort. 

Wen  de  Müs  sat  is,  is  dat  M^l  bitter. 

Dikdön  is  mtn  Leben;  Broder,  l^n  mi  en  Söslink. 

De  Stöners  hebt  wol  wat;  wen  man  de  Pralers  wat  hebt. 

Dat  is  mfn  bet  an  den  Karkstlch. 

De  lank  het,  let  lank  hangen;  de  lenger  het,  let  slepen. 


33 

Wer  in'n  E61  sptt,  müt  em  to^rst  upeten. 

Ruch  is  rik. 

En  Hunsfot  (Schelm)  de  mSr  gift,  as  he  het. 

Ut  en  annem  sinen  Büdel  is  got  Remen  sniden. 

Wen  sik  Schelms  an  DSf  schellen,  kricht  en  ^rlich  Man  sfn  Göt  wedder. 

R6t  Hör  un  Ellemholt  wast  up  kenen  goden  Boden.  (EUemhoU  un  röt 
H6r,  de  wast  upn  siechten  Grünt.) 

Lögner  an  D6f  sunt  Naberskinner. 

Ful  W&sch  an  Lögen  sammelt  sik  am  meisten. 

Von  Hörenseggen  kämt  de  meisten  Lögen. 

Ort  let  nich  von  Ort. 

De  Wulf  ännert  sin  Hör,  aber  nich  stnen  Sin. 

Wat  mal  to'n  Swfnstroch  üthaan  is,  wart  k6n  Yioltn  m^r. 

Von'n  Ossen  kan  man  nich  mör  verlangen  as  en  Stük  Ossenfl^sch. 

Wen  de  Hunt  dr8mt,  is't  von  Brot 

Man  süt  gifk  an  de  Snüt,  wat  en  Swln  is. 

Herren  bltft  Herren,  an  wen  se  ök  bet  Middach  släpt. 

Armer  LÜd  Pankoken  un  riker  LÜd  Krankheit  rükt  gUk  wit. 

Lik  söcht  sik,  Lik  fint  sik. 

Dwalsche  LÜd  schrift  dwalsche  Böker. 

De  dumsten  Büm  plant  (hebt)  de  grötsten  Eantüffeln. 

Wat  de  £n  nich  mach,  is  den  annern  sin  best  Kost. 

De  Gesmak  is  verscheden,  de  6n  het  Lust  to  (Wt)  de  Dochter,  de  anner 
to  de  Mudder. 

De  L^f  f&lt  so  wol  upn  Köklak  as  upn  Li^eblat. 

]s  kön  Pot  so  schöf,  dör  geit  (past)  en  Stülp  up. 

Wat  nich  is,  kan  warm. 

Kam  ik  öbem  Hunt,  k§,m  ik  ok  öbem  Swans. 

Glük  müt  TU  hebben. 

Wen  de  Pracher  niks  hebben  sal,  so  verlüst  he  dat  Brot  Atn  Büdel  (üt  de 
Kip).     (Wat  den  Pracher  nich  günt  is,  fült  em  üt  de  Kip ) 

Wen  dat  ganse  Hüs  vul  Unglük  is,  steit  vÖr  de  D8r  ök  noch  en  Ktp  vul. 

De  sik  nich  sat  schrapen  kan,  kan  sik  ök  nich  sat  ticken. 

De  Blinn  kricht't  toörst  up  de  Ogen. 

Wo  wat  is,  dör  spilt  wat. 

Wen  de  Tabak  al  is,  geit  de  Pip  üt. 

Je  später  upn  Abent,  je  schöner  de  LÜd. 

Hunnhinken  an  Frünkranken,  dat  dürt  nich  lang. 

Appeln  na  Fastelabent  an  Jumfern  na  v^rtich  Jör,  de  hebt  den  Gesmak 
verloren. 

Wen  de  Piphän  steit,  is  de  Verstaut  in'n  Mors. 

Linker  Haut  geit't  von  Harten. 

Wen't  Möd  is,  rit  de  Bür  upn  Bullen  in  de  Kark.  (Wat  Möd  is,  is  Möd, 
an  wen  de  Bür  upn  Esel  in  de  Kark  rit.) 

Wat  de  Bür  nich  kent,  dat  frit  he  nich. 

Wen  de  Wichein  fleiten  gän,  het  de  Bür  k^n  Gelt. 

Wen  de  Krübben  leddich  sunt,  biten  sik  de  Per.    Auch  als  Beimspruch  üblich. 

Dat  Kint  is  döt,  de  Veddernschap  is  üt.  i 

AI  Bak  un  Bru  gerät  nich  göt. 

V41  Swln  mäkt  den  Drank  dün.  j 

Hamelfl^sch  is  en  Döf  in'n  Pot  (un  Sirop  is  stn  Broder).  | 

Fif  Swtn  mäkt  negen  Siden,  wen  de  6n  in  de  Wust  is.  I 

En  Kint  is  beter  as  en  Kalf,  löpt  dat  6rst  Jör  nich  int  Korn.  ! 

Dat  Hön,  dat  frö  kakelt,  lecht  en  Wintei.  | 

Flutend  Dörns  un  krähend  H6ns  hebt  k^n  Degen  int  Hüs.  1 

Kinnermät  un  Kalvermät  mut  ol  LÜd  weten.  { 

Kinner  m8t  l^ren  as  junk  Farken  Drek  eten. 

Orr  nunk  regSrt  de  Welt  un  de  Knüppel  den  Hunt. 

Ol  LÜd  geit  v8r,  blöt  nich  in'n  Sne 

NUdardeotseheB  Jahrbuch  XXXY.  ^ 


34 

Ell  beten  Füten  is  den  armen  Man  sin  Swtnsbräd  (KalfsbrA4.) 

Den  Menschen  sin  Ydrnemen  is  Got  en  Qrül. 

De  Her  stürt  de  B8m,  dat  se  nich  in'n  Heben  wast. 

Mäkt  de  Her  6n  D8r  to,  so  mftkt  he  de  anner  wedder  apen. 

Gift  Got  Jungens,  so  gift  he  ök  Büksen. 

SpricliwSrter  in  Seberzwendang. 

Wdlt't  schön  krigen,  s^d  de  Avkat,  he  mdn  aber  dat  Gelt. 

Ji  sunt  ml  schöne  Kinner,  s^d  Beckmann  to   sin  Swln,  ji  w6lt  nich  freten, 
wat  min  Fru  ja  k&kt? 

Minsch,  söd  Beckmann  to  sin  Swln,  perrst  mit  den  warm  B^n  in'n  koUen 
Drank  ? 

Gans  hei  un  kön  St^m,  secht  Bleker  Menk  un  pist  sin  Fru  int  Klederschap. 

Koparbeit  gript  an,  söd  de  Bul,  do  schikt  he  sinen  Jüngsten  na  Swaan  — 
auf  die  landtoirtschaftiiche  Hochschule. 

AI  Bot  helpt,  secht  de  Bür,  trekt  sik  en  Warmen  ütn  Nörs  un  bint  sik  de 
Scho  mit  to. 

Dat  is  hart,  s^d  de  Bur  un  bet  upn  Stön 

Dat  is  6n,  söd  de  Bür  un  harr  en  Farken  mäkt. 

Dör  is  de  D6r,  secht  de  Bür  un  fürt  mit  en  Foder  Hei  in  de  Kökenddr  rin. 

He  kämt,  s^d  de  Bür,  dör  röt  he  sik  dat  Melkschap  upn  Llf. 

Nu  k&m  ik,  s^d  de  Bür  un  fül  üt  de  Lük  (von'n  Bdn). 

Plats  dör!  s6d  de  Bür  to  de  Muskanten,  dör  kan  ik  ök  noch  mit  sitten. 

Dat  kümt  al  wedder,  secht  de  Burjung  (Johann)  un  gift  de  Swin  Swlnfl^sch. 

Dat  Och  wil  ök  wat  hebben,   söd  Jen   lüt  D^rn,   do  kr^ch   se  dör  wat   up 
(harr  se  en  Bl&m). 

Dat  Krüt  ken  ik,  s^d  de  Dübel  un  set  sik  in  de  Nettein. 

Funtus!  söd  de  Dübel  un  funn  sin  Grösmudder  in*n  Horenkasten. 

Vdl  Geschrei  un  wenich  Wul,  harr  de  Dübel  secht,  do  harr  he  en  Swinegel 
schoren. 

Ji  Sit  schöne  Kinner,  söd  de  Esel  —  he  harr  Poch   lät  —  wen  de  ^n  rup 
is,  sprinkt  de  anner  wedder  raf. 

Dat  is  aber  en  Leiden,  söd  Feldmann,  do  h&rr  he't  Gössel  an*n  Strik. 

De  is  to  krum,  söd  de  Fos,  as  de  Wust  in'n  Wimen  hünk. 

Dat  is  al  en  öbertoch  (öbergank),  söd  de  Fos,  do  wart  em   dat  Fei   öbem 
Rüggen  trocken. 

Wat  upn  Rüm  wol  fÖr  Wedder  is,  s^d  de  Fos,  do  söt  he  upn  Barch  achtern 
Netteistang. 

Wen  kön  kümt,  den  wil  ik  kön,  söd  de  Fos  un  slöch  mitn  St^rt  an'n  Börböm. 

Ach,  loch  ik  man  örst!  söd  de  ol  Fru,  as  se  int  Bet  söt. 

De  ^rst  Not  müt  kört  warrn,  söd  de  ol  Fru,  do  hau  se'n  Backeltroch  'twe 
un  m8k  dat  Water  to'n  Backen  dörmit  bot. 

Gotlof,  dat  ik  dörmit  niks  to  dön  heb !  söd  de  ol  Fru,  8,8  se  dat  ganse  Dörp 
tohopen  lagen  harr. 

Renlich  un  rein  mach  ik  göm  al  hebben,  söd  de  Fru ;  wen  ik't  \rgent  hebben 
kan,  r8r  ik  de  Klump  in'n  Backeltroch  an. 

Renlichkeit  is't  halbe  Leben;  Jung,  h&l  en  Bessen,  w8lt  den  Disch  aifegen. 

Renlichkeit  is't  halbe  Leben,  secht  de  ol  Fru  un  kört  jeden  Winachtabent 
er  Hemt  um. 

Ruten  üt!  secht  de  Glaser. 

Man  nich  so  ängstlich!  söd  de  Hän  to'n  Regenworm  un  fröt  em  up. 

Nim  de  F8t  in  Acht,  süs  perr  ik  di,  söd  de  Hän  to'n  Hinkst. 

Dat  wart  en  beten  Dach,  söd  de  ol  Heks,  as  se  yerbrant  warrn  sül. 

Ik  wil  di't  vergeben,  söd  Jehann,  aber,  Jakob,  denk  dranl 

Raf,  Kat!  sed  Jehann  Lann  un  j8ch  de  Klukhön  vont  Nest. 

As  he  fült,   secht   de  Jung  to   de  ol  Fru  mitn  Nösdrüppel,   as  se  em  en 
Pankoken  anbüt. 

Beter  is  beter,  söd  de  Jung  un  strök  Sucker  upn  Sirop. 


Dat  Gevitter  k8m  At  mtn  Grösmudder  6r  Knaken,  s^d  de  Jung,  den  se  sed : 
Dat  harr  mi  al  lang  in  de  Knaken  seten. 

Dat  l&t  ik  giLn,  secht  de  Jung;  he  sal  en  Kalf  dregen,  wat  en  Jör  olt  wer. 

Dat  sunt  man  Knüst,  secht  de  Jung  un  snit  dat  Brot  niirm  durch 

Ga  wech  von  mi!  sed  de  Knecht;  du  sitst  mi  upn  Trilhän. 

Dat  is  noch  lang  kön  Abent,  harr  de  Kreienfänger  secht,  do  w^r  de  Siin 
üonergän. 

Nu  kan't  lös  gän,  secht  de  Kökenfru. 

Dat  hest  drapen,  sSd  de  Kröpel,  as  de  Hunt  em  int  holten  BSn  bet. 

L&t  lopen,  secht  Lüth  un  pist  sln.Fru  int  Bet. 

Ik  schäm  mi,  säd  dat  M^ten  un  hol  sik  en  Twernsfaden  vdr  de  Ogen. 

Wen  ken  wil,  wil  ik  ök  kenen. 

Dat  is  anner  Korn,  s^d  de  Möller  un  b^t  upn  MAskötel. 

Wat  sal't  ewich  hoUen,  sSd  de  Murer,  as  em  de  Bakaben  öbern  Kop  föl. 

Schönen  Abent  förn  Abent,  s6d  de  Nachtwächter,  dun  gänk  de  Sün  up. 

Nu  geit  de  Reis'  lös,  sed  de  Papagoi,  dun  l8p  de  Kat  mit  em  to  Böm. 

Dör  swömt  wi  Appeln,  s^d  de  Perdrek  un  swöm  mit  de  Appeln  de  B^'k 
hendäl. 

Dör  rük  an,  secht  Peter  Erich. 

Hebe  dich  hoch !  sed  Pietschmann,  dun  swunk  he  sik  en  Mät  Wetenkli  upn 
Nacken 

Tut  mich  leid,  secht  Ponto.     P.  vordem  ein  Krämer  am  Markte  in  Lübeck, 

Ach,  wir  armen  Dreizehn!  sSd  de  Pötter,  do  föl  he  mitn  Dutsen  Töller 
üt  de  Lük. 

Nu  kämt  se,  s^d  Scharnweber,  se  süot  al  bi  de  D8p. 

Dat  brinkt  nich  vel,  aber  dat  sammelt  sik,  harr  de  Schösterjung  secht,  harr 
in  de  Kdk  enen  an  de  Bak  kregen  un  up  de  D61  al  wedder. 

Dat  harr  ik  nich  dacht,  dat  dat  so  vdl  würr,  sSd  de  Schöstetjung,  aber  dat 
sammelt  sik;  dun  kr^ch  he  de  Jak  yul. 

Dunner  Kwaddel,  s6d  Schulten  Yadder,  wo  keken  mi  de  Lud  an! 

Däll  s^d  Sievers,  do  s^t  he  in'n  Wustketel. 

Dat  blits  af,  s^d  de  Slachter,  as  he  de  Ko  vdrn  Kop  slän  wuU  an  sleiht  se 
fBm  Nörs. 

AI  mit  Maten,  sed  de  Snider,  do  gef  h6  stn  Fru  wat  mit  de  Kl. 

Dat  trekt  sik  al  na'n  Lff,  s^d  de  Snider. 

Dat  trekt  sik  al  trecht,  sed  de  Snider  un  set  de  Ärmel  int  Taschenlok. 

EUernholt  dr8cht  swör,  s^d  de  Snider,  den  stüt  he  sik  up  de  Kl 

Grad  as  ik,  harr  jen  ol  Snider  secht,  de  harr  en  Puckel. 

Lik  mi  io'n  Mors,  s6d  de  Snider,  sntt  di  aber  örst  dat  G§1  üt! 

Wat  nich  de  Gewönheit  deit!  s^d  de  Snider,  do  harr  he'n  Stök  von  stn  egen 
Tuch  Stelen. 

Nich  um  minen  Willen,  s6d  de  Wulf,  aber  so'n  Schäp  smekt  doch  göt. 

Schön,  secht  de  Bür,  wen  de  Eddelman  Sl^ch  kricht. 

Von  hänslichem  und  geselligem  Leben. 

AI,  wat  en  Lepel  licken  kan,  Kinder, 

Dat  het  en  unmünnich  Kint  beprüscht,   vom  Niesen  nach  einer  Aeiisserung. 
Dör  fült  en  Appel  üt  de  R8r,  wenn  eine)-  leise  f. .  zt. 
Dör  kümt  stn  M8m,  bei  etwas  Unerwartetem» 
Sü,  de  Kat  putst  sik!     Wi  krigen  fr()md  LÜd 

He  kämt  mi  gräd  in  de  Snir  (in  de  M8t).  Snir  eine  absichtlich  über  den 
Weg  gespannte  Schnur. 

Dat  is  von  Vageltritholt,  Scherzantwort. 

Wo  geit't?    Swat,  wen't  verbrant  is. 

Hfr  is  ^n  as  de  Ul  mank  de  Kreien 

Htr  weit  en  goden  Wint. 

Hut  lebt  wi  perrisch  =  üppig-  Pft  r  is  c  h  Name  einer  reichen  Farn  flu  {^x  H^^mburg . 

Nu  kümt  Hans  in'n  Wams.     Nun  wird's  lustiq. 


86 

Spöd  di,  DQbel,  uns'  Hergot  is  glik  achter  di!  Wenn  man  auf  einen  heinsen 
Bissen  rasch  nachtrinkt. 

Dat  is  so  mdr,  dat  kan  Her  Pastor  biten. 

Dat  gift  de  Kat  stn  Mdm  nich. 

He  frit  den  Dübel  en  Or  af,  der  FresshaU. 

He  frit  as  Moder  Häksch,  de  fröt  en  Wagenrat  un  mSn,  dat  w^r  en  Kringel. 

Sink  di  man  k^n  Greden  in'n  Halsl 

De  Grapen  is  al  vul,  heim  Aufstossen, 

He  süpt  as  en  Ilk. 

Drink  man,  dn  säst  jo  sögen ! 

He  perrt  ober. 

He  geit  v8rpot. 

He  het  de  Pi  vul. 

He  het  enen  in'n  Krüsel. 

He  het  enen  in  de  Ogen  gaten. 

He  het  sik  en  Lütten  antüdert  (uppakt). 

He  het  to  d6p  in  de  Buddel  ktkt. 

He  is  up  Nummer  söben. 

Em  h8rt  de  ganse  Strät  to. 

He  sm8kt,  as  en  lüt  Man  bakt. 

AI  Dach  dün  un  smöken  un  Itkers  k6n  Tabak. 

Ruhig  upn  S&ll    Grösmudder  wil  dansen. 

Se  snit  Swebelsticken,  sie  bleibt  sitzen  beim  Tanze. 

He  drdcht  Stubben,  dasselbe  vom  Burschen. 

He  het  sik  schürt,  die  Kugel  beim  Kegeln. 

Häuflein,  vermehre  dich  un  warr  so  gröt  as  en  Mösbüdel !  beim  Kartenspiele. 

Ik  wil  di  dat  Fet  (Talch)  wol  uphelpen,  dsgl 

Nu  wil  ik  di  aber  m&l  en  Küs  üttrecken,  dsgl. 

Gut  Nacht,  Lischenl    Dat  Gelt  licht  up  de  Trep  (v8it  Finster). 

Se  hebt  em  den  Stöl  y8r  de  Dör  set. 

W8lt  em  na  Moisling  bringen  un  an  de  Juden  verköpen!  (T8f  man!  Ik  wil 
di  an'n  Juden  verköpen.)    Im  Dorfe  M.  wohnten  einst  die  Lübecker  Juden. 

Wat  sart  sin?    S8lt't  Appeln  sin? 

Dat  is  aber  wat,  lüt  Fru;  kost  ök  acht  Schillink. 

Noch  föftich  J6r  as  hüt! 

Von  der  Lebenslage. 

Wat  schilt  di?  was  fehlt  dir? 

He  kümt  ober  Stür,  er  geht  zurück. 

He  geit  örlankfs)  as  de  Kr^ft,  dass. 

He  Sit  in  de  Büt,  in  de  Püt,  in  de  Buddel,  in  de  Kntp,  er  ist  in  Not. 

He  Sit  mit  stn  Schip  upn  Drogen. 

He  het  en  Klots  ant  B^n. 

He  het  niks  to  biten  un  to  breken 

He  kan  nich  von  enen  Dach  to'n  annem  kommen. 

He  kan  v8r  Hunger  nich  in'n  Släp  kommen. 

He  ISft  von  de  Hand  in  den  Munt. 

He  is  so  nakt  as  en  Karkenmüs 

He  is  upn  Spön,  es  geht  ihm  schlecht. 

He  is  dör  knap  achter. 

He  stikt  achter  as  Horstmann  acbtem  Hunt. 

Dat  geit  al  to  Unstrut,  verdirbt. 

He  kan  dat  nich  af,  nic?U  durchführen. 

Dör  het  en  Ul  seten. 

He  is  mit  Ulensät  besät,  Pechvogel. 

Dat  het  em  hellisch  begrtsmült,  er  ist  „reingef edlen*'. 

Dat  is  mtn  B8rt,  kommt  mir  zu. 

He  het  v6l  upn  Dut,  viel  Geld  aufgehäuft. 

He  is  recht  up  sin  Prekumfär,  es  geht  ihm  gut. 


37 

He  is  recht  in  sin  Fei. 

He  sdt  bet  an  de  Nes'  in  Fet  un  bet  an  de  Oren  in  Wul. 
He  Sit  as  en  Arft  in  de  Elöterbüs,  ist  glücklich. 
He  is  s^r  int  Wogen,  en  vogue. 
He  is  upn  Dam. 
He  is  ddr  baben  up. 
He  is  npn  (öbem)  Barch. 
He  het  sfn  Sch&p  in'n  Drogen. 
He  het  den  Ldm  achter  sik. 
He  steit  sik  brdt. 
Dat  holt  den  Stapel,  hat  Bestand. 
Dat  hilge  Graf  is  wol  verwört. 
Em  kan  dat  niks  m^r  dön. 
De  kan  wol  lachen,  wen  anner  LQd  went. 
Dat  is  Water  up  sin  M81. 
He  trekt  sinen  Tegen,  Vorteü, 
Dat  het  sinen  Tegen. 
He  milkt  dat  to  Degen,  Gedeihen. 
En  beten  Neistd  (Stiksid)  is  6k  dörbi,  Nebengeicinn. 
Dat  kamt  em  to  Pas. 
He  is  von'n  groten  Kummer  af. 
He  kricht  de  Wintsit. 

Dör  smit  sik  en  AI  up,  günstige  Gelegenheit. 
He  wßt  dörup  to  lopen. 
He  süt,  wo't  Laken  scheren  is 
He  smit  mit  de  Metwust  na'n  Schinken. 
He  stikt  dat  in'n  Muckerbüdel,  Sparbeutel. 
He  is  en  d^p  gänt  Schip,   Verschwender. 
He  vergift  Ueid  un  Weid 
He  is  fang  mit  Hül  un  Höt. 
He  (dat)  is  (leiten  gän  =  in  de  Widen  gän. 
He  is  öbem  Harts  gäo,  durchgebrannt 
Dat  geit  in  de  Krim,  (in  de  Krümp)  verloren. 
Dor  het  de  Dübel  sinen  Swans  upiecht,  das  ist  garnickt  zu  finden. 
Dat  is  murs  (mus)  af,  jäh  abgebrochen,  ganz  entzwei. 
Er  het  Hans  Wust  den  B8n  afdanst,  sie  hat  ihr  Magdtum  verloren. 
He  is  baren  und  tagen  un  mit  BuUenwater  döft.     Spott  auf  die  Schlutuper 
Fischer,  die  sogen.  Bullen. 

He  is  to  Water  ang&n,  hat  sich  ertränkt. 

He  is  nich  mSr  stürhaftich,  todkrank. 

He  wart  nu  sauf,  stirbt. 

He  is  wol  verwört,  gestorben. 

He  het  int  Gras  beten. 

Dat  is  in'n  Dut  g&n,  zusammengefallen  usw. 

Vom  Leibesznstande. 

Dat  is  en  Kerl  as  en  Ekböm. 

Dat  is  en  Kdrl,  as  wen  he  gaten  is. 

Dat  is  en  K^rl,  de  müt  so  wesen 

Dat  is  en  Körl,  de  het  sik  kämt  un  wuschen. 

He  is  en  bannigen  Kanditer,  Mordskerl. 

He  het  Mur  in  de  Knaken,  Kraft. 

He  het  bannig  Rogen  in  de  Bost,  dass. 

He  is  so  lank  as  Leverensen  sin  Kint. 

He  het  en  richtigen  Pachterbük,  jo  nich  von  Stro. 

He  het  en  richtigen  MöUerbük  von  hoUänsch  Gewicht. 

He  het  en  Verdrusknüst,  Höcker. 

He  drecht  de  Krühskas,  dass. 


38 

Luckmaim,  \kt  H6r  wein!     Kahlkopf. 

He  is  so  bunt  as  Schümannsch  er  Ünnerrok. 

Het  het  en  Snüt  as  en  Sempgurk. 

He  wischt  de  Snüt  mit  de  Nes'  af. 

He  kikt  mit't  recht  Och  in  de  linke  Westentasch. 

He  is  so  nat  as  en  Fadök. 

He  kan  k^n  Wul  an  de  Hacken  liden. 

He  süt  üt  as  dörchscheten  Appelmös. 

He  süt  üt  as  Waddik  un  Wedach. 

Man  kan  em  dat  Yaderunser  dörch  de  Backen  blasen. 

De  kölden  Gresen  lopen  em  ober. 

He  süt  üt  as  en  ins^pt  Krei. 

He  kan  kenen  Wenk  in  de  Ogen  krigeu,  niciU  schlafen. 

He  is  so  konfus,  unwohl. 

He  is  in  Amedam  follen,  in  Ohnmacht. 

He  het  Flßtsen  in'n  Kop. 

De  M^r  rit  em,  der  Alp  drückt. 

Wi  wftlt  em  mal  de  Hük  up trecken,  bei  geschwoUencm  Zäpfchen. 

He  süt  so  vermögend  üt,  vornehme  Haltung. 

He  geit  as  en  Poch  in'n  Mänschin,  stolzer  Gang, 

He  geit  en  goden  Scho,  schöner  Gang. 

He  is  man  stümplich  up  de  B^n. 

He  kümt  dörher  wackelt  as  de  Anken 

He  geit  öberschraps  mit  dat  6n  Achterben. 

He  is  nich  Her  ober  stn  egen  GHtmässen. 

He  wackelt  mit  den  Kop  as  Kasper. 

He  rodert  mit  de  Flünk  as  en  jung  Adebor. 

He  hänkt  upt  P^rt  as  en  Fürtang  upn  Hunt. 

He  hänkt  upt  P6rt  as  en  Esel  in'n  Plumböm. 

He  het  en  Por  F6t  as  en  Pör  Waschhölter. 

He  het  en  Pör  F8t  as  en  Annerthalfminsch. 

Stn  Hänn  un  F8t  sunt  em  in  Wegen. 

He  löpt  as  en  Swinegel. 

He  schecht  (löpt)  as  en  Bessenbinner. 

Se  löpt  as  en  Hon. 

He  löpt  mit'u  Kop  ünnern  Arm. 

Se  löpt  as  Mudder  Häksch. 

Se  het  en  Hiddel  as  ol  Mudder  Häksch. 

Se  het  dat  hilt  as  Mudder  Häksch,  de  pist  int  Gän  üt. 

Se  het  dat  hilt  as  Mudder  Häksch,  un  dörbi  harr  de  man  en  Grotbön  to  Für. 

He  rit  üt  as  Schäpledder. 

Nim  en  Tö£fel  in  de  Haut  un  löp  d6r  lank. 

Hest  Stöm  in  de  Büks,  dat  du  so  löpst? 

Wo  is't  Für? 

Vom  Geisteszustände. 

He  is  so  dum,  as  he  dik  is. 
He  is  so  dum,  as  Thölen  stn  Os. 
De  is  ök  so  klök,  as  wen  de  Os  in  de  Bibel  kikt. 
De  is  ök  so  klök  as  Immenschit. 

He  is  so  klök  as  Immenschtt,  kan  blöt  kenen  Honnich  schiten. 
He  het  en  Bret  vdm  Kop. 
He  w£t  von'n  helligen  Dach  niks. 
He  kan  beter  söken  as  finnen. 
De  kan  ken  döt  Kat  ütn  Aben  locken. 

De  kent  kenen   annem  Vagel  as  de  Kat,  un  wen  he'n  Stert  nich  süt,  ment 
he  noch,  dat  is  en  Nachtigal. 

Se  kent  de  Kat  achtem  Fürhert  nich. 


39 

He  mSnt,  he  fürt  in'n  Kutsch  un  licht  mit'n  Nora  in'n  Bonst^. 
Wen  he  so  kl6k  w6r,   as  he  ütsüt,   den  wSr  he  noch  m&l  so  v^l,  as  he  is. 
He  söcht  en  Schäp  mit  flf  Bön. 
6l8f  doch  nich  an^n  Got,  de  Peter  höt! 
Grüss  din  Grösmadder,  wat  se  noch  Dikmelk  biten  kan! 
Säst  mit,  wen't  los  geit. 

Het  d!n  Yader  noch  m^r  son  klök  Sdns,   as   du  büst?    £n  gansen  Pot  vul, 
an  ik  bün  de  Deckel. 

De  is  in'n  Sak  gröt  mäkt 

He  is  nich  wider  reist  as  von'n  Fürh^rt  bet  na'n  Potstert. 

He  is  in'n  D8s. 

He  is  baf. 

He  is  dörch  de  Tut,  verwirrt. 

Wo  steit  mi  de  Eop? 

Em  ICist  de  Ap.    (Het  di  de  Ap  iCistV) 

He  het  Infäl  as  en  ol  Hüs. 

He  het  en  Schrüf  verloren. 

Em  is  en  Schrüf  16s. 

Em  is  en  üthüpt,  nämlich  ein  Sinn, 

He  is  anplakt,  genasfOhrt. 

Se  hebt  em  to^n  Grisen  (Büm)  mäkt,  dastf. 

He  is  wlt  ober  Stür,  nicht  bei  Verstand. 

He  het  en  Yagel  —  en  Ticker  —  en  groten  Kuaks. 

He  w6t  nich,  wat  he  v8r  Wt  oder  achter. 

Nummer  söben  is  noch  fri. 

Dat  is  yerbetert  dörch  Jan  Balhom. 

He  is  nich  upn  Kop  follen 

Em  is  de  Kop  apen 

He  is  twemäl  bürt,  ganz  schlau. 

He  kent  Kkl    (Kenst  du  Käi  nichV) 

He  kan  Gras  wassen  hören. 

He  is  en  snutigen  Kerl  (un  let  sik  keu  X  f8rn  U  maken. 

He  is  nich  so  dum,  as  he  ütsüt. 

He  kan  mßr  as  Brot  eten. 

De  em  f8r  dum  köft,  de  is  bedragen 

He  is  von  lüt  up  in  de  Welt  west. 

He  geit  dör  achter  um  as  de  Fos. 

He  geit  dör  Ifs'  bi  hör. 

He  geit  von  f^m. 

Vom  Wesen. 

He  het  y61  up  H&nnen. 
He  gift  klem,  schafft  eifrig. 
Dor  Sit  klem  in. 

Wen  ik  di  nich  harr  un  den  min  Tuch,  den  wer  mi  dat  siecht  gän. 
He  is  so  recht  f8r  Slach,  tüchtiger  Arbeiter. 
Dat  hakt  em  m&l  af,  er  schafft  nicht  mehr  recht. 
He  is  so  fül  as  en  Stük  Sohlt. 

He  is  so  fül,  dat  he  sik  nich  rögen  (dälleggen,  ümdrein)  mach. 
Ommer  döstich  un  en  Grül  y8r  de  Arbeit. 

Wat  löpt  de  Tlt!    Wen  man  m^nt,  dat  is  Vesper,  den  is  drst  Fröstük. 
Dat  wart  upm  langen  Rik  schaben. 
He  dreit  sik  as  en  Wantlüs. 

Wen  du  kämst,  het  dat  Kint  al  en  Vader.    (Dat  Kint  het  al  en  Yader,  die 
Arbeit  ist  getan.) 

He  kümt  dorachter  as  de  Kürfürst  achter  de  Bicht. 
Dat  geit  as  en  Perstert  in  de  Fiegentit. 
Ik  m8t  di  man  en  Klink  (Karf)  int  Or  sniden. 
Dat  steit  em  an,  as  den  Uka  dat  Spinneu. 


40 

He  fült  ober  sinen  egenen  Schatten. 
Wat  de  T8r  upstelt,  stöt  he  achter  wedder  um. 
He  fult  ümmer  mit  de  gröt  D8r  int  Hüs  rin. 
He  sleit  drin  as  Paulus  in  de  Korinten. 
He  trekt  de  rügen  Hanschen  an  (üt). 
He  bek^rt  sik  von'n  Schrubber  to'n  Heibessen. 
He  risk^rt  den  Bast,  Haut. 
He  geit  gegen  Wann  un  Müm  an. 

He  geit  up  un  d&l  as  en  Willen  —  as  niks  Godes  —  as  wen't  en  Swfnskop 
w6r  —  as  wen  he  wat  freten  wil 

He  is  sinnich  as  de  Dullen,  dat  de  Hör  upn  Kop  süst. 

He  is  wtder  to  smtten  as  to  locken. 

He  is  nich  to  hissen  un  to  locken;  (wat  he  nich  wil,  dat  deit  he  nich.) 

He  müt  sinen  Willen  hebben  as  de  Poch  in'n  Söt. 

He  gift  sik  nich,  un  wen  em  dat  en  Ko  kost. 

He  wtkt  nich  von'n  Placken. 

He  steit  up  sin  Stük. 

He  set  sik  up  de  Achterb^n. 

He  het  en  stlf  Gnik. 

He  het  sinen  Kop  dörup  set. 

He  het  en  Kop  as  en^;^kböm. 

He  is  so  fast  as  en  Ekböm. 

He  is  en  ^kbömigen. 

He  let  sik  nich  an'n  Wagen  füren. 

He  let  sik  nich  ant  Bür  (Kontor)  stöten. 

He  is  so  m8r  as  Botter. 

Du  bust  en  KM  as  en  natten  Sak. 

Perr  di  man  kSn  Hör  in'n  Fot  (sei  nicht  zu  zimperlich^  ängstlich). 

He  geit  to  Ker. 

Se  k8nt  von  mi  seggen,  wat  se  w8lt. 

Se  k8nt  Grapen  to  mi  seggen,  wen  se  mi  man  blöt  nich  upt  Für  hängen. 

Wat  em  achter  pass^rt,  geit  em  v8r  nich  an. 

He  het  en  Fei  as  en  Eber. 

He  het  en  Fei,  dör  kau  man  mit  de  Fork  dörchsteken. 

Dat  is  ^n  Dönt. 

Dat  fült  üt  de  Kist  in  de  Billid. 

He  birt  man  so. 

He  behölt  sfn  Pipen  in'n  Sak. 

He  secht  kdn  Kuk  un  Muk. 

He  gift  stn  Verschal  dörto. 

He  rSt  as  en  Klüksnüt. 

He  bölkt  as  en  Os  —  as  en  Slukuper  Bul. 

He  kan  beter  snacken  as  en  Stummen. 

He  kan  snacken  as  en  Bök. 

He  is  klapsch  int  Mül. 

He  het't  int  Mül  as  de  Katteker  in'n  Stert. 

De  snakt  gräd  so,  as  wen't  spökt. 

Snak  mi  doch  kSn  Lok  in'n  Kop. 

Ik  warr  mi  höden,  di  dat  an'n  Klokrem  to  hängen. 

He  is  Hanken  in  allen  Hägen. 

Wat  best  htr  to  kapen  (mülapen)? 

He  het't  in'n  Grif  as  de  Pracher  de  Lüs. 

He  nimt  dat  Gelt  von  de  Lud,  von  de  B8m  kan  man't  nich  plücken. 

He  wdt  nich  Ramät,  Masz,  Genügsamkeit 

He  het  gröte  Rosinen  in'n  Sak. 

He  is  en  Helt  in  de  Bottermelk,  (wenn  de  Klump  rüt  sunt) 

He  is  en  Helt  int  Botterfat  (int  Klümpfat,  wo  niks  mer  in  is). 

Plats  dör  f8rn  Kürfürsten  (sinen  Meswagen)! 

Bang  bün  ik  nich,  aber  lopen  kan  ik  düchtich. 


41 

Eanst  ök  gegen  en  Bakaben  aivjappen? 

He  snakt  Yon'n  groten  Kristoffer  un  het  den  klenen  (lütten)  nich  sSn. 
He  het  em  de  Hut  vul  lagen. 
He  lücht,  as  wen't  drukt  is. 
Dat  kümt  em  upn  Hantyul  nich  an. 
Wat  de  yenprikt  un  holt,  is  gans  gewis. 
De  kümt  upn  Pinkstm&ndach,  wen  de  Buk  upt  Is  lamt. 
He  het  sin  Fesen,  Ortüen. 
Dat  heb  ik  asich  dik. 
He  let  de  Oren  hängen. 
Em  is  de  Melk  sür  worm. 
Em  is  wat  öbern  F6t  lopen. 
He  käpt  sik  lingelangs  ae  N6s'. 

He  m&kt  en  Gesicht,  as  wenn  em  de  Petersöl  verhagelt  is. 
He  süt  üt  as  en  Pot  vul  Mfis'. 

He  mUct  en  Lip,  dör  kau  en  Klukhön  mit  söben  Küken  up  sitten. 
So'n  Mül  mäk  man;  den  warst  dfn«Zegen  wol  Ids 
He  is  nich  up  sin  Jnstement,  ihm  ist  nicht  wohl 
He  kan  sik  in  sfn  W^l  nich  laten. 

Se  freit  sik,  as  wen  Ostern  un  Pinksten  up  enen  Dach  weren. 
He  is  üt  de  Tut,  vor  Freiide  auseer  sich. 
He  hdcht  sik,  as  wen  he  kettelt  wart. 
Dat  is  to^n  Dötlachen. 

Ik  lach  mi  d6t  —  dUl  —  achterüt  —  sch^f  —  krum  —  to  Schannen  — 
to'n  Kröpel  —  en  Puckel  (as  en  Arft  grot)  —  en  Kringel  —  to'n  Pr^stermamsell. 
He  het  Lachen  un  Wenen  in  enen  Sak. 

Vom  Benehmen. 

He  wart  nich  tapt,  vel  weniger  buddelt,  er  wird  nicht  geachtet. 
He  is  ober  as  dat  föft  Rat  an'n  Wagen. 
He  (dat)  geit  in'n  Gr81  mit  hen. 

Wen  ik  d^n  in'n  M6rs  heb,  den  schtt  ik  em  in  de  Träv. 
Lik  mi  in'n  Mors! 
Leid  di  af,  Lappen! 

Dat  kan  Käi  stn  Kutscher  von'n  Buk  ök. 

Dat  is  ök  so'n  Dink,  dör  kan  man  ök  k^n  Kat  mit  achtem  Aben  rüt  locken. 
Dat  is  belemmert. 
Dat  let  so. 

Dat  is  lank  nich  so  slim,  as  wen  de  Snider  dün  is  un  danst. 
He  holt  en  Barch  von  mi. 

Gröt  Krön  is  dat  Hart  von  dat  Water,    G,  K.,  ein  Fischsugort  der  Trave, 
lieferte  die  meisten  Heringe. 

He  het  sik  an'n  Swtnstroch  schftrt. 

Ik  fleit  di  wat. 

So  fet  fidelt  Luks  nich. 

Dör  lür  up!    (Dör  kanst  lang  up  lüm.) 

Ik  h6r  em  g&n. 

Du  büst  wol  meschugge? 

Is  nich,  Meier! 

Käk  mi  Wlnsup,  wen  ik  döt  bün! 

Dat  Mos  kanst  mi  kaken,  bleib  mir  damit  vom  Halse. 

Klei  (kUr)  di  an'n  Mors ! 

Ach  wat  Yedder  un  Frünt !    De  k^n  Gelt  het,  bltf  mi  von'n  Wagen. 

IM  em  man  krupen! 

Lät  man  wesen! 

Dör  nich  f8r!    Ablehnung  des  Dankes. 

Wat  geit  di  dat  an? 

Dat  geit  al  na  de  Roch,  as  de  Rotten  start't. 


42 

Dör  licht  Sw^p  un  Eteldök,  nu  h8d  din  Kö  Bulben! 

De  Sn  geit  hü,  de  anner  hot. 

De  strtt  sik  um  Keisers  Bort. 

Krischän,  lät  de  Kat  nich  bi  de  Fisch  gan! 

Jangens,  wört  ju !    Dat  Bret,  dat  kümt. 

Na,  den  w8lt  wi  man  dör  bi,  as  de  j^khöster  bi'n  K^s' !,  die  I'khhorster  Torf- 
bauer^  beim  Frühstück. 

He  r£t  mitn  Belach,  redet  mit  Nachdrtick. 

He  het  em  an'n  Föt  reten  —  dat  Or  rein  mäkt  —  de  West  ütswenkt  — 
de  Bost  (dat  Bostdök)  löst  —  den  Eop  afkämt  (wuschen),  hat  ihm  die  Wahrheit 


He  het  em  dat  Feber  afschreben,  auf  andere  Meinung  gebracht. 

He  het  em  dusich  mlüd;. 

He  snakt  dörch  de  Blöm. 

He  sprikt  dörch  de  Bürr6s\ 

Dat  is  so  gewis,  as  Amen  in  de  Kark  is. 

He  het  em  en  P  vörschreben. 

He  het  em  VÖrpal  sl&n,  *)   Vorkehrung  getroffen,  ^)  vorgearbeitet. 

He  Sit  em  to  Wräksft,  fäOt  lästig. 

Dör  licht  de  Hunt  begraben. 

He  deit  em  dat  to'n  Profuncschen,  zum  Tort. 

He  het  em  wat  upn  Stok  dän,  zum  Schabernack. 

He  is  em  verdwas  kamen. 

He  het  em  an'n  Wagen  f8rt  —  an  de  Krön  stöt  —  upn  Föt  perrt. 

He  büt  Spitsen  üt. 

He  het  em  in'n  Kiker,  in  Verdacht. 

De  ön  höt  den  annem  Glipöch. 

Sunt  al  göt  Lud,  aber  ön  höt  sik  vör*n  annem. 

Wi  sunt  al  göt  Nabers  un  al  göt  Frund,  aber  ön  wört  sik  v8r'n  annern. 

He  het  em  öbem  Milch  fät,  ausgezankt. 

He  het  em  dat  Utgelei  geben  —  in  de  Sträng  lücht  —  to  Hüs  lücht  —  de 
Bicht  verhört  —  ütflÖt  —  ütrökert  —  dtbörst  —  ütbröcht  —  ütlücht  —  ütlümpt 
—  ütlüt. 

He  het  dat  polsche  Utgelei  kregen. 

Den  heb  ik  göt  upn  Slarben  bröcht. 

He  het  em  to  Pot  set,  abgetrumpft, 

Dat  het  he  sik  göt  markt. 

Du  büst  mi  ök  en  schönen  Knappen  (Lump). 

Dat  sal  di  upgaren  as  fet  Spek. 

Ik  wil  di  wisen,  wat  en  Hark  is. 

De  k&m  di  upn  Knast,  Buckel. 

Ik  drük  di  to  Appelmös. 

Ik  gef  di  ön,  dat  du  Süden  umflüchst. 

Ik  göf  di  ön  an  de  Batteri. 

He  het  em  ober  Stür  namen,  gemisehandelt.    (Ober  Stür  setten,  zurücksetzen). 

Ik  krtch  di  bi'n  Slafitten  (bi  de  Plünn) 

Se  hebt  em  up  de  Tän  fölt  —  de  Bost  kert  —  dat  Fei  gerft  —  de  Ogen 
(de  Snüt)  verkllt. 

He  het  Dult,  hat  genug  Strafe. 

He  gift  Dult,  giebt  sich  zufrieden. 

ümstandswendungen. 

In  de  Lewarkstit,  um  2  Uhr  morgens. 

Ersten  Dach,  baldigst. 

Von  ollen  Egistem,  von  anno  Tobak. 

Upn  lankwilige  Tit,  auf  lange  Zeit. 

Dat  is  dre  Vittel  up  de  Büksenklap. 

Anno  1800  Krüch,  as  dat  noch  ken  Buddel  gef. 


43 

Von  ür  to  Enn. 

Dicht  bi'n  sülbern  Lepel,  beinahe,  hergenommen  vati  dem  volkstümlichen 
Glücksspiele  „Fisch,  Vogel  und  Jumfer", 

Ik  wän  in  Lübeck  in  de  TwSrnsfadensträt  Nummer  Bintfaden. 

Mit  Höt  un  Prük,  ganz  und  gar. 

Upn  doben  Duns,  auf  leeres  Gerücht,  leichtfertig, 

Wetterregeln  nnd  -redensarten. 

In'n  Märts  nimt  Moses  de  Balken  ünnert  Is  rüt 

Vdr  Jehanni  k8nt  wi  al  nich  so  t61  beden,  na  Jebanni  kan't  en  ol  Fru 
bi't  Spinnen  besorgen,  nämlich  Regen  erflehen. 

Wen  dor  en  strengen  Winter  is,  wast  N8t. 

Wen  de  heilige  Krist  en  Bruch  fint,  so  br^kt  he  se;  fint  he  ken,  so  makt  he  6n. 

Het  Winachten  en  gr8n  Klet  an,  den  het  Ostern  en  wit  an. 

Euckuk  un  SöbenstSm  k8nt  sik  nich  verdregen. 

Wen  de  Kreien  bleiern,  schräge  hin  und  her  fliegen,  gift  dat  Regen. 

Uns^  Hergot  is  quät;  schikt  ju  man!  hei  anhaltendem  Unwetter. 

Dat  is  kattendik,  es. nebelt  stark. 

Dat  kl6rt  dik  vdr,  die  Wolken  lichten  sich. 

Dat  klört  dik  up  achter  Eäselau,  Gärtner  in  der  Vorstadt  S.  Jürgen. 

Dat  früst  tuschen  en  Levespör  hüt  Nacht,  es  wird  sehr  kalt. 

Möller-  un  Bäckergesell  sleit  sik,  es  schneit  stark  und  in  grossen  Flocken. 

Dat  wart  al  gelinner. 

Dat  schelt  al  en  Jak,  es  ist  merklich  anders. 

Dat  geit  so  isch^f,  so  lik,  der  Wind  geht  bald  von  Westen  nach  Süden, 
bald  umgekehrt. 

De  Dach  gräwt  al. 

De  Sün  geit  to  Go'  (=»  Gode)  —  to  Rast. 

LÜBECK.  Colmar  Schumann. 


44 


Ein  Sündenverzeiehnis  des  15.  Jh. 


Das  hier  zur  Veröffentlichung  gelangende  Schema  der  sieben 
lasier  und  lügenden  ist  der  helmstedt.  hs.  894.  in  Wolfenbüttel  ent- 
nommen, über  die  zuerst  A.  Lübben  im  Nd.  Jb.  6.  70  angaben  ge- 
macht hat.  Diese  giengen  in  G.  6r.^  I.  458.  3  über.  Berichtigt 
und  ergänzt  wurde  die  beschreibung  Yon  Heinemann  in:  Hss.  der 
herzoglichen  Bibl.  zu  Wolfenbüttel.  1886.  11.  287.  der  schluss  der  hs. 
ist  richtiger  gelesen  (ausgenommen  .  .  .  hora  Vlla  und  das  gebet  für 
den  Schreiber)  die  Überschrift:  De  dochtere  der  seuen  etc.  ist  von 
Heinemann  hinzugefügt  (nicht  ganz  passend,  weil  die  sieben  tagenden 
keine  haupttugenden  sind,  vgl.  unten).  C.  Borchling:  Mittelnd.  Hss. 
in  Wolfenb.  Beiheft  in  Nachrichten  d.  k.  gesel.  d.  w.  zu  Göttingen, 
ph.  h.  Gl.  1902  ergänzt  Heinemann. 

Hinzufugen  möchte  ich,  dass  in  der  hs.  5  Schreiber  sich  unter- 
scheiden lassen.  I.  schrieb  bl.  2— 89a.  II.  89b— 91a.  III.  91b  bis 
93b.  (94  ab  leer).  IV.  95a— 209b.  (210  ab  leer).  V.  211a— 257b. 
Für  Heinrich  von  Hansteyn  als  Schreiber  kommt  nur  V.  (sunte  Eli- 
zabeten  passie)  in  betracht. 

Das  Schema  der  sieben  laster  enthalten  bl.  89b — 91a.  (91b — 93b 
folgt:  ;,God  het  ghegheuen  den  mynschen  seuen  ghaue*  etc.,  ein 
tractat,  der  mit  dem  Verzeichnis  der  laster  im  stofflichen  zusanunen- 
hange  steht).  Jede  seite  ist  mit  drei  senkrechten,  mit  schwarzer 
tinte  gezogenen  linien  in  4  räume  eingeteilt.  2.  räum  von  rechts 
nach  links  nehmen  die  bezeichnungen :  „De  houart  het  ses  dochtere, 
Dochtere  des  hates^  etc.  oder:  „Dochter  der  odmodicheyt"  etc. 
3.  die  aufzählung  der  „Dochtere^  selbst  ein.  1.  und  4.  sind  leer. 
In  der  abschrift  wurden  abkürzungen  aufgelöst  und  interpunktion 
eingeführt. 

Die  aufzählung  ist  symmetrisch,  der  gruppe  der  laster  entspricht 
als  gegensatz  die  der  tugenden;  die  letzte  bildet  eine  auswahl  aus 
sieben  tugenden,  Seligkeiten  und  gaben  des  hl.  geistes.  Es  ist  ein 
merkmal,  das  zuerst  bei  Th.  Aquinas:  Summa  theol.  II.  2q.  auftaucht 
und  oft  widerholt  wird,  vgl.  Nd.  Jb.  17,  105  f.  u.  Zs.  f.  d.  Alt.  IX. 
68  f.  Die  Vorstellung  der  „ Dochtere **,  einer  jeden  sünde  entsprechen 
sechs  abgeleitete,  (ausgenommen  „houarf  und  „hat^,  wo  fehlerhaft 
die  beiden  genannten  auch  unter  den  töchtern  stehen),  die  auch  unter 
dem  namen  „Manieren  oder  Specien^  aufftritt,  ist  bei  sündenver- 
zeichnissen  typisch,  vgl.  Nd.  Jb.  17.  110  oder  „Mittelniederdeutscher 
Katechismus"  in  Zs.  f.  d.  Ph.  XIII.  20,  der  der  reihe  der  sünden 
nach  offenbar,   was  der  herausgeber  nicht  bemerkte,   auf  Petr.  Lom- 


45 

bardus:  Sentent.  lib.  IV.  zurückgeht.  Das  eigentümliche  des  folgenden 
Verzeichnisses  ist,  dass  es  sich  genau  an  die  reihenfolge  der  haupt  und 
teilweise  der  abgeleiteten  sünden  bei  Gregorius  Magnus  in  Moralia^ 
(Migne:  P.  lat.  LXXVI.  lib.  31.  c.  45)  anschliesst,  und  darnach  auch 
die  tugenden  anordnet.  Für  die  reihenfolge  der  töchter  der  tugenden 
ist  mir  eine  entsprechende  quelle  nic'ht  bekannt. 


(89b.)  De  houart  het  ses  dochtere:  (houart  ersten)  vnhorsam, 
berominge,  dunkelgudicheyt,  wedder  kyuen,  vormetinge,  vorhardichejrt. 

Dochtere  des  hates:  (had)  scheldeword,  vpropinge,  vnwersami- 
cheyt,  ynkel  (?)  honsprake,  vpl(a)singe  des  herten. 

Dochtere  des  tomes:  nydyscb,  achter  sprake,  missehaginge, 
twidracht,  wedder  kurren,  schrul. 

Dochtere  der  tracheyt:  boscheyt,  ynkel  (?)  vortzaginge,  vor- 
twiuelinge,  slakicheyt,  wildicheyt. 

(90a.)  Dochtere  der  gyricheyt:  duue,  roff,  vorradinge,  woker, 
geystlik  woker  symonie,  meyn  eyde. 

Dochtere  des  vratzes:  unnutte  spreken,  dumheyt,  vnreynicheyt, 
drunkenheyt,  vnredelke  vroude,  lodderyge. 

Dochtere  der  vnkuscheyt:  vorkrenkinge,  gygen  leue,  (?)  had 
goddes,  Yorblindinge,  vnstedichheyt,  vnbetrachtinge. 

(90b.)  Dochter  der  odmodicheyt:  horsam,  vornichte  sek  holden, 
eyntyoldichheyt,  sek  gerne  raden  laten,  nicht  wedder  kyuen,  vruchte 
goddes. 

Dochter  der  leue:  gunst,  ayndracht,  louen  ander  lüde,  mede 
frawen  des  guden,  bedrouen  mit  bedueden,  hedelnidinge?  edder 
erquickinge. 

Dochter  der  gedult:  Afbeydent,  lichtmodicheyt,  demotich,  sach- 
tige Word,  vrede  des  herten,  vor[s]oninge. 

Dochtere  der  mildicheyt:  barmherticheyt,  bereyde  to  geuen, 
vorsmadinge  tidlikes  gudes,  lefhebbinge  des  armodes,  godlik  andacht- 
nisse,  willich  armud. 

(91a.)  Dochtere  des  vlites:  vrolicheyt,  geystlik  vroude,  sorch- 
voldicheyt  der  dogede,  hittich  to  gode,  to  uorsicht  to  gode,  vul- 
herdicheyt. 

Dochtere  der  meticheyt:  hus  ere,  vnspilde,  tomyn[nyn]ge,  vratz 
myden,  kortinge  der  spise  nochterne,  vlucht  der  drunkenheyt. 

Dochtere  der  kuscheyt:  fchemen  edder  myden,  bewaringe  des 
herten,  tucht  in  worden,  vorwaringe  der  syne,  spenginge,  inbeldinge. 

WIEN.  Joseph  Fritz. 


46 


Paphahne  als  Münzname. 


Im  33.  Bd.  dieser  ZeitBchrift  (Seite  119—121)  berichtet  E. 
Schroeder  über  den  Gebrauch  des  Wortes  Paphahn  als  Münzname. 

Dieser  Gebrauch  ist  urkundlich  noch  weiter  rückwärts  zu  ver- 
folgen, als  es  in  jenem  Artikel  geschehen  ist.  Im  Jahre  1623  geschah 
auf  der  Landstrasse  bei  Gatersleben  auf  Halberstädter  Gebiet  ein 
Raubanfall.  Anhaltische  Reiter  nahmen  einem  Fuhrmann  ausser  einem 
Posten  Waren  an  barem  Geld  38  Pfund  2  Lot  ;,gute  Groschen*^  und 
26  Pfund  Schreckenberger.  Diese  Schreckenberger  werden  auch  als 
^KippgeW,  sowie  als  ^^leichte*'  Schreckenberger  bezeichnet,  ^wie 
man  sie  vor  zwei  Jahren  münzte^  (also  in  der  schlimmsten  Kipper- 
zeit).    Die  Soldaten  aber  nennen   sie  in  ihren  Aussagen  „Paphaneti". 

Hieraus  ergibt  sich  die  Tatsache,  dass  bereits  im  Jahre  1623 
das  Wort  „Paphahne"  eine  unter  den  Soldaten  allgemein  bekannte 
Bezeichnung  für  Schreckenberger  war.  Das  Wort  ist  nur  in  den 
Prozessakten  über  den  Gatersleber  Raub  nachweisbar,  und  zwar 
nur  in  der  Wiedergabe  der  Aussagen,  die  die  Soldaten  gemacht  haben. 
In  dem  sonstigen  umfangreichen  Aktenmaterial  aus  jener  Zeit  habe 
ich  unter  den  zahlreichen  Münzbezeichnungen  das  Wort  Paphahne 
nicht  wiedergefunden.  1) 

Irgendwelche  Beziehungen  zu  Mecklenburg  sind  aus  den  Akten 
nicht  ersichtlich.  Die  Soldaten,  die  jenen  Ausdruck  gebrauchen, 
stammen  aus  Eursachsen,  Anhalt  und  dem  Erzstift  Magdeburg  (Halle). 
Auch  sind  es  fast  ausschliesslich  junge  Leute,  die  ihren  ersten  Feld- 
zug  mitmachen;  nur  einer  hat  bereits  in  Böhmen  und  Ungarn  gedient; 
einer  ihrer  Spiessgesellen  ist  in  der  Pfalz  kassiert  worden. 

Da  „Schreckenberger^  synonym  ist  mit  Engelgroschen,  so  hat 
vielleicht  der  Engel,  der  auf  diesen  Münzen  den  sächsischen  Kur- 
Schild  hält,  die  Veranlassung  zu  dem  Spottnamen  gegeben.  Wie  es 
kommt,  dass  die  Bezeichnung  Paphahne  dann  später  auf  eine  mecklen- 
burgische Münze  übertragen  worden  ist,  bedarf  weiterer  Untersuchung. 

Eine  andere  Spur  weist  nach  Schlesien.  Friedrich  Lucae  bringt 
in  seiner  schlesischen  Chronik 2)  folgende  Anekdote:  „Anno  1617  als 
in  Schlesien  die  Müntz-Confusion  einreissen  wolte,  und  die  sogenannte 


1)  Die  Akten  befinden  sich  im  Herzogl.  Anhalt.  Haus-  und  Staatsarchiv  /u 
Zerbst.  Eine  eingehende  Darstellung  des  Prozesses  habe  ich  gegeben  in:  Die 
Landverteidigung  im  Fürstentum  Anhalt  von  der  Auflösung  der  Union  bis  zum 
Einmarsch  der  Kaiserlichen.    Mai  1621  bis  Januar  1626     Leipzig,  1906. 

')  Lucae,  Fr  id.,  Schlesiens  curiose  Denkwürdigkeiten  oder  vollkommene 
Chronica  von  Ober-  und  Nieder-Schlesien  etc.  Frankf.  a.  M.  1689,  2  Bde.  4<>.  II,  2219. 


47 

Sechsffroschn^  oder  Paphäne  in  Schwang  gingen,  verkauffte  ein  Bauer 
in  der  Stadt  Jauer  einen  Scheffel  Korn  vor  zehen  Thaler  solcher 
Paphäne,  verfugte  sich  zum  Goldschmid,  begehrende,  er  solte  ihm 
diese  zehen  Thaler  verschmeltzen  und  davon  das  Silber  abziehen. 
Der  Goldschmied  schmeltzte  die  Müntze,  und  zog  nicht  mehr  als 
nur  vor  einen  Heller  Silber .  herauss :  nun  wolan,  fprach  der  Bauer, 
dieses  will  ich  zum  ewigen  Gedächtnuss  verwahren,  und  es  auff- 
schreiben  lassen,  damit  meine  Kinder  nach  meinem  Tode  sehen,  dass 
ich  einen  Scheffel  Korn  umb  einen  Heller  verkauft  habe^. 

In  der  Darstellung,  die  Lucae  von  der  Münzgeschichte  Schlesiens 
gibt,  erwähnt  er  den  Namen  ^ Paphäne^  nicht.  Von  einer  anderen, 
kleineren  Münze,  die  Ferdinand  H.  prägen  Hess,  dem  „Gröschle^ 
(4=1  Kaisergroschen;  120  =  1  Reichstaler,  90  =  1  Schles.  Thaler) 
bemerkt  er,  dass  sie  |,die  Lausnitzer  insgemein  Flädermäuse  nennen. ^i) 

Unter  den  Münzspitznamen,  die  Friedensberg  in  seiner  Schlesischen 
Münzgeschichte^)  anführt,  befindet  sich  das  Wort  Paphäne  nicht. 

Zum  Schluss  noch  einige  weitere  Gründe  für  die  Identität  von 
Paphahn  und  Papagei.  Italienisch  pappagallo;  2.  Bestandteil  gallo, 
der  Hahn,  cf.  0.  Schade,  Altdeut.  Wörterb.  (Halle,  1866)  unter 
papegän.  Schmeller,  Bayerisches  Wörterb.  (München,  1872)  I  führt 
an:  Papagallus  vocatur  sittich  (1460). 

WIESBADEN.  Franz  Heimann. 


1)  Lucae,  II,  2121. 

'j  Friedensberg,  F.,  Schles.  Müiizgesch.  im  Mittelalter.  Cod.  dipl. 
Silesiae  13.  Bresl.  1888,  99,  100,  Anm.  1.  Oers.,  Schlesiens  neuere  M^^^^S^^^^- 
Cod.  dipl.  Silesiae  19.    Bresl.  1899,  28. 


48 


Punnperniekel. 


Die  ZuBtimmung,  welche  meine  Deutung  des  Wortes  Visemattenten 
(Nd.  Korr.-Bl.  25,  Nr.  6)  gefunden  hat,  ermutigt  mich,  auch  die 
Deutung  eines  andern  vielumstrittenen  Wortes  zu  versuchen :  wir  alle 
kennen  den  Pumpernickel,  aber  aus  welchem  Grunde  man  dem  groben 
westfälischen  Schwarzbrote  den  Namen  Pumpernickel  gegeben  hat, 
darüber  giebt  es  zwar  eine  Menge  von  Vermutungen  und  Erklärungs- 
versuchen, aber  keine  nur  einigermassen  stichhaltige.  Da  ist  zuerst 
die  witzige  Auslegung  von  Schuppius:  „Bon  pour  Nicol^^  gut  für 
den  Nickel,  worunter  ein  kleines  schlechtes  Pferd  verstanden  werden 
soll;  Pumpernickel  wäre  also  gutes  Pferdefutter.  An  einer  andern 
Stelle  bringt  Schuppius  das  Wort  Bompur-Nickel  mit  Pumper,  dumpfes 
Geräusch,  pumpern,  pumpsen  (lat.  bombisare)  und  Nickel  =  grober 
schlagsüchtiger  Niclas  zusammen.  Von  dem  schlechten  Pferde  oder 
dem  bösen  Kerl  soll  man  dann  das  Wort  auf  das  Brot  wegen  seiner 
Grobheit  übertragen  haben.  Das  ist  doch  kaum  glaublich,  denn  wie 
käme  man  dazu,  diese  Begriffe  gerade  mit  einem  Gebäck  zu  verbinden, 
da  sie  doch  ebenso  gut  und  ebenso  schlecht  auf  vieles  andere,  z.  B. 
schlechtes  Essen  und  Trinken  aller  Art,  Steine,  Wasser,  ja  sogar  auf 
eine  Tracht  Prügel  passen. 

Man  hat  das  Wort  auch  von  bonum  paniculum  ableiten  wollen, 
wonach  es  liebes,  gutes  Brötchen,  das  man  armen  und  kranken  Leuten 
aus  Barmherzigkeit  gab,  bezeichnen  soll.  Aber  abgesehen  davon, 
dass  es  dann  bonus  paniculus  heissen  müsste,  weil  panis  ein  Mascu- 
linum  ist,  und  dass  aus  paniculum  ein  deutsches  Neutrum  werden 
müsste,  während  es  doch  niemals  das  P.,  sondern  stets  der  P.  heisst, 
so  taugt  auch  diese  Erklärung  nichts;  es  wäre  doch  auch  viel  rich- 
tiger, gutes  feines  Weissbrot,  das  für  Kranke  viel  besser  passt,  so 
zu  nennen. 

Mit  einem  grossen  Aufwände  sonderbarer  Gelehrsamkeit  hat 
i.  J.  1825  der  damalige  Director  des  Gymnasiums  zu  Dortmund  J. 
W.  Kuithan  die  Erklärung  des  Wortes  P.  versucht.  Damach  ist 
^der  Westphälische  Pumparnikel  das  in  Westfalen  oder  vielmehr 
in  dem  dort  zwischen  Siegen  und  Bremen,  zwischen  dem  Rhein  und 
den  Lippischen  Gebirgen  übliche  Roggenbrot.  Nach  der  blossen 
mündlichen  Aussprache  lasse  sich  nicht  unterscheiden,  ob  wir  richtiger 
Pumparnikel  oder  Pumparnikel  oder  Pumpernikel  schreiben.  „Ich 
kann  aber,^  sagt  K.,  aus  dem  Namen  selbst  beweisen,  dass  der  Aus- 
druck eine  Bedeutung  hat,  die  vollkommen  zur  Bedeutung  desselben 
passt,  und  ganz  besagt,   was   es   seiner  Natur  nach   sein   soll.     Wer 


4Ö 

denkt  aber  bis  auf  den  gegenwärtigen  Augenblick  an  diese  Bedeutung, 
an  diesen  Ursprung  des  Wortes  und  an  die  Möglichkeit  eines  solchen 
historischen  Ergebnisses,  als  darin  liegt,  sowohl  für  Westfalen,  wo 
sich  die  Sache  erhalten  hat,  als  für  ganz  Deutschland,  wo  der  Name 
noch  üblich  ist?  —  Adelung  sagt:  ^„Der  Pumpemikel  ist  die  Be- 
nennung des  grossen  Brotes  der  Westphälinger  bis  zu  36  Pfund 
Kölnisch,  welches  aus  zweimal  geschrotenem  und  nicht  gesiebtem 
Roggen,  der  also  seine  Kleie  bei  sich  behält,  bereitet  wird.  Indessen 
ist  diese  Benennung  in  Westphalen  selbst  nicht  üblich  (doch  allgemein 
bekannt),  wo  man  dieses  Brot  grobes  Brot  zu  nennen  pflegt,  sondern 
sie  ist  nur  bei  den  Nachbarn,  wozu  denn  aber  auch  di0  Westphälinger 
gehören,  die  auch  Schwarzbrot,  nur  nicht  von  der  Grösse  backen, 
und  Ausländern  im  Gange.  Um  dieses  Umstandes  willen  kann  es 
sein,  dass  diese  Benennung  einen  scherzhaften  Ursprung  hat,  und  die 
gemeinste  Meinung  ist,  dass  sie  von  einem  durchreisenden  Franzosen 
herrühre,  welcher  in  Westfalen  Brot  gefordert,  bei  dessen  Erblickung 
aber  gesagt  habe,  dass  es  bon  pour  Nickel  sei,  da  denn  einige  hin- 
zusetzen, dass  sein  Bedienter  Nickel  geheissen  habe,  andere  aber 
unter  dem  Wort  Nickel  ein  kleines  Pferd  verstehen.  Doch  die  Ab- 
leitung sieht  einem  Mährchen  sehr  ähnlich,  ob  sie  gleich  manchem 
wichtig  genug  erscheinen  mag,  um  ihretwillen  die  ganze  Schreibart 
des  Wortes,  der  gewöhnlichsten  Aussprache  zuwider,  zu  ändern  und 
Bompemikel  zu  schreiben.  Brauchte  man  ja  eine  possirliche,  auf 
Mnthmassung  gegründete  Ableitung,  so  könnte  man  auf  das  in  den 
niedrigsten  Sprecharten  übliche  Pumper,  von  einem  Winde  aus  den 
Gedärmen  rathen,  weil  dieses  grobe  Brot,  wegen  der  noch  bei  sich 
habenden  Kleien,  einem  ungewohnten  Magen  leicht  Blähungen  verur- 
sachen kann.  Nickel  ist  in  den  gemeinen  Sprecharten  oft  eine  ver- 
ächtliche Benennung  eines  jeden  Dinges.  ^^ 

Kuithan  sagt  aber:  i,Auf  solche  Thorheiten,  auf  solche  Unan- 
ständigkeiten, die  nicht  im  Geiste  des  Volkes  sein  können,  verfiel  man, 
weil  man  nur  das  deutsche  verglich  und  jeden  ähnlichen  Laut  ohne 
passende  Bedeutung,  und  jede  noch  so  junge  und  widersinnige  Sage 
bei  der  Erklärung  zu  Hilfe  nahm.  Und  wie  die  Beschaffenheit  der 
Sache  selbst  in  der  Beschreibung  auch  geistreicher  Ausländer  oft 
entstellt  wird,  sieht  man  an  Voltaire,  der  als  er  durch  Westphalen 
nach  Berlin  fuhr,  von  der  Nahrung  der  Einwohner  dieses  Landes 
nichts  anderes  zu  sagen  fand,  als  „une  certaine  pierre  dure,  noire 
et  gluante,  composee  ä  ce  qu^on  dit  d^une  espece  de  seigle,  est  la 
nourriture  des  maitres  de  la  maison.^ 

Der  Pumpernickel  ist  also  damals  schon  eine  Herrenspeise,  kein 
Notgebäck  gewesen;  die  Erzählung  also,  es  sei  bei  Gelegenheit  einer 
Hungersnot  im  Jahre  1400  vom  Magistrat  in  Osnabrück  gebacken 
worden,  ist  also  gewiss  nicht  ganz  richtig.  Über  den  Namen  des 
Turmes,  wo  das  Brot  gebacken  wurde,  soll  weiter  unten  gesprochen 
werden. 

Kuithan  selbst  leitet  Pumparnikel  von  paniculus  ab,  ohne  Rück- 

NiederdentBohefl  Jahrbuch  XXXV.  4 


50 

Sicht  darauf,  dass  man  ein  36  ff  schweres  Brot  doch  wohl  kein 
Brötchen  nennen  wird.  In  die  Mitte  des  Wortes  soll  ein  r  einge- 
schoben und  vor  den  Anfang  desselben  eine  Beduplication  gesetzt 
sein,  wie  im  Griech.  Tzi^fJKpnif.i ;  panis  sei  dasselbe  wie  das  Messapische 
Travo;,  das  ja  auch  Brot  bedeute.  Bei  Homer  komme  zwar  noch  keine 
Diminutivendung  -xu>.o;  vor,  die  der  lateinischen  -culus  entspräche; 
diese  Endung  sei  aber  Yorhomerisch.  Wenn  man  also  das  deutsche 
Wort  Pumparnikel  ins  Griechische  übersetzen  wolle,  so  müsse  man 
7cu[i.7rapvijcu>.o;  sagen.  —  Hiernach  müsste  das  Wort  Pumpernickel 
unter  Beihilfe  der  alten  Griechen  schon  in  vorhomerischer  Zeit  ge- 
bildet sein.  Das  ist  Kuithans  verwegene  Jagd  auf  die  Deutung  des 
Wortes  Pumpernickel. 

Nach  einer  andern  Erklärung  des  Wortes  ist  P.  zuerst  so  in 
der  Stadt  Osnabrück  genannt  worden.  Dort  habe  bei  einer  Hungers- 
not um  1400  der  Magistrat  für  die  dortigen  Armen  Brote  backen 
lassen  und  habe  diese  bona  panicula  genannt,  woraus  im  Yolksmunde 
durch  Verdrehung  das  Wort  Pumpernickel  entstand.  Der  Turm,  in 
welchem  das  Brot  gebacken  wurde,  in  der  Nähe  der  Hafermühle  oder 
Pemickelmühle,  heisst  heute  noch  der  Pernickelturm.  (Vgl.  Brock- 
haus' Konversations-Lexikon  s.  v.  Pumpernickel.) 

Leider  wird  nicht  zugleich  gesagt,  wie  der  Turm  zu  seinem 
wunderbaren  Namen  gekommen  ist.  Hat  man  ihn  nach  dem  Brote 
genannt,  so  ist  weder  der  Name  des  Turmes  noch  der  des  Brotes 
erklärt.  Oder  sollte  der  Turm  nach  seinem  Erbauer  genannt  sein, 
wie  nach  der  Volksmeinung  fast  alle  Städte,  deren  Namen  man  nicht 
erklären  kann,  nach  ihren  Erbauern  benannt  sein  sollen?  Jedenfalls 
ist  bisher  noch  keine  befriedigende  Deutung  des  Namens  Pernickel- 
turm bzw.  Pernickelmühle  gegeben  worden.  Man  weiss  nicht  einmal, 
wann  und  von  wem  diese  Namen  gegeben  worden  sind;  nur  soviel 
scheint  sicher  zu  sein,  dass  die  Namen  des  Turms  und  der  Mühle 
älter  sind  als  der  Gebrauch  des  Wortes  Pumpernickel  in  dieser  Gegend. 
Der  ursprüngliche  Name  war  grobes  Brot,  und  erst  seit  dem  17.  Jhd. 
ist  der  Name  Pumpernickel  allmählich  in  Aufnahme  gekommen. 

Überblicken  wir  jetzt  das  Ergebnis  dieser  Deutungsversuche,  so 
wird  es  schwer  begreiflich,  wie  Andresen  in  seinem  Büchlein  über 
deutsche  Volksetymologie  S.  45  sagen  kann:  ;,Die  Auslegung  des 
Wortes  Pumpernickel,  dessen  wahrer  Ursprung  heute  keinem  Zweifel 
unterliegt  (vgl.  Wackernagel  Germ.  5,  850  fg.  Woeste  in  Frommanns 
Ztschr.  3,  373.  Weigand  Wtb.  2,  434.  Staub,  das  Brot  (Leipzig 
1868)  119  fg.  Hüffer  in  Picks  Monatschr.  f.  rhein.  westf.  Gesch.  2, 
272  fg.)  als  hon  pour  Nicol,  wird  nicht  aus  dem  Volke  herrühren, 
sondern  scheint  auf  einem  Witz  zu  beruhen.*'  Andresen  scheint  also, 
wie  auch  aus  Weigand  HI.  Aufl.  S.  406  hervorgeht,  die  Zusammen- 
setzung aus  Pamper  und  Nickel  für  zweifellos  richtig  zu  halten.  Mir 
scheint  der  Name  des  Turms  Pernickel  dagegen  zu  sprechen,  denn 
wenn  in  dem  Namen  des  Brotes  der  Name  Nickel  steckte,  so  würde 
doch  wohl  der  Anklang  an  Nicolaus  dazu  geführt  haben,  ihn  Nicolai- 


51 

türm  zu  nennen.  Andere  gegen  diese  Deutung  sprechende  Gründe 
sollen  im  Folgenden  noch  geltend  gemacht  werden. 

Da  alle  Versuche,  das  aus  Pumper  und  Nickel  zusammengesetzte 
Wort  zu  deuten,  vergeblich  waren  und  auch  m.  E.  aussichtslos  sind, 
habe  ich  den  Versuch  gemacht,  ob  nicht  die  Zerlegung  in  Pernickel 
und  eine  dazu  passende  Vorsilbe  zu  einer  besseren  Erklärung  führe. 
Auf  diesen  Weg  deutet  manches  hin,  z.  B. 

An  dem  P.  genannten  Brote  fällt  zunächst  seine  Farbe  auf:  es 
ist  ganz  schwarz,  während  das  sonst  Schwarzbrot  genannte  Gebäck 
noch  ziemlich  hellgrau  ist.  Schwarz  heisst  auf  Latein  niger,  ganz 
schwarz  oder  recht  tüchtig  schwarz  heisst  perniger.  Die  Präposition 
per  dient  ja  auch  bei  Cicero  ganz  gewöhnlich  zur  Verstärkung  des 
Begriffs,  z.  B.  in  perabsurdus,  peracer,  perangustus,  permagnus  usw. 
Oculi  pernigri  kommen  im  Poenulus  des  Plautus  vor.  Dass  das  r  am 
Ende  des  Wortes  in  l  übergehen  kann,  sehen  wir  an  vielen  Beispielen: 
vgl.  mhd.  hadel,  nhd.  Hader;  mhd.  martel  und  marter,  nhd.  Marter; 
miat.  mortarium,  frz.  mortier,  nhd.  Mörtel;  mhd.  dörperie,  nhd. 
Tölpelei;  mhd  marmor,  nhd.  marmelstein;  lat.  morus,  ahd.  murpoum, 
nhd.  Maulbeerbaum;  lat.  prunus,  ahd.  phruma,  nhd.  Pflaume;  lat. 
peregrinus,  nhd  Pilgrim.  Aus  perniger  konnte  also  sehr  wohl  pemigel 
werden,  und  so  finden  wir  in  der  Tat  im  Kärntischen  Wörterb.  von 
Lexer  die  in  Kärnten  gebräuchliche  Form  pumpernig'l,  und  im 
Schweizerischen  Idioticon  4,  707  wird  die  Redensart  ^den  pumper- 
niggle  (den  Hintern)  schlagen**  aufgeführt. 

Im  Tirolischen  Idioticon  von  Schöpf  wird  eine  plumpe  dicke 
Person,  auch  ein  dickes  Kind,  ein  pumpernigk'l  genannt,  und  ebenso 
findet  sich  in  Schmellers  bayrischem  Wörterb.  1^,  392  die  Form 
Pumpernickel  in  derselben  Bedeutung  wie  in  Tirol.  Das  aus  niger 
entstandene  Wort  nigel  hat  also  denselben  Lautwandel  durchgemacht 
wie  echt  deutsche  Wörter,  die  ihr  stammhaftes  g  in  gg  und  ck  ver- 
wandeln, z.  B.  sagen  —  mnd.  und  niid.  seggen,  schwingen  —  schwenken, 
springen  —  Sprenkel,  biegen  —  bücken,  schmiegen  —  schmücken, 
neigen  —  nicken,  gediegen,  gedeihen,  dicht,  dick;  ahd.  slahen,  nhd. 
schlagen,  mnd.  slagge,  d.  h.  beim  Schlagen  abspringende  Metallsplitter, 
nhd.  Schlacke;  ebenso  nd.  bei  Reuter  Hanne  Nute  5  slagen  und 
rein  von  Slack  un  Slir.  So  kann  denn  auch  der  bis  jetzt  noch  nicht 
erklärte  Name  des  Pernickelturmes  in  Osnabrück  sehr  wohl  auf  latein. 
jiemiger  zurückgehen.  In  welchem  Zusammenhange  der  Name  des 
Turmes  mit  der  Hungersnot  steht,  die  im  Jahre  1400  oder  1540  in 
Osnabrück  geherrscht  haben  soll,  will  ich  gern  der  örtlichen  Forschung 
überlassen,  die  allerdings  bisher  eine  einigermassen  befriedigende 
Erklärung  des  Namens  Pernickel  noch  nicht  erbracht  hat. 

Wie  die  Porta  nigra  in  Trier,  so  könnte  der  Turm  auch  nach 
irgend  etwas  ganz  schwarzem  benannt  worden  sein.  Was  mag  das 
nur  sein?  —  Nun,  das  Brot,  das  dort  gebacken  wurde,  war  ja  nicht 
nur  Schwarzbrot,  es  war  ganz  schwarzes  Brot.  Und  es  war  Brot, 
lat.  panis,  abgekürzt  pan;  wie  z.  B.  in  Marcipan,  frz.  massepain,  ital. 

4* 


5^ 

marzapane;  mit  demselben  Worte  zusamraenhäDgend  panade,  die  Brot- 
suppe, panieren  =  mit  geriebenem  Brot  bestreuen  usw.  So  kann  also 
das  ganz  schwarze  Brot  von  gelehrten  Leuten  panis  pemiger,  ab- 
gekürzt pan.  perniger  genannt  und  so  in  die  Bücher  und  Verzeichnisse 
der  Naturallieferungen  eingetragen  worden  sein.  Aus  dem  pan.  pemiger 
der  Gebildeten  konnte  im  Volksmunde  ein  pan.  pemickel,  dann  durch 
einen  Scherz  ein  Pumpernickel  werden,  geradeso  wie  aus  Babenberg 
—  Bamberg,  aus  aneboz  —  Ambofs,  aus  Tannenbach  —  Tambach, 
aus  Hindbeere  —  Himbeere,  aus  entbor  —  empor,  aus  Wintbra  — 
Wimper,  aus  Jan  primus  —  Garabrinus  geworden  ist.  Der  Übergang 
des  n  in  m  vor  dem  Lippenlaut  p  veranlasste  dann,  dass  man  die 
ursprünglich  zu  zwei  verschiedenen  Wörtern  gehörenden  Silben  pam 
und  per  als  ein  selbständiges  Wort  betrachtete,  dass  man  also  das 
ursprünglich  aus  1  +  3  Silben  bestehende  Wort  in  2  zweisilbige,  pamper 
und  nickel  zerlegte,  und  dass  schliesslich,  nachdem  die  ursprüngUche 
Bedeutung  des  Wortes  völlig  verloren  gegangen  war,  aus  pamper,  das 
für  sich  allein  keine  selbständige  Bedeutung  hat,  pumpeif  gemacht 
wurde,  das  so  gemütlich  klingt,  leicht  nachzusprechen  ist  und  wegen 
der  vielen  Vorstellungen,  die  sich  an  das  Wort  Pump  und  seine 
Ableitungen  heften  können,  zu  manchem  Witz  oder  Scherz  Veranlassung 
gab  und  durch  Weitererzählen  Verbreitung  fand.  Als  Erfinder  und 
Verbreiter  solcher  Scherze  denke  ich  namentlich  an  studierte  Leute, 
gelehrte  Mönche,  Geistliche,  Gerichtspersonen,  die,  stolz  auf  ihre 
Kenntnis  der  lateinischen  Sprache,  etwa  in  ihre  Wirtschaftsbücher 
die  Gefälle  ihres  Amtes  in  lateinischer  Sprache  eintrugen,  z.  B.  pan. 
pemiger,  und  scherzend  daraus  Pampemickel  oder  Pumpernickel 
machten,  oder  auch  an  fahrende  Schüler,  die,  zu  derben  Scherzen 
aufgelegt,  von  den  Magenverstimmungen,  die  der  Genuss  des  pan. 
pemiger  herbeigeführt  hatte,  drollige  Sachen  zu  erzählen  wussten. 
Die  Verdrehung  in  Pumpernickel  konnte  überall  erfolgen,  wo  man 
ein  grobes  schwer  im  Magen  liegendes,  ganz  schwarzes  Brot  buk, 
also  nicht  nur  in  Westfalen,  sondern  auch  in  Bayern,  Kärnthen,  in 
der  Schweiz  und  Tirol.  Das  Wort  ist  also,  wie  auch  Adelung  betont, 
nicht  besonderes  Allgemeingut  der  westfälischen  Sprache,  sondern  es 
ist  in  diese  erst  hineingetragen  worden,  wahrscheinlich  aus  Süd- 
deutschland, wie  die  frühen  und  vielfachen  Erwähnungen  und  die 
nachweisbare  Fortbildung  des  g  zu  gg,  gk  und  ck  es  vermuten  lassen. 
Der  letztere  Grund  ist  auch  zugleich  ausschlaggebend  für  den  Beweis, 
dass  die  beiden  letzten  Silben  ;,nickeP  weder  von  Nicolaus  noch 
von  dem  weit  hergeholten  engl,  nag,  das  ein  elendes  kleines  Pferd 
bedeutet,  abgeleitet  werden  können,  denn  zu  Nicolaus  hat  es  in  Süd- 
deutschland niemals  eine  Nebenform  mit  g,  etwa  Nlg^l,  gegeben,  und 
wie  nag  sich  zu  nigg'l,  nigkl,  Nickel  entwickeln  könnte,  ist  ebenfalls 
schwer  einzusehen.  Alles  das  spricht  dafür,  dass  nickel  aus  niger 
sich  entwickelt  hat  und  in  der  Form  pemickel  ist  es  auch  höchst- 
wahrscheinlich nach  Osnabrück  gekommen,  wo  etwa  auf  den  Vorschlag 
eines  gelehrten  Herrn,  der  aus  Süddeutschland  dort  eingewandert  und 


53 

zu  Ansehen  gekommen  war,  der  Turm,  in  welchem  das  ganzschwarze 
Brot  gebacken  wurde,  Pemickelturm  genannt  worden  ist.  Wäre  damals 
das  Wort  Pumpernickel  schon  im  allgemeinen  Gebrauch  gewesen,  so 
würde  man  den  Turm  wohl  Pumpemickelturm  genannt  haben. 

Für  die  des  Latein  Unkundigen  aber  hatten  die  beiden  letzten 
Silben  einen  Sinn,  denn  das  Wort  Nickel  war  ihnen  auch  sonst  ver- 
ständlich. Was  war  natürlicher,  als  dass  sie  für  die  beiden  ersten 
Silben,  die  zuerst  ja  Pamper  lauteten,  auch  ein  Wort  suchten,  bei 
dem  sich  etwas  denken  liess.  Und  welch  eine  Reihe  von  Vorstellungen 
liess  sich  mit  dem  Wortstamme  Pump  verbinden! 

1.  der  Pump  =  ein  dumpfer  Schlag. 

2.  „        »      =  Borg,  das  Herausschlagen  einer  Anleihe. 

8.  die  Druck-  und  Saugepumpe  zum  Heraufholen  von  Flüssigkeiten,  benannt 
nach  dem  damit  verbundenen  Geräusch. 

4.  pumpen  =  an  oder  mit  einer  Pumpe  arbeiten. 

5.  „        —  Geld  verborgen. 

6.  Pumps  as  dumpfer  Schlag. 

7.  „  =  Bauchwind.  Als  Beleg  führe  ich  folgenden  Reim  an,  der  mir 
aus  der  Kinderzeit  her  noch  erinnerlich  ist: 

Es  war  einmal  ein  Mann, 
Der  hiesö  Pump-Hann, 
Pump-Hann  hiess  er, 
Grosse  F  .  .  .  .  liess  er. 

8.  pumpsen  bedeutet  nach  Kaltschmidt  Wb.  dasselbe  wie  bumsen,  dumpf 
schallen  oder  dumpfen  Schall  verursachen,  farzen,  prügeln,  kacken,  pupen, 
sich  eatladen. 

9.  pumpern,  bubbern,  südd.  pöpperlen  =  Lust  haben  zu  klopfen,  zu  schlagen, 
zu  pochen.  Das  Herz  pumpert  oder  puppert,  klopft  in  hörbar  unruhiger  Bewegung 
(Weigand  Wb.). 

10.  Pump zu  lat   pompa,  feierliches  Gepränge,  z.  B.  Pumphosen  = 

Pomphose,  Pluderhose,  auch  Hosen,  die  hinten  zugeknöpft  werden. 

11.  pumplig,  schlecht  (zu  weit)  sitzend,  von  Kleidern. 

12.  pumpliges  Wesen,  unbeholfene  gar  zu  umständliche  Vorbereitungen. 
18.    der  Pummel,  ein  dickes  Kind. 

14.    der  Pump,  Pumpel,  ein  kleiner  dicker  Mensch. 

15     Pumpermette,  Poltermesse,  die  Nachmittagsmesse  am  grünen  Donnerstage. 

16.  der  Pumperholdi,  ein  Liebhaber  der  sich  füttern  lässt.  vgl.  Kalt- 
schmidt Wb. 

17.  der  Pumpernickel  als  Bezeichnung  eines  Mannes,  der  nur  noch  pumpern 
(pumpsen)  kann,  der  schwach,  unvermögend  ist,  für  den  man  in  der  Mark  auf  dem 
Lande  die  unbarmherzige  Bezeichnung  „en  oller  Messmaker*'  hat.  In  diesem  Sinne 
durfte  der  Seufzer  einer  Frau  aufzufassen  sein,  den  Grimm  unter  P.  anführt: 

Ach  hätt'  ich  doch  zu  dieser  Zeit, 
Als  mich  mein  Pumpernickel  freit. 
Genommen  einen  Bettelmann, 
Ich  hätte  besser  getroffen  an. 

Dieser  vieldeutige  Wortstamm  Pump  ....  ist,  wie  ich  für  höchst 
wahrscheinlich  halte,  an  die  Stelle  von  pan-per,  pamper,  an  die  Spitze 
des  Wortes  getreten,  und  es  fragt  sich  jetzt,  was  wahrscheinlicher 
sei,  sich  das  Wort  aus  Pumper  +  Nickel  zusammengesetzt  zu  denken, 
oder  aus  pum  (bzw.  pam  oder  pan)  -|-  perniger.  Da  historische  oder 
litterarische  Urkunden  fehlen,  so  kann  nur  nach  der  Stichhaltigkeit 
der  Gründe,  die  für  das  Eine  oder  das  Andere  sprechen,  und  nach 
dem  Gewicht  der  Gegengründe   geurteilt  werden.    Zuerst   kommt   in 


54 

Betracht,  welche  verschiedenen  Bedeutungen  das  in  verschiedenen 
Gegenden  und  bei  verschiedenen  Gelegenheiten  gebrauchte  Wort  P.  hat. 
Grimm  sagt  im  Wb.  unter  Pumpernickel  und  Bompurnickel : 
^Das  Wort  scheint  ursprünglich  einen  lebhaften,  lustigen  oder  pol- 
ternden, pumpernden  Kobold  bezeichnet  zu  haben,  woraus  sich  die 
übrigen  Bedeutungen  leicht  entwickeln  konnten: 

1.  Em  kleines  lebhaftes  Kind  ....  (Im  wiszbadischen  Wiesenbrunnlein  i.  J. 
1610  wird  der  Floh  ein  luftspringender  Bompernickel  genannt.)  Ein  kleines,  dickes 
gedrungenes  Persönchen,  dann  überhaupt  eine  plumpe  dicke  Person. 

2.  Ein  Polterer,  ein  ungeschlachter,  grober  klotziger  Mensch. 

3.  Ein  wildlustiges  obscoenes  Lied,  ein  Gassenhauer.  Vgl.  Stöber,  Sagen 
2,  177,  339:  In  Weissenburg,  wo  man  den  Pumpernickel  in  der  Kirche  singt 
Auch  eine  Tracht  Prügel  wird  als  Süddeutsch  ausgegeben,  z.  B.  einem  den  Pumper- 
nickel verschlagen,  d.  h.  den  Hinteren  (von  dem  das  Pumpern  ausgeht).  Vgl.  H. 
Fischer,  Schwab.  Wb.  Bd.  I  6.     1519. 

4.  Auch  in  dem  Schweizerischen  Idioticon  4,  707  findet  sich  die  Redensart 
„pumperniggle  schlagen". 

5.  Das  schwarze  Brot  in  Westfalen.  In  dieser  Bedeutung  findet  es  sich 
bei  Günther  1723,  Siegfried  von  Lindenberg,  Gleim,  Moser,  H.  Heine. 

6.  Im  Hennebergischen  ist  P.  ironische  Benennung  für  ein  festes  ungeniess- 
bares  Brot. 

7.  Im  Wörterbuch  von  Moritz  Heyne  wird  Grimms  Vermutung  (Gr.  sagt  ja 
nur  scheint),  dass  P.  einen  Kobold  bedeute,  als  sichere  Wahrheit  hingestellt:  P. 
ist  die  Bezeichnung  eines  polternden  Kobolds,  dann  eines  kurzen  ungeschlachten 
Menschen  usw.  übertragen  wohl  zunächst  in  Soldatenkreisen  des  dreissigjährigen 
Krieges  auf  das  grobe  westfälische  Brot: 

Heisst  Marcipan  Soldatenbrot, 
So  essen's  nur  die  Grossen; 
'Der  arme  Knecht  der  mag  sich  nur 
Am  Pumpernickel  stossen.  Logau  2,  149. 

8.  Bei  Schmeller  Wb.  I,  892  finden  sich  die  Worte  emes  Eiferers: 
Singen   höre   ich   wohl,   aber  nicht  aus   Davids  Psalmen;   den  liederlichen 

Pumpernickel  hört  man  und  dazu  läutet  man  mit  allen  s   v.  Sauglocken 

Wo  es  Brauch  ist,   legt   man  die  Kühe  ins  Bett  und  singt  den  Pumpernickel  in 
der  Kirche. 

9.  D.  Martin,  Parlement  nouveau,  Strasburg  1637  sagt:  Es  ist  ein  jeder 
der  Bon-pere-Nicola  (Bompernickel)  krumme  Pfaff. 

Hiermit  dürften  alle  Bedeutungen,  die  man  dem  Worte  P.  untergelegt  hat, 
erschöpft  sein.    Für  die  Erklärung  des  Wortes  ist  aber  ausserdem  von  Wichtigkeit : 

10.  In  mittelhochd.  Wörterbüchern  kommt  das  Wort  P.  nicht  vor. 

11.  Frisch  (um  1740)  kennt  nur  die  Bedeutung  „eine  Art  dickes  schwarzes 
Brot  in  Westfalen«. 

12.  Alle  Belegstellen,  die  von  Grimm,  Heyne,  Schmeller  usw.  angeführt 
werden,  gehen  nicht  über  Schuppius  und  Logau  d.  h.  über  die  Zeit  des  dreissig- 
jährigen Krieges  hinaus,  und  Logau  versteht  unter  P.  nur  das  Gebäck. 

13.  Grimm  sagt  s.  v.  Bompernickel:  „panis  Westfalorum  ater,  kommt  aber 
erst  im  17.  Jhd.  verzeichnet  vor,  wird  aber  älter  sein." 


Ist  nun  Grimms  Vermutung  richtig,  wonach  das  ganze  Wort 
gleich  fix  und  fertig  geprägt  erschienen  sei  und  sofort  einen  lustigen 
Kobold  bedeutet  habe,  so  müsste  es  an  den  Namen  Nickel,  Nicolaus 
angeschlossen  werden.  Dieser  Name  soll  zwar  nach  Heintze  (Deutsche 
Familiennamen  S.  179)  in  Bayern  auch  Niggl  lauten;  dass  aber  aus 
Nickel  sich  nIgU  entwickeln  könnte,   da  doch   in  Kärnten  pumpernigl 


55 

vorkommt,  ist  nicht  aDzunehmen,  denn  auch  in  Bayern  findet  sich 
nach  Schmeller  1^  392  nur  die  Form  pumpernickel  als  Benennung 
einer  plumpen  dicken  Person,  besonders  eines  dicken  Kindes.  Auch 
bliebe  bei  dieser  Erklärung  unerklärt,  wie  es  kommt,  dass  das  Wort 
jetzt  fast  ausschliesslich  das  Brot  bedeutet  und  die  immerhin  etwas 
duftende  Nebenbedeutung,  die  an  den  Silben  Pumper  haftet,  nur 
vielleicht  in  scherzenden  Redewendungen  noch  vorkommt.  Schliesslich 
spricht  auch  der  Umstand  sehr  stark  gegen  diese  Deutung,  dass  der 
Name  Pernickelturm,  der  doch  jedenfalls  mit  dem  Worte  Pumper- 
nickel zusammenhängt,  unerklärt  bleibt.  Auch  von  dem  Treiben  eines 
Instigen  Kobolds  dieses  Namens  weiss  keine  Sage,  kein  Märchen  etwas 
zu  berichten,  auch  wäre  in  diesem  Falle  der  Zusammenhang  mit  dem 
Brote  durchaus  rätselhaft.  Also  die  Erklärung  Pumper  •+-  Nickel  ist 
unannehmbar. 

Alle  diese  Bedenken  schwinden,  wenn  wir  das  Wort  Pumpernickel 
als  aus  pan  —  pam  —  pum  4-  pernickel  entstanden  betrachten.  Dass 
dieser  Lautwandel,  diese  Entwickelung  nach  sprachlichen  Gesetzen 
erfolgen  kann,  ist,  wie  ich  im  Vorstehenden  nachgewiesen  habe, 
zweifellos.  Dass  dies  Wort  von  gebildeten  Leuten  in  Süddeutschland 
auf  das  schwere  schwarze  Brot  geprägt  ist,  und  allmählich  seinen 
Weg  nach  Norddeutschland  gefunden  hat,  wo  es  zunächst  am  Brote 
haftete,  dürfte  gleichfalls  nicht  bestritten  werden  können,  ebenso  wenig, 
wie  für  P.  unzweifelhaft  seine  lateinische  Benennung  panis  perniger 
zutreflfend  ist.  Die  scherzhafte  Umgestaltung  des  Wortes  Pampernickel 
in  Pumpernickel,  bei  welcher  der  Zusammenhang  mit  niger  nach  und 
nach  dem  Bewusstsein  so  entschwand,  dass  man  sich  das  Wort  aus 
Pumper  +  Nickel  zusammengesetzt  dachte,  gab  dann  Veranlassung 
zu  allerhand  Scherzen,  die  sich  an  das  Wort  Pumper  anschlössen  oder 
damit  in  Zusammenhang  gebracht  werden  konnten.  Es  ist  ein  ähn- 
licher Vorgang,  wie  die  Verdrehung  der  Namen  mancher  Arzneimittel, 
dass  man  z.  B.  statt  Diachylon-Pflaster  —  Diaconus-Pfl.,  statt  flüch- 
tiges Liniment  —  fliegendes  Element,  statt  unguentum  neapolitanum 
—  umgewendten  Napolium,  statt  arquebusade  —  arge  Pussade  sagt. 
Ebenso  hat  man  auch  das  lateinische  pan(is)  perniger,  die  treffliche 
Benennung  des  ganz  schwarzen  Brotes,  in  das  vieldeutige,  drollige  und 
derbe  ;, Pumpernickel"  verdreht,  und  nur  der  Name  des  Pernickelturmes 
in  Osnabrück,  wo  das  ganz  schwarze  Brot  gebacken  wurde,  weist 
unverkennbar  auf  den  lateinischen  Ursprung  des  Wortes  hin. 

^BERLIN— Wilmersdorf.  Aug.  Grabow- 


56 


SpriehTvörter  und  Redensarten 
aus  Lippe.*^ 


Wer  A  säggt,  mot  äak  B  sQjjen. 

Oin  Ackersmann  sajjet  sick  wal  grüis,  Qwwer  uich  wüis  (weise). 

Da  sick  anboit  (anbietet),  denn  süin  Läun  was  nich  graut. 

lut  anner  Luien  Fell  es  geut  Rgimen  schnüien. 

Will  et  anners  maken  —  säggt  de  Schmett  (anders,  aber  nicht  besser). 

Da  Appei  ikWi  nich  wüit  van  'en  Stamme. 

Da  April  doit,  wat  hgi  will. 

Wer  schgiten  sali,  mott  lahn,  wer  arb^jjen  sali,  mot  eeten. 

Wer  nenne  ArbQJjet  hätt,  makt  sich  wecke. 

Arm  in  £hren  äs  better  gsse  rüik  in  Schanne 

Armeut  es  nenne  Schanne. 

Armer  Luie  Kälwer  un  rüiker  Luie  Döchter  kommt  bäule  an  'en  Mann. 

Wenn  seu  'n  armen  Duiwel  nicks  h&bben  sali,  verlast  bgi  dat  Braut  iut 
'en  Sacke. 

Armer  Laie  Pannkeuken  an  rüiker  Luie  Krankheiten  riuket  glüik  wüit. 

Mött  'en  Äujen  iut  'en  Brgiwe  (Brief),  mett  'en  Hennen  iut  'en  Gelle 
(Geheimnis). 

Wer  de  Äajen  nich  gppen  hätt,  mott  'en  Buil  gppen  häulen. 

Man  mott  de  Äujen  ehr  (oder)  den  Buil  upmaken. 

Datt  Äuje  will  äuk  wat  häbben  —  see  de  blinne  Jakob,  qs  bgi  'n  wacker 
Meeken  fri^e. 

Iut  'en  Äujen,  iut  'en  Sinn,    Iut  'en  Härten,  dat  es  minn  (minderwertig). 

Wat  datt  Äuje  nich  suit,  begehrt  dat  Herte  nich. 

Da  hgert  9II  teu  'n  äulen  Üisen  (Eisen). 

H^i  kann  sick  oll  teu  'n  äulen  Üisen  reeken. 

Et  es  nenn  Werk  für  'n  äulen  Keerl,  harte  Nötte  teu  knacken. 

Wenn  äule  Peer  anfanget  te  läupen,  dann  es  'er  nenn  Häulen  maier. 

Hpi  lehrt  et  nich,  un  wenn  'e  hunnert  Johr  äult  werd. 

Twisken  Austern  un  Sünte  Vüit  (Veit)  Es  de  beste  Bottertüit. 

Hgi  es  näu  nich  dr^ije  achtem  Äwwem  (Ohren). 

Bachelmgi  —  (Bartholomäus)  Schutt  de  Hawer  in  'e  Kngie. 

Tijen  'en  Backoben  es  schlecht  h^jahnen. 

Jijen  'en  Backoben  es  nich  geut  hpjahnen. 

Qsse  Qinen  geht  de  Backen,    Sgu  geht  'en  äuk  de  Hacken. 

Wenn  nich  geschwinne  goht  de  Backen,  dem  geht  äuk  nich  geschwinne 
de  Hacken. 

Vandaje  häww  'e  Qwwer  mol  schön  spielt  —  see  de  Bäljentreer  teu  'n 
Qrjelisten. 

H$i  es  seu  bange  9s  'en  Erfte  in  'en  Potte. 

Bange  maken  gellt  nich. 

Sterwet  de  Voss,  seu  gellt  näu  de  Bass.  (Wenn  auch  aUes  daraufgeht,  so 
bleibt  doch  noch  ein  Rest.) 

Bat't  et  nich  —  seu  schad't  et  nich. 

Olle  Bäte  helpet  watt  —  see  de  Mujje,  do  pisse  se  in'en  Rhüin  (osse  se  in 
den  Rhüin  strülket  hadde.) 

>)  Vgl.  Nd.  Jahrbuch  84,  145  ff. 


57 

Olle  Bäte  helpet  watt  —  see  de  Duiwel,  gase  h^i  de  Bottem  mett  'er 
H9cligowel  att 

Hgi  es  grpff  ^sse  Bäimensträuh. 

Datt  mott  'en  schlechten  Bäum  süin,  de  upp  'en  prsten  Schlach  fällt  (bes. 
vom  Freien.) 

Wenn  et  gwwer  de  kahlen  B^ime  donnert,  datt  sali  nich  gäut  sCdn. 

Wer  et  Ipfft  —  an  'et  Bedde  verkpfiFt,  de  kann  m@tt  'en  Meese  in  'en 
Sträohe  sdilopen. 

Man  mott  sick  nich  pier  (eher)  iuttöin,  gsse  wenn  'en  no  'en  Bedde  ggit. 

Wer  datt  Bedde  mak't  'en  Mprjen,  Es  den  ganzen  Dach  eune  S^rjen. 

Oin  warm  Bedde  un  (^in  fiul  Ees  sind  Qsse  pin  Paar  Briatluie:  sg  könnt 
nich  Yan  enanner  kommen. 

Behelpen  es  nenn  Satteeten. 

Berg  un  Dal  bejijent  sick  nich,  öwwer  9in  Minske  den  annern. 

Nüjje  Besp'ms  kehrt  gäut. 

De  Bettelbuil  un  de  Geldbuil  hanget  selten  hunnert  Johr  für  ^iner  Düer. 

Et  es  hüer  better  ^sse  te  lufeln  in  'er  Meftskiulen. 

Better  tw^imol  fohm,  9sse  ^inmol  ^wwerlohn. 

Et  es  better  twQimol  wall  gsse  ginmol  üwel. 

Better  gin  Lappen  Qsse  $in  LQck. 

Et  es  better,  datt  de  Biuk  hasset  (berstet)  gsse  datt  de  Kost  verderwet. 

Better  de  sick  verschleppt  —  psse  de  sick  verlöppt. 

Better  pinen  häbben  gsse  tw^i  krüijen. 

Better  demoidig  fohrt  psse  hpffährg  gohn. 

Better  ^inen  Feut  ^wwer  der  Eem  gsse  te  Feute. 

Better  es  better  —  see  de  Katte,  do  drank  se  de  Melke  iut  'en  Emmer. 

Wenn  de  Biem  rüip  es,  fällt  se  maier  upp  'en  Dreck,  gsse  upp  'et  Rgjjene. 

De  rüipe  Biern  fällt  maier  upp  'en  Käuhflatt  gsse  upp  'et  Reusenblatt. 

Bitter  itir  'en  Mund  —  für  'et  Herte  gesund. 

De  dümmsten  Biwwern  hätt  de  dicksten  Katuffel. 

Watt  de  Biwwer  nich  kennt,  dat  frätt'e  nich. 

Jo,  jo  —  säggt  de  Biwwer,  dann  w^it  'e  nicks  maier  (Verwunderung). 

Dat  es  oUhand  gine,  wenn  eck  mü  nich  verteilt  häwwe  ~  see  jenne  Biwwer, 
vsse  süine  Sue  dat  grste  Ferken  (Fickel)  kraig.    (Genauigkeit). 

Practica  est  multiplex  —  see  de  Biwwer,  do  taug  'e  sick  'en  Worm  iut  'er 
Neesen  un  band  'er  sick  den  Schäuh  mett  teu.  .  (Man  muss  sich  zu  helfen  voissen.) 

Hgi  süppt  sick  geem  Qinen  achter  de  Binnen. 

Hgi  nimmt  nenn  Blatt  für't  Miul. 

Et  es  nenn  Bleut  seu  dünn,  datt  et  nich  rinne  (Anhänglichkeit  entfernter 
Verwandter). 

Et  es  neon  Bleut  seu  dünne,  et  rinnt  —  see  de  Schnüider,  gsse  hgi  'n 
Siejenbock  schlacht  hall. 

Hgi  es  blgie  (blöde)  in  'er  Tasken  (=  von  einem,  der  nicht  gern  Geld  ausgibt.) 

Boben  fix  —  unner  nicks. 

Boben  es  de  Tiun  wüipet  (mit  Wüipen,  d.  i.  mit  Weidemweigen  gehörig 
festgeflochten)  anner  breekt  'er  de  Suen  düer. 

Da  es  bükannt  Qsse  siwwer  Bger  (gsse  bunte  Rüens). 

Do  namm  'e  de  Bgine  unner  'n  Arm  un  böst  'er  tedänne,  watt  datt  Tuig 
häulen  wolL 

Van  den  Bginen,  dat  restet  —  hadde  jenne  Jiude  äuk  säggt,  gsse  höi  up- 
hangen  wgrd. 

Up  Qinen  Bgine  kann  man  nich  geut  stöhn. 

Bgijen  makt  Sprjen. 

Wer  nennen  Beert  häbben  will,  mott  'en  sick  afEischnüien  (gegen  lastige  Dinge.) 

Et  ggit  nich  für  'n  geut  Botterbräut;  et  es  better  gsse  den  ganzen  Dach 
gamicks. 

Et  es  teu  late  spart,  wenn  de  Bottem  upp  'n  Grunne  es. 

Hgi  kann  maier  gsse  Braut  eeten  (von  einem  geschickten  Manne.) 

Siwwer  Braut  werd  an  'en  meisten  getten. 


58 

II öi  bohrt  geem  dünne  Breer. 
Kopp  un  Foite  glatt  —  es  de  beste  Briutschatt 

Eck  eete  olle  Broens  (Braten)  gerrn,  lutgeiipminen  Schwüinebroen,  den  eete 
eck  ganz  verdaiwelt  ggern. 

Man  mott  den  Bruch  nich  seu  bgit  eeten,  Qsse  pinen  fürsettet  (upfüllt)  werd. 
Wer  sick  den  Bruch  iurohrt  hätt,  mott  'en  ock  iutfreten. 
Wenn  et  Bruch  rejent,  es  müin  Napp  olltüit  ümmestülpet  (verfehltes  Glück.) 
Wo  Qin  Bruwwehius  st^it,  do  kann  nenn  Backehius  stöhn. 
Bubben  kost  Geld. 

Bubben  es  'en  Lust  —  wer'  et  Geld  hat. 

Langsam  teu  'n  Buil  un  hurtig  tau  Heut,  helpet  manchen  jungen  bleut. 
Bünohe  es  näu  nich  ganz. 

Fürher  Büsch^id  —  noher  nenn  Kr^it.  (Vorher  Bescheid,  nachher  kein  Hader.) 
De  Qine  kloppt  upp  'en  Busk,  de  annere  kriggt  de  Vüjel. 
Wenn  'et  Herte  man  schwärt  es  —  see  jenne  Büste wwer,  93  'en  de  Supper- 
dente  freug,  worümme  höi  keinen  schwarten  Rock  antojen  hedde. 

De  Büstewwers  un  de  Hunne  de  verdgint  ehr  Braut  mett  'en  Munne. 
Oinen  upp  'et  Dack  stüijen. 
Wer  geerne  danzet,  denn  es  lichte  uppspielen. 

Hgi  richt't  sick  äuk  qU  'en  Danzeplatz  für  de  Luise  in  (sagt  man  von  einem, 
der  früh  eine  Glatze  bekommt.) 

Hgi  frett  psse  'n  Deskekeerl. 
Den  pinen  süin  Däut  es  den  annern  süin  Braut. 
Ümmesüss  es  de  Däut,  un  de  kost  näu  dat  Lieben. 

Däwwerhgit  —  hadde  Lütkebriune  säggt,  9s  hgi  in  'et  Tuchthius  soll  (etwas 
Unangenehmes  durch  einen  Scherz  ohne  Eindruck  erscheinen  machen). 
Oin  Däwwer,  de  sick  iuttuit,  9er  hgi  teu  Bedde  ggit. 

Vell  teu  deun  mett  lütker  Macht 

Hätt  9II  vell  teu  Falle  brgcht. 
Geut  Ding  will  Wüile  häbben. 
Wer  de  Dochter  häbben  will,  mott  de  Modder  früjjen. 

Watt  et  süi,  un  wo  et  goh. 

De  Sonne  deut  den  Aulen  noh. 

De  Dochter  g(^it  der  Modder  Gang, 

Un  säu  ehr  ganze  Lieben  lang. 
Bluten  Doer  es  geue  Dajergise. 

Wat  diu  vandaje  nich  doist,  briukst  'e  mgern  nich  teu  deun. 
Wat  de  Dokter  verderwet,  werd  mett  Eern  teudecket. 
Olle  Donnerdaje  sind  näu  nich  füiert  (das  dicke  Ende  kommt  nach). 

Da  sick  wehrt  für  de  Doht  — 

Für  'et  Lgijen  es  jümmer  Roht  (Si  fecisti,  nega). 
Je  maier  man  den  Dreck  trätt  desto  dünner  werd  h^i. 
Da  sick  unner  de  Drewer  menget,  denn  fretet  de  Schwüine. 
Dat  was  droopen,  see  jenne  Junge,  un  hadde  süinen  Yadder  gin  Äuje  iut- 
Schmetten. 

Hgi  hat  uunern  Drüppenfalle  stöhn  (von  einem,  der  eine  Glatze  hat) 
Mett  'er  Düer  in  'et  flius  fallen 

Jgider  feje  für  süiner  Düer  —  seu  werd  de  ganze  Stroote  r^jjen. 
Dat  Beste  in  'er  Mitten  —  see  de  Duiwel,  do  gink  'e  twisken  twgi  Papen. 
Ugi  es  den  Duiwel  van  'er  Koern  fallen. 
Do  schloe  d9ch  Ggtt  'n  Duiwel  däut  (Interjektion). 
Motten  es  'en  Duiwelsdank. 

Et  es  nenn  Duiwel  seu  graut,  hgi  hätt  süinen  O^werduiwel. 
De  Duiwel  schitt  jümmer  upp  'en  grgttsten  Häup. 
Je  maier  de  Duiwel  hätt,  je  maier  begehrt  hgi. 

Do  'en  schönen  Placken  es,   Schmitt  de  Duiwel  'en  Kläuster  heun,  ähr  'en 
Eddelmann. 

L9tt  'en  9rst  man  den  Duiwel  in  'e  Kärken  kommen,  sitt  'e  äuk  bäule  upp 
'en  Altar. 


59 

Wenn  'eu  van  'en  Duiwel  kührt,  sitt  'e  upp  'er  Hekedüer. 
Wo  Geld  68,  do  es  de  Duiwel  —  see  jenne  Kerl  un  henk  's  Obends  süine 
Büxen,  wo  gin  Penng  iune  was,  upp  'en  Hoff.     Den  annern  Mpem  was  se  weje  — 
Sgih  je  niu,  dat  eck  Recht  hall?  —  see  bgi  däu. 

Wer  vür  der  (oder:  in  'er)  Höllen  wonnt,  mott  'en  Duiwel  Heem  hpiten. 
Wo  de  Duiwel   nich  summst  hennkommen  kann,   do   schickt   hgi   'en   äult 
Wüif  henn. 

'n  dullen  drupp!  (zum  Tanze). 
Duwwelt  najjet,  h^lt  better  (ritt  nich). 
Eddelmann  es  Eddelmann  -—  Beddelmann  es  Beddelmann. 
De  Eddelmann  will  jümmer  dat  Messt  hoben  in  'en  Schappe  h&bben  (bean- 
sprucht die  meiste  Ehre). 

Eeten  un  drinken  es  süin  beste  Handwerk  (sagt  man  vom  Taugenichts). 

Wenn  dat  Eeten  düer  den  Hals  es,  seu  es  et  ollens  glüik. 

'n  geuer  Eeter  es  äuk  'en  geun  Arb9Jjer. 

Sülmst  eeten  makt  fett. 

An  'en  grauten  Ees  hgert  'n  graute  Büxen. 

Ehre  yerloern,  ollens  verlohrn. 

Wässet  de  Ehre  spannenlang, 

Wässet  de  Däwwerhgit  (Torheit)  eelenlang. 
Ehrlich  wohrt  upp  'et  längste,  wüil  et  w^inig  briuket  werd. 
Dat  dicke  Enne  kümmet  noh. 
Enne  geut,  ollens  geut. 

Wat  sali  'en  söjjen,  wenn  dat  Enne  teu  k^ert  es!    (Misslungen.) 
Söi  biwert  Qsse  Espenläuf. 

Et  es  jümmer  watt  —  Es  et  nich  düt,  gs  et  datt. 
Vulle  Fätter  klinget  nich. 

Büi  enkelten  Fedderkens  plückt  man  den  Vurel  kahl. 
Nemmes   spihe  süinen  Füind   teu  minne  an,  man  mott  datt  Fell  nich  9er 
verkäupen,  osse  bett  man  'en  Foss  hätt. 

Wenn  de  Ferken  Teil  sind,  werd  de  Drank  dünne. 
Fett  schwemmt  hoben  un  es  et  äuk  man  Rüenfett. 
Wer  aett  dertig  ritt,  de  mott  melt  vertig  teu  Feute  gohn. 

'n  fiulen  Fewwermann  (Führmann) 

Spannt  l^iwer  iut  ^sse  an. 

Unjefangene  Fiske 

Bringt  nich  vell  te  Diske. 
'n  äulen  Fisker  kennt  Karpen. 

Steck  'en  Finger  in  'e  Eern  un  riuk,  in  wecken  Lanne  datt  'e  bist. 
Wenn  man  laileck  süin  sali,  bräckt  man  'en  Finger  in  'er  Neesen  äff. 
Do  man  den  Finger  inkriggt,  do  kriggt  man  äuk  de  Hand  in. 
Hv  makt  Hut  er  Fisematenten. 

Anstatt  datt  de  Fiule  twpmol  g^it,  dräggt  'e  Igiwer,  dat  et  w^ihe  doit. 
Dat  passt  9sse  de  Fiust  upp  'et  Äuje. 
Wo  Flass  es,  do  sind  äuk  Schiewe. 

Flink  upp  'er  Stroote, 

In  'en  Hiuse  ebenmote. 
Fl^isk  es  dat  beste  Qemoise. 
Eck  will  düi  watt  floiten. 

Et  es  geut  teu  Feute  gohn,  wenn  man  sick  moije  rien  hätt. 
Dat  es  'en  dummen  Foss,  de  bleuss  gin  Lyck  wpit. 
Wer  vell  fräggt,  den  werd  vell  säggt. 
Frech  9sse  Oskar. 

Et  werd  nenn  Freeter  boern,  ho  werd  'er  teu  maket. 
Better  'n  Stunne  teu  fireuh,  gsse  'n  Maniuten  teu  late. 
Da  freub  uppstgit,  süin  Qeut  vertehrt,  da  lange  schlöppt,  denn  Ggtt  ernehrt. 
Fromme  Luie  sind  grillig  (geizig). 

Wenn  de  Ipiwe  Qgtt  teu  'n  Narren  häbben  will,  seu  Igtt  hgi  'n  äulen  Mann 
de  Frabben  affsterben. 


Frubben  Äaje  —  de  besfe  Läuje. 

Dat  mott  'en  geue  Däll  8üin,  de  twö  Frubbensminsker  draggt. 

(VeHrägUdikett.) 
Äuler  Frubben  Sterben  — 
Es  nen  Verderben; 
Owwer  Pgenrerräcken  — 
Dat  es  'en  Schrecken. 
Da  Frubbensminsker  h&tt  lange  Hoer  un  kQrten  Verstand 
Frubbensluie  Roht  un  Bdckw^itensoot  —  Geroet  blßuss  olle  sieben  Jobr. 
Dat  wiw  w'e  niu  wall  wier  krüijen  —  hall  jönne  Frubben  säggt,  9s  se   der 
Keuh  Bottern  upp  dat  Föwwer  straik. 

'n  gSue  Frubben  un  'ne  gäue  Katten  häult  olltuit  'et  Hins  röjjen. 
Qsse  jenne  Fruwwe  säggt  hall :  Nowerske,  laihn  se  mü  ehre  Saipen,   eck 
will  'er  nicks  anne  verderben;  wenn  Sek  'er  mStt  wosken  häwwe,  will  eck  se  ehr 
wier  bringen. 

Da  Fruwwe  verd^int  maier  mett  'en  Leppel, 
Qsse  de  Mann  inbringt  mßtt  'en  Scheppel. 
Oine  Fruwwe  kann  maier  mett  ehr  er  Schlippen  iut  'en  Hiuse  iutdrejen,  os 
*er  de  Keerl  mett  v^er  Peer'n  infohrn  kann. 

Wer  nänne  gSue  Frunne  hätt,  de  es  nich  wert,  dat  h^i  liewet. 
Frünne  in  'er  Nftut,  geht  dertig  (hunnert)  upp  ^in  Laut. 
Wer  'n  geun  Fränd  iinnd't,  da  hätt  süin  Dachl&un  verdpint. 
FrQdach  hätt  süin  pgen  Wedder. 
Töu  'n  Früjjen  h^ert  maier  9s  'en  Paar  Schöuh. 
Luit,  deu  de  Äujen  upp  —  Früjjen  es  kgin  Pöerkäupen. 
Dr{^i  Ossen,  dr^i  Kälwer  un  'ne  buntköppte  Keuh, 
De  gifft  mü  müin  Vadder,  wenn  äck  früjjen  sali; 
Qi£Ft  hgi  se  müi  nich,  dann  früjje  eck  &uk  nich, 
Un  d^ie  h^i  näu  watt,  dann  s^jje  eck  'en  ftuk  nicks. 
Oin  Früjjedaler  gällt  niejen  Grössen. 
Olle  Fri^jer  rüike,  olle  Gefangenen  arm 

In  piner  Stunne  äs  maier  früjjet,  psse  in  twintig  Johrn  verdpint. 
Wer  früjjet  in  süinen  äulen  Johrn, 
De  l&tt  de  geuen  Daje  fohm. 
Früjjen  es  seu  soite  psse  broene  L&mmerfoite. 
Wer  dat  Fuier  npidig  hätt,  söggt  et  inner  Askeu. 
Van  'en  Funken  brennt  dat  Hins. 
Geduld,  Iptt  dat  Holt  teu  Kohle  wehm. 
Wer  sick  nich  in  Gefohr  begifft,  kümmt  'er  nich  in  ümme. 
Geiz  helpet  upplaen,  pwwer  nich  drejen. 
Wo  eck  müin  Geld  vertehre,  kann  eck  jiuchen. 
Wer  Geld  hätt,  kann  'en  Duiwel  danzen  spin  (looten). 
Geld  rajpert  de  Welt. 

l\'^  hätt  Geld  psse  Hpch,  man  nich  seu  lang. 
Für  Geld  kann  man  Sucker  käupen. 
Geld  lütket  Geld  —  see  Kasper  Beerend,  do  liewe  hö  näu. 
Hast  diu  'en  Seele,  seu  häwwe  eck  't  Geld  (bei  der  Eideszuschiebung). 
Da  Geldsack  un  de  Bettelsack  hanget  nich  hunnert  Johr  für  piner  Düer. 
Dat  es  pll  wier  Geld,  wo  de  Fruwwe  nicks  van  w{^it. 
seu  göit  et  in  'er  Welt 

De  $ine  hätt  'en  Buil,  de  annere  hätt  dat  Geld. 
Je  gelehrter,  je  verkehrter. 

Häwwe  eck  'en  Genöit,  seu  häwwe  eck  'en  Verdrpit  (Genuss  und   Verdruss 
sind  umertrennlich). 

Wer  in  'en  schlecht  Gerücht  kümmt,  es  half  hangen 
Sünte  Geertriut,  gpit  de  prste  Görnerske  iut. 
Datt  es  vell  Geschrpch  un  wpinig  Wullen. 
Datt  maket  vell  Geschrpch  pwwer  wpinig  Berpch. 
Wahrt  juflf  für  Geutspjjen  un  Huiserbubben. 


61 

Wer  hinnerlptt  süin  Oeat  den  rechten  Erben,  da  kann  geriuhig  sterben, 
'n  geut  Gewissen  es  'en  gönt  Riuhekissen. 
Seu  gewannen,  s€u  terrunnen. 
Gissen  es  missen. 
Gissen  es  nngSwisse. 
Da  es  nich  van  gistem. 
'n  feinen  Giewel  makt  'et  Hins  feia. 
Hv  kickt  9llhand  teu  d^ip  in  'et  Glas. 
Da  dat  Gluck  bätt,  bringt  de  Briut  no  'er  Kärken 
Dat  Glück,  dat  Glück  es  kiurelrund 
Un  dräppt  seu  'n  manchen  Lumpenhund. 
L^tt  goen  98  et  gpit  (GleichgüÜigkeü.) 
Dat  Langsamgohn  kümmt  yan  sülmst. 

Dat  gvit,  datt  et  schnüfft  —  see  jenne  Junge,  qs  'e  upp  'er  Snen  rait 
Bfii  denn  gvit  et:  Kümmst  'e  vandaje  nich,  seu  kümmst  'e  mpern  (von  einem 
langsamen). 

Seu  psse  man  de  Ggise  wenket,  seu  goht  se. 
Gptt  'er  H€er  IqU  wall  sinken  pwwer  nich  yerdrinken. 
Wo  da  henträtt,  do  w&sst  in  «ieben  Johr  nenn  Gras  maier. 
H9  hpert  dat  Gras  wassen  un  suit  de  Gpise  pissen  (von  einem  eingebildeten 
überklugen  Menschen). 

Hv  mott  in  'et  Gras  büiten  (muss  sterben). 
H9  makt  'et  nich  lange  maier  (dasselbe). 
Et  es  'er  matt  iut  (dasselbe). 
Et  will  nich  maier  (dasselbe). 
Wer  sick  t§u  Gras  maket,  denn  frgtet  de  Kojje. 
Da  Grillte  kriggt  phr  denn  Hals  vull  gsse  de  Keuh. 
Et  kost  wall  man  bleuss  'en  Grössen,  Qwwer  'et  g^it  'er  äuk  donoh. 
Jpider  will  grgtter  süin  — 
Dorriut  kümmt  olle  Püin. 
Da  Grpttste  es  nich  jümmer  de  Beste. 

Gruifken  in  'en  Kinn  — 
H&tt  dullen  Sinn, 
Gruifken  in  'en  Backen  — 
Hätt  stüiben  Nacken. 
Da  mü  nicks  günnt  un  nicks  giiTt  — 
Mott  lüin,  datt  mü  dat  Lieben  blifft. 
Better  ginen  „Häbben**  gsse  twpi  „Krügen**. 

l>at  sasst  diu  h&bben,  wenn  Austern  un  Pingsten  up  ^inen  Dach  fallt 
Wenn  da  Hahn  krajjet  upp  'en  Nest, 
Dann  blifit  dat  Wedder  seu  98  et  es. 
Man  mott  watt  ümme  de  Hand  häbben,  hadde  jenne  Fruwwe  säggt,   99  se 
mett  'er  Hand  an  'en  Schgndpohl  schlgtten  was.     (Alles  vorteilhaft  deuten,) 
Twisken  'er  Hand  un  'en  Manne 
Ggit  vell  teu  Grunne. 
Wenn  gine  Hand  de  annere  wasket,  seu  werd  se  bgide  röjjen. 
Wer  twälf  Handwerke  h&tt,  h&tt  drütgjjen  Ungelücke. 
Wer  9in  Handwerk  düjet  lehrt 
Kriggt'e  Kost,  wo  hgi  verkehrt. 
Drgi  Handwerke  tguglüik,  sind  siebenuntwintig  Ungelücke  upp  ginmol. 
Handwerk  kann  wall  sinken 
Owwer  nich  yerdrinken. 
Wer  den  H  annig  (Honig)  licket 
Mott  lüin  (leiden),  datt  'en  de  Imme  steket. 
Wenn  'en  Hansnarre  prohlt  werd,  dann  gngiset  (schmunzelt)  hvi,  9sse  wenn 
de  Isel  D9ig  (Teig)  fr&tt 

Eck  will  düi  mol  wülsen,  wo  de  Harke  'n  Stell  hätt. 

Willig  Herte  makt  lichte  Foite. 

Do  liggt  de  Hase  begraben  (in  'en  Popper). 


62 

Wenn  de  Hase  in  'en  Herwest  'n  biutcrmoten   dicket  Fell  hätt,  gifft  'et  'n 
harten  Winter. 

De  Hase  hüppe,  seu  wüit  gsse  hyi  will,  h^i  huppet  dpch  wier  noen  Neste 
(AnhängUchkeit  an  das  Elternhaus). 

Den  Hasen,  da  nich  Ipppet.  will  de  Jäjer  äuk  nich  häbben  (äüzugefällig). 
Wenn  de  Haspel  säggt  knapp, 
G9it  et  in  Jiudenbeernd  siiinen  Schapp. 

(J.  war  Garnhändler  und  •Vermittler.) 
Teil  vell  Hast  batet  nich 

Toif,  diu  bist  für  Häujen-Hamel  näu  nich  beer  (Hohen-Hameln  =  Galgen?) 
Wer  de  Neesen  te  h&uje  dräggt,  stptt  sick  de  Teene  in 
Haust,  Knäust,  Botterbräut, 

Schlyit  'e  Mömmen  mett  'er  Kösken  däut  (Maulheld). 
Je  gr^tter  de  Heem  —  je  maier  mott  'en  smeern^  see  jenne  Keerl  iut  Deppel. 
Heern  Befell  es  Knechte  Werk. 
Graute  Heern  hätt  lange  Henne 
Strenge  Heern  raj^art  nich  lange 
Heer  ehr  Dpif  —   mett  Gelle  bist  diu  Ipif 
Wohr  düi  vöer  vinen,  denn  iuse  Heerggtt  töikent  hätt. 
luse  Heergott  hätt  ollerhand  Kostgängers. 
Heerg^tts  Water  ywwer  Heerg^tts  Mühlen  läupen  loten, 
luse  Heerg9tt  stuert  de  BQime,  dat  se  nich  in  'en  Hemmel  wasset. 
Oijen  Heerd  es  Gold  wert. 
Datt  Hemd  st^it  ^inen  naijer  98se  de  Rock. 

Eck   will   düi   glüik !   —   datt   diu  'n   Hemmel   für  'n  Dudelsack  ansuist ! 
(Drohung). 

Wer  'et  Hexen  vinmol  kann,  rerlehrt  et  nich  maier. 
Wer  'et  Hexen  verstgit,  für  denn  es  et  kpine  Kunst. 
Dat  Heun  leggt  geern,  wenn  et  man  'n  Nest  suit. 
Jung  Hingest  —  jung  Schinnermehre. 

Et  es   nenn   Hius   seu   faste,   et   rejent   9U   wenner  (zuweilen)  'en   siwwcrn 
Wind  dordürr. 

öijen  Hius  un  pijen  Dack, 
Es  glltüit  'en  graut  Geschmack. 
Wo  man  hennkümmt,  do  findt  man  süinen  Wehrt  teu  Hiuse. 
Oinen  noh  Hius  lüchten  (heimleuchten). 
Et  gyit  'er  her  gsse  upp  Matzen  Hgchtüit  (viel  Lärm). 
Diu  sasst  upp  'er  Hgchtüit  dat  beste  Fickel  naijest  'er  Suen   süin  —  säggt 
de  Hgchtüitsbidder  teu  'n  Bruimen  süinen  Vedder  (schöne  Versprechnngen). 
Wenn  man  will  upp'e  Hgchtüit  goho, 
Mott  de  Heut  upp  Vivat  stöhn. 
Et  werd  nenne  Hgchtüit  seu  droe  vullbrvcht, 
Et  es  9II  wier  'ne  ni^je  teu  Staune  bracht. 
Vür  der  Hgchtüit  most  se  wennen, 
Noh  der  Hgchtüit  hätt't  'n  Enne 
Da  mosste  Hoer  loten. 
Da  hätt  Hoer  upp  'en  Tehnen. 
Do  liggt  'n  Hoer  in  'er  Bottem. 
Wer  nich  hperu  will,  mott  foilen 

Hyi  Schmitt  nich  henn,  wo  hgi   hennewanket  (von  einem  sich  Verstellenden). 
Hgi  najjer  düer  —  wat  giffst  'e,  wat  hast  'e. 

Wer  vür  der  Höllen  wonnt,  mott  sick  'en  Duiwel  teu  'n  Frünne  wahrn. 
Geht  de  Hönner  in  'en  Rejen,  dann  hätt  et   'er  Sinn  teu  (d<inn  regnet  es 
noch  tüchtig). 

Wenn  de  Honner  krajjet  un  de  Katten  Oijer  lyjjet  --  (Eulenpfingsten). 
Wenn  man:  „Küsk  iut!**  säggt,  dat  gellt  den  Honnern  olle  (allgemeiner  Tadel). 
Mett  den  Hunnern  te  Bedde  gohn 
Un  mett  'en  Schopen  wier  uppstohn  (von  Faulen). 


6B 

Dat  häww  eck  yellmols  hpern  s^jjen, 
Sind  schlechte  Höoner,  da  hinner  Ipjjet 

(die  ihre  Eier  draussen  hinlegen;  Häuslichkeit), 

Dat  kann  man  mett  'en  Holsken  foilen     (Starke  Stichelei). 

£ck   mott   Hülpe  häbben,   see   de   Biwwer,    da    hall   'e    sick    'en   Ewwcrt 
Schnapps  halt 

Hunger  es  de  beste  K9ck. 

Inbillunge  es  schlemmer  psse  Pestilenz. 

Denn  kost't   dat   Inboiten  maier  psse   datt  Backen  (wenn  7nan  mehr  auf- 
tc endet,  als  der  Zweck  erfordert). 

H$i  h&tt  Infälle  9s  *en  äult  Hins  (wenn  einer  sonderbare  Einfälle  hat.) 

Watt  man  inplocket  hätt,  mott  'en  iutfreeten. 

Better  upp  'en  Isel  sitten,  ^sse  van  'en  Peer  fallen. 

De  Isel  un  de  Drüiver  denkt  selten  ywwer^ine. 

Wat  säggt  de  Isel,  wenn  'e  vür   der   Mühlen  hgrkümmt?  (sagt  man  einem 
unhöflichen,  sich  brüstenden  Menschen), 

Dofur,  dat  de  Isel  tw^mol  g9it, 
Dräggt  'e  Igiwer,  dat  'et  wifihe  doit. 

Da  sick  an  'en  Isel  schuert,  kriggt  'er  Hoer  van. 

Wer  teu  'n  Isel  geboem  es,  werd  süin  Lieben  lang  nenn  Peerd. 

Wenn  't  den  Isel  teu  wohlig  werd,  seu  ggit  'e  upp  'et  Üis  un  breckt  'et  B^in. 

Jiujend  hätt  nenne  Diujend,  see  jenne  Fruwwe,   do  was  ehr   dat  Kind  iut 
'er  Wyijen  fallen. 

Da  Dniwel  trubbe  'n  (traue  einem)  Jiuden. 

Schmüit  den  Jiuden  düer  de  Heekeduer, 
Seu  kümmt  'e  wier  düer  de  Nierndüer. 

J^ideröine  w^it  an  'en  besten,  wo  änne  (ihm)  de  Scheuh  drücket. 

Wenn  et  du  jucket,  dann  most  'e  kratzen. 

Betten  gelinner  —  spräckt  de  Kalenner. 

Kalfflyisk  —  Halffipisk. 

Wenn  de  Kärkluie  natt  werd,  rejent  de  ganzen  Wecken. 

Büi  der  Kärken  es  jümmer  de  grpttste  Wind. 

Matt  denn  es  schlecht  Kaspern  eeten. 

H^i  ggit  'er  ümme,  psse  de  Hatte  um'  en  h^iten  Bruch. 

Man  mott  de  Hatten  nich  in  'en  Sacke  käupen 

Wenn  man  de  Hatten  upp  dat  Speck  binn't,  seu  frätt  öe  nich. 

Watt  ?an  Hatten  kümmt,  will  miusen. 

Je  maier  man  de  Hatten  striepet,  je  h9chter  büert  se  den  Steert. 

De  Hatte  l^tt  dat  Miusen  nich. 

Hattend^if  hätt  Q9tt  Igif. 

Da  verdrejet  sick  osse  Hatte  un  Rüe. 

Wenn  de  Hatte  iutgohen  es,  dann  spielt  'e  Muise  upp  'en  Bänken  herrümme. 

Ui,  seu   woll    eck,    dat    eck    katholsk    wgr.     (Ausruf  der   Verzweiflung,   des 
Unmuts.) 

Noh  den  Häul  un  noh  der  Heuh, 
Mott  man  goen  äff  un  teu.    (Sorgfalt.) 

Häupmann  te  wern,  es  nenne  Hunst,  Qwwer  Häupmann  te  blüiben. 

Vandaje  Häupmann  —  mgern  Läupmann. 

Qin  Kawalierskopp  un  vin  Giiflkopp  sind  selten  te  trubben. 
Häwwem  upp  'en  Sänne  (ijn  nassen  Jahre) 
Gifft  Hunger  in  'en  Lanne. 

Dat  es  'n  anner  Häwwern  —  see  jenne  Möller,   9s  'e  düer  'n  Miasek9ttel 
bait.     (Verwechslung.) 

H9i  es  'en  fläämsken  Heerl  (kräftiger  Mann). 

Wer  den  ganzen  Dach  Heuken  ett,  mach  'en  teleste  nich  maier. 

Hinner  un  Narr'n  89jjet  de  Wohrh9it. 

Wenn  'et  Hind  verdrnnken  es,  werd  de'  Säut  teudöcket. 

Hinnern  kann  man  mett  'er  Hl9inigk9it  'n  Pläsör  maken. 

Yell  Hinner,  vell  Sejen. 


64 

Kinnerbärte  es  lichte  te  stillen. 

Nenn  Minske  schloe  suine  Kinner  däut,  man  wyit  nich,  watt  'er  int  wem 
kann  (an  die  Zukunft  denken). 

Et  es  better,  dat  *et  Kind  grinnt  9sse  de  Modder 
Oin  Kind  —  Angestkind, 
Tw^i  Kinner  —  Spielekinner, 
Dryi  Kinner  —  vell  Kinner. 

Wer  kuppet  es,  da  kann  nich  maier  hangen  wem. 

Watt  man  nich  in  'en  Koppe  hätt,  dat  mott  man  in  'en  Beinen  b&bben. 

Se  vell  Koppe,  sc  vell  Sinne. 

Vell  Koppe,  vell  Sinne,  see  de  Duiwel,  psse  h^i  'n  Foer  Höppers  lahn  hall. 

Wer  man  ^erst  'en  Kprf  hätt,  kriggt  'er  bäule  'n  Vurel  in.  (Wer  nur  erst 
einen  Korb,  ein  Bauer  (ein  Haus)  hat,  wird  bald  einen  Vogel  (eine  Frau)  hinein 
bekommen.) 

Rüijet  juff,  hadde  jenne  Küster  sftggt ;  hy  hall  Qwwer  man  vinen  Schoiler  hat 
(Grosstuerei.) 

Dat  vergifft  de  Köster  (nämlich  ein  leichtes  Vergehen). 

Hgi  Igtt  sick  nich  in  ^e  Koten  küiken. 

Man  mott  'er  mett  ümmegohn,  psse  wenn  man  'en  Kottel  upp  'en  Spänne 
dräggt  (sagt  man  von  einem  sehr  empfindlichen  Menschen) 

Da  vine  Krajje  hackt  'er  annern  de  Äujen  nich  iut  (nenn  Äuje  iut). 

Do  goe  wü  her  —  see  de  Krajje,  qs  se  de  Hawerk  in  'er  Miulen  hall  (Galgen- 
humor; vornehmer  Umgang.) 

Wenn  de  Kinner  nich  andi\jent  sind,  dann  däujet  se  nicks. 

Wenn  dat  Kind  'en  Namen  hätt,  will  j^ider  Gevadder  süin  (gelungenes  Werk). 

Klimpern  hQert  tea  'n  Handwerk. 

Klinget  et  nich,  seu  klappert  et  doch. 

H^i  hätt  de  Klocke  luien  h^em,  pwwer  h<^  w^it  man  nich,  wo  se  hHnget. 

Upp  'en  groben  Kloss  hpert  äuk  'en  groben  Kail. 

'n  fiulen  Knecht  wünsket,  datt  in  'er  Wecken  sieben  Füerdare  wpern. 
Wo  Knoken  sind,  da  düjet^ 
Do  sind  9ck  Rüens,  da  se  müjet. 

H9  sitt  upp  hpiten  Kohlen. 

De  heilijen  dr^  Könge  goet  teu  Water,  ehr  kommt  te.  Water.    (Wetterregel). 

Oinen  den  Kopp  wasken. 

Da  gl}it  mett  'n  Koppe  düer  de  Wgnd. 

Wat  de  Kopp  vergett't,  mött't  de  Foite  nohhalen. 

Wer  den  Kopp  in  olle  Lecker  steckt,  kann  liebte  den  Kopp  verl^isen. 

Kopparbgjjet  es  nich  licht,  sea  see  de  Biwwer,   dat  suit  man  an  'en  Ossen. 

Kopparb^jjet  grippet  an,  see  de  Osse,  do  taug  h^i  'n  Fleug. 

H^i  es  seu  krank  os  'en  Heun. 

In  'en  Kreuje  kann  man  ollerhand  für  'en  Grössen  watt  teu  wetten  krOijen, 
watt  'en  Daler  wert  es  (in  Gesellschaft  erfährt  man  euweilen  wohl  etwas  Nützliches). 

Datt  liggt  dürenanner,  Qsse  Kriut  un  Roiwe. 

Wer  büi  den  Kröppels  wonnt,  lehrt  dat  Hinken. 

Büi  den  Kröppels  lehrt  man  hinken, 
Büi  den  Fiulen  lehrt  man  stinken. 

Wer  kann  für  'et  Kruiz,  wenn  'et  Hius  vuller  Haspel  sitt. 

Gvnk  teu  'n  Kuckuck  1    (Interj,) 

Da  könnt  sick  verdrejen  psse  Kuckuck  un  Siebensteem  (von  unverträglichen 
Leuten). 

flvi  stiggt  iut  'er  Küipen  (verliert  die  Fassung). 

Kümmst  diu  müi  seu  — -  komm  eck  düi  seu  (Vergeltung). 

FRANKFÜRT  a.  M.  K.  Wehrhan. 


65 


Niederdentscbe  Gediclite  ans  den  HannöYerscli- 
Brannschweigsclien  Landen  Yon  1684-1726. 

Die  Originale  der  hier  mitgeteilten  Gedichte  werden  als  Einzel- 
di-ucke  aufbewahrt  in  dem  Königlichen  Staats -Archive,  der  König- 
lichen Bibliothek  und  der  Bibliothek  des  historifchen  Vereins  für 
Niedersachsen  in  Hannover.  Die  Verfasser  mehrerer  Gedichte  haben 
sich  nicht  genannt.  Auch  ist  Ort  und  Zeit  der  Abfassung  zuweilen 
nicht  genau  bezeichnet  und  hat  leider  nicht  immer  festgestellt  werden 
können.  Öfter  ist  es  jedoch  durch  Benutzung  anderer  Gedichte 
gelungen,  solche  Gedichte  nach  örtlicher  und  zeitlicher  Abfassung  näher 
zu  bestimmen,  wie  aus  den  eingeklammerten  Worten  zu  ersehen  ist. 

Mag  der  dichterische  Wert  dieser  Stücke  noch  so  niedrig  sein, 
immerhin  haben  sie  einige  Bedeutung  für  die  Literaturgeschichte  des 
Dialekts,  und  vor  allem  bieten  sie,  wie  von  Seelmann  im  Ndd.  Korre- 
spondenzblatt 19,  S.  95  f.  gezeigt  ist,  wertvolles  Material  für  die 
Entwicklungsgeschichte  der  neueren  Mundart. 

Hoehzeit  Hansing  /  Bebling,  Heyen  1684. 

Dree  nadencklike  Politiscke  Fragen,  Alse  (Tit:)  Hr.  Johann  Henrich 
Hansing,  Mit  (Tit:)  Junff.  Sophien  Magdalenen  Behlings,  Syn  Hoch- 
tiedtlicke  Ehren -Fest  in  Hayen^)  beginck  Den  10.  Junij  dfisses 
1684sten  Jahrs,  Der  JunflFer  Bruet  tho  beantworen  vorgelegt  Van 
Einem  öhrer  Bekanden. 

Mit  gUDsten  dat  ick  jflck  np  jnwen  Ehren-Dage, 

Juck,  meen'  ick,  Junffer  Bruet,  timm  dith  un  dat  befrage, 

ün  falle  driestig  tho,  als  Fleigen  in  den  Bry, 

Doch  hop*  ick  dat  by  juck  synt  alle  Fragen  fry. 

Tho  erst,  sch&m^  jy  juck  glyck,  scholl  jy  ein'  Antwort  seggen 

Damb,  dat  ick  jflck  will  thor  sticken  stund  vorleggen: 

Wornmm  hefft  Lüxenborg,  de  Brnet,  so  lange  tiedt 

Dem  BrSgam  sick  versegt,  de  offt  na  ohr  gefriet, 

Beth  he  mit  Füer  se  twanck  sick  5hme  tho  ergeven, 

Jy  averst  wilt  so  geern  by  juwen  Brßgam  leveu? 

Jy  hefiTt  nich,  leeve  Bruet,  so  einen  stiefen  Sinn, 

He  dar£f  nich,  dat  jy  ohn  tho  Hayen  latet  inn, 

Ohn  nemet  np  un  an,  juck  twingen  mit  Soldaten, 

Mit  Bomben,  Stinckep^)tt'n  un  velen  Hand -Granaten. 

Thom  annem  segget  fisch,  wat  mack't  by  Babylon 

De  Perser  düsse  Nacht,  wat  by  jiick  Hansings-Sohn  ? 

Dat  drfidd'  yfs  dat  ick  juck  nn,  smucke  Deern,  will  fragen. 


')  =  Heyen,  Braunschweigisches  Dorf  im  Amte  Escher shausen. 

NiederdenMohai  J«brbnch  XXXV. 


Segg't  eift  des  Czaren   Wieif  ein  jungen  Czar  will  dragen, 
Un  eift  inn  Jahres  Schyn  van  juck  verleefden  twee 
Ick  einen  Hansing  hier,  edd'r  eine  Greitiug  see? 

Hannover,  Gedruckt  bey  Georg  Friederich  Grimmen, 
F&rstl.  Hoff- Buchdrucker. 

Hochzeit  Behrens  /  Hinüber,  Hildesheim  1686. 

Dat  in  de  vele  Frierie  gerahene  Hilmfsem,  Afs  Dei  Wol  Edele  un 
Hochgelahrte  Here  Docter  Cunrad  Bartheld  Behrens^)  Mit  der 
Nudlichen  un  Fienen  Junfer  Annen  Doriken  Hinnflbers,  Siener 
hartleven  Brfitgen,  Hochtyt  heilt,  Is  deils  ut  VerwuDJerung,  deils, 
seck  den  Hern  Doctor  tau  Fr&nne  tau  maken,  dusse  Wunsch  erdacht 
Van  Hans  Crenderich  van  Ostermolcken.  Im  Jahre  Als  de  Hamsters 
use  leve  gue  Kohrn  sau  stolen.   (l  Zeile  ist  durch  den  Buchbinder  abgeschnitten.) 

Wo  gait  dat  immer  tau  wat  het  dat  vele  fryen? 

Denn  wo  man  seck  henwendt  da  höret  man  von  brüen 

Wenn  eine  Hochtyt  ut,  ein  ander  siene  holt. 

De  dridde  socht  den  Dag  de  hier  5hm  wol  tau  feit, 

Sau  mögt  ick  wol  erfahren  wat  vor  Ohrsaken  wohren, 

Dat  seck  dei  jungen  Ltt  sau  tan  einander  kehren, 

Dat  sai  sau  ilet  nun,  un  seck  tau  samen  part, 

Eck  wait  gewis  noch  nich  wat  dat  het  vor  ein  Art, 

Wann  eine  Hochtyt  orst  vor  acht  Dag'  ifse  wesen, 

Da  Word  ein  ander  Paar  den  stracks  üb  affelesen, 

Ut  maut  doch  sau  wat  syn,  wat  se  dartau  bewegt, 

Dat  man  de  Jungferschop  nicht  ein  halff  Jahr  möhr  hegt, 

Doch  wo  eckt  recht  bedenck,  wat  gelt  sau  wil  eckt  seggen. 

De  haite  Sommer-Tiet  de  word  seck  nu  bald  leggen, 

Da  kumt  de  Winter  dann,  wo  alles  wenst  und  kolt, 

Un  man  seck  gruen  mag  tau  wanjern  in  den  Wolt, 

Da  kumpt  dem  suer  an  de  schal  allone  schlapen, 

Un  de  dat  kohle  Bedd  sau  maut  all5n  ankapen, 

Drum  sind  se  klancke  naug  de  düt  jetzund  anfangt, 

Un  noch  by  warmer  Tiet  tau  seyt  dat  se  erlangt, 

Dat  by  uhm  schlapen  kan,  dat  se  seck  könt  hübsch  warmen, 

Un  dörfft  den  fort  nich  mehr  nah  warmen  Lakens  karmen. 

Drum  heft  Heer  Brodigam  jetzund  recht  klauke  dahn, 

Dat  jy  by  warmer  Tiet  sind  nah  den  Wifken  gähn, 

Jy  hefft  nun  wat  jy  wilt,  jy  drftfft  dafor  nich  sorgen, 


1)  Konrad  Berthold  Behrens  wurde  nach  der  Leichenpredigt  von  Pastor  Just 
Martin  Glaesener  (Fol.  5)  geboren  am  28.  August  1660  in  Hildesheim.  Sein  Vater 
war  dort  ein  berühmter  Arzt  und  ältester  Ratsherr.  Er  besuchte  das  Gymnasium 
Andreanum,  1678  das  reformiete  Gymnasium  in  Bremen,  bezog  am  28.  April  1679, 
um  Medizin  zu  studieren,  die  Universität  Helmstedt,  von  wo  er  im  dritten  Jahre 
durch  die  im  Magdeburgischen  auftretende  Pest  vertrieben  wurde.  Nachdem  er 
einige  Wochen  in  der  Heimat  verweilt  hatte,  ging  er  Michaelis  1081  nach  Strass- 
burg.  Als  er  dort  ein  Jahr  studiert  hatte,  reiste  er  nach  Basel,  dann  über  Koblenz 
und  Köln  nach  Leiden,  wo  er  den  15.  November  1682  eintraf.  Nach  mehreren 
anderen  Reisen  verheiratete  er  sich  in  Hildesheim  den  21.  September  1686.  Er 
starb  am  4.  Oktober  1736  als  berühmter  Arzt. 


(57 


ÜD  k6iit  nnn  warme  achlap'n,  bet  an  den  lehven  Morgen, 

Ja  wenn  jy  schon  nt  gabt  nab  einen  fetten  Scbmus, 

San  heff  jy  nun  de  Frn  de  heuet  in  tau  Hub, 

Un  dat  jy  ock  nun  nich  for  Eortzwiel  mftget  sorgen, 

Min  lev  Herr  BrSdigam,  wann  st&n  jy  up  von  Morgen? 

Mit  juen  dusent  Schatz,  schall  eck  üt  recht  utleg'n? 

San  twiefl  eck,  ob  eck  noch  darff  Junckeselle  seg'n, 

Main  jy  eck  sah  et  nich,  as  jy  jn  nie  Hosen, 

Antigen  diesen  Morgan  un  hadden  noch  völ  Schossen, 

Mit  juen  leven  Kind,  0  ja  eck  wait  flt  woll, 

Doch  wilit  an  besten  syn  dat  eck  üt  noch  verhol, 

Jy  seht  sau  schnippisch  ut,  jy  hefft  sau^n  bleicke  Farve, 

Als  wenn  jy  j&ck  verjagt  for  einer  schwarten  Larve, 

Eck  rah  juck,  bruket  wat,  dat  jy  wörd  weder  frisch, 

Dat  jy  nich  as  verjagt,  sitt  by  der  Brut  am  Disch, 

Eck  bid  jfick  dusendmahl  wat  is  jftck  wedderfahren, 

Ai  segt  üt  meck,  eck  wilt  in  mieneu  Bnck  verwahren, 

Eck  wilt  ock  seggen  nich,  wat  jy  for  Heimlichkeit, 

Begahn  hefft  dysse  Tiet,  gevt  meck  man  gut  Bescheid, 

Schall  eck  üt  aver  rahn,  sau  werd  üt  duUe  klappen 

Eck  segg*  üt  Ine  her,  eck  will  meck  nich  verschnappen, 

Doch  weg'n  des  groben  Schimps,  nöm  eck  üt  noch  in  acht 

Damit  nain  Minsche  nich  ob  juen  Hanjel  lacht, 

Sau  wil  eck  juck  hernach  einmahl  allen  anspreken 

Jy  kont  üt  unjerdes,  sau  bie  juck  sülbst  ut  reken. 

Fahrt  unjerdessen  fort,  in  jner  gauen  Daht, 

Dat  jy  met  jner  Brut  in  deisen  Glücke  gabt. 

Wo  is  üt  junge  Fru  eck  hed  meck  bald  verschnappet, 

Wol  seggen  Junfer  Brut,  wat  is  dat  jy  sau  kappet, 

Mit  juen  breen  Krag'u?  üt  galt  juck  midde  an, 

Un  main  jy  dat  eck  ock  tau  juck  nich  komen  kan. 

Doch  dat  eck  juck  itznnd,  nich  afhol  von  den  springen 

Un  dat  de  Fedeln  ock  stets  dyfsen  Abend  klingen, 

Sau  schwieg  eck,  haitget   ohra   man   stets   mit  Freud  und  Lust, 

Ja  daut  wat  sünst  noch  mohr  is  guen  Sinn  bewnst. 

Wenn  jy  den  meue  sind  von  Springen  un  von  Dantzen 

Un  hefft  de  Glase  drunckn  by  Halfen  und  by  Gantzen 

Ja  wenn  de  seute  Schlap  ju  Ogen  gantz  tau  drückt 

Un  juck  de  Afent-Storn  mit  sienem  Schien  anblickt 

Sau  gaht  den  weder  hen  nah  juen  weiken  Bedde 

Un  schlapet  da  vordan  fin  stn^ckig  in  de  wedde 

Wenn  jy  jyck  hefft  tau  erst  den  leven  Gott  befohlen 

Un  mackt^)  dat  nah  den  Jahr  dat  gau  nich  blieff  verholn 

Nun  wünsch  eck  dat  jyck   mag   dat  Glück    by   gantzen    Kipeu 

Inkomen  und  dat  gaut  by  jeck  sieck  müchtig  hüpeu 

Ja  jue  Saken  seck  by  gantzen  Scheppeln  mehrn 

Und  wat  jy  heffen  wilt  wat  nur  is  ju  begehrn 

Jy  andern  de  jy  noch  im  ledgen  Stande  levet 

Sümt  ock  nich  lange  mehr  in  dyfsen  Stand  jyck  gevet 

Ut  würd  juck  nich  gerün  dout  man  wat  eck  ju  rah 

Nun  schlapet  alle  wol  die  Tiet  is  dat  eck  gab. 


1)  Druck:  mack. 

5* 


68 

Hochzeit  Glfimer-Engelbreeht,  Hameln  1695. 

Das  Gottliche  Geschick,  Und  wahre  Ehe -Glück,  Zu  Ehren  Denen 
glücklich  Vermähleten,  Als  dem  Wol  Edlen,  Vesten  und  Hochgelahrten 
Herrn,  Hn.  Joh.  Fridrich  Glümern,  FSrstl.  Braunschw.  Lfineb. 
hochbetrauten  Cantzeley-Secretario  zu  Wollffenb&ttel ;  Und  der  Wol 
Edlen,  Grofs  Ehr-  und  Tugendreichen  Jungfr.  Jfr.  Dorotheen 
Margareten  Engeibrechten,  Des  Hoch  Edlen  Vest-  und  Hoch- 
gelahrten Herrn  Hr.  Arnold  Heinrich  Engelbrechts,  Churfl.  Br. 
Lflneb.  Hoch- Verordneten  Hoffrahts  auch  Hochwürdigen  Decani  des 
Stiffts  S.  Bonifacii  in  Hameln  Eheleibl.  geliebten  Tochter,  Aus 
gebührender  Observantz  besungen  von  unten  Benandten.  An  dem 
Vermählungs-Tage.  War  der  14.  Jan.  Anno  1695. 

Sonnet. 

Was  80  kommt,  eh  mans  hofft,  das  hat  GOtt  selbst  geschicket, 
Was  80  kommt,  eh  mans  wünscht,  das  hat  GOtt  selbst  gemacht, 
So  über  uns  zum  Heyl  des  Höchsten  Sorge  wacht. 
Und  V&tterliche  Sorg'  eh  man  noch  sorgt,  erquicket, 
Er  seine  Margarit  beperlt,  mit  Kränlzen  schmücket, 
Er  seine  DOROTHEE  gibt  anfs,  eh  mans  getracht 
Zu  suchen,  Liebe  glimmt  der  GLüHMEB  freundlich  lacht; 
So  kommet  durchs  Geschick  ein  Blick  der  uns  beglücket. 
Was  GOtt  denn  selbst  gemacht,  das  woll  Er  auch  yoUffihren 
Zu  feinem  Preifs,  und  Heyl  dem  neugefügten  Stamm; 
Er  woll  mit  Gnad  und  Fried,  die  Perlen-Gabe  ziehren, 
Das  Braut  und  Bräutigam  dort  folge  nach  dem  Lamm, 
Das  führt  zur  Sehligkeit,  da  längst  die  Engeibrechte, 
Im  Engel-Glantze  gehn.     GOtt  kröhne  fromme  Rechte. 
Aus  hohem  Respekt  gegen  die  wolthätige  Familie  hat 
dieses  gehorsamst  darreichen  sollen 
Frid.  Lanr.  Grupe,  Seh.  Hannov.  Alumn. 

Ick  schall  Herrn  Glflhmern  ock  mit  Teechen  glflkke  singen; 
Wat  schall  ick  6hnen  den,  dat  Wollgefalle  bringen? 
Ik  noch  nich  eine  Sprak,  afs  n6dig  is,  verstah, 
Ick  riem  noch  unger lernt,  dat  geit  mik  rechte  nah, 
Kum,  du  Lufft-Stieger,  her  von  Hameln,  riem  du  better, 
Tho  Ehren  dem  Decan,  bett  ickt  ock  lehre  netter, 
De  Bonifacius  Tom  Himmel,  mack'  it  gut, 
Un  gev  dem  Br5ddigam  Glftck,  Glücke  ock  der  Brüht. 
So  macked'  it  kort  un  got,  der  Jungfer  Brüht 
jüngste  Broder  Georg  Ludovic  Engelbrecht. 
Hannover,  Gedruckt  bey  Johann  Peter  Grimmen  1695. 

Hochzeit  Mfimler  /  Blnme,  Helmstedt  1703. 

Dei  in  user  Mutter-Spracke  oppesettette  Hochtiedliche  Fraiden 
Gedichte,  op  den  Groetachtbabren  längeren  un  Känstlicken  Heeren 
Heeren  Caspar  Achates  Mflmler,  Vorneemen  Borgers,  un 
Parrficken  Mackers  hier  in  dussen  Helmstfidde  asse  Bröegams:  un  op 


69 

dei  Veel  Ehre-Tagendbegafete,  Gladde,  Schmucke,  un  wrete  Deeren 
Junfer  Anne  Phiecke  Blaumen,  Tit.  Heeren  Jfirgen  Blaumens 
Vorneemen  Borgers,  Bruers,  un  Kercken-Vorstaers  Lieflicke  Junfer 
Tochter  asse  Bruet:  Da  sei  obren  Hochtiedlichen  Ehren-Dag,  dei  ob 
den  achtaienden  Octauber  in  dässen  tusend  seewen  Hunjert  un  dridden 
Jahre  infeil,  mit  Gigen  un  Scharmeien  in  des  Magnificus  von  der  Hardt 
groten  steineren  Huese  hohlen  wollen,  owergewen  von  Einen  oprichtig- 
guen  un  der  Brüht  nechsten  Blauts-Frfinne.  Juck  Allen  bekand. 
Uelmstadt.     Gedruckt  bey  Georg -Wolffgang  Hamm.     Univers.  Buchdr. 

Herr  Br&gam:  veel  Glücks  than  jnen  nien  Orren, 

Dat  j&  von  Dage  sint  thau  einen  Manne  worren: 

0  kohmt,  un  freuet  juck,  kohmt  hAppet,  dantz  nn  springt, 

Ud  nah*  der  Rege  weg  ein  lastig  Leidgen  singt. 

Vorwahr,  ick  schwebrt  j&ck  than,  j&  könt  jAck  gratulairen, 

(0  grienet  man«  sau  nich,  ick  will  j&ck  nist  vexeiren) 

Denn  j&  hefft  hftte  kricht  san  eine  schmucke  Brnht 

Dei  wehrt  is,  dat  jA  5hr  von  Harten  bliewet  guht. 

Un  woll  dehm,  dei  wie  jA  kan  saune  Deeren  finnen. 

Dei  yigellant  un  fix  von  vorren  an  von  hinnen, 

Dei  flinck  an  woUeteickt,  dei  overall  is  nett, 

Dei  nich  thau  mager  is,  and  dei  oeck  nich  than  fett. 

Dei  k5hre  Ogen  hat,  an  ein  Paar  roe  Lippen, 

Dei  gliecksahm  alletied  yon  Zackerkannich  druppen; 

Un  wat  dat  beste  is,  dei  noch  recht  jang  von  Jahr'u 

Mit  der  jA  alsaa  jAck  nah  Wunsche  kunt  verpar'n: 

Nu  darthau  wAnsch  ick  OlAck,  veel  frehe,  langes  Lewen, 

Yeel  Afganck,  un  wat  guet  woll  juck  dei  Himmel  gewen. 

Doch  still!  wat  fält  mick  in?  vorwahr  6  dat  is  guht 

Dat  ick  daran  noch  denck:  h5rt  höret  Janfer  Brüht! 

Wat  kAnnen  ja  woll  sAfs  mick  in  dei  Ogen  seggen; 

JA  wollen  juck  ja  Dag  thau  keinem  Manne  leggen, 

JA  woirn  int  Kloster  thein,  an  eine  NAncke  sien, 

Un  wiel  jAck  dat  gefall,  sau  woirn  jA  gar  nich  frihn. 

Man  m5ste  von  den  Mann  veel  Kief,  und  SchlAg*  henneemen 

Wenn  man  nicht  alletied  nah  6hm  sick  woll  beqveemen 

Thau  dem,  sau  hedde  man  von  Krabben  grote  Nobt, 

Dat  man  den  geeren  Wunsch:  man  werre  gar  mursch  tod, 

Un  wat  dergliecken  mehr,  dat  kunnen  jA  vorwennen 

Afs'  ju  Gewetten  juck  schon  sülvest  mant  bekennen 

Helft  jA  na  toppe  hobln?  schafift  raAffcken,  schämt  jAck  wat, 

Ho  ho  jA  sind  beschimpt!  vorwahr,  dat  lett  nich  glatt. 

Dei  grote  Uhle  mag  nu  mehr  den  Junfern  truen, 

Dei  Knckack  sAlvest  mag  op  obre  Wobre  buen. 

Jn  Mannes-Minschen  hf)hrt:  Wenn  jA  nu  kortiseirt. 

Wenn  jA  die  Junfern  pipt,  un  seute  Wobre  feurt. 

Wenn  jA  sei  alletied  mien  Kind  mien  Heuncken  nennet, 

Un  wat  jA  dencken  kAnt  thau  juer  Lust  bekennet, 

Un  sei  segt:  ö  MuschA,  ick  will  mien  Leef  nich  frihn, 

Ick  wil  int  Kloster  thein:  denckt,  dat  et  lauter  brAbn. 

Ja  dat  sei  gar  woll  denckt:  konstu  ohn  maus  bekobmen, 


70 

SaD  konn*  dien  Lief  nnd  Seil  von  Lust  sien  inne  uohmen, 

Do  sost  dat  Kloster  mans  ein  Kloster  lathen  sien, 

Un  leiwers  starwen,  als'  dat  du  sost  gar  nich  frihn. 

Will  jü  ein  Bnspeel  seihn,  sau  kieckt  an  Junfer  Blaumeo, 

Wenn  dei  von  Frieen  bor',  kon  sei  kein  Water  glaumen, 

Sei  woU  int  Kloster  thein:  Nu  /Indert  sei  den  Sinn, 

Un  krftpt  anstatt  der  Zeir  int  Br5gam  Bedd'  hennin. 

Un  saa  is  oeck  ja  Sinn  jfl  Jnnfem  groet  un  kleine, 

Von  jfick  is  keine  dei  ein  rechtes  Kloster  meine: 

Ja  wehrt  mans  nich  sau  roth?  seiht  mans  sau  sner  nich  nht? 

J&  wair'n  doch  leifers  hAt  afs'  morgen  oeckne  Brüht. 

Un  ob  jü  glieck  den  Mnnd  falsch  in  dei  Pfinte  theiet, 

Un  mein't,  jfi  helfet  fts  sau  Lunten  voredreiet; 

Sau  boret  alle  noch:  Ja  Zelte  un  jft  Kl&efs, 

Da  jft  sau  yeel  von  segg't,  is  jues  Leiffsten  Huefs. 

Drum  mackt  by  tbüen')  oeck  dat  jü  mögt  darin  theien 

Labt  Nunnen  Nunnen  sien,  wer  woU  sick  drum  bemeuen; 

Swiegt  mans  von  Kloster  still,  denn  süfo  verrab  jü  juck 

Dat  jü  gern  frieben  willt.     Ja  dencket  mans  an  mick. 

Jü  averst  Junfer  Brüht,  jü  jü  hefft  wolle  daen: 

Dat  jü  wilt  nich  wie  süfs  alleen  thau  Bedde  gaen, 

Ick  lowe,  dat  juck  nich  dat  Kloster  mehr  gefüllt, 

Un  dat  jü  na  ju  Dann  gantz  anders  hefft  bestelt. 

Dei  Himmel  sü  mit  juck  op  allen  juen  Wegen, 

Hei  latbe  over  juck  an  juen  Leiffsten  regen 

Veel  Wollsien  Glück  un  Heil,  ja  wat  ohm  mans  gefalt 

Dat  wenne  hei  juck  thau,  twiel  jü  sint  in  der  Welt. 

Ju  Huefs  sie  annefült  mit  Botter,  Mehl  un  Schincken, 

Ju  Keller  gewe  her  dayon  jü  künnet  drincken; 

Un  dabie  gew'  juck  Oott  vergneugte  Hartens-Lust, 

Sau  dat  juck  beidersiets  sie  nist  vom  Leed  bewnst. 

Un  wat  dat  beste  is:  dat  man  mag  balle  boren: 

Kriegt  kriegt  dei  Eija  her,  dat  Huefs  well  sick  vermehren. 

Na  schluet  ick  minen  Yersch,  nehmt  biemit  sau  vor  guht, 

Ick  macke  einen  Knix,  adi  mien  Leid  is  übt. 

Hoehzeit  Gericke  /  Rohns,  Springe  1704. 

Bei  der  Vermählung  [11.  Nov.  1704]  von  Johann  Christopffer 
Gericken  und  Anna  Catharine  Rohns,  ältesten  Tochter  des 
Predigers  Johann  Friedrich  Rohns  in  der  Gemeinde  zum  Haller-Springe. 
Hannover,    gedruckt   bey   Joh.    Peter   Grimmen,    Buchdrucker  allhie. 

SO  gäbet  nu  tho  Bedde,  Da  man  allehn  nich  geren 

Und  scblapet  in  de  wedde,  Krüpt  in  dat  Bedde  under, 

Jy  weret  ohne  Sorgen  De  Kalle  m5cht  jetzunder 

Bet  an  den  lechten  Morgen  De  Jungfer  Brut  umbringen 

In  juen  sotben  Armen  Nu  averst  kan  se  singen: 

Einander  fien  er  warmen.  Wann  andre  in  der  H&Ue, 

Et  wel  doch  Winter  wcren,  Byr  alltbo  groten  KfiUe, 


1)  Bei  Zeiten. 


71 

Gantz  hart  and  stiefe  freiret,  Eck  kan  nnnmehr  geneiten 

£>at  Leven  gar  verleiret,  Ein  recht  vergneugtes  Leyen, 

Schlap  eck  all  85th  und  warme  Dat  OOtt  woU  allen  geven, 

In  mienes  Levsten  Arme.  De  noch  werd  Junffern  nennet, 

Moth  eck  6hm  schon  verehren  De  dfisse  Lust  nich  kennet. 

Den  Jnnffern-Krantz  ?  Gar  geren  Et  werd  nich  lange  waren, 

Will  eck  ohm  alles  schencken.  So  werd  se  seck  ock  paaren, 

Wer  well  et  my  verdencken?  Glieck  als  verleiffde  Duven, 

Kohmt  seihet  myn  Gelücke,  Vorm  Krantz  de  Fruen-Huven 

De  wunderschönen  Blicke,  Erwählen,  nn  by  Tyen 

De  he  na  my  let  scheiten,  Na  Last  nn  Willen  fryen. 

Mit  düssen  wenigen  Regen,  had  de  Junffer  Brat 
siene  Gedancken  eröpnen  wollen,   de  nich  unbe- 

kandte  Fründ  ß.  F.  J. 

Hoclzeit  Bielcke  /  Förster  1708. 

üp  Dem  Hochtiets  Dage  Des  Woll-Edlen,  Vest  un  gutstaddeirten 
Heern,  Hn.  Johan  Felix  Bielcken,  Vornohmen  un  wietberäumten 
Bauck-Verkoper  in  Jena  Un  der  Woll-Edlen,  Wackern  un  Dugend- 
ricken  Junfern,  Jf.  Rosina  Anna  Forstern,  Des  Woll-Edlen,  Vest  un 
Woll-vorn8hmen  Heern,  Heern  Nicolaus  Forstern,  Wiet  un  siet  be- 
räumten Hoflf-Bauckverkoper  in  Hanover,  andern  Junfer  Dochter,  Wolle 
tau  gauer  letz  noch  einmahl  mit  der  Brut  un  Brogam,  ehr  Sei  int 
Hochdfltsche  Land  togen,  een  paar  platd&tsche  Wore  schnacken  Ein 
olt  dÄtsch  Erfind  den  Sei  baye  woll  kennt.  Hanauver,  Gedrückt  in 
der  Holwienischen  Drfickery. 

Vor  hannert  dasend  Sficke,  wat  raist  dai  Lüh  vor  Wege, 

Wat  annern^mt  sei  nich  vor  harr  an  rahe  Stege: 

Eck  fragde  dalje  mahl,  wat  mag  dei  Lüh  saa  thain? 

Sei  sän:  Weista  dat  nich^  ot  is  ein  sunderck  Stein. 

Hasta  nich  olings  mahl  in  einem  Baacke  lesen, 

Dat  ja  sann  Wanner-Stein  in  düsser  Welt  schall  wesen, 

Dei  apne  heimlcke  Art  dat  Isen  an  seck  thüt, 

Deit  glicksam  rucken  kan,  went  schon  ein  reek  draf  liet. 

As  eck  düt  nich  verstand,  an  ock  nich  loven  wolle, 

Un  dachte  hen  an  her,  wor  dat  doch  tan  gähn  schölle, 

Kam  eck  von  Helmestäe  up  Bronschwicks  Misse  gähn, 

Un  sach  nich  wiet  vom  Marck  einen  Marckschrier  stahn; 

Dei  hreng^O  mit  annern  ock  sann  Ding  hervor  tau  wiesen, 

Un  sä:  Sechter,  ihr  Herrn!  hier  hengt  am  Stein  dat  Isen; 

Herr  Jeminai  wat  wort  vorn  Lärm  apm  Marcke  wach, 

Afs  lütck  an  grote  Hans  dut  Wannerding  besach. 

Olick  achter  my  stand  Caard,  and  Dreivs  mit  siner  Exsen, 

Dei  baien  meynen  gwifs,  dei  Kerel  könne  hexen, 

Su!  su!  sä  Dreivs  tan  Caard:  Wat  na  dei  Duvel  dait, 

Hedd'  eckt  myn  Dag  nich  emeynt,  dat  dat  hermaag?  angait. 

Hierap  fang  eck  glick  an,  an  mien  ohl  Baack  taa  dencken, 


*)  Druck:  bteng'. 


72 


Dat  schon  vor  ganer  Tiet  hefft  leg'n  nnnern  Brücken. 

Eck  sade  in  meck  s&lyst,  t'mag  wol  nein  Brfient  syn, 

Wat  dei  staddeirte  Minsch  hat  schrefeu  nht  dem  Sinn. 

Averst,  Heer  Br5ddigani,  mit  k6rt'  von  jock  tan  seggen, 

San  mant  eck  jflck  dat  Ding  een  betten  beter  nhtl eggen, 

Wat  meck  san  unyermant  np  dftsse  Infali  bracht, 

Hort  meck  een  beten  tan,  nn  nömt  et  wol  in  acht. 

Eck  heff*  vor  d&ssen  mahl  ein  klein  weintzig  abserveiret, 

Dat  Lue  dei  san  veel  in  Bänkern  hefft  staddeiret, 

Uht  veelen  Dingen  k6nt  ein  wacker  Glycknifs  nohm'n, 

Un  dat  san  nndelick  in  6hre  Schrifften  qvem^n. 

Nn  woU  eck  endlick  wol  von  d&sseu  Stein  wat  finnen, 

Dat  schlimste  aver  is,  ufs  einer  kant  nich  uhtsinnen, 

Ginge  eck  alle  Dag'  mit  Leives  Saken  um, 

Woll  eck  een  Carmen  macken  t'sol  fleit'n  afse  dei  Mnmm. 

Eck  woll  ju  wackre  Brat  mit  solcken  Treck-Stein  glicken, 

Un  obre  Eigenschopff  von  H5fft  tau  Fant  hruht  stricken. 

Dei  Inf&U  w6rnder  wol,  t'fehlt  man  an  Tiet  un  Wie!, 

Drum  schrieff  eck  man  een  Wort  mit  schwinnen  Fedderkiel. 

Wenn  jue  Brut  von  Stain,  un  ji  von  Isen  w5reu, 

Sau  wör  6t  keine  Kunst  dat  Glycknifs  uht  tau  fäuren; 

Doch  dencke  eck  dat  Ding  paar  mahl  herum  tau  schern, 

Bet  dat  my  dalje  sölt  noch  ein  paar  Verse  drut  wehr'n. 

Dat  Isen  thet  den  Stein:  dei  Brut  hat  juck  etogen, 

Dat  ji  sau  dralle  sind  von  Jene  nah  Henover  flogen, 

Uu  heffet  jfick  an  Sei  boU  even  annehängt, 

As  dei  Magneten-Stein  dat  harre  Isen  fängt. 

Dei  Tog  den  ji  hefft  fault,  maut  temelck  starck  syn  wesen. 

Eck  15ve  t'is  stärcker  west,  as  eck  im  Bauck  heff  lesen, 

Tschint  ock  dat  ji  sind  nau  von  einander  gähn, 

As  et  Tiet  wedder  was  tau  wandern  jnen  Plan. 

Wat  gelt  ji  hedden  gern  düs  Tiet  tau  Henover  hieven, 

As  dat  ji  gantz  alleen  tau  Jen  hefft  möcen  leven; 

Min  segget  meck  doch  mahl,  wo  m5gte  j5ck  tau  Maue  syo, 

As  ji  dat  leive  Deern  nehmn  in  den  Ogen-Schien 

Do  ji  mahl  olings  schollen  Heern  Försters  Deiner  weeren, 

Wust  ji  Hanover  bald  dei  Hacken  tau  tau  kehren; 

Nu  averst  as  ji  schalt  siener  leivsten  Dochter-Mann  wesen, 

Schlenter  ji  ohm  wol  nah  bet  ben  nah  ohlen  Dressden. 

Dat  is  Natürlick  recht,  as  dei  Magneten-Stein 

Dei  wat  nur  Isen  bet  kan  mächtig  an  seck  thein. 

Un  sau  wert  ji  nun  wol  au  dässen  Steine  bnmmeln. 

Et  mag  gaut  Wedder  syn,  oder  donnern  un  grummeln. 

Nein  Minsche  wert  j6ck  nu  ju  Leve  von  anner  schei'n. 

Et  sy  denn  dat  einmahl  dei  knockern  Eaickebeiu, 

Dei  6sck  tau  hope  mahl  werd  von  ei  nanner  stoten, 

Dat  wie  nolns  volns  mot  Ehten  un  Drincken  vergüten. 

Dei  Heer  dei  jock  nu  sau  hfibsch  an  eiuanner  fängt, 

Labt  jÖck  byn  anner  lev'n,  bet  jäck  all  bay  gemengt. 

He  lat  ju  Hufs  un  Hoff  an  ricken  Segen  gräunen, 

Dat  Glack[e]  maut  jock  sülvst  mit  siner  Gunst  bedainen. 

Eck  segge  noch  einmahl.  Glück  tau  dem  nien  Stand: 

Eck  sä  j5ck  boUe  vermehrt  in  juen  Thäruger  Land. 


73 

Hochzeit  Oppermann  /  Schirmer  1709. 

Dat  seute  Frien,  Dat  up  Blandineken  Dag  im  dusend  seven 
hundert  und  negenden  Jahr  Dei  Heer  Amman  Jürgen  Christian 
Opperman  mit  de  Junfer  Marike  Louisken  Schirmers  anfenck, 
un  God  gefe  lange  Jahr  nich  to  ende  bringen  mag,  Ein  betgen  lev- 
haiftig  beschreven  von  einem  guen  Friind  dei  mit  siener  Greitgen 
Dat  Frien  Ardig  Hat  Probeiret. 

Blandinken  leiflig  Dag  klahr  np,  an  were  helle, 

Beut  an  ein  Leifes-Fübr  dem  Herren  Br5ddigam, 

Dat  hei  mag  as  ein  Mann  vertreen  sine  Stelle, 

Wenn  sine  schmucke  Brnth  h^lt  stille  as  ein  Lamm. 

Dei  Leifes-Schmeicheley,   davon  du  werst  genenuet, 

Nehm  alle  Glieder  in  der  angenehmen  Brnth: 

Dei  Ogen,  Mund  un  Brust,  un  wat  hei  noch  nich  kennet; 

Eck  mein  den  schlanken  Lief  mit  5rer  witten  Huth. 

Herr  JÄrgen  leg  nun  af  dei  rechte  Ridder-Proven, 

Dat  hei  in  Venus-Krieg  bestahe  as  ein  Held; 

Damit  in  Wahrheit  5hm  dei  Bruth  kau  tapper  loven, 

Dat  hei  in  dem  Gefecht  beholen  hat  dat  Feld. 

Doch  denk  dei  Bidder  hier,  dat  hei  et  nich  so  maket, 

Dat  alle  Lue  et  an  sienen  Ogen  seit. 

Hei  schlap  ein  betgen  uth.     Denn  wenn  hei  ümmer  waket, 

Sau  steckt  hei  un  [lies  an]  ein  F^hr,  dat  ohm  und  ohr  tau  heit. 

Wenn  man  en  schönen  Guhl  let  immer  galopperen, 

Sau  wert  de  Bfiter  stump,  dat  Perd  werd  ock  tau  matt; 

Und  wenn  den  Vorrath  man  up  einmahl  wil  vertheren, 

Sau  klopt  man  altau  freu  offt  an  ein  leddlg  Fatt. 

Doch  weit  Herr  Christian  de  Mate  schon  tau  finnen, 

Hei  werd  nah  Törcken  Art  et  maken  nich  to  grof. 

En  ider  lovet  öhn,  dat  hei  brukt  siene  Sinnen. 

Soll  denn  sien  Wiefken  pich  5m  geven  ock  dat  Lov? 

Dat  Lov,  dat  hei  sei  kau  mit  Maten  hart! ich  schnutgen, 

Nich  drficken  alto  offt  ör  honnig  seute  Brust. 

Up  dat  nich  schlubre  af  dat  plumen  weike  Hütgen, 

Un  hei  noch  lange  Jahr  versenke  d&sse  Lust. 

Lonisken  werd  5m  twar  tom  speien  nich  andrieveu, 

Doch  nah  den  Nahmen  dauhn,  den  sey  von  speien  föhrt. 

Et  wol  ja  eischen  stahn,  dat  sei  wol  mit  5hm  kieven. 

Wenn  hei  et  matig  deit,  sau  as  et  sick  gebohrt. 

Sonst  werd  dei  Lust  taur  Last,  dat  seute  werd  denn  bitter. 

Wenn  man  den  Magen  brav  bot  an  den  Halfs  uppropt. 

Wenn  kAmmt  ein  Regenfluth  mit  offterm  Ungewitter, 

Erstickt  dat  sch5ne  Eohm,  dat  sonsten  gut  nplopt. 

Sau  kau  Louisken  wol  Maria  endlich  weren, 

Dei  5ren  Nahmen  hat  von  Gall  und  Bitterkeit. 

Doch  wer  wol  einem  Lamm  dei  Wull  upeius  afscheren? 

Backofens  nAttet  nich,  dei  man  maeckt  alto  heit. 

Drum  denckt  dei  Opperman,  dat  hei  wil  mati^-  Kien, 

Hei  weit,  Louisken  hat  den  Nahmen  ock  Marie. 

Dat  speien  kan  öhm  nich,  dat  lüen  nich  gerüen. 


74 

Wenn  hei  man  höret  np,  wenn  sei  r5pt  öffters  I. 

Sei  werd  mit  ohren  Schinn  öhm  nimmermehr  verlaten, 

Un  wen  et  Öbm  ankfimnit,  as  et  den  Baren  deir, 

Sau  werd  sei  bie  6hm  sien,  an  frfindlich  6hm  ümfaten. 

Doch  dat  dei  Ader  let,  is  kein  plamphafftig  Fieit. 

Saa  18  dei  Schirm  nich  schlimm.     Doch  Goddes  Schirm  is  better; 

Dei  is  dem  Bröddigam  and  ock  der  Brath  sehr  gath. 

Wenn  Ehstand  Wehstand  wert,  and  kfimmt  ein  Ungl&cks-wetter, 

San  nömm  Gott  beyde  fest  in  siene  Almachts-Hath, 

Intwischen  ob  ick  glieck  veel  rieper  an  den  Jahren, 

As  Broddigam  an  Brath,  wil  ick  doch  wahren  np. 

Ick  wil  mit  minem  Wansch  ap  orer  Hochthit  fahren, 

Un  mine  Greitge  schal  oock  dautzen  ein  Hop  Hup. 

Dei  Breitge  dei  twar  hat  dem  Amman  appewahret, 

Un  siene  Meyersche  drey  gantze  Jahre  west. 

Doch  dat  sei  hedde  seck  mit  ohm  in  Bedde  paaret, 

Dat  kon  and  schol  nich  sien,  hei  socht  Lonisken  Nest. 

Spel-lue  blafst  denn  ap,  sey  schal  dei  Arje  singen, 

Dei  twar  den  Tackt  nich  holt,  an  etwas  fahle  gelt, 

Dewiel  der  Hey  ersehen  nah  seaten  leifes  Bingen 

Dei  Discantisten  Stimm  in  korter  Tiet  verleit. 

Arie. 
Leif  lange  taasammen 
Getraetes  Paar! 
God  late  dei  Flammen, 
Dei  koppelt  dät  Jahr, 
As  an  dem  Water  de  hüpigeu  Wieheu, 
Ümmer  in  Wolsien,  in  Seegen  gediehen. 

Hochzeit  Napp  /  Bosenmeyer,  Waldorf  1709. 

üp  Herr  Napps  un  Junffer  Rausenmeyers  Hochtiet   in  Wol- 
torp.     Im  Jahr  1709  den  10.  Julii. 

De  Baase  deint  taar  Last,  de  Napp  versorgt  dat  Lyf, 
Dat  lüstet  Ohlt  an  Jung,  dat  haget  Mann  un  Wyf; 
De  Napp  mot  Dag  vor  Dag  bekleen  ase  Dische, 
De  Baase  ruckt  darby  tau  Tyen  ock  all  frische. 
De  Bausenmaierin  nahm  Hasselhoffe  treckt. 
Dar  ward  sey  finnen  dat,  wat  häbsch  an  fiene  schmeckt. 
Dat  ward  Se  maken  schön  tau  rechte  obrem  Leife, 
Trotz!  wat  de  beste  Kock  upgifft  uth  sienem  Schleife, 
Se  ward  Oehm  in  den  Napp  braf  gefen,  by  dem  Mahl, 
Bagu  an  Fricassee,  Warmbeir  an  Kohleschahl, 
Sallaat  un  Witten  Kohl,  ohk  Gause-Brahn  un  Fische, 
De  beter  plegt  tau  glien,  afs'  Hau  un  Fledderwische. 
Bies  Zucker  an  Cannehl  ward  Se  dar  ohck  dann  an ; 
Ja  wiel  Se  sfilvest  ohck  de  Baasen  maien  kau, 
Sau  glitt  Se  woU  taur  Tyd  darunner  B  a  a  s  e  n -Water, 
Dat  behter  schmücket,  afs'  ein  Stück  vam  doen  Kater. 
De  Baasen,  de  Se  ap  den  Band  der  Schötteln  legt. 
Sind  Leif  an  Friindligkeit,  uprichtig,  schlecht  an  recht, 


75 

Damit  ward  Se  Oehn  mehr  un  kräftiger  erquicken, 
Afs  de  Gesundheits-Born  de  Krüppels  up  den  Krücken. 
Wy  wünschet  Oehnen  denn  veel  Segens  in  den  Napp, 
Veel  Bansen  in  den  Gahrn,  veel  sentes  in  dat  Schapp, 
Un  dat,  wan  overt  Jahr  wy  wedder  Baasen  plücket, 
De  Baasenmai  er  in  ein  Ifttteck  Näppken  licket. 

Hochzeit  Weige  /  Rensche,  Langeisheim  1710. 

Des  Wohl-Ehrwürdigen,  Grofsachtbaren  und  Wollgelahrten  Herrn 
Herrn  Friderici  Weigen,  Der  Kirchen  zu  grossen  und  kleinen  Elbe 
Wohlverordneten  Pastoris  Verehrlichen,  Mit  Der  Viel-  Ehr-  und 
Tugendreichen  Jungfer,  Jungfer  Dorotheen  Margarethen,  Des 
Wohl-  Ehren-Vesten  und  Vorachtbaren  Herrn  Herrn  Georgii  An- 
dreae  Reuschen,  Wollfihmehmen  Kauff-  und  Handelsmanns  in 
Langeisheim  Eheleiblichen  Jungfer  Tochter,  Welches  den  2.  Decembr. 
1710  zu  grossen  Elbe  gebührlich  angestellet  und  vollzogen  ward, 
Wünschen  durch  folgende  Zeilen  alle  Glückseligkeit  Nachgesetzte 
Freunde.  Gedruckt  im  Jahr  Christi  1710.  (Nach  einem  hochdeutschen 
GedichU  folgt:) 

Do  afs  de  lefe  Gott  Vader  Adam  hadde  schapen, 

Un  seck  kein  Deirtjen  fand,  dat  by  öhm  k5une  schlapen, 

Sprach  Gott,  et  ifs  nich  guht,  dat  he  aileene  blifft, 

Hier  maut  een  Wieffken  sien,  dafs  ohm  de  Tiet  verdriffb. 

Hiemp  schleep  Adam  in  as  §hn  de  Nipp  bedropen, 

Un  was  nht  siener  Siet  en  Füer-niet  Wieffken  kropen, 

Do  lache  ohm  de  Bart,  he  ticke  de  nien  Bruet 

Un  dachte  by  seck  sfilfifst,  sann  Dinck  ifs  rechte-gnht, 

Vorhen  wast  Wetery:  He  was  en  rechten  Stfimper, 

He  was  em  Fischer  glieck  mit  arrestertem  Plumper 

Afs  awrst  de  Menmke  kahm,  do  ward  he  h&bsch  un  fien, 

Drum  see  de  lefe  Gott,  sülfander  ifs  gut  sien! 

Guth  sindt  se  noch  jtznnd!     Wenn  k&mt  de  Brut  tanr  Stidde 

Bringt  se  6hr  Tocheltüg  nn  (Ure  Kisten  midde, 

De  woll  begafet  ifs,  betahlt  Papier  un  Black, 

Un  manche  Kanne  Beer  dehm  hier  un  dort  affstack, 

Up  6hren  Penni-Bflhl!     Guth  sind  se  ock  im  tftchten, 

Knhm  kan  üsk  negenmahl  de  Mahnd  herümmer  lachten 

San  ifs  de  Wege  wach,  sau  istr  en  Petermanu, 

De  baiden  ohr  Bedrief  mit  Last  erinnern  kan; 

Guth  siod  se  even  ock  by  Dage  un  by  Nachte, 

Des  Nachtfs  im  Beddestroh,  des  Dages  holt  se  Wachte, 

Dat  jo  nein  Schade  schAt,  se  seht  np  Disch  un  Banck 

Und  loopt  den  Wachteln  glick  den  Dag  im  Huefs  eullanck. 

Guth  sind  se  by  dem  Disch,  se  kockt  dem  Mann  de  Giütte, 

Se  predigt  ohm  int  Ließ,  sau  veel  afs  immer  nütte, 

Verschnacket  ohm  de  Tiet,  se  segg't  van  hier  un  dar, 

Bifswilen  is  et  sau,  bifswilen  ock  nich  wahr, 

Wan  dan  de  Avend  kümt,  sau  gabt  se  mit  tan  Bedde, 

Sau  sind  se  ock  nich  schlimm,  se  schlapt  mit  in  de  Wedde, 

Se  wärmet  ßhren  Mann,  se  frag't  ohn  wo  et  stait? 


76 

ün  wo  et  hier  an  dar,  in  sinen  Sacken  gait? 

Tan  lest  sau  sind  se  guth,  wen  d*  Uie  tengt  tau  singen, 

Un  mit  klywit,  klywit  mnsiken  tengt  tan  bringen, 

Sau  koockt  se  en  lesten  Bry,  se  dr&ckt  de  Ogen  tau, 

Un  bringt  den  leifen  Mann  in  sine  lange  Rau 

Is  dan  vam  Fruen-Volck  sau  sehr  yeel  guths  tau  hopen, 

Sau  hefft  jiet  woll  emackt,  so  heif  jiet  woU  edropen 

Herr  Brogam,  dat  ji  hilet  taum  Ehestanne  griept, 

Und  sau  en  wacker  Kind  up  sine  Schnütjen  piept. 

Ji  wert  et  numehr  ock  im  Warcke  sülrst  erfahren 

Wat  vor  en  Fr5lichait  en  Deern  van  achttain  Jahren 

Mit  in  dat  Bedde  bringt,  wat  wilt  jfick  sachte  dann, 

As  wan  uht  Nierenhait  ji  plAcken  ain  jung  Haun. 

Nu  veel  OelAcks  dartau!  Gott  helpe  juck  tau  hope, 

Ju  Broot  dat  dye  im  Schapp',  de  Braihan  in  demStope, 

Be  geef  jftck  Ayr  un  Fett,  un  alle  Büdels  ful, 

Verdriv*  den  Dulrian,  den  Hader,  Toorn  un  Grul. 

He  friste  juck  sau  lang,   bet  jick  nicht  pudern  dröfet, 

Bet  ji  fin  lise  gabt,  un  nemms  de  Kdken  d&fet. 

Herr  Brogam  wanjert  hen,  de  Bruet  de  is  beret, 

Un  sehet,  wat  se  guths  in  öhrer  Kisten  hett. 

J.  H.  S. 

Hochzeit  Stahl /Miras,  Peine  1711. 

Der  Wohlgerahtene  Kauff,  Welchen  getroffen  Der  Wohl -Ehr- 
würdige und  Wohlgelahrte  Herr  Herr  Gasparus  Julius  Stahl, 
Wohl  verordneter  Prediger  zu  Hohenhameln,  Mit  Der  Hoch-Edlen, 
Ehr-  und  Tugendsahmen  Jungfer,  Jungfer  Catharina  Maria,  Des 
Wohl-Ehrwfirdigen  und  Wohlgelahrten  Herrn,  Herrn  Johannis  Caspari 
Miri,  Ministerii  Peinensis  Subsenioris  Jungfer  Tochter,  Worüber  zwene 
Kauff- Leute  am  27sten  Octobr.  1711  folgenderweise  discurirten. 
Gedruckt  in  obgemeldtem  Jahr. 

Hr.  Slyek  so  nach  Hohenhameln  reiset,  trifft  unter  Wegens  einen  Hammel- 
Treiber  an,  welchen  Er  so  anredet: 

Hr.  Slyek.  Glftck  zu  mein  guter  Freund!   Wo  kommt  ihr  her  marschiret? 
Kommt  ihr  yon  jenem  Ort?  da  man  die  Saiten  rühret? 
Hi^meltr eiber.  Ja!  ja!  da  komm  eck  her,  un  reise  sau  herum, 
Ick  kope  Hämel  up,  wat  frage  jy  darum? 
In  Hohenhameln  dort  sind  sei  all  weggegreppen. 
Da  sind  sei  numehr  rahr,  noch  rarer  als  dei  Schneppen! 
Hr.  Slyek.  Das  war  ja  wunderlich!  Ist  denn  aus  Braband  schon. 

Der  sie  zu  kauffen  pflegt,  des  reichen  Kauffmanns  Sohn, 
Daselbsten  auch  gewesen?  Der  handelt  gern  die  Besten, 
Und  reiset  weit  herum  nach  Norden,  Süd  und  Westen. 
Hlimeltreiber.   Dat  wohl  ifs  hei  da  west,  dei  rieke  Hämmel-Hans, 

Dei  k5ft  ja  alles  weg,  heb'  Schwantz  od'r  keinen  Schwant^. 
Hei  hett  ein  Schaap  da  kofft,  da  eck  dat  Muhl  nah  spitze, 
Dat  her  eck  geren  hat;  des  Nachts  schlöp't  in  der  Mütze, 
Da  bet  hei,  15fft  jy  man,  en  guen  Kohp  andahn, 
Defswegen  wol  hei  ock,  nich  eir  von  dannen  gähn. 


77 

Hr.  Slyek.  Was  ist  das  vor  ein  Schaaf?   Wie  ist  es  anzaschauen? 
Das  mufs  was  rares  seynl     Ey  sag  mirs  in  Vertrauen. 

Hämelt reiber.  Hai  ha!  eck  höre  wol,  dei  Lecker  s611  jeck  ock 

Yelicht  wol  dahen  stahn,  nah  dem  Haputgen  Lock. 
Alleen  bement  jeck  nich,  de  Kohp  is  alle  Schloten, 
Dat  Ißift  jy  sicherlich,  et  het  meck  ock  verdroten, 
Eck  arme  Lnmpenhund,  hert  wol  sau  geren  hat, 
Eck  kopschlang  ock  darnah,  war  doch  sau  vel  als  dat! 
Hr.  Slyek.  Ey!  sage  was  dn  meinst,  ich  kans  noch  nicht  errahten, 

Man  kan  es  doch  nicht  riech'n?  Das  Schaaf  ist  nicht  gebraten? 
Du  roust  damit  heraufs,  eh  reis^  ich  nicht  von  dir, 
Darum  thu  auff  dein  Maul,  und  sag  den  Handel  mir. 

Hu  mel  treib  er.  Nu  hört,  sau  bort  den  tau:  Dat  Schaap  dat  is  en  Deeren, 
Dat  ifs  Ton  guer  Tucht,  un  werd  noch  Künste  lehren, 
Et  het  en  arig  Schnütg'n^  un  ock  en  gut  Gesicht, 
Dey  Huet  ifs  wit,  wit,  wit,  dat  harte  leive  Wicht. 
Et  is  en  nfltlich  Bild,  dat  kan  kein  Mahler  macken, 
Ock  nich  en  Schostenfeg'r,  kratz  hei  ock  noch  sau  faken, 
Dat  Schaap  dat  schmeckt  sau  seut,  noch  seuter  als  en  Not, 
Ja  wat?  et  Overdrept  den  seutsten  Honnig-Pot! 
Hr.  Slyek.  Nunmehr  verstehe  ich  denn,  und  habe  sat  erfahren. 

Es  sey  ein  solches  Schaaff  von  sechzehn,  sib'nzehn  Jahren! 

Hfl  mel  treib  er.  Ja,  Ja,  sau  is  et  ock,  et  het  en  brafe  Bost, 

TJn  mag  thaumahlen  gern  Speck,  Schlucken,  Eyr  un  Wost. 
Dat  Schaap  dat  het  Herr  Stahl  thau  siner  Frue  nohmen, 
Un  wenn  hei  daby  schlopt,  sau  werd  hei  nich  verklomen, 
Un  soll  seck  dat  en  Deiff  tau  stehlen  unerstahn, 
Dei  k&mt  ind'  Hunnelock,  un  werd  nich  fry  utgahn. 
Hut  wil  dei  Hochtiet  syn,  un  daut  seck  wat  tau  gue. 
Hei  piept  sey,  wenn  hei  will,  den  sachte,  den  mahl  lue. 
Gott  lat  sey  man  gesund,  un  leefen  mannich  Jahr, 
Bet  sey  Grot-Oeller-Meum,  un  hei  Grot-Oller-Vahr. 


Hey!  hüte  wilt  klingen  dei  gläserne  Humpen! 
Hoh'nhameln  ifs  lustig  und  let  seck  nich  lumpen, 
Et  wischet  dei  Schnuten  un  supet  dei  Gäste, 
Herr  Stahlens  Gesundheit,  denn  dei  is  de  Beste. 


Georgs  I.  üebersiedlang  nach  England.    1714. 

Aller- unnerdanigste  Glfick-Wunsch,  an  Usen  allergnädigsten 
Leifen  Herrn  Konje,  Asse  Hei  uht  Sienen  Leifen  Hannover  un  van 
Sienen  Dfltschen  tr&en  Unnerdabnen  in  Sien  grote  Riek  Engeland  ver- 
reisen wolle,  upgesettet  van  Joust  Gorries  am  Deisler.  Drückt  im 
September-Mant,  1714. 

Wat  Gott  heschloten  h&tt  daer  plegt  ot  hie  tau  hliefen, 
ün  kan  dei  Welt  öt  nich  mit  List  noch  Macht  verdriefen, 

Denn  Gott  regeert  alleeu,  Gott  is  alleen  dei  Mann, 

Dei  dfisse  ganze  Welt  im  Stann'  erholen  kan. 


78 

Wenn  dei  en  Printzen  will  np  siener  leifen  Eren 
Tan  einem  gr/^tern  Herrn  hier  noch  will  laten  weren, 
Sau  mant  ot  ganz  gewifa  nah  sienen  Willen  gähn, 
Un  kan  in  düsser  Weit  nichts  gegen  öhn  bestahn. 

Hätt  nse  Kahrfürst  nich  in  Sienen  Lefens- Jahren, 
Dat  Gott  alsan  (jt  holt,  genang  an  Sek  erfahren? 
Öt  is  jo  Overall  der  Christenhait  bekand, 
Dat  Hei  van  Tied  tau  Tied  vermehret  hatt  Sien  Land 

Un  Siene  BÄdels  ohk.     Wie  heflft  Gott  noch  tau  lafen, 
Dat  hei  Öhn  wieer  hStt  recht  wannerlick  erhafen, 

Tan  s51kem  Konje-Riek,  dat  in  der  ganzen  Welt, 

En  ider  dei  öt  kent,  vort  allerbeste  holt. 

Hei  is  van  Eönjes-Blant  nht  Engeland  gebahren, 
Darfim  is  Hei  nu  ohk  taum  K5uje  dort  erkahren, 

Dat  arvet  Hei  vordan  np  Kind  un  Einnes-Kind, 

Sau  lange  dei  van  Öhm  im  Lefen  ofer  sind. 

Dat  is  Hei  ohne  dem  ohk  wehrt  vor  annern  allen. 

Den  aller  Welt  hätt  jo  Sien  Regiment  gefallen, 
In  Sienen  Karkens  maut  dei  Lehre  rain  bestahn. 
In  Sienen  Lännern  maut  dat  Recht  im  Schwange  gähn. 

Wie  heflft,  nechst  Gott,  dörch  Öhn  im  Frede  können  bliefen, 
Dei  Fiende  könt  ösch  nich  van  Hnefs  un  Hafe  driefen, 
Dei  Fruens  kaket  ösch  den  Kohl  tau  rechter  Tied, 
Un  bringet  gern  dat  Fleisch  taum  Kohle  ahn  Verwiet. 

Des  Hinsehen  Loif  duert  doch  veel  länger  afs  sien  Lefen, 
Nu  maut  dem  leifen  Herrn  dei  Welt  dat  Tügnifs  gefen, 

Dat  Hei  Sien  Lief  un  Blaut  gern  waget  vor  Sien  Land, 

Van  leifer  langer  Tied  is  diit  genaug  bekand 

Man  seih'  in  Boikern  nah,  wat  hei  in  siener  Jögend 
Vor  Praufen  afgelegt  van  Dapperkeit  un  Dögend, 
Vor  Trier  un  vor  Wien,  dei  Kaiser  Leopold 
Dei  was  deshalfen  öhm  vor  vehlen  annern  hold. 

Wie  heffet  unner  öhm  nich  nöhdig  hatt  tau  klagen 

Van  groter  Af erlast,  van  Exequerers  Plagen, 

Denckt,  wenn  een  Buer  behölt  sien  Veih,  sien  Huefs  un  Gaut, 
Sau  hett  hei  allemahl  noch  einen  frischen  Maut. 

Sau  spieset  man  noch  woU  den  Sondag  wat  vam  Schincken, 
Un  mögt  des  Afends  geern  darup  en  Pegel  drincken, 
Hei  Juchai,  wünsche  wie,  dat  an  den  Jüngsten  Dag 
Dei  leife  Kuhrfürst  doch  in  Snndheic  lefen  mag. 

Oet  hett  seck  noch  taur  Tied  in  allen  woU  gefeuget, 
Dei  Kuhrfürst  ifs  mit  ösch,  un  wie  mit  öhm,  vergneuget, 

Nu  werd  öt  overluet,  van  Hnefs  hie  Huefs  bekand, 

Dat  hei  ohk  Könje  wetd  im  Rieke  Engeland. 

Dat  is  woll  rechte  gaut,  wie  günt  öt  öhm  van  Harten, 
Doch  maket  öt  vorerst  in  usen- Härtens  Schmarten, 


79 

Dat  hei  nn  alle  Tied  bie  6sch  nich  bliefen  kau, 
Darfim  bedreufet  seck  im  Lanne  jedermann, 

Denn  wie  hoert  overall,  bie  Jungen  un  bie  Ohlen, 

Sei  alle  w611en  öhm  im  Lanne  gern  beholen. 

Denn  wenn  een  Lannes-Herr  in  sienem  Lanne  is, 
San  gaiht  6t  daer  woll  tan,  dat  glöfet  man  gewiss. 

Nu  afer  were  wie  woll  Tranen  gnaug  vergelten, 
Un  sei  wilt  mengem  noch  van  sienen  Backens  fleiten, 
Ja  gefet  acht,  dat  werd  im  gantzen  Lanne  schein. 
Wenn  sei,  Herr  Könje,  erst  werd  juen  Aftog  seihn. 

Doch  afer  hape  wie,  wenn  jie  werd  von  osch  raisen, 

Sau  hole  jie  osch  nich  vor  Vaderlose  Waisen, 
Wie  bliefet  wat  wie  sind  im  Glfikke  un  in  Noth, 
Dei  Gott  afwennen  werd,  getrue  bet  an  den  Doot. 

Wie  alltauhope  wilt  bie  Nachte  un  bie  Dage 

Gott  bidden,  dat  hei  jöck  bewahren  mag  vor  Plage, 

Un  waihet  overt  Meer  in  Engeland  en  Wind, 

So  dencket  dat  darbie  ohk  use  Süfzers  sind. 

Wenn  ohk  eenst  Fiende  wilt  jok  dat  Vergneugen  stören, 

Dat  gegen  sei  darum  jie  mötet  Kriege  föhren, 
Oet  sie  ohk  woer  öt  will,  so  heffe  wie  den  Maut, 
Vor  jok  in  aller  Welt  tau  wagen  Gaut  un  Blaut. 

Jie  wetet  woll,  jie  hefft  im  Lanne  S(Mke  Eumpen, 
Dei,  wenn  5t  n^hdig  daiht,  sek  gar  nich  latet  lumpen, 
Sei  m^get  alle  gern  frisch  vor  dem  Fiende  stahn, 
Un  ohnen  nich  en  Schritt  uht  obren  Wege  gähn. 

Wie  hapet  overall,  Gott  werd  in  Gnaden  gefön, 
Dat  jie  noch  mennig  Jahr  mögt  im  Vergneugen  lefen, 
Jie  bruket  jährlik  doch  den  Brunnen  tau  Pyrmunt, 
Dat  dout  noch  alle  Jahr,  sau  bliefe  jie  gesund. 

Jie  könnt  jok  denn  darup  erlustigen  mit  Jagen, 
Dei  leife  Kron-Prinz  ohk,  öt  werd  jok  bayden  hagen, 

Dat  gantze  Land  werd  jök  bie  Dage  un  bie  Nacht 

Upwaren,  asse  sek  gebührt,  mit  aller  Macht. 

Wie  wilt  jök  denn  sau  veel  van  Appeln  un  van  Beeren 

Henbringen,  dat  jie  sei  nich  alle  könt  verteren. 

Und  wenn  süfs  noch  wat  mehr  ösch  im  Vermögen  is, 
San  schall  jök  bayden  öt  tan  Dienste  sien  gewis. 

Herr  Könje  wie  wilt  düt  van  juer  Gnade  hopen, 

Und  wilt  mit  Fraiden  jök  entgegen  alle  lopen, 
Dat  Vivat  were  jie  woll  hören  dann  sau  wiet 
Wie  raupen  könt,  wenn  jie  up  usen  Grenzen  sied. 

Nu  Gott  bewahre  Jök  mit  Kind  un  Kinnes-Kinnern, 
Un  störe  wat  Jök  will  in  juen  Warken  hinnern, 

Hei  hole  Jök  altied  vergnenget  un  gesund; 

Düt  wünscht  dat  ganze  Land  uht  Härtens- Grunn  un  Mund.  Amen. 


80 

Pastor  Marburgs  Amtsjabiläum,  Wendebnrg  1718. 

Die  Freudö   un   Danck   der  Wennjeborgischen   un   der   anneren 
Gemeinen.^) 

Herr  Marborg  dei  hat  üsch  tansamen  inneladen 

Up  eine  Koste  van  Gokoockten  nn  Gebraden, 

Darby  denn  ock  noch  schall  ein  gut  Dranck  Beier  sieni 

Dat  wie  schult  eten  satt,  an  schult  ock  drincken  fien. 

Wat  schüll  wie  denn  nu  dann?  schuU  wie  ()hm  dat  verseggen? 

Och  ne,  dat  mocht  hei  ^sch  wol  gans  nich  gat  uhtleggen. 

Wie  sind  ock  ja  sau  nich,  wat  wie  darmidde  kAnt 

Man  tan  Gefallen  dann,  daa  wie  gern  einem  Fründ. 

Wat  schall  dat  averst  doch  wol  heten  an  bedüen, 

Dat  up  der  Parre  ifs  saun  groot  üploepp  van  Lfien? 

Man  si\ht  dar  in  dat  Huefs  sau  manchen  Schwart-Rock  gähn, 

Un  sf^ht  ock  etlicke  mit  fariften  Kleern  stahn: 

Dar  ifs  ock  Wiever-Volck,  dat  hat  sick  wacker  patzet, 

Un  ifs  sau  schmuck  un  glatt,  gewifs,  dat  et  man  stutzet. 

Et  lett,  afs  wenn  sei  helft  dei  besten  F&hme  an, 

Dei  sei  anteiet,  wenn  sei  wilt  nähr  Hochtiet  gähn. 

Drum  koem  wie  Buerslü  ock  nich  afs  Suddelkocke, 

Wie  heffet  annetogn  dei  besten  Sondags-R^cke, 

Dei  Parre  wart  nu  sau  mit  LAen  anuefüllt, 

Dat  man  ball  nich  afsüht  wo  sei  all  sitten  schallt. 

Dog  düt  ifs  nich  umsfifs,  afs  man  all  hett  erfahren, 

Herr  Marborg  dei  nu  schon  mehr  afs  vor  fSfftig  Jahren 

By  üsch  tau  Wennjeborg  hat  use  Heere  sien, 

Un  ifs  ock  noch  Pastor,  sau  lang  et  Gott  wel  lien, 

Dei  hat  düt  Lag  bestellt,  wiel  hei  by  sienen  Oller, 

Dat  süfs  gemeinlick  ifs  ein  recht  beschwerlick  Moller, 

Alleen  un  ohne*  H&lp  sien  Amt  verwaltet  hat, 

Un  ifs  dog  noch  keinmahl  der  Arfeit  worren  satt. 

Darinne  hat  hei  nu  usch  meistens  alltausamen 

Gedoift,  un  usch  dabie  enennt  mit  usen  Nahmen, 

Dat  der  Gedofften  sick  elffhnndert  föfftig  find. 

Hergegen  deren,  dei  van  6hm  begraven  sind. 

Der  schüllt  tausamen  sien  seffn  hundert  achtig  fieve. 

Ifs  dat  6hm  nich  ewest  ein  Last  up  sienen  Lieve? 

Denn  sind  veirhundert  noch  un  seffn  un  fofftig  Paar, 

Dei  hat  hei  Eobbeleirt  im  Amt  dei  föfftig  Jahr. 

Hei  freuet  sick  nu  wol,  dat  sau  veel  Jahr  verflooten, 

Wie  noch  veelmehr,  dat  wie  hefft  siener  wol  genohten, 

Hei  hat  üsch  wol  elehrt,  un  trülick  up  den  Weg 

Nabu  Himmel  tau  efeurt,  un  van  den  Laster -Steg 

Usch  nangsam  affemahnt.     Hei  hat  mit  sienem  Leven 

Usch  redlick  voregahu,  kein  b6fs  Exempel  geven. 

Wenn  man  6hm  halen  leit,  et  was  bie  Nacht  un  Dag, 

Was  hei  parat,  keinmand  et  anders  seggen  mag. 


^)  Die  Mitglieder  der  Gemeinden  Wendeburg,  Twedorff,  Wendezcll  und 
Völckerode  beglückwünschen  ihren  Pastor,  Sebastian  Marburg,  zum  50jft,hrigen 
Amtsjubiläum  am  5.  Juli  1718.    Gedruckt  in  Braunschweig. 


81 


Süss  hat  bei  ock  in  Noth  un  Doet  fisch  nich  yerlaten, 

Wenn  wie  nich  fannen  Bath  im  Dorp  np  allen  Straten, 

ün  gingen  denn  man  ball  nah  usen  Bicht-Vaer  hen, 

Sau  wflsten  wie  gewifa,  dat  et  nich  failen  k5nn. 

Wie  kfinnt  dat  6hme  ock  mit  Wahrheit  wol  nah  seggen, 

Dat  hei  sick  nich  woll  np  dei  fnle  Siee  leggen, 

Wenn  man  öbm  säe  vor:  Hei  w5re  ein  oelt  Mann, 

Hei  könne  rauen  sick,  sau  stund  obm  dat  nich  an. 

Ja  keinman  könne  öhn  man  einmabl  dartau  kriegen, 

Dat  hei,  ohn  h5ch8te  Noth,  ein  andern  leit  upstiegen, 

Hei  säe:  de  lope  hen,  wat  schall  dat  n5dig  sien? 

Jck  kan  et  sfilfifst  noch  wol,  ne  ne,  dat  Amt  ifs  mien. 

Nu  wie  künt  siene  Trü  un  Arfeit  nich  vergellen, 

Doch  will  wie  et  ock  nich  in  dat  Vergetten  stellen, 

Wie  wettet  ja  darum  am  besten  wol  Bescheid, 

Sau  m5te  wie  davon  ock  seggen  lanck  un  breit. 

Wie  Wennjebörger  segt:  ji  hefft  ftsch  biegewohnet, 

Herr  Marborg,  föfftig  Jahr,  wat  wie  nich  hefft  bilohnet, 

Dat  mag  un  will  ock  wol  dei  leive  Heere  Gott 

Belohnen  riecklig  juck,  wenn  ji  schon  sind  all  doet. 

Wie  Wennjezeller  segt:  wiel  ji  üsch  woll  elehret, 

Herr  Marborg,  wünsche  wie,  dat  ji  nah  düssen  boret: 

Kumm  her,  du  frohme  Knecht,  du  bist  getrfl  ewest, 

Gah  in  des  Heeren  Freud,  dat  ifs  ja  wol  dat  best. 

ün  wie  van  Zweydorp  segt:  wie  sind  wol  underwieset, 

Herr  Marborg,  juen  Fliet  dei  Kindeskinder  prieset. 

Gott  sie  ju  Lohn  darvor,  wie  wettet  jftck  et  Danck, 

Wie  wilt  et  reumen  ock  all  use  Levenlanck. 

Wie  V(>lckenroer  hefft  mehr  Ohrsack  noch  tau  sprecken, 

Denn  jent  ifs  gegen  fisch  ball  nig  einmahl  tau  reken. 

Wat  hat  dei  lange  Jahr  doch  nig  dei  gue  Mann, 

Nah  usen  Dorpe  her  veel  sure  Wege  dahn! 

Im  Winter  hadde  5hn  dei  Kfille  offt  dorchtogen, 

Dei  Schnie  un  Begen  brav  um  sienen  Koppe  flogen: 

Wat  hei  tor  Sommer-Tied  manchmahl  vor  Schweet  vergoet, 

Wenn  hei  her  tau  fisch  kam,  dat  weit  dei  leive  Gott. 

Dei  will  denn  sienen  Schweet,  Fliet,  Arfeit  un  dei  Trfie 

Dei  hei  an  fisch  bewiefst,  davor  wie  guen  Lfie 

Oehm  nich  satt  dancken  kfint,  belohnen  ganfs  gewifs 

Afs  et  6hm  nfitte  hier,  un  dorten  selig  ifs. 

Hat  hei  6hn  sädigt  hier  mit  einem  langen  Leven, 

Sau  will  hei  6hm  darnah  den  Himmel  dort  wol  geven. 

Dat  wfinschen  wie,  dat  wfinscht  dei  gantze  Meine  noch, 

Wie  biddet  all  tauhoep:  0  Gott  erhör  fisch  dog! 


Pastor  Harburgs  Amtsjnbilänm,  Wendebarg  1718. 

Afs  Us'  HeiT  Marborg  fisch  ein  Gastebott  egefen,  Nadem 
Oehn  use  Gott  sau  lange  laten  lefen,  Dat  He  nu  fofftig  Jahr  Sien 
Amt  verrichtet  hat,  Recht,  Afs'  ein  braf  Pastor,  Nich  kranck,  Un  ohck 
nich  matt:   Do   hat   ein   Buersmann   hier   dufse  Versehe   maket,  Dei 

Nisderdeatiches  Jahrbuch  XXXV.  Q 


82 

hier  in  Wenneborg  Spinn't,  Doschet,  Pleuget,  Bracket.  Et  is  de 
Mann,  De  recht  von  Harten  grunne  schrift,  Un  uses  Herr  Pastors 
Sien  trfle  Parr-Kind  Blift.     Im  Jahr  1718. 

H5rt  Lue,  hSret  taa,  ick  heff  juck  wat  tan  seggen, 

Dat  is  vort  erste  wahr,  et  sind  gar  neine  L&ggen: 

Tau  dehme  kamt  et  ohk  nich  alle  Dage  vor, 

Drnm  gefet  encke  acht,  un  sparret  up  ju  Ohr. 

Et  is  hier  ein  Pastor,  den  weer  ji  alle  kennen, 

Drum  et  nich  nodig  is,  wietloftig  Oehn  tau  nennen: 

Doch  scholl  hier  ja  wer  sien,  de  sau  gar  frommet  lett, 

Sau  segge  ick  et  6hm,  dat  he  Herr  Marborg  hett. 

Dem  Manne  is  van  Gott  ein  temelck  Oller  gefen, 

Dat  segg  ick,  un  wer  weit,  wur  lang  he  noch  kan  lefen? 

Al'l  over  achtig  Jahr  hat  he  darmidde  west, 

ün  is  noch  temelck  starck,  un  up  den  Beinen  fest, 

Des  Ollers  Scbwackheit  hat  he  noch  nich  erfahren, 

He  is  ball  noch  sau  kasch,  afs  ein  van  veertig  Jahren: 

Wan  he  in  Wenneborg  hier  up  der  Straten  galt, 

Sau  scholl  ji  Wunner  sein,  wur  öhm  dat  frisch  anstait. 

Wan  glieck  dat  Steg  is  krum,  kan  he  doch  drover  schlicken, 

Dat  mauger,  de  noch  jung,  erst  mott  all  woll  bekieken, 

Un  ohck  übt  Furchten  woll  biem  Stokke  drover  galt, 

Dat  he,  eir  he  et  sAht,  nich  plump  int  Water  schlait. 

Ja  he  kan  ohck  taur  Noht  noch  overn  Grafen  springen, 

Dat  jungen  Eerels  wel  nich  allemahl  gelingen: 

He  kan  tau  Peere  braaf  noch  komen  up,  un  af, 

He  kan  frisch  over  Feld  fortsetten  sienen  Staf. 

Düt  is  Verwunnerns  wehrt:  doch  mott  ick  mehr  verteilen, 

Dat  wunnerlickste  is,  wat  ick  juck  nu  wil  mellen: 

He  hat  all  foftig  Jahr  up  user  Eanfsel  stahn, 

Dat  latet  truhn  einmahl  juck  recht  tau  Harten  gähn! 

Sau  lange  leife  Tiet  hat  he  all  motten  leefen, 

Nadem  he  düfsem  D5rp  ia  taum  Pastor  egefen. 

Ick  löfe,  dat  et  ohck  all  over  foftig  is, 

Sau,  afse  mick  et  dänckt,  doch  weit  ickt  nich  gewifs. 

Denn  afs^  Hr.  Marborg  kam,  dat  kan  ick  kuhme  dencken, 

Ick  satt  in  user  Schaul  noch  up  den  Fiebel-Bäncken, 

ün  itzund  bin  ick  all  van  sestigen  nich  wiet, 

Dat  is  all  lange  hehr,  et  is  'ne  lange  Tiet. 

Scholl  dat  nu  Wenneborg  nich  afs^  ein  Glöck  erkennen, 

Dat  üt  en  solcken  Mann  hier  Herr  Pastor  kan  nennen? 

He  bringt  sien  Preddig-Amt  up  sau  veel  Jahr  hennan. 

De  unner  hunnerten  kuhm  ein  aflefen  kan. 

Ja,  ja,  wie  wünscht  ohm  Guts,  wat  wy  man  kilnt  ersinnen, 

Gott  gef  öhm  wier  Kraft  van  butten  un  van  binnen: 

Un  wan  he  endlich  matt  angefen  mot  sien  Warck, 

Sau  make  Gott  Oehn  dort  in  sienen  Hütten  starck. 

Reise  Oeorgs  I.  nach  Hannover.    1719. 

Der   ehrliken   Hannoverschen    Buren   allerunnerdanigste   Fraide, 
asse    dei    leife   grohte   Gott    usen   allergnädigsten    Herrn   Könje   uht 


83 

sienem  groten  Rieke  Engeland  in  sien  dutsche  trüe  Kubr-Fürstendaum 
im  Brakmande  1719  glüklik  ohk  gesund  wedder  kohmen  leit,  be- 
schrefen  van  Jaust  Görries  am  Deisler. 

Nu  süht  man  dat  Jie  §Bch  Herr  E5nje  nich  k5nt  haten, 
Wie  k5net  ohk  van  J6k  bet  in  den  Dod  nich  laten, 
Un  leift  en  Brc^gam  gliek  dei  Braet  van  Harten  sehr, 
San  leife  wie  J5k  doch  Herr  Eonje  noch  veel  mehr. 

Denn  wat  man  an  Jök  ifs,  dat  döuket  ösch  sau  sente, 

Dat  wie  Jök  overall  gern  piepeden  dei  Fente 

ün  leifer  afs  dem  Pafst,  efft  hei  gliek  Ablafs  giift 
Un  doch  tan  wielen  ohk  wol  toernig  werd  nn  kifft. 

Wie  biddet  Oott,  dat  hei  in  Gnaden  wolle  gefen, 
Dat  Jie  Herr  K5nje  mögt  noch  veel  veel  Jahre  lefen 

In  Sandhait  an  in  Glük,  denn  alle  wie  Jie  daut, 

Dat  haget  allen  wol  nn  gaiht  ohk  alltied  ganht. 

Dei  Jök  gekennet  hefft  in  jnen  Kinner-Jahren, 
Dei  segten  wat  dei  Welt  bether  an  Jök  erfahren, 

Dat  Gnad'  alltied  bie  Jök  un  Bedligkait  will  sien, 

Solk  Lof  au  Könnijens  an  Fürstens  klinget  iien. 

Verstand  an  Bedligkait,  dat  segg'  ek  angelogen, 

Dei  schienet  düssen  Dag  Jök  noch  nht  jaen  Ogen, 
Drum  werd  ohk  jue  Kiek  un  Land  im  Flore  stahn, 
Sau  lange  Jie  dat  Recht  im  Schwange  latet  gähn. 

Noch  ningenst  äffe  wie  dei  Fraiden-Post  verneimen, 

Dat  Jie  übt  Engeland  hen  nah  Hannouver  keimen, 
Do  was  dei  Fraid^  un  Lust  sau  groht  bie  iedermann, 
Dat  miene  Tunge  sei  nich  gnaugsam  reumen  kan. 

Dat  Vivat  hörde  mau  uht  allen  Hüsern  klingen, 
Man  sag  do  Oblt  un  Juuk  vor  groten  Fraiden  springen, 
Dei  Ollern  segten  dar:  Och  Einner  höret  doch, 
Gott  sie  Loff,  Priefs  un  Dank,  dei  Eönje  lefet  noch. 

Dei  Maikens  stünnen  ap  van  öhren  Spinne-Wokken, 

Un  fingen  an  tau  sek  dei  Eerels  hen  tau  lokken, 
Sei  grepen  overall  en  anner  bie  der  Hand 
Un  sprangen,  dat  taum  deel  sei  stöfen  an  dei  Wand. 

Drup  fingk  en  ider  an  nahm  Danze  siene  Graitjen 

Up  jue  Sundhait  fluks  tau  piepen  un  tau  haitjen, 
Taum  deele  fingen  sei  tau  Winkel  drup  tau  gähn, 
Ek  weit  nich  wat  sei  mehr  up  jue  Sundhait  dahn. 

Jie  könt  uht  allem  dem  Herr  Eönje  gnaug  befinnen, 

Dat  necbst  dem  leifen  Gott  noch  aller  Lue  Sinnen 

Im  Laune  dörch  un  dörch,  et  sie  Mann,  Wief  un  Eiud, 
Dei  Maged  samt  dem  Enecht,  up  Jök  gerichtet  sind. 

Ja  öt  kan  weder  ek  noch  annere  beschriefen. 
Mit  wat  vor  Lust  man  nu  dei  Tied  plegt  tau  verdriefen, 
Wenn  einer  nu  van  Jök  man  segt  en  einig  Wort, 
Sau  segt  dei  anre  drap  dat  Vivat  gliek  sau  fort. 


84 


Up  jue  Sundbait  will  dat  Volk  in  allen  Saken, 
Ot  sie  ohk  wo  ot  will  alleen  den  Anfank  maken, 

Un  segt  6t  gliek  vorher  nich  allemahl  dei  Mann, 

Erinnert  6hne  doch  dei  Fme  gliek  daran. 

Dat  Jie  Ssch  na  nich  m&gt  mit  Overlast  beschweren, 
Will  wie  Herr  Könje  J6k  ohk  Lefenslang  san  ehren 
Un  dann  mit  allen  Fliet  wat  minsch  an  möglik  ifs 
Nah  aser  Scbnldigbait,  dat  glofet  man  gewifs. 

Jie  ehret  Gott  an  makt  mit  dem  in  allen  Dingen 
Den  Anfangk,  darfim  let  hei  wat  Jie  dant  gelingen, 
Nein  Fiend  kan  in  der  Welt  wor  gegen  J5k  best  ahn, 
Wat  Alberoni  denkt  dat  mant  den  Ereftgangk  gähn. 

Hei  bmmde  Anfangs  sehr  nn  ärger  as  en  Kater, 
Hei  dranede  mit  Krieg  tan  Lanne  an  taa  Water, 
Bet  jae  Flotte  kam,  do  stand  dat  Spansche  Blaat, 
Afs  Hasens  int  gemein  bie  6hrer  Trammel  daat. 

Dei  Ammiral  van  Bings  dei  brochte  Forcht  an  Schrekken 
Int  Middelländsche  Meer,  hei  schlang  an  allen  Ekken 
Wat  Spanisch  heten  woll,  sei  fochten  as  en  Mnefs 
ün  van  den  Spanjern  kam  fast  nich  en  Schip  taa  Hnefs. 

Drap  brochte  Alberon  taa  hop^  en  andre  Flotte, 
Doch  Word  sei  efen  saa  tan  Schimpe  an  tan  Spotte, 
Denn  afs  dei  Spansche  word  der  Englischen  gewahr, 
Do  word  dei  Spansche  gliek  van  Stnnn'  an  nusichtbar. 

Noch  leiten  etlike  yan  Spanjern  sek  gelösten, 
Dat  sei  sek  wageden  noch  over  Schottlans  Kfisten, 
Doch  hatt  sei  Wigtmann  san  afs  sek  gebohrt  belohnt, 
Sien  Schwerd  hatt  nich,  wat  sek  nich  flak&  ergaff,  verschont. 

Na  draaet  Alberon  noch  mit  dem  Fege-Fuer, 
Drin  schall  dat  Lachen  Bings  an  Wichtmann  weren  dfier. 
Doch  drinkt  sei  baide  noch  en  rechte  gant  Olafs  Wien 
Un  hoept  dat  Fege-Füer  schall  ahtgel<^schet  sien. 

Dat  Jie  Herr  KSnje  sind  np  jaen  Thron  erhofen, 
Dat  mohtet  overall  dei  Fiende  süifest  lofen. 

Denn  dat  Jie  woll  regeert  jae  K^DJe-Riek  an  Land, 

Dat  maket  jaen  Baam  in  aller  Welt  bekand. 

Printz  Fredrik  folget  J6k  an  let  sek  annerwiesen, 
Dat  man  den  leifen  Printz  kan  nümmer  gnangsahm  priesen, 
Dei  ohn  man  seiht  an  h5rt  bekennet  alle  frie, 
Dat  Sienes  glieken  wol  nicht  licht  taa  finnen  sie. 

Dat  hilge  Biebel-Bank  h^lt  hei  vort  allerbeste, 
Dat  ifs  alltied  sien  erst'  an  Afends  ohk  dat  leste, 
Darnt  ifs  5hm  allmaist  bekand  wat  sek  gebohrt, 
Dat  hei  saa  lichte  nich  van  Fremden  werd  verfuhrt. 

Hei  hatt  mehr  Böiker  leif  an  legt  sek  nu  ap  Saken, 
Dei  ohn  könt  mit  der  Tied  tann  brafen  Könje  maken, 


85 


Hei  weit  all  Englisch,  Fransch,  ohk  Ukerwensch,  Latien, 
Un  wat  vor  Spraken  sfifs  6hin  m6get  nöhdig  sien. 

lo  Siener  Kindheit  konn'  hei  all  sehr  ahrtig  danzen, 

Nu  lehrt  hei  noch  vordan  den  Vestangs-Bae  un  Schanzen. 

Dei  Riet-Kanst  weit  hei  ohk,  wenn  Hei  sek  exercert. 

Erwieset  Hei,  wo  wohl  Hei  en  wild  Peerd  regert. 

In  vullen  Rennen  kan  Hei  hauen,  steken,  scheiten, 
Dat  einem  werd  dat  Blaut  um  siene  Wunnen  fleiten, 

Wenn  Hei  den  Fiend  enst  drept,    Hei  dreppet  in  den  Ringk, 
Wenn  Hei  nahm  Ringe  rennt,  ganz  vuUenkomen  flingk. 

Dei  leife  Prinz  h&tt  noch  drey  junge  gladde  Süstern, 
Nah  welken  mit  der  Tied  werd  groten  Prinzens  lüstern. 
Sei  sind  ot  ohk  wol  wehrt  un  fenget  Gott  6t  sau, 
Sau  wünschen  alltomahl  wie  veel  veel  Glücks  dartau. 

Jie  helft  Herr  K5nge  jo  noch  brafe  Krafft  tau  lefen, 
Dei  leife  Gott  werd  Jok  vor  6sch  dei  Gnade  geven, 
Dat  Jie  hier  in  der  Welt  regeret  sau  veel  Jahr, 
Dat  Jie  tain-dubbelt  noch  werd  Oller-Grote  Yaer. 

Dat  wünschet  overall  dei  Armen  mit  den  Rieken, 
Dei  Christen  nich  alleen,  dei  Törken  ohk  desglieken, 

Sei  hefft  dörch  Jok  erlangt  wat  man  öhr  Wunsch  begehrt. 
Drum  holet  sei  sau  wol  afs  wie  Jok  leif  un  wehrt. 

In  Norden  will  dei  Krieg  veel  Lue  noch  verarmen. 

Der  Lue  latet  Jf)k  Herr  Könje  doch  erbarmen, 
Un  helpet  doch,  dat  dar  ohk  Frede  weren  mag, 
Sau  biddet  sei  vor  J6k  mit  6sch  ohk  Nacht  un  Dag. 

Jie  hefift  in  Meklenborg  Gott  loff  5t  sau  gefeuget, 
Dat  Junker,  Borger,  Buer  in  allem  sind  vergneuget, 

Un  jue  Lue  hefft  sek  dort  sau  overall 

Verholen,  äffe  Volk  sek  holen  maut  un  sali. 

Dort  in  dem  Lanne  sind  wol  wainige  verstorfen. 
Doch  Maikens  sind  taum  deel  tau  Nunnens  ganz  verdorfen, 
Un  dei  Verdarf  kümt  jo  allene  man  dar  van, 
Dat  man  taum  Frien  nich  Kunsens  erlangen  kan. 

Man  hatt  jo  in  der  Welt  bether  noch  nich  befunnen, 
Dat  veel  Soldatens  sind  getügt  van  Kloster-Nunnen, 
Heilt  Adam  sek  doch  nich  im  Garen  an  den  Wind, 
Drüm  s6cht  en  Kerel  gern  wor  junge  Maikens  sind. 

Dei  Maikeus  könet  doch  dat  Frient  lichte  lehren, 
Un  frieden,  gl5fet  man,  im  Lanne  hier  sau  geren, 

Afs  annerswo  mag  scheihn,  un  wenn  man  Frient  weehrt, 
San  werd  dei  Maikens  wol  un  Kerels  ganz  verkehrt. 

Ek  horde  gistern  noch  van  velen  Maikens  schnaddern, 
Sei  bidden  Jok  wol  gern  uht  Dankbahrkeit  tau  Faddern, 
Un  wenn  man  Fadder  werd,  dat  staiht  jo  noch  all  fien, 
Dei  Maikens  mochten  ohk  gern  alle  Fruens  sien. 


86 


Dat  latet  doch  ohk  tan,  sau  will  wie  alle  bidden, 
Dat  Qott  J6k  segnen  mag  van  ofen,  unuen,  middeo, 
Dat  jue  Stamm  un  Eiek  sau  lange  mag  bestahn, 
Bet  dat  dei  Erden-Kraifs  nn  Welt  werd  ganz  yergahn.    Amen. 


Innige  Bitte  der  Pyrmonter  Mädchen  an  Georg  I.  1720. 

Der  Pyrmuntschen  Maickens  Hertens-Wunsch  un  deimaidige 
Bidde  an  den  Herrn  Könje  von  Groten  Britannien  bei  dessen  Gott 
Loff!  glucklichen  gesunnen  Ankunft  tau  Pyrmunt  im  Brack-Maende 
1720,  beschrefen  von  Joust  Otto  Jörgens. 

Süh  nu!  s&h  nn!  wat  wilt  dei  Maickens  doch  beginnen? 
Sei  sind  fast,  afs  nt  schient,  verwirt  in  (^hren  Sinnen, 

Dei  riepe  sind,  werd  nu  van  grohteu  Freiden  vnll, 

Deels  afer  schienet  gar  im  ganzen  Bücke  dnll. 

Seiht  an,  wat  sei  nu  daut,  sei  springt  uht  allen  Döhreu, 
Sei  wetet  nu  van  nichts  afs  Leffelie  tau  kören. 

Sei  raupet  apenbar;  sei  hedden  frischen  Maut, 

Den  Öhre  Saekeu  sien  im  Frien  numehr  gaut. 

Hoho!  eck  marcke  wol,  sei  heffet  all  vemomen, 

Dat  Jie,  Herr  Eönje,  sied  uht  Engeland  gekomen, 
Un  dat  Jie  afermahls  den  Brun  in  düsser  Tied, 
Gott  gefe  Glück  dartau,  tau  brücken  willens  sied. 

Nu  hiUt  im  vorigen  Jahr*  öt  Gott  sau  laten  schlumpen 
Dat  do  en  Maicken  kreg  en  brafen  frischen  Kumpen, 

Jie  afer  schenckeden  darbie  blanck  Geld  der  Brubt, 

Man  puzde  sei  dartau  an  Juen  Hofe  uht, 

Sau  glat  wafs  neine  Brüht  vorher  bie  ösch  gepuzet, 
Sau  wakker  htUt  vorher  nein  Brüht  Fiedum  gestuzet, 
Drfim  leit  dei  Brögam  ohk  den  Plaug  im  Felle  stahn. 
Man  sag  sei  baide  flucks  mit  Lust  tour  True  gähn. 

Nu  hopet  Overall  dei  jungen  Quakkel-Taschen, 

In  dusser  Brunnen-Tied  seck  Eerels  tou  erhaschen, 
Meck  afer  düncket  doch,  öt  galt  nich  alltied  an, 
Dat  man  mit  sölkem  Gluck  en  Brögam  kriegen  kann. 

Den  lät  Gott  Brögams  gliek  up  riepe  Maickens  regnen, 

Werd  sei  dei  Könje  doch  nich  flucks  mit  Bruht-Schatt  segnen, 

Wen  ein  un  andern  ohk  dei  Könje  wat  verehrt, 

Sou  ifs  öt  andern  doch  nicht  efen  sau  beschert. 

Geld  ifs  dei  Los*  nn  werd  ohk  wol  dei  Lose  bliefen, 
Denn,  wenn  dei  Kerels  seck  gedencket  tau  bewiefen, 

Sau  fraget  sei  vorerst,  hefft  ohk  dei  Maikens  Geld? 

Dar  kümt  öt  man  up  an,  dat  Geld  erholt  dei  Welt. 

Ja  hfitigs  Dages  sind  veel  Kerels  sou  gesinnet. 

Wenn  bie  den  Maikens  sei  nich  brafen  Brnht-Schatt  finnet, 

Sou  wandert  sei  vorbie,  wehlt  nümmer  eine  Brüht, 

Un  nah  der  Leffelie  lacht  sei  de  Maikens  uht. 


87 

Daher  werd  in  der  Welt  yeel  Kerels  Hagestolten, 
Wat  DÜttet  dei  doch  wol?  sei  scheitet  6hre  Holten 
In  fremde  Schiefens  hen,  dei  Vogel  wilt  np  Echt 
An  jange  Maikens  nich:  bedenckt  is  dat  wol  recht? 

Mit  s51ken  Kerels  word  vorhen  in  ohlen  Jahren 

Veel  sch&rper  asse  nn  in  user  Tied  verfahren, 
Wenn  do  en  Eerel  sek  des  Frieens  ganz  begaf, 
Son  kam  hei  van  der  Welt  nich  ahne  Schimp  int  Graf. 

In  Selschop  droften  sei  sek  n&mmer  laten  finnen, 
Sei  kennen  Aemter  ohk  un  Gille  nich  gewinnen, 

Dat  wafs  erst  Schimps  genang,  doch  blef  öt  dar  nich  bie, 
Sei  woren  ohk  gar  nich  van  andern  Straffen  frie. 

Sei  mosten  overall  in  kolen  Winters -Tieen 

Veel  groteu  Schimp  an  Quael  van  jnngen  Maikens  lieen, 

Denn,  wenn  dei  Küir  an  Frost  gliek  wafs  noch  enst  soa  groht, 
Soa  schlepde  man  sei  doch  herfimme  nakkt  an  bloht. 

Sei  plegten  ohnen  ohk  mit  frischen  scharpen  Kauen, 
Denkt  wat  dat  schmartlik  wafs,  den  Pukkel  braf  ton  haaen, 
Bet  dat  sei  schrieeden:  Ach!  Maikens  holet  in, 
Ek  wil  van  Stannen  an  na  endern  minen  Sinn. 

Ek  wil  mek  eine  Brüht  aht  jaer  Riege  griepen, 
Dei  wil  ek  Dag  an  Nacht  soa  haitjen  an  soa  piepen, 
Un  dann  wat  mek  noch  mehr  bie  ühr  tou  daan  gebohrt, 
Soa  hefft  dei  Maikens  denn  toa  haaen  apgehort. 

Hort  mehr,  leit  ohnen  Gott  gliek  Geld  an  Gont  erwarfen, 

Soa  droften  sei  5t  doch  nich  arfen  obren  Arfen. 
Dei  Ofrigkait  alleen  erkende  sek  ot  toa, 
Doch  ifs  ot  na  nich  mehr  bie  äsen  Tieen  soa. 

Dei  Hagestolten  sind  in  jaem  Dfitschen  Lanne, 
Herr  Konje,  hier  an  dar  an  fast  in  iedem  Staune, 
Dorch  sei  werd  Jue  Land  gar  nich  up  Echt  vermehrt, 
Sind  s^lke  Lfie  den  nich  braf  er  Straffe  wehrt? 

Nein  Minsch*  ifs  in  der  Welt  van  Gott  dartoa  erschapen 
Im  Hagestollten  Bedd'  alleene  man  tou  schlapen, 

Gott  sulfest  segt:  Vermehrt  dei  Welt  doch  man  up  Echt, 
Denn  wat  up  Echt  nich  schuht,  dat  holt  man  nich  vor  Recht. 

Un  wen  ek  jok  noch  darff  wat  mehr  tou  seggen  wagen, 
Soa  segg'  ek  frie  beruht,  wat  Maikens  plegt  tou  klagen, 
Dat  ohnen  Brüht -Schatt  fallt;  dei  Mangel  ifs  all  groht, 
Jie  afer  kont  sei  licht  erredden  übt  der  Noht. 

Wen  jie  man  seeggen  wilt  den  Hagestolten -Gästen, 
Dei  heffet  Geld  an  mehr  afs  ohnen  deint  toum  besten. 

Wen  ein  arm  Maiken  werd  toa  siener  Tieden  Brüht, 

Dei  stüret  nu  alleen  jie  Hagestolten  übt. 

Veel  Maikens  wilt  sek  ohk  gar  nich  np  Echt  befrieu, 
Emehret  heimlik  sek  mit  Winckel-Leffelien, 


88 


Dei  Maikens  achtet  doch  den  Hagestolten  gliek, 

Son  kahmt  sei  wol  tonr  Baut*  un  ohk  int  Himmel -Rieck. 

Yerordene  Jie  d&t,  son  werd  ohk  andre  Heren 
In  5hren  Ldnnern  iwol  son  ton  yerordnen  lehren, 
Dei  Hagestolten  werd  denn  twiefelsfrie  bekehrt, 
Dei  Welt  werd  denn  np  Echt  nn  Recht  noch  mehr  vermehrt. 

Veel  arme  Maikens  kohmt  denn  ohk  jo  wol  ton  Männern, 
Dat  gl5fet  man  gewifs  hier  an  in  juen  Lännern, 

Dei  Brnht-Schatt- Mangel   bringt   sfifs  Maikens  Sorg'  un  Pien, 
Denn  afer  werd  sei  wol  vuU  Freid'  im  Büke  sien. 

Herr  E5uje,  wo  werd  J5k  dei  Maikens  denn  lofen 
Bie  Dage,  hie  Nachte  van  nnnen  van  ofen, 

Ja,  Jue  Raum  werd  wol  sou  lange  bestahn, 

Bet  Himmel  nn  Ere  werd  endlik  vergahn. 

Man  höret  hier  un  dort  mit  Freiden  jo  bie  allen, 
Dat  Jue  Bakken  noch,  Gott  Lof!  nich  sind  verfallen, 
Jie  seiht  sou  kregel  noch  uht  Juen  Ogen  nht, 
Dat  sek  in  Jok  noch  wol  verleifde  mange  Brüht. 

Wie  wünschet  unnerdes,  Gott  wolP  in  Gnaden  gefen, 
Dat  Jie  in  Sundhait  mögt  nah  eignem  Wunsche  lefen, 
Un  dat  Jie  dfissen  Brnn  mögt  bruken  hnnnert  Jahr, 
Gif  doch,  0  leife  Gott!  dat  5t  mag  weren  wahr. 

Sau  hätt  Prinz  Wallis  Rast  mit  Siener  gladden  Fruen, 
Dei  Hei  van  Anspach  Sek  uht  Leifte  lateu  truen, 
Dat  Hei  den  Koojes  Stamm  mit  Lust  vermehren  kan, 
Den  Öhn  un  Sienen  Stam  ohk  prieset  jederman. 


Glückwunsch  zu  Herzog  Angast  Wilhelms  Geburtstage  1720. 

Unnerdänigste  Glük- Wunsch  up  den  Fürstlichen.  Gebohrts-Dag, 
Uses  Gnädigsten  leifen  Lannes-Herrn,  August  Wilhelms,  Regerenden 
Hartogen  tau  Brunswick  un  Luneborg,  äffe  Sr.  Durchl.  Dat  Acht  un 
fiftigste  Jahr  am  8.  Martz  im  1720.  Jahre  glüklich  erfüllet  hadde, 
Un  Dat  Negen  un  fiftigste  Jahr  mit  aller  Siener  ünnerdahnen  groten 
Fraide  gesund  wedder  antrat;  uppesettet  van  Johann  Borries,  uht 
Ohlkassen^)  jonsiets  dem  Hilse.  Brunswick,  gedrükt  mit  Keitelschen 
Baukstaven. 

£k  helfe  veel  gehört  un  in  der  Daht  vernomeu, 
Woer  Lue  in  der  Welt  tauhope  plegt  tau  komen, 
Daer  sprekt  en  ieder  gern  van  dem,  wat  öhm  gefält, 
Woer  van  hei  in  der  Welt  an  allermeisten  hält. 
Wat  Erieges-Lüe  sind,  dei  schnakket  van  Qvarteireu, 
Worin  sei  Dag  vor  Dag  sek  latet  exerceiren, 
Un  wat  tau  Felle  sei  vor  Dahden  hefPt  gedahn. 
Wo  sei  up  5hren  Fiend  in  Schlachten  plegt  tau  gähn, 


^)  Ölkassen,  Kr.  Holzminden  im  Herzogtum  Braunschweig. 


89 


Wan  afer  im  Qvarteir  seit  m5tet  liggen  bliefen, 

Sau  pleget  sei  dei  Tied  gantz  auuerst  tau  verdriefen, 

Sei  heftet  Wiefer  deels  gern  in  Knmmanion 

Un  giefet  6hnen  doch  wol  wainig  Rost  un  Lohn. 

Die  Geistliken  sprekt  gern  van  B6ikern  an  Postillen, 

Wat  Advancaten  sind,  die  sprekt  van  5hren  Grillen, 

Dei  Doktors  fraget  flnks,  eft  andre  kranken  daut, 

Un  heffet  den  darbie  vor  sek  den  besten  Maat. 

En  Eopmi^n  trachtet  ohk  mit  allen  sienen  Sinnen, 

Woer  an  van  wem  dat  hei  en  Vordehl  kan  gewinnen, 

Un  wenn  en  Jade  gliek  fief  mahl  verschneen  ifs. 

