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Full text of "Jahrbuch des Vereins für Niederdeutsche Sprachforschung"

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Jahrbuch 


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Vereins  fBr  niederdentsche  SpracMorschnng. 


Jahrgang  1891. 


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RORDEM  nnd  LEIPZIG. 

Diedr.  Soltau's  Verlag. 
1892. 


Jahrbuch 


des 


Vereins  für  niederdeotscbe  SpracMorschnng. 


Jahrgang  1891. 


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RORDEH  nnd  LEIPZIG. 

Diedr.  Soltau's  Verlag. 
1892. 


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Druck  von  Diedr.  Soltau  in  Norden. 

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Inhalt.        V5 


Heite 

Die  Totentänze  des  Mittelalters.     Von  W.  Seelmann 1 

Einleitung 1 

Welcher  von  den  erhaltenen  Totentänzen  bietet  die  altertümlichste  Gestalt?  5 

Der  Totentanz  als  Drama 11 

Die  Entstehung  des  ersten  Totentanzes  . 18 

Die  Danse  macabre 21 

Die  alten  süddeutschen  Totentänze 29 

Die  Lübecker  Totentänze  von  1489  und  1520 34 

Englische  Totentänze 37 

Litteratur-  und  Denkmäler-Übersicht 39 

Dänischer  Totentanz 41 

Deutsche  Totentänze  (Niederdeutsches  Gebiet) 42 

Deutsche  Totentänze  (Hochdeutsches  Gebiet) 48 

Englische  Totentänze 54 

Französische  Totentänze       5H 

Italienische  Totentänze 60 

Lateinische  Totentänze 61 

Xiederländischer  Totentanz 61 

Polnischer  Totentanz        63 

Spanische  Totentänze       63 

Ilolbeius  Todesbilder 65 

Anhang.     Der  alte  lübisch-revalsche  Totentanz text 68 

Mittelniederdeutsche  Pflanzenglossen.     Von  F.  Milkau 81 

Die  älteste  deutsche  Übertragung  des  Dies  irae.     Von  F.  Milkau    .     .     .  84 

Zu  Fritz  Keuters  Dörchlänchting.     Von  B.  Sprenger 88 

Zu  einzelnen  Stellen  mittelniederdeutscher  Dichtungen.     Von  R.  S  p  r  e  u  g  e  r  90 

Van  Sunte  Marinen 90 

Vruwenlof 91 

Wolfenbtttteler  Osterspiel 92 

Zeno 92 

Ancelmus 94 

Botes  Boek  van  veleme  rade 95 

Spieghel  der  zonden.     Von  H.  Babucke 97 

Begenstein,  Beiustein,  Beinke.     Von  E.  Damköhler 136 

Heinrich's  von  Krolewiz  Vaterunser  niederdeutsch.     Von   A.   Hofmeister  146 

Zur  altsächsischen  Grammatik.     (Anzeige.)     Von  W.  Schlüter    .     .     .     .149 


Die  Totentänze  des  Mittelalters. 


Einleitung. 

Die  Kirche  hat  sich  stets  angelegen  sein  lassen,  dem  Menschen 
die  Nichtigkeit  des  irdischen  Daseins  vor  Augen  zu  führen  und  an 
das  immer  gefürchtete,  stets  unerwartet  eintretende  letzte  Stündlein 
warnend  zu  erinnern.  Eine  Anzahl  weitverbreiteter  Dichtungen  mahnen 
eindrucksvoll  an  den  unausbleiblichen  Gang  in  das  andere  Land  und 
das  Gericht,  welches  über  die  von  ihrem  Leibe  geschiedene  Seele 
gehalten  werden  wird.  Nichts  kommt  aber  an  wirkungsvoller  Kraft 
der  Mahnung  dem  Memento  mori  gleich,  welches  von  den  Mauern  der 
Kirchen  den  versammelten  Andächtigen  die  Totentänze  zuriefen,  in 
welchen  Bild  und  Schrift  sich  verbanden,  das  Bild  auch  zu  denen 
redend,  welche  des  Lesens  unkundig  oder  unlustig  waren. 

Die  meisten  der  alten  Totentänze,  mit  welchen  im  Ausgange  des 
Mittelalters  sich  die  Kirchen  Deutschlands  wie  des  Auslandes  schmückten, 
sind  im  Laufe  der  Zeiten  zu  Grunde  gegangen.  In  Norddeutschland 
gewähren  jetzt  nur  noch  die  Marienkirchen  in  Lübeck  und  Berlin 
ihren  Besuchern  den  Anblick  eines  mittelalterlichen  Totentanzes.  Das 
Lübecker  Originalgemälde  v.  J.  1463  ist  zwar  nicht  mehr  vorhanden, 
es  wird  aber  ersetzt  durch  eine  1701  angefertigte  Erneuerung,  w^elche 
die  alten  Bilder  an  derselben  Stelle  und  in  der  ursprünglichen  Grösse 
im  Wesentlichen  treu  wiedergiebt.  Der  alte  Text  hat  freilich  neu- 
hochdeutschen Versen  weichen  müssen,  doch  hat  eine  alte  Abschrift 
ihn  grossenteils  aufbewahrt.  Es  bestellt  dieser  Totentanz  aus  einem 
auf  die  vier  verschiedenen  Wände  einer  Kapelle  verteilten  Wandgemälde 
von  fast  hundert  Fuss  Länge  und  ziemlich  sieben  Fuss  Höhe.  Im 
Hintergrunde  des  Gemäldes  erblickt  man  das  Panorama  der  Stadt 
Lübeck,  die  von  Schiffen  im  Schmuck  ihrer  Segel  belebte  Trave  und 
die  belaubte  Umgebung  der  Stadt  und  des  Flusses.  Im  Vordergrunde 
der  heiteren  und  bunten  Frühlingslandschaft  treten  auf  einer  grünen 
Wiese  vierundzwanzig  Paare,  welche  in  voller  Lebensgrösse  dargestellt 
sind,  den  Reigen.  In  jedem  Paare  ist  der  Tod,  eine  nackte  in  ein 
Leichentuch  gehüllte  Figur  von  skelettartiger  Dürre  mit  vergnügt 
grinsendem  Schädel  einer  der  Tänzer.  Seinen  Partner  hat  er  gezwungen, 
ihm  zum  grausigen  Reigen  die  Hand  zu  reichen.  Er  kennt  kein 
Ansehen  der  Person,  kein  Erbarmen.    Mit  ihm  und  nach  seiner  Pfeife 

Ni«derd«ut8ob«i  Jahrbuch  XVII.  I 


2 

müssen  alle  zum  Totentanze  antreten:  Papst  und  Kaiser,  Kardinal 
und  König,  Bischof  und  Herzog  und  alle  die  geistlichen  und  weltliclien 
Stände,  Alt  und  Jung,  Mönch  und  Arzt,  Bürger  und  Bauer,  Mutter 
und  Kind.  Da  hilft  kein  Bitten  und  Barmen,  mitten  aus  der  Herr- 
lichkeit der  Welt  oder  den  Mühen  des  Tages  reisst  der  Tod  die 
Ueberraschten. 

Unter  den  einzelnen  Figui-en  las  man  die  Reime,  welche  den  im 
munteren  Tanzschritt  sich  bewegenden  Todesgestalten  und  den  bedrückt 
folgenden  Menschen  in  den  Mund  gelegt  sind.  Ueberflüssig  fast 
erscheinen  die  Worte.  Dass  keine  Macht  der  W^elt  gegen  den  Tod 
hilft,  dass  ihm  Alle  folgen  müssen,  dass  alles  Heil  bei  Gott  liegt, 
diese  Gedanken  spricht  das  Gemälde  deutlicher  und  eindrucksvoller 
aus,  als  es  die  Verse  des  Dichters  vermögen. 

Die  Totentänze  bringen  ungewohnte  Gegensätze  zum  Ausdruck: 
Neben  einer  grossen  Zahl  skelettartiger  Todesgestalten  im  weissen 
Leichentuche  die  geistlichen  und  weltlichen  Würdenträger  im  vollen 
Schmucke  farbenreicher  Gewänder.  Die  grausen  Todesgestalten  vergnügt 
grinsend  und  mit  Lust  den  Reigen  tretend.  Daneben  die  Grossen  der 
Welt,  Papst,  Kaiser,  König  und  alle  die  Fürsten,  welche  dem  Volke 
als  die  immer  glücklichen  sonst  so  beneidenswert  erscheinen,  in  einer 
Lage,  dass  kein  noch  so  Armer  an  ihre  Stelle  treten  möchte. 

Die  Totentänze  verdanken  der  asketischen  Richtung  der  mittel- 
alterlichen Kirche  ihre  Entstehung  und  Verbreitung.  Daneben  waren 
künstlerische  Gründe  ihrer  Bevorzugung  vor  anderen  Bildwerken 
förderlich.  Die  weisse  Tünclie,  die  heute  noch  die  Wände  so  vieler 
alter  Kirchen  bedeckt,  entsprach  nicht  dem  bilder-  und  farbenfrohen 
Sinne  des  Mittelalters.  Mit  ihr  hat  eine  spätere  Zeit  die  zahllosen 
Martyrien,  Passionen,  Allegorien  und  Reime  verhüllt,  welche  dereinst 
die  Wände  und  Pfeiler  füllten.  Wo  bei  der  baulichen  Erneuerung  des 
Kircheninneren  die  Kalkhülle  fällt,  kommen  wie  hinter  einem  Schleier 
die  alten  Bilder  wieder  zum  Vorschein.  Sie  zeigen,  wie  überall  in 
den  Städten  der  Puisel  des  Malers  die  Ausschmückung  der  Kirche 
vollenden  half.  Aber  es  ist  nur  selten  die  Hand  eines  gebildeten 
Künstlers  gewesen,  der  ihn  führte.  Die  groben  Verzeichnungen  in  den 
oft  riesigen  Gestalten  der  Heiligen,  die  ganze  rohe  Ausführung  zeigt, 
wie  gering  das  Können  derjenigen  war,  welche  die  Bilder  hergestellt 
haben.  Die  Totentänze  boten  nun  eine  grosse  Aufgabe,  welche  in 
jedem  Falle  dem  Maler,  mochte  er  auf  künstlerischer  Höhe  stehen 
oder  über  bloss  handwerksmässige  Fertigkeit  verfügen,  die  Schöpfung 
eines  wirksamen  Werkes  in  Aussicht  stellte  und  ermöglichte.  Was 
den  Gesichtsausdruck  betraf,  so  war  nicht  von  Nöten,  individuelle 
Züge  zu  malen,  eine  Kunst,  die  erst  die  Niederländer  späterer  Zeit 
verstanden  imd  lehrten.  Es  waren  zwei  Typen  nötig,  der  fröhlich 
grinsende  Schädel  der  Todesgestalten,  das  traurig  resignirte  Gesicht 
der  Menschen.  Leicht  und  doch  wirkungsvoll  war  alles  übrige: 
mannigfache  farbenreiche  Kostüme  und  Attribute,  welche  jedem 
Beschauer  sofort   die  Bedeutung    der    einzelnen  Figuren    verständlich 


machten,  dazu  ein  beliebiger  landscliaftlicher  Hintergmnd  oder  eine 
architectonische  Einrahmung.  Der  Eindruck  auf  den  Beschauer  wurde 
nicht  einmal  geschmälert,  sondern,  wie  die  Totentänze  in  Basel  und 
Kermaria  zeigen,  eher  noch  in  seinem;  grausigen  Grossartigkeit 
gesteigert,  wenn  minder  tüchtige  Maler,  auf  feinere  Ausführung  der 
Einzelheiten  und  landschaftlichen  Hintergrund  verzichtend,  sich  auf 
die  rohe  Umrisszeichnung  der  tanzenden  Paare  möglichst  beschränkten. 
In  diesem  Falle  blieb  fern  alles,  was  den  Blick  auf  Einzelheiten 
ablenken  oder  durch  freundlich  lichte  Farben  den  grausigen  Eindruck 
des  Gesanuntbildes  mildem  konnte,  während  alles,  was  den  Toten- 
tänzen ihre  Wirkung  sicherte,  erhalten  blieb:  die  leicht  erkennbare 
Idee,  die  stetige  Wiederkehr  des  tanzenden  Todes  mit  seinem  grinsenden 
Schädel,  die  ungewöhnliche  Grösse  des  Bildwerkes,  welche,  wo  es  als 
monumentaler  Schmuck  hoch  oben  das  Schiff  der  Kirche  oder  die 
Aussenwände  der  Carnarien  umzieht,  hundert  oder  mehr  Fuss  in  die 
Länge  zu  messen  pflegt. 

Die  Häufung  so  vieler  Todesgestalten  mag  dem  künstlerischen 
Gefühle  der  Gegenwart  zu  stark  erscheinen,  und  dass  sie  auch  auf 
schlichte  Leute  abschreckend  wirken  kann,  zeigt  der  Beschluss  des 
Basler  Rates,  der  das  alte  Wahrzeichen  der  Stadt,  den  Grossbasler 
Totentanz  1805  zerstören  Hess,  weil  es  ein  Kinderschreck  und  Leute- 
scheuche sei.  Aber  anders  als  heute,  wo  dem  häufigen  Anblicke  des 
Todes  die  Mehrzahl  unserer  Zeitgenossen  nur  selten  begegnet,  standen 
die  Menschen  des  Mittelalters  ihm  gegenüber.  Die  kleinen  Kriege, 
welche  jede  Stadt  von  Zeit  zu  Zeit  in  der  Nähe  ihrer  Thore  auszufechten 
hatte,  die  häufigen  Hinrichtungen,  die  von  Zeit  zu  Zeit  zahlreiche 
Opfer  fordernden  Seuchen  gewöhnten  an  den  Anblick.  Man  begegnet 
sogar  der  Meinung,  man  habe  die  Totentänze  gewissermassen  als 
warnende  Erinnerungen  an  einzelne  grosse  Pestepidemien  des  fünf- 
zehnten Jahrhunderts  herstellen  lassen.  Diese  Ansicht  steht  im  Ein- 
klänge mit  der  Volkssage,  die  am  Lübecker  Totentanze  haftet,  im  übrigen 
ist  sie  nur  Vermutung,  ohne  dass  Beweise  für  sie  vorgebracht  sind. 

Wann  und  wo  der  erste  Totentanz  gedichtet  oder  gemalt  wurde, 
ist  unbekannt.  Ohne  Zweifel  hat  er  noch  dem  14.  Jahrhundert  an- 
gehört. Der  älteste,  dessen  Entstehungsjahr  durch  historische  Zeug- 
nisse überliefert  ist,  war  die  Pariser  Danse  macabre  v.  J.  1425.  Nicht 
viel  jünger  waren  die  Totentänze  von  London  und  Basel.  Die  Mehr- 
zahl der  Uebrigen  gehört  dem  15.  und  IG.  Jahrhundert  an,  doch 
Ijisst  sich  das  Alter  der  meisten  nur  mit  Hilfe  kunst-  oder  litteratur- 
geschichichtlicher  Merkmale  ungefähr  bestimmen.*)  Die  jüngsten 
monumentalen  Totentänze  sind  im  vorigen  Jahrhunderte  hergestellt. 
Totentanzgedichte  und  Totentanzkupfer  erscheinen  noch  heute. 

Die  Totentänze   waren   zu  Ausgang   des   Mittelalters   zumal   in 


*)  Die  Nachweise  sind  in   der  den  Untersuchungen  folgenden  Litteratur- 
Uebersicht  gegeben. 

X* 


Frankreich  und  Deutschland  häufig.  Ausser  diesen  Ländern  fanden 
sie  sich,  sei  es  als  monumentale  Zierden  der  Kirchen  und  Kirchhöfe, 
sei  es  in  Handschriften  und  Drucken,  mit  und  ohne  Text,  in  fast  allen 
Ländern  des  christlichen  Abendlandes:  in  Italien,  Spanien,  England, 
Dänemark,  den  Ostseeprovinzen  ßusslands  und  in  Polen.  Nur  in  den 
Niederlanden  ist  seither  kein  mittelalterlicher  Totentanz  aufgefunden 
worden.  Aber  auch  hier  muss  er,  wie  wir  später  sehen  werden,  im 
Mittelalter  bekannt  gewesen  sein. 

Der  grossen  Verbreitung  der  Totentänze  entspricht  es,  dass  die 
Bücher  und  Aufsätze,  welclie  sie  aus  lokalem  oder  allgemeinem  Interesse 
behandeln,  zahllos  sind.  Wir  verdanken  dem  Eifer  der  Verfasser, 
dass  die  erhaltenen  Denkmäler  meist  genau  beschrieben  und  die  Nach- 
richten der  Chronisten  überall  aufgesucht  sind.  Auf  der  anderen  Seite 
lässt  sich  nicht  verkennen,  dass  in  den  meisten  jener  Schriften  die 
Forschung,  sobald  sie  über  das  Lokale  hinausgeht,  ebenso  oberflächlich 
als  kritiklos  ist,  und  für  die  (ieschichte  des  Totentanzes  wichtige 
Fragen  bisher  mehr  durch  vage  Annahmen  beantwortet  als  durch  in 
den  Gegenstand  tiefer  eindringende  Untersuchungen  klar  gestellt  sind. 
Gewisse  thatsächliche  Irrtümer  und  fixlsche  Voraussetzungen,  welche 
in  den  bisher  erschienenen  Schriften  immer  von  Neuem  wiederkehren, 
liegen  für  den,  der  überall  auf  die  Quellen  zurückgeht,  auf  der  Hand 
und  werden  leicht  beseitigt  werden  können.  Einige  sind,  um  Raum 
zu  sparen,  in  den  nachfolgenden  Untersuchungen  gar  nicht  in  Betracht 
gezogen  worden.  Damit  man  aber  nicht  der  Unkenntnis  zuschreibt, 
was  mit  gutem  Bedacht  geschehen  ist,  sei  hier  wenigstens  auf  einzelne 
allgemein  verbreitete  Irrtümer  und  Abwege  der  Untersuchung  kurz 
hingewiesen. 

Durch  die  falsche  Lesung  einer  Jahreszalil  auf  dem  Klein-Basler 
Totentanz  verführt,  hat  man  früher,  trotzdem  schon  Schnaase  mit 
gutem  Urteile  Einsprache  erhob,  1312  als  sein  Entstehungsjahr  an- 
genommen. Dieser  Irrtum  wurde  verhängnisvoll,  indem  man,  auf  ihn 
bauend,  jenem  Denkmal  und  den  ihm  verwandten  hochdeutschen  Toten- 
tänzen ein  weit  höheres  Alter  als  allen  übrigen  zuschrieb  und  sich 
dadurch  die  Erforschung  des  wahren  Verwandtschafts -Verhältnisses 
zwischen  den  verschiedeneu  Totentänzen  unmöglich  machte.  Trotzdem 
es  vor  fünfzehn  Jahren  geglückt  ist,  jenen  Irrtum  aufzudecken  und  1439 
als  Entstchungsjahr  nachzuweisen,  findet  man  immer  noch  das  falsche 
Datum  1312.  Fast  unbegreiflich  muss  es  aber  erscheinen,  wenn  man 
—  in  Deutschland  wie  im  Auslande  —  für  die  Chronologie  der  Toten- 
tänze einen  vermeintlichen  Mindener  Totentanz  v.  J.  1383  verwertet, 
während  das  gemeinte  Bild  gar  kein  Totentanz,  sondern  eine  Fahne 
ist,  deren  eine  Seite  den  Tod  mit  der  Sense,  die  andere  eine  geschmückte 
Frau  mit  der  Umschrift  Vanitas  Vamtatum  zeigt.  Fast  allgemein 
vermengt  man  mit  den  Totentänzen  die  im  Mittelalter  sehr  verbreiteten 
Darstellungen  der  Legende  von  den  drei  toten  und  drei  lebenden 
Königen.  Dieselben  sind  in  vereinzelten  Fällen  äusserlich  den  Toten- 
tänzen angefügt  worden,  im  übrigen  sind  diese  ganz  unabhängig  von 


jenen  entstanden  und  ausgebildet  worden.  Aehnlich  verhält  es  sich 
mit  den  besonders  in  Italien  gefundenen  sogen.  Triumphen  des  Todes, 
die  den  Tod  darstellen,  wie  er  die  Menschen  mit  seinen  Pfeilen  oder 
der  Sense  niederstreckt. 

Man  sammelt  und  verwertet  allerlei  Hinweise,  wie  der  Tod  durch 
die  bildende  Kunst  früher  dargestellt,  wie  er  von  den  Dichtern  per- 
sonificirt  oder  im  orientalischen,  antiken,  deutschen  und  ausserdeutschen 
Volksglauben  aufgefasst  ist.  Die  l)eigebrachteu  IJelege  mögen  in 
anderer  Hinsicht  sehr  schätzbar  sein,  für  die  Beantwortung  der  Frage, 
wodurch  der  unbekannte  Schöpfer  des  Totentan/motives  zu  diesem 
angeregt  wurde,  sind  sie  bisher  wertlos  gewesen.  p]he  diese  Frage 
beantwortet  wurde,  hätte  untersucht  sein  müssen,  in  welchem  Lande 
und  in  welclier  Zeit  der  Totentanz  entstanden  ist.  Verdanken  wir 
ihn  z.  B.  einem  Franzosen,  so  können  doch  wahrscheinlich  nur  ältere 
in  Frankreich  heimische  Vorstellungen  ihn  beeinflusst  haben,  jedesfalls 
keine  deutschen  oder  gar  orientalischen. 

Das  Totentanzmotiv,  die  Vorstellung,  dass  der  Tod  als  Tänzer 
alle  Menschen,  von  Papst  und  Kaiser  heiiinter  bis  zum  Bettler,  zu 
seinem  in  das  Grab  führenden  Reigen  erbarmungslos  zwingt,  ist  in 
Bild  und  Wort  und  mimisch-dramatisch  im  Mittelalter  zur  Darstellung 
gelangt. 

Die  gnindlegende  Untersuchung,  auf  welcher  die  Geschichte  der 
Totentänze  aufzubauen  ist,  muss  zunächst  zum  Ziel  den  Nachweis 
haben,  ob  die  litterarische,  bildliche  oder  mimische  Darstellung  das 
ursprüngliche  ist,  und  in  welchem  Verhältnis  die  verschiedenen 
Fassungen  zu  einander  stehen.  Bisher  stehen  sich  die  Ansichten 
gegenüber,  ohne  dass  die  eine  oder  die  andere  sich  auf  eine  fest- 
geschlossene Beweisführung  stützt. 

Um  die  Untersuchungen  möglichst  von  Litteraturnachweisen  und 
Beschreibungen  einzelner  Denkmäler  zu  entlasten,  wird  eine  besondere 
Uebersicht  sämmtlicher  bekannter  Totentänze  und  der  auf  sie  bezüg- 
lichen Litteratur  folgen. 


Welcher  von  den  erhaltenen  Totentänzen  bietet 

die  altertümlichste  Gestalt? 

Zwischen  den  verschiedenen  deutschen  und  ausserdeutschen  Toten- 
tänzen besteht  augenscheinlich  eine  durch  verlorene  Vorbilder  und 
Zwischenglieder  verknüpfte  Verwandtschaft.  Dieselbe  offenbart  sich 
nicht  allein  durch  die  Gleichheit  des  Motivs  und  die  Aehnlichkeit  in 
der  Durchführung  desselben,  sondern  auch  durch  die  Wiederkehr 
vieler  gleicher  Figuren,  durch  dasselbe  Princip  bei  der  Auswahl  und 
Anordnung  der  Stände,  welche  vertreten  sind,  hin  und  wieder  auch 
durch  w^örtliche  Uebereinstimmungen  in  den  Texten.  Die  Abweichungen 
und  Verschiedenheiten  erklären  sich  durch  die  Leichtigkeit,  nach  eigenem 


Belieben  oder  aus  Rücksicht  auf  die  für  dies  monumentale  Bildwerk 
zur  Verfügung  stehenden  Wandflä(ihen  die  Zahl  der  Personen  zu  ver- 
mehren oder  zu  verminderen.  Der  Text  zumal  konnte  keine  Schwierigkeit 
machen.  Geeignete  Gedanken  und  Worte,  die  den  einzelnen  Personen 
in  den  Mund  gelegt  werden  konnten,  waren  leicht  gefunden. 

Die  Thatsache  eines  alle  Totentänze  umfassenden  näheren  odei* 
entfernteren  Verwandtschaftsverhältnisses  hat  zui-  notwendigen  Vor- 
aussetzung, dass  zu  irgend  einer  Zeit  es  einen  Totentanz  gegeben  hat, 
durch  dessen  Abänderung  oder  Nachahmung  neue  Totentänze  ent- 
standen, welche  wieder  die  Vorbilder  anderer  jüngerer  wurden. 

Es  ist  der  Forschung  bislier  noch  nicht  gelungen,  einen  Stamm- 
baum der  Totentänze  aufzustellen  und  mit  seiner  Hilfe  Schlüsse  auf 
den  ältesten,  gewissermassen  den  Stammvater  aller  Totentänze,  zu 
ziehen.  Nur  bei  einer  Anzahl  sehr  nahe  verwandter  Totentänze  ist 
das  Verhältnis  derselben  zu  einander  klar  gelegt,  im  übrigen  haben 
einige  sehr  anfechtbare  Annahmen  Geltung  erlangt.  Bei  französischen 
Gelehi*ten  begegnet  die  Neigung  die  Danse  macabre  in  der  Fassung 
V.  J.  1425  für  das  allgemeine  Vorbild  zu  halteu.  Was  die  deutschen 
Totentänze  und  ihre  Texte  anlangt,  gilt  dagegen  seit  Massmann  und 
besonders  Wackernagel  als  ausgemacht,  dass  die  sämmtlichen  mehr- 
zelligen Totentanzstrophen  und  namentlich  die  des  Lübecker  Toten- 
tanzes v.  J.  1463  aus  den  vierzeiligen  des  alten  oberdeutschen  Toten- 
tanzes mit  24  Figuren  umgearbeitet  sind  und  jüngere  Entwicklungs- 
stufen darstellen.  Man  ist  sogar  soweit  gegangen  zu  behaupten,  dass 
der  Lübecker  Totentanz  gleichfalls  ursprünglich  vierzeilig  gewesen  und 
erst  bei  einer  Erneuenmg  des  Gemäldes  in  die  erhaltene  achtzeilige 
Fassung  umgearbeitet  sei. 

Entgegen  diesen  Annahmen  würd  sich  einweisen  lassen,  dass  Bild 
und  Verse  des  alten  Lübecker  Totentanzes  gleichzeitig  entstanden  sind, 
dass  der  Text  nicht  aus  einem  hochdeutschen  vierzeiligen  umgearbeitet 
ist,  sondern  dass  Bild  und  Text  im  wesentlichen  Wiederholung  eines 
niederländischen  Totentanzes  sind,  und  dass  dieser  nicht  nach  einem 
deutschen,  sondern  nach  einem  französischen  Vorbilde  des  14.  Jahr- 
hunderts gestaltet  war.  Ferner  wird  sich  ergeben,  dass  der  Lübecker 
Totentanz  im  Vergleich  zu  den  übrigen  erhaltenen  deutschen  oder 
französischen  Totentänzen  durchaus  nicht  eine  jüngere  Entwickelungs- 
fonn  darstellt,  sondern  dass  im  Gegenteil  der  Lübecker  von  allen 
erhaltenen  Totentänzen  die  altertümlichste  Form  darbietet. 

In  sämmtlichen  hochdeutschen  imd  französischen  Texten  ist  das 
Zwiegespräch  zwischen  Menschen  und  Tod  derartig  gestaltet,  dass  der 
Tod  eine  ganze  Strophe  zu  dem  von  ihm  zum  Tanze  aufgeforderten 
Menschen  spricht.  Dieser  antwortet  in  der  folgenden  Strophe.  Darauf 
wendet  sich  in  einer  neuen  Strophe  der  Tod  zu  dem  Nächstfolgenden, 
der  dann  wieder,  wie  sein  Vorgänger,  in  einer  Strophe  antw^ortet. 
So  heisst  es  in  dem  alten  vierzeiligen  Totentanze: 


18.    Der  tot. 

Her   koufman,  waz  hilft  iuwer  werben? 
Diu  zit  ist  hie,  ir  müezet  sterben. 
Der  tot  nimt  weder  miete  noch  gäbe. 
Tanzet  im  nach,  er  wil  iiich  haben. 

Der  konfman  (antwortet)- 
Ich  het  mich  ze  lebene  versorget  wol, 
Kisten  und  kästen  wseren  vol. 
Nu  hat  dem  tot  min  gäbe  versmacht, 
Und  mich  umbe  lip  und  guot  gebracht. 


19.    Der  tot. 

Frowe  min,  ir  dunkt  iu  gar  subtil. 
Desto  gemer  ich  mit  iu  tanzen  wil. 
Werfet  van  iu  daz  scapular, 
Ir  müezet  hie  mit  den  toten  varn. 

Die  klosterfrovve  (antwortet). 
Ich  hau  in  dem  kloster  min 
Gote  gedienet  als  ein  gewihtez  nünnelin. 
Was  hilft  mich  nu  min  beten? 
Ich  muez  des  todes  reien  treten. 


Der  Lübecker  Totentanz  von  14G3  und  mit  ihm  seine  Revaler 
Copie  bietet,  verglichen  mit  dem  alten  vierzeiligen  sowie  allen  übrigen 
hochdeutschen  Texten,  zwei  besondere  mit  einander  verknüpfte  Eigen- 
tümlichkeiten. Während  in  diesen  Texten  zuerst  der  Tod  vier  bezw. 
acht  Verse  spricht  und  darauf  die  angeredete  Person  in  ebensoviel 
Versen  antw^ortet,  richtet  im  Lübecker  Totentanze  der  Tod,  nachdem 
er  sieben  Verse  zu  irgend  einer  Person  geredet  hat,  im  achten  Verse 
derselben  Strophe  die  Auflorderung  an  die  nächstfolgende  Person,  zum 
Tanze  anzutreten.  Diese  redet  dann  in  einer  achtzeiligen  Strophe 
den  Tod  an,  worauf  dieser  in  den  ersten  sieben  Versen  der  nächsten 
Strophe  erwidert,  um  dann  wieder  die  achte  Zeile  an  die  dann  folgende 
Person  zu  richten.  Nachdem  z.  B.  der  Tod  dem  Kapellan  in  sieben 
Zeilen  geantwortet  hat,  redet  er  den  Kaufmann  an: 

Kopman,  wilt  di  ok  bereiden! 

(Der  Kaufmann.) 

It  is  mi  veme  bereit  to  syn. 
Na  gude  hebbe  ik  gehat  pin 
To  lande  unde  tor  see, 
Dor  wint,  regen  unde  snee. 
Nein  reise  wart  mi  so  swar, 
Mine  rekenscop  is  nicht  klar. 
Hadde  ik  mine  rekenscop  gedan, 
So  mochte  ik  vrolik  mede  gan. 

(Der  Tod  antwortet,) 

Hefstu  anders  nicht  bedreven 

In  kopenscop,  alse  di  was  gheven, 

It  sal  di  wesen  rechtferdicheit, 

Wen  alle  dink  to  richten  steit, 

Hefstu  di  so  vorwart 

Unde  din  dink  gans  wol  geklart. 

Westu  anders,  aat  is  nicht  gut. 

(zum  Küster) 
Eoster,  kum,  it  wesen  mot! 

(Der  Küster.) 

Ach  dot,  mot  it  sin  gedan, 
Nu  ik  erst  to  denen  began ! 
In  miner  kosterie  mende  ik  klar 
Noch  hogher  to  komen  vorwar 

u.  s.  w. 


8 

Der  Lübecker  Text  stimmt  nun,  was  auffälliger  Weise  bis  jetzt 
unbeachtet  geblieben  ist,  in  Bezug  auf  die  erwähnten  Eigentümlich- 
keiten vollständig  mit  der  altspanischen  Danea  general  de  la  muerte 
überein.  Als  Beleg  und  Beweis  mag  es  genügen,  einige  Strophen 
vorzulegen. 

Nachdem  der  Tod  dem  Dekane  geantwortet  hat,  wendet  er  sich 
an  den  Kaufmann  im  achten  Verse  der  Strophe: 

Venit  mercadero  a  la  danga  del  lloro! 

Dise  el  mercadero: 

Aquieu  dexar^  todas  mis  riquesas 
£  mercadurias  que  traygo  en  la  marV 
Con  muchos  traspasos  e  mas  sotUesas 
Gand  lo  que  tengo  en  cada  lugar. 
Agora  la  muerte  vino-me  llamar: 
Que  serä  de  mi  non  se  que  me  faga, 
0  muerte  tu  sierre  a  mi  es  grand  plaga, 
Adios  mercaderos  que  voyme  a  fynar. 

Dise  la  maerte: 

De  OY  mas  non  curedes  de  pasar  en  Flandres, 

Estad  aqui  quedo  e  yredes  ver 

La  tienda  que  traygo  de  buuas  y  landres: 

De  gra^ia  las  do  non  las  quero  bender. 

Una  sola  dellas  vos  farä  caer 

De  palmas  en  tierra  en  mi  botica, 

E  en  ella  entraredes  maguer  sea  chica: 

(gum  Arehidiaconus) 
E  vos  ar^ediano  venid  al  tanner! 

Dise  el  areediano: 
0  mundo  bil,  malo,  e  falles^edero, 
Como  me  engann  aste  con  tu  promisyou, 
Prometiste-me  vida,  de  ty  non  la  espero, 
Syempre  mentiste  en  toda  sason.    etc. 

Im  übrigen  möge  es  genügen,  aus  der  Danza  de  la  muerte  die 
nachfolgenden  Schlussverse  der  von  dem  Tode  gesprochenen  Strophen 
der  Reihe  nach  anzuführen: 

eutn  PapsL  Dan^ad,  padre  santo,  syn  mas  de-tardar. 

js.  Kaiser.  Dan^ad  imperante  con  cara  pagada. 

e.  Cardinal  Morid  non  curedes,  benga  el  cardinal. 

z,  König.  Vos,  rrey  poderoso,  venit  a  dan^ar. 

z.  Patriarchen.  En  pos  de  vos  benga  luego  el  patriarca. 

£.  Herzoge.  Sygase  con  vos  el  duque  antes  que  mas  beua. 

g.  Erzbischof.  Venit,  argobispo,  dexat  los  sermones. 

z.  Connetable.  Pase  el  condestable  por  otra  tal  via. 

z.  Bischof.  Venit  vos,  obispo,  a  ser  mi  vasallo. 

z.  Bitter.  Venit,  cauallero,  que  estades  armado. 

z.  Abt.  Dan^ad,  abad  gordo,  con  vuestra  Corona 

U.   8.   W. 

Wenn  im  Gegensatz  zu  allen  übrigen  erhaltenen  Totentanztexten 
dei*  Lübecker  imd  die  altspanische  Danza  general  in  einer  so  unge- 
wöhnlichen formellen  Eigentümlichkeit  zusammentreffen,  so  kann  diese 
Uebercinstimmung  nicht  zufällig  sein;  nur  durch  ein  gemeinsames 


mittelbares  oder  unmittelbares  Vorbild,  welches  beide  in  diesem  Punkte 
vollständig  nachahmen,  lässt  sie  sich  erklären. 

Es  wird  die  Frage  zu  beantworten  sein,  welchem  Lande  und 
welcher  Zeit  jenes  gemeinsame  Vorbild  angehört  hat.  Nach  allem, 
was  wir  wissen,  ist  die  Annahme  eines  unmittelbaren  Zusammenhanges 
zwischen  altspanischer  (castilischer)  und  mittehiiederdeutscher  Litteratur 
und  Kunst  abzuweisen.  Die  Litteratur-  und  Kunstgeschichte  wüsste 
kein  einziges  Beispiel  aufzuweisen.  Kein  Wunder,  denn  nicht  einmal 
der  Handel  verband  im  Mittelalter  durch  direkte  Verbindung 
castilische  und  norddeutsche  Städte.  In  den  Niederlanden,  in  Brügge, 
von  dessen  sechzehn  Contoren  der  fremden  Kaufleute  das  grossartigste 
der  Hansa,  ein  anderes  den  Castilianern  gehörte,  war  es,  wo  der 
hansische  und  spanische  Kaufmann  zusammentrafen  und  ihre  Exporten 
mit  einander  austauschten.  Von  hier  bezog  Spanien  in  grosser  Anzahl 
die  Kunstwerke  altniederländischer  Meister,  mit  denen  es  seine  Kirchen 
und  Paläste  schmückte,  und  aus  den  Niederlanden  waren  die  fremden 
nach  Spanien  gewanderten  Maler  gekommen,  denen  die  altspanische 
Malerei  die  nachhaltigste  Förderung  verdankte.*)  Auf  der  anderen 
Seite  standen  die  Niederlande,  in  dessen  Hafenstädten  der  hansische 
Kaufmann  gern  seine  Lehrzeit  verbrachte,  wo  er  gleichsam  wie  zu 
Hause  war,  auch  was  Kunst  und  Kultur  anlangt  in  vielfachster 
Beziehung  zu  den  deutschen  Hansestädten  und  besonders  zu  Lübeck. 
Noch  heute  sind  Lübecks  Kirchen  reich  an  mittelalterlichen  Kunst- 
schätzen  —  Gemälden  und  Grabdenkmälern  — ,  welche  die  kunstfertige 
Hand  alter  niederländischer  Meister  geschaffen  hat. 

Auf  ein  niederländisches  Vorbild  weist  nun  der  alte  Lübecker 
Totentanz ;  mit  Wahrscheinlichkeit  das  Gemälde,  unzweideutig  der  alte 
niederdeutsche  Text.  Auf  dem  (lemälde,  welches  1463  oder  wenig 
später  entstanden  ist,  erscheinen  nämlich  diejenigen  Stände,  deren 
Ornat  nicht  wie  bei  dem  Kaiser  und  Papste  sich  im  Laufe  der  Zeiten 
ziemlich  gleich  blieb,  in  burgimdisch- niederländischer  Modetracht, 
aber  in  einer  Modetracht,  welche  für  das  Jahr  1463  schon  veraltet 
erscheinen  muss.  'unter  den  Kleidungsstücken',  sagt  Mantels,  'ist 
manches,  welches  an  den  Hauptplätzen  damaliger  Mode,  in  den  Nieder- 
landen, in  Frankreich,  am  Rhein,  imi  1463  schon  verschwunden  war.' 
Nun  könnte  man  freilich  mit  Mantels  an  die  Möglichkeit  denken,  dass 
jene  1463  in  den  Niederlanden  bereits  unmodischen  Trachten  in 
I^übeck,  trotz  seines  Reichtums  und  seiner  Beziehungen  zu  Brügge, 
sich  länger  erhalten  haben.  Es  ist  deshalb  entscheidend,  dass  auch 
der  Text,  wie  später  an  imzweideutigen  Belegen  dargelegt  werden 
wird,  aus  einem  mittelniederländischen  Original  entweder  übersetzt 
oder  nach  ihm  mit  wörtlichen  Anlehnungen  bearbeitet  ist.  Deuten 
aber  beide,  Bild  wie  Text,  auf  ein  .niederländisches  Vorbild,  so  bleibt 
nur  die  Annahme  übrig,  dass  beide  nach  demselben  Vorbilde,  also  zu 


*)  Crowe    und    Cavalcaselle,    Geschichte    der    altniederländischen    Malerei. 
Bearb.  von  A.  Springer.     Leipzig  1875.     S.  387  ff. 


10 

gleicher  Zeit,  entstanden  sind.  Das  niederländische  Vorbild  war  sicher 
eine  Anzahl  Jahre  älter,  als  der  alte  Lübecker  Totentanz,  es  muss 
in  die  Zeit  gehören,  in  welcher  die  Costüme  der  Figuren  der  geltenden 
Mode  entsprachen,  also  in  den  Anfang  des  15.  Jahrhunderts. 

Es  wird  nun  unsere  Aufgabe  sein  müssen,  das  Verwandtschafts- 
verhältnis zwischen  dem  alten  niederländischen  Totentanze  und  der 
altcastilischen  Danza  general  zu  ermitteln.  Dass  diese  selbst  kein 
Originalerzeugnis  spanischen  (ieistes  ist,  ergiebt  sich  schon  daraus, 
dass  sie  in  der  sie  bietenden  Handschrift  als  Trasladagiofi  'Ueber- 
setzung'  bezeichnet  ist.  Der  Handels-  und  Kunstverkehr,  der  Spanien 
und  die  Niederlande  verband,  könnte  möglich  erscheinen  lassen,  dass 
durch  einen  jener  Maler  aus  Flandern,  welche  ihr  Vaterland  verliessen, 
um  in  Spanien  eine  neue  Heimat  zu  finden,  nach  diesem  Lande  die 
Kenntnis  der  Totentänze  gebracht  ist.  An  diese  Möglichkeit  kann 
man  allerdings  denken,  obwohl  in  Spanien  sich  nur  Totentanztexte, 
nicht  Totentanzgemälde  erhalten  haben,  nur  darf  man  nicht  an  dies 
unmittelbare  niederländische  Vorbild  des  Lübecker  Totentanzes  denken. 
Wie  dieser  auf  ein  niederländisches,  so  weist  nämlich  die  spanische 
Danza  general  auf  ein  französisches  Original  als  Vorbild.  Da  aus 
Südfrankreich  keine  Totentänze  bekannt  geworden  sind,  wird  man  auf 
ein  nordfranzösisches  Werk  schliessen  müssen,  und  in  Anbetracht  der 
Verbindung  mit  Castilien  liegt  es  nahe,  entweder  an  Paris,  dessen 
Universität  auch  von  spanischen  Klerikern  besucht  wurde,  oder  an 
Flandern,  wo  französische  und  niederländische  Sprache  und  Litteratur 
zusammentrafen,  zu  denken.  Dieser  nordfranzösische  Totentanz  muss 
dann  schliesslich  das  Vorbild  auch  des  niederländischen  Totentanzes 
gewesen  sein.  Dass  man  sich  in  diesem  Falle,  wo  ein  altfranzösischer 
oder  mittelniederländischer  Ursprung  in  Frage  kommt,  für  jenen  zu 
entscheiden  hat,  lehrt  nicht  nur  die  allgemeine  litteraturgeschichtliche 
Erfahrung,  es  wird  auch  noch  dadurch  befürwortet,  dass  die  Figuren 
des  Totentanzes  (in  denen  der  Connetable  erscheint,  während  der  Graf 
fehlt)  den  französischen  Würdenträgern  entsprechen. 

Wenn  ein  altfranzösischer  Totentanz  sich  so  als  gemeinsamer 
Stanmivater  einerseits  der  altspanischen  Danza  general,  anderseits  des 
Lübecker  Totentanzes  ergeben  hat,  so  darf  doch  nicht  übersehen 
werden,  dass  die  gezogenen  Schlüsse  nur  einen  altfranzösischen  Text, 
nicht  zugleich  auch  ein  zugehöriges  Gemälde  erweisen,  deshalb  nicht, 
weil  in  der  altspanischen  Danza  nur  eine  Dichtung,  kein  damit  ver- 
bundenes Bildwerk  vorliegt.  Ausgeschlossen  ist  freilich  die  Möglichkeit 
nicht,  dass  auch  jener  altfranzösische  Text  irgend  wo  mit  einem 
Gemälde  verbunden  gewesen  sein  kann. 

Es  erübrigt  noch  die  Bestimmung  des  Jahrhunderts,  in  welchem 
jener  altfranzösische  Totentanz,  — r  der  mit  der  jungem  uns  erhaltenen 
Danse  macabre  nicht  verwechselt  werden  darf  —  verfasst  worden  ist. 
Da  er  älter  als  der  von  ihm  abhängige  mittelniederländische  Totentanz 
gewesen  sein  muss,  der  in  den  Anfang  des  15.  Jahrhunderts  gehört, 
so  würde  er  spätestens  in  diese  Zeit  zu  setzen  sein.    Noch  früher  ihn 


11 

lünaufzunicken,  nötigt  die  Danza  general.  Diese  ist  in  eiiier  Hand- 
schrift des  15.  Jahrhunderts  erhalten,  soll  aber  nach  der  von  spanischen 
und  deutschen  Gelehrten  gewöhnlich  vertretenen  Ansicht  bereits  i.  J. 
13()0  verfasst  sein.  Gegen  diese  Altersbestimmung  ist  freilich  von 
einigen  Seiten,  und  wohl  mit  Recht,  Einspruch  erhoben  worden.  Mag 
nun  aber  die  Danza  auch  ein  halbes  Jahrhundert  zu  früh  angesetzt 
sein  und  sie  noch  in  die  ersten  Jahre  des  15.  Jahrhunderts  gehören, 
so  muss  immerhin  das  von  ihr  nachgeahmte,  also  um  einen  gewissen 
Zeitraum  ältere  französische  Original  noch  dem  vierzehnten  Jahr- 
hundert angehört  haben. 

Noch  ein  anderer  Grund  lässt  sich  dafür  anführen,  dass  bereits 
vor  dem  Ende  des  14.  Jahrhunderts  im  nordöstlichen  Frankreichs  der 
Totentanz  bekannt  war.  In  Rückblick  auf  eine  1376  überstandene 
j^etahrliche  Krankheit  sagt  nämlich  der  Pariser  Dichter  Jehan  Le 
Fe  vre  in  seinem  bald  nach  1376  verfasst  en  Respü  de  mort: 

Je  fis  de  Macabree  la  dance 
Qui  toute  gent  maine  a  sa  trace 
Et  a  la  fosse  les  adresse*) 

Es  muss  also  bereits  für  das  Jahr  1376  die  Kenntnis  einer 
Danse  macabre,  eines  Totentanzes,  in  Frankreich  vorausgesetzt  werden. 
Da  der  erhaltene  Text  der  französischen  Danse  macabre,  wie  wir 
später  sehen  werden,  erst  im  15.  Jahrhundert  verfasst  ist,  kann  jene 
Stelle  sich  nicht  auf  diesen  beziehen,  sondern  legt  für  die  Existenz 
eines  altern  Tofentanzes  Zeugnis  ab. 

Die  Form  des  Lübecker  Totentanzes  v.  J.  1463  und  der  alt- 
castilianischen  Danza  general  weist,  wie  sich  nun  gezeigt  hat,  in  eine 
etwa  um  hundert  Jahre  vor  seiner  Darstellung  in  Lübeck  liegende 
Zeit  zurück.  Alle  übrigen  Totentänze  gehören  einer  jüngeren  Zeit  an. 
Es  ist  somit  in  dem  Lübecker  Gemälde  nicht,  wie  man  angenommen  hat, 
eine  jüngere  Entwicklungsstufe  erhalten,    sondern  vielmehr  die  ältere. 


Der  Totentanz  als  Drama. 

Jene  in  der  vorangehenden  Untersuchung  dargelegte  Eigentümlich- 
keit der  Fonn,  welche  von  allen  erhaltenen  Totentanztexten  allein  der 
lübisch-revalsche  Totentanz  und  die  altspanischc  Danza  general  auf- 
weisen, und  welche,  wie  wir  sahen,  in  das  vierzehnte  Jahrhundert 
hinaufreicht,  wird  auch  für  die  nachfolgende  Untersuchung  den  Aus- 
gangspunkt abgeben. 

Blicken  wir  auf  die  Totentanz  g  e  m  ä  1  d  e ,  so  finden  wir  nicht 
einen  Tod,  sondern  eine  grosse  Anzahl  Figuren,  welche  den  Tod 
darstellen.     Jeder  menschlichen  Figur  ist  ihr  eigener,  besonderer  Tod 


*)  Die  Stelle  ist  von  Massmann  im  Serapeum  8  S.  134  mitgeteilt  worden. 


12 

beigegebcH,  und  häufig  dem  ganzen  Reigen  noch  ausserdem  ein  oder 
einige  Tode  als  Pfeifer  oder  Vortänzer. 

In  dem  Texte,  welchen  der  lübisch-revalsche  Totentanz  und  die 
Danza  general  bieten,  ist  dagegen  der  Tod,  welcher  mit  den  ver- 
schiedenen menschlichen  Wesen  redet,  immer  ein  und  derselbe.  Denn 
wenn  z.  B.  der  Tod  in  den  ersten  Zeilen  der  Strophe  dem  Papste 
antwortet  und  in  der  Schlusszeile  derselben  Strophe  den  Kaiser  auf- 
fordert, zum  Tanze  anzutreten,  und  dann,  als  dieser  Einwendungen 
erhebt,  sie  in  derselben  neuen  Strophe  widerlegt,  in  welcher  er  sich 
schliesslich  zur  Kaiserin  wendet,  so  kaim  hierbei  doch  immer  nur 
derselbe  Tod  als  redend  gedacht  sein. 

Dies  Gemälde  zeigt  also  viele  Tode,  die  Dichtimg 'kennt  nur 
einen  einzigen  Tod. 

Es  liegt  hier  ein  Widerspruch  zwischen  Bild  und  Text  vor,  auf 
den  bisher  noch  nicht  hingewiesen  ist,  den  man  aber  bereits  im  Mittel- 
alter empfunden  zu  haben  scheint.  Denn  mit  Ausnahme  des  lübisch- 
revalschen  Textes  finden  sich  in  sämmtlichen  erhaltenen  Totentänzen 
Bild  und  Wort  in  Uebereinstimmung  bezüglich  dieses  Punktes. 

Jener  Widerspruch,  der  in  den  ältesten  Fassungen  des  Toten- 
tanzes zwischen  Gemälde  und  Dichtung  obwaltet,  nötigt  zu  der  Auf- 
stellung der  Frage,  ob  der  Text  oder  das  Bild  das  ältere,  urspiüng- 
lichere  ist. 

Das  Bild  kann  nicht  das  ursprüngliche,  das  früliere  gewesen  sein. 
Wäre  der  älteste  Text  als  Erläutenmg  zu  einem  vorhandenen  Bilde, 
welches  den  menschlichen  Figuren  im  Tanzreigen  je  einen  besonderen 
Tod  als  Tanzpartner  gab,  verfasst  worden,  so  hätte  der  Dichter  nach 
Art  der  jüngeren  Totentänze  jeden  Tod  einzig  und  allein  zu  seinem 
Tänzer  sprechen  lassen  kchmen.  Auch  würde  ein  Maler,  der  unabhängig 
von  einem  Texte  ein  Gemälde  entwirft,  den  Entwurf  in  Einklang  mit 
der  Besonderheit  seiner  Kunst  gesetzt  haben.  Der  Dichter  kann 
zeitlich  auf  einanderfolgende  Vorgänge  schildern,  der  Maler  ist  auf 
die  bildliche  Wiedergabe  dessen  beschränkt,  was  das  Auge  in  dem- 
selben Moment  erschauen  kann.  Den  Tanz  in  seinem  Verlaufe,  also 
wie  der  Tod  nach  einander  die  verschiedenen  Menschen  auffordert, 
in  demselben  Gemälde  bildlich  darzustellen,  war  unmöglich.  Ein 
Maler  hätte  nicht  an  einen  Gesammtreigen  gedacht,  sondern  in  ein- 
zelnen Gruppenbildern  den  Tanz  veranschaulicht. 

Es  muss  also  das  Werk  des  Dichters,  der  Text,  das  Ursprüngliche 
gewesen  und  zu  ihm,  zu  seiner  Erläuterung  oder  Veranschaulichung 
das  Bild  hinzugefügt  sein.  Es  begreift  sich  dann  der  Widerspruch. 
Es  war  eben  nicht  möglich  im  Bilde  zu  veranschaulichen,  dass  derselbe 
eine  Tod  nach  einander  mit  den  verschiedenen  geistlichen  und  welt- 
lichen Ständen  ein  Zwiegespräch  hält.  Der  Maler  ergriff  den  Ausweg, 
den  Tod  so  oft  zu  malen,  als  er  das  Wort  ergreift,  und  die  sämmt- 
lichen Tode  und  Menschen  zu  einem  Gesammtreigen  zu  vereinigen. 

Die  Dichtung    (d.    i.    der  altfranzösische   sowohl   in   der  Danza 


13 

general  wie  im  Lübecker  Totentanze  von  1463  nachgeahmte  oder 
übersetzte  Text)  ist  also  älter  als  das  Gemälde  und  ursprünglich  mit 
einem  solchen  nicht  verbunden  gewesen.  Wenn  ihre  Strophen  dem- 
nach von  ihrem  Dichter  nicht  als  Bildersprüche,  d.  h.  als  Verse,  welche 
gemalten  Figuren  gleichsam  in  den  Mund  gelegt  werden,  dereinst 
verfasst  waren,  so  wird  die  Frage  zu  erheben  sein,  welcher  Dichtimgs- 
gattung  jener  alte  Totentanztext  ursprünglich  angehört  hat. 

Der  alte  französische  Originaltext  ist  freilich  nicht  mehr  vor- 
handen. Die  beiden  erhaltenen  Nachahmungen  und  Uebersetzungen 
gestatten  jedoch  zum  Teil  sichere,  zum  Teil  walirscheinliche  Schlüsse 
auf  die  Form  und  den  Inhalt  des  Originals.  Alles,  was  übereinstimmend 
sich  in  beiden  Nachahmungen  findet,  muss  auch  im  Original  vorhanden 
j^ewesen  sein.  Im  Uebrigen  lässt  sich  erkennen,  dass  in  Bezug  auf 
Wortlaut  und  Gedankeninhalt  die  altspanische  Danza,  deren  Verfasser 
augenscheinlich  durch  dichterische  Begabung  und  Uebung  sich  aus- 
zeichnete, eine  ziemlich  freie  Umarbeitung  des  Originals  unter  Hinzu- 
tiigung  neuer  Figuren  bietet,  während  der  lübische  Text,  vielleicht 
weil  er  von  einem  minder  sprach-  und  versgewandten  Dichter  herrührt, 
zwar  verschiedene  Strophen  des  Originals  auslässt,  sonst  aber  dieses 
treuer  wiedergiebt.  Dass  die  altspanische  Danza  das  Original  um  neue 
Strophen  vermehrt  hat,  lässt  sich  daraus  folgern,  dass  verschiedene 
der  in  ihr  auftretenden  nur  in  Spanien  vertretenen  Stände*)  unmöglich 
dem  nordfranzösischen  Original  entnommen  sein  können.  Aber  auch 
inhaltlich  deuten  einige  Strophen  darauf,  dass  sie  nicht  übersetzt, 
sondern  freie  Dichtung  eines  Spaniers  sind,  wie  z.  B.  die  Rede  des 
Todes  an  den  Rabbi,  denn  nur  in  Spanien,  der  Heimat  zahlreicher 
gebildeter  Juden  im  Mittelalter,  war  eine  derartige  Bezugnahme  auf 
eine  jüdische  Segensformel  u.  a.  erklärlich.  Für  die  treuere  Wieder- 
gabe des  Original  durch  den  in  Lübeck  und  Reval  erhaltenen  Text 
spricht  überdem  noch  ein  besonderer  Grund,  der  später  noch  zur 
Sprache  konunen  wird. 

Bei  der  Frage,  welcher  Dichtungsgattung  der  Totentanztext 
ursprünglich  angehört  hat,  kommt  seine  formelle  Gestaltung  in  Betracht. 
In  Bezug  auf  diese  stimmen  der  alte  lübisch-revalsche  Totentanz  und 
die  altspanische  Danza  general  vollständig  überein.  Es  muss  also  das 
gemeinsame  altfranzösische  Original  dieselbe  Form  geboten  haben. 

Die  Form  bietet  nicht  einen  einfachen  Dialog,  sondern  einen 
Dialog,  der  durch  seine  im  vorigen  Abschnitt  dargelegte  Eigentümlich- 
keit darauf  hinweist,  dass  die  alte  Totentanzdichtung  dramatisch 
war.  Selbstverständlich  hat  diese  Schlussfolgerung,  die  noch  durch 
andere  Gründe  zu  stützen  ist,  nur  Bezug  auf  die  ursprüngliche 
Bestimmung  des  altfranzösischen  Originals  aus  dem  14.  Jahrhundert. 
Es  wäre  falsch,  anzunehmen,  dass  der  niederdeutsche  in  Lübeck  und 
Reval  erhaltene  niederdeutsche  Text  jemals  dramatisch  verwertet  wäre. 
Auch  abgesehen  von  anderen  Gründen  verbietet  sich  diese  Vermutung 


*)  Die  Nachweise  werden  in  der  Litteraturübersicht  gegeben  werden. 


14 

in  Bezug  auf  Lübeck  schon  deshalb,  weil  weder  in  dem  erhaltenen 
Verzeichnis  der  hier  von  1430  bis  1515  aufgeführten  Spiele  der 
Patricier*)  noch  in  den  chronikalischen  Ueberlieferungen  eines  Toten- 
tanzspieles Erwähnung  geschieht.  Uebrigens  ist  der  dramatische 
Charakter  des  Lübecker  Totentanzes  auch  noch  von  Niemand  an- 
genommen worden.  Die  altspanische  Danza  general  pflegt  dagegen 
als  ältestes  Drama  der  spanischen  Litteratur  betrachtet  zu  werden. 
Doch  gründet  sich  diese  Annahme  eben  nur  auf  ihre  dramatische 
Form.  Ein  Zeugnis  oder  der  Beweis,  dass  sie  jemals  aufgeführt  worden 
sei,  hat  nicht  beigebracht  werden  können,  und  es  wird  deshalb  von 
anderen  Gelehrten  dieselbe  der  dramatischen  Litteratur  nicht  zugerechnet. 

Zum  Erweis,  dass  ein  altfranzösischer  Totentanz  in  der  That 
aufgeführt  worden  ist,  wird  auf  zwei  historische  Zeugnisse  über  statt- 
gehabte Aufführungen  eines  Totentanzes  hingewiesen  werden  können. 
Dann  wird  aus  einer  Stelle  des  niederdeutschen  Textes  selbst  erwiesen 
werden,  dass  dieser  oder  vielmehr  seine  altfranzösische  Vorlage 
ursprünglich  zum  Behufe  dramatischer  Aufführung  vor  einer  geistlichen 
Zuschauerschaft  verfasst  worden  ist. 

Jene  historischen  Zeugnisse  darf  man  nicht,  wie  mehrfach 
geschehen  ist,  auf  die  uns  erhaltene  jüngere  Danse  macabre  v.  J. 
1425  beziehen.  Denn  diese  ist,  wie  im  Fortgange  der  Untersuchung 
gezeigt  werden  wird,  weder  ein  Drama  noch  zur  dramatischen  Auf- 
führung geeignet. 

Man  hat  drei  alte  Zeugnisse  beigebracht,  welche  die  dramatische 
Darstellung  des  Totentanzes  im  Mittelalter  beweisen  oder  beweisen  sollen. 

Wie  zuerst  französische  Geschichtschreiber  des  vorigen  Jahr- 
hunderts und  darnach  Wackernagel  u.  a.  annahmen,  ist  1424  der 
Totentanz  im  Kloster  Aux  Innocents  in  Paris  dramatisch  aufgeführt 
worden.  Diese  Annahme  beruht  auf  einem  groben  Missverständnisse. 
In  dem  Journal  d'un  bourgeois  de  Paris  sous  Charles  VII**)  heisst  es : 
L'an  1424  fut  (aide  la  danse  macabre  aux  Itmocens  et  fut  comnuncee 
enuiron  le  moys  ffaoust  et  acheuee  ou  karesme  ensuinant.  Wie  bereits 
Fiorillo  und  Peignot  klar  und  richtig  ausgesprochen,  kann  der  Toten- 
tanz, von  welchem  gesagt  wird,  dass  er  im  Mai  begonnen  und  zur 
Fastenzeit  des  nächsten  Jahres  vollendet  sei,  nur  ein  Gemälde  gewesen 
sein.  Hieran  ist  um  so  weniger  zu  zweifeln,  als  Peignot  aus  demselben 
Journal  z.  J.  1429  eine  Stelle  beibringt,  in  welcher  berichtet  wird, 
dass  ein  Franziskanermönch  Richart  im  Kloster  aux  Innocents  le  dos 
tourne  vers  les  charniers  encontre  la  charonnerie  ä  Vandroit  de  la  dancc 
macabre  gepredigt  habe.  Schliesslich  wissen  wir  auch  aus  Lydgate's 
englischer  Uebersetzung  der  Danse  macabre,  dass  es  in  dem  Kloster 
Aux  Innocents  zu  Paris  einen  gemalten  Totentanz  gegeben  hat. 

*)  Niederdeutsches  Jahrbuch  6,  S.  1  ff. 

**)  Gedruckt  bei  Labarre,  M^moires  pour  servir  k  Fhistoire  de  France  et  de 
Bourgogne.  Paris  1729,  S.  103.  Neue  Ausgabe:  Journal  d'un  bourgeois  de  Paris, 
1405—1449,  publ.  par  AI.  Tuetey.    Paris  1881,  S.  203.  234. 


Als  zweites  Zeugnis  wird,  zuerst  von  Carpentier  in  seinen  Zusätzen 
zu  Du  Cange's  Glossarium  mediae  et  intimae  latinitatis  sub  voce 
Machnlxeorum  chorca,  eine  im  Mercure  de  France  (September  1742, 
S.  1955)  mitgeteilte  Stelle  einer  Handschrift  aus  Besan^'on  angeführt. 
Sie  lautet:  Scxcallus  solvat  D.  Joanni  Caleti^  matrictUario  S.  JoanniSy 
quatuor  sitnasias  vini  per  dictum  nmtriculcirium  exhihitas  Ulis,  qui 
choream  Machab<eorum  fecerunt  10  Julii  [sc.  1453]  miper  lupsa  hora 
m\ss(B  in  ecdesia  S.  Joannis  Evirngdistre,  propkr  Cfipitidum  promiciale 
Frntrum  minorum.  Der  Seneschal  wird  also  beauftragt,  dem  Hilfs- 
sacristan  der  Johanniskirche  die  vier  Simasien  (das  sind  24  Mass) 
Wein  zu  vergüten,  welche  dieser,  als  am  10.  Juli  1453  bei  Gelegenheit 
des  Provinzialkapitels  der  Franziskaner  nach  der  Messe  der  Makka- 
bäertanz  aufgeführt  wurde,  den  Darstellern  desselben  gegeben  hatte. 
Diese  Stelle  würde  unter  der  Voraussetzung  beweisend  sein,  dass  der 
lateinische  Ausdruck  Chorea  Mtichahceorum  dasselbe  wie  das  französische 
Danse  nmcal/re  bedeutet.  Die  Frage,  ob  jene  Voraussetzung  sicher 
ist,  mag  hier  dahingestellt  bleiben.  Ist  sie  aber  in  der  That  zutreflfend, 
so  beweist  jene  Stelle  nichts  für  die  Art  der  Aufführung;  es  könnte 
sich,  wie  mehrfach  angenommen  ist,  um  ein  tableau  vivant^  d.  h.  eine 
jener  mimischen  Aufführung  ohne  Worte  handeln,  welche  in  jener  Zeit 
sich  in  Frankreich  grosser  Beliebtheit  erfreuten.  Auf  die  Anzahl  der 
mitspielenden  Personen  erlaubt  dagegen  die  obige  Stelle  einen  gewissen 
Schluss,  wenn  man  die  sonst  in  Frankreich  begegnende  Sitte,  dass  den 
Darstellern  bei  Probe  und  Aufführung  nur  ein  beschränktes  Mass  Wein 
zur  Erquickung  vorgesetzt  wird,  in  Betracht  zieht. 

Während  die  beiden  angeführten  Zeugnisse  allgemein  bekannt 
sind,  ist  ein  drittes,  welches  jene  beiden  an  Wichtigkeit  weit  übertrifft, 
den  meisten  Schriftstellern  über  den  Totentanz,  auch  denen  neuerer 
Zeit,  unbekannt  geblieben,  obwohl  es  in  einem  vielbenutzten  Werke, 
freilich  erst  in  den  Nachträgen  desselben,*)  zu  finden  war.  In  den 
von  Laborde  zum  Abdruck  gebrachten  Rechnungen  der  Ausgaben  der 
Herzöge  von  Burgund  findet  sich  nämlich  folgende  Stelle**):  A  Nicaise 
de  Carnbray^  painctre^  detnourant  en  la  ville  de  Douay^  pour  lui  aidier 
ä  deffroyer  au  mais  de  septemhre  Van  1449^  de  la  ville  de  BrugeSy  quant 
il  a  joue  devant  mondit  seigneur,  en  son  hostel,  avec  ses  autres  com- 
paignons^  certain  jeu^  histoire  et  moralite  sur  le  fait  de  la  danse  muail/re 
.  .  .  VIII  francs.  Die  Danse  macabre,  welche  hiernach  im  Monat 
September  1449  in  Brügge  vor  dem  Herzoge  Philipp  dem  Guten  auf- 
geführt ist,  wird  als  jeu,  dann  als  histoire  et  moralite  bezeichnet.  Jeu 
ist  der  allgemeine  Ausdruck  für  dramatische  u.  a.  Darstellungen.  Die 
Bezeichnung  histoire,  welche  allein  stehend  sonst  für  historische, 
legendarische  oder  novellistische  Stoffe  üblich  ist,  besagt  in  diesem 
Falle  wohl,   dass   ein   Spiel   mit  Handlung   und  Dialog   gemeint  ist. 

*)  Langlois,  £s8ai  sur  les  danses  des  morts.    T.  I.  (1851),  S.  292. 
**)  de  Laborde,  Le  ducs  de  Bourgogne.    Etudes  sur  les  lettres,  les  arts 
et  rindustrie  pendent  le  15«  siäcle,  et  plus  particulierement   dans  les  Pays-Bas  et 
le  duch^  de  Bourgogne.    Partie  II.     Vol.  1  (1849)  S.  393.    Comptes  n.  7399. 


16 

Unzweideutig  und  klar  ist  der  Ausdruck  moralüe^  der  in  Verbindung 
mit  histoire  ein  dramatisches  Spiel  belehrender  oder  erbaulicher  Tendenz 
bezeichnet. 

Den  historischen  Zeugnissen,  welche  zimi  Nachweise  stattgehabter 
Aufführungen  des  Totentanzdramas  bekannt  geworden  sind,  lässt  sich 
eine  bisher  für  die  Untersuchung  noch  nicht  verwertete  und  in  ihrer 
Bedeutung  überhaupt  noch  nicht  erkannte  Stelle  anreihen,  welche  sich 
in  dem  lübisch-revalschen  Texte  selbst  findet.  Der  'Prediger  auf  der 
Kanzel',  der  im  Totentanzdrama  die  Rolle  des  Prolocutor  vertritt, 
beginnt  seinen  Prolog  mit  den  Versen 

Och  redelike  creatuer,  sy  arm  ofte  ryke, 
Seet  hyr  dat  spectel,  junck  unde  olden! 

Das  Wort  spectel  (frz.  spedacle)  bedeutet  'Schauspiel',  es  ist  also 
in  diesen  Worten  geradezu  und  unzweideutig  ausgesprochen,  dass  die 
Totentanzdichtung,  die  im  lübisch-revalschen  Texte  vorliegt,  als  Drama 
zu  denken  ist. 

Aus  demselben  Prologe  ist  ferner  zu  entnehmen,  vor  welchem 
Zuschauerkreise  jenes  Drama  zuerst  aufgeführt  worden  ist.  Vers  9  ff. 
heisst  es  niimlich: 

Unde  Icven  kinder,  ik  wil  ju  raden, 
Dat  gi  juwe  scapeken  verleiden  nicht, 
Men  gude  exempel  cn  opladen, 
Eer  ju  de  doet  sus  snelle  bilicht. 

Der  Prolocutor  fordert  also  die  Zuschauer  auf,  diese  möchten 
ihre  scapeken^  ihre  'Schaf lein'  nicht  in  die  Irre  führen,  sondern 
ihnen  gute  Beispiele  geben.  Die  Geistlichen  betrachten  sich,  in  Anleh- 
nung an  das  biblische  Gleichnis  vom  guten  Hirten,  «als  die  Hirten, 
die  'Pas to res'  der  Laien,  diese  wurden  nach  kirchlichem  Sprach- 
gebrauche als  ihre  Schafe  oder  Schaf  lein  bezeichnet.  Da  die 
Worte  des  Prologs  also  ausschliesslich  an  Geistliclie  gerichtet  sind, 
so  ergiebt  sich,  dass  das  Totentanzdrama  ursprünglich  zur  Darstelhing 
vor  Klerikern  verfasst  worden  ist. 

Wenn  einerseits  unsere  Untersuchung  ergeben  hat,  dass  die  älteste 
Form  des  Totentanzes,  wie  sie  in  mittelniederdeutscher  Uebersetzung 
in  dem  lübisch-revalschen  Texte  vorliegt,  ursprünglich  ein  Drama 
gewesen  ist,  anderseits  feststeht,  dass  die  in  Frankreich  entstandene 
Dichtung  auf  dem  Wege  über  die  Niederlande  i.  J.  1463  nach  Deutsch- 
land gekommen  ist,  und  wenn  ferner  nachweislich  i.  J.  1449  in  Brügge, 
also  in  einer  Stadt,  welche  in  besonderer  Verbindung  mit  Lübeck  stand, 
ein  Totentanz  dramatisch  aufgeführt  worden  ist,  so  liegt  die  Vermutung 
nahe,  dass  jene  in  Brügge  aufgeführte  Danse  macabrc  im  Lübecker 
Totentanze  von  1463  erhalten  ist.  Ferner  erhält  durch  den  Nachweis, 
dass  dieses  Drama  ursprünglich  zur  Aulliihrung  vor  Geistlichen 
bestimmt  war,   die  Vennutung   eine  Stütze,    dass   es   dasselbe  Drama 


17 

war,  welches  am  10.  Juli  1453  vor  dem  Provinzialcapitel  der  Minoriten 
in  BesanQon  dargestellt  ist. 

So  nahe  diese  Vermutimgen  liegen,  können  sie  doch  irrig  sein, 
denn  die  Möglichkeit  lässt  sich  nicht  läugnen,  dass  es  einen  zweiten, 
uns  verlorenen  dramatischen  Totentanz  gegeben  haben  kann.  Sicher 
bleibt  aber  die  Thatsache  zu  Recht  bestehen,  dass  die  erhaltene  lübisch- 
revalsche  Totentanzdichtung  die  Uebersetzung  einer  altfranzösischen 
für  die  scenische  Aufführung  verfassten  Dichtung  des  14.  Jahrhunderts 
ist.  Es  wird  unsere  Aufgabe  sein,  diese  Dichtung  in  Vergleich  mit 
altfranzösischen  dramatischen  Werken  gleicher  Zeit  und  gleicher  Gattung 
zu  stellen,  um  ihre  litteraturgeschichtliche  Stellung  zu  erkennen.  Leider 
besitzen  wir  nur  zwei  altfranzösische  Moralitäten,  welche  dem  14.  Jahr- 
hundert angehören.^)  Beide  sind  von  dem  bekannten  Dichter  Eustache 
Deschamps  und  beide  weichen,  was  die  Form  betrifft,  wesentlich  von 
der  Totentanzdichtung  ab.  Aber  auch  die  Vergleichung  mit  den 
erhaltenen  freilich  gleichfalls  nicht  sehr  zahlreichen  Moralitäten  des 
15.  Jahrhunderts  weist  keine  Dramen  auf,  welche  dem  erhaltenen 
Totentanze  so  ähnlich  sind,  dass  man  auf  sie  nur  zu  verweisen  brauchte. 
Es  wird  deshalb  nötig  sein,  die  genauere  Feststellung  der  dramatischen 
Gattung,  welcher  das  Spiel  vom  Totentanze  angehört  hat,  in  einer 
besonderen,  der  folgenden  Untersuchung  zu  erörtern. 

Aber  auch  ohne  diese  Untersuchung  lässt  sich  an  dem  Texte 
erkennen,  wie  die  Aufführung  jenes  Totentanzes  vor  sich  gegangen  ist. 

Wir  haben  uns  die  Aufführung  in  der  Kirche  auf  einer  zu  diesem 
Zweck  hergerichteten  Bühne  zu  denken,  die  von  zwei  Seiten  zugänglich 
ist,  deren  eine  ein  Beinhaus  oder  ein  Grab  vorstellt. 

Zuerst  tritt  auf  einer  vor  der  Bühne  befindlichen  Kanzel  ein 
Prediger  als  Prolocutor  auf  und  mahnt  die  als  Zuschauer  versammelten 
Kleriker,  dem  Schauspiel,  das  sich  vor  ihren  Augen  abspielen  würde, 
die  Lehre  zu  entnehmen,  dass  niemand  vor  dem  Tode  geschützt  ist. 
Wer  viel  Gutes  in  seinem  Leben  gethan  und  die  seiner  geistlichen 
Fürsorge  anvertrauten  Schafe  gut  geführt  habe,  werde  dafür  himm- 
lischen Lohn  empfangen. 

Auf  die  Bühne  tritt  dann  der  Tod  und  fordert  alle  Creaturen  auf, 
ihm  zu  folgen  und  dazu  sich  mit  guten  Werken  zu  rüsten. 

Zuerst  ruft  er  den  Papst,  er  sei  der  höchste  auf  Erde  gewesen, 
darum  gebühre  ihm  die  Ehre  des  Vortanzes.  Klagend  tritt  der  Papst 
zum  Tode,  der  auf  seine  Worte,  während  er  ihn  im  Tanzschritt  zum 
Grabe  führt,  antwortet. 

Indem  der  Papst  in  dem  Grabe  oder  hinter  einer  als  Zugang 
zu  einem  Beinhause  gedachten  Thür  verschwindet,  fordert  der  Tod  in 
ähnlicher  Weise  den  Kaiser,  Cardinal,  König  und  alle  übrigen  der 
Reihe  nach  auf,  die  alle  im  vollen  Schmuck  ihres  Ornates  erscheinen. 


')  L.  Petit  de  Jolleville,  Repertoire  du  th^&tre  comique  en  France  au  moyen- 
Hge.    Paris  1886,  S.  19  ff. 

Nl<deid«ntsoliM  Jahrbacli  XYU.  2 


18 

während  der  Tod  in  eng  anliegende  gelbliche  Leinwand  gekleidet  ist, 
welche  durch  die  Kunst  des  Malers  so  bemalt  ist,  dass  der  Tod  einer 
Leiche  ähnlich  sieht. 

Die  Vorstellung  selbst  geschah  unter  musikalischer  Begleitung, 
der  Text  wurde  durch  Gesang  oder  Recitativ  zum  Vortrag  gebracht. 

Es  war  nicht  notwendig,  dass  für  jeden  menschlichen  Stand  ein 
besonderer  Darsteller  agirte.  Der  abgetretene  Papst  hatte,  während 
der  Tod  mit  dem  Kaiser,  p]rzbischof  u.  s.  w.  zum  Tanze  schritt  und 
mit  ihnen  Rede  und  Gegenrede  führte,  Zeit  und  Gelegenheit,  die 
Kleidung  zu  wechseln  und  bald  darauf  in  anderer  Tracht  die  Bühnt* 
auf  der  anderen  Seite  wieder  zu  betreten. 


Die  Entstehung  des  ersten  Totentanzes. 

Es  ist  zuzugeben,  dass  das  alte  Totentanzspiel  in  Bezug  auf 
Handlung  und  Dialog  an  Einfacliheit  gewissen  altern  französischen 
Moralitäten  ziemlich  ähnlich  ist. 

Dagegen  fällt  ein  auftalliger  äusserer  Unterschied  in  die  Augen. 
Der  alte  Totentanz  bestand,  abgesehen  von  dem  Prologe,  aus  Strophen, 
während  die  eigentlichen  Dramen  und  somit  auch  die  Moralitäten  frei 
vom  Zwange  strophischer  Gliederung  waren. 

Neben  dem  äussern  Unterschiede  wird  ferner  ein  innerer  bemerkbar. 

Bei  einfachem  Dialog  und  einfacher,  ja  mitunter  fehlender  Hand- 
lung fesseln  die  Moralitäten  dadurch,  dass  ein  zu  Grunde  gelegter 
Gedanke  in  vielseitiger  Weise  erörtert,  bestritten  und  verteidigt  wird. 
Eine  beliebte  Form,  in  welcher  sich  das  am  ungezwungensten  thun 
lässt,  ist  desshalb  der  Streitdialog  oder  ein  Process.  Allegorische 
Figuren  treten  als  Kläger  gegen  einander  auf,  und  eine  andere  über- 
nimmt die  Rolle  des  Richters.  Rede  und  Gegenrede  führen  schliesslich 
zu  einem  Urteile  oder  sonst  einem  Abschluss  des  Gedankens.^)  In 
dem  Texte  des  alten  Totentanzes  ist  von  irgend  einer  Entwickelung 
eines  Gedankens  kaum  etwas  zu  linden.  Es  ist  eine  eintönige  Variation 
desselben  Gedanken,  den  bereits  der  Prolocutor  ausspricht:  Jeder  wird 
vom  Tode  ergriffen,  jeder  bereite  sich  durch  gute  Werke  auf  ihn  vor 
und  erfülle  die  Pflichten,  die  sein  Beruf  ihm  auferlegt. 