Denkt  bei  doch  Dag  vor  Dag  noch  nf  Profit  gewifs. 

Dei  Maikens  m5get  gern  nah  jangen  Fentjens  fragen. 

Den  Fentjens  plegt  dei  Schnak  gemeinlik  ohk  tan  hagen. 

Doch  werd  en  Maiken  wol  nich  alle  mahl  ein  Brnth, 

Un  wat  sei  daut,  kfimt  doch  fim  veertig  Weken  übt. 

Wie  Buren  schnakket  wol  van  usem  Veih'  un  Gölen, 

Ohk  usem  Akker-Wark'  an  pleget  nich  tau  hülen, 

Wen  dat  gaat  Koren  bringt,  wen  use  Veih  wol  staiht 

Un  use  Arfeit  recht  in  6hren  Schwange  gaiht. 

Wie  pleget  fiuks  darbie  nahm  Lannes-Herrn  tau  fragen, 

Eft  man  kan  ünner  5bm  dei  Lannes-Last  erdragen, 

Uq  wenn  dei  gnädig  ifs,  so  wünscht  man  Nacht  an  Dag, 

Dat  hei  up  hunnert  Jahr  sien  Lefen  bringen  mag. 

Nun,  leife  Lannes-Herr,  wie  kont  mit  Wahrheit  reumen, 

Dat  jie  osch  latet  gern  in  usen  Eigendeumen, 

Wie  sind  GOtt  Lof  bether  van  jök  gar  nich  geplagt, 

Veel  wainiger  d6rch  j^k  van  Huefs  an  Hoff  verjagt, 

Afs  anderswo  wol  schfiht,  GOtt  hätt  osch  Gnade  gefen, 

Dat  Acht  und  fiftig  Jahr  hei  j5k  nu  Idt  erlefen. 

Wie  wünschet,  dat  düt  man  jne  hälfe  Lefen  sie, 

Un  noch  sou  veele  Jahr  van  nieen  komt  darbie. 

Dat  Wünschen  höret  man  tau  GOtt  bie  iedermanne, 

Dat  glofet  mek  man  tau,  im  gantzen  Vader-Lanne, 

Öt  mag  sien  groht  un  klein,  6t  mag  sien  junk  un  ohlt, 

Druet  spöre  jie,  dat  wie  jf>k  hoch  in  Ehren  bohlt. 

Dat  ifs  gantz  recht  un  will  ösch  allerdings  gebühren, 

Dat  wie  jek  ehren  daut  mit  Warken  an  mit  Wohren. 

Denn  wie  sind  Unnerdahn,  jie  sind  die  Lannes-Herr, 

Wie  sorget  nich  vor  j6k,  jie  sorgt  vor  Ssch  veelmehr. 

Jie  latet  GOttes  Wobrt  6sch  klaerlik  openbahren, 

Dei  wat  tau  klagen  hStt,  dem  maut  Recht  wedder  fahren; 

Jie  lefet  sou,  dat  man  jök  alltied  folgen  maut. 

Ein  gaut  Exempel  maekt  dat  Folgen  alltied  gaut. 

Jie  latet  Maikens  nich  nah  jner  Eamer  schlieken, 

Jie  höhlt  jök  man  alleen  tau  juer  leifen  Fieken; 

Veel  afer  wundert  sek,  wo  dat  denn  kan  gescheihn, 

Dat  E inner  hier  un  daer  j5k  pleget  gliek  tau  seihn, 

Darvan  will  ek  j5k  nu  dei  Wahrheit  frie  bekennen, 

Dat  man  begriepen  kan  mit  Sinnen  un  mit  Hannen : 

Dei  jungen  Wiefer  bohlt  jok  air  im  Lanne  wehrt. 

Van  Männern  were  jie  ohk  overall  geehrt. 


90 


Drum  wilt  sei  alle  gern,  wat  sei  ohk  daut  yor  Saken, 
Öt  mag  sieu,  wat  ot  will,  np  jae  Sandhait  maken, 
Daer  denkt  sei  an,  wenn  sei  wilt  hen  tau  fiedde  gähn, 
£k  merke  wol,  dat  jie  werd  mienen  Schnak  verstahn. 
Afs  ek  ningst  Hochtied  heilt  mit  miener  jnngen  Graitjen, 
Do  ginge  wie  tau  Bedd'  im  Piepen  an  im  Haitjen, 
Sei  sagte  mek  van  jök  afs  usem  Lannes-Herrn: 
Wat  du  wut,  dau  ek  nn  up  siene  Snndhait  gem. 
Drup  gink  ek  do  mit  ohr  im  Stilken  hen  tan  Bedde, 
Wie  schleipen  nich  fluks  in,  wie  wakten  in  dei  Wedde, 
Mit  vuller  Fraid'  an  Last,  dat  Spei  gefeil  mek  sau, 
Dat  ek  wol  hedde  gern  drei  Wiefer  noch  dartaa. 
Un  wenn  dei  Lue  segt  hernechst  um  drüttig  Weken, 
Wie  w5ren  wat  tau  frän  tausamen  all  geschleken, 
Un  en  klein  S6hnken  m5cht*  ohk  komen  vor  der  Tied, 
San  denket,  dat  ot  nich  gescheihn  aht  Haat  au  Nied. 
Wenn  man  5t  seggen  darff,  san  heffet  jo  dei  Ohlen 
Sek  all  in  öhrer  Tied  sou  raine  nich  gehohlen, 
Dei  ohle  Adam  will  nich  sau  tau  Grunne  gähn, 
Dat  nich  dei  junge  s5cht  van  nieen  up  tau  stahn. 
Drum  sied  doch  gnädig  ohk  mit  Straff  un  Earken- Baute 
Un  höhlt  in  sölken  Fall  den  Buren  wat  tau  gaute, 
Dei  ohle  Adams -Lust  vergaiht  doch  mit  der  Tied, 
Im  Oller  werd  man  jo  der  Adams -Lüste  qviet. 
Wie  hiddet  alle  GOtt,  dei  woir  in  Gnaden  gefen, 
Dat  jie  so  veel  mahl  noch  mögt  düssen  Dag  erlefen! 
Afs  jie  all  hefift  erleft  an  wol  vordan  regert, 
Sau  werd  jue  Lof  bet  an  den  jüngsten  Dag  vermehrt. 
GOTT  dei  bewahre  jok  vor  Hausten  un  vor  Küchen, 
Dat  jök  nichts  nöhdig  sie  van  Appeteiker  Jüchen, 
Ohk  jaer  Fieken  nich  un  gantzen  Bogen -Huefs. 
Dei  Jüchen  maket  doch  dei  Nesen  mangem  Kruefs. 
Un  könet  doch*)  tau  lest  vam  Dode  nich  befrieen, 
GOTT  gefe!  dat  jok  mag  all  jue  Dann  gedieen, 
Dat  jue  Stam  und  Land  bet  an  den  jüngsten  Dag 
Van  allem  Ungelük  befrieet  bliefen  mag. 
Wie  biddet  GOtt  darum  allene  nich  in  Rarken, 
Wie  daut  6t  alltied  ohk  in  allen  usen  Warken, 
Wenn  use  Wiefer  wilt  mit  osch  tau  Bedde  gähn, 
Ohk  wenn  mit  ohnen  wie  denkt  wedder  up  tau  stahn. 
Wie  wilt  nu  düssen  Dag  mit  Dudeldai  un  Lieren 
In  user  Naberschop  tau  juen  Ehren  fieren, 
VIVAT  dei  Lannes-Herr  will  singen  iederman 
Dei  gantze  Nacht  herdörch,  bet^)  dat  dei  Dag  brekt  an. 
Dei  Wiefer  wilt  ösch  up  jue  Sundhait  danzen, 
Dei  Maged  un  dei  Knecht  ohk  alle  lütje  Panzen, 
Dei  wilt  desgliekeu  dann,  un  wat  noch  mehr  werd  scheihn 
In  düsser  Nacht,  werd  mau  tau  siener  Tied  wol  seihn. 
Hai  Juchai. 


>)  Druck:  dach.     *)  Druck:  bei. 


91 


Hocbzeit  Stoer  /  Striepe.    Wickensen  1721. 

Dei  unvermautete  doch  glüklike  Fisch-Fank  up  Hrn.  Docter 
Stöers  un  Fr.  Henrietten  Sophien  Striepen  Hochtieds-Dag,  Den 
Sei  am  25.  Feiberaries  1721.  up  dem  Furstliken  Arat-Huse  Wikkensen 
heilden,  beschrefen  van  Henneke  Knecht  uht  Lauen-Steine. 

Der  Männer  List,  segt  man  im  Sprickwoer\  ifs  bebenne^ 

Docb  afer  Fraen-List  bätt  nümmermebr  en  Enne, 

Ifs  eine  List  vorbie,  sau  sind  sei  Dag  un  Nacbt 

Up  fifftain  annere  mit  aller  Macbt  bedacbt. 

Un  dächten  sei  alleen  up  dat  wat  sei  verstünnen, 

San  konn^  un  mochte  man  öt  6bnen  wol  vergünneu, 

Sau  wiet  sei  kont  en  Dingk  begriepen  un  verstabn, 

Denn  wat  man  nich  yerstaiht,  plegt  nich  woi  af  tau  gabn. 

Nu  weiht  dat  f  ruen-Yolk  van  Pleugen,  Saien,  Maien, 

Un  sölker  Arfait  nichts,  dat  Spinnen,  Haspeln,  Naien 

Kunt  sei  am  besten  dann,  un  wat  dartau  gebohrt^ 

Obk  ohnen  in  dem  Bedd'  heruechst  tau  dann  gebohrt. 

Süfs  hefT  ek  veel  gehöhrt,  dat  Fischen,  Vogel-stelien, 

Sie  Overall  Verdarff  vor  veelerlei  Gesellen, 

Dei  ot  nich  nbtgelehrt,  den  bringt  ot  wainig  in, 

Dr&m  dait  nich  wol  dei  half  worup  legt  sienen  Sinn. 

Herr  Brüht,  man  bohret  hier,  dat  beff  ek  Jök  tau  seggen, 

Jie  wollen  sälfest  J5k  up  Fiscberien  loggen, 

Sau  gaiht  dei  Schnak  heriim  bie  allen  openbabr. 

Drum  segget  frie  beruht,  wennt  in  der  Daht  ifs  wahr? 

Ja  ja,  sei  segget  all,  Jie  bädden  nah  Verlangen, 

En  brafen  frischen  Stöer  taum  ersten  mahl  gefangen, 

Dei  Fisch  lät  sek  nich  veel  in  usen  Lanne  seibn, 

Wo  hätt  dei  Fank  doch  denn  sau  gluklich  kont  gescheihn? 

Man  fängt  den  leifen  Fisch  sau  lichte  nich  mit  Angeln, 

Un  stärker  Fischer-Tüeg  dat  mochte  Jök  wol  mangeln, 

Dat  Fischer-Hand wark  ifs  obk  Fruens  nich  bekand. 

Dar  h5hrt  veel  Kräifte  tau,  daertau  bohrt  obk  Verstand. 

Fief  Kerels  fengen  enst  obk  einen  mit  der  Senken, 

Dei  Stöer  konn^  afer  fluks  sek  uht  der  Senke  schwenken, 

Do  was  hei  fohrt,  ot  ifs  doch  Jue  Fank  nich  sau. 

Darum  verteilet  6sch,  wo  gink  dei  Fank  doch  tau? 

Ek  merke  wol  Jie  mögt  darvan  nich  geren  hören, 

Un  sorgt,  sei  möchten  Jök  den  leifen  Fisch  entführen, 

Drum  uöhmet  öhn  doch  man  sau  gaut  Jie  könt  in  Acht; 

Dei  Böfers  rofet  gern  den  Dag  sau  wol  afs  Nacht. 

Jie  wehtet  noch  wol  nich,  wat  Jie  in  sölken  Saken 

Mit  Juen  nieen  Fisch  un  leifen  Stöer  wilt  maken, 

Hei  ifs  Jök  noch  taur  Tied  wol  nich  gaer  veel  bekand, 

Hei  kämt  ohk  seilen  hier  in  use  Vader-Laud. 

Wenn  Jie  en  wainig  man  wilt  in  Gedult  verbliefen, 

Sau  will  ek,  wo  hei  ifs  un  wo  hei  schmekt,  beschriefen. 

Hei  ifs  nich  afs  en  Karp\  hei  ifs  nich  afs  en  Hecht 

Noch  Weser-Fische  sind,  dat  segg'  ek  Henke  Knecht. 

In  miener  Jögend  mocht'  ek  nich  dei  Pieuge  kielen, 


92 


Drum  mocht'  in  Laaenstein  ek  mek  ohk  nich  verwielen, 

Ell  Schepmau  woir  ek  sien,  doch  afs  ek  an  dei  See 

Man  hen  kam,  stnnd  ek  daer  afs  en  verjaget  Reh. 

Ek  hobrd'  am  Aufer  fluks  dei  starken  Winne  brasen, 

Dat  mek  in  Rokk'  nn  Brauk  ohk  ankam  schreklich  Grnsen, 

Doch  heff*  ek  süifest  daer  mit  Ogen  angeseihn, 

Wo  in  der  See  recht  manht  dei  Fischerie  gescheihn. 

Wat  sei  tanr  Fischerie  vor  Nette  brnhkt  un  Stangen? 

Wat  sei  ohk  in  der  See  vor  Fische  plegt  tan  fangen? 

Nn  segg'  ek  frie  hemht,  dat  in  der  ganzen  Welt, 

Mek  nich  en  einig  Fisch  sau  afs  en  St^er  gefällt. 

Dat  mf)hte  Jie  gestahn,  dat  hier  in  nser  Lenne 

Tau  Wikkensen  nein  Mensch  derglieken  Fische  kenne, 

Sei  wehtet  weiniger  wo  seftht^  en  Stöer  recht  schmekt 

Un  wat  vor  Abbetiet  bie  Fruens  hei  erwekt. 

Hei  ifs  vorerst  en  Fisch  van  nich  geringer  Länge, 

Un  kumt  hei  in  dei  See  mit  andern  int  Gedrenge, 

Sau  drengt  Sien  Rüssel  d()rch,  dei  ifs  spitz,  lang  un  stief. 

Mit  sienem  Rüssel  gaiht  he  andern  np  dat  Lief. 

Sien  Kop  nn  ganze  Buek  ifs  wol  en  wainig  dikke, 

Hei  hett  dennoch  dabie  en  rechte  gauht  Geschikke, 

Dei  Ogen  sind  wat  klein,  dei  Mund  fast  zirkelrund. 

Doch  afer  nich  en  Tahn  in  siener  runnen  Mund. 

Drum  sugen  kan  hei  wol,  doch  afer  gar  nich  kauen, 

Wat  man  nich  kaut,  kan  silfs  dei  Mage  nich  verdauen, 

Yeir  Zersen  hat  dei  St5er  afs  einen  dubbeln  Bahrt, 

Neimand  verwundre  sek,  sau  ifs  des  Fisches  Ahrt. 

Dei  Feddern  sind  ^hm  witt,  twei  sittet  an  den  Kiefen, 

Twei  andre  sittet  noch  an  düsser  Fische  Liefen, 

Am  Schwanz'  en  andre  noch,  hei  ifs  doch  ohk  nich  ganz 

Mit  Schuppen  andern  gliek  bedekt  bet  an  den  Schwanz. 

Doch  hatt  hei  afs  5t  schient,  darin  sehr  starke  Eräifte, 

Sien  Fleisch  schmekt  angenehm,  darin  sind  seiUe  Säfifte, 

Un  wimmelt  hei  den  Schwanz,  sau  moht  dei  £op  voruht 

Uli  ganze  Buhk  dartau,  wat  dfinkt  Jok  doch  Herr  Brüht? 

En  iSee-Fisch  will  nich  licht  übt  sienen  Water  wieken, 

En  Stöer  mag  afer  wol  in  andre  Strßhme  schlicken. 

Darum  verwarn'  ek  J6k,  sali  Jue  Fauk  bestahn, 

Sau  Iahtet  Jnen  St^er  nich  mehr  int  Water  gahu. 

Ek  maut  hierbie  Herr  Brüht  J5k  eine  Lehre  lehren, 

Jie  m5tet  n&mmermehr  tau  ohm  den  Rfiggen  kehren, 

Sien  Buhk  ifs  jo  sau  weik  afs  Jue  Buhk  kan  sien, 

Sau  schikt  dei  Bfike  sek  tausamen  rechte  fien. 

Mek  dfinkt  Jie  k5net  doch  Jok  noch  nich  recht  besinnen, 

Wat  Jie  mit  Juen  Stoer  s51t  maken  un  beginnen, 

Verspere  Jie  5hn  gar  nu  in  ein  Hüe-Fatt, 

Dat  ifs  vor  öhn  tau  klein,  darin  werd  hei  tau  matt. 

Man  segt  Jie  wollen  öhn  in  Jue  Kamer  bedden, 

Nu  will  ek  mieuen  Haut  un  besten  Brauk  verwedden, 

Wenn  dat  geschäht  un  Jie  Jok  gefet  sau  wiet  bloht, 

Sau  kriege  Jie  van  ohm  en  Kind  in  Juen  Schobt. 

Jie  kennt  den  Fisch  noch  nich,  doch  wenn  Jie  ohn  werd  profen, 


93 

Dat  noch  nich  ifs  gescheihn,  sau  m5hte  Jie  ^hn  lofeD, 
£k  kenn'  5hn  all  vorlengst  an  segge  van  ohm  frie, 
Dat  sienes  glieken  wol  nich  in  der  Weser  sie. 
Sien  Witte  seüte  Fleisch  plegt  Fruens  recht  tau  hagen, 
Sei  m5get  5hn  ohk  wol  verschlingen  in  den  Magen, 
Hei  schmekket  öhnen  gant,  dei  dünnen  mahkt  hei  rnnd, 
Darnht  verspüret  man,  dat  hei  sie  recht  gesund. 
Dat  dürfe  ieife  Fisch  nich  wainig  muhte  d5gen, 
Verspohrt  man  dar  ohk  uht,  dat  Maskau  sienen  Rogen 
Oar  heu  in  Welschland  schikt,  da  höhlt  sei  öhn  sau  rar, 
Dat  up  dei  Taflfel  6hn  ohk  krigt  dei  Hilge  Vaer. 
Vor  user  Öllern  Tied  helßft  ßhn  in  Rohm  dei  Ohlen, 
Afs  man  in  Beükern  lest,  in  Ehren  sau  geholen, 
Wenn  sei  hefPt  Güste  hatt,  dat  sei  den  leifen  Fisch 
Qar  mit  Trommitten  Schall  gebrocht  hefft  up  den  Disch. 
Dat  daut  bie  Liefe  nich,  veelmehr  daut  man  im  Stillen, 
Wat  hei  mit  J6k  un  Jie  mit  6hme  heift  im  Willen, 
Dat  ifs  vor  bhn  un  Jok  dei  allerbeste  Raht, 
Dat  were  Jie  gewifs  verspüren  in  der  Daht. 
Hei  werd  sek  düffe  Nacht  sau  gegen  J5k  erwiesen, 
Dat  twieer  Minschen  Kost  Jie  nn  vordan  mögt  spiesen. 
Van  düffer  Nacht  fluks  an,  kümt  Martens-Dag  int  Land, 
Sau  werd  dei  Wahrheit  wol  van  Juer  Kost  bekand. 
Den  Maikens  möhte  Jie  jo  nichts  vam  Stoer  verteilen. 
Sei  möchten  süfs  bie  öhn  sek  int  Geheim  gesellen, 
ün  naschen  ohk  an  öhm,  dat  stünne  Jok  nich  an, 
Drüm  latet,  segg'  ek  noch,  dei  Maikens  jo  darvan. 
Jie  hefft  Exempel  gnaug  van  sölken  Qvakkel- Taschen, 
Dat  wenn  sei  einmahl  man  verwehnet  sind  taum  Naschen, 
Sau  bliefet  sei  gewifs  öhr  Lefe-lang  darbie, 
Efft  gliek  dat  Naschen  nich  ifs  einen  Minschen  frie. 
Ek  heffe  Jök  noch  mehr  van  Juen  Stöer  tan  seggen, 
Dat  möge  Jie  bie  Jök  en  wainig  overleggen; 
Wenn  Jie  enst  Güste  hefft,  sau  latet  düffen  Fisch 
Ohk  vor  dei  Güste  jo  nich  komen  up  den  Disch. 
Behohlt  öhn  man  vor  Jök,  ek  will  en  Raht  Jök  gefen, 
Dat  öt  am  besten  sie,  taum  Leiken  up  tau  hefen 
Den  leifen  nieen  Fisch,  ek  sei  öhn  davor  an. 
Wenn  hei  gefaudert  werd,  dat  hei  gaut  leiken  kan. 
Dei  Ohlen  schriefft  van  öbm,  hei  lefe  man  vam  Winne, 
Dat  afer  will  dörchuht  mek  nich  in  miene  Sinne, 
Doch  wenn  Herr  Brüht  Jie  öhn  braf  drükt  an  Jue  Bost, 
Werd  hei  am  ersten  satt  van  Juer  Schnafel-Eost. 
Ek  wünsche  Gott  woir  öt  mit  Jök  im  Leiken  feugen, 
Un  Schnafeln,  dat  Jie  blieft  van  nu  an  im  Vergneugen, 
Ohk  dat  Jök  Gott  an  Bost  un  Büke  segnen  mag 
Mit  allen  Juigen  bet  an  den  Jüngsten  Dag.    Amen. 

Mädchen  bitten  Geor^  I.  um  den  Heiratsconsens  der  Soldaten.    1723. 

Der  hochbedreufeten  Maikens  dägliche  Klage-Lied  wegen  Mangel 
des    Konsenses   taum   Frieen   an   Usen   allergnadigsten   Herrn   König 


94 

van    Grohten    Britannien     up     eines    Plumen-riepen    Maikens    Bidde 
beschrefen  dorch  Joust  Gerkens.     Gedrukt  im  Jahr  1723. 

Sau  ifs  doch  use  Wunsch  un  user  aller  Hopen, 

Gott  sie  Lof,  Priels,  un  Dank  noch  endlich  ingedropen, 

Dat  use  Konje  kfimt,  ja  deels  segt  vor  gewifs, 

Dat  hei  liefhaiftig  all  tan  Heeren-Husen  ifs. 

Seiht,  wo  dei  Jungens  uu  vor  grohten  Fraiden  springet, 
Hohrt,  wat  dei  Maikens  doch  vor  Fraiden-Leider  singet, 
Dei  Jungens  griepet  nu  dei  Maikens  an  dei  Hand 
Un  springet,  dat  taum  deel  sei  st^tet  au  dei  Wand. 

Och  seiht  1  och  seiht  doch  an,  wo  use  grohte  Graitjen 
Nah  Öhren  Hanse  lÖpt,  uht  Fraiden  öhn  tau  haitjen, 
Ek  denke  düsse  Nacht  werd  noch  wat  mehr  gescheihn, 
Davan  man  Teiken  werd  um  veertig  Weken  seihn. 

Wie  Öllern  wilt  Gott  erst  uht  Härtens  Grunne  danken, 
Dat  hei,  Heer  ESnje  j5k,  bewahret  h&tt  yor  kranken 

Un  hätt  mit  siener  Erafft  verbannet  und  verstöhrt 

Dei  sek  sau  freventlich  dort  gegen  jok  empuhrt. 

Wie  wünscht  un  biddet  Gott  hei  wolP  in  Gnaden  gefen 
Dat  jie  vergneuget  mögt  noch  sau  veel  Jahre  lefen, 
Afs  jie  all  heift  erleft  un  dat  jie  Jahr  vor  Jahr 
Sau  kohmen  mögt  tau  ösch,  Gott  lat'  6t  weren  wahr. 

Jie  wilt  Heer  KÖnje  wol  vorerst  im  Laune  fragen? 

£ft  ein  un  annere  worofer  hefft  tau  klagen? 

Drup  segg'  ek  frie,  dat  öht  fast  allen  tehmlik  gaiht, 
Gott  sie  gedankt  un  jök,  ohk  gaut  im  Lanne  staiht. 

Eins  afer  mouht  eck  jöck  doch  un  umgänglich  bichten, 
Dei  Maikens  werd  et  ohk  mit  Tränen  sülfst  berichten, 
Dat  sei  fast  overall  sind  in  sau  grohter  Noht, 
Dat  deels  uht  Ungedult  seck  w&nschen  wilt  den  Dodt. 

Den  van  den  Kautzeln  ifs  vorm  Jahre  hier  befohlen, 

Dat  de  Soldaten  sek  des  Friens  solln  entholen. 
Wen  drin  dei  Oversten  vorher  nicht  kunsenteirt 
Drum  veel  veel  Maikens  sind  bedreufet  un  fixert. 

Deels  Maikens  singt  en  Leid,  darin  sei  Öhre  Sorgen 

Un  grohte  Liefes-Noht  den  Afend  un  den  Morgen 
Beklaget  un  bewehnt.  ek  höre  flietig  tau 
Wen  sei  öt  singen  wilt  un  klingt  dat  Elag-Leid  sau. 

1.  Eck  bin  all  van  achtein  Jahren, 
Wolle  mek  nu  gern  verpahren, 
Denke  darup  Nacht  un  Dag, 
Wo  ek  dar  tau  komen  mag, 

2.  Gott  lät  öt  sek  ohk  sau  feugen, 
Dat  öt  könne  mek  vergneugen, 
Tambour  Hans  dat  leife  Lam, 
Ifs  nu  all  mien  Bröegam. 


95 

3.  Ek  will  sien  bie  6bm  gedullig, 
Den  dat  Lemken  ifs  tau  willig, 
Wen  ek  will  tau  Bedde  gähn, 
Lätt  hei  siene  Trummel  stahn. 

4.  Hei  dri&kt  mek  in  sienen  Armen, 
Pflegt  dat  Bedde  mek  tan  warmen, 
Daiht  tan  wielen  noch  wat  mehr, 
Dat  osch  beiden  haget  sehr. 

5.  Eins  will  nse  Lnst  doch  minnern, 
Ohk  wol  gar  /^sch  dran  verh Innern, 
Dei  Eunsens  dei  faihlt  ösch  noch, 
■^cggot;  ^0  krigt  man  den  doch? 

6.  Dat  mahkt  mek  nn  Shm  veel  Sorgen, 
Damm  ranp  ek  alle  Morgen 

Alle  leife  Hilgen  an 

Dei  ek  mau  erdenken  kan. 

7.  0  du  hillige  Dorthiee, 
0  du  hillige  Sophiee, 
0  du  hillige  Sylvan, 
0  du  hillige  Florian. 

8.  0  jie  hillige  Sybillen 

Helpet  miene  Noht  doch  stillen, 
Denket  doch  wat  et  vor  Pien? 
Dat  ek  ahne  Man  mouht  sien. 

9.  0  du  leife  hilge  Anne, 

Help  mek  doch  tau  einem  Manne, 
Denke  doch  nu  noch  daran, 
Dat  Sfint  Jochem  was  dien  Man. 

10.  0  du  hillige  Catrine 

Dan  doch  ohk  dabie  dat  diene. 
Den  dek  word  de  Mannes  Stand, 
In  der  Jogend  ohk  bekand. 

11.  Ohk  du  leife  hilge  Härmen, 
Werst  dek  over  mek  erbarmen, 
Hilge  Berend  Joust  un  Vied 
Helpet  et  ifs  böge  Tied. 

12.  Will  jie  mek  noch  nich  erhßren. 
Will  ek  j5k  nich  mehr  sau  ehren, 
Sftnte  Jörgen  raup  ek  an, 

Dei  den  Lindworm  würgen  kan. 

13.  0  du  leife  hilge  Jßrgen, 

Hast  du  kont  den  Lindworm  würgen, 
Sau  kanst  du  wol  Wunner  mehr, 
Drup  verlaht  ek  mek  nu  sehr. 

14.  Ek  will  drum  tau  dek  mek  wennen, 
Miene  Noht  okk  frie  bekennen, 


Dei  lat  dek  tan  Harten  gähn, 
Sau  kan  Hans  met  mek  bestahn. 

15.  L/lt  mek  Hans  sek  ielig  trnen 
San  wer'  ek  taur  echten  Frnen, 
Den  mien  leife  Lamken  Hanfs 
Hatt  all  mienen  Jungfern  Krantz. 

16.  Den  kan  hei  in  sienen  Lefen 
Mek  jo  nimmer  wedder  gefen, 
Och  san  bin  ek  ovel  dran, 
Bin  en  Wief  doch  ohne  Man. 

17.  0  du  leife  hilge  Jörgen, 

Wut  du  dek  vor  mek  verborgen, 
Dat  ek  kohm'  nht  dflsser  Pien, 
Säst  du  dubbelt  hillig  sien. 

18.  Use  Konje  daiht  et  geren 
Wen  du  man  den  leifen  Heren 
Bringen  werst  in  sienen  Sin, 
Dat  ek  sau  bedreufet  bin. 

19.  Hei  un  du  hefft  einen  Namen, 
Biddest  du  sau  segt  hei  Amen, 
Den  mek  dünkt  dat  gantz  gewifs 
Ein  des  andern  Fadder  ifs. 

20.  0  du  leife  hilge  Fritze 

Dek  stell  ek  noch  an  dei  Spitze, 
Den  vellicht  in  user  Welt 
Diene  Bidd'  am  meisten  gelt. 

21.  Werst  du  miene  Sake  driefen, 
Werd  dien  Lof  hier  ewig  bliefen, 
Wen  6t  man  dien  Erenst  ifs 
Erleg  ek  den  Eunsens  gewifs. 

22.  Nu  sau  lenkt  des  Eoujes  Sinnen, 
Dat  ek  m<^ge  Gnade  finnen 

Un  dat  ek  noch  d&ssen  Dag 
Mienen  Hanfs  bekomen  mag. 

23.  0  wo  will  ek  5hn  den  drüken, 
Wo  will  ek  sien  Mülken  likken 
0!  wie  sind  den  Man  un  Wief 
0!  wie  werd  den  baid*  en  Lief. 

24.  Davor  wille  wie  mit  Priesen 
Jok  Heer  Eonje  Dank  erwiesen. 
Wenn  wie  wilt  tau  Bedde  gähn, 
Wenn  wie  denket  up  tau  stahn. 

Dat  Elag-Lied  ifs  bedreuft,  wenn  sau  de  armen 
Obk  junge  Maikens  klagt,  mag  sek  eiu  Stein  erbarmen, 
Man  kan  Heer  Konje  jok  an  juen  Ogen  seibn, 
Dat  werd   in  düsser  Sak  obk  wol  van  jok  geschein. 


97 


Tan  Eloster-Jnngfern  werd  gar  wainige  gebohren, 
Soldaten  sind  ohk  nich  tan  Mönneken  erkohren. 
Wenn  sei  nich  frieen  Mt,  san  nähme  Dag  nn  Nacht 
Ein  jeder  Wehrt  vomht  dei  Maikens  wol  in  acht. 

Man  süht  jo  overall  de  Goes  gaiht  nah  dem  Ganner, 
Woer  sei  tan  hope  kohmt,  da  trampet  sei  en  anner. 
Dei  Ahnten  nn  dei  Drahk,  de  Hanen  nn  dat  Hann 
Dei  pleget  openbahr  jo  evensan  tan  dann. 

Natnren  latet  sek  san  lichte  nich  verennem, 
Dei  Maikens  overall  m6gt  geren  sien  bie  M&nnern. 
ün  stflhrt  dei  ÖUern  sei  np  Echt  nich  tiedig  nht, 
Werd  ein  nn  annere  np  unecht  eine  Brnht. 

Man  sfiht  en  Maiken  hier,  dei  h&tt  noch  keinen  Frieer, 
Deint  aver  Eerels  gern  vor  einen  kahlen  Drieer, 

Dei  5t  van  6br  verlangt,  dei  Lohn  ifs  nich  gar  groht. 

Doch  noch  veel  gr5ter  ifs  des  Maikens  Liefes-Noht. 

Dei  Pntje  Snh  werd  nn  bie  5sch  nich  mehr  gefnnnen, 
Vor  nsen  Ogen  ifs  sei  afs  5t  schient  verschwnnnen, 

Den  5hr  Verdeinst  dei  was  bie  Nacht'  un  Dage  schlecht, 
Un  Neimand  ging  tan  5hr  afs  ein  verarmet  Knecht. 

Da  nn  bekand,  dat  jie  Heer  Konje  nich  wilt  lieen, 
Dat  Erieges-Lüe  mögt  nah  5hren  Willen  frieen, 
San  finnet  sek  sau  veel  uht  annern  LUnnern  an, 
Dat  man  dei  Vogel  hier  nich  alle  laten  kan. 

Van  851ken  sind  alhier  noch  vor  gar  walnig  Weken 
Twei  nht  der  Fremde  her  gantz  heimlik  ingeschleken, 
Dei  make  den  sek  flnks,  woer  sei  gekont,  bekand, 
Mit  fieff  un  achtig  Kerls  up  unecht  ok  verwand. 

Woer  sek  nu  hen  begeft  sou  liderlike  Hören, 
Da  wilt  sei  geren  sien  van  anneren  geschoren, 
Dei  Nahrung  glükket  nich  den  Pnhtjens  allemahl 
Der  Fremmenden  Verdeinst  ifs  dfltmal  hier  wat  kahl. 

Den  851ke  baide  sind  hier  in  Arrest  gekomen 
Un  wegen  5hrres  Danns  gerichtlik  fluks  vemomen, 
Dat  Daunt  was  openbahr,  sei  segten  nich  ein  Wohrt, 
Wat  sei  mit  Lust  verdeint,  ging  sau  mit  Unlust  fohrt. 

Eft  dflsse  V5gel  nu  sek  darup  werd  bekehren 
Un  wo  ok  anderen  dat  Wark  sie  tan  verwehren, 
Dat  kan  ek  noch  nich  seihn  un  Iaht*  5t  ung[e]segt, 
Dei  Preisters  hefft  ot  sülfst  wol  nich  gnaug  overlegt. 

Dem  sie  nu  wo  ohm  wil,  ek  mag  van  solken  Saken, 
Vor  dfltmal  ohk  vordan  nich  wieer  Pratens  maken; 
Heer  K5nje  jie  meint  5t  mit  Unnerdahnen  gaubt, 
Dat  maket  overall  ohk  juen  Volke  Mauht. 

Kiaderdratsohes  Jahrbneh  XX XV. 


98 

Im  vorgem  Jahre  hatt  [/.  h&tt]  tau  wielen  Ssch  ^grnet 
Wie  afer  heffet  Qott  noch  allemahl  Tertniet 

Un  hei  hätt  osch  erh5rt  auch  in  den  Stafifen-Jahr 

J6k  np  den  Trohn  bewahrt  vor  allerlei  Gefahr. 

Dei  werd  stets  juen  Fiend  mit  siener  Krafft  verdrengen 
ün  jne  Levens-Tied  noch  enst  sau  veel  vergingen, 

Dat  jie  bet  in  den  Doht  mögt  wol  vergnenget  sien, 

ün.drinken  alletied  in  Sandhait  juen  Wien. 

Sau  wünschet  jue  Biek'  un  alle  jue  Länner, 
Sau  wünschet  Dag  un  Nacht  dei  Wiefer  un  dei  M&nner 
Sau  wünschet  ohit  un  junk,  sau  wünschet  klein  un  groht, 
Sau  wünschet  Knecht  un  Magd  met  mik  [/.  mit  mek] 
bet  an  den  Dohd.     Amen. 

Bitte  an  Georg  L  um  eine  Verordnung  zur  Bekehrang 
der  bSsen  Weiber.    1723. 

AUerunnerdänigste  Dankseggung,  An  Usen  Allergnüdigsten  Hern 
KoDJe,  van  Grothen-Britannien,  vor  einige  uhtgelahtene  heilsame 
Lannes-Verornungen,  Mit  Bidde,  Dat  doch  dei  bösen  Wiefer  ohk 
mochten  bekehret  weren,  uppesettet  van  Mester  Bastian.  Gedrukt 
in  dussen  Jahr  1723. 

Sou  wille  Jie  bie  osch,  Heer  Eonje  nich  verwielen, 

Un  übt  Hannover  nu  nah  London  wedder  ielen, 

Dat  will  osch  allen  hier  sou  sehr  tou  Harten  gähn, 

Dat  wie  vor  Angst  nich  mehr  kont  up  den  Foiten  stahn. 

Wie  hopeden,  dat  Jie  en  Jahr  lank  wollen  bliefen, 

Wie  dachten  ohk  dei  Tied  mit  Lust  Jok  tou  verdriefen, 

Dei  Hopnung  afer  will  nu  waihen  in  den  Wind, 

Dat  mahkt,  dat  oyerall  wie  sou  bedreuffet  sind. 

Kan  ot  nich  annerst  sien,  sou  maut  man  sek  drin  gefen, 

Wie  wünscht  doch  alle  Jok  Gesundhait,  langes  Lefen, 

Un  wat  an  Seel  un  Lief  Jök  süfs  noch  deinlik  ifs, 

Dat  wünscht  un  günnet  Jok  en  Jederman  gewifs. 

Jie  werd  hier  overall,  Heer  K6nje,  sehr  geprieset, 

Dat  jie  osch  helft  besocht,  ohk  gnädig  Jok  erwieset, 

Qott  weiht,  ek  hüchle  nich,  den  Jie  sind  Dag  un  Nacht 

Up  Juer  V<Mker  Glük  un  Wolergahn  bedacht. 

Man*)  kan  mit  Wahrhaits  Grunn*  übt  allen  Juen  Warken, 

Wat  ek  davan  gesegt,  vor  aller  Welt  bestarken; 

Wie  helft  in  korter  Tied  dar  sou  veel  Praufen  van, 

Dat  ek  den  tainden  Deel  hier  nich  verteilen  kan. 

Man  darf  sek  nu  nich  mehr  in  Hüsern  un  up  Straten 

Vor  Stockfischs  siener  Rott'  un  R&fers  gruen  laten, 

Den  Jie  helft  sei  hier  sou  bestrafft  dat  Jederman 

Vor  solken  Pakke  nu  ganz  seker  schlapen  kan. 

Dei  Judens  woUn  tou  veel  Prafiet  van  Kristen  spuken, 

Drum  ftingen  Kristen  an  tou  murren  un  tou  floiken; 

Doch  afs  dat  Juden- Volk  in  Handel  gienk  tou  wiet, 

1)  Text:  Wan. 


99 


Do  bnede  Jie  Yor,  6t  was  ohk  hog;e  Tied, 

Sflfs  hädden  sei  ösch  gar  gliek  5hnen  mbgt  beschnieen, 

Dat  hädd'  ek  mienes  Deels  van  Judens  nich  kont  lieen, 

Mit  mienem  Kniep'  hädd'  ek  sou  gliek  den  ersten  Dag, 

Dat  5hnen  sülfst  gedahn,  wat  ek  nich  seggen  mag. 

Man  kan  nn  Offezeirs  nein  Mahnd-Qelt  arresteren, 

Dat  Iahte  Jie  mit  Einst  dorch  ein  Befehl  yerwehren, 

Gaht  in  dei  Aillerie  tonwielen  sei  hennnht, 

Oeft  sei  den  Maikens  gern,  wat  sei  verdeint,  yoruht. 

Wie  Baren  helfet  J5k  insnnnerheit  ton  danken, 

Den  wen  5sch  L&e  Gott  verfallen  \ht  in  Kranken, 

En  kundig  Docter  68ch  soogliek  bes5iken  maut, 

Dei  Omnng  ifs  gewifs  vor  arme  Buren  ganbt. 

Wen  een  Stoudent  hemechst  bef5dert  denkt  ton  weren, 

Dei  mant  wat  d&gends  sek  beflietigen  ton  lehren, 

Dat  in  Vexamen  hei  den  könne  wol  bestahn. 

Wen  hei  up  Unverstait  will  mit  Stipendjen  gähn. 

Dat  ifs  na  alle  gaaht,  doch  kan  ek  nich  verbargen, 

Dat  noch  wat  n5hdig  sie,  wen  mant  nich  will  verargen, 

Veel  Maikens  wasset  ap  ohn  rechte  Tucht  an  Twank, 

ün  bliefet  böse  Kräht  5hr  ganze  Lefenlank; 

Wen  sei  na,  asse  sek  gebohrt,  nich  sind  ertogen, 

Soa  werd  toa  sienen  Krftez  en  Kerel  sehr  bedrogen, 

Dei  sei  krigt  an  den  Halfs,  werd  5hrer  wol  nich  quiet, 

Un  werd  mit  6hr  geplagt  dei  ganze  Lefens-Tied. 

Eft  gliek  in  Jnen  Lann*  St  gift  veel  brafe  Fraen, 

TJp  deren  Redligkait  man  wol  kann  Hiiser  baen, 

Dei  daat  wat  sek  gebohrt,  doch  sind  nich  alle  soa, 

Dram  gaibt  5t  wannerlick  mit  hosen  Wiefern  toa. 

Man  süht  in  aller  Welt,  da  in  den  besten  Koren 

Ohk  wol  toa  wassen  plegt,  dei  Diestelen  au  Deren, 

Dei  Diesteln  geiet  man  nu  wol  uht  Koren  übt. 

Doch  afer  nicht  sou  licht  dat  hose  Wiefer-Kruht. 

Wen  sei  noch  Maikens  sind,  bedekket  sei  mit  Hüllen 

Dei  Boshait  5hres  Kops,  doch  wen  nah  obren  Willen 

Sei  enst  gefrieet  hefft,  sou  kämt  dei  Dullerjan 

Darin,  dat  Neimand  weiht  mit  Shnen  um  tou  gähn. 

Dei  bSsen  Wiefer  wilt  alleen  wat  6hnen  haget, 

Dei  Man  ward  numehr  jo  nich  enst  um  Bäht  gefraget, 

Sei  drillet  6hre  Maus  up  Schotsch-  un  Hofe-Recht, 

Sei  wilt  alleen  sien  Heer,  sou  ifs  dei  Man  nu  Knecht. 

Den  fanget  sei  gar  an  im  Huefs  herum  tou  basen, 

Schellt,  kiefet,  flankt  dabie  afs  wen  sei  wollen  rasen, 

Ja  nu  verkehret  sek  sou  gar  Shr  Overmanht, 

Dat  sei  ohk  hefFen  wilt  dei  Hosen  un  den  Hauht. 

Daer  blift  5t  noch  nich  bie,  sei  kieft  un  floikt  ^ich  minner, 

Wen  sei  ergrimmet  sind,  wol  sülfst  up  obre  Kinner ; 

Dat  Wief  will  absulut  up  obren  Kop  bestahn, 

ün  wat  geschaht  schall  man  nah  obren  Koppe  gähn. 

Ja  wen  der  Wiefer  Grull  h&tt  Overhand  genomen, 

Sou  sch511  dei  Henger  woU  uht  siener  Helle  komen, 

ün  halen  alle  weg,  drup  sei  vergrellet  sind. 

Doch  Ifit  Gott  5hren  Flauk  verwaihen  in  den  Wind. 

7* 


100 


Nu  denke  man,  wat  will  noch  endlik  darnht  weren? 

IJn  segge  doch,  wo  ifs  en  solk  Wief  tou  bekehren; 

Deels  meint,  man  schöU  sei  noch  tonr  Schaale  laten  gähn, 

Sou  kaihm  en  böse  Wief  noch  wol  up  behtre  Bahn 

Doch  aver  möcht'  ek  nich  ohr  Schaulen-Mester  wesen, 

M5st'  ek  gliek  Dag  un  Nacht  den  SArach  f)hnen  lesen, 

ün  Sankertes  darton,  son  w5r'  et  doch  Amsüfs, 

Dat  segg'  ek  all  vorher,  an  weiht  ok  ganz  gewifs. 

Den  Sürach  sWest  will,  mit  Lanen  nn  mit  Draken, 

Dat  böse  Beister  sind,  veel  leifer  Wohnung  maken, 

Afs  einen  hosen  Wief,  in  een  sou  böse  Kruht 

Daer  schliekt  fief  Gaister  in,  ehr  einer  krupt  herut 

Dei  wiese  Saukertes  dei  fund  ohk  an  Xanthippen, 

Sou  heiht  sien  böse  Wief,  un  öhrer  ganzen  Schlippen 

Ganz  nich  yergneugliches.     Sei  brnmde  Nacht  un  Dag. 

Denkt,  wat  en  Mann  sek  doch  daran  yergueugen  mag. 

In  düsser  Sake  weerd  sek  veel  den  Eop  tonbreken. 

Sei  möget,  wo  sei  willt,  dei  Näs'  in  Böker  steken, 

Sou  helpet  et  doch  nichts,     ün  uhse  Heer  Johann, 

Dei  mek  am  nechsten  wohnt,  schnakt  veel  mit  mek  darvan, 

Segt  afer  frie,  dat  hei  in  aller  Welt  Postillen 

Ganz  nichts  erfinnen  kan  vor  böser  Wiefer  Grillen, 

Dei  Genneral  lät  sei  hier  schluten  in  den  Blök, 

Deels  annre  Offezeirs  stehkt  sei  ok  wol  int  Lok. 

Dei  Straffen  sind  wol  gauht  vor  Rfiters  un  Soldaten, 

Doch  maut  en  Buer  sek  noch  van  Wiefern  brüen  laten, 

Dat  deels  dergliken  hefft,  ifs  overall  bekand, 

Un  öhnen  ifs  hie  ösch  noch  keine  Straff  erkand. 

Deels  Kerels  wilt  sei  gern  int  Kloster  laten  föhren. 

Drin  afer  werd  sei  ganz  den  Nunnen- Stand  verstören, 

Sei  jagt  dei  Nunnen  sulffst  taum  Kloster  wol  henuht, 

Sou  werd  uht  Nunnen  ohk  en  böse,  böse  Brüht. 

Schölt  sei  int  Tucht-Huefs  gähn,  dat  kan  ohk  nich  gelingen, 

Den  Tucht-Huefs-Mester  weerd  sei  alle  wol  betwingen. 

Der  bösen  Wiefer  sind,  dat  glöfet  man,  sou  veel, 

Dat  sei  im  Tucht-Huefs  öhm  verkehren  könt  dat  Speel. 

Ek  heff",  un  annre  mehr  bether  in  mienen  Sinnen 

Bie  mek  gedacht,  eft  wol  en  Middel  tou  erfinnen, 

Dat  böse  Wiefer  noch  wol  tou  bekehren  sien, 

Un  f}llt  mek  in,  öt  ifs  doch  nich  ahn  alle  Pien, 

Wen  ösch  dei  Pafest  man  vergfint  dat  Fege-FÄer, 

Dat  sei  drin  kohmt,  sou  ward  dat  Lachen  öhnen  dfier, 

Daer  kohmt  sei  nich  beruht,  bet  sei  gerainigt  sied, 

Doch  höret  wol  dartou  gewiss  en  lange  Tied. 

Ek  will  mek  nu  nich  mehr  in  dfissen  Schnak  verwielen, 

Da  Jie,  Heer  Könje,  willt  in  England  wedder  ielen. 

Wie  w&nscht:  Gott  Iahte  Jök  noch  leven  sou  veel  Jahr, 

Afs  Jie  all  hefft  erleft,  Gott  Iaht  öt  weren  wahr. 

Dei  leife  Gott  dei  ward  doch  Jue  Sinnen  lenken, 

Dat  Jie  in  Gnaden  mögt  an  ösch  noch  alltied  denken-. 

Wie  alle  raupet  Gott  darum  an  Nacht  un  Dag, 

Dat  hei  in  Gnaden  Jök  forthen  bewahren  mag,  Amen. 


101 

Hochzeit  v.  Bülan  /  v.  Plate.    Hannover  1724. 

Einföldige  doch  wolgemeinde  Glükwunsch  up  dat  Bielager  Herrn 
Baron  Ernst  August  van  Bülau  Königlichen  Kammer-Herrn  un 
Herrn  Gräfinnen  Fieken  Charlotten  van  Platen  Dat  sei  am 
12.  des  Jenner-Mahndes  im  Jahre  1724  tou  Hannover  heilden,  üp- 
gesettet  van  Karsten  Geverds  Fourier  bie  user  Kumpanie. 

4 

Der  Leifte  seute  Dannt  ifs  Minscheu  angebohren, 
Dei  Leift'  h&tt  jederman  tou  obren  Deinst*  erkohren, 
Del  Leift'  ifs  ot  alleen  dei  diisse  gantze  Welt 
Bet  an  den  jüngsten  Dag  in  obren  Stann'  erholt. 

Gliek  sogt  sek  iutgemein,  gliek  plegt  sek  ohk  ton  finnen, 
Wen  man  im  SMken  süfs  sek  recht  weiht  tou  besinnen, 

Wen  Lfie  dei  sek  soikt  un  finnet  werd  verpaart, 

Sau  hätt  dat  Paren  jo  de  allerbesten  Arht. 

Nu  ifs  bekand  un  werd  en  jederman  bekennen, 

Dat  dat  verparen  wol  geschaht  in  allen  Staunen, 
Dei  Hogen  dauht  6t  jo,  dei  andren  efen  sau, 
Ohk  gaiht  bie  Buren  sülffst  up  Dörpern  öt  sau  tou. 

Wie  Unner-Offezeirs  ohk  Röters  un  Soldaten 
Wie  mohtet  meistendeels  dat  Frient  unnerlaten, 

Oesch  mangelt  dei  Kunsens,  dat  maket  grote  Pien, 

Wie  mohtet  afer  doch  dabie  gedflllig  sien. 

Nu  grabbelt  yelen  wol  in  Büke  sien  Gebleute 

Un  mahket  Dag  un  Nacht  öhm  Unrauh*  im  Gemente, 

Wie  heffet  jo  sou  wol  afs  andre  Fleisch  un  Blauht. 

Dat  Extra-gahn  holt  man  osch  ohk  gar  nich  vor  gauht. 

Wie  wollen  overall  dat  Extra-Gahn  wol  laten 

Un  alle  Loffelie  mit  andren  Wiefern  baten, 

Den  sfiht'  man  im  Qvarteir  en  Wief  un  Maiken  au, 
Sau  markt  man,  dat  dei  Wehrt  6t  nich  verdragen  kau. 

Dei  Maikens  wilt  sek  gern  nah  usen  Willen  lenken 
Un  plegt  tou  wielen  osch,  wen  wie  sei  seiht,  tau  weuken, 
Sei  segget,  dauht  6t  doch  dei  Hauen  un  dat  Hauu, 
Sau  moget  6t  ohk  wol  wie  Minschen-Kinner  dann. 

Dei  Preisters  woUn  up  Echt  dat  Wark  wol  siUfest  bilgen, 
Dei  Maikens  raupt  dar&m  ohk  6hre  leifen  Hilgen, 

Dei  sei  erdencken  k6nt,  in  obren  Leidern  an, 

Dei  Leider  sind  nunmehr  bekand  bie  jederman. 

Doch  wilt  sek  noch  taur  Tied  dei  hilge  Viet  un  Härmen, 

Jaust,  Berend,  Tonnies  an  Anne  nich  erbarmen, 
Wen  6t  tou  Harten  man  dem  hilgen  Jörgen  gaiht, 
Sau  weiht  man,  dat  bey  6hm  dat  allermeiste  staiht. 

Sei  stellet  noch  dabie  den  leifen  hilgen  Frizen 
Biem  hilgen  Jürgen  sülfst  an  ohrer  Bidde  Spizen, 

Sei  hopet,  dat  hei  sie  vor  sei  dei  beste  Staf 

Un  latet  drum  ohk  nich  von  obren  Bidden  af. 


102 


Herr  Brftgam  afer  jie  dr^ft  vor  Eunaens  nich  sorgen, 

Dat  Teel  veel  andre  daat  den  Afend  an  den  Morgen 

Wen  sei  des  Afends  wilt  nah  6hren  Bedde  gähn 

Un  wen  des  Morgens  sei  gedenket  up  ton  stahn. 

Ek  hadde  dfisse  Nacht  im  Kleven-Dohr  dei  Wachte 
Daer  kam  en  Maiken  hen,  vertelde  flaks  mich  sachte, 
Dat  ek  sftlfst  angehört!  6t  keimme  nu  all  uht, 
Jie  hadden  jök  erwehlt  en  brafe  gladde  Bmht. 

Dei  wolle  sek  mit  jÖk  noch  hflte  laten  tmen, 
Son  h&dde  morgen  jie  sei  all  toar  jungen  Fmen 
Dat  Bedde  h&dde  sei,  dat  Maiken  sfilfst  geseihn, 
Worin  wat  sek  gebohrt  scholl  düsse  Nacht  geschein. 

Do  grep  en  Eerel  straks  dat  Maiken  bie  dem  Liefe 
Un  sprak  ganz  overlnht:  Der   \iViefer  nehm  ek  fiefe 
Ehr  düsse  Nacht  vergaiht,  wen  ek  et  h&dde  frie 
Un  daer  en  wainig  man  von  sienen  Middeln  bie. 

Sei  kregen  alle  Last  toam  Frieen  in  der  Wachte, 
Dat  Maiken  woU*  ohk  gern  noch  Frae  sien  bie  Nachte, 
Und  segte  frie  heraht;  der  Maikens  w6ren  mehr, 
Dei  nah  dem  Frien  ohk  verlangten  jo  soa  sehr. 

Na  will  eck  mienes  Deels  van  veelen  Maikens  truen, 
Dei  wie  hier  däglik  seht,  dat  sei  wilt  leifer  Fraen 
Afs  Kloster-Nnnnen  sien,  den  Monk'  an  Nannen  Stand 
Mahkt  Kerls  an  Maikens  sek  nich  all  tou  gern  bekand. 

Doch  will  6t  noch  toar  Tied  den  wainigsten  gelingen, 
Sei  mögt  ohk  wat  sei  wilt  vor  Klage-Leider  singen 
Dram  moht  en  Maiken  noch  an  Kerl  gedaldig  sien 
Eft  velen  dei  Gednlt  gliek  mahket  grohte  Pien. 

Noch  glof  ek  annerdefs  an  seeg*  et  anbefohlen, 
In  efen  dfisser  Nacht  werd  manger  Hochtied  hohlen 
Dem  6t  nich  ifs  vergünt,  dat  ifs  en  Wark  dat  man 
Van  denen,  dei  öt  daaht,  nich  wol  erforschen  kan. 

Ek  will  juk  doch  nich  mehr  mit  solken  Prach  verwielen 
Jie  wilt  Herr  Brogam  wol  nah  jaem  Bedde  ielen 

Mit  jaer  leifen  Brat,  6t  ifs  ohk  bohle  Tied. 

Darin  bethalt  6hr  wol,  wat  jie  6hr  schaldig  sied. 

Dei  Freister  hätt  jok  jo  gegefen  diisse  Lehren; 

Jie  schollen  frachtbaar  sien  an  juen  Stam  vermehren 
Dat  segt  dei  Preisters  all'  an  glofet  man  gewifs, 
Dat  dflsse  Lehre  jük,  Herr  Br6gam  nohdig  ifs. 

Den  eft  gliek  jae  Stam  all  ifs  soa  hoch  erhofen 
Dat  6hu  an  sien  Geschlecht  dei  gantze  Welt  mocht  lofen, 
Den  alldat  wat  sei  daaht,  dat  ifs  wol  Lofens  wehrt 
Doch  lof  ek  nich  dat  sei  den  Stam  nich  mehr  vermehrt. 

Taam  ersten  jae  Vaer  von  dem  jie  sind  geboren 
Dei  hlt  ap  Kriegers  Ahrt  veel  brafe  Kerls  ermoreu. 


103 

Un  daiht  5t  sAlfest  ohk.     Wat  all  van  6bm  gescheihn 
Dat  heffe  wie  taom  deel  in  Braband  angeseihn. 

Hei  h&tt  all  Gänder  gnaug  erworfen  sienen  Arfen 
Un  ifs  noch  ümmerhen  bedacht  mehr  ton  erwarfen, 
Im  Bedde  hätt  hei  doch  nich  mehr  ton  danhn  vermögt, 
Afs  dat  twei  Twiege  sind  von  5hm  tour  Welt  gebrocht. 

Van  sienen  Brefidem  twei  wolln  sek  nich  einst  getrnen 
Ton  Frieen,  hadden  recht  vor  Fmen-Volk'  en  Qrnen 
Un  helfet  öt  ohk  noch,  doch  weiht  ek  düssen  Dag 
Noch  nich,  wat  sei  dartoa  wol  recht  bewegen  mag. 

Wie  wehtet  ohk  Herr  Brnht,  dat  jnen  Stamm  imglieken 
An  Gänders  Ehr*  nn  Banhm  veel  andre  m5htet  wieken. 

Im  Bedde  helft  sei  doch  von^)  §hrer  Arfait  Lohn. 

Dei  Vaer  nn  Grohte-Vaer  kuhm  ieder  einen  Sohn. 

Doch  mochte  jie  j5k  nich  an  dei  Exempel  kehren, 
Jie  mühtet  jnen  Stam  Herr  Br5gam  mehr  vermehren 

Tanm  längsten  moht  gewifs  den  Dag  nah  Florentien 

En  lAttek  Sohneken  in  juer  Wegen  sien. 

Gott  gift  jok  wol  wen  jie  recht  kohmet  up  dei  Ennne 
(Dmp  jue  ÖUern  noch  nich  sind  in  düsser  Stnnne 

Ohk  wol  nich  kohmen  werd)  npt  andre  Jahr  en  Paer 

San  gäbet  den  hie  j5k  dei  Wegens  immerdar. 

Wie  w&nscht  nnd  biddet  Gott,  hei  wolP  in  Gnaden  gefen, 

Dat  jie  veei  leife  Jahr  mögt  wol  vergneuget  lefen, 

Un  jner  baider  Stam  bet  an  den  jüngsten  Dag, 

Afs  jie  sülfst  wdnschen  mögt,  beglükket  bliefen  mag.     Amen. 

Hochzeit  Möller  /  Thor  Brfigge  (Hannover  1724). 

Water  up  dei  Möhle,  Asse  dei  Möilersche  un  Taur- 
brüggische  Hochtiet  fyret  word,  Sette  düsse  Riemen  up  Det 
Mollers  nöchste  Nahber  Dei  Junge  Huefsmann  In  düssen  Jahre 
[14.  Jan.  1724.] 

Wat  gift  öt  ganes  nie*fs,  in  dfissen  nien  Jahr, 

Dei  Moller  galt  Tanrbrügg',  dat  well  j&ck  wat  bedfien; 

Dat  dait  Hei  nich  umsfifs,  dat  weit  eck  enck  nn  wahr. 

Oet  ifs  Oehn  nich  tan  dann  um  Slam  nn  dr5ge  Klieen, 

Dat  hat  Hei  in  der  Mohl,  öt  mant  wat  anners  sien, 

Dat  Hei  Tanr  Bröggen  galt,  meck  dAcht,  Hei  hopt  np  Water, 

Hei  sillht  dat  Water  übt,  dat  Siene  Möhl  mag  lien, 

Un  wenn  Hei  dort  nich  kreig\  so  brnmm  Hei  afs'  en  Kater. 

Dat  Water  mant  öt  ja  by  Water-Möhlens  dann: 

Den  wo*t  an  Water  fehlt,  so  stait  dat  Kam-Rad  stille. 

Und  wen't  tan  hfipig  kümt,  son  galt  dat  Rad  in  Staun; 

Un  wenn  öt  overfrüst,  afs'  in  der  Winter-Kulle, 

Sou  dait  öt  ock  nich  gant,  dat  gantze  Möhl-Warck  stait, 

^)  Druck:  vor. 


104 

Dei  Bäder  staht  in  Ifs^  afs  Steine  in  den  Muhren. 

Un  süht  Hei  nich  wol  tau  wen't  noch  allmalick  gait, 

Maut  Hei  mit  Siener  Mohl  npt  Water  lange  luhren, 

Drum  Water,  Water  her,  wei  well  een  Möller  sien, 

Dei  seih  na'n  Water  nht.     Drum  galt  Hei  ock  Taur  Bruggen, 

Dei  truete  M611ers-Mann,  nu  ja  dat  dript  Hei  fieen. 

Hei  leggt  seck  an  dat  Sehnt  mit  Sienen  möyeu  Büggeu 

Un  keist  dat  Water  uht,  dat  up  dei  Mohle  past. 

Hei  socht,  Hei  fund  6t  ock,  dat  harr  Hei  rechte  dropen, 

Oet  glficket  5hn  na  Wunsch;  Nu  haut  hei  up  den  Quast, 

Sien  M6hlwarck  kan  nu  nich  wol  anners  afs  gaut  lopen, 

Eck  wflnsch  Herr  Moller  Jfick  veel  gauTs  un  Glficks  dartau, 

Dat  Jue  Möhlwarck  mag  in  Bädern,  Kam-Bad  drieven 

Un  Steinen  flietig  gähn,  un  dat  Juck  keine  Kau 

In  Juen  nien  Speel  un  Schwick-Mohl  mag  uhtblieven. 

Un  wenn  Jl  overt  Jahr:  doch  Ji  verstaht  meck  wol, 

Un  eck  Jfick  nich  sou  gaut.     Eck  wünsche  langes  Leven, 

Wat  eck  sfifs  ohne  düt  Juck  noch  anwönschen  scholl, 

Dat  well  dei  grote  Gott  Juck  ock  na  Wunsche  geven. 

Glfickwimscli  ssn  Herzog  Angnst  Wilhelms  Geburtstag.    1724. 

Fraiden-YuUe  Glükwunsch  up  den  Fürstliken  Gebohrts-Dag, 
Uses  Gnadig8ten  leifen  Lannes-Herrn,  August  Wilhelms,  Regerenden 
Hartogen  tau  Brunswiek  un  Lüneborg  cet.  Dat  Twei  un  Sestigste 
Jahr  am  8.  Martz  im  1724  Jahre  glüklich  erfüllet  hadde,  Un  Dat  Drei 
un  Sestigste  mit  aller  Siener  ünnerdahnen  grohten  Fraide  gesund 
wedder  antrat,  uppesettet  von  Johan  Borries,  uht  Oehlkassen 
jonsiets  dem  Hilse.  Wulfenbüttel,  gedrükt  bie  Christian  Bartschen, 
Hartogl.  Hoff-  und  Cantzly-Bokdrükker. 

DEi  LAe  dei  hier  sind  van  ehrliken  Qehleute 

Bie  osch  nu  helft  in  sek  en  rechte  gauht  Gemeute 

Vor  usen  Lannes-Herrn,  dei  sien  jo  Dag  un  Nacht 

Dem  leifen  grohten  GOtt  tau  danken  nu  bedacht. 

Dei  Gnade  dei  osch  GOtt  in  vorgem  Jahr  erwieset, 

Dei  ifs  sau  groht,  dat  sei  werd  nümmer  gnaug  geprieset, 

Ja  siener  Gnaden  sind  bie  ösch  sau  veel,  dat  mau 

Mit  hundert  Tungen  sei  nich  alle  teilen  kan. 

Wie^)  helft  insünnerheit  dem  leifen  GOtt  tau  danken, 

Do  use  Lannes-Herr  sau  hart  verfäir  int  kranken. 

Sau  dat  dei  Süke  fast  bekam  dei  Overhand, 

Och  GOtt  in  wat  vor  Angst  kam  do  dat  ganze  Land. 

Mit  miener  Fedder  weiht  ek  gar  nich  tau  beschriefen, 

Wat  grohte  Klagen  man  bie  Männern  un  bie  Wiefen 

Do  Hufs  bie  Hufs  gehört,  dei  Maikens  overall, 

Dei  hadden  neinen  Trost  un  klagden  ahne  Tall. 

Do  asse  man,  Herr  Filrst,  anfänk  in  allen  Stännen 

Osch  tau  dem  leifen  GOtt  mit  dem  Gebebt  tau  wennen, 

Un  reipen  alle:  GOtt  help  osch  uht  düsser  Nobt, 


^)  Druck:  Mie. 


105 


Dat  nsen  Lannes-Herm  yenchonen  moht  dei  Dohdt. 

Do  segnede  hei  fluks  dei  Astenie'  un  Säfte, 

Hei  stärkde  Dag  vor  Dag  des  leifen  Fürsten  Kräfte, 

Up  nse  Bidde  gink  dei  Krankhait  do  yorbie, 

Jie  sind,  GOtt  Lof,  Herr  Ffirst,  im  yor  dem  Dobde  frie. 

Wiel  jie  mit  GOtt  regeirt,  lät  hei  in  allen  Dingen 

Wat  jie  yom6hmt  nn  dauht,  J6k  fimmer  wol  gelingen; 

Wor  Goddes-Deinst  ohk  Recht  alltied  im  Schwange  gaibt, 

Yerspohrt  man,  dat  5t  wol  in  sölkem  Lanne  staibt. 

Ek  moht,  Herr  Lanne s- Fürst,  hierbie  J6k  noch  wat  seggen, 

Jie  denket  jo  wol  nich  öt  öyel  nht  tau  leggen? 

Dei  Sake  schient  an  sek  ganz  ehrbahr,  hüpsch  ohk  fien, 

Un  yeele  Lue  segt,  sei  wolle  nohdig  sien. 

In  einer  grohten  Stadt,  daer  findt  sek  Patrioten, 

Dei  rechte  ganht  gesinnt  nn  hefft  bie  sek  beschloten, 

Dei  Maikens  asse  sek  geböhret  tau  erteihn, 

Un  stellet  yor,  wo  dat  am  besten  kan  gescheihn? 

Sei  gefet  all  ant  Lecht  mit  klaren  Dühtschen  Schriften, 

Dat  böge  Schanlen  ohk  yor  Maikens  sien  tau  stuften, 

Woher  dat  kohmen  kan,  wat  daertau  nohdig  ifs? 

Dat  ifs  en  Wark  dat  man  jo  priesen  moht  gewifs. 

In  Silken  Schaulen  scbölt  ohk  sien  Professorinnen, 

Dei  wol  erfahren  sind  nn  heffet  klauke  Sinnen, 

Un  en  junk  Maiken  saa  mit  Fliete  wieset  an, 

Dat  ot  sien  Eristendaum  vorerst  begriepen  kan. 

Hernechst  sau  schall  5t  ohk  in  siener  ersten  Jogend 

Wol  unnerrichtet  sien  in  rechter  Tucht  ohk  Dogeud, 

Darneyen  schall  öt  noch  den  Hufsholt  lehrn  yerstabu, 

Insünnerheit,  wo  5t  dem  Manne  yortaugahn. 

Wat  düssen  Pnnct  bedrept  wilt  etlike  erinnern. 

Wo  Männern  yortaugahn,  dat  m5ste  man  den  Kiuuem 

Un  Maikens  sünnerlik  nich  seggen  yor  der  Tied, 

Süfs  gingen  sei  taum  Deel  vor  5hrer  Tied  tau  wiet. 

Meck  dünkt,  en  Mann  kan  sülfst  in  Ehe- Stands-Geschichten 

Sien  eigen  junge  Wief  am  besten  unnerrichten. 

Den  mahkt  dei  Wiefer  sek  mit  annern  erst  bekand. 

Kriegt  sei  gemeiniglik  darin  tau  yeel  Verstand, 

Verlanget  heimlik  wol  mit  annern  tau  pronberen, 

Wat  wegen  Männern  sei  yorhen  hefft  mohten  lehren, 

Befindt  sei  den,  dat  twei  mehr  asse  einer  k5hnt, 

Sau  werd  up  s51ke  Wies'  en  Wiefeken  yerwebnt, 

Ek  afer  moht  hierbie  vom  Harten  düt  noch  bichten, 

Dat  um  dei  Maikens  wol  bie  5sch  tau  unnerrichten 

Vor  sei  en  böge  Schaul'  im  Lanne  nohdig  sie, 

Sau  seggen  alle  Lue  un  bliefet  ohk  darbie. 

Darin  jo  mohtet  wol  ohk  sien  Praufessorinnen, 

Jie  köhnt  nu  Dähmkens  gnaug  dartau  geschikket  finnen, 

Jie  wehtet  sülfest  wol  un  jue  Hof  gewifs, 

Dat  dei  Bestellung  ohk  darin  sehr  nohdig  ifs. 

Nu  segget  etlike  hier  yan  der  Fruen  Wasen, 

Dei  labte  sek  nich  licht  um  5hren  Schnafel  grasen, 

Ek  bore  nich,  dat  ot  en  Kerl  mit  ohr  yersocht, 


106 

Weiht  nich)  wat  einer  hätt  bie  6hr  darin  vermocht. 

£k  h5re.  dat  sei  drdgt  gemeiulik  eine  Hosen, 

Mien  Nahber  handelt  ohk  darin  nich  mit  Franzosen, 

Doch  hätt  in  sienen  Schrank^  hei  eine  Brank  tan  yeel, 

Dei  noch  nich  ifs  gebrnhkt  in  einen  Leffel-Speel. 

Dei  düsse  Brank  man  seiht,  dei  pleget  sei  tan  lofen, 

Wen  sei  verlangen  werd  dei  Brank  6hr  antanprofen, 

Sau  handelt  sei  dei  Bronk  ahn  Twiefel  6hm  gliek  af; 

Drägt  sei  am  Liefe  wol,  bet  dat  sei  kfimt  int  Graf. 

Nu  mit  der  Wasen  will  ek  mek  nich  mehr  verletten, 

Doch  will  ek  noch  en  Dink  tau  seggen  nich  vergetten, 

Staudenten  mohtet  jo  gedeponeiret  sien, 

Dat  deponeiren  schikt  vor  Maikens  sek  nich  fien. 

Dei  Wase  werd  dartau  ohk  wol  nich  gratuleiren, 

Eft  gliek  sau  veele  hier  dei  Kunst  tan  deponeiren 

Am  Hof  un  in  der  Stadt  up  D()rpern  ohk  verstaht, 

Afs  Vogel  in  der  Luft  un  Fisch'  im  Water  gabt. 

Staudenten  pleget  nu  ohk  Geld  darvor  tan  gefen, 

K6hnt  doch  up  Unversteiht  afs  brafe  Kerels  lefen, 

Schall  en  junk  Maiken  hier  nu  ohk  Staudentin  sien, 

Sau  ifs,  wen  sei  darin  verschonet  sien  kan,  fien. 

£k  will  hierbie  noch  man  mit  wainigen  berühren, 

Wat  in  dem  ganzen  Lann'  6sch  allen  will  gebohren, 

Dei  düssen  Dag  bedenkt,  dei  werd  mit  mek  gestahn, 

Dat  man  rooht  fieerlik  den  leifen  Dag  begahn. 

Augustus  Wilhelm  ifs  up  dfissen  Dag  gebohren, 

Tau  usem  Lannes-Herrn  vam  leifen  GOtt  erkohren, 

Dei  hätt  bether  sien  Land  un  Volk  sau  wol  regeln, 

Dat  ohm  dat  ganze  Land  mit  danken  gratuleirt. 

Wie  danket  alle  GOtt  übt  uses  Härtens  Grunne, 

Wie  prieset  6hn  davor  mit  Harten  un  mit  Munne, 

Den  Danken  lokket  GOtt  tau  mehrer  Woldaht  an. 

Drum  danke  GOtt  dem  HErrn  mit  Danken  iederman. 

Wie  w&nschet  alltanmahl,  GOtt  woir  in  Gnaden  gefen, 

Dat  Hei  noch  sestig  mahl  mag  düssen  Dag  erlefen. 

Hei  gefe  Dag  vor  Dag  6hm  nieen  Lefens-Saft, 

Verlangre  siene  Tied  mit  nieer  Gnad'  un  Kraft. 

GOtt  segne  doch,  Herr  Fürst,  ohk  jue  leife  Fieken, 

GOtt  segne  Baide  J6k  ohk  ganze  Huefs  imglieken, 

GOtt  segne  Juen  Hof,  GOtt  segne  Land  un  Stadt 

Un  dei  drin  wohnt,  bet  dat  dei  Welt  en  Enne  hat.     Amen. 

Hochzeit  Klainschmidt  /  Hecker.  Hannover  1724. 

Am  Hochtieds-Dage  det  Herrn  Jost  Wilhelm  Klainschmedts 
un  Junffer  FiekenMarlenenHeckers  wolle  mit  teegenwohrdigen 
Riemen  den  beyden  jungen  Lühen  Glück  wünschen  Der  Brüht  Brauer 
A.  F.  H.  Anno  1724  den  lOten  Octobr.  Hannover  Gedruckt  bey 
Ludolff  Heinen. 

San  Süster  recht!  san  recht!  steckt  deck  dat  in  der  Näiseu, 
Dat  dn  nnh  mit  der  Täidt  wnlt  äine  Fruwe  weisen? 
Hastu  deck  nu  so  boir  tan  fryen  resolvairt, 


107 


Wer  hat  in  aller  Welt  Deck  doch  datau  bek&nrt? 

Grawt  deck  wohr  dat  et  ward  ehn  harre  Wiuter  wairen 

Dat  du  im  Bedde  mßgtst  alleine  gans  verfrairen 

Aebr  gruwet  deck  ohk  wor  nah  et  san  lange  Nacht? 

Dat  du  by  guwer  tiedt  np  selschnp  bist  bedacht. 

Wat  hat  in  aller  Welt  deck  doch  dahrtan  bewagen 

Dat  du  nuh  fryen  wult?    Ick  maut  deck  ais  recht  fragen: 

Ha!  Ha!  eck  marck  et  wohl,  eck  woir  et  boUe  rabn 

Gelt  hat  Herr  Kleinschmedt  nich  deck  wohl  tau  gaut  anstahn. 

Nn  Sftster  du  hast  recht,  du  hast  deck  uhterlaisen 

En  Kairel,  dai  yix  ifs,  Sien  dauhn  un  all  sien  Waisen 

Dat  ifs,  gleuff  mienem  Wohr\  recht  afs  et  schall  nu  maut, 

Von  Harten  ehrlck  trfih,  uprichtig  braff  un  gaut. 

Gott  Iahte  Ju  tohsahm  in  Freh'  un  Freude  laiwen 

Un  woir  wat  iu  n&t  ifs  ohk  dageliekes  gaiwen 

Gott  gew*  dat  du  un  Hai,  Jy  twe  verleifde  Paar 

Mägt  in  Vergneuglichkeit  taubringen  yeble  Jahr. 

Schal  eck  afs  ein  Prophait  deck  noch  ehn  wahr  Wort  keuren, 

Gelt  tjegen  Jacobs  Dag  war'  wyh  wat  n&ies  henren. 

Doch  höhlt!     Ick  segg'  nich  mair,  nu  will  ick  schwiegen  still 

Und  dencken  by  meck  sülffst  noch  alle  wat  eck  will. 


Hochzeit  Lilie  /  Schuppe.    Hannover  1724. 

üp  dat  Lilljen-  un  Schuppen  Hochtieds-Feste  wolle  tom 
kortzwieligen  Tied-Verdrief  düt  Betjen  deinsthafiftig  ohwergefen  einer 
dei  In  Hannover  tau  Hues  höret.  Hannover  Gedruckt  bey  LudolflF 
Heinen,  den  26.  Oetobr.  1724. 

As  eck  vor  korter  Tied  in  Cumpanie  kämm; 
Da  spröcken  sei  von  nicks  as  yon  den  veelen  fryent, 
Dat  hier  dei  Luhe  dehn  von  Ifltj'  und  grauten  Stamm, 
Eck  s&h'  wo  nu  tom  kranckt  et  is  ja  woU  kein  brübent: 
Neh,  neh  seh  einer  meck  et  schall  kein  brühent  sien, 
H5rt  tau  un  set't  juck  dahl  et  schall  juck  nich  ger&hn. 
Dei  eine  sähe  denn  eck  maut  tor  Hochtied  gähn; 
Denn  mien  Hr.  Vedder  hat  mit  F.  seck  versprocken, 
Eck  kau  dar  nich  umhen  eck  schal  bym  Brogam  stahn, 
Eck  hefiT  dat  ja  Word  all  von  meck  herrnhtebrocken; 
Sfifs  weit  en  jeder  woll  dat  Hochtied  Penje  kost, 
Un  Yadder  stahen  is  glieck  efen  Mnst  as  Most. 
Do  seh  dei  ander  ock,  ja  Yadder  dat  is  nicks 
Enmahl  tor  Hochtied  gähn  dat  lat  eck  noch  passairen: 
Eck  was  vor  korter  Tied  erst  upper  Kinder -Licks, 
Un  maut  am  D6nner  Dag,  ock  hen  naer  Hochtied  feuren; 
Dei  wait,  dehm  2  mahl  ward  vor  siene  Dor  ekloppt, 
Dat  Hochtied,  Vadderstahn,  hen  in  tom  Gelle  lopt. 
Dei  drüdde  seh  den  ock  hört  doch  en  betjen  tau, 
Wat  eck  juck  seggen  will,  dar  wnrren  uppeboen 
Am  Sondag  4  paar  Volck,  bort  Nahfer  is't  nich  sau? 
Ja,  ja  seh  hei  sau  is't  eck  dacht  et  wören  Doen; 


108 


Man  as  eck  horde  tan,  wo  dat  sau  dannig  kämm 

Saa  was  dat  erste  Wanrt:  viel  Ehr  und  Tugend  sahm. 

0!  schwieget  ji  man  still,  eck  wait  noch  beter  wat; 

Hr.  Schuppe  wil  nu  bald  sien  ölste  Deer'n  uhtgefen 

Sprack  einer  dei  was  nich  tau  Huefs  in  dfisser  Stadt, 

Hr.  Lillje  hat  ailängst  edacht  mit  sey  tan  lefeu, 

Dei  Hochtiedt  schall  ock  bald  im  Bruer-Huese  sien! 

Dehm  hAbschen  Maiken  ward  dei  Koop  ock  nich  gerfihn. 

Mien  leifife  Fründ  seh  eck  wo  mag  et  woll  tau  gähn; 

Dat  gegen  Winter  seck  Hr.  Lillje  denckt  tau  paaren; 

Op  öhm  wor  bange  is  hey  kennet  nich  übt  stahn, 

Wenn't  kohle  Winter  gifi^;  da  doch  in  veelen  Jahren 

Wie  keine  heffte  hat:  et  maut  wat  anners  sien: 

Denn  döt  holt  keinen  Grund  un  hat  ock  keinen  Schien. 

Doch  still  meck  fallt  wat  by,  meck  dünkt  eck  drep  dei  Kand: 

Dat  Linien  behagt  im  Winter  seck  tau  paaren, 

Et  kan  woll  m5glick  sien  dat  in  der  Schuppen  Land 

Ward  Lilljen  Saat  esait  by  düssen  sp&den  Jahren, 

Un  junge  Lillien  man  k5nn  im  Sommer  safn, 

Sau  wor  im  Winter  jo  dat  fryent  recht  eschein. 

Wo  kummt  doch  Junffer  Brüht,  ey  nnh  in  aller  Welt 

Up  den  Sinn?  dat  sey  ock  an  einen  Koopman  dencket. 

Glieck  sprack  en  ander  drup:  ja  handeln  bringet  Geld, 

Et  mag  woll  längsten  ock  by  den  dei  Ehen  lencket 

Inn^t  Bauck  eschreffen  sien:  Drum  schwieget  ümmer  still, 

Un  günn't  ohr  dei  Partie;  Wiel  dat  et  Gottes  Will. 

Nu  fehlet  nichtes  mehr:  denn  jeder  was  bedacht 

En  Glück- Wunsch,  Junffer  Brüht,  mit  Früuden  juck  tau  bringen, 

Un  dem  Hr.  Br5gam  ock,  doch  juck  segg^  eck  et  sacht; 

Oehr  Junffer  Brüht  will  ick't  in  körten  Biemen  singen: 

Dei  eine  wünschde  Glück,  dei  ander  sah*  hei  stah 

Un  falle  nich  enmahl.     Mien  wünschen  kummt  dernah. 

Eck  as  en  Singer  maut  den  grauten  Glück-Wunsch  dau'n 

In  einen  Leid,  et  gait  dei  Meldie:  Trübte  Deereu. 

Dei  Stimme  is  wat  groff  doch  kan  eck  fiene  kau^n, 

Wenn  meck  man  keiner  dait  in  mienen  singen  stöhren. 

Dei  Thon  gaiht  übt  en  G,  en  ander  secht  übt  Gis, 

Dei  Drüdde  seh  forwahr  übt  A  gaiht  hei  gewifs. 


Himmel  Iaht  veel  Seegen  kohmen, 
Up  düt  nnh  getrübte  Paar: 
Dat  sey  möget  übte  nehmen 
Sien  von  aller  hosen  Schaar. 
Sy  ohr  Glücke  nich  entegen, 
Strahle  sey  mit  Freuden  an, 
Sau  veel  Drüppen  in  den  Begen, 
Dei  man  gans  nich  teilen  kan. 

Himmel  kröhne  sey  mit  Wunne, 
Dat  sey  mögen  veele  Jahr 
Seihen  obre  Glückes  Sunne 
Buhten  allerlai  Gefahr. 


Labt  ock  sau  veel  Lilljen  wehren 
As  man  ümmer  mogelck  is, 
Oehren  Hupen  tau  vermehren: 
Sau  blifft  ^)hre  Stamm  gewifs. 

Nuh  tau  lest  wünsch  eck  juck   beyden, 
Dat  Ji  moget  alle  Tied, 
Sien  Gesund  in  Lust  un  Fr&iden; 
Bed  dei  Dodt  dartwischen  süht. 
Denn  sau  labt  dei  leife  Heere 
Juck  tau  Hoop  in  Herrlichh&it 
Kohmen,  da  den  ewig  Ehre, 
Da  man  nicks  van  truren  wait. 


109 


Hochzeit  v.  Mengershansen  /  Wiesenhaver.    Hildesheim  1725. 

Als  der  Hoch-Edle,  Grossachtbahre  und  Fürnehme  Herr  Herr 
Anthonius  Henricus  von  Mengershausen,  Zu  Mühlenhausen  und 
Edesheim,  Mit  der  Hoch-Edlen,  Gross-  Ehr-  und  Tugendbegabten 
Jungfer,  Jungfer  Sophia  Margareta  Wiesenhavern,  Den 
16ten  Augusti  des  jetzt  lauffenden  1725.  Jahrs  Unter  Priesterlichen 
Seegen  zu  Hildesheim  Ehelich  copuliret  wurde,  Weiten  Jhre  schuldigste 
Glückwünschung  abstatten  Innenbenannte.  Hildeshelm,  gednickt  bey 
Michael  Geifsmarn. 

IV.  ^) 

Goden  Dag,  jy  Heren  alltomahl, 

San  veel  jner  allhier  sind  an  de  Thal, 

Segt,  tho  wecken  Enne  sin  jy  her, 

Juck  tho  maken  ein  Plaser? 

Ohr  wat  schall  et  sünst  bedün? 

Jy  sied  alle  ja  san  degger  fien; 

Ock  dei  Wiefer  sind  sau  frflndlick, 

Ja  sau  schmück  nn  pfintlick, 

Dat  sey  sick  san  lustig  maken 

In  den  K5hken  ock  sau  kaken, 

As  wannt  ehne  Hochtiet  weire, 

Un  der  VerleiflFten  6hre  Feyre, 

Man  süht  alles  seck  sau  flieen 

As  wann  seck  twey  leiwe  Luhde  fryen. 

Da  kfimmt  her  ein  Junggesell  med  witten  Haaren, 

Afs  wann  he  sick  med  der  Brut  will  paaren. 

He  is  dryst,  dat  5hme  nemfs  ansüet, 

Dat  dat  Lopen  6hm  thaur  Ehr  geschüet. 

Hei  deit,  afs  wann  hei  nist  darnah  fregt, 

Dat  man  Br5gam  thau  ohm  segt. 

Nodiget  den  Oast  by  6hm  tho  bliefen, 

Um  6hm  Thiet  un  Wiele  tho  verdriefen: 

Averst  wann  ick  dumme  Lannes- Knecht 

Dflssen  Mann  anseie  recht; 

Sau  maut  ick  de  dfttscke  Wahrheit  seggen, 

Wu  gehm  he  sick  woll  by  siene  Greytsche  leggen. 

Un  dat  hei  et  geern  den  Gästen  seggeu  mögt, 

Wau  6hm  um  dat  Hart  is  recht. 

Och  hey  n6dget  j&ck,  jy  Gäste,  man  thom  Schien, 

Un  gifft  jfick  daby  wol  guen  Rihnscken  Wien; 

Averst  hey  woll  leifer  glieck  tho  Bedde  gähn, 

As  by  jfick  sau  gär  verdreitlick  stahn. 

Drum  packt  juck  man  nah  Hufs  in  aller  Stille, 

Dat  is  Uses  Br6gams  gnAdger  Wille. 

Dat  jy  sfilvsten  ock  med  juen  Greitchen 

E6nnt  na  Bedde  gähn,  un  enmahl  heytchen, 


^)  Voran  gehen  6  lateinische  Hexameter  nebst  hochdeutschem  Sonnet  von 
Ant.  Lüdw.  Wiesenhaver,  6  jambisch  -  anapästische  hd.  Verse  yon  Justus  Karl 
Y.  Wiesenhaver  und  12  lat.  Disticha  von  Georg  Christian  Bodinus. 


110 


Ock  jy  JuDfern  un  jy  Janfern- Knecht. 

He  denckt:  0  hedd'  ick  man  erst  dat,  wat  ick  mocht. 

Averst  jy  wert  jÄck  et  nich  verdreiten  laten, 

Dat  jy  keinen  Haat  dfifswegen  np  mick  faten, 

Wiel  mick  dat  Hart  sau  gar  weihe  deit, 

Bed  dat  jederman  nah  Bedde  geith. 

Lefen  Heren,  nn  jy  gohde  Fri^nne, 

Wann  jy  wüsten,  wau  meck  sy  tho  Sinne, 

Un  verlanget,  eyr  et  Afend  wäre, 

Dat  ick  mick  med  miener  lefen  Ddffken  paare, 

Ock  as  wie  dei  Dnfen  sfilvst  sick  schnäbeln, 

Un  wat  daby  noch  ward  sünsten  kröpeln. 

0  jy  lefen  Wiefer  wettet,  wat  daby  tho  dohn, 

Dram  weret  jy  dit  nich  vor  Spott  nn  Hohn 

Glieck  npnehmen,  sflndem  meck  sien  faoldt, 

Denn  jue  Fr&nschop  is  mick  lefer  asse  Gold. 

Nu  ja  lefen  Lue,  et  is  Tiet, 

Denn  de  Avend  is  nu  nich  mehr  wiet, 

Use  Henner  fleiget  up,  ehn  Jedermann 

Kan  nn  wedder  siene  Strahten  gähn. 

Eck  marck'  even  nn  erst,  wat  hier  hernt  kam. 

Da  steit  dei  Brüht,  nn  da  dey  BrMdigam; 

0  eck  wünscke  jöck  goot  GlAck  van  Harten  Granne, 

Dat  jy  jue  Warck  anfangt  in  gooder  Stanne, 

Un  med  Leiwe  lange  Jahr  thosamen  schlapen, 

Ock  ath  jnen  Fenster  mögt  gar  f rundlich  kapen, 

Dat  et  gahe  juck  na  Wunsck  an  Willen, 

Dat  de  lefe  Gott  ja  woll  erfüllen. 

Na  ick  dämme  Daffendop  in  düssen.Saken 

Kan  nich  veel  mehr  maken. 

Hedd'ick  mick  thanr  Krabben-Tiet  darnp  gelegt, 

Hedd*  ick  wohl  gedahn  an  etwa  recht; 

Averst  da  leth  ick  dey  B5ker  Boker  sien, 

Un  fong  an  tho  pleagen  an  ackern  fien. 

Ick  erwehlte  mich  der  Haafshalt  za  ergeben, 

Welches  ich  aach  schätzte  für  das  beste  Leben. 

Hol  Ho!  balle  hadd*  ick  annefangen  hoch  tho  schnacken, 

Un  da  kam  de  Grode-Vahr,  stodde  mick  in  Nacken, 

Darum  ick  by  miner  Mauer-Sprack  maut  bliefen, 

Eck  weit  nist  mehr,  as  den  Plaug  tho  kiehlen  un  to  driefen. 

Jy  verleifften  Lyde  wert  med  düssen  Saaken 

Kein  beschimpen  dann,  ick  kan  et  ja  nich  bäter  maken. 

Use  Ehr-  an  Dugendsame  Dehrn  Sophie, 

Will  nu  nehmen  ebnen  Mann,  an  fryen, 

Ock  se  daby  Margreite  heit, 

Se  will  raisen,  eyr  dei  Tiet  vor^ffer  geith. 

Nah  den  Orth,  dei  ryck  van  Wayten,  Garsten,  Havern, 

Glück  taur  Reise  Junfer  Wiesenhavern. 

J.  C.  T.  A.  G. 


I  111 

Hoehzeit  t.  Grote  /  y.  Post.    Schauen  1726. 

Platdütsche  Schnaken,  Van  Post-Saken  Asse  dei  Her  Frie-Her 
Henrik  van  Groten,  Königl.  Geheime-Kamer-Raht  mit  Frl. 
Lischen  Julianen  van  Post  Up  Sienen  Frieherl.  Huse  Schauen 
Den  14ten  Feiberaries  1726  Eine  Post-Kumpanie  makede,  Uppesettet 
van  Jaust  Gerkens.     Hannauver,  Gedrükt  bie  Ludolph  Heynen. 

VEel  Minschen-Einner  sind  verennerlik  van  SinnoD, 
Dat  andre  sek  nich  k5hnt  in  6hren  Saken  finnen, 
Dei  eine  dei  will  %fi%  dei  annere  will  san, 
Drum  gaiht  öt  wnnnerlik  bie  sölken  Lfien  tan. 

Deels  jnnge  Fenten  plegt  mit  Sorgen  sek  tan  qnelen, 
Wen  eine  Lefens-Ahrt  Sei  wilt  vor  sek  erwehlen, 

Doch  moht  man  erst  damp  bedacht  sien  Nacht  nn  Dag, 
Dat  ehrlik  man  sien  Brodt  nn  Drank  erwarfen  mag. 

Dei  dat  nich  wol  bedenkt,  den  werd  öt  san  nich  feügen 
Sei  sien  ohk  wat  sei  wilt,  dat  Sei  sien  im  Vergnengen 
Oet  Sie  den  dat  Sei  sölfst  sau  riek'  an  Middeln  sind, 
Dat  Sei  hefft  nnerholt  vor  sek  ohk  Wief  nn  Kind. 

Nn  hätt  dei  leife  Gott  Her  Br6gam,  j5k  gegefen, 
San  veel,  dat  jie  wol  köhnt  van  jnen  Qeüdern  lefen: 
Jie  sind  ohk  noch  dabie  Geheime-Kamer-Raht, 
Den  Kamer-Saken  jie  vnlikomeu  gnang  verstaht. 

Noch  halt  dei  Eönje  jöck  dat  Over-Amt  im  Bnen, 

Wen  hei  wat  bnen  lät,  jök  laten  anvertruen, 
Wie  wehtet,  dat  van  j6k  betflgt  dat  ganze  Land, 
Dat  jok  dei  Bnknnst  ohk  tanr  Gneuge  sie  bekand. 

Nn  segt  man  hier,  dat  jie  ohk  wilt  en  Post-Man  weren, 

Dei  Werke  kohnet  ohk  wol  Bnren-Kerls  lehren, 
J6k  Lüen  afer  staiht  dat  Fohrwark  nich  wol  an, 
Dat  ifs  vor  jük  tan  schlecht,  drflm  bliefet  man  darvan. 

Den  8(Mk'  en  Fohrman  moht  dei  Wagen-Peere  klappen, 
Man  hatt  am  Seelen-TAg'  ohk  iimmer  wat  tan  läppen, 
Gemeinlik  pleget  osch  dei  Strikk'  entwei  tan  gähn, 
'     Van  S(Mken  wäre  jie  wol  nich  gar  veel  verstahn. 

Wie  wehtet,  dat  jie  gern  en  Jagt-Peerd  mf)gt  bestrien, 
Drnht  schlute  wie,  dat  jie  ohk  kont  en  Post-Peerd  rieen, 
Dagegen  segg*  ek  niks  nn  sie  dahen  gestellt 
Doch  wiel  dei  Biet-Post  jok  vor  andern  sau  gefält, 

San  heif  ek  jok  hiervan  nothwennig  wat  tan  seggen 

Jie  denckt  Ht  afer  wol  nich  5fel  nht  tau  leggen, 
Ek  heffe  nich  alleen  veelmahls  dei  Post  geföhrt 
Ek  weiht  wol,  wat  der  Post  im  Rieen  ohk  gebohrt. 

In  mener  Jogend  most  ek  mit  Stifteten  jagen, 

Dat  Jagen  plegte  mek  tan  der  Tied  sehr  tan  hagen. 

Sei  segget  ohk  dat  jie  nein  Fiend  der  Riet-Post  siet, 

Sau  rieet  den  dei  Post  in  juer  Lefens-Tied. 


112 


Do  Jie  bestennig  wilt  bie  jnen  Sinne  bliefen 
Wil  ek  mit  wainigem  van  solken  saken  schriefen 
Dei  tau  der  Riet-Post  man  nohtwennig  heffen  raanht 
Wen  man  dei  hätt,  sau  gabt  dei  Saken  alle  ganht. 

Tanm  ersten  möhte  jie  vor  ein  flinck  Post-Peerd  sorgen, 
Jie  heffet  Middel  gnaug  un  dr^ft  dartan  niks  borgen, 
Dei  Qeld  betablen  kan,  dei  krigt  obk  wol  en  Peerd, 
En  Post-  un  Riet-Peerd  ist  jo  sienes  Gelles  webrt. 

Doh  ningenst  Veih-Markt  vor  Hanover  word  geholen, 
Do  keibmen  Peere  drup  van  jungen  un  van  ohlen, 
Doch  k5fte  jie  nich  Ein,  daräm  sprak  jederman: 
Dei  Heer  hat  all  en  Peerd,  dat  5hn  vergneugen  kan. 

Dat  Post'Perd  dat  Hei  hätt,  dat  häct  recht  gladde  Scheuen, 
Hei  kan  6t  ohk  sehr  wol  tau  sienen  Ritt  gewöhnen, 
Un  wen  en  Post-Peerd  erst  des  Rfiters  Ritt  verstaiht, 
Sau  weiht  man,  dat  6t  gern  nah  sienen  Willen  gaiht. 

En  Rüter  mauht  sien  Peerd  wol  hegen  un  wol  plegen, 

Sau  kan  den  Rfiter  6t  in  sienen  Sadel  drägen, 

Nümt  man  dat  nich  in  acht,  sau-  werd  en  Post-Peerd  matt, 
En  Rflter  werd  den  ohk  des  Rieens  s&lfTest  satt. 

En  ungewehnet  Peerd  plegt  Anfangs  sek  tau  spehren, 
Wan  man  drup  stiegen  will,  dran  mauht  man  sek  nich  kehren, 
En  Post-Ritt  mauht  doch  enst  getrost  gewaget  sien, 
Dat  wagt  un  drinket  man  darup  en  gauht  Glafs  Wien. 

In  juen  Stalle  sind  mehr  Riet-  un  Kutschen-^eere, 

Dei  Peere  iederman  ohk  h61t  in  groten  Wehre, 

Doch  ein  moht  Lief-Peerd  sien,  dem  mahkct  juen  Ritt 
Bekand,  sau  dregt  dat  Peerd  j6k  ohk  nah  juen  Schritt. 

Wen  Jie  kohmt  up  dei  Jagt  sau  sitte  jie  im  Sadel, 

Dat  ohk  dei  Lästerers  nich  finnet  einen  Tadel, 

Sau  hobp  ek  Je  weerd  ohk  den  Post-Rit  wol  verstahn 
Un  wehten,  wo  man  mauht  darin  tou  Warke  gähn. 

Wen  Jie  nn  up  dat  Peerd  stiegt,  st6tet  nicht  int  H6ren, 
S&st  16ppet  jederman  sau  gliek  übt  sienen  D6ren, 
Dei  eine  dadelt  dflt  am  Post-Knecht*  andre  dat, 
Nah  dummen  Volkes  Ahrt  un  wehtet  sülfst  nich  wat. 

Wen  Jie  obk  Jue  Peerd  in  Rieen  mogten  drükken, 
Dat  lichte  kan  gescheihn,  sau  m6bte  Jie  fluks  schikken 
Hen  nah  der  Schnellischeu,  dei  weiht  dagegen  Raht, 
Drup  alle  Peer-Artz^  hier  sek  ohk^)  sau  wol  verstabt. 

Doch  mohte  Jie  dat  Peerd  wol  hen  up  veertig  Weken 

Bedekken  allemabl  mit  Juer  eignen  Deken, 

G16ft  dat  dat  dekken  6hm  den  neinen  Schaden  daibt, 
Wen  Jie  dabie  vardan  gebrnbkt  Bedachsamkeit. 


^)  Dafür  ist  am  Rande  nich  verbessert. 


113 

Van  Posten  is  hierbie  noch  mehr  wat  an  ton  f6hren, 
Ek  will  mit  wainigen  dat  5frige  ber6hren, 

Wat  Jak  in  dflsser  Tied  tan  seggen  n^hdig  is. 

Dat  heff*  ek  längst  erfahrn  nn  weiht  ot  vor  gewifs. 

£n  Postman  manht  sek  np  den  Wege  nich  Verwielen, 
Hei  manht  veelmehr  san  veel  f>hm  moglik  sien  kan  lelen, 
Doch  nich  galiop  nn  man  en  rechten  sagten  draf, 
Sfifs  schmit  en  Post-Peer d  ohk  wol  sienen  Rüter  af. 

Dei  K5nje  h&tt  vorerst  dem  Post-Amt  anbefohlen, 
Dat  alle  dei  5hm  deint  dei  Ordnung  schollen  hohlen, 
Dei  Post  manht  Dag  yor  Dag  in  6hren  Schwange  gähn, 
Sfifs  kan  dei  Handel  jo  nn  Wandel  nich  bestahn. 

En  Postknecht  jaget  wol  tan  wielen  for  Cnreier, 
ün  drinket  ohk  dabie  en  Gl/lsken  Wien  nn  Beier 
Canreiers  maket  sek  dei  Wege  sfilfst  bekand, 
Dei  maisten  gabt  van  hier  nah  Holl-  nn  Engeland. 

Yeel  mühtet  ohk  nah  Wien,  Barlien  nn  Kassel  jagen, 
Dahen  tau  jagen  mögt'  ek  mienes  Dehls  nich  wagen 

Man  manht  bie   düstrer  Nacht  d5rch   Wälder,   Barg'   nn  Dahl. 

Dat  mangen  Postknecht  bringt  bie  Nacht*  in  Angst  nn  Qnahl. 

In  Norden  gaiht  en  Weg  den  will  ek  nich  verhelen, 

Jie  werd,  wen  jie  mek  höhrt,  den  Weg  wol  sülfst  erwehlen, 

Drnp  ifs  nein  Barg  nein  Dahl  van  hier  bet  Haar  borg  tan 

Ja  Biee  Jie  dahen,  befinne  Jie  5t  san. 

Nah  Haarborg  heff  ek  sülfst  all  mangen  Bitt  gewaget, 

Dei  Ritte  helfet  mek  ohk  allemahl  behaget, 

Wen  Jie  daer  kohrot,  sau  geft  den  Wachten  en  ganht  Wohrt, 
Sau  kohme  Jie  int  Dohr  nn  up  der  Raise  fort. 

Wen  Jie  dat  nohmt  in  acht  sau  helfe  jie  tau  hopen, 
Dat  den  dat  Dohr  vor  jftk  in  Haarborg  willig  open, 
Daer  rauhet  den  man  übt,  wen  Haarborg  jök  gefült, 
Bet  dat  en  Schep  vor  jok  nach  Hamborg  ifs  bestelt. 

Dei  schlünig  will  van  daer  nah  Hamborg  over  fahren, 
Dei  mauht  nich  Kmsenbnsch,  nich  Rngenbarg  berühren, 
Föhrt  dorch  den  Raiger-Stieg  un  durch  dat  lange  Lok, 
Daer  kan  jok  overall  nich  hinnern  Stok  noch  Blök. 

Jie  hefft  Heer  Brogam  nn  mit  wainigen  vernomen, 
Wo  jie  dorch  Haarborg  kohnt  nah  Hamborg  ielig  komen, 
Heer  Brüht  erinnert  5hn  man  allemahl  daran 
Un  glofet  dat  Hei  Sek  den  nich  verirren  kan. 

Meck  dünkt  jie  Baide  wilt  in  Post-  nn  solken  Saken 
Dei  n5hdig  sind  tonr  Post  nn  Kumpaniee  maken, 

Dat  ifs  jük  baiden  gauht,  drum  segg'  ek  baiden  frie, 
Wat  jie  beschloten  helft  daer  bliefet  baide  bie. 

Ntoderdeatsohes  Jahrbach  XXXV.  g 


114 

Ek  wfinsche  baiden  Glfik  dartau  nn  Goddes  Segen, 

Glük,  Inter,  Inter  Glük  np  Wegen  an  np  Stegen 
Da  jie  man  gabt  an  staht,  dat  jie  bie  jner  Post 
En  anner  Spiesen  mögt  mit  seüter  Scbnafel*Ko8t. 

Son  ward  dei  Schnellische  mit  jok  erfraiet  weren, 

Un  re Ahmen  jaen  Fliet  tou  jner  Last  obk  Ehren 
Un  hohpt  darnp  van  jc^k  gewAnigliken  Lohn 
Wen  sei  jÄk  bringen  werd  en  leifen  Ifitjen  8obn. 

Jie  m/^htet  baider  Siets  jok  ohk  dahen  bestrafen, 

Dat  wie  m6gt  alltemahl  mit  Jok  dei  Tied  erlefen, 
Dat  doch  davan  Bewiefs  up  Edemnndes  Dag, 
Soa  ifs  dei  rechte  Tied,  ant  Licht  jo  komen  mag.     Amen. 

Hochzeit  Grapen  /  Droste.    Hannover  1726. 

Dei  Gelfsene  Koopenschop  Ennes  liuhren  Dei  hei  Tau  Marcke 
brochte  Up  dat  Grupen-i)  Un  Drostenscke  Hochtieds-Fest 
[22.  Januar].  Worinne  Tom  grauten  Dancke  Vor  veel  Gaues  In 
ennen  Misch-Masch  van  Riemen  Gratuleiret  En  Buhre  In  Harmsen 
Huse  tor  Horst.     Hannaurer,    gedruckt    by   Ludolph  Heynen.     1726. 

WAt  is  et  doch  san  schlimm  nm  ennen  armen  Bahren 

Hei  kohme  wo  hei  will  san  ward  hei  doch  ehrAht, 

Dat  dfit  nich  anners  is,  dat  löfFt  man:  wann  by  Schahren 

Hei  nah  der  Stadt  eer  sAfs  na^m  annern  Ohre  tAht. 

Eck  fönrde  mahl  naV  Stadt,  an  hadde  Korn  tan  koope, 

Ja  eck  verkofft  et  ock  mee  tehmlicken  Pranfit, 

Un  dachte:  Na  da  hast  saa  dühr  verkofft,  saa  loope 

In't  erste  KrAnger  Haefs,  wyl  daVt  noch  Dages  Tied. 

Kaem  hadd'  eck  mienen  Fant  in't  Krftnger  Haefs  esettet, 

Un  woll  tor  lincken  Hand  in  ohre  Domsen  gähn; 

San  h5rd'  eck  en  geraap:  kohmt,  kohmet,  helpet,  reddet. 

Eck  krieg'  hier  san  veel  Schliig:',  eck  kau  et  nicb  ahtstahn. 

Eck  leip  san  hastig  hen  nn  wol  ohm  Hiilpe  gewen; 

Mans  eck  kam  owel  an,  sei  fallen  stracks  np  meck. 

Eck  reip:  Wat  schall  dat  syn?  Laht  meck  doch  byem  Lewen. 

Sei  kehrden  seck  an  nicks,  sei  schmeiten  meck  im  T)r — . 

Up  sanen  graaten  Lärm,  kam  glieck  dei  Wachte  loopen, 

Dei  was  nich  wiet  darvan,  dei  neihmen  fisch  mee  fohrt: 

Sey  brühden  üsch  san  veel,  sei  wollen  üsch  verkoopen 

By  dei  Soldaterie.     Wie  sprocken  nich  en  Wohrt. 

Eck  dacht  in  mienem  Sinn,  dat  het:  laht  diene  NAsen 

Übt  allen  Leckem  weg,  da't  wat  tan  schnawen  giift. 

Ol  Wfthr  eck  nämmermehr  in  dufsem  Hnese  wesen. 


^)  Christian  Ulrich  Grupen,  im  Juni  1692  zu  Harburg  geboren,  erhielt 
seine  Schulbildung  auf  der  Martinsschule  zu  Brannschweig,  studierte  in  Rostock 
und  Jena,  Hess  sich  1715  als  Advokat  in  Hannover  nieder  und  wurde  1719  zum 
Syndikus  und  am  11.  August  1725  einstimmig  zum  Bürgermeister  der  Altstadt 
Hannover  gewählt.  Dieses  Amt  bekleidete  er  über  40  Jahre  und  entfaltete  eine 
hervorragende  Tätigkeit,  da  er  auch  als  Schriftsteller  hervortrat.  Er  starb  hoch- 
geachtet am  10.  Mai  1767  in  Hannover. 


115 


San  bedd*  et  keine  Nantb,  dat  man  meck  hier  her  driift 

Um'n  lüttick  mf)8ten  wie  tan  hoop  nah*m  Heerens  kohmen 

Dei  Mugen  meck  nn  erst:  Wo  dat  w^hr  tau  egahn. 

Eck  seh,  eck  wAst  et  nich,  dat  hedd*  eck  wol  Ternohroen 

Dat  sej  tan  Marcke  hefft,  np  enner  Stidde  stahn. 

Eck  hedd'  man  redden  wolt,  sfifs  hedd*  eck  uicks  verseihen, 

Un  bat:  sey  möchten  doch  meck  wedder  labten  lanfs: 

Do  sprack  en  ahrig  Mann;  Wiel  dat  et  is  escheibcn 

San  gab,  un  sy  nicb  mehr  noch  eis  sau^n  dumme  Chrnfs. 

Weist  du  nicht  was  aldort  by'm  Wiesen  Manne  stehet: 

Du  mische  dich  ja  nicht  in  frembde  H&ndel  ein; 

Sonst  wer  da  alletied,  nach  ünglfick  sfilfifest  gehet, 

Der  kan  ohn  Schaden  nicb  sien  Hfiescken  wedder  seybn. 

Eck  dancke  vor  düt  mahl,  mien  leiife  schmucke  Heere, 

Dat  ji  meck  helft  sau  frie  gemackt  von  den  Yerdrufs. 

Eck  fraug  dar  buhten  tau:  Wei  doch  dei  Heere  w5hre? 

Do  s&h  en  Mann  tau  meck,  hei  heite  Synnicus 

Eck  kf)nn  wehr  frie  un  franck  in  mienem  Dörpe  wohnen. 

Eck  gienck  nah  mienem  Wieff,  un  ock  in  mien  Gelacb. 

Dei  annern  mosten  do  den  Pieper  beter  lohnen, 

Dei  selten  hen  sau  lang  tom  annern  Marckde  Dag. 

Nah  langer  tied  hadd'  eck  eis  Gäuse  hen  tau  bringen 

Na'r  Stadt,  alwo  dat  Qeld  vor  Gänse  tehmlick  graut; 

Vor  fette  G&use  mftst  en  Gi^llen  flmmer  springen 

Von  mann'gen  dei  nicb  hat  tor  Tied  en  betjen  Braut. 

Meck  wurren  affekofft,  up  eis  3  fette  G&use, 

Da  m5st  eck  sfilwest  mit  nah  der  Betahlung  gähn: 

Mans  as  eck  kam  int  Hnefs,  do  was  en  Wieff  sau  bäuse 

Un  leit  meck  aubne  Qeld  up  6hrer  Dehle  stahn. 

Eck  dachte,  teuff  du  maus,  eck  wil  deck  anners  fabten: 

Gefift  miene  GSuse  her!     Weg  waren  sei  tau  hoop. 

Eck  leip  as  dooif  un  blind,  d<Sr  grout  un  Ifltje  Strabten, 

Und  fraug  nahm  Synnicus  dem  woll  eck  düasen  koop 

Uth  mienes  Hartens-Grund,  warentigen  Verteilen, 

Kein  Minscke  wüste  wat  von  dftssem  Synnicus: 

Sei  sähen  alltaumabl,  dei  Kock  mee  sammt  der  Kellen: 

Dfit  is  sfint  Middag  all  en  Börgemester  Huefs. 

Sei  sSben:  wenn  du  wult  nah  siener  Leivsten  gaben, 

Vielichte  is  bei  dabr,  da  du  Öhm  sprecken  most, 

Ol  hat  bei  enne  Brnbt?  sau  mag  eck  hier  nicb  staben 

Was  miene  Antwoi|rt  drup;  Denn  hat  hei  beter  Lust 

Meck  Recht  in  miener  Sabck  nppt  allerbest  tau  gewen. 

Eck  sprunck  as'n  Hartze-Bock  nar  Brüht  obr'm  Huese  tau. 

0!  wat  en  sk5nne  Minsk,  eck  beff  in  mienem  Lewen 

Nicb  sau  wat  Gladdes  seihn,  eck  wort  recht  angst  un  flaub. 

Doch  faet  eck  meck  en  Hart  un  fraug  nah*m  Ober-Fester? 

Drup  kam  dei  gladde  Mann  tan  meck  beruhte  gabn. 

Un  sah:  wat  will  ji  Mann?     Ich  bin  der  Bfirgemester. 

0!  sau  vergefftet  meck,  eck  heffet  nich  verstabn. 

Tau  erst  wünsch'  eck  veel  Glück  dat  ji  tom  B5rgemester 

In  düsser  Stadt  emackt.     GOtt  labt  jöck  veele  Jahr, 

As  jenem  oblen  Mann,  meck  dfinckt  bei  heite  Nester 


8* 


116 

Ock  sau  yeel  Jahre  seihn.     San  is  mien  wünschen  klar. 

Ick  he£Fe  hier  verkofft  np  eis  drei  fette  G&nse 

Dat  sint  twei  Dahler  mans  dämm  bedreigt  sei  meck, 

Dat  Wieff  dei  sei  gekofft,  dei  was  vertwiewelt  b6se; 

Sei  sah:  tom  Hnefs  hennth,  ji  krieget  uich  en  Dre-. 

Un  alsan  heff  eck  meck  bemeuht,  tan  5hni  tan  kohmen, 

Eck  bidd'  hei  nehm  et  doch  van  meck  san  ^vel  nich. 

Hei  sah:  die  Klage  hefiT  van  jöck  ich  all  vemohmen. 

Sie  soll  bezahlen  ench,  und  dieses  ohne  mich. 

Eck  danck  jn  schmncke  Heer,  dat  ji  meck  Becht  egewen, 

ün  bidd'  hei  segge  meck  doch  sienen  Hochtieds-Dag, 

San  will  eck  ewen  hier,  wenn  eck  blieif  by  em  Lewen 

Meck  wedder  Iahten  seihn,  wenn  eck  et  wagen  mag. 

Mein  Frennd:  was  wolt  ihr  denn  np  disem  Tage  machen? 

Dafd  ihr  san  flietig  fragt?  er  heist  Vincentius  Tag. 

Eck  will  tan  Marcke  hier  wat  bringen,  ji  schalt  lachen 

Wenn  ji  et  seihen  werd.     Adjen  tain  dnsend  Fach. 

Eck  kreg  hiernp  mien  Geld,  by  Heller  un  by  Penje, 

Un  fänrde  Ogenblicks  nah  uhsem  D5rpe  tan. 

Eck  kam  san  dra  nich  in,  eck  leip  nah  uhsem  Hei^e, 

Un  bat  fjhm  glieck  um  Rath,  op  miene  melcke  Kanh 

Eer  Schwiene,  Fedder-Veih,  eck  schul  tau  Marcke  bringen, 

Dei  B(^rgemester  wull  sien  Hochtieds-Dag  begahn, 

Un  eck  yersprocken  heff,  van  veelen  grauten  Dingen 

Tau  bringen  np  et  Marckt.     Labt  meck  nich  kahl  bestahn. 

Hei  s&h:  mien  leiife  Mann!  wat  will  ji  da  mee  macken, 

Sei  nehmet  kein  geschenck  eer  Gawen  in  5hr  Huefs. 

Doch  meck  falt  noch  wat  by:  könnt  ji  van  Riemen  Sacken 

Wat  dichten,  wiel  et  is  dat  best  by*m  Hochtieds-Schmufs. 

Eck  sah :  en  betjen  wol,  manns  yor'm  enfuld'gen  P5wel, 

Vor  hongeu  Lfihden  bin  eck  nickes  informeirt. 

En  Riem  den  mack  eck  wol,  mans  naem  Buren  Stewel, 

Von  granten  Wohren  heff  eck  nickes  nich  elehrt. 

Dat  is  allgaut,  s&h  hei,  den  dyt  kan  granten  Heeren 

Tom  Tiedyerdrieffe  sien,  drum  settet  jfick  mans  dahl, 

Un  macket  wat  daher,  un  Iaht  juck  nich  verst5hren. 

Et  sy  rechts  oder  lincks,  et  stahe  schön  eer  kahl. 

Eck  schreeff  en  betjen  hen,  et  was  en  Leiyd  up*t  beste: 

Eck  mack'de  dei  Meldie  ock  recht  na'm  Buren  Stoff, 

Herr  Br6gam,  Junffer  Brüht,  ja  alle  Hochtieds  Gäste, 

Hört  tau  is't  recht  emackt,  sau  geff  Ji  mack  dat  Loff. 

Cantata. 
Arioso.     Spelt  lustig  Viaulen,  speit  lustig  Hauboien. 

Spelt  lustig  ton  hoope  un  singet  mee  fliet: 
Becit.     Wiel  dat  dei  Hochtiet  hfit 

Des  Borgemesters  is, 

Sau  Iahtet  juck  noch  einmahl  hören. 

Den  Bröddigam,  der  Brüht,  un  allen  Gästen  tau  ehren, 

Wat  denn?  dat  erste  webr:  wat  mein  ji  sfifs? 
Arioso.     Speelt  lustig  Viaulen,  speit  lustig  Hauboien, 

Speelt  lustig  tau  hoope  un  singet  mee  flieth. 


117 

Aria. 
Fr&ndig  tan  dem  Hocbtiedts-Feste. 
Himmel  giff  ock  dienen  Willen, 

Tan  dem  Paare. 

Veele  Jahre 
Mühten  sei  dei  Leiffte  stillen; 
Denn  düt  is  dat  allerbeste.     Da  Gapo. 

Becit. 
Herr  Br5ddigam?  Hei  mant  den  Anfang  maacken, 
ün  drincken  siener  leiffsten  Brnht, 
Am  ersten  tan  vom  besten  Saacken, 
Dei  Beven-Stamm  nnt't  Fat  is  noch  nich  nht; 
Drum  sprecken  ock  dei  hohgen  Gäste: 
Arioso.  Frändig  tan  dem  Hochtieds-Feste. 

Becit  Wo  sitt  Ji  Jnnffer  Brüht  sau  stille, 

Eck  weit  doch  dat  et  is  Ju  Wille; 
Drum  labtet  Juck  as  nht  en  frischen  Fat  antappen. 
Dei  Tied  kamt  ock  Ji  m6htet  nnner  kappen, 
Jfick  labten  Morgen  seihen. 
Un  wat  schort  den  ock  wesen? 
Ji  sind  jo  längst,  von  obm  all  übt  elesen. 
Arioso.        Hei  is  dei  Börgemester,  Ji  siene  Caemmerinn, 
Un  Hei  sitt  bowen,  Ji  heuet  unner  in. 
Eck  weit  Sei  denckt:  Ja  ja  et  is  escheiben. 

Aria. 
Lütcke  Deeren  sy  nich  bl5de 
Dencke  dat  et  maut  sau  sien. 
Mancher  maut  by  jungen  Dagen 
Seck  mit  ohlen  Junffern  plagen 

Wor'n  sei't  man  sau  w§r  et  fien; 
Awerst  wainlg  sind  tor  Stede.     Da  Capo. 

Becit. 
Herr  Br6ddigam!     Ji  hefft  nich  bebter  rahmen  kennen. 
Dei  Brüht  is  Jfick  tor  Hand  ewussen. 

Man  kan  sey  noch 

Mit  allem  Bechte  nennen 

En  reine  Junffer,  doch 

Dit  sind  maus  Füssen 

Denn  hüt*ges  Dages  ward  da  nicks  mehr  van  eboblen, 

Bald  hat  sey  düs  un  dei  der  Junffer  äff  estohlen. 

Holt  in!  un  schwieg  van  dnsseu  Saacken, 

Du  most  den  Brogam  unner  Brüht  noch  ennes  maacken. 

Aria. 
Lange  leeff  dei  Borgemester, 

Mit  siener  alierleiffsten  Brüht. 
Alle  wat  man  Unglflck  nennet, 
Un  vor  Böse  wart  ekennet, 

Gab  von  dfissem  Paare  uht     Da  Capo. 


118 

Becit. 
Eck  hoop  ock  alle,  ja  alle  dei  hier  sind. 
Wehrt  mit  meck  ennes  Sinnes  sien, 
Hei  heite  Mann,  Frue  oder  Kind, 
Sei  wehret  alle  schrien. 

Arioso. 
Lange  leff  dei  Borgemester, 
Mit  siener  allerleifsten  Brnht. 

Becit. 
Ün  wie,  dei  wie  üsch  nennt  van  Masicanten, 
Dei  enne  mee  der  Fnest,  dei  anner  mee  dei  Kehle, 

Un  alle  dei  man  kennt, 

Vor  Musicalsche  Anverwandten. 

Dei  wehret  ohne  Fehle 

Mee  gantz  Hannanver  raupen. 

Aria  Tutti. 
Dei  beiden  Borgemesters  schollt  grennen  uu  bleahen, 

Tom  Nutzen  d&sser  gantzen  Stadt. 

OOtt  gewe  sienen  Seegen, 

Up  allen  5hren  Wegen: 
Dem  Bechte  gewen  sei  dat  Becht; 
Hei  heete  Herr,  Frue  oder  Knecht: 
Sei  achten  nich  6hr  Drenen, 

Van  dehm  dei  Unrecht  hat.     Da  Capo. 

Hochzeit  v.  Ullmann  /  Lestoqae,  1726. 

Blaumen-Struefs,  Dei  up  des  (S.  T.)  Hn.  van  Ulimanns  ün 
der  (S.  T.)  Mamsell  Lestocks  Lustigen  Hochtiets- Feste,  Dat  den 
föfften  May-dag  des  seebentain  hunnert  söfs  un  twintigsten  Jahres 
in  Hannauver  vullentogen  word,  In  Baider  Verlaifeten  Hannen  van 
einem  Garen-Frunne  bemarcket  word.     Gedrückt  im  Jahr  1726. 

Tiet  mienes  Levens  hev  eck  Lust  tom  Oaren  hat, 

Is  glieck  dei  Arvait  offt  mit  Meu  un  Schweet  verhunnen, 

Wenn  üsch  dei  Sunne  steckt  hy  Sommer  heiten  Stunnen, 

Ock  wenn  en  Regen  Schuer  Asch  maket  pütte  nat; 

Sau  hev  eck  doch  dahy  mien  üterste  Behagen,  ' 

Wenn  miene  Feller  hläumt,  un  mieue  B5me  dragen. 

Un  wat  is  in  der  Welt,  wat  mehr  vergneugen  kau? 

As  wenn  man  upstund  s&ht,  wy  seck  dei  Primeln  brüstet, 

Man  find  Aurikulen,  dat  Asch  dat  Harte  lüstet, 

Man  drept  dei  Hiacinth  mit  schönsten  Klocken  an; 

Un  dei  Schonkiljen  hefft,  dei  pleget  ore  Ni\sen, 

Thei  Tulken  komet  ock  nagrad  tau  oreu  Wäsen. 

Wo  konn  et  my  denn  wol  anitzo  möglick  sien, 

Dat  eck  scholl  in  der  Still  in  mienem  Huse  blieven? 

Ne!  eck  weit  miene  Tied  veel  beeter  tau  verdrieven, 

Wenn  eck  naen  Garen  gab,  da  alles  h&bsch  un  fien 

In  guer  Omung  staiht;  un  wo  eck  dat  kau  finnen, 


119 

Wat  meck  erfreuen  kan  nn  miene  seven  Sinnen. 

Doch  ae  eck  letzt  darin  by  mienem  Spaijes  was, 

Un  tanr  Verniernng  had  en  8ch5n  Gerichte  stUkeu, 

Legt  eck  my  schl&prig  hen  an  enner  greunen  H&ken, 

Da  dr&m  my,  as  wenn  eck  düt  nt  der  Tiednng  lafs; 

Dei  Mamsell  Lestocks  woll  Seck  n&chstens  laten  tmen, 

ün  Herr  van  Ullmaun  neim  Sei  an  tau  siener  Fruen. 

Glieck  kam  eck  tau  my  sülvst,  un  leip  na  Lestocks  Hnefs, 

Da  was  sau  olt  as  jung  geschäfftig  uptauflien, 

Dat  witte  Linnen-Tftg.     Eck  dacht,  düt  ward  bedflen, 

Dat  wy  mit  ehsten  he£ft  en  fixen  Hochtiets-Schmuefs. 

Eck  teng  ock  mit  der  Brut  yan  mienen  Drom  tau  kören, 

Alleen  Sei  stelle  seck,  as  woll  Sei  nicks  van  boren, 

Nahero  kam  et  ut,  dat  up  den  hfltgen  Dag 

Dei  Mamsell  Lestocks  woll  den  Junfern-Stand  y  er  laten, 

Dat  Herr  yan  Uli  mann  Sei  as  Leiffste  wor  umfaten, 

Da  Word  np  einmahl  my  dat  Hart  im  Lieye  wach, 

Un  as  mien  yorge  Drom  was  richtig  innedropen, 

Sau  machte  eck  my  np,  un  woll  naen  Garen  lopen. 

Indehm  dei  Mamsell  Brut  en  Fründ  yan  Blaumen  is, 

Sau  mein  eck.  Sei  k5nn  my  dat  nimmermehr  yerdencken. 

Wenn  eck  en  schönen  Struefs  tau  obren  Putz  wör  schencken. 

Doch  eck  besunt  my  glieck;  denn  eck  wüst  all  tau  wis, 

Dat  Brut  un  Brödigam  schon  betre  Sakeu  bädden, 

As  eck  nich  leffern  kan  yan  mienen  Blaumen-Bedden. 

Dei  Brut  htU  Ogen-Trost  an  obrem  leiyen  Schatz, 

Un  kan  mit  Öyermaat  dei  besten  Blaumen  brdken, 

Un  Hei,  Herr  Brödigam,  werd  düt  ock  nich  yers&ken, 

Dat  Siene  Brut  Öhm  schenckt  den  besten  Garen-Platz; 

Sei  is  Sien  Blaumen  Stock,  dei  nich  is  tau  yergliecken, 

Undehm  dei  Lilien  un  Rausen  mutet  wiecken. 

Doch  will  Hei  ock  darvan  im  Winter  Früchte  seihn, 

Sau  maut  Hei  noch  jetzund  Öhn  int  Gewächs-Huefs  föbren, 

Damit  kein  Kacht-Frost  mag  den  schönen  Stock  yersebren, 

Alleen  wat  sorge  eck:  düt  werd  ohndem  wol  schein. 

Dei  grote  Gürner  mag  indessen  Sei  beheuen. 

Damit  Sei  Beidersiets  könt  yeele  Jahre  bleuen. 

Hochzeit  Mayer  /  Ueilmann.    Hannover  1726. 

Kortzwilig  Tied-verdrief,  Worre  maket,  As  Herr  Mayer  ün 
Junfer  Heilmanns  wurreii  Mann  un  Wief,  Uppesettet  Van  ennen 
Dei  sek  en  Naber  hait,  ün  sülvst  dat  Drucken  dait.  Hannauver, 
Anno  1726. 

Yeel  glucks  Herr  Broddigam  taur  fnnckel  nien  Brüht, 
Wo  kumtet  dat  Ji  seiht  up  hüt  sau  schnicker  übt, 
Dat  macket  wiel  Ji  kriegt  en  gladde  schmucke  Dehren, 
Dei  seck  in  Huese  weit  tau  wennen  un  tau  kehren; 
Ji  sind  nich  dumme  west  bi  dfisser  Frierie, 
Un  wetet  ganfs  gewifs  dat  Sei  Jiick  nütte  sie. 
Ji  schlecken  offt  henin  nah  Juer  Brüht  Qnarteir, 


120 

Eck  dacht  wat  dait  bei  dahr  drinckt  hei  wohr  en  glafs  Beir? 

In  dflsser  Meinang  wohrt  eck  lange  Tied  ebrüet, 

Doch  h5rde  eck  taulest  wo  na  dei  Klocke  liiet, 

Dat  Junfer  Heilmanns  Hei  kreg  tan  sien  Tiedverdrief, 

Wiel  Hei  nlch  leven  k5nn  in  Hnese  one  Wief. 

Denn  dat  verstait  man  wol  en  Mann  dei  one  Frn'n 

Dei  draf  nich  Knecht  un  Magd  in  sienen  Huese  tru'n, 

Ji  heffet  jo  dat  Haes  an  ock  noch  wackre  Tellers, 

Dartaa  krieg  Ji  na  ock  dei  Braht  an  brave  Hellers, 

Dei  wart  wol  achtnng  dann  ap  6hre  Magd  an  Knecht 

San  dat  et  alle  gaiht  in  Haese  lieck  an  recht. 

Ji  sind  Herr  Brögamm  na  vergneaget  an  cantant, 

Ji  nehmet  Jae  Braht  bi  6hrer  schmacken  Hand, 

Ji  danzet  in  dei  qaer  mit  allen  Jnen  GSsten, 

Bet  dat  Ji  gabt  taa  Bedd  darin  Ji  jöck  könt  resten, 

Mit  Jaer  nien  Braht,  Ji  schlapt  ap  6hrer  Bost, 

Dat  Ji  ock  eis  probeirt  bi  6hr  dei  Leives-Kost 

Hefi  Ji  den  ahte  raaht  bet  an  dat  helle  Locht, 

San  hat  den  al  verspeelt  dei  Braht  f)hr  Janfer- Recht, 

Drap  ward  Sei  titaleirt  Früh  Mayern  gnden  Morgen, 

Dei  Lfie  fragt  op  Ji  noch  sind  val  Lei ves -Sorgen, 

Doch  nee!    Ji  hefit  na  dat  wornah  Ji  lange  stahn, 

Un  k5nt  na  alle  Nacht  mit  ohr  taa  Bedde  gähn. 

Eck  wünsch  Herr  Brögam  Juck  ock  na  taa  gaer  lest, 

Dat  Ji  erlevet  bal  dat  Kinnerdope-Fest, 

Un  Oodd  mag  alletied  den  Segen  bi  Juck  baen, 

Veel  Glück  in  Jaen  Hues,  veel  Glück  taa  Jaen  Braeu, 

San  dat  Ji  ohlt  an  kohlt  taa  hoope  weren  mögt, 

Bet  dat  Ji  noch  erlevt  dat  Kinnes  Kinuer  sogt. 

Hochzeit  Werlhof  /  Plohi e.    Hannover  1726. 

As  dei  Heer  Docter  Werlhof i),  Mit  siener  harten  leifen 
Brüht  Der  Junfer  Plohren  Hochtied  hohlen  wolle,  Begaf  6t  seck, 
dat  Hans  un  Caurd  twey  Calcnbargische  Eueren,  darover  tau  sprecken 
kaihmen,  Welcke  Schnackerie  dann  uht  Öhren  Mühle  nah  geschreven 
hätt,  En  deger  true  Fründ  dei  glieckwoU  nein  Euer  is,  Van  Taubolske 
uht  Seiberien  dei  efen  darup  tau  kam,  afs  dütt  geköddert  word. 
Gedrückt  tau  Bocksdehusen  2)  uper  Klappermöhlen.     1726. 

C    Hans  wo  denckstn  hen  tau,  wat  sali  dat  na  bed&en 
Dat  da  saa  protschen  kamst  ap  dienen  Peere  rien? 
H,     Bym  Docter  Warlhof  will  eck  böte  meck  anmellen: 
Sali  eck  by  dflssen  Mann  vor  deck  ohck  wat  bestellen? 
San  segg'  ot  glieck  herraht. 


1)  Paul  Gottlieb  Werlhof  wurde  am  24.  März  1699  in  Helmstedt  geboren. 
Nachdem  er  Medizin  studiert  hatte,  Hess  er  sich  in  Peine  als  Arzt  nieder,  siedelte 
1725  nach  Hannover  über,  trat  in  die  Praxis  des  verstorbenen  Arztes  Joh.  Andreas 
Plohr  und  heiratete  dessen  Tochter.  Auf  diese  in  Hannover  gefeierte  Hochzeit 
ist  das  obige  Gedicht  angefertigt.  P.  G.  Werlhof  starb  als  berühmter  Arzt  den 
26.  Juli  1767. 

>)  Buxtehude. 


121 


G.  Eck  wilt  jo  nftmmer  hopen 

Dat  da  all  wedder  hast  den  Balg  tan  yall  esopen, 
Un  hei  deck  nn  davor  wat  sali  tau  br&ken  gefen, 
Da  sfihst  meck  nich  gaaht  aht  da  warst  nich  lange  lefen; 
Denn  ifst  mit  deck  gedahn,  drnm  schone  deck  en  betten 
Sei  gaht  sAfs  mit  deck  fort  an  ifs  dei  Kese  getten. 

K    Dat  hört  hier  jo  nich  her:  dan  da  wat  deck  befohlen 
Da  hast  nich  n5dig  meck  dat  Snpen  vor  tan  hohlen; 
Meck  dfinckt  Sei  brnket  nich  den  Finger  deck  tan  beihen, 
Da  kanst  ohn  den  ohk  woll  dei  Kannen  leddig  teihen. 
Meck  wannert  dat  da  magst  saa  in  dat  Tüeg  hen  spreken, 
Dei  Dohd  kan  deck  saa  ball  afs  meck  den  HaU  tan  breken. 
Wann  Tiedt  an  Stonne  kamt,  saa  möte  wy  tomahlen, 
Hei  sieh  ohlt  oder  janck  dei  ohle  Schnld  betahlen; 
Eck  hebbe  neine  Tied  mit  deck  hier  mehr  tan  k5hren, 
Damm  gab'  öt  deck  woll  an  Iaht  meck  na  gewehren^). 

C.    Hans  höre  noch  en  Wort:  warst  da  den  glieck  saa  böse 
Woll  dat  daahn  will  dei  manht  hen  lopen  manck  dei  Q6se. 
Stieg  doch  en  betten  af  öt  fängt  erst  an  tan  dagen, 
Labt  ösch  hier  sitten  gähn  an  d&ssen  dicken  Hagen, 
W'ie  wilt  den  Brennewien  tan  sahmen  erst  vertehren, 
Eck  weit  woll  dat  man  plegt  daer  driestig  nah  tan  köhren, 
Dei  Finckeljochen  ifs  tau  Qaälenborge  braet 
Oet  ifs  nein  Lnrribam  davor  den  L&hen  grnet: 
Prost  öt  gelt  deck  eis  hier  aht  düsser  tennen  Flaschen, 
Dei  Stack  eck  h&te  frea  by  meck  in  miene  Taschen. 
Na  segge  meck  doch  wat  van  dienen  annern  Saken, 
Wat  wnlta  in  der  Stadt  bym  Docter  Warlhoff  maken? 
Ifs  diene  Frn  wohr  krauck  dat  da  h&st  mit  öhr  kefen, 
£f  hasta  sfifs  öhr  wohr  wat  am  dei  Bibben  gefen? 
Dat  da  sei  brahn  an  blag  hast  ganfs  tan  nichte  schlagen. 
Eck  weit  dat  da  deck  maast  jo  altied  mit  öhr  plagen 
Dei  Wifer  intgemeln  dei  hoffet  böse  Koppe, 
Oet  giffter  mannigmahl  verdüfelte  Gelöppe. 

H.     Dei  Docter  W^arlhoff  ifs  en  Bröddigame  woren, 
Hei  krigt  tan  siener  Fra  dei  ölste  Janfer  Plohren, 
Un  hüte  ifs  dei  Dag  dat  Sei  wilt  lastig  lefen, 
Denn  hei  will  seck  dei  Brnht  taar  Fraen  laten  gefen. 
Na  hlitt  meck  dusse  Mann,  dat  eck  öt  deck  gestahe, 
San  mannigmahl  edeint  mit  sienen  gaen  Rahe, 
Drnm  will  eck  dusse  Brahn  taar  Hochtiet  öhm  verehren, 
Dat  Sei  mit  gaaen  Manht  Sei  möget  rain  ap  theren; 
En  krnmmen  Lorens  will  eck  öhme  daby  maken, 
San  ball  afs  eck  man  kan  öhm  an  dei  Kante  raken. 

C.     Wo  ifs  dei  Brüht  den  her?  wat  ifs  Sei  vor  ein  Mäken 
WoJl  ifs  Öhr  Vader  west?  Iaht  ösch  hier  wieer  spreken. 

U.     Eck  marcke  woll  dat  da  daer  nicks  hast  vanne  höret, 
Da  vcele  Lfie  doch  van  düsser  Hochtiet  köhret: 
Wann  da  öt  wetten  wult  saa  will  eck  decket  seggen. 
Da  maust  öt  aferst  nich  taum  argen  meck  übt  leggen. 


')  Druck:  ungewehren. 


122 


Oehr  Vader  was  en  Mann  dei  wainig  sienes  glieken, 

Oet  mochten  ohn,  sau  woU  dei  Armen,  afs  dei  Rieken, 

Wenn  5hnen  schahe  wat,  san  hartlick  geren  bniken, 

Wat  hei  yerschreif  dat  was  uht  ener  gnen  Kruken. 

Eck  wönsche  meck  dat  eck  in  miener  Taschen  hedde, 

San  mangen  Güllen  afs  hei  von  den  krancken  Bedde 

Dei  Lue  hnlpeu  hätt:  Watt  hedd'  eck  denn  tau  sorgen 

Un  eck  woll  lange  nich  dat  dfihre  Koren  borgen. 

Blanmharte  dfisse  Mann  dei  hadde  Darm*  in  Koppe, 

Oet  ginck  6hm  lang  nich  san  afs  mangen  Duven-Koppe, 

Dei  seck  dei  Tähne  stump  erst  ilppen  Feddern  kauet, 

Un  ehr  hei  schrifft  en  Wort  seck  achtern  Ohren  klauet, 

Un  helpt  denn  doch  sau  veel  afst  f5ffte  Rad  am  Wagen: 

Dei  Lfle  leiten  woll  dat  Tüeg  uht  obren  Magen. 

Hei  maket  ohck  nich  afs  woll  dei  Bedreigers  pleget, 

Dei  man  den  armen  Lfih'n  dei  Kist  un  Budels  feget, 

Dat  Geld  leiht  hei  seck  ohck  nich  vor  herruht  betahlen 

Afs  veele  s&fs  woll  dauht:  dei  Henger  werd  sei  halen. 

Oet  was  6hm  gliecke  veel  ef  hei  kreig  enen  Gfillen, 

Wann  hei  man  sag  davor  der  Liie  g^^en  Willen. 

Hei  gaf  nein  Zettel  uht  wen  hei  had*  all  caureiret, 

Glf)f  du  et  meck  man  tan  dei  Mann  was  nich  tresseiret, 

Un  glieckwoll  hiUt  hei  doch  en  ehrlicks  nahe  Iahten, 

Dat  sienen  Kiunem  nu  ward  kohmen  woll  tau  bähten: 

Wenn  eck  en  Güllen  6hm  up  sienen  Disch  woll  leggen 

Sau  si'ih  hei:  Wat  will  Jie  mit  Juen  Gelle  seggen, 

Dat  nehmet  wedder  heu  un  gäbet  nah  der  Schencke. 

Wenn  eck  au  düssen  Mann  un  s61cke  Wohre  dencke, 

Sau  puppert  meck  dat  Hart:  <'>t  staiht  nich  uht  tau  seggen 

Dat  hei  sau  freu  seck  most  int  kohle  Graift  hen  leggen; 

Doch  dat  ifs  use  Trost  dat  wie  hefft  wedder  funuen, 

Wat  mit  den  Docter  Plohr  up  enmahl  was  verschwunnen, 

Dei  junge  Docter  ward  up  düssen  Ohlen  abren, 

Ifs  hei  glieck  noch  wat  junck  hätt  hei  doch  vell  erfahren. 

Du  warst  noch  Wunner  seihu  wenn  6hn  dei  Lüh'  erst  kennet 

Wo  dat  sei  hupens  wies  nah  6hme  seck  tau  rennet. 

Dei  Fründlickeit  süht  jo  den  Manne  uht  den  Ogen, 

Oet  werd  dei  Junfer-Bruht  mit  ohme  nich  betrogen^) 

Afs  Sei  tausahmen  man  en  W6rcken  hadden  sprocken, 

Do  tohg  dei  Leifde  seck  glieck  hen  in  6hre  Knoken, 

Sei  w6hren  up  enmahl  tau  sahmen  Schammereiret 

Eck  wait  woll  wo  dat  gaiht;  Eck  helfet  ohk  praubeiret, 

Un  wait  woll  wo  dem  ifs  by  solcken  Warck  tau  sinne, 

Afs  eck  man  miene  Brüht  greip  heu  na  obren  Kinne, 

Do  was  mien  Harte  meck  afs  wenn  6t  s611e  basten, 

Ja  afs  eck  do  man  woll  en  Spanne  deiper  tasten, 

Do  kon  eck  neine  Lucht  un  neinen  Ahden  bahlen; 

0!  dacht  eck,  du  maust  hier  woll  dat  Gelach  betahlen, 

Gesegt  un  ohk  gedahn,  eck  was  dar  faste  anne, 

Un  w6ret  nigge  scheihn  eck  blefer  noch  nich  vanne. 


*)  Druck:  betogen. 


123 

Wann  nhse  Docier  nich  den  Dinge  yohrekohmen, 
Sau  hadde  siene  Brnht  seck  rainst  all  Tohrenohmen, 
Dat  Sei  np  Lefens-Tied  woU  bliefen  ene  Nnnne, 
Man  afs  dei  Docter  kam,  nn  sprack  nht  hartens  Grnnne 
Mit  5hr  twey  Wohre  man:  do  was  6t  glieck  gescheihen 
Un  Sei  woU  flucks  darnp  do  uht  den  Kloster  telhen. 

C  Woramme  mag  Sei  denn  nich  syn  in  Kloster  blefen? 
Oet  werd  daer  wisse  wohr  nicks  in  tan  frien  gefen? 
Sei  heffet  sfinsten  jo  darinne  gue  Dage, 

K    Myn  leife  Vadder  Canrd  dat  ifs  en  hoge  Frage; 

San  Teel  knmt  5sch  nicb  tan.     Dei  will  na  allen  fragen, 
Dei  ward,  afs  man  san  segt,  ofit  yan  der  Schanle  schlagen. 
Oet  ifs  genang  dat  6hr  dei  Lnsten  annekohmeUi 
Dat  Sei  den  Docter  hätt  tanm  Br5gam  annenohmen; 
Un  düsse  Koep  dei  ward  5hr  nfimmermehr  gerfien, 
Dat  Sei  seck  hätt  erwählt  den  brafen  Mann  tan  frien. 
Wo  werd  dat  Yolck  seck  hfit  tan  springen  nn  tan  kraien, 
Dn  s5st  dei  Brnht  mahl  seihn  wo  Sei  den  Stert  kan  draien, 
Wat  werd  Sei  stiefe  gähn  wo  werd  Sei  seck  tan  putzen, 
Wo  werd  dei  Broddigam  in  sienen  Staat  nich  stutzen 
Den  langen  Halsedanck,  den  heff  eck  wolle  seihen 
Un  ohk  den  nien  Bock  den  hei  will  hflet  anteihen, 
Den  Halsedanck  h^tt  5hm  dei  Jnnfer  Brnht  verairet, 
Afs  hei  den  man  ansag  do  wohrd  hei  gans  verfairet, 
Dei  Mann  mag  woli  gewis  van  groten  Glflcke  seggen. 
Wenn  hei  seck  dfisse  Nacht  by  ohr  ward  unnerleggen: 
Un  damid  brehk  eck  af  van  dflsser  Schuackerie, 
Denn  ot  ifs  hoge  Tied  dat  eck  van  hier  nn  rie. 
Eck  wfinsche  dat  dät  Warck  by  dfissen  gnen  Lden, 
Wann  Sei  tan  Bedde  gaht  wat  nies  mag  bediien, 
Un  dat  Sei  m5gt  en  Leid  uht  solcken  Thone  singen 
Darnp  dei  Schnelsche  plegt  en  lutgen  Sohn  tan  bringen. 

C.     Hanfs  raise  glücklick  hen  nn  stört  nich  mit  den  Peere, 
Oet  ifs  en  bettgen  stieff  dei  ohle  schinner  Meehre. 
Knm  balle  weer  tan  hues,  wornm  eck  deck  den  bidde, 
Un  bringe,  wann  dn  kaust,  en  stftcke  Stuten  midde. 

HANNOVER.  H.  Deiter. 


124 


Über  germanische  Personennamen 

in  Italien. 


Die  romanischen  Schriftsprachen  sind  seit  langer  Zeit  und 
werden  noch  immerfort  nach  germanischen  Bestandteilen  untersucht. 
Weniger  ist  dies  bei  den  romanischen  Mundarten  der  Fall  und  noch 
weniger  bei  den  Personennamen  auf  romanischem  Sprachgebiet.  Auch 
in  diesen  ist  Tiel  germanisches  Sprachgut  enthalten,  dessen  Aufdeckung 
der  Sprachforschung  zu  statten  kommen  kann. 

In  Spanien  sind  heute  noch  Personennamen  wie  Alberich,  Balde- 
rich, Balaguer,  Baldomero,  Flamarich,  Gumersindo,  Guisnard,  keines- 
wegs etwas  seltenes.  In  dieser  ursprünglichen  Gestalt  begegnet  man 
in  Frankreich  und  Italien  den  germanischen  Eigennamen  nicht  häufig. 
Immerhin  kann  man  aber  den  Kern  bald  heraus  finden,  sobald  sich 
der  Blick  für  die  ziemlich  gesetzmässigen  Veränderungen  geschärft  hat. 

Die  in  nachfolgendem  Verzeichnisse  aufgeführten  Personennamen 
sind  in  Italien  gesammelt,  aus  Adressbüchern,  Zeitungen  und  anderen 
Schriftwerken,  gelegentlich  auch  aus  dem  geschäftlichen  Verkehre. 
Die  Beziehungen  zur  niederdeutschen  Sprache  sind  ohne  weiteres 
gegeben,  denn  ein  grosser  Teil  der  Namen  steht  auf  niederdeutscher 
Lautstufe  und  ist  altlangobardischer  Herkunft  aus  einer  Zeit,  die  vor 
der  zweiten  Lautverschiebung  lag.  Dass  daneben  für  eine  Anzahl 
Namen  gotische  u.  a.  Herkunft  in  Frage  kommt,  lässt  sich  weder  be- 
streiten noch  im  Einzelnen  erweisen. 

Es  mag  nicht  überflüssig  sein,  wenn  wir  uns  die  Ereignisse  ver- 
gegenwärtigen, die  die  Beseitigung  der  lateinischen  Namen  im  römischen 
Reiche  und  ihre  Ersetzung  durch  germanische  herbeigeführt  haben. 

Bei  den  Römern  hatte  sich,  im  Gegensatz  zu  den  Griechen, 
schon  früh  die  Mehrnamigkeit  herausgebildet.  Scipio  hiess  mit  vollem 
Namen  Publius  Cornelius  Scipio  Africanus.  Darin  ist  Publius  der 
Rufname  (praenomen),  Cornelius  der  Stammesname  (nomen),  Scipio 
der  Sippenname  (cognomen),  und  Africanus  der  Beiname  (agnomen). 
Dieser  Gebrauch  erhielt  sich  bis  zum  Untergange  des  abendländischen 
Reiches  und  selbst  bis  zur  Vernichtung  der  gotischen  Herrschaft  in 
Italien.  Ja,  es  scheint,  als  ob  der  Aufwand  mit  Namen  noch  in  dem 
Masse  zugenommen  hätte,  wie  das  Elend  und  die  Unfreiheit.  Von 
den  Zeitgenossen  Theoderichs  des  Grossen  heisst  Boetius  mit  vollem 
Namen  Flavius  Anitius  Manlius  Torquatus  Severinus  Boetius  und  der 
volle  Name  Cassiodors,  des  pomphaften  Staatsschreibers  Theoderichs, 
füllt  zwei  Reihen. 


125 

Daneben  waren  gennanische  Namen  im  römischen  Reiche  etwas 
allbekanntes  geworden.  Vom  ersten  christlichen  Jahrhundert  an 
befanden  sich  dauernd  germanische  Besatzungen  im  Lande.  Zwangs- 
weise werden  vom  dritten  Jahrhundert  an  Germanen  in  Italien  an- 
gesiedelt, Alemannen  am  Po,  Goten  und  Taifalen  in  der  Landschaft 
Emilia,  also  lange  bevor  das  gesamte  westgotische  Volk  auf  römisches 
Staatsgebiet  übertrat. 

Germanische  Häuptlinge  wurden  Kriegsobersten  und  Staatsräte 
bei  den  Römern,  und  selbst  unter  den  Kaisern  befand  sich  ein  Gote. 
—  So  hatte  man  sich  also  an  die  Einnamigkeit,  die  sonst  ein  Kenn- 
zeichen der  Knechtschaft  war,  auch  bei  den  Trägem  der  höchsten 
Staatsämter  gewöhnt. 

Der  grauenhafte  zwanzigjährige  Krieg,  mit  dem  die  Herrschaft 
der  Goten  in  Italien  ein  Ende  nahm,  vernichtete  alles,  was  sich  in 
Italien  an  künstlerischer  und  wissenschaftlicher  Betätigung  erhalten 
hatte.  Mailand,  die  grösste  Stadt  im  Lande,  lag  in  Asche.  In  Rom 
befanden  sich  beim  letzten  Einzüge  des  gotischen  Königs  noch  500 
Menschen.  Keine  Stadt,  mit  Ausnahme  von  Ravenna,  die  nicht  von 
den  Kriegesnöten  heimgesucht  gewesen  wäre  und  den  grössten  Teil 
der  Bewohner  eingebüsst  hätte.  Die  Goten  waren  von  den  Griechen 
in  die  Gefangenschaft  geführt  worden,  die  römische  Bevölkerung  von 
Burgundern  und  Franken.  Ein  Teil  der  Goten  war  schon  vor  dem 
Ende  des  Krieges  vertragsmässig  davon  gezogen,  vermutlich  nach 
dem  heutigen  Tirol.  Pest,  Hungersnot  und  die  Roheiten  des  viel- 
sprachigen Kriegsvolkes  hatten  ein  übriges  getan,  sodass  sich  am 
Schlüsse  des  Krieges  schwerlich  mehr  als  eine  Million  Menschen  im 
Lande  befunden  haben. 

Der  Feldbau,  der  schon  jahrhundertelang  die  schwache  Seite 
der  Römer  und  Germanen  gewesen  war,  konnte  infolge  dessen  auch 
bei  gutem  Willen  nicht  ausgiebig  betrieben  werden.  Wo  Gärten  und 
Wohnstätten  gewesen,  schoss  wildes  Gestrüpp  empor  und  gab  den 
wilden  Tieren  Unterschlupf.  Die  Flüsse  traten  ungehindert  aus  den 
Ufern  und  versumpften  das. Land. 

In  dieser  Wüstenei  erschien  14  Jahre  nach  dem  Ende  des 
gotischen  Krieges  das  Volk  der  Langobarden,  verschrieen  als  das 
Roheste  unter  allen  germanischen  Völkern.  Waren  die  Römer  schon 
von  den  Griechen  gedrangsalt,  sodass  sie  Gesandtschaften  auf  Gesandt- 
schaften nach  Bjzanz  schickten  mit  Bitten  und  Drohungen :  „Schützest 
Du  uns  nicht  vor  der  Bosheit  Deiner  Diener,  so  müssen  wir  Hülfe 
bei  den  Fremden  suchen ^^9  so  bekamen  sie  nun  das  bitterste  Brot 
der  Trübsal  zu  kosten.  Denn  die  Langobarden  nahmen  ihnen  alles, 
Habe  und  Freiheit.  Was  bis  dahin  Herr  gewesen  war,  wurde  Aide 
(Metathesis  von  Leod,  Leuten),  d.  h.  in  diesem  Falle  nach  unserer 
Ausdrucksweise  etwa  so  viel  wie  Erbpächter.  Sie  mussten  den  dritten 
Teil  des  Felderträgnisses  den  neuen  Herren  abliefern  und  so  ist  es 
geblieben,  bis  auf  den  heutigen  Tag.     Nur  begnügt  sich  der  italienische 


126 

Grundbesitzer  heute  nicht  mehr  mit  einem  Drittel,  sondeni  verlangt 
und  erhält  die  Hälfte  der  Ernte. 

Von  der  Zeit  an,  da  sich  die  Langobarden  zu  Herren  im  Lande 
gemacht  hatten,  nannte  man  Römer  nur  noch  die  Untertanen  des 
oströmischen  Kaisers  und  römisch,  was  sich  darauf  bezog.  Für  die 
Langobarden  hingegen  waren  die  Unterjochten  weder  Römer,  noch 
Italiener,  sondern  je  nach  Stellung  Alden  und  Schalke.  In  den  Augen 
der  Langobarden  war  ein  vollfreier  Mann  nur  der,  der  keinerlei 
Abgaben  entrichtete  und  in  keinem  Abhängigkeitsverhältnis  stand. 
Die  Alden  und  Knechte  waren  untergeordnete  Wesen,  schon  äusserlich 
an  Haar  und  Kleidertracht  kenntlich.  Demgemäss  nennen  sich  die 
Könige  reges  gentis  Langobardorum,  als  ob  die  Unfreien  in  ihren 
Augen  gamicht  da  wären.  So  tief  stand  der  Knecht,  dass  das  freie 
Weib,  das  sich  etwa  mit  ihm  abgegeben  hatte,  sterben  musste,  wenn 
es  die  Angehörigen  nicht  in  die  Fremde  verkaufen  wollten. 

Mit  dieser  gewaltsamen  Vernichtung  aller  römischen  Staats- 
einrichtungen und  Bildungsmittel  musste  auch  die  Erinnerung  an 
Stämme  und  Sippen,  wo  sie  etwa  noch  vorhanden  war,  rasch  ver- 
schwinden und  es  konnte  deshalb  auch  fortan  keine  Stammes-  und 
Sippennamen  mehr  geben.  Es  wäre  doch  wunderlich,  anzunehmen, 
dass  sich  der  verachtete  Fröner  mit  mehreren  Namen  schmückte, 
während  sich  der  Herr  mit  einem  Namen  begnügte. 

Auch  die  lateinische  Sprache  konnte  hieran  nichts  ändern, 
denn  sie  war  für  die  grosse  Menge  schon  seit  der  ersten  Kaiserzeit 
tot  gewesen.  Wer  lateinisch  konnte,  hatte  es  erlernt,  wie  eine 
fremde  Sprache.  Die  Langobarden  konnten  ihrer  bei  Verhandlungen 
mit  anderen  Völkern  nicht  entraten,  weil  sie  die  eigene  Sprache  nicht 
zu  schriftlichen  Mitteilungen  gebrauchen  lernten,  im  Gegensatz  zu 
Goten  und  Angelsachsen.  Aber  bei  ihrer  grenzenlosen  Gering- 
schätzung der  Wissenschaften  war  ihnen  das  Schreibwerk  verächtlich. 
Sie  Hessen  es  deshalb  von  Knechten  ausüben,  und  es  war  schon  viel, 
wenn  sie  solche  Hofschreiber  zu  Alden  beförderten. 

Auch  bei  der  Geistlichkeit  war  die  Kenntnis  der  lateinischen 
Sprache  eine  seltene  Erscheinung.  Die  niedrige  stammelte  notdürftig 
die  Gebete,  deren  Sinn  ihr  oft  fremd  war.  Vielfach  konnten  die 
Geistlichen  überhaupt  nicht  lesen  oder  schreiben.  Mit  der  hohen 
Geistlichkeit  stand  es  nicht  viel  besser.  Gregor  von  Tours,  der  sich 
rühmt,  aus  vornehmem  römischen  Geschlecht  zu  stammen,  entschuldigt 
sich,  weil  er  die  lateinischen  Deklinationen  nicht  aus  einander  halten 
kann.  Papst  Gregor  der  Grosse  verbittet  sich,  dass  sich  die  Pedanten 
über  sein  Lateinisch  lustig  machen.  Das  Wort  Gottes  hätte  nicht 
nötig,  sich  unter  Donats  Lehren  zu  ducken. 

Unter  diesen  Umständen  kann  man  im  langobardischen  Lande 
auf  die  Namenbildung  keinen  Einfluss  von  der  lateinischen  Sprache 
erwarten.  Die  war  den  Römern  ebenso  fremd  wie  den  Langobarden, 
und  darum  mussten  auch  die  lateinis(^hen  Namen  verschwinden. 

Erst  am  Ende  der  langobardischen  Herrschaft  erscheinen  Namen, 


127 

wie   der   des    letzten   langobardischen   Königs  Desiderius   und   seines 
Zeitgenossen  Paulus  Diaconus,  Warnefrids  Sohn. 

'  Zu  dieser  Zeit  war  die  langobardische  Sprache,  die  der  angel- 
sächsischen ähnlich  gewesen  sein  muss,  noch  in  Uebung,  wie  aus 
beiläufigen  Aeusserungen  geschlossen  werden  kann.  Papst  Stephan  II. 
schreibt  nämlich  im  Jahre  755,  also  etwa  20  Jahre  vor  dem  Einzüge 
der  Franken:  ....  die  Langobarden  haben  die  Sakramentsgaben  in 
unreine  Gefässe  geschüttet,  die  sie  folles  nennen.  FoUes  ist  der 
langobardische  Name  für  eimerartige  Gefässe.  Einhard  berichtet  zum 
Jahre  796:  ....  Pippin  zerstörte  die  Königsburg  der  Hunnen,  die 
;, Bringt  genannt  wird  und  von  den  Langobarden  „ Campus*'.  Dies 
Wort  Campus  ist  natürlich  nicht  das  lateinische  campus,  Feld,  was 
hier  keinen  Sinn  geben  würde,  sondern  das  langobardische  kamp-hus 
(Kampfhaus),  also  soviel  wie  Stechbahn.  Wie  lange  sich  die  Sprache 
dann  noch  erhalten  hat,  kann  nicht  bestimmt  werden.  Zeugnisse 
darüber  sind  nicht  vorhanden.  Vermutlich  haben  sich  die  Grossen 
bei  den  engen  Beziehungen  der  Lombardei  zu  den  germanischen  Teilen 
des  fränkischen  Reiches  auch  fernerhin  ihrer  bedient,  während  die 
grosse  Masse  ein  regelloses  Gemisch  von  romanischen  und  germanischen 
Wörtern  gesprochen  haben  mag. 

Unter  fränkischer,  sächsischer,  normannischer  und  hohen- 
staufischer  Herrschaft  verbreitete  sich  der  Gebrauch  germanischer 
Namen  noch  weiter  in  Italien  durch  den  neuen  Zuzug  von  germanischen 
Lehnsleuten.  Denn  wenn  sich  unter  der  fränkischen  und  normannischen 
Ritterschaft  auch  viele  befanden,  die  welsche  Sprache  angenommen 
hatten,  so  hielten  sie  doch  an  dem  Gebrauche  germanischer  Namen 
unverbrüchlich  fest.  So  kam  es,  dass  bis  zur  Zeit  der  Hohenstaufen 
in  Italien  alles,  was  irgendwie  die  Öflfentlichkeit  beschäftigte, 
germanische  Namen  trägt.  Auch  die  Geistlichkeit  machte  davon 
keine  Ausnahme,  denn  die  Päpste  erhielten  erst  bei  ihrer  Bestallung 
die  vorgeschriebenen  biblischen,  römischen  oder   griechischen  Namen. 

Um  das  Jahr  945  heissen  die  Vorsteher  der  Stadtviertel  in 
Mailand,  unter  Weglassung  der  lateinischen  Endung  ;,us^:  Otto, 
Arjald,  Lanfrank,  Arnold,  Mainfred,  Alberik,  Anselm,  Valvassore, 
Mainer,  Arderik,  Guazzo,  Ugo,  Wibert.  Darunter  ist  also  nur  einer 
mit  nicht  germanischem  Namen. 

Zum  Jahre  960  wird  eine  Gerichtsverhandlung  in  Capua 
erwähnt.  Dabei  hiessen  die  Richter:  Arechis,  A ligern  der  Abt  von 
Motecassiuo  und  Rodelgrim,  die  Zeugen:  Teodemond  diaconus, 
Mar  jus  diaconus,  Garipert  diaconus  und  notarius,  also  nur  einer 
mit  lateinischem  Namen. 

Etwa  100  Jahre  später,  als  die  Streitwagen  in  den  Städten 
aufkamen,  gab  man  ihnen  germanische  Namen,  wie  Blankhard 
(Biancardo)  d.  h.  den  Weissen,  in  Padua  Berta,  den  Glänzenden,  in 
Cremona  Gajardo,  den  Muntern,  in  Parma  Regoglio,  den  Stolzen. 

Alle  christlichen  Helden  in  Tassos  befreitem  Jerusalem  haben 
germanische  Namen. 


128 

Die  Feldobersten  der  Mailänder  im  Kampfe  gegen  den  Kaiser 
Friedrich  den  Ersten  hiessen:  Anselm,  Ubert,  Anderich,  Reinhold, 
die  Konsuln  bei  Uebergabe  der  Stadt  im  Jahre  1162:  Gottfrid, 
Anderich,  Anselm,  Otto,  Amizone,  Mainer,  Aliprand.  Die  genuesischen 
Abgeordneten  bei  Uebernahme  der  Burg  Voltaggio  im  Jahre  1121 
hiessen,  immer  mit  Weglassung  der  lateinischen  Endung  „us**: 
Sigismond,  Boemond,  Marino,  Ingone,  Gerard,  SigiiFred,  Gotiffred, 
Rubald,  Rinald,  Martin,  Ansald,  Obert,  Guglielm,  Alberik,  Goffred, 
Reiner,  hatten  also  alle,  mit  Ausnahme  von  zweien,  germanische  Namen. 

Im  11.  Jahrhundert,  zu  den  Zeiten  Konrads  des  Zweiten,  begann 
nach  beinahe  öOOjähriger  Knechtung  die  Freiheitsbewegung  in  den 
italienischen  Städten,  und  mit  ihr  blühten  Handel  und  Gewerbe  auf. 
War  es  schon  vorher  üblich  gewesen,  wie  noch  heute  unter  den 
niederen  italienischen  Volksschichten,  dem  Eigennamen  einen  Spitz- 
namen anzuhängen,  so  wurde  es  fortan  unerlässlich,  den  Einzeln 
auch  amtlich  genauer  zu  kennzeichnen.  Die  Leute  wohnten  in  den 
elenden  Holzhäusern  eng  zusammen,  nicht  selten  bis  zu  30  Menschen 
in  einem  Räume,  und  oft  befanden  sich  darunter  ein  Dutzend  desselben 
Namens.  Daraus  raussten  Irrtümer  und  Missverständnisse  entstehen, 
und  der  Arglist  und  Täuschung  im  geschäftlichen  Verkehre  wurden 
dadurch  die  Wege  geebnet.  Man  gab  also  den  Leuten  einen  zweiten 
Namen  (cognomen),  bei  dessen  Auswahl  verschiedene  Umstände  be- 
stimmend gewesen  sein  konnten.  Den  Einen  nannte  man  nach  seinem 
Handwerke  Wieland  den  Schmied,  Gualando  il  maniscalco,  Burland 
ans  der  Brüderschaft  der  Walker,  Burlando  dei  gualchieri,  oder  nach 
der  Wohnung  Wirland  beim  Brühl,  Ghirlando  del  brolo,  oder  nach 
dem  Wappentiere,  das  Wirtsleute,  Krämer  und  auch  die  öffentlichen 
Ämter  am  Hause  führten,  also  Ulrich  zum  Steinbock,  Ulrico  dello 
stambecco,  Richard  im  Sperber,  Riccardo  dello  sparviero.  Andere 
erhielten  den  Zunamen  nach  dem  Aussehen  oder  dem  hervorstechenden 
Wesen,  also  Herbert  der  Braune,  Ariberto  il  bruno,  Roland  der 
Biderbe,  Rolando  il  bravo,  Heinz  der  Säufer,  Enzio  il  trinchero, 
andere  nach  dem  Zunft-,  Orts-  oder  Kalenderheiligen,  Meinhard 
Garibald,  Minardo  Garibaldo,  oder  nach  dem  Lehnsherrn,  Heinrich 
der  Mann  der  Gerhardinger,  Enrico  dei  Gherardenghi.  Zuweilen 
wurde  aus  des  Vaters  Namen  ein  neuer  gebildet,  also  Firidolfo, 
Rudolfs  Sohn,  wobei  fi  di  Abkürzung  von  filius  ist.  Daneben  war  es 
stets  Gebrauch  und  ist  noch  heute  in  vielen  Fällen  gesetzliche  Be- 
stimmung, dem  eigenen  Vornamen  den   des   Vaters   hinzu   zu   setzen. 

Pfahlbürger  und  Juden  nannte  man  meistens  nach  ihrer  Heimat, 
Elias  der  Marburger,  Elia  il  Morpurgo. 

Mit  der  Zeit  Hess  man  der  Kürze  wegen  alles  Beiwerk  weg  und 
nannte  die  Leute  schlechtweg  Wieland  Schmied,  Gualando  Mariscalco, 
Isaak  Ettlinger,  Isacco  Ottolenghi. 

Da  nach  der  geschichtlichen  Entwicklung  von  dem  italienischen 
Adel  ein  grosser  Teil  germanischer  Herkunft  sein  muss,  so  könnte 
man  daraus  schliessen,  dass  sich  unter  seinen  Angehörigen  besonders 


129 

viele  germamBclie  Namen  erhalten  haben  müssten.  Das  ist  aber  nicht 
der  Fall.  Edelleute  nannten  sich  nach  ihrer  Stammburg  oder  nach 
dem  ihnen  zu  eigen  gehörigen  Orte  und  da  die  italienischen  Orts- 
namen zum  grossen  Teil  aus  dem  Mittelalter  stammen,  £^lso  italienisch 
sind,  so  musste  auch  der  Stammesname  des  Adels  italienisch  sein. 

Auch  kam  im  Mittelalter  unter  den  Adligen  eine  neue  Art 
von  Namensbildung  auf.  Als  nämlich  ihre  Herrschaft  und  ihre  Vor- 
rechte von  dem  aufstrebenden  Bürgertume  bekämpft  wurden,  schlössen 
sich  gleichgesinnte  Adelsgeschlechter  zu  einem  Verbände  zusammen, 
um  auf  die  Weise  den  Bürgern  wirksamer  entgegen  treten  zu  können. 
Diese  Adelsgilden  nannten  sich  den  ^Adelsberg^,  das  heisst  so  viel 
wie  den  Adelsschutz.  Die  Genossen  eines  solchen  Adelsberges,  oder 
„albergo^,  wie  man  zusammengezogen  sagte,  legten  den  eigenen 
Namen  ab  und  führten  von  der  Zeit  einen  gemeinsamen  neuen.  Bei- 
spielsweise nannten  sich  in  Genua  die  Geschlechter  Castello,  Soprani 
und  Franchi  fortan  Giustiniani,  die  Peverelli,  Avogati,  del  Turco  und 
della  Curia  nannten  sich  Gentili. 

Auch  aus  anderen  Gründen  traten  Namenswechsel  ein.  So 
änderten  die  Tartaro  in  Genua  ihren  Namen  in  Imperiali,  die 
Kaiserlichen,  um  die  Anhänglichkeit  an  den  Kaiser  zu  bekunden. 
Also  auch  hier  Verdrängung  der  germanischen  Namen.  Doch  trat 
gelegentlich  ein  Rückschlag  ein.  So,  wenn  Adlige  und  die  ihnen 
nachäfften,  im  Mittelalter  dem  Namen  die  Endung  ^ingi^  und  enghi 
anhängten,  d.  h.  unser  deutsches  „ingen^,  um  dadurch  die  Abstammung 
zu  bekunden.  Also  nannte  sich  Lambert  fortan  Lambertenghi.  d.  h. 
aus  dem  Hause  der  Lamberte.  Das  war  zu  der  Zeit,  als  Franz 
Sforza  I.  in  Mailand  Münzen  schlagen  Hess  mit  der  deutschen 
Umschrift:  ^Ich  vergies  nit*.  Auch  mag  nebenbei  bemerkt  werden, 
dass  einige  italienische  Adelsgeschlechter  noch  deutsche  Wappen- 
sprüche führen,  so: 

Anguissola-Tedesco :  „Mit  Zeit^ 

Benso  di  Cavour:  „Gott  Will  Recht^ 

Botta:  „Mit  Zeit« 

Brivio:  „Alzo  vest  vor  Gotf 

Gioffredo:  „Gaufried" 

Radicati:  „Wann  Gott  WilP 

Saluzzo:  „Noch  Noch"  „Leit  Leit" 

Scaglione:  „Leyd  un  Meyd" 

Settala:  „Treu  und  fromm" 

Sommaruga:  „Gerecht  und  treu" 

Torelli:  „Yn  Hoffen" 

Vasco:  „Got  du  bist  mein  Got". 
Zu  der  Zeit,  da  die  Zweinamigkeit  eingeführt  wurde,  war  man 
sich  der  Bedeutung  der  Namen  nicht  mehr  bewusst.  Sie  mussten 
deshalb  erstarren  und  Neubildungen  aus  germanischer  Sprachquelle 
konnten  nicht  mehr  statt  finden.  War  der  germanische  Namen  zum 
Familiennamen  gewählt,  so  vererbte  er   sich   und   hat   sich   erhalten. 

NI«<lerdeiitooh«i  Jahrbuch  XXXV.  9 


130 

Wurde  aber  irgend  ein  Gattungswort,  sUgen  wir  ein  Handwerksname 
zum  Familiennamen  ausersehen,  so  wurde  der  germanische  Name 
der  Vorname  und  ging  oft  verloren.  Fast  alle  Berufszweige  in 
Italien  hatten  ja  Benennungen,  die  aus  dem  Lateinischen  stammten. 
Germanisch  waren  nur  die  Namen  des  Schmiedes  (Mariscalco, 
maniscalco),  des  Büttels  (Bedello),  des  Sackmanns,  also  des  Tross- 
knechtes (saccomaono),  des  Mundschenks  (scalco),  des  Verwalters 
(gastaldo),  des  Bockschlächters  (beccaio),  des  Walkers  (gualchiero), 
des  Henkers  (manigoldo),  des  Führers  (guida,  foriere),  des  Küchen- 
jungen (guattero),  des  Tischlers  (genuesisch  banchero). 

So  musste  sich  die  Anzahl  der  germanischen  Personennamen 
vermindern  und  noch  mehr  traten  sie  zurück,  als  die  römischen  und 
griechischen  Wissenschaften  zu  neuem  Leben  erwachten.  Die  Er- 
innerung an  alten  Glanz  und  Ruhm  wurde  dadurch  erweckt,  Gelehrte 
und  üngelehrte  bemühten  sich,  ihre  Zugehörigkeit  zu  den  Alten 
äusserlich  zu  bekunden,  indem  sie  ihre  Namen  mit  römischen  und 
griechischen  vertauschten.  Was  wir  davon  heute  in  Italien  antreffen, 
stammt  also  aus  der  Zeit  der  Wiedergeburt  der  Wissenschaften  und 
Künste  und  ist  nicht  etwa  ein  Ueberbleibsel  aus  der  römischen 
Kaiserzeit.  Davon  war  nichts  mehr  vorhanden.  Etwas  ähnliches 
haben  wir  ja  auch  in  Deutschland  erlebt,  wo  niemand  die  Quintus 
Icilius,  Petri,  Pauli,  Agricola,  Claudius,.  Melanchthon,  Erythropel  des 
Namens  wegen  für  Nachkommen  der  Römer  oder  Griechen  halten  wird. 

Viele  in  Italien  suchten  damals  nach  der  lateinischen  Form 
ihres  Namens,  von  dessen  germanischem  Kern  sie  nichts  wussten. 
Die  häufige  Endung  „bert^  Glanz  leitete  man  vom  lateinischen 
^apertus"  ab  und  machte  deshalb  aus  Walbert  Valapertus  und  Vala- 
perta,  aus  Mundebert  Monteaperto.  Andere  Umformungen  waren 
Vacca  (Kuh)  für  Wakko,  Carlomagno  für  Karlmann,  Mons  vici  für 
Mundewik,  Campo  freddo  (Kaltenfeld)  für  Fredekamp,  De  Mari  für 
Hademar.  —  Der  Name  Ezzelins  wird  von  ecce  Unit  hergeleitet,  der 
seines  Bruders  Alberich  von  albus  riccus.  Hierher  gehört  auch  der 
Name  Alamannien,  den  man  in  Italien  als  La  Magna  (die  Grosse) 
deutete.  So  und  nicht  anders  wird  Deutschland  im  Mittelalter  von 
den  Italienern  bezeichnet,  nicht  aus  Wertschätzung,  davon  sind  die 
Welschen  weit  entfernt,  sondern  aus  Missverständnis.  Auf  demselben 
Irrtum  beruht  es,  dass  der  Doctor  universalis,  der  Dominikaner  Albert 
von  Bollstädt  Albertus  Magnus  genannt  wird.  Die  Italiener  nannten 
ihn  Alberto  della  Magna,  also  Albert  aus  Deutschland  und  die 
Deutschen  wollten  in  der  vermeintlichen  Wertschätzung  nicht  zurück- 
stehen und  nannten  ihn  Magnus,  den  Grossen.  Sicherlich  hätte  man 
einen  Gelehrten  von  Alberts  Art  damals  eher  als  Zauberkünstler  vor 
ein  Ketzergericht  oder  auf  den  Scheiterhaufen  gebracht,  als  dass 
man  ihn  der  Gelehrsamkeit  wegen  als  den  ^Grossen*  bezeichnete. 

Durch  diese  Anlehnung  an  lateinische  Wortformen  musste  ein 
weiterer  Teil  germanischer  Namen  verloren  gehen.  Trotzdem  ist  ihre 
Anzahl,  wie  das  Verzeichnis   zeigt,    auch   heute   noch  ziemlich  gross. 


131 

Sie  sind  über  das  ganze  Land  verbreitet,  hier  mehr,  dort  weniger, 
vorwiegend  auf  dem  Festlande,  weniger  auf  den  Inseln.  Neben  der 
vorwaltenden  niederdeutschen  Form  kommt  auch  die  entsprechende 
oberdeutsche  vor.  So  haben  wir  neben  dem  niederdeutschen  Garibaldi 
den  bairischen  Caripoldi,  und  die  burgundisch  fränkischen  Giribaldo, 
Gribaudo  und  Gribodo.  Neben  Guelpi  und  Guelpa  kommen  Guelfi 
und  Weif  vor.  Manche  von  den  Namen  enthüllen  sich  ohne  weiteres 
als  alte  Bekannte,  wenn  man  ihnen  den  Scblussvokal  nimmt.  Dann 
wird  aus  Ivaldi  Iwald  (Ewald),  aus  Aicardi  Ekkert,  aus  Luzzi,  Gozzi, 
Enzio  Lutz,  Götz,  Heinz.  Andere  sind  schwieriger  zu  deuten.  Unter 
dem  Namen  Ovestagno  wird  man  nicht  ohne  weiteres  Oberstein 
vermuten. 

Die  Namen  sollten  nach  der  Grundform  auf  ^,0*  endigen.  Er- 
scheinen sie  mit  „i^  am  Ende,  so  ist  dies  der  latinisierte  Genetiv. 
Meinhard  der  Sohn  Gottfrieds,  Minardus  filius  Gottofredi.  Das  „i^ 
kann  aber  auch  die  italienische  Mehrheitsform  sein,  also  bei  Gual- 
chieri  ist  hinzu  zu  denken  ;,einer  von  den  Walkern,  aus  der  Walker- 
zunft. Bei  einem  Adligen,  namens  Ariberti  muss  ergänzt  werden 
„von  den  Herbertern,  aus  dem  Hause  der  Herbertinger*'. 

Weitere  Anhängsel  sind  ;,ino,  ello,  one,  etto*,  d.  h.  nach  den 
bekannten  italienischen  und  spanischen  Sprachgesetzen  die  Formen, 
durch  die  man  den  ursprünglichen  Sinn  eines  Wortes  leicht  um- 
gestalten, erweitem,  beschränken,  vergröbern,  verfeinern,  verstärken, 
abschwächen  kann.  Fedrigo  ist  Friedrich,  Fedrigone  ist  der  dicke 
Fritz,  Fedrighini  ist  Fritzchens.  Die  Endung  „eschi",  die  zuweilen 
vorkommt,  ist  unser  „isch^,  ursprünglich  also  adjektivisch  zu  ver- 
stehen, dann  aber  als  Hauptwort  gebraucht,  wie  gelegentlich  auch 
im  Deutschen,  die  Bündischen,  die  Schwäbischen  usw. 

Über  die  Vornamen  der  Italiener  ist  zu  sagen,  dass  sie  ledig- 
lich Sache  der  Mode  sind,  wie  in  anderen  Ländern  auch.  Um  Her- 
kunft und  Sinn  bekümmert  sich  kein  Mensch,  der  sich  nicht  grade 
mit  solchen  Dingen  abgiebt.  Darum  kann  man  aus  den  aufgezeich- 
neten Vornamen  keinerlei  Schlüsse  ziehen. 


1.    Italienische  Eigennamen  germanischer  Herkunft. 

Accardo  (i),  Acchiardi,  Adelardi,  Adelario,  Adelasio,  Adelfio,  Adereveno, 
Adinolfi,  Adoaldi,  Adorno,  Agaldi,  Aghemio,  Agilberto,  Agliandi,  Agliardi, 
Agliarizzi,  Aiardi,  Aicardi,  Aidone,  Aimari  (etto),  Aime,  Aimeri  (ci),  Aimerito, 
Aimetti,  Aimo  (one)  (onetti),  Ainardi,  Ainerio,  Aiolfi,  Airaghi,  Airandi,  Airola, 
Airoldi,  Alamanni,  Alardi,  Alarico,  Albairati,  Albergo  (ghi),  Alberenghi,  Albergati, 
Albergotti,  Alberico  (ci),  Alberigo  (gbi),  Alberti  (o)  (is)  (eDghi)'(o),  Abizzi,  Alborghetti, 
Albright  (gi),  Albnino,  Alcaimi,  Aide,  Aldegani,  Aldegheri,  Alderighi,  Aldieri, 
Aldigeri,  Aldighieri,  Aldigieri,  Aldimari,  Aldini,  Aldovino,  Aldobrando,  Aldrighetti, 
Aldrovandi,  Aldnina,  Alebardi,  Alembardo,  Alfaro,  Alfieri,  Alfridi,  Algardi, 
Alghisi,  Alibrandi,  Aliberti,  Alimondi,  Aliverti,  Aliprandi,  Alleardi,  Allemagna, 
AliemoDdi,  Allisififrdi,  Allodi,  Alvarenga,  Alvari.  Alvisso,  Alvisi,  Amerigo, 
Almondo,  Almando,   Altani,  Altrnda,    Amalberti,    Anialdi,    Amandrudo,    Amaraldi, 

9* 


132 

Amarighi,  Amatruda,  Ambiveri,  Amboldi,  Amoni,  Americo,  Andolfi  (fatto),  Ander- 
lini,  Androvandi,  Angoramo,  Angeleri,  Angrimaui,  Annibaldi,  Annoni,  Annovazzi, 
Anolfi,  Ansaldo.  Anselino  (i),  Antaldi,  Antnori,  Anzaldi,  Arbaadi,  Arbino  (i), 
Arbuffa,  Arcardini,  Arcimannii  Arcimboldi,  Ardemagni,  Ardemani,  Ardenghi, 
Ardinghi,  Ardoino,  Ardnino  (i),  Argiroffi,  Arigo,  Ariodante,  Ariolfo,  Arioli,  Ariosto, 
Arlengbi,  Arlotta,  Armani  (no),  Armanasco,  Armanni,  Armelina,  Armellini, 
Armelonghi,  Amaboldi,  Arnaldi,  Arnaudo,  Arneodo,  Ameri(o),  Amod,  Arnoldi, 
Arnoifi,  Aroldo,  Aromando,  Aromaunio,  Arribaldi,  Arrigoni,  Arrigotti,  Arrigncci, 
ArriDghieri,  Arsnffi,  Arvedi,  Aschieri,  Ascari,  Asiani,  Asmundo  (io),  AsnaghiCgo), 
Asnuldo,  Asperti,  Assaldi,  Astaldi,  Astolfi  (o)  (oni),  Astengo,  Astraldo,  Astraudi, 
Atenolfi,  Attardi,  Audiberti,  Audiffredi,  Andino,  Aadisio,  Avaldi,  Averaimo, 
Ayelardi,  Averardi,  Averganghi,  A?eroida(i),  Averone,  Aycardi,  Aymone,  Ayroldi, 
Azzaldi,  Azzali  (ini),  Azzati,  Azzini,  Azzo,  Azzolini,  Azzoni.  —  Badaglio, 
Badini,  Badnini,  Bagatti,  Bagazzi,  Bagatti,  Baiardi  (o),  Baldacci,  Baldl,  Baldracco, 
Balisardi,  Ballardini,  Balocco,  Balordi,  Baltieri,  Bancaro,  Banchero,  Bandera, 
Bandini,  Bandieri,  Banfi,  Banti,  Baraldi,  Baratta  (i),  Baraffa,  Barbitta,  Barboglio, 
Bardella,  Bardi,  Barengo  (gbi),  Bareggi,  Barezzi,  Bärge,  Bargio,  Baringo, 
Bargagliotti,  Barigazzi,  Barisone,  Barlondi,  Bami,  Baroffio,  Baroggi,  Baroni, 
Baroyero,  Barozzi,  Barsaghi,  Barsi,  Bartesagbi,  Bartezzagbi,  Barnfaldo,  Bamffaldi, 
Barnzzi,  Barzaghi,  Battaggia,  Battaglia  (ino),  Baucbiero,  Bando  (ino)  (i),  Banducco, 
Beda,  Bedescbi,  Begliardo,  Begozzi,  Belardini  (nelli),  Beldomandi,  Belingardi, 
BeHsardi,  Bellardi,  Bellaudi,  Bellengbi,  Bellingeri,  Bellinzaghi,  Belli  nzonl, 
Beltrami,  Beltrandi,  Belnardi,  Bendaudi,  Bendini,  Benghi,  Bensi,  Bentini, 
Berardo  (i)  (ino)  (esca)  (engo),  Berand,  Berenzone,  Berga  (ia)  (esio),  Bergalli,  Berganzoli, 
Berinzaghi,  Bergonzi  (o)  ini,  Bermani,  Bermondi  (o),  Bernagozzi,  Bernacchi, 
Bernardi,  Bemasconi,  Berneri  (o),  Bernocchi  (occo),  Bernolfo  (i),  Bemotti,  Beronzo, 
Berra,  Bertacci,  Bertari,  Bertelli,  Berti  (ini,  iglia,  ncci,  ozzi,  occhi),  Bertinaria, 
Bertoldo,  Bertoglio,  Besio,  Besozzi,  Besenzaniga,  Bestende,  Bettonagbi,  Bezozzi,  Bezzi, 
Biancadi,  Biancardi,  Bianco  (chi),  Bianciardi,  Biasca,  Bicardi,  Biccbieri,  Bigardi, 
Bigatti,  ^Bigotti,  Bigliardi,  Bignami,  Biguardi,  Binagbi,  Biuda,  Biondi,  Biraghi, 
Birigozzi,  Birindelli,  Bisealdi,  Biscardi,  Bisignano,  Bisleri,  Bisotti,  Bistolfi, 
Bistondi,  Bizzi,  Bizzozero,  Biancardi,  Blancbi  (co),  Biondi  (ioli)  (a),  Bobbio, 
Boccardo  (i),  Boccbiardi,  Bocchio,  Boccbiola,  Bocciardo,  Bodaglia,  Bodia,  Bodio, 
Bodo  (ini),  Bodoira,  Bodrero,  Boffoli,  Boglietti,  Boiardi,  Boidi,  Bolchi,  Boldi, 
Boldorini,  Boldrini,  Bolengbi,  Bolgberoni,  Bollardi  (o),  Bolongaro,  Bombaglio, 
Bonardi  (o),  Bonandi  (o),  Bondi,  Bonsi,  Bordiga,  Bordo  (oni,  one),  Borghero,  Borgia, 
Borgbi,  Borgioli,  Borgna,  Borgogno  (none)  Borgondo,  Boriani,  Boringbieri,  Borla, 
Borlenghi  (go),  Borletti,  Bornagbi,  Boschi  (ini),  Bosio,  Bossaglia,  Bovio,  Bovero, 
Bracchi,  Braibantl,  Braida,  Bramardi,  Brambilla  (asca)^  Brandi  (ino),  Brandimarte, 
Brandola,  Brandaardi,  Branbati,  Branzolfo,  Breda,  Brega,  Brembilla,  Brenna, 
Brialdi,  Briccbi  (etti),  Brigardi,  Brighenti,  Briglia,  Brocardi,  Broccbieri  (o)  Broffoni, 
Broglio  (a)  (atti),  Brondi,  Bronoldi,  Brovelli,  Brngo  (ghero[i])  Brnggi,  Braneri  (ori, 
acci,  ellescbi)  Brandi,  Brnni,  Branicardi,  Brnnoldi,  Brusasca.  Bruschetti,  Bncchi  (co), 
Bnffardi,  Bugando,  'Bnldrini,  Bnlgheroni,  Bulzaccbi,  Burcbiani,  Burdino,  Barengo, 
Borgo,  Bnri  (ioli)  (onzo)  (iani)  (iasco),  Baricchi,  Bnrlando,  Bnrleugbi,  Bariini, 
Bnrlamaccbi,  Barzi  (zio),  Busacco  (a),  Buscaini,  Buscbini,  Basdraghi,  Bnselli, 
Basnelli,  Bussardi,  Butti,  Buzzi.  —  Caimi,  Cairati,  Cairola  (i),  Caironi,  Calamari, 
Calnaghi,  Calvenzani,  Camanni,  Camardi,  Camarlinghi,  Gambiaghi,  Camozzi, 
Camnsso,  Candelbere,  Canducci,  Canevaro,  Capurro,  Garamagna,  Caramanna, 
Carisagbi,  Carlesi,  Carletti,  Carlevaro,  Carlevero,  Carmanni,  Carnagbi  (o),  Carnoldi, 
Carobbio,  Caroli,  Carsana,  Carsaniga,  Carnghi,  Carzaniga,  Casaie,  i,  ini,  Casalegno, 
Casarico,  Caselle,  Casingbini,  Casiragbi,   Gasöl i,   Gastaldo  (ini),  Gastoldi,  Gastaudi, 


13B 

Cataldo  (ini),  Cavanenghi,  Gayannai  Cavenago  (ghi),  Cavour,  Celiberti,  Geramondia, 
Cernaschi,  Chiaramondia,  Chiabert,  Gbiabrando,  Ghia£frino,  Ghialemberti  (o), 
Ghiamberlando,  Ghiambretti,  Ghiaverri,  Gbiovenda,  Giardi,  Giboldi,  Gicardi,  Gifuni, 
Giliberti,  Giminaghi,  Gislaghi,  Giyardi,  Glavenzani,  Gobianchi,  Golbertaldo,  Golciaghi, 
Comelli,  Gonfalone  (iere),  Gonsali,  Gontaldi(o),  Gontardi(o),  Gopraghi,  Gorioaldi, 
Gormani,  Gorradi,  Gottolengo,  Gozzi,  Gravero,  Grepaldi,  Grescimauuo,  Grippa, 
Grispoldi,  Groari,  Graari,  GuDego,  Ganiberti,  Gnncio,  Gnonzo.  —  Danovaro,  Dasso, 
Daghero,  Diotti,  Doberti,  Dodi,  Dolfi,  Doria,  Dometti,  Dorta,  Drigani,  Drisaldi, 
Droaudi,  Drovandi,  Drovetti,  Dradi.  Duberti,  Dacco,  Dughera,  Dalbecco,  Du- 
rando-,  Dnrero,  Dutti.  —  Eauda,  Egardo,  Einaadi,  Elberti,  Ellenghi,  Elmi,  Emma, 
Era,  Erfinenghi,  Eringio,  Erloccbi,  Ermoli,  Esengrini,  Eamenardi.  —  Faccardi, 
Fagnani,  Faifofer,  Fainardi,  Faini,  Falda  (i)  (ini),  FalsirolH,  Fanelli,  Fanti(ino), 
Fara,  Faraboschi,  Faraldo  (i),  Faramia,  Farenga,  Faridone,  Farinoni  (e),  Farolfi, 
Fasdelli,  Fauda,  Federici,  Fedolfi,  Fedrigo  (oni)  (gbini),  Feo,  Feroldi,  Feraguti, 
Ferlinghetti,  Fiamberti,  Fiammengbi,  Filangeri,  Filardi,  Filiberti,  Filigardi, 
Finaldi,  Finco,  Fioccardi,  Firidolfo,  Fittipaldi,  Focardi,  Fodera,  Fogolari,  Folcheri, 
Folchi  (chetti),  Folcia,  Folgbera,  Folgbieri,  Foliealdi,  Folperti,  Forcheri,  Forestello, 
Forghieri,  Forsenigo,  Fraja,  Francardo,  Franchi  (ini),  Francini,  Frandi,  Franzi, 
Franzosi,  Freda,  Frediani,  Fregnagbi,  Frera,  Frigeri  (o),  Frigo,  Frisconia,  Friser, 
Fri8iani(o),  Friziero,  Frizzeria,  Frizzi,  Frizzoni,  Frojo,  Frola,  Froldi,  Frosio, 
Fma,  Frova,  Fnlcberi,  Fungardi,  Furzi.  —  Qabotti(o),  Gabutti,  Gabardi  (ini), 
Gaboardi,  Gadola,  Gadda(o),  Gagliardi  (ino),  Gaiba,  Gaido  (ano),  Gaifami,  Galardi, 
Gaibarigi,  Galbiati,  Galbuaeri,  Galdi  (ieri,  iolo),  Galimberti,  Galimero,  Gallotti, 
Galmozzi,  Galmnzzi,  Galoppini,  Gandelli,  Gandini  (diglio,  dolfo),  Gangia,  Gangnzza, 
Garaffi,  Garavaglia,  Ghirayenta,  Garavalda,  Garbaccio,  Garbarino,  Garda  (delli, 
denghi,  dini,  dino),  Garegnani,  Gargani,  Gargiolli,  Garginolo,  Garibaldi  (o),  (boldi, 
bnldi),  Garibotto  \i)f  Gariglio,  Garlando,  Garlaschelli,  Garnero  (i),  Garroni,  Garruzzi, 
Gamffa,  Garzino,  Gaslini,  Gaspardi,  Gastaldi  (delli,  detti),  Gastardi,  Gastoldi, 
Gastoli,  Gauberti,  Gandini,  Gantieri,  Gavando,  Gaveri,  Gaviraghi,  Gechele,  Gelmi 
(ini),  Gelnardi,  Gerardi,  Gerbaldo  (i),  Gerbella,  Gerli,  Gesmundo,  Ghelardi,  Ghelfi, 
Gherardi,  Gherlenda,  Ghermandi,  Ghezzi,  Ghibaudo,  Ghibellini,  Ghiberti,  Ghidella, 
Ghilandi,  Ghilardi,  Gbioldi,  Ghirarducci,  Gbiralduzzi,  Ghirimoldi,  Ghiringelli,  Gbir- 
landa,  Ghisalberti,  Ghiselli  (ni),  Ghislandi  (lanzoni),  Ghisleni,  Ghislieri,  Ghisolfo  (i), 
Giac<»rdo  (]),  Giaminardi,  Giamnndo,  Giancardi,  Giandnifi,  Gianfreda,  Giardini, 
Gibertoni,  Gilardi,  Giliberti,  Gioardo,  Gioberge,  Gioberti,  Gioffredo,  Giraldi  (doni), 
Giramondo,  Girardengo  (ghi),  Girando(i),  Giribaldi,  Giroldi,  Gismano,  Gismondi, 
Gisolfi,  Gittardi,  Ginbergia,  Ginffrida,  Giusbergia,  Giuzzardi,  Gnaga,  Gnecco  (ccbi), 
Gnocchi,  Gnndi,  Gobando,  Godi,  Godio,  Goglio,  Goldaniga,  Goldoni,  Golfieri, 
Golisciani,  Gonzaga,  Gontero,  Goti,  Gottardi,  Gottarelli,  Gottelando,  Gotti,  Gotti- 
fredi,  Gori,  Gozo,  Gozzi,  Grabbi,  Gradenigo,  Graffigna,  Gramaglia,  Gramegna, 
Gramignani,  Gravagbi,  Grazzi,  Gregotti,  Greppi,  Gribaldi,  Gribandi(o),  Gribodo, 
Griffa(aldi),  Griffanti,  GrigoUo,  Grillandi,  Grimaldi,  Grimoldi,  Grisaldi,  Grisolfi,  Gritti, 
Grognardo,  Groncbi,  Grondona,  Grnido,  Gmmelli,  Gnagliardo  (i),  Guainieri,  Guaiti, 
Gnaccimanni,  Gnala,  Gnalandi,  Gualco,  Gnalazzini,  Gnali,  Gnallini,  Gnaltieri,Guameri, 
Gnandolini,  Gnanzani,  Gaaraldi,  Gnardengbi,  Guardigli,  Gnardncci,  Gnardamagna, 
Gnareschi,  Gnarini,  Gnarmani,  Gnarmero,  Guarnaschelli,  Gnameri,  Gnarnieri, 
Gnarnoni,  Gnascari,  Gnasco,  Gnassardi,  Guastafredda,  Gnastoldi,  Gnatteri,  Gnazzelli, 
Gnazzini,  Gnazzo,  Gnazzoni,  (iuberti,  (luelfi,  Guenzani,  G'nenzi,  Gnerardesca, 
Gnercetto,  Gnercilena,  Gnerciotti,  Guerino,  Guermandi,  Guermani,  Guerra  (azzi), 
Gnerri  (ini),  Guerrieri,  Gnerzoni,  (Juglielmi  (metti),  Guicciardi  (ini),  Gnidali,  Guidi, 
Gnidieri,  Gniobaldi,  Gnidotti,  Gnilard,  Gnindani,  Guizzardi,  Gnizznrdi,  Gnlberti, 
Gnlfi,  Galmanelli,  Gnlminelli,  Gundi,  Gneberti,  Gusmano  (i),  Gnsmaroli,  Gnzzardo, 


134 

Guzzi.  —  Iberti,  Icardi,  Ichino,  Jelmini,  Ilardi,  Ildobrandi,  Illengo,  Imbeiti, 
Imerico,  Inaudi,  Ingaramo,  Ingardia,  Inghirami,  Ingoldi  (Agoldi),  Iroldi,'  Isalberti, 
Isnardi  (done),  Isnengbi,  Isoardi,  Isuardi,  Isvaldi,  Ivaldi,  Izar,  Izoardi,  Izvard.  — 
Laiti,  Lambardi  (ini),  Lambertengbi,  Lambrngo  (ghi),  Lambruschini,  Lamperti, 
Lampredi,  Landescbi,  Landi(o),  Landolfi,  Lanfranchi,  Lanfranconi,  Lanfredioi, 
Lardinelli,  Lecaldano,  Leinardi,  Lenzi,  Leoffredi,  Leonardi,  Licciardi,  Linardi, 
Linzaghi,  Liprandi,  (o),  Littardi,  Liuti,  Livraga  (gbi),  Loaldi,  Locati  (elli),  Lodovici, 
Loffredo,  Lombardi  (ini),  Lonadi,  Longobardi,  Lotteringhi,  Lotterio,  Lottero, 
Lotti,  Lnaldi,  Luardo,  Luberto  (i),  Luccardi,  Lncotti,  Lugatti,  Lunardi  (ini)  (oni), 
Luoldi,  Lnraghi,  Luraso.bi,  Luauardi,  Luteriani,  Lutteri.  —  Macciardi,  Maero, 
Magoldi,  Maghenzani,  Magnagbi,  Magnaldi,  Magnani,  Magnolfi,  Magotti,  Mai- 
fredini, Mainardi,  Maino  (noldi),  Mairani,  Maironi,  Malaguti,  Malberti,  Manescalco, 
Manfredi,  Manfrini,  Mancardi,  Mandrioni,  Maneichi,  Manganzini,  Mangoldi, 
Mauildo,  Mannini,  Mannnccio  (i),  Mansuino,  Mannsardi,  Manzoni,  Marabotto  (i), 
Maraldi,  Maranghino  (geni),  Marasso  (sco),  Marengo  (co)  (ghi),  Marcbegiani,  Mar- 
chelli  (o),  Marcbesi,  Marcbier i,  Marchisio,  Marcoaldi,  Marcora,  Marco valdi,  Marco- 
vigi,  Marenzi,  Marescotti,  Margotti,  Marolda,  Marradi,  Maryaldi,  Mascagni,  Mas- 
cardi,  Masciardi,  Masera,  Masla,  Masnadi  (nata),  Masoero  (yero),  Massetti,  Mataldi, 
Mazzingbi,  Mazzoldi,  Mazzoranghi,  Mazzucco,  Melardi,  Menagoldi,  Menchini, 
Menegoi,  Mengaldo,  Mengarini,  Menghi,  Mengozzi,  Merioldo  {i\  Micca,  Minardi, 
Mingaldi,  Mingardi,  Mingbetto  (i),  Miniscalco  (chi),  Mismetti,  Mittero,  Moiraghi, 
Monaldi,  Mongardi,  Montemanna  (i),  Morandi  (o),  Mordini,  Morescalchi,  Morgavi, 
Morimondo,  Morlacchi,  Morlandi,  Morpurgo,  Moslacchi,  Motta,  Mottana,  Motterlini, 
Murialdo,  Murnigotti,  (Qal-)  Mazzi.  —  Naidi,  Nannini^  Nordi,  Nascimbeni,  Nasim- 
beni,  Nebulone,  Nordio,  Norlenghi,  Nosenghi  (go),  Nosaardi,  (Notar)loberti.  — 
Oddenino,  Odarda,  Oddera,  Oddo,  Oddone,  Oderda,  Odescalchi,  Odiardi  (o),  Odiberti, 
Odifreddi,  Odifredi,  Odino,  Odisio,  Odoui,  Odorici  (o),  Odoviglio,  Offredi,  Oggero, 
Ogliari,  Ogliengo,  Oglietti,  Olcese,  Oldani  (o),  Oldofredi,  Oldoini,  Oldoni,  Oldrado, 
Oldrini(o),  Oliboni,  Onelti,  Operti,  Oprandi,  Orando,  Orengo,  Orezzoli,  Origo, 
Orlandi,  Ormanni,  Ornaghi,  Orrigoni,  Orseniga,  Ortalda,  Osnago  (gbi),  Osnengo, 
Oatengo,  Oaterero,  Oavaldi,  Ottino  (i),  Ottolenghi,  Ottolino  (i),  Ottorogo,  Ovestagno. 

—  Pacchiardi,  Palberti,  Pallastanga,  Paltenghi  (go),  Panardi  (o),  Pancaldi,  Pancaro, 
Pandolfi,  Perardi,  Perazzo,  Percivaldi,  Perego,  Perelli,  Perico,  Perlaaca,  Perlin- 
geri(gieri),  Pernigotti,  Perolfi,  Perotti,  Pertoldeo,  Pettenghi,  Piccardi,  Pinardi, 
Pirelli,  Poccardi,  Pogliaghi,  Poiagbi,   Poldi,   Policardi,   Pollenghi,   Prandi  (o)  (ini). 

—  Quanardi,  Quagliardi,  Quaini,  Qualmari,  Quarengbi,  Quario,  Querengbi,  Quelfi. 

—  Raiberti,  Baibaudi,  Raimondi  (o),  Rainelli,  Raineri,  Raiteri,  Ramacciotti, 
Rambaudi,  Ramagnini,  Ram belli,  Ramero,  Ramolfo,  Ramonda  (i)  (ini),  Ramozzi, 
Ramperti,  Rampoldi,  Rampone  Ranaldi,  Rancati,  Randi  (o,  azzo,  olino),  Ranerio, 
Ranfagni,  Raataldi,  Ravaldini,  Raverdino,  Rayizzi,  Rayneri,  Rebandengbi  (go), 
Rebecchino,  Rebegbini.  Rebugli,  Rebuachini,  Rebuacini,  Rebuzzini,  Redaelli,  Redi, 
Regaldo,  Reggiardi,  Reggiarto,  Regondi,  Reibaldi,  Reinaudo,  Reineri,  Remondi 
(ino,  ina,  ini),  Renaudo,  Renoldl,  Reaeghini,  Reanigo,  Reata,  Reataldi,  Reta, 
Rezzaghi,  Rezzonico,  Reynandi,  Riba,  Ribaudi  (ino),  Ribero,  Riberti,  Ribighino, 
Riboldi,  Ricaiardi,  Riccardi,  Ricceri,  Ricchieri,  Ricciardi,  Richelmi,  Richeri,  Ricolfi, 
Ridolfi,  Rigaldo,  Righenzi,  Righetti,  Righi,  Rignani,  Rimaudo,  Rimoaldi,  Rimoldl, 
Rimondini,  Rimorini,  Rinaldi.  Rinaudo,  Rinero,  Rinieri,  Rinolfi,  Riolfl,  Riacardi, 
Rivaldo,  Rivoreda,  Rizzardi,  Roaaenda,  Robbiani,  Robilant,  Rocco,  Robecchi  (cco), 
Roda,  Rodi  (dello,  dengo),  Rodengbi,  Rodegber,  Rodigbiero,  Rodolfi,  Roffredo, 
Roggeri  (one),  Rolando(i),Rolfo,  Romairone,  Romancnghi  (go),  Romaido,  Rombaldoni, 
Romnaldi,  Ronando,  Roncallo  (caglia,  cagliolo),  Ronuardo,  Roperto,  Roaalinda, 
Roaegbiui,    Roaingana,    Roanati,    Roaaanigo,    Roaaari,    Roaaigno,    Roaaomando  (i), 


135 

Rossotti,  Rostagno,  Rostano,  Roti,  Bovaldi,  Rovasenda,  Rovighi,  Rozzarini,  Roalto, 
Bubbiani,  Raberti,  Rabeschi,  Radi,  Rnffa,  Raffinengo,  Raffini,  Raggero  (gieri), 
Ruimeri,  Raisecco,  Raoppolo,  Rosconi,  Rasmigo,  Rasnati.  —  Saccardi  (o),  Sacco- 
manno  (i),  Sala,  Salagbi,  Salamitto,  Salardi,  Saleago,  Salmiraghi,  Salmoi- 
raghi,  Salvagni,  Sameghini,  Samengo,  Sandi,  Sangermani,  Saralvo,  Saroldi,  Savoldi, 
Sbalordini,  Sbarbaro  (i),  Sbardelli,  Sbarbori,  Sbertoli,  Sbicego,  Sbizzero,  Sbri- 
ziolo,  Sbrollini,  Sbaelz,  Scaffa,  Scaiai,  Scagnardl,  Scalaberni,  Scalcini,  Scaico, 
Scalfo  (i),  Scalenghe,  Scalvini  (o),  Scalmaui  (a),  Scapini  (o),  Scaramuzza,  Scarioni, 
Scatolini,  Scapini  (o),  Sceliingo,  Schenardi,  Schiera,  Schietti,  Schivardi,  Sciamanna, 
Scialdo,  Scierano.  Scioldo,  Scoffetti,  Scrimaglio,  Scaffi,  Sdraffa,  Segafreddo,  Seidemari, 
Setroani,  Seymandi,  Sgaiaberni,  Sgarabotto,  Sgarbi,  Sgaribaldi,  Sgherlino,  Sghirla, 
S^aldi,  Sgaazzardi,  Sgaizzero,  Sibaldi,  Siboldi,  Sidraschi,  Sicbaldi,  Siffredi,  Sifredi, 
Sigalini,  Sigbaldi,  Sigbinolfi,  Sigismoadi,  Siliberti,  Siligardi,  Siliogardi,  Siiiprandi, 
Sinibaldi  (o),  Siniscalchi,  Sinisgalli,  Sismondi  (a),  Sissoldo,  Siviero,  Saidero,  Soave, 
Soffredi  (ini),  Solengbi,  Solimbergo,  Sordobindo,  Sormani,  Sornaga,  Sorregotti,  Spa- 
gliardi,  Spalvieri,  Spangaro,  Sparviero,  Spelta,  Sperlari,  Spinardi,  Spingardi, 
Springolo,  Sqainobal,  Sqaarza,  Stafifolini,  Staderini,  Stalda,  Stalla,  Stalmondo,  Stam- 
bazzi,  Stambacchi,  Stampacchia,  Stanga  (ghini,  galini,  ganini),  Stathalter,  Staarengbi, 
StavereDgo,  Stecchetti,  Stencardi,  Stendardo,  Stengardo,  Stenghele,  Sterno(a), 
Stevenazzi,  Stildaga,  Stilgada,  Stillio,  Stinca,  Stinchi,  Stiago,  Stobbia,  Stoccfaero 
(iero,  etti),  Stolzuoli,  Stoppani,  Storch io,  Strambi,  Strinchetti,  Stringa,  Stringhini, 
Strobino,  Strocchi,  Strolengo,  Staardi,  Stacchi,  Stungari,  Stapenengo,  Saardi, 
Sabinaghi,  Svanello  (ini),  Svaldi.  —  Talarico,  Taliberti,  Tancredi,  Tangredi, 
Tangherlini,  Tarenghi,  Tasca,  Tassinghi,  Tealdi,  Teardo,  Tebaldi,  Tedaldi, 
Tedoldi,  Tedesco  ^chi),  Teobaldo,  Terrenghi,  Terzaghi,  Tescari,  Tibaldi,  Tiberga, 
Tiberti,  Todesco  (chini),  Toesca,  Toia,  Toldi,  Toti  (a),  Tolaschi  (ca),  Tornaghi, 
Torvaido,  Trabacco,  Traldi,  Tribaudino,  Trincheri,  Triaizi,  Trivero,  Traglio,  Trotti, 
Tracco  (cchi),  Trassardi,  Trazzardi,  Tadisco,  Tafanisco,  Tati.  —  Ubaidi(ini,eili), 
Uberti  (talli),  Uboldi,  Uf&edazie  (ducci),  ügliengo,  Ugo  (lini,  lotti),  Uldrini,  Ulpiani, 
Ultrocchi,  ünia,  Upezzinghi,  Usardi,  Usberti,  üslenghi,  Usuardi,  Usaelli,  Usvardi.  — 
Yacca,  Vadilonga,  Vagliasiudi,  Valaberti,  Valadeo,  Valcarenghi,  Valdemarca,  Valde- 
meri,  Valdengo,  Valdergan,  Valdivieso,  Valfre,  Valfrödi,  Vallardi,  Valsecchi,  Valte- 
roni,  Vandero,  Vandoni,  Varaldo  (a),  Varyelli,  Varveri,  Velardi,  Venzaghi,  Verardo, 
Verda,  Verlecchi,  Verlengo,  Verigaldi,  Viara,  Viarengo,  Viberti,  Vicardi,  Vidari, 
Videmari,  Vido  (ni),  Vidmi,  Viganego,  Yigada,  Viganotti,  Vighetti,  Viglierico, 
Yigone,  Yigotti,  Yildosi,  Yilingiardi,  Yiligiardi,  Yiliegas,  Yinardi,  Yisca,  Yiscardi, 
Yisigaili,  Yismara  (i),  Yitrotti,  Yivaldi  (o),  Yogliotti,  Yolebele,  Yottero.  —  Wizzari. 
—  Zamaghi,  Zambaldi,  Zanardi,  Zantedeschi,  Zayoldi,  Zerengo,  Zilio,  Zimbaldi, 
Zincardi,  Zodo,  Zoncada,  Zaardi,  Zuppardo. 

2.    Germanische  Vornamen  in  Italien. 

Ada,  Adalgisa,  Adalalfo,  Adalinda,  Adelaide,  Adelchi,  Adelelmo,  Adelmo, 
Adelino,  Adolfo,  Adolinda,  Aicardo,  Agilberto,  Alberigo,  Alberto,  Aldemiro,  Aldo, 
Aldobrando,  Aleardo,  Alemanno,  Aleramo,  Alembardo,  Alfonso,  Alfredo,  Alighiero, 
Almachilde,  Almerico,  Alaisa,  Amerigo,  Anselmo,  Arduino,  Ariberto,  Armando, 
Arminio,  Arnaldo,  Aroldo,  Arvino,  Attilano,  Averardo.  —  Baldomero,  Baldovino, 
Baldaino,  Benilde,  Berardo,  Berengario,  Bemardo,  Brigida,  Brano.  —  Carlo  (a), 
Chiaffredo,  Clodomiro,  Clotilde,  Clotoaldo,  Corrado,  Cunegonda.  —  Dagoberte, 
Detalmo.  —  Edgardo,  Edilberto,  Edmondo,  Edaardo,  Egiiberto,  Elda,  Eldegardo, 
Emerico,  Emeriglio,  Endemiro,  Enrico  (a),  Erardo,  Erberto,  Ermanne,  Ermelindo  (a), 
Ermellina,    Ermenegildo  (a),    Ernesto  (a),    Etelredo,    Evardo,   Everardo,    Ezio.    — 


136 

Federico,  Ferdinando,  Filaredo,  Filiberto,  Fredesvinda,  Frediano.  —  Geltmde, 
Gerardo,  Greronzo,  Gervasio,  Gesaaldo  (a),  GildardOi  Giraldo,  Gisberto,  Giselda, 
Ginffreda,  Goffredo,  Golfardo,  Gomberto,  Gottardo,  Gualberto,  Gualfardo,  Guerrlno, 
Guido,  Gnglielmo.  —  Ida,  Idelfonso,  Ildebrando,  Ildegarde,  Ildegonda,  Isnardo, 
Irdegalda.  —  Lamberto,  Leonardo,  Leonilde,  Leopoldo,  Leoyigildo,  Liduina, 
Linardo,  Linda,  Lodovico.  —  Manfredo,  Matilde,  Medardo.  —  Norberto.  — 
Oddone,  Oderico,  Odoardo,  Oldrado,  Oscarre.  —  Badegonda,  Raimondo,  Rainero, 
Bambaldo,  Baniero,  Beginaldo,  Biccardo,  Bignardo,  Binaldo,  Boberto,  Rodolfo, 
Bodrigo,  Bomildo(a),  Bomualdo,  Bosalinda,  Bosvaldo,  Bnggero.  —  Sigismondo, 
Stellindo.  —  Teobaldo,  Teodelinda,  Teoderico,  Terdelinda,  Torvaldo.  —  Ubaldo, 
Uberto,  Uboldo,  Ugo,  ülderigo,  Ulrico,  Umberto.  —  Valdemaro,  Yaimiro, 
Viscardo,  Vito,  Volfango.  —  Walfredo,  Widelmo,  Wilbaldo. 

GENUA -Sampierdarena^  H.  Saake. 


Topographischer  Volkshumor 
aus  Sehlesw^ig-Holstein.^) 


1.  Dat  is  je*n  afrikanische  Hitt  yundag! 

2.  „Dor  is'n  Hund  op^n  BackaVn  verhungert **  erklärt  der  Yolksmund  den 
Namen  des  Dorfes  Armstedtbei  Bramstedt.     Aus  dem  Ksp.  Kaltenkirchen  (B.) 

3.  Se  höllt  den  Kopp  so  pick  as*n  Bruwikersch.  —  Die  Bardo- 
wikerinnen  kommen  mit  Grünwaren  und  Sämereien  nach  Holstein;  sie  tragen 
ihren  Korb  auf  dem  Kopfe.  Aus  d.  Ksp.  Kaltenkirchen  (B.) 

4.  Hans  vun  Prowik, 

De  harr  sik  bald  verkiek; 

He  kreeg  Schulzengret  op'n  Saal  bi*n  Bock. 

De  sä:  Hans,  rük  an'  Propp 

Un  hol  di  jo  nich  op!      Tanzlied  aus  d.  Ksp.  Kaltenkirchen  (L) 

Prowik  soll  aus  Bardowik  verstümmelt  sein, 
ö.   In  Bayern  sünd  v^l  Maiern.  Aus  Schinkel  bei  Gettorf  (Jk.) 

6.  Du  büst  verrückt,  min  Kind, 

Du  musst  na  Berlin, 


^)  Yergl.  Handelmann,  Topographischer  Yolkshumor,  Kiel  1866.  —  Mitt.  d. 
Vereins  f  Hamb.  Geschichte  4,  142  ff.  —  Am  Urquell,  Monatsschrift  für  Volks- 
kunde, Hamburg  1890  ff,  2,  171,  172.  —  Zeitschrift  des  Vereins  für  Volkskunde 
16,  302  ff.  und  396  ff 

Beiträge  lieferten  die  Herren  H.  Bebensee,  Lehrer  in  Kiel  (B.),  Iwersen, 
Lehrer  in  Hüttblek  bei  Kaltenkirchen  (L),  Johann  Jöhnk  in  Schinkel  bei  Gettorf 
(Ik.)  und  0.  Schoer,  Lehrer  in  Kiel  (Seh.). 


137 

Wo  de  Verrflckten  sind, 
Dor  masst  dn  henl 
Tanzlied  ans  d.  Ksp.  Ealtenkirchen  (I.)  (yergl.  unten  Nr.  148.) 

7.  In  Berlin,  seggt  he, 
Op  de  Strat,  seggt  he, 
Steit  en  Pott,  seggt  he, 
Ynll  Yun  Schiet,  seggt  he, 
Un  de  L^pel,  seggt  he, 
Liggt  dorbi,  seggt  he, 
Wer  da  ^ten  will,  seggt  he, 
Steit  dat  fri,  seggt  he. 

Ans  Pönitz,  Fttrst.  Lübeck  (vergl.  unten  Nr.  110). 

8.  In  Berlin,  seggt  he, 
Op  de  Strat,  seggt  he,  * 
Lopt  de  Swin,  seggt  he, 
Sp^lt  Suldat,  seggt  he, 
ün  de  Ewer,  seggt  he, 
Is  Offzier,  seggt  he, 
Het'n  Hot  op,  seggt  he,^) 
Yun  Papier,  seggt  he. 

Aus  POnitz,  Fttrst.  Lttb.  (in  Schinkel  (Jk.)  u.  Kr.  Rendsburg 
statt  Berlin  , Hamburg'). 

9.  Wi  wttllt  na  Bettlehem  (d.  h.  zu  Bett;  Wortspiel  mit  Bethlehem. 

Aus  Schwansen. 

10.  Min  Yader  heet  Hans  Yagelnest, 
Weer  Burvagt  in  Bimoehln, 
He  weer  ok  mal  op  Beisen  west, 
Drum  kunn  he  wat  yertelln« 

He  sft:  Jung,  best  en  Dalers  Geld, 
Dor  reis  mit  in  de  wiede  Welt, 
Denn  kannst  di  wat  versOken, 
Sünst  bliffst  du  all  diu  L^f  so  dumm 
As  Eken  un  as  BOken. 
Bimöhlen,   Dorf  bei  Bramstedt.     Die  erste,   etwas  veränderte  Strophe 
eines  Yolksliedes  aus  der  Franzosenzeit ;  vergl.  , Niedersachsen'  11,  408. 

Aus  d.  Ksp.  Kaltenkirchen  (I.) 

11.  Ik  wull,  dat  du  op'n  Block sbarg  seetst! 

12.  Dat  Mess  is  so  stump,  dor  kannst  mit'n  blot'n  Nors  op  na'n  Blocks- 
barg  ried'n.  Aus  d.  Ksp.  Kaltenkirchen  (B.)  u.  Schinkel  (Jk.) 

13.  In  de  Nehjohrsnacht  danzt  de  Hexen  op'n  Blocksbar g. 

Aus  Schinkel  (Jk.) 

14.  Lat*t  regen,  lat*t  geten, 
Lat*t  Gott  ni  verdreten, 
Lat  all  de  oln  Hexen 

Na*n  Blocksbarg  henfleten.  Aus  Oldesloe. 

15.  Dat  schall  hier  bohnert  sin,  dat  is  ja  ni  mal  schruppt,  sä  Krischan 
Mau,  do  gttng  he  lank't  Dörp.      Wortspiel  mit  Bohnert,  Dorf  in  Schwansen. 


1)  Het'n  Knüppel,  seggt  he, 

To'n  Gewehr,  seggt  he.  Ksp.  Kaltenkirchen  (B.) 


138 

16.  Wat  Bökel  na  keen  Fenstern?    Bäh!  seggt.  de  Bock. 

Spottwort  aof  Bökel,  Dorf  bei  Barmstedt  (B.) 

17.  Von  Bökel  na  HeidmoBhln 
Sttnd  dat  nich  fief  Miel? 

011  SoBg  mit  fief  Farken,' 
Sund  dat  nich  sOsb  Swin? 

HeidmUhlen,  Dorf  zw.  Neumünster  n.  Segeberg. 

Ans  d.  Ksp.  Ealtenkirchen  (I) 

18.  Dat  is  jo  80  lang  as  vnn  BornhOyed  na  Daldörp. 

Daldorf  im  Ksp.  Bomhöved. 

19.  Dor  Bwömmt  wi  Appeln,  sä  de  Pierkötel  un  swömm  mit^n  Bors- 
dörper  de  Bäk  lang.  Borstorf  in  Sachsen;  Borstorfer  Äpfel. 

20.  Dat  blänkert  as  Bothkamp  in't  Boklock. 
Bothkamp,  adl   Gut  im  Er.  Bordesfaolm. 

Ans  Schinkel  (Jk.)     (Vergl.  Handelmann,  Top.  V.  Nr.  26.) 

21.  He  sett  sik  in  de  Kant  as  de  Braaker  Deern.  (Er  nimmt  viel 
Platz  ein.)  —  Braak,  Dorf  bei  Eutin.  Aus  Pönitz,  Fürst.  Lüb. 

22.  Dat  geit  um  as  in  Braak  dat  Backen  (s.  unten  Nr.  131). 

23.  .Kötersalendörp*'  wird  der  östliche  Teil  des  Dorfes  Brackrade, 
Ksp.  Bosau,  genannt. 

24.  De  Herzog  vun  Braunschweig, 
De  harr  en  ol  Peerd, 

Dat  harr  son  schewen  Snuter; 
Dat  een  Og,  dat  weer  em  in'n  Kopp  verkehrt, 
Dat  anner,  dat  bummel  dor  ruter 
Sup  uter,  sup  uter,  sup  uter, 
Un  wisch  em  af  den  Snuter. 
Aus  Schinkel  (Jk.).       (vergl.  Schütze,  Holst.  Idiot.  4,  229.) 

25.  N.  N.  ut  de  H  o  s  s  mit'n  Bickbeernvoss !  —  Spottwort  auf  die  Kinder 
aus  Bredenbekshorst,  Dorf  im  Ksp.  Kaltenkirchen  (B.) 

26.  Ik  will  di  Bremen  sehen  laten!  —  Drohungsformel,  entstanden  aus 
dem  Ammenscherz,  das  Kind  „Bremen  sehen  lassen*,  es  mit  beiden  Händen  au 
Kopf  und  Ohren  fassen  und  in  die  Höhe  heben,  (vergl.  Handelmann,  Top. 
Yoiksk.  Nr.  32  u.  besonders  Ndd.  Korresp.-bl.  29,  85  u.  ö.,  unten  Nr.  80.) 

27.  Ut  jedes  Dörp  *n  Hund  un  utBttdelsdörp  'n  Köter!  (beim  Karten- 
spiel, wenn  man  Karten  der  verschiedensten  Farbe  erhält.)  —  Büdelsdorf  b. 
Rendsburg.  Aus  Bredstedt.     (vergl.  unten  Nr.  163.) 

28.  Dat  ward  Unweller,  de  Büsumer  Yagels  (Möwen)  fleegt. 

Aus  Dithmarschen. 

29.  De  Büsumer  hebbt  dat  Höhnerschott  all  werr  ni  tomakt!  —  Die 
Möwen  fliegen  vom  Meere  her  ins  Land,  es  gibt  schlechtes  Wetter.     Aus  Dithm. 

30.  Wo  is  dat?     In  Buxtehud*,  wo  de  Hund  mit'n  Steert  bellt. 

Aus  Pönitz,  Fürst.  Lüb. 

31.  Wo  reist  du  hin?     Na  Buxtehusen,  na't  Lammerlusen. 

Aus  d.  Ksp.  Kaltenkirchen  (B.) 

32.  Blinne  Koh,  ik  leide  di. 
Woben? 

Na  Buxtehud'. 


139 

Wat  schall  ik  dor? 

Stuten  un  Melk  ^ten. 

Ik  heff  keen'  L^pel. 

Gab  hen  un  sOk  di  een\  Aus  Pöuitz,  Fürst.  Lüb. 

33.  Hannemann  kümmt  vun  Jütland  an, 
Hannemann  bet  man  Holtscbob  an; 
Hannemann  mutt  sik  St^weln  kopen, 
Denn  kann  Hannemann  b^ter  lopen. 
Hannemann  bi,  Hannemann  bo, 
Hannemann  löppt  op  bOlten  Scbob. 

Der  Spottname  Hannemann   wurde   den   Dänen   in   der  Zeit  der  scblesw.-bolst. 
Kriege  beigelegt.  Aus  Scbwansen. 

34.  He  sübt  ut   as  de  Dod   vun  Dassow   (siebt  bleicb,   kränklieb   aus). 
—  Dassow,  Flecken  im  NW  von  Meckl.-Scbwerin.     Vergl.  Nieders.  14,  21. 

Aus  Pönitz,  Fürst.  Lüb. 

35.  Dat   weer  dütscb!  —  Nu    snackt   be    dütscb   mit  em!    (deutlicb, 
grob).  Aus  Ealtenkircben  (I.y,  Scbinkel  (Jk.)  u.  Pönitz. 

36.  Ik  gröt   di   in*  Namen  Dütscblands   und    all   de  umliegenden  Dörper! 
(scherzbafte  Begrüssung).  Aus  Pönitz  u.  Ealtenkircben  (I.) 

37.  Man    ümmer    rin    in*   dütscb  en   Bund!   (scberzbafte   Aufforderung 
zum  Näbertreten.)  Aus  Pönitz,  Ealtenkircben  (I.)  u.  Scbinkel  (Jk.) 

38.  De  Ditbmarscber  Burn, 

De  leggt  sik  op't  Lurn.  Aus  Tellingstedt  (B.) 

39.  Dat  is^n  L^ben  as  merm  in  de  Mascb, 

Dor  backt  se  de  Pannkoken  in  de  Ascb !     Aus  Tellingstedt  (B.) 

40.  Dat  is  en  Leben  in  de  Mascb!     Alldag  Speck  pannkoken  un  Höbner- 
snpp  to  Vesperbrot!  Aus  d.  Esp.  Ealtenkircben  (I.) 

41.  En  Ditbmarscber  Magen  is  inwenni  mit  Blick  beslan. 

42.  He  bet*n  Ditbmarscber  Magen. 

43.  Hau  sirrer  o  ob  Mosk 
5  kiger  ind  i  Husum. 

(Er  sitzt  in  der  Marscb  und  scbaut  nacb  Husum.) 

Aus  Nord-Scbleswig,  Gegend  von  Gramm  (durch  Lehrer  Juler-Eiel.) 

44.  Suck  suck  suck,  Hawermann, 
Treck  diu  Vadder  sin  St^weln  an, 
Bitts  du  as  en  Edelmann. 
Edelmann  vun  Spanien, 

Appeln  vun  Oranien, 

Figen  ut  de  M  a  s  c  h. 

So  ried  de  Einner  to  Gast.  Aus  Scbwansen. 

45.  Da  achter  de  rüge  Bargen, 
Da  weiht  de  kole  Wind, 
Da  körnen  dree  Snider 

Un  dopen  dat  Eind. 

Mudder  schall  backen  vun  Bohnenstroh, 

Yadder  schall  reisen  na  Dithmarschen  to: 

Da  hängen  de  E^teln, 

Da  klingen  de  Slöteln, 

Da  piepen  de  Mtts, 

Da  danzen  de  Lüs, 


140 

Da  fiedelt  de  Back; 

Lett  dat  ni  mal  smnck!  Aus  d.  Husamer  Gegend. 

46.  Gah  na'n  Donn  nn  klei  Sand!  (Abweis.)  Donn:  Dflne  zwischen 
Geest  und  Marsch. 

47.  Wonehr  weer  dat?  Dat  weer  so  twiscben  Wihnachen  un  Eckern f 5 r\ 
as  dat  to  Niejohr  Ostereier  geef. 

48.  Allbot  helpt,  sä  Michel,  un  piss  in  de  Eid  er. 

49.  a.  Allmannsbot  helpt,  sä  de  Mügg,  dor  spee  se  in  de  Elv  (Elbe). 

b.  Een  helpt  anner,  sä  de  Mügg,  un  piss  in  de  Ely  (Jk.) 

c.  Jede  Drüpp  helpt,  sä  de  Dflwel,  an  piss  in  de  Elv. 

Aus  Pönitz,  Fttrst.  Lttb. 

d.  Jede  Drupp  helpt,  sä  de  Jung,  do  piss  he  in^t  Haff. 

Aus  Wyk  auf  Föhr. 

50.  In  Elmshorn 

Het  de  Kark  keen'  Tom. 

In  Ite'ho 

Is't  ebenso. 

In  Nemttnster 

Staht  de  Stuten  yör't  Finster. 

Aus  d.  Ksp.  Ealtenkirchen  (I.) 
61.    Dat  Fehmarsch  Wederglas  (Anagallis  arvensis)  is  slaten,   dat  gifft 
Begen ;  —  —  de  Blöt  is  apen,  dat  W^der  blifft  drOg.     Aus  Pönitz,  Fürst.  Lüb. 

52.  Ik  will  na  Fehmarn  to*n  Grasmeid'n!  (scherzhafte  Antwort  auf  die 
Frage:  Wo  wullt  du  hen?)  Aus  Schenkenberg,  Er.  Stormarn  (Seh.) 

53.  De  Fissaer  Tiff.     (=  Carreau-Dame.)     Fissau,  Dorf  bei  Eutin. 

Aus  Pönitz,  Fürst.  Lüb. 

54.  Solt'n  Hering,  Kapp  1er  Bückling, 
Fockbeker  Aal,  Aalbeker  Fock!  (B.) 

55.  a.  Weisst  du  nicht,  wo  Fockbek  liegt? 

Fockbek  liegt  im  Grunde, 
Wo  die  weissen  Mädchen  sind 
Mit  dem  roten  Munde; 
Bote  Munde  haben  sie. 
Weisse  Kleider  tragen  sie. 
Violett,  violett, 

0,  wat  sünd  wi  Fockbeker  nett, 
(so  singen  die  Fockbeker  Kinder  am  Schlüsse  ihrer  Laternenlieder.) 

b.  In  Schinkel  (Jk.)  heisst  es:  Weisst  du  nicht,  wo  Kiel  liegt  — 

wo  all  die  hübschen  Mädchen  sind  —  —  spitze  Hüte  tragen  sie  —  — 

(vergl.  Handelmanu,  Top.  Y.  Nr.  152,  Schumann, 
Volks-  und  Kinderreime  Nr.  273.) 

56.  De  Koh  het  Franzosen  (Tuberkeln). 

57.  Dicht  vor  Friedrichstadtl  (beinahe!)  Aus  Pönitz,  F.  Lüb. 

58.  In  Ghetto rp  (Gettorf,  Dan.  Wohld)  in  de  chude  Chegend,  dor  chifft 
dat  v^l  Cbassenchrütt,  un  wenn  dat  de  chifft,  denn  warr  ik  chanz  chifti  (will 
die  in  der  Gegend   gebräuchliche  Aussprache   des  g   wie  ch   lächerlich   machen.) 

59.  Im  Kirchspiel  Gleschendorf,  Fürst.  Lttb,  ist  folgender  Spruch,  der 
den  Bewthnern  aller  eingepfarrten  Dörfer  etwas  anzuhängen  sucht,  ganz  oder 
in  Bruchstücken  im  Umlauf. 


141 

De  langen  (rieken)  Barkaner, 
De  blanken  (hochbOstigen)  Kesdörper, 
Steenrader  Wüpp-op'e-Klink,*) 
Havekoster  Orotgeld, 
Wnlfsdörper  Spring-in't-Feld, 
Sarkwitaser  Mörbeern, 
Schnlendörper  mög  s'  gern, 
Scbürsdörper  Sandhasen  (Yierthbasen), 
Schebeitzer  (Scharbeatz)  Strandlöpers, 
Peenser  (Pönitz)  Erückenten^)  an 
de  armseligen  GleschendOrper. 

60.  ,De  Qleschendörper  Aaenten"  —  Gleschendorf  liegt  an  der 
Schwartau  —  werden  die  Bewohner  des  Dorfes  Ton  den  Fönitzern  genannt; 
Antwort  aaf:  ,De  Peenser  Krttckenten".  Die  Pönitzer  heissen  bei  den 
Oronenbergern:  , Peenser  Parkers'',  man  raft  ihnen  nach:  „Prüte,  prüte, 
prtite  —  park,  park,  park!'  and  ahmt  damit  die  Stimmen  der  Enten  nach. 

61.  De  Qleschendörper  Kamncken 

Mtttt  sik  Tör  de  Peenser  backen!  Aas  Pönitz. 

62.  De  Qleschendörper  Eosacken 
Hebbt  Lüs  in'n  Nacken, 

Hebbt  Flöhn  in  de  Enaken, 

Eünnt  gornix  (liekers  nix)  maken!  Aas  Pönitz. 

63.  In  Qlinn 

Is  nix  to  finn, 
Un  in  Qrann 
Is  nix  to  pann. 
Gl  in  de  and  Grande,  Dörfer  im  Kr.  Stormam  (vergl.  Handelmann,  Top.  V.  Nr.  65). 

64.  In  Glinn 

Is  nix  to  finn, 
In  Willnhasen 
Is  nix  to  musen, 
In  Oh 
Is't  ebenso. 
Glinde,  Willinghasen,  Ohe,  Dörfer  im  Esp.  Steinbek,  Kr.  Stormarn. 

65.  Einzelne  Teile  des  ehemaligen  Lehengates  Gronenberg,  Fürst. 
Lüb.,  führen  im  Volksmnnde  besondere  Namen.  Am  Wege  vom  Gronenberger 
Hofe  nach  Hafikrag  liegen:  ^Dat  Lehmhas**,  „de  Yossbarg*',  „de  Getter',  „Elba" 
(abgebrannt,  nicht  wieder  anfgebant)  and  „de  Esel".  Die  Gärtnerei  aaf  den 
„Hafifwiesen"  wird  „Kiwitt*  genannt.  (Aaf  den  Wiesen  za  beiden  Seiten  des 
„Gosb^k"  leben  zahlreiche  Kibitze.  „Dor  kümmt  de  Kiwitt"  wnrde  früher  von 
dem  Besitzer  der  Gärtnerei  gesagt).  Die  ehemalige  „Messingmtthle"  heisst 
„Stang'nmoBhl",  weiter  westlich  aaf  einer  Anhöhe  liegt  „de  Stang^nbasch",  aach 
„Kreihnholt"  genannt;  von  ^ier  führt  ein  Fassweg,  die  „Himmelsleiter",  hinab 
zum  „Mück'nbasch"  in  der  Nähe  des  Grossen  Pönitzer  Sees.  Das  Wirtshaus 
Gronenberger  Krug  hiess  vordem  „de  Knickerkrog"  (Knirkerkrug).  Die  beiden 
Hufen  auf  dem  Gronenbergerfelde  (Achterfeld)   nennt  man    „Hunnmoehl"  (vergl. 


^)  1793  wurde  das  Dorf  durch  einen  Sturm  zerstört  ')  wegen  der  zahl- 
reichen Enten,  die  den  Grossen  und  Kleinen  Pönitzer  See  bevölkern.  (Mitget. 
von  H.  Stuhr,  Landmann  in  Havekost). 


142 

Schröder-Biernatzki,    Topographie  I»    437)    and    ^Ritzkrog''.     Aach    einen    ,01n 
Erog'  soll  es  hier  früher  gegeben  haben. 

66.  , In  Hackend örp  is  Wall  stahlen''  sagt  man  in  Pönitz,  Fürst.  Lüb., 
spottweise  zn  dem,  der  aaf  der  Hacke  ein  Loch  im  Strumpf  hat.  (vergl.  unten 
Nr.  164). 

67.  a.  Min  Soehn  het  schräw^n 

Ut  Hadersläwn, 
Het  acht  Dag  op^e  See  rümdräw'n, 
Het  nix  to  frät'n  kräg'n, 
Un  doch  noch  an'  Läw^n. 
Nä,  so'n  Läw'n 
Is  gor  keen  Läw'n, 
Väl  lewer  will  ik  ja  gomich  läw^n. 
b.  Jnnge,  wat'n  Läw'n! 

Min  SoBhn  het  ut  Härder  (?)  schräw'n: 

Sin  S(£g  het  veertein  Parken  kräg*n. 

Soßm  sünd  an't  Läw'n  bläw'n 

TJn  s(Bm  sünd  dod  bläwn. 

Junge,  wat'n  Läw'n!        Aus  d.  Ksp.  Kaltenkirchen  (I.) 

68.  In  H  am  barg  steiht  de  Kark  achteren  Knick  un  de  Orgel  ward 
dreiht.  —  Hamberge,  Kirchdorf  zwischen  Lübeck  und  Oldesloe. 

Aus  Hüttblek  bei  Kaltenkirchen  (I.) 

69.  Na  Hamborg  is  nich  mehr  wiet,  seggt  de  Kieler,  man  kann  all 
mit'n  Finger  henwiesen. 

70.  Wenn  dor  de  Weg  na  Hamborg  güng,  so  bleef  keen  Hund  un  Katt 
to  Hns.     (wenn  man  beim  Essen  krümelt)  Aus  Pönitz,  F.  Lüb. 

71.  Dor  kannst  mit'n  bieten  Nors  op  na  Hamborg  ried'n  (stumpfes 
Messer).  Aus  Pönitz  u.  Kaltenkirchen  (I) 

72.  Hamborger  Bodderbrot  (halb  Weiss-,  halb  Schwarzbrot). 

Kaltenkirchen  (B.) 

73.  He  fragt,  as  wenn  he  ut  Hamborg  is.  Kaltenkirchen  (B.) 

74.  Platz  dor  in*  ROnnsteen,  ik  will  dor  ligg'n,  sä  de  Hamborger  to'n 
Alt'naer. 

75.  Dat  geit  mi  nix  an,  ik  bün^n  Hamborger,  sä  de  Fohrmann. 

76.  Wat  ik  bün,  dor  gab  ik  vor,  seggt  de  Ammen  in  Hamborg. 

77.  Wenn  dat  lütt  Wort  ^wenn**  ni  weer,  kunn  Hamborg  ok  in'n  Buddel. 

78.  Ik  helf  Hamborger  Gewicht!  (habe  gewonnen,  bes.  b.  Kartenspiel). 

Aus  Pönitz,  F.  Lüb. 

79.  Ik  will  di  an  den  Hamborger  Jud'n  verköpen,  de  schall  di  in'n 
Sack  staken.  Kaltenkirchen  (B.) 

80.  a.  Wullt  du  mal  Hamburg  un  Lübeck  sehn? 

Aus  Pönitz  u.  Schinkel  (Jk.) 
b.  He  lett  em  Hamborg  sehn  (B.)  (vergi.  oben  Nr.  26). 

81.  0,  du  min  lütt  söde  Deern, 

De  Hamborger  mögt  de  Kasbeem  gern! 

Kaltenkirchen  (B.) 


143 

82.  a.  I  :  Von  Hamborg  geit  na  Bitzebüttel,  na  Ritzebüttel  :  | 

ün  80  na  1 1  z  e  h  0  e.  ij     Tanzweise  ans  Pönitz  n.  Kaltenkirchen  (B.) 

83.  Hia  hia  hnllera, 

In  Hamborg  hebV  s'  de  Cbolera; 
In  Glückstadt  is  de  Düwel  los, 
Dor  gifft  nix  as  Eartüffelmos. 
In  Glttckstadt  befindet  sich  ein  Znchthans.  Ans  Pönitz,  F.  Lüb. 

84.  Hide  hida  hidallera, 

In  Hamborg  hebbt's  de  Cholera, 
In  Qlückstadt  bebbt's  all  hatt, 
In  Bramstedt  Inrt's  noch  op.     Ksp.  Kaltenkirchen  (B.) 

85.  De    Ealennermakers   sitt   in*n    Hamborg  er   Elockentorn    nn   makt 
dat  Weller.  Ksp.  Kaltenkirchen  (B.) 

86.  .  a.  R^g^nblatt, 

Mak  mi  nich  natt, 

Mak  all  de  Harn  borg  er  Wiwer  natt! 
Set'n  achter'n  Knick  an  et'n, 
Ik  sä:  G^vt  mi  ok  en  b^t'n. 
Se  gewen  mi*n  Stück  verschimmelt  Brot, 
Ik  smet  9r  dat  wedder  in  den  Schot. 
B^g'n,  B^g^n,  rusch, 
Wat  msselt  hier  in'  Bnsch! 
b.  B^g'nblatt, 

Mak  mi  nich  natt, 

Mak  all  de  Hamb orger  Jaden  natt! 
Se  set*n  op*n  Dack  nn  et*n  wat, 
Ik  sä  to  ?r:  G^yt  mi'n  Stück  afl 
Se  smet*n  mi  mit  verschmimmelt  Brot, 
Ik  smet  ^r  dat  wedder  in  den  Schot. 
Dor  slög'n  se  mi  op*t  Schallerblatt, 
0  je,  0  je!  wo  baller  dat! 
Ksp.  Kaltenkirchen  (I.)     (vergl.  Schamann,  a.  a.  0.  Nr.  189). 


87. 


Wer  dor  gerne  Figen  mag, 
Seggt  den  Kramer  goden  Dag; 
Goden  Dag,  Herr  Kramer, 
Lehn  he  mi  den  Hamer; 
Lehnt  he  mi  den  Hamer  ni, 
Is  he  ok  de  Kramer  ni. 
De  Kramer  steit  vor  de  Achterdör 
Mit*n  blagen  Platen  vor, 
Mit  de  g^Pn  St^weln  an 
Reist  he  hen  na  Amsterdam; 
Ynn  Amsterdam  na  Rosenheim, 
Van  Rosenheim  na  Hamborg; 
Hamborg  hier,  Hamborg  dor, 
Hamborg  op  de  Schinnerkor 

Ans  Kiel  (vergl.  Schamann  a.  a.  0.  Nr.  415.) 


b.  ») vun  Ritzebüttel  na  Hus   —  Tellingstedt  (B ) 

c.  *) van  dorn  geit  hen  to  Mark.  —  Schinkel  (Jk.) 

d.  *) mit'n  rod'n  Kittel   —  Kr.  Stormarn  (Seh ) 


144 

88.  Hest  Lebberwnst  nich  sehn? 

In^n  Bäckergang  (in  Hamburg),  dor  sfind  se  so  schön. 

Ans  Sievershütten  bei  Sttlfeld  (I.) 

89.  Nn  wardst  Nacht  in'n  Dom!     (Hamburger  Dom.) 

Esp.  Kaltenkirchen  (B.) 

90.  Hansühn,  Ettkelühn,  Harmhoss  un  Fnhlendiek  (Dörfer 
im  Kr.  Oldenburg),  dat  sünd  de  veer  Hauptstäder»  de  de  bereist  het,  kann 
Meister  warm.  Aus  Pönitz,  F.  Lüb. 

91.  a.  Wo   is   dat?     In  Hansühn   un   Eükelühn,    wo  de   Sliepsteen 

in^t  üienlock  dreit  ward. 

b.  He  hört  hen  na  Hansühn  un  Eükelühn,  wo  de  Sliepsteen 

Aus  Pönitz,  F.  Lüb. 

92.  De  Hük,  de  Hissel  un  de  Grouf,  dat  sünd  de  Vörstäder  vun 
Hassendörp.  —  Hassendorf,  Fürst  Lübeck.  ,Huk"  an  dem  Wege  nach 
Brackrade,    ,  Hissel'    an   dem  nach  M^jenfelde  und  , Grouf  an  dem  nach  WObs. 

Aus  Majenfelde  bei  Eutin. 

93.  Die  Pönitzer  sagen  vom  Südwestwinde,  der  ihnen  Regen  bringt: 
,Dat  is  de  Havköster  Wind!*     Im  SW  liegt  das  Dorf  Havekost,  F.  Lüb. 

94.  De  Schap  de  gabt  na  Heikendörp,  na  Heikendörp  to  Eöss, 
Dor  gifft  dat  nix  as  Schinken,  Fleesch  un  Wüss. 

Lat  de  Schap  to'n  Döster  gähn, 
Heikendörp  blifft  doch  bestahn! 

Heikendorf  am  Kieler  Hafen. 
Aus  Pönitz,  F.  Lb.  (vergl.  Zeitschr.  f.  Volkskunde  16,  307  Nr.  69). 

95.  Wo  is  dat?  In  Hohenwiechel  (fingiert),  wo  de  Sliepsteen  in't 
Ulenlock  dreit  ward.  Aus  Pönitz,  F.  Lb. 

96.  Ik  heff  hollandsch  Gewicht !  (habe  gewonnen ;  bes.  b.  Eartenspiel.) 

Aus  der  Beinfelder  Gegend  (Seh.)  und  Pönitz,  F.  Lb. 

97.  He  het'n  holsteenschen  Magen! 

98.  Se  gabt  bald  mit  em  oewer  de  Hu d au- Bruch  (d.  b.  zum  Eirchhof). 
Hudau  und  Osterau  vereinigen  sich  in  Bramstedt  zur  Bramau ;  südlich  vom  Flecken 
führt  eine  Brücke  über  die  Hudau. 

99.  Wo  kamt  ji  her? 
Vun  Hüll! 

Wat  hebbt  ji  lad'n? 
WuU! 

Wi  hebbt  ji  lad'n? 
VuU! 

Wi  heet  de  Kaptein? 
Krull! 

Wi  is  ju  Nam? 
John  Bull. 

Ach,  ji  Bund  wull  dull! 
Jawull ! 
(Soll  das  Gespräch  zweier  Schiffer  darstellen,   die   sich   auf  der  See   begegnen.) 

Aus  EI.  Schenkenberg,  Er.  Stormarn  (Seh ). 


145 

100.  Keem*n  oln  Mann  ut  Hütten, 
Harr'n  Rock  vnn  dosen  Stücken, 
Harren  knökern  Angesicht, 

Harren  Kamm  nn  kämm  sik  nich.  (Habn.) 

Ans  Schinkel  (Jk.).  —  Gemeint  ist  das  Gut  Wulfs hagener  Hütten, 
Ksp.  Gettorf.  —  Im  Ksp.  Kaltenkirchen  (I.)  beginnt  man:  „Keem'n  Mann  vun 
Sievers bütten"  (Dorf  im  Ksp.  Todesfelde)  oder  „Dor  keem'n  Mann  vun 
Krücken  (Teil  des  Dorfes  Weddelbrook  bei  Bramstedt)  (vergl.  Müllenboff, 
Sagen  —  —  —  S.  506  und  Augnstiny,  Acbtern  Aben  S.  103.). 

101.  Jerusalem, 

krieg  em  bi*n  Kopp  (bi  de  Haar)  un  tusel  em! 

Ksp.  Kaltenkirchen  (B.),  Schinkel  (Jk.)  und  Pönitz,  F.  Lb. 

102.  a.  He  mntt  wull  ball  na  Ko'nnkarken!     (Kaltenkirchen.) 
b.  He  is  riep  för  Konnkarken  (d.  h.  für  den  Kirchhof). 

Aus  Hüttblek  bei  Kaltenkirchen  (I.) 

103.  Kalifornien  liegt  nich  wied  vun  Bramsilien. 

Wortspiel  mit  Kaltenkirchen  und  Bramstedt  (I.) 

104.  Als  in  den  achtziger  Jahren  die  Erwerbung  unserer  westafrikanischen 
Kolonie  Kamerun  im  Volke  bekannt  wurde,  benannte  man  danach  neue, 
auffällig  erscheinende  Sachen.  Einen  grossen  Strohhut  mit  breitem,  abwärts 
gerichtetem  Rand  nennt  man  noch  heute  allgemein  „en  Kameruner'*. 

Als  damals  die  Bahn  von  Bhf.  Gleschendorf  nach  Ahrensböck  gebaut  wurde, 
belegten  die  Pönitzer  den  Ahrensböcker  Zug  mit  dem  Namen  „Kamerun",  den 
er  bis  heute  behalten  hat.  „Kamerun  kümmt",  „ik  bün  mit  Kamerun  herdal 
f5hrt'  sind  allgemein  gebrauchte  Redensarten. 

105.  Karbyer  Banditen 

künnt  kum  vor  Knaken  schieten! 

Aus  Schuby,  Ksp.  Karby  (Schwansen). 

106.  a.  Ab  nach  Kassel! 

b.  He  reist  bald  af  na  Kassel!  (stirbt  bald.) 

107.  In  Kiel  sliept  se  Biel.  Aus  Schinkel  (Jk.) 

108.  Dat  irst  Gewinnen  holt  de  Kieler  (de  Lübecker)  Jungs  ni  vor 
god  (b.  Kartenspiel). 

109.  Da  's  de  Snider  vun  Kiel  (Carreau-Bube). 

HO.  In  Kiel,  seggt  he. 

An  de  Eck,  seggt  he, 
Steit  en  Emmer,  seggt  he, 
Is  vull  Dreck,  seggt  he, 
Un  en  L^pel,  seggt  he, 
Liggt  dorbi,  seggt  he, 
Wer  Apptit  het,  seggt  he, 
Steit  dat  fri,  seggt  he. 

Aus  Schinkel  (Jk.)  (vergl.  oben  Nr.  7). 

111.  In  Kiel,  seggt  he, 

An  den  Weg,  seggt  he, 
Steit  en  Fru,  seggt  he, 
Un  de  fecht,  seggt  he, 
Kümmt  en  Jung,  seggt  he, 
Nimmt  en  Steen,  seggt  he, 

NiedcrdeatBOhes  Jahrbuch  XXXV.  10 


146 

Smitt  de  Fra,  seggt  he, 

An  dat  Been,  seggt  he.  Ans  Schinkel  (Jk.) 

112.  DeKiadörper  hebbt*n  BuUn  op't  Dack  trock'n. 

Eisdorf  im  Kap.  Kaltenkirchen  (B.) 

113.  „Dat  ol  Wief  nt  Klenza''  wird  in  der  Umgegend  von  Entin  die 
Influenza  genannt.  ,He  het  dat  ol  Wief  nt  Klenzal'  »I^ftt  ol  Wief  ut  Klenza 
kann  gefährli  nog  warrn!"  K  lenz  au,  Dorf  bei  Entin. 

114.  Ik  will  di  verklagen 
bi  Kopenhagen, 

de  schall  di  den  Kopp  afsagen. 
Husnmer  nnd  Rendsburger  Gegend  (vergl.  unten  Nr.  151). 
115      Dat  r^g'nt!  —  Ja,  lat  man  r^g'n,  so  seggt  se  in  Kopenhagen. 

Aus  dem  Schleswigschen. 

116.  Rüter  to  Peer,  Soldaten  to  Fot, 

Achter  Kronshagen  verlor  ik  min'  Hot, 

Achter  min  Grossvadder  sin  Schün, 

Dor  piepen  de  Mtts, 

Dor  danzen  de  Lüs, 

Dor  klingen  de  Klocken, 

Dor  danzen  de  Poppen, 

Dor  slachen  se  Swin, 

Dor  drunken  se  Win, 

Dor  schall  min  Itttt  Heine 

Sin  Hochtied  sin. 

Kronshagen  bei  Kiel.  —  Aus  Schinkel  (Jk.) 

117.  Wo  wahnt  Schnüt  ?  (Der  Fragende  fasst  das  Kind  bei  der  Nase) 
Achter  Krummdiekl 

Wat  makt  he  dor? 

Leggt  Eier. 

Wat  förn  schall  ik  hem? 
Bei  der  Antwort  „de  swarten''  kneift  man,  bei  „de  Witten*  lässt  man  los. 
~  Krummendiek.  Kirchdorf  bei  Itzehoe.     Aus  Schinkel  (Jk.)  (vergl.  Zeitschr. 
d.  V.  f.  Volkskunde  16,  310  Nr.  106). 

118.  Dat  ritt  een  in't  anner  as  Krummwisch  un  Brembek.  —  Die 
Bewohner  der  Dörfer  Krummwisch  und  Bredenbek,  Ksp.  Bovenau,  waren 
vielfach  miteinander  verwandt.  Aus  Schinkel  (Jk.) 

119.  Dat  is  Krummwischer  Goldl  (Imitation.)     Aus  Schinkel  (Jk.) 

120.  Raus  aus  Leipzig!   raus  aus  Metz!        Ksp.  Kaltenkirchen  (B.) 

121.  Ik  weet  en  Leed,  dat  keener  kann, 
Dat  lehr  mi  oll  Vadder  Dock: 

Ik  schuU  dat  Peerd  den  Tom  andon, 

Ik  sett  mi  dor  woll  op 

ün  re^  dormit  na  Lübeck  hen. 

Un  as  ik  nu  in  Lübeck  keem, 

Müss  ik  min  eegen  Wunner  ansehn: 

De  Fleddermüs  de  f^g'n  dat  Hus, 

De  Mücken  de  drOg'n  dat  Üller  rut; 

Achter  de  Schün 

Dor  döschen  veer  Kappün, 

Se  döschen  veer  Klapp  Ha  werstroh, 


147 

Dor  wuUn  se  Beer  vun  bru'n. 

Dat  Beer  füng  an  to  prusen: 

Stenner  nt^n  Hasen, 

Kalwer  nt'n  Stall 

Verlören  ^m  Fall; 

Höhner  op'n  Wiem'n 

Wnlln  sik  beswiem'n; 

Heister  op'e  Heck 

Föll  mit  de  Näs  in'n  Dreck. 

Dor  keem'n  oll  Fru,  wall  ok  wat  sehn, 

Föll  mit  de  Näs  rin  'n  Rönnsteen. 

Ksp.  Kaltenkirchen  (I.) 

122.  He  is  van  all  de  Harken  to  Has  kam'n,  blots  ui  yun't  Lenter 
Hannmark.  —  Der  Jahrmarkt  von  M  a  1  e  n  t  e  -  Gremsmtthlen  heisst  in  der  Umgegend 
,,HaDnmark'.  Aas  Pönitz,  F.  Lb. 

123.  Die  Kirche  in  Malente  hatte  früher  einen  hölzernen  Tarm,  der 
—  wie  der  Volksmand  erzählt  —  in  einen  Schnppen  gestellt  wnrde,  sobald 
schlechtes  Wetter  im  Anzage  war;  so  entstand  der  Spottreim: 

Dat  Malent  is  prächtig, 

Aewer  nich  heel  grot, 

De  Kirchtorn  de  is  mächtig 

hoch  —  eenantwintig  Fot. 

Doch  to  ^rn  Yergnögen 

Un  dat  he  nich  verfreert, 

Sett  se  em  in  den  Drogen, 

Denn  geit  je  nix  verkehrt.  Aas  Fönitz,  F.  Lb. 

124.  DeM^kelnbörger  Jangs  hebbt  ^r  all  in  de  Macht.  (Die  Sonne 
beim  Untergang.)  Aas  Schinkel  (Jk.) 

125.  Ik  bün'n  Itltt  Deern  nt  Meimersdörp 
Un  wall  mi  gern  vermeden, 

Bün  ik  ni  een  lütt  dralle  Deern, 
Dat  kttnnt  ji  doch  wall  sehn? 
De  Grütt  de  kann  ik  kaken, 
Den  Braden  den  kann  ik  maken, 
Un  kümmt  mi  een  van  ja  tonäch, 
So  kriggt  he  wat  mit  dissen  Sleef. 
Meimersdorf  bei  Kiel.  —  Aas  Gaarden,  Kr.  Bordesholm. 

126.  Dat  gifft  'n  Nassaaerl     (Regenschaner.) 

127.  „De  kümmt  direkt  van*  Nordpol",  sagt  man  in  Pönitz,  F.  Lb., 
von  einem  kalten  Winde. 

128.  Dat  is  Nürnberger  Tand!  (Schinkel,  Jk.),  Nürnberger  War 
(Pönitz),  Nürnberger  Kram  (Ksp.  Kaltenkirchen,  I.) 

129.  Ik  will  mal  na  Naddeln  (will  „Nall"  spielen  im  Skat). 

Nntteln,  Dorf  nördl.  von  Wilster. 

130.  Wo  geit  di  dat?  —  Ümmer  op  de  Föt  as  de  Olanner  Gös,  blots 
ni  80  wackelig.  Alten  Lande  bei  Hambarg. 

131.  Dat  geit  um,  as  in  Olslo  (Oldesloe)  dat  Backen,  de  keen  Mehl 
bet,  den  geit't  vörbi  an  de  keen'  Backtrog  het,  sttrt  (sänert)  in*e  Eck. 

Ans  Pönitz,  F.  Lb.  (vergl.  Handelmann,  Top.  V.  Nr.  142,  Zeitschr.  d.  V.  f. 
Volkskande  16,  397  Nr.  112,  „Heimat"   1906,  S.  181  Nr.  11  and  oben  Nr.  22). 

10* 


148 

132.  VVat  wullt  iu  Fahlen? 
Dor  is  nix  to  halen 

As  en  Paar  St^weln  ahn  Sahlen. 

Fahlen,  Kap.  Tellingstedt  (B.). 

133.  Ok  nich  to  verachten,  sä  de  Po  lack,  do  harr  he  op'e  Lusjagd  en 
Flöh  fung\ 

134.  He  kann  de  Polacken  (Reste)  drinken! 

135.  He  snackt  pol  seh  (unverständlich). 

136.  He  wahnt  binah  an  de  pol  seh  Grenz  (abgelegen). 

Ans  Pönitz,  F.  Lb. 

137.  He  is  preusssch  (erzürnt).  Ans  Schinkel  (Jk.) 

138.  Hut  r^g'nt   dat   förn  Bnrn  preu'sche  Dalers!    (bei   einem   frucht- 
baren Begen).  Ans  Pönitz,  F.  Lb. 

139.  So  schnell  schiessen  die  Preussen  nicht*  (nur  immer  langsam). 

Ans  Pönitz,  F.  Lb. 

140.  De  hollt  mehr  as  dree  Probstier,   de   gornix  holt!    (wenn   man 
einen  Nagel  eingeschlagen  hat).  Ans  Wellingdorf  bei  Kiel. 

141.  Dat  kratzt  in'  Magen,  sä'n  de  Probstier,  do  drttnk'n  dree  Manu 
vun  een'  Sösslingsschnaps. 

142.  De  Quarmbeker  Eosacken 
Hebbt  Ltts  in'  Nacken. 

Gut  Qnambek,  Ksp.  Flemhude  (Jk.). 

143.  Ich  als  Prediger  von  Batekau!  (von  Selbstbewussten). 

Batekau,  Kirchdorf  im  Fürst    Lüb.  —  Aus  Pönitz. 

144.  In  Bissen 

Eünnt  se  nix  missen.      Dorf  Bissen,  Ksp.  Nienstedten. 

145.  Kling  klang  klara, 

De  Klocken  gabt  in  Sara. 
Wer  is  dor  dot? 
Hans  Peter  Fr^t-Brot 
Sin  Fru  is  dot. 
Abzählreim  aus  Pönitz,  F.  Lb.  —  Sarau,  Kirchdorf  bei  Ahrensböck 
(vergl.  Schumann,  a.  a.  0.  Nr.  282). 

146.  Widde  widde  witt,  min  Mann  is  ut, 
Widde  widde  witt,  wo  is  he  hen? 
Widde  widde  witt,  na  Schlesien. 

Widde  widde  witt,  wat  het  he  di  mitbröcht? 

Widde  widde  witt,  en  Sack  vull  Plumm, 

Widde  widde  witt,  de  smeckt  ni  dumm. 

Widde  widde  witt,  giff  mi*n  paar  af. 

Widde  widde  witt,  ik  kann  keen  missen. 

Widde  widde  witt,  ol  Giezhals!  Ans  Pönitz,  F.  Lb. 

147.  In    Sleswig   an    de    81  i    het    de   Slachter   en   Swin    slacht   (zum 
Schnellsprechen).  Aus  d.  Ksp.  Kaltenkirchen  (I.) 

148.  Du  büst  verrückt,  min  Kind, 
Du  hest'n  Splien, 

Du  muss  na  Sleswig  hen 
oder  na  Berlin. 
Aus  Kr.  Stormarn  (Seh.)  und  Pönitz,  F.  Lb.  (vergl.  oben  Nr.  6). 


149 

149.  He  is  ferti  mit  Sleswig-Holsteen!  (mttde  —  Konkurs). 

Ans  Pönitz  und  Schinkel  (Jk.) 

150.  Se  gabt  as  de  Sraalfeller  to  Kark  (im  Gänsemarsch).  Der 
Kirchsteig  von  Schmalfeld  nach  Kaltenkirchen  war  so  schmal,  dass  die  Kirch- 
gänger einer  hinter  dem  andern  hergehen  mussten  (I.). 

151.  Ik  will  di  verklagen 
An  Schönhagen; 
Morgan  wttllt  wi  backen, 

Denn  schall  de  Hahn  di  hacken. 
Schönhagen,  adl.  Gut  inSchwansen.  —  Aus  Schinkel  (Jk.)  (vergl.  oben  Nr.  114). 

152.  Nu  ward'fr  Dag  in  Schönwohld,  in  Langenhagen  (Dörfer  in 
Ostholstein)  hebbt  se't  Lieh'  all  anst^ken!  (ihm  geht  ein  Licht  auf). 

Aus  Pönitz,  F.  Lb. 

153.  Ik  btln  in  Schrum  w§n, 
bün  dun  w^n, 

bün  Yun'n  Weg  rummelt 
un  in  de  Rönn  trunnelt. 

Schrum  bei  Tellingstedt,  Dithm.  (B.) 

154.  Nu  brennt  Säbarg!     (Segeberg;  Ausruf  der  Verwunderung.) 

Ksp.  Kaltenkirchen  (I.) 

155.  Wat  kost  Sab  arg!  (zum  Grossprahler  —  I) 

156.  Da's  ja'n  sibirische  KüU  vundag!     (I.) 

157.  Dor  sett  ik  ganz  Sierhagen  gegen!  (adl.  Gut  bei  Neustadt  i.  Holst.) 

Aus  Pönitz,  F.  Lb. 

158.  Das  Schulhaus  in  Sierksdorf  liegt  »op'n  Pannkokeubarg'' .  Die 
Frau  eines  früheren  Lehrers  soll  die  Badegäste  aus  dem  nahen  Ostseebad  Haffkrug 
mit  Pfannkuchen  bewirtet  haben. 

159.  Sievershütten  (Ksp.  Todesfelde)  is  russsch!  (ziehe  nicht  dahin!) 
Auch:  Poppenbtlttel  is  däusch!    (I)    (vergl.  Handelmann,  Top.  V.    Nr.  148.) 

160.  „Keen''  het  sik  in  de  Boddermelk  versapen 
Un  is  bi  Störkathen  weller  rut  krapen! 

(scherzhafte  Abfertigung).     Störkathen  bei  Kellinghusen  (B.) 

161.  a.   Dat  Köpp'n  (Tasse)  is  so  grot  as  de  Susi  er  Döp. 

b.    „Susi er  Döp*'  nennt  man  auch  ein  grosses  Glas  Kümmel,  den 
sogenannten  „  Wachtmeister *'. 
Süsel,  Kirchdorf  im  Fürst.  Lübeck.     Das  alte  granitene  Taufbecken,  „de  Süsler 
Döp",  ist  jetzt  wieder  in  der  Kirche  aufgestellt  worden.  —  Aus  Pönitz,  F.  Lb. 
(vergl.  Zeitechr.  d.  V.  f.  Volksk.  16,  400  Nr.  176). 

162.  Der  Jahrmarkt  in  Süsel  heisst  in  der  Umgegend  „Süsler  Mess- 
mark" gegenüber  andern,  bedeutenderen  Märkten. 

163.  Ut  jedes  Dörp  'n  Hund  un  ut  Teckelsdörp  'n  Tiff.  Techels- 
dorf  bei  Bordesholm.  Aus  Kiel  und  Umgegend  (vergl.  oben  Nr.  27). 

164.  In  Tehnendörp  (fingiert)  is  WuU  stahln  —  (Pönitz). 
is  Für  (Schinkel.     Jk.)     (vergl.  oben  Nr.  66). 

165.  De  Borstier  Kosacken, 
De  künnt  sick  man  packen, 
De  künnt  sick  man  wohrn 

Vor  de  Tellgnstedter  Husorn. 

Österborstel,  Ksp.  Tellingstedt,  Dithm.  (B.). 


150 

166.  Wo  liggt  Ton  dem?  An  de  Wid  ...  au!  —  Kinderscherz ;  der 
Fragende  gibt  die  halbe  Antwort  nnd  veranlasst  den  Spielgenossen  durch  Kneifen 
in  den  Arm  zur  Vervollständigung  der  Antwort:  au!     (I.) 

167.  Wann  weer  dat?  Achteinhunnert  un  Wittkohl,  as  Steenbock  vor 
Tonn  in  g  leeg.  —  Der  schwedische  General  Steenbock  wurde  1713  bei  Tönning 
gefangen  genommen  (vergl.  Handelmann,  Top.  V.  Nr.  178,  Am  Urdsbr.  2,  162 
und  Nd.  Jb.  30,  78).  Aus  der  Husumer  Gegend. 

168.  He  het'n  Torgauer  Dörchmarsch  (Durchfall). 

169.  De  steit  vör't  Vaderland!  (b.  Kartenspiel).  —  Nu  is't  Vader- 
land  in  Gefahr!  —  Wi  str§wt  för't  Vaderland! 

170.  De  kümmt  ok  bald  na  V  echt  a.  —  Aus 'dem  Fürst.  Lfib.  In 
Vechta  befindet  sich  die  Strafanstalt  für  das  Grossherzogtum  Oldenburg. 

171.  Dat  geit  na  Waasten,  na  Waasten!  (langsam  sprechen). 
Dat  geit  na  Botel,  na  Bot  eil  (schnell). 

Wahlstedt  und  Fehrenbötel,  Dörfer  bei  Segeberg  (B.). 

172.  a.  In  de  Wik,  in  de  Wik 

Is  Danzmusik.  Stadtteil  Kiel -Wik. 

b.  In  der  Wik,  in  der  Wik  ist  Feuer.     Aus  Schinkel  (Jk) 

173.  In  Winsen,  in  Winsen 
Heff  ik  min  Geld  op  Zinsen, 

Heff  all  de  Pött  den  Steert  ümdreit, 
Dor  hebbt  sik  alle  Lud  to  freit. 

Winsen,  Dorf  im  Ksp.  Kaltenkirchen  (I.) 

174.  Dar  kamt  de  Wittb^ker  Imm!  (es  schneit). 

Wittbek,  Dorf  bei  Husum. 

175.  Dat  lüggs!  (lügst  du).  —  Lüggsche  wahnt  in  Wöhrden. 

Aus  N.  Dithm. 

176.  Die  Wulfs  dor  f  er  (Ksp.  Gleschendorf,  Fürst.  Lüb.)  nennen  den 
Teil  ihres  Dorfes,  der  östlich  der  Brücke  liegt,  „Fackenborg^,  den  westlichen 
„Stockelsdörp*'.  —  Fackenburg  und  Stockeisdorf,  beieinander  liegende  Vororte 
Lübecks. 

177.  He  makt'n  Gesicht,  as  wenn  he  Stockelsdörp  verraden  het  (ist 
verlegen).  Aus  Pönitz. 

KIEL.  G.  F.  Meyer. 


151 


Anzeige. 


Die  Chroniken  des  Klosters  Ribnitz,  bearbeitet  von  Friedrich  Techen 
[=  Mecklenburgische  Geschichtsquellen.     Mit  Hülfe  des  Freiherr 
V.   Bielschen   Legats   herausgegeben   vom   Verein    für  Mecklen- 
burgische  Geschichte   und   Altertumskunde   I]    Schwerin    1909, 
Druck  u.  Vertrieb  d.Bärensprungschen  Hofbuchdruckerei  (Leipzig, 
K.  F.  Köhler  in  Komm.).     18*  und  279  SS.  80. 
Zar  Stärkung  meiner  Kenntnis  der  mittelniederdeutschen  Sprache  —  und 
dazu  für   einige  Nebenzwecke  —  pfleg  ich   alle   neu  ans  Licht  tretenden  Texte 
zn  lesen,  und   als   ein   dankbarer  Leser,   der  an  der  saabern  Editionsarbeit  und 
den  förderlichen  Beigaben  des  Wismarer  Stadtarchiyars  seine  Freade  gehabt  hat, 
möcht  ich  dieses  Werk  hier  kurz  zur  Anzeige  bringen   und   allen  Freunden  der 
niedersächsischen  Mnndart  empfehlen  —   za  den  Freunden  der  mecklenburgischen 
Geschichte  wird  es  seinen  Weg  schon  von  selbst  finden. 

Unser  Band,  geschmeckt  durch  ein  Bild  des  Stifters,  dessen  hochsinniges 
Legat  die  wttrdige  Ausstattung  und  wohlfeile  Verbreitung  der  'Mecklenburgischen 
Qeschichtsquellen'  ermöglicht  hat,  bringt  eine  lateinische  und  eine  niederdeutsche 
Chronik  des  Klarissen-Klosters  Ribnitz  (Franciscaner-Ordens),  das  zn  dem  meck- 
lenburgischen Ftlrstenhause  nahe  Beziehungen  hat:  denn  zahlreiche  seiner  Mit- 
glieder haben  es  mit  Wohltaten  bedacht,  und  von  den  neun  Äbtissinnen,  die 
seit  1329  dort  'regiert'  haben,  gehören  nicht  weniger  als  sechs  der  herzoglichen 
Familie  an  (S.  191).  Sie  allein  ftthren  den  Titel  froyken,  froychen  (zuletzt 
fraulin),  und  dies  Wort  war  also  im  Glossar  S.  278  schlechthin  mit  '(unverhei- 
ratete)  Prinzessin'  zu  übersetzen:  durchaus  in  Übereinstimmung  mit  dem 
sonstigen  Sprachgebrauch  der  Zeit. 

Die  lateinische  Chronik  (S.  1— 61),  die  leider  nach  einem  frOhem 
Druck  wiederholt  werden  mnsste,  da  die  Handschrift  inzwischen  Terschollen  ist, 
war  in  der  vorliegenden  Ausgabe  nicht  zu  entbehren,  nachdem  Techen  fest- 
gestellt hatte,  dass  sie  die  Vorlage  und  fast  einzige  Quelle  der  deutschen  ge- 
bildet hat,  soweit  beide  zeitlich  zusammenfallen.  Als  Verfasser  ihres  Grundstocks 
sieht  T  den  Minoriten-Knstos  Dietrich  von  Studitz  aus  Ltlbeck  an,  der 
1329  und  1330  als  Prokurator  von  Ribnitz  bezeugt  ist  und  der  das  Werk  wohl 
bis  gegen  1340  geführt  hat;  später  sind  zu  verschiedenen  Zeiten  andere  Auf- 
zeichnungen angegliedert  —  sogar  bis  1538  hinab. 

Dies  Werk  fand  Lambert  Slaggert  aus  Stralsund  vor  [den  man  zeit- 
weise für  seinen  Verfasser  angesehen  hat],  als  er  Michaelis  1522  vom  Minoriten- 
Kapitel  in  Hamburg  her  als  Beichtiger  nach  Bibnitz  kam.  Wahrscheinlich  schon 
im  nächsten  Jahre  hat  er  die  niederdeutsche  Chronik  (S.  65 — 217)  begonnen, 
der  er  für  die  ältere  Zeit  das  lateinische  Werk  mit  seinen  Erweiterungen  zu 
Grunde  legte,  streckenweise  mit  engem  wörtlichem  Anschluss  (wie  gleich  in  der 
Vorrede).  Seine  Aufzeichnungen  reichen  in  der  Chronik  bis  zum  Sept.  1532, 
in  den  Beigaben  bis  zum  Aug.  1533.  Er  konnte  für  die  seiner  Anwesenheit  vor- 
ausliegende Zeit  manches  vom  Hörensagen  hinzufügen,  hat  auch  wohl  hier  und 
da  anderweitige  Aufzeichnungen  benutzt,  so  solche  von  Marschalk  Thurius,  dem 
Fortsetzer  der  Kirchbergschen  Reimchrouik. 


152 

Techen  hat  wohl  Recht :  Slaggerts  geistige  Qaben  waren  beschränkt,  er  ist 
nichts  weniger  als  ein  Historiker,  obwohl  es  ihm  an  litterarischem  und  geschichtlichem 
Interesse  nicht  fehlte ;  anter  den  Büchern,  die  er  der  Bibliothek  des  Klosters  schenkte 
(S.  163:  19  an  der  Zahl),  befanden  sich  u.  a.  'sermones  Johannis  Geyler  vel 
nayis  stnltifera  per  totam  annnm',  ^carmina  Sebastiani  Brant  cnm  navi  stnltifera', 
während  unter  denen,  die  er  für  seinen  persönlichen  Gebrauch  zurückbehielt  (16), 
eine  zweite  ^navis  stultifera'  (man  kann  schon  an  den  Rostocker  Druck  des  nd. 
Textes  denken),  die  Lumbardica  historia'  (d.  i.  Legenda  aurea)  und  die  'Wandalia 
doctoris  Crans'  aufgeführt  werden.  Stärker  als  seine  litterarischen  mögen  seine 
technischen  und  künstlerischen  Interessen  und  Fähigkeiten  gewesen  sein.  Er 
nimmt  an  allen  derartigen  Vorgängen  und  Neuerungen  im  Kloster  lebhaften  An- 
teil, beschreibt  Bauten,  Kunstwerke,  Maschinen  und  Instrumente  mit  offenbarer 
Sachkunde  und  betätigt  sich  auf  allerlei  Gebieten  selbst.  So  erhalten  wir  aus- 
führlichen Bericht  über  die  verschiedenen  Umbauten  der  kleinen  und  grossen 
Orgel:  136,  20  ff.  166,  1  ff.  157,  11  ff.  169,  34  ff.  170,  23  ff.  Die  gemalten 
Fenster  würdigt  S.  einer  ausführlichen  Beschreibung  (207—209);  als  Maler  von 
Altarbildern  war  er  sogar  selbst  tätig:  170,  33  ff.  172,  3  f.  Mit  dem  Pater 
Guardian  zusammen  mauert  er  Badeöfen  und  Badestube:  148,  39  ff.  150,  1  ff. 
—  betont  aber  freilich  auch  gern  die  persönliche  Handreichung,  welche  die 
fürstliche  Äbtissin  mit  Zutragen  von  Backsteinen  leistete  (148,  42  f ).  137, 
18  ff.  22  ff.  veranlasst  er  die  Aufstellung  einer  neuen,  ökonomischen  Honigpresse. 
Diese  Beispiele  zeigen,  dass  seine  Chronik  uns  in  die  Arbeiten  und  Sorgen  eines 
Frauenklosters  zu  Anfang  des  16.  Jahrhunderts  einen  intimen  und  vielfach  lehr- 
reichen Einblick  tun  lässt.  Die  Darstellung  ist  breit  und  lässig,  sie  haftet  oft 
am  Kleinlichen,  ist  aber  dafür  von  einer  entzückenden  Unbefaogenheit.  Köstlich 
ist  z.  B.  der  Anlass,  bei  dem  wir  hier  den  frühsten  Beleg  des  Wortes  slatti- 
pampen  kennen  lernen.  Am  2.  Sept  1629  gibt  Bruder  Valentin  Körte,  Prin- 
cipal in  Rostock,  im  Kloster  sine  vardelave  (verddage  =  Abschiedsschmaus), 
do  he  uth  der  cappe  ujvde  uth  deme  orden  tvolde  then  —  unter  dem  Vorgeben, 
er  solle  Hofkaplan  werden,  was  aber  Schwindel  war  — :  Des  hebben  sich  vele 
frouwet  unde  myt  eme  slampampet  achte  dage  lanck.  Das  Wort,  im  DWB. 
zuerst  aus  Matthesius  bezeugt,  stammt  offenbar  aus  dem  Jargon  des  Klosters 
resp.  des  Konvikts  oder  der  Burse. 

Slaggert  durchlebte  in  Ribnitz  keineswegs  nur  idyllische  Tage,  denn  die 
Unruhen  der  Lutherischen,  deren  höhnisches  Auftreten  er  schon  vor  seiner  Her- 
kunft am  14.  Sept.  1622  in  Hamburg  hatte  erdulden  müssen,  pochten  bald  genug 
auch  an  die  Pforten  des  Klosters.  In  Hamburg  (S.  129)  hatten  die  bösen  'Mar- 
tinianisten' :  bofse  scryften  Wide  posicien  tho  Dude  an  de  kerkdoren  ange- 
schlagen in  sulker  wyse: 

Questio. 

Kerst  Hans  wyl  syck  in  vragen  beleren. 

Darup  scholen  de  grawen  monneke  disputeren, 

Utrum  de  monneke  don  syck  hir  thosamende  schycken, 

Wat  fenyns  se  noch  wyllen  laten  blycken. 

War  se  uns  uth  Martinus  Lutters  saken 

Willen  welke  nyge  Franciscus  maken  etc. 

In  Ribnitz  aber  erschienen  am  10.  April  1626  (S.  134)  die  Bilderstürmer  von 
Stralsund,  darunter  auch  zwei  verlaufene  Mönche,  und  verübten  gräulichen  Unfug 
in  der  Kirche.  Und  obwohl  es  in  der  stillen  Woche  war,  erbrachen  sie  die 
Speisekammer  und  eten  worste  unde  flesk  also  Joden,  hunde  unde  hatten. 
Später  hören   wir    mehrfach,    wie    die  Bewegung    unter   den   Handwerkern    des 


153 

Städtchens  Bibnitz  und  unter  den  Bauern  der  Umgegend  um  sich  greift  und 
den  Klosterinsassen  übele  Tage  bereitet.  — 

Für  den  Freund  der  Namenkunde  enthält  das  Buch  in  den  Familiennamen 
wie  in  den  Vornamen  viel  eigenartiges  und  geschichtlich  interessantes.  Besonders 
ist  das  alphabetische  Verzeichnis  der  verstorbenen  Klosterschwestern,  das  sich 
in  den  Beilagen  findet  (S.  186  ff.),  für  die  Häufigkeit  der  weiblichen  Taufnamen 
und  ihre  niederdeutsche  Gestalt  ein  wertvolles  Document.  Ich  greife  den  Buch- 
staben T  heraus  (Überschrift  ^süster  T.');  er  bringt  35  Schwestern,  darunter  17  mal 
Tylse  (=  't  Ilse,  Elisabeth),  14  mal  Tale  (=  't  Ale,  Adelheid),  dazu  2  mal 
Tybbe  und  je  1  mal  Tylike  und  Tnuie.  Mit  dem  Herausgeber  Tybbe  als  *Diet- 
burg'  und  Th^like  als  *Oietlind'  zu  deuten  widerstrebt  mir,  da  ich  nicht  glaube, 
dass  diese  Namen  jemals  in  Mecklenburg  im  häufigen  Gebrauch  waren,  eher 
wird  man  dort  an  'Hildburg',  hier  an  'Ottilia'  denken  dürfen. 

Alles  in  allem:  eine  kulturgeschichtlich  recht  anziehende  Lektüre,  dazu 
sprachlich,  ich  meine  lexicalisch,  ungewöhnlich  ergiebig,  wie  schon  ein  Blick  in 
das  vom  Herausgeber  beigegebene  Glossar  (S.  263—279)  ankündigt  Dr.  Techen 
bat  den  Text  nach  durchaus  zu  billigenden,  recht  konservativen  Grundsätzen 
ediert,  sehr  sorgfältige  Interpunction  eingeführt  und  bescheidene  Anmerkungen 
beigegeben,  in  denen  aber  ein  tüchtiges  Mass  von  Arbeit  steckt.  Das  gleiche 
gilt  von  den  beiden  Registern,  dem  Ortsregister  und  dem  Personenregister:  In 
dem  letztem  mache  ich  besonders  auf  den  Artikel  'Ribnitz*  (Stadt  225  und) 
Kloster  226  —  229  aufmerksam,  der  zugleich  eine  Art  Realienindez  darstellt,  wie 
er  bei  der  Unordnung,  die  Slaggerts  Aufzeichnungen  auszeichnet,  dringend  not- 
wendig war. 

GÖTTINGEN.  Edward  Schröder. 


LJ-    V^- 


Niederdeutsches  Jahrbuch. 


Jahrbuch 


des 


iU'^\.- 


Yereins  fftr  niederdeutsche  SpracMorschnng. 


Jahrgang  1910. 


XXXVI.  ^-ar') 


Mit  einer  Heliogravüre  und  zwei  Aut'otypieen. 


NORDEN  nsll  LEIFZIß. 

Diedr.  Soltau's  Verlag. 
1910. 


Ausarbeitungen,  deren  Abdruck  im  NiederdeutsehetB  Jahrbache 
gewünscht  wird,  sind  dem  Mitgliede  des  Redaetionsausschusses  Pro/l 
W.  Seelmamtf  Berlin  W.  15,  Pariser  Strasse  37  zuzusenden.  Die 
Zahlung  des  Honorars  (von  32  Mk,  für  den  Bogen)  erfolgt  durch 
den  Schatzmeister. 

Zusendungen,  deren  Abdruck  im  Korrespondenz-Blatt  erfolgen 
soll,  nimmt  Dr:  C,  Walther,  Hamburg  24,  Uhlandstrasae  59  entgegen. 

Die  Mitgliedsebaft  zum  Niederdeutschen  Sprachverein  wird  durch 
Einsendung  des  Jahresbeitrages  (5  Max'k)  an  den  Schatzmeister  des 
Vereins  Herrn  Jaks,  E,  Rabe,  Hamburg  I,  Gr.  Beichenstr.  11113  oder 
durch  Anmeldung  bei  einem  der  Vorstandsmitglieder  oder  Bezirks- 
vorsteher  erworben. 

Die  Mitglieder  erhalten  für  den  Jahresbeitrag  die  laufenden  Jahr- 
gänge der  Vereinszeitschriften  (Jahrbuch  und  Korrespondenz-Blatt) 
postfrei  zugesandt.  Sie  sind  berechtigt,  die  ersten  fünf  Jahrbücher 
zur  Hälfte,  die  folgenden  Jahrgänge  sowie  alle  übrigen  Vereins- 
Veröffentlichungen  (Denkmäler,  Drucke,  Forschungen,  Wörterbücher) 
zu  Dreiviertel  des  Ladenpreises  zu  beziehen,  wenn  die  Bestellung  unter 
Berufung  auf  die  Mitgliedschaft  direkt  bei  dem  Verleger  Diedr.  Soltau 
in  Norden  (Ostfriesland)  gemacht  wird. 

Bis  auf  weiteres  können  die  Mitglieder  von  demselben  auch  das 
'Wörterbuch  der  Ostfriesischen  Sprache'  von  J.  ten  Doornkaat  Koolman 
(3  Bände  gr.  8*^  kartonirt)  für  15  Mark  (Ladenpreis  44  Mark)  post- 
frei beziehen. 

Bücher  oder  Sonderabzüge,  deren  Anzeige  oder  Besprechung 
gewünscht  wird,  sind  mit  dem  Vermerk  ^Zur  Besprechung'  oder  dgl. 
dem  Verleger  oder  einem  der  anderen  genannten  Herren  zuzusenden. 


-^^>-«»*4>lK4>*^H;- 


[dt 

H  - 

Die 

irci 


)id 
i-r 

tliT- 
itl- 

her 

ins- 
ler.i 

iter 
im 

Jäi 

st- 


«0 

21. 


y^^f!  0*y  A^fp  V  ^ffCf^-m^^  tf'f-Antr- 


■*'>■■  Visi^^cMj*  r-trf>Tr4  J  ra.  !t*r/>/t- 


4?^    ^^y&^^l^^r^^ 


Niederdeutsches  Jahrbuch. 


Jahrbuch 


des 


Vereins  für  niederdentsclie  SpracMorschnng. 


Jahrgang  1910. 


XXXVI. 


Mit  einer  Heliogravüre  und  zwei  Autotypieen. 


KORDEN  nnil  LEIFZI&. 

Diedr.  Soltau's  Verlag. 
1910. 


Dmok  Ton  Diedr.  Soltaa  in  Norden. 


Inhalt. 

Pomochelskopp  in  Beaten  Stromtid,  sein  literarisches  Urbild  und  sein  lebendes 

Vorbild.    (Mit  zwei  Bildnissen.)    Von  Wilhelm  Seelm an n 1 

Die  Landtagsszenen  in  Beaters  Stromtid.   Ein  Beitrag  zar  Entstehangsgeschichte 

der  bürgerlichen  Partei  des  mecklenbargischen  Landtages.  D esgleichen  21 

Onkel  Bräsig.    Desgleichen 88 

Der  Stavenhagener  Beformverein.    Desgleichen 48 

Das  Goliath-Lied  des  berühmten  Dichters  (Stromtid  Kap.  26.)    Desgleichen  46 

Zar  hochdeutschen  Urgestalt  von  Beaters  Stromtid.    Desgleichen      .    .    .  47 

Aas  mecklenbargischen  Einwohnerlisten  von  1819.    Desgleichen    .    .    .    .  48 

Der  Knecht  Friedrich  in  Beaters  Franzosentid  and  Fiken  Besserdich.    Desgl.  62 

Nachbarreime.    Desgleichen 66 

Za  den  Memoiren  eines  Fliegenschimmels.    Desgleichen 74 

Von  Fritz  Beaters  Vater.    Desgleichen 76 

Niederdeatsche   Gedichte   aas   den   Hannoversch -Braanschweigschen  Landen. 

VonH.  Deiter 81 

Tiodate«    Von  N.  Otto  Heinertz 128 

Die  Jagd  aaf  den  toten  Bochen.    Von  Job.  Bolte 182 

Sprichwörter  and  Bedensarten  aas  Lippe.    Von  E.  Wehrhan 186 

Mittelniederdentsche  Postille  v.  J.  1468.    Von  M.  Schneiderwirth     ...  148 

Nachtrag  zom  Idiotikon  von  Eilsdorf.    Von  B.  Block 146 

Alezander   Beifferscheid.      L   Lebensdaten   and   Werke.      IL    Nachraf    von 

J.  Behmke 148 

Anzeige:  Lasch,  Schriftsprache  in  Berlin.  Von  Edward  Schröder.  .  .  .161 
Desgleichen:  Kück,  Baaernleben  der  Lünebarger  Heide.    Von  0.  Günther    .166 


/ 


Pomnchelskopp  in  Renters  Stromtid, 

sein  literarisches  Urbild  nnd  sein  lebendes  Vorbild. 

Vorlag  in  der   Festsitzimg   der   Gesellschaft    für    deutsche   Literatur  in  Berlin 

am  19.  Dezember  1906. 


In  der  vorigen  Sitzung  unserer  Gesellschaft  durfte  ich  zu  Ihnen 
über  die  Erstlinge  Reuterschen  Humors,  über  seine  Läuschen  sprechen. 
Heute  erbitte  ich  Ihre  Aufmerksamkeit  für  eine  längere  Ausführung 
über  ein  Werk  reiferer  Kunst  desselben  Dichters,  für  jenes  Buch 
Reuters,  welches  im  vorigen  Jahre  seine  ünvergänglichkeit  dadurch 
bewiesen  hat,  dass  es  das  in  den  meisten  Exemplaren  gedruckte 
deutsche  Dichtwerk  des  Jahres  war  und  in  über  zwanzig  verschiedenen 
meist  stereotypierten  Ausgaben  und  vier  Übersetzungen  neue  Ver- 
breitung fand.  Läuschen  und  Stromtid  stehen  nicht  auf  gleicher  Höhe 
der  Kunst,  aber  ein  Vorzug  ist  ihnen  gemeinsam:  die  wunderbare, 
fast  dramatische  Anschaulichkeit,  mit  welcher  in  den  Läuschen  Typen, 
in  der  Stromtid  individuelle  Personen  vor  die  Augen  des  Lesers  treten. 
Die  Lebenswahrheit  der  Gestalten  legt  den  Gedanken  nahe,  dass  der 
Verfasser  gleich  einem  nach  Modell  arbeitenden  bildenden  Künstler 
lebenden  Vorbildern  die  Eigenart  und  die  Einzelzüge  seiner  Figuren 
abgesehen  hat.  Ein  Gedanke,  den  Reuters  eigene  Worte  zu  bestätigen 
scheinen,  die  er  am  3.  Januar  1868  einem  Freunde  schrieb  „Lies  meine 
Bücher  und  du  wirst  finden,  dass  sie  zum  grössten  Teil  aus  lebhaften 
Erinnerungen  an  mir  liebgewordene  Personen  oder  an  mir  liebgewordene 
Tatsachen  entstanden  sind.  Ich  bin  keiner  jener  Schriftsteller,  die 
sich  hinter  ihrem  Schreibtisch  mühsam  irgend  ein  törichtes  Problem 
aushecken,  dies  mit  steif  ausgeschnittenen  Figuren  bekleben,  von  denen 
man  zuletzt  immer  noch  nicht  weiss,  ob  sie  in  Pommern  „buren  un 
tagen*  oder  ob  sie  an  der  Hand  eines  Chaldäers  durch  die  Wüste 
von  Mesopotamien  gewandelt  sind ;  ich  halte  es  mit  dem  Goetheschen 
Spruch  „Greift  nur  hinein  in's  volle  Menschenleben,  und  wo  Ihr's 
packt,  da  ist's  interessant.*' 

In  der  Tat  sind  bestimmte  Personen  namhaft  gemacht  worden, 
deren  literarisches  Konterfei  die  Stromtid  bieten  soll. 

Indem  ich  mir  die  Aufgabe  stellte  zu  erforschen,  ob  und  wie- 
weit diese  Behauptungen  zutreffen,  verband  ich  damit  die  weitere 
Absicht,  einen  tieferen  Einblick  in  die  dichterische  Konzeption  der 
Stromtid  dadurch  zu  erhalten,  dass  ich  nach  Möglichkeit  festzustellen 

Niedordenttehei  Jahrbuch  XXXVI.  1 


versuchte,  ob  das  lebende  Vorbild  und  der  ihm  nachgezeichnete 
Charakter  die  Gestaltung  der  Erzählung  und  den  Aufbau  des  Romans 
bestimmend  beeinflusst  hat,  oder  ob  umgekehrt  der  Charakter  gemäss 
der  Funktion,  welche  er  in  der  Erzählung  zu  übernehmen  hatte,  Yon 
dem  Dichter  umgestaltet  worden  ist. 

Ich  hätte  in  Rücksicht  auf  die  weihnachtliche  Stimmung  dieses 
Tages  gern  den  Geist  des  braven  und  freundlichen  Onkel  Bräsigs 
heraufbeschworen.  Aus  gutem  Grunde  muss  ich  aber  Pomuchelskopp 
erscheinen  lassen.  Nur  in  bezug  auf  ihn  stehen  meine  noch  nicht 
abgeschlossenen  Ergebnisse  bereits  auf  genügend  festem  Boden  und 
ermöglichen,  dem  Dichter  in  sein  erstes  Konzept  zu  schauen,  trotz- 
dem es  uns  nicht  erhalten  ist. 

Dass  Pomuchelskopp  —  ebenso  wie  Slus'uhr  und  der  alte  Moses  — 
nach  dem  Leben  abgezeichnet  sei,  hat  Reuter  selbst  ausgesprochen. 
„Slus'uhr  und  Pomuchelskopp  haben  wirklich  gelebt^  äusserte  er 
gelegentlich  ;,und  ich  habe  sie  ganz  getreu  beschrieben,  um  sie  damit 
zu  geissein*'.  Den  wirklichen  Namen  seines  Vorbildes  verschwieg  er 
jedoch.  Auch  Reuters  Biograph  Otto  Glagau  nannte  ihn  nicht,  obwohl 
er  in  seinem  1875  erschienenen  Buche  angibt  „allgemein  bezeichnete 
man  einen  ehemaligen  Gutsbesitzer,  der  nach  Rostock  gezogen  war, 
als  Pomuchelskopp^.  Er  mochte  gleichfalls  den  Namen  des  gemeinten 
Gutsbesitzer  der  öflFentlichkeit  nicht  preisgeben,  weil  er  diesen  noch 
am  Leben  wähnte.  Erst  Gustav  Raatz,  dessen  Buch  ;, Wahrheit  und 
Dichtung  in  Fritz  Reuters  Werken"  1895  die  Forschung  nach  seinen 
lebenden  Vorbildern  eingeleitet  hat,  liess  uns  endlich  wissen,  dass 
Reuters  Modelle  für  die  Figur  Pomuchelskopps  und  seines  Küking 
der  Gutsbesitzer  Johannes  Lembcke  auf  Alt-Sührkow  bei  Teterow  und 
seine  Frau  Katharine  gewesen  sind.  Raatz  selbst  verdankte  seine 
Kenntnis  eintr  Mitteilung  Fritz  Peters',  des  Busenfreundes  Reuters, 
und  konnte  zu  ihrer  Bestätigung  nun  auf  einen  Abschnitt  in  Reuters 
„Memoiren  eines  Fliegenschimmels"  hinweisen.  In  diesen  ist  nämlich 
ein  Gutsbesitzer  Lembcke  mit  seiner  Familie  derartig  geschildert, 
dass  die  Übereinstimmung  mit  dem  Pomuchelskopp  der  Stromtid 
augenscheinlich  ist,  ja  sogar  die  Namen  der  Tochter  Malchen  und 
ihrer  jüngeren  Brüder  Nanting  und  Lipping  erscheinen  hier  schon. 
Eingezogene  Erkundigungen  über  die  Lebensschicksale  und  den 
Charakter  Lembckes  haben  Raatz  dann  in  den  Stand  gesetzt,  neben 
unläugbaren  Verschiedenheiten  zwischen  den  Schicksalen  und  Eigen- 
schaften Lembckes  und  Pomuchelskopps  bemerkenswerte  Überein- 
stimmungen aufzuweisen:  beide  waren,  —  um  jetzt  nur  einiges  hervor- 
zuheben —  bevor  sie  in  Mecklenburg  ihr  Gut  erwarben,  in  Pommern 
ansässig  gewesen,  beide  galten  als  „Leuteschinder**  und  beider  Frauen 
noch  für  böser  als  sie  selbst,  schliesslich  sind  beide  durch  ihre  eigenen 
aufsässigen  Tagelöhner  1848  von  ihrem  Gute  vertrieben  und  beide 
später  nach  Verkauf  des  Gutes   als  Rentner  nach  Rostock  verzogen. 


ä 

Reuters  eigene  Worte,  dass  Pomuchelskopp  getreu  nach  dem 
Leben  gezeichnet  sei,  und  die  bestätigenden  Nachweise,  welche  Raatz 
gegeben  hat,  haben  bewirkt,  dass  man  allgemein  Pomuchelskopp  als 
mehr  oder  weniger  treues  Abbild  Lembckes  aufgefasst  hat.  Dem 
gegenüber  kann  ich  mit  aller  wünschenswerten  Bestimmtheit  erweisen, 
dass  die  Gestalt  Pomuchelkopps  unabhängig  von  dem  Vorbilde 
Lembckes  durch  Reuter  geschaflfen  ist  und  nicht  ihm  ihre  Einführung 
in  die  Stromtid  verdankt. 

Ehe  ich  den  Beweis  für  meine  Behauptung  erbringe  und  in  die 
Einzeluntersuchung  eingehe,  ein  schneller  Blick  auf  die  Entstehungs- 
geschichte von  Reuters  Stromtid. 

Die  gedruckte  Fassung  des  Romans  „Ut  mine  Stromtid"  ist  von 
Reuter  in  den  Jahren  1862 — 1864  niedergeschrieben  und  veröflFentlicht. 

Sie  ist  die  freie  Umarbeitung  und  Erweiterung  eines  handschrift- 
lichen, nicht  vollendeten  Konzeptes  frühestens  aus  den  Jahren  1848 
und  1849,  der  sogen,  hochdeutschen  Urgestalt. 

Schon  vorher  muss  von  Reuter  ein  nicht  erhaltener  erster 
Entwurf  angefertigt  gewesen  sein.  Reuter  hat  nämlich  in  einem  an 
Adolf  Wilbrandt  1862  gerichteten  Briefe  mitgeteilt,  dass  er  1847 
hochdeutsch  das  Buch  zu  schreiben  begann  und  hochdeutsch  voll- 
endete, das  er  viele  Jahre  später  unter  dem  Namen  „Ut  mine 
Stromtid**  neu  bearbeitete.  Die  Jahresangabe  1847  hat  ihre  Bestätigung 
durch  eine  kleine  von  mir  gemachte  Entdeckung  erhalten,  welche 
zugleich  sich  als  grundlegend  für  meine  heutigen  Darlegungen 
erweisen  wird. 

Ich  habe  nämlich  nachweisen  können,  dass  eine  Erzählung 
„Gerold  von  Vollblut",  welche  in  W.  Raabes  Jahrbuch  ;,Mekleiiburg" 
1845  erschienen  war,  die  Entstehung  der  ersten  Fassung  der  Stromtid 
mindestens  beeinilusst,  wahrscheinlich  aber  geradezu  angeregt  hat. 
Die  Fortsetzung  dieser  Erzählung  ist  in  dem  Jahrbuche  für  1846 
gedruckt,  das  Ende  war  für  1847  versprochen.  Erst  als  der  fehlende 
Schluss  1847  nicht  erschienen  war,  ist  Reuter,  muss  man  annehmen, 
zu  eigener  Gestaltung  oder  Fortführung  der  Erzählung  angeregt 
worden. 

Eine  der  Personen,  welche  im  Gerold  von  Vollblut  eine  Rolle 
spielen,  ist  der  Domänenrat  Schuster  auf  Knüppelsee.  Dieser  war 
der  Sohn  eines  Mühlenmeisters  und  hatte  als  tüchtiger  Landwirt  durch 
seine  vorzügliche  Ökonomie  grosses  Vermögen  erworben.  Reich  ge- 
worden hat  er  den  Wunsch  geadelt  zu  werden.  Er  stellt  sich  ein 
Wappen  zusammen,  sucht  den  Verkehr  mit  Adligen  und  betrachtet 
es  als  grosse  Ehre,  dass  ein  Herr  von  Büflfelkopf  Geld  von  ihm  ge- 
liehen nimmt.  Als  er  später  mit  dem  Adel  den  Namen  von  Pech- 
vogel erhält  und  den  Landtag  besucht,  macht  er  die  üble  Erfahrung, 
dass  die  Herren    vom    alten  Adel   ihn   als   Emporkömmling   nicht   in 

1* 


ihre  Kreise  aufnehmen  und  die  bürgerlichen  Landstände  von  ihm  als 
einem  abtrünnigen  nichts  wissen  wollen. 

Fast  alle  Einzelheiten  im  Bilde  des  Domänenrates  Schuster 
finden  wir  in  der  Figur  Pomuchelskopps  in  der  Urgestalt  der  Stromtid 
und  in  dieser  selbst  wieder,  mit  dem  Unterschied  freilich,  dass 
Pomuchelskopp  sich  zwar  ein  Wappen  hat  anfertigen  lassen  und  auf 
Nobilitierung  hoflft,  aber  sie  nicht  erlangt.  Besondere  Beachtung 
als  Beweise  für  die  Benutzung  des  Gerold  von  Vollblut  durch  Reuter 
verdienen  auch  die  Namen.  In  Gerold  heisst  das  Gut,  welches  Schuster 
gehört,  Knüppeldamm,  in  der  hochdeutschen  Urgestalt  der  Stromtid 
Knüppelsee.  Femer  stellt  sich  der  Name  Büffel  köpf,  welchen 
einer  der  Gutsbesitzer  im  Gerold  führt,  in  seiner  bildlichen  Bedeutung 
neben  den  Namen  Pomuchelskopp,  was  eigentlich  Dorschkopf  ist,  in 
Mecklenburg  aber  die  sprichwörtliche  Geltung  Dickkopf  hat. 

Die  Übereinstimmungen  zwischen  dem  Domänenrat  Schuster  im 
Gerold  von  Vollblut  und  dem  Pomuchelskopp  der  Stromtid  müssen 
in  diese  aus  dem  ersten  Entwürfe  der  Stromtid  von  1847  übernommen 
sein,  dieser  muss  also  bereits  wesentliche  Züge  der  Pomuchelskopp- 
figur  geboten  haben.  Wir  sind  also  berechtigt  auszusprechen:  der 
Pomuchelskopp  der  Stromtid  verdankt  nicht  seine  Entstehung  einem 
lebenden  Vorbilde.  Seine  Figur  war  in  ihren  Grundzügen  schon  vom 
Dichter  gestaltet,  ehe  dieser  sie  mit  neuen,  einem  lebenden  Vorbilde 
entlehnten  Zügen  ausstattete. 

Reuter  ist  verfahren  wie  ein  Maler,  der  ein  grosses  Gemälde 
entworfen  und  die  Umrisse  der  Hauptfiguren  bereits  gezeichnet  hat, 
dann  aber  das  Glück  hat,  ein  Modell  zu  finden,  nach  dem  er  eine 
Hauptfigur  ergänzen  und  ausmalen  kann. 

Ein  solches  Modell  fand  Reuter  an  dem  Gutsbesitzer  Johannes 
Lembcke  auf  Alt-Sührkow  bei  Teterow,  seiner  Frau  und  zumteil  auch 
seinem  Sohne. 

Lembcke  wäre  bei  der  Abgelegenheit  seines  Gutes,  das  von  Staven- 
hagen  24  Kilometer  entfernt  und  weitab  von  der  Heerstrasse  lag, 
wohl  nie  in  den  Gesichtskreis  Reuters  getreten,  wenn  ihn  nicht  1848 
ein  damals  viel  besprochener  Vorgang  bekannt  gemacht  hätte.  Er 
war  am  25.  April,  dem  zweiten  Ostertage,  einer  Einladung  gefolgt 
und  hatte  mit  seiner  Familie  in  einem  Nachbarorte  an  einem  Balle 
teilgenommen.  Als  er  am  nächsten  Morgen  mit  seinem  Gespann  auf 
sein  Gut  zurückkehren  wollte,  wurde  er  am  Eingange  des  Dorfes  von 
sämtlichen  Einwohnern  unter  Anführung  eines  Vorpflügers  erwartet 
und  sein  Kutscher  mit  Gewalt  gezwungen,  abzubiegen  und,  begleitet 
von  den  Tagelöhnern,  mit  der  Herrschaft  nach  Teterow  zu  fahren. 
Hier  angelangt  erklärten  die  Tagelöhner  vor  dem  Bürgermeister 
Meinshausen,  Lembcke  und  seine  Frau  nicht  mehr  als  Gutsherrschaft 
haben  und  sie  auch  nicht  wieder  auf  das  Gut  lassen  zu  wollen.  Es 
blieb  beiden  in  der  Tat  nichts  übrig,  als  zunächst  in  einer  Gastwirtschaft 
zu  wohnen  und  die  Vermittlung  der  Regierung  anzurufen. 


5 

Die  Aufsehen  erregende  Vertreibung  eines  Gutsbesitzers  durch 
die  eigenen  Leute  brachte  den  Betroffenen  damals  in  Aller  Mund. 
Man  erzählte,  dass  er  ein  sehr  tüchtiger  Ökonom,  aber  ein  ordinärer 
und  dabei  dummer  Mensch  sei.  Er  habe  auch  die  Landtage  besucht, 
und  bei  dem  Festessen  der  bürgerlichen  Gutsbesitzer  1846  im 
November  in  Malchin  sei  einer  seiner  Tischnachbaren,  Gräfrath  aus 
Altschwerin,  so  über  ihn  in  Wut  geraten,  dass  er  eine  Rotweinflasche 
ihm  über  seinen  harten  Schädel  gehauen  und  zerschmettert  habe.  Er 
habe  das  von  seinem  Vorgänger  verwahrloste  und  von  ihm  1844  für 
75000  Taler  gekaufte  Gut  wieder  in  guten  Stand  gebracht,  dabei  aber 
seine  Gutsleute  so  über  alles  Mass  geschunden  und  auf  Betreiben 
seiner  Frau  in  ihren  Bezügen  so  geschmälert,  dass  er  allgemein 
;,Schinder-Lembck^  heisse.  Derartig  seien  die  Zustände  bei  seinen 
notleidenden  Tagelöhnern,  dass  darüber  ein  Gutsnachbar  bei  dem 
Ministerium  Beschwerde  geführt  habe. 

In  der  Stromtid  wird  erzählt,  dass  Pomuchelskopps  Tagelöhner 
wegen  der  gewaltsamen  Austreibung  ihrer  Herrschaft  ins  Gefängnis 
mussten.  In  Wirklichkeit  gingen  Lembckes  Leute  straffrei  aus,  ja  sie 
erreichten  sogar,  dass  Lembcke  anfangs  sein  Gut  nicht  selbst  ver- 
walten durfte,  sondern  einem  Inspektor  anvertraute,  einem  Hünen, 
dem  es  nur  dank  seiner  angestaunten  körperlichen  Kraft,  wie  mich 
sein  Bruder  versicherte,  gelang,  sich  bei  den  rabiaten  Hofleuten  in 
Respekt  zu  setzen.  Erst  nach  etwa  vier  Monaten,  im  August  1848, 
konnte  Lembcke  wieder  auf  sein  Gut  zurückkehren  und  seine  Bewirt- 
schaftung übernehmen,  die  Hoftagelöhner  hatten  jedoch  durch  die 
Behörde  das  verbriefte  Recht  auf  bestimmte  Bezüge  und  Löhnung 
erhalten,  und  selbst  denjenigen,  welche  sich  auswärts  Arbeit  gesucht 
hatten,  musste  er  eine  Wohnung  von  vorgeschriebener  Grösse  und 
Beschaffenheit  nebst  Kartoffel-  und  Leinfeld  geben.  Wollte  er  ihnen 
kündigen  und  ihren  Wegzug  erzwingen,  so  durfte  er  das  nur  —  eine 
Folge  ihres  Rechtes  auf  „Hüsung*  — ,  wenn  er  ihnen  auswärts  eine 
volle  bleibende  Tagelöhnerstelle  verschafft  hatte. 

Lembcke  und  seine  Frau  Katharina  hatten  nur  zwei  Kinder, 
eine  Tochter  Dorette,  die  dem  Malchen  der  Stromtid  gar  nicht  ähnlich 
gewesen  sein  soll  und  in  den  1850er  Jahren  einen  Hamburger  Ver- 
wandten ihrer  Mutter,  einen  Tuch-  und  Seidenhändler  Junghans  hei- 
ratete, sowie  einen  Sohn,  der  etwa  1830  geboren  war  und  gleich  dem 
Vater  Johannes  hiess;  in  der  Stromtid  wird  er  Gustäwing  genannt. 
Der  alte  Lembcke  hätte  seinem  Sohne  gern  sein  Gut  übergeben, 
dieser  war  jedoch  ein  zu  lebenslustiger  Mensch,  dem  Alt-Sührkow  zu 
entlegen  war.  Er  zog  vor  1855  Lambrechtshagen  zu  pachten,  ein 
herzogliches  Hausgut,  welches  zwischen  Rostock  und  Doberan  gelegen 
ihm  den  Verkehr  mit  und  in  beiden  Städten  ermöglichte. 

Der  alte  Lembcke  war  fast  ein  Sechziger,  als  er  1859  Alt- 
Sührkow  für  180000  Taler  verkaufte  und  mit  seiner  Frau  nach  Rostock 


6 

zog,  um  dem  Sohne,  den  beide  vergötterten,  nahe  zu  sein.  In  Rostock 
ist  Lembcke  bis  1872  nachweisbar,  er  lebte  also  noch,  als  die  Strom- 
tid  erschienen  war.  Die  Austreibung  aus  seinem  Gute  war  damals 
längst  vergessen,  und  es  scheint  nicht,  dass  sofort  die  Rostocker 
Leser  der  Stromtid  wussten,  dass  das  Vorbild  Pomuchelskopps  der 
Besitzer  des  hübschen  Hauses  Neue  Wallstrasse  8  war,  welches  Lembcke 
1861  erworben  hatte  und  bis  1870  bewohnte. 

Auch  in  der  Stromtid  zieht  Pomuchelskopp  nach  dem  Verkauf 
seines  Gutes  nach  Rostock.  Seine  Frau,  erzählt  Reuter,  lebt  hier  im 
ewigen  Kriege  mit  ihren  Dienstmädchen.  Als  eins  derselben  von  ihr 
einen  Hieb  mit  der  eisernen  Feuerzange  über  den  Kopf  erhält,  be- 
sinnungslos hinstürzt  und  ins  Krankenhaus  muss,  erstattet  der  Arzt 
Anzeige  und  Pomuchelskopps  Frau  muss  ins  Gefängnis.  Die  Rostocker 
Dienstmädchen  verschwören  sich,  keine  soll  bei  ihr  wieder  in  Dienst 
treten.  Ihr  Mann  nimmt  deshalb  eine  Aufwartefrau  an.  Aus  Furcht 
vor  neuem  Gefängnis  wagt  sie  nicht,  ihrer  Wut  durch  einen  neuen 
Hieb  Luft  zu  machen,  die  Galle  geht  ihr  ins  Blut,  sie  stirbt  nach 
drei  Tagen  und  wird  in  Rostock  beerdigt.  Mann  und  Tochter  ver- 
gessen bald,  wo  ihr  Grab  zu  finden  ist.  Nur  ihr  Sohn  Gustav  kennt 
die  Stätte.  Um  das  vorweg  zu  bemerken:  Feuerzangengeschichte, 
Gefängnis,  Tod  und  Grab  in  Rostock  beruhen  auf  freier  Erfindung 
Reuters. 

Was  ich  hier  über  Lembckes  Schicksale  mitgeteilt  habe,  verdanke 
ich  dem  Einblick  in  Akten,  welche  in  dem  Landesarchiv  in  Rostock 
aufbewahrt  werden,  und  Nachrichten  von  Leuten,  welche  Lembcke 
und  seine  Frau  noch  gekannt  haben.  Welchen  Eindruck  diese  selbst 
von  der  Persönlichkeit  Lembckes  und -seiner  Frau  empfangen  haben, 
soll  im  Folgenden  ausführlich  dargelegt  werden,  wobei  ich  möglichst 
die  Worte  meiner  Gewährsleute  wiedergeben  werde. 

Wie  sich  aus  den  Rostocker  Adressbüchem  feststellen  lässt,  hat 
Lembcke  1859 — 1872  in  Rostock  gewohnt.  Es  war  anzunehmen,  dass 
hier  noch  mancher  sich  an  ihn  erinnerte.  Eine  mit  meiner  Frau  be- 
freundete, mit  vielen  alten  Rostocker  Familien  bekannte  Dame,  die 
ehemalige  Besitzerin  des  grössten  Warnemünder  Hotels,  bat  ich  des- 
halb gelegentlich  hier  und  da  nachzufragen. 

Als  ich  mit  meiner  Familie  wieder  Warnemünde  aufsuchte,  ward 
mir  schon  bei  meiner  Ankunft  verraten,  Frau  Seumnich  habe  eine 
Überraschung  für  mich.  Als  wir  sie  aufsuchten,  wurde  schleunigst 
zu  Mutter  Peters  geschickt.  Ein  altes  Mütterchen  kam  und  wurde 
gleich  mit  der  Anrede  empfangen:  „Na,  Mutter  Peters,  nun  erzählen 
Sie  mal  dem  Herrn  Professor  was  von  Pomuchelskopf!''  ^^Von  Po- 
muchelskopf?  den  kenne  ich  nicht.*'  —  ;,Na,  ich  meine  vom  alten 
Lembcke,  bei  dem  Sie  gedient  haben  — ^  —  „Ja,  das  waren  gute 
Leute,  da  habe  ich   immer  gutes  Essen   gehabt,   in  Lambrechtshagen 


war  es  schlecht,  bei  Kluge  war  es  wieder  gut*  und  dann  kam  ein 
Name  nach  dem  anderen,  mit  dem  ich  nichts  «nzufangen  wusste. 
Ich  stellte  notgedrungen  selbst  Fragen.  Aber  das  alte  Frauchen, 
das  seit  fast  vierzig  Jahren  kaum  je  von  Lembcke  gesprochen  oder 
gehört  hatte,  schien  aller  Erinnerungen  an  das  L*  ben  in  seinem  Hause 
verlustig  gegangen  zu  sein  und  meinte:  ;,Ach,  mein  Kopp  ist  schon 
so  swach  geworden.*  Na,  ich  fing  von  anderen  Dingen  an  zu  reden 
und  verabschiedete  mich  von  unserer  freundlichen  \Virtin  mit  der 
Bitte,  in  den  nächsten  Tagen  mitunter  gleichgiltige  Fragen,  die  Lembcke 
betrafen,  z.  B.  ob  er  Skat  gespielt,  seine  Frau  ein  Klavier  gehabt 
habe,  an  die  alte  Frau  zu  richten.  In  acht  Tagen  möchte  sie  Mutter 
Peters  dann  mit  uns  zu  einer  guten  und  reichlichen  Tasse  Kaffe  einladen. 

Als  wir  wieder  am  runden  Tische  beisammen  sassen,  flössen 
Rede  und  Kaffe  gleich  gut.  Das  Mütterchen  war  ordentlich  aufgeregt, 
die  alten,  inzwischen  lebendig  gewordenen  Erinnerungen  an  den  Mann 
zu  bringen. 

Mutter  Peters  hatte  sich  1867,  damals  noch  eine  Diern,  in 
Lambrechtshagen  bei  dem  jungen  Lembcke  als  Dienstmädchen  ver- 
mietet. Sie  hatte  ihre  Stellung  gerade  drei  Tage  inne,  als  die  Mutter 
ihres  Herrn,  die  alte  Frau  Lembcke,  aus  Rostock  zum  Weihnachts- 
besuch zu  ihrem  Sohn  kam  und  fragte,  ob  er  kein  Mädchen  für  sie 
habe.  In  Rostock  habe  sich,  hörte  Mutter  Peters  später,  kein  Mäd- 
chen bei  ihr  vermieten  wollen.  Mutter  Peters  wurde  gerufen  und 
erklärte  sich  gern  bereit  mitzukommen.  Sie  hat  das  nicht  bereut. 
Sie  hat  beim  alten  Lembcke  stets  gutes  Essen  gehabt  und  hatte  auch 
sonst  nie  zu  klagen.  Gehorchen  musste  man  freilich  und  immer 
ordentlich  aufwischen,  denn  es  musste  alles  blitzblank  sein.  Der  alte 
Lembcke  war  ein  guter  Mann,  der  auch  mit  seiner  Frau  immer  in 
Eintracht  lebte,  aber  ihren  steten  Krieg  mit  den  Dienstmädchen  nicht 
liebte  und  erfreut  war,  dass  wieder  Ruhe  im  Hause  war.  Er  hat 
der  Frau  Peters,  wenn  sie  den  Brunnen  auspumpte,  wozu  sonst  ge- 
wöhnlich ein  Mann  angenommen  wurde,  öfter  ein  Geldstück  geschenkt, 
und  wenn  die  Soldaten  vorbeimarschierten,  versäumte  er  nicht,  sie 
mit  den  Worten  an  das  Fenster  zu  rufen:  „Fiken,  kumm,  de  Sal- 
daten  kamen  l**  Mit  seiner  Frau,  die  er  stets  Trining  nannte,  sprach 
er  immer  hochdeutsch.  Mutter  Peters  ist  nur  ein  Vierteljahr  bei  ihm 
in  Dienst  geblieben.  Da  sie  durch  Dienstvertrag  an  das  Gut  ge- 
bunden war,  musste  sie  zurück,  als  Ostern  (1868)  ein  neuer  Pächter, 
Kluge,  Lambrechtshagen  übernahm.  Die  alte  Frau  Lembcke  hätte 
sie  gern  länger  behalten  und  hat  ihr  beim  Abgange  fünf  Taler  geschenkt. 

Mutter  Peters  stellt  die  Lembckeschen  Eheleute  zwar  in  ein 
günstigeres  Licht  als  Reuters  Schilderung  die  Pomuchelsköppe,  be- 
stätigt aber  doch  einige  Züge  derselben.  Gegen  seine  weiblichen 
Dienstboten  war  Pomuchelskopp,  wie  Reuter  ausdrücklich  hervorhebt, 


8 

immer  freundlich  Hei  was  in  sinen  Hus"  ihmmr  fründlich^  vor  allen 
gegen  de  FnigenslOd,  von  sin  Häuning  an  bet  up't  Kinnermäten  runne. 
Seine  Frau  zeigte  allerdings  in  diesem  Falle  gegen  das  wahrscheinlich 
wenig  verwöhnte  und  willige  Mädchen  nicht  ihre  bösen  Seiten.  Dass 
es  sonst  anders  zu  sein  pflegte,  zeigt  die  auch  von  Reuter  gemeldete 
Tatsache,  dass  die  Rostocker  Mädchen  nicht  bei  ihr  dienen  wollten. 

Der  nächste  Sonntag  sah  mich  auf  der  Wanderung  nach  Lam- 
brechtshagen.  Der  Vogt  Westenhoff  war  der  Bruder  von  Mutter 
Peters  und  vor  langen  Jahren  Kutscher  beim  jungen  Lembcke  gewesen. 
Wenn  er  mit  dem  Wagen  nach  Rostock  fuhr,  hatte  er  allemal  im 
Hause  der  Eltern  seines  Herrn  anzufragen,  ob  was  zu  bestellen  sei. 
Der  alte  Lembcke  das  war  ein  ruhiger  Mann;  seine  Frau  die  furcht- 
bar dick  war,  die  konnte  aber  wütig  werden !  Wie  oft,  waren  einmal 
die  Hunde,  zwei  Teckel  und  ein  Hühnerhund,  mit  dem  Wagen  mit- 
gelaufen. Als  er  bei  Frau  Lembcke  Ordre  holt,  lässt  diese  sagen, 
er  solle  in  die  Stube  kommen.  Er  lässt  seine  Hunde  unter  einer 
Wäscherolle,  die  im  Korridor  stand,  und  wartet  in  der  Stube.  Bald 
kam  die  Frau  Lembcke  und  will  mit  ihm  reden,  als  das  Mädchen 
hereintritt:  der  Braten,  den  sie  bringen  solle,  sei  nicht  in  der  Speise- 
kammer. Frau  Lembcke  ging  nun  selbst  dorthin,  und  es  ergibt  sich, 
dass  die  Tür  der  Speisekammer  aufgeblieben  war  und  die  Hunde  den 
Braten  geholt  hatten.  „Ganz  wütend  kam  sie  angepustet'',  erzählte 
der  Vogt,  „nie  sollte  ich  mich  wieder  blicken  lassen.  Ich  flog  nur 
so  aus  dem  Hause.  Seit  der  Zeit  musste  ich  draussen  auf  Bescheid 
warten.  Das  war  oft  nicht  angenehm.  Nach  etwa  einem  Vierteljahre 
traf  es  sich,  dass  der  Brunnen  ausgepumpt  werden  musste.  Der  alte 
Lembcke  schenkte  mir  dafür  fünf  Groschen  und  sagte  dann  zu  seiner 
Frau:  Lass  ihn  nur  wieder  hereinkommen,  er  kann  ja  doch  nichts 
dafür,  dass  die  Tür  aufgestanden  hat.  Seitdem  durfte  ich  wieder  in 
das  Haus.^  Gegen  seine  Tagelöhner  in  Alt-Sührkow  sei  der  Alte 
nicht  so  gut  gewesen,  die  hätten  nichts  gutes  von  ihm  erzählt  und 
ihn  Schinner-Lämbk  genannt.  Nach  Lembcke-Sohn  gefragt,  ob  dieser 
gut  gegen  seine  Leute  gewesen  sei,  antworteten  der  Vogt  und  seine 
Frau  wie  aus  einem  Munde:  „He  wir  tou  goud!"  Sonst  lobten  sie 
ihn  nicht,  er  sei  nie  zuhause  gewesen,  habe  in  Doberan  alles  verspielt 
und  sei  später  in  Berlin  gestorben.  Seine  Mutter,  die  eine  mittel- 
grosse dicke  Frau  gewesen  sei  und  stets  hochdeutsch  gesprochen 
habe,  sei  in  Doberan  begraben. 

Von  Lambrechtshagen  wanderte  ich  nach  Doberan.  Als  ich  den 
weiten  Kirchhof  betrat,  däuchte  es  fast  aussichtslos,  das  Grab  der 
alten  Frau  Lembcke  zu  suchen,  doch  stiess  ich  schon  nach  wenigen 
Minuten  auf  Gräberreihen  aus  der  Mitte  der  1870er  Jahre.  Ein 
hoher  Grabstein  mit  aufgesetztem  Kreuze,  zu  jeder  Seite  ein  hoher 
Zierstrauch,  alles  eingefriedigt  durch  ein  stattliches  eisernes  Gitter, 
zog  meinen  Blick  auf  sich.     Es  war  das  gesuchte  Grab,  das  siebente 


links  vom  Hauptwege  in   der   fünften  Gräberreihe,   vom  Kirchhofstor 
an  gerechnet.     Auf  dem  Grabstein  fand  ich  die  Daten: 

Cathrine  Lembcke 

geb.  Buchholz 

geb.  den  9.  Dec.  1795 

gest.  11.  Dec.  1876. 

Sie  war  also  81  Jahre  alt  geworden   und   hat   ihren  Mann   um  vier, 

Fritz  Reuter  um  zwei  Jahre  überlebt. 

Am  folgenden  Tage  suchte  ich  den  Kornmakler  Weber  in  Rostock 
auf.  Dieser  ist  Inspektor  bei  dem  jungen  Lembcke  auf  Lambrechts- 
hagen  gewesen.  Jeden  zweiten  Sonntag  kamen  abwechselnd  die  Eltern 
und  Schwiegereltern  aufs  Gut.  Die  alte  Frau  Lembcke  war  dick  und 
untersetzt,  sah  aber  aus,  als  wenn  sie  in  ihrer  Jugend  mal  hübsch 
gewesen  war.  Aber  Augen  konnte  sie  machen,  wenn  sie  wütig  wurde, 
dass  man  Angst  kriegte.  Sie  pustete  dann  nur  so.  Der  alte  Lembcke 
war  von  ziemlich  normaler  Statur.  Einen  dicken  Kopf  hatte  er  nicht. 
Er  war  ein  alter,  ruhiger  Mann,  der  nur  Interesse  für  die  Landwirt- 
schaft hatte  und  nur  über  landwirtschaftliche  Dinge  sich  zu  unter- 
halten pflegte.  Was  Raatz  —  dessen  Worte  ich  vorlas  —  über  sein 
Äusseres  sagt,  mag  ziemlich  zutreffen,  doch  stimme  nicht,  dass  er 
höhnisch  zu  lachen  pflegte,  prahlendes  Wesen  und  lauernde  listige 
Augen  gehabt  habe.  Sein  Sohn,  der  im  Alter  von  ungefähr  25  Jahren 
Lambrechtshagen  übernommen  hatte,  war  ein  stattlicher  Mensch.  Er 
brauste  gegen  seine  Leute  und  sonst  leicht  auf  und  war  dann  masslos 
heftig,  war  aber  schnell  wieder  besänftigt  und  wollte  es  dann  nicht  bös 
gemeint  haben.  Er  konnte  sehr  gutmütig  sein.  Bat  ihn  ein  Tage- 
löhner um  Stroh,  Hess  er  ihm  wohl  ein  ganzes  Fuder  anweisen. 
Wollten  die  Leute  tanzen,  Hess  er  Musikanten  kommen.  Das  Gut  war 
damals  noch  nicht  dräniert,  und  er  hatte  durch  schlechte  Witterung 
einige  schlechte  Ernten.  Schlimmer  war,  dass  er  spielte  und  im 
Verkehr  mit  Doberaner  Offizieren,  die  auch  auf  sein  Gut  oft  kamen, 
grosse  Summen  vertat. 

Frau  Witwe  Lisette  Franke  in  Rostock,  die  in  Lambrechtshagen 
zur  Zeit  des  jungen  Lembcke  Gutsmamsell  gewesen  war,  bestätigte 
die  schlechte  Wirtschaft  auf  dem  Gute  und  das  wüste  Treiben  des 
Gutsherrn.  Sie  erinnert  sich,  dass  man  seiner  Mutter  nachsagte,  dass 
sie  so  wütend  werden  konnte,  dass  sie  mit  dem  ersten  besten  Stück, 
welches  sie  in  die  Hände  bekam,  auf  ihre  Mädchen  loshieb,  auch  soll 
sie  diesen  einmal  bei  der  Wäsche  heisses  Wasser  über  die  Hände 
gegossen  haben.  Als  Frau  Franke  später  die  Stromtid  las,  sei  ihr 
der  Gedanke  gekommen,  ob  vielleicht  Reuter  mit  Pomuchelskopps 
Häuning  die  alte  Frau  Lembcke  im  Sinne  gehabt  habe. 

Von  dem  Lambrechtshagener  Vogt  hatte  ich  erfahren,  dass  der 
junge  Lembcke  seine  landwirtschaftHchen  Produkte  an  die  Rostocker 


10 

Rheder-  und  Kaufmannsfirma  C.  H.  Brockelmann  in  Rostock  verkauft 
hatte.  Ich  hatte  den  Chef  der  Firma,  den  alten  Herrn  Georg  Brockel- 
mann, schon  vor  Jahren  kennen  gelernt,  ohne  zu  ahnen,  dass  gerade 
er  mir  die  ergiebigste  Auskunft  über  das  Urbild  von  Reuters 
Pomuchelskopp  geben  konnte.  Ich  suchte  ihn  auf,  und  er  machte 
mir  folgende  Mitteilungen,  die  ich  sofort  zu  Papier  brachte,  um  meine 
Niederschrift  von  ihm,  falls  nötig,  berichtigen  zu  lassen.  Der  Herr 
Brockelmaun  hat  sowohl  mit  Lembcke  Vater  als  mit  Lembcke  Sohn 
in  langjähriger  Geschäftsverbindung  gestanden,  beide  verkauften  ihr 
Getreide  und  ihren  Raps  an  seine  Firma  und  hatten  bei  ihm  ein 
laufendes  Konto.  Der  alte  Lembcke  war  von  Mittelgrösse,  vordem 
in  Alt-Sührkow  war  er  fast  schmächtig,  in  Rostock  war  er  etwas 
stärker.  Aber  eigentlich  beleibt  war  er  auch  hier  nicht  geworden, 
er  sah  nur  normal  aus.  Seine  Frau  war  etwas  kleiner,  untersetzt, 
sehr  dick,  mit  einer  Art  Habichtsgesicht,  durchaus  keine  Hopfenstange, 
wie  Pomuchelskopps  Frau  in  der  Stromtid.  Lembcke  sprach  etwas 
missingsch,  seine  Frau  besseres  Hochdeutsch.  „Protzentum  ist  mir,*' 
versicherte  mein  Gewährsmann,  „nie  bei  ihnen  aufgefallen.  Im  Gegen- 
teil! Lembcke  war  sehr  genau,  er  gehörte  zu  den  Leuten,  die  jeden 
Schilling  dreimal  umwenden,  ehe  sie  ihn  ausgeben.  Nur  wenn  es  sich 
um  seine  Kinder  handelte,  scheute  er  keine  Geldausgaben.  Bei  der 
Hochzeit  seiner  Tochter  mit  einem  Hamburger  Kaufmann  war  ich  als 
Gast  in  Alt-Sührkow,  und  ich  erinnere  mich,  dass  Lembcke  die 
Hochzeit  sich  hatte  viel  Geld  kosten  lassen,  und  es  ungewöhnlich  hoch 
dabei  herging.  In  allen  Dingen,  welche  über  seinen  Pflug  gingen, 
war  er  furchtbar  dumm  und  zugleich  leichtgläubig.  Nach  Rostock, 
wo  er  ein  Haus  auf  der  Wallstrasse  gegenüber  dem  alten  Bahnhof 
erwarb,  war  er  nach  dem  Verkauf  von  Alt-Sührkow  als  reicher  Mann 
gekommen.  Viel  Geld  kostete  ihn  sein  Sohn,  der  Lambrechtshagen 
gepachtet  hatte,  sehr  schlecht  wirtschaftete,  sehr  leichtfertig  und  stets 
geldbedürftig  war.  Schliesslich  verlor  Lembcke  Vater  viel  Geld  durch 
einen  gemeinen  Kerl,  einen  Juden  aus  Darguhn,  namens  Ludwig  Tobias. 
Dieser  trieb  Wuchergeschäfte,  besonders  mit  Offizieren.  Eines  Tages 
kam  er  mit  dem  Wechsel  eines  Herrn  von  örtzen,  also  des  Angehörigen 
eines  in  Mecklenburg  sehr  angesehenen  Geschlechtes,  zu  dem  alten 
Lembcke.  Dieser  hatte  von  Wechselgeschäften  keine  rechte  Vor- 
stellung, und  es  gelang  dem  Kerl,  Gott  weiss  wie,  Lembcke  mit  der 
Vorspiegelung,  dass  er  dem  Herrn  von  Örtzen  einen  grossen  Gefallen 
tue  und  es  sich  um  eine  reine  Formsache  handele,  zu  beschwatzen, 
einen  auf  12000  Taler  lautenden  Wechsel  mit  zu  unterschreiben.  Als 
Tobias  die  Unterschrift  hatte,  versicherte  er  von  neuem,  dass  Lembcke 
gar  keine  Gefahr  laufe  und  dass  er  selbst  jederzeit  den  Wechsel 
prolongieren  würde,  wenn  wirklich  Herr  von  örtzen  ausser  stände  sei, 
ihn  pünktlich  einzulösen.  Damit  er  aber  die  Reise  nach  Rostock  spare, 
sei  es  das  einfachste,  Lembcke  unterschriebe  für  diesen  Fall  zur 
Sicherheit  schon  jetzt  Prolongationswechsel.  Für  die  Ersparung  der 
Reisekosten  wolle  er  sich  gern  erkenntlich  zeigen.     In  seiner  Dummheit 


11 

kam  Lembcke  auch  diesem  Ansinnen  nach  und  freute  sich,  so  leicht 
für  ein  oder  zwei  Stuben  die  guten  Tapeten,  welche  ihm  der  Jude 
für  seine  Gefälligkeit  versprochen  hatte,  verdient  zu  haben.  Er  sollte 
sich  nicht  lange  seiner  Provision  freuen.  Als  der  Verfalltag  des 
Wechsels  zu  Johanni  kam,  war  Örtzen  ausgerückt  und  der  Wechsel 
ward  Lembcke  präsentiert  Dieser  stürzte  wie  ein  Wahnsinniger  in 
mein  Zimmer,  der  ich  von  nichts  wusste,  und  nur  mit  Mühe  konnte 
ich  von  ihm  die  erzählten  Vorgänge  herausbekommen.  Ich  sagte  ihm, 
wenn  er  seine  Unterschrift  gegeben  habe,  könne  ihm  kein  Deubel 
helfen,  und  Hess  ihm  die  fälligen  12000  Taler  auszahlen.  Damit  war 
die  Geschichte  aber  noch  nicht  zu  Ende.  Nach  kurzer  Zeit  wurde 
ein  zweiter,  bald  darauf  ein  dritter  Wechsel  über  12000  Taler 
präsentiert.  Der  Jude  hatte  nicht  nur  den  Stammwechsel,  sondern 
auch  die  Prolongationswechsel  begeben. 

Als  der  dritte  Wechsel  kam,  ward  ich  bedenklich.  Lembcke 
wusste  nicht,  wieviel  Unterschriften  er  gegeben  hatte,  es  war  möglich, 
dass  noch  weitere  Wechsel  liefen  und  sein  Vermögen  nicht  ausreichte, 
sie  zu  decken.  Ich  selbst  wurde  durch  die  Vernichtung  seines  Wohl- 
standes insofern  berührt,  als  Lembcke  Vater  Garant  für  das  Guthaben 
der  Firma  an  seinen  Sohn  und  dieser  stark  im  Schuldbuche  belastet 
war.  Ich  veranlasste  Lembcke  Vater  mit  mir  zu  einem  Rechtsanwalt 
zu  gehen,  den  Konkurs  anzumelden  und  die  kriminelle  Anklage  des 
Tobias  zu  beantragen.  Dieser  wurde  in  Haft  genommen,  und  es 
konnten  noch  5000  Taler  gerettet  werden.  Das  Konkursergebnis 
war,  dass  dem  alten  Lembcke  ausser  seiner  Frau  Vermögen  Haus 
und  Grundstück  und  ein  Kapital  von  ich  glaube  7000  Taler  verblieben. 
Seine  Frau  hatte  übrigens,  als  der  Konkursverwalter  ein  Inventar 
aufnehmen  wollte,  diesen  aus  dem  Hause  gewiesen.  Lembcke  starb 
während  eines  Besuches  bei  seiner  Tochter  in  Hamburg  und  ist  dort 
begraben.  Seine  Frau,  welcher  noch  eine  nicht  unbeträchtliche  Erb- 
schaft seitens  einer  gestorbenen  Schwester  zufiel,  zog  darauf  nach 
Doberan,  wo  ihre  Schwiegertochter  wohnte. 

Sehr  ^iel  Geld,  wie  ich  schon  bemerkt  habe,  hat  Lembcke  an 
seinen  Sohn  verloren.  Das  war  ein  Tunichtgut,  der  lieber  in  Rostock 
bis  ^n  die  Nacht  hinein  kneipte  und  dann  mit  den  von  ihm  selbst 
kutschierten  Pferden  —  einmal  in  seiner  Bezechtheit  über  eine  Strasse 
mit  aufgerissenem  Pflaster  —  nach  Hause  jagte,  als  hier  die  Wirt- 
schaft im  Stande  zu  halten.  Um  seine  Verhältnisse  zu  sanieren  hatte 
ich  von  seinem  Schwiegervater,  einem  Herrn  von  Schack,  ein  grosses 
Kapital  erhalten.  Ich  hatte  mir  von  Lembcke  junior  ein  Verzeichnis 
seiner  Schulden  geben  lassen  und  war  dann  sehr  erstaunt,  als  mir 
von  einem  berüchtigten  Gelddarleiher,  der  nicht  auf  der  Liste  stand, 
ein  Wechsel  des  jungen  Lembcke  über  100  Taler  präsentiert  wurde. 
Ich  liess  mir  von  dem  Präsentanten  einen  Schein  ausstellen,  dass  er 
nie  wieder  an  Lembcke  junior  Geld  leihen  wolle,  und  zahlte  den 
Wechsel.  Nachher  erfuhr  ich,  dass  der  Kerl  sofort  in  einem  Restaurant 
mit  dem  jungen  Lembcke  zusammengetroffen  war  und   ihm  nach  Ab- 


12 

zug  einer  Provision  das  erhobene  Geld  ausgezahlt  habe.  Die  Sache 
war  also  die  reine  Farce  gewesen,  in  Szene  gesetzt,  weil  Lembcke 
junior  bar  Geld  haben  wollte.  Ich  vermittelte,  dass  sein  Pachtgut 
unter  annehmbaren  Bedingungen  von  einem  Herrn  Kluge  übernommen 
wurde.  Er  zog  darauf  nach  Doberan  und  wurde  hier  Vertreter  der 
Magdeburger  Hagelversicherungsgesellschaft  Er  soll  später  (14.  April 
1891  im  Krankenhause   am  ürban)   in  Berlin   gestorben  sein.*' 

Zur  Ergänzung  dessen,  was  ich  über  Lembcke,  seine  Familie 
und  Schicksale  erkundet  hatte,  bedurfte  ich  nur  noch  weniger  Daten. 
Ich  erhielt  sie  von  seiner  Enkelin,  der  Tochter  seines  Sohnes.  Ich 
erfuhr  von  ihr,  dass  ihr  Grossvater  am  1.  Februar  1800  in  Fährdorf 
auf  Poel  als  Sohn  des  Hauswirts  Gabriel  Lembcke,  ihr  Vater  am 
24.  Oktober  1830  oder  1831  geboren  war.  So  lang  sie  denken  kann, 
hat  ihr  Vater  graue  Haare  gehabt,  und  sie  erinnert  sich  seiner 
Erzählung,  er  habe  sie  als  Achtzehnjähriger  in  der  Nacht  erhalten, 
als  seine  Eltern  von  ihrem  Gute  vertrieben  wurden,  diese  Nacht  habe 
er  versteckt  in  einer  Hocke  (Getreidemandel)  verbracht.  Wenn  seine  Guts- 
wirtschaft nicht  so  gewesen  sei,  wie  sie  hätte  sein  sollen,  und  er  sie 
durch  seine  häufige  Abwesenheit  in  Rostock  und  Doberan  arg  ver- 
nachlässigt habe,  so  erkläre  sich  das  z.  t.  durch  die  stete  Kränklichkeit 
ihrer  fast  dauernd  an  das  Bett  gefesselten  brustkranken  Mutter.  Über 
allen  Zweifel  aber  sei,  dass  er,  auch  gegen  seine  Leute,  ein  herzens- 
gutmütiger Mensch  gewesen  sei.  Mit  besonderer  Verehrung  gedachte 
sie  aber  ihres  Grossvaters,  eines  ruhigen  wohlwollenden  Mannes,  der 
wegen  seiner  Biederkeit  allen  seinen  Freunden  sehr  wert  gewesen  sei 
und  nur  den  Fehler  gehabt  habe,  seinen  Willen  gegenüber  seiner  Frau 
nicht  habe  durchsetzen  zu  können.  Sie  erinnerte  sich  auch  der  roten 
Sammettapeten,  die  ihr  mit  dem  Bemerken  gezeigt  seien,  dass  sie 
12000  Taler  gekostet  hätten.  Als  der  Besitzer  des  Wechsels  ihrem 
Grossvater  zuredete,  sich  als  Bürge  zu  unterzeichnen,  habe  er  das 
anfangs  beharrlich  abgelehnt,  und  er  sei  erst  durch  seine  Frau,  die 
sich  überreden  liess,  hierzu  bestimmt  worden.  Sie  erinnert  sich  nicht, 
dass  ihr  Grossvater,  was  Reuter  im  Schlusskapitel  der  Stromtid  von 
Pomuchelskopp  erzählt,  die  Redensart  „vel  tau  wollfeil*  im  Mimde 
geführt  habe,  wenn  von  dem  Verkaufe  seines  Gutes  die  Rede  war. 
Allerdings  sei  aber  seine  und  die  allgemeine  Ansicht  gewesen,  dass 
er  Alt-Sührkow  zu  billig  fortgegeben  habe. 

Der  Enkelin  Lembcke  danke  ich,  dass  ich  Ihnen  Photographieen 
ihrer  Grosseltern  vorlegen  kann.  Sie  werden  bei  dem  Anblick  der- 
selben überrascht  sein.  Jedesfalls  zeigen  auch  die  Bilder,  wie  so  gar 
nicht  die  Schilderung,  welche  Reuter  von  Pomuchelskopps  und  seines 
Häunings  äusserer  Erscheinung  gibt,  auf  das  Lembckesche  Ehepaar 
zutrifft.  Auch  die  dicken  Backen  und  ;,die  kleinen  Augen  mit 
lauerndem,  listigen  und  zugleich  finster  starrenden  Ausdruck*,  die 
ein  Gewährsmann  des  sonst  wohl  unterrichteten  Raatz  von  Pomuchels- 


13 

kopp  auf  Leinbcke    übertragen   hat,    finden   durch   die    Photographie 
keine  Bestätigung. 

Wertvoll  war  mir  auch,  dass  ich  in  mehrere  Schriftstücke  von 
Johannes  Lembckes  eigener  Hand  Einblick  nehmen  konnte.  Sie  zeigen 
eine  ausgeschriebene,  sehr  gefällige  Handschrift  und  beweisen  zugleich 
die  Unhaltbarkeit  der  ausgesprochenen  Behauptung,  dass  Lembcke  nicht 
im  Stande  gewesen  sei  orthographisch  zu  schreiben,  und  man  ihm 
wohl  zutrauen  dürfe  als  Landstand  —  wie  Pomuchelskopp  nach  Reuters 
Erzählung  —  Stimmzettel  mit  der  Schreibung  ;,iah^  statt  Ja*' 
abgegeben  zu  haben. 

M.  H. !  Es  wird  durch  die  hier  beigebrachten  Mitteilungen 
erwiesen,  dass  Reuter  der  Familie  Lembcke  oder  dem,  was  man  von 
ihr  erzählte,  nur  einige  wenige  Züge  für  das  Charakterbild  Pomuchels- 
kopps  und  seines  Häuning  entlehnt  hat. 

Die  Entlehnung  beschränkt  sich  auf  folgendes:  Pomuchelskopp 
ist  nachgiebig  gegen  seine  Frau,  welche  ihn  tyrannisiert,  freundlich 
gegen  seine  Dienstmädchen,  sein  äusseres  Auftreten  ist  das  eines  ein- 
fachen Biedermannes,  er  ist  so  hart  gegen  die  Tagelöhner,  dass  er 
als  Leuteschinder  bei  ihnen  verschrieen  ist.  Sein  Häuning  überragt 
ihn  an  Energie,  lebt  in  ewigem  Kriege  mit  ihren  Leuten  und  leicht 
in  Wut  geratend  misshandelt  sie  dieselben.  Beider  Sohn  ist  wegen 
seiner  Gutmütigkeit  bei  seinen  Leuten  beliebt.  Von  Lembckes  Schick- 
salen ist  sein  früherer  Aufenthalt  in  Pommern,  seine  Vertreibung 
durch  die  eigenen  Tagelöhner  und  die  Umsiedlung  nach  Rostock  ver- 
wertet. Davon  dass  Pomuchelskopp  ein  treues  Konterfei  Lembckes 
sei,  kann  keine  Rede  sein. 

Zum  Schluss  eine  kurze  Zusammenstellung  dessen,  was  sich  für 
die  Entstehung  und  Gestaltung  der  Figur  Pomuchelskopps  ergeben 
hat  und  des  weiteren  ergibt. 

Sein  Prototyp  war  ein  Gutsbesitzer  in  der  in  Raabes  Jahrbuch 
für  1845  und  1846  erschienenen  Erzählung  ;, Gerold  von  Vollblut^. 
Dieser  Geschichte  dankt  Reuter  nicht  nur  den  Typos,  sondern  auch 
die  Benennung.  Wie  er  den  Gutsnamen  Knüppeldamm  in  Knüppelsee 
verschob,  so  vertauschte  er  den  Namen  Büffelkopf  mit  dem  synonymen 
Pomuchelskopp.  Dieser  Name,  der  soviel  wie  Dickkopf  besagt,  ist 
bedeutungsvoll  für  die  Ausgestaltung  der  Figur  seines  Trägers.  Es 
ist  ein  redender  Name  gerade  so  wie  Bräsig  und  Nüssler,  Kurz, 
Slus'uhr  und  Triddelfitz.  Der  Name  bedingte,  dass  Pomuchelskopp 
als  Dickkopf  in  wörtlicher  wie  bildlicher  Bedeutung  des  Wortes 
geschildert  wird.  Dem  Kontrast  zuliebe  muss  dann  Häuning  als  lang 
und  dürr,  als  „Hopfenstange"  erscheinen.  Dem  „Gerold  von  Vollblut" 
ist  auch  entnommen,  dass  Pomuchelskopp  die  Nobilitierung  erstrebt, 
sich  ein  Wappen  zusammenstellen  lässt  und  den  Umgang  mit  Adligen 
sucht.     Nicht  übernommen,    aber   notwendige  Konsequenz   war,    dass 


14 

Pomuchelskopp  als  Landstand  sich  der  Adelspartei  anschliesst.  Dass 
Reuter  ihn  überhaupt  den  Landtag  besuchen  lässt,  war  durch  die 
Zeit,  in  der  der  Roman  spielt,  bedingt.  Li  den  ersten  1840er 
Jahren  durfte  kein  mecklenburgischer  Gutsbesitzer  bei  den  Landtags- 
abstimmungen fehlen. 

Andere  Züge,  welche  das  Charakterbild  und  die  Schicksale 
Pomuchelskopps  und  seiner  Familie  in  der  Stromtid  aufweist,  ohne 
dass  hierfür  das  literarische  Rrototyp  oder  das  lebende  Vorbild 
Lembcke  von  Einfluss  waren,  sind  die  Folge  ihrer  Stellung  in  der 
Handlung  des  Romans.  Die  Familie  Pomuchelskopp  hatte  die  Aufgabe 
zu  den  Idealgestalten  Hawermann  und  seiner  Tochter  die  Gegenrolle 
zu  übernehmen,  sie  musste  deshalb  protzig,  rücksichtslos  eigennützig, 
unlauter  sein.  Ferner  ergab  sich  aus  der  Tendenz  des  Romans,  der 
mit  dem  Siege  und  der  Belohnung  des  Guten,  der  Strafe  des  Bösen 
schliessen  sollte,  dass  die  bösen  Pläne  Pomuchelskopps  vereitelt,  die 
rücksichtslose  Härte  gegen  die  Gutsleute  gerächt  wird. 

Das  so  entstandene  Charakterbild  Pomuchelkopps  empfing  neue 
Züge  aus  dem,  was  Reuter  über  die  Familie  Lembcke  erzählen  hörte. 
Er  übernahm  jedoch  nur,  was  in  die  psychologische  und  tatsächliche 
Entwicklung  seines  Romans  hineinpasste,  ohne  dass  seine  konstruktiven 
Grundlagen  verschoben  wurden.  Die  wesentlichsten  Züge,  welche 
Reuter  von  dem  lebenden  Modell  für  den  Charakter  und  die  Geschichte 
Pomuchelskopps  übernommen  hat,  habe  ich  bereits  vorhin  aufgezählt, 
und  ich  habe  nur  noch  einige  Worte  über  das  hinzuzufügen,  was  der 
Roman  der  Hinzufügung  dieser  Züge  dankt.  Ohne  sie  würden  Pomuchels- 
kopp und  seine  Familie  leicht  als  blosse  Constructionen  erscheinen, 
als  schematisch  böse  Menschen.  Erst  die  entlehnten  Züge  tragen 
wesentlich  dazu  bei,  Pomuchelskopp  und  Häuning  als  individuelle 
lebenswahre  Gestalten  erscheinen  zu  lassen.  Auch  Pomuchelskopps 
Gustäwing  hat  hierdurch  gewonnen.  Ohne  das  Vorbild  des  jungen 
Lembcke  wäre  er  wahrscheinlich  nur  als  gleich  böses  Gegenstück  zu 
seinen  Schwestern  gezeichnet.  Von  Lembckes  Schicksalen  kommt  als 
wesentlich  nur  seine  Vertreibung  durch  die  Gutsleute  in  Betracht. 
Ihre  Verwertung  vermehrte  den  Roman  um  eine  zugleich  wirkungsvolle 
und  kulturhistorisch  lehrreiche  Episode  und  gab  ein  überaus  geschicktes 
Motiv,  im  Sinne  der  Tendenz  des  Romans  Pomuchelskopp  zu  strafen 
und  seiner  Wirksamkeit  ein  Ende  zu  setzen. 


15 


Beilage  zu  S.  1—14. 

Entscheidangr  der  meeklenburglseheii  Reglenuig:  Tom  1.  Anglist  1848  betr.  die 
Regelung:  der  Alt-Stthrekower  Yerhältnisse. 

Da  die  seitherigen  Verhand langen  znr  Regelung  der  Alt-Sührckower  Ver- 
hältnisse eine  Ausgleichung  nicht  haben  finden  lassen,  welche  den  Wünschen 
aller  Betheiligten  entspricht,  so  wird  nunmehr  die  nachfolgende  Anordnung 
und  zugleich  Entscheidung  auf  den  sowohl  vom  Gutsbesitzer  Lemcke-Alt- 
Sübrckow,  wie  von  den  Alt-Stthrckower  Gutsleuten  gegen  die  commibsarische 
Bestimmung  vom  14.  v.  M.  ergriffenen  Recours  hiemit  getroffen: 

1.  Der  Gutsbesitzer  Lemcke  wird  ungesäumt  durch  einen  landesherrlichen 
Commissarius  förmlich  in  Alt-Sührckow  wieder  eingeführt,  wobei  er  zu  einer 
guten  Behandlung  der  Gutsleute,  letztere  aber  angemessen  dahin  zu  vernehmen  (!) 
sind,  dass  sie  denselben  als  Gutsherrn  und  respective  Dienstherrn  respectiren  wollen. 

2.  Bei  der  bevorstehenden  Einführung  wird  es  allen  arbeitsfähigen  Tage- 
löhnern freigestellt,  ob  sie  respective  im  Dienstcontracte  zum  Gutsherrn  bleiben 
and  in  solchen  wieder  eintreten  wollen,  oder  ob  sie  von  dem  bestehenden  Dienst- 
contract  entbunden  zu  sein  wünschen. 

a.  Hinsichtlich  der  in  dem  Dienstcontract  bleibenden  und  der  in  solchen 
etwa  wieder  eintretenden  Tagelöhner  normirt  künftig  das  in  der  Anlage  A. 
enthaltene  Regulativ,  wobei  es  rücksichtlich  der  für  die  Leute  jetzt  im  Felde 
mit  Korn  besäeten  70  DR  bei  der  Bestimmung  des  Commissions-Protocolls  vom 
20.  Mai  d.  J.  Anlage  A.  sub  I.  5.  verbleibt. 

Wie  viel  Heu  zum  Winterfutter  und  wie  viel  Stroh  für  die  jetzt  hinzu- 
gekommene Starke  vom  Gutsherrn  herzugeben  ist,  wird  durch  2  unpartheiische 
Sachverständige  bestimmt  und  dem  Regulativ  nachgetragen. 

b.  Bei  denjenigen  Tagelöhnern,  welche  nicht  im  Dienstverhältniss  zu 
dem  Gutsherrn  bleiben  wollen,  wird  der  bestehende  Contract  oberpolicei  wegen 
hiemit  snspendirt  und  den  Leuten  gestattet,  auswärts  Arbeit  zu  suchen.  Doch 
ist  der  Gutsherr  verpflichtet,  sowohl  diesen  Leuten,  wie  auch  den  früher  aus- 
geworfenen Tagelöhnern  Klahn,  Lübz,  Tiedemann  und  Heidtmann  —  sofern  letztere 
nicht  etwa  in  den  Tagelöhnercontract,  wie  solcher  oben  in  Anlage  A  regulirt 
worden  ist,  wieder  eintreten  wollen,  was  ihnen  gestattet  sein  soll  —  die  in 
der  Anlage  B  verzeichnete  Wohnung  und  Emolumente  zu  geben.  Jedoch  be- 
halten die  Leute  im  gegenwärtigen  Jahre  dasjenige  Kartoffeln-  und  Leinland  im 
Felde,  was  ihnen  bereits  angewiesen  ist. 

Hiefür  haben  diese  Leute  an  Miethe  Vstel  des  wirklichen,  durch  unpar- 
theiische Sachverständige  festzustellenden  Werthes  an  den  Gutsherrn  zu  entrichten 
und  in  vierteljährigen  Raten  postnumerando  zu  bezahlen.  Bleiben  sie  mit 
2  Terminen  solcher  Zahlung  im  Rückstand,  so  ist  der  Gutsherr  berechtigt,  ihnen 
sftmmtliche  in  der  Anlage  B  sub  2—3   aufgeführten  Emolumente   zu   entziehen. 

Ausserdem  erhalten  aber  diese  Leute  freie  Schule  für  ihre  Kinder,  auch 
in  krankheitsfällen  freien  Arzt  und  freie  Medizin,  so  wie  die  nöthigen  kleinen 
Fuhren  zur  Hebeamme,  zu  Taufen,  Begräbnissen  pp.  vom  Gutsbeim  unentgeltlich 
geleistet.  Im  Übrigen  haben  die  Leute  dieser  Glasee  Alt-Sührckow  sofort  un- 
verweigerlich  zu  verlassen,  wenn  der  Gutsherr  ihnen  ein  Unterkommen  als  wirk- 
lichen Tagelöhner  an  einem  andern  Orte  nachweiset.  Die  Effecten  der  Leute 
hat  dann  der  Gutsbesitzer  Lemcke  nach  diesem  Orte  transportiren  zu  lassen. 


16 

c.  Hinsichtlich  der  alten  Leute  and  der  Wittwen  sollen  kttnftig  die  in 
Anlage  C.  enthaltenen  Bestimmungen  normiren. 

Daneben  wird  aber  noch  bestimmt,  dass  den  beiden  alten  Kannsierschen 
Eheleuten,  so  wie  auch  der  Marie  Wassmann  ausreichendes  Essen  nebst  dem 
nöthigen  Zubrod  vom  Hofe  zu  Terabreichen  und  letzterer  überdies  ein  besonderes 
Wohnlocal  anzuweisen  ist,  falls  solches  nach  ärztlichem  Erachten  nothwendig  erscheint. 

d.  Der  frühere  Schmidt  Haacker  behält  bis  dahin,  wo  ein  anderweitiges 
angemessenes  Unterkommen  für  ihn  ermittelt  sein  wird,  seine  jetzige  Wohnung 
und  die  ihm  dabei  jetzt  angewiesenen,  sofort  genau  zu  specificirenden  Emo- 
lumente,  wofür  er  ^/stel  des  taxmässigen  Werthes  in  vierteljährigen  Baten  post- 
numerando an  Miethe  zu  zahlen  hat.  Bleibt  er  mit  2  Terminen  solcher  Zahlung 
in  Rückstand,  so  ist  der  Gutsherr  berechtigt,  ihm  alle  Emoluniente  bis  auf  die 
Wohnung  zu  entziehen.  Daneben  empföngt  er  aber  unentgeldlich  Schule  für 
seine  Kinder,  Arzt  und  Medizin  und  kleine  Fuhren,  und  ist  ihm  auf  sein  etwaiges 
Verlangen  angemessene  Arbeit  gegen  den  üblichen  Tagelohn  fremder  Leute 
anzuweisen. 

3.  Die  ausserordentlichen  Unterstützungen,  welche  bei  den  stattgehabten 
commissariscben  Untersuchungen  den  Leuten  zugebilligt  wurden,  sind  ihnen,  in- 
soweit solches  noch  nicht  geschah,  ungesäumt  zu  verabreichen.  Sollten  aber 
nach  sachverständigem  Erachten  die  Leute  auch  Mangel  an  nothwendigem  Hans- 
geräth  oder  Arbeitsgeräth  noch  leiden,  oder  sonst  noch  einer  augenblicklichen 
Unterstützung  bedürfen,  so  ist  dem  von  Seiten  des  Gutsherrn  sofort  abzuhelfen 
und  der  Werth  des  solchergestalt  Empfangenen  billigmässig  von  den  Sachver- 
ständigen ebenso,  wie  die  Art  und  Zeit  des  etwaigen  Abtrages  dieser  Schnld 
von  Seiten  der  Leute  zu  bestimmen. 

4.  Es  ist  der  Bürgermeister  Dr.  Schultetus  in  Malchin  zum  beständigen 
Commissarius  bestellt  worden,  theils  um  darüber  zu  wachen,  dass  der  Guts- 
besitzer Lemcke  alle  ihm  nach  dem  Vorstehenden  auferlegten  Leistungen  pünktlich 
und  gut  erfüllt,  und  die  Leute  sämmtlich  ordnungsmässig  behandelt,  und  um 
bei  befundener  Richtigkeit  etwaiger  Beschwerden  gegen  den  Gutsherrn  die  Leute 
zu  vertreten,  auch  nöthigenfalls  den  letztern  das  ihnen  etwa  Vorenthaltene  fflr 
Rechnung  des  Gutsherrn  zu  verabreichen,  theils  um  etwaige  Widersätzlicbkeiteu 
oder  Gewaltthätigkeiten  der  Gutsleute  gegen  den  Gutsherrn  und  dessen  Familie 
sofort  mit  Nachdruck  zu  bewältigen,  zu  welchem  Zwecke  er  mit  den  erforderlichen 
Mitteln  versehen  worden  ist. 

5.  Die  in  der  commissariscben  Bestimmung  vom  14.  v.  M.  vorgeschriebene 
Erbauung  eines  neuen  4-hischigen  Eatens^)  und  Errichtung  von  Schornsteinen 
in  4  der  jetzigen  Katen  wird  zur  Zeit  bei  Seite  gesetzt,  doch  liegt  dem  Guts- 
besitzer Lemcke  ob,  bis  zum  24.  Oktober  d.  J.  dahin  Vorkehr  zu  treffen,  dass 
alle  seine  Tagelöhner  und  sonstige  Gutseiuwohner  landüblich  angemessene  Woh- 
nungen erhalten.  Insbesondere  dürfen  die  Wobnungen  nicht  zu  beengt  sein, 
auch  muss  für  einen  gehörigen  Abzug  des  Rauches  wenn  möglich  durch  Schorn- 
steine, und  für  genügende  Dichtigkeit  der  Dächer  gesorgt  werden.  Das  Rauch- 
rohr, welches  jetzt  von  der  Kannsierschen  Stube  nach  der  Dobbertinschen  Diele 
geht,  ist  von  hier  sofort  zu  entfernen  und  passend  zu  verlegen. 

Der  Commissarius  Dr.  Schultetus  hat  am  24.  October  d.  J.  unter  Zuziehung 
von  2  unpartheiischen  Sachverständigen  eine  specielle  Revision  an  Ort  und  Stelle 
vorzunehmen,  ob  den  obigen  Vorschriften  hinsichtlich  der  Wohnungen  genügt 
worden,  und  bleibt  für  den  Fall,  dass  solches  nicht  geschehen,  weitere  ober- 
polizeiliche Verfügung  vorbehalten. 


1)  Haus  mit  vier  Tagelöhnerwohnungen. 


1? 

6.     Soweit    nicht   im   Vorstehenden    die    verschiedenen   Beschwerdepunkte 
gegen  die  commissarische  Bestimmung  vom  14.  v.  M.   ihre  Erledigung  gefunden 
haben,  werden  die  dagegen  ergriffenen  Recourse  yerworfen. 
Schwerin  den  !*•»  August  1848. 

Orossherzoglich  Mecklenburgische  Landes-Regierung. 
(L.  S.)  Fr.  V.  Oertzen. 

Anlage  A«    Regulativ  für  die  TageDfliner  zu  Alt-Stthrkow. 

I.    Die  Tagelöhner  haben  jeder  zu  erhalten: 

1.  freie  Wohnung,  bestehend  aus  einer  Stube  und  2  Kammern. 

2.  Stallraum  für  1  Kuh,  1  Storke,  2  Schweine,  2  Schaafe,  und  1  alte 
Gans  nebst  Zuzucht; 

3.  40  DR  Gartenland  und  60  DR  Kartoffelland  im  Felde,  letztere  da, 
wo  die  Kartoffeln  für  den  Hof  gepflanzt  werden.  Was  am  Garten  lande  jetzt 
etwa  fehlt,  ist  im  Felde  zuzulegen,  so  dass  jeder  Tagelöhner  seine  vollen 
100  DR  hat; 

4.  zu  Leinsaamen  30  DR  fttr  jede  volle  Wohnung.  Wer  einen  Hof  boten 
hfilt,  bekömmt  ausserdem  noch  15  DR. 

6.  An  Korn  jährlich  6  Scheffel  Roggen,  4  Scheffel  Gerste  und  2  Scheffel 
Hafer  Rostocker  Maasse;  dies  wird  den  Leuten  zur  Hälfte  vor  Michaelis,  zur 
andern  Hälfte  vor  Martini  jeden  Jahres  verabreicht,  und  damit  schon  im  bevor- 
stehenden  Herbste  begonnen. 

6.  Weide  und  Futter  fttr  1  Kuh,  fttr  1  Starke  bis  zum  Alter  von 
2  Jahren  und  fttr  2  Schaafe;  ferner  im  Sommer  Weide  fttr  1  alte  Gans  nebst 
Zozucht,  sowie  Weidefreiheit  fttr  2  Schweine. 

Die  Ktthe  und  Starken  sind  unter  den  Hofktthen  zu  weiden  und  sollen 
mit  diesen  sowohl  die  Klee-  als  die  Neben  weiden  benutzen.  Ein  Fuder  Sommer- 
und  1  Fuder  Winterstroh  ä  22  Centner  für  Ktthe  und  Schaafe,  so  wie  fttr  jede 
Wohnung  eine  Wiesenfläche,  auf  welcher  wenigstens  2  Fuder  Heu,  jedes  zu 
18  Centnem,  geworben  werden  können. 

Alljährlich  kann  ein  Lamm  aufgezogen  werden;  jedoch  darf  jeder  vom 
24.  Oktober  ab  den  Winter  hindurch  nur  2  Schaafe  halten. 

7.  An  Feuerung.  2  Fuder  Wadelholz  und  12  000  Soden  Stechtorf.  Nach 
Wahl  der  Gutsherrschaft  ist  den  Leuten  das  Stechen  des  Torfes  selbst  zu  ttber- 
lassen,  oder  es  ist  der  Stechlohn  fttr  dieselben  auszulegen  und  demnächst  in 
Abrechnung  zu  bringen. 

8.  Den  Leuten,  mit  Ausnahme  der  Drescher,  ist  alle  14  Tage  1  Scheffel 
Roggen  und  alle  3  Wochen  1  Scheffel  Gerste  zu  ttberlassen,  und  zwar  der 
Roggen  höchstens  zu  dem  Preise  von  1  Rthlr.  Courant  und  die  Gerste  höchstens 
zu  dem  Preise  von  36  S.  Courant.  Ist  das  Korn  niedriger  im  Preise,  so  bezahlen 
die  Leute  nicht  höher,  wie  den  jedesmaligen  Marktpreis.  —  Sollte  eine  oder  die 
andere  Familie  Korn  mehr  gebrauchen,  so  muss  ihnen  dieser  Mehrbetrag  jedoch 
für  den  Marktpreis,  von  der  Gutsherrschaft  ttberlassen  werden. 

9.  Als  Drescherlohn  erhalten  die  Leute  den  17ten  Scheffel  mit  halbem 
Haufen  und  jährlich  16  Scheffel  Kaff.  Sollten  ttber  die  Grösse  des  halben 
Haufens  Streitigkeiten  entstehen,  so  wird  der  ITte  Scheffel  kahl  gestrichen  und 
die  Drescher  erhalten  statt  des  halben  Haufens  dann  2  kahle  Metzen. 

Die  Leute  dttrfen  aber  regelmässig  nur  5  Tage  dreschen  und  muss  am 
6ten  Tage  reingemacht  werden.  Auch  dttrfen  die  Leute  nicht  in  einem  Lohn 
dreschen,  sondern  können  höchstens  nur  vier  Mann  zusammen  dreschen. 

10.  An   Tagelohn  erhalten  die  Männer  zu  allen  Zeiten   täglich  9  Seh. 

XiederdentBohei  Jabxbaeh  XXXYI.  2 


18 

(Garant,  jedoch   mit  Ansschlnss   von  6  Wochen   in  der  Erndte,   wo   sie   täglich 
10  Seh.  Cour,   erhalten.     Die  Frauen  erhalten   zn  allen  Zeiten  5  Seh.  Conrant 

11.  Die  Lente  erhalten  freie  Schule  für  ihre  Kinder,  auch  in  Krankheits- 
fällen freien  Arzt  und  freie  Medizin  fttr  sich  und  ihre  Familie.  Jeder,  der  eines 
Arztes  hedarf,  hat  sich  vom  Gutsherrn  eine  schriftliche  Bescheinigung  hierüber 
zu  erwirken. 

Alle  kleine  Fuhren,  z.  B.  zur  Hebeamme,  zu  Taufen,  Begräbnissen  etc. 
sind  von  der  Gutsherrschaft  unentgeltlich  zu  leisten,  ebenso,  wie  es  sich  von 
selbst  versteht,  dass  den  Leuten  das  Heu,  die  Kartoffeln,  Holz  und  Torf  frei 
und  zur  gehörigen  Zeit  angefahren  werden  müssen. 

12.  Für  die  entbehrte  zweite  Gans  hat  der  Gutsherr  jedem  Tagelöhner 
alljährlich  haare  2  Rthlr.  conr.  dergestalt  zu  Gute  kommen  zu  lassen,  dass  mit 
diesem  Gelde  eine  Kasse  gebildet  wird,  aus  welcher  jeder  Tagelöhner,  der  seine 
Kuh  verloren  hat,  zur  Wiederanschaffung  einer  neuen  eine  haare  Unterstatzung 
beanspruchen  darf. 

Die  näheren  Bestimmungen  über  die  Einrichtung  und  Verwaltung  dieser 
Casse,  ist  wie  über  die  Grösse  der  in  jedem  einzelnen  Falle  zu  gewährenden 
Unterstützung  sind  von  2  unpartheiischen  Sachverständigen  zu  treffen  und  dem 
Regulativ  gleichfalls  nachzutragen. 

13.  Der  Gutsherr  hat  den  Männern  durchstehende  Arbeit  zu  geben. 
II.     Hingegen  haben  die  Tagelöhner  Folgendes  zu  leisten: 

1.  Jeder  Mann  und  jede  Frau  müssen  täglich  mit  Ausnahme  der  Sonn- 
und  Festtage  zur  bestimmten  Zeit  treu  und  fleissig  arbeiten.  Von  Ostern  bis 
Michaelis  müssen  die  Leute  von  Morgens  um  6  Uhr  bis  zum  Sonnenuntergang 
arbeiten.  Im  Winter  beginnt  die  Arbeitszeit  mit  Tagesanbruch  und  dauert  bis 
zum  Dunkelwerden,  vor  6  Uhr  Morgens  braucht  jedoch  Niemand  an  die  Arbeit 
zu  gehen.  Nur  die  Ochsenhäker  müssen  von  Sonnenaufgang  bis  Sonnenuntergang 
arbeiten.  Für  diese  längere  Arbeitszeit  erhalten  aber  die  Ochsenhäker  täglich 
1  S.  cour.  Tagelohn  mehr  wie  die  übrigen  Leute. 

Die  Hirten  sind  auch  an  Sonn-  und  Festtagen  zur  Verrichtung  der  ihnen 
obliegenden  Arbeiten  verpflichtet. 

Im  Sommer  wird  den  Leuten  zu  Klein -Mittag  Vs  Stunde,  zu  Mittag 
iVs  Stunde,  zum  Vesperbrod  Va  Stunde  gestattet.  Im  Winter  wird  nur  eine 
Stunde  zum  Mittag  gegeben,  Kiein-Mittag  und  Vesperbrod  föUt  dann  gänzlich  weg. 

In  der  Heu-  und  Kornerndte  normiren  alle  diese  Vorschriften  wegen  der 
Arbeitszeit  nicht,  vielmehr  wird  dann  so  lange  gearbeitet  als  es  in  der  Gegend 
üblich  ist. 

2.  Kann  die  Frau  nicht  selbst  zur  Arbeit  gehen,  so  muss  ein  Hofgänger 
gehalten  werden,  welcher  zu  den  Frauenarbeiten  die  nöthigen  Fähigkeiten  und 
Kräfte  besitzt. 

3.  Für  jede  volle  Wohnung  werden  unentgeldlich  100  Frauentage  geleistet. 

4.  Von  jeder  alten  Gans  wird  eine  Stoppelgans  an  die  Gutsherrschaft 
gegeben. 

Anlage  B.     Yerzelchnis  dessen,    was   deidenigen   Alt-Stthrekower  TageVflinem, 
welchen   gestattet  ist,   auswärts   zu   arbeiten,   von   dem   Ontsherm   verabreicht 

werden  muss.     [Auszug.] 

1.  Wohnung,  bestehend  aus  1  Stube  und  2  Kammern. 

2.  Stallraum  ftü*  1  Kuh,  1  Schwein,  1  Schaaf  und  1  alte  Gans  nebst  Zuzucht. 

3.  4.     80  OB-  Garten-  und  Kartoffelland.     Zu  Leinsaamen  15  QB- 
6.     An  Korn  6  Scheffel  Roggen,  4  Seh.  Gerste  und  2  Seh.  Hafer. 


6.  Weide  und  Patter  für  1  Kah  und  1  Schaaf.  Ein  Fuder  Sommer-  und 
1  Fuder  Winterstroh,  sowie  eine  Wiesenfl&che,  auf  welcher  wenigstens  2  Fuder 
Heu  jedes  zu  18  Centner  gewonnen  werden  können. 

7.  2  Fuder  Wadelholz  und  8000  Soden  Stechtorf. 

Oesueh  Lembckes  d.  d.  6.  Oktober  1857  an  das  Ministerium  In  Schwerin. 

Durch  das  H.  Regulativ  de  1.  August  1848  ist  zwischen  mir  und  meinen 
Tagelöhnern  Bestimmung  dahin  getroffen,  dass  diejenigen  Tagelöhner,  welche  aus 
dem  Dienstverhältnisse  zu  mir  herausgetreten,  eine  Menge  in  der  Anlage  B 
daselbst  näher  aufgeführter  Emolumente  gegen  bestimmte  Dienstleistungen  ihrer- 
seits erhalten  sollen,  dass  aber  solche  Emolumente  wegfallen,  wenn  sie  mit  der 
Leistung  säumig  sind  —  bis  auf  eine  Stube  mit  2  Kammern. 

Unter  Andern  hatte  nun  auch  der  Tagelöhner  Tüdemann  die  ihm  ob- 
liegenden Leistungen  mir  nicht  gewährt.  Ich  habe  demselben  daher  gekündigt 
und  auf  Auswerfung  in  eine  Armenwohnung  bei  den  betr.  Gerichten  angetragen, 
bin  jedoch  mit  der  Bäumungsklage  abgewiesen  .  .  . 

Jene  .  .  .  Maassregel  [des  Regulativs  von  1848]  hatte  nun  offen- 
baar  einen  rein  provisorischen  und  temporären  Charakter  ...  So  wie  die  Sache 
jetzt  liegt  bin  ich  .  .  .  verpflichtet,  diese  Leute  in  meinem  Gute  zu  behalten, 
ohne  sie  kündigen  zu  dürfen  und  daneben  verpflichtet  ihnen  eine  .  .  Wohnung 
zu  geben  .  .     Ich  sehe  mich  daher  zu  der  ehrerb.  Bitte  genöthigt 

Hob.   Ministerium    des  Innern    wolle    das   Regulativ   de   1.  August 
1848  insoweit  wieder  aufheben  oder  declarieren  .  . 

Reseript  des  Mbüsterlnins  d.  d.  Schwerin  21.  Oct  1857  an  den  Gutsbesitzer 
Lembcke  auf  Alt-Sührkow. 

Eurem  Gesuche  vom  6.  d.  M.  .  .  .  können  Wir  zu  willfahren  Uns  zur 
Zeit  nicht  entschliessen ;  jedoch  wollen  Wir  euch  weitere  Resolution  nicht  vor- 
enthalten, wenn  ihr  Zwecks  definitiver  Regulierung  eurer  Tagelöhner-Verhältnisse 
die  Bestellung  eines  Commissarius  erbitten  werdet. 

Eigenhttndiges  Gesuch  Lembckes  an  den  Engeren  Ausschuss  zn  Rostock 
vom  26.  Oktober  1857. 

In  dem  tollen  Jahre  1848  trugen  meine,  dermalen  gewaltsam  gegen  mich 
aufgestandenen  Tagelöhner  auf  Regulirung  ihrer  Verhältnisse  zu  mir  durch  einen 
Regierungs-Commissarius  an,  und  wurde  von  hoher  Landes-Regierung  unterm 
1.  August  1848  ein  Regulativ  erlassen.  In  demselben  ist  mir  das  grundgesetz- 
lich jedem  Gutsbesitzer  zustehende  Recht  der  Kündigung  genommen  und  bin 
ich  verpflichtet,  denjenigen  Tagelöhnern,  welche  gar  nichts  mehr  für  mich  thun, 
—  nicht  eine  Armenwohnnng,  sondern  eine  Stube  mit  2  Kammern  zu  geben. 
Viele  meiner  Tagelöhner  haben  hiervon  nützlichst  Gebrauch  gemacht ;  sie  arbeiten 
auswärts  und  verlangen  von  mir  Stube  und  2  Kammern  ohne  alles  Entgelt. 
Auf  mein  ehrerbietigstes  Gesuch  an  hohes  Ministerium  des  Innern,  diesem  ab- 
normen, provisorisch  eingerichteten  Zustande  jetzt  endlich  ein  Ende  zu  machen 
nnd  die  Kündigungsbefugniss  mir  wieder  unter  Aufhebung  der  entgegenstehenden 
Bestimmung  des  Regulativs  zu  ertheilen,  habe  ich  das  ehrerbietigst  gehorsamst 
angelegte  ungewierige ')  Reseript  d.  21.  October  c.  erhalten,   wornach   mir  nach 


1)  d.  h.  ablehnende. 

2* 


20 

wie  vor  die  jedem  anderen  Cfutsbesitzer  grnndgeset^lich  «astehende  EÜodigüngs^ 
frist  entzogen  und  mir  nur  überlassen  bleiben  soll,  die  Bestellnng  eines  nenen 
Oommissarins  eu  erbitten.  FOr  einen  solchen  giebt  es  jedoch  bei  mir  nichts  zu 
thnn,  da  sowohl  meine  Tagelöhner  wie  ich  selbst  im  Übrigen  völlig  zufrieden 
sind  und  keinerlei  Nenerungen  wünschen;  ich  wünsche  nur  allein  die  1848 
provisorisch  eingeführte  Nenernng,  meine  Tagelöhner  nicht  kündigen  zu  dürfen, 
wiederum  aufgehoben. 

Ehrerbietigst  gehorsamst  bitte  ich  daher  diese  meine  Beschwerde 

auf  dem  nächsten  Landtage  zu  vertreten 

ehrerbietigst  gehorsamster 
Alt-Stihrckow  den  25.  October  1857.  J.  Lembcke. 


Das  Justiz -Komitee  des  Engeren  Ausschusses  erstattete  diesem  darauf 
ein  Gutachten«  wonach  Lembcke  sich  im  Irrtum  befände,  wenn  er  annimmt,  ihm 
sei  das  ihm  grundgesetzlich  zustehende  Recht  der  Kündigung  seiner  Tagelöhner 
entzogen  „Vielmehr  müssten  dieselben  unweigerlich  sein  Gut  verlassen,  wenn  der 
Gutsherr  ihnen  ein  Unterkommen  als  wirklichen  Tagelöhnern  an  einem  anderen 
Orte  nachweiset.'  Der  Engere  Ausschuss  beschied  darauf  Lembcke  d.  d.  25.  Jan. 
1858,  dass  das  Ministerial-Rescript  auf  den  zunächst  allein  geeigneten  Weg  zur 
Beseitigung  der  TJnzuträglichkeiten  hingewiesen  habe. 


21 


Die  Landtagsszenen  in  Reuters  Stromtid. 

Ein  Beitrag  zur  Entstehnngsgescliiebte  der  bürgerlichen  Partei 
des  mecklenbnrgisclien  Landtages. 

Vortrag  gehalten  auf  dem  Niederdeutschen  Yereinstage  zu  Rostock 
am  10.  Juni  1908. 


Nach  dem  grossen  Erfolge  der  Läuschen  und  Rimels,  welche 
1853  und  1864  in  zwei  starken  schnell  vergriffenen  Auflagen 
erschienen  waren  und  ihren  Verfasser  in  seinem  Vaterlande  zu 
einem  allbekannten  Dichter  gemacht  hatten,  griff  Fritz  Reuter 
den  längst  gehegten  Gedanken  berufsmässigen  Schriftstellertums  auf. 
Um  auch  ausserhalb  seiner  Heimat  Leser  und  Anerkennung  zu  finden, 
begann  er  in  hochdeutscher  Sprache  zu  schreiben.  Seine  hochdeutschen 
Erzählungen  und  Lustspiele  vermochten  seinen  Namen  im  deutschen 
Reiche  nicht  bekannter  zu  machen.  Als  er  1858  an  dem  Universitäts- 
Jubiläum  in  J^na  teilnahm,  blieb  er  in  der  Menge  der  Festgäste  un- 
beachtet, selbst  seine  ehemaligen  Universitätsfreunde  Hessen,  wie  einer 
derselben  später  bedauernd  berichtete,  den  obskuren  Literaten  beiseite, 
dessen  Name  noch  nicht  über  die  engen  Grenzen  seines  Vaterlandes 
gedrungen  war.  Ganz  anders  als  er  drei  Jahre  später  wiederum 
Thüringen  besuchte,  überall  ehrenvolle  Aufnahme  findend.  Seine 
Ollen  Kamellen  waren  inzwischen  erschienen.  Die  Leser,  welche 
Reuters  hochdeutsche  Stücke  ausserhalb  seiner  Heimat  vergeblich 
suchten,  fand  sein  neues  plattdeutsches  Buch.  Es  hat  seinen  Ruhm 
im  weiten  deutschen  Vaterlande  auf  ewig  begründet. 

Die  verschiedene  Wertschätzung,  welche  Reuters  hochdeutsche 
Versuche  und  seine  Franzosentid  bei  ihrem  Erscheinen  erzielten,  war 
gerecht.  Wer  würde  heute  seine  hochdeutschen  Schriften  noch  lesen, 
wenn  der  Ruhm  seiner  plattdeutschen  Prosa  nicht  auch  das 
Literesse  für  jene  geweckt  hätte?  Im  Vergleich  zu  dem  Meisterwerk 
der  Franzosentid  erscheinen  sie  als  gekünstelte  Kleinarbeit  literarischen 
Handwerks.  Wesentlich  verschiedener  Geist  und  verschiedene  Kirnst 
tritt  in  beiden  zutage. 

Und  doch  liegt  kaum  die  Spanne  eines  oder  zweier  Jahre 
zwischen  der  Entstehungszeit  der  Ollen  Kamellen  und  Reuters  letzten 
hochdeutschen  Erzählungen  und  Dramen.  Die  Zwischenzeit  ist  zu 
gering,  die  Kunst  zu  verschiedenartig  und  verschiedenwertig.  als  dass 
man  sich  mit  der  Formel  abfinden  könnte,  in  den  hochdeutschen 
Versuchen  läge  die  unreife,  in  der  Franzosentid  die  zur  Reife  ge- 
diehene Frucht  Reuterscher  Geistesentwicklung  vor. 


22 

Wie  erklärt  sich  diese  plötzliche  Höhe  der  Kunst  Reuters? 
Ist  die  Frauzosentid  fertig  in  ihrer  Vollendung  dem  Kopfe  des  Dichters 
entsprungen  wie  die  gerüstete  Athene  nach  dem  Mythos  dem  Schädel 
des  Zeus?  Nein,  auch  sie  ist  das  Endergebnis  einer  langen  Ent- 
wicklung. Wie  Blüten,  welche  ein  einziger  sonniger  Tag  zu  pracht- 
voller Entfaltung  bringt,  lange  und  langsam  in  der  Knospe  vorgebildet 
waren,  so  ist  auch  Reuters  plötzlich  vollendete  Meisterschaft  in  der 
Erzählung  nicht  das  Erzeugnis  eines  oder  zweier  Jahre. 

Zwei  verschiedene  Entwicklungen  des  Erzählungsstiles  lassen 
sich  bei  Reuter  erkennen  und  theoretisch  scheiden.  Die  eine  ist  die 
des  manirierten  Stiles,  welcher  durch  literarische  Vorbilder  der  1840er 
und  1850er  Jahre  bestimmt  wurde.  Diesem  Stile  begegnet  man  in 
immer  mehr  sich  steigerndem  Grade  in  allen  gedruckten  hochdeutschen 
Erzählungen  Reuters  bis  zum  Jahre  1858.  Daneben  geht  die  Ent- 
wicklung seines  mündlichen  von  Manier  freien  Erzählungsstiles. 

Wir  wissen,  dass  Reuter  schon  in  seiner  Jugend  vortrefflich  zu 
erzählen  verstand.  Seine  Mitschüler  in  Parchim,  seine  Mitgefangenen 
auf  der  Festung  haben  das  vielfach  bezeugt.  Auch  Hoffmann  von 
Fallersleben  berichtet  von  Reuter,  den  er  1844  auf  dem  mecklen- 
burgischen Gute  Scharpzow  kennen  lernte:  ;,Er  erzählte  uns  stunden- 
lang von  seinem  siebenjähngen  Gefängnisleben  so  lebendig,  so 
humoristisch,  dass  wir  uns  gar  nicht  satt  hören  konnten.  Ich  bat 
ihn  mehrmals,  alles  aufzuzeichnen  und  gerade  so,  wie  'er  es  eben  er- 
zählt hatte.     Ich  versprach  mir  den  grössten  Erfolg  davon.* 

Reuter  teilte  aber  nicht  nur  mit  so  vielen  seiner  Landsleute 
die  Kunst,  unübertrefflich  gut  durch  Läuschen  eine  Gesellschaft  zu 
erheitern,  auch  die  Gabe  der  ernsten  Erzählung  war  ihm  zu  eigen. 
Eine  seiner  Schülerinnen,  die  Schwester  des  bekannten  Rechtshistorikers 
Richard  Schröder,  rühmte  mir  aus  Reuters  Treptower  Zeit,  wie  gerade 
Reuter  „äusserst  gemütsreich*  zu  erzählen  verstanden  habe,  und  seine 
Tischnachbarin  bei  der  Schillerfeier  1859  in  Neubrandenburg,  Frau 
Rittergutsbesitzerin  Pogge  auf  Gevezin,  erinnert  sich  noch  heute,  wie 
;,furchtbar  ernst  und  ergreifend*  er  Erlebnisse  aus  seiner  Festungs- 
haft schilderte. 

Die  schlichte  Weise  der  mündlichen  Erzählung  war  Reuter 
nicht  ausreichend  erschienen,  als  er  hochdeutsche  Erzählungen  in  den 
Druck  gab.  Schon  in  seinen  frühesten  hochdeutschen  Versuchen,  noch 
mehr  aber,  als  er  als  berufsmässiger  Literat  sich  betätigte,  leuchtet 
das  Streben  hervor,  sich  hochgebildet,  geistreich  und  empfindsam  aus- 
zudrücken. Der  unmittelbare  Ausdruck  wird  ersetzt  durch  möglichst 
blumenreiche  Redensarten.  Statt  des  natürlichen  Humors  tritt  die 
satirische  Zuspitzung  in  den  Vordergrund.  Damit  verbindet  sich  die 
Nachahmung  hochdeutscher  Modeschriftsteller  jener  Zeit.  Es  ging 
ihm  dabei  der  Vorzug  eigenen  Stiles  um  so  mehr  verloren,  als  er  in 
hohem  Grade  das  Talent  besass,  fremde  Manier  zu  seiner  eigenen  zu 
machen  und  womöglich  noch  zu  überbieten.  Um  ein  Beispiel  anzu- 
führen,   der   Gedanke,    'das    fröhliche    Wesen    eines    kleinen    dicken 


23 

Gefährten  heiterte  uns  auf,  gewinnt  bei  Reuter  folgende  Gestalt: 
9  An  den  heiteren  Sonnenblicken  seines  Wesens  tauete  unsere  Lebens- 
lust wieder  auf,  seine  kleine  feiste  wohlwollende  Natur  war  der  Brat- 
apfel, aus  dem  wir  in  den  langen  Winterabenden  unseres  Kummers 
Süssigkeit  sogen,  und  noch  mehr!  Er  wurde  die  Taube,  die  in  unsere 
auf  dem  öden  Meer  der  Langeweile  schwimmenden  Familienarche  das 
erste  grüne  Blättchen  der  Freude  brachte.  *i) 

Der  grosse  Unterschied  der  Ollen  Kamellen  gegenüber  den  älteren 
hochdeutschen  Schriften  Reuters  ist  nun  der,  dass  Reuter  in  jenen 
plötzlich  jede  literarische  Manier,  die  sich  nicht  gut  auf  seine 
mundartliche  Prosa  übertragen  liess,  beiseite  lässt,  und  mit  ihr  auch 
die  satirische  Färbung  und  gezierte  Empfindsamkeit  seiner  hoch- 
deutschen Stücke.  Er  erzählt,  wie  er  in  Treptow  mündlich  erzählt 
haben  mag :  schlicht,  ungekünstelt,  gemütsvoll,  mit  dem  Eindruck  der 
Wahrheit.  Indem  er  so  die  Gefuhlsteilnahme  der  Leser  für  die  Helden 
seiner  Erzählung  erweckt  und  zugleich  starke  komische  Wirkungen 
damit  zu  verbinden  versteht,  gelingt  es  ihm,  sein  erstes  humoristisches 
Meisterwerk  zu  schaffen. 

Mit  diesem  Wechsel  in  Stil  und  Tendenz  verbindet  sich,  wohl 
nicht  nur  zufällig,  ein  anderer  Unterschied.  Während  für  Reuters 
ältere  Schriften  in  Bezug  auf  den  Stoff  vielfach  literarische  Quellen 
nachweisbar  sind,  scheint  Reuter  später  bewusste  literarische  Ent- 
lehnungen stofflicher  Art  gemieden  zu  haben.  Dagegen  erscheinen 
an  zahlreicheren  Stellen  und  in  grösserer  Ausdehnung,  als  bisher 
bekannt  war,  Episoden,  für  welche  wirkliche  Begebenheiten  aus  Reuters 
Zeit  verwertet  sind  Heute  werde  ich  mich  auf  ein  Beispiel  dieser 
Art  beschränken,  auf  den  Nachweis  der  tatsächlichen  Vorgänge, 
welche  dem  Kapitel  21  der  Stromtid,  in  welchem  Pomuchelskopps 
Auftreten  als  mecklenburgischer  Landstand  geschildert  wird,  zugrunde 
liegen.  Vorgänge,  welche  von  erheblicher  Bedeutung  für  die  innere 
Geschichte  Mecklenburgs  geworden  sind.  Ich  glaube  nicht  zuviel  zu 
sagen,  wenn  ich  ausspreche,  dass  ich  mit  ihrer  Darlegung  die  noch 
unbekannte  Entstehungsgeschichte  der  bürgerlichen  Partei  des  mecklen- 
burgischen Landtages  bieten  werde. 

Wenn  Reuter  zum  Helden  dieser  Szenen  Pomuchelskopp  gemacht 
hat,  eine  Figur,  deren  Vorbild  für  mehr  als  einen  Zug  der  Guts- 
besitzer Johannes  Lembcke  auf  Alt-Sührkow  bekanntlich  gewesen  ist, 
so  sei  vorweg  bemerkt,  dass  mit  all  den  in  Kapitel  21  der  Stromtid 
erzählten  Begebenheiten  in  Wirklichkeit  Lembcke  nichts  zu  tun  ge- 
habt hat.  Allerdings  hat,  wie  fast  ausnahmslos  alle  Mecklenburger 
Gutsbesitzer  der  1844er  Jahre,  auch  Lembcke  1845  imd  1846  die 
Landtage  in  Sternberg  und  Malchin  besucht,   aber  im  Gegensatz   zu 


1)  Ans  Reuters  „Eine  heitere  Episode  aus  emer  traurigen  Zeit**  (1865),  alK 
gedruckt  bei  A.  R  ö  m  e  r ,  Heiteres  und  Weiteres  von  Fritz  Reuter  (Berlin  1905),  S.  90 


24 

Pomuchelskopp  hat  er  nicht  zum  Adel,  sondern  zur  Partei  der 
bürgerlichen  Gutsbesitzer  gehalten  und  nachweisbar  deren  gegen  den 
Adel  gerichteten  Schriftstücke  mit  unterzeichnet,  i)  Reuter  hat  viel- 
mehr mit  der  Freiheit  des  Dichters  auf  Pomuchelskopp  Begebenheiten 
übertragen,  welche  ganz  anderen  Männern  als  Lembcke  begegnet 
waren,  und  hat  ihn  im  Einklänge  mit  seinem  literarischen  ürtyp, 
dem  Domänenrat  Schuster  in  Brinckmans  Gerold  von  Vollblut  2)  zum 
Typos  eines  aus  selbstischen  Zwecken  adelsfreundlichen  bürgerlichen 
Landstandes  gemacht. 

Als  der  erste  Band  der  Stromtid  erschienen  war,  hatte  Julius 
Wiggers  in  Rostock  an  Reuter  geschrieben :  „Lässt  es  sich  nicht  ver- 
anstalten, dass  .  .  .  Pomuchelskopp  einmal  auf  dem  Landtage  zu 
Malchin  oder  Sternberg  auftaucht,  um  seine  legislatorischen  Fähig- 
keiten zu  verwerten?  So  ein  Pomuchelskopp  auf  dem  Landtage  wäre 
gewiss  dem  Dichter  nicht  von  Schaden  und  dem  Politiker  von  grösstem 
Nutzen.  Wie,  wenn  er  dort,  wie  weiland  ein  Standesgenosse  von  ihm 
zu  einem  rotröckigen  Landmarschall,  der  seine  Stimmzettel  zurück- 
weist, bei  irgend  einem  Wahlakt,  das  vernichtende  Wort  spräche :  ich 
bin  ebenso  gut  des  Grossherzogs  Fasan  wie  Sie!* 

Reuter  ist  dieser  Anregung  gefolgt  und  erzählt  im  zweiten  Bande 
der  Stromtid,  im  Kapitel  21,  wie  Pomuchelskopp  nach  Malchin  reist, 
um  am  Landtage  teilzunehmen,  und  wie  er,  um  die  vorgeschriebenen 
Besuche  bei  den  Regierungskommissaren  usw.  zu  machen,  in  der 
Dunkelheit  hinter  dem  Güstrower  Bürgermeister  Langfeldt  zu  dessen 
Ärger  hinterhertrabt,  der  sich  in  gleicher  Absicht  mit  einer  Laterne 
auf  den  Weg  gemacht  hatte.  Als  Langfeldt  sämtliche  Besuche  erledigt 
hatte  und  schliesslich  seine  eigene  Wohnung  wieder  aufsucht,  stürzt 
ihm  auch  hier  Pomuchelskopp  nach  und  antwortet  in  der  Meinung, 
bei  irgend  einem  Landrat  zu  sein,  auf  Langfeldts  Frage,  was  er  hier 
denn  zu  suchen  habe  »Herr,  ich  bin  ebensogut  en  Fasan*  —  er 
meinte  Vasall  —  »von  dem  Grossherzog  wie  Sie.* 

Dass  die  drollige  Verwechslung  der  Wörter  Vasall  und  Fasan 
in  der  Tat  einmal  einem  mecklenburgischen  Landtagsmitgliede  begeg- 
nete, ist  nicht  allein  dem  oben  im  Auszuge  mitgeteilten  Briefe  von 
Wiggers  zu  entnehmen,  sondern  ist  mir  auch  von  anderen  Seiten 
bestätigt  worden.  Meine  Gewährsleute  erinnern  sich  sogar  noch  des 
Namens  jenes  Landstandes:  es  war  der  Gutsbesitzer  C.  G.  Ch.  Fuhr- 
mann auf  Karcheez. 


1)  Solche  von  LembcKe  unterzeichnete  Schriftstücke  d.  d.  Stemberg  16. 
November,  2.  und  4.  Dezember  1845  sind  im  „Zehnten  Sendschreiben  an  die  Guts- 
besitzer bürgerlichen  Standes  in  Meklenburg.  Leipzig  (1846)*^  S.  127.  169.  164 
abgedruckt. 

')  Über  Gerold  von  Vollblut  vgl.  oben  S.  3  ff.  Inzwischen  ist  als  Verfasser 
des  Gerold  der  durch  seinen  „  Kasper-Ohm **  später  berühmt  gewordene  John  Brinck- 
man  von  A.  Römer  nachgewiesen,  und  ein  neuer  Abdruck  in  „John  Brinckmans 
Hochdeutschem   Nachlass  hrsg.  yon  A.  Kömer^  Bd.  2  (1908)  S.  49—147  gegeben. 


25 

Aber  auch  die  vorangehende  Visitengeschichte  ist  von  Reuter 
nicht  frei  erfunden,  sondern  sie  ist  in  den  Hauptzügen  einer  wirklichen 
Begebenheit  ziemlich  treu  nacherzählt.  Ihre  Kenntnis  verdankte 
Reuter  teils  der  mündlichen  Erzählung  eines  mecklenburgischen  Guts- 
besitzers, welchen  er  1859  bei  der  Schillerfeier  in  Neubrandenburg 
kennen  gelernt  hatte,  teils  einem  ihm  von  demselben  Gutsbesitzer 
mitgeteilten  Aufsatze  von  Pogge-Zierstor£F  im  ^Freimüthigen  Abend- 
blatt", Jahrg.  1840  mit  der  Überschrift  ;,Einige  Worte  über  Land- 
tagsangelegenheiten " . 

In  jenem  Aufsatze  schildert  Pogge  die  schwierige  Lage  der 
damals  den  Landtag  besuchenden  bürgerlichen  Gutsbesitzer,  welchen 
wegen  des  Mangels  einer  Anweisung  oder  Geschäftsordnung  die 
gewohnheitsmässigen  Gebräuche  wie  die  Formen,  in  den  Gang  der 
Verhandlungen  einzugreifen,  völlig  unbekannt  waren.  Vordem  mochte 
eine  solche  Anweisung  entbehrlich  gewesen  sein,  weil  früher  „die 
mecklenburgischen  Landgüter  fast  ohne  Ausnahme  im  Besitz  des  Adels 
waren,  und-  die  Söhne  der  adeligen  Gutsbesitzer  von  ihren  Vätern 
über  die  Verhältnisse  unterrichtet  werden  konnten.*'  Pogge  erzählt 
dann  seine  eigenen  Erfahrungen  in  dieser  Beziehung.  Als  er  das 
erste  Mal  den  Landtag  in  Malchin  besuchte,  war  dieser  bereits  acht 
Tage  beisammen  gewesen.  Mit  anderen  kurz  vor  ihm  eingetroffenen 
bürgerlichen  Gutsbesitzern  erkundigte  er  sich,  wo  man  sich  melden 
müsse.  „Niemand  von  den  im  Gasthofe  anwesenden  Landständen 
schien  es  aber  der  Mühe  wert  zu  halten,  mich  darüber  genau  zu 
belehren."  Er  fragte  einen  und  den  Andern,  aber  niemand  gab  be- 
stimmten Bescheid,  oder  vielmehr  jeder  riet  anders.  Am  nächsten 
Tage  erfuhren  sie  von  einem  Bekannten,  dass  sie  einen  grossen  Ver- 
stoss gemacht  hatten,  weil  sie  die  üblichen  Besuche  nicht  gemacht  hätten. 

Trotz  erkennbarer  Übereinstimmungen  zwischen  der  Visiten- 
geschichte und  einzelnen  Stellen  in  Pogges  Aufsatze  ist  dieser  doch 
nicht  die  eigentliche  Quelle  für  jene  gewesen,  vielmehr  hat  sich  Reuter 
in  ihr  viel  enger  an  das  angeschlossen,  was  ihm  der  oben  erwähnte 
Gutsbesitzer  1859  mündlich  mitgeteilt  hat.  Dieser  hat  ihm  damals 
folgendes  erzählt: 

„Wenn  auch  jeder  Besitzer  eines  mecklenburgischen  Rittergutes 
von  jeher  das  Recht  hatte,  an  den  jährlichen  Landtagen  teilzunehmen 
und  mitzustimmen,  so  pflegten  doch  früher  die  bürgerlichen  Guts- 
besitzer dieses  Recht  nicht  auszuüben  und  blieben  bis  auf  vereinzelte 
Ausnahmen  von  den  Landtagen  fern,  nicht  allein,  weil  sie  ihre  Wirt- 
schaft nicht  vernachlässigen  wollten,  sondern  auch,  weil  sie  mit  der 
Geschäftsordnung  des  Landtages  nicht  Bescheid  wussten.  Es  kamen 
eigentlich  nur  adlige  Gutsbesitzer  und  auch  diese  nur  in  kleiner  An- 
zahl, etwa  zwanzig  bis  dreissig,  welche  durch  Väter  oder  Verwandte 
mit  den  üblichen  Gebräuchen  und  Rechten  der  Landstände  bekannt 
geworden  waren.  Von  bürgerlichen  Gutsbesitzern  fanden  sich  anfangs 
der  1830er  Jahre   nur   zwei   studierte   Herren,   Justizrat  Päpke   und 


26 

Dr.  Schnelle,  und  ausserdem  zuweilen  der  Gutsbesitzer  Stever  auf 
Wustrow  ein.  Eine  bürgerliche  Partei  gab  es  also  damals  auf  den 
Landtagen  nicht.  Die  Änderung,  welche  hierin  in  den  1830er  Jahren 
eintrat,  hängt  wohl  auch  mit  den  damals  sich  bessernden  Erträgen 
des  Landbaues  zusammen.  Der  äussere  Anlass  aber  war  folgender. 
In  jener  Zeit  erforderte  irgend  ein  gemeinnütziges  Unternehmen  i)  — 
ich  weiss  nicht  mehr,  ob  es  der  Bau  einer  Chaussee  oder  eine  andere 
Sache  war  —  beträchtliche  Aufwendungen.  Der  damalige  Haupt- 
direktor des  patriotischen  Vereins  Graf  von  Osten-Sacken,  dem  die 
Sache  sehr  am  Herzen  lag,  wünschte,  dass  auch  die  Landstände  Bei- 
träge bewilligten,  musste  aber  befürchten,  dass  der  Widerstand  eines 
Teiles  der  adligen  Gutsbesitzer  den  Antrag  zu  Fall  bringen  würde. 
Da  es  auf  Mehrheit  der  Stimmen  ankam,  warb  er  solche  und  ver- 
anlasste auch  eine  Anzahl  bürgerlicher  Gutsbesitzer  (1834)  zur  Ab- 
stimmung nach  Malchin  zu  kommen.  Da  keine  Tagesordnung  vorher 
bekannt  gemacht  wurde  und  es  ganz  im  Belieben  des  leitenden  Land- 
rats stand,  wann  über  den  Antrag  beraten  wurde,  mussten  sie  einige 
Tage  warten,  ehe  ihre  Angelegenheit  an  die  Reihe  kam.  Der  Beitrag 
wurde  bewilligt.  Der  Graf  v.  Osten-Sacken  sprach  seinen  bürgerlichen 
Stimmhelfem  seinen  Dank  aus  und  meinte,  nun  könnten  die  Herren 
ja  wieder  nach  Hause  reisen.  Diese  hatten  aber  Geschmack  an  dem 
Leben  als  Landstand  gefunden  und  blieben  nicht  nur,  sondern  stellten 
sich  im  nächsten  Jahre  in  grösserer  Anzahl  wieder  ein.  Da  sie  in 
Malchin  durch  die  Unterlassung  der  üblichen  Besuche  Verstössen  hatten, 
wollten  sie  diesesmal  in  jeder  Beziehung  dem  Beispiele  der  anderen 
Landstände  folgen.  Sie  waren  deshalb  schon  am  Tage  vor  der  Er- 
öffnung des  Landtages  (also  am  18.  November  1835)2)  gegen  Abend 
(in  Sternberg)  angelangt  und  machten  sich,  obgleich  ermüdet  von 
der  langen  Wagenfahrt  bei  kalter  und  regnichter  Herbstwitterung 
nach  eingetretener  Dunkelheit  auf  den  W^eg  zu  den  üblichen  Meldungen. 
Es  regnete  fortwährend,  und  die  stockfinsteren  Strassen  waren  so 
schmutzig,  dass  man  oft  bis  über  die  Knöchel  in  der  Dunkelheit  in 
die  von  Wasser  überströmenden  Rinnsteine  trat.  Zum  Glück  be- 
merkten sie  eine  Laterne,  mit  welcher  sich  ein  anderer  Landstand, 
Hofrat  Bölckow  aus  Gnoien,  vorleuchten  Hess.  Diesem  folgten  nun 
die  zusammen  eingetroffenen  Gutsbesitzer.  Ich  kann  Ihnen  z.  t.  ihre 
Namen  nennen :  es  waren  Pogge  -  Zierstorf  und  Pogge  -  Roggow, 
Manecke  auf  Neuhoff,  Held  auf  Klein-Roge,  Domänenrat  Dencker  auf 
Mierendorf. 8)     Diese  bemerkten  wohl,  dass  sich  Bölckow  ärgerte,  als 

1)  In  Wirklichkeit  handelte  es  sich  um  die  VeraDstaltung  von  Tierschauen 
und  Pferderennen  zur  Förderung  der  Pferdezucht,  welche  damals  in  Mecklenburg 
einen  tüchtigen  Aufschwung  genommen  hatte.  Auch  der  Grossherzog  pflegte  all- 
jährlich hierfür  eine  Summe  zu  bewilligen. 

^)  Die  von  mir  selbst  ermittelten  und  emgeschalteten  Daten  etc.  sind  in 
Klammern  gesetzt. 

^)  Herr  Gutsbesitzer  F.  Pogge-Bartelshagen,  Enkel  von  Pogge-Zierstorf,  teilt 
mir  mit,  dass  nach  der  Erzählung  seines  Vaters  der  Laterne  ganz  in  der  von 
Reuter  beschriebenen  Weise  ausser  seinem  Grossvater,  Grossonkel  usw.  noch  die 
Gutsbesitzer  Engelbrecht-Ridsenow  und  Flügge  auf  Gr.  Helle  gefolgt  sind. 


27 

ihr  Schwärm  ihm  auf  der  Ferse  in  die  einzelnen  Häuser  folgte,  Hessen 
sich  aber,  dadurch  nur  ulkig  gestimmt,  —  wie  mein  Gewährsmann  be- 
richtete —  durchaus  nicht  abhalten  ihm  weiter  zu  folgen.  Schliesslich 
drangen  sie,  immer  hinter  ihm  her,  in  Bölckows  eigene  Wohnung. 
Auf  die  Frage,  wem  sie  hier  ihre  Aufwartung  zu  machen  hätten, 
blickte  Bölckow  die  Eindringlinge  grimmig  an,  drehte  ihnen  dann 
seine  Rückseite  zu,  hob  die  Rockschösse  hoch  und  rief  ärgerlich, 
mit  der  flachen  Hand  hinten  aufschlagend:  Doa  wahnt  hei!'^ 


Meine  Herren!  Sie  werden  mich  fragen,  woher  ich  denn  so 
genau  die  Tatsachen  und  z.  t.  die  Worte  kenne,  welche  Reuter  für 
seine  Schilderung  benutzt  hat.  Derselbe  Herr  —  es  war  der  1821 
geborene  Gutsbesitzer  Friedrich  Pogge  auf  Gevezin,  ein  Sohn  von 
Pogge-Roggow,  —  welcher  Fritz  Reuter  die  Geschichte  i.  J.  1859  in 
Neubrandenburg  mitteilte,  hat  sie  auch  mir  erzählt,  und  dasselbe 
Exemplar  des  Aufsatzes  von  Pogge-Zierstorf  im  Freimütigen  Abend- 
blatt, welches  Reuter  von  jenem  Herrn  zur  Einsicht  erhielt,  hat  auch 
mir  vorgelegen. 


Herr  Friedrich  Pogge  erzählte  mir  noch  Folgendes.  Als  junger 
Gutsbesitzer  hat  er  mehrere  Landtage  der  1840er  Jahre  besucht. 
Damals  wurde  von  der  bürgerlichen  Partei  nach  harten  Kämpfen  das 
Recht  erstritten,  dass  in  den  ^Engeren  Ausschuss*  der  Ritterschaft 
auch  bürgerliche  Gutsbesitzer  als  Deputierte  gewählt  werden  konnten. 
(Am  ersten  Male  geschah  dies  am  24.  November  1846  in  Malchin.) 
Die  durch  Stimmenmehrheit  gewählten  Gutsbesitzer  waren  Stever- 
Wustrow  und  Engel-Charlottental.  Das  grosse  Ereignis  wurde  noch 
an  demselben  Abend  von  der  bürgerlichen  Partei  (die  228  Köpfe  stark 
zu  dem  Landtage  erschienen  war)  durch  ein  grosses  Festessen  gefeiert. 
Hierbei  geschah  etwas  bis  dahin  Unerhörtes.  Der  damalige  Besitzer 
von  Alt-Schwerin  geriet  mit  dem  anwesenden  Besitzer  von  Alt-Sührkow 
Johannes  Lembcke,  welcher  in  seiner  Nähe  sass,  in  Disput  und  wütend 
geworden  hieb  er  nach  ihm  mit  einer  Rotweinflasche.  ;,Ich  sehe  in 
der  Erinnerung  immer  noch,^  erzählte  mein  Gewährsmann,  „wie  über 
Lembckes  Gesicht,  der  nicht  weit  von  mir  sass,  Tropfen  Blutes  oder 
Rotweins  herabliefen.  ^ 


Job.  Lembcke  ist  bekanntlich,  wie  schon  vorhin  von  mir  bemerkt 
wurde,  das  Vorbild  für  gewisse  Züge  des  Bildes,  welches  Reuter  von 
Pomuchelskopp  gezeichnet  hat.  Nimmt  man  an,  dass  Reuter  Kunde 
von  dieser  Begebenheit  erhalten  hat,  so  fällt  ein  besonderes  Licht 
auf  eine  Stelle  der  Stromtid,  Kap.  21  am  Schluss.  Pomuchelskopp 
wird  von  seiner  Frau  gefragt:  ;,Pöking,  wat  dauhn  sei  dor  eigentlich 
up  den  Landdag?^,  worauf  er  antwortet  ^^Ih,  das  weiss  ich  auch  nicht. 
Der  eine  hau^t  den  einen  über,  und  der  andere  haut  den  andern  über.^ 


2S 

Freilich  kann  hier  ^  hauen  ^  nach  mecklenburgischem  Sprachgebrauch 
auch  bloss  ,,mit  Worten  hauen^  bedeuten. i) 

Ich  beschränke  mich  heute  auf  die  gegebenen  Nachweise.  Andere 
werde  ich  gelegentlich  im  Niederdeutschen  Jahrbuche  veröffentlichen. 
Sie  werden  den  Ruhm  des  grossen  mecklenburgischen  Dichters,  des 
grössten  Humoristen,  welchen  die  deutsche  Literaturgeschichte  kennt, 
nicht  verkleinern.  Die  Nachweise  werden  zeigen,  woher  er  einige 
Bausteine  nahm.  Wie  die  Kunst  eines  grossen  Architekten  nicht  darin 
besteht,  dass  er  seine  Bausteine  selbst  herstellt,  sondern  darin,  dass 
er  sie  zu  kunstvollen  Bauwerken  zusammenfügt,  so  stand  es  auch 
Reuter  wie  vor  ihm  Lessing,  Goethe  u.  a.  frei,  Baustoff  für  seine 
Kunstwerke  zu  nehmen,  wo  immer  er  auch  zu  finden  war. 


Beilage  zu  S.  25. 

Aus  dem  im  Freimüthigen  Abendblatt  Jahrg.  22  Nr.  1140  und 
1841  Schwerin  den  6.  und  13.  Nov.  1840  Sp.  883  ff.  gedruckten 
Aufsatze:  ;,Einige  Worte  über  Landtagsangelegenheiten.  Vom  Guts- 
besitzer Pogge  auf  Zierstorff.^ 

Sp.  885  befürwortet  Pogge  den  Erlass  ^ einer  allgemeinen  Land- 
tagsordnung, woraus  jeder,  der  zum  Landtage  berufen  wird,  seine 
Pflichten  kennen  lernt  und  sich  unterrichten  kann  von  den  Gebräuch- 
lichkeiten, und  wie  er  sich  zu  verhalten  hat.^ 

;,Die  mehrsten  bürgerlichen  Rittergutsbesitzer  waren  früher 
Pächter  und  hatten  so  wenig  Verpflichtung  als  Gelegenheit,  sich  um 
LandesangelegeDheiten  zu  bekümmern.  Wenn  sie  als  Gutsbesitzer 
zum  Landtag  berufen  werden,  so  kommen  sie  in  ein  ihnen  bis  dahin 
fremdes  Verhältnis,  und  sehen  sich  natürlich  nach  einer  Anweisung 
um,  wie  sie  sich  hier  zu  verhalten  und  was  sie  zu  leisten  haben. 
Früher  mag  eine  solche  Instruktion  für  die  zum  Landtag  berufenen 
Gutsbesitzer  nicht  erforderlich  gewesen  sein,  weil  die  mecklenburgischen 
Landgüter  fast  ohne  Ausnahme  im  Besitz  des  Adels  waren,  und  die 
Söhne  der  adeligen  Gutsbesitzer  von  ihren  Vätern  über  die  Verhält- 


1)  Der  Stavenhagener  von  Keuter  oft  erwähnte  Apotheker  Grischow  war  im 
August  1856  in  Warnemünde  und  notierte  dort  in  seinem  „Tajediebbuch'',  das  er 
in  einer  Art  Missingsch  schrieb  —  er  sprach  und  schrieb  sonst  tadelloses  Hoch- 
deutsch —  und  seinem  Freunde  Moritz  Meyer  schenkte:  „15./d  „Jestem  Abend  in 
die  Harmonie  bei  Ohlerich  lass  ich  mir'n  Jlas  Zuckerwasser  bringen,  setz  mir  in^n 
Saal  un  phUosophir  über  die  Menschheit  un  den  Teufel.  Alles  bey  mir  rum  trinkt 
Bier  bey  24  <>  W&rme,  sogar  ein  Paster,  mit  dem  ich  mir  vor'n  Paar  Tage  mal 
IV2  Stunden  geprügelt,  d.  h.  mit  Raisonniren  un  Streiten  über  Telogie." 


29 

nisse  unterrichtet  werden  konnten,  worin  sie  sich  dereinst,  wenn  sie 
selbst  als  Gutsbesitzer  den  Landtag  besuchten,  befinden  würden. 

Jetzt  ist  es  aber  anders.  Der  grossen  Anzahl  bürgerlicher 
Rittergutsbesitzer,  welche  als  Landstände  zum  Landtag  berufen  werden, 
fehlt  es  an  solchen  die  Verhältnisse  kennenden  Vorgängern,  und  dass 
sich  dieselben  mühsam  in  die  Landtagsgebräuche  hineinstudieren  und 
jahrelang  in  den  Versammlungen  müssige  und  untätige  Zuschauer 
machen  sollen,  ist  schwerlich  von  ihnen  zu  verlangen. 

Die  mehrsten  von  diesen  bürgerlichen  Landständen  leiten  selbst 
ihre  landwirtschaftlichen  Angelegenheiten  und  haben  z.  t.  noch  andere 
wichtige  Geschäfte,  können  mithin  selten  ohne  Nachteil  vier  bis  fiinf 
Wochen  vom  Hause  und  aus  ihrer  Wirtschaft  entfernt  sein.  Wenn 
sie  aber  dem  allgemeinen  Besten  auch  gerne  das  pflichtgemässe  Opfer 
bringen  und  den  Landtagsverhandlungen  von  Anfang  bis  zu  Ende 
mit  beiwohnen  möchten,  so  hindert  sie  doch  die  Besorgnis  daran, 
wegen  Unbekanntschaft  mit  dem  Geschäftsgang  und  den  Gebräuch- 
lichkeiten nur  eine  untergeordnete  Rolle  zu  spielen  und  wenig  nützen 
zu  können.  Dieses  ist  der  hauptsächlichste  Grund,  weshalb  viele 
bürgerliche  Rittergutsbesitzer  die  Landtagsversammlungen  bis  jetzt 
nicht  besucht  haben  .  .  .  ^ 

Pogge  berichtet  dann  Sp.  887  ff.,  wie  es  ihm  selbst  bei  seinem 
ersten  Landtagsbesuch  ergangen  ist.  ^Bald  nachdem  ich  Gutsbesitzer 
geworden  und  den  Lehneid  geleistet  hatte,  erhielt  ich  die  gewöhnliche 
grossherzogliche  Ladung  zum  Besuch  des  Landtages.  Es  war  mir 
indessen  nicht  möglich,  mich  schon  zur  Eröffnung  des  Landtages  nach 
Malchin  zu  begeben;  als  ich  ankam,  war  die  Versammlung  schon 
acht  Tage  beisammen  gewesen. 

Bei  meiner  Ankunft  erkundigte  ich  mich,  wo  man  sich  melden 
müsse ;  niemand  von  den  im  Gasthofe  anwesenden  Landständen  schien 
es  aber  der  Mühe  wert  zu  halten,  mich  darüber  genau  zu  belehren; 
gleich  unkundig  wie  ich  waren  andere  kurz  vor  mir  angekommene 
bürgerliche  Gutsbesitzer,  welche  ebenfalls  zum  ersten  Male  den  Land- 
tag besuchten. 

Wir  fragten  Einen  und  den  Andern,  aber  niemand  gab  uns  be- 
stimmten Bescheid. 

Wünschten  Sie  zur  fürstlichen  Tafel  gebeten  zu  werden,  dann 
müssen  Sie  sich  bei  den  Grossherzogl.  Gommissarien  melden,  sagte 
ein  gegenwärtiger  adeliger  Gutsbesitzer  zu  uns,  sonst  brauchen  Sie 
sich  nur  bei  Ihrem  Landmarschalle  zu  melden;  brauchen  'bloss  eine 
Karte  hinzusenden,  sagte  ein  Anderer.  Unsererseits  wurde  erwidert, 
dass  wir  nicht  darauf  rechneten  zur  Tafel  geladen  zu  werden.  Nun 
gut,  hiess  es,  melden' Sie  sich  nur  bei  Ihrem  Landmarschalle. 

Ich  würde  Ihnen  raten,  sich  auch  bei  den  Landräten  zu  melden, 
sagte  ein  Dritter.  Ist  dies  erforderlich?  fragte  einer  der  Unserigen. 
Das  wohl  gerade  nicht,  aber  man  tut  es  doch  gewöhnlich,  war  die 
Antwort. 

Da  erhob   sich   ein  vierter  Anwesender   und   sagte:    Lassen  Sie 


30 

die  Herren  doch  tun  was  sie  wollen,  es  liegt  ja  gar  nichts  daran, 
ob  sie  sich  bei  den  Landräten  melden  oder  nicht. 

In  dieser  Ungewissheit,  worin  wir  J)Iieben,  unterliessen  wir  uns 
persönlich  zu  melden,  und  schickten  bloss  eine  Karte  an  den  Land- 
marschall. 

Am  andern  Tage  begaben  wir  uns  in  die  Versammlung;  hier 
war  die  erste  Frage  eines  Bekannten,  den  ich  traf:  Haben  Sie  sich 
auch  bei  den  Landräten  gemeldet?  —  NeinI  —  So  haben  Sie  einen 
grossen  Verstoss  gemacht.  Jedenfalls  müssen  Sie  sich  dem  versitzenden 
Landrat  vorstellen  lassen.  Dies  geschah  denn  auch,  doch  machte  es 
uns  nicht  wenig  betreten,  als  einige  von  den  anwesenden  Herren  uns 
ihre  Verwunderung  ausdrückten,  dass  wir  uns  nicht  am  vorhergehenden 
Abend  bei  allen  Landräten  und  besonders  auch  nicht  bei  den  Gross- 
herzoglichen Commissarien  gemeldet  hätten. 

Pogge  und  seine  mit  ihm  zugleich  angelangten  Standesgenossen 
glaubten  dieses  nun  nicht  gut  mehr  nachholen  zu  können,  nahmen 
sich  aber  vor,  bei  künftigem  Landtagsbesuch  sich  besser  vorzusehen. 
Sie  verweilten  noch  einige  Tage  in  Malchin,  wohnten  täglich  den 
Versammlungen,  wenngleich  nur  als  Zuhörer,  bei  und  begaben  sich 
dann  noch  vor  dem  Schluss  des  Landtages  wieder  nach  Hause  mit 
der  einstimmigen  Überzeugung  nur  einen  geringen  Begriff  von  ihrer 
Obliegenheit  bekommen  zu  haben. 

„Im  nächsten  Jahre,**  fährt  Pogge  fort,  Nr.  1141,  Sp.  905, 
„reisete  ich  mit  einigen  andern  bürgerlichen  Gutsbesitzern  nach  Stern- 
berg, wo  wir  am  Tage  vor  der  Eröffnung  des  Landtags  gegen  Abend 
anlangten. 

Wir  folgten  hier  dieses  Mal  in  jeder  Beziehung  dem  Beispiel 
anderer  Landstände,  und  obgleich  ermüdet  von  der  weiten  Reise  bei 
kalter  und  regnichter  Herbstwitterung,  machten  wir  uns  doch  ebenfalls 
nach  eingetretener  Dunkelheit  auf  den  Weg  zur  üblichen  Meldung. 

Es  regnete  fortwährend,  und  die  stockfinsteren  Strassen  waren 
so  schmutzig,  dass  man  oft  bis  über  die  Enkel  in  die,  in  der 
Dunkelheit  nicht  zu  bemerkenden,  von  Wasser  überströmenden  Rinn- 
steine treten  musste. 

Zu  unserem  Glücke  bemerkten  wir  eine  Laterne,  mit  welcher 
sich  ein  anderer  Landstand  vorleuchten  Hess;  dieser  folgten  wir  nun, 
so  weit  unser  Weg  zusammentraf.  So  ging  es  zuerst  zu  den  Groas- 
herzogl.  Commissarien,  dann  zu  sämmtlichen  Landmarschällen  und  zu 
allen  Landräten  von  einem  Ende  der  Stadt  zum  andern;  denn  der 
eine  wohnte  hier  am  Thore,  der  andere  dort  am  Markt  oder  in  dieser 
oder  jener  Strasse. 

Man  präsentirte  sich,  verweilte  einige  Minuten  und  empfahl  sich 
wieder.  Die  Herren  Grossherzoglichen  Commissarien,  Landräte  und 
Landmarschälle  schienen  auf  diesen  herkömmlichen  Abendbesuch 
gefasst  zu  sein,  der  unausgesetzt  so  lange  fortdauerte,  bis  alle 
Anwesenden  entweder  einzeln  oder  mehrere  zusammen  nach  und  nach 
ihren  Vortritt   gemacht   hatten,   und  obgleich  auch  sie  zum  Teil  an- 


31 

gegriffen  von  der  Reise  zu  sein  schienen,  so  waren  sie  doch  alle  sehr 
freundlich  und  unterhielten  sich  zwar  nur  kurz,  wie  nicht  anders 
möglich,  und  über  gleichgültige  Dinge  mit  mehreren  der  Anwesenden.*^ 
Pogge  spricht  sich  dann  noch  missbilligend  über  das  Vorrecht 
der  adligen  Rittergutsbesitzer  aus,  auf  den  Landtagen  die  rote  Uniform 
mit  goldenen  Epaulettes  und  Degen  zu  tragen.  Ihm  sei  bekannt, 
dass  manche  Gutsbesitzer  sich  schon  deshalb  vom  Landtage  entfernt 
hielten,  weil  es  ihnen  empfindlich  sei,  sich  hier  gegen  ihre  jüngeren 
adligen  Nachbaren  in  der  Kleidung  zurückgesetzt  zu  sehen. 


Beilage  zu  S.  25—28. 

Aus  den  angedrnckten  ErinneruDgen  der  Fran  Pogge -Roggow, 

geb.  Behm.i) 

Mein  Schwiegervater  hat  niemals  seine  Landstandschaft  durch 
Teilnahme  an  den  Verhandlungen  des  Landtages  ausgeübt.  Mein  Mann 
und  mein  Schwager  wurden  erst  im  Jahre  1832  nach  dem  Tode  ihres 
Vaters  mit  den  Gütern  belehnt.  Im  Jahre  1832  fiel  der  Landtag  aus, 
weil  die  Cholera  im  ganzen  Lande  herrschte,  ward  aber  im  Frühling 
1833  nachgeholt.  Graf  Schlieffen  wünschte  sehr,  dass  mein  Mann 
und  sein  Bruder  dahin  kommen  sollten,  da  er  allerlei  Vorträge  dort 
halten  wollte  und  ihre  Unterstützung  dabei  wünschte.  Beide  fühlten 
sich  aber  noch  nicht  eingeweiht  und  folgten  nicht.  Graf  Schliefl^en 
hatte  viele  Kämpfe  dort  bestanden,  für  den  Zoll -Verein  gesprochen, 
und  sich  sehr  feinsinnig  geäussert,  war  damit  aber  nur  auf  Wider- 
sprüche gestossen  und  kam  sehr  entrüstet  nach  Hause.  Das  wieder- 
holte sich  in  demselben  Jahre  im  November  in  Sternberg.  Wir  waren 
eben  nach  Roggow  gezogen;  gleich  darauf  verletzte  ich  mir  einen 
Fuss  so,  dass  mein  Mann  mich  tragen  musste;  auch  erlaubten  ihm 
die  Umstände  keine  längere  Abwesenheit  von  Hause,  und  so  ging  er 
abermals  nicht  zum  Landtage,  so  wenig  wie  sein  Bruder.  Zu  der 
Zeit  ward  die  Landstandschaft  auf  den  Landtagen  fast  ausschliesslich 
vom  Adel  vertreten  und  man  sah  die  bürgerlichen  Mitglieder  der 
Ritterschaft  auch  als  wenig  berechtigt  dazu  an.  Es  waren  davon  auch 
lange  nicht  so  viele,  wie  bald  nachher;  mit  wenigen  Ausnahmen  waren 
diese  daher  auch  wenig  unterrichtet  und  eingeweiht  in  ihre  Rechte 
und  Pflichten.  Zu  diesen  Ausnahmen  gehörte  der  Justizrat  Paepke 
auf  Lütjenhof  p.  p.  Dieser  war  einer  der  gewandtesten  und  erfahrensten 
Landstände  von  Allen,  und  durchaus  routinirt  in  Beobachtung  aller 
äusseren  Formen  und  Formalitäten. 


1)  Kenntnis  und  Abschrift  danke  ich  Herrn  Rittergutsbesitzer  F.  Pogge  auf 
Bartelshagen. 


32 

Dr.  Schnelle-Buchholz  und  Stever-Wustrow  hatten  auch  mitunter 
die  Landtage  besucht.  Man  erfuhr  aber  im  Lande  garnicht,  was  dort 
passirte;  es  wurde  Nichts  weiter  bekannt,  als  was  die  Regierung 
später  publicirte.  Seit  dem  Jahre  1798  bestand  im  Lande  der  patri- 
otische Verein,  doch  früher  unter  anderem  Namen,  und  damit  in 
Verbindung  waren  die  Tierschauen  und  Pferderennen  zum  grossen 
Teil  durch  Verdienste  meines  Schwagers  entstanden.  Der  Grossherzog 
pflegte  alljährlich  bedeutende  Summen  für  diese  gemeinnützigen  Zwecke 
zu  geben.  Graf  von  der  Osten-Sacken  war  Haupt-Direktor  und  sehr 
tätig  dafür.  Er  wünschte,  dass  auch  das  Land  Beiträge  zahlen  solle, 
wusste  aber,  dass  die  Stände  kein  Interesse  dafür  hatten  und  wenig 
dazu  geneigt  sein  würden.  Da  es  auf  Stimmenmehrheit  ankam,  so 
warb  er  solche  und  wandte  sich  auch  an  meinen  Mann  und  Schwager. 
Beide  interessirten  sich  sehr  für  das  Institut  und  reisten  zum  1.  Male 
1834  zum  Landtage  nach  Malchin.  Da  keine  Tages-Ordnung  statt- 
fand und  es  ganz  in  der  Willkür  des  dirigirenden  Landrats  steht, 
was  er  vorbringen  will,  so  mussten  sie  einige  Tage  daselbst  warten, 
bis  der  Gegenstand  beraten  wurde.  Der  Beitrag  wurde  bewilligt. 
Mein  Mann  hatte  diese  Zeit  benutzt  zu  seiner  Belehrung  und  fand 
grosses  Interesse  an  den  Verhandlungen.  Als  diese  Sache  abgetan 
war,  sagte  ihnen  Graf  von  der  Osten-Sacken,  sie  könnten  jetzt  nur 
wieder  nach  Hause  reisen,  denn  nun  gäbe  es  für  sie  doch  nichts 
mehr  dort  zu  tun;  sie  fanden  das  aber  nicht,  blieben  noch,  reisten 
auch  noch  öfter  wieder  in  dem  Jahre  dorthin  und  von  der  Zeit  an 
alljährlich.  Graf  von  der  Osten-Sacken  hat  später  selbst  zu  meinem 
Schwager  gesagt,  man  habe  ihm  die  grössten  Vorwürfe  und  Unan- 
nehmlichkeiten gemacht,  weil  er  ihnen  die  Bürgerlichen  zum  Landtag 
brachte.  Er  hatte  ausser  meinem  Mann  und  Schwager  auch  andere 
dazu  aufgefordert,  von  denen  er  wusste,  dass  sie  sich  für  die  Tier- 
schau pp.  interessirten. 


33 


Onkel  Bräsig. 


^In  Reuters  Schriften  findet  sich  nicht  jener  subjektive  Humor, 
der  sich  in  den  die  Erzählung  begleitenden  Bemerkungen  des  Autors 
äussert,  welche  wie  freundliche  Schlaglichter  auf  die  dargestellten 
Personen  und  Vorgänge  geworfen  werden.  Reuters  Humor  besteht 
in  der  Kunst,  in  der  Seele  des  Lesers  Gemütsteilnahme  und  koniische 
Empfindung  zusammenwirken  zu  lassen.^ 

Diese  meiner  Einleitung  zu  Reuters  Werken  (Bd.  1,  S.  47*  f.) 
entnommene  Definition  des  Humors  als  einer  Vereinigung  der  Komik 
mit  Gemütsempfindung  fordert  die  Scheidung  des  Bräsigs,  welcher 
dem  Leser  in  Reuters  Stromtid  entgegentritt,  von  dem  Bräsig  zweier 
älterer  Schriften  Reuters,  nämlich  der  1855  entstandenen  „Briefe  des 
Inspektors  Bräsig*  und  der  1861  gedruckten  „Abendteuer  des  Ent- 
spekter  Bräsigs*.  In  diesen  beiden  Schriften  ist  Bräsig  eine  aus- 
schliesslich komische  Figur,  über  welche  der  Leser  lacht,  ohne  dass 
in  ihm  eine  warme  Teilnahme  für  dieselbe  erweckt  wird.  Erst  die 
Stromtid  zeigt  ihn  als  Träger  des  Humors,  erst  in  ihr  ist  Reuter  mit 
ebenso  grosser  Kunst  als  Erfolg  darauf  bedacht,  seinem  Helden  das 
Herz  der  Leser  zu  gewinnen.  Schon  bei  seinem  ersten  Auftreten, 
bei  der  Kinderszene  im  Hause  Nüsslers,  im  zweiten  Kapitel,  gelingt 
es  dem  Dichter  in  vollendeter  Weise  die  beiden  Elemente,  deren  Ver- 
einigung den  Humor  bedingt,  in  der  Seele  des  Lesers  gleichzeitig 
wach  zu  rufen.  Auch  dadurch  hat  Reuter  grosse  Kunst  bewiesen, 
dass  in  diesem  zweiten  Kapitel  die  komischen  Elemente  noch  zurück- 
treten, so  wohltuend  sie  auch  von  dem  Leser  empfunden  werden, 
weil  sie  die  gedrückte,  durch  das  erste  tragische  Kapitel  erzeugte 
Stimmung  zu  lösen  beginnen.  Die  ernsten  Elemente  mussten  in  diesem 
Kapitel  noch  überwiegen,  weil  es  vor  allem  darauf  ankam,  Achtung, 
Mitleid  und  Liebe  für  die  Freunde  Hawermann  und  Bräsig  dem  Leser 
abzugewinnen.  Seine  Teilnahme  an  ihren  Geschicken  sollte  bei  spä- 
teren Vorgängen  nachwirken,  die  ohne  jene  Teilnahme  rein  komisch 
erscheinen  müssten. 

Reuter  hat  es  verstanden,  in  dem  Bräsig  der  Stromtid  eine 
Figur  zu  schaffen,  welche  die  ganze  gebildete  Welt  entzückt  und  alle 
theoretischen  Ästhetiker,  welche  dem  Wesen  und  den  Erscheinungen 
des  Humors  nachgehen,  beschäftigt  hat  und  noch  beschäftigen  wird. 
Anderseits  hat  es  nicht  an  Versuchen  gefehlt  ein  lebendes  Vorbild 
ausfindig  zu  machen,  welches  das  Urbild  für  Reuters  Bräsig  gewesen 
sei.  Alle  diese  Versuche  konnten  mit  Aussicht  auf  Erfolg,  da  es  sich 
nicht  wie  bei  ähnlichen  Fragen  der  Goethe-Forschung  um  literarisch 

Nl«derdeiit80h6B  Jahrbuch  XXXVI.  3 


34 

oder  sonstwie  bekannt  gewordene  Persönlichkeiten  handelte,  nur 
von  Zeit-  und  Heimatgenossen  Reuters  oder  auf  grund  von  Auskünften, 
welche  man  von  jenen  empfing,  angestellt  werden. 

Die  seitherigen  Versuche  dieser  Art,  welche  sämtlich  die  Methode 
literarischer  Feststellungen  vermissen  lassen,  leiden  an  mehr  als  einem 
Fehler.  Man  hat  sich  mehr  oder  weniger  mit  der  blossen  Behauptung 
begnügt,  da  SS  dieser  oder  jener  alte  Inspektor  Reuters  Vorbild  ge- 
wesen sei,  ohne  genauer  festzustellen,  inwieweit,  d.  h.  in  welchen 
Einzelzügen  Bräsig  und  sein  vermeintliches  Urbild  übereinstimmen. 
Ferner  wird  der  Leser  über  die  Quellen,  aus  welchen  die  verwertete 
Auskunft  geflossen  ist,  im  Unklaren  gelassen,  er  also  nicht  in  den 
Stand  gesetzt,  sich  ein  Urteil  über  die  Glaubwürdigkeit  der  Bezeu- 
gung zu  bilden. 

In  meiner  Reuterausgabe  habe  ich  die  verschiedenen  Behaup- 
tungen gebucht,  ohne  mich  zu  entscheiden.  Ich  glaubte  auch  an- 
nehmen zu  dürfen,  dass  der  Stromtid-Bräsig  nicht  das  Konterfei  einer 
einzelnen  Person  sei,  sondern  dass  zu  seinem  Bild,  dem  Dichter 
bewuBst  oder  unbewusst,  eine  Menge  von  Anschauungen  mitgewirkt 
haben,  welche  dem  Dichter  in  seiner  Heimat  zugeflossen  sind,  z,  t. 
auch  solche,  welche  er  schon  zu  Gestalten  seiner  früheren  Werke, 
besonders  zum  Köster  Suhr  und  Onkel  Herse,  verwertet  hatte.  Auch 
an  einen  gewissen,  jetzt  ausgestorbenen  Typ  alter  Inspektoren  dachte 
ich,  denen  man  in  Mecklenburg  früher  begegnete.  Heute  sind  die 
Inspektoren  und  Oberinspektoren  der  grossen  Begüterungen  Mecklen- 
burgs Leute  mit  einer  tüchtigen  Schulbildung,  welche  sich  zu  ihrem 
Berufe  auf  Fachschulen  vorbereitet  haben.  In  der  ersten  Hälfte  des 
vorigen  Jahrhunderts  war  das  anders.  Es  war  keine  Seltenheit,  dass 
ehemalige  Tagelöhner  mit  dürftiger  Dorfschulbildung  durch  ausser- 
gewöhnliche  Tüchtigkeit  allmählich  zu  Schreibern  und  Inspektoren 
aufrückten  und  Gütern  vorgesetzt  wurden,  welche  heute  mehr  als 
eine  Million  Mark  wert  sind.  Als  Beispiel  könnte  ich  einen  ehemaligen 
Inspektor  nennen,  der  vielleicht  in  Frage  kommt,  wenn  man  nach 
einem  Vorbilde  für  den  Hawermann  der  Stromtid  sucht.  Unter  diesen 
alten  Inspektoren  begegnete  man  vielen,  welche  ausser  ihrer  Tüchtigkeit 
als  Landwirte  einen  ausserordentlich  guten  natürlichen  Verstand  und 
einen  stark  hervortretenden  Bildungstrieb  hatten,  oft  auch  in  dieser 
Beziehung  starkes  Selbstbewusstsein  verrieten.  Die  Folge  waren  ausser 
dem  Missingsch,  welches  in  ihren  Kreisen  herrschend  war,  Redeblüten 
der  Art,  wie  sie  Reuter  seinem  Bräsig  in  den  Mund  gelegt  hat. 

Ich  bin  auch  heute  noch  der  Meinung,  dass  Bräsig  keine  nach 
einem  einzelnen  Vorbilde  gezeichnete  Figur  ist,  sondern  —  wie  ich 
oben  ausgeführt  habe  —  von  sehr  verschiedenen  Modellen  seine  Züge 
empfangen  hat.  Als  eins  dieser  Modelle  glaube  ich  in  der  Tat  jenen 
alten  Inspektor  Schecker  nachweisen  zu  können,  von  welchem  die 
vox  populi  in  Reuters  Heimatstadt,  als  die  Stromtid  erschienen  war, 
mit  Bestimmtheit  behauptete,  er  sei  Bräsigs  Urbild.  Erzählt  wurde 
mir,   dass  diese  Behauptung  besonders  von  einem  Sohne  des  aus  der 


35 

Franzosentid  bekannten  Fritz  Sahlmann  in  Stavenhagen  verbreitet 
worden  und  den  damaligen  Bürgermeister  v.  Bülow  veranlasst  habe, 
Reuter  selbst  bei  seiner  Anwesenheit  zu  befragen.  Reuter  habe 
geantwortet,  er  könne  es  ja  zugestehen,  da  Schecker  längst  gestorben 
und  seine  Witwe  und  Söhne  nach  Amerika  ausgewandert  seien.  Nach 
anderer  Überlieferung  hat  Reuter  diese  Auskunft  nicht  dem  Bürger- 
meister, sondern  dem  jungen  Saalmann  selbst  gegeben. 

Zur  Bestätigung  der  früher  verbreiteten  Annahme,  dass  Bräsig 
der  Inspektor  Schecker  in  Jürgenstorf  bei  Stavenhagen  sei,  hat  Glagau 
in  seiner  Reuterbiographie  auch  auf  Folgendes  hingewiesen.  In  den 
ersten  Auflagen  der  Franzosentid  wird  der  Jürgenstorfer  Inspektor, 
auf  dessen  Pferde  der  Bürgermeister  Reuter  aus  französischer 
Gefangenschaft  entflieht,  Bräsig  genannt,  erst  in  den  späteren  Auf- 
lagen ist  für  diesen  Namen  Nicolai  eingesetzt,  vgl.  Reuters  Werke, 
Ausgabe  Seelmanns,  Bd.  3,  S.  366,  Z.  19.  22,  S.  367,  Z.  3. 

Von  der  in  und  ausser  Stavenhagen  sich  verbreitenden  Behaup- 
tung, dass  Bräsig  und  Schecker  eine  Person  seien,  erhielt  durch 
Briefe  aus  der  Heimat  auch  ein  in  Amerika  (in  Elkader,  Staat  Jowa) 
lebender  Sohn  Scheckers  Kenntnis.  Merkwürdiger  Weise,  vielleicht 
weil  ihm  der  Bräsig  des  ;, Unterhai tungsblattes**  und  des  ;,Schurr-Murr* 
vor  Augen  stand,  erregte  diese  Kunde  seine  Entrüstung,  er  glaubte 
durch  diese  Gleichstellung  das  Andenken  seines  Vaters  beschimpft. 
In  Briefen  an  Freunde  und  Fremde,  auch  an  Zeitungen  bekämpfte  er 
auf  das  Entschiedenste  die  Vorstellung,  dass  Bräsig  Schecker  sei,  er 
suchte  wahrscheinlich  zu  machen,  dass  ein  anderer  Inspektor,  namens 
Wiese,  Bräsigs  Urbild  sei.  Seinem  entschiedenen  Auftreten  ist  es  wohl 
zumeist  zuzuschreiben,  dass  die  Suche  nach  Reuters  Vorbild  auf  andere 
Bahnen  gelenkt  wurde. 

Als  ich  im  Archiv  der  mecklenburgischen  Ritter-  und  Landschaft 
vom  alten  Schecker  selbst  herrührende  Daten  über  sich  fand,  glaubte 
ich,  dass  es  zur  Klärung  der  Frage  beitragen  werde,  wenn  Scheckers 
noch  lebender  Sohn  eine  Darlegung  seiner  Gründe  und  eine  zuverlässige 
Schilderung  seines  Vaters  mit  einem  kurzen  Lebensabriss  im  Nieder- 
deutschen Jahrbuche  geben  würde.  Er  versprach  es  mir,  indem  er 
mir  schrieb,  er  gehöre  nicht  zu  den  Leuten,  die  auf  morgen  ver- 
schieben, was  sie  heute  tun  können.  Ich  habe  vergeblich  sein  Manu- 
skript erwartet.  Kurz  nach  seiner  Zusage  hat  ihn,  den  Achtzigjährigen 
(geboren  2.  Januar  1826  zu  Jürgenstorf,  gestorben  13.  Oktober  1906  in 
Elkader)  der  Tod  heimgeholt.  In  Kurzem  gibt  seine  Ansicht  die  folgende 
Mitteilung  wieder,  die  ich   einem  alten   Zeitungsausschnitt  entnehme. 

Bi't  Lesen  von  Herrn  Entspekter  Jochen  Bräsig's  Breiw  an't 
^ünterhaltungsblatt  für  Mecklenburg  und  Vorpommern^  steiht  Ent- 
spekter Wiese  mit  ein  Mal  liefhaftig  vor  mi,  un  verglik  ick  Bräsig^s 
Sprak,  un  Ort  un  Wis'  tau  verteilen  in  sin  Breiw',  mit  Entspekter 
Wiese  sin  UnnerhoUung,  denn  is  dat  liksterwil  ein  un  dat  sülwig. 
Fritz  Reuter  möt  mit  „Wiese*'  up  irgend  'ne  Ort  bekannt  wooren  sin 

8* 


36 

un  em  dünn  as  ne  Vorschrift  brukt  hewwen.  Up  des'  Ort  is  Ent- 
spekter  Bräsig  entstahn,  an  „Wiese^  sin  roden,  runden  un  bräsigen 
Backen  gewen  em  uck  glik  den  Namen.  Ick  weit  mi  Entspekter 
;,Wiese*'  noch  gaud  tau  besinnen,  denn  hei  pleggt  minen  Vader  af 
un  an  tau  besäuken.  Min  Vader  gew  nich  veel  um  sinen  Besäuk, 
denn  hei  künn  sin  Gedrän  nich  utstahn,  behandelt  em  äwer  as  jeren 
annern  mit  Orichkeit  un  Fründlichkeit.  „ Wiese  ^  wir  dünn  tau  mal 
up  ein  von  de  Basedow'schen  Gaurn,  mein  ick.  So  unangenem  it 
minen  Vader  wir,  wenn  Wiese  antauriden  kämm,  so  'n  Ulk  makt  it 
mi,  em  verteilen  tau  hüren.  Ick  wir  ungefähr  tein  bet  twölf  Jahr 
olt,  un  wenn  hei  mi  denn  in  Ottografie  un  Georgrafie  examinirt,  wir 
it  vor  mi  taum  Dodlachen,  un  dit  Lachen  bröcht  mi  hüpig  von  min 
Mudder  'n  gehörigen  Puckel  vuU  in.  Ick  müst  äwer  Wiese  lachen 
bi  all  dei  Prügel,  dei  mi  min  Mudder  denn  up  uns'  Däl  so  millgäwern 
taukamen  let.  ;,Dieses  muss  Du  mich  doch  eingestehn,  lieber  Schecker,'' 
meint  Wiese  ein  Mal,  ^^dass  ich  viel  mihr  gelihrt  habe  as  Du.  Was 
weiss  so  'n  Hannöwersch  Bauersähn  (min  Vader  wir  'n  Bursähn  bi 
Celle  in  Hannover  tau  Haus)  von  Dekleniren  und  Cujeniren,  von 
Ottografie  un  Georgrafie,  un  unsen  ollen  Fritz  ?  —  Nee,  lieber  Schecker, 
da  sünd  wir  in  der  Uckermark  die  Hanno ver'schen  viel  über.*^  Un 
dorbi  stünn  hei  dor  so  mastig  un  speit  mit  sin  grot  Pittschaft,  dat 
em  bi  sin'n  runden  Buk  dal  hüng.  Min  Vader  wir  äwer  des'  dumm- 
dristig  Frechheit  so  äwerrascht,  dat  sin  Gesicht  nix  Gauds  vermauden 
let,  äwer  sin  Gaudmäudigkeit  behöU  dei  Babenhand.  Ick  äwer  müst 
ludhals  lachen.  As  'n  Wind  harr  Mudder  mi  bi'n  Wickel  un  dat 
mit  mi  rut  nah  dei  Däl,  wo  dei  Exkutschon  glik  vornamen  würr, 
äwer  ick  müst  dorbi  likerst  ümmer  lachen  —  lachen  un  lachen. 
Mi  würr  it  von  min  Mudder  streng  verbaden,  in  dei  Stuw  tau  kamen, 
wenn  Entspekter  Wiese  dor  wir,  äwer  sin  UnnerhoUung  tög  mi  so 
an,  dat  ick  girn  'n  Ledder  vuU  dorüm  riskiren  ded.  Hei  harr  dei 
Gaw',  sin  Sprak  up  sin  Ort  so  gelihrt  rut  tau  bringen,  dat  em  min 
Vader  tauwilen  gar  nich  verstahn  künn  (un  süss  uck  kein  Minsch) 
wat  öfters  snurrige  Saken  taum  Vorschin  bröcht.  Wer  künn  denn 
dat  Lachen  laten?  —  „Ich  begreif  nich,  lieber  Schecker,  wie  Du 
Dein  Lud  mit  Dein  Plattdeutsch  so  in  Besong  haben  kannst,^  meint 
Wiese  einmal.  „Ich  liebe  es,  meine  Lud  tau  impeniren.  Wenn  ich 
hochdeutsch  zu  em  sprech,  denn  stahn  sie  da,  riten  Maul  un  Ohren 
auf,  diese  entfamtige  Brut.  In  ihre  eigene  Dämlichkeit  sünd  die 
Meckelnbörger  selbsten  die  Hannoverschen  über.  Aber  dat  impenirt." 
Ick  müst  werre  lut  up  lachen,  as  Mudder  dei  Dör  apen  makt  un 
mi  werre  bi  dei  Slafitten  kreg,  um  up  dei  Däl  'ne  frische  Exkutschon 
mit  mi  vor  tau  nehmen.  „Liebe  Frau  Madam  Gemahlin,*  lad  sick 
Entspekter  Wiese  in  't  Middel,  „laten  Sie  doch  Körling  hier.  Es 
ist  ein  verdeuwelt  upgewecktes  Kind.  Laten  Sie  em  hier  un  prügeln 
Sie  ihm  ein  anner  Mal."  —  Mutter,  dei  sick  vielleicht  äwer  ehren 
bogen  Titel  verfihrt,  ore  sick  villicht  'n  beten  scheniren  ded,  let  mi 
los.     „Wie   is    es,    mägen  Sie    auch    Krewt,    liebe    Frau   Madam  Ge- 


37 

mahlin?''  frög  Wiese  min  Mudder,  as  wi  einmal  bi  Disch  seten.  Min 
Madder  kreg  so  'n  Kopp  bi  den  Titel,  meint  äwer,  dat  sei  tau'r 
Verennerung  woU  mal  'n  Gericht  Krewt  hewwen  müggt.  ^Denn  warr 
ich  Ihnen  bringen.  Bei  uns  in  die  Peen'  is  das  all  vull.  Sie  sünd 
nich  gross,  äwer  man  lütt,  un  sie  krawweln  man  so  in  die  Peen' 
nimmer.  Ich  werde  weck  hölkern  laten.  Sei  sünd  nu  gut.  Wi 
schreiben  September  mit  'n  ;,r^,  denn  sünd  sie  gut.  Würden  wi 
September  ahn  ^r*  schreiben,  denn  wiren  sie  nich  gut!^  Dat  Lachen 
süIl  bi  mi  werre  los  gähn,  äwer  Mudder  makte  so  verdächtige  Teiken, 
dat  ick  min  Lachen  noch  glücklich  verbieten  künn.  ^Lieber  Schecker, 
wie  is  es  mit  Dich?  Du  ettst  die  Krewt  auch  girn,  nich  wohr?" 
„I,  ja,^  meint  min  Vader.  „Du  hast  auch  recht,  denn  gut  gekocht' 
Krewt  sünd  'ne  wohre  Delikumtess.  Ich  werde  bringen.^  —  Ick 
makte,  dat  ick  rut  kämm.  Bi  so'n  tein-  bis  twölQährigen  Jungen 
sitt  dei  Lachlust  sihr  los\  taumal  bi  mi  tau  dei  Tid;  un  wil  ick  dat 
Lachen  bi  dei  „Delikumtess^  nich  mihr  verbieten  künn,  wuU  ick  min 
Mudder  doch  dei  Mäuh  sparen  mi  rut  tau  bringen,  wotau  sei  all  up*n 
Sprung  set.  För  mi  wiren  it  wohre  Festdag',  wenn  dei  Herr  Ent- 
spekter  Wiese  uns  besöcht,  obschonst  it  dorbi  gemeinhen  hellsehen 
wat  up  dei  Jack  gew,  un  Wiese  freut  sick  ümmer  äwer  min  Lachen, 
as'n  Teiken,  dat  ick'n  verdeuwelt  muntern  upgeweckten  Jung  wir. 
—  Haha! 

„Wie  weit  büst  Du  denn  nu  all  in  die  Ottografie,  Körling?^ 
frög  Wiese  mit  ein  Mal.  „Büst  Du  all  bi  den  ollen  Fritzen?^  Dei 
oll  Fritz  wir  sin  Mann.  För  den  wir  hei  bet  up  dat  Üterst  be- 
geistert un  wüss  Wunnerding  von  den  tau  verteilen. 

„ün  wenn  der  olle  Fritze  kümmt, 

Ün  kloppt  sick  up  sin  Hosen, 

Denn  löppt  dei  ganze  Reichsarmee, 

Panduren  un  Franzosen. 
Den  Spruch  merke  Dich,  Körling.  Dei  beschreibt  den  ollen 
Fritz  besser,  as  dei  ganze  Ottografie.*^  —  »Wer  kümmt  denn  dor 
dörch  dei  Lindenallee  tau  riden?^  frög  nun  min  Vader  einen  Sünndag. 
„Dat  is  jo  Wiese,^  säd  min  Mudder.  „Ach,  sine  Besäuke  kamen  mi 
doch  ucic  bald  tau  oft,^  klagt  min  Vader.  „Hei  hett  'ne  grote  Kiep 
up'n  Nacken,''  säd  Mudder  im  güng  em  bet  vor  dei  Dör  entgegen. 
„Hier  bring  ich  die  Krewt."  „l&err  Wiese,  wo  seihn  Sei  ut,''  rep 
min  Mudder  ganz  verzufft.  „Ja,  so  kann  es  einen  gehen.  Ich  werde 
Ihre  Unkenntniss  von  die  Sache  upklären.**  „Wiese,  wat  is  Di  passiert?'' 
frög  min  Vader  ebenso  äwerrascht.  „Ja,  so  kann  es  einen  gehen, 
lieber  Schecker.  Die  Meckelnbörger  sünd  dat  leegste  Volk,  das  wir 
in  Deutschland  un  Preussen  haben,  dorüm  beraufen  sick  dei  Eddellüd, 
wenn  sei  könen,  uck  ehr  Entspekters  ümmer  aus  annere  Länner.  So 
as  mich  un  Dich.  —  Wir  haben  dor  einen  recht  nägenklauken  Knecht. 
Einen  ganz  entfahmigten  Bengel.  Was  meinst  Du,  was  der  Bengel 
gestern  duhn  duht?  Dicht  in  meine  Gegenwärtigkeit  sleiht  er  tuschen 
die  Pferde,    as   wenn   er   nich    klauk   is.     Ich   will    ihm    dörch   feine 


38 

Bildung  imperoiereD  un  segg:  worum  slägst  Du  dit  Pferd,  das  un- 
vernünftige Kretur?  Dei  entfahmte  Bengel  in  seine  dumme  Dämlich- 
keit un  Leegigkeit  weiss  jo  nix  von  Bildung  un  meint,  ich  hab^  ihm 
'ne  unvernünftig  Kretur  heiten  un  slägt  mich  mit  seinen  Peitschen- 
stock  äwer  die  Näs\  dass  das  Blaud  so  spritzt.  Ich  packe  ihm,  um 
em  mit  meiner  Forsche  zu  vermalmen.  Da  schrigt  er  nu  un  segt, 
ich  sali  ihm  doch  gehen  laten,  hei  hett  sick  verhürt.  Was  sollt  ich 
duhn?  —  Ein  Mann  mit  Bildung  litt  lieber  Unrecht,  as  dass  er  Un- 
recht duhn  duht:  un  so  let  ich  ihm  laufen.  Aber,  lieber  Schecker, 
dese  Wehdage.  Du  glaubst  gor  nich,  was  ich  für  Wehdage  die  ganze 
Nacht  hatt  heww.  Es  is  gor  nich  tau  beschreiben/  —  ^Na,  dat 
glöwt  ick  em  up't  Wurd  tau,  ahn  tau  lachen.  Dat  ein  Og  wir  tau- 
swullen  un  dei  Näs'  seg  ut,  as  wenn  hei  'ne  Hand  vull  Wustfleisch 
tuschen  sine  roden,  runden,  bräsigen  Backen  liggen  harr!  Ne  Näs' 
künn  einer  tuschen  dat  Blaud,  roh  Fleisch  un  Hut  nich  finnen.  — 
Ick  heww  em  bedurt.  So  vel  ick  weit,  wir  it  dat  letzt  Mal,  dat  ick 
em  seihn  heww.  So  um  1847  herum  wir  Wiese  Entspekter  up'n 
Gaud,  wovon  mi  dei  Nam  entfoUen  is,  äwer  tuschen  Klink  an  dei 
Müritz  und  Blücher  lag.  Von  hir  ut  hett  hei  mal  minen  Unkel,  der 
Schäper  in  Stuer  wir,  besöcht.  Hei  hett  sick  als  Entspekter  vor- 
stellt ;  hett  minen  Unkel  verteilt,  dat  sin  Vader  Pachtschäper  wesen 
wir,  un  dat  hei  em  besäuken  wull  ut  Achtung  vor  sinen  Swager,  den 
Entspekter  Schecker  in  Jürgensdörp,  wat  'n  gauden  Fründ  tau  em 
wir.  In'n  äwrigen  gew  hei  nix  um  n'  Schäper,  wenn  hei  uck  sülwst 
davon  herstammt.  —  |,It  is  mi  leiw,  Herr  Entspekter,  dat  Sei  mi 
dat  so  uprichtig  verteilen,^  giwwt  min  Unkel  em  tau'r  Antwurd,  „un 
wil  min  Stellung  it  mi  verbütt,  fründschaftlichen  Umgang  mit'n  Herrn 
Entspekter  tau  hewwen,  sünd  Sei  woU  so  gaud  un  riden  werre  nah 
Hus.  —  Adschüs!^  Dei  Herr  Entspekter  Wiese  müst  sick  werre  tau 
Pird  setten,  ahn  min  Unkel  sin  Hus  betreden  tau  hewwen.  —  Dit 
wir  dat  letzt  Mal,  dat  ick  von  em  hürt  heww,  bün  äwer  fast  äwer- 
tügt,  dat  hei  Fritz  Reutern  as  Muster  deint  hett,  ahn  it  villicht  tau 
weiten  ore  tau  ahnen.  Charles  Schecker. 

Ich  habe  nun  selbst  versucht  einiges  Material  zur  Entscheidung 
der  Frage  zusammenzubringen. 

Nach  dem  übereinstimmenden  Bericht  mehrerer  Zeitgenossen 
Scheckers  stammte  dieser  aus  dem  Hannoverschen  und  war  in  den 
Dienst  des  Landrats  v.  örtzen  auf  Kittendorf,  8  km  südlich  von 
Stavenhagen,  als  Reitknecht  getreten.  Später  wurde  er  Stallmeister, 
dann  wegen  seiner  ganz  ausserordentlichen  landwirtschaftlichen  Tüch- 
tigkeit Schreiber  d.  h.  Gutsverwalter.  Als  solchem  vertraute  ihm 
sein  Gutsherr  die  Verwaltung  seiner  grossen  Güter  Jürgenstorf  und 
Vosshagen  an.  Er  war  zweimal  verheiratet,  seine  zweite  Frau  stammte 
aus  Kittendorf  und  hat  ihn  überlebt.  Ihre  beiden  Söhne  gingen  1850 
nach  Amerika,  gründeten  sich  dort  eine  Existenz,  und  der  eine  holte 
dann  seine  Mutter  hinüber. 


89 

Über  des  alten  Inspektors  Schecker  Todesjahr  gibt  sein  wohl- 
erhaltenes steinernes  Grabkreuz  auf  dem  Kirchhofe  in  Jürgenstorf, 
nördlich  in  der  Verlängerungslinie  der  Axe  der  Kirche,  zuverlässige 
Auskunft.     Seine  Inschrift  lautet: 

Hier  ruhet 
der  Wirtschafts -Inspector 

J.  F.  Schecker 
geb.  d.  20.  Septbr.  1775 
zu  Obershausen  in  Hannover 
gest.  d.  18.  Octbr. 
1848 
Die  Geburtsdaten   sind   auf  dem  Grabstein  wohl   aus  ungenauer  Er- 
innerung angegeben.     Scheckers  eigene  Angaben  bietet  die   folgende 
Aufzeichnung. 

Jürgensdorff  und  Voshagen.    30.  August  1819. 

1.  Job  Friedr.  Schecker,  Schreiber  [d.  h.  Gutsverwalter],  geb.  19.  September 
1776  in  Obershagen.  15  Jahr  ortsansässig.  Wittwer.  Lutherisch.  Aus  dem 
Hannöv. 

2.  Caroline  Doroth.  Schecker,  Tochter,  geb.  30.  Aug.  1812  in  Kittendorf. 

3.  Heinr.  Friedr.  Schecker,  Sohn,  geb.  27.  Mai  1816  in  Kittendorf. 

Kittendorf 
467.*  7oh.  Joach.  Schecker,  Schneiderlehrling,  geb.  8.  April  1804  in  Kittendorf. 

Scheckers  Sohn  aus  zweiter  Ehe,  der  mit  seiner  Mutter  nach 
Amerika  ausgewanderte  Karl,  ist  1906  im  Alter  von  83  Jahren  ge- 
storben. Es  lässt  sich  ausrechnen,  dass  Schecker  1804  nach  Kitten- 
dorf, frühestens  1815  nach  Jürgenstorf,  das  zu  jenem  gehörte,  ge- 
kommen und  längstens  von  1815  bis  1822  Witwer  war.  In  diese 
Zeit  muss  also  fallen,  was  Reuter  in  der  Stromtid  Kap.  11  (Reuters 
Werke  2,  197  Z.  20)  erwähnt  ;,oll  Entspekter  Schecker  würw  um 
min  Tanten  Schäning  ehre  Hand  mit  en  fetten  Kuhnhahn.  ^  Diese 
Stelle  beweist,  dass  der  alte  Schecker  schon  während  Reuters 
Jugendjahre  in  seinem  Vaterhause  verkehrt  hat  und  dem  Dichter 
schon  früh  bekannt  geworden  sein  muss. 

Ich  habe  über  Schecker  bei  zwei  Leuten,  die  ihn  oft  gesehen 
hatten  und  sich  seiner  noch  deutlich  erinnerten,  Erkundigung  ein- 
ziehen können.  Der  eine  von  diesen  ist  der  alte  1826  geborene 
Sattler  und  Tapezierer  Karl  Isack  in  Stavenhagen.  In  seiner  Jugend 
ist  dieser  zusammen  mit  Scheckers  Sohn  Karl  bei  dem  Pastor  Kon- 
rad Fuchs  (1809  —  1849)  in  Kittendorf  in  Pension  gewesen,  um  von 
diesem  und  seinem  Sohne,  dem  damaligen  cand.  theol.  Fuchs  unter- 
richtet zu  werden.  Während  dieser  Zeit  und  auch  sonst  in  den 
1830er  Jahren  hat  er  öfter  den  jungen  Karl  Schecker  nach  Jürgens- 
torf begleitet  oder  ihn  hier  besucht  und  hat  oftmals  zusammen  mit 
dessen  Vater  und  der  ganzen  Familie  am  Frühstückstische  gesessen 
und  das  gute  Bier  getrunken,  das  Frau  Schecker  zu  brauen  verstand. 
Der  äusseren  Erscheinung  des  alten  Schecker  erinnerte  er  sich  so 
genau,  als  wenn  er  vor  ihm  sässe.  Er  sei  ein  kleiner  Mann  gewesen, 
etwa  ein  halben  Kopf  kleiner  als  er,  mein  Gewährsmann.    Da  dieser 


40 

172  cm  gross  ist,  würde  Schecker  also  eine  Grösse  von  c.  160  cm 
gehabt  haben.  Er  sei  etwas  korpulent  gewesen,  sein  Gesicht  von 
gesunder,  aber  nicht  auffälliger  Röte,  fast  bartlos.  Auffielen  die 
starken  ;,buschigen^  Augenbrauen.  Seine  kurze  Nase  sei  etwas  auf- 
gestülpt, die  Spitze  nach  oben  gerichtet  gewesen.  Getragen  habe  er, 
wie  meist  damals  die  Inspektoren,  einen  Leinewandkittel  und  Stiefel 
mit  gelben  Stulpen.  An  seine  Kopfbedeckung  erinnere  er  sich  nicht, 
er  habe  ihn  wohl  meist  nur  in  der  Stube  gesehen.  Wenn  er  ging, 
trat  er  wie  Inspektors  Mode  ist  recht  krähnsch  (selbstbewusst,  spreizig) 
auf.  Er  sprach,  wenn  er  hochdeutsch  redete,  missingsch.  Seine 
Sprache  sei  hannoversch  gewesen,  vielleicht  nicht  die  Worte,  aber 
doch  die  nichtmecklenburgische  Aussprache,  z.  b.  beim  r.  Er  er- 
innere sich  noch,  dass  er  einmal  zu  seinem  Sohne  sagte:  „Korl,  ick 
mein,  du  smärst  de  Botter  tau  dick  up!^  Karl  habe  erwidert: 
^Yadding,  ick  denk,  man  mutt  de  Bodda  (dd  lenis)  tau  Hümpel  holten.^ 
Die  Mecklenburger  sprechen  die  Endsilbe  -er  nicht,  sondern  -a  dafür ; 
der  alte  Schecker  sprach  dagegen  immer  deutlich  -er.  Nach  seiner 
Erinnerung  hat  der  alte  Schecker  stets  vernünftig  und  schlicht  ge- 
redet; er  habe  durchaus  nicht  so  drollig  und  komisch  geredet  und 
getan,  wie  Bräsig  bei  Reuter.  Es  sei  ganz  unmöglich,  dass  es  ihm 
gegangen  wäre,  wie  dem  Bräsig  in  Berlin.  Sein  Freund  Karl  Schecker 
sei  auch  ganz  ausser  sich,  wenn  er  höre,  dass  sein  Vater  für  Bräsig 
gehalten  werde.  Das  sei  ein  Gerede,  welches  von  dem  jungen  Saal- 
mann aufgebracht  sei  und  diesem  könne  man  nicht  alles  glauben. 

Das  weitere  Gespräch  ergab,  dass  mein  Gewährsmann  die  Strom- 
tid  zu  der  Zeit,  als  sie  erschienen  war,  zwar  gelesen  hatte,  sein 
Urteil  aber  über  die  Ähnlichkeit  zwischen  Bräsig  und  Schecker  eines- 
teils durch  Scheckers  Sohn  beeinflusst  war,  anderseits  sich  auf 
die  im  ;,Schurr-Murr*  enthaltenen  ^  Abendteuer  des  Entspekter 
Bräsig  stützte. 

Nachdem  ich  die  hier  wiedergegebenen  Einzelheiten  über  die 
äussere  Erscheinung  Scheckers  erkundet  hatte,  las  ich  meinem  Ge- 
währsmann folgende  Stelle  aus  der  ^yStromtid*'  (Bd.  2,  S.  36,  Z.  16)  vor: 

;,As  de  lütten  Dirns  up  den  Hof  kemen,  kämm  in't  Dur  en 
lütten  Mann  rinne  mit  en  rödlich  Gesicht  un  'ne  recht  staatsche  rode 
Näs',  de  hei  wat  in  de  Luft  höU;  up  den  Kopp  hadd  hei  'ne  vir- 
timpige  Mutz,  vor  mit  ^ne  Troddel,  äwer  'ne  eigentliche  Kalür  hadd 
sei  nich;  up  den  Liw'  hadd  hei  en  grisen  linnen  Kittel  mit  lange 
Slippen,  un  sine  körten  Beinings,  de  hellsehen  utwarts  stunnen  uu 
so  leten,  as  wiren  sei  in  dat  lange  Bawenliw  verkihrt  inschrawen 
worden,  steken  in  'ne  körte  blagstripige  Drellhos'  un  in  lange  Stäweln 
mit  gele  Stulpen.  Hei  was  grad  nich  vüllig;  äwer  mager  was  hei  ok 
nich,  un  einer  kunn  seibn,  dat  hei  all  anfung,  sick  en  lütten  Buk 
stahn  tau  laten.^ 

Mein  Zuhörer  war  sichtlich  überrascht  durch  diese  Schilderung 
Bräsigs  und  brach  in  die  Worte  aus:  ,,Da  möchte  man  freilich 
schwören,  dass  Schecker  gemeint  ist,^  noch  ehe  er  den  kurz  auf  jene 


41 

Stelle  der  Stromtid   folgenden  Satz   hörte    ^(Bräsig)   tröck   de   gel 
buschigen  Ogenbranen  so  hoch,  dat  se  ganz  unner  dat  Schut  (Schirm) 
von  de  timpig  Mutz  tau  sitten  kernen.^     Reuter  hatte  an  dieser  Stelle 
für  Bräsigs  Augenbrauen  denselben  Ausdruck,  mit  welchem  —  unab- 
hängig von  Reuter  —  mein  Zuhörer  sie  mir  beschrieben  hatte. 

.  Auch  die  Stelle  Bd.  2,  41,  Z.  41  las  ich  vor  ;,De  Herr  Ent- 
spekter  Bräsig  was  dat  kunträre  Gegendeil  von  Jung-Jochen;  denn 
eins  lep  hei  in  de  Stuw'  rümmer,  denn  eins  satt  hei  up  en  Staul, 
denn  up  'ne  Dischkant  un  arbeitete  mit  sine  lütten  Bein  vor  üpregung 
un  ünrauh  as  en  Lin'nwewer. 

Hierzu  bemerkte  Isak,  dass  er  Schecker  nie  anders  als  einen 
nihig  sich  bewegenden  Mann  gesehen  habe,  aber  seine  ;, Constitution" 
sei  wohl  darnach  angetan  gewesen,  dass  er  ihn,  wenn  er  aufgeregt 
war,  sich  so  vorstellen  würde. 

Der  alte  Tagelöhner  Bock,  oll  Bock,  in  Vosshagen,  geboren 
1827,  erzählte  mir  am  26.  März  1Ü07  vom  alten  Schecker,  unter 
dem  er  3V2  Jahre,  1845 — 1848,  gedient  hat,  folgendes,  das  ich  getreu 
nach  meiner  während  des  Gespräches  gemachten  Niederschrift  wie- 
dergebe. 

Schecker  ist  damals  ein  ganzes  Jahr  krank  gewesen,  er  war 
nicht  gross,  aber  vordem  ganz  dick,  nach  seiner  Krankheit  war  er 
ganz  dünn  un  behenn  (dünn  und  schmächtig).  Er  hatte  eine  lütt 
Wenigkeit  von  Bort,  aber  nich  veel,  einen  ganz  kleinen  Backenbart, 
keinen  Schnurr-  oder  Kinnbart.  Von  Kittendorf  war  er  als  Wirt- 
schafter nach  Jürgenstorf  gekommen.  Von  seiner  ersten  Frau  hatte 
er  zwei  Mädchen,  eine  heiratete  einen  Stallmeister  in  Stemmermühlen, 
von  der  zweiten  zwei  Jungen.  Hei  harr  blag  ore  blaggris  Ogen, 
bewegte  sie  und  den  Kopf,  wenn  er  mit  einem  redete,  immer  von 
bawen  na  siden  un  siden  na  bawen.  Wenn  er  ging  oder  ritt,  hielt 
er  den  Kopf  ganz  ruhig.  Zu  den  Leuten  sprach  er  immer  Platt,  so 
ein  hannoversch  Platt.  Zu  andern  Plattdeutsch  und  Hochdeutsch 
dazwischen.  (Frage:  Hatte  er  starke  Augenbrauen?)  Ja,  er  hatte 
dicke  Augenlider.  Er  trug  stets  eine  braune  rauhe  Mütze,  ähnlich 
wie  einen  Pudel  (Pudelmütze),  bawen  langspitz  (d.  h.  sie  ging  oben 
in  einer  langen  Schnitellinie  spitz  zusammen)  mit  einem  nach  unten 
getragenen  Mützenschirm  (d.  h.  wohl,  dass  der  Schirm  zurückgeschlagen 
getragen  werden  konnte).  Er  hatte  einen  braunen  Slippenrock  mit 
langen  Slippeu.  Alle  Tage  hatte  er  seinen  Slippenrock  an.  Im  Hause 
rauchte  er  fortwährend  eine  lange  Pfeife.  Gicht  hat  er  nie  gehabt. 
Er  trug  zweinätige  Stiefel.  Hoor  harr  hei  noch  adel  orig  up  den 
Kopp,  hei  harre  sonn  blond  Hoor,  swart  Hoor  harre  nich.  Wenn 
hei  in  de  Stuw  sät,  denn  sät  hei  ruhig  wiss  un  rook  sin  lang  Pip. 
Unruhig  wir  hei  nich,  dat  kann  ick  nich  seggen.  Auf  die  Frage,  ob 
Schecker  Fritz  Reuter  gekannt  habe,  erkundigte  er  sich  bei  seinem 
Stiefsohn  „dat  was  ja  woll  dei  Dichter?^  Ick  glöw,  sei  harrn  en 
bäten  Bekanntschaft,  doch  habe  er  ihn  nie  gesehen.     Wenn  Schecker 


42 

de  Türen  harr,  wir  hei  sihr  god.  Wenn  er  aber  jemand  auf  un- 
rechten Wegen  ertappte,  dann  war  er  sehr  arg  und  dull,  denn  dög 
hei  nich.  Reisen  unternahm  er  nicht,  höchstens  mit  seiner  Frau  nach 
Stavenhaven  zu  einem  Balle.  Als  er  einmal  einen  ans  Mul  slög,  einen 
groten  Eirl,  harr  hei  ornlich  in  dei  Höcht  springen  mösst. 

Von  anderer  Seite  konnte  ich  in  Jürgenstorf,  Kittendorf  und 
Stavenhagen  Nichts  erkunden,  was  zur  Ergänzung  obiger  Mitteilungen 
dienen  konnte.  Wohl  erinnerten  sich  noch  viele  Scheckers,  ihre  Er- 
innerung beschränkte  sich  aber  darauf,  dass  er  ein  untersetzter  dicker 
Mann  war,  und  aus  ihrer  Schilderung  der  Verhältnisse  in  alter  Zeit 
ging  hervor,  dass  die  Inspektoren  aller  Güter  in  der  Nähe  Staven- 
hagens  in  dieser  Stadt,  also  auch  Reuter,  bekannt  waren,  ferner  dass 
die  Bräsig  von  Reuter  zugeschriebene  Tracht,  die  gelben  Stulpen- 
stiefeln, der  leinen  Rock  mit  den  langen  Slippen  und  die  viertimpige 
Mütze  in  den  1830er  und  auch  1840er  Jahren  ganz  allgemein  In- 
spektorstracht war.  Über  Wiese  wusste  mir  Niemand  genauere  Aus- 
kunft zu  geben. 

Es  ist  nicht  viel,  was  ich  über  Schecker  in  Erfahrung  bringen 
konnte.  Es  reicht  nicht  aus  die  Frage,  ob  er  Reuters  Vorbild  für 
Bräsig  gewesen  ist,  völlig  klarzustellen.  Allensfalls  genügt  es  aber 
um  mit  einiger  Sicherheit  auszusprechen:  wenn  Scheckers  Vorbild 
die  Bräsigfigur  beeinflusst  hat  —  und  ich  glaube,  dass  es  der  Fall 
war  — ,  dann  hat  sich  diese  Beeinflussung  im  Wesentlichen  auf  die 
äussere  Erscheinung  beschränkt.  Reuters  dichterische  Phantasie 
pflegte  nicht  gern  mit  abstrakt  konstruierten  Figuren  zu  operieren, 
sie  brauchte  von  dem  Dichter  mit  Augen  geschaute  Menschen  mit 
Fleisch  und  Blut.  Er  schuf  Gestalten  der  Dichtung,  indem  er  aus 
dem  wirklichen  Leben  genommene  gewissermassen  umschuf. 


43 


Der  Stayenhagener  ReforiuTerem. 


Reformvereine  —  heute  würden  sie  sich  fortschrittliche  Vereine 
nennen  —  gab  es  1848  in  fast  allen  mecklenburgischen  Städten.  Auch 
in  Rahnsstädt  folgte  man  nach  der  Schilderung  Reuters  dem  all- 
gemeinen Beispiele,  und  der  hier  entstandene  Reformverein,  seine  Ver- 
handlungen und  sein  Verbrüderungsfest  tritt  in  mehreren  Kapiteln 
des  dritten  Teiles  der  Stromtid  derartig  in  den  Vordergrund  der 
Erzählung  und  ist  mit  Aufgebot  so  vieler  anscheinend  oder  tatsächlich 
lokaler  Bezüge  geschildert,  dass  wohl  mancher  Leser  den  Eindruck 
gewinnt,  Reuter  habe  in  seine  Schilderung  eine  Fülle  von  Begebnissen 
aus  der  Geschichte  des  Stavenhagener  Reformvereins  verflochten.  Ich 
habe  deshalb  nicht  versäumt,  als  ich  ehemalige  Mitglieder  dieses 
Vereins  kennen  lernte,  diese  über  ihre  Erinnerungen  auszuforschen 
und  insbesondere  über  allerlei  in  der  Stromtid  berichtete  Einzelheiten 
zu  befragen.  Meine  Gewährsleute  waren  besonders  der  Rentner  und 
ehemalige  Kaufmann  Moritz  Meyer  und  der  Tapezierer  Isack.  Ersterer 
war  von  Anfang  an  ein  eifriges  Mitglied  des  Stavenhagener  Reform- 
vereins, letzterer  war  erst,  nachdem  der  Verein  eine  kürzere  Zeit 
bestanden  hatte,  in  seine  Vaterstadt  Stavenhagen  zurückgekehrt.  Über 
Reuters  Teilnahme  am  Vereinsleben  wusste  nur  Meyer  Auskunft  zu 
geben,  Isack  erinnerte  sich  dagegen  nicht,  Reuter  im  Verein  sprechen 
gehört  zu  haben.  Ohne  Zweifel  war  Isack  erst  Mitglied  geworden, 
nachdem  Reuter  Ende  April  1848  als  Abgeordneter  nach  Schwerin 
gegangen  war,  von  wo  er  erst  im  Juni  zurückkehrte.  Erzählt  wurde 
damals  in  Stavenhagen,  Reuter  sei  während  der  Zeit,  die  er  als 
Abgeordneter  in  Schwerin  verlebt  hatte,  einmal  in  einem  Gasthause 
am  Pfaffenteiche  von  einem  „Koller"  befallen  und  durch  das  Fenster, 
ein  Stockwerk  tief,  auf  die  Strasse  gesprungen. 

Der  Stavenhagener  Reformverein  hatte  seine  Sitzungen  in  dem 
oberen  Saale  des  Metzeschen  Gasthauses  —  heute  das  deutsche  Haus 
—  auf  der  Neuen  Strasse.  Vorsitzender  war  von  Anfang  bis  Ende  der 
Apotheker  Grischow,  Schriftführer  Kantor  Hundt.  Reuter  hat  oft 
das  Wort  ergriffen,  aber  nie  ein  Amt  in  dem  Vereine  bekleidet,  es 
ist  also  unmöglich  zutreffend,  was  von  mehreren  seiner  Biographen 
erzählt  wird :  Reuter  sei  eine  Zeitlang  Vorsitzender  des  Reformvereins 
gewesen,  habe  wegen  der  Dummheit  der  Mitglieder  aber  sein  Amt 
niedergelegt,  und  seinen  Austritt  aus  dem  Verein  erklärt.  Hiermit 
nicht  einverstanden,  haben  ihn  die  versammelten  Mitglieder  umringt 
und  gebeten,  zu  bleiben  oder  doch  anzugeben,  was  ihn  etwa  verletzt 
habe.  „Fritz  Reuter  weicht  aus;  die  Tür  zu  erreichen,  ist  alles  was 
er  begehrt.     Endlich  hat  er   den  Türdrücker   gefasst;    4ch  will  Euch 


44 

sagen,'  ruft  er  nun  mit  seiner  vollen  Stimme,  *warum  ich  aus  dem 
Verein  trete!'  Allgemeine  Stille  und  Erwartung.  'li  sid  mi  all  tau 
dumm,  ji  Schapsköpp !'  —  Und  er  ist  aus  der  Tür."  Diese  Anekdote 
kann,  wie  gesagt,  keine  wahre  Begebenheit  berichten,  freilich  mag 
recht  wohl  Reuter  selbst  einmal  etwas  Ähnliches  erzählt  haben.  Er 
liebte  es  lustige  Geschichtchen  als  eigene  Erlebnisse  zum  besten  zu  geben. 

Meine  Gewährsmänner  wussten  sich  nur  harmloser  Ausgelassen- 
heiten aus  dem  Vereinsleben  zu  erinnern,  z.  B.  einer  Art  Bierreise 
von  dem  Metzeschen  Gasthause  iu  ein  anderes,  wobei  man  im  Auf- 
zuge über  die  Strasse  einen  hölzernen  oder  töneren  Gambrinus  nebst 
zugehöriger  Tonne  mit  sich  nahm.  Femer  dass  man  Rotwein  in 
Seideln  —  die  Flasche  Rotwein  war  damals  vom  Kaufmann  zu 
20  Schillingen  (50  Pfennig),  im  Wirtshause  zum  doppelten  Preise 
zu  haben  —  Reformbier  nannte.  Natürlich  hatte  man  auch  eine 
Fahne,  ein  Protokollbuch  u.  dgl. 

Meine  Gewährsleute  erinnerten  sich  keiner  einzigen  Sache, 
die  in  der  Schilderung  des  Rahnstädter  Reformvereins  Verwertung 
gefunden  hat;  abgesehen  von  der  Gewohnheit  des  Färbers  Ladendorf, 
das  Wort  „meinswegen"  ständig  im  Munde  zu  haben.  Auch  die 
Rednerbühne  sei  durchaus  keine  Tonne  oder  ihr  ähnlich  gewesen. 

Nach  den  mir  gemachten  Mitteilungen  kann  ich  nicht  mehr 
daran  zweifeln,  dass  Reuter  die  einzelnen  Züge  seiner  Schilderung 
von.  dem  Treiben  und  Begebenheiten  im  Rahnstädter  Reformverein 
entweder  erfunden  oder,  was  wenigstens  zum  Teil  wahrscheinlich  ist, 
aus  anderen  Quellen  geschöpft  hat.  Über  eine  derselben  belehrt  uns 
ein  von  Heinrich  Klenz  in  seinen  ,, Erläuterungen  zu  Fritz  Reuters 
Werken  II  S.  64"  gegebener  Hinweis  auf  eine  Stelle  in  Ludwig 
Reinhards,  eines  Freundes  Reuters,  ^Komischen  Spaziergängen 
(Coburg  1867)"  S.  160.  Ich  wiederhole  diese  Stelle  hier,  weil  sie 
gleichfalls  die  von  Gädertz  (Reutertage  1,  12)  behauptete,  von  mir 
bereits  im  Ndd.  Jahrbuche  29  S.  45  mit  aller  Entschiedenheit  be- 
strittene Abhängigkeit  Reuters  von  dem  Darmstädter  Dialektdichter 
Niebergall   in  der  wünschenswertesten  Weise   widerlegt.     Sie  lautet: 

;,Um  . .  auf  mich  selbst,  den  Schreiber  dieser  Blätter,  zu  kommen, 
so  muss  ich  gelegentlich  hier  meinen  Freund  Fritz  Reuter  berichtigen. 
Derselbe  lässt  mich  unter  der  Firma  ,Avkat  Rein'  im  Rahnstädter 
Reform  verein,  zu  dessen  Präsidenten  er  mich  macht,  wundersame  Neuig- 
keiten aus  der  Zeitung  vorlesen.  Auf  der  Insel  Ferro  sei  der  erste 
Meridian  einer  Reparatur  bedürftig  geworden,  und  es  entstehe  die 
Frage,  wer  die  Kosten  tragen  solle;  in  Anbetracht  des  teurer  gewor- 
denen Walfischtrans  weigerten  sich  die  Anwohner  des  Nordpols,  die 
Erdachse  noch  ferner  für  den  bisherigen  Lohn  zu  schmieren.  Die 
Sache  selbst  hat  ihre  volle  Richtigkeit,  ist  indessen  nicht  im  fingirten 
Rahnstädt  in  Scene  gegangen,  sondern  in  Rostock,  und  zwar  im  Speise- 
zimmer der  Stadt  Braunschweig,  i)     Auch    bestand  die   Zuhörerschaft 


')  Heute  Pohleys  Hotel,  Steinstrasse  7. 


45 

nicht  ans  einem  versammelten  Reformverein,  sondern  aus  einem  von 
seiner  aussergewöhnlichen  Klugheit  vollständig  überzeugten  Kaufmann 
aus  Bremen.  Dünkelvolle  Grossstädter  gehen  besonders  gut  zu  mysti- 
ficiren.  Demselben  Bremer  Kaufmann  wurde  dann  noch  ferner  aus 
der  Zeitung  vorgelesen,  dass  ein  vom  Sturm  verschlagenes  Schiff  Ihrer 
Majestät  der  Königin  von  Grossbritannien  einen  dritten  Wendekreis, 
den  Wendekreis  der  Krabben,  entdeckt  habe;  desgleichen,  dass  in 
Folge  heftiger  Wirbelwinde  in  einigen  Tälern  der  Schweiz  sich  Luft- 
knoten gebildet  hätten,  zu  deren  Beseitigung  man  aus  der  Nachbar- 
schaft Alles,  was  eine  Sense  heben  könne,  aufgeboten  habe;  endlich, 
dass  in  Schottland  eine  Ramme  erfunden  sei,  deren  Block  von  unten 
nach  oben  fliege  und  durch  vereinte  Kraft  wieder  heruntergezogen 
werden  müsse  --  einem  Techniker  sei  es  nämlich  gelungen,  den  Schwer- 
punkt verkehrt  anzubringen." 


Das  Goliath-Lied  des  berühmten  Dichters. 

(Stromtid  Kap.  26.) 


Zu  Schluss  des  26.  Kapitel  der  Stromtid  bricht  Bräsig,  der 
Pomuchelskopps  Absicht  den  Priesteracker  zu  pachten  errät,  in  die 
Worte  aus  ;,ich  stech  Dir  einen  Sticken.  —  Horch  an's  End,  sagt 
Kotelmann.  —  Zamel  Pomuchelskopp,  wir  sprechen  uns  noch  mal! 
—  Wo  sagt  der  berühmte  Dicliter  von  Daviden  und  Goliathen?  indem 
ich  mir  als  Daviden  betrachte  und  ihn  als  Goliathen.  ^Hei  namm  de 
Sluder  in  de  Fust  un  smet  em  an  den  Bregen,  dat't  man  so  prust't.' 
Un  wo  schön  sagt  derselbige  berühmte  Dichter  in  seine  herrlichen 
Slussworten:  'So  geiht't  de  Prahlhans'  alle  Tid,  un  wenn  sei  mein'n, 
sei  stahn,  denn  ligg'n  sei  in  de  Schit'.  —  ün  so  soll  dich  das  gehen, 
Zamel.«     (Reuter  Bd.  2,  S.  406,  Z.  2—10.) 

Den  bekannten  auf  Goliath  bezüglichen  Gedichten  von  Matthias 
Claudius  und  Christian  Hinrich  Wolke  sind  die  von  Bräsig  an- 
geführten Worte  nicht  entnommen;  auch  nicht  Enslins  Gedichten 
für  die  Jugend  (Frankfurt  a.  M.  1846,  S.  134)  oder  (Albrechts) 
Plattdeutschen  Gedichten  (2.  Aufl.,  Magdeburg  1822,  Bd.  1  S.  9). 
Bräsigs  berühmter  Dichter  ist  vielmehr  ein  Anonymus  des  18.  Jahr- 
hunderts. Sein  im  Volksmunde  des  östlichen  Norddeutschlands  früher 
ohne  Zweifel  als  gesungenes  Lied  sehr  verbreitetes  Gedicht  ist  uns 
erhalten.  Es  findet  sich  eine  Fassung  dssselben  in  Büschings  und 
von  der  Hagens  Sammlung  deutscher  Volkslieder  (Berlin  1807),  S.  66, 
Nr.  27,  und  war,  wie  von  der  Hagen  bemerkt  ;,nebst  der  Melodie  aus 


46 

dem  Munde  des  (schon  damals)  verstorbenen  Predigers  Wolf  zu  Spiegel- 
berg (bei  Prenzlau)  in  der  Uckermark^  aufgezeichnet. 

Von  den  15  Strophen  des  Liedes  kommen  zur  Vergleichung  die 
12.  und  13.  in  Betracht. 

12. 
Dünn  kunn  he  dat  Dings  nick  länger  anlwreti, 
He  müssf  den  Karl  reckt  gluhpsch  verfahren; 
He  kreeg  de  Schinder  in  de  Fast 
Un  schmeet  em  in^en  Brägen,  dat  he  so  prnscht; 
He  schmeet  em  'en  Loch  in'en  Kopp  herin: 
Davan  müssf  he  des  Doodes  sien. 

13. 

He  häuf  em  Vw  Kopp  af  met  sien  Schwert, 
He  haddH  verdeent,  he  wass't  ok  wert; 
De  turrher  wol(l)  wull  dusent  schiahn, 
Müsst^  nu  ran  een'n  Schmeet  liggen  gähn. 
So  geiht  (L  geihft)  de  PrahlhänT  alletiet: 
Wenn  se  sülln  stahn,  is  de  Fall  ok  nich  wiet. 

Von  diesem  Goliath-Liede   sind   mehrere  Gestaltungen  bekannt. 

Ä,  Der  von  v.  d.  Hagen  aufgezeichnete  Text,  aus  welchem  die 
mitgeteilten  Stücke  entnommen  sind.  Anfang:  Davidken  sien  Vader 
dat  was  en  schmuck  Mann. 

B.  Eine  kürzere  Fassung  mit  ursprünglich  5  Strophen,  welche 
teilweise  denselben  Wortlaut  wie  in  der  Fassung  A  haben.  Gedruckt 
bei:  Erk  u.  Irmer,  Die  deutschen  Volkslieder,  Heft  2,  S.  36  (Aus 
der  Mark  Brandenburg,  Anfang :  Hört  moal  wat  ick  ju  seggen  will) ; 
Firmenich,  Germaniens  Völkerstimmen  1,  S.  123.  (Aus  dem  Oder- 
bruche); Neue  Preussische  Provinzial-Blätter  9  (1850)  S.  255  (Aus 
Ostpreussen,  Anfang:  Höhlt  mich  mal  een  kleen  beetken  stall);  H. 
Frischbier,  Preussische  Volkslieder.  Königsberg  1877  S.  57,  vgl.  S.  96. 
(Mit  2  hinzugefügten  jüngeren,  im  Ganzen  also  7  Strophen.  Aus 
dem  Samlande.) 

C,  Eine  Gestaltung  mit  6  vierzeiligen  Strophen  in  der  Mund- 
art des  grossen  Werders  ist  bei  Robert  Dorr,  Twöschen  Wiessei  on 
Noacht  (Eibingen  1862)  S.  60  gedruckt.  (Anfang:  Heert  Herren  wat 
öck  verteilen  wöll). 

D,  Die  bei  Aug.  Zarnack,  Deutsche  Volkslieder  für  Volks- 
schulen Th.  2  (Berlin  1820)  S.  21  gedruckte  Fassung  mit  9  meist 
wörtlich  zu  A  stimmenden  Strophen. 

E.  Das  Gedicht  David  un  Goliath  in  dem  Buche  von  dem 
Schleswigschen  Prediger  J.  R.  F.  Augustiny  „Achtem  Äben  oder  Platt- 
dütsches  Välksbok.  Tohopstäkt  un  ut  egen  Fabrik.*'  Flensburg  1857. 
S.  55-57. 


47 

Von  diesen  4  Gestaltungen  des  Liedes  ist  m.  E.  B  die  ursprüng- 
lichste. Aus  ihr  ist  Ä  durch  Hinzufügung  neuer  Strophen  erweitert, 
und  aus  ihr  C  durch  Umdichtung  in  4-zeilige  Strophen  gekürzt.  D 
ist  nichts  als  eine  aus  pädagogischen  und  ästhetischen  Gründen 
erfolgte  willkührliche  Zustutzung  von  Ä  durch  Zarnack  selbst. 

Auch  E  ist  augenscheinlich  durch  jüngere  Zusätze  aus  einer 
Fassung  und  einem  Texte,  welcher  von  Ä  nur  wenig  abwich,  erweitert. 
Es  schliesst  mit  folgenden  Versen: 

Da  konn  David  dat  Dink  nick  länger  an/töreti, 

He  däh  den  Ooliath  gUibsch  mrfehren. 

He  nehm  de  Slvder  in  de  Ftiss  (Famt) 

TJn  smet  em  an'n  Bregen,  dat  puss  (l,  dait  prt^ss). 

He  hau  em  de  Kopp  af  mit  sien  egen  Swert, 

He  harret  verdeent  un  wehr  et  wert. 

De  süns  wol  Dusend  Mann  harr  sldn 

MtAss  nu  von  en  Smät  ligg^n  gän. 

Awers  so  geiht  et  de  Prahlhansen  altid, 

Wenn  se  meent,  se  stdht,  so  liggt  se  op  de  Sid, 
Diese  Fassung   stimmt  allein  zu  den  Yon  Reuter  angeführten  Stellen 
darin,   dass   die  Worte   Wenn   se  meent   etc.    den   Schluss    des  Ge- 
dichtes bilden.     Ferner  stimmt  dieser  Schlussvers  auch  im  Wortlaut 
besser  zu  Reuter,  wie  die  folgende  Zusammenstellung  zeigt: 
Reuter:  wenn  sei  meinen,  sei  stahn,  denn  ligg'n  sei  in  de  Schit. 
A:  wenn  se  süllen  stahn,  is  de  Fall  ok  nich  tötet. 
Es  wird  hierdurch  bewiesen,    dass  Reuter   aus   dem  Volksmund   eine 
Fassung  des  Goliath-Liedes  bekannt  war,  auf  welche  der  Text  von  E 
zurückweist. 