Was  wir  von  den  französischen  Moralitäten  des  Mittelalters 
wissen,  lässt  nicht  darauf  schliessen,  dass  das  decorative  Moment^ehr 
in  den  Vordergrund  trat.  Ihre  Wirkung  beruhte  fast  einzig  auf  ihrem 
Gedankeninhalt.  Im  Spiele  vom  Totentanz  muss  dagegen  der  Eindruck, 
welchen  der  Dialog  auf  die  Zuschauer  hatte,  vollständig  gegen  den 
Eindruck,  den  die  Mannigfaltigkeit  und  der  Wechsel  der  Kostüme  auf 

')  Ein  deutsches  nach  dem  Vorbilde  einer  altfranzösischen  Moralität  ver- 
fasstes  Gedicht  mit  Reden  von  je  24  Versen  ist  im  Niederdeutschen  Jahrbuch  8, 
S.  43  ff.  abgedruckt. 


19 

(las  Auge  ausübte,  zurückgetreten  sein.    Die  Worte  des  Dialogs  waren 
kaum  mehr  als  Erläuterungen  des  Kostüms. 

Dieser  Sachverhalt  muss  zu  der  Folgerung  fuhren,  dass  die 
Moralität  vom  Totentanze  aus  einem  jener  tableaux  vivants  entstanden 
ist.  welche  in  Frankreich  und  Flandern  im  13.  und  14.  Jahrhundert 
so  beliebt  waren.  Das  Tableau  wurde  Moralität,  indem  den  früher 
stummen  Personen  Worte  in  den  Mund  gelegt  wurden. 

Ueber  die  Tableaux  vivants  äussert  sich  Ebert  in  seiner  Ent- 
wicklungs  -  Geschichte  der  französischen  Tragödie  vornehmlich  im 
XVI.  Jahrhundert  (Gotha  1856.  S.  21  f.  37  f.).  'Tableauartige, 
mimische  Darstellungen,'  sagt  er,  'oft  unter  musikalischer 
Begleitung,  kamen  seit  dem  Anfange  des  vierzehnten  Jahrhunderts 
an  den  Höfen  des  Königs  und  der  Grossen  zur  Vermehrung  festlichen 
(ilanzes  in  Mode.  Ich  meine  die  Entremets.  Die  Maschinen,  die 
Dekoration,  das  Kostüm  war  die  Hauptsache ;  geschichtliche  Ereignisse, 
damals  auch  insbesondre  aus  den  Kreuzzügen,  wurden  zugleich  mit 
Szenen  aus  der  biblischen  Historie  vorgestellt,  daneben  aber  wurden 
auch  blosse  Kuriositäten,  ohne  irgend  welche  dramatische  Bedeutung, 
zur  Schau  gestellt.  Solche  Tableaux  profanen  und  geistlichen  Inhalts 
wurden  auch  seit  dem  vierzehnten  Jahrhundert  bis  zur  Regierung 
Heinrichs  II.  regelmässig  bei  den  feierlichen  Einzügen  der  Könige  in 
Paris,  aber  auch  fremder  Fürstlichkeiten,  insonderheit  der  Königsbräute, 
an  verschiedenen,  zum  Teil  bestimmten  Punkten  der  Stadt,  an  welchen 
der  königliche  Aufzug  sich  vorüber  bewegte,  auf  Gerüsten  dargestellt. 
Es  waren  meist  bewegte  Bilder,  in  welchen  eine  Handlung  vor  sich 
ging,  die  im  Augenblick  des  Erscheinens  des  Königs  anhob,  aber  sie 
war  stumm;  wie  denn  oft  ausdrücklich  von  den  Chronisten  bemerkt 
wird,  dass  die  personnages  dieser  Mysterien  sans  parier  waren.'  'Auch 
die  stummen  Spiele  der  Entremets  und  Tableaux  entwickelten  sich  in 
dieser  zweiten  Periode  des  mittelalterlichen  Schauspiels  zu  noch  grösserer 
Pracht  und  Mannigfaltigkeit  .  .  .  Interessant  ist  zunächst,  dass  in 
den  Tableaux  das  ganze  ernste  mittelalterliche  Schauspiel  sich  damals 
vertreten  findet:  neben  Mysterien  des  neuen  und  alten  Testaments 
werden  auch  Heilige,  und  selbst  Szenen  aus  Miracles  vorgestellt,  nicht 
minder  ferner  allegorische  Personen,  teils  bloss  symbolisch  gruppirt, 
teils  zu  einer  Handlung  vereinigt;  selbst  Parabeln  fehlen  nicht,  wie 
die  des  Sämanns.'  Dargestellt  wurden  die  Tableaux  von  allen  denen, 
die  im  Mittelalter  sich  zur  Aufführung  von  Dramen  vereinigten,  von 
(lenossenschaften  wie  der  Basoche  und  der  Confraterie  de  la  Passion 
in  Paris,  den  Puys  in  den  Provinzialstädten,  von  Studenten,  Klerikern, 
Klerken  u.  a. 

Als  Tableau  muss  also  auch  der  Totentanz  ursprünglich  dar- 
gestellt worden  sein;  die  Rollen  waren  stumm,  die  Personen  bewegten 
sich  aber  im  Tanzschritt  nach  dem  Takte  der  die  Aufführung  beglei- 
tenden Musik  der  Orgel  oder  der  Pfeiffer.  Als  sich  dann  die  Gunst 
der  Zeitgenossen  dem  redenden  Schauspiele  allseitiger  zuwandte, 
musste  man,  leichtbegreiflich,  veranlasst  werden,   die  früher  stummen 

2* 


20 

Rollen  des  Tableau  in  redende  zu  verwandeln.  Der  Dialog,  den  man 
ihnen  gab,  konnte  jedoch  nicht  frei  von  dem  Zwange  sein,  zu  welchem 
der  Umstand  nötigte,  dass  die  Personen  des  Totentanzes  sich  im  Tanz- 
schritte bewegten.  Anderseits  nötigte  der  Tanz  nicht,  dass  die  Personen 
stumm  blieben,  denn  im  Mittelalter  wurde  allgemein  bei  dem  Tanze 
gesungen  oder  im  Recitativ  strophisch  gesprochen.  Entsprechend 
der  Zahl  der  Takte,  nach  denen  der  Totentanzreigen  geschritten  wurde, 
musste  der  für  ihn  bestimmte  Text  strophisch  abgefasst  werden.  So 
erklärt  sich,  dass  das  durch  die  Hinzufügung  eines  Textes  aus  dem 
Tableau  entstandene  Drama  oder  Singspiel  vom  Totentanze  von  den 
anderen  Moralitäten  sich  durch  seinen  strophischen  Dialog  unter- 
scheiden musste. 

Bevor  wir  unsere  Untersuchung  schliessen,  erübrigt  noch  die 
Frage:  Wie  haben  wir  uns  die  Entstehung  des  Tableau  vom  Toten- 
tanze zu  denken?  Das  Tableau  will  auf  das  Auge  wirken,  die  Kostüme 
waren  für  dasselbe  eine  Hauptsache.  Aus  der  Absicht,  die  herrlichsten 
und  mannigfaltigsten  Trachten,  welche  das  der  historischen  und 
ethnographischen  Kostümkunde  entbehrende  Mittelalter  kannte,  in  voll- 
ständiger Reihe  den  Zuschauern  vorzuführen,  ist  in  erster  Linie  die 
Entstehung  des  Totentanzes  zu  erklären. 

Ein  geschicktes  Tableau  muss  jedoch  von  einem  Gedanken 
beherrscht  sein,  welcher  die  Mannigfaltigkeit  und  den  Wechsel  der 
Kostüme  zusammenhält  und  erklärt.  Diesen  Gedanken  fand  der 
Schöpfer  des  Tableau  in  der  Allmacht  des  Todes  über  die  Menschen, 
er  gewann  in  der  Gestalt  des  Todes  zugleich  die  wirksamste  Folie  für 
alle  übrigen  Figuren.  Dieser  Gedanke  und  seine  Ausführung  durch 
das  Tanzmotiv  musste  in  zweiter  Linie  zu  jener  Absicht  hinzutreten, 
um  den  ersten  Totentanz  entstehen  zu  lassen. 

Wie  der  Verfasser  des  Tableau  gerade  zu  dem  Tanzmotiv  kam, 
ist  eine  offene  Frage,  doch  bereitet  sie  keine  Schwierigkeit.  Eine 
volkstümliche  Redensart  oder  ein  in  der  religiösen  Dichtung  des  Mittel-  | 
alters  geschaffener  bildlicher  Ausdruck  kann  den  Verfasser  angeregt  4 
haben.  Die  mittelhochdeutsche  Dichtung  wie  die  mittelniederländische 
sind  schon  zu  einer  Zeit,  die  vor  den  Totentänzen  liegt,  reich  an 
bildlichen  Redensarten  und  Wendungen,  wie  z.  B.  nach  der  Pfeife  des 
Todes  tanzen  oder  von  einem  Reigen,  an  den  alle  müssen,  um  sich  in 
das  andere  Land,  d.  h.  ins  Jenseits  hinül)er  zu  singen.^)  Ich  zweifle 
nicht,  dass  auch  die  altfranzösisclie  Dichtung  Belege  in  reicher  Zahl 
bieten  würde.  Jedesfalls  ist  es  falsch,  zur  Herleitung  des  Totentanz 
auf  entlegene,  Nordfrankreich  fremde  Anschauungen  oder  gar  Mythen 
zurückzugreifen.  Auf  den  Gipfel  ist  die  Urteilslosigkeit  getrieben, 
wenn  man  mit  dem  Nachweise,   dass  in  einem  1809  entdeckten  etni- 


')  Dergleichen  Wendungen  aus  deutschen  und  z.  T.  niederländischen  Dichtern 
des  Mittelalters  sind  bei  Wackemagel  kl.  Schriften  1,  311  ß.  gesammelt. 


21 


rischen  Grabe  aus  dem  Altertume  ein  paar  tanzende  Skelette  in  Stuck- 
relief abgebildet  waren,  die  Entstehung  des  Totentanzes  erklären  helfen 
^ill.  Auf  den  Verfasser  des  ersten  Totentanzes,  der  im  14.  Jahrhundert 
gelebt  hat,  kann  doch  unmöglich  eine  antiquarische  Kuriosität  aus 
vorchristlicher  Zeit  von  Einfluss  gewesen  sein,  ganz  abgesehen  davon, 
dass  der  mittelalterliche  Totentanz  kein  Tanz  von  Skeletten,  sondern 
der  Tanz  einer  allegorischen  Todesfigur  mit  lebenden  Menschen 
ist,  die  erst  durch  den  Tanz  dem  Grabe  zugeführt  werden.  Nicht 
minder  verkehrt  hat  man,  durch  die  gleiche  Benennung  wohl  verleitet, 
die  aus  Schlesien  vom  Jahre  1406  berichtete  Auffuhrung  eines  'Toten- 
tinzes'  herangezogen.  'Er  begann  mit  Jubel  und  Jauchzen  aller 
Anwesenden,  die  nur  Lust  hatten,  mit  zu  tanzen.  Plötzlich  verstummte 
die  Musik,  und  ein  Jüngling  oder  Mädchen  fiel  in  die  Mitte  der  Stube 
und  stellte  sich  tot.  Ein  dumpfer  Totengesang  erscholl  von  allen 
Lippen.  Mit  abwechselnden  Sprüngen  näherte  sich  eine  Person  nach 
der  andern  dem  Toten  und  küsste  ihn,  indess  sich  dieser  nicht  regen 
durfte.  Waren  die  Tänzer  alle  durch,  so  erhob  sich  auf  einmal  wieder 
die  Musik  in  frohen  Tönen,  und  der  Tote  stand  auf.'  Dieser  'Toten- 
tanz' gehört  in  eine  Geschichte  der  Gesellschaftsspiele,  mit  dem  Toten- 
tanze der  Kunst-  und  Litteraturgeschichte  liat  er  nichts  gemein. 

Die  nüchterne  methodische  Untersuchung  wird  vermeiden,  durch 
kein  erkennbares  oder  nachweisbares  Zwischenglied  vermittelte,  weit 
von  einander  abliegende  Momente  zu  verknüpfen,  sondern  Schritt  für 
Schritt  vorwärts  zu  gehen  suchen.  Die  so  gewonnenen  Ergebnisse  werden 
allein  Anspruch  auf  Beachtung  haben.  Dieses  schrittweise  Vordringen 
in  das  Dunkel  der  Vergangenheit  auf  Bahnen,  die  der  Gegenstand 
selbst  und  die  Litteraturgeschichte  andeuten  und  begrenzen,  ist  in  den 
vorangegangenen  Untersuchungen,  wie  ich  hofl'e  mit  Erfolg,  erstrebt 
I   worden. 


Die  Danse  maeabre. 

Für  den  Totentanz  hat  die  französische  Sprache  den  besonderen, 
zuerst  im  14.  Jahrhundert  auftauchenden  Ausdruck  danse  maeabre.  Im 
engeren  Sinne  bezeichnet  man  mit  ihm  den  einzigen  Totentanztext, 
der  sich  aus  dem  Mittelalter  in  französischer  Sprache  erhalten  hat. 
Er  liegt  in  zwei  Fassungen  vor.  Diese  unterscheiden  sich  dadurch, 
dass  die  kürzere  nur  30  Tanzgruppen  hat,  während  die  umfangreichere 
dieselben  Gruppen  bietet,  ausserdem  aber  noch  zehn  andere  zwischen 
jene  einschiebt.  Sämmtliche  Personen  beider  Fassungen  sind  männlich, 
diese  werden  deshalb  auch  als  Danse  maeabre  des  hommes  zum  Unter- 
schiede von  der  Danse  maeabre  des  femmes  bezeichnet.  Letztere  ist 
r  eine  jüngere,  zuerst  i.  J.  1486  gedruckte  Nachahmung  und  kann  ausser 
Betracht  bleiben.  Dasselbe  gilt  für  diejenigen  Strophen,  welche  die 
erweiterte  Fassung  der  Danse  maeabre  des  hommes  allein  bietet.    Diese 


22 

ist  nämlich,  wie  sich  aus  der  Vcrgleicliuiig  mit  den  alten  Ue])ersetzungeii 
mit  Sicherheit  ergiebt,  aus  der  kurzem  Fassung  durch  Zusätze  jüngeren 
Ursprungs  entstanden. 

Die  kürzere  Fassung  der  Danse  macabre  hat  einst  dem  Toten- 
tanze angehört,  der  i.  J.  1424  und  1425  an  die  Kirchholsmauer  de?? 
Klosters  Aax  Innocents  in  Paris  gemalt  war.  Es  wird  das  nicht  allein 
durch  die  Ueberschrift  in  zwei  Handschriften  bezeugt,  welche  Dictamina 
choree  macabre  prout  sunt  apud  Innocentes  Parisius  und  La  dance 
macabre  prout  habetur  apud  S,  Innocentem  lauten,  sondern  auch  durch 
die  englische  Uebersetzung,  welche  der  Mönch  Lydgate  bald  nach 
1425  für  das  alte  St.  Pauls-Kloster  in  London  angefertigt  hat.  In 
den  die  Uebersetzung  einleitenden  Strophen  heisst  es  nämlich: 

Gonsidereth  this  ye  folkes  that  been  wise 

And  it  imprinteth  in  your  Memorial, 

Like  thensample  which  that  at  Parise, 

I  found  depict  ones  in  a  Wall, 

Füll  notably  as  I  rehearse  shall, 

Of  a  French  clerke  taking  acquaintance, 

1  took  on  me  to  translaten  all 

Out  of  the  French  Machabrees  Daunce  .... 

By  en8ample  that  thei  in  her  entents, 

Amend  her  life  in  eyery  maner  age, 

The  which  daunce  at  Saint  Innocents 

Portrayed  is  with  all  the  Surplusage  etc. 

Der  Totentanz  des  Klosters  Aux  Innocents  ist  nach  dem  bereits 
S.  14  angeführten,  jeden  Zweifel  ausschliessenden  Zeugnis  eines  Zeit- 
genossen in  den  Jahren  1424  und  1425  hergestellt  worden. 

Aelter  als  dieses  Totentanzgemälde  oder  die  von  dem  Maler  für 
dasselbe  angefertigte  Skizze  kann  auch  der  Text  der  Danse  macabro 
nicht  sein.  Während  sich  nämlich  für  das  Vorbild  des  Lübecker 
Totentanzes  von  1463  ergab,  dass  der  Text  das  ursprüngliche,  das 
Gemälde  das  spätere  war,  lässt  sich  umgekehrt  für  die  Danse  macabre 
erweisen,  dass  bei  ihr  der  Text  zur  Erläuteining  des  Bildes  hergestellt  ist. 

Es  ergiebt  sich  das  mit  besonderer  Deutlichkeit  aus  Strophe  48. 
Während  im  Zwiegespräche  des  Todes  mit  den  Menschen  sonst  immer 
nur  der  Tod  und  der  von  ihm  zum  Tanze  gerade  aufgeforderte  Mensch 
zu  Worte  kommen,  erscheint  hier  plötzlich  eine  ausserhalb  des  Zwie- 
gespräches stehende  dritte  Strophe,  welche  einem  Povre  komme  zu- 
geteilt und  erst  durch  das  Bild  verständlich  wird.  Der  Mater  hat 
nämlich  neben  den  Wucherer  einen  armen  Mann  gemalt,  welchem  jener 
in  dem  Augenblicke  Geld  leiht,  als  er  selbst  vom  Tode  abgeholt  wird. 
Der  Zweck  der  vom  Maler  hinzugefügten  Figur  ist  deutlich,  es  soll 
durch  sie  erkennbar  werden,  dass  der  dem  Tode  verfallene  Menseh 
ein  Wucherer  ist.  Im  Texte  wiid  dieser  einfach  dadurch  kenntlich, 
dass  er  vom  Tode  als  'Wucherer'  angeredet  wird.  W^enn  trotzdem  der 
arme  Mann  seine  besondere  Strophe  erhält,  so  erklärt  sich  das  nur 
daraus,  dass  der  Dichter  jeder  Figur  des  Gemäldes  seine  Stroplie 
zuschreibt,  selbst  dem  ^Roy  mort  tout  nu  couchie'  zu  Schluss.  In  der 
diesem  gehörenden  Strophe  wird  sogar  ausdrücklich  auf  das  Gemälde 


23 

liiiig€»wiesen,  indem  sie  mit  den  Worten  Votis  qui  en  ceste  portrai- 
iure  Veez  dancer  estas  divers  beginnt.  Dass  der  Dichter  den  Text 
verfasst  hat,  damit  er  gelesen  werde,  zeigen  die  Worte :  En  ce  miroer 
chascun  petä  lire  (Strophe  2  v.  1). 

Trotz  der  deutlichen  Hinweise,  die  das  Gedicht  dafür  bietet,  dass 
es  gelesen  werden  soll  und  dass  es  sich  auf  ein  Gemälde  bezieht, 
ist  in  Frankreich  die  Annahme  verbreitet,  dass  es  der  Text  des  alten 
Drama  vom  Totentanze  sei.  Diese  Annahme  ist  lediglich  durch  den 
irrigen  Bezug  dieser  Danse  macabre  auf  die  alten  Nachrichten  von 
Auftiihnmgen  des  Totentanzes  eingegeben  und  bedarf,  nachdem  in  den 
vorigen  Abschnitten  eine  andere,  dramatische  Danse  macabre  nach- 
gewiesen ist,  keiner  weiteren  Widerlegung. 

Als  für  den  berühmten  Kirchhof  des  Klosters  Aux  Innocents 
1424  ein  neuer  Totentanz  nach  dem  Vorbilde  der  alten  Danse  macabre 
des  14.  Jahrhunderts  gemalt  werden  sollte,  muss  man  sich  des  Wider- 
spiTichs,  in  welchem  der  dramatische  Text  zu  dem  Gemälde  stand, 
l)ewusst  gewesen  sein.  Man  erachtete  einen  neuen  Text  für  nötig,  der 
im  Einklänge  mit  dem  Bilde  war  und  gleichzeitig  erhöhteren  Ansprüchen 
an  den  Gedankeninhalt  gereclit  wurde. 

Dichter  und  Maler  müssen  die  neue  Danse  macabre  im  Einver- 
ständnisse mit  einander  hergestellt  haben.  Und  wie  der  Maler  ein 
älteres  Bild  des  Totentanzes,  so  muss  der  Dichter  den  alten  Text 
gekannt  und  benutzt  haben. 

Dass  wie  die  alte  so  auch  die  neue  Danse  macabre  achtzeilige 

Strophen  bietet,  wird  nicht  mehr  als  Zufall  erscheinen,  wenn  man  die 

Reimbindungen  der  altspanischen  Danza  de  la  muerte  vergleicht. 

Danza  de  la  muerte:  ababbccb 
Danse  macabre:  ababbcbc 

Da  sich  die  Strophenform  der  Danza  de  la  muerte  in  den  übrigen 
Denkmälern  der  altspanischen  Dichtkunst  nicht  wiederfindet,  liegt  die 
Annahme  nahe,  dass  der  spanische  Dichter  auch  in  Bezug  auf  sie 
seine  altfranzösische  Vorlage,  die  Danse  macabre  des  14.  Jahrhunderts, 
treu  nachgeahmt,  und  diese  bereits  dieselben  Reimbindungen  geboten  hat. 

Beweisend  ist,  dass  die  jüngere  wie  die  ältere  Danse  macabre 
genau  mit  denselben  Worten  beginnen.  Die  alte  Dichtung  aus  dem 
14.  Jahrhundert  beginnt  in  der  erhaltenen  mittelniederdeutschen 
Uebersetzung  oder  Umarbeitung: 

Och  redelike  creatuer 

Die  Danse  macabre  v.  J.  1425: 

0  creature  roysonnable 

Wie  dieser  Anfang  aus  der  alten  Danse  macabre  des  14.  Jahr- 
hunderts in  die  uns  erhaltene  von  1425  wörtlich  übernommen  ist,  so 
ist  in  die  Neubearbeitung  wenigstens  an  einer  Stelle  auch  eine  Spur 
der  formellen  Eigentümlichkeit  des  alten  Originals  übergegangen,  dass 
der  Tod  in  derselben  Strophe  der  früheren  Person  antwortet  und 
die  folgende  Person  anredet.  In  den  ersten  Versen  der  Strophe, 
welche  nach  der  sonst  durchgeführten  Regel  vom  Tode   an  den  Kar- 


24 

täuser  allein  gerichtet  sein  sollte,   antwortet  jener   nämlich  zunächst 
dem  Kaufmann  und  wendet  sich  dann  erst  an  den  Kartäuser: 

Alez,  marchant,  sans  plus  rester, 

Ne  faites  ja  cy  residence! 

Vous  n'y  povez  rien  conquester. 

[z.  Kartäuser:]  Vous  aussi,  homme  d'astinence, 

Chartreux,  prenez  en  pacience 

De  plus  vivre  n^ayez  memoire. 

Faictes  vous  valoir  a  la  dance! 

Sur  tout  homme  mort  a  victoire. 

Die  Danse  macabre  von  1425,  die  altspanische  Danza  de  la 
mueile  und  der  lübisch-revalsche  Totentanz  sind  also  aus  einer  gemein- 
samen Quelle,  der  Danse  macabre  des  14.  Jahrhunderts,  abgeleitet. 
Alle  drei  haben  aus  dieser  Quelle  gewisse  Eigentümlichkeiten  und 
mitunter  auch  den  Wortlaut  übernommen.  Während  aber  der  alt- 
spanische und  mittelniederdeutsche  Text  die  Form  ihrer  Quelle  bei- 
behalten haben,  bietet  die  Danse  macabre  von  1425  eine  vollständige 
Umarbeitung. 

Etymoloffle  des  Wortes  Makabre.  Von  den  vielen  Deutungs- 
versuchungen des  Wortes  Macabre  verdienen  nur  zwei  Beachtung. 
Nach  der  einen  soll  Macabre  eine  alte  Vulgärform  des  Wortes  Machabde 
'Makkabäer'  sein.  Diese  Deutung  bietet  die  in  Troyes  1728  gedruckte, 
in  modernes  Französisch  umgesetzte  Danse  macabre,  welche  im  Prologe 
den  ursprünglichen  Ausdruck  la  dance  macabre  mit  la  danse  des  Macha- 
bees  wiedergiebt.  Gelehrte  Geltung  erhielt  diese  Deutung,  als  Carpentier 
in  seinen  Nachträgen  zu  Du  Cange's  Glossar  in  der  S.  15  angeführten 
Stelle  die  Chorea  Machabceorum  als  'danse  macabre'  erkläi-te. 

Nach  der  anderen  von  Van  Praet  aufgestellten  Etymologie  ist 
das  Wort  Macabre  dem  von  den  Mauren  in  Spanien  gesprochenen 
Arabischen  entlehnt.  Es  lautet  in  dieser  Sprache  maq^r  'Gräber, 
Kirchhof  (Plural  von  maqbara  'Grab'),  ein  Wort,  das  in  Portugal  in 
der  Form  al-mocavar^)  und  in  gewissen  Gegenden  Spaniens  als  macabes^) 
oder  almocaber ")  sich  in  der  Volkssprache  erhalten  hat.  Femer  weist 
Ellissen  (S.  80)  darauf  hin,  dass  arabisches  tane-d-maJcabiri  'Kirchhofs- 
spiel'  dem  französischen  danse  macabre  zu  Grunde  liegen  möge. 

Ein  Urteil  über  die  Wahrscheinlichkeit  der  einen  oder  anderen 
Etymologie  wird  nur  mit  Hilfe  der  Belege  und  der  Geschichte  des 
Wortes  Macabre  gewonnen  werden  können. 

Im  Prologe  der  Danse  macabre  von  1425  erscheint  es  in  den  Versen 

La  dance  macabre  s'appelle, 
Que  chascun  a  danser  apprant. 


')  macabre  ^toU',  im  Portugiesischen  Wörterbuche  von  H.  Michaelis  verzeichnet, 
dürfte  aus  dem  Neufranzösischen  entlehnt  sein. 

')  Koque  Barcia,  Primcr  diccionario  general  etimologico  de  la  lengua 
Espaüola  T.  3  (Madrid  1881),  S.  522. 

■)  Laramens,  Mots  fran^ais  d^rives  de  Tarabe.    Bayrouth  1890,  S.  149. 


25 

Noch  älter  ist  der  bereits  S.  1 1  gegebene  Beleg  aus  dem  Bespit  de  mort 

Je  fis  de  macabree  la  dance, 
Qui  toute  gent  maine  a  sa  trace 
Et  a  la  fosse  les  adresse. 

Lydgates  englische  Uebersetzung  aus  der  ersten  Hälfte  des 
15.  Jahrhunderts  bietet  Machahrees  daunce  und  Daunce  of  Machabree^). 
Die  drei  letzten  Stellen  beweisen,  wogegen  die  erstangefiihrte  nicht  streitet, 
dass  Macabre  ursprünglich  Substantiv  war.  In  den  S.  14  mitgeteilten 
Stellen  des  Journal  d'un  hourgois,  in  der  bald  nach  1434  von  Guillibert 
von  Metz  verfassten  Description  de  Paris  sous  Charles  VI^^)  in  den  Ueber- 
schriften  der  Handschriften  und  auf  den  Titelblätteni  der  alten  Drucke 
begegnet  die  Verbindung  La  danse  macabre  augenscheinlich  bereits  als 
feststehende  Formel,  deren  Entstehung  sich  aus  den  eben  angeführten 
Worten  des  Prologs  leicht  erklärt.  Diese  Fonnel  ist  Ursache,  dass 
macabre  heute  als  Adjectiv  aufgefasst  und  gebraucht  wird,  trotzdem 
die  ursprüngliche  Bedeutung  'der  Tanz  Macabre'  war,  also  auch  in 
dieser  Formel  das  Wort  die  Geltung  eines  Substantivs,  als  Name  des 
Tanzes,  hatte. 

Die  späteren  Dinicke  haben  auf  ihren  Titelblättern  die  Fonnel 
la  danse  macabre  festgehalten,  doch  muss  schon  zu  Ende  des  15.  Jahr- 
hunderts und  im  16,  Jahrhundert  das  Wort  macabre  nicht  mehr  allgemein 
verständlich  gewesen  sein^).  Im  17.  Jahrhundert  sprachen  von  den 
Parisem  die  einen  La  danse  macabre^  die  anderen  La  danse  macabee. 
Es  ist  dieses  den  Curiositez  francoises^  par  Antoine  Oudin  (Paris  1640) 
zu  entnehmen,  in  welchen  es  S.  314  heisst:  La  danse  Macabee  ou 
plus  vulgairement  Macabre  .  i  ,  la  mort:  on  d6peint  vne  danse  ou  des 
squelets  nieinent  danser  toutcs  sortes  de  personncs. 

Die  heutige  Volkssprache  kennt  die  Form  macabre  nicht  mehr, 
nur  in  der  'Langue  verte'  der  Druckereien  begegnet  sie  noch  mit  der 
Bedeutung    ^morf^).     Das   Argot  ^)    der   Pariser    bietet  nur   macabee, 

^)  Die  Ueberschriften  in  den  Abdrücken  der  englischen  Uebersetzung  und 
somit  auch  die  Worte  Machabree  the  Doctour  über  einer  der  letzten  Strophen  sind 
spätere  Znthat,  also  nicht  als  alte  Belege  zu  verwerten. 

*)  lUec  (am  Kloster  Aux  Innocents)  sont  paintures  notables  de  la  Dance 
macabre,  avec  escriptures  pour  esmouvoir  les  gens  ä  deoocion.  Le  Roux  de  Lincy 
et  Tisserand,  Paris  et  ses  historiens  (1867)  S.  193. 

*)  Es  ist  dieses  daraus  zu  folgern,  dass  Desrey  in  seiner  lateinischen 
Uebersetzung  der  Danse  macabre  das  Wort  Macaber  für  den  Namen  des  Dichters 
hält  Femer  bietet  von  den  Handschriften  des  Journal  d'un  bourgois  nur  die 
älteste,  welche  noch  dem  15.  Jahrhundert  angehört,  die  Schreibung  la  dance 
macabre,  während  die  jungem  Handschriften  aus  dem  16.  Jahrhundert  la  danse 
machabee  und  la  danse  maratre  einsetzen. 

*)  Vgl.  Ant.  Oudin,  Recherches  italiennes  et  fran^aises  ou  Dictionnaire.  Paris 
1655,  S.  385.     *La  danse  Machabee:  dama  delli  mortiJ 

*)  In  den  deutschen  Buchdnickereicn  bedeutet  ^Leiche^  die  Auslassung  eines 
oder  mehrerer  Worte  im  Drucksatze. 

•)  Vgl.  Larchev,  Nouveau  suppidment  du  dictionnaire  d' Argot.  Paris  1889, 
S.  143.  —  Larchet,  Dict.  histor.  d'Argot.  7.  äd.  Ebd.  1878.  —  Rigaud,  Dict. 
du  Jargon  Parisien.  Ebd.  (1878).  —  Delveau,  Dict.  de  la  langue  vert.  Nouv.  dd., 
par  Fustier.    Ebd.  (o.  J.). 


26 

machahce.  Von  den  Totengräbern  werden  niauvais  macahees  die  nach 
dem  billigsten  Tarifsatze  bestatteten  Leichen  genannt,  bei  den  Studenten 
lieissen  die  Leichen  der  anatomischen  Institute,  bei  den  Schiffern  alle 
auf  der  Seine  treibenden  Leichen  und  Tiercadaver  macahees.  In  der 
gebildeten  Sprache  bezeichnet  dieses  Wort  bekanntlich  die  alttestament- 
lichen  Makkabäer^). 

Auf  den  ersten  Blick  scheint  Alles  für  die  Herleilung  des  Wortes 
macabre  von  Mackabee  'lateinisch  Maccabceus'  zu  sprechen.  Die  Mög- 
lichkeit der  sprachlichen  Nebenform  ist  nicht  zu  läugnen.  Das  Argot 
des  Parisers  giebt  diese  Etymologie  an  die  Hand.  Und  vor  Allem 
jener  alte  Beleg  der  Chorea  Machabaeorum! 

Aber  mit  welchem  Rechte  erklärt  man  denn  jene  Chorea  Macha- 
bceonim  als  'Danse  macabre'  und  warum  übersetzt  man  nicht  wörtlich 
'Tanz  der  Makkabäer"?  Der  Gnmd  ist,  weil  die  Legende  von  dem 
martervollen  Tode  der  sieben  makkabäischen  Brüder  und  ihrer  Mutter 
keine  Möglichkeit  bietet,  irgend  eine  Darstellung  derselben  sich  in 
Form  einer  Chorea,  eines  Tanzreigens,  zu  denken.  Offenbar  müsste 
derselbe  Grund  die  Möglichkeit  ausschliessen,  jene  Chorea  auf  die 
Danse  macabre  zu  deuten,  um  so  mehr,  als  diese  weder  die  geringste 
Aehnlichkeit  mit  der  Legende  von  den  Makkabäern  noch  überhaupt 
einen  einzigen  Bezug  auf  diese  bietet.  Darf  sich  doch  keine  Etymologie 
ausschliesslich  auf  die  sprachliche  Form  stützen,  es  muss 
das  sachliche  Moment  der  gleichen  Bedeutung  oder  die  Möglichkeit 
des  Bedeutungsüberganges  berücksichtigt  werden.  Um  dieser  Forde- 
rung gerecht  zu  werden,  hat  man  zur  Stütze  jener  Etymologie  zu 
einer  höchst  künstlichen  Hypothese  gegriffen.  'Es  scheint',  sagt 
W.  Wackemagel,  'dass  die  in  der  Legende  so  genannten  Makkabäer, 
d.  h.  die  sieben  Brüder  sammt  der  Mutter  und  Eleasar,  die  unter 
Antiochus  Epiphanes  den  Märtyrertod  gelitten  (2.Makkab.  cap.  6  und  7), 
eine  Rolle  in  ihnen  (den  Totentänzen)  und  eine  vorzügliche  Rolle 
gespielt  haben,  falls  man  nicht  bloss  die  Auffühnmg  zuerst  an  deren 
Fest  verlegte :  nur  so  oder  so  erklärt  sich  der  in  Frankreich  altübliche 
Name  la  danse  Macabre,  Chorea  MachabworumJ  Keine  dieser  beiden 
Veimutungen  erscheint  haltbar,  und  mit  ihnen  muss  auch  die  Etymologie 
fallen,  die  sich  auf  sie  stützt.  Wenn  die  Legende  von  den  Makka- 
bäern in  der  ursprünglichen  Fassung  des  Totentanzes  eine  vorzügliche 
Rolle  gespielt  hätte,  so  würden  Spulten  davon  in  dem  aus  jener  ursprüng- 
lichen Fassung  hervorgegangenen  Totentanze  in  Lübeck  oder  in  der 
altspanischen  Danza  general  zu  finden  sein.  Was  ferner  die  ver- 
muteten Auftühnmgen  am  Makkabäertage,  also  am  ersten  August, 
betrifft,  so  haben  wir  von  keiner  einzigen  Aufführung  an  diesem  Tage 
Kunde,   wohl   aber  ist  überliefert,   dass  jene  Chorea  Machabteorum  in 

')  Ausserdem  wird  mackabee  noch  als  Spitzname  der  Juden  und  in  Yalognes 
(Dep.  Manche)  der  Obsthökerinnen  gebraucht.  Le  Hericher,  Etymologies  difficiles. 
Avranches  188G,    S.  109, 


27 

Besan<,*ün  am  10.  Juli,  dem  Tage  der  unschuldigen  Kindleiii,  statt- 
gefunden hat.  Uebrigens  verliert  die  Vermutung  einer  festlichen  Feier 
des  Makkabäertages  an  Boden,  weil  von  den  Hunderten  von  Klöstern, 
Kirchen  und  Kapellen  im  alten  Paris,  trotzdem  doch  gerade  in  dieser 
Stadt  die  Bezeichnung  Danse  macabre  Geltung  hatte,  kein  einziges 
Kloster,  keine  einzige  Kapelle  den  Makkabäern  gewidmet  war.^) 

Auch  jene  ältesten  Belege  des  Wortes  Macabre  wollen  nicht 
recht  zu  der  Et}Tnologie  stimmen.  Ausnahmslos  bieten  sie  den  Sin- 
gular, während  man  doch,  wenn  macabre  eine  Vulgärform  für  Machabee 
wäre,  im  ßespit  de  mort  statt  Je  fis  de  macahree  la  dance  den  Plural 
Je  fis  des  Macabrees  la  dance  erwarten  sollte.  Den  Vers  La  dance 
macabre  s'appeüe  müsste  man  'Der  Tanz  heisst  Makkabäer'  übersetzen. 
Wie  wenig  bedeutungsvoll  ist  dieser  Ausdruck  im  Vergleich  zu  der 
durch  die  andere  Etymologie  gebotenen  Erklärung:  'Der  Tanz,  den 
jeder  erlernen  muss,  heisst  Sterben  (eigentlich  Tod  oder  Grab)!' 

Man  wird,  um  die  alte  Bedeutung  zu  gewinnen,  von  der  S.  25 
gegebenen  Zusammenstellung  der  Belege  ausgehen  müssen.  Daraus 
ergiebt  sich,  dass  in  Paris  bis  Ende  des  Mittelalters  ausnahmslos  die 
Form  macabre  lautet,  im  17.  Jahrhundert  erscheint  neben  macabre  in 
gleicher  Bedeutung  macabee  als  Nebenform,  die  letztere  Form  allein 
lebt  weiter  im  Argot.  Entweder  muss  machabee  in  alter  Zeit  dui'ch 
fehlerhafte  Aussprache  zu  macabre  entstellt  oder  ursprüngliches  macabre 
volksetymologisch  zu  machabee  umgedeutet  sein.  Die  Annahme 
einer  solchen  Volksetjinologie  ist  an  sich  ohne  Bedenken.  Macabre 
ist  ein  absonderliches,  schon  im  15.  Jahrhundert  nicht  allgemein  ver- 
ständliches Wort.  Man  deutete  es  um  zu  machabee^  das  durch  die 
Legende  von  den  Makkabäern  volkstümlicher  war,  wie  man  himdert 
andere  unverständlich  gewordene  Worte  volksetymologisch  mit  bekann- 
teren Worten  ganz  anderer  Etymologie  zusammenbrachte.^) 

Wenn  einerseits  in  späterer  Zeit  und  in  der  Provinz  (wie  in  dem 
Berichte  über  die  Chorea  Machabseorum  in  Besangon)  macabre  leicht 
zu  machabee  umgedeutet  werden  konnte,  so  liegt  die  Sache  gerade 
umgekehrt,  wenn  man  macabre  für  eine  vulgäre  Entstellung  von 
Machabie  hält.  Es  erscheint  nicht  wahrscheinlich,  dass  der  Kleriker, 
welcher  die  Danse  macabre  verfasst  hat,  und  der  gelehrte  Jehan  le  Fevre, 
sowie  alle  alten  Berichterstatter  an  Stelle  der  richtigen  Form  machabee^ 
die  ihnen  bekannt  und  geläufig  gewesen  sein  muss,  eine  vulgäre  Ent- 
stellung derselben  gebraucht  haben.  Um  so  weniger  ist  das  anzu- 
nehmen, als  diese  vorausgesetzte  Vulgärform  überhaupt  bei  gelehrten 
Schreibern  des  14.  und  15.  Jahrhunderts  gar  nicht  nachzuweisen  scheint.') 

*)  Vgl.  Bordier,  Les  eglises  et  monast^res  de  Paris.    Paris  1856. 

')  So  wurde  persisch  fa-z  'Feldherr  (Königin  im  Schachspiel)',  altfrz.  fierce, 
fierche,  fierge,  neufrz.  als  vierge  umgedeutet  und  zur  dame  oder  reine  gemacht,  und 
dementsprechend  lat.  als  virgo,  domina,  regina  bezeichnet.  Vgl.*  Andres en, 
Volksetymologie.    5.  Aufl.     S.  40. 

'}  Wenigstens  finde  ich  in  den  von  mir  nachgeschlagenen  lexikalischen  und 
grammatischen  Werken  nur  einen  einzigen  und  dainim  zweifelhaften  Beleg  und 
zwar  aus  einer  profanen  Handschrift  des  13.  Jahrhunderts,  vgl.  Perceval  le 
Gallois  p.  p.    Potvin,  v.  34624  Jiulas  MacabrL 


28 

Ja,  sie  musö  ilmeii  als  Nebenform  von  machabee  geradezu  unbekannt 
und  unverständlich  gewesen  sein.  Als  Beweis  iässt  sich  die  Ueber- 
schrift  einer  Pariser  Handschrift  (F.  25550)  des  15.  Jahrhunderts 
Dtctamina  choree  macabre  anführen.  Wäre  macahre  gleich  machabee^ 
so  hätte  der  Schreiber  entweder  choree  machabee  (=  machabteae)  über- 
setzt oder  doch  macabree  fleetirt. 

Man  wird  aus  diesen  (iründen  trotz  der  theoretischen  Möglichkeit 
des  sprachlichen  Uebergangs  nicht  annehmen  dürfen,  dass  macabre 
aus  machabee  entstanden  sei,  sondern  der  anderen  Etymologie  zuneigen, 
wonach  macabre  gleich  dem  spanischen  macabes  dem  Arabischen  der 
spanischen  Mauern  entlehnt  ist  und  ursprünglich  'Grab'  oder  'Kirchhof 
bedeutet  hat.  Angesichts  des  Totentanzgemiildes  in  Paris,  an  welchem 
das  Wort  haftete  und  durch  welches  es  sich  gerade  in  Paris  erhielt, 
vollzog  sich  dann  der  Bedeutungsübergang  zu  'der  Tod',  den  Oudin's 
Curiositez  1()40  belegen,  und  schliesslich  im  späteren  Argot  zu  'der 
Tote'  oder  'Leichnam'.*) 

Man  könnte  gegen  die  Herleitung  von  einem  maurisch-spanischen 
Worte  einwenden,  dass  die  französischen  Lehnworte  orientalischer 
Abstammung  gewöhnlich  Produkte  und  Dinge  betreffen,  die  dem  Orient 
entstammen,  also  bei  denen  mit  der  Sache  der  Name  übernommen  sei. 
Allerdings  liegt  bei  macabre  der  Fall  anders.  Hier  erklärt  sich  die 
Möglichkeit  der  Uebernahme  aus  einer  geschichtlichen  Thatsache. 
Unter  der  Führung  des  berühmten  Bertrand  du  Guescliu  hatten  sich 
1366  einige  Tausend  französischer  und  englischer  Söldner  nach 
Spanien  begeben  und  waren  hier  mehrere  Jahre  gel)lieben,  um  den 
Grafen  Heinrich  von  Transtamare  in  seinen  Kämpfen  gegen  Pedro  den 
Grausamen  imd  die  ihm  verbündeten  Mauren  zu  unterstützen.  Man 
wird  annehmen  dürfen,  dass  durch  diese  im  Jahre  1870  nach  Frank- 
reich zurückgekehrten  Massen  das  Wort  macabre  nach  Paris  gebi*acht 
ist,  wo  das  Wort  bereits  1376  nachweisbar  ist.  Ob  jene  Söldner 
ausser  dem  Worte  auch  die  älteste  Form  des  Totentanzes,  die  mimische 
Darstellung  desselben,  eine  maurisch-spanische  tone-d-mdkabiri,  in 
Spanien  kennen  gelenit  und  nach  Frankreich  übertragen  haben  können, 
wage  ich  nicht  auszumachen.  Für  die  Entscheidung  dieser  Frage  fehlt 
es  noch  an  Vorarbeiten. 

Der  Verfasser  der  Danse  ma4^abre.  Mitten  unter  Schriften, 
deren  Verfasser  Johannes  Gerson  ist,  sollen  zwei  Handschriften  die 
Danse  macabre  bieten.  Ob  die  aus  diesem  und  einem  andern  Grunde 
von  P.  Lacroix^)  gezogene  Folgerung,  Gerson  habe  auch  die  Danse 
macabre  verfasst,  richtig  sei,  wird  nur  mit  Hilfe  von  Untersuchungen, 
die  mir  nicht  möglich  sind,  entschieden  werden  können.  Dagegen 
Iässt  sich  vielleicht  geltend  machen,  dass  (Jerson  seit  1415  fern  von 
Paris    gelebt   hat   und    sich   in   seinen   Briefen   keine  Erwähnung  der 

')  Auch  nd.  heisst  es  ursprim^lich  Dodesdans,  später  Dodendans. 
')  Bibliophile  ülustr^  T.  1    (15  mai)   London   1862,    doch   kenne   ich   den 
ritirten  Aufsatz  nur  aus  dem  Hinweise  bei  Dufonr,  Dance  macabre.  Paris  1874,  S.  87, 


29 

Danse  macabre  findet.  Anderseits  scheint  die  Subscription  von  Car- 
bonells  spanischer  (eatalonischer)  Uebersetzung  einen  neuen  Hinweis 
zu  bieten,  dass  nach  der  Tradition  des  15.  Jahrhunderts  Gerson  an 
der  Abfassung  der  Danse  macabre  beteiligt  war.  Jene  leider  confuse 
Subscription  lautet  Aquesta  Danga  de  la  Mort  ha  compost  un  sand 
home  dodor  e  canceüer  de  Paris  en  lengua  francesa  appeüat  Joannes 
Climachus  sive  Climages  a  pregaries  (d.  h.  'auf  Bitten')  de  alguns  devots 
religiöses  francesos.  Die  Worte  Dodor  e  canceller  de  Paris  Joannes 
können  nur  auf  Johannes  Gerson  bezogen  werden,  während  der  dann 
folgende  Name  offenbar  Gersons  Freund  Nicolaus  de  Clemangis  meint, 
der  1425  im  Collegium  Narbonense  in  Paris  Eloquenz  und  Theologie 
vortrug,  aber  w^eder  Doctor  noch  Kanzler  der  Universität  gewesen  ist. 
Seine  Lebensbeschreibung  und  seine  Briefe  scheinen  zur  Lösung  der 
Frage,  ob  er  in  Gemeinschaft  mit  Gerson  den  Text  der  Danse  macabre 
bearbeitet  habe.  Nichts  zu  ergeben.^) 


Die  alten  süddeutschen  Totentänze. 

Vierzeilige  Totentänze,  Von  allen  Totentänzen  Süddeutsch- 
lands war  der  älteste  und  der  beiühmteste  der  Basler.  Er  ist  zweimal 
vorhanden  gewesen,  an  der  Kirchhofsmauer  des  Predigerklosters  in 
Grossbasel  und  im  Kloster  Klingenthal  in  Kleinbasel.  Beide  waren 
ursprünglich  in  Bezug  auf  Zeichnung  und  Text  einander  gleich  und 
sind  ohne  Zweifel  von  demselben  Maler  hergestellt.  Verschiedenheiten 
zwischen  ihnen  sind  erst  später  durch  die  Veränderungen  entstanden, 
welche  bei  den  Erneuerungen  der  alten  Bilder  vorgenommen  wurden. 
Sie  sind  bald  nach  dem  Jahre  1437  gemalt,  doch  w^eiss  man  das  Ent- 
stehungsjahr nicht  genau  anzugeben.  Man  hat  an  1439  gedacht,  weil 
dieses  ein  Pestjahr  war,  ältere  Schriftsteller  gaben  1441  an,  ohne 
jedoch  Gründe  hierfür  anzuführen.  Wichtiger  als  die  Jahreszahl  muss 
der  Umstand  erscheinen,  dass  die  Entstehung  in  die  Zeit  des  von  1431 
bis  1448  in  Basel  zusammengetretenen  Concils  fällt.  Der  Teil  des 
Klingenthals,  welcher  den  Klein-Basler  Totentanz  enthielt,  war  1437 
erbaut  worden.  Es  muss  fast  mehr  als  wahrscheinlich  erscheinen, 
dass  die  Leiter  des  Kirchenbaues  mit  auswäiligen  Prälaten,  die  zum 
Concil  gekommen  waren,  über  ihren  Neubau  gelegentlich  ins  Gespräch 
gekommen  sind,  und  dass  einer  der  fremden  Geistlichen  die  Anregung 
gab,  nach  dem  Muster  eines  ihm  bekannten  Totentanzes  auch  im 
Klingenthal  und  im  Predigerkloster  einen  solchen  zu  malen.  Jedesfalls 
ist  es  Thatsache,  dass  bald  nach  1437  ein  vom  Niederrhein  gebürtiger 
Maler  beauftragt  wurde,  nach  einem  auswärtigen  von  ihm  besichtigten 


^)  Vgl.  J.  Launoy,  Academia  Parisiensis.  Parisiis  1682,  S.  558  ff.;  A.  Müntz, 
Nicolas  de  Cl^menges.  Th^se.  Strassbourg  1846;  Nicolai  de  Clemangiis  Opera 
ed.  J.  Lydius.    Lugdoni  Bat.  1618. 


30 

oder  ihm  nur  beschriebenen  Vorbilde  einen  Totentanz  in  Basel  zu 
malen.  Sein  Vorbild  ist  vielleicht  die  Dance  macabre  der  Sainte- 
Chapelle  in  Dijon  gewesen.  Sicher  war  es  ein  französischer  Toten- 
tanz und  zwar  in  einer  anderen  Fassung,  als  die  Pariser  Danse  macabre 
bot.  Er  muss  nämlich  mit  der  alten  Danse  macabre  des  14.  Jahr- 
hunderts identisch  oder  aus  dieser  unmittelbar  umgestaltet  gewesen  sein. 

Aus  den  erhaltenen  Copien  lässt  sich  erkennen,  dass  der  Maler 
recht  grobe  Verstösse  gegen  die  Richtigkeit  der  Zeichnung  begangen 
hat.  Nichtsdestoweniger  sicherten  seinen  Werken  deren  Idee  und 
Grossartigkeit  ihre  volle  Wirkung.  Sie  sind  später  von  Einfluss  gewesen 
auf  die  Entstehung  von  Holbeins  berühmten  Totentanzbildern  und 
waren  schon  vorher  das  Muster,  nach  welchem  andere  süddeutsche 
Städte  ihre  Totentänze  malen  Hessen.  Ferner  geht  auf  sie  die  Ent- 
stehung eines  Werkes  der  Holzschneidekunst  aus  der  Mitte  des  15.  Jahr- 
hundert zurück,  welches  einen  gegen  das  Basler  Vorbild  mit  38  Tanz- 
paaren um  14  Gruppen  verkürzten  Totentanz  bietet. 

Die  grob  geschnittenen  Figuren  ahmen  die  Basler  nur  nach,  ohne 
eine  Copie  zu  bieten  ^),  während  der  Text,  der  später  auch  handschrift- 
liche Verbreitung  und  monumentale  Verwendung  fand,  von  unwesent- 
lichen Veränderungen  der  Lesart  abgesehen,  treu  wiederholt  ist. 

Die  vorstehenden  Angaben  über  das  Verhältnis  des  Basler  Toten- 
tanzes zu  seinem  Vorbilde  und  den  vierzeiligen  Totentänzen  mit  nur 
24  Tanzgnippen  sind  zum  Teil  neu,  zum  Teil  den  bisher  geltenden 
Ansichten  widersprechend.     Sie  bedürfen  also  der  Begründung. 

Der  Text  beginnt 

0  diser  werlt  wisheü  kM 
Diese  Worte  entsprechen  dem  Sinne  nach  vollständig  den  Anfangs- 
worten der  alten  wie  jüngeren  Danse  macabre  und  des  alten  nieder- 
ländischen in  niederdeutscher  Bearbeitung  erhaltenen  Totentanzes 
(Siehe  oben  S.  23).  Dort  lauten  sie  0  creature  raysonahle,  hier  Och 
redelike  creature.  Der  niederdeutsche  bezw.  niederländische  Ausdruck 
wäre  von  einem  Süddeutschen  mit  0  redeliche  creatitire  wieder  zu  geben 
gewesen.  Wenn  er  statt  dessen  mit  einer  so  ungelenken  Konstruktion, 
wie  sein  Text  bietet,  diesen  beginnt,  so  ist  das  ein  Beweis,  dass  ihm 
der  niederländische  Totentanz  unbekannt  war  und  er  auf  eigene  Hand 
eine  Uebersetzung  der  französischen  Worte  0  creature  raysonable 
versucht  hat. 

Dass  die  Basler  Totentänze  zum  Vorbilde  nicht  die  Danse  macabre 
vom  Jahre  1425,  sondern  —  mittelbar  oder  unmittelbar  —  die  alte 
Danse  macabre  des  14.  Jjihrhunderts  gehabt  haben,  ist  zu  folgern, 
weil  sie  in  der  Auswahl  der  Personen  und  sogar  an  einer  Stelle  im 
Wortlaute  mit  dem   Lübecker  Totentanze  von  1463  grosse  Ueberein- 

*)  Ein  Beispiel  ziemlich  treuer  Copie  bieten  die  Figuren  der  Könige.  Dass 
der  Holzschneider  nur  freie  Nachahmungen,  kerne  Copien  bietet,  mag  sich  auch 
daraus  erklären,  dass  er  nicht  angesichts  des  Originals,  sondern  aus  dem  Gedächtnis 
in  seiner  Werkstatt  seine  Holzschnitte  herstellte. 


31 

Stimmung  zeigen.    Im  Lübecker  Texte  lauten  nämlich  die  Worte  des 

Kindes 

0  doet,  wo  schal  ik  dat  vorstau, 

Ik  schal  dansen  unde  kan  nicht  gan? 

Diesen  Worten  entsprechen,  wie  schon  Massmann  hervorgehoben 
hat,  der  darum  mit  Wackernagel  den  Lübecker  Text  aus  dem  Basler 
ableiten  wollte,  in  diesem  die  Verse 

Wie  wiltu  mich  also  Verlan? 

Muoz  ich  tanzen  und  en  kan  nicht  gan. 

In  Bezug  auf  die  Personen  ist  zu  bemerken,  dass,  abweichend 
von  der  Danse  macabre  von  1425,  Lübeck  und  Basel  den  Prediger, 
die  Kaiserin  und  Jungfrau  gemeinsam  haben.  Man  wird  derartige 
Uebereinstimmungen  in  den  Personen  allerdings  nur  bei  den  ältesten 
Totentänzen  mit  heranziehen  dürfen.  Bei  späteren  Totentänzen  haben 
Uebereinstimmungen  in  den  Personen  nur  sehr  bedingte  Beweiskraft 
für  die  Bestimmung  des  Verwandtschaftsverhältnisses,  denn,  nachdem 
die  Totentänze  erst  zahlreicher  geworden  waren,  konnte  jeder  spätere 
leicht  von  mehr  als  einem  Vorbilde  Anregungen  empfangen. 

Die  in  den  Totentänzen  erscheinenden  Personen  werden  auch 
für  den  Beweis  herangezogen  werden  dürfen,  dass  nicht  die  Texte  mit 
24  Personen,  wie  man  bisher  annahm,  die  ältere  Fassung  bieten, 
sondern  dass  gerade  umgekehrt  jene  Texte  erst  durch  Kürziuig  der 
in  Basel  vorliegenden  Fassung  erst  entstanden  sind.  In  jenen  Texten 
mit  24  Pei"sonen  fehlen  nämlich  der  Jüngling,  Jungfrau,  Wucherer 
und  Pfeifer,  also  Personen,  die  wie  der  alte  Lübecker  Text  in  Ueber- 
einstimmung  mit  der  Danse  macabre  zeigt,  bereits  dem  Vorbilde  des 
Basler  Totentanzes  angehört  haben. 

Dass  die  Danse  macabre  der  Sainte  Chapelle  in  Dijon,  die  1436 
hergestellt  war,  das  Vorbild  für  die  c.  1437 — 41  gemalten  Basler 
Totentänze  war,  lässt  sich  nur  vermuten,  nicht  beweisen.  Die  Ver- 
mutung stützt  sich  darauf,  dass  zu  jener  Zeit  noch  nicht  sehr  viele 
Totentänze  vorhanden  waren  und  Dijon  die  Basel  am  nächsten  gelegene 
französische  Stadt  ist,  wo  sich  ein  solcher  bereits  seit  dem  Jahre  1430 
fand.  Auch  früher  schon  hatten  die  Basler  Dijoner  Malereien  copiren 
lassen.  Es  ist  nämlich  überliefert,  dass  der  Rat  von  Basel  im  Jahre 
1418  dem  Meister  Hans  Tieffenthal  von  Schlettstadt  die  Ausmalung 
der  Kapelle  des  elenden  Kreuzes  um  300  Gulden  übertrug  und  ihm 
dabei  genau  vorschrieb,  was  er  malen  soll,  indem  ihm  als  Muster  eine 
Kapelle  in  Dijon  genannt  wurde.^) 

AehtzeUiger  Totentanz.  Der  Text  des  alten  achtzeiligen 
'Totentanzes  mit  Figuren'  ist  eine  Nachbildung  der  Danse  macabre 
vom  Jahre  1425.  Während  er  mit  keinem  deutschen  Texte  an  irgend 
einer  Stelle  im  Wortlaute  zusammentrifft,  stimmt  er,  wie  schon  Massmann 
bemerkt  hat,  mehrmals  mit  der  Danse  macabre  überein,  z.  B.  beim  Kinde. 


'}  Bahn,  Geschichte  der  bildenden  Künste  in  der  Schweiz.   (1876.)   S.  648. 


$2 

Doteudantz. 

A  a  a,  ich  kan  noch  nyt  sprechen. 
Hude  geboren  hude  muss  ich  ufFl>recbcn. 

Danse  macabre. 

A  a  a,  je  ne  scay  parier, 
Enfant  suis,  j'ay  la  langue  mu. 
Hier  naquis,  huy  m^en  fault  aller. 

Ferner  bietet  der  achtzeilige  Totentanz  zu  Anfang  zwei  Strophen, 
welche  einem  Toten  zugeschrieben  sind.  Kin  entsprechendes  Stück 
findet  sich  nicht  in  dem  vierzeiligen  Totentanze,  wohl  aber  am  Ende 
der  Danse  macabre,  wo  un  roy  mort  in  zwei  Strophen  den  Beschauer 
des  Gemäldes  mahnt,  sich  an  ihm  eine  Lehre  zu  nehmen. 

Im  Gegensatze  zum  Texte,  dessen  Verfasser  die  Danse  macaJ)re 
(vielleicht  in  einer  Handschrift  mit  blossem  Texte)  benutzte,  ist  fiir 
die  zugehörigen  Figuren  ein  Totentanz  das  Vorbild  gewesen,  der  dem 
Basler  nahe  verwandt  war.  Die  allgemeine  Aehnlichkeit  zwischen 
den  Basler  Figuren  und  den  Holzschnitten  ist  erkennbar,  ohne  dass 
sie  durch  treu  wiederholte  Einzelheiten  sich  leicht  erweisen  lässt.  Der 
allgemeine  Charakter  der  Totentanzgruppen  ist  derselbe,  im  Einzelnen 
ist  auf  das  Beinhaus  zu  Anfang  und  den  Prediger  zu  Schluss  zu  ver- 
weisen. Dem  Vorbilde  ist  ferner  die  Anregung  entnommen,  den  Todes- 
gestalten —  die  in  den  übrigen  Totentänzen  lieber  mit  einer  Waffe 
oder  der  Sichel  erscheinen  —  Musikinstrumente  in  die  Hand  zu  geben. 
Im  Baseler  Totentanze  war  das  nur  einigemal  geschehen,  in  den  Holz- 
schnitten des  achtzeiligen  Textes  trägt  der  Tod  nur  beim  Kinde  ein 
Spielzeug,  sonst  hat  er  in  jeder  Tanzgruppe  ein  Musikinstrument 
und  zwar  möglichst  immer  ein  verschiedenes.  Eigentümlich  ist  den 
Holzschnitten  die  bewusste  burleske  Komik.  Man  hat  in  den  Toten- 
tänzen Ironie  und  Humor  finden  wollen.  Wie  ich  glaube,  mit  Unrecht, 
was  die  älteren  Totentänze  betrifft.  In  diesen  herrscht  nur  eintöniger 
frommer  Ernst,  auch  dem  Tanzmotiv  lag  nur  ernste,  allegorische 
Bedeutung  zu  Grunde.  Die  Holzschnitte  des  achtzeiligen  Totentanzes 
dagegen  sollen  augenscheinlich  durch  komische  Züge  wirken,  wenn 
z.  B.  eine  Figur,  sich  gegen  den  Tod  wehrend,  diesem  in  den  Haar- 
schopf greift,  oder  eine  andere  ihn  mit  der  Faust  am  Halse  würgt 
und  zugleich  einen  kräftigen  Fusstritt  vor  den  Bauch  versetzt. 

I>ichtung8gattunff.  In  Bezug  auf  den  Charakter  der  Toten- 
tanztexte stehen  sich  die  Ansichten  der  Litteraturhistoriker  schroff 
gegenüber.  Die  Totentänze  des  Mittelalters,  sagt  Godeke  (Grundriss  1* 
S.  322)  gingen  aus  Bildern  hervor  und  wurden  durch  Reime  erläutert. 
Andere,  wie  Gervinus  und  Scherer,  zählen  die  Totentänze  dagegen  der 
dramatischen  Gattung  zu.  Es  handelt  sich  bei  ihnen  um  die  hoch- 
deutschen Totentänze.  In  Bezug  auf  diese  muss  mit  aller  Entschiedenheit 
der  dramatische  Charakter  in  Abrede  gestellt  und  Gödeke  beigepflichtet 
werden. 

Die  Ansicht,  dass  die  hochdeutschen  Totentanztexte  ursprünglich 


88 

Schauspiele  gewesen  sind,  rührt  von  W.  Wackernagel  ^)  her,  und  ohne 
dass  jemand  ihre  Gründe  näher  prüfte  oder  neue  Stützen  dafür  bei- 
brachte, ist  sie  mit  Ausnahme  Gödekes  von  den  Litteraturhistorikern 
auf  guten  Glauben  übernommen  worden.  Die  Nachricht  von  Auf- 
fiihi-ungen  des  Totentanzes  in  Frankreich  musste  freilich  die  Frage 
nahelegen,  ob  nicht  etwa  auch  die  deutschen  Totentänze  als  Dramen 
gedichtet  und  aufgeführt  seien.  Wackernagel  bejahte  diese  Frage 
ohne  Rücksicht  auf  alle  Gründe,  welche  dagegen  sich  aus  den  Toten- 
tänzen selbst  beibringen  Hessen,  und  ohne  zu  beachten,  dass  eine 
Autfuhining  des  Totentanzes  in  Deutschland  um  1500  zwar  denkbar, 
ziemlich  hundert  oder,  da  Wackernagel  noch  an  das  Entstehungsjahr 
1312  für  den  Klingenthaler  Totentanz  glaubt,  gar  zweihundert  Jahr 
früher  ohne  jede  Wahrscheinlichkeit  wäre.  Wackernagel  stützt  sich 
allein  auf  die  angeblich  dramatische  Form.  "Wo  und  wann  dieses 
deutsche  Drama  zur  öffentlichen  Aufführung  gekommen,  wird  zwar 
nirgend  berichtet,  von  ihm  so  wenig  als  es  bei  andern  zu  geschehen 
pflegt:  doch  ist,  dass  solche  stattgefunden  habe,  auch  von  ihm  un- 
zweifelhaft: dem  Mittelalter  war  die  Unnatur  noch  fremd,  dergleichen 
bloss  zu  schreiben  und  zu  lesen,  nicht  aber  zu  spielen."  Es  ist  nicht 
einmal  wahr,  dass  die  dramatische  Form  im  Mittelalter  in  jedem  Falle 
die  scenische  Aufführung  zur  Absicht  gehabt  habe,  er  braucht  nur  an 
die  Dramen  der  Hrotsuith,  an  das  Spiegelbuch*)  u.  a.  erinnert  zu 
werden.  Ganz  falsch  wäre  es  aber,  von  jeder  die  Form  des  Dialoges 
bietenden  alten  Dichtung  zu  behaupten,  dass  sie  für  die  dramatische 
Daretellung  verfasst  sei.  Es  scheint  nicht  einmal  nötig,  Beispiele 
hierfür  anzuführen. 

Gegen  den  dramatischen  Zweck  sprechen  folgende  Gründe.  Die 
Texte  selbst  enthalten  Hinweise,  dass  sie  zu  Gemälden  gehören.  Vers 
•25.  2(i  des  alten  vierzeiligen  Textes  heisst  es: 

Als  des  gemseldes  figiu*en 

Sint  hie  ein  ebenbilt  ze  truren. 

Aehnlich  heisst  es  in  dem  achtzeiligen  Totentanze  v.  17  f. 
Merkent  nu  und  sehent  an  disse  figure, 
War  tzu  kommet  des  mentschen  nature. 

Zweitens.  Es  ist  trotz  des  massenhaften  urkundlichen  Materiales, 
welches  aus  dem  Mittelalter  jetzt  gedinickt  oder  ausgezogen  vorliegt, 
keine  einzige  Stelle  bekanntworden,  welche  irgend  eine  dramatische 
Aufführung  eines  Totentanztextes  in  Deutschland  bezeugt.  Drittens. 
Zu  Anfang  des  15.  Jahrhunderts,  also  in  der  Zeit,  wo  die  ältesten 
deutschen  Totentanztexte  verfasst  sind,  wurden,  abgesehen  von  der 
nur  auf  Oster-  u.  dergl.  Spiele  beschränkten  Mysterienbühne,  überhaupt 
keine  dramatischen  Spiele  in  Deutschland  agirt,  welche  soviele  Rollen 
erforderten,  als  die  Totentänze  geboten  hätten.  Ausser  den  Mysterien 
kannte  man  damals  überhaupt  nur  das  Fastnachtspiel  und  den  Fast- 
nachtsaufzug.   

>). Zeitschrift  für  deutsckes  Alterthum  9  S.  313  ff.,  kl.  Sehr.  1  S.  317. 
»)  Hrsg.  von  Rieger,  Germania  16  (1871)  S.  173  ff. 

KUdflxdeutsohofl  Jahrbuch  XVU.  3 


u 


Die  Lübecker  Totentänze  von  1489  und  1820. 

Der  Lübecker  Totentanz  von  14G3  ist  ein  grosses  Wandgemälde. 
Davon  zu  unterscheiden  sind  zwei  Totentänze,  welche  in  Lübecker 
Drucken  von  1489  (neue  Ausgabe  1496)  und  1520  vorliegen.  Der  von 
1489  enthält  einen  umfangreichen  Text,  nicht  weniger  als  1686  Verse, 
der  von  1520  bietet  nur  424  Verse.  Beide  stimmen  stellenweise  unter 
sich  wörtlich  überein  und  beide  bieten  Stellen,  die  auf  Benutzung  des 
Totentanzes  von  1463  deuten.  Der  Totentanz  von  1520  kann,  nach 
Umfang  und  Form  zu  urteilen,  wohl  die  gedruckte  Copie  eines  monu- 
mentalen Totentanzes  darstellen.  Der  von  1489  ist,  wie  sein  Verfasser 
Vers  1681  hinreichend  deutlich  ausspricht,  für  die  Buchfonn  und  den 
Druck  von  vornherein  bestimmt  gewesen  und  muss  1489  oder  kurz 
vorher  verfasst  sein. 

Die  allgemeine  Ansicht  über  das  Verhältnis  der  Totentänze  von 
1489  und  1520  ist,  der  letztere  sei  ein  Auszug  aus  dem  älteren  v.  J.  1489. 

In  Wirklichkeit  verhält  sich  die  Sache  ungefähr  umgekehrt.  Es 
wird  sich  beweisen  lassen,  dass  der  Totentanz  von  1520  durch  den 
Verfasser  des  Textes  v.  J.  1489  benutzt  ist.  Der  Dichter  des  letzteren 
kann  selbstverständlich  nicht  den  uns  erhaltenen  Diiick  von  1520  in 
Händen  gehabt  haben,  sondern  muss  seine  Kenntnis  des  Textes  aus 
einer  Handschrift  des  15.  Jahrhunderts  oder  einem  unbekannten  alten 
Druck  geschöpft  haben. 

Der  Beweis  für  die  von  mir  eben  ausgesprochene  Behauptung, 
dass  der  Totentanztext  v.  J.  1520  älter  als  der  von  1489  und  in  diesem 
benutzt  sei,  lässt  sich  am  kürzesten  mit  Hilfe  des  'Zwiegespräches 
zwischen  dem  Leben  und  dem  Tode'  führen.  Dasselbe  ist  i.  J.  1484 
in  Lübeck  gedruckt  und  in  die  'mittelniederdeutschen  Fastnachtspiele' 
aufgenommen  worden.^)  Unangemerkt  ist  geblieben,  dass  es  mehrere 
wörtliche  Uebereinstimmungen  mit  den  beiden  Totentänzen  bietet. 

Zwiegespräch.     ▼.  61 — 64. 
God  sprack  mit  synem  billigen  munde: 

Waket  unde  bedet  to  alier  stunde,  Zwiegespräcb.     v.  29  f. 

De  dod  sendet  ju  neynnen  breflF,  ^^^^^^  jj^  ^yl  ^^  ^^^1^  ^n^e„  spreken, 

Mer  be  kummet  shkende  alse  eyn  deff.  j^^  ^^  ^y  ^y^  j^^^e  tbobreken. 

Dodesdanz  1489.     v.  143  f.  Dodesdanz  1489.     v.  1609  f. 

Hirumme  waket,   wente  de  dot  sendet  hj,  ^^  ^^^^^  ^^^^^^^  ^^^^g,  spreken, 

„    ,  ,.,  -P  ^^^^^  *^f®*>  Einem  isliken  wil  ik  sin  berte  tobreken. 

He  kumt  sliken  recbt  so  em  def.  -^  ,     ,    ^    ^-^^ 

T^  j    j  tnc%i\  Dodendantz  1620. 

Dodendantz  1520.  ^^^  j^  ^ü  ^    ^„^g„  ^  sprecken : 

God  sprickt  niit  synem  hilgen  munde:       goltb  an,  ik  wil  dyn  berte  to  breken. 
Waket  unde  bedet  to  alier  stunde. 
De  dot  sendet  juw  neuen  bref. 
He  kumpt  slyken  recht  so  eyn  deff. 


^)  Mittelniederdeutsche  Fastnacbtspiele,  hrsg.  von  W.  Seelmann.  Norden  1885. 
S.  45  ff.    Vgl.  Vorrede  S.  33  ff. 


Aus  der  Vergleichung  dieser  Stellen  aus  den  drei  angeführten 
Werken  ergiebt  sich,  dass  der  Wortlaut  des  Zwiegespräches  im  Totentänze 
von  1489  abgekürzt,  in  dem  von  1520  vollständig  wiederholt  ist. 
Unmöglich  kann  also  der  Totentanz  von  1520  ein  blosser  Auszug  des 
Totentanzes  von  1489  sein,  wie  Mantels  und  Baethcke  angenommen 
haben.  Da  sich  femer  für  die  Annahme,  dass  beide  Totentänze 
unabhängig  von  einander  dieselbe  Quelle  benutzt  haben,  keine  Gründe 
beibringen  lassen,  so  können  nur  folgende  Möglichkeiten  in  Betracht 
kommen.  Entweder  ist  das  Zwiegespräch,  das  in  einem  Drucke  von 
1484  vorliegt,  die  Quelle,  aus  ihr  hat  der  Verfasser  des  1520  gedruckten 
Totentanzes  geschöpft  und  diesen  wieder  der  Dichter  des  Totentanzes 
von  1489  benutzt;  oder  dem  Totentanz  von  1520  sind  von  den  Dichtern 
der  beiden  andern  Werke  unabhängig  von  einander  jene  Stellen  entlehnt. 
Mag  man  sich  für  jene  oder  diese  Annahme  entscheiden,  in  jedem 
Falle  ergiebt  sich  die  Schlussfolgeinmg,  dass  der  Text  des  Totentanzes 
von  1520  bereits  dem  Dichter  des  Textes  v.  J.  1489  vorgelegen  hat, 
also  älter  als  dieser  ist. 

Zu  demselben  Ergebnis  gelangt  man  durch  folgende  Erwägungen. 
Der  Verfasser  des  Totentanzes  von  1489  hat,  wie  von  seinem  Heraus- 
geber dargelegt  ist,  Gedanken  und  Worte  vielfach  aus  älteren  in  Lübeck 
gedruckten  Werken  entlehnt.  W^enn  nun  wirklich  der  Totentanz  von 
1520  ein  Auszug  aus  dem  von  1489  wäre,  würde  doch  anzunehmen 
sein,  dass  auch  eine  oder  die  andere  jener  Entlehnungen  mit  über- 
nommen wäre.     Das  ist  jedoch  nicht  der  Fall. 

Der  Verfasser  des  Totentanzes  von  1489  hat  also  sowohl  den 
alten  Text  von  1463  als  auch  das  i.  J.  1520  gedruckte  Gedicht  benutzt. 
Jenen  muss  er  in  der  Marienkirche  in  Lübeck  gesehen  haben.  Er 
folgte  diesem  Vorbilde,  indem  er  erst  den  Menschen,  dann  antwortend 
den  Tod  sprechen  lässt,  er  entnahm  ihm  die  Reihenfolge  der  zuerst 
auftretenden  Stände  und  hin  und  wieder  einen  Gedanken.  Den  anderen 
ims  in  einem  Druck  von  1520  erhaltenen  Totentanz  hat  er  in  einer 
Handschrift  oder  in  einem  alten  verschollenen  Diiick  bequem  zu  Hause 
benutzen  können.  Dieser  Text  muss  ihm,  als  er  seinen  Totentanz  heft 
gedieht  unde  taten  setten,  wie  er  sich  Vers  1681  ausdrückt,  stets  zu 
Händen  und  vor  den  Augen  gewesen  sein,  denn  er  hat  ihn  an  sehr 
vielen  Stellen  wörtlich  ausgeschrieben  und  nicht  minder  häufig,  was 
er  kurz  sagte,  breiter  ausgeführt. 

In  Bezug  auf  die  Personenfolge  lässt  die  nachstehende  Uebersicht 
sein  Verhältnis  zu  beiden  Texten  erkennen. 


L 

III. 

n. 

1463 

1489 

1520 

1. 

Papst  fs.  III,  1) 

1. 

Papst  (s,  II,  1) 

1. 

Papst 

2. 

Kaiser  (s.  III,  2) 

2. 

Kaiser  (s.  II,  4) 

2. 

Cardinal 

3. 

KaiBerin  (s.  III,  3) 

3. 

Kaiserin  (s,  II,  5) 

3. 

Bischof 

4. 

Cardinal  (s,  III,  4) 

4. 

Cardinal  (s.  II,  2) 

4. 