Zur  hochdeutschen  ürgestalt  yon  Reuters 

Stromtid. 


In  der  Ürgestalt  wird  nach  Gädertz'  Reuter -Reliquien  S.  219 
erzählt,  dass  der  junge  Herr  von  Hakensterz  —  in  der  Stromtid  ist 
aus  ihm  Axel  von  Rambow  geworden  —  glaubt  eine  Erfindung 
gemacht  zu  haben,  wodurch  die  Pferde  bei  der  Ackerbestellung  mehr 
oder  weniger  überflüssig  werden.  Die  Erfindung  besteht  darin,  dass 
mächtige  Papierdrachen  so  mit  Ackergeräten  verbunden  werden,  dass 
der  Wind  in  sie  hineinbläst  und  sie  unter  seinem  Drucke  Eggen, 
Pflüge  usw.  vorwärtsziehen.  Der  erste  Versuch,  den  Herr  v.  Haken- 
sterz in  Habermanns  Abwesenheit  anstellt,  lässt  sich  anfangs  ver- 
heissungsvoll  an.     Es  soll  eine  Egge  gezogen  werden.     ;,Die  Drachen 


48 

ziehen  an,  ein  frischer  Wind  bläst,  und  zum  Entzücken  des  Erfinders, 
unterm  Hailoh  der  Jugend,  geht  die  Egge  vorwärts.  Die  Leute  ver- 
folgen  staunend  das  sich  bewegende  Drachengefährt,  welches  glücklich 
am  Ende  des  Schlages  anlangt.^ 

Die  beschriebene  Erfindung  wird  manchen  Leser  eine  lustige 
Dichterphantasie  bedünken.  Trotzdem  liegen  ihr  tatsächliche  Vorgänge 
zugrunde,  deren  sich  Fritz  Reuter  aus  seiner  Jugend  erinnerte  und 
die  er  für  seine  Erzählung  verwertete.  Als  Reuter  von  1827 — 1831 
das  Gymnasium  in  Parchim  besuchte,  muss  er  hier  von  den  Erfindungen 
eines  damals  stadtbekannten  Parchimer  Bürger  Christian  Detlov  Schmidt 
mindestens  gehört  haben,  der  einer  der  Begründer  des  von  Reuter 
oft  besuchten  Gesundbrunnens  auf  dem  Sonnenberge  bei  Parchim  war. 
Bei  der  Erwähnung  der  1822  beschlossenen  Einrichtung  des  Gesund- 
brunnens in  Friedr.  Joh.  Christoph  Cleemanns  Chronik  und  Urkunden 
der  Mecklenburgisch- Seh werinschen  Vorderstadt  Parchim  (Parchim 
1825)  wird  S.  103  zu  Schmidts  Namen  in  einer  Note  angemerkt 
„einen  bedeutenden  Mechaniker,  Erfinder  eines  vom  Winde  getriebenen 
Wagens  und  Pfluges ;  er  hat  seine  Erfindung  zu  Rostock,  Ludwigslust 
und  Berlin  mit  Beifall  vorgezeigt^. 


Aus  mecklenburgischen  Einwohnerlisten 

von  1819. 


Das  Bedürfnis,  für  Rekrutierungszwecke  ein  zuverlässiges  und 
vollständiges  Verzeichnis  aller  Einwohner  Mecklenburg -Schwerins  zu 
besitzen,  veranlasste  1819  die  Schweriner  Regierung,  von  allen  Städten, 
Dörfern  und  Gütern  Einwohnerlisten  einzufordern.  Verlangt  wurden 
unter  laufender  Nummer  Angaben  über  Vor-  und  Zunamen,  ob  männ- 
lichen oder  weiblichen  Geschlechtes,  Jahr  und  Tag  der  Geburt,  Geburts- 
ort mit  Nennung  des  Kirchspiels,  Stand  und  Gewerbe,  Grundbesitz, 
Zeit  der  Ortssässigkeit,  ob  ledig  oder  verheiratet,  Religion,  allgemeine 
Bemerkungen.  Die  so  zustande  gekommenen  Listen  sind  in  zwei  Aus- 
fertigungen erhalten,  von  denen  die  eine  im  Staatsarchive  in  Schwerin, 
die  andere  von  mir  benutzte  im  Archive  der  Land-  und  Ritterschaft 
in  Rostock  aufbewahrt  wird. 

Bei  der  Neigung  Fritz  Reuters  in  seinen  Werken  ihm  bekannte 
Personen  handelnd  auftreten  zu  lassen  oder  doch  wenigstens  ihre 
Namen  zu  erwähnen,  bieten  die  Einwohnerlisten  d.  J.  1819  reiches 
Material  zur  Erläuterung  seiner  Werke  und  auch  zur  Klärung  mancher 
auf  sie  bezüglichen  Fragen.  Besonders  gilt  das  für  ;,  Meine  Vaterstadt 
Stavenhagen^  und  für  ;,Ut  de  Franzosentid^. 


49 

Mit  ihror  Hilfe  wird  sich  nun  endlich  auch  einiges  Licht  über 
die  Person  des  Möller  Voss  der  Franzosentid  gewinnen  lassen.  In 
der  Liste  von  Ivenack  ist  s.  n..  ö6  der  auf  der  Mühle  daselbst  1774 
geborene  Christoph  Voss  verzeichnet,  der  hier  seit  1813  als  Knecht 
wohnhaft  ist.  Die  Vergleichung  mit  Nr.  1419  der  Liste  von  Staven- 
hagen  zeigt,  dass  in  dieser  Stadt,  getrennt  von  ihm,  seine  Frau  und 
seine  1800 — 1815  hier  geborenen  Kinder  wohnen.  Es  ergibt  sich  die 
Folgerung,  dass  er  früher  als  Windmüller  in  Stavenhagen  selbständig 
gewesen  und  durch  wirtschaftliches  Missgeschick  gezwungen  worden 
war,  später  als  Knecht  sein  Leben  zu  fristen.  Er  ist  ohne  Zweifel 
der  Johann  Christopher  Voss  aus  Ivenack,  dessen  Vater  schon  Bürger 
in  Stavenhagen  gewesen  war,  und  der  nach  Ausweis  des  Bürgerbuches 
dieser  Stadt  hier  1799  den  Bürgereid  geleistet  hat. 

Es  stimmt  alles  zu  den  Vermutungen  und  Nachweisungen,  die 
ich  zu  Reuters  Werken  Bd.  3,  S.  455  angemerkt  habe,  sowie  zu 
meiner  S.  268  ausgesprochenen  Annahme,  dass  das  Liebespaar  Hein- 
rich und  Fiken  Voss  dichterischer  Erfindung  sein  Dasein  verdanke. 
Nicht  stimmt  jedoch,  was  in  meiner  und  allen  anderen  Reuterausgaben 
über  den  Knecht  Friedrich  der  Franzosentid  gesagt  ist.  Es  wird 
darüber  in  einem  besonderen  Abschnitte  gehandelt  werden. 

Ich  habe  bereits  in  meiner  Einleitung  zur  Franzosentid  (Reuters 
Werke,  Bd.  3,  S.  267  f.)  darauf  hingewiesen,  dass  alle  Namen  der 
in  dieser  Dichtung  genannten  Stavenhäger  historisch  sind  und  nicht 
einmal  die  Namen  der  nur  nebenbei  genannten  Männer  und  Kinder 
eine  Ausnahme  machen.  Ferner  dass  sich  der  Dichter  den  Ana- 
chronismus gestattet  habe,  seine  Personen  nicht  so  zu  schildern,  wie 
sie  1813  waren,  dem  Jahre,  in  dem  die  Erzählung  spielt,  sondern 
nach  den  Erinnerungen,  welche  er  von  ihnen  in  seiner  späteren 
Knabenzeit,  etwa  in  den  Jahren  1819 — 1824,  in  sich  aufgenommen 
und  bewahrt  hat.    Die  Einwohnerlisten  liefern  hierzu  neue  Nachweise. 

Man  wird  nur  wenige  Namen  älterer  Stavenhäger,  welche  in 
Reuters  Franzosentid  und  in  Meine  Vaterstadt  Stavenhagen  erwähnt 
werden,  in  der  Einwohnerliste  von  1819  vermissen.  Der  Grund, 
warum  sie  fehlen,  kann  sein,  dass  sie  wie  Job.  Bank  (vgl.  bei  Nr.  152) 
1819  zeitweilig  Stavenhagen  verlassen  hatten,  in  diesem  Jahre  schon 
gestorben  oder  erst  später  dort  ansässig  geworden  waren.  Ersteres 
mag  auf  den  Schneider  Zachow  (Reuter  Bd.  3,  427  Z«  15),  letzteres 
auf  den  Pulsanten  oder  Glockenläuter  Rickert  (ebd.  3,  412  Z.  26) 
u.  a.  zutreffen. 

Der  oft  genannte  Itzig  wohnte  später  Malchinerstr.  159.  Es 
soll  schlechtes  Umgehen  mit  ihm  gewesen  sein,  und  er  erhängte  sich 
in  seinem  Alter  aus  Lebensüberdruss. 

Der  Horndrechsler  Bunsen  (Reuter  4,  158,  37)  erwarb  nach 
des  Rektors  Schäfer  Tode  dessen  Haus  Neubrandenburger  Str.  62. 

Der  alte  Mahnfeld  (Reuter  4,  216  Z.  18),  dessen  Tochter 
Clara  Schauspielerin  wurde  und  später  —  nach  1819  —  den  ver- 
wittweten  Torschreiber  Ruthenick  heiratete,  ist  bei  Reuter  irrtümlich 

Niederdentflchea  Jatarbnoh  XXXVI.  4 


50 

Saalfeld  genannt.  Er  war  1819  längst  gestorben  und  ist,  wie  aus 
mehreren  Eintragungen  der  Stavenhäger  Bürger-  und  Hausbücher 
sich  mit  Sicherheit  ergiebt,  in  der  Tat  Schuhmacher  gewesen,  i)  Die 
jetzt  verbreitete  Annahme,  Reuter  habe  sich  auch  inbezug  hierauf 
geirrt  und  er  sei  Schlosser  gewesen,  ist  also  falsch. 

Die  Schreibungen  und  Daten  der  Stavenhäger  Einwohnerliste 
sind  durchaus  nicht  immer  zuverlässig,  im  Gegenteil,  es  begegnen 
Unrichtigkeiten  in  Fülle.  Selbst  die  Rechtschreibung  der  Namen 
weist  Fehler  auf.  So  ist  ;,Scköllien^  statt  ;,Sköllin^,  ^Isaac^  statt 
„Isack^  geschrieben.  Die  Haushaltungsvorstände  können  also  die 
einzelnen  Angaben  nicht  stets  selbst  in  die  Originalliste  eingeschrieben 
haben,  sondern  ein  städtischer  Beamter  oder  ein  beauftragter  Bürger 
hat,  von  Haus  zu  Haus  gehend,  die  Eintragungen  besorgt.  Über- 
raschend häufig  sind  falsche  Geburtsdaten.  Wenn  der  Geburtstag 
recht  oft  ein  Jahr  zu  früh  oder  zu  spät  angesetzt  ist,  so  mag  sich 
dieser  Fehler  in  vielen  Fällen  dadurch  erklären,  dass  dem  die  Liste 
ausfüllenden  Beamten  nicht  das  Geburtsjahr,  sondern  das  Lebensalter 
angegeben  und  jenes  aus  diesem  falsch  berechnet  ist.  Vielfach  wird 
aber  die  ungenaue  Erinnerung  der  Haushaltungsvorstände  schuld  sein. 
Heute  wird  durch  die  gewohnheitsmässige  Feier  der  Geburtstage, 
durch  die  für  ein  bestimmtes  Lebensalter  geforderte  oder  erlaubte 
Einschulung  und  Schulentlassung  die  Erinnerung  an  den  Tag  und 
das  Jahr  der  Geburt  festgehalten.  Im  Anfange  des  vorigen  Jahr- 
hunderts waren  weder  so  strenge  gesetzliche  Vorschriften  über  die 
Einschulung  durchgeführt  noch  die  Feier  des  Geburtstages  von 
Jugend  auf  allgemein  üblich.  Nur  dadurch,  dass  man  die  Geburten 
und  Todesfälle  auf  den  Vorsatzblättern  des  Gesangbuches  oder  der 
Hausbibel  vermerkte,  waren  viele  Familien  im  Stande,  genaue  und 
zuverlässige  Angaben  über  die  Geburtsdaten  ihrer  Angehörigen  zu 
machen. 

Zu  der  von  mir  hier  ausgesprochenen  Behauptung,  dass  ver- 
hältnismässig viele  Geburtsdaten  ungenau  sind,  berechtigt  mich  eine 
Anzahl  Vergleiche  von  Daten  in  der  Liste  mit  den  Angaben  auf 
Grabsteinen  des  Stavenhäger  Kirchhofs  und  mündliche  Mitteilungen 
von  Familiennachkommen.  Meist  beschränkt  sich  der  Fehler  auf 
Diiferenzen  von  einigen  Tagen  bis  zu  einem  Jahre. 

Während  die  nachweisbaren  Fehler  sonst  nur  vereinzelt,  wenn 
auch  immerhin  nicht  selten  begegnen,  häufen  sie  sich  gerade  bei  der 
Familie  des  Bürgermeisters  Reuter,  obwohl  dieser  selbst  die  Liste 
unterzeichnet  und  ihre  Anfertigung  ohne  Zweifel  zu  bestimmen  gehabt 

1)  Es  wird  das  auch  darch  eine  Eintragung  im  alten  Stadtbuche  von  Staven- 
hagen  bewiesen,  in  dem  es  S.  483  heisst:  „Registratura  Stavenbagen,  den  12. 
December  1817.  Laut  prodncirten  Kauf-Contracte  de  dato  bodiemo  haben  die 
Erben  des  weiland  Schastermeisters  Jochim  Mabnfeld  das  von  letzterem  nach- 
gelassene Achtelhaus  an  den  Maurergesellen  Lembcke  für  815  Tlr.  Gold  verkauft*'. 
Als  Erben  sind  im  Register  genannt  Hanna  Maria  Mabnfeld,  Anna  Maria  Mahn- 
feld, Clara  Mabnfeld,  Agnesa  Mabnfeld.  Das  betr.  Haus  —  nach  alter  Bezeichnung 
„Bramborger  Str.  8^  —  war  1771  von  Jochim  Mabnfeld  gebaut. 


51 

liat.  So  ist  sein  eigener  Geburtstag  ungenau  angegeben,  im  Gegen- 
satz zu  Kirchenbuch  und  Grabstein.  Ebenso  der  Geburtstag  seiner 
Frau,  seiner  Tochter  Lisette  und  seines  NeiFen  und  späteren  Schwieger- 
sohnes Ernst,  wie  die  Vergleichung  mit  den  von  F.  Latendorf^) 
aus  Kirchenbüchern  und  Familiennachrichten  beigebrachten  Daten  zeigt. 

Zu  den  nachfolgenden  Auszügen  aus  den  Einwohnerlisten  ist 
alles  was  nicht  ihnen  selbst,  sondern  anderweitiger  Erkundigung  ent- 
nommen wurde,  in  Klammern  geschlossen.  Die  vorgesetzten  Strassen- 
und  Hausangaben  helfen  manche  Angaben  in  der  ;,Franzosentid^  und 
„  Strom tid*  veranschaulichen.  Franzosentid  Kap.  18  kommen  Herse, 
Möller  Voss  und  Bäcker  Witt  nach  ihrer  Freilassung  von  Neubranden- 
burg her  nach  Stavenhagen  gefahren,  zunächst  durch  den  vor  dem 
Tore  gelegenen  Amtsbrink  (Reuter  3,  412,  27),  dann  auf  die  Neu- 
brandenburger Strasse  und  schliesslich  zum  Markt.  Die  ihnen  auf 
ihrem  Wege  jubelnd  entgegentretenden  Stavenhäger  Schuster  Bank, 
Schlosser  TröpTner  und  Weberfrau  Stahl  wird  man  wie  die  darauf 
genannten  „Tanten  Herse**  und  Witts  Tochter,  die  spätere  „Strü- 
wingken*^,  als  Bewohner  der  durchfahrenen  Strassen  in  der  Liste  finden. 
Nur  eins  stimmt  nicht  zu  ihr:  die  Anwesenheit  von  j,Herr  Droi*  und 
seiner  „lütten  französchen  Gören^  (Reuter  3,  413  Z.  4  u.  6),  der  i. 
J.  1810  (vgl.  sub  n.  720)  auf  der  Malchinerstr.  gewohnt  hat.  Man 
darf  annehmen,  dass  er  später  nach  der  Neubrandenburger  Strasse 
umgezogen  ist. 

Die  vielen  Namen  hinzugefügten  —  nicht  vollständigen  —  Ver- 
weise auf  Reuters  Werke  nach  Band,  Seite  und  Zeile  beziehen  sich 
auf  die  von  mir  gemeinsam  mit  Ernst  Brandes  und  G.  Borchling 
hergestellte,  im  Verlage  des  Bibliographischen  Institutes  in  Leipzig 
erschienene  Ausgabe.  Die  neue  Ausgabe  weicht  von  der  ersten  nur 
dadurch  ab,  däss  in  den  Stereotypplatten  der  ersten  Bände  eine  kleine 
Anzahl  Versehen  gebessert  ist  und  der  Titel  eine  etwas  andere  Fassung 
erhalten  hat.    Die  Verweise  haben  für  beide  Ausgaben  gleiche  Gültigkeit. 

Die  Einwohnerliste  der  Stadt  Stavenhagen  ist  vom  2.  bis  17. 
August  1819  aufgenommen  und  vom  Bürgermeister  G.  J.  Reuter, 
Ratsherr  J.  L.  Susemihl,  Ratsherr  A.  F.  Herse  und  Pastor  V.  Schmidt 
am  4.  Dezember  1819  unterzeichnet.  Die  Listen  der  übrigen  Orte 
sind  gleichfalls  im  August,  einige  am  1.  September  1819  aufgenommen. 
Aus  der  Malchiner  ist  zu  ersehen,  dass  die  Regierungsverfugung, 
welche  die  Volkszählung  und  Listenaufnahme  anordnete,  am  18.  Juni 
1819  erlassen  war. 

Ich  schliesse  diese  Vorbemerkungen  mit  dem  Ausdruck  meines 
herzlichen  Dankes  für  den  kenntnisreichen  Vorsteher  des  Rostocker 
Landesarchivs  Herrn  Landesarchivar  Dunckelmann,  dessen  vorzüg- 
lichen Repertorien  ich  die  Kenntnis,  und  dessen  entgegenkommender 
Gefälligkeit  ich  die  Erwirkung  der  Erlaubnis  zur  Benutzung  vieler 
seiner  Arcbivalien  verdanke. 


*)  Zur  Erinnerung  an  Fritz  Reuter.     Poesueck  1879. 


52 


Stadt  Stayenhagen. 

[Markt  1.  Bathaus.)  1.  Georg  Johann  Jacob  Reuter,  Bürgermeister  nnd  Stadt- 
richter, auch  Amtsactnar,  geb.  25.  Julius  1776  in  Dehmen,  Amt  CriTltz. 
Clrundbesitz  6  Morgen  Acker.  Seit  Ostern  1806  hier.  Evangelisch- 
lutherisch. (Fritz  Reuters  Vater  war  am  26.  Juli  1776  geboren  und 
1806  nach  Stavenhagen  gekommen.) 

2.  Johanna   Luise   geb.    Oelpcke,   Ehefrau  des  Bürgermeister  Reuter,  geb.    25. 

Julii  1789  in  Triebsee  in  Pommern.  Hier  10  Jahre.  (Fritz  Reuters 
Mutter  war  am  25.  Juli  1787  geboren.) 

3.  Lisette  Henricke  Johanna  Reuter,  Tochter  des  B.-Mstrs  Renter,  geb.  2.  März 

1809  in  Stavenhagen.  (Fritz  Reuters  Schwester  Lisette  war  am  11.  März 
1809  geboren.) 

4.  Heinrich  Ludwig  Christian   Friedrich  Reuter,  Sohn  des  B.-Mstrs  Reuter, 

geb.  7.  Novbr.  1810  in  Stavenhagen. 

5.  Ernst  Karl   Adolph   Renter,  Neffe   des   B.-Mstrs   Reuter,   geb.    12.  Novbr. 

1808  in  Dömitz.  Hier  seit  2  Jahren.  (Fritz  Reuters  Vetter  Ernst  war 
am  12.  Nov.  1807  geboren.) 

6.  August  Friedrich   Heinrich   Reuter,   Neffe   des  B.-Mstrs   Reuter,   geb.    20. 

Januar  1810  in  Dömitz.     Hier  seit  3  Jahren. 

7.  Ghristiana  Johanna  Sophia  Oelpcke,  Schwiegerin  des  B.-Mstra  Reuter,  geb. 

14.  May  1786  in  Triebsee.  Hier  seit  7  Vi  Jahren.  (Gestorben  24.  Sept. 
1856.  Die  in  ^Mein  Vaterstadt  Stavenhagen"  oft  erwähnte  «Tante 
Christiane*'.) 

8.  Johann  Jochim   Friedrich  Müller,   Knecht  des   B.-Mstrs  Reuter,  Jahr  und 

Tag  der  Geburt  unbekannt,  geb.  nach  seiner  Meinung  i.  J.  1794.  Geburtsort 
Grammentin.     Seit  24.  Octbr.  1818  in  Mecklenburg. 

9.  Sophia   Friedr.   Schumacher,  Dienstmädchen,   geb.  27.  Jul.  1791  in  Cum- 

merow.     Hier  seit  2  Jahren. 

10.  Chatarina  Sophia  Besserdich,  Dienstmädchen,  geb.  28.  Junii  1796  in  Sülte 

bei  Eittendorf.  Hier  seit  IV4  Jahr.  (Fik  Besserdich  in  ,Mein  Vater- 
stadt St.*  Reuter  4,  213,  9.  Als  Gülzowsche  Schulzentt)chter  und  Magd 
des  Amtshauptmanns  in  der  Franzosentid,  Reuter  3,  394  u.  ö.;  vergl.  aber 
auch  Gültzow  Nr.  3.) 

11.  Friedericke  Mina  Catarina  Rieck,  [Dienstmädchen,   geb.  21.   Januar    1799 

in  Demmin.     Hier  seit  V«  Jahr. 
12 — 17.     Joch.   Fried.   Netzband,   Ausrufer,  geb.  im  Herbst  1781  in  Gartz  bey 

Wahren.     Hier  im    13.  Jahre.     Nebst   Frau   und  vier  i.  d.  J.  1811  —  16 

geborenen  Kindern      (Vgl.  Reuter  4,  197,  26;  ebd.  210,  19.) 
{Markt  2,)    18  —  21.    Bäckerwitwe  Berg.    Nebst  1787— 1799  geborenen  Kindern. 

—    (Ihr  Mann   oder  Sohn   ist  als  Nachbar  und  Bäcker  Berg  bei  Reuter 

4,  137,  Z.  25,  138  Z.  16  erwähnt.) 
22.  23.     Witwe  Anna  Maria  T^ling,  geb.  Mahnfeld,  geb.  1773,  nährt  sich  von 

weiblichen  Handarbeiten.     Nebst  Sohn,  geb.  1807. 
{Markt  3.)     24 — 26.     Schneidermeister  Cnmmerow.     Nebst   Frau   und   Tochter. 
{Markt  4.)     27.     August  Friedr   Hers6,   Senator.     Notar   Immatriculatus,   geb. 

12.  April  1773  in  Ivenack.     Hier  seit  28.  Sept.  1798. 

28.  Christine  Friedericke  Hers6,  gebor.  Siggeickow,  Ehefrau  d.  vor.,   geb.  16. 

May  1772  in  Doberan. 

29.  Charlotte  Mariane   Altvater,   hält  sich   bei   d.   vor.    als    Gesellschafterin 

hier  auf,  geb.  24.  Aug.  1803  in  Bützow.     Hier  seit  4.  Julii  1819. 

30.  Job.  Chr.  Wagner,  Dienstmädchen,  geb.  vor  1800  in  Wolckwitz  in  Pommern. 


53 

(Markt  5.)  31 — 43.  Levin  Joeepli,  jüdischer  KanfroanD,  geb.  Ostern  1756 
in  Rehna,  26  Jahr  hierselb  wohnhaft.  Nebst  Frau,  6  Kindern,  Hand- 
longsdiener,  drei  Dienstmädchen  und  einem  Knechte.  (Bei  Beater  4, 
148,  22;  ein  Sohn  (?)  Levi  Josephi,  vgl.  Reuter  4,  57  if.) 

(Xeubrandenburgersir.  6.)    44.     Gastwirt  Krasemann. 

54.  Christoph  Philipp  8ohst,  Kaufmann  und  Brenner,  geb.  1759  in  Stralsund. 
Hier  37  Jahr.     (Vgl.  Beuter  4,  187,  ö ) 

(Ebd.  9.)    62.    Hebamme  Sagert,  nebst  2  Söhnen,  welche  Chirurgi  sind. 

(Ebd,  10.  11.)  66.  Isaack  Salomon,  Kaufmann,  geb.  22.  Febr.  1768  in  Staven- 
hagen.  Jfldisch.  (Der  Moses  der  Stromtid,  vgl.  Beuter  2,  459  und 
Läuschen  II,  Nr.  32.) 

67.  Hannchen,  geb.  Samuel,  Ehefrau  d.  vor.,  geb.  4.  April  1773  in  Wahren, 
hier  seit  24  Jahren. 

68—73.  Kinder  d.  vor.,  Mosis,  geb.  8.  August  1796;  Bernhard,  geb.  S.Januar 
1811;  Samuel,  geb.  6.  April  1818;  Gustav,  ohngefähr  15  Jahr,  ist  jetzt 
in  Berlin;  ZuUe,  Tochter,  geb.  4.  März  1801;  Blttme,  geb.  11.  May  1809, 
Tochter. 

(Ebd.  12.)  77.  Salomon  Jaeob,  kleiner  Handel,  im  608ten  Jahre,  geb.  in  Staven- 
hagen,  Hausbesitzer,  nebst  Frau  und  Kindern. 

(Ebd.  13)  83.  Johann  Heinr.  TrOpftier,  Schlossermeister,  geb.  16.  Nov.  1777 
in  Prentzlau.     Hier  im  18.  Jahre.     (Vgl.  Beuter  3,  365,  3,  ebd.  412,  35.) 

84.  Agnesa  Luise  (geb.)  Mahnfeldt,  Ehefrau  d.  vor.,  geb.  4.  May  1789  in 
Stavenhagen. 

85—90.  Kinder  des  vor. :  Friedericka  Tröpfner,  geb.  1809;  Helmine,  geb.  1811; 
Ludwig,  geb.  1813;  Dorothea  Henriette,  geb.  1818;  sowie  ein  Lehrbursche 
und  ein  Dienstmädchen. 

(Ebd.  14.)  91—98.  Mosis  Meyer,.  Kaufmann,  geb.  12.  Nov.  1776  in  Staven- 
hagen (Gest.  18  Mai  1847)  nebst  Frau  Bahel  Casper.  geb.  27.  Dezember 
1782  (Gest.  17.  Januar  1849).  fünf  Töchtern  (darunter  Eva  Mayer  [!]  geb. 
12.  Nov.  1810,  vgl.  Ndd.  Jahrbuch  32,  S.  98,  und  Male  Meyer,  geb.  ö.  April 
1812)  und  Dienstmädchen.     (Vgl.  Beuter  4,  140,  10.) 

(Ebd.  In.)  99—103.  Christian  Ruthenick,  Tor-  und  Mühlenschreiber,  geb. 
12.  July  1771  in  Grevismülen.  Hier  seit  16  Jahren.  Nebst  Frau  Friede- 
ricke geb.  Beuss,  geb.  1780,  zwei  Töchtern,  geb.  1800  in  Lübeck  bzw. 
1819  in  Stavenhagen,  und  einem  Dienstmädchen.  (Buthenick  heiratete 
später  die  Schauspielerin  Kläre  Mahnfeld,  bei  Beuter  irrtümlich  Saalfeld, 
vgl.  Beuter  4,  217,  20.) 

(Ebd.  16.)  107 — 112.  Johann  Joachim  Ladendorf,  geb.  5.  September  1803  in 
Stavenhagen,  und  seine  Brüder  Heinr.  Chn.  Audr.,  geb.  1800,  Ludw.  Chn. 
Jacob,  geb.  «1802,  Carl  Heinr.  Christian,  geb.  daselbst  1813,  Söhne  der 
Bäckerwitwe  Elisabeth  Ladendorf,  geb.  1766.  (Johann  Ladendorf,  der 
später  eine  Färberei  betrieb,  erscheint  in  der  „Stromtid''  Beuter  Bd.  3, 
115,  als  Färber  Meinswegen,  ein  Spitzname,  den  ihm  der  häufige  Gebrauch 
dieses  Wortes  eingetragen  hatte.) 

(Ebd.  17.)     113.     Färbermeister  Krantwedel. 

124.  Ludwig  Stahl,  Webermeister,  geb.  13.  Aug.  1767  in  Lowzow.  Hier  seit 
29  Jahr.     Hausbesitzer.     Vs  Haus. 

125—129.  Catarina,  geb.  Studtmund,  Ehefrau  d.  vor.,  geb.  im  Dec.  1774  in 
Stavenhagen.  Nebst  drei  Söhnen,  geb.  1808.  1810.  1813  und  einem 
Gesellen.     (Vgl.  Beuter  3,  365,  7;  ebd.  413,  2.) 

130.  Qust.  Ludwig  Hchwertfeger,  Drechslermeister,  geb.  16.  Aug.  1768  in 
Stavenhagen.     (Vgl    Beuter  4.  179,  26;  3,  327,  9.) 


54 

144.     Seilermeister  Sado^^ky. 

152.  Samuel  Chrn  Banck,  Schuhmachermeister  geh.  18.  Nov.  1774  in  Staven- 
hagen.  Besitzer  von  zwei  H&usern.  (Vgl.  Reuter  3,  867,  30;  ehd.  412, 
33;  4,  187,  6;  über  seinen  ältesten  Sohn  Johann  Aug.  Bank  vgl.  Reuter 
3,  449.) 

156.     Joh.  Ludw.  David  Banck,  Sohn  d.  vor.,  geb.  im  Juny  1809. 

168.  Levin  Salomon,  geb.  1749  in  Stavenhagen,  kleiner  Handel.  Nebst  Ehe- 
frau Sarah  Abraham  geb.  1751,  und  Kindern:  Rina  Levin  Tochter,  geb. 
1790;  Abraham  Casper;  Salomon  Levin. 

(Ebd.  25)  163.  Aug.  Joh.  Clasen,  Kaufmann,  geb.  1774  in  Neu-Kalden. 
Nebst  Sohn  Aug.  Wilh.  Glasen,  geb.  26.  April  1816  in  Stavenhagen. 

(Schulstrasse  26,)  172—174.  Sophia  Hinnerike  Christina  Almer,  geborene 
Behrenss,  (xastwirtin,  geb.  1762  in  Stavenhagen.  Nebst  Sohn  Jochim  Chrn 
Ludw.  geb.  21.  Juli  1797  und  Tochter,  geb.  1800.  (In  ihrem  Gasthofe 
befand  sich  ein  Saal,  in  welchem  Theater  gespielt  wurde,  vgl.  Reuter  4, 
218  f.) 

179.  Johann  'Fried.  Lange,  Krämer,  im  37.  Jahre,  geb.  in  Mesiger.  Haus- 
besitzer.    Hier  ohngefähr  12  Jahr. 

199.  August  Heinrich  Nie.  Heintze,  Schneidermeister,  geb.  9.  Uec.  1773  in 
Stavenhagen,  Hausbesitzer.     (Vgl.  Reuter  4,  183). 

(Schulstrasse  29.)  210  —  217.  Maria  Elis.  Renssen,  geb.  Wellhausen,  Tischier- 
witwe,  geb.  1769  in  Daberckow.  Hier  27  Jahre.  Nebst  Söhnen  Joh. 
Andr.  Theodor  Reuss,  Tischlermeister,  geb.  1786  in  Reckwitz.  Hier 
27  Jahr,  sowie  Friedr.  Wilh.  Reuss^  Tischlergesell,  geb.  1790  in  Reck- 
witz und  Joh.  Ludw.  Reuss,  Tischlergesell,  geb.  1.  Märtz  1793  in 
Stavenhagen.  Ausserdem  ein  angenommenes  Kind,  Geselle,  zwei  Lehrlinge, 
Knecht.  (Vgl.  Reuter  3,  316,  69).  —  218.  Johann  Wilh.  Dohmstreich, 
Tischler bursche,  geb.  1.  May  1803  in  Stavenhagen. 

223—231.  Gustav  Job.  Dohmstreich,  Zimmermeister  und  Hausbesitzer,  geb. 
25.  Dec.  1777  in  Stavenhagen.  Nebst  Söhnen  Joh.  Heinr.  geb.  14.  April 
1806;  Joh.  ChristoflFer,  geb.  6.  Jan.  1806  und  drei  Töchtern. 

245.     Wiemersehiag,  Gastwirt. 

251.  Johann  Heintze,  Schneidermeister,  geb.  1783  in  Stavenhagen.  (Reuter  3, 
428,  6;  445,  1). 

256.     Helwig,  Schlossermeister. 

(yln  der  Kirche  54.)  285.  Adam  Chrn  (Irambow,  Schneidermeister,  geb.  7. 
Aug.  1761  in  Stavenhagen,  Besitzer  eines  vollen  Hauses.  —  (In  dem 
Torwege  zu  seinem  Hofe,  welcher  später  vom  Bürgermeister  Reuter  gekauft 
und  zur  Erbauung  einer  Krappmühle  und  seiner  Brauerei  benutzt  wurde, 
war  die  erste  Bühne  errichtet,  welche  Fritz  Reuter  sah,  vgl.  Reuter  4,  215.) 

(An  der  KircJie  55.)  317.  Jacob  Bernhard  Job.  Schmidt,  Prediger,  geb.  22. 
August  1767  in  Parchim,  hier  21  Jahre,  nebst  Frau,  geb.  1776  in  Gra- 
bow,  2  Söhnen,  4  Töchtern,  unter  diesen  Wilhelmine,  geb.  29.  Juni  1803 
in  Stavenhagen  («Minchen  Pasters  bei  Reuter  4,  166,  Z.  28),  3  Dienst- 
mädchen, 1  Knecht. 

[An  der  KircJie,  zu  Nr.  57.)  330.  Christoph  Friedr.  Jac.  BJseh,  Schmiede- 
meister, geb.  3.  April  1792  in  Stavenhagen.  Sohn  der  Schmied-Witwe 
und  Hausbesitzerin  Risch,  geb.  1759. 

336.  Jacob  Fried.  Mart.  Risch,  jüngster  Bruder  des  vor.,  geb.  5.  April  180U. 
(Vgl,  Reuter  3,  439,  15;  4,  104,  5;  der  Bd.  4,  123,  31  erwähnte  Stadt- 
sprecher Risch  ist  eine  andere  Person.) 


65 

338.     Bernhard  €atz,  jüdischer  Lehrer,  geb.  2  Jan.  1774  in  Lndge  bei  Paderborn. 

Ein  Jahr  allhier.     (Vgl.  Realer  4,  225.) 
{Neubrandenhurg&r    Str.   62)     339.      Gottlieb    Heinrich   Sehllfer,   Rector   and 

Kirchen-Oeconomas,  geb.  7.  Octbr.  1770  in  Halle,  in  Mecklenbarg  20  Jahr, 

im  Amte  14  Jahr.     (Vgl.  Reater  4,  157  ff.)   * 
340.     Eleonora  WUhelmina,  geb.  Schnitz;  Ehefrau  d.  vor.,  geb.  1785  in  Treptow. 

Hier  13  Jahre.     Nebst  4  Kindern,  geb.  1810—1818.     (Vgl.  Reater  4,  159.) 
345.     Charlotte  Hedwig  Schultz,  eins  der  beiden  Dienstmädchen  des  Rektors, 

geb.  1793  in  Walchendorff.    Hier  seit  10  Jahren.     (Vgl.  Reater  4,  159,  16.) 
{Markt  6L)     347.     Gabriel  Witt,  Bäckermeister,  geb.  15.  Febr.  1754  in  Staven- 

hagen,  besitzt  Haus  und  15  Morgen  Acker.     (Vgl.  Reuter  3,  456) 

348.  Agnesa  Witt,  geb.  Hamann,  Ehefrau  d.  vor.,  geb.  23.  Jan.  1756  in 
Stavenhagen. 

349.  Christina  Maria  Witt,  Tochter  d.  vor.,  geb.  25.  Juni  1789. 

350.  Dor.  Mar.  Job.  Nilck,  Tochterkind  Witts,  geb.  1.  Jan.  1809  in  Wahren. 
Hier  seit  5  Jahren. 

351.  Job.  Chn  Fried.  Witt,  Bäckermeister  und  Sohn  Witts,  geb.  12.  Okt.  1779. 
(Vgl.  Reuter  3,  361,  33  u.  ö.) 

352.  Dorothea  Sophie,  geb.  Isaac,  Ehefrau  d.  vor.,  geb.  25.  Jan.  1792  in 
Stavenhagen. 

353.  354.    Tochter  und  Sohn  des  vorsteh.,  geb.  1816  und  1818. 
355  —  358.     Zwei  Knechte  und  zwei  Dienstmädchen. 

(MarJä  59.)  364.  Heinrich  Wagenkneeht,  Tierarzt,  geb.  1782  in  Sülte  bei 
Kittendorf,  besitzt  Haus  und  16  Morgen  Acker.  Hier  13  Jahr.  (Er  hatte 
in  seinem  Hause   eine   Brennerei  und  Gastwirtschaft.     Reuter  4,  147,  6.) 

{Markt  58.)    370.     Levin  Meyer. 

{Markt  57.)  378.  Heymann  Casper,  Handelsmann  und  Hausbesitzer,  geb.  22.  Oct. 
1775  in  Stavenhagen.     (Reuter  4,  139,  31.) 

381.     Joseph  Casper ,  Sohn  des  vorigen,  geb.  21.  Januar  1806.  (Reuter  4, 415,35.) 

{Poststra^se.)  405.  Friedr.  Ludwig  Franz  Voss,  Küster,  geb.  1.  Juli  1782  in 
Ludwigslust.  Hier  9Vs  Jahr.  Nebst  Frau  und  5  Kindern.  (Reuter  4, 
156  f.  Er  wohnte  also  in  der  Nähe  des  AVallgrabens,  in  welchen  er  infolge 
einer  Bezechtheit  geriet  und  in  welchem  er  seinen  Tod  fand.) 

(Posistr.  67.)  423.  Job.  Ludw.  Metze,  Chirurgus,  geb.  12.  Juli  1789  in 
Stavenhagen.     (Jung-Metz,  Reuter  4,  183,  28;  vgl.  unten  Nr.  639). 

(Postsir.  69.)  435.  Cari  Wilh.  StUrmer,  Postmeister,  geb.  4.  Okt.  1773  in 
Gartz  im  Preussischen.  Hausbesitzer.  16  Jahr  hier,  (f  1849).  (Vgl. 
Reuter  4,  205.  218.  276;  3,  146.) 

436.  Caroline,  geb.  Sautern,  Ehefrau  d.  vor.,  geb.  10.  Aug.  1773  in  Demmin. 
Hier  16  Jahr.  (Nach  der  Inschrift  ihres  Grabsteins  war  sie  eine  geborene 
Sauter,  10.  Aug.  1772  geboren  und  1861  gestorben.) 

437.  Wilhelm  Stürmer,  Sohn  des  vor.,  geb.  10.  Sept.  1806  in  Stavenhagen. 
(Vgl.  Reuter  4,  205,  28.) 

438.  Emilia  Stürmer,  Tochter,  geb.  24.  Sept.  1811. 

517.     SamuelFreier,  Schuhmachermeister,  geb.  1772.   Hausbesitzer.    Hier  13  Jahr. 

524.  Carl  Heinr.  Sehlttter,  Sohn  des  1770  in  Stavenhagen  geborenen  Schneider- 
meisters und  Hausbesitzers  Joh.  Schlüter,  geb.  30.  Oktober  1802. 

554.  Moses  David,  Sohn  des  (1773  in  Böhmen  geborenen)  Handelsmanns  David 
Elias,  geb.  3.  Sept.  1812  in  Stavenhagen.     (Reuter  4,  164,  17.) 

560.  Helmuth  Theodor  Daniel  Sek($Uien,  Sohn  des  Schuhmachermeisters  Georg 
Scköliien,  geb.  9.  Dec.  1803  in  Stavenhagen.  (Vgl.  Reuter  4,  162,  26.) 
Sein    älterer  Bruder   Joach.    Georg,   geb.    5.  Okt.    1794,    hat   gedient   als 


56 

Meckleubargisch  freiwilliger  Jäger  zu  Pferde.     (Bei  Realer  and  anf  den 

Grabsteinen  'Sköllin^  geschrieben.) 
661.     Carl  Ladw.  Christ.  Sommer^  Bftckermeister,  geb.  19.  Dec.  1777  in  Suven- 

hagen.     Haasbesitzer   (Schill-Sommer,   vgl.  Reater  4,   215,  25;    251,  15). 

Sohu:  Carl  Heinrich/ geb.  29.  Dez.  1817. 
571.    Wilh.  Mohrmann,  Tischlermeister,  geb.  18.  M&rz  1783  in  Stavenhagen. 

630.  Mosis  Casper,  Handelsmann,  geb.  10.  Jali  1772  in  Stayenhagen,  Haus- 
besitzer, ledig. 

631.  Hirsch  Casper  Jnlias,  Kaufmann,  geb.  24.  Oktober  1677  daselbst,  ledig. 

632.  Jnlias  Casper,  Sohn  des  Mosis  Casper,  geb.  10.  April  1786,  Kauf- 
mann, ledig. 

(Markt  Nr.  148).  634.  Joh.  Friedrich  Grlsehow,  Kaufmann,  geb.  25.  Dec. 
1785  in  Ivenack,  Haasbesitzer,  3Vs  Jahr  hier,  ist  freywilliger  Jäger  zu 
Pferde  gewesen.  (Reater  4,  124,  28;  ebd.  203,  18.  Sein  Haas  ging 
später  in  den  Besitz  des  Kaufmanns  Lange  über  und  erscheint  in  der 
Stromtid  als  Haus  des  Kaufmanns  Kurz,  Reuter  2,  458.) 

635.  Elisabeth  Doroth.  (jrischow,  Ehefrau,  geb.  8.  Oct.  1796  in  Stavenhagen, 
3V2  Jahr  hier.     (Reuter  1,  384  zu  S.  16.) 

637.  Friedr.  Georg  Christ.  Grischow,  Handlungsdiener,  geb.  16.  März  1794  (?) 
in  Stavenhagen.  Seit  1815  hier.  Ist  Hauptmann  bei  der  Landwehr  ge- 
wesen.    (Reuter  3,  426,  8.) 

(Markt  Nr,  149.  150  Zwei  Häuser  im  Besitz  des  Amthauptmanns  Weber.) 

639.  Joh.  Chph  Metze,  Chirurgus,  geb.  10.  Nov.  1766  in  Vilbel,  Grafschaft 
Hanau.  Hier  23  Jahre.  (Beuter  Läuschen  I,  Nr.  23  u.  Nr.  58).  Nebst 
Frau,  gebor.  Timm,  geb.  1758  in  Ponstorf,  Kirchspiel  Mistorf ,  hier  40  Jahre. 

650.  Christoffer  David  Stahl,  Webermeister,  geb.  1773  in  Levzow.  Hier  im 
17.  Jahre. 

651.  Catarina,  geb.  Martens,  Ehefrau  d.  vor.,  geb.  23.  Dez.  1779  in  Pribnow. 
Hier  im  21.  Jahre. 

652—655.  Kinder  der  vor.,  drei  Töchter  geb.  1807,  1810,  1819;  ein  Sohu 
geb.  1813. 

Markt  151].    656.     Ackerbürger  Joh.  Dan.  Hamann,  geb.  25.  Febr.  1753  Stav. 

Markt  152?]     661.     Schneidermeister  Schultz. 

(Malchiner  Str.  154.  Ecke  des  Marktplatzes.)  672.  Carl  Chph  Grteehow', 
Apotheker,  geb.  17.  Febr.  1793  in  Stavenhagen.    Hier  seit  Michaeli  1814. 

676.  Chrn  Frd.  Spaarmann,  Apothekerlehrling,  geb.  22.  Febr.  1801  in 
Stavenhagen.  —  (Er  hat  Reuter  unterrichtet,  vgl.  Reuter  4,  170  f.  uud 
lebte  später  als  Arzt  in  Stavenhagen.) 

(Malchinerstr.)     700.     Heinr.  Strttbing,  Ackerbürger,  geb.  1784,  ledig. 

711.  Joachim  Krentz,  Schneidermeister,  geb.  27.  Nov.  1779  in  Gehsberg  bei 
Demmin.  Hier  seit  Juli  1812.  —  (Er  war  als  Geselle  in  Paris  gewesen 
und  hat  Reuter  und  seine  Vettern  im  Französischen  unterrichtet,  vgl. 
Reuter  4,  167.) 

715.  Ludwig  Andr.  Claseu,  Rademacher,  geb.  1765  in  Junckerwenning.  Haus- 
besitzer.   In  Mecklenburg  18V2  Jahr. 

729.  Peter  Humbert  Droz,  Uhrmacher  (der  einzige  im  Orte),  geb.  27.  Febr. 
1761  in  Locle.     Hier  12  Jahr.     (Reuter  4,  167  ff,  3,  454.) 

730.  Maria  Elisabeth,  geb.  Breidel,  Ehefrau  d.  vor.,  geb.  4.  Juni  1788  in 
Stavenhagen,  besitzt  30  Ih.  Acker. 

731—734.  Kinder  der  vor.  Ludwig  Ferdinand,  geb.  27.  Febr.  1812;  Friedr. 
Wilhelm,  geb.  22.  Apr.  1814;  Friederica  Carolina  Christina,  geb.  1815; 
Johann  Philipp,  geb.  1817. 


57 

735.  Witwe  des  verstorbenen  Oeconomns  Orotb,  geb.  1766  in  Güstrow,  Hans- 
besitserin.     (Reuter  3,  427.  6.) 

774.  Job.  Heinr.  Sebnur,  Sohn  des  Arbeitsmanns  Ernst  Scbnnr  (geb.  1772  in 
Scblaen),  geb.  8.  Sept.  1813  in  Stavenbagen.     (Reuter  4,  112,  22.) 

798.  Maria  Sommer,  geb.  Wulffen,  Bäckermeisterwitwe,  geb.  1783  in  Staven- 
bagen. Ibr  Sobn  Carl  Theodor  Christ.  Sommer  ist  am  3.  Nov.  1817 
geboren. 

{Am  McUckiner  Tore,)  820.  Friedr.  Defge,  Gastwirt  und  Hausbesitzer,  geb. 
1781  in  Neuenkirchen.     Hier  seit  15  Jahren.     (Reuter  4,  226.) 

837.     Gastwirt  Zanzig. 

873.     Job.  Kliefoth,  Hirte,  geb.  1.  April  1756  in  Tutaw  bei  Schmarsow  (Vorpom.). 

Hier    Martini    30    Jahre.      Nebst   Frau    und    2    Töchtern.      Kein    Sohn. 

(Reuter  4,  227  f.) 
887.     Johann    Christian    Georg   Knacke,    geb.    3.    Juni    1811    in   Stavenbagen, 

Sohn   des   Arbeitsmanns  Adam  Friedr.  Knacke,   geb.  1773.     (Korl  Knak 

bei  Reuter  4,  112,  22.) 
{Malchinerstr.  233.)     952.     Cari  Alex.  Georg  Huth,  Tor-  und  Mühlenschreiber, 

geb.  1771  in  Güstrow.     Hier  42  Jahre.     (Reuter  4,  131,  24.) 

992.  Chrn  Frd.  Lemek,  Sohn  eines  Maurers,  geb.  11.  April  1809  in  Staven- 
bagen.    (Lauschen  I,  28,  1.) 

993.  Christofifer  B^ttger,  Töpfermeister,  geb.  11.  März  1763  in  Stavenbagen. 
(Reuter  4,  179,  30.) 

1001.  Aug.    Friedr.   Zoeh,  Musicus,   geb.    1766   in  Fiddicbow  a.  d.  Oder.     Hier 

14  Jahr.     (Läuschen  I,  6,  43;  Reuter  3,  ^iO,  31.) 
1021.  Mart.  Frdr.  Stürmer,   Musicus,   geb.  1771    in  Gartz  a.  d.  Oder.     Hier  20 

Jahre.  —  Er  hat  einen  Lehrling  aus  Wahren.     (Reuter  4,  183,  13.) 
1043.  Frdr,  Schwerdfeger,  Drechsler,  geb.  1786  in  Stavenbagen. 
1052.  Carl   Chrn   Gohl,  Bäckermeister,   geb.    1786   in  Neuenkirchen,   Kirchspiel 

Ihlenfeldt,  Hausbesitzer.     Am  Orte  seit  4  Jahren.     (Vgl.  Reuter  3,  332,  35; 

ebd.  430,  24;  er  wohnte  später  am  Markt.) 
1095.  Frdr.  Belitz,   Klempner,   geb.  1776  in  Periberg,    hier   20  Jahre.    —    (Mit 

dem  Spitznamen    „Der   Oberförster",   weil   er   als   Holzdieb    bekannt   war, 

vgl.  Reuter  4,  156,  Z.  30.) 
1120.  August  Delehert,    Schuhmachermeister,    geb.    Dec.    1786    in   Stavenbagen. 

(Vgl.  Reuter  3,  427,  5  u.  ö.;  4,  151,  15.) 
1157.  Maria  WIeneke,  Tochter  eines  Arbeitsmannes,  geb.  5.  April  1791  in  Staven- 
bagen.    (Vgl.  Reuter  3,  400,  29;  4,  151.) 
{Basepoiderstr.  265,  altes  Demminer  Tor  schreiberhaus.)      1186.     Torschreiber 

Bethcke. 
1226.  Mariane  Levin,  geb.  1790  in  Stavenhagen,  Ehefrau  des  Moses  Aaron,  geb. 

1780  in  Wahren,  10  Jahr  hier,  hat  einen  kleinen  Handel.  (Reuter  4,  207, 14.) 
1242.  Chrstn  Ludw.  Baade,   Glasermeister  und  Hausbesitzer,   geb.  3.  Jan.  1756 

in  Stavenhagen.     (Renter  4,  172,  17.) 
1255.  J.  C.  Lnekow,   Dr.  med.  et  chir.,   geb.  8.  Juli  1769   in  Flau.     Hier   seit 

4.  August   1796.     Hausbesitzer.     (Vgl.  Reuter  3,  347,  3;   ebd.  427,  13.) 
1284 — 1288.     Job.    Carl   Dohmstreleh,    Zimmermeister   und   Hausbesitzer,    geb. 

8.  März  1770  in  Stavenhagen.     Nebst  3  Söhnen  Gust.  Ernst  Christn,  geb. 

27.  Mai  1801;    Cari  Chn  Ludw.,   geb.  28.  Mai  1812;    Aug.    Ludw.,   geb. 

28.  Mai  1816. 

{Bas&pohlerstr.  281.)  1301.  Job.  Heinr.  Chn  Luth,  Ratdiener,  geb.  1788  in 
Scbloen.     Hier  11  Jahr.     Seine   Frau   brachte   ihm   ein  Haus  in  die  Ehe. 


58 

Sein  Sohn  Georg  ist  21.  Jan.  1812  geboren.  (Vgl.  lleuter  3,  324,  10 
u.  5.;  4,  123,  21  u.  ö.) 

1308.  Chn  Carl  Woilert,  Maurer,  geb.  31.  Mai  1773  in  Stavenhagen.  Haus- 
besitzer.    (Reuter  4,  226,  22.) 

(Malchinersir,  Nr,  284.)  1313.  Job.  Gottlieb  Spaannann,  Medicinae  Practicus, 
geb.  1777  in  Anclam.  Hier  seit  Febr.  1798.  Von  seinen  sieben  Kindern 
ist  das  zweite  Augusta  den  31.  Dez.  1806  geboren  —  (Letztere  wird  von 
Beuter  4,  166  Z.  28  erwähnt.) 

{Weberstrasse,)  1326.  Adam  Joch.  Schultz,  Webermeister,  geb.  3.  Febr.  1763 
in  Stavenhagen.     Hauseigentttmor.     (Reuter  4,  131,  19?    ygl.  Nr.  1383.) 

1340.  Sophia  Becker,  geb.  Kossfeldt,  geb.  11.  Juni  1753,  Witwe,  Mutter  des 
Zimmergesellen  Christoffer  Becker.     (Beuter  4,  154,  25.) 

{Weberstrasse.)  1363.  Job.  Andreas  Schultz,  Webermeister,  geb.  1759  in  Bowe. 
Hausbesitzer.     Hier  seit  11  Jahren. 

1387.  Moses  Joel,  kleiner  Handel  von  Schaafbeinen  und  Federposen,  geb.  Dec. 
1773  in  Stavenhagen,   ledig,   Israelit.     (Beuter  4,  123,  9;   ebd.  140,  10.) 

{Weberstrasse,)  1411.  Gust  Fried.  Dohnistreich,  Zimmermeister  und  Haus- 
besitzer, geb.  8.  Mai  1766.  Nebst  zwei  Söhnen  Christoph  Joachim,  geb. 
1795;  Bernhard  Friedrich,  geb.  1805.  (Dick-Dohmstreich,  Beuter  4, 
179,  9  u.  ö.) 

1419^22.  Helmine  Engel  verehel  Voss,  Ehefrau  des  Christof  Voss,  geb.  28. 
Sept.  1776  in  Ivenack,  zu  Michaeli  19  Jahr  verheiratet.  Ihr  Ehemann 
ist  in  Ivenack.  Kinder:  Agnesa,  geb.  1800  in  Stavenhagen,  Sophia,  geb. 
1809  ebd.,  Christoph  Ludwig,  geb.  1815  ebd. 

1467.  Christina  Dorothea  Elisabeth  TIedt,  geb.  Heintze,  Ehefrau  des  Schneider- 
meister Carl  Friedr.  Christian  Tiedt  (gestorben  zwischen  Juli  und  Dez. 
1819,  geb.  22.  Dec.  1766),  geb.  5.  April  1776  in  Suvenhagen,  Mutter 
von  fünf  Kindern. 

{Malchinersir.  Nr.  813.)  1473.  Job.  Ludwig  Susemlhl,  Kaufmann  und  Senator, 
geb.  11.  Jan.  1757  in  Stavenhagen,  besitzt  ein  Haus  und  16  Morgen 
Acker.     (Vgl.  Beuter  3,  326,  14,) 

1505.  Joh.  Carl  Christoffer  Schlttter,  geb.  3.  Dez.  1811  und  sein  Bruder  Job. 
Carl  Ludwig,  geb.  23.  Jan.  1814,  Söhne  eines  Arbeitsmanns.  (Beuter, 
4,  112,  24.) 

1507.  Schlächterwitwe  Cat.  Mar.  Krttgcr,  geb.  Dohmstreich,  geb.  12.  Dez.  1763 
in  Stavenhagen,  betreibt  mit  Hilfe  ihres  Schwiegersohnes  Kasel  die 
Schlächterei  im  eigenen  Hause.  Ihre  Kinder  sind  1796,  1801  und  1804 
geboren.     Vgl.  Nr.  1538. 

1531.  Christoffer  Sommer,  Bäcker,  geb.  6.  Dez.  1772  in  Stavenhagen,  Haus- 
besitzer. —  (In  der  Feßtungstid,  Kap.  1,  Beuter  4,  251,  Z.  13  als 
„Kristopher  Geist''  von  seinem  Namensvetter  , Schill-Sommer'',  vgl.  Nr. 
561,  unterschieden.)  Nebst  Frau  und  Stiefsohn  Joh.  Christoffer  Christian 
Schultz,  geb.  1811. 

1538.  Witwe  Sophia  Krttger,  geb.  Schumacher,  geb.  1773  in  Teschendorf,  hier 
25  Jahre,  treibt  die  Schlächterei  im  eigenen  Hause  mit  Hilfe  ihres  Sohnes 
Friedr.  Bflmpler,  geb.  1798  in  Stavenhagen.  Ihr  Sohn  Johan  Krttger 
ist  16.  Sept.  1808  geboren.     (Vgl.  Stromtid  Kap.  39,  Beuter  2,  127,  22.) 

{Markt  Nr,  328.)  1555.  Friedr.  Christof  Schmidt,  Kaufmann  und  Gastwirt, 
geb.  4.  Dez.  1779  in  Alt-Kalden,  hier  seit  Neigahr  1817.  Verheiratet 
mit  Charlotte  Emestine,  geb.  Susemihl.  In  seinem  Haushalt  ist  eine 
Wirtschaftsmamseli  und  ein  Handlungsdieuer,  ein  Knecht,  ein  Hausmädchen 


5d 

und  eine  Köchin  tätig.  (Beater  4,  115,  27.  Schmidt  besass  den  bei 
Reuter  oft  erwähnten  vordem  Tolleschen  Gasthof,  ygl.  Beater  ebd.) 

1570.  Bleicherfran  Friederica  RughW,  geb.  Lorenz,  yerw.  Becker,  geb.  Juli 
1775  in  Wansheigen  bei  Laage,  hier  seit  12  Jahren,  Ehefrau  des  Bleicher 
Bughoff.  Drei  Kinder  namens  Becker  sind  1797—1803  in  Polchow,  der 
jüngste  Sohn  Frid.  Bughöff  ist  1815  in  Stavenhagen  geboren. 

1582.  Jacob  Hirseh,  Nachtwächter,  geb.  1763  in  Landsdorff  bei  Triebsee. 
Michaeli  hier  19  Jahr.  —  (Bei  Beuter  3,  326,  20;  4,  197.) ' 

Alterbanhoff  Stayenhagen. 

1.  Georg  Carl  yahrnmaeher,  geb.  1763.  4.  Oct.  zu  Trittelfitz,  t'ächter  des 
hiesigen  Hofes.     Seit  1813  hier.     (Vgl.  Beuter  3,  326,  32;  4,  121,  13  u.  ö.) 

2  ff.  Ehefrau,  geb.  1781,  und  Kinder  des  vorigen  Carolina  geb.  1802,  Maria 
geb.  1805,  Gustav  geb.  1807,  Carl  geb.  1811,  Jan.  15.,  Philipp  geb.  1813, 
Ludw.  geb.  1816.  Nebst  4  Knechten,  5  Mädchen,  Statthalter  und  zahl- 
reichen Tagelöhnern.  (Carl  Nahmmacher  war  Fritz  Beuters  Jugendfreund. 
Beuter  4,  120,  29  u.  ö.) 

24 — 28.  Johann  Knaek,  Tagelöhner,  geb.  1779  in  Hasseldorf,  10  Jahr  hier, 
2  Töchter  und  2  Söhne:  Andreas  geb.  1814,  Friederich  geb.  1817.  (Vgl. 
bei  Stadt  Stavenhagen  Nr.  887.) 

Amt,  Amtsbrink  und  Armenhaus  Stavenhagen. 

1.  Johann  Jochim  Heinr.  Weher,   geb.    1757  May  24   zu   Bostock,   St  Marien- 

Kirchspiel,  Erster  Beamter  zu  Stavenhagen,  Grundbesitz  zwey  H&user  in 
der  Stadt  Stavenhagen,  auch  mehrere  Ländereyen  daselbst.  Seit  Johannis 
1784  hier.     War  schon  3  Jahr  vorher  Beamter  in  Toitenwinkel. 

2.  Agnesa  Sophia  Wilhelmina  Weber,  gebohrne  Sohst,   geb.  1755  Sept.  10  in 

Stavenhagen,  Ehegattin  des  Herrn  Amtshauptmanns  Weber.  Seit  der  Geburt 
hier.     Seit  1785  geheirathet. 

3.  Sophia  Westphal,  geb.  1766  Aug.  8  in  Neuhoff,  Kirchspiel  Pentzlin,  Haus- 

halterin  auf  dem  Amte.     Seit  1785  hier. 

4.  Friederich    Sahlmann,    geb.    1802  Juni   28   in   Ludwigslust,    Copist   beym 

Herrn  Amtshauptmann  Weber.  3  Jahr  hier.  (Sein  Grabstein  giebt  28.  Juni 
1801  als  Geburtsdatum  an.) 

5.  Johann  Müller,  geb.  1779  Jan.  1.  in  Zwiedorf.     Statthalter.     4  Jahr  hier. 

Nebst  Frau  und  Kindern.     (Beuter  4,  124,  31.) 

12.  Johann  Hacker,  Knecht,  4  Jahr  hier. 

13.  Ernst  Müller,  Kutscher,  5  Jahr  hier. 

14.  Johann  Westphal,  Knecht,  5  Jahr  hier. 

15  —  17.     Mädchen:  Maria  Ehrentin,  Maria  Böhrdanz,  Sophia  Grotkop. 
18     Job.  Jeter  Ferrler,   geb.  1754,   Apr.  11  in  Hildburgshausen,   Amtsgerichts- 
diener.    4  Jahr  hier.     (Ferge  bei  Beuter  4,  128,  11;  3,  435,  18.) 

19.  Ehefrau  des  vorigen  Dorothea  geb.  Paarmann,  geb.  1792  Oct.  8  in  Kitten- 

dorf.    iVs  Jahr  hier. 

20.  Sophia  Ferrier,  geb.  1818  Dec.  3  in  Stavenhagen,  Tochter.  (Beuter  4, 128, 14.) 
(Amtsbrink.)     25.     Friedr.  Wilh.  Sahhnanii,   geb.  1761   Aug.  5  in  Dallmien  in 

Preussen,   Amtslandreuter,   7  Jahr  hier,   nebst  Frau   und  Tochter     (Vater 

Fritz  Sahlmanns  nr.  4.) 
30.     Friedr.  Harloff,  geb.  1792  in  Jtlrgensdorff,  Tagelöhner,  hier  8  Jahr. 
36.     Chpt  Harloff,  geb.  1789  ebd.,  9  Jahr  hier,  Tagelöhner. 


60 

äielow  und  Mfihle. 

487.     Friedrich  Wilhelm  Haase,   geb.   26.  M&rz  1761   za  Gr.  Bahden,  Mühlen- 

Pächter.     Seit  22  Jahren  hier. 
488 — 491.     Ehefrau   desselben   Ohristina   geb.  Freytag,   geb.   1780,    und  Kinder 

Johann  geb.  1794,  Louise  geb.  1810,  Londowica  geb.  1815. 
492  ff.     Mttllerlehrlinge    Fibeickorn   und   Krüger,    Knecht:  Schwarz,    und 

Junge:  Bendschneider,  Mädchen:  Johanna  Witt,  geb.  1799  in  Pribnow, 

Sophia  Flotow,  H.  Timmermann. 

Ofiltzow. 

1.  Michel  Besserdleh,  Dorfschulze,  geb.  17.  Dez.  1777  in  Gültzow. 

2.  Dorothea  Besserdich,  gebor.  Wolter,  Ehefrau,  geb.  1770  daselbst. 

3—8.     Kinder  der   vorigen:    Sophie,    geb.    11.  März    1795;    Joch.,   geb.    1801; 

Henrica,  geb.  1804;  Wilhelm,  geb.  1807;  Carl,  geb.  1809;  Charlotte,  geb. 

1811.     (In  der  „Franzosentid*  werden  genannt  Bd.  3,  339,  26.    394,  13 

Fritz  Besserdich,  Bd.  3,  392,  2  Hanne  Besserdich^) 
23.     Samuel  Zander,  geb.  1787  in  Gültzow,  Schwiegersohn  des  Krügers  Trumpf, 

nebst  3  Söhnen,  geb.  1812—1817.  (Vgl.  Beuter  3, 314,  31  u.  unten  nr.  267.) 
159.  Michael  Pageis,  Vollhüfner,  geb.  1773,  nebst  Fran,  2  Söhnen  und  2  Töchtern. 
253—56.     Johann  Freyer,    Vollhüfner,   geb.    1759   in   Cassdorf,    33  Jahre   hier, 

nebst   Frau  und   Kindern:    Gust  geb.    1791,    Johanna  geb.    1803.     (Vgl. 

Reuter  3,  390  f.) 
267—271.     Gust  Zander,  geb.  1785,  Vollhüfner,  nebst  Familie. 

Jflrgensdorff  und  Voshagen. 

1.  Job.  Fried.  Scbeeker,  geb.  19.  Sept.  1776  in  Obershagen,  Schreiber.     15  Jahre 

hier.     Wittwer.     Aus  dem  Hannoverschen. 

2.  Carol.  Doroth.  Schecker,  geb.  30.  Aug.  1812  in  Kittendorff  (Tochter). 

3.  Heinr.  Fried.  Scheck  er,  geb.  27.  (?)  Maj  1815  in  Kittendorff  (Sohn). 

Ivenack. 

1  If.  Herr  Albrecht  Freyherr  von  Maltzahn,  Graf  von  Piessen,  geb.  24.  May  1762 
in  Bottmannshagen  in  Pommern,  Kirchspiel  Zettemin,  Gutsbesitzer,  22  Jahr 
hier,  nebst  Ehefrau,  2  Töchtern,  Privatsecretair,  KammeTJangfer,  Wirtin, 
2  Kochbnrschen,  17  Mädchen,  2  Bediente,  3  Beitknechte,  Kutscher,  Stall- 
meistern, Jäger  usw. 

30.     Friedrich  Herse,  Bedienter,  geb.  20.  Sept.  1790  in  Ivenack. 

44.  45.  Kfihlhom,  Jäger,  geb.  Michaelis  1758  in  Ivenack,  nebst  Sohn  Hellmuth, 
geb.  Jacobi  1803. 

47.  Job.  Voss,  Gastwirt,  geb.  25.  Juli  1779  in  Marokow  Mühle,  seit  11  Jahren 
hier,  nebst  Frau,  geb.  1785,  und  Söhnen  Carl  geb.  1809,  Christian  geb.  1814, 
August  geb.  1819. 

56.  Christoph  Voss,  Knecht,  geb.  14.  May  1774  in  Ivenack  Mühle,  verheiratet, 
6  Jahre  in  Ivenack. 

127.  Wilhelmine  Behnltz,  gebor.  Herse,  Wegemeisterfrau,  geb.  14.  Juli  1789 
in  Ivenack. 


Jabel. 

107.     Job.  Heinr.  Sahr,  Küster,  geb.  28.  Okt.  1766  in  Vielist.    20  Jabr  ansässig. 
106.     Sopbie  Sahr,  gebor.  Johansen,  Ehefrau,  geb.   10.  Juni  1761  in  Jabel. 
109—112.     Kinder   der   vorigen:   Job.    Jochen   Heinrieb,   Jäger,    geb.  1794   in 

Waren;  Job.  Carl  Christoph,  Schneidergesell,  geb.  1795  in  Waren;  Sophia, 

geb.  1798  in  Jabel;  Henriette,  geb.  1805  in  Jabel. 

163.  Friedr.  Christ.  Ludw.  Sehlange,  Förster,  geb.  9.  Juni  1771  in  Lambeck 
bei  Weistin,  25  Jahre  hier. 

164.  Dorothea  Schlange,  gebor.  Eulow,  Ehefrau,  geb.  1781  in  Jabel. 
165-170.     Söhne  der  vorigen,  geb.  1798,  1809,  1818;  Töchter  geb.  1802,  1804. 
171  —  173.     Ein  Knecht  und  zwei  Dienstmädchen. 

359.     Ernst  Friedr.   Reuter,   Prediger,   geb.   25.   Dez.    1783    in   Dehmen,    hier 

7V«  Jahr. 
560.     Sophie  Reuter,  gebor.  Engel,  Ehefrau,   geb.   3.  Febr.  1790  in  Kloster 

Malchow. 
361—365.     Töchter  der  vorigen:    Sophie  geb.  1790;   Bertha  geb.  1813;   Marie 

geb.  1814;  Johanne  geb.  1815;  Ida  geb.  1817;  Magdalena  geb.  1819. 
366.     Sophie  Reuter,  geb.  15.  Januar  1814  in  Ltttgendorf,  Kind,  (sie!  natürliche, 

später  legitimierte  Tochter  des  Bürgermeister  Reuter  in  Stavenhagen.) 
367—73.     Ausgeberin  (d.  i.  Wirtschafterin),  Amme,  drei  Dienstmädchen,  Knecht, 

Junge. 

Kittendorf. 

1.     (Tust.  Diederich   v.  örtzen,    geb.    24.  Febr.    1772   in   Kittendorf.     Landrat. 

(Reuter  3,  400,  5;  404,  34). 
454.     Ernst  Job.  Conrad  Fuchs,  Pastor,  geb.  1781  in  Prenzlau,  mit  seinen  1813 

und  1814  geborenen  Söhnen  Carl  Frdr.  Wilh.  und  Otto  Frdr.  Adolph. 

466.  Georg  Heinr.  Christoph,  geb.  1786  in  Göllmitz,  Küster  und  Schneider, 
12  Jahr  hier. 

467.  Job.  Joach.  Seheeker,  geb.  8.  April  1804  in  Kittendorf,  Schneiderlehrling. 

Malchin. 

1.  Phil.  Conr.  Ortttzmaeher,  Stadtmusicus,  geb.  13.  Nov.  1743  in  Malchin  nebst 
Haushälterin  mit  ihrer  Tochter  und  dem  Musikgesellen  Zingelmann  geb. 
1798  in  Molchin.     (Reuter  4,  150,  24.) 

829.     Bttlle,  Gastwirt. 

836.     Yoftel,  Gastwirt. 

1302.     Höbe,  Mühlenmeister,  12  Jahre  hier. 

2037.  Carl  Krttger,  Senator,  geb.  6.  Sept.  1774  in  Sibethenhof  bei  Güstrow, 
Hausbesitzer,  15  Jahre  hier.     (Vgl.  Reuter  3,  305,  3.) 

2038.  Amalia  Krüger,  geb.  Bülch,  geb.  1789  in  Malchin. 

2039.  David  Krüger,  geb.  28.  Nov.  1810.  (Bei  Reuter  stets  Karl  Krüger 
genannt,  vgl.  über  ihn  Bd.  4,  505.) 

2040-2047.  Andere  Kinder  Krügers  Ottilie  geb.  1812;  Augusta  geb.  1813; 
Albertina  geb.  1S15;  ferner  Wirtschaftsmamsell,  2  Dienstmädchen,  1 
Brennerknecht,  1  Knecht. 

Pinnow. 

50—54.  Friedrich  Schwarz,  Schulmeister,  geb.  1783  in  Help,  8  Jahr  am  Ort, 
nebst  Frau  Henriette  und  3  Kindern  (bei  Reuter  3,  392  Sperling.) 


62 
Lehston. 

(riistay  Klahn,  Pächter  des  Hofes,  geb.  15.  Mai  1780  in  Lehsten,  Kirchspiel 
Gr.  Varchow,  ledig.     (Reuter  4,  127,  1.) 

Seedorf. 

128.  Chn.  Felix  Bartel  Bendobn,  Zimmermann,  geb.  1765  nebst  Fraa  and 
söhnen  Job.  Carl  Theodor,  geb.  22.  Oct.  1804,  Lehrling-,  Friedrich  Voll- 
rath,  geb.  19.  Febr.  1807;  Joachim  Heinrich,  geb.  2.  Dez.  1811;  Ohu 
Wilh.  Heinrich,  geb.  10.  April  1814. 


Der  Knecht  Friedrich   in   Renters 
Franzosentid  und  Fiken  Besserdich. 

In  9  Meine  Vaterstadt  Stavenhagen^  erzählt  Reuter  Erlebnisse 
auf  einem  Maskenballe,  auf  den  er  im  Anfange  d.  J.  1819  als  Kind  mit- 
genommen war.  Als  er  in  später  Abendstunde  von  seiners  Vaters 
Knechte  Friedrich  abgeholt  werden  sollte,  neckte  diesen  Ratsherr  Herse 
mit  Fiken  Besserdich  i),  die  gleich  ihm  im  Dienste  des  Bürgermeisters 
stand.  Derselbe  Knecht  Friedrich  erscheint  in  Reuters  , Reise  nach 
Braunschweig ^,  und  wir  erfahren  hierbei,  dass  er  ^aus  Pommerland*^ 
war  und  ^viele  Heldentaten^  erzählte,  ;,die  er  als  ehemaliger 
preussischer  Soldat  gegen  die  Franzmänner  kämpfend  gesehen  und 
gehört  haben  wollte ^.2)  Erwähnt  wird  auch,  dass  Friedrich  einem 
Hunde    ^den  Spitznamen   Diimouriez    und  Dolms    beigelegt^   hatte.^) 

Ein  Knecht  Friedrich  Schult  tritt  auch  in  der  ^  Franzosen  tid** 
auf.  Nach  den  Angaben  in  dieser  Dichtung  war  er  ein  geborener 
Pommer,  der  später  als  preussischer  Soldat  an  den  Feldzügen  gegen 
die  holländischen  Patrioten  (i.  J.  1787)  und  gegen  die  Franzosen  unter 
Dumouriez  (i.  J.  1792)  teilnahm,  schliesslich  aber  aus  seiner  Garnison 
in  Prenzlau  desertierte,  weil  ihn  sein  Hauptmann  zum  Kinderwiegen 
zwang.  In  Mecklenburg  trat  er  dann  als  Knecht  in  den  Dienst  des 
Ratsherrn  Krüger  in  Malchin,  war  später  Knecht  auf  der  grossen 
Mühle  bei  dem  Dorfe  Gilow  unweit  Malchin,  zog,  als  seine  Neigung 
zu  Fik  Besserdich  keine  Erwiderung  fand,  1813  als  freiwilliger  Husar 
mit  gegen  die  Franzosen,  wurde  Unteroffizier  und  kehrte,  als  der  Krieg 
zu  Ende  war,  nach  Stavenhagen  zurück. 

Wie  Ernst  Brandes  in  seinen  ebenso  gründlichen  wie  geistvollen 
Studien  ;,Aus  Fritz  Reuters  Leben*  S.  13  bemerkt,  ist  der  Knecht 
Friederich  in  ähnlicher  Weise,   wie  es  Bräsig  in   der  ^^Stromtid*'  ist, 


>)  Reuters  Werke  Bd.  4,  S.  213  Z.  18.  —  «)  Ebd.  Bd.  7,  244  Z.  16—28. 
3)  Ebd.  Bd.  7,  252  Z.  9.    Der  Name  Dolms  harrt  noch  immer  der  Deutang. 


63 

die  Hauptperson  in  der  „Franzosentid^,  nur  dass  er  die  humoristischen 
Partien  der  Erzählung  meist  an  den  Ratsherrn  Herse  abgegeben  habe. 
Die  bedeutende  Rolle,  welche  ihm  zugeteilt  ist,  und  die  augenfällige 
Tatsache,  dass  das  wenige,  was  Fritz  Reuter  von  dem  Knechte  Friedrich 
seines  Vaters  uns  berichtet  hat,  nämlich  Vornamen,  Heimat,  Kriegs- 
teilnahme, die  ruhige  und  bestimmte  Art  des  Auftretens,  sich  bei  dem 
Knecht  Friederich  in  der  „Franzosentid^  wiederfindet,  drängte  die 
Frage  nach  dem  Verhältnis  von  Dichtung  und  Wirklichkeit  auf. 
Glagau^)  erkundete,  dass  Friedrich  an  dem  Feldzuge  von  1813  teil- 
genommen und  ö5  Jahre  im  Dienste  des  Reuierschen  Hauses  gestanden 
hat.  Raatz^),  der  beträchtlich  später  in  Stavenhagen  Erkundigungen 
einzog,  berichtet,  dass  j,Friedrich  Schulz^  ungefähr  70  Jahr  alt  bald 
nach  1840  gestorben  ist.  Die  Teilnahme  Friedrichs  an  dem  Feldzuge 
von  1813  läugnet  er,  nimmt  aber  so  ziemlich  alles,  was  aus  den 
früheren  Jahren  in  der  Franzosentid  von  Friedrich  erzählt  wird,  als 
historische  Tatsache,  bekräftigt  von  mehreren  Einzelheiten  ausdrücklich, 
dass  sie  mit  der  Wirklichkeit  übereinstimmen,  und  erweckt  den 
Anschein,  dass  auch  Friedrichs  Teilnahme  an  dem  Feldzuge  von  1792 
ihm  bezeugt  sei. 

Gestützt  auf  Raatz,  der  in  anderen  Abschnitten  seines  Buches 
sich  als  wohl  unterrichtet  erwiesen  hatte,  und  ohne  im  geringsten 
seinen  Angaben  zu  misstrauen,  haben  die  späteren  Reuterforscher  so- 
wohl die  Teilnahme  des  Knechtes  Friedrich  an  dem  Feldzuge  von 
1792  als  historische  Tatsache  betrachtet  und  zur  Grundlage  weiterer 
Untersuchungen  gemacht,  als  auch  sonst  den  Friedrich  der  Franzosen- 
tid und  seinen  Lebensgang  für  ein  treues  Abbild  der  Wirklichkeit 
gehalten. 

Alle  die  vielen  in  diesem  Sinne  von  Raatz  und  seit  Raatz  ge- 
schriebenen Seiten  und  Zeilen  können  gestrichen  werden.  Der  wirk- 
liche Knecht  Friedrich  hat  nicht  Schult  oder  Schulz,  sondern  Müller 
geheissen,  er  ist  nicht  um  1770,  sondern  1787  geboren,  er  hat  weder 
den  Feldzug  von  1792  mitgemacht  noch  ist  er  aus  Prenzlau  desertiert, 
er  hat  weder  in  Malchin  noch  auf  der  Gielower  Mühle  als  Knecht 
gedient  noch  ist  er  überhaupt  vor  1818  nach  Mecklenburg  gekommen. 
Alles  dieses  wird  sich  mit  Hilfe  der  oben  S.  52  abgedruckten  Nr.  8 
der  Einwohnerliste  von  Stavenhagen  erweisen  lassen. 

Als  einziger  Knecht  des  Bürgermeisters  Reuter  ist  hier  ver- 
zeichnet: Johann  Jochim  Friedrich  Müller,  Geburtsjahr  unbekannt, 
nach  seiner  Meinung  1794,  Geburtsort  Grawmentin,  in  Meclienburg 
seit  24,  October  1818. 


»)  Frite  Reuter.    2.  Aufl.  (1875)  S.  286.  —  «j  Wahrheit  und  Dichtung  S.  80—82, 
vgl.  auch  S.  77. 


64 

Die  oben  S.  50  erörterte  Unzuverlässigkeit  der  Liste  in  Bezug 
auf  Geburtsdaten  veranlasste  mich  den  Pfarrer  des  genannten  Geburts- 
ortes zu  bitten,  das  Datum  aus  dem  Kirchenbuche  für  mich  ermitteln 
zu  wollen.  Herr  Pastor  Heller,  Pfarrer  von  Cummerow  und  Gram- 
mentin,  hatte  darauf  die  Güte  mir  folgendes  mitzuteilen: 

^Johann  Jochen  Friederich  Müller,  Sohn  des  Tagelöhners 
Franz  Christian  Müller  und  seiner  Ehefrau  Katharina  Dorothea  ist 
zu  Grammentin  den  3.  Januar  1787  geboren.  Der  Name  Müller  ist 
in  den  späteren  Jahren  noch  öfter  vertreten,  aber  niemals  mit  den 
obigen  drei  Vornamen.'' 

Die  Identität  dieses  Friedrich  Müller  mit  dem  in  Reuters  „Reise 
nach  Braunschweig*'  und  in  ;, Meine  Vaterstadt  Stavenhagen'*  oft  ge- 
nannten Knecht  Friedrich  aus  Pommerland  ist  leicht  zu  erweisen. 
Jene  beiden  Schriften  bezeugen,  dass  Friedrich  bereits  im  Winter 
1818/19,  in  welchen  der  geschilderte  Maskenball  fiel,  als  auch  1823, 
dem  Jahre  der  Reise,  Knecht  des  Bürgermeisters  war.  Er  muss  es 
also  auch  1819  gewesen  sein.  Auch  die  Heimat  stimmt.  Grammentin, 
etwa  eine  Meile  nördlich  von  Stavenhagen  gelegen,  gehört  zum  Kreise 
Demmin,  liegt  also  in  Pommern. 

Sein  Geburtsjahr  1787  lässt  unmöglich  erscheinen,  dass  er  1792 
an  einem  Feldzuge  teilgenommen  hat.  Es  lässt  sich  ausrechnen,  dass 
er  frühestens  1806  als  Soldat  eingestellt  ist.  In  diesem  Jahre  oder 
später  konnte  er  aber  deshalb  nicht  aus  Prenzlau  desertieren,  weil 
diese  Stadt  von  1806  bis  1820  überhaupt  keine  Garnison  gehabt  hat.^) 

Im  Gegensatz  zu  Raatz'  ausführlichen  Nachrichten,  der  in  bezug 
auf  die  Franzosentid  minder  gut  als  im  Allgemeinen  sonst  beraten 
war,  halten  die  kurzen  oben  angeführten  Mitteilungen  Glagaus  der 
Kritik  Stand  und  finden  anderweitige  Bestätigung.  Zu  der  von  Glagau 
berichteten,  von  Raatz  geläugneten  Teilnahme  Friedrichs  an  der 
Schlacht  von  Leipzig  steht  im  Einklang,  wie  Ernst  Brandes 2)  bemerkt 
hat,  dass  Reuter  auf  der  ersten  Seite  der  Festungstid  Friedrich  Schult 
im  Kruge  von  der  Schlacht  von  Leipzig  erzählen  lässt.  Die  Angabe, 
dass  er  35  Jahre,  also  bis  1843  im  Dienste  des  Bürgermeister  Reuter 
gestanden  habe,  konnte  gleichfalls  von  Brandes  3)  durch  einen  Hin- 
weis bestätigt  werden.  In  einem  Aufsatze  des  Bürgermeisters  erzählt 
dieser  nämlich  von  seinem  alten  Kuhfütterer  Friedrich,  der  nun  bald 
20  Jahre  bei  ihm  im  Dienste  sei.  Zu  Glagaus  Angabe  stimmt  auch 
die  Auskunft  des  alten  Herrn  Isack  in  Stavenhagen,  der  sich  des 
genannten  Knechtes  noch  recht  genau  erinnert  und,  beiläufig  bemerkt, 
nicht  den  Eindruck  empfangen  hat,  dass  jener  durch  Aussehen  und 
Geist  von  anderen  Knechten  sich  abgehoben  habe.  Er  schrieb  mir: 
^Ich  habe  mit  mehreren  der  ältesten  Leute  gesprochen,  die  den  alten 


^)  J.  Ziegler,  Prenzlau,  die  ehemalige  Hauptstadt  der  Uckermark.    (Prenislau 
188C)  S.  162.  —  2j  Aus  Fritz  Reuters  Leben  I,  S.  14.  —  »)  ebd.  S.  15. 


65 

Friedrich  sehr  genau  gekannt,  und  alle  waren  der  Meinung,  dass  er 
hier  hegrahen  ist;  er  muss  in  dem  Zeitraum  von  1844  bis  1847,  wo 
ich  nicht  hier  war,  gestorben  sein.  Nach  meiner  Meinung  muss 
Friedrich  älter  gewesen  sein  (als  er  selbst  oben  S.  62,  Nr.  8  angab); 
er  ging  schon  ganz  krumm,  und  habe  ich  ihn  für  viel  älter  gehalten.^ 

Durch  meine  Darlegungen  habe  ich  nicht  bestreiten  wollen,  dass 
der  wirkliche  Knecht  Friedrich  Müller  in  bescheidenem  Masse  Modell 
Fritz  Beuters  für  den  Knecht  Friedrich  Schult  der  Franzosentid  in 
bezug  auf  die  äussere  und  innere  Persönlichkeit  war.  Ich  habe  aber 
erwiesen,  dass  alles,  was  darüber  hinausgeht  und  was  seine  Schicksale 
und  Taten  betrifft,  freie  Zutat  des  Dichters  ist.  Wenn  er  den  Vor- 
namen beibehalten,  den  Zunamen  vertauscht  hat,  so  erklärt  sich  diese 
Änderung  aus  der  Unbequemlichkeit,  neben  dem  vielgenannten  Müller 
Voss  seinen  Knecht  mit  dem  Namen  Müller  erscheinen  zu  lassen. 

Zu  Schluss  noch  einige  Worte  über  Fiken  ßesserdich.  Reuter 
macht  sie  in  seiner  ;,Franzosentid*  zur  Tochter  des  Gülzower  Dorf- 
schulzen. Nach  Raatz  soll  sie  das  in  der  Tat  gewesen  sein.  Die 
abgedruckten  Auszüge  aus  den  Einwohnerlisten  von  1819  erweisen 
diese  Annahme  als  falsch.  Der  Name  Besse]:dich  ist  in  und  bei  Staven- 
hagen  nicht  selten,  und  der  Vorname  Sophie  war  früher  dort  sehr 
beliebt.  Nun  gab  es  1819  in  der  Tat  in  Gülzow  einen  Dorfschulzen 
Besserdich,  der  eine  1795  geborene  Tochter  Sophie  hatte.  Diese  war 
aber  nicht  in  irgend  einen  Dienst  getreten,  Ständern  auf  dem  väter- 
lichen Hofe  geblieben,  vgl.  oben  S.  60,  Nr.  3  von  Gülzow.  Die  beim 
Bürgermeister  Reuter  dienende  Sophie  Besserdich  war  von  ihr  ver- 
schieden und  stammte  aus  Sülte  (vgl.  S.  52  nr.  10). 


Nachbarreime. 

Nachbarreime  nennt  man  die  aus  vielen  Dörfern  und  manchen 
Städten  aus  dem  Volksmunde  bekannt  gewordenen  gereimten  Auf- 
zählungen der  Hausbesitzer  des  ganzen  Ortes  oder  doch  wenigstens 
einer  Reihe  von  Häusern,  und  zwar  muss  die  Aufzählung  genau  der 
Folge  der  Häuser  entsprechen,  also  Nachbar  auf  Nachbar  genannt 
sein.  Die  Nachbarreime  stellten,  wie  der  Nachweis  ihrer  Häufigkeit 
zeigen  wird,  im  vergangenen  Jahrhundert  die  beliebteste  und  ver- 
breitetste  Form  volkstümlicher  Reimkunst  in  den  norddeutschen 
Dörfern  dar,  freilich  meist  auch  die  an  Poesiegehalt  und  geistigem 
Inhalt  niedrigste.  Nur  ausnahmsweise  —  und  das  war  vielleicht  bei 
den  ältesten  der  Fall  —  weisen  sie  einigen  Witz  auf. 

Kiftderdeutaches  Jahrbuch  XXXVI.  5 


Ein  merkwürdiger  Zufall  will,  dass  gerade  die  nachweisbar 
ältesten  Beispiele  der  Gattung  mit  den  Namen  der  beiden  grössten 
Dichter  der  neuplattdeutschen  Literatur  verknüpft  sind. 

In  den  Nachbarreimen  von  Heide,  wo  Klaus  Groth  1819  geboren 
ist,  finden  sich  die  Zeilen  i) 

Sla  em  dot 

Seggt  Klas  Oroth.     (Der  1835  gestorbene  Grossvater 

des  Dichters  Klaus  Groth.) 
He  hett  nicks  as  luter  lütje  Hahns, 
Segt  Brahms.  (Grossvater  des  Komponisten  JohannesBrahms.) 

In  ;, Meine  Vaterstadt  Stavenhagen*'  berichtet  Fritz  Reuter 
(Werke  Bd.  4,  S.  186  f.)  ;,Frau  Tiedten  ist  der  erste  Dichter  von 
Stavenhagen  und  zwar  wie  ich  —  ein  plattdeutscher.  Er  war  Schneider- 
witwe und  Nähterin,  und  wenn  er  dichtete,  nähte  sie,  und  wenn  sie 
nähte,  dichtete  er.  Sie  hatte  sich  eine  Aufgabe  gestellt,  die  heut- 
zutage so  leicht  kein  Dichter  lösen  wird,  nämlich  alle  Einwohner 
unserer  Stadt,  ihre  Berufsgeschäfte  und  nachbarlichen  Beziehungen 
in  kurzen  Schlagversen  zu  behandeln.  Es  ist  nur  ein  kleines  Bruch- 
stück, welches  von  mir  aus  dem  Zeitenstrudel  gerettet  ist;  aber  dies 
soll  für  die  Welt  gerettet-  sein,  und  hier  steht's : 

Stisetnihl  kickt  ut  de  Luk, 
Spormann  de  giwwt  em'  ne  Kruk, 
Pros't!  seggt  Sohst, 
Schön  Dank!  seggt  Bank.** 

Die  Frau  Ticdt  ist  1819  Witwe  geworden,  Fritz  Reuter  vor 
seiner  Verhaftung  im  Sommer  1833  zum  letztenmal  in  Stavenhagen 
gewesen.  Zwischen  beide  Jahre  fällt  also  die  Entstehung  der  Nachbar- 
reime seiner  Vaterstadt.  Dass  sie  erst  nach  1821  entstanden  sein 
können,  wird  sich  später  ergeben. 

Es  ist  übrigens  anzunehmen,  dass  die  von  Reuter  angeführten 
Verse  von  ihm  nicht  in  richtiger  Reihenfolge  wiedergegeben  sind. 
Spaarmann  und  Susemihl  wohnten  1819  auf  der  Malchiner,  Sohst  und 
Banck  dagegen  auf  der  Neubrandenburger  Strasse  und  nicht  wie  jene 
nebeneinander,  sondern  einander  gegenüber. 

Als  ich  vor  einigen  Jahren  in  Stavenhagen  nach  den  alten 
Reimen  fragte,  konnte  sich  nur  ein  einziger  inzwischen  auch  ver- 
storbener Herr,  der  1823  geboren  war,  einer  kleinen  Anzahl  aus  seiner 
Jugendzeit  erinnern  und  mir  sagen.  Es  waren  die  ersten  der  ganzen 
Reihe  und  ihr  Wortlaut  augenscheinlich  nicht  treu  im  Gedächtnis 
bewahrt.  Es  wurden  darin  die  Hausbesitzer  der  Neubrandenburger 
Strasse  vom  Torschreiberhause  an  in  richtiger  Reihenfolge  genannt. 
Die  Verse  lauten: 


>;  H.  Handelmann,  Topographischer  Volkshumor.    Kiel  1866.    S.  6. 


67 

Ruthenick  wahnt  miH  Enne. 
Moses  Meyer  toi/t^)  Brot  bekenne.^) 
Tröppner  wahnt  dicht  bi  ehm  aw.^) 
Jacob  is  en  ollen  Mann.^) 
Salomon  is  en  riken  Mann, 
Lembcke  wahnt  dicht  bi  ehm  an. 
Sohst  secht:  prohst! 
Krasetnann  is  en  snurrigen  Mann. 
Josephi  wahnt  an  de  Eck. 

Von  den  genannten  Hausbesitzern  hat  Lembcke  sein  Hans  auf  der 
Neubrandenburger  Strasse  erst  1821  erworben.  Die  Verse  können 
also  erst  nach  diesem  Jahre  entstanden  sein.  Hierzu  stimmt,  dass 
Jacob  (vgl.  oben  S.  63  Nr.  77)  1821  erst  ein  Alter  von  etwa  62 
Jahren  hatte. 

Ein  anderer  Stavenhäger  konnte  mir  folgende,  aber  erst  aus 
wenige  Jahrzehnte  alter  Zeit  stammende  Verse  mitteilen: 

Augtist  Lang  de  is  nich  bang. 
Cossel  singt  as  'ne  Drossel. 
Wolter  is  'ne  Abstamm  von  Kolter. 

Mit  Kolter  ist  der  bekannte  Seiltänzer  gemeint.  Die  Verse  sind  also 
frühestens  in  den  1840er  Jahren  entstanden. 

In  Bezug  auf  die  von  Reuter  überlieferten  vier  Zeilen  hat  Laten- 
dorf  im  Ndd.  Korresp.-Blatt  Bd  5  (1880),  S.  35  bemerkt  ;,Mit  der 
Originalität  dieser  Verse  aber  hat  es  seine  Bedenken;  die  beiden 
letzten  wenigstens  find  (s.  Höfer,  Wie  das  Volk  spricht)  mit  Ver- 
änderung der  Namen  Sohst  und  Bank  in  Jost  und  Blank  weit  über 
das  Weichbild  der  Stadt  Stavenhagen  bekannt  und  sicher  nicht  Frau 
Tiedtens  Erfindung.^  Gewiss  hat  Latendorf  Recht.  Aber  der  Mangel 
an  Originalität  der  Reime  wird  uns  in  der  Mehrzahl  der  bekannt 
gewordenen  Nachbarreime  entgegentreten,  deren  weite  Verbreitung 
zunächst  hier  nachgewiesen  werden  soll. 

Ich  beginne  mit  der  Mark  Brandenburg.  Im  Barnim  und 
seiner  Nachbarschaft  hat  fast  Ort  für  Ort  seine  Nachbarreime.  Ich 
bringe  hier  nur  aus  einer  kleinen  Anzahl  Orte  Beispiele. 

Zunächst  aus  dem  kleinen  Dörfchen  Prenden*)  nach  einer  für 
mich  angefertigten  Niederschrift  eine  etwa  in  den  1830er  oder  1840er 
Jahren  entstandene  sämtliche  Hauswirte  umfassende  Zusammenstellung 
in  dem  Wortlaute,  der  ums  Jahr  1850  Geltung  hatte.  Die  einer 
Anzahl  Versen  beigesetzten  Sternchen  sollen  Reime  hervorheben,  die 
in  anderen  Orten  wiederkehren. 


')  Variante:  ett  *J8st'.  ^)  bekenne  'klein,  dünn\  weil  er  viele  Kinder  hatte. 
')  Variante:  Tröppner  is  en  gauden  3/atiw,  Jacob  wahnt  dicht  bi  ehm  an.  *)  Vgl. 
Nd.  Jahrbach  34,  3. 

5* 


68 

Stätnann  wahnt  an't  Enge  (Ende).* 

Lisegang  met  de  schewe  Lenge  (Lende).* 

Willem  Mölder  fanget  'n  RotbarL* 

Heinrich  Mölder  is  ener  ixm  de  Deibelsart .^ 
5  Fritz  Bahne  is  en  Zimmermann,* 

Schlait  Simund  Gläser  de  Latten  an* 

Schär  geit  na'n  Mahn, 

Fritze  Gläser  schitt  em  in't  Gehä. 

Gottlieb  Säer  kocht  siiete  Bärn^ 
10  Rickert  itt  se  gar  tue  gäm. 

Wusterhu^e  met  de  lange  Schledds  (Schlitten) 

Schleddet  alle  olle  Wiwer  tue  Bedde. 

Karl  Gläser  met  de  lange  Sehne, 

Sammerfeld  steckt  vor  etn  de  Döre  tue. 
15  Putlitz  schitt  up't  Steg, 

Käetl  karrft  weg. 

Neuendorf  schlackt  'n  Kalf,* 

Lauke  krichtft  half.* 

Christel  kricht't  Gekröse.* 
20  Liebe  Säer  is  bitter  un  böse.* 

Priester  un  Kostet  heunven  schwarte  Hare. 

Albrechtsclte  seit,  leckt  mi  in'n  Marsche! 

Willm  Gläser  schitfn  groten  Hop, 

Andres  denkt,  i^n  golden  Knop. 
25  Zeitz  is  de  Doarschriewer. 

Hoase  is  de  Wegwieser. 

Hanne  Sär  is  en  Quappenfänger. 

Gensch  met  de  lange  Näese. 

Grie.se  denkt,  he  hett  de  gröttste  Wäese. 
30  Meltzow  hett  sine  Frau  gar  tu  lief 

Goltdammer  is  en  Erztnattendief 

Wusterhuse  frett  jo  Nudelsupp. 

Nante  Strump  is  in  alle  Welt. 

Meserich  is  de  Siegeshelt. 

Die  Nachbarreime  der  Stadt  Bernau  i.  M.,  welche  nach  der 
Angabe  von  Aug.  Wemicke^)  aus  den  1830— 40er  Jahren  stammten 
und  noch  in  den  1850er  Jahren  allgemein  bekannt  waren,  erstreckten 
sich  über  sämtliche  mehr  als  300  Hausbesitzer,  und  lauteten  für 
Haus  Nr.  1—9: 


1  Stämann  Stegemann.  —  8—4  Sp&tere  Fassung  Mölder  (Maller)  met^n 
groten  Huet,  Höwener  (Hübner)  sät,  det  kledt  em  guet.  —  6  Simund  Sigesmund  — 
9  Säer  Seger.  —  10  Älteste  Fassung :  Bickeri  kann  sich  den  Hunger  nich  verwarn. 
—  16  KäeU  Kessel.  —  20  Liebe  Gottlieb.  —  81  Erzmetzendieb,  Spitzname  der 
Müller.    Goltdammer  war  Besitzer  der  Wassermühle. 

1)  Aug.  Wemicke,  Bernauer  Stadtchronik.    Bernau  1894,  S.  608. 


69 

Lindenberg  ist  ein  Schuster, 

Bei  Kiels  ist  alles  duster. 

Thiede  der  macht  Hüte 

Und  i^erkauft  durch  Oute. 

Die  Platen  hat  ein  rußtrig  Haus* 

Und  oben  kuckt  der  Deibel  raus.* 

Mantel  liegt  im  Bett, 

Hönicke  spielt  Klarinetf. 

Die  Ewest  holt  die  Kinder, 

Die  Willen  ist  noch  geschivinder. 

Mit  dem  Bemerken,  dass  diese  Art  Poesie  weit  verbreitet  sei, 
z.  B.  in  Lindow-Ruppin,  Eggersdorf,  Zinntorf,  teilt  Giertz  i)  das  nach- 
folgende  ^yPoetische  Adressbuch  yon  Petershagen  (um  1836)^   mit. 

SchulPn  Luhx  wohnt  an't  Ende.* 

Christ  Lulix  mit  de  lahme  Lende,* 

Jacob  Körper  mifn  runden  Hut,-* 

Wilm  Schulze  sejjt:  Der  is  vor  de  Sonne  jut,*  * 

Wulfens  backen  det  suhre  Brot, 

Madel  schlägt  den  Deibel  dod, 

Breseke  schlack  fn  Kalb,* 

Schneider  krijt  et  halb,* 

Wolf,  der  krijfs  Oekrösche.* 

Schnell  is  bitter  und  böse.* 

Joldmann  fangt  de  Fische, 

Breseke  dragt  se  zu  Dische. 

Jrassmann  schiet  'n  Hase, 

Pohrt  sejjt:  Der  steht  mir  in  Nase. 

Brunner  schrifft  die  Briäve, 

Körper  dragt  se  em  tu  Liäve. 

Engel  isn  Timmermann,* 

Catholy  schleet^de  Latten  an.* 

Auch  in  dem  Gubener  Kreise,  der  bereits  jenseits  der  nieder- 
deutschen Sprachgrenze  liegt,  haben  vielleicht  alle  Dörfer,  jedesfalls 
aber  die  Mehrzahl,   ihre  Nachbarreime.     Als  Probe  die  folgenden^): 

Der  Wächter  bläst  ins  Hörn, 

Der  Schäfet*  treibt  ins  Korn,  * 

Hanisch  lässt  die  Bienen  raus. 

Neumann  sagt:  'wird  gar  nischt  draus. 

Hanke  hat  'nen  weissen  Schimmel,* 

Bohne  reitet  mit  in  Himmel,* 


1)  Alezander  Qiertz,  Bausteine  zu  einer  Geschichte  des  Barnim  T.  1  (Peters- 
hagen 1901—1905),  S.  141. 

*)  Niederlausitzer  Mittheilungen  6  (1898),  S.  126. 


70 

Lücke  der  kocht  Birnenbrei, 

Winter  springt  mit  der  Lederhose  drein. 

Schlack  hat  einen  gelben  Bart  — * 

Gärke  sagt:  's  ist  Teifelsart.* 

Seinper  ist  das  Judenhaus, 

Bei  Herrschafts  fliegen  die  Tauben  aus. 

Aus  einem  Dorfe  der  Grafschatz  Glatz  sind  Nachbarreime 
veröflfentlichti),  deren  erste  so  lauten: 

Der  Axma  dar  schlachts  Kolb,*^ 

Der  Grundma  dar  nimmts  holb* 

Die  Knoppen  fiimmfs  Gekrise,* 

Do  is  der  Herr  Dörner  ne  bise,* 

Die  Bittnem  nimmt  die  Kälberknocha, 

Do  hots  der  Ullrich  Guste  bale  gerocha  etc. 

Der  Aufzeichner  diefer  Reime  merkt  hierzu  an:  ;,Axmana  ist 
genötigt,  ein  verunglücktes  Kalb  zu  schlachten  und  bedeutend  unterm 
Preise  zu  verkaufen.  Dies  nehmen  seine  armen  Nachbarn  wahr,  um 
sich  den  seltenen  Fleischgenuss  billig  zu  verschaffen.  Grundmann, 
ein  armer  arbeitlofer  Schuster  und  Vater  einer  sehr  zahlreichen 
Familie,  nimmt  die  Hälfte;  die  Witwe  Enoppe  das  Gekröse;  die 
Witwe  Bittner  muss  mit  den  Knochen  zufrieden  fein.^  Der  Verfasser 
dieser  Bemerkungen,  die  er  wie  sichere  Tatsachen  ausspricht,  hätte 
nicht  verschweigen  sollen,  dass  er  blosse  durch  seine  Phantafie  ein- 
gegebene Vermutungen  ausspricht.  Dass  im  Allgemeinen  aus  den 
Reimen  gar  nichts  für  die  einzelnen  Personen  gefolgert  werden  darf, 
ergibt  sich  daraus,  dass  sie  vielerorts  wiederkehren. 

Auf  der  Insel  Amrum  hat  Ch.  Johansen^)  folgende  Verse  in 
friesischer  Mundart  aufgezeichnet,  welche  Nachbarreime  in  Form  von 
Umfragereimen  bieten. 

Ik  hed  an  Siar;  Ich  hatte  eine  Wunde, 
Ik  wul,  daft  beedar  iviur.     Ich  woHt,    dass  sie  geheilt  wäre. 

Gung  am  tu  Sam  Geh  um  (die  Ecke)  zu  Sam 

Am  an  Tram;  Um  einen  Bindfaden  (zu  holen); 

Au'r  tu  Gönfji  Hinüber  zu  Göntje 

Am  an  Slöntji;  Um  ein  Läppchen  (zum  Verbände) 

Hen  tu  Tat  Hin  zu  Tat, 

♦        Dat  jiVt  di  knat;  Dass  sie  es  dir  knotet, 

Am  tu  Feedar,  Herum  zu  Fedder, 

Do  as*t  beedar.  Dann  ist's  besser. 

Aus  fünf  Orten  der  Wilstermarsch  sind  von  Handelmann 3) 
Nachbarreime  beigebracht.     Als  Beispiel  solche  von  Osterende: 


>)  Zeitschr.  d.  V.  f.  Volkskunde  9  (1899),  S.  446. 

2)  Jahrbücher  für  die  Landeskunde  der  Herzogthümer  Schleswig  etc.  Bd.  9 
(1867),  126.    3)  Ebd.  S.  123. 


71 

Ik  heff'n  Klütjen  opt  Teller,  Segg  Toms  Meiler. 
Dar  wollt  m  mit  bosseln,  Segg  Hans  Osten. 
Ni  opp  min  Land,  Segg  Jann  Brandt. 
Ni  mank  min  Kohl,  Segg  Klas  Pohl, 
Ni  op  7nin  Fleesch,  Segg  Jörgen  Heesch. 
Ni  mank  min  Garsten,  Segg  Jann  Kastens. 
Ik  bann  Prinz,  Segg  Hünnerk  Rinz 

etc. 

Ferner  einige  von  denen  aus  Oldendorf  (bei  Wüster): 

Klaas  Eggers  wohnt  in'n  liittjen  Eck. 

Ties  Alp  de  gifft  sifi  LikV  keen  Speck, 

Johann  Schröder  Rnndhot. 

Hafts  Siebers  Plattfot. 

Hans  Peers  mit  sin  veer  Witten  Schimmel,^ 

Dar  jagt  Michel  Vollmert  mit  'rop  na*n  Himmel.* 

Hane  Schröder  mit  sin  lütj  Polkamütz. 

Mars  Gripp  de  in  de   Welt  nix  nütz. 

Zwei  Beispiele  aus  Schleswig,  in  welchen  die  beliebte  Einfügung 
eines  ^sagt**  wiederkehrt,  werden  von  dem  Hollingstedter  Pastor 
J.  R.  F.  Augustinyi)  geboten: 

1.  Da  krupt  en  Liis,  Seggt  Hans  Pus. 
Pfoi!     Seggt  Boi. 

Wat  is't  en  Bengel!     Seggt  Johann  Engel. 
De  is  nich  liek!     Seggt  Peter  Siek. 
Wat  is't  en  Held!     Seggt  Kreuzfeld. 
Haun  opt  Genick!     Seggt  Ferrer  Brick. 

2.  Ick  ho  mien  Swien,  Seggt  Severin. 

Dag  (tu  es)  nich  op  mien  Land,  Seggt  Jochim  Brand. 
Dat  is  nich  erlaubt,  Seggt  Hans  Jürn  Haupt. 

Herrn  Karl  Witte  verdanke  ich  die  Mitteilung,  dass  in  gewissen 
Teilen  Ostholsteins  kaum  ein  Dorf  ohne  Nachbarreime  ist,  sowie  die 
nachfolgenden  Reime  aus  Burg  auf  Fehmarn: 

August   Witt  hett  fief  Kinner, 
Lübke  seggt :  sünd  all  fief  Sänner. 
Clausen  is  'n  Avokat, 
Papke  holt  sien  Derti  in  Staat. 
Bonhoff  is  'n   Tütendreiher, 
Hau  is  'w  Schietenkleier. 
Numsen  wackelt  mit  den  Kopp, 
Burr  schleit  mit  'nem  Amboss  dropp. 
Eiberg  backt  de  Kringeln  krumm, 
Lembke  is  förwohr  nich  dumm. 


1)  Achtem  Aben  oder  Plattdütsches  Yälksbok  (Flensburg  1867),  S.  113. 


72 

Eitler  mit  de  scheefe  Been^ 

Thomseti  seggt:  So  toat  hew  ick,  JmI  mi  de  Dävel, 
noch  nich  eentnal  sehn. 

Ganz  besonders  scheinen  die  Nachbarreime,  sagt  Handelmann  i) 
in  Dithmarschen  zu  Hause  zu  sein.  Ausser  aus  Heide  bringt  er 
eine  Probe  aus  Elpersbütteler  Donn  bei  Meldorf: 

Peter  Nagel  greep  'n  Vagel, 
Klos  Suhr  krigfn  inH  Bur. 
.    Do't  noch  )nal!  seggt  Jann  Stahl. 
Do't  man  dnst!  seggt  Klas  Zacliaries. 

In  den  Braunschweig-Lüneburgischen  Landen  hat  R.  Andrea  2) 
nach  Nachbarreimen  geforscht.  Er  fand  sie  in  den  meisten  Dörfern 
des  lüneburgischen  Kreises  Isenhagen  und  bemerkt,  dass  hier  jeder- 
mann die  Yersreihen  hersagen  kann,  zu  denen  man  für  neue  An- 
kömmlinge im  Dorfe  neue  Verse  hinzudichtet,  die  dann  mit  den  alten 
verbunden  im  Dorfe  weiterleben.  Ich  entnehme  Andrees  Aufzeichnungen 
nur  kurze  Proben. 

Aus  Eutzen. 

Hinrk  Lamp  slacht  efi  Swin. 

Krüger  dei  drinkt   Win. 

Hein  slacht  en  Ka(l)f,* 

Nulop  kr  ich  t  et  ha(ljf,* 

Leue  krup  ne  Ltis  in'n  Bart, 

Staus  säe,  se  war  von  sine  Art, 

Aus  Kncsebeck. 
Kaie  mit'n  Sagebock, 
Könke  is  en  Quasselkopp. 
Kroiger  de  wohnt  gans  tippe  Eck. 
Soltetidik  sitt  mit^n  Ars  in  Dreck. 
Grotkass  mifn  Witten  Schimmel^ 
Foirt  Eberhard  damit  na^n  HiynmeL* 

Im  Kreise  Braunschweig  fanden  sich  im  Dorfe  Hötzum 
die  Verse 

Wedler  Iiat  de  Schaperie. 
Gerke  srhitt  en  Sack  vidi  Klie. 
Stoffen   IVastens  wohnt  an  Enne.* 
De  Meinsche  hat  ne  dicke  Lenne.* 
Meine  mit'r  Snufftahacksdose. 
Zacharis  Smiit  mit*r  Swullerhose. 

etc. 


»)  A.  a.  0.  S.  4. 

2)  Zeitschr.  d.  Qes.  f.  Volkskunde  1896  S.  867;  Braunschweigisches  Magazin 
Bd.  3  (1897),  S.  5  f.;  R.  Andree,  Braimschweigische  Volkskunde.  2.  Aufl.  (1901), 
S.  460-462. 


73 

Aus  Eischott  im  Kreise  Helmstedt  sind  die  Verse 
Lehnert  hat  dat  grote  Dar. 
Schulten  schitt  de  Hund  wat  vor. 
Pratje  stacht  en  Kalf,* 
Wieinan  kricht  et  half,* 
Liitje  kricht  de  Hinnerbene  .  .  . 
De  Schaper  kricht  en  Panzen, 
Un  niutfr  uppe  dansen. 

Ja,  sogar  in  die  grösseren  Städte  Braunschweigs  sind  die 
Nachbarreime,  freilich  hier  sich  nur  auf  einzelne  Strassen  beschränkend, 
eingedrungen.  So  gingen  um  1840  Verse  um,  welche  Hausbesitzer 
des  Steinweges  und  der  Wilhelmsstrasse  in  Braunschweig  aufzählten: 

Mattenklos  wohnt  an  Emie* 
Zenker  hat  'ne  scheiwe  Lenne,* 

Wehage  hat  verftdtet  Holt, 

Wichmann  hat  verschimmelt  Gold  . 

etc. 

Aus  Helmstedt  ist  folgende  Versreihe: 

Mester  Timme 

Danst  mit  sine  Fru  im  Himme. 

Da  kam  Rehhein, 

Woll  dat  ok  mal  sein. 

Etsch,  etsch!  sä  Zwetsch. 

Wat  is  dabie?  sä  Miehe. 

Da  kam  Munkel, 

Da  tvard't  dunkel. 

Da  kam  de  Hofrat  Fein, 

Da  konn'n  nist  mehr  sein. 

Aus  Neustrelitz  teilt  Latendorf^)  folgende  Reime  mit. 

Groth  slachffn  Kalf,* 

Krull  kricht* n  half* 

Eggers  kricht  de  Polen, 

Mutter  Henksch  kann  ^er  god  up  lopen. 

Die  hier  gegebenen  Proben  erweisen  die  Verbreitung  der  Nach- 
barreime über  Braunschweig,  das  lüneburgische  Land,  Schleswig- 
Holstein,  beide  Mecklenburg,  die  Mark  Brandenburg  und  Schlesien. 
Die  einzelnen  Reimreihen  sind  an  und  für  sich  bei  ihrer  vollständigen 
Gehaltlosigkeit  völlig  wertlos,  in  der  Zusammenstellung  belegen  und 
erweisen  sie  jedoch  durch  die  Wiederkehr  derselben  Reime  die  be- 
achtenswerte Tatsache,  dass  eine  allein  durch  den  Volksmund  ge- 
tragene Dichtungsform  sich  in  ein  oder  zwei  Jahrzehnten  von  Dorf 
zu  Dorf  über  einen  grossen  Teil  Deutschlands  verbreitet  hat. 

n  Ndd.  Korr.-Bl.  6,  36. 


74 

Über  die  Art  ihrer  Entstehung  liegt  mir  wenigstens  aus  einem 
Dorfe,  aus  Prenden,  eine  bestimmte  Angabe  vor.  Hier  haben  sich, 
angeblich  in  den  1830er  Jahren,  eines  Tages  die  jungen  Burschen 
des  Dorfes  im  Dorfkruge  versammelt  und  den  Wortlaut  der  Nachbar- 
reime ihres  Dorfes  festgestellt  und  später,  wenn  ein  Wechsel  im 
Hausbesitz  eintrat,  in  gleicher  Weise  die  Verse  abgeändert.  Offenbar 
hat  einer  oder  der  andere  jener  Burschen  die  Nachbarreime  eines 
anderen  Dorfes  gekannt  und  eine  Anzahl  davon  in  freiester  und  zum 
Teil  sinnloser  Weise  für  das  eigene  Dorf  verwertet. 

Ich  vermag  nicht  festzustellen,  wo  und  wann^)  die  ältesten 
dieser  Reime  entstanden  sind,  und  nur  Fritz  Reuters  oben  angeführter 
Angabe  danken  wir  die  Kunde,  dass  sie  schon  etwas  vor  1833  in 
Mecklenburg  bekannt  waren. 

In  vielen  Orten  sind  die  alten  Nachbarreime  heute  vergessen 
oder  leben  nur  noch  in  der  Erinnerung  der  älteren  Generationen. 
In  anderen  werden  sie,  wenn  die  Besitzer  der  Häuser  wechseln,  durch 
Ändeiiingen  des  Wortlautes  sozusagen  auf  dem  Laufenden  erhalten. 
Es  kommt  aber  auch  vor,  dass  diese  Dichtungsart  noch  heute  neue 
Sprossen  treibt.  In  Stavenhagen  z.  B.  sind  in  neuester  Zeit  ent- 
standene Nachbar  reime  bekannt.  Eine  Probe  sei  —  mit  von  mir 
geänderten  Namen  —  mitgeteilt: 

Schütze  fährt  Automobil. 

Der  Stadtrichter  tut  nicht  Hei, 

Arendt  ist  ein  kranker  Mann. 

Dr.  Bühler  schmiiizt  seine  Patienten  an. 

So  bietet  Reuters  Vaterstadt  die  —  soweit  nachweisbar  —  ältesten 
und  die  jüngsten  Belege  der  Nachbarreime. 


Zu  den  Memoiren  eines  Fliegenschimmels. 

In  den  ,, Memoiren  eines  alten  Fliegenschimmels*  lässt  Reuter 
den  alten  Gaul  eines  Lumpenfahrers  seine  wechselvollen  Lebens- 
schicksale erzählen.  Unter  der  Obhut  eines  biederen  Wärters  hatte 
er  glückliche  Fohlenjahre  in  einem  mecklenburgischen  hochfeinen 
Marstalle  verlebt  und  war  als  Sprössling  hochadliger  Ahnen  für  die 
glanzvolle  Laufbahn  eines  Rennpferdes  erzogen  worden.  Als  er  dann, 
verseucht  durch  das  bürgerliche  Blut  einer  Bauernstute,  die  ihm  als 


^)  Andree's  Annahme,  dass  die  in  mittelniederdeutscher  Zeit  sehr  beliebten 
Spottreime  aus  Nachbarreimen  bestanden,  ist  durch  Nichts  begründet.  Die  Verse 
in  Botes  Schichtspiel,  auf  welche  er  verweist,  bieten  eine  Aufzählung  von  Namen, 
durchaus  aber  keine  Nachbarreime. 


75 

Amme  gegeben  war,  sich  als  Vollblutpferd  beim  Wettrennen  nicht 
bewährt,  wird  er  an  einen  jüdischen  Bosstäuscher  Mortje  verkauft, 
von  diesem  zugestutzt  und  an  den  reichen  Lembcke  verhandelt,  um 
von  dessen  Tochter  Malchen  geritten  zu  werden.  Erst  durch  eigenen 
Leichtsinn,  dann  durch  widrige  Schicksale  immer  tiefer  sinkend,  endet 
er  schliesslich,  als  er  eben  auf  einer  Auktion  für  3  Taler  12  Groschen 
einem  Bücklingsfahrer  zugeschlagen  war. 

Es  ist  noch  nicht  bemerkt  worden,  dass  es  ein  älteres  Buch 
gibt,  welches  in  seiner  Anlage  einen  augenfälligen  Parallelismus  zu 
den  Memoiren  des  alten  Fliegenschimmels  aufweist.  Die  mir  vor- 
liegende Ausgabe,  welche  sich  im  Besitze  der  Landesbibliothek  in 
Rostock  befindet,  hat  den  Titel  „Lebensbeschreibung  der  Mecklen- 
burgischen Stute  Amante  von  ihr  selbst  erzählt  und  herausgegeben 
von  Valentin  Trichter.  In  zwei  Bänden.  Zweite  verbesserte  Auflage. 
Leipzig  1831."  Der  Verfasser  des  Buches,  welches  1805  in  erster 
Auflage  erschienen  war,  nennt  sich  unter  der  Vorrede  der  zweiten 
Auflage:  „S,  v.  Tenneker,  K.  Sachs.  Major  der  Cavallerie,  Stall- 
meister und  Oberpferdearzt."  Im  Gegensatz  zu  den  Memoiren  des 
Fliegenschimmels,  deren  satirische  Tendenz  sich  gegen  den  mecklen- 
burgischen Adel  richtet,  will  Tenneker  in  seinem  gleichfalls  satirischen 
Buche,  welches  er  einen  komischen  Roman  nennt,  die  zu  seiner  Zeit 
verbreiteten  Missbräuche  und  falschen  Lehren  bezüglich  der  Behandlung 
gesunder  oder  kranker  Pferde  treffen  und  zugleich  für  seine  eigenen, 
aufdringlich  oft  mit  vollem  Titel  zitierten  hippologischen  Schriften 
Reklame  machen. 

Wie  Reuters  Fliegenschimmel  verlebt  Tennekers  Amante  ihre 
ersten  frohen  Fohlenjahre  unter  der  Pflege  eines  biederen  und  gut- 
mütigen Wärters,  verfiel  später,  gleichfalls  wie  jener,  dem  Laster  des 
Kökens,  d.  h.  Krippensetzens,  wurde  von  einem  jüdischen  Rosstäuscher 
angekauft,  von  diesem  zugestutzt  und  dann  als  angebliches  Vollblut 
aus  dem  Malzahnschen  (sie)  Gestüt  einem  fürstlichen  Stallmeister  an- 
gepriesen, der  sie  kauft  und  für  Serenissimus  zum  Leibpferd  bestimmt. 
Als  sie  dann  zugeritten  werden  soll,  wirft  sie  den  Reiter  ab,  —  gerade 
so  wie  Reuters  Fliegenschimmel  seine  Reiterin  Malchen  (Reuter  7, 
372,  Z.  34)  —  gilt  deshalb  für  störrisch  und  wird  schleunigst  für 
ein  Spottgeld  weiter  verkauft.  Zunächst  kommt  sie  als  Wagenpferd 
in  den  Besitz  einer  Dame,  wird,  als  sie  den  Wagen  einen  steilen  Weg 
nicht  hinauf  ziehen  kann  und  ihre  atlasbeschuhete  Besitzerin  durch 
tiefen  Schmutz  den  Weg  zu  Fuss  fortsetzen  muss,  von  dieser  wieder 
verkauft,  geht  dann  schliesslich  von  Hand  zu  Hand,  wird  Soldatenpferd, 
Ackergaul  und  alles  mögliche,  sogar  wie  auch  Reuters  Fliegenschimmel 
Pfandpferd,  um  für  die  Zehrkosten  eines  Besitzers  einem  Wirte  zu 
haften,  und  endet  schliesslich  als  Abdeckerpferd. 


76 


Von  Fritz  Reuters  Vater. 


Das  Landesarchiv  in  Rostock  bietet  viele  auf  den  Bürgermeister 
Reuter  bezügliche,  den  Biographen  seines  Sohnes  bisher  unbekannt 
gebliebene  Schriftstücke.  Ausserdem  ist  in^älteren  mecklenburgischen 
Zeitschriften  noch  manche  Notiz  von  ihm  und  über  ihn  versteckt. 
Die  kurzen  Auszüge,  die  ich  hier  aus  beiden  Quellen  mitteilen  will, 
werden  einige  Unklarheiten  aufhellen  und  zum  besseren  Verständnis 
mancher  Stellen  in  den  Briefen  Fritz  Reuters  an  seinen  Vater  beitragen. 

1.  Vorweg  einiges,  was  die  Erinnerung  einiger  alter  Staven- 
häger,  deren  Jugend  in  die  1820er  und  1830er  Jahre  fiel,  über  den 
alten  Bürgermeister  festgehalten  hat. 

Er  war  stets  auf  neuen  Erwerb  bedacht.  Bedurfte  er  für  seine 
Pläne  eines  neuen  Grundstückes,  so  wusste  er  dem  Besitzer  so  lange 
zuzusetzen,  bis  dieser  in  den  Verkauf  willigte.  Er  hat  dadurch  manche 
Träne  fiiessen  gemacht.  Der  Vater  eines  der  beiden  Herren,  die  mir 
unabhängig  von  einander  so  berichteten,  besass  vor  dem  Tore  ein 
Ackerstück,  welches  der  Bürgermeister  für  seine  Bierkellereien  er- 
werben, der  Besitzer  nicht  veräussern  wollte.  Schliesslich  musste  er 
in  einen  Tausch  mit  einem  benachbarten  Acker  willigen,  dessen  Verkauf 
der  Bürgermeister  von  dem  früheren  Eigentümer  so  zu  sagen  auch 
nur  erzwungen  hatte.  ^Du  wirst  es  noch  erleben,*  sagte  der  Vater 
meines  Gewährsmannes  damals  zu  seinem  Sohne,  j^das  vom  Bürger- 
meister erworbene  Vermögen  kommt  nicht  an  den  dritten  Erben*. 

Anderseits  wird  dem  Vater  Fritz  Reuters  nachgerühmt,  dass  er 
sich  angelegen  sein  liess,  Witwen  und  Waisen  gut  zu  beraten  und  sie 
zu  fördern.  Ausser  drei  Gespannen  von  je  vier  Pferden  besass  er 
einen  Schimmel,  den  er  gelegentlich  als  Deckhengst  verwertete,  auf 
dem  er  Tag  für  Tag  zu  seinen  Äckern  ritt.  Wehe,  wenn  er  auf  der 
Feldflur  den  Knecht  einer  Witwe  nicht  bei  der  Arbeit  oder  gar  fern 
von  den  Pferden  irgend  wo  ruhend  fand.  Geldstrafe  oder  Haft  im 
Stadtgefängnis  war  ihm  sicher. 

Als  sein  Sohn  Fritz  im  Anfange  der  1840er  Jahre  in  Staven- 
hagen  war,  wollte  sein  Vater  seine  Abstinenz  von  Bier  und  ähnlichen 
Getränken  erzwingen.  Das  geringe  Taschengeld,  das  er  ihm  gab, 
nötigte  den  Sohn,  von  Bekannten  Geldbeträge  zu  leihen.  Ausserdem 
war  er  in  manchen  Familien  wie  ein  Kind  vom  Hause,  und  lud  sich 
zum  Frühstück  ein.  Die  mecklenburgische  Gastfreundlichkeit  ermög- 
lichte es  ihm  dann,  nach  Belieben  zu  trinken.  Schliesslich  verfiel 
sein  Vater  darauf,  ihn  in  einem  Zimmer  abzusperren.  Gute  Freunde 
verhalfen  ihm  trotzdem  zu  Bier.  An  Bindfaden  zog  er  die  vollen 
Flaschen  hoch  und  liess  sie  geleert  herab. 

2.  Im  „Freimüthigen  Abendblatt,  Jahrg.  29,  Beilage  zu  No  1472^ 
ist  ein  ^Nekrolog  des  Bürgermeister  Reuter,  f  22.  März  1845,  morgens 
9^2  Ubur^  gedruckt,  welcher  einige  nicht  unwichtige  Einzelheiten  und 


77 

Daten  zu  unserer  Kenntnis  bringt.  „Seine  Matter  Gat.  Maria  geb. 
Fanter  war  die  einzige  Tochter  des  bereits  1749  gestorbenen  Gold- 
schmieds Fanter  in  Parchim.  Er  studierte  3  Jahre  in  Göttingen, 
wobei  er  die  Führung  und  Aufsicht  eines  jungen  Adligen  mit  über- 
nahm. Die  Acturiatsgeschäfte  beim  Stavenhäger  Amtsgerichte  versah 
er  bis  zum  7.  Nov.  1828,  wo  er  sie  wieder  quittierte.  Seine  Brauerei 
trat  er  am  24.  Jan.  1840  seinem  Nefifen  Ernst  ab,  der  den  Betrieb 
derselben  für  seine  Rechnung  besorgt  hatte.  Er  liess  sehr  zahlreiche 
Beiträge  zu  den  Annalen  des  mecklenburgischen  patriotischen  Vereins, 
dessen  ordentliches  Mitglied  er  war,  drucken. 

3.  In  dem  „Stavenhagen  den  19.  Sept.  1821  G.  J.  Keuter^  unter- 
zeichneten Aufsatz  im  Freimüthigen  Abendblatt  ;,Über  Einschränkung 
der  Stoppelhut  auf  den  Stadtfelddrn^  berichtet  der  Verfasser,  dass 
er  auf  einer  Fläche  von  3000  bis  3200  Quadratruten,  welche  mit 
Kümmel  bestellt  gewesen,  bei  weitem  nicht  die  2000  Rtlr  verdient 
habe,  wie  ihm  zugeschrieben  sei.  Er  ernähre  auf  12000  bis  13000 
Quadratruten  gepachteter  Äcker  grösstenteils  mit  ihren  Familien 
zwanzig  Arbeiter  und  Arbeiterinnen  Jahr  aus  Jahr  ein.  Empfohlen 
wird  gartenmässiger  Anbau. 

Ebenda,  Jg.  5  (1823),  Spalte  827  wird  aus  Stavenhagen  be- 
richtet: jyDas  hiesige  Publicum  ist  im  Ganzen  gut  und  ruheliebend,  .  .  . 
jeder  trägt  seine  Lasten  mit  Geduld  und  fügt  sich  grösstenteils  in 
alles,  was  verlangt  wird.^ 

Jg.  (1825)  Sp.  155.  G.  F.  Reuters  Abwehr  des  Vorwurfs,  dass 
er  als  Actuarius  des  Amtsgerichts  in  einem  bestimmten  Fall  nicht 
ordnungsmässig  verfahren  sei. 

4.  Aus  den:  Acta  den  Antrag  des  Herrn  Bürgermeisters  Reuter  zu 
Stavenhagen  auf  eine  Anleihe  von  5000  Tlr  zur  Unterstützung  des 
Ackerbaus  und  der  Bearbeitung  des  Krapps  betreffend.  (Beigefügt 
ist  im  Manuskript  der  Aufsatz  ^Über  den  Anbau  des  Krapps, i)  vgl. 
meinen  Nachweis  Reuters  Werke  Bd.  1,  S.  384.) 

In  einem  Gesuche  vom  12.  Oktober  1824  an  den  Engern  Aus- 
schuss  der  Grossherzogtümer  Mecklenburg  sagt  er:  Zu  einer  Zeit  wo 
die  Preise  des  Korns  nun  schon  seit  Jahren  so  äusserst  geringe  seien, 
müsse  der  Anbau  ungewöhnlicher  Feldgewächse,  die  in  höherem  Preise 
stehen  als  das  Korn,  für  jeden  Patrioten  von  hohem  Interesse  sein. 
Er  beantragt  der  bevorstehenden  Landtagsversammlung  sein  Gesuch 
zu  empfehlen,  ihm  5000  Taler  zu  leihen  und  zwar  10  Jahre  kün- 
digungslos, dann  will  er  jedes  Jahr  1000  Tlr  abzahlen.  Sicherheit 
für  die  Schuld  böten  z.  t.  seine  Grundstücke. 

Das  Gesuch  wurde  dem  Landtage  am  27.  Oktober  1824  vorgelegt. 

Landtagsprotokoll  vom  11.  Nov.  1824.  Das  Gesuch  wird  nach 
dem  empfehlenden  Dictamen  des  Bürgermeisters  Schlüter  aus  Crivitz 
bewilligt,   der  Engere  Ausschuss  mit  der  Auszahlung   ermächtigt  und 


1)  Auszüge  jetzt  bei  A.  Römer,  Heiteres  und  Weiteres  von  Fritz  Reuter  S.  142  ff. 


78 

der  Zinsfuss  für  die  ersten  5  Jahre  auf  2  ^/o,  für  die  letzten  5  Jahre 
auf  4  o/o  festgesetzt. 

Am  22.  Nov.  1824  dankt  der  Bürgermeister  R.  den  zum  Land- 
tage versammelten  Herren  für  die  vielleicht  beispiellose  Bereitwilligkeit 
der  Gewährung  seines  Gesuches  und  fügt  hinzu  ;,  erlaube  ich  es  mir 
in  Bezug  auf  das  jüngst  von  Herrn  Mantius  im  Abendblatt  über  meine 
Krapp -Pflanzen  ausgesprochene  Urtheil  hier  noch  sub  Nris  1  2  &  3 
einige  Wollproben  zu  überreichen,  die  mit  von  mir  gebautem  Krapp 
gefärbt  sind.  Nr  1  ist  mit  Pflanzen,  die  ich  aus  Bützow  erhalten, 
und  3  Jahr  alt  waren;  Nr  2  mit  Pflanzen  aus  Königslutter,  die  nur 
erst  2  Jahr  von  mir  cultivirt  waren,  und  Nr.  3  ist  mit  blossem 
Abfall  gefärbt.^ 

Am  8.  Jan.  1825  bescheinigen  der  Stadtsprecher  Cummerow 
und  die  Viertelsleute,  dass  der  Bürgermeister  auf  dem  Ratshofe  einen 
Stall  in  Form  eines  zweistöckigen  Hauses  48  Fuss  lang,  26V2  Fuss 
tief  sowie  ein  Materialienhaus  und  Scheune  117  Fuss  lang,  40  Fuss 
tief  gebaut  habe,  beide  Gebäude  hätten  nicht  unter  1700  Tlr  Gold 
gekostet.  Ferner  besitze  er  7  Stück  Äcker,  zusammen  2472  Quadrat- 
ruten im  Werte  von  2675  Tlr  Gold,  worauf  im  Stadtpfandbuche  900  Tlr 
eingetragen  seien. 

Das  bewilligte  Darlehen  wurde  dem  Bürgermeister  aus  dem  All- 
gemeinen Landkasten  in  Raten  gezahlt:  1000  Tlr  zu  Antonii- Termin 
1825;    2000  Tlr  zu  Antonii -Termin  1826;   2000  Tlr  Trinitatis  1826. 

Am  6.  Jan.  1826  beglaubigt  Senator  August  Friedr.  Herse 
notarius  publicus  juratus  et  immatriculatus  eine  Erklärung  des 
Schneidermeisters  Gramzow  betr.  sein  dem  Bürgermeister  Reuter  für 
2265  Tlr  verkauftes  Haus  mit  Zubehör,  woraus  er  unter  dem  19. 
April  1825  abschläglich  200  Th.  Gold  und  6.  Jan.  1826  weitere 
600  Th.  Kaufgeld  erhalten  hat. 

Am  30.  Sept.  1830  gibt  der  Bürgermeister  an,  dass  er  in 
diesem  Jahre  1800  QR  mit  Krapp,  1500  QR  mit  Karden,  400  QR 
mit  Waid,  1525  QR  mit  Kümmel  zum  Einschnitt  pro  1831  bestellt  habe. 

Von  seiner  früheren  Ernte  hat  er  für  110  Scheffel  Kümmel  auf 
800  QR  330  Tlr,  für  Waid  auf  600  QR  180  Tlr  eingenommen  und 
noch  für  250  Tlr  vorrätig.  Für  Weberkarde,  die  bis  auf  nur  200  QR 
durch  Frost  vernichtet  war,  würden  c.  160  Tlr  einkommen,  für 
3  Sommer  bestandenen  Krapp  auf  ungefähr  3000  QR  mindestens 
1400  Tlr. 

Schreiben  vom  1.  Oktober  1830  an  den  Engeren  Ausschuss. 
„Mein  Unternehmen:  den  Krappbau  in  Mecklenburg  einzuführen  und 
zu  verbreiten,  hat  für  die  Hauptsache,  nämlich  für  die  Einführung 
des  Anbaus  im  Allgemeinen  und  im  Grossen,  den  erwünschten  Erfolg 
nicht  gehabt. 

1.  Weil  der  Anbau  an  sich  schwierig  und  mehr  für  kleine, 
industriöse,  mit  hinreichenden  Geldmitteln  versehene,  in  hiesiger 
Gegend  aber  nicht  vorhandene  Wirte  passt,  als  für  grössere; 

2.  weil    während     meiner     Unternehmung    die    durch    vorauf- 


79 

gegangene  sehr  ergiebige  Ernten  schon  gedrückten  Preise  des  Krapps 
ungewöhnlich  tief  heruntergingen,  dann  aber  die  diesen  Culturen  sehr 
nachteiligen  nassen  Jahre  1828  1829  und  1830  folgten  .  .  . 

3.  weil  in  Ermangelung  grösserer  (gröbere  Tuche  herstellenden) 
Fabriken  für  hiesige  Gegend  der  Absatz  der  ordinairen  Krapp  Sorten 
sehr  schwierig  .  .^ 

Dagegen,  wird  weiter  ausgeführt,  sei  ihm  vollständig  gelungen 
den  Kümmelbau  einzuführen,  so  dass  nahezu  der  ganze  Bedarf  Mecklen- 
burgs an  Kümmel  bereits  im  Lande  selbst  erzeugt  werde. 

Am  12.  Jan.  1831  wird  dem  Bürgermeister  R.  die  beantragte 
Zinsreduktion  nicht  bewilligt,  ständischerseits  aber  genehmigt,  dass 
ihm  aus  dem  Fonds'  zur  Unterstützung  städtischer  Industrie  auf 
10  Jahre  jährlich  50  Taler  ausgezahlt  werden. 

In  einem  Schreiben  v.  J.  1835  erwähnt  der  Bürgermeister  R. 
dass  preussische  Fabrikanten  aus  Berlin,  Alt-Brandenburg  und  Frank- 
furt persönlich  zu  ihm  gekommen  seien,  um  von  ihm  zu  kaufen. 

Am  11.  Dez.  1838  bittet  der  Bürgermeister  um  Fristbewilligung 
für  die  Abzahlung  seiner  Schuld,  indem  er  über  Missernten  i.  d.  J. 
1837  und  1838  klagt  und  angibt,  dass  er  1835  begonnen  habe,  eine 
Brauerei  einzurichten. 

Januar  1842  hat  der  Bürgermeister  Reuter  den  Rest  seiner 
Schuld  an  den  Landeskasten  durch  den  Senator  J.  C.  Weber  in 
Rostock  mit  500  Tlr  bezahlt. 

5.  Beschwerde  des  Hauptmanns  Carl  Ludwig  Adolf  von  Winterfeld 
aus  Neubrandenburg  d.  d.  28.  April  1818. 

Er  sei  am  8.  M&rz  1818  nach  Stayenhagen  gekommen,  habe  Logis  im  Gast- 
hofe der  Witwe  Toll  genommen  und  sei  zwischen  6  bis  7  Uhr  Abends  hier  in  ein 
Zimmer  getreten,  in  welchem  eine  kleine  Anzahl  Personen  zum  Spiel  vereinigt 
waren.  Gleichzeitig  seien  von  der  entgegengesetzten  Seite  plötzlich  zwei  Gensdarmen 
eingetreten,  hätten  va  banque  gerufen,  sich  des  auf  dem  Tische  liegenden  Geldes 
bemächtigt  und  sich  mit  ihm  entfernt.  Er  sei  dann,  obgleich  er  am  Spiel  gamicht 
teilgenommen,  verhaftet. 

Seine  Beschwerde  gegen  den  Bürgermeister  hatte  zur  Folge,  dass  einer  der 
Gensdarmen  straf  versetzt  wurde. 

Vergl.  hierzu  Reuters  Werke  Bd.  4,  147  Z.  21  flf. 

6.  Aus  einer  bei  dem  Herzog  eingereichten  Beschwerdeschrift 
des  M.  M.  de  dato  Stavenhagen  24.  Oct.  1811. 

„Im  vorigen  Jahre  coursirten  in  der  hiesigen  Stadt  einige  falsche  Schwedische 
und  Westphälische  4  Schillingsstücke  ...  Als  nun  am  5.  Dec.  v.  J.  mit  der  Ham- 
burger Post  ein  an  mich  adressirter  Brief  nebst  einem  Beutel  mit  270  Rthlr  an- 
gekommen war,  und  ich  durch  meinen  Boten  im  Posthause  hatte  anfragen  lassen, 
ob  etwa  Briefe  an  mich  eingegangen  wären,  so  versagte  der  Postmeister  Toll  — 
der  zugleich  eine  Schenke  hält,  und  den  Bürgermeister  Reuter  unter  seine  fleissigsten 
Gäste  zählt  —  mir  die  Herausgabe  des  gedachten  Briefes  und  Beutels. 

Nach  Ablauf  einer  kurzen  Zeit  Hess  er  mir  aber  sagen,  dass  ich  zu  ihm 
kommen  möchte.  Auf  diese  Anzeige  verfügte  ich  mich  nach  dem  Gasthause,  und 
fand  in  dem  Gastzimmer  den  Wirth  in  der  Person  dieses  Postmeisters,  den  Bürger- 
meister Reuter,  den  Rathmann  Hersen,  den  Chirurgus  Metz  und  den  Pferdehändler 
Toll,  einen  Bruder  des  Postmeisters,  am  Tische  sitzend  vor. 

Kaum  war  ich  in  diese  Gesellschaft  getreten,  so  legte  der  Postmeister  Toll 
den  Beutel  mit  270  Tlr  auf  den  Tisch,  und  verlangte,  dass  ich  selbigen  öfnen  sollte. 


80 

Da  aber  das  Siegel  schon  von  dem  Beatel  abgenommeD,  und  er  nur  bloss  mit 
einem  Bande  zugebunden  war:  so  sagte  ich,  dass  ich  zuerst  den  Brief  eröfhen 
müsste,  zumal  mir  eine  Sendung  von  270  Rthl.  unerwartet  käme. 

Der  Postmeister  wollte  mir  aber  den  Brief  nicht  herausgeben,  und  so  ent- 
schloss  ich  mich  endlich,  den  Band  des  Beutels  aufzuschneiden.  Der  Beutel  wurde 
jetzt  geleert,  und  ich  bemerkte  zu  meinem  grössten  Erstaunen,  dass  in  den  darin 
liegenden  und  eröffneten  Tuten  falsches  Geld  vorhanden  war. 

Hierauf  wurde  nun  der  Brief  von  dem  Postmeister  Toll  mit  dem  Geschrei 
„da  haben  wir,  was  wir  haben  wollen**  eröfhet,  und  vorgelesen.  Dieser  hebräisch 
geschriebene  Brief  lautete  also : 

Hamburg.  Ich  übersende  Ihnen  anbei  270  Rtl.  In  Ihrer  Gegend  wird 
ein  Mann  kommen,  der  dort  rauhen  Toback  kaufen  wird;  an  diesen  Mann 
werden  Sie  die  beygehenden  270  Rtlr  abgeben,    ich  bin  ergebenst     Saniter. 

Als  ich  mich  nun  nach  Vorlesung  des  Briefes  erl^lärt  hatte,  dass  ich  den 
Saniter  überall  nicht  kenne,  und  ich  also  ebenso  wenig  wissen  könnte,  wo  der  Brief 
mit  dem  Geldbeutel  herstamme^  als,  da  der  Beutel  mir  nicht  versiegelt  übergeben 
sey,  wer  das  falsche  Geld  hineingel^  haben  möge :  so  wollte  ich  nach  Hause  gehen. 
Allein  nun  stand  der  Bürgermeister  Reuter  auf,  kündigte  mir  Arrest  an,  und  befahl 
mir,  mit  ihm  in  dieser  Absicht  nach  dem  Rathause  zu  gehen.** 

M.  berichtet  dann,  dass  er  auf  dem  Rathause  vom  6. — 13.  December  im 
Arrest  gesessen  habe,  ungeachtet  er  sein  Vermögen  als  Caution  angeboten  hatte. 
Während  des  Arrestes  habe  der  Bürgermeister  eine  Haussuchung  bei  ihm  vor- 
genommen, habe  seine  Handlungsbücher  und  Papiere  versiegelt  und  fort  genommen, 
auch  das  Haus  seines  Bruders,  des  Schutzjnden  Levin  M.  visitiert.  Nachdem  M. 
mehrmals  von  dem  Bürgermeister  verhört  war,  entliess  ihn  dieser. 

Brief  des  Bürgermeisters  Reuter  v.  J.  1832  an  die  Frau  des 
Beschwerdeführers,  der  wegen  Erblindung  in  eine  Heilanstalt 
gebracht  war. 

Beste  Madame  M.  Ihr  lieber  Mann  ist,  wie  ich  zu  meinem  Leidwesen  höre, 
immer  noch  nicht  völlig  wiederhergestellt.  Theilnehmend  erinnern  sich  gewiss 
mehrere,  ja  viele  hiesige  Einwohner  desselben  und  seines  unverschuldeten  Mis- 
geschicks.  Dies  ist  audi  aufrichtig  bei  mir  und  den  Meinigen  der  FiJl,  und  wünsche 
ich  nichts  mehr  als  Ihnen  und  den  Ihrigen  dienen  zu  können.  Mir  ward  im  Ganzen, 
aller  sehr  beträchtlichen  Unfälle  ungeachtet,  ein  gut^  Jahr,  wohin  ich  besonders 
auch  Gesundheit  rechne,  zu  Theil.  Erlauben  Sie,  dass  ich  Ihnen  hiemeben  einen 
Scheifel  Waizen  übersende  und  nehmen  Sie  denselben  gütigst  und  freundlich  von 
mir  an,  mit  dem  Wunsche,  und  mit  dem  Vorsatze,  dass  ich  Ihnen  in  der  Folge, 
so  wie  den  Ihrigen  bessere  Beweise  meiner  aufrichtigen  Theilnahme  geben  könne, 
übrigens  sollte  ich  meinen,  dass  Sie  durch  die  vortheilhafte  Lage  Ihrer  Häuser 
immer  mit  einigem  Erfolg  das  frühere  Geschäft  Ihres  lieben  Mannes,  nämlich  den 
Materialhandel  fortsetzen  könnten,  wenn  nur  ein  geregelter  Gang  des  Geschäfts 
und  Ordnung  und  Accuratesse  dabei  beobachtet  würde.  Vielleicht  passt  sich  eins 
von  Ihren  Kindern  zur  Besorgung  desselben.  Schuldigst  werde  ich  dazu  bestens 
beitragen,  namentlich  durch  Empfehlung  zum  Credit,  sobald  Sie  selbst  solches 
wünschen. 

Mit  aufrichtiger  Theilnahme  bin  ich  Ihr  ganz  ergebenster     G.  J.  Reuter. 

BERLIN.  V/.  Seelmann. 


81 


Niederdentscbe  Gedicbte  ans  den  Hannoverscb- 
Brannscbieigscben  Landen  Yon  1727—1750. 


Hochzeit  Forck  /  Thor  Brügge.    Hannover  1727. 

Ein  trulig  un  grülig  Gespräcke  Mit  vermengten  un  angehengten 
Glück-Wunsche,  Twischen  Vadder  Fritz  un  Vedder  LüelflF,  Tweien 
vertrueten  Buerknechten  van  Mfikkershusen,  Dat  bie  Der  Forcken- 
un  Thor  Bruggischen  Hochtiet  Dei  im  Jahr  Eindusend  Sevenhun- 
nert  un  Seven  un  Twintig,  den  Ses  un  Twintigsten  Februarius  Vullen- 
togen  word,  Von  düssen  Hueslüen  is  geholen  woren,  Un  taum  Drucke 
brecht,  Van  einen  dei  dütmahl  geren  wolle  Dei  Thor  Bruggische 
Familie  Lustig  Macken. 

Lftelff. 
Wo  Fritze  wo  henut?  du  bist  verwegen  glatt, 
Man  sAht  woU,  dat  du  hflt  noch  denckest  na  der  Stadt: 
Doch  ne!  eck  l^ve  bohl,  deck  hat  van  Frien  drömmet, 
Dat  da  dei  Haare  hast  sau  schlicht  an  gladde  kemmet, 
Dien  gantze  Haut  is  blanck,  dei  Jack  is  nagelnied, 
Ja  ja,  da  hast  deck  hAt  recht  nieper  atheflieht. 
Fritze.     Ne  ne,  bie  Lieve  nich  et  sind  gantz  anjer  Saaken, 

Vor  meck  denck  eck  noch  nich  apt  reine  Beddelaken, 
Eck  hebbe  Tiet  genaag.     Doch  aver  weistn  wat? 
Herr  Forck  is  Br6ddigam,  darum  bin  eck  saa  glat. 
Dei  gue  leive  Mann,  dehm  maat  eck  GlAkke  seggen 
Sau  veel,  as  in  der  Welt  dei  Heaner  Eier  leggen, 
San  veel  in  Sommer  man  Kirschen  an  Flamen  hat 
Vor  Forckens  sieuer  D6hr  tau  koop  injer  Stadt. 
Dei  Br5gam  kielet  seck  vor  Freuden  Kopp  an  Bfiggen, 
De  Janfer  dei  hei  krigt  dei  nennet  seck  Thor  Brüggen; 
L  fiel  ff.     Ja  Fritz  dat  hat  seck  woll,  dat  is  man  kftdderie, 
Eck  hebbe  veele  h6rt  van  dflsser  Frierie. 
Eck  woll  dem  Br5ddigam  dat  Harten-Kind  woll  gfinnen. 
Et  is  fromm,  klaack,  geschickt,  und  weit  seck  sch5n  tan  finnen 
Bie  allen  6hren  Dann.     Un  ock  dei  Br6ddigam 
Is  trfte  schlecht  an  recht,  van  ohien  dfttschen  Stamm; 
Et  w6r  ein  glücklich  Paar.     Doch  kan  eck  deck  nich  16ven, 
Eck  seih  den  vam  Pastor  sei  erst  tanhope  geven. 
Dei  Tiet  verdflnckt  meck  fast,  et  hat  tau  lange  wahrt 
Dat  man  gek6ddert  hat,  sei  wöhren  bohle  paart, 
.Alleen  da  noch  tanr  Tiet  nicks  is  darate  woren, 
Sau  werd  sei  beider  Deil  woll  kramen  anjer  Oren. 
Fritze.     Dat  drepstu!  meinestu?  da  bebbest  alltiet  recht? 
0  ne  da  irrest  wiet  mien  leive  Lannes-Knecht. 

Ni«d«rdeiitioh«B  Jftbrbaoh  XXXVI.  6 


82 

Wat  lang  wahrt  dat  ward  gut,  an  hastn  Lnst  tau  wedden? 
Man  werd  den  Beiden  hAt  as  Brut  nn  Br5gam  bedden. 

Lftelff.     Na  na  lat  et  den  sien;  eck  kenn  sei  Beide  woU, 
Gab  tan  eck  gäbe  mit,  wie  wilt  Accis  an  Toll 
Van  aser  H5fifligkeit,  den  jangen  Lüden  bringen, 
Sfle  dort  is  schon  dat  Haes.     Da  werd  dei  Feddeln  klingen. 
H6br  wo  dei  Dnlcian  as  alle  Veiten  samt, 
Un  wo  dei  Bass- Viani  as  dasend  Dflvel  bramt 
Lop  wat  da  lopen  kanst,  gab  taa  wie  d6r£ft  nich  tenwen, 
Eck  frage  hftte  nicks  na  Maas  na  Brie  an  Beawen, 
Gab  tan  et  is  gewiss  nich  teawens  Tiet, 
SAe  eis  wo  hebbet  seck  dei  Maikens  athefliebt. 
Hier!  Deeren  mackt  eis  np,  wie  mackt  sftss  wat  taa  flicken 
Wie  brecket  sftss  gewiss  dei  D6hr  in  dasend  Stücken, 
Denckt  dat  wie  Baren  sind,  mackt  fort  an  lat  flscb  in, 
Wenn  ji  nich  wilt  gestott  an  ook  geschallen  sien. 

Fritze.     SAe  Lflelff,  sAe  eis  de  Brat;  wat  is  Sei  schean  staffeiret, 
SAe  wo  dei  Br^ddigam  seck  saa  verleivet  teiret. 

LA  elf  f.    Eck  seih  sei  Beide  an.     Wo  schaffsta  as  ein  Beer, 
Fohrt  Fritze  bAcke  deck  an  k5hre  Tor  meck  beer: 

Fritze.    Erst  eine  gaen  Dag  maat  eck  j6ck  Bälden  seggen. 

Denn  einen  trnen  Wnnscb  voor  Jue  Scheenen  leggen. 
Herr  Forck  as  Br&ddigam  J^ck  wAnsch  eck  Ehr  an  GlAck, 
Dat  alle  Morgen  stets  dei  Seegen  klnmpen  dick 
In  Jaen  Handel  fall.    Blievt  lange  Tiet  in  Leven, 
Der  Wollfahrt  Steiyerwarck  maat  nimmer  bie  Ja  beven. 
Et  starve  JAck  kein  Hand,  yeel  weinger  Perd  nn  Kaa, 
Dat  raap  eck  wAnschend  J&ck  mit^)  vnllen  Halse  tau: 

LA  elf  f.     Saa  h5rt  ock  Janfer  Brat  wat  LAlff  at  Harten  Granne 
JAck  hAte  wAnschen  will,  an  wat  hei  mit  dem  Manne 
Voor  dAtsche  Woore  spreckt.    Levt  Levenslang  vergnengt, 
Un  prenyet  saa  veel  Last,  saa  yeel  man  Fooren*)  plengt; 
Ji  mAtet  noch  bi  Asch  np  dasser  rannen  Eren, 
Wo  sei  jo  rand  schall  sien,  mit  Heil  erfAUet  weren. 

Fritze.     Nn  holt,  lath  meck  noch  eis  (LAelff)  still  et  is  noch  nich  al. 
Fritz  an  LAelff  taaglieck. 
Eck  wAnsch  Herr  BrAgam  JAck,  an  JAck  ock  Janfer  Brat 
Dat  Ji  gantz  sente  mAgt  taahope  schlapen,  wacken, 
Un  Kind  an  Einnes-Kind,  JAck  dasend  Frende  macken. 


Be^fissnngsgedicht  f&r  Georg  I.    1727. 

Afs  uht  den  Engeischen  Reveer 

Affreise  use  leeve  Heer 

UF  harte  Leeve  Lanjes  Vaer 

Den  wy  nich  sehn  heeft  in  twee  jaer, 

De  AUerdörchlüchtigste  Könje  un  Forst, 

Nah  den  äsch  sau  lange  all  hartlick  het  dörst, 

Heer  Könje  Georg  meen  ick,  van  Grohte-Britannjen, 


*)  Druck:  mie.    *)  Furchen. 


83 


Van  Franckrick,  van  Irland  un  anneren  Lanjen 
BescMtzer  des  Glovens,  ook  Hartog  daerby, 
Tho  Bronswick  un  LÄn'borg,  dat  segge  ick  fry, 
Des  Rikes  Scbatz-Mester,  Chürfürst  van  Haüover 
De  übt  de  Stadt  Landen  quam  tbo  üscb  berover, 

Den  will  ick  van  Harten 

Mit  Leeve  un  Schmarten 

Thom  Wilkohm  hier  singen, 

Eeen  Opper  ook  bringen, 

Ick  will  5hn  hier  gr&ten, 

Oock  fallen  tho  F6ten,i) 

In  Demoht  mick  bücken, 

Sin  Loff  schall  hier  klingen, 

Een  jeder  help  Singen: 
De  Kßige,  de  level 

De  Höchste  5hm  geve 

Veel  Qlflck  an  veel  Seegen 

üp  all  sienen  Wegen. 
Gott  maeck  6hm  in  Oller  fin  munter  un  starck. 
He  seegen  Sin'n  Scepter,  Sin*  Krohne  an  Warck, 
Gott  laet  in  Gnaden  6hn  oock  mahl  an  mick  eys  dencken, 
Van  Sinen  bogen  Thron  up  mick  Sin*  Gnade  lencken, 
Heer  Kö^je,  sy  gn&dig,  sfth  an  miene  Noht, 
Un  gif  mick  übt  Gnaden  doch  eenen  Knust  Brod. 
So  wiFck  mit  Mund  un  Hart  Dick  all  myn  Dage  priesen, 
Ick  will  mit  Wyff  un  Kind  Dick  Loff  un  Danck  bewiesen, 
So  lang  ick  up  de  Welt  Hoffschl&ger,  beten  kau, 
Verschmad*  dftt  Opper  nich,  nimmst  doch  in  Gnaden  an. 
Grotmächtigster  Georg!  den  Sfid  un  Nord  verehret, 
Un  den  oock  Ost  un  West  gebflckt  tho  F6ten  f511t; 
Verl5fe,  dat  een  Knecht  tho  Dinen  Thron  sick  kehret, 
Un  Dines  Purpurs-Sohm,  0  grote  Wunder-Held! 
Mit  deepgebögten  Knee  mag  unnerdahnig  gr6ten, 
Un  leggen  Seel  un  Hart  darby  tho  Dinen  F5ten. 
Wy  beten  Dick  mit  recht  de  Krohne  Dines  Standes, 
Den  fisch  de  leeve  Gott  het  upper  Erden  bracht. 
Da  Schönheit  Dines  Stamms,  un  Vader  Dines  Landes, 
Den  Ehr  un  Bedelkeit  übt  beyden  Ogen  lacht; 
Wy,  Dine  Kinner,  wilt  Dick  hier  een  Opper  wyhen. 
Nimmst  doch  in  Gnaden  an,  un  h5re  use  schryen. 
tisch  will  nah  dflstrer  Nacht  de  Sünne  wedder  schienen. 
Et  geit  een  Freuden-Steem  in  usen  Lanne  up, 
Wiel  use  K5nje  kftmmt,  thau  allen  leeven  Sienen, 
DrAm  kftmmt  oock  Rick  un  Arm  thanhoep  mit  vullen  Hup; 
Et  freuet  sick  mit  mick  een  jeder  Unnerdahn 
Un  segd:  De  K5nje  kflmmt,  un  nimmt  Sick  user  an. 


>)  Hierunter  am' Ende  der  Seite  sind  die  Worte  gedruckt:  „Dftt  ilTe  drücket  in 
den  Jahr  do  use  K/^nje  by  &sch  war.  1727.*'  Handschriftlich  ist  am  Rande  an- 
gemerkt: „NB.  Dieses  Carmen  ist  zwar  auff  die  Heranskunfft  des  Königs  gemacht, 
aber  ihre  Königl.  Majestät  starb  auff  der  Reise  1727  22  Juni  in  OsnabrücS:.*' 

6* 


84 


Och!  Och!  wat  heif  wy  ofiFt  nah  Dick  y5r  Süffzer  schicket, 

Wenn't  heht:  De  Kdiye  kftmmt  düt  Jahr  noch  nich  herut; 

Wo  heff*  wy  offt  van  feern  v5r  Dinen  Thron  fisch  h&cketi 

Denn  fisch  was  hang  dat  Da  noch  länger  hievest  nht. 

Nn  sfin  wy  hartlick  froh,  een  jeder  r5pt  un  segd: 

Vivat  Georgias!     Dn  kfimmst  fisch  even  recht. 

V5r  körten  k5hrd*  man  hier  van  nicks,  as  Eriegeryen, 

Een  jeder  was  all  hang,  een  jeder  wafs  verveert, 

Wy  lepen  nah  de  Kerck,  wy  sfingen,  repen,  schryen, 

Bet  fisch  de  leeve  Gott  in  Gnaden  het  erhfirt, 

Un  het  fisch  na  d6rch  dick  Goht,  Blot  an  ase  Leven 

ün  all  dat,  wat  wy  hefft,  aht  Gnaden  wedder  geven. 

Ja,  leeve  Lannes-Vaer!  dfirch  Dick  het  fisch  Gott  geven 

Den  leeven  Fre'n,  darin  wy  na  ganfs  secker  sfind, 

Gott  late  Dick  davfir  noch  lange  Jahre  leven, 

Dat  bidd'  wy  all  van  Gott,  wy,  Vaer,  M5hm  an  Kind. 

Da  grote  E6i^e  hest  de  ganfse  Welt  dat  Leven 

DSrch  eenen  Freens-Band  ap't  nie  wedder  geven. 

Hannaaver,  kämm  herhy,  ick  meen  nah  Heerenhasen, 

Loop  tho,  an  spo'  dy  bald,  mit  dinen  ganfsen  Schwärm, 

Sfih  eys,  wo  hfite  hier  de  Water-Efinste  brasen, 

Boop  Yivat  an  Hasey!  an  maeck  man  d6get  Lärm, 

Boop  ock:  God  bless  Eing  Georg!  and  the  Bojal  Familie! 

Boop  schrey  an  bölck  man  braff,  an  schwieg  nich  lange  stille. 

Ifst  aht  fang  wedder  an,  dat  Hasey  an  tho  singen, 

Stimm  noch  teyndasend  mahl  Godd  bless  Eing  George  an, 

Un  Iaht  een  Yivat  man  bald  nah  den  annem  klingen, 

Boop  dat  man  dick  ganfs  Inh  vfir  annem  marcken  kan. 

Dat  ganfse  Land  kr6jfihlt:  Gott  Iaht  den  Efinje  leven, 

De  Höchste  w611  6hn  oock  veel  Glfick  an  Seegen  geven. 


Hochzeit  Lfldemanii  /  Plohre.    1727. 

As  Zickertarjes  Ludemann  dei  jiingste  Junfer  Plohren 
Tau  siener  Brüht  vor  langer  Tied  seck  hadde  uhterkohren; 
ün  Hei  darup  dörch  Presters-Hand,  Sei  seck  woll  gefen  laten, 
Do  Woll  en  true  hartens  Frilnd  dei  Driestigkeit  hier  faten, 
wat  Hanss  un  Caurd  twey  Buhren  hefft  vertruht  tausamen  köhret, 
un  Hei  van  Wohr  tau  Wohre  h&tt  uht  Öhren  Munne  höret, 
den  Brögam  un  der  Junfer-Bruht  tau  Ehren  tau  verteilen; 
hei  Werd  seck  averst  dihtmahl  nich  mit  sienen  Nahmen  nennen. 
Gedrückt  tau  Rumpelskerken  achter  Harborg.     1727. 

C,     Willkohmen  Nahher  Hanss  wo  kamsta  her  in  dfistem? 
Da  s5st  jo  dallje  fisch  woll  halle  ganss  verhiestern; 
Eck  helfe  hfite  Inhrt  nah  deck  mit  grohten  Schmarten, 
Dat  eck  deck  hier  na  seh^  dat  freaet  meck  van  Harten, 
Eck  hidde  sette  deck  en  hetten  hy  meck  nedder, 
Wy  hefft  fipsteh  gottlof  dat  sch6ne  warme  Wedder. 
Na  dfirf  wy  woll  nich  mehr  fisch  achtern  Ofen  strecken 
Un  m5tet  mit  der  Plaug  na  hall  tan  Felle  trecken ; 


85 

Dat  Lobf  breckt  alhernht  5t  will  na  Sommer  weren, 
Dei  Enckack  let  seck  ohk  in  nsen  Holt  al  h5ren; 
Dei  Schwälken  fleigt  herum,  dei  y6gel8  quinkeleiret, 
Dei  Poggen  quarckt  ass  wenn  dei  Kanters  figereiret 

/f.     Canrd  prahle  nich  tan  vehl  wy  sind  noch  in  Apprille, 

Dei  Kncknck  schwigt  tan  wihln  woUn  tiedlang  wedder  stille; 
Bevohr  dei  Wittje-Dohrn  nich  pleget  nht  tan  breken, 
San  kan  man  jo  noch  nich  den  Sommer  seck  verspreken; 
Dem  sy  nn  ass  5hm  sy  man  mant  dat  beste  hopen, 
Dei  Schweet  iss  hflte  meck  nich  yan  den  Koppe  lopen, 
Eck  kohme  yan  der  Stadt  nn  heffe  dar  bethalet 
Dat  Liehn  dat  yorren  Jahr  eck  hef  tan  borge  hahlet: 
Meck  Seiten  dag  yor  dag  dei  Pänners  npper  Haken 
Canrd !  wann  eck  deck  dat  Geld,  s511  nppen  Fingern  räken 
Wat  dflsse  Kerels  meck  hefft  nht  den  Hnse  drageu; 
San  s511  en  P5rtner  seck  gewiss  dayor  yerjagen. 
Eck  hope  dfltmahl  noch  den  Schaben  tau  yerwinnen, 
Wenn  erst  dat  Land-Bicht  knmt  dar  sali  5t  seck  woll  finnen. 

C     Wat  draustu  Nahber  Hanss  dat  iss  en  d5hrlick  K5hren, 
Du  bist  yorwahr  nich  klauck  dat  kan  eck  nu  woll  h5ren, 
Eck  rah  deck  höhlt  dat  Mnhl,  sflss  will  eck  deck  woll  wicken, 
Dat  sey  deck  gans  gewiss  w5hrt  wat  am  Tflge  flikken. 
Woll  sch&Uig  iss  dei  mauht  jo  siene  Schuld  bethalen, 
Dei  Kop-Lflh  weret  deck  jo  woll  nicks  nies  mahlen; 
Sei  krieget  5hre  Wahr  ohk  lange  nich  gegefen, 
Un  m5ht  mit  Fru  un  Kind  nn  Deiners  dayan  lefen, 
Den  Staht  den  m5htet  sei  jo  ohk  noch  dayan  feuren 
Un  nhsen  K5nnig  ohk  nich  wainig  Kunterbeiren. 
Mann  mant  seck  nich  sau  licht  en  Dinck  tau  Harten  teihen, 
Sei  pleget  ahnedem  flsch  ringe  nauch  tau  beihen; 
Drum  schwieg  man  still  dayan,  sflss  knmstu  hier  tau  Klayen, 
H5hr*  uhse  Kräuger  hätt  npsteh'  recht  guen  Brayen, 
Wann  du  sau  wult  ass  eck  will  wy  tau  sahmen  scheiten, 
ün  dmp  dat  Nachtsen-Brod  in  guen  Freh  geneiten. 
Dat  wy  nn  unnerdess  dei  lange  Tied  yerk5hret, 
Sau  bidd'  eck  segge  meck  wat  du  hast  nies  h5ret: 
Wat  segtse  s511  noch  woll  dei  K5nnig  tau  flsch  kohmen? 
Hästu  nich  inner  Stadt  sau  wat  dayan  yemohmen? 
Of  hei  noch  8511e  woll  flsch  dit  Jahr  mahl  tau  spreken? 
Wilt  Sei  in  Kriege  seck  dei  Hfllse  noch  tan  breken? 
AVat  segget  Sei  dayan?     Wilt  Volck  nich  ball  masseiren? 
Un  welke  Kapperal  sali  sei  denn  Kummendeiren? 

H.     Da  werd  woll  yan  gesegt,  doch  k5nt  seiht  noch  nich  wetten. 
Eck  sat  np  Schifelds  Dehl  un  hadd*  en  betten  getten, 
Do  h5hr  eck  woll  dat  sei  seck  leiten  wat  yerluhen, 
Doch  iss  woll  wainig  noch  np  s51ken  Schnack  tau  buen. 
Eck  will  deck  aferst  woll  doch  sflss  wat  nies  seggen, 
Dat  inner  Daht  iss  wahr  un  neine  Holt-Marckts-L5ggen; 
Dei  junge  Lflhdemann  den  eck  deck  lestens  wiese, 
Ass  hei  dat  Middags-Brod  bym  Docter  Warlhof  spiese, 
Dei  hätt  seck  uhterseihn  yan  guen  Schraht  un  Kohren, 
En  Dehren  flinck  un  fix  dei  j Ängste  Junfer  Plohren; 


86 


0  Je!  wo  freu'  eck  meck  ass  sei  meck  d&t  yertellen, 

Eck  giok  flucks  Ogenblicks  un  leiht  meck  by  5hn  melien, 

Un  woU  6hm  Teel  Gelücks  tau  siener  Hochtied  wünschen; 

Eck  kenne  lang^  alher  den  wackern  brafen  Minschen: 

Hei  h&tt  meck  mannigmahl  in  schwären  Saken  deinet, 

ün  hätt  6t  alletied  recht  gut  un  trilick  meinet. 

Ass  eck  kam  np  dei  Dehl  kreig  eck  glieck  int  Gesichte 

Dei  Janfer-Brnht,  nn  Canrd,  dat  eckt  deck  rain  uht  bichte, 

Myn  Lefe  heff  eck  nich  sauhn  gladde  Minsche  seihen; 

Sei  werd  den  Broddigam  dat  86ite  Mahl  woll  beihen. 

Ass  Sei  kam  vor  meck  stahn  un  fraug  meck  wat  eck  wollei 

Sag  eck  an  6hrer  Hand  en  Binck  vun  klammen  GoUe. 

Eck  bin  tau  schlecht  dartau  Sei  hier  deck  af  tau  mahlen, 

Dei  Ogen  blänckern  6br  van  lauter  Fiier-Strahlen. 

Wenn  du  Sei  s68t  mahl  seihn,  werd  deck  dei  Nase  jficken, 

Un  werst  gewiss  vor  Sei  deck  tau  der  Ere  bflcken: 

Eck  kam  ganss  uht  meck  sfllfst  un  stund  dar  ass  Matzpumpe, 

Caldunen,  Hart  un  Lung  dat  kehr  seck  um  in  Bumpe. 

Sei  wass  seu  prick  un  fett  un  h&tt  sau  schiere  Hdnne, 

Eck  w&ste  nich  dat  eck  6hr8  gliecken  vele  kenne 

Dei  s61ke  Huht  an  Halss  un  unnern  Ogen  hedden, 

Ass  uhse  Junfer-Bruht  da  woll  eck  woll  up  wedden: 

Düit  Fahr  werd  seck  recht  guht  hübsch  by  enanner  schicken, 

Dei  Brogam  sali  noch  woll  fief  Finger  nah  6hr  licken; 

Vor  uhsen  Ogen  blifft  derglicken  woll  verborgen. 

Drum  will  wy  ohk  davor  Asch  maken  neine  Sorgen. 

Caurd  uhse  Wiefer  sind  mit  6hr  nich  tau  vergliecken, 

Un  m6htet  s61ken  Lüh'n  den  graden  Weg  uht  wieken; 

Eck  will  en  Schelmen  syn  wenn  Hei  Sei  krigt  tau  packen 

Sau  w6hrt  dei  Bibben  6hr  verwahr  in  Liefe  knacken. 

Des  Br6gams  S&ster  kam  ohk  uter  Stuven  gaben, 

Sei  hadd'  in  6hrer  Hand  sau  wat  eck  kant  nich  rahen; 

Sei  fentle  sau  damit.     Oet  leit  ass  wenn  Sei  knitte; 

Glieck  kreig  eck  uppet  Lief  en  grote  starcke  Hitte, 

Eck  Word  ganss  dohf  un  blind  un  wüst  nich  wat  meck  schabe 

Eck  dachte  by  meck  sulfst  dat  is  en  leckre  Brake. 

Wem  d&sse  Sprüht  noch  enst  werd  in  dat  Bedde  fallen, 

Dei  kan  versekert  syn,  hei  werd  seck  mit  6hr  stallen; 

Sei  iss  mit  allen  Flied  van  Jugend  uppe  togen, 

Un  hätt  an  Mutter-Bost  veel  gues  inne  sogen. 

Drum  werd  dei  leife  Gott  der  wackern  gladden  Dehren, 

Ohk  ball  en  brafen  Mann  taum  Br6ddigam  bescheren. 

Dei  Ollem  werd  an  6hr  noch  grote  Freud'  erlefen 

Un  den  Wunsch  will  eck  6hr  up  dftsser  Hochtied  gefen 

Nu  dat  gestah  eck  Hanfs,  eck  hefife  woll  vemohmen. 

Wo  deck  dei  Brüht  un  ohk  dei  Sfister  vorrekohmeu: 

Eck  maut  deck  averst  ohk  hierby  wat  openbahren, 

Dat  eck  vor  olings  woll  van  seker  Hand  erfahren, 

Dat  s61ke  Fruens-Lüh  dei  sau  verwegen  stutzet 

Gemeinicklicken  seck  mit  falscher  Wahre  putzet. 

Sei  s61t  van  Poggen-Leick  un  annern  Seven-Saken, 

En  Sammel-Surium  in  ene  Bflsse  maken, 


87 

Un  damit  6hre  Huht  un  ohk  den  Halfs  anfarven 
Denn  wenn  Sei  in  Gesicht  hefft  grote  fletsche  Narven, 
£f  dat  Sei  sftnsten  wohr  nht  N&fs  an  Manne  r5hken, 
Un  nht  der  schwarten  Huht  dei  aischen  Finnen  br5hken, 
San  plegt  Sei  intgemein  san  Künste  tau  gebruken, 
Up  dat  den  Mannes  Volck  Sei  m6get  s5it  an  Buhcken: 
Bedrog  ifs  inner  Welt.     Man  maut  seck  woU  Vorseihen, 
Dat  yon  den  Wiefes -Volck  man  seck  nich  let  beteihen; 
Wy  Buren  bruket  nich  sau  fletsche  Schmererie. 
Wann  uhse  Maikens  schon  gabt  up  dei  Frierie, 
Un  seigen  Sei  glieck  übt  afs  uhse  schwarte  Kater, 
Sau  waschet  sei  dat  Muhl  mit  rainen  klaren  Water. 

H.     Ne  Caurd  hier  kumstu  blind;  eck  labt  meck  nich  yerblennen, 
Eck  kan  tau  mähten  ball  dei  falschen  Farven  kennen: 
Sau  Tfig  dat  Bruhkt  Sei  nich:  dat  hefft  Sei  lang  nich  nodig 
Sei  sind  den  Silver  glieck,  dat  reckt  an  Sefstein  16dig 
Un  neinen  Tau -Satz  hätt:  Eck  schwer  deck  hoch  an  düer 
Sau  wifs  afs  eck  nich  hop,  tau  kofamn  int  FegefAer; 
Sau  wifse  ifs  6t  wahr.     Myn  Hufs  mit  samt  den  Lanne 
Dat  sette  eck  deck  daby  biervor  taun  Unnerpanne. 

C.    Sau  will  eck  denn  nu  ohk  nein  Wohrt  davan  mehr  seggen, 
Dei  Tied  Hanfs  ifs  vorby,  labt  wy  upt  Ohr  fisch  leggen; 
Dei  Hahnen  krayet  all,  dei  Klock  hätt  veire  schlagen, 
Kieck  übt  den  Fenster  mahl  ht  fängt  all  an  tau  Dagen; 
Eck  wünsche  noch  tau  lest  dei  leife  Gott  mag  gefen, 
Dat  Brogam  un  dei  Brüht  yergneuget  moget  lefen, 
In  guer  Bauh  un  Freh,  Dat  Sei  seck  holet  F[r]ucht, 
Un  legt  mit  allem  Flied  seck  up  dei  Kinner -Tucht. 

Abreise  des  Kronprinzen  Friederich  Lndwig  nach  England.    1728. 

Ower  Dei  unvermautelke  Engeische  Baise  verwunnern  seck,  Asse 
dei  Cron-Printz  van  Grot-Britannien  un  Chur-Printz  van  Bronsewig 
un  Luneborg  Friederich  Ludewig,  Den  4.  Decemb.  1728  by  Nacht- 
schlapender  Tyd  von  Hannauwer  aifraise,  ock  nog  Vor  Dage  in  vuUen 
Gaureir  taur  Bornau  anjagen  kam.  Twey  inwennig  beneumte  Buren, 
Dei  in  Willens  hadden  Oehm  hier  tau  beholen. 

SAu  sau  dat  dacht  eck  wol,  dat  von  undfitschen  Lüen 
Eck  meyn  dat  Engelscb^-Volck,  dei  hier  tau  schnuwen  kohmt, 
üsch  usen  Groten  Fritz,  den  Cron-Prins  w5rn  afbrüen, 
DAt  marck  ek  in  mi  siilvst,  mi  was  dat  Hart  beklohmt. 

Wad  Tielke  segst  du  dar?  bädd'st  du  dat  openbaret 
An  use  Buerschop,  dei  hedde  glik  k5nt  mak'n, 
As  Hei  d5bm  Schiagbohm  kam,  do  was  Hei  al  verwaret, 
Hier  hedde  Hei  teuwen  m5st,  un  dat  one  wier  schnack*n. 

Ja  Lüers  weistu  wol,  wo  et  üsch  plegt  tau  gaen, 
Dat  wi  nich  sftnd  sau  klauk,  wen  wi  naen  Amte  ilt, 
As  wen  wi  kohmt  tau  rdgg*  un  heffet  davor  staen, 
Nu  isset  al  tau  late  wi  heffet  üsch  verwilt. 


88 


Dog  dat  is  nu  vorby,  diit  maat  wad  s&nderks  wesen, 
Wiel  Hei  vor  Dage  kam  anstriecken  mit  de  Post, 
Eck  dacht  Hei  w6re  seck  wor  gau  en  Wief  nhtlesen, 
Wielt  n6dig  dait,  dat  Hei  probeiert  sölcke  Kost. 

Ne  Tielke  du  kamst  blind,  eck  was  vor  wainig  Dagen, 
Na  user  groten  Stad  dar  was  en  bupen  Lärm, 
Dei  Printz  fear  npper  Wost,  dat  ginck  in  yallen  jagen, 
Sei  feurn  in  banter  Bege  an  seiten  regte  warm. 

Nicb  lang^  hierap  do  sag  eck  Sey  in  Dingern  komen, 
Van  bowen  as  en  Trog  yan  ander  as  en  Schleen, 
Sei  hadden  bante  Kleer  an  fletsche  Schnaten  nomen 
Düt  sach  eck  an  dei  Lfie  dei  v5r  an  agter  reen. 

Dat  Fearen  r&k  eck  nich  dat  Freten  an  dat  Sapen, 

An  Schincken,  Wost  an  Speck,  an  Wien,  AkVit  an  Brain: 

DAt  is  gewiss  nich  dam,  dat  maket  fette  Schnaten, 

Un  wert  in  Backe  hat,  dei  kanner  gaat  na  krain. 

Tielke  h6r  dfit  isset  wat  yorhen  da  nich  konst  dencken, 
Veel  b&ter  weit  eckt  na  wo  Oehm  dei  Sinn  hen  stait, 
Wo  Vaar  an  Mandcr  is  maat  Hei  sek  ock  hen  schwencken, 
Dat  is  int  Engeische  Bieck  da  Hei  san  schnell  na  galt. 

Is  Hei  na  Engeland,  o  schae  Hannanwer  schae, 
Um  jaen  schmacken  Oert  am  -jae  wackere  Stad, 
Dfit  kamt  my  nich  at'n  Sinn  eck  ligge  oder  stae, 
Et  was  by  ja  saa  schmück  alheile  nett'  an  glat. 

Dfit  drept  j&ck  Borgers  nich:  et  drept  ock  mit  usch  Boren, 

Et  mögt  syn  wattet  wol  by  ja  galt  alles  Geld. 

Na  m6ge  wie  taa  Haess  man  hinnem  Owen  Inren, 

Vor  Gram  yerlat'  eck  bal  mien  Haess  mien  Fey  an  Feit. 

Wad  Lüers  861  dei  Gram,  wie  m6tet  lastig  wesen, 
Wiel  Hei  dei  wihe  Baise  had  glftckelk  yallenbrogt. 
Eck  heffet  y5r  gewiss  at  Doitscher  Tidang  lesen, 
Na  had  Hei  fannen  dat  wad  Hei  had  lange  sogt. 

Gott  late  lange  Jaer,  ätt  Grote  Has  üsch  lewen 
In  Fre,  in  Gl&ck  an  Heil  in  Seegen  immerdar, 
Wad  Sei  üsch  nomen  hefft  dat  mögt  Sei  weddergewen, 
Eck  schlaf  düt  wünsche  eck  im  leiwen  Nien  Jaer. 


Georgs  IL  Mosternng  der  Garde  am  18.  Juni  1729. 

As  Dei  Allerdorchliichtigste  Koniiing  un  Heer,  HEER  Georg  de 
Andere,  Den  4.  Juny  des  Sönnavends  vor  Pingsten  tau  Middage  in 
Hannauver   kam,   un   drup   Den    18.   dülTes   Mahndes   im  Jahr  1729. 


89 

Siene  GARRE  tau  Faute  Sulvst  muntzerde,  Word  dut  beschreven  van  ^^q'^  ' 
enen  Buhren  welcke  Dei  ganffe  Muntzerung  mit  anneseihen  had  by  ^^m 
den  Lenwands  Huse,  Drücket  tau  Hannauver. 

Kort  by  Hannauver  kam  eck  an  dei  Eilenrie 

Gliek  np  der  groten  Waid*  da  stfinnen  vele  Lfie, 

Eck  frang  glick  wad  dar  dog  tau  danne  mogte  weseu 

Dei  K6nig.  is  dat  sfllvst,  nn  wil  dat  Volck  nhtlesen, 

Dfit  was  dei  Antwort  gliek;  dog,  eir  eck  meck  nmsag, 

Schoff  meck  dat  Volck  dat  eck  tanr  halve  lag. 

Dat  Dinck  gef&ll  meck  nich;  wo  dftt  8cli51  länger  dnhren, 

Dagt  ick,  san  drafsta  man  nich  länger  stahn  nn  Inbren 

Van  dar  gaf  eck  meck  weg,  hen  na  dat  LennVands  Hufs 

Hier  stund  eck  fry  un  Iure  sau  stille  as  dei  Mufs, 

Eck  meyne  dey  dar  seit'n  dat  w6ren  luter  K6iues 

Den  eck  drum  frang  sprack  glick,  du  bist  en  dummen  T6njes. 

NB.     Dey  Buhre  biddet,  man  nehmet  nich  5wel,   dat  dey  Wore  hinner 
nich  altied  gliek  kohmet,  hei  hattet  nich  beter  verstahn. 

Dei  in  den  Lenwands-Hufs  dat  sunt  des  Ewiges  Junckern 

Hei  stait  im  roen  Bock,  sftstu  den  Steern  nich  funckein? 

Do  kreig  eck  6hm  tau  seien  in  wit  gestripter  Jakken 

Mit  breien  blauen  Band  dei  lag  queer  owem  Nakken, 

Hei  sag  gans  Mntelck  uht  un  was  sau  wol  tau  free 

Dat  wer  6hm  man  ansag  seck  freue  up  der  Stee. 

Dat  Volck  kam  ock  herby  drup  ginck  dat  Muntzernt  an 

Vor  ohme  most  vorby  en  jder  Mann  vor  Mann 

Sei  w6hren  gaut  Mundeirt  as  luter  Köiyes  Kinner 

Wenn  sei  vor  5hm  vorby,  sau  gingen  sei  den  hinner 

In  5hren  vorgen  Platz,  dar  sei  vorhenne  stahn, 

Un  keimen  Reg  vor  Bege  as  Cumpenien  gähn. 

Na  dflffen  fangen  sei  ock  an,  tau  exerceiren. 

Sei  misten  al  tau  hop  in  scheiten  seck  probeiren, 

Dog  macken  sei  tau  vor  Bechts  na  der  Stadt  hennum 

Bai  lincks  naen  Holte  hen,  den  keimen  sei  um  un  dum. 

Dät  macken  sei  regt  gaut  et  was  en  Lust  tau  seien 

Eck  weit  dat  J&ck,  Herr  K6nnig!  dat  Hart  in  Liewe  wol  freuen 

Nu  ginck  dat  Fiihrend  an,  sei  stflnnen  in  twey  klumpen. 

Eck  dagt:  Wo  schall  dat  gähn  scholl  da  nich  manjer  plumpen 

Alleen  eck  marcket  woU  dat  et  man  Eortschwil  was, 

Wiel  Ji  Herr  K6nnig  sftlvst  stflnnen  unnern  vuUen  bras, 

Eck  kr^n  vor  allen  Damp  un  Bohk  JAck  nich  mehr  finnen 

Worum  Ji  dAtte  dahn,  dat  kau  eck  nich  uhtfinnen. 

Drup  keimen  Ji  Qottlof!  gans  glftckelk  wedder  v5r 

Do  freude  seck  mien  Hart,  sau  ball  as  eck  dftt  h6hr, 

Nu  was  et  glat  vorby  dei  K5nning  nam  Avscheid, 

En  jder  steig  tau  Pehrd'  um  dat  hei  mit  JAck  reit, 

Do  klunck  et  tra  ra  ra  Herr  K6nnig  dAt  was  mien  hopen, 

Dat  eck  woU  mit  tau  Faut  na  Heerenhusen  lopen. 

Herr  K5nnig  eck  wünsche  Jftck  veel  dusend  Lust  in  Qaaren 

Un  dat  Ji  lange  Tied  sei  sfilvsten  m5gt  af  waaren, 

Sau  ward  dei  B6rger  seck  mit  sammt  den  Buhren  freuen, 


90 

Wenn  sei  JAck  faken  sfilvst  noch  k5net  Hnntzern  seien 
Düt  is  mein  Härtens  Wnnsch  den  dan  eck  tann  Bescblnht 
Un  raise  Ji  den  weg,  sau  kobmt  bald  wehr  herrnht. 

Revue  vom  14.— 19.  Jnll  1729. 

Gedicht  über  die  Revue  vom  14. — 19.  Julii  1729  vor  Hannover, 
Beschrieben  von  einem  Der  im  Hasseln  Busche  beym  kühlen  bachc 
safs.     Hannover,  Gedruckt  in  der  Schultzischen  Buch-Druckerey. 

Wenn  Gott  geschehen  l&st  was  die  Soldaten  schreyen, 

So  wird  der  König  uns  noch  viele  Jahr  erfreuen: 

Sie  jauchzen  allesammt,  Vivat  QEOBGIUS! 

Der  groffe  Guelphen-Held  der  ewig  grünen  mufs. 

Dis  hört  ich  auf  den  Platz  da  unser  König  ritte, 

An  seinen  Gore  her,  besähe  alle  Glitte, 

Es  lieif  ihm  alles  nach  was  da  nur  konte  gehn, 

Um  Seine  Majestät  GEOBGIUS  zu  sehn. 

Ich  aber  stund  gantz  still,  und  sah  mich  nicht  herumme, 

Indefs  so  kam  ein  Banr  und  wolt  mich  lau£fen  umme. 

Er  sprach:  Oh  leife  Heer  segt  meck  doch  wat  dflt  heit, 

Dat  hfit  dat  veele  Volck  up  dfiffen  Platze  steit. 

Ich  sprach:  Du  Dummerjan  was  fr&gst  du  sondern  siehe. 

Die  Groffe  Majest&t  von  England  hält  Revue. 

Er  aber  wüste  nicht  was  dieses  solte  seyn, 

Doch  bat  er  dafs  ich  es  ihm  beffer  flöfste  ein. 

Ich  hatte  meine  Lust  an  diesen  dummen  Bauren, 

Und  sprach:  ja  wenn  du  wilt  mit  mir  die  Zeit  ablauren, 

So  will  ich  zeigen  dir  ein  jedes  Regiment, 

Allein  es  ist  gewifs  ein  lang  und  weites  End. 

Ich  iieng  beym  Flfigel  an,  und  ihn  die  Ersten  nennte, 

Herr  General  Pontpitein  ein  schönes  Regimente, 

Auch  stund  ein  Regiment  so  man  die  LOwen  heifst, 

Die  man  als  gute  Held'n  von  alten  Zeiten  preifst. 

Drauf  folgt  die  Guarde-Cor  recht  proper  ausgezieret, 

Ein  schönes  Regiment  so  allen  Buhm  gebfthret. 

Daneben  liefs  sich  sehn  die  wehrte  Guard  zu  Fufs, 

Die  recht  schön  exercim  und  feuren  einen  Schufs. 

Von  Campen  General,  ein  trefflichs  Begimente, 

So  allen  Buhm  gebührt,  wenns  nur  die  Feder  gönnte. 

Herr  Brigadier  von  Schwaan  führt  auch  ein  gutes  Cor, 

So  in  Compagne  hat  erworben  Sieg  und  Flor. 

Auch  steht  ein  Begiment  von  Christ  Druchleben 

Und  Christ  Querenheim,  die  stets  in  Wonne  leben, 

Daneben  Christ  Vinck,  wie  auch  Herr  Christ  Bfthr, 

Die  Begimenter  all  sehr  vix  sind  im  Gewehr. 

Zastrow  und  Sommerfeld  die  stehen  da  im  Grünen. 

Die  jedem  vor  den  Cor  schön  in  die  Augen  schienen. 

Daneben  General  von  Melvill  sich  liefs  sehn, 

Ein  Cor,  dafs  nie  den  Feind  will  aus  den  Wege  gehn. 

Zu  Pferde  wies  ich  ihm  zuletzt  drey  Begimente, 

Herr  Christ  Loni  und  General  Hasberg  und  Wenthe. 


91 


Drey  Begiment  die  längst  erworben  Fabn  und  Sieg, 

Als  da  Yor  Dreifsig  Jahm  in  Braband  war  ein  Krieg. 

Dranf  gieng  das  Feurent  an  von  Anfang  bifs  zum  Ende. 

Difs  horete  der  Banr  und  schlug  in  seine  Hände; 

Sprach:  QOtt  sy  Lof  an  Danck!  dat  wy  darhinner  sint, 

Sei  scheitet  jo  alles  dot  wat  sei  dar  vor  seck  finnt. 

Ich  sprach  du  bist  ein  Narr,  das  wird  niemand  ledireUi 

Der  Konig  ist  allda,  Der  läft  sie  exerciren; 

Doch  Holla!  ich  muss  gehn,  ich  glaub  es  ist  schon  aus, 

Dort  jagt  der  K5nig  hin  nach  Seinen  Herren-Haufs. 

Och  ja!  dat  dant  mien  Heer,  eck  mot  hier  noch  wat  luren, 

Dat  eckt  verteilen  kan  ock  mienen  annern  Buren; 

Ses  Dage  un  fief  Nacht  sat  eck  up  dftffen  Platz, 

Dar  sag  eck  alle  Dag  den  K6nje  usen  Schatz. 

As  dfit  nu  was  vorby  leip  eck  na  Herjehusen, 

Dar  sag  eck  alle  Dag  dei  groten  Kflnste  brusen, 

Un  ehr  eckt  meck  versach  kam  dar  en  Uptog  her. 

Eck  dachte  wat  dflt  soll  nu  wedder  stellen  v6r. 

Sei  gingen  overt  Schlofs,  Dei  K6nje  lag  in  Fenster, 

Veel  woren  utekleed  as  rechte  Nacht-Gespenster; 

Doch  dfit  leit  wunderlick  dar  kam  en  Kerel  her 

Dei  harre  vor  seck  gähn,  eck  16f  et  was  en  Bär. 

Drup  kam  dei  Bachus  an  dei  up  der  Tunnen  feure, 

Dei  deh  seck  wat  tau  gu  mit  den  Bottelgen  Beire, 

Noch  sag  eck  wihder  hen  dar  kam  en  Himmel  her. 

Eck  dacht  in  aller  Welt  wat  wel  d&t  geven  mehr. 

Twei  Dockters  gingen  vom  dei  seigen  übt  recht  wiese. 

Den  folge  eine  Dahm  was  grotter  as  en  Riese, 

Dei  harre  nmme  seck  veir  kleine  Jungens  gähn, 

Darhinner  sag  eck  ock  twei  Cammer-V[r]51en  stahn. 

Wat  dar  noch  mehr  tau  seihn  dat  heffe  eck  vergelten, 

Wiel  eck  glieck  von  den  Platz  vor  den  Soldaten  m6tten, 

Drup  gienk  eck  in  den  Kraug  un  drunck  en  Kanne  Brain. 

Un  as  eck  dei  harr  übt  h6r  eck  sei  wedder  krain 

Eck  keck  dar  in  dei  Hasch  dar  fl5gen  dusent  Heue, 

By  usen  Konje  her  dat  6hm  sien  Harte  freue. 

Eck  16ve  dat  sei  ock  hier  hadden  neinen  Dost, 

Wiel  use  Könje  noch  düt  Vivat  h6ren  m5st. 


Hochzeit  Bauer  /  Lmdemann.    Bargwedel  (1731). 

ByfÄllige  Gedancken,  Ovar  Dei  nülcke  Inventation  tau  der  Hoch- 
tied  Twischen  dem  Ehr  Würrigen  leiven  Heren,  Heren  JOHAN  CARL 
VALENTIN  Bauren,  Wolverdeinten  Pastoren  tau  Heimar,  un  der 
Veel  Ehr'  un  Dugendsamen  Junfer,  JUNFER  Soffie  Marlene 
Lindemanns  Des  ohk  Ehrwürrigen  Leiven  Heren  Lindemanns, 
WoUverdeinten  Preddigers  in  Borgwedel,  Eheliefliken  Dochter. 

Von  einem  dei  seck  nömt 
Leive  Wase,  leive  Kind, 
Juen  aller  trusten  Fründ. 


92 


Oder  wil  ji't  näger  weten, 
Dencket  na  wat  jie  vergeten. 
Uppesettet  in  dem  Jahre. 
Dan  Her  Carl  mit  Fiken  pahre. 


Höret  doch,  min  leiye  Her, 
Wat  ick  JAck  will  seggen  T6r. 
As  ick  nht  den  Breiff  vernomen, 
Schfll  wie  ohk  tanr  Hochtied  komen; 
Wenn  dei  Jnnfer  Lindmanns  truht, 
Denn  sei  war  jetsunder  Brüht. 

Von  dem  Heren  Pastor  Banren, 
Dei  da  het  veel  Denste-Fanren 
By  der  Parre,  dei  gewifs 
SAs  ohk  nich  von  Ringen  ifs, 

Dat  Sei  manchen  hraven  Knfltgen 
Könnt  hieleggen  vor  dei  Lfltgen, 
Un  wat  noch  dat  beste  w&r, 
Hedd'  Hei  veele  Leifft'  nn  Ehr', 

By  den  LAen  de  Öhm  kennet, 
Un  darum  dei  FrAndschop  gönnet, 
Wiel  dat  Hei  beschrien  sy, 
From  an  rechtlick  lev*  daby, 

Ock  in  GOddes  Worth  gelehret, 
Gar  nich  as  dei  Welt  verkehret, 
Drum  krigt  Hei  dor  Gk>ddes  Gnad 
Ohk  dAt  schöne  Hnfs-Geraht. 

Eine  Brut  vom  stillen  Wesen, 
Von  der  Dugend  nht  erlesen, 

Bechtlick'  d6gend  rings  herum. 

Ayer  ock  daby  nich  dum. 

Denn  Sei  weit  allwoil  tau  leven. 
Jedem,  wat  seck  h6rt,  tau  geyen. 
Goddes-Furcht  is  6hre  Lust, 
Falschheit  ayer  unbewust, 

Zanck  un  Strien  deit  Sei  baten 
Dat  GemeAth  is  gantz  gelaten, 
Arbeit  is  Sei  wolle  wohnt, 
Un  darinnen  nich  yerschohnt, 

Ifs  geschickt  tau  yeien  Saken, 
Schöne  Arbeit  kan  Sei  maken 
Wacker  daby  yon  Gesicht, 
Het  byn  LA*n  ein  guht  GerAcht, 


Sei  is  schwind  in  allen  Dingen, 
Kan  na  Nothen  spel'n  un  singen, 
Summa,  Sei  is  Leiyens  werth 
GlAcklich  is,  dem  sey  bescherth. 

0  Jie  Elljem  siet  beglAcket, 
Dat  et  GOdd  sau  bette  schicket, 
Un  dat  Hei  sau  wunnerbahr 
Bringet  tau  Hop  dAt  Junge  Pahr, 

Dei  yon  allen  beyen  Sieden, 
Wat  beloff*t  is,  man  kont  lieden, 
Drum  Sei  ohk  einaigem  werth 
Un  Seck  sind  yon  GOdd  bescherth. 

Nu  ick  maut  wol  endlich  schluten. 
Denn  dar  stah't  all  LAhe  hüten, 
Dei  mick  geren  sprecken  wilt, 
Wo  sei  seck  yerholen  seh  Alt, 

Dr'um  so  wAnsch'  eck  noch  tau  leste, 
Den'n  Verlofften  allet  Beste, 

GOdd  erfreue  un  bewahr, 

Sei  noch  lange  leiye  Jahr, 

Hei  labt  Sei  im  Seegen  leyen, 
Dat  Sei  kAnnet  anjem  geyen, 

Von  dem  wat  Sei  oyerhefft, 

Un  in  Ähre  Kisten  legg't, 

Geye  5hn'n  ock  dAfse  Gnade 
Dat  Asmodi  Sei  nich  schade, 

Hole  fast  dAt  trAe  Band, 

Wehre  allem  Misyerstand, 

Labt  Sei  Kinjes  Kinjer  seihen, 

Un  darAyer  Seck  erfreuen, 
Dat  Sei  sau  geraen  sind, 
Afs  mann  öhre  Eltern  find. 

Wenn  Sei  denn  sind  sat  yon  Leyen, 
Woir  hei  6hn*n  übt  Gnaden  geyen, 
Dat  Sei  mAg't  in  Sienem  Bieck 
Sien  den'n  Engeln  GOddes  giieck. 

Gue  Nacht  eck  gab  tau  Bedde 
Schlapet  jie  ock  in  dei  Wedde, 

Wenn  jie*)  hefft  dat,  wat  jie  wiPt, 
Wat  jie  nu  dörfft,  wat  jie  schAlt. 


^)  Druck:  je. 


93 


£n  Vaddem  Snack,  Twischen  Gaurt  an  Hansen,  Twei  Bahren 
übt  dem  Amte  Eaalje,i)  Van  der  Hochtiedt,  dai  de  Heer  Ammann  gaff 
Siener  annern  laiven  Dochter,  Janfer  Dorthiecke  Hosteen,  afse 
Braht,  Un  Dem  Heern  Stadt-Sikkertarjes  Brunnemann,  afse  Brö- 
gam,  Uppesnappet  an  naheschreven  van  eines  gauen  Frunnes  Hand. 
Im  Mahnt,  Afs'et  VVIen-Fatent  anging.  Un  im  Jahre,  Afse  Dal 
HannöIVersChe  Plepenbom  Vpn  MarCke  Vhtebehtert  Ifs. 

Ganrt.     Guen  Dag,  Vaddr  Hans,  wo  kamstu  her? 
Hans.     Danck  hafft,  Vaddr  Kaort,  von  Eftalje. 

Man  da  ifs  'ck  en  Gekräulje, 

Dat  eck*n  verfeer  up  minen  Pehr. 

Dar  krimmelt  up  dem  Hoffe, 

Un  lopt  im  Dreck  an  Stoffe 

All  wat  man  dar  yan  Minschen  süht. 
Ganrt.     Hans,  eck  sch611  balle  hopen, 

Sai  dehn  dat  r6n*n  nn  lopen, 

Nähr  Bahm&nm,  dat  des  Ammans  LAht, 

Dai  narcken  hallt  dai  E6ste 

Nahm  Iflljen  Jnngen  d5ste, 

Odr,  dat't  dai  Ammänsck  sAlven  sie. 
Hans.     Eaart,  wat  du  da  last  hören, 

Dat  ifs  en  albern  E5ren. 
Caurt.     I  nu,  Hans,  w6r  dat  denn  wat  nie? 

In  usen  Buhren-Eaten, 

Holt  seck  im  D6pen-laten 

Jo  n5mt  sau,  afs  de  Ammann,  flinck, 

Dat  stait  im  Eercken-Baucke, 

Drum  k5hr  eck  nich  unklaucke. 
Hans.     Ja,  Eaurt,  dat  ifs  sau  wol  en  Dinck, 

Man  wat'r  upsteh  seck  r5ge, 

Dat  was  kein  Bahmäums-Töge, 

Dat  w5ren  Lfihe  uht  der  Stadt, 

Mit  Pehren  un  Earreiten, 

Mit  Gigein  un  Trammeiten 

Dat  Volck  was  deck  auck  liedend  glatt, 

Dai  Edppe  w6rn  beschmeeten, 

Mit  Tfig,  eck  kann't  nich  weeten. 

Et  lait  afs  Mäel,  od'r  Stievel-Täg. 

Eck  ging  auck  aifs  nah^r  Eöcken, 

En  Piep  Taback  tau  schmöcken. 

Wann'  blaut,  wo  st^vm  sai  meck  taurflgg*. 
Caurt.     Was  dar  denn  nichts  tau  kiecken? 
Hans.     Wo  Jau,  dai  Drai-Is*m  quiecken, 

Dai  P6tt  un  Eetels  wören>)  yull, 

Dai  Pannen  brus'n  van  Fette, 

Und  doch  wafs't  all  sau  nette: 

Dai  LAh  inr  E6cken  handtairen  dull, 

Dar  stünnen  welck  un  hacken, 

1)  Eoldingen.    ^)  Druck:  woren. 


94 


WelcV  m<^8ten  Prillcken  backen, 
O'ckwait  nich  all  wat  eck  dar  sag! 
Noch  ains,  Kaurt,  up  dem  Dische, 
Da  laigen  deck  mans  Fische, 
Bym  blaut  sau  lang,  afs  Jacobs-Dag. 

CauTt.     0  Hans,  schall  eck^t  aifs  seggen, 
Un  deck  dat  Ding  nhtleggen, 
Wat  eck  wol  wait,  an  da  nich  mainst? 
H6r  d'r  ifs  wohr  her  eracket 
Un  hat  dat  Spalck  emacket 
En  Mann,  hai  ifs  in  K6ige8  Dainst. 

Hans.     Da  hafT  ek  wol  rainst  von  heuret, 
Hai  w5r  nah  K&a^e  fearet 
Un  hadde  geetn  dat  Nachsem-Brodt 
By  Packen  an  Scharmayen. 

Caart.    Ja,  den  haff  *ck  aack  h6rt  kn^en. 
Hans.     Hai  schall  jo  sien  nich  kort  noch  grot. 

Caart.     Dai  wert  sflmmrn  Hänger  weesen, 

Dat  schweer'ck  by  miner  N&sen. 
Hans.     Ne,  Kaart,  dat  15y'  eck  dfitmahl  nich, 
Wiel  eck  den  Drostn  an  Heeren 
Dar  sag,  dat  sai  dar  w5ren, 
Un  daby  holt  Jen  Mann  nich  Stich. 

Caart,     Wat  gelt't,  Vaddr  Hans,  eck  drepet: 
Dat  Volck  ifs  t'hoope  slepet, 
WiePs  Ammanns  Dochter  ifs  en  Braht; 
Un  dat  Sai  ap  dai  E5ste 
Ha£ft  biddet  d&sse  Gäste. 
Hans.     Ha,  Kaart,  schwieg  still,  an  haalt  dai  Snaht. 
Dat  maat  eck  jo  noch  weeten 
Un  ifs  meck  anyergeeten, 
Dat's  Ammanns  Dochter  Hochtiedt  hailt. 
Dai  kreeg  jo  en  Patlischen? 

Caart.     Wat  k6rsta?  en  Patrischen. 
Hans.     Ho!  dat  kamt  wol,  dat  man  aifs  failt. 

Caart.    No  hea,  biet  eyen  mähte. 
Hans.     Wer  ifs  dien  Snave-Katte? 

Caart.     Ay  na,  Vaddr  Hans,  h6rt  doch  aifs  her: 
Us*  Ammann  hafft,  Gott  segns. 
Im  Lev'n  an  annerweegns. 
Der  laiven  Kinner  jo  noch  mehrl 
Hans.     Kaart,  mainsta  dat  all  wedder 
En  Minsche  ap  dat  Ledder 
Der  annem  Dochter  w5re  stflhrt? 

Caart.     Dat  ifs  et  wat  eck  maine. 

Denn,  Hans,  lest  an  der  Laine 
Afs  meck  dat  Fisch-Tfig  was  vertflrt, 
Do  kam  ein  B6rger  gaben, 
(Wo  h'  halt,  kan  ^ck  jast  nich  rahen,) 
Hai  kam  fAst  van  Hannaaver  hill. 
Hans.     Ho,  dar  sind  veele  Aapen, 

Dai  k6hrt  manchmal  wahnschapen! 


05 


Canrt.     Och  t&nff  doch,  wat  eck  seggen  will! 
Hans.     No  segg't,  eck  wilFt  afftänffen 

Un  doch  nich  alle  l&ayen. 
Canrt.     Hai  sah,  hai  w5r  en  Heeren  Boh, 

Un  slepe  seck  mit  Braifen, 

Dai  hai  ant  Amt  mftst  geiven. 
Hans.     Ja,  Eaurt,  dat  wert  wol  sien  nm  Stroh. 
Canrt.     Och  neh,  hai  sprack  van  Dingen, 

Dai  Laives-Warck  angingen, 

Un  dat  des  Ammanns  andre  Wicht 

Hedd'  anck  nn  L6£fte  holen. 

Nu  w6r  5hm  anbefohlen,  cet.  cet. 
Hans.     H6r,  Kanrt,  freugstn  nich  wen  sai  krigt? 
Canrt.     Wo  Ja,  hai  s&h  Enmsaijes, 

Doch  neh,  en  Sickertarjes, 

(San  hait  et,  afs  eck  maine,  recht) 

Un  dat  van'r  Stadt  Hannanver. 
Hans.     Sind  dar  kain  Dehrens  anver? 
Canrt.     Dat  mag  wol  sien;  Man  afsen  segt: 

Darhnten  np  den  Rnhmen 

Krigt  man  braf  Schny  vorn  Dnmen: 

Un  hAt  wert  wol  dai  Hochtiedt  sien. 
Hans.     Je,  laive  Kanrt,  wat  segstn? 

S511  dat  wahr  sien?  (Canrt)  Ja,  plegstn 

Meck  hören  Lögen  nht  tan  schrien? 
Hans.     Noh,  dat  ifs  meck*  en  Fraide! 

Bet  in  mien  Ingewaide, 

Denn  dat  gftnn  'ck  nhsen  Ammann  gehm 

Un  sienem  laiven  Kinne. 

O't  sind  anst  (1?)  deegre  Frfinne! 
Canrt.    Ja  Hans,  eck  segg  bym  Seevenstehm: 

Gott  Iaht  sai  tAchtn  nn  leyen 

Noch  yeel  Licent  tan  geven! 
Hans.     Vaddr  Kanrt,  wat  körstn  yam  Licent, 

Mant  man  yan  Kinner-halen 

Anck  wol  Licent  bethalen? 
Canrt.     Vaddr,  dn  draist  meck  dat  Wort  yerwendt. 
Hans.     Un  wenn  anck  dai  Unplichten 

SchöUn  kohm'n  yan  Kinner-Tflchten, 

Mainstn,  daft  dämm  nahebleey? 
Canrt.    Ja,  dat  wol  wol  nich  schaien. 
Hans.     Vaddr,  wie  kohmt  hier  tan  klaien, 

Un  nse  Snack  knmt  oyem  Schrey. 
Canrt.     Dmm  will  eck^t  oock  beschinten: 

Gott  gey  den  Ohln  nn  Sprnten 

Snndhait,  offt  K6st*  nn  Kinndöps-Smnefs, 

Dat  sai  lang  leyt  np  Eerel 
Hans.     Dat  dan  dai  laiye  Heere! 

*k  gah^ck  wol,  nn  sagg  tan  Hnefs  yeel  Gnefs! 
Canrt.     Du  anck,  tankomen  Weecken, 

Will  wi'sch  wol  aifs  wehr  spreecken. 


Hochzeit  Habicht/Mey.    Hüdesheim  1732. 

Hoghtiedts- Festin  Twischen  Dem  Ehrsahmen  Herrn  Casparen 
Timann  Habigh,  Thau  Lautendhai,  Un  der  Ehr-  un  Dugentsahmen 
Jungferen  Annen  Catharinen  Mey,  Van  Hildesheim,  To  Betügungh 
schuldiger  Observantz  dedicert  Van  Einem  guden  Frunde  un  Blohts- 
Verwandten.  Den  Tag  22  Julii  MDCCXXXII.  Hildesheim,  Gedruckt 
durch  Just  Henning  Matth&i. 


BOtz  dusent  sehet  mahl, 

Wn  doht  de  Falck  sick  bflcken, 

Ofs  woU  de  in  dem  Dahl 

Bie  6n8ch  ein  Biömcken  plAcken 

Ein  Bi5mcken  nth  dem  Mayh, 

Wil  breken  hei  entweyh. 

Wn  flüght  hei  bnnt  hemm 
Un  wil  ein  Dfiffken  fanjen, 
Hei  flflght  ball  rigt  ball  krum, 
Wn  kan  he  artigh  pranjen, 
Sien  Fitgen  siet  sit  lahm, 
Hei  flflght  nah  einer  Dahm. 

Den  Vogel  den  he  sögt, 

De  Vogel  Venns  ifs, 

Dat  Blömcken  dat  he  rückt, 

Dat  plncket  hei  gewifs, 

He  d5ht  dem  nichts  tho  leih. 

Dem  Blömcken  nth  dem  Mayh. 

Seht  wn  hei  dar  herk&mbt, 
Vam  Bergh  hemnner  schaten, 
Dat  Dflweken  beklnmbt 
Packt  hei  mit  sienen  Pobten, 
Hei  forth  het  np  sien  best. 
Bedeckt  het  wann  im  Nest. 

Wn  mckt  hei  offters  tho 
Eher  hei  dat  Blömcken  plückt, 
Wu  kan  hei  lachen  so, 
Wan  hei  den  Mayh  anrflckt, 
He  plflckt  het  mit  Plassier, 
Bringt  het  in  sien  Quartier. 


Seht  wu  den  Schnawel  hei 
Döht  kmm  hemmmer  dreyen, 
Wu  schmecket  hem  de  Mayh, 
Wn  kan  sick  drin  verteyhen. 
He  nimmt  het  mit  sick  so, 
Nah  Lantendahl  hintho. 

Dah  wil  dat  Düfifgen  hei 
Nah  siener  Arth  uptrecken. 
Dah  wil  hei  in  dem  Mayh 
Wol  wackre  Junge  hecken, 
GOtt  gewe  hem  Gelflck. 
Ohn  Plag,  ohn  falsche  Tflck. 

Nu  so  gnetet  dan  de  Früghte, 
De  de  Himmels  Fürst  jagh  schenekt, 
Knket  nu  wu  mit  dem  Lichte, 
Hespems  sick  tho  juck  lenckt, 
Schlüt  juck  tho  der  Avend-Buh 
De  beröhmte  Kahmer  tho. 

Bliewet  lange  bie  Gelficke, 
Dogh  nit  all  to  lang  allein, 
Latet  wackre  Augenblicke, 
Juger  Leifde  TAge  sien, 
Tflgen  Juger  grönen  Jugend, 
TAgen  Juger  Oelleren  Dugent. 

Tüh  Tieman  tflhe  tho, 
Het  is  dien  Ehrendagh, 
Un  Caspere  nu  so, 
Dat  du  best  guet  Verdragh; 
Wan  wiederkflmbt  de  May, 
Van  tweyen  wehret  drey. 


Hocluseit  Schilje  /  Peters.    Hannover  1733. 

As  Heer  Schilje  seck  laith  truen 
Junfer  Peters  tau  der  Fruen, 
Do  brochte  Dem  verleiften  Paar 
Düssen  Wunsch  en  gut  Frund  dar. 
Hannauver,  Drücket  mit  Heinschen  Bauckstaven  1733. 

Eck  möfste  in  mie  sfllvenst  grienen, 
As  eck  vor  elcken  Weecken  sach 
Wat  Wittes  h&hr  yan  wieden  schienen, 
Do  wie  up  ennen  Nahmedag 
Dar  buhten  bie  enaiger  kaihmen, 
Un  Asch  in  baide  Arme  naihmen. 


97 

Eck  dachte  san;  dar  hebbt  twei  G5fle 
Seck  bie  den  Ganten  dahl  eset, 
Un  dei  schient  nich  daröver  b5ge, 
Dat  seck  dat  Dinck  san  passet  het. 
Dei  enne  denckt  hei  wol  tan  fahten, 
Dat  sei  5hn  nimmer  schall  verlahten. 

Dei  anjer  sach  nm  6hre  N&sen 
Recht  krege,  roth  an  schnicker  nht 
Un  wöhr  ock  wol  tanr  Stnnne  wäsen 
As  Graite  Macken  enne  Bmht. 
Et  dr6fft  ock  wol  nich  lange  dnhren, 
Dar  schftilt  al  Frieers  np  sei  Inhren. 

As  wie  do  bie  enai\jer  w6hren, 
Do  frang  eck,  Einjer  segget  mie, 
Wat  hadden  jie  san  hill  tan  köhren? 
Dei  Brüht  s&h,  nse  Schnackerie 
Dei  hadde  nich  yeel  tan  bedfthen, 
Jie  weret  ftsch  darmee  wat  brühen. 

Doch!  wil  eck  sei  jftck  nich  vorhahlen, 
Eck  sah,  Lein6rcken  bflht  nich  rief, 
Dn  most  den  Krahmer  sftfs  bethalen, 
Tan  Hnse  krigstn  ennen  Rief: 
Dei  Vader  had  die  Penjes  gefen, 
Doch  manstn  spahrsahm  darmee  lefen. 

Lein5rcken  s&h,  mien  Graite  Macken, 
Dn  kaakelst  in  den  Dag  hennin, 
Un  meinst,  Dn  dr6£fst  alleene  spr&cken, 
Wiel  Da  al  Braht,  eck  keine  bin, 
Herr  Schilje  schall  dien  Ganter  bliefen, 
Un  Die  henf6rt  dei  Tiedt  verdriefen. 

Verleifte  hört,  np  jaer  Koste 
Bring  eck  darflm  dfit  wedder  v6r, 
Lein6rcken  s&h  dat  illerbeste. 
Da  averst  Graite  Macken  h6r: 
Eck  wil  Deck  leif  an  werth  behohlen, 
Vergette  man  nich  nsen  Ohlen. 

Wenn  hei  deck  schdlle  ranpen  Iahten 

Un  dAt  an  jennes  seggen  will, 

Mostn  den  Rock  tansamen  fathen 

Un  springen  tan  6hm  hen,  schwieg  still  1 

Dat  Hei  nich  b6se  werdt.     Och!  maacke, 

Dat  Hei  Deck  reahmt  in  aller  Saacke. 

Eck  wftnsche  Die  darvör  twei  Jungen, 
Noch  eihr  dat  Jahr  yorSver  gaiht, 
Un  dat  werdt  Märten  Hering  snngen, 
Mannt  TAg  all  v5r  den  dr&dden  naiht. 
San  werdt  Dien  laife  Schilje  grienen, 
Un  Dn  werst  ock  nich  bAse  schienen. 


Niederdentsohes  Jabrbaeh  XXXYI. 


Tan  leste  will  eck  dflt  noch  seggen, 
Dei  Himmel  woU  um  Jae  Hues 
Sanveel  van  Gliück  nn  Seegen  leggen 
As  Bl&der  npm  Bickbeern-StnieB, 
Un  dat  Jie  wert  in  ohlen  Dagen 
Erst  nah  der  dfistem  Kuhlen  dragen. 

Hochzeit  Heidelmanii  /  v.  MfiUen.    Rinteln  1731 

Asse  dei  Herr  Amtschriever  Heidelman  Mit  des  Herrn  Ammans 
von  Müllen  Tweyten  Junffer  Dochter  Hochtiet  maken  wolle,  Feuhren 
Hanfs  un  Gaurdt  nahstaende  Ködderatie  hiervan,  Uppeschreven  tau 
Rohrsen^)  in  Krauge  Van  einen  guen .  Frdnne.  Gedrückt  tau  Rinteln 
im  Jahr  1734. 

Gaur  dt. 
Wol  hat  die  dat  Bähen  leret,  Hanfs^  dien  Sinnen  drflcht  die  nich, 
Wat  du  trftend  hast  eköhret,  dat  is  wahr,  15ff  seckerlich, 
üses  Ammans  tweyte  Beeren  werdt  un  schal  sien  Wieffken  weeren! 
Tau  Hannauver  up  dat  beste  ifs  dei  Uftte  reidts  ewest, 
Kort  nah  den  Marien-Feste  werdt  dei  Junfer  6hren  Best 
Kriegen,  wenn  dat  Ifttke  Dinck  werdt  den  Br6gam  anneringt. 
.Heidelmann  let  hei  seck  nennen,  Grohne')  ifs  sien  Uppentholt, 
Gelt,  du  werst  öhm  nu  wol  kennen,  denn  hei  steit  in  K^nges  Sold, 
Hei  maut  uses  gliecken  richten,  ock  wol  gr5ttere  Strien  schlichten. 
Wiel  hei  noch  wat  jung  van  Jahren,  pafst  6hm  ddsse  Deeren  recht, 
Junck  un  junck  dat  maut  seck  paaren,  weistu  wo  dei  Ohle  segt? 
Wol  in  siener  Jugend  friet,  dem  dat  Frien  nich  gerüet. 
Drftm  het  hei  seck  rechte  rahen,  h6r,  hie  langer  Tüntel-Tiet 
W6r  dat  Lfiet  6hm  fleitgen  gaen,  hed  ock  wol  den  Amman  friet, 
Dei  noch  in  den  Sommer  lest  dor  Friewarvers  nah  6hr  west; 
Ja  dergliecken  Friers-Gäste  w6ren  reidts  mehr  up  der  Fahrt, 
Sau  Arn  dflsse  Hochtiet8-K68te  neine  Heuhe  hedden  spahrt, 
Denn  dei  K6ste  mit  Fang  mag  heeten,  Hanfs,  en  nfitleck  Lecker-Beeten. 
Nütlick  sflht  Sei  uet  den  Ogen,  witt  un  glatt  ifs  6hre  Huht, 
Hanfs,  eck  seg  et  unerlogen,  nfitlick  ifs  Sei  uht  un  duht, 
NAtlick  ifs  6hr  Kop  un  Kragen,  nfitlick,  holt!  eck  drafft  nich  wagen; 
Wat  hier  unner  klein  tau  klöven,  denck  et  nah,  un  sie  nich  fühl, 
Dat  et  nAtlick,  werstn  16ven,  sfth,  wo  kanstu  thein  dat  Muhl, 
Glieck,  as  wenn  du  noch  nich  geeten,  un  dflt  m6ste  sien  dien  Beeten. 
Ayer  stott  ifs  nich  eschraen,  Peper  dat  ifs  nein  Ganeil, 

Wisck  den  Bahrt  vor  s6cke  Braen,  die  werdt  doch  en tau  deil, 

Suhp  enmahl,  et  geit  hennunner,  dat  schall,  hoep  eck,  sien  gesunner. 

üses  Ammans  siene  Lüte  h6rt  vor  Kerels,  sau  studeirt, 

Sei  wert  den  taur  Hochtiets-BAte,  dei  mit  Kutsch  un  Peeren  feuhrt; 

Denn  Sei^s  fründlick,  fromm  un  glatt,  ock  dabie  hefft  wat  in  Fatt. 

Kettel,  Pötte,  Teller,  Pannen,  o  dergliecken  Kleperie, 

Leppel,  Schleiffe,  Sch6tteln,  Kannen,  Schäppe,  Steule  ock  dabie, 

Linnen,  Disck-  un  Bedde-Drell  hefft  Sei  utermaten  veel. 

K6nt  et  ock  taun  Brutschat  bringen,  ja  wat  mehr,  wenn  Sei  erst  friet, 

Wert  dei  Witten  Penge  klingen,  dei  an  weinig  Ohren  schniet, 


V  Dorf  östlich  von  Hameln.     ')  =  Grohnde  an  der  Weser. 


Sthy  dei  Amman  nich  san  deit,  afs  et  veeler  wegen  geit; 
Woer  sei  k6hrt  van  groten  Gaue,  woer^)  un  wenn  dei  LftfFte  ifs, 
Dar  sei  schwert  bie  Stnimp  an  Schaue,  san  yeel  dasend  gans  gewifs 
Wert  der  Dochter  baar  eteldt,  aver  Hanfs,  wohr  biifft  dat  Geldt. 
Ifs  sei  erst  den  leiven  Manne  dohr  den  Priester  annetruht, 
San  dat  jenne  faste  dranne,  o  wohr  biifft  dat  Hochtiets-Gaht, 
Qnarck  kriegt  Märten  in  dei  Hand,  nicks  as  Fleisch  tann  Unnerpand. 
Hier  draff  seck  dftt  n6mt  befahren,  denn  wat  nse  Amman  segt, 
HanfSf  sind  neine  L6gen-Waaren,  blant  o  ne!  sien  Dann  geit  recht, 
Wat  hei  lofet,  teilt  hei  ball,  ehr  dei  Brut  vam  Amte  schall 

Hanfs. 
Caurdt,  du  hast  die  wat  verlopen,  schol  dei  Brögam  darum  frien, 
Wiel  hier  sie  veel  Gant  tau  hopen,  ne!  o  nel  dat  wert  nich  sien; 
Hei  s5cht  seck  en  Janfem-Sch5rten,  nm  dei  Tiet  mit  6hr  tan  körten. 
Dencke  nah,  wo  wol  tan  Maue  bie  der  kohlen  Winter-Tiedt 
Sie  sann  armen  enteln  Blaue,  dei  alleen  in  Bedde  liedt; 
Miene  Sacke  ifs  et  nich,  denn  dei  Nacht  ist  forchterlich. 
Afs  eck  sau  van  Sienen  Oller  wafs  un  scholl  tau  Bedde  gaen, 
Ereg  eck  offt  den  stillen  Koller,  fong  tau  kraihen  an  dei  Haen, 
H5r  eck  raspeln  eine  Muefs,  dacht  eck  Geister  sind  in  Huefs. 
Kam  des  Nachts  ock  mie  en  Schlummer,  was  ock  glieck  en  Drom  dabie ; 
Dfisse  brochte  nien  Kummer,  denn  in  s5cker  Drömmerie 
Hadde  eck  bi  mie  enne  Greitge,  dat  eck  offt  uet  Freuden  fleitge. 
Ayerst  keimen  mie  dei  Sinnen  erst  tan  hoep  in  Omung  weer, 
Was  nein  D&vel  dar  tau  finnen,  düt  yerdrot  mie  denn  noch  mehr, 
Dat  eck  alle  s6cke  Plagen  könne  neinen  Minsken  klagen. 
Ünglieck  beeter  ifs  mien  Leven  nu,  o  Himmel!  heffe  Danck, 
Dat  du  mie  enne  Frue  geven,  dei,  wenn  eck  gesund  of  kranck, 
Strackelt  meck  un  mienen  Lieff,  dei  partout  mien  Tiet  yerdrieff. 
Doch  wat  helpet  all  dflt  Schnatern,  süe,  dei  Avend  breckt  herin, 
Wie  wilt  Asck  darum  nich  katern,  wat  dei  Brögam  vor  en  Sinn 
Het  bie  Sinen  Frien  hat,  blaut,  o  ne,  wat  schert  ftsck  dat; 
Gnaug,  et  schall  6hm  nicht  gerften,  denn  in  Taukunfft  kan  Hei  nue 
Speelen,  juchtern,  feuhren,  rien,  np  un  mit  der  jungen  Frue 
Blot  alleen,  lat  üsck  noch  kehren,  wat  wie  5hnen  könt  verehren.  , 
Geld  hefft  sei  wol  nich  van  dauen,  Eyer,  Kese,  Botter,  Brodt, 
Schincken,  W5ste,  afs  wat  tau  kauen,  daran  liet  sei  ock  nich  noth, 
Sau  doch  use  beste  Leven,  Caurdt,  wat  heffe  wie  denn  tau  geven? 

Caurdt. 
0  wat  bringstu  doch  vor  Fratzen,  Hanfs,  in  dienen  Kehren  vor, 
H5r,  pack  in  mit  dienen  Patzen,  du  kflmmst  nu  dar  gantz  herdor, 
Pack  in  diene  P16ckerie,  denn  darvan  hefft  sei  dei  Brüh. 
Will  wie  aver  5hm  wat  bringen,  kan  et  truen  nicks  anders  sien 
Afs  en  Wnnsck,  un  dei  mant  klingen  trülick,  ehrlick,  hfibsck  un  fien, 
Hei  maut  gaen  uet  Harten-Grunne,  drüm  raup  wie  mit  einen  Munne: 
Glflck,  wenn  seck  dei  Bruet  let  truen:  Gl&ck,  wenn  Sei  dei  Brögam  rahkt, 
Un  van  6hm  taur  jungen  Fruen  wert  in  allen  Ehren  mahkt: 
Glück,  wenn  Jie  tau  Bedde  gat:  Glück  ock,  wenn  Jie  weer  upstaht! 
Glflck  un  Segen  sien  dei  Peere,  dei  Jock  hen  nah  Grohne  teit, 
Et  brenne  fort  up  Juen  Heere  luter  Free  un  Einigkeit, 


*)  Druck:  vor. 

7* 


100 

Ja  Verkehren  dat  gah  gant,  all  Ja  Daan  heffe  Hand  on  Fant ! 
Nichtes  wart  nn  maat  j5ck  h^hnenj  Kranckhait  sie  j5ck  nnbewnst, 
Gifift  et  glieck  mahl  wat  tan  stöhnen,  er  verspürt  dei  Brat  ünlast, 
Maat  doch  nich  6hr  Iflstern  Eahren  länger  afs  6  Weken  daren. 
Scholl  ock  mahl  dee  Free  breken,  schol  ein  Twiespalt  komen  aht, 
Br5gam  helpt  dat  Urtel  spreken,  wol  anner  liet,  schal  taan  Tribnt 
Geyen  j&hrleck  dem  dei  wint,  jaer  Waar  ein  lütteck  Kind. 
San  kriege  jie  mit  jaen  Ohlen  wat  tan  wegen,  wat  tan  daan, 
H&rt,  wenn  jie  j6ck  gnet  wert  holen,  heffe  jie  ock  gaen  Raam, 
S&cker  Hopnnng  leve  wie  dicke,  an  erwahrt  dat  Mesterst^cke. 
Dfisse  Drnnck  wardt  sien  dei  leste,  jne  Sandnisse  all  tan  hoep, 
Dei  jie  hier  bie  dfisser  E^ste  siet,  an  daat  en  Ehren-Soep, 
Hinckt  dei  Riem,  ifs  wat  yersein,  deuckt,  et  sie  bien  Drancke  schein. 


Hocbzeit  Mayer  /  Vater.    Hannover  (1735). 

As  Am  Seeventaynten  May  düsses  Jahrs  Dai  Heer  Hof-Musekante 
un  Oergelliste  Frans  Hinnerck  Mayer  Mit  Der  schnikkem  un 
gladden  Junfer  Fycke  Bai nai dickte  Vahrs  Hochtyed  mackede, 
Hadde  Syn  eine  Brauer  Davyd  Wylhelm  Schl&ger  Ainen  Schnack  Van 
Stoffel  Garven  un  Hans  Bessel  uht  Linnen  annehöret  un  uppeschreven 
sau  as  et  hieriinner  staiht.  Hannover,  gedruckt  bey  Johann  Christoph 
Ludolph  Schnitzen. 

Stoffel. 
Wo  gaiht  et,  Vadder  Hans,  wohr  denckest  da  hennht? 
Da  bist  meck  jo  saa  glat,  wat  da  wor  hen  nor  Braht? 
Da  plegst  deck  sflfs  jo  nich  des  Alldags  saa  tau  patzen, 
Man  hflte  wat  da  jo  recht  as  ain  Stadt-Mann  stntzen. 
Wor  BchMlt  dai  Pnhtjens  hen?    Wat  schall  dat  Haaner-Vaih? 
Dei  Küpe  drucket  deck  den  Pnkkel  noch  entwai; 
Ay,  seg  doch  ais,  wat  schall  düt  Tfirelrürel  haiten? 
Da  maast  nich  wehrelck  syn,  et  schall  meck  sAfs  verdraiten. 

Hans. 
Sfih,  wat  dai  D*"**  daiht,  gah  Eeerel,  segg  eck  deck, 
Wat  n6hlet  deck  myn  Patz,  gah  jöh,  wat  sch&rhrst  da  meck, 
Eck  frage  deck  joh  nich,  warum  da  dyne  Jakken 
San  ttteb^stet  hast.     Eck  will  nich  mit  deck  schnakken, 
Dai  Tyt  ifs  meck  tan  kort,  dai  Stfinne  kAmmt  heran, 
Dat  eck  myn  schmeerge  Mnel  na  boir  afwischen  kan. 

Stoffel. 
Da  bist  ain  dfihrelck  Eeerl,  da  schnAfst  jo  as  ain  Bahre, 
Mainst  da  denn,  dat  eck  meck  saa  veel  am  deck  wat  schühre? 
Eck  bin  ain  anner  Eeerl,  et  is  nich  s&fs  an  saa. 
Eck  gah  ap  stikken  stand  wol  nah  der  Hochtyd  tan, 
Dai  dallje  in  der  Stadt  van  twai  saa  aar^gen  L&en 
Recht  schäane  macket  ward.     Da  wehr'  eck  dögend  giften, 
Wenn  eck  inschencken  schall,  saa  sap  eck  ap  der  Braht 
Un  5hres  Laivsten  Qlfick  an  Sandhait  ock  ains  aht. 
Dat  schall  recht  gladde  gähn,  myn  Balg  dai  ward  seck  froyen, 
Dat  hai  saa  schäanen  Wyu  ock  ais  schall  in  seck  taien. 


101 

Hans. 
Wat!  Eeerel,  gaihst  du  ock  darfim  san  glat  nähr  Stadt? 
irs*d  wahr,  dat  deck  dai  Bmht  tanm  Schencker  mehet  hat? 
Meck  hevyet  sai  gennair  tanm  Braen  wennen  dnngen, 
Man  wanne,  dat  hat  meck  schänn  in  dei  Auren  klungen. 
Da  wehr  eck  Melck  mit  Bjfs,  schra'u  Bannen,  Ealver-Brahn 
Un  gähle  Jftche  ock  nich  lange  laten  stahn; 
Eck  wehre  meck  jo  wol  sau  styf  uu  dikke  frähten, 
Bet  dat  eck  nich  mehr  kau  ein  inig  Mund  yuU  ähten. 
Du,  Brauer,  gyfst  meck  jo  wol  ais  tau  supen  her. 
Eck  will  deck  Stuten,  Brahn,  un  wat  des  Tyges  mehr, 
Ja,  wat  eck  krygen  kan,  yon  Harten  gehren  geven, 
Un  denn  sau  will  wy  wol  as  Forsten-Kinner  leven. 

Stoffel. 
Gyfst  du  nu  n^hger  koops?  hev  eck  et  niche  segt? 
Du  maynst,  du  wßhrest  man  alleen'  ein  Br^gams-Enecht, 
Man  dat  hast  du  doch  wol  dütmahl  yorbye  droopen, 
Neh,  eck  wait  ock  noch  wol  up  sau  ein  Dinck  tau  loopen. 
Du,  segg'  ais,  hast  du  all  dat  schäune  Maieke  saihn, 
Gl^y,  kyckst  du  sai  man  an,  dyn  Harte  maut  seck  fr6yn. 
Sai  is  sau  glat,  as  wenn  sai  hat  dai  Bulle  likket, 
Dai  Ogen  blennet  stracks,  dat  man  day6r  boir  stikket. 

Hans. 
Ja,  Vadder,  du  sogst  wahr,  eck  wait  un  16hye  dat. 
Man  kennest  du  ock  wol  dhr  laiye  Harten -Blat? 
Hai  is  deck  doch  sau  schnahr  as  aine  junge  Linne, 
Dat  eck  syns  glycken  nich  yeel  in  Hannauyer  finne. 
Et  löhyt  dai  Tainte  nich,  wat  hai  y5r  Eflnste  kan, 
H6r  ais  yon  synem  Warck  dat  schlue  Stadt -Volck  an, 
Wenn  hai  dai  Oergel  spehlt,  sau  blyfft  sai  jflmmer  drinne, 
Sai  wehr't  nich  ainmahl  satt,  und  spehl  hai  seeyen  Stftnne. 

Stoffel. 
Ja,  Brauer,  dat  heff  eck  all  lange  bäter  wüst, 
As  du  meck't  seggen  kanst;  kum  her,  eck  heyye  Lust, 
Ais  ainen  dytschen  Biem  up  dAssen  Dag  tau  mahken, 
Dai  leiye  Qott  dai  gehy  in  allen  5bren  Sahken, 
Dat  et  sau  glückelck  gaiht,  as  sai  et  heyyen  willt, 
Un  dat  fAst'  6yert  Jahr  dai  Weege  ifse  füllt. 

Hans. 
Un  eck,  m3m  laiye  Braur,  eck  wünsch  ßhn  sau  yeel  Seegen, 
As  eck  im  Moller-Sack  kan  Eohrens  jümmer  drügen, 
Sau  wart  seck  Vahr  un  Moym'  un  Schwester,  Br5yers  froyn 
Un  6hre  beste  Lust  an  dftssem  Brüht -Volck  saihn. 

Georgs  IT.  fleeresmnsternng  22.  Sept.  1735. 

Gespräch  über  die  zweyte  Musterung,  so  von  Sr.  Königlichen 
Majestät  von  Gross-Britannien,  Georg  dem  Andern,  am  22.  September 
1735  gehalten  worden. 

Wat  duhsent  krancket  is  nu  al  wat  wehr  tau  kieken 
Dei  eine  galt  bal  hier,  dei  anner  dort  heu  schliken, 


102 


Dat  feurt  in  Kutsch  un  Pehr,  an  ihlt  tau  Faute  nah: 

Dat  gaiter  knap  by  her,  dat  ainer  secker  stah, 

Dahr  stait  dei  ain  un  frett  en  st&cke  van  der  Fust, 

Vehr  anre  wehr  dei  schneurt^)  van  Disch  un  Banck  en  Knust. 

Mons.  Matthias. 
Höhrt  er,  mein  guter  Freund,  ihr  wiss't  es  noch  mit  nichten. 
Ich  wil  von  allen  euch  umständlicher  berichten, 
Ihr  werdet  heute  noch  auf  diesen  Platze  sehn. 
Wie  vieles  Volck  zu  Pferd  und  Fusse  da  wird  stehn, 
Ihr  sehet  ja  das  Holtz,  genannt  die  Eilenrie, 
Da  hält  der  König  GEOBG,  zum  andern  mahl  Ileyü6. 
Wad  Schnack,  dei  K6nnig  had  düt  Volck  al  vor  enohmen, 
Un  wohr  scholln  al  dei  Lilh  up  einmahl  den  her  kohmen? 
Eck  sag  dat  vorge  mahl  mehr  als  tain  duhsend  Hinsehen, 
Sey  kohnet  likesehr  en  anner  seck  nich  wünschen, 
Dahr  is  sau  mannig  Kop,  und  möhtet  al  wad  &ten, 
Wad  k5stet  sei  an  Kleer,  an  Supen  un  an  Fräten! 

Mons.  Matthias. 
Ich  höre  wol,  ihr  wifst  hievon  gar  kein  Bescheid, 
Das  difs  gantz  andre  seyn,  glaubt  jeder  ohne  Streit, 
Wir  haben  so  noch  mehr,  als  hier  zu  sehen  seyn. 
Die  stehen  noch  jetzo  bey  Franckfurth  an  den  Bhein; 
Seht  an  die  Eeyterey  von  Schultzens  Regiment, 
So  noch  auf  diesen  Tag  viel  Ruhm  und  Ehr  behält. 
Dat  maut  eck  sülyst  gestahn,  et  is  alwehr  wad  niees. 
Höhlt  my  dog  wad  tau  gau,  mien  leiwe  Heer  Matthies, 
Wad  ji  dahr  schnackt,  is  wahr,  eck  finn  nicks  anners  dran, 
Un  seih  eck  Mann  vor  Mann,  dahr  is  nein  Dadel  an; 
Et  is  mant  nette  Volck,  wad  up  den  Platze  stait, 
Eck  feul,  dat  my  dat  Hart  vor  Lust  in  Bücke  schlait. 

Mons.  Matthias. 
Hier  krigt  der  Baure  Lust,  um  alles  mich  zu  fragen, 
Und  bäht,  ich  möchte  ihm  noch  ferner  Nachricht  sagen, 
Ich  zeigte  ihm  darauf  von  Walters  Reuterey, 
Von  Buschen  die  Dragoner,  hierauf  gestund  er  frey: 
Was  bessers  hätte  er  sein  Tage  nicht  gefunden, 
Und  er  hat  Selbsten  gern  sich  längst  mit  sie  verbunden. 
Ja  Heer,  dei  Pehr  un  Lfih,  dei  staht  nich  naug  tau  reumen, 
Eck  m6gte  mant,  dat  sei  my  ohk  dartwischen  neimen. 
Eck  droffte  my  tau  Hubs  nich  met  de  Flegel  schiahn 
Un  kenn  by  gauer  Tied  nah  mienen  Bedde  gähn. 
Des  Sommers  maut  eck  nu  in  Felle  pleugen,  saien, 
By  Winters  Dag  tau  Holt  un  in  den  Messe  klaien. 

Mons.  Matthias. 
Nun  habet  ihr  gesehn  des  K6nigs  Gavallerie, 
Hier  folgt  sogleich  darauf  die  schone  Infanterie, 
Von  Lucius,  d*Amproix,  von  Wrangel  aus  desgleichen. 
Ein  jeder  Regiment  hat  allemahl  sein  Zeichen, 
Seht  an,  wie  schöne  sie  da  stehen  in  Mundur, 
Seht  nur  daran  hinnaus,  sie  stehn  wie  eine  Schnur. 

1)  essen. 


103 

Dat  is  taosahmen  gaut,  alleen  eck  maat  ais  fragen, 
Sei  draiet  seck  san  schwin,  dat  k5ii  eck  nich  verdrageiii 
Un  wo  schön  eck  san  gan  up  mienen  Beinen  wäsen, 
Eir  ecket  my  verseig,  san  leig  eck  npper  N&sen, 
Sei  m5htet  altanhop  gans  schmiig  sihn  van  Enoken 
Of  is  ohn  wohr  dat  Lief  nn  Beine  inne  broken. 

Mons.  Matthias. 
Ich  merck,  ihr  wisset  noch  von  allen  kein  Bescheid, 
Es  ist  was  Leichtes  nnr  nnd  giebt  sich  ohne  Streit, 
Von  Bantzan  nnd  Barward,  die  sehet  ihr  dabey. 
Wie  sie  geschickt  yon  Leib  nnd  anf  den  Füssen  frey, 
Ihr  könnet  morgen  anch  die  Mnnsternng  ansehen, 
Inzwischen  lebet  wohl,  ich  mnss  zu  Hanse  gehn. 

Hoebzeit  Holtzheimer/Scliedeler.    Hannover  1737. 

Schertzhafde  Klage  ower  uhtgeeuwete  doch  gaut  gehetene  R6ferie 
met  Hartlickem  Glückwunsche  by  der  Holtzheimer-  un  Schedeler- 
schen  Hochtieds-Fyer,  as  sölcke  Am  8.  Septembr.  1737  in  Hannauver 
vergneugt  geholden  word,  In  verdorffener  platdüetschen  Spraake  ent- 
worpen  un  overrecket  von  Dem  Hocheddelen  Leives-Paar  Ergevensten 
Deiner  J.  C.  S. 

Nn  s611  eck  woU  een  Carmen  schrieven, 
Danh  ek  et  edder  Iaht'  eck't  blieven? 
Dat  meck  schfiht  sölcke  Böyery, 
Hoth  woU  nich  seggen  Deivery. 

Dar6ver  moste  meck  bedröven 

San  hartlick,  dat  man't  s611  nich  gl6yen 

Un  danhen  Snnckers  Eerckthorns  groht, 

Ja  blarren,  hfllen  meck  balP  dodt; 

Dat  man  meck  nümt  dat  fiene  Meken, 
Dat  meck  hnlp  schrieven  un  ok  reken 

Un  was  in  allen  Saken  gant; 

Na  awerst  fällt  meck  Hart'  an  Manht, 

Dat  eck  6t  sau  sali  fahren  laten. 

Eck  weit  balF  nich,  na  welcker  Straten. 

Man  segt  meck,   dat  se  Steinweg  het, 

Wo  et  noch  ichtens  hübschen  let. 

An  eenen  Mann,  de  kan  verkehren, 
Nich  awerst  san  met  blagen  Tweren 

Un  sflst  met  an'rer  Eleinigheit; 

He  weit  met  bettern  woU  bescheid: 

As  Waaren,  dei  köhnt  munter  maken, 
Un  ann'ren  hart-  nn  swaren  Sacken, 

Weit  eck't  nich  all  to  nomen  her. 

Mag  hei't  beschrieven  sAlvest  mehr. 

W6r  hei  meck  nht  dem  Hege  hieven, 
Hedd'  eck  se  better  woU  beschreven. 

San'n  B6very  gaiht  veel  to  wiet, 

De  eenem  makt  bedr5v'te  Tied. 


104 

Wat  sali  eck  awerst  darto  seggen? 

Eck  kan^t  6hiii  5yel  nich  uhtleggen. 
Da  hei  gewinnen  kon  de  Borg 
Un  drang  met  sienen  k&nsten  dorch. 

Moth  man  seck  woli  to  freen  gewen 
Un  wfinschen  bartiick!  dat  mag  leven 
Hei  lange  weg  met  sienem  Kind, 
Bet  dat  se  ohlt  nn  mene  sind. 

Sali  eck't  daby  na  iaten  blieven? 

Un  nich  en  beten  mehr  noch  Bchrieven? 

Ja  billick  w6r'  et,  dat  is  wahr! 

Wenn  eck  nich  w6re  gans  nn  gar 

Von  Bölcken  Gramme  uhteteeret, 

Dat  eck  darower  gar  verleeret, 
Wat  nht  to  dencken,  dat  fien  klingt, 
As  wenn  man  et  na  Noten  singt. 

Man  kan  et  sfllvest  overieggen, 

Wat  manjer  wöre  darto  seggen; 
Wenn  dflt  5hm  w5r*  to  lee  scheihn, 
Wo  5hm  s5il  smarten  Hart'  an  Bein, 

Dat  he  dar5wer  nich  8511  schlapen 

Vor  Gramm  an  Leed,  de  saa  rechtschapen, 

Dat  he  ahtseigh,  as  w5r  he  dodt 

Un  lange  nich  genoten  Brodt. 

Eck  gl5we  schier,  dat  leive  Leven 
Hei  s&lvest  hedde  nppegeyen, 

De  Overwinner  Ton  der  Borg, 

Von  allen  Harteleed  an  Sorg, 

Wo  hei  hedd*  Aftog  n5hmen  mohten, 
Vor  dicken  Wall  an  fasten  S15ten. 
Et  sagh  towielen  misslick  aht, 
Dat  hei  w5r  kriegen  düsse  Braht. 

De  Commendante  wehr  seck  strenge, 

Hei  kon  et  awerst  in  de  lenge 
Nich  ahtehohl'n,  twiel  5hrer  veel 
Fast  heilden  ans  Best5rmers  Deel. 

Ey  seiht!  wo  will  eck  na  den  blieven? 

Eck  meyn\  eck  woU  en  Carmen  schrieven 
Vom  Hochtieds-Paar  in  mienen  Sinn, 
Un  kome  in  den  Krieg  hennin. 

Of  Hochtied  eenem  Krieg  seck  glieket, 
Da  se  San  wackem  seck  verslieket, 
Dat  se  wilt  geem  alleene  syn, 
Dat  weit  eck  nich,  of  et  seck  riem? 


105 

De  Krieg  het  woll  nich  to  bedAen, 
Da,  as  eck  h6r'  yon  veelen  Lften, 

Man  nich  dodt  steckt  an  nich  dodt  schfit, 

Un  veel  wat  Frfindlickers  bed&t. 

Da  sflsten  man  in  Erieges-Tien 
Gar  veele  h5rt  von  doen  Lften, 

De  hie  nn  da  gebleven  sind 

Von  alleriey  ahrt  Minschenkind. 

Hochtied  awerst  gev't  to  hopen, 
Dat  Kinner  ball  her&mmerlopen, 

Met  welcken  et  mahl  kfimt  sau  wiet, 

Dat  se  k6nt  maken  ock  Hochtied. 

Na  holt  se  heim  de  Mari- Anne! 

Jy  hebb't  dat  Glfick.     Doch  wanne!  wanne! 

Wo  man  6hr  wat  tan  lee  daiht, 

Et  nAmmer  nümmer  klaacke  gaiht. 

Sei  werd  seck  woll  taa  finnen  weeten 
In  alle  Sak*,  in  Drincken,  Eten, 

Un  wat  saa  mehr  im  Haes  vorfällt, 

Saa  lang'  se  levet  in  der  Welt. 

Dewiel  se  is  der  Dämmen  keine, 
De  Bregen  is  &hr,  gl6y*  eck,  reine, 

Dat  se  licht  wat  begriepen  kan; 

San  seck  nich  finn't  by  jidermann. 

Tom  6r5gam  hebb'  eck  dat  Vertrnen, 
Dat  he  nich  late  seck  verlaen, 

Oehr  6wel  imahls  vortogahn. 

Eck  woll  et  6hm*  ock  ja  nich  rahn. 

Sau  levet  woll,  jy  leiven  beyde! 
De  Here  geve  j5ck  veel  Freade! 

De  macke  j6ck  an  Kinnem  riek 

Un  G&aem  rieken  Lflen  glieck. 

Hochzeit  Paradies  /  Giese.    Hannover  1738. 

Hartlicker  Glück- WuDsch  taur  Paradi-  und  Giesischen  Hochtiet 
uppesettet  van  ehnen  Ollermann  dei  wahnt  am  Back  in  usem  Dörp. 
Hannauver,  druckt  bei  L.  C.  Holwien.     1738. 

Eck  was  bien  gojen  Frftnd,  da  freit  eck  Melck  mit  Biefs, 

Da  schnacken  sei  so  veel  van  Masch6  Paradies 

Ehn  anjem  seck  int  Ohr,  an  dat  taamahlen  liefsken, 

Dat  hei  taa  Fraen  kreg  dei  wackre  Jangfer  Giefsken. 

Wo  spitze  eck  dei  Ohrn  an  dacht  in  mienen  Sinn, 

Eck  heffe  na  genog,  schnackt  jei  man  immer  hin. 

Wat  meck  all  lange  schwant,  dat  will  na  inne  drepen, 

Dram  will  eck  ock  nich  mehr  meck  mit  den  Twiefel  schlepen. 

Dei  goje  Paradies  dat  is  ehn  dflgend  Mann, 

Dei  siene  Saack  versteit  an  sausten  ock  gaut  kan. 


106 


Wof5r  hei  seck  nth  gifft,  flags  in  dei  Daht  bewiesen: 

Drum  mot  en  jeder  öhn  an  siene  Saacken  priesen. 

An  Qadesforcht  nn  Dogent  fehlt  nicks  dei  Jungfer  Brat, 

Darbie  taamahlen  fix  an  glad  am  5hre  Schnut: 

Dram  kan  dei  Bröddigam  seck  recht  an  Öhr  erquicken 

Un  sei  mit  dasend  Lust  in  sienen  Armen  drAcken. 

Eck  schlute  nu  hier  uth  an  dat  taamahlen  wifs, 

Dat  dfit  recht  edle  Paar  ehn  tiedlick  Paradies 

Ahn  allen  Wedderschnack  up  düsser  Welt  k5hnt  buen, 

Dat  kan  ehn  jeder  meck  man  seckerlick  tau  truen. 

Un  kohnt  van  Jahr  tau  Jahr  un  dat  taur  rechten  Tiet 

Darin  ehn  BShmken  sett'n  mit  obren  besten  Fliet, 

Dei  endlich  ock  ehnmahl  kan  gladde  Früchte  dragen, 

Dei  öhn  un  anjern  mehr  taumahien  gaut  behagen. 

So  lefet  den  vergnügt  un  alle  Tiet  beglückt, 

Gott  wend  in  Gnaden  af,  dat  j6ck  kehn  Unglück  drückt: 

Hei  lath  j5ck  Nestors  Jahr  in  düsser  Welt  erlefen, 

Darup  will  hei  denn  ock  dei  Himmels-Lust  j5ck  gefen. 


Hochzeit  MSUer  /  Thor  Brügge  (Hannover)  1739. 

Afse  Dei  Herr  Sickertarjes  Möller  Dei  Mammeselle  Thaur 
Brüggen  friede,  wort  düt  Seddelcken  up  6hre  Köstje  gebrocht,  Von 
einem  Hufsmann,  den  15.  Jenner  1739. 

Dat  Braut  ifs  upegäten, 

Un  Mehl  werd  noch  woU  ain  klain  bäten 

In  user  Eiste  6frig  sien. 

Hanfs,  sacke  du  ne  braven  Eluten, 

Mack  fohrti  wat  hengstu  sau  dai  Schnuten? 

Eck  maut  hen  na  der  Höhle  rien. 

Dat  Lud  schall  einen  Seddel  halen, 

Süst  kan  eck  woU  nig  drieste  mahlen, 

Denn  dai  Lickzent-Enecht  ifs  wat  schlimm, 

Mien  Naver  Gert  het  et  erfahren, 

Dai  woll  dai  achtain  Penje  spahren 

Un  kam  um  synen  Boggen  um. 

Den  groten  Brunen  wiU  eck  nöhmen, 

Dai  ifs  lichtferig  uptautomen 

Un  het  in  sinen  Enocken  Macht. 

No  bringet  he!  wo  ifs  dai  Elute? 

Un  blev  eck  düsse  Nacht  jo  ute, 

Sau  nöhmt  dat  Hufs  met  Fliet  in  acht. 

No  j6h!  des  Möllers  Eöcke  rocket, 

Meck  dünckt,  da  werd  wat  dauekocket, 

Dai  Lue  liet  kaine  Naut: 

Dai  Möhlen-Slamm  gift  Fett  un  Ayer, 

Sai  levet  afs  dai  beste  Mayer, 

Un  hevvet  jümmerfohrt  6hr  Braut. 

Süh  da!  hie  maut  eck  wehr  taurügge. 

Dai  Guhl  stutzt  vor  der  nien  Brügge, 


107 

Da  ifs  en  Schlag-Bohm  vorebaht. 

Dort)  d&Bckt  meck,  let  dat  Water  klaine. 

Dat  deck!  et  gieng  meck  an  dai  Baine, 

Hie  kom  eck  endlick  wehr  herrnht. 

Olfick  taa,  mien  laive  Eanert-Vedder, 

Eck  maat  Jflck  aifs  by  d&Bsen  Wedder 

Beseucken,  wiel  dai  Naut  meck  drift. 

Jfi  sint  jo  schnicker  ntefliet; 

Dei  Henger  schwehr,  dat  JA  nig  friet, 

Hoho!  eck  marcke,  wat  et  gift. 

Dort  sai  eck  ja  dat  Bnit-Lfid  stahen, 

Dat  met  Jflck  schall  tau  Bedde  gaheOi 

Dat  ifs  ein  Kind  von  gauer  Ahrt; 

Da  heyve  Jfl  et  woU  edropen. 

Jfi  bayden  werd,  dat  will  eck  hopen, 

In  einer  ganen  Stnnne  pahrt. 

Bedränfnifs,  Harteled  nn  Plage 

Sie  fam,  dat  Jfl  dai  Levens-Tage 

In  Bane  christlick  schlnten  k5nt, 

Nomt  san  yerleif  mit  minen  Willen, 

Gott  wolle  alle  dat  erfflUen, 

Wat  Jflck  dai  gantze  Frflnschap  g5nt. 

ün  da  Jfl  meck  hie  geren  seihet, 

Un  meck  dat  Hart  in  Lieve  frenet, 

San  bliev  eck  ock  van  Harten  gern 

Un  macke  meck  upt  allerbeste 

San  lastig  ass  dai  annem  Gäste: 

Denn  dflsse  Tag  ifs  Jflck  tau  Ehrn. 

Komt  Jfl  werflm  in  dflssen  Dagen 

Tan  meck  nn  Iaht  flsch  aifs  ains  wagen, 

Eck  bidde  J6ck  np  Speck  nn  Wost, 

Frisk  Brant,  dat  noch  von  Dampe  rflcket, 

Un  Stuten  in  dai  Melck  geplflcket, 

Un  nehmt  yerlaif  met  Hussmanns-Kost. 

Un  darum  ifs  meck  nig  ais  bange, 

Eck  hew  dflt  laive  Paar  all  lange 

Vor  velen  annem  hocheflhrt. 

Et  sint  meck  harte  leive  Frflnne, 

An  Dogend  rieck  un  trfl  von  Sinne; 

Drum  seid  Sai  Gott  un  Hinsehen  wehrt. 

Nu,  Jfl  sind  woU  mit  recht  vergneuget, 

Dat  het  dai  laiye  Gott  efeuget, 

Dai  macket  dflsse  Frierie. 

Dat  Mahlen  mag  dai  Knecht  verrichten, 

Hie  ifs  in  Aehren  und  in  Tflchten 

Dai  Seddel  un  ein  Wunsch  darbie: 

Veel  Glflcks  tau  dflssen  nien  Paare, 

Gott  Iaht  et  lange  laive  Jahre 

Gesund  un  starck,  vergneugt  un  frisch; 

Hai  segne  Sai  in  Oehrer  Ehe 

Un  geve  Ainigkeit  und  Free, 

Hai  segne  Hufs  un  Bedd  un  Tisch. 


108 


Hochzeit  v.  Geldern  /  Boekemann,  1741. 

Doo  Heer  von  Geldern  un  Jumfer  Boekemanns  Anno  1741 
den  22.  NoVembr.  Hochtied  geeven  Schreev  em  wat  van  der  Fryery 
Dat  könnt  se  leesen  wo't  Ihm  will  beleefen. 


Ha  Ha !  dat  mogd  de  Drost  nich  grienen, 
Schalt  doch  hal  upperstedens  schienen, 

As  wenn  dat  Fryen  wat  Arges  wer. 
Ick  hebbe  lestens  ins  wat  lesen, 
My  mnt,  wenn  ick  dran  dencke,  gresen, 

So  scharp  ginckt  avert  Nement  her. 

Ick  mnt  de  Orunn  doch  ins  belachten, 
Un  myne  Fedder  lastig  fagten, 

Up  Masen!  ja  jy  helpt  wol  nich, 
Jy  ladt  ja  mit  nichts  platdaytsch  n5gen, 
Man  mat  flickflojen,  kratzen,  b&gen, 

Süs  siln  jy  to  verbrftderich. 

De  Pogg  tom  Elefant  to  maaken, 
Den  Fosschwans  liefs  an  safer  straken, 

Dat,  dat  heed  recht  poetiseert. 
Ne !  de  der  will,  mag  Lägen  schrieven. 
Ick  will  byer  Mommken  Sprake  blieven. 

Den  Leegent  hef  ick  nich  gelehrt. 

Na  Pabst,  da  mast  den  Trop  apföbren. 
Wo  ist,  wil  sick  nichts  by  dy  rühren? 

Dat  noch  wol  kilmt  von  Adamsfall, 
Da  schrigst,  de  Grand  hält  al  de  Prove 
So  starck  as  de  catholsche  Glove, 

De  Grand  van  Grfinden  heeten  schal. 

Denn  so  as  de  Geschichte  melden, 
Hed  sälfst  van  dfissen  hilgen  Helden 

Een  ins  wat  Ifits  tor  Welt  gebrocht. 
Wat  schult  ans  soone  Grande  heeten, 
Wem  salt  to  gl5ven  nich  verdreten, 

Dat  de  dat  Flabbent  nich  versogt. 

Mehr!  sid  de  Pabst  ap  Peters  Stoole, 
Ey  dat  kflmt  my  jo  recht  to  Poole, 

S&nt  Peter  hed  en  Frae  had, 
Wal  he  sick  sien  Nafolger  n^men. 
So  müst  he  nich  so  dävisch  Dr6men, 

As  wflr  man  van  Ideen  satt. 

De  andern,  doch  wat  schal  et  natzen. 
Et  is  geschreven  man  at  Patzen, 

Den  Grillas  scharper  an  to  gan, 
Süs  wal  ick  eenen  Grand  var  schmieten, 
Man  mochte  lang  de  Nagels  bieten, 

He  stan  an  bleev  oock  wol  bestau. 


Nich  dat  de  Welt  im  Besten  leege, 
Nich  dat  man  keene  B6rger  kreege, 

Nich  dat  et  in  der  Bibel  stait. 
Dat  all  is  f5rt  gemeene  Beste, 
Man  grift  veel  näsewiese  G&ste, 

De  fragt,  wat  jymt  Gemeen  angait. 

Wat  et  for  entelde  Persohnen 
Sick  wol  der  Moite  sal  belohnen, 

Dat  man  sick  in  den  Eh -Stand  gift. 
Hiervan  is  pro  an  contra  schreeven, 
Un  keener  wil  doch  wannen  geven. 

Pro  n5mmt  en  Zacken  contra  gift. 

Wat  schal  man  by  so  krasen  Saaken 
Wol  dencken,  schrieven  edder  maakeu, 

De  Dr^mers  schreet  Vemanft  an  Grand, 
De  Grflnn  sand  Tieden,  Lampen,  Flicken, 
Vemanft  anWiefsheit  setH  se  ap  Ericken, 

Un  wat  se  schadt,  is  kanterbandt. 

Künt  Seen,  dat  ick  een  Scheeds-Mann  finde. 
De  my  den  is  een  Grand  der  Gr&nde, 

Wo't  jo  ant  Dispateerent  galt. 
Dilt  kan  na  wol  keen  Fen^jen  wesen. 
De  noch  keen  Haar  hed  am  de  Nasen, 

Wiel  de  de  Saake  nich  verstait. 

Denn  wen  de  g&U,  so  har^k  al  wannen, 
Wat  wart  von  veeln  nich  Tag  gesponnen, 

Dat  se  den  Deerens  man  gefallt 
Da  kleed  dat  Ealf  sick  k  Lamode, 
List  sick  half  im  Amadis  to  doode, 

Bed  he  gelehrt  verleevet  lallt 

He  häsebäfst  to  twintig  mahlen. 
Um  enen  soiten  Blick  to  haalen, 

Der  traten  Jamfer  Has  vorby. 
Sftdt  he  den  sienen  schmacken  Engel, 
Wo  strävt,  wo  dreyt,  wo  kratzt  de  Bengel 

Un  meent,  dat  he't  na  sAlfst  al  sy. 

Ja  wenn't  em  entlich  eenmahl  glAcket, 
Dat  he  dat  Hartjen  flabt  an  drucket, 

So  weet  he  sfllvst  nich,  wo  em  sch&d. 
He  fanget  frfindlich  an  to  gnesen 
Un  bevet  doch  as  Loov  an  Seesen, 

Wenn  se  em  in  de  Oogen  s&dt 


109 


Wat  wart  dar  den  nich  Ttg  geschnacket, 
Wat  wart  dar  nich  to  hoope  packet, 

S'is  Gottin,  Engel,  Stahl  nn  Steen, 
Blöd,  Schnee  nn  FAer  sAnd  Oog  nn  Backen, 
Van  Wnll  an  Marmor  Hart  nnd  Nacken, 

Wer  weet  woryan  dat  Liev  nn  Been. 

Wiel  de  nn  hloot  in  LAsten  w551et 
Un  sick  mit  Narren -Water  k6&let, 

Js  he  nich  de  de  Saak  entscheedt, 
Een  Socrates  kont  oock  nich  weseu, 
De  foilt  verlieht  noch  np  der  Nasen, 

Wo  em  Xantipp  dat  Bad  beredt. 

Ja  wenn  de  de  gepaaret  leewet 
Dat  Fryn  oock  noch  so  hoch  erhäfet, 

Hed  et,  he  sprickt  der  Fron  dat  Wort. 
Denn  de  wiür  sfls  wat  biester  kiefen, 
Dmm  mnt  he  wol  byen  Laven t  blieven, 

Se  jägd  em  sAs  tom  Hencker  fort. 

Een  Weetmann  kan  den  Enntteu  lösen, 
He  kan  yan  Gooden  nn  yau  Bösen, 

Dat  in  der  Ehe  sick  begiyt, 
Sülyst  de  Erfahrung  sprecken  laten. 
He  weet,  oft  schaden  will  eer  baaten. 

Wenn  man  sick  paart  of  entelt  blift. 

Wiel  nun  hiervan  snnd  yeel  Exempel, 
Dat  se  tredt  in  der  Leeve  Tempel, 

ün  nehmt  wol  fack  dat  föfte  Wief, 
So  is  darnnt  jo  licht  to  slnnten, 
Dat't  beeter  drinne  as  darbnnten, 

Dat  is  een  Gmnd.     Un  de  stait  stief. 

Ach  ha!  dat  heet  philosopheert, 
Wol  segt  nich,  dat  my  Loy  gebohrt, 

Een  griep  ins  mehr  dat  Fryent  an. 
Doch  dat  ji  sed,  dat  my  nich  scheue, 
So  roop  ick  uut!     Wer  will  de  freye. 

Doch  excipe  den,  der  nich  kan. 

Ji  heftet  nnt  Erfahrung  lehret, 
Heer  Brägam,  wat  darto  gehöret, 

Wenn  man  en  Fron  to  nehmen  denckt, 
Worum  sul  ick  my  den  bestreyen. 
Des  Eh-Stands  Glflck  yeel  to  erh^yen, 

Wiel  ji  ju  Hart  up't  nie  verschenkt? 


Nu  schul  ick  na  Got  Modmauns  Wiesen 
Wol  ju  Verstand  un  Wiefsheit  priesen, 

Eeen  Cato  moste  klook  mehr  sien, 
Demostens  moste  sick  verstecken, 
Un  Seneca  w6r  nichts  to  recken, 

Dat  klAng  na  hütger  Mode  fien. 

Man'k  furcht,  et  mögt  ju  nich  gefallen, 
Wiel  ji  vor  jus  Gelieken  allen 

Den  Vörtog  längstens  fast  gesedt. 
Ji  sünd  ook  an  dem  gnog  erhaven, 
Wielt  ju  Heer  Poppe  sfllfst  will  laven, 

Segt  sAlvst,  wat  dat  nich  beter  ledt. 

Oock  juer  schmucken  BrAd  imgliecken 
Der  mosten  alle  Gratien  wiecken, 

Un  Venus   wör  een  hAfslich  Minsch. 
Man  hier  is  van  dem  gnog  to  römen, 
Drum  wur  een  jeder  my  verdömen, 

Oh  weh !  hier  past  sick  nichts  up  Minsch. 

Et  schad  nich,  wAr  seed  sAlvst  nichleesen. 
So  sed  ick,  dat  knm  rein  gewesen. 

De  Eer  an  NAtlicbkeiten  glieck. 
Wo  wiefslich  se  den  Hufs-Stand  föhret. 
Wo  zierlich  se  de  Nadel  röhret, 

Wo  se  an  Tucht  un  DAget  rieck. 

Wo  se  van  Meyers  klooken  Lehren 
Gelehrt  het,  wat  sick  wil  geböhren 

Un  wo  man  recht  vemAnftig  levt, 
Van  Eerer  Demod  un  Gebede, 
Van  Eerer  Ewigkeit  un  Frede, 

Un  wat  man  sAs  mit  Becht  erhAft. 

Man  ick  wil  leefer  stille  schwiegen, 
Eer  schmecket  keene  Laves-Fiegen, 

Wiel  se  dat  alles  nich  behövt. 
Denn  wer  ju  beyde  kennt,  wart  weeten, 
Dat  GIAck  hebt  beyden  Heck  gemeeten. 

Genoog  dat  Eer  von  Geldern  leevt. 

Nu  schal  myen  Wunsch  in  körten  kamen. 
Doch  nöme  ick  keen  GlAck  mit  Nahmen, 

GOtt  geev  Ju  alles  wat  Ja  nAtt't, 
Un  dat  er  tokum  Jahr  verflahten, 
De  Schatz  een  SAhnken  mag  umfahten, 

De  Juen  Nahmen  unnerstAt^t. 


Hochzeit  v.  Wfillen/Alemaiiii.    Hannover  1742. 

Da   dei  van  Wulln  dei    Alemanninn   fryt,   Wünscht  Bayden 
Glück  Lulf  Haunerstüt.     Hannauver,  den  6.  Novembr.  1742. 

Yeel  GlAcks  dem  Brögam  un  der  Brut !      Dat  eck  in  öhren  Namen  schall, 
Dei  heile  Dörpschap  schickt  meck  ut         Potzstip,  potzstapi  hier  hakt  et  all, 
As  Öhren  Alabassadören,  Van  veelen,  ryken  SAggen  köhren. 


110 

Hed  eck  dfit  T6r  twei  Manden  wnst,  W5r  ock  dei  Kfllle  noch  sau  groot, 

Jü  Lile  schöllen  jne  Lust  Dat  taafr5r  Beeke  nn  dei  Soot, 

An  mynen  Baockstabeiren  hebben,  Wol  warm  in  jnen  Armen  maken. 

Nn  averst  mant  eck  kort  nn  gant  Nn  geiht  dei  rechte  K5rje  an. 

Man  schnacken,  as  dei  Bnren  dant,  Van  Wollen  nn  dei  Alemann 

Hiemächst  san  hohl  eck  mjne  Fläbben.  Dei  schöllt  in  Qlück  nn  Sägen  leven, 

Dei  Brögam  had  nich  6vel  dahn,  Wat  sei  seck  wfinscht,  wat  sei  verlangt ; 

Dat  hei  nn  will  tan  Bedde  gähn  Wormit  dei  Wohlfarth  sfllvest  prangt, 

Sfilvander.     Denn  na  AUerhillgen  Dat  woU  dei  Höchste  öhnen  geven. 

Da  wört  et  kohlt,  dei  Winter  knmt,  Wort  griefs  nn  ohlt,  levt  lang[e]  jähr, 

Dei  Schnei  dei  fält,  dei  Wind  dei  brnmt.  Jfick  overfalle  nich  Geifahr. 

JA  wört  sin  Fryen  alle  bilgen.  Doch  eihr  eck  schlnte,  tänfft  en  betten, 

Ey,  lacht  doch  nich,  jfi  schnicke  Bmt,  Syd  jo  bedacht  nn  makt  et  san, 

Jü  seiht  san  frisch  nn  kregel  nt,  Dat  overt  Jahr  jfl  mötet  tan 

Jfl  wört  öhn  daljen  nn  noch  faken,  Dem  Bedde  enne  Wege  setten. 

Hoehzeit  Haber /Friesland,  Hannover  1742. 

As  Am  neegen  un  twintigsten  Junius  Dusses  dusend  Seewen- 
Hundert  un  twey  un  veertigsten  Jahrs  Dei  Hochgelehrte  Heer  Pastaur 
Peter  Hans  Haber  Mit  der  schnickckern  und  gladden  Junfer  Marie 
Lowischen  Frieslanden  Hochtiet  makede  Woll  dem  leiwen  Hoch- 
tiets  Paar  Veel  Glück  wünschen  Un  alle  öhre  wackere  Hochtiets 
Lüde  lustig  maacken.  Een  Ohlt  dütschk  Degen  Enoop.  Hannauyer 
drücket  mit  Schraderischen  Bauckstaven. 

Vadder  Canrd. 
Hans  Casperl  wo  hennnht?     Dn  hist  verwegen  glat, 
Eck  sei  wohl,  dat  dn  hflt  noch  denckest  nah  der  Stadt; 
Doch  nee,  eck  löwe  hohl,  deck  hat  yom  Frien  drömmet, 
Dat  dn  dei  Haare  hast  san  schlicht  nn  gladde  kemmet, 
Dn  dregst  dat  flincker  Crantz,  dei  Jack  is  nagelniet, 
Wanne!     Wat  hast  dn  deck  recht  niewer  nteflieht. 

Hans  Casper. 
Ne!  Nel  bie  Liewe  nich,  et  sind  gantz  anjer  Saacken, 
Vor  meck  denck  eck  noch  nich  np  reine  Beddelaacken, 
Eck  hebhe  Tiet  genang*,  doch  aber  westn  wat? 
Herr  Haber  frieet  hfit,  dämm  bin  eck  san  glat, 
Dei  gane,  leiwe  Mann!     Dehm  mant  eck  Glficke  seggen 
San  yeel,  as  in  der  Welt  dei  Henner  Eyer  leggen, 
Un  siener  Jnnfer  Bmt,  der  harten  schmucken  Deern 
San  veele,  as  dfit  Jahr  noch  wasset  Appel,  Beera, 
Nn  hör,  mien  leiye  Canrd!  schall  eck  sien  Schätschken  nennen. 
Frieslanden  is  öhr  Nahm,  dn  werst  sei  oock  wohl  kennen. 

Vadder  Canrd. 
Ja!  Ja!  Dat  hat  seck  wohl,  dat  is  man  Ködderie, 
Eck  hewwe  noch  nichts  hört  yon  dfisser  Frierie. 
Eck  woll  dem  Bröddigam  dat  gladde  Kind  wohl  günnen. 
Et  is  from;  frfindlick,  klanck  nnd  weit  seck  schenn  tan  finnen 
Bie  allen  Öhren  Dann;  nnd  oock  dei  Bröddigam 
Is  trfie,  schlecht  nnd  recht,  yan  ohlen  dfltschcken  Stamm. 


111 

Et  w5hr  een  recht  lelv  Paar;  doch  kan  eck  deck  nich  16wen, 
Eck  seih  den  vam  Pastanr  sei  erst  tauhope  gewen. 

Hans  Casper. 
Dat  schastn  hfit  noch  seihn,  kam  man  mit  meck  nah  Bückn') 
Wo  use  Heer  Owens  sei  werd  tauhope  flickn. 
Un  dat  is  gans  gewis,  ja  hasta  Last  tan  wedden, 
Man  werd  den  beyden  hfit  as  Bmt  nn  Br5gam  bedden. 

Vadder  Oanrd. 
Nn  Nn!  et  mag  dmm  sien,  gah  tan,  eck  loope  mit 
Un  wünsch  5hn  beyden  Qlück  np  allen  &hren  Trit. 
SAh!  doort  is  al  dat  Hnes!     H5r!  wo  dei  Lfide  springet. 
Jnchail  Jnchai!  Hol  Ho!  H5r!  wo  dei  Fiddeln  klinget. 
H5r!     Wo  dei  Dnlcian  as  alle  Veiten  summt, 
Un  wo  dei  Bafs -Viani  as  dusend  Dflvel  brummt. 
Lop,  wat  du  lopen  kanst,  gah  tau,  wie  d5rfft  nich  teuwen, 
Eck  frage  hftte  nicks  na  Maus,  na  Brie,  na  Beuwen, 
Gah  tau,  et  is  gewis  nich  lange  Teuwens-Tiet. 
Sfth  eis,  wat  hewwet  seck  dei  Maickens  uhteflieht. 

Hans  Casper  und  Vadder  Caurd  tauglieck. 
H5rt  Deerens,  maackt  eis  up,  wie  maackt  sftfs  wat  tau  flickken, 
Wie  bräcket  silfs  forwahr!  dei  D5hr  in  dusend  Stfickcken, 
Denckt,  dat  wie  Buren  sind,  maackt  foort  un  Iaht  üsch  in, 
Wenn  jie  nich  wilt  geschulln  und  oock  genuffet  sien. 

Hans  Casper. 
Süh  Caurd!  siLh  eis  dei  Bmt;  wat  is  sey  scheun  stafifeiret! 
Sflh,  wo  dei  Br6ddigam  seck  sau  verleivet  teiret. 

Vadder  Caurd. 
Eck  seih  sei  beide  an!     Wat  schufstu  as  een  Bär, 
Foort  Casper  b&cke  deck  un  köhre  vor  meck  her. 

Hans  Casper. 
Erst  eenen  gauen  Dag  maut  eck  j6ck  beiden  seggen, 
Drup  eenen  trflen  Wnnschck  voor  jue  Scheenen  leggen. 
Mien  leiwe  Bröddigam!  j5ck  wünsck  eck  Glflck  un  Ehr 
In  juen  Pastauren  Amt,  dat  jie  mit  Goddes  Lehr 
Erbuet  jeden  Stand.     Blievt  lange  Tiet  in  Seegen, 
Ju  Land  krieg  Snnnenschien,  tau  rechter  Tiet  oock  Regen, 
Et  starve  j&ck  keen  Hund,  veel  weinger  Peerd  und  Kau, 
Dat  raup  eck  hartleck  j5ck  uht  vuUen  Halse  tau. 

Vadder  Caurd. 
Sau  h5rt  oock  Junfer  Brut,  wat  eck  ut  Härtens  Grunne 
J5ck  hüte  wfluschen  will,  un  wat  eck  mit  dem  Munne 
Vor  d&tschcke  Woorde  spräck.     Leewt  Lewens  lang  vergnefigt 
Un  hewwet  sau  veel  Lust,  sau  veel  wie  Fooren  pleugt, 
Ji  m6tet  noch  by  fisch  up  dfisser  runnen  Eren, 
Wenn  sei  jo  rund  schall  sien,  mit  Glflck  erffillet  weeren. 

Hans  Casper. 
Nu  höhlt!  Iaht  meck  noch  eis; 


1)  »  Bücken  im  Amte  Hoya. 


112 


Vadder  Canrd. 

Still!  et  is  noch  nich  nht. 
Vadder  Canrd  un  Hans  Casper  taaglieck. 
Eck  wfinschck,  Heer  Br5gam,  j5ck  an  j6ck  oock  Jnnffer  Brut, 
Dat  jie  gantz  sente  mSgt  tauhope  schlapen,  waacken, 
Un  Kind  nn  Kinnes  Kind  j5ck  dusend  Frende  maaken. 


Hochzeit  Hflbner/ Voigt.    Koldingon  1747. 

By  der  Hiibenerschen  un  Voigtschen  Hogtiet,  As  DeisAlvige 
am  dridden  Oster- Dage  Dusend  seven  hundert  seven  und  yertig  tau 
Caulie^)  in  guhen  Frehe  vullentogen  word,  Woll  sien  ehrlick  Harte 
un  uprichtige  Frilnschop  betügen  Ein  Leifheffer  von  hüpschen  Durtel- 
Duven.     In  dussem  Jahre  dricket. 

Dei  Dage  weret  lang,  dat  Hann  fangt  an  tan  krakeln, 
Bei  Ganter  ropt  dei  Qohs,  dei  Ddfifer  mackt  seck  kram 
Un  market  recht  verleivt  am  siene  Dny  heram, 
Dei  Lehrke  plegt  taa  Hand  dei  Fittge  nt  taa  strakeln 
By  hellen  Snnnen-Schien  an  socht  dat  Wiefken  wehr, 
Sei  flflgt  hall  np  an  dahl,  hall  längs  hall  in  dei  Qneer; 
Dat  mackt,  wie  heffet  all  in  dem  Calenner  lesen, 

Dat  Qerdrnt  isse  wefst,  dat  markt  dei  Schwalen  Schwärm 

Am  ersten,  dat  et  will  nah  grade  weren  warm. 
Dei  Bner  Frnens  sind  ock  mit  der  Tiet  genesen, 

Dei  Keie  sind  all  melck,  dat  Kalvecken  wert  fett, 

Dat  Haan  legt  5hnen  ock  en  hApschen  frischen  Schett. 
Och  seiht,  en  heyen  Beist  dat  het  noch  siene  Plege, 

Sah  jenne  ohle  Frn,  afs  sei  Ton  nngefehr 

Sag,  dat  dei  D6ffer  kämm  am  sieae  Dave  her. 
Taawielen  och  wat  wart  hym  ohlen  Minschen  rege. 

Wenn  hei  tan  rügge  denckt  an  siene  Frierie; 

Och,  och,  meck  feilt  wat  in,  allehn  et  is  vorhie; 
Dat  Schnäffelcken  dat  let  by  miener  Trfle  gladde. 

Wenn  san  dat  Wieveken  den  Schnfifelcken  npdeit, 

Un,  eir  man  seck  versüht,  gans  sachte  sitten  geit. 
Eck  sag  et  gistern  noch,  da  dagt  eck,  wenn  eck  hadde 

En  wacker  Dflveken,  dat  were  wohl  nich  dämm, 

Eck  ginge  damit  ock  san  as  dei  D6ffer  amm. 
Herr  Br5gam  h5rt,  meck  dfigt,  Jie  heffet  watte  lehret 

Von  Jner  Daven- Fingt,  dat  meck  dei  Welt  nig  drfigt; 

Denn  wenn  des  Morgens  man  in  sienen  Bedde  ligt, 
Un  Yor  den  Fenster  san  dei  Daven  karken  h5ret, 

Da  Bchlfipt  man  recht  yergnengt,  da  kranewacket  man, 

Un  manchen  kämmt  wohl  gar  dat  leive  D5ffern  an. 
San  dAffert  denn  drnp  los  by  Jaer  leiven  Dflvken 

Un  schnafelt  J5ck  man  brav,  Ja  dr5fet  et  woll  daan. 

Et  is  Ja  Engelken,  Ja  Pfipken  and  Ja  Haan. 


1)  =  Koldingen. 


113 


Dat  Ding  dat  steit  meck  an,  et  is  en  arig  Wievken; 
Et  kamt  sau  um  J6ck  her,  un  streppelt  Jock  den  Bart, 
Nehmt  Jie  et  wohl  in  acht,  et  is  von  guer  Art. 

Eck  wünsche  dat  Jie  J6ck  m&gt  rechte  glücklich  paaren, 
Un  dat  Jie  Jue  Tiet  in  Frehe,  Glück  an  Raah 
Nah  Dartel-Dayen  Art  vergn enget  bringet  tan. 

Ean  eck  dei  gne  Post  denn  ap  dat  Jahr  erfahren, 
Dat  Jae  Düyeke  het  glücklich  atebrogt, 
Saa  wert  en  ehrliek  Wansch  ock  wehr  herrorgesocht. 


Heerschan  Georgs  II.  1750. 

As  dei  E6nnig  van  Grot-Britanjen  un  Hartog  tau  Bronsewig  un 
Luneborg,  Georg  de  Tweyde,  In  sienen  Churfurstendohm  vor  Hannauver, 
den  15.  Juni  1750.  Dei  grote  Munsterung  heilt  Word  dut  uppe- 
achreven  van  J.  L.  H. 

•  Verzeichniss 

Wie  von  Ihre  Kfinigl.  Majestät  die  Regimenter  zar  Mansterang  vorgenommen. 
Die  erste  General -Bevüe  den   15.  Jany  1750  von  18  Esqaadr.  and  12  Bataill. 


2  Battal.  Garde  za  Faess 
1      „      Sp^rcken 
1      ,      Hardenberg 
1      9      Freademann 
1      9      Soabiron 

1  Esqaadr.  Garde  d'Corpsx 


Grenad.  a.  Chev. 
Leib  Regiment 
Hammerstein 
Platen 
P&lnitz 


Dienstag 

den  16ten 

Special -Manster. 


Mittwochen 

den  17ten 

Special -Manster. 


4  Esqaadr.  Pontpietin 
4      „      Adelepsen 

1  Batal.  Rlinckowstr^mv 


Eroagh 

Bronck 

Scheases 

Mfinchow 

Hodenberg 


Donnerstag 
den  ISten 


Freytag 
den  19ten 


Erste  Mansterang. 


Wad  lopet  an  rennet,  wad  tobbelt  dey  Lfie: 

Wad  ister  tan  daan  by  der  Eylerrie? 

Dad  jaget  in  Kutschen,  Karjanlen  an  Wagen, 

Dad  ihlet  tan  Faate  mit  schlepen  an  dragen, 

Dad  krimmelt  an  wimmelt  npper  Bald, 

Dad  Manstem  schal  wesen,  is  dad  wor  dei  Sobald? 

Ganfs  recht,  mein  Freand!  ihr  krieget  heat  za  sehn, 
Was  vor  Hannover  nicht  in  Jahr  and  Tag  geschehen, 
Kommt,  s&amet  nnr  nicht  lang  und  eilet  mit  mir  fort, 
Ich  ffthr  euch  auf -den  Platz  and  an  den  rechten  Ort. 

Drap  keimen  wy  taar  Steh^  hier  gaffet  wad  taa  kiecken, 
Van  Yred-  an  Sapel  Waar,  by  Armen  an  by  Riecken, 
Dar  gaffet  Speck  an  Wost,  fien  Brod  an  gaaen  Schincken, 
Twieback  mit  Seatmelcks  Kehs  an  allerhand  taa  Drincken, 
Den  einen  stand  bald  däd,  den  annern  dad  ball  an, 
V5r  Geld  was  allet  fall  den  Hnefs-  an  Eddelmann. 

Hier  sähe  ich  mit  Last  an  diesen  muntern  Baaren, 
Wie  es  vor  Freaden  kaum  kont  aaf  der  Stelle  daaren, 

KiederdenisoheB  Jahrbnoh  XXXVI. 


114 

Bald  führte  ihm  vor  diefs,  bald  wieder  jenes  Zelt, 
Bifs  er  vermeinete,  es  sey  die  nene  Welt. 

Myn  hartens  gane  Fründ»  eck  bidde,  nehmt  nich  6Yel, 
Bad  eck  san  drieste  bin  an  as  dad  ringste  P&vel 
J6ck  falle  tauer  Last,  eck  maut  j6ck  ais  wad  fragen: 
Wad  si&nt  dftt  dog  vor  Mh,  dei  Gran  un  Roht  m&ht  dragen, 
Dei  scheitet  jo  sau  starck,  dad  Grand  an  Bodden  beyt 
Un  dad  dei  Sand  an  Stof  ein  am  dei  Schnaten  st^vt. 

Difs  sind  die  Canoniers,  so  in  den  Erieges-Zeiten 
Darch  ihre  Bomben-Macht  verrichten  Tapfferkeiten, 
Zerschiefsen  Maaer  and  Wall,  darch  ihre  Feld-Geschütze, 
Und  bringen  ihren  Feind  in  Schrecken,  Farcht  and  Hitze. 

Eck  seih  dei  Bütery  in  Goll  an  Sftlver  Mützen, 

Mit  fienen  roen  Wand  an  schwarten  Upschlag  stützen, 

Bat  is  man  wacker  Volck,  sei  m6ht  wad  sünderks  wesen. 

Bei  Lüh  nn  Päre  sunt,  as  wen  sey  ahte  lesen: 

Un  alle  Bütery,  dei  ap  den  Platze  stait, 

Find  neimand  Mter  nich,  wen  hei  dei  Weld  d&rch  galt. 

Biefs  glaab  ich  selber  wol,  ich  mafs  each  nur  bedeat-en: 
Bie  ihr  vorhin  gesehen  an  Pferden  and  an  Leaten, 
Sind  kostbahr,  wanderschön,  heifst  Grenadiers  Chevall, 
Bes  Königs  Beaterey,  die  rühmt  man  überall. 

Na  heffe  eck  myn  dage  nich  sülvem  Büters  seihen, 
San  wit-  an  bante  Peer,  as  dar  sei  appe  reihen; 
Bei  Kehr  eis  wören  al,  as  Weserböhme  lang, 
Sei  hefft  bym  Könje  ohk  den  allerersten  Banck, 
Ben  wiel  sey  jeder  Tiedt  dei  Wagten  by  6hm  daat. 
Et  sy  taa  Waag  an  Peer,  saa  folgt  sey  appen  Fant. 

Biefs  ist  die  Gaarde  da  Corps,  sehr  schon  in  allen  Wesen, 
Bie  Leat  and  Pferde  sint,  als  wann  sie  aasgelesen; 
Nan  tretet  weiter  her,  hier  kömt  die  Infanterie, 
Am  lincken  Flügel  hält  die  andre  Cavallerie. 

Wy  keimen  an  dei  Gaar  taa  Faate  in  langen  Begen, 
Bei  Kehreis  lanck  an  schnahr,  as  wenn  sei  goten  wöhren; 
Je  wieer  dat  eck  kam,  je  bäter  sag  et  aht, 
Bei  Kehreis  wören  glad  van  Koppe,  Bard  an  Schnaht; 
Bei  Trammein  rearen  seck,  bald  stfinnen  sei  süfs  den  saa, 
Ball  keick  man  sei  int  Oge,  den  nah  den  Bügge  taa. 

Biefs  ist  die  Infanterie,  so  ihr  nan  habt  besehen, 
Habt  ferner  nar  Gedald  and  bleibet  stille  stehen, 
Sie  werden  allesammt  sehr  schöne  exerciren, 
Ohn  dafs  ein  Trommelschlag  sich  dabey  dürffe  rühren. 

Na  was  et  Middags-Tiedt,  elkeine  ihl  taan  üten, 
Eck  was  ohk  mad  an  mea  an  hadde  noch  nich  süten. 
Eck  dagte  by  my  sülfst,  Gottlovl  dad  Gott  gegeven, 
Bat  neimand  is  taa  Boh  an  appen  Platze  hieven. 


115 


(Nachtrüge  atis  d.  J.  1732—1735.) 

Georgs  II.  Heerschau  1732. 

üp  dei  grote  Munsterung  welcke  Georg  de  Tweite  Könje  van 
Grot-Britannien,  Franckrich  un  Irrland,  hartog  tau  Bronsewig  un 
Lüneborg,  de(s)  hilligen  röm.  riecks  ertz-schatzmester  un  chörfarst, 
den  14.  juli  1732  vor  Hannauver  heilt,  word  düt  vertelt  under  twey 
buhren  Henje  Kolwes  un  Lulff  Haneklöwe.   Drücket  by  Ludolph  Heinen. 

1.  Branr,  tfih  dei  Jacken  an,  dar  is  wat  tau  te  kieken, 
Gab  tau  un  sfihme  nich,  gah  man  nich  lange  schliecken, 
Wiel  uhse  Lannes-Heer  uht  Engellaud  is  kohmen 

Un  eis  sien  Volck  tau  seihen  seck  .wisse  vorrenohmen. 

2.  0  ja,  eck  gah  mit  deck,  wenn  du  mant  weist  den  Ohrt, 
Et  sy  sau  wiet  et  wil,  eck  gae  mit  deck  fohrt. 

Wy  keimen  up  den  Platz,  eck  rohk  dei  Schwienebrahn: 
Hier  freiten  wie  sau  dick,  dat  wie  nicb  kennen  stabn. 

3.  Ey,  kieck  eis,  wad  bet  düt,  dei  H^ser  sAnt  van  Linnen, 
Un  scbnicker  Fruens -Volck  is  ok  dariun  tau  finnen, 
Man  welkein  scbSU  dog  nu  wol  uhse  K5ige  wesen? 

Du  dumme  Vent,  bei  stait  deck  dicbte  v&r  der  Nasen. 

4.  Hier  keimen  welcke  ber  up  scbwarten  Pebren  rien, 
Wie  freugen,  wad  dat  dog  v6r  welcke  scb511en  sien? 
Sei  sähen,  dat  sei  wiss  van  Pompietin  scb611n  wesen: 
Dei  w5rren  lieke  lanck,  as  wann  sei  übte  lesen. 

ö.    Drup  kam  en  Begiment,  dat  beiten  sei  van  L5ven, 
Dei  seigen  glupiscb  uht,  as  wenn  sei  ein  anschn5ven, 
Forwar,  eck  bedde  nicb  mit  dei  meck  schöllen  haken, 
Sei  bedden  my  sflss  woU  umwickelt  as  en  Laken. 

6.  Des  K5njes  SAlver-Garr  kam  obk  up  Inbter  Schimmeln, 
Dei  Pere  lieke  grot  mit  Witten  Schwaiffen  wimmeln, 
Sau  grote  Eerels  beff  eck  kortens  nog  nicb  funnen, 
Yan  Sfilver  w5rren  sei  gans  übt  un  dubt  bespunnen. 

7.  Do  kam  de  Garr  tho  Fant  sau  pruncke  ock  angahn, 
Dei  Krancket  schölle  seck  mit  5brer  einen  scblabn, 
Sei  w5bren  all  sau  risch,  as  wann  sei  regent  w6bren, 
Un  trampen,  dat  man  knap  sien  eigen  Word  kon  hören. 

8.  Hierna  do  keimen  dei  van  Campen  un  van  Schwaan, 
Gewiss,  dei  schöllen  obk  nog  for  den  Führe  stabn. 
Sei  trampen  alle  glieck  un  wöhren  sau  tau  freb, 
Dat  wer  sei  mant  ankeick  most  lachen  upper  Steh. 

9.  Drucbtleben,  Querenbeim,  dei  keimen  obk  marscheirt 

Un  scblenckern  obre  Bein'  sau  stieff,  as  wenn  sei  schneurt: 
As  übten  dannen  Böhm  sau  schnabr  all  uppe  wossen, 
Sei  badden  an  den  Haut  half  witt  un  schwarte  Tosten. 

8* 


116 

10.  Dei  Fincke  an  dei  Bahr,  dei  keimen  ohk  anstiegen, 
Glieck  freit'n  sei  einen  np  an  wolin  den  annern  kriegen, 
Dei  schallen  einen  wol  den  Bamp  sau  faste  drficken, 
Dat  dei  Ealdanen  bSrst'n  in  lahter  kleinen  Stücken. 

11.  Hier  keimen  noch  hertan  Zastrow  an  Sommerfeldt, 

In  grenn  an  roht  mandeirt  hergahn  vörs  K&njes  Teldt, 
Man  düsse  sunt  yorlängst  all  in  den  Baame  wesen, 
Dat  sei  seck  leiten  nich  veel  parren  apper  N&sen. 

12.  Nah  dessen  sag  eck  ohk  van  Worm  an  Melvin  kohmen, 
Dei  wirren  saa  agal,  as  wenn  sei  ahtenohmen: 

In  wid  an  gehl  mandeirt,  dat  sag  al  schmacke  afat, 
En  groten  schwarten  Bahrt  had  elkein  apper  Schnnt. 

13.  Loni,  Hasberg  an  Wendt,  dat  w&rn  dei  allerlesten, 
Dei  Eerels  an  dei  Per  hohl  eck  von  allerbesten, 

Sei  leiten  saa  barbarsch  yan  Kippen  an  van  Bähren, 
As  wenn  sei  ahten  Deig  saa  dicke  weltert  w5hren. 

14.  Do  düt  na  was  yorby,  ginck  glieck  dat  Führend  an, 
Sei  sch5ten  all  ap  eis  en  jder  Mann  yor  Mann, 

Dat  knall,  as  wenn  dei  Ehr  np  eis  sch61  andergahn, 
Man  kon  yor  Damp  an  Rohk  knap  ap  den  Platze  stahn. 

15.  Drap  sett  dei  K^nje  seck  in  sienen  halwen  Wagen 
Un  leit  in  ynllen  Dray  nah  Heerenhasen  jagen, 

Eck  wünsche,  dat  wie  lang  6hm  möget  manstern  sein, 
San  ward  dat  ganze  Land  seck  mit  den  Bahren  frean. 

Georgs  IL  Heeresmusternng  bei  Celle  1732. 

As  Georg  de  Ander,  Könnig  van  Grot- Britannien,  Franckrieck 
tin  Irrland,  Beschütter  des  Glovens,  un  Hartog  tau  Bronsewig  un 
Lüneburg,  Des  Hil.  R6m.  Riecks  Ertz  Schatzmester  un  Chur- Fürst, 
Den  28ten  düsses  Mahndes  August,  vor  de  Stadt  Celle  Munsterung 
heilt,  Freue  seck  ein  Lanneskind  over  dat  Lüneborgsche  Hüs.  Drücket 
mit  Heinschen  Bauckstaben  1732. 

1.  Wilkohmen  hier  GEORG!  da  Vader  ahses  Lannes, 
Wilkohmen  leiwe  Heer,  da  E5nje  dienes  Stannes, 
Wo  hattet  jock  den  dog  en  tietlanck  her  egahn? 
Sin  ji  ohk  west  gesnnd,  wo  hattet  am  J^ck  stahn? 

2.  Uht  Ehrerhaighait  fall  wie  tan  Jaen  Featen 

Un  wilt  thom  tweyten  mahl  mit  dAssen  Breif  J5ck  greaten, 
Ja  Celle  freaet  seck  aht  vallen  Härtens  Granne, 
Sei  staht  an  lahret  all  ap  Jaer  Hierkanfft  Stanne. 

3.  Taam  Rohland  Et  seck  na  Ja  trüe  Yolck  ock  seien, 
Gewiss  wer  sei  ansüht  dei  maat  seck  hartelck  freuen, 
Un  sei  seiht  den  na  sftlyst  vor  6hren  Ogen  gähn, 
Vor  welcken  sei  saa  trü  ap  Wacht  an  Posten  stahn. 


117 

4.  Sei  helfet  seck  in  Reg  nn  Glieder  stellet  hflte 

Un  wiit  ock  exerceirn  un  fAhrn  mit  vallem  Vliete, 
Hier  passt  sei  np  Canon  an  np  den  Trnmmel-Schlag,     . 
Sei  staet  nn  parat  np  hfit  nn  Morgen  Dag. 

5.  Seit,  wo  dei  Walter  prnnckt  mit  Pehren  un  mit  Lüen, 
Eck  wollet  keinen  rahn,  dat  hei  sei  wolle  hrfien, 

Sei  latet  seck  tan  hoop  im  minsten  nich  vixeirn, 
Wer  dat  nich  15wen  wil,  magt  eis  mit  sei  probeirn. 

6.  Dei  Dreveschen  kohmt  nu  marscheiret  in  den  grennen, 
Wad  düt  vor  brave  Lab,  dat  sch511  wol  neimand  meynen, 
Dei  Eerels  sdnt  brav  lanck,  dei  Fere  Hecke  dick, 

Dat  exerceiren  galt  in  einen  Ohgenblick. 

7.  Dei  grote  Lucius  kumt  hierup  nu  vorby, 

In  Fflhr  un  Storme  sAnt  sei  regt  verwegen  fry, 
Sei  wetet,  wo't  im  Fell  un  vor  den  Find  hergait, 
Un  holet  nicks  van  dei,  den  glieck  dat  Harte  schlait. 

8.  Von  Bantzau  waget  seck  ohk  geren  in  den  Tummel, 
Sau  balle  as  sei  man  h6rt  scblaen  obre  Trummel, 
Sei  lubret,  wennt  wad  gifft,  sau  stille  as  dei  Muss, 

Et  iss  en  regten  Qtthl,  wann  sei  wehr  schallt  na  Huss. 

9.  Dei  Soubironschen  kau  eck  nich  tau  rfigge  laten, 
Qingt  man  nah  obren  Sinn,  dei  schöllen  einen  faten, 
Eck  weit,  wen  man  dei  Krieg  nog  hüte  ginge  an, 
Sei  gingen  gehren  drup  un  scbleugeu  5hren  Mann. 

10.  Von  Bhoeden  gifft  seck  an  un  sitt  nich  lange  stille. 
Eck  weid,  Heer  K5nje,  dat  ock  dfissen  w^hr  öhr  Wille, 
Mit  sauen  schnickern  Volck  eis  vor  den  Fiend  tau  gähn, 
Gans  gr&llick  worren  sei  seck  d5rch  einander  schiahn. 

11.  In  gliecken  leite  seck  van  Hören  nich  hendragen, 
Dei  erste  Tiedt  dei  best  um  ennen  tog  tau  wagen, 
Alleen,  Heer  E5nnig,  düt  stait  alles  np  Ju  Wordt: 
Wann  Jiet  heffen  wilt,  sei  gaet  gehren  vordt. 

12.  Dei  Eranckt  bym  Reyer  Holt  befft.sei  gar  undermynet, 
Wer  hod  seck  dar  wol  vor,   diewiel  dar  nicks  van  schienet, 
Dei  Ehre  dait  seck  up  un  dr5hnt  mit  einen  Knall, 

As  wenn  dei  Ehre  nu  up  eis  vergaen  sali. 

13.  Ne^  Schalter  sau  hergahn,  sau  bin  eck  hier  nich  nfttte. 
Eck  lope  stracks  na  Huss  un  frete  dicke  Grütte, 

Wiel  eck  nu  heffe  seihn,  dat  seck  düt  Dinck  sau  hackt: 
Sau  hattet  meck  dat  Lyf  un  Hart  beklomet  mackt. 

14.  Dog  is  dat  allerbest,  sei  krieget  wad  tau  supen, 
Dat  galt  sau  strev  herum,  bet  dat  sei  gaet  krupen: 
Elckein  nah  sien  Qnarteir,  dar  hei  vorhenne  legen. 

Sei  wünschet  6hren  Heem  veel  Glück  np  sienen  Wegen. 

15.  Herr  Könnig,  rastet  Jöck,  Ji  heffet  lang  nich  säten, 
Un  nehmet  sau  verleif,  wad  Celle  had  tau  eten. 

Up  Raisen  is  dat  best  en  Stück  van  roen  Schincken, 
Dar  stait  am  besten  up  dat  Cellsche  Beir  tau  drinckeu. 


118 

16.    Wie  wflnschet,  dad  Ji  offt  by  üsch  mögt  mnnstern  laten, 
Dat  kan  den  ganzen  Lann  in  allen  nog  mehr  baten, 
Un  raise  Ji  den  weg  yan  fisch  na  Engellandt, 
Sau  spare  Juck  gesund  des  groten  Gottes  Handt. 

An  Georg  II.  1735. 

Heer  K&nje,  leeve  Landes-Yader !  hier  iss  een  betjen  Schwärt  up  Witt^ 

Datt  flfitt  uth  eener  trfien  Ader,  deel  dAssen  Dyne  Qnade  mit 

De  deck  diütt  Blatt  will  averreicken,  datt  iss  dyn  eegen  Unnerdahn, 

0,  grote  K5nje!  giff  een  Teicken  un  lat  meck  nich  in  bieten  stahn. 

Meck  pufft  dat  Hart  in  mienen  Lieve,  ja  gl6ye  man,  eck  beve  recht, 

Wiel  eck  an  mynen  K5nje  scbrive,  eck,  afs  Dyn  allerschlichtste  Knecht; 

Doch,  dat  eck  hflt  an  dftssen  Dage,  da  jeder  Deck  willkomen  heet, 

Heck  mit  dflt  Brefken  tho  Deck  wage,  yerl5yst  Du  woll,  eck  weet  Bescheet. 

Eck  legg  meck  hier  tho  Dynen  F^ten  in  Demoth  upper  Erden  dahl 

TJn  willDeck  darby  kneend  gröten;  och!  sfth  eys,  wo  hier  althomahl 

Dyn  Lannes-Kinner  Arn  Deck  wimmelt,  och!  süh  eys,  wo  sick  jeder  freut, 

Eieck  eis,  wo  sick  en  jeder  tummelt;  och!  h6r  eys,  wo  see  roopt  un  kreyt. 

Hier  iss  keen  Jung  un  keene  Deeren,  hier  iss  keen  Vader,  keene  Mohm, 

De  Deck  nich  süiht  yan  Harten  geeren ;  och  ja !  Du  kämmst  iüfech  recht  bequem. 

Hier  iss  keen  Kind  in  syner  Weegen,  keen  Knecht,  [keen]  Magd  an  düssen  Ort, 

De  sick  nich  geern  y^r  Deck  will  neegen.     Eck  schrie  dalljen  wieder  fort 

ün  fange  an  tho  gratuleeren:  üs'  Heer  Qott  mag  Deck  so  yeel  Glfick 

Un  so  yeel  Freud  un  Lust  bescheren,  so  yeel  ass  Schaap  un  Zegen-Bfick; 

So  yeele  friske  Häuner-Eyer  een  jeder  Buhr  yerk5pen  deit; 

So  yeele  Schl&ge,  ass  de  Sayer  Tit  Leeyens  up  de  Klock  Thorns  schleit. 

So  yeele  Kringel,  so  yeel  Semmel,  ass  man  in  f6fftig  Jahren  backt, 

So  yeele  Lust  geey  Deck  de  Hemmel.     Ley  wol!  bet  dat  de  Heyen  sackt. 

Ley  sund,  leef  Vader!     Ley  so  lange,  bet  dat  de  Sparling  yan  fisch  thfit, 

Bet  dat  keen  Flog  iss  mehr  im  Gange,  bet  man  ken  Uhln  un  Krayn  mehr  sfiht 

Us*  Kfiniginn  nich  tho  yergäten,  dee  leey  mit'n  Kinnem  lange  Thiet, 

Bet  alle  Schob  un  Strfimp  thor&ten,  bet  dat  et  eens  Tocatens  schnyt. 

Bet  dat  de  Haasen  Hinsehen  scheten,  bet  dat  de  Hartz-Buck  Jägers  j5gc, 

Bet  Docters  keen  Latin  mehr  weten,  un  bet  dat  Reh  den  Spör-Hund  s5cht. 

Hyn  Wunsch  iss  man  kort  thogeschn&den,  eck  kan  er  nich  recht  yeel  by  dohn, 

Doch  will  eck  jfimmer  flietig  bfiden,  dat  Du  up  Dynen  Kfinje-Thron 

Noch  lange  Jahre  magst  regeeren,  dat  Fruw  un  Kinner  leeyen  mag! 

Hit  körten  meck  tau  expliceeren,  Gott  gey  Jfick  eenen  goden  Dag. 

Hau  leefe  Heer !    Du  must  nich  kieyen,  dat  hier  mehr  ass  de  Glfick  Wunsch  steit, 

Wenn  ünnerdahnen  an  Deck  schrieyen,  so  melden  see  oock,  wo't  &hn  geit. 

Herr  Kfti^e  1  Du  warst  meck*t  yergeyen,  dat  eck  dfit  Brefken  schick  nah  Deck, 

Denn  eck  wfinsch  nicks  in  mynen  Leyen  ass:   Glustre  doch  eys  her  up  meck. 

Eck  heffe  Deck  im  Stadschen  Laune,  tho  BremeryShrd,  bym  Impost  deent 

Un  heffe  et  ock,  ass  een  Manne  et  schfildig  iss,  getrfilick  meent; 

W6r  in  den  Lann  de  Impost  bläyen,  so  war  eck  nich  unglficklick  west, 

Wen*ck  noch  dran  denck,  so  mot  eck  bäyen,  denn  eck  hadd  all  en  warem  Nest. 

Nu  kan  keen  Docter  uth  meck  warren,  un  thom  Aycaten  d6g  eck  nich, 

Denn  de  moth  Latien  braf  blarren;  eck  spreck  woll,  doch  nich  sfinderlich; 

Hien  Käkel-Rehm  iss  nich  goot  schnäden,  drfim  segg  eck  faken  nich  en  Wort, 

Doch  kan  eck  schrieyen,  lesen,  baden,  un  stfimper  jfimmer  so  mit  fort. 

Gott  weet,  eck  heff  nich  yeel  tho  leeyen,  myn  Ollern  sfind  all  lange  dood. 


119 

Oott  hett  meck  ook  dree  Kinner  geven,  dee  sünd  thohope  noch  nich  groot; 

Drfim  mnst  Da  meck  mit  Brodt  versorgen,  et  kan  ja  doch  nich  anners  syn, 

E2ck  seeg't  noch  leever  hAt  ass  morgen,  dat  wfinscht  ook  myne  Fme  Thrin. 

Verstaa'ck  nich  veei,  so  bin'ck  keen  Prahler,  sitt  averst  thämlick  in  de  Sapp, 

'kheff  mennigmahl  nich  einen  Dahler,  doch  f5hr  eck  meck  reepteerlick  np. 

Cck  bin  nich  grot  van  Lieff  un  Enaken  an  blief  ook  woll  myn  Dage  so; 

Meenst  Da  nan  wat  ath  meck  tho  maken,  so  schick  meck  man  en  Brefken  tho. 

Da  drafst  nich  sülfen  Hand  anleggen,  dat  iss  d5rchath  nich  myn  Begehr, 

Da  kanst  man  tho'n  Sictaris  seggen:  Schriff  hen,  Hoffschläger  schaller  her, 

He  schall  sick  van  der  Fedder  nähren;  eck  heff  6hn  dartho  athesöcht, 

Hehr  wallck  nich  npper  Welt  begeren,  wenn  eck  dat  Gläck  man  hebben  m5cht. 

Hier  in  der  Stadt  bin*ck  anthodrapen  by  Kleissner,  in  der  Kramer  Straat, 

Dar  willck  np  eene  Antwort  hapen,  doch  bidd  eck  Deck,  weer  jo  nich  quat, 

Dat  eck  so  athverschaamt  in  Schrieven  un  Deck  so  veel  anmooden  bin, 

Eck  wall  nich  geern  so  leddig  blieven,  denn  Deck  tho  deenen  iss  myn  Sinn. 

'Twart  meck  noch  grane  Haare  maken,  o  sy  meck  an,  eck  dämme  Claass, 

Dat  eck  nich  sälffs.  mit  Deck  heff  spraken,  ass  eck  by  Deck  im  Garen  wass; 

Eck  was  tho  bl6d,  Deck  tho  bes5ken;  dat  segg'  eck  averst:  kehmt  nochmahl, 

Meck  dächt,  eck  wnller  woll  ap  fl6ken,  eck  geev  meck  so  nich  wedder  dahl. 

Eck  kleevde  an  Deck  ass  ne  Klieve  an  leet  gewiss  nich  wedder  loss, 

Du  st^ddst  meck  denn  mit  Fliet  vam  Lieve  and  sedst :  Gab  weg,  da  albern  Dross ; 

Doch,  darnp  walckt  wol  hasardeeren,  dat  deyst  Da  all  dyn  Dage  nich. 

Da  kanst  jo  keen  kleen  Kind  verth6ren,  denn  Da  bist  gar  tho  gnädiglich. 

Dee  Myn'gen  hefft  et  ook  erfahren,  wo  leeff  Da  see  geholen  best, 

Eck  bin  all  over  vertig  Jahren  an  hedd  ook  geern  en  eegen  Nest. 

Up  Deck  sett  eck  all  myn  Vertraen  an  hoop,  Da  giffst  meck  ook  myn  Brodt, 

Eck  will  np  dyne  Gnade  bnen  an  deenen  Deck  bet  in  den  Dodt. 

Na  thom  Beschlat,  dätt  wallck  noch  seggen:   Eck  will  meck  all  myn  Levelanck 

Tho  Dynen  Föten  nedder  leggen,  bet  dat  eck  weere  doden  kranck; 

Ja,  eck  will  meck  mit  Lieff  an  Leeven,  mit  Wieff  an  Kind,  ook  all  dat  Myn 

Deck,  leve  VADER!  avergeven;  wy  willt  Dyn'  Knecht'  an  Mägde  syn. 

Hannover,  den  1   Jnni  1735.     Martin  Hartwig  Hoffschläger,  B66rdig  ath 

Batzborg,  im  Färstendohm  Sax-Laanborg,  dee  im  Stadschen  Färstendohm, 

tho  Bremerf5hrde,  Impost-Innehmer  west,  an  ass  ase  Hochseel.  Köige  dat 

Land  vam  Impost  befryde,  mit  demitteert  iss. 

Georgs  II.  Reise  nach  Hannover  1735. 

As  dei  Könnig  Georg  de  Tweyde,  Int  Jahr  1735.  Von  Engelland 
nah  Hannauver  raise,  Freuen  seck  hierover  Twei  inwennig  beneumte 
Buhren.     beschreven  van  Jan  Lülff  Keinen. 

Gerd. 
Na  is  dog  entelck  ais  dei  Schnackerie  tan  enne, 
Wad  säss  dei  Läe  hefft  en  tiedlanck  her  edan, 
Dei  aine  love  stracks  den  annem  in  dei  Henne: 
Konnig  vant  Engelsch'  Land  wel  na  Hannover  gähn. 

Tilcke. 
Dat  is  en  dämmen  Schnack,  dahr  kan  jo  nicks  aht  wehren, 
Wieist  dat  dei  Krieg  angait,  wehrt  sei  5hm  nich  weg  laten. 
Sei  hefft  6hm  vehl  tan  leif,  dät  daaet  sei  nich  gehren, 
Un  sch511en  sei  öhm  ohk  anholen  npper  Straten. 


120 

Gerd. 
Da  schnackst,  as  wen  dei  Kop  deck  steicke  in  der  Tunnen, 
Wad  schert  uhs  E^nnig  seck  um  anre  Fienschops-Sacken ! 
Sei  heffet  5hm  liekesehr  nich  npper  Straten  fnnnen, 
Wenn  sei  hefft  uhte  mfthlt,  san  Iaht  sei  Frehe  maken. 

Tücke. 
Dat  gey  eck  alles  tan,  eck  mant  nog  als  wad  fragen, 
Wenn  Hei  dort  raiset  weg  van  sienen  Land  an  Lften, 
Wer  scholl  dort  E5nnig  syn?  den  man  wad  k5nn  vordragen? 
Forwahr,  eck  seihe  wohl,  du  denckest  my  tan  hr^en. 

Gerd. 
Dahr  is  al  vorrehaht,  des  gnedigen  K6njes  Fraen, 
Dei  is  saa  wiess  an  klanck  an  waid  sau  wol  tau  leven, 
Dei  draf  Hei,  gl5yet  meck,  in  allen  Saken  trnen, 
Der  is  dei  Hahsholang  in  allen  overgeven. 

Tilcke. 
ün  wenn  Hei  kamt  herraht,  saa  wil  eck  dahr  by  setten 
Mien  Hahs,  Hof,  Wiesch  an  Feld,  dat  Yeih  in  mienen  Ställen, 
Dei  leiwe  Lannes-Vaar!  had  ahser  gans  vergotten, 
Et  kohme,  as  et  wil,  saa  schal  dei  Wedde  gellen. 

Gerd. 
Na  wainig  Wecken -Tied,  do  ward  in  ahser  Earcken 
Vor  J6ck,  0  leiwe  Heer!  taa  Jaer  Raise  bäen, 
Dat  J5ck  dei  leiwe  Gott  mögt  apper  Baise  starcken, 
Do  glöve  Gerd  erst  wisse,  wad  süss  dei  Lue  säen. 

Tilcke. 
Na  sied  dog  dahsend  mahl  vor  allen  fisch  wilkohmen. 
Eck  falle  up  dei  Enie  an  ligge  taa  Jaen  Featen 
Vor  Jae  Gaudheit,  dei  Ji  hefft  taa  fische  nehmen, 
Un  wil  in  dfissen  Breif  aht  Härtens  Grand  J6ck  greaten. 

Gerd. 
Eck  meinet  eben  saa  an  raap  aht  vallen  Manne, 
Georg  dei  Eönuig  lev*  mit  siener  Fra  an  Einnern! 
Levt  lange  Jar  saa  frisch,  as  Ji  s&nt  dfisse  Stunne, 
Wi  sant  d6rch  J6ck  vergneugt,  fisch  kau  dei  Erieg  nich  hinnern. 

Georgs  n.  Heeresrnnsternng  25.  Jani  1735. 

As  dei  Könnig  van  Grot-Britanjen,  un  Hartog  tau  Bronsewig 
un  Luneborg  Georg  de  Tweyde,  In  sienen  Churfurstendohm  vor 
Hannauer,  Van  208ten  bet  taun  25sten  Junji  1735  Dei  grote  Mun- 
sterung  heilt,  Word  d&t  uppeschrewen  van  Hans  Wöbbecken. 

1.    Hans,  Iaht  dei  Arhait  sien,  du  schast  aist  met  my  gaen, 
Dar  schal  en  Hupen  Volck  kort  v6r  Hannauver  staen, 
Tau  Pehr  un  ock  tau  Faut,  dahr  schalt  sei  exercairen, 
Dei  E5nnig  van  Engelland  sfilvst,  dei  wel  sey  dahr  porbairen, 
Uht  uhsen  D6rpe  kohmt  dei  Rfiters  darme  mancken, 
Mack  fohrt  un  sühme  nich,  du  schast  my*t  nog  ais  danken. 


121 


2.  Dahr  wehret  dei  Zaldaten  met  6hren  Flintens  rätern, 

Ud  dei  Kumstawels  schalt  ohk  brav  dartwischen  knätern, 
Wy  wehret  Asch  mant  knap  vor  Qalm  darmancke  barjen^ 
Sei  schalet  lieckesehrst  fisch  nich  darmancken  tarjen, 
Dei  Kriegers  sint  süss  sau:  Wenn  sei  wähm  krigt  tan  faten, 
Hei  knmter  nich  fry  van  an  mant  dei  Haare  laten. 

3.  Top,  Brauer!  knm  man  her,  dat  wi  dahr  kohmt  vor  Dage, 
Nim  du  den  Fredsack  hen,  wiel  eck  nich  gehren  drage. 
Wie  keimen  by  dat  Volck  und  hören  dei  Trumpetten 

Un  Flaitjen,  dei  sei  twer  mÖht  vor  dei  Schnuten  setten, 
Eck  sUh,  holt,  Iaht  fisch  hier  en  bäten  afwarts  blieven, 
Lohp  wy  sfiss  driestig  tau,  sau  pleget  sei  tau  kiewen. 

4.  Des  gned*gen  K5njes  Hubs  dat  stund  up  iuhter  Stricken, 
ün  midden  was  dei  Band  van  Iuhter  bunten  Flicken, 
Wanne  bland!  dahr  gaffet  man  regt  nett  un  gladde  Dehren, 
Uhse  gned'ge  Lannes-Heer  dei  tenger  mee  tau  kehren, 
Van  sienen  Junckern  wöhrn  ohk  veel  darin  tau  sahmen, 
En  gaut  Frfind  sprack  tau  my :  Dat  sint  Cayleirs  un  Damen. 

ö.    Den  twintigsten  dfis  Mahnds^  dei  Dag  was  sch6n  un  dröge, 
Do  stfinnen  uppen  Platz  van  veir  Mann  bog  en  Rege 
Des  groten  Generals,  yan  Melvil  un  van  Campen, 
Van  Behr  un  Bohtmar  ohk,  dei  fangen  an  tau  trampen, 
Sei  ffihren  sau  agal,  as  wenn  mant  ainer  sch6te, 
Un  leipp'n  taun  annem  in,  my  graude  mant  vor  St6te. 

6.  Den  annern  Dag  darup  do  stfinnen  dahr  van  Schwaan 
Un  maken  äwen  dat,  wat  dei  van  gistern  daan. 

Van  Oberst  Sommerfeld,  inglicken  van  Druchleven, 
Un  ohk  van  Mondroy,  hadden  seck  tau  hope  geven, 
Dei  w5hren  altan  duU  un  schoten  regt  verwegen, 
Oehr  Pulwer  sch51  up  sien,  sei  brücken  nicks  tau  h&gen. 

7.  Van  Lony,  Hamerstein  un  Hassberg,  dei  hier  kaimen, 
Dat  waid  elkeine  sfilvst,  wad  dahr  van  is  tau  räumen, 
Dei  Eehiels  un  dei  Peer,  dei  w5hren  as  dei  Docken, 
Wohr  eck  nog  half  sau  groht,  eck  lait  my  van  sei  locken, 
En  bäter  Volck  kan  nich  up  dfitschen  Bodden  wäsen, 

Dei  Kehreis  un  dei  Pehr  sint  sfinderk  übte  läsen. 

8.  Hier  stund  en  Begement,  dat  hadde  kainen  Heeren, 
Sei  sähen,  dat  sei  sfiss  van  L5ven  halten  w6hren, 
Drup  folgt  dei  grote  Wendt  mit  sienen  wackem  Lfien. 
Forwahr,  dei  baiden  schalen  den  besten  nog  wad  brfien, 
Dei  Kehreis  un  dei  Pähr,  dei  staht  nich  tau  betahlen, 
Sei  eiget  mehr  as  dfit,  un  bruke  nich  tau  prahlen. 

9.  Dat  beste  kumt  nu  nog,  des  Könjes  Sfilvern  Garre, 
Dei  hadden  blancke  Kleer,  dei  stfinnen  stief  un  starre, 
Dei  aine  van  sei  wol  my  wad  tau  daune  maken. 

Eck  hadde  ohk  nich  Lust,  met  6hme  my  tau  haken, 

Un  hadde  al  myn  dage  ohm  nicks  tau  lee  dahn. 

Du  schast  dei  kleuckste  sien,  dagt  eck,  un  van  6hm  gähn. 


10.  Nu  maut  dei  Garr  tau  Faut  seck  Iahten  nog  als  säien 
TJn  wilt  dei  annern  all  dat  Sand  int  Ohge  straien, 
Dei  extercairen  gant  un  draien  seck  frisch  nmme, 

Sei  kaimen  as  dei  Blitz  np  einmal  um  nn  dumme 

ün  wohren  all  san  lanck,  as  by  Asch  wass^t  dei  Eicken, 

Eck  wedde,  dei  Mahler  schall  sei  bäter  nich  aftaicken. 

11.  Drup  sch5ten  sei  tan  hoop  met  samt  dei  Attolriee, 
Wanne  kranckt!  wo  hAhle  doh  dei  ohle  Ailenriee^), 
Et  was,  as  wenn  dei  Welt  np  ais  sch511  nnner  gaen, 
San  mosten  sei  tan  Fell  seck  met  den  Fiende  schlaen, 
Sei  hadden  seck  dei  Haar  in  luhter  Schwäntze  draiet, 
Un  elkein  was  dei  Eop  mit  Witten  Mehl  bestraiet. 

12.  Doh  wasset  rain  vorbyi  dei  E5nnig  steig  in'n  Wagen 
Un  lait  taum  Etent  sek  in  vnllen  Sprnnck  henjagen, 
Dat  Volck)  wad  dahr  tan  Fant,  un  dei  tau  Pehre  säten, 
Dei  t6hgen  wehr  na  Hubs  un  wollen  ohk  wad  &ten, 
Gottlov!  dei  leiwe  Gott,  dei  hadde  dog  gegeven, 

Dat  neimand  was  tau  Dobe  un  np  den  Platze  bleven. 

HANNOVER.  H.  Deiter. 


1)  Eilenriede. 


123 


Tiodute. 

''Kaum  gibt  es  in  der  Etymologie  eine  Art  der  Verirrung,  von 
der  nicht  die  Deutung  des  Wortes  jodute  ein  Beispiel  böte,*  sagt 
Petersen  in  seinem  als  Materialsammlung  immer  noch  unentbehr- 
lichen Aufsatz  über  das  Wort  (Forschungen  zur  Deutschen  Geschichte  VI 
S.  223  ff.).  In  der  Tat  gibt  es  auf  dem  Gebiete  der  germanischen 
Philologie  kaum  ein  Wort,  das  eine  grössere  Litteratur  aufzuweisen 
hätte.  Was  Petersens  eigene  Erklärung  des  Wortes  (Zusammenhang 
mit  dem  Namen  des  germanischen  Himmelsgottes,  hochd.  Ztu,  ndd. 
Tio)  betrifft,  kann  man  nur  sagen,  dass  sie  eine  neue  Art  Yerirrungen 
darstellt.  Es  kann  ja  jetzt  keinem  einfallen,  betreffs  der  meisten  der 
alten  Erklärungen  auch  nur  den  Versuch  zu  machen,  sie  zu  wider- 
legen. Diejenigen,  welche  ein  Interesse  daran  haben  sollten,  sie  kennen 
zu  lernen,  verweise  ich  auf  den  oben  erwähnten  Aufsatz,  S.  294  ff. 
Es  gibt  aber  auch  neuere  Erklärungsversuche,  die  kaum  besser  als 
die  von  Petersen  als  Yerirrungen  bezeichneten  sind.  Auf  einen  von 
diesen  (von  E.  Mayer)  komme  ich  später  zurück,  i) 

Von  all  den  alten  Ansichten  bleiben  nur  zwei  übrig,  die  über- 
haupt einer  Erwähnung  wert  sind.  Die  älteste  von  diesen  Etymolo- 
gien stammt  von  Wiarda  (Asegabuch,  Anm.  zu  YII  §  33,  S.  316), 
und  nach  ihm  wäre  das  Wort  aus  thiod  ute  ^Volk  heraus*  zu  erklären. 
Die  Etymologie  wurde  von  Lübben  in  das  Mittelniederdeutsche 
Wörterbuch  aufgenommen,  obgleich  er  sie  ;, wegen  ihrer  Einfachheit* 
verdächtig  findet,  und  begegnet  schliesslich  (mit  einem  Fragezeichen) 
auch  in  dem  Mnd.  Handwörterbuche.  Die  Unmöglichkeit  dieser  Er- 
klärung fällt  sofort  ins  Auge,  wenn  man  bedenkt,  dass  sich  nirgends 
eine  zu  erwartende  Schreibung  mit  d  <  th  im  Anlaut  findet. 

Die  m.  E.  richtige  Etymologie  des  Wortes  hat  zuerst  Richt- 
hofen  erkannt  (s.  sein  Altfriesisches  Wörterb.  s.  v.  tianiUroft).  Er 
erklärt  das  friesische  Wort  als  Zusammensetzung  des  Verbums  tian 
"ziehen*  mit  ut  *aus*  freilich  ohne  näher  auf  die  merkwürdige  Bil- 
dung tianut-  einzugehen  2)  und  stützt  seine  Erklärung  auf  eine  Stelle 


1)  Stosch  memt  (Zschr.  f.  deutsch©  Wortforschung  III  S.  361),  das  Wort 
sei  ein  zur  Inteijektion  jo  gebildetes  Iterativum :  *j6deeen  (nüt  eingeschobenem  df) 
^'Ihm  würde  im  Niederdeutschen  *  jodelten  oder  *joduUen  entsprechen,  unäjoduUe 
wäre  das  dazugehörige  SubstantiYum."  Freilich  kommt  ihm  das  doppelte  t  merk- 
würdig vor,  er  erklärt  aber,  dass  bei  dem  früh  unverständlichen  Worte  die  Schrei- 
bung mit  einfachem  t  nicht  so  schwer  ins  Gewicht  fallen  dürfe.  Dem  Umstand, 
dass  das  von  ihm  konstruierte  Wort  jödutte  heissen  müsste,  während  das  tatsächlich 
vorhandene  jodute  heisst,  schenkt  er  keine  Beachtung. 

^)  Grimm  schlug  bekanntlich  in  seinen  Rechtsaltertümern  Emendation  zu 
tiadut'  vor.  Die  richtige  Deutung  des  Wortes  gibt  wohl  van  Helten,  Zur 
Lexicologie  des  Altostfries.  S.  833. 


124 

in  der  von  Hettema  hersLUsgegehenen  Jurisprudmtia  frmca  JI  170: 
tie  Uta,  tie  uta,  ende  helpet  mi  min  giied  weer  to  tcynnen.  Für  die 
Etymologie  des  Wortes  tiodute  macht  Schade  (Zschr.  f.  Rechts- 
geschichte, hgg.  von  Rudorf  I  S.  249)  dieselbe  Herleitung  geltend 
und  erklärt  es  als  Zusammenziehung  des  altsächs.  2.  Plur.  Imper. 
tiohad  -H  ute,  und  er  findet  darin  Zustimmung  bei  Brunn  er,  Deutsche 
Rechtsgeschichte  II,  S.  482,  Note.  Diese  Etymologie  ist  ohne  Zweifel 
die  richtige,  nur  darf  man  nicht  mit  Schade  jodute  durch  Aphäresis 
SMS  *  tjodute  <  tiodute  erklären.  Vielmehr  wurde  das  unverständlich 
gewordene  tiodute  bei  nachlässiger  Aussprache  als  Zusammensetzung 
der  Präposition  te,  to  mit  jodute  und  dann  das  letzte  als  selbständiges 
Wort  gefasst.  Da  bei  dem  gewöhnlichen  Gebrauch  des  Ausdrucks 
die  Präposition  sinnlos  war,  kam  man  bald  dazu,  sie  ganz  wegzulassen 
und  jodute  allein  zu  verwenden. 

Ehe  ich  näher  auf  das  Wort  eingehe,  will  ich  hier  noch  den 
Erklärungsversuch  von  Mayer  erwähnen,  nicht  etwa  weil  seine  Etymologie 
dringend  einer  Widerlegung  bedarf,  da  ihre  ünwahrscheinlichkeit 
sofort  ins  Auge  fällt,  sondern  weil  er  (ebenso  wie  Stosch)  sich  auf 
die  unrichtige  Ansicht  stützt,  jodute  sei  die  ursprüngliche  Form  des 
Wortes.  Richthofen  und  Schade  haben  die  von  ihnen  vertretene 
Meinung,  tiodute  sei  das  Ursprünglichere,  nicht  mit  positiven  Beweisen 
gestützt,  und  ich  hoffe  einen  solchen  zu  liefern,  indem  ich  die  erwähnte 
Erklärung  widerlege.  Mayer  vermutet  (Zschr.  der  Savignystiftung 
für  Rechtsgeschichte  26,  German.  Abt.  S.  268  ff.),  ^dass  mit  dem 
Rufe  to  iodute,  wobei  to  ^zu  {herzu)\  jo  eine  Interjektion  je  (he)  ist, 
eine  Person  angerufen  wird,  die  dann  diite  heissen  muss*,  und  die  er 
in  dem  longobardischen  Beamten  duddus  wiederzufinden  glaubt.  Ab- 
gesehen von  der  unmöglichen  Zusammenstellung  zu  —  he  —  dute  (!), 
ist  die  Erklärung,  trotz  Mayers  entgegengesetzter,  aber  von  keinem 
Beweis  gestützter  Behauptung,  sprachlich  unmöglich.  Einem  altsächs.- 
ndd.  -t'  kann  ein  longobardisches  -dd-  nicht  entsprechen.  Dann  findet 
sich  auch  in  den  ältesten  Urkunden  Niedersachsens  nirgends  ein 
Beamter  namens  dute  erwähnt,  und  schliesslich  stützt  sich,  wie  oben 
gesagt,  die  Behauptung  Mayers  (to)  iodute  sei  die  älteste  Form,  wovon 
tiodute  ^eine  spätere  Kontraktion^,  auf  wenig  stichhaltige  Gründe. 
Zunächst  findet  er  die  Ursprünglichkeit  von  (to)  iodute  bewiesen  durch 
Aufzählung  einiger  Belegstellen: 

te  iodute  im  Lüb.  Recht  von  1263  c.  100,  Richtsteig  -  Landrecht  31  §  2,  Hildes- 
heimer  Recht  von  c.  1800  §  89  und  im  Lüneburger  Donat. 

iodute       für  Gadebusch  1302. 

tiodute  im  Lüb.  Recht  von  1294  c.  216,  in  einigen  Texten  des  Richtsteig  -  Land- 
rechts und  in  den  Bremer  Statuten  von  1303. 

Soviel  ich  sehe,  lässt  sich  aber  aus  dieser  Sammlung  von  Beleg- 
stellen nur  folgern,  dass  der  älteste  Beleg  von  to  iodute  etwa  30  Jahre 
älter  ist  als  der  von  tiodute.  Aber  was  beweisen  drei  Jahrzehnte  für 
einen  Ausdruck,  der  auch  nach  Mayers  eigener  Erklärung  mit  dem 
in  historischer  Zeit  urkundlich  nicht  belegten  Beamten  ^Dute^  sicherlich 


125 

Jahrhunderte  alt  wäre.  Dazu  kommt  noch,  dass  keine  von  den  ge- 
nannten Belegstellen  die  älteste  ist,  sondern  diese  findet  sich  in  der 
Chronik  Heinrichs  von  Herford  (Chronicon  Henrici  de  Hervm'dia, 
edid.  A.  Potthast),  wo  es  S.  141  zum  Jahre  1114  von  der  berühmten 
Schlacht  beim  Welpesholz  zwischen  Heinrich  V.  einerseits  und  den 
Fürsten  von  Sachsen  anderseits  heisst,  dass  die  Sachsen  zum  Andenken 
ihres  Sieges  eine  Kapelle  errichteten  und  darin  ein  Bild  eines  bewaff- 
neten Mannes  aufstellten,  "quam  rtistici  de  terra  rüdes  sanctum  Thejo- 
duthe  nominanty  quia  tota  gens  Saxanum  per  ThejodiUhe  illim  (durch 
dessen  Thejodutheruf)  de  rege  Henrico  victoriam  habuit*'A)  Die  Ausgabe 
war  mir  nicht  zugänglich,  aus  Petersens  Aufsatz  S.  228  ersehe  ich 
aber,  dass  wenigstens  an  der  zweiten  Stelle  als  Variante  auch  Thioduth 
geschrieben  ist;  es  scheint  also,  als  ob  bei  dem  ältesten  Beleg  die  beiden 
Formen  tiodiite  und  (te)  jodute  einander  gleichwertig  sind,  und  dass 
man  deshalb  aus  dem  Alter  der  Belegstellen  keinen  Schluss  ziehen  darf. 
Bei  der  Beurteilung  des  Wortes  darf  man  nicht  vergessen,  dass 
die  Volksetymologie  bei  Umbildung  unverständlicher  Wörter  stets  in 
der  Richtung  geht,  dass  sie  ihnen  einen  Sinn  zu  geben  versucht;  an 
eine  durchaus  sinnlose  volksetymologische  Umgestaltung  darf  man 
nicht  denken.  Wenn  tiodute  nun  eine  derartige  Veränderung  von 
te  jodute  wäre,  müsste  es  also  einen  Sinn  haben,  und  dieser  kann 
wohl  nur  der  von  "ziehet  aus ^2j  gein.  Diese  Umbildung  müsste  aber, 
wie  der  Diphthong  -to-  lehrt,  in  altsächsische  Zeit  zurückreichen ;  also 
müssten  die  beiden  Formen,  sowohl  die  ursprüngliche  wie  die  sekundäre, 
Jahrhunderte  hindurch  neben  einander  fortgelebt  haben,  ohne  dass  die 
eine  oder  andere  gesiegt  hätte.     Erst  im  späten  Mittelalter  wäre  die 


1)  Obgleich  kein  direkter  Zusammenhang  mit  unserer  Untersuchung  besteht, 
mochte  ich  meine  Meinung  über  den  Ursprung  dieser  vielbesprochenen  und  viel- 
gedeuteten Statue  äussern.  Die  Version  bei  Heinrich  von  Herford  kehrt  mehr  oder 
weniger  verändert  in  verschiedenen  Chroniken  wieder.  Besonders  erwähnenswert 
ist  die  Chronik  der  Sassen  von  Bodo  (abgedruckt  in  Leibnitz'  Scriptorea  rerum 
BrunsvicX  worin  sich  eine  Abbildung  der  errichteten  Statue  findet.  Dieses  Bild 
trägt  in  der  linken  Hand  das  Wappen  von  Obersachsen,  acht  Balken  abwechselnd 
weiss  und  schwarz  und  darüber  den  Rautenkranz.  Anders  hat  dagegen  Crantz, 
Metropolis  VI,  1,  der  von  einem  Bild  spricht,  armatum  clava  subnixum  arma  Saxonia 
tenentem,  equinum  candidum  pull  um,  d  h.  das  Braunschweig-Lüneburgsche 
Wappen.  £s  muss  doch  etwas  hinter  diesen  Wappen  stecken,  die  wohl  nicht  als 
blosse  Erfindungen  von  Bodo  und  Crantz  angesehen  werden  können,  sondern  in  der 
Tradition  überliefert  sein  müssen.  Nun  liegt  die  Frage  nahe,  ob  an  der  Welpes- 
holzerschlacht  eine  Person  teilgenommen  hat,  die  auf  diese  beiden  Wappen  ein 
Recht  hatte.  Ja,  eine  solche  Person  gab  es  wirklich  und  zwar  demjenigen,  dessen  . 
Name  in  den  Chroniken  immer  an  der  Spitze  der  sächsischen  Fürsten  steht  und 
der  an  dem  Siege  einen  wesentlichen  Anteil  gehabt  hat:  Lothar,  der  spätere 
Kaiser,  der  schon  1106  nach  dem  Tode  des  letzten  Billuogers  das  Herzogtum 
Sachsen  erhalten  hatte  und  dem  durch  seine  Gemahlin  Richenza  oder  Rikiza 
Braunschweig  zufiel.  Die  Statue  ist  also  wohl  sicher  zum  Andenken  Lothars,  des 
eigentlichen  Siegers  im  Kampfe,  errichtet  worden,  und  erst  später  ist  sie  von  dem 
Volke  mit  dem  "Gotte^  jodute  in  Verbindung  gesetzt,  wahrscheinlich  weil  in  einem 
wichtigen  Augenblick  im  Kampfe  tiodute  (vielleicht  von  Lothar  selbst)  gerufen  wurde. 

^)  Vgl.  die  von  Lübben  in  seinem  Wörterbuche  zitierte  lateinische  Formel: 
trahtte  foras. 


126 

eine  von  den  Formen  verdrängt  worden,  und  zwar  wäre  es  die  ursprüng- 
liehe,  die  den  Sieg  davongetragen  hätte.  Dies  alles  kann  ich  nicht 
wahrscheinlich  finden :  eine  Entwicklungsreihe  te  jodute  >  tiodtäe  >  (te) 
jodute  kommt  mir  ziemlich  bedenklich  vor.  Wenn  man  daneben  bedenkt, 
dass  es  sich  trotz  mehrerer  Versuche  als  unmöglich  herausgestellt  hat, 
eine  wahrscheinliche  Erklärung  dieses  ursprünglichen  te  jodute  zu  finden, 
während  tiodute  eine  annehmbare  Deutung  erhalten  hat,  wird  hoffentlich 
keiner  mehr  daran  zweifeln,  dass  man  in  dieser  Form  die  ursprüngliche 
zu  sehen  hat,  und  das  {te)  jodute  eine  spätere,  in  der  oben  (S.  124)  be- 
schriebenen Weise  entstandene  volksetymologische  Umbildung  derselben 
ist,  welche,  einmal  erschienen,  ziemlich  schnell  vollständig  gesiegt  hat. 
Den  Sinn  dieser  Umbildung  fasse  ich  so  auf,  dass  man  z.  B.  bei  der 
Anwendung  des  Wortes  bei  der  Friedloslegung  das  ganze  als  eine  Art 
Beschwörung  betrachtet  hat,  wodurch  der  Friedlose  te  jodute  ge- 
geben wurde.  Diese  Auffassung  wird  auch  durch  die  spätere  Be- 
deutung des  jodut  als  eines  höheren  Wesens,  einer  Gottheit,  gestützt. 
Nach  dem  Gesagten  brauche  ich  auf  die  anderen  Beweisgründe 
Mayers  (den  Namen  Jodutenberge  und  den  Umstand,  dass  das  Wort  in 
der  Form  jodut  in  das  schonische  Recht  übergegangen  ist)  nicht  ein- 
zugehen, da  sich  diese  ebenso  gut  aus  einem  sekundären  (te)  jodute 
erklären  lassen. 

Gehen  wir  nun  zum  Gebrauch  des  Wortes  über  1  Abgesehen  von 
der  eben  erwähnten  Bedeutung  einer  Gottheit  und  der  eines  Bildes 
(Götzenbildes?)^),  welche  nur  sekundär  sind,  kann  man  zwei  ver- 
schiedene Hauptarten  bei  dessen  Gebrauch  unterscheiden.  Erstens 
wird  es  als  Not-  und  Hilferuf  (Gerufte,  Gerüchte)  gebraucht  2)  und 
zwar  in  Fällen,  die  in  den  Gesetzen  fest  bestimmt  sind.  Für  den 
Missbrauch  des  Gerüchtes  sind  überall  Strafen  festgestellt.  Zweitens 
begegnet  das  Wort  als  integrierender  Teil  des  Eriminalprozesses  bei 
denselben  Verbrechen.  Diese  Verbrechen  waren  gewöhnlich  Notzucht, 
Diebstahl,  Raub  und  Mord  (s.  z.  B.  Sachsenspiegel  Landrecht  II,  64) 
d.  h.  im  Grossen  dieselben,  die  im  ältesten  germanischen  Recht  als 
Meintaten  und  Neidungswerke  angesehen  wurden  (s.  Zum  ältesten 
Strafrecht  der  Kulturvölker,  Fragen  zur  Rechtsvergleichung,  gestellt 
von  Mommsen,  S.  57).  In  späteren  Rechtsstatuten  kommen  noch 
andere  Verbrechen  hinzu,  aber  die  Zahl  bleibt  immer  eine  beschränkte. 

Bei  dem  Eriminalprozesse  bildet  der  tiodute-Rut  sozusagen  die 
Einleitung  des  Prozesses,  wenigstens  bei  handhafter  Tat  (dat  rucht  is 
der  claghe  hegin  Sachs.-sp.  I,  62).  Freilich  begegnet  er  nicht  in 
direkter    Verbindung    mit    dem    Wort    wapen^    aus    den    vielen    bei 


^)  Die  letzte  Bedeutung  weiss  ich  im  Mittelniederdeutschen  nicht  zu  belegen, 
aus  dem  Belege  in  Joh.  Madsens  Visüatshog  in  Kaikar,  Oräbog  tiü  det  aldre 
danske  Sprog  aber  ist  auch  fiXr  das  Mnd.  diese  Bedeutung  zu  erschliessen. 

*)  Als  eine  Entspaltung  hiervon  ist  wohl  die  Verwendung  des  tioduie-Rnfs 
als  Signal  des  Heerbannes  anzusehen  (Schröder,  Deutsche  Rechtsgeschichte  S.  500) 
und  wohl  auch  der  Gebrauch  des  Wortes  als  Schmerzensruf,  z.  B.  Anselm  469. 


127 

Petersen  aao.  S.  254  ff.  abgedruckten  Formularen  ersieht  man  aber 
deutlich  genug,  dass  der  Ruf  immer  mit  Schwertzücken  verbunden 
war,  und  man  wird  sich  kaum  irren,  wenn  man  wapen  als  Objekt 
des  tiodute  voraussetzt.  Es  ist  hier  unnötig,  die  vielen  Stellen  wieder 
abzudrucken,  da  ein  jeder  leicht  bei  Petersen  nachschlagen  kann,  ein 
paar  der  ältesten  Belege  möchte  ich  aber  anfuhren.  Im  ältesten 
deutschen  Text  des  Lübschen  Rechts  liest  man  (s.  Hachs  Ausgabe, 
Codex  II,  §  215;  S.  359):  Handelei  oc  en  vorsprake  sähe  vmme  vredelos 
to  legghende  vor  deme  richte  dar  gheropen  wert  tiodute  ofte  swert 

vnde  wapene  getoghen In  der  Lübeckischen  Chronik  Albrechts 

von  Bardewiek  liest  man  von  der  Verfestigung  einiger  Edelleute: 
Man  loth  se;  se  ne  quemen  nicht  vore  tho  gherichte.    Do  toch  men 

eyn  sweyrt  vnde  scryede  over  se (Petersen  S.  263).     (Vgl. 

auch  den  Ausdruck  in  einem  Mecklenburg,  ürk. :  pro  liicore  et  san- 
guine  et  trahite  foras),  —  Zu  der  Zeit,  wo  das  Wort  unverständlich 
geworden  war,  wurde  dieser  Vorgang  von  den  Zuschauern  als  eine 
Art  von  Verfluchung  und  Beschwörung  gefasst,  und  daher  stammt 
der  in  mnd.  Texten  häufig  belegte  Ausdruck:  te  jodtite  over  di 
(s.  z.  B.  das  Glossar  zum  Sündenfall). 

Auch  bei  tiodute  als  Hilfe-  und  Notruf  ist  Zusammenhang  mit 
wapen  vorauszusetzen.  Freilich  scheint  Schade  (und  nach  ihm 
Brunner)  das  Wort  intransitiv  aufzufassen,  etwa  wie  das  hd.  zetert) 
Freilich  spricht  für  dieses]  Intransitivum  das  friesische  tie  uta,  tie  uta 
usw.  (s.  oben  S.  123),  man  darf  aber  nicht  vergessen,  dass  das  Frie- 
sische die  Sprache  war,  die  am  zähesten  an  alten  Diphthongen  fest- 
hielt, weshalb  das  Wort  dort  am  längsten  verständlich  blieb,  und 
dass  also  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen  ist,  dass  man  aus  dem 
unverständlichen  Ausdruck  mit  weggelassenem  Objekt  (s.  unten)  einen 
verständlichen  mit  intrans.  Verbum  gemacht  hat.  Hier  muss  ich 
auch  der  Parallele  mit  dem  obengenannten  zeter  Erwähnung  tun 
und  wohl  auch  mit  dem  normandischen  haro(u)  (mit  dem  Verbum 
liarouder)^)  wenn  dieses,  was  wohl  wahrscheinlich  ist,  einem  jetzigen 
'heraus'  entspricht.  In  Uebereinstimmung  mit  diesen  beiden 
Geschreien  möchte  man  aber  einen  Zusammensetzungsteil  -her 
erwarten.  Dazu  kommt  nun,  dass  für  den  Gebrauch  des  tiodute  bei 
dem  Kriminalprozess,  wie  wir  oben  gesehen,  ein  intransitives  Verbum 
undenkbar  ist:  hier  wird  immer  eine  Waffe  als  Objekt  gedacht. 
Hat   man  denn  neben  diesem  transitiven  Ausdruck  ein  intransitives 


1)  Kluges  Zusammenstellung  dieses  Wortes  mit  zittern  kann  ich  nicht  bei- 
stimmen, sondern  bleibe  bei  der  alten  Etymologie:  ziefU  her. 

^)  Die  Etymologie  dieses  Wortes  hat  man  in  dem  as.  herod  ahd.  herot 
gesehen.  Trotz  der  Behauptung  Glassons  {iJtude  historique  sur  le  clameur  de 
haro,  Nouv.  Revue  bist,  de  droit  fran^ais  1882),  dass  das  Wort  in  fast  sämtlichen 
altfranzösischen  Dialekten  begegnet,  muss  man  doch  daran  festhalten,  dass  es  am 
h&ufigsten  in  normandischen  Texten  belegt  ist,  und  dieses  macht  es  wahrscheinlich, 
dass  es  aus  diesem  Dialekt  in  die  anderen  übergegangen  ist.  Für  ein  urspr.  nor- 
mandisches  Wort  suche  ich  aber  eher  die  Etymologie  im  Nordischen  als  im 
Deutschen,  und  ich  leite  daher  das  Wort  haro{u)  vom  dänischen  herud  *hieher'  her. 


128 

tiodute  als  Notruf  gehabt?  Kaum  wahrscheinlich.  Aber  es  gibt 
daneben  Umstände,  die  positiv  für  ein  Objekt  ivapen  auch  bei  dieser 
Verwendung  des  Wortes  sprechen:  erstens  die  verschiedenen  Namen 
des  'Gerüchtes',  die  fast  sämtlich  mit  wapen,  hd.  waffen  zusammen- 
gesetzt sind:  wapenscreinge  (Lüb.  Recht  S.  215),  wapengeschrey  (z.  B. 
Soester  Recht,  Petersen  S.  249),  wapenrocht  (in  einer  Bremer  Urkunde 
vom  Jahre  1131,  ibd.  S.  256),  wapengerüchte  (Statut  von  Verden, 
ibd.  S.  241);  hd.  wafenruf,  '{ge)schrei,  -heisz  (Grimm,  Recktsalter- 
tümer^  S.  517);  fries.  wSpenaropt.  Vgl.  auch  das  lateinische  arma 
clamare  (Lex  Chamavorum  §  38).  Zweitens  die  Ausdrücke,  wo  tiodute 
direkt  mit  wapen  verbunden  begegnet;  freilih  sind  die  Beispiele,  die 
ich  zitieren  kann,  ziemlich  spät:  tyodute  utide  wapen^)  Ancelmua  469, 
iodute  ufide  wapen  Passional  f.  10,  wapen,  to  jodute  Gerh.  v.  Minden  3, 
106,  heil,  to  jodute,  wapen  ibd.  39,  52  (diese  Beispiele  aus  dem  Mnd. 
Wb.),  wapen  tho  yodute  helpet  my  De  böse  vrouwen  (Grimms  Rechts- 
altert. 5  S.  518),  wapen  to  iodute  Claus  Bur  40  h  (Gott.  Gel,  Anz. 
1856  Nachr.  S.  104).  Vielleicht  ist  die  Formel  im  Holstein-Liandrecht 
XVII:  ja  unde  wapen  nur  eine  Verlesung  des  Schreibers  für  joduie 
wapen.  Vgl.  noch:  cum  ego  eum  . . .  ingredi  aspexe^'o,  . .  .  tunc  ex- 
clamabo:  joduyt,  joduyt,  id  est  wopen  (Busch,  De  refonnatione  mona- 
steriorum  in  Leibnitz'  Scriptores  verum  Brunsvicensium  II  S.  896). 
Das  Gesagte  wird  wohl  hpiFentlich  genügen,  um  jedermann  zu 
überzeugen,  dass  man  auch  bei  dem  Notruf  an  eine  Waffe  als  Objekt 
dachte  und  dass  also  tiodute  sowohl  als  Hilferuf  als  Einleitung 
des  Kriminalprozesses  denselben  Ursprung  hatte,  etwa  tiodute 
wapen.  Welche  von  diesen  beiden  Verwendungen  des  Wortes  war 
die  ursprüngliche?  Um  diese  Frage  zu  beantworten  muss  ich  zunächst 
ein  wenig  auf  die  ältesten  germanischen  Gerichts  Verhältnisse  eingehen. 

In  der  ältesten  Vorzeit  gab  es  unter  den  Indoeuropäern  kein 
Gerichtsverfahren;  der  Verbrecher  unterlag  lediglich  dem  Götterzom 
und  der  Menschenrache.  Dieser  Zustand  erhält  wenigstens  in  dem 
römischen  Sakralrecht  einen  Ausdruck  (s.  Hitzig  in  „Zum  ältesten 
Strafrecht  der  Kulturvölker,  Fragen  z.  Rechtsvergleichung,  gestellt 
von  Th.  Mommsen**  S.  31)  bei  den  unsühnbaren  Taten.  Wer  eine 
solche  begangen  hat,  verfällt  einer  bestimmten  Gottheit,  und  ein 
jeder  darf  ihn  ungestraft  töten. 

Wie  steht  es  nun  damit  bei  den  Germanen?  Ein  Urzustand 
wie  der  indoeuropäische  lässt  sich  freilich  nicht  aus  den  überlieferten 
Quellen  erweisen,  und  die  Rechtshistoriker  (z.  B.  Brunner  in  Zum 
ältesten  Strafrecht  S.  53)  bestreiten  auch  die  Möglichkeit  eines  solchen, 
während  z.  B.  der  Philologe  Roethe  (ibd.  S.  64)   geneigt  ist,   einen 


')  Natürlich  wäre,  wenn  meine  Vermutung  richtig  ist,  in  den  beiden  ersten 
Beispielen  unde  und  in  den  folgenden  das  Komma  ursprünglich  zu  streichen. 
Sp&ter  fasste  man  aber  wapen  als  selbständigen  Notruf  auf,  weshalb  es  mit  tioduU 
koordiniert  erscheinen  konnte. 


129 

derartigen  Zustand  vorauszusetzen.  Dem  sei  wie  es  wolle,  sicher  ist, 
dass  bei  gewissen  Verbrechen  das  Sakrale  durch  ein  rituelles  Ver- 
fahren bei  der  Strafe  Ausdruck  erhielt.  Derartige  Verbrechen  waren 
die  sog.  Meintaten  und  Neidungswerke,  die  sich  durch  besonders 
niedrige  Gesinnung  kennzeichneten.  Es  sind  diese  Meintaten  zweierlei 
Art;  teils  solche,  die  sich  gegen  das  Gemeinwesen  wenden:  z.  B. 
Landesverrat,  Tötung  der  Geiseln,  Verletzung  der  Urfehde,  teils  solche, 
die  das  Privatleben  verletzen,  wobei  man  auf  die  Heimlichkeit  des 
Verbrechens  Rücksicht  nahm:  z.  B.  Mord,  Mordbrand,  Diebstahl,  in 
den  späteren  Quellen  auch  Notzucht.  Die  Strafe  für  diese  Meintaten 
war  Friedlosigkeit,  d.  h.  der  Verbrecher  konnte  und  sollte  von 
jedermann  getötet  werden. 

Das  germanische  Recht  gab  dem  Verbrecher  einen  ziemlich 
grossen  Schutz,  ehe  er  seines  Verbrechens  überführt  und  das  Urteil 
gefallt  worden  war,  und  sogar  der  Friedlose,  der  dem  Tode  Preis- 
gegebene, hatte  eine  gewisse  Fluchtfrist;  dieses,  da  man  verhindern 
wollte,  dass  der  Angeklagte  wegen  der  Aussicht,  sofort  nach  der 
Friedloslegung  ergriffen  und  getötet  zu  werden,  sich  vom  Dinge  fern- 
halten und  dadurch  eine  unparteiische  Auseinandersetzung  des  Ver- 
brechens erschweren  würde.  Aber  anderseits  war  das  Gesetz  uner- 
bittlich streng  in  den  Fällen,  wo  unzweifelhafte  Schuld  vorlag,  und 
der  Verbrecher,  der  auf  handhafter  Tat  ertappt  wurde,  konnte 
unmittelbar  ohne  Zeremonien  von  den  Anwesenden  getötet  werden, 
selbst  wenn  es  ein  Verbrechen  war,  das  keine  Todesstrafe  zur  Folge 
gehabt  hätte,  wenn  die  Sache  vor  dem  Gericht  erledigt  worden  wäre. 

In  zwei  Fällen  war  also  der  Verbrecher  dem  Tode  verfallen: 
1)  nach  der  Friedloserklärung  und  2)  bei  handhafter  Tat. 

Ehe  ich  auf  die  näheren  Umstände  bei  der  Friedloslegung 
eingehe,  muss  ich  ein  paar  Worte  über  das  freilich  schon  allgemein 
bekannte  Verfahren  bei  der  Urteilsfällung  der  Germanen  sagen.  Das 
Gericht  wurde  von  einem  Richter  oder,  mit  einer  besseren  Bezeichnung, 
Gerichtshalter  geleitet.  Diesem  war  ursprünglich  nur  der  Vorsitz  des 
Dinges  aufgetragen,  mit  der  Findung  des  Urteils  hatte  er  bekanntlich 
nichts  zu  tun,  sondern  neben  ihm  stand  ein  Urteilfinder.  Dieser  ist 
es,  der  bei  den  Baiern  und  Schwaben  den  Namen  esago,  Steile  (urteilo) 
trägt  und  bei  den  Friesen  äsega,  aesga  genannt  wird,  und  wahr- 
scheinlich haben  wir  auch  in  dem  altsächs.  eosago  (Heliand)  ursprüng- 
lich denselben  Beamten  zu  sehen,  i)    Aber  es  muss  im  Auge  behalten 


^)  Brunn  er  (I,  152)  sieht  freilich  in  den  altsächs.  eosagon  nur  „Männer 
von  anerkanntpr  Rechtskunde,  welche  auf  Verlangen  Rechtsbelehrung  erteilten". 
Wenn  es  aher  in  erster  Lmie  mehr  auf  das  „Rechts wissen"  als  auf  das  „Rechts- 
sagen" ankäme,  sollte  man  ja  eher  eine  Zusammensetzung  mit  -wito  als  mit  -sago 
erwarten.  Dazu  kommt  noch  die  Parallele  mit  den  obengenannten  bairisch- 
schwabischen  und  friesischen  Wörtern.  Die  Bedeutungsentwickelung  „Rechtssager, 
Urteilfinder"  >  „Rechtswissender"  hat  ja  nichts  Merkwürdiges  an  sich  (vgl.  im 
Alem.  die  weitere  Entwicklung  >  „Dingmann",  Ahd.  Gl.  II  246,  18,  mitget.  von 
Bnuiner  I,  150  N.  88). 

NiedardentsohoB  Jfthrbnoh  XXXVI.  9 


130 

werden,  dass  jedes  Urteil,  um  rechtskräftig  zu  sein,  Einstimmigkeit 
der  Dingleute  erforderte,  dass  das  germanische  Urteil  ein  Gesamt- 
urteil war.  Die  altertümlichste  Form  dieses  Gesamturteils  war  die 
Sitte  des  Waffenschlags  und  der  Wafifenrührung  (s.  Brunner  I,  155). 
Dieser  Waffenschlag,  skand.  väpnatak,  agsächs.  (freilich  mit  Kon- 
kretisierung des  Sinnes)  waipengeta^c,  -tac^  muss  aber  in  seinen  ver- 
schiedenen Formen  verschiedene  Bedeutung  gehabt  haben,  oder  besser 
gesagt,  verschiedene  Rechtsarten  zeigten  verschiedene  Formen  des 
Waffenrührens.  Hier  interessiert  uns  zunächst  die  Form,  die  Schwert- 
zücken genannt  wird,  und  die,  vom  Waffeneid  abgesehen,  bei  der 
Friedloserklärung  begegnet  (s.  v.  Amira,  Recht  in  Pauls  Grundriss^ 
III,  206).  Diese  fand  unter  zeremoniellen  Formen  und  mit  feierlicher 
Rede  statt  (vgl.  die  Benennungen  as.  fartelljan,  ahd.  firzellan,  mhd. 
verzellen,  östnord.  utsvwria,  v.  Amira  a.  0.  S.  196),  und  hierher 
möchte  ich  den  Ursprung  des  Ausdruckes  tiodute  (wapen)  verlegen. 
Dass  ein  Ruf  dabei  eine  Rolle  gespielt  hat,  lehrt  uns  eine  andere 
mhd.  Benennung:  verruofen.  Ich  stelle  mir  die  Sache  in  der  Weise 
vor,  dass  die  feierliche  Rede  durch  einen  kräftigen  Zuruf  irgend 
eines  Beamten  beschlossen  wurde  und  dass  diesem  Zuruf  zufolge  die 
anwesenden  Dingleute  die  Schwerter  herauszogen  und  in  die  Höhe 
hoben,  wohl  nicht  nur  als  ein  Zeichen,  dass  sie  dem  Urteil  zustimmten, 
sondern  auch  als  ein  Gelübde,  den  Friedlosen  mit  Waffen  zu  erlegen, 
wo  und  wann  sie  ihm  begegneten.  Als  später  in  vielen  Gesetzen  das 
allgemeine  Waffentragen  verboten  wurde,  konnte  das  Programm  nicht 
in  seiner  ganzen  Ausdehnung  ausgeführt  werden,  aber  lange  (noch 
im  17.  Jahrh.)  stand  es  fest,  dass  ein  Rechtsbeamter  oder  -diener 
mit  einem  Schwert  umgürtet  sein  musste,  das  er  in  den  betreffenden 
Fällen  mit  dem  Ausruf  tiodute  aus  der  Scheide  zog. 

Nun  bleibt  noch  übrig  zu  erörtern,  wie  der  tiodiUe-Rnt  mit  der 
handhaften  Tat  verbunden  wurde.  Ich  erkläre  das  folgendermassen. 
Ursprünglich  konnte  natürlich  jeder  unter  solchen  Umständen  ertappte 
Verbrecher  unmittelbar  von  dem  Beschädigten  oder  wohl  auch  von  an- 
deren Anwesenden  straflos  getötet  werden,  ohne  dass  solche  Formalitäten 
wie  das  Gerüchte  vonnöten  waren.  Mit  dem  wachsenden  Rechts- 
gefühl der  Germanen,  wonach  der  Verbrecher  vor  einem  Gericht,  sei 
es  auf  dem  allgemeinen  Dinge  oder  vor  der  Gauversammlung,  abgeurteilt 
werden  sollte,  machte  sich  auch  die  Forderung  geltend,  die  völlige 
Willkür  beim  Verfahren  der  handhaften  Tat  wenigstens  zu  beschränken. 
Es  Hesse  sich  ja  sonst  leicht  denken,  dass  einer  wegen  einer  Privat- 
sache ermordet  wurde,  und  dass  der  Täter  unter  der  Behauptung, 
er  habe  den  Getöteten  auf  handhafter  Tat  ertappt,  sich  der  Straf- 
losigkeit versicherte.  Den  Schritt  ganz  zu  tun  und  auch  die  hand- 
hafte Tat  vor  das  Ding  zu  ziehen,  zeigte  sich  wohl  anfangs  unmöglich, 
und  die  Gesetzgeber  mussten  sich  also  noch  eine  Zeitlang  damit 
begnügen,  für  die  Tötungserlaubnis  bei  handhafter  Tat  dieselbe  Vor- 
aussetzung festzustellen  wie  für  dieselbe  Erlaubnis  (d.  h.  die  Friedlos- 
legung) auf  dem  Dinge.     Im   Gegensatz  zu  anderen  Forschem   fasse 


131 

ich  also  den  üodute-Rnt  bei  der  Friedloserklärung   als  das  Primäre, 
bei  handhafter  Tat  als  das  Sekundäre. 

Noch  eine  Frage.  Wer  war  es,  der  jene  feierliche  Rede  bei 
der  Friedloserklärung  hielt  und  also  auch  das  tiodute  sprach?  Ent- 
weder muss  es  der  Richter  gewesen  sein  oder  der  ürteilfinder,  und 
die  Wahrscheinlichkeit  spricht  m.  E.  am  meisten  für  die  letztere  Mög- 
lichkeit. Der  esago  hatte  nämlich  priesterliche  Würde  (s.  Mogk  in 
Pauls  Grundrisse  III,  399  und  Golther,  Mythologie  S.  614)1)  und 
die  spätere  Auffassung  des  jodut  als  eine  Gottheit  würde  sich  am 
besten  durch  den  religiösen  Anstrich  erklären,  den  das  Wort  tiodute 
als  Ausruf  eines  Priesters  bekam.  Sobald  es  nämlich  nicht  mehr 
verständlich  war,  sondern  als  te  jodtde  aufgefasst  wurde,  mussten 
diese  Worte  im  Munde  eines  Priesters  bei  einer  Gelegenheit,  wo  ein 
Mensch  sozusagen  aus  der  Gemeinde  gestossen  wurde,  den  Eindruck 
machen,  als  ob  er  einem  höheren  strafenden  Wesen,  einer  Art  Gott- 
heit, übergeben  würde,  und  von  da  zur  Anbetung  dieser  Gottheit  war 
der  Schritt  nicht  gross.  Wenn  diese  Vermutung  von  dem  Anteil 
des  Priesters  an  dem  tiodute-Rni  richtig  ist,  würde  sie  sehr  gut  zum 
obengenannten  sakralen  rituellen  Charakter  der  Strafen  der  Fried- 
losigkeit  passen,  einem  Charakter,  der  also  schon  bei  dem  Urteil- 
sprechen auftrat. 

LÜND^  N.  Otto  Heinertz. 


1)  Für  den  fries.  dsega  vgl.  in  der  dritten  Eest:  thi  äsega  büecnath  thene 
preMer  lat.  signifkat  sacerdotem,  Richthofen,  Rechtsq.  S.  6,  lo;  7,  n,ai. 

9* 


132 


Die  Jagd  auf  den  toten  Rochen, 

ein  Bilderbogen  des  17.  Jahrhunderts. 


Unter  den  zahlreichen  Spottversen  auf  misslungene  Jagden  i) 
erfreut  sich  wohl  der  Zug  der  sieben  Schwaben  wider  den  als 
gefährliches  Untier  angesehenen  Hasen  2)  der  grössten  Verbreitung. 
Aber  auch  die  Holländer  erzählten  im  17.  Jahrhundert  Ähnliches 
von  einem  an  die  Küste  angeschwemmten  toten  Rochen,  dem  ein 
ganzes  Dorf  mit  Waffen  aller  Art  zu  Leibe  geht,  weil  es  von  diesem 
Ungetüm  das  Ärgste  befürchtet.  Ein  bei  Justus  Danckerts  gedruckter 
Bilderbogen  (auf  der  Feste  Coburg)  zeigt  viele  um  den  toten  Fisch 
gruppierte  Personen  mit  Inschriften  und  dem  Titel: 

Ghy  burgers  en  boeren  aeoschout  hier  met  verblyden, 
Hoe  de  beiden  van  Waert  een  doden  Rocb  bestryden. 

Einen  anderen  bei  J.  Thiel  gedruckten  Stich  (nach  P.  Nolpe?)  ver- 
zeichnet W.  Drugulins  Historischer  Bilderatlas  1,  nr.  2601  (1863), 
weitere  Blätter  aus  dem  Verlage  von  C.  J.  Visscher,  P.  Vogias, 
G.  Valck,  H.  Visjaager  en  Jac.  Robijn,  Ottens  beschreibt  F.  Muller 8). 

Auf  diese  niederländischen  Flugblätter  geht  ohne  Zweifel  ein 
niederdeutscher  (?  Hamburger)  Holzschnittbogen  zurück,  den  die 
Kgl.  Bibliothek  zu  Berlin  vor  einigen  Jahren  erwarb.  Er  hat  30,4  cm 
Höhe  und  38  cm  Breite  und  trägt  keinerlei  Druckerzeichen,  gehört 
aber  wohl  trotz  der  rohen  Ausführung  der  schlecht  (mit  Rot,  Blau 
und  Gelb)  kolorierten  Holzschnitte  noch  dem  Ende  des  17.  Jahr- 
hunderts an.  Die  14'  Gruppen  mit  gereimten  Beischriften  sind  in 
vier  Reihen  (1.  2 — 5.  6—9.  10 — 14)  angeordnet. 

1)  Zuoberst  sieht  man  die  zwischen  Hügeln  (Dünen)  verstreuten 
Häuser  des  Dorfes,  eine  Windmühle  und  eine  Kirche,  von  deren 
Turm  eine  Sturmfahne  mit  der  Inschrift  'allarm'  herabhängt.  Darüber 
die  Verse: 

Jy  Borgers  un  Buren  anseht  dat  Wunder-Dinck, 

Wo  dat  de  Helden  van  Wär-Burg  een  Doden-Rug  besprinckt. 


1)  Bolte,  Alemannia  22, 161  und  Zs.  f.  Volkskunde  4,  4S4.  16,  66.  Femer 
Archiv  f.  n.  Sprachen  66,  126.  Maeterlinck,  Le  genre  satirique  dans  la  peinture 
flamande  1907  p.  65  f.  Revista  lusitana  1,  256.  2,  84  (sieben  Schneider  und 
Spinne).    Christian,  Behari  proverbs  1891  nr.  318  (Weber  und  Frosch). 

2)  Alb.  Keller,  Die  Schwaben  in  der  Geschichte  des  Volkshumors  1907  S.  804. 

3)  F.  Muller,  De  nederlandsche  geschiedenis  in  platen  1,  284  nr.  1989 
(1868—70).  4,  107  nr.  1118  B  und  4,  898  nr.  1118  Ba,  Bb  (1882).  Auch  Tuinman, 
Spreekwoorden  1,  200  (1720)  gedenkt  der  »Rochstekers  van  Waard  (Weert  in 
Limburg?)'. 


133 

2)  Hinter  zwei  Kanonen  stehn  zwei  Konstabel  mit  Luntenstöcken : 

Jy  Buren  tret  an  eene  Siet, 
Dat  ick  juw  scheet  vor  by, 
D[a]t  Wunder-Ding  op't  Veldt 
Dörscheete  als  een  Heldt! 
Denn  de  Canonen  Schall 
Bringt  dat  Beest  thom  Fall. 

3)  Ein  Trommler,  mehrere  Bauern  mit  Spiessen.  Der  Anführer 
mit  der  Heugabel  ruft: 

Legt  an  man  Vüer  te  geven, 
Schont  nich  dat  Beest  syn  Leven! 

4)  Ein  Priester  mit  Rosenkranz  und  Weihwedel.  Ein  Knabe 
neben  ihm  ruft:  'Dat  dobe  as  hör  nit/ 

Sa  M&nner  an  een  Sydt, 
Dat  ick  de  Platz  eerst  Wydt 
Mit  mynen  Quast  un  Wattr! 
Scheet,  Fecht  mit  groot  Geschnater! 
De  Noht  de  geht  nu  an. 
Do  een  Jeder,  wat  l^e  kan! 

5)  Drei  Bauern  mit  Hörnern,  Spiess  und  Flinte;  ein  Trommler 
liegt  an  der  Erde. 

Ja  wert  d'  Düvel  uht  d'  HeU, 
So  will  ick  mit  myn  Hom  snell 
De  Huht  em  stracks  dar  bayen. 

—  De  Storm-Klock  de  Lud, 
Dat  Landt  ist  in  Noht. 

De  Tamboer  blyfft  van  Schreck  Tod. 

6)  Ein  Bauer  ladet  seine  Flinte: 

Ick  Hans  de  lang  Knecht 
Ick  will  hett  macken  recht, 
Ick  dot  Flint  all  laden. 
Man,  höt  ju  doch  vor  Schaden! 
Jy  kam  dat  Deert  tho  nah. 

7)  Einer  verrichtet  hockend  seine  Notdurft: 

£y  seht,  wo  fallt  my  Nickel  vor  dat  Kacken! 
Van  Angst  beschidt  ick  bald^)  de  Hacken. 

8)  Acht  Bauern  mit  Bank,  Stuhl,  Mistgabel,  Messer  gehen  auf 
den  grossen  Rochen  los: 

Hier  gah  wie  tho  mit  alle  Mann 
Mit  Baucken,  StöU  un  Vorcken; 
De  nu  nich  fechten  will  un  kan, 
Dat  sunt  woll  rechte  Schorcken. 

—  0  Hans  help,  oder  ick  lat  loß. 

9)  Von  der  andern  Seite  des  Rochen  schiesst  ein  Bauer,  dem 
sein  Hintermann  einen  Riemen  um  den  Leib  gelegt  hat,  seine  Flinte 
ab.     Ein  dritter  läuft  mit  zwei  Messern  auf  das  Tier  los. 


^)  halb]  Druck. 


134 

De  Kugel  geith  em  dör  syn  Uuth, 
ün  darmit  blast  he't  Leven  uht. 

—  Scheet  tho,  Clas!  ick  hol  di  fast 

—  Ja,  ist  dat  Beest  ock  noch  so  starck, 
So  ist  vär  my  doch  man  een  Quarck. 

10)  Ein  Hornbläser: 

Wat  scheert  my  Wyf  un  Kind ! 
Int  Hoom  hört  veel  Wind, 
Um  darin  starck  te  blasen 
Vor  alle  düsse  Hasen. 

11)  Ein  Kind,  eine  Frau  und  ihr  Mann  mit  einem  Spaten: 

0  Jacob,  noch  eenmah[l] 
Hör,  wat  dat  Kind  yör  Qual 
Uht  syner  Kehl  deyt  schreen: 
Memm,  Meme,  Memme! 

—  Och  Tryn,  wo  klopt  myn  Hart, 
Un't  fangt  hier  an  tho  stincken. 

12)  Ein  Mann  mit  entblösstem  Gesäss  ist  vor  Schreck  auf  den 
Bauch  gefallen: 

Dat  is  man  loß  Kräht,  dar  ick  mit  scheet, 

De  Kugel  de  deyt  niemand  ledt. 

Man  so  my  jemand  komt  op  Sydt, 

So  stinckt  nicht  anders  als  pure  Schyt. 

13)  Ein  Fiedelmann  und  ein  Trinker: 

Ick  will  dat  Beest  tho  Tode  speelen. 
Oft  schal  an  myner  Yiddel  fehlen. 

—  Fiddel  du  maf nj  her  un  laet  nich  mangeln ! 
Ick  sup  darob  een  Glaß  Machandeln. 

14)  Ein  Fahnenträger  auf  einem  Ochsen  reitend,   dahinter  ein 
Eselreiter  mit  Tuthorn: 

Is  dat  nich  een  Wonder-Strit, 
Dat  man  uff  Ossen  un  Esels  ritt. 
Ja  Yöhrt  de  Os  hier  doch  de  Fahn! 
De  hier  nicht  fechten  will  un  kann. 
De  blyyi)  man  by  den  Esel  stahn. 

BERLIN.  Johannes  Bolte. 


')  blyy. 


135 


Sprichwörter  und  Redensarten 
aus  Lippe. 

(Schluss  zu  Jahrbuch  35,  S.  56  ff.) 


Oin  Ku88  sunner  Boert  es  en  Herte  sunner  Splt. 
Sick  für  Lachen  'en  Biuk  häulen. 

Wo  man  wat  Laijes  hätt,  do  grippt  man  noh, 

Un  wo  man  wat  L^iwes  hätt,  do  g^it  man  noh. 
Lainen  an  wier  bringen  werd  pinen  teuvell. 
H$i  suit  int  gsse  Lädder  (Leder), 
H^i  gütt  gllhand  ^inen  upp  'e  Lampen  (atärht  sich). 
Breit  an  dünne,  söu  kümmt  dat  Land  bäule  ümme  (Leicht ferligkeä). 
Wer  langsam  g^it,  kümmt  äuk  mett. 
Wer  lang  hätt,  l^tt  lang  hangen. 

Lang  an  schlank  —  hätt  vell  Vergang, 

Egrt  an  dick  —  hätt  kgin  Geschick, 

Owwer  'n  Meeken  van  er  Mittelmote  — 

De  ziert  de  Stroote. 
Do  schloe  $iner  lang  henn  un  stoe  kprt  wedder  upp.  (Interj,  der  Verwunderung). 
'n  betten  te  late,  es  yells  te  late. 

Wer  will  Klumproiwe  eeten,  draff  Laurentius  (10.  August)  nich  vergetten. 
Lechtmissen  hell  an  kloer,  gifft  'en  geut  Robb'i\johr. 

Es  Lechtmisse  hell  un  kloer, 

Dann  gifft  't  'n  geut  Robb'iyohr  (oder:  Flas^johr). 

Es  Lächtmisse  öwwer  dunkel. 

Dann  werd  de  Biwwer  'n  Junker. 
Je  leeter  an  'en  Dare  (Tag)^  je  füiner  de  Luie. 
Hpi  hätt  nennen  Leppel  dort^u  wosken  (nichts  dazu  getan). 
Oinen  de  Leviten  läsen. 
Licht  upp,  licht  äff  (leicht  geladen,  leichtfertig). 

Dat  Lieben  es  wall  süerlick  — 

Owwer  dpch  natüerlick.     (Lehenswert.) 
Yedderken,  Ygdderken,  et  es  nenn  Lieben  maier  in  'er  Welt,  wenn  nich 
ganze  Famüilien  iutsterwet  —  see  Märten  9II  vür  fiftig  Johre.    (Unbegründete  Klage 
über  schlechte  Zeiten.) 

Wat  sali  'et  schlechte  Lieben  nutzen,  see  de  Biwwer,  do  l^it  er  grneck  watt 
uppgohn. 

H9i  hätt  'n  Lieben  gsse  Gott  in  Frankrüik. 

Da  sick  stQtt  an  'en  Spüer  Sträub, 

Werd  süin  Lieben  lang  nich  fräuh. 
Oinen  'en  Lius  in  'et  Äwwer  (Ohr)  setten. 
Better  'n  Lius  in  'en  Pott,  gsse  gar  k^in  Fett. 
De  Lius  in  'en  Potte  maket  'en  Käul  nich  fett. 

Watt  better  es  98  'en  Lius, 

Dat  mott  'en  nemmen  mett  noh  Hius. 
H$i  w^it  wall,  watt  h9i  lett,  wenn  hpi  'n  Lius   in  'e  Goldkien  satt  (von 
einem,  der  um  Kleinigkeiten  grossen  Lärm  macht). 

Steckst  'e  in  en  Lgck,  küik  'er  ^erst  düer  (Vorsicht). 

Olle  L^er  kann  man  nich  iutsingen. 

Wer  licht  l^fft  (glaubt),  werd  licht  bedrojen. 


136 

Wer  gerne  H»ppet,  es  licht  tüu  jaren. 
Wer  Igif  häbben  will,  mott  Igif  fohm  loten. 
Oine  Lgifde  es  der  annern  wert. 

Wenn  dat  Fuer  upp  'en  Heer  iutg9it,  gQit  'e  Lpiwe  teu  'n  Schottst^ine  herriut. 
De  L9iwerken  singt  seu  fröhlich,   datt  se  upp  Möjjedach  nenne  Hiushuer 
teu  bütahlen  briukt.    (Frei  von  Schulden  sein,  macht  froh.) 
Wer  lüggt,  da  drüggt. 
Wer  vell  küert,  lüggt  vell. 
LQijen  hätt  kgrte  B^ine. 

De  Luie  spjjet  väll.  # 

Lütke  Luie  suit  man  nich. 

Wo  de  Luie  sind,  do  es  Nahrung.    (Wo  viele  Menschen  sind,  ist  Verdienst.) 
Better  watt  in  'et  Lüif,  gsse  um  'et  Lüif. 
Better  'n  Luining  in  'er  Hand,  98  'n  Diuben  upp  'en  Dacke. 

Lust  un  L^iwe  teu  'n  Dinge 

Makt  olle  Arb^jjet  gringe. 
Wer  lustert  achter  der  Wand, 
Mott  hpem  süine  pijene  Schand. 

Wer  dat  Lütke  nich  ehrt, 

Es  dat  Graute  nich  wert. 
Sünte  Magdalene  (22.  Juli)  pisset  in  'ne  Nötte. 

Mai  kühl  un  natt, 

Füllt  Keller,  Balken  un  Fatt. 
Mett  läddijen  Maren  —  es  nenn  geut  Jaren. 
Maks  diu  't  geut,  seu  h&st  diu  't  geut. 
Mak  du  geut,  denn  ggit  'et  du  geut. 

Man  suit  wall  $inen  gohn,  ^wwer  man  w^fit  nich,  wat  h^i  getten  hätt. 
Donoh  d&  Mann,  donoh  da  Wost. 
Oin  Mann,  pin  Wäwwert. 
Wer  toiben  kann,  kriggt  &uk  'en  Mann. 
Mann  un  Wüif,  es  gin  Lüif. 

Sünte  Märten  hell  un  kloer, 

Gifft  'n  geut  Robbenjohr. 
Starken  Frost  vür  Sünte  Märten  makt  'en  Winter  gelinne. 
März  kriggt  äule  Luie  büi  'n  Sterz  (d.  h.  bringt  sie  ins  Grab). 
Märzengroin  —   es  nich  schein 

Mariechen  (25.  Märe)  piust  'et  Lücht  iut, 
Michel  (25,  Septbr.)  stickt  'et  wier  an. 
Et  werd  nenn  Mester  boern. 
Steinecke  tui !    Dat  es  Mettwost !    (Greif  zu !) 

Wat  helpt  'et,  wenn  de  Käuh  'n  EmmervuU  Melke  gifft  un  stött  en  ümme ! 
De  Melke  baljot  wal,  man  s$  taljet  nich.    (Milchspeise  kräftigt  nicht.) 
Et  sali  wall  gohn,  see  jenne  Meken,  os  et  'n  Kind  mett  ^inen  B^ine  kraig. 
Jijen  (T\jen)  en  Fewwer  Mess  äs  nich  anstinken. 

Upp  süinen  gijenen  Messe  hätt  de  Hahne  jümmer  dat  gri^ttste  Wöwwert. 
Dat  Mest  es  seu  scharp,  do  kann  'en  uppe  rüien. 

H^  hätt  'en  rusterch  (rostig)  Mest  in   'er  Schüin  (Scheide)  (von  einem,  der 
kein  gutes  Geunssen  hat). 

H$  hätt  dat  Mest  hoben  in  'en  Schappe  lüjjen  (von  einem,  der  hoch  hinaus  will). 
Süi  geun  Mens,  dann  doiht  'n  watt  Geus. 
Watt  de  Minske  sick  doit,  datt  doit  'e  sick  sülmst. 

Et  söggt  n€nn  Minske  'n  annem  achter  'n  Oben,  hp  hätt   'er  sülmst  achter 
setten. 

De  Minske  denket,  un  G^tt  lenket. 
Det  Minsken  Wille  es  süin  Hemmelrüik. 

Watt  de  Minsken  nich  ollens  für  Geld  maket  —  see  de  Biwwer,   do   sach 
h^i  'n  Apen  danzen. 

Watt  de  Minske  häbben  sali,  dat  kriggt  'e. 


137 

Hq  bätt  sick  dat  Miul  verbrennt. 

Wer  j(}iden  't  Miul  vuUstoppen  will,  mott  vell  Hgch  häbben. 

Da  mett  'er  Miulen  schmeert,  kann  mett  'er  Neesen  bottern   (von  einem 
schlechten  Haushalter) 

Der  g^it  dat  Miul  9s  'en  Klappermühlen. 

Der  mott  dat  Miul  n&  extra  däut  schloen  wern,  wenn  se  sterwet. 

Geun  Moijen  olle   —   see   de  Voss,   os  'e  upp  'n  Ggisestall  kämm  (zwei- 
deutiger Gruss). 

Mgernrftut  —  gifft  Water  in  'en  Säut, 
Obendräut  —  geut  Wedder  baut. 

Oine  dQÜte  (geteilte)  Mohltüit  es  better,  gsse  Qine  verfgilte  (verfehlte). 

Möjen  es  de  balwe  ArbQjjet 

De  Möller  Yerscbmacht't  an  'en  lesten. 

Mgudach  werd  nich  weckenäult. 

Ollens  matt  Mote  —  see  de  Schnüider,   do  scbleuch  'e  süine  Frubben  mett 
'er  Eelen. 

Motten  hätt  Kraft. 

Motten  es  'en  Donne-Narel  (ein  Nagel,  der  donne-fest  sitzt). 

H$  suit  iut,  9S  'en  Pott  yuII  Muise  (mürrischy  schwermütig  aussehen). 

Den  Muisen  es  schlecht  Hawern  affkäupen. 

Wenn  de  Muise  satt  sind,  schmeckt  dat  Meli  bitter. 

Yandaje  es  better  Mujjen  wiem  (Mücken  hüten)  osse  Schnütte  wisken. 
Mündken,  wutt  diu  nennen  Dost  lüien? 
Foitken,  sen  most  diu  Frost  lüien. 

Musekantenkehlen  lotet  nenn  Water  düer. 

Owwer  Nacht  hätt  sich  de  Möllers  un  de  Pruikmakers  kloppt  (sagt  man, 
wenn  es  gereift  hat), 

Söggt  pine  geue  Nacht,  spjjet  füiwe  geun  Dach. 

Büi  der  Nacht  sind  olle  Hatten  grüis  (schwärt). 

Wer  9inmol  den  Namen  hätt,  dat  hpi  lange   schleppet,  de  mach  uppstohn, 
se  freuh  qs  'e  will,  et  hett  jümmer:  hgi  schleppet  lange.    (Schlechter  Buf.) 

'n  Narel  upp  'n  Kopp  drepen. 

Oin  Narre  makt  den  annem 

Narm  sind  äuk  Luie,  sQ  sind  man  nich  sen  kleuke  gsse  de  annern. 

Qin  kleuker  Mann  un  gin  Narre  bü  pinanner,  wettet  maier  gsse  Qin  kleuker 
Mann  gllaine. 

Seu  de  Narre  dächt,  seu  h^i  säggt. 

Oin  Narre  kann  maier  frojen,  psse  tpjjen  Wüise  beamfern  könnt. 

In  'er  Näut  —  ett  man  gern  Stinten  für  Braut. 

Näut  lehrt  been. 

Wer  süine  Neesen  verschännt.  verschännt  süin  g^en  Gesichte. 

Schnüie  eck  mü  de  Neesen  afif,  verschänne  eck  mü  dat  Gesicht. 

Wer  ollerweje  de  Neesen  hätt,  mott  se  dijer  beschatten  trujje  tgin. 

Watt  düi  nich  angpit,  do  Igtt  'e  Neesen  van  awe  (denne). 

Kgrte  Neesen  sind  lichte  te  schnuiten.     (Vorteil  einer  knappen  Einrichtung.) 

Wenn  de  Niwel  den  Berg  upptuit,  kämmt  'e  in  drp  daren  osse  Rejen  wier 
herunner.     (Wetterregel;  Berg  =  Teutoburgerwcdd). 
Et  es  nix  se  füin  spunuen, 
Et  kümmt  dpch  an  'e  Sunnen. 

T)ä  nicks  es  un  nicks  iut  sick  maket,  da  werd  gck  nicks. 

Et  es  nicks  un  werd  nicks. 

Geue  Nowerskopp  es  better,  gsse  wüie  Frünnskopp. 
Käup  Nowers  Rind, 
Friyje  Nowers  Kind  — 
Denn  w^ist  'e,  watt  'e  finnst. 

Et  gifft  olle  Daje  wat  Nüjjes  -  hadde  jenne  Junge  säggt,  9s  'e  been  (beten)  soll. 

Wer  vell  Niyjes  bringt,  bringt  yck  vell  iut. 

Watt  gvit  mü  Nürnberg  an,  eck  häww  'er  nenn  Hins  inne. 


A     I 


138 

Je  leeter  de  Obeod,  je  feiner  de  Luie. 

Obendräut  —  geut  Wedder  baut, 
M^emräut  —  in  'er  Bieke  (Bach)  flaut. 

't  es  näu  nich  oller  Dare  Obend. 

Oijen  Dreck  stinket  nich. 

Oinmol  —  kginmol. 

Da  es  unner  'n  Ersten  Oiwer  (Ufer)  nich  fangen.    (Von  einetn  durchtriebenen 
Menschen.) 

1^&  g^it  juste  9886   upp  Ojjeni. 

Friske  Ojjör,  gßue  Ojjör. 

Je  ^Uer,  je  unwüiser,  see  jänne  Schnüider,  Qsse  süin  Siejenbock  Yan  'en 
Steule  upp  'en  Disk  sprang. 

Wer  will  häbben  Ollermanns  Hgff 
Mott  verkäupen  Hius  un  H^ff. 

(Wer  nach  jedermanns  Lob  strebt,  hat  keine  Achtung.) 

Olls  teu  soite  döggt  nich. 

Oert  l^tt  nich  van  Oert. 

Van  'en  Ossen  kann  man  nich  maier  verlangen,  9s  'en  Stücke  Rindfi^isk. 

Man  kann  den  Ossen  nich  maier  afföddem  9sse  Rindfl^isk. 

Datt  was  man  'en  Ow^wertQch  —   badde  de  Voss  s&ggt,  9s  se  em  dat  Fell 
^wwer  de  Äwwern  tojen  hadden. 

JQider^ine  h&tt  süin  P&cksken  te  drejen. 

Pack  schläggt  sick,  Pack  verdräggt  sick. 

Sünte  Paiter  —  gl^it  de  Winter  weiter. 

Sünte  Paiter  singet  de  L9iwerk,  un  singet   se  nich,   seu   mott  se  hassen 
(bersten)  (Naturtrieb). 

De  Pannen  schellt  'n  Pott  Schwartmiul. 

Wo   kümmt  de  Duiwel  an  'en  Papst  {oder:  Büstewwer),   et   es  d9ch  en 
heiligen  Mann. 

De  Papen  un  de  Hunne  — 
Verd^int  'et  Braut  mett  'en  Munne. 
Papen  Gierigk(^it  un  G9ttes  Barmherzigk(^it  — 
Wieret  in  olle  Ewigk9it. 

Van  'en  Peerd  upp  'en  Isel  kommen. 

Kannst  lange  floiten,  wenn  'et  Pöerd  nich  pissen  will. 

H9i  S9ggt  dat  Peerd  un  sitt  'er  uppe. 

Wenn  dat  Peerd  stöhlen  es,  werd  de  Stall  bettert. 

Watt  helpet  müi  ^in  scharp  Peerd,  wenn  et  nich  t^ien  will. 

Wer  dat  Peerd  suit,  briukt  de  Krippen  nich  tS  s^ien. 

Dat  Peerd,  datt  'n  Hawem  verd9int,  kriggt  'n  nich. 

'n  willig  Peerd  mott  'n  nich  tgu  haste  andrüiben. 

Wer  nft  nich  van  'en  Peern  fallen  es,  d&  kann  äuk  nä  nich  rüien. 

Seu  9sse  man  de  Peer  wennt,  seu  geht  se  äuk. 

Da  Pench  will  'n  Brßwwer  h&bben. 

Den  fällt  nenn  Pench  iut  'er  Tasken,  wenn  man  en  9ck  upp  'en  Kopp  stellt. 

H9i  l^tt  sich  für  'n  Pench  dat  Schienb9in  inrennen  un  wenn  'e  9ck  für  'n 
Daler  Püine  hätt. 

H9i  löppt  van  Pontius  na  Pilatus. 

Wer  büi  de  Pötte  nich  kümmt,  de  schwärtet  sick  nich. 

Es  9ck  'en  Pott  nä  seu  sch^if  —  äs  d9ch  'en  Stülpen,  da  der  upp  passet. 

Et  es  nänn  Pott  se  sch9if,  et  h9ert  'enn  Deckel  upp. 

Upp  'en  leddigen  Pott  h9ert  'n  Deckel. 

H9i  kickt  in  olle  Pötte  (unner  olle  Stülpen). 

Problem  göit  9wwer  Stud9ern. 

Upp  'en  Proppen  riuken  (das  Nachsehen  haben). 

Rast  gifft  Mast. 

Recht  hast  'e,  9wwer  schwüren  most  'e. 

Recht  mott  Recht  blüiben. 


139 

Halwe  Daler,  diu  hast  Recht,   ^wwer  ganze  Daler,   diu  most  Recht  häbben. 

Wenn  de  Fisk  uppspringen  deut, 

Hätt  'et  ümme  Rejen  kpine  Nftut. 
Achtemoh  kümmt  de  Rekenunge     (Die  Vergeltung  kommt  nach.) 

Wer  de  Röuse  br&ckt  — 

Mott  lüien,  datt  se  en  steckt. 
Rinh  (Ruhe)  un  Rast  —  es  de  halwe  Mast. 
H^i  hätt  dat  Riue  (Bohe)  noh  biuten  kghrt  (ist  in  Zorn  geraten). 
H9i  hätt  nix  pwwer  de  Riwwe  (ist  schlecht  genährt). 
Et  gs  better  'n  Rock  in  'er  Tasken  (^  das  Geld)  gsse  an  'en  Lüiwe. 
Wen  nich  te  roen  (raten)  es,  den  es  Qck  nich  teu  helpen. 
Wenn  man  van  'en  Rothiuse  kämmt,  es  'en  jümmer  klgiker,  gsse  wenn  man 
'er  hengpit. 

Kämmt  man  pwwem  Rüen,  kämmt  man  ^wwern  Steert. 
Bä  enkelten  Lappen  lehrt  de  Rue  Ledder  eten. 
Do  gin  Rue  henpisset,  foljet  ghr  maier. 

D&  mett  'en  Ruens  goht  te  Bedde, 

Da  kriggt  van  ehren  Flgien  matt. 
Dat  6s  'en  Rüen  yan  'en  Peere  —  hedde  jenne  Junge  säggt,  9s  'e  upp  'er 
Hatten  rait 

Je  laijer  de  Rüe,  je  ärjer  de  Flgie. 
Jg  la^er  de  Rüe,  ja  maier  hg  bitt. 
Junge  Rüens  mött  'et  Büiten  lehm. 
Wenn  de  Rüe  blieket,  dann  bitt  'e  nich. 

Man  söggt  nennen  Rüen  achter  'n  Oben,  man  hätt  'er  sülmst  achter  setten. 
Wenn  man  'en  Rüen  schmüiten  will,  es  wall  'en  Knüppel  teu  finnen. 
Wenn  sick  'en  Rüe  un  'en  Junge  bejijent  un  de  Rüe  bitt  nich  un  de  Junge 
smitt  nich,  dann  düjet  se  olle  b^ide  nicks. 
Junge  Rüens  büitet  scharp. 
Rüike  Luie  hätt  fette  Katten. 

Den  Rüiken  steht  jümmer  Düer  un  Dohr  maier  9ppen,  gsse  annern. 
Rüip  teu  rechter  Tüit  —  dijjet  upp  'et  beste. 
Sachte  an,  kümmt  äuk  an. 
Man  kann  äuk  wall  'en  Sack  teubinnen,  da  nä  nich  vuU  es. 

Sammt  un  Süide  es  seltsam  Kriut, 

Et  piust  dat  Fuier  in  'er  Köcken  iut. 
Wer  sick  nich  kann  satt  eeten,  da  kann  sick  äuk  nich  satt  licken. 
Watt  de  gine  nich  mach,  makt  den  annern  nich  satt. 
Dat  äs  'en  schlechten  Säut,  wo  man  dat  Water  indräjen  mott. 
Sawwelrejen  (feinei-  Regen)  un  Plückeschulden  wgiket  an  'er  besten  Düer. 
Geue  Seilskopp  6s  de  halwe  Weg. 
Seu  diu  kämmst,  seu  diu  g^ist  (Vergeltung). 

Seu  man  in  'en  Wäuld  herrin  röppet,  kriggt  man  de  Amfert  (Antwort). 
Wer  'n  Schaden  hätt,  briukt  für  Spott  nich  tau  sgijen. 
011s  teu  scharp  schnitt  nich. 

Wer  man  bü  lütken  faken  watt  doit,  do  kann  'ern  grauten  Schatz  van  wern. 
Eck  scheme  müi  wall,  do  kreig  eck  nicks.    (Falsche  Bescheidenheit.) 
Da  Schäppel  hängt  jümmer  an  'er  Wgnd.    (Man  entgeht  der  Vergeltung  nicht.) 

Kümmt  et  nich  mett  'en  Scheppel, 

Kümmt  et  doch  matt  'en  Läppel 
Iut  'er  Scheule  küern. 

Settet  se  upp  't  Brett, 

Bewahrt  se  vür  Water  un  Dreck, 

Dann  häjj'  e  (habt  ihr)  juwwe  Lieben  lang  Scheuh. 

(Spruch  der  Blomberger  Schuster.) 
Wenn  dösse  Scheuh  nich  geut  sind,  seu  will  eck  upp  'er  Stie  hüer   unner- 
gohn  —  see  jenne  Scheusker,  do  sette  hgi  süinen  Heut  upp  'en  Kopp. 
Wen  de  Schäuh  passt,  de  t^i  'en  an. 
Den  de  Scheuh  hgert,  de  tuit  'en  an 


j    I 


140 

Seu  lange  Qsse  de  Kiuner  werd  mett  Foiten  boern, 
Seu  lange  ggit  nenn  Scheohmaker  verlohrn. 
Dee  Scbeusker  süin  Knüif  (Messer,  englisch  knife) 
Kann  maier  vertehm  psse  süin  Wüif. 
Schiewe  un  Steine  dünget  ^wwer^ine. 
Schleje  makt  anhängledi. 

Oin  Schlemmer  an  Qin  FiuUenzer  yerarmt  un  'en  Schlaiper  mot  verretten 
Klaier  drejen  (Sprüche  Salom.  Kap.  ^  Vers  21). 

lut  'en  Schl9ife  werd  nich  sä  bäule  'n  geuen  Läppel. 
Schlöist  diu  müinen  Jungen  —  schloe  eck  düinen  Jungen. 
Wer  lange  schlöppt  —  un  flink  löppt, 
Eümmt  äuk  teer  Stie. 
H^i  nimmt  'en  Schmand  van  'er  Nelke  vüraff. 
Et  schmeckt  nicks  better  psse  watt  man  sülvst  ett. 
Wer  geut  schmeert,  da  geut  fährt. 

Wenn  iut  'en  Schmeerpott  'n  Botterpott   werd,  dann  stinkt  'e.    (Standes- 
erhöhung.) 

H^i  schngrket  98  'en  Holtsajen. 
Hpi  frett  98  'en  Schnüider  (Deskekeerl). 
Es  (^erst  (fin  Schoop  Qwwer  den  Post,  seu  folget  ehr  vell. 
Oin  sch^rfeck  Schoop  stickt  de  ganze  Herde  an. 

Dat  es  'en  laye  Schoop,  dat  süine  WuUen  nich  drejen  kann.    (Eigene  Vor- 
züge muss  man  zu  tragen  wissen,) 
Watt  schrifft,  dat  klifft. 

Schüe  düi  —  säggt  de  Biwwer,  wenn  'e  de  FöUens  iut  'en  Stalle  jaret 
(bange  machen). 

De  Schüin  drüggt 

Wer  süine  Schulden  betahlt,  verbettert  süin  Vermöjen. 
H$i  hätt  maier  Schulden  osse  Hoer  upp  'en  Koppe. 
Aule  Schuld  ös  better  gsse  fiule  Äppel. 
D&  ersten  Schwalen  bringet  keinen  Sommer. 
Schwü^'en  un  denken  —  kann  nemmes  kränken. 
Et  es  better,  stille  schwüren, 
Qsse  van  Eüern  Püine  krüjjen. 
Äult  Schwüin  kennt  Eckern  {Eicheln).    (Junge  Gelüste  im  Alter.) 
Je  maier  Schwüine,  je  maier  Drank. 
'n  geut  Schwüin  es  nich  sünnerch  (mag  aJles). 
Wenn  (^ine  Sieje  pisset,  läupet  se  olle. 

Siupen  (Milchsuppe),  wenn  eck  uppstoh, 
Siupen,  wenn  eck  teu  Bädde  goh, 
Siupen  olle  Tüid 
Makt  mü  den  Biuk  seu  wüit. 
Hgi  g$it  98  'en  Sommerschlien  (Schlitten  im  Sommer),  (von  einetn,  der  nicht 
fortkommt). 

S^nd  schuert  'en  Maren. 
Speibekinner  —  Bleibekinner. 

Datt  kümmt  mü  d^ch  spannsk  vür  (=  spanische  Dörfer). 
Eck  konn  et  wall  riuken,  wenn  et  man  Speckpankeuken  yr^r.    (Etwas  Un- 
angenehmes absichtlich  unbeobachtet  lassen). 

Wer  büi  'n  Spielen  jümmer  gewinnen  will,  mott  Musekante  wern. 
Truwwe  den  Spoikedingers  nich,  sgi  goet  bü  der  Nacht 
Datt  Spotthius  kann  brennen. 
Spotthuiskens  könnt  mol  brennen. 
Stank  es  der  Welt  Dank. 
Stank  für  Dank. 

Stell  (Stiehl)  du  watt,  seu  hast  'e  watt,  {^wwer  l^tt  'en  j^iden  dat  Süin^e. 
(Lerne  durch  Beobachtung.) 

Spitzken  kumm,  dat  Sticheln  ggit  an  —  hall  jenne  Schaiper  s&ggt,  98  'e  in 
'er  Kärken  de  Predigt  anh9ere.    (Stichelreden.) 


141 

Stgine  un  Schiewe,  dränget  ehr  Liewe. 

Hpi  8chl9it  ^wwer  de  Stränge. 

Sucker,  wat  bist  diu  soite  (enoidert  man  Schmetchiem), 

Der  fetten  Si^e  beschmeert  man  nich  'en  Balg. 

H$i  es  ankommen  ^sse  de  Sue  in  'en  Jiudenhiuse  (schlecht  angekommen, 
wenn  sich  jemand  eine  arge  Verlegenheit  bereitet  hat). 

Süi  düi  drumme  —  süi  müi  drümme  (unmutig  heim  Abbruch  von  Unterhandlungen). 

De  Sunne  schinnt  nennen  Biwwem  iut  'en  Lanne  herriat  (sagt  mau  in  einem 
trockenen  Jahre). 

Datt  es  seu  kloer  psse  Sannen. 

Sanndach  werd  nich  weckenäalt. 

Sunnobends  natt  van  Werken, 
Sunndas  natt  iut  'er  Kärker  — 
Bedütt  'en  reneije  Wecken. 

Wenn  diu  summst  ggist,  werchst  'e  nich  bedrojen. 

Büi  grauen  Tewwerns  will  sick  finnen 

Datt  do  vellmols  wajjet  graute  Winne  (hohe  Stellung). 

Oinen  de  Tene  wüisen. 

Wer  ollens  vertehrt  för  süinen  End, 
Da  makt  'en  richtig  Testament. 

Tguspin  es  dat  beste  Spell. 

Wo  de  Tiun  an  'en  süijesten  es,  do  stiggt  J9ider  vwwer  (auf  den  armen 
Leuten  hacken  alle  herum). 

£t  g$it  nick«  ^wwer  'n  Puipen  Toback  un  'en  natten  Drüppen  (Tabak  und 
Branntwein). 

Toif  en  Käwwem  (wart  ein  Körnchen !  =  habe  Geduld). 

Eck  sinn  vandaje  affgohn,  hewwe  müinen  Heern  trotzet  un  —  nicks  gätten. 
(Trotii  lieber  als  Schaden). 

Tucht  bringet  Frucht 

Kümmt  Tüit,  kümmt  Rot. 

Et  es  J9  nenne  Dringske  (dringliehe)  Tüit  —  see  Märten,  wenn  et  süinen 
Gästen  teu  lange  diwwere. 

Wer  in  'er  Tunnen  sitt  un  kickt  dür  'et  Spundlgck,  da  hätt  geut  jiuchen 
(sichere  Stellung). 

Eck  mott  'er  Uissen  jümmer  den  Kopp  affrüiten  (=  immer  das  Schwerste  tun). 

Drgimol  ümmetöihn  es  seu  schlemm  Qsse  pinmol  äff  brennen. 

Oin  üngelücke  kümmt  selten  ^lleine. 

De  ungerechte  Grössen  helpet  den  gerechten  met  vertehm.  (Unrecht  Gut 
gedeihet  nicht.) 

Unrecht  geut  düjjet  nich. 

Katte,  diu  most  wetten: 
Unvergünnt  Braut  werd  äuk  getten. 

Do  es  'en  ünnerschöid  twisken  Qsse  twisken  Dach  un  Nacht. 

Da  sick  sülwest  äffet,  kann  uph^ern,  wenn  'e  will. 

Edc  häww'  et  uppgieben  —  hadde  jenne  Keerl  upp  'en  Düikwater  (s  Dick- 
water  im  Paderbornschen)  säggt,  do  hpi  hadde  wollen  'n  Spinnerflgje  häbben  un  et 
was  nenne  kommen.     (Die  Trauben  sind  zu  sauer.) 

Da  es  süinen  Vadder  nich  vertiusket.    (Der  Äpfel  fällt  nicht  weit  vom  Stamme.) 

Lqü  du  nich  verblüffen  —   es  dat  elfte  Gebot. 
Lütche  Yerdenst,  da  g^it, 
Es  better  9s  'en  grauten  Yerdenst,  da  stille  st^it. 

Verdrejet  juff  —  see  jenne  Afkote,  Qsse  Hius  un  Hgff  verklajet  was.    (Zu  spät.) 

Better  'n  majern  Verglüick  9s  'en  fetten  Prozess. 

Do  man  met  verkehrt,  werd  man  mett  ehrt. 

Eck  häwwe  Verl9if  hatt  (es  ist  mir  misslungen). 

Da  Verstand  kümmt  9erst  mett  'en  Johm. 

Watt  de  Voss  däggt  (denkt),  h9i  nich  säggt. 

Da  Voss  W9it  maier  L9cker  9S8e  $inet.    (Ausflüchte.) 


142 

De  Vüjel,  de  freuh  singet,  de  halt  an  'en  Obend  de  Katte. 

Vull  -   makt  duU.    (Völlerei.) 

Lptt  düi  dgch  nenn  X  für  en  ü  Yürmaken. 

Vürsicht  es  better  9sse  Nohsicht. 

Walljeschmack  (WohUeben)  bringt  Bettelsack. 

Da  na  'en  güllen  Wajen  ringet,  krüijet  Qllhand  da  Spaiken  dorvan.  (Hohe  Pläne.) 

'n  lütker  Waren,  da  faken  ggit,  es  better  9s  'en  grauten,  da  stille  st^lt 

Büi  ollen  es  watt  (alles  hat  zwei  Seiten). 

Watt  man  vergifft,  es  man  quitt. 

Watt  man  nich  büem  kann,  mott  'en  lüjjen  loten. 

Watt  nich  es,  kann  na  wem  (werden). 

Datt  §8  Water  npp  suine  Mühlen. 

Mett  unröjjen  Water  kann  'en  sick  nich  r^jjen  wasken. 

Stille  Water  sind  d^ip. 

Wenn  'et  Water  fällt,  denn  knackt  'et  üis. 
Wenn  de  W&ult  werd  bunt, 
Fällt  de  Hawer  in  'ne  Grund.    (Hafermäheeeit.) 

't  es  'en  Wedder,  doer  sali  'en  nennen  Küen  no  bluten  jaren.  (Schlechtes  Wetter.) 

Den  Weg  hätt  de  Voss  meten  un  hätt  'n  Steert  teugieben. 

'n  geuen  Weg  ümme,  maket  nenne  Krümme. 

'n  geuen  Weg  in  'er  Krümme  es  nich  ümme. 

Upp  'en  betreenen  Weje  wässet  nenn  Gras. 

Da  Welt  stiggt  jümmer  hgijer,  iut  'en  Scheusker  werd  'en  Kroijer.    (Wenn 
jemand  Dinge  treibt,  die  nicht  zu  seinem  eigentlichen  Berufe  gehören.) 

Wenn  gck  wen  jaren  will,  mott  eck  summst  mettläupen. 

Wer  et  geut  makt,  da  hätt  et  geut. 

Upp  'en  8ch9in  Werk  kann  man  sick  geut  rüsten. 

Jgiden  süin  Werk,  hadde  jenne  Junge   säggt,   müin   Taite   schl^it    müine 
Mömmen,  müine  Mömmen  schlpit  müi  un  eck  schloe  iuse  Suen. 

Seu  de  Wertsmann,  seu  da  Gäste. 

011s  teu  yell  wetten,  makt  Kopppüine. 

Man  kann  nich  wetten,  wo  et  geut  für  es. 

Hpi  h^lt  vell  van  kgrten  Wewwem  un  laugen  Mettwösten  (ist  kurz  angebunden). 

'n  göut  Wäwwert  finnt  äuk  'en  geue  Stie. 

Wewwert  mott  Wöwwert  süin. 

Oin  Wewwert  wäggt  nenn  Pund  un  es  'en  Donnerschiach. 

Dät  Minsken  Wille  es  süin  Hemmelrüik. 

Wer  det  Heern  Willen  w^it  un  nich  dorteu  doit,  de  kriggt  watt  mett  'er  Gaffel. 

H^i  wQit  summst  nich  wftt  'e  will. 

Da  Wind  de  fladdert,  de  Schlappe  fladdert  9inen  ümme  de  B^ine  —  et  will 
anner  Wedder  wem. 

De  Wind,  de  mett  'er  Sunnen  kümmt,  bringt  selten  Reen'n. 

Datt  es  'en  Wenk  mett  'en  Tiunpohle. 

Do  wajjet  de  Wind  iut  'en  annem  L9cke. 

H^i  st^it  upp  'er  Wippen  (geschäftlich  dem  Falle  nahe). 

Olles  hätt  süine  Wissenschaften,  ollerdinge  Laimenrohm  upp  'en  Tiggelwerke 
(selbst  Lehmrühren  auf  der  Ziegelei). 

H9i  drajjet  de  Woer,  9sse  de  Sieje  datt  Blick. 

JQider  Woerm  steckt  noh  süiner  Macht. 

Wer  de  Wohrh9it  säggt,  da  kann  nich  herbeijen. 

Watt  eck  nich  w^it,  makt  müi  nich  h9it. 

Mett  'er  Wost  noh  'er  Süien  Speck  schmüiten. 

Wo  gern  frätt  de  Katte  Wost,  wenn  se  man  de  Hiut  hedde. 

Giff  müi  'en  Wost,  still  eck  düi  'n  Dost  (Wurst  wider  Wurst), 

HuUalla  —  hadde  jenne  Junge  säggt,  vandaje  ett  müin  Vadder  Wost,  dann 
krütje  äck  de  Hiut 

Datt  es  'en  Wüif,  do  kann  man  'en  Duiwel  mett  van  'en  Dannenbäume  hissen. 

uatt  es  'en  rechte  Knüiptange  van  'en  Wüiwe. 


143 

Wenn  de  Wüiwer  kommt  upp  'en  Flass, 

Kommt  de  Lgijen  upp  'en  Plass. 
Man  mott  den  Wüiwern  nicli  maier  Verstand  afifoddern  9s  se  hätt. 
Kommt  tw9  Wüiwer  teuhäupe,  dann  werd  de  drütte  düerheggelt. 
Van  'en  Wüindrinken  kriggt  de  Biwwer  Luise. 
Oinen  watt  wüis  maken. 

Upi  m^int,  datt  h^i  de  Wüish^it  mett  Leppelu  freten  hell. 
Wüit  steken  —  es  b&ule  breken.    (Zu  grosse  Pläne.) 
Hgi  es  in  'er  Wullen  färwet  (von  einem  durchtriebenen  Menschen). 
H^i  sitt  in  'er  Wullen  (tief  im  Qelde). 
HQi  sitt  d9if  in  'en  Gelle. 

Wünske  düi  'n  Hand  vuU  Dreck,  un  wQnske   du  watt  in  de  annem  Hand, 
un  dann  küik  teu,  in  wecker  Hand  diu  datt  Beste  hast.    (Wünsche.) 

FRANKFÜRT  a.  M.  K.  Wehrhan. 


Mittelniederdeutsche  Postille 
V.  J.  1468. 


Der  Schatz  der  mittelniederdeutschen  Literatur  scheint  noch 
nicht  gänzlich  gehoben  zu  sein.  Es  werden  immer  noch  glückliche 
Funde  gemacht,  deren  Veröffentlichung  nicht  nur  der  niederdeutschen 
Sprache  wegen  sondern  auch  deshalb  von  Bedeutung  ist,  weil  damit 
neues  Beweismaterial  dafür  geboten  wird,  dass  ein  reiches  religiöses 
und  literarisches  Leben  beim  Ausgange  des  Mittelalters  in  Nieder- 
deutschland geherrscht  hat.  —  Einen  kleinen  Beitrag  hierzu  zu  liefern 
setzt  mich  eine  Handschrift  in  die  Lage,  die  mir  vor  einiger  Zeit 
auf  der  Bibliothek  des  Franziskanerklosters  zu  Rietberg  i.  Westf.  in 
die  Hände  fiel.  Ich  konnte  sie  bereits  auf  der  Versammlung  für 
niederdeutsche  Sprachforschung  (Münster  1909)  besprechen.  Dennoch 
scheint  es  mir  nicht  überflüssig,  sie  an  dieser  Stelle  weiteren  Kreisen 
bekannt  zu  machen.  — 

Die  Handschrift  ist  ein  in  Leder  gebundener  116  Blätter  (Papier) 
starker  Kodex,  29  cm  hoch  und  22  cm  breit.  Jede  Seite  zählt 
2  Kolonnen  ä  37  Zeilen.  Zeit  und  Ort  der  Herkunft  des  Msk.  ergibt 
sich  aus  der  lateinischen  Schlussbemerkung  zu  dem  ganzen  Buche. 
Sie  lautet:  fjEditus  est  iste  über  in  civitate  monasteriensi  et  campletus 
anno  domini  millesimo  qiiadringentesirno  sexagesimo  octavo  ipso  die 
bti  Johannis  ante  portam  latinam,  Deo  gratias  !^^  Damit  ist  das  Jahr 
1468  als  Zeit  der  Abfassung  und  Münster  als  Ort  der  Herkunft  des 
Buches  festgestellt.  In  Münster  muss  es  vor  seiner  Übertragung  nach 
Kietberg  Eigentum  des  dortigen  Franziskanerklosters  gewesen  sein, 
wie  eine  alte  Bleistiftnotiz  auf  der  vorletzten  Seite  bekundet:  ;,aus 
der  Franz.  Bibl.  z.  M.^ 


144 

Schwieriger  ist  die  Antwort  auf  die  Frage  nach  dem  Verfasser. 
Sie  wäre  wohl  leicht  gefunden,  wenn  sich  die  beiden  ersten  Bände 
zu  der  Handschrift  auftreiben  Hessen.  Wir  haben  es  nämlich  in  vor- 
liegender Handschrift  mit  dem  dritten  Bande  eines  zusammenhängenden 
Werkes  zu  tun,  wie  aus  verschiedenen  Stellen  hervorgeht.  Gleich  zu 
Anfang  heisst  es:  „Dyt  is  de  tavele  desset^  derden  Stuckes  des  bokes 
van  de7'  ghebiiert  nnde  en  dele  des  levens  unde  der  werke  unses  heren 
ihesu  Christi^;  und  am  Schluss  des  Werkes:  „Ker  ick  dyt  sehe  boeck 
beghunde  hadde  ick  van  syneti  hilghen  lidene  unde  dode  unde  van  syner 
tipverrisinghe  van  de)'  doet  unde  van  syner  hemelraert  etc,  twe  boke 
ghe7naket  " 

Da  die  2  ersten  Bände,  in  denen  möglicherweise  eine  Andeutung 
über  den  Verfasser  enthalten  ist,  fehlen,  so  muss  ich  mich  auf  der 
Suche  nach  dem  Auktor  auf  einige  Vermutungen  beschränken,  die 
aber  in  der  Hdschr.  selbst  eine,  wenn  auch  schwache  Stütze  finden. 
Zunächst  lässt  der  Charakter  der  Schrift  auf  den  ersten  Blick  er- 
kennen, dass  das  Buch  aus  den  Schreibschulen  der  Fraterherm  zu 
Münster  hervorgegangen  ist.  Dem  Stile  nach  zu  urteilen  möchte 
man  sogar  keinen  geringeren  als  Johannes  Veghe^)  als  Verfasser 
ansprechen.  Dem  steht  aber  entgegen,  was  der  Auktor  über  sich 
selbst  berichtet.  Er  sagt  nämlich  eingangs:  ff  Min  oelder  doet  my 
vruchten  dat  ick  es  nicht  afleven  en  sohle  kunnen  dctt  ick  vurder  utises 
Jieren  leven  unde  al  syne  werke  na  dem  ewangeliume  so  vullenkomelike 
bescreve  na  mynetn  vermoghene  als  ick  gheerne  dede^  Danach  zu 
schliessen  stand  der  Auktor  des  Buches  im  Jahre  1468  bereits  in 
vorgerücktem  Alter.  Job.  Veghe  starb  aber  erst  1504  —  sein  Ge- 
burtsjahr ist  unbekannt  — ;  hätte  also  zu  der  Zeit  noch  36  Jahre 
zu  leben  gehabt.  Ausserdem  steht  fest,  dass  Veghe  1475  von  Münster 
aus  eine  Visitationsreise  nach  Rostock  gemacht  hat.  Die  Last  der 
Jahre  scheint  ihn  also  damals  noch  nicht  sonderlich  gedrückt  zu 
haben.  Die  Urheberschaft  Veghe's  ist  somit  wohl  als  ausgeschlossen 
anzusehn.  Man  wird  darum  nicht  fehlgehen,  wenn  man  unter  den 
altern  Ordensgenossen  Veghe's  den  Verfasser  vermutet.  Sichere 
Anhaltspunkte  zu  finden  ist  mir  leider  noch  nicht  gelungen. 

Ich  komme  zu  dem  Inhalt  der  Handschrift.  Wie  schon  erwähnt, 
will  der  Auktor  des  Buches  das  Leben  und  die  Werke  des  Heilandes 
nach  dem  Evangelium  beschreiben.  Es  heisst  dann  weiter  in  einem 
Passus,  der  für  die  Geschichte  der  deutschen  Bibelübersetzung  nicht 
ohne  Bedeutung  ist: 

„Unde  oeck  God  sy  ghelovet  so  hevet  men  in  velen  steden  den 
meesten  deel  der  hilghen  eivangelien  unde  sunderlinghe  der  gheenre  de 
men  in  der  kerken  to  lesetie  plecht,  de  ovei*  menighen  jaren  uyt  latine 
in  duytsch  over  ghesat  sint,  dar  umme  denke  ick  nu  roert  allene  ixin  en 
deel  der  sehen  werke  unses  heren  de  noch  achterstedich  synt,  to  scryvefie." 


^)  Johannes  Veghe.    Ein  Prediger  des  16.  Jahrhunderts.    Von  Franz  Jostes. 
Halle  1883. 


145 

Es  geht  daraus  hervor,  dass  man  damals  bereits  deutsche  Über- 
setzungen der  Evangelien  in  der  Hand  hatte,  besonders  diejenigen 
Abschnitte,  die  des  Sonn-  und  Feiertags  von  der  Kanzel  verlesen 
wurden.  Die  noch  rückständigen  Teile  will  der  Verfasser  kommentieren. 
Wir  haben  demnach  in  dem  Werke  eine  Art  Postille  vor  uns.  Dass 
der  Fraterherr  sein  Buch  in  der  Muttersprache  erscheinen  lässt,  ist 
bei  der  grossen  Vorliebe  dieser  Männer  für  ihren  Heimatdialekt  nicht 
zu  verwundem.  In  einer  Generalübersicht  werden  folgende  zu  be- 
handelnde Punkte  angeführt. 

Int  yrste  van  den  twelf  apostelen  alse  de  unse  heer  uyt  al  synen 
discipulen  koes  unde  sande  se  to  predikene  allene  in  den  itideschen  lande 
unde  ghaf  en  macht  kranken  ghesunt  to  makene  unde  bösen  gheeste  uyt 
den  besetenen  menschen  to  werpene.  unde  oeck  van  den  twen-  unde  seven- 
tich  discipulen  de  he  na  der  tyt  oeck  also  sande.  Item  van  der  nygen 
ee  alse  ds  unse  heer  ghaf  unde  insatte.  To  desser  nygen  ee  hören  de 
teyn  ghebode  de  in  de  olden  ee  ghegheven  worden.  Unde  de  acht  selich- 
heyden.  Dar  hoert  oeck  to  dat  men  wete  de  werke  der  barmfiertichheyt 
unde  underscheet  tuschen  doetliken  sunden  unde  degheliken  sunden.  Unde 
dar  umme  unl  ick  ofte  Ood  wil  oeck  van  dessen  materien  wat  roren 
van  er  ytliken  besunderen.  Item  oeck  wat  van  den  miraculen  unses 
leven  heren  ihesu  christi  unde  van  syner  verclaringhe  up  en  berghe  thabor.*' 

Die  einzelnen  Gegenstände  werden  in  der  Art  und  Weise  be- 
handelt, wie  es  in  religiösen  Schriften  des  Mittelalters  der  Fall  zu 
sein  pflegt.  Dogmatik,  Moral,  Exegese  und  Aszese  kommen  gleicher- 
weise auf  ihre  Rechnung,  wobei  dem  Auktor  eine  grosse  Belesenheit 
in  der  Schrift,  den  Vätern  und  religiösen  Schriftstellern  des  Mittel- 
alters gute  Dienste  leistet.  — 

Kulturgeschichtlich  Interessantes,  wie  man  es  in  den  Predigten 
jener  Zeit,  z.  B.  denen  Veghes  findet,  sucht  man  hier  vergebens. 
Ein  abschliessendes  Urteil  über  den  Auktor  und  sein  Werk  zu  geben 
wird  erst  möglich  sein,  wenn,  wie  zu  wünschen,  sich  die  beiden  fehlenden 
Bände  gefunden  haben. 

Zum  Schlüsse  möge  als  Stilprobe  ein  Abschnitt  über  die  zweite 
der  8  Seligkeiten  folgen,  den  ich  wegen  seiner  Kürze  ausgewählt  habe. 

„De  ander  selichheit  is  sachtmodichheit.  unde  wante  dan  willighe 
oetmodighe  armode  de  yrste  is  unde  vorgheet.  so  is  et  wal  bequemelick 
dat  er  de  sachtmodichheit  alre  neest  na  volghe.  so  alse  de  armen  oet- 
modighen  oeck  ghetneenlike  sachtmodich  synt.  Unde  dar  moghe  wy  uyt 
verstaen  dat  de  sachtmodichheit  to  der  oetmodichheit  hoert,  als  uns  oeck 
unse  heer  to  kennenne  ghegheven  hevet  overmids  deme  dat  he  seghede 
Discite  a  me  quia  mitis  sum  et  humilis  corde.  Math,  X.  Na  der 
menschliken  naturen  int  ghemene  unthelt  sick  unde  dtoynckt  sick  en 
mensche  wal  dat  he  sick  nicht  unmeetlike  unde  unghebiierlike  en  tueme, 
also  dat  men  nicht  segghen  en  mach  dat  he  en  haestich  tuernsch  mensche 
sy,  Mer  to  desser  sachtmodichheit  hoert  dat  sick  en  mensche  myt  alle 
nicht  en  tnerne,  unde  wert  he  wat  to  toef*ne  bewegghet  dat  he  sick  dan 
dwynghe  unde  unthoelde,     Doet  em  we  verdreet  deme  sal  he  wyken  unde 

Niederdeutaohea  Jahrbuch  XXX VI.  10 


146 

en  wederstaen  etn  nicht  drystlike  unde  tvreeÜike.  mer  he  sal  ene  myt 
guetUchheyden  unde  gxidertyrenheiden  verwynnen  unde  wesen  duldich 
lydesam  restlick  unde  vredesam  in  sick  selver.  Et  synt  wal  lüde  de 
sachtmodich  schynen  to  wesene  so  langhe  als  en  nicht  verdretes  en  schuyL 
mer  wan  en  yenich  untville  wederveert  so  wyset  er  unduldichheit  wal 
uyt  wo  sachtmodich  dat  se  synt.  Et  synt  oeck  lüde  de  so  alinck  sacht- 
modich synt  dat  se  myt  alle  gheen  achte  en  fiebben  yenighes  anderen 
menschen  levens  also  dat  se  numende  en  manen  to  dogheden  ofte  straffen 
umms  undogheden.  mer  solke  sachtmodichheit  en  loven  de  hilghen  leerre 
nicht.  Den  sachtmodighen  wert  ghelovet  de  eerde  to  besittene  juxta  illud 
Math,  V.  beati  mites  quoniam  ipsi  possidebunt  terram.  Dyt  en  is  aver 
nicht  to  verstane  van  desser  nedersten  eerden.  mer  et  is  to  verstane  van 
der  oversten  eerden  de  in  dSr  hilghen  scrift  gheheten  is  terra  mventium 
dat  is  to  dude  de  eerde  der  levendighen.  Wante  desse  eerde  hyr  neden 
besitten  de  homodighen  drysten  wreden,  also  dat  et  bequemelick  is  dat 
de  ghene  de  hyr  sachttnodich  synt  unde  umme  desse  eerde  nicht  en  oer- 
leghen  kyven  striden  de  ander  eerde  hyr  boven  ewelike  to  besittene  krig/ien 
dar  alle  sachtmodichheit  unde  eunghe  raste  unde  vrede  is,  Desse  selich- 
heit  der  sachtmodichheit  is  ene  böte  ene  medicine  teghen  den  toem  de  eti 
doetlike  sunde  ene  wunde  der  seien  is. 

BONN,  Kreuzberg.      Matth.  Schneiderwirth,  0.  F.  M. 


Nachtrag  zum  Idiotikon  von  Eilsdorf. 


(Vgl.  Ndd.  Jb.  XXXIV,  45  flf.). 


afsiet  (äfsH),  abseits, 

anpntzen   (an-),   täuschen,   zum   besten 

haben. 
Apporten,    Botschaft      hei  drecht  Ap- 

porten,   er  bringt  Neuigkeiten  herum, 

Apportendräer. 
,  atehen,    anstrengen,   sich   dazu  halten^ 

jemand  beim  Arbeiten  nachkommen. 
attern,  sich  zornig  erregen,    hei  attert 

sek.     Vgl,  atterich. 
Baste  m.,  grüner  Ober  in  geunsaen  Karten- 
spielen, 
Beddel  (b^}),  Bettel. 
beddeln  (b^dln),  betteln, 
Beddelie  (b^ill),  BeUelei. 
Beddelmann,  Bettelmann.    Rangordnung 

im  Kinderspiel:  Eddelmann,   Beddel- 

mann,  Kusem^jor. 


biareo    (bi-är^),   warten,    pflegen,    bes. 

das  Vieh. 
Bislag  (bisläx),  niedrige  Wand,  die  die 

Scheune  vom  »Fak**  trennt. 
Blaat,  Blut,    in  Blaa  sticken,  sich  tot 

ärgern. 
blaatrastrig,  blutrünstig. 
Borak,  Borax. 
Borg  (borjü),  Burg,  bes.  in  Ortsnamen: 

Qaelnborg  u.  a. 
Bott,  Zwischenraum,  Platz,    hier  is  noch 

saayel  Bott. 
Breake,     Brüche,     Geldstrafe    an    die 

Obrigkeit.     Veraltet. 
Brink,  kleine  Anhöhe, 
brfihn,  als  verliebt  necken,    mnd.  brüden. 
Dele  (dfb),  ScT^eunentenne.    vercdtet. 
desamme,  zusammen. 


147 


dönneken,  die  Ziegel  verstreichen. 
dreben  (dr&bbm),  treiben  des  Schnees. 
Entreeht  n.,  der  Umschlag  am  Oewebe. 
Farationen,     Variationen,      hei    maket 

laater    saune    Farationen,    er   macht 

bald  dies  bald  das,  aber  immer  nichts 

Gescheites. 
Feddere,    der   abgerundete,    dem   »Ort** 

entgegenliegende  Teil  der  Pflugschar. 
Finger,  Befestigungshaken  am  Schwengel, 
flien,  von  stauen  gehn.  dat  fliet  sek  besser. 
Fläeh  (flüyO  n.,  dünnes,  leichtes  Korn, 
Folten,  Valentin. 
fomorgen,  hevie  morgen. 
Y^VMYiSX^w  (f&rsfddr),  Vorpflug, kleinere 

Pflugschar  vor  der  Hauptschar. 
Fose  (f^z9),  7,  8  u.  9  im  Kartenspiel. 
Galgen  (gäijdn),  ein  f\  förmiges  Gestell 

auf  der  Pflugkarre,  auf  dem  die  Pflug- 

Stange  riM. 
Gariiter,      Gardereiter,     ungeschlachter 

Mensch. 
Giehtbeere,      schwarse     Johannisbeere, 

Bibes  nigrum. 
Giegen   m.,   Stück  vom   Ganzen,  z.  B. 

Ackerstück.     £k   mot    noch    düssen 

Giegen  ummegraben. 
Giltnng  (jiltunk),  Haken,   an  dem  das 

„Scharr"  befestigt  wird. 
Gramatehe  (yamdlij»),  Laus. 
Grnll.  Groll,  Zorn. 
Griindel,  Grindel  am  Pfluge. 
Granhns  (yün}{üs),  Grudehaus,  schup- 

penartiges  Haus,  in  das  in  früheren 

Zeiten    die    Asche    getragen    wurde. 

veraltet. 
giiste  ßüsts),  unfruchtbar. 
Babennihrt  (\{äJbmfärt),  schwierigesWerk. 

Is  dat  ne  Habenfahrt  1 
Harnschart    (hamsärt),     Schwierigkeit. 

war  dat  awer  ne  Harnschart. 
Hartjenkrnt,  rundblättrige  Minze  {?), 
Hasenpaneil,  Hasenpanier,    hei  hat  et 

Hasenpaneil  in  achtenomen. 
Hanrenstieg    ßaur^tlx),    ÖrÜichkeitS' 

bezeichnung. 
Henriiter,    Heureiter,    ein    Gestell  zum 

Heutrocknen. 
Himten,  halber  Seheffel,  altes  Getreide- 

mass. 
flolster  m.,  Ledertasche,  in  der  Arbeiter 

ihr  Brot  mitnehmen. 
kleinetseh  (klai'netS),  wenig  essend,  ohne 

Appetii. 
Klingere,  Klingel. 
Klnb    n.,    früher    Spinnstubenversamm- 

lungen,  jetzt  die  daraus  hervorgegan» 

genen  dörflichen  Abendvereinigungen, 


Ek  gab  int  Klub.  £k  hewwe  hüte 
Abend  et  Klub. 

kniwweken,  im  Brotklauben. 

kowisch  (k8ewiä),  erkältet,  verschnupft. 

Kraus,  Krug,    veraltet. 

krnnksen,  ächzen,  pusten. 

lat  (lät),  spät. 

Lere  (le%r?),  Stelleisen  am  Pfluge. 

Logge  (l^^)f  Diesseits  in  der  Eedensart 
c^er  Leute:  ek  lewe  hier  in  Löggen, 
de  andern  sünd  schon  in  de  Wahrheit. 

Longe  (loBi9),  Zügel,  an  de  Longe 
nehmen. 

Liichtenlock,  Öffnung,  aus  der  der  Bauch 
vom  Stubenofen  in  den  Schornstein  zog. 

masehienen  (masl'^),  mit  der  Dresch- 
maschine dreschen. 

motten  (möty),  begegnen,  dat  hat  dek 
wer  emal  emött. 

müeheln  (müx9ln),  qualmen,  schwelen, 
rauchen. 

nasch  (näs),  links  beim  Pflügen,  pleu 
nasch!  Vgl.  hott  un  näk  bei  Dam- 
köhler, die  pronominalen  Formen  für 
uns  und  unser,  S.  18. 

Natrnm,  Natron. 

oprttsseln,  Stroh  auflockern. 

Optimpeln,  aufstapeln. 

Ort  (Ö'rt)  n.,  die  scharfe  Ecke  der  Pflug- 
scharschneide. 

nemmelig,  schwächlich,  kränklich, 

Penonge  (penoiai9),  Geld. 

Fieleke,  Spielstein.  Pieleketafel,  Spiel- 
tafel. Veraltet.  In  einem  Verzeichnis 
des  Inventars  des  Eisdorf  er  Gemeinde- 
kruges  vom  Jahre  1781  ist  „1  Pileke- 
tafel  und  4  Steine''  verzeichnet. 

Pippele,  Pappel. 

Dlatterdings,  ganz  und  gar. 

Pottsmitt,  Buss,  Topfschwärze. 

Prahlenbarg  (prätTsbar^),  Prahlhans. 

preddigen  (predijdn),  predigen,  reden. 

Frier  (prv^r),  Prior,  dicker  Mensch; 
wie  'n  Frier  grosstuig,  protzig. 

putjehupp,  pnrtjehnpp,  Ausdruck  der 
Abweisung  und  Schadenfreude. 

Queller,  gegen  Käue  empfindlicher 
Mensch. 

Ramnese,  Pferd  mit  Widdemase. 

Richtigkeit  maken,  Schuld  bezahlen. 

Rokhann  {rö^khaun).  Abgäbe  vom  Be- 
sitzer einer  Feuerstelle.  Bedensart: 
hei  is  swart  wie  'n  Rokhaun. 

Rnppeggel,  Rnppreggel,  Rnpprenzel, 
ruppiger  Mensch. 

rasseln ;  et  rasselt,  es  gibt  tüchtig  Hiebe, 

Rttster  (rüst9r),  Handgriff  am  Pfluge. 

riitergar,  halbgar. 

10* 


148 


Salpeiter  (zalpa%t9r),  Salpeter. 

Schake  (ääki),  gewöhnlicher  Ausdruck 
für  Bein, 

Seheidel,  Scheitel. 

scher  (äe^r),  schier,  blank,  glatt,  weiss. 

Schrick  n.,  ein  X  förmiges  OesteU,  das 
den  Schwane  der  Windmühle  stutet, 

Schilf knust  (^ßnüst);  wenn  die  Brote 
im  Backofen  eu  eng  liegen,  haften  sie 
wohl  aneinander  und  es  reisst  beim 
Herausnehmen  das  eine  Brot  ein  StOck 
aus  dem  andern  heraus.  Das  abge- 
rissene Stück  ist  der  „Schufknust**, 

Schfttzel,  Schiffchen  des  Leinewebers, 

Seilte,  Hiebe, 

slubetsch  (slv^eUs),  fieimtückisch.  de 
Hund  is  slubetsch,  der  Hund  beisst 
von  hinten  zu, 

Sneidref  (snaidre^f),  Schneetreiben, 

Stawel;  du  geist  nich  Yon  Stawel,  du 
weichst  nicht  von  mir, 

stäwwern,  fein  regnen  oder  schneien, 
sprühen, 

Steri  (st€^m},  Stirn. 

Strich ;  op  'n  Strich  hewwen  (op77i  stri^ 
hebm),  böse  auf  jemand  sein, 

Strapp,   oberer  Teil  des  zugeschnürten 


op  stans,  sofort, 

sweren  (swfrQ),  schwören. 

Tarmin,  Termin,  GericTUsverJiandlung. 

Tinpe  m,,  Sackzipfel, 

Trallje,  Güterstab, 

Talatsch  (tulätä),  ungeschlachter  Mena^. 

Tür ;  in  't  Tür  bringen,  Fäden  vermrren. 

Undeg  (unde(^x)f  Schaden,  in  Undeg 
gerahn,  zu  Schaden  kommen. 

Warwesraann ;  nach  alten  Gemeinde- 
protokollen war  jedem  Gemeindebäcker, 
•Schmied,  -mülür  und  -hirten  ein  Gt- 
meindebevöllmächtigter  bestellt,  der  die 
Aufsicht  über  ihn  hatte  und  Anliegen 
entgegennahm;  er  hiess  Warwesmami 
In  den  Protokollen  kommen  auch  die 
Formen  Werbersmann  und  Werbels- 
mann  vor.    mnd,  wervesman. 

wechtern  (ve/itern),  Wache  halten, 

Weitenklopper,  Wind,  der  den  Weizen 
aiMsehläat. 

Wanderbänl;  'n  Wunderbühl  umme- 
hengen,  sich  sehr  wundem. 

wmiderselln,  sehr  selten. 

wnrBS  (vürns),  irgendwo. 

Zickereit,  Zickeret  (lat,  secretum),  Ab- 
ort,   veraltet. 


Anmerkung,  Zu  Heimekenfänger,  Jahrbuch  34  S,  67,  ist  berichtigend  zu 
bemerken^  dass  man  Eimekenfänger  spricht,  dass  also  das  h  äbgestossen  ist  wie  in 
Arpaul,  das  aus  mnd,  härpSl  entstanden  ist. 


LEIPZIG. 


R.  Block. 


Alexander  Reifferseheid. 


L    Ldbensdaten  und  Werke. 

1847  Juni  4  geboren  in  Bonn. 

1866  Abiturient  des  Bonner  Gymnasiums.    Student  der  alten  Sprachen 

in  Bonn. 
1868  Student  der  alten  und  der  deutschen  Philologie  in  Breslau. 
1871  Breslauer  Inauguraldissertation:  „Über  die  untrennbare  partikel 

ge-  im  deutschen.    I.  ge-  bei  infinitiven.     1.  abteilung." 
1873  Habilitation  für  deutsche  Philologie  in  Bonn. 

1877  Ausgabe  von:   „Heinrich  Rückerts  kleineren  Schriften.    2  Bde. 
Weimar."  —  Aussorord.  Professor  in  Greifswald. 

1878  „Freundesbriefe  von  Wilhelm  und  Jakob  Grimm  an  die  Familie 
Haxthausen.    Heilbronn." 


149 

1879  Ordentlicher  Professor  in  Greifswald.  —  „Westfälische  Volks- 
lieder in  Wort  nnd  Weise  mit  Klavierbegleitung  und  lieder- 
vergleichenden Anmerkungen.    Heijbronn." 

1883  „Briefe  von  Jakob  Grimm  an  Tydeman.     Heilbronn," 

1889  „Briefe  Lingelsheims,  Bemeggers  und  ihrer  Freunde.  Heilbronn." 
(Neue  Titelausgabe  ebd.  1891.)  —  „Marcus -Evangelion  Mart. 
Luthers  nach  der  Septemberbibel  mit  den  Lesarten  aller  Original- 
ausgaben und  Proben  aus  den  hochdeutschen  Nachdrucken  des 
16.  Jahrhunderts." 

1890  Rektor  der  Universität  Greifswald. 

1893 — 1907  Vorsitzendsr  des  Vereins  für  niederdeutsche  Sprach- 
forschung. 

1902  „Mitteilungen  aus  Handschriften  der  St.  Nikolaikirchenbibliothek 
zu  Greifswald.  (Beilage  zum  Vorlesungsverzeichnis  der  Universität 
Greifswald.) 

1904  „Geistliches  und  Weltliches  in  mittelniederdeutscher  Sprache 
nach  der  Emder  Handschrift  No.  64.  Sonderabdruck  aus  dem 
Jahrbuche  der  Gesellschaft  für  bildende  Kunst  etc.  zu  Emden, 
Bd.  XIV  und  XV.    Emden." 

1909  Febr.  11.  Gestorben  an  Lungenentzündung  in  Folge  von  Diabetes. 
Vgl.  über  sein  Leben  den  von  W.  Seelmann  verfassten  Nekrolog 

in     der     „Germanisch -romanischen    Monatsschrift     Jg.     1      (1909) 

S.  206—208.  

II.    Nachruf  an  der  Bahre  gesprochen 
von  Geb.  Reg.-Rat  Prof.  Dr.  Rehmke  in  Oreifswald. 

Im  Namen  der  Greifswalder  Universität  dem  durch  den  Tod  von 
uns  Geschiedeneu  ein  letztes  Wort  zu  ehrendem  Nachruf! 

Fast  32  Jahre  hat  unser  Kollege  Beifferscheid  an  hiesiger 
Universität  gewirkt,  anfangs  als  ausserordentlicher,  seit  Ende  ■  des 
Jahres  1878  als  ordentlicher  Professor  der  Germanistik.  Von  den 
beiden  Tätigkeiten,  in  denen  der  Professor  sich  als  Mann  der  Wissen- 
schaft auslebt,  der  lehrenden  und  der  schriftstellernden,  hat  er  hier 
in  Greifswald  die  erste  bevorzugt;  eine  mit.  den  Jahren  wachsende 
Selbstbescheidung  Hess  in  dem  rastlos  tätigen  Mann  die  Scheu,  das 
in  wissenschaftlicher  Arbeit  Gewonnene  in  Druck  zu  geben,  immer 
stärker  werden,  so  dass  er  sich  mehr  und  mehr  Zwang  auferlegte  in 
der  Veröffentlichung  seiner  Arbeiten.  Nichtsdestoweniger  haben  auch 
die  Greifswalder  Jahre  mehr  als  ein  reifes  Werk  seiner  Feder  in 
Druck  gebracht. 

Indes  das  Schwergewicht  seiner  Tätigkeit  ruhte  auf  dem  Lehramt. 
Wenn  wir  darum  sein  Greifswalder  Leben  überhaupt  überblicken,  so  dürfen 
wir  behaupten,  dass  um  die  beiden  Brennpunkte,  das  eigene  Heim  und 
die  Universität,  seine  Tage  und  seine  Gedanken  sich  bewegten,  und 
es  ist  schwer  zu  sagen,  was  er  mehr  war  und  sein  wollte,  der  Gatte 
und  Vater  seiner  Familie  oder  der  Lehrer  seiner  Studenten.    Begeistert 


150 

für  die  Wissenschaft,  die  er  lehrte,  suchte  er  inbrünstig  seine  Zuhörer 
der  eigenen  Sache  zu  gewinnen,  und  sein  Feuereifer  fand  in  der  freien 
lebendigen  Form   seines  Vortrages  einen  wertvollen  Bundesgenossen. 

Und  doch!  noch  mehr  als  in  den  Vorlesungen  hatte  unser 
Kollege  sein  volles  Genüge  als  lehrender  Mann  in  den  beiden  engeren 
Kreisen  seiner  Zuhörer,  dem  deutschen  Proseminar  und  dem  deutschen 
Seminar  Hier  wusste  er  sich  ganz  in  seinem  eigensten  Berufe,  hier 
hatte  er  gleichsam  sein  anderes  Heim,  und  was  mit  diesem  zusammen- 
hing, das  lag  ihm  so  sehr  am  Herzen,  dass  mit  diesem  seine  von 
ihm  doch  so  innig  geliebte  Familie  um  den  Gatten  und  Vater  wohl  zu 
kämpfen  hatte.  Hier  war  es  auch,  wo  er  in  die  innigste  Berührung 
mit  seinen  Studenten  kam,  deren  Seminararbeiten  und  Dissertationen 
er  unermüdlich  mit  ihnen  besprach  und  bearbeitete,  so  dass  er  keine 
Zeit  zu  kostbar  fand,  sich  dieser  Aufgabe  zu  widmen. 

Selbst  in  die  Erholungszeit  der  Ferien  nahm  er  die  Sorge  um 
seine  Schüler  mit,  und  wenn  er  sich  auch  nur  für  wenige  Tage  in  die 
Sommerfrische  nach  Lubmin  begab,  es  begleiteten  ihn  doch  die 
Arbeiten  seiner  Studenten  und  erhielten  sogar  den  Löwenanteil  von 
dieser  Zeit  zugeteilt.  So  sah  man  ihn  auch  nach  jenem  unglücklichen 
Sturze  vor  einigen  Jahren,  sobald  nur  der  Arzt  es  ihm  gestattete,  in 
seinem  Hause  das  Seminar  abhalten,  bis  er  wieder  ganz  auf  den 
Füssen  stand  und  in  die  Universität  gehen  konnte:  es  trieb  ihn,  bei 
seinen  Studenten  zu  sein  und  ihnen  so  viel  zu  sein,  als  ihm  möglich  war. 

Der  Lohn  für  diese  treue  Arbeit  blieb  nicht  aus,  ja  doppelter 
Lohn  war  ihm  beschieden :  er  hatte  die  Freude,  nicht  nur  aus  seinem 
Seminar  so  viele  tüchtige  und  in  ihrem  wissenschaftlichen  Werte 
allseitig  anerkannte  Doktordissertationen  hervorgehen  zu  sehen,  sondern 
auch  in  den  Kreisen  seiner  Schüler  die  verdiente  Zuneigung  und 
Verehrung  zu  finden,  und  wie  mancher  schon  in  Amt  und  Würden 
stehender  Oberlehrer  hat  dem  früheren  Lehrer  noch  innigen  Dank  für 
das  ausgesprochen,  was  ihm  dieser  als  Leiter  des  deutschen  Seminars 
gewesen  ist. 

Familie  und  Universität,  das  waren  die  beiden  Pole  seines  Lebens. 
Darum  kannten  auch  wir  Kollegen  ihn  nur  aus  und  in  der  Universität, 
sonst  ging  er  still  für  sich  seinen  Weg;  wir  verstehen  dies,  weil  wir 
wissen,  dass  Familie  und  Universität  nach  seiner  Eigenart  ihm 
genügten,  sein  Leben  ganz  auszufüllen.  Mitten  aus  diesem  tätigen 
Leben,  in  dem  er  trotz  körperlicher  Beschwerden,  die  ihn  seit  manchen 
Jahren  gepackt  hielten,  tapfer  und  ungebrochen  den  selbstgewählten 
Weg  ging,  ist  er  abberufen  worden,  unser  Kollege,  der  mit  allen 
seinen  Kräften  der  Universität  zu  dienen  unentwegt  bestrebt  war. 
Wir  wollen  dieses  sein  Andenken  in  vollen  Ehren  halten  und  bewahren. 


151 


Anzeigen. 


Geschichte  der  Schriftsprache  in  Berlin  his  zur  Mitte  des  16.  Jahr- 
hunderts von  Dr.  Agathe  Laseh.  Dortmund,  Fr.  Wilh.  Rnhfas  1910. 
360  8.    80.    12  Mk. 

Das  Bach  zerlföUt  in  einen  I.  oder  Hanptteil,  der  ^Die  Rezeption  der 
hochdeutschen  Sprache  in  Berlin^  mit  tiefem  Hintergrande  eindringend 
und  erschöpfend  hehandelt  (S.  9  —  224),  und  in  einen  IL  Teil,  der  die  'Laut- 
und  Formenlehre  der  mittelniederdeutschen  Schriftsprache  in 
Berlin*  darstellt  (S.  226 — 344)  und  schon  durch  seinen  Platz  sich  mehr  als 
Anhang  denn  als  Grundlegung  gibt:  für  den  Ausbau  der  mittelniederdeutschen 
Grammatik  werden  hier  nützliche  Bausteine  dargeboten ;  die  in  unserem  Jahrbuch 
Bd.  29,  S.  66  ff.  abgedruckte  Arbeit  von  Siewert  erscheint  dadurch  entschieden 
überholt.  Aus  der  allgemeinen  Charakteristik  des  Altberlinischen  heb  ich  hervor, 
dass  die  Verf.  an  einem  ursprünglichen  nieder  fränkischen  Einschlag  festhält  und 
die  neuerdings  behauptete  Beziehung  des  Stadtdialektes  zum  Altmärkischen  aus- 
drücklich ablehnt  (S.  226). 

Der  Hauptwert  des  Buches  aber  beruht  in  dem  I.  Teile,  und  es  mag  sofort 
zweierlei  hervorgehoben  werden:  die  Arbeit  fusst  hier  auf  umfassender  Vor- 
hereitung  und  zeigt  Schritt  für  Schritt  umsichtige  Erwägung  aller  Faktoren  und 
sauberes  Detail;  das  Problem  selbst  aber  erweist  sich  als  ein  historisch  kom- 
pliziertes und  überraschend  interessantes,  der  Leser  wird  durch  den  absolut  sach- 
lichen Vortrag  der  wohlgeordneten  Tatsachen  unwillkürlich  gefesselt.  Mir  ist 
noch  keine  wissenschaftliche  Arbeit  einer  Dame  auf  dem  Gebiete  der  deutschen 
Philologie  unter,  die  Augen  gekommen,  die  so  gleichmässlg  frei  wäre  von  Prätension 
wie  von  ängstlicher  Nachahmung  eines  Musters.  Darum  ergreife  ich  gern  die 
Gelegenheit,  hier  von  dem  Inhalt  und  den  Ergebnissen  des  Buches  zu  berichten. 

Die  erste  deutsche  Urkunde  der  Mark  Brandenburg  fällt  in  das  Jahr  1290 
(s.  auch  Vancsa,  Das  erste  Auftreten  der  deutschen  Sprache  in  den  Urkunden 
S.  39) :  es  ist  die  Zeit  des  Markgrafen  Otto  IV.  ^mit  dem  Pfeile\  der  in  hoch- 
deutscher Sprache  dichtete.  Die  Chancen  für  die  hochdeutsche  Sprache  waren 
auf  diesem  Kolonisationsboden  von  vom  herein  nicht  ungünstig :  nennt  doch  schon 
ein  Brakteat  des  zweiten  Askaniers  (eine  der  frühsten  Münzen  mit  deutscher 
Umschrift  überhaupt)  den  Münzherrn  MABCGRAVE  OTTO,  also  mit  hochdeutscher 
Lautform  des  Titels.  Und  so  kommen  denn  bereits  unter  diesem  Fürstengeschlechte, 
besonders  im  äussern  Verkehr,  auch  hochdeutsche  Urkunden  neben  den  nieder- 
deutschen vor.  Und  die  Herrscherfamilien,  die  im  14.  und  16.  Jahrhundert 
folgen:  die  bairischen  Witteisbacher,  die  böhmischen  Luxemburger  und  die  frän- 
kischen Hohenzollem,  legten  sämtlich  ihr  Gewicht  in  die  Wagschale  gegen  die 
Landessprache. 

Unter  den  Witteisbachern  (1323—1373)  wird  die  Kanzlei  fest 
organisiert,  es  erfolgt  die  Einführung  von  Registerbüchern  nach  dem  Vorbild 
der  von  K.  Ludwig  d.  Bayern  für  das  Reich  eingerichteten.  Die  deutschen  Schrift- 
stücke zeigen  zunächst  keine  feste  Sprachform,  weil  sie,  wie  auch  anderwärts, 
stark  unter  dem  Einflnss  der  Vorurkanden  stehn.  Zudem  weicht  das  Latein  nur 
langsam  zurück :  unter  Ludwig  dem  Römer  tritt  das  Deutsche  wohl  stärker  hervor, 
aber  erst  unter  Otto  dem  Faulen  erscheint  die  lateinische  Sprache  auf  den  Verkehr 


152 

mit  der  Geistlichkeit  beschränkt.  Wenn  die  Verfasserin  in  dem  endlichen  Sieg 
des  Deutschen  den  Einflnss  der  Prager  Kanzlei  vermutet  (S.  17)  und  weiter  die 
Frage  auf  wirf t,  ob  nicht  auch  der  Sprachgebrauch  des  falschen  Waldemar  ein- 
gewirkt habe,  so  scheint  mir  hier  die  Problemstellung  nicht  richtig  erfasst  zu 
sein.  Man  muss  sich  nicht  fragen :  warum  drang  jetzt  endlich  das  Deutsche  durch  ? 
sondern  vielmehr:  wie  kam  es,  dass  das  Latein  in  Brandenburg  länger  dominierte, 
als  in  Bayern  einerseits,  in  Braunschweig  und  Meissen  anderseits?  Und  daran 
scheint  mir  in  der  Tat  die  Konkurrenz  der  beiden  deutschen  Schriftdialekte  mit  die 
Schuld  zu  tragen:  man  ging  ihr  in  unbequemen  Fällen  aus  dem  Wege,  indem 
man  beim  Latein  blieb. 

Soweit  sich  die  wittelsbachische  Kanzlei  in  der  Mark  der  deatschen 
Sprache  bediente,  bevorzugte  sie  das  Hochdeutsche,  das  Niederdeutsche  ward  nur 
im  Verkehr  mit  Städten  dieser  Sprache  angewandt.  Bairische  Spuren  finden  sich 
nur  unter  Ludwig  dem  Römer;  weiterhin  ist  die  fürstliche  Kanzlei  ausgesprochen 
mitteldeutsch.  Die  Sprache  des  Hofgerichts  hingegen  ist  die  niederdeutsche.  — 
Unter  den  Luxemburgern  herrscht  die  hochdeutsche  Sprache  ihrer  Prager 
Kanzlei. 

Indem  die  Verfasserin  stets  sorgfältig  das  zweifelhafte  Material  ausscheidet 
und  den  Ursprung  und  Zweck  der  Schriftstücke  ebenso  prüft  wie  ihre  Ueber- 
lieferung,  gelangt  sie  durchweg  zu  präzisen  Scheidungen,  die  nur  hier  und  da 
wegen  der  Dürftigkeit  des  Materials  eingeschränkt  werden  müssen.  In  Berlin- 
Köln  selbst  ist  die  niederdeutsche  Landessprache  um  d.  J.  1370  sieghaft  durch- 
gedrungen. Im  Verkehr  Berlins  .mit  den  Luxemburgern  aber  wird  das  Hoch- 
deutsche bevorzugt:  nicht  aus  dem  Ergebenheitsgefühl  heraus,  sondern  einfach 
aus  praktischen  Bücksichten.  Auch  in  gemeinsamen  Angelegenheiten  der  mär- 
kischen Städte  überwiegt  dies,  selbst  wenn  die  Sprache  der  Mehrzahl  niederdeutsch 
ist;  hier  scheint  das  vorwiegend  hochdeutsche  Frankfurt  die  Führung  zu  haben. 

Unter  den  Hohenzollern  war  das  Gepräge  des  Hofes  zunächst  durchaus 
fränkisch,  und  nach  fränkischem  Vorbild  wurde  auch  die  Kanzlei  eingerichtet: 
ihre  Beamten  waren  im  Anfang  sämtlich  Hochdeutsche.  Erst  unter  Friedrich  n. 
ward  Köln  feste  Besidenz,  und  die  kurfürstliche  Kanzlei  trat  nunmehr  lokal  in 
den  Bereich  der  beiden  Schwesterstädte.  Aber  es  war  eine  fränkische  Kanzlei, 
und  die  fränkische  Kanzleisprache  blieb  auch  in  Köln  ausschliesslich  in  Gebrauch. 
Niederdeutsche  waren  vom  Kanzleidienst  nicht  ausgeschlossen,  aber  der  Kanzler 
an  der  Spitze  blieb  noch  über  ein  Jahrhundert  ein  Hochdeutscher  (Lausitzer, 
Kulmbacher).  Die  Verfasserin  stellt  die  Personalien  im  einzelnen  genau  fest, 
konstatiert  z.  B.,  dass  sich  Nikolaus  Krull  aus  Zerbst  in  privaten  Angelegenheiten 
der  niederdeutschen,  im  Kanzleidienst  aber  der  hochdeutschen  Sprache  bediente 
(S.  37).  Solche  in  beiden  Sätteln  gerechte  Beamte  mochten  direkt  erwünscht 
sein,  denn  blieb  die  Geschäftssprache  auch  im  Prinzip  hochdeutsch,  so  hatte  man 
doch  gelegentlich  Veranlassung,  die  Landessprache  ansuwenden:  sowohl  im  aus- 
wärtigen Verkehr  mit  den  Fürsten  von  Pommern  und  Mecklenburg,  wie  im  Innern 
mit  den  niederdeutschen  Städten.  Aber  auch  bei  den  niederdeutschen  Schreibern 
treten  die  Eigentümlichkeiten  des  Berliner  Dialekts  so  gut  wie  gar  nicht  hervor. 

Unter  Albrecht  Achilles,  der  seine  Besidenz  wieder  dauernd  in  Franken 
aufschlug,  wurde  die  Verschmelzung  zwischen  Nord-  und  Süddeutsch  eher  gehemmt 
als  gefördert.  Erst  mit  Johann  Cicero  beginnt  die  Loslösung  von  den  fränkischen 
Stammlanden  des  Fürsteuhauses,  die  sich  unter  dem  folgenden  Kurfürsten  vollends 
durchsetzt.  Mehr  und  mehr  treten  die  Märker  und  speziell  auch  die  Berliner 
in  der  Kanzlei  hervor  —  aber  ihre  Sprache  ordnen  auch  sie  derjenigen  der  Landes- 
kanzlei unter.  Nur  im  internen  Gebrauch  der  Amtsstube,  in  den  Vermerken  der 
Registerbände  findet  sich  nach  wie  vor  einzelnes  Niederdeutsche. 


153 

Von  ganz  gelegentlichen  Ausweichungen  abgesehen,  folgt  die  Brandenburger 
Kanzlei  einer  einheitlichen  Norm:  sie  beruht  auf  der  ostfränkischen  Kanzlei- 
sprache Ansbachs,  hat  sich  aber  von  dieser  in  einigen  Punkten  entfernt,  in  denen 
wir  bald  Einfluss  des  Ostmitteldeutschen  bald  solchen  des  Niederdeutschen  erkennen. 

Die  grammatische  Darstellung  dieser  kurfürstlichen  Kanzleisprache, 
welche  die  Verf.  (S.  64—66)  für  das  15.  und  (S.  67—74)  für  die  erste  Hälfte 
des  16.  Jahrhunderts  gibt,  könnte  in  Anordnung  und  Druck  übersichtlicher  sein,  zumal 
dem  ganzen  Buche  ein  Index  fehlt.  Als  merkwürdig  heb  ich  die  Tatsache  her- 
aus, dass  die  neuen  Diphthonge,  welche  sich  in  der  späteren  Regiernngszeit 
Friedrichs  I.  nahezu  durchgesetzt  haben,  unter  Friedrich  11.  wieder  die  alten 
Monophthonge  i  und  u  in  starken  Prozenten  neben  sich  dulden  müssen. 

Zur  Ergänzung  werden  dann  (S.  74—80)  gemustert:  die  Urkunden  des 
obersten  Hofgerichts,  das  anfangs  noch  in  Tangermünde  tagte  und  sowohl 
durch  diese  seine  Lage  wie  durch  Tradition  und  Bedürfnis  dem  Niederdeutschen 
noch  eine  bescheidene  Nebenstellung  gönnte,  und  die  des  Hof-  und  Kammer- 
gerichts in  Köln,  dessen  offizielle  Sprache  hochdeutsch  war;  weiterhin  (S  80 
bis  83)  die  Kanzleien  geistlicher  Behörden,  Yon  denen  nur  der  Propst  yon  Berlin, 
mit  hochdeutscher  Sprache,  bemerkenswert  ist.  —  Ausführlicher  erörtert  werden 
die  gesamten  Verhältnisse  der  Berliner  Stadtkanzlei  (S.  84 — 104) :  sie  ist 
die  eigentliche  Hüterin  der  niederdeutschen  Sprache  durch  das  ganze  15.  Jahr- 
hundert hindurch,  aber  doch  auch  nur  bis  eben  über  die  Schwelle  des  sechzehnten ! 

Schon  die  „Saxonia'  des  1517  verstorbenen  Hamburger  Domherrn  Alb. 
Krantz  beklagt  lebhaft  die  Verdrängung  der  'sächsischen  Sprache'  aus  der  Mark, 
die  hier  natürlich  den  Fürsten  aus  fränkischem  Geschlechte'  zugeschoben  wird. 
Und  jetzt  handelt  es  sich  in  der  Tat  nicht  mehr  bloss  um  die  kurfürstliche 
Kanzlei,  sondern  auch  um  die  Geschäftsspraehe  von  Berlin.  *Seit  dem  Jahre 
1504  ist  die  Sprache  der  Berliner  Kanzlei  im  internen  Dienst 
hochdeutsch*  (S.  172).  Die  verschiedenen  Kulturströmungen  und  -faktoren 
welche,  mehr  oder  weniger  deutlich  erkennbar,  die  Entwickelung  gefördert  und 
den  frühen  und  raschen  Durchbruch  ermöglicht  haben,  hat  die  Verf.  S.  104  bis 
154  vorgeführt  und  ruhig  abgewogen;  dass  der  Buchdruck  und  die  Reformation 
hier  ausscheiden,  erscheint  von  vorn  herein  selbstverständlich:  sie  haben  weder 
auf  die  Rezeption  noch  auf  die  allgemeine  Durchführung  des  Hochdeutschen  im 
Geschäftsverkehr  irgend  einen  Einfluss  ausgeübt.  —  Durch  die  vorläufigen  Zu- 
sammenstellungen über  den  Übergang  vom  Nd.  zum  Hd.  in  andern  märkischen 
Städten  (S.  161 — 454)  eröffnet  sich  das  Programm  für  eine  weitere,  ergänzende  Arbeit. 

Wir  können  nicht  nur  das  Jahr,  sondern  auch  den  Tag  —  ^Mittwoch  nach 
11000  Jungfrauen*  —  und  schliesslich  den  Mann,  der  am  23.  Oct.  1504  die 
hochdeutsche  Geschäftsspraehe  in  Berlin  eingeführt  hat,  bezeichnen:  es  war  der 
neue  Stadtschreiber  Johannes  Nether,  der  an  diesem  Tage  seine  erste  hoch- 
deutsche Eintragung  vornahm  und  binnen  wenigen  Jahren  das  Niederdeutsche 
verdrängte  bis  auf  jene  geringen  Reste  im  Wortschatz,  die  sich  mit  lokaler 
Berechtigung  ähnlich  überall  widerstandsfähig  zeigen.  Die  Sprache  Nethers  ist 
die  der  obersächsischen  Kanzleien,  der  er  ohne  Fehler,  vor  allem  ohne  falsche 
Verhochdeutschungen  folgt.  Da  es  Frl.  Lasch  nicht  gelungen  ist,  über  die  Vor- 
bildung dieses  Mannes  etwas  zu  erfahren,  so  mag  eine  Vermutung  hier  gestattet 
sein.  Der  Name  lässt  nur  zwei  Deutungen  zu :  1)  aus  einem  Gewerbe,  *Näther*, 
ältere  Bezeichnung  für  Schneider  (vgl.  noch  'Nätherin*);  aber  dieser  Familien- 
name kommt  nur  am  Mittelrhein  vor;  daher  wohl  eher  2)  aus  einem  Ortsnamen: 
'Netra*,  ortsübliche  Ansprache  'Neter*,  ist  der  Hauptort  des  thüringisch-hessischen 
Ringgaus;  aus  diesem  Orte  wird  wohl  kaum  Johannes  selbst,  aber  doch  seine 
Familie  stammen;    er  war  also,   wo  nicht  thüringischer  Heimat,  so  doch  thürin- 


154 

gischer  Abknnft.^)  Die  Verf.  ist  (S.  163  f.)  geneigt,  ihn  als  einen  Niederdeutschen 
anznsehen,  der  in  einer  obersächsischen  Kanzlei  gelernt  habe.  Warum  soll  er 
nicht  vielmehr  ans  einer  obersäcbsischen  Kanzlei  erst  nach  Berlin  gekommen  sein  ? 
als  ein  ^hochdeutscher  Schreiber\  der  in  Berlin  sich  das  Niederdeutsche  dazu 
angeeignet  hat,  sodass  er  in  der  Lage  war,  seine  Beform  durchzuführen,  ohne 
sofort  gänzlich  mit  der  Tradition  zu  brechen;  denn  auch  N.  selbst  hat  den  Ge- 
brauch des  Niederdeutschen  erst  nach  einigen  Jahren  ganz  eingestellt. 

Während  sich  Nethers  Vorbild  in  der  Stadtkanzlei  derart  durchsetzt,  dass 
seine  Nachfolger  (von  1512  ab)  ausnahmslos  hochdeutsch  schreiben,  bleibt  die 
Gerichtskanzlei  (S.  180-200),  obwohl  die  Richter  das  Hochdeutsche  be- 
günstigen, noch  für  einige  Jahrzehnte  im  Bückstand:  das  Interesse  der  Parteien 
bewirkt,  dass  der  niederdeutsche  Schreiber  noch  nicht  sogleich  entbehrt  werden 
kann,  es  zeigen  sich  allerlei  Schwankungen  und  Mischformen,  die  aber  gegen 
die  Mitte  des  16.  Jh.  einem  reinen  Hochdeutsch  völlig  gewichen  sind.  —  Diese 
Berliner  hochdeutsche  Schriftsprache  der  Zeit  um  1650  ist  S.  200  ff. 
kurz  dargestellt;  dazu  tritt  S.  20iS  ff.  ein  Vergleich  des  Formelwesens  in  hd. 
und  nd.  Periode. 

Obwohl  das  Material,  mit  dem  die  Verf.  arbeiten  musste,  trotz  fleissiger 
Heranziehung  ungedruckter  Archivalien  manche  Lücken  aufweist,  darf  die  erste 
Aufgabe  die  sie  sich  gestellt  hat,  die  Geschichte  der  Bezeption  des  Hochdeutschen 
in  der  Berliner  Geschäftssprache,  als  wohlgelöst  gelten.  Mehr  anhangsweise  hat 
sie  dann  S.  212—224  die  Zeugnisse  gesammelt,  welche  das  weitere  Vordringen 
der  hochdeutschen  Schriftsprache  ausserhalb  der  Amtsstuben  bekunden:  Privat- 
briefe und  Urkunden  aus  den  Kreisen  der  Berliner  Patrizier,  Rechnungen  und 
Quittungen  der  Handwerker,  das  Schauspiel  und  der  Buchdruck,  die  von  Anfang 
an  hochdeutsch  sind,  schliesslich  die  Grabschriften,  in  denen  die  neue  Sprachform 
schon  im  zweiten  Jahrzehnt  des  16.  Jh.  auftritt.  Es  ist  möglich,  dass  hier 
noch  ein  und  der  andere  Nachzügler  auftaucht:  an  dem  Gesamtbilde  des  Ver- 
laufs und  des  Abschlusses  der  Bewegung  wird  dadurch  nur  wenig  oder  gar 
nichts  geändert  werden. 

Die  Arbeit  von  Frl.  Dr.  Lasch  ist  aus  der  Schule  von  Prof.  Braune  in 
Heidelberg  hervorgegangen:  sie  zeigt  manches  von  den  Vorzügen  der  eigenen 
Arbeiten  Braunes,  nicht  zum  mindesten  den,  dass  sie  einem  anscheinend  trockenen 
Stoff  durch  die  streng  historische  Methode  ein  Interesse  abgewinnt,  das  gewiss 
wenige  hier  erwartet  haben. 

GÖTTINGEN.  Edward  SchrOder. 


Das  alte  Bauernleben  der  Lüneburger  Heide.  Studien  zur  nieder- 
sächsischen Volkskunde,  in  Verbindung  mit  dem  Deutschen  Verein  für 
ländliche  Wohlfahrts-  und  Heimatspflege  herausgegeben  von  Dr.  Eduard 
Kflek.  Mit  41  Abbildungen,  24  Singweisen  und  einer  Karte.  Leipzig: 
Verlag  von  Theod.  Thomas  1906.  XVI,  279  S.  B«. 
Der  auf  der  letzten  Pfingstversammlung  des  Vereins  für  niederdeutsche 

Sprachforschung  an  mich  gerichteten  Aufforderung  des  Herausgebers  dieser  Zeit- 


[1)  Die  Matrikel  der  Universität  Leipzig  weist,  wie  ich  nachträglich  sehe,  in 
den  Jahren  1410  bis  1616  fünf  Träger  des  Namens  *(de)  Neter  (Netter)'  aus 
Leipzig,  Altenburg,  Saalfeld,  Kolditz  auf,  s.  Erlers  Register  Bd.  8,  S.  692.] 


155 

Schrift,  das  bereits  vor  4  Jahren  erschienene  Buch  Eücks  an  dieser  Stelle  kurz 
anzuzeigen,  bin  ich  nicht  nur  aas  dem  Grande  gern  gefolgt,  weil  die  Lünebnrger 
Heide,  deren  altes  Baaernleben  ein  Sohn  dieser  Heide  hier  zur  Darstellang  bringt, 
auch  meine  Heimat  ist,  sondern  in  erster  Linie  deshalb,  weil  Kttcks  aasgezeichnete 
Arbeit  es  anter  allen  Umständen  verdient,  gerade  im  Kreise  der  Mitglieder  nnsers 
Vereins  in  möglichst  weitem  Umfange  bekannt  za  werden. 

Der  Aasgangspunkt  für  die  Abfassung  des  Baches  sind  dem  Verfasser  — 
das  verdient  gerade  hier  hervorgehoben  za  werden  —  seine  sprachlichen  Stadien 
gewesen.  Ettck  trägt  sich  seit  Jahren  mit  der  Absicht,  den  leider  mehr  and 
mehr  im  Rückgang  befindlichen  niederdeutschen  Wortschatz  der  Lünebnrger  Heide 
zu  sammeln  und  in  einem  Wörterbuche  zu  vereinigen,  und  hat  diesen  Plan,  für 
dessen  erfolgreiche  Durchführung  er  natürlich  die  Mitarbeit  weiterer  Kreise  nicht 
wohl  entbehren  kann,  in  einem  besonderen  Aufsatze  (Lüneburger  Museumsblätter  I 
Heft  3  S.  1 — 17)  im  einzelnen  entwickelt.  Bei  der  zu  diesem  Zwecke  Jahre 
hindurch  betriebenen  Sammelarbeit,  die  den  Verf.  selbst  immer  wieder  in  die 
entlegenen  Heidedörfer  führte,  ist  ihm  nun  zusammen  mit  dem  sprachlichen 
Material  und  diesem  unlösbar  anhaftend  auch  ein  Teil  des  volkskundlichen  Stoffes 
zugeflossen,  der  durch  besondere  Untersuchungen  systematisch  erweitert  sich  dann 
schliesslich  zu  einer  abgerundeten  Darstellung  des  gesamten  Bauernlebens  ver- 
dichtet hat.  Aber  das  Philologische  ist  —  und  das  ist  ein  grosser  Vorzug  des 
Buches  —  bei  dieser  Darstellung  nicht  ausgeschaltet  worden,  vielmehr  teilt  der 
Verfasser  für  alle  die  unzähligen  im  Leben  des  Heidebauem  als  charakteristisch 
vorkommenden  Gegenstände  und  Tätigkeiten,  die  er  in  seinem  Buche  schildert, 
stets  auch  die  alten  niederdeutschen  Bezeichnungen  mit,  gibt  sprachliche  Erklärungen 
dazu  und  zieht,  wo  er  nur  kann,  auch  niederdeutsche  Sprichwörter  und  Redens- 
arten zur  weiteren  Ausführnng  in  reicher  Fülle  heran.  So  ist  denn  ein  Buch 
entstanden,  an  dem  Germanistik  und  Volkskunde  gleichen  Anteil  haben  und  in 
gleichem  Masse  interessiert  sind,  und  das  in  dieser  Beziehung  geradezu  als  vor- 
bildlich hingestellt  werden  kann. 

Kück  nennt  sein  Buch  das  „alte''  Bauemieben  der  Lüneburger  Heide;  er 
schildert  nämlich  in  erster  Linie  nicht  das  Leben,  wie  es  sich  heute  in  den 
Heidedörfem  abspielt,  sondern  eine  schon  etwas  mehr  zurückliegende  Zeit,  die 
dem  Verfasser  aber  noch  durch  Zeugnisse  von  Zeitgenossen  zu  erreichen  war, 
etwa  die  Zeit  um  1850  herum.  Ausblicke  in  die  neuere  Zeit  und  Vergleiche 
älterer  Sitten  und  Verhältnisse  mit  den  heutigen  fehlen  dabei  aber  nicht.  Räumlich 
hat  der  Verfasser  bei  seiner  Darstellung  im  wesentlichen  den  Regierungsbezirk 
Lüneburg  in  Betracht  gezogen,  und  innerhalb  dieses  Gebietes  wiederum  hat  ihm 
das  meiste  Material  der  Nordwesten,  insbesondere  seine  eigene  Heimat,  das 
Kirchspiel  HoUenstedt  mit  Umgebung,  geliefert.  Aber  auch  die  übrigen  Gegenden 
der  Heide  sind  gebührend  berücksichtigt  und  über  einzelne  Paukte  hier  und  da 
vorhandene  Vorarbeiten,  meist  in  Zeitschriften  oder  Zeitungen  zerstreut,  heran- 
gezogen und  angemessen  verwertet. 

Was  die  Gliederung  des  naturgemäss  sehr  mannigfaltigen  Stoffes  angeht, 
so  hat  Kück  ihn  in  der  Weise  gruppiert,  dass  er  das  Leben  des  Heidebauem 
von  seiner  Geburt  an  bis  zum  Tode  gleichsam  vor  unsern  Blicken  vorüberziehen 
lässt,  eine  Anordnung,  die  für  sich  selbst  spricht  und  schon  insofern  viel  für 
sich  hat,  als  dadurch  der  ganzen  Darstellung  ein  erfreulich  einheitlicher  Zug 
zu  Teil  wird.  Drei  Abschnitte  sind  es,  in  die  der  Verf.  auf  dieser  Grandlage 
sein  Buch  teilt  und  unter  denen  er  alle  die  verschiedenartigen  Äusserangen  des 
Bauernlebens  zwanglos  unterzubringen  weiss.  Von  einer  Inhaltsangabe  im  ein- 
zelnen muss  bei  der  Vielseitigkeit  des  Stoffes  hier  abgesehen  werden,  nur  auf 
einige  Punkte  will  ich  kurz  hinweisen.     Der  erste  Abschnitt  „Jugendjahre '^  führt 


156 

von  den  ersten  Tagen  des  Kindes  bis  zu  seiner  Konfirmation.  Hier  werden  wir 
über  alle  die  Sitten,  Gebräuche  und  Äasserungen  des  Volksglaubens  unterrichtet, 
die  mit  Schwangerschaft  und  Geburt  zusammenhängen,  dann  weiterhin  besonders 
ausführlich  über  Kinderspiele  und  Festgebräucbe,  bei  denen  die  Bauernkinder 
eine  gewisse  Bolle  spielen.  Aus  dem  zweiten  Abschnitt  , Knecht  und  Magd, 
Bräutigam  und  Braut'  hebe  ich  als  besonders  wertvoll  hervor  die  Darstellung 
des  ländlichen  und  häuslichen  Lebens  des  Gesindes,  die  Untersuchungen  ttber 
die  Volkstracht  (S.  81 — 144)  und  die  Schilderung  der  Sitten  und  Gebräuche  bei 
Verlobung  und  Hochzeit,  aus  dem  dritten  ,  Eignes  Haus  und  eigner  Herd,  Alten- 
teil und  Tod"  vor  allem  die  Untersuchungen  ttber  Form  und  Einrichtung  des 
Bauernhauses. 

Die  dem  Werke  reichlich  beigegebenen  Abbildungen  sind  durchweg  gut. 
Ein  voraufgeschicktes  ausführliches  Inhaltsverzeichnis  und  ein  Register  am  Ende 
erleichtern  die  Benutzung. 

So  kann  ich  Kücks  Buch  nur  auf  das  wärmste  empfehlen;  jeder,  der  für 
niederdeutsche  Sprache  und  Kultur  Interesse  hat,  wird  aus  seiner  Lektüre  hohen 
Genuss  und  vielföltige  Belehrung  schöpfen. 

DANZia  O.  Günther. 


Niederdeutsches  Jahrbuch. 


\kJ 


i-'i 


Jahrbnch 


des 


Vereins  für  niederdeotsche  SpracMorschang. 


Jahrgang_1911. 

7  CFTnc  \ 


•'I.----. 


xxxrn. 

Heft  I.    (Festschrift  Walther.) 


-o 


NORDEN  anH  LEIFZI&. 

Diedr.  Soltau's  Verlag. 
1911. 


Niederdeutsches  Jahrbuch. 


Jahrbuch 


des 


Vereins  für  niederdentsche  Sprachforschnng. 


Jahrgang  1911. 


XXXVII. 


N06DEN  BDll  LEIPZI&. 

Diedr.  Soltau's  Verlag. 
1911. 


♦•. 


Drack  von  Diedr.  Soltau  in  Norden. 


Inhalt. 


Heft  I. 
Festflcbrift  Christoph  Walther  zu  seinem  siebzigsten 

fiebnrtstag;e  gewidmet.  g^^^^ 

über  die  Umlautsbezeichnungen  yon  o  und  u  in  der  Stockholmer  Handschrift 

des  Wisbyschen  Stadtrechtes.    Von  W.  Schlüter 1 

Kölner  Klosterpredigten  des  18.  Jahrhunderts.    Von  Phil.  Strauch.     .    .    .  12 

Zur  altsächsischen  Wortkunde.    Von  F.  Holthausen 49 

Berg  in  Strassennamen  und  der  Berg  in  Hamburg.    Von  P.  Feit 58 

Eine  neue  Zeitung  vom  Berge  Sinai  1511.    Von  M.  Perlbach 58 

Der  Anteil  Norddeutschlands  am  eyangelischen  Kirchenlied  des  17.  Jahr- 
hunderts.   Von  H.  Tümpel 64 

Katholisches  in  der  niederdeutschen  Mundart  der  Prignitz.  Von  E.  Mackel.  70 
Der  Anteil  des  Niederdeutschen   am  Lehnwörterschatze  der  westslawischen 

Sprache.    Von  C.  Borchling 75 

Zur  Magdeburger  Scböffenchronik.    Von  F.  Frensdorff. 96 

Schauer.    Von  Hjalmar  Psilander 108 

Missingsch.    Von  Herm.  CoUitz 110 

Niederdeutsche  Kleinigkeiten    aus    dem    Göttinger    Cod.   jnrid.    786.     Von 

G.  Roethe 114 

Mittelniederdeutsche  Fischereiausdrücke.    Von  W.  Seelmann 120 

Heft  II. 

Geistiges  Leben  im  Deutschen  Orden.    Von  W.  Ziesemer 129 

Anna  Renata  Breyne's  aus  Danzig  plattdeutsche   Gedichte  (1748).    Von  W. 

Domansky 140 

Bittlied  aus  Westfalen  an  die  weiblichen  Heiligen.  Von  H.  Jellinghaus.  .  146 
Zur  'Deutschen  Dialektgeographie'.    1.  Zur  Zirkumflexion  im  Niederrheinischen. 

2.  Ostfries,  bitjet,  biljü  'bisschen'.   Von  N.  Otto  Heinertz.       .    .    .  147 

Mukau  von  Halwerstadt.    Von  R.  Block 154 

Berichtigung  zu  Jahrbuch  86  S.  146  (Eilsdorfer  Idiotikon) 160 


Ober  die  UmlaatsbezeicImungeD 

Yon  0  ond  n  in  der  Stockholmer  Handscbrift 

des  Wisbyschen  Stadtrecbtes. 

Obwohl  unter  den  heutigen  Germanisten  über  das  Vorhandensein 
des  Umlauts  von  o  und  u  in   der   mnd.  Periode   kein  Zweifel   mehr 
besteht,  ja   die  Anfänge   der   lautlichen  Beeinflussung   dieser  Vokale 
durch  nachfolgendes  i  (j)   bereits   in  die   and.  Zeit  verlegt  werden, 
ist  man  bei  der  teils  vollständig  vernachlässigten,  teils  ganz  unregel- 
mässig,  unconsequent  und  mit   zweideutigen  Mitteln  versuchten  Be- 
zeichnung des  Umlauts  in  den  mnd.  Handschriften  doch  in  manchen 
Einzelheiten  über  seinen  Umfang  und  seine  Geltung  in  den  verschiedenen 
Gegenden  des  mnd.  Sprachgebietes  noch  im  Unklaren  und  läuft  Ge- 
fahr, durch  schematische  Verallgemeinerung  eines  im  Prinzip  richtigen 
Lautgesetzes  oder   durch  voreiligen  Rückschluss  vom  Lautstande  des 
nnd.  aus,  dem  mnd.  Gewalt  anzutun.    Es  ist  auch  heute  noch  vielfach 
so,  wie  es  Walther  in  der  Vorrede   zum  mnd.  Handwörterbuch  (S. 
IX)  ausgesprochen  hat,    dass   man   nicht   im  Stande   ist,    ;,für  jeden 
einzelnen  Fall   sicher   den  Umlaut   zu  behaupten   oder  zu  leugnen.^ 
Ob  man  jemals  diese  absolute  Sicherheit  für  jeden  einzelnen  Fall  er- 
reichen wird,  ist  mir  fraglich.     Dennoch   dürfen  wir  kein  Hülfsmittel 
verschmähen,  das  uns  auf  dem  Wege  zu  diesem  Ziele   fordern   kann. 
Neben  der  prinzipiellen  Wichtigkeit  der  nnd.  Formen  kommen  der  schon 
mit  Erfolg  herangezogene  Reimgebrauch  in  den  mnd.  Gedichten,   die 
Schreibung  mnd.  Wörter,  besonders  der  Orts-  und  Personennamen,  in 
ausserdeutschen  Quellen   und   die  aus  dem  mnd.  in  andere  Sprachen 
aufgenommenen  Lehnwörter  in  Betracht,  i)     Als  das  wichtigste  Mittel 
muss  aber  immer  wieder   die   handschriftliche  Überlieferung   unserer 
mnd.  Denkmäler  herangezogen  werden.     Freilich  ist  der  Versuch  der 
Schreiber,  durch  diakritische  Zeichen  aller  Art  den  lautlich  verschie- 
denen Wert  der  einfachen  Buchstaben  o  und  u  (v)  deutlich  zu  machen, 
so  unbeholfen,  häufig  zweideutig  und  irreführend,  dass  man  von  der 
Wiedergabe  dieses  scheinbar  nur  in  Verwirrung  führenden  Beiwerkes 

1)  Als  wertvolle  Untenuchungen  in  diesen  Richtungen  nenne  ich :  Holst,  Mnt. 
omlyds  forhold  belyst  ved  danske  laaneord  im  Ark.  f.  nord.  fil.  18,  210  ff.  —  Mar- 
qaardsen,  D.  Einfl.  d.  mnd.  auf  d.  Dan.  in  PBB.  88,  405  ff.  —  Eorldn,  Statwechs  ger. 
Weltchronik,  üpps.,  1906.  —  Fischer,  D.  Lehnwörter  d.  Altwestnordischen.  (Palästra85.) 

Festgabe  (Nd.  Jb.  XXXVIl).  1 


in  der  Ausgabe  von  mnd.  Texten  oft  ganz  abgesehen  und  dadurch 
ihre  Benutzung  zu  sprachwissenschaftlichen  Zwecken  unmöglich  ge- 
macht hat.  Nur  eine  auch  schon  von  Walt  her  befürwortete  genaue 
Angabe  der  in  jedem  mnd.  Schriftstück  beobachteten  Schreibregel 
und  die  Untersuchung  dieser  Regeln  nach  ihren  zeitlichen  und  ört- 
lichen Besonderheiten  kann  uns  darüber  aufklären,  wie  weit  die 
mittelalterliche  Schreibstubentradition  fähig  und  gewillt  war,  den 
Lautverschiedenheiten  Einfluss  auf  die  Orthographie  zu  gestatten. 
Welche  Bedeutung  solche  Untersuchungen  des  Schreibgebrauches 
gerade  für  die  ümlautsfrage  haben,  ist  durch  CrulFs  Vorgang  (Nd. 
Jahrb.  III,  1  flF.)  bewiesen. 

Meines  Wissens  ist  bisher  einer  Handschrift  keine  nähere  Unter- 
suchung zu  teil  geworden,  die  durch  die  Unzweideutigkeit  der  in 
Frage  kommenden  Zeichen  und  die  konsequente  Sicherheit  ihrer  Ver- 
wendung mir  eine  besondere  Wichtigkeit  zu  besitzen  scheint.  Es  ist 
dies  die  Stockholmer  Handschrift  (B.  63)  des  Wisbyer  Stadtrechtes. 
Ihrer  Behandlung  des  Umlautes  von  o  und  u  seien  die  folgenden 
Blätter  gewidmet.  Die  um  die  Mitte  des  14.  Jh.'s  vermutlich 
in  Wisby  selbst  von  der  Hand  eines  Schreibers  geschriebene  Per- 
gamenthandschrift  enthält  in  gutem  mnd.  das  von  König  Magnus 
Erikson  von  Schweden  (1311) — 1369)  erneuerte  und  bestätigte  Recht 
der  Stadt  Wisby.  Die  Handschrift  ist  in  mustergültiger  Weise  aufs 
sorgfältigste  herausgegeben  von  C.  J.  Schlyter  im  Corpus  iuris  Sueo- 
Gotorum  antiqui,  Vol.  VIII.  (Lund  1853)  und  mit  einem  trefflichen 
Glossare  versehen.  Der  Herausgeber  hat  dem  Abdrucke  ein  Facsi- 
mile  der  ersten  7  Zeilen  des  Textes  beigegeben,  aus  dem  man  sich 
von  der  Sauberkeit  und  Deutlichkeit  der  Schrift  überzeugen  kann. 
Ich  habe  die  Handschrift  nicht  vergleichen  können,  glaube  aber,  dass 
Schlyters  Text  auch  in  allen  Einzelheiten  vollen  Anspruch  auf  Zu- 
verlässigkeit machen  darf.  Die  Handschrift,  die  auch  in  anderer 
Hinsicht  mehr  Beachtung  verdient,  als  sie  bisher  gefunden, i)  zeichnet 
sich  durch  eine  grosse  Gleichmässigkeit  der  Orthographie  aus.  Ich 
erwähne  hier  nur  kurz  folgende  Eigentümlichkeiten: 


^)  Anmerkung.  Weder  das  mnd.  Wörterbuch  noch  das  Handwörterbuch 
haben  das  Wisbyer  Stadtrecht  berücksichtigt.  Ich  führe  hier  aus  der  grossen  An- 
zahl der  ihm  eigentümlichen  Wörter  nur  folgende  an:  barkhus,  bechere^  bedörvcn, 
begheren,  berkere,  bertepperache,  bermf,  besq/ldeghen,  bewinteren,  borel,  eine  Art 
Zeug,  botere,  bröderlik,  bfytteghe,  butenkoatf  denstmaghet,  devinne,  döfheü^  döfnisse^ 
dövCy  drambedde,  drypperüm,  diimenbote,  ervelof,  erverecht^  ghewassen,  ghetoicht^ 
gülden^  halUng,  halverscichtinge,  hastegeü^  Hastigkeit,  Acre,  hieher,  hökere,  hökersche, 
hönliky  kalksten,  kanne^  kemerere^  kenebacke^  kmjppelinghe,  cöpelscop,  köpunf^  löninge^ 
Ladung,  misgripen,  moderen^  Muttererbe,  mordbernesche,  nachtscrichtey  porUy  Hode, 
schipbröke,  schiffbrüchig,  seghCj  Ausfluss  aus  der  Nase,  sidenwant,  aamhaiides, 
samrädy  svale,  Vorbau  eines  Hauses,  tei/se,  Zwist,  vederen,  Vatererbe,  vifte,  Fünf- 
tagefrist, väre,  in  gutem  Stande,  varldt,  Vorhang,  vorkybbingJie,  Ausbau,  vyrloze, 
Brand,  wedersnack^  toilleghes,  witwort.  Wenn  auch  manche  der  Wörter  schwe* 
discher  Herkunft  sein  mögen,  so  würde  doch  der  mnd.  Wortschatz  durch  Aufnahme 
der  sicher  mnd.  Wörter  eine  Erweiterung  erfahren. 


3 

1)  gh  steht  an-  und  in-lautend  nur  vor  e\ 

2)  €  besonders  vor  /  in  claghe,  claghen^  cleghere^  clene,  clmöde^ 
cledere;  (aber  klet  Hocke);  und  neben  häufigerem  k  auch  vor 
r,  0,  u  und  y  in  crwm,  cnice^  crude;  comen^  cop,  copen^  copper^ 
cost;  cumt^  cumpanescop;  cyssen; 

3)  th  statt  t  nur  vereinzelt  in  be-reth  (IV,  I,  25);  bruth  (IV,  I,  17); 
deth  (II,  18);  ethen  (IV,  I,  13);  groth  (Praef.;  II,  50);  fe^Asa(7« 
(Ind.  III.  III.  19);  thire  (III,  III,  17);  vorth  (II,  50);  voth  (I,  28); 
öfter  in  thegen  neben  ^«jrew,  und  besonders  häufig  in  thid^  thit, 
hochtith  neben  tid  und  ^i^; 

4)  dh  an  Stelle  von  rf,  nur  einmal  im  Artikel  dAe  (IV,  26),  viel- 
leicht ein  ganz  vereinzeltes  Beispiel  für  ein  aus  älterer  Vorlage 
herübergenommenes  dli  (=  as.  th)\ 

5)  sc  im  Anlaut  nicht  nur  vor  r,  a,  o  und  w,  sondern  auch  durch- 
weg vor  e,  i  und  y  {sceden^  scip,  scyllen)\  Ausnahmen:  scho\ 
beschedeneme,  beschedelikm^  besehe^  gescheden^  schelmde,  vm^schete; 
seh  im  Auslaute:  valsch,  versch  und  in  der  Bildungssilbe  -isch: 
dgdesch,  götensck^  bruggesch;  hökersche,  mördersche  n.  s.  w.,  (Aus- 
nahme: ryffersce).  Nur  im  Verbum  sollen  wechselt  sc  mit  s  (z)^ 
doch  so,  dass  s  {z)  bei  weitem  überwiegt;  so  stehen  neben  scal^ 
scolen,  scollen,  scöllen,  Scyllen^  scolde  die  Formen  sal  (zal),  solen 
(zolen)^  sölen  (zölm\  sollen  {zollen\  sollen  {zollen)^  syllen  (zgUen)^  solde, 
[zolde^  zölde)\ 

G)  z  für  das  überwiegende  s  ist  nicht  selten  im  Anlaute:  zake^  zal, 
zamene,  zee,  zegghe^  zeghel,  zeker,  zele^  zer,  zi,  zin,  zir  =  ziner^ 
zode^  zolde^  zolen,  zollen^  zölen^  zöUen,  zölde^  zylf^  zfjllen;  seltener 
im  Inlaute:  ghelezen^  lözen,  vredelozen^  vyrloze^  tveze^  wezen,  betvizen, 
wortinze  und  nur  vereinzelt  im  Auslaute:  loz^  vreddeloz^  worthvs; 

7)  fiir  germ.  ft  steht  cht  in  achter^  echt,  echt  und  wieder,  hechte, 
nodtrocht  neben  nodtroft  und  nottorft,  scacht,  nmberochtet)  dagegen 
ist  in  den  Adjektiven  auf  -haftich  (-heftich)  ft  ausnahmslos  bei- 
behalten (ech-,  legher-,  scult-,  tins-,  torf')\ 

8)  eine  Eigentümlichkeit  besteht  darin,  dass  nach  toniangem  Vokale 
die  Consonanten  auch  verdoppelt  auftreten:  bröke  und  brocke, 
zeker  und  secker,  koke  und  kockene,  tveke,  wecke  und  wekke\  bederve 
und  bedderve,  bodel  und  böddel,  mede  und  medde,  neden,  neder 
und  nedderste,  beneddeti,  vrede  und  vredde,  weder  und  wedder; 
scepe  und  sceppe;  scotele  und  scottele,  slötel  und  slöttel;  zolen  und 
zollen;  öre  und  örre,  döre  und  dörre;  ohne  Belege  fiir  einfache 
Consonanz:  dröppel,  gaddere,  goddes,  sedder,  vadder,  Gevatter, 
vedde7\  Bei  alter "  Geminata  kommt  solches  Schwanken  nicht 
vor:  rucken;  hebben,  ribbe;  bedde,  bidden,  hadde,  hedde;  dryppe, 
treppe,  reppen;  splitter,  setten;  vallen;  herre,  verre;  freilich  steht 
auch  vereinzelt  seghen  neben  segghen,  leghen  neben  legghen.  Es 
muss  aus  dieser  Unsicherheit  der  Schreibung  doch  wohl  auf 
eine  schwankende  Aussprache  geschlossen  werden. 