Kaiser 
3* 

36 
L  m.  n. 

1463  14S9  1520 

5.  König  (s.  III  5)  5.  König  (s,  II,  6)  5.  Kaiserin 

6.  Bischof  (8,  III,  6)  6.  Bischof  {s.  II,  3)  6.  König 

7.  Herzog  (s,  III,  7)  7.  Herzog  (s.  II,  7)  7.  Herzog 

8.  Abt  (8.  ni,  8)  8.  Abt  (s.  II,  8)  8.  Abt 

9.  Ritter  (8,  III,  .9.  ILJ  9.  Ordensritter  (s.  II,  .9)  9.  Kreuzherr 

10.  Kartänser-Mönch  (III,  10)  10.  Mönch  (s.  ZZ,  13)  10.  Arzt 

11.  Edelmann  (8.  III,  11)  11.  Ritter  (s.  77,  74)  11.  Domherr 

12.  Domherr  (s.  III,  12)  12.  Domherr  {s.  II,  IT)  12.  Pfarrherr 

13.  Bürgermeister  (8,  III,  13)  13.  Bürgermeister  (s.  77,  17)  13.  Mönch 

14.  Arzt  (8.  III,  14)  14.  Arzt  {s.  II,  10)  14.  Ritter 

15.  Wucherer  15.  Junker  (s.  77,  20.  I,  22)  15.  Official 

16.  Capellan  16.  Klausner  (s.  77,  16.  I,  20)  16.  Klausner 

17.  Kaufmann/:?. 77, 7.9. 777, 75;  17.  Bürger  {s.  II,  22)  17.  Bürgermeister 

18.  Küster  18.  Student  (s.  77,  26)  18.  Nonne 

19.  kmimaim  (8,11,25.111,21)  19.  Kaufmann  (s.  77,  7.9.  7,  77)  19.  Kaufmann 

20.  KUnsner  (8.  II,  16. 111,16)  20.  Nonne  (s.  II,  18)  20.  Junker 

21.  Bauer  (8.  II,  27.  III,  23)  21.  Amtmann  (.9.  77,  25.  1,19)  21.  Jungfrau 

22.  Jüngling  22.  Werkmeister  der  Kirche  22.  Bürger 

23.  JvLngfrm(8.II,21.in,26)  23.  Bauer  (s.  77,  27.   I,  21)  23.  Begine 

24.  Kind  24.  Begine  {s.  II,  23)  24.  Narr 

25.  —  25.  Hofreuter  (.9.  77,  28)  25.  Amtmann 

26.  —  26.  Jungfrau  (s.  77,  21.  I,  23)  26.  Student 

27.  —  27.  Amtsknecht  (ä.  77,  29)  27.  Bauer 

28.  —  28.  Amme  mit  Kind  («.  77,  30)  28.  Reiter 

29.  —  —  29.  Amtsgesell 

30.  —  —  30.  Amme  mit  Kind. 

Von  den  28  Ständen,  welche  der  Totentanz  von  1489  bietet, 
sind  also  die  ersten  vierzehn  genau  dieselben  wie  die  ersten  vierzehn 
im  Totentanze  der  Marienkirche  in  Lübeck.  Denn  wenn  an  elfter 
Stelle  der  Edelmann  des  älteren  Textes  als  weltlicher  Ritter  erscheint, 
so  bedingt  diese  Abweichung  keinen  Unterschied  des  Standes.  Vom 
Junker  ab  sind  dagegen  seine  Personen  mit  der  einzigen  Ausnahme 
des  Werkmeisters  dem  sechszeiligen  Totentanze  entnommen,  doch  hat 
er  als  Ordnungsprincip  die  Abwechslung  geistlicher  und  weltlicher 
Personen  möglichst  festgehalten. 

Zieht  man  die  Holzschnitte,  welche  sich  in  den  Drucken  von 
1489  und  1520  finden,  in  die  Untersuchung,  so  scheint  es  eine  sehr 
einfache  und  überraschende  Ursache  zu  sein,  warum  der  Verfasser  des 
Totentanzes  von  1489  in  der  Reihenfolge  der  Personen  sich  bis  zur 
14.  Figur  dem  Totentanze  in  der  Marienkirche  angeschlossen,  dann 
aber  die  Reihenfolge  seines  Vorbildes  unbeachtet  gelassen  hat. 

Die  Holzschnitte,  welche  sich  in  den  Totentänzen  von  1489  (und 
1496)  wie  1520  (und  seiner  dänischen  Uebersetzung)  finden,  sind 
nämlich  von  denselben  Holzstöcken  abgezogen.*)  Es  unterliegt 
keinem  Zweifel,  dass  dieselben  Holzstöcke  auch  bereits  zu  jenem  ver- 
schollenen Drucke  benutzt  sind,  welcher  die  erste  Ausgabe  des  Toten- 

*)  Vgl.  die  Litteratur-Uebersicht  unter  Dänemark. 


37 

tauzes  von  1520  bot  und  der  dem  Verfasser  des  Textes  von  1489 
vorgelegen  hat.  Letzterer  hat  nun  die  Personen  seines  Todestanzes 
mit  Rücksicht  auf  die  Holzstöcke  des  von  ihm  benutzten  Totentanzes 
von  1520  ausgewählt. 

Er  ist  in  seiner  Anordnung  dem  Totentanze  der  Marienkirche 
bis  zum  Arzte  gefolgt,  weil  er  für  diesen  und  alle  vorhergegangenen 
Stände  sich  der  Holzstöcke  des  Totentanzes  von  1520  bedienen  konnte. 
Auf  den  Arzt  folgten  in  der  Marienkirche  Wucherer  und  Capellan. 
Für  diese  bot  seine  gedruckte  Vorlage  keine  Holzstöcke.  Er  musste 
deshalb  diese  aus  seiner  Reihe  auslassen.  Dasselbe  war  der  Fall  mit 
dem  Küster  und  Jüngling.  An  Stelle  der  fortfallenden  setzte  er  Figuren 
seiner  gedruckten  Vorlage  ein,  wobei  er  jedoch  thunlichst  nach  dem 
Princip  des  Totentanzes  der  Marienkirche  geistliche  und  weltliche 
abwechseln  Hess.  Ungelöst  bleibt  nur  die  Frage,  woher  er  den  Werk- 
meister entnommen  hat.  Vielleicht  ergäbe  sich  die  Antwort  leicht, 
wenn  man  die  Holzschnitte  der  Ausgaben,  von  denen  je  nur  ein 
Exemplar  (das  von  1520  in  Oxford)  erhalten  ist,  nebeneinander  ver- 
gleichen könnte. 

Aus  den  Holzschnitten  ergiebt  sich  mit  annähernder  Richtigkeit 
auch  das  Jahr,  in  welchem  der  nur  in  einem  Drucke  von  1520  erhaltene 
Totentanz  zum  ersten  Male  gedruckt  erschienen  ist.  Die  Holzschnitte 
bieten  nämlich  die  Strichlagen  des  sogen.  'Lübecker  Unbekannten', 
der  nach  den  Ergebnissen  von  mir  früher  veröffentlichter  Unter- 
suchungen \)  identisch  mit  Mattheus  Brandis  und  zwischen  d.  J.  1487 
bis  1499  in  Lübeck  imd  in  Kopenhagen  thätig  gewesen  ist.  Da  jener 
erste  Druck  bereits  in  dem  Totentanze  von  1489  benutzt  ist,  so  ist 
er  zwar  vor  diesem  Jahre,  wahrscheinlich  aber  nur  ein  oder  zwei 
Jahre  früher,  erschienen. 


EngUsehe  Totentänze. 

In  englischer  Sprache  ist  nur  ein  vollständiger  Totentanztext  aus 
dem  Mittelalter  erhalten.  Er  ist  von  Lydgate  verfasst  und  bietet  eine 
freie  Uebersetzung  der  Pariser  Danse  macabre  v.  J.  1425. 

Daneben  sind  als  Rest  eines  alten  Totentanzes,  welcher  der 
Kathedrale  von  Salisbury  angehört  hat,  folgende  Verse  erhalten: 

Alasse  Dethe  alasse  a  blesfull  thyng  thou  were 
Yf  thou  woldyBt  spare  us  yn  ouwre  lustynesse 
And  cum  to  wretches  that  bethe  of  hevy  chere 
Whene  thay  ye  clepe  to  slake  their  dystresse 
Bat  owte  alasse  thyne  own  sely  selfwyldnesse 
Crewelly  werneth  me  that  seygh  wayle  and  wepe 
To  close  there  then  that  after  ye  doth  clepe. 


<)  See] mann,  Der  Lübecker  Unbekannte.  ^Centralblatt  für  Bibliothekswesen. 
Jg.  1  (1884).'  S.  19—24.  Vermehrt  abgedruckt  in  den  'Mitteilungen  des  Vereins 
für  lübeckische  Geschichte  2  (1886)  S.  11—19.' 


38 

Death  answers: 
Grossless  galante  in  all  thy  luste  and  pryde 
Remembyr  that  thou  schalle  onys  dye 
Deth  schall  fro  thy  body  thy  sowie  devyde 
Thou  mayst  him  not  escape  certaynly 
To  the  dede  body  es  cast  clown  thyne  ye 
Beholde  thayme  well  consydere  ancl  see 
For  such  as  thay  ar  such  shalt  thou  be. 

Bemerkenswert  ist,  dass  zuerst  der  Mensch  redet  und  darauf 
erst  der  Tod  spricht.  Dieselbe  Folge  lässt  sich  sonst  nur  in  der 
spanischen  Danza  general  de  la  muerte  und  im  Lübecker  Totentanze 
von  1463,  also  in  den  Totentänzen  altertümlichster  Gestalt  nachweisen. 
Ferner  zeigen  die  beiden  erhaltenen  Strophen,  zu  denen  die  Schluss- 
verse zu  fehlen  scheinen,  dieselbe  Reimbindung,  wie  die  ersten  sieben 
Verse  der  spanischen  Danza  (vgl.  S.  23) 

Salishury  text:  a  b  a  b  b  c  c 

Danea  de  la  muerte:  ababbccb 
Danse  macabre:  ababbcbc 

Auch  dieser  Umstand  deutet  darauf,  dass  von  dem  Verfasser  des 
englischen  Textes  die  alte  Danse  macabre  des  14.  Jahrh.  benutzt  ist, 
nicht  die  jüngere  v.  J.  1425.  Beweisen  würden  die  leider  mangelnden 
achten  Verse  der  Strophen.  Sie  fehlen,  sei  es,  dass  sie  als  unterste 
Verse  des  Gemäldes  unlesbar  geworden  waren,  sei  es,  dass  sie  über- 
haupt nie  vorhanden  waren.  Wäre  der  letztere  Fall  anzunehmen,  so 
würde  er  sich  daraus  erklären,  dass  die  in  ihnen  enthaltene  Anrede 
an  die  nächstfolgende  Person  (vgl.  S.  7  flf.)  unverständlich  oder  ent- 
behilich  schien. 

Vergleicht  man  die  beiden  Strophen  in  Bezug  auf  ihren  Inhalt 
mit  den  aus  der  gemeinsamen  Quelle  geflossenen  übrigen  Totentänzen, 
so  findet  man  im  Lübecker  Texte  von  14G3  nur  ganz  allgemeine,  in 
der  jüngeren  Danse  macabre  dagegen  bemerkbare  Aehnlichkeiten  in 
dem  Zwiegespräch  zwischen  Tod  und  Liebhaber.     Vgl.  Str.  46: 

Gentil  amoreux  gay  et  frisque, 
Qui  Yous  cuidez  de  grant  valeur, 
Yous  estes  pris;  la  mort  yous  pique 
Le  monde  laires  a  douleur. 
Trop  l'aYez  ame,  c'est  foleur. 
De  YOUS  mort  est  peu  regardee. 
Ja  tost  YOUS  changeres  coleur. 
Beaute  n'est  qu'image  fardee. 

Also  auch  aus  der  Vergleichung  mit  den  englischen  Strophen 
ergiebt  sich,  was  bereits  S.  23  gefolgert  werden  konnte,  dass  der 
Bearbeiter  der  jüngeren  Danse  macabre  aus  der  älteren  vieles  wörtlich 
herübergenommen  hat. 


39 


Litteratur- 
und  Denkmäler-Uebersicht. 


Die  nachfolgende  Uebersicht  soll  die  monumentalen  Totentänze 
bis  zum  18.  Jahrhundert,  die  übrigen  sowie  die  Texte  bis  auf  Holbeins 
Imagines  mortis  mitsammt  der  auf  sie  bezüglichen  Litteratur  umfassen. 
Die  zahlreichen  Nachdrucke  der  Danse  macabre,  der  Basler  Totentänze 
und  der  Holbeinschen  Zeichnungen  vollständig  zu  verzeichnen  hat 
keinen  Zweck.  Dem  Interesse  des  Bibliographen  genügen  die  umfang- 
reichen Titelabschriften  und  Beschreibungen  in  den  bereits  vorhandenen 
Verzeichnissen,  auf  welche  verwiesen  werden  wird.  Abgesehen  von 
diesem  bibliographischen  Detail  wird  die  nachfolgende  Zusammen- 
stellung aus  zwei  Gründen  weit  vollständiger  und  genauer  als  alle 
früheren  sein  können,  einmal,  weil  der  Verfasser  diese  benutzen  und 
durch  neue  Nachweise  vermehren  kann,  dann,  weil  er,  mit  Ausnahme 
weniger  Fälle,  meist  Incunabeln,  auf  nichts  Gedrucktes  verweist,  was 
er  nicht  selbst  eingesehen  hat. 

Die  Schriften,  welche  sich  vorwiegend  auf  ein  einzelnes  Denkmal 
beziehen,  werden  b(?i  diesem  verzeichnet  werden.  Diejenigen,  welche 
die  Totentänze  im  Allgemeinen  behandeln,  seien  hier  vorweg  genannt.*) 
Am  meisten  haben  sich  um  die  allmälige  Sammlung  des  Materiales 
Peignot,  Douce  und  Langlois  imd  ganz  besonders  Fiorillo 
verdient  gemacht.  Letzterer  ist  auch  deshalb  noch  zu  erwähnen,  weil 
man  bei  ihm  die  Litteratur  des  vergangenen  Jahrhunderts  angegeben 
findet.  Ausserdem  ist  noch  auf  Prüf  er 's  Ausgabe  des  Berliner  Toten- 
tanzes hinzuweisen,  weil  er  eine  sehr  übersichtliche  Tabelle  der  monu- 
mentalen Denkmäler  bietet  und  zuerst  einige  derselben  zu  allgemeiner 
Kenntnis  gebracht  hat. 

W.  Bftamker,  Der  Todtentanz.    Studie.     Frankfurt  a.  M.  1881.     (=  Frankfurter 

Broschüren  N.  F.  II  n.  6.    S.  175—205.) 
F.  ]>onee,  The  Dance  of  Death  exhihited  in  elegant  engravings  on  wood  with  a 

dissertation   on   the   several   representations  of  that  snbject.     London  1833. 

')  Ausser  den  hier  und  bei  den  einzelnen  Denkmälern  Verzeichneten  haben 
noch  folgende  über  die  Totentänze  im  Allgemeinen  gehandelt:  L.  Bechstein, 
'Deutsches  Kunstblatt,  hrsg.  von  Eggers,  1  (1850)  8.  57  ff.;  Branche,  'Bulletin 
monumental.  8  (1842)  S.  326—39*;  Douce  in  der  Einleitung  zu  *The  dance  of 
Death,  painted  by  Holbein  and  engraved  by  Hollar  1794  u.  ö.';  Einleitung  zu 
'Holbeins  Dance  of  Death.  London  1849';  Gödeke,  Grundrisz  z.  Gesch.  d.  dtsch. 
Dichtung.  2.  Aufl.  1.  S.  322-  25;  Massmann,  (Wiener)  Jahrbücher  d.  Litter. 
Bd.  58  Anzeige-Bl.  S.  1—24 ;  d  e  r  s.  in  der  Schlotthauerschen  Ausgabe  des  Holbein- 
schen Totentanzes.  München  1882;  ders.  'Dtsch.  Kunstblatt  1  S.  255  ff.';  Müntz, 
•Revue  critique  d'hist.  etc.  13  (1887)  8.  35  ff.';  R.  Springer,  'Westermanns  Illu- 
strirte  Monatshefte  47  (1880)  S.  723  ff.;  Weltmann,  Holbein  und  seine  Zeit. 
2.  Aufl.  Bd.  1.  8.  240  ff.  —  Die  Arbeiten  über  die  Allegorie  und  Ikonographie  des 
Todes  (die  neueste  und  ausführlichste  ist  von  Frimmel,  'Mittheilungen  der  k.  k. 
Centralcommission,  NF.  Jg.  10  ff.)  sind  in  das  Verzeichnis  nicht  aufgenommen. 


40 

A.  EUissen,  Geschichtliche  Abhandlung  über  die  Todtentänze.  In  Hans  Holbeios 
Initial-Buchstaben  mit  dem  Todtentanz  nach  Hans  Lutzelburgers  Original- 
Holzschnitten  treu  copirt  von  H.  Lödel.  Mit  einer  geschichtl.  Abhandlung  etc. 
Göttingen  1849. 

J.  B.  FlorlUo,  Geschichte  der  zeichnenden  Kunst«  in  Deutschland  und  den  ver- 
einigten Niederlanden.     Bd.  4.     Hannover  1820.     S.  117 — 174. 

H,  Fortonl,  Essai  sur  les  po^mes  et  les  Images  de  la  danse  des  morts.  In 
La  danse  des  morts  dessin^e  par  H.  Holbein  grav^e  par  J.  Schlotthaner. 
Paris  1842  und  in  ^tndes  d*arch6ologie  et  d'histoire.  T.  1.  Paris  1854. 
S.  321  ff.     (Nicht  benutzt.) 

€•  Grlineisen,  Beiträge  zur  Geschichte  und  Beurtheilung  der  Todtentänze  'Kunst- 
blatt (Beiblatt  zum  Morgenblatt  für  gebildete  Stände)   1830  Nr.  22—26.' 

G.  Kastner,  Les  danses  des  morts.  Dissertations  et  recherches  historiques,  philo- 
sophiques,  litt6raires  et  musicales  sur  les  divers  monuments.   Paris  1852.    4. 

N,  ۥ  Kist,  De  kerkelijke  Architectuur  eu  de  Doodendanse.  Leiden  1844  {Sonder- 
ahdruck aus  dem  'Archief  voor  kerkelijke  Geschiedenis.     Deel  15'). 

E.  H.  Langlois,  Essai  historiques,  philosophique  et  pittoresque  sur  les  danses  des 

morts,  suivi  d'une  lettre  de  C.  Leber  et  d'une  note  de  Depping.  Ouvrage 
compl6t6  et  publi6  par  A.  Pottier  et  A.  Baudry.     2  Ts.     Ronen  1851. 

H.  F.  Massnumn,  Literatur  der  Todtentänze.  (Aus  dem  „Serapeum'^  besonders 
abgedruckt.)  Leipzig  1840.  (Beschränkt  sich  wesentlich  auf  eine  bibliographische 
Beschreibung  der  Abdrücke  von  Holbeins,  des  Gross -Basler  und  des  acht- 
zeiligen  deutschen  Totentanzes,  der  Danse  macabre  und  der  französischen 
Gebetbücher  mit  Totentänzen.  Einige  Zusätze  giebt  Heller  'Serapeum  6 
[1845]  S.  225—231'.) 

H.  F.  Massmann,  Die  Baseler  Todtentänze  in  getreuen  Abbildungen.  Nebst  geschicht- 
licher Untersuchung,  so  wie  Yergleichung  mit  den  übrigen  deutschen  Todten- 
tänzen.  Stuttgart  1847.  8  nehst  Atlas.  Ebd.  1847.  4^  (=,  Der  Schatz- 
gräber.    Hrsg.  von  J.  Scheible.     Th.  5.) 

H.  F.  Massmann  im  Universal-Lexikon  hrsg.  von  H  A  Pierer.  2.  Afl.  (3.  Ausg.) 
Bd.  31  (1845)  S.  318  f. 

A«  F.  Merino,  La  dance  macabre.    Estudio  critico  literario.    Madrid  1884. 

F.  Naumann,   Der  Tod  in  allen  seinen  Beziehungen,   ein  Warner,   Tröster  und 

Lustigmacher.      Als    Beitrag    zur     Literaturgeschichte     der    Todtentänze. 

Dresden  1844.     12. 
0.  Peignot,   Recherches  historiques  et  litt6raires  sur  les  danses  des  morts  et  sur 

Torigine  des  cartes  ä  jouer.     Dijon  et  Paris  1826. 
K.  Sehnaase,  Zur  Geschichte  der  Todtentänze.     ^Mittheilungen  der  k.  k.  Central- 

Commission     zu    Erforschung    der    Baudenkmale.      Bd.    6.      Wien    1861. 

S.  221—223.' 
P.  Tigo,  Le  danze  macabre  in  Italia.     Studi.     Livomo  1878. 
W.  Wackemagel,   Der  Todtentanz.     'Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum.     Bd.  9 

(1853),   S.  302—366',   wieder  abgedruckt  'Kleinere  Schriften  Bd.  1  (1872) 

S.  302  ff.' 
J.  £.  Wessely,   Die  Gestalten  des  Todes  und  des  Teufels  in   der  darstellenden 

Kunst.  Leipzig  1876. 
Einige  Kunstdenkmäler,  welche  in  diesen  Werken  verzeichnet 
sind,  wird  man  in  der  nachfolgenden  Uebersicht  nicht  finden,  deshalb 
nicht,  weil  sie  mit  Unrecht  Totentänze  genannt  sind.  Zum  Beispiel 
die  sogen.  Totentänze  von  Annaberg,  Freiberg  und  Leipzig, 
bildliche  Darstellungen  der  Lebensalter  des  Menschen,  die  sogen, 
Totentänze  von  Minden  und  Wien  u.  a.     (Vgl.  S.  4  f.) 


41 

Der  sogen.  Mindencr  Totentanz  von  1383,  auf  den  wohl  in  jeder  Abhandlung 
über  die  Totentänze  bisher  Bezug  genommen  worden  ist,  ist  allbekannt,  weil  er 
yon  Fabricios  in  der  Bibliotheca  mediae  et  infimae  aetatis  (Hamburg  T.  V  p.  2) 
angeführt  wird.  Er  ist  jedoch  weder  aus  Minden  noch  ist  er  überhaupt  ein 
Totentanz.  Die  Nachrichten  über  ihn  gehen  znrück  auf  Michael  Sachsens  Newe 
Keyser  Clironwa  Magdeburgk  1606  (Vorrede  S.  2),  der  ihn  nach  Minden  versetzt, 
ohne  seinen  Gewährsmann  zu  nennen.  Einem  glücklichen  Zufall  verdanke  ich, 
dass  ich  Sachsens  Quelle  in  Letxner's  Dasselischer  Chronica.  Erffurdt  1596 
entdeckt  habe.     In  dieser  heisst  es  Bl.  155b: 

"Zu  Münden  (sie)  in  der  Pfarrkirch  war  an  einem  Pfeiler  eine  Tabel,  einer 
zimlichen  Stubenthür  grosz,  mit  einer  Ketten  angeheftet,  also,  dass  man  die  kehren 
vnd  wenden,  vnd  auff  beydcn  feiten  besehen  kundt.  Auff  der  einen  Seiten  war  ein 
fchön  Weibesbildt  gemahlet,  prechtiglich,  gleich  einer  Königin  bekleidet,  gezieret 
vnnd  geschmücket,  die  hatte  einen  grossen  Spiegel  in  der  Handt,  vber  demselbigen 
stunden  folgende  Wort  mit  grossen  Buchstaben  geschrieben:  VANITAS  VANITA- 
TUM.  Vnter  dem  Bilde  stund  eine  Jahrzahl  1383.  Am  Rande  herumb  standen 
folgende  Wort: 

Der  Welt  Pracht,  Ehr  vnd  Herligkeit 

Ist  meines  Hertzn  Ergetzligkeit 
Mein  Frewd,  mein  Lust,  zu  aller  zeit 
Damit  bin  ich  allr  Sorgen  queidt. 

Auff  der  andern  seite  war  der  Todt  gantz  hesslich  vnd  erschrecklich  gemalet, 
führete  auff  seiner  Achsel  eine  Sense  vnd  sprach: 

Ich  komm  vnd  mach  der  Frewd  ein  £nd 

Vnd  aller  Welt  Wollust  ich  wend 
In  heulen,  Weinen  vnd  Weeklagen 

Thun  sich  verkehrn  die  guten  Tage.^' 

Da  Letzner  (vgl.  Krause  in  der  Allgem.  Deutschen  Biographie  s.  v.)  bis  1564 
Capellan  in  (hannoversch)  Münden  gewesen  ist,  wird  man  nicht  zweifeln  dürfen, 
dass  seine  Angaben  richtig  und  für  alle  späteren  Anführungen  die  Quelle  sind. 
Sachse,  der  ihn  ausschreibt,  hat  Münden  zu  Mynden  gemacht,  was  Fabricius 
u.  a.  als  Minden  in  Westfalen  übernommen  hat. 

Der  sog.  Wiener  Totentanz  in  der  Loreto-Kapelle  der  Hofpfarrkirche  zu 
St.  Augustin  bestand  aus  einer  Reihe  von  Sinnbildern  aus  dem  Anfange  des 
18.  Jahrb.  mit  kurzen  Sprüchen  (z.  B.  Mars  hin,  Mai's  her.  Mors  gut  noch 
me}ir)f  welche  von  AbrahamaS.  Clara  verfasst  waren,  dessen  'Besonders  meu- 
blirt  und  gezierte  Todten-Capelle.  Nürnberg  (1710).  Ebd.  1711  (auch  holländisch 
'Algemejrne  Doodenspiegel  etc.  Brüssel  1730)')  Sprüche  und  Abbildungen  enthält. 
—  Eher  entsprechen  einem  Totentanze  nach  Holbein'schem  Master  die  Bilder  in 
Abraham's  a.  S.  Clara  'Sterben  und  Erben.  Amsterdam  1702.'  Statt  des  Todes 
tritt  hier  ein  Todesengel  an  die  meist  auf  dem  Sterbebette  liegenden  Vertreter 
der  menschlichen  Stände,   sie  auf  Christus   als   ihren   einzigen  Trost  verweisend. 


Dänischer  Totentanz. 

Ein  (lefect  erhaltener  Druck  ohne  Titelblatt,  in  der  kgl.  Bibliotliek 
in  Kopenhagen,  spätestens  aus. dem  Jahre  153(5,  bietet  eine  dänische 
Tebersetzung  des  Lübecker  Totentanzes  von  1520  mit  Itenutzung  seiner 
Holzschnitte. 

Aasgabe  mit  modemisirter  Rechtschreibung :  Dödedandsen,  udg.  af  C.  J.  B  r  a  n  d  t. 
Köbenhavn  1862.     (Von  mir  nicht  benutzt.)  —  Die  Abhängigkeit  vom  Lübecker 


42 

Totentanz  weist  nach  Massmann  *Serapeum  10  (1849),  305  ff.'  —  Beschreibung: 
Ch.  Brnun,  Aarsberetninger  fra  det  störe  kong.  Bibliothek.  Bd.  2  (1875) 
S.  154—161. 

Holzschnitte.  Brunn  giebt  a.  a.  0.  im  Facsimile  zwei  Holzschnitte, 
welche  die  Figuren  des  Königs  und  eines  auf  einem  Löwen  reitenden  Todes  ent- 
halten. Letztere  Figur  findet  sich  unter  den  bei  'Weigel  u.  Zestermann,  Anfänge 
der  Druckerkunst  Bd.  2  (1866)  S.  166  f.'  facsimilirten  Figuren  aus  dem  Toten- 
tanze von  1489  wieder,  und  zwar  lehrt  eine  Vergleichung,  dass  beide  von  dem- 
selben Holzstock  stammen.  Von  dem  Lübecker  Drucke  von  1520,  der  sich  in 
Oxford  befindet,  sind  keine  Facsimile  hergestellt,  doch  ist  mit  Hilfe  der  von 
Massmann  gegebenen  Beschreibung  zu  folgern,  dass  seine  Holzschnitte  identisch 
einerseits  mit  denen  des  dänischen  Druckes,  anderseits  mit  denen  der  Drucke  von 
1489  und  1496  sind.  Auf  Grund  der  so  gewonnenen  Anhaltspunkte  ist  S.  38 
angenommen,  dass  zu  allen  vier  Drucken  dieselben  Holzstöcke  benutzt  sind. 
Selbst  vergleichen  konnte  ich,  wie  gesagt,  nur  die  mir  im  Facsimile  vorliegende 
Figur  des  auf  einem  Löwen  reitenden  Todes. 


Deutsehe  Totentänze.    (Niederdeutsches  Gebiet.) 

Bildwerke. 

Berlin.  Wandgemälde  in  der  Turmhalle  der  Marienkirche,  von 
c.  22,6  m  Länge  und  fast  2  m  Höhe.  15.  Jahrh.  Die  Figuren  bilden 
einen  Gesammtreigen,  der  sich  auf  braunem  Erdboden  vor  einem 
Hintergrunde  mit  Wald  und  Bergen  bewegt.  Von  dem  1860  unter 
der  Tünche  entdeckten  Gemälde,  das  später  (an  einigen  Stellen  nicht 
richtig)  restaurirt  ist,  sind  die  Figuren  ziemlich  vollständig,  die  dar- 
unter befindlichen  Verse  nur  zum  Teil  erhalten. 

Figuren  (von  links  nach  rechts):  Prediger  auf  der  Kanzel,  vor  welcher 
eine  fratzenhafte  Gestalt  die  Sackpfeife  hläst.  Tod  und  Küster,  CapeUan  (?), 
Offizial,  Augustiner,  Prediger,  Pfarrer,  Kartäuser,  Arzt,  Mönch,  Domherr,  Abt, 
Bischof,  Cardinal,  Papst,  Christus  am  Kreuz.  Kaiser,  Kaiserin,  König,  Herzog, 
Ritter,  Bürgermeister,  Wucherer,  Junker,  Kaufmann,  Handwerker,  Bauer,  Krügerin, 
Narr,  (Mutter  mit  Kind?). 

Ausgaben  etc.:  Ein  1860  angefertigtes  Facsimile  besitzt  das  Märkische 
Museum  in  Berlin.  —  Der  Todtent^nz  in  der  Marienkirche  zu  Berlin  u.  Geschichte 
und  Idee  der  Totentänze  überhaupt  von  Th.  Prüfer.  Mit  6  photolith.  Tafeln. 
{In:  Vermischte  Schriften  etc.  hrsg.  von  dem  Verein  für  die  Geschichte  Berlins. 
Berlin  1888.  Bd.  1.)  Berlin  1876.  Fol.  —  Ebs.  Mit  4  Blatt  farbigen  Litho- 
graphien (in  kleinerem  Massstabe).  Berlin  1883.  Fol.  —  Der  Text  ist  in  allen 
diesen  Ausgaben  mit  vielen  Fehlern  wiedergegeben.  Einzelnes  verbessern  Lübbeu 
und  Sprenger,  Niederd.  Jahrbuch  3,  178  ff.  4,  105.  —  (Wertlos  ist:  Der 
Todtentanz  in  der  St.  Marienkirche  zu  Berlin.  Ein  Wort  für  die  Besucher. 
Berlin  1863.     8  S.  8.,  worin  als  Probe  eine  Strophe.) 

Brannschweig.  Wandgemälde  des  15.  oder  16.  Jahrh.  in  der 
ehemaligen  Andreaskirche. 

"Albrecht  in  seiner  Postill.  Symb.  Dn.  24  Trin.  schreibet:  In  etlichen 
Kirchen  ist  ein  Gemälde  noch  von  den  lieben  Vorfahren  ausgedacht,  zu  sehen, 
da  hüpfft  der  Tod  voran,  führt  aber  allerley  Leute  nach  sich,  Päpste,  Käyser, 
Könige,  Fürsten,  Grafen,  Ritter,  Bürger  und  Bauern,  Alte,  Junge,  Schöne,  Häfs- 


43 

liehe,  Gross  nnd  Kleine,  beyderley  Geschlechts,  und  tantzt  mit  ihnen  zur  Welt 
hinans,  springt  so  lange,  biss  einer  nach  dem  andern  lebloss  nieder  fällt.  Fast 
dergleichen  Worte  führet  auch  Erasmus  Rothmaler  in  der  3.  Predigt  über 
den  Eirchengesang :  Christ  lag  in  Todes  -  Banden,  and  meldet  dabey,  dass  der 
Todtentanz  anch  zu  Brannschweig  in  der  S.  Andreas -Xirchen  als  ein  altes 
Gemälde  anff  einer  Tafel  allda  noch  daznmal  zn  sehen  gewesen."  Hilscher, 
Beschreibung  des  sog.  Todten  -  Tantzes  (1705)  S.  91  f.  —  Eothmahler  ist  1561 
geboren  und  1610  gestorben. 

Gandersheim  (Braunschweig).  'Zu  Gaiidersheim  im  Barfüsser 
Closter  im  Creutzgange  am  Capitelhause  stund  (ehe  dasselbe  von 
Hessen  eingenommen  und  geplündert  worden)  eine  lange  Tabel,  daran 
war  auflf  Pergamen  der  Tod  gemahlet,  unnd  wie  derselbe  einen  ge- 
meinen Tantz  hielt  mit  allen  Ständen  vnd  Orden  Geistlicher  und  Welt- 
licher Leute,  vom  Obersten  bis  an  den  Untersten.  Da  waren  forne 
folgende  Teutsche  Vers  geschrieben,  also  lautend:  Hie  hebt  sich  an 
des  Todes  Tantz  Der  hat  gut  acht  auflf  seine  Schantz,  Dasz  niemand 
jhm  entspring  davon'  etc. 

Le  t  z  n  e  r ,  Dasselische  und  Einbeckische  Chronica.  Erffurdt  1596.  Fol.  Bl.  156. 

Halberstadt.  Skulptur  auf  dem  von  Joh.  Pincerna  (Schenk)  1554 
gemeisselten  Grabmale  des  Bischofs  Markgrafen  Friedrichs  von  Branden- 
burg im  Dome. 

Tnter  der  Flinte  desselben  ein  höchst  interessanter  Todtentanz\  F.  Lncanns, 
Wegweiser  dnrch  Halberstadt.     2.  Afl.     Halb.  1876,  S.  39. 

Hamburg.  Eines  Totentanzes  aus  der  'Monnicken  tyd'  in  der 
Franciskanerkirche  St.  Maria  Magdalena  gedenken  Nachrichten  aus 
d.  J.  1551 — 1623.  Derselbe  muss  eine  Länge  von  mindestens  40 — 50 
Fuss  gehabt  haben. 

Vgl.  Beneke  'Zeitschrift  des  Vereins  für  Hamb.  Geschichte  5  (1866) 
S.  611—615'. 

Lübeck.  In  der  Marienkirche,  v.  J.  1463.  Dieser  Totentanz, 
von  dem  bereits  S.  1  f.  eine  Beschreibung  gegeben  wurde,  war 
ursprünglich  auf  zusammengefügte  Holztafeln  gemalt.  Nachdem  1588 
und  1657  umfangreiche  Ausbesserungen  vorgenommen  waren,  wurde 
er  1701  von  dem  Maler  Anth.  Wort  mann  auf  Leinwand  übertragen. 
Die  niederdeutschen  Verse  unter  den  Bildern,  welche  zu  einem  grossen 
Teile  unlesbar  geworden  waren,  wurden  bei  dieser  Erneuerung  durch 
neuhochdeutsche  ersetzt,  welche  der  Praeceptor  Nathanael  Schiott 
vollständig  unabhängig  von  dem  alten  Texte  angefertigt  hatte.  Das 
wenige  von  dem  letzteren  "so  man  noch  davon  hat  lesen  können" 
hat  der  damalige  Pastor  der  Marienkirche  Jacob  von  Melle  in  seine 
handschriftlich  erhaltene  'Ausfuhrliche  Beschreibung  von  Lübeck'  auf- 
genommen. Die  Zuverlässigkeit  seiner  Abschrift  wird  durch  die 
Genauigkeit,  der  sich  Melle  in  seinen  übrigen  Copieen  nachweislich 
befleissigt,  wahrscheinlich  gemacht.  Auch  die  Copie  Wortmanns  giebt 
im  Allgemeinen  ein  treues  Abbild  des  alten  auf  Holztafeln  gemalten 
Originals.  Für  die  Treue  der  Copie  spricht,  dass  sänmitliche  Figuren 
die  Tracht  des  beginnenden  15.  Jahrhunderts  tragen,  sowie  die  LTeber- 


44 

eiustimmung  mit  dem  erhaltenen  Reste  des  Revaler  Totentanzes,  einer 
alten  Copie  des  Lübecker.  Anderseits  wird  man,  da  der  Text  1701 
nicht  mehr  vollständig  lesbar  war,  annehmen  dürfen,  dass  auch  das 
Bild  1701  bereits  an  einzelnen  Stellen  nur  schwer  oder  gar  nicht 
mehr  zu  erkennen  war  und  an  diesen  Stellen  Wortmann  notgedrungen 
freier  hat  verfahren  oder  eine  Lücke  lassen  müssen.  Dieses  muss  der 
Fall  bei  der  ersten  Figur  gewesen  sein,  die  auf  dem  Original  ein 
Prediger  auf  der  Kanzel  war.  Vielleicht  liegt  ein  ähnlicher  Fall  zu 
Schluss  des  Bildes  vor.  Ferner  scheint  sich  aus  einer  Vergleichung 
mit  dem  Lübecker  Totentanz  von  1480,  dessen  erste  Hälfte  dieselben 
menschlichen  Stände  wie  der  Totentanz  in  der  Marienkirche  bietet, 
zu  ergeben,  dass  bei  letzterem  sowie  in  Melle's  Ueberlieferung  des 
Textes  die  Reihenfolge  in  Verwirrung  geraten  ist.  Diese  Verwirining 
lässt  sich  am  leichtesten  dadurch  erklären,  dass  einige  der  alten  Holz- 
platten bei  der  Abnahme  von  ihrer  alten  Stelle  in  eine  falsche  Ordnung 
gekommen  sind.  Ehie  Verstümmelung  in  neuerer  Zeit  hat  der  Toten- 
tanz dadurch  erlitten,  dass  man  1799  aus  ihm  den  Herzog  und  den 
ihm  folgenden  Tod  herausgeschnitten  hat,  um  Raum  für  die  Erhöhung 
einer  Thür  zu  gewinnen. 

Figuren.  Vorpfeifender  Tod,  Reigen  des  Todes  mit  Papst,  Kaiser, 
Kaiserin,  Cardinal,  König,  Bischof,  Herzog  (fehlt  jetzt),  Aht,  Ritter,  Cartäuser, 
Bürgermeister,  Domherr,  Edelmann,  Arzt,  Wucherer,  Capellan,  Kaufmann,  Küster, 
Handwerker,  Klausner,  Bauer,  Jüngling,  Jungfrau.  Dann  folgt  der  Tod  mit  der 
Sense  und  zu  Schluss  das  Kind  in  der  Wiege.  —  Ausserdem  findet  sich  auf 
einem  schmalen  Querbrett,  welches  eine  Ecke  zwischen  zwei  Wandflächen  des 
Todestanzes  verkleidet,  eine  Zuthat  Wortmanns:  drei  Figürchen,  nämlich  zwei 
Tode  und  ein  Dämchen  in  der  Tracht  d.  J.  1700.  —  Die  Reihenfolge,  welche 
nach  Ausweis  des  von  Mantels  geordneten  Textes  die  ursprüngliche  war,  s.  S.  35. 
Das  heutige  Bild  und  Schlotes  Text  bieten  die  Abweichung,  dass  in  ihnen 
Nr.  11 — 13  in  der  Folge  13.  12.  11  (also  Bürgermeister,  Domherr,  Edelmann) 
erscheinen.  Femer  hat  Schiott  den  Kaufmann  des  Gemäldes  als  Amtmann  und 
umgekehrt  diesen  als  jenen  irrtümlicher  Weise  aufgefasst. 

Entstehungsjahr.  Die  Annahme  d.  J.  1463  beruht  auf  der  von  Melle 
mitgeteilten  alten  Schlussschrift  Anno  domini  MCCCCLXIII  in  mgilia  Ässump- 
Clonts  Marie.  Dieses  Datum  könnte  ein  späterer  Zusatz  sein,  der  auf  des 
Lübecker  Chronisten  Detmars  Angabe,  dass  1463  in  Lübeck  die  Pest  herrschte 
und  diese  am  Tage  von  Maria  Himmelfahrt  nach  Dänemark  sich  verbreitete, 
zurückgeht.  Jedesfalls  trifft  nach  dem  Urteile  der  Kunsthistoriker  jene  Zeitangabe 
ungefähr  zu.  Wahrscheinlich  ist,  dass  der  Totentanz  eher  früher  als  später 
entstanden  ist. 

Ausgaben:  Der  Todtentanz  nach  einem  320  Jahre  alten  Gemälde  in 
der  St.  Marienkirche  zu  Lübeck,  auf  einer  Reihe  von  acht  Kupfertafeln,  von 
Lud.  Suhl.  Lübeck  1783.  4*.  (Darin  der  nd.  Text  nach  Melle.)  —  Der 
Todtentanz  in  der  Marienkirche  zu  Lübeck.  Nach  einer  Zeichnung  von  C.  J.  Milde 
mit  erläuterndem  Texte  von  W.  Mantels.  Lübeck  1866.  Quer -Fol.  (Auf 
dem  Facsimile  fehlt  der  Herzog,  den  Suhl  noch  bietet.)  Weniger  brauchbar  für 
wissenschaftliche  Untersuchungen  sind :  Ausführliche  Beschreibung  und  AbbUdung 
des  Todtentanzes  etc.  (von  Schmidt)  Lübeck  (1831)  kl.  8".  —  Der  Todtentanz  etc. 
von  P.  Geisler.     Hamburg  1872.     4*. 


45 

Litteratnr:  H.  Baethcke,  Der  Lübecker  Todtentanz.  Ein  Versack 
zur  Herstellnng  des  alten  nd.  Textes.  (Göttinger)  Inang.  -  Dissertation.  Berlin 
1873.     8«.     (Vgl.  darüber  Mantels  'Gijtt.  Gel.  Anzeigen  1873.    I.   S.  721—41.') 

—  Mantels,  Der  Lübecker  Todtentanz  vor  seiner  Erneuerung  i.  J.  1701 
*  Anzeiger  f.  Kunde  dtsch.  Vorzeit  1873  S.  158—161.'  —  Alb.  Benda,  Wie 
die  Lübecker  den  Tod  gebildet.     Vortrag.     Lübeck  1891. 

Osnabrfiek.  Stickerei  auf  dem  Rande  eines  bischöflichen  Pluviales. 
Aus  dem  Anfange  des  16.  Jahrh.  In  verschiedenen  Feldern  je  ein 
Bischof,  Cardinal,  Papst,  dann  Graf,  Herzog,  Kaiser,  die  von  dem 
Tode  ergriffen  werden.     Die  Länge  der  Figuren  beträgt  21  cm. 

Vgl.  Mittheilungen   des   histor.  Vereins  zu  Osnabrück  11    (1878)   S.  356. 

—  Mithoff,  Kunstdenkmäler  etc.  im  Hannoverschen  7  S.  115. 

Seval  (Estland)  in  der  Nicolaikirche.  Oelgemälde  auf  Leinwand 
1,75  m  hoch  und  soweit  erhalten  c.  8  m  lang.  Erhalten  sind  das 
Bild  und  die  Worte  des  Predigers  auf  der  Kanzel,  vor  der  ein  Scelett 
den  Dudelsack  bläst,  dann  der  Reigen  nebst  dem  Zwiegespräche  des 
Todes  mit  Papst,  Kaiser,  Kaiserin,  Cardinal  und  König.  Alles  übrige 
ist  vermodert.  Der  Rest  lässt  deutlich  erkennen,  dass  Bild  und  Text 
eine  sehr  getreue  Copie  des  Lübecker  Totentanzes  von  1463  sind. 
Genau  so  wie  in  Lübeck  trägt  der  dem  Papst  vorantanzende  Tod  auf 
der  rechten  Schulter  einen  Sarg,  während  er  mit  der  linken  Hand  eine 
Falte  des  päpstlichen  Ornates  hochhebt.  In  beiden  dieselbe  Hand- 
bewegung des  Papstes,  dieselbe  Haltung  des  dann  folgenden  Todes, 
der  Königin,  des  Cardinais  u.  s.  w.  Der  landschaftliche  Hintergi-und 
ist  zwar  in  beiden  Totentänzen  nicht  ganz  gleich,  zeigt  aber  doch 
eine  allgemeine  Aehnlichkeit,  auch  findet  sich  die  Burg,  welche  man 
in  Lübeck  zur  linken  Seite  der  Königin  im  Hintergrunde  erblickt,  in 
Reval  zur  Linken  des  Königs  wieder.  Abweichend  sind  beide  darin, 
dass  in  Reval  der  König  eine  Krone  zu  tragen  scheint,  während  er 
in  Lübeck  eine  eigentümliche  rund  aufgewulstete  Kopfbedeckung  hat. 
Femer  fehlt  in  Lübeck  zu  Anfang  des  Gemäldes  der  Prediger.  Dieser 
ist  keine  Zuthat  des  Revaler  Malers.  Wie  die  Uebereinstimmung  des 
Textes  und  der  altspanischen  Danza  general  zeigen,  muss  auch  in 
Lübeck  der  Prediger  zu  Anfang  des  Tanzes  früher  seine  Stelle  gehabt 
haben.  Die  Uebereinstimmung  beider  Gemälde  in  den  Details  des 
Costüms,  der  Stellungen  und  Handbewegungen  lässt  schliessen,  dass 
der  Revaler  Totentanz  gar  nicht  in  Reval  selbst,  sondern,  wenn  auch 
in  revalschem  Auftrage,  in  Lübeck  angesichts  des  Originals,  dessen 
Copie  er  bietet,  angefertigt  ist.  Für  das  Alter  des  Revaler  Gemäldes 
hat  sich  kein  urkundliches  Zeugnis  beibringen  lassen.  Einheimische 
Gelehrte  haben  sich  für  die  Entstehung  'um  1600',  andere  für  das 
15.  Jahrhundert  entschieden.  Wenn  für  die  Zeit  um  1600  der  land- 
schaftliche Hintergrund  zeugen  soll,  so  erweist  schon  das  Lübecker 
Original  die  Haltlosigkeit  dieses  Grundes,  ausserdem  könnte  auf 
Maimels  Totentanz  und  ältere  Gemälde  der  flandrischen  Schule  hin- 
gewiesen werden.  Die  Sprachformen  des  Textes  scheinen  für  den 
Anfang  des  16.  oder  das  Ende  des  15.  Jahrhunderts  zu  sprechen.    Der 


46 

erhaltene  Rest  ist  durch  Einrahmung  jetzt  vor  weiterem  Verderben 
geschützt. 

Eine  Abbildung  in  kleinem  Massstabe  giebt  W.  Nenmann,  Grundriss  der 
Geschichte  der  bildenden  Künste  in  Liv-,  Est-  und  Kurland.  Beval  1887.  S.  143. 
(Was  der  Verfasser  von  gewissen  Abweichungen  sagt,  die  das  Lübecker  Gemälde 
biete,  verrät,  dass  ihm  von  diesem  keine  Abbildung  vorgelegen  hat.  Die  Skelette 
sind  in  beiden  Totentänzen  ganz  gleich  bekleidet  oder  bzw.  unbekleidet)  Vgl. 
auch  S.  F.  Amelung,  Revaler  Altertümer  (1884)  S.  45  if. 

Der  Text  ist  teilweise  fast  erloschen.  Das  Verdienst,  ihn  zuerst  zum 
Abdruck  gebracht  und  seine  Zusammengehörigkeit  mit  dem  Lübecker  erkannt  zu 
haben,  gebührt  Russwurm,  welcher  in  der  Zeitschrift  *Das  Inland.  Eine  Wochen- 
schrift für  Liv-,  Esth-  u.  Curlands  Geschichte,  Jahrg.  3  (1838)  Nr.  31  f£:  beide 
sammt  einer  freilich  oft  sehr  falschen  Uebersetzung  mitteilte.  Einen  mehrfach 
berichtigten  Text  nebst  einer  besseren  Uebersetzung  der  in  Reval  erhaltenen 
Strophen  bietet  Gotthard  v.  Hansen,  Die  Kirchen  und  ehemaligen  Klöster 
Revals.     3.  Aufl.     Reval  1885,  S.  39  ff. 

Wismar  I.  Gemälde  an  der  inneren  Turmwand  der  Nicolai- 
Kirche.  Erhalten  ist  nur  eine  Abschrift  der  Verse,  welche  der  Rat- 
mann Gregor  Jule  auf  Ersuchen  der  Prediger  1596,  vermutlich  für 
eine  beabsichtigte  Erneuerung  der  Bilder,  verfasst  hat. 

Aus  den  Versen  lässt  sich  die  Reihenfolge  der  Figuren  ersehen:  Papst, 
Kaiser,  Kaiserin,  Cardinal,  König,  Bischof,  Fürst,  Abt,  Ritter,  Advocat,  Bürger- 
meister, Edelmann,  Arzt,  Franciskaner,  Bürger,  Witwe,  Handwerker,  Arbeiter, 
Bauer,  Jüngling,  Jungfrau,  Kind.  Vgl.  (F.  C  r  u  1 1)  Nachricht  von  einem  Todten- 
tanze  zu  Wismar.     Schwerin  1877.     4°. 

Wismar  IL  Wandgemälde  in  der  St.  Marien-Pfarrei,  etwa  v.  J. 
1500.  Die  unter  der  Tünche  entdeckten  Reste  lassen  einen  Gesammt- 
reigen  von  18  Zoll  hohen  Figuren  erkennen,  die  sich  auf  grünem 
Erdboden  bewegen. 

Nach  Crull  a.  a.  0.,  der  eine  Ahhildung  gieht,  stallten  die  blossgelegten 
Figuren  ausser  den  nackten  Todesgestalten  den  Cardinal,  Patriarchen,  Erzbischof, 
Kriegsmann  (Herzog?),  Bischof,  eine  weltliche  und  drei  geistliche  Personen,  den 
Doctor  und  Domherrn  vor. 

Wolgast,  An  den  Brüstungen  der  hölzernen  Emporen  der  Gertruds- 
kirche befinden  sich  im  17.  Jahrh.  von  Bentschneider  gemalte  Toten- 
tanzscenen,  freie  Nachbildungen  der  Holzschnitte  Holbeins,  lieber 
den  Bildern  stehen  hochdeutsche  Verse. 

Vgl.  K  u  g  1  e  r ,  Pommersche  Kunstgeschichte  (Baltische  Studien  8. 1840)  S.  226. 

Texte. 
Während  in  Frankreich,   England  imd  Süddeutschland  die  ver- 
schiedenen monumentalen  Totentänze  im  Mittelalter  im  wesentlichen 
denselben  Text  bieten,  begegnet  in  Niederdeutschland,  wenn  man  von 
Reval  absieht,  bei  jedem  Totentanze  ein  anderer  Text. 

Berliner  Totentanz.    Siehe  bei  den  Bildwerken. 

Lfibecker  Totentanz  v.  1463.  Siehe  bei  den  Bildwerken  zu  Lübeck 
und  Reval. 

Lfibecker  Totentanz  v.  1489  n.  1496.  Dieser  in  der  Officin  und 
mit  Holzschnitten  des  sog.  Lübecker  Unbekannten  zuerst  1489  gedruckte 


47 

und  1495  neu  aufgelegte  Totentanz  bietet  den  bei  weitem  umfang- 
reichsten Text  (72  Capitel  mit  1686  Versen),  auch  nicht  zur  Hälfte 
erreicht  ihn  einer  der  übrigen  deutschen  oder  ausländischen  Totentänze. 
Es  erklärt  sich  dieser  Umfang  dadurch,  dass  der  Verfasser  ihn  für 
die  Buchform,  nicht  fiir  die  monumentale  Verwendung  verfasst  hat. 
Das  Totentanzmotiv  dient  ihm,  seinen  moralischen  Ausfühiimgen  Rich- 
tung und  Form  zu  geben,  zu  Schluss  lässt  er  es  aber  fallen,  weil  die 
24  Verse,  welche  er  seinen  Personen  zuteilt,  und  die  Bezugnahme  auf 
die  von  diesen  vertretenen  Stände  ein  zu  beengender  Rahmen  für  seine 
nun  allgemeiner  gehaltenen  Gedanken  gewesen  wären.  Seine  Sprache 
ist  lehrhaft,  breit,  durchw^eg  moralisirend,  aber  doch  nie  langweilend 
oder  schleppend,  und  der  Neigung  zu  satirischem  Humor  wird  mit 
Behagen  Raum  gegeben.  Dass  der  Verfasser  identisch  mit  dem  Bearbeiter 
des  nd.  Reinke  Vos  sei,  ist  jüngst  wahrscheinlich  gemacht.  Sichtlich 
lehnt  er  sich  an  den  alten  Lübecker  Totentanz  von  1463  und  den  von 
1520  (s.  S.  34)  an. 

Ausgaben:  Des  dodes  dantz.  Lübeck  1489.  4^  (Germanisches  Mnseam 
in  Nürnberg.)  Beschreibung  bei  Weigel  und  Zestermann,  Die  Anfänge  der 
Druckerkanst  Leipzig  1866,  Bd.  2,  S.  166.  —  Dodeudantz.  Lübeck  1496.  4. 
(Herzogl.  Bibliothek  Wolfenbüttel.)  Umfangreiche  Aufzüge  bei  Bruns,  Beiträge 
zur  kritischen  Bearbeitung  aller  Handschriften  (1802)  S.  321 — 360.  —  Des 
dodes  danz,  nach  den  Lübecker  Drucken  von  1489  und  1496  herausg.  von  Herm. 
Baethcke.  (Bibliothek  des  litter.  Vereins  in  Stuttgart.  127.)  Tübingen  1876. 
—  Vgl.  auch  H.  Brandes,  Die  litterarische  Tätigkeit  des  Verfassers  des 
Reinke  'Zeitschr.  f.  dtsch.  Alterthum  32,  S.  24 — 41.  —  Die  Beihenfolge  der 
Personen  s.  S.  35. 

Lübecker  Totentanz  v.  J.  1520.  Dieser  Totentanz  muss,  wie 
S.  34  gezeigt  ist,  bereits  vor  1489  verfasst  sein.  Bekannt  ist  er  nur 
aus  einem  Drucke  von  1520,  der  aus  der  Officin  des  Lübecker  Un- 
bekannten hervorgegangen  ist.  (Ueber  eine  dänische  Bearbeitung  dieses 
Totentanzes  siehe  S.  41.) 

Ausgaben.  Das  einzig  bekannte  Exemplar  des  alten  Druckes  befindet 
sich  im  Besitze  dei  Bodleiana  in  Oxford,  das  Titelblatt  bietet  unter  einer  Krone 
das  Wort  Dodendantz,  Die  Schlussnotiz  lautet:  Anno  dni  MCCCGCXX 
Lübeck,  Eine  Beschreibung  des  Druckes  giebt  Massmann  im  Serapeum  10  (1849) 
S.  306  ff.,  einen  Abdruck  des  Textes  nach  einer  von  Sotzmann  angefertigten 
Abschrift  bietet  Lttbke  in  seiner  Ausgabe  des  Berliner  Totentanzes  (S.  39  ff.)  und 
Mantels  in  der  Einleitung  zu  Milde's  'Todtentanz  in  der  Marienkirche  zu  Lübeck* 
S.  10  ff. 

üebersetzang  der  Danse  macabre.  Das  Bruchstück  einer  wört- 
lichen Uebersetzung  der  Danse  macabre  ist  nach  einer  Berliner  Hand- 
schrift aus  dem  Ende  des  15.  Jahrh.  von  mir  im  Niederdeutschen 
Jahrbuche  XI  S.  126  f.  mitgeteilt  worden. 


48 


Deutsehe  Totentänze.     (Hochdeutsches  Gebiet.) 

Bildwerke. 

Attinghnsen  (Schweiz,  Kant.  Uri).  "1755  wurde  die  alte  Kirche 
vergrössert,  durchweg  erneuert,  und  dabei  der  ausserhalb  gemalte,  aber 
schadhafte  Todtentanz  verstrichen.    Meister  war  Jacob  Moosbrucker." 

Geschichtsfreund.  Mittheilungen  des  histor.  Vereins  der  fünf  Orte  Lncem  etc. 
Bd.  17.     Einsiedeln  1861.     S.  152. 

Basel  I.  Wandgemälde  an  der  Kirchhofsmauer  des  Dominikaner- 
klosters in  Gross-Basel,  aus  derselben  Zeit  (c.  1537 — 41)  und  wahr- 
scheinlich von  demselben  Maler  wie  der  Klcin-Basler  Totentanz,  den 
er  um  5  Schritt  Länge  überragt.  Mit  diesem  stimmt  er  in  den  Figuren 
und  im  Texte  im  Allgemeinen  überein.  Die  Abweichungen  sind  durch 
spätere  Erneuerungen,  besonders  durch  die  von  Klaubcr  15G8  vor- 
genommene Uebermalung  entstanden.  Dieser  hat  Verschiedenes  aus 
Manuels  Berner  Totentanze  in  den  Basler  übertragen,  sein  Bild  zu 
Schluss  beigefügt  und  der  Mutter  des  Kindes  die  Gesichtszüge  seiner 
Frau  gegeben.  Bei  einer  späteren  Uebermahmg  sind  diese  beiden 
Bilder  dann  wieder  beseitigt,  um  Raum  für  eine  Darstelhmg  des  Sünden- 
falles zu  gewinnen.  Der  Totentanz  ist  1805  abgebrochen,  doch  sind 
Copieen  in  den  zuerst  1G21  erschienenen  und  wiederholt  abgezogenen 
Kupferstichen  Job.  Jac.  Merians  sowie  in  einem  handschriftlichen 
Facsimile  desselben  Em.  Bücheis  vorhanden,  dem  man  die  Abbildungen 
des  Klingenthaler  Tanzes  verdankt. 

Die  Litteratur  s.  bei  Basel  IL 

Basel  IL  Wandgemälde  im  Klingenthal,  einem  Nonnenkloster 
Dominicanerordens  in  Klein-Basel.  Erhalten  sind  mehrere  treue  Copien 
der  Bilder  und  des  Textes,  die  im  vorigen  Jahrhundert  ein  Basler 
Bürger,  Em.  Büchel,  angefertigt  hat.  Dieser  hatte  eine  Jahreszahl 
auf  dem  Totentanze  zuerst  als  1812  gelesen.  Erst  später  erkannte 
er,  wie  er  in  einer  handschriftlichen  'Ferneren  Untersuchung'  darlegte, 
dass  jene  Zahl  richtiger  1512  zu  lesen  sei  und  sich  auf  eine  teilweise 
Uebermalung  des  alten  al-fresco  gemalten  Tanzes  mit  Oelfarben  beziehe. 
Leider  blieb  die  Selbstberichtigung  Bücheis  unbekannt,  und  so  ist  in 
alle  Schriften  über  die  Totentänze  die  falsche  Jahreszahl  1312  als 
Entstehungsjahr  des  somit  als  ältesten  erklärten  Klingenthaler  Toten- 
tanzes übergegangen.  Erst  187(5  hat  Burckhardt  den  Irrtum  mit  Hilfe 
der  von  ihm  aufgefundenen  Handschrift  Bücheis  aufgedeckt,  indem  er 
zugleich  nachwies,  dass  der  Teil  des  Kreuzganges,  an  welchem  sich 
der  Totentanz  befand,  selbst  erst  1437  erbaut  ist.  Der  Totentanz 
war  nach  Büchel  72  Schritt  lang,  die  Figuren  in  Lebcnsgrösse. 

Figuren:  Prediger  auf  der  Kanzel,  vor  derselben  in  einer  Qruppe  Papst, 
König  u.  a.  (fehlt  im  Klingenthal  wegen  einer  alten  Fensteröffnung,  vgl.  den 
Strassburger  Ttz).  Karner,  davor  zwei  musicirende  Tode.  Dann  in  Tanzpaaren 
der  Tod  mit  Papst,  Kaiser,  Kaiserin,  König  (Königin  nur  in  Gr.-Basel),  Cardinal, 
Patriarch  (fehlt  Gr.-B.),  Erzbischof  (fehlt  Gr.-B.),  Herzog,  Bischof,  (Herzogin  nur 
in  Gr.-B.),  Graf,  Abt,  Ritter,  Jurist,  Fürsprech,  Chorherr,  Arzt,  Edelmann,  Edel- 


4» 

fran,  Kanfroann,  Aebtissin,  Krüppel,  Waldbruder,  Jüngling,  Wucherer,  Jungfrau, 
Pfeifer,  Herold,  Schultheiss,  Blutvogt,  Narr,  Begine  (dafür  in  Gr.-B. :  Krämer), 
Blinder,  Jude,  Heide,  Heidin,  Koch,  Bauer,  Kind,  Mutter,  Prediger  (fehlt  in  K1.>B.). 

Abbildungen  und  Text  beider  Basler  Totentänze  nach  Bücheis  Copien 
bei  Massmann,  Basler  Ttze.  —  Die  Gross-Basler  Bilder  bieten  die  1621 — 1832 
in  17  Ausgaben  erschienenen  Merian^schen  Kupfer.  (Massmann,  Litter. 
S.  75 — 80.)  —  Ungenügend  für  wissenschaftliche  Zwecke  ist:  Todtentanz  der 
Sta<lt  Basel.  Basel,  Stuckert.  1858.  16.  —  Mit  beabsichtigter  Täuschung  führen 
irre  die  Titel  des  1588  und  1608  durch  Huld.  Fröhlich,  1715—1796  durch 
die  MecheTsche  Druckerei  ausgegebenen,  angeblich  in  Basel  bzw.  Bern  befind- 
lichen *Todten-Tantz\  Diese  Ausgaben  enthalten  den  Basler  bzw.  Bemer  Text, 
geben  aber  dazu  Nachbildungen  einer  grossen  Anzahl  Holbeinscher  Imagines 
mortis  und  nur  weniger  Basler  Figuren.  Es  ist  dadurch  früher  der  Irrtum  ent- 
standen und  verbreitet  worden,  dass  der  Maler  des  Basler  Totentanzes  Holbeiu 
gewesen  sei.  Vgl.  Massmann,  Litter.  S.  30  if.  —  Die  älteste  Aufzeichnung 
des  Gross-Basler  Textes  in  H.  Fröhlich's  *Lobspruch  an  die  Stadt  Basel.     1581'. 

Zur  Geschichte  etc.  der  Basler  Ttze  vgl.  noch  besonders:  Th.  Burck- 
hardtrBiedermann  'Beiträge  zur  vaterländischen  Geschichte,  Bd.  11.  Basel  1882. 
S.  59  ff.'  —  Rahn,  Gesch.  d.  bild.  Künste  in  der  Schweiz  (1876)  S.  654—59. 
—  Wackemagel,  Kl.  Sehr.  1,  329  if.,  366  if. 

Bern.  Auf  der  1660  abgebrochenen  Kirchhofsmauer  des  ehe- 
maligen Dominikaner-Klosters  befand  sich  ein  Totentanz,  den  Nicolaus 
Manuel  um  d.  J.  1517 — 19  gemalt  und  mit  eigenen  Versen  versehen 
hatte.  Das  Gemälde  zeigte  Tanzpaare,  welche  sich  unter  Arkaden 
bewegten,  durch  deren  Säulen  man  landschaftlichen  Hinterginind 
erblickte.  Die  menselilichen  Figuren  hatten  die  Gesichtszüge  von  Zeit- 
genossen und  Mitbürgern  Manuels,  der  in  der  Figur  des  Malers  sein 
eigenes  Bildnis  beifügte.  Bild  und  Text  sind  eine  freie  Nachahmung 
sowohl  des  Gross-Basler  Totentanzes  als  auch  der  erweiterten  Danse 
macabre.  Aus  einem  Drucke  derselben  hat  Manuel  die  Anregung  zu 
den  Arkaden,  der  Gruppe  der  vier  musicircnden  Skelette  und  anderen 
Figuren  empfangen. 

Figuren:  Sttndenfall,  Moses  empfängt  die  zehn  Gebote,  Crucifix.  Vier 
ninsicirende  Skelette.  Tod  und  Papst,  Cardinal,  Patriarch,  Bischof,  Abt,  Priester, 
Doctor,  Astrolog,  Ordensritter,  vier  Mönche,  Aebtissin,  Waldbruder,  Nonne,  Kaiser, 
König,  Kaiserin,  Königin,  Herzog,  Graf,  Bitter,  Jarist,  Fürsprech,  Arzt,  Schultheiss, 
Jüngling,  Ratsherr,  Vogt,  Bürger,  Kaufmann,  Narr,  Kind  und  Matter,  Handwerker, 
Bettler,  Kriegsmann,  Jungfrau,  Koch,  Bauer,  Malers  Frau,  Witwe,  Dirne,  Jude 
und  Heiden,  Maler,  Tod  als  Schütze,  Prediger. 

Abbildungen.  Es  sind  zwei  alte  Copien  vorhanden,  die  eine  ist  1649 
von  Albr.  Kauw,  die  andere  von  Stettier  (gest.  1708).  Vgl.  Nikiaus  Manuels 
Todtentanz,  gemalt  zu  Bern  um  1515 — 1520,  lithographirt  nach  den  getreuen 
Copien  des  berühmten  Kunstmalers  Wilhelm  Stettier.  (Bern  o.  J.)  Quer-Fol.  — 
Vgl.  Rahn  *Repertorium  für  Kunstwissenschaft,  Bd.  3  (1880)  S.  13— 17\ 

Text.  Die  Verse  finden  sich  auf  der  Kau  waschen  Copie  und  sind  darnach 
bei  C.  Grün  eisen,  Niclas  Manuel,  Stuttgart  1837,  S.  324—338,  vgl.  S.  156  if. 
abgedruckt.  Ausserdem  sind  die  Verse  in  einer  Hs.  von  1576  vorhanden,  die 
dem  Abdrucke  *Niklaus  Manuel,  hrsg.  von  Jak.  Bächtold,  Frauenfeld  1878, 
S.  1 — 28'  ZQ  Grunde  liegt.  —  Fröhlich  giebt  in  seinen  'Zween  Todtentäntz, 
Deren  der  eine  zu  Bern  .  .  .  Der  Ander  aber  zu  Basel.  Basel  1588'  den  Berner 
Text,  nicht  aber  die  Bilder  Manuels  (vgl.  bei  Basel  II). 

Nlederdeateohet  Jahrbach  XVII.  4 


50 

t)er  Lübecker  Totentanz  yon  1496  und  der  'Dotentanz  mit  Figuren^ 
soll  nach  Vögelin  (S.  LXXVIII  ff.  in  Bächtold's  Ausgabe)  von  Manuel  benutzt 
sein.  Diese  Annahme  ist  irrig,  die  Entlehnungen,  welche  sie  beweisen  sollen, 
erklären  sich  aus  der  Benutzung  der  Dause  macabre. 

Bruchhansen  (bei  Unkel  a.  Illicin).  Tafelgemälde  des  17.  Jahrb. 
in  der  Pfarrkircbe. 

'Aus  dem  Anfange  desselben  (17.)  Jahrh.  stammt  auch  der  Todtentanz  in 
der  Pfarrkirche  zu  Broichhausen,  ein  Gemälde  auf  Leinwand  im  hölzernen  Rahmen. 
In  der  oberen  Reihe  sind  die  weltlichen  Stände,  mit  dem  Kaiser  anfangend,  in 
der  unteren  die  geistlichen,  mit  dem  Papste  an  der  Spitze,  dargestellt\  Bäumker 
S.  23.  —  Totentanz,  20  Gruppen  in  zwei  Reihen  tibereinander ;  Oelgemälde, 
handwerklich  ausgeführt'.  Bau-  und  Eunstdenkmäler  des  Reg. -Bez.  Coblenz. 
Beschr.  von  P.  Lehfeldt  (1886)  S.  478. 

Chiir  (Kanton  Graubünden).  Wandbilder  v.  J.  1543,  ursprünglich 
im  bischöflichen  Palast,  jetzt  im  Rliätischen  Museum.  Copien  und 
Nachahmungen  der  Holbeinschen  Imagines. 

Vgl.  F.  S.  Vögelin,  Die  Wandgemälde  im  bischöflichen  Palast  zu  Chur. 
Ztlrich  1878.  4.  (=  Mittheilnngen  der  antiquarischen  Gesellschaft  in  Zürich, 
Bd.  20,  II,  Heft  1).  Die  Annahme,  dass  die  Churer  Bilder  die  ursprüngliche  Gestalt 
der  Holbeinschen  Todesbilder  bieten,  erfuhr  allseitige  Ablehnung.  Vgl.  Repertoriam 
fttr  Kunstwissenschaft  Bd.  12  (1889)  S.  227  f. 

Gonstanz.  Im  ehemaligen  Dominikanerkloster.  Wandgemälde 
des  16.  Jahrh,  von  Job.  Hiebler. 

'Auch  die  dem  Ereuzgang  nach  der  Stadt  zu  vorgelegten  Vorhallen  (jetzt 
die  Bureaus  des  Hotels)  weisen  Wandmalereien  auf,  deren  bereits  Fiorillo  (1,  294) 
mit  Ueberschätzung  ihres  Eunstwertes  gedenkt.  In  einem  Zimmer  sieht  man 
einen  Totentanz:  der  Tod  tritt  als  Gerippe  in  die  menschlichen  Beschäftigungen 
ein;  deutsche  Inschriften/  Eunstdenkmäler  des  Grosshzgt.  Baden  1,  hrsg.  von 
Eraus  (1887)  S.  247  f.  Aehnlich  Zepperlin  in  den  Schriften  des  Vereins  f. 
Gesch.  d.  Bodensees  1875,  S.  22  f.  Darnach  scheint  es  irrig,  wenn  Wacker- 
nagel, kl.  Sehr.  S.  370  sagt,  dass  bei  dem  Constanzer  Totentanze  die  latein. 
Hexameter  von  Desrey  stehen.  Benutzt  scheinen  von  dem  Maler  die  FrOlich'schen 
Eupfer  (s.  bei  Basel  II). 

Dresden.  Basrelief  in  Sandstein  v.  J.  1534,  ursprünglich  am 
Georgen-Schlosse,  seit  1701  auf  dem  Neustädter  Kirchhofe.  Die  Figuren 
sind  40  cm  hoch  und  bilden  einen  reigenartigen  Aufzug. 

Figuren:  Voran  schreitet  ein  Gerippe,  das  die  Pfeife  bläst,  ihm  folgen 
Papst,  Cardinal,  Erzbischof,  Bischof,  Prälat,  Domherr  und  Mönch.  Dann  folgt 
ein  Gerippe,  das  die  Trommel  schlägt,  hinter  ihm  Eaiser,  Eönig,  EurfUrst, 
Graf  (?)  und  Ritter,  dann  Edelmann,  Ratsherr,  Handwerker,  Landsknecht,  Bauer 
und  lahmer  Mann,  dann  Aebtissiu,  Stadtfrau  und  Bäuerin,  Eaufmann,  Eind 
und  Bettler.  Den  Beschluss  macht  ein  Totengerippe  mit  der  Sense.  Eein  alter 
Text.     Die  später  beigefügten  sechs  Strophen   sind   erst  im   18.  Jahrh.  verfasst. 

Beschreibung  und  Abbildung:  (P.  C.  Hilscher),  Beschreibung  des 
sogen.  Todten  -  Tautzes.  Dressden  1705.  —  F.  Neumann,  Der  Tod  in  allen 
seinen  Beziehungen.  Dresden  1844.  —  Erbstein :  ^Mittheilnngen  des  Egl.  Sachs. 
Vereins  für  Erforschung  etc.  der  vaterländischen  Alterthümer,  Heft  2.  Dresden 
1842,  S.  46  ff; 

Emmetten  (Kanton  Unterwaiden). 

Einen  hier  befindlichen  Totentanz  erwähnt  (nach  Prüfer)  Jos.  Schneller, 
Luzems  St.  Lukas-Bruderschaft.     Luzem  1861^  S.  11,  Anm.  3. 


Erfurt.  Im  evang.  Waisenhause  und  mit  ihm  187^  verbrannt. 
52  Oelgemälde  aus  dem  18.  Jahrh.,  jedes  mit  einem  Lebenden  und 
Tode  in  Lebensgrösse.  Der  Maler  J.  S.  Beck  hat  Holbein,  der  Dichter 
des  beigefügten  Zwiegesprächs  Schott  (s.  beim  Lübecker  Ttz.  v.  1463) 
nachgeahmt. 

J.  L.  E.  Arnold,  Erfart  mit  seinen  Merkwürdigkeiten  (1798).  —  Naumann, 
Der  Tod  S.  58—60.  —  (v.  Tettau,)  Erfurt  in  seiner  Vergangenheit  (1868)  S.  79. 

FreibttPg  (Schweiz).  Im  Barfiisserkloster  1744  von  Sal.  Fries  gemalt. 

"Les  cordeliers  poss^daient  jadis  dans  leur  cloitre  une  trös-belle  danse  des 
morts,  peinte  en  fresque ;  mais  eile  est  tellement  d^gradee  qu'on  n'en  Yoit 
maintenant  plus  que  des  traces  et  quelques  figures."  F.  Euenlin,  Dictionn.  du 
cauton  de  Fribourg.     (1832)  1,  312. 

Fassen  (Bayern).  Wandgemälde  auf  20  Holztafeln  in  der  Magnus- 
kirche, von  Jac.  Hiebler  nach  Huld.  Frölich's  (s.  bei  Basel  H.) 
Abbildungen  im  16.  Jahrh.  angefertigt. 

Vgl.  Massmann,  Basler  Ttze,  wo  auch  die  Abweichungen  vom  Basler  Texte 
mitgeteilt  sind. 

Kukns  (Böhmen).  Wandbilder  vom  Ende  des  17.  Jahrh.  auf  der 
Gallerie  des  Hospitals. 

Helgestellt  auf  Kosten  des  Grafen  Ant.  v.  Sporck.  Abbildungen  in 
'Erinnerungen  des  Todes  und  der  Ewigkeit  bey  52  von  M(ichael)  Bentz  in  Kupfer 
gestochenen  Vorstellungen.  Linz  1763.  1779.  Wien  1767.  Fol.'  Damach 
lehnten  sich  die  Bilder  in  Bezug  auf  Composition  und  Beihenfolge  an  Holbeins 
Imagines  an.  Die  von  Patricius  beigefügten  Sprüche  bestehen  in  je  4  vom  Tode 
an  die  Menschen  gerichteten  Versen. 

Landslat.  'Auf  dem  Kirchhofe  des  Dominikaner-Klosters  ist  an 
der  Mauer  ein  Todtentanz  a  fresco  gemalt.  Der  Tod  kämpft  mit 
allen  Ständen:  unten  stehen  alte  Beime.^ 

C.  A.  Lander,  Beisen  durch  verschiedene  Gegenden  Deutschlands.  Augs- 
burg 1801  p.  134.     (Citirt  von  Fiorillo  S.  142.) 

Luern  L  Acht  Oelgemälde  ohne  Inschrift,  gemalt  von  Jac.  von 
Wyl  (gest.  1621),  früher  in  der  Jesuitenkirche,  jetzt  in  der  Kantons- 
bibliothek. 

Figuren:  Vertreibung  aus  dem  Paradiese,  Papst,  Kaiser,  Kardinal,  KOnig, 
Kaiserin,  Königin,  Prälat,  Kurfürst,  Abt^  Aebtissin,  Pfarrer,  Bitter,  Kriegsmann, 
Bürger,  Braut,  Jungfrau,  Wucherer,  Maler,  Krämer,  Bauer,  Mutter  und  Kind, 
Beinhaus. 

Vgl.  Todtentanz  oder  Spiegel  menschlicher  Hinfälligkeit.  In  8  Abbildungen, 
welche  von  v.  Wyl  gemalt  etc.  Getreu  nach  den  Originalien  lithogr.  von  Gebr. 
EgUn.  Mit  Text  von  B.  Leu.  Luzem  1843.  Quer -Fol.  (Nicht  benutzt.)  — 
Naumann  S.  42 — 46.  —  Wie  in  Füssen  ist  Frölichs  Totentanz  (s.  bei  Basel) 
Vorbild.     Vgl  Wackemagel,  Sehr.  1,  370. 

Lnzem  II,  56  Bilder  ^n  der  überdachten  Mühlenbrücke,  von 
K.  Meglinger  1626 — 35  gemalt.  Jedes  stellt  eine  Gnippe  dar,  welche 
ausser  dem  Tode  und  der  ihm  verfallenen  Person  noch  andere  Figuren 
enthält;  der  Tod  tanzt  nicht,  sondern  holt  die  Menschen  mitten  aus 
ihren  Geschäften,  wie  in  Holbeins  Imagines,  die  jedoch  nicht  copirt 
sind.  Den  Bildern  sind  je  4  Verse  beigefügt,  die  teils  dem  Sterbenden, 
teils  dem  Tode  in  den  Mund  gelegt  sind. 

4* 


52 

Figuren:  Austreibung  ans  dem  Paradiese,  musicirende  Skelette,  Papst, 
Kaiser,  Kaiserin,  Cardinal,  König,  Königin  u.  s.  w.  Auch  allerlei  Handwerker 
erscheinen  in  der  Reihe.  —  Abbildung  etc. :  Der  Todtentanz.  Gemälde  auf 
der  Mtihlenbrücke  in  Lucern,  ausgeführt  von  Caspar  Meglinger  Pictor,  getreu 
nach  den  Originalien  lithogr.  und  hrsg.  von  Gebr.  Eglin.  (Mit  Einleitung  von 
J.  Schneller.)     Luzern  1867.     Quer-Fol. 

Metniz  (Kärnten).  Am  Kanier  des  Kirchhofes  findet  sich  ein  um 
1490 — 1500  gemalxer  Totentanz,  der  einen  das  ganze  Gebäude  auf 
der  Aussenseite  umziehenden  breiten  Fries  bildet.  Die  Figuren  sind 
in  halber  Lebensgrösse,  darunter  beliinden  sich  deutsche  Verse,  die 
nicht  »mehr  lesbar  sind. 

Vgl.  F.  Lippmann  'Mittheilungen  der  k.  k.  Central  -  Commission  etc. 
Neue  Folge.  Jg.  1.  (1875.)  S.  56—58.'  Erkennbare  Figuren;  Prediger  auf 
der  Kanzel,  vor  ihm  sitzen  Papst,  Kaiser  und  Cardinal.  Geöffneter  Höllenracheu 
mit  den  Verdammten  und  dem  gefesselten  Teufel,  Papst  (dessen  Tod  zwei 
Trommeln  umgehängt  hat),  Kaiser,  Kaiserin,  König,  Cardinal,  6  unerkennbare 
Figuren,  Ritter,  Jurist,  Mönch,  Edelmann,  Arzt,  Reisiger,  Edelfrau,  Kaufmann, 
Nonne,  Krüppel,  Koch,  Bauer,  Kind,  Mutter  mit  Kind  in  der  Wiege.  Letzter 
Prediger,  vor  seiner  Kanzel  sitzen  einige  Frauen.  —  *Mittheiluugen  etc.  N.  F. 
11  S.  LXXXnr  sind  drei  Tanzpaare  abgebildet. 

Der  alte  yierzeilige  Totentanz  in  abgekürzter  Fa.ssung  ist  ohne 
Zweifel  für  diesen  Totentanz  benutzt. 

Pinzolo  (Südtirol).     In  der  Vigiliuskapelle. 

Eine  kleine  Abbildung  giebt  Frimmel  'Mittheilungen  der  k.  k.  Central- 
Commission  N.  F.  12  (1886)  S.  XXII'.  Vgl.  E.  Caetani  -  Lovatelli,  Thanatos. 
Rom  1888.     (Nicht  benutzt.) 

Figuren:  3  musicirende  Skelette,  Crucifix,  dann  folgt  der  Aufzug  der 
Tanzpaare  mit  Papst,  Cardinal,  Bischof,  Abt,  Geistlichem,  Kaiser,  Königin,  Kur- 
fürst (?),  Arzt,  Kriegsmann,  Bürger  (?),  Junker,  Krüppel,  Nonne,  Frau,  Frau  mit 
Kind.  Zu  Schluss  der  Tod  zu  Pferde,  Pfeile  schiessend.  Jeder  Tod  trägt  eine 
Waife  oder  ein  militärisches  Emblem,  jeder  der  Menschen  ist  von  einem  Pfeile 
durchbohrt.     Unter  den  Figuren  ist  der  Text. 

Rendena  (Südtirol).     Von  1519.     An  der  Stei)hanskirche. 

'Mittheilungen  der  k.  k.  Central-Comraission  N.  F.  16  S.  112'  wird  gesagt, 
dass  der  noch  heute  erhaltene  Totentanz  nach  Ständen  geordnet  ist  und  einen 
langen  Streifen  bildet. 

Strassbnrg  i.  E.  Wandgemälde  des  15.  Jahrh.  in  der  Neuen 
(ehemaligen  Dominikaner-)  Kirclie,  c.  2  m  hoch,  1824  unter  der  Tünche 
entdeckt,  1870  zerstört. 

Die  Figuren  bilden  keinen  Reigen,  sondern  einen  Aufzug.  Dargestellt 
.sind  ein  Prediger  auf  der  Kanzel  und  vor  ihm  als  Zuhörer  allerlei  Stände,  dann 
Tod  mit  Papst.  Hierauf  Gruppen  von  mehreren  Personen,  bei  denen  sich  je  ein 
Tod  befindet:  1.  Cardinäle,  2.  Kaiser,  Kaiserin  und  Zofe,  3.  Kaiserliches  Gefolge. 
4.  König,  Königin,  5.  Gefolge  des  Königs,  6.  Zwei  Bischöfe.  Dann  eine  Gruppe 
mit  2  Todesfiguren,  Bischof,  Abt  u.  a.  Der  Best  des  Totentanzes  war  nicht 
erkennbar.  Die  Figuren  bewegen  sich  in  einem  Säulengange  hinter  Arcaden. 
Ein  Text  fehlte,  doch  schien  zu  Schlnss  eine  moralische  Nutzanwendung  sich  zu 
finden.  Blosse  Mutmassung  ist,  dass  Martin  Schöngauer  (f  1482)  der  Maler 
gewesen  sei. 

A  b  b  i  1  d  u  n  g  bei  F.  W.  Edel,  Die  Neue-Kirche  in  Strassburg  (1825)  S.  55 —63. 


53 

Stranbing  (Niederbayern).  In  der  Seelenhauskapelle  der  St.  Peters- 
l*farrkirche.     Aus  dem  18.  Jahrh. 

'*Die  Fresco  Gemälde,  an  den  Seitenwänden,  alle  Stände  der  Welt  mit  dem 
Tod  an  der  Seite  in  sonderbare  Vorstellungen  eingetheilt,  und  unten  mit  jeder- 
maligen  passenden  deutschen  Reimen  versehen,  sind  von  Felix  Ilölzl/^  F.  S.  Mei- 
dinger,  Beschreibung  der  Städte  Landshut  und  Straubing.    Landshut  1787,  S.  200. 

Wyl  (Kant.  St.  Gallen).  In  der  T()tenkai)elle  wurde  der  ganze 
P'ries,  der  sicli  an  der  nördliclien  Langsoite  und  der  Westwand  unter 
der  Decke  hinzielet,  durch  einen  Totentanz  aus  dem  Anfange  des 
Iti.  Jahrh.  ausgefüllt. 

Beschrieben  von  Kahn  im  *Repertorium  für  Kunstwissenschaft  3  (1880) 
S.  197 — 199'.  Erkennbar  sind  eine  Figur  mit  Krummstab,  ein  weisser  Mönch, 
Arzt,  Krüppel,  Koch,  Bauer,  Kind,  Mutter.  Vom  Texte  teilt  Rahn  7  von  ihm 
entzifferte  Strophen  mit.  Diese  Strophen  und  die  Reihenfolge  der  Figuren  lassen 
erkennen,  dass  der  vierzeilige  Totentanz  in  gekürzter  Fassung  benutzt  ist. 

Texte. 

Alter  vierzeiliger  Totentanz  mit  c.  40  Fignren.  Auf  den  Wand- 
gemälden in  Basel  und  Füssen.  Er  ist  bei  diesen  und  S.  29  ff.  besprochen. 

Alter  yierzeiliger  Totentanz  mit  24  Figuren.  Aus  dem  vorigen 
Texte  dui'ch  Kürzung  hergestellt.  Vgl.  S.  30  ff.  Ueberliefert  ist  er 
in  Holztafeldrucken  und  Handschriften.  Monumentale  Verwendung 
hat  er  in  Metniz  und  Wyl  gefunden. 

Massniann  giebt  im  Anhange  seiner  'Basler  Ttze*  ein  Verzeichnis  der 
Drucke  etc.,  einen  Textabdruck  und  ein  Facsimile  eines  Holztafeldruckes  (v.  J. 
1443?)  in  der  Heidelberger  Hs.  nr.  438  Fol.  Ferner  ist  dieser  Ttz  enthalten 
in:  2)  Cod.  Pal.  314.  (e.  1447  Hs.  mit  deutschem  und  lat.  Texte.)  —  3)  Mün- 
chener Cg.  270.  —  4)  Cod.  mon.  xylogr.  n.  39.  (Vor  dem  ersten  Prediger  sitzen 
Papst  und  Kaiser,  stehen  König  und  Kardinal.  Zum  Schluss  ein  Prediger,  der 
auf  Totenschädeln  steht.)  —  5)  Cod.  mon.  bav.  4  (v.  J.  1446).  —  Nach  irgend 
einer  Hs.  giebt  Docen  einen  Abdruck  im  'Neuen  Litter.  Anzeiger  S.  348  if.,  412  if. 
—  7)  Berliner  Ms.  germ.  fol.  19  Bl.  224—227  (v.  J.  1448,  aus  Basel). 

Figuren:  Prediger,  Tod  und  Papst,  Kaiser,  Kaiserin,  König,  Kardinal, 
Patriarch,  Erzbischof,  Herzog,  Bischof,  Graf,  Abt,  Ritter,  Jurist,  Chorherr,  Arzt, 
Edelmann,  Edelfran,  Kaufmann,  Klosterfrau,  Bettler,  Koch,  Bauer,  Kind,  Mutter, 
Prediger. 

Jfingepep  vierzeiliger  Totentanz.  In  einer  Handschrift  v.  J.  1499. 
Voran  geht  eine  Anrede  Gottes  an  die  Menschen  und  deren  Antwort. 
Dann  folgt  das  Zwiegespräch  des  Todes  zuerst  mit  geistlichen,  dann 
weltlichen,  zuletzt  weihlichen  Personen. 

Die  weibliche  Reihe  erinnert  an  die  Danse  macabre  des  femmes,  doch 
scheint  keine  Nachahmung  vorzuliegen.  Der  Verfasser  hat  vielmehr  den  alten 
vierzeiligen  und  den  achtzeiligen  Totentanz  benutzt.  Jenem  hat  er  die  Form 
seiner  Strophen  und  den  Wortlaut  der  Rede  der  Kaiserin,  dieser  die  Trennung 
der  geistlichen  von  den  weltlichen  Ständen  und  meist  auch  Worte  und  Reime 
entnommen.     In  der  Conclusio  ist  eine  Stelle  aus  ^Sibyllen  wissagunge'  entlehnt. 

Personen:  Papst,  Kardinal,  Bischof,  Domherr,  Pfarrer,  Abt,  Mönch,  Arzt, 
Kaiser,  König,  Herzog,  Graf,  Ritter,  Edelmann,  Richter,  Schreiber,  Bürger,  Hand- 
werker, Wucherer,  Spieler,  Wirt,  Bauer,  Kaiserin,  Königin,  Herzogin,  Gräfin, 
Ritterfrau,  Edelfrau,  Bürgerin,  Handwerksfrau,  Bäuerin,  Nonne.  —  Gedruckt 
als  *Totentanz8prtiche',  hrsg.  von  K.  J.  Schröer.    Germania  12  (1867)  S.  296  flf. 


54 

Mannels  Totentanz.    Siehe  bei  Bern. 

Achtzeiliger  Totentanz.  Er  ist  in  3  Holztafeldrucken  und  einer 
Casseler  Handschrift,  sämmtlich  aus  der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jahrb., 
erhalten.  Entstanden  scheint  er,  da  der  'Wirt  von  Bingen'  eine  der 
Figuren  ist,  in  der  Nähe  dieser  Stadt.     Vgl.  über  ihn  S.  31  ff. 

Der  Text  ist  nach  der  Casseler  Handschrift,  aus  welcher  Kngler,  Kl.  Sehr, 
zur  Eunstgesch.  1,  52,  zuerst  eine  Probe  mitgeteilt  hatte,  von  M.  Riedel  al» 
'Jüngerer  Todtentanz*  in  der  'Germania,  Jg.  19  (1874)  S.  257'  herausgegeben. 
Der  Tod  redet  in  je  8  Versen  die  Menschen  an  and  jeder  antwortet  mit  eben- 
soviel Versen.  Voran  gehen  24  Verse,  welche  den  Strophen  des  'Boy  mort*  zn 
Schlnss  der  Danse  macabre  entsprechen. 

Die  Holztafeldrucke  sind  bei  Massmann,  Litter.  S.  84  ff.  (=  Sera- 
penm  2  S.  184)  beschrieben:  1)  Der  Doten  dantz  mit  figoren.  Klage  vnd  /  Ant- 
wort schon  Yon  allen  staten  der  weit.  /  (Exemplare  in  München,  Berliner  Kupfer- 
stich-Eabinet  etc.)  —  2)  Der  Doten  dantz  mit  fignren  /  clage  ynd  antwort  schon  / 
etc.  (Exempl.  in  München,  Wolfenbüttel  etc.)  Vgl.  Brons,  Beyträge  3  (1803) 
S.  313  ff.;  Ebert  No.  23006.  —  2b)  Anderer  Dmckabzng,  ohne  den  Titel. 
(Berliner  Egl.  Bibl.)  —  3)  Der  todten  dantz  mit  Agaren  ynd  schafften  /  Klag  etc. 
(Ex.  in  München.  Ebert  no.  23006.)  —  Sämmtliche  Drucke  sind  ohne  Ort  and 
Jahr,  kl.  fol.  Sie  bieten  alle  denselben  Text  nnd  dieselben  Holzschnitte,  doch 
weicht  nr.  2  von  den  beiden  andern  in  Bezog  auf  die  Reihenfolge  der  Fignren  ab. 

Figuren  (nach  n.  1.  3):  Holzschnitt  mit  6  Gerippen,  die  ein  siebentes 
im  Grabe  liegendes  nmtanzen;  seitwärts  sieht  man  ein  Beinhaas.  Holzschnitt 
mit  vier  in  einem  Zelte  mnsicirenden  and  drei  vor  ihnen  tanzenden  Gerippen. 
Dann  folgen  die  Holzschnitte  mit  einzelnen  Tanzpaaren,  zuerst  mit  geistlichen, 
dann  weltlichen  Personen :  Papst,  Cardinal,  Bischof,  Abt,  Doctor,  Offtcial,  Domherr, 
Pfarrer,  Capellan,  Guter  Mönch,  Böser  Mönch,  geistlicher  Bruder,  Nonne,  Arzt, 
Kaiser,  König,  Herzog,  Graf,  Bitter,  Janker,  WappentrSlger,  Bürgermeister,  Bats- 
herr,  Bürger,  Fürsprech,  Schreiber,  Wucherer,  Bäuber,  Spieler,  Dieb,  Handwerker, 
Wirt  Yon  Bingen,  Jüngling,  Kind,  Bürgerin,  Jungfrau,  Kaufmann,  Leute  Ton 
allen  Ständen.  Kirchhof  mit  Beinhaas,  einem  aus  dem  Grab  steigenden  und  vier 
anderen  Gerippen. 

Abbildungen  der  Holzschnitte  findet  man  bei  Kastner  Planche  VI  ff. 
nr.  38 — 78.  Die  Beihenfolge  ist  die  von  Druck  nr.  2.  —  Ein  Facsimile  eines 
Blattes  aus  Druck  no.  1  (Bürgermeister  und  Spieler)  bei  Weigel  u.  Zestermann, 
Anfänge  der  Buchdruckerkunst,  Bd.  2,  S.  167  ff. 


Englische  Totentänze. 

Bildwerke. 

Croydon  (bei  London).  Im  erzbischöflichen  Palast  waren  im 
Anfange  dieses  Jahrhundert  noch  undeutliche  Reste  eines  Wandgemäldes 
des  Totentanzes  vorhanden.     Vgl.  Douce  S.  54. 

London  L  An  der  Kirchhofswand  des  alten  1549  abgebrochenen 
St.  Paulsklosters.  Die  dazu  gehörenden  Verse  waren  von  dem  Mönche 
John  Lydgate  der  Danse  macabre  von  1425  nachgedichtet  (s.  S.  22), 
das  Gemälde  muss  demnach  zwischen  1425  und  etwa  1440  hergestellt  sein. 

Eine  Copie  ist  nicht  erhalten,  wohl  aher  Lydgates  Text,  aus  dem  sich  die 
Beihenfolge  der  Personen  ersehen  lässt  (s.  unten).    Vgl.  Douce  S.  51  ff. 


55 

London  II.  'In  the  tower  of  London  was  some  tapestry  witli 
tlie  Macaber  Dance'  Douce  S,  54.  Wai-ton,  History  of  engl.  Poetry  2,  43. 

Salisbnry.  An  den  Wänden  der  Hiingerford-Kapelle  in  der  Cathe- 
drale  war  ehemals  eine  Gruppe,  welche  einen  um  1460  gemalten 
Jüngling  in  Lebensgrösse  neben  einem  Tode  dargestellte  und  anscheinend 
der  Rest  eines  alten  Totentanzes  war. 

Vgl.  Doace  S.  52.  —  'One  of  these  paintings,  displaying  fignres  of  a  Beau 
and  Death  was  engraved  by  Thomas  Langley,  from  a  drawing  by  J.  Lyons  1748.* 
(J.  Britton,  Cathedral  antiquities  Vol.  5  (1836)  S.  113.)  Eine  Abbildung  soll 
in  Gough's  Sepulchral  Monuments  in  Great-Britain  T.  II  aufgenommen  sein. 

Stratford  (am  Avon). 

'From  a  manuscript  note  by  John  Stowe,  in  his  copy  of  Leland's  Itinerary. 
(Vol.  IV  part  1  p.  69),  it  appears  that  there  was  a  Dance  of  Death  in  the  church 
of  Stratford:  and  the  coi^ecture  that  Shakespeare,  in  a  passage  in  Measure  for 
Measure  (Act  III  sc.  1),  might  have  remembered  it,  will  not,  perhaps,  be  deemed 
rery  extravagant  He  there  alludes  to  Death  and  the  fool,  a  subject  always 
introdnced  into  the  paintings  in  question.*    Douce  S.  53. 

Whitehall.  Im  Schlosse.  Gemalt  auf  Befehl  Heinrichs  VIII 
(also  zwischen  1509 — 1547),  1697  verbrannt.    Vgl.  Langlois  1  S.  217. 

Wortley  Hall  (Gloucestershire).  'There  was  inscribed,  and  most 
likely  painted,  "an  history  and  daunce  of  deathe  of  all  estatts  and 
degrees".  This  inscribed  history  was  the  same  as  Lydgate's,  with 
some  additional  characters.'     Douce  S.  53. 

Texte. 

Lydgate's  Daunce  of  Machabree.  Eine  bald  nach  1425  vei-fasste 
Bearbeitung  der  Pariser  Danse  macabre,  welche  dem  Totentanze  des 
St.  Pauls-Kloster  in  London  beigefügt  war. 

Der  Verfasser  ist  der  bekannte  englische  Dichter  John  Lydgate.  Wie  er 
in  seinem  Prologe  (s.  oben  S.  22)  mitteilt,  hat  er  das  Original  in  Paris  selbst 
gesehen.  Die  Beimfolge  des  Originals  hat  er  zwar  übernommen,  im  übrigen 
dasselbe  aber  ziemlich  frei  behandelt  und  durch  Zusätze  erweitert.  Er  selbst 
sagt  darüber  zu  Schluss: 

Dut  of  the  French  I  drough  it  of  intent 
Not  Word  by  word,  but  following  in  substance 
And  from  Paris  to  England  it  sent, 
Only  of  purpose  you  to  do  pleasance. 

Zu  Worte  kommen  bei  ihm  ausser  dem  Tode:  Papst,  Kaiser,  Kardinal,  König, 
Patriarch,  Constabel,  Erzbischof,  Baron,  *Princessin,  Bischof,  Squire,  Abt,  Aebtissin, 
Bayly,  Astronom,  Bürger,  Comon  Secular,  Kaufmann,  Kartäuser,  Sergeant,  Mönch, 
Wechsler  und  armer  Mann,  Arzt,  Liebhaber,  *Edelfrau,  Jurist,  *John  Bikil 
Tregetour,  Pfarrer,  *Jourrour,  Minstral,  Arbeiter,  Minorit,  Kind,  Junger  Klerk, 
Eremit,  King  eaten  of  Worms,  The  Doctour.  (Den  der  franz.  Vorlage  nicht  ent- 
nommenen Personen  ist  ein  *  beigefügt.) 

Gedruckt  in  ^Wiil.  Dougdale's  Mouasticum  Anglicauum*  (Bd.  3  der  alten 
Ausgaben),  femer  als  Anhang  von  'The  Dance  of  death  painted  by  H.  Holbein 
and  engraved  by  W.  HoUar  (1796.  1804;  mit  Vorwort  von  Fr.  Douce)'.  Das 
den  Abdrücken  beigefügte  Bild,  eine  Composition  des  16.  Jahrb.,  darf  nicht  für 
den  St  Paols-Tanz  gehalten  werden. 

Salisbnry  Text.    Vgl.  bei  dem  Bilde  in  Salisbury  und  S.   37   f. 


56 


Französische  Totentänze. 

Bildwerke. 

Amiens.  Gemälde  in  einem  Kreuzgange  der  Kathedrale,  der 
früher  Cloitre-du-Macabre  hiess.     Zerstört  1817. 

Vgl.  Langlois  1  S.  220  f.,  wo  Verse,  die  an  der  Eircfaenmauer  zu  lesen 
waren,  mitgeteilt  werden.  Dieselben  können  die  Einleitung  des  Textes  gebildet 
haben.     Mit  der  Danse  macabre  yon  1425  verraten  sie  keine  Verwandtschaft. 

Angers.  Im  Musee  d'  Antiquites  befindet  sich  ein  Basrelief  in 
Nussholz  aus  dem  16.  Jahrh.,  83  cm  hoch  und  166  cm  lang,  mit 
30  Personen. 

Langlois  IS.  217:  On  remarque  un  pape,  nn  cardinal,  deux  eveques,  des 
moines,  des  chevaHers,  deux  femmes,  dont  Tune  porte  une  couronne,  et  Tantre 
un  chaperon,  etc.  Six  des  personnages  sont  en  train  de  danser,  et  ne  sont  nolie- 
xnent  en  garde  contre  la  mort,  tandisque  les  autres  tiennent  des  arcs  band^s 
contre  celle-ci,  qui  est  k  leur  centre  et  qui,  tenant  une  pelle  de  la  maine  gaucbe, 
d^coche  de  la  droite  un  jayelot  k  ceux  qui  Tentourent. 

Bar  (Dep.  Alpes-maritimes). 

Als  'La  danse  macabre  du  Bar^  ist  von  A.  L.  Sardou  in  den  'Annales  de 
la  soci6t6  des  lettres  etc.  des  Alpes-maritimes  T.  VIII  (1882)  S.  177—189'  und 
in  einem  1883  erschienenen  Sonderabdrucke  ein  KirchenbUd  beschrieben  und 
abgebildet  worden.  Dasselbe  ist  1,68  m  hoch,  1,27  m  breit  und  frühestens  zu 
Ende  des  15.  Jahrh.  in  Oel  auf  Holz  gemalt  worden.  Auf  einer  Wiese  sieht 
man  neben  einem  Spielmann  mit  Pfeife  und  Trommel  fünf  junge  Männer  und 
ebensoviele  Frauen  einen  Kreis  bilden  und  den  Beigen  treten,  allen  hüpfen  auf 
dem  Haupte  ganz  kleine  Teufelchen,  die  darauf  warten  die  Seele  in  Empfang  zu 
nehmen,  wenn  sie  mit  dem  letzten  Atemzuge  aus  dem  Munde  entflieht.  Ausserhalb 
des  Kreises  der  Reigenden  steht  der  Tod  mit  Bogen  und  Pfeilen.  Ein  Tänzer 
und  eine  Tänzerin,  eben  getroffen,  sind  im  Begriff  hinzustürzen.  Ein  Toter  lieget 
bereits  auf  dem  Erdboden;  seine  Seele,  die  als  kleines  aus  dem  Munde  auf- 
steigendes Kindchen  dargestellt  ist,  ergreift  ein  Teufel.  Einen  anderen  Teufel 
sieht  man  eine  Seele  in  den  Hölleurachen  werfen.  Femer  sieht  man  einen  Engel 
mit  einer  Wage,  deren  eine  Schale  ein  Buch,  die  andere  eine  Seele  trägt.  Eine 
Inschrift  auf  dem  Bilde  bietet  33  provenzalische  Verse. 

Wie  man  aus  der  Beschreibung  des  Bildes  erkennen  wird,  bietet  dasselbe 
durchaus  nicht  einen  Typus  der  Danse  macabre,  sondern  eine  Art  Triumph  des  Todes. 
Möglich,  wenn  auch  unerweisbar,  ist  freilich,  dass  der  Maler  und  Dichter  eine 
Danse  macabre  gekannt  und  von  ihr  Anregungen  empfangen  liaben.  In  diesem 
Falle  würde  es  kein,  wenngleich  leicht  erklärlicher,  Zufall  sein,  dass  das  bei- 
gefügte Gedicht  in  den  ausgesprochenen  Gedanken  an  den  Anfang  der  Danse 
macabre  erinnert,  und  man  würde  in  den  Worten  (y.  21  f.) 

la  ten'ibla  datisa 
Laqual  s'appdla  ben  pcrpetu-al  C7'eviansa 
'der   schreckliche   Tanz,    welcher    ewiges  Brennen   (in    der   Hölle)    hcisst'    eine 
Keminiscenz  an  die  oben  S.  27  angezogene  Stelle  aus  der  Dause  macabre 

La  dance  mambrc  s^appelle 
finden  können. 

Der  Text  des  beigefügten  Gedichtes  besteht  aus  33  provencalisuhen  Versen. 
Sie  werden  von  Sardou  mitgeteilt,  der  zugleich  bemerkt,  dass  sie  vorher  bereits 
in  der  'Kevue  des  langues  romanes'  (15.  Oct.  1878)  und,  von  einer  mangelhaften 


57 

Zeichnang  des  Bildes  begleitet,  im  Bulletin  des  coxnit6s  historiques  (Fevr.  1851) 
u.  ö.  abgedruckt  sind. 

Blois.  Unter  den  Arkaden  des  Schlossliofes  befand  sich  früher 
eine  auf  Befehl  des  Königs  Louis  XII  i.  J.  1502  gemalte  Danse  macabre. 

Langlois  I  S.  207.  Erhalten  ist  eine  für  den  Schauspieler  Talma  angefertigte 
Copie  der  menschlichen  Figuren. 

La  ('haise-Dien  (Auvergne).  Wandgemälde  des  15.  Jalirh.  in  der 
Al)teikirche,  2()  m  hing,  die  Figuren  sind  c.  71  cm  hoch.  Ein  fast 
vollständig  erhaltener  Gesammtreigen.  Der  einzige^,  aber  textlose 
Totentanz  Südfrankreiehs. 

Figuren:  Sündenfall,  Prediger  auf  der  Kanzel,  Mönch.  Hierauf  der 
Beigen  des  Todes  mit  Papst,  Kaiser,  Cardinal,  König,  Patriarch,  Herzog,  Bischof, 
Edelmann,  Chorherr,  Junker,  dann  Lücke  für  ein  Tanzpaar,  Kleriker,  Bürger, 
Kanonissin,  Kaufmann,  Nonne,  Sergeant,  Frau,  Mann,  Knappe,  Liebhaber,  Advocat, 
Spielmann,  Wucherer,  Arbeiter,  Mönch,  Kind,  Clerk,  Eremit,  Gruppe  von  3  Per- 
sonen (Allerlei  Stande  ?),  Prediger  mit  einem  Blatte  in  der  Hand.  (Einige  Figuren 
sind  von  mir  vielleicht  falsch  gedeutet.) 

Abbildung  etc.  A.  Jubinal,  La  danse  des  morts  de  la  Chaise -Dien. 
Paris  1841.  4.  —  Unvollständig  und  minder  gut:  Ad.  Michel,  L'ancienne  Au- 
veigne  et  le  Valay.  Atlas.  Moulins  1847.  Fol.  Planche  119 — 21  (bzw. 
96—98).  —  Damach  bei  Langlois  T.  II  PI.  XVII. 

Cherboarg.  In  einem  Seitenschiffe  der  gotischen  Kirche  befanden 
sich  einzelne  zu  Ende  des  15.  Jahrh.  hergestellte  und  1793  zerstörte 
Basreliefs,  von  denen  nur  ein  Scelett  mit  einer  Trommel  erhalten  ist. 
In  den  einzelnen  Gruppen  fanden  sich  alle  Stände  vom  Papst  und 
König  bis  zum  Bettler  in  Figuren,  die  70  cm  hoch  waren.  Vgl. 
Langlois  I  S.  205  f. 

Clermont,  (üep.  Mayenne). 

^A  r^glise  de  Clermont,  pr^s  Laval,  on  yoit  uue  v6ritable  danse  macabre, 
tres-remarquable  par  la  conversation  et  par  Tex^cution  de  la  pointure'.  Bulletin 
monumental  19  (1853)  S.  592. 

Dijon  I.  Nach  einer  archivalisclien  Notiz  hat  ein  gewisser 
Masoncelle  für  das  Kloster  Sainte-Chai>elle  1436  einen  Totentanz  gemalt. 
Vgl.  Peignot  S.  XXXVII. 

Dijon  II.  Die  Kirche  Notre-Üame  besass  einen  Teppich  von  grosser 
Länge  und  zwei  Fuss  Breite,  auf  Avelchem  ein  vollständiger  Totentanz 
gestickt  war.     Vgl.  Peignot  S.  XXXVII. 

Dole  (Franche-Comte).     Langlois  I  S  219. 

Erbalten  sind  nur  folgende  Verse.  Tod  zum  Jttngliug :  Ah,  galatid,  galand, 
Qne  tu  CS  fHngand!  S'il  te  faui-il  meiirrc.  Anivfort:  Ei  yn&rt  airogan,  Prcn 
toiit  nw7i  argean    Et  ine  laLsse  quewre. 

Josselin  (Dep.  Morbihan).     In  der  Kirche  Notre-Üame. 

Tresque  repr^sentant  une  danse  macabre  qui  existe  dans  une  chapelle  au 
fond  de  cette  ^glise.'     Bulletin  monuni.  9  (1843)  S.  6. 

Kermaria  (Bretagne).  Wandgemälde  des  15.  Jahrh.  in  der  Kirche 
Notre-Dame,  auf  beiden  Seiten  des  Kirchenschiffes  über  den  Arkaden. 

Die  Figuren  bilden  einen  Gesammtreigeu,  jede  steht  in  eiuer  besonderen 
gemalten  Arkade.  Es  sind  ausser  dem  Tode  Papst,  Kaiser,  Cardinal,  König, 
Patriarch,  Connetabel,  Erzbischof,  Kitter,  Bischof,  (dann  jetzt  Lücke  für  5  Paare,) 


58 

Kartäuser,  Sergeant,  Mönch,  Fräulein  (an  Stelle  des  hierher  gehörenden  fehlenden 
Todes),  Wacherer  mit  dem  Armen,  Liebhaber,  Spielmann,  Arbeiter,  Franciscaner, 
Kind.  Es  sind  also  die  Fignren  der  Pariser  Danse  macabre  ohne  Kanoniker, 
Kaufmann,  Arzt,  Advocat,  Pfarrer,  Clerc,  Eremit,  Prediger  und  totem  KOnige. 
Daneben  eine  Darstellung  der  drei  toten  und  lebenden  Könige. 

Der  Text,  von  dem  nur  einige  Strophen  lesbar  sind,  stimmt  mit  der 
Pariser  Danse  macabre  vollständig  überein. 

Abbildung  etc.:  Soleil,  Les  heures  gothiques.    Ronen  1882.   S.  281 — 87. 

Landivisian   (Dep.  Finistere).     An  einem  Beinhause.     17.  Jahrb. 
Vgl.  Bulletin  monumental  16  (1850)  S.  467. 

Paris.  Die  berühmte  Danse  macabre,  ein  Wandgemälde  am 
Beinhause  auf  dem  Kirchhofe  des  Minoritenkloster  Aux  Saints  Innocents. 
Gemalt  1425,  zerstört  vor  1532.     (Vgl.  S.  22  ff.) 

Copie  des  Textes  und  wahrscheinlich  auch  des  Gemäldes  bietet  die  1485 
erschienene  editio  princeps  der  Danse  macabre  (siehe  bei  den  Texten).  Der 
Reigen  des  Todes  fand  darnach  unter  16  Arkaden  statt,  in  jeder  waren  zwei 
Tanzpaare  mit  je  einem  geistlichen  und  einem  weltlichen  Stande  (Papst  nnd 
Kaiser,  Kardinal  und  König,  etc.). 

Die  Oertlichkeit  und  äussere  Geschichte  dieses  Totentanzes 
behandelt  besonders  V.  Dufour,  La  dance  macabre  des  SS.  Innocents  de  Paris. 
Paris  1874.  —  Ders.,  Recherches  sur  la  dance  macabre.  Paris  1873.  (Nicht 
benutzt;  der  Verf.  will  nachweisen,  dass  ein  gewisser  Jehan  d'Orleans  der  Maler 
war.)  —  Paris  h  travers  les  äges.  Paris  1875—82.  Fol.  Tom.  1  S.  19  ff. 
(Geschichte  des  Kirchhofs  und  der  Danse  macabre). 

Ploaedem  (Bretagne).     An  einem  Beinhause.     17.  Jahrh. 
Vgl.  Bulletin  monumental  16  (1850)  S.  457. 

La  Roche-Manrice  (Dep.  Finistere). 

'L'ossuaire  est  de  Tan  1689  .  .  .  Dans  cette  ornementation,  on  remarque 
particuli^rement  une  danse  macabre,  repr^sentation  des  diff&rentes  conditions  de 
la  destin^e  humaine,  sous  la  forme  de  divers  personnages,  comme  par  exemple, 
le  pape,  le  roi,  le  Chevalier,  le  moine,  le  laboureur,  etc.,  et  ä  cöt6  d^eux  est  la 
mort  arm6e  d^un  dard,  avec  cette  devise:  „Je  vous  tue  tous.'^  Bull,  monum.  16 
(1850)  S.  456  f. 

Ronen.  Sculpturen  aus  d.  J.  1526 — 29.  An  den  31  Säulen  des 
Kreuzganges,  welche  den  Kirchhof  des  Klosters  St.  Maclou  einschliessen, 
befindet  sich  je  eine  Gruppe  unter  den  Capitälen. 

Abbildungen  etc.  bei  Langlois  1  S.  31  ff.  Erkennbar  sind  noch  der 
Sündenfall,  Kaiser,  König,  Conuetabel,  Herzog,  Papst,  Cardinal  (oder  Legat), 
Bischof,  Benedictinerabt,  Kartäuser  n.  a.  An  den  Säulen  der  einen  Seite  sind 
Sibyllen  nnd  allegorische  Darstellungen  der  Tugenden. 

Sainte-Marie-anx-Anglais  (^»lormandie,  bei  Lisieux).  Wandgemälde 
in  der  Kirche. 

'Sous  le  badigeon  qui  s'6caille,  on  voit  paraitre  une  de  ces  Danses  Macabres 
si  c^lebres  et  si  rares  en  France.^  Zeitungsnotiz  v.  J.  1844,  mitgeteilt  bei 
Kastner  S.  107. 

Si-Onen-des-Vallons  (Dep.  Mayenne). 

'En  d^molissant  notre  vieille  6glise  de  St-Ouen-des-Vallons,  nous  avons 
retrouv^  sous  un  badigeon  qui  les  recouvrait,  de  vieilles  peintures  murales  tr6s- 
curieuses.  Elle  repr^sentaient  une  sorte  de  danse  macabre.*  BolL  monum.  19 
(1853)  S.  591  f. 


59 

Somme-Py   (Dep.  Marne).     15.  Jahrb.     An  einem  Kirchenpfeilcr. 

'Les  piliers  sont  compos^s  de  9  colonnes  r^unies  en  faiscean  et  couronn^s 
d'im  large  chapitean  .  .  .  Le  plus  curienx  en  est  an  qni  repr^sente  une  danse 
macabre  d'nn  dessin  assez  8oign6  et  compos6  d'une  vingtaine  de  personnages; 
malhenreusement  la  bantenr  ä  laqnelle  il  est  plac6  empeche  qn'on  le  puisse 
fadlement  studier.'     Bulletin  monumental  17  (1851)  S.  408. 

Texte. 

Wie  S.  10  ff.  nachgewiesen  ist,  hat  es  bereits  im  14.  Jahrb. 
einen  französischen  Totentanztext  gegeben.  Dieser  Totentanz  liegt  nur 
noch  in  mittelniederdeutscher  und  spanischer  Umarbeitung  vor.  Erhalten 
ist  nur  der  französische  Text,  weicher  ursprünglich  zu  dem  1425 
gemalten  Totentanze  des  Klosters  Aux  Innocents  zu  Paris  gehört  hat. 
Es  sind  zwei  Fassungen  zu  unterscheiden  (vgl.  oben  S.  21). 

La  danse  macabre  in  kfirzerer  Fassung.  Einige  Strophen  haben 
sich  auf  dem  Gemälde  in  Kermaria  erhalten.  Ausserdem  bieten  ihn 
auf  ihren  philologischen  Wert  noch  nicht  untersuchte  Handschriften 
und  ein  alter  Druck  v.  J.  1485. 

Handschriften:  Paris  Bibiloth^que  nation.  Fonds  lat.  14  904;  ebd. 
Fonds  firan(;.  25550;  Lille,  Bibl.  publ.  —  Druck:  La  danse  macabre,  Paris, 
Qny  Marchant,  28.  Sept.  1485.  Fol.  (Ein  einziges  Exemplar,  in  Grenoble. 
Genaue  Beschreibung  von  Champol lion  Figeac  in  Millin's  Magazin  encyclop6dique 
1811  Decembre,  S.  355—369;  Peiguot  S.  95;  Massmann  S.  91.) 

Neudruck  mit  getreuer  Nachbildung  der  Holzschnitte  bei  Le  Boux  de 
Lincy  et  Tisserand,  Paris  et  ses  historiens  etc.  (1867)  S.  293  ff.  (leider  sind 
die  Strophen  der  erweiterten  Fassung  v.  J.  1486  ohne  Scheidung  beigefügt)  und 
bei  Dttfour,  La  dance  macabre  S.  120  ff. 

La  danse  macabre  in  erweiterter  Fassung.  Dieselbe  ist  148G 
zuerst  gedruckt  und,  mit  andern  Dichtungen  vereinigt,  als  Volksbuch 
in  sehr  vielen  Drucken  wiederholt  worden. . 

Personen  etc.  (Die  eingeklammerten  Figuren  finden  sich  nur  in  dieser, 
nicht  aber  in  der  kürzeren  Fassung.)  Acteur,  (1 — 4.  roort),  pape,  empereur, 
cardinal,  roy,  (l^gat,  duc),  patriarche,  conn6stable,  archevesque,  Chevalier,  ev^sque, 
escuier,  abb6,  bailly,  astrologien,  bourgois,  chanoine,  marchant,  (maistre  d^escole, 
bomme  d'armes),  chartreux,  sergent,  moine,  usurier  &  povre  homme,  m^decin, 
amourenx,  advocat,  m^nestrei,  cur6,  laboureur,  (promoteur,  g6olier,  p61erin,  bergier), 
cordelier,  enfant,  clerc,  hermite  mit  2  toden,  (hallebardier,  sot),  roy  mort,  acteur. 

Drucke.  Editio  princeps:  Miroer  salutaire  pour  toutes  gens.  Paris, 
Guyot  Marchant,  7  juin  1486.  —  Diese  und  24  andere  in  Paris,  Lyon,  Troyes, 
Bouen  und  o.  0.  1486 — 1729  erschienene  sind  von  Massmann  S.  92 — 109  aus- 
führlich beschrieben,  desgl.  von  Langlois  1,  S.  331  ff.  —  Die  Drucke  des 
18.  Jahrb.  ans  Troyes  bieten  den  Text  verstümmelt,  willkürlich  geändert  und  in 
modemislrter  Sprache. 

Neudrucke:  La  grande  danse  macabre  des  hommes  et  des  femmes 
pr6c^6e  du  dict  des  trois  mors  et  des  trois  vifz  du  debat  du  corps  et  de  Tame, 
et  de  la  complaincte  de  Tame  dampn6e.  Parin,  Baillien  o.  J.  (c.  1860).  4<'.  (Der 
Text  wiederholt  die  editio  princ.  v.  1486 ;  die  Holzschnitte  sind  die  einer  späten 
Ausgabe  aus  Troyes.)  —  Collection  de  poesies,  roraans,  chroniques  etc.  publik 
d*apr^s  d'anclens  mss  et  d'apr^s  des  Mitions  des  XV.  et  XVI.  siöcles.  Livr.  24. 
Paris,  chez  L.  Potier  (1858).  (Wiederholt  La  grant  danse  macabre  etc.  imprime 
a  Paris  XVn.  C.) 


60 

lleures.  Seit  der  zweiten  Hälfte  des  15.  JahrL  finden  sich  in  zahlreichen 
französischen  u.  a.  unter  dem  Titel  Henres,  Horae»  Hoors  etc.  erschienenen 
Gebetbüchern  als  Randverzierungen  Grnppen  der  Danse  macabre  und  dazu 
gehörige  Verse. 

Bibliographische  Beschreibungen  und  Verzeichnisse  geben  Brunet,  Nouvelles 
recherches  bibliographiques  T.  3;  Ders.,  Manuel  du  libraire  5  fed.  T.  6,  Sp.  1553  fF. 
Massmann,   Litter.,   S.    110   ff.;   F.  Solei),  Les   heures  gothiques.     Ronen  1882. 

Eine  'Danse  macabre,  in^dite,  manuscrit  d'  Anne  de  Bretagne'  wird  von 
A.  du  Sommerard,  Les  arts  au  Moyen-Age  T.  1  (1838)  S.  XIV  (Division,  chap.  8) 
erwähnt.     Vermutlich  ist  ein  Gebetbuch  gemeint. 

Alte  Uebersetzungeu  der  Dause  macabre  giebt  es  in  mittelniederdeutscher, 
englischer  (von  Lydgate),  italienischer  (Ballo  del  morte),  lateinischer  (von  Desrey) 
und  spanischer  Sprache  (von  Carbonell). 

Nachahmung:  La  grande  dance  macabre  des  femmes  que  composa 
maistre  Marcial  de  Paris,  dit  d'  Auvergne,  procureur  au  parlemeut  de  Paris. 
Publi6  par  P.  L.  Miot-Frochot.     Paris  1869. 


Italienische  Totentänze. 

Bildwerke. 

(Insone  (Prov.  Bergamo).  Aus  dem  15.  Jahrh.  Am  Giebel  der 
Kirche  de'  disciplini  ist  al  fresco  der  Triumph  des  Todes  und  dai'unter 
ein  Totenreigen  dargestellt. 

Abbildung  etc.:  0.  Vailardi,  Trionfo  e  danza  della  morte  a  Clusone. 
Milano  1859.  4.  —  Nur  weltliche  Personen  nehmen  am  Reigen  teil,  jede  trägt 
eine  Summe  Geldes  in  den  Händen:  Edelfrau,  Flagellant,  Bettier,  Alchimist  (?), 
Arkebusier,  Kaufmann,  Jüngling,  Magister,  Arzt  (?),  Richter  (?),  Edelmann.  — 
Eine  kurze  Inschrift  lässt  den  Tod  sagen,  er  halte  über  Alle  gleiches  Gericht, 
er  wolle  sie  selbst,  nicht  ihr  *Geld. 

Como.  Frescogemäldc  an  der  Aussenseitc  der  Kirche  des  h. 
Lazarus.  Aus  dem  15.  oder  IG.  Jahrh.  Die  Figuren  in  Lebensgrösse 
bilden  einen  Reigen. 

Abbildung:  C.  Zardetti,  Danza  della  morte  depinta  a  fresco  sulla 
facciata  della  chiesa  di  San  Lazzaro  fuori  di  Gomo.  Milano  1845.  Erkennbar 
sind  die  Reste  von  8  aufeinanderfolgenden  Paaren;  im  4. — 6.  tanzen  weibliche, 
in  den  übrigen  männliche  Personen. 

Ferrara  I.     Fresco  im  Palazzo  della  Ragione. 

'La  Stauza  della  Gonforteria  6  tutta  ne'  muri  dipinta  con  una  bizarra  in- 
venzione  del  Ballo  della  Morte,  con  yarj  Scheletri,  che  menano  al  Ballo  diverse 
condizioni  di  Persone  con  alcuni  Versi  air  antica  scritti  al  di  sotto;  lavoro  di 
Bernardino  de'  Flori  V  anno  1520.* 

Barotti,  Pitture  e  scolture  di  Ferrara  (1770)  S.  192.  Vgl.  Cittadella, 
Notizie  relative  a  Ferrara  1864,  S.  334  not.  1. 

Ferrara  IF.     Fresco  in  der  Kirche  S.  Benedetto.     c.  1500. 

'^A  di  6  de  Octobre  1499  Lodovigo  da  Modena  (depintore)  de  havere  a 
hon  conto  livre  17  de  m.  et  queste  sono  per  havere  depinto  lo  iTalo  de  la  morte 
in  la  sagrestia,  daccordo"  etc.  Gitadella,  Documenti  risg.  la  storia  artistica  ferra- 
rese.     1868.     S.  84;  Revue  critique  13,  S.  37. 


Sl 

Text. 

El  ballo  della  morte.  Handschrift  des  15.  oder  16.  Jalirli.  in 
dor  Riccardiana  in  Florenz.  Uebersetzung  und  Nachbildung  der  kürzeren 
Fassung  der  französischen  Danse  macabre,  die  von  dem  Verfasser  um 
einige  ungeschickt  eingereihte  Personen  aus  eigener  Erfindung  (Pauper, 
Aniorosa,  Senator,  Praepositus,  Scolare  u.  a.)  vermelirt  ist. 

Abgedruckt  bei  Pietro  Viego,  Le  danze  macabre  in  Italia.  Stndi.  Livorno  1878. 


Lateinische  Totentänze. 

Lateinische  Totentanztexte  liegen  in  Drucken  und  Handschriften 
vor,  sie  sind  sämmtlich  Uehersetzungen  erhaltener  Originale,  also  ohne 
selbständigen  Wert. 

1.  Eine  Uebersetzung  des  deutschen  vicrzeiligen  Totentanzes  ist 
zusammen  mit  diesem  in  dem  Heidelberger  Cod.  pal.  314  enthalten, 
der  in  den  J.  1443 — 47  geschrieben  ist. 

Anfang:  0  tos  viventes  Imius  mundi  sapientes  Cordibns  opponite  duo  verba 
Christi  venite  Nee  nunc  et  ite  per  primnm  janua  vitae  etc.  Vgl.  Massmann, 
Ha.sler  Totentänze  S.  123. 

2.  Die  jüngere  erweiterte  Fassung  der  französischen  Dance 
macabre  ist  von  Pierre  Desrey  aus  Troyes,  der  sonst  als  Verfasser 
mehrerer  1492 — 1514  erschienener  chronikalischer  Compilationen 
bekannt  ist,  in  lateinischen  Versen  übersetzt.  Seine  Bearbeitung  ist 
1490  im  Dnick  erschienen  und  1499  wiederholt. 

Erster  Druck  (v.  J.  1490):  Chorea  ab  eximio  Macabro  versibus  alenia- 
nici.s  edita  et  a  petro  desrey  trecacio  quodam  oratore  nnper  emendata.  Parisiis 
per  magistmm  guidonem  Mercatorem  pro  Quidonem  Mercatorem  pro  OodeiTrido 
de  Mamef.  Fol.  —  2.  Druck  v.  J.  1499.  —  Neu  abgedruckt  im  Speculnni 
omninm  statnnm  etc.  Anetore  Boderico  Episcopo  Zamorensi  etc.  editum  ex 
bibliotheca  Melchioris  Goldasti.  Hanoviae  1613.  4^  S.  231 — 277.  —  Monnmeuts 
de  la  Xylographie  VII.  Danse  macabre  reprodaite  en  fac-8imil6  .  .  .  par  Adam 
Pilinski.     Paris  1883.     Fol. 

Der  im  Titel  enthaltene  Hinweis  anf  einen  deutschen  Verfasser  des  Originals 
Namens  Macabms  kann  nur  einer  blossen  Vermutung  des  Uebersetzers  seine  Ent- 
stehung verdanken. 

3.  Eine  von  Caspar  Laudismann  verfasste  Uebersetzung  des 
Gross-Baseler  Textes  aus  dem  16.  Jahrh. 

Sie  ündet  sich  in  C.  Landismanni  Decennalia  mnndanae  peregrinationis 
1584  (s.  Fabricins  Bibl.  med.  et  inf.  latinitatis  5,  3)  und  in  H.  Fröiichs  Zwen 
Todtentänz.     Vgl.  Hassmann,  Litteratur  S.  30. 


Niederländischer  Totentanz. 

Während  alle  übrigen  Länder  des  Abendlandes  Totentänze  auf- 
weisen,  findet   sich  in   den  Niederlanden   auffälligerweise   keine  Sjnir 


6^ 

eines  solchen  aus  mittelalterlicher  Zeit  ^).  Denn  der  Titel  eines  kleinen 
Schriftchens,  'De  nederlandsche  Doodendans  door  J.  C.  Schultz  Jacobi. 
Utrecht  1849.  8°\  das  wie  ein  Hinweis  auf  einen  alten  Totentanz 
mitunter  citirt  wird,  ist  insofern  irreführend,  als  in  diesem  Schriftchen 
nicht  von  einem  Litteratur-  oder  Kunstdenkmal  gehandelt  wird,  sondern 
von  einem  bei  den  Kindern  in  Holland  und  Nordfrankreich  beliebten 
Kartenspiel,  in  welchem  der  Verfasser  eine  Erinnerung  an  die  alten 
Totentänze  wiederfindet.  Dieses  Spiel  wird  nämlich  mit  Karten  gespielt, 
von  denen  eine  den  Tod,  eine  andere  das  Leben  darstellt,  auf  den 
übrigen  erscheinen  Kaiser,  König,  Bischof,  Prinz,  Fürst,  Graf,  Junker, 
Jäger,  Kapitain,  Fähnrich,  Soldat,  Kaufmann,  Bote,  Schiffer,  Hand- 
werker, Bauer,  Knecht  imd  ausserdem  noch  die  Frauen  von  allen 
diesen.*)  Jacobi,  der  sehr  verschiedene  Diiickabzüge  dieser  Karten 
gesammelt   hat,   teilt   als  Aufschrift   eines   Exemplars    derselben    die 

Verse  mit: 

Deez'  prente  strekke  a,  lieve  jeugdl 
Tot  tydverdrüf,  Termaak  en  vreugd; 
En  leere  u,  hoe,  van  keizer  af, 
Elks  deel  op't  laatsten  is  het  graf. 

Wenn,  wie  es  scheint,  diese  Karten  auf  alte  niederländische 
Totentanzbilder  zurückdeuten,  so  beweisen  sie  zugleich,  dass  jene 
Bilder  dereinst  grossen  Eindruck  auf  das  Volk  gemacht  haben.  Zu 
derselben  Annahme  nötigt  auch  die  Beobachtung,  dass  in  früheren 
Jahrhunderten  die  Vorstellung  eines  Totenreigen  volkstümlich  gewesen 
sein  muss.     So  beginnt  ein  Tanzlied  des  17.  Jahrb.') 

Voegd  u  aen  de  krans 
Van  ons  Dooden-dans 
Overleede  Mans 
Die  kreupel  gaen  etc. 

und  in  einem  älteren  Liede  niederländischen  Ursprungs  aus  dem  Ende 
des  15.  Jahrh.  heisst  es  vom  Tode*) 

We  myt  em  hen  mot  spryngen, 
He  nympt  en  bi  der  hant. 

Auf  eine  Darstellung  des  Todestanzes  in  Brügge  v.  J.  1449  ist 
S.  15  und  auf  den  niederländischen  Ursprung  eines  erhaltenen  nieder- 
deutschen Totentanztextes  S.  9  hingewiesen  worden. 


')  Vgl.  N.  C.  Kist,  Het  humoristische  karakter  der  christelvjke  kunst,  zigtbaar 
vooral  in  de  kerkelijke  architectuur  en  de  doodendansen  (Archief  voor  kerkelgke 
geschiedenis,  inzonderheid  van  Nederland.  Deel  15.  Leiden  1844.  S.  369  ff.)  S.  424  ff. 

')  Ob  das  in  Deutschland  von  den  Kindern  gespielte  Tod  und  Leben'  aus 
dem  holländischen  Kartenspiel  hervorgegangen  ist? 

*)  G.  Kalff,  Het  Lied  in  de  middeleeuwen.    Leiden  1883.    S.  527  f. 

*)  Veghe,  hrsg.  von  Jostes  (1883)  S.  392;  Hölscher,  Geistliche  Lieder  nr.  68. 


63 


Polnischer  Totentanz. 

Krakan.  Im  Bernhardinerkloster.  Ein  Oelgemälde  auf  Leinwand 
ans  dem  18.  Jahrh.  Im  Mittelbilde  sieht  man  neun  Frauen  verschie- 
denen Standes  und  ebensoviele  Skelette  um  einen  Sarg  einen  Ringel- 
reihen ausfuhren.  Umgeben  wird  das  Mittelbild  von  12  kleineren 
Bildern,  deren  jedes  ein  Tanzpaar  enthält,  nämlich  den  Tod  und  Papst, 
Kaiser,  König,  Kardinal,  Bischof,  Polenfiirst,  Graf,  Edelmann,  Kauf- 
mann, Bauer,  Soldat  nebst  Bettler,  Kind  nebst  Narr.  Beigefügt  ist 
jedem  Bilde  eine  Strophe  mit  vier  polnischen  Versen. 

Beschreibang:  'Mittheilangen  der  k.  k.  Central-Commission.  Jahrg.  14 
(1869)  S.  XYIII — XX.'  Die  hier  ausgesprochene  Ansicht,  dass  das  Gemälde  die 
Copie  eines  altem  Gemäldes,  etwa  des  15.  oder  16.  Jahrh.  sei,  ist  irrig.  Wie 
ich  an  einem  anderen  Orte  nachzuweisen  gedenke,  ist  zu  dem  Krakauer  Toten- 
tanze ein  Kupferstich  von  Joh.  Jac.  Ridinger  (gest.  1795)  benutzt. 


Spanische  Totentänze. 

Ein  monumentaler  Totentanz  ist  in  Spanien  bisher  noch  nicht 
nachgewiesen,   dagegen   sind   spanische  Totentanzdichtungen  erhalten. 

La  danza  general  de  la  mnerte,  deren  Entstehung  gewöhnlich 
um  das  Jahr  1360  gesetzt  wird,  ist  die  älteste  der  spanischen  Toten- 
tanzdichtnngen. 

Die  Bedeutung,  welche  gerade  dieser  Text  besitzt,  rechtfertigt  eine  aus- 
führlichere Inhaltsangabe.  Der  79  achtzeilige  Strophen  bietenden  Dichtung  geht 
in  der  Handschrift,  ein  kurzer  Prologo  en  la  iraslada^ion  in  Prosa  voran.  Von 
Belang  ist  in  dieser  Üeberschrift  das  Wort  traslada^on,  welches  darauf  hinweist, 
dass  das  Gedicht  aus  einer  andern  Sprache  übersetzt  ist.  Das  Qedicht  selbst 
beginnt  mit  vier  Strophen,  in  denen  der  Tod  seine  Macht  darlegt.  Die  erste 
lantet  (in  Kleines  XJebersetzung)  : 

Ich  bin  der  Tod,  der  allen  Creaturen 

Gewiss  ist,  die  in  dieser  Welt  hier  leben. 

Was  folgst  du  eifrig  eines  Daseyns  Spuren, 

Das  du,  0  Mensch,  so  schnell  dir  siehst  entschweben  ? 

Wenn^s  keine  Riesen,  stark  genug,  kann  geben. 

Zu  trotzen  meines  Bogens  straifem  Nerv, 

Trifft  dich  der  Pfeil  auch  tödtlich,  den  ich  werf,  — 

Hin  sinkst  du,  um  dich  nie  mehr  zu  erheben. 

Darauf  erscheint  ein  Prediger,  welcher  in  3  Strophen  unter  Berufung  auf 
die  heilige  Schrift  ausführt,  dass  alle  Geborenen  sterben  müssen,  und  zur  Voll- 
bringong  guter  Werke  mahnt.  *Thut  Busse,  bereuet  häufiger  euere  Sünden,  wie 
ihr  Vergebung  hoffiet  von  dem,  der  Macht  zu  vergeben  hat.  Säumet  nicht,  denn 
schon  beginnt  der  Tod  seinen  schauerlichen  Beigen,  dem  ihr  nicht  entrinnen 
könnt.  Oeffhet  die  Ohren  seinem  trauervoUen  Gesänge!^  Darnach  fordert  der 
Tod  die  Menschen  jeglichen  Standes  zum  Todestanze  (a  la  dan^  morial)  auf. 
Wem  es  nicht  beliebe,  den  werde  er  mit  Gewalt  holen.  Zuerst  ruft  er  zwei 
Jungfrauen  auf.     „Jetzt  fordere  ich  zu  diesem  meinem  Tanze  die  beiden  schönen 


64 

Jungfrauen  auf.  Sie  kamen  in  der  üblen  Absicht,  meine  Gesänge,  welche  so 
betrübend  sind,  anzuhören.''  Nicht  Blumen  noch  Schmuck  würden  ihnen  helfen, 
sie  seien  ihm  verlobt.  Dann  wendet  sich  der  Tod  au  den  heiligen  Vater.  Da 
derselbe  so  gewaltig  sei  und  seinesgleichen  nicht  in  der  ganzen  Welt  habe,  so 
solle  er  im  Reigen  den  Vortanz  haben.  Der  Papst  jammert,  dass  ihm  alle  seine 
Machtbefugnisse  und  Ehren  hier  nichts  nützen  und  ergiebt  sich,  Jesus  und  die 
Jungfrau  Maria  anrufend,  in  sein  Geschick.  Mit  dem  Papst  beginnt  das  Zwie- 
gespräch des  Todes  mit  den  Vertretern  der  geistlichen  und  weltlichen  Stände,  in 
welchem  der  Tod  und  der  von  ihm  zum  Tanze  Aufgeforderte  je  eine  Strophe 
sprechen.  Nach  einander  werden  nun  zum  Tanze  vom  Tode  aufgefordert:  Kaiser, 
Cardinal,  König,  Patriarch,  Herzog,  Erzbischof,  Condestable,  Bischof,  Ritter,  Abt, 
Knappe,  Dechant,  Kaufmann,  Archidiaconus,  Advocat,  Domherr,  Arzt,  Pfarrer, 
Bauer,  Mönch,  Wucherer,  Ordensritter  (el  frayre),  Pförtner  des  Königs,  Eremit, 
Cassirer,  Diaconus,  Steuereinnehmer  (Recabdador),  Subdiaconus,  Küster,  Rabbi 
Meldaredes,  der  maurische  Hohepriester  (el  alfaqui),  der  Almosensammler  (el 
santero).  Zum  Schluss  fordert  der  Tod  alle  diejenigen  auf,  welche  er  nicht 
besonders  genannt  hat  (lo  que  dise  la  muerte  a  los  que  nou  nombro).  —  Wenn 
auch  die  altspauische  Danza  general  de  la  muerte  eine  Üebersetzung  ist,  so  ist 
doch  nicht  zu  verkennen,  dass  ihr  Verfasser  das  französische  Original  nicht  allein 
in  sehr  freier  Umgestaltung  wiedergegeben,  sondern  dasselbe  auch  durch  eigene 
Zusätze  erweitert  hat.  Sicher  sind  eigene  Zusätze  diejenigen  Strophen,  welche 
sich  auf  Würdenträger  beziehen,  welche  nicht  in  Frankreich,  sondern  nur  im 
alten  Spanien  vorkamen,  wie  z.  B.  el  Alfaqui,  der  maurische  Priester,  oder  nur 
in  Spanien  zu  besonderer  Geltung  kamen,  wie  der  Rabbi  und  der  Recabdador. 
Ferner  steht  es  im  Widerspruch  zu  Str.  11,  in  welcher  der  Tod  dem  Papste  aus- 
drücklich als  ihm  gebührende  Ehre  den  Vortanz  zuerteilt  (e  desie  my  dan^xi  sera 
(/uiadorj,  wenn  trotzdem  vor  dem  Papst  der  Tod  zwei  Jungfrauen  zum  Tanze 
auffordert.  Es  müssen  also  auch  die  an  diese  gerichteten  Strophen  9  und  10 
ursprünglich  gefehlt  haben.  Wenn  Amador  de  los  Rios  und  Wolf  (Beiträge  zur 
Gesch.  d.  castilischen  Nationalliteratur  S.  133)  Recht  haben,  ist  die  Danza  general 
1360  entstanden.  Diese  Annahme  ruht  jedoch  auf  sehr  schwacher  Grundlage; 
sie  stützt  sich  wesentlich  darauf,  dass  dieselbe  Handschrift,  welche  sie  enthält., 
ausserdem  noch  ein  sicher  im  14.  Jahrh.  verfasstes  Gedicht  enthält.  Die 
Ergebnisse  der  S.  8  if.  geführten  Untersuchung  sind  der  Annahme,  dass  die 
Danza  general  das  ihr  von  jenen  Gelehrten  zugesprochene  Alter  hat,  nicht  günstig, 
und  es  scheinen  diejenigen  im  Rechte  zu  sein,  welche  sie  nicht  über  das  15.  Jahr- 
hundert hinaufrücken.  Diesem  muss  sie  freilich  spätestens  angehören,  da  die 
Handschrift  bereits  so  alt  ist. 

Ausgaben:  Ticknor's  Geschichte  der  schönen  Litteratur  in  Spanien, 
deutsch  von  Julius.  Th.  2.  S.  598 — 612.  Correcter  ist  der  Abdruck  in  den 
Poetas  castellanos  anteriores  al  siglo  XV,  colleccion  hecha  por  Toraas  Ant.  Sanchez 
continuada  por  Pedro  Jos6  Pidal,  considerablemente  aumentAda  e  illustrada  por 
Florencio  Janer.  Madrid  1864,  S.  379 — 385  (Biblioteca  des  autores  espan.  etc. 
vol.  57).  —  Einzelausgabe  mit  Facsimile :  La  danza  de  la  muerte,  poema  castellano 
del  siglo  XIV,  public,  etc.  por  Flor.  Janer.     Paris  1856. 

Inhaltsangabe  etc.  bei  Jos6  Amador  de  los  Rios,  Historia  critica  de 
la  literatura  espauola  Tom.  4.  Madrid  1863.  S.  491—508;  J.  L.  Klein, 
Geschichte  des  Dramas  VIII.  Das  spanische  Drama.  Bd.  1.  Leipzig  1871. 
S.  261 — 283.  Vgl.  femer  Ludw.  Garns,  Darstellung  der  span.  Litter.  im  Mittel- 
alter.    Bd.  2  (1846)  S.  305  f. 

Erweiterung:  La  dan^a  de  la  muerte.  Ympressa  etc.  Sevilla  1520. 
Neuer  Abdruck  bei  Amador  de  los  Rios  a.  a.  0.  Tom.  7.  S.  507 — 540.  Eine 
durch  viele  neue  Personen  auf  136  Strophen  erweiterte  Bearbeitung. 


65 

CarbonelFs  Dan^a  de  la  mort.  Catalonische  Übersetzung  der 
französisen  Danse  macabre  in  kürzerer  Fassung,  vermehrt  durch  einige 
neue  Personen.  Die  Übersetzung  muss  spätestens  i.  J.  1497  gemacht 
sein,  da  bereits  zu  Schluss  desselben  Jahres  Carbonnell  eine  Fort- 
setzung der  Dan^a  verfasst  hat. 

Ausgabe.  Opuscnlos  in^ditos  del  crouista  catalan  Pedro  Miguel  Car- 
bonell  llnstrados  etc.  por  Manuel  de  Bofarull  y  de  Sartorio.  Tom.  2.  Barcelona 
1865  (=  Coleccion  de  documentoa  ineditos  del  archivo  general  de  la  Corona  de 
Aragon)  S.  267—296. 

Die  Fortsetzung  'Carmina  in  tetrae  mortis  orrendam  coream  diebus  festis 
Jesu  Christi  Maximi  nataliciis  anni  saiutis  M.CCCCXCVII  dum  vulgus  incertnm 
Indis  taxilariis  yacaret  composita^  ebd.  S.  297  £f. 

Anfang:  0  creatura  rahonable,  Qui  desiges  vida  terrenal  Tu  has  a^i  regia 
notable  Per  ben  finir  vida  mortal  La  present  danga  que  veus  tal  Es  de  la  mort 
poc  delitosa  Morir  a  tots  es  natural  La  mort  es  vil  molt  odiosa.  —  Personen: 
Papa,  Emperador,  Cardeual,  Rey,  Patriarcha,  Capita  o  Conestable,  Archabisbe, 
Tavailer,  ßisbe,  Gentilhome,  Abbat,  Governador,  Astrolec,  Bnrges,  Canonge,  Mer* 
cader,  Cartuxa,  Porter,  Monio,  Usurer,  (die  dem  'armen  Manne'  in  dem  franz. 
Originale  beigefügte  Strophe  folgt  hier  mit  der  Überschrift:  Paria  la  mort  mes 
avant  contra  lo  Usurer),  Metge,  Enamorat,  Advocat,  Ministrer,  Curat,  Cavador, 
Frare  menor^  Infant,  Schola,  Hermita,  Donzella,  Monge,  Vidua,  Maridada,  Notari, 
Rey  que  lau  dins  nna  tomba  o  moniment.  —  Über  die  Subscription  in  der  Hand- 
schrift vgl,  oben  S.  28. 

Des  Tuchscherers  Juan  de  Pedniza  Tarsa  llamada  Dan^a  de  la  muerte' 
V.  J.  1551  ist  neu  herausgegeben  und  besprochen  von  Ferd.  Wolf  *Ein  spanisches 
Frohnleichnamsspiel  vom  Todtentanz',  in  den  Sitzungsberichten  der  K.  Akad. 
d.  Wiss.  in  Wien,  phil.-hist.  Classe  Bd.  8  (1852)  S.  114—150  und  von  Ed.  Gon- 
zales in  den  'Autos  sacramentales  desde  su  origin  hasta  fines  del  sigio  XVII. 
Pedroso  1865/  Dieses  Dramn,  in  welchem  ausser  dem  Tode  Papst,  König,  Dame, 
Hirt,  Vemnnft,  Zorn  und  Verstand  agiren,  ist  keine  Dramatisirnng  eines  eigentlichen 
Totentanzes.  Immerhin  ist  es  ein  Zeugnis  dafür,  dass  der  Totentanz  dereinst 
auch  in  Spanien  volkstümlich  war. 


Holbeins  Todesbilder. 

Wie  Goethes  Bearbeitnng  des  Reineke  Fuchs  die  alte  Dichtung 
Leserkreisen  zuführte,  welche  der  Litteratur  des  Mittelalters  sonst 
keine  Aufmerksamkeit  schenkten,  so  erhielten  Ilolbeins  Todesbilder 
(las  mittelalterliche  Totentanzmotiv  der  modernen  Kunst. 

Angeregt  durch  den  alten  Totentanz  seiner  Vaterstadt  Basel 
zeichnete  der  jüngere  Ilolbein  eine  Folge  kleiner  Bildchen,  welche,  von 
seinem  Landsmannc  Hans  Lützclb erger  in  Holz  geschnitten,  eine 
eigenartige  Umbildung  seines  Vorbildes  bieten.  Es  ist,  genau  ge- 
nommen, falsch,  wenn  jene  Bildchen  von  Alters  her  'Ilolbeins  Toten- 
tanz' genannt  werden,  doch  knüj)ft  ihre  Entstehung  an  den  mittel- 
alterlichen Totentanz  an,  und  anderseits  sind  fast  alle  später  entstan- 
denen Totentänze  durch  HoUieins  Zeichnungen  beeinflusst. 

Der  älteste  Typus  der  Totentanzgemälde  war,  wie  die  Über- 
einstimmung   der     ältesten    französischen    und    niederdeutschen    Dar- 

Niederdeutsches  Jahrbuch  XVII.  >^^^^     '""^^^.S'S^ 

UNIVIAvSJTY  ) 


66 

Stellungen  beweist,  der  Ketten-  oder  Ringelreigen.  Sämtliche  Tanz- 
paare bilden  eine  lange,  zusammenhängende  Kette,  in  welcher  jede 
Figur  eine  Hand  dem  Nachbar  zur  Linken,  die  andere  dem  zur 
Rechten  reicht. 

Ein  jüngerer  Typus  entstand  durch  Auflösung  des  Ketten- 
reigens in  einzelne  Tanzpaare.  Nur  dem  eigenen  Tanzpartner  reicht 
der  Tod  die  Hand  oder  tritt  mit  ihm  auch  ohne  Handreichung  zum 
Tanz  an.  Beispiele  bieten  die  mittelalterlichen  Totentänze  Süddeutsch- 
lands, auch  die  gedruckten.  Während  der  älteste  Typus  sämtliche 
Paare  notwendigerweise  tan  derselben  Stelle  —  gewöhnlich  einer  Wiese 
—  und  zu  derselben  Zeit  den  Reigen  treten  lassen  musste,  fiel  diese 
Notwendigkeit  bei  der  Auflösung  in  Einzclpaare,  sobald  jedes  Tanzpaar 
seine  besondere  Bildfläche  erhielt,  zwar  fort,  thatsächlich  wurde  aber 
gegen  die  alte  Anschauung,  dass  der  Tanz  aller  Paare  auf  derselben 
Stelle  zu  denken  sei,  im  Allgemeinen  nicht  Verstössen.  Nur  die  Holz- 
schnitte des  hochdeutschen  achtztnligen  Totentanzes  und  die  Lübecker 
Drucke  bieten  einige  nicht  sehr  in  die  Augen  fallende  Ausnahmen, 
indem  einigemal  der  Fussboden  wechselt. 

Eine  Abart  dieser  Typen  liegt  vor,  wenn  der  Reigen  in  einen 
Tanzaufzug,  in  welchem  die  Paare  hinter  einander  herschreiten,  ver- 
wandelt wird. 

Der  Holb einsehe  Typus  ist  aus  dem  jüngeren  Typus,  wie 
er  in  Basel  dem  Künstler  vor  Augen  stand,  entwickelt.  Auf  Einheit 
des  Ortes,  der  Zeit  und  der  Handlung  verzichtend,  löste  Holbein  nicht 
nur  nach  Art  der  gedruckten  Totentänze  den  Totentanz  in  Einzelbilder 
auf,  sondern  er  Hess  auch  das  Tanzmotiv  fallen.  Nicht  die  Allegorie, 
dass  der  Mensch  nach  der  Pfeife  des  Todes  tanzen  muss,  kommt  in 
seinen  Bildern  zum  Ausdinick,  sondern  der  allgemeine  (Jedanke,  dass 
Jeder  unerwartet  vom  Tode  heimgeholt  wird.  Von  dem  Zwange  des 
gleichen  Ortes  und  des  Tanzmotivs  befreit,  konnte  Holbein,  der  nur 
den  Wechsel  und  die  Abstufung  der  Stände  beibehielt,  jedes  Bildchen 
selbständig  und  unabhängig  von  den  übrigen  gestalten  und  somit  seiner 
künstlerischen  Erfindungs-  und  Gestaltungsgabe  ohne  Schranken  Raum 
geben.  Die  Scenerie  ist  überall  verschieden,  das  Tanzmotiv  nur  ver- 
einzelt beibehalten,  häufig  sind  dem  Tode  und  dem  ihm  verfallenen 
Menschen  noch  andere  Personen  beigefügt.  Dem  Könige  last  Holbein 
den  Tod  während  des  Mahles  an  reich  besetzter  Tafel  die  Schale 
reichen.  Auf  dem  Schlachtfelde  durchbohrt  der  Tod  den  verzweifelt 
gegen  ihn  kämpfenden  Krieger  mit  der  Lanze.  Auf  stürmischer  See 
tritt  er  unter  die  Mannschaft  eines  scheiternden  Schiff'es.  ilr  tritt  zum 
Arzte,  in  dessen  Studierzimmer  er  einen  kranken  (ireis  geführt  hat  usw. 

Die  Auflösung  des  Gesamtbildes  in  Einzelgruppen,  die  Klein- 
heit und  Zierlichkeit  der  Holzschnitte  an  Stelle  der  monumentalen 
Kirchenbilder  machten  die  Holbeinschen  Zeichnungen  des  grossartigen 
Eindinickes  verlustig,  welchen  die  durchgeführte  Einheit  der  Conception 
und  die  elementare  Wirkungskraft  grosser  Verhältnisse  den  monumen- 
talen  Totentänzen   gesichert   hatten.     Anderseits  überragten  die  Hol- 


67 

beinschen  Holzschnitte,  nach  dem  Urteile  sachkundiger  Kenner  aucli 
heute  noch  unübertroffene  Meisterwerke,  nicht  nur  in  künstlerischer 
Beziehung  alle  alten  gemalten  und  gedruckten  Totentänze,  sie  ent- 
sprechen gerade  durch  ihre  Zierlichkeit  und  den  mannigfaltigen  Inhalt 
der  Vorliebe  des  sechzehnten  Jahrhunderts  für  die  Kleinkunst  und 
lehrhaft  moralischen  Inhalt,  eine  Vorliebe,  die  sich  bekanntlich  auch 
auf  dem  Gebiete  der  Litteratur  in  breitester  Weise  durch  die  Bevor- 
zugung der  gnomischen  und  satirischen  Dichtung  äussert. 

Holbeins  in  Buchform  1538  erschienener  Totentanz  war  bald  in 
zahllosen  Abdrücken  und  Nachstichen  in  fast  allen  Ländern  verbreitet. 
Während  in  Frankreich  die  alte  Danse  macabre  als  Volksbuch  neben 
den  Holbeinschen  Zeichnungen  sich  erhielt,  verdrängten  diese  in  Deutsch- 
land sämtliche  altern  Druckwerke,  wenn  man  von  den  Merianschen 
Kupfern  des  Basler  Totentanzes  absieht,  vom  Buch-  und  Kunstwerke 
und  werden  noch  heute  häufig  herausgegeben  und  nachgeahmt. 

Die  französischen  vierzeiligen  Verse,  welche  Corozet  der  ersten 

in  Lyon  erschienenen   Ausgabe    beigefügt   hatte,    wurden   für   spätere 

Ausgaben  von  Luthers  Schwager  Georg  Aemilius  (eig.  Ömmel)  in 

das  Lateinische  übersetzt.     Deutsche  Reime  fügte  an  ihrer  Stelle  der 

Lehrer    Fischards,    der   geniale   Bearbeiter   des    Grobianus,    Caspar 

Seh  ei  dt  hinzu.     Diese  erschienen  L^)rj7  zu  Worms  und  wurden  bereits 

im    folgenden  Jahre   in    das    Niederdeutsche    mehr    umschrieben, 

als  übersetzt. 

Vgl.  A.  Woltinann,  Ilolbcin  und  seine  Zeit,  2.  Aufl.  (1874)  Bd.  L,  S.  258  ff., 
IL  S.  174  ff.  und  die  übrige  8.  39  angegebene  Litteratur. 