1* 


Auch  auf  dem  Gebiete  der  Vokale  ist  dem  Schreiber  eine  feste 
Beherrschung  der  einmal  angenommenen  Orthographie  nachzurühmen. 
Die  Länge  der  Vokale  wird  weder  in  offner  noch  in  geschlossener 
Silbe  bezeichnet.  Ganz  sporadisch  sind  Schreibungen  wie  raad  (I,  1); 
zee^  see  (neben  se);  meer  (I,  1);  zeer  (II,  37);  seen^  seet  neben  sen^ 
meetliken  (11,  37) ;  veer  (I,  5)  neben  ver^  doot  (11,  17)  neben  häufigem 
dot]  quiit  neben  quit. 

In  einem  über  das  o  gesetzten  zweiten  o  (das  Zeichen  ist  hier 
durch  ö  wiedergegeben)  begegnet  uns  ein  Versuch,  die  Länge  des  o, 
sowohl  das  6^  als  das  ö*,  zu  bezeichnen ;  aber  der  Versuch  beschränkt 
sich  auf  einsilbige  Wörter  und  ist  auch  hier  nicht  consequent  durch- 
geführt: böc  (I,  1);  höd  (Ind.  I,  15,  6);  v6t  (ö.),  ddd  (II,  5)  neben 
doot  und  häufigem  dot;  not  (Ind.  I,  45),  lös  (I,  31),  Idn  (II,  5;  II,  37 :  16.), 
bescöt  (III,  21;  vgl.  mnd.  Handwb.  geschöt)  neben  6rorf,  don,  Ion,  nod, 
vot  u.  s.  w.  Ein  ü  verwendet  der  Schreiber  nur  in  rümm^  räumen 
(III,  III,  3);  sonst  nicht,  auch  nicht  in  gud^  gut,  Gut,  dessen  Vokal 
in  anderen  mnd.  Handschriften  so  häufig  mit  einem  diakritischen 
Zeichen  yersehen  wird. 

Für  die  Diphthonge  sei  nur  bemerkt,  dass  für  ei  zwar  die 
Schreibung  ei  überwiegt,  daneben  aber  auch  ey  nicht  ganz  selten  ver- 
treten ist:  eyn^  eynes,  beyde^  beydeti^  keyaer,  gheneyet^  reyse,  teyse^  un- 
twey,  ^heyt^  Beyern,  Meynersheim,  Reynold. 

Der  Umlaut  von  a  und  d  ist  unterschiedslos  durch  e  bezeichnet: 
eider,  erger;  bereth  (3.  sg.  zu  beraden),  sueghere,  vorredere,  were  n.  s.  w. 

Was  nun  aber  der  Handschrift  ihre  besondere  Wichtigkeit  für 
die  mnd.  Orthographie  verleiht,  ist  die  grosse  Regelmässigkeit,  mit 
der  auch  die  Umlaute  von  as.  u  und  o  kenntlich  gemacht  sind.  Zur 
Bezeichnung  der  verschiedenen  Laute  bedient  sich  der  Schreiber 
dreier  Zeichen :  ü,  y  und  0.  Da  er  aber  diese  Zeichen  auch  für  Laute, 
die  nicht  durch  den  Umlaut  entstanden  sind,  verwendet,  so  führe  ich 
im  Folgenden  alle  überhaupt  mit  diesen  Zeichen  geschriebenen  Wörter 
der  Handschrift  auf;  aus  der  Vergleichung  mit  den  entsprechenden 
as.  und  nnd.  Formen  dieser  Wörter  ergibt  sich  wohl  meist  ohne  Zweifel 
die  lautliche  Geltung  des  im  Einzelfalle  angewandten  Zeichens. 

L    Das  Zeieben  ti. 

Das  Zeichen  ü  findet  sich  in  folgenden  Wörtern: 

besculdeg}ien,  swv.  beschuldigen  (II,  37 :  15);   sn  as.  $kuldig\  nnd.  schüüiek 

nuske,  f.  Spange  (IV,  I,  16);  as.  nuecai  ahd.  nv^gia, 

pünderCf  m.  Wage  (11,  46);  zu  as.  pund, 

sculdemere,  m.  Glänbiger  (lU,  I,  22 :  6);  zn  as.  slädd;  in  der  Hs.  der  Bigischen 
Umgearb.  Stat.  (s.  unten)  sculdemere, 

st^ke,  n.  Stttck  (II,  24);  as.  stukki]  nnd.  stücke. 
Da  die  drei  letzten  Wörter  auch  in  der  Schreibung  pyndere  (III,  III,  16), 
scyldemere  (II,  5:4  u.  ö.),  stycke  (III,  I,  26 : 1  u.  ö.)  vorkommen,   so 
ist  nicht  daran  zu  zweifeln,  dass  mit  n  =  y  ein  t<-laut  bezeichnet 


werden  soll.  Dazu  kommt,  dass  der  Schreiber  das  Zeichen  ü  in  lüde 
(Ind,  I,  1;  II,  29);  Lupoid  (Praef.);  vrtind  (I,  14)  auch  für  den  aus 
as.  iu  entstandenen  ü-laut  verwendet  und  in  lyde  und  vri/nt  an 
mehreren  Stellen  gleichfalls  statt  des  ü,  das  offenbar  als  eine  nach- 
trägliche Besserung  eines  vielleicht  aus  der  Vorlage  herüber- 
genommenen u  aufzufassen  ist,  y  setzt.  Schliesslich  steht  u  auch  in 
scüt,  geschieht  (I,  60;  II,  32:2),  und  sende,  geschah  (11,  35),  Formen, 
die  wie  mehrfach  belegtes  sct/d,  scyt  (s.  weiter  unten)  beweist,  scft^, 
sc^de  zu  lesen  sind. 

II.    Das  Zeichen  y. 

Das  Zeichen  y  kommt  in  unserer  Handschrift  nur  ganz  aus- 
nahmsweise als  Vertreter  von  «,  und  zwar  nur  von  langem  i,  vor: 
niye,  neu  (Praef.);  tyre.  Stiege,  Anzahl  von  20  (III,  HI,  15)  =  thire 
(in,  ni,  7);  vliym,  stellen  (III,  III,  19);  vry,  frei  (II,  37;  vriyen 
IV,  n,  1);  Ypersch,  aus  Ypem  (III,  III,  15),  yserm.  Eisen  (I,  41); 
über  seine  Verwendung  im  Diphtonge  ey  s.  vorhin  (S.  4).  In  allen 
übrigen  Fällen  kann  y  nur  als  Ausdruck  eines  u-lautes  gelten,  und 
zwar  1)  als  Umlaut  von  kurzem  und  2)  von  langem  u,  3)  als  Ver- 
treter von  as.  iu,  4)  in  Fremdwörtern  und  5)  als  Bezeichnung  eines 
verdumpften  Lautes  verschiedener  Herkunft. 

1.    ^  als  Umlaut  von  kurzem  u. 

bryste,  pl.  Brttste  (I,  44);  neben  börste  (I,  44);  as.  briost;  nnd.  bost,  pl.  böste. 

dryppey  m.  Tropfen  (III,  I,  12: 1);  nnd.  drüppen, 

'dtfrücen  in  mis-dynken,  swv.  imp.  c.  dat  verdächtig  scheinen  (III,  I,  22:3); 

ags.  thunkian-,  nnd.  dünken, 
dynne,  adj«  dünn  (III,  m,  15);  as.  thunni;  nnd.  dünne, 
hylpe,  f.  Httife  (II,  10);  wegen  des  as.  hdpe  könnte  man  den  ü-Iant  für  eine 

Verdampfung  von  e  wie  in  sylf  ans  seif  (s.  weiter  nnten)  halten,  aber 

schon  die  anfr.  Psalmen  haben  hulpaj  huiperey  ku^pi^lös;  nnd.  hülpe. 
hylpe^  3.  sg.  coig.  prt.  zu  helpen,  hülfe;  as.  *hulpi\  nnd.  hülpe. 
knyppekn^   swv.  knüppeln  (I,  33);   dazu  knyppeUnghe^  f.  Prügelei  (I,  34:5 

u.  0.);  zu  as.  *knupil\  nnd.  knüppele 
kynUt  3.  sg.  prs.  zu  komen,  kommt  (I,  1);  daneben  cumt  nnd  comet  (s.  weiter 

nnten  S.  16);  as.  kumid]  nnd.  kümt. 
kyndigJien,  swv.  kündigen  (I,  36  u.  ö.);  zu  mnd.  kundich\  nnd.  künnig. 
kynne,  3.  sg.  conj.  prs.  könne  (II,  10;  IV,  II,  2);  as.  *kunni\  nnd.  könne, 
eyssen,  swv.  küssen  (I,  46);  as.  ku^sian\  imL  küssen, 
kyssen,  n.  Küssen  (IV,  I,  7);  abd.  ku^sin\  nnd.  küssen, 
lychien,  swv.   heben,  lüften  (III,  in,  10);  zn  mnd.  luft-,   nnd.  lüflen  (Brem. 

W.  B   III,  96);  an.  lypia\  schwed.  lyfta;  engl,  lift 
lycfUer,  adj.  link  (I,  67);   mnd.  W.  B.  luchter,  locliteT\  nnd.  lückter  (Doorn- 

kaatE.);  lucht  (Brem.  VV.  B.  III,  96;  Schambach). 
lysten,  swv.  lüsten  (IV,  I,  18);  as.  lustian\  nnd.  lasten, 
-myndich,   a^j.   mündig   (IV,   I,   25);   zu  as.   mund\   mnd.  W.  B.  mioidich] 

nnd.  mündich. 
nytte,  adj.  nütze  (III,  I,  26);  as.  niUti\  nnd.  nütte. 
pyndercy  m.  Wage  (HI,  III,  16);  sn  as.  jmnd;  s.  vorhin  (S.  4)  piindere. 
ry/fersce,  f.  Kupplerin  (I,  48);  mnd.  (8ch.-L.)  ruff'ersche. 


6 

scylde/in^Cy   m.    Qläabiger  (II,  6 : 4  u.  ö.);   zu  8culd\   s.   auch  vorhin    (S.    4) 

scüldemere]  vgl.   dän.   skyldner\   die  auffallende  Bildung  sctjld&mere  ist 

vielleicht   eine   Entstellung   einer   ursprünglichen  Zufammensetzung;    vgl. 

afries.  schildman;  schwed.  (Schlyter)  schyldmany  Verwandter. 
scyldich,  adj.  schuldig  (n,  5.  n.  0.);  as.  skuMig]  nnd.  schÜüich, 
styeke,  n.  Stück  (XU,  I,  26  u.  ö.);  as.  stukhi;  nnd.  stücke\  s.  S.  4  stücke, 
stynde,  3.  sg.  conj.  prt.  stünde  (11,  24);  nnd.  stünde,  stürme, 
synderlikes,  adv.  sonderlich  (I,  1:7  u.  0.);  zu  sunder \   wegen  des   Umlauts 

vgl.  bröderlikf  metliky  hönlik  u.  a. 
'Vlyckiich,  adj.  flüchtig  (n,  6  n.  5.)  in  vorvlychtieh]  as.  fluhtig-,  nnd.  flüchiick. 
vormynde,  swm.  (IV,  11,  1)  und  vormyndere  stm.  (I,  42  u.  ö.),  Vormund;  zu 

as.  mund. 
varkybbinghe,   f.   Ausbau   (III,  I,  15:1);    mnd.   kübbung,  Verlängerung    des 

Strohdaches  (Strodtmann,  Id.  Osn.,  S.  117);  mnd.  Handwb.  ktMendroppe, 

Tropfenfall  von  der  kubbing. 
ivyste,   3.  sg.  conj.  prt.  wüsste  (I,  32;  II,  4);   analogisch  gebildeter  Coig.  zu 

mnd.  umste;  nnd.  toüsde  (Schambach). 

Es  mag  hier  gleich  angefägt  werden,  dass  in  einer,  freilich  ge- 
ringen Zahl  von  Fällen  der  erwartete  Umlaut  nicht  bezeichnet  ist: 
brugghe^  Brücke  (I,  10  u.  ö);  bruggesch,  brüggisch  (III,  III,  15); 
gülden^  golden  (IV,  I,  21);  cumt  Qcumt^  cumd^  cumpt^  Jcumpt)^  kommt 
(I,  16  u.  ö.);  rucket^  ppp.  (I,  55);  saddich  (III,  22);  sculdemer  (11,  5); 
simderlikes  (IV,  I,  6);  underwunne,  3.  sg.  conj.  prt.  (II,  37).  Es  mag 
dahingestellt  sein,  ob  im  einzelnen  Falle  nur  die  Unachtsamkeit  des 
Schreibers  an  dem  Ausbleiben  des  Umlauts  schuld  ist,  oder  ob  etwa 
vor  bestimmten  Lautgruppen  die  Klangfarbe  des  Vokals  nicht  be- 
stimmt genug  war,  um  eine  Umlautsbezeichnung  zu  erfordern;  ghe- 
custj  ppp.  geküsst  (I,  46)  ist  wie  andere  ppp.  (ghehort,  gheroft^  tx>rt^ 
upghebart)  mit  unmittelbarem  Anschluss  der  Endung  an  den  Verbal- 
stamm gebildet  und  zeigt  deshalb  mit  Recht  keinen  Umlaut.  — 

Auffallender  als  das  vereinzelte  Wegbleiben  der  Umlauts- 
bezeichnung ist,  dass  der  Schreiber  in  zwei  Fällen  y  setzt,  wo  es 
nach  den  bekannten  Umlautsgesetzen  nicht  erwartet  werden  darf. 
Es  sind  dies  die  beiden  Wörter  scylt^  f.  Schuld  (I,  53;  II,  6)  neben 
häufigerem  sculd,  scuU  (11,  50  u.  ö.)  und  vorvlycht,  f.  Flucht  (I,  38) 
neben  vorvlucht  (I,  39)..  Für  Schreibversehen  darf  man  die  Setzung 
des  y  nicht  halten,  da  auch  in  der  weiter  unten  besprochenen  Hand- 
schrift der  Rigischen  ^Umgearbeiteten  Statuten^  gleichfalls  sculd  {ü 
ist  in  dieser  Hs.  regelmässige  Bezeiqhnung  des  umgelauteten  ii)  ge- 
schrieben wird.  Man  wird  das  y  des  nom.  acc.  sg.  scliwerlich  durch 
Eindringen  des  Umlautes  aus  den  lautgesetzlich  mit  Umlaut  gebildeten 
anderen  Singularcasus  oder  dem  Plural  erklären  können  (der  dat.  sg. 
lautet  in  unserer  Hs.  auch  sculd),  sondern  lieber  durch  Einfluss  des 
altschwedischen  skyld  (neben  skuld  und  skild,  s.  Schlyter  im  Gloss. 
ad  corp.  jur.  Sueo-Got.;  vgl.  auch  an.  u.  dän.  skyld\  ags.  scyld\ 
afries.  schild)  und  flygt  (ags.  flykt;  afries.  fleckt).  J.  Mar- 
quardsen  (PBB  33,  458)  macht  darauf  aufmerksam,  dass  das  Dänische 
in   Wörtern,    die    es    dem   mnd.    entlehnt    hat,    den   Umlaut    nach 


Analogie  verwandter  Wörter  eindringen  lässt,  auch  wo  er  keine  Berech- 
tigung hat:  fornymst^  f^yg^t  9V^^\  vgl.  Holst  im  Ark.  f.  n.  fil.  18,  220. 

2.     y  als  Umlaut  von  langem  u, 

bi'ijdcgamy  m.  Bräatigam   (IV,  I,   9  u.  ö.);   as.   hriidiyunio\  nnd.   hrödegam, 

br^gain. 
hryttcghe,  -töghe,  m.  Brautführer   (IV,  I,  10  u.  ö.);   vermutlich   dem   schwed. 

bryttugka  entlehnt  (s.  Schlüter,  Glossar). 
bydel,  m.  Beutel  (IV,  I,  9);  ahd.  biUil\  nnd.  bfiel. 
dicsmydischy   adj.   zu  dem  flandrischen  0.  N.  Dix^mda^  Dcxemuth  (Hans.  U. 

B*  I,  No.  608;  805);  (HI,  III,  15). 
dryghey  adj.  trocken  (III,  III,  13);  as.  *drugi\  ags.  dryge\    neben  dröghcy  s. 

weiter  unten. 
hysighe,  f.  Wohnung  (III.  I,  19);  zu  as.  hüs',  nnd.  (meckl.)  hüsung. 
cryde,  n.?  Gewürz,  Confekt  (dt.  sg.  II,  36;  pl.  FV,  I,  20);  zu  as.  krud]  nnd. 

krüde,    ausgekochter    Saft    aus    Früchten;    Gewürz    (Dähnert,    Pomm.    u. 

Küg.  Wb.). 
rorsyymrit  swv.  versäumen  (III,  I,  22;  HI,  in,  7);  dazu  vorsyminge  {U,  37); 

as.  *sÜ7njan\  ahd.  farsnmen\  mhd.  süm£n\  nnd.  vers^nien,  — 

Auch  hier  finden  sich  einige  Belege  ohne  Umlaut: 
bi-^udegam  (IV.  I,  9;  IV.  I,  17);  crude  (IV.  I,  6);  vorsumet  (III,  I,  22). 
Erwarten  sollte  man  y   statt  u   auch   in  cruce^  Kreuz  (II,  10); 
as.  kruci,  mnd.  krüze.  — 

3.     y  als  Vertreter  von  as.  iu. 

Dass  in  den  unter  1.  und  2.  angeführten  Wörtern  y  wirklich 
einen  ie-laut  ausdrücken  soll,  wird  auch  indirekt  bewiesen  durch  die 
Tatsache,  dass  es  ausserdem  einem  as.  aus  germanischem  eu  (vor  t) 
entstandenen  iu  (=  ahd.  mhd.  iu,  nhd.  eu)  entspricht.  Obschon  in 
den  mnd.  Handschriften  dieses  as.  iu  meist  durch  einfaches  u  bezeichnet 
wird  (seltner  und  inconseciuent  durch  d,  ue^  ü,  iu,  ?a,  uy\  so  ist  doch 
für  die  ganze  mnd.  Periode  als  Aussprache  ein  u-laut  anzunehmen, 
da  auch  in  den  nnd.  Reflexen  der  in  Betracht  kommenden  mnd. 
Wörter  ü  erscheint. 

Folgende  Belege  sind  zu  verzeichnen: 
bf/detf  3.  sg.  praes.  zu  bedenk  bieten  (III,  20);  as.  biudid]  nnd.  büt. 
dydeschj  adj.  deutsch  (Praef.);   as.  thiudisk:  nnd.  d^tsch. 
dyfief  f.  Diebstahl  (I,  39  u.  ö.);  as.  *thiubiiha\  mnd.  Wb.  duvete^  dufte. 
dt/rCi  adj.  teuer  (II,  7;   IV,  I,  7);   as.  diuH\  nnd.  rfüer. 
dyvCy  f.  Diebstahl  (II,  37);  as.  *thiu\)ia\    ahd.  thiuba\   mnd.  Wb.  dhuve^  d^ve; 

diuvech. 
hfp'ey  f.  Miete  (III,  I,  22) ;  dazu  hyi'euy  varhyrenj  vermieten  (III,  I,  22  u.  ö.) ; 

ags.  hyr  f.,  hyrian\  nnd.  hüren. 
kysetj  3.  sg.  prs.  zu  /ceseuj  kiest  (III,  I,  9) ;  as.  kinsid. 
hjchtcnmekere,  m.  Leuchtenmacher  (II,  34);  zu  as.  Hluhitlui,  mnd.  Wb.  luchte\ 

nnd.  Inchte  mit  verkürztem  Vokale. 
lydet  pl.  Leute   (I,  37   u.   ö. ;   auch    in   Zusammensetzungen   mmnecht-,  rad-, 
spei-,  vrucht'lyde)\  as.  Hudi;  nnd.  /üe;  s.  S.  4  lüde. 


8 

Lydhard  (Praef.);  in  der  lateinischen  Urkunde  von  1163  (Hans.  U.  B.  I,  no.  15), 
der  der  Name  entnommen  ist,  steht  Luthardus;  in  Lupoid  (Praef.)  hat 
der  Schreiber  in  dem  einem  as.  Liudbald  (Heyne,  and.  Eigennamen,  8.  18) 
entsprechenden  Namen  das  as.  iu  durch  ü  wiedergegeben;  in  der  lat. 
Urkunde  steht  übrigens  Luidolfus. 

scyd,  scytf  ghescyt,  3:  sg.  zu  scen,  geschieht  (I,  52  u.  5.);  daneben  scud 
(s.  oben  S.  5) ;  die  mnd.  Form  ist  nach  und.  seMt  (so  schreiben  Schambach 
und  Nerger  gegen  Lübben,  mnd.  Gr.  S.  73,  und  Doornkaat  K.  I,  614)  mit 
langem  ü  anzusetzen  und  erklärt  sich  (wie  das  entsprechende  M,  sieht, 
zu  sen)  als  Analogiebildung  zu  tft^  zieht,  und  vlytf  flieht,  mit  deren 
Infinitiven  tin  und  vlen  die  Infinitive  sehen  und  sen  durch  den  gleichen 
Ausfall  des  k  in  Parallele  getreten  waren.  Auch  im  praet.  scüde  (II,  35), 
einer  Neubildung  nach  dem  Praesens,  int  ü  ="  y  =  ü  aufzufassen. 

iychf  n.  Zeugenbeweis,  m.  Zeuge  (II,  28;  II,  30  u.  0.);  mhd.  xitte,  gexiuc; 
und.  t^ge\  dazu  tyghen^  zeugen  (I,  50);  betyghen,  bezeugen  (II,  48);  vor- 
tyghent  durch  Zeugnis  überwinden  (1, 34) ;  tyghingey  Zeugenbeweis  (DI,  1, 22). 

tychy  n.  Zeug  (II,  44) ;  as.  gitiuhc  (hs.  gitiuht),  Aufwand ;  mhd.  zmc ;  nnd.  tfich. 

tyt,  3.  sg.  prs.  zu  ten,  zieht  (I,  32  u.  ö.);  as.  tiukid]  nnd.  ttt 

uni-vlytf  3.  sg.  prs.  zu  untvlen^  entflieht  (I,  36  u.  ö.);  as.  *fliuhid, 

vorlys,  n.  (?)  Verlust  (II,  5);  nnd.  verlas  (Schambach),  Gewölbe  unter  dem 
Turme;  verlüs^  verlies  (Brem.  Wb.  III,  55),  Verlust,  Abgrund;  Schiller-L. 
geben  neben  vorlüs  (vorlueSf  vorluis)  auch  vorles,  vorliesy  aus  dem  nnd. 
verlies  und  nhd.   Verlies^  Gef&ngnis,  entsprungen  sind. 

vorlyset,  3.  sg.  prs.  von  vorlesen^  verliert  (IV,  I,  1);  as.  *farliusid\  nnd. 
Verlust  mit  Verkürzung  des  Vokals. 

vyvy  n.  Feuer  (II,  24);  as.  fiur\  nnd.  /fter;  dazu  vyrlox  (II,  24),  Feuerschaden. 

vrynty  m..  Verwandter  (I,  37  u.  ö.);  einmal  (I,  14)  auch  vnind;  as.  friutid] 
nnd.  fründ. 

Auch  für  diesen  aus  as.  iu  entstandenen  ü-laut  ist  im  Anschluss 
an  die  übliche  mnd.  Orthographie  einigemale  u  statt  des  regelmässig 
durchgeführten  y  gesetzt:  hure,  Miete  (III,  I,  22.  24.  25);  lüde,  I^ute 
(I,  58);  Ludolf  (Praef.)  =  Luidolfus  in  der  Urkunde  von  1163; 
Luhel-e  (Praef.)  =  Luibyke  in  der  Urkunde  von  1163;  dass  in  diesem 
Namen  slawischer  Herkunft  ursprünglich  ein  Diphthong  iu  gesprochen 
wurde,  geht  aus  den  ältesten  Schreibungen  Liubtce,  Liubike,  lAubeka, 
Lyubeka,  Lyubeke,  Liubec  bei  Adam  von  Bremen,  in  den  Poehlder 
Aunalen,  in  Urkunden  des  XII.  Jh's.,  ja  selbst  noch  in  der  Chronica 
Slavorum  Arnolds  aus  dem  Anfange  des  XIII.  Jh's.  und  in  einer 
Pommerschen  Urkunde  vom  J.  1263  (Lüb.  U.  B.  I,  no.  272)  deutlich 
hervor.  Die  Aussprache  dieses  iu  als  ü  erhellt  zur  Genüge  aus  der 
Wiedergabe  des  Namens  in  den  dänischen  und  schwedischen  Urkunden, 
wo  er  mit  y  geschrieben  wird  (z.  B.  Lüb.  U.  B.  I,  no.  448).  Die  in 
den  deutschen  Urkunden  schon  vom  XII.  Jh.  an  (z.  B.  Lüb.  Urk.  I, 
no.  7  vom  J.  1188)  übliche  Schreibung  des  Namens  mit  u  schliesst 
sich  der  Behandlung  der  Personennamen  mit  Liud-  als  erstem  Be- 
standteil an,  in  denen  von  1150  an  überall  iu  durch  u  ersetzt  wird. 
Wie  aber  Ohnesorge,  Die  Deutung  des  Namens  Lübeck  (L.,  1909), 
S.  32  treffend  bemerkt,  weisen  sowohl  die  im  XIV.  Jh.  neben  der 
gebräuchlichen  mud.  Schreibung  sich  Endenden  Belege  mit  u,  ü  und  u 


als  auch  die  zu  gleicher  Zeit  in  oberdeutschen  Urkunden  vorkommenden 
Namensformen  Lübekk,  Lütcek  (ib.,  S.  33)  darauf  hin,  dass  die  Aus- 
sprache des  Namens  mit  ü  niemals  aufgehört  hat;  in  den  russischen 
Urkunden  des  XIII.  Jh's.  wird  das  ü  durch  den  Diphthong  ju  (=  tu) 
wiedergegeben  (Napiersky,  Russ.-livl.  Urk.,  S.  9). 

4.     y  =  til  in  fremden  Wörtern. 

eveniyre^  Abenteuer  (IV,  I,  23);  mnd.  Wb.  eventtM-e^  eventuer,  aventuir; 
mhd.  aventiure,  — 

myre,  f.  Mauer  (II,  39  n.  ö.);  as.  mür-  in  mürbraca,  Mauerbrecher;  ahd. 
neben  müra  auch  mürt  f.;  ein  as.  *müfi  ist  nicht  belegt;  aber  und. 
müre  (Brem  WB.  ni,  205;  Schambach;  Doornkaat  K.),  mflLerkerf  Maurer, 
und  das  aus  dem  nd.  ins  Estnische  aufgenommene  mür\  gen.  mun,  Mauer, 
machen  in  Übereinstimmung  mit  der  Schreibung  myre  die  Aussprache  des 
mnd.  mure  als  mtre  unzweifelhaft.  — 

Den  Namen  Wisby  (I,  1)  giebt  unsre  Handschrift  in  der  den 
nordischen  Schreibern  geläufigen  Orthographie,  während  die  deutschen 
Urkunden  meist  Wisbu  (Wisbu)  schreiben.  Hier  hat  y  selbstver- 
ständlich die  Geltung  eines  li-lautes;  in  Ypersch^  aus  Ypem  (lU,  III, 
15)  dagegen  die  eines  i  (s.  oben,  S.  5),  da  in  den  Urkunden  des 
Xm.  Jh's.  der  Ort  bald  mit  Y  (Hans.  U.  B.  I,  no.  1036,  1279.  1280. 
1307),  bald  mit  /  (no.  201.  302.  805)  geschrieben  wird. 

5.    y  als  Bezeichnung  eines  Lautes  von  unbestimmter, 
dumpfer  Beschaffenheit. 

In  folgenden  Fällen  steht  y  an  Stelle  verschiedener  as.  Laute, 
um  eine  durch  nachbarlichen  Einfluss  bedingte  Verdumpfung  wieder- 
zugeben. 

In  sylf,  zylft  selb  (I,  37  u.  ö.),  wofflr  einmal  (I,  38)  auch  sulf  geschrieben 
ist,  erscheint  y  anstatt  des  as.  e\  die  Form  mit  e  (sehe  II,  36  u.  ö.; 
xdven  n,  37)  ist  daneben  sehr  selten;  eine  dritte  Form  sölven  (I,  41; 
lY,  I,  23),  sölves  (II,  37)  beweist  nur  die  Unsicherheit  des  Schreibers 
gegenüber  dem  schillernden  Laute. 

Ebenso  findet  vor  U  ein  Schwanken  zwischen  ü  und  ö  statt  in  der  3.  sg.  coig. 
praes.  xylle,  solle  (Ind.  I,  13;  III,  I,  22)  =  as.  sctdi  und  der  3.  pl.  ind. 
praes.  syllen  (I,  58  u.  0.),  zyllen  (EI,  10  u.  ö.),  scyllen  (I,  33  u.  ö.)  neben 
zöle  und  sölen  (s.  unten,  S.  12).  Man  könnte  versucht  sein,  xylle  in 
direkte  Beziehung  zu  as.  sculi  zu  setzen  und  ebenso  in  den  Formen  des 
ind.  pl  syllen  eine  Übertragung  aus  älteren  Conjunktivformen  *syUen 
(=  as.  skulin)  zu  sehen ;  da  aber  diese  Übertragung  wohl  jttnger  ist, 
als  der  Übergang  von  as.  u  zu  tt  und  weiter  zu  tonlangem  6',  so  sehe  ich 
in  dem  ausschliesslich  in  den  Formen  mit  //  vorkommenden  y  nur  den 
Ausdruck  einer  vor  ü  eingetretenen  Lautnuance. 

In  nymher,  nimmer  (11,  32)  =  und.  nümmer,  und  in  »ylvety  Silber  (II,  5  u.  6.), 
ist  y  Bezeichnung  eines  verdumpften  e-lautes. 

In  aldys  (m,  I,  26)  neben  häufigerem  (Mus  (as.  thi^)  soll  y  den  in  neben- 
toniger Silbe  unrein  gewordenen  Vokal  ausdrücken. 


10 

syster,  f.  Schwester  (IV,  III,  7,  aas  stcster  corr.)  muss  trotz  des  daneben 
stehenden  broder  {sint  syster  u.  broder  alle  vorsdchtet)  wohl  als  pL  gelun 
zu  dem  im  selben  Absatz  stehenden  sosier,  das  nnr  eine  ungenaue  Schrei- 
bung für  das  sonst  im  mnd.  Übliche  sicster  ist.  Das  in  der  Hs.  der 
Rigischen  umgearbeiteten  Statuten  auch  für  den  sg.  zu  belegende  su.stcr 
(V,  17)  und  das  und.  süstm-  (vgl.  an.  systir,  afries.  s^istef)  zeigen  aber, 
dass  der  aus  as.  we  in  swestar  entstandene  einheitliche  Laut  ein  ü-laut 
war  (vgl.  auch  as.  iunsk,  mnd.  iumscken,  tu^cliefiy  und.  tüsclien;  mnd. 
sulf  sullßj  und.  sül]  mhd.  swelle),  so  dass  auch  für  den  sg.  suster  die 
Aussprache  süster  anzunehmen  ist. 

Schliesslich  sei  bemerkt,  dass  im  Demonstrativpronomen  disse, 
dit  niemals  die  sonst  im  mnd.  durch  o  oder  u  angedeutete,  im  nnd. 
als  ü  sich  zeigende  Verdumpfung  des  Vokals  zu  tage  tritt. 

III.    Das  Zeiehen  0. 

Das  durchstrichene  0  der  Handschrift,  das  ich  im  Anschluss  an 
Schlyter's  Ausgabe  mit  ö  wiedergebe,  bezeichnet  Laute  von  sehr 
verschiedener  Herkunft  und  sicherlich  auch  noch  im  mnd.  von  ver- 
schiedener Qualität.  Teils  ist  dies  ö  als  Umlaut  zu  betrachten,  und 
zwar  1)  von  as.  w,  2)  von  mnd.  0,  ferner  von  as.  langem  0,  sowohl 
3)  von  ö*  als  4)  von  6^\  teils  dient  es  5)  als  Bezeichnung  eines  aus  e 
verdumpften  Lautes. 

1.     ö  als  Umlaut  von  as.  u. 

ö  erscheint  als  i- Umlaut  von  as.  ii  in  zwei  verschiedenen 
Stellungen:  erstens  als  tonlanges  ö  an  Stelle  von  as.  u  in  offner 
Stammsilbe,  zweitens  als  kurzes  ö  vor  gedecktem  r,  vor  dem  altes  u 
im  mnd.  zu  0  gewandelt  ist  (horch  aus  as.  hurg\  worden  aus  as. 
umrthun). 

Es  könnte  zweifelhaft  sein,  ob  dem  Übergang  von  kurzem  u  zu 
tonlangem  0  und  dem  von  u  vor  gedecktem  r  zu  0,  oder  ob  dem 
Eintritt  des  Umlautes  der  zeitliche  Vortritt  gebühre;  also,  ob  wir 
eine  Entwicklungsreihe: 

tugi  (3.  sg.  conj.  prt.  von  tiohan)  >  toiji  >   tö*ge\ 

wurdi  (3.  sg.  conj.  prt.  von  werthan)  >  wordi  >  wörde^ 

oder: 

tugi  >   tügi  >   tü'ge  >   tö*ge; 

wurdi  >  umrdi  >  würde  >  wörde 
annehmen  sollen.  Mir  scheint,  wie  ich  schon  in  Dieters  Laut-  u. 
Formenl.  d.  altgerm.  Dial.,  S.  102  angedeutet  habe,  für  die  Priorität 
des  Umlautes  die  3.  sg.  lymt  zu  entscheiden.  Denn  diese  isolirte, 
auch  ins  nnd.  übergegangene,  durch  Syncope  aus  as.  humid  ent- 
standene Form  beweist,  dass  für  die  daneben,  zwar  nicht  in  unsrer 
Handschrift,  aber  in  gleichzeitigen  Quellen  vorkommende  Form  körnet 
nicht  eine  direkt  aus  as.  kumid  herzuleitende  Zwischenstufe  kötnit^ 
sondern  nur  eine  aus  unsyncopirtem  kumid  umgelautete  Form  ktVmid 
angesetzt  werden  darf. 


11 

Für  die  Priorität  des  Umlauts  von  u  vor  gedecktem  r  gibt  die 
verschiedene  Schreibung  des  Städtenamens  Zörhig  bei  Thietmar  uns 
den  erwünschten  Beweis.  Neben  der  Form  Zurbizi  (VI,  50)  schreibt 
Thietmar  VIII,  24  Curbici;  wie  konnte  er  mit  C  schreiben,  wenn  für 
ihn  der  Name  nicht  Zürbisi  gelautet  hätte? 

A.     ö  in  tonlanger  Silbe. 

böddel,  m.  Büttel  (I,  16  n.  0.,  einmal  I,  60:  bodel)]  ahd.  butil;  ags.  bt/del. 

hören,  swv.  gebühren  (3.  sg.  hörd,  bort,  boret  II,  47  u.  ö.,  ppp.  gheböret 
II,  21);  as.  burian;  nnd.  b^en. 
Dazu:  sik  irbören,  sich  gebühren  (3.  sg.  irbörd  I,  16);  tobören,  gebühren 
(3.  Bg.  börd  to  IV,  III,  4);  upbören,  empfangen  (3.  sg.  bärd  up  IV,  III,  5; 
3.  pl.  boren  up  IV,  I,  26;  ppp.  upghebörd,  upgheböret  n,  5:4  u.  ö., 
einmal  ohne  Bezeichnung  des  Umlauts:  upgJiebort  III,  III,  20);  vorbören, 
verwirken  (ppp.  vorbörd  I,  36  u.  0.);  gheböre,  m.?  Gebühr  (dat.  na  gheböre 
II,  37 :  16);  as.  missiburi,  Missgeschick;  giburilik  (hs.  hiburüicuru), 
gebührend. 

bröke,  m.  (Bruch),  Bechtsbruch,  rechtliche  Strafe  (I,  16:5  u.  ö.);  as.  bruki, 
m.  Bruch;  und.  bröke  (Brem.  WB.),  f.  Geldbusse;  verhochdeutscht 
Brüche  f. ;  das  Wort  wird  in  gleicher  Bedeutung  für  sg.  und  pl.  gebraucht 
(IV,  I,  21)  und  meist  brocke,  seltener  bivkke,  bröke  geschrieben;  dazu 
scipbröke,  m.  Schiffbruch  (III,  III,  12  Überschr.;  IV,  n,  1). 

'bröke  in  scipbröcke,  adj.  schiffbrüchig  (m,  III,  12;  daneben  auch  scipbroke  ib.); 
mhd.  schifbrüche. 

döre,  f.  Tür  (III,  I,  16);  as.  w- stamm  dura  (n.  pl.  dum  Cott.  985;  d.  pl. 
durun  Mon.  1798.  3336;  duru-warderi  Prud.  gl.),  der,  wie  im  ags.  (dyre 
neben  dura)  in  die  i-stämme  übergetreten  ist;  nnd.  d%r.  Auffallend  ist 
die  Schreibung  mit  ?r:  dörre  (acc.  sg.  III,  II,  4),  dörren  (d.  pl.  II,  50); 
vgl.  oben  S.  3;  sollte  hier  das  schwed.  dörr  (an.  dgrr)  von  Einfluss  ge- 
wesen sein? 

dröghSy  trocken  (acc.  sg.  dröghefi  IV,  I,  14);  as.  *drugi\  nnd.  dr^ge\  vgl. 
oben  (S.  7)  drgghe',  mnd.  dröge  könnte  aach  einem  as.  *drögi,  germ. 
*draugja'  entsprechen;  vgl.  an.  draugr  m.,  ein  trockner  Klotz. 

dröppelf  m.  Tröpflein  (I,  19);  as.  drupil,  Gummi;  nnd.  (Doomk.  E.)  drüppel\ 
über  pp  s.  S.  3. 

kökene,  f.  Küche  (d.  pl.  köckefien  III,  I,  20;  daneben  mit  o :  acc.  sg.  Jcockene  ib.); 
ahd.  kuchina-y  ags.  cgcene  nnd.  k^ke\  über  ck  s.  S.  3. 

köning,  m.  König  (Praef.);  as.  kunhig;  nnd.  k^ig. 

(köj-e),  kör,  m.  Kür  (acc.  sg.  kör  III,  I,  9);  dazu:  willeköre  (IV,  I,  23),  mlköre 
(IV,  II,  1;  IV,  III,  1),  willskör  (IV,  I,  3),  Willkür;  as.  -/cw?^i  in  self- 
kuri;  nnd.  Äör  f. 

löghene,  f.  Lüge  (II,  37);  as.  lughm:  nnd.  l^ge. 

lövede,  n.  Gelübde  (II,  8;  IV,  I,  1);  daneben  an  beiden  Stellen  auch  lovede; 
ahd.  gilubida  f.;  mhd.  gelübede  n. 

möghe,  3.  sg.  conj.  möge  (I,  26  u.  ö.)  und  möglicyi,  3.  pl.  ind.  mögen  (I,  7 
u.  ö.);  daneben  auch  mo^/^en  (IV.  I,  3;  IV,  I,  18);  as.  mugi  und  mugun; 
nnd.  rn^gen.  Die  Übertragung  des  Umlauts  vom  Conj.  in  den  Ind.  pl. 
erfolgte  wie  im  mhd.  nnd  mnl.;  vgl.  auch  dürren,  sölen,  möten. 

mölnere,  m.  Müller  (II,  34);  as.  muliner i;  nnd.  möller-,  durch  die  nach  Aus- 
fall des  i  entstandene  Konsonantengruppe  ist  das  ursprünglich  tonlange  ö 
(vgl.  nnd.  mÖ/e,  Mühle,  as.  *muiina  in  mulin-sten)  zu  kurzem  o  geworden. 


12 

pole,  m.  Pfühl  (nur  im  pl.  havetpök  IV,  I,  7);  ags.  pyltve,  pyle;  9,M.  pfiüiici 
a,ns  \9X,pulvin(ar)\  nnd.  p^l;  das  im  mnl.  peuluw  erhaltene  t^  ist  im  nd. 
ausgefallen  wie  in  gel^  väl, 

slötel,  m.  Schlttssel  (DI,  I,  22;  III,  I,  26);  as.  sktiü;  nnd.  slötd. 

(söle)f  xöle,  3.  sg.  conj.  praes.,  solle  (Ind.  I,  3ö)  nnd  sölen  (in,  I,  16),  zölm 
(in,  I,  20  n.  ö.),  scölen  (m,  m,  9  n.  ö.),  3.  pl.  praes.,  sollen;  as.  shdi 
nnd  skulun]  nnd.  söÜ  n.  aoU  (Schambach);  der  Umlaut  im  pl.  des  Ind. 
wie  in  dörven,  möghen  nnd  nwten.  Die  daneben  erscheinenden  Formen 
sollen  (n,  12),  xöUen  (I,  1  n.  ö.),  scöüen  (IV,  I,  11)  yerdanken  die 
Doppelkonsonanz  als  graphischen  Ansdmck  für  die  Kurse  des  vorher- 
gehenden Vokals  den  Singnlarformen  sdl,  scal.  Die  seltenen  Belege  für 
nmlantlose  Formen  (solen  I,  37;  sollen  I,  1;  n,  19  n.  G.;  xoUen  I,  1; 
I,  16;  rv,  I,  6;  scoüen  I,  1)  könnten  als  archaistisch  erhaltene  Vertreter 
des  as.  shulun  anfgefasst  werden,  sind  aber  wohl  eher  als  flflcbtige 
Schreibungen  anzusehen ;  die  Hs.  der  Rigischen  Umgearb.  Statuten  schreibt 
immer  sMn.    Über  xyUe,  syüen,  xyllen,  scyllen  s.  S.  9. 

'spören,  swv.  spflren  (3.  pl.  upspöret  II,  4) ;  ns.  *spurjan\  spuringa,  Erforschung; 
nnd.  spbren, 

töghe,  S.  sg.  prt.  coi^.  von  ten,  zöge  (U,  19);  as.  *tugi\  nnd.  t%ge, 

vorlöre,  3.  sg.  prt.  eonj.  von  vorlesen,  Teriöre  (IV,  IT,  1);  as.  farhiri;  nnd. 
verKre. 

B.    ö  als  Umlaut  von  as.  u  vor  r. 

hörghe,  m.  Bttrge  (I,  16  u.  ö.);  dazu  börghekand,  manus  fidejussoria  (11,  37), 
und  börghetucht,  obligatio  fidejussoria  (II,  34);  vorbörghen,  swv.  ver- 
bürgen (n,  34;  rv,  I,  1);  aber  auch  borghen,  3.  sg.  borgket,  bürgen 
(n,  10,  1);  as.  burgjo,  Bürge;  nnd.  borge,  borgen  und  borgen, 

börghere,  m.  Bürger  (I,  1  u.  ö.;  einmal  I,  2  auch  borgJiere)]  dazu  börgkere- 
meistere  (II,  10)  und  börgherscap,  Bürgerschaft  (I,  1:4;  11,  33);  as. 
*burgari',  nnd.  börger. 

börste,  pl.  fem.  Brüste  (I,  44);  pl.  zu  borst  (I,  44);  daneben  pl.  br^yste,  s.  oben 
S.  5;  as.  briost]  nnd.  pl.  böste. 

dörven,  3.  pl.  prs.  dürfen  (IV,  I,  23);  as.  thurhuri',  nnd.  dörwet;  der  Umlaut 
ist  aus  dem  Conj.  (as.  thurhi)  in  den  Ind.  eingedrungen;  dazu  bidörven, 
3.  pl.  bedürfen  (IV,  I,  23 : 2). 

störve,  3.  sg.  conj.  praet.  stürbe  (II,  28;  IV,  II,  1);  as.  *stuthi;  nnd.  störtve. 

vordere,  compar.  dexter  (I,  57:  dat  vordere  ore)\  as.  comp,  furihiro,  grösser; 
nnd.  ßdere  (Schambach). 

vorderen,  swv.  fördern  (11,  5):  vgl.  mhd.  vürdem,  fördern. 

vorderen,  swv.  fordern  (II,  7  u.  ö.);  nnd.  födem;  das  nhd.  fordern  beruht 
auf  ahd.  fordorön, 

vörste,  m.  Fürst  (II,  19;  II,  26);  as.  fw^isto;  nnd.  forste. 

wörde  und  worden,  3.  sg.  u.  pl.  conj.  prt.  zu  werden,  würde  und  würden 
(I,  37  u.  ö.);  aber  auch,  obschon  seltener,  worde  und  worden  (I,  15;  I, 
38;  I,  39;  II,  4:  III,  I,  22.  —  II,  23;  III,  I,  3);  as.  wurdin.  ivuri%n\ 
nnd.  vAre  und  w^r&n, 

wörde,  pl.  zu  uxyrt,  f.  Hofstatt,  Wohnung  (III,  I,  3  u.  ö.);  neben  dem  sg. 
wort,  word  (III,  11,  4;  III,  II,  5)  auch  wörd  (III,  II,  2);  as.  touri  f.; 
nnd.  wort,  würt  (ohne  pl.  Schambach). 

wörpen,  d.  pl.  zu  warp,  Wurf  (I,  61);  nnd.  worp,  pl.  wörpe» 


18 

2.     ö  als  Umlaut  Ton  mnd.  o. 

A.    mnd.  o  =  as.  o. 
bödekerej  m.  Böttcher  (II,  34);   zu  mnd.  *bodik  in  bodik-holt,  Fassholz;  ahd. 

botahha;  mhd.  boieeh]  nnd.  Mker, 
götmscht  a4j-  gotländisch  (Praef.);  daneben  anch  gotensck  (I,  1;  I,  12);  zn 

Oote,  Gotländer;   das  n  des  Adjektivs   erklärt  sich   ans  der  altschwed. 

Form  gutnisk. 
hökere,  m.  H5ker  (II,  34) ;  dazu  hökerscke  (II,  34)  und  hokersche  (II,  4:3); 

entweder  nom.  ag.   zn  mnd.  koken  (II,  34)  oder  Weiterbildung  zn  mnd. 

swm.  koke]  nnd.  häkeTj  höker  (Brem.  W.  B.) 
höUm,  a4j.  hOlzem  (III,  I,  18;  III,  I,  20);   daneben  holten  (m,  I,  13;  III, 

I,  20);  nnd.  höltem;  mhd.  hülztn, 
knöpe,  pl.  Knöpfe  (IV,  I,  16;  IV,  III,  1);  nnd.  kni^^pe. 
beköstegheUf  swy.  beköstigen  (I,  30  n.  ö.);   daneben  hekosteghen  (IV,  III,  8); 

dazu:  uncösielik,  adj.  geringwertig;  zu  mnd.  kost 
möchte^  3.  sg.  conj.  prt.  zu  möghen,  möchte  (I,  38  n.  ö.);  daneben  auch  ein- 
mal (IV,  I,  24)  mochte  \  as.  mahi%  mohti\  nnd.  möchte, 
mordere^  m.  Mörder  (I,  40  n.  ö.;  daneben  morderel^  53);  dazn:  mörderscJie, 

Mörderin;  zn  as.  mord  n. 
nömeschj  aAj.  norwegisch  (II,  46;  III,  III,  16);  mnd.  norrenschf  närrisch. 
överstCt  snp.  oberste  (I,  21);  auch  overste  (I,  26;  I,  29);  zu  as.  ohar,  praep. 

über;  nnd.  (iwerste, 
{8Ölde)y  zölde^  3.  sg.   conJ.  prt.,   sollte    (III,  I,   14;   III,  I,  23);    as.  skoldt; 

nnd.  solle. 
vöghedCj  pl.  Vögte  (I,  1  n.  ö.);   daneben  anch  voghede  (I,  4;  I,  37,  wo  viel- 
leicht erst  der  sg.  voghed  geschrieben   war   und   nachher  die  ümlauts- 

bezeichnnng  unterblieb);  zu  mnd.  voget. 
wölde  und  wölden,  3.  sg.  u.  pl.  coQJ.  prt.,  wollte  und  wollten  (II,  9;  I,  42); 

daneben  auch  wolde  (II,  24  u.  ö.),  wolden  (IV,  I,  24:4)  und  wdde  (I, 

45;  III,  I,  22;  IV,  I,  3)  mit  e  fttr  ö  wie  umgekehrt  ö  fttr  e   in  sölf  (s. 

weiter  unten);  as.  weldi,  seltner  woldi;  nnd.  wolle. 

B.     mnd.  o  vor  Id  =  as.  a. 
Das  vor  Id  (It)  aus  as.  a  entstandene  mnd.  o  (oW,  holden^  anker- 
holt ^  8olt,   twivoldy   tcoltj   ghewolt,   sakewolde-,   nur  I,  52:  ghewalt)   er- 
scheint in  folgenden  Beispielen  zu  ö  umgelautet: 

öldem^  ölderent  pl.  Eltern  (IV,  I,  2  u.  ö.);  daneben  auch  olderen^  elderen 
(IV,  I,  2;  IV,  I,  3;  IV,  I,  7)  und  sup.  eldest  (IH,  I,  12);  as.  aldiron, 
eldiron:  nnd.  comp,  ölder,  öüer. 

wöldichy  ghewöldichy  adj.  mftchtig  (IV,  II,  1;  HI,  II,  4);  daneben  weldich 
(II,  37:15);  as.  giweldig\  mnd.  (Sch.-L.)  woldichf  fvMich. 

Ebenso  wie  in  weldich  und  weide  (s.  oben  S.  13)  kann  das  e  in  behelt, 
8.  sg.  praes.  von  heholden^  behält  (IV,  II,  1),  neben  häufigerem  beholdet, 
beholtf  behold  (IV,  III,  8  u.  ö.)  als  ungenaue  Schreibung  fttr  ö  oder  als 
archaistisch  bewahrter  Umlaut  von  a  aufgefasst  werden. 

3.     ö  als  Umlaut  von  as.  d^  (=  ahd.  tio). 
amnödej  d.  sg.  Armut  (II,  5:2);  as.  armödi  n.  (?);  ahd.  aramuoti  f. 
blödety  3.  sg.  blutet  (I,  37);   daneben  im  selben  Absätze  blodet]   zu  *blodm 
oder  *blöde?i]  nnd.  (Schambach)  bhien  neben  blauen. 


14 

böke  pl.  za  böc^  Bücher  (Praef.);  mit  einem  vermatlich  den  Plaralbildungen 
der  i-decl.  nachgebildeten  Umlaut,  der  im  nnd.  (ygl.  Nerger,  Gr.  d.  meckl. 
Dial.,  S.  179)  eine  ganze  Grnppe  von  neutralen  Sahst,  nach  der  a-decl. 
ergriffen  hat,  sicherlich  aber  auch  schon  im  mnd.  vorhanden  war  (s.  Korl6n, 
Statwechs  ger.  Weltchronik,  S.  196);  nnd.  lautet  nach  Schambach  der  pl. 
bäuker;  nach  Doomk.  K.  büken, 

bötenf  swT.  büssen  (I,  11  u.  0.);  daneben  auch  boten  (I,  13;  I,  15;  I,  20; 
I,  36);  as.  bötian]  nnd.  btten. 

brödere,  pl.  Brüder  (I,  1:2;  IV,  II,  1;  brodef'  IV,  III,  7  ist  vom  Schreiber 
wohl  missverstftndlich  als  sg.  anfgefasst;  mit  Umlaut  wie  die  übrigen 
Verwandtschaftsnamen;  nnd.  (Schambach)  broider;  dazu  bröderlik^  brüderlich 
(IV,  II,  1). 

dötf  3.  sg.  praes.  zu  don^  tut  (II,  5);  neben  dod,  dot  (I,  52  u.  ö.),  doot 
(II,  17),  deit  u.  deyt  (I,  32:2;  I,  65);  döt  ist  kein  Schreibfehler,  da 
auch  sonst  im  mnd.  neben  den  gebräuchlichen  Formen  deist  und  deitf  die 
ihre  Erklärung  als  Analogiebildungen  zu  geistj  geit,  steistf  ateit^  veist,  reit 
finden,  doist  u.  doit  vorkommen,  in  denen  der  bereits  im  mnd.  nach  Ana- 
logie der  bindevokalischen  Coiijugation  entwickelte,  in  nnd.  Formen  wie 
doist i  doit  (Schambach)  fortgepflanzte  Umlaut  deutlich  zu  erkennen  ist; 
vielleicht  ist  die  vom  Monac.  des  Heliand  5188  neben  sonstigem  duoty  dod 
überlieferte  Form  doit  die  erste  Spur  dieser  Entwicklung;  (vgl.  Franck 
in  P.  B.  B.  27.  379). 

dröghe,  3.  sg.  conj.  prt.,  trüge  (I,  32;  I,  42);  as.  drdgi\  nnd.  dr^ge, 

be-drövet,  ppp.  betrübt  (III,  I,  4;  IV,  II,  1);  daneben  unbedrovet  (IV,  II,  1); 
as.  gidröhid]  nnd.  bedroiwet  (Seh.). 

ir-höve,  3.  sg.  coi\j.  prt,  erhöbe  (II,  24);  daneben  erhove  (II,  17);  as.  hohü 

be-höven,  swv.  nötig  haben;  3.  sg.  prs.  beJwvet  (II,  10);  3.  sg.  coig.  prt. 
behövede  (III,  III,  13);  daneben  bihovet  II,  23;  as.  *bih6hian\  und.  (Brem. 
W.  B.)  köven. 

inghedöme,  n.  Hausrat  (II,  4);  mhd.  ingetüemey  Vermögen;  zu  as.  d6ni\  nnd. 
inged^ie. 

clenöde,  dt.  sg.  Kleinod  (IV,  I,  9);  daneben  clemde  pl.  (IV,  I,  19;  IV,  III,  9); 
umgelautetes  kkynhde  für  sg.  und  pl.  im  Reinke  Vos  s.  Franck  in  PBB. 
27,  378;  cknode  mit  o  über  dem  o,  pl ,  s.  Korl6n,  S.  196. 

ladet  3.  sg.  conj.  prt.  lüde  (IV,  II,  1);  as.  *hlödi. 

mödereUf  Muttererbe  (IV,  III,  8);  wahrscheinlich  ein  dem  gotländ.  fnyUimi 
nachgebildetes  Wort,  wie  das  an  derselben  Stelle  vorkommende  vederen, 
Vatererbe,  einem  gotl.  fethmi  entspricht. 

muten,  3.  pl.  prs.  müssen  (III,  III,  10);  as.  m6iun\  nnd.  mJ^iet;  Umlaut  wie 
in  möghenj  sölen,  dörven. 

nöghen,  ghenöghen^  swv.  genügen  (II,  37  u.  ö.);  as.  *gin6gian. 

nönieny  swv.  nennen  (I,  1  u.  ö.);  as.  *n6mian]  nnd.  noinien  (Schambach); 
dazu:  benömen  (11,  10)  und  vorbenömed^  ppp.  (IV,  I,  7  u.  ö.). 

pröven,  swv.  prüfen  (II,  34  u.  ö. ;  daneben  auch  einmal  II,  35  prove) ;  mhd. 
priieven]  nnd.  pr^wefij  proiwen  (Seh.). 

vör-söke,  3.  sg.  conj.  prt.  zu  vorsaken,  ableugnen  (III,  HI,  13);  as.  *fars6ki. 

söken,  swv.  suchen  (I,  52;  II,  10);  as.  sdkian\  nnd.  sÖ/cen,  soiken-,  dazu: 
heirn^ökinghe,  f.  Heimsuchung  (I,  52). 

stödey  3.  sg.  conj.  prt.  zu  stän,  stünde  (II,  51);  as.  stödi, 

vüdere,  dt.  sg.  Fuder  (II,  42);  as.  vötfier,  n.  Fuder;  mit  einem  mir  unerklär- 
lichen Umlaute  wie  nd.  foier  (Schambach)  neben  ßdef-,  fauder, 

vÖ7'e,  3.  sg.  conj.  prt.  führe  (IV,  II,  1);  as.  ßri. 


15 

vörCj  adj.  in  jB^ntem  Stande  (I,  31:   werdet  arcr  de  wundede  man  also  vöre; 

III,  III,  9 :  dut  dat  scip  beide  bovetie  unde  beriedene  to  der  see  vöre  si) ; 

ahd.  gafuoriy  mhd.  gevüere^  ags.  gefere,  an.  foeir^  fahrbar;  got.  gafaurja- 

vgl.  Klnge  in  PBB.  VI,  S.  381 ;  Schlüter,  Nomina,  S.  22 ;  as.  gifOri  n.  Nutzen. 
lY/rßw,   8WV.   führen   (III,   III,  9   u.  ö.);  ppp.  vort   (II,  40);   as.  fdrian\    und. 

f^reuj  foiren\   dazu:   utilvören^   entführen  (I,  49);   ppp.  untvord  (II,  6); 

vulleU'  (vul-)  vören,  vollführen  (II,  10 : 1 ;  11,  28). 
vöie,  pl.  zu  vot,  Füsse  (III,  I,  13  u.  ö.);  daneben  vote  (HI,  I,  13;  IV,  I,  16); 

as.  foti\  nnd.  foiie. 
UTÖgJien,    swv.    rügen,    beschuldigen    (II,    34);    as.    tvrögian',    ags.    wrigan^ 

mhd.  rüegen. 

4.     0  als  Umlaut  von  ö*  (got.  au), 
dörlikeny  adv.   tOrlich  (I,  53);   zu  mnd.  dör,  döre  Tor;   nnd.   doren  töricht 

handeln  (Schambach). 
döfnisse,  f.  und  dijve  f.,  Taubheit  (I,  15);  Abstractbildnngen  zu  as.  *döf,  got. 

daufsy  ags.  dmf\  ahd.  toupy   zu  dem  döve  sich  verhält  wie  as.  hlitidt  zu 

blind]  mnd.  doven^  betäuben. 
glielöven,  swv.  glauben  (n,  5);  as.  gilöbian;  nnd.  glöaeben  (Schambach). 
be-göwen,  swv.   übereilen  (II,  20);   mnd.   (Lübben- Walther)  begouwen,  über- 
schnellen, überlisten ;  zu  mnd.  gowe,  gauwe,  schnell ;  nnd.  gau  (Schambach). 
gröte,  f.  Grösse  (III,  III,  15) ;  as.  *grdii ;  mnd.  (Sch.-L.)  g^^oüe ;  nnd.  gröte  (Schamb.). 
högh&n,  swv.  erhöhen  (3.  sg.  högJvet  und  fiogket  III,  III,  16);  mnd.  hog&n. 
hövedy  n.  Haupt  (I,  15;  II,  28;  daneben  hovetlf  15;  hovednianl^  34;  horei- 

pöle  IV,  I,  7);  as.  höhid',  nnd.  höaewed  und  hauived  (Schambach). 
Imilik,  adj.  höhnisch  (II,  37);  zu  as.  *h6n^  hönda,  Schmach. 
hören,   swv.  hören   (II,  7  u.  ö.;   aber  ppp.  ghehord  I,  53);   as.  hörian-,   nnd. 

höaeren  (Schamb.);  dazu:  tohören^  tobehören,  zugehören;  aber  ppp.  behort 

(I,  50);  hörsegglietide.  Hörensagen  (I,  53). 
köpeny  swv.  kaufen,  und  vorköpen,  verkaufen  (II,  36;  III,  I,  7;  HI,  III,  16; 

Ind.  II,  4);   viel  häufiger  aber   koj)en,  vorcopen  (II,  4  u.  ö.)   3.  sg.  prs. 

capeij  vorkopet  und  vtyrcoft  (III,  III,  17);   ppp.  immer  koft,  gliecoft,  vor- 

koft  (in,  I,  6;  III,  I,  26;  III,  III,  17);  conj.  prt.  kofte,  vorcofle  (II,  36); 

as.  köpöfij  farkopon;   selten  farköpian',    nnd.   k(\penj  köa^en  (Schamb.), 

kopen  und  köpen  (Brem.  WB.). 
löninge,  f.  Pracht  (III,  III,  9);  zu  as.  Ion? 
läpet,   3.  sg.   prs.   zu    lopen,   läuft   (II,   31);    daneben    lopet  (III,  I,  26);  as. 

*hl6pid\  nnd.  lopet. 
lösen,  lözen,  swv.  lösen  (I,  17  u.  ö.);  as.  I6sian\  nnd.  löaesen  (Schambach). 
nöden,  d.  pl.  Nöten  (I,  53  u.  ö.);   as.  nöd,  dat.  sg.  tiödi]   mnd.  d.  pl.  'noden 

(mit  0  über  dem  o)  (Korl6n,  Statswechs  Weltehr.,  S.  196). 
öme,  pl.  Oheime  (IV,  III,  7);  ahd.  ölieim-,  ags.  eam, 
öre,  m.  Ör  (gotländ.  Münze)  (I,  8  u.  ö.);  gotl.  oyri  aus  lat.  aureus. 
ut-röpen,   swv.  ausraufen   (I,  15);    aber   ppp.  gheroß  (I,  15);    got.    raupja7i\ 

mhd.   röufcn\   nnd.  repeii  (Brem.  WB.  Flachs  reffein),    das   vielleicht   für 

röpen  =  mnd.  (Sch.-L )  roperi  steht. 
scäne,  adj.  schön  (III,  III,  15);  daneben  scone  (ib.);  as.  sköni\  nnd.  scJiöaen 

(Schambach). 
serödere,  m.   Schneider  (II,  34);    nom.   ag.  zu   as.  *scr6dan,  ags.  scrcadian\ 

mnd.  stv.  seröden,  ahd.  scrötan\   neben   dem  umgelauteten  seröde^'e,   dem 

der  Familienname  Schröder  entspricht,  war  auch  eine  unnmgelautete  Form 

scrodere,  scrader  (vgl.  den  Namen  Schrader)  üblich. 


16 

stöten,  BtT.  8to886n  (nur  im  pari,  stötende  I,  65);  as.  sidtan;  nnd.  (schon  bei 

Lanremberg  8.  Franck  PBB.  27,  384)  stötm. 
tötüSy  n.  Tan,  Seil  (III,  III,  6;  11;  12);  daneben  anch  ^oti^e  (in,  III,  2;  11), 

der  ümlant  ist  auffallend,  da  die  nmlantlose  Form  (vgl.  mnd.  ou/we,  vrouwe) 

auch  im  nnd.  tau  bewahrt  ist;  ist  iöwe  wie  mhd.  gezöutvej  Gerät,  eine 

Weiterbildung? 

6.     ö  als  Bezeichnung  eines  verdumpften  ß-lantes. 
Ebenso   wie  y  vor   gewissen   Lautgruppen  und    in  unbetonten 
Wörtern  einen  unbestimmten  Vokal   bezeichnet   (s.   oben,   S.  9),   so 
tritt  auch  ö  an  Stelle  von  e  auf. 

Vor  If  in  sölven,  sölves-,  s.  oben,  S.  9. 

In  den  unbetonten  Pronominalformen: 
öme,  dt.  8g.  ihm  (I,  86  u.  ö.)  neben  eme  (I,  47  u.  ö.).  —  öne,  acc.  sg.  ihn 
(I,  16  u.  0.)  neben  one  (III,  DI,  20)  und  ene  (I,  52  u.  9).  —  ön,  dt 
pl.  ihnen  (II,  9;  IE,  III,  8).  —  öre,  dt.  sg.  ihr  (I,  42  u.  ö.)  und  örre 
(I,  43;  III,  I,  4;  vgl.  dörre  8,  3);  daneben  ere  (I,  43  u.  ö.).  —  örer, 
g.  pl.  ihrer  (I,  16  u.  ö.),  örrer  (II,  11  n.  ö.);  daneben  ör  (IV,  I,  1); 
öre  (II,  32)  und  ere  (II,  21).  —  Ebenso  steht  im  Possessivpronomen  des 
sg.  fem.  und  pl.  nebeneinander  ör,  er;  öres',  örem^  örmne,  errem^  erme\ 
örren,  eren-,  öre,  örre^  ere. 

Femer  in  den  Coi^'unktionen : 
öder,  conj.  oder  (n,  4  u.  ö.);  daneben  oder  (I,  31  u.  ö.);  eder  findet  sich  nur 
in  einem  jüngeren  Zusatz  zu  IV,  I,  24;  die  ursprüngliche  Form  ist  edder, 
ans  as.  ettlva,  ettho  (got.  aiththau)  durch  Zusatz  eines  r,  wie  hd.  oder  aus 
ahd.  eddo,  odo,  entstanden;  auch  md.  eder  (s.  Germania  XI,  149). 
Öße,  coiy.  wenn,  oder  (I,  53  u.  ö.);  daneben  ofte  und  oft  (11,  7  u.  ö.;  11,  4  u.  ö.); 
die  ursprüngliche  Form  ist  efte  aus  as.  eftha. 

Die  verdumpf te  Aussprache  des  e  vor  r  ist  durch  ö  bezeichnet:  wördende  statt 
loerdende  (l,  2);  vör-ntyndere  (IV,  1,25);  vör-aöke  (HI,  m,  13);  örc^e/,  Urteil 
(I,  4 ;  II,  3) ;  wörd,  n.  sg.  neben  word,  Grundstück  (III,  II,  2) ;  vgl.  nnd.  dörj), 
ördel  (Orgel)  und  PBB.  27,  384;  Hoffmann,  Vocale  d.  lipp.  Mundart,  S.  34. 

In  bryttöghe,  Brautführer  (IV,  I,  20)  neben  brytteghe  (IV,  I,  10)  ist  ö  statt 
des  in  nebentoniger  Silbe  aus  o  (brtätoghe  in  den  Bmohst.  d.  &lt.  Wisb. 
Stadtr.)  entstandenen  e  (vgl.  hertege  aus  hertoge)  eingetreten. 

In  ögheiif  d.  pl.  Augen  (I,  53)  neben  oghen  (I,  15  u.  ö.)  steckt  wohl 
nur  ein  Schreibfehler. 

Zur  Beurteilung  der  Consequenz,  mit  der  der  Schreiber  den 
Umlaut  durchgeführt  hat,  seien  hier,  wie  oben  (S.  8)  fiir  u,  ausser 
den  bereits  neben  den  umgelauteten  als  Nebenformen  ohne  Umlaut 
genannten  Belegen  alle  Wörter  zusammengestellt,  in  denen  wir  nach 
Analogie  anderer  gleichgebildeter  Formen  und  nach  den  nnd.  Ent- 
sprechungen den  Umlaut  ö  erwarten  sollten. 
domeschf  adj.  sum  0.   N.  Toumay  (III,  HI,  15);   vgl.  nömeseh,  aber  auch 

bniggesch, 
gordelf  m.   Qfirtel   (lY,    16);    as.  gurdisli;  ahd.  gurtil]    ags.  gyrdel;   nnd. 

gördely  görl, 
comet,  comed,  3.  sg.  prs.  kommt  (I,  8  u.  ö.);  as.  humid;   nnd.   kümi.     In 
dieser  sehr  häufigen  Form,  neben  der  kymi  (I,  1)  nur  einmal,  cumi  dagegen 


17 

öfter  zu  belegen  ist,  möchte  ich  wegen  des  niemals  bezeichneten  Umlauts, 
für  den  sich  in  M-rety  hell  (neben  holdetf  holt),  veUet,  seghed  (=  as. 
sagid)j  döt,  blödetj  löpet  Beispiele  bieten,  eine  der  1.  sg.  und  dem  pl. 
praes.  angeglichene  Neubildung  sehen.  Für  solche  Neubildungen  halte  ich 
auch  die  Formen  der  3.  sg.  blivet,  hrekeU  glievet,  hevet,  holdet,  nemei, 
spreket,  steht,  tredet,  werdet,  die  gegen  die  seltenen  syncopirten  Formen 
hilft,  gift,  gildy  heft  {het,  hed),  kelt  (holt),  nimt,  sprikt,  wert  bei  weitem 
das  Übergewicht  haben.  Wenn  aber  die  Form  komet  trotz  der  grossen 
Häufigkeit  ihres  Vorkommens  nur  eine  nachlässige  Schreibung  für  cömet, 
das  in  gleichzeitigen  Handschriften  (s.  unten)  die  übliche  Form  ist,  sein 
sollte,  so  wäre  dies  als  die  lautliche  Entsprechung  des  as.  humid  ohne 
Syncope  zu  betrachten  (s.  oben  S.  10). 

'kone  in  dum-kone,  adj.  dummdreist  (III,  I,  1);  ahd.  hu(mi\  ags.  cine\  an. 
kcenn;     as.    fehlt    das   Wort,    auch    die   Namen    mit   Kon-    sind    selten. 

konde,  3.  sg.  conj.  prt.  könnte  (II,  37  :5)',  nnd.  könne. 

morden,  swv.  morden  (I,  38);  got.  maurthrjan-,  ahd.  murdrjan,  murdjan-, 
mhd.  ermorden  u.  efimorden-,  nnd.  mördern,  modern  (Schamb.);  an  mord 
angelehnt. 

moste,  3.  sg.  conj.  prt.  mttsste  (III,  III,  6);  as.  mösti',  nnd.  mösde  (Schamb.) 

mote,  f.  Versammlung  (I,  12);  nnd.  mUe,  motte,  Begegnung. 

rqpet,  3.  sg.  prs.  ruft  (I,  46);  nnd.  röpt. 

scoteU,  scottele,  f.  Schüssel   (IV,  I,  8  u.  ö.);   nnd.  schötel-,   aber  as.   shutala. 

sloghe,  3,  sg.  conj.  prt.  schlüge  (III,  III,  6);  as.  slögi;  nnd.  sUnge  (Schamb.) 

sone,  m,  Sohn  (IV,  I,  2);  und/^ne-,  mnd.  umgelautete  Formen  s.  Korl6n,  S.  196. 

tornich,  adj.  zornig  (I,  66);  nnd.  tömich  (PBB.  27i  383);  aber  auch  tomieh 
(Doomk.-E.) ;  ahd.  xomag. 

vorich,  a4j.  in  gutem  Stande  (III.  III,  3);  mhd.  vüerec  u.  vuorec. 

vromede,  adj.  fremd  (I,  1  u.  ö.);  as.  fremithi;  nnd.  (vgl.  Korl6n,  S.  199) 
fremed  (Schamb.);  hier  steht  o  =  ö  statt  e  wie  in  mnd.  soven,  sieben; 
voftich  neben  veftich  u.  a. 

In  domesch^  gordel,  morden^  tornich  steht  o  vor  gedecktem  r, 
vor  dem,  wie  die  S.  16  angeführten  Beispiele  zeigen,  der  Klang  des 
o  ein  zum  ö  sich  neigender  war,  so  dass  umgekehrt  auch  für  um- 
gelautetes  ö  die  Schreibung  o  eintreten  konnte. 

Da  ö  in  der  Handschrift  durch  ein  durchstrichenes  o  bezeichnet 
ist,  so  erklären  sich  gewiss  viele  der  nicht  umgelauteten  Formen 
einfach  als  Folge  der  Unachtsamkeit  des  Schreibers. 

Eine  Zusammenordnung  aller  mit  Umlaut  von  o  und  ti  versehenen 
Wörter  nach  den  grammatischen  Kategorien  mag  diese  Untersuchung 
beschliessen : 

Substantiva. 
börste,  bröke,  brysten,  döre,  knöpe,  köre,  nöden,  vöte,  wörde,  wörpen.  —  böke. 

—  brödere,  moderen.  —  pole,  vöghede.  —  döve,  gröte.  —  dryppe,  hylpe,  nüske, 
stücke,  vormynde,  börghe,  inghedöme,  töwe ;  höved,  lövede ;  armöde,  clenöde. 

—  böddel,  dröppel,  knyppel(en),  slöttel.   —   löghene,  kökene.   —  cyssen. 

—  döfnisse.  —  köning,  löninge.  —  bödekere,  börghere,  hökere,  mölnere, 
mördere,  pyndere,  serödere,  vormyndere.  —  scyldemer.  —  rylfersce.  — 
scylt,  voTvlycht.  —  vöder,  öghen. 

Faitgftbe  (Nd.  Jb.  XXXVU).  2 


18 

Adjectiva. 

dröghe,  dryghe,  dynne,   nytt«,   scöne,   vöre.    —  lychtere,   öldere,  vordere.  — 

Overste,  vOrste. myndich,  scyldich,  ghewöldich;  kyndich  in  kyndeghen, 

vlychtich.   —   bröderlik,   dörlik,   hönlik,  synderlik,  nncöstelik.    —    holten. 
—  götensch,  nörnesch. 

Verba. 

Infinitive:  boren,  börghen,  böten,  be-drOven,  dynken,  be-göwen,  gbelOven, 
höghen,  hören,  be-höven,  knyppelen,  köpen,  be-cösteghen,  kyndeghen, 
kybben  in  vorkybbinghe,  kyssen,  lösen,  lychten,  lysten,  ge-nöghen,  be- 
nömen,  pröven,  röpen,  be-scyldeghen,  söken,  spören,  stöten,  yörderen, 
Yören,  wröghen. 

Conjanctive:  dröghe,  irhöve,  hylpe,  möchte,  möghe,  kynne,  sölde  (zölde),  stöde, 
Btörve,  Btynde,  töghe,  verlöre,  vorsöke,  vöre,  wölde,  wörde. 

Praeteritopraesentia :  dörven,  möghen,  roöten,  syllen  (scylien). 

3.  sg.  präea. :  blödet  (zu  blöden  oder  blöden),  döt,  köpet  (zn  kopen  oder  köpen), 
kymt,  löpet. 

Die  beiden  Verzeichnisse  lassen  mit  der  wünschenswertesten 
Deutlichkeit  erkennen,  wie  conaequent  und  sicher  der  Schreiber  die 
Bezeichnung  des  Umlauts  durchgeführt  hat.  Sind  auch  die  Fälle 
nicht  selten,  wo  wir  diese  Bezeichnung  vermissen,  so  ist  dagegen 
eine  falsche  Verwendung  der  gewählten  Zeichen  {ü,  y,  0)  nur  in  ganz 
vereinzelten  Fällen  zu  beobachten. 

Durch  diese  Sorgfalt  in  der  Durchführung  der  Umlautsbezeich- 
nung steht  die  Stockholmer  Hs.  des  Wisbyschen  Stadtrechtes  ganz 
einzig  da.  Es  fehlt  ja  auch  anderen  mnd.  Handschriften  nicht  an 
Versuchen,  durch  allerlei  diakritische  Zeichen  die  unzweifelhaft  vor- 
handenen 0  und  ü  für  das  Auge  kenntlich  zu  machen;  aber  meines 
Wissens  ist  in  keiner  Hs.  eine  solche  Regelmässigkeit  in  der  schrift- 
lichen Bezeichnung  des  Umlauts  beobachtet.  Auch  in  Wisby  selbst 
ist,  soweit  die  dort  geschriebenen  Denkmäler  es  zu  erkennen  erlauben, 
diese  vom  allgemeinen  mnd.  Schreibgebrauch  abweichende  Eigenart 
nicht  Regel  gewesen.  Die  dem  13.  Jh.  entstammenden  Bruchstücke 
einer  älteren  Fassung  des  Wisbyschen  Stadtrechtes  (hg.  von  mir  in 
d.  Mitt.  d.  Ges.  f.  Gesch.  u.  Alt.  d.  Ostseepr.  Bd.  18)  kennen  keine 
Umlautsbezeichnung  für  0  und  u;  nur  für  die  in  der  Stockholmer 
Hs.  streng  durchgeführte  Setzung  des  y  für  as.  iu  finden  sich  ein 
paar  Belege  (dhydesch,  lyde,  cyset)\  s.  das.,  S.  512.  Ebenso  zeigt  die 
Urkunde  über  den  zwischen  Jaroslaw  und  den  Deutschen  und  Goten 
geschlossenen  Vertrag  vom  J.  1269  (Hans.  U.  B.  I,  no.  665)  keine 
y  oder  0.  Deutlich  heben  sich  auch  die  von  Schlyter  in  seiner  Aus- 
gabe durch  kursiven  Druck  hervorgehobenen  jüngeren  Zusätze  durch 
ihre  abweichende  Orthographie  von  dem  Originalbestandteil  der  Hand- 
schrift ab.  Hier  wird  y  auch  für  kurzes  i  vei^wendet  (bynnen^  myn^ 
yn^  ynne,  nycht,  syk,  vortcynnen,  dertych  usw.);  der  Umlaut  von  0 
und  u  wird  entweder  gar  nicht  bezeichnet  (tohoret^  vogede^  worde^  vor- 
soke^  vordorve,  borghere,  towe;  beschuldiget^  duft^  sunke^  bedrughe^  bescut, 
vöreniunder,  t^orsumenis.^e)  oder  mit  verschiedenen  Mitteln   und  incon- 


19 

sequent  (dufte,  fünde,  versümet,  aldüs,  hrytteghe,  kryde,  vormyndere): 
ebenso  ungleich  wird  der  verdampfte  Laut  bezeichnet:  sülver,  aldüs, 
sulf,  sylf  neben  selves,  silvers,  und  das  aus  as.  iu  entstandene  ü  in 
vrunde,  lyde. 

Aus  Wisby  ausgegangene  deutsche  Schreiben  des  XIV.  Jh's. 
zeigen  zwar  zum  teil  dieselben  Grundsätze  der  Umlautsbezeichnung 
wie  die  Stockholmer  Handschrift.  So  findet  sich  in  einem  Briefe 
vom  J.  1380  (Hanserec.  III,  no.  126)  y  in  lyde,  byssen,  in  no.  127 
und  129  aus  derselben  Zeit  0  in  beret,  upheren,  kene,  können,  h0ghe- 
like,  ü  in  vründe,  ahüsdan  u.  s.  w. ;  aber  teilweise  verschmähen  sie 
entweder  jeden  Versuch,  die  umgelauteten  Wortformen  zu  kennzeichnen, 
wie  in,  no.  475  (vom  J.  1390)  oder  führen  die  beabsichtigte  Regel 
(0  und  ü)  nicht  consequent  durch  (II,  no.  139  vom  J.  1376). 

Mit  ziemlich  grosser  Regelmässigkeit  ist  die  Umlautsbezeichnung 
innegehalten  in  der  im  J.  1401  in  Wisby  angefertigten  md.  Über- 
setzung des  Gotlandrechtes  (Ausgabe  von  Schlyter  im  VII.  Bande 
seines  Corpus  iuris  Sueo-Gotorum).  Der  Umlaut  von  u  und  ü  wird 
durch  ä,  das  auch  as.  iu  vertritt,  der  von  0  und  6  durch  ö  bezeichnet. 
Die  Sprache  ist  mitteldeutsch,  aber  durch  Aufnahme  vieler  mnd. 
Formen  entstellt.  So  können  Schreibungen  wie  kämpt,  lüchter,  rücken, 
süster  (sg.),  Wisbü,  brutögher,  gördel  u.  a.  die  Orthographie  der 
Stockholmer  Hs.  bestätigen  oder  verbessern. 

Jedenfalls  handelt  es  sich  bei  der  Stockholmer  Handschrift  um 
eine  ganz  besonders  sorgfältige  Handhabung  einer  geregelten  Ortho- 
graphie, die  wir  vermutlich  einem  in  schwedischer  Schreibschule  aus- 
gebildeten oder  mit  schwedischem  Schreibgebrauche  vertrauten  Schreiber 
verdanken.  Dass  aber  auch  in  Deutschland  stellenweise  neben  der 
willkürlichen  Behandlung  der  Umlautsbezeichnung  (s.  Koppmann  in 
der  Einl.  zum  3.  Bande  der  Hanserecesse  S.  X  ff.)  ein  oder  der 
andere  Schreiber  den  Versuch  machte,  sich  selbst  eine  strengere  Regel 
zu  schaffen,  ist  ja  aus  dem  Beispiel  des  Wismarer  Stadtschreibers 
Hinrik  von  Embeke  (1317—1338)  bekannt  (s.  Nd.  Jahrb.  III,  1  ff.). 
Aus  etwas  älterer  Zeit  führe  ich  noch  als  Beispiel  an  die  Lübecker 
Handschriften  der  älteren  und  der  jüngeren  (2.)  Nowgoroder  Schra 
(abgedr.  in  Sartorius-Lappenberg,  Urk.  Gesch.  der  d.  Hanse  II,  no. 
IX  und  XCV  und  im  Lüb.  U.  B.  I,  S.  700;  der  Abdruck  bei  Sartorius 
ist  aber  hinsichtlich  der  Umlautsbezeichnung  zuverlässiger).  In  der 
älteren  Schra  ist  das  durchstrichene  0,  wenn  auch  nicht  mit  Con- 
sequenz,  doch  ziemlich  häufig  zur  Bezeichnung  von  kurzem  und 
langem  ö  gesetzt  Qielt\  cmiet,  slotele;  heren,  seken,  veren,  neden,  dum" 
C0ne,  hmetman,  lesen-,  in  der  jüngeren  Schra  ist  dieses  der  nordischen 
Orthographie  entlehnte  Zeichen  durch  m  oder  ö  ersetzt  und  mit 
Verständnis  verwendet:  möge,  körnet,  hövede,  möchte,  wörde,  moste,  koeft, 
bröke,  doet,  övele  u.  s.  w.;  für  den  w-laut,  sei  er  Umlaut  oder  Ver- 
treter von  iu,  wird  y  geschrieben:  dydesch,  symen,  vorsymeti,  syke, 
synderlik,  tych,  Ny,  schijt  (3.  sg.  von  scheten),  pyndere,  vortygen,  lyde, 
rorlyset,  bekymmert ;  in  einzelnen  Fällen  vertritt  auch  ü  (v)  den  umgelauteten 

2* 


20 

Vokal:  kümet  (neben  kumt^  körnet)^  tU  (3.  sg.  von  teil)  vorvlüditich, 
tourde;  noch  seltener  muss  ui  (schuü,  scuü)' zur  Bezeichnung  von  ü 
dienen,  oder  aber  der  w-laut  bleibt  ohne  jeden  Versuch  einer  schrift- 
lichen Wiedergabe  (sculdich^  humt^  Lvbeke  u.  s.  w.).  Diese  Hand- 
schriften könnten  in  Wisby  selbst  oder  in  Lübeck  von  einem  in 
Wisby  mit  schwedischem  Schreibgebrauche  bekannt  gewordenen 
Schreiber  geschrieben  sein. 

Schliesslich  weise  ich  noch  auf  eine  gleichfalls  im  fernen  Nord- 
osten entstandene  Handschrift  hin,  die  in  ziemlich  strenger  Con- 
sequenz  den  Umlaut  von  o  mit  5,  den  von  u  mit  ü  (nur  ganz  aus- 
nahmsweise mit  y)  bezeichnet.  Es  ist  die  Ende  des  13.  oder  Anfang 
des  14.  Jh.'s  geschriebene  Handschrift  der  'Umgearbeiteten  Rigischeu 
Statuten',  mit  grosser  Treue  abgedruckt  in  der  Ausgabe  der  'Quellen 
des  Rigischen  Stadtrechts'  von  Napiersky  (Riga,  1876).  Es  hat 
keinen  Zweck,  hier  alle  durch  Umlaut  ausgezeichnete  Wörter  auf- 
zuführen, ich  möchte  nur  hervorheben,  dass  folgende  Formen  eine 
willkommene  Bestätigung  für  die  im  Stockholmer  Codex  des  Wisbyer 
Stadtrechtes  gebrauchte  Orthographie  bilden:  kirnet,  8c6ln,  Hcolen. 
doyt,  untlbpt^  vorderen,  oder,  vor-,  towe,  holt,  mögen,  moten;  aldiis^ 
süster,  vründe,  itlmant,  scüldetner,  müchte,  wülden,  müste,  mlver,  sehnt ^ 
pündere,  diive,  sülven,  kümt  (neben  komet),  müre.  Ich  bemerke  noch, 
dass  m-omede,  sone  und  cruce,  die  im  Wisb.  StadtR.  der  Umlauts- 
bezeichnung entbehren,  hier  den  vom  und.  geforderten  Umlaut  auf- 
weisen, und  dass  neben  scult  auch  hier  die  Form  scult  für  den  sg. 
belegt  ist  {II,  22.  23).  Hinzuzufügen  ist  noch,  dass  einige  Wörter 
das  auch  sonst  einigemal  als  Unterscheidungsmerkmal  neben  n  und 
V  verwandte  Umlautszeichen  (sünnendages,  tvüJhoi^t  =  vuJbort^  ghe- 
umnden  =  gheounden,  nthgesündert),  erhalten  haben,  wo  kein  klarer 
(irund  dazu  vorliegt:  hüs,  geb^^üken. 

Als  Ergebnis  vorliegender  Untersuchung  glaube  ich  feststellen 
zu  können,  dass  bereits  im  14.  Jh.  in  den  nordöstlichen  Teilen  des 
mnd.  Sprachgebietes,  wahrscheinlich  durch  die  Orthographie  der 
benachbarten  skandinavischen  Länder  angeregt,  ein  Streben  sich 
geltend  machte,  die  neben  o  und  u  vorhandenen  ö-  und  w-laute  in 
möglichst  consequenter  Durchführung  auch  durch  die  Schrift  kenntlich 
zu  machen.  1) 

DÜRPAT.  W.  Schlüter. 


1)  Bemerkenswert  ist  auch,  dass  eine  im  J.  1888  von  den  deutschen  Kanf- 
leuten  in  Nowgorod  nach  Reval  gesandte  Mitteilung  y  als  Umlaut  für  u  (kysserif 
Hchyedichj  crydere,  cryse^  Kyscen)  und  als  Vertreter  von  as.  tu  (lyde,  Bysce)  mit 
Regelmässigkeit  durchfuhrt  und  auch  einigemale,  aher  ohne  Conseqiienz,  0  für  o 
(b&dclj  b0ren,  vorsWren)  verwendet. 


21 


Kölner  Klosterpredigten  des  13.  Jahrbonderts. 


Mit  der  im  14.  Jahrhundert  äusserst  zierlich  geschriebenen 
Hamburger  Pergamenthandschrift  Theol.  2205  12^,  in  rotem  Original- 
Ledereinband,  mit  136  Blättern  (auf  17  Lagen  verteilt,  20  Zeilen  auf 
der  Seite)  hat  sich  die  Forschung  m.  W.  bisher  nicht  befasst,  und 
doch  erheischt  sie  unsere  Aufmerksamkeit  sowohl  inhaltlich  wie  in 
sprachlicher  Beziehung.  Auf  der  Innenseite  des  vorderen  Deckels 
findet  sich  von  einer  Hand  des  15.  Jahrhunderts  der  Eintrag  Dat 
boich  is  dei'  suster  zo  Camp  jn  dei'  clusen  intgen  boppart.  Gemeint 
ist  die  von  Tertiarierinnen  bewohnte  Klause  Kamp  gegenüber  Boppard, 
deren  Bücherbestand  wir  z.  T.  überschauen  können:  die  Schwestern 
besassen  Legenden  aus  dem  Väterbuch  (Hamburg  Cod.  213  in  scrinio, 
8.  Philologica  Hamburgensia  1905  S.  18),  Taulers  Predigten  (Wien 
2739,  s.  HofFmanns  Verzeichnis  nr.  262),  den  Traktat  von  den  15  Graden 
(Germania  6,  144),  eine  Übersetzung  des  Psalters  und  Gebetbücher 
(Göttingen  Cod.  theol.  215,  s.  Die  Handschriften  in  Göttingen  2  (1893), 
432;  Brüssel  Königl.  Bibl.  14686/7,  s.  Borchling,  Niederdeutsche  Hand- 
schriften 1,  268).  Vor  ihrem  jetzigen  Besitzer  gehörte  auch  unsere 
Handschrift  wie  so  viele  andere  der  Hamburger  Stadtbibliothek  zu 
der  reichen  Utfenbach-Wolfschen  Sammlung :  hierauf  beziehen  sich  die 
Zahlenvermerke  auf  der  Innenseite  des  vorderen  und  hinteren  Deckels: 
'p.  642  n  3'  ist  die  v.  üflfenbachsche  Signatur,  s.  Bibl.  Uffenb. 
Universalis  t.  III  1730;  '940»»'  die  Signatur  von  Wolf,  doch  steht 
940^  nicht  in  dem  Exemplar  Cat.  Mss.  Codicum  Bibl.  Uflfenb.  1747 
eingetragen ;  unsere  Handschrift  ist  dort  angereiht  an  940,  die  oben 
genannte  Handschrift  des  Väterbuchs. 

Die  Handschrift,  in  der  schwächer  betonte  Wörter  nicht  selten 
ohne  jeden  Zwischenraum  dem  vorhergehenden  angefügt  sind,  weist 
von  gleicher  Hand  Correcturen  auf  und  setzt,  da  sie,  wenn  auch  nur 
vereinzelt,  ursprünglich  ausgelassene  Wörter  und  Sätze  nachträgt, 
eine  schriftliche  Vorlage  (vielleicht  auch  mehrere  Einzelvorlagen) 
voraus.  Sie  enthält  eine  grössere  Sammlung  von  Predigten  ver- 
schiedener durch  Rubrum  kenntlich  gemachter  Verfasser,  Sermones 
sdcre  variorum,  wie  der  von  jüngerer  Hand  geschriebene  Rückentitel 
besagt,  und  zwar  in  folgender  Anordnung,  Die  üblichen  Abbreviaturen 
habe  ich  aufgelöst. 

1.  5/.  1»  Diesen  sermon  sprach  der  rode  prio(r).  Das  Bubrum  ist  geyen 
Ende  verblichen  wie  auch  sonst  die  Tinte  auf  BL  2*  öfter  stark 
verblasst  ist. 

Anfang:  Unse  here  sprach,  dat  wir  bruderliche   minne   inde  vriede 
ander    ein    haven    {Joh.    13,    34).     mit   zwein   dingen   irwirft   man 


22 

diesen  vriede.  Die  Predigt  handelt  im  weiteren  Verlauf  von  acht 
Seligkeiten. 

2.  Bl.  2^  Senno  rufi  priori s. 

Anfang:  Sente  Paulus  bekerunge  begeit  man  umbe  dru  dinc. 

3.  BL  4^   Sermo  rufi  prioris. 

Anfang:  Zien  dinc  hast  unse  here.     die  süle  wir  ouch  hassen. 

4.  BL  6»  Prior  ßufus. 

Anfang:  Man(t)  vint  zweirhande  sunnen.  die  eine  is  eine  sunne 
in  hiemelriche.     die  ander  is  eine  sunne  in  ertriche. 

5.  BL  8»  Prior  Rufus. 

Anfang :  Dat  alier  edilste  inde  dat  allir  beste  dat  ertriche  geleisten 
mothe,  dat  sande  wir  deme  vadere,  dat  was  unse  (8^)  here  Jhesus 
Christus,  du  sande  he  her  wiedere  dat  alre  edilste  inde  dat  alir 
beste,  dat  in  ime  selvere  was,  dat  was  der  heilige  geist  Nu  sal 
man  prüven  vunf  dinc. 

6.  BL  13»  Prior  de  wizenburg. 

Anfafig:  Ein  heilige  spricht:  here,  dine  e  is  reine  ind  umbevlect 
inde  si  bekerit  die  seien  zu  dir  wert,  dit  in  is  niec  anders  dan 
die  minne. 

7.  BL  15»  Sermo  fratris  Johannis  nigri. 

Anfang:  Dat  eirste  is  arbeit  sunder  yirdroz,  dat  ander  eine  bir- 
nunge,  die  niemanne  gesaden  inmach,  dat  dirde  is  ein  iamer,  den 
nieman  getroisten  inmach,  dat  vierde  is  eine  virmessinheit,  die 
nieman  yirhoin  inmach,  dat  vunfte  is  eine  geduldicheit,  (16^)  die 
nieman  overwinden  inmach,  dat  seiste  is  ein  baut,  den  nieman 
inbinden  inmach. 

8.  BL  18»  Frater  Henricus  de  sanctis  virginibus. 

Anfang:  Sente  Paulus  spricht:  cleidt  uch  mit  der  minnen  (Koloss, 
3,  12  ff.),  alse  der  mantel  me  zierit  dan  die  cleidere  inde  dure 
inde  werdere  is,  also  zirt  die  minne  alle  dügede.  Karitas  heist  die 
minne,  da  uns  got  mit  gemint  hait,  dat  is  die  in  alzemale  satche 
uzer  ime  selvere  in  uns,  mit  der  selver  minnen  süle  wir  in  wieder 
minnen.  Das  letzte  [Drittel  von  BL  22»  ist  unbeschrieben;  der 
Schltcss  der  Predigt  fehlt 

9.  BL  22^   Frater  Johannes  de (Easur). 

Anfang :  Sente  Paulus  sprict :  der  vriede  unsis  herrin  Jhesu  Christi 
de  miize  sich  vrouwin  in  urme  herzen  {PhiL  4,  7.  Koloss.  3,  15). 
De  reethen  vriede  wilt  haven,  de  müz  duin  alse  ein  herre,  de  eine 
burch  besezzin  hait. 

10.  BL  24»  Frater  Godefridus  de  kelse. 

Anfang:  Sente  Paulus  spricht  (1.  Tessal.  4,  1):  wir  biddeu  sunder 
underlaiz  vür  uch  inde  heischent  gode,  dat  ir  vol  wert  bekennisse 
des  willen  gotz,  dat  ir  vol  wert  geistlicher  wisheide  inde  geistlicher 
verstentenisse  inde  dat  ir  wandilt  dat  spricht  na  deme  willen  godz, 
dat  al  ur  dun  inde  al  ur  lazen  gode  behegelich  si,  dat  ir  vrutberlich 
sijt  an  allen  guden  werken  inde  dat  ir  alwege  waissinde  sijt  iu 
deme  bekennisse  godz  inde  dat  ir  gesterkit  wert  in  dügeden. 

11.  BL  28»  Bin  minir  (nachträglich  attsradiert)  b rüder. 

Anfafig:   So  wilch  mensche  de  sich  also  bereidit  intgegen   unsen 

heren,  alse  he  billichen  sal,  de  intfeit  zwelf  nutze  zu  siner  seien. 

Mit  Dat  zweilfte  h'irht  BL  29^  der  Text  ah,  hierauf  zwei  Zeilen 
lee7er  Baum. 


23 

12.  Bl.  29^  Brüder  KirstiaDs  aermon. 

Anfang:  Jacob  de  sag  eine  ledere  van  der  erdin  in  den  hiemel. 
da  ovene  np  der  lederen  sach  he  nnsen  heren  Jhesum  Christum 
sich  neigen,  die  zwene  ledereboume  dat  (30*). is  yorte  inde  hoffe- 
nnnge.     Sente  Agnstinns  macht  dieser  leideren  echte  sprozen. 

13.  Bl.  30»  Van  keilse  brüder  Godevrit. 

Anfang:  Man  list  in  deme  ewangelio  {Matth.  8,  23  ff.),  dat  unse  herre 
got  (30  ^j  gienc  in  ein  schif  inde  sine  lungere  giengen  mit  ieme. 
he  inslief  inme  schiffe,  da  huif  sich  ein  groiz  stnrm  in  der  se. 
du  weckedin  in  die  inngere  unsen  herren  inde  sprachen:  herre  hilp 
ans,  wir  yirderven  iezü.  die  se  bezeichint  nns  diese  ebbende  werilt. 
dat  schif  bezeighint  nns  des  menschen  herze.  Dass  Gott  zum 
Herzen  komme,  dazu  gehör-en  sieben  Dinge. 

14.  Bl.  32»   byschof  Ailbrets  Sermon. 

Anfang:  Benedicamns  patrem  et  filiam  cum  sancto  spiritn.  Wir 
loyen  den  yader  inde  den  sün  bit  deme  heiligen  geiste.  Weirliche 
de  loyit  den  yadir,  de  in  loyit  in  deme  geiste  inde  in  der  wairheit, 
inde  de  loyet  den  s^n,  de  in  loyit  in  heilicheide  inde  in  gereitheide. 

15.  BL  37^  Byschof  Albrethis  sermon. 

Anfang :  Ir  sülit  scheppin  die  wazzere  yan  den  bamen  des  behelderis 
(Jes.  12,  3).  Man  (38»)  liesit  yan  yiere  künne  donfen  {Wasser, 
h.  Geist,  Feuer,  Blut).  Mer  sente  Paulus  de  legit  zwa  darzö 
{Wolke^  Meer,  s,  1.  Kor.  10,  2).  De  eirste  is:  in  deme  wazzere 
weschit  aye  die  eryesunden 

16.  Bl.  43*»  Der  Verfasset-^name  ist  ausradiert. 

Anfang:  Du  salt  got  minnen  yan  alle  dime  herzin,  yan  alle  diner 
seien  inde  yan  allin  dinen  creichtin  {Mattk.  22,  37),  want  got  is 
die  minne.  godis  minne  is  ein  yur  inde  die  minne  is  ein  burne  des 
leyenis  inde  yüdunge  des  rechtin  sprungis  yan  der  minnen.  Schluss : 
Bl.  45»  Spreche  ich  mit  der  engele  zunge  yan  wisheide  inde  druge 
ich  dat  hoir  uzer  der  strazen  yan  oitmüdicheide  inde  hedde  ig  so 
starken  geloyen,  dat  ich  die  berge  inde  dat  mere  dede  gain,  inde 
geyich  al  min  güit  durch  godis  wille,  inhed  (46^)  ich  der  gewarir 
minnin  niet,  id  inwere  allit  niedes  wert  (1.  Kor.  13,  1). 

17.  Bl.  46^  Kein  Verfassemame. 

Anfang:  Got  sprach  zu  sinen  lungeren  (Joh.  16,  7):  it  is  uch  güit, 
dat  ich  yan  uch  yare,  want  ir  inmüth  den  heiligen  geist  niet  int- 
fain,  also  lange  alse  ir  mich  mensliche  minnit.  Intzwiyilt  des  niet, 
got  inhedde  in  wale  gegeyen,  inwolde  he,  want  si  inmothen  in  niet 
intfain,  sint  godis  menscheit  des  geistis  hindemisse  was. 

18.  Bl.  46^  Meister  Gerards  sermon. 

Anfang:  Du  salt  dinen  got  minnen  yan  aller  diner  crait  inde  yan 
alle  dime  herzen  inde  yan  aller  diner  seien  inde  yan  alle  dinen 
gedenken  (Matth.  22,  37),  also  dat  du  dar  up  yeryliezes  mit  minnen. 
wa  der  mensche  alremeist  mit  minnen  up  yiryluzit,  dat  is  ein 
zeichen,  dat  he  dat  alre  meist  minnit. 

19.  Bl.  47*>   Sermo  magistri  Gerardi. 

Anfang:  Sente  Johannis  sprichit  {Joh.  1,  14);  dat  wort  is  yleiz 
worden  inde  wont  in  uns  inde  wir  hain  in  gesien  in  siner  glorien, 
dat  is  in  siner  loyelicher  eren,  alse  einin  geborrenen  sun  yan  sime 
yadere  yol  aller  genaden  in  aller  wairheide.    warum be  sprach  sente 


24 

Johan:  dat  wort  is  yleiz  worden  (48*)  inde  sprach  niet  aUe  man 
gemeinlichen  spricht:  got  is  mensche  worden? 

20.  Bl.  49*  Meister  Qerards  sermon. 

Anfang:  Also  schiere  alse  onse  here  gedonfit  wart,  da  wart  he 
geruit  in  die  wnstenonge.  da  wart  he  hekort  vanme  duvele.  nmbe 
dm  dinc  wolde  anse  here  bekort  werden. 

21.  B.  50^   Meister  Gerards  sermo. 

Anfang:  Man  sal  präyen  yunf  dinc  an  der  (51*)  Tasten,  dat  eirste 
wammbe  dat  man  nn  vast.  dat  ander,  wammbe  dat  man  vast  in 
dieser  zit.  dat  dirde,  wanunbe  dat  der  ▼ie(r)zich  dage  sin.  dat 
vierde,  wie  wir  si  geyasten,  dat  si  uns  nntselich  sin.  dat  yonfte 
die  yrnit  des  yastens. 

22.  Bl.  63»  Meister  Gerards  Sermon. 

Anfang:  Here,  cum,  e  min  kint  sterye  yan  deme  natürlichen  dode, 
(Joh.  4,  49)  oye  knm,  e  mine  sele  sterye  yan  diner  genaden  eye 
mit  einicheme  dode  der  hoyitsunden.  in  deme  werde  dat  he  sprichit 
'here\  da  ane  irzoint  he  ime  8in[r]e  gotiiche  ere  inde  yorte  .... 

23.  Bl.  ö?*"  Magistri  Gerardi. 

Anfang:  Unse  here  sprach:  yronwe  hole  dinen  man  {Joh.  4,  16). 
Sente  Agnstinos  macht  dm  dinc  in  deme  menschen,  he  macht  einen 
slange,  dat  is  die  yielicheit.  dat  ander  is  die  niederste  bescheden- 
geit,  dat  is  die  yronwe.  dat  dirde  is  die  oyerste  beschedengeit, 
dat  is  der  man. 

24.  BL  69^  Sermo  magistri  Gerardi. 

Anfang:  Sente  Paulus  sprichit,  dat  wir  prüyen  of  (60*)  wir  des 
in  uns  geyülen,  des  unse  here  Jhesus  Christus  in  ieme  geyülde 
(Fhil.  2,  6).  yunf  (es  werden  dann  aber  nur  vier  besprochen) 
dinc  geyülde  unse  here  Jhesus  Christus  in  ieme.  dat  eirste  dat 
was  sine  groze  oitmndicheit,  dat  he  yan  hiemelriche  in  ertriche 
kamen  wolde  inde  wolde  mensche  werden  durch  unsen  wille  inde 
wolde  knetz  gedene  an  sich  nemen  .... 

25.  Bl.  62^   Sermo  magistri  Gerardi. 

Anfang:  Seinte  Paulus  spricht:  sijt  ir  up  irstanden  mit  Christo, 
so  Silke  die  dinc  die  hie  inhoyen  sint  inde  smach  der  dinge,  da 
Christus  (63*)  is  zu  der  zesewin  haut  des  yader  {Koloss.  3,  1). 
Handelt  in  eindrucksvoller  Eedeweise  von  der  Auferstehung. 

26.  M  69*  Sermo  Magistri  Gerardi. 

Anfang:  Den  mine  sele  mint,  zöge  dich  mir  inde  sage  mir,  wa 
spistu  dine  schof?  inde  wa  lestu  dich  nieder  an  deme  middeme 
dage  (Höhet.  1,  7)  .  .  . 

27.  Bl.  73*  Sermo  magistri  Gerardi. 

Anfang:  Der  mich  mint,  de  helt  mm  gehoth  inde  min  yader  sal 
in  minnen  inde  wir  sulen  zii  ieme  kümen  inde  buwen  eine  woninge 
in  ieme  {Joh.  14,  21). 

28.  Bl.  75^  Sermo  magistri  Gerardi. 

Anfang:  Die  yürige  zungen  erschienen  den  apostelin.  die  kristeu- 
heit  wart  geplanzit  in  godis  gebärde,  in  siner  martilien  wüz  si. 
ze  pincsten  blüjede  si.  darumbe  biddit  du  blüit,  dat  he  si  na 
trecke  da  he  is Zien  Sachen  wirkit  dat  yuir. 

o 

29.  Bl.  79*  frater  ülricus  proyincialis. 

Anfang:  Thoma,  want  du  mich  sijs,  darambe  gelouyis  du  in  mich, 
selich  sint  die  min  niet  insient  inde  gelouyent  in  mich  {Joh.  20,  29). 


25 

die  glorie  unsis  herren  upirstendinge  was  also  groiz,  dat  sümelicb« 
da  ane  zwiyelden.     der  was  sente  Thomas  ein. 

30.  Bl.  83*  Senno  magistri  Qerardi. 

Anfang:  Vur  allen  creatnren  so  bin  ich  gebieldet  na  deme  de  da 
is  Yur  der  werilde  {Sprüche  8,  22.  23).  dit  is  gesprochen  van 
unser  vronwen  inde  darna  van  uns  allen  inde  van  iere  zu  aller 
▼orderst.     Marienpredigt  ^.  Sept.). 

31.  ij/.  86*   Senno  magistri  Qerardi. 

Anfang:  Johannes  de  sprichit  {Offenb.  7,  2):  ich  sach  einen  andrin 
engil  her  ave  kümen  (86^)  vanme  hiemele  mit  grozer  gewalt,  van 
der  Zukunft  siner  glorien  wart  dat  ertriche  irlügt.  Hie  bi  is  uns 
gegeven  zu  virstane  sente  Dominicus  of  ein  ander  volkümen  lerere, 
die  mit  iere  lerin  die  werilt  irlüthit  haint.  de  is  geheischen  ein 
ander  engel. 

32.  BL  90*  Meister  gera(r)dis  sermon. 

Anfang:  Sente  Johannis  spricht  {Offenb.  7,  2):  ich  sach  einen 
andrin  engel  kümen  vanme  hiemele  mit  grozer  gewalt,  (90^)  van 
der  Zukunft  siner  glorien  wart  dat  ertriche  irlüit.  bi  dieseme  engele 
is  uns  gegeven  zu  virstaine  sente  Dominicus  of  ein  ander  volkümen 
lerere,  die  die  werilt  irlüit  haint.  die  sint  genant  Engele.  Dit 
insaltu  niet  yerstain,  dat  ein  mensche  yan  naturen  engel  werde  of 
iemer  werden  müge 

33.  BL  94*  Meister  Gerards  sermon. 

Anfang:  ünse  here  sprichit,  dat  die  kiudere  dieser  werilde  wiser 
sin  in  ir  achte  dan  die  kindere  des  liethes  in  Ir  achte  {Luc.  16,  8). 
dat  da  wiser  is,  dat  müz  wiz  sin  inde  müz  iet  inboven  dat  hain, 
mit  deme  dat  id  wiser  si.  dat  bezzir  is,  dat  müz  gut  sin  inde 
müz  getzwat  hayen  mit  deme  dat  it  bezzir  si. 

34.  ÜZ.  99*   Meister  Gerards  sermon. 

Anfang :  ünse  here  sprach :  Maria  hait  dat  beste  deil  irkorin  {Ijuc, 
10,  42).  de  kiesen  sal,  de  müz  dru  dinc  hayen.  Schluss:  BL 
105*  dis  sermon  is  darumbe  gedain,  of  wir  noch  herzu  kümen,  dat 
wir  wizzen  wat  id  si,  die  niet  dar  zu  insint  kümen,  dat  si  dar 
na  jamere. 

35.  i?/.  105*  Meister  Gerards  Sermon. 

Anfang:  Eümet  her  üyer  zu  mir  alle  die  min  (105^)  begerint  inde 
werdit  iryüllit  yan  miner  geburde,  want  min  geist,  de  is  süzere 
dan  einigh  honigh.  mine  geburt  is  inboyen  alle  süzicheit.  de  ir 
eines  gizzet,  den  hungert  eyer.  de  ir  einis  gedrinkit,  den  durst 
eyer  {Sirach  24,  25.  27 — 29).  diese  wort  sint  gesprochen  yan 
unser  yrouwen  inde  sint  gesprochen  yan  iere  einiger  personen. 
Marienpredigt  (16.  Aug.). 

36.  M  115^  Meister  Gerards. 

Anfang:  Die  wisheit  hait  iere  gecimbirt  ein  hüls,  des  fundament 
is  der  gelouye.  de  wirt  geyestint  mit  der  doufen.  die  wende  sint 
bezeichent  mit  der  hoffenungen,  die  up  gerietet  wirdit  der  yirmuugeu. 

37.  BL  121*  am   Schluss  der  Seite  Diesen   sermon   sprach   meister  Gerart  utul 

twchinals  BL  121*>  oben. 
Meister  Gerards  sermon. 

Anfang:  Ir  sint  yirgeyen  yiele  sünden,  want  si  sere  minnede 
{Luc.  7,  47).  Agustinus  sprichit:  gotliche  minne  si  inmach  niemerme 
so  deine  sin,  si  inyirdielie  alle  dine  sünden. 


26 

38.  BL  125^  Heister  Gerards. 

Anfang:  BL  126*  Mitz  in  der  nait  wart  ein  gerüthe:  siet,  der 
brüdegüme  kümit,  giet  lerne  intgegin  (Matth,  25,  6).  Engeln'  inis 
de  dat  müge  wizzen,  of  he  noch  ie  den  eirsten  strich  zu  gode  si 
gegangen,  mer  de  sal  is  hoifen,  de  in  güden  willen  inde  avingen 
guder  werke  alwege  is. 

39.  BL  130^  Heister  Gerards  Sermon. 

Anfang:  Unse  bere  spricht  in  deme  Ewangelio  (Luc.  14,  10):  alse 
dn  geladen  bist  zu  der  wirtschaf,  so  salt  du  sitzen  an  die  niederste 
stat.  alse  he  dan  kümit  de  herre  de  dich  geladen  halt,  so  sprichit 
he:  vrünt,  geit  hoire,  so  wirdis  du  geerit  nnder  alle  (131*)  den  die 
da  sint  zu  der  wirtschaf.  bi  dieser  wirtschaf  is  uns  bezeichint  die 
bralait,  die  nnse  here  Jhesns  Christas  ieme  selver  hat  gemeilt  inde 
ieme  gebradit  mensliche  natnre. 

40.  Ml33^meister  gera(r)ds. 

Anfang:  Eneit  gut  getrüe,  ganc  in  die  vronwede  dines  hereu 
(Matth.  26,  21).  damit  dat  he  spricht  *kneit\  da  mit  git  he  uns 
ze  yirstaine  die  oitmüdicheit  sines  levens.     ScJUtiss  BL  135^. 

Hierauf  folgen  Bl.  135** — 136^  von  anderer  Hand  noch  einige 
bedeutungslose  geistliche  Betrachtungen,  wohl  nur  geschrieben  um 
den  Best  der.  17.  Lage  zu  füllen. 

Die  Aufzeichnung  der  Predigten  weist  in  ripuarisches  Gebiet, 
genauer  nach  Köln,  wie  schon  aus  den  folgenden  Excerpten  und  den 
am  Schluss  ausgehobenen  Stücken  zu  ersehen  ist;  eine  alle  Einzel- 
heiten zusammenfassende  Darstellung  der  Sprache^)  bleibt  besser  bis 
zur  Veröflfentlichung  des  Ganzen  —  vielleicht  nehmen  sich  die 
Deutschen  Texte  des  Mittelalters  unserer  Predigtensammlung  an  — 
verspart.  Aber  auch  die  Sermone  selbst  lassen  ihren  Kölnischen 
Ursprung  erkennen.  Es  heisst  in  der  Predigt  (Nr.  7)  des  Bruders 
Johannes  Nigri  Bl.  16»: 

wie  heet  mich  got  gewert!  nn  inmach  ich  einen  hellinc  niet  geleisten« 
got  de  heet  mich  doch  gewert,  he  heet  mir  gegeven  einen  orden  inde 
eine  kappe,  de  mich  nn  vragede:  bruder  Johan,  wilt  ir  üre  kappe  lazen 
alse  lange  bis  man  zu  der  düren  gegain  mach?  da  nent  he  allit  dat  zu 
sime  ordene  gehört  inde  zu  heiligeme  levinne  nmbe  dat  bizdum  van  Colne. 
nein  ich!  woltn  nemen  dat  keiserriche?  nein  ich!  woltn  nemen  allit  dat 
got  geschaffen  hat?    he  sprach:  nein  ich! 

und  Bl.  129^  lesen  wir: 

manich  schif  ilit  ze  Colne,   der  sümelich  niemer  ingein  dar  inkümit,  etze- 

liche  blivint  underwilen  danne  vier  of  zien  milen. 
Ebenso  lassen  sich  die  Namen  einiger  der  citierten  Prediger  in  Köln 
belegen:  der  Prior  Ruf us  (Ruftis  priar,  der  roih  prior) ^  der  die  Samm- 
lung mit  fünf  Predigten  einleitet,  gehört,  wenn  ein  Prior  dieses 
Namens  sich  auch  nicht  auffinden  Hess,  doch  wohl  dem  bekannten 
Kölner   (ieschlechte  an,   vgl.   R.   Hoeniger,   Kölner  Schreinsurkunden 

1)  Ich  glaube  bei  den  einzelnen  Predigern  hie  und  da  kleine  Verschieden- 
heiten in  der  Aufzeichnung  wahrgenommen  zu  haben.  Weisen  diese  vielleicht  auf 
ältere  EinzeWorlagen  hin? 


27 

des  12.  Jahrhunderts  2,  2,  256;  Ennen  und  Eckertz,  Quellen  zur 
Geschichte  der  Stadt  Köln  2,  649*.  3,  568»»;  Fahne,  Geschichte  der 
Kölnischen  —  Geschlechter  1,  275.  363.  Zum  bereits  genannten 
Johafifies  Nigri  (Nr  7)  vgl.  Joh.  dictus  Niger,  Canonicus  an  S.  Severin 
in  Köln  zum  Jahre  1358  (Annalen  des  Historischen  Vereins  für  den 
Niederrhein  20,  89),  Peter  Nigri  0.  Pred.  (ebenda  52,  230).  Hen- 
ricm  de  sanctis  virginibus  (Nr.  8)  wird  wohl  mit  dem  clericus,  vicarius 
aut  canonicus  perillustris  coUegiatae  St.  Ursulae  et  sociarum  mar- 
tyrum  identisch  sein,  der  nach  Hartzheim  Bibl.  Colon,  p.  127*  eine 
Historia  sanctae  Ursulae  einsque  parthenii  sodalitii  verfasste.  Zu 
S.  Ursula  war  Kelz  gehörig  (Annalen  31,  60.  100),  nach  dem  sich  der 
Prediger  von  Nr.  10  und  13  nennt:  Godefridas  de  Ke{%)l8e.  Ein  Joh. 
de  Kelsse  war  Canonicus  an  der  Kirche  zu  den  11000  Jungfrauen 
(Annalen  28,  69),  ein  Nicolaus  dictus  de  Kelse  thesaurarius  ecclesiae 
S.  Apostolorum  Col.  1299  (ebenda  46,  82),  Godefridus  Godefridi  de 
Kelse  1343  Canonicus  Col.  (Sauerland,  Urkunden  und  Regesten  zur 
Geschichte  der  Rheinlande  3,  90).  Über  'her  Joh.  van  Keilse  ein 
canunch  sente  Apostelen,  de  rentmeister  was  des  bischofs  van  Collen^ 
(1375. 1377)  s.  Chroniken  der  niederrheinischen  Städte.  Cöln.  2,  25, 12. 
3,  721,  35.  Bischof  Älbrechty  vertreten  durch  sermo  14  und  15  und 
auch  Bl.  11*  citiert,  ist  in  dieser  Umgebung  gleichfalls  für  Köln 
zeugend,  wo  er  urkundlich  als  Lesemeister  der  Dominikaner  zuerst 
1252  begegnet,  vgl.  Cardauns,  Konrad  von  Hostaden  S.  138;  Finke, 
Ungedruckte  Dominikanerbriefe  des  13.  Jahrhunderts  S.  19.  52. 
Endlich  spricht  zu  Gunsten  der  rheinischen  Metropole  —  von  Kölns 
Tfaffen'  hiess  es  damals,  sie  seien  nebst  denen  von  Paris  'die  besten 
vor  allen  Reichen'  (von  der  Hagens  Germania  8,  307)  —  noch  der 
Umstand,  dass  das  seelsorgerische  Wirken  einer  grösseren  Reihe  von 
Geistlichen  an  einem  und  demselben  Orte,  in  einem  Frauenkloster 
oder  Beginenhausi),  einen  grösseren  Mittelpunkt  geistlichen  Lebens 
voraussetzt.  Dass  die  Sermone  für  eine  weibliche,  und  zwar  klöster- 
liche Zuhörerschaft  bestimmt  sind,  ergibt  sich  aus  einer  Stelle,  wo 
der  Prediger  sich  direct  an  die  'Klosterjungfrau'  wendet  (Bl.  16*): 

an  vrage  ich  dich  iancvrouwe,  du  da  inme  cloistere  bist,  of  du  wolt  lazen 
dat  cloisterleven,  dat  du  ere  inde  rigdam  dieser  werilde  haves  inde  wale 
ezzen  inde  wale  drinken?  ich  sprechen:  nein  ich! 

Und  auch  die  folgenden  Stellen  kann  man  sich  nur  vor  einem 
weiblichen  Publikum  vorgetragen  denken: 

BL  97*  Dat  liet  heet  ouch  an  ieme,  dat  it  schinit  up  unvlediche 
dinc  inde  dan  af  inwirt  id  niet  bevleckit.  hi  bi  sin  gelerit  die  giene  die 
bewilen  wiilent  die  lüde  bekerin  van  ieren  sündeu  inde  sünderliche  vronwen- 
namen.  wirdis  du  geware,  dat  dine  reinicheit  noch  bevleckit  mach  werden, 
so  la  in  liever  in  siner  boisheit  alleine  dan  dat  he  dich  mit  ieme  zie  in 


1)  Vgl.  J.  B.  Haasz,  Die  Convente  in  Köln  und  die  Beghinen.     Köln  1860. 
S.  32.  34;  Cardauns,  Konrad  von  Uostaden  S.  129  f. 


28 

sine  boisheit,  want  de  dügentliche  werc  sal  wirken,    de  müz  ieme  selver 
gewalt  dün  inde  müz  inboyen  sich  wirken. 

BL  101*  du  inmait  onch  niet  zu  retheme  namen  heischen  vroawe, 
du  inhavis  alle  die  dinc  virwunnen,  die  dich  hinderen  mügen. 

Ob  auch  Bl.  88^  (s.  unten  Excerpt  21)  in  diesem  Zusammen- 
hang angeführt  werden  darf? 

Auf  die  Örtlichkeit  und  Umgebung,  wo  und  in  der  die  Predigten 
gehalten  worden  sind,  wird  gelegentlich  angespielt,  vgl. 

BL  83*  Man  sprichit  dat  der  mensche  süle  werden  claire  dan  die 
sünne.  (83b)  inde  ich  spreche,  dat  in  dieseme  huiz  ingein  mensche  inia, 
he  insi  hundert  werf  claire  wan  die  sunne  intgegenwordich  also  viele, 
alse  geistliche  dinc  werdiger  sint  dan  weriltliche  dinc. 

BL  86*  .  .  .  also  dat  ein  mensche  mothe  uzer  deme  huis  gain  up 
diesen  kirchof,  dat  he  me  lonis  neme  dan  ein  ander  de  zu  sente  Jacobe 
gi-'nge.     dit  Sprech  ich  durch  einis  menschen  wille  of  durch  zweijere. 

Welcher  Gemeinschaft  aber  haben  wir  die  Prediger  zuzuweisen, 
wenigstens  ihrer  Mehrzahl  nach?  Ich  glaube,  dass  dafür  der  Domini- 
kanerorden^) in  erster  Linie  in  Betracht  kommt  und  zwar  auf  Grrund 
einiger  Stellen  in  zwei  Predigten  (Nr.  31  und  32)  des  Magisters 
Gerhard,  der  damit  dann  selbst  dem  Predigerorden  wird  zugewiesen 
werden  müssen.  Bl.  86*.  90*  wird  von  dem  genannten  Prediger  das 
Thema  Apoc,  7,  2  behandelt  und  der  'andre  Engel'  zunächst  auf  S. 
Dominicus  bezogen: 

Hi  bi  is  uns  gegeven  zu  virstane  sente  Dominicus  of  ein  ander  volkümen 

lerere,  die  mit  iere  lerin  die  werilt  irluthit  haint. 

BL  87*»    Nu   sprichit   he   (Johannas):    ich    sach    in    kümen    vanme 

hiemele.     dat   diese  persone  (Dominicus)   diesen   ordin   auevienc,    da    der 

werilde    alse    viele   nutz   is   ave   kümen,   dat   was   eine   sunderliche    gave 

vanme  hiemele. 

BL  91^   des  hadde  sente  Dominicus  Urkunde   van   deme   pavese,  de 

sin  leven  beschrieven  hait    (welcher  Papst  ist  gemcinty  Gregor  IX.  ?  ein 

Papst  als   Verfasser  einei'  Vita  des  h,  Dominicus    i^t    nicht    bexeugi), 

dat  he  nie   hovitsunde  ingedede,   want  sunder   dagelis   sunde   inmothe  he 

niet  leven. 

Das  vergleichsweise  Hervorheben  des  Dominicus  ist  jedenfalls 
beachtenswert.  Es  wird  noch  bedeutsamer,  da  ausserdem,  wie  schon 
erwähnt,  Bischof  Albrecht  (Albertus  Magnus)  mit  einem  Citat  (Bl.  11*) 
und  zwei  Predigten  erscheint,  deren  erste  eine  Blütenlese  von  ver- 
schiedenen Aussprüchen  dieses  berühmten  Ordensmitgliedes  ist,  der 
frater  Ulncus  provincialis  aber,  dem  sermo  29  zugeschrieben  ist,  kaum 
ein  anderer  sein  kann  als  Alberts  des  Grossen  Schüler  und  Freund 
Ulrich  Engelbert  von  Strassburg,  der  in  den  Jahren  1272 — 1277 
Provinzial  der  deutschen  Provinz  des  Dominikanerordens  war  (s. 
Finke,  Ungedruckte  Dominikanerbriefe  des  13.  Jahrhunderts  1891 
S.  18  if. ;  Michael,  Geschichte  des  deutschen  Volkes  3,  123;  M.  Grab- 


>)  über  das  angesehene  Kölner  Dominikanerkloster  s.  Cardauns,  Konrad  von 
Hostaden  S.  136  f;  die  Frauen  von  S.  Gertrud  waren  den  Dominikanern  unterstellt, 
s.  ebenda  S.  116;  Annalen  38,  32.    Sollten  vor  ihnen  unsere  Predigten  gehalten  sein? 


mann  in  der  Zeitschrift  für  katholische  Theologie  29,  82.  315.  482. 
()07).  Damit  ist  dann  noch  ein  weiterer  Anhalt  gegeben,  die  Ab- 
fassung der  Predigten  ins  13.  Jahrhundert  zu  setzen.  Wer  aber  ist 
der  meister  (magister)  Get-ard,  von  dem  nicht  weniger  als  22  Sermone 
(Nr.  18 — 28.  30 — 40;  dazwischen  steht  die  Predigt  des  Provinzials 
Ulrich)  vorliegen.  Magistri  mit  dem  Namen  Gerhard  begegnen  im 
13.  und  14.  Jahrhundert  in  den  zahlreichen  Kirchen  und  Klöstern 
Kölns  mehrfach.  Für  uns  können  aus  dem  oben  S.  28  angeführten 
Grunde  nur  solche  Namensträger  in  Frage  kommen,  die  dem  Prediger- 
orden angehören.  Quetif-Echard  nennen  Scriptores  Ord.  Praed.  1, 
725*  Gerardus  Coloniensis  Teuto  aus  dem  14.  Jahrhundert  (1314)  als 
Verfasser  zweier  Schriften  De  meduUa  (medela)  animae  und  Recreatio 
animae ;  ob  Johann  Meyer  im  Recht  ist,  wenn  er  Giraldus  Coloniensis 
in  die  Liste  der  sacre  pagine  doctores  einreiht,  bleibt  freilich  fraglich 
(Denifle  im  Archiv  für  Literatur-  und  Kirchengeschichte  2,  190  £F.). 
Eher  möchte  ich  an  Gerhard  von  Minden  denken,  an  den  frater 
Gerardus  theuton.  bacularius,  der  super  metaphysicam  und  super 
Ecclesiasten  geschrieben  hat  und  um  1277,  von  andern  vor  1400  an- 
gesetzt wird  (Quetif-Echard  1,  725^;  Denifle  aaO.  2,  240).  Heinrich 
von  Herford  zählt  ihn  neben  Ulrich  von  Strassburg,  Dietrich  von 
Freiberg  und  anderen  zu  den  berühmtesten  Theologen  des  Prediger- 
ordens in  der  zweiten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  (Liber  de  rebus 
memorabilioribus  ed.  Potthast  1859  S.  204).  Den  Prior  de  Wizenhurg 
(Nr.  ()),  der  von  Johannes  und  Conrad  von  Weissenburg  (Wacker- 
nagel, Literaturgesch.  §  90  Anm.  55)  fernzuhalten  ist,  mit  dem  dor- 
tigen Dominikanerkloster  in  Beziehung  zu  bringen,  wäre  voreilig,  da 
das  Kloster  erst  1288  erbaut  wurde  (MG.  SS.  17,  215,  33);  auch 
begegnet  ein  minir  hrfider  als  Verfasser  von  Nr.  11,  wo  freilich  die 
Bezeichnung  der  Ordensgemeinschaft  nachträglich  auszuradieren  ver- 
sucht worden  ist. 

Wir  müssen  uns  zunächst  an  diesen  Andeutungen  genügen  lassen. 
Leider  sind  alle  meine  Nachforschungen  nach  urkundlichen  Belegen, 
bei  denen  mich  die  Herren  Archivdirektor  Dr.  Hansen  und  Archivar 
Dr.  Keussen  freundlichst  unterstützt  haben,  wofür  ihnen  auch  an 
dieser  Stelle  herzlicher  Dank  gezollt  sei,  ergebnislos  geblieben. 
Ersterer  schreibt  mir,  dass  das  Archiv  und  die  Bibliothek  des  Kölner 
Dominikanerklosters  ganz  besonders  schlecht  überliefert  ist,  dort  nur 
unbedeutende  Fragmente  vorhanden  seien,  und  auch  das  Düsseldorfer 
Staatsarchiv,  dessen  das  Dominikanerkloster  betreffende  Archivalien 
erst  mit  dem  Jahre  1330  beginnen,  nichts  für  unsere  Fragen  enthalte. 

Die  Form,  in  der  die  Sermone  überliefert  sind,  verlangt  ein 
kurzes  Eingehen  auf  die  Art  ihrer  Aufzeichnung.  Da  ihnen  jede  An- 
rede an  die  Zuhörerschaft  abgeht,  sie  ohne  jedes  ermahnende  Wort 
am  Schluss  ausklingen  —  nur  Nr.  30  und  34  kennzeichnen  das  Ende 
in  besonderer  Weise  — ,  könnte  die  Annahme  zunächst  berechtigt 
scheinen,  in  ihnen  Niederschriften  von  sog.  Collationen  zu  sehen  und 
daraus   die   losere  Form    zu   erklären.     Auch   das    oft   frei   gewählte 


30 

Thema  könnte  dafür  sprechen.  Möglich  aber  auch,  dass  unsere  Hand- 
schrift direct  oder  indirect  aus  Nachschriften  von  Predigten  hervor- 
gegangen ist,  die  bei  der  schriftlichen  Wiedergabe  bereits  gleichzeitig 
oder  später  insofern  eine  Redaktion  erfahren  haben,  als  dafür  die 
Form  des  Excerpts  gewählt  wurde;  es  kam  dem  Aufzeichner  nur  auf 
das  Wesentliche  an.  Dann  aber  konnten  die  formelhaften  Eingänge 
sowie  die  Schlussformeln  in  W^egfall  kommen.  Vor  allem  jedoch  lässt 
sich  die  excerpierende  Methode  daran  erkennen,  dass  bisweilen  von 
dem  Prediger  in  dritter  Person  geredet  wird,  so  wenn  es  mitten  in 
einem  Sermon  des  Weissenburger  Priors  heisst:  der  hrüder  Sprech 
(s.  unten  Excerpt  5)  und  in  gleicher  Weise  Meister  Gerhard  in  seinen 
eigenen  Predigten  citiert  wird  (s.  unteij^  Excerpt  18  und  31).  Die 
als  Bysckof  Ailbrets  Sermon  bezeichnete  Nr.  14  (s.  unten  S.  34  ff.)  setzt 
sich  aus  lauter  Excerpten  und  Aussprüchen  Alberts  des  Grossen  zu- 
sammen, die  jedesmal  mit  OwoA  sprach  he  dit  wort,  an  einer  zU  sprach 
he  ouch  ein  wort  und  ähnlichen  Wendungen  eingeleitet  werden. 

Ihrem  Inhalte  nach  knüpfen  die  Sermone  meist  an  den  in 
deutscher  Sprache  —  allein  Nr.  14  zeigt  lateinischen  Eingang  — 
gegebenen  biblischen  Text  an,  auch  freiere  Themata,  für  die  die 
Anregung  aus  dem  traditionellen  biblischen  Stoff  geschöpft  ist,  ohne 
sich  an  eine  bestimmte  Textstelle  anzulehnen,  sind  beliebt.  Vereinzelt 
wird  von  einem  apokryphen  Citate  ausgegangen  (Nr.  6).  Die  Aus- 
legung im  Einzelnen  schaltet  bald  in  grösster  Ungebundenheit  mit 
dem  Bibelwort,  bald  zergliedert  und  zerfasert  sie  den  Text  echt 
scholastisch,  mit  sichtlichem  Behagen  an  zahlreichen  Einteilungen 
und  ergeht  sich  in  allegorischen  und  moralischen,  gelegentlich  auch 
dogmatischen  Deutungen ;  letztere  finden  sich  namentlich  beim  Meister 
Gerhard,  der  zudem  durch  häufige  Berufung  auf  patristische  und 
spätere  Literatur  seiner  Lehre  grösseren  Nachdruck  zu  geben  weiss. 
Ausser  der  heiligen  Schrift  (69*.  83^.  122^)  citiert  er  Augustin  nicht 
weniger  als  19  mal  (57».  65^  66^  68».  71»^  74^  78».  85*.  98*.  103*». 
115*.  120»^  12P.  127•^  128^  132^),  den  h.  Bernhard  8  mal  (67*. 
105^  lll•^  115*.  122^  123».  125»),  s.  Dionysius  5  mal  (73».  74*. 
78^  87^  93»),  s.  Gregorius  3  mal  (73^  123».  125»»),  Origenes  (75». 
106*),  s.  Hieronymus  (126*),  er  zieht  die  Recognitiones  S.  Clementis 
(100*  f.)  sowie  die  Glosse  zu  einem  Marienleben  (?  105*)  heran  und 
redet  von  des  h.  Athanasius  und  s.  Hilarius  Zeiten  (Excerpt  27). 
Ausserdem  finden  sich  Berufungen  im  Allgemeinen  wie:  darufnbe  sprach 
ein,  de  leider  unsis  geloven  niet  inwas  (Excerpt  13),  ein  heilige  sprichü 
(Excerpt  14.— 71*.  73»),  ein  heilig  man  (106»),  die  meistere  (103*.  125»). 
Auch  den  übrigen  Predigern  ist  Augustin  Hauptquelle:  sie  nennen  ihn 
12  mal  (15*.  21».  27*  (2  mal).  29».  30».  31».  32».  32*  (2  mal).  35*.  41*) 
und  sonst  noch  den  h.  Bernhard  (22*),  s.  Gregorius  (28»),  s.  Dionysius 
(81»);  vgl.  auch  ein  heilige  sprichit  (13».  15*),  ein  heilich  wisman  sprach 
(31*),  die  meistere  sprechint,  die  heidene  7neistere  sprachen  (Excerpt  9). 

Der  verhältnismässig  grosse  Gitatenreichtum  ist  übrigens  dem 
seelsorgerischen  Zweck,  den  die  Prediger  verfolgen,  nicht  hinderlich 
gewesen.     Neben  der  Umschreibung  und  Ausdeutung   des   biblischen 


31 

Wortes  behandeln  sie  meist  allgemein  erbauliche  Fragen  und  suchen 
die  einzelnen  Glaubenswahrheiten,  hie  und  da  sogar  in  warmherziger 
Rede,  ihren  weiblichen  Zuhörern  nahe  zu  bringen.  Sie  erschliessen 
ihnen  das  Wesen  Christi,  der  Maria,  der  Engel  und  des  heiligen 
Geistes,  predigen  ihnen  von  der  Sünde  wie  von  der  Minne,  insbesondere 
der  göttlichen,  von  Furcht  und  Hofinung  und  wahrem  Frieden,  von 
den  guten  Werken  und  dem  Zweck  des  Fastens,  von  der  Seele  und 
vom  Menschenherzen,  in  das  Gott  kommen  soll,  vom  Aufgehen  in  Gott 
und  geistigem  Schauen,  von  der  geistigen  Taufe  und  von  der  Auf- 
erstehung. Sie  reden  ihnen  von  den  Kindern  der  Welt  und  des 
Lichts  und  lassen  vor  ihnen  das  Ideal   des  guten  Menschen  erstehn. 

Was  die  Persönlichkeit  der  einzelnen  Prediger  betrifft,  so  tritt 
nur  Meister  Gerhards  Bild  schärfer  hervor,  da  die  Überlieferung  bei 
ihm  verhältnismässig  reich  fliesst.  Es  fehlt  seiner  Predigt  nicht  an 
markanten  Zügen.  Sie  ist  einerseits  stark  scholastisch  gefärbt  und 
gefällt  sich  bisweilen  in  spitzfindigen  Deductionen;  andererseits  aber 
weiss  der  Redner  seine  Ausführungen  subjectiv  zu  beleben,  in  dem 
er  seinen  Standpunkt  gegenüber  den  Auffassungen  anderer  {sümeliche 
sprechent,  haint  gesp'ochen  47'.  G5*.  127*  vgl.  auch  103^)  darlegt, 
dogmatische  Fragen  gegenüber  ketzerischen  Ansichten  (Excerpt  11, 
vgl.  auch  59**  Excerpt  15;  102»  Sermo  34)  verficht,  dabei  aber  sich 
sehr  wohl  der  Grenze  päpstlicher  Machtvollkommenheit  bewusst  ist 
(54*  Sermo  22;  der  Papst  wird  auch  im  Excerpt  15  genannt).  Der 
Prälaten  Rechte  voll  anerkennend  (Excerpt  24),  äussert  er  sich  doch 
freimütig  über  die  Herrschsucht  und  Rechthaberei,  Ungerechtigkeit 
und  Übervorteilung  im  geistlichen  und  weltlichen  Stande  (101^  ff. 
Sermo  34  über  Richter  und  solche,  die  gern  Prälaten  wären,  vürkouf 
mit  Wein  und  Korn).  Das  geistige  Niveau  seiner  Zuhörerschaft  muss 
er  ziemlich  hoch  einschätzen,  wenn  er  (85*  Sermo  30)  meint,  nur  die 
Bauern  und  Leute  ihres  Schlages  Hessen  sich  vorpredigen  von  der 
Hölle,  in  der  es  Kröten  und  Schlangen,  Schwefel  und  Pech  gebe: 
dem  diet  müsse  man  die  blose  Wahrheit  zu  predigen  verstehen.  Er 
weiss  durch  Fragen  und  Ausrufe,  durch  stilistische  Häufungen  und 
Wiederholungen  seinen  Vortrag  zu  würzen  und  wählt  seine  Ver- 
gleiche gern  aus  dem  täglichen  Leben,  indem  er  auf  Hausbau 
(Excerpt  14),  Gewichtsverhältnisse  (55^.  56»  Sermo  22),  Schiffswesen 
(Excerpt  36.  37.  38),  Jagd  (Excerpt  28.  32),  den  ärztlichen  Beruf 
(54^  Sermo  22)  und  das  Verhältnis  des  Amtmanns  zu  seinem  Herrn 
(Excerpt  23)  anspielt;  oder  er  veranschaulicht  seine  Lehre  durch 
Hinweise  auf  die  Naturkunde,  auf  Physik  und  Chemie  (Gesetz  der 
Schwere;  Blei,  Kupfer  und  Gold,  Excerpt  25.  32).  Auch  die  Excerpte 
17.  33.  35  entbehren  nicht  des  Originellen. 

Weiteres  muss  einer  vollständigen  Publication  der  Predigten 
vorbehalten  bleiben.  Ich  bringe  im  folgenden  sechs  Sermone  zum 
Abdruck,  denen  sich  eine  Reihe  von  Excerpten  aus  den  übrigen 
anschliessen  möge.  —  Den  Herren  Prof.  Bihlmeyer  und  Steph. 
Beissel  S.  J.  habe  ich  für  freundliche  Unterstützung  beim  Aufsuchen 
einiger  entlegenerer  Quellennachweise  auch  an  dieser  Stelle  zu  danken. 


82 

Sechs  Predigten. 
3.    Sermo  Ruft  priori». 

(4^)  Zien  dinc  hast  unse  Here,  die  süle  wir  (5*)  onch  hassen.  Dat  eirste 
dat  sint  die  ho  siende  ongen.  dat  sint  ho  siende  ongen,  die  alwege  uver 
sich  sient  na  eren,  na  gewalt,  na  rigdüme  inde  na  weriltlichen  sacben. 
alieine  he  dit  hast  an  allen  laden,  doch  hast  heid  sanderliche  an  armen 
6  laden,  want  si  haint  ein  niedertrecken  zu  oitmüdicheide.  Dat  ander  is 
die  liegende  znnge.  aller  andagt  mach  man  büze  sander  der  liegender 
Zangen.  Dat  dirde  is  blüt  starzen.  Sente  Johannes  spricht:  de  is  man- 
slait,  de  den  anderen  hast.  Vier  sunden  sint,  die  wilt  Got  niet  lange 
beiden,   he   inwrecliRe.     die   eine   dat   is   manslait.     Dat  ander   is  anmen- 

10  Bchelighe  sanden  wieder  die  natare.  dat  dirde  is  anreit  gewalt  üver  die 
armen.  Dat  vierde  is  dat  man  den  (5^)  armen  iren  loin  inthelt.  Dat 
vierde  dat  Got  hast,  dat  sint  die  vüze,  die  zu  den  sanden  geint,  da  salt 
dich  doch  beraden  einen  dach  ove  zwene,  e  dn  zu  den  geis.  da  in  taschen 
mag  dir  Got  sine  genade  geven,  dat  der  sanden  gehut  werden.     Dat  fanfte 

15  dat  Got  hast,  dat  is  ein  grimmich  herze,  dat  allewege  vol  zomis  is. 
Dat  seiste  dat  is  valz  gezach.  Dat  sievende  dat  is  ein  herze  dat  alwege 
nnvride  inde  arlüge  sait  ander  den  laden  inde  bort  hie  ein  wort  inde 
draidit  dare  inde  bort  da  ein  wort  inde  dreidit  her  wieder.  Dat  eichte 
dat   sint  die   da   sint   van  Esaawis  geslethe,    dat   sint   die  giene,    die  so 

20  lietlicben  virkovint  ire  genade  nmbe  eine  deine  gelast  ove  ambe  eine 
deine  genngde.  (6»)  die  sülen  sig  selver  prüven,  want  si  schinent  dügde 
baiu.     dit  is  ein  gedwnngen  dinc.     büde   iman  ied  drambe,   id  were  alse 

wale  Teile  alse  dat  ander.     Dat  nande  dat  Got  hast,  dat  sint  des 

kint.     dat  sint   düvels  kint,  want  si  wirkiut  sine   werc.     Dat  ziende   dat 

25  Got  hast,  dat  sint  die  vremde  bielde.  Unse  here  zoinde  eime  Prophetin 
den  Tempil  van  Jhernsalem  inde  sprach:  graf  darg.  du  vant  he  dinne 
manicher  kunne  grawelicher  bielde.  Du  sprach  he:  alsus  heit  sich  die 
dother  van  Jernsalem  inb innen  gemailt. 

8.    Frater  Henriens  de  sanetis  virginibas. 
(18^)  Sente  Panlas   spricht:   cleidt  ach  mit  der  minnen.     alse  der  mantel 

30  me  zierit  dan  die  cleidere  inde  dare  inde  werdere  is,  also  zirt  die  minne 
alle  dügede.  Karitas  beist  die  minne,  da  ans  Got  mit  gemint  hait,  dat 
is  die  in  alzemale  satche  azer  ime  selvere  in  ans.  mit  der  selver  minnen 
süle  wir  in  wieder  minnen.  Sieyen  zeighen  sint  an  der  minnen,  di  die 
giene  hant  die  eflichen  minnent.     Dat   eirste   zeighen  dat  is,   dat  si  viele 

35  gedenkint  inde  viele  begrifent  mit  der  begerrnngen.  lutzil  sprechint  also, 
dat  id  nieman  inmach  verstain  dan  den  si  minnent.  dit  is  an  den  gienen, 
die  alzemale  nzer  in  selven  sint  gesath  in  Got.  mit  balven  worden 
sprechent  si  also,  dat  id  nieman  inmach  virstain  dan  den  si  minnent 
(18^)   alse   die   sele  in   der  minneu  buche  spricht:   Min  lief  mir  inde  ich 

40  ime.  wat  is  dit  gesprochen?  we  kande  dit  verstain  dan  der  gien  alleine 
den  si  mint?  Dit  is  gesprochen:  min  lief  beet  mir  alzemale  geleeft  inde 
ich  hain  ime  alzemale  geleeft.  Etzeliche  lüde  willint  Gode  leven  inde 
oach  der  werilde.  des  inmac  niet  sin.  Sente  Johannes  sprichit:  so  we 
der  werilde  leevit,   de   is  Gots   vient,   min  lief  is   mir  ze  male  gestorven. 


5  niedertrecken,  rfo«  t  erat  durch  JRasur  entstanden.  7  1.  Joh.  3,  16.  14 
lies  dir  s.  gehat?  die  Hs.  Hesse  freilich  gehaz  erwarten.  23  die  Lücke  in  der 
IIs.    25  Hcsek.  8,  8  f.     29  Koloss.  3,  12  flf.    39  Uohel  2,  16.    43  vielmehr  Jak.  4,  4. 


3$ 

inde  ich  bin  ime  ze  male  gestorven.  Min  lief  kümt  mir  alleine  evene  inde 
ich  körnen  ime  alleine  evene.  Min  lief  is  mir  ein  loin  alle  siner  pinen 
inde  arbeit.  Want  alle  sine  pine  hait  he  durch  mich  gelieden.  (19*)  Dat 
ander  zeighen,  dat  die  giene  haint  die  efliche  minnent,  dat  is  dat  in  ir 
5  gebeene  virdorrit  van  minnen.  Dat  is  geistlichen  an  den  gienen,  die  nzer 
in  selven  sint  gesath  in  groze  minne,  dat  alle  vleisliche  begerrange  vir- 
dmgit  an  in.  der  duvel  vlnet  diese  sele,  want  wa  der  davel  netzede  yint, 
dar  setzt  he  einen  ynz.  Dat  dirde  zeighen  dat  si  haint  die  efiichen  minnent, 
dat  is  dat  in  die  oogen  in  vallint.     Dit  is  geistliche  an  den  gienen,  die 

10  mit  minnen  alze  male  in  Got  sint  gesath.  Die  sele  heet  zwei  ougen  da 
ii}it  dat  si  siet.  dat  eine  dat  is  ir  verstentenisse.  Dat  ander  is  ir  begeringe, 
die  heet  die  sele  in  gezogen  inde  s^*t  alwege  inwendich,  dat  si  niet  indü,  dat 
sinen  engen  (19^)  missevalle,  want  he  alwege  in  dat  herze  siet.  euch  s\jt  si 
dmmbe  inwendich,  wanne  dat  he  küme  of  wanne  dat  he  vare.    wanne  kamt 

15  Qot?  alse  he  dir  nuwe  inigheit  brengit.  wanne  yert  Got  yan  dir?  alse  he  dir 
die  genade  inzuit.  dat  deit  he  nmbe  vnnf  dinc.  Dat  eine  dat  he  die  begeringe 
mere  inde  wide,  want  he  wilt  kamen  mit  nnwer  genaden.  want  id  infngt  eime 
grozeme  herren  niet,  dat  he  in  ein  arm  hnis  kftme.  Dat  ander,  dat  der  mensche 
die  oitmüdiger  werde  inde  dat  he  dat  bekenne,  dat  he  niet  inhave,  id  insi  van 

20  Gode.  ein  riugeleet  liet  geit  nzer  Gode  in  die  Engele.  alse  si  dat  besient, 
dat  si  Got  van  siner  eigener  güden  hait  gemachit,  so  drant  sit  wieder  in 
Got  ime  zu  love.  alsus  deit  die  (20*)  sele.  Dat  dirde  dat  si  der  kost  niet 
gedragen  inmach,  want  die  sele  is  also  affeit,  mothit  an  iren  willen  sin,  si 
virdede  np  einen  dach  also  viele   si  inknnde  binnen  vnnf  iaren  niet  vir- 

25  gelden.  Dat  vierde  dat  die  sele  prüve,  wie  engistlich  dat  geschiet,  is, 
dat  die  sele  ewegclichen  van  Gode  is  gescheiden,  want  düsint  hellen  insint 
niet  alse  swair  ze  lidene  alse  van  Gode  zu  scheidene.  Dat  vunfte,  alse 
he  dan  kamt,  dat  si  in  wirtlicher  behalde.  Dat  vierde  zeighen  dat  die 
giene  haint,  die  efliche  minnent,   dat  in  die  engen  verdrugent,  dat  si  niet 

30  schrien  inmügen  nmbe  allit  dat  in  geschiet.  ane  hoirden  si  einen  minnen- 
sanc  van  deme,  dat  si  minnent,  so  schruwen  si.  alsus  deit  oug  die  sele,  die 
nzer  ir  selver  is  gesath  (20^)  in  Got:  den  sint  die  treue  oug  virdrugit. 
also  wat  in  geschiet  an  vrunden  inde  an  magen,  an  schade  des  güdes,  mit 
sugeden   an   ieres   selvis  live,   darumbe   inmügen   si   niet  schrien,     wanne 

35  hoirden  si  einen  minnensanc  van  ierme  lieven  herren  Jhesu  Christo,  so 
•schruwen  si  ein  minnensanc,  dat  is  die  mettene,  want  unse  herre  Jhesus 
Christus  durch  iere  minne  gevangen  wart.  Ein  minnensanc  dat  is  die 
prime,  want  unse  herre  Jhesus  Christus  durg  iere  minne  vür  geriethe  stunt. 
Ein  minnensanc  is  die  Tercie,  want  unse  herre  Jhesus  Christus  durch  iere 

40  minne  gegeissilt  wart,  ein  minnensanc  is  die  Sexte,  want  he  durch  iere 
minne  an  dat  cruce  geslagen  wart,  ein  minnensanc  dat  is  n&ne,  want  he 
durch  iere  minne  anme  cruce  (21*)  starf.  alse  sente  Agustinus  spricht: 
0  herre,  da  ich  der  minnen  sanc  hoirde  singen,  du  goiz  ich  riueliche  die 
treue  lüde  mir  was  wale  mit  in.    Dat  vunfte  zeighen:  dat  in  der  puls  sere 

45  sleit  inde  sprinct  in.  der  seien  puls  dat  is  ir  begeriuge,  de  sleit  alwege 
ho  in  Got.  Alse  der  propheta  sprichit:  Min  herze  inde  min  lif  sprinct  in 
den  levenden  Got.  Dieseme  slüch  sin  puls  sere.  Alse  der  propheta  sprach 
an  einre  ander  stat:  wanne  kam  ich  vür  sin  antlietze?  want  ich  des  niet 
inhain,  darumbe  sint  mir  mine  treue  eine  spise  nait  inde  dach.     Dat  seiste 

50  zeighen :  dat  si  geent  alse  si  virbaist  sin.    wat  man  in  sait  van  der  werilde. 


46  Fs.  84,  8.    48  Fs.  42,  8  f. 
FMtgab«  (Kd.  Jb.  XXXYU). 


34 

si  geberiut  alse  si  intslaven  sin.  aue  wat  mau  iu  sait  vau  irme  lieven 
herren  Jhesu  Christo,  so  intspringent  si.  (21^)  dan  af  kumdit,  dat  si  loifvent 
van  einer  predgaden  zu  der  andere  inde  inkünnius  niemer  sath  werden. 
Dat  sieveude  zeigheu  is:  aisi  ein  gelignisse  si^nt  des,  dat  si  miunent,  so 
5  wenent  si  in  mer,  dat  id  dat  si  dat  si  minnent,  inde  werdint  van  eima 
traue  alse  dmnken,  dat  si  inwiszen,  wie  si  geberen  mügen.  Alsas  geschag 
sente  Petro,  du  in  unse  here  np  den  berg  geleit  hadde  inde  sente  Johannem 
inde  sente  Jacobnm.  Du  sich  unse  herre  da  virwandilde  vür  in,  dat  i'me 
sin  antlietze  wart  alse   die   saune  inde   sine  cleidere  wis   alse  des  sne,   du 

10  erschein  da  Elyas  inde  her  Moyses  inde  reeden  mit  irme  heren.  Hin  af 
was  sente  Peter  so  drunken  worden,  dat  he  inwiste  wat  he  sprach.  Herre, 
sprach  he,  la  aus  hie  macheu  (22*)  dru  gezelt:  dir  ein  inde  Moysi  ein  inde 
Elyas  ein.  Dra  gezuch  hain  wir  van  den  heiligen,  dat  he  inwiste  wat 
he  sprach.     Dat  eine  is,   dat  unse  herre  wieder  in  lange  gesprochen  badde, 

15  dat  he  zu  Jerusalem  den  doit  solide  lieden.  dis  hadde  (he)  allis  virgessin 
van  dranckingheide.  Dat  ander  is,  dat  Ysaias  hadde  gesprochen:  dat  nie 
oage  ingesag  noch  nie  ore  ingehoirde,  dat  halt  Got  sinen  vrunden  bereit, 
dat  sach  he  bit  oagen  inde  hoirdit  bit  oren 

14.    Byschof  Ailbrets  Sermon. 

(32*)  Benedicamus   patrem   et   filiam    cum   sancto   spirita.     Wir  loven  den 

20  vader  inde  den  sün  bit  deme  heiligen  geiste.  Weirliche  de  lovit  den  vadir, 
de  in  lovit  iu  deme  geiste  inde  in  der  wairheit,  inde  de  lovet  den  sün,  de 
iu  lovit  in  heilicheide  inde  in  gereitheide.  Agustinus  sprichit:  Der  beilige 
geist  si  der  miunen  baut.  Blut  mich  minnincliche  zu  der  minneu  inde 
werliche  zu  der  wairheit  inde  darnechtliche   zu  der  gereitheide,   dat  ich  in 

25  der  minneu  blive,  waut  da  biz  minne  inde  du  biz  wairheit  inde  da  biz  (32^) 
heilige  süzicheit,  da  minliche  inde  du  herzeliche  unse  herze  durch  geit. 
dit  geschie  na  minneu  begerde. 

An  deme  latine   dat  da  vüre  geschrie ven   steit,  so   wart  viele  güdis 
gesprochen  van    meister  Albrethe.     Etzeliche    sine    wort   dun    wir  scbriven 

30  ambe  güit,  dat  id  ans  blive  iu  anseme  gehachenisse,  waut  selich  sint  sl 
die  dat  wort  horent  inde  dat  behaldent,  alse  unse  herre  sprichit.  In  eime 
sermone  sprach  Agustinus :  Got  de  was  ie  guit  inde  ein  güit,  de  siner  gülden 
volheit  niet  gedrageu  inkünde,  heue  geschnffe  edele  creaturen,  die  sin  güit 
intfain  mothen.     waut  dat  is  recht,   dat  dat  geregthe   güit  alwege   si  vlie- 

35  zinde  iu  sime  güide.  Dat  is  gerecht  güit,  sprach  Agustinus,  dat  ieme  selver 
niet  vluzet  inde  in  deme  vloze  wirt  gewit  (33*)  lüde  gemerit  van  der 
miunen,  dat  it  vliezeu  müz  inde  dat  it  hitzeliche  inde  balde  mit  sines 
selves  weseue  na  sturcende  is  sime  güit.  0  we  is  dit  güit?  dat  sprechent 
alle   die   heiligen,   it   si   Got.     0  güit  inde    güde!    güide    mich   mit    diner 

40  güiden,  so  werde  ich  güit  inde  edel  mit  dinen  engelen  inde  mit  dinen 
heiligen  zu  intfelne  dat  güit  dat  du  biz.  Inde  etzelich  wort  wart  ge- 
sprochen van  heydenen  inde  ein  de  sprach,  wat  dat  were:  rechte  weelde. 
Is  dat  weelde  :  schone  wesen  inde  schone  ezzen  inde  schone  drinken  inde 
schone  cleidere  dragin  inde  müzich  gain  inde   manich   andere   dinc,  die  de 


2  loifuent.  6  MaUh.  17,  1  ff.  15  haddin.  16  Jes.  64,  3.  19  die  do.ro- 
logische  Formel  Benedicamus  patrem  et  filium  cum  sancto  spiritu  (:  laudemus  et 
superexaltemas  eum  in  saecala)  stammt  aus  der  kirchlichen  Liturgie  und  ist  an  das 
zu  den  Laudes  im  officium  divinum  gehörige  Canticum  trium  puerorum  (Dan.  8, 
57— 88J  angefügt.  26  herze]  in  der  IIs.  h'  und  dann  freier  Raum  für  zwei  Buch- 
staben.   31  Luc.  11,  28.     38  volheilt.    38  sime]  si. 


35 

werilt  weelde  daukitV  Neiu  niet!  sprach  de  beiden,  dis  muge  wir  uns 
alze  sere  schämen.  Dat  is  rechte  weelde,  sprach  he,  alse  die  sele  wirt 
berurt  (33^)  van  deme  güide,  dat  ir  natarlich  is.  Eyn  ander  heyden 
sprach  du  zu  dieseme  worde:  Ja!  alse  si  eine  blume  begrifet,  des  si  dan 
5  gevület.  Ja!  sprach  de  meyster.  Wat  is  der  seien  natarlich  güit?  dat  is 
üod  alleine.  Inde  wanne  so  wirt  dine  sele  gerurit  van  irme  naturlicheme 
güde?  Dat  is  alse  si  intfeit  ein  lieth  erkennisse  der  Gotheit  inde  dat  si 
gevület,  dat  Godis  wille  in  ire  levit  bit  weelden. 

Onch  sprach  he  dit  wort:   alse   da  dich  wolt   yirgain   bit  dinen   ge- 

10  denken,  so  salta  din  herze  setzen   ander  die  flammende  Seraph  in  inde  salt 

sien  in  Gode,  in  wat  eren  inde  in  wat  edelcheide  dich  Got  geschaffen  have. 

An  einer  zit  sprach  he  ouch  ein  wort,     etzelich  wart  genumen  van 

deme  geiste  inde  wart  gevurt  up  einin  (34*)  hoin  berch  inboven  die  erde 

inde  ander  den  hiemel,  dat  ein  wenich   minre   si  dan  die  engele   inde  die 

15  heiligen  inde  also  yil  minre  als  man  gecleit  is  mit  dieser  menscheide. 

Ein  ander  wort  sprach  he  oach  Tan  Job.  Des  düvels  vurganc  de  deit 
dat  mere  wallen,  dat  geschiet  als  he  din  herze  vuUit  bit  grozen  bekoringen 
inde  bedrufenisse.  So  geistu  zu  anseme  herren  Gode  of  liethe  an  eine 
heimeliche  stat  vür  einen  alter  inde  clagis  anseme  herren  Gode  din  bedrüfe- 

20  nisse.  van  deme  iamere  dinis  herzen  so  kümit  ein  bitter  wazzer  azer  dinen 
ongen  inde  vlüzit  ap  ansen  heren  inde  mit  bittercheide  kämit  id  van  dime 
herzen  inde  uver  karthe  wile  kümit  id  bit  süzeme  troiste  (34^)  inde  bit 
vroadin  inde  bit  yrieden  gevlözin  zu  dime  herzen,  warambe  is  dat?  dine 
geringe  gazis  du  ap  die  süze  salve,  dat  is  Jhesas  Christus,     darambe  kümit 

25  id  mit  süzicheide  zu  deme  herzin,  want  de  aller  süziste  de  heet  dit  ge- 
mengit  mit  siner  süzer  salven.     also  heizet  he  selve  salvende. 

In  einer  zit  sprach  he  oach  ein  wort,  du  he  viele  sprach  van  minnen. 
Ein  prophete,  sprach  he,  de  sach  unsen  heren  want  inde  he  vragede:  we 
wunde  dich  aldus?     It  geschag    mir,   sprach    he,    in   der   giener  huis,   die 

30  mich  minden.  darambe  is  he  alwege  nawe  want,  want  ime  alle  zit  int- 
gegenwordich  is,  dat  he  minnet  inde  dat  in  wundit. 

An  einer  zit  sprach  he  oach  van  volküminre  oith(36*)müdicheide, 
wie  sich  die  vürsten  in  dieser  werilde  underwundint  der  erin  inde  der  ge- 
walt,  die  Got  alleine  ze  rethe  sal  haven.     allit  dat  ich  have,  dat  geven 

35  ich  inwech  van  minnen  ane  mine  ere  inde  mine  gewalt,  die  ingevich  nie- 
manne, dit  sprichit  he  selve.  Nu  mothe  etzeliche  mensche  denken,  sprach 
he,  hie  miede  inhain  ich  niet  ze  dune,  ich  inbin  ingein  vürste  der  werilde. 
intrüwen,  sprach  he,  ich  vorten,  dat  wir  alle  drane  schaldich  sin,  curteliche 
gesait.     wie  gesohlt  dit  andir?     dat  is  zu  der  zit,  als  dich  des  dankit  van 

40  dir  selver,  dat  du  so  viele  haves  vaa  uaturen  ove  van  genaden,  dat  du 
dich  grozer  dinge  underwindes  ze  düne,  niet  also,  dat  du  gerüfin  sis  van 
Godis  geiste  ove  van  güden  (35^)  lüden,  mer  ecker  dat  da  duis  dinen 
willen  zu  diner  genügeden.  Aldus  beniemis  du  Gode  sin  ere  inde  sine 
weide,  die  he  drave  solde  van  rethe  hain,  want  he  was   de  is  began   inde 

45  he  was  die  wisheit  die  it  geleide  inde  die  güde,  die  it  volbrathe.  Ein 
wort  ouch  David  sprach:  ey  here,  wie  sere  intforte  ich  den  dach,  wilchen 
dach  meinis  du,  David?  sprach  Agustinas.  meinis  du  den  dach  Godis 
antlietzis?  Nein  du!  truwen,  den  intforte  wir  niet,  des  hoffe  wir  alle, 
du  meinis  den  dach   des  gelükis   van   dieser   werilde.     0  here,    sprach    he, 

50  blif  alle  mine  weelde,  want  mir  in  is   niet   weelde   wan  Got  alleine,     des 


28  Sach.  13,  6.    46  2.  Sayn.  6,  9. 

8* 


36 

muge  wir  uns  alze  sere  schämen»  die  so  maniche  weelde  s&kent  an  deinen 
dingen. 

(36*)  Oach  sprach  he  ein  wort,  wie  man  Gode  sin  ere  beneme. 
Dat  is  als  da  mit  schonen  gelaze  inde  mit  worden  van  minnen  ieme  beniemis 
5  sin  herze/  die  intrnwen  liethe  gelogin  sint.  hie  beniemis  dn  Gode  sin  ere 
inde  stoizis  in  van  deme  stüle  siner  weelden.  want  he  sprichit  in  deme 
Propheten,  des  menschen  herze  si  sine  weelde.  zonis  da  enich  gemachit 
gelaiz  TÜr  dime  yründe  ove  vür  iemanne  anders,  dat  die  wairheit  in  dime 
herzin  niet  in  is,  da  deis  groze  sande.     ore   bis   da  nrsache  in  eincheme 

10  dune  dines  gelazis  ove  diner  worde,  dat  die  wairheit  niet  in  is  in  dime 
herzin,  beniemis  da  iemanne  sin  herze  da  miede,  so  beniemis  da  Gode  sin 
ere  inde  sin  gewalt,  want  (36^)  da  anderwindes  dich  des,  des  sich  Got 
anderwinden  solde.  Awi  wie  dicke  geschiet  dit  Tan  ans  laden,  des  wir 
wenich  wizzen  willen! 
15  Zu  einer  zit  sprach  he:  Die  tafele  is  gesath,  die  wirtschaf  is  bereit, 

iien  wir  mit  grozer  begerringen  zu  dieser  grozer  wirschaf,  da  al  is  bereit 
inde  niet  ingebrichit.  die  boden  sint  gesant  manichyeltliche  inde  noch 
alle  dage  werdint  gesant  ans  ze  ladene  inde  ans  ze  rüfene  zu  dieser  wir- 
schaf.    De  allir  beste  bode  dat  is  Godis  geist.    de  wirt  gesant  zä  anseme 

20  herzin  ans  ze  manene  inde  ze  sagene,  id  is  allid  bereit,  dat  wir  balde  ilen 
inde  niet  inmerrin  an  ingeinen  dingen  van  ertriche.  we  sal  ieme  geschien, 
de  diesen  boden  versmeit  inde  verdrivet  (37*)  dicke  van  sime  herzin.  Dii 
sprach  he  ein  engistlich  wort:  also  manichen  guden  gedanc  alse  da  ver* 
drives  van  dime  herzin,  de  dich  manit  din  leven   ze  bezzerne,   also  manich 

26  geznig  sal  ta  haveu  an  dem  dage  des  ardelis  üver  dich  ze  clagene,  dat  da 
diesen  boden  niet  eirliche  intfingis  nog  inwoldis  volgen  siner  warer  leren. 
Ey  intfeit  den  boden  bit  geringe,  de  da  sprichit  zu  anseme  herzen  in  Jhesu 
namen.     amen. 

Nu  an  einer  zit  sprach  he  ong:    wir   sülen   alle  dinc  sien   in   deme 

30  bielde  Godz.  Sis  da  die  werilt  ane  na  diner  genügeden  ove  einich  dinc, 
die  in  der  werilde  sint,  zu  hantz  steis  da  mit  eime  anknizheme  herzin  vür 
Gode.  noch  dan  dat  da  nie  me  nnkniz  inwnrdes  anme  live,  noch  (37^)  dan 
heizes  da  eine  ankaizhe  sele  vür  Gode,  want  dune  soldis  ingeine  weelde 
haven  dan  van  Gode.     da  hees  ieme  anreeth  gedain,  want  da  hees  in  vir- 

35  korin  inde  begeris  ze  gevallene  eime  anderen  minneren.  Godes  weselich 
bielde  dat  solde  also  gesnnkin  sin  in  nnse  sele,  dat  sich  alle  dinc  bielden 
in  anseme  herzen  na  deme  inde  niet  na  unser  genuchdin.  also  sere  soldin 
wir  starin  in  dit  liet  inde  in  dit  bielde  Godis,  dat  wir  alle  dinc  da  miede 
segin,  niet  mit  uns  selveme  noch  niet  mit  der  werilde:   also   solde  uns  ge- 

40  schien  alse  eime,  de  in  die  sänne  starit  inde  dar  na  andirs  wäre  siet. 

22.    Meister  Gerards  Seraoit 

(53^)  Here,  cum,  e  min  kint  sterve  van  deme  natarlichen  dode,  ove  kum, 
e  mine  sele  sterve  van  diner  genaden  ove  mit  einicheme  dode  der  hovit- 
sanden.  in  deme  worde  dat  he  sprichit  *here\  da  ane  irzoint  he  ime  8in[r]e 
Gotliche  ere  inde  vorte.  da  liet  anevanc  allir  sanden:  alse  da  eine  sache 
45  irknsis  inde  dar  np  mit  allir  diner  begerden  veivlnzis  wieder  Got  sander 
vorte,  da  miede  rovis  da  Got  siner  eren,  des  he  siner  müdir  niet  ingande. 
he  heet  alle  dinc  geschaffen  zu  gebrnchene  zu  noitdnrticheide,  neit  zä  ge- 
n&geden.    AI  nnse  genügede  sal  van  Gode  sin.    0  virküm,  herre,  inde  vir- 


1  wo?    15  vgl  Luc.  14,  16  f.    88  dat]  dar.    41  Joh,  4,  49.    44  anevanc,  vanc 
über  ursprünglichem  wech. 


37 

gif  die  Sauden  inde  bele  mine  wunden.  Du  aalt  dat  wiszen,  die  minste 
sandin,  die  da  ie  gededis,  (54*)  der  inmach  dir  yirlazen  ingein  priester 
noch  der  pavis  selye,  mer  6ot  alleine,  si  mügen  dich  wale  dar  zu  be- 
reidigen,  mer  sunden  virgeveni  dat  is  ein  also  groiz  werc,  dat  it  nieman 
5  inmach  yolbrengin,  mer  he  wirkit  id  selve  hemeliche  in  diner  seien.  He 
inmothe  niet  einen  apostolin  geven  diese  gewait,  ane  hedde  heet  onch  gerne 
willen  duin,  want  id  is  ein  Gotlich  werc.  mer  dat  sal  din  gelove  sin, 
wanne  da  dich  oitmüdigis  yur  deme  pri'stere,  dat  Got  geginwordich  is  inde 
reinichit  dich,     noch  dan   dat  die  sanden  mit  retheme  rüwen  inde  mit  buzen 

10  werdent  virgeven,  noch  dan  bliTint  in  ans  ?ünden  dat  is  quickinge  der 
sanden  inde  nekange  zu  deme  boseme.  dis  gebreches  (64^)  inwart  nie 
mensche  üverhaven  want  sente  Marie  aleine.  darumbe  also  der  sieche  al- 
wege  begert  des  arcietirs,  dat  he  mit  der  arcedien  yirdrive  die  hitzede, 
also  Salt  da  alwege  Got  bidden^  dat  he  mit  deme  ylüze  siner  genaden  vir- 

15  lezche  in  dir  die  hitze  inde  alle  qaickinge  der  sanden  inde  wirke  sine 
Gotliche  werc  in  dir.  want  die  sülen  eweliche  irschinen  tut  ieme  inde 
hose  nekinge  wirt  mit  in  yirdilijt.  Here,  cam  oag  inde  brenge  mir  yrüt 
miner  werc.  dat  inmothe  nie  geschien  den  alden  yederen,  onch  wie  helich 
si  weren,  want  dat  liet  in  gebrüchnisse   der  Gotheide.     dat  na   zu  hantz 

20  geschiet  allen,  die  sander  sande  steryent.  Here,  cam  oach  inde  brenge  din 
Gotliche  leyen  in  mich,  niet  dat  leyen,  (55*)  dat  he  gemenliche  sander 
sine  geginwordicheit  giyet,  mer  werliche  al  sülich  leyen,  al(s)  he  selye  is, 
ylazit  he  diner  seien  gegenwordich  in,  want  he  is  werlicher  in  snlcher 
seien  dan  in  deme  liflicheme  hiemeie,  da  he  mit  den  engelin  wanet.     salt 

25  da  is  da  gebrüchen,  da  salt  it  hie  zeirst  winnen,  andirs  inwürdis  du  is  da 
niemer  ewendelich.  Here,  cum  oach  inde  wiedermache  dat  bielde  miner 
seien,  da  ane  liet  da  hoiste  selicheit,  da  mit  siner  genaden  wider  gemachit 
werde  dat  natürliche  bielde,  dat  mit  der  sanden  yirdilijt  is.  noch  lengede 
des  guden  leyenis  noch  gebeth   noch  manichyeldicheit  der  werke  yireiuichit 

30  dich  zu  Gode,  mer  da  stände  da  da  qaemis  in  dat  Gotliche  leyen.  Darambe 
soldis  da  dich  (55^)  ylischen,  dat  da  doch  einis  qaemis  in  diese  hemelicheit 
des  Gotlichen  leyins,  noch  dan  dat  da  iet  dar  na  yirlüris  mit  degelichen 
sanden.  want  die  minne  inboyen  geit,  si,  dat  da  it  niet  yerliezis  mit 
hoyetsanden.  so  sal  dich  Got  intfain  inde  urdelen  in  deme  hoisten  pante, 
dar  da  ie  in  qaemis.    mer  in  is  dine  minne  niet  meire  wan  si  was,  du  da 

35  Gode  zu  eirst  bestündis  zu  dienene,  wie  manichyeldich  sint  dine  werc 
[hayen]  geweest,  na  der  eirstir  minne  sal  dir  werden  geloint,  want  de 
groizde  des  lonis  liet  in  der  dameitigere  minnen.  eine  gude  maze  sal  ans 
gegeyin  werdin  in  ansen  schoiz.  dat  is  eine  güde  maze,  also  der  heyede 
als  yiel  is  als  da  maze,  is  dat  dine  sele  also  yiele  sal  begri(56*)fen  also 

40  si  wit  is  zu  begrifene.  oach  sal  ans  eine  gerüsilde  maze  gegeyen  werden, 
die  sal  denen  alle  dine  crethe  inde  iryallen  alle  die  winkele  diner  seien, 
oye  da  iet  me  mügis  intfain.  oach  sal  man  ans  geyen  eine  gehaifde  maze, 
die  in  allin  endin  oyirge.  Godis  genade  üyergeit  manchen,  also  dat  ieme 
aye  risit.     dat  wirt  den  gegeyen,  die  min  mügen  begrifen.    ans  sal  oach 

45  gegeyen  werden  eine  oyerylaziche  maze,  dat  is,  dat  da  alle  zit  inde  standen 
salt  intfain  nüwe  yronde.  Da  salt  dat  wizen,  dat  de  begrif  diner  seien 
yan  natnren  also  deine  is,  dat  da  Got  niemer  inkans  begrifen  als  he  is. 
mothene  dine  sele  gegranden,  so  inwere  he  niet  ein  ewich  GFot,  noch  da 
(56^)  inweris  niet  eweliche  selich  mit  ieme.    Inde  want  da  in  niemer  in- 


81  hemelicheit,  ncich  detn  anlautenden  h:  i  eingefügt. 


38 

kanz  begrifen,  darnmbe  steit  alwege  ein  hunger  in  dir,  want  du  in  maith 
sin  niemer  sat  werden,  niemer  inmügen  wir  in  beschouwen,  wir  inknmen 
np  also  groze  reinicheit,  als  wir  in  der  doufen  intfiengen,  also  dat  alle  rlecken 
der  Sunden  aye  sin  gewesebin  inde  alle  gebrecb  inde  negnnge  der  snnden 
5  pnirlicbe  volbrait  werden,  want  blivet  uns  einlebe  bessernnge  einer  deg^e- 
lieber  snnden,  niemer  werden  wir  oyerbaven  des  vegeyaris.  want  Tande 
Got  noeb  in  dieseme  levene  einleben  reinen  van  allen  snnden  inde  ne^unge 
zu  den  snnden,  sine  geretcbeit  yirbenede  niet  lerne,  dat  be  einlebe  ure  van 
ime  gesnndert  wurde,  noeb  ingeine  (57*)  ereature  inmotbe  in  hinderin  want 
10  alleine  dat  licham,  dat  alwege  die  sele  beswerit. 

30.    Sermo  magistri  Gerardi. 

(83*).  VCir  allen  creatnren  so  bin  ieb  gebieldet  na  deme,  de  da  is  vür 
der  werilde.  Dit  is  gesprocben  van  unser  vrouwen  inde  dama  van  uns  allen 
inde  van  lere  zu  aller  vorderst:  dat  der  vader  is  unse  anevanc,  de  in  ieme 
is  sunder  anevane.    van  deme  sin  wir  sunder  middel  inde  na  dem  sune,  de 

15  da  is  ein  bielde  des  vader  inde  ein  gelantz,  des  bielde  sin  wir  sander 
middel.  Man  spricbit,  dat  der  mensebe  süle  werden  elaire  dan  die  sünne, 
(83^)  inde  ieb  sprecbe,  dat  in  dieseme  buiz  ingein  mensebe  in  is,  be  in  si 
bnndert  werf  elaire  wan  die  sunne  intgegenwordicb,  also  viele  alse  g^eist- 
liebe   dinc  werdiger   sint  dan  weriltliebe   dinc.     wir  sin   oucb  gebieldet  ua 

20  deme  bieligen  geiste  sunder  middel,  de  da  is  die  minne  des  vader  inde  des 
sünis.  des  bielde  sin  wir  sunder  middel.  bedde  be  uns  gesebaffen  van 
einieber  materien,  so  motbe  be  sig  intscbuldigen  inde  motbe  spreeben,  da 
in  motbe  niet  bezzers  uz  werden.  Nu  sagit  uns  die  beilige  gesehriethe, 
dat  be  uns  bait  gesebaffen  van  nietbe.     Darumbe  inmotbe   be  uns   niet 

2ö  gesebaffen  dan  na  ieme  selver.  also  verre  alsit  mügelieb  was  der  ereaturen 
zu  intfaine,  alsus  sin  wir  ane  middil  van  Gode  gesebaffen  inde  (84*)  ane 
middil  na  Gode  gebieldit  inde  sunder  middil  wieder  in  Got  geordint,  also 
dat  tuseben  uns  inde  ieme  nietz  niet  in  sal  sin.  Darumbe  wart  Got  aelve 
mensebe,  dat  be  uns  sunder  middil  bretbe  wieder  zu  ieme  selver,  want  be 

30  motbe  wale  bain  gesant  einen  engel,  of  be  motbe  bain  gesebafßn  einen 
also  sülehen  menseben,  de  unsebuldieb  were  van  Adamis  valle  inde  motbe 
in  den  bain  gelait  eine  also  sulebe  mügentbeit,  dat  be  bedde  uns  irloist. 
dat  bedde  be  wale  virmoit.  so  were  wir  deme  losere  sebuldieb  gewest  ze 
dienene  al  unser  leven  me  wan  deme,  de  uns  gesebaffen  bait.     So  motbe 

35  wir  wale  spreeben:  wir  unseliebe  lüde,  süle  wir  immerme  sunder  middel 
kümen  in  unsen  ürsprune,  da  wir  uz  gevlozin  (84^)  sin?  inde  darumbe  is 
be  selve  mensche  worden,  dat  wir  mit  al  unser  minnen  inde  mit  al  unseme 
berzen  inde  al  unse  leven  niemanne  sebuldieb  in  sin  wan  ieme  alleine,  dat 
wir  bit  al  unsen  sinnen  up  in  virvliezen  al  so,  dat  wir  sunder  middil  stein 

40  in  siner  intgegenwordiebeide.  Nu  dun  wir,  of  Got  si  inweis  wa,  inde  be 
is  uns  docb  naire  dan  wir  uns  selve  sin.  want  wir  sunder  middil  in  ieme 
niet  instein  mit  unser  betratungen  inde  mit  unser  begerungen,  darumbe 
loufe  wir  inde  werden  also  krane,  dat  wir  virvliezen  up  also  eleine  dinc. 
so  süle  wir  zebantz  mit  unser  besebeidenbeit  unse  genügde  dan  ave  trecken. 

45  Alsus  valle  wir  van  eime  up  dat  ander  inde  wir  insülen  doch  niemer 
gemerrin,  (85*)  wir  inkümen  up  unse  eirste  pünt,  inde  wir  sülen  denken 
wieder  uns  selven,  du  bist  zu  meiren  dingen  geordint  wan  dat  du  hie 
blives.     Aldus   süle    wir   mit   al   unseme   bekentenisse   inde    mit   al    unser 


1  in  dir  nachgetragen.  5  vor  puirliche:  inde  fälschlich  eingeschaltet,  11  Sprüche 
8,  22.  23.    23  2.  Macc   7,  28. 


39 

minnen  alzemale  up  Got  keren  iude  die  genuchde  die  dan  af  np  steit,  dat 
is  hie  ein  begin  der  ewiger  vrouden.  Sente  Agustinus  sprichit,  dat  dat 
hiemelriche  andirs  niet  inis  dan  anegesiethe  Godis.  Alse  inis  die  helle  niet 
ine  wan  ein  ewich  gescheiden  van  Gode.  Dat  man  spricht,  dat  in  der 
5  hellen  sint  craden  inde  slangen,  swegil  inde  pech,  dat  aal  man  predigen 
geboren  inde  sülghen  luden.  man  sal  ever  den  diet  virstain  kfinnen 
predigen  die  blose  wairheit.  Na  süle  wir  zu  allen  ziden  uns  vlizigen, 
(85^)  dat  wir  bekennen  underscheit  tuschen  den  dingen  die  virgenclich  sin 
inde  ewich  sin.    alse  alle  üvinge  inde  alle  werc  der   barmeherzicheide  inde 

10  alle  dugede  wie  güit  die  in  selver  sin,  so  süle  wir  uns  doch  trecken  in  die 
dinc,  die  sich  hie  beginnen  inde  mit  uns  ewich  sin,  dat  is  alleine  bekente- 
nisse  inde  minne  inde  gebruginge.  diese  dru  die  sint  mit  uns  ewich.  die 
andere  stervent  alle  mit  uns  wat  der  is,  sunder  diese  dru,  die  hevent  hie 
ane  inde  werint  eweliche  mit  uns.    wanne  ich  ein  dinc  hören  inde  behalden 

15  inde  weis,  noch  dan  in  is  id  min  niet.  wanne  ich  mich  ever  drup  neige, 
so  bieldit  sich  in  mig  inde  bielde  mich  in  id  inde  dan  ave  is  it  min.  Die 
werc,  die  ein  edil  mensche  düt,  die  sint  viel  kretiger.  ich  (86*)  in  meinen 
niet  edilgheit  dieser  werilde,  sunder  dar  na  dat  der  mensche  reine  is,  so 
he  me   bereider   is   zu  intfaine  des  Gotlichen  liethes.     inde  so  he  me  Got- 

20  liehe  liet  intfeit,  so  he  euch  me  der  Gotlicher  minnen  intfeit.  Gotlich  liet 
inmach  nieman  intfein  snnder  heilige  minne.  So  der  mensche  der  Gotlicher 
minnen  me  halt  so  he  lutere  inde  yriere  in  ieme  selvere  is  inde  dar  na 
dat  he  yri  is,  dar  na  sint  ouch  sine  werc  intfenclich.  also  dat  ein  mensche 
mothe  uzer  deme  huiz  gain  up  diesen  kirchof,  dat  he  me  lonis  neme  dan 

25  ein  ander  de  zu  sente  Jacobe  gi«nge.  dit  Sprech  ich  durch  einis  menschen 
Wille  of  durch  zweijere. 

34.    Meister  Gerards  Sermon. 

(99*)  Unse  here  sprach:  Maria  halt  dat  beste  deil  irkorin.  De  kiesen  sal, 
de  müz  dru  dinc  haven.  Dat  eirste  dat  he  kenne  dat  he  kiesen  süle. 
Dat  ander  dat  he  mait  haye  ze  kiesene,  want  manich  mensche  de  bekennit 

30  wale  wat  he  kiesen  sal  inde  he  inhait  der  mait  niet  ze  kiesene.  Dat 
dirde,  dat  he  wille  have  ze  kiesene,  want  manich  he  bekent  wale,  wat  he 
kiesen  sal  inde  halt  die  mait  wale  ze  kiesene,  want  der  wille  is  up  ander 
dinc  geneigit.  Want  si  Maria  hiez  inde  )iaria  was,  darumbe  mothe  si 
kiesen.     Maria  spricht  züme  eirsten  male   alse   ein  de  virlüit   is   inde   yort 

35  yirlüit.  Nu  Sprech  ich  yan  der  irlütungen,  dat  der  mensche  sich  selyer 
bekent,  (99^)  want  die  is  dir  die  intfencligste  inde  dir  die  nütziste.  be- 
kendestu  die  gebrech,  die  dir  kümen  sint  yan  sunden,  so  oitmüdigis  du 
dich  alze  seir.  bekendistu  die  wirdicheit  diner  naturen,  dar  zu  dat  du  ge- 
ordent  bist,  so  yirsmedistu  alle  kleine  dinc  inde  alle  suntliche  dinc  tredistu 

40  under  dine  yüze.  bekendistu  dine  naturliche  mait,  die  du  yan  Gode  hais, 
so  bekenstu  dat,  dat  niet  so  ho  in  is,  du  inmügis  dar  zu  kümen.  dat  is, 
dat  ingeine  heilicheit  noch  ingeine  dumetlicheit  so  groiz  in  mag  sin,  du 
in  mügis  dar  zu  kümen,  noch  dat  dir  ingein  so  umbekennich  inis,  du  in- 
mügis bekenninde  werden  allit  dat  Got  geschaffin  heet,   niet  alleine  dat  he 

45  geschaffin  halt,  mer  den  scheppere  de  id  geschaffin  halt,  wistu,  war  zu 
lüde  sint  kümen  yan  naturligme  (100*)  sinne!     dat  si  dar  zu  quamen,   dat 


18  nach  dru:  dinc  ausgestrichen.  19 f.  ursprünglich  he  it  me  Gotliche  s^t  inde 
intfeit,  durch  Unterpunktieren  und  liet  am  Bande  erUstand  obiger  Text,  25  vgl, 
Wähdm,  Deutsche  Legenden  S.  153.    27  Luc,  10,  42.    34  Maria  illuminatrix. 


40 

81  wisten,  wat  deme  hiemele  solde  geschien  over  aeis  inde  drizich  ddaint 
iur,  inde  satin,  wat  deme  hiemele  solde  geschien  over  iweünzwensich 
d&sint  iair,  inde  sprachen  np  den  dach  tuschen  primen  inde  tercien  bi  eime 
hairbreit  deme  eineme  nie  nare  dan  dem  andrin,  inde  maiin  mit  natarlicheme 
5  sinne,  wie  ho  it  hinne  is  sü  dem  hiemele  den  wir  sien;  inde  wie  manch 
der  hiemele-  sin  da  in  boyen  inde  wie  verre  id  immer  van  eime  su  deme 
andrin  is,  inde  prüveden,  dat  geistliche  creatnren  mästen  da  inboven  sin, 
die  si  nmbedrieyen,  inde  dat  inboven  ein  scheppere  muste  sin,  die  dit  allit 
geschaffin  halt:    wis   man   her  zu  kümen   mach   van   natnren.     Na  prave, 

10  war  zu  man  kümen  mag  yan  genaden.  Maria  spricht"  inme  (100^)  andrin 
bekennisse  alse  yiele  alse  eine  yronwe,  die  al  ir  güit  besezzin  hait  in 
retheme  yrieden,  also  dat  ir  nieman  inmach  benemin  inde  si  allit  dat  ujider 
iere  yäze  getredin  hait,  dat  si  nosen  mach,  wistn,  wat  du  yirmait,  of  du 
dich  dinne  onfdis!    Sente  Peter  sprach  zu  sente  demente:  ich  hayen  dat 

15  geprüft,  dat  deme  menschen  niet  nnmügelich  inis,  he  inmüge  dar  zu  kamen 
mit  langir  üyingin  inde  mit  güder  gewoinheit.  dat  weis  ich  da  bi.  Hie 
biyurmails  du  ich  mines  meister  wort  hoirde,  du  waren  si  mir  alzegenüg- 
lich,  dat  ich  des  nathis  lach  inde  irgaf  si  bi  mir  selyer.  da  mit  bin  ich 
kämen  in  eine  gewoinheit,  dat  ig  des  nathis  intwachen  zu  mettenzit;    of 

20  ich  is  niet  nmbe  Got  indede,  so  inkünde  ich  doch  niet  geslayen.  Sente 
(101*)  Clemens  spricht:  ich  hayent  onch  geprüft  bi  mir  selyer,  dat  ingeine 
dinc  so  groiz  insint,  si  insin  deme  menschen  mügelich,  de  sich  dinne  oayen 
wilt  lange  inde  ylizlichen  inde  brengder  sich  in  eine  gewoinheit.  Du 
sprach  sente  Peter:  her  zu  helpent  dm  dinc.     Dat  eine,  dat  man  yan  kinde 

26  wale  ane  gelait  si  inde  zu  einer  güder  scholen  gesath  si.  Dat  ander,  dat 
wir  sin  ander  güder  geselleschaf,  die  allewege  yan  güden  dingen  inde  yan 
hoin  dingen  redin.  Dat  dird^  dat  is:  dat  allir  meist  hilpit,  dat  is  güde 
gewoinheit.  Du  inmait  onch  niet  zu  retheme  namen  heischen  yronwe,  da 
inhayis  alle   die  dinc  yirwnnnen,   die  dich  hinderen   mügen,   also   dat   din 

30  Wille  si  geneigit  np  dat  dinc  dat  dn  kiesen  salt.  wanne  wirt  din  wille 
geneigit  zu  krancheit,  (101^)  so  inmait  du  niet  kiesen  dat  beste,  want  alle 
snnden  die  liegent  me  inme  willen  dan  in  den  werken.  Maria  spricht  zürne 
dirden  male  alse  ein  bitter  mere,  dat  dir  alle  dinc  bitter  sint  inde  wieder 
sint,  die  zu  sunden  of  zu  krancheit  gedragint.     nu  alzerst  bis  du  mügelich 

35  zu  kiesene.  hema  saltu  hayen  eine  bereidunge.  dat  sal  sin  üyer  mitz 
yier  dügede.  Die  eirste  dat.  is  gereticheit.  Dat  ander  dat  ig  meissicheit. 
Dat  dirde  dat  is  yürsieticheit.  Dat  yierde  dat  is  stercde.  Gereticheit  liet 
da  ane,  dat  dn  eime  andrin  geliche  willes  dragen  beide  schade  inde  yrüme. 


9  wis]  wil.  10  vgl  Myst  1,  16,  8  f.  14  vgl,  Recognitionum  S.  Clemeniis 
Üb.  II,  1  (Migne,  Patrol  graec.  1,  1249):  Mirari  me  equidem  fateor,  fratres,  hu- 
manae  naturae  vim,  quam  ad  omnia  aptam  habilemque  esse  video.  Hoc  autem 
dicere  in  memoriam  venit  ex  bis  quae  rebus  ipsis  expertus  sum.  Ut  enim  trans- 
ierit  medium  noctis,  ego  sponte  iam  suscitor  et  ultra  somnus  neqnaquam  yenit  ad 
me;  quod  mihi  accidit  ex  eo,  quia  in  consuetudine  habui  verba  domini  mei,  quae 
ab  ipso  audieram,  revocare  ad  memoriam,  et  pro  ipsorum  desiderio  suscitari  animis 
meis  et  cogitationibus  imperavi,  ut  evigilans  ad  ea  et  singula  quaeque  recolens  ac 
retexens  possim  memoriter  retinere.  Ex  hoc  ergo,  dum  omni  cum  duIcedJne  8e^ 
mones  domini  versare  in  meo  corde  desidero,  consuetudo  obtinuit  vigilandi,  etiam 
si  nihil  sit  quod  cogitare  velim.  20  £f.  für  das  folgende  habe  ich  in  den  Reeogni- 
tionendrucken  das  Citat  nicht  aufzufinden  vermocht.  83  vgl.  Salser,  Sinnbilder 
und  Beiworte  Mariens  S.  516  ff.  35  zu  kiesene  nachgetragen.  87  bei  yürsieticheit 
ist  von  gleicher  Hand  wisheit  übergeschrieben. 


41 

want  wirt  din  wille  me  geneigit  zu  dime  vrümeD,  so  inkanstn  die  gereti- 
cheit  niet  bekennin.  hin  ave  kümit  al  angereticheit.  Herambe  was  yir- 
boden  alle  den  rieterin,  (102*)  dat  si  van  niemanue  ingeine  miede  innemin, 
want  miede  die  virblendit  dich  also,  dat  da  ingein  reet  nrdeil  inkanst  ge- 
5  geven  inde  dich  dat  nnreet  reet  wirdit  dünkende,  alse  meistere  saminne 
disputierent  inde  der  ein  kümit  up  eine  yalsheit  die  ieme  bevellit,  wilt  dan 
die  ieman  wiederredin,  so  sükit  he  alle  die  geschriet  her  nz  van  Moyse 
bis  an  diese  zit.  Inde  alle  die  dinc,  die  ieme  dan  mügen  helpen  dit  zu 
bewerene  inde  alle  die  dinc,  die  wieder  dit  sint,  der  inkan  he  niet  bekennen 

10  durch  die  lieve,  die  he  zu  der  valsheit  halt.  Hin  af  küment  groze  meistere 
in  ketzerie.  Dit  selre  is  an  den,  die  gerne  prelate  werin  of  heirschaf 
hedden,  dat  si  sükint  alle  die  sachin,  warambe  dat  it  güit  si  inde  warnmbe 
dat  it  nntzelich  si,  (102^)  inde  willint,  dat  it  bessir  si  inde  sichere  si  dan 
willinolich  armüde.     de  armüde  minnit,  de  sükit  allit  dat  ieme  her  zu  helpen 

15  mach  inde  dat  wieder  den  richdnm  is  inde  wieder  die  ere.  Dit  siet  ir 
wale  an  den,  die  ambegeint  mit  vürkoufe  inde  mit  dieseme  wine  inde  mit 
diesen  corne.  alse  man  iezü  alle  die  liste  halt  yünden,  die  dar  wieder  sint, 
so  yindent  si  nüwe  liste  inde  sprechint,  id  si  güit,  die  lüde  inkünden  sich 
andirs  niet  generin.     Dit  deit  allit  die  angerethe   lieve,   die   si  ha^nt  zu 

20  deme  genieze.  das  düit  die  geretigheit,  die  magt  dich  Gotlich  inde  Engeliseh. 
her  na  Tolgit  meissicheit  in  essinne  inde  an  drinkene,  an  slaffene  inde  an 
wachene  inde  in  allin  dingen,  diese  dücht  macht  dich  rieh  inde  snel. 
Heraa  (103*)  volgit  vürsietiche  wisheit,  da  magt  dich  luther  inde  clair, 
dat  dir  niet  inmach  vürstain  da  in  virsteist,  die  macht  dich   starc,   dat  dir 

25  ingein  dinc  vürstain  inmach,  du  in  dürris  id  bestain  umbe  Got.  Na  alzerist 
haistu  eine  bereidange,  noch  inbista  niet  ap  in  eirsten  vüztrappe  getreeden 
dit  gut  ze  sükene.  Saltu  ap  den  wech  kümen,  so  müsta  üvergangin  han 
alle  santeliche  dinc  inde  üver  alle  bewegnnge  inde  alle  lifliche  dinc  inde 
üver  werc  der  barmeherzicheide  kümen  sin  inde  üver  alle  die  dinc,  die  zu 

30  Marien  levene  gehorint  inde  die  nochdau  güde  werc  sint.  Na  salt  du 
wissen,  war  üver  dat  da  kümen  salt,  da  müstu  immer  zerist  zu  kümen  sin. 
Na  sathe  ich  gerne,  in  wie  manicher  (103^)  wisen  die  meistere  dit  güit 
gesüit  hayin.  Die  eine  die  haint  id  gesüit  in  den  creataren.  Die  andere 
die  haint  it  gesüit  in  den  sinlichen  creaturea.     Die  dirden  haint  id   gesüit 

35  in  den  redelichen  dingen.  Die  yierden  haint  id  gesüit  in  bieldangen.  Zu 
den  sprach  anse  herre:  wilt  ir  mir  ein  bielde  setzen  of  eine  fignre,  wie 
wilt  ir  dat  dün?  wa  gesagit  ir  mich  ie?  hie  ane  begrifint  ans  die  Juden 
inde  sprachen,  wir  yirbielden  ansen  heren.  wir  in  düin.  wir  in  yirbielden 
die  Gotheit   niet.     wir   bielden   ansen  herren  Jhesam  Ghristam   inde   sine 

40  Heye  müder,  die  mach  man  bielden.  Na  wille  ich  ach  sagen,  wat  sente 
Agnstinus  sprach  yan  dieseme  güde.  Dit  güit  deilit  he  in  drin.  Dat  ein 
dat  is  hiemel  inde  erde  inde  sänne  inde  mane  inde  alle  lifliche  (104*) 
creatnre.  Dat  ander  dat  sin  wir  selve  in  dügeden  inde  in  genaden.  Dat 
dirde  is  nrspranc  allir  güde,  da  allit  dat  güit  nz  geylozzin  is.     dat  is  ein 

45  also  gedain  güit:  de  alle  die  güde  züsamene  smelte,  die  nzer  deme  güde 
ie  geyloiz,  si  inkünde  niet  ein  wiederbielde  gemachin  siner  güde.  diesem 
güde  sich  nekin  inde  ieme  ane  heften  inde  sich  dar  in  setzin:  dit  is  <lat 
gut,  dat  Maria  hadde  irkorin.  Säle  wir  zu  dieseme  güde  kümen,  so  süle 
wir  üyer  allit  dat  kümen,  dat  wir  mit  ansen  sinnen  begrifen  mügen  inde 
üyer  alle  bieldnnge.    her  zu  küment  alse  Intselief  (1)  lü4e,  dat  ich  niet  in- 


31  imer  über  ausgestrichenem  eyir.    36  Jes.  46,  5. 


42 

weis,  of  ich  ir  einichen  gesege,  de  üver  allit  (dat  kümen  si),  dat  nnst 
bescheidenheit  begrifen  mach,  in  eime  restlichen  Trieden  da  salt  da  Godis 
gebrnchen  snnder  (104^)  middil.  geschiet  dir  dan  einich  zac,  dat  in  is  niei 
in  diner  mait,  dat  steit  in  Gode.  geschiet  dir  dan  einiche  irlütinge  ?ui 
5  Gotlicben  dingen,  dat  saltn  also  eirberlichen  haldin,  dat  dn  id  den  engelin 
niet  insalt  gemeinsamen,  of  dn  id  in  virbergin  mait.  Na  solde  wir  wizen, 
warnmbe  id  dat  beste  were.  id  is  dat  beste,  want  id  dit  reiniste  is  lade 
want  id  dit  vriedeiichste  is  inde  want  id  dit  genüchligste  is  inde  want  id 
anverdmzlich  is  inde  dat  da  niemer  ingein  yirdries  in  in  mach  vallen  inde 

10  want  id  ewich  is,  dat  id  niemer  af  ingegeit  alda  is  man  nser  deme  reche 
kümen.  herin  Jacobs  hnisvroawe  Tir  Lie,  die  was  snirongich  inde  hadde 
viele  vrnthe.  vir  Bazel  hadde  clare  engen  inde  sach  cleirlichen,  want  si 
mit  niethe  beknmbert  inwas.  (105*)  Dammbe  is  it  dat  yriedelichate,  want 
da[n]  is  man  gesezzen  zu  den  vüzen  alse  Marie  Magdalene,  die  alwege  zu 

15  den  vüzen  saz.  dammbe  is  it  dat  genügligste,  want  des  menschen  be- 
geringe alzemale  dar  np  gesät  is.  dammbe  mach  man  is  sich  alremeist 
gevroawen.  inde  want  it  nnverdrnzlich  is,  dat  da  niemer  ingein  virdries 
in  inmach  vallen,  dammbe  is  id  dat  ewigste,  want  Marien  leven  sal  vir- 
gain  inde  werc  der  barmeherzichede.     mer   dit  leven   dit  beginnit   hie  inde 

20  wirt  volbrait  na  dieseme  levene  ewencliche.  Dis  sermon  is  dammbe  gedain. 
of  wir  noch  herzu  kümen,  dat  wir  wizzen  wat  id  si;  die  niet  dar  zu  in 
sint  kümen,  dat  si  dar  na  iamere. 

Excerpte. 
Ans  den  Sermonen  des  Prior  Rufas. 

2*  ein  gelignisse   horit  herzfi:   dat   der  wolf  vant  rinder  gain  up  einer 

weiden,  du  sprach  he,  wes  si  da  giengen.     du  antwürden  si,   si    giengen 

25  up  güder  weiden,     du   sprach   he:   ich  wil  uch   wisen   up  viele    bezzere 

weide,  du  he  si  gescheiden  hadde,  du  az  he  si.  alsus  deit  noch  der  düvel.  |1 

10^  dat  ander  in  wilgher  stunden  vanme  dage  dat  der  heilige  geiit 
queme.  he  hadde  ieme  eine  snnderliche  stände  vanme  dage  uz  IrkoreQ, 
in  der  he  kümen   woilde.     dat  was   zu   midden  morgen,     so  (11^)  is  id 

30  die  aller  süziste  zit  inde  die  aller  beste  zit  ze  arbeidene  an  deme  dage. 
dammbe  wolde  der  heilige  geist  kümen  an  der  morgenstnnde,  dat  wir 
quemen  zu  siner  scholen.  Dit  wort  sprach  bischof  Albret:  wir  sülen 
kümen  mit  gesamindin  sinnen  inde  mit  offenen  oren  inde  mit  hangindin 
herzen   mit  urlove  gesprochen   also   virleokert,   dat  wir  in  geiner  ander 

35  scholen  inbegerin,  dat  is  dat  wir  in  geine  genügde  an  ertschen  dingen 
in  süken.  wilt  sich  ein  scholere  züme  eirsten  male  setzen  bi  sinis 
meisters  siden,  alse  he  leren  sal,  dat  is  ein  zeighen,  dat  he  küme  zu 
eren  süle  werden,  he  sal  sich  zu  vüzen  setzen,  die  vüze  dat  is  barme- 
herzicheit,   die   hevent   uns   al(llb)wege   up,   dat  wir  niet  inverzwivelen 

40  die  geretigheit  die  druct  uns  dat  wir  uns  niet  inverheven.  Got  heet  des 
langen  menschen  dinst  einen  dach  lievere  dan  seiszien  iar  eines  alden 
menschen  dinst.  eines  also  gedanis  aldes  menschen  leven,  den  die  werilt 
heet  virworpen  inde  einis  also  gedanes  iungin  menschen  leven,  de  in 
siner  blüt  is,   de  der  werilde  wale   bevellit  inde  ime   selver  van  natareo 

45  die  werilt  bevellich  is  inde  allit  dat  virsmeit:  des  menschen  dienst  heet 
Got  ein  dach  lievere  dan  seiszin  iair  einis   alden  menschen  leven.    eio 


1  ir  ei  einichen.     11  1.  Mos.  cap.  29. 


43 

alt  mensche  mach  den  heiligen  geist  also  voiiinclichen  intfein  alse  ein 
innc  mensche,  der  lange  mensche  de  heet  id  ie  zweier  hande  bezzer. 
(12*)  Solde  man  einen  grozen  heren  intfein  in  ein  alt  huis,  dat  zebrochen 
were  inde  da  die  spannen  inne  genistilt  weren  inde  dat  schimbelich  were 
ö  inde  vol  gestabbis,  da  hedde  man  viele  arbeide  üvere  e  mant  schone 
gemachde,  noch  dan  raghid  lange  name  schimbele.  dat  is  dat  si  ire 
gewonheit  gerne  dnnt.  Dat  nawe  hals  dat  ragit  wale  inde  is  schone, 
da  indarf  man  niet  viele  drain  az,  man  dreet  dar  me  in  dan  drns.  so 
wanne  dat  der  mensche  den  heiligen  geist  yollinclichen  intfeit,   so  is  he 

10  alwege  drivende  in  deme  menschen  van  einer  dügit  in  die  andere  inde 
van  eime  güden  werke  in  dat  ander,  so  wanne  dat  der  mensche  siech 
is  inde  niet  gedun  inkan  inde  alse  alt  is,  dat  he  Tan  aidere  (12**)  niet 
geduin  inkan  inde  der  mensche  wale  sijt,  dat  he  sine  zit  virloren  halt, 
dat  is  pine  inboven  alle  pine,  alse  der  mensche  den  heiligen  geist  intfeit 

15  inde  niet  geduin  inkan.  [2 

Aas  dem  Sermon  des  Priors  von  Weissenbarg. 

13*  ir  siec  dat  wale,  dat  golt  noch  silver  noch  ingein  gesmide  gelutert 
(13^)  iumach  werden  dan  mit  den  vüre.  alse  inmach  der  mensche  niet 
gelutert  werden  dan  mit  der  minnen.  nu  mothir  sprechen :  ich  hain  dicke 
boren  sain,  dat  reet  mwe  den  menschen  reinighit.  de  hie  ane  zwivelt, 
20  de  inweis  des  niet  wat  sibbeschaf  intuschen  deme  rethin  rawen  is  inde 
der  minnen.  da  is  also  gedane  sibbeschaf  intuzchen  alse  tnschen  der 
müder  inde  deme  kinde.  [S 

13'»  der  brüder  (gemeint  ist  der  Prediger  selbst)  sprach:   ich  hain  (14*) 

gode  zweijr  iare  min   dan  vünzich  iair  gedienit.     weris  noch  zwenzich 

25  werf  alse  viele,  id  düthe  mich  allit  ein  deine  dinc   umbe   dat   mir  got 

reethin  rawe  an  mime  ende  woide  geven.  [4 

14^  dat  dirde  is  dat  der  mensche  vireinichit  wirt  mit  gode  gelicher  wis 
alse  de  einen  drofve  wazzers  neme  inde  dedin  in  ein  vaz  vol  winis. 
gelicher  wis  alse  de  droffe  wazzeris  wurde  gewandelt  in  den  win  inde 
30  alse  dat  iserin  mit  dem  vure  inde  alse  die  blüme  mit  der  varwen:  noch 
viele  eiginclicher  wirt  got  mit  der  seien  vireinichit.  [5 

Aas  dem  Sermon  des  Frater  Johannes  de? 

23i>  der  mensche  he  nedarf  sig  niet  virlazen  up  sine  heilicheit,  nu  de 
heiige  David  gevallin  is,  noch  up  sine  wisheit,  nu  de  wise  Salomon  ge- 
valiin  is,  noch  up  sine  sterkede,  nu  de  starke  Samson  gevallin  is.         [6 

Aas  den  Sermonen  des  Uotfried  von  Kelz. 

35  24*>  Es  gibt  xweierlei  Leute,  J}ie  einen  tun  keine  guten  Werke.  'Man 
soll  den  bösen  Baum  abhauen  und  in  das  Feuer  werfen'  der  hose 
boum  dat  is  der  böse  mensche.     Deni  gegenüber  die  guten  Metischen,  [7 

26^  Egyptinlaut  spricht  alse  viele  alse  ein  dinsternisse  inde  ein  iamer 
inde  bezeighint  uns  diese  werilt,  in  der  wir  alwege  mit  iamere  leven 
40  {vgl.  Sckönbach,  Altdeutscfie  Predigten  1,  83,  28  An7n,]  2,  7,  40).  Rich- 
dam  van  Egyptin  lande  {lies  Jerusalem?)  is  aflaiz  allir  sunden  inde  is 
ein  rigdum  den  diese  werilt  niet  geleisten  inmach,  he  muz  alleine  van 
gode  vliezen.  [H 


44 

Ans  dem  zweiten  Sermon  Bisebof  Albreelits. 

40^  die  meistere  sprechint,  dat  dat  vule  yleiz  niemer  geheilit  an  deme 
menschen,  man  inmrit  mit  ginndeme  (41*)  goilde.  de  hiz  des  alden  ütcUs 
he  irret  also  sere  in  nns,  dat  die  heidene  meistere  sprachen,  dat  ein  slange 
inme  menschen  were,  de  dm  hovit  hedde,  dat  die  niemer  ave  wurden 
5  gesnieden,  si  inwüzen  wiedere,  inde  vnnden,  dat  si  mothen  ave  gesnieden 
werden  mit  eime  vnricheme  swerde,  dan  ernffen  die  aideren  inde  wurden 
ein  ende.     Vgl.  auch  oben  S,  42,  32  ff.  [• 

Ans  Seme  Nr.  16. 
44^  also  alse  de  harne  den  man  leidit  mit  pifin,   de  is  riche  an   sime 
(45*)  spränge,     alse  die  piffin  hrechint,  so  virlnsit  de  hnrne  einen  ganc. 
10  also  is  die  minne.  [10 

Ans  den  Seratonen  Meister  Gerhards. 

47*  Schlnss  von  Nr.  18:  Sümeliche  sprechint,  dat  die  sele  si  gotlicher 
nataren  inde  sprechint  euch,  dat  si  wieder  zu  gode  küme,  also  dat  si 
alzemale  niet  inwerde,  dat  sint  unreine  ketzere,  alleine  die  sele  ewelicbe 
(47^)   in  gode  gewest  si,  so   is  si  doch   eweliche  eine  creature  gewest, 

15  e  si  got  ie  geschüfhe  inde  sal  also  wieder  ze  gode  kümen,  dat  si  ein 
wesen  in  ir  selver  eweliche  sal  behalden.  also  als  de  sunnen  schin  des 
manis  schin  in  ieme  züit  inde  siues  schines  niet  inwirt  beronvet  in  ieme 
selvere,  also  sal  got  die  sele  alzemale  in  sich  treckin,  also  dat  si  ein 
lieth  inde  eine  clairheit  mit  ieme  wirt  inde  wirt  doch  dammbe  ieris  wesens 

20  niet  beronvet.  [11 

48^  were  nnse  natnre  niet  blieven  dat  si  was,  so  hedde  wir  unse  edelcheit 
virloren,  so  in  were  si  nnse  suster  niet.  ,       [12 

60*  dammbe  sprach  ein,  de  leider  unsis  geloven  niet  inwas,  he  sprach 
ein  wort,  dat  wir  lievere  solden  hain  dan  also  groiz  goldis  als  du  selver 

25  groiz  biz.  he  sprach:  si  küment  under  wilen  inde  sprechent,  du  salt  die 
e  halden.  wolt  du  dan  wizzen,  dat  du  niemer  bedrogen  inwirdis,  so  sal 
tu  Sien  in  des  gienis  leven,  de  dir  die  e  brengit,  of  he  van  heiligeme 
levene  si  inde  sunderlichen  of  he  van  reineme  levene  si.  so  salt  da 
(50^)  sicher  sin,  dat  si  van  gode  kümt.     hie  miede   sin  wir  virsichert, 

30  dat  unse  e  van  gode  kämen  is.  waut  de  unse  e  brathe,  de  hadde  ein 
reine  leven  inde  ein  heilich  leven.  ^IS 

52*  Fasten,  Wachen  und  Kasteien  sind  ein  vündemunt  aller  dügeden. 
dar  up  sprichit  eine  heiige:  de  dügede  samint  sunder  dit  v&ndemnnt,  de 
deit  als  de  ein  huis  zimbert  up  saut,  dat  velt  schiere,    al  darna  dat  wir 

35  cimberen  willen,  al  darna  sule  wir  unse  vündemunt  legen  breit  inde  dief, 
want  wir  willen  cimberen  eweliche  kuisheit  inde  willinclich  armüde,  ho 
begerringe  inde  ho  betratunge.  ir  siet  dat  wale,  dat  lüde  ze  valle 
küment,  die  lange  in  gudeme  levene  haint  geschienen,  dat  künt  dan  af 
wat  si  up  dit  vündemunt  niet  gecimbert  inhaint.     z&   hantz   alsi   lazint 

40  van  der  meisicheide,  so  samint  (sich)  hose  gerde  inme  vleiza.  dammbe 
siet  ir  dat  wale,  dat  (si)  meistelichen  vallent  in  vleizliche  sunde.        [l^ 

58^  einis  eweligen  menschen  geist  is  in  deme  menschen  alse  (59*)  ein 
pais  in  der  kristenheit.  der  pais  heet  sweiir  bände  üvinge.  Dat  eine, 
dat  he  sich  bekumbert  mit  Gode  inde  besgt,  wat  Ootz  wille  si  inde  wie 


26  nach  halden:  inde  die  durch  Punkte  getilgt. 


45 

sin  ordenaDge  b!  inde  wie  man  alle  dinc  wieder  Qode  ordennen  muge. 
inde  darna  ordint  he  die  kristenheit.  alsus  sal  ein  iewelich  mensche  in 
ieme  selvere  geordint  sin,  dat  he  drucke  sine  yielicheit  mit  harder 
penitencien  inde  halde  sich  intgegin  sine  nesten  mit  güden  sieden  inde 
5  dat  he  sime  geiste  nnderdenich  si  inde  gehoirsam.  zweiir  hande  wis  mach 
des  menschen  geist  kämen  in  irredum :  dat  du  van  Gode  denkis,  dat  he  niet  in  is, 
alse  die  brut  sprichit  in  der  minnen  büghe  {Hokel,  5,  10):  Min  lief  is  wis 
inde  rot.  niemstu  dit  gelignisse  (59^)  vür  eine  wairheit,  it  were  groz 
ungelove.    Dat  ander,  dat  man  van  Gode  denkit,  dat  (he)  in  virgessen  müge, 

10  also  als  man  spricht:  Got  sal  diner  sunden  yirgessin,  dat  is  also  zu  vir- 
stane,  dat  he  i"re  niemer  ingedenkit  ze  wrechene:  de  alsus  gedane  dinc 
wolde  denken  van  Gode  alse  virgessinheit  inde  ander  dinc,  des  an  Gode 
niet  in  is.  alse  dieser  dinge  gedenct  ein  mensche  in  ieme  selvere:  wat 
geit  dich  dis  ane,  id  is  dir  z&  ho,  la  id  varen,  wan  würdis  duis  bescheiden 

15  van  wisen  luden,  so  hielzt  duit  yür  eine  wairheit:  diese  gedenke  sint 
dalis  sunde.  werit  also,  dat  du  mit  vrevele  drane  woldis  bliven,  so 
werit  ketzeria.  [15 

61*  unse   here   Jhesus   Christus   sprach   seWe  mit  sime   munde  {Matth. 

8,  20):   der  vüiz   heet  sin   hol  in   deme  walde  inde  der  v&gel  heet  sin 

20  nist  up  deme  bome:   des  menschen  (61^)   kint  inheet  so  viele  da  it  sin 

houvit  up  geneige.  [16 

65*  Sumelichen  haint  gesprochen,  dat  man  sich  me  vrouwen  sule  einer 
ander  vrouden  dan  der  sinre.  des  inis  niet.  ich  vrouwen  mich  me  vünf 
Schillinge  in  mime  hudele  dan  hundert  ma(r)ch  in  einis  anderis  kisten.     [17 

25  65^  ein  paffe  stunt  einis  up  inde  sprach:  geistliche  lüde  solden  wonen 
in  der  wustenungen.  du  saminde  meister  Gerart  beide  geistliche  inde 
werilt(66*)liche  lüde  inde  bewisdin  dat:  dat  van  aneginne  der  werilde 
alle  die  gode  ie  heimelich  waren,  dat  si  der  heilige  geist  uz  dreif  der 
werilde  ze  nutze  inde  ze  besseringen.    Dies  toird  an  Abraham,  Johannes 

30  Bapiisia,  allen  Propheten  und  Christus  veranschaulicht.  [18 

67*  dicke  hain  ich  dar  na  gedait,  wat  si  da  mit  meinen,  dat  si  sülen 
sprechen  anme  iungisten  dage:  berge  inde  (67^)  hüvele  kümt  inde  vir- 
dect  uns,  dat  wir  niet  zu  geriethe  inkümen.  dat  is  darumbe,  dat  si  sich 
des  alse  sere  schament,  dat  si  sich  alse  nieder  haint  gesath,  wat  in  Got 
35  dun  mach,  dat  is  minre  dan  dat  si  in  selvere  haint  gedain.  [19 

69*  drier  hande  wis  giet  sich  got  zu  irkenninne.  dat  eine  is  in  der 
geschriethe,  dat  ander  dat  is  in  eime  (69^)  geistelicheme  bekennisse  in- 
wendich  an  der  seien,  dat  dirde  dat  is  snnder  valz  inde  sunder  biel- 
dunge  inde  sunder  gelignisse.  [20 

40  88^  Nu  vrage  wir  under  uns,  of  die  genade  werde  intfangen  na  der  naturen. 
an  den  engelin  spreche  wir:  ia.  an  den  luden  sprechen  wir:  nein,  want 
der  minste  man,  de  is  mere  van  naturen  dan  die  meiste  vrouwe.  Noch 
dan  sien  wir  dicke,  dat  die  vrouwe  mit  iere  andait  mere  genade  irkrigit 
dan  der  man.     aldus  in  is  id  anme  engele  niet,  want  si  reckint  sich  inde 

45  si  denint  sich  mit  al  irme  verstentenisse  inde  mit  al  ire  (89*)  begerungen, 
dat  si  alle  die  genade  intfeint,  die  in  mügelich  is,  dat  si  der  in  ein 
pennewert  niet  inlazint.  intgain  dis  selven  bistu  wardinde  na  dieseme 
levene,  dat  alle  die  stucke,  die  an  dir  sint,  die  genade  intfein  mügen, 
dat  si  irvült  sülen  werden  mit  der  genaden,  dat  du  die  genade  alzemale 

50  sülis  intfein  alse  verre  alsit  dir  mügelich  is.  [21 


46 

89*  waut  got  alle  creaturen  alse  si  sint  in  in  selvere,  du  in  dir  inde  ich 
in  mir  inde  der  bom  in  ieme  inde  alle  creaturen  hait  got  in  in  verbieldet.    i  siS 

92^  Dat  ander  ambt  dat  si  {die  Engel)  haint  under  ein  ander,  dat  is, 
dat  die  oversten  allewege  denkint  inde  tratint  wat  den  niedersten  nutze) ich 
5  si  inde  dat  si  in  des  van  rether  niinnen  niet  invirsumint.  gelicher  wis 
alse  ein  ambtinan  sime  heren  (93*)  vürsijt,  wat  ieme  urbürlich  si  an  einer 
ieweiicher  zit,  dat  he  have  anme  arne  bachen  sinen  sniederen  inde  anme 
wintere  boltz  inde  liet  inde  des  he  dan  bedarf.  Die  niedersten  muzen 
sich  gütliche  inde  minnencliche  vügen  zu  den  oTersten,  dat  si  van  niinnen 
10  intfein.  [2S 

93^  dit  solden  unse  prelate  intgegen  uns  üven,  dat  si  uns  soiden  veg«n. 
dat  solden  si  dun  mit  berispnngen  inde  mit  scheldene  inde  mit  slane, 
of  wir  is  bedorten,  want  alle  undngt  kumit  van  umbekennisse.  l^^ 

94*  nu  mach  man  ein  kuffer  also   puren    inde   also  (94^)  reinichen,    dat 

15  id  is  in  sine  athe  bezir  dan  goit,  dat  da  gemengit  is  bit  siivere    of  mit 

kuffere  of  mit  anderen  dingen  in  sime  athe.     dog  heddich  dat  golt  liever 

also  gemengit  dan  dat  kuffer  dat  da  gepurt  is.  |25 

96^  Darumbe  (97*)  is  dat  vegevüir  vünden  niet  darumbe,  dat  der  mensche 

du  oitmüdiger  werde  of  du  dumetiger  werde    an    der  minnen   of  du  an- 

20  degtiger  of  du  geduldiger,  wan  niergen  umbe  dan   dat  he  küme  np  vol- 

kümene  reinicheit.  [:e6 

97*  Nu  sprechint  si,  want  si  niet  gelerit  insin  van  der  geschriet,  darumbe 
müge  man  si  schiere  wiederdriven.  Des  inis  niet.  In  den  geziden  de 
heilige,  de  Qulcumque  vult  machde:  in  sinen  geziden  du  was  der  keiser 
25  inde  alle  die  lüde  ungelouvich  inde  bestäint  alleine  mit  der  wairheide. 
dit  selvet  was  in  sente  (97^)  Hylarius  geziden.  du  was  der  pavis  inde 
der  keiser  inde  alle  die  lüde,  die  warin  begriffen  mit  ungeloven  inde  he 
widerstüint  alleine  mit  der  wairheit.  [27 

98^  die  meisicheit  die  maghit  dich  geringe  inde   snel.     du  mait  dinen 

30  lif  alse  meislichen  halden,  dat  he  dir  also  gehoirsam  wirt  alse  die  sunne 

irme  scheppere  inde  wurde  also  snel  alse  ie  einich  wint  gewart  de  einen 

hasen  iagede.  [%^ 

105*»  in  directem  Anschluss  an  den  oben  S.  25  ausgehobenen  Anfang 
von  Nr.  35:  van  deme  dat  si  {Maria)  uns  selver  lee(r)t,  da  ane  virstein 
35  wir  iere  groze  oitmüdicbeit  inde  mit  iere  oitmüdicheit  so  bewisit  si  uns, 
dat  si  eine  reine  kusche  magit  was.  dar  umbe  spricht  die  Glose  up  dit 
wort:  also  viele  alse  der  mensche  reiner  si,  also  viele  si  he  oitmüdicher. 
Glose  dat  spricht  also  viele  alse  düdinge  der  wairheit,  die  nieman  wieder- 
sprechen insal  noch  inm&z.  >29 

40  107*  Etzelichen  den  smeicht  he  (der  vient  =  Teufel)  inde  spricht  aldus : 
z waren  id  gevügede  (107^)  diner  naturen  wale  inde  diner  edilgheit  inde 
ouch  bistu  riebe  genüch  darzü  inde  iunc  inde  god  inmothit  dir  niemer 
missewenden  noch  nieman  inmothit  dir  virkeren.     deme  he  hie   mit  niet 


20  niergen  umbe  dan  von  gleicher  Hand  eingeschaltet,  24  das  Äthanasianum 
ist  gemeint  26  Hilarius  von  Ärles,  vgl  Protest.  Realencyklopädie^  2,  180,  44; 
182,  8  f.  37  vgl.  bei  Ämbrosius  ille  laudabilior  qui  humilior  De  poeniUntia  II 10; 
quo  sanetior  hoc  humilior  De  interpellatione  Job  et  David  II  6  (Migne  16,  519. 
14,  820). 


47 

ane  inkan  g^ewinneu,  deme  gelouvit  he  iude  lugit  ieme  allit  dat  he  ieme 
geloaft.  inde  sprach  (?):  dat  sal  draf  kumen  inde  dat  sal  draf  kümeD. 
inde  gelouft  viele,  deme  he  hie  mit  niet  ane  inkau  gewinnen,  dem 
brengit  he  ever  ein  ander,  dat  he  denct  in  sime  herzen:  du  bist  ze  kranc, 
5  du  inhais  an  der  mait  niet  inde  da  inhais  an  den  sinnen  niet  inde  liethe 
ingestait  mans  dir  niet,  dii  mait  dir  also  lief  bezide  draf  lazen  alse  du 
langer  beidis.  den  he  alsus  niet  zu  inmach,  deme  brengit  he  ein  ander 
ever,  dat  si  denkint,  dat  si  zu  armude  sfilen  werden  (108^)  inde  dat  in 
nieman  niet  geven  insule  inde    dat   si    siech    sulen   werden,   dat  in   dan 

10  nieman  niet  helpen  insüIe  in  iere  sügden.  die  he  da  mit  niet  verwinnen 
inkan,  die  brengit  he  in  einen  zwivel,  dat  si  denkent:  du  bis  ein  unselich 
mensche,  dn  ingedenkis  ingein  gut  inde  du  insprichis  ingein  gut  inde  du 
ingededis  nie  iugein  gut.  die  he  hie  mit  niet  virwinnen  inkan,  up  die 
wirpt  he  noit  inde  arbeit,  up  dat  he  sie  da  undene  virdrncke  inde  irvelle. 

15  Da  salt  vurwair  wizzen,  dat  he  des  ingeine  mait  inhait  wan  alse  verre 
alsis  ieme  Got  virhengit.  Sümelichen  den  bewint  he  sich  in  der  spisen 
inde  brengit  in  eine  gelast,  dat  si  der  spisen  me  nement  dan  ir  notnrde 
si,  up  dat,  dat  he  sich  mit  der  nndügt,  die  hie  van  up  steit,  sich  ver- 
dränge in  den  menschen.     Du  sprach  he:  dat  ich  (108^)  ir  hundert  dusent 

20  hedde  in  mimen  (!)  magen,  ich  ingeve  dar  up  einen  holtzappel  niet. 
also  lange  alse  si  mir  mine  sinne  niet  invirirden  noch  min  verstentenisse 
niet  inverdnsterden  noch  mine  begeringe  niet  inneigeden  zu  ingeiner 
krancheit,  so  inhedde  ich  is  niet  ze  dune,  wie  viele  dat  iere  in  mime 
live  weren.  [80 

25  112^  Du  sprach  meister  Gerart  van  grozeme  wandere,  here,  sprach  he, 
dat  ein  mensche  {Maria  ist  gemeint),  de  ein  mensche  was  als  ich  nu 
bin  inde  die  sele  suster  was  miner  seien,  dat  die  allir  heiligen  inde  allir 
engele  inde  der  Seraphine  wirdicheit  ander  ieren  vüzen  hait,  dat  is  also 
ze  virstane,  dat  si  is  inboven  iere  allir  wirdicheit.     Es  folgt  eine  Aics- 

30  deuiung  von  Apoc.  12,  1.  [SI 

114*  zweiirhande  bewegunge  is  in  uns.  Die  eine  is  van  gewalt.  Die 
andere  is  van  natnren.  Gelicherwis  als  ir  siet  de  einen  stein  neme 
inde  warpin  van  einen  berge  nieder,  mothe  he  in  dat  afgründe  vallen,  so 
he  deme  afgründe  nare  queme,  so  he  snellicher  vellit.    de  einen  stein  up 

35  würpe,  so  he  hoire  qaeme,  so  he  gemeghelicher  gienge,  inde  alse  he 
queme  up  dat  overste,  so  resde  he  inde  viele  dan  her  nieder,  ir  siet 
ouch  dat  wale,  de  bli  lieze  vallen  her  nieder:  van  grozeme  ilene  inde 
van  grozer  hitzden,  da  it  durch  vure,  so  zesmnlze  it  inde  (114^)  zevlüze 
it  alze  male,     also   lange   alse   die  jagehunde   niet  insint  kümen   up  dat 

40  spüre,  so  gient  si  wale  algemegheliche  samen  in  der  kuppelen  bi  deme 
jegere.  mer  also  schiere  alse  si  küment  up  dat  spüre,  so  brechent  si 
sich  van  ein.  mer  gewinnent  si  des  dieris  einen  roch,  so  loufent  si 
inde  bielent.  is  ever  dat  si  dat  dier  gesient,  so  loufent  si,  dat  si  sich 
in  in  selver  zebrechent.     Alsus  Sprech  ich:  also   lange  alse   der  mensche 

45  niet  inwirt  geware  Godis  genaden,  so  in  agtit  he  Godis  wort  niet  noch 
andere  güder  dinge.  So  du  Godis  genade  me  iutfeis,  so  dir  herdir  wirt 
zu  allen  güden  dingen.  Du  mait  so  gedane  süzicheit  intfein  inde  Got 
so  bekennende  werden,  dat  du  niet  alleine  loufinde  inwirdis,  want  dn 
wirdis  (115*)  vliegende  inde  niet  alleine  vlieginde,   want  du  sturzis  dich 


7  li€8  den?    20  vgl.  Myst.  1,  171,  30. 


4g 

U£er  dir  selver  alsemale  alse  ein  pil,  de  da  yert  ucer  eiiae  wale  ge- 
spanninden  annbante.  'SS 

123^  geve  mir  got  allit  dat  sine  gereticheit  kan  geleisten :  sine  Seraphine 

zu  achoiere,   die  van  minnen  birnent,  inde  alle  sine  engele  su  knegthen. 

5  dat  si  mine  schuttelen   spülten,  he  inhedde   miner  minnen  niet  gelonit. 

sine  minne  inis  niet  alse  die  unse.-  he  minnet  bit  sines  selves  minnen.       [SS 

124*  Zürne  andermale  saltn  minnen  allit  dat  geboden  is  se  minnene. 
inde  natürliche,  süle  wir  minnen,  so  müie  wir  leven  inde  lifliche  T&dinge 
hain.    dat  liet  an  gründen  inde  an  erdischen  güde.     des  salta  also  ge- 

10  brnchen,  dat  du  it  ordins  niet  zu  dime  nntze,  mer  alleine  z&  godis  eren, 
also  siecht:  of  dich  dine  mage  inde  dine  vrant  of  erdisch  gut  binderint, 
dat  dnit  zu  hantz  begeves,  want  du  inmüzt  noch  dich  selven  minnen,  dan 
umbe  got.  mer  in  dieser  ordenongen  inmacht  da  niet  allewege  sin.  also 
dicke  alse  da  izzis  of  drinkes,  dat  da  denkis:  dit  (124^)  du  ick  gode  zu 

15  eren;  ich  stain  dicke  up  ze  mettenen,  dat  ich  is  niemer  virbuge.  de  dat 
van  mir  vordirde,  id  were  wieder  mine  natnre.  du  ich  dit  s^istliche 
leyen  ane  vienc,  du  was  dat  min  wille,  dat  ich  Tasten  inde  wachen  inde 
alle  lifliche  arebeit  allewege  umbe  got  wolde  liden.  in  deme  willen  inde 
in  der  ordenangen  stain  ich  allewege  stede,  also  lange  alse  ingein  ander 

20  wille  diesen  niet  andergeit,  de  zu  hoavitsünden  treffe,  want  die  virstorint 
alzemale  diese  ordenunge,  dat  si  niemer  wieder  ink&mit  dan  mit  groxem 
rüwen  inde  büzen.  ein  idel  ere  of  iet  andirs  mach  si  wale  drucken,  mer 
si  invirstorit  si  niet.  [S4 

125*  man  vragit,  warambe  der  mensche  niet  also  snel  insi  ze  denkene 
25  van  gode  inde  van  sinen  engelen  alse  he  izzit  van  prümen  inde  van  bieren. 
dan  aye  antwürden  die  meistere,  dat  in  deme  menschen  zwa  naturen  aint, 
die  eine  geistlich,  die  andere  liflich.  want  wir  ans  me  nven  in  liflichen  Sachen 
dan  in  geistlichen,  darambe  sin  wir  (125^)  snelre  zu  liflichen  Sachen.       [S5 

126^  Dan  ave  sprichit  Salomon:  de  des  deinen  niet  inagtit,  de  virvlözit 

30  allenzelin.    alse  ein  schif  yol  sandis  virdrinkit  also  balde  als  ein  geladio 

mit  ankersteinen :  also  virvlüzit  man  dicke  van  böser  gewoneden  in  hovet- 

Sünden  inde  werdint  also  gewonelich  alse  dalis  sünden.  [S6 

129^  manich  schif  ilit  ze  Colne,  der  sümelich  niemer  ingein  dar  inkümit, 
etzeliche  blivint  underwilen  danne  vier  of  zien  milen.    da  salt  dat  wissen : 

35  alse  manich  sandiscorn  als  inbinnen  hundert  milen  ligit,  also  manichen 
sünderlichen  grait  halt  die  reinicheit,  mit  den  dat  ein  den  andrin  üver* 
geit.  inde  in  alle  dieser  werilde  in  mait  dn  niet  zwei  menschen  vinden, 
die  diese  reinicheit  haven  gelig.  dat  sind  die  stüle,  van  den  dat  man 
liesit,   die  inme   hiemele   sint,   dat  der  ein  nare  gode  si   dan  der  ander, 

40  de  mit  mere  reinicheide  den  anderen  üvergeit.  [S7 

130*  rethe  alse  dat  laut,  dat  stede  steit,  inde  dat  schif  zu  ieme  gedunsen 
wirt,  also  steit  got  stede  in  siner  gotheide,  die  niemer  sich  genegit  noch 
inbongit.  mer  wilt  du  zu  ieme  kümen,  du  salt  dich  mit  dieser  reinicheide 
dinsen  zu  ieme.  [S8 

HALLE  a,  S.  Philipp  Strauch. 


88  Matth.  20,  21.  28. 


4» 


Zur  altsäehsisehen  Wortkunde. 


1.     sostra,  suster. 

Im  Essener  fleberegister  finden  sich  die  eigentümlichen  Formen 
sostra  (Plur.)  und  suster  *Sechter'  aus  lat.  sextärius.  Offenbar  sind 
dieselben  an  das  Zahlwort  sechs  angelehnt,  das  im  Norden  und  Osten 
des  niederdeutschen  Sprachgebietes  die  Formen  sös^  sos  und  süs  zeigt, 
vgl.  Wrede  im  Anz.  f.  d.  Alt.  XVIII,  413.  Damach  herrscht  sös  im 
mittleren  Drittel  des  niederd.  Sprachgebietes;  die  Grenze  im  Westen 
ist  die  Weser  bis  zur  Allermündung,  dann  eine  Linie  über  Verden, 
Rotenburg,  Walsrode,  Soltau,  Celle,  Wittingen,  Gifhorn,  öbisfelde, 
Gardelegen,  Cahörde,  Helmstedt;  im  Osten  etwa  die  Linie  Stolp* 
Schlawe-Thorn.  süs  erscheint  zwischen  Eibmündung  und  Oste  sowie 
nördlich  der  Elbe  häufig  an  der  Küste.  Endlich  findet  sich  sos  oft 
zwischen  Oste  und  Unterweser.  Diesen  Gebieten  dürfte  also  der 
Schreiber  der  Handschrift  angehört  haben. 

2.     geri((l)a. 

In  den  Essener  Evangelien glossen  findet  sich  zu  Luk.  III,  11 
(Wadstein  S.  54  b,  28)  die  Glosse  usui :  geri .  on.  Zwischen  %  und  o 
ist  ein  Buchstabe  erloschen,  den  ich  als  d  ergänzen  möchte;  geridofi 
wäre  der  schw.  Dativ  von  gerida^  gerifSa  =  ahd.  garawida  'apparatus, 
praeparatio,  habitus\  Über  den  Schwund  des  w  vgl.  mein  As.  Ele- 
mentarbuch  §  165,  wo  auch  ger(w)idin,  giger(w)i  und  gar(w)a  belegt  sind. 

3.     siili. 

Ib.  XVII,  8  ist  tractatus  vsstis  durch  svli  thes  giuuadias  glossiert. 
Da  sali  offenbar  soviel  wie  ^Schleppen,  Schleifen^  bedeuten  soll,  er- 
blicke ich  darin  eine  Verschreibung  für  sluri  =  ndl.  sleur  'Schleppen', 
mnd.  slör  m.  'langsamer,  träger  Gang',  westf.  (Woeste)  sl^r  'schwacher 
Kaffee,  Viehtrank\  Dass  suli  nichts  mit  lat.  solea  zu  tun  hat,  wie 
Leitzmann,  Herr.  Arch.  CV,  385  annimmt,  scheint  mir  sicher  zu  sein. 

4.     uuithar(7netan). 

Die  unvollständige  Glosse  comparata  :  uuithar  in  den  Gregor- 
glossen (Wadstein  S.  62  b,  6  f.)  ist  wohl  zu  uuüharmetan  zu  ergänzen, 
vgl.  ae.  mtSmetaUj  mhd.  mdermezzen  'vergleichen'. 

5.     gihik. 

Die  as.  Glosse  gihik  ist  am  Rande  auf  pag.  28  a  der  Gregor- 
glossen (Wadstein  S.  62  a,  6  ff.)  eingekratzt.  Der  Herausgeber  möchte 
sie  als  gihu  ik  ergänzen,  was  mir  unwahrscheinlich  vorkommt;  ich 
ziehe  vor,  sie  zu  gih(iiil)ik  zu  ergänzen  und  beziehe  sie  auf  das 
quenilibet  des  latein.  Textes. 

Festgabe  (Nd.  Jb.  XXXVII).  4 


50 

6.  uüah. 
Ib.  S.  64  a,  5  f.  liest  W.  sciendum  uero  est :  (ui)tah  is  us.  Dieses 
uüah  wird  im  Glossar,  allerdings  mit  Fragezeichen,  zu  mtaff  gestellt, 
wozu  es  aber  der  Bedeutung  nach  gar  nicht  passt.  h  wird  einfach 
als  n  zu  fassen  sein,  dann  erhalten  wir  den  Inf.  uitan  'wissen',  viel- 
leicht Kürzung  eines  ursprünglichen  te  uuitanne,  vgl.  zu  Nr.  9. 

7.     de{rian). 
Ib.  steht  neben  nocere  die  abgekürzte  Glosse   de.     Sie    ist  ohne 
Zweifel  zu  derian  zu  ergänzen. 

8.  thl 

Ib.  b,  6  steht  neben  quippe  quia  ein  th%  das  W.  als  Artikel 
betrachtet.  Es  dürfte  eher  aus  bi  thiu  abgekürzt  sein,  denn  dies 
findet  sich  als  Glosse  zu  ergo  S.  63  b,  11. 

9.  to. 

Zu  in  quo  uidelicet  gehört  die  Glosse  Üiuro  that  to  S.  64  a,  1. 
Ich  ergänze  sie  zu  to  uuitanne,  vgl.  das  ne.  to  mt  'nämlich\  Im 
übrigen  vgl.  zu  Nr.  6. 

10.     ytias. 

Im  Indiculm  superstitionuw.  steht  die  vielerörterte  Glosse:  dr 
pagano  cursu  quem  yrias  nominant.  Vgl.  darüber  zuletzt  Leitzmann, 
P.  Br.  Beitr.  XXV,  589  f.  Ich  kann  mich  seiner  Erklärung,  wonach 
yrias  zu  jär,  fries.  j^  gehören  soll,  nicht  anschliessen,  sondern  möchte 
das  Wort  mit  norw.  schwed.  yr  'wild,  ausgelassen,  toll'  zusammen- 
bringen, das  Falk-Torp  zu  Schweiz.  ür(ig)  'wild,  stürmisch,  böse',  bair. 
eurisch  'mürrisch'  stellen.  Im  Ablaut  dazu  steht  nach  ihnen  aisl. 
0Vr,  dän.  0r,  schwed.  ör  'wirr,  betäubt,  schwindlig'  etc.  Das  y  in 
yrias  wäre  also  langes  ü  wie  bei  nödffr  'Notfeuer'  in  demselben  Denkmal. 

11.  rotherstidi. 
Die  Lamspringer  Glossen  enthalten  das  bisher  nicht  richtig 
gedeutete  Yf  ort  rotherstidi  in  der  Stelle  in  saltu:  an  theru  rotherstidiu 
S.  67  b,  15.  Wadstein  erklärt  es  im  Glossar  —  allerdings  mit  Frage- 
zeichen —  als  'Rodung',  das  aber  sowohl  nach  Form  wie  Bedeutung 
nicht  passt.  Ich  vermute  vielmehr  darin  ein  ursprüngliches  hrdther 
'Rind'  mit  6  aus  an,  wie  z.  B.  in  sdth  'wahr'.  Dies  hrdther  steht  mit 
as.  hrith  'Rind'  (dazu  das  Adj.  hritherin)  und  ae.  hrtder,  hr^ier,  n\. 
rund  im  Ablautsverhältnis,  sodass  wir  jetzt  sämtliche  Vokale  der 
ß-Reihe  im  Paradigma  zusammen  haben.  Identisch  damit  ist  ohne 
Zweifel  das  von  van  Holten,  P.  Br.  Beitr.  XXV,  225  besprochene 
poder^  p{r)oter,  ponder,  pordor  'animal'  der  Malberg.  Gll.  hrötherstidi 
bedeutet  also  'Rinderstätte'  =  lat.  saltus  'Weideplatz'  (vgl.  Georges). 

12.    furJUu-werth? 
Ein    solches    Adjektiv    setzt   W.    fragend    mit    der   Bedeutung 
'furchtbar,  fürchterlich'  an;   er  findet  es  in  den  Merseburger  Glossen 
S.  71b,  23,   wo  die  betr.  Stelle  lautet:    intremendi  examinis  die:  an 


51 

themu  degq  t  furhtuuerthan  gsculun  ....  Um  mit  dem  letzten  Worte 
anzufaugeu  (das  dahinter  noch  gelesene  diuran  oder  di  ur  vermag 
ich  nicht  zu  deuten),  so  wird  es  wohl  sctdun  'sollen'  sein;  gsculun 
steht  gewiss  für  sgculun^  vgl.  Schreibungen  wie  ßSsgke  im  Wurmsegen ! 
furhtuuerthan  ergänze  ich  zu  (an)  furhtu  {u)uerthan^  vgl.  huuisu  = 
hü  uuisu:  quali  modo  Ess.  GL,  Joh.  3,  8.  Sollte  das  vor  furhtu 
stehende  t,  das  einer  Klammer  ähnlich  sieht,  vielleicht  die  Wieder- 
holung des  ersten  a7i  bedeuten?  intretnendi  etc.  ist  doch  wohl  zu 
trennen  als  in  treinendi  examinis  die  'an  dem  Tage  des  furchtbaren 
Gerichtes'. 

13.  biseffe. 
Die.  Form  hiseffe  am  Ende  der  Merseburger  Gll.  erklärt  Wad- 
stein als  Imp.  Sgl,  während  es  doch  nur  die  3.  Sgl.  des  Opt.  sein 
kann!  Allerdings  wäre  es  eine  merkwürdige  Übersetzung  von  con- 
stituat  und  ich  möchte  es  daher  lieber  zu  dem  folgenden  seruet 
ziehen,  wie  dies  auch  Gallee  in  seinen  Vorstudien  zu  einem  altniederd. 
Wtb.  S.  27  tut. 

14.  möt'fandi? 
In  den  Pariser  PrudentiusgU.  steht  p.  161b  zu  festis  choreis 
die  Randglosse  tnot  sandium.  Das  letztere  Wort  bessert  W.  S.  88, 
Nr.  688  kaum  richtig  in  fandium  und  setzt  dann  fragend  im  Glossar 
ein  höchst  zweifelhaftes  möt-fandi  'kontertanz'  an!  Zu  diesem  Kom- 
positum ist  er  wohl  durch  die  zahlreichen  schwedischen  Bildungen 
mit  dem  Präfix  mot-  'gegen-'  gekommen.  Da  aber  die  westgerman. 
Sprachen  dieses  nicht  kennen,  dürfte  es  geratener  sein,  mot  als 
Schreibfehler  für  mit  zu  fassen,  vgl.  nul  =  mit  in  derselben  Hand- 
schrift 485,  die  auch  sonst  mehrere  Schreibfehler  aufweist,  d  in 
sandium  ist  vielleicht  für  cl  der  Vorlage  gesetzt  und  lium  steht  wohl 
für  licun.  Wir  erhalten  dann  das  Adjektiv  sar^ltcun^  vgl.  ahd.  sanglth 
'musikalisch'  (Schade). 

15.  gisamward(on). 
Die  Pariser  Prudentiusgl.  conspirare :  gisomuuar^  erklärt  W.  im 
Glossar  als  gisamwardon  'zusammen  auf  etw.  spähen,  sich  verschwören'. 
Ich  möchte  aber  darin  keine  Zusammensetzung  von  sam  und  wardon 
erblicken,  sondern  eine  Ableitung  von  *sam'Ward  (vgl.  tö-ward  'bevor- 
stehend' und  die  zahlreichen  ae.  Bildungen  mit  ur^rd).  Möglich 
wäre  auch  vielleicht  gisamwurdian  als  Ableitung  von  sam-wurdi 
'Übereinstimmung',  sam-wurdig  'übereinstimmend',  indem  man  a  vor  r 
entweder  als  Verschreibung,  oder  aber  als  spätere  Entwicklung  aus 
0,  u  fasste. 

16.    gr^-bline. 
grS'bline  'cerula'  in  den  Lamspringer  Glossen  dürfte  für  grß- 
bllhe  'graufarbige'  verschrieben  sein  und   zu  bl%  'Farbe'   mit  hiatus- 
deckendem -Ä-  gehören.     Über  A  =  w  vgl.  zu  Nr.  6. 

4* 


52 

17.    iuctaman. 

Dies  nur  einmal  in  der  Freckenh.  Heber,  vorkommende  Wort  ist 
bisher  nicht  genügend  erklärt  worden;  W.  übersetzt  es  fragend  mit 
'Umfriedigung  eines  Joches  Land'.  Die  betr.  Stelle  lautet:  themo 
uuidera  en  modium  gerston  te  iuctamofi.  An  täm  =  tdm  ^Zaum"  ist 
schwerlich  zu  denken,  trotz  Jostes,  Germ.  24,  298,  dem  Gallee  in 
seinen  Vorstudien  zu  einem  and.  Wtb.  folgt,  und  ich  möchte  daher 
mit  Einschiebung  eines  Buchstabens  iuc-tramon  dafür  lesen,  tramon 
würde  zu  mnd.  trdme  ^Querstab,  Sprosse'  =  mnd.  drdm(e)y  trdm(e) 
'Balken,  Riegel,  Stück,  Splitter'  gehören,  das  auch  als  tram  ins  Eng- 
lische gedrungen  ist,  dessen  Heimat  und  Grundform  aber  noch  unklar 
ist.  Unter  den  ittc-trämon  wären  dann  'Jochbalken'  zu  verstehen,  also 
etwas  ähnliches  wie  iuc-fac  'jugalis  sepes',  vgl.  Heynes  Glossar  zu 
seinen  El.  altniederd.  Denkm.,  2.  Aufl. 

18.     koke. 

koke  im  Anfang  der  Freck.  Heberolle  erklärt  W.  als  'Küche\ 
was  sprachlich  und  auch  nach  dem  Zusammenhange  ganz  unmöglich 
ist.  Der  Text  liest  nämlich:  de  koke  II  maldra  ca8eo7'um,  I  hradum 
triti  ad  prebendam.  Wie  sollte  das  wohl  aus  der  Küche  (aus  welcher?) 
geliefert  werden?  Ich  sehe  in  koke  einen  Ortsnamen,  vielleicht  mit 
Kukonhem  identisch,  das  auch  bei  W.  S.  27,  23  wie  an  obiger  Stelle 
mit  Beton  zusammensteht.  Aus  kukonhem^  geschrieben  kukdhe^  konnte 
ein  Abschreiber  leicht  mit  Weglassung  der  ersten  Silbe  sowie  der 
Abkürzungszeichen  kohe  oder  koke  machen.  Ein  Eigenname  kok  ^Koch* 
ist  wohl  für  jene  Zeit  noch  nicht  anzunehmen! 

19.     etnimegnenem. 

Diese  rätselhafte  Glosse  steht  in  den  Lamspringer  Gll.  am 
Rande  neben  dem  Verse:  quicquid  erit  lesi  tangit  qtwd  corda  mariti, 
vgl.  Wadstein  S.  67  b,  Anm.  17.  Vielleicht  darf  man  et  zu  tJiet  und 
nem  zu  nemn(i)an  ergänzen  und  in  ne  einen  Schreibfehler  für  he 
erblicken  (vgl.  grehline  ib.  =  griblihe).  Das  Ganze  würde  dann  lauten : 
(th)et  ni  meg  he  nem(nan)  =  'das  kann  er  nicht  nennen'.  Anglofries. 
Lautgebung  findet  sich  auch  sonst  in  den  Glossen,  vgl.  ashmen  'north- 
manni',  gihäfdade  'decapitabimini',,  gre  'cerula'.  Der  Zusammenhang 
der  Glosse  mit  dem  lat.  Texte  bleibt  mir  allerdings  auch  nach  der 
Ergänzung  noch  unklar. 

KIEL.  F.  Holthausen. 


63 


Berg  in  Strassennamen 
und  der  Berg  in  Hannburg. 


In  Hamburg  hiess  ein  Platz  des  ältesten  Stadtteiles  der  Berg. 
Er  bestand  bis  zu  dem  Brande  des  Jabres  1842.  Seine  Lage  wird 
durch  die  Rathausstrasse  im  Norden,  die  Grenze  des  S.  Petri-Kirch- 
hofes  im  Osten,  die  Schauenburgerstrasse  im  Süden  und  die  Pelzer- 
und Knochenhauerstrasse  im  Westen  bestimmt.  In  der  ^Historischen 
Topographie  der  Freien  und  Hansestadt  Hamburg  (1880)*  S.  8.  12.  15, 
nimmt  C.  F.  Gaedechens  an,  der  Name  stamme  'wohl  ursprünglich 
von  einem  Hügelgrab,  denn  es  befand  sich  später  dort  weder  eine 
Anhöhe,  noch  war  es  der  nächstgelegene  höchste  Punkt'.  Alte  Gerber- 
gruben, 'die  in  der  Richtung  von  der  Mitte  der  Knochenhauerstrasse 
durch  den  westlichen  Teil  der  Rathausstrasse  und  den  nördlichen  der 
Kleinen  Johannisstrasse  lagen\  seien  'wahrscheinlich'  mit  dem  ab- 
getragenen Berge  ausgefüllt  worden,  als  unter  Adolf  II  von  Schauen- 
burg  Veränderungen  des  westlichen  Teiles  der  Stadt  vorgenommen 
wurden,  und  so  sei  der  freie  Platz  entstanden.  1251  wird  er  juxta 
montem  genannt. 

Auch  bei  nur  massiger  Bodenerhebung  ist  der  Städter  leicht 
geneigt,  einer  Strasse  oder  einem  Platz  den  Namen  Berg  zuzubilligen. 
In  der  „Ortlichen  Beschreibung  der  Stadt  Frankfurt  am  Main 
(1861—1875)"  IV  S.  117  f.,  sagt  Johann  Georg  Bat  tonn  von  dem 
berühmten  Platz,  der  anfänglich  in  Monte^  dann  wegen  des  Sonn- 
abendmarktes Samiztagberg  und  später  nach  dem  im  Anfang  des 
15.  Jhs.  aufgekommenen  Rathaus  zum  Römer  benannt  wurde:  ^Weil 
dieser  Platz  sich  von  Süden  nach  Norden  allmählich  erhebt,  so  legten 
ihm  unsere  alten  Vorfahren  den  Namen  des  Berges  bei,  was  er  doch 
nach  dem  eigentlichen  Sinne  des  Wortes  nicht  ist.  Ein  reisender 
Engländer  sagte  einstens  im  Scherz:  Ich  habe  in  Frankfurt  von  zwei 
Bergen  sprechen  gehört,  habe  sie  aber  nirgens  vorfinden  können'. 
Der  zweite  Berg  ist  der  Rossebühel,  später  Unser  Frauen  Plan, 
Frauenberg,  Liebfrauberg  geheissen. 

Der  hamburgische  Berg   ist   seiner  natürlichen  Beschaffenheit 
nach  verschieden  von  anderen  dortigen  örtlichkeiten,   dem  Anberg, 
Heuberg,  Kuhberg,  Venusberg,  die  ansteigen,   zum  Tei\  ziemlich 
steil,  auch  ungleich  der  Bergstrasse,  welche  seit  1836  wftÄtfeW^  der 
engen    Gasse    zwischen    den    Domkurien   von    S.    P^tri    \iv\i«Xifiii\iTeii4 
angelegt    und    später    bis    zum    Alsterdamna   verVatv^^rt    "wä4^^   Aät 
gleichnamigen   Strasse   in   Sankt   Georg,    d^r    sciVioii  -y^xiv    ^^^^  ^^i 
burgerberg  genannten  hochgelegenen  Geg^^^d^  itv   ^^^-^ot^^^^^^^ 
Pauli  und  der  Bergstrasse  daselbst. 


54 

Aber  die  Äusserung  über  das  Hügelgrab  bemht  nur  auf  einer 
Vermutung.  Es  scheint  der  Prüfung  wert,  ob  der  Name  Berg  nicht 
einen  anderen  Ursprung  haben  kann. 

Auch  anderwärts  gibt  es  die  Bezeichnung  Berg,  wo  an  eine 
Erhebung  des  Geländes  nicht  zu  denken  ist. 

Am  auffillligsten  ist  eine  Ortsangabe  von  1477  im  Leipziger 
Schöffenbuch:  4m  Brühl  auf  dem  Berge  gelegen'.  Brühl  bedeutet 
campus  aquis  irriguus,  pratum  palustre,  und  nach  G.  Wustmann, 
9  Geschichte  der  Stadt  Leipzig  (1905)''  S.  185,  hat  es  schwieriger 
Trockenlegung  bedurft,  ehe  sich  die  sumpfige  Gegend  zu  einer  der 
Hauptstrassen  der  inneren  Stadt  entwickeln  konnte.  Wustmann  ist 
der  Ansicht,  die  gemeinte  Stelle  müsse  doch  etwas  höher  gelegen 
haben  als  die  ganze  übrige  Strasse. 

In  Lübeck  ist  der  1393  zuerst  vorkommende  Lohberg  gleich 
dem  1323  erscheinenden  Poggenpol,  einem  sumpfigen  Vorlande  an 
der  Waknitz.  Hier  erklärt  sich  der  spätere  Name  nach  W.  Brehmer 
in  den  „Hansischen  Geschichtsblättern",  Jahrg.  1880/81,  S.  XXXV, 
sehr  einfach  daraus,  dass  die  am  Weiten  Lo.hberg  wohnenden 
Gerber  den  breiten  Raum  dieses  Platzes  zur  Lagerung  der  Lohe 
benutzten  und  dadurch  allmählich  erhöhten.  Auf  den  Langen  Loh- 
berg wurde  die  Benennung  dann  übertragen. 

Li  Stettin  kommt   1306   ein  mons  canum  Yor;    1308  heisst  er 
rodenberch,  1383  platea  canum.    Nach  H.  Lemcke,  ,, Die  älteren 
Stettiner  Strassennamen  gesammelt  und  erklärt  (1881)^  S.  48  f.,    ist 
diese  Benennung  auf  den  unteren  Teil  des  Rosengartens  zu  beziehen, 
der  bis    1550   einfach   baven   dem   roddenberge   hiess.     Die    Er- 
klärung  dafür,    dass    gerade    der   untere   Teil    dieser    Strasse    den 
Bergnamen  bekommen  hat,  findet  Lemcke  durch  die  dort  zu  suchenden 
Abdeckergruben.     Dem  Abdecker  habe  auch  das  Füttern  der  Rüden       J 
obgelegen,  wie  dies  1678  in  Berlin  bezeugt  ist,  wo  sich  an  der  Stadt-       | 
mauer  die  Abdeckerei  und   die   Ställe  für  die  kurfürstlichen   Hunde 
befanden.     Um   eine   Abdeckerei   musste   sich   der   Boden   durch   die 
Abfälle  nach  und  nach  aufhöhen. 

Die  Nähe  des  Rosengartens  spricht  für  die  Richtigkeit  der  j 
Vermutung.  Denn  es  ist  bekannt,  dass  die  häufigen  Rosenstrassen, 
Rosenhagen,  Rosenwinkel,  Rosentäler  und  Rosengärten  zumeist  euphe- 
mistische Namen  tragen  und  von  unehrlichen  Leuten  bewohnt  waren. 
Im  Korrespondenzblatt  27,  62  und  73,  29,  90  f.  sind  derartige  Ham- 
burger Strassennamen,  die  einem  Volkswitz  ihre  Entstehung  verdanken, 
besprochen  worden,  und  es  lassen  sich  viele  Belege  und  Parallelen 
hinzufugen.  Für  Rosengarten  sei  hier  nur  auf  einen  mecklenburgischen 
Reim  hingewiesen,  den  R.  Wossidlo,  ^Die  Tiere  im  Munde  des  Volkes 
(Wismar  1899)*^  in  mehreren  Fassungen  bietet.     Nr.  1173a  lautet: 

Wih  wih  huur, 

dien  vadder  is'n  buur, 

dien  mudder  eilt  in'n  rosengoorn, 

spinnt  de  spool  mit  flässengoorn. 


55 

In  Altendresden  auf  dem  rechten  Eibufer  gab  es  1455  und  1497 
Bosengassen.  Ihre  Lage  ist  nicht  sicher  zu  bestimmen.  Nach  0. 
Richter,  ;,  Verfassungsgeschichte  der  Stadt  Dresden  (1885)*^  S.  43  und 
46,  fallen  sie  mit  djort  gelegenen  Bergstrassen  zusammen:  1491 
haws  und  hoffe  uff  dem  berge  gelegen,  1555  Bergkgasse,  1633 
kleine  und  grosse  Bergkgasse.  Doch  stiegen  die  Eibufer  wohl 
merklich  an. 

Die  Anrüchigkeit  des  Stettiner  Rodenberges  wird  durch  zwei 
Zeugnisse  aus  dem  16.  Jh.  bestätigt.  Die  Gesellenartikel  der  Schneider 
von  1536  sagen:  4tem  eff  ock  ein  geselle  beschlagen  werde  an  groten 
festdagen  edder  an  andern  dagen  vppe  deme  rodenberge  efft  in  dem 
hurhuse,  de  bute  einen  groschen\  Die  Gesellenartikel  der  Kürschner 
von  1564  verschärfen  dies:  'es  soll  auch  kein  geselle  sich  nicht  finden 
lassen  auff  dem  Bödenberge  oder  sonst  in  vnzüchtigen  heusern  .  .  . 
bey  straff  zwehen  wochen'. 

Mit  diesen  Verwarnungen  vergleiche  man  eine  Eintragung  von 
1367  in  einem  Breslauer  Stadtbuch,  die  H.  Markgraf,  ;,Die  Strassen 
Breslaus  nach  ihrer  Geschichte  und  ihren  Namen  (1896)*'  S.  213,  mit- 
teilt: 'An  dem  seibin  vrytage  (ante  diem  b.  Mathei)  hat  sich  Bar- 
tholomeus  Althus  vorlobt  vor  uns,  daz  her  vorbas  me  bescheiden  syn 
welle  und  keyne  unczucht  tryben  sulle  und  mit  namen,  daz  her  uf 
den  thassinberg  nicht  gen  sulle;  wo  her  doruffe  gesehen  wurde 
adir  keyne  andir  unbescheidenheit  tryben  wurde,  so  sulde  man  is  em 
abnemen  an  dem  lybe,  und  domite  sal  her  des  oven  czigils  nicht 
ledig  syn,  vor  den  Andris  syn  brudir  hat  globt'.  Ein  Brand  Ziegel- 
steine ist  eine  oft  vorkommende  Busse.  Diese  Erklärung  vor  dem 
Stadtschreiber  ist  eine  der  'Wetten',  wie  sie  C.  W.  Pauli,  „Lübeckische 
Zustände  im  Mittelalter  (1878)"  II  S.  72  ff.,  aus  dem  lübischen  Nieder- 
stadtbuch bekannt  gemacht  hat.  Ein  Vermerk  von  1495  im  Dresdener 
Stadtbuch,  der  inhaltlich  ganz  nahe  steht,  ist  in  dem  angeführten 
Werke  von  0.  Richter  II  S.  156  Anm.  abgedruckt. 

Über  den  Breslauer  Taschenberg,    die  jetzige  Taschenstrasse, 
und  die  anderen   mit  Berg  gebildeten  Breslauer  Strassennamen   samt 
schlesischen  und  anderweitigen  Verwandten  habe  ich  in  einer  Unter- 
suchung   gehandelt,    die    binnen    kurzem    in    den    Mitteilungen    der 
schlesischen  Gesellschaft   für  Volkskunde  Band  XIII   erscheinen   soll. 
Es  sind  der  Ket'zerberg,  der  Sperlingsberg  und  der  ihm  benach- 
barte Venusb  er  g,  Gassen,  die  alle  fast  eben  sind,  an  den  alten  Stadt- 
grenzen  liegen   und   in   üblem   Rufe   standen.     Hier   werde   nur   auf 
eine  von  H.  Luchs,  „Über  das  äussere  Wachstum  der  Stadt  Breslau  I 
(1865)*'  S.  24  f.,  gemachte  Bemerkung  Bezug  genommen,   dass  Bres- 
lauer Strassen,    die   auf  die   Mauer   ausliefen   und   dort  \d«vi[ie  ireie 
Plätze   bildeten,   den  Namen  Berg  tragen.     Aucb   iix  HainJöWT^  \agei\ 
an  der  alten  Stadtgrenze  solche  Berge:   ein  Mes\>^x%  \>^yd\ ^'wv&et- 
baum,  1266   ein  Teil  des  Clingenbergs,    g^b    de^x    öiOt^^^^'^  ^^^^^"^^ 
den  Namen,  er  wurde   1458  abgetragen;  eii^  ^iW^^^^^t    ^    «\.^^^^^^^^^- 


S6 

Schaffung   1464   Ausgaben   gemacht   worden   sind,   war  beim   Doveo- 
oder  Neddern-Tore;  s.  Gaedechens  a.  a.  0.  S.  20.  44.  45.  83. 

Wenn  die  Ansammlung  von  Unrat  da,  wo  Strassen  auf  die  Mauer 
stiessen,  erklärlich  ist,  so  müssen  wir  an  die  geringe  Sorge  des  Mittel- 
alters für  Reinigung  der  Stadt  und  Abfuhr  denken,  um  zu  yerstehen, 
wie  das  gleiche  auch  auf  grösseren  Plätzen  eintreten  konnte.  Barthel 
Stein  sagt  1512  in  seiner  Beschreibung  des  Breslauer  Neumarktes 
(Scriptores  rerum  Silesiacarum  XVII  S.  40),  er  übertreffe  den  grossen 
Ring  an  Ausdehnung  und  Häuserzahl,  nicht  jedoch  an  hübschem  Aus- 
sehen. ^Nam  et  media  area,  preterquam  quod  oppleta  sordibus,  in 
tumulum  terreum  abyt,  nee  inutilem  tamen  et  circumhabitancium 
et  advenarum  pauperum,  quorum  ibi  jumenta  stabulantur,  asibus". 
In  Berlin  hatte  zwar  nach  E.  Fidicin,  „Historisch-diplomatische  Bei- 
träge zur  Geschichte  Berlins  (1837—42)«  I  S.  44  und  V  S.  360,  der 
Totengräber  am  Ende  des  14.  Jhs.  das  Amt  Unrat,  dat  har,  Ton  den 
Strassen  fortzuschaffen,  aber  noch  1614  verpachtete  der  Rat  den 
Steindamm  vom  Sankt*Jürgen-Tor  bis  zur  Klosterstrasse  an  einen 
Bürger,  'dass  er  daselbst  mag  Mist  machen,^  und  die  Markt-  und 
Kirchplätze  wurden  zur  Aufschüttung  des  Kehrichts  und  Düngers  be- 
nutzt, 'der  sich  oft  zu  Hügeln  auftürmte  und  selbst  die  Passage  hemmte.^ 

Der  breslauische  Yenusberg  lässt  durch  den  Namen  den  Cha- 
rakter der  Bewohnerschaft  unzweideutig  erkennen.  Dort  stand  das 
gemeine  Frauenhaus,  dort  wohnte  der  Stöcker,  der  die  Aufsicht  über 
die  Dirnen  hatte.  Diese  seine  Tätigkeit  geht  für  Görlitz  aus  dem 
Codex  diplomaticus  Lusatiae  superioris  III  576  hervor,  für  Frankfurt 
bezeugen  sie  die  Worte  bei  Battonn  V  158  f.:  'domus  preconis, 
domus  prostibuli,  domus  lupanaris,  in  qua  domo  habitabat  olim  der 
Stökker,  nunc  autem  conversa  in  domum  lupanarem.'  Der  Stöcker 
gab  davon  der  Stadt  einen  Zins  und  erhielt  dagegen  Abgaben  von 
den  'gemeynen  dochteren^  (Y  291),  wie  das  auch  anderwärts  vorkommt. 

Gaedechens  trifft  S.  139  schwerlich  das  Richtige  mit  seiner 
Yermutung,  der  zuerst  1643  im  Hamburger  Stadterbebuch  genannte 
Yenusberg,  Yendsberg  oder  Veensberg  führe  seinen  Namen  nach 
einem  dortigen  Besitzer. 

Es  will  sogar  scheinen,  als  habe  sich  mit  der  Benennung  Berg 
wegen  der  Beschaffenheit  jener  Stätten  eine  verächtliche  Nebenbedeu- 
tung verknüpft.  Die  Bergstrasse  in  Sankt  Pauli  führt  von  der 
Silbersackstrasse  zur  Trommelstrasse.  Dies  erinnert  an  eine 
Reihe  von  Magdeburger  Gassen  in  ehemals  schlechter  Stadtgegend 
um  das  Brücktor.  Auf  den  dort  gelegenen  Platz  am  Dreckwall 
stösst  von  der  einen  Seite  der  Seiden beutel,  jetzt  Fürstenstrasse, 
von  der  anderen  der  Sperlingsberg,  jetzt  Johannisfahrtstrasse,  in 
den  der  Trommelsberg  mündet,  der  frühere  Tutenklapp,  1552 
Zitzenklap  genannt.  (G.  Hertel  in  den  Geschichtsblättern  für  Stadt 
und  Land  Magdeburg  XIY,  1879,  S.  255  ft'.  26!).)  Offenbar  obscöu 
sind  die  Strassennamen  am  Ramsberge  in  Stralsund  in  der  Nähe 
des  Knieper  Walles  und  Rammeisberg  in  Rostock,  jetzt  Hinter  der 


57 

"Mauer.     K.  Koppmann,  ^Beiträge  zur  Geschichte  der  Stadt  Rostoct" 
III  Heft  3,  S.  6,  leitet   sie  von  rammelen  'coire'  ab   und   citiert  eilte 
Stelle   aus   dem    Spegel   des    Pawestdomes   von   Nicolaus   Gryse,   wo\^ 
*rammelsberge,    fegefürsstraten    und    sonderlyke    horenwinckele'     zu- 
sammengestellt werden. 

Auf  den  Hamburger  Platz  passt  der  Name  Berg  im  gewöhnlichen 
Sinne  nach  den  natürlichen  Bodenverhältnissen  schlecht,  die  im  Vor- 
stehenden zusammengetragenen  Merkmale  verschiedener  Örtlichkeiten, 
die  als  Berge  bezeichnet  werden,  finden  sich  dagegen  bei  ihm  ver- 
einigt wieder.  In  den  südöstlichen  Winkel  des  Berges  mündete  von 
der  Schmiedestrasse  herkommend  die  Hutwalker-  oder  Filter- Strasse. 
An  dieser  Ecke  des  Platzes  lag  schon  1266  das  Haus  des  Büttels, 
domus  preconis,  1357  domus  bedelli,  die  spätere  Fronerei.  1534 
wurde  der  Kaak  nach  dem  Berge  verlegt.  Der  Büttel  hatte  nach 
Otto  Beneke,  ;,Von  unehrlichen  Leuten  (Hamburg  1863)'',  S.  166.  169, 
eine  Kruggerechtigkeit.  Seine  Gäste  können  natürlich  nur  Gesindel 
schlimmster  Art  gewesen  sein,  wenn  er  weibliche  hatte,  so  waren  sie 
der  Auswurf  des  Geschlechtes.  Von  der  Südwestecke  des  Berges  lief 
nach  Süden  die  Pelzerstrasse,  von  dieser  aber  ging  nach  Westen  als- 
bald die  Hundestrasse,  später  Beckmacherstrasse  oder  Armesünder- 
strasse, ab,  sodass  die  heutige  Schauenburgerstrasse  in  ihrer  und 
der  eben  erwähnten  Filterstrasse  Richtung  verläuft.  Danach  scheint 
der  Büttel  wie  in  Stettin  und  Berlin  so  auch  in  Hamburg  mit  der 
Fütterung  von  Hunden  beauftragt  gewesen  zu  sein.  An  eine  Pflaste- 
nmg  des  Platzes  ist  für  die  ältere  Zeit  nicht  zu  denken.  Daher 
wird  sich  durch  die  Abfälle,  die  beim  Gewerbe  des  Büttels  unver- 
meidlich waren,  der  Boden  bald  zu  einem  tumulus  erhöht  haben, 
wie  auf  dem  Neumarkt  in  Breslau,  dem  Lohberg  in  Lübeck,  dem 
Brühl  in  Leipzig.  Wie  C.  Walther  in  den  Mitteilungen  des  Vereins 
für  hamburgische  Geschichte  X  S.  368  f.  nachgewiesen  hat,  besassen 
Hutfilter  Häuser  auf  dem  Platze.  Auch  die  Abgänge  der  von  ihnen 
und  von  den  benachbarten  Kürschnern  verarbeiteten  Stoffe  mögen 
dazu  beigetragen  haben,  den  Unrathügel  zu  vergrössern,  sodass  wie 
bei  den  Mesbergen  der  Name  Berg  wohl  erklärlich  wird. 

BRESLAU.  P.  Feit. 


58 


Eine  neue  Zeitung  vom  Berge  Sinai  1511 

Fragment  eines  niederdeutschen  Druckes. 

Unter  den  Bänden,  die  1824  aus  der  ehemaligen  Dombibliothek, 
damaligen  Gymnasialbibliothek  zu  Halberstadt  in  die  Universitäts- 
bibliothek zu  Halle  übergeführt  wurden,  befand  sich  unter  K  85  des 
Ualberstädter  Verzeichnisses  ein  jetzt  die  Standnummer  Ko  2310 
tragendes  Buch  in  klein  Octav :  Formulare  Äduocatorü  I  et  procuratot-ü 
Motnane  Curie  et  Regii  Perlamenti:  I  Practicam  sz  iura  communia  da- 
rissime  ostendens  (CCXXHI  Blätter)  Hagenaw  per  Henricum  Gran  1505 
tertio  Non,  Jun.  Im  Vorder-  und  Hinterdeckel  klebten  zwei  von  mir 
im  Jahre  1900  abgelöste  bedruckte  Papierblätter,  während  das  Titel- 
blatt und  der  freigelegte  vordere  Deckel  mit  handschriftlichen  Notizen 
bedeckt  waren  und  in  dem  Bande  ein  loses,  von  einer  Hand  des  aus- 
gehenden 15.  Jahrhunderts  beschriebenes  Papierblatt  in  Octav  lag. 
Die  Notizen  betreffen,  wie  sich  bei  näherer  Untersuchung  ergab,  den 
sogenannten  Prälatenkrieg  zu  Lüneburg, i)  der  Druck  erwies  sich  als 
die  zweite  Hälfte  einer  niederdeutschen,  bei  Jürgen  Richolff  in  Lübeck 
gedruckten  'neuen  Zeitung'  über  ein  1511  auf  dem  Berge  Sinai  ge- 
schehenes Wunder,  von  der  bei  Panzer  und  Weller  2)  hochdeutsche 
Ausgaben  von  1514  und  1512  angeführt  werden.  Der  Richolffsche 
Druck  stimmt  von  den  beiden  Münchener  Exemplaren  mit  dem  ersten 
H.  As.  782  bezeichneten  überein,  dessen  Text  ich  zum  besseren 
Verständnis  des  erhaltenen  niederdeutschen  Bruchstückes  mit  den 
Varianten  des  zweiten  Exemplars  (P.  Lat.  656)  hier  zum  Abdruck  bringe. 

L    Hochdeutscher  Druck. 

(la)  £in  grofs  wunderzaichen 

auff  dem  perg  Sinay 
bey  fant  Eatherinen 
grab    geschehen    jm 
aylfften  jarc». 
d    Diie  newe  zeyttung  hat  ein  frümer  parfölTer  |  prüder  von  der  obferuantz, 
von  jherufalem  |  auf  den  Reychfztag  gen  Trier  pracht.  |  Yn  da^  geoffennbart  allen 
ftenn  |  den  des  Reychs  auff^  fon  |  tag^  Trinitatis.  |  {Ib  leer) 


«)  In  anno  vndecimo  2.    ^)  fehlt  2. 

^)  1450 — 63  8.  über  ihn:  Francke,  Der  Lüneburgsche  sog.  Prälatenkrieg  im: 
6.  und  6.  Jahresbericht  des  Museumsvereins  für  das  Fürstentum  Lüneburg  1882—83  L. 
1884  S.  1-72. 

2)  Panzer,  (Deutsche)  Annalen  nr.  692  nennt  eine  Leipziger  Ausgabe  vou 
1514  und  eine  ohne  Ort,  Weller,  Ilcpert.  typogr.  752  und  753  verzeichnet  zwei  ohne 
Ort  von  1512,  welche  sich  in  der  Münchener  Hof-  und  Staatsbibliothek  befinden. 
Für  die  mir  in  Berlin  ermöglichte  Benutzung  sage  ich  der  Verwaltung  der  Münchener 
Hof-  und  Staatsbibliothek  auch  an  dieser  Stelle  besten  Dank. 


59 

(2a)  d    Es  ift  ain  ParfulTer  Münch  von  der  obferuantz  aufz  /  Hungern  vor 

ettlichen  jaren  gen  jherufalem  in  dz  klo  /  fter  bey  dem  heyligen  grab  vnfers  herrn 

kämen,  vnnd  /  da  gewont,  bifz  vngefarlichen  fich  begeben  hat    jm  jar»  /  M.  d.  x.j. 

vmb  fafznacht.    Ift  zu  jherufalem  ain  reyche  /  junckfraw  von  hohem  gefchlächt 

gewefeu,  die  vil  b^  /  den  vättem  parfolTer  ordens  gewonet,  vnd  durch  dye  /  frnmen 

prüder  des  criftenlichen  gelauben  vnderwifen  /  AUfo  das  die  felb  junckfraw,  zu  letzst 

durch  fchickung  /  gottes  des  allmächtigen,  bewegt  worden  ift,  ain  Chri  /  ftin  zu 

werden«  hat  den  vatter  jm  felben  clofter  Rapha  /  hei  genannt,  offt  vnnd  vleylTigk- 

liehen  erfucht,  ermant  /  vnnd  gepeten,  das  er  fy  tauffen  wölt.    Die  weyl  aber  /  ain 

pact  vnnd  veraynignng  vor  ettlichen  jaren  aufge  /  rieht  ift,  zwifchen   dem  Soldan, 

vnndter  des  gepieten  /  jherufalem  ift,  an  ainem,  vn  dem  hochmayfter  zu  Ro  /  dis, 

der  zu  jherufalem  der  parfuiler  befcbirmer  fein  fol.  /  Anderfztails.    Nemlichen  das 

die  parfuiler  zu  jherufa  /  lem  niemandts  tauffen,  auch  nichts  predigen  föUent.  / 

Hat  d'  früm  vatter  Raphahel,  defzhalb   sich  lang  zeyt.  /  die  junckfraw  zu  tauffen 

gewidert,  doch  zu  letzst,  auff  /  vilfaltig  vnd  vleyHig  anhallten,  fo  die  junckfraw 

bey  /  jme  gethan,  hat  er  fy  haimlich  getaufft,   vn  jr  ain  Cru  /  cifix  geben,  auch 

ain  pildnufz  vnnfer  lieben  frawen  der  /  junckfrawen  Marie,  das  hat  die  früm  jück- 

fraw  mit  /  groffer  andacht  i  jrer  kamer  behalten,  fich  darnach  vor  /  jren  elltern, 

vnd  haufzgefind  haimlich  in  der  kamer  vil  /  faltigklich  in  jrer  andacht  verporgen- 

lichen  gehalten.  /  Vnd  fich  täglichen  gekeftiget  vnnd  felbs  gepeyniget  /  mit  ainer 

gayfei,  geschlagen,  das  fy  jr  plut  hat  auf  die  /  erden  vergoffen,  vnd  das  felb  plut 

scheinparlichenb  auf  /  dem  pflecz  bliben  ift.    Do  aber  jre  elltern,  vnnd  das   ge- 

{2b)  Hnd  sich  verwunderten,  das  die  jückfraw  alfo  verpor  /  gen  wider  jr  allte  ge- 

wonhait  in  der  kämer  follt  ligen.  /  haben  fy  des  vrfach  wiffen  wollen,  auch  das 

plut,  auff  /  dem  pflecz,  das  fy  durch  die  gayfzlung  verret»  hat,  gar  /  scheinparlichen 

gefunden  vn  des  auch  vrfsch  gefragt  /  Nach  groffem  ernnft  fo«^  an  d  fyd  gelegt  ^ 

Ut^  worden.^  hat  /  die  junckfraw  bekennt  vnd^  gefagt,^  das  fy  ein  Criftin  /  sey 

worden,  w51l  auch  allfo  in^  criftenlichemd  gelauben  d  /  fterben,  dum  es  fey  der  recht 

vndd  warhafftigd  glaub  etc.  /  daruon  fy  nyemandts  hat  bewegen  oder^  pringen^ 

m6  /  gen.    Haben  jre  ellter  vnd  das  haufzgefind  wiffen  wöl  /  len,  wer  fy  doch  zu 

Criftin  gemacht  oder  getaufft,  hatt  /  fy  aufz  groffer  forcht  vnd^  zwancknus^  fo  an 

fy  gelegt  /  ift  worden  ^  vatter  Raphaheln  genennt. 

d  Als  nun  die«  junckfraw  von  difem  criftenlichen  glau  /  ben  nit  hat  steen 
w511en,  weder d  durchs  lieb^  noch^  layd^.  /  haben  jre  ellter  dem  Solldan  jrem 
kayfer  folliches  für/pracht  vnd  angezaygt,  der  dann  ein  Mameluck  vnnd  /  verlau- 
genter  crift  fein  mufz  darunder  das  heylig  grab'  ift.  vnd  der  yetzig  Solldan >)  ift 
ain  doctor  in  der  heilige  /  theologia  zu  Parifz  gestudiert  vnd  zu  Solldan  erkuft  / 
vnd  erwölt,  aufz  ainer  ftatt  in  dems  nyderland  genannt  /  Tortrich,  der  feiner  muter 
offt  vnndd  dick^  vil  gelts  her/  aufz  geschickt  hat.  Derfelb  Solldan  hat  von  ftundao  / 
gepoten  den^  feineu  d  die  junckfrawen  vnd  alle  Barfuf  /  fer  münch  zu  jherufalem  zu 
fahen,  vnnd  jm  die  gen  AI  /  kayren  ze  pringen,  follichs  dann^  gefchehen  iCt.  hat 
der  /  Solldan  von  ftundan  vatter  Raphahelen,  vnnd   auchd  j  ^{q   junckfrawen  jn 


»)jnanno^.    i>)  sichtpai liehen  ^.    <»)  verrert  ;2.    d)   fc]\U2.    «^^^^«^^^^^  ^• 
0  heylig  land  2.    g)  jm  2.    h)  das  auch  2.  '  cj  u       • 

^)  Äshraf-Kansuh  el  Ghuri  1501-17,  der  Ui^te  lär^^A^^^^K.TT^ix'«  - 
Ägypten,  Lane-Poole,  History  of  Egypt  in  the  MiddU  age  WaaI^  ^^^^^*^^^" 
seine  hier  angegebene  Herkunft  ist  ganz  unerweislicl^  ^^mO 


60 

bej  fein,  der  andern  prüder  gefragt  /  Wie  die  fachen  ftanden,  haben  fy  gleich  allen 
handel.  /  wie  der  geschehen  ift,  erzelt  vnd  bekennt. 

(I  Do  nun  der«  Solldan  die  junckfrawen,  auch  die  hn(3a)mBn  parfolTer 
m&nch  nicht b  von  criftenlichem  glauben /kern  noch«  pringen«  m5gen,  hat  ervatter 
Raphahelen  /  creuczigen  lallen.  AUfo  ain  nagel  durch  dye  ftirn,  vnd  /  durch  den 
leyb  gefchlagen.  vnd  darnach  die  junckfrau  /wen  verprennt,  die«  dann«  alfo«  baide« 
gare  criftenlicheo  ge/  ftorben^  findo,  die  andern  barfufTer^  münch  gefangen  ge/legt 
in  harte  gefencknus  zehen  monat,  an  henden  vnd  /  fuITen  mit  eyfznin  kettinen  d. 

d  Do  nun  des  Solldans  Ambleüt  vnnd  gewalltigen  /  bey  dem  perg  Sinay. 
do  die  heylig  junckfrw  Katheri  /  na«  begraben  ligt,  glaublichen  der  gefencknus  der 
Mü/nich  Yon  jherufalem  angelangt  hat,  haben  fy  gedacht.  /  fy  thun  wider  den 
Soldan  nit,  wo  fy  der  heiligen  junck  /  frawen  grab '  zerreylTen  vnd  zerprechen,  vnd 
auch«  dz  /  einnemen,  vnnd  dies  Münch  all  vahen  oder  erfchlage.  /  das  werd  der 
pest  weg,  Tund  mögen  i^  das  gegen  dem  Soldan  wol  verantworten. 

d  Nicht  verrt  von  dem«  perg«  Sinay,  haben  fich  die  fei  /  ben  gewalltigen  mit 
neun  pferden  in  jrem  hamafch  er  /  hebt,  vnnd  auff  den  perg  Sinay  jren  anschlag 
gehabt  /  vnd<)  befchlolTen,«  der  heyligen  junckfrawen  Katherine^  /  grab  zerrey/Teo« 
vnndo  zu  erftören,  auchi  die  Munch  zu  erwübrgeno  vnd«  tddten.  Do«  fy«  nun« 
zu«  dem«  pergo  find«  kü  /  men,«  find  jr  vier  von  jren  pferden  geftanden,  vnd^  find«'  / 
aufo  den«  perg»  zu«  dem»  clofter^  kümen,«  das  haben  die  frum  /  men  prüder  ve^ 
nümen  vnd  gemerckt,™  haben  zu  einan  /  der  gefprochen  vnd  geredt »  was  find  das 
für  leüt,  ift  do  /  ch  in  vil»  Monaten  kein  pillgrem  auf  den  perg  Sinay  /  za  fant 
Katherinen  kümen,  verwunderten  fich  gar«  fer  /  darab,  wer  doch«  da  zn  jnen  in 
harnafch  gewappent  kä/me.  Vnnd  als  fy  die  wappner «  anfahen,  berieten  fy  ficb 
{3b)  vnnd«  fprachen«  zu«  einander«.  Wollen  wir  vnns  werenp  /  oder  nit,  doch  zu 
letzst  befchlos  der  Gwardian  mit  denq  prüdem  vnnd«  fprachc.  Wir  wollen '  jr 
auff  dem  perg  er/  wartten,  vnd  wollen«  vnns«  got«  dem  allmUchtigen  be  /  uelhen  vnd 
der  heyligen  junckfrawen  Katherinen *. 

d  Do  nun«  die  vier  gewappenten  hinauf  kameod,  do«  /  fchlugen  fy  auf  die 
Münch,  vnnd  nämlichen  jr  vier  zu  /  tod,  die  andern  Münch  entluffen«  vn«  be- 
fchluITen die  kir  /  chen«  vnd«  die«  thor.  Aber^  der  Gwardian  feczet  fich  ne  /  ben^  das 
grab  fant«  Katherinen«  vnd«  trucket  fich^^  daran«.  /  alle  augenplick  warttendt, 
erfchlagen  oder  durchsto  /  chen  zu  werden. 

d  Alfo  horten  diey  Münch«  ain  grofz«  gepoch  an  der  kir-  /  chenthür,  dann 
dye  vier  vnndterftunden  fich  dye  thor  /  auf  zuftofTen,  doch  het  das  gepoch  bald 
ein  ennde,>  vnd  /  ward  ftill,  ftund^  der  Gwardian  auf  von  dem  3  grab,  vn  /  befahe, 
wo  doch  die  vier  gewappnoten  w&rn,  vnd«  defz  /  gleychen«  fein«  vier«  prüder« 
die«  da«  vor«  dem«  clofter«  bliben«  /  waren,«  gieng  für  die  kirchthür,^  do  fand  er 
die 4  vier  ge  /  wappoten«  (!)  fteen  in  den  poiren,<^  die<  ain  yeder  jm  aufftof  /  fen 
an  fich  gennmen  het,  vn  waren  all  gantz  erftarret.7  /  er  griff  fy  an.    fand  er  das 

»)  Vnnd  do  der  J^.  ^)  nit  2.  «)  fehlt  2.  d)  münich  gefanngen  zehen  monat  in 
gefencknus  laffen  ligen  2.  «)  sant  K.  2,  f)  fy  fant  Katharinen  grab  2,  8)  auch  die  '2. 
1»)  möchten  2.  »)  Vnnd  nicht  verr  2.  k)  sant  K.  2.  i)  und  2.  >»)  gem.  u.  vern  - 
n)  haben  —  geredt  /'«Äft,  dafür  vnnd  gedacht  2.  «)  ettlichen  2.  v)  ob  fy  fich 
weren  wölten  2.  q)  seinen  2.  r)  fy  wölten  2.  •)  fich  got  2.  *)  vnd  sant  K.  2. 
u)  e.  zu  fant  Katherinen  grab  2.  v)  und  2.  w)  neben  an  2.  x)  fich  truckend  '2. 
y)  sy  2.  ■)  pald  auf  gehört  2.  i)  wischt  2,  2)  vom  2.  »)  thür  2.  *)  sy  all  2. 
5)  i.  d.  p.  St.  2.    6)  den  2.    i)  zerstarret  2. 


61 

Ty  in  (tainpilder  verwandelt  /  waren.  Do  gieng  yon  ftondan  der  Gwardian  wider  / 
in  das  clofter.  vnd  berufft»  die  anderen  lebendige  mftnch  /  Yiind  fiengen  an  fr5- 
lich  xe  ßngen  das^  lob  gelang.^  Te  /  deum  laudamus  etc.  Do  wurden  die  er- 
tödten  MAnch  /  wider  lebendig  abero  die  vier  gewappneten  unglaubi-  /  ger  gewall- 
tiger  hayden,  die  in  stainine  pilder  verwan  /  delt  wurden,  beliben  alfo  fteen. 
als  fy  auch  noch^  fteen.  /  Wie  wol  die  münch  fr51ich.  fo  wurden  fy  doch  forcht  / 
fam  vnd^  nit^  vnpillichen^ 

d  Der  andern  f&nff  hayden  halben  fo  noch  vnnden  am  {4  a)  perg  bey  den 
pferden  hiellten.  bedachten  fy  möchten  /  mer  gewallts  mit  jnen  üben,  zu  dem« 
leczsten  da^  wagte  /  Heb  der  Gwardian  mit  ainem  münch'  den^  perg^  hinab.  / 
zu  den  füoffen  zus  geen.  jnen  das  grofz  mirackel  vnnd^  /  wunderzaichen^  an  jn 
begegnet  an  zu  zaygen,  die  hay  /  den  woltens  nichtig  glauben,  doch  zu  letzst 
gienngen  fy  /  mit  den  München  auf  den  perg  Sinay.  funden  jre  her  /  ren  nit  on 
groiles  layd  vnnd  forcht.  in  ftainine  pilder  /  verkert  vnd  verwandelt,  das  ward 
dem  Soldan  jrem  /  kayfer  von  ftundan  kundt  gethan.  der  noch  die  überige  /  par- 
f affer  münch  von  j beruf alem  in  hartter  ftrennger^  /  gefencknus  hiellt.  Nämlichen 
an  helfen,  armen  vnnd  /  fchennckeln  mit  eyfznen  ketten  angeschlagen. 

d  Aber  der  Soldan  wolt  difem  mirackel  vnd  wunder  /  zaichen  auch  kein 
glauben  geben,  bifz  dz  er  es*  felbft  per  /  fonlich  erfaren  vnnd  gefehen  hat. 
Allfo^  bald  er  wider  /  vom  perg  iinay  gen  Alkayren  haym  käme,  doch  wol  /  von 
den  feinen  verwart,  das  er  der  foUdan  jnen  nit  en  /  trunne.  Zehen  tag  vor  Natiui- 
tatis  Crifti  Anno  etc.  jm  /  aylffteni  hat  er  die  Münch  widerüb  gen  iherufalem  ge  / 
fchickt  die  lebendigen  parfuffer  fo  er  zu  Alkeyr  in^  ge  /  fencknus^  hat  gehabt.«^ 
all  felber  mit  feiner  handt  ledig  /  gelairen.n  Auch  erlaubt  vnangefehen  das  der 
hochmay  /  fter  von  Rodis.  vnd  Er.  zwifchen  jnen  pacten  betten  /  das  fy  die 
münch  nit  predigen  oder  niemandts  füllten  /  tau£fen.o  möchten  fy  doch  furo  hin 
die  baide  thun  feint  /  halben  vngeftrafft.  doch  das  fy  dannocht  bedächten  dz  /  fy 
das  nit  übermachtend,  damit  die  hayden  fein  vnder  /  than.  fy  nit  zu  tod  fchliegen. 

0  Gedruckt  Anno  etc.  jm  zwelff  /  ten  jare  Freytag  hach  JacobiP  {4b  ist  leer), 

II.    Niederdentseher  Druck. 

(1^)»  Holzschnitt:  ein  Mönch  steht  vor  einem  Ritter,  der  eine 
Fahne  mit  drei  Lilien  hält,  zur  Seite  und  oben  vier  Vögel. 

dat  fe  wolden  anlangen  vnde  mit  wreue  /  lerne  mode  antaften 
dat  graff  der  hylgen  /  junkfrouwö  funte  Katherinen,  dat  to  vor  / 
ftörende  vnde  to  vornichtigende,  vfl  dat  (1^)  gantz  innemen,  vnde 
wolden  [dej*i  monnike  /  dar  alle  doet  flaen  vnde  vordelgen,  wen  /  te 
fe  vormoden  fick  des,  wanner  dyt  ...**/  ghefchege  vft  vuUenbracht 
worde,  en  we  /  re  nicht  gegen  den  willen  des  Soldans.  /  men  vor 
eynen  groten  denst  anneme. 


»)  Von  ftundan  berufft  d.  G.  jm  cl.  2,    ^)  fehlt  2.    o)  vivad  2.   ^^  ^^^^  ^  2. 
•)  zum  2,    0  a.  andern  m.  2,    «)  zu  jnen  zu  2,    ^)  nit  2,     ^  \i\£^  ötU  ä.  ^^  ^?^- 
1)  anno  M.  d.  xll  (!)  2,  «)  gehallten  het  2.    n)  gelall'en  ineii  ääb  Y^«^^%«^''^T    • 
bevolhen  vnd  eingeben  2,    o).  t,  f.  2.    p)  In  2:  Q  Dife    i^^xi^u   ^el^^^ssJi,  ;^  ^i^ 
frümer  parfuffer  pru  /  der  von  der  obferuantz,  von  ]herU^a\%tx.   ^^€  ^  wSJ'\ 
tag  gen  Tryer  pracht,  vnd  geoflfenn  /  hart  allen  St^^^aen,  ^^^cty^^^""^       ^ 
Q  Gedruckt  Anno  etc.  jm  zwelfften.    q)  Lücke  in  J^  ^^  ^^>S»'^ 


62 

(I  Nicht  verne  van  dein  berge  Sinay  fo  /  hebben  fick  vorwegt^t 
negen  heyden  myt  /  erem  harnfche  to  perde  gbekamen  an  den  /  bercL 
Sinay,  vll  hebben  fik  dar  bedacht  /  vnde  befpraken  in  welker  wife  fe 
ere  vor-  /  nement   vnde   anflach  mochten   betengen  /  dat    dat    graff 
worde  vorftoret,  vfi  ock  de  /  monnike  vorf  lagen  vnde  vordelget  wor 
den    To  leften  fo  fint  erer  vere  af  ghefeten  /  von  eren  perden,  vnde 
quemen  den  berch  /  vp  na  dem  klofter  De  brßdere  im  klofter  worden 
erer   ghewar,   vnde   vormeynden  /  dat   yd   pelegrimen   scholden    syn, 
vfi  que  /  men  vth  gande  vor  dat  klofter  fe  to   ent-  /  fangende     Je- 
doch fo  weren  fe  fick  des  fe  /  re  vorwunderen,   dat  pelegrime  fchol- 
den  /  to  en  kamen,  wente  to  langen  tijden  dar  /  (2<»)  nene  pelegrime 
gheweft  hadden,  mit  des  /  [fege]*n  fe  dat  yd  ghewapende  mans  we 
[ren  m]*yt  groter   vnde  ftarker  were     Do   fe  /  de  de  Gardian     Wat 
willen  wy  nu  doen  /  wil  wy  vns  were,  efFte  wat  doen,  wy    To  /  left^D 
befloet  de  Gardian  dat  fe  fick  wol  /  den  geuen  in   de  macht    gades 
vnde  in  de  /  befcherminge  der  hilgen  junckfrouwe  fun  /  te  Katherinen 
vnde  wulden  erer  dar  vor  /  beyden,  villichte  wat  en  god  toschickede. 
Do  nu  de  vere  ghewapSde  by  de  brödere  /  quemS,  de  doch  nene  were 
enhadden,  fl6  /  gen  fe  fo  grefeliken  vp  de  monnike,   vnde  /  van  den 
bröderen  fo  flögen   fe   vere  to  do  /  de  de  dar  beliggende  bleuen  De 
anderen  /  worden  fere  vorueret,  vnde  van  leyde  fo  /  lepen  fe  na  der 
kerken,  vnde  flöten  de  va  /  fte  to,  beft  dat  fe  konden,  vnde  vorhud- 
de  /  fick  dar  inne  eyn  jewelick  wor   he   konde,  /  Auer   de  Gardian 
ginck   litte   by   dat   graf  der   hilgen  junkfrouwen   funte  Katherine  ; 
vnde  helth  fick  dar  harde  an,  vnde  fetthe  /  fik  vor,  dat  he  dar  (erer 
wachtende  vnde  /  (2^)  vorbeydende  alle  ogenblicke  to  kamende  /  vfi 
ene  dar  to  vormordede)  fteruen  wolde. 

(I  Nicht  lange  dar  na  quemen  de  wapen  /  de  mans  vor  de 
kerckdören  myt  grotem  /  ftorme  vnde  balderinge,  vnde  neme  vor 
to  betengen  up  to  brekende  de  kerckdören  /  dar  vor  de  bröders  fick 
gantz  enfetteden.  /  Men  nicht  lange  warende,  fo  nam  dath  /  balderen 
vnde  ftormen  vor  der  kerckdö-  /  ren  eyn  ende,  vnde  wart  ock  gantz 
ftille,  /  Do  fe  dar  nicht  meer  en  vornemS,  eyn  je-  /  welick  dar  he 
fick  henne  vorhoddet  had-  /  de,  quam  wedder  her  vor,  vfi  vunde 
den  /  Gardian  alleynS  fittende  by  deme  graue  /  funte  Katherine  De 
Gardian  vorwoech  /  fick  drijftliken  vfi  öpende  de  dören  to  be-  , 
feende,  wo  yd  doch  were  vfäe  de  veer  brö  /  dere  de  vor  deme  klofter 
gebleuen  weren,  /  Do  vant  he  de  veer  ghewapende  heyden  /  ftaen 
vor  d'  kerckdören  eynen  jewelken  in  /  finer  wife  vfi  polTie,  fo  alze 
he  de  kerke  an  /  to  gande  an  gename  hadde,  vfi  were  gatz  /  ftyff 
vnde  hart  Myt  grotem  vruchte  ta  /  ftede  he  fe  an,  do  beuant  he 
dat  fe  weren  (3«)  vorwandelt  in  ftenende  bilde,  ock  de  veer  /  bröders 
vant  he  vormordet  vnde  weren  /  doet  Do  ginck  de  Gardian  vort 
wedder  /  in  dat  klofter  myt  finen  broders  de  noch  /  leuendich  weren, 
vfi  in  eyne  ftacien  ftaen  /  vfi  fungen  den  lauefanck  Te  deum  lauda  / 


»)  Lücke  in  H. 


63 


inus  Vnd'  welkere  lauefange  de  veer  do  /  den  mönike  wedd'  leuen- 
dich  worde  /  vnde  ginge  by  fe  ftaen  in  de  ftacien,  me  de  veer  / 
heyden  de  in  ftenen  bilde  wer6  geworden  /  de  bleue  ftenö,  vü  fteen 
dar  noch  beth  vp  /  deffen  dach  Vfl  wo  wol  de  monnike  fun  /  gen 
in  vrolicheit,  fo  were  fe  doch  ock  mit  /  grotem  vruchten  vmmeuange 
vnde  dat  /  nicht  vmbildeliken. 

(J  Dar  na  dachte  de  gardian  mit  line  br6  /  deren,  dat  fe  noch 
mochten  werden  ouer  /  vallen  dorch  etlike  andere  heyden  Hyrura  / 
me  fo  nam  he  to  fik  ein  vä  de  bröders  vfi  /  gink  drijftliken  vth  hen 
dale  an  den  berch  /  dar  he  de  andere  vyf  heyden  noch  holden  /  de 
vant,  den  vorkundigede  he  dath  grote  /  (56)  mirackel  vfi  [wunder- 
teken  d[at]*  an  den  veer  /  heyden  ghefcheen  [is,  d]»at  de  heydS 
nicht  /  löuen  wolden,  fund'  fe  gingen  myt  de  m5  /  niken  vp  den  berch 
Sinay,  vnde  vunden  /  dar  ere  heren  (nicht  ane  grote  leyde  vnde 
vruchte)  vorwandelt  vfi  geworden  to  fte  /  nen  bilde  Do  fe  dyt  fegen, 
fint  fe  gereden  /  to  dem  Soldan  ere  keyfer  vfi  hebben  em  /  deffe 
wunderteke  to  vorftande  geuen,  de  /  de  baruoter  monnike  van  iheru- 
falem  noch  /  alle  hadde  in  fwarer  venkeniffe. 

(I  Do  der  Soldan  dyt  horde,  wolde  he  de  /  mirakel  nenen  louen 
geuen  beth  fo  lange  /  dat  he  dar  perfonliken  kamen  is,  vnde  de  / 
dinck  ghefeen  vnde  angemerket  heft  Dar  /  na  reyfede  he  van  deme 
berghe  Sinay  na  /  hufzwert  to  Alkayren,  jodoch  wol  bewa  /  ret  va 
den  finen  dat  he  en  nicht  enqueme  /  Teyn  dage  vor  wynachten  im 
jare.  M.  /  ccccc.  vnde  XI  heft  he  de  vangen  mö  /  nike  loefz  gegeue 
vnde  fe  wedd'  ghefant  na  /  jherufalem  vfl  en  vor  orlouet  (nicht  an  / 
ghefeen  den  contract  vfi  ouer  eynkament  /  (4a)  twilTchen  em  vfl  dem 
hoe  mefter  to  Bo  /  dis  alze  des  predekens  vfi  d6pens  halue)  /  dat 
fe  möge  de  beyd'  leye  doen  beyde  döpö  /  vfS  predeken  vor  fick,  finen 
haluen  vnge  /  ftraffet,  jodoch  dat  fe  denne  noch  bedech  /  ten  vnde 
nicht  auermakeden,  dat  de  heydS  /  fine  vnderdaen  fe  nicht  to  dode 
enflögen. 

Jürgen  Richolff 
Druckerßgnet 


(4b  ist  leer.) 


BERLIN. 


M.  ^^yVdäöcv. 


»)  L&cke  in  H. 


64 


Der  Anteil  NorddentscbUs  am  eYaogeliscben  Kircbeiilied     i 
des  17.  JaModerts.  i 

An  der  Grenze  mittel-  und  niederdeutschen  Wesens  nahm  die 
Reformation  ihren  Ursprung,  über  weite  Gebiete  Norddeutschland^ 
breitete  sie  sich  aus:  kein  Wunder,  dass  sich  auch  der  evangelische 
Liederfrühling,  der  gleichfalls  von  Wittenberg  ausging,  bald  nach 
Norden  hin  fortpflanzte.  Teils  bediente  man  sich  dort  der  altüber- 
lieferten Sassenmundart  (Decius,  Bonnus,  Freder,  Knopken,  Woldvr. 
Moyse,  Wepse),  wie  man  auch  die  hd.  Lieder  verniederdeutschte,  teils 
sang  man  schon  früh  in  der  Luthersprache  (Magdeburg,  Ringwaldt« 
Nicolai  u.  a.).  Diese  Lieder  des  16.  Jahrhunderts  liegen  schon  seit 
längerer  Zeit  in  einer  guten  Ausgabe  vor,  in  Wackernagel> 
bekanntem  Werke.  Dies  hat  neuerdings  eine  gleichwertige  Fortsetzung 
erhalten  in  Fischer-Tümpels  deutschem  evangelischem  Kirchenlied 
des  17.  Jahrhunderts.  1)  Wie  bei  Wackernagel  sind  hier  die  Lieder 
nach  dem  ältesten  Druck  so  sauber  und  zuverlässig  wiedergegeben, 
dass  die  Texte  auch  bei  sprachlichen  Untersuchungen  zu  Grunde  gelegt 
werden  können.  Nach  dieser  Quelle  soll  im  folgenden  über  den  Anteil 
Norddeutschlands  am  evangelischen  Kirchenlied  des  17.  Jahrhunderts 
gehandelt  werden. 

Fischer -Tümpel  unterscheidet  die  Periode  des  Bekenntnisliedes 
( — 1648)  von  der  des  Erbauungsliedes.  Letztere  führt  er  flur  bis 
1680,  da  nun  der  Pietismus  einsetzt,  der  dann  weit  bis  ins  18.  Jahr- 
hundert reicht.  Wird  so  das  Thema  —  aus  einem  durchaus  zu 
billigenden  Grunde  —  nicht  völlig  erschöpft,  so  bringt  der  I.  Band 
manchen  Dichter,  den  man  in  dem  Werke  nicht  erwartet:  er  soll 
Wackernagels  Werk  in  der  Weise  ergänzen,  dass  auch  die  Dichter 
des  16.  Jahrhunderts  (seit  1570),  die  dort  fehlen  oder  unvollständig 
vertreten  sind,  berücksichtigt  werden. 

Von  diesen  sei  hier  Daniel  Rumpius  genannt.  Bd.  IS.  197 
kennt  nur  den  Namen,  Bd.  II  S.  VI  kann  nach  der  Widmung  eines 
durch  Rumpius  ;, gestellten*^,  1587  erschienenen  Liedbüchleins  feststellen, 


1)  Das  deutsche  evangelische  Kirchenlied  des  siebzehnten  Jahrhunderts. 
Von  D.  Albert  Fischer  f,  weil.  Oberpfarrer  und  Superintendent  a.D.  zu  Qross- 
Ottersleben.  Nach  dessen  Tode  vollendet  und  herausgegeben  von  W.  Tümpel, 
Pfarrer  in  Unterrenthendorf  (S.-Altenburg)  (jetzt  Göllnitz,  S.-Aitenburg).  Gütersloh, 
C.  Bertelsmann.  1.  Bd.  1904.  2.  Bd.  1905.  3.  Bd.  1906.  4.  Bd.  19«8.  5.  Bd.  1911. 
Es  fehlt  nur  noch  der  Schlussband  mit  Bibliographie  und  anderer  Zubehör.  — 
Eine  vortreffliche  Übersicht  über  das  ganze  Gebiet  gibt  Wilhelm  Nelle: 
Geschichte  des  deutschen  ev.  Kirchenliedes.  Zweite  erweiterte  und  verbesserte 
Auflage.    Gustav  Schloessmanns  Verlagsbuchhandlung.    Hamburg  1909. 


1)  Im  folgenden  benutze  ich  die  mir  von  ihm  mUcreteiVteii  \A8<iX^'^.   ^"i  ^^^' 
lieh  ist  es  bei  David  Wolder,  Wackernagel  V  Nr.  5^4^501.     ^\\cV^    ^^^"^^^^  *^^^ 


nach  Band,  Nr.  und  Strophe. 

Festgabe  (Nd.  Jb.  XXXYII). 


65 

dass  er  1549  geboren  ist,  1570  Pfarrer  zu  Creyen  in  Mecklenburg, 
später  Pfarrer  zu  Marienfliesa  an  der  Stepnitz  (Prignitz)  wurde.  Die 
bei  Fiscber- Tümpel  a.  a.  0.  nach  Musae  Sioniae  Michaelis  Praetorij 
1609/1610  mitgeteilten   sechs   Lieder   sind   sämtlich   schon   im  Lied-  ^ 

büchlein   vorhanden   und   also   vom  Verfasser   selbst  herausgegeben.  i 

Und  zwar  weicht,  wie  Herr  Oberbibliothekar  Milchsack  nach  dem  in  ! 

der  Wolfenbüttler  Bibliothek  vorhandenen  Exemplare  festzustellen 
die  Güte  hatte,  der  Text  von  1587  von  dem  von  1609/1610  meist 
nur  in  orthographischer  Beziehung  ab.i)  Die  Lieder  sind  in  hd. 
Sprache  abgefasst  und  reimen  ausserordentlich  unrein.  Einige  (keines- 
wegs alle)  unreine  Reime  könnte  man  beseitigen,  wenn  man  die  nd.  i 
Form  einsetzte^) :  Domini :  mi  (statt  Domini :  mir)  I.  248.  7,8)  goi :  brod 
(statt  gut  :  Brod)  249.  3,  eppel  :  lepel  (statt  öpfel  :  löffel)  249.  4, 
Güder  :  Brüdern  (statt  guter  :  Brüdern)  249.  5,  gegaten  :  gelaten  (statt 
gegossen  :  gelassen)  250.  3,  tit^  gebaren  :  vlit^  betvaren  (statt  zeit^  ge- 
hören :  ßeis,    bewaren)    250.  4,    lehren  :  regeren    (statt  lehren  :  regiren) 

250.  5,  not :  dot  (statt  not  :  thut)  250.  9,   dot :  blot  (statt  Todt :  Blut) 

251.  5,  vur  :  mur  (statt  Feur  :  maur)  252,  8,  vorten  :  sen  (statt  wr- 
zihen  :  seheti)  253.  1,  wachten  :  lachen  (statt  warten  :  lachen)  253.  4.  Soll 
man  nun  darum  annehmen,  dass  Bumpius  zuerst  nd.  gedichtet  habe? 
Das  ist  an  sich  nicht  sehr  wahrscheinlich,  erscheint  aber  deshalb 
um  so  weniger  glaubhaft,  weil  in  anderen  Fällen  die  Einsetzung  der 
nd.  Form  den  Beim  zerstören  würde :  gebracht :  gemacht  (nd.  gebracht : 
getndket)  249.  5,  rein  :  Jesulein  (nd.  rein  :  Jesulin)  250.  3,  rein  :  dein 
(nd.  rein  :  din)  250.  4,  Oeist :  fleis  (nd.  geist :  vlit)  250.  7,  dich  :  stetiglich 
(nd.  di  :  stedichlik)  250.  10,  hat  :  gnad  (nd.  heft :  gnad)  251.  2,  worten  : 
pf orten  (nd.  worden  :  porten)  251.  6,  aufsen:  hause  (nd.  utenihuse) 
253.  1,  zeit :  freud  (nd.  tit  :  vroude)  253.  4.  Auch  der  Wortschatz 
trägt  kein  nd.  Gepräge,  wenn  man  von  Kenelein  252.  4  absieht,  das 
bezeichnender  Weise  im  Abdruck  der  Musae  Sioniae  Praetorij  von 
1610  durch  die  Parenthese  Schiffelein  erläutert  wird.  Ich  glaube 
also,  der  Dichter  wollte  von  Anfang  an  hd.  schreiben.  So  hat  er 
sich  bei  der  Niederschrift  auch  dann  der  hd.  Form  bedient,  wenn  er 
den  Reim  nach  seinem  mundartlichen  Gehör  gebildet  hat.  Genau  so 
reimen  die  Dichter  der  schlesischen  Schule  und  auch  solche  aus 
Preussen  (s.  u.  S.  6H)  ihrer  Mundart  entsprechend  kimmt  (aus  kümmt) 
auf  nimmt^  schreiben  aber  immer  kömmt  :  nimmt  (Grimm,  Wörter- 
buch y,  Sp.  1629). 

Wenden  wir  uns  jetzt  dem  17.  Jahrhundert  zu,  so  ist  es  merk- 
würdig, wie  verschieden  die  einzelnen  Landschaften  Norddeutschlands 
an  der  Pflege  des  ev.  Kirchenliedes  beteiligt  sind. 

Sehr  steht  der  Westen  zurück.  Für  die  vielen  kattiolischen 
Gebiete  in  Rheinland  und  Westfalen   ist   das   selbstverständUch,  und 


I 


66 

bei  den  Reformierten  hat  die  Ausbreitung  des  Psalmengesanges 
zum  fast  völligen  Erlöschen  der  eigenen  Produktion  geführt.  Es  ist 
aber  so,  als  ob  auch  die  lutherischen  Gegenden  von  dieser  Unfrucht- 
barkeit angesteckt  wären.  Fischer-Tümpel  behandelt  die  Dichter  nach 
landschaftlichen  Gruppen,  berücksichtigt  aber  hierbei  namentlich  den 
Ort  ihrer  Hauptwirksamkeit.  Das  Bild  verschiebt  sich,  wenn  man 
vom  Geburtsort  ausgeht.  So  müssen  wir  von  den  vier  westfälischen 
Dichtern,  die  II  S.  476— r)()(i  aus  der  Zeit  von  1618—1648  angeführt 
werden,  drei  streichen,  und  es  bleibt  nur  Hadewig  übrig.  Er  stammt 
aus  Äbrenshorst  im  Osnabrückischen.  Nehmen  wir  dazu  aus  der 
Stadt  Osnabrück  den  Schuhmacher  Rudolf  von  Bellinckhansen  [l. 
245 — 247)  und  aus  dem  Tecklenburgischen  Johann  von  Münster,  einen 
der  wenigen  reformierten  Sänger  (I.  287),  beide  der  Übergangszeit 
vom  16.  zum  17.  Jahrhundert  angehörig,  so  sind  wir  mit  den  Dichtern, 
die  zweifellos  aus  Westfalen  stammen,  fertig,  und  aus  der  Rhein- 
gegend (Hilden  bei  Düsseldorf)  ist  gar  nur  Wilhelm  Fabricius,  1560 
bis  1634,  (I.  229)  zu  nennen:  Landschaften  wie  Minden,  Ravensberg. 
Mark  fallen  ganz  aus.  Mit  Unrecht  führt  Schwering  in  der  Literatur- 
geschichte der  westfälischen  Mark  (Die  Grafschaft  Mark.  Festschrift 
zum  Gedächtnis  der  300jährigen  Vereinigung  mit  Brandenborg- 
Preussen.  Dortmund,  Fr.  Wilh.  Ruhfus,  1909)  S.  305  den  obenge- 
nannten Hadewig  an:  nicht  nur  der  Geburtsort,  sondern  auch  die 
Stätten  seiner  Wirksamkeit  (Lübbecke,  Rinteln)  fallen  ausserhalb  der 
Grenzen  der  Mark.  Ganz  unvertreten  sind  auch  die  nördlich  an  West- 
falen angrenzenden  Gebiete:  Ostfriesland,  die  Stadt  Bremen  (beide 
reformiert),  Oldenburg.  Auch  der  äusserste  Nordosten,  die  jetzt 
russischen  Ostseeprovinzen,  stellen  nur  wenig  Dichter.  Etwas  zahl- 
reicher sind  die  geborenen  Mecklenburger  und  wieder  etwas  häufiger 
die  Pommern.  Aber  die  eigentlichen  Heimstätten  des  ev.  Gesanges 
im  17.  Jahrhundert  sind  die  Weifenlande  mit  den  nördlich  und  östlich 
angrenzenden  säkularisierten  Stiftern,  also  im  wesentlichen  das  Land 
zwischen  Weser  und  Elbe,  ferner  Schleswig- Holstein  und  schliesslich 
Preussen  mit  ihrer  Nachbarschaft.  Bemerkenswert  ist  es,  dass  nicht 
weniger  als  drei  dichtende  Mitglieder  des  Weifenhauses  aufgeführt 
werden,  alle  aus  der  Zeit  des  Erbauungsliedes:  Ferdinand  Albrecht, 
Herzog  zu  Braunschweig -Lüneburg,  (IV.  565 — 566),  Anton  Ulrich, 
Herzog  zu  Braunschweig -Wolfenbüttel  (V.  36S-382)  und  seine  Tochter 
Elisabeth  Eleonore  (V.  407 — 409).  Aus  dem  Lande  zwischen  Weser 
und  Elbe  seien  sonst  nur  noch  Bucholtz  (IL  348—363)  und  Gesenius 
(IL  364  —  450),  einer  der  frühesten  „Liederverbesserer^,  genannt,  aus 
'Brandenburg  Runge  (IIL  511  — 542)  und  Pauli  (IIL  547—557),  der 
Freund  Paul  Gerhardts,  aus  Holstein  der  so  überaus  fruchtbare  Rist 
(IL  184 — 306).  P>wähnt  sei  noch,  dass,  während  Bd.  I — IV  keinen 
geborenen  Lübecker  aufweisen,  Bd.  V  deren  drei  enthält:  Finx  (Fran- 
cisci)  (267—293),  Heinrich  Müller  (538—549),  Tribbechov  (550): 
ihre  Wirkungsstätte  haben  aber  alle  drei  anderswo  gehabt,  und  der 
erstere  wird  zum  Nürnberger,  die  zwei  anderen  zum  jüngeren  Schlesi- 


67 

sehen  Dichterkreis  gerechoet.  Die  meisten  Mitglieder  des  Königs- 
berger Dichterkreises  wieder  sind  im  Lande  geboren:  ich  nenne  nur 
Weissei  (III.  6—23),  Dach  (III.  79—125),  Valentin  Thilo  d.  J.  (III. 
131 — 147).  Darum  sind  doch  nicht  alle  Niederdeutsche:  bekannt  ist 
ja  die  grosse  hochdeutsche  Sprachinsel  im  Ordenslande.  Sehen  wir 
bei  Preussen  deutlich,  wie  der  Reichtum  an  Liedern,  den  es  aufweist, 
mit  bewusster  Pflege  des  Gesanges  zusammenhängt,  so  muss  die  Auf- 
findung der  Gründe,  warum  sonst  zu  einer  bestimmten  Zeit  das  eine 
Gebiet  mehr,  das  andere  weniger  Dichter  aufweist,  soweit  sich  die 
Sache  überhaupt  ergründen  lässt,  örtlicher  Forschung  vorbehalten 
bleiben,  die  auch  eine  schöne  Aufgabe  darin  sehen  sollte,  die  vielen 
Fragezeichen  im  Leben  der  einzelnen  Dichter  zu  beseitigen.  Nur 
auf  einen  Zusammenhang,  der  allerdings  ausserhalb  des  Rahmens 
unserer  Aufgabe  fallt,  sei  hier  noch  hingewiesen:  sobald  der  Pietis- 
mus der  reformierten  Kirche  gewissermassen  wieder  die  Zunge  gelöst 
bat,  weist  derselbe  Nordwesten,  der  vorher  so  unfruchtbar  war,  gleich 
zwei  namhafte  Dichter  auf,  Neander  aus  Bremen  und  Buchfelder  aus 
Bentheim  (vgl.  Nelle  a.  a.  0.  S.  186.  191.) 

Wir  behandeln  jetzt  die  Frage,  wie  weit  sich  in  der  Sprache 
der  einzelnen  Dichter  ihre  nd.  Herkunft  bemerkbar  macht.  Und  da 
sei  zunächst  als  wichtigste  Tatsache  hervorgehoben,  dass,  während 
die  plattdeutschen  Gesangbücher  aus  früherer  Zeit  weiter  gebraucht 
und  neu  aufgelegt,  auch  hd.  verfasste  Lieder  weiter  ins  Plattdeutsche 
umgedichtet  wurden,  so  die  von  Nicolai  seit  1607  (vgl.  Nelle  a.  a.  0. 
S.  88),  doch  neue  Kirchenlieder  nach  1600  nur  ganz  vereinzelt  in  nd. 
Sprache  veröflFentlicht  wurden.  Bei  Fischer-Tümpel  finden  sich  nur  einige 
Lieder  des  Mecklenburgers  Gryse  (I.  235 — 237,  erschienen  1602;  234 
erschien  schon  1593)  und  eine  namenlose  Dancksegginge  (I.  270,  ent- 
nommen den  Christlichen  Kinder  Oeheden,  Gedrücket  fho  Hamborch  1614). 

Häufiger  sind  natürlich  einzelne  mundartliche  Anklänge  bei 
vorwiegend  gemeinsprachlichem  Charakter  der  Texte. 

Bei  mehreren  Dichtern  findet  sich  Erhaltung  von  s  vor  /,  w,  w,  w. 
Wo  sie  vereinzelt  auftritt,  wird  meist  Nachlässigkeit  des  Dichters 
oder  auch  des  Setzers  anzunehmen  sein:  swdche  (Rist  II.  184.  9), 
Smach  (Georg  Weber  II.  491.  6),  slachte  (Runge  III.  536.  6),  swaches 
(Christian  von  Stöcken  IV.  555.  4).  Bei  anderen  liegt  aber  offenbar 
Absicht  vor.  Vinzelberg  hat  zwar  schlagen^  schlecht,  schlage  (II.  342. 
2.  12.  14),  aber  Smertzen,  Smertz,  swere,  snaube^i,  swache  (11.  341.  1.  4. 
342.  2.  12).  Und  Hadewig,  der  in  seiner  Poetik  (Rinteln  1650  vgl. 
Schwering  a.  a.  0.  S.  305  f.)  diese  Schreibweise  theoretisch  begründet, 
führt  sie  in  den  bei  Fischer-Tümpel  mitgeteilten  Proben  ausnahmslos 
durch:  versmehet^  swermi,  Smertzen,  swere,  besweret,  zerslagen  und  zer^ 
smett&rn  (IL  484.  2.    485.  1.  2.  7.    486.  5.    487.  4). 

Merkwürdig  selten  und  wenig  charakteristisch  sind  uiw^iÄchobeiie 
Konsonanten:   verdrocknet  (unbekannt   I.    264.   2),    tröplest  (^"Ri^t  II. 
223.  8),  du  liedest  (Voidius  III.  76.  7  Fassung  yon  Ift\5)\  Äx^  ''^'^  ^^^^ 
hat  lidiest),  propfe  (Runge  III.  527.  5),  bedrilht  (FaYvr^xvÖLOtrt  X'^.^'i^-  ^V 


68 

Aus  dem  Vokalismus  seien  genannt  Yerbalformeu  mit  e  statt  t 
wie  helft^  helf  =  hilf  (Anna  Hoyer  III.  379.  4.  10),  sehe  =  sieht 
(Bekkh  IV.  511.  3),  Fehlen  des  Umlautes:  die  Ahr  =  Ähren  (Peter 
Hagen  III.  3.  5),  gerostet  :  gekostet  (Gustav  von  Mengden  IV.  578.  4), 
Verlängerungen,  wie  sie  durch  Reim  und  Schreibweise  angedeutet 
werden :  Wohrt  (Rist  II.  248.  9),  erstahten  :  gerollten  (Christian  von 
Stöcken  IV.  562.  8),  dann  der  Reim  umärnwn :  wärmen  (Heinrich 
Müller  V.  539.  1).  Auch  in  statt  ein  in  Fällen  wie  intrifft^  inverl^eibt 
(Rist  II.  248.  9.  256.  3)  gehört  hierher.  Ob  sich  die  Schreibweise 
stänen^  stehnen  =  stöhnest  (vgl.  thränen  :  stehnen^  Thränen  :  stäneti  bei 
Pauli  ni.  548.  1.  549.  4,  sehnen  :  stehnen  bei  Fabricius  IV.  631.  2) 
im  17.  Jahrhundert  überall  findet  oder  auf  Nord-  und  Mitteldeatsch- 
land  beschränkt  ist  (vgl.  stehnen  :  sehnen  :  Thränen  bei  Mi^ukisch  aus 
Bärtelsdorf  bei  Freiberg  i.  S.),  vermag  ich  nicht  zu  sagen:  jedesfalls 
stammt  das  Wort  und  zwar  in  der  ^-Form  aus  Niederdeutschland 
(vgl.  mnd.  stenen).  —  Entrundung  begegnet  dem  Dialekt  entsprechend 
nicht  selten  bei  den  preussischen  Dichtern:  streibte  (Weissei  III.  16.  2), 
liehen  :  betrieben  (Georg  Werner  III.  41.  3),  verliebet  :  betriebet  (Dach 
III.  86.  2),  betreigt :  neigt  (DoikSLÜ  III,  171.  3).     Hierher  sind  auch  (s. 

0.  S.  65)  Reime  zu  rechnen  wie  benimt :  herkmnt  (Georg  Werner  III. 
47.  2),  kömpt  :  annimmet  (Unbekannt  III.  196.  2). 

Ich  führe  jetzt  die  nicht  seltenen  Fälle  an,  wo  Unsicherheit  im 
Gebrauch  des  Dativs  und  Accusativs  zu  Tage  tritt:  regier  uns  sanfft 
durch  deine^n  StaV  (Rist  11.  251.  5),  fdrüfh]  verlangt  mir  sehr  zu 
dienen  dir;  gibs  zu  deiner  Ehr^  allein,  mich  zur  Seligkeit  (Georg  Weber 
II.  507.  10.  509.  5),  sol  der  Fluch  auf  dich  bleiben  (Lütkemann  IV. 
505.  4),  was  mir  sonst  kan  quählen  (Christian  von  Stöcken  V.  556.  2|, 
du  solt  sein  der  Gast  bey  ihn  :  hin;  [ein  Haus,]  das  nach  dich,  mein 
Jesu,  lalle;  mit  sie  beede  ümbzugehen;  [wann  ich]  meine  Nidrigkeit  bey 
deiner  Hoheit  lege  (Anton  Ulrich  zu  Braunschweig-Wolfenbüttel  V. 
370.  2.  2.  372.  2.  11.  379.  1),  stund  nicht  mein  Hertz  und  Sinn  nach 
JEsum  immer  hin'^  (Heinrich  Müller  V.  548.  6).  Diese  Erscheinung 
hängt  damit  zusammen,  dass  Dativ  und  Accusativ  im  Nd.  so  oft  zu- 
sammenfallen. Übrigens  findet  sich  schon  mnd.  bei  den  Präpositionen 
keine  strenge  Beobachtung  der  Rektion  (Lübben,  Mnd.  Grammatik  S.  120). 

Was  den  Wortschatz  anbelangt,  so  seien  zunächst  einige  Fälle 
von  abweichendem  Genus  genannt:  Strick  n.  (Rist  II.  244),  Thränen- 
bach,  Bachf  (Runge  III.  511.  5.  512.  3),  Windelband  m.  (Schottelius 
V.  48.  4).  Echt  nd.  ist  der  Komparativ  in  der  Wendung:  zu  Gottes 
Rechtern  Hand  (Rist  II.  294.  6).  Ferner  kommen  folgende  Wörter 
in  Betracht:  wachten  =  warten  im  Reim  auf  achten  (Theodor  Sommer 

1.  225.  6),  linst  =  Ruhe^  Gestammer ^  Bahren  =  Wogen,  bahteti  = 
helfen  im  Reim  auf  gerahten  (Rist  II.  203.  3.  227.  5.  238.  10.  264.  5. 
Zu  Bahren  vgl.  Versuch  eines  Bremisch-Niedersächs.  Wörterb.  I  S.  50 
s.  V.  Bare,  zu  bähten  die  neueste  5.  von  Hirt  besorgte  Auflage  von 
Weigands  Deutschem  Wörterbuch  I  Sp.  166  s.  v.  batten)^  sich  rüsten 
==  ruiwn  im  Reim  auf  nisten  (Kaldenbach  III.  191.  2),  Springlein  = 


69 

Böt-nlein  (Johann  Berkow  III.  499.  4),  schwemmen  =  schtvitnfnen  (Bur- 
meister IV.  535.  2  dies  Herz,  das  schwemt  in  Thränen\  rangen,  rallen 
(Gustav  von  Mengden  IV.  575.  6  Ihr  [der  Welt]  Wollust,  Rangen, 
Rallen  will  mir  gar  nicht  gefallen)^  zmchlafen  =  einschlafen  (Wilhdlm 
Olter  IV.  638.  14  Drum  leg  ich  mich  getrost  zu  Ruh  und  schlaff  in 
Deinem  Namen  zu  vgl.  mnd.  toslapen). 

Überblicken  wir  unsere  Zusammenstellungen,  so  müssen  wir 
sagen:  viel  ist  es  nicht,  was  die  nd.  Herkunft  dieser  Dichter  verrät. 
Berücksichtigen  wir  femer,  dass  manche  der  genannten  Erscheinungen 
—  ich  erinnere  nur  an  Bach  als  f,  —  auch  in  md.  (selten  od.)  Mundarten 
begegnen  und  von  da  aus  in  die  Literatur  des  16.  und  17.  Jahr- 
hunderts eingedrungen  sind,  so  dass  unsere  norddeutschen  Dichter, 
wenn  sie  sich  der  ihnen  geläufigen  mundartlichen  Wendungen  be- 
dienten, meinen  konnten,  sie  folgten  der  Gemeinsprache,  so  müssen 
wir  sagen:  wunderbar  rasch  haben  sie  sich  ein  reines,  unverfälschtes 
Hd.  angeeignet.  — 

Habe  ich  gezeigt,  eine  wie  reiche  Fundgrube  für  Lexikographen 
und  Grammatiker  Fischer-Tümpel  ist,  so  harrt  hier  sicher  auch  für 
Theologen  und  Literarhistoriker  noch  eine  Fülle  ungelöster  Probleme. 
Nur  an  eines  sei  zum  Schluss  noch  erinnert!  Wer  hat  die  Lieder 
gedichtet  (V.  647—650),  die  unter  dem  Namen  der  Kurfürstin  Luise 
Henriette,  der  ersten  Gemahlin  des  Grossen  Kurfürsten,  gehen?  Man 
sollte  noch  einmal  Otto  von  Schwerin  ins  Auge  fassen,  die  von  ihm 
vorhandenen,  mir  nicht  zugänglichen  Gedichte  nach  Stil,  Wortschatz 
und  Versbau  mit  den  der  Kurfürstin  zugeschriebenen  Liedern  ver- 
gleichen: mit  den  Liedern  Kunges  (III  511 — 542),  auf  den  man  auch 
geraten  hat,  scheinen  mir  letztere  keine  auffallende  Ähnlichkeit  zu 
haben,  (vgl.  zu  der  ganzen  Frage  Fischer,  Kirchenlieder -Lexicon 
1.  Hälfte  S.  390  flf.). 

BIELEFELD.  H.  Tümpel. 


70 


Katholisches  in  der  niederdeutschen 
Mundart  der  Prignitz. 


In  seiner  Grammatik  der  Nürnberger  Mundart  (Band  VII  der 
von  0.  Bremer  herausgegebenen  Sammlung  kurzer  Grammatiken 
deutscher  Mundarten,  §  392  Anm.)  erklärt  A.  Gebhardt  seiwln  'näm- 
bergerisch  reden'  überzeugend  aus  SBbald^  dem  Namen  des  Schatz- 
heiligen  der  ältesten  und  Hauptkirche  Nürnbergs.  In  seinem  lateinisch- 
romanischen Fremdwörterbuch  der  schlesischen  Mundart  (Wort  und 
Brauch,  hrg.  von  Siebs  u.  Hippe,  Heft  2)  S.  104  stellt  Jäschke  das 
Ztw.  Patern  'bei  Seite  bringen,  sich  heimlich  aneignen',  besonders 
Abfälle,  Zeugreste  u.  dergl.  (von  Schneidern,  auch  von  Spinnern  und 
Webern  gesagt),  einpHern  1.  =  pStem^  2.  =  zusetzen  beim  Verdienst; 
p6tet\  pSterscJiflekk,  Abfall  von  Tuch,  Leinwand,  Zeugrest  mit  grosser 
Wahrscheinlichkeit  zu  dem  Apostelnamen  Pster,  Pitrus. 

Wenn  in  Gegenden,  in  denen  die  katholische  Kirche  zu  Hause 
ist,  derartige  Wörter  sich  bilden  und  weiterleben,  so  ist  das  nicht 
auffallend.  Merkwürdiger  ist  schon,  dass  auch  in  solchen  Gebieten, 
die  seit  400  Jahren  eine  rein  protestantische  Bevölkerung  haben, 
die  Sprache  immer  noch  Erinnerungen  an  die  Zeit  bewahrt,  in  der 
auch  hier  die  katholische  Kirche  herrschte.  Ich  will  hier  nicht  von 
den  ungezählten  niederdeutschen  Familiennamen  sprechen,  die  auf 
die  Namen  von  biblischen  Persönlichkeiten,  Aposteln,  Märtyrern. 
Heiligen,  Schutzpatronen  zurückgehen,  auch  nur  kurz  daran  erinnern« 
dass  auf  dem  platten  Lande  für  die  Einteilung  des  Jahres,  die 
Regelung  der  ländlichen  Arbeiten  und  Verrichtungen,  den  Wechsel 
der  Dienstboten  auch  ausser  Johannis  und  Michaelis  noch  eine 
Reihe  von  Kalenderheiligentagen  im  Schwange  sind,  vor  allem  Jacobi, 
Martini  und  Maraien  (Maria  Verkündigung,  25.  März). 

Wichtiger  ist  für  uns  schon,  dass  in  den  auf  niederdeutschem 
Boden  so  zahlreich  umgehenden  Besprechungsformelu  und 
Zaubersprüchen,  die  beim  'Böten'  oder  'Stillen'  gegen  Krankheiten 
aller  Art  bei  Mensch  und  Vieh,  Entzündungen,  Blutungen  gebraucht 
werden,  nicht  wenig  Katholisches  sich  erhalten  hat.  Freilich,  die 
meisten  dieser  Sprüche  haben  mit  der  Zeit  ein  evangelisches  Aus- 
sehen erhalten,  so  wie  vormals  die  heidnischen  Sprüche,  auf  die  sie 
im  letzten  Ende  zum  grossen  Teile  zurückgehen,  ein  römisch-katho- 
lisches Kleid  angenommen  hatten.  Zunächst:  Sie  haben  in  steigendem 
Masse  das  hochdeutsche  Gewand  der  Sonntagspredigt  angezogen, 
ohne  Frage,  weil  auch  für  diese  Sprüche  das  werktägliche  Platt  nicht 
mehr  feierlich  genug  erschien.  Ich  habe  in  der  Prignitz  bisher  nicht 
einen  einzigen  plattdeutschen  Bötespruch  aufgefunden,  kann  aber  bei 


71 

den  meisten  aus  den  Beimwörtern  noch  feststellen,  dass  sie  einst 
plattdeutsch  waren.  Sodann:  in  den  meisten  Bötesprüchen  wird  heut- 
zutage nur  noch  Jesus  Christus  als  Nothelfer  angerufen.  Das  gilt 
im  allgemeinen  auch  von  solchen  Sprüchen,  die  nach  Art  der  Merse- 
burger Zaubersprüche  einen  epischen  Eingang  haben  und  schon 
dadurch  ein  hohes  Alter  erweisen  dürften,  wie  die  zahlreichen  und 
über  das  ganze  Gebiet  verbreiteten  Sprüche,  die  anfangen  ;, Unser 
Herr  Jesus  ging  über  das  Land  (die  grüne  Wies)^  oder  doch  ähnlich. 
Ich  begnüge  mich,  aus  der  Prignitz  als  Beispiel  folgenden  Spruch 
gegen  den  'Brand'  anzuführen: 

Herr  Christ  geht  über  Berg  und  Land, 
Er  hat  den  Stab  in  seiner  Hand, 
Hiermit  stillt  er  Hitz  und  Brand. 

Aber  es  sind  doch  auch  jetzt  noch  solche  Bötesprüche  nicht 
selten,  in  denen  Heilige  der  katholischen  Kirche,  die  Mutter  (oder 
Jungfrau)  Maria  an  der  Spitze,  Schwurzeugen  sind.  Ich  führe  aus  der 
Prignitz  folgende  Beispiele  an: 

All  die  Wehdag,  all  die  Wunden 

Widerspricht  Matter  Maria 

Aus  ihrem  Atem  und  ihrem  Munde. 

(Ins  Plattdeutsche  zurückübersetzt  entsteht  der  reine  Reim  wun  :  mtm.) 

Der  Mensch  hat  sich  vergangen 

im  Wachsen  (Wasser?)  und  im  Wind. 

Dazu  hilft  Maria  Mutter  Kind. 

(Gegen  das  ;, Anwachsen^.) 

Stärker  noch  tritt  das  frühere  katholische  Wesen  in  folgendem 
Bötespruch  gegen  den  'Därmschlag'  der  Pferde  hervor,  den,  wie  den 
vorhergehenden,  mein  Grossvater  aufgezeichnet  hat: 

Petrus  und  Paulus  gingen  zum  Bruch, 

Kräuter  täten  sie  suchen, 

Das  braune  Pferd  den  Därmschlag  zu  berufen  u.  s.  f. 

Der  Spruch  ist  auch  deshalb  interessant,  weil  sein  Eingang  in  auf- 
fallender Weise  an  den  Eingang  des  2.  Merseburger  Zauberspruches 
erinnert:  Phol  ende  Wodan  vuot'un  zi  holza,  und  zwar  mehr  noch, 
als  der  von  Bartsch,  Sagen,  Märchen  und  Gebräuche  aus  Mecklen- 
burg, II,  415  aufgezeichnete  Spruch:  ^jJohannis  und  Jacobus  gingen 
über  die  Strass  u.  s.  {.^ 

Ich  erinnere  zum  Schlu&s  noch  an  den  von  Fromm  und  Struck 
im  Archiv  für  mecklenb.  Landeskunde  1864  S.  515  angeführten  Spruch 
gegen  den  Botlauf: 

Ich  höre  eine  Glocke  klingen, 
Und  alle  Heiligen  singen, 
Und  eine  heilige  Messe  lesen: 
Du  sollst  vom  Rotlauf  genesen. 


72 

Auf  einen  Heiligen  stosBen  wir  auch  in  einem  bekannten  nieder- 
deutschen Bastlösereim.  Er  hat  literarische  Bedeutung  dadurch 
erhalten,  dass  ihn  Beuter  in  Hanne  Nute  verwandt  hat  Danach  ist 
die  Stavenhäger  Lesart  des  Reimes: 

Pipen,  Papen,  Pasterjabo, 
Lat  de  widen  Flaut  afgahn, 
Lat  s'  ok  nich  verdarwen, 
Lat  s'  recht  lustig  warden. 

Dass  Tasterjahn'  aus  Bastian  für  Sebastian  entstellt  ist,  ist  ^eit 
längerer  Zeit  erkannt.  Papen  ist  von  C.  Walther  Ndd.  Korresp.- 
Blatt  25,  42  mit  Rücksicht  auf  die  alte  Wetterregel 

Fabian  Sebastian 

Lett  den  Sapp  int  Holt  g&a. 

mit  Wahrscheinlichkeit  als  eine  Entstellung  aus  Fabian  gedeutet 
worden.     In  der  Prignitz  lautet  der  Spruch  übrigens:*) 

Huppup,  Huppup  Pasterjgn, 
Löt  sei  fldln  un  fiöuty^  gqn. 
Löt  sei  nich  fddd^m 
Löt  sei  güde  tod'ijk. 

Aber  nicht  nur  die  Heiligennamen  in  ihrer  mannichfachen  Ver- 
wendung zeugen  von  der  katholischen  Vorzeit.  Von  ihr  zeugen  auch 
manche  der  im  Fluss  der  alltäglichen  Rede  gebrauchten  Wörter  und 
Wendungen.  Es  ist  und  bleibt  eine  bemerkenswerte  Tatsache,  dass 
die  Bezeichnung  für  den  katholischen  Geistlichen  ^prester,  preister 
einfach  auf  den  evangelischen  Geistlichen  übertragen  worden  ist. 
Erst  neuerdings  fängt  das  Wort  an,  von  dem  hochdeutschen  Trediger 
verdrängt  zu  werden.  Wenn  ferner  das  Feierabendgeläute  mit  seinen 
drei  Endstössen  in  Brandenburg  und  weiterhin  ganz  allgemein  *Bet- 
glocke'  (prign.  bßrklok,  sonst  h^deklokke)  heisst,  so  wurzelt  dieser  Aus- 
druck sicherlich  in  dem  Angelus-  oder  Ave  Maria-Geläute  der  katho- 
lischen Kirche.  Und  wenn  man  in  der  Prignitz  von  jemand,  der 
dummes  Zeug  schwatzt,  sagt,  hei  pQtet%  und  jemand,  der  töricht  und 
weitschweifig  redet,  ^löt  doch  dät  gepQter  sin'  zuruft,  so  mögen  das  schon 
vor  400  Jahren  die,  welche  die  neue  Lehre  angenommen  hatten, 
denen  zugerufen  haben,  die  noch  nicht  von  eingewurzelten,  alten 
Gebräuchen  lassen  konnten  und  ihr  'patei'  noster^  weiterbeteten:  wir 
glauben  nicht  fehlzugehen,  wenn  wir  „patern*  auf  das  pater  tiostt-r 
des  Rosenkranzbetens  zurückführen. 

In  diesen  Zusammenhang  scheint  mir  aber  auch  das  Wort 
mettensommer  Alteweibersommer  zu  gehören.  Die  bisher  von  diesem 
Worte  gegebenen  Deutungen  genügen  nicht.  Nach  der  Erklärung, 
die  noch  am  ernsthaftesten  zu  nehmen  ist,  gehört  'Metten'  zu  mndd. 


*)  ^,  ö  bezeichnen  langes  offenes  <?,  o  (etwa  wie  in  franz.  phre,  encore)\  a  ist 
ein  Zwischenlaut  zwischen  a  und  ä,  wie  a  in  englisch  hat. 


73 

meddeke^  meddik  Regenwurm.  Sie  findet  sich  schon  im  Bremer  Wörter- 
buch (Zusätze  und  Verbesserungen),  ist  in  Grimms  Wörterbuch  über- 
gegangen und  Yon  Kluge,  wenn  auch  mit  einem  Fragezeichen,  auf- 
genommen worden.  Sie  ist  ganz  unannehmbar,  schon  aus  sprach- 
lichen Gründen.  Das  Wort  ist  mit  am  meisten  heimisch  in  der 
Prignitz  und  in  Mecklenburg.  In  der  Prignitz  ist  das  Wort  inaddik, 
meddik  (es  würde  *mdrrdk  heissen),  überhaupt  nicht  bekannt,  in 
Mecklenburg  heisst  es  marrik  aus  maddik^  in  Vorpommern  auch 
madding^  mit  Suffixvertauschung.  Es  ist  nicht  ersichtlich,  wie  dazu 
das  mecklenb.  mettensommer  oder  sommerm^ten  gehören  soll.  Dann 
aber  auch  aus  sachlichen  Gründen.  Es  kann  doch  wirklich  keiner 
von  selbst  darauf  kommen,  das  feine,  leichte,  weisse,  in  der  Luft 
fliegende  Gespinst  mit  dem  schwerfälligen,  braunen  Regenwurm  in 
der  Erde  zu  yergleichen.  Das  ist  ganz  einfach  eine  hinterher  zurecht- 
gemachte Etymologie.  Ehe  wir  uns  nach  einer  besseren  Erklärung 
umsehen,  wollen  wir  das  Verbreitungsgebiet  des  Wortes  und  seine 
mundartlichen  Wortformen  feststellen,  soweit  es  uns  möglich  ist. 
Kluge  gibt  unter  'Alteweibersommer^  eine  Form  mettkensamer  an  und 
hebt  als  ihre  Heimat  Pommern  hervor.  Diese  Angabe  beruht  auf 
Dähnerts  Tlattdeutschem  Wörterbuch  nach  der  alten  Pommerschen 
und  Rügischen  Mundart^  (Stralsund  1761).  Dazu  ist  zu  bemerken, 
dass  das  Wort  in  Hinter-,  Mittel-,  aber  auch  in  dem  grössten  Teil 
von  Vorpommern  gänzlich  unbekannt  ist.  In  Hinter-  und  Mittel- 
pommern heissen  die  fliegenden  Fäden  früge{n)ssQmer^  in  Vorpommern 
olwlwersommer.  Nur  im  westlichsten  Teile  von  Pommern,  also  in  dem 
Teile,  der  an  Mecklenburg  grenzt,  findet  sich  daneben  die  Bezeichnung 
sommerm§ten.  So  oder  nv^tensommer  heisst  das  Wort  auch  im  östlichen 
Mecklenburg,  im  grösseren  westlichen  Teil  aber  tnettensoinmer.  Auf- 
fallend ist  der  Vokal  d  in  der  Prignitz:  man  sagt  dort  mättensofnmer^ 
an  der  Elbe  (Lenzen  und  Umgegend)  fndtkensommer.  In  der  Altmark 
habe  ich  das  Wort  bisher  nicht  entdecken  können;  dazu  stimmt,  dass 
Danneil  es  nicht  angibt.  Aber  Schütze,  Richey,  das  Bremer  Wörter- 
buch und  Schambach  bezeugen  es  für  Holstein,  Hamburg,  Bremen, 
liübeck  und  Hannover,  und  zwar  übereinstimmend  in  der  Form 
sotmnernietjen  oder  metjensonmier^  Klopstock  hat  es  gebraucht,  J.  H. 
Voss  gekannt. 

Soweit  über  die  Verbreitung.  Auf  zwei  Wegen  kann  mau  nun 
zu  einer  anscheinend  befriedigenden  Etymologie  gelangen.  Man  kann 
ausgehen  entw.  von  dem  prign.  mättensommer  oder  von  dem  ostmecklenb. 
sommermeten  (Reuter:  sommermetten).  matten  ist  die  lautgesetzliche 
prignitzische  Form  für  Merten  aus  Martin.  Nun  war  nach  dem 
Julianischen  Kalender  der  St.  Mertendag^  der  10.  November,  das  Ende 
des  Sommers  Dazu  kommt,  dass  die  letzten  schönen  Tage  des  Spät- 
herbstes, die  letzten  Tage  auch,  wo  noch  die  Fäden  ziehen,  in  Frank- 
reich allgemein  l'et6  de  la  Saint-Martin  heissen.  Leider  wollen  sich 
die  mundartlichen  Nebenformen  in  diese  Herleitung  nicht  recht  fügen, 
schon  nicht  das  mdtkensommer   des   westlichsten  Teils   der   Prignitz, 


_ii 


74 

noch  weniger  das  holsteinische  metjeti-,  das  mecklenburgische  meite^t- 
und  m^ten-.  So  leicht  es  wäre,  prign.  matten  aus  niätken  zu  erklären 
(vgl.  b§ten  aus  b§tken  'bischen',  lütten  aus  liitken  und  Ndd.  Jb.  3:>,  40  . 
so  schwer  umgekehrt  mdtken  aus  matten.  Im  Holsteinischen  und 
Mecklenburgischen  aber  würde  matten  die  lautgerechte  Form  au< 
Merten  sein,  da  in  diesen  Mundarten  e  vor  r  -\-  t  zvl  a  wird  (Ndd. 
Jb.  31,  71,  vgl.  auch  'Matten  dei  H^s'), 

Wir  müssen  es  also  mit  dem  anderen  Wege  versuchen  und  von 
7n^ten  ausgehen.     In  demselben  Gebiete,   in   dem   m^ten  gesagt  wird, 
heisst    das    'Mädchen',    soweit    nicht    didn    verwendet   wird,    meten: 
m^tensommer    könnte    also   'Mädchensommer'   bedeuten,      m^ten    ist 
aus   mndd.   megedekin  über  mBdeken  (vgl.  segede  >  s^de  'sagte',  te^erft 
>  l^de   'legte'),   m^dken^    m§tken   entstanden   wie    b^ten   'bischen'    aus 
b^tken.     Nun   heisst   auch   im   westlichen  Mecklenburg   das    Mädchen 
meten  (neben  dem  häufigeren  dfdn)^  und  es  müsste  das  kurze  e   des 
hier  gebräuchlichen  mettensommer  erklärt   werden.     Man   könnte    an- 
nehmen,  e  sei  vor  Doppelkonsonans   zu  einer  Zeit  verkürzt  worden, 
als  man  noch  m^tkensrnnmer  sagte,  oder  es  handle  sich  um  einen  der 
Fälle,  in  denen  der  lange  Vokal   im  betonten  ersten  Gliede  von  Zu- 
sammensetzungen  kurz   geworden  wäre  (Ndd.  Jb.  31,  132).     So  auf- 
gefasst,    würde  auch  das  westelbische   metjen   sich   wohl   mit   dieser 
Herleitung   vertragen.      Schwierigkeiten    machen   nur    die   Prignitzer 
Formen  matten  und  mdtken.     Wie  in  ganz  Brandenburg,   so  ist  auch 
in  der  Prignitz  das  mndd.  mBdeken  zu  yn^ken  (selten  neben  rföd«)  zu- 
sammengezogen, was  darauf  deutet,   dass  der  ^Laut  hier  sehr  früh 
verloren  gegangen  ist,  da  -tk-  regelrecht  sonst  zu  t  assimiliert  wird. 
Aber  auch  wenn  man  annehmen  dürfte,  dass  in  der  Zusammensetzung 
*medeken'807ner   das  Wort   eine  Sonder-Eiitwicklung   genommen   habe 
und  auch  in  der  Prignitz  zunächst   m^tken-sommer   ergeben   habe,    in 
dem   sich   dann   in   einem   bestimmten  Striche   -tk-   abweichend   vom 
gewöhnlichen    Gange   erhalten   habe    etwa   wie    in    den    Eigennamen 
Lütk(e)  aus  Lüdeke^   B^tk{e)   aus  Bedeke  (zu  badu  Kampf),   so   bleibt 
immer  noch  das  d  der  jetzigen  Aussprache  fndtken,  mdtten  auffallig: 
es   wäre   auch   hier   e    zu    erwarten   gewesen.     So    komme    ich    für 
mdttensommer  von  der  Herleitung  von  Merten   nicht  los,   meine   aber, 
dass  die  übrigen  Formen   'Mädchen'sommer  bedeuten.     Das  Mädchen 
aber,  das  gemeint  ist,  kann  keine  andere  sein  als  die  'Magd'  Maria: 
sodass    sich   der   Ausdruck    stellen    würde    zu  'Mariengarn',    'Mutter 
Gottes  Gespinst',  frz.  lils  de  la  vierge. 

STETTIN.  E.  Mackel. 


75 


Der  Anteil  des  Niederdentscben  am  Lelinwörterscbatze 
der  westslafiscben  Sprachen/^ 

Erst  spät  sind  Westgermanen  und  Slawen  unmittelbare  Nach- 
barn geworden.  Lange  schob  sich  zwischen  ihnen  der  breite  Gürtel 
der  ostgennanischen  Völker  hinein,  seitdem  diese,  von  Skandinavien 
herkommend,  die  ursprünglichen  Besitzer  der  Lande  zwischen  *Oder 
und  Weichsel,  thrakische  Stämme,  nach  Südosten  zurückgedrängt 
hatten.  Ostgermanischer  (gotischer)  Herkunft  ist  der  nicht  unbe- 
trächtliche germanische  Lehnwörterschatz  des  Altslawischen,  der  von 
Miklosich,  Matzenauer,  Brückner,  ühlenbeck,  Loewe,  Hirth  und  zuletzt 
von  J.  Peisker  ausfuhrlich  behandelt  worden  ist.  Für  diese  alten 
Lehnwörter  ist  es  charakteristisch,  dass  sie  in  allen  slawischen 
Sprachen  wiederkehren,  da  eben  damals  das  Slawische  noch  viel  mehr 
eine  grosse  compakte  Masse  ausmachte,  die  in  den  alten  Sitzen  öst- 
lich der  Weichsel  sass.  Kürzlich  hat  J.  Peisker  2)  den  Versuch  ge- 
macht, auf  Grund  lautlicher  Kriterien  die  sociologisch  allerwichtigsten 
Lehnwörter  des  Altslawischen,  wie  plug  (Pflug),  mliko  (Milch),  nuta 
(Vieh),  skot  (Vieh,  nur  altrussisch  auch  =  Vermögen,  Geld),  aus  dem 
Westgermanischen,  und  zwar  aus  einer  niederdeutschen  Mundart, 
herzuleiten;  skot  ist  ihm  sogar,  wegen  seiner  sekundären  Begriffs- 
entwicklung zu  „Vieh*,  friesischen  Ursprungs,  weil  im  Altfriesischen 
des  13. — 15.  Jahrhunderts  sket  eine  ähnliche  Bedeutungsdoppelung 
zeige.  Peiskers  Ansätze  und  gewaltsamen  Construktionen  sind  von 
O.  SchraderS)  und  J.  Janko*)  mit  Recht  zurückgewiesen  worden. 
Bei  dieser  Gelegenheit  ist  auch  die  alte,  von  den  slawischen  auto- 
chthonistischen  Forschern  gern  behauptete  Identität  der  rheinischen 
Nemetes  mit  dem  slawischen  Namen  der  Deutschen  Nhnec  noch 
einmal  nachdrücklich  abgelehnt  worden  5):  N^mec  mit  seinem  Grund- 
Avort  n^m  (stumm)  hat  ursprünglich  langen  Stammvokal,  Nemetes 
dagegen  kurzen;  auch  der  Consonant  des  Suflixes  stimmt  nicht.    Die 

1)  Über  die  nd.  Lehnwörter  in  der  polnischen  Schriftsprache  habe  ich  im 
September  1909  auf  der  Philologen  Versammlung  zu  Graz  gesprochen,  die  nd.  Be- 
standteUe  im  Wortschatze  des  Polabischeui  Kaschubischen  und  der  polnischen 
Mundarten  West-  und  Ostpreussens  in  meinem  Vortrag  auf  der  Jahresversammlung 
des  Nd.  Sprachvereins  zu  Danzig  Pfingsten  1910  behandelt.  Auf  einer  erweiternden 
Bearbeitung  dieser  beiden  Vorträge  beruht  der  vorliegende  Aufsatz. 

2)  Die  älteren  Beziehungen  der  Slawen  zu  Turkotataren  und  Germanen, 
Stuttgart  1905,  S.  96  f. 

>)  Zeitschrift  f.  deutsche  Wortforschung  Bd.  9  (1907),  S.  328  f. 
<)  V^stnik  Cesk(?  Akademie  Bd.   17   (Prag   1908),   S.    100—131.   139-192. 
Worter  u.  Sachen,  Heft  1  (1909),  S.  94—109. 
»)  Janko  S.  108. 


7« 

Slawen    sind    also    schwerlich    jemals    unmittelbare    Nachbaren    der 
Nemeter  gewesen. 

Mit  der  Abwanderung  der  ostgermanischen  Stämme  aus  den 
Landen  zwischen  Oder  und  Weichsel  nach  Südosten  begann  jene  gi'- 
waltige  Völkeryerschiebung,  die  Osteuropa  YÖllig  umgestaltete.  In 
die  verlassenen  Sitze  der  Ostgermanen  rückten  allmählich  die  slawischen 
Stämme  ein  und  drängten  mit  starker  Wucht  bald  auch  auf  die  nun 
ihre  Nachbarn  gewordenen  westgermanischen  Völkerschaften  westlich 
der  Oder  ein.  Während  sich  so  die  Westslawen  gewaltig  ausdehnten, 
riss  auf  der  anderen  Seite  der  Zug  der  ostgermanischen  Völker  nach 
dem  Schwarzen  Meer  und  der  Balkanhalbinsel  grosse  Massen  ?on 
dem«  Kerne  des  slawischen  Volkes  los  und  mit  sich  nach  Süden.  So 
haben  wir  es  seitdem  nicht  mehr  mit  einer  compakten  Masse  der 
Slawen  zu.  tun,  sondern  mit  drei  slawischen  Gruppen,  den  Ost-,  West- 
und  Südslawen.  Um  600  nach  Christi  hatte  die  sich  nach  Westen 
wälzende  slawische  Flut  ihren  höchsten  Stand  erreicht  und  nicht  nur 
das  alte  ostgermanische  Gebiet  YÖllig  überflutet,  sondern  auch  aus 
dem  westgermanischen,  deutschen  Besitz  ein  grosses  Stück  heraus- 
gerissen. Bis  zum  limes  Saxonicus  im  mittleren  Holstein  und  zur 
westlichen  Grenze  des  hannoverschen  Wendlands  reichten  jetzt  die 
s.  g.  polabischen  Stämme,  zwischen  Saale  und  Elbe  breiteten  sich 
die  Sorben  aus,  am  oberen  Main  sassen  westlich  bis  Bamberg  die 
Redanzslawen,  und  weiterhin  trennte  der  Böhmerwald  die  Czechen 
von  den  Bayern.  Zwischen  Czechen  und  Slowenen  hatten  sich  die 
nicht-indogermanischen  Awaren  eingeschoben,  die  gegen  Ende  des 
8.  Jahrhunderts  von  Karl  dem  Grossen  vernichtet  wurden.  In  ihr 
Gebiet  teilten  sich  die  von  Osten  nachrückenden  Magyaren  und  die 
nach  Osten  vordringenden  Bayern,  die  das  Land  zwischen  Donao, 
Mur  und  Leitha  und  den  Südrand  von  Böhmen  und  Mähren  besetzten. 
Damit  war  die  Trennung  der  Nord-  und  Südslawen  definitiv  geworden. 
Wir  wollen  im  Folgenden  die  Südslawen  (Alpenslawen)  und  die  öster- 
reichische Ostmark  ganz  aus  dem  Spiele  lassen;  die  sehr  engen 
sprachlichen  Berührungen  dieser  beiden  Gruppen  werden  von  einigen 
österreichischen  Gelehrten  aufmerksam  studiert.  Ich  nenne  nur  Namen 
wie  Hugo  Schuchardt — Graz,  P.  Lessiak — Freiburg  i.  Schw.  und  K. 
ätrekelj — Graz. 

Auch  das  Ostslawische  kommt  für  unsere  Untersuchung  kaum 
in  Betracht.  Jahrhundertelang  haben  die  russischen  Stämme,  ebenso 
wie  die  griechischen  Südslawen,  unter  dem  fast  ausschliesslichen 
Cultureintlusse  von  Byzanz  gestanden.  Die  Begründung  des  russischen 
Reiches  durch  Rurik  hat  einige  nordgermanische  Elemente  in  da> 
Altrussische  hineingebracht.  Dann  folgt  die  Jahrhunderte  lan^f 
Tatarenherrschaft,  die  Russland  völlig  von  der  westlichen  Welt  los- 
löste. Ob  in  dieser  Zeit  durch  den  hanseatischen  Handel  nach  Now- 
gorod das  eine  oder  andere  niederdeutsche  Wort  ins  Russische  ein- 
geschleppt worden  ist,  bedarf  noch  näherer  Untersuchung.  Russische 
Wörter  in  hansischen  Urkunden  des   13.  14.  Jahrhunderts  hat  Jak^b 


77 

Cirimm  einmal  in  einem  Brief  an  B.  Kopitar  zusammengestellt. i)     Sie 

»ind  nicht  alle  wirklich  slawisch,    andere   wie   cht   allgemeinslawisch 

(vgl.  auch  nihd.  gUt)^  der  Rest  aber  specifisch  russisch,  wie  z.  B.  an  de 

j7ogribbefi   leggen^   da  pogreb  nur  im  Russischen  Keller,   sonst  überall 

iiegräbnis   bedeutet.     Als   Russland   am    Ende   des    15.  Jahrhunderts 

die   Tatarenherrschaft    wieder    abgeschüttelt    hatte,    übernimmt    das 

Polnische   zunächst  die  Vermittlerrolle   zwischen   Russland   und   dem 

Westen:   eine   starke  Schicht  deutsch-polnischer  Lehnwörter  ist  vom 

16. — 18.  Jahrhundert  ins  Russische  gelangt.    Endlich  hat  das  Russische 

seit  Peter   dem   Grossen   eine   letzte    Schicht   rein   neuhochdeutscher 

Fremdwörter  (nicht  Lehnwörter!)  übernommen,    die   an   ihrer  jungen 

lautlichen  Form  leicht  erkennbar  sind.^) 

Der  Rückstoss  der  deutschen  Stämme  gegen  die  siegreich  vor- 
gedrungenen Westslawen  hat  sehr  langsam  eingesetzt  und  ist  mehr- 
mals nachhaltig  ritardiert  worden.  Noch  Karl  der  Grosse  hat,  um 
seine  sächsischen  Feinde  empfindlich  zu  treffen,  die  Herrschaft  der 
Slawen  auf  Kosten  sächsischen  Gebiets  verstärkt.  Die  Erfolge  der 
kraftvollen  Politik  Ottos  L,  die  mit  dem  Christentum  zugleich  den 
deutschen  Einfluss  weit  nach  Osten  vorschob,  vernichtete  der  furcht- 
bare Wendenaufstand  von  982  mit  einem  Schlage.  Volle  150  Jahre 
behaupteten  seitdem  die  polabischen  Völker  und  die  nördlicheren 
sorbischen  Stämme  ihre  Unabhängigkeit  und  ihr  slawisches  Heidentum. 
Ein  grosses  nationales  slawisches  Reich  erstreckte  sich  eine  Zeitlang 
von  Oldenburg  in  Wagrien  bis  nach  Stettin;  weitberühmte  Tempel, 
wie  der  von  Rethra  und  etwas  später  der  hochragende  Swantewit- 
tempel  auf  Arkona,  werden  uns  als  sakrale  und  politische  Mittelpunkte 
dieser  Nordwestslawen  genannt  und  bezeugen  uns  zugleich  eine  starke 
Weiterentwicklung  der  Gedanken  der  altslawischen  Mythologie  bei 
den  Polaben.  Als  um  die  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  die  polabischen 
Reiche  dem  vereinigten  Anstürme  der  Deutschen  und  Dänen  endlich 
unterlagen,  und  zugleich  im  Süden  Albrecht  der  Bär  die  Sorben  der 
Mark  endgültig  unterwarf,  flössen  Ströme  von  Blut.  Es  bedurfte  langer 
erbitterter  Kämpfe,  von  denen  uns  Helmold  in  seiner  Slawenchronik 
anschaulich  genug  berichtet.  Heinrich  der  Löwe  und  Albrecht  der 
Bär  kolonisierten  mit  Feuer  und  Schwert,  wie  100  Jahre  später  der 
Deutsche  Orden  im  heidnischen  Preussenlande.  Wie  in  Preussen  vor 
dem  Schwerte  der  Ordensritter  der  Stamm  der  Pruzzen  dahinschwand, 
so  ist  auch  im  Polabenlande  und  Sorbenlande  das  wendische  Element 
gleich  bei  der  Eroberung  arg  decimiert  worden.  Trotzdem  sind  zu- 
nächst immer  noch  ganz  ansehnliche  Reste  wendischer  Bevölkerung  in 
den  eroberten  Gebieten  zurückgeblieben.     Hauptkronzeugen  dafür  sind 


^)  Der  Brief  ist  1908  von  A.  Sauer  in  den  Prager  Deutschen  Studien, 
herausg.  von  C.  v.  Kraus  und  A.  Sauer,  Heft  8,  S.  39—41  abgedruckt  worden. 

^  Vgl.  0.  Schrader,  Die  germanischen  Bestandteile  des  russischen  Wort- 
schatzes und  ihre  kulturgeschichtliche  Bedeutung  in  den  Wissenschaft!.  Beiheften 
zur  Zs.  d.  Deutschen  Sprachvereins,  IV.  Reihe  Heft  28/24  (1903) ;  dazu  die  Recension 
A.  Brückners,  Deutsche  Erde  Bd.  3  (1904),  S.  94. 


78 

und  bleiben  immer  die  Wenden  im  s.  g.  hannoverschen  Wendlande, 
deren  slawische  Sprache  erst  Ende  des  17.  Jahrhunderts  erloschen 
ist.  Ähnliche  slawische  Inseln  im  niederdeutschen  Sprachgebiete  hat 
Hans  Witte  1)  für  Mecklenburg  nachgewiesen;  mit  Hülfe  der  Orts- 
namen (die  zwar  kein  so  einwandfreies  Zeugnis  bilden  wie  die  Ton 
Witte  herangezogenen  Familiennamen)  lassen  sich  auch  sonst  hier 
und  da  noch  Spuren  zurückgebliebener  wendischer  Reste  aufzeigen. 
Alle  diese  Wenden  innerhalb  des  später  niederdeutschen  Sprachgebiets 
werden  schon  vor  ihrer  endgültigen  Aufsaugung  durch  das  Nieder- 
deutsche  längst  starke  niedei'deutsche  Einflüsse  auf  ihre  Sprache  er- 
litten haben.  Leider  fehlt  uns  aber  dafür,  bis  auf  das  hannoversche 
Wendland,  jegliches  sprachliche  Material. 

Mit  der  Niederwerfung  der  Polaben  und  Sorben  war  die  Unter- 
jochung und  Germanisierung  der  ersten  Staffel  der  slawischen  Völker- 
schaften, die  sich  der  deutschen  Ostgrenze  vorlagerten,  vollendet. 
Die  Redanzslawen  waren  schon  vorher  von  Ostfranken  aus  unter- 
worfen, und  in  den  beiden  Lausitzen  und  der  Mark  Meissen  ist  der 
deutsche  Einfluss  nie  so  völlig  unterbunden  gewesen  wie  in  den  sla- 
wischen Nordwestgebieten.  Seit  dem.  Ende  des  12.  Jahrhunderts  nun 
richtet  sich  die  Expansion  der  deutschen  Volkskraft  gegen  die  zweite 
Staffel  der  Westslawen,  die  Pommern,  Polen,  Schlesier  und  Czechen. 
Es  beginnt  die  Zeit  der  grossen  Colonisation  des  deutschen  Ostens, 
die  nicht  mit  Feuer  und  Schwert,  sondern  in  friedlicher  Culturarbeit 
vor  sich  ging.  Die  slawischen  Fürsten  und  adligen  Herren  riefen 
selbst  die  Colonisten  ins  Land,  die  durch  ihre  bessere  Bodenkultur 
grössere  Erträge  für  den  Grundherrn  herauswirtschafteten,  und  an 
der  Kirche  hatte  das  vordringende  Deutschtum  damals  eine  unschätz- 
bare Stütze.  Die  weiteste  Ausdehnung  hat  das  deutsche  Element  in 
den  slawischen  Landen  aber  durch  die  Begründung  zahlreicher 
deutscher  Städte  gewonnen.  Mit  der  den  Slawen  damals  überhaupt 
noch  unbekannten  ^Stadt^  zog  auch  das  deutsche  Recht  und  die 
ganze  deutsche  bürgerliche  Cultur  in  das  Slawenland  ein.  Bis  weit 
nach  Gross-  und  Kleinpolen  und  nach  Galizien  hinein  reichten  die 
deutschen  Städte,  wo  es  längst  keine  deutschen  bäuerlichen  Colonisten 
mehr  gab.  Bei  dem  lebhaften  sprachlichen  Austausch,  der  sich 
während  dieser  Periode  der  Durchdringung  des  westslawischen  Gebiets 
durch  das  Deutschtum  von  selbst  ergeben  musste,  haben  die  cultarell 
entwickelteren,  älteren  Deutschen  den  jüngeren  Slawen  naturgemäss 
viel  mehr  an  sprachlichem  Lehngute  gegeben  als  von  ihnen  erhalten. 
Der  grösste  Teil  des  deutschen  Lehnwörterschatzes,  der  allein  den 
westslawischen  Sprachen  eigen  ist,  stammt  aus  diesen  Jahrhunderten 
des  friedlichen  Ringens. 

Wie  stark   ist   nun   an   diesem   älteren  Lehnwörterbestande  des 
Westslawischen  das  Niederdeutsche  beteiligt?    Niederdeutsche  Beein- 


^)  Wendische  Bevölkerungsreste  in  Mecklenburg  («  Forschongen  z.  deutschen 
Landes-  und  Volkskunde  Bd   XYI,  1)  1905. 


79 

flussung  wird  man  von  vornherein  für  Pommern  und  die  Mark  er- 
warten, für  Böhmen  dagegen  ausschalten,  weil  niederdeutsche  Colo- 
nisten,  soweit  wir  wissen,  kaum  jemals  nach  Böhmen  gelangt  sind. 
Von  den  slawischen  Mundarten  Pommerns  und  der  Mark  sind  uns 
nun  aber  bis  auf  das  Kaschubische  überhaupt  keine  Sprachreste  er- 
halten geblieben,  sodass  wir  darüber  ebenso  wenig  etwas  aussagen 
können  wie  etwa  über  die  slawischen  Mundarten  Meckelnburgs  und 
Wagriens.  Das  Kaschubische  aber  und  die  polnischen  Mundarten 
West-  und  Ostpreussens,  die  ja  in  intensive  Berührung  mit  der  haupt- 
sächlich von  den  Hansestädten  her  gepflegten  niederdeutschen  Be- 
siedlung kommen  mussten,  zeigen  heute  doch  nicht  so  starke  nieder- 
deutsche Spuren  in  ihrem  Wortschatze,  wie  man  erwarten  sollte. 
Freilich  darf  man  nicht  vergessen,  dass  die  heutige  hochdeutsch- 
niederdeutsche Sprachgrenze  auf  dem  Colonialgebiet  östlich  der  Elbe 
sich  keineswegs  mit  der  ursprünglichen  Verteilung  der  niederdeutschen 
und  mitteldeutschen  Colonisten  deckt.  Heute  setzt  sich  die  Sprach- 
grenze, wo  sie  die  Elbe  überschreitet,  fast  geradlinig  fort,  bis  sie 
bei  Birnbaum  an  der  Warthe  nach  Südosten  umbiegt  und  nördlich 
von  Posen  vorbeiziehend  sehi^  bald  ihr  Ende  erreicht.  Diese  sehr 
einfache  Struktur  des  ostdeutschen  Colonialgebiets  ist  erst  das  Resultat 
jahrhundertelanger  Entwicklung.  Ursprünglich  war  die  Mischung  der 
niederdeutschen  und  mitteldeutschen  Elemente  sehr  viel  bunter;  noch 
heute  haben  wir  in  dem  sonst  rein  niederdeutschen  Ostpreussen  die 
grosse  mitteldeutsche  Insel  des  s.  g.  Breslauischen  im  südlichen  Erm- 
land,  in  Teilen  von  Schlesien  können  wir  deutlich  eine  ältere  niederdeutsche 
(oder  vielmehr  niederländische)  Schicht  der  Besiedlung  sich  von  der 
späteren  mitteldeutschen  abheben  sehen;  und  wie  stark  der  nieder- 
fränkische (und  z.  T.  mittelfränkische)  Einschlag  in  der  Mark  Bran- 
denburg und  sonst  gewesen  ist,  hat  0.  Bremer  in  seiner  Ethnographie 
der  germanischen  Stämme  S.  897  f.  hübsch  zusammengestellt. 

Man  sollte  bei  dieser  Lage  der  Dinge  erwarten,  dass  der  Lehn- 
wörterbestand der  beiden  in  der  Mitte  gelegenen  Stämme  der  West- 
slawen, der  Polen  und  der  Schlesier,  sowohl  mittel-  wie  nieder- 
deutsche Bestandteile  aufzeigte.  Dem  ist  aber  nicht  so,  wir  finden 
ein  ausschliessliches  Vorherrschen  des  Mitteldeutschen  in  der  polnischen 
Literatur-  und  Schriftsprache  und,  wenn  man  von  den  polnischen 
Dialekten  der  beiden  Preussen  und  der  nordwestlichen  Grenzdistrikte 
Grosspolens  absieht,  auch  in  sämtlichen  polnischen  und  schlesischen 
Volksmundarten.  Umgekehrt  sind  fast  alle  unsere  slawischen  Lehn- 
wörter, die  wir  jetzt  im  Deutschen  haben,  den  Weg  zu  uns  durch 
das  Mitteldeutsche  gegangen.  Zur  Erklärung  dieser  auffälligen  Er- 
scheinung kann  man  mehrere  Gründe  ins  Treffen  führen.  Der  wichtigste 
ist  wohl  die  starke  Abhängigkeit  der  älteren  polnischen  Sprache  und 
Literatur  von  der  altböhmischen.  Die  hervorragende  Stellung  der 
czechischen  Nation  unter  den  Westslawen  im  Mittelalter  ist  unbestritten. 
Von  dort  kam  den  Polen  das  Christentum,  von  dort  auch  die  ersten 
literarischen  Anregungen.     Der  hl.  Adalbert  war   Böhme  wie   der  hl. 


so 

Waclaw,  dem  die  Kathedrale  zu  Krakau  gewidmet  ist  und  der  auch 
in  Polen  niemals  in  seiner  polnischen  Namensform  Wendaw,  sondeni 
immer  in  der  nasallosen  czechischen  erscheint.  Der  Name  Silesia 
(Schlesien)  hat  czechische,  nicht  polnische  Lautform.  Von  Böhmeo 
her  haben  die  Polen  nicht  nur  die  Termini  der  christlichen  Kirche, 
sondern  auch  zahlreiche  andere  deutsche  Lehnwörter  in  mitteldeutscher 
Laütform  übernommen.  Soweit  aber  nicht  Böhmen  den  deutschen 
Cultureinfluss  nach  Polen  vermittelte,  kam  er  durch  das  dem  mittel- 
deutschen Einfluss  unterworfene  Gebiet  der  beiden  Lausitzen  nach 
Schlesien  und  von  da  weiter  in  das  eigentliche  Polen.  Die  Lausitzen 
waren,  mit  einer  kurzen  Unterbrechung  1018—1031,  wo  sie  eben 
zu  Polen  gehörten,  stets  unter  deutscher  Herrschaft  verblieben,  also 
das  früheste  Einfallstor  für  deutsches  Wesen,  längst  ehe  die  Nord- 
westslawen endlich  durch  WaflFengewalt  bezwungen  ihr  Gebiet  eröff- 
neten i).  Den  Vorsprungj  den  das  Mitteldeutsche  auf  diese  Weise  für 
die  Eroberung  der  polnischen  Lande  gewonnen  hatte,  befestigten  end- 
lich die  zahlreichen  deutschen  Städte  des  Landes,  die  samt  und 
sonders  die  auf  böhmisch-schlesischer  Grundlage  beruhende  ostmittel- 
deutsche  Geschäfts-  und  Verkehrssprache  gebrauchten.  Damit  in 
engstem  Zusammenhange  steht  der  Siegeszug  des  stets  in  mittel- 
deutscher Sprache  abgefassten  Magdeburger  Rechts  durch  den 
slawischen  Osten.  Und  wo  einmal  nicht  Magdeburg,  Halle  oder 
Neumarkt  Oberhof  der  polnischen  Städte  war,  sondern  wie  in  ganz 
Masowien  Culm,  da  war  es  doch  im  Grunde  wieder  nur  Magdeburger 
Recht,  nur  in  der  etwas  modificierten  Geschäftssprache,  wie  sie  der 
Deutsche  Orden  ausgebildet  hatte.  Von  Niederdeutsch  war  aber  auch 
hier  keine  Rede.  Hat  doch  sogar  das  rein  niederdeutsche  Danzig 
sich  ziemlich  früh  zur  Übernahme  der  mitteldeutschen  Rechtssprache 
entschlossen.  Schliesslich  sei  doch  auch  daran  noch  erinnert,  dass  der 
jüdisch-deutsche  Jargon  der  zahlreichen  Juden  Polens  sich  auf  einer 
mitteldeutschen  Grundlage  aufbaut^).  Durch  so  viel  Kanäle  gelangte 
der  mitteldeutsche  Einfluss  in  das  polnische  Sprachgebiet  hinein  und 
konnte  den  deutschen  Lehnwörterbestand  des  Polnischen  bestimmen. 
Umgekehrt  ist  von  einer  irgend  wie  lebhaften  Verbindung  Polens  mit 
den  niederdeutschen  Bezirken  der  Mark  und  Pommerns  wenig  die 
Rede.  Die  langgestreckten  Bruchlandschaften,  die  sich  von  der 
Weichsel  bis  zur  Oder  hinziehen,  mögen  mit  daran  Schuld  sein.  Mehr 
aber  wohl  der  Umstand,  dass,  als  endlich  die  Polen  direkte  Nach- 
barn der  Niederdeutschen  wurden,  der  politische  Schwerpunkt  des 
polnischen  Reiches  bereits  nach  Kleinpolen  verlegt  war.  Die  noch 
auf  grosspolnischem  Gebiet  entstandene  polnische  Schriftsprache  hat 
keine  niederdeutschen  Einflüsse  mehr  empfangen,  aber  ihrerseits  durch 
ihren  mitteldeutschen  Lehnwörterbestand  die  Volksdialekte  des  Nord- 
westens so  stark  beeinflusst,   dass  auch  in  ihnen  die  niederdeutschen 


')  Vgl.  Erich  Schmidt,  Geschichte  des  Deutschtums  im  Lande  Posen,  S.  75. 
*)  Vgl.  Jac.  Gerzon,  Die  jüdisch-deutsche  Sprache,  Frankf.  a.  M  1902,  S.  181. 


Elemente  vor  den  mitteldeutschen  zurückstehen.  Selbst  die  Besiedlung 
der  Netze-  und  Obrabrüche  durch  niederdeutsche  Colonisten,  die  im 
17.  und  18.  Jahrhundert  aus  der  Mark  und  aus  Pommern  herüber- 
kamen und  zusammenhängende  niederdeutsche  Dialektgebiete  im 
Nordosten  und  Nordwesten  der  heutigen  Provinz  Posen  geschaffen 
haben,  hat  höchstens  der  allernächsten  Nachbarschaft  ein  paar  nieder- 
deutsche Worte  vermittelt.  Dagegen  hat  seit  dem  16.  Jahrhundert 
in  immer  steigendem  Masse  die  neuhochdeutsche  Schrift-  und  Ver- 
kehrssprache auf  die  polnische  Sprache  einzuwirken  begonnen  und 
eine  jüngste,  stattliche  Gruppe  deutscher  Lehnwörter  im  Polnischen 
entstehen  lassen,  die  sich  in  ihrer  äusseren  Gestalt  deutlich  von  den 
älteren  Entlehnungen  abheben.  Niederdeutsches  Gut  haben  diese 
Wörter  natürlich  nur  in  den  seltensten  Fällen  übermittelt. 


Wenn  ich  jetzt  dazu  übergehe,  den  Wortschatz  der  einzelnen 
westslawischen  Sprachen  und  Mundarten,  soweit  sie  uns  erhalten 
geblieben  sind,  auf  ihre  niederdeutschen  Lehnwörter  zu  untersuchen, 
so  gehe  ich  vom  Westen  nach  dem  Osten.  Ich  beginne  mit  der 
Mundart  der  Polaben  des  hannoverschen  Wendlands,  wo  wir  die 
stärksten  niederdeutschen  Einwirkungen  finden.  Viel  geringer  schon 
ist  der  niederdeutsche  Einschlag  in  der  Sprache  der  Easchuben  und 
der  polnischen  Mundarten  West-  und  Ostpreussens.  Fast  ganz  negativ 
verläuft  das  Suchen  nach  niederdeutschem  Sprachgut  in  der  polnischen 
Schriftsprache,   deren  Behandlung  ich   deshalb  an  den  Schluss  stelle. 

Die  Sprache  der  alten  slawischen  Bewohner  des  hannoverschen 
Wendlands  gehörte  dem  polabischen  Zweige  des  Westslawischen  an, 
ist  aber  bereits  gegen  Ende  des  17.  oder  spätestens  zu  Anfang  des 
18.  Jahrhunderts  ausgestorben.  Kurz  vorher  war  zum  Glück  durch 
mehrere  gelehrte  und  ungelehrte  Freunde  der  alten  Sprache  ein  ver- 
hältnismässig umfangreiches  Material,  meist  in  lexikalischer  Form, 
geborgen  worden.  Das  antiquarische  Interesse  wandte  sich  damals, 
zum  grossen  Teil  unter  Leibnizens  direkter  Einwirkung,  überhaupt 
sehr  lebhaft  den  untergehenden  Mundarten  Norddeutschlands  zu;  es 
war  dieselbe  Zeit,  wo  auch  das  absterbende  Altfriesisch  im  Lande 
Wursten  und  in  Ostfriesland  in  ganz  ähnlicher  Form  wie  das  Wendische 
aufgezeichnet  wurde.  Zu  dem  damals  von  Mithof,  Pfeffinger,  dem 
Pastor  Christian  Hennig  von  Jessen,  Johann  Parum  Schultze  u.  a. 
gesammelten  Material  ist  in  jüngster  Zeit  noch  die  durch  Kühnel, 
Mucke  und  Rost  besorgte  Aufnahme  der  Orts-,  Flur-  und  Personen- 
namen des  Wendlands  hinzugekommen,  eine  zweite  wichtige,  z.  T. 
ältere  Quelle  der  polabischen  Mundart.  Alles  zusammen  liegt  jetzt 
in  der  handlichen  Ausgabe  von  P.  Rost^)  vor.  Durch  Rosts  Wörter- 
verzeichnis ist  auch  die  dankenswerte  Zusammenstellung  der  deutschen 


1)   Die   Sprachreste    der  Draväno- Polaben    im   Hannoverschen,   gesammelt, 
herausgegeben  und  mit  Wörterverzeichnis  versehen  von  F.  Rost,  Leipzig,  Hinrichs  1907. 

Festgabe  (Nd.  Jb.  XXXVII).  ß 


82 

Bestandteile  des  wendischen  Wortschatzes  überholt,  die  A.  Brückner  l) 
1877  gegeben  hatte. 

Die  uns  erhaltenen  Reste  des  Polabischen  zeigen  die  Sprache 
in  vollster  Auflösung  begrifiPen:  nicht  nur  sind  die  rein  slawischen 
Laute  sehr  stark  und  eigenartig  weiterentwickelt  worden,  weil  keinerlei 
schriftliche  Aufzeichnung  da  ritardierend  hätte  einwirken  können. 
Mehr  aber  noch  fallt  das  ungehemmte  Eindringen  der  lokalen  nieder- 
deutschen Mundart  in  den  Wortschatz  ebenso  sehr  wie  in  die  Wort- 
bildungslehre dieser  slawischen  Mundart  ins  Auge.  Es  ist  schwer, 
bei  dieser  Überfülle  eine  Chronologie  der  Entlehnungen  aufzustellen: 
man  kann  nur  im  Allgemeinen  sagen,  dass  Lehnwörter,  die  jüngere 
Lautentwicklungen  des  Wendischen  selbst  mitgemacht  haben,  älteren 
Ursprungs  sein  werden.  Vgl.  z.  B.  kokö  Pranger  (=  mnd.  käk), 
strotö  Strasse  (=  nd.  sträte),  aber  strüöt  Strote,  Luftröhre  (=  nd. 
strote)]  teid  (dessen  ei  nicht  etwa  aus  dem  Nhd.  stammt!)  Zeit,  neben 
altidöi  allzeit,  moltid  Mahlzeit;  tyarl  Kerl  u.  a.  Ich  führe  deshalb 
nur  kurz  ein  paar  echt  nd.  Lautcharakteristika  in  deutschen  Lehn- 
wörtern des  Wendischen  an,  ohne  ihr  Alter  näher  bestimmen  zu 
wollen:  das  sicherste  Kennzeichen  nd.  Lautgebung  nd.  t  =  hd.  z 
haben  wir  hier  sehr  oft,  wo  z.  B.  tal  Zahl,  toi  Zoll,  tarne  zahme; 
spet  Spiess,  kHvit  Kiebitz,  bükv4it  Buchweizen,  milta  Milz,  krawad 
Krebs.  Nd.  k  =  hd.  ch  in  dlk  Teich,  lik  gleich,  pank'ü*ök  Pfann- 
kuchen etc.  Metathesis  des  r  in  daräär  Drescher,  bdrvin  Branntwein 
etc.;  hs  >  ss  in  las  Lachs,  bü'äa  Büchse;  nd  >  nn  in  spinna  Spinde, 
Schrank;  ft  >  cht  in  achterska  mos  Hinterachse.  Vgl.  femer  Itfka 
Schnürleib,  bek  Bach,  driste  mutig,  drö*g*e  trocken,  üdc  Iltis,  speidd 
Bratspiess,  Angelrute  etc.  etc.  Sicher  jüngeren  Ursprungs  sind  aber 
andere  Gruppen:  einmal  solche  Verbindungen  wie  imertd  immerzu, 
v^le  reis  oftmals  {reis  schon  mnd.  =  mal),  dann  Composita  wie 
daglik'e,  kunstUk*e^  radlik*e  redlich;  tosage  Zusage,  tobringdje  er  fuhrt 
zu.  Hier  beginnt  also  schon  das  Gebiet  der  hybriden  Bildungen: 
an  einen  nd.  Stamm  tritt  die  slawische  Endung,  so  werden  dann 
weiter  gebildet  komöt  Inf.  kommen,  krig*6t^  bring*6ty  wie  man  sieht 
Verben  von  allgemeinster  Bedeutung.  Aber  auch  da  macht  die  Zer- 
setzung noch  nicht  halt,  schliesslich  componiert  die  Sprache  sogar 
slawische  Praeposition  mit  deutschem  Verbum,  wie  in  pri-lid^öt  er- 
leiden, sa-bruköne  abgenutzt,  voi-dMca  er  denkt  aus,  voi^bed'at  aus- 
bieten, voi-mSsat  ausmisten ;  oder  deutsche  Praeposition  mit  slawischem 
Verbum,  wie  in  to-pSije  er  trinkt  zu,  to-rize  er  schneidet  zu,  bi-sapöl 
er  schlief  bei  etc. 

Die  betrübendste  Erfahrung  muss  aber  der  Liebhaber  der  alten 
wendischen  Sprache  machen,  wenn  er  entdeckt,  dass  auch  unter  den 
wenigen  altslawischen  Wörtern,  die  der  nd.  Dialekt  des  Wendlands 
bis  auf  den  heutigen  Tag  als  kostbare  Erinnerungen  bewahrt  hat 
und  die  von  Hennings,  Mucke  und   Rost  mit  besonderem  Stolz   auf- 


^)  Die  slawischen  Lehnwörter  ün  Litauischen,  Weimar   1877,  S.  12  N.  12- 


S3 

gezählt  werden,  sich  mehrere  solcher  nd. -slawischer  Mischbildungen 
finden,  die  also  als  verhältnismässig  junges  Gut  zu  gelten  haben. 
Sie  haben  alle  die  gleiche  Endung  -neitz^  die  einem  älteren  -nica 
entspricht,  so  klinkerneitz  Geldbeutel  (Klingelbeutel),  vgl.  nd.  klinken 
hell  tönen  (Lübben-Walther  177  a),  pinkelneitz  Schaukel  zu  nd.  bingdn  * 
hin  und  herschweben  (Rost),  punkeneitz  Zugabe,  Geschenk  (zu  punge 
Beutel?),  gungelneitz  Geige  (aus  güggelneitz  zu  gtge\  tötemeitz  {zu  nA, 
tüthorn !).  Diese  hybriden  Bildungen  mitgerechnet,  bringt  es  E.  Mucke  i) 
doch  nur  zu  der  Gesamtsumme  von  39  Wörtern,  die  wenigstens  noch 
um  eins  (butze  Schlafstelle)  zu  vermindern  ist.  Von  dem  Rest  hat 
allgemeinere,  über  die  Grenzen  des  hannoverschen  Wendlands  hinaus- 
gehende Bedeutung  nur  döns  (dörns),  ein  altes  Lehnwort  aus  polab. 
d(w)omica,  das  durch  seinen  w-Ausfall  die  Herkunft  aus  einer  pola- 
bischen  Mundart,^)  und  wegen  seines  t  in  mhd.  tümitz  (neben  dümitz) 
den  Durchgang  durch  das  Nd.  beweist;  pamel,  pomel  platter  Fladen 
(cf.  Frischbier,  Preuss.  Wtb.  2,  118)  und  pracher  Bettler  (Frischbier 
2,  174  und  in  andern  nd.  Maa.)  sind  nicht  slawischen  Ursprungs. 
Wie  weit  die  von  Mucke  aufgezählten  39  slawischen  Worte  heute 
noch  wirklich  lebendig  sind,  vermag  ich  nicht  zu  sagen.  Von  den 
8 — 9  Eigentümlichkeiten  der  Lautlehre  und  Syntax,  die  das  wend- 
ländische  Plattdeutsch  aus  dem  alten  Polabischen  beibehalten  hatte 
und  die  schon  MithoiF  1691  in  seiner  Epistola  an  Leibniz  zusammen- 
stellt 3),  sind  jedenfalls  mehrere  inzwischen  längst  verschwunden. 
Schon  1809  bemerkt  Jugler,  dass  die  Verwechslung  eines  v  (f)  und  tc 
in  der  Aussprache  nicht  mehr  vorkomme,  so  wie  sie  z.  B.  das  Gebet 
bei  Mithof  in  Wan  fin  hun  wan  brade  (==  van  win  un  van  hrdde) 
zeigt.^)  Am  bekanntesten  ist  aber  der  Wendländer,  wie  der  Spree- 
wälder, seinen  nd.  Nachbarn  durch  seine  unrichtige  Setzung  des  an- 
lautenden Ä  geworden:  Du  kom  ihr  Er  (=  hier  her)  im  hd.  Teile 
von  Parum  Schnitzes  Glossar^),  giff  hunk  tho  häten  im  Gebete  bei 
Mithoff^).  Das  geht  bis  in  die  neuste  Zeit  hinein,  wird  aber  jetzt, 
ebenso  wie  die  beliebte  Unterdrückung  des  Artikels  {Fra\ie  lege  Kindt 
in  Wiegen:  P.  Sch.)7),  die  Vorliebe  für  die  reflexiven  Verba  und  das 
für  alle  Personen  angewandte  sick  (gah  sick  hup  höhne  =  ich  gehe 
auf  den  Boden :  Mith.)^)  und  die  Verwendung  des  Maskulinums  he  für 


1)  Szcz^tki  j^zyka  polabskiego  Wendöw  Lüneburskich  in  „Materyaly  i  prace 
komisyi  j^zykowej*'  der  Krakauer  Akademie,  Bd.  1  (1908)  S.  420—427.  Zuletzt  hat 
F.  Kühnel,  Altsachsenland  Jahrg.  1909,  S.  61—66  über  diese  Wörter  gehandelt, 
auch  seine  Liste,  die  auf  66  Wörter  angewachsen  ist,  bedarf  einer  kritischen  Revision. 

2)  Vgl.  E.  Bemeker,  Slay.  etymol.  Wörterbuch,  S.  241. 

3j  Rost  S.  48  f.    E.  Mucke,  Altsachsenland,  Jahrg.  1908,  S.  232  f. 

^)  Rost  S.  50  Z.  4  (wo  sin  natürlich  in  fin  zu  bessern  ist),  Mucke  S.  288. 

^)  Rost  S.  67  Z.  9. 

*)  Rost  S.  50  Z.  4;  „Err  Hammann,  wenn  myn  Eers  hupgeiht,  achaU  hem 
hook  wat  hafebben'*  (=  Herr  Amtmann,  wenn  meine  Hirse  aufgeht,  soll  Er  auch 
etwas  abhaben)  Mucke  S.  233  nach  Jugler. 

')  Rost  S.  72  Z,  7. 

»)  Rost  S.  49  Z.  5. 

6* 


u 

alle  drei  Geschlechter  (he  et  sick  spöhkt  =  es  hat  gespukt:  Jugler)i) 
wohl  stark  im  Abnehmen  begriffen  sein.  Die  Aussprache  des  an- 
lautenden  j  wie  di  und  des  anlautenden  z  wie  fz  ist  im  Nd.  auch 
sonst  weit  verbreitet  und  braucht  keinesfalls  slawischem  Einfluss  zu- 
*  geschrieben  zu  werden.  — 

Die  zweite  Gruppe  von  Dialekten,  mit  der  wir  uns  hier  zu 
beschäftigen  haben,  ist  die  Sprache  der  Easchuben  im  äussersten 
Nordosten  der  Provinz  Pommern  und  den  angrenzenden  Kreisen  der 
Provinz  Westpreussen.  Über  die  Stellung  des  Kaschubischen,  und 
seines  westlichsten  Dialekts,  des  Slowinzischen,  innerhalb  der  slawischen 
Sprachen  ist  seit  1893,  wo  Ramuit's  Wörterbuch  der  pommerscheD 
oder  kaschubischen  Sprache  erschien,  ein  erbitterter  Kampf  zwischen 
den  Slawisten  gefuhrt  worden,  in  den  auch  das  nationale  Element 
mit  hineinspielte.  Ich  schliesse  mich  hier  der  Ansicht  von  K.  Nitsch-) 
in  Krakau,  jetzt  wohl  dem  besten  Kenner  und  fleissigsten  Förderer 
der  polnischen  Dialektstudien,  an,  der  ähnlich  wie  vorher  schon 
J.  Baudouin  de  Courtenay  3)  zwischen  den  beiden  Extremen  vermittelt. 
Danach  nimmt  das  Kaschubische  von  Haus  aus  eine  Sonderstellung 
unter  den  westslawischen  Sprachen  ein,  es  ist  der  letzte  Rest  der 
slawischen  Dialekte  Pommerns  und  bildet  den  Übergang  vom  Pol- 
nischen zum  Polabischen;  mit  beiden  zusammen  macht  es  die  grössere 
Gruppe  des  s.  g.  Lechitischen  aus,  das  seinerseits  dem  Sorbischen  in 
den  beiden  Lausitzen  und  dem  Gzechisch-Slowakischen  coordiniert  ist. 
Nun  hat  aber  das  Kaschubische  im  Laufe  der  letzten  Jahrhunderte 
so  starke  Beeinflussungen  durch  das  benachbarte  Polnische  erfahren, 
so  viele  gemeinsame  Lautentwicklungen  mit  ihm  durchgemacht,  dass 
man  es  heute  notgedrungen  mit  zu  den  Dialekten  des  Polnischen 
rechnen  muss.  Aber  noch  immer  gebührt  dem  Kaschubischen  hier  eine 
bedeutsame  Sonderstellung^),  hat  es  doch  bis  heute  sich  noch  nicht  dem 
festen  Accent  des  Polnischen  gefügt,  und  andererseits  allein  von  allen 
polnischen  Dialekten  den  Zusammenfall  der  palatalen  Zischlaute 
8\  c\  z',  dz'  mit  den  reinen  Dentalen  5,  c,  0,  dz  vollzogen.  Auch  in 
der  Frage,  die  uns  hier  beschäftigt,  nimmt  das  Kaschubische  eine 
Art  Mittelstellung  ein.  Ganz  Pommern  ist  ja  auf  friedlichem  Wege 
germanisiert  worden;  diese  langsame  Verdrängung  der  slawischen 
Volksdialekte  durch  das  Nd.  ist  heute  bereits  über  die  Westgrenze 
des  kaschubischen  Gebiets  vorgedrungen:  das  s.  g.  Slowinzische,  das 
Fr.  Lorentz  in  den  letzten  Jahren  mit  ausserordentlich  grosser  Sorgfalt 
und  Sachkenntnis  aufgezeichnet  hat,  stirbt  mit  der  heute  lebenden 
älteren  Generation  völlig  aus.  Aber  sowohl  dieser  von  Lorentz 
gerettete  Teil  des   Kaschubischen  wie   die   weiter   östlichen   Dialekte 

1)  Mucke  S.  232,  cf.  Rost  S.  49  N.  2. 

>)  Stosunki  pokrewieiistwa  j^zyköw  lechickich  in  den  Materyaly  i  prace 
komisyi  j^zykowej  der  Krakauer  Akademie,  Bd.  8  (1907)  S.  1  ff.,  vgl.  besonders 
S.  47  f. 

')  Kurzes  Resum^  der  kaschubischen  Frage  im  Archiv  f.  slaw.  Philol.  Bd.  26, 
S.  366  ff. 

*)  Vgl.  jetzt  K.  Nitsch's  eben  erschienene  Übersicht  der  polnischen  Dialekte 
(Pröba  ugrupowania  gwar  polskich,  Krakau  1910)  S.  7. 


85 

zeigen  zwar  starke  nd.  Elemente  im  Wortschatz,  aber  längst  nicht 
die  völlige  Durchdringung  und  Zersetzung  des  Wortschatzes  und  der 
Wortbildung  wie  die  Reste  des  Polabischen  im  hannoverschen  Wend- 
land. Das  kommt  daher,  weil  das  Kaschubische  einen  starken  Rückhalt 
an  dem  benachbarten  Polnischen  hatte.  Dadurch  blieb  dem  Kaschu- 
bischen  der  slawische  Charakter  seiner  Lautlehre  und  Wortbildung 
durchaus  bewahrt,  und  im  Wortschatz  stand  neben  den  zahlreichen 
nd.  Lehnwörtern  von  jeher  auch  ein  ebenso  beträchtlicher  Prozentsatz 
von  Entlehnungen  md.  Lautcharakters,  die  aus  dem  Gesamtpolnischen 
ins  Kaschubische  überführt  worden  sind.  Durch  den  Niedergang  des 
Plattdeutschen  und  das  gleichzeitige  Vordringen  der  polnischen  Schrift- 
sprache ist  im  Kaschubischen  heute  das  md.  Lehnwörtermaterial  sogar 
an  Umfang  weit  über  das  nd.  hinausgewachsen. 

Aus  dem  Kaschubischen  sind  uns  ältere  Texte  überhaupt  nicht 
überliefert  worden,  alles  was  wir  an  sprachlichem  Material  haben, 
ist  erst  in  der  2.  Hälfte  des  19.  Jahrhunderts  an  Ort  und  Stelle 
gesammelt  worden.  Von  den  älteren  Arbeiten  ist  mir  nur  das  kleine 
Werkchen  von  G.  Pobiocki^)  zugänglich  gewesen;  aber  erst  die 
grossen  Wörterbücher  von  St.  Ramult^)  1893  und  Fr.  Lorentz^)  1908 
lassen  uns  den  Sprachschatz  einigermassen  übersehen.  Als  weitere 
Hülfsmittel  sind  die  Arbeit  von  A.  Berka^)  und  das  grosse  fünf  bändige 
Wörterbuch  der  polnischen  Mundarten  von  J.  Karlowicz  ^)  heranzuziehen. 
Beide  Werke  liegen  aber  vor  Lorentz'  umfassender  Arbeit,  so  dass 
heute  ein  grosses  zusammenfassendes  Wörterbuch  des  Kaschubischen 
gleichwohl  ein  dringendes  Bedürfnis  bleibt.  Dies  neue  Wörterbuch 
müsste  zugleich,  wie  es  beim  Polabischen  geschehen  ist,  die  kaschubischen 
Orts-  und  Flurnamen  mit  verzeichnen  und  bei  der  phonetischen  Trans- 
scription der  kaschubischen  Laute  eine  weise  Mässigung  walten  lassen. 

In  den  deutschen  Lehnwörtern  des  Kaschubischen  habe  ich  nur 
ein  einziges  Beispiel  gefunden,  wo  im  Anlaute  nd.  t  erhalten  geblieben 
ist:  tSmret  das  grössere  Seitenbrett  am  Mistwagen.  Es  kehrt  im 
preussischen  Nd.  als  timmbrett  wieder  und  wird  von  Frischbier  2,  402 
mit  nd.  timmer  in  Verbindung  gebracht.  Inlautend  und  auslautend 
ist  t  =  hd.  z  etwas  häufiger,  vgl.  szatnic  schätzen:  poln.  szac<mac\ 
rechilt  (rechot)  Balken  oder  kleine  Wand,  die  einen  Verschlag  abtrennt, 
vom  nd.  richtholt.  Das  Wort  wird  in  Lindes  Poln.  Wörterbuch  aus 
dem  Altpolnischen  als  rechot  Verhau  belegt.  Die  zahlreichen  Zu- 
sammensetzungen mit  'hohsy  die  das  Polnische  sonst  hat  (Korbut 
S.  502)  endigen  sämtlich  auf  -ulec^  setzen  also  die  hd.  Form  voraus, 
ebenso  westpreussisch  richtolec,  kaschubisch  szt^pölc  Stampf  holz,  ätrbchölc 
Streichbrett  f.  d.  Sense  u.  a.     Das  nd.   buten  hat  das  Kaschubische 


^)  Stowjoik  kaszubski  z  dodatkiem  idyotyzmöw  che^minskich  i  kociewskich, 
Kulm  1887. 

2)  Slownik  j^zyka  pomorskiego  czyli  kaszubskiego,  Erakau  1893. 

3)  Slovinzisches  Wörterbuch  1.  Teil  A— e,  St.  Petersburg  1908. 

*)  Stownik  kaszubski  poröwnaczy,  in  den  Prace  filologiczne,  Bd.  3  (Warschau 
1891),  S.  367  ff.  und  585  ff. 

•)  S^ownik  gwar  polskicb,  Bd.  1—5,  Krakau  1900—1907. 


86 

sowohl  als  Adverb  wie  als  Praeposition  übernommen:  wenekäj  p$a 
hüten  jage  den  Hund  hinaus!  und  hüten  szeku  über  das  Mass  (p.  nad 
miar^).  Kasch.  huktmtny  'aus  Buchweizen  bereitet'  steht  poln.  tatarczany 
gegenüber.  Dagegen  stimmt  das  Kasch.  mit  dem  Polnischen  in  der 
Verschiebung  des  t>  z  überein  z.  B.  in  cegla  Ziegel,  cug  Zug,  slowinz. 
cäpelk  Zipfelchen,  c^l  Ziel,  caul  Zoll,  cüopä  Zopf,  havzäcd  Absatz,  szdt^ 
Schultheiss  etc. 

Bei  der  Verschiebung  von  p  >  f  und  k  >  ch  muss  man  sehr 
vorsichtig  sein,  denn  in  den  deutschen  Lehnwörtern  des  Polnischen 
und  seiner  Dialekte  können  p  und  k  unter  Umständen  auch  einem 
hd.  pf^  f  und  ch  entsprechen.  Die  slawischen  Sprachen  hatten 
ursprünglich  überhaupt  gar  kein  f  und  ersetzten  deshalb  in  der 
älteren  Zeit  germ.  f  durch  p  oder  ft,  vgl.  post  Fasten,  puik  Volk, 
putap  Vorlaube,  Szczepan  Stefan,  Pabjan  Fabian;  kasch.  (u.  posnisch) 
purty  purtac  Furz,  furzen  (wo  das  rt  wie  in  md.  kurt  =  kurz  zu 
beurteilen  ist).  Gegen  das  durch  die  hd.  Lautverschiebung  entstandene 
pf  hatte  das  Slawische  noch  lange  eine  starke  Abneigung  und  ersetzte 
es  durch  p^  ohne  dass  nd.  Einfluss  mitspielte,  denn  auch  das  Czechische 
macht  diese  Lautsubstituierung  mit.  So  haben  wir  im  Polniscbeo 
neben  älterem  pienit^e  die  jüngere  Entlehnung  fenik,  neben  panetr: 
hrytfanna  neben  pieprz:  fefer.  Das  Polnische  folgt  da  genau  der 
Entwicklung  des  Ostmitteldeutschen,  das  seit  dem  14./ 15.  Jahrhundert 
das  pf  überall  zu  f  erleichtert;  in  der  Gemination  hat  dagegen  das 
Ostmitteldeutsche  überall  das  alte  pp  bewahrt,  ebenso  das  Polnische 
in  Wörtern  wie  cypel,  propek^  capstrzyk  etc.  So  haben  wir  auch  im 
Kaschubischen  nebeneinander  älteres  plynt  und  jüngeres  fun*ty  ohne 
dass  wir  für  die  erstere  Form  nötig  hätten,  nd.  Herkunft  zu  ver- 
langen. Ja  sogar  für  pipa  steht  die  gleichlautende  altpoln.  und 
cz6ch.  Parallele  zur  Verfügung,  wenngleich  es  schwer  fallen  mag, 
hier  für  das  Easch.  den  Einfluss  des  Nd.  ganz  auszuschalten.  Bein 
nd.  ist  dagegen  sicher  pot  {puet)  Topf,  plaga  Plagge  beim  Torfstechen, 
und  im  Inlaut  slowinz.  haupen  offen,  szejper  Schäfer,  während  es  bei 
szeper  Schiffer  wieder  zweifelhaft  ist.  Umgekehrt  sind  sicher  md. 
Lehnwörter  wie  szneptuch  Schnupftuch,  tbpdek  Topftuch  (trotz  der 
Form  dek  s.  u.),  trafic  treffen,  strefla  Strumpf,  das  mit  streife  zu- 
sammenhängt. 

Die  Verschiebung  von  k  >  ch  spielt  nur  für  den  In-  und  Auslaut 
eine  Rolle,  aber  auch  hier  beweist  erhaltenes  k  nicht  immer  nd. 
Ursprung.  Das  Polnische  ersetzt  wiederum  in  älteren  Lehnworten 
häufig  md.  ch  durch  k.  In  den  Namen  auf  -ri/k  wird  Einfluss  des 
Lateinischen  vermutet,  weil  die  Formen  auf  -ryk  nur  der  Schriftsprache 
angehören,  während  das  Volk  statt  Henryk,  Fryderyk^  Olryk  nur 
Jf^drzych,  Bedrzych,  Oldrzych  etc.  kennt.  Neben  älterem  pak  Pech 
steht  jüngeres  pech  nur  in  der  Redensart  mied  pech  P.  haben,  neben 
hlak  jüngeres  blacha  Blech;  in  capstrzyk  Zapfenstreich  und  halszid' 
Halstuch  beweist  die  im  übrigen  hd.  Form  des  Wortes  ebenfalls  für 
Lautsubstitution,  und  das  alte  Lehnwort  szukac  suchen  wird  durch 
czech.  sukati  als  md.  erwiesen.      So    ist   auch   für   kasch.   dak   Dach 


87 

neben  poln.  cbich  die  Entscheidung  nicht  leicht,  und  in  sznepdek  (neben 
szneptuch  s.  o.)  und  töpdek  darf  man  wohl  die  gleiche  Umwandlung 
des  ch>  k  sehen  wie  in  poln.  halszlvk!  Nur  ist  in  allen  diesen  Fällen 
für  das  Easchubische  eine  sekundäre  Mitwirkung  des  Nd.  an  der 
Erhaltung  dieser  ungewöhnlichen  k  wohl  nicht  zu  bestreiten.  Für 
sicher  nd.  halte  ich  dagegen  die  in  einigen  Wörtern  bezeugte  Aus- 
sprache des  anlautenden  seh  als  i^  ^^^^  ^^'  ^^^  ^^^  ^^^  nicht  ein 
nachträglicher  Einschub  eines  ch  oder  &,  wie  Lorentz,  Slovinz.  Gramm. 
S.  154  meint,  sondern  eine  vom  Nd.  beeinäusste  Entwicklung  des 
germ.  sk^  der  Rest  einer  älteren  Aussprache  des  seh.  Das  beweist 
kasch.  skuniay  szkuna  Scheune  neben  polab.  stjenid  (mit  jüngerer 
Palatalisierung  des  k)  und  litauisch  sk^ne  (im  Poln.  dafür  stodola). 
So  fasse  ich  daher  auch  auf  szkalec^  szkalowac  schelten  und  slowinz. 
syrüva  (neben  kasch.  szruwa  bei  Ramult)  Schraube,  ä^ä^lc^  Schale. 
Rein  nd.  Consonantismus  zeigen  ferner  Wörter  wie  slowinz.  dtivof 
Treiber  b.  d.  Jagd,  livk  Weste  (Leibchen),  bufka  Räuber,  Hallunke, 
von  nnd.  bdfke;  stach  die  Stagleine;  slowinz.  dresler  (und  seine  Sippe) 
Drechsler,  poln.  dagegen  tokarz.  Nd.  Worte  sind  auch  rem  kleines 
Ruder,  bal&ja  Wanne,  drist  dreist,  &etn*6  Butterfass  nebst  seinen 
Ableitungen,  von  nd.  kerne^  karne  (Ramuit  S.  19)  u.  a.  Den  deutschen 
Einfittss  im  Kasch.  beleuchten  endlich  Worte,  deren  Herkunft  indifferent 
ist,  wie  sztek  chleba  (Stück  Brot),  preszU  w  sztrid  (sie  gerieten  in 
Streit),  szwemucki  (Adj.  zu  schwerenot),  sztelowac  se  (sich  verstellen), 
renotmc  (Lärm  machen,  eig.  durch  Umherlaufen)  etc.  etc.^).  — 

In  einem  dritten  Abschnitte  vereinige  ich  endlich  alle  übrigen 
polnischen  Dialektgebiete,  die  unmittelbar  an  nd.  sprechende  Gegenden 
angrenzen.  Dazu  gehören  vor  allem  die  polnischen  Volksmundarten 
von  West-  und  Ostpreussen,  dann  der  nördliche  Teil  der  Provinz  Posen. 
Die  grosspolnischen  Dialekte  sind  bisher  sehr  wenig  durchforscht, 
brauchbare  lexikalische  Sammlungen  gibt  es  noch  gar  nicht,  so  lass 
ich  die  posenschen  Dialekte  zunächst  aus  dem  Spiel.  Ein  grösseres 
Werk,  das  E.  Nitsch  soeben  ankündigt,  wird  hier  hoffentlich  bald 
Wandel  schaffen.  Für  die  polnischen  Mundarten  West-  und  Ostpreussens 
haben  jedenfalls  Nitschs  Arbeiten  aus  den  Jahren  1906 — 19072) 
den  festen  Grund  gelegt.  Die  polnischen  Mundarten  Westpreussens 
zerfallen  nach  Nitsch  in  drei  Gruppen:  die  Mundarten  der  Tucheier 
Heide  (poln.  Bory)  nebst  dem  nördlich  der  Netze  gelegenen  Teile  der 
Provinz  Posen  (poln.  Krajnd)  bilden  einen  Übergang  vom  Kaschubischen 
zum  Grosspolnischen ;  für  sich  steht  auch  das  Kulmerland,  zusammen 
mit  dem  östlich  anstossenden  Dobriner  Lande  (in  Russ.  Polen);  die 
dritte  Gruppe,  die  sich  scharf  von  den  beiden  andern  abhebt  und 
deshalb  von  Nitsch   als   ein   erst   später  von  der  polnischen  Sprache 


1)  Vgl.  die  Zusammenstellang  bei  L.  Biskupski,  Die  Sprache  der  Brodnitzer 
Kaschuben,  Dies.  pbil.  Breslau  1888,  S.  12. 

2)  Rocmki  Towarzystwa  naukowego  w  Toruniu  (Jahrbb.  d.  Wiss.  Gesellsch. 
zu  Thorn),  Jahrg.  13  (1906),  S.  161  ff.;  Materyaly  i  prace,  Bd.  8  (1907),  S.  101  ff. 
306  ff.  397  ff. 


88 

erobertes  Colonisationsgebiet  angesprochen  wird,  umfasst  das  Gebiet 
zwischen  Weichsel  und  Schwar^wasser  (poln.  Kociewie,  d.  h.  die  Kreise 
Stargard  und  Neustadt),  und  auf  dem  rechten  Weichselufer  die 
polnischen  Mundarten  um  Marienburg,  Graudenz  und  Löbau.  In 
Ostpreussen  endlich  fällt  der  Hauptanteil  dem  Masurischen  zu,  kleinere 
Bezirke  bilden  das  südliche  Ermland  und  die  Mundarten  um  Osterode, 
die  mit  den  westpreussischen  Mundarten  um  Löbau  zusammengehören. 
Brauchbare  Spezialwörterbücher  gibt  es  für  alle  diese  Dialekte  noch 
nicht;  wir  müssen  uns  daher  auf  die  knappen,  aber  mit  kundiger 
Hand  ausgewählten  Wörterverzeichnisse  beschränken,  die  Nitsch  den 
drei  Abteilungen  seiner  west-  und  ostpreussischen  Dialektstudien  bei- 
gegeben hat.  Da  fällt  es  sofort  auf,  dass  für  unsere  Untersuchung 
alle  diese  Dialekte  fast  das  gleiche  Bild  ergeben.  Sie  alle  sind  sehr 
reich  an  deutschen  Lehnwörtern  und  übertreffen  darin,  wie  Nitsch 
ausdrücklich  bemerkt,  die  grosspolnischen  sowohl  wie  die  ober- 
schlesischen  Dialekte,  i)  Aber  nirgends  hat  dieses  Eindringen  de> 
Deutschen  bereits  zur  Zersetzung  der  Dialekte  geführt;  nur  von  einem 
einzigen,  ganz  an  der  westlichen  Grenze  gelegenen  Orte  Briesen 
(Kr.  Schlochau)  sagt  Nietsch  S.  111, -  dass  es  hier  von  deutschen 
Stämmen  mit  polnischer  Endung  geradezu  wimmele.  Sonst  ist  der 
Standpunkt  des  Easchubischen  gewahrt.  Nur  ist  der  Anteil  des  Nd. 
an  den  deutschen  Lehnwörtern  noch  bedeutend  geringer  als  im 
Easchubischen. 

Vom  Easchubischen  her  ragt  tamrat  (=:  k.  temret)  noch  in  das 
benachbarte  Westpreussische  hinüber.  Dazu  taucht  am  entgegen- 
gesetzten Ende  im  östlichen  Masuren  ein  tina^  tinka  Milcheimer  auf, 
von  mnd.  ttne.  Hier  sowohl  wie  in  keiner  Kötner  fehlt  die  hd.  Form, 
die  z  zeigen  müsste.  Nd.  p  zeigen  anlautend  pyranc  Regenwurm, 
Bandwurm  (westpr.)  zu  mnd.  piräs^  von  ptr  Regenwurm;  vgl.  preuss. 
nd.  piras  und  ptratz  (Frischb.  2,  148);  plumi  gelbe  Pflaumen  (Erml.) 
und  prüpa^  prüpek  Pfropfen  (Mas.).  Inlautend  apen  oft'en  (Graud.), 
grdpa  Eochtopf  (östl.  Westpr.).  Auch  westpr.  warp  aus  Wolle  ge- 
webtes Zeug  geht  auf  preuss.  nd.  iverp  (Frischb.  2,  465)  zurück 
Wie  im  Easchubischen  finden  wir  brükowa^^  Wdk  (Gebrauch,  Be- 
dürfnis), dek  Dach  (nur  östl.  Mas.!);  dazu  aus  Graudenz  Mukowac 
Wäsche  stauchen,  äkalowac  tadeln,  schelten  hat  die  gleiche  Behand- 
lung des  anlautenden  seh  wie  das  kasch.  Wort.  Sicher  nd.  sind  ferner 
dachlän  Bezahlung  jeder  Art,  eig.  Tagelohn  (Tuchel),  omätd  Haar- 
nadel (wegen  des  nd.  ^),  kodrowac  ruinieren  (vgl.  preuss.  nd.  kod€ler[n]), 
knafel  Enopf  (zu  nd.  knovel  Enöchel,  vgl.  Frischb.  s.  v.  Knobel)^  ffoß^f 


^)  Umgekehrt  sind  wohl  nirgends  so  viele  slawische  Lehnwörter  ins  Deutsche 
eingedrungen  wie  gerade  in  den  preussischen  Mundarten.  Frischbiers  Wörterbach 
einmal  daraufhin  durchzuarbeiten,  wäre  eine  sehr  lohnende  Aufgabe,  mit  der  sich 
übrigens  jetzt  Prof.  K.  Strekelj.in  Graz,  wie  er  mir  mündlich  mitteilte,  beschäftigt. 
Bei  einer  flüchtigen  Durchsicht  des  Frischbier  habe  ich  allein  unter  P  (allerdings 
dem  markantesten  Buchstaben!)  nicht  weniger  als  158  Bntlehnungen  aus  dem 
Slawischen  uod  (zum  kleineren  Teil)  aus  dem  Litauischen  gezählt. 


89 

Gabel  (östl.  Mas.,  cf.  kasch.  gafle  Heugabel),  hres  Brachsen  (Fordon), 
aber  huksi  Hosen.  Nicht  nötig  ist  nd.  Herkunft  bei  anlaut.  d  yon 
drap  Trab  (Comparativ  drah*i  schneller)  und  dübelt  doppelt  (allgemein 
poln.),  hier  sprechen  Sandhiregeln  mit;  auch  das  u  statt  au  in  rupa^ 
kruza,  durowat  braucht  nicht  nd.  Ursprungs  zu  sein,  eher  schon  in 
ostpreuss.  brutka^  brutkdn  Bräutigam  und  erml.  ru7n.  In  vzhyne  drinnen, 
in  der  Stube  (Mühlbanz,  Kr.  Danzig)  steckt  nach  Nitsch  S.  281  das 
nd.  hinnen.  — 

Die  deutschen  Lehnwörter  der  hochpolnischen  Sprache  sind 
in  der  tüchtigen  Warschauer  Dissertation  von  Gabrjel  Korbut^)  zu- 
sammengestellt und  verarbeitet  worden.  Zwar  erschöpft  auch  Korbuts 
Sammlung  nicht  den  ganzen  Reichtum,  zumal  aus  älteren  Quellen 
wird  sich  noch  mancher  Baustein  hervorholen  lassen.  Aber  seine 
Arbeit  giebt  doch  für  Untersuchungen  wie  die  vorliegende  ein  aus- 
gezeichnetes Material  ab.  Weniger  kann  der  Germanist  mit  der 
grammatischen  Behandlung  der  deutschen  Lehnwörter  zufrieden  sein. 
So  vielseitig  auch  Korbuts  S})rachliche  Zergliederungen  und  Erläute- 
rungen der  einzelnen  Wörter  sind,  und  so  Vieles  sie  auch  im  Einzelnen 
richtig  beobachten  und  ans  Licht  stellen :  im  Ganzen  macht  doch  die 
Behandlung  und  Gruppierung  der  einzelnen  Laute  oft  einen  recht 
mechanischen  Eindruck.  Es  fehlen  Korbut  offenbar  die  tieferen  ger- 
manistischen Kenntnisse;  wäre  er  überall  strikte  von  den  zu  Grunde 
liegenden  deutschen  Lauten  ausgegangen,  wie  sie  beim  Übergang 
in  die  fremde  Sprache  als  vorhanden  angesetzt  werden  müssen, 
so  hätte  er  sich  manche  Wiederholungen  und  viele  Unklarheiten 
ersparen  können,  die  ihm  so  passieren,  weil  er  viel  zu  sehr  mit  den 
Lauten  des  bereits  eingebürgerten  Lehnworts  rechnet.  Ganz  unsicher 
ist  Korbut  aber,  wenn  es  gilt,  zwischen  niederdeutschem  und  mittel- 
deutschem (er  spricht  immer  nur  von  ^hochdeutschem^)  Einflüsse 
bei  einem  Lehnworte  zu  entscheiden.  Er  nimmt  deshalb  viel  zu  oft 
niederdeutsche  Grundwörter  an,  wo  genauere  Prüfung  keine  Veran- 
lassung giebt,  von  einer  mitteldeutschen  Basis  abzugehen.  S.  372 
giebt  er  im  §  7  seiner  allgemeinen  Betrachtungen  über  die  deutschen 
Lehnwörter  eine  Liste  von  19  Wörtern,  die  aus  dem  Niederdeutschen 
ins  Gesamtpolnische  übergegangen  seien,  die  6  letzten  davon  gehören 
der  Schiffersprache  an.^)  In  der  zugehörigen  Anmerkung  zählt  er 
dann  noch  einige  nd.  Lehnwörter  des  Kaschubischen,  Posenschen 
und  Masurischen  auf.  Dazu  kommen  aber  noch  zahlreiche  andere 
Beispiele  in  der  systematischen  grammatischen  Darstellung.     Korbut 


^)  WvrazY  niemieckie  w  j^zyku  polskim  pod  wzgl^dem  j^zykowem  i  cywUi- 
zacyjDym,  abgedruckt  in  Bd.  4  der  „Prace  filologiczne'',  herausg.  von  J.  Baudouin 
de  Courtenay,  J.  Kar^owicz,  A.  A.  Krynski  und  L.  Malinowski  (Warschau  1893), 
S.  346—660. 

^)  £8  sind  die  Wörter  ssperac  spüren,  azukac.  suchen,  szorowac  scheuern, 
kawal  Kabel,  i.ari  Scherz,  kaplun  Kapaun,  fUdra  Flunder,  hursztyn  Bernstein,  kufer 
Koffer,  wart  wert,  hol  Bohle,  blakowac  bleichen;  ster  Steuer,  tratwa,  trafia  Traft 
yz=  Weichselfloss),  rafa  Riff,  lina  Leine,  szi/per  Schiffer,  duny  Dünen. 


folgt  in  dieser  Neigung,  recht  viele  nd.  Lehnwörter  im  Polnischen  za 
statuieren,  aber  nur  seinen  Vorgängern  auf  diesem  Specialgebiete. 
L.  Biskupski,  Die  Sprache  der  Brodnitzer  Easchuben  (Breslaner 
Dissertation  1883),  bemerkt  in  seiner  Einleitung  S.  11:  „Ich  möchte 
darauf  aufmerksam  machen,  dass  eine  Reihe  von  polnischen  Wörtern, 
welche  aus  dem  Deutschen  entlehnt  sind,  die  niederdeutsche  Lautform 
zur  Vorausetzung  haben ;  so  hätte  Scherbe  unmöglich  äierba  abgeben 
können  etc.^  Von  den  bei  Korbut  aufgeführten  Beispielen  nennt  auch 
er  wart^  lina,  kufer;  ausserdem  pleiter,  kram^  miarkoioac  merken,  pal 
Pfahl,  pram  Prahm,  szatwija  Salbei,  traßc  treffen,  und  zaUarz  Psalter 
Mit  verblüffender  Kürze  hatte  aber  schon  längst  vorher  kein  Geringerer 
als  Johannes  Schmidt  die  Mehrzahl  der  deutschen  Lehnwörter  des 
Polnischen  überhaupt  für  niederdeutsch  erklärt.  Diese  überraschende 
Äusserung  findet  sich  in  einer  Anmerkung  Schmidts  zu  L.  Malinowskis 
Abhandlung  ^^Zur  Lautlehre  der  Lehnwörter  in  der  polnischen  Sprache^ 
im  6.  Bande  der  damals  von  Johannes  Schmidt  mitherausgegebenen 
Beiträge  zur  vergleichenden  Sprachforschung  (Berlin  1870).  Malinowski, 
der  übrigens  nur  denConsonantismus  der  deutschen  Lehnwörter  behandelt 
und  hier  Korbut  gut  vorgearbeitet  hatte,  sagt  S.  295 :  J  schwindet  im 
Inlaute  zwischen  Vokalen:  in  armuSmal  =  *ajerim§mcUc  =  Eier  im 
Schmalz ;  aus  den  Verbindungen :  äpeßik  =  Speilfleck,  trepchauz  =  Treib- 
haus. ^  Dazu  bemerkt  Job.  Schmidt  in  einer  Fussnote :  „Richtiger  ist  wohl 
dass,  mit  Ausnahme  des  ganz  unkenntlich  gewordenen  arrnuitnal, 
diese  Worte  wie  die  meisten  Lehnworte  aus  dem  Nieder- 
deutschen entnommen  sind,  den  Diphthong  also  nie  gehabt 
haben. ^  Und  S.  299  eine  zweite  Fussnote:  „Der  Wandel  von  ftj^ 
cht  ist  nicht  erst  polnisch,  obige  Worte  sind  vielmehr  aus  dem  Nie- 
derdeutschen entlehnt.  J.  S.^  So  ist  es  denn  kein  Wunder,  wenn 
auf  solche  Autorität  hin  Korbut  nun  eifrig  nach  nd.  Lehnwörtern  im 
Polnischen  fahndet.  Freilich  gerade  bei  den  von  J.  Schmidt  so  kate- 
gorisch als  nd.  erklärten  szpejflik  und  trepauz  wagt  selbst  Korbut  S. 
420  einen  leisen  Zweifel  zu  äussern,  trepauz  geht  natürlich  nicht 
auf  nd.  drtfhüs^  sondern  auf  nhd.  Treibhaus  zurück,  und  ebenso  bat 
speilflick  (Frischbier  2,  349)  ein  nd.  spilflöckj  nicht  etwa  speiflick. 
neben  sich.  Erst  in  jüngster  Zeit  wird  nhd.  ei  als  aj  oder  ^  ins 
Polnische  übernommen  {knajpa^  majster^  harb^tel^  cajkaua  etc.) Mi 
früher  galt  e  für  germanisch  ^',  für  germ.  %  dagegen  t,  y,  die  ältesten  Lehn- 
wörter ersetzen  selbst  mhd.  ei  durch  t,  y,  wie  mistrz  Meister,  gmina 
Gemeinde,  tylarz  Seiler.  In  Nebensilben  bleibt  y  für  mhd.  ei  auch 
später  noch:  ortyl  Urteil,  bursztyn  Bernstein.  Das  y  in  bursztyn  ist 
also  kein  speciüsch  nd.  Kriterium,  und  die  Grundform  der  1.  Silbe 
Born-  oder  Börnstein  kommt  nach  Kluge  ^)  in  der  2.  Hälfte  des  16. 
Jahrhunderts  auch  mittel-  und  oberdeutsch  vor.  Ursprünglich  ist 
das  Wort  natürlich  nd.  Herkunft;  das  Gzechische  kennt  nur  ag^i^^ 
(=  hd.  Ägstein)  und  jantar.  —  Deutsches  au  wird  nur  in  den  jüngsten 


>)  Korbut  S.  421.     2^  Etym.  Wtb.  S.  39. 


91 

Lehnwörtern  als  au  übernommen,  in  allen  älteren  erscheint  es  als  u, 
seltener  o  oder  a.  Korbut  stellt  ein  paar  Mal  selbst  mhd.  oder  nd. 
Ursprung  zur  Wahl,  so  S.  416  bei  szufla  Schaufel,  S.  471  kaplun 
Kapaun,  S.  457  kaldun  Kaidaune.  —  p.  duny  (Korb.  S.  413)  geht  auf 
deutsches  dünm  zurück,  dies  kann  aber  wiederum  hd.  und  nd.  sein, 
in  beiden  ist  es  wegen  des  ü  nid.  Import  i).  —  Ebenso  wenig  hilft 
Korbuts  Hinweis  auf  nd.  schüren  für  die  Erklärung  des  lautlich 
schwierigen  szorowac  scheuem,  reinigen,  wischen;  szorulec  Schürholz 
(Korbut  S.  415).  Vielleicht  hat  ausser  mhd.  schiuren^  schüren  auch 
das  verwandte  mhd.  schorn  (mit  der  Schaufel  zusammenkehren)  auf 
das  Lehnwort  eingewirkt;  und.  schören  (mnd.  scharen)  ist  jedenfalls 
ganz  fernzuhalten.  —  p.  ster  Steuerruder,  Leitung,  Regierung  ist  ein 
altes  Lehnwort,  es  geht  auf  älteres  styr  zurück,  dessen  y  im  15. 
Jahrhundert  die  allgemeinpolnische  Entwicklung  zu  e  mitmachte,  wie 
cztery^  szeroki  und  später  die  Verben  auf  -erawac  statt  -irouxit,  Korbut 
behandelt  S.  410  f.  diese  Lautentwicklung  eingehend,  wagt  aber  nicht, 
styr  >  ster  ihr  zu  unterwerfen,  sondern  rekurriert  lieber  auf  ein  un- 
mögliches nid.  stör^  oder  schwed.  styr^  am  liebsten  aber  auf  nd.  stür 
(ausser  S.  372  auch  S.  451.  490.  518  für  sterouxjK,  steuern).  S.  411 
fügt  er  verschämt  auch  mhd.  stiure  mit  auf,  das  jedenfalls  genau  so 
berechtigt  ist  wie  die  nd.  Form.  —  Ganz  wie  ster  ist  auch  szperac 
spüren  zu  behandeln,  das  aber  wegen  seines  sz  ein  etwas  jüngeres 
Lehnwort  ist.  —  lina  Leine  kann  ebensogut  mhd.  Une  entsprechen 
wie  der  von  Korbut  und  Biskupski  verlangten  nd.  Grundform.  — 
koffer  hat  im  17.  und  18.  Jahrhundert  auch  im  Hd.  die  Nebenform 
kuifer  neben  sich  2);  die  nd.  Form  heisst  heute  meist  huffert.  —  Bei 
p.  hat  Boot,  das  Korbut  S.  402  als  nd.  bucht,  steht  es  ähnlich  wie 
bei  duny.  Sowohl  das  Hd.  wie  das  Nd.  kennen  nur  die  Form  Boot^ 
die  aus  dem  Mittelenglischen  ins  Nid.  und  Nd.,  etwas  später  auch 
ins  Hd.  gewandert  ist.^)  Die  a-Form  ist  aus  dem  Altenglischen  in 
das  Skandinavische  und  in  die  romanischen  Sprachen  eingedrungen. 
Da  die  Form  baHd  schon  in  dem  von  Erzepki  herausgegebenen  pol- 
nisch-lateinischen Vokabular  des  Bartholomeus  de  Bydgostia  von  1532 
vorkommt,^)  haben  wir  es  vielleicht  mit  einem  alten  nordischen  Lehn- 
worte des  Polnischen  zu  tun;  czechisch  fehlt  es.  Auch  im  späteren 
Polnischen  ist  das  häufigere  Wort  das  synonyme  I6dz\  Neben  bat 
verzeichnet  Korbut  S.  443  bosak  Bootshaken,  bosman  Bootsmann.  — 
]).  bal  Bohle  (Korbut  S.  372)  vermag  auch  ich  nur  aus  nd.  bale  neben 
hole  zu  erklären.  —  Dagegen  ist  die  Verschiebung  von  e  zu  a  vor 
r  4-  Consonant  auch  in  der  Sonderentwicklung  des  Polnischen  gut 
belegt:  so  ist  der  Vokal  von  zart,  wart,  miarkotcac  kein  Zeichen  nd. 
Herkunft.    Auch  vor  f  wird  e  gern  zu  a,  vgl.  altpoln.  trefic  =  späterem 

M  Vgl.  Kluge,  Etym.  Wtb.  S.  85. 

2)  Kluge,  Etym.  Wtb.  S.  218. 

3)  Kluge  S.  52  f. 

*)  Posen  1900,  S.  139:  batki  aselli,  von  Erzepki  als  Plural  zu  batka  =  lödka 
(kleines  Boot)  erklärt. 


92 

trafic  (Korbut  S.  518),  wo  schon  das  anlautende  t  jeden  Verdacht 
des  Niederdeutschen  ausschliesst.  Altpoln.  tret  Tritt  soll  nach  Korbut 
S.  504  von  einem  nd.  tretUy  nicht  von  mhd.  trit  herkommen.  Nd. 
heisst  das  Substantiv  aber  meistens  trede^  seltener  tret\  bei  dem  pol- 
nischen Lehnwort  wird  eher  die  Analogie  des  Verbums  Hretoicac, 
später  tratowa^^  eingewirkt  haben.  Das  polnische  trafta  {iratwa) 
Weichselfloss  heisst  naeh  Frischbier  1,  150  jetzt  im  Hd.  gewöhnlich 
auch  Traft.  Das  wird  eine  Rückentlehnung  aus  dem  Polnischen  sein. 
Die  alte  deutsche  Grundform  muss  treft  gewesen  sein,  eine  Form, 
die  man  wegen  ihres  anlautenden  t  keinesfalls  nd.  nennen  darf,  ob- 
wohl  sie  die  auch  im  nd.  dröft  (Frischbier)  vollzogene  Verbreiterung 
des  ursprünglichen  i  mitgemacht  hat.  —  Auch  rafa  Riff  setzt  eine 
nd.  beeinflusste  Nebenform  reff  voraus.  —  stnarowac  schmieren  end- 
lich (Korbut  S.  412)  geht  auf  älteres  polnisches  smeroufac  zurück, 
ist  also  nd.  Ursprungs. 

Schärfer  als  im  Vokalismus  pflegen  die  speciiisch  niederdeutschen 
Eigentümlichkeiten  der  deutschen  Lehnwörter  im  Consonantismus 
herauszutreten.  In  dem  ganzen  von  Korbut  ausgeschütteten  Lehn- 
wörtermateriale  findet  sich  nur  ein  einziges  Beispiel,  wo  im  Anlaut 
ein  nd.  t  statt  des  hd.  z  erscheint,  und  dies  einzige  Beispiel  (S.  454 
moUych,  maUyk  Mahlzeit)  ist  aus  den  nordwestlichen  Grenzdialekten, 
nicht  aus  dem  Hochpolnischen  genommen  und  wird  nur  angeführt, 
um  die  Umbildung  des  Auslauts  zu  belegen,  die  volkstümlich  auch 
sonst  öfter  vorkommt,  vgl.  apetyk^  8zpinak  u.  ä.  —  Ein  nd.  t  im 
Auslaut  würde  zart  Scherz,  Spass  haben,  wenn  es  wirklich,  vrie  Korbut 
S.  446  meint,  mit  dem  deutschen  scherz  identisch  wäre.  Aber  die 
schwersten  Bedenken  sprechen  dagegen:  im  Mnd.  giebt  es  das  von 
Korbut  angenommene  schert  gar  nicht,  sondern  nur  das  dem  Hd. 
entlehnte  schers]  auch  mnld.  schertsen  ist  nur  ganz  vereinzelt  als  hd. 
Lehnwort  bezeugt.  Andererseits  wäre  yurt^  dem  übrigens  ein  czech.  ierf, 
obersorb.  iort  genau  entspricht,  das  einzige  Beispiel,  wo  ein  deutsches 
seh  im  Anlaut  durch  ±  wiedergegeben  würde.  Dagegen  ist  anlautendes  t 
die  regelmässige  Entsprechung  des  weichen  mhd.  s.  P.  Lessiak  wird 
also  gewiss  mit  seiner  auf  der  Grazer  Tagung  mündlich  geäusserten 
Erklärung  recht  haben,  dass  dies  westslawische  iert  auf  das  mhd. 
starke  Verbum  serten  zurückgeht,  das  ursprünglich  stuprare  futire 
bedeutet,  dann  aber  auch  in  den  iert  näher  liegenden  Sinn  von 
flocken,  verführen,  täuschen,  betrügen*  übergeht.  —  Endlich  führt 
Malinowski  in  der  oben  citierten  Arbeit  S.  286  noch  das  Wort  „fortU, 
ein  Aufruf  in  den  Bergwerken  =  nd.  vorüt"  an.  Das  ist  unzweifel- 
haft nd.,  aber  Malinowski  giebt  nicht  an,  wo  dieses  Wort  gebräuch- 
lich ist.  Korbut  kennt  es  nicht,  der  hochpolnischen  Sprache  gehört 
es  keinesfalls  an;  ich  finde  es  aber  auch  bei  Karlowicz  im  Wörter- 
buch der  polnischen  Dialekte  nicht,  oder  sollte  es  etwa  mit  dem  dort 
Bd.  2,  S.  25  behandelten  fort^  fürt  (unserm  fort)  identisch  sein,  und 
Malinowski's  Herleitung  aus  dem  Nd.  also  irrig  sein?  —  In  der  Ver- 
wendung des  hd.  t  (=  nd.  d)  im  Anlaut  und  Inlaut  sind  die  deutschen 


93 

Lehnwörter  des  Polnischen  sehr  inconsequent.  Korbut  S.  439  f.  zählt 
eine  stattliche  Anzahl  von  Wörtern  auf,  bei  denen  wir  statt  des  t 
ein  d  finden,  aber  selbst  Korbut  wittert  in  Beispielen  wie  drcd)  Trabant, 
drahowac  traben,  drabina  Treppe  (auch  nd.  trappel),  kaldeszan  kalte 
Schale,  szotdra  Schulter,  inderdk  Unterrock  etc.  keine  nd.  Einflüsse. 
Nur  rada  fem.  Rat  soll  altsächsisch  sein!  da  es  auch  czechisch  in 
dieser  Form,  und  auch  als  Femininum,  erscheint,  wird  es  wohl  erst 
nachträglich  aus  rät  gebildet  worden  sein. 

Über  die  Schwierigkeit,  das  anlautende  p  in  den  deutschen 
Lehnwörtern  des  Polnischen  richtig  einzuschätzen,  habe  ich  schon 
oben  S.  86  f.  beim  Kaschubischen  ausführlich  gehandelt.  Während 
Fälle  wie  p.  tyn^  Tyniec  zu  germanisch  tun  nur  in  der  allerältesten 
Schicht  der  germanischen  Lehnwörter  des  Polnischen  möglich  sind, 
später  stets  nd.  Herkunft  des  Lehnworts  nötig  machen  würden,  geht 
die  Vorliebe  des  Slawischen  für  das  p  in  weit  jüngere  Zeiten  hinunter, 
bis  schliesslich  das  ostmitteldeutsche  f  das  germanische  p  direkt 
ablöst.  In  der  Gemination  bleibt  aber  das  pp  auch  dann  noch 
bestehen.  Nicht-niederdeutsch  ist  also  z.  B.  das  alte  Lehnwort  litkup 
(Korbut  S.  429)  =  mhd.  litkouf,  dem  gegenüber  sich  wyderkaf  sofort 
als  eine  viel  jüngere  Form  charakterisiert.  Auch  kopersztych  (Korb. 
S.  431),  koperwas  Kupferwasser  (Malinowski  S.  285)  sind  md.  Das 
einzige  Wort,  das  doch  wohl  nicht  md.  erklärt  werden  kann,  ist 
szyper  Schiflfer  (Korbut  S.  429);  denn  hier  ist  das  pp  keine  alte 
Gemination,  die  ein  hd.  Schipfer  ergeben  würde,  sondern  das  Wort 
ist  aus  schip-kerre  entstanden.  Das  von  Biskupski  als  nd.  Lehnwort 
gedeutete  pram  Prahm  kommt  auch  im  Czechischen  als  prdm  Tor 
und  ist  nach  Kluge  i)  umgekehrt  aus  dem  Slawischen  ins  Nd. 
gedrungen,  plaster  und  vielleicht  auch  pal  lassen  sich  direkt  aus  dem 
Lateinischen  herleiten,  pal  könnte  aber  auch  schon  zu  den  älteren 
Lehnwörtern  gehören,   also   ruhig  mit  mhd.  pfdl  gleichzusetzen  sein. 

Ähnlich  wie  beim  p  verhält  es  sich  auch  beim  k;  auch  hier 
bedeutet  Erhaltung  des  germanischen  k  nicht  ohne  Weiteres  nd.  Laut- 
form, vgl.  oben  S.  86  f.  Dadurch  erledigt  sich  auch  das  von  Korbut 
an  mehreren  Stellen  ausdrücklich  immer  wieder  als  nd.  hingestellte 
szukac  suchen,  vgl.  oben  S.  86.  Im  Auslaut  wirken  noch  allerhand 
Analogiebildungen  mit,  die  das  k  begünstigen  (vgl.  Korbut  S.  454 
und  508).  Daher  das  oben  besprochene  halsztuk^  pak  Pech,  das  ganz 
hd.  tynk  Tünche  u.  a.  mehr.  Selbst  blakotaac  bleichen  (Korbut  S.  519) 
möchte  ich  jetzt  höchstens  wegen  seines  Vokals  nd.  Herkunft  für 
verdächtig  halten.2)  Ein  jüngeres  blechofcac  führt  Korbut  S.  419  an; 
in  der  modernen  Sprache  lebt  nur  noch  blakm^c  erbleichen.  —  In  p. 
fokttisza  Lakentuch  (Korbut  S.  505),  das  im  czech.  loktuäe  wieder 
erscheint,  beweist  das  sz  ein  altes  ch,  im  ersten  Bestandteile  ist 
dagegen  das  nd.  k  von  laken  bewahrt  geblieben. 

>)  Etymolog.  Wtb.  S.  303. 

^)  Vgl.  F.  Tamm,  Slayiska  länord  fr&n  nordiska  spräk  (=  Upsala  Universitet« 
Ärskrift  1882),  S.  20. 


94 

Von  besonderer  Wichtigkeit  ist  die  Behandlung  des  anlautenden 
seh  in  den  deutschen  Lehnwörtern,  akiba  (Scheibe,  Brodscheibe,  Erd- 
scholle, Furche),  das  Biskupski  a.  a.  0.  als  nd.  bezeichnet,  kehrt  in 
gleicher  Bedeutung  (Schnitt,  Brodscheibe)  als  skyva  im  Czechischen 
wieder,  ist  also  ein  ganz  altes  gemeinsames  Lehnwort  der  westslawischen 
Sprachen.  Das  Polnische  allein  hat  daneben  ein  sehr  viel  jüngere? 
Lehnwort  szyba  Fensterscheibe  aus  mhd.  Zeit.  Der  Anlaut  des  an 
erster  Stelle  von  Biskupski  genannten  szczerba  Scherbe  (Korbut  S.  433 1 
dagegen  geht  schon  nicht  mehr  auf  die  älteste  Lautform  sk  zurück, 
sondern  auf  die  zweite  Stufe,  in  der  sk  >  ik  geworden  war.  Ich 
habe  oben  S.  87  f.  bei  kaschub.  sskuna^  szkcdowac,  westpreuss.  Muko- 
tvac  eine  starke  nd.  Beeinflussung  bei  dieser  Lautentwicklung  an- 
genommen, p.  szczerba  ist  aber  kaum  zu  trennen  von  dem  ganz 
parallelen  slowenischen  äkrba  (Scharte  im  Zahn,  Scherbe),  das 
P.  Lessiak  im  Anz.  f.  deutsches  Altert.  Bd.  32  (1908)  S.  133  bespricht. 
Er  stellt  dort  ganz  die  gleichen  drei  Entwicklungsstufen  für  das 
alpendeutsche  sk  >  seh  auf,  die  wir  hier  in  p.  skäxi^  szczerba  und  szybtt 
belegen  konnten.  Diese  Entwicklungsreihe  kann  aber  aus  den  Lehn- 
wörtern des  Polnischen  ebensogut  für  eine  md.,  wie  für  eine  nd. 
Mundart  abgelesen  werden,  es  sind  eben  rein  chronologische,  keine 
ausschliesslich  mundartliche  Differenzen.  Bei  einem  zweiten  Belege 
der  Stufe  äk  p.  szkuta  flaches  Flussschiff,  Schute  nimmt  Korbut  S.  414 
sogar  skandinavische  Entlehnung  an,  während  die  kaschub.  Nebenform 
szuta  direkt  aus  nd.  sehnte  stamme.  Auch  hier  haben  wir  es  allein 
mit  zeitlich  unterschiedenen  Entlehnungen  zu  tun,  beide  wohl  aus 
dem  Nd. 

Nur  noch  zwei  Lauterscheinungen  bleiben  übrig,  die  beide  Con- 
sonantverbindungen  betreffen  und  für  die  nd.  Mundarten  als  besonders 
charakteristisch  gelten,  der  Übergang  von  ft  >  cht  und  von  hs  >  s."?. 
Beide  sind  aber  doch  nicht  ganz  strenge  auf  das  nd.  Gebiet  beschränkt, 
sondern  ragen  noch  etwas  in  das  Md.  hinein.  Die  Grenze  von  luft  j 
lacht  verzeichnet  Wrede  Anz.  f.  deutsches  Altert.  19,  277  fA)  Nach 
Korbut  S.  430  ist  lucht  krakauisch,  luft  allgemein  polnisch,  kruchta 
(Vorhalle  in  einer  Kirche)  ist  =  Gruft,  auch  Krypta  spielt  wohl  mit 
hinein;  es  kommt  aber  auch  im  Czechischen  als  kruchta  Emporkirche, 
Chor  vor.  p.  kluchta  Kluft  heisst  dagegen  czech.  klufta,  und  p. 
konszachty  (geheimes  Einverständnis,  urspr.  Kundschaften)  steht  auch 
allein.  Zu  p.  krochmal  (aus  krachtmel  Kraftmehl)  ist  durch  einfache 
Angleichung  stochmal  Staubmehl  gebildet  worden,  das  wohl  auf  nd. 
stofmel^)  zurückgeht.  Auch  ochmistrz  Hofmeister  gehört  schliesslich 
hierher.     Diese  weitgehenden  Umformungen  der  Lautgruppen  ft  und 

1)  Vereinzelte  Reime  von  ft :  cht  kommen  auch  in  der  md.  Sprache  Jeroschins 
und  des  Passionals  vor  (Weinhold,  Mhd.  Gramm.  §  286  a.  £.). 

<j  Nd.  V  (f)  80  noch  in  szuflada  (Korb.  428),  kawal  Kabel,  kufel  Kübel 
(Malinowski  286),  hetoar  Heber  (=  czech.  hever).  kilof,  das  Korbut  438  za  nd. 
kUhaeke  stellt,  gehört  zu  mhd.  kiUMutoe.  —  b  und  p  conkarrieren  in  dubeüowi/ 
doppelt  (Korbut  428)  und  dupel-hir  (Korbat  469). 


95 

fm  mässen  mit  speciellen  Tendenzen  der  westslawischen  Sprachen 
zusammenhängen,  vgl.  noch  czech.  vrhcaby  =  mhd.  worfzabel  (poln. 
warcab  Korbut  S.  469),  und  czech.  krecht  Grube,  Senkgrube,  Wasser- 
graben =  nd.  gracht.  —  Ganz  ebenso  haben  Polnisch  und  Czechisch 
eine  Abneigung  gegen  die  Verbindung  ks,  vgl.  p.  Auss^rg  Augsburg, 
ivarsztat  Werkstatt,  hindas  Bindaxt  (Korbut  S.  468),  vgl.  mnacht 
Hausknecht.  So  concurriert  auch  in  Fällen  wie  Sas  Sachse,  puszka 
Büchse  (Ortyle  Magdeburskie  Korbut  S.  444),  dyszel  Deichsel  (Korbut 
ibid.)  diese  einheimische  Tendenz  mit  der  bekannten  nd.  Assimilation 
des  hs  >  SS.  Übrigens  bietet  nach  Weinhold,  Mhd.  Gramm.  §  209  u. 
244,  Paul,  Mhd.  Gramm.  §  103,  Beyer,  Segremors  S.  38  auch  das 
Md.  zahlreiche  Beispiele  dieses  Übergangs,  wenngleich  mehr  aus  den 
mittelfränkischen  und  hessischen  Gegenden.  — 

Die  Untersuchung  der  deutschen  Lehnwörter  der  hochpolnischen 
Sprache  hat  nur  sehr  wenige  sichere  Spuren  nd.  Einflusses  aufzeigen 
können.  Wie  geringfügig  dieser  nd.  Einschlag  ist,  tritt  erst  dann 
ganz  deutlich  hervor,  wenn  als  Gegenprobe  einmal  die  unzweifelhaft 
md.  Bestandteile  systematisch  untersucht  und  zergliedert  würden. 
Diese  Arbeit  würde  auf  nicht  weniger  und  nicht  mehr  als  auf  eine 
TÖllige  Neubearbeitung  des  Korbutschen  Buches  hinauslaufen,  aber  sie 
würde  auch  unsere  Kenntnis  von  der  ostmitteldeutschen  Geschäfts- 
und  Verkehrssprache  ganz  erheblich  weiterbringen. 

HAMBURG.  C.  Borehling. 


Korrekturaote.  Weil  einzelne  Lettern  nicht  ssor  Verfügung  waren,  smd 
1)  die  punktierten  e  ohne  Punkt  in  mehreren  Wörtern  auf  S.  82,  ferner  in  eil 
S.  86  Z.  6,  sk^ne  S.  87  Z.  12,  rem  Z.  18;  2)  die  circumflektierten  e  und  a  ohne 
Circumflex  in  cäpelk  S.  86  Z.  6,  dresUr  S.  87  Z.  17,  catd,  havzäcl  S.  86  Z.  6; 
3)  das  II  mit  einem  nach  unten  offenen  Halbkreise  ohne  diesen  in  caül  S.  86  Z.  6 
wiedergegeben. 


96 


Zur  Magdeburger  Sehöffenehronik, 


Die  Magdeburger  Schöffenchronik  nimmt  unter  den  deutschen 
Städtechroniken  eine  hervorragende  Stellung  ein.  Sie  hat  das  ihrer 
Form  wie  ihrem  Inhalt  zu  danken.  Als  sie  1869  in  der  Sammlung 
der  Chroniken  der  deutschen  Städte,  von  Karl  Janicke  herausgegeben, 
erschien,  1)  habe  ich  ihr  eine  eingehende  Besprechung  in  den  Götting. 
gel.  Anzeigen  (1869  October  13  St.  41)  gewidmet,  die  die  Quelle 
nach  beiden  Seiten  hin  zu  würdigen  suchte.  Sie  ist  reich  an  rechts- 
historischem Inhalt:  für  Städtewesen,  Rechtsqueilen  wie  Sachsenspiegel 
und  Magdeburgisches  Recht,  Gerichtswesen,  bietet  sie  mannigfachen 
StoiF.  Wiederholt  haben  mich  daher  meine  Arbeiten  auf  sie  zurück- 
geführt. Dabei  sind  mir  immer  zwei  Stellen  der  Chronik  aufgefallen, 
die  Schwierigkeiten  in  sich  schliessen,  welche  in  der  Ausgabe  zwar 
bemerkt,  aber  nicht  gehoben  sind.  Kann  ich  auch  nicht  abschliessende 
Erklärungen  vorlegen,  so  benutze  ich  doch  die  Gelegenheit,  um  die 
Aufmerksamkeit  eines  philologischen  Altmeisters,  der  immer  für  Form 
und  Inhalt  der  niederdeutschen  Quellen  ein  offenes  Auge  gezeigt  hat 
und  der  Freunde  dieser  Literatur  aufs  neue  auf  diese  Stellen  hinzulenken. 

I. 

Die  erste  Stelle  gehört  dem  dritten  Teil  der  Chronik  an,  der 
die  vom  Chronisten  selbst  durchlebte  Zeit,  die  Jahre  1350 — 1372. 
umfasst.  Über  Personen  und  Ereignisse,  deren  hier  gedacht  ist,  be- 
richtet er  oft  aus  eigener  Anschauung.  In  der  Zeit,  da  er  das  Amt 
eines  Schöffen-  und  Stadtschreibers  zu  Magdeburg  bekleidete,  starb 
Erzbischof  Otto  (1327—1361).  Ein  Teil  des  Domkapitels  wählte  den 
Bischof  Ludwig  von  Halberstadt  zum  Nachfolger,  eine  Wahl,  die  den 
Bürgern  und  Landleuten  des  Erzstifts  nicht  sehr  lieb  war,  denn  der 
Gewählte  „was  ein  junk  inan  van  grotein  siechte^  —  er  war  ein  Mark- 
graf von  Meissen  —  und  hatte  sein  Bistum  so  regiert,  dass  seine 
Untertanen  „al  to  sere  ome  nicht  dankeden"  und  ihn  ganz  gern  den 
Magdeburgern  überlassen  hätten,  „und  hedden  uns  on  wol  gelai^n*' 
(2341  ff).  Während  Streit  innerhalb  des  Domkapitels  und  zwischen 
Kirche  und  Stadt  über  die  Neuwahl  zu  entstehen  drohte,  zeigte  Kaiser 
Karl  IV.  den  Magdeburgern  an,  dass  er  dem  bisherigen  Bischof  von 
Minden,  dem  der  Papst  mittels  Provision  das  Erzbistum  Magdeburg 
erteilt  und  das  Pallium  übersandt,  die  Regalien  verliehen  habe^j. 
Während   das   Domkapitel    noch    schwankte,    trat  der    Domdechant, 


1)  Ghron.  der  deutschen  Städte  Band  VIl. 
8)  Huber,  Regest.  K.  Karl  IV.  Nr.  3762. 


97 

Arnold  von  Karsheim, i)  entschieden  für  die  vom  Kaiser  getroffene 
Wahl  ein,  durch  die  ^Gott  und  der  Stuhl  zu  Rom  und  der  Kaiser^ 
„dit  godeshiAS  mit  einem  cloken  riken  bischope"  versorgt  habe  (23422). 
Auch  die  Stadt  war  bereit  ihn  zu  empfangen,  wenn  er  ihr  ihre  Privi- 
legien bestätigte  und  den  Bürgern  die  Lehen  „ane  gave"  wie  bisher 
zu  leihen  verspreche.  Der  neue  Erzbischof  war  den  Bürgern  und 
dem,  der  die  bisher  benutzte  Erzählung  schrieb,  keine  unbekannte 
Persönlichkeit.  Ihre  Abgesandten  und  der  Schöffenschreiber  hatten 
schon  einige  Jahre  zuvor  mit  ihm,  als  er  noch  Bischof  von  Minden 
war  und  der  nächsten  Umgebung  des  Kaisers  angehörte,  eine  Ver- 
handlung über  das  Magdeburgische  Burggrafenamt  geführt. 

Am  16.  Nov.  1361  zog  Erzbischof  Dieterich  in  Magdeburg  ein. 
Nachdem  die  Chronik  darüber  und  über  die  ersten  Verhandlungen 
mit  den  Domherren  und  den  Bürgern  berichtet  hat,  beginnt  sie  einen 
neuen  Abschnitt  unter  der  Überschrift:  van  hifchop  Diderikes  gebort 
und  wo  he  hifchop  wart  to  Magdehorch  (237  ^ö).  Seinen  Eingang 
bildet  die  kritische  Stelle :  „Bischop  Thiderik  was  van  hovescher  gehurt, 
eines  wantmekers  sone  van  Stendal**.  So  übereinstimmend  die  beiden 
allein  in  Betracht  kommenden  Handschriften,  von  denen  die  der  Kgl. 
Bibliothek  zu  Berlin  (A)  dem  Ende  des  15.,  die  der  Magdeburger 
Stadtbibliothek  (B)  dem  16.  Jahrh.  angehört,  nach  der  Ausführung 
des  Herausgebers  zwei  von  einander  unabhängige  Abschriften  eines 
Codex,  der  nur  wenig  älter  als  A  sein  kann  (S.  XLVII).  Nach  dem, 
was  die  Chronik  sonst  noch  über  die  Herkunft  des  Erzbischofs 
berichtet,  hat  sich  der  Herausgeber  für  berechtigt  gehalten,  den  Text 
zu  ändern  und  hinter  dem  Worte  was  ein  nicht  einzuschieben.  Mit 
dieser  Lesart  ist  der  Satz  auch  in  dem  Mnd.  Wb.  II  316  unter  den 
Belegen  für  hovesch  aufgeführt. 

Janicke  erklärt  die  Hinzufügung  der  Negation  für  notwendig. 
Eine  hovesehe^  dem  Hofe  gemässe,  Geburt  wolle  eine  vornehme  Her- 
kunft ausdrücken.  Im  Gegensatz  dazu  legt  die  Chronik  an  andern 
Stellen  dem  Erzbischof  eine  „kleine*,  eine  „schlichte*'  Geburt  bei. 
Als  die  Stadt  im  J.  1363  Bauten  begann,  die  die  Stiftsfreiheit  be- 
drohten, suchten  die  Domherren  den  Erzbischof  gegen  die  Bürger 
mit  dem  Vorgeben  einzunehmen:  der  Bau  sei  ihm  ^to  smaheit^  ins 
Werk  gesetzt,  „wenn  were  he  ein  bom  vorste,  de  borgere  endorften  des 
nicht  don"  (23821),  einem  geborenen  Fürsten  gegenüber  hätten  die 
Bürger  solches  zu  tun  nicht  gewagt.  In  gleicher  Weise  gingen  die 
Domherren  vor,  als  die  Bürger  den  Dekan  von  St.  Nicolai  gefangen 
gesetzt  hatten:  auch  dies  sollte  dem  Erzbischof  j^to  smaheit  gedan^ 
sein,  „umme  dat  de  hifchop  van  deiner  bort  was^  (24828).  In  allen 
diesen  Fällen  liess  sich  der  Erzbischof  nicht  aufhetzen  gegen  die 
Bürger,  sondern  richtete  und  schlichtete  die  Streitigkeiten  mit  Klug- 
heit und  Sanftmut.  Der  Schöffenschreiber,  obschon  er  in  Sachen  der 
Stadt  wiederholt  dem  Erzbischof  in  ernsten  Verhandlungen  gegenüber 


>)  Hertel,  Magdbgr.  Gesch.-BU.  1889  S.  237. 

F«ttg»be  (Nd.  Jb.  XXXVU). 


98 

getreten  war,  schliesst  doch  sein  Urteil  über  ihn  würdig  und  aner- 
kennend. Den  Höhenpunkt  in  dem  Leben  des  Erzbischo&  bildet  die 
Einweihung  des  Magdeburger  Doms  am  22.  Oktober  1363.  Seit 
anderthalb  Jahrhunderten  hatte  kein  Bischof,  j^xioo  tool  eüike  groU 
vorstenkindere  weren^^  aus  Furcht  vor  den  Kosten  den  Dom  zu  weihen 
gewagt.  y^Diffe  bischop  van  slichter  bord^  brachte  es  zu  Wege;  ja  es 
blieb  noch  Geld  übrig,  ^toente  he  ed  mit  clokheU  ut  dem  lande  toeh^ 
(251 1^).  So  bewährte  er,  was  der  Domdechant  vorausgesagt  hatte, 
das  Bistum  würde  an  ihm  einen  chken  riken  bischop  erhalten  (ob.  S.  97); 
wobei  jffik^  gewiss  mehr  als  in  dem  Sinne  von  dives  in  dem  von 
potens^  einflussreich,  mächtig  zu  verstehen  ist. 

Diese  Zeugnisse  des  Chronisten  stimmen  alle  darin  überein,  dass 
Erzb.  Dieterich  nicht  von  edler  oder  vornehmer  Herkunft  war.  Er 
setzt  positiv  hinzu:  er  war  eins  tvantmekers  sone  van  Stendal^  der 
Sohn  eines  Stendaler  Tuchmachers,  nicht  eines  tvantsnider^  eines 
Tuchhändlers.  Ob  das  tatsächlich  richtig  war  oder  nicht,  ist  für  das 
Verständnis  der  Chronik  zunächst  gleichgültig.  Ihr  Verfasser  hielt 
die  Nachricht  jedenfalls  für  verbürgt.  Wie  kam  er  aber  dazu,  trotzdem 
eine  solche  Herkunft  als  hovesch  zu  bezeichnen?  Den  Ausdruck 
„hovesche  gebort^  verwendet  er  nur  an  dieser  Stelle,  so  sehr  er  sich 
auch  sonst  in  Bildungen  aus  dem  Worte  hove  gefällt,  i)  Rechtfertigt 
das  nicht  den  kühnen  Schritt,  zu  dem  sich  ein  Herausgeber  nicht 
leicht  verstehen  wird,  ein  „nicht''  in  den  Text  zu  setzen?  Janicke 
war  seiner  Sache  nicht  ganz  sicher  und  liess  die  Möglichkeit  offen, 
dass  dem  Worte  hovesch  ein  noch  nicht  ermittelter  Sinn  beiwohne, 
der  es  zu  einem  Synonym  von  „clein''  und  j^slicht''  mache  (237  Var.). 

Ich  habe  schon  früher  die  Vermutung  geäussert,  dass  j^hovesch"^ 
in  einer  Verwendung  wie  in  der  Magdeburger  Chronik  einen  spezifisch 
städtischen,  mit  StandesverhältnilTen  in  den  Städten  zusammen- 
hängenden, Sinn  haben  könne.^)  In  einem  Urteil,  das  die  Magde- 
burger Schöffen  1331  an  die  von  Stendal  senden,  lautet  die  Anrede: 
wy  schepen  der  stad  to  Magdeborch  bekennen,  dat  we  den  kloken  unde 
den  hoveschen  mannen,  den  schepenen  to  Stendal  .  .  .  (Behrend,  ein 
Stendaler  Urteilsbuch  aus  dem  14.  Jahrb.  [Berlin  1868]  S.  11.)  Ebenso 
in  einem  Urteil  v.  1340:  den  hovescheti  mannen  unsen  vrunden  den 
scepen  to  Stendal  untbede  toye  scepen  der  stat  to  Magdeburch  usen 
unllegen  denst  (das.  S.  91).  Die  übrigen  Schöffenbriefe  der  Hand- 
schrift, alle  von  Magdeburg  an  die  gleiche  Adresse  gerichtet,  zeigen 
in  den  Anreden  vielfachen  Wechsel:  den  erbaren  mannen  (99),  den 
ivisen  (112),  den  kloken  (19;  11),  den  bescedenen  (95;  28)  ebenso  auch 
die  lateinischen:  prudenttbtis  viris,  honestis,  discretis  (114;  117).  Einmal 
lautet  sie  auch:  den  kloken  mannen,  den  heren  (19).  Auch  in  den 
Magdeburger  Schöffenbriefen  anderer  Sammlungen  zeigt  sich  eine 
grosse   Mannichfaltigkeit   der   Anreden.     Die   wechselnde   Mode,    die 


1)  Glossar  zu  St&dtechron.  VII  S.  461. 
s)  G.  G.  A.  1869  S.  1636. 


99 

Übung  der  einzelnen  Schreiber  mochte  darauf  von  Einfluss  sein.  Unter 
denen  des  14.  Jahrhunderts,  soviel  ich  deren  durchgesehen  habe,  ist 
mir  eine  unserm  Worte  verwandte  Bezeichnung  nur  einmal  begegnet : 
1339  schreiben  die  von  Magdeburg  an  Zerbst:  dm  kloken  unde  den 
hoveUhen  mannen  den  ratmannen  to  CerwistA) 

Von  den  vorstehenden  Ausdrücken  hat  sich  einer  sicher  zu  einer 
Standesbezeichnung  verdichtet.  In  den  Nürnberger  Jahrbüchern  des 
15.  Jahrhunderts  wird  der  städtische  Aufstand  von  1348  kurz  mit  den 
Worten  geschildert:  da  schlugen  die  hantwerker  die  erber  gen  auß 
der  stat^  oder  in  lateinischer  Fassung :  mechanid  expulerunt  de  civitate 
honestiores  vulgo  die  erbernß)  In  einer  Geschlechtsaufzeichnung  der 
Augsburgischen  Familie  Ilsung  aus  dem  15.  Jahrhundert  wird  aus- 
einandergesetzt: durch  den  Gebrauch  des  Wortes  erbar,  erbrigkaü 
für  die  obern  Klassen  der  Bürgerschaft  solle  der  nicht  dazu  Gehörige 
nicht  beschimpft  sein:  es  mag  yedlicher  erber  sein  vir  sich  selbst^  als 
Standesbezeichnung  gebühre  es  nur  denen,  die  selbst  und  ihre  Vor- 
fahren lang  in  grossen  Ehren  und  Bechten  gestanden  haben  (Augsb. 
Chron.  I  149).  Ähnlich  wie  mit  dem  Worte  „erbar^  wird  es  mit 
„hovesch^  gegangen  sein.  Anfangs  eine  Höflichkeitswendung,  wird  es 
zu  einer  Standesbezeichnung.  Gab  dort  die  dauernde  Bekleidung 
städtischer  Ehrenämter,  der  honores,  dem  Worte  seine  neue,  dem 
Bürgerwesen  eigene,  Bedeutung,  so  wird  hier  das  Eindringen  höfischer 
Sitten  in  die  hohem  Bürgerkreise  diesen  die  Bezeichnung  „hovesch^ 
verschafft  haben.  Seitdem  auch  unter  den  Kaufleuten  nach  dem  Aus- 
schreiben der  Magdeburger  Constabeln  von  c.  1280  solche  vorhanden 
waren:  „de  dar  ridderschap  wolden  oven^^^)  gab  es  Bürger,  deren  Leben 
und  Treiben  ,^hovesch^^  dem  Hofe  gemäss  war. 

Ehrbar  (ehrlich)  und  höfisch  werden  dann  auch  zusammengestellt : 
Von  rades  wegen  des  capitels  sin  tohope  eschet  deprelaten,  geistUke  personen, 
de  pernere  unde  vele  andere  hovesche  v/nde  erl^e  personen  unde  dat  ganze 
volk  (Chron.  des  Goslarschen  Stifts  S.  Simon  und  Judas,  hg.  v.  Weiland 
in  Deutsche  Chron.  II  599). 

Eine  Ausgleichung  des  Gegensatzes  zwischen  Tuchhändlem  und 
Tuchwebern  hatte  in  Stendal  seit  1345  stattgefunden,  wo  die  bisherige 
aristokratische  Stadtverfassung  einer  demokratischen  Ordnung  gewichen 
war.  Die  Gewandschneider,  die  bisher  das  Regiment  in  der  Stadt 
geführt  hatten,  waren  seitdem  den  übrigen  Gilden  gleichgestellt.^) 
Die  Person  des  Erzbischofs  Dieterich  von  Magdeburg  spielt  auch  in 
der  Geschichte  des  Bismarckschen  Geschlechts  eine  Rolle;  doch  ist 
die  Frage  seiner  Herkunft  und  der  Bericht  der  Magdeburger  Schöffen- 
chronik darüber  in  den  Untersuchungen,  soviel  ich  sehe,  wohl  gestreift, 
doch  keiner  eingehendem  Erörterung  unterzogen.^) 


1)  Magdeburger  Schöffensprüche  hg.  v.  Friese  und  Liesegang  I  (1901)  S.  115. 

S)  Städtechron.  X  124.    Schmeller,  Bayr.  Wtb.  I  126. 

>)  Schöffenchron.  168 1*. 

«)  Hegel,  St&dte  und  Gilden  II  482,  486. 

>)  Riedel  in  Märkische  Forschungen  XI  (1867)  S.  80. 

7* 


100 

Eine  Bestärkung  meiner  Vermutung,  dass  „hovesch'^  geeignet 
war  und  gebraucht  wurde,  um  Personen  des  hohem  Bürgerstandes 
zu  bezeichnen,  finde  ich  in  der  spätem  Übung,  von  „hübschen  Familien^ 
zu  reden.  Sie  war,  wie  es  scheint,  nur  in  Hannover  verbreitet 
Nicht-Hannoveraner  reden  missverständlich  von  „schönen  Familien^ 
(v.  Treitschke,  Deutsche  Geschichte  III  [1885J  S.  540).  Einen  lite- 
rarischen Beleg  aus  der  Zeit,  da  die  Sache  noch  existierte,  habe  ich 
nicht  gesehen;  ich  kenne  die  Wendung  nur  aus  mündlicher  Über- 
lieferung. Sie  fasste  die  Beamtenfamilien  zusammen,  die  einerseits 
nicht  dem  Adel  angehörten,  auf  der  andern  Seite  aber  doch  gewohn- 
heitsmässig  in  die  höhern  Stellen  des  öffentlichen  Dienstes  gezogen 
wurden,  die  nicht  nur  dem  Adel  zugänglich  waren.  Vorzugsweise 
wurden  aus  ihnen  die  Stellen  der  geheimen  Secretaire,  wir  würden 
heute  sagen,  der  Referenten  und  vortragenden  Räte  in  den  Ministerien, 
besetzt.  Der  Adel  bildete  den  Hof  des  Landesherm;  höfisch  oder 
hübsch  waren  die  dem  Hofe  nahe  standen,  aber  ihm  doch  nicht  an- 
gehörten, i)  Eine  alte  populäre  Erklärung  der  hübschen  Familien  soll 
sein:  Familien,  deren  Kinder  mit  denen  der  Adeligen  spielen  dürfen. 
Der  Sprachgebrauch,  bisher  wenig  beachtet,  verdiente  eine  genauere 
Verfolgung.  Im  Grimmschen  Wörterbuch  IV  2  Sp.  1852  findet  sich 
nur  eine  schwache  Andeutung. 

n. 

Die  zweite  Stelle  betrifft  eine  innerhalb  der  Bürgerschaft  spielende 
Streitigkeit,  wie  sie  in  der  mittelalterlichen  Geschichte  Magdeburgs 
häufig  waren.  Sie  fällt  ins  Jahr  1293,  also  weit  vor  die  Zeit,  über 
die  der  Chronist  aus  eigener  Kunde  berichten  kann.  Ein  damals 
errichtetes  Statut  schloss  vom  Rate  Personen  aus,  die  in  Dienst  oder 
Brot  eines  Fürsten  stehen;  bereits  vorhandene  Mitglieder  solcher 
Stellung  sollten  aus  dem  Rate  verwiesen  werden.  Mehrere  Ratmannen, 
die  besonders  auf  die  Fassung  dieses  Beschlusses  hingearbeitet  hatten, 
begaben  sich  darauf  in  den  den  Gewandschneidem  gehörigen  heiligen 
Geisthof  und  zeigten  die  Urkunde  über  das  neue  Statut  Henning  Jans 
und  seinem  Rmder  Cone  mit  der  Bemerkung,  sie  seien  damit  nicht 
gemeint,  „wente  m  wolden  ju  holen  to  Colne,  wenn  dat  wi  ju  vorwiseti 
ioolden  ute  dem  rade*^  (173  2).  Als  dann  bei  der  nächsten  am  12. 
Februar  1293  vorgenommenen  Wahl  aus  der  Innung  der  Gewand- 
schneider Cone  Jans  in  den  Rat  gewählt  wurde,  verwies  man  ihn 
sofort  aus  dem  Rate.  Der  Berichterstatter  fugt  hinzu:  umme  oldes 
hates  willen,  als  he  des  nue  vorschult  hadde.  Er  will  also  wohl  sagen : 
Dem  Vorgehen  gegen  Cone  Jans  lag  eine  alte  von  ihm  unverschuldete 
Feindschaft  zu  Grunde,  eine  Intrigue,  die  man  in  die  Gestalt  einer 
rechtlichen  Neuordnung  kleidete. 

Eine  Satzung  des  angegebenen  Inhalts  findet  sich  oft  in  städ- 
tischen Statuten  und  ist  erklärlich  genug.     Hamburg  1270  I  3:  nocli 


1)  Vgl.  m.  Aufsatz  m  Ztechrft  des  Histor.  Verems  f.  Niedenaclisen  1911  S.  4. 


101 

voghet  noch  mutUemester  ....  nocA  nen  ammet^nan  unses  heren  .... 
schal  in  deme  rode  toesen,  Sg.  Ratswahlordnung  Heinrichs  des  Löwen 
für  Lübeck:  tvi  settet  ok,  dhat  men  nemene  te  in  den  rat,  hene  si  echt 
.  .  .  unde  ok  nin  ammet  hebbe  van  heren A)  Das  Interessante  an  der 
Nachricht  des  Chronisten  enthalten  die  Worte:  wi  wolden  ju  holen  to 
Colne.  Janicke  fügt  dem  Worte  Colne  hinzu:  schwerlich  richtig. 
Der  Sinn  ist  aber  doch  offenbar  der:  euch  aus  dem  Rate  zu  weisen, 
ist  sowenig  unsere  Absicht,  dass  wir  euch  eher  von  Cöln  holen  würden, 
als  auf  euch  zu  verzichten.  Soll  damit  bloss  ein  entfernter  Ort 
bezeichnet  sein,  von  dem  man  jemanden  mit  Mühe  und  Kosten  für 
ein  Amt  erwerben  würde,  ehe  man  die  Dienste  des  Gegenwärtigen 
entbehren  möchte?  Ich  glaube,  die  Erwähnung  Cölns  in  dieser  Ver- 
bindung hat  einen  tiefem  Sinn.  Cöln  galt  dem  Mittelalter  als  der 
Anfang  und  Urquell  alles  städtischen  Wesens.  In  einem  Streit  zwischen 
dem  Erzbischof  Dieterich  und  der  Stadt  über  die  Schöffenwahl  setzte 
der  Schöffenschreiber  den  Bürgern  auseinander :  de  groteste  vriheit  und 

bewißnge  differ  stad steit  an  diffem  köre,  wente  keiser  Otto  satte 

sulven  de  ersten  schepen  und  dat  recht  und  stedigede  se  mit  ordelen  in 
dem  hove  to  Colm  (241 9).  Als  gegen  Ende  des  14.  Jahrhunderts 
Streitigkeiten  über  das  Recht  des  Vorsitzes  in  der  Hanse  entstehen, 
dringt  Bremen  darauf,  in  Cöln,  das  gegen  Lübeck  das  Recht  in 
Anspruch  nahm,  nachzuforschen,  „of  unr  (die  Cölner)  eyniche  schriefte 
van  der  fundacien  der  Duytzschen  henscze,  wo  die  begriffen  ind  gemacht 
sin,  hedden,^  Die  Cölner  fanden,  wie  begreiflich,  nichts,  vertrösteten 
aber  die  Bremer,  sie  wollten  weiter  nachforschen  und,  wenn  sie  etwas 
fänden,  ihnen  mitteilen.2)  In  dem  Sächsischen  Weichbildrecht  wird 
zu  Eingang  zwischen  dreierlei  Rechten  unterschieden:  Gottesrecht, 
Mafktrecht,  Landrecht.  Von  dem  zweitgenannten  wird  dann  aus- 
geführt: marktrecht  ist  daz  die  marktlute  under  en  sehen  gesazt  haben 
nach  der  alden  gewonheit,  als  die  von  AtheniSj  von  Kollen  over  Ryn  und 
andere  gtUe  stete  halden,^)  Das  ist  dieselbe  Ansicht  von  der  Entstehung 
des  Stadtrechts,  die  schon  dem  ältesten  Freibrief  für  Freiburg  i.  B.  zu 


^)  „we  in  der  vorsten  rade  wer  edder  ore  cleiding  neme  edder  or  toinner 
were*^  neisst  es  in  dem  Maffdeb.  Statute  172^.  Das  Wort  toinner  ist  unerklärt 
geblieben  (S.  483).  Das  Mnd.  Wb.  Y  782  will  wörtlich  darunter  jemandem  ver- 
stehen, der  für  einen  Fürsten  Gewinn  macht  Wer  wäre  damit  gemeint?  Das  in 
Lübeck  bekannte  „in  der  heren  winne  eitlen*^  (Wehrmann,  Zunftrollen  S.  880) 
bietet,  wie  mir  scheint,  einen  Fingerzeig,  nur  dass  man  es  nicht  lokal,  wie  im 
Mnd.  Wb.  y  780  geschieht,  im  Anschluss  an  Wehrmann  verstehen  darf.  Winner 
könnte  danach  jemand  sein,  der  in  einer  vom  Herrn  gewonnenen  Stelle  sässe. 
Scb melier  II  980  verzeichnet  aus  Kilian  landtoinner  oder  blos  toinne  f&r  Land- 
bauer, agricota-,  vgl  Mnd.  Wb.  II  629  Die  Worte  des  Reimar  Eock:  und  tcinnen 
dat  recht  wedder  an  haben  keine  besondere  Beziehung  zu  den  Stellen  der  Nädeler, 
de  dar  Sitten  in  der  heren  toinne^  sondern  gehören  zu  den  feierlichen  Formen  der 
Gerichtseröfihung  und  bedeuten  etwa:  die  Erlaubnis  zur  Wiedereröffnung  des  eine 
Zeitlang  geschlossen  gewesenen  Gerichts  erteilen. 

<)  Hanserecesse  I  6  S.  594  Nr.  601.  M.  Aufsatz  in  Hans.  Gesch.-BU.  1898 
S.  88;  Stein  das.  1906  S.  148,  166. 

3)  v.  Daniels,  Rechtsdenkm.  des  deutschen  MA.  (1368)  S.  64. 


102 

Grande  liegt:  die  Streitigkeiten  unter  den  Bürgern  Bollen  entschieden 
werden  „jtto  consttetudinario  et  legüimo  jure  (nntiium  mereatorum 
praecipue  autem  Coloniensium.'^  ^)  Dhs  jus  mereatarum  des  Freiburger 
Privilegs,  die  markUute  und  das  marhtrechi  des  Sächsischen  Weich- 
bildes haben  keine  besondere  Beziehung  zum  Handel  oder  Handels- 
recht, sondern  bedeuten  Städter  und  Stadtrecht,  wie  im  weitem 
Verlauf  der  Stelle  von  Städten  die  Rede  ist.  Dass  Cöln  aber  froh 
auch  im  Handel  und  Verkehr  die  grösste  Bedeutung  errang,  beweisen 
das  kölnische  Pfimd  und  die  kölnische  Mark,  die,  seit  dem  11.  und 
12.  Jahrhundert  bezeugt,^)  so  lange  hin,  die  kölnische  Mark  bis  zur 
Münzconyention  von  1857,  in  Geltung  geblieben  sind.  In  dem  be- 
kannten Wettstreite  des  Hamburgers  und  des  Bremers  über  den  Vor- 
rang ihrer  Städte,  den  die  Chronik  Yon  Rynesberch  und  Scheue 
erzählt,  geben  beide  Teile  zu,  j,dat  Colne  ene  hiwetstad  is  in  Älmanyen, 
dat  Colne  dai  varegand  heffi  boven  anderen  sieden  in  Älmanygen,*'^) 
K.  F.  Eichhorn  hat  einst  in  der  Verfassung  von  Cöln  das  Ur- 
bild der  deutschen  Städteverfassungen  finden  wollen.  Ist  diese  An- 
sicht längst  als  unhaltbar  erwiesen,  so  gehörte  es  doch  offenbar  zu 
den  das  deutsche  Mittelalter  beherrschenden  R^chtsanschauungen, 
dass  von  Cöln  ausgegangen  sei,  was  in  den  Städten  als  Grundlagen 
von  Recht  und  Gericht,  von  Handel  und  Verkehr  galt.  Eine  bekannte 
Neigung  des  Mittelalters  fuhrt  die  Entstehung  vorhandener  Einrich- 
tungen auf  bestimmte  Urheber  zurück  oder  knüpft  sie  an  bestimmte 
Ursprungsstätten.  Für  das  Gebiet  des  deutschen  Städtewesens  glaubte 
man  in  Cöln  als  einer  Stadt  des  höchsten  Alters  und  des  grössten 
Ansehens  in  kirchlicher  und  in  weltlicher  Beziehung  das  Muster  für 
alle  andern  zu  finden.  Auch  die  Rechtssagen  bilden  einen  Bestandteil 
der  Rechtsgeschichte. 

GÖTTINGEN.  F.  Frensdopff. 


1)  Keutgen,  Urk.  z.  städt.  Verf.-Gesch.  S.  118. 

^  Waitz,  yerf.-ae8ch  YIII  884  ff.    Schröder,  Rechtsgesch.  S.  587,  921. 

')  Lappenberg,  Qe8ch.-Qa.  t.  Bremen  S.  79. 


103 


Schauer. 


In  der  gereimten  Paraphrase  des  Hohenliedes,  welche  Brun 
von  Schonebeke  in  den  Jahren  1275  und  1276  verfasste,  findet  man, 
V.  1617,  das  Wort  schür ^  "Hagel-  Regen-  Gewitterschauer",  in  einer 
Bedeutung,  die  bisher  nicht  in  mittelalterlichen  Quellen  nachgewiesen 
ist.  Die  Stelle  handelt  von  den  Eigenschaften  der  zwölf  Edelsteine, 
mit  denen  dem  Gedicht  zufolge  das  Bett  Salomos  geschmückt  war. 
Es  heisst  dort  vom  Rubin:  Der  andir  stein  git  turen  schin  der  heizet 
karbimkel  und  ruMn  (v.  1606  f.)  .  .  .  Der  stein  brinnet  als  ein  vur 
iz  si  tag  adir  nachtschur  Her  irluchtet  daz  ist  gewisse  alle  di  nn- 
stemisse  (v.  1616  l)A) 

Das  Glossar  des  Herausgebers  umschreibt  nachtschur  mit 
^'schauerliche  Nacht",  eine  Übersetzung,  welche  mhd.  schür  die  Be- 
deutung des  heutigen  Schauers  =  Schauder  2)  beilegt.  Der  Abschnitt 
vom  Rubin  giebt  augenscheinlich  eine  der  zahlreichen  Stellen  in  der 
mittelalterlichen  Litteratur  wieder,  wo  von  diesem  Stein  erzählt 
wird,  dass  er  vor  Allem  im  Dunkeln  und  in  der  Nacht  leuchte  — 
ich  citiere  beispielshalber  zu  v.  1616  etc.  Beda  Hexam.  lib.  I  (Migne 
91,  c.  46):  "Est  autem  carbunculus,  sicut  et  nomine  probat,  lapis 
ignei  coloris  quo  noctis  quoque  tenebras  illustrari  perhibetur"  8).  Die 
richtige  Übersetzung,  die  schon  aus  dem  Gegensatz  zu  tac  :  tag  adir 
nachtschur^  hervorgeht,  ist  demnach  lediglich  "Nacht",  "nächtliche 
Weile"  =  mhd.  nachtzit.  Diese  Bedeutung  setzt  voraus,  dass  mnd. 
schür  die  Nebenbedeutung  "Zeit", .  „Weile"  haben  konnte.*) 

In  den  lebenden  nd.  Mundarten  ist  schür  in  der  Bedeutung 
Zeitdauer,  Weile  keineswegs  ungewöhnlich.  Es  genügt  ein  Blick 
in  die  bekannten  Idiotica  von  Danneil,  Schambach  oder  das 
Brem.  Wtb.  um  sich  davon  zu  überzeugen.  Den  nd.  Beispielen:  en 
god  schür  slapeti,  wenen,  set  di  en  schür  hen  etc.  kann  ähnliches  aus 
dem  Friesischen   z.  B.  nordfr.   an  skürki  "eine  kleine  Weile",   e 


1)  Das  Hohelied  Brans  von  Schonebeck,  hrg.  von  A.  Fischer  Bibl.  litt. 
Verein  Stuttg.  vol.  198. 

*)  S.  die  Wtbb.  s.  yy.  Schauer,  Schauder,  schaudern. 

>)  Vgl.  aus  späteren  Quellen  '^Carbunctdus  gemma  rubicundissimua  est,  in 
obscuro  et  tenebris  lucens  ut  carbo"  Arnoldus  Saxo  XllI,  und  '* Carbunculus  est 
lapis  omnium  pretiosissimus  et  cariasimus  et  amnium  lapidum  perhibetur  virtuiibus 
preeditus.  Ht/^jus  color  igneus  est  et  nocte  magis  quam  die  lucet;  nam  die  obscuratur, 
nocte  vero  tantem  refulget,  ut  circa  se  noctem  quasi  in  diem  vertat",  Vincentias 
Bellovac.  Spec.  nat.  IX,  61.    Die  Bedastelle  zu  Gen.  II,  12  (vers.  Ital.) 

^)  Dem  Zusammenhang  genügt  auch  "n&chtliches  Dunkel",  aber  eine  solche 
Bedeutung,  etwa  aus  "Schauerwolke,  dunkle  Gewitterwolke"  entwickelt,  ist  ebenso 
zweifelhaft  als  "schauerliche  Nacht". 


104 

skür  diarefter  u.  s.  w.  i)  entgegengestellt  werden.  Das  nämliche  Be- 
deutungsphänomen wiederholt  sich  auf  ndl.-sächsischem  Boden,  im 
Dialekt  der  Graafschap,  bei  stonn,  das  ebenfalls  die  Bedeutungen 
Schauer  und  Zeitmoment  in  sich  vereinigt:  eine  Weile,  een  poosje 
heisst  hier  allgemein  n'  störmken.^) 

Der  Bedeutungsübergang  Schauer  :  Weile  kennzeichnet  sich 
deutlich  als  eine  nur  volksmundartliche  Erscheinung.  Diese  Tat- 
sache findet  sich  in  Einklang  mit  dem  heutigen  Sprachgefühl,  dem 
die  engere  Verknüpfung  der  Begriffe  Zeit  und  Schauer  fremd  ist 
Das  Phänomen  kann  aber  im  früheren  Leben  des  Germanischen  von 
grösserer  Gewichtigkeit  gewesen  sein.  Ein  unzweideutiges  Zeugnis 
dafür  ist  uns  aus  dem  Skandinavischen  erhalten.  Es  ist  dies  altn. 
ArfJ)  f.  "Schauer",  "Gewitter",  das  bekanntlich  sowohl  altisl.  als 
altschw.  als  Synonymen  von  stund^)  verwendet  wird,  wie  aus  den 
geläufigen  Ausdrücken  langa  (h)n^,  litla  (h)ri^,  umb  hri^  ''eine  Zeitlang'' 
etc.  zur  Genüge  hervorgeht.*)  Diese  Verwendung  ist  noch  in  neu- 
norw.  dial.  rid,  n  f.:  ei  liti  rt  "eine  kleine  Weile",  ei  god  r%  "eine 
gute  Weile"  lebendig.  In  den  lebenden  skandinavischen  Mundarten 
zeigt  sich  dasselbe  Bedeutungspaar  in  norw.  dial.  fauka,  fuku  f.  fänk 
f.  m.  "Schauer",  "Schneegewitter",  auch  "Weile,  Zeitabschnitt":  äi 
häile  fwuk(a)  "eine  ganze  Weile"  Aasen,  Boss,  schw.  dial.  fäuk  f.  m. 
fuku  f.  (Sv.  Landsm.  1906,  S.  60)  "Weile,  eine  kleine  Weile'' 
Rietz  etc.,  und  vielleicht  noch  in  anderen  Worten.  Das  nordische 
Wort  lehrt,  dass  dem  Phänomen  eine  allgemeinere  Geltung  zukommt, 
als  seine  Umgrenzung  im  Festlanddeutschen   an  die  Hand  giebt. 

Das  hier  abgehandelte  Bedeutungsphänomen  ist  als  Moment  in 
einem  umfassenderen  Bedeutungskomplex  zu  verstehen.  Überblickt 
man  die  wichtigeren  in  germ.  skur,  hri^  etc.  vorhandenen  Bedeu- 
tungen, so  ergeben  sich  zwei  begrifflich  verwandte,  aber  in  sich  ge- 
schlossene Hauptserien: 

1.  (vom  Wetter)  Schauer,  plötzliches,  schnell  vorübergehendes 
oder  sich  mit  Zwischenräumen  wiederholendes  bez.  andauerndes  Ge- 
witterphänomen ;  Regen-,  Hagel-,  Gewitterschauer,  Windstoss,  Bö ; 
Regenwolke,  Gewitterwolke ;  kürzere  oder  längere  Periode  von  Regen, 
Sturm,  SchneC;  Kälte  etc. 


^)  S.  die  genannten  Dial.-Wtbb.  und  Johansen,  Nordfriesische  Sprache 
S.  230,  286,  249  etc.  —  Mit  der  Bed.  Weile  geht,  durch  eine  leichte  semasiologische 
Verschiebung,  die  Bed.  "Strecke,  Wegstück"  Hand  in  Hand:  efter  dat  wat  an  skürki 
(eine  Weile,  ein  Stück)  merkööder  gingen  totar  ib.  226;  de  weg  dögt  bi  schüren 
(stellenweise)  nig  veel  Brem.  Wtb. 

^)  S.  Gallde  Wdb.  op  het  Qeldersch-Overrjsselsch  Dialect  s.  v.  storm,  Yan 
de  Scheide  tot  den  Weichsel  I,  462  ff.:  n'  störmKen  eleen  472  n'  goed  etörmken 
ib.,  n'  störmken  praten,  kuijeren  462,  497. 

')  auch  in  der  Bed.  Abstand,  Wegstrecke. 

^)  n])  ä.  aschw.  nur  in  ^iv^ari}^  "Thingstermin",  j.  aschw.  fiidh  f.  m.  häufig. 
—  an.  hri}^  =  tid :  var  }^at  eigi  long  hri}^  c&r  H,  andadie  0.  T.  21  (£  g  i  1  s.  Lex.) 
hrip  Zeit,  WeUe  an.  erst  in  der  Prosa  belegt:  lüea  hri^  Einl.  zu  Grottasongr  etc. 


105 

2.  Fieber,  Zitterschauer,  Paroxysmus,  besonders  bei  Krampf, 
Epilepsie  oder  Geburtswehen;  überhaupt  heftige«  Torübergehende  oder 
mit  Zwischenräumen  wiederkehrende  Anwandlung  eines  körperlichen 
oder  seelischen  Übels,  Anfall  von  Schmerz,  Krankheit,  Fieber,  Schau- 
dern, Schwindel  etc.,  Anwandlung  von  Zorn,  Wut,  Weinen,  Lachen, 
Laune  etc. 