Ausgaben.  Das  vollstflmligste  Verzeichnis  der  Drucke  der  Holbeinschen 
Todesbilder  und  seiner  Nachahmungen  bietet  M assin  an  n,  Litteratur  der  Toten- 
tänze, 8.  7  — Gl.  Bevor  ITolbeius  Zeichnungen  1538  in  Lyon  als  Buch  erschienen, 
waren  .schon  in  Basel  von  den  Holzstöcken  Probeabzüge  hergestellt.  (Facsi- 
mile:  Hans  Holbein's  Dance  of  Death,  illustr.  by  a  series  of  photho-lithogr. 
facsiniiles  of  the  first  edition  in  the  British  Museum.  By  H.  Noel  Humphreys. 
London  1868.  —  Holbeins  Totentanz.  Nach  dem  Exemplar  der  ersten  Ausgabe 
im  Kgl.  Knpferstichcabiuet  zu  Berlin  in  Lichtdruck  nachgebildet  von  A.  Frisch. 
Hrsg.  von  Frdr.  Lippmann,  Berlin  1879.  Später  auch  mit  engl.  Texte).  —  Die 
erste  Buch  ausgäbe  mit  Text:  Les  simulachres  &  historiees  faces  de  la  mort 
etc.  Lyon  (Melchior  et  Gaspar  Trechsel  fratres).  1538,  kl.  4^  (Facsimile- 
ausgaben:  The  Holbein-Society's  Fac-simile  Reprints.  Les  Simulachres  etc. 
translat.  and  ed.  by  Henry  Green.  Manchester  and  London  1869.  4®.  —  Lieb- 
haber-Bibliothek alter  lUnstratoren  in  Facsimile-Reproduction.  Bdch.  10.  München 
1884.  4**).  —  Die  erste  Ausgabe  mit  lateinischem  Texte:  Imagines  de  morte 
et  epigrammata  e  GalHco  idiomate  i\  Georgio  Aemylio  in  Latinum  translata. 
His  accesserunt  Medicina  animip  etc.  Lugduni,  1542.  8^  —  Scheid t^s  Über- 
setzung erschien  zuerst  1557:  Der  Todten-Dantz,  durch  alle  Stende  vnd  Geschlecht 
der  Menschen.  Mit  sampt  der  heylsamen  Artney  der  Selen.  Im  Jar  MDL  VIT.  8^ 
—  Niederdeutsch:  De  Dodendantz,  dorch  alle  Stende  vnd  Gesiechte  der 
Minseken,  darin  er  herkumst  vnnd  ende,  nichticheit  vnd  sterfflicheit,  alse  in  enem 
Spegel  tho  be.scboweude  vorgebildet,  vnd  mit  schunen  Figuren  getzieret.  Sampt 
der  heilsamen  Arstedie  der  Selen.  D.  Urbani  Regij.  MDLVIII.  8®.  [Berlin, 
Helmstädt,  Wolfenbüttel.    Vergl.  Bruns  Beiträge  S.  324.    Korrespondenzblatt  4,  96.] 

5* 


68 

Figuren  etc.  (nach  der  Ausgabe  von  1538):  Erschafihing  Eyas,  Sünden^ 
fall,  Vertreibung  ans  dem  Paradiese,  Adam  bant  die  Erde.  Mnsicirende  Gerippe, 
Papst,  Kaiser,  König,  Cardinal,  Kaiserin,  Königin,  Bischof,  Herzog,  Abt, 
Aebtissin,  Edelmann,  Domherr,  Richter,  Fürsprech,  Batsherr,  Prädicant,  Pfarrer, 
Mönch,  Nonne,  Altes  Weib,  Arzt,  Astrolog,  Beicher,  Kaufmann,  Schiffer,  Ritter, 
Graf,  Altmann,  Gräfin,  Edelfran,  Herzogin,  Krämer,  Ackermann,  Kind,  Jüngstes 
Gericht,  Wappen  des  Todes.  (In  der  Lyoner  Ausgabe  von  1545  ausserdem  noch 
Kriegsmann,  Spieler,  Säufer,  Narr,  Räuber,  Blinder,  Kärtner,  Siecher,  Kindergrnppen). 
—  Die  Probeabztlge  zeigen  eine  andere  Figurenfolge,  voranstehen  die  biblischen 
Scenen,  dann  folgt  die  Reihe  der  geistlichen  Würdenträger  vom  Papst  bis  zur 
Nonne,  dann  die  der  weltlichen  vom  Kaiser  bis  zum  Ritter,  zu  Schlnss  die 
bürgerlichen  Stände,  der  Richter,  Fürsprech  usw. 

Initialen.  Ausser  den  Todesbildem  hat  Holbein  ein  Alphabet  Initial- 
buchstaben angefertigt,  in  und  um  welche  Gruppen  mit  dem  Tode  gezeichnet 
sind.  Nene  Ausgabe  von  Ellissen  und  Lödel  s.  oben  S.  40.  Damach :  L^alphabet 
de  la  mort  de  H.  Holbein  publ.  par  A.  de  Montaiglon.  Paris  1856.  (Hit  engl. 
Texte  eh.  1866).  —  Femer  hat  Holbein  einen  Totentanz  von  6  Paaren  (König, 
Königin,  Fähnrich,  Bürgerin,  Mönch,  Kind)  als  Schmuck  einer  Dolchscheide 
gezeichnet.     Abbildungen  bieten  Douce  und  Langlois  Planche  XXIV. 


Anhang. 


Der  alte  lübiseh-revalsche  Totentanztext 

Der  Text,  der  dereinst  unter  den  Figuren  des  Totentanzes  der 
Marienkirche  zu  Lübeck  und  seiner  Copie  in  Ileval  zu  lesen  war,  ist 
nur  unvollständig  erhalten.  Von  den  404  oder  mehr  Versen,  welche 
er  umfasst  haben  muss,  sind  nur  294  überliefert.  Zwei  Verse  aus 
der  Strophe  des  Kindes  vereinzelt  (siehe  zu  V.  389  f.),  von  den  übrigen 
der  kleinere  Teil  auf  den  erhaltenen  Resten  des  Revaler  Bildes,  der 
grössere  in  Melle's  alter  Abschrift  dessen,  was  1701  noch  von  dem 
Lübecker  Texte  lesbar  war  (s.  oben  S.  43). 

Der  Abdruck  des  Textes,  der  diesen  Vorbemerkungen  folgen  wird, 
vereinigt  zu  einem  Ganzen,  was  sich  getrennt,  in  Rcval  und  Lübeck, 
erhalten  hat.  Für  den  Revaler  Teil  liegen  die  Lesungen  zu  Grunde, 
welche  Russwurm  und  Hansen  an  den  oben  S.  4G  verzeichneten  Orteu 
veröfl'entlicht  haben,  für  das  übrige  der  von  Mantels  gegebene  Abdruck 
tler  Abschrift  Melle's. 

Wenngleich  die  Genauigkeit,  durch  welche  Melle's  übrige  Ab- 
schriften sich  auszeichnen,  auch  für  den  Totentanz  anzunehmen  ist, 
so  rechtfertigen  doch  verschiedene  Stellen  in  seiner  Abschrift  die  Ver- 
mutung, dass  hin  und  wieder  ein  unlesbar  gewordenes  Wort  ausgelassen 
ist.  Femer  kann  es  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  in  ihr,  wie 
bereits  S.  44  bemerkt  wurde,  die  Reihenfolge  der   Strophen    in    Ver- 


69 

wirrung  geraten  ist.  Die  richtige  Ordnung  ist  mit  ziemlicher  Sicher- 
heit herzustellen,  wenn  berücksichtigt  wird :  1)  die  Reihenfolge,  welche 
durch  die  Schlussverse  der  vom  Tode  gesprochenen  Strophen  gefordert 
wird ;  2)  dass  der  Inhalt  der  Strophe  dem  Stande  der  Person  entspricht, 
welcher  sie  zugeteilt  wird;  3)  der  Totentanz  von  1489  (vgl.  oben 
S.  35  f.);  4)  die  Reihenfolge  der  Figuren  des  in  einer  Erneuerung 
erhaltenen  Gemäldes  in  Lübeck.  Der  durch  diese  Hinsichten  bedingten 
Reihenfolge  entspricht  die  Ordnung  der  Strophen,  welche  aus  teilweise 
anderen  Gründen  bereits  Mantels  für  die  richtige  erklärt  hat  und  die 
deshalb  in  dem  nachfolgenden  Abdrucke  beibehalten  ist.  Doch  ist  in 
diesem  durch  lateinische  Ziffern,  die  in  Klammern  beigefügt  sind,  die 
von  Melle  gebotene  Reihenfolge  kenntlich  gemacht.  Wenn  H.  Baethcke 
in  seinem  'Versuch  zur  Herstellung  des  alten  niederdeutschen  Textes' 
(s.  oben  S.  45)  in  Bezug  auf  die  richtige  Reihenfolge  der  Strophen 
zu  einem  ganz  abweichenden  Ergebnisse  gelangt  ist,  so  tnig  eine 
irrige  Voraussetzung  daran  die  Schuld.  Baethcke,  dem  der  Revaler 
und  altcastilische  Totentanz  offenbar  unbekannt  gewesen  war,  hatte 
nämlich  nicht  geglaubt,  dass  die  Schlussverse  der  dem  Tode  zugeteilten 
Strophen  an  die  folgende  Person  gerichtet  sein  könnten.  Er  nahm 
an,  dass  jeder  Schlussvers  ebenso,  wie  es  der  Fall  in  den  übrigen 
ihm  bekannten  deutschen  Totentänzen  war,  mit  den  vorangehenden 
Versen  derselben  Strophe  zu  ein  und  derselben  Person  gesprochen  werde. 
Die  Folge  dieses  Irrtums  war,  dass  er  in  jenen  angeblich  entstellten 
Schlussversen  allerlei  Änderungen  zur  vermeintlichen  Herstellung  des 
ursprünglichen  Wortlautes  vornehmen  und  zugleich  zu  anderen  Ergeb- 
nissen als  Mantels  und  der  Verfasser  dieser  Untersuchungen  kommen 
musste. 

Die  litteraturgeschichtliche  Stellung  des  lübichen  Textes  und 
sein  Verhältnis  zu  den  übrigen  Totentänzen  ist  bereits  in  den  voran- 
gegangenen Untersuchungen  eingehend  dargelegt  worden.  Es  erübrigt 
hier  nur  noch  der  Hinweis,  dass  der  überlieferte  Text  einige  sprach- 
liche Eigentümlichkeiten  aufweist,  welche  weder  durch  das  lübische, 
noch  überhaupt  durch  das  gemeine  Mittelniederdeutsch  sich  erklären 
lassen,  sondern  mittelniederländischer  Herkunft  sind,  und  die 
P\)lgerung  rechtfertigen,  dass  der  Lübecker  Totentanz  eine  mittel- 
niederländische Vorlage  gehabt  hat.  Die  zum  Beweise  dienenden 
Sprachformen  werden  in  den  Anmerkungen,  die  dem  Abdrucke  folgen, 
zu  Vers  184.  236.  332  u.  a.  hervorgehoben  werden.  Sie  finden  sich 
sämtlich  im  Reime.  Der  niederdeutsche  Bearbeiter  hat  sie  augen- 
scheinlich nur  beibehalten,  weil  an  den  betreffenden  Stellen  sich  ihm 
kein  niederdeutscher  Reim  leicht  darbot  und  bei  dem  regen  Verkehr, 
in  welchem  Biiigge  und  Lübeck  standen,  in  letzterer  Stadt  einige 
flandrische  Formen  das  Verständnis  des  Textes  trotz  ihrer  Fremd- 
artigkeit nicht  gerade  gefährdeten. 

Die  im  Revaler  Totentanze  erhaltene  Copie  des  lübischen  Textes 
enthält  derartige    Sprachformen    nicht;    sei   es,   dass    das    Lübecker 


70 

Original  sie  innerhalb  der  dort  erhaltenen  Strophen  gleichfalls  nicht 
bot,  sei  es,  dass  sie  bei  der  Anfertigung  der  Copie  durch  nieder- 
deutsche Formen  ersetzt  worden  sind.  Bemerkenswert  ist  dabei 
übrigens,  dass  der  Revaler  Text  frei  scheint  von  Sprachformen  oder 
Schreibungen,  welche  sich  durch  mundartliche  Besonderheiten  der 
russischen  Ostseeprovinzen  erklären.  Man  wird  hieraus  folgern  können, 
dass  die  Revaler  Copie  nicht  nach  einer  Skizze  in  Reval,  sondern 
vielmehr  in  Lübeck  selbst  von  einem  Lübecker  Künstler  ausgeführt 
worden  ist.  Es  kann  das  nicht  viel  vor  oder  nach  d.  J.  1500  ge- 
schehen sein.  Einerseits  zeigt  nämlich  der  Revaler  Text  den  Vokalismus 
des  ausgehenden  15.  Jahrhunderts,  anderseits  ist  er  frei  von  den 
orthographischen  Unarten  (-nn  für  -w,  nh  für  n,  h  als  Dehnungs- 
zeichen usw.),  welche  im  16.  Jahrb.  allgemein  üblich  werden. 

Der  Abdruck  lässt  die  etwaigen  bloss  mundartlichen  Änderungen 
der  Lautform,  die  bei  den  alten  Erneuerungen  der  Gemälde  ein- 
geflossen sein  mögen,  unberührt.  Gebessert  ist,  was  in  den  ver- 
öffentlichten Abschriften,  vielleicht  auch  in  einigen  Fällen  schon  bei 
den  Übermahmgen  verlesen  oder  ausgefallen  scheint. 

Unter  dem  Texte  ist  angegeben,  wo  von  Melle's  Abschrift  (M) 
des  Lübecker  und  Hansens  (H)  Lesung  des  Revaler  Totentanzes  ab- 
gewichen ist.  Russwumi's  ältere  Lesimg  (B)  des  letzteren  ist  nur. 
wo  sie  noch  beachtungswert  schien,  angemerkt  worden.  Den  von 
Mantels  und  Baethcke  übernommenen  Besserungen  des  Textes 
ist  der  Name  ihres  Urhebers  beigefügt. 

Überschriften,  Interpunktion  und  Nonniiaing  des  ti,  t;,  w  fehlen 
natürlich  den  Originalen. 


1.    Der  Prediger  auf  der  KanzeL 

Och  redelike  creatuer,  sy  arm  ofte  rjke, 
Seet  hyr  dat  spectel,  jnnck  unde  olden, 
Unde  dencket  hyr  aen  ok  elkerllke 
Dat  sik  hyr  nexnant  kan  ontholden, 
5  Wanneer  de  doet  kumpt,  als  gy  hyr  seen. 
Hebhe  wi  den  vele  gndes  ghedaen, 
So  moghe  wi  wesen  myt  gode  een, 
Wy  moteu  van  allen  loen  untfaen. 
Unde  lieven  kynder,  ik  wil  ju  raden, 
10  Dat  gl  juwe  scapeken  verleiden  nicht, 
Men  gude  exempel  en  opladen, 
Eer  ja  de  doet  sns  snelle  bUicht. 

2.    Der  Tod  an  Alle. 

To  dessem  dansse  rope  ik  alghemene 
Pawes,  keiser  nnde  alle  creaturen, 


1.  29.  Ach  R.  Och  H.  —  10.  verleide  H.  —  11.  gude  R.  gute  H.  —  13.  dessem 
dansse  M.  dusscn  dantsc  H.  —  14.  pawest  M.  pawes  i/.,  creaturen  M.  creature  //. 


71 


15  Arme,  ryke,  grote  onde  klene. 

Tredet  vort,  wente  nn  en  helpet  nen  truren! 

Men  dencket  wol  in  aller  tyd, 

^^  Sy  S^^^  werke  myt  ja  bringen 

Unde  jawer  snnden  werden  quyd, 
20  Went  gy  moten  na  myner  pypen  springen. 

3.    Tod  ziim  Papste. 

Her  pawes,  du  byst  bögest  nu, 
Dantse  wy  voer,  ik  unde  du! 
AI  bevestu  in  godes  stede  staen, 
Een  erdescb  vader,  ere  unde  werdlcbeit  untfaen 
25  Van  al  der  werlt,  du  most  my 
Volghen  unde  werden  als  ik  sy. 
Dyn  losent  unde  bindent  dat  was  yast, 
Der  hoecbeit  werstu  nu  een  gast. 

4.     Papst. 

Och  bere  got,  wat  is  min  bäte, 
30  AI  was  ik  hoch  geresen  in  state, 

Unde  ik  altohant  moet  werden 

Gelik  als  du  een  slim  der  erden? 

Mi  en  mach  hocheit  noch  rickheit  baten, 

Wente  al  dink  mot  ik  nalaten. 
35  Nemet  hir  exempel,  de  na  ml  siet 

Pawes,  alse  ik  was  mine  titl 

5.     Tod. 

Dat  were  gud  in  ly.  bekennt  (?) 

(V.  38—43  nicM  erhalten.) 

(jsutn  Kaiser) 
Her  keiser,  wi  moten  dansen! 

6.    Kaiser. 

45  0  dot,  dyn  letlike  figure 

Vorandert  my  alle  myne  natture. 

Ik  was  mechtich  unde  rike. 

Hegest  van  machte  sunder  gelike. 

Koninge,  Torsten  unde  heren 
50  Mosten  my  nigen  unde  eren. 

Nu  kumstu,  yreselike  forme, 

Van  mi  to  maken  spise  der  worme. 

7.    Tod. 

Du  werst  gekoren,  —  wil  dat  vroden!  — 
To  beschermen  unde  to  behoden 
55  De  hilgen  kerken  der  kerstenheit 
Myt  deme  swerde  der  rechticheit. 


15.  arme  M.  arm  H,  grote  M.  groet  H.  —  16.  wente  nu  M.  went  ju  H.  — 
30.  geresen  B.  gewesen  H.  —  .33.  en  fehlt  H.  —  37.  So  nach  J?.,  nach  H.  ist  der 
Vers  unlesbar.  —  45.  dyn]  du  H.  —  mechtig  H.  mechtich  B.  —  51.  Nu]  Du  Ä 


72 


Men  hovardie  heft  di  vorblent, 
Da  hefst  di  sulven  nicht  gekent, 
Mine  knuste  was  nicht  in  dinem  sinne. 

(zur  Kaiserin) 
60  Du  ker  nn  her,  fron  keiserinne! 

8.    Kaiserin. 

Ick  wet,  my  ment  de  doet! 
Was  ick  ny  vorvert  so  grot! 
Ik  mende,  he  si  nicht  al  bi  sinne, 
Bin  ik  doch  jnnck  nnd  ok  eine  keiserinne. 
65  Ik  mende,  ik  hedde  vele  macht, 
Up  em  hebbe  ik  ny  gedacht 
Ofte  dat  gement  dede  tegen  mi. 
Och,  lat  mi  noch  leuen,  des  bidde  ik  di! 

9.    Tod, 

Keiserinne  hoch  vormeten, 
70  My  dnncket,  du  best  myner  vorgheten. 

Tred  hyr  an!  it  is  nn  de  tyt. 

Da  mendest,  ik  solde  di  scheiden  quit. 

Nen!  al  werstn  noch  so  vele, 

Du  most  myt  to  dessem  speie 
75  Unde  gi  anderen  alto  male! 

(zum  Kardinal) 
Holt  an,  Yolge  my,  her  kardenale! 

10.    Kardinal. 

Ontfarme  mjmer,  here,  salt  sehen, 
Ik  kan  di  niegensins  entilen. 
Se  ik  vore  efte  achter  my, 
80  Ik  vole  den  dot  my  alle  tyt  by. 
Wat  mach  de  böge  staet  my  baten. 
Den  ik  besät?  ik  mot  en  laten 
Unde  werden  nnwerdiger  ter  stuut 
Wen  ein  unreyne  stinckende  bunt. 

11.     Tod. 

85  Du  werest  van  stAte  gelike 

En  apostel  godcs  np  ertryke 

Unime  den  kersten  loven  to  Sterken 

Myt  worden  unde  anderen  dogeutsammen  werken. 

Men  du  best  mit  groter  bovardichit 
90  Up  dinen  bogen  perdeu  reden. 

Des  mustu  sorgen  nn  de  mere ! 

(zum  König) 
Nu  tret  ok  vort  her,  koningck  here! 


62.  63.  ich  R.  IL  —  78.  di  niegensins]  di  nie  gensins  //.  deme  gensins  H.  — 
80.  den  li.  gcu  //.  —  Si.  staet]  säet  //.  —  85.  von  Jf.  vau  K.  —  89.  hoverdicbit, 
lies  boverdichede. 


73 

12.  König:. 

0  dot,  dyue  sprake  heft  my  vorvert, 
Dnsseu  dans  en  hebbik  nicht  gelert! 
95  Hertogen,  rydder  nnde  knechte 
Dagen  vor  my  durbar  gerichte, 
Unde  Juwel ik  hodde  sick  de  worde 
To  sprekende,  de  ick  node  horde. 
Nu  komstu  unvorsenlik 
100  Unde  berovest  my  al  rayn  ryk. 

13.  Tod. 

AI  dyne  danken  hestu  geleyt 
Na  werliker  heriicheyt. 
Wat  batet?  du  most  in  den  slik, 
Werden  geschapen  myn  gelik. 
105  Recht  geyent  unde  Yorkeren 
Hestu  under  dy  laten  reigeren, 
Den  armen  niegene  leed  want! 

(eum  Bischof) 
Her  bischop,  nu  holt  an  de  haut! 

(V.  108 — 180   sind   nicht   erhalten,   sie   kamen  ausser  dem   Tode  folgenden 
Ständen  zu:  dem  Bischof,  Herzog,  Abt,  Ritter  und  Kartäuser.) 

23.     Tod  zum  Kartäuser.  (Melle  III.) 

Nu  tret  vort,  dl  helpet  neu  klagen, 
Du  most  dyn  part  sulven  dragen. 
It  sal  di  wesen  swar, 
Di  mach  nicht  volgen  nar 
185  Wen  dine  werke  gut  ofte  quat. 
Diu  Ion  is  na  diner  dat, 
Nemant  mach  di  des  vorbringen. 

(zum  Edelmann) 
Gummen  kum  an,  ik  wii  di  singhen. 

24.     Edelmann.     (Melle  IV.) 

Dot,  ik  bidde  di  umme  respyt, 
190  Late  mi  vorhalen!  mine  tyt 

Ik  hebbe  ovel  overbracht, 

Sterven  hadde  ik  klene  geacht. 

Mine  gedauken  weren  to  vullenbringen 

Jutto  lust  in  ideleu  dingen, 
195  Minen  uudersaten  was  ik  swar. 

Nu  mot  ik  reisen  unde  wet  nicht  war. 

25.     Tod.     (Melle  I.) 

Haddestu  gedelt  van  dinem  gode 
Den  armen,  so  were  di  wol  to  raode. 


96.  dagen  H.;  lies  dogedeu?—  188.  Gummen]  Meu  M.  —  194.  Jutto]  To  M. 
De  Mantels. 


74 

De  klegeliken  klagen  er  gebreken, 
200  Nawerle  mochtestu  se  hören  spreken. 
Dines  pachtes  werstn  gewert. 
Na  mi  haddestu  niuen  begert, 
Dat  ik  ens  urnme  käme  to  hants. 

(zum  Domherrn) 
Eanonik;  tret  her  an  den  dans. 

26.    Domherr.     (Melle  H.) 

205  Mi  dankt,  it  is  mi  noch  to  yroch, 

Van  minen  pranden  hadde  ik  genoch 

To  bmken  went  her  min  leyen, 

Late  mi  des  dansses  noch  begheven. 

Nu  scholde  ik  yuUen  min  schrin. 
210  Dine  velen  worde  don  mi  grote  pin. 

Late  mi  doch  gade  denen  bat, 

Den  ik  in  miner  joget  yorgat. 

[V.  213—228   oder   Str,    27,   28  fehlen,    sie  kamen  dem    Tode  und    dem 
Bürgermeister  zu.] 

29.    Tod  zum  Bürgermeister.    (Melle  V.) 

Grot  Ion  schaltu  entfan. 
230  Vor  din  arbeit,  dat  dn  hefst  ghedan, 

Wil  di  God  dusentvult  belonen 

Unde  in  deme  ewighen  leyende  krönen. 

Mer  dine  bedrechlicheit  darmede 

Mochte  di  bringen  in  groten  nnyrede. 
235  Wultu  umme  dine  sunde  mwich  sin! 

(zum  Arzte) 
Volghe  na,  meister  medicin! 

30.  Arzt.     (Melle  VI.) 

Ik  hadde  wol  yordrach,  mochte  it  wesen, 
Vele  minsken  hebbe  ik  ghenesen, 
De  yan  groter  snke  leden  not. 
240  Mer  jegen  di  klene  noch  grot 

£n  helpet  nine  kanst  noch  medicin. 
Nu  beyole  ik  mi  sulyen  de  pin. 
Van  deme  dode  bin  ik  beseen, 
Wat  ordel  dat  mi  schal  bescheeu. 

31.  Tod.     (Melle  VH.) 

245  Recht  ordel  schaltu  entfan 

Na  den  werken,  de  du  hefst  ghedan. 

Du  hefst  ghedan,  dat  God  wol  wet, 

Mengen  in  grot  eyentur  gheset, 

Den  armen  swarlik  bescbat, 
250  Des  he  yaken  billik  hadde  to  bat, 

AI  nemestu  grote  summen  daryan. 

(zum  Wucherer) 

Wokerer,  yolghe  yan  stunden  an! 


233.  darmede]  mede  M. 


75 


32.    Woeherer.     (Melle  VIII.) 

0  da  aller  anvormodeste  dot, 

Up  di  en  dacht  ik  klene  noch  grot. 

2Ö5  Ik  hebbe  al  min  gut  Torsaden, 
Mine  bone  sint  yqI  kornes  geladen, 
Mot  ik  nn  sterven,  dat  is  mi  swar, 
Unde  latent  hir  nnde  wet  nicht  war. 
Ik  en  wet  nicht,  war  ik  henne  mot. 

260  Vorbarme  miner,  her,  dor  dinen  dot! 

33.    Tod.     (Melle  IX.) 

Vorkerde  dor  olt  yan  jaren, 
Anders  hefsta  nicht  nterkaren 
Den  dat  gut  up  desser  erden. 
Ik  wet  nicht,  wat  Tan  di  sal  werden. 
265  üp  mi  80  haddestu  klene  acht. 
Noch  to  stenrende  nicht  gedacht. 
Nn  mustu  int  ander  lant. 

(zum  CapeUan) 
Her  kappelan,  lange  her  de  haut! 

34.     Capellan.    (Melle  X.) 

Ach  leider  wo  quelet  mi  de  dot! 
270  Ik  hebbe  last  yan  sunden  grot, 

Staplik  hebbe  ik  gequiten, 

Ik  ynichte,  God  schalt  nu  mer  witen. 

De  werelt,  de  yiant  unde  dat  ylesch 

Hebbet  bedraghen  minen  gest. 
276  Wat  schal  mi  nu  dat  gut, 

Wente  ik  it  hir  al  laten  mot! 

36.    Tod.    (Melle  XV.) 

Haddestu  yan  joget  up  bet 
Gades  recht  yor  di  geset 
Unde  ylitliken  gelert, 
280  Dar  du  mennich  wort  hefst  yorkert  — 
Dat  yolk  bracht  to  gode, 
Dat  were  gut,  nu  schedestu  unnode. 
It  mot  sin  sunder  beiden. 

(zum  Kaufmann) 
Eopman,  wilt  di  ok  bereiden! 

36.    Kauftnann.     (Melle  XVI.) 

285  It  is  mi  yeme  bereit  to  sin, 
Na  gude  hebbe  ik  gehat  pin 
To  lande  unde  tor  see, 
Dor  wind,  regen  unde  snee; 


270.  sunden  BaethckeJ  sorgen  Mantels.  Bei  M,  ist  eine  Lücke  angedeutet. 
—  272.  nu  mer  Mantels]  nummer  M,  —  277.  up  Gade  bet  M.  —  278.  Gades  Baethcke] 
fehlt.  Mantels  vermutet  Haddestu  van  joget  up  gade  bet  Recht  vor  dine  ogen 
ghcset.  —  280.  gode]  gude  M,  —  282.  got  M. 


i 


76 


Nin  reise  wart  mit  so  swar. 
290  Mine  rekenscop  is  nicht  klar. 
Hadde  ik  mine  rekenscop  ghedan, 
So  mochte  ik  vrolik  mede  ghan. 

37.    Tod.    (Melle  XHI.) 

Hefstu  anders  nicht  bedreven 
In  kopenscop,  alse  di  was  gheve, 
295  It  sal  di  wesen  tor  vromicheit, 
Wen  alle  dink  to  richte  steit, 
Hefstu  di  so  vorwart 
Unde  din  dink  gans  wol  geklart. 
Westa  anders,  dat  is  nicht  gnt. 

(zum  Küster) 
300  Koster,  kum,  it  wesen  mot! 

38.    Kttster.     (Melle  XIV.) 

Ach,  dot,  mot  it  sin  gedan, 
Nn  ik  erst  to  denen  began? 
In  miner  kosterie  mende  ik  klar 
Noch  hogher  to  komen  yorwar. 
305  En  grot  officium  was  min  sin, 
Also  mi  dnnkt,  so  krige  ik  nin. 
Ik  mach  des  nicht  gebruken, 
De  dot  wil  mi  yorsluken. 

39.    Tod.     (Melle  XI.) 

AI  werstu  hogher  geresen, 
3l0  In  groter  yar  ronstestu  wesen. 

It  is  diner  sele  meiste  profit, 

Dat  gi  nicht  hogher  resen  sit 

Volghe  na  in  mine  partie, 

Wente  hoch  sin  maket  hovardie ! 
315  Dat  is  al  jeghen  god. 

(eum  Handwerker) 
Amtman,  tret  an,  it  is  nen  spot! 

40.    Handwerksmann.     (Melle  XII.) 

Ach  leider,  wat  schal  mi  bescheen! 
Ovel  hebbe  ik  mi  vorgeseen 
Uude  hebbe  mi  ser  ovel  bedacht, 
320  Min  hautwerk  so  truwe  nicht  na  getracht, 
Dat  gud  prisede  ik  sere. 
Nn  bidde  ik  di,  leve  here, 
Du  mi  de  suude  wilt  vorgheveu 
Uude  late  mi  in  diu  ewige  ieveu! 

41.     Tod.     (Melle  XVII.) 

325  Gi  amteslnde  alghemeine 
Achten  vele  dinges  kleine, 


289.  Nin]  ua  M.,  De  Mantels.  —  294.  gheven  M.  —  295.  wesen  tor  vromicheit] 
.  .  .  euheit  JH.  Mantels  will  ergänzen:  wesen  rechtferdicheit,  Baethcke:  werden 
rechticheit. 


77 


Bat  gi  einen  anderen  bedreghen 
Unde  vaken  darinne  leghen. 
Up  sterven  hebbe  gi  nicht  gepast, 
330  Jawe  sele  ser  belast, 

Dat  wil  jnwer  sele  wesen  swar. 

(zum  Klausner) 
Klasenaer^  volghe  uaer! 

42.     Klausner.     (Melle  XVIII.) 

To  sterven  dat  is  mi  nicht  leit, 

Were  ik  van  binnen  bereit, 
335  Were  mine  conciencie  wol  purgert. 

De  viant  heft  mi  tentert 

Mit  menniger  temptacie  swar. 

Vorbarme  di,  her!  openbar 

Ik  di  bekenne  mine  sund. 
340  Wes  my  gnedich  tor  lesten  stnnd! 

43.     Tod.     (Melle  XIX.) 

Da  machst  wol  danssen  blidelik, 
Di  hört  dat  hemmelske  rik. 
Dat  arbeit,  dat  dn  hefst  ghedan, 
Sal  diner  seien  lastende  stan. 
345  Deden  se  alle  so,  it  scholde  en  vromen, 
Er  scholde  nicht  vele  ovel  komen, 
Men  it  worde  mengen  sar. 

(sutn  Bauern) 
Kum  to  min  reigen,  veltgebnr! 

44.    Bauer.     (Melle  XX.) 

Des  dansses  neme  ik  wol  respit. 

350  Noch  hebbe  ik  mine  tyt 
Mit  arbeide  hen  ghebracht 
Unde  ghedacht  dach  nnde  nacht, 
Wo  ik  min  lant  mochte  begaden, 
Dat  it  mit  vmcht  worde  geladen, 

355  To  betalen  mine  pacht. 

Den  dot  hebbe  ik  nicht  geacht. 

4ö.     Tod.     (Melle  XXI.) 

Grot  arbeit  hefstu  ghedan. 
(lod  wil  di  nicht  vorsman 
Mit  dinem  arbeide  nnde  not. 
360  It  is  recht,  ik  segge  di  blot, 
God  wilt  di  betalen 
In  sinen  oversten  salen. 
Vrnchte  nicht  en  twinkl 

(zum  Jüngling) 
Tret  her,  jnngelink! 


335.  conciencien  M.  —  354.  wirde  M, 


78 


46.     Jttngliii?.     (Melle  XXII.) 

365  Der  werlde  last  mi  na  smaket. 

Da  hefst  de  tyt  ovel  raket, 

Da  kampst  slikende  her  geghan 

Unde  walt  mi  in  din  nette  beslan. 

De  werlde  mi  lavet  heil, 
370  Bedracht  se  mi,  so  is  se  feil. 

Wike  wechy  late  mi  raseleren! 

Int  older  wil  ik  mi  bekeren. 

47.    Tod.     (Melle  XXIH.) 

In  der  nacht,  der  deve  gank, 
Slikende  is  min  ammewank. 
375  Ein  jnnk  man  sik  bi  tiden  ker 
To  gade,  sin  Inste  dregen  ser. 
Hir  is  nene  blivende  stat. 
Haddestu  west  der  werlde  hat, 
Were  di  beter  nnde  er  minne. 

(zur  Jungfrau) 
380  Jankvron,  mit  di  ik  danssen  beghinne! 

48.    Jongfran.     (Melle  XXIV.) 

Des  reiges  were  ik  onich  gheme, 
Ik  jnnghe  schone  deme, 
Ik  hadde  merket  der  werlde  Inst, 
Van  diner  knmpst  nicht  gewnst. 
385  Nn  knmpsta  snel  nnde  mi  vorverst, 
Ik  wnste  nicht,  dattn  hir  werst. 
Were  ik  ene  klostervrowe  worden, 
So  trede  ik  vro  in  dinen  orden. 

49.    Der  Tod  zum  Kinde. 

(feJat,) 

50.     Kind. 

0  dot,  wo  schal  ik  dat  vorstan, 
390  Ik  schal  dansen  nnde  kan  nicht  gan? 

(Der  Schluss  fehlt) 

Anno  Domini  MCCCCLXIII.  in  vigilia  Assumcionis  Marie. 


376.  sin  luste  dregen  aev' Mantels]  sin dregen  her  M.  —  383.  hadde 

merket]  merke  M.  —  386.  dattu  fehlt  M.  —  389.  390.  Diese  beiden  Verse  sind 
nicht  von  Jacob  von  Melle  überliefert,  sondern  in  seinem  handschriftlich  erhaltenen 
Werke  *Jjubeca  Beligiosa'  von  einem  seiner  Nachkommen  nacfUräglich  eingezeichnet 
worden,  

Anmerkungen.  1.  Och  redelike  creatuer.  Auf  die  Übereinstimmung  dieser 
Worte  mit  den  Anfangs  werten  der  frz.  Danse  macabre  ist  oben  S.  23  hingewiesen. 
Über  spectel  vs.  2  s.  S.  16,  über  scapeken  v.  10  ebd. 

24.  Vgl.  Danse  macabre:  He?  faut-il  que  la  dance  mainne  Lepremier  qui 
suis  dieu  en  terre  Tay  eu  dignite  souverrainne  En  Veglise  comme  Saint  Pierre. 
Berliner  Totentanz:  Pawes  erdesche  vader  volget  my  na  .  .  .  Oy  hebben  in  der 
stede  gades  ghestan. 


79 

26.  als  ik  sy  *wie  ich  bin\  Mittelniedcrländischer  Sprachgebrauch.  Nach 
mnd.  Regel  müsste  es  ah  ik  hin  hier  heissen,  im  mnl.  ist  es  dagegen  den  Dichtem 
gestattet,  in  den  Nebensätzen,  welche  in  der  Prosa  den  Indicativ  bieten  müssten, 
vom  Ycrbum  substantivum  die  Conjunctivformen  des  Praesens  einsetzen  zu  dürfen, 
wenn  es  der  Reim  erfordert  Zahlreiche  Belege  verzeichnet  W.  L.  van  Helten, 
Middelnederlandsche  Spraakkunst  (1887)  S.  305  f.,  z.  B.  Maerlants  Spegh.  bist. 
Vy  21,  22  Ceres  es  eene  siai  bi  Endi  Daer  een  lant  na  gheheeten  si  Daer  die 
home  zijdwuUe  dragen.  Ebd.  3^  16,  60  Com  met  an  mi  Want  ic  sere  gevenijnt  si. 
Ebd.  !•,  43,  44  Want  hi  hem  besniden  liet  Vanden  vleesche,  alse  ghi  stet.  Vgl, 
Franck,  Mnl.  Grammatik  §  169. 

27.  28.  Vgl.  Dodesdanz  v.  1489  vs.  185.  Din  losent  unde  bindent  was  hei, 
vullenkomen  unde  gans.  Ebd.  303.  Der  hocheit  werstu  nu  ein  gast  (die  von  dem 
Herausgeber  missverstandene  Stelle  ist  zu  übersetzen :  'Deiner  hohen  Stellung  wirst 
du  nun  fremd  d.  h.  beraubt'). 

30.   Vgl.  Dodesdanz  v.  1489  vs.  169  Her  pawes  du  wer  est  hoch  geresen  in  State, 

53.   wi7  imperativisch  wie  v.  284  u.  323  wiU,  235  wul. 

63  ff.  Vgl.  Dodesdanz  v.  1489  v.  211  ff.  Her  keiner  du  wer  est  gekoren  to 
einem  heren.  De  cristenheit  to  vorstan  unde  to  regeren  Mit  dem  swerde  der  recht- 
verdicheit;  ebd.  v.  221  f.  Sus  heft  giricheü  unde  hovardie  di  vorblent  Dattu  di 
sulven  nicht  hefst  gekent. 

78.   negensins  'durchaus  nicht',  vgl.  Mnd.  Wtb.  4,  209. 

107.  Den  Armen  hastu  kein  Leid  abgewandet'  hestu  aus  v.  106  gilt  für  den 
folgenden  Vers  mit,  vgl.  v.  266.  330.  386..     Unklar  ist  v.  205. 

184.  nar  'nach'.  Mittelniederländische  Form.  Da  die  mnd.  Form  na  keinen 
Reim  ergeben  hätte,  so  hat  der  Urheber  des  lübischen  Totentanzes  die  mnl.  Form 
der  Vorlage  hier  und  vs.  332  beibehalten,  während  innerhalb  des  Verses  stets  na 
gesetzt  ist,  vgl.  v.  236.  313. 

188.  gummen  'Herr,  Mann'  .  Melle's  Abschrift  überliefert  nur  men,  ohne 
anzudeuten,  dass  vor  diesen  Buchstaben  einige  andere  unlesbar  geworden  waren. 
Trotzdem  wird  man  letzteres  hier  und  in  einigen  anderen  Versen  zu  Beginn  der- 
selben annehmen  dürfen,  vgl.  v.  194.  289.  Das  Wort  gummen  findet  sich  noch 
in  dem  Bavenbergischen  Ausruf  'o  gum !  o  gum !  Oh  Wunder !  eigentlich  oh  Mann  !' 
Ferner  heisst  in  einem  holsteinischen  Kinderspiel  der  beim  Lauf  zuerst  das  Ziel 
erreicht  Gumm.     Vgl.  Schütze,  Holst.  Idiot.  II.  S.  78. 

229  if.  Mantels  S.  7  bemerkt:  'Dass  diese  Worte  an  den  Bürgermeister 
gerichtet  sind,  beweist  der  im  Einzelnen  gleichlautende  Text  von  '[1489  und]  1496'. 
Vgl.  Dodes  danz  hrsg.  von  Baethcke  v.  711  ff. 

236.  medecin  ist  die  mittelniederländische,  dem  Französischen  entlehnte 
Bezeichnung  für  'Arzt',  mnd.  arste,  arstedien. 

243.  beseen  mnl.  besien  heisst  'besehen,  besuchen,  untersuchen,  abwarten'. 
Hier  ist  wohl  der  Sinn,  dass  der  Tod  wie  ein  Arzt  den  Kranken  besieht  und  die 
Prognose  (ordel)  stellt. 

255.  vorsaden  ist  an  dieser  Stelle  unerklärlich  und  scheint  entstellt,  ohne 
dass  eine  ansprechende  Besserung  sich  leicht  darbietet.  In  den  Zusammenhang 
würde  der  Gedanke  passen  'Ich  habe  mein  ganzes  Vermögen  in  Korn  angelegt, 
und  meine  Böden  sind  damit  angefüllt,  ohne  dass  ich  jetzt  schon  weiss,  an  wen 
ich  es  verkaufe.'  Baethcke  schlägt  vor,  vorladen  statt  vorsaden  zu  lesen.  Die  in 
paläographischer  Beziehung  leichte  Änderung  erscheint  aber  anstössig  wegen  des 
rührenden  Reimes. 

273.  Die  Reimbindung  vlesch:  gest  ist  wahrscheinlich  der  mnl.  Vorlage  ent- 
lehnt. Mittelniederländisch  lauten  die  Worte  vlees:  gheest  und  können  mit 
einander  reimen. 

294.  gheven,  das  in  Melles  Abschrift  sich  findet,  giebt  keinen  in  den  Zu- 
sammenhang passenden  Sinn.  Das  dafür  eingesetzte  ghevt  (mnl.  ghave,  ghece,  mhd. 
gcebfy  ostfries.  u.  westfal.  gäve),  heute  nhd.  nur  noch  in  der  Redensart  'gank  und 
gäbe'  gebräuchlich,  hat  die  Bedeutung  'untadelhaft'. 


so 

295.  tor  vromicheit  *zum  Nutzen'.  Gegen  Mantels'  Ergänzung  recJitverdicHeit 
'Gerechtigkeit'  ist  einzuwenden,  dass  die  Gerechtigkeit  des  göttlichen  Gerichtes  ja 
auch  statt  hat,  wenn  der  Kaufmann  unrecht  gehandelt  hat.  Nicht  die  Gerechtig- 
keit, sondern  die  Rechtfertigung  kann  dem   Kaufraanne   in   Aussicht  gestellt   sein. 

301  flf.  Der  Küster  findet  sich  von  allen  alten  Totentänzen  nur  im  Lübecker 
von  1463  und  in  dem  der  Marienkirche  in  Kerlin.  Da  er  sich  Hoffnung  auf  en  groi 
officium  *ein  grosses  lürchenamt',  also  auf  eine  höhere  Weihe  (als  Diaconus,  Pres- 
byter oder  gar  Bischof)  gemacht  hat,  muss  er  als  Kleriker  gedacht  sein,  der  von 
den  vier  niederen  Weihen  (Acoluth,  Exorcist,  Lector,  Ostiarius)  zum  mindesten  die 
niedrigste,  nämlich  die  als  Ostiarius  empfangen  liat,  dessen  Kirchondienst  mit  dein 
des  Küsters  zusammenfiel.  Auffällig  bleibt  bei  dieser  Erklärung  jedoch,  dass  der 
Küster  überhaupt  voraussetzt,  später  ein  hölieres  Kirchenamt  zu  erhalten,  da  in 
der  Praxis  die  für  die  höheren  Weihen  bestimmten  Kleriker  (ausser  Rom)  die 
niederen  Weihen  gar  nicht  zu  erhalten  pflegten.  Auch  war  es  nicht  einmal  not- 
wendig, dass  der  Küsterdienst  einem  (niederen)  Kleriker  übertragen  werden  musstc, 
auch  ein  gut  beleumdeter  Laie  durfte  ihn  thun.  Bemerkenswert  ist,  dass  der 
Küster  im  Lübecker  Gemälde  in  Laientracht,  im  Berliner  als  Kleriker  dargestellt  ist. 

332.  klusenaer  'Klaussner',  mittelniederländische  Form,  vgl.  mnl.  clusenare, 
mnd.  klusenere;  mnl.  moordenaer^  mnd.  mordenere. 

335  ff.  Die  hier  dicht  neben  einander  gesetzten  Fremdwörter  romanischen 
Ursprungs  eoncieficie,  purgert,  tentert,  temptacie  sind  wahrscheinlich  schon  in  der 
mnl.  Vorlage  enthalten  gewesen.  Die  mnd.  geistliche  Poesie  und  Prosa  verwendet 
zwar  derartige  Fremdwörter  gelegentlich,  so  gehäuft  begegnet  man  ihnen  gewöhnlich 
aber  nur  in  mnl.  und  solchen  mnd.  Schriften,  die  aus  mittelniederländischen  über- 
setzt oder  durch  mnl.  Vorbilder  beeinflusst  sind,  z.  B.  in  vielen  im  15.  Jahrb.  in 
Westfalen  geschriebenen  geistlichen  Tractaten. 

373.  der  deve  gank,  Apposition  zu  nacht,  *die  Zeit,  wo  die  Diebe  auf  Raub 
ausgehen',  vgl.  ulenvlucht  *die  Zeit,  wo  die  Eulen  fliegen',  Stockh.  Vogelspracbe 
10.  16  (nd.  Jahrb.  XIV.,  129),  Mnd.  Wtch.  5,  1.  —  Ais  Appostion  kann  gank  im 
Nominativ  stehen,  obgleich  es  sich  auf  den  Dativ  der  nacht  bezieht,  vgl.  Dodes 
danz  von  1489  v.  73 :  Men  leset  van  einem  riken  van  gclde,  ein  unedelman ;  Bock 
der  profecien  von  1493  Bl.  G2  (angemerkt  von  Baethcke  a.  a.  0.)  Men  lest  ran 
einem  doctor,  ein  vornomen  7nan;  Chroniken  d.  dtsch.  Städte  19  (Lübeck  Bd.  L, 
hrsg.  von  Koppmann)  S.  195  (vgl.  Nissen,  Middelnedertysk  Syntax  §  19)  vormiddeat 
eyme  ghestUken  personen,  en  lesemcster  in  sunte  Franciscus  orden. 

379.    Wide  er  minne  *und  eher  Barmherzigkeit'. 

BERLIN.  W.  Seelmann. 


81 

Mittelniederdeutsche  Pflanzen- 
glossen. 

Im  folgenden  bringe  ich  aus  einer  Königsberger  Handschrift,  die 
wahrscheinlich  noch  aus  dem  12.  Jahrhundert  stammt,  einige  mnd. 
Glossen  zur  Kenntnis,  die  durch  ihre  Gestalt  wie  durch  ihr  Alter  den 
Fachmann  interessieren  dürften.  Die  volle  Endung  -a  (10  merJca, 
15  baia  (?),  [35  paftanaca,]  38  drefna,  [63  bouerella,  70  louefca,]  73  ah 
rutia,  75  papki,  83  daunettla  (?),  92  wegabreda,  96  ftenbreca^  [97  kun- 
nella]),  wie  die  Nichtbezeichnung  des  Nasals  (17  W/e,  24  scafbife^ 
54  u.  91  biee,  55  madalbom^  94  mecopl)  legen  die  Vermutung  nahe, 
dass  die  Glossen  zum  Teil  aus  einer  älteren,  der  as.  Zeit  angehörigen 
Handschrift  übernommen  sind.  Mit  einem  Stern  *  bezeichnet  sind 
diejenigen  Glossen  wie  lat.  Pflanzennamen,  die  ich  in  der  hier  vor- 
liegenden oder  einer  nahestehenden  Form  weder  in  Diefenbachs  beiden 
Glossarien  noch  in  einer  der  späteren  Veröffentlichungen  nieder- 
deutscher Pflanzenglossare,  wie  sie  hier  und  da  in  Zeitschriften  und 
Programmen  zerstreut  sind,  habe  finden  können.  Es  sind  übrigens 
Interlinearglossen;  der  Übersichtlichkeit  wegen  ist  die  Anordnung  hier 
geändert.  Die  Kompendien  sind  aufgelöst.  Über  einigen  der  hier 
ungiossiert  verzeichneten  Pflanzennamen  zeigt  die  Hs.  Rasuren ;  die 
Anwendung  der  üblichen  Chemikalien  führte  zu  keinem  Resultat. 

Bisher  hat  niemand  auf  die  Hs.,  die  mancherlei  Interessantes 
bietet,  aufmerksam  gemacht,  und  so  sei  es  mir  gestattet,  eine  Be- 
schreibung vorauszuschicken. 

Cod.  ms.  liegiom.  1783,  vorn  innen  alte  Sign.  B.  161.  Perg.  Grenzscheide 
des  12.  n.  13.  Jahrh.  87  Blätter.  20,5X13,8  cm.  Zweisp.,  24  Zeilen,  fast 
durchweg  auf  vollständigem  Schema  von  verschiedenen  Händen  geschrieben. 
Rote  Überschriften;  Bl.  2a  ein  goldener  und  ein  blauer,  sonst  rote  und  grüne 
Initialen  mit  Rankenwerk,  meist  gelb  ausgemalt;  Bl.  12b  u.  14a  grössere  Initialen 
beabsichtigt ;  in  einigen  Partieen  rot  durchstrichene  grosse  Buchstaben.  Quaternen, 
einige  mit  alter  Zählung  am  Schluss.  Die  Hs.  ist  greulich  verbunden:  die 
5.  Lage  (Bl.  34—41)  gehört  hinter  Bl.  25,  die  10.  Lage  (Bl.  71—78)  an  den 
Schluss  hinter  Bl.  87 ;  ans  den  beiden  letzten  Lagen  zu  je  4  Bl.  wird  1  Quat.,  wenn 
man,  wie  der  Inhalt  es  verlangt,  Bl.  84  vor  Bl.  80  und  Bl.  85  u.  86  vor  Bl.  82 
legt.  Bl.  79,  auf  das  ich  noch  zurückkomme,  ist  mit  schmalem  Ealz  für  sich 
allein  geheftet.  Von  der  8.  Lage  sind  die  drei  letzten  Bl.  (hinter  Bl.  62)  weg- 
geschnitten (Lücke).  Als  Vorsatz  (heute  vom  Deckel  abgelöst  und  =  Bl.  1)  ist 
ein  wahrscheinlich  einem  alten  Psalterium  entstammendes  Pgbl.  benutzt,  welches 
auf  der  Vorderseite  in  schwarzer,  mit  blassem  Rot  schattierter  Federzeichnung 
den  König  David  mit  der  Harfe  auf  einem  Thronsessel  sitzend  zeigt;  Bl.  59b 
eine  begonnene,  Bl.  60a  und  62b  ausgeführte  schöne  Federzeichnungen.  Holz- 
deckel mit  weissem  Lederüberzug;  ehemals  wohl  mit  Kette,  wie  die  noch  vor- 
handenen Nägel  am  hinteren  Deckel  schliessen  lassen. 

Das  Inhaltsverzeichnis  Bl.  Ib  in  grober  Cursive  des  15.  Jahrh.  ist  ebenso 
unvollständig  wie  ungenau.     Die  Hs.  enthält 

1)  Bl.  2a — 2b.  Pronostica  Galieni  (Rot  in  verzierter  Kapitalschrift.) 
Auf.:  PBouidit  galienuf  in  corpore  humane.  Ende:  inuenief 
radicem  eiuf  totcmi  paUidam. 

Ni«d«rd«iittoh«i  Jabrbacli  XVIL  6 


8d 

2)  Bl.  2b — 12b.    Medizinische  Rezepte,  Notizen  aus  einem  Lapida- 
rium, aus  einem  Tractatus  de  arinis  etc.,  regellos  zusammengeschrieben. 

3)  Bl.    12b — 51a.      Des   Nicolaus   Salernitanus    Antidotarium. 
Bl.  12b — 13b.  Register.     A  n  f. :  (E)Oo  nicJiolauf  rogatuf  a  quibuf- 

dam,     Ende:  et  Ubidinem  potenter  excitat, 

4)  Bl.  öla — ö4b.     Desfelben  Tractat  de  dosibus  medicinarum. 

Auf.:  Quia  sufßcienter  de  difpumatione  (!)  omnium  confectionum. 
Ende:  et  amiconwi  plenütidine  gaudeant  et  glorientur.  Hierauf 
Verzeichnis:  Carpobalsami  ufieias  IL  —  trifolii  acuti  drach- 
mam  L  lacterici  drachniam  I. 

5)  Bl.  54b — 57b.     Desfelben  Synonyma  medicinarum. 

An  f.:  Ktphtia  atitem  specierutn  ponderibus,  Ende:  Vneorzaria 
i.  e.  flos  agni  casti  vel  Salicis  Tnarini. 

6)  Bl.  57b — 59a.    Ad  connossendas  (!)  herbas  (rot)  in  colore  (dar- 
unter in  kleinerer  Schrift  schwarz). 

Auf.:  Äloes  epaticum  purptireum.  Ende:  Sal  gemyna  alba  pure 
sttbere  et  ludde  bonum, 

7)  Bl.  60b— 62a.    Des  Aegidius    Carboliensis   Verse   de  urina- 
rum  iudiciis  (Fragm.) 

A  n  f . :  Dicitur  urina  quoniam  sit  renibus  una.  Ende:  Et  ialetn 
sercans  cotistanti  tempore  formam. 

8)  Bl.  63a.     Lateinisches  Herbarium  mit  nd.  Glossen. 

9)  Bl.  63b— 73b  und  Bl.  80a— 87b.     Diyersae  curationes. 

Bl.  63b— 64b.  Register.  Bl.  65a.  Überschrift:  Hee  svrit  diversp. 
curatioiies  ad  dolorem  capU  (rot  in  Capitalschrift ;  die  letzten  Buchst, 
weggeschnitten). 

Auf.:  Corona  de  agrimonia  facta,     Ende   (Bl.  73b.):  uidneribu^ 

et  uexationibus  prosuni, 

10)  Bl.  73b — 78b.  Medizinische  Rezepte,  die  mit  den  Diverse  curationes, 
soweit  das  diesen  vorausgeschickte  Register  schliessen  lässt,  in  keinem 
Zusammenhang  stehen. 

11)  Bl.  79a— 79b.  Medizinische  Rezepte. 

Auf.:  Antidotum  quod  stomaco  jrrodest. 

Dies  Bl.  ist,  wie  schon  oben  erwähnt,  für  sich  allein  geheftet  und  hat 
einst,  wie  eine  am  unteren  Rande  desselben  ausradierte  Besitznotiz  zeigt,  den 
Anfang  einer  medizinischen  Hs.  gebildet. 

Über  die  Herkunft  der  Hs.  schliesslich  geben  zwei  Besitznotizen  Auf- 
schluss:  Bl.  Ib  am  oberen  Rande:  F.  Jacobns  Coloniensis  prior.  Bl.  2a  am 
Fusse:  liber  sancte  marie  inpolplin.  Danach  scheint  die  Hs.  vom  Niederrhein, 
wohin  auch  die  sprachliche  Eigentümlichkeit  der  Glossen  deutet,  nach  dem 
Cisterzienserkloster  Pelplin  in  Westpr.  gelangt  zu  sein.  Im  Liber  mortuorum 
monasterii  Pelplinensis  (hrsg.  von  K^trzynski  =  Monum.  Poloniae  "bist.  IV.  73) 
wird  1564  der  Tod  eines  Jacobus  sacerdos  et  monachus  et  prior  verzeichnet ; 
ob  dieser  mit  dem  ehemaligen  Besitzer  unserer  Hs.  identisch  ist,  scheint  mir 
deshalb  zweifelhaft,  weil  die  zweite  Besitznotiz  ihrem  Schriftcharakter  nach 
schwerlich  über  das  Jahr  1500  hinausgerückt  werden  darf. 

(Bl.  G3a.) 


agrimonia 
artemefia  biuot 
acerra 

aquileia  aquüeia 
5  alleluia  hukuckefloif 


afidula  furde 
atriplex  melde 
arundo  rid 
anetum 
10  apium  merha 


u 


25 


alleum  loe 
abfintium  alfne 

apirrifium 

balfamita 
15  bacca  baia 

beta  Bofnef  cöl 

biblus  bife 

bitannus* 

celidonia  fcelworte 
20  carica  mure 

caadacaballina  cattenftert 

cepe  uniun 

canaps  anep 

carix  scaf  bife* 

cirpus  bese 

cirmus 

citifus  dauere* 

cardus  ditel 

corimbus  fructus  edere 
30  ciminuiü  cimmin 

colliandnim 

cerfolium  keruele 

camamilla  hundeblome* 

cicuta 
35  daucnf  paftanaca* 

ceuefcion  fcuifun 

enula 

edera  drefna* 

erucus  «?a/rtc* 
40  ebulum  ctdic 

fragum  erdbeire 

fragifolium  erdbeirblat 

feniculum  uenecal 

fungus  banet* 
45  filix  uaren 

gingiber  gigeberre 

gilconum  mire 

galbanum  galegan  u.  galange  (?) 

genifta  bram 
50  gladioluf  lifo 


hinnula 

iufquiamum  belne 

yfopum  yfopo 

iuncuf  bi£fe 
55  amigdaluf  madälbom 

auellana  afelnote 

ater  fledorn 

atrile  fle 

alnuf  elf 
60  abief  dan 

gariofileta 

lanciolata  ribbe 

labrusca  bouerella* 

lactuca  latuc 
65  lappa  clühe 

lactaridef*  mdquid* 

lupinuin 

lilium  lüie 

ligustrum  widebinde 
70  libifcus  louefca* 

lentifcus 

mufcus  mof 

mandragora  alruna 

moyfika  mufeke 
75  malua  papla* 

mirica 

madiger*  cölfcot 

maratrum  uenekd 

mentriastrum  erfminte 
80  morum 

marubium  marubie 

millefolium  garwe 

nepita  daunetcla 

pilosella  mufhore 
85  piretiaim  pet  .  .  (?) 

porrum  poret* 

petrofilinum  perfeie* 

potentilla  millefolium 

primula 
90  polipodium  bomuarn 


6.  afidnla  =  acedula;  vgl.  Diefenbach,  N.  Gl.  XIV.,  88  a.  E.  „ce,  ci  häufig 
mit  se,  si  verwechselt,  folglich  so  ausgesprochen."  (Citat  aus  Hoflfm.  Sum.)  — 
15.  L  beira  (?)  vgl.  41.  erdbeire  u  42.  erdbeirblat.  —  22.  vgl.  oinjun  D.  Gl.  113. 
25  vgl.  befen  D.  Gl.  519.  —  28.  l.  diftel  —  44.  vgl.  D.  N.  Gl.  186  schwam 
(fongus)  est  vetus  pannus.  —  47.  vgl.  D.  Gl.  s.  v.  glicinum  die  Glosse  mirrych,  — 
52.  Die  Lesung  der  2.  Glosse  ist  schwierig,  könnte  auch  galanot  heissen.  — 
57.  1.  acer  (?)  vgl.  D.  Gl.  8  acer  hagdorn.  —  79.  1.  mentastrum;  vgl.  D.  Gl.  356 
herse-myncze  u.  hiersche  mente.  —  83.  1.  daunetüa  (?) 

6* 


84 

papirus  biise 

plantago  wegahreda 

pulegium  album  (in  marg.)  hoge* 

papauer  mecopi 
95  rafanum  radiif 

Ausserdem  finden  sich  noch  auf  der  Rückseite  des   Blattes   fol- 
gende Glossen: 

sure  hrade 

veretri  ters 


faxifraga  ftenbreca 
farpillum  kunneüa 
faluea  falge* 
fauina  fauelbom 


94.  Bei  der  Schwierigkeit,  die  diese  Glosse  bietet,  habe  ich  es  für  angezeigt 
gehalten,  die  Kompendien  nicht  aufzulösen.    Vgl.  D.  Gl.  410  mancopzaet. 

BONN. Fritz  Milkau. 

Die  älteste  deutsehe  Übertragung 

des  Dies  irae. 

Ungewöhnlich  gross  ist  die  Zahl  derer,  die  mit  mehr  oder 
weniger  Glück  eine  Übersetzung  des  sogenannten  Gigantenhymnus 
ins  Deutsche  versucht  haben^).  Nach  dem  Vorgange  Mohnikes*),  der 
sich  jedoch  noch  sehr  vorsichtig  hierüber  ausdrückt,  haben  Lisco^) 
und  Koch*)  des  bekannten  Eiferers  Johannes  Frederus  Lied  „Christus 
thokumpft  ys  vorhanden"^)  (1558)  an  die  Spitze  der  deutschen  Be- 
arbeitungen gestellt,  duixhaus  ohne  genügenden  Grund,  wie  mir 
scheint;  wenigstens  dürfte  man  mit  gleichem  Recht  jedes  beliebige 
Lied  eschatologischen  Inhalts,  wofern  es  jünger  ist,  in  ein  Abhängig- 
keitsverhältnis zu  unserer  Sequenz  setzen.  Danach  haben  wir  als  die 
älteste  deutsche  Nachbildung  das  namenlose  Lied  „Es  ist  gewiUlich 
an  der  Zeit^®),  dessen  ersten  Druck  Wackernagel  um  1565  ansetzt 
anzusehen.  Als  die  älteste  deutsche  Übersetzung  aber  gilt  heute^) 
Martin  Mollers  Lied  ;,Der  letzte  Tag  nu  komen  wird"®)  aus  dem 
Jahre  1584.  Ich  bin  mm  in  der  Lage,  aus  einer  Königsberger  Hand- 
schrift vom  Ende  des  XV.  (vielleicht  Anf.  des  XVI.)  Jahrh.  eine 
meines  Wissens  bisher  unbekannte  niederdeutsche  Übersetzung  des 
Dies  irae  mitzuteilen,  welche  sicli  inhaltlich  ziemlich  eng  an  das 
Original  anlehnt  und  reichlich  ein  halbes  Jahrhundert  älter  ist  als 
selbst  die  älteste  uns  bisher  bekannte  Bearbeitung  (1565). 


*j  Kayser,  Beiträge  zur  Geschichte  und  Erklärung  der  alten  Kirchenhymnen 
II  225  (1886)  schätzt  die  Anzahl  der  deutschen  Übertragungen  des  Dies  irae 
auf  achtzig  bis  hundert. 

2)  Kirchen-  und  litterarhist.  Studien  u.  Mittheilungen  I,  1.  p.  73.  (1824). 

')  Dies  irae,  Hymnus  auf  das  Weltgericht  Sp.  99.  (1840). 

*)  Geschichte  des  Kirchenliedes  VHP  660.     (1876). 

*)  Wackernagel,  Kirchenlied  UI  N.  237. 

•)  Wackernagel,  Kirchenlied  IV  N.  490. 

^  Kayser  a.  a.  0.  11  224. 

*)  Wackernagel,  Kirchenlied  V  N.  71. 


85 

Dem  niederdeutschen  Übersetzer  hat  der  liturgische  Text  der 
Se<j^uenz  vorgelegen,  wie  ihn  das  Missale  Yen.  von  1479  bietet^).  Nicht 
lange  nach  dessen  Druck  wird  unsere  t^bertragung,  der  übrigens  auch 
hinsichtlich  ihres  poetischen  Wertes  nicht  der  letzte  Platz  unter  den 
vorhandenen  Übersetzungen  anzuweisen  sein  dürfte,  entstanden  und 
aufgezeichnet  sein.  Da  Steffenhagen  in  seinem  Verzeichnis  der  alt- 
deutschen Handschriften  zu  Königsberg^®)  aus  einem  mir  unbekannten 
Grunde  den  Codex,  aus  dem  ich  meine  Mitteilung  schöpfe,  übergangen 
bat,  gebe  ich  hier  eine  Beschreibung  desselben. 

Cod.  ms.  Begiom.  1859.  Perg.  XV.  Jahrh.  188  Bl.  (nach  Bl.  59,  77, 
84,  88,  105,  113,  120  und  150  Beste  von  je  einem  aasgeschnittenen  oder  aus- 
gerissenen BL,  ohne  Lücke).  11,1X15,5  cm.  24,  auf  den  letzten  drei  Bl. 
20 — 25  Zeilen,  einsp.  und  ohne  Horizont.,  nur  Bl.  181h  und  182a  zweisp. 
Blane,  rote  und  gelhe  Initialen,  häufig  in  feiner  Ausführung  mit  aufgelegten 
Gold-  und  Silherstreifen  und  Arahesken,  meist  auf  purpurrotem  Grunde.  Rand- 
▼erziemngen  mit  sauberen  goldenen  Linienornamenten  auf  purpurnem  oder  bunten 
Blumen  und  Tieren  auf  lichtem  Goldgrund.  Kote  Überschriften  und,  soweit  die 
erste  Hand  reicht,  rote  Kommata;  die  lateinischen  Anfangsworte  der  Psalmen 
sind  rot  unterstrichen.  Meist  Quaternen,  ohne  Bezeichnung.  Mit  drei  sehr  sorg- 
fältig gemalten  Bildern :  69b  Ecce  homo;  127a  Christus  am  Kreuz ;  148b  Kreuz- 
abnahme. —  Holzdeckel  mit  blindgepresstem  Leder  und  dieses  wiederum,  was 
freilich  nur  noch  dürftige  Beste  bezeugen,  mit  schwarzem  Sammet  überzogen; 
mit  silbernen  vergoldeten  Buckeln  in  Bosettenform,  Schlössern  und  Schliesshaken- 
haltem  in  Gestalt  von  Engelsköpfen,  welche  hier  die  Stelle  der  bei  weniger 
kostbaren  Einbänden  üblichen  Haftbleche  nud  Deckelkantenbeschläge  vertreten. 
Das  Mittelstück  des  vorderen  Deckels  aus  demselben  edlen  Metall  zeigt  in  kreis- 
rundem Ringe  den  Apostel  Andreas  mit  dem  Heiligenschein,  die  rechte  Hand 
auf  sein  vor  ihm  stehendes  Kreuz  gelegt,  während  die  linke  ein  Buch  hält. 
Die  Schliesshaken,  das  Mittelstück  des  hinteren  Deckels  und  noch  andere  Be- 
schläge, für  deren  ursprüngliches  Vorhandensein  die  Löcher  in  den  Deckeln 
sprechen,  fehlen  heute. 

Die  Hs.  enthält 

1)  6a— 169b  (1 — 5  weiss).     Die  Psalmen  nd. 

Überschrift:    Deffen  falmefti  lyfx   dat   godt   de  werldt  beware  vor 
vouere  vnde  keltere  de  crißenkeit  (rot). 

Anf. :  BEahis  vir  qui  non  abijt  in  confilio  impiorum.  He 
is  eyn  falich  man,  de  nicht  en  ghinck  an  derne  wege  de?'  bofzen. 
Ende :  Hir  wert  endighet  de  pfalter  dauid. 

2)  169b — 181a.  Vnde  nv  volghen  hirnegest  de  Cantika  de  men  in 
dermetten  finghet  Canticum  yfaie  (rot;  am  Rande  schwarz: 
MandacK). 

Anf. :  COnfitebor   tibi  doniine   qumiiam  iratus  es.     Here  ick  wyl 
dy  Urnen  wente  du  biß  tomich  op  my.     Ende :  Ere  fy  deme  vader. 

3)  181a — 184a.  Hirnegheß  volghet  de  Letanie  tho  allen  godes 
hilghen.  de  lis  gerne  vaken:    (rot). 

Anf. :  KYrieleyfon  Here  vorbarrne  dy  ouer  vns.  Ende :  Deo  Qracias. 

4)  185a.     Ein  Gebet,  nd. 

Anf.:   0  du  moder  godes  Ih  arme  funderimie. 

•)  Ich  schliesse  dies  aus  dem  quia  in  der  Überschrift  der  9.  Strophe,  welches 
die  Lesart  des  Missale  Ven.  ist ;  das  Lübecker  Missale  (bald  nach  1480)  verbesserte 
qua.    Die  vulgäre  Lesart  ist  quod.    Vgl.  Kays  er  a.  a.  0.  II  204. 

»<^  Z.  £  d.  A.  XUI  =  N.  F.  I  501-574. 


86 

6)  186a — 188a.     Die  Sequenz  Dies  irae  nd. 
6)  188a — b.     Liturgische  Bemerkungen. 

An  f.:  In  der  mitten  der  laudes  na  denie  te  deum  laudanitis. 

Die  erste  Hand  reicht   bis   83b,   die   zweite  bis   184a;    die   drei    letzten 

Stücke  sind  von  ebensoviel  verschiedenen  Händen  geschrieben,  4)  und  6)  in  Cursive. 

Die  unter  5)  verzeichnete    Sequenz  folgt  hier  in  vollständigem   Abdruck; 

die  Abkürzungen  sind  wie  schon  vorher  aufgelöst  und  die  zum  Teil  vorhandene 

Interpunktion  ist  ergänzt. 

Dies  Ire  dies  illa  Soluet  feclum**) 

1.  En  dach  des  tornes  de  dach  ys  ghenant, 
Dede  werlt  in  deme  vure  vorbrant. 

Dyt  bethuget  vns  dauid  de  pfalmifte, 
Dar  to  Sybilla  de  heydenfche  profetyffe. 

Quantus  tremor  eft  füturus 

2.  0  Wylk  eyn  beuent  tokamende  ys  vnde  lede, 
Wenner  erfchvnende  is  de  richter  fittende  to  rede, 
Allent  dat  van  ambeg}Tine  ys  gefcheenn, 
Strenghe  den  wert  richten  vnde  vptheenn! 

Tuba  minim  fpargens  fonum 

3.  Eynen  wnnderliken  lut  wert  de  balTune  geuen 

Auer  alle  graue  der  doden  vnde  dede  den  noch  leuen, 
Dat  fe  alle  van  dode  moten  vpstann 
Vnde  vor  dat  ftrenghe  richte  ghann. 

Mors  ftupebit")  et  natura  cum 

4.  Vorwunderen  werden  fyck  den  noch  mere 

De  greflike  doet  vnde  mynfchlike  nature  fere, 
Dat  fick  de  creature  van  dode  vorheuen 
Vnde  deme  ftrengen  rychter  antwnrde  gheuen. 
186b.  Liber  fcriptus  proferetur  In  quo  to 

5.  Dat  gotlike  boek  gefcreuen  wert  den  vorgebracht, 
Dar  alle  fake  der  funde  fyn  ynne  bewracht, 
Dede  van  ambegynne  der  werlde  fyn  gefchen. 

Na  dyffeme  boke  wert  de  rychter  fentenceren^^). 

Iudex  ergo  cum  fedebit  nil") 

6.  Wenner  de  rychter  den  wert  fyttende  dar, 
Alle  hemelike  funde  den  werden  apenbar; 
Den  yn  der  fulueften  tyt  vnde  ftunde 
Nicht  vngewraken  blyuen  de  fware  funde. 

Quid  Tum  mifer  tunc  dicturus 

7.  Wath  fchal  yk  aime  mynfche  dar  reden  vnde  fpreken, 
Wenner  de  richter  fo  nouwe  werth  leggenn**)  vnde  rekenn? 


")  Die  lat.  Anfangsworte  sind  rot. 
")  Hs.  ßuhehit. 

**)  Hs.  fenthaeren;  nach  diesem  Wort  folgt  in  einer  fünften  Zeile  darunter, 
aber  offenbar  von  derselben  Hand,  ein  sehr  störendes  allen. 
")  Beginn  der  dritten  Zeile  des  lat.  Textes. 
**)  Hier  doch  wohl  prägn.  =  recht  leggen;  vgl.  Schiller-Lübben  II  654. 


87 

Wen  fchal  yk  vor  eynen  vorfpreker  wthkefenn, 
Wente  de  rechtuerdige  dar  kume  kan  genefen! 

Eex  tremendc  maieftatis 

8.  0  du  konyngk  der  beuende  maieftet  vnde  werdicheit, 

De  du  de  wtlierkaren  falich  makeft  dorcb  dyne  barmherticheit, 
0  du  aueruletende  born  der  myldicbeit, 
Make  my  falicb  dorcb  dyne  gruntlozen  gudicheit. 
lB7a.  Recordare  ihefu  pie  qua")  fum  caufa 

9.  Wes  den  dechafFtich  o  Jhefii  mvlde, 

Eyn  orfake  byn  dynes  weges  dar  to  dyn  bilde. 
In  deme  daghe  latb  my  nicbt  vordomen, 
Vppe  dat  de  bofenn  geyfte  fik  auer  my  nicbt  vorromen. 

Querens  me  fedifti  laffus 

10.  Gefoebt  befftu  my  gefeten  vomiodet  naket  vnde  blöt, 
Ok  my  vorlofet  vnde  yn  deme  cnice  geleden  den  döt. 
Sodan  fwar  arbeyt  vnde  grote  pyn, 

0  leue  bere,  lat  vmme  fus  vor  my  nicbt  gefcben  fyn. 

Jiifte  iudex  vlcionis,  donum  fac  r' 

11.  0  recbte  ricbter  der  funde  eyn  ftrenge  vreker, 
Gyff  my  de  gaue  dyner  vorhitynge  feker, 

Ere  de  ftrenge  dach  wert  kamen  vnde  befenn, 
Dar  alle  rekenfcbop  van  den  funden  wert  yn  leben. 
Ingemifco  tanquam  reus,  culpa  rubet 

12.  Alfe  eyn  fcbuldicb  funder  yk  den  wol  macb  fucbten 
Vnde  dar  beneuen^')  my  ok  fere  bevrucbten*'*), 

De  rode  verwe  mynes  anthites  w^ert  my  melden, 
Spare  my,  bere,  yn  dynem  torne  wil  my  nicbt  fcbelden. 

Qui  Mariam  abfolnifti 

13.  Dedu  magdalenan  ere  funde  befft  vorlaten 

Vnde  des  fcbekers  bet  vorboret,  van  eme  wtgegaten, 
My  dar  ynne  eyn  bopen  vnde  bilde  gegbeuen, 
0  bere  hiefu,  lat  my  myt  dy  ewicb  leuen. 
187b.  Preces  mee  non  funt  digne 

14.  Myne  bede  fyn  nicbt  werdicb  vnde  fo  goetb, 
Ouerft  vppe  dyne  gudicbeit  drege  ik  eyn  moet; 
Bewys  my  de  yn  de  tyt  der  gnaden, 

Dat  my  dat  ewige  vur  nicbt  möge  fcbaden. 
Inter  oues  locum  prefta  et  ab  hedis  me 

15.  Manck  den  lammeren  vnde  fcbapen  to  der  vorderen  bant 
Gyflf  my  eyne  ftede  yn  dynes  vader  laut; 

0  bere,  van  den  bücken  my  denn  afffcbede, 
To  dyner  vorderen  bant  gyflf  my  eyne  ftede. 

*•)  Hb.  quia. 
^'j  Hs.  beueue, 
"»)^Hs.  hwruchU, 


88 

Confiitatis  maledictis  flamm 

16.  De  vormaledynge  fy  verne  van  my  vordreuen, 
Dar  de  vordomeden  moten  ewich  yn  leuenn; 

Efke  my  to  dynen  benedieden  to  der  vorderen  hant, 
Dat  yk  nummer  werde  vorlaren^®) 

Oro  fupplex  et  acclinis**),  cor  contritam 

17.  Ick  rope  to  dy  biddende  vnde  dor  myn  ogen  nicht  vpheuen; 
Van  ruwe  ys  myn  harte  alle  afche  towreeuen; 

0  du  falichmaker  achte  mvn  lefte  ende, 
Entfange  myne  feie  yn  dyne  hende. 

Ijacrimofa  dies  illa,  qua  refurget 

18.  Sere  bedrofflick  vnde  wemodich  ys  de  dach, 
Dar  ne  ynne  fodan  Wunderwerk  fchach, 

Dat  van  der  afken  de  mynfchen  fyn  vorwecket 
Vnde  td^^)  deme  ftrengen  rychte  getrecket. 
188a.  ludicandus  homo  reus,  huic 

Van  der  gantzen  werlt  de  funder  den  werden  besecht, 
Dede  yn  velen  creaturen  ere  falycheit  hebbenn  gelecht*^). 

Pie  hiefu  domine  dona  eis 
0  here  Jhefu**)  fe  de  den  ouer  nicht  fo  nouwe  to  rvchtende*'), 
GyflF  den  wtherkaren  feien  de  ewige  vroude.     Amen. 


^^)  Lücke,  keine  Rasur;  ein  Umstand,  der  im  Verein  mit  der  ungeübten 
Hand  und  der  bis  jetzt  nur  einmal  konstatierten  Überlieferung  unseres  Stückes  zu 
der  Vermutung  führt,  dass  der  Übersetzer  seine  Übertragung  selbst  niedergeschrieben 
und  sich  die  Ausfüllung  der  Lücke  vorbehalten  hat. 

")  Hs.  accUuis. 

'^)  Der  untere  Aussenrand  des  Bl.  ist,  wahrscheinlich  durch  Feuchtigkeit, 
stark  geschwärzt,  so  dass  die  Zeilenanfänge  dieser  Strophe  nur  schwer,  der  Beginn 
der  4.  Zeile  überhaupt  nicht  zu  entziffern  ist. 

'^)  Soll  das  vielleicht  heissen :  Die  ihre  Seligkeit  in  irdischen  Dingen  gesucht 
haben?  (velen  vielleicht  zu  fei  *falsch'?) 

")  Hs.  Ih '  n. 

^)  Der  dritte  Buchstabe  ist  verwischt,  kann  aber  an  dieser  Stelle  kaum 
etwas  anderes  sein  als  c;*  gegen  die  Lesung  rv  hege  ich  deshalb  Misstrauen,  weil 
nirgends  sonst  in  diesem  Stücke  inlautend  v  für  u  geschrieben  wird ;  auch  mit  der 
am  nächsten  liegenden  Lesung  w  weiss  ich  nichts  anzufangen;  schliesslich  scheint 
der  Reim  die  Streichung  des  schliessenden  de  zu  fordern,  wenn  man  nicht  Schreib- 
fehler für  'den  annehmen  will.  Könnte  man  wohl  ändern  to  rechten  und  übersetzen : 
Sieh  dann  nicht  so  streng  zum  Rechten?  Jedesfalls  ist  dies  keine  befriedigende 
Lösung. 

BONN. Fritz  Milkau. 

Zu  Fritz  Reuters  Dörehläuehting. 

Über  die  Abstammung  Dörchläuchting's  und  seinen  Regierungs- 
antritt berichtet  Reuter  im  ersten  Kapitel  seiner  Erzählung  (Volksausg. 
Bd.  5,  S.  9  f.)  folgendermassen : 

„Adolf  Fridrich  IV.,  Herzog  von  Meckelnborg-Strelitz  was  en  Ssehn  von 
den   Prinzen   von   Miran   (Mirow),    mit   den   de   oll   Fritz    in    sine 


89 

flotten  Bheinsbarger  Johren  sinen  Spijök  bedrew;  hei  folgte  in  de 
Regining  np  Adolf  Fridrich  III.,  de  woll  vele  Schulden,  awer  keine  Kinner 
hinnerlaten  hadd.  Wil  hei  sewerst  noch  nich  vnll  föfteihn  Johr  olt  was,  höllen 
sei  em  tau't  Begiren  noch  nich  rip,  wat  'ne  grote  Dummheit  was,  denn  irstens 
was  hei  rip.  Worum?  Hei  is  seindag^  nich  riper  worden;  tweitens  hadd  jo 
sin  leiw  Mutting  för  em  regiren  kunnt,  un  drüddens  hadd  den  sin  Herr  Vedder 
Liebden,  Erischan  Lurwig  von  Meckelnborg-Swerin,  sin  meckelnborg  -  strelitzsches 
Reich  nich  mit  Krieg  awertrecken  kunnt,  denn  he  hadd  ok  stark  in  den  Sinn 
för  em  tau  regiren;  kämm  aewer  nich  recht  dortau,  denn  de  Mutter  van  dat 
Kind,  'ne  Prinzess  van  Hildborgshnsen,  knep  's  Nächtens  mit  ehren  lütten  Herzog 
ut  nn  lep  mit  ehm  nah  Gripswold.  Hir  let  sei  ehm  studiren  lihren,  denn,  wenn 
ok  nich  tau't  Regiren,  tau*t  Studiren  was  hei  rip ;  sei  sülwst  aewer  schrew  en  langen 
Breif  an  den  jgReichshofrath"  un  wes  ^nah,  dat  ehr  Kind  en  anner  Kind  wir, 
as  anner  Kinner;  dat  dat  all  von  Ltltt  up  an  hellsehen  klauk  west  wir  un, 
wenn^t  nu  nich  bald  vulljöhrig  spraken  würd,  licht  aewerrip  warden  künu  tau'm 
Schaden  von  de  meckelnborg-strelitzschen  Landen.  De  „  Reichshof rath"  sach  dat 
in  und  ded  ok  en  Inseihn,  hei  sprok  unsen  Dörchläuchten  vulljöhrig,  un  Vedder 
Liebden  Kriscban  Lurwig  von  Swerin  müsste  mit  ^ne  lange  Näs'  aftrecken  un 
de  Part  von  dat  meckelnborg-strelitzsche  Reich,  Nigen  Bramborg,  de  hei  mit  'ne 
Armee  von  fiw  Kumpanien  besetzt  hadd,  wedder  'rute  geven." 

Woher  entnahm  Reuter  die  Angaben  über  diesen  kleinen  Fürsten 
aus  der  Nachbarschaft  von  Rheinsberg?  Man  denkt  zunächst  an  den 
Briefwechsel  des  Kronprinzen,  im  besonderen  an  die  ^Briefe  Friedrichs 
des  Grossen  an  seinen  Vater, '^  die  1838  zu  Berlin  in  Sonderausgabe 
erschienen  sind;  allein  es  ist  wohl  so  gut  wie  sicher,  dass  er  nicht 
diese  selbst,  sondern  die  Auszüge  daraus  in  Thomas  ('arlyle's  History 
of  Friedrich  II.  of  Prussia  benutzt  hat.  Dieser  berichtet  H.  X.,  Kap.  3 
(Ausgabe  in  10  Bänden:  London,  Chapman  and  Hall  Bd.  3,  S.  235  ft.) 
ausführliches  über  den  Prinzen  von  Mirow,  der  für  englische  Leser 
als  Vater  der  Königin  Charlotte  von  besonderem  Interesse  ist.  Be- 
sonders zu  beachten  ist  der  Auszug,  welchen  Carlyle  aus  einem  Briefe 
des  Kronprinzen  an  seinen  Vater  vom  26.  Oktober  1736  gil)t.  Aus 
ilim  hat  Reuter  nicht  nur  die  humorvolle  Schilderung  der  Hofhaltung 
eines  deutschen  Kleinfürsten  des  18.  Jahrhunderts  in  gewisser  Weise 
zum  Vorbild  gedient,  sondern  es  kehren  auch  einige  ('harakterzüge 
des  Herzogs  von  Strelitz  (des  von  Reuter  erwähnten  Friedrich  HI.) 
in  der  Schihlerung  Dörchläuchtings  wieder.  Jener  treibt  in  Musse- 
stunden  das  Schneiderhandwerk  und  verfertigt  höchst  eigenhändig  sehr 
schöne  Schlafröcke.  Reuter  hat  diese  Vorliel)e  für  „schöne  Kledaschen" 
auf  seinen  Nachfolger,  Dörchläuchting  übertragen,  der  sie  allerdings 
nicht  selbst  verfei-tigt,  sondern,  sehr  zum  Schaden  seiner  Kasse,  aus 
Paris  konunen  lässt.  Ein  anderer  zu  beachtender  Charakterzug  ist 
das  menschenscheue  Wesen  des  Strelitzers  [He  is  extremely  silly 
(blöde)].  Auch  Dörchläuchting  zeigt  diese  Eigenschaft,  allerdings 
])esonders  weiblichen  Wesen  gegenüber.  lk»sonders  nuichte  ich  nocli 
auf  eine  Stelle  aufmerksam  machen.  Wenn  es  nämlich  S.  237  vom 
Herzog  von  Strelitz  heisst:  ^His  Hofrath  Alt  rock  teils  him  as 
it  were,  everything  he  has  to  say^,  so  erinnert  dies  an  das  vertrau- 
liche Verhältnis,  in  welchem  Hofrath  Altmann  zu  Dörchläuchting 


90 

steht.  Dass  die  Gemahlin  des  Prinzen  von  Mirow  eine  geborene 
Prinzessin  von  Hildburghausen  war,  konnte  Reuter  Carlyle  entnehmen. 
Dagegen  findet  sich  bei  ihm  kein  Anhalt  für  die  Erzählung  von  der 
Flucht  der  verwittweten  Fürstin  nach  Greifswald.  Vielleicht  schöpfte 
Reuter  diese  Angabe  aus  einer  anderen  Quelle,  möglich  aber  auch, 
dass  er  hier  nur  einen  Zug  aus  Paul  Heyses  Schauspiel  Hans  Lange 
benutzt  hat,  wo  die  verwittwete  Pommernherzogin  mit  ihrem  Sohne 
Bogislaw  ebenfalls  nach  Greifswald  flieht  und  ihn  dort  mündig  erklären 
lässt.  Heyses  Schauspiel  erschien  1806,  als  Reuter  mit  der  Abfas- 
sung des  Dorchläuchtung  beschäftigt  war,  und  bei  den  ^historischen^ 
Grundsätzen,  zu  denen  sich  der  Dichter  in  der  Einleitung  seines 
Romans  bekennt,  scheint  mir  letzteres  nicht  unwahrscheinlich. 

NORTHEIM.  R.  Sprenger. 


Zu  einzelnen  Stellen  nnittelnieder- 
deutscher  Dichtungen. 

Tan  Saute  Marinen. 

(Abdruck  der  Helmstedter  Hds.  bei  Bruiis   S.  144  ff.;  Ausgabe  von  Carl  Schröder 

[mit  Vruwenlof],  Erlangen  1869.) 

14.  dar  to  gaf  or  de  sote  here 
dat  se  mit  duldegeni  arbeide 
sculde  ufider  manlikem  klede 
van  kinde  gans  or  levent  ut. 
St.  ga7is  setzt  Schröder  gdn  in   den  Text  and   erklärt   sculde  =  'sollte' 
(s.  Wörterb.).     Es  ist  aber  Praet.  von  schulen,  sctilen  'sich  verbergen,  latitare', 
gans  or  levent  ut  hat  schon  Brans  richtig  wiedergegeben  dnrch :  4hr  ganzes  Leben 
hindurch.'  —  'sollte'  ist  sonst  in  diesem  Texte  stets  durch  scolde  wiedergegeben. 

104.  Dar  was  en  hlek  bi  gdeghen 
alse  dar  de  koplude  plegen 
ore  gut  to  hope  bringen. 
De  monke  voren  dar  na  dingen 
der  se  in  dem  kloster  bedachten: 
up  der  kar  se  dat  brachten. 
Um  die  Erklärung  der  Verse  107  ff.  haben  sich  die  Herausgeber  vergeblich 
bemüht;  auch  Lttbben  z.  Zeno  V.  20  weiss  sich  dieselben  nicht  zu  deuten.    In 
der  lat.  Quelle  (bei  Schröder  S.  9)  heisst  es  entsprechend:   et  ibant  monachi  et 
afferebant  quae  necessaria  erant  monasterio.     Die  Stelle  wird   klar,   wenn  wir 
V.  108  dss  St.  der  schreiben  uud  dingen,  das  noch  Sehr,  durch  'Sachen'   erklärt 
=  'einen  Kauf  abschliessen'  (s.  Mnd.  Wb.  1,  520)  fassen,    bedenken  erklärt  sich 
dann  einfach  dnrch  'nötig  erachten'. 

178  lies:  Du  salt  nu  mer  in  allem  dinge 
besorgen  dem  des  he  bedarf. 
Statt  des  hat  die  Hds.  de.    Schröder:  besorgen  dat  des  he  bedarf. 
251  ff.  schreibt  und  interpuugiert  Schröder: 

se  gingen  unde  bevoleden 
unde  mit  water  spoUden 


91 

alse  86  woneden  de  mannes  lif: 
wen  he  was  van  nature  en  unf, 
dat  wart  en  al  do  kunt. 

wonen  erklärt  Schröder  durch  'gewohnt  sein^  obgleich  er  bemerkt,  dass 
diese  Bedeutung  im  weiteren  Mnd.  nicht  belegt  sei.  Auch  wen  in  der  Bedeutung 
'dass',  wie  es  Sehr.  (Wb.  S.  69)  fasst,  ist  nicht  möglich,  wonen  ist  'glauben, 
meinen'.  Der  Ton  liegt  auf  se  woneden  'die  vermeintliche  Mann8leiche\  Nach 
lif  ist  Komma,  nach  wtf  Punkt  zu  setzen  und  wen  durch  'denn'  zu  übersetzen. 

314.  Über  hequinen  'gedeihen'  ist  schon  das  richtige  im  Mnd.  Wb.  I., 
237  bemerkt. 

317.  ungelik  un  hon,  ungelik,  wofür  Sehr,  nicht  passend  ungeluk 
Unglück'  setzt,  ist  'ungerechte  Behandlung'. 


«TT 


Tmweiilof. 

(Bruns  S.  124  ff.;  Schröder  S.  19  ff.) 

13  ff.  ist  zu  lesen: 

Wu  mochte  groter  vraude  sin 
tvan  dar  en  man  unde  en  vruwe  fin 
mit  rechte  bi  en  ander  ligget, 
unde  on  de  leve  an  siget, 
dat  en  den  anderen  mit  ganser  dat 
wen  sik  sulven  leoer  hat, 
unde  en  de  lern  an  siget  'wenn  sie  die  Liebe  bezwingt.'     Über  an  sigen 
8.  Hartmanns  Iwein  6604  mit   Lachmanns  Anm.    und    Erek'    8795.      Die    Hds. 
hat  txiget,  was  noch  Schröder,  obgleich  er  mit  Recht  bemerkt,  dass  dieses  Wort 
im  Mnd.  nicht  weiter  belegt  ist,  wie  Bruns  durch  'zeigen'  erklärt.     Im  Hartebok 
V.  269  (auch  bei  Schröder  S.  6)  lautet  die  Stelle   ebenfalls  entstellt:  unde  den 
de  hve  dat  segget  (;  ligget), 

46.  en  gut  wif  is  der  vonden  vunt,  Bruns  findet  hier  eine  Anspielung 
auf  Prov.  Salamonis  18,  20;  gemeint  ist  wohl  V.  22:  qui  inveniet  mulierem 
bonam,  invenit  honum, 

79.  Der  Sinn  (vgl.  71  f.)  verlangt:  ore  schin  is  nicht  tigen  reine  wif 
'ihr  Schein  ist  nichts  im  Vergleich  zu  reinen  Frauen'. 

83.  Statt  an  lachen  enen  werden  man  hat  die  Hds.  die  nicht  zu  be- 
zweifelnde Lesart:  anlagen  enem  w,  m.  Über  anlagen  mit  Dat.  u.  Acc.  'jemand 
bittend  angehen,  s.  Mnd.  Wb.  I,  95. 

101.    Up  dem  angere  scolde  sucker  stan 
dar  de  werden  vruwen  hen  gan 
Bruns  denkt  sich  den  Anger   mit   Zucker    bestreut.      Dass    aber  an    eine 
zuckerhaltige  Pflanze  zu  denken  ist,  zeigt  der  Vergleich   mit  Wolframs  Willeh. 
87,  30  geeret  st  veli  unde  gras  Äldä  der  minncere  lac  erslagen.  dax  velt  solde 
Zucker  tragen  al  u/mh  ein  tagereise. 
103  f.  liest  die  Hds.  richtig: 

Nen  man  kan  to  vullen  scriven, 
wat  umnne  kumpt  van  werden  tviven. 
to  vullen  'zur  Fülle,  völlig.' 

109  f.  verstehe  ich  nur  als  zur  Entschuldigung  der  'wandelbaren'  Frau 
gesagt  und  lese: 

Et  enwart  up  erden  nu  so  gut, 
et  en  wunne  wol  tvnvelmot 
'Es  ward  nichts  so  gutes  auf  Erden  geboren,  dass  nicht  zuweilen  Wan- 
kelmut gewönne.' 


92 

113  schreibt  Sehr.:  we  entsen  aller  vruwen  lif.  Die  Hds.  hat  entsiren, 
d.  i.  wohl  entsiten  ^sich  ehrfurchtsvoll  vom  Sitz  erheben.' 

116.    Statt  do  ist  wohl  don  zu  lesen. 

Wolfenbtttteler  Osterspiel. 

47  lies:  jungeling  (;  ding).  Vgl.  die  Auferstehung  Christi  bei  Mone, 
Altteütsche  Schauspiele  V.  839. 

78  ff.  sind  wohl  folgendermassen  zu  ordenen: 

Wene  soke  gy  dre  vrowen, 

Mit  so  groter  raiiwe 

Also  vro  an  dussem  grave 

Unde  mit  so  groter  klage? 

Bei  Mone  997  ff.  lauten  die  Verse:  Wen  sucht  ir  dry  frawen  so  fru 
in  desem  tawe,  so  na^  hif  desein  graben  kunt  ir  uns  dax  gesage? 

103  lies  Du  st.  Da. 

120  ff.  Die  ungeschickten  unreinen  Reime  verraten  die  hochdeutsche  Vor- 
lage; vgl.  Mone  1025  ff. 

134  lies:  verivundet  lif. 

157.   Woldestu  de  jodden  hebben  vormeden, 

Der  merter  en  dechtestu  nicht  Iiebben  geleden. 

Man  ist  versucht  tnechtestu  st.  dechtestu  zu  schreiben,  doch  vgl.  auch 
ßrandan  (Brnns)  539 :  heddestu  den  tom  vermeden  \  du  en  dechtest  (Br.  dethtest) 
der  pine  nicht  hebben  leden.  Auch  Lübben  z.  Zeno  V.  20  weiss  sich  die  Form 
nicht  zu  deuten.     Vielleicht  ist  dedest  zu  lesen. 

168.  Bistu  here,  wo  wir  erwarten:  'Bist  du  es,  Herr?'  s.  Lachmann-Benecke 
z.  Iw.  2611. 

172.  Ungemaget  gekoren  weiss  ich  mir  nicht  zu  deuten.  Ist  vielleicht 
lmgeman?iet  geboren  'ohne  Mannes  Beihülfe  geboren'  zu  lesen? 

Nach  204  fehlt  ein  Vers,  der  etwa  folgendermassen  zu  ergänzen  ist: 

Hude  mwgen,  do  ik  to  dem  grave  quam, 

IVan  dem  enget  ik  t'omamj 

Dat  he  were  van  dem  dode  up  gestan. 
Vgl.  Mone  1148.    ich  wax  gegangen  cxu*  dem  grabe,   ich  umx  vor  dem 
tage  fro*,  ich  sach  dy^  enget,  sif  sprachen  mir  cxu\ 

Zeno. 

(her.  V.  Lübben,  Bremen,  1869). 

41  ff.  lese  und  interpungiere  ich: 

He  makede  darbi  enen  bref: 
In  bli  he  one  schref. 
De  duvel,  tnit  sine?'  hant, 
Dat  deme  (dem  Bischof)  were  bekant 
Dat  kint  vunden 
Unde  ok  allen  sinen  vrunden. 
vunden  kint  ist  =  vu7itkint  'Findelkind',   vgl.    Hartmanns   Gregor   1227. 
Dass  ausser  dem  Namen  des  Vaters  auch  die  der  Verwandten  des  Kindes  in  dem 
Briefe  verzeichnet  stehen  sollten,    ist   nicht   wahrscheinlich;   auch   V.    152   wird 
nur  berichtet,  dass  der  Bischof  den  Namen  des  Vaters  darin  fand. 

166.  up  or  lif  Wide  up  wen  sin.  Die  Formel  ist  nicht  zu  bezweifeln 
(s.  d.  Anm.)  Der  sin  wird  anch  sonst  dem  lip  gegenübergestellt;  vgl.  an  Übe 
unde  an  sinne  Iw.  125;  Wig.  3817. 


93 

183  ff.  lese  ich: 

Do  lerde  it  bi  ver  jaren, 
Dat  allen  den  scholem,  de  dar  waren, 
In  der  lere  om  io  en  boven  lach. 
Dat  ist  =■  Dat  it;  on  Dat.  ethic. 

225  ff.  sind  unzweifelhaft  durch  Znsatz  des  Schreibers  (mit  Benutzung 
von  318)  entstellt  Ich  glaube,  dass  die  4  Verse  in  2  etwa  folgendennassen 
zusammenzuziehen  sind: 

He  kledede  on  wente  up  den  vot 
Unde  let  ome  over  al  sin  got 
Die  Redensart:  Von  Kopfe  zu  Fusse   (d.  h.    völlig)  kleiden   besteht  noch; 
vgl.  auch  V.  479. 

255  ff.  lese  und  interpungiere  ich: 

Zeno  vil  stille  swech: 
Van  leide  rot  unde  blek 
He  wart  na  harter  vriste, 
Dat  he  ein  edder  ander  enwiste. 
288  (s.  Anm.)     Mir  scheint  die  hdsl.  Lesart  nicht  zu  beanstanden. 
341.    Die  hdsl.  Lesart  von  H.W. :  He  wart  also  ein  dok   (Lübben:  dode) 
blek  ist  nicht  zu  beanstanden;  dok  meint  hier   ein   ^Leintuch'.     ^Bleich   wie  ein 
Betttuch,  Laken'  ist  ein  noch  jetzt  üblicher  Vergleich. 
396  f.  sind  umzustellen: 

Dat  is  noch,  so  it  vore  was, 
Do  se  siner  erst  genas. 

401  f.  Do  her  Zeno  dat  horde. 

Sin  leit  he  gar  vorstorde. 
Dh.  'Da  Zeno  dies  hörte,  so  vernichtete  er  (der  Antwortgeber)  damit  seinen 
Kummer.'     Es  ist  kein  Grund,  die  Lesart  von  D.  vorzuziehen. 

428.  Da  HDZ.  Übereinstimmend  armen  mamie  lesen,  so  haben  wir  kein 
Becht,  manne  aus  metrischen  Gründen  zu  streichen.  Dasselbe  gilt  von  dat  vor 
tvere  in  V.  458. 

500.  Ik  wege  se  iuk  over  in  den  schot.  over  ist  wohl  =  aver  iternm, 
d.  h.  also  'doppelt'. 

643  ff.  lese  und  interpungiere  ich: 
Lat  di  nu  so  leve  sm 
Also  mi  was,  to  dem  schaden  mm 
Do  niik  Zeno  wart  gesant 
Van  deme  bin  ik  sits  geschant 
'Lass  dir  nun  so  angenehm  zu  Mute  sein,  als  mir  war,  da  mir,  zu  meinem 
Schaden,  Zeno  gesandt  wurde.' 

649.  Da  HD.  übereinstimmend  tucke  st.  niicke  haben,  so  ist  erstere  Lesart 
wohl  vorzuziehen. 

712  f.  lese  ich: 

Unde  vorden  se  iegen  en  stat: 
VenMe  was  benomet  (Hds.  de  narae)  dat. 
Der  Grund  zur  Entstellung  war,  dass  stat  als   Neutr.   ungebräuchlich   ist. 
824  (s.  Anm.)     Auch   hier   ist   kein   Grund,    die   Lesart   von  D.  der  von 
HW.  vorzuziehen. 

Nach  870  ist  Punkt  statt  Komma  zu  setzen  und  dann  fortzufahren: 

Dai  se  up  de  koninge  proven, 
En  scalt  du  di  nicht  bedroven. 
Noch  dat  se  so  hastigen  kamen  rant 
To  di  mit  wapender  hant. 


»4 

Die  unzweifelhaft  entstellten  Verse  945  ff.  sind  kaum  Überzeugend  her- 
zasteilen (s.  d.  Anm.) 

973  ist  unzweifelhaft  beren  'Gebärden^  statt  'weren'  zu  lesen.     [S.  Anm.] 
Nach  1014  setze  ich  Punkt  statt  Komma  und  lese  dann  1015  ff. : 

Tohant  do  Satanas 
üt  der  juncvroxven  varen  was 
Unde  hadde  sik  gehudet, 
Hedde  dat  wat  gehütet! 
*  Alsbald  war  Satanas  aus  der  Jungfrau  gefahren  und  hatte  sich  versteckt. 
Wenn  das  nur  etwas  genützt  hätte!'     Vgl.  1047  f.    Wat  he   sik  nu  to  winket 
tut,   Wart  he  geste  körnen  stitf 

1055.    Sollte  hier  H.    wirklich    den   drei   Hdss.    WDZ.    gegenüber    allein 
das  richtige  bewahrt  haben,  und  nicht  vielmehr:  Stcs  deit  Saianas  u?nme  gude 
Wort  ironisch  zu  fassen  sein?     (s.  d.  Anm.) 
1085  lies:  kortewüe, 

1116.  Do  }he  ein  blek  van  danne  quam, 

Do  vant  he  in  dem  wege, 
Dar  se  tnede  to  graveride  plegen. 
So  viel  ich  weiss,  kann  man  nicht  sagen:  ein  blek  tnn  danne  kamen, 
ebensowenig  wie  nhd.  'einen  Fleck  weiter  komen\  Auch  muss  das  gänzliche 
Ausfallen  des  Subjekts  in  V.  1117  ausfallen,  es  sollte  wenigstens  der  unbestimmte 
Artikel  stehn  (vgl.  z.  B.  Meier  Helmbr.  597 :  dir  ragete  uz  dem  rocke  einez  als 
ein  aJisen  di^m.)     Ich  glaube  deshalb,  dass  zu  schreiben  ist: 

Do  he  van  damie  quanij 
Do  vant  he  ein  blek  in  dem  wege,  .  .  . 
'Als  er  von   dannen   kam,   fand   er   ein  Blech  (eine   Metallplatte)   in   dem 
Wege,  womit  man  zu  graben  pflegt.' 
1232  f.  ist  zu  lesen: 

Zeno  sprak:  'Ik  were  noch  lenk 
Gewesen,  enheddest  du  geddn  .  .  / 
'Z.  spr. :  „Ich  wäre  noch  länger  ausgeblieben,  wenn  du  nicht  gewesen  wärest.'' 
don  vertritt  hier  die  Stelle  des  voraufgehenden  Verbums;  vgl.  Mnd.  Wb.  I.,  538. 
1273  lies:   Wat  du  gheist  (sagst.  Hds.  deiM),  dat  is  gedan, 
1303.  Da  so  in  WHZ.  fehlt,  so  ist  es  zu  streichen. 
Die  nur  in  D  überlieferten  Verse  1473  u.  74  machen  allerdings  den  Eindruck 
der  Ächtheit. 

1519;,  Dedet  ein  dink,  dat  sdiolde  mi  leit  sin. 

Die  Überlieferung  gibt  allerdings  keinen  rechten  Sinn  (s.  Anm.).  Sollte 
nicht  zu  lesen  sein:  Dedet  en  sake,  d,  s,  rn,  l.  s.  (?)  =  'Sollte  es  einen  Streit 
veranlassen,  das  sollte  mir  leid  sein.'  Die  miss verständliche  Änderung  von  dink 
in  sake  wäre  wenigstens  leicht  zu  erklären. 

1536.  Da  auch  D:  an  beider  s^iet  hat,  so  wird  anzunehmen  sein,  dass  auch 
in  H  weder  »yd  aus  heder  s.  entstellt  ist. 

Aneelmos. 

(her.  V.  Lübben  im  Anhange  zu  Zeno,  S.  113  fl.) 

Nach  V.  6  ist  besser  Kolon  statt  des  Komma,  nach  105  besser  Punkt  statt 
des  Komma  zu  setzen. 

143  lies:  undertunschen,     228  lies  einighe  (vgl.  73). 

294.  scheint  die  Änderung  von  nicht  in  iht  leichter,  doch   vgl.  die  Anm. 

301  f.  lies  und  interpungiere : 

De  jungheren  queinen  her  gelopen 

So  rechte  jarmnerliken  rqpen. 


95 

Vgl.  432  IT.,  wo  ebenfalls  das  Komma  nach  lopm  zu  tilgen  ist,  denn  die 
folgenden  Infinitive  stehen  statt  des  Participiums.  Ebenso  nach  397.  415  ist 
dsigegen  gestän  Infinit,  mit  der  Vorsilbe  ge. 

343.    Vor  tvant  *bis*  ist  das  Komma  zu  tilgen.     377.  toch  =  ^dok'. 

403  lies:  al  de  not, 

507  fif.  ist  zu  interpungieren : 

Ik  hopede  dat:  min  leve  sone 
De  was  so  deinlik  unde  so  schone 
Unde  so  reckte  suverlich, 
Sin  antlat  was  ome  mynniclich: 
Wan  se  dat  liadden  an  gesein, 
Dat  ome  nicht  quades  were  schein, 
Dat  se  sik  scolden  sin  unbamien. 
525.  Das  hdsl.  ome  ist  nicht  in  one  zu  ändern,  (s.  Anm.) 
Nach  566  ist  Kolon  statt  Semikolon  zu  setzen  und  zu  schreiben  : 

Do  he  vor  pilatus  qv/zm  u.  s.  w. 
647  if.  lies: 

He  vragheden  ok,  oft  he  dat  wäre, 
Dar  tmime  sin  vader  ouer  mannighem  jare 
Hei  de  kinder  slaghen  dot 
Hei  hiess  'befahr. 

746  liess:  He  sweich  unde  enwolde  des  ome  nicht  sagen. 
854.  Das  composit  gecleit  (vgl.  Hau.  Marienl.  34,  23  und  Lexer  u.  d.  W.) 
ist  im  Mud.  Wb.  nicht  belegt.     Ebenso   971    leitvortrif  'Leid vertreib',   vgl.   die 
Widmung  in  Kinkels  Otto  der  Schütz:  'Ihm  war  das  Lied  ein  Leidvertreib'. 
839  fr.  ist  zu  lesen: 

Se  alle  richten  up  mit  groter  not 
Dat  cnise,  wani  is  was  so  grot, 
Dat  se  des  nicht  lichte  konden  hören, 
Dar  enmosten  vele  lüde  to  Jioren, 
Es   darf  nicht  mosten   statt   enmosten   (s.    Lübbens    Anm.)    geschrieben 
werden;  vgl.  über  die  Constraction  meine  Bemerkung  z.   Sündenfall   1665  f.  im 
Jahrb.  XVI. 

1117.  Do  sine  vote  iveren  los, 

Wu  drade  ek  de  erden  kos 
Unde  leghede  one  an  minefi  sclwt! 
de  erden  kos  erklärt  Lübben   in  den   Anm.   und   im   Mnd.  Wb.   IL,  457: 
'die  Erde  wählte,  mir  ersah,  mich  auf  die  Erde  niederliess',  zweifelt  aber  selbst, 
dass  er  das  richtige    getroffen,     Ich   vermute:   de  horden  kos  'die  Bürde    mir 
ersah,  auf  mich  nahm.' 

Botes  Boek  van  veleme  rade. 

(her.  V.  Herrn.  Brandes,  Jahrb.  XVI.,  1  ff.) 

Bl.  Ib.  ,v.  3.  Ick  hyn  eyn  van  den  vrommeden  ghesten.  Der  Hrsg.  sucht 
in  diesen  Worten  einen  versteckten  Hinweis  auf  den  Namen  des  Dichters  (Bote). 
Vergleichen  wir  I.,  92  Wy  sint  hir  up  erden  vrommede  gheste^  so  ergibt  sich, 
dass  der  Dichter  hat  sagen  wollen:  'Ich  bin  ein  Mensch,  mit  menschlicher 
Schwäche  behaftet.' 

n.,  49.  ist  wohl  evenmynschen  als  Compositum  aufzufassen,  da  das  A4j. 
even  sonst  flectiert  wird  (s.  Mnd.  Wb.  u.  d.  W.)  Nach  V.  65  ist  besser  Punkt 
oder  Kolon  zu  setzen. 


96 

Vin.  21  lese  ich:  Dyt  spoelrat  is  van  eyner  hreden  hnimme.  (Druck: 
eyn%  hreder), 

47  f.  ist  zu  interpangieren : 

In  heerhencken  hm  me  groetspreken, 

Mit  s  werden  unde  mesten  ivü  me  denne  de  heize  äff  stecken. 

49  f.    0  gy  rechten  dummen  hmpen, 

De  jii  eyn  laken  ummewarmede  unde  lede  juw  slapen 
ummewarmen  in  der  Bedeutung  'umlegen'  ist  nicht  belegt  und  auch  nicht 
wahrscheinlich.     Sollte  nicht  zu  lesen  sein  De  ju  eyn  laken  wmne  tvamede. 
S.  warnen  'zur  Sicherheit  mit  etwas  versehen,  mnnire'  Mnd.  Wb.  5,  606. 

53  f.  sind  unzweifelhaft  entstellt,  besonders  ist  die  Qegenilberstellung  von 
ordel  und  stryt  unmöglich.     Ich  vermute 

Bar  lant  unde  lüde  dye  (so  auch  der  Druck)    unde  vordarff  ane  lycht, 
Se  enachien  noch  oi'del  noch  rycht. 

lant  und  lüde  steht  formelhaft.  Vgl.  Stindenf.  2756  Wente  dar  an  licht 
dig  unde  vorder f  Nicht  einerleie  allene,  Su7ider  aller  gewerlt  gemene.  Götting. 
Urkb.  II.,  Nr.  153  (1431)  S.  106,  Z.  22:  afidere  unchtige  stucke  ,  .  ,  ,,  dar 
un^er  Henze  openbare  dye  unde  vorder  ff  ane  licht. 

Nach  IX.,  7  ist  Pankt  statt  des  Komma  zu  setzen  und  dann  zu  interpungieren : 

Va7i  eglietier  upsate  unde  toval 
Dat  de  duvel  niaket  unde  Jievet  an: 
toval  hier  'Einfair,  im  Mnd.  Wb.  aus  Griseldis  belegt.    Dat  ist  Demonstrativ. 
31.  Toje^lwr   ist    unverständlich.      Sollte    nicht   tosegher    =    'Aufhetzer' 
zu  lesen  sein?    V.  32  ist  Unde  =  Unde  de. 

50  if.  ist  folgendermassen  zu  interpungieren: 

Wente  dat  tvil  eynen  anderen  vomichten 
Dat  sulves  nicht  entdocht. 
Qu4xden  rat  quade  lere  socht 
Quaden  rat  ist  der  bekannte  niederd.  Accusativ  statt  des  Nominativ. 
64  ff.  ist  zu  interpungieren: 

0  here  got,  wol  synt  de  in  deme  schaden? 
Dat  doet  de  heren  unde  ere  armen  lüde. 
„0  Herr,  wer  ist  es,  der  den  Schaden  erleidet?  Das  sind  die  Herren  und 
ihre  armen  Leute."  Der  Hrsg.  erklärt  doet  =  dodet,  aber  diese  sonst  nur  einmal 
belegte  Form  ist  hier  nicht  anzunehmen ;  doet  ist  vielmehr  3.  Pers.  Plur.  Praes. 
Ind.  von  don,  welches  hier  die  Stelle  des  vorhergehenden  Verbums  vertritt. 
(s.  Mnd.  Wb.  I,  538b.) 

X.,  4.  Zu  muntspeer  vergleiche  unser  'die  Maulsperre',  die  man  bekanntlich 
auch  vor  Verwunderung  bekommen  kann. 

28.  Das    bisher    unbelegte    hoitensnavel   vom    Hsg.    durch    'Grünschnabel' 

übersetzt,  wird  wegen   der  Bedeutung  von  hotte   wohl    besser   durch   'Milchbart' 

wiedergegeben.     Vgl.  auch  VIIL,  86  Du  bijit  dar  alto  wit  umme  ds  munth  to. 

80  bidt  erklärt  der  Hsg.  dem  Sinne  nach  richtig  durch  'entsteht'.     Haben 

wir  ein  mnd.  bullen  =  lat.  bullire  'hervorwallen,  quellen'  anzusetzen? 

NORTHEIM.  R.  Sprenger. 


97 


Spieghel  der  zonden. 

(Mnd.  Handschrift  des  15.  Jalirh,  in  der  Panlinisclien  Bibliothek 

zn  Miinster  i/W.) 

Im  Jahre  1874  veröffentlichte  ich  in  dem  Programm  des  da- 
maligen Progymnasiiims  zu  Norden  ^Josefs  Gedicht  von  den  sieben 
Todsünden"  in  fortlaufenden  Auszügen  und  Inhaltsangabe  nach  einer 
bis  dahin  unbekannten  mnd.  Handschrift  der  Bibliothek  des  Vereins 
für  Kunst  und  vaterländische  Altertümer  zu  Emden.  Professor  Suchier 
in  Halle  machte  mich  dann  auf  ein  Gedicht  ähnliches  Inhalts  aiif- 
merksam,  welches  sich  handschriftlich  in  der  Bibliotheca  Paulina  zu 
Münster  befände,  und  in  dem  Niederdeutschen  Jahrbuche  IV  (1878) 
p.  54 — 61  veröffentlichte  dann  später  A.  Lübben  unter  der  Ueber- 
schrift  ;,Spieghel  der  zonden*  einen  kurzen  Aufsatz  über  diese  Hand- 
schrift nebst  einer  derselben  entnommenen  Erzählung,  welche  eine 
merkwürdige  Aehnlichkeit  mit  der  Geschichte  hat,  die  Schillers  ;,Gang 
nach  dem  Eisenhammer"  zu  Grunde  liegt. 

Lübbens  Aufsatz  enthält,  wie  mir  scheint,  einige  Unrichtigkeiten 
und  giebt  von  dem  Inhalte  des  Gedichts  nur  im  allgemeinen  Kunde. 
Wenn  aber  der  Spieghel  der  zonden  zweifellos  fast  in  derselben  Zeit 
entstanden  ist,  wie  Josefs  Gedicht  von  den  sieben  Todsünden,  ohne 
dass  irgend  welche  Anlehnung  stattgefimden  hat,  ivenn  derselbe  Stoff 
in  räumlich  nicht  weit  entfernten  Gebieten  von  zwei  verschiedenen 
Bearbeitern  ganz  selbständig  in  umfassenden  Dichtungen  behandelt 
worden  ist,  so  lohnt  es  wohl  der  Mühe,  nun  auch  die  Münstersche 
Handschrift  in  ähnlicher  Weise  wie  Josefs  Gedicht  bekannt  zu  machen. 

Die  Handschrift  befindet  sich  also  auf  der  Königlichen  Pauli- 
nischen Bibliothek  zu  Münster  unter  Nr.  268  (früher  Nr.  1139)  und 
ist  in  Ständer's  'chirographonmi  in  bibliotheca  Paulina  catalogus' 
S.  117  sub  Nr.  536  kurz  beschrieben.  Es  ist  ein  Folioband,  in  Leder 
gebunden,  auf  Pergament  geschrieben.  Auf  der  Innenseite  des  Vorder- 
deckels steht  die  Notiz:  ^Aus  dem  Hanloschen  Diebstahl  von  einem 
Schreiner,  dem  es  zum  Auskleben  —  musikalischer  Instrumente  ver- 
kauft w^ar,  freiwillig  zurückgeliefert.  M.  20/2  75.^  Die  Blätter 
25 — 34,  37 — 54,  70 — 74,  102 — 108  sind  unten  angeschnitten.  Es 
sind  dadurch  weggefallen  auf  Blatt  25 — 28  je  2  Zeilen,  Bl.  29  1  Zeile, 
auf  Bl.  30 — 32  ist  nur  der  untere  Teil  der  letzten  Zeile  weggeschnitten, 
desgl.  auf  Bl.  37—38,  51—54,  70—74,  102—108.  Auf  Blatt  33—34, 
39 — 50  ist  nur  der  imtere  weisse  Rand  weggeschnitten.  Die  Hand- 
schrift besteht  aus  139  Blättern.  Auf  jeder  Seite  stehen  2  Spalten 
ä  32  Zeilen,  die  ohne  jeden  Absatz  hinter  einander  folgen.  Das 
139ste  Blatt  enthält  nur  auf  der  Vorderseite  noch  1^/«  Spalten  Text. 
Die   vollständige   Handschrift    hat   also    ca.    17700   Zeilen   enthalten. 

Nicderdeutiches  Jahrbuch.    XVII.  7 


»8 

Man  kann  nur  Zeilen,  und,  trotz  der  poetischen  Form  des  Werkes, 
nicht  Verse,  sagen,  weil  in  vielen  Zeilen  Inhaltsüberschriften  pro- 
saischer Form  sich  befinden.  Die  Handschrift  ist  im  Anfange  un- 
vollständig. Lübben  meint,  es  fehlten  vorne  ^einige  Blätter,  vielleicht 
aber  auch  nur  zwei  oder  eins.^  Es  kann  vorne  aber  nur  ein  IJhitt 
fehlen,  denn  auf  dem  jetzigen  Blatte  73a ^j  lesen  wir: 

Hyr  off  is  ghenoech  unt laden 

Int  LXVIste  desser  b laden, 

Int  capittel,  welk  uns  bevroet, 

Wat  quade  traecheit  den  mensche  doet. 

Dieses  Kapitel  von  der  traecheit  beginnt  aber  nach  der  jetzigen 
Zählung  auf  Blatt  65  (nicht  64,  wie  Lübben  meinte.)  Es  muss  also 
vorne  ein  Blatt  weggefallen  sein.  Die  Schrift,  in  schwarzen,  schein- 
bar klaren  Schriftzügen,  ist  nicht  so  deutlich,  wie  sie  aussieht,  weil 
die  Buchstabenformen  nicht  immer  scharf  auseinandergehalten  sind. 
Die  Schrift  steht  auf  ganz  zart  vorgezogenen  Linien.  Jede  Zeile  be- 
ginnt mit  einem  grossen  Anfangsbuchstaben,  welclier  mit  einem  senk- 
recht durchgehenden  roten  Strich  verziert  ist.  Bedeutsamere  Inhalts- 
Abschnitte  haben  grössere,  etwa  3  cm  hohe  Anfangsbuchstaben  mit 
blauen  und  roten  Arabesken.  Die  Hauptteile  haben  ganz  grosse, 
etwa  6  cm  hohe  Initialen,  welche  mit  äusserst  feinen  und  zierlichen 
Arabesken  in  gotischem  Stile  gefüllt  sind  und  blaue  oder  rote  Farbe 
zeigen.  Links  vorne  an  den  Zeilen  steht  bei  Citaten  oder  bei  Inhalts- 
Abschnitten,  jedoch  nicht  regelmässig,  das  Zeichen  ^,  blau  und  rot 
abwechselnd.  Im  Texte  finden  sich,  wie  oben  erwähnt,  häufig  reim- 
lose Inhalts-Ueberschriften  in  roter  Farbe,  doch  nicht  strenge  der 
Disposition  gemäss. 

Die  Zeit,  in  welcher  das  Gedicht  entstanden  ist,  lässt  sich  aus 
dem  Inhalte  desselben  zunächst  nur  insoweit  bestimmen,  als  es  vor 
der  Reformation  verfasst  sein  muss,  jedoch  in  einer  Zeit,  in  der  sich 
die  Empfindung  von  dem  Vorhandensein  kirchlicher  und  sozialer  Miss- 
stände lebhaft  geltend  machte,  also  im  15.  Jahrhundert.  Ferner  wird 
86b  eine  nur  im  15.  Jahrh.  übliche  Kopfbedeckung  der  Frauen,  die 
^jKappenhörner"  erwähnt.  —  Der  Verfasser,  der  sich  am  Schlüsse 
een  simpel  clerck  nennt,  ist  ein  scholastisch  gebildeter,  frommer  und 
streng  kirchlich  gesinnter  Mann,  der  sich  jedoch  wiederholt  der  Ge- 
ringen und  Armen  gegen  die  Grossen  aufs  entschiedenste  annimmt. 
Auch  dieses  dürfte  auf  das  15.  Jahrhundert  deuten.  Zu  zweifelloser 
Sicherheit  wird  dann  diese  Annahme  durch  den  Charakter  der  Schrift 
und  der  Sprache  erhoben. 

Die  Sprache  ist  mittelniederdeutsch.  Der  Verfasser  nennt  sie 
selbst  an  verschiedenen  Stellen  duHsch,  z.  B.  39b :  de  seste  sprcie  Na 
unsen  duetsche  het  sintonie*  Sie  gehört  dem  wii-Gebiet  an,  es  kommen 
nur  die  Formen  my  (mi)  und  dy  vor,  niemals  meh  oder  mik.     Starke 


^)  Die  Bezeichnung  der  Blätter  mit  fortlaufenden  Zahlen  rührt  von  modemer 
Hand  lier.    Ich  bezeichne  mit  a  die  erste  Seite  des  Blattes,  mit  b  die  zweite. 


99 

niederländische  Färbung  ist  unverkennbar.  Das  niederländische  Wort 
tür  'schön',  moy^  welches  noch  heutigen  Tages  im  ostfriesischen  Dialekt 
ijanz  allgemein  ist,  in  andern  Dialekten  meines  Wissens  jedoch  nicht 
vorkommt,  ist  im  Sündensi)iegel  ziemlich  häufig,  jedoch  mit  schone 
wechselnd,  z.  B.  13b  moye  icyfs,  Een  moyert  82a  bedeutet  ^ein  fein- 
•jeimtzter,  schöner  Herr^.  Auch  dieses  ist  niedcruiudisch,  ebenso  wie 
sla  der  uterliker  moy erdien  und  l)3b  tnoyhede,  desgleichen  das  öfters  vor- 
kommende wet  'Gesetz',  z.  B.  32a  Exemple  van  der  oolder  wet.  Das 
(ledicht  wird  also  in  den  niederdeutschen  (iegenden  an  der  nieder- 
ländischen Grenze  entstanden  sein. 

Uel)er  das  ganz  autfallend  zahlreiche  Vorkommen  von  Fremd- 
wörtern hat  sich  bereits  Lübben  gewundert.  Es  geht  weit  über  das 
sonst  im  Nd.  gewohnte  Mass  hinaus.  Ob  diese  Eigentümlichkeit  dem 
vermeintlichen  Ursprünge  des  W^erks  aus  dem  Lateinischen  zuzu- 
schreiben sei,  wie  Lübben  annahm,  scheint  mir  fraglich.  Wenn  man 
auch  den  Urspnmg  aus  dem  Lateinischen  zugeben  wollte,  so  war  doch 
der  Gebrauch  des  Lateinischen  allen  Geistlichen,  welche  niederdeutsch 
schrieben  —  und  ein  Geistlicher  war  der  Verfasser  des  Sündenspiegels 

—  damals  so  vertraut,  dass  sich  in  allen  von  (Geistlichen  geschriebenen 
mnd.  Dichtungen  eine  gleich  auffjillende  Zahl  von  Fremdwörtern  finden 
müsste.  Das  ist  abei-  nicht  der  Fall.  P^s  muss  also  hier  etwas  In- 
dividuelles zu  Gninde  liegen,  der  Ursprung  aus  dem  Lateinischen 
kann  allein  der  Grund  nicht  sein.  Auch  zeigen  viele  von  den  Fremd- 
wörtern des  Sündenspiegels  entschieden  Durchgang  durch  das 
Französische.  Ich  möchte  daher  eher  glauben,  dass  auch  diese 
Eigentümlichkeit  auf  den  Entstehungsort  des  Gedichtes  hinweist,  und 
dass  derselbe  somit  in  den  nieder  ländisch- französischen 
Grenzgegenden  zu  suchen  sei. 

Einige  dieser  Fremdwörter  hat  auch  Lübben,  wie  er  selbst  er- 
klärt, nicht  enträtseln  können.  Dass  ich  sie  alle  hierunter  verzeichnet 
hätte,  wage  ich  nicht  zu  behaupten;  der  Begriff  eines  Fremdwortes 
ist  ja  an  imd  für  sich  schwankend,  aber  die  irgendwie  autfälligen 
finden  sich  im  Folgenden  alle  notiert.  Die  Blattzahl  soll  nur  bedeuten, 
dass  man  u.  a.  das  Wort  dort  findet,  nicht,  dass  man  es  nur  dort 
findet.  In  Schiller-Lübbens  Wörterbuch  ist  nur  ein  kleiner  Teil  der 
hier  folgenden  W^örter  enthalten. 

Amye  (Freundin)  9b.  —  accorderen  (bewilligen)  15b,  (dazu  stimmen)  22b. 

—  altar,  cUtaer  21b.  —  ahkominnhel  (=  franz.  abomi nable)  31a.  —  aveniure 
(Abenteuer,  Zufall,  Schicksal)  31b.  —  abdtjen  (Abteien)  39b.  —  arcke  (Bundes- 
lade) 44b.  —  almoessen.  oft.  —  a^-che  (Arche  des  Noah)  59b.  —  de  apostolen 
60a.  —  CrisiuSj  der  kerken  advocaet  61a.  —  auctoriteit  (Ansehen,  beweiskräftiger 
Ausspruch,  beweiskräftiger  Autor),  oft.  —  ahusioen  (Missbrauch,  Verkehrtheit) 
94a.  —  aroei'  94a.     (Ein  König 

—  solde  festeereti  zyne  maglicn 

To  eenen  van  zynen  vercorene  daghen; 

So  moy  dreef  he  zyn  acoer, 

Dat  he  solre,  toant  und  floer 

Verdecken  dede  van  der  zale 

Met  pellen,  purpere  und  mel  einddle.) 

7* 


100 

—  appetyd  (im  übertragenen  Sinne:  keren  xynen  a.  upt  vremde  wyf)  97a.  — 
aecoort  (Znstimmnng,  Anhalt:  broder  an  broder  iH^nt  a.)  108a.  —  antecrist 
(Antichrist)  110b.  — 

Bastard  16b.  —  benedixicn  (segnen)  32b.  —  befiedien  (jgy  gebenedids)  57a. 

—  blanie  (Schmach,  Tadel)  37a.  —  beest  (nur   im   allgemeinen  *Tier'.     stomme 
beeste)    ö4b.  —  de   bible  60a.   —   bepipien   (durch   Arbeit   erwerben)    66b.  — 
blasphemie  72b.  —  Oode  blaspliPinieren  121b.  —  blameren  (tadeln)  133a.  — 

Sonder  cesseren  (ohne  Aufhören)  121b.  —  Centurio  (der  gottesfürchtige 
Hauptmann  der  Schrift;  als  Eigenname  gebraucht.  Centurio  antworde  to 
deseri)  45a. 

Düuvie  (Sündflut)  7b.  —  dispensieren  8a.  —  devot  (demütig,  gläubig) 
15b.  —  disdpels,  discipule  (Schüler)  19a.  —  mei  devoden  (mit  demütigem 
Glauben)  43a.  —  de  devote  (der  Gläubige)  47a.  —  dolouve  (de  duve,  de  Xoe 
ter  dolouven  utvlieghefi  dede,  Schiller -Lübben  denkt  an  „Fensteröffnung''.  Ob 
es  vielleicht  'düuvium'  „zur  Zeit  der  Sündflut"  ist?)  59b.  —  diverse  (ver- 
schiedene, diverse  hden)  66b.  —  disputeren  70a.  —  in  disei'etien  Y 

(De  here  des  konynx  gherichte  tnynt 
In  discretien  gehint)  85a.  — 

ee7ie  duwire  (eine  Höhle  =  vulg.  franz.  une  douve?  welches  Wort  auch  „Felsen- 
höhle" bedeutet,  cf.  Diez,  Etymol.  Wörterb.  u.  doga)  96b.  —  discoort  (r/i.'?- 
cordia  Zank,  Zwietracht)  97a.  —  deei'et  101a.  —  di^cant  {syn  sehmie  discmit, 
seine  schöne  Oberstimme)  109b.  —  de  divisen  (die  Einteilung,  Disposition)  115b. 

—  destnwren  \21\i.  —  destruxie  (Zerstörung)  136a. 

Exces  (Übermass)  3b.  —  exposicie  (Exposition)  71a.  —  elementen  106a.  — 
Fruut  (Frucht).    —  falgtreti   (franz.   faillir  verfehlen,   abweichen,  nach- 
lassen) 22b.  —  fonteyne  (Quelle)  32a.  —  flatiren  (schmeicheln)  40a.  —  flaiu- 
ringfie  (Schmeichelei)  40a.  —  figure  (Ähnlichkeit,   Abbild)   43a.  —  t?i  fignren 
(gleichwie,  ähnlich  wie)  72b.  —  vftn  fauten  (von  Fehlem,   franz.  la  faute)  82b. 

—  fundanient,  fundiren  (beides  im  übertragenen  Sinne)  88b.  —  festeren  (fest- 
lich bewirten)  94a.  —  faeelnient  {dat  silveme  /*.,  silberner  Tafelzierrat)  98a.  — 
formiren  (bilden;  geformiert  ist  der  Mensch  nach  dem  Bilde  Gottes)  101b.  — 
fingieren  (z.  ß.  diteghet)  109b.  —  frenesie  (Tollwut,  Fieberwahn,  franz.  la 
frene^ie)  113a.  — 

Gracie  (Gnade)  3b.  —  int  generael  (im  allgemeinen)  10a.  —  grdner 
(Kornboden,  franz.  grenier)  IIa.  —  greignaert,  franz.  grognard?  oder  von 
vulg.  franz.  grigner  greinen,  cf.  Diez.  grugnire  und  gri7iar  {de  man  is  alte 
gr.  alter  Brummbär)  16a.  —  ghrie  28a.  —  dat  gracilike  leven  (welches  Gnade 
vor  Gott  findet)  74a.  —  glorificeren  (rühmen,  auch  prahlen,  em  sulven  gl)  90a. 

—  gftetemperthede  (Mässigung,  Seelenruhe;  derjenige,  de  zackte  von  moede  is, 
de  levet  in  alre  gh.)  131b.  —  gejyense  (franz.  pensei'  Gedanken,  Sinnesart,  z.  B. 
das  böse  Herz  sinnt  allezeit  auf  argiie  gepens^  133b.  — 

Horribile  beesten  IIa.  —  habyt  (Kleidung)  41a.  —  hwree-^t  (Lärm, 
eigentl.  Unwetter)  47a.  —  fieremite  (Eremit)  50b.  hcmüte  xitten  (als  Eremit 
leben,  sitzen)  108b.  —  heris^ien  (Ketzereien)  88a.  —  }wbtaidanient?  101a. 

lugement  (Urteil)  IIa.  —  Instrumenten  (Spielgeräte)  49a.  —  inghel 
(Engel)  59b.  —  iuncturen  {Mine  schulderen  tninden  imicttiren  vallen.  Hiob. 
31,  22.     Meine  Schultern  fallen  mir  aus  den  Gelenken)  79b.  — 

Consciencie  (Gewissen)  3b.  —  capittulen  4a.  —  caste^,  kastdl  (Schloss, 
Kastell.  Schiller-Lübbeu  nur  ^Schiffshinterteil')  17b.  —  consentieren  (einwilligen, 
gewähren)  18a.  —  creatur  18b.  —  contrar  (adject.  u.  substant.  entgegengesetzt) 
18b.  in  rontrarie  (im  Gegenteil)  39a.  contrarie  (adverb.)  50b.  —  cru/nfix 
21b.  —  caritate  (Liebe,  Barmherzigkeit.     Godes  caritate  25a.     karitaten  geben 


101 

Barmherzigkeit  erweisen  29b.  karüate  docn  Werke  der  Barmherzigkeit  thnn) 
107b.  —  collecte  (Altargebet)  2öa.  —  crayereu  (franz.  crier  schreien)  28a.  — 
castien  (tadeln,  strafen,  kasteien)  32b.  —  candicie  (Lage,  Stellung)  35a.  — 
clerken  (Kleriker)  39a.  —  clays,     40a.  Die  Schmeichelei 

18  nie  worden  een  amt  ten  hove 

Und  maect  vor  manighen  here  pays, 

Se  doet  och  vor  prelaten  clays 

Met  plucken  und  trecken  er  habyt. 

Vielleicht  prov.  das  Geschrei,  altfranz.  glas,  chlaz,  eigentlich  Glockengeläute, 
auch  Hundegebell,  cf.  Diez  u.  chiasso.)  —  clergie  (Klerisei)  40b.  —  columne 
42a.  —  corrigiren  49b.  —  eontefnpladefi  (beschauliche  Betrachtungen)  69a.  — 
ter  eure  leben  (sorgsam  leben?)  82a.  —  comimperen  87a.  gecorrumpeertheit 
112b.  corrupcien  (Verkehrtheiten)  112b.  —  comellen  (Nusskeme)  88b.  — 
conoefi.    Von  der  Zauberei  heisst  es  101a 

Verwaten  zyn  se  aüe,  diet  doen, 

Vanden  paus  int  groie  conoen,  — 

twce  correceien  (zwei  Arten  der  Besserung)  108a.  —  compangie  {läer  devoter 
conipatigien,  aus  der  Gesellschaft  der  Gläubigen)  113b.  —  consoort  (lat.  con- 
soriium  od.  eonsortio)  Teilhaben,  Genossenschaft,  Gemeinschaft.    117b. 

Als  Christus  was  verresen 

Und  synen  disciplen  brachte  consoort, 

DeU  he  seggende  was  dit  woort: 

Vrede  tnet  iu  luden  st,  — 
confuse  (subst.  ein  lecen  nU  van  confuse,  ein  Leben  voll  Verwirrung  und  Un- 
ruhe, bei  yertriebenen  Leuten)  118a.  —  cameretten  (Trinkhäuser)  123b.  —  nut 
eonsente  (unter  Zustimmung)  123b.  —  chstriers  (Klosterleute)  136b.  — 

Luxurie  (Unkeuschheit)  4a.  —  Inbareren  24a.  —  de  leeken  (Laien)  39b. 

—  wilde  laiuken  (Lattich,  lat.  lactuca)  43a.  —  leUeren  (Buchstaben)  47a.  — 
laburen  (Mühsale)  51b.  —  lebart  (Leopard)  71b.  —  hxarie  108a.  lax^rhede 
(Aussatz)  108b.  —  de  laxare  (der  Aussätzige)  108a.  — 

Maniren  (Arten)  la.  —  ^nedidne  3b.  —  syn  medicien  (sein  Arzt)  96b. 

—  mendoen,  mensioen  viaken  (Erwähnung  thun)  4a.  —  niayslere  (Steinmauer) 
12b.  —  maledixie  (Verläumdung)  19a.  —  multiplizieren  21b.  —  materis  22a. 

—  moncke  (Mönche)  39b.  —  miracle  40b.  —  mm-viweren  (wider  Gott  murren) 
54a.  murniureringlie.  munnurcu-ie  (das  Murren  wider  Gott)  124b.  —  morseel 
(franz.  morceau,  mlat.  morsellus,  'ein  Bissen')  82b.  —  metselrie  {structura 
muri,  Fremdwort?)  88b.  —  m^nteniei'en  (franz.  7naintemr,  aufrecht  erhalten, 
herstellen.     Silbernes  Gerät 

daer  de  tafele  mede  is  verchiert 
und  ydele  glorie  menteniert)  98a.  — 

meifistrandie  (die  Zunft  der  Ministreis,  der  Sänger  u.  Spielleute)  98a.  — 

Nakaren  (Pauken)  98a.  — 

Occusoen  (Gelegenheit)  4a.  —  m'dinireti.  (ordnen)  8a.  —  ordinancic 
(Ordnung,  Verordnung).  —  bi  ordinande  stellen  (in  Ordnung  bringen)  18b. 
De  de  ordinande  niet  ansien,  diejenigen,  welche  die  Verordnungen  Gottes 
nicht  beachten.  76a.  —  offerands  (Opfergabe)  21b.  —  olye  (Öl)  55a.  —  or^isoen 
(franz.  araison,  Gebet,  Bede,     de  abt  dede  groot  orisoen)  62b.  —  offirie   64a. 

—  in  apinioen  holden  (im  Gedächtnis  behalten)  91a.  — 

Partien  (Teile)  4a.  —  jprocessie  (Prozession)  14a.  —  P^'ofyt  16a.  — 
predicaden  (Predigten)  18b.  —  jjroper  (eigentümlich,  eigen,  z.  B.  eene  jrrojrre 
redene  ein  eigenartiger  Beweis.  25a.  De  welke  proper  ilv  m  gode  derjenige, 
welcher  sich  Gott  zu  eigen  giebt  25a.  Die  Zeit  ist  een  jyroper  goet,  ein  ganz 
besonderes  Gut  67b.     Vier  Güter  sind  j/ropcrlike  unser,   d.  h.  sie   gehören  uns 


102 

ganz  eigentlich  und  besonders  an)  26b.  —  j^atjcn  (franz.  jKtt/er  bezahlen)  25b. 
gcpait  (bezahlt,  durch  Zahlung  befriedigt)  55b.  —  porli/r  (Pförtner.  Der  Tod 
ist  des  Lebens  portyr,)  27b.  —  jrn7irhe  (gesprochen  „Prinze",  Fürst)  28a.  — 
palat/s  (franz.  jmlais  Palast)  30a.  —  pclgrhn  (Pilger)  30a.  —  lyclgrhuagc 
Wallfahrt.  NB.  Die  Endung  im  Vergl.  mit  franz.  pelennage,  Schiller -Lttbben 
hat  nur  pelgrimade.  69a.  —  de  phglosophe  Diogenes  32a.  —  paert  (Part, 
Anteil)  33a.  —  geparseelt  (geteilt,  parzelliert)  33a.  —  jjoofi  (Stadt)  35a.  — 
Itrincipal  (hauptsächlich,  i^ier  jrriyicipale  mketi)  35b.  —  jmrahole  (Parabel)  35b. 

—  prologhe  (Prolog)  39b.  —  jn^ovende  (Pfründe)  39b.  —  pi'elaten  (Prälaten) 
40a.  —  j)ajfs  (franz.  paixy  Ruhe,  Frieden)  30a.  —  pagsivel  (franz.  paisihle, 
friedlich,  friedfertig.  Saloinon  luitt  pagsivel,  Salomon  lautet  ^Friedrich",  denn 
Salomon  kommt  von  hebr.  schnlom  Frieden  her)  117b.  —  Ein  anderes  ^Kiys, 
als  das  eben  erwähnt,  findet  sich  40a.  Die  Stelle  ist  u.  clays  zu  vergleichen. 
Die  Schmeichelei 

is  nu  worden  een  amt  ten  hove 

Und  maect  vor  manighen  here  pays. 
Vielleicht  ist  dieses  |>a//5  =  franz.  pays  Land,  und  hat  hier  eine  ähnliche 
Bedeutung,  wie  in  der  franz.  Redensart  gagner  pays,  avancer  pays  Vorteil  ge- 
winnen. Es  würde  dann  der  Sinn  der  Stelle  sein  „die  Schmeichelei  bringt 
manchem  Herren  Vorteil.*  —  poe7it  (franz.  point.  Dat  erste  2)oent  der  erste 
Punkt)  42b.  —  ten  paradise  (im  Paradies)  42b.  —  paeschlam  (Osterlamm)  43a. 

—  pas&ie  (Passion)  43a.  —  peneienei^Hy  penUencien  (Bussübuugen)  45a.  — 
jrrediken  (predigen)  45b.  —  parcJielen  (Anteile,  Parzellen. 

De  terlinCf  de  ghelt  doet  deelen 
Na  zyn  bewisen  bi  parchelen 
=  der  Würfel,  der  das  Geld  verteilt  nach  Verhältnis  der  einzelnen  Anteile?) 
48a.  —  parrk  (Fussboden,  Parkett.  Do  tjuam  de  pyl  up  dat  parck  blodirh 
glievallen.)  49a.  —  pat^ement  (lat.  pavimentum  gepflasterter  Fussboden,  Estrich. 
Das  franz.  pavement  bedeutet  heutzutage  nur  noch  „das  Pflastern''.  Das  Wort 
habe  ich  im  Sündenspiegel  nur  im  bildlichen  Sinne  gefunden: 

Ydele  glorie  en  is  niet  cl 
Dan  een  pavement  vanden  diivel)  50a.  — 
jrroye  (franz.  proie  Beute)  51a.  —  d4i  j^^'cdicarcn  (Prediger)  53a.  —  to  prosente 
(zum  Präsent)  56a.  —  pafrone  (Gönner  und  Beschützer)  56b.  —  payene  (franz. 
payens  Heiden)  61a.  —  pynen   (Pein   leiden)   65b.  —  bepyyien   (durch  Mühe 
und  Arbeit  erwerben)  66b.  —  poye?  72a. 

De  vier  de  vrucht,  de  uut  den  munt  komet, 
De  mach  biechte  syn  ghenomet, 
Wat  dat  desse  vrucht  doen  mach, 
Hoert  men  ter  poye  al  den  dach,  — 
pardiis  (Panther)  76b.  —  peynse?  82b. 

Droefheit  na  der  hilghen  leren 
Mach  den  mensche  driesins  deren, 
Peynse  brenct  se  em  vake  an,  — 
parmen  95b. 

Du8  80  werden  ter  lester  uren 
Wit  of  swart  der  zielen  parmen 
Na  den  weghe,  den  se  ghenghen. 
Gewänder,     franz.  pavement?  —  prochiane  (Parochianen,  Parochiekinder)  102b. 

—  planeien  106a.  —  pensingh/*n  (in  deroini  pensinghen,  in  demütigen  Ge- 
danken) 107a.  —  pensen  (franz.  pcnser,  pensende  in  Gode  an  Gott  denkend) 
108b.  —  persp(juircn  (nachgehen,  nachgeben,  z.  B.  seiner  Sünde  1 15a,  einen 
verfolgen  130b.)  —  prcseiü  (gegenwärtig)  124a.  —  perlament  (Wortwechsel) 
132a.  — 


103 

Quajjer  ((Tebetbach.  altfraiiz.  quaijcr  eigentlich  Heft,  Papier,  franz. 
cahier)  69a.  —  queruloyende  (franz.  quereller  zanken?  querulieren? 

Ghecheü  is  inder  ghecken  mont 
Queruloyende  in  alre  stont)  120a.  — 
quite  maken  (quitt,  los  und  ledig  machen,     franz.  quitte  (lat.  quieius)   in  der- 
selben Bedeutung)  125b.  — 

Eestor  (Beschlaglegung  auf  Erbschaften,  Arrest.  —  Franz.  resto?'  {re^iau7') 
ist  Schadloshaltung  des  Assekuranten,  wenn  der  Verlust  aus  Nachlässigkeit  ent- 
standen ist)  29b.  —  rivire,  riviere  (Bach,  Fluss,  franz.  riviere)  31b.  —  reg- 
fieeren,  regnieren  (regieren)  36b.  —  remeden,  reniedien  (Heilmittel)  oft.  —  de 
ratnei/nen  (die  Römer)  5öb.  —  re faseren,  refusiren  (zurückweisen,  franz.  refiiser. 

Nydighen  gyn  gecorrumpoert, 
Des  moeten  se  eyn  gerefuseert)  112a.  — 
religieus  (NB.  die  französierendeEndung)  122a.  —  dai  religioen  (Kloster. 
Auch  franz.   in  dieser  Bedeutung,   z.  B.  entrer  en  religion  ins  Kloster  gehen. 
meitre  une  fille  en  religion  ein  Mftdchen   ins   Kloster  schicken,  Nonne   werden 
lassen)  132b.  — 

Speeien  (Arten.  Unterabteilungen)  oft.  —  simplex  4a.  —  scrifture  4b. 
—  schofiringhen  (Spöttereien,  altfranz.  d^nicmißre)  4  b.  —  int  spedad  (im  Be- 
sonderen) 10a.  —  serpent  (Schlange)  10b.  —  subtil  {fiauwe  unde  subtil  50a. 
stMüe  hehendiehede  66a.)  —  sarrazyn  (Sarazene. 

Mer  teghen  eenen  jode  äffte  sarrazyn 
Süllen  sie  gherne  woher  ende  syn)  25b.  — 
sottemyen  26a.  sothede  48a  (Dummheiten,  franz.  sot  albeni).  —  sondoy^iers  ?  29a. 

Die  Armen  sint  als  sondoyiers  van  uns  geset. 
sanctuarien  werke  32a.  —  simonie  32b.  —  saeranwnt  32b.  —  sandeye  ?  34b. 

Die  met  vremden  sandeyen  macct 
Syn  huuSy  he  is  altoos  niisraect, 
Als  hie  muren  doet,  alst  vriest,  — 
sepuUure  (Begräbnis)  36b.  —  suhditen,  subdyten  (Untergebenen),  lat.  subditus 
37a.  —  sertnoen  38b.  —  sacrüegie  doen   39a    —  studere  39b.  —  s^i/nagogke 
41a.  —  saterdach  (Sonnabend,  engl,  saturday)  47a.  —  de  saUer  (Psalter)  53b. 
Auch  „Psalm''  68a.  —  sahn  (Psalm)  68a.  —  spacie  gheven  (Baum,  Befreiung 
geben,  z.  B.  von  Busstibungen)  55a.  —  scrienen  (Schränke,  lat.  scrinia)  57a.  — 
slavine  (Mantel   aus  grobem  Wollenstoff)  69a.  —  de  safteten  (die  Heiligen,   de 
hilghe  sancten)   90b.  —  si7idal  (Taffet)   94a.  —  stole   (Kleid,    lat.  stoki.     Die 
Eng^l  sind  gekleidet  in  untten  stöhn)  96a.  —  suhyt? 

Und  eer  dat  een  point  ghelyt, 
So  dalen  se  int  heische  subyt  l)8a. 
solveren  (lösen,    beseitigen)   126b.  —  secreet  bliven   134a.     orer  secreet  unter 
dem  Siegel  der  Verschwiegenheit   134a.  —  sileyicie  holden   136b,  —  sentencie 
(der  Sinn  des  Satzes  gegenttber  dem  sprachlichen  Ausdruck)  138b.  — 

Tractaet  (Abhandlung)  3b.  —  temptaeie  (Versuchung)  4b.  —  tempteeren 
(versuchen)  4b.  —  tormerä  (Qual,  Tortur)  IIa.  —  termin  18a.  —  testament 
29b.  —  taberpiakel  31b.  —  iy^'anien  (Tyrannen)  34b.  —  tasseren,  tassei'ers, 
tassetnent  (Gewalt  anthun,  gewaltthätige  Menschen,  Gewaltthat)  oft.  —  truwanten 
und  bedelaers  52b.  truwanten  und  dieven  127b  (Vagabunden.  Es  ist  wohl 
dasselbe  Wort,  wie  nordfranz.  troureor,  trouverey  prov.  troubadour),  —  trihunt 
(Abgabe,  im  weitesten  Sinne)  ö2b.  —  t&tnpeest  (Sturm,  Unwetter)  63a.  —  trisoer 
(Schatz)  o7a.  —  tavemen  (Trinkhäuser)  64a.  —  in  frihuladen  (in  Nöten  und 
Beschwerden,  Beängstigungen  und  Versuchungen)  72a.  —  tineture  (Farbe, 
Aussehen. 

Ctedre  van  andertire  tineture, 
Dan  €dso  se  gaf  nature)  95b.  — 


104 

ira7isfi{jiureren  (verwandeln)  96a.  —  tronipen  (Trompeten)  98a.  —  tdivereren 
(befreien,  franz.  dMivrer, 

Van  eenen  sere  hüghen  man, 

De  up  gode  sonder  ceaseren 

Eiep:  WiU  mi  ieltvereren, 

Heere  god,  vander  tanghen  mine)  121b.  — 

ühgheordinerde  minne  (nicht  auf  das  richtige  Ziel  gelenkte  Liebe)  96a. 
—  tmgentum  (Salbe)  12öa.  — 

Venyn  (lat.  venenum  Gift,  im  eigentlichen  und  übertragenen  Sinne,  z.  B. 
der  Jwverdigen  venyn  89b.)  —  vaillani  (franz.  vaiUant)  14a.  —  vermaledien 
34b.  —  versuhtilen  (allzn  fein  machen?)  37b.  —  vvfhne  (Erscheinung  42a  und 
Anschauen,  z.  B.  helet  van  godliken  visione  =■  ein  Hindernis,  Gott  zu  schauen 
83a.)  —  victorie  cHghen  56b.  —  viriunt  (innewohnende  Kraft  und  Eigenschaft, 
wie  franz.  vertu,  z.  B. 

Also  de  boom  und  dat  crunt 
Welken  elc  na  ere  virtunt)  67a.  — 

vigilie  (Nachtwache)  67b.  —  vergier  (69a.  Einige  Verse  weiter  wird  dafür 
bömgarden  gebraucht,  franz.  le  verger  in  derselben  Bedeutung).  —  visieren 
(beobachten,  sein  Augenmerk  auf  etwas  richten,  z.  B. 

Menych  toyf  nu  visiert 

Dure  moyheden  te  hanghene  an, 

De  niet  daer  in  meent  eren  man)  93b. 

viserUeren  (beobachten,  ins  Auge  fassen)  110b.  — 

YjyocrUen  (Heuchelei  üben,  ypocriten  was  dat  mencn  dyn  =  deine 
Herzensmeinung  war  Heuchelei)  109a.  — 

Ypocrisie  fi^,  de  fingiert 
Dueghet,  de  he  niet  Imntiert)  109b.  — 
ypocriie  (ein  Heuchler)  109b. 

Der  Inhalt  des  Sündenspiegels  ist  eine  Darstellung  der  Todsünden, 

welche  u.  a.  79a  hooft  senden  genannt  und  folgendennassen   von   den 

leichteren,  anderen  Sünden  unterschieden  werden: 

Alle  vuuUieide,  de  men  vint, 
Syn  te  rekene  niet  en  ttvint 
Theghen  de  smitte  eenre  hooft  sonden. 

Es  werden  deren  sieben  in  folgender  Ordnung  dargestellt:  1)  gui- 
sichede  (gula.  gulositas.)  Völlerei,  2)  luxurie  Unkeuschheit,  3)  vracheit 
Habsucht,  4)  traecheit  Trägheit,  5)  hoverde  Hoffahrt,  Stolz,  6)  nyt 
Neid,  7)  gramshap  Zorn.  Diese  Reihenfolge  ist  in  mehrfacher  Hin- 
sicht bemerkenswert. 

Zusammenstellungen  von  Tugenden  und  Lastern  in  Gruppen  gab 
es  sicherlich  schon  sehr  früh,  die  4  Kardinaltugenden  sind  bekannt- 
lich schon  im  heidnischen  Altertum  zu  einer  feststehenden  Gruppe 
vereinigt  worden.  Die  Zusammenstellung  von  Sünden  imd  Lastern 
zu  Gruppen  erfolgte  jedoch  wohl  erst  in  der  christlichen  Zeit.  Die 
früheste,  die  mir  bekannt  ist,  findet  sich  in  einem  Gedicht  des  um 
400  n.  Chr.  lebenden  Aurelius  Prudentius  Clemens,  Psvchomachia 
(Migne  Patr.  X-  ^>^)  genannt.  In  allegorischer  Darstellung  wird  hier 
eine  Schlacht  zwischen  Tugenden  und  liastern  geschildert,  in  welcher 
nach  der  Weise  homerischer  Helden  aus  der  Masse  der  Kämpfenden 
bestimmte  7:p6jAa/oi  hervortreten,   um    mit  einander  zu   streiten.     Da- 


105 

durch  entstehen  folgende  Kampfgruppen:  Fides  streitet  mit  Vderum 
Cultura  Dearum^  Pudicitia  mit  Sodomita  Libido^  Patientia  mit  Jra^ 
Humilüas  mit  Superbia^  Sobrietas  mit  Luxuria,  Batio  mit  Avaritia, 
Caneordia  mit  Discordia,  Die  Luxuria  ist  hier  noch  die  Völlerei  im 
Pässen  und  Trinken,  nicht,  wie  später,  die  Unkeuschheit,  die  geistliche 
Trägheit,  später  eine  der  Hauptsünden,  fehlt  und  war  auch  wohl  in 
der  Schilderung  einer  Schlacht  als  Kämpferin  nicht  gut  anzubringen. 
Im  übrigen  sieht  man  hier  jedoch  bereits  den  Keim  zu  den  später 
sogenannten  ^Todsünden ^. 

Die  Absonderung  von  peccata  principalia,  später  auch  capitalia, 
lekdia,  mortalia  genannt,  von  den  andern  minder  schweren  Sünden, 
später  als  ve^iialia  bezeichnet  (Todsünden  —  lässliche  Sünden),  rührt, 
soviel  ich  erkennen  kann,  von  Gregor  dem  Grossen  her,  der  in 
seinen  um  580  geschriebenen  Moralia  (Moralium  libri  sive  expositio 
in  librum  lob.)  die  Superbia  als  die  Quelle  aller  Sünden  bezeichnet 
und  hierauf  fortfährt:  Primae  autem  eins  soboles,  Septem  nimirum 
principalia  vitia,  de  hac  virülenta  radice  proferuntur^  scüicet  1)  inanis 
glaria  2)  invidia  3)  ira  4)  tristitia  5)  avarüia  6)  ventris  ingluvies 
7)  luxuria.^)  Nachdem  er  diesen  duces  das  exercitus  der  übrigen 
Sünden  hat  folgen  lassen,  versucht  er  in  freilich  ziemlich  gezwungener 
Weise  jede  dieser  Hauptsünden  aus  der  vorangehenden  herzuleiten, 
ausserdem  nennt  er  die  fünf  ersten  spiritalia^  die  beiden  letzten 
carnalia^  seine  Reihenfolge  ist  also  nicht  willkürlich,  sondern  auf  be- 
stimmten Gnindsätzen  benihend. 