Dieser  vollständigere   Bedeutungskomplex,   der    ausser   ''Weile, 
Zeit"  noch  andere  Nebenbedeutungen  enthält,   ist,   wie  die  folgende 
Beispielssammlung  zeigt,   nur  im   Nordgermanischen,   bei  Schauer^ 
spec.  in  dem  nd.-engl.  Gebiet,  vorhanden,  i) 

nd.  schür:  Begen-,  Hagel-,  Gewitterschauer,  Windstoss,  s.  spec.  Brem. 
Wtb.,  Schambach,  Dann  eil;  nd.  ragen-  hagel-  dönnerschur;  ndl.  Sachs.  <cAo«r 
=s  mnl.  schuur  (jetzt  ndl.  bu%):  regen-  donder-  windsehoer  Gall^e,  Molema, 
Draaijer;  holl.  frs.  ekoer  Bö,  toynskoer;  nordfra.  n.  Helgol.  skÜTf  sklr,  rinskür 
Regenschauer,  Waog.  thünerschür  Gewitterregen  Fr.  Ar  eh.  I,  399;  e.  ahower 
allg.  Regenschauer  ^agel-),  dial.  anhaltender  Sturzregen;  nord.  skur  allg.  Regen- 
und  Hagelschauer,  dial.  auch  möskur  etc.,  —  (dunkle,  schwere,  drohende)  Ge- 
witterwolke, Regenwolke:  schoer,  donderschoer,  en  dicht  schür  Molema,  Draaijer, 
Brem.  Wtb.:  dar  sü  schürs  an  de  lücht  Draaijer;  doar  sat  een  donder- 
schoere  aan  de  locht  (Drenthe)  Van  de  Scheide  tot  den  Weichsel  I,  604, 
▼gl.  Wang.  ihünerlucht  Donnerwolke:  de  lucJU  groit  up,  wat  gröit  der  'n  thüner- 
lucht  up  Fr.  Ar  eh.  II,  74,  vgl.  ndl.  ontceersbui  ^'Gewitterwolke",  nd.  de  bö(e) 
stigt,  drivt. 

norw.  dial.  skura  f.  "eine  Zeit  Yon  hartem,  besonders  kaltem  Wetter"  R  o  s  s. 

nd.  schür  dem.  schürken*)  Fieber-  Krankheitsanfall,  Krampf  —  auch  md., 
hess.  und  thür.,  s.  Vi  1  mar  und  Hertel  —  thwung-  reddelskür  Fieber-  Zitter- 
schauer Johansen,  bes.  "Anstoss  der  fallenden  Sucht"  Brem.  Wtb.,  paese 
schür  Epilepsie  Stieger  Ma.  (DWB),  bese  schür  "schlimmer  Anfall"  Hertel  =s 
slim  schür  Schütze  etc.;  schurkens  Zuckungen  bei  kleinen  Kindern  Danneil, 
DWB;  Schmerzanfall:  holl.  fn.  skoerring  zu  «Soerr^fi  "schauern,  böen"  Dijkstra 
—  Ygl.  dän.  u.  schw.  (dial.)  Hing  Bö,  norw.  dial.  eling  f.  Schauer,.  Schmerzanfall, 
Oicht,  zu  dän.  norw.  dial.  el  =s  an.  H  Bö,  Regenschauer,  Schneesturm,  schw.  ü 
Windistoss;  vorübergehender  Anfall  einer  Gemtttsstimmung  —  vgl.  ndl.  vlaag  und 
hui  —  Anwandlung  von  Laune,  Wut,  Toben,  Weinen  etc.:  he  hk  wer  sin  schür 
Schambach,  DWB  etc.  dat  (de)  dtüle  schür  Brem.  Wtb.,  DWB.  etc.,  nordfri. 
skür  Laune  Siebs  Pauls  Grundr.  I,  1406  —  vgl.  schott.  diaL  spdlwind  *'a  riolent 
outburst  of  passion,  a  gust  of  rage"  Wright  (Jam.). 

e.  dial.  shower  "a  sharp  attack,  a  throe,  agony,  parozysm,  the  pangs  of 
child-birth  —  a  strong  push,  a  sudden  tarn  —  a  copious  supply,  a  quantity') 
Dial.  Dict. 

norw.  dial.  rid  f.  (nördl.)  "üngewitter,  hartes  Wetter,  Zeit  mit  Kftlte,  Schnee 
und  Sturm:  kald-  snjo-  w)edrsri(d)  =  fauka  Aasen;  neuisl.  hH^  f.  Schneesturm 
=  schott.  und  north.  snoW'WreaiK\ 

norw.  dial.  r^(d)  f.  (allg.)  Anfall  von  Krankheit  oder  Schmerz,  bes.  von  den 
einzelnen  Anfällen  der  Geburtswehen:  federid  etc.  =  fedeflaga  Aasen;  neuisl.  PI. 
hri}^ir  Fieberanfall,  Schmerzparoxysmus,  Geburtswehen  Yigfuss.  etc.;  schwed. 
dial.  ri  f.  z.  B.  svemmeri  Schwindelanfall,  PL  bamarier  Geburtsschmerzen  Rietz 


1)  Die  obd.  Dialekte  haben  bekanntlich  den  Bedeutungskreis  des  Schauers 
auf  die  Erscheinung  des  —  von  Blitz  und  Donner  begleiteten  —  Hagelgewitters 
eingeengt.  S.  bes.  Pauls  Deatsches  Wtb.  und  die  Dialektwtbb.  von  Schmeller, 
Schöpf  und  Lexer.  Bereits  mhd.  und  spätahd.  ist  schür  meist  gleich  hagel^  lat. 
grando  —  s.  die  mhd.  Wtbb.  und  Graff  VI,  685. 

')  schw.  dial.  sk^ka  Fieberanfall  Rietz. 

')  Vgl-  schw.  skur  af  ovett  "Schauer"  von  Scheltworten. 


10« 

nonr.  dUl.  r\da  (tie)  f.  Fiebenchaaer,  Laune,  OemfltMtimmniig,  rida  (rie)  f.rln 
AnüJl  Yon  Weinen  etc.:  dar  kam  da  Hie  paa  'aam,  n  riie  te  ffraate  Bobs  — 
schw.  dial.  rld  (schlechte)  Laone  Rietz. 

nonr.  dial.  fauka,  fuku  f.  Ungewitter  das  mehrere  Tage  anhält,  Zeit  mit 
anhaltendem  Qewitter  «  nd:  snjofukuy  vedrfäuk(u)  etc.;  aach  Windstosa,  Bd. 
vinnfoku  Boss  »  vindflaga  Aasen:  fuku  kleiner  Begenschauer,  Begenwolke, 
Gewitterwolke,  vom  Meer  hereinziehender  Nebel  mit  Bogen  Aasen  =  foku  Meer- 
nebel Boss  fuke  UL  feiner  Bogen  Aasen;  norw.  foky  dän.  fog:  dial.  st^afok  etc. 
Gestöber,  Schneegewitter  =  altn.  fok,  norw.  dial.  f0yk  m.  Gestöber,  Wind(8t08s| 
mit  Schnee  Aasen  ss  feykja  f.,  f^ylsje  n.:  tnefeyke  Boss,  Tgl.  fjukoy  din.  fygt 
/  (Tom  Schnee  etc.)  stieben,  stöbern  =  ftfykja  stieben  '*?om  Schnee,  eigtl.  Yom 
Winde"  Aasen. 

fauka,  /u&u  f.  Anfall,  Anstoss,  z.  B.  einer  Krankheit  =  fld,  flaga  Aasen, 
Boss;  Anwandlung,  Laune,  z.  B.  galnfuku^  auch  -fauka  -fäuk  Anfall  Ton  wilder 
Ausgelassenheit,  yon  unsinnigem  Benehmen  —  Tgl.  nd.  schür,  duüe  schür  —  Boss 

fok  n.  Taumel,  Eile  Aasen  =  füka,  foka  f.  (reissende)  Eile  Böse  fjuka 
f.  Eile,  Tgl.  altn.  fjuk  "Gestöber"  Boss;  f&yk  m.,  f^yk^ja  f.  ffiykje  n.  (heftige) 
Eile  Boss,  fauk  m.  Kampf,  Bingen  Boss. 

Die  Bedeutungsserie  des  Gewitters  ist  in  dem  obigen  Überblick 
vorangestellt  worden,  weil  ihre  Ursprünglichkeit  im  Germanischen  als 
sicher  gelten  darf.  In  Schauer  ist  das  hohe  Alter  der  Bedeutung 
des  Gewitterschauers  durch  die  Gleichung  skür  =  lit.  sziaurys  "Nord- 
wind" sziäurt  "Norden",  altbg.  shverü  "Nord(wind)"  "boreas",  lat. 
caurus  "Nordwestwind",  arm.  (V)  curt  "Kälte,  Schauer"^)  über  allen 
Zweifel  erhoben,  und  fauka^  fok  etc.,  das  am  frühesten  in  der  alt- 
nordischen Prosalitteratur  als  fok  oder  fjük  "Schneegewitter"  vor- 
kommt, wird  durch  lett.  püga  "Windstoss"  in  das  richtige  Licht 
gestellt.  Zu  hr%}^^  r%  fehlt  eine  aussergermanische  Entsprechung, 
wodurch  die  Priorität  der  Bedeutung  Schauer  dargelegt  werden 
könnte,  aber  innerhalb  des  Germanischen  vergleicht  sich  an.  hregg 
germ.  *Äraya  "Gewitter stürm"  2)  das  wahrscheinlich  die  mhrl^  germ. 
*hrei}^i'  vorhandene  Verbalwurzel  qrei-  in  starker  Stufe  enthält. 
Jedenfalls  tritt  in  hrf^  wie  in  skür  die  Bedeutung  des  Gewitter- 
phänomens von  den  ältesten  Belegen  ab  deutlich  als  Grundbedeutung 
hervor  —  got.  skura^)  (windis)  'koLikx^  (ave(i.ou),  ahd.  scur  tempestas 
Voc.  S.  Galli  s.  VII/VUI,  ags.  scur  m.  Wind-  Hagel-  Regenschauer; 
altn.  Anj)  f.  Schauer,  Gewitter,  Bö  (Arf{)  veprs)^)  =  ags.  ArJ|)  **Schnee- 
sturm":  Anf»  hrSosetide  Widsith  102.  Aus  der  primären  Vorstellung 
des  Schauers,  nicht  aus  dem  einfacheren  Begriff  des  Stosses,  der 
sich  bequem  aus  skura  windis  und  hri^  vej^rs  abstrahieren  Hesse  — 
skür  ist  der  Schauer  (die  Gewitterwolke  etc.)  mit  all  seinen  charak- 

1)  Joh.  Schmidt  in  Kuhns  Beitr.  VI,  149,  Kuhns  Zs.  XXIB,  366,  vgl 
Bezz.  Beitr.  XXIX,  58.  Der  Zusammenhang  der  BegriiFe  K&lte  und  Schauer 
erhellt  u.  a.  aus  neufri.  Wang.  keiU  "Wind":  göd,  swer  keilt  etc.  Fr.  Arch.  II,  75, 
wohl  aus  afr.  *keid  =  nord.  köld  ft.  kyld  —  vgl.  an.  kui  kalter  Wind,  nord.  dial. 
kula,  kylja  "(kalt)  wehen"  =  schw.  dial.  kala,  &.  dän-.  kule  Bö.  Daneben  Wang. 
kuld  vgl.  an.  kuldi  etc.  K&lte. 

«)  hregg  =  hrcuja  Fick-Torp  Wtb. 

'j  wahrscheinl.  als  skura  st.  f.  anzusetzen,  ygl.  an.  skur  f.,  nd.  dial.  schüre  f. 
Bauer-Collitz  (Waldeck),  donderschoere  f.    Van  de  Seh.  tot  den  W.  1,  604. 

*)  in  der  Skaldendichtung  von  etwa  900  an  belegt. 


107 

teristisclieB  Eigenschaften  der  plötzlichen  Bewegung,  der  Heftigkeit, 
der  kurzen  Dauer,  der  Dichtheit,  Dunkelheit  oder  Kälte  —  erklärt  sich 
der  heutige  Bedeutungsinhalt  des  Wortes  in  seinem  ganzen  Umfange 
sowie  seine  übertragene  Verwendung  in  der  altgerm.  Epik,  von  den 
^'Schauem^\  Anläufen,  Absätzen  des  Kampfes,  den  Schauem  der 
Streitwaffen,  der  (dichten)  Stösse,  Hiebe,  Schläge  oder  Schüsse,  der 
reissenden  Eile,  ^'motus  rapidus"  (Grein),  'Impetus,  vehementia'^ 
(Egilsson,  Lex.  poet.),  welche  in  skür  und  ArfJ)  durch  zahlreiche 
Beispiele  vertreten  ist. 

Aus  viel  späterer  Zeit  als  die  Grundbedeutung  des  Gewitters 
ist  die  daraus  abgeleitete  des  Paroxysmus  überliefert.  In  dieser 
Verwendung  begegnet  skur  erst  in  einem  westfriesischen  Text  des 
15.  Jh.s  (Jur.  Prud.  Fr.  2,  298).  Das  altfr.  Wtb.  übersetzt  ganz 
allgemein :  "Schauer,  eine  Krankheit^',  ohne  näher  auf  die  Stelle  ein- 
zugehen. Der  Zusammenhang:  dat  aeft  (die  Ehe)  meyma  scheda  hör 
(weder)  om  schuur  ner  (noch)  om  dyn  quada  adema^  lässt  aber  kaum 
darüber  im  Zweifel,  dass  von  dem  "bösen  Schauer",  der  fallenden 
Sucht,  die  Rede  ist,  demnach  von  der  spezialisierten  Bedeutung,  die 
das  Wort  in  den  lebenden  nd.  Mundarten  hat.  Im  Nordischen  ist 
Arif)  Paroxysmus,  erst  im  jüngeren  Altschwedischen  nachgewiesen: 
ridh  och  hold  etc.  "Fieber  und  Geschwulst"  Läkeb.  8,  51,  hardaridhe 
(=  neuisl.  hardar  ÄriJ)iV)  Leg.  3,  158,  an  letzterer  Stelle  von  den 
Anfällen  des  Todeskampfes,  i) 

Es  wäre  leicht  die  Beispiele  der  Worte  zu  vermehren,  in  denen 
die  Bed.  Schauer  mit  der  Nebenbedeutung  des  Paroxysmus,  der 
Anwandlung,  des  Zeitmoments  verbunden  erscheint.  Ich  erinnere  nur 
kurz  an  norw.  dial.  rykk  m.  "Ungewitter,  Krankheitsanfall,  Ruck, 
Weile",2)  e.  dial.  gird  "a  rush  of  wind,  a  spasm  of  pain,  a  fit, 
a  sudden  jerk,  a  moment",  und  vor  Allem  an  nd.  vläge^  nl.  vlaag^ 
e.  flawy  n.  flaga  Bö,  Regenschauer,  Schmerzanfall,  Anwandlung  etc., 2) 
das  innerhalb  derselben  Grenzen  als  schür  die  Bed.  Weile  aufweist.  3) 
Die  älteste  Geschichte  dieser  Worte  entzieht  sich  unserer  Kenntnis, 
und  es  bleibt  die  Möglichkeit,  dass  die  Bed.  Gewitter  etc.  sich  erst 
auf  germ.  Boden  aus  der  allgemeinen  Vorstellung  des  Stosses,  der 
plötzlichen  Bewegung  entwickelt  hat.^)  Erwägt  man  aber,  dass  diese 
Bedeutung  in  germ.  skur  durch  sekundäre  Entwicklung  entsteht,  wie 


1)  Ag8.  ahd.  hd]^y  -a,  rü(t)o  etc.  Fieberschaner  (9/10  Jh.),  cyinr.  crydy  mit- 
telir.  erith  etc.  —  auch  hier  ist  wohl  Gewitter  die  nrspr.  Bed. 

^  vgl.  n.  dial.  wykk  üngewitter,  Nachwinter,  späte  Eälteperiode  =  rtdt 
sküra,  e.  »peü  (of  cold  weather)  anhaltende  Kälte. 

')  allg.  engl.  nd.  nord.  (dial.)  Bö,  Schauer,  Regenwolke,  bell.  fri.  toyttfleach,  allg. 
nd.  nora.  (mal.)  Krankheitsanfall,  Anwandlung,  spec.  PL  fleagen  =  nd.  nl.  vlctgen 
Geburtswehen,  wang.  da  flog  Fr.  Arch.  I,  896  —  vlSi(e)  Weile  allg.  nd.,  auch  fri.  fleach 
—  nach  an.  acc.  flögu  f.  (Sverrissaga  18.  Jh.)  ist  mhd.  md.  vUige  Schauer,  plötzl. 
Angriff  ton  lang  (Wtbb.  d)  anzusetzen. 

<)  "Ruck"  =  "Augenblick",  z.  Teil  auch  "Anwandlung"  ist  häufig:  nord. 
dial.  repp  (rapp),  tak,  akov,  struku,  e.  spdl,  start  —  nd.  8t^^jen  (Geldern) :  n'  steutjen 
praoten  Van  de  Scheide  tot  de  Weichsel  I,  494. 


108 

e.  dial.  shower  beweist,  so  darf  die  Bed.  Gewitter  vielleicht  sogar  in  rykk 
=  Ruckj  nl.  rttk  als  die  ursprüngliche  angesetzt  werden.  Ahd.  (spät) 
ruccha  PI.  '^motus"  (planetarum)  yergleicht  sich  dann  mit  ags.  scur 
'^motus  rapidus'\  und  ahd.  rttcchen  '^(sich  schnell)  bewegen"  steht  zu 
rukk  '^Gewitter"  in  ähnlichem  Verhältnis  wie  neufr.  dial.  skoerre 
"böen",  norw.  dial.  sküra,  skyra  ^'daherstürmen,  losfahren"  zu 
(toffn)8koer^  skur^  nord.  rma  "dringen,  eilen"  zu  an.  rosi  "Windstoss".!) 
Am  deutlichsten  ist  Schauer  als  Grundbedeutung  in  vlage  ausgeprägt 
wie  die  Verbreitung  des  Wortes  in  dieser  Bed.  im  Ndl.  und  Nd.. 
sowie  in  nord.,  engl,  und  fri.  Dialekten  an  die  Hand  giebt. 

Der  Bedeutungsübergang  Schauer  (Paroxysmus),  Weile  wirft  ein 
neues  Licht  auf  zwei  altgerm.  Worte,  die  noch  keine  befriedigende 
Erklärung  gefanden  haben,  ags.  ^räg  und  got.  theihs. 

Ags.  ]^räg  "time";  ecUle  ^räge  Wids.  88,  Jud.  237  etc.,  lange 
}^räge  Beow.  54,  114  etc.,  ^räge  lange  Beow.  87,  "interim"  (=  inter- 
dum)  Corp.  Gl.  s.  Vn/VEtl  1064  etc.,  ist  am  häufigsten  als  Synonym 
von  htall  und  wird  seit  Ettmüller  und  Grein  als  "cursus,  decursus 
temporis"  erklärt. 2)  Aber  an  keiner  einzigen  Stelle  in  der  ags.  Litt, 
hat  das  Wort  zweifellos  die  Bedeutung  "cursus"  "Lauf".  Diese  Er- 
klärung beruht  augenscheinlich  auf  der  Zusammenstellung  des  Worten 
mit  got.  ^ragjan  schw.  v.  1,  das  mit  langer  Silbe  in  ags.  (poet.) 
^i(je*gan  wiederzukehren  scheint  —  eine  Zusammenstellung,  die  jedoch 
schon  an  dem  Umstände  scheitert,  dass  ^rdg  germ.  }^raigö  f.  voraus- 
setzt. 3)  Die  richtige  Erklärung  ist  eher  in  der  zweiten  Bedeutung 
zu  suchen,  die  ags.  }^räg  aufweist.  Diese  ist  Anwandlung,  ^'paroxysm, 
fit",  belegt  in  sio  wode  ^rdg  ("the  mad  fit")  t/uere  tvrcefinesse  Boeth.  ed. 
Sedgefield  p.  III,  1.  28  =  tluere  wrcennesse  wod]^räg  micel  Metr.  Alfr. 
25,  41  Grein  II,  329.^)  In  dem  Bedeutungskreis  des  Schauers  findet 
nun  auch  }^rcb*gan  seine  Aufklärung:  es  ist  von  ^räg  in  der  bisher 
nicht  gefundeaen  Bed.  Schauer  '4mpetus"  abgeleitet,  und  seine  eigent- 
liche Bedeutung  wird  die  der  heftigen  Bewegung  sein.^)  Ob  as 
threga  Drohung  =  ^raigö:   fan   thim   thrigon  minis  Werd.  Prud.  Gl. 


1)  Doch  rukk  '^Gewitter"  wol  altgerm.  aus  der  allg.  Bed.  Rack. 

*)  ^rdgum  z.  B.  R&.  82,  4  =  hwüum  ib.  6  (and  häufig)  "ab  und  xu,  zu- 
weilen" =  an  hri^um  "zuweilen",  eig.  "ruckweise"  —  Grein  übersetzt  "cursua'' 
—  ^rdgmeelum  periodicaily  =  scurrmdum?  (unsicheres  Wort)  Boeth.  20  =  nd. 
bischuren,  bistöten  (vom  Winde  etc.)  —  ^rägum  lange  £1.  1288  etc.  langt  hwile 
Hol.  Rood  24  etc.  göde  hwüe  ib.  70  —  htoüe  lauge  Beow.  105  etc.  —  ^dg  in 
der  Epik  auch  "harte  Lage"  =  e.  /!<  position  of  hardship,  painfui  ezperience  (obs.). 

>)  Vgl.  Sweet  0.  E.  Tezts,  S.  591,  wo  ^räg  unter  ä  =  ai  aufgeführt  ist 

*)  Boeth.  lib.  IV,  metr.  2:  libido  (versat  avidis  corda  venenis)  —  tood^äg 
ausserdem  dreimal  als  Übersetzung  von  furor,  vesania  Fast.  Gare  ed.  Sweet  S. 
182  ff.,  cf.  Migue  97,  c.  52  f. 

>)  s.  Grein  Sprachsch.  s.  v.:  daherstOrmen  (vom  Pferde)  £1. 1263,  R&.  20,  S, 
sich  (sdinell)  bewegen  (vom  Umlauf  der  Planeten):  ]^earle  ^rtegei  Metr.  Alfr. 
Boeth.  28,  24,  vgl.  swa  ]^eo8  woruld  far^  scurum  scyndt^  Cod.  Ex.  469,  24  — 
^rdg  vielleicht  urspr.  Ruck,  Stoss,  vgl.  ags.  scacan  intr.  to  move  quickly. 


109 

mit  dem  Verbum  thrSgian  Hei.  Cott.  5369,  nl.  dreigen  ebenfalls 
urspr.  in  die  Sphäre  der  Gewitterworte  gehört  oder  nicht,  lasse  ich 
dahingestellt. 

Die  hier  gegebene  Erklärung  des  ags.  Wortes  bleibt  insofern 
hypothetisch,  als  die  Möglichkeit  einer  entgegengesetzten  Bedeutungs- 
entwicklung von  Zeit(abschnitt),  Moment  zu  Paroxysmus  eingeräumt 
werden  muss.  Ein  sichereres  Beispiel  von  der  Entstehung  der  Bed. 
Zeit  im  Bedeutungskomplex  des  Schauers  ist  aber  got.  ^eÜis  n.  Zeit: 
t>ato  }^eihs  (acc.)  tov  xatpov  Rom.  XIII,  11,  U  [)0  peihsa  jah  mela'Ktfl 
Töv  j^povöv  xai  Töv  xaipöv  I  Thess.  V,  1,  mit  ^eihwo  schw.  f.  und 
dessen  aussergermaniscnen  Verwandtschaft  verglichen.  Got.  ^eihwö 
Donner:  (acc.)  ^eihvo  ßpovrvjv  Joh.  XII,  29,  (gen.)  }^eihv(ms  ßpovrvjc 
Marc.  III,  17  ist  von  Joh.  Schmidt  Anz.  f.  d.  Alt.  VI,  120  als  ^en- 
hwön  mit  altkslv.  tabi  Regen(schauer)  vorslav.  tonhiä  identifiziert 
worden,  und  später,  Kuhns  Zs.  XXXV,  479  f,  hat  Solmsen  diese 
Gleichung  unter  Hinweis  auf  neuslav.  serb.  tu^  slov.  toha  Hagel, 
russ.  tu^a^  (iech.  polah  etc.  tuiej  toca^  tania  Regenwolke  (dunkle,  dichte) 
Gewitterwolke  1)  ausführlicher  begründet.  Die  Zusammenstellung  von 
]^eihs  und  ^eihwo  ist  wol  öfters  gemacht  worden,  u.  a.  von  Diefen- 
bach  und  Solmsen  a.  a.  0.,  aber  erst  germ.  skur  Schauer,  Gewitter- 
wolke zeigt  den  richtigen  Zusammenhang  der  Worte.  Got.  ^eihs  ist 
nicht  der  primäre  Begriff,  zu  dem  ^eihwo  sich  als  tempestas  Gewitter 
zu  temptis  Zeit  verhält,^)  sondern  ^eihwo  enthält  die  primäre  An- 
schauung, in  der  ^eihs  seine  Erklärung  findet.^) 

Der  Schluss  liegt  nahe,  dass  die  in  diesem  Aufsatz  erörterte 
Verknüpfung  der  Bedeutungen  Schauer,  Paroxysmus,  Weile  uralt  ist 
und  das  Germanische  als  Spracheinheit  charakterisiert.  Dass  der 
Zeitbegriff  im  Germanischen  auch  aus  andern  Quellen  abgeleitet 
worden  ist,  braucht  nicht  nachgewiesen  zu  werden. 

UPSALA  1905  (10).  Hj.  Psilander. 


1)  Auch  '^dichte  Masse"  u.  ä  Solmsen  a.  a.  0.  —  ähnl.  in  schür  und  vlaag 
vorhanden. 

>j  Als  tempas,  tempestas,  Zeit,  Wetter,  Gewitter  hat  Liddn  PBB  XV, 
611  f.  an.  hri^  erklärt. 

')  Got  ^eihwo  mit  -wo  abgeleitet  —  vgl.  uhtwo  neben  uht-eigs  —  oder  ^^eihs 
aus  ^eihwae  mit  verlorenem  w-Element  Solmsen  «.  a.  0. 


110 


Missingsch. 


Die  Sprache  Onkel  Bräsigs,  die  Ansprach  darauf  macht  Hoch- 
deutsch zu  sein,  aber  überall  ihre  niederdeutsche  Grandlage  yerrät, 
geht  unter  dem  Namen  '^Missingsch"  oder  ''Messingisch".  Man  pflegt 
das  Wort  so  zu  erklären,  dass  es  "gemengt,  gemischt"  bedeute,  also 
ein  Gemisch  aus  Hochdeutsch  und  Plattdeutsch  bezeichne  i).  Aller- 
dings handelt  es  sich  um  eine  Mischsprache.  Aber  die  "Missingsch"' 
sprechenden  sind  sich  dieser  Tatsache  schwerlich  bewusst.  Onkel 
Bräsigs  Absicht  ist  doch  wohl,  Hochdeutsch  zu  sprechen,  nicht  ein 
Gemisch  aus  Hoch  und  Platt.  Und  nicht  nur  er,  sondern  jeder  der 
"Missingsch"  spricht,  versucht  es  offenbar  mit  dem  Hochdeutschen 
so  gut  er  kann.  Dass  das  "Missingsch"  sich  von  dem  Einflasse  des 
Plattdeutschen  nicht  frei  halten  kann,  ist  ganz  natürlich,  ebenso  wie 
es  sich  von  selbst  versteht,  dass  das  Hochdeutsche  in  Schwaben  oder 
Ostreich  eine  Beimischung  von  Schwäbisch  oder  Ostreichisch  hat. 
Vielleicht  also  ist  es  eine  ungerechtfertigte,  nur  durch  den  Anklang 
an  das  Wort  "Messing"  verursachte  Voraussetzung,  der  Ausdruck 
"Missingsch"  müsse  den  Begriff  einer  Mischung  enthalten.  Jedenfalls 
ist  es  bis  jetzt  nicht  gelungen,  von  jener  Voraussetzung  aus  die  Her- 
kunft des  Ausdruckes  "Missingsch"  genügend  aufzuklären,  und  es 
darf  also  der  Versuch  gemacht  werden,  auf  anderem  Wege  zmn  Ziele 
zu  gelangen. 

Das  Hochdeutsche  hat  sich  vom  16.  Jahrh.  ab  an  die  Stelle 
des  Niederdeutschen  zunächst  als  Kirchen-  und  Schulsprache  gesetzt. 
Von  der  Kirche  und  Schule  aus  dringt  es  in  die  Literatur  ein;  erst 
später  und  ganz  allmählich  wird  es  auch  zur  Umgangssprache  der 
Gebildeten  oder  auf  Bildung  Anspruch  machenden.  Es  musste  sich 
also  in  Norddeutschland  schon  zu  einer  Zeit,  als  man  noch  allgemein 
Niederdeutsch  sprach,  das  Bedürfnis  nach  Ausdrücken  zur  Unter- 
scheidung der  beiden  neben  einander  laufenden  Sprachen  geltend 
machen.  Beide  werden  zwar  im  16.  Jahrh.  gemeinsam  als  düdescb 
bezeichnet;  z.  B.  wird  am  Schlüsse  der  Lübeckischen  ndd.  Bibel  vom 


1)  Adelung,  Gramm -krit.  Wörterbuch  der  hochd.  Mond&rt,  2.  Aufl.,  s.  t. 
"Messingisch":  Franz  Pfeiffer,  Nicolaus  y.  Jeroschin  (Stuttg.  1854)  S.  VIII;  Sauden, 
Wörterbuch  der  deutschen  Sprache,  Bd.  II  (1863)  s.  v.  *'Messing";  Berghaus, 
Sprachschatz  der  Sassen,  Bd.  II  (Berlin  1883)  s.  y.  ''Messingsch,  missingsk".  Vgl. 
ferner  z.  B.  Grimm,  Dt.  Wörterbuch  Bd.  6  (1886)  u.  Kluge,  Etym.  Wörterb.^ 
(1910)  8.  V.  ^^essingisch".  —  Eine  andere  aber  offenbar  verfehlte  Deutung 
("Messing"  =  franz.  measin  "der  unreme  französische  Dialekt  der  Stadt  Metz'') 
bei  Weigand,  Dt.  Wörterb. «  u.  Woeste,  Westfäl.  Wörterbuch  s.  v.  "Messing". 


111 

J.  1534  angegeben  1),  die  Übersetzung  sei  mit  ihrem  dAderchen  (d.  h. 
hochdeutschen)  Originale  verglichen  und  die  Druckfehler  zum  Besten 
des  düdeßchen  (d.  h.  niederdeutschen)  Lesers  sorgfaltig  angemerkt. 
Aber  gleichzeitig  unterscheidet  man  zwischen  Hochdüdesch  und  dem 
Sassischen  Düdesch,  Z.  B.  heisst  es  zu  Anfang  der  Vorrede  Joh. 
Bugenhagens^)  zu  der  eben  genannten  (Lübeckischen)  Bibel:  '^De 
Vthlegynge  Doctotis  Martini  Luthers  .  .  .  ys  jn  dyth  Saßefche  düdefch 
vth  dem  hochdüdefchen  vlitich  vthgefettet .  .  ." 

Dieselben  Ausdrücke  gebraucht  Bugenhagen  in  seiner  Vorrede 
zu  der  Wittenbergischen  (you  Hans  Lufft  gedruckten)  Bibel  von 
1541.3)  Luthers  Bibel  heisst  dort  de  hochdüdefche  Biblia,  die  nieder- 
deutsche Bibel  de  Saßifche^)  Biblia,  die  Sprache  der  letzteren  dyt 
Saffefrche^)  düdefch]  Bugenhagens  Beigaben  sind  abgefasst^n  Saßircher 
fprake. 

Die  Bezeichnung  "Hochdeutsch^'  aber  galt  damals  nicht  nur  von 
der  Sprache  Luthers,  sondern  auch  von  anderen  hochdeutschen  Schrift- 
sprachen jener  Zeit,  insbesondere  der  schwäbischen  und  schweizerischen. 
Wollte  man  Luthers  Sprache  und  überhaupt  die  Sprache  Mittel- 
deutschlands bestimmter  bezeichnen,  so  nannte  man  sie  in  Nord- 
deutschlaud  "Meifsnisch^',  ndd.  Misnisch^  lat.  idioma  Misnicum. 

"Niederdeutsche  mussten",  bemerkt  Burdach  5),  "um  das  Hoch- 
deutsche oder,  wie  sie  es  nannten,  'Meifsnische'  zu  lernen,  erst  nach 
Mitteldeutschland  gehen:  1572  liess  z.  B.  ein  Mecklenburger  Maler 
Erhard  Gaulrap,  der  in  Wittenberg  ausgebildet  war,  seinen  Bruder 
zu  sich  kommen,  damit  er  bei  ihm  die  meifsnische  Sprache  erlerne 
(Lisch  in  den  Jahrbüchern  des  Vereins  f.  mecklenburg.  Geschichte 
21,  304,  s.  Rud.  Hildebrand  in  den  Grenzboten  1860  I,  111)." 

Burdach  verweist  ferner  auf  die  Stralsunder  Schulordnung  von 
1591®),  wo  von  dem  Misnico,  Suevico,  Alsatico  idiomate  (d.  h.  der 
mitteldeutschen,  schwäbischen  und  schweizerischen  7)  Schriftsprache) 
im  Unterschiede  von  nostro  idiomate  (d.  h.  dem  Niederdeutschen)  die 
Rede  ist. 

Diese  Bezeichnung  des  Hochdeutschen  bürgert  sich  vom  Ende 
des  16.  Jahrb.  ab  auch  bei  den  Herausgebern  und  Druckern  der 
niedersächsischen  Bibeln  ein.     In  der  im  J.  1596  von  David  Wolder, 


>)  Siehe  den  Wortlaut  bei  Joh.  M.  Goeze,  Versuch  einer  Historie  der  ge- 
druckten Nieders&chs.  Bibeln  vom  J.  1470  bis  1621  (Halle  1776),  S.  212  f. 

<)  Vgl.  Goeze  a.  a   0.  218. 

')  Diese  Vorrede  ist  gleichfalls  von  Goeze  (a.  a.  0.,  S.  247)  abgedruckt. 
Sie  findet  sich  auch  in  anderen  Drucken  der  ndd.  Bibel  als  Vorrede  za  Bugen- 
hagens Sammarien,  z.  B.  in  der  (in  meinem  Besitze  befindlichen)  Folio-Ausgabe 
von  Wolffgang  Kirchner  in  Magdeburg  yom  J.  1578. 

*•)  In  dem  Kirchnerschen  Drucke  Sachffefche. 

')  Die  Einigung  der  nhd.  Schriftsprache.  Einleitung.  Das  16.  Jahrhundert. 
(Habilitationsschrift.)    Halle  1884,  S.  17. 

*)  Vombanm,  Evangelische  Schulordnungen  des  16.— 18.  Jahrb.,  Bd.  1,  607. 

^)  Unter  dem  idioma  Älsaticum  ist  eher  die  Schriftsprache  der  Schweiz  als 
die  des  Elsasses  zu  verstehen.    Vgl.  Kluge,  Von  Luther  bis  Lessing ',  S.  108  f. 


112 

Diaconus  an  der  Hauptkirche  St.  Petri  in  Hamburg,  herausgegebenen 
und  von  Jac.  Lucius  dem  Jüngern  in  Hamburg  gedruckten  Bibel 
heisst  es  auf  dem  Titel  jedes  der  drei  Bändet): 

'^Ock  na  den  Mirnifchen  Exemplaren,  fo  D.  LtUher  kort  vor  fynem 
Dode  fAlvefl  corrigeret,  an  veelen  Orden  toedder  tho  rechte  gebracht  vnde 
gebeteret!' 

Von  der  Meifsnischen  Sprache  ist  ausserdem  die  Rede  in  der 
Zueignungsschrift  an  die  Räte  der  sechs  ^^wendischen"  Städte  (Lübeck, 
Hamburg,  Rostock,  Stralsund,  Wismar,  Lüneburg),  denen  Wolder  sein 
Bibelwerk  widmete.     Die  betr.  Stellen  lauten  (nach  Goeze): 

''.  .  .  ^  hMe  ick  in  allen  mynen  arbeyde,  dal  ick  dißer  Bibel 
haluen  ge/iadt,  darhenne  gefehen:  .  .  .  dat  wy  de  rechte  purreyne  Sa/Sifche 
Sprake,  mit  der  Mifnifchen,  edder  OlcUfrenkifchen,  vnde  Vkerwendifcheti 
Sprake  vnvormengt  darinne  möchten  hebben,  vnde  lefm,"  — 

'',  .  .  de  Lefer  ,  . ,  fee  mit  er  He  vp  den  Mifnifchen  Text,  wo  ydt 
darinne  ludt,  vnde  dama  vp  de  rechte  Saßifche  fprake,  wat  ere  recläe 
art  yßr  — 

^'So  hebbe  ick  ock  .  .  .  diße  gantze  Bibel,  vnde  alle  Capittel,  m 
Art  vnde  Wyfe,  alfe  nu  ein  tydlank  in  Mifnifcher  vnde  thoviren  in 
andern  fpraken  gefcheen  ys^  in  verfikel  .  . .  affgedeelet/' 

Unter  dem  Einflüsse  der  Wolderschen  Bibel  stehen  die  weiteren 
Drucke  der  Niedersächsischen  Bibel,  von  denen  Goeze  (S.  383)  den 
Wittenberger  von  1599/1600  und  die  beiden  (von  Hans  Stern  in  Lüne- 
burg verlegten)  Goslarer  von  1614  und  1621  näher  beschreibt.  Sie 
übernehmen  von  Wolder  die  Angabe,  dass  sie  ^'na  den  Mifnifchen 
Exemplaren  . . .  corrig&ret^'  seien. 

Misnisch  also   war   gegen   Ende  des    16.   und  im   Anfang   des 

17.  Jahrh.  im  Niederdeutschen  gleichbedeutend  mit  "Hochdeutsch"', 
und  die  Vermutung  liegt  nahe,  dass  Missingsch  nichts  anderes  als 
eine  spätere  volkstümliche  Umgestaltung  dieses  Ausdruckes  ist.  Die 
Umformung    der    Endung    muss    sich    im  Laufe  des    17.    oder    des 

18.  Jahrh.  vollzogen  haben. 

Bezeugt  ist  die  Form  Missingsch  oder  (mit  Änderung  des  Stamm- 
vokales) Messingisch  meines  Wissens  zuerst  durch  Job.  Chr.  Adelung, 
und  zwar  in  der  zweiten  (nicht  in  der  ersten)  Auflage  seines 
Grammatisch -kritischen  Wörterbuches  der  Hochdeutschen  Mundart, 
Bd.  in  (Leipzig  17982).)  Da  alle  folgenden  Wörterbücher  unmittelbar 
oder  mittelbar  auf  Adelungs  Angaben  fussen,  mögen  letztere  hier 
vollständig  mitgeteilt  werden: 

'^Meffingifch,  adj.  et  adv.,  welches  nur  in  Niederdeutschland 
üblich  ist,  wo  es  besonders  von  derjenigen  Sprechart  gebraucht  wird, 
wo  man  Hoch-  und  Niederdeutsche  Wörter  und  Endungen  unter  ein- 
ander mischt.     Eine  meffingifche  Sprache,  Meffingifch  reden, 


1)  Qoeze  a.  a.  0.,  S.  876.    (Der  Vermerk  ist  fast  buchstäblich  derselbe,  nar 
dass  auf  dem  Titel  des  Neuen  Testamentes  Doet  statt  Dode  steht). 

*)  Mir  z.  Z.  nur  zugftnglich  in  dem  Wiener  Nachdracke  vom  J.  1811. 


113 

wie  besonders  die  nach  Oberdeutschland  gewanderten  Niederdeutschen 
Handwerksbursche  zu  thun  pflegen.  Als  man  in  Niedersachsen  anfing, 
die  Plattdeutsche  Sprache  von  den  Kanzeln  und  aus  den  Gerichten 
zu  verdrängen,  und  doch  dem  gemeinen  Volke  nicht  unverständlich 
werden  wollte,  so  ward  diese  messingische  oder  vermischte  Mundart 
sehr  gemein.  Ein  solches  Testament  von  1632  stehet  unter  andern 
auch  in  dem  Rostockischen  Etwas  1738,  S.  514.  Dieses  Wort  hat 
mit  dem  Hauptworte  Meffing  nichts  als  den  gemeinschaftlichen 
Ursprung  gemein.  Es  stammet,  so  wie  dieses,  unmittelbar  von 
mifchen  ab,  und  bedeutet  eine  vermischte  Sprache,  welche  man  in 
Oberdeutschland  Mengelfprache  und  Mengfprache,  im  Ital.  aber 
Mefcolanza  und  Mefcuglio  nennet.'* 

So  gut  wie  Adelungs  Herleitnng  des  Wortes  Messing  aus  dem 
Zeitworte  mischen,  werden  wir  seine  Etymologie  des  Ausdruckes 
Messingisch  aufgeben  müssen.  Adelungs  Artikel  ist  offenbar  auch 
in  seinen  tatsächlichen  Angaben  unter  dem  Einflüsse  dieser  Etymologie 
abgefasst.  Aber  es  bleibt  Adelung  das  Verdienst,  den  volksmässigen 
Ausdruck  zuerst  in  seinem  Wörterbuche  verzeichnet  und  eine  Etymologie 
versucht  zu  haben. 

Nacbtrag  (Korrektamote).  Die  hier  dargelegte  Auffassung  des  Wortes 
Missingsch  hege  ich  seit  einer  Reihe  von  Jahren.  Sie  liegt  so  nahe,  dass  von 
vornherein  anxunehmen  war,  sie  sei  schon  von  andern  vorgebracht.  Aber  es  gelang 
mir  nicht,  eine  Stelle  zu  finden,  wo  sie  ausgesprochen  war.  In  allen  mir  zugäng- 
lichen Wörterbüchern,  z.  B.  noch  in  der  letzten  Auflage  von  Kluges  Etym.  Wörter- 
buche vom  J.  1910,  stiesB  ich  immer  nur  wieder  auf  die  hergebrachte  Ableitung 
aus  dem  Worte  Messing.  Erst  jetzt,  nach  dem  Eintreffen  der  Korrektur,  werde 
ich  durch  die  Anführung  bei  Mentz  in  der  Zeitachr.  f.  deutsche  Mundarten,  Jhg. 
1910,  S.  85,  auf  den  Aufsatz  'Missingisch'  von  Karl  Scheffler  in  der  Zeitschr.  des 
Allgem.  Dt.  Sprachvereins,  Jhg.  1906,  Sp  45 — 47,  aufmerksam,  wo  die  Qleich- 
setzung  der  Ausdrücke  missingsch  und  hochd.  meissnisch  mit  überzeugenden  Gründen 
befürwortet  ist.  Scheffler  gibt  auch  an,  dass  diese  Deutung  anscheinend  zuerst 
von  Jänicke  in  einer  Besprechung  des  Weigandschen  Wörterbuches  (Zeitschr.  f.  d. 
Gymnasial wesen  1871,  S.  765)  aufgestellt  ist,  und  dass  sich  ihr  Andresen  (Deutsche 
Volksetymologie,  S.  266)  und  Sandvoss  (Preuss.  Jahrbücher  1897,  S.  535)  ange- 
schlossen haben.  Ich  hätte  darnach  am  liebsten  meinen  Aufsatz  umgearbeitet  oder 
durch  einen  andern  Beitrag  zu  dieser  Festschrift  ersetzt ;  aber  dazu  war  keine  Zeit 
mehr.  Vielleicht  können  meine  Ausführungen  wenigstens  dazu  beitragen,  dass 
diese  Auffassung  nicht  wieder  in  Vergessenheit  gerät.  Ausserdem  sei  der  Wunsch 
gestattet,  dass  es  unserm  Jubilar  gefallen  möge,  etwaige  weitere  ihm  zugängliche 
Belege  für  mnd.  missensch  i^  der  Bedeutung  'hochdeutsch'  mitzuteilen.  Einst- 
weilen findet  sich  missinges(ch)  im  Mittelniederd.  Handwörterbuch  nur  als  Adjektiv 
zu  missink  m.  'Messing'. 

BALTIMORE,  Hermann  CoUitz. 

Johns  Hopkins  üniversity. 


ITMigabe  (Kd.  Jb.  XXXYII). 


114 


Niederdeutsehe  Kleinigkeiten  aus  dem 
Göttinger  Cod.  jurid.  736. 


Mit  einer  Untersuchung  der  niederdeutschen  Elemente  in  der 
Jenaer  Liederhandschrift,  die  ich  für  diese  Festschrift  geplant  hatte, 
bin  ich  nicht  fertig  geworden.  Aber  im  Kreise  der  Glückwünschendeu 
möchte  ich  nicht  fehlen.  So  sei  es  mir  gestattet,  hier  ein  paar  alte 
Blätter  darzubringen,  Abschriften  niederdeutscher  Kleinigkeiten  aus 
meinen  Göttinger  Tagen. 

Ist  der  mittelniederdeutschen  Dichtung  ein  originales  Werk 
grossen  Stils  nicht  beschieden  gewesen,  so  ist  die  Kleinkunst,  die 
mit  guter  Laune  und  gutem  Rat  das  Alltagsleben  umkränzt,  um  so 
üpi)iger  gediehen.  Die  akademische  Handschrifteninventarisation 
liefert  ununterbrochen  neue  Belege  für  die  Beflissenheit,  mit  der 
niederdeutsche  Schreiber  ihre  Versehen,  Sprüche  und  Scherze  am 
Bande,  im  Texte,  auf  Vor-  und  Zusatzblättern  ausschütteten,  weit 
regelmässiger  und  reicher  als  wir  das  in  hochdeutschen  Handschriften 
gewöhnt  sind. 

Von  dieser  Neigung  zeugt  nun  auch  jene  juristische  Handschrift 
Cod.  Gott,  jurid.  736,  die,  grösstenteils  in  der  zweiten  Hälft«  des 
16.  Jahrhunderts,  von  Bl.  216  an  sogar  erst  im  17.  geschrieben, 
hauptsächlich  friesische  Rechtsquellen  enthält:  die  5  Eide,  die  17 
Küren,  das  ostfriesische  Landrecht,  das  Deich-  und  Sielrecht.  Aber 
daneben  füllt  sie  eine  Reihe  von  (meist  zweispaltigen)  Vor-  und  Zusatz- 
blättern mit  lateinischen  Sprüchen  theologischen  und  astronomischen 
Inhalts,  mit  Epitaphien  und  Fabeln,  mit  Zahlen-  und  Masstabellen, 
Kaiendarien,  Recepten,  geographischen,  medizinischen,  statistischen 
und  geschichtlichen  Notizen  in  reicher  Fülle  (vgl.  Wilh.  Meyer,  Die 
Handschriften  in  Göttingen  I  484).  In  diesen  Miscellen  aller  Art 
stecken  nun  die  unten  mitgeteilten  Verschen,  z.  T.  Verdeutschungen 
vorangegangener  lateinischer  Sprüche. 

Nicht  Alles  ist  unbekannt:  die  Reimsprüche  VI  4 — 6  stehn 
schon  im  Rimbökelin  S.  s8.  58.  63  des  Seelmannschen  Neudruckes, 
und  das  geschichtliche  Verschen  V  hat  Liliencron  aus  des  Eggerik 
Beninga  ostfriesischer  Chronik  als  Nr.  98  unter  seine  Historischen 
Volkslieder  (I  451)  aufgenommen  und  historisch  erklärt. 

Die  andern  Stückchen  kann  ich  sonst  nicht  nachweisen.  Das 
geistliche  Lied  III  und  das  deutsch-lateinische  Ströphchen  IV  zeigen 
in  der  Handschrift  Noten.     Formales  Interesse  bietet  die  Tirade  VI:?, 


115 

deren  nach  niederdeutscher  Art  sehr  silbenreiche  Zeilen  mit  Ausnahme 
des  Schlusspaares  den  gleichen  Reim  durchfuhren:  das  Thema  von 
dem  Lehrer,  der  den  rechten  Weg  weiss,  aber  selbst  nicht  geht,  war 
dem  Mittelalter  ja  sehr  geläufig.  Die  Prophezeiung  n  verrät 
streckenweise  die  niederdeutsche  Vorliebe  für  die  Priamelform,  die 
VI  1  auch  in  einem  reinen  Beispiel  vertreten  ist.  Anfang  und  Schluss 
der  Reihe  bilden  Übertragungen  aus  dem  Lateinischen ;  die  originalen 
niederdeutschen  Kalenderverse  pflegen  lebensvoller  zu  sein  als  die 
Öde  Copie  Nr.  VIL 

Ausser  den  Versen  wurde  schliesslich  ein  Prosastück  als  Nr.  VIII 
mitgeteilt:  die  Fabel,  die  sonst  vom  Schosshund  und  vom  Esel  erzählt 
wird,  führt  hier  statt  des  Hündchens  den  Aflfen  ein  und  wird  weiter 
durch  eine  parallele  Menschenfabel,  wie  Lessing  sie  liebte,  und  einige 
allgemeine  Sätze  zu  einem  weltlichen  Tractat  über  Undankbarkeit 
erweitert. 

Interpunktion  und  Majuskelgebrauch  wurden  in  üblicher  Weise 
geregelt,  die  Abbreviaturen  sind  (bis  auf  einige  nicht  zweifelfreie  it) 
aufgelöst;  im  Übrigen  ist  der  Abdruck  buchstabengetreu. 

I. 

[Fol.  P*]  Sic  martyrum  cruore  purgatorium  ignem  sacrifici  suffocant. 
satis  incruentas  obtulerunt  hostias,  missam  cruentatn  proferunt 

So  wtlesschen  de  papenn  des  vegeuuyrs  gloeth 

Mit  der  gtuygen  Christi  bloet. 

Eere  offer  is  lange  vnbloedig  gewest, 

De  blodige  missa  is  em  idtz  d^t  beest. 

II. 

[Fol.  IV'»>]  1)  Nota. 

Daer  ist  gepropheteert  atier  120  ja{er'\ 
Vann  dat  60.  iaer,  ick  segget  verwa[er]. 
We  dan  beuunden  werth  inden  leuen[n], 
De  wert  eruaren,  wat  daer  van  is  geschre{tien] 
Van  grusame  teken,  van  Godt  togel[aten], 
Vmme  de  grote  sunde,  de  wy  nigt  unllen  l[ate7i]. 
We  int  64.  65.  iaer  nigth  verdertiet 
Vmid  int  66.  67.  iaer  nigth  staruet, 
Vnnd  int  68.  69.  iaer  nigt  wert  erslalßen], 
De  ivurth  daer  ?iha  groet  wunder  nasag({n\ 
Oeck  offte  dusse  prophetie  sy  tvaer  vnnd  reg[t], 
Wes  der  tverldt  {eere  sunde  haluen)  is  vpg\elegt\ 
Daer  nha  werden  kamen  gude  iaren  vnnd  tyd[eyi\. 
Oeuerst  weynig  werdest  sig  daer  van  verbUyden]. 
Godt  sy  vnns  gnedig  vnnd  barmherti\g\ 

AMEN. 

1)  Das  Blatt  ist  stark  beschnitten,  so  dass  die  Versschlüsse  zum  Teil  ergänzt 
werden  mussten.. 

8* 


HC 


ni. 

[Fol.  VI^]     Ben  christlig  vnnd  geestlig  dansleytkenn. 


1.  Nu  laeth  vnns  froelig  singen 
Vann  vnser  salicheytj 

Inn  Gades  hties  soelen  wy  sprin- 
gen, 

Dat  Christus  hefft  bereyt, 
All  hyr  ßo  motenn  wy  lydenn 
Vnnd  stryden  int  iamerdael, 
Als  wy  tho  Jiemmel  kamen, 
Szo  isset  vergetenn  all, 

2.  Nu  laeth  vns  nigth  vertzagen, 
Men  froelig  treden  ann, 

Vph  Godes  woert  vnllen  tvy  idt 

wagenn, 
He  werth  vns  wol  hystaen 
Allhyrßofliotenn  uylydefi^) . . . 

3.  Nu  laeth  vns  froude  makenn, 
Verbliden^)  in  dein  heren, 
Christi   lydenn  soelen  wy    sma- 

kenn 
Vnnd  doen  nha  syne  lere 
AI  hyr  ßo  . , , 

4.  Watt  willenn  wy  tneer  hegeren, 
Dan  kynder  Godes  to  synn. 
Wat  sulde  vnns  moegen  verueren 
Mit  drouwen  rnnd  oeck  myt  pynn. 

All  ... 

5.  Vnnse  heylandt  hefft  geledenn^) 
Vnnd  nümant  wederstaen, 

Wy  soelen  wesenn  to  fredenn, 
Vntfangen  dat  eun/ge  loenn, 
AI  hyr  ßo  moten  wy  , . . 


6,  Vnse  heylandt  hefft  gespraken^ 
Dat  lamkenn  weset  ghelyck, 
Vnnd  geuet  my  de  wrake, 
Jw  is  breit  myn  ryck. 

All  hyr  , . . 

7,  Vnnse  heylandt  is  gesturuen 
Vnschuldig  ann  dat  holdt, 
Syn  ryck  hefft  he  vtins  erwuriu-n, 
Weele  edeler  als  suluer  vn  nd  goldt. 

AI  hyr  ßo  motenn  tvy  . .. 

8,  Vnse  heylandt  de  werth  kamen 
In  eener  korter  tyt, 

Vnns  rigtenn  alle  tosametin, 
Hyr  vmtne  weset  verblyt. 
All  ... 

9,  De  hemmeise  bruydegam  is  bereit, 
Synn  brueth  leefflig  vntfangenn, 
Daer  rmme  hefft  ds  soenn  ge- 

ledenn  leydt 
Nha    des  ,hiüigenn    geests   rer- 

langenn. 
AI  hyr  ßo  motenn  wy  lydenn 
Vnnd  strydenn  int  idmerdaef, 
Als 

10,  Nu  ptyseth  Godt  almegtig. 
He  is  vnnse  vader  gueth, 

He  helpet  de  syne  waeragtich, 
Hyr  vmme  hebbet  guden  moeth. 
AI  hyr  ßo  motenn  wy  lydenn 
Vnnd  schrydenn  intiämerdüeJ. 
Als  wy  tom  hemmel  kamen. 
So  isset  ver[getenn  all]. 


[Fol.  202'] 


IV. 

De  alle  synn  leyth  wil  wrekenn 

manu  bellatoria, 
Simpsons  magth  moeth  he  tobreken, 

nee  erit  victoria, 
Lyt  rnnd  lere  dy  suluen  brekenn, 

sie  vinces  cum  gloria, 

Allehiia. 


>)  Der  RefraiD  ist  Iq  der  Regel  nur  bis  zum  Schluss  der  Spaltenzeile  aus- 
geschrieben ;  daher  die  Ungleichheit  der  verschiedenen  Strophen.  *;  Ha.  Verbbiden. 
^)  Dahinter  durchstrichen :  vnschuldig  ann  d,  aus  Str.  7  hierher  Yoraus  genommen. 


117 

Daneben  am  Rande:    So  starck  moet  h[€]  tvesenn,  nog  we{rt]  dat 
nigih  helpe[nn]. 

V. 
[Fol.  210^]  Anno  1433  hegunde  de  Hamhorger  feyde,  vnnd  duyrede 

to  53,  jaer. 
Item  int  iaer  do  men  schreeff 
Dusent  453  in  mennigen  breeff, 
Do  schagt  vp  samt  Magnus  dach, 
Dat  men  de  Hamborgers  voer  Oesterhusen  sack. 
Dat  wurde  heer  Syho  balde  waer 
Vnnd  dreef  de  Hamborgers  van  daer 
Mit  voele  scharpe  pylenn, 
Des  makedenn  ße  körte  mylenn. 

VI. 

(Fol.  213^»J  1. 

Eenen  vetten  beginen  pater, 
Eenen  groten  fißkers  kater, 
Eenen  schoenen  mullers  hane, 
Eenen  fursten  vnnd  heren  krane,^) 
Eenen  starketi  knakenhouwers  hunt, 
De  wulden  tvol,  dat  de  wei'lt  aldus  eewig  stunt. 


Eeti  handt,  de  by  dem  wege  steyt, 
Den  weg  wiset  vnnd  nigt  geyt, 
Also  is  de  lerer  de  der  leert  vnnd  nicht  ena 
Syn  lere  voer  Gade  nigt  besteyt^ 
He  sogt  syn  bueck  vnnd  nigt  de  geregtigheit. 
Dar  vmme  is  heer  Omnes^)  geneget  to  aller  boesheyt. 
De  Seggen  van  eere  eegensoekicheyt, 
De  nu  by  volen  wasset  und  upsteyt, 
Christus  heft  uns  een  ander  weg  bereit 
Vnnd  verbadenn  alle  eegensoekicheit, 
Vnße  arme  broeder  helpen  in  syne  eelendicheit, 
De  wert  gekronet  in  eewicheyt, 
Se  wysenn  wol  den  weg  vnnd  waerheyt. 
Seetj  ofte  he  den  oeck  wandert  vn  in  geyt, 
Synen  negesten  to  helpen  in  syne  elendicheyt, 
Tis  anders  vergeefs  vnnd  verloren  arbeyt. 

Dit  is  een  kmippel  gewurpen   rmler  alle  man. 
We  nigt  schuldig  is,  de  trecktem  yiigth  ann. 


^)  Ist  der  Kranich  seines  stolzen  Ganges  wegen  zum  Vogel  der  Fürsten  und 
Herren  gemacht?  Oder  liegt  ein  Wortspiel  von  krön  und  kröne  vor?  Dass  die 
Müllershenne  keine  Hungersnot  leidet  und  dass  die  Katzen  gerne  Fische  fressen, 
erzählt  das  Sprichwort.     ';  Vgl.  Kimbökelin  638. 


118 

3. 
ÄUe  liter  pnnd  vernuft,  wyße,  hogetnoet 
Stellen  sick  nha  groet  gelt  vnnd  goet. 
De  wile  se  dan  dat  doenn  verweruen, 
So  werden  ße  kranck  vnnd  staruen. 
Daer  mit  is  verlaren  de  eedele  tyt, 
Vnnd  is  dan  nog  geuninnen  gaer  nigt. 

4. 
Ick  quam  gaen  in  een  fremth  lannt, 
Daer  stunt  geschreuen  ann  der  toant: 
Wes  ick  nigth  beterenn  künde, 
Schulde  ick  latenn,  we  ick  dat  funde. 

5. 
Een  godtfrugtig  vnnd  wysen  raeth, 
Voele  christlige  borger  in  eener  stath 
De  stercsten  muyren  vnnd  wallen  sinth, 
Nergen  nene  beter  ick  finth, 

6. 
Wilde  swine,  baren  mmd  louwenn, 
De  kann  men  temmen  vnnd  clouwen. 
Ick  sack  ne  ßo  ivys  eenn  mann, 
De  een  boes  wyff  temmen  kann; 
Daer  helpen  nog  siege  nog  kyuen; 
Wat  in  eer  is,  dat  wil  wol  bliuenn. 

[Fol.  215^]  VII. 

Annas  partitur  in  hebdomadas  vt  sequitur. 

Sex  sunt  ad  Puri,  bis  sex  sunt  vsque  Philippi, 
Ad  Jocobi  totidetn,  nouem  sunt  ad  Michaeüm, 
Sex  ad  Martini,  sex  ad  natalia  Christi; 
Adde  dies  octö,  totus  complebitur  annus. 

Ses  weke  sinth  to  Lechtmissenn  dag, 
Twe  mael  ses  sinnenn  to  Meydach, 
Tho  sanct  Jacob  sinnen  oeck  ßo  voel, 
Negenn  sinnenn  to  sanct  Michael, 
Tho  sanct  Matin  sinnemi  oeck  ßes, 
Ses  si7itienn  oeck  tho  Christsmis, 
Oeck  sinth  agte  dage  tho  Neyjaere, 
Dat  sinth  twe  vnnd  vifftig  weke  verwaer. 

Die  oben  genannten  Termine  sind:  2.  Febr.  (Purificatio  Mariae, 
Lichtmesse),  1.  Mai  (Meydach,  Festus  Philippi  et  Jacobi  ap.),  25.  Juli 
(Jacobi),  21).  Sept.  (Michaelis),   IL  Nov.  (Martini). 


119 

[Fol.  214'»]  VIII. 

De  here  hadde  eenen  appenn  vrincf^)  eenen  eesel,  de  ape  sprunck 
ds  herenn  vpt  hoeuet  vnnd  vtnme  den  hals,  vnnd  alle  wes  de  ape  syneni 
heren  dede,  getvil  dem  heren  woL  Vnnd  de  here  hadde  stro  in  synen 
schoenn,  dat  sag  de  eesel,  vnnd  wulde  sijnem  heren  eenenn  definst  doefin, 
i^nnd  toeg  etn  dat  sthro  wthen  schoenn,  des  sick  de  here  seere  schetnede, 
der  anderen  de  by  em  stundenn,  vnnd  sloeg  den  eezel  mit  stockenn,  voer 
syne  wolduet.  Alßo  isset  nog,  mennig  do  wes  he  wil,  kan  nog  neen 
dannck  verdeneiln,  vnnd  eilige  anderen  wurden  alle  boese  nucke  vnnd 
houerei^  voer  gueth  geholden.  So  dede  de  keyser  Dionisius,  de  heeth 
den  besten  harpenspeler  voer  sick  bringenn,  den  he  becamen  künde,  vmvd 
sprack:  'Sla  fluck  vph,  de  beste  dattu  kannst,  tja  beter  du  speiest,  ia 
meer  Ihoen  du  vntfangen  wursf.  Do  he  nu  wol  gespelet  hadde,  begeerde 
de  speelman  syn  Ihoeiln,  Do  sprack  de  keyser:  'Jck  hebbe  dy  dyn  Ihoen 
ghegeuen\  He  sprack:  ^Neen,  jck  hebbe  nigts  vntfangen'.  De  keyser 
sprack.  'Ya,  du  hefst  dyn  Ihoen  weg,  jck  hebbe  dy  wollust  ghegeuen 
voer  wollusth,  wente  als  du  my  verlustiget  hefst  mit  dynem  spelenn,  so 
hebbe  ick  dy  wedder  vorlustiget  mitter  hapinge  der  betalinge,  vnnd  myne 
lustige,  froelige  danzenn  vnnd  sprunge\ 

Alße  beghift  sick  nog  mit  voelenn,  jst  der  haluenn  een  oldth 
sprickwoert:  'He  is  nigth  guder  aerth,  de  nigt  gedencket  ann  bewesene 
wolldaeth'.  De  vndanckber  werldt  spreckt  durch  vnuerstanndt :  'Do  my 
gueth^  jck  do  dy  quaet;  help  my  vph,  jck  schuue  dy  nedder;  eere  my, 
ick  sehende  dy  wedder^. 

De  geloeuige  doen  nigth  allenigen  den  guden  vnnd  frenden  gueth 
vnnd  leeffte,  sunder  oeck  denn  feyanden  kundenn  ße  dat  to  gude  vnnd 
danncke  (tvth  grundt  eeres  herteti)  anyihetnenn  .  .  . 

WESTEND.  Roethe. 


^)  zweimal  geschrieben. 


120 


Mittelniederdeutsche  Fischereiansdrücke. 


Auf  der  niederdeutschen  Vereinstagung  zu  Pfingsten  1882  in 
Hannover  klagte  Lübben,  der  1881  das  grosse  mittelniederdeutsche 
Wörterbuch  abgeschlossen  und  wenig  später  seine  mittelniederdeutsche 
Grammatik  vollendet  hatte,  dass  ihm  eine  neue  wissenschaftliche 
Aufgabe  fehle.  Sie  sei  ihm  Bedürfnis,  da  er  an  tägliche  Arbeit 
gewöhnt  sei.  Eine  niederdeutsche  Litteraturgeschichte  wollte  er  nicht 
schreiben,  weil  er  glaubte  und  wünschte,  dass  ich  selbst  eine  solche 
verfassen  würde.  Ich  sagte  ihm:  ^ Seien  Sie  doch  Ihr  eigener  Lexer ! 
Warum  wollen  Sie  nicht  mit  Hilfe  Ihres  grossen  Wörterbuches  ein 
kleineres  herstellen?"  Der  Gedanke  gefiel  ihm  und  dem  anwesenden 
Verleger.  Schon  am  nächsten  Tage  sagte  mir  dieser,  dass  Lübben 
die  Herstellung  eines  Handwörterbuches  übernommen  habe. 

Es  war  ihm  nur  vergönnt,  die  erste  Hälfte  zu  vollenden,  als 
der  Tod  ihn  abrief.  Die  Fortsetzung  des  Werkes  wurde  in  die  Hand 
Christoph  Walthers  gelegt.  Es  konnte  keine  bessere  Wahl  getroflfen 
werden.  Liebe  für  die  Sprache,  deren  Wortschatz  er  verzeichnete, 
verband  sich  mit  einer  vertrauten  Kenntnis  der  alten  und  neuen 
Mundart,  mit  grammatischer  Schulung  und  mit  vorsichtiger  Methode. 
Durch  ergiebige  eigene  Sammlung  konnte  er  Lübbens  Material  er- 
heblich vermehren.  Das  Handlexikon  bietet  keine  Belege.  Im  übrigen 
ist  es  in  jeder  Beziehung  besser,  d.  h.  vollständiger,  in  den  Wort- 
ansetzungen  genauer  und  in  den  Erklärungen  oft  richtiger  als  das 
grundlegende  grosse  Wörterbuch.  Noch  mehr  als  von  der  von  Lübben 
verfassten  ersten  Hälfte  gilt  das  von  der  durch  Walther  mit  aller 
Sorgfalt  bearbeiteten  zweiten  Hälfte. 

Das  mnd.  Handwörterbuch  ist  das  unentbehrliche  Hilfsmittel  der 
niederdeutschen  Philologie  geworden.  Es  ist  nicht  nur  in  eines  jeden 
Hand,  den  mnd.  Dichtungen,  Geschichts-  und  Rechtsquellen  beschäftigen, 
es  hat  auch  wesentlich  zum  Aufblühen  der  den  lebenden  Mundarten 
Niederdeutschlands  zugewandten  Forschung  beigetragen.  Aus  ihm 
holt  sich  jeder  Rat  über  die  alte  Sprachform  der  heutigen  Wörter. 

Die  alte  und  die  neue  Mundart  beleuchten  sich  gegenseitig.  Die 
Vergleichung  ihrer  beider  Wortformen  und  Wortbedeutungen  wird 
manches  Rätsel  der  mnd.  Lexikographie  lösen  helfen.  Die  nach- 
folgenden zu  diesem  Zwecke  angestellten  Erörterungen  werden,  hofl'e 
ich,  einige  Beiträge  zur  Ergänzung  und  Verbesserung  für  die  nötig 
gewordene  zweite  Auflage  des  Handwörterbuches  bieten.  Sie  betreflfen 
sämtlich  märkische  in  den  Urkunden^)  überlieferte  Fischereiansdrücke. 

1)  Ein  Verzeichnis  bietet  v.  Buchwald,  Begesten  aus  den  Fischerei-Urkunden 
der  Mark  Brandenburg.    Berlin  1908. 


121 

Von  den  falschen  Worterklärungen  des  Mnd.  Wörterbuches, 
die  ich  zu  berichtigen  habe,  ist  von  Schiller  und  Lübben  ein  Teil 
dem  bekannten  teutsch-lateinischen  Wörterbuche  Job.  Beruh.  Frischs 
entnommen.  Mir  fällt  nicht  ein  die  historische  Bedeutung  dieses 
überaus  fleissigen  und  in  seiner  Weise  sorgsamen,  für  seine  Zeit 
wertvollen  Werkes  zu  läugnen.  Aber  nach  den  Erfahrungen,  welche 
ich  jetzt  und  bei  früheren  Gelegenheiten  gemacht  habe,  muss  ich 
warnen,  ihm  noch  jetzt  irgend  welche  Autorität  zuzuerkennen  und 
seine  Angaben  ungeprüft  zu  übernehmen,  wie  das  so  oft  und  besonders 
auch  im  Grimmschen  Wörterbuche  geschehen  ist.  Wir  wissen,  dass 
Frisch  die  Absicht  gehabt  hat,  ein  märkisches  Idiotikon  herauszu- 
geben.i)  Das  Vorurteil  schien  deshalb  berechtigt,  dass  Frischs  Wort- 
erklärungen einer  umfassenden  und  gründlichen  Kenntnis  der  Sprache 
seiner  Zeit  entstammen.  Das  Gegenteil  ist  richtig.  Er  hätte  in 
vielen  Fällen  nur  auf  den  Markt  gehen  und  die  Verkäufer,  oder  auch 
seine  eigenen  Schüler  zu  befragen  brauchen,  um  über  die  Bedeutungen 
der  ihm  aus  gedruckten  Urkunden  und  Büchern  bekannt  gewordenen 
Wörter  gut  unterrichtet  zu  werden.  Statt  dessen  verfuhr  er  ebenso, 
wie  er  es  bei  der  Erklärung  von  Worten  von  Schriftstellern  des 
Altertums  gewohnt  war.  Er  suchte  den  Sinn  aus  dem  Zusammen- 
hange zu  erraten,  selbst  dann,  wenn  er  nur  einen  oder  nur  einige 
Belege  zur  Verfügung  hatte.  Den  Beweis  für  mein  Urteil  erbringt, 
was  ich  zu  den  ersten  beiden  hier  erörterten  Worten  angeführt  habe. 
Bei  den  übrigen  habe  ich  es  für  überflüssig  gehalten  ihn  zu  erwähnen 
und  zu  widerlegen. 

älrep  n.  Aalschnur  (lange  Nachtangel  für  Aale). 

Das  äh'ep  wird  im  Hwb.  S.  12  als  Aalreuse  erklärt.  Diese  Deatnng  geht 
auf  Frisch  zurück,  bei  dem  es  S.  Ib  heisst:  Aalrepp  oder  Aalreff,  eine  Beuse, 
Aalen  xu  fangen.  Dass  das  Aalrep  keine  Rense,  sondern  ein  Seil  (mit  Angel- 
haken) war,  zeigt  die  lateinische  Übersetzung  funem  angnillarum  quem  alrepe 
nominarmLS  in  einer  Urkunde  von  1292,  Mekl.  Urk.-Buch  1,  S.  194.  Jetzt  ist 
anstatt  Aalrep  die  Benennung  Aalschnur  üblich.  Sie  besteht  in  einer  bis  c. 
500  Meter  langen  Leine,  an  welcher  in  Zwischenräumen  yon  je  einem  Klafter 
einzelne  armlange  Schnüre  mit  Angelhaken  angebracht  sind.  Den  ältesten  Beleg 
des  Wortes  älrep  bietet  die  bei  Riedel,  Cod.  dipl.  Brandeb.  I,  Bd.  8,  S.  116  f. 
abgedruckte  Urkunde  y.  J.  1187,  welche  eine  ganze  Anzahl  alter  niederdeutscher 
Benennungen  für  Fischereifanggeräte  enthält.  In  derselben  wird  von  Markgraf 
Otto  IL  dem  Domkapitel  zu  Brandenburg  die  Fischereigerechtigkeit  auf  einem 
Teile  der  Havel  mit  der  Bestimmung  übereignet,  dass  ohne  seinen  Willen  nullus 
in  ea  cum  puvert  lamme  alrep  hevekorven  rusestellen  esekorven  klevenetten 
vloken  ..  debeat  piscare.  Spätere  Belege  sind  in  den  mnd.  Urkunden  von  1389 
bei  Riedel  I,  7,  361  nr.  380  und  1399  ibid.  8,  349  nr.  67. 


*)  Vgl.  L.  H.  Fischer  im  ^Archiv  der  Brandenburgia'  Bd.  2  (1896)  S.  XXIII, 
XXYI,  60  ff.  Gerade  den  Fischerei- Ausdrücken  hat  Frisch  besondere  Aufmerk- 
samkeit zugewandt. 


122 

älvlote   f.    Äalpuppe    (schwimmendes   Binsenbündel    mit   anhängender 
Angelschnur). 

Lübben  Hwb.  S.  13  verzeicbDet  ^äl-vlei  Aalspiess  (=  ///-  elger,  fuseind).' 
Er  bat  Wort  and  Erklärung  Friscbs  nnd  Kosegartens  Wörterbüchern  eotnommec. 
Letzter  sagt  S.  180  ^älvlöte,  der  Aalstecber,  mit  welchem  der  Fischer  die  Aale 
sticht;  in  einer  Urkunde  mit  aelvlöteti  visdien  edder  werpen\  Frisch  Bd.  l  S.  1. 
Dies  Wort  gehört  wohl  za  vUt  Fiiete,  Aderlasseisen  . . .  elger^  m.  Aaalspeer  .  . ; 
wangeroisch  etc.''  Kosegarten  ist  wieder  abhängig  von  Frisch,  der  8.  1  *  die 
Stelle  aus  der  Urkunde  von  Himmelpforten  beibringt  und  zur  Erklärung  auf 
Flute,  Flete  'ein  Aderlass-Eisen'  (S.  278)  verweist.  Dieses  fleie  haben  dann 
Schiller- Lübben  1,  S.  65  als  ähUt  mit  beigefügtem  '(?)'  angesetzt,  erst  im  Hwb. 
fehlt  das  Fragezeichen.  Frisch  hat  sich,  durch  werpen  verführt,  sehr  geirrt. 
Wort,  Redensart  und  Bedeutung  sind  heute  noch  in  der  Mark  allbekannt.  In 
der  e  statt  ö  durchführenden  Mundart  des  Teltow  sagt  man  Aalflete  schmiten 
für  Aalangeln  legen  (v.  Schulenburg,  Fesuchrift  v.  J.  1903  des  Fischerei  Vereins 
für  die  Prov.  Brandenburg  S.  50),  in  der  Ükermark  Aalflöt,  im  Niederbarnim 
Aalflöte,  gesprochen  öHfl^Ho.  Letztere  Form  beweist  (Nd.  Jahrb.  34  S.  10  §  22), 
dass  im  Mnd.  tonlanges  o  anzusetzen  ist,  also  flöte  =  flöte  'Floss'  ist,  langes 
6^  würde  unverändert  geblieben,  o^  aber  flüHd  ergeben  haben.  Die  Bedeutung 
ist  die  des  hochdeutschen  Wortes  Aaljmjype. 

bistellen  n.  die  Setzung  von  Stellnetzen  neben  grosse  Zugnetze. 

Belege:  dy  vom  Posyn  unde  Cxudam  scholen  uven  sodane  vnsch&rie 
cUse  sy  van  older  geuvet  hebben  tippe  dy  vorbenumpde  tvatere,  uthgenamen 
flakeri  unde  by stellen  by  dal  gi'oie  garne,  (Brandenburg  1444)  Riedel  Cod.  I  9 
S.  161.  —  Schelinge  .  .  in  vmtyden  i.s  gewest  umme  etlicJie  viscJierye  fiem- 
liJcen  flaken,  byskllen  vnd  chvenetten  to  stellen  .  .  .  mit  flaketi,  bysteUen, 
clevenetten  umle  alle  amlere  vischerie  (ebd.  1440)  ibid.  I,  9  S.  161.  —  flaekerie 
unde  bystelkn  yn  der  Oldenstadt  Brandenborgk  watere  (1452)  ibid.  I,  9  S.  176. 
—  Das  Hwb.  setzt  an  „bistel  (lerät  zum  Fischen;  eine  Art  Netz?*'  Das  bisteJJ^n 
wird  als  zum  Substantiv  gewordener  Infinitiv  aufzufassen  sein.  Das  Wort  bei- 
stellen plattd.  bistellen  ist  heute  noch  gebraucht.  „Das  Beistellen  wird  haupt- 
sächlich von  Kleinfiscbern  betrieben.  Dieselben  stellen  rechts  und  links  vom 
grossen  resp.  Sommergarn,  wenn  der  Grossfischer  damit  fischt.  Netten  und 
Poorten  aus  und  fangen  die  Fische,  welche  aus  dem  Netz  flüchten,  auf,  aber 
auch  die  kleinen  Fische,  welche  der  Grossfischer  ins  Wasser  wirft,  werden  damit 
gefangen."  (0.  Stargardt's  Beschreibung  der  im  Reg.-Bez.  Potsdam  vorkommenden 
Fischerei-Fanggeräte,  S.  46.) 

drachgarn  n.  eine  Art  Fischnetz  mittlerer  Grösse. 

Die  Stadt  Fürstenberg  versichert  dem  Kloster  Himmelpfort,  dass  in  den 
Klostergewässern  cmn  iribus  reiibus  qus  draehgam  dicuntur,  et  cum  minutis 
retibus  pohdmus  piscari,  et  de  quoiibet  reihe,  quod  ein  draehgam  dicitur, 
dedimus  VI  solidos  (1361)  Meckl.  Urk.-B.  15  S.  46.  —  Aus  dem  Zusammen- 
hange und  der  Bedeutuiig  'Traggarn'  läset  sich  nur  folgern,  dass  das  dradigarn 
nicht  zu  den  grössten  Netzen  gehörte. 

esekorf  m.  mit  Köder  versehener  Korb  zum  Fischen. 

Beleg  in  der  Urkunde  von  1187,  siehe  oben  bei  älrep.  Das  Wort  ist 
mir  nirgend  sonst  begegnet,  doch  sagte  mir  ein  märkischer  Grossfischer,  er  habe 


123 

irgendwo  gehört,  dass  es  ein  Korb  wftre,  in  den  KOder  getan  würde,  um 
Fische  oder  Krebse  anzulocken.  Diese  Erklärung  gewinnt  dadurch  an  Gewicht, 
weil  die  Wortform  damit  in  Einklang  zu  stehen  scheint.  Ein  in  jüngerer  Zeit 
entstandener  Umlaut  von  ä$-  *Aa8'  würde  ?•«-  ergeben,  ein  mittelalterlicher 
ergibt  aber  es-,  vgl.  kexd  *K&se\  plr-exl,  Diminutiv  von  pirds  'Regenwurm*. 
(Bei  der  Korrektur  empfange  Ich  von  Herrn  K.  Wilke  aus  Oderberg  die  Mit- 
teilung, dass  das  Wort  den  Fischern  längs  der  Oder  noch  bekannt  ist.) 

garnmeister  m.  herrschaftlich  bestellter  Fischmeister. 

Fehlt  im  Hwb.  —  Belege :  (Markgraf  Albrecht  ordnet  an)  dat  die  genante 
apt  und  edle  siene  nakamen  henfordt  allewege  einen  garnmeister  binnen  der 
Stadt  tko  Liehen  sollen  kebben  und  vorkopen,  doch  det  die  apt  tkovome  uth 
sine  hemfische  daruan  nehmen  mach  und  die  ander  fisch  schal  die  game- 
meister  alle  den  in  der  stadt  feile  hebben  und  vorkopen  (1462)  Riedel  Cod.  I,  9 
S.  86.  —  Ok  schal  des  provestes  (in  Brandenburg)  garnsmeiMer  sin  game  füre 
und  redeliken  holden,  aJse  dye  von  olden  tidsn  gefurt  sin  und  nicht  nyes  up- 
bringen  (1483)  ib.  9  S.  223.  —  In  späterer  Zeit  wurde  die  Bezeichnung  Garn- 
meister oder  Kabbemeister  auch  den  Pächtern  herrschaftlicher  (fürstlicher, 
städtischer  u.  a)  Gewässer  gegeben,  welche  mit  dem  grossen  oder  kleinen  Garn 
fischten. 

hake  m.  sehr  kleinmaschiger  Netzsack. 

Fehlt  dem  Hwb.  in  dieser  Bedeutung.  Beleg  Ok  schal  he  (der  Garn- 
meister des  brandenburgischen  Frohstes)  neyne  siinthaken  hinder  an  synen 
game  füren  (1483)  Riedel  Cod.  I,  9,  223.  —  Dasselbe  Wort  erscheint  in  der 
Fischerordnung  von  1574:  Die  Garneleute  sollen  Iceine  Ak&n  oder  Stinthacken 
an  die  Qarnesecke  hengen  M3'lius,  Corp.  IV,  2  S.  196.  —  Ferner  in  der  von 
1690:  Die  Qarneleute  sollen  keine  Aclcen-  oder  Stint-Flöcken  an  die  Mäteritxen 
hängen  d.  h.  die  Fischer  sollen  die  Meteritzen  (Netzsäcke  der  grossen  Zugnetze) 
nicht  durch  ganz  kleinmaschige  Netzsäcke,  in  denen  sich  die  kleinen  Fische 
fangen,  verlängern.  Die  Abwerfung  eines  anlautenden  ist  wie  die  Vor- 
setzung eines  falschen  h  eine  häufige  Erscheinung  in  Gebieten  mit  ursprünglich 
wendischer  Bevölkerung.  Aus  der  mundartlichen  Aussprache  von  Hake,  Ake, 
die  hq^ka  (Nd.  Jb.  34.  8  §  18)  lautet,  erklärt  sich  die  Schreibung  oice  in  der 
Fischerordnung  von  1574  (Mylius,  Corp.  const.  4,  2,  188)  Die  Qarneleute  sollen 
keine  Oken  ader  Stinthaken  an  die  Garnesecke  hengen.  Es  ist  mir  nicht  be- 
kannt, dass  hake  in  der  angegebeneu  Bedeutung  heute  noch  vorkommt.  Möglich 
ist  freilich,  dass  heutiges  Hakfisch  'Köderfisch*  sich  durch  sie  erklärt,  aber 
ebenso  möglich  ist,  dass  dieses  Wort  einen  Fisch  bedeutet,  der  für  den  Angel- 
haken bestimmt  ist.  Sicher  hängt  aber  mit  mnd.  hake  das  heutige  den  Fischern 
der  Mittelmark  bekannte  Wort  Hakel  {hö^kl)  zusammen,  *der  hinterste  eng- 
maschige Endteil  der  Säcke  der  Zngnetze'. 

hegewater  n.  Gewässer,  in  welchem  geschont  wird. 

Fehlt  im  Hwb.  —  Belege :  dye  seinigen  dnf  water  (Gewässer  bei  Branden- 
burg a/H.)  dat  sin  hegewatere^^unde  sollen  geheget  iver den  unde  mpnant  darup 
fischen,  ed  worde  detine  erlovel  von  dem,  de?t  dye  hegeivatcr  hären  . .  wurde 
over  iemant  darin  sich  vorgeten  und  die  selbigen  hegewater  fischen  und  dar- 
über betreden  wurde,  den  mag  man  darum  strafen  nha  sitiern  vwdifiste  (1483) 
Riedel  Cod.  I,  9  S.  222.  —  Wie  wol  Moser  (ein  See)  des  chsters  to  Lenin 
rechte  hegewate)'  von  oUlers  gewest  und  ock  noch  sye  (1516)  ib.  10,  361,  — 
vischen  up  dem  Wosmick,  dat  des  Heiligen  Geystes  eigen  hegewater  tu  gades- 
dinste  und  tu  almuscn  den  anneyi  voreygend  is  (1420)  ib.  I,  9  S.  112. 


124 

hevekorf  m.  Senkkorb  zum  Fischen.  ^ 

Der  älteste  Beleg  ist  hevekorven  in  der  oben  bei  älrep  citierten  Urkunde 
von  1187.  —  dy  horgher  der  Nienstad  Brandenborch  . .  hebben  unwanlike  floke 
und  stehen  hevekorve  und  maken  alsus  des  capiiiels  uxiter  umste  und  tu  ntchit 
(1412)  Kiedel  I,  9  8.  91.  —  die  fischer  uth  der  Niensiadt  Brandenborch  .. 
mögen  flaken  mit  unden  und  engen  netzen,  mit  balrusen  und  pufert  und  mit 
korven  unter  die  keven  to  stellen  (1483)  ib.  S.  222.  —  Spätere  hochdeutsche 
Belege  finden  sich  in  alten  Fischerordnungen :  Unter  die  Hefen  Körbe  zu  steilen 
(soll  erlaubt  sein.  1551)  Mylins  Corp.  const.  4,  2,  lb7.  —  Hefen-Körbe  zu 
stellen  oder  Oründlings-Beusen  von  Ho/z.    Fischerordnnng  yon  1690. 

Das  Hw.  erklärt  heve-korf  'eine  Art  Fischkorb,  -reuse'.  Es  liegt  allerdiugB 
nahe,  bei  einem  Korbe  znm  Fischen  an  eine  Beuse  zu  denken,  da  Korbgeflecht 
in  der  Fischerei  heute  gewöhnlich  nur  zu  Beasen  und  zu  einer  gewissen  Art  Fisch- 
kasten yerwendet  wird.  Anderes  kann  für  Ltlbbens  Erklärung  nicht  geltend 
gemacht  werden.  Heute  hat  man  freilich  in  der  Mark  keine  HebekOrbe  mehr, 
aber  wohl  kennt  man  noch  —  allerdings  nicht  in  der  Mark  —  Hebenetze,  das 
sind  Senknetze,  welche  mit  ihrem  BOgel  am  Ende  einer  Stange  hängen,  ohne 
oder  mit  Köder  in  das  Wasser  gelassen  werden  und,  wenn  man  Fische  oder 
Krebse  darin  sieht  oder  glaubt,  schnell  hoch  gezogen  werden.  Eine  grosse  Art 
Hebenetz  ist  z.  B.  das  Netz,  mit  welchem  an  dem  bekannten  Lachswehr  in 
Hameln  Lachse  eviporgehoben  werden,  welche  in  den  Bereich  des  wie  eine  grosse 
flache  Schale  geformten  Netzes  gelangt  sind.  In  ähnlicher  Weise  muss  man 
früher  Körbe  yerwendet  haben,  die  mittelst  einer  feststehenden  Hebeyorrichtnng, 
der  Heoe,  herabgelassen  und  gehoben  wurden.  In  Colerns^  oft  gedrucktem 
Haussbuch  (Bnch  IV,  Kap.  29;  Ausgabe  1613  S.  683)  heisst  es:  Eine  Habe  ist 
(in  Kurbrandenburg)  auch  eine  sonderlicfie  Fischerei  oder  Fisehstellung  (d.  h, 
feststehendes  Fanggerät,  ygl.  Vogelstellen)  darinnen  man  grosse  und  kleine  Netze 
stellet.  Hier  ist  Habe  Verhochdeutschung  yon  Heve,  und  die  Stelle  lehrt,  dass 
man  schon  zu  Colerus'  Zeit  begonnen  hatte,  die  Körbe  durch  Netze  zu  ersetzen. 

Mit  hevekorf  wurde  übrigens,  wie  die  oben  yei^zeichneten  Belege  folgern 
lassen,  sowohl  der  Korb  allein  (ygl.  unier  die  Hefen  Körbe  zu  stellen),  als  auch 
die  ganze,  Stange  mit  Bolle  nebst  Korb  umfassende  Vorrichtung  (ygl.  stehen 
hevekorve)  bezeichnet. 

Eine  dem  Hevekorf  gleiche  oder  ähnliche  Vorrichtung  finde  ich  bei 
^y.  Ehi^eukreutz,  Das  Ganze  der  Angelfischerei  5.  Aufl.  (1856)"  S.  182  beschrieben. 
„An  stillen,  tiefen  Stelleu  yersenkt  man  einen  Korb,  der  durch  drei  Stricke  an 
einer  Stange  so  befestigt  ist,  dass  er  beim  Anfziehen  seine  gerade  aufstehende 
Lage  behält.  In  den  Korb  legt  man  ein  Gemisch  yon  fetter  Erde,  yerschiedenen 
gequollenen  Getreidearten  . .  .  Wenn  man  den  Korb  des  Tages  2  bis  3  mal  . . 
aufzieht,  so  wird  man  sehr  oft  einen  ungewöhnlich  reichen  Fang  der  yerschieden- 
artigsten  Fische  darin  machen.  Von  einem  Lager  oder  sonst  einem  anderen  Schiffe, 
das  längere  Zeit  auf  einer  Stelle  liegen  bleiben  muss,  lässt  sich  ein  solcher  Fang 
sehr  leicht  und  am  besten  bewerkstelligen. '  Auf  der  nächsten  Seite  wird  anf 
eine  ähnliche  Vorrichtung  mit  Netz  hingewiesen. 

kanevisch  m.  eine  Abgabe  in  Fischen,  welche  die  hierzu  verpflichteten 
Fischer  für  jeden  benutzten  Kahn  zu  leisten  hatten." 

Beleg:  (Dem  Nonnenkloster  in  Friedland  wird  das  Becht  bestätigt  auf) 
ierciam  partem  plscium  in  Wrixna  qui  canevisch  vulgariter  appeUantur  (1300). 
Kiedel  Cod.  I,  12  s.  413.    Später  pflegte  diese  Abgabe  in  Geld  entrichtet  za  werden. 


125 

klevenette  n.  einwandiges  Netz,  in  dessen   Maschen  die  Fische  mit 
den  Kiemen  hängen  bleiben. 

Im  Hwb.  S.  176  ist  angesetzt  ^klevenet^  Netz,  das  mittelst  eines  schweren 
Gesenkes  beim  Zage  am  Boden  hinstreicht.*  Ferner  heisst  es  bei  Schiiler-Lübben 
Bd.  2  S  482  s.  v.  klevenet  zu  dem  in  einer  Belegstelle  sich  findenden  Worten 
twe  cleuenetten,  die  hye  hylanck  dem  rare  mag  stellen  „mnss  es  nicht  heissen 
elenenetten?'^  Das  ist  alles  von  Anfang  bis  zu  Ende  falsch  oder  nngenan. 
Erstens  heisst  das  Netz  klevenette^  zweitens  braucht  es  nicht  ein  am  Boden  hin- 
streichendes Zngnetz  zn  sein,  sondern  es  wird  nnd  wnrde  gewöhnlich  als  Steil- 
netz benutzt  und  nur  mitunter  durch  an  den  Enden  befestigte  Leinen  in  eine 
Art  Zugnetz  verwandelt,  drittens  ist  es  nicht  nötig,  a.  a.  0.  kienenette  zu  lesen. 
Das  Wort  klevenette,  ahd.  klevenezze,  nhd.  Klehenetx,  Klebnetz  ist  heute  noch 
gebräuchlich.  Früher  konnte  der  Name  allenfalls  jedes  Netz  bezeichnen,  in  dessen 
Maschen  die  Fische  oder  auch  VOgel  mit  den  Köpfen  kleben,  d.  h.  haften  bleiben. 
Gewöhnlich  und  beute  immer  wird  durch  Eleebnetz  oder  einfach  Nette,  wie  die 
märkischen  Fischer  es  heute  nennen,  ein  bis  60  Meter  lan3;es,  bis  3  Meter  hohes 
Stellnetz  bezeichnet.  Richtig  ist,  dass  wie  an  seinem  Oberrep  Binsenflotte,  so 
an  seinem  Unterrep  Bleistttckchen  angebracht  sind.  Beides  dient  dazu,  das  im 
Wasser  ausgestellte  Netz  in  senkrechter  Lage  zu  erhalten. 

kliekangel  f.  Nachtangel 

Der  im  Mnd.  Wtbch  gegebene  Beleg  stammt  aus  Berlin.  Mir  ist  das  Wort 
aus  der  lebenden  Sprache  nicht  bekannt.  Nach  Ernst  Friedel  (Girculare  des 
deutschen  Fischerei -Vereins  1881  Nr.  1  S.  103 — 106)  wird  als  Klickangel  von 
den  Fischern  der  Havel  und  Spree  eine  mit  Steinen  beschwerte  Nachtangel  (also 
ähnlich  oder  gleich  der  Aalschuur)  bezeichnet  .das  Herablassen  macht  ein  eigen- 
tOmliches  Geräusch,  welches  der  Fischer  mit  dem  Ausdruck  bezeichnet :  Der  Stein 
klickt."  Vgl.  auch  Eckstein,  Mitteilungen  d.  V.  f.  Heimatkunde,  Eberswalde  2 
(1907)  S.  1  ff. 

klippe  f.  in  der  Fischerei:  kleine  Wate,  Sommergarn. 

Fehlt  im  Hwb.  —  Beleg:  (so  helfen)  vortmehr  der  stadt  {Bernstein) 
watere  die  horgere  mit  kleinen  towe  fry  tlio  fischende  und  dat  tho  vormiedende 
mit  einen  klippentoge  sonder  den  gj'oten  Poltx;  wat  die  raht  und  de  siadt 
konen  geneien  mit  groten  game  edder  mit  klippen,  dat  hebhen  sie  mit  unllen 
und  volbort  (S.  1487)  Kiedel  I,  18  S.  90  nr.  48.  —  Die  Klippe  ist  unter  diesem 
Namen  noch  heute  in  der  Mark  Posen  und  Ostpreussen  bekannt.  Von  dem  ,  grossen 
Garn'*  unterscheidet  sie  sich  nur  durch  ihre  geringere  Qrösse,  so  dass  sie  von 
drei  Mann  bedient  werden  kann,  zwei  ziehen  sie  vom  Ufer  aus,  während  der 
dritte  neben  her  in  einem  Boote  fährt,  um  das  Netz,  wenn  es  irgendwo  hängen 
bleibt,  wieder  frei  zu  machen. 

kratberch  m.  Bodenerhebung  inmitten  eines  Sees,  auf  der  Kraut  bis 
aus  dem  Wasser  herauswächst. 

Das  Wort  Krantbm^g,  plattd.  Krudherg,  ist  noch  heute  den  märkischen 
Fischern  im  Teltow,  Barnim  und  Havellande  geläufig.  Einen  mnd.  Beleg  von 
1486  bei  Biedel  Cod.  I,  3,  305  nr.  23  (Der  Kurfttrst  von  Brandenburg  hat  die 
Havelberger  Fischer  privilegiert)  dat  en  an  den  Samen  und  an  den  Krutbergen, 
an  der  Havelen  und  an  allen  a'ndom  tren  gerechtigkeiden,  die  s^ie  liebben  an 
den  fischereien  . .  nimants  hinder.  —  Vgl.  ebd.  3,  397  das  sie  die  engheler 
czu  Havelberge  an  dy  same  u?id  an  die  Icrudberg  etc.  (1371). 


126 

lamme  f.  feinmaschiger  Hamen  zum  Fang  von  Köderfischen. 

Die  Lamme,  welche  weder  Schiller-Lttbben  noch  das  Hwb.  Terzeichnet. 
wird  in  der  oben  s.  v.  dlrep  citierten  Urkunde  von  1187  sowie  in  einer  die 
bezttglichen  Worte  wiederholenden  Urkunde  von  1320  (Biedel  Cod.  J,  8  S.  222 
genannt.  Ich  glaube  mich  zu  erinnern,  dem  Worte  noch  in  späteren  Urkanden 
begegnet  zu  sein,  kann  aber  jetzt  nur  zwei  mnd.  Belege  anführen.  In  einer 
iu  alter  Abschrift  erhaltenen  Urkunde  von  1412  (Biedel  Cod.  I,  9  S.  91)  heisst 
es:  {dy  borgher  der  Nienstad  Brandenborch  vnde  ere  vndersaien)  varen  mit 
puvert  netten  vnde  lamen  in  den  hekeileck  (d.  h.  Hechtleich).  Ferner  in  einer 
copierten  Urkunde  von  1483  (ibid.  9  S.  223)  nymani  schal  forder  keine  kuk- 
barscheflackerye  ock  nicht  lam[m]en  odder  queste  leggen.  Genaueres  erfahren 
wir  durch  die  Fischerordnungen  von  1574  und  1690  in  Mylius  Corpus  con- 
stitutionum  Marchicarum  IV,  2  S.  196  u.  252.  „Die  Lammen  domii  man  de^s 
jungen  Visclies  (1690:  Saam-Fisches)  tnefir  denn  das  gewachsen  (1690:  deiin 
des  gewachsenen)  ziigleich  (fehlt  1690)  ausfüllet,  sollen  aueh  verbotten  sein. 
Es  waren  also  kleinmaschige  Beutelnetze.  Heute,  wo  man  zum  Fang  der  K&der- 
fische  andere  Netze,  die  Grei-Wate,  die  Uklei-Wate  und  die  Senke  verwendet, 
ist  die  Ijaimne  in  der  Mark  nicht  mehr  bekannt.  Wohl  aber  gibt  oder  gab  es 
ein  so  benanntes  Netz  in  Dietmarschen,  vgl.  Bichey,  Idiot.  Hamburgense  S.  417: 
Lamm:  ein  Fisch-Neix,  welches  in  einem  dreyeckichien  Böhmen  befasset,  und 
mit  einer  langen  Stange  versehen  ist.  Das  beschriebene  Netz  hat  also  die 
Gestalt  der  ausgespannten  Uklei-Wate,  welche  aus  der  Lamme  dadurch  ent- 
standen scheint,  dass  man  um  das  Netz  zusammenfalten  und  so  leichter  tragbar 
zu  machen,  statt  der  Stange  zwei  sich  wie  eine  Schere  Öffnende  und  schliessende 
Schäfte  einsetzte. 

lanke  f.  Zipfel  oder  Einbuchtung  eines  Sees. 

Eine  Lanke  wird  nicht  „bei  den  märkischen  Fischern  eine  Seite  des 
Wassers,  wo  man  iischen  kann^  (Frisch,  Grimms  Wtch,  Mnd.  Wtch)  genannt, 
sondern  eine  besondere  von  einem  See  sich  trennende  Buchtbildung  oder  eine 
Verengung  an  seinem  Ende.  Mitunter  entstehen  Lanken  durch  längliche  in  einen 
See  sich  hineinerstreckende  Inseln  oder  Halbinseln,  so  am  Bummelsburger  See 
bei  Stralau :  die  ratma^me  der  stad  Berlin  syn  eyn  worden  mit  den  waierheren 
unde  bure  gemeynlich  van  Stralow  umme  dis  toge  ufid  fi^cherie  up  die  see 
und  up  dy  lanken  (1423;  Fidicin,  Beiträge  1,  S.  253)  —  ovk  saX  man  dy 
lanken  und  den  sey  tJm  Stralow  tyn  (ziehen,  mit  Zugnetsen  befischen)  nicht 
by  nachte  (ebd.  S.  261).  In  Eigennamen  'Krumme  Lanke'  u.  ä.  werden  mit 
Lanke  schmale,  langgestreckte,  kleine  Landseen  bezeichnet.  In  Teltow  und  sonst 
tritt  mitunter  Vermischung  mit  dem  Worte  lake  ein,  so  vielleicht  schon  in  einer 
Urkunde  des  15.  Jh.:  Iahen  das  si?id  ströme  die  aus  den  wassern  gelten 
Biedel  cod.  I,  11  S.  434. 

meteritze  f.  Netzsack  an  den  grossen  Zugnetzen. 

Über  die  Metritze  der  grossen  Garne  d.  h.  Zagnetze  vgl.  B.  Benecke, 
Fische  etc.  in  Ostpreussen  (1881)  S.  336.  In  der  oben  s.  v.  hake  citierten 
Fischerordnung  von  1690  heisst  sie  Mäteritxe.  Ein  mnd.  Beleg  in  verderbter 
Schreibung  in  abschriftlich  erhaltener  Urkunde  des  15.  Jh.  bei  Biedel  Cod.  I, 
13  s.  105:  Ludeke  Warnstede  met  synen  helperen  nam  uns  eyn  perd  unde 
sneet  uns  dy  mether  uysse  (lies  metherysse)  af  van  unsem  visdiergame.  — 
Ein  anderer  bei  Fidicin,  Beiträge  1,  S.  254:  wan  di  u^aterhsrfi  fischen,  so 
mögen  die  hur  hyan  fischen  unde  scholen  nicht  selten  up  dimetei^txe  (1423). 


127 

piivert  n.  Spiegelnetz  (mehrwandiges  grosses  Staknetz). 

Das  in  Urkanden  und  Fischereiordnangen  der  Mark  Brandenburg  oft  ge- 
nannte puvert  begegnet  ausser  in  dieser  ältesten  Form  noch  in  folgenden,  von 
den  Schreibern  z.  t.  falsch  yerhoch deutschten  Schreibungen:  bahert  (1487) 
bobard  (1488)  povard  (1308)  pufart  (1452)  pufert,  puffert  (1412  u.  ö.). 
Klarheit  über  die  richtige  mnd.  Foim  erhalten  wir  aus  seiner  heutigen,  laut- 
gesetzlich aus  jener  hervorgegangenen  Benennung.  Da  im  Gebiete  der  unteren 
Spree  und  z.  t.  auch  im  Bayellaude,  Barnim  usw.  (vgl.  £.  Seelmann,  Nd.  Jahr- 
buch 34,  S.  21  f.)  aus  altem  üve  (wahrscheinlich  schon  in  früherer  Zeit  ü^v9 
gesprochen)  ö,  z.  B.  aus  rond.  höveriy  märkisch  hüven,  später  hön  wurde,  so 
musste  auch  mnd.  puvert  später  zu  pört  werden.  Ein  Pomt  genanntes  Netz 
ist  in  der  Mark  bekannt  und  von  W.  v.  Schulenburg  in  der  Testschrift'  des 
Fischerei- Vereins  für  die  Provinz  Brandenburg  (Berlin  1903)  S.  42  —  45  be- 
schrieben worden.  Im  „Bremischen  Wörterbuch*^  Bd.  6  S.  142  f.  heisst  es 
Klevegarn,  Es  ist  ein  grosses  dreiwandiges  Staknetz  (mark.  Staaknette)  von 
c.  20 — 60  Meter  Länge  und  1 — 2  Meter  Hohe,  mit  dem  in  Gelegen  d.  h.  mit 
Röhricht  bestandenen  Stellen  in  der  Nähe  des  Ufers  gefischt  wird.  Es  besteht 
aus  zwei  äusseren  grossmaschigen  Netzen  (hd.  Spiegel,  mark.  Leite  oder  Led- 
deririge)  und  einem  feinmaschigen  Mittelnetz  {Blad).  Die  hineingescheuchten 
Fische  dringen  durch  die  vorderen  Ledderinge  gegen  das  Mittelnetz,  stossen  ein 
Stück  hiervon  in  die  hinteren  Ledderiuge,  so  dass  sich  ein  Beutel  bildet,  in  dem 
sie  sich  fangen.  In  ähnlicher  Weise  würden  aufgescheuchte  wilde  Enten,  die 
aus  dem  Röhricht  gegen  das  Netz  fliegen,  mit  ihrem  Kopfe  sich  fangen.  —  Das 
mnd.  Hwb.  setzt  puvei't  als  masc.  gen.  au,  richtiger  ist  es  als  neutrum  zu  be- 
zeichnen, da  man  allgemein  *das  Poord*  sagt. 

starbniite  f.  Klapperjagd  (besondere  Art  Fischerei). 

(Die  Stadt  Fürstenberg  vergleicht  sich  mit  Kloster  Himmelpfort,  dass) 
in  pnmis  quod  inordinata  piscaiio  et  indecens  que  starbunte  dicitur,  ab 
aliquo  nostronnn  connvium  seu  incolarum  in  aquis  monasterii  Celiporte  . . 
nunquam  de  cefero  debet  exerceri  (1361)  Meckl.  Urk.-B.  15  s.  45.  —  Von 
dem  Worte  starbunte  ist  ohne  Zweifel  das  Zeitwort  strabuntxen  abgeleitet,  von 
welchem  bereits  das  Mnd.  Wtb.  einen  Beleg  gibt,  wonach  den  Fischern  gestattet 
wurde,  mett  kleinen  toicen  to  viscken,  doch  also,  datt  sie  up  solchen  wateren 
niM  strabuntxen.  Riedel,  Cod.  I,  13  s.  73.  Ein  anderer  ist:  strabuntxen  dat 
is  vischen  in  den  togen  effte  in  der  Verden  (1428)  Riedel,  Cod.  I,  13  s.  71  nr.  78. 
—  Es  ist  Walther  nicht  entgangen,  dass  das  Westflämische  das  wahrscheinlich 
identische  Wort  strabaniie  kennt,  und  er  weist  im  Hwb.  s.  v.  strabunxen  auf 
dieses  hin.  Nach  de  Boo's  Westvl.  Idioticon  heruitg.  door  Samyn  s.  963  bedeutet 
strabantiCt  strabanse,  storbancyCj  catrabansie  (lat.  exturbatio^  disturbatio)  'ont- 
steltenis,  beroering,  wanord,  franz.  trouble,  d6sordre\ 

Es  ist  mir  nur  eine  einzige  Art  zu  iischen  bekannt,  welche  mit  den  das 
strabunxen  betreffenden  urkundlichen  Belegen  in  Einklang  gebracht  werden  kann: 
die  sogen.  Koppelfischerei  oder  Klapperjagd.  Sie  wird  von  einer  grösseren  Anzahl 
Leute  und  mit  vielen  Kähnen  ausgeführt.  Poortuetze  werden  strahlenförmig, 
auch  kreuz  und  quer,  hauptsächlich  im  tiefen  Wasser  ausgeworfen  und  dann 
wird  ein  möglichst  starkes  Geräusch  erhoben,  in  den  Kähnen  gepoltert  und 
gelärmt,  um  die  Fische  in  die  ausgestellten  Netze  zu  treiben.  (0.  Stargardt, 
Beschreibung  der  Fischerei-Fanggeräte  S.  27.) 

Der  Lärm  und  vielleicht  Juchhei,  der  bei  der  Klapperjagd  Brauch  war 
und  die  Andacht  der  Mouche  des  nahe  an  einem  See  gelegenen  Klosters  Himmel- 


128 

pforten  stören  mochte,  war  wohl  der  Grand,  sie  inordinaia  piscatio  et  indecens 
zn  nennen.  Ferner  findet  sie  besonders  in  tiefem  Wasser,  in  den  togen  effle  in 
der  Verden  d.  h.  im  Fahrwasser,  statt. 

stevel  Schaft,  Stauge. 

Im  Hwb.  nnr  in  der  Bedeutung  Stiefel.  —  Beleg :  Ock  willen  tüy  gumien 
einen  ieglichen  wahnhafien  bürger,  dat  he  fnoge  hawen  riess,  strewel  (1.  stewel), 
röhr  und  gross,  alse  vele  er  bedarf  . . .  Ock  Stollen  die  von  Kietz  und  Tomair 
(bei  Freienwalde)  stowelen  holen  in  der  stodt  heller  ah  vele  sie  der  bedeneti 
io  eren  netten  unde  io  eren  secken,  alse  sie  tragen  können  up  eren  ruggefi. 
(1414)  Riedel  I,  12  S.  386  nr.  6.  In  der  Bestätigung  dieser  Urkunde  heiaat  es 
{unr)  vorgunnen  au^h  eitlem  ideren  burger  . .  das  er  magk  reyss  röhr  gra.^s 
unde  stewel  gewinnen  . .  die  küxer  . .  sollen  , ,  in  der  stodt  holtz  stocken  zu 
secken  hawen,  alsse  viele  sie  der  auf  den  rücken  trogen  muegen,  ib.  S.  407. 
Dieselbe  Bedeutung  findet  sich  in  dem  Worte  Bohnenstiefel  'Schaft,  an  denen 
sich  die  emporwachsenden  grünen  Bohnen  anranken'. 

ylogelruse  f.  Fliigelreuse. 

Beleg  bei  Biedel  Cod.  I,  9,  S.  91  in  einer  Brandenburger  Urkunde  von 
1412  si  stellen  vlogelrusen  btäen  dy  hovetpele  vor  dy  vart. 

vloteii  sw.  y.  Aalpuppen  auslegen. 

Beleg :  vorthmer  schollen  sie  ock  nicht  vischen  effle  nho  alen  flotten  uppc 
dess  vorgeschrevenen  closters  hegewottem  (1428)  Biedel  Cod.  I,  13  s.  71  nr.  78. 

wintergarn  n.  grosse  für  die  Eisfischzüge  bestimmte  Wate. 

Beleg:  vortmer  so  mögen  die  vorbenomden  wodelude  wol  heekede  soUen 
unde  brassen,  dar  sie  ore  wintergorne  of  betolen  (1435).  Biedel  Cod.  1,  13 
8.  72.  —  Das  betreffende  Zugnetz  wird  noch  heute  Wintergam  genannt. 

BERLIN.  W.  Seelmann. 


129 


Geistiges  Leben  im  Deutsehen  Orden/^ 


Der  östlichste  Teil  unseres  Vaterlandes,  das  Gebiet  zwischen 
Weichsel  und  Memel,  hat  durch  die  Ritter  des  Deutschen  Ordens 
sein  Gepräge  erhalten.  Die  Ordensritter  haben  in  jahrzehntelanger 
Arbeit  das  Land  aus  den  Händen  der  heidnischen  Preussen  erobert 
und  in  müheyoller  Kolonisationstätigkeit  für  das  Deutschtum  und 
Christentum  erworben. 

Sie  begannen  von  Thorn  aus  die  Eroberung  des  Landes  und 
rückten  zunächst  längs  der  Weichsel  nordwärts  und  dann  in  nord- 
östlicher Richtung  zum  Haff,  um  das  Meer  zu  erreichen.  Oberall 
wurden  feste  Burgen  angelegt,  und  an  die  meisten  dieser  Burgen 
schlössen  sich  noch  im  13.  Jahrhundert  rasch  aufblühende  Städte. 
Sobald  nach  den  langen  Preussenaufständen  Ruhe  eingekehrt  war, 
konnte  die  Kolonisation  sich  energischer  und  tiefer  wirkend  gestalten. 
So  entstanden  um  das  Jahr  1300  und  in  den  folgenden  Jahren  zahl- 
reiche Städte  und  Dörfer  in  dem  neu  erschlossenen  Lande,  und 
deutsche  Kolonisten  kamen  in  Scharen,  sodass  wir  ein  rasches  An- 
wachsen des  deutschen  Elements,  der  deutschen  Bevölkerung  beob- 
achten können. 

Die  Ritter  verstanden  es  vorzüglich,  Material  und  Baugrund 
für  ihre  Burgen,  die  ^^Festung,  Kirche  und  klösterliche  Ordens- 
behausung ^2)  zugleich  waren,  zu  verwerten.  So  schufen  sie  jenen 
Typus  der  viereckigen  Häuser,  deren  gewaltige  Masse,  von  einem 
Eckturm  überragt,  ,,in  erstaunlicher  Wucht  meilenweit  die  Landschaft 
beherrscht  und  in  ganz  einziger  Weise  dem  Lande  das  Gepräge  einer 
willensstarken,  grossdenkenden,  planmässig  gegliederten  Herrschaft 
aufdrückt.^  3)  Der  architektonische  Schmuck  kommt  vorzugsweise 
in  den  Kreuzgängen  und  den  Innenräumen  durch  wundervolle  Stern- 
gewölbe und  fein  zergliederte  Verzierungen  zur  Geltung.  Besonders 
die  Marienburg  zeigt  die  künstlerische  Seite  der  Bautätigkeit  des 
Ordens  in  hohem  Masse.  Schon  die  ältesten  erhaltenen  Teile,  wie 
die  goldene  Pforte  im  Hochschloss,  beweisen  die  künstlerische  Kraft 
der  ersten  Erbauer.  Nachdem  aber  1309  der  Hochmeistersitz  nach 
Marienburg  verlegt  worden  war,  der  Meister  selbst  wie  ein  weltlicher 
Fürst  lebte  und  Könige  und  Fürsten  in  seinen  Räumen  empfing, 
wurde  die  hochmeisterliche  Residenz  mit  aller  künstlerischen  Pracht 
ausgestattet.     Ein   aus   dem   Rheinland  herangezogener  Baumeister, 


1)  Vortrag,  gehalten  auf  der  Jahresversammlang  des  Hansischen  Geschichts- 
vereins und  des  Vereins  für  niederdeutsche  Sprachforschung.  *)  K.  Lohmeyer, 
Geschichte  von  Ost-  und  Westpreussen  I.    3.  Aufl.  S.  267.    ')  Lohmeyer  a.  a.  0.  268. 

Nl«d«rd«atsohM  Jahrbuch  XXXVII.  9 


130 

wahrscheinlich  Jacob  von  Xanten,  i)  hat  den  eigentlichen  Hochmeister- 
palast geschaffen,  und  wir  bewundern  noch  heute  dort  in  dem  Winter- 
und  Sommerremter  Schöpfungen  von  so  erhabener  Wirkung,  ^dass 
keine  andere  Leistung  gotischer  Profanbaukunst  ihr  gleichkommt.'^) 
Die  Ritter  Hessen  die  Räumlichkeiten  ihrer  Burgen  vielfach  mit 
künstlerischen  Malereien  ausschmücken,  sie  bewahrten  in  den  Ordens- 
kirchen und  auch  sonst  reiche  Schätze  der  Goldschmiedekunst,  und 
manche  Altäre,  heute  der  grösste  Schmuck  der  städtischen  Kirchen, 
stammen  ursprünglich  aus  den  Kirchen  der  Ordenshäuser. 

Gewiss  war  die  Natur  des  Ordens  ihrem  Wesen  nach  auf  Krieg 
und  Eroberung  gerichtet,  aber  es  muss  hervorgehoben  werden,  dass 
die  Ritter  des  Deutschen  Ordens  im  allgemeinen  künstlerisches  Ver- 
ständnis bcsassen,  ebenso  wie  sie  tüchtige  Verwaltungsbeamte  waren. 
In  nicht  zu  unterschätzendem  Masse  haben  sie  geistige  Bildung  gepflegt 
und  unterstützt,  weit  mehr  als  die  übrigen  Ritterorden. 

Die  Ordensgeistlichen  nahmen  in  den  andern  Ritterorden  eine 
auffallend  untergeordnete  Stellung  ein,  im  Deutschen  Orden  dagegen 
eine  günstigere,  weil  aus  ihnen  in  der  Regel  die  Domherren  und 
Bischöfe  des  Ordenslandes  ernannt  wurden.  Sie  besassen  eine  gute 
Vorbildung  und  konnten  ihrerseits  an  der  Verwaltung  des  Staatswesens 
teilnehmen.  Jedes  Konventshaus,  in  dem  12  Ritterbrüder  und  6  Priester- 
brüder waren,  sollte  —  so  bestimmte  Winrich  von  Kniprode  —  »2  be- 
sonders gelehrte  Ordensmitglieder  beherbergen,  von  denen  der  eine 
ein  gelehrter  Theologe  sein,  der  andere  eine  gründliche  juristische 
Bildung  haben  sollte.  "^^ 

So  hat  der  Orden  frühzeitig  auf  das  Schulwesen  in  seinem  Staate 
grosse  Sorgfalt  verwendet;  er  wurde  darin  von  den  Bischöfen  und 
Städten  reich  unterstützt.^)  Schon  um  das  Jahr  1300  lassen  sich 
Schulen  in  den  Städten  nachweisen,  die  älteste  in  Elbing,  nach  deren 
Muster  viele  andere  eingerichtet  zu  sein  scheinen.  Im  14.  Jahrhundert 
kennen  wir  Schulen  in  Danzig,  Königsberg,  Thorn,  Marienburg,  Grau- 
denz,  Braunsberg  und  vielen  andern  Städten.  Auch  auf  dem  Lande 
gab  es  zahlreiche  Schulen,  doch  geht  die  Behauptung  Waschinskis 
wohl  zu  weit,  wenn  er  sagt,  man  müsse  überall  dort  eine  Schule 
annehmen,  wo  sich  eine  Kirche  nachweisen  lasse. 5)  Neben  diesen 
Schulen  waren  die  Kloster-  und  Domschulen  Bildungsstätten  höheren 
Ranges.  Die  Domschulen,  deren  es  in  den  4  Bistümern  des  Ordens- 
landes je  eine  gab,  dienten  besonders  zur  Heranbildung  der  künftigen 
Geistlichen  und  bestanden  in  einer  artistischen  Abteilung  (Trivium  und 
Quadrivium)  und   der  eigentlich  theologischen  Fakultät.     Die  Lehrer 


1)  8.  Schölten,  Auszüge  aus  den  Baarechnungen  der  St  Victonkirche  zu 
Xanten.  Berlia  1852.  S.  6:  Notiz  aus  dem  Jahre  1861:  Magistro  Jacobo  reverso 
de  Pruscia  ...  *)  Lohmeyer  a.  a.  0.  261.  *)  H.  Freytag,  Die  Beziehnogen  der 
Universität  Leipzig  zu  Preussen  von  ihrer  Begründung  bis  zur  ^Reformation.  Zeit- 
schrift des  Westpreussischen  Qeschichtsvereins  44.  1902.  ^)  Über  das  Schulwesen 
B.  £.  Waschinski,  Erziehung  und  Unterricht  im  deutschen  Ordenslande  bis  1525. 
Danzig  1908.    »)  Waschinski  a.  a.  0.  S.  29. 


131 

waren  im  wesentlichen  Geistliche,  auf  dem  Lande  auch  vielfach  ältere 
Stndenten  der  Theologie,  die  die  niederen  Weihen  bereits  bekommen 
hatten  und  nun  eine  praktische  Vorbildung  für  einen  Zweig  ihres 
künftigen  Berufs  erhielten.  Doch  hatte  man  im  15.  Jahrhundert 
gegen  die  aus  Böhmen  kommenden  Studenten  ein  gewisses  Misstrauen, 
da  sie  von  der  hussitischen  Lehre  hätten  beeinflusst  sein  können. 

Die  Sprache  des  Unterrichts  machte  wohl  vielfach  Schwierig- 
keiten, denn  die  Lehrer  massten  ausser  deutsch  und  lateinisch  oft 
auch  preussisch  oder  polnisch  verstehen ;  der  Anfangsunterricht  geschah 
in  der  Muttersprache.  In  Heilsberg  und  Frauenburg  wurden  Knaben 
preussischer  Herkunft  in  sogenannten  ^^Preussenschulen*^  besonders  für 
das  geistliche  Amt  vorbereitet,  damit  sie  ihre  Landsleute  desto  besser 
unterrichten  könnten.  Um  die  Erlernung  der  preussischen  Sprache 
zu  erleichtern,  hatte  schon  im  Jahre  1228  der  päpstliche  Legat 
Wilhelm  von  Modena  die  damals  übliche  lateinische  Grammatik  des 
Donat  mit  vieler  Mühe  ins  preussische  übersetzt,  i) 

Um  dieses  ganze  System  wohldurchdachter  Fürsorge  für  die  Volks- 
bildung abzuschliessen,  hat  man  aber  ausserdem  noch  an  die  Gründung 
einer  Universität  gedacht.  Der  Nachfolger  Winrich  von  Kniprodes, 
der  Hochmeister  Conrad  Zöllner  von  Rotenstein,  hatte  den  Plan  gefasst, 
in  der  damals  blühenden  Stadt  Kulm  eine  Universität  zu  errichten, 
und  in  der  Bestätigungsurkunde  des  Papsts  Urban  VI.  vom  9.  Februar 
1387  heisst  es,  man  habe  die  Stadt  Kulm  gewählt,  weil  „sie  die  vor- 
züglichste und  vor  andern  Städten  zu  einer  Universität  bequem  sei, 
eine  gesunde  Luft,  wie  einen  Überfluss  an  Lebensmitteln  und  andern 
nötigen  Dingen  habe.  Es  soll  eine  vollständige  Akademie,  ein  Studium 
generale,  für  alle  erlaubten  Wissenschaften  sein:  damit  dadurch  die 
Religion  weiter  ausgebreitet,  die  Unwissenden  unterrichtet.  Recht  und 
Gerechtigkeit  beobachtet,  die  Einsicht  aufgeklärt  und  der  menschliche 
Verstand  erheitert  werde.  Dieser  Sitz  möge  Männer  in  allen  Fakultäten 
hervorbringen  und  eine  reiche  Quelle  sein  für  alle  Liebhaber  der 
Wissenschaften.  Diese  Universität  soll  in  allen  Dingen  der  Universität 
zu  Bologna  gleich  sein,  und  es  sollen  zu  allen  Zeiten  die  Theologie, 
das  kanonische  und  bürgerliche  Recht  und  alle  andern  erlaubten 
Wissenschaften  gelehrt  werden.  Die  neue  Universität  soll  das  Recht 
und  die  Vollmacht  haben,  alle  akademischen  Würden  zu  verleihen; 
die  an  ihr  Promovierten  sollen  das  Recht  haben,  auf  allen  andern 
Universitäten  Vorlesungen  zu  halten.*' 2) 

Dieser  umfassende  Plan  scheint  nicht  zur  Ausführung  gekommen 
zu  sein,  jedenfalls  fehlt  es  gänzlich  an  Nachrichten  über  das  Zustande- 
kommen der  Universität.*) 


>)  8.  Scriptores  renim  Pnissicaram.  I  241.  *)  Ich  habe  hier  die  Nachricht 
Pisanskis  (Entwurf  einer  preussischen  Liter&rgeschichte  hsg.  y.  Philippi  1886.  S.  28) 
wiedergegeben,  die  freilich  nicht  sicher  verbürgt  ist.  >)  Über  das  höhere  Schul- 
wesen Kulms  in  späterer  Zeit  vgl.  W.  Heine,  Academia  Culmensis.  Ein  Abriss 
ihrer  Geschichte.    Zeitschr.  d.  Westpr.  Qeschichtsvereins  Heft  41.    1900.    S.  149  ff. 

9* 


132 

Daher  mussten  die  jungen  Gelehrten  des  Ordenslandes  aus- 
ländische Universitäten  besuchen,  um  ihre  Bildung  zu  vervollständigen. 
Schon  im  Jahre  1313  wird  ein  aus  Preussen  stammender  Student  in 
Paris  genannt.  In  den  200  Jahren  von  ca.  1325 — 1525  kennen  wir 
durch  Perlbachs  „Prussia  scholastica^  i)  etwa  4000  Studenten  aus 
dem  Ordensgebiet.  Von  ihnen  bezogen  die  meisten  (über  1200)  die 
Leipziger  Universität,  an  deren  Gründung  5  akademische  Lehrer  und 
35  Studenten  aus  dem  Preussenlande  Anteil  nahmen;  und  in  den 
späteren  Jahren  haben  Preussen  oft  (13  x)  die  Rektoratswürde 
bekleidet.^)  Sehr  besucht  waren  auch  Krakau,  Prag,  Wien,  Köln 
und  später  Wittenberg  und  Frankfurt.  In  Bologna  studierten  meist 
Juristen  in  vorgerücktem  Alter,  die  sich  dort  sehr  ausgezeichnet  haben. 

Diese  zahlreichen  Studenten  mussten  in  der  Heimat  eine  ent- 
sprechende Vorbildung  genossen  haben.  Naturgemäss  lieferten  die 
Städte  die  weitaus  grösste  Zahl  der  Studenten,  aber  viele  stammten 
auch  vom  Lande.  Aus  dem  Bistum  Ermland  können  wir  in  dem 
Zeitraum  der  genannten  200  Jahre  allein  über  1000  Studenten  nach- 
weisen. Aus  Marienbarg  stammten  160  Studenten,  Elbing  250,  Königs- 
berg 410  und  aus  der  blühenden  Handelsstadt  Danzig  die  meisten,  750. 

Sie  haben  sich  in  die  Wissenschaften  aller  Fakultäten  vertieft 
und  sind  nach  beendigtem  Studium  als  Theologen,  Juristen  und  Ärzte 
in  die  Heimat  zurückgekehrt;  manche  freilich  zogen  es  vor,  dem 
akademischen  Beruf  auf  den  ausländischen  Universitäten  treu  zu  bleiben. 

Geistliche  und  Juristen  waren  in  jedem  Ordenskonvent  un- 
entbehrlich. Die  am  hochmeisterlichen  Hofe  lebenden  Juristen  be- 
gleiteten den  Meister  auf  seinen  Tagfahrten  und  waren  seine  ständigen 
Berater.  Ein  solcher  Jurista  ordinis  war  Dr.  Johannes  Rymann,  der 
1389  in  Prag  promoviert  hatte,  dann  im  Auftrage  des  Hochmeisters 
an  vielen  auswärtigen  Höfen  als  Gesandter  sowie  als  Ordens-Procurator 
in  Rom  tätig  war  und  1409  Bischof  von  Pomesanien  wurde.  Als 
juristischer  Beirat  bekam  er  nach  dem  Marienburger  Tresslerbuch 
einen  Jahreslohn  von  mindestens  30  Mark.  Der  Wert  der  Mark  betrug 
nach  den  Berechnungen  Vossbergs  (Gesch.  der  preuss.  Münzen)  um 
das  Jahr  1400  etwa  13  Reichsmark. 

Den  Jahreslohn  von  30  Mk.  erhielt  der  Leibarzt  des  Hoch- 
meisters. Im  ^Marienburger  Tresslerbuch"  8)  begegnen  wir  zahlreichen 
Posten  von  Geldausgaben,  die  an  Ärzte,  Wundärzte,  Augenärzte, 
Apotheker,  ebenso  für  Medicamente  und  Salben  gezahlt  wurden. 
Die  Ärzte  des  Hochmeisters  müssen  sich  eines  guten  Rufes  erfreut 
haben,  denn  wir  hören,  dass  der  Grossfürst  Witold  von  Littauen  den 
Augenarzt  aus  Marienburg  zu  sich  bitten  lässt.^)  In  der  Vorburg 
des  Marienburger  Schlosses  stand  eine  Apotheke,  und  wir  wissen  aus 


1)  Leipzig  1895.  ^)  Über  die  Beziehungen  der  Leipziger  üniversit&t  zum 
Ordeusland  Preussen  sind  wir  durch  die  genannte  Arbeit  Freytags  genau  orientiert 
*)  Das  Marienburger  Tresslerbuch  der  Jahre  1399—1409.  hsg.  v.  E.  Joachim. 
Königsberg  1896.  *)  Mbg.  Trb.  70,  86 :  3  m.  dem  ogenarczte,  den  der  meister  csa 
herzöge  Wytowdt  gesant  hatte. 


133 

dem  Tresslerbuch,  wie  teuer  die  Pulver  oder  purgaciones  waren,  die 
der  Apotheker  dem  Hochmeister  oder  den  Ordensbrüdern  bereitete,  i) 
Die  Bezahlung  der  Ärzte  war  verhältnismässig  vorzüglich:  der  Wund- 
arzt Wachsmuth  z.  B.  hatte  im  Jahr  1403  dem  Ritter  Nikolaus  von 
Schillingsdorf  den  Finger  geheilt,  der  ihm  auf  dem  Winterfeldzug 
zweimal  durchschossen  war,  und  bekam  dafür  3  Mark,  eine  für  die 
damalige  Zeit  erhebliche  Summe.  Meister  Wachsmuth  hat  jahrelang 
den  Hochmeister  auf  allen  Reisen  und  Feldzügen  begleitet.  Neben 
ihm  war  Meister  Bartholomeus  angesehen,  der  oft  nach  weit  ent- 
fernten Burgen  geschickt  wurde,  um  besonders  schwere  Fälle  zu  be- 
handeln; er  stand  auch  am  Krankenlager  und  Sterbebett  des  Hoch- 
meisters Konrad  von  Jungingen  1407,  wofür  er  einen  besonderen 
Lohn  von  8  Mark  erhielt.^) 

Noch  in  einer  andern  Beziehung  konnte  sich  im  Orden  und 
unter  seinem  Einfluss  im  ganzen  Ordenslande  ein  Zweig  geistigen 
Lebens  ausbilden.  Der  Orden  war  Landesherr,  und  sein  wichtigster 
Besitz,  das  in  sich  abgeschlossene  Ordensland  Preussen,  hatte  seine 
Landesgeschichte  —  anders  als  in  den  übrigen  Ritterorden,  Da  nun 
die  Geistlichen  eine  angesehene  Stellung  im  Orden  einnahmen  und 
im  allgemeinen  wohl  eine  vorzügliche  Bildung  besassen,  so  fehlte  es 
nicht  an  Mönnern,  die  befähigt  waren,  eine  Geschichte  des  Ordens 
zu  schreiben. 3)  Der  Ordenspriester  Peter  von  Dusburg  schrieb  am 
hochmeisterlichen  Hof  seine  ^Chronik  des  Preussenlaudes^  und  widmete 
sie  im  Jahre  1326  dem  Hochmeister  Werner  von  Orseln.*)  Für  die 
Jahre  von  1288 — 1326  konnte  er,  durch  eigene  Erlebnisse  unterstützt, 
eine  reiche  Fülle  von  Tatsachen  der  Nachwelt  überliefern,  sodass  er 
für  diese  Zeit  eine  Quelle  ersten  Ranges  ist.  Für  die  Gründung  des 
Ordens  und  die  ersten  Jahrzehnte  der  Eroberung  konnte  er  einige 
Berichte  und  Einzeldarstellungen  benutzen.  Ein  feierlicher  Zug  gebt 
durch  sein  von  alttestamentlichem  Geist  getragenes  Werk:  ;,Gott  hat 
herrliche  Taten  in  Preussen  vollbracht,  indem  er  durch  die  Hand  der 
Ordensritter  das  Heidenvolk  niederschmetterte  und  die  christliche 
Kirche  zu  Siegen  und  Triumphen  führte.  ^^)  Dusburg  ist  sich  seiner 
grossen  Aufgabe,  zum  ersten  Mal  eine  zusammenfassende  Darstellung 
der  Ordenstaten  in  Preussen  zu  schreiben,  wohl  bewusst,  und  sein 
Werk  ist  das  bedeutendste  Denkmal  der  älteren  preussischen  Geschichte. 
An  diese  erste  Chronik  schloss  sich  zur  Ordenszeit  noch  eine  statt- 
liche Reihe  anderer  historischer  Werke  an,  die  zum  grössten  Teil  in 
der  ausgezeichneten  Sammlung  der  Scriptores  rerum  Prussicarum 
vereinigt  sind.  Nur  eine  sei  hier  noch  erwähnt,  die  Chronik  des 
Johannes  von  Posilge,  der  als  Zeitgenosse  im  wesentlichen  die  Jahre 


1)  Mbg.  Trb.  353,  22:  item  8  Vi  m.  V«  ^^'  ▼or  apoteke  dem  groskompthur, 
als  her  von  magistro  Johanoi  Rocge  purgaciones  nam.  —  361,  11:  item  iVi  m.  in 
die  apoteke  vor  das  pulfer,  das  unserm  homeyster  gemacht  wart.  *)  Mbg.  Trb. 
425,  2 — 6.  *)  H.  Protz,  Der  Anteil  der  geistlichen  iStterorden  an  dem  geistigen 
Lieben  ihrer  Zeit.  1908,  S.  10.  ^)  hsg.  von  M.  Toeppen  in  Scriptores  rer.  Pruss.  I. 
*)  Toeppen,  Geschichte  der  preussischea  Historiographie.    Berlin  1853.    S.  8. 


1S4 

von  ca.  1380 — ca.  1419  beschrieb.^)  Er  besitzt  eine  weite  Auffassung 
und  ein  vielseitiges  Interesse  und  schaut  mit  klugen  Augen  auch 
über  die  Grenzen  des  Ordenslandes  hinaus;  es  macht  ihm  Freude, 
in  patriotischer  Gesinnung  von  den  Heldentaten  der  Ritter  zu  erzählen. 
Die  Schlacht  bei  Tannenberg  und  die  darauf  folgende  Belagerung  des 
Haupthauses  Marienburg  ist  bei  gänzlicher  Schlichtheit  äusserst  an- 
schaulich dargestellt.  Max  Toeppen,  der  gründliche  Kenner  der 
preussischen  Geschichtsschreibung,  hat  diese  Chronik  als  „eine  der 
ausgezeichnetsten  unter  den  Landeschroniken  nicht  bloss  Preussens, 
sondern  des  ganzen  Mittelalters  überhaupt^  bezeichnet.^) 

Die  Historiker  Preussens  beweisen,  dass  s^e  die  damals  üblichen 
gelehrten  Werke  gekannt  haben.  Wir  wissen  ferner  durch  die  Arbeiten 
Perlbachs,^)  dass  die  preussischen  Studenten  von  den  fremden  Uni- 
versitäten Bücher  in  die  Heimat  mitbrachten.  So  bemühten  sich  auch 
die  Hochmeister  und  Gebietiger,  Bücher  zu  kaufen  oder  abschreiben 
zu  lassen,  um  sie  dann  in  den  Ordenskonventen  niederzulegen.  In 
dem  Marienburger  Tresslerbuch,  dieser  unerschöpflich  reichen  Quelle 
kurz  vor  dem  Tannenberger  Sturz,  ist  uns  in  den  Ausgaben  der  hoch- 
meisterlichen Kasse  für  Bücher  manche  interessante  Notiz  erhalten. 
So  lässt  der  Meister  ein  deutsches  Buch,^)  ein  Rechtsbuch,^)  ein  Buch 
Dorothea  ^)  und  zahlreiche  für  kirchlichen  Gebrauch  bestimmte  Bücher 
wie  Messbücher,  Psalter,  Antiphonare,  Notulare^)  abschreiben  oder 
kaufen.  Pergament  dazu  musste  der  Ordeuspriester  selbst  besorgen, 
wenn  er  Anfang  August  zum  Domnik  nach  Danzig  reiste.^)  Es  ist 
wohl  nicht  uninteressant,  einige  dieser  Ausgaben  für  Uandschriften- 
schreiben,  Illustrieren,  Einbinden  u.  dgl.  nach  dem  Original  kennen 
zu  lernen: 

2  m.  2  sc.  vor  das  sangebuch  in  die  cappelle  zu  schriben.^) 

1  m.  Peter  moler  vor  2  gepaynyrte  buchstaben  in  das  selbe  buch.^^j 
6  m.    1  fird.    vor   eyn   buch   eyn   anthiphonario    zu   schriben  u. 
3^2  m.  vor  eynen  seitern  und  1  m.  vor  ein  martilogio.^^) 
zu  binden  und  zu  illuminiren  den  seiter  1  m.^^) 
1  m.  vor  vel,  do  dy  bucher  methe  obirczogen  sint.^^) 

3  fird.  dem  cleynsmede,  dy  bucher  zu  beslon.^^) 

8  scot  zu  schriben  26  blat  do  dy  privilegia  inne  geschriben 
synt  gewant  zwischen  dem  orden  und  der  kirchen  zu  Samelandt.^^) 

1  m.  7  sc.  dem  cleynsmede,  der  dy  spangen  zu  den  buchern  in 
dy  capelle  gemachet  hat  und  5  scot  vor  koppir  zu  negelen.^^) 

1  m.  Sigismundo,  das  her  dy  rothen  buchstaben  hat  gemachet 
in  den  grosen  brevir.17) 


0  hsg.  v.  £.  Strehlke  m  Script,  rer.  Pruss.  III,  79—888.  ')  Toeppen,  Gesch. 
d.  preuss.  Histor.  8.  88.  *)  s.  M.  Perlbach,  Zar  Geschichte  des  Bfichenresens  im 
Ordenslande  Preussen.  Gentralblatt  f.  Bibl.  11.  1894.  8. 168—168.  «)  Ifbg.  Trb. 
189,  5.  •)  16,  81.  •)  16,  22.  7)  g.  z.B.  16,  40.  SO,  17.  66,  37.  96,  13—97,  16. 
166,  1—14.  162,  18.  470,  10.  536,  15.  •)  67,  1.  62,  16  ff.  »)  166, 1.  >«)  165,  8. 
")  96,  13.     >«)  96,  20.     »)  96,  21.     ")  96,  32.     »)  97,  8.     ")  97,  11.     »0  97,  16. 


135 

So  waren  die  Hochmeister  bemüht,  für  die  Vergrösserung  der 
Ordensbibliotheken  Sorge  zu  tragenj  ähnlich  wie  es  ihrerseits  die 
Bischöfe  und  Äbte  für  die  Bibliotheken  ihrer  Domkapitel  und  Klöster 
taten.  So  bestimmten  die  Regeln  des  Ordens  schon  im  13.  Jahr- 
hundert, i)  dass  beim  Tode  eines  Bruders  dessen  Bücher  in  den  Besitz 
der  Konventsbibliothek  übergehen  sollten.  Schon  im  Jahre  1246  hatte 
Papst  Junocenz  IV.  die  Mönchsorden  aufgefordert,  aus  dem  Überflüsse 
ihrer  Handschriftenschätze  der  neu  gegründeten  christlichen  Kirche 
zu  Preussen  Bücher  zukommen  zu  lassen.^)  Der  Ordensgeistliche  und 
Pfarrer  an  St.  Marien  zu  Danzig  Andreas  von  Slommow  schenkte  mit 
Genehmigung  des  Hochmeisters  Heinrichs  von  Plauen  im  Jahre  1413 
seine  theologische  Büchersammlung  der  Marienkirche,  wo  sie  sich 
noch  bis  heute  erhalten  hat  und  durch  reiche  Vermächtnisse  vermehrt 
einen  Handschriftenbestand  von  238  Bänden  umfasst.^)  Dass  man 
im  Ordensland  Bücherschätze  vermutete,  beweist  wohl  der  Umstand, 
dass  Papst  Nikolaus  V.  im  Jahre  1451  einen  besonderen  Abgesandten 
nach  Preussen  schickte,  der  für  die  vatikanische  Bibliothek  Bücher 
ankaufen  sollte.  Die  Ordensgebietiger  einerseits  brauchten  die 
Statuten  des  Ordens  mit  den  Regeln  und  Gewohnheiten,  die  Ordens- 
geistlichen andrerseits  hatten  für  den  kirchlichen  und  gottesdienst- 
lichen Gebrauch  eine  Reihe  von  Büchern  nötig.  Da  ferner  in  den 
Statuten  vorgeschrieben  war,  dass  während  des  gemeinsamen  Mahles 
vorgelesen  wurde,  so  waren  für  diesen  Zweck  Bücher  notwendig,  die 
allen  Konventsmitgliedern  verständlich  waren,  d.  h.  deutsche  Bücher. 
Dazu  brachten  wohl  manche  Ordensbrüder  aus  ihrer  westlichen  Heimat 
Bücher  mit,  die  ihnen  dort  lieb  geworden  waren  und  die  sie  in  ihrem 
neuen  Beruf  nicht  missen  mochten.  So  können  wir  annehmen,  dass 
in  jeder  Ordensburg  ein  gewisser,  wenn  auch  kleiner  Bücherbestand 
vorhanden  war.  Doch  die  Burgen  sind  meist  verfallen  und  die 
Bibliotheken  vielfach  zerstreut  oder  gar  vernichtet.  Freilich  besitzt 
die  Königsberger  Universitätsbibliothek  und  das  Königsberger  Staats- 
archiv noch  ansehnliche  Schätze,  auch  in  Danzig,  Wien,  Stuttgart  — 
wohin  sie  über  Mergentheim  gekommen  sind  —  und  in  andern  Orten 
werden  noch  wertvolle  Handschriften  aus  den  Ordensbibliotheken  auf- 
bewahrt. Vor  mehr  als  40  Jahren  hat  Stefifenhagen  eine  vorzügliche 
Übersicht  über  die  Rechtshandschriften  und  altdeutschen  Handschriften 
gegeben,  die  in  Königsberg  liegen  und  ohne  Zweifel  aus  der  Ordens- 
zeit stammen;^)  wozu  Max  Toeppen  einige  interessante  Nachträge 
geliefert  hat.*^)  Wir  wissen  auch,  dass  im  Jahre  1541  die  reiche 
Bibliothek  des  Ordenshauses  Tapiau  in  Ostpreusseu  der  Schloss- 
bibliothek zu  Königsberg  einverleibt  worden  ist,  doch  fehlt  uns  leider 
ein  Verzeichnis  der  dorthin  abgegebenen  Bücher.^) 

1)  Die  Statuten  des  Deutschen  Ordens  hsg.  v.  M.  Perlbach.  Halle.  1890. 
S.  186.  ^  8.  £.  Steffenkagen,  Regesten  zur  Geschichte  der  Bibliotheken  im  Deutsch- 
ordenslanae  Preassen.  Petzolds  Anzeiger  1863.  S.  284—89.  >)  vgl.  Freytag  a.  a. 
0.  S.  16.  ')  Die  altdeutschen  Handschriften  zu  Königsberg.  Zeitschrift  f.  deutsches 
Altertum  1Q67.  8.  601—74.  *)  Altdeutsche  Handschriften  in  Preussen.  Altpreuss. 
Monatsschrift  YI  S.  97  ff.    •)  vgl.  Faber,  Beiträge  zur  Kunde  Preussens  111  181. 


136 

Wir  besitzen  aber  eine  andre  hochinteressante  Quelle,  ans  der 
wir  über  die  Bestände  der  Ordensbibliotheken  mit  ziemlicher  Voll- 
ständigkeit orientiert  werden,  das  Grosse  und  das  Marienburger 
Ämterbuch,  die  beide  leider  noch  unediert  im  Königsberger  Staats- 
archiv aufbewahrt  werden  i)  und  aus  denen  Johannes  Voigt ^)  und 
Steffenhagen  schon  einige  Mitteilungen  gemacht  haben.  Um  die 
Verwaltung  des  Landes  noch  sorgfaltiger  durchführen  und  über  die 
finanziellen  und  wirtschaftlichen  Verhältnisse  noch  gründlicher  orientiert 
zu  sein,  hatte  Winrich  von  Kniprode  in  den  60ger  Jahren  des  14. 
Jahrhunderts  in  allen  Ordensburgen  Inventaraufnahmen  machen  lassen. 
Jeder  Komtur  oder  Vogt  oder  sonstiger  Beamter  hatte  bei  der  Über- 
gabe seines  Amtes  über  das  ihm  anvertraute  Inventar  an  seinen 
Nachfolger  schriftlich  Rechnung  zu  legen.  Im  Jahre  1400  wurde  ein 
grosses  das  ganze  Ordensland  umfassendes  Ämterbuch  angelegt,  und 
in  dieses  die  bisherigen  Inventarisationen  nachgetragen  und  in  den 
folgenden  Jahren  dazugeschrieben.  Beschränkte  man  sich  in  den 
ersten  Jahren  darauf,  den  Bestand  an  barem  Gelde,  Waffen  und  Vieh 
aufzunehmen,  so  verzeichnete  man  später  alle  beweglichen  Gegenstände 
der  Burg,  und  da  sind  uns  unter  den  Kirchengeräten,  die  der  be- 
sonderen Aufsicht  der  Ordensgeistlichen  empfohlen  waren,  auch  die 
Bücher  überliefert. 

In  erster  Linie  sind  dabei  die  für  den  gottesdienstlichen  Gebrauch 
bestimmten  Bücher  genannt,  die  Messbücher,  Psalter,  Antiphonare, 
Gollectare,  Noturale,  Brevire  u.  a.  Bücher  dieser  Art  werden  in  allen 
Ordenskirchen  aufgezählt,  auch  in  der  von  Heinrich  von  Plauen  auf 
dem  Schlachtfeld  von  Tannenberg  errichteten  Kapelle  finden  wir  1416 
3  Messbücher,  2  Antiphonare  und  2  Graduale.')  In  fast  allen  Häusern 
werden  uns  lateinische  Werke  genannt  oft  in  mehreren  Exemplaren: 
Erklärungen  der  heiligen  Schrift  oder  einzelner  Teile  derselben,  die 
historia  scholastica  des  Petrus  Comestor,  die  legenda  aurea  des 
Jacobus  de  Varagine,  ferner  Nicolaus  von  Lyra,  Jacobus  von  Lausanne, 
de  sanctis,  de  miraculis,  de  abstinencia  und  zahlreiche  andre.  In 
Althaus  bei  Kulm  ein  Buch  de  sancta  Barbora  mit  silbernen  Schliessen. 
In  Thorn  allein  befanden  fich  28  theologische  Werke,  deren  Titel 
uns  überliefert  sind.*) 

Die  Verzeichnisse  der  deutschen  Bücher  sind  leider  meist  sum- 
marisch gehalten,  und  so  erfahren  wir  z.  B.  nur,  dass  in  den  ersten 
Jahrzehnten  des  15.  Jahrhunderts  in  Strasburg  und  Leipe  je  5,  io 
Christburg  und  Osterode  je  6,  in  Balga  und  Danzig  je  9  Bücher 
vorhanden  waren,  wobei  aber  zu  bedenken  ist,  dass  in  jeder  Hand- 
schrift in  der  Regel  mehrere  Werke  vereinigt  waren.  Im  Jahre  1416 
wird  aus  Schönsee  nach  GoUub  neben  andern  Gegenständen  auch  ein 
Kasten  mit  8  Büchern  überbracht,  wobei  ausdrücklich  bemerkt  wird, 
dass  sie  ^^czu  tische  czu  lesen''  sind;^)  und  im  Graudenzer  Inventar 


>)  Ordensfolianten  129.    *)  Geschichte  Marienborgs  1824  S.  881  f.    ^)  Grosses 
Ämterbach  fol.  106.    *)  fol.  166  ff.    *)  fol.  160  f. 


187 


werden  die  3  deutschen  Bücher  direkt  ^Tischbücher^  genannt.  Nur 
in  einigen  Häusern  wie  Marienburg,  Königsberg,  Elbing,  Thorn,  wo 
auch  die  grössten  Bestände  gewesen  sein  mögen,  werden  uns  die 
deutschen  Bücher  einzeln  mit  ihren  Titeln  angegeben.  Daraus  sehen 
wir,  dass  das  Bolandslied  des  Stricker  mindestens  in  Marienburg, 
Königsberg  und  Thorn,  Barlaam  und  Josaphat  in  Marienburg  und 
Elbing  vorhanden  war;  das  Passional  finden  wir  in  5  Ordenshäusern, 
das  Buch  der  Väter  in  3,  die  Summa  Johannis  in  3 ;  ferner  die  Kind- 
heit Jesu  von  Konrad  von  Fussesbrunn,  Thomasins  Wälschen  Gast, 
der  Seelen  Trost,  des  Speculum  humanae  salvationis,  eine  Römische 
Chronik  u.  a.  Die  kleinen  Häuser  haben  einen  durchschnittlichen 
Bestand  von  etwa  20,  die  grösseren  von  ca.  50  Büchern  und  darüber. 
Es  dürfte  wohl  nicht  unerwünscht  sein,  den  Bücherkatalog  etwa  der 
Marienburg  von  1394  kennen  zu  lernen  :i) 


1  halbe  glose  obir  den  seltir, 
Schölasiica  historia. 
postüle  9upra  ewangelia, 

2  brevire. 

1  glose  obir  den  salter. 
1  glose  super  Matheum, 
Summa  ij/sani, 
1  passionale. 
Summa  der  buchir  41. 
Dy  duczschen  bucher: 
ApQcalypse  und  dy  kro- 

nike  von  Lyef lande  in 

eym  buch, 
Hiob. 


dcus  groz  passionaU. 

das  cleyne  passianale. 

Summa  Johannis. 

Hester  und  Judith  in 
eyme  buch. 

Barlaam  und  Eolant  in 
eyme  buche. 

der  vetere  buch» 

dyalogorum. 

ein  glosa  ubir  Lucam, 

kronike  von  Pruzen. 

1  teyl  der  duczchen  bibel. 
Summa  der  duczchen  bu- 
eher  12. 


diz  sint  dy  latinischen 
bucher: 
6  messebücher. 
der  romer. 

1  frumessebuch. 
4  antiphonaria. 
4  gradudlia. 
4  sdter, 

2  legenden. 
2  notularia. 
1  biblia  in  5  teylen. 
1  katholicon. 
1     buch     prqprietatibus 

rerum. 
1  decretale. 

Vier  Jahre  darauf  finden  wir  dasfelbe  Verzeichnis,  nur  ift  ein  2.  Teil 
der  deutschen  Bibel  dazu  gekommen,^)  und  1437  werden  19  deutsche 
Bücher  genannt,  leider  ohne  Angabe  im  einzelnen.^) 

Die  Bücher  belehren  uns,  dass  bei  den  Rittern  und  Geistlichen 
des  Deutschen  Ordens  der  Sinn  für  deutsche  Dichtung  nicht  ent- 
schwunden war.  An  den  hochmeisterlichen  Hof  zu  Marienburg  kamen 
jahraus  jahrein  Spielleute  und  Liedsprecher  aus  Böhmen,  dem  Rhein- 
land und  Süddeutschland  und  erhielten,  wie  die  Ausgaben  des  Tressler- 
buchs beweisen,  reiche  Geldgeschenke. 

So  darf  es  nicht  wunder  nehmen,  wenn  die  geistliche  und  welt- 
liche Dichtung  hier  im  fernen  Osten  eine  gewisse  Nachblüte  erlebt 
zu  einer  Zeit,  wo  im  Westen  des  Reiches  der  eigentlich  schöpferische 
Quell  versiegt  war.  Aus  einem  dem  Deutschen  Orden  nahestehenden 
Kreise,  vielleicht  von  einem  Ordensbruder  selbst  ist  noch  im  13. 
Jahrhundert  das  ;,PassionaP  hervorgegangen,  jene  Sammlung  von 
Heiligenbiographien,  die  in  schlichter  Anschaulichkeit  und  mit  feinem 
psychologischen  Verständnis  erzählt  sind.^)  Vom  selben  Verfasser 
rührt  das  ^Buch  der  Väter^  her,  und  beide  Werke  sind  nach  Inhalt 


1)  Marienbnrger  Ämterbuch 
Hahn  und  Kopeke. 


fol.  99.    ^)  fol.  100.     »)  fol.  103.    *)  hsg.  von 


138 

und  Form,  Stil  und  Sprache  auf  die  spätere  Ordensdichtung  Yon 
Einfluss  gewesen.  Der  Westfale  Heinrich  yon  Hesler  hat  neben  andern 
Werken  die  Offenbarung  Johannis  mit  gutem  Verständnis  und  mit 
Heranziehung  gelehrter  Kommentare  in  mehr  als  24000  Versen  um- 
gedichtet, i) 

Die  Blüte  der  Ordensdichtung  knüpft  sich  an  den  Hochmeister 
Herzog  Luder  von  Braunschweig,^)  einen  Nachkommen  Heinrichs  des 
Löwen  und  Verwandten  der  heiligen  Elisabeth  von  Thüringen,  der 
mehr  als  50  Jahre  in  den  verschiedensten  Ämtern  das  Ordenskleid 
trug.  Er  war  ein  Mann  von  „wissenschaftlicher  und  künstlerischer 
Bildung,  ein  Reformator  des  Schulunterrichts,  ein  Freund  des  Kirchen- 
gesanges. ^3)  Als  ein  Verwandter  des  sängerfreundlichen  Hauses  der 
Landgrafen  von  Thüringen  strebte  er  danach,  die  Marienburg  zu 
einem  Musensitze  zu  machen,  wie  es  vorher  die  Wartburg  geworden 
war.^)  So  hat  er  selbst  die  Legende  der  heiligen  Barbara  aus  einer 
lateinischen  Vorlage  in  deutsche  Reime  gebracht  5)  und  vielleicht  auch 
das  Buch  der  Makkabäer  gedichtet,^)  und  andre  Männer  zu  Dichtungen 
aufgefordert  und  an  seinen  Hof  gerufen.  So  entstanden  unter  ihm 
und  seinem  Nachfolger  Dietrich  von  Altenburg  poetische  Übertragungen 
der  biblischen  Bücher  Hiob^)  und  Daniel,  und  Thilo  von  Kulm  dichtete 
sein  Werk  „Von  siben  Ingesigeln^.^)  Als  Herzog  Luder  1333  zur 
Grundsteinlegung  des  Doms  in  Königsberg  weilte,  forderte  er  den 
dortigen  Ordenskaplan  Nicolaus  von  Jeroschin,  der  bereits  das  Leben 
des  heiligen  Adalbert^)  besungen  hatte,  auf,  nach  der  Marienburg 
zu  kommen,  und  übertrug  ihm  eine  grosse  dichterische  Aufgabe,  die 
Umdichtung  der  Dusburgschen  Chronik  in  deutsche  Verse.^^) 

Jeroschin  hat  den  feierlichen  Ton  der  lateinischen  Chronik  im 
allgemeinen  gewahrt,  aber  unter  der  Macht  des  Reimpaares  hat  er, 
der  getreu  nacherzählen  wollte,  aus  der  Chronik  eine  Dichtung  ge- 
macht, i^)  Er  ist  ein  gewandter,  lebendiger  Erzähler,  der  auch  ge- 
legentlich humoristisch  wird.  Wie  anschaulich  er  z.  B.  eine  Pro- 
zession, die  mit  dem  aufgefundenen  Haupte  der  heiligen  Barbara, 
darstellen  kann,  möge  uns  eine  Probe  beweisen: 
V.  6556  ff.  mit  heilictum  und  vanen. 

Und  do  si  in  di  nShe  Ouch  volgite  der  banm 

qudmen  so  hin  zu  der  stat,  mü  andächt  zwar  vil  reine 

vil  wol  geardint  kein  in  trat  al  dag  volc  gemeine 

di  lobeliche  pfafheit  tus  der  stat,  toib  unde  man. 

mit  omäte  angeleU  BarmU  sach  man  dise  gan; 

und  gezirit  schone  so  gingen  gene  wuUin. 

in  processione  Ouch  sach  man  do  vil  manche  Mn 


1)  hsg.  von  K.  Helm,  Berlin  1907.  >)  Er  war  Hochmeister  von  Febr.  1331— 
April  1335.  ')  Ph.  Strauch,  Die  Deutschordensliteratur  des  Mittelalters.  Halle 
1910.  S.  15.  *)  H.  Prutz  a.  a.  0.  S.  11.  ^)  Das  Gedicht  ist  leider  nicht  erhalten. 
«)  hsg.  von  K.  Helm.  Tübingen  1904.  ^)  hsg.  von  Karsten.  Berlin,  1910.  *)  hsg. 
von  K.  Kochendörffer.  Berlin  1907.  *)  Das  Fragment  ist  von  £.  Strehlke  in  Scr. 
rer.  Pruss.  II  423—8  herausgegeben.  ")  hsg.  von  E.  Strehlke  in  Scr.  rer  Pr.  I 
291—624.  >>)  Über  das  Verhältnis  Jeroschins  zu  Dosburg  vgl.  W.  Ziesemer,  Nico- 
laus von  Jeroschin  und  seine  Quelle.    Berlin  1907. 


139 

mit  inprantin  kerzin.  Darnach  in  sügim  döne 

Äl8U8  in  lütirm  herzin  irhüb  di  pfafheit  einin  sanc 

und  mit  vil  grosir  zucht  unde  richtin  iren  ganc 

ginc  die  cristinliche  trucht  widir  kegn  der  stat  wart 

dem  heilictum  inkegin.  mit  dem  heilictume  zart. 

Und  do  si  wurden  negin  Darumme  wart  ein  michel  dranc 

unde  qudmen,  da  iz  was,  und  ein  wunninclicher  clanc. 

langis  nidir  an  daz  gras  Die  pfaffin  suze  sun/in, 

vilin  si  do  alle  die  glockin  lüte  clungin, 

mit  gebetis  schatte  di  leigin  ire  leise 

kegn  dem  haubte  vrone.  sungin  di  wegereise. 

Jeroschins  Temperament  und  die  Wärme  seiner  Darstellung 
reisst  ihn  einmal  so  weit  hin,  dass  er  mitten  in  eine  epische  Schlacht- 
schilderung ein  lyrisches  Lied  einstreut. i)  So  überwiegt  bei  ihm  das 
weltliche,  wie  bei  seiner  Vorlage  das  geistliche  Element.  Wie  sein 
Werk  eine  grössere  Verbreitung  fand  als  die  lateinische  Chronik,  so 
gewinnt  auch  die  weltliche  Dichtung  im  Deutschorden  nun  den  Vor- 
rang, entsprechend  der  politischen  Entwicklung,  wo  aus  dem  Orden 
ein  Staat  mit  politischen  Idealen  wurde. 

Der  letzte  Ordensdichter,  der  Ende  des  14.  Jahrhunderts  lebende 
Wigand  von  Marburg,  dessen  Werke  uns  leider  nur  in  Fragmenten 
und  einer  lateinischen  Übersetzung  erhalten  sind,2)  weiss  nichts  mehr 
von  den  strengen  geistlichen  Gedanken  der  älteren  Ordensbrüder;  er 
kennt  nur  Freude  an  WaiFen  und  Kampf  und  glanzvollem  Rittertum.  — 

Gewiss,  diese  verschiedenen  Äusserungen  des  geistigen  Lebens 
im  Deutschen  Orden  sind  weit  und  verzweigt,  aber  von  einer  Blüte 
der  Wissenschaften  im  Ordenslande  kann  deshalb  noch  keine  Rede 
sein.  Dazu  war  die  Kultur  hier  noch  zu  jung  und  die  Heranbildung 
zu  einer  Höhe  geistigen  Lebens  in  diesem  Neulande  zu  schwer,  wäh- 
rend im  Westen  eine  lange,  reiche  Tradition  zu  Gebote  stand.  Aber 
grade,  weil  der  Deutsche  Orden  eine  Kultur  neuschafi'en  musste,  ist 
es  zu  bewundern,  dass  er  in  geistiger  und  künstlerischer  Beziehung, 
in  der  Pflege  der  Wissenschaften  und  der  Kunst,  von  den  Bischöfen 
und  Städten  redlich  unterstützt,  das  Ordensland  so  bereicherte,  dass 
es  um  das  Jahr  1525  hinter  den  westlichen  Ländern  nicht  mehr  weit 
zurückblieb. 

KÖNIGSBERG  1.  Pr.  W.  Ziesemer. 


>)  Vers   28719—28765   (Scr.  I.  577).    ^)  hsg.   von  Th.  Hirsch  in   Scr.   rer. 

8.   11 


Pruss.  II  429-662. 


140 


Anna  Renata  Breyne's  aus  Danzig 
plattdeutsche  Gedichte  (1743). 

Wenn  man  vom  niederdeutschen  Sprachgebiet  redet,  gedenkt 
man  im  Allgemeinen  kaum  des  Ostens.  Das  altersgraue  Danzig 
zumal  wird  gar  zu  leicht  vergessen,  da  es  bereits  von  den  brandenden 
Wogen  des  Polnischen  umrauscht  wird.  Und  doch  gibt  es  hier  in 
Danzig  von  altersher  bis  in  die  Jetztzeit  viel  niederdeutsches  Sprach- 
gut, das  wenigstens  vom  niederen  Volke  treu  gehegt  wird.  Sitzen 
doch  in  Danzig  und  Umgegend  die  Nachfahren  jener  Einwanderer, 
die  aus  dem  Westen,  namentlich  vom  Niederrhein  und  Westfalen; 
aber  auch  aus  den  grossen  Hansestädten  ins  Preussenland  zogen. 
Das  lehrt  schon  ein  Blick  in  Löschin^s  interessante  Schrift:  „Die 
Bürgermeister,  Rathsherren  und  Schoppen  des  Danziger  Freistaates 
und  die  Patricierfamilien,  denen  sie  angehörten.  Chronologisch  und 
genealogisch  zusammengestellt.  (Danzig  1868).^  Im  sechszehnten 
Jahrhundert  war  das  Plattdeutsche  in  Danzig,  obwohl  die  Stadt  bereits 
mter  polnischer  Oberhoheit  stand,  noch  Schrift-  nnd  Amtssprache. 
Bis  weit  in  das  achtzehnte  Jahrhundert  hinein  waren  die  Danziger 
gebildeten  Familien  im  Plattdeutschen  noch  durchaus  sattelfest,  wie 
es  eben  die  Gedichte  beweisen  sollen,  die  ich  im  Folgenden  vor- 
zulegen gedenke.  Derselbe  Realschuldirektor  Löschin,  dessen  Schrift; 
eben  erwähnt  wurde,  gedenkt  in  seinem  Büchlein  „Aus  dem  Leben 
eines  Amts- Jubilars^  seines  eigenen  Lehrers,  des  Danziger  Geschichts- 
schreibers und  Professors  am  ehemaligen  akademischen  Gymnasium 
Gralath,  der  seine  Vorträge  oft  mit  gutmütigen^  plattdeutsch  vor- 
gebrachten Spässen  zu  würzen  pflegte.  Späterhin  freilich,  im  neun- 
zehnten Jahrhundert,  zog  sich  in  Danzig  das  Plattdeutsche  in  die 
Niederungen  des  Volkslebens  zurück,  wo  es  jetzt  noch  blüht  und  gedeiht. 

Doch  ich  wollte  plattdeutsche  Gedichte  einer  Danzigerin  aus 
dem  achtzehnten  Jahrhundert  mitteilen.  Wer  war  diese  Dame?  Sie 
hiess  Anna  Renata  Breyne  und  stammte  aus  einer  Gelehrtenfamilie. 
Ihr  Grossvater  war  Jacob  Breyne,  geboren  1637  in  Danzig.  Nach 
der  Allgemeinen  Deutschen  Biographie,  worin  der  Name  übrigens 
ohne  e  am  Ende  wiedergegeben  ist,  war  Jacob  Breyne  ein  Kaufmann, 
daneben  aber  ein  bedeutender  Botaniker;  durch  ausgedehnten  Brief- 
wechsel mit  botanischen  Fachgenossen  erlangte  er  von  diesen  seltenere 
Pflanzen,  die  er  in  mehreren  Werken  bekannt  machte.  Ich  besitze 
einen  alten  Stich;  auf  dem  der  JacohiAS  Breynius  Gedanensis,  Botanicus 
Celeberrimiis  dargestellt  ist.  Darunter  steht  von  alter  Hand  geschrieben: 
Purem  Celeberr.  Dni,  Joh,  Philippi  Breynii,  D,  med,  Ged.  Membri  Acad. 


141 

Imperialis  Nach  (?)  et  Regiae  Soc,  ÄngL,  qui  opera  Parentis  Botanica 
splendide  edidit,  A.  1739.  Dieser  jüngere  Johann  Philipp  Breyne  war 
am  5.  August  1680  geboren.  Wie  oben  in  der  lateinischen  Notiz  auf 
dem  Bildnis  seines  Vaters  berichtet  wurde,  gab  er  dessen  botanische 
Werke  zum  Teil  neu  heraus. 

Unter  des  jüngeren  Breyne  Kindern  ragt  die  eine  Tochter  namens 
Anna  Renata  durch  ungewöhnliche  Begabung  hervor.  Sie  war  eine 
für  die  damalige  Zeit  hochgebildete  Dame.  In  gleicher  Weise  war 
sie  geschickt  in  der  Handhabung  der  Nadel  wie  des  Pinsels.  Blumen, 
Vögel,  Fische  und  Naturalien  mit  seltener  Naturtreue  zu  zeichnen 
und  zu  malen  verstand  sie  meisterhaft,  wovon  man  sich  auf  der  Herzog- 
lich Gothaischen  Bibliothek,  wohin  ihre  Zeichnungen  gekommen  sind, 
überzeugen  kann.  Herr  Realschullehrer  und  Kunstmaler  Christoph 
Natter  in  Jena  hat  mir  seiner  Zeit  in  liebenswürdigster  Weise  darüber 
Bericht  erstattet.  Neben  der  Malerei  pflegte  sie  auch  das  Klavier- 
spiel und  den  Gesang.  Auch  Sprachfertigkeiten  besass  sie,  denn  im 
Französischen  war  sie  ebenso  zu  Hause  wie  in  ihrer  Muttersprache, 
von  der  sie  nicht  nur  das  Hoch-,  sondern  auch  das  Plattdeutsche 
beherrschte.  Zu  alledem  kam  eine  für  die  damalige  Zeit  nicht  gewöhn- 
liche, poetische  Gewandtheit  hinzu,  von  der  wir  auf  der  Danziger 
Stadtbibliothek  ein  schönes  Zeugnis  besitzen. 

Vor  mir  liegt,  während  ich  im  Lesezimmer  der  genannten 
Bibliothek  sitze,  ein  prächtig  ausgestattetes  und  wohl  erhaltenes 
Manuskript,  welches  in  besonders  schöner  Schrift  hergestellt  ist  und 
den  Titel  trägt:  „Kleine  Samlung  Poetischer  Einfälle  bey  müssigen 
Stunden  verfertiget  von  Anna  Renata  Brayne.  Dantzig  1748.*'  Die 
Sammlung  ist  in  folgende  Abteilungen  geteilt:  Geistliche  Gedichte, 
Trauer-Gedichte,  Giückwünschungs-Gedichte,  Schertzhafte  Briefe,  Ver- 
mischte Gedichte.  In  der  Abteilung  der  ,, Scher tzhaften  Briefe^  finden 
sich  einige  Sendschreiben  in  einem  wunderlichen,  damals  wohl  beliebten 
Gemisch  von  Deutsch  und  Französisch  —  „auf  deutsch  Fraukes 
Manier^,  wie  die  Verfasserin  sagt.  Uns  interessieren  hier  aber 
insonderheit  die  plattdeutschen  Sendschreiben,  die  als  Quelle  für 
unsere  Kenntnis  der  alten  Danziger  Mundart  den  Abdruck  verdienen. 


y.  Sendsehrelben. 

Myn  Gnädge,  Hochgeehrt  on  leef  Frn  Bechteren!') 

Et  kam  my  hyd  em  Sen, 

Wie!  my  de  Lyde  seden, 

Eer  Herr  Schapnschken  wehr  en't  Rechter  Amt  getreden, 

Dat  eck  wat  schmehren  sali; 

Et  schord  my  aher  nich,  so  wy  eck  geren  wnll: 

Doch  wiel  Se  menichmaal  wat  pntzig  plegt  to  wesen, 


1)  Gemeint  ist  von  der  Dichterin  eine  ihrer  Schwestern,  die  Anfang  1786 
einen  Friedrich  Reyger  heiratete.  Dieser  wurde  am  21.  M&rz  1787  Richter,  woza 
Anna  Renata  ihm  in  einem  hochdeutschen  Gedicht  gratulierte. 


142 

Laat  eck  Er  dissen  Schnack  nht  goden  Harten  lesen. 
Det  Rechter  Amt  es  schwaar,  so  wy  en  yder  segt, 
Veel  schwaarer,  als  de  Keed  de  om  Eer  Post  gel^, 
Veel  schwaarer,  als  de  Banck  de  en  Eer  Hns'  gedragen, 
Man  hOrt  by  dissem  Amt  Teel  Grynen,  Hylen,  Klagen, 
Veel  Kabbeln,  veel  Geblarr,  on  wat  des  Kraams  noch  mehr, 
Et  es  recht  gmglich  schwaar  so  wy  eck  seggen  hör; 
Doch  Syner  Herrlichkeit  wet  Sich  hieren  to  faaten, 
Se  kennt  jn  Syn  Qemöt,  wy  ewemht  gelaaten, 
On  gödig  dat  He  es,  He  maakt  Sich  alles  licht, 
De  Sanftmoht  on  Gedolt,  kickt  recht  nht  Syn  Gesicht; 
On  darby  kan  man  ock  en  Synem  gantzen  Wesen, 
Verstand,  Scharbsennigkeit  on  groote  Kloockheit  lesen. 
Es  dat  nich  alles  schön?  nn,  wat  verlangt  Se  mehr? 
Eck  wensch  en  Hupen  Gleck,  to  disser  schwaaren  Ehr; 
Eck  wensch  ock  dat  dit  Jaar  sich  alle  Lyd  bekeeren 
De  schlem  gewesen  sent,  on  en  god  Leben  feeren, 
So  fraam  als  Lämmer  sen,  on  kenen  schlaanen  dood, 
Nich  fautzen,  oder  sonst  wat  brnen  dat  nich  goot; 
Dat  Syner  Herrlichkeit,  nich  so  veel  Laarm  darf  hören, 
On  dat  He  kan  de  Tydt  met  Er  vergnögt  passeren; 
Ho  war  wy  altosam  noch  faacken  lostig  sen, 
Myn  Gnädge,  Hochgeehrt  on  leef  Fm  Rechteren; 
Eer  Herr  Schapnschken  bed  eck  frindlich  sehr  to  greeten, 
Eck  schlnt  myn  Zeddelken,  on  war  my  altyt  heeten. 
Von  Ehnnen  Beydersyts,  de  eck  gewesen  ben, 
To  denen  weliget  on  truet  Sösterken. 
Dantzig. 
En't  Jaar  1737  d.  21  Hartz  A.  R.  B. 


IX.  Sendsehreiben. 

Myn  tmhtstet  Brodercken !  i) 

eck  wensch  en  gooden  Dag, 
Vergönn  my  dat  eck  Dy  en  bessken  schelen  mag: 
Eck  heb  recht  groote  Lost  Dy  Dynen  Peltz  to  waschen, 
On  dit  wall  sich  op  fransch  ver  dit  mahl  gar  nich  flaschen; 
Drom  docht  eck  t'  geit  oock  wohl  op  pladdytsch  beter  an, 
Eck  hap  Da  warst  noch  wohl  so  vel  darvon  verstahn. 
Wat  bedel  sali  et  sen,  welsta  nich  an  my  schrywen? 
Schwärt  Oogschet  Brodercken,  wo  lang  warsta  dat  dryven? 
Da  denckst  nich  mehr  an  my,  et  es  ja  oppenbahr, 
Dat  eck  geschrewen  heb  es  wohl  en  halwet  Jahr, 
Ja  watt  en  halwet  Jahr  wohl  een  on  derrtig  Wecken, 
On  darto  sali  eck  nich  en  eentzig  Wortken  sprecken? 
Eck  docht  all  henn  on  her,  es  en  den  letzten  Breef, 
Wor  wat  met  engeschlickt  dat  ehm  nich  allto  leef; 
Doch  so  wat  fand  eck  nich;  dat  mass  my  ja  verdreeten. 
Eck  sed,  so  oft  als  wy  Dyn  Schrywen  haalen  leeten. 
Na  ward  oock  wohl  gewös  an  my  en  Breef ken  sen; 


1)  über  diesen  Bruder  der  Dichterin,   der  sich  damals  als  Student  auswärts 
aufhielt,  konnte  ich  nichts  Näheres  ermitteln. 


143 

Doch  wacht  man  emmer  weg,  myn  schlemet  Brodercken 

Yergett  my  gantz  on  gar;  dat  kropt  my  nt  der  maaten, 

On  darto  muss  eck  my  noch  utveckzeeren  laaten; 

0  sed  denn  mencher  een,  hold  en  met  dyn  gepraal, 

Lach  nt  myn  SOsterken,  wacht  bet  en  andermahl. 

T  docht  eck  oock  darf  er  sal  He  gewOs  wat  hören, 

Dat  He  Sich  künftig  henn  wöt  beter  optofehren. 

Eck  wöt,  myn  Brodercken,  Dn  denckst  en  Dynem  Sen, 

Tomer  man  emmer  weg,  on  schmäl  man  emmerhen, 

Eck  heb  wat  mehr  to  dohn,  als  Dn,  eck  mot  stodeeren. 

Eck  mot  Mattschmaatsch ')  hier  lehm  on  oock  philausopheeren, 

Dn  aber  sedst  en  Bnh  en  Dyne  Yaderstadt 

Tobreckst  Dy  nich  den  Kopp  on  mackst  Dy  möd  on  matt. 

Doch  wacht,  myn  Brodercken,  dat  kan  eck  oock  nich  lyden, 

Dn  deist  my  vel  to  yel,  eck  mot  dy  dat  bedyden, 

Eck  Hg  nich  emerfort  hier  op  de  Baaren  Hnht, 

Eck  maack  my  oock  wohl  möd,  eck  fahr  sehr  ifaacken  nht; 

Eck  gab  wohl  von  SchellmebP)  bet  an  de  See')  spotzeeren, 

To  Waater  on  to  Land  mot  eck  my  afstroptzeeren. 

Ons  leew*  Herr  Schwager  maackt  nns  menchen  lostgen  Dag, 

So  mench  Yermaack  dat  eck  nich  alles  seggen  mag: 

Eck  maack  Dy  t'  Hart  man  schwaar,  et  mncht  Dy  oock  verdreeten, 

Dat  Da  nich  met  darvon  en  Deelcken  kanst  geneeten. 

Drom  hör  eck  leewer  op;  on  schlnt  oock  mynen  Breef; 

Schryw  kttnftig  flytiger  so  heb  eck  Dy  oock  leef. 

On  snlstn  oock  so  oft,  als  eck  wohl  wensch,  nich  schrywen, 

So  war  eck  darom  doch  so  lang  eck  lew  yerblywen 

Na  ohlen  Schroot  on  Eoorn,  wie  eck  sonst  emer  ben, 

Myn  leewet  Brodercken, 

To  Dantzig.  Dyn  trnet  Söstercken 

ent'  Jahr  1739  d.  15.  Angstmahnt  A.  B.  B. 


X.  Sendsehreiben. 

Lewe  Frindkes,^) 

hört  my  to,  wat  eck  ja  verteilen  wöll, 
Aber  lacht  my  ock  nich  at,  oder  eck  schwig  mnscken  stöll, 
Ver  fyf  Jahr  om  dise  Tyd,  wör  en  groter  höllge  Dag, 
Eck  mOn  aller  Heyligen,  doch  hört  wyder  wat  geschach, 
Ehn  Paar  leewe  Heylige  de  nich  emmer  alto  fram, 
Eömen  donn  tom  ersten  mahl,  by  en  goden  Frind  tosam, 
Koosden  met  enander  wat,  on  gefoUen  sich  so  sehr, 
Dat  det  gode  Paar  sehr  bold  met  enander  eenig  weer, 
Feer,  ock  noch  dreefeerel  Jahr  hebben  see  sich  all  gehatt, 
On  se  reden  noch  ter  Tyd  sich  tosamen  nemmer  satt; 
Eck  als  een  recht  ehrlich  Bloot,  wensch  dat  dise  Heyige  Dag, 
Met  vehl  hundert  dnsendt  Glöck  öfters  weder  kamen  mag; 
Schmeckt  noch  mengen  schönen  Braden  met  Qesnndheit  on  Vermack, 


1)  Mathematik.     >)  Schellmühl  (bei  Danzig),  wo  Reyger's  (siehe  S.  141)  ein 
Landhaus  hatten.    ')  Ostsee.    ^)  An  Reyger's  gerichtet. 


144 

Drinckt  ock  noch  mench  Gläscken  Wyn  hOrt  noch  menchen  lostgen  Schnack, 
Bedt  on  plndert  noch  sehr  lang,  aber  denckt  doch  ock  darby, 
Dat  eck  von  ja  lewet  Paar 
1740 
Am  Dag  aller  Heyligen  eene  tme  Frindin  sy. 

XL  Sendsehrefben. 

Myn  tnitstt  Hertz  Vadercken! 

eck  wensch  en  goden  Dag, 
On  dat  dit  Zeddeicken,  em  munter  finden  mag. 
Eck  heb  vor  langer  Tyt  als  gant2  gewess  vernahmen, 
Dat  he  op  disen  Dag  es  op  de  Welt  gekahmen; 
Drom  heb  eck  so  stoddeert,  on  wall  recht  hardlich  gern 
Met  eenen  schönen  Vers,  em  darto  gratoleeren: 
Doch  wall  det  gar  nich  fort,  eck  bit  my  op  den  Nagel, 
Eck  kratzt  mi  en  den  Kopp,  eck  fnnt  nich  Kopp  noch  Zagel; 
Eck  docht,  Hans  Sachs  komm  da  on  help  mi  at  der  Noht 
Doch  wall  de  schlemme  Schelm  mi  armet  ehrlich  Blot 
Nascht,  wat  mi  recht  gefoU,  en  mine  Fedder  bringen; 
Y,  docht  eck  oock  gantz  böss  well  die  denn  nascht  gelingen? 
Best  da  denn  gantz  erschOpt?  wat  Bedel  sali  dat  sen, 
Lop  to  de  Modersprack,  din  leew  Hertz  Vadercken 
De  kent  din  godet  Hart,  on  sent  det  domme  Saacken, 
So  warstn  doch  vyllicht  em  wat  to  lachen  maacken. 
Min  tratst  Hertz  Vadercken,  eck  fren  mi  wol  recht  sehr 
Dat  He  dit  grote  Jahr  dat  recht  gef&hrlich  wör, 
(Det  Dree  on  Sesstichste,  wi  veele  Lyde  seggen,) 
Noch  glöcklich  on  en  Rah  heft  kaat  torügge  leggen. 
Doch  denck  eck  ver  min  Deel,  on  es  ock  gantz  gewes, 
Dat  wol  en  ydet  Jahr  schlem  on  gefährlich  es; 
Drom  wensch  eck  op  det  ny  veel  hnndert  dnsend  Seegen 
To  Syne  Tröt  on  Schrot  op  allen  Steg  on  Wegen. 
Eck  wensch  von  Härtens  Grand  dat  dise  schöne  Dag 
To  onsen  Trost  on  Freud  noch  oft  erschynen  mag. 
So  veel  als  Kinderckes  nu  henn  on  wedder  lopen 
On  sich  Schnorrpipery  on  Peperkoockskes  kopen, 
So  veel  Vergnögen,  Glöck,  Gesundheit  on  Vermaack, 
Wensch  eck  tom  Domneck  i)  Em  met  disen  kleenen  Schnaack. 
Eck  bed  mi  allemahl  gewagen  to  verblywen; 
Eck  schlat  min  Zeddelcken  on  war  mi  altyt  schrywen 
On  sen  ock  en  der  Daht,  min  tratst  Hertz  Vadercken! 
Syn  gantz  gehorsamet  on  truet  Dochtercken. 

Anno  1743  d.  5.  Aug. 
Den  ersten  Domnecks  Dag  A.  R.  B. 

DANZIG.  NA/'alther  Domansky. 


>)  Der  berühmte  Danziger  Dominiks-Jahrmarkt,  beginnend  mit  dem  5.  Angust. 


145 


( 


O: 


u* 


Bittlied  aus  W^estfalen 
an  die  ^veibliehen  Heiligen. 


Das  nachfolgende  Lied  steht  in  einem  aus  verschiedenen  Fascikeln 
zusammengesetzten  Bande,  welcher  sich  in  der  Bibliothek  des  Gym- 
nasium Carolinum  in  Osnabrück  befindet.  Vgl.  Thyen  „Die  Bibliothek 
des  Gymnasii  Carolini^  1  Abt.  Prgr.  Osnabrück  1875  s.  22. 

Es  ist  für  westfälische  Nonnen  gedichtet  und  hat  auch  wohl 
wirklich  praktische  Verwendung  gefunden.  Beachtenswert  ist  es  des- 
halb, weil  es  eins  von  den  Beispielen  bietet,  wie  niederländische  oder 
in  niederländischen  Klöstern  älter  gewordene  Brüder  und  Schwestern 
die  mittelniederdeutsche  Sprache  handhabten. 

So  die  Verwechselung  des  Geschlechts.  Str.  1.  Vor  alle  de  my 
schaden  mach. 

Str.  5  sind  im  Reime  bekoringe  ;, Versuchung*^  und  bekoren  = 
bekoringhe  „das  Bitten^  verwechselt. 

Str.  6  vronscop  statt  vruntscop,  —  Str.  9  geu^erde  statt  geverde. 
Dies  ist  nach  Oudemans  II,  661  mnl.  Wechselform  von  geverde  ^jfertig*', 
aber  nicht  von  geverde  ;,Gefärte^. 

Die  Keime  in  Str.  6  und  13  Ägnete :  stede  und  sarte :  drade 
entsprechen  der  im  Bistum  Osnabrück  einheimischen  Erweichung  von 
inlautendem  t. 

Str.  9  steht  der  got  wohl  statt  an  got^  indem  der  Autor  an 
niederländisch  ter  dachte. 

1  0  Maria  reyne  maget  4  Dorothea  gutlike  vrowe  [wende] 
al  myn  noet  sy  dy  geclaget  myne  armot  vnde  eilende 
behode  my  alle  dnssen  dach  giff  my  dyner  doget  ene  rösen 
vor  alle  de  my  schaden  mach.  de  my  van  vndoget  mote  losen. 

2  Help  my  Maria  Magdalena  6  Margareta  alle  boze  dancken 
dat  ik  myne  snnde  bewene  laet  vt  mynen  horten  wancken 
lesche  myner  snnde  gloet  bozen  wyllen  vnde  hose  bekoringe 
myt  waren  ronwen  vnde  der  tränen  vloet.  bewar  myn  herte  dar  (Hs.  dat)  voren. 

3  Qyfl  my  wisheit  Eaterina  6Ik  bidde  dy  jnncfron  Agnete 
dat  ik  al  de  viande  mynne  myn  herte  make  stede 

myt  wysen  antworde  vorwynne  dat  ik  dy  vor  ene  werdynne  kese 

van  mynes  lonendes  anbegynne.  vnde  dyner  vronscop  nnmraer  vorlese. 

NiederdeatscheB  Jahrbuch  XXX VII.  10 


146 


7  Agatha  da  wylle  my  leren 
lef  hebben  gode  ynsen  heren 
vnde  ene  denen  in  renicheit 

mit  line  vnde  sele  in  ynlherdicheit. 

8  Cecilia  help  my  jnncfronwe  gar 
dat  godes  engel  my  bewar 

vor  des  bösen  dnuela  schar. 

9  Elizabeth  help  my  dat  ik  gene 
myn  gnt  der  got  de  wile  ik  lene 
vnde  de  werlde  yorama  na  dyner  lere 
np  dat  my  werde  de  ewyghe  ere 
in  watere  vnde  np  erde 

dar  wes  myn  gewerde. 

10  Ursnla  vnde  ere  geschar 
war  ik  byn  vnde  war  ik  var 


dar  behode  my  vorwar 
vor  des  bösen  gestes  schar. 

11  0  inncfrowe  Lncie 
wes  myn  artzedie 

vor  werltlike  scande  vnde  vor  ewige 
plage, 

12  0  Barbara  wan  ik  sterve 
godes  lycham  my  vorwerve 
dat  he  sy  myn  leste  spise 
vnde  my  in  den  hemel  wise. 

13  Gertrud  inncArowe  sarte 
werff  my  ene  herberge  drade 
hir  wan  ik  van  henne  Schede 

so  wes  my  to  gode  en  gnt  geleyde. 
Amen. 


OSNABRÜCK. 


H.  Jellinghaus. 


147 


Zur  'Deutsehen  Dialektgeographie'. 


1.    Zar  Zirknmflexion  im  Niederrliemisclieii. 

Es  soll  hier  nicht  die  ganze  ziemlich  verwickelte  und  auch  oft 
von  Ort  zu  Ort  wechselnde  Erscheinung  im  Niederrheinischen  behandelt 
werden,  die  unter  dem  Namen  Zirkumflexion  bekannt  ist.  Dieser 
kleine  Beitrag  zu  den  niederrheinischen  Lautverhältnissen  ist  durch 
eine  kleine  Bemerkung  von  Ramisch  in  seinen  'Studien  zur  nieder- 
rheinischen Dialektgeographie^  (im  ersten  Heft  der  'Deutschen  Dialekt- 
geographie', Berichte  und  Studien  über  Wenkers  Sprachatlas,  hgg. 
von  F.  Wrede)  veranlasst  worden  und  soll  nur  dazu  beitragen,  die 
Zirkumflektionsverhältnisse  eines  speziellen  Lautes  in  einem  kleinen  Teil 
des  Niederrheinischen  aufzuklären. 

Bei  der  Besprechung  der  betreffenden  Lauterscheinung  erwähnt 
Ramisch  auch  (§  12)  den  Umstand,  dass  während  in  dem  grössten  Teil 
seines  Sprachgebietes  Zirkumfiexion  von  westgerm.  i,  ti,  ai  (==  ahd.  ei)^ 
au  (=  ahd.  ou)  'nur  in  offener  Silbe,  also  bei  folgender  Flexions- 
oder Ableitungssilbe'  eintritt,  es  ein  beschränktes  Gebiet  gibt,  das 
eine  verschiedene  Entwicklung  aufzuweisen  hat.  Dies  Gebiet  liegt 
etwas  nördlich  von  der  Stadt  Kempen  und  erstreckt  sich  von  der 
niederländischen  Grenze  bis  ganz  nahe  an  den  Rhein  quer  hinüber. 
Die  Südgrenze,  die  man  am  leichtesten  auf  der  der  Abhandlung 
Ramischs  beigefügten  Karte  aufsucht,  besteht  aus  folgenden  (nicht 
einbegriffenen)  Orten:  Niederdorf,  Herongen,  Wankum,  Wachtendonk, 
Gelinter,  Schmalbroich,  Broich,  St.  Hubert,  Orbroich,  Hüls,  Niep, 
Vluyn  und  Neukirchen,  im  Norden  wird  das  Gebiet  durch  die  folgenden 
begrenzt:  Straelen,  Holt,  Pont,  Veert,  Geldern,  Aengenesch,  Issum, 
Hörstgen,  Klosterkamp  und  Lintfort  (s.  Ramisch  S.  13).  Auf  dem 
auf  diese  Weise  abgegrenzten  Gebiet  findet  Zirkumflexion  von  west- 
germ. au  (=  ahd.  ou)  und  ai  (=  ahd.  ei)  nicht  nur  unter  der  oben 
erwähnten  Bedingung  statt,  sondern  auch  in  geschlossener  Silbe. 
Während  aber  die  Erscheinung  bei  au  ausnahmslos  ist,  zeigt  das 
westgerm.  ai  (=  ahd.  ei)  eine  zweifache  Entwickelung,  indem  die 
Zirkumflexion  nur  in  einigen  Wörtern  eintritt,  in  anderen 
dagegen  der  Vokal  eingipflig  ist.  Worin  der  Grund  zu  dieser 
Doppelentwickelung  zu  suchen  ist,  hat  Ramisch  nicht  ausfinden  können, 
und  diese  Lücke  ist  es,  die  ich  hier  auszufüllen  versuchen  werde. 

10* 


148 

Zunächst  werde  ich  die  von  Ramisch  gegebenen  Beispiele  hier 
anführen  i) : 

Es  findet  sich  Zirkumfiexion  in  §we:t  'Schweiss',  we:k  'weich', 
he:t  'heiss',  ze:p  'Seife',  de:l  'Teil',  Ste:n  'Stein',  U:n  'Bein',  während 
in  den  folgenden  Fällen  eingipf liger  Vokal  erscheint:  zh)9r  'Speichel, 
Geifer',  teka  'Zeichen',  zSk9  'seichen',  hetol  'Meissel',  igd  'eigen',  ek^m- 
hö:m  'Eichenbaum',  wit  'Weizen',  blek  'Bleiche'. 

Bei  der  Durchmusterung  dieser  Beispiele  ist  es  mir  sogleich  ins 
Auge  gefallen,  dass  wir  hier  lediglich  eine  bisher  unbekannte  Seite 
des  Einflusses  eines  auf  das  ai  folgenden  i,  j  haben  müssen.  Es  ist 
ja  seit  dem  Erscheinen  von  Holthausens  Soester  Mundart  eine  all- 
gemein anerkannte  Tatsache,  dass  in  Soest  das  ai  sich  zweierlei  ent- 
wickelt hat,  je  nachdem  darauf  ein  i,  j  folgte  oder  nicht,  und  später 
hat  sich  dasselbe  auch  für  andere  niederdeutsche  Dialekte  bestätigt. 
Untersuchen  wir  nun  die  obigen  Belege  mit  Zirkumflexion,  stimmen 
sie  sämtlich  darin  überein,  dass  sie  umlautslos  siod.  Nach  den  ent- 
sprechenden Formen  auf  dem  ganzen  germanischen  Sprachboden 
zu  schliessen,  wäre  freilich  Umlaut  bei  zwei  von  ihnen  möglich,  nämlich 
bei  zi:p  'Seife'  und  de:l  'Teil',  von  diesen  beiden  Wörtern  begegnen 
aber  überall  daneben  Formen  ohne  t,  j  (s.  Klug  e,  Etym.  Wb.  s.  v. 
^Seife'  und  ^TeiF),  und  nichts  hindert  also,  in  z€:p  und  (fe:l  ebenso 
gut  wie  in  äwe:t,  wS:k  etc.  unumgelautete  Formen  zu  erblicken. 

Ganz  anders  liegt  die  Sache  bei  den  Wörtern  mit  eingipfligem 
Vokal.  In  betal  'Meissel'  (mit  dem  bekannten  Werkzeugssuffix  -i/, 
8.  Kluge,  Nominale  Stammbildungslehre  §  90),  u>€t  'Weizen',  blek 
'Bleiche'  (vgl.  in  der  Soester  Ma.  §  72  bla6k9  und  das  dort  heran- 
gezogene ahd.  bleicht)  und  dem  Kausativum  zSke  'seichen'  wird  sicher 
keiner  an  dem  ursprünglichen  Vorhandensein  eines  t,  j  zweifeln,  und 
in  Anbetracht  des  Parallelismus  got.  aigin:  *aigans,  ahd.  eiffin:  eigan^ 
angs.  (^"^en:  d-z^en  kann  auch  für  ^g9  'eigen'  die  Möglichkeit  eines  i 
in  der  zweiten  Silbe  nicht  abgewiesen  werden.  Es  bleiben  also  noch 
zu  besprechen  zewr^  teka  und  ek9mbd:m.  Für  die  beiden  letzten 
Wörter  lassen  sich  aus  niederdeutschen  Dialekten  sehr  leicht  Formen 
mit  umgelautetem  Stammvokal  heraussuchen.  So  findet  man  im 
Münsterländischen  aek^  aekbaom  (ai  wird  dort  >  ^,  ai-i^)  >  o«, 
s.  Schönhoff,  Emsländ.  Gramm.  §  78),  ebenso  eik  in  der  Priegnitz 
(s.  Mackel,  Jb.  XXXI  S.  110),  aik  in  der  Ma.  von  Warthe 
(s.  Teuchert,  Jb.  XXXIII  S.  34)  und  atto  in  den  Dialekten  der 
Magdeburger  Gegend  (s.  Krause,  Jb.  XXI  S.  62  und  XXII  S.  3),  — 

1)  Es  ist  zu  bedauern,  dass  er  so  wenig  Beispiele  angeführt  hat.  Wenn  es 
sich  um  eine  Lauterscheinung  handelt,  die  man  selbst  nicht  zu  deuten  wüsste, 
sollte  man  doch  zur  Erleichterung  etwaiger  Erklärungsversuche  anderer  Forscher 
möglichst  vollständige  Belege  geben.  Für  den  vorliegenden  Fall  wird  freilich  die 
Sache  dadurch  etwas  günstiger,  dass  er  auf  die  reichlicher  fliessenden  Beispiele 
aus  dem  Glevischen  bei  Geerling,  Die  Clevische  Yolksmundart  (Progr.  Wesel 
1841)  hingewiesen  hat,  aber  sicher  wären  noch  mehrere  Belege  hinzuzufügen. 

*)  Mit  ai'i  meine  ich  im  Folgenden  ai  mit  t,  j  in  der  Folgesilbe,  mit  dem 
im  Gegensatz  dazu  stehenden  ai  dagegen  unumgelaateten  Vokal. 


149 

Für  umgelauteten  Stammvokal  in  ^Zeichen^  gibt  es  weniger  Belege. 
Ich  kenne  nur  die  folgenden:  in  der  Priegnitz  (s.  Mackel  a.  0.) 
hat  man  teiktf^  und  in  der  Magdeburger  Gegend  (s.  Krause  a.  0.) 
spricht  man  taik9n,  ^)  Trotz  ihrer  geringen  Anzahl  bewirken  diese 
Formen,  dass  man  nicht  von  vornherein  die  Möglichkeit  eines  um- 
gelauteten Stammvokals  in  diesem  Worte  leugnen  darf.  —  Noch 
schlimmer  steht  es  aber  mit  zSv9r  'Geifer'.  Die  ahd.  Form  seivar 
bietet  keine  Stütze  für  die  Annahme  eines  i  in  der  zweiten  Silbe, 
und  die  meisten  Dialektmonographien  verzeichnen  das  Wort  überhaupt 
nicht.  2)  Von  den  Mundarten,  die  ai  und  ai-i  unterscheiden,  weiss  ich 
nur  eine,  für  die  das  Wort  verzeichnet  ist:  die  Priegnitzer  (Mackel 
a.  0.),  hier  geht  es  aber  mit  den  Wörtern  mit  ai-i  zusammen:  zeivä^ 
ebenso  das  Verbum  zeivän  'geifern^  was  also  für  die  Möglichkeit  eines 
umgelauteten  Vokals  auch  in  unserm  Dialekt  spricht. 

Deswegen  braucht  man  doch  wohl  nicht  zu  einer  Suffix- 
vertauschung  (etwa  ahd.  *seivir,  vgl.  z.  B.  ahd.  zeichor,  -ur,  ags.  täcor, 
'Ur  :  ahd.  zeichir)  Zuflucht  zu  nehmen,  sondern  ich  möchte  in  diesem 
Zusammenbang  auf  eine  andere  Möglichkeit  aufmerksam  machen,  die 
m.  W.  bisher  von  sämtlichen  Forschern  auf  diesem  Gebiete  unbeachtet 
gelassen  ist,  nämlich  auf  den  Systemzwang.  Wie  oben  gesagt,  ist  die 
allgemein  angenommene  Erklärung  der  wechselnden  Entwicklung  von 
germ.  ai  die  zuerst  von  Holthausen  gefundene:  Einfluss  oder  Nicht- 
Einfluss  eines  folgenden  i,  j.  Aber  es  gibt  noch  eine  andere,  die 
zuerst  von  Wrede  in  seinen  Berichten  über  den  Wenker'schen  Sprach- 
atlas ausgesprochen  worden  ist  (Anz.  f.  d.  Alt.  XXI  S.  290).  Er 
sucht  den  verschiedenen  Vokalismus  von  der  Ein-  oder  Zweisilbigkeit 
der  Wörter  abhängig  zu  machen.  M.  E.  enthält  die  Erklärung  Holt- 
hausens  die  grösste  Portion  Wahrscheinlichkeit,  aber  die  Annahme 
Wredes  lässt  sich  nicht  rundweg  zurückweisen.  In  den  modernen 
Dialekten  sind  nämlich  die  Wörter  mit  ursprünglichem  ai  meistens 
einsilbig,  diejenigen  mit  ai-i  meistens  zweisilbig,  es  lässt  sich  also 
leicht  denken,  dass  solche  Wörter  mit  Svarabhaktivokal  oder 
schwerer  Ableitungssilbe  oder  sonst  aus  irgend  einem 
Grunde  zweisilbig,  denen  von  Hause  aus  kein  i  zukommt, 
allmählich  unter  Einfluss  der  vielen  zweisilbigen  Wörter 
mit  umgelautetem  Vokal  auch  diesen  Vokal  angenommen 
haben. 

Nach  dem  Gesagten  wird  wohl  keiner  die  Möglichkeit  leugnen 
können,  den  bisher  unerklärten  niederrheinischen  Wechsel  von  ein- 
gipf  ligem  und  zirkumflektiertem  Vokal  bei  germ.  ai  ganz  einfach  auf 
Formen  mit  und  ohne  *,  j  in  der  Folgesilbe  zurückzuführen. 


1)  Aach  für  das  Altfriesische  ist  fär  die  Wörter  'Eiche'  und  'Zeichen'  t-Umlaut 
geltend  zu  machen.  Vgl.  hierüber  einen  Aufsatz  von  mir  in  den  Indogerm.  For- 
schungen, wahrscheinlich  Bd.  81. 

')  Das  Wort  fehlt  in  vielen  Dialekten.  Vgl.  die  unten  abgedruckte  Mitteilung 
Seelmanns. 


150 

Wie  die  Sache  lautphysiologisch  zu  erklären  ist,  ist  eine 
schwierigere  Frage.  Nach  dem  Parallelismus  mit  der  unten  zu 
behandelnden  Clevischen  Mundart  und  auch  aus  anderen  Erwägungen 
(z.  B.  den  Schreibungen  in  mitteloiederdeutschen  Handschriften)  scheint 
es,  als  ob  das  i,  j  der  Folgesilbe  dazu  beigetragen  hat,  den  diphthon- 
gischen Laut  länger  beizubehalten,  während  die  anderen  ai  (ohne 
folgendes  t,  j)  früher  monophthongisiert  wurden,  wobei  (in  unserm 
Dialekt)  Zirkumflexion  als  Ersatz  für  den  verschwundenen  diphthon- 
gischen Laut  eintrat.  Die  Monophthongisierung  von  umgelautetem 
ei>  e  ist  natürlich  eine  späte  Entwicklung ;  das  Cleyische  bewahrt  ja 
noch  immer  den  Diphthong. 

Die  geringe  Zahl  von  Wörtern,  die  Ramisch  aus  seinem  Gebiet 
belegt,  wird  wie  oben  gesagt  dadurch  vermehrt,  dass  er  auf  eine 
entsprechende  Erscheinung  im  Glevischen  nördlich  von  der  oben 
genannten  Grenzlinie  Straelen — Lintfort  hinweist,  freilich  mit  dem  soeben 
erwähnten  Unterschied,  dass  hier  dem  eingipf ligen  e  ein  Diphthong 
ei  entspricht;  dem  gegenüber  steht  genau  wie  in  dem  behandelten 
Gebiete  ein  zirkumflektiertes  ^:.  Die  Beispiele  aus  dem  Glevischen 
findet  man  verzeichnet  bei  Geerling,  Die  Glevische  Volksmundart 
(Weseler  Programm,  1841).i)  Es  wird  also  meine  Pflicht  sein,  zur 
Stütze  meiner  Theorie  zu  untersuchen,  ob  hier  auch  der  Wechsel 
hi:  i:  auf  das  Vorhanden-  oder  Nicht- Vorhandensein  eines  folgenden 
t,  j  zurückzuführen  ist. 

Zunächst  die  Beispiele.  Si  findet  sich  in  folgenden  Wörtern 
(natürlich  sondere  ich  die  hochdeutschen  Lehnwörter  mit  ei  <  germ.  i  aus) : 
heilig  'heilig',  rein  'rein',  klein  'klein',  meine  'meinen',  heid  'Heide'  f., 
weit  'Weizen',  scheide  'scheiden',  reise  'Reise',  beide  'beide',  ameis 
'Ameise',  geist  'Geist',  meister  'Meister',  teiken  'Zeichen',  eigen  'eigen', 
ei  'Ei',  eUand  'Eiland',  Ui  'Schiefertafel',  heitel  'Meissel'. 

i:  haben  dagegen  6^ 'Bein'  en  'ein',  Ä^^'heiss',  iZÄi 'Kleid',  led 
'Leid',  Ur  'Leiter',  schwet  'Schweiss',  s$p  'Seife',  del  'Teil',  weh  'weich', 
hret  'breit',  h&s  'heiser',  lest  'Schusterleisten',  sten  'Stein',  mist  'meist', 
ed  'Eid',  Uhne  'leihen',  n&  'nein'. 

In  der  letzten  Gruppe  können  bekanntlich  die  meisten  Wörter 
kein  i,  j  aufweisen.  Ausser  den  oben  behandelten  'Seife'  und  'Teil' 
haben  m.  W.  nur  lir  'Leiter',  Ust  'Leisten'  und  Uhne  'leihen'  in  ver- 
wandten Sprachen  und  Dialekten  i-ümlaut,  so  angs.  hke'd(d)er  'Leiter' ; 
angs.  lce*st,  in  der  Priegnitz  leistr^  'Leisten' ;  angs.  Ice'nan,  '(ver)leiben', 
diesen  stehen  aber  ahd.  leitara,  Uhanon  und  angs.  last,  neuengl.  Utst 
gegenüber.  Nichts  steht  also  im  Wege,  für  sämtliche  Wörter  mit 
e :  Urformen  ohne  i,  j  in  der  ursprünglichen  Folgesilbe  anzunehmen. 

Komplizierter  sind  die  Verhältnisse  bei  den  Wörtern  mit  ei, 
teils  weil  hier  Entlehnungen  aus  dem  Hochdeutschen  möglich   sind, 

1)  Da  dieses  Programm  in  unserer  hiesigen  üniTersiUtsbibliothek  nicht  vor- 
banden war,  hatte  Prof.  Seelmann  die  Güte,  mir  brieflich  die  bei  Geerling  in 
Betracht  kommenden  Wörter  mitzuteilen. 


I 


151 

teils  wegen  des  oben  erwähnten  Systemzwangs  der  zweisilbigen  Wörter. 
Als  sichere  Lehnwörter  betrachte  ich  das  ursprünglich  friesische 
eiland,  ebenso  ameis,  dessen  s  ja.  den  hochdeutschen  Ursprung  verrät,  i) 
Für  die  anderen  Wörter  liegt  die  Sache  ziemlich  klar:  rein, 
klein,  meine,  heid,  weit,  beide,  ei,  lei  (alts.  leia  <  *laiia)  und  nach  dem 
oben  Gesagten  auch  teiken  und  eigen  haben  sämtlich  umgelauteten 
Vokal.  Von  den  neu  hinzugekommenen  lässt  sich  für  heilig  Suffix- 
vertauschung  geltend  machen :  as.  kSlig  neben  hSlag^  angs.  hce^li^^  neben 
hälii,,  —  Für  das  Verbum  scheide  ist  Übertritt  in  die  schwache  Kon- 
jugation anzunehmen  (wie  schon  im  Mittelniederdeutschen,  s.  Lübben, 
Mittelniederd.  Gramm.  S.  69).  Dieser  Übertritt  fand  wohl  statt  in 
Analogie  nach  den  anderen  schwachen  Verben  mit  umgelautetem  ei 
als  Stammvokal  ('reichen',  'leiten',  'spreiten',  'bereiten',  'breiten'  u.  a.) 
und  rief  auch  eine  entsprechende  Veränderung  des  Stammvokals  hervor ; 
eine  ähnliche  Entwicklung  hat  in  anderen  Mundarten  das  bei  Geerling 
nicht  verzeichnete  'heissen'  mitgemacht  (vgl.  im  Münsterländischen 
syaedn  und  haetn  bei  Schönhoff,  Emsländ.  Gramm.  §  78,2;  Soest. 
ha&tn  bei  Holthausen  §  346,  aber  sxb^n  §  345).  —  Vielleicht 
lässt  sich,  wenn  nicht  der  Systemzwang  hier  in  Rechnung  kommt, 
denselben  Einfiuss  für  ein  aus  reise  'Reise'  zu  erschliessendes  Verbum 
^reise  'reisen'  annehmen,  das  dann  seinerseits  das  Substantiv  beein- 
flussen könnte.  Für  umgelauteten  Stammvokal  in  diesen  Wörtern 
spricht  teils  die  fast  konstante  Schreibung  mit  ei  im  Mittelnieder- 
deutschen (s.  Lübben  S.  35),  teils  die  Entwicklung  der  Wörter  in 
den  neueren  Mundarten^) :  in  einigen  waldeckischen  Dialekten  schliessen 
sie  sich  nämlich  denjenigen  mit  umgelautetem  Stammvokal  an 
(s.  Bauer- Collitz,  Wald.  Wörterb.  S.  54*);  in  der  Priegnitz  gehen 
sie  mit  dem  Teil  von  Wörtern,  die  di  haben:  rdis  (s.  Macke|l  §  82b, 
wo  sie  freilich  zu  den  hochdeutschen  Lehnwörtern  gezählt  werden, 
vgl.  aber  bdi(r)  'beide').  —  In  dem  Wort  'Geist'  findet  man  ebenso 
umgelauteten  Vokal  in  einem  Teil  vom  Waldeckischen  (s.  Bauer- 
Collitz  a.  0.)  und  in  der  Priegnitz :  gdist  (Mackel  sieht  dieses  auch 
als  hochdeutsches  Lehnwort  an,  wohl  auch  mit  Unrecht),  vgl.  auch 
angs.  T^ce^st  neben  T^dst,  —  'Meister'  zeigt  im  Mittelniederdeutschen 
häufig  die  Schreibung  ei  (s.  Lübben  S.  36 ;  daneben  aber  mester  mit 
in  der  Anrede  vor  Namen  gekürztem  Vokal).     Dieses  Wort  zeigt  auch 

1)  Da88  es  wirklich  Lehnwörter  gibt,  zeigt  ausser  ameis  auch  kleisieTf  das 
ja  auf  eine  Grundform  mit  I  zurückgeht  (Diphthongisierung  von  i  >  ei  in  dieser 
Stellung  tritt  natürlich  nicht  ein);  zweifelhafter  ist  feind  'Feind',  da  bekanntlich 
Diphthongisierung  von  I  vor  Hiatus  ziemlich  verbreitet  ist.  —  Ein  durch  Analogie 
verändertes  Lehnwort  ist  auch  sivoer  *  Seif  er'.  Professor  Seelmann  teilt  mir  darüber 
brieflich  mit:  'Da  hochdeutschem  ei  in  der  Clevischen  Mundart  meist  I  entspricht 
(vgl.  spis  'Speise',  taer  '£isen',  hlive  'bleiben',  schwtge  'schweigen'  etc.)»  ist  es  denk- 
bar, dass  siwer  'Seifer'  aus  hochdeutschem  'Seifer'  entstanden  ist.  Die  Analogie 
iwer  'Eifer'  mag  mitgewirkt  haben.  Meine  Annahme  ist  nicht  sehr  kühn,  da  das 
Wort  'Seifer'  manchen  Ortsmundarten  fremd  ist,  z.  B.  auch  der  meiner  eigenen 
Heimat.' 

*)  Die  meisten  Dialektmonographien  erwähnen  freilich  das  Wort  gar  nicht. 


152 

in  der  Priegnitz  Zusammenhang  mit  den  Wörtern  mit  umgelauteten 
Vokal:  meistd. 

Als  Ergebnis  unsrer  Untersuchung  darf  als  sicher  betrachtet 
werden :  die  Hauptmasse  der  Wörter  mit  eingipf ligem  e  (im  Clevischen 
£i')  haben  entschieden  umgelauteten  Vokal,  und  für  die  unsicheren 
lassen  sich  leicht  Entsprechungen  mit  Umlaut  in  anderen  Mundarten 
auffinden,  während  ebenso  entschieden  die  Hauptmasse  der  Wörter 
mit  zirkumfiektiertem  Vokal  (e:)  nichtumgelauteten  Vokal  haben. 

2.    Ostfries.  hUjet,  bifJU  'bissehen'. 

Das  erste  Heft  der  'Deutschen  Dialektgeographie'  enthält  ausser 
der  Arbeit  Ramischs  auch  eine  Abhandlung  von  Prof.  Wrede  über 
die  Diminutiva  im  Deutschen,  worin  er,  wie  es  scheint,  in  den  Haupt- 
zügen die  Entstehung  der  grossen  Hauptmasse  dieser  Diminutiva  auf- 
geklärt hat.  Einzelne  Fragen  bleiben  immer  noch  zu  beantworten, 
und  hier  werde  ich  speziell  auf  eine  Diminutivform  eingehen,  die  auf 
einen  kleinen  Teil  von  Deutschland  beschränkt  ist,  nämlich  das  in 
der  Nordhälfte  des  Ostfriesischen  vorkommende  bitjety  hitjit  'bisschen'. 
Wrede  erwähnt  die  Formen  S.  80  und  kommt  S.  83  auf  sie  zurück, 
weiss  sie  aber  'nicht  sicher  zu  deuten'. 

M.  E.  liegt  nach  der  Aufzählung  der  friesischen  Formen  bei 
Wrede  S.  80  die  Erklärung  auf  der  Hand,  und  dass  Wrede  sie  selbst 
nicht  gefunden  hat,  wird  sicher  lediglich  dem  Umstand  zuzuschreiben 
sein,  dass  er  in  dem  -jet^  -jit  dieses  Wortes  eine  den  ostfriesischen 
Namensformen  auf  -jet  (Germania  XHI  S.  309)  entsprechende  Bildung 
sehen  will.  Dass  diese  Zusammenstellung  unrichtig  ist,  ergibt  sich 
schon  daraus,  dass  -jet^  -jit^  wenn  es  eine  regelmässige  Nebenform 
von  'je  wäre,  auch  z.  B.  bei  dem  ostfries.  Wort  für  'Stückchen' 
begegnen  würde,  was  aber  nach  Wrede  S.  80  keineswegs  der  Fall  ist. 

Es  sprechen  aber  noch  weitere  Gründe  gegen  eine  solche 
Zusammenstellung  des  -jet  in  den  ostfriesischen  hypokoristischen 
Namen  und  des  -jet^  -jit  in  dem  betreffenden  Worte.  Wrede  scheint 
nämlich  von  der  Voraussetzung  auszugehen,  die  in  dem  oben  zitierten 
Aufsatz  (Ruprecht,  Zu  den  ostfriesischen  Kosenamen,  Germania  XIII 
S.  301  ff.)  angeführten  Kosenamen  auf  -jet  seien  noch  heute  in 
Ostfriesland  geläufige  oder  wenigstens  vorkommende  Namen.  Dies 
ist  aber  keineswegs  der  Fall. 

In  seinem  Aufsatz  [verzeichnet  Ruprecht  (S.  308)  auch  einige 
Kosenamen  auf  -tet^  die  sämtlich  Doppelformen  anderer  Namen  auf 
-t  sind :  Ältet  :  Ält^  Beutet :  Beent^  Wütet :  Wut  u.  a.  Ruprecht  gibt 
das  Alter  der  Namen  nicht  an,  nach  Wink  1er,  Friesche  Naamlijst 
(in  Dijkstra,  Friesch  Woordenboek)  sind  aber  alle  diese  Namensformen 
auf  -tet  veraltet,  und  der  grösste  Teil  von  den  Belegen  Ruprechts 
stammt  sogar  aus  dem  10.  Jahrb.;  er  hat  sie  nämlich  dem  von 
Crecelius  herausgegebenen  Index  bonorum  et  redituum  monasteriorum 


153 

Werdinensis  et  Helmonstadensis  entnommen  i).  Die  Namen  auf  -jet 
berühren  sich  nun  augenscheinlich  mit  diesen  auf  -tet^  vgl.  Äljet :  Altet 
zu  -4ft,  Ällert;  Minjet :  Meintet^  Mentet  (bei  Winkler)  zu  Me{i)nt^  Mein- 
hart  u.  a.,  und  diese  Erkenntnis  gibt  auch  den  Aufschluss  über  die 
Entstehung  des  -jet:  neben  der  hypokoristischen  Form  Alt  bestand 
das  ebenso  hypokoristische  Altet^  und  in  Analogie  hiernach  bildete 
man  zu  dem  Kosenamen  Alje  eine  neue  Form  Aljet.  Diese  Bildung 
ist  übrigens  äusserst  selten :  ich  kenne  nur  die  wenigen  von  Ruprecht 
verzeichneten  Beispiele,  in  der  grossen  Sammlung  von  Winkler  habe 
ich  keinen  einzigen  Beleg  finden  können,  was  wohl  auch  dafür  spricht, 
dass  diese  Formen  extraordinär  sind. 

Aus  dem  Zusammenhange  mit  den  Namen  auf  -tet  folgt  aber  noch, 
dass  diese  seltenen  Formen  auf  -jet  ebenso  alt  sein  müssen  und  wohl 
auch,  dass  sie  mit  jenen  zu  Grunde  gegangen  sind.  Freilich  Hesse 
sich  nun  von  vornherein  die  Möglichkeit  nicht  leugnen,  dass  diese 
Eigennamen  auf  -jet  auf  die  Form  der  anderen  Diminutiva  Einfluss 
hätten  üben  können.  Wrede  hat  ja  überzeugend  dargetan,  dass  die 
ganze  Diminutivbildung  eben  in  den  Hypokorismen  wurzelt.  Gegen 
eine  solche  Möglichkeit  spricht  aber  einerseits  ihre  grosse  Seltenheit, 
anderseits  die  schon  oben  hervorgehobene  Tatsache,  dass  dieses  -jet^ 
-jit  sich  nur  in  diesem  einzigen  Wort  findet  und  nicht  bei  den  anderen 
Diminutiva  vorkommt.  Der  Ursprung  des  -t  in  bitjet,  -jit  wird  also 
ein  anderer  sein  müssen. 

Ich  sehe  die  Erklärung  dieser  Formen  darin,  dass  das  Wort 
einen  Teil  seiner  substantivischen  Funktion  eingebüsst  hat  und  zu 
einer  Art  neutrales  Fürwort  geworden  ist,  wodurch  es  natürlich  auf 
eine  Stufe  mit  den  ursprünglichen  Pronomina  kam.  Dadurch  kam 
es  aber  auch  dazu,  das  bei  neutralen  Fürwörtern  häufige  Schluss-^ 
hinzuzufügen,  vgl.  im  Mittelniederd.  die  Wörter  it,  dat,  dit,  wat^  icht 
mit  zum  Stamme  gehörigem  t  und  Formen  wie  alle{n)t,  jent,  desset, 
dussety  welke{n)t^  sulke{n)t  mit  Endungs-^  (got.  -ata^  ahd.  -az),^). 

Für  die  Wahrscheinlichkeit  dieser  Aufl'assung  des  Wortes  hitjet^ 
-jit  als  ein  neutrales  Fürwort  spräche  wohl  schon  die  entsprechende 
Bedeutungsentwicklung  des  hochdeutschen  'bisschen\  wenn  aber  dazu 
der  von  Wrede  S.  80  erwähnte  Umstand  kommt,  dass  eben  in  der 
Gegend,  wo  die  Formen  mit  -jet^  -jit  zuhause  sind  (im  nördl.  Ostfries- 
land), öfters  statt  dieser  Formen  das  Fürwort  wat  eintritt,  scheint 
mir  die  Wahrscheinlichkeit  zur  Gewissheit  zu  werden. 

LUND.  N.  Otto  Heinertz. 


')  S.  Stark,  Kosenamen  der  Germanen  S.  123,  Note  8. 

^)  Die  Formen  finden  sich  ja  meistens  noch  in  den  Mundarten,  und  ein 
Beweis  für  die  Lebenskräftigkeit  des  -t  ist  ja  der  Umstand,  dass  es  bekanntlich 
auch  in  die  Adjektivdeklination  gedrungen  ist. 


154 


Mukau  von  Hal^ve^stadt. 


Aus  der  Jugendzeit  klingt  es  und  singt  es  und  ruft  Erinnerungen 
an  kindheitsfroiie  Tage  in  der  Geborgenheit  des  Elternhauses  wach: 

Mukaa  tob  Halwentadt, 
bring  doch  usen  Kiimeken  wat. 

Wat  sali  ek  en  denn  man  bringen? 
Ein  Paar  Schau  mit  Ringen, 
ein  Paar  Schau  mit  GoUe  beslahn, 
da  sali  use  Kind  oppe  danzen  gähn. 

Dem  Kinde  in  der  schaukelnden  Wiege  singt  es  die  Mutter,  die  Gross- 
mutter, denen  es  einst  von  ihren  Ahnen  gesungen  wurde.  Geschlecht 
um  Geschlecht  fuhrt  das  Lied  uns  zurück  in  vergangne  Tage.  Wo 
aber  liegt  sein  Ursprung,  und  wie  ist  es  zu  deuten? 

Das  über  ganz  Norddeutschland  verbreitete  Lied  wird  gewöhnlich 
auf  Bischof  Burchard  IL  von  Halberstadt  i)  bezogen,  ohne  dass  aller- 
dings je  der  ernsthafte  Versuch  unternommen  wäre,  diese  Ansicht 
auch  zu  beweisen.  Bischof  Burchard  hatte  den  Bischofsstuhl  von 
1059 — 1088  inne  und  war  Heinrichs  IV.  erbittertster  Feind  unter  den 
Fürsten  im  alten  Sachsenlande,  sein  tatkräftigster  und  ausdauerndster 
Gegner.  ^Zunder  und  Nahrung  der  Zwietracht*  nennen  ihn  die  Zeit- 
genossen. Er  verstand  das  Schwert  des  Kriegers  ebenso  zu  hand- 
haben wie  den  Krummstab.  Doch  sorgte  er  auch  für  seine  Unter- 
tanen und  hat  z.  B.  den  Halberstädter  Kaufleuten  manche  Vorrechte 
verschafft.  Wie  weit  politische  Klugheit  ihn  dazu  trieb,  wissen  wir 
nicht.  Dass  er  ein  grosser  Kinderfreund  gewesen  sei,  wie  es  die 
Deutung  des  Liedes  auf  ihn  voraussetzt,  ist  geschichtlich  nicht  bezeugt, 
und  man  scbliesst  erst  aus  dem  Liedanfange  darauf.  Wackermann  2) 
sagt:  »Auch  in  seinem  Privatleben  scheint  er  darauf  Bedacht  genommen 
zu  haben,  sich  beliebt  zu  machen.  Denn  gewiss  ist  die  Volksüber- 
lieferung von  'Buko  dem  Kinderfreund',  an  welchen  ein  noch  heute 
nicht  verklungenes  Volkslied  erinnert,  nicht  eine  grundlose  Fabel.» 
Ähnlich  scbliesst  Klamer  Schmidt^);  denn  ^noch  bis  auf  die  heutige 
Stunde  zitieren  ihn  (den  Bischof)  unsre  Kinderwärterinnen  in  voran- 
stehendem Liede**.  Wie  Sello  in  den  Mitteilungen  des  Vereins  für 
anhaltische  Geschichte*)  nachgewiesen  hat,  gehen  fast  alle  Bearbeiter 
mit  ihrer  Deutung  auf  Winnigstedts  Halberstädter  Chronik  zurück. 
In  Abels  Ausgabe  6)  derselben    heisst   es   in   einer   Fussnote  S.   298: 


1)  vgl.  Leers,  Burchard  II.  von  Halberstadt.  Progr.  Eisleben  1892,  und 
Wackermann,  desgl.  Progr.  Biedenkopf  1878.  —  ")  a.  a.  0.  Anm.  21.  —  *)  Poetische 
Briefe,  Dessau  1782.  S.  50.  —  ^)  Mitteilungen  des  Vereins  für  anbaltische  Geschichte 
IV  (1886),  S.  838.  —  ^)  Caspar  Abel,  Sammlung  etlicher  noch  nicht  gedruckter 
Chroniken,  1782. 


155 

In  etlichen  Exemplaren  wird  auch  hinzugetan,  dass  Buco  als  ein 
grosser  Kinderfreund  denen  kleinen  Kindern  immer  was  mitgebracht 
und  unter  sie  ausgeteilet  habe,  daher  das  bekannte  Wiegenlied 
gekommen :  Buko  von  Halberstadt,  bringe  unsem  Kinde  wat  etc.  Abel 
tritt  dieser  Meinung  in  seiner  Ilalberstädter  Chronik  i)  mit  den  Worten 
entgegen:  Was  einige  vor  überflüssige  Gedanken  bei  dem  bekannten 
Kinderliede  ;,Mukoh  von  Halberstadt ^  gefasst,  als  ob  dadurch  dieser 
Bischof  verstanden  würde,  der  ihrem  Vorgeben  nach  ein  grosser 
Kinderfreund  gewesen,  und  ihnen  von  Goslar  immer  allerhand  Kleinig- 
keiten zum  Geschenke  mitgebracht,  gehört  zu  den  schönen  Noten  des 
Herrn  Mathanasii  über  Colin's  Lied,  und  halte  ich  festiglich  davor, 
dass  die  alten  Weiber  ebenso  wenig  bei  der  ;,Mukoh  von  Halberstadt ^ 
als  bei  der  von  Bremen  und  Halle  an  ihn  oder  andere  Bischöfe  gedacht. 

Aber  immer  wieder  tritt  sie  hervor  bis  in  die  neueste  Zeit 
hinein.  Wir  finden  sie  schon  bei  Richey2),  der  den  ^einfältigen 
Weibern*'  berichtet,  ^dass  dieses  Buköken  sei  der  ....  Bischof  zu 
Halberstadt  Bucco  oder  Burchard,  welcher  eine  solche  Kinderliebe 
(!  Vf.)  gehabt  haben,  dass  er  niemals  ausgegangen,  ohne  denen  .  . 
Kindern  etwas  zu  schenken;*  ferner  im  Holsteinischen  Idiotikon  von 
Schütz 3)  und  in  einer  Besprechung^)  desselben,  sowie  in  Büschings 
monatlichen  Nachrichten  für  Freunde  der  Geschichte  I,  1816.  Nie- 
mann *^)  tut  andre  Deutungen  mit  dem  Vorwurf  der  Geschichts- 
unkenntnis ab.  Ohne  lange  Prüfung  entschliessen  sich  ebenfalls  für 
den  Bischof  Frantz«),  Winter  7),  Blume  8)  und  Polle»).  Die  Kritik 
dieser  Deutung,  die  Müllenhofif^^)  albern  erscheint,  wird  in  der  Er- 
weisung einer  bessern  liegen. 

Weniger  hervorgetreten  sind  einige  andere  Deutungen.  In 
seinen  Untersuchungen  über  Kultgebäcke^i)  kommt  Höfler  zu  der 
Ansicht,  dass  mit  den  Anfangsworten  unseres  Liedchens  ein  altes 
Kultbrot  gemeint  sei,  das  man  den  Kindern  vom  Burkartsmarkttage 
mitbrachte.  ;,  Sonst  war  der  Borkeis-  oder  Burkartswecken  am 
Burkartsmarkte  am  Dienstag  nach  St.  Burkart  als  Patenbrot  geschenkt 
worden.  In  einem  niederdeutschen  Kinderliedchen  heisst  es  darum: 
^Buckäucken  von  Halberstadt,  bring  min  kleen  Kindicken  wat!*  d.  h. 
einen  Burkartsweck  vom  Krammarkte.* 

Andere  Forscher  deuten  das  Lied  mythologisch.  So  sieht 
Müllenhoffi^)  im  Buko  von  Halberstadt  einen  Hausgeist,  der  um  Ge- 
schenke gebeten  wird.  M.  beachtet  dabei  nur  die  Form  Buko  oder 
Buköken,  die  er  mit  den  schottischen  Bezeichnungen  eines  Hausgeistes 

1)  Abel,  Halberstädter  Chronik,  1764,  S.  169  f.  —  ^)  Idiotikon  Hamburgense 
1765.  —  ')  Schütz,  Holsteinisches  Idiot^on  1800  unter  Buko.  —  ^)  Jenaische 
Literaturzeitnng  1807,  S.  49.  —  *)  Geschichte  von  Plalberstadt  1829,  I  177  — 
<)  Geschichte  des  Bistums  Halberstadt  1858.  —  ^j  Magdeburger  Geschichtsblätter 
10  (1876),  S.  309.  —  ^)  Mitteilungen  des  Vereins  für  anhaltische  Geschichte  IV 
(1886,  S.  294)  —  »)  Drosihn,  Deutsche  Kinderreime  1897,  S.  48.  —  >»)  Müllenhoff, 
M&rchen,  Sagen  und  Lieder,  Kiel  1845,  S.  603.  -  ")  Vgl.  Ztschr.  für  Volkskunde 
1901,  S.  197  und  Ztschr.  für  rheinische  und  westf.  Volkskunde  II,  S.  168,  316.  — 
")  a.  a.  0.  S.  603. 


156 

bumann,  bukow,  boodie  vergleicht.  Wehrhan^)  möchte  sich  seiner 
Ansicht  anschliessen. 

Rochholz  will  in  der  Mukuh  von  Halberstadt  das  Johannis- 
käferchen (Coccinella)  erkennen.  Er  knüpft  dabei  an  Namen  an  wie 
Motschekühlein,  Motschekiebchen,  Hergottenkühli,  Sonnenkuh  usw., 
die  in  vielen  Gegenden  das  rote  Sonnenkäferchen  bezeichnen.  Dieses 
Käferchen  steht  für  die  rote  Kuh  der  germanischen  Mythologie,  die 
beim  Weltuntergange  über  die  Himmelsbrücke  geht.  „Das  rote  Tier 
gibt  sich  allenthalben  als  Sonnentier  zu  erkennen*'.  „Das  rote  Marien- 
käferchen, der  Siebenpunkt,  gilt  selbst  für  ein  rotfleckiges  Rind.*' 2) 
„Die  meisten  Kinderreime,  die  so  zahlreich  an  dieses  Tierchen  ge- 
richtet werden,  behandeln  dasselbe  als  eine  ...  Kuh/^j 

Böhme  ist  unentschieden.    In  der  Einleitung  zu  seinem  Werke*) 

Seite  XXII  meint  er :    so   ist   damit  nicht  der  Bischof  Burkard 

von  Halberstadt,  noch  weniger  die  rote  Kuh  beim  Weltuntergange, 
sondern  der  Sonnenkäfer  oder  Marienkäfer  gemeint;  Seite  33  aber 
will  er  auf  unser  Lied  das  bekannte  Wort  Goethes,  das  dieser  von 
den  Wunderhornliedern  sagte,  angewendet  wissen :  reimhafter  Unsinn, 
zum  Einschläfern  völlig  zweckmässig. ** 

Die  einzig  richtige  Deutung  vertreten  meines  Erachtens  Abel, 
Sello  und  Harzen -Müller  5),  die  in  dem  Liede  eine  mütterliche  Bitte 
an  die  Kuh  sehen.  Auch  im  Volke  wird  es  so  aufgefasst.  Abels 
Meinung  haben  wir  oben  gelesen ;  Sello^)  tritt  im  Anschluss  an  Blumes 
Ausführungen  der  Neigung  entgegen,  alles  mythologisch  und  ge- 
schichtlich deuten  zu  wollen  und  meint,  dass  das  gar  nicht  schwer 
sei,  „wenn  man  nur  nicht  blöde  im  Aufsuchen  von  Vergleichungs- 
und Anknüpfungspunkten  ist*'. 

Seine  Deutung  begründet  er  neben  dem  Hinweis  auf  andre 
Muhkuhlieder  mit  der  sprachlichen  Form.  Der  bischöfliche  Name 
habe  kurzes  u  gehabt,  in  den  Liedanfängen  trete  dagegen  langes 
u  auf.  In  der  Tat  ist  die  Kurzform  des  Namens  Burkard  schon  mnd. 
Bucco,  Bucko  oder  Buggo.  Dennoch  steht  mir  gerade  dieser  Beweis 
nicht  ganz  fest,  weil  das  kurze  u  in  Bticco  auch  durch  den  langen 
Melodieton  7)  hätte  gelängt  werden  müssen.  Das  Lied  ist  ja  nicht 
gesprochen  sondern  gesungen.  Ich  kann  mich  nicht  entsinnen,  in 
meiner   Jugend   das   Lied  je  anders   als  gesungen  gehört  zu  haben. 

Vielmehr  scheint  mir  die  Betrachtung  des  Vokals  der  zweiten 
Silbe  zum  Ziele  zu  führen. 

Im  Mittelniederdeutschen  gab  es  mehrere  qualitativ  verschiedne  o: 
1)  das  aus  westgerm.  6  entwickelte  mnd.  o^,   2)  das   aus  westgerm. 


>)  Ztschr.  für  rhemische  und  westftlische  Volkskunde  II,  S.  68.  —  «)  Roch- 
holz, deutscher  Glaube  und  Brauch,  1867,  II  264  ff.  —  »)  Rochholz,  Alemannisches 
Kinderlied  und  Kinderspiel,  1857,  S.  93.  —  ^)  Böhme,  deutsches  Kinderlied  und 
Kinderspiel,  1897.  —  »)  Ztschr.  Niedersachsen  1901/02,  S.  67.  —  •)  a.  a.  0.  — 
7)  Vgl.  die  Melodien  bei  Böhme,  a.  a.  0.,  S.  81  f. 


157 

du  entstandne  mnd.  o^,  und  3)  das  mnd.  6^  von  verschiedner  Her- 
kunft, das  uns  hier  nicht  weiter  berührt^). 

Wie  sich  aus  der  Weiterentwicklung  von  mnd.  6^  und  6^  in 
den  heutigen  Mundarten  zeigt,  müssen  diese  Vokale  schon  im  Mittel- 
niederdeutschen und  im  Altsächsischen  in  ihrer  Lautung  voneinander 
abgewichen  sein.  In  der  MundaH  um  Halberstadt,  dem  Entstehungs- 
gebiet unsres  Liedes,  muss  mnd.  6^  geschlossener  geklungen  haben 
als  6^;  nur  so  ist  wohl  zu  verstehen,  dass  hier  o^  zu  d,  o^  dagegen 
zu  au  geworden  ist  2). 

Nun  wird  das  o  in  Buko  (Bucco)  geschlossen  gesprochen,  hat 
auch  als  nebentoniger  Vokal  von  andrer  Herkunft  die  Entwicklung 
der  mnd.  Längen  gar  nicht  mitgemacht.  Hätten  wir  hier  den  Personen- 
namen vor  uns,  so  müsste  er  in  allen  Formen  unsres  Liedes  seine 
alte  Gestalt  bewahrt  haben,  auch  in  den  heutigen  Mundarten,  die 
mnd.  6^  zu  au  entwickelt  haben.  Anders  aber,  wenn  die  Silbe  ko 
etwa  dem  mndd.  ko^  ^hd.  Kuh^  entspräche.  3)  Da  mndd.  ko  (germ.  ko^ 
ahd.  kuo)  mit  6^  in  vielen  Mundarten  kau  oder  kou  lauten  muss,  wie 
z.  B.  in  den  Gebieten  von  Halberstadt — Magdeburg,  Braunschweig, 
in  Lippe  und  im  Sauerlande,  im  östlichen  Mecklenburg  und  in  Vor- 
pommern, während  es  in  andern  ko  geblieben  ist,  so  muss  sich  aus 
den  heutigen  Liedanfängen  ergeben,  welches  6  vorliegt.  Ich  habe 
darum  eine  Reihe  Formen  zusammengestellt,  die  ich  aus  den  bekannten 
Sammlungen  und  aus  dankenswerten  schriftlichen  und  mündlichen 
Mitteilungen  gewonnen  habe.  Da  das  in  den  meisten  Lesarten  des 
Liedes  mit  vorkommende  Wort  Schuh,  mndd.  scho,  ebenfalls  6^  und 
darum  dieselbe  Entwicklung  hat,  wie  sie  ko  'Kuh'  haben  muss,  habe 
ich  es  zur  Vergleichung  mit  angeführt. 

1)  auj  QU  {äu,  ot). 

MukaUj  Mukeuken^  Mukeuseken  —  Schau  sind  belegt  aus  EUsdorf,  Dingelstedt, 
Blankenbarg,  Egeln,  Olvenstedt,  Groppendorf,  Uhrsleben,  Oschersleben 
(Halber8t.-Magdebg.),  Northeim  (Göttingen),  Dahlenburg  (Lünebarger  Heide) ; 

Bukau  —  Scliau  aus  Sargstedt  (Halbstdt),  Lippe,  Ponunem; 

Motschekau  —  Schau  aus  Ballenstedt. 

2)  0  (ö). 
Buko  Buköken  —  Sc?u)h  liegt  vor  aus  Zerbst,  Rohrberg  (Altmark),  Münster,  Ltlbeck, 
Holstein ; 

8)  hochdeutsch. 
Bu-,  Höh-,  Motschekühchen,  Motschekuh  —  Schuh  aus  Weissenfeis,  Schierstedt, 
Bernburg,  Nietleben. 

Dazu  kommen  Mohkoken — Schau  aus  Kreis  Kalbe,  Bukoiken — 
Schoh  ausMieste,  -Bwäo— Sc AwA  aus  Brandenburg,  Buko — Schau  zweimal 


1)  Vgl.  Nd.  Jb.  18,  S.  141  ff.  —  >)  Genauer  habe  ich  diese  Entwicklung  zu 
zeichnen  versucht  in  der  Lautlehre  der  Mundart  von  Eilsdorf,  Ztschr.  f.  d.  Ma.  1910, 
§  176.  —  *)  Man  könnte  einwenden,  dass  o  auch  in  Muko  'Kuh'  Nebenton  habe. 
Aber  dass  es  trotzdem,  wie  die  folgende  Übersicht  zeigt,  sich  nur  im  Sinne  *Kuh' 
entwickelt  hat,  zeigt,  dass  hier  statt  des  formellen  Entwicklungstriebes  ein  andrer 
wirkte,  und  das  kann  nur  die  im  Volksbewusstsein  von  vornherein  vorhandene 
begriffliche  Übereinstimmung  mit  ko  'Kuh'  gewesen  sein. 


158 

aus  der  Halberstädter  Gegend.  Die  ersten  beiden  scheiden  auch 
hier  aus,  da  sie  auch  als  Bezeichnung  der  Kuh  gelten.  So  bleiben 
drei  Fälle,  wo  das  o  in  Buko  als  Bezeichnung  der  Kuh  mundartlich 
nicht  berechtigt  wäre.  Es  kann  hier  nur  eine  Beeinflussung,  sei  es 
schon  des  Yolksmundes  durch  gelehrte  Ansicht,  sei  es  des  Sammlers 
durch  Yorgefasste  Meinung,  angenommen  werden.  Besonders  das  bei 
Böhme  Nr.  121  E  mitgeteilte  ist  auch  sonst  stark  mit  andern  Formen 
yermischt. 

Die  oben  1 — 3  mitgeteilten  Liedanfänge  sind  sämtlich  lautgesetz- 
lich richtig  entwickelte  Bezeichnungen  der  Kuh.  Es  geht  daraus  wohl 
unzweifelhaft  hervor,  dass  wir  in  dem  Halberstädter  Wiegenliede  eine 
Bitte  an  die  Kuh  zu  sehen  haben.  PoUe^)  will  zwar  diese  Bezeich- 
nungen der  Kuh  auf  yolksetymologische  Umbildung  des  Bischofsnamens 
zurückführen;  ich  sehe  aber  nicht  ein,  warum  das  überhaupt  nötig. 
Denn  abgesehen  davon,  dass  nach  unsem  obigen  Ausführungen  über 
den  Bischof  Bucco  gar  kein  Zeugnis  vorliegt,  dass  er  ein  Kinderfreund 
gewesen  sei,  und  dass  eine  derart  allgemeine  und  regelmässige  Um- 
bildung wunder  nehmen  müsste,  so  sprechen  noch  eine  ganze  Anzahl 
andrer  Kinderlieder,  die  unzweifelhaft  von  der  Kuh  handeln,  für  nnsre 
Ansicht.  Ich  will  aus  den  bekanntesten  Sammlungen  nur  einige  an- 
führen: 

Buköken  buh,  Bokoh  und  B&lamm 

Wovon  bist  du  so  rah?  ^ngen  beid  den  Berg  hinan. 

Ik  bin  so  roh,  ik  bin  so  glatt,  (matt?  Vf.)  Bukah  könnt  nicht  mehr  gehn, 

ik  bin  de  Buhkuh  von  Halberstadt.  Bälamm  musste  stille  stehn. 

Buköken  buh.                  (Falkenberg.)  Bukühchen  bn, 

warum  bist  du  so  roh? 

Buköken  von  Halle,  Ich  bin  so  roh,  ich  bin  so  glatt, 

wat  steit  in  unsen  Stalle?  ich  bin  Boktthchen  von  Halbentadt 

Eene  schöne  bunte  Koh,  (Weissenfeis.) 

de  hört  uns'  lütj  Kin^jen  to. 

(Holstein). 

Unsre  Ansicht  stimmt  auch  viel  mehr  mit  dem  Geist  des  Kinder- 
liedes überein.  Kind  und  Tier  gehören  zusammen. 2)  Hunderte  von 
Wiegenliedern  und  Reimen  voll  fröhlicher  Kinderlust  singen  von  Tieren, 
vom  Putthühnchen,  Bälamm,  Hottepferd  und  der  Miezekatze,  selten 
mal  eins  von  einer  Person. 

Sello  will  nun  zwar  die  Kuh  in  Zeile  1  angeredet  wissen,  glaubt 
dagegen  die  folgende  Bitte  an  eine  dem  Kinde  bekannte  Person  ge- 
richtet. Aber  warum?  Hat  er  nicht  selber  kurz  vorher  aufmerksam 
darauf  gemacht,  wie  auch  andre  Tiere  als  gabenspendend  im  Kinder- 
glauben vorkommen,  wie  der  Storch  mit  dem  Kindlein  auch  Zucker- 
werk für  die  andern  bringt,  wie  der  Hase  Eier  legtl  Bringt  nicht 
auch  heute  noch  der  Vater  seinen  Kindern  den  Rest  des  Vesperbrotes 
als  Hasenbrot  mit!  Entstehung  und  Sinn  des  Liedes  lassen  sich 
leicht  so  auffassen :  Die  Mutter  tändelt  mit  ihrem  Kindchen.  Vielleicht 
steht  sie  am  Fenster  und  sieht  auf  dem  Hofe  die  Kuh  herumspringen, 


1)  Drosihn  a.  a.  0.  S.  48  Anm.  —  >)  Vgl.  Böhme  a.  a.  0.  S.  XXVIII. 


159 

die  der  Vater  vom  Halberstädter  Viehmarkte  geholt,  wobei  er  für 
sein  Kind  schöne  Sachen  mit  eingekauft  hat,  vielleicht  lässt  sie  ihren 
Liebling  in  den  Stall  schauen,  wo  die  buntgefleckte  Mukuh  sich  mit 
fragendem  Brummen  nach  den  Gästen  umschaut.  Wie  schnell  fugt 
sich  da,  aus  den  Umständen  notwendig  erwachsen,  Reim  an  Reim: 
Du  Mukau  ut  Halwerstadt,  bring  doch  usen  Kinneken  wat.  Im  Spiel 
mit  dem  Kinde  wird  jede  Mutter  selbst  wieder  Kind.  Sie  schwelgt 
in  der  Vorstellung  der  Geschenke,  vielleicht  drängen  sich  eigene, 
unerfüllbare  Wünsche  mit  auf  die  Lippen :  Rote  Schuh  i)  mit  goldnem 
Besatz,  in  denen  sie  im  Geiste  ihr  Kind  schon  tanzen  sieht.  Andre 
Fassungen  singen  unter  Anlehnung  an  andre  Kinderreime  auch  von 
Zucker,  Rosinen  und  Mandelkern,  die  das  Kind  gerne  isst. 

Aus  ganz  ähnlichen  Umständen  wird  z.  B.  das  Liedchen 
erwachsen  sein: 

Mohköheken  von  Halle, 

wat  döhst  du  in  unsen  Stalle? 
War  ik  Mohköhken  von  Halle  nicb, 
denn  stünn  ik  in  jnen  Stalle  nich. 

Ganz  im  Sinne  unsrer  Deutung  liegt  auch  die  pommersche  Um- 
bildung unsres  Liedes: 

Huttfo&hre  na  de  Stadt, 
bring  doch  usem  Jangke  wat  usw.') 
oder: 

Hento  hü,  na  de  Stadt, 

bring  usem  kleinen  Eindke  wat!<) 

Aus  der  Gegend  von  Halberstadt,  wo  es  nach  der  Anlage  der 
ersten  Zeilen  entstanden  sein  muss,  hat  sich  das  Wiegenlied  weit 
verbreitet  und  dabei  mancherlei  sprachliche  und  inhaltliche  Ver- 
ändrungen  ^)  erlitten.  Es  ist  dabei  merkwürdig,  dass  es  fast  nur  aus 
niederdeutsclien  Gauen  klingt.  Zwar  finden  wir  es  hier  und  da  auch 
im  mitteldeutschen  Sprachgebiete,  nach  den  vorhandnen  Belegen  doch 
aber  nur  da,  wo  einst  auch  die  plattdeutsche  Sprache  herrschte,  das 
ist  im  Thüringer  Lande  bis  Merseburg^).  Aus  dem  übrigen  Mittel- 
deutschland und  aus  Oberdeutschland  ist  keine  Form  belegt,  also 
wohl  auch  keine  vorhanden.  Nur  aus  Siebenbürgen  ö)  werden  Lieder 
mit^dem  gleichen  Grundgedanken  berichtet: 

oder: 
Patschhanderle,  Patschhanderle,  Patschi  patsch!  Handili, 

was  soll  der  Tata  bringen?  wat  sal  der  tata  br&ngen? 

Rote  Schuh  mit  Banderle,  £n  n&  pur  Schagen,  n&  pur  otrimp, 

dann  soll  der  Bubi  springen.  do  soll  der  Hansi  sprängen. 


7 

dl 


>)  Rote  Schuhe  ist,  wie  Sello  wahrscheinlich  macht,  die  ursprüngliche  Fassung. 
«)  Progr.  Rogasen  1890.  —  ")  Drosihn  a.  a.  Nr.  80.  —  *)  In  welchem  Verhältnis 
die  mit  andern  Städtenamen  auftretenden  Lieder,  wie  Buko  von  Bremen,  von  Halle, 
Motschekuh  von  Dräsen  zum  Halberstädter  Liede  stehen,  ob  sie  in  Anlehnung 
daran  entstanden  oder  selbständige  Erzeugnisse  jener  Gegenden  sind,  lasse  ich 
dahingestellt  sein.    Auch  Buko  vom  Walle  und  B.  von  buten  wären  hier  zu  nennen. 

—  *)  Vgl.  Tümpel,  die  Mundart  des  alten  niedersächs.  Gebietes  zw.  1800  u.  1600. 

—  ^  Höhr,  siebenbürgisch-sächsische  Einderreime.    Progr.  Schässburg  1903. 


160  , 

I 
Doch  auch  hier  werden  wir  wieder   nach  Norddeutschland   gewiesen, 
da  die  alten  Siebenbürger  aus  dem  Moselgebiete  stammen. 

Wie  das  erste  so  ist  auch  das  letzte  Reimpaar  ein  Beweis  mit 
für  die  niederdeutsche  Herkunft.  Vielleicht  hat  die  Unmöglickkeit, 
diese  Reime  in  hochdeutsche  umzusetzen,  die  Verbreitung  auf  ober- 
deutsches Gebiet  mit  gehindert. 

LEIPZIG.  R.  Block. 


Berichtigung  zu  Jb.  36,  S.  146  ff.  (Idiotikon  von  Eilsdorf.)  Lies  drP*hw 
statt  drel'hm  und  so  immer  *  statt  S;  ferner  tlfslt]  (s.  y.  Beddelmann)  Lasemajor: 
(s.  V.  Gichtbeere)  schwarze;  hä&mfart-,  (s.  v.  Kleinetsch)  Appetit;  optimpeln. 


3Ca. 


•"-^ 


'üL 


jr 


"^t^ 


'//  ■ 


'/ 


^qii»«»«»