Der  erste  Theologe,  welcher  im  Abendlande  die  Dogmatik  in 
ein  System  brachte,  war  der  „magister  sententiarum*'  Petrus  Lom- 
bardus.  Sein  Werk  Sententiarum  libri  IV.  um  1160  verfasst,  schliesst 
sich  der  eben  ei'wähnten  Kodificierung  der  Todsünden  unter  ausdrück- 
licher Berufung  auf  Gregor  genau  an,  nur  dass  invidia  und  ira  um- 
gestellt sind.  Die  betr.  Stelle  lautet^):  Praeterea  sciendum  est,  Sep- 
tem esse  vitia  capitalia  vel  principalia,  ut  Oregorius  super  Job  aü, 
scüicet  1)  inanem  gloriam  2)  iram  3)  ifwidiam  4)  accidiam  vel  tristi- 
tiam  5)  avaritiam  6)  gastrimargiam  7)  luxuriam.  — 

Etwa  hundert  Jahre  später  verfasste  der  zweite  grosse  Syste- 
matiker der  Scholastik,  der  Doctor  angelicus  Thomas  von  Aquino 
seinen  Kommentar  zu  den  Sentenzen  des  Lombarden  und  seine 
Summa  theologiae.  In  dem  letzteren  Werke  stellt  er  die  Sünden 
den  entsprechenden  Tugenden  gegenüber.  Die  Tugenden  sind  ihm 
die  Hauptsache,  sie  ordnet  er  zunächst  und  schliesst  dann  jedesmal 
das  entgegengesetzte  Laster  an.  So  geschieht  es,  dass  zwar  (von  II, 
2  quaestio  35  an)  alle  sieben  Todsünden  abgehandelt  werden,  ihre 
Reihenfolge  ist  aber  von  derjenigen  der  Tugenden  abhängig  und  wird 
auch  von  anderen  Sünden  vielfach  durchbrochen.     So  ist  bei  ihm  die 


*)  Nach  der  älteren  Zählung  Hb.  31  cp.  31 ;  bei  Migne  Patrologia  Latina. 
Paris  1849,  steht  die  Stelle  Bd.  76  p.  620  (lib.  31.  cp.  45.) 

•)  Ausgabe  Luven.  1552.  Kx  offirina  Barthnlomei  Oravii.  Sententiarum 
Hb.  II.    distinctio  42.  IL 


106 

Reihenfolge  ganz  ungewölmlich :  1)  Acedia  quuestio  85.  2)  Invidia 
qu.  3(>.  3)  Avaritia  qu.  118.  4)  Gula  qu.  148.  5)  Luxuria  {{u.  153. 
G)  Ira  qu.  158.  7)  Superbia  qu.  102.  In  der  Ausfühiiing  scliliesst 
er  sieh  ausdrüeklieh  an  (iregor  an. 

Auf  Thomas  von  Aquino  beniht  zum  grossen  Teile  das  um  1310 
entstandene  Speculum  morale,  welehes  den  dritten  Teil  des  Specu- 
lum  universale  des  Vineenz  von  Beauvais  bildet,  obwohl  es  nicht  von 
ihm  selbst  herrührt.*)  Die  Todsünden  werden  hier,  ganz  wie  bei 
(iregor,  aus  der  SujuMbia  abgeleitet,  welcher  ein  besonderes  Kapitel 
gewidmet  ist,  und  dann  folgen,  wiederum  genau  Gregor,  nicht  ganz 
Petrus  Lombardus,  gar  nicht  Thomas  Acpinas  in  der  Keihenfolge  ent- 
sprechend:  Inanis  gloria,  invidia,  ira,  acidia,   avaritia,   gula,   luxuria. 

Um  diese  Zeit  beginnt  nun  die  superbia,  welche  früher  als  Quelle 
aller  Sünden  eine  Art  Sonderstellung  einnahm,  mit  der  bisherigen 
ersten  Todsünde,  der  inanis  gloria,  unter  dem  Hauptnamen  superbia 
zu  einer  zu  verschmelzen.  Die  ^Stolzen^,  nicht  mehr  die  „Prahler" 
sind  es,  welche  als  Hauptsünder  gelten.  So  geschieht  es  bei  Dante 
in  der  Göttlichen  Kom(klie,  welche  im  Anfange  des  14.  Jahrhunderts 
entstanden  ist  und  stofflich,  soweit  es  sich  nicht  um  die  Zuthaten 
des  „Dichters"  Dante  handelt,  nichts  enthält,  was  man  nicht  auch 
in  der  vorhin  erwähnten  grossartij^en  Encykloi)ädie  des  Vineenz  von 
Beauvais  fände.*)  So  kann  es  denn  auch  nicht  überraschen,  dass 
sich  im  Purgatorium  auf  dessen  sieben  aufsteigenden  Stufen,  wieder 
nach  Gregors  Reihenfolge,  folgende  Arten  von  Sündern  befinden  1) 
die  Stolzen,  2)  die  Neidischen,  3)  die  Zornigen,  4)  die  Trägen,  5) 
die  Habsüchtigen  (und  die  Verschwender,  ihr  (iegenbild),  G)  die 
Schlemmer,  7)  die  Wollüstigen,  und  zwar  befinden  sich  die  Stolzen, 
als  die  schlimmsten  Sünder  nach  der  bis  zu  di(»ser  Zeit  allgemeinen 
kirchlich-dogmatischen  Anschauung,  auf  der  untersten  Stufe,  also 
am  weitesten  vom  Paradiese  entfernt.  Dass  auch  die  Anordnung  der 
sich  bis  zum  liUcifer  vertiefenden  Höllenkreise,  welche  die  verschie- 
denen Sünder  enthalten,  auf  demselben  Svstem  beruht,  hat  v.  Lilien- 
cron  a.  a.  0.  p.  44  f.  nachgewiesen.  Natürlich  finden  sich  auch  hier 
die  Vertreter  der  Todsünde  des  Stolzes,  die  Verräter,  im  tiefsten 
Höllengrunde,  Lucifer  am  nächsten. 

Wenn  nun  v.  Liliencnm  (a.  a.  0.  p.  25)  sagt,  dass  diese  Keihen- 
folge „im  wesentlichen  bis  ins  15.  Jahrhundert  auch  für  die  populäre 
Moral  die  kanonische  geblieben  sei^,  so  ist  das  doch  nur  bedingt 
richtig.  Ein  lateinisches  Gedicht,  welches  den  Namen  Flores  poetarum 
de  virtutibtis  et  vitiis   fuhrt,    ist  im    15.  Jahrh.    gednickt,    aber  nach 


')  Vergl.  hierüber  die  vortrcfHichc  Festrede  „über  den  Inhalt  der  allgemeinen 
Bildung  in  der  Zeit  der  Scholastik",  welche  Frhr.  R.  von  Liliencron  am  28.  März 
1876  in  der  Bayrischen  Akademie  der  Wissenschaften  gehalten  hat.  (München. 
1876.  4.)  —  Ich  habe  zu  obigen  Angaben  einen  bei  v.  Liliencron  nicht  erwähnten 
Druck  des  speculum  morale  s.  1.  1 485  benutzt,  welcher  sich  auf  der  hiesigen  Königl. 
Universitäts-Bibliothek  befindet. 

*)  cf.  V.  Liliencron  a.  a.  0.  p.  30. 


107 

Zariu'ke  (Zeitschrift  f.  deutsch.  Altert.  IX.  1853.  p.  118)  ,weit  früher^, 
also  im  14.  Jahrhundert  verfasst.  Hier  findet  sich  folgende  Disposi- 
tion :  Superbia.  Bona  fama.  Jnvidia,  Ira.  Avaritia,  Gtda,  Luxuria. 
De  virtutibus.  De  dovo  Sartcti  l^iriius;  also  ist  hier  noch  im  wesent- 
lichen Gregors  Reihenfolge  festgehalten,  es  fehlt  nur  hinter  der  Jra 
die  Acedia,  Vielleicht  sind  al)er  auch  Verwirningen  in  der  hand- 
schriftlichen UeberlielVrung  eingetreten,  wodurcli  die  Trägheit  aus- 
gefallen ist,  die  ganz  seltsame  Zwischenstellung  der  bona  fama  lässt 
wenigstens  auf  so  etwas  schliessen. 

Der  lateinisch  schreibende,  also  gelelirte  Dichter  der  Flores 
poetanim  hat  sich  also  noch  an  Gregors  System  gehalten,  bei  den  volks- 
mässigen  Dichtern  fängt  sich  jedoch  schon  seit  dem  14.  Jahrhundei*t 
die  Reihenfolge  zu  ändern  an.  Peter  Suchenwirt  dichtete  um  1378 
ein  Lied  unter  der  Bezeichnung  'Daz  sind  di  syben  todsümV.*)     Hier 

heisst  es: 

Hochfahrt,  unchcusch,  neid  und  has, 
Trachait,  tninchenhait  und  vras, 
Geitichait  (Habsucht)  und  auch  der  t/oren. 

Hier  könnte  man  nun  freilich  annehmen,  dass  der  Verszwang  die 
Reihenfolge  beeinflusst  habe,  aber  auch  in  den  am  Ende  des  14.  Jahr- 
hunderts geschriebenen  prosaischen  Halbe rstädter  Katechismus- 
stücken*) heissen  die  VII  totlike  sunde  folgendermassen :  1)  hoch- 
fart^  2)  gierheit,  3)  unJcuschheit^  4)  zorn^  5)  nyt,  6)  vressigkeit,  7)  tragheyt 
zu  gotes  dinste.  Hier  ist  also  Gregors  Reihenfolge  im  ganzen,  wie 
auch  im  besonderen  die  Anordninig  nach  spirüalia  und  cartialia  vüia 
verlassen,  und  es  tritt  hier  zum  ersten  Male  eine  neue  Anordnung 
auf,  nach  welcher  die  Acedia,  die  geistliche  Trägheit,  als  der  Gegen- 
satz der  Superbia,  an  das  Ende  der  ganzen  Reihe  gestellt  wird.*) 

Aus  dem  Jahre  1411  kennen  wir  ein  (iedicht  von  dem  Tiroler 
V int  1er,  betitelt  'Blume  der  Tugend',  nach  einer  italienischen  Dich- 
tung von  1320.  Die  Disposition  des  Vintlerschen  Gedichtes  ist  äusserst 
verworren*),  soviel  wird  jedoch  klar,  dass  der  Verfasser,  dem  Titel 
seines  VJTerkes  entsprechend,  die  Tugenden  zur  Giiindlage  seiner  Dar- 
stellung machen  wollte;  den  Tugenden  stellt  er  dann  die  entsprechen- 
den Laster  gegenüber,  also  ganz  so,  wie  es  Thomas  von  Aquino  in 
seiner  summa  theologiae  gemacht  hatte.  Natürlich  kann  auf  diese 
Weise  von  einer  so  zu  sagen  ^unabhängigen"  Reihenfolge  der  Tod- 
sünden nicht  die  Rede  sein.  Wenn  jedoch  unter  den  17  Abschnitten 
des  W^erkes  die  ersten  imd  die  letzten  folgendennassen  geordnet  sind: 

1.  Liebe  —  Neid, 

2.  Freude  —  Traurigkeit*), 

*)  Gedicht  40  in  der  Ausgabe  von  Primisser.     Wien  1827.    p.  120  f. 

•)  Herausg.  von  G.  Schmidt  in  der  Zeitschr.  f.  deutsch.  Philol.  Bd.  XII.  p.  141. 

')  Also  bereits  am  lOnde  des  14.  Jahrhunderts  und  nicht  erst  bei  Beheim, 
wie  V.  Liliencron  a.  a.  ().  j).  85  meinte. 

*)  Vergl.  Zarncke,  Zeitschr.  f.  deutsches  Altertum  IX.  p.  68  ff.,  auch  X.  p.  255  ff. 

•)  Dies  ist  offenbar  die  von  v.  Ijiliencron  a.  a.  0.  p.  40  in  Vintlers  Werk 
vermisste  Aridia,  die  ja  ursprüngHch  durch  tristitia  bezeichnet  wurde. 


108 

3«  Friede  —  Zorn, 

4.  Barmherzigkeit  —  „Gräülichkeit**, 

5.  „Milde*  (Freigebigkeit)  —  GeisJ, 

15.  Demut  —  Hoffährtj 

16.  Massigkeit  —  „P'rassheit", 

17.  Keuschheit  —  „Unkeusche", 

so  erkennt  man  sofort  Vintlers  Bestrehen,  die  sieben  Todsünden  an 
den  Anfang  und  den  Schluss  der  (resamtdisposition  zu  bringen. 

Die  alte  Gregorianische  Reihenfolge  verlor  nun  immer  mehr  an 
Geltung.  Muskatl)lut  dichtete  imi  1425  em  strophisches  Lied  über 
die  sieben  Todsünden.^)  Er  war  wegen  der  Strophenform  seines  Liedes 
in  der  Anordnung  der  Todsünden  ganz  unbeschränkt,  und  doch  finden 
wir  bei  ihm  wieder  eine  ganz  neue  Reihenfolge:  1)  Hoffahrt^  2)  ün- 
heuschheit^  3)  Trägheit,  4)  Neid  und  Hass,  5)  Zorn,  G)  Gefrässigkeü, 
7)  Habsucht  und  Wucher. 

Wieder  eine  andre  Reihenfolge  zeigt  eine  Kopenhagener  nd. 
Handschrift  des  14. — 15.  Jahrhunderts^):  1)  homot,  3)  ghiricheyt,  3) 
torn,  4)  hate  (Neid),  5)  tracheyt,  6)  vrassent  (die  unkuschheit  ist  trotz 
der  Ueberschrift  die  VII  dotliken  sunde  nicht  erwähnt.)  Hier  ist  also 
wenigstens  die  Einteilung  Gregors  in  geistliche  und  fleischliche  Sünden 
beibehalten. 

Um  1450  gritf  nun  Michel  Beb  ei  m  in  seinem  Liede  über  die 
Todsünden*)  auf  die  neue  Anordnung  (cf.  die  Halberstädter  Katechis- 
musstücke) zurück  und  setzte  die  Acedia  ans  Ende. 

Freiiich  drang  diese  Reihenfolge  vorerst  noch  nicht  überall  durch, 
>vie  der  ;,8eelentrost^  von  1473  beweist  (Mscrpt.  L  84a  der  Königl. 
Bibliothek  zu  Hannover).  Blatt  184:  1)  hovart^  2)  giricheit,  3)  vrass, 
4)  tracheit,  5)  unkuschheit,  0)  torue,  7)  nyt  und  affghunst  und  Blatt 
473:  1)  hovart,  2)  had,  3)  iorn,  4)  tracheit,  5)  vrass^  <i)  unJcuscheit^ 
7)  giricheit.  Man  erkennt  aber  gerade  daran,  dass  in  einer  und  der- 
selben Schrift  zwei  verschiedene  Ordnungen  enthalten  sind,  wie  sehr 
sich  das  Festhalten  an  der  alten  strengen  schematischen  Ordnung 
gelockert  hatte. 

Auch  noch  in  dem  Mentz ersehen  Drucke  von  1490*)  findet 
sich  Willkür  in  der  Anordnung:  1)  Hoffahrt,  2)  Unkeuschheit,  3)  6rcier, 
4)  Zorn,  5)  Neid,  G)  Trägheit,  7)   Völlerei. 

Die  neue  Reihenfolge  zeigt  sich  aber  wieder  in  Josefs  Gedicht 
von  den  sieben  Todsünden,  das  ungefähr  in  Michel  Beheims  Zeit  ent- 
standen ist  1)  superbia,  2)  avaritia^  3)  luxuria,  4)  invidia,  5)  gida, 
i\)  ira,    7)   accidia)   imd    1494    ist   sie    dann    so    im    Be^viisstsein   der 

*)  Das  878tc  in  der  Ausgabe  von  Groote.    Köln  1852.    p.  228  f. 

^)  Herausgegeben  von  .Tellinghaus  in  der  Zcitsclir.  f.  deutsch.  Philol.  Bd. 
XIII.  p.  24  ff. 

•)  Vergl.  V.  Liliencron  a.  a.  O.  p.  35  u.  40. 

*)  Dyt  sint  de  seven  dot  sunde  de  stryden  rayt  den  seven  dogeden.  Ge- 
drucket unde  vulendet  in  der  Stadt  Magdeborch  dorch  Symon  Mentzer  am  sona- 
wende  na  Mauritii.  Im  iare  1490.  Beschrieben  in  .T.  B.  Riederers  Nachrichten 
7MV  Kirchen-,  Gelehrton-  und  Bücher-Geschichte.  Altdorf.  1768.  IV.  p.  280  ff. 
—  Der  sehr  seltene  Dmck  ist  auf  der  Bibliothek  in  Wolfenbüttel  T.  481  vorhanden. 


109 

Menschen  befestigt,  dass  der  Anthidotarius  anime  des  Nicolaus 
Salicetus*)  für  sie  das  Merkwort  (dictio)  ^Saligia"  empfiehlt. 

Auch  die  heutige  katholische  Kirchenlehre  bedient  sich  noch 
derselben  Anordnung.  Sie  stellt  für  die  „Hauptsünden ^  folgendes 
Schema  auf:  1)  Hoffahrt  (superbia),  2)  Geiz  (avaritia),  3)  ünkeuschheit 
(luxuria),  4)  Neid  (invidia),  5)  Ünmässigkeit  im  Essen  und  Trinken 
(gula),  6)  Zorn  (ira),  7)  Trägheit  (acedia).'^) 

Wir  finden  also  in  der  Reihenfolge  der  Todsünden  eine  Gregoria- 
nische Periode  von  Anfang  an  bis  zu  den  Halberstädter  Bruchstücken 
ca.  1400,  eine  Periode  des  Schwankens  bis  1494,  eine  Saligia-Periode 
bis  heute. 

Die  Anordnung  unsers  Gedichtes  weist  also  (cf.  p.  104)  auf  die 
Zeit  zwischen  1400  und  1494.  Die  Ordnung  der  Todsünden  ist  eine 
ganz  singulare,  sonst  nirgends  vorkommende.  Die  Gregorianische 
Einteilung  ist  wenigstens  in  Bezug  auf  Zusammenstellung  der  geist- 
lichen und  fleischlichen  Sünden  gewahrt,  sonst  ist  sie  freilich  g.anz 
abweichend.  Besonders  auffallend  und  sonst  nirgends  vorkommend 
ist  es,  dass  die  Fleischessünden  an   erster  Stelle   behandelt  werden. 

Die  Anzahl  der  Todsünden  unsers  Sündenspiegels  ist  also 
sieben,  demnach  zerfallt  das  ganze  Werk  also  auch  in  sieben 
Hauptteile  und  nicht  in  fünf,  wie  Lübben  (S.  54  f.)  in  schwer  ver- 
ständlicher Weise  annahm.  Er  nennt  nur  die  fünf  ersten  Hauptsünden 
unseres  Werkes  bis  einschliesslich  hoverde  und  meint,  dass  diese 
letztere  „bis  zu  Ende  reiche^.  Das  ist  jedoch  nicht  der  Fall,  sondern 
es  folgen  auf  hoverde  noch  ftyt  lila — 113^  und  gramshap  113b  —  fin. 
Lübben  hat  sich  off*enbar  durch  die  von  mir  p.  98  näher  beschriebenen 
grossen  Initialen  täuschen  lassen,  wenn  er  sagt:  ;, Der  Anfang  eines 
jeden  dieser  (fünf)  Abschnitte  ist  auch  mit  einer  grossen  Initiale  ge- 
ziert.'^  Nyt  und  Gramshap  haben  nämlich  allerdings  viel  kleinere 
Initialen,  als  die  andern  llinf  Hauptsünden;  dies  ist  jedoch  entweder 
nur  Zufall,  oder  es  sollte  das  W^erk  schnell  zu  Ende  geführt  werden 
und  es  mangelte  an  Zeit,  die  ganz  grossen  kunstvollen  Arabesken- 
Buchstaben  auszuführen,  oder  „Missgunst^  und  ;,Zorn^  sollten  viel- 
leicht als  minder  schwere  Todsünden  bezeichnet  werden');    ^bis   zum 


')  Gedruckt  zu  Strassburg  1494.  —  In  meinem  Besitz. 

')  Katholischer  Katechismus  mit  einem  Abriss  der  Religionsgeschichte  fiir 
die  Volksschulen  von  J.  Deharbe.  S.  J.  Nr.  2.  Mit  Approbation  aller  Hoch- 
wurdigsten  H.  H.  Er/bischöfe  und  Bischöfe  des  Königi'eichs  Bayern.  Regensburg. 
Pustet.     1862.    Braunsberg,  bei  J.  R.  Huge.    p.  104. 

*)  Es  kommt  nämlich  hie  und  da  vor,  aass  aus  der  Gesamtzahl  der  sieben 
Todsunden  zu  besonderen  Zwecken  einzelne  ausgesondert  und  zusammengestellt 
werden,  welche  als  die  wichtigsten  und  schwersten  erscheinen.  Drei  Tiere  sind 
es,  welche  Dante  (Hölle  I.  32  if.)  vom  Paradiese  zurückhalten,  ein  Panther,  ein 
Löwe  and  eine  Wölfin.  Sie  bedeuten  hier  die  drei  schlimmsten  i^ünden  luxuria, 
superbia  und  avaritia,  —  In  den  Sammlungen  der  Altertumsgesellschaft  Prussia 
zu  Königsberg,  Pr.,  befindet  sich  eine  kupferne  Schale,  wie  solche  von  dem  deut- 
schen Ritterorden  im  13.  u.  14.  Jahrb.  preussischen  Täuflingen  bei  dem  Übertritt 
zum  Christentum  als  Geschenk  gegeben  wurden.  Auf  dem  Boden  der  Schale  finden 
sich  neben  bildlichen  Darstellungen  die  Worte:   ira,   lu^curia,  idolatria,  invidia. 


lio 

Ende''  des  Werkes  reicht  die  Beschreibung  der  ^Hoifahrt^  jeden- 
falls nicht. 

Zn  Antxing  jeder  Hauptsünde  wird  nun  das  Wesen  derselben 
kurz  erklärt,  dann  folgen  gewöhnlich,  und  zwar  in  ziemlich  genauem 
Anschluss  an  Thomas  von  Aquino,  (welcher  freilich  niemals  ge- 
nannt WMrd),  und  damit  auch  an  Gregor,  auf  den  sich  der  Verftisser 
bisweilen  ausdrücklich  beruft,  die  ^Manieren  oder  Specien^  dieser 
Sünde,  d.  h.  die  einzelnen,  besonderen  Sünden  und  Fehler,  in  welchen 
sich  die  Hauptsünde  im  einzelnen  zu  zeigen  pHegt,  und  endlich  die 
^Remedien^,  d.  h.  die  Hülfsmittel,  durch  welche  man  hoffen  darf, 
von  der  Hauptsünde  befreit  zu  werden. 

Die  Argumentation  wird  geführt  1)  durch  das  belehrende  Wort 
des  ^Dichters*  selbst,  wenn  man  den  Verfasser  so  nennen  darf,  2) 
durch  Anführungen  aus  der  heiligen  Schrift  (as  wy  lesen  in  scrifture 
u.  iihnl.),  3)  durch  Anfühi-ungen  aus  den  Kirchenvätern  (lerars),  zu 
denen  jedoch  auch  de  lerer  Tullius,  mester  Seneca  u.  andere  treten. 
Diese  Anführungen  heissen  ^reden".  4)  durch  Gleichnisse  (figure),  5) 
durch  fromme  Geschichten  und  Erzählungen  (exempel). 

Aus  der  heiligen  Schrift  wird  der  Prediger  Salomo  am  aller- 
meisten citiert,  wenn  ich  recht  gezählt  habe,  119  mal,  ferner  sehr 
häufig  die  Sprüchwörter  Salomonis,  Lukas,  Matthäus,  die  5  Bücher 
Mosis,  Jesaias,  Hiob,  Apostel  Paulus,  ziemlich  häufig  das  Evangelium 
Johannis,  Jeremias,  die  Bücher  der  Könige,  die  Psalmen,  je  ein  Mal 
Habakuk,  Maleachi,  Josua,  Joel,  Sacharja,  Esther.  Gar  nicht  wird 
z.  B.  citiert  der  Evangelist  Markus ;  dass  dieses  ein  Zufall  sein  sollte, 
halte  ich  gegenüber  den  34  Citaten  aus  Lukas,  30  aus  Matthäus,  14 
aus  Ev.  Johannis  für  ausgeschlossen,  den  Gnind  für  diese  Nichtberück- 
sichtigung des  Evangeliums  Marci  vermag  ich  jedoch  nicht  zu  erkennen  *). 
Dass  andrerseits  der  Prediger  Salomo  w^eitaus  am  meisten  benutzt  ist, 

am  Kande:  dolus,  odium,  peccatum.  Der  Ordenskünstler  betrachtete  also  die  vier 
erstgenannten  Sünden  heidnischen  Neubekehrten  gegenüber  als  die  wichtigsten  und 
Hess  superbia,  avaritia,  gultu  acedia  ganz  weg.  —  Auf  einem  Bilde  des  Mautegna, 
welches  sich  im  Louvre  zu  Paris  befindet  und  bezeichnet  wird :  der  Sieg  der  Weis- 
heit über  das  Laster,  jagt  Minerva,  mit  Speer,  Schild  und  Helm  bewahrt,  die  Laster 
vor  sich  her.  Die  einen,  ganz  im  Vordergrunde,  werden  in  einen  Sumpf  getrieben, 
die  andern  flüchten  im  Hintergrunde.  Nach  meiner  Ansicht  sind  die  im  Vorder- 
gründe befindlichen  Laster  folgende  fünf:  Die  Trägheit,  welche  in  den  Armen 
von  zwei  Weibern  fortgetragen  wird,  der  Neid  mit  einem  Hundegesicht  und  scheelem 
Blick,  die  Unkeuschheit,  ein  nacktes  Weib  auf  dem  Rücken  eines  Centauren  stehend, 
die  Eitelkeit  in  Gestalt  eines  Affen,  Habgier  und  Wucher  aneinandergebunden, 
erstere  ein  hageres  Weib,  letzterer  eine  gemästete  Figur  ohne  Arme  (die  also  nicht 
arbeiten  will  und  kann). 

')  Auch  sonst  ist  mir  die  eigentümlich  spärliche  Benutzung  des  Markus- 
Evangeliums  aufgefallen.  In  dem  Index  zu  der  Summa  theologiae  des  Thomas 
von  Aquino  (Antwerpen  1575.  Ex  officina  Christophori  Plantini.  fol.)  nimmt 
Matthäus  8  Spalten  ein,  Johannes  5,  Lucas  3  und  Marcus  nur  ^Z«  Spalte.  Ebenso 
auifällig  bei  Petrus  Lombardus  Sententiarum  libri  IV.  (Löven.  1552.  Ex  officina 
Bartholomei  Gravii.)  Aus  Matth.  werden  in  diesem  Werke  77  Stellen  citiert, 
Johannes  82,  Lucas  28,  aus  Marcus  nur  9.  —  Dass  das  Markus -Evangelium  das 
kürzeste  ist,  kann  diese  auffällige  Thatsachc  doch  kaum  genügend  erklären.  — 


111 

darf  bei  der  lehrhaften  Form  des  ganzen  Werkes  nicht  Wunder  nehmen. 
Uebrigens  sind  diese  Anfühiningen,  wie  die  aus  den  Kirchenvätern 
und  weltlichen  Schriftstellern  natürlich  nicht  wörtliche  Uebersetzungen, 
was  ja  bei  der  Versform  des  Werkes  auch  nicht  möglich  gewesen 
wäre,  sondern  es  ist  nur  im  allgemeinen  der  Inhalt  der  betreffenden 
Stelle  angegeben.  So  genaue  Wiedergabe,  dass  man  die  Originalstelle 
sofort  erkennt,  findet  sich  sehr  selten.  So  werden  z.  B.  an  der  Stelle, 
w(>  gesagt  wird,  dass  Spieler  sich  gegen  alle  zehn  Gebote  versündigen, 
die  ersten  drei  Gebote  so  wiedergegeben: 

1.  Kies  vor  my  gkeneu  vremden  god. 

2.  Nome  niet  den  name  gods  in  ydelhede. 

3.  Du  suis  vieren  den  hilghen  dach. 

liei  den  weiteren  Geboten  verschwindet  bereits  der  Wortlaut.  130» 
heisst  das  achte  Gebot:  Du  ne  suis  gheen  valsch  orconAe  syn  Theghm 
dynen  evenkerstyn. 

Von  den  Kirchenvätern  werden  am  allermeisten  Bernhard, 
Augustinus,  Gregorius  und  Hieronymus  citiert.  Diese  erhalten  auch 
den  Ehrentitel  min  here,  während  die  übrigen  sich  mit  der  Bezeich- 
nung de  lerery  een  lerer  begnügen  müssen.  Von  Gregors  Aeusserungeii, 
welche  der  Verfasser  benutzt,  heisst  es  bisweilen,  sie  fänden  sich  in 
emen  dialoge  oder  hynnen  jsynre  dyaloghen.  Gemeint  ist  Gregors  Werk 
Dialogorum  de  vita  et  miraculis  Patrum  Italicorum  libri  IV.  —  01h 
wird  Bernhards  hoeck  vander  godcs  minve  erwähnt.  Vielleicht  sind 
darunter  die  berühmten  Sermones  über  das  Hohe  Lied  verstanden. 
—  25a  findet  sich  die  Quellenangabe  St.  Auguslyn  scryfft  in  ecne 
coUecie.  —  Hie  und  da  werden  noch  erwähnt  de  lerer  Ysidorus^  een 
lerer  Cyprianus,  Sunte  Denys  (St.  Dionysius),  Sunte  Johan  Grisostomus 
(St.  Johannes  Chrysostomus),  einmal  92l>  de  miure  sunte  Augustyn, 
Sehr  häufig  findet  man  die  Einfühningsworte :  in  vitas  (sie)  patrUm 
lesen  u:y^  einmal:  int  leven  der  vaders.  Gemeint  ist  des  Rufinus 
Historia  Monachorum  sive  über  de  vitis  patnim,  eine  Biographie  von 
ägyptischen  Mönchen  der  nitrischen  Wüste.  —  Offenbar  sind  auch 
die  Acta  Sanctonim  stark  benutzt.  —  Auffällig  ist  es  mir,  dass  der 
Kirchenvater  Ambrosius  nur  äusserst  selten  erwähnt  wird,  in  dem 
ganzen  Werke  nur  vier  Mal.  —  Unbekannt  ist  mir  die  Persönlichkeit, 
welche  8a  mit  den  Worten  bezeichnet  wird :  een  lerer ^  het  Symarus, 

Von  weltlichen  Schriftstellern  wird  am  allermeisten  Seneca 
angeführt,  welcher  nach  der  kirchlichen  Sage  des  Mittelalters  mit 
dem  Apostel  Paulus  im  Briefwechsel  gestanden  haben  soll.  Er  wird 
bezeichnet  als  de  wisc  Seneca,  Mester  Seneca.  Ziemlich  oft  wird  femer 
Mester  Ikdius^  Tullius,  de  lerer  TuUtis  angeführt.  Zwei  Mal  89»  und 
101a  kommt  JBoecius  vor,  der  Verfasser  der  Schrift  de  consolatione 
philosophiae  und  der  berühmten  Uebersetzung  mit  Kommentar  zu  des 
Aristoteles  Organon,  welche  die  erste  und  für  lange  Zeit  die  einzige 
Grundlage  der  mittelalterlichen  Scholastik  wui'de.  —  Wenn  es  114b 
heisst  de  phüosaphus  secht  dl  dare  und  80a  de  philosophe  seeht^  so  ist 
dabei    Aristoteles    selbst   gemeint,    welcher    für    die    Scholastik    ^der 


Philosoph''  xaT  I^oj^tiv  war,  auch  z.  B.  bei  Thomas  von  Aqöino  fast 
immer  nur  philosophus  genannt  wird.  —  Auf  Dichter  wird  öfters  Be- 
zug genommen.     112»  heisst  es: 

Oracius  doet  uns  bekeat, 

Van  gfaenen  Tiran  so  ue  is  torment, 

Merre  dan  vanden  nydighen  vonden. 

(Horatius  epist.  I,  2,  58:  Invidia  Sicuh  non  invenere  tyranni  Maius 
tormentum).  Gleichfalls  auf  Horaz  geht  die  Stelle  auf  Bl.  75a  zurück, 
wenn  die  Quelle  auch  nicht  ausdrücklich  genannt  ist: 

Men  secht  in  een  auctoriteit, 
Den  nyeii  vate  blivet  langhe 
Smack  van  zynen  ersten  untfanghe. 

(Horatius  epist.  I.  2,  69 :  Quo  semel  est  imbuta  recens  servabit  odorem 

Testa  diu.)     Auch  114b 

Hyr  up  secht  een  poete  vroet, 
Gramschap  (Zorn)  den  moet  so  verblent, 
Dat  he  dat  rechte  siet  noch  kent, 

ist  sicherlich  eine  Umschreibung  des  Horazischen  Ira  furor  brevis  est. 
(Epist.  I.  2,  62).  —  Auf  Ovidius  wird  einige  Male  Bezug  genommen, 
u.  a.  10a  mit  Anführung  der  remedia  amoris  desselben:  Ovidius  inder 
renxedien  der  minne.  — 

Oefters  heisst  es:  in  Historien  lesen  wy,  einmal  31»  wird  ^Alex- 
anders Historie^  als  Quelle  angegeben.  Eine  aus  derselben  entnommene 
(leschichte  wird  mitgeteilt  werden.  — 

112^  heisst  es:  in  mester  Hughen  boeck  tvy  lesen.  Wer  dieser 
„Meister  Hugo^  gewesen,  ist  zweifelhaft.  Jedenfalls  war  es  kein  Geist- 
licher, wie  der  Zusatz  mester  beweist,  welchen,  dem  Sprachgebrauch 
des  Mittelalters  entsprechend,  auch  im  Sündenspiegel  nur  Nichtgeist- 
liche, nämlich  Tullius  und  Seneca,  haben.  Man  könnte  an  den  Laien 
„Magister^  Hugo  von  Trimberg  denken,  welcher  um  1300  den  ;,Renner^ 
dichtete.  Dass  der  Renner  oberdeutsch  geschrieben  ist,  brauchte  kein 
Hindernis  zu  sein.  Auch  ein  ^simpler  clerck*^  konnte  wohl  imstande 
sein,  hochdeutsche  Schriften  zu  lesen  und  bei  der  ausserordentlichen 
Verbreitung  und  Beliebtheit  des  Renners  ist  es  sogar  kaum  anzu- 
nehmen, dass  ein  litterarisch  thätiger  Geistlicher  ihn  nicht  gekannt 
haben  sollte.  Ausserdem  stimmt  Inhalt  und  Tendenz  des  Renners 
mit  dem  Sündenspiegel  im  ganzen  überein.^) 

103a  wird  'der  naturen  boec'  erwähnt.  Es  wird  hier  ein  Exempel 
erzählt,  dat  Jcranen  (Kraniche)  vader  und  moder  eeren.  Sie  holen 
nämlich,  wenn  diese  im  Alter  nach  Verlust  der  Federn  nicht  mehr 
aus  dem  Neste  fliegen  können,  für  sie  das  Futter.  Man  könnte  nun 
bei  der  naturen  boec  an  das  um  1350  geschriebene  und  sehr  ver- 
breitete ;,Buch    der   Natur^  des  Konrad   von  Megenberg   denken.     In 


*)  Es  ist  mir  leider  nicht  möglich  gewesen,  festzustellen,  ob  die  Stelle  aus 
mester  Hughen  boeck  wirklich  aus  dem  Renner  entnommen  ist,  da  die  beiden  Aus- 
gaben des  Renners  (Frankfurt  a/M  1549  und  Ausgabe  des  Bamberger  histor.  Vereins 
1833 — 34)  in  Königsberg  nicht  vorhanden  sind. 


113 

(lieser  Schrift  wird  jedoch  von  dem  Krauich  nichts  derartige»  berichtet^ 
wohl  aber  etwas  Aehnliches  von  den  Störchen:  Von  dem  Storchen. 
—  so  habetit  auch  diu  störchel  wider  groz  trew  zuo  den  fnüetern,  wan 
als  groz  zeit  die  müder  verzerent  oh  den  kinden^  als  groz  zeit  verzerent 
diu  kint  oh  den  müdem  und  speiscnt  si  auch.  (Pfeifter  p.  175.)  Der 
Verfasser  des  Sündenspiegels  hat  also  Konrad  von  Megenberg  jeden- 
falls, wenn  er  dessen  ^Kuch  der  Natur^  gemeint  hat,  nicht  genau 
citieii;  vielleicht  hat  er  sich  aber  auch  an  dessen  Vorgänger  und 
Muster  Thomas  von  Cantimpre  (Cantinipratensis).  cf.  Pfeiffers  Ein- 
leitung) angeschlossen,  dessen  liber  de  natura  renim  in  vielen  Hand- 
schriften verbreitet  war. 

(lanz  zweifelhaft  ist  mir  das  54l>  angeführte  boek  van  den  stommen 
dieren.  Es  wird  hier  mahnend  darauf  hingewiesen,  dass  sogar  stamme 
Jteesten  Barmherzigkeit  üben.  Das  hier  erwähnte  Buch  wird  also  irgend 
ein  „Physiologus**  gewesen  sein.  In  den  ims  erhaltenen  deutschen 
Physiologi  findet  sich  kein  Hinweis  auf  die  ^Barmherzigkeit*  der 
Tiere.  Der  Verfasser  des  Sündenspiegels  könnte  aber  irgend  ein 
scholastisches  Buch  ähnliches  Inhalts  benutzt  hal)en,  wie  denn  z.  B. 
(iraff  (Diutisca.  III.  p.  22)  als  die  Quelle  des  jüngeren  prosaischen 
Physiologus  eine  lateinische  Schrift  unter  dem  Titel:  Incipiunt  dicta 
Johannis  Crisostomi  de  naturis  bestianim  nachgewiesen  hat. 

Darstellung  und  Stil  im  Sündenspiegel  sind  ziemlich  lang- 
weilig und  trocken,  auch  die  eingestreuten  Erzählungen  zeigen  kaum 
grössere  Lebendigkeit,  als  die  anderen  Partieen. 

Der  Sündenspiegel  unterscheidet  sich  dadurch  nicht  zu  seinem 
Vorteil  von  Josefs  Gedicht,  in  welchem  die  eingestreuten  Erzählungen 
mit  volksmässiger  Frische  vorgetragen  sind.  Nur  zuweilen  wird  der 
Verlasser  des  Sündenspiegels  eifrig  und  lebendig,  z.  B.  auf  Blatt  14  a 
in  einer  grossen  Philippika  gegen  den  Tanz,  an  anderen  Stellen  in 
leidenschaftlichen  Angriffen  gegen  das  „Dobbeln",  (Würfelspiel).  Von 
kulturhistorischem  Interesse  sind  nicht  wenige  Stellen  des  Gedichts. 
Litterarhistorisch  interessant  sind  die  Erzählung  aus  der  Alexander- 
historie (S.  119)  und  die  aufs  merkwürdigste  mit  Schiller's  Gang  nach 
dem  Eisenhammer  übereinstimmende  längere  Erzählung,  welche  Lübben 
Jahrbuch  1878  p.  57  ff.  bereits  veröffentlicht  hat,  auch  wohl  die 
eben  besprochenen  Quellenangaben.  Mit  der  Verskunst  des  Ver- 
fassers ist  es  nicht  zum  besten  bestellt.  Ereilich  war  der  moralisirende 
Inhalt  ein  sehr  spröder  und  in  tiiessenden  Versen  gewiss  nicht  leicht 
zu  behandelnder  Stoff,  aber  der  Verfasser  fühlt  es  auch  selbst,  dass 
es  ihm  an  der  Kunst  der  Versbildung  gebricht.  Mit  Ernst  und  Nach- 
druck weist  er  jedoch  darauf  hin,  dass  man  nicht  die  Form  seiner 
Verse  kritisiren  und  tadeln,  sondern  den  Sinn  und  Inhalt  derselben 
wohl  beherzigen  möge. 

138b.   Alwolde  ymaud  de  rime  dornen, 

Dat  86  erghent  valt  to  hart. 

Den  ghcnnen,  den  se  te  pinen  wart, 

Hi«d«fd«aUeh«i  Jfthrba«]i.    XVII.  8 


und  ibid. 


114 

bidt  em,  dat  he  se  wille  bekeräil 
Und  dat  he  merke  den  zin  der  leren, 
Of  de  mach  werdich  wesen,  dat  si 
Süchte  rime  untschulde  daer  bi. 

Menyghe  schone  auctoriteit 

Is  bynnen  dessen  boeke  gheseit, 

Wes  woord  daer  rinne  verändert  zyn. 

Dichtende  duetsch,  walsch  of  latyn 

Bi  node  men  versetten  moct 

De  woorde,  sal  de  rym  werden  goet. 

Is  de  sentencie  ciaer  beholden, 

Elk  wise  sal  den  rym  untscholden. 

Ueberhaupt  wirkt  der  sittliche  Ernst,  die  aufrichtig  fromme  Gesinnung, 
die  unerschrockene  Freimütigkeit  nach  oben,   wie  nach  unten,  welche 
der  Verfasser  zeigt,  sehr  wohlthuend.     Er  scheut  sich   auch  nicht,  es 
auszusprechen,    dass    sogar   Bischöfe    in   die    Hölle    kommen   können, 
(cf.  p.  128.)    Von  faulen  Mönchen,  welche  die  Frömmigkeit  nur  als  Deck- 
mantel   für  ihre  Trägheit   benutzen  wollten,   war   er  kein  Freund,  er 
liest   solchen   trägen  Gesellen  tüchtig   den  Text  und   lässt  einen  ver- 
ständigen braven  Abt  zu  einem  jongelinc,  der  immer  nur  beten,  aber 
nicht    ^werken "^   wollte,  mit   Recht   sagen:     Wer  nicht  arbeiten  will, 
soll  auch  nicht  essen,    (cf.  p.  125.)    Solche  Leute,  die  sich  bei  ihrem 
Eintritt  in   ein  Kloster   nur   die  reichen  aussuchen,   um   daselbst  dem 
Wohlleben  fröhnen    zu  können,   vergleicht  er   mit  Schweinen,   die  auf 
Mästung  gesetzt  werden    und   nennt   sie   unverblümt   ^Teufelsbraten'*, 
(cf.  p.  121.)    Es  geht  ein  volkstümlicher,  man  möchte  sagen,  „demo- 
kratischer"   Zug    durch   manche    Stellen   des    Gedichts.      Gewaltthat, 
meint  der  Verfasser,  ist   zwar  allen   Menschen   verboten,    am  meisten 
aber   den  Edeln  (Adligen)    und   den    Grossen,     (cf.    p.    120.)     In    die 
Klöster  drängt  sich  zumeist  die  „Wohlgeborenheit" ;  von  vier  Mönchen 
sind  inuner  drei  von  groten  maghcn  abstammend,     (cf.  p.  121.)     90  a 
heisst  es:     Niemand  ist  edel  um  seiner  Geburt  willen,  dessen  Thaten 
unedel  sind;    alle  Menschen    stammen   von    einem   Vater  und  einer 
Mutter,  u.  s.  w.     Ein  grosser  Dichter  war  der  Vei-tasser  des  Sünden- 
spiegels   gewiss   nicht,    aber   ein    tüchtiger,    echt   christlich    gesinnter 
Mann,  welcher  ohne  Nennung  seines  Namens,   ohne   auf  Anerkennung 
bei  den  Menschen  zu  rechnen,  in  Treue  und  Bescheidenheit  das  mühe- 
volle Werk,  das  er   auch  selbst  geschrieben  (vergl.  unten),  vollendete, 
Gott   zu   Ehren,    seinen    Mitmenschen    zur   sittlichen    Besserung.     So 
lautet  denn  der  Schluss  des  Werkes: 

139a.   God  heere,  up  wen  ick  troost  hcghan, 

Te  dichtene  dit  grote  werck, 

Dancke  dy,  als  een  simpel  clerck, 

Dattu  woldes  ghewerden  mien 

Te  makene  Instrument,  hy  wien 

Dyne  gracie  hevet  vuldaen, 

Dat  de  lesers  so  moeten  verstaen 

So  de  sentencie,  biddick,  heere, 

Dat  se  ju  dienen  moeten  de  mere, 


115 

Und  ick  diet  by  der  hulpe  dyuö 
Hebbe  ghetrect  uut  den  latine. 
Bidde,  dat  dichten  und  scriven 
My  to  ghenaden  moete  bliven, 
So  dat  ick  na  dit  corte  leven 
Met  ju,  here,  moet  zyn  verheven, 
Uut  wen  ick  begbinsel  nam, 
Secundum  magnam  misericordiam  tuam. 

Dass  (lie  Dichtung  nicht  ein  deutsches  Originalwerk  ist,  sagt  der 
Verfasser  selbst  mit  den  eben  angeführten  Worten,  er  habe  diet 
ffheirect  uut  den  latine^  also  „aus  dem  Lateinischen  gezogen."  So 
nimmt  denn  auch  Lübben  „Ursprung  des  Werkes  aus  dem  Latei- 
nischen*' an.  Wenn  er  jedoch  als  Grund  für  diese  Behauptung  die 
vorhin  hier  p.  114  angeführten  Verse  heranzieht:  Dichtende  duetsch^ 
walsch^  of  latyn  u.  s.  w.,  so  ist  dies  offenbar  unzulässig,  denn  jene 
Verse  besagen  nichts  anderes,  als  dass  ein  jeder,  mag  er  deutsch, 
wälsch  oder  lateinisch  dichten,  wenn  er  eine  „Autorität"  d.  h. 
einen  beherzigenswerten  Ausspruch  irgend  eines  guten  Autors  an- 
lühren  will,  diesen  nicht  wörtlich  und  genau  übertragen  darf,  sondern 
ihn  so  umändern  muss,  dass  er  sich  in  den  Reim  fügt.  Es  bleibt  also 
zur  Bezeichnung  der  Quelle,  aus  welcher  das  Gedicht  entsprungen  ist, 
nur  das  eine  Wort  des  Verfassers  übrig  ^^hetrect  uut  den  latine^\  Ueber 
die  Art  und  Weise  des  „Ursprungs  aus  dem  Lateinischen"  hat  sich 
Lübben  nicht  näher  geäussert.  Wenn  er  jedoch  (Jahrbuch  1878  p.  50) 
die  auffällig  grosse  Anzahl  der  Fremdwörter  des  Sündenspiegels  eben 
diesem  Urspninge  aus  dem  Lateinischen  zuschreibt,  so  scheint  er 
doch  einen  sehr  engen  Anschluss  unseres  (Jedichts  an  das  Lateinische 
angenommen  zu  haben.  Daran  ist  meiner  Meinung  nach  jedoch  nicht  zu 
denken.  W^enn  auch  im  Mittelalter  viel  über  die  peccata  mortalia 
geredet  und  geschrieben  worden  ist,  so  war  das  doch  alles  Prosa, 
von  einem  lateinischen  Gedichte  über  die  Todsünden  wissen  wir  nicht 
das  mindeste.  Andrerseits  sind  die  Verse  des  Sündenspiegels  zwar 
trocken  und  nüchtern,  machen  aber  einen  durchaus  originalen  Eindruck. 
Der  simpel  clerck  müsste  ein  Meister  allerersten  Ranges  in  der  Ueber- 
setzungskunst  gewesen  sein,  wenn  er  viele  Tausende  von  lateinischen 
Versen  in  einer  Weise  übersetzt  haben  sollte,  dass  man  auch 
nicht  eine  Spur  von  Latinismen  in  ihnen  entdecken  kann.  Somit  darf 
man  nur  annehmen,  dass  er  den  Stoff  und  vielleicht  die  Einteilung 
einer  oder  mehreren  lateinischen  Vorlagen,  welche  ihm  über  dieses 
Thema  die  Scholastik  mehrfach  bot,  entnommen  hat,  wie  dies  z.  B. 
durch  Beziehung  auf  St.  Gregorius  (Gregor  d.  Gr.)  bei  der  V^öllerei 
ausdrücklich  erwähnt  wird,  die  Form  des  Gedichtes  ist  ganz  sein 
eignes  W^erk. 

Ich  habe  die  Orthographie  des  Gedichts  genau  beibehalten, 
nur  das  u  ist,  wo  es  nötig  war,  der  besseren  Lesbarkeit  halber, 
durch  V  wiedergegeben.  Aus  demselben  Grunde  habe  ich  die  Inter- 
punktion hinzugefiigt«  —  Eine  Schwierigkeit  entstand  durch  den 
Strich    über   den    Endkonsonanten    bei    Infinitiven.      Dieses    Zeichen 

8* 


dient  sonst  nur  zur  Verdoppelung^  von  Konsonanten,  z,  B.  de 
stöme  fnonick,  der  stumme  Mönch.  Lühben  hat  dieses  Zeichen  in 
seiner  Erzählung  aus  dem  Sündenspiogel  im  Auslaut  des  Infinitivs 
durcli  e  aufgelöst,  er  sehreibt  also  nicht  dichtenn,  dlcnenn,  makenn, 
wetenn^  wie  man  nach  dem  sonstigen  Schreibgebrauch  der  Handschrift 
eigentlich  müsste,  sondern  dichteut^  dieuene^  nmkene,  wetene.  Diesem 
Vorgange  unsres  Altmeisters  bin  ich  gefolgt,  zumal  da  an  einigen 
Stellen  Infinitivformen  auf  e  (loetcne^  dichtenc^  merkcne)  ausgeschrieben 
wirklich  vorkommen. 

In  den  beiden  ersten  Hauptteilen  habe  ich  die  Disposition  nach 
dem  Inhalt  ohne  Rücksicht  auf  die  roten  Ueberschrift<)n  der  einzelnen 
Abschnitte  (cf.  p.  98)  angegeben,  von  der  dritten  Hauptsünde,  der 
vracheü,  an  sind  die  roten  Absclmittsüberschriften  vcdlstiindig  auf- 
geführt, damit  man  auch  von  der  Art  der  Verwendung  dieser  Indices 
ein  Bild  gewinne. 


Spie^hel  der  zonden. 

1)  Gulsichede,  gnlsirhcit,  gulshcit,  {VöllneO^  Tnit.— 3b.  —  2)  liiixiirie  (Un- 
keuschheit)  4a -181).  —  3)  YrsLcheh  (Habgier)  18b— G4b.  —  4)  Trsiecheii  (Trägheit) 
64b- 85b.  —  5)  Hoverde  (Hoffahrt,  Sioh)  Snb-  lila.  —  6)  Nyt  (Neid,  Ahgumi) 
lila— 113b.  —  7)  Gramshap  (Zorn)  113b.  —  Kin. 

I.    UiilHidiAit.     Init.~3b. 

5  Specien  oder  Manieren  derselben  „beschrieben  von  St.  Gregorius".  (cf.  p. 
115.)  1.  Man  mag  nicht  regelmässig  geordnete  Mahlzeiten  leiden.  — 2.  Leckerei. — 
3.  Gefrässigkeit.  —  4.  Wählerisches  Aussuchen  und  „Bereden''  der  Speisen,  — 
5.  Gieriges  Verschlingen  ,yZa  heisser^'  Speisen. 

4  Folgen.  2a.  als  ,/Jesinde**  oder  ,f Diener**  der  Völlerei  bezeichnet.  — 
1.  Hoffährtigkeit.  —  2.  Begehreti  von  mannigfacher  Speise.  —  3.  Begehren  von 
Lieblingsspeisen.  —  4.  Zu  viel  essen. 

8  Ileinedien.  2b.  1 .  Gerne  Gottes  Wort  hören.  —  2.  Van  rcdelike  dinghcn 
belemertbede.  (Beschäftigung  mit  redlichen  Dingen.)  —  3.  Dat  cm  de  menscbe 
also  vere  doe,  als  be  ver  eyscbt  van  clkcr  stedo,  dacrnicn  aeffent  de  gnlsichede. 
—  4.  Dass  wir  ernstlich  an  die  Nähe  des  Todes  denken.  —  5.  Dat  wy  solden  hi 
allen  stoiidcn  um  dat  cwigbe  wcrscbap  (Abendmahl)  denken  und  woe  wy  alle  zyn 
genoet  daer  toe.  —  0.  Te  merkene,  dat  de  exces  van  gulsbeit  inbrenct  swerbeit 
groet.  —  7.  An  C'hristi  Armut  gedenken.  —  8.  De  zoete  gracie  uns  heran. 

II.   Luxurif.    4a— 18b.    (6  „Partieen«.) 

1.  Partie.  4a. 
Belehrung  über  die  bösen  Dinge  der  Luxurie,  damit  wir  uns  bessern  und 
die  Luxurie  hassen  lernen.  —  1.  Angst  und  Beschwerde.  —  2.  Lcetschap.  — 
3.  Jt^ine  Menge  Spötterei^  die  wir  über  uns  ergehen  Itissen  müssen.  —  4.  Dat 
vierde  quAet  mach  di  beduden  cen  stanr  in  man  Tan  brande.  —  5.  Verlust  des 
guten  Nametis. 


117 

2.  Partie.    7b. 
Die  5  Manieren  oder  Specien   der  Luxurie,   „welche  Töchter  heissen".    Als 
,,Töchter*^  werden  die   einzelnen   Arten   einer  Hauptsünde  nur  hier  bezeichnet,  in 
Jose/s  Gedicht  und  sonst  jedoch  fast  stehend. 

I>e  eerste  wy  syinplex  keefsdom  scriven; 

De  ander,  to  untsuverne*)  eene  magct; 

De  derde    —     —    — 

Is  bordom;  de  vierde  is,  als  een  man 

Met  wiven  misdoet,  de  em  gaet  an:*) 

De  vyfte,  unkuusche  niisdaet, 

De  tegben  der  naturen  gaet; 

Eene  seste')  manire  mach  zyn  voert, 

Die  ter  unkuuscheit  behoert, 

Die  giricheit  vake  doet  to  driven, 

Dat«  dat  untvoren  van  wiven. 

H.  Partie.  9b. 
8  Veranlassungen  (occusoen)  zur  Luxurie.  —  1.  Ledicheit  (Müssiggang). 
—  2.  Uehermass  cot»  Speiseöl.  —  3.  Der  older  wiven  belcet,  de  lüde  to  sammen 
driven.  Diese  alten  Weiber  werden  auch  makeliggen  (Kuplerinnen)  genannt,  — 
4.  Böses  Beispiel.  —  5.  Schone  wyfs  anschyn.  —  6.  Viel  mit  Weibern  sprechen.  — 
7.  Dat  sevenste  is  rotten  off  ledekinnc,  te  hoerne  de  ghewagen  der  mynne,  want 
sie  den  brant  roren  vast.  —  8.  Als  mcn  tast  menschen  unbetemelike.  (Unzüchtiges 
Betasten).  —  Hier  findet  sich  die  vorhin  erwähnte  leidenschaftliche  Philippika  gegen 
den  Tanz,  der  also  nach  der  Meinung  des  Verfassers  nur  zur  Unzucht  verfährt. 
£lk  danss  off  traets  mach  beten  wel  Processie  vanden  duvel. 

4.  Partie.     15b. 

Remedien  gegen  die  Unkeuschheit.  —  In  der  allgemeinen  Uebersicht  der 
6  Partieen  gleich  zu  Anfang  der  Luxurie  werden  ^  Betnedien  angekündigt,  that- 
sächlich  folgen  jedoch  nur  fünf  —  1.  Devote  bedinghe  (demütiges  Gebet)  zu  unsrer 
lieben  Frau,  wie  z.  B.  in  Paris,  oder  zu  St.  Antonius  oder  zu  St.  Christoph.  — 
2.  Ersame  belemerthede  (ehrbare  Beschäftigung).  —  3.  Dat  men  heeft  an  die 
liilghe  scrifture  minne  (dass  fnan  stets  an  die  heilige  Schrift  denkt).  —  4.  Almosen 
geben  ( —  ein  seltsames  Mittel  gegen  die  Unkeuschheit!  — )  —  5.  Voormaken  um 
die  doot. 

5.  Partie.     10a. 
Weshalb  GoU  simplex  keefsdoom  verboten  hat.  — 

1.  Keefsdom  ist  na  der  lerers  scriven 
Die  undanclicheit  van  wiven, 
Want  luttel  gemene  wyfs  wy  sien, 
Dat  sie  kinder  to  dragbene  plien. 
Daer  wert  der  rechter  naturen  wet 
Mids  den  keefsdome  achter  geset. 


')  Entsäubeni,  unrein  machen,  schänden. 

*)  Die  mit  ihm  verwandt  sind. 

*)  Obgleich  in  der  Disposition  nur  fünf  angegeben  waren. 


HS 

2.  Die  Tele  archede,  die  geschien 
Vanden  wiven  ten  kindren  wert, 
Als  hem  die  man  is  alte  greignaert. 
3.  Mancher  Kampf  und  mancher  Streit  würde  vermieden  werden,  wenn  sich 
jeder  Mann  nur  zu  einer  Frau  hielte,     Gott  hat  ja  auch  zuerst  nur  einen  Mann 
und  ein  Weib  gemacht.  —  4.  Gott  hat  keefsdom  durch  3  ,,Reden^*  verboten,    a)  7>ie 
Menschen  sollen  nur  einen  Herrn  und  einen  Gatt  haben,  —  b)  Zu  ihun,  was  uns 
Gof,t  heisst,  zu  lassen,  was  ihm  leid  ist,  dar  in  staet  Verdienste  groet.  —  c)  Gott 
will  am  meisten  geminnet  sein. 

6.  Partie.  16b. 
Von  denjenigen,  welche  sagen,  dass  sie  sich  der  Ltueurie  nicht  enthalten 
können.  —  1.  Gott  legt  uns  nicht  mehr  aufy  als  wir  tragen  können.  —  2.  Der 
Mensch  besitzt  freien  Willen,  den  kein  Tier  hat.  Wenn  er  also  sündigt,  dann  ist 
seine  Sünde  schalcheit  boven  elke  beeste.  —  3.  Der  Mensch  sollte  sich  schämen, 
sich  von  der  Sünde,  sowie  ein  Pferd  von  een  vreydel  clene  (von  einem  kleinen 
Knaben)  zwingen  zu  lassen.  —  4.  Die  unkeuschen  Menschen,  die  sich  mit  der  Un^ 
möglichkeit,  ihre  Sünde  zu  lassen,  entschuldigen,  handeln  so,  wie  einer,  der  sein 
Haus  brennen  sieht  und  noch  mehr  Feuer  dazu  thut.  —  5.  In  leiblichen  Krank- 
heiten nehmen  diese  Menschen  Medizin,  aber  von  geistlichen  Medizinen  wollen  sie 
nichts  wissen.  —  6.  Sie  sind  ebensowenig  zu  entschuldigen,  wie  Leute,  die  ein 
ihnen  anvertrautes  Schloss  an  den  Feind  ausliefern  und  keine  Hülfe  (also  Gebet 
und  dergl.)  nachsuchen.  —  7.  Sie  verdienen  ebensowenig  Entschuldigung,  wie  ein 
Mann,  der  aus  Lässigkeit  nicht  das  Loch  in  einem  Fasse  zustopft,  durch  das  ihm 
der  Wein  ausfliesst.  —  8.  Manche  sagen,  das  Weib  zwinge  sie  eurLuxttrie;  es  ist 
aber  der  Teufel,  dei*  sie  mit  ihrem  eignen  WtVen  zwingt.  —  9.  Sie  sollten  wenigstens 
versuchen,  sich  eine  kurze  Weile  der  Sünde  zu  enthalten,  um  sich  so  allmählich 
an  Besserung  zu  gewöhnen. 

111.   Vracheit.    18b-64b.    (5  „Partieen«.) 

1.  Dinghen,  de  vracheit  doen  schuwen  und  ere  temptacic  doen  verdiiwen.  — 
2.  Die  temptacie,  die  der  vracheit  ane  cleven.  —  3.  Dinghen,  die  vracheit  quekcn 
und  voeden.  —  4.  6  Remedien  der  vracheit.  (Es  werden  jedoch  nachher  S  genannt/) 
—  5.  Van  der  gulscheden,  de  der  vracheit  schyn  contrare. 

1.  Partie.  19a. 
Vracheit  is  te  verhatene  umme  vele  dinghen.  Vracheit  is  te  verbaten  unune 
de  maledixie,  de  god  daer  up  senden  sal.  (Es  folgen  die  maledixicn  aus  Jesaias, 
Habakuk,  Lukas,  Jakobus  u.  a.)  Vracheit  sal  he  verbaten,  die  merken  wille  de 
grootheit  van  desser  sonde.  (Es  folgen  dafür  „Urkunden"  aus  dem  Prediger 
Salomo,  Hosea  u.  a. 

20a.   £ene  derdc  orconde  viudeu  wy  mede, 

De  toghct  der  vraken  grote  quaethede, 

Dats,  dat  he  niet  de  eeusheit  lieft, 

Die  an  zynen  schepper  cleft 

Und  in  all  ander  creaturen. 

Die  schepper  wolde  der  naturen, 

Dat  alle  dinghe  gemenc  waren. 

Also  die  sonne  gheeft  er  verclaren 


119 

Int  gemene  und  tvuer*)  syn  bitte, 
Die  blomekeu  roseu  al  sonder  smitte, 
Die  bome  ock  gbeveu  er  fraut, 
Die  crude  eren  roeke  ere  untuut 
Gemene,    —    —    — 
Des  willen  niet  de  vracken  plien.) 

Vracke  zyu  qiiaet  in  gode,  in  hemselven,  in  zynen  evenkersten  und  in  de 
neder  creaturen.  —  Vracheit  is  als  eene  afgoderie,  die  scrifture  toghedet.  — 
Vracbeit  is  eene  sware  geestlike  quäle.  —  Vracheit  is  eene  sware  quäle  umme 
ere  geduricheit.  —  Vracbeit,  dats  eene  unversadelike  quäle,  dats  getogbet.  — 
Vracbeit  bold  den  menseben  in  sware  scbalkemyen.  —  Vracbeit  beft  dri  bedecte 
strecken  (drei  verborgene  Stricke),  menseben  mede  te  vane.  —  Vracbeit  is  to 
iintsiene  {von  Vr.  ist  absu sehen)  umme  de  vele  strecken,  die  see  beft.  —  Vracbeit 
is  zeer  batelic  gode,  dats  getogbet  ciaer.  —  Vracken  doen  goede  grote  dorpernye. 
—  Vracbeit  doet  grote  deere  und  unrecbt  den  evenkerstyn.  —  Vracbeit  quest 
und  deert  eren  dragbere.  —  Vracke  zyn  gbeck  in  vele  saken,  dats  gbetogbet 
claer.  —  Vier  dingben  mogbeu  unse  beeten  und  niet  meer: 

—  Dat  een  is  in  erdscbe  goet, 
Dats  waldaet,  de  die  meuscbe  doet; 
De  andre  is  de  tyd,  de  wy  leven; 
Dat  derde,  dat  wy  den  armen  gbeven; 
Tvierde,  dat  is  bemelrike.  — 

Exempel,  dat  erdscbe  besittinghe  uns  vremde  is.  —  Exempel,  dat  almoessene 
unse  is,  di  wy  doer  gode  gbeven.  —  Ecrdesscbe  besittingbe  en  is  unse  niet.  — 
Exemple  togben,  uns  niet  te  troestene  up  erdscbe  besittingbe.  —  Exempel  —  ?  — 
(abgeschnitten,  cf,  p,  97)  —  Erdscbe  besittingbe  scbynt  gbeven  vyflF  maniren  van 
vrucbten. 

In  duetscbe  gbcmeeulic  men  secbt, 

Dat  be  de  rycste  is,  de  levet, 

Wien  gbenoegbet,  dat  be  bevet.  — 

Hemelrike  macbmen  copen  met  erdscber  rycbeide.  Kycbeit  goet  te  niete 
bi  vier  dinglieu.  —  Restoor  laten  (Arrest  legen)  up  erfinamen  is  sonde.  —  Vracke 
zyn  zere  sod  unversien  in  vele  saken.  —  Weelde  is  als  een  droom,  die  scbynt 
und  niet  en  is.  —  Rycbeit  der  werld  doet  eren  mynre  vele  quaets.  —  Erdscbe 
rycbeit  maect  den  menscbe  cranc  in  dri  dingben. 

31a.    —  Hyr  aif  memorie 
Vindmen  in  Alexaudersbistorie'j 
Do  be  Darise  badde  verwonnen 
Teenen  tyd,  und  daer  was  gewonnen 


')  tvuer  ,das  Feuer*.  So  wird  sebr  oft  nach  niederländiscber  Weise  der 
neutrale  Artikel  zum  folgenden  Worte  gezogen,  z.  B.  tserpent,  tvierde,  tfolc  u.  a. 

*)  Diese  Alexandergescbicbte  babe  icb  in  keiner  der  von  Weismann  (Alexander- 
Qedicht  des  12.  Jabrb.  vom  Pfaffen  Lamprecbt.  Frankfurt  a/M.  1850.  2.  Band) 
gesammelten  Quellen  gefunden.   Aucb  im  Alexanderliede  selbst  findet  sie  sieb  nicbt. 


120 

So  groten  roofT,  dats  gemeenlike 

Alexanders  schare,  di  so  wert  rike, 

Daer  zyn  luden  in  bequameu 

Und  eenen  nyeu  wech  an  namen. 
(2  Verse  abgeschnitten.) 

Und  maecte  Alexanders  volc  onder. 

Des  badde  de  hoghe  man  groot  wonder. 

Daer  gebood  die  conync  rike, 

Den  rooff  te  verbernene  gemeenlike 

Sonder  leiten,  und  he  sede, 

Eer  tfolc  gekreech  dese  rychede, 

Met  vechtene  niement  en  konde  geschadeu. 

Mer  als  sie  met  ghelde  zyn  geladen, 

Sie  syn  cranck  und  swaer  becomen. 

Daer  na  so  was  hem  tgoet  genomen, 

Daden  die  viandeu  eener  keer, 

Do  vochten  sie  also  vaste  alse  eer.  — 
Vrackeus  lachten  der  helle,  der  doot,  der  zee,  den  hond,  den  moll.  —  Exemple 
vandcr  oolder  wet  (aus  dem  aUen  Gesetz,  Testament)  leren  uns  verbaten  vrachede. 

2.  Partie.    32b. 
Vracheit  helft  neghen  specien  in  ere,  die  some  lerars  dochteren  uomen.  *j 

32b.   Woker,  roof  und  tassement,  (Gewalithat). 

Boesheit  vander  band  werclieden, 

Tvyfste  is  to  untfanghene  mieden, 

De  seste  specie  het  simonie, 

Die  sevenste  — 

Unwerdelic  sacrament  untfaen, 

De  achtste  is,  vrac  te  zyne  van 

Consten,  die  enych  mensche  can, 

De  IXste  is,  speien  um  ghelt. 

1.  Woker. 

Woker  is  te  verhatene  umme  (abgeschnitten),  —  Woker  salmen  baten  umme 

de  quaetheit,   de  daer  is.   —   Woker  salmen  vlien  um  ander   quaet,   datter  uut 

comt.  —  Woker  salmen  schuwen  umme  vele  saken,  de  daer  in  luuschen  (lauschen, 

lauern).   —    Woker   sal   elc  vlien  um  de  plage,  de  dar  god  to  scnt.   —   Woker 

bedecken  de  lüde  manichsyns  ümme  der  werlt  schaemte. 

2.  Roof. 

Roof  salmen  schuwen  um  de  sware  plaghe,  de  god  up  rovers  werpen  sal.  — 

Rovers  moghen   wal  verveert  zyn  van  gode  umme  de  mynne,  de  he  heft  up  de 

armen.  —  Roof  is  te  verhatene  umme  de  sware  maledixie    —   Rovers  liden  vake 

sware  und  schofierliken  doot. 

3.  Tassement. 

Tassement  is  verboden  allen  luden,  und  mest  den  edelen.    —    Tasserers 

untfanghen  drivolt  schaden  uut  eren  tassemente.    —   Tasseren  is   zeer  schofierlick 

den  edelen  und  den  groten. 

*)  Die  Bezeichnung  „Töchter"  ist  nicht  nur  bei  „some  lerars"  zu  finden,  sie 
ist  vielmehr  die  gewöhnliche,  vgl.  p.  117. 


121 

4.  Boesheit  vander  hand  werclieden. 
Dachwerkers  misdoen   vake,  verstaet   wo.  —  Taswerc  {tvohl   rcfsckrüben 
für  dachwerc)  nemers  misdoen  vake  zwarlike,  verstaet  wo.  —  Merseners  oufeiien 
{üben?)  achte  senden  in  ere  neringhe.   —   Diefte  regnert   vake   in  copenschepe. 

5.  Mieden  nntfanghene. 
Untfanghen  gifte  is   grote   vrese.    —  Ghiifte  maect  ere   untfanghers  stom 
und  blint.  —  Untfanghers  van  ghiften  syn  begripelic  in  dre  saken. 

6.  Simonie. 
Symouie  doet  vake  sneven  de  leeken,  dats  getoghet. 

39  b.   —  um  welk  de  leeken  misdoen  in  die 

Und  willent  up  de  geleerde  al  stecken, 

Sal  ic  daer  aif  een  deel  hyr  sprecken^ 

Van  dats  den  leeken  mach  behoren, 

Bi  den,  alse  ic  seghede  te  voren 

Binnen  der  prologhen  van  desen, 

Ick  en  wil  gheen  begriper  wesen, 

Van  hem  luden,  de  tlatyn  verstaen, 

Doen  tghenne,  dat  hem  dnnct  walgedaen. 

Her  um  dat  de  leeken  plien, 

Te  snevene  dickent  in  symonien 

Und  willent  den  geleerden  tyen, 

So  ne  wil  ic  der  niet  aif  swigheu. 

Ic  sal  van  simonye  scriven, 

Na  dat  se  de  leeken  bedriven.  — 
Symonie  doen  de  leeken  in  vier  maniren. 

a.  De  eerste  copinghe  is  um  ghelt. 

39b.    (Niemand  verlangt  nach  Abteien), 
Daer  maghere  moncke  in  syn  gesieu. 
De  syn  kint  nu  begheven  sal, 
He  so  moet  to  voren  weten  all, 
Wat  syne  provende  staet  te  zyne, 
Beyde  van  spisen  und  van  wyne. 
Dunct  en  de  provende  groot  genoech, 
So  is  dat  cloester  wal  syn  ghenoech. 
Also  de  vleyschouwer  up  set 
Een  swyn,  um  te  makene  vet, 
Daer  na  men  siedet  und  braet, 
Aldus  dat  kynt  te  vettene  staet 
Tes  duvels  behoef,  dat  sonder  genadeu 
In  dat  heische  vuer  sal  braden. 
In  dat  beduet  tkint  schone  und  vet. 
Den  vader  behaghet,  so  lanc,  so  beth, 
Und  dan,  so  dunct  em  wal  bestet  (?) 
Tgoet^  dat  he  an  hem  hefft  gelegt, 
Den  duvel  erst  ock  een  groot  troost. 
So  Vetter  vleysch,  so  vetter  roost. 

b.  Smekers    verkrighen    dickent    beneficien    met    ere    smekerdien.    — 

c.  Kerclike  beneücien  verkrighen  bi  bede,  is  vrese  und  sonde, 

40a.    De  derde  copinghe  is  met  beden; 
Des  pleghet  de  wal  geburenthede, 
Ghaet  und  soect  elke  abdie; 
Van  veir  moneken  syn  de  drie 


122 

Gheboren  yan  groten  maghen, 
De.  se  met  ere  bede  daer  jaghen, 
Der  armer  goet  all  te  verteerne. 
d.   De  vierde  copinghe  wilt  Terstaen 

Syn,  de  met  Schalken  deynste  nmme  gaen. 
Proveade  oercrighen  met  erachte  is  grote  sunde.  —  Kindereu  uiitfaughen 
in  ordeueu  is  grote  vrese.  —  Jonghe  lade  te  setten  in  State  is  grote  vrese.  — 
Jouck  prinche  off  here  is  to  untsiene  zere  up  aventureu,  wo  he  em  bekereu  nal. 
—  Exemple  untraden  uns,  nnsen  kinderen  last  te  ghevene.  —  Jonghe  moghen 
em  niet  troesten,  up  de  Tau  gode  weren  vercoren. 

7.  Unwerdelic  sacrament  nntfaen. 
Sacrament  untfaen  sonder  werdicheit  is  grote  yrese.  —  Sacram^^nt  vanden 
altare  salmen  aldus  bereden.  —  Moneghen  nnwerdelike  is  grote  vrese.  —  Quaet- 
beiden  drie  comen  nt  uuwerdighen  moneghene.  —  Exemple  toghen  uns  hilghe 
weerdicheit  te  sacramente.  —  Dat  sacrament  niet  willen  untfaen  eeus  des  jaers 
is  grote  vrese.  —  Moneghen  doet  den  mensche  vele  profyts.  —  Christum  weder 
uutsteken,  na  dat  he  untfaen  is,  is  grote  vrese.  —  Keren  ten  senden  na  den 
uutfake  vanden  sacramente  is  grote  sende. 

8.  Vrac  te  zyne  van  consten,  die  enych  mensche  can. 
Dieser  Punkt  ist  trotz  der  Disposition   auf  jh    120   von  4em  Dictüer 
nicht  behandelt, 

9.  Speien  um  ghelt. 
Dobbelen  offt  um  ghelt  speien,  wat  speie  het,  zy  is  verboden.  —  Dobbei- 
spel   te   schuwene   leeren   uns   veir  saken.  —   Speien   umme  ghelt  brinct  vake 
gramschap  toe. 

47a.    De  terlinck  (Würfel)  is  der  dobbeler  god, 

Und  se  holden  al  syn  gebod; 

Se  strikeu,  dat  he  em  striken  heet; 

Unt  wyst  biet,  se  ghevent  gereet; 

Vergheve  god,  dat  se  den  geboden 

Weren  so  underdaen  van  gode, 

Gelyck  dat  god  den  devoten  liet 

Under  XXI  letteren  [das  Alphabet)  \  dat  beduet, 

Dat  dar  alle  vroetschap  bi  is  gescreven 

Und  de  gods  wille  teekine  gheven. 

Also  gelyck  helft  in  zyn  toghen 

De  terlinc  XXI  oghen,  *) 

Und  bi  den  vertoghet  hi 

Den  dobbelers,  wat  zyn  wille  zy, 

Dat  he  daer  verliest  off  wint, 

Bi  dat  he  daer  an  bekint. 
Spelres  um  ghelt  verbreken  meest  de  tien  gebode.  (/.  Gebot:  Kies  vor 
my  ghenen  vremden  god,  der  Spider  Oott  ist  aber  der  Würfel,  AeJmlichc 
Deutuny  erfahren  dann  die  anderen  Gebote,)  —  Dobbelen  ofF  ander  spei 
soldemen  schuwen  um  vyff  quade.  —  Dobbelers  zyn  gheck,  dat  is  getoghet  bi 
achte  saken.  —  Tyd  verlies  is  speien  um  ghelt,  secht  sunte  Bernard.  — 
Dobbelen  solde  meu  schuwen  um  de  swaere  plaghe,  de  dar  äff  is  geschict.  — 
Spei  met  ghenoechten  sien  off  daer  bi  sitten  is  grote  sende.  —  Terlinghen  ver- 
huren  winkel  off  bret  is  grote  sende. 


*)  1+2+-3-I-4+5-H}. 


123 

3.  Partie.     49b. 

Yracheit  nntfaet  occnsoen  nt  achte  saken.  —  Exempel,  dat  quelke  goed 
winneii  ter  kinder  behoeff  en  bewiset  gheoe  mynue.  (Folgt  eine  Geschichte 
ran  einem  Wucherer,  der  nur  für  seinen  Sohn  vmclurte  und  doch  mit  ihm  iM- 
samtnen  ins  hollische  Fetter  kam,) 

4.  Partie.     51a. 

Vracheit  heft  achte  remedien  {obgleich  in  der  Disposition  p.  118  nur 
(t  in  Aussieht  gestellt  umrden!)  nmme  se  to  verdriveue  —  Das  1,  Ihmcdium 
ist:    to  dencken  der  doot.     Hier  folgt  ein  höchst  sonderbarer  Vergleich, 

Der  Tod,  welcher  dem  Mensclien  stets  „anklebV^,  wird  mit  dem  Schwänze 
drr  Tiere  verglichen,  mit  welchem  s^ie  Fliegen,  Mücken  und  dergl,  verscfieucJten. 
So  soll  sich  auch  der  Mensch  durch  das  Andenken  an  den  Tod,  welcher  stets 
hinter  ihm  sitzt,  die  Habsucht  verscheuclien  f 

51a.    Van  deser  remedien  is  uns  gegeven 

Bewys  an  somighe  dieren,  de  nu  leven. 
.  Yoghelen  nnd  visschen  mede 

Mids  ere  natuerliker  sede, 

Meryen  met  eren  sterte  weren 

Vüeghen,  die  se  biten  off  deren, 

Yoghelen,  yissche  em  bestieren 

Metten  sterte,  elk  na  synre  manireu. 

So  mochte  elk  mensche,  had  hys  begherte, 

Em  selven  bestniren  metten  sterte: 

Dats  de  doot,  de  nyraan  en  can 

Weren,  he  ne  cleefft  em  an.  — 

Biken  pinen  um  niet  umme  dat  erdsche  goed  bi  drien  saken.  —  2.  Cristus 
armoede  leert  uns  schnwen  ghirichede. 

52a.   De  doot  yan  Cristus  und  de  wonden. 

De  he  untfenc  um  unse  senden, 

Hefftet  Volk  noch  in  ghedenckenease, 

Mer  dats  der  beeren  schamenesse. 
(D,  h,  das  Volk  lässt  sieh  noch  durch  das  Andenken  an  u?isren  He^rn 
Jesus   Christus  beeinflussen,  aber   die  grossen   Herren   schämen   sich  dieses 
Gedenkens,) 

Armen  solden  syn  zeer  verunwert,  had  se  god  selven  niet  angenommen.  — 
Cristus  en  bad  ny  brood,  no  almoesseu,  wo  wal  dat  truwanten  seggheu.  — 
3.  Ansieu  de  unsekerheit  van  unsen  levene  is  remedie  der  vracheit.  —  4.  Dencken 
ten  arbeide,  de  rycheit  to  brenct,  is  remedie  der  vracheit.  —  5.  Ansieu  met 
herten  hemelsche  rycheit  is  remedie  theghen  de  vracheit.  —  6.  Hope  in  gode 
is  grote  remedie  theghen  vracheit.  —  Almossen  und  bedinghe  syn  gracie 
vercrighende  au  gode.  Bei  diesem  Punkte  finden  wir  in  utisrer  Handschrift 
zum  ersten  Mal  den  Titel  des  WerJces: 

54a.    Ic  hebbe  voren  untbonden, 

Dat  dit  si  de  SPEGHEL  YAN  SONDEN. 

7.  Almoesse  is  rechte  remedie  theghen  vracheide.  —  Untfermicheit  is  uns 
bewyst  van  natnren  bi  stemmen  beesten.  cf.  p.  112.  —  Almoessen  wederstaet 
und  lesschet  quade  begheerten.  —  Caritate  doet  erdsche  rycheit  niet  minren.  — 
Exempel  van  Bonefacius  mflthede.  —  Caritate  doet  de  rycheit  wassen  und 
meren  der  werlt.  —  Almoesse  is  zeere  bequeme  gode,  unsen  lieven  here.  — 
Almoesse  Tercrycht,  wat  se  bidt.  —  Almoessen  maken  den  mensche  vele  vrende, 
de  vor  gode  syn  gebeert.  —  Almoesse  wert  des  menschen  t^leman  {Fürsprecher) 


124 

ten  lesten  gerichte.  —  C-aritate  doet,  dat  ertsche  rycheit  helpt,  de  te  qnetsene 
pleghet.  —  Almoesse  moet  syn  ghedaen  met  eeneii  bilden  ansichte.  —  Almoesse 
rooet  syn  ghedaen  met  vrendeliker  sprake.  —  Untschnlden  mach  em  nymand, 
de  lefft,  alnioessen  te  doene.  —  8.  Vander  bedinghe.  —  Bediughe  is  nuttelick 
den  mensche,  bewyst  scriftnre.  —  Cristns  leerde  uns  selven  bedinghe.  — 
Bedinghe  is  des  hilghen  gheestes  voghel,  wes  vloghele  s^^n  Tasten  und  alraoessen. 
—  Bedinghe  ghenest  des  lichainen  qnale.  —  Bedinghe  verlenghet  den  mensche 
syn  lyff.  —  Bedinghe  verwerft  an  gode,  dat  den  mensche  van  noeden  is.  — 
Bidden  moet  men  eendrechtlike  und  meest  in  tyden  van  nooden.  —  Bidden  sulleu 
werlike  lüde  up  hilghe  daghe  und  up  hochtiden.  —  Bedinghe  sal  syn  geoefTent 
in  allen  steden.  —  Bedinghe  moet  3371  gemeent  met  herten.  —  Bedinghe  sal 
syn  ghedaen  in  oedmoede  und  in  tränen.  —  Bidden  um  tidelick  gued  is  niet 
gheorloft  sonder  bi  maniren  (aiifiser  vnt  Mass?)  —  Bede  vanden  sonder  eu 
hoort  god  niet.  —  Exempel,  dat  bedinghe  niet  en  is  gehoort,  dies  unwert  is 
van  gode.  —  Bede,  ghedaen  in  hinder  den  evenkerstyn,  en  hoert  god  niet. 

5.  Partie.     63a. 
Guffheit  salmen  schuweu  umme  de  vele  deren,  de  se  den  mensche  doet.  — 
(rufflieit  brenghet   to   grote   bekommerthede.  —  Guffe  zyn   gheck,   dats   in  dren 
saken  wal  getoghet. 

IV.  Tmecheit.    64b— 85b.    {4  „Theile''.) 
Traecheiden   tractaet  wart  in   vier  gedeilt. 

1.  Dat  eerste  sal  uns  dingheu  leren. 
De  uns  traecheit  doen  off  kereu. 

2.  Dat  ander  sal  verclaren  de  ledeu 
Und  de  specien  vander  traecheden. 

3.  Dat  derde  sal  to  kennen  gheven 
Remedien,  dar  se  bi  wart  verdreven. 

4.  Dat  vierde  wart  een  capittel  clene 
Off  twe,  und  de  sullen  allene 

Van  den  maken  mensioeu, 

Diet  al  sonder  bescheide  doen, 

So  wat  se  te  doene  bestaen 

Und  schynt  theghen  de  traecheit  gaen. 

1.  Teil.  65a. 
Traecheit  is  te  verhatene  um  VIII  zaken.  —  1.  Exempel,  um  to  vliene 
traecheit  (und  xivar  zuerst  von  (kr  mire  =  der  Ameise,  enlnommcn),  — 
2.  Ciistus  arbeide  um  uns  und  um  traecheit  off  te  doene.  —  3.  Exempel,  um 
ledicheit  {Müssiggang)  te  schnwene,  troest  uns  Artemus,  een  hillich  vader.  — 
4.  Traecheit  to  verhatene  leert  uns  de  hilghe  scriftnre.  —  Traecheit  mishaget 
zere  gode,  dat  toghet  de  hilghe  scriftnre.  —  5.  Traecheit  becomt  wal  den 
duvel.  —  6.  Ledicheit  salmen  vlien,  um  dat  se  doet  Verliesen  de  tyd.  — 
Traghe  untschnlden  ere  traecheit  mids  schalker  vrese.  —  7.  Traghe  holden  em 
selven  so  gebonden,  dat  se  niet  guets  doen  moghen.  —  8.  Traecheit  is  zware 
ziecheit,  wes  ziecheit  is  te  ziene  in  twen  zaken. 

2.  Teil.     68a.     (10  Specien  der  traecheit.) 

1.  Laeuheit. 
Laeuheit  doet  den  mensche  vele  grote  schaden. 

2.  Verslapentheit  der  ziele. 
Verslapentheit   der  ziele  is   seer  yreselic.    —    Exemple,   dat  werken   van 
noden  is  em  de  eten  moet. 


12B 

69a.    Men  lest,  dat  pelgrimage  ginck 
Vormals  een  monick.     De  jongeliock 
Teu  abt  ten  bussche  quam  he  na, 
De  woende  ten  bergbe  van  Sjna. 
He  sacb  met  groter  enisticbede 
De  monyken  alle  werken,  nnd  he  zede: 
„Wo  werct  gy  dat  misvaer  altoes? 
Maria  dat  beste  deel  vercoes."  — 
Do  gaff  em  de  abt  een  quayer 
Und  deden  gaen  inden  vergier, 
Umme  te  gebmcken  synre  gebeden. 
Als  de  dach  also  was  leden, 
Dat  de  sonne  daelde  neder, 
Sach  de  broder  wech  und  weder, 
Off  em  yement  tetene  node, 
Gebreke  pynden  vanden  brode. 
Syns  so  ne  nam  nyman  waerde, 
So  dat  he  quam  nten  bomgaerde. 
Als  de  doer  noot  wolde  verstaen, 
Off  de  maltyd  were  gedaen. 
Doe  antworde  de  abt  wys: 
„Du,  de  gheestlic  mensche  sys, 
Wat  node  so  is  Tan  spisen  di? 
Werlike  menschen  so  syn  wi. 
Und  bi  node  so  moeten  wie  eten. 
Hyr  umme  wy  werken,  moet  gy  weten." 
Als  de  broeder  verstont  dat  woort, 
Nam  he  penitencie  rechte  voort, 
Und  he  lyede  synre  roisdaet.  — 
Exenipel  noch  yanden  selven.  —  Slapen  te  vele  ia  zere  lasterlick  in  allen 
menschen. 

69b.   Unbetame  eist  den  kerstyn, 

Dat  em  dat  morghen  sonnen schyn 

Up  syn  bedde  ghevinden  can,  — 

Exempel  dat  den  menyghen  slaep  heft  ghecost  zyn  lyif.  (Es  folgt  hier 
die  Geschichte  von  een  priuche,  was  biet  Gysara.  Es  ist  die  Erxählunff  von 
Jael,  detn  Weibe  Hebers,  welche  Sissera,  dem  FeUüiaupt7n/i7m  der  Kannanüpry 
wiihrefuJ  er  schlief,  einen  Nagel  durch  den  Kopf  schlug,  Richter.  4,17  ff) 
--  Exeuipel,  dat  slaep  Sampsone  syne  starcheit  beuam.  —  Slapen  to  untyd  is 
üeer  begripelick  nnd  quet«telick.  —  De  zeker  slapen  wille,  em  is  van  noedeu 
«Irie  zaken.  (l.  Atn  Tage  sich  ah?niihen.  2.  Ma\tsig  essen  und  trinken. 
3.  Seine  Sinne  flicht  „schwer  niaclien^^) 

70b.    Sobre  spise  und  soben  sin 
Brenghet  zueten,  sobren  slaep  in.  — 

3.  Ledicheit. 
Ledigbe  zyn  unprofitelick  ter  werlt,  toghet  de  ewangelie.  —  Ledighe 
verroekelosen  vele  groter  baten,  de  zie  verkrighen  mochten.  —  Vrucliten  achte, 
so  mach  de  mensche  gaderen  nnt  zyns  selves  mont.  (1.  Qott  loben.  2.  Mit- 
meiUichen  trösten,  3.  Beten.  4.  Beichten.  5.  Sein  Wort  „7nit  Mass  steuern 
nnd  lenken^'.  6.  Massig  essen  und  trinken,  7.  Schichtinghe  van  predicacien. 
8.  De  hilgbe  weder  roepinghe.)  —  Ledighe  leveren  em  selven   in  de  haude  van 


IM 

• 

eiren  Tianden.  —  Ledicheit  is  dicwile  zake  van  yyfr  zware  zonden  {UnkeuschheiK 
Diebstatd,  Lüge  u,  s,  w,)  Ledighen  zyn  gheck,  dat  se  ere  roeste  up  erdrike 
bebben  willen.  —  Ledighe  zyn  te  begripene,  dat  se  niet  wercken  willen  in 
tyden  van  genaden.  —  Ledicheit,  de  se  scbuwen  wille,  vorste  em  van  drie  dinghen. 

4.  Loyeringhe. 

Loyeringbe  van  bekeren  to  gode  is  zeer  anxtlick  der  zielen.  —  God 
roept  den  zonder  altyd  to  penitencien.  —  Bekeren  solde  elk  tydlike  nm  V  zaken. 
—  Bekeren  tydlike  brengbet  in  zcs  goede  dingbe.  —  Tvdlike  bekeren  to 
dnecfaden,  dats  grote,  weerde  offerande  ghedaen.  —  Offerande  is  scbnldicb,  to 
zyne  ghedaen  metten  dnrbaersten,  datmen  hefft.  —  Bekeren  to  gode  tydlike 
brengt  den  mensche  in  hopen  ter  zelicheit.  —  Gewoente  van  zonden  heft  manich 
zwaer  verdriet  in  gebracht.  —  Gewoente  van  zonden  doet  den  mensche  Lazams 
»lachten  {Uissi  den  MenscJisn  Lazartis  ähnlich  sein)  in  vier  sakeu.  {Es  foUjt 
wieder  ein  sehr  sonderbarer  Vergleich: 

76b.    1.  He  (Lazams)  stanc, 

2.  He  lach  under  eenen  steeu, 

3.  Hern  waren  gebonden  banden  und  been, 

4.  Dat  ansichte  was  ock  verdect, 
Also  sunte  Matheus  vertrect. 
Desse  IV  syn  in  hem  vouden, 

De  inde  gewoente  licht  van  zonden.) 

Oefeninghe  van  zonden  is  gelyck  verolder  {veralteter)  ziechede,  de  qnaet 
is  te  ghenesene.  —  Exempel,  dat  gewoente  van  zonden  den  mensche  zeer 
bezwaert.  —  Zonden  vervremden  den  mensche  van  gode,  so  lanck,  so  meer.  — 
Rouwe,  zericheit  nnd  grote  sorghe  theghen  den  doot  hinderen  den  mensche 
dicwile,  te  denckene  um  de  ziele.  —  Bitterkeit  der  penitencien  doen  den  zonder 
wedder  keren  ten  zonden.  —  Anxt  sonder  noot  [sich  unnötig  ängstig&n,  da.'is 
man  doch  auf  ewig  verUrren  sei)  belet  dicwyl  den  zonder  van  bekeerne.  — 
Quaet  is  he,  de  niet  bekeert  van  zonden,  in  vier  deelen.  —  In  vunlen  stedeii 
langhe  bliven^  men  spoede  dar  nnt,  hets  grote  schäme.  —  Tydlaten  liden  nnd 
niet  gheorboort  te  rechte  is  grote  qnale.  —  Biechte  verversten  geschiet  in  III 
manieren.  —  Biechte  verloyert  und  dicwile  vervuult,  dats  harde  vreselick.  — 
Biechten  zelden  doet  zonden  dicwyl  vergheten,  de  noot  weren  ghesecht.  — 
Biechte  brengbet  in  vyfif  gude  dinghen  em,  de  se  dicwyl  pliet.  —  Biechte  ver- 
versten, tot  men  sterven  weent,  is  grote  vrese  —  Biechte  verversten,  tot  int 
eynde  vander  vastene,  is  grote  vrese. 

5.  Roekeloosheit. 
Roekeloosheit  verbaten  leren   uns  V  zaken.   —   Nemsticheit   solde  elk  to 
rechte  volghen  um  de  untschap,   de   daer  af  comt.    —   Boekeloe.shede  helft  tweo 
remedien. 

6.  ünvuldonynghe. 
{JVird  82a  erklärt:  werc,    daer  vulmaectheit  an  gebrect.)    —    Uuvuldaen 
laten,   dat  men  beghint,  bi  traecheden,   dats   grote  vrese.    —  Yuldoen,  dat  meii 
beghint,  is  zeer  priselick,  np  dattet  werck  niet  en  zy  zondelick. 

7.  „Het  in  latine  ignavia". 
Van   de   niet  arbeiden   willen   um    de    noot.    —   Armoede   verkiesen,   um 
ledich  to  zyne  und  niet  willen  arbeiden  um  de  noot,  is  grote  vrese. 

8.  Droefheide. 
Droefheit  in  den  dienst  gods  getogbet,  is  grote  vrese. 


129 

9.  Tedinm  yite-yerdriet  des  ly^es. 
Verdriet  des  lyves  in  den  mensche,  dats  overgrot«  zonde  nnd  anitlick. 

10.  Wanhope. 
Wanbope  is   anxtlick   boven   allen  anderen   zonden.    —  Vanden   remedien 
der  wanbopen. 

3.  Teil.     84a. 

Traecbeit  befft  vele  schoonre  remedien  und  sonderlinghe  achte.  —  Dencken 
um  der  bellen  pine  is  grote  remedie  der  traecheit.  —  Drie  dinghe  wecken  den 
jtlapenden  haestlike. 

4.  Teil.     84b. 

Alte  grote  baeste  is  zeer  lasterlick.  —  Qnade  baeste  is  zeer  lasterlick 
und  grote  zonde. 

V.   lloverdc,  hoTerdieheit.     85a — lila.     (3  „Partien".) 

85b.    Dat  gescryfte  manichsins  verclaert, 
Dat  se  is  alder  zonden  konynck. 
Men  scryft  se  boven  inden  rinck*) 
Und  met  ere  crone  mede  (?) 

1.  Gründe,  weshalb  fnan  Hoffahrt  Iiassen  soll.  —  2.  Die  Specien  der 
IJoffahrt  —  3.  Remedien  gegen  die  HoffahrL 

1.  Partie.     85b. 
1.  HoTerde  beet  konynginne    und  princbe  boven  allen  anderen  zonden  um 
IV  zaken.  —  2.  Hoverde  in  een  teiken,  bi  welken  de  dnvel  best  kent  de  zyne. 

—  3.  Hoverde  doet  den  evenkersten  vele  pinen  in  manygber  manireu.  — 
4.  Hoverde  vemnwert  gode  den  bere. 

86b.    Up  bogbe  dagben  comen  em  de  wiven 
Meest  und  doeu  er  hoorne  staen^) 
Ten  boghesten,  als  se  ten  toghe  gbaen. 
Wat  holpt,  ock  vanden  maus  geswegben, 
De  ter  kerken  to  kommen  plegben, 
Dat  cleet,  daer  se  mede  syn  verchiert, 
Heft  hoverde  ungbemaniert. 
Devocie  wert  daer  mede  ghenomen. 
Vele,  de  simpel  ter  kerken  komen, 
Sien  met  gbenoecbten  dat  moye  abuus 
Und  vergbeten  dat  naecte  cruns. 

5.  Hoverde  baet  god  boven  allen  anderen  zonden,  dits  getogbet  bi  scriftnreu. 

—  Exemplen  vele,  so  viuden  wy  vauder  groter  wrake,  de  god  geworpen  helft 
up  de  boverdighen.  —  Ansien  unse  crancbeit,  ghevet  uns  hulpe  van  hoverden 
to  wachtene.  —  6.  Hoverde  doet   vele  quaets  em,  de  se  bynnen  draecht,  orconde 


')  Dies  soll  wohl  heissen,  dass  man  sie  in  dem  Schema  der  Todsunden 
voran  zu  stellen  pflege.  Das  ist  auch  von  Gregor  an  fast  ganz  regelmässig  ge- 
schehen, nur  unser  Dichter  bildet  eine  Ausnahme. 

*)  „An  hohen  Kirchenfesten  lassen  die  Weiber  ihre  Hörner  am  höchsten 
stehen.^  Gemeint  sind  die  auch  in  Josefs  Gedicht  von  den  sieben  Todsünden 
V.  5323  ff.  heftig  angegriffenen  Kapehome  (Kappenhömer),  ein  in  zwei  Spitzen 
auslaufender  Kopfputz  der  Frauen  des  15.  Jahrh.  Vergl.  Schnaase,  Geschichte 
der  bild.  Künste.  VI.  2.  Aufl.  p.  CO  f.  B.  Schnitze,  Die  Modenarrheiten.  Berlin. 
1808.  p.  66.  Auch  Vorrede  zu  Sebastian  Brands  Narrenschiff.  Ausg.  von 
Simrock.    Berlin.    1872.  —  Korrespondenzblatt.    1889/90.    XTV.  Nr.  1.    p.  7. 


128 

scrifturen.  —  Hoverde,  se  doet  den  mensche  gheck  wesen  in  drie  maniren.  — =- 
7.  Hoverde  is  eene  zware  qnale  und  quaet,  wedder  te  ghenesene.  —  8.  Hoverde 
verstac  god  und  nam  to  zynen  dienste  ghecke,  uueedele,  zieke  lade.  —  Cristus 
leerde  uns  oedmoet,  als  he  mensche  waert. 

2.  Partie.  89b 
Die  Manieren  der  Hoffahri.  —  1.  Gheck  zyn  se,  de  vian  em  selven 
hebben  weuen,  dat  se  besitten.  —  Arme  verou werden  is  grote  zonde,  um  dar 
se  niet  rike  en  zyn.  —  2.  Hoverdighe  wenen  an  gode  verdienen,  dat  he  ein 
verleeut.  —  Hoverdighen  moghen  wal  gherk  heten,  nmme  vyff  redene  ghetoghet.  — 
Hoverdighe  rekent  zyne  daet  groet,  de  cleyne  is  vor  gode. 

91b.    Sunte  Bernard  hyr  up  seit: 
„Gods  des  heren  uutfermherticheit, 
Dat  is  al  dat  verdienen  myn. 
Anders  en  mach  gheen  verdienen  zyn.'^ 
8.   Verwenynghe   is   harde,   grote   zonde    und    unbekendhede.    —    4.  Ver- 
wenynghe   pryst   ein   selven  und   all   er   doen.  —  5.  Verheventheit   begheren    is 
grote  vrese.   —   6.  Herschopie   begheren   is   grote  zonde   und   over  gmte  vrese. 

92b.    To  dessen  scrivet  Gregorius: 
„Heerschepie  is  niet  gegeven. 
Um  dat  een  mensche  solde  leven 
Boven  alle  andere  als  een  meeste; 
Mer  boven  visch,  voghele  und  beeste 
Is  des  menschen  heerschopie  gestelt.  — 
Of  god  gelike  em  macte  den  man, 
Waner  comt  den  mensche  herschopie  dan, 
Dat  he  em  hoverdich  wille  draghenV'' 
Exeinpel,  dattet  grote  vrese   is,   herschopie   begheren.     {Der  Prior  Uoile- 
froot  sollte  Bischof  werden  und  srhlug  es  aus.     Narh   seinetn   Tode   ersrhiru 
r*^  er  einem  Mönche  wul  sprach: 

—     —     my  is  clare 
Vertoghet  vander  drivoldichede, 
Had  ick  ghenomen  bischops  stede, 
Ick  hadde  gesyn  van  den  getale. 
De  behoren  ter  helscher  quäle. 
7.  Hoverdich  zyn  in  ghewaden  is  zere  mispriselick  —  Moyheyde,  de  uader 
inoyheyde  staen  (sicf)^   zyn  gheck    in  vyf  manieren.    —    Exeinpel,  dat    quaei    is. 
buten  schone  ghemact  und  niet  bynuen. 

94a.    Wie  lesen  dus  van  eeueu  konvnck, 

De  solde  festeren  zyne  maghen 

To  eenen  van  zynen  vercorene  daghen. 

So  moy  dreef  he  zyn  acoer, 

Dat  he  soire,  want  und  Üoer 

Verdecken  dede  vander  zale 

Met  pellen,  purpe  und  met  sindale. 

So  dat  ter  tafelen  vanden  konynck 

Een  groot  philosophus  ghinck. 

De  dit  mercte  und  in  las. 

Alst  vil  na  gegeten  was, 

Qnam  de  mester  an  eenen  hoeste, 

Dat  hee  ummer  spien  moste, 

Und  speech  den  konync  int  ansichte. 

De  kuapeu  sproughen  np  gedichte, 


Um  den  mester  do  doene  te  doot. 

Mer  doch  de  konync  dat  verboot 

Und  biet,  datment  liete  staen. 

De  konync  Traghede,  wo  he  ghedaen 

Hadde  to  em  wert  de  dorperbede. 

De  mester  antworde  and  zede: 

„Konync,  ick  sach,  dat  ick  moste 

Spyen  Tan  bedwaughe  des  boeste, 

So  sacb  ick  in  alle  de  steden 

Gebalt  met  snlker  coestelheden, 

Ick  en  waste  spien  werwaert. 

Do  Speech  ick,  konync,  in  ja  wen  baert, 

Den  ick  sach  Tan  dnre  spisen  bet, 

Ick  en  sacb  gheen  stede  besmet, 

Daer  ick  my  zuTeren  mochte,  konync.^ 

De  konync  mercte  desse  dinck, 

Dat  de  mester  waer  hadde  geseit 

Und  keerde  em  ter  oedmodicheit.  — 
Cledere  bewiseu  ans  schaemte  der  zonden.  {Denn  Adam  war  vor  dem 
Sündenfalle  in  seiner  Schönheit  so  nackt  und  bloss  mie  Sonne  und  Mond  und 
die  Blumen  auf  dem  Acker,)  OTermate  Tan  kosteten  clederen  te  hebbene  is 
zeer  zondelick.  {FrüJier  hatte  man  zur  Kleidung  nur  Tierfelk,  Wolle,  Hanf 
tnid  Flachs;  seitdem 

95a.    —  Tantmen  Tan  wormen  dat  mes, 

Dats  zide,  de  noch  edelst  es 

Und  nn  eist  worden  algemene, 

Gold,  silTer,  costele  stene.  — ) 
Riemen  off  gordele,  met  silTcr  beslaghen,  zyn  unbetemelick,    den  mensche 
te  biudene  mede. 

95a.    Alle  gemene  menschen  draghen 

Ere  gordele  met  siWer  beslaghen; 

Welk  is  OTermate  sware, 

Um  dat  de  bnac  een  Tual  sack  es, 

Vnalhede  in  hebbende  and  mes 

Boven  allen  anderen  leden, 

Und  men  doet  em  meest  werdicheden.  — 

Clederen  Tele  te  hebbene,  meer  dan  men  to  orborne  heft,  is  zere  Treselick. 
—  Mencfel  {FHschoiterfell)  verweent  and  Tremde  Terwe  is  uymand  schnldich  te 
begheme.  —  Hoeftcledere  gheel  zyn  zere  to  schawene.  —  Hooftcleder  wit 
bekomen  gode,  and  de  enghele  syn  ock  wit  ghecleet.  —  Ansichte  besmeren 
{»ich  schminken)  off  Tremt  haer  legghen  aut  hoTet  is  grote  zonde.  —  Exempel, 
dat  wyfs  ansichte  lichte  Tanghet  den  man  met  ere  schoenheit. 

96b.    Dat  zere  tootsiene  is  wyfs  schoonheit, 

Is  ans  in  exemplen  ghelecht, 

Dat  men  Tan  Balaam  Tint, 

Den  coninc,  dat  he  hadde  een  kint, 

Van  welken  seghede  zyn  medicien, 

Dattet  blint  solde  bedien, 

Wert  dat  qaeme  zonne  te  ziene, 

Eer  dat  olt  were  jaren  tiene. 

Do  biet  de  coninc  Balaam  schire 

Dat  kint  slnten  in  eene  dawire, 

Nitdtrdtatiohti  Jahrbach  XVII.  9 


/• 


Däer  gheen  gevoel  was  Tan  claerheden. 

Als  de  tien  jaren  weren  leden 

Und  men  dat  kint  brachte  vor  oghen, 

Ohenc  men  em  menige  chierheit  toghen, 

Qold,  silver  nnd  ander  rike  dinck; 

Und  do  vraghe  de  jonghelinck 

Van  elken  dinghe,  wo  dat  biet, 

und  men  heftet  em  beduet. 

Do  sach  he  schone  wiven  dare, 

Und  he  yraghede,  wat  dat  wäre. 

Een  heft  em  in  speie  gheantwort, 

Dattet  duvele  weren,  de  rechte vort 

Können  verleiden  elken  man. 

Alsmen  dat  kind  leyde  van  dan 

Vor  zynen  vader,  den  konynck, 

So  vragbede  he  den  jonghelinck, 

Wat  dinghen  he  begherde  zeerst 

Van  al,  dat  he  gesien  hadde  eerst. 

Dat  kind  gaf  antworde  ghereet: 

„Den  dnvel,  die  de  mans  verieet." 

Des  Balaam  was  zere  verbaert 

Tote  den,  dat  em  was  verclaert, 

Wat  dat  kind  meende  daer  mede: 

Dat  jonghe  wyf  nnd  ere  schoonhede.  — 
Znverheit  staet  in  groter  vrese  int  schone,  ghetronwe  wyff.  —  Lelike 
wyfs  wenen  en  met  tomene  schone  maken,  raer  se  missen,  -r-  Tomerie  brenghet 
to  vele'  deren,  beide  wyfs  und  ock  mans.  —  Toomsel,  dat  rooft  den  wiven  ere 
bediughe,  de  se  doen  wenen.  —  Hoverde  helft  noch  drie  ander  manieren,  sonder 
de  vorsegheden.  (Die  eben  besprochene  KleiderJwffahrt  war  die  7.  Manier,) 
Ks  folgt  also :  8.  Werschepe  holden,  um  rike  te  voedene  nnd  armen  te  verghetene 
is  grote  zonde.  —  9.  Dienlinghen  hoverdich  zyn  (is)  zere  to  misprisene. 

98b.   —  so  datmen  in  vele  husen  ne  weet, 

Welk  de  vrouwe  is  of  de  maghet.  — 
(Im  15,  Jahrhundert  gescJirieben!) 
Untronwe  off  smekerdie  maken  na  de  dienlinghen   rike.   —    10.  Edelheit 
van  lichame  mach  nymand  sake  zyn  van  verheifene. 

99a.    —  wy  alle  quemen  voreu 

Van  eenre  moder,  van  eenen  vader.  —  (cf.  p.  114.) 
Nymand  is  edel  um  zyne  ghebomisse,  wes  werke  nneedel  zyn.  —  Edele 
hebben  in  em  zees  teikene  van  rechter  edelheiden.  (1.  FreiJieit,  2,  Datikbarkeit 
für  effipfangene  Wohltliaten,  3.  Untvermichede.  4.  KühnJieit  und  Mann- 
haftigkeit, 6.  Dat  se  vllen  alle  schalcheit  nnd  alle  dorperlike  zede.  6.  Dat  he 
na  groten  dinghen  staet  Und  cleyne  dinghe  varen  laet.) 

NB.      Trotzdem  nach   der  vorhin  angegebetien   Dis])Offifion,   die^tes  die 

10,  und  letzte  „Manier''  der  Hoffahri  sein  sollte,  folgt  nun  doch 

noch  eine  ganze  Reihe  von  weiteren. 

Dwelen,  in  dat  den  ghelove  to  behoort,  is  groote  nnzelichede.   —  Raden 

bi  aventnren,   um  dat  gescbiet  off  geschien  sal,   is  grote  vrese.     (1.  Nach  dem 

Fluge  von  eghestren   (Elstern) ^  of  kreyen.     2.  Nach   Träunwn,     3.  Tage  und 

Zeiten  wählen)   —   Toverie  is  verboden  van  gode,  und   de   daer  by  werken, 

zyn    vermaledyt.      (Es   wird  dann   bejionders   Mitifiezauber  und   MUchxauber 

erwähnt,)  —  Unwertheit  is  grote  dorpeniye  und  zware  sonde. 


m 

lOla.   Men  sal  Tier  werdichede  beden, 

Gode,  den  enghelen,  der  kerke,  den  Inden.  — 

W^rdicheit  moet  elk  doen  em  Tieren  bi  recbte.  —  Werdicheit,  so  is  men 
achnldich  te  doene  allen  Inden.  —  Werdicheit  moet  zyn  ghedaen  meer  den 
eenen  mensche,  dan  den  anderen.  —  Eere  und  werdicheit  is  men  schnldich 
Tader  nnd  moder. 

102b.    Alzyn  ock  papen  Tan  leTene  qnaet, 
Nochtan  uns  de  te  eerene  staet, 
Um  datmen  em  almechtich  kent, 
De  se  tot  nns  heTet  gesent.  — 

Exempel,  dat  kranen  (Kranwhe)  Tader  nnd  moder  eeren.  {Die  Kraniche 
holen  für  ihre  alten  Eltern,  wenn  diese  nat^h  Verbist  der  Tedei'n  nicht  mehr 
ans  deju  NeMe  fliegen  kömien,  Essen)  cf.  p.  112  f.  —  Exempel,  dat  Tader  nnd 
moder  nnwertheit  doen  nntbeit  na  wraken.  {Der  Enkel  soll  dem  übel  he- 
fiandelten,  frierenden  Grossvaier  einen  flassaert,  einen  alten  Flnusrock,  bringen. 
Er  vervxüirt  dftvon  die  Hälfte  für  seinen  Vater,  wenn  der  alt  gewai'deti  sein 
u^ird.  Iliedurch  wird  der  böse  Sohn  bekehrt,)  —  Tende  nntholden  off  qnalike 
betalen  is  grote  zonde.  —  Tende  nntfaen  papen,  nm  dat  se  daer  Toer  solden 
arbeiten  ter  zelicheit  Tanden  gheTer.  —  Tende  moet  elk  gheTen  na  zynen  State. 
—  ÜTerhoricheit  is  eeue  zware  zonde,  unt  welker  Tele  anderen  spruten.  — 
Exempel,  dat  nnderboricheit  hefft  grote  moghentheit.  {Oeschichte  ixm  einer 
SchUinge,  die  sich  von  einem  Klosterbruder  urillig  binden  Hess.)  OTerhoricheit 
▼erdryst  gode  nnt  den  mensche.  —  OTerhoricheit  hefft  nymand  in  em,  sunder 
de  duTel  und  de  quade  mensche.  —  Underhorich  te  zyne  wyst  uns  God  nnd 
zyn  enghel.  —  Hilghe  daghen  zyn  te  Tierene  met  IV  zaken,  de  hyr  getoghet 
zyn:  1.  Dat  he  zyn  ambocht  laten  moet.  2.  Dat  he  em  Tan  zonden  sal  dwaen. 
3.  Datmen  wachten  sal  Tan  zonden  upten  hilghen  dach  al.  4.  Oeferen  goede 
gewerken,  Want  daer  nmme  gaet  men  ter  kerken.  —  Vierdach  moet  zyn 
gheorboert  met  Tier  zaken,  sal  he  wal  zyn  gheTiert.  —  Feestlike  daghe  zyn 
gheset,  umme  Tier  dinghen  te  oefenen.  —  Karitate  moet  he  doen,  de  wal  sal 
vieren  de  festlike  daghen.  —  Feestlike  daghen  zyn  gheordiniert,  nm  Gode  te 
biddene.  —  Verwatenisse  moetmen  untsien  um  VI  reden.  —  Ydele  glorie  leert 
nns  Christus  Tlien  nnd  andere  lerers  Tele.  —  Exempel,  dat  een  hillich  Tader 
em  Tensde  (.«?«?/*  anstellte)  gheck  wesende.  um  to  untTÜene  ydele  glorie.  — 
Ydele  glorie  rooft  den  mensche  zyn  gheestlike  und  erdsche  goet.  —  Ydele  glorie 
is  sorowile  menschelic  und  somwile  duTelick.  —  Ypocrisie  is  eene  sware  zonde 
nnd  daer  God  meest  gram  up  is.  —  Ypocrisie  doomt  God  boTen  allen  anderen  sonden. 

3.  Partie.     110b. 

HoTerde  hefft  zees  remedien,  umme  to  TerdriTene.  —  1.  Datmen  sal 
wandeleu  nacht  nnd  dach  metten  oedmodighen. 

UOb.    Historien  maken  uns  des  wys. 

Dat  was  een  konync  to  Parys; 

Als  he  at  allene  maeltyden, 

De  he  zitten  an  zyne  twe  zyden 

To  zynre  tafele  und  thegen  em  mede 

De  nnsienste  armen  Tander  stede. 

Do  waert  em  geTraecht  Tan  eenen, 

Wat  he  daer  medde  mochte  meuen, 

Dat  he  de  armen  so  na  em  track 

Und  by  em  sette.  —  De  koninc  sprac, 

9* 


132 

Een  edel  ridder  hadt  em  gewyst 
Job,  nnd  das  segghende  gepryst: 
Visenterende  dyne  ghedane, 
Sal  ghene  zonde  dy  vallen  ane.  — 

2.  Te  pensene  de  unwerdichede  des  vleyschs. 

110b.    De  licham  niet  anders  en  es, 
Dan  een  zack  vnl  stinckende  mes.  — 

3.  Exemplei  de  uns  Christus  gaf.  —  4.  Dencken  um  dat  ordel  zwaer, 
Dat  den  hoverdighen  sal  komen  naer.  —  5.  Merken  der  werlt  keytivicheit.  — 
6.  Te  denckene  unse  ziechede. 

VI.  Nyt.     lila— 113b.     (3  „Kapitel«.) 

1.  Vele  leringhen,  um  to  latene  Den  nyt  nud  den  to  verbatene.  — 
2.  Manieren,  de  ten  nyde  behoren.  —  3.  Remedieu. 

1.  Kapitel.     111b. 
Nyt   is   Bchnldich   to   zyne   gehaet,    dats   bewyst   by   neghen    zaken.     — 
Exempel,  dat  nydighe  quaet  zyn  van  inberste.  (?) 

112a.   In  eene  historie  wy  lesen, 
Dat  een  konync  rike  und  groot 
Eenen  nydighen  untboot 
Und  eenen  harde  ghirigen  mede. 
To  dessen  tween  de  konync  zede: 
„Overdenct  under  ju  tween, 
Wat  dat  eyscheu  sal  de  een. 
Den  anderen  sal  ic  de  helfte  meer  gheveu." 
Langhe  se  beyde  swighende  bleven, 
Ere  gheen  ne  wolde  eyscben  voren 
Bynnen  so  langhe,  des  hadde  toren 
De  konync  und  beval  also  holde 
Den  nydighen,  dat  heyschen  solde. 
Do  eysch  de  nydighe  over  luut, 
Datmen  em  steke  een  oghe  uut. 
Um  dat  wolde  he  den  anderen  sehenden 
Und  doen  met  beyden  oghen  blenden.  — 
Nyt  doet  eren  dregher  vele  quaets. 

2.  Kapitel.     113a. 
Nyt  helft  twe  manieren,  de  hyr  ghetoghet  syn. 

113a.    De  eene  is,  als  men  blyschepe  heeft, 
Dat  een  ander  misvait  of  sueeft; 
Dat  ander,  dat  he  droeft  und  roisbaert, 
Um  dat  zyn  evenkersten  wal  vaert. 

3.  Kapitel.     113a. 
Nyt  helft  vier  remedien,  de  hyr  ghetoghet  zyn. 

1.  Dencke  to  den  dinghen, 
De  ghemene  bäte  in  bringhen. 

2.  Dinghe,  de  uns  helpen  moghen 
Te  hebbeue  hroderlike  minne. 

3.  Datmen  wachte  van  te  begheerne 
Werlike  eere  und  weerdicheit. 

4.  To  dencken  up  de  g^rote  schaden, 
De  nydicheit  eren  dragher  doet. 


133 

Tu.  Gramsehap.     113b— fin.     (4  „Kapitel ''.) 

1.  De  verhatiughe  desser  zonde.  —  2.  De  manieren,  de  er  an  cleven.  — 
3.  Sonden^  de  nnt  der  gramschap  komeu.  —  4.  Bemedien. 

1.  Kapitel.     114a. 

Qramschap  is  te  Terhatene  umme  zeven  zaken.  —  Gramschap  mishaghet 
gode,  und  se  deert  den  evenkersten.  —  Gramschepe  verblint  des  menschen  ver- 
staudenisse  nnd  moet.  —  Gramschap  doet  der  ziele  vele  quades,  dats  ghetoghet. 
—  Gramschap  is  te  Terhatenej  se  doet  den  mensche  vieryolt  quaet.  —  Exempel, 
dat  weder  wrake  zeer  is  to  nntsiene  van  gode. 

2.  Kapitel.     116b. 
Gramschap  is  ghedeilt  in  tween  partien  van  zonden. 

3.  Kapitel.     116a. 

Gramschap  heft  nnt  er  sprntende  zees  ander  zonden.  (1.  Striden.  2.  Orloghe. 
3.  Makeu  braut.  4.  Boof.  5.  Manslacht.  6.  Quetsen  metter  hant.)  —  Orloghe 
salmen  vlien  nmme  achte  zaken.  —  Vrede  mind  God,  dats  ghetoghet  by  vele 
scrifturen.  —  Orloghe  salmen  schnwen  um  menych  quaet,  dat  se  to  brengt.  — 
Orloghe  soldemen  schnwen  umme  dat  cleyne  profyt,  dat  daer  äff  comt.  —  Vrede 
doet  cleyne  dinghen  groot  werden.  —  Brantstor  salmen  baten  um  V  zaken/  de 
daer  to  zyn.  —  Brantstoer  soldemen  schuwen  um  de  plaghe,  de  er  maect.  — 
Brantstores  zullen  hebben  dubbelen  torment.  —  Exempel,  dat  gode  bequeme  is 
datmen  armen  herberghet. 

118b.   Gregorins  doet  uns  bekint 

Van  eenen  man,  de  gheme  plach 

Armen  tontfaene.     Up  eenen  dach 

Hadde  he  pelgrime  untfaen. 

He  droch  em  water,  umme  te  dwaen 

Ere  banden,  met  oedmoden. 

Under  alle,  de  daer  stonden. 

Was  een  man,  wen  he  weende  gheven 

Hantwater  und  hets  em  untbleven, 

Umme  dat  he  em  umme  wende, 

En  wiste  he,  waer  de  gast  beiende. 

ümme  sach  he  hyr  und  daer. 

He  ne  vant  en  niet.     Des  nachts  dar  naer, 

Do  he  dachte  to  desser  vremthede, 

Sprac  god  to  em  und  zede: 

„Du  in  de  daghen,  de  leden  syn, 

Untfenges  my  in  de  leden  myn, 

Her  ghisteren,  so  untfenghes  du  mie. 

In  di  selven."  —  Mensche,  besie. 

Wo  groot  god,  unse  beere,  weghet, 

Datmen  den  armen  te  doene  pleghet.  — 

Manslacht  is  schuldich  to  zyne  geschuwet  umme  dri  saken.  —  Zonden 
viere  beten  „ropende  np  gode  umme  wrake''.  (1.  Weduwen  und  wesen  versmaden. 
2.  Uncuuscheit  theghen  nature.  3.  Untholden,  dat  se  den  arbeiders  gheven 
solden,  van  wien  wy  hebben  den  arbeit.     4.  Manslacht.) 

4.  Kapitel.     119b. 

Gramschepe  hefift  drie  remedien,  daer  se  by  verdreven  is.  —  1.  Sachte  te 
antworden.   —   Exempel,  dat  harde  antworde   verwect  gramschepe.     {Geschichte 


134 

von  dem  zornigen  Mönch j  dmi  milden  Abt  Madiario  und  dem  Heidenpfaffen.^) 

—  2.  Zwighet.  —  3.  Datmeu  den  viant  doghet  doet.  —  Exempel,  dattet  is 
over  grote  duegt,  den  viant  wal  doen.  {Geschichte  von  detn  wohlthätigen 
Eremiten  Theon  und  den  Räubern,  welche  ihn  in  seiner  Zelle  überfallen 
wollten})  —  Exempel  dat  zeer  gued  is,  den  quaden  duegt  ghedaen.  {Vofi 
dem  ägijpÜJicJien  Eretniten  Amon  mui  den  beiden  draken;  die  ihm  seine  Zelle 
vor  den  Eävhem  behüteten?)  —  Felre  dier  en  ig  gheen,  dan  de  tonghe,  de 
qiiaet  is.  —  Carme  sonder  gelike  wert  ten  utersten  daghe  de  valschen  tonghen. 

—  Tonghe  unbewacht  brengt  to  vele  quaets.  —  Blasphemie  is  over  grote  zonde 
nnd  nanwe  yerghenclick.  —  Exempel,  dattet  goede  kint  zinen  vader  mint. 
{Von  drei  Söhmn  wollte  einer  trotx  des  weisen  Königs  Befeld,  welcher  die 
Liebe  der  Söhne  zu  prüfen  gedachte,  nicht  nach  der  Leiche  seifies  Vaters 
schiessen  und  erhielt  für  seine  kindliche  Liebe  das  ganze  Erbe  aUeirir.)  — 
Exempel,  dat  natnre  hefft  mer  ciaer  bekennen. 

124a.    Men  vind  Tan  konync  Salomone 

Inden  derden  boeck  der  konynghen,^) 

Dat  twe  wiye  vor  em  ghinghen, 

De  um  een  kind  zeere  streden. 

De  konynck  hoorde,  dat  se  zeden 

Beyde,  dattet  kind  ere  wäre. 

Een  zweert  hiet  he  brenghen  dare, 

Dat  in  twen  te  deylen  he  zede, 

Und  alsment  daer  to  neder  lede 

Voer,  de  moder  bor  dat  kint 

Und  sprac:    ,  Heere,  ick  wils  twint 

Ghevet  er,  ten  is  myne  niet." 

De  konync  do  dat  kint  gheven  hiet 

Der  moder,  diet  nochtan  untzede 

Uter  rechter  moderlichede.  — 
Miirmurereu  theghen  (Jode  off  theghen  zyne  lere  is  grote  vrese.  — 
Murmurereu  comt  dicwile  inden  mensche.  —  Murmuracie  comt  dickent  ute 
ghiricheden.  —  Marmureren  um  ziecheit  is  grote  dulheit,  dats  getoghet.  — 
Exempel,  dat  ziecheit  den  mensche  dickent  zelich  is.  (Der  Eremit  Johann 
beseitigte  xwar  auf  Bitten  eines  Kranken  das  kalte  Fieber,  an  dem  dieser 
litt,  meinte  aber,  der  Kranke  hätte  um  Beseitigung  gerade  dessen  gebeten, 
was  dem^selben  am  allernötigsten  wäre^)  —  Exempel  noch  vanden  selven. 
{Ein  Ritter  bat  einen  heiligen  Vater  um  Heilung  von  Krankheit  und  Qual. 
Als  er  nun  gefragt  wurde,  wie  er  denn  vor  seifier  Krankheit  gelebt  fiätte, 
beschrieb  e/'  sein  ftiiheres  ritteiliches  Leben  mit  stolzer  Freude,  Da  bat  der 
heilige  Vater  den  lieben  Gott  um  das,  was  dem  Ritter  die  Demut  verscJvaffcn 
könnte,  und  der  Ritter  wurde  nicht  gesund.)  —  Exempel,  dat  nymand 
murmureren  sal  um  dat  weder.  {Auf  eines  Erefniten  Gebet,  welclier  Gemüse 
(warmoes)  gesät  hatte,  gab  Gott  das   Wetter,   welches  dieser  tvünschte,  aber  g» 


*)  Die  Geschichte  erinnert  au  die  von  Rulinus  histor.  monach.  cp.  2ö 
(Patrologiae  cursus  completus,  ed.  Migne  Paris.  1849.  XXI.)  erzählte  Disputatiou 
zwischen  dem  älteren  (ägyptischen)  Macarius  uud  dem  haereticus  hieracita. 

')  Dieselbe  Geschichte  erzählt  Rufinus  histor.  monach.    cp.  6. 

')  Dieselbe  Geschichte  bei  Rufinus  histor.  monach.    cp.  8. 

*)  I.  Könige,  cp.  3.  Der  Verfasser  citiert  uach  der  LXX  oder  Vulgata, 
welche  die  2  Bücher  Samuelis  und  2  Bücher  der  Könige  zusammen  als  4  Bücher 
der  Könige  durchzählt. 

^)  Dieselbe  Geschichte  bei  Rufinus  bist.  mon.    cp.  1. 


135 

w^irhs  gar  nichts,  icährend  das  Gemüse  eines  Nachbar  -  Eremiten,  welcher 
Gott  das  Wetter  xu  bestimmen  überlassen  hatte,  üppig  gedieh.)  —  Uutschuldeu 
de  zonden  Tor  gode  is  grote  vrese.  —  Zonders  decken  ere  niisdaet  und  nnt- 
schulden  met  V  zaken. 

127b.   De  vierde  untschulden  er  yenyn 

Van  zonden,  met  dat  se  edel  zyn, 

Het,  en  were  gheens  ridders  doen 

Neder  to  sittene  in  een  sermoen. 

Her  quetsen  und  roven  er  undersateu, 

Dat  beteemt  nn  edelen  staten, 

Doer  der,  werlt  prys  hoveren, 

Dat  goet  verdwasen,  destruereu, 

Und  alle  untemelike  zeden 

Untschulden  se  metter  edelheden. 

Alle  dinck  te  doene,  sonder  waldaet, 

Dat  vermach  nu  edelen  staet.  —  (cf.  p.  114.) 
Exempel,  dat  truwanten  und  dieven  uns  leren  biechten.  —  Versweren  is 
eene  sware  zonde,  dats  getoghet.  —  Zweren  is  zeer  qnaet  um  VI  redene.  — 
Loghene  is  men  schuldich  te  hatene  um  vele  redenen.  —  Orconschap  Talsch 
draghen  {falsch  Zeugnis  reden)  is  zeere  quaet.  —  Verradenisse  is  eene  quade 
zonde  und  quetsende.  —  Smeken  is  een  zondelike  gevenschede  {Gewohnheit).  — 
Vloeken  es  eene  sware  zonde,  meest  quetsende,  uut  wen  se  comt.  —  Schofiringhe 
segghen  den  evenkersten  is  grote  zonde.  —  Striden  is  een  over  grote  zonde 
und  schände  medde.  —  Exempel,  dat  wachten  Tan  stridene  is  van  groter  lone. 
(  Vom  heiligen  MacJmrias  und  den  beiden  frommen  Frauen  zweier  Brüder, 
die  cierxig  Jahre  lang  einträchtig  mit  einander  gelebt  hatten,  und  von  den 
beiden  Mönchen,  die  nicht  um  einen  Stein  streiten  konnten,  obgleich  sie  es 
wollten,)  —  Schempen  is  eene  grote  misdaet,  dats  getoghet  hyr  na.  —  Quaet 
raed  gbeven  is  grote  zonde.  —  Twidracht  zeyen  under  menschen  is  grote  zonde. 
—  Exempel,  dat  god  wrake  helft  ghesant,  up  de  twidracht  zeyen. 

NB.  Hier  folgt  nun  133b  ff,  die  Geschichte  von  dem  falschen  Höfling, 
der  von  dem  „Ziegelmeister'*  statt  des  von  ihm  verläiimdeten  braven 
jungen  Mannes,  welclmn  der  König  eigentlich  den  Tod  zugedacht 
hatte,  im  Ziegelofen  verbramit  unrd,  weil  der  junge  Mann  tinter- 
wegs  noch  in  eine  Kapelle  eingetreten  war  und  so  erst  als  der 
zweite  Bote  am  Ziegelofen  ankam.  (Also  fast  identisch  mit 
Schiller's  Gang  fiach  dem  EisenJiammer.  Ldibben  hat  diese  Ge- 
schichte Jahrbtuh  für  niederd.  Sprachforschung  1878,  p,  ^1  ff. 
abdrucken  lassen.) 

Dnbbele  tougheu  draghen  in  den  mond  is  grote  sonde.  —  Boem  is  eene 
schaudelike  zonde,  in  wien  se  is.  —  Exempel,  dat  roem  den  mensche  stelt  in 
grote  vrese.  {Ein  Eremit,  der  sich  seines  heiligen  Lebens  berühmte^  wurde 
durch  ein  Weib  in  Versuchung  und  fast  zu  Falle  gebracht.^)  —  Lachen  is 
van  IV  maniren  under  menschen.  —  Swighen  is  dicwyl  grote  zonde,  als  spreken 
baten  mochte.  —  Tonghe  hefift  zees  remedien,  umme  te  dwinghene.  —  Exempel, 
datmen  swighen  solde.  {Der  Abt  Agathan  trug  drei  Jahre  lang  in  seinem 
Munde  einen  Stein,  utn  schweigen  zu  lernen,)    Exempel,  dat  zwighen  gode  is 


^}  Die  Geschichte  wird  bei  Rufinus  bist,  mon.,  cp.  1,  129  f.,  ausführlich  be- 
richtet. S.  Johannes  Eremita  erzählt  sie  dort  zur  Warnung  einigen  ihn  besuchenden 
Jünglingen.  Das  Weib  war  eigentlich  ein  Dämon,  welcher  den  Nachbar-Eremiten 
des  heil.  Johannes  hohnlachend  verliess,  als  er  ihn  der  Versuchung  unterliegen  sah. 


136 

bequeme  und  van  groten  lone.  (Ein  RUter  trat  ins  Kloster  und  steüte  sich, 
als  ob  er  sttimm  wäre.  Dies  war  Gott  so  angenehm,  dass  er  ihm  die  Gabe 
verlieh,  die  ent/liehendefi  Seelen  Sterbender  xu  sehen.  So  sah  er  einst,  dass 
die  Seele  eines  Ritters  von  Teufeln  xur  Hölle  geführt  ivurde,  die  eines 
Räubers  von  Engeln  in  den  Himmel)  —  Zwighen  is  over  grote  dueght,  dat 
bewisen  vele  lerers.  —  Daghelixe  zonden  zyn  zeere  te  schnwene  um  drie  zaken.  — 
Exempel,  dat  elk  schnldich  is  te  besiene  zyns  selves  zonden  und  niet  eens  anders. 


Scblass  des  Werkes: 

139a.    God  beere,  up  wen  ick  troost  begbau, 

Te  dichtene  dit  grote  werck, 

Dancke  dy,  als  een  simpel  clerck, 

Dattu  woldes  ghewerden  mien, 

Te  makene  instrument,  by  wieu 

Dyne  gracie  bevet  Toldaen, 

Dat  de  iesers  so  moeten  yerstaen 

So  de  sentencie,  biddick,  bere, 

Dat  se  ja  dienen  moeten  de  mere, 

Und  ick  diet  by  der  bulpe  dyne 

Hebbe  gbetrect  uut  den  iatyne. 

Bidde,  dat  dicbten  und  scriven 

My  to  ghenaden  moete  bliven, 

So  dat  ick  na  dit  corte  ieven 

Met  ja,  bere,  moet  zyn  verbeveu, 

Uat  wen  ick  begbinsel  nam 

Secundam  magnam  misericordiam  taam. 

Amen.  Nota. 

KÖNIGSBERG  i./Pr.  H.  Babucke. 


Regenstein,  Reinstein,  Reinke. 

Etwa  eine  halbe  Stunde  nördlich  von  Blankenburg  am  Harze 
erstreckt  sich  in  westöstlicher  Richtung  der  Regenstein.  Fr.  Hoifmann 
sagt  in  seinen  Burgen  und  Burgfesten  des  Harzes,  wer  das  Harz- 
gebirge besucht  habe  und  nicht  auf  dem  Regenstein  gewesen  sei,  der 
sei  in  Rom  gewesen  und  habe  den  Papst  nicht  gesehen;  und  Alfr. 
KirchhofT  meint,  der  Regenstein  stelle  mit  seinen  zum  Teil  in  den 
lebendigen  Fels  gehauenen  Befestigungen  und  Gemächern  fast  ein 
verlassenes  Harzer  Gibraltar  dar.  *)    Es  ist  nicht  zu  verwundem,  dass 


')  Die  territoriale  Zusammenstellung  der  Provinz  Sachsen,  S.  6. 


137 

alljährlich  viele  Touristen  diesen  schönen  Punkt  besuchen,  und  mancher 
mag  nach  der  Bedeutung  des  Namens  fragen.  Nun  ist  zwar  schon 
vielfach  über  Herkunft  und  Bedeutung  des  Namens  Regenstein  ge- 
handelt, doch  erfreut  sich  von  den  verschiedenen  bis  jetzt  aufgestellten 
Etymologien  noch  keine  allgemeiner  Anerkennung.  Es  scheint  daher 
nicht  überflüssig,  über  diesen  Gegenstand  noch  einmal  eine  Unter- 
suchung anzustellen. 

Die  bisherigen  Deutungsversuche  sind  meist  von  Historikern  oder 
Altertumsfoi'schem  gemacht.  Ohne  indessen  den  betr.  Herren  irgend- 
wie zu  nahe  treten  zu  wollen,  muss  doch  zugestanden  werden,  dass 
Etymologie  zunächst  nicht  in  das  Gebiet  der  Geschichte,  sondern  in 
das  Gebiet  der  Sprachforschung  gehört.  Es  kann  deshalb  nicht  auf- 
fällig erscheinen,  dass  manche  unhaltbare  und  kindliche  Ansicht  auf- 
gestellt ist,  aber  bedauerlich  ist  es,  dass  solche  Ansichten  noch  immer 
Glauben  tinden  und  verbreitet  werden.  Es  wird  nicht  ohne  Interesse 
sein,  die  hauptsächlichsten  Erklärungen  hier  zusammenzustellen  und 
zu  besprechen. 

Die  älteste  Deutung  des  Namens  Regenstein  scheint  sich  in  der 
niedei'sächsischen  Chronik,  herausgegeben  von  Caspar  Abel  in  seiner 
.Sammlung  etlicher  noch  nicht  gedruckten  Chroniken'  1732,  zu  finden. 
Daselbst  heisst  es  z.  J.  479:  Na  düssen  Stride  gingen  de  Sassen  to 
Rade,  na  deme  dat  yt  vor  dem  Harte  wat  noch  woyste  was,  unde 
geven  eynem  eddelen  Manne,  de  was  strytbar,  unde  wanede  in  dem 
Torppe  to  Vcddekenstidde,  de  heyt  Hateboldus,  eyne  Stidde  vor  den 
Harte  to  buwende,  wur  öne  dat  bet  bevelle;  so  rechte  he  sick  na 
örem  Bode,  unde  reyth  vor  dem  Harte  here  unde  fand  eynen  groten 
Steynen-Berch  unde  sprack,  ,düsse  Steyn  isz  gereghent^  darupp  schall 
myne  Woning  wesen',  unde  buwede  upp  den  Steyn  eyne  Borch,  unde 
wart  gebeten  de  Grave  to  Reghensteine. 

So  erzählt  eine  um  1540  niedergeschriebene  Chronik  die  Grün- 
dung der  Burg  Regen-  oder  Reinstein,  verlegt  dieselbe  ins  Jahr  479 
n.  Chr.  und  giebt  eine  Erklärung  des  Namens.  ^)  Zunächst  muss  hier 
betont  werden,  dass  der  Chronist  nicht  den  Namen  Reinstein,  sondern 
in  Uebereinstimmung  mit  gereghent  Reghenstein  bietet;  wie  er  den 
Namen  deutet,  giebt  SteinhoflF  nicht  an.  Es  mag  hier  der  Versuch 
gewagt  werden,  die  Worte  düsse  Steyn  isz  gereghent  zu  erklären. 
Gereghent  steht  offenbar  für  gereghenet  und  könnte  herkommen  von 
regenen  =  regnen.  Die  Worte  würden  dann  heissen:  'Dieser  Stein 
ist  geregnet  oder  beregnet',  eine  Erklärung,  die  nach  SteinhoflF  a.  a.  0. 
S.  2  wirklich  lür  möglich  gehalten  ist.  Sie  ist  sinnlos  und  selbst 
einem  mittelalterlichen  Chronisten  kaum  zuzumuten.  Auch  die  Er- 
klärung 'gereiheter  Stein'  scheint  auf  dem  Ausdrucke  gereghent  bei 
unserem  Chronisten  zu  beruhen.  Sie  ist  gleichfalls  umnciglich.  'Reihen' 
heisst  regen^  'gereihet'  gereget.  Ausserdem  ist  nicht  einzusehen,  dass 
der  Regenstein   deshalb    als  Wohnstätte    geeignet   erscheinen   konnte. 


')  R.  Steinhoff,  Der  Regensteiu,  S.  1. 


138 

weil  er  eine  Reihe  bildete.  Gereghent  ist  gebildet  von  einem  Zeit- 
worte regenen ;  ein  solches  findet  sich  jedoch  weder  im  heutigen  Platt- 
deutsch, noch  im  Mnd.,  noch  im  Alt-  und  Ags.  Seelmann  bemerkt 
mir  allerdings :  'Doch !  es  lautet  regen  (=.  regenen),  Nbf.  rogen.  Die 
Bedeutung  'ragen  machen,  aufrichten  etc/  ist  noch  im  Mhd.  und  Md. 
zu  belegen,  cf.  Lexer,  Benecke  u.  a.  Dass  das  mnd.  Wtb.  es  nicht 
belegt,  —  das  ist  ja  ein  erster  unvollständiger  Versuch  —  beweist 
noch  nicht,  dass  die  Bedeutung  auf  nd.  Boden  nicht  vorkommt,  zumal 
so  nahe  der  md.  Grenze.'  Die  bei  Lexer  II,  373  unter  dem  schwachen 
Verb,  regen  =  regen  machen,  aufrichten  bewegen  etc.  angeführten 
Beispiele  lassen  es  mir  jedoch  noch  zweifelhaft,  ob  gereghent  von  diesem 
Verb,  abzuleiten  ist.  Uebrigens  braucht  man  gereghent  nicht  not- 
wendig als  nd.  Form  zu  fassen,  es  kann  md.  oder  hd.  Entlehnung 
sein.  Nun  giebt  es  aber  im  Got.  ein  raginon  'Statthalter  sein'  und  ein 
garaginon  'raten.'  Zu  dieser  got.  Form  lassen  sich  aus  dem  Ags. 
stellen:^)  regnjan,  renjan^  instruere;  beregnjan,  instruere;  geregnjan, 
gercnjan,  ornare ;  geren,  PI.  gerenu,  ornamenta ;  gerinu^  aedificationes.  Zu 
dieser  Sippe  wird  auch  regenen  bei  dem  Chronisten  zu  stellen  sein, 
und  gereghent  etwa  den  Sinn  haben  'fest  gebaut,  hoch'.  Auch  das 
mhd.  regen  mag  hierher  gehören. 

Stübner  erklärt  in  seinen  Denkwürdigkeiten  des  Fürstentums 
Blankenburg  den  Reinstein  als  Grenzstein.  Es  fehlt  aber  an  Zeug- 
nissen, dass  der  Regenstein  in  früherer  Zeit  eine  Grenze  gebildet 
habe,  wie  etwa  der  Rennsteig,  früher  Rainsteig,  auf  dem  Kamme  des 
Thüringer  Waldes  die  Grenze  zwischen  den  Franken  imd  Thüringern 
bildete.  Andererseits  kann  regen  —  nie  Grenze  bedeutet  haben,  es 
kann  mit  a.  W.  keine  Nebenform  zu  rain  sein. 

Leibrock  erklärt  in  seiner  Chronik  der  Stadt  und  des  Fürsten- 
tums Blankenburg  Regenstein  als  'Reihenstein.'  Auf  Seite  158  des 
ersten  Teiles  äussert  er  sich  folgendernuissen :  „die  Bezeichnung  Regen- 
stein oder  Reinstein  gehört  nicht  etwa  verschiedenen  Zeiträumen  an, 
sondern  findet  sich  nebeneinander  bei  allen  Grafen.  Die  Ableitung 
des  Wortes  Reihe,  plattdeutsch  rege^  erklärt  es,  dass  die  Grafen  bald 
Regenstein,  bald  Reinstein  genannt  werden.  In  der  Schriftsprache,  in 
welcher  der  sassische  Dialekt  oft  dem  lateinischen  und  später  dem 
hochdeutschen  weichen  musste,  wird  häufiger  die  Bezeichnung  Rein- 
stein gewählt,  während  in  der  Sprache  selbst  und  in  dem  Munde  des 
Volkes  fast  ausschliesslich  die  Bezeichnung  Regenstein  gebraucht  zu 
sein  scheint  Leibrocks  Chronik  hat  keinen  wissenschaftlichen  Wert, 
sie  ist  nur  da  brauchbar,  wo  er  aus  eigener  Erinnerung  oder  Erfahrung 
über  Dinge  berichtet,  die  heute  zum  Teil  schon  nicht  mehr  bekannt 
sind.  Wertlos  ist  auch  seine  Erklärung  von  Regenstein  und  Reinstein. 
Ersteres  soll  die  Bezeichnung  im  Munde  des  Volkes,  letzteres  die  Be- 
zeichnung in  der  lateinischen  und  hochdeutschen  Schriftsprache  sein 
und  Reihenstein  bedeuten.     Hiergegen  ist  zu  erwidern: 


*j  EttmüUer,  S.  255. 


139 

1.  Es  ist  nicht  wahr,  dass  es  im  Volksmunde  Regenstein  lautet, 
wenn  nicht  etwa  Leibrock  unter  Volk  die  hochdeutsch  redende 
Bevölkeining  versteht. 

2.  Das  plattd.  rege  oder  r^c,  re,  wie  es  heute  um  Blankenburg 
lautet,  heisst  im  Hochdeutschen  Reihe.  Demnach  müsste  es  nicht 
Reinstein,  sondern  Reihenstein  oder  Reihstein  lauten,  wie  wir  auch 
Reihsemmel  sagen. 

3.  Reihe  heisst  mhd.  rihe.  Um  1350  begegnet  zuerst  in  den 
Urkunden  der  Prager  Kanzlei  Kaiser  Karls  IV.  das  nhd.  ei  statt  %. 
Bald  nach  1400  dringt  dieser  neue  Laut  nach  Norden  vor,  aber  um 
1520  sclirieb  Luther  noch  ncA,  dissit^  jensid.^)  Wenn  nun  Reinstein 
=  Reihenstein  sein  soll,  so  müsste  es  ursprünglich  Hhefistein  gelautet 
haben.  Nun  begegnet  Reinstein  aber  schon  in  einer  Ilsenburger  Ur- 
kunde vom  Jahre  1297,^  also  in  einer  Zeit,  wo  ei  statt  %  im  Hoch- 
deutschen noch  nicht  üblich  war.  Eihenstein  habe  ich  überhaupt 
nie  gelesen. 

4.  Der  Name  Regenstein  wird  heute  von  der  hochdeutsch  reden- 
den Bevölkerung  Blankenburgs  und  der  Umgegend  mit  langem, 
tiefem  S  gesprochen,  in  der  nd.  Mundart  lautet  er  renschtein,  also 
mit  demselben  ä- Laute  wie  im  Hd.  Bedeutete  Regenstein  'Reihen- 
stein', so  müsste  der  Name  mit  langem  e  gesprochen  werden,  also 
ReJigenstein  und  nd.  renschtein.  Denn  wie  will  man  es  erklären,  dass 
im  Nd.  in  derselben  Mundart  die  Reihe  bald  ree,  bald  r^  gesprochen 
sei?  Diese  Verschiedenheit  in  der  Aussprache  ist  nicht  gleichgiltig. 
Ob  man  ein  i  oder  e  spricht,  ist  nicht  Zufall,  sondern  beruht  auf  be- 
stimmten Sprachgesetzen.  Ausnahmen  von  diesen  Gesetzen  giebt  es 
genau  genommen  nicht,  die  sog,  Ausnahmen  beruhen  ihrerseits  wieder 
auf  Gesetzen,  falls  nicht  falsche  Analogien  vorliegen.  Curtius  gebührt 
das  Verdienst  dargethan  zu  haben,  dass  in  der  Lautwelt  eine  strengere 
Ordnung  herrsche,  als  seine  Vorgänger  annahmen,  und  eine  festere 
Methode  für  die  Etymologie  begründet  zu  haben.  „Wenn,^  so  sagt 
er  (Gnindzüge  S.  80),  ^in  der  Lautgeschichte  wirklich  so  erhebliche 
sporadische  Verirrungen  und  völlig  krankhafte  unberechenbare  Laut- 
entstellungen einträten,  wie  sie  von  manchen  Gelehrten  so  zuversicht- 
lich angenommen  werden,  so  müssten  wir  in  der  That  auf  alles 
Etymologisieren  verzichten.^  Dies  führe  ich  hier  deshalb  an,  weil  mir 
gerade  in  Bezug  auf  den  Regenstein  die  Behauptung  geäussert  ist, 
dass  die  Namen  wenigstens  nicht  notwendig  den  Sprachgesetzen  unter- 
worfen seien.  Auch  die  Annahme  habe  ich  mehrfach  vertreten  ge- 
funden, wo  man  es  nicht  erwarten  sollte,  dass  unsere  nd.  Mundarten 
in  ihren  Lauten  nicht  konstant  seien,  sondern  dieselben  sehr  oft 
änderten,  heute  spräche  man  so  und  morgen  spräche  man  so,  dass 
mithin  die  nd.  Mundarten  für  die  Etymologie  wenig  brauchbar  seien. 
Und  doch  ist  gerade  das  Gegenteil  der  Fall. 


')  Franke,  Gnindzüge  der  Schriftsprache  Luthers,  S.  39. 
^  Jacobs,  Urkundenbuch  des  Klosters  Ilseuburg,  Nr.  154. 


140 

Die  Amiahnie  also,  dass  in  Regenstein  das  nd.  rege  'Reihe'  stecke, 
kann  vor  der  Wissenschaft  nicht  bestehen.  Dennoch  scheint  sie  den 
meisten  Beifall  gefunden  zu  haben.     Ich  führe  hier  an: 

Günther,  Der  Harz,  S.  731 :  Während  nämlich  die  einen  —  und  das 
liegt  wohl  am  nächsten  —  im  Hinblick  darauf,  dass  die  Sandsteinfelsen, 
welche  die  Burg  tragen,  eine  lange  Reihe  bilden,  bei  dem  Namen  an  das  nd. 
Rege,  d.  i.  Reihe  denken,  finden  andere  darin  das  altd.  ragin,  d.  h.  raten. 

Steinhoflf,  Der  Regenstein,  S.  4 :  ;,Dcr  Name  wird  abgeleitet 
vom  gereiheien  oder  beregneten^  vom  reinen  weissen  oder  von  Rein-  = 
Grenzstein,  von  rein,  regin  ==  erhaben,  sehr  berühmt  oder  von  ragin 
=  raten;  aber  obwohl  die  letzte  Erklärung  schon  durch  den  Namen 
den  Regenstein  zu  einem  Versammlungeplatze  der  alten  Deutschen 
stempeln  würde,  so  scheint  doch  die  erste,  die  von  Reihe  oder  Rege, 
der  Formation  des  Bergzuges  wegen,  die  einfachste.^  Auch  in  seiner 
1890  erschienenen  Geschichte  der  Grafschaft  —  bezw.  des  Fürstentums 
Blankenburg,  der  Grafschaft  Regenstein  und  des  Klosters  Michaelstein. 
S.  2  hält  SteinhofiF  noch  an  dieser  Ansicht  fest. 

Meyers  Reisebücher,  Der  Harz,  10.  Aufl.,  S.  76:  ;,Die  Ableitung 
von  Rege,  Reihe,  ist  nalieliegend,  weil  die  genannten  Sandsteinfelsen 
in  einer  langen  Reihe  liegen ;  jedoch  scheint  das  altd.  ragin  =  raten 
diesen  Felsen  zu  einem  Versammlungsort  der  Germanen  zu  stempeln (?j* 

In  den  angeführten  Werken  findet  sich  der  Irrtum,  das  ragin 
'raten'  heisse,  er  scheint  aus  einer  gemeinsamen  Quelle  zu  stammen. 
Ein  altd.  Verbum  ragin  =  raten  giebt  es  nicht.  Ausserdem  scheint 
rein^  ragin  als  Eigenschaftswort  gefasst  zu  sein,  während  rein,  regin, 
ragin  ein  Hauptwort  ist.  Es  ist  erklärlich,  dass  diese  Schriften  zur 
Verbreitung  der  irrigen  Erklärung  von  Regenstein  =  Reihenstein  nicht 
wenig  beigetragen  haben,  sie  findet  sich  nicht  blos  in  und  um  Blanken- 
burg, und  nicht  etwa  blos  bei  Nichtgermanisten,  wie  ich  zu  erfixhren 
Gelegenheit  genug  gehabt  habe. 

Doch  ich  wollte  nicht  nur  den  Nachweis  versuchen,  woher  der 
Name  Regensfein  entschieden  nicht  abgeleitet  werden  darf,  sondern 
auch,  woher  er  wahrscheinlich  abgeleitet  werden  muss.  Das  Richtige 
hat  meines  Erachtens  Pröhle,  der  bekannte  Sammler  der  Harzsagen, 
bereits  im  Jahre  1855  ausgesprochen  in  einem  Aufsatze  über  den 
Regenstein,  der  im  Deutschen  Museum  abgedruckt  ist.  Derselbe 
äusserte  sich :  ^Im  Ahd.  heisst  ragin,  auch  ragan,  regin  Beratschlagung, 
Rat.  Aus  ragin,  regin  wird  rein  und  so  kommt  Reinstein  von  ragin, 
rein  her,  wie  davon  herkommt  Reginhard  oder  Reinhard,  abgekürzt 
Reinke.  Der  Reinstein  oder  Regenstein  ist  also  ein  Raginstein,  ein 
Stein,  auf  dem  Rat  gehalten  wird,  ein  alter  Versammlungsstein. ^  Die 
Ableitung  von  ragin  scheint  mir  richtig,  die  Deutung  Versammlungs- 
stein unrichtig.  Im  Got.  und  Ahd.  heisst  freilich  ragin  'Rat,  Meinung' ; 
ra^iwoM  beraten,  lenken;  aber  im  Alts.,  Ags.  und  Altnordd.  wird  regin 
als  Verstärkung  gebraucht.  ^)     Im  Heliand  heisst  regitMind  ganz  blind 

')  Tobler,  Ueber  die  verstärkenden  Zusammensetzungen  im  Deutschen.  Die 
Deutsch.  Mundarten  V,  S.  23. 


141 

(durch  Schicksalsschluss  blind),  reginskado  Erzräuber,  reginthiof  Erz- 
dieb ;  im  Ags.  regnveard  custos  strenuus,^  regntheof  Erzdieb,  regenheard 
valde  dunis ;  im  Altnord,  reginfiöü  montes  altissimi,  regincliup  immensa 
profunditas.  Ausserdem  findet  sich  im  Nord,  regin  in  der  Bedeutung 
dii,  Götter;  reginUind  wäre  also  ursprünglich  gottesblind,  gerade  wie 
heute  noch  'gottes'  in  'gottsjämmerlich'  und  anderen  Ausdrücken  ge- 
braucht wird.  Aehnlich  wie  ragin  ist  auch  irmin  in  irminsül  gebraucht, 
das  durch  columna  altissima  übersetzt  wird.  Hieraus  schliesse  ich, 
dass  Baginstein  oder  Regenstein  nichts  anderes  ist  als  mons  altissimus, 
'Grosser  Stein'.  Grimm  vermutete  Zusammenhang  zwischen  ragin  und 
ragen,  regen.  Wahrscheinlich  wird  ursprünglich  mit  Regenstein  nur 
der  Felsen  benannt  sein,  auf  dem  die  Burg  steht,  denn  nur  dieser 
Teil  verdient  den  Namen  Stein,  und  erst  später  wird  man  die  ganze 
Länge  des  Höhenzuges  darunter  verstanden  haben.  Bei  dieser  Ge- 
legenheit will  ich  bemerken,  dass  es  nach  den  Generalstabskarten 
auch  auf  dem  Oberharze  Regensteinsklippen  giebt.  Ob  diese  Benennung 
auch  im  Volksmunde  üblich  ist,  habe  ich  bis  jetzt  nicht  erfahren 
können.  Um  auf  die  Worte  des  Chronisten,  düsse  steyn  ise  gereghent^ 
zurückzukommen,  so  glaube  ich,  dass  derselbe  weiter  nichts  bedeuten 
soll,  als  was  raginstein  bedeutet. 

Es  erübrigt  noch  einiges  zu  sagen  über  das  Verhältnis  der  beiden 
Formen  Begenstein  und  Beinstein,  die  neben  einander  in  der  Schrift- 
sprache vorkommen.  Das  beide  ein-  und  dasselbe  Wort  sind,  liegt 
auf  der  Hand,  und  Pröhle  hat  Recht,  wenn  er  Reinstein  durch  Ausfall 
des  g  aus  Bagin-  oder  Beginstein  entstehen  lässt.  Schwerlich  richtig 
ist  Kirchhoffs  Auffassung,  der  Reinstein  mit  üblicher  Erweichung  des 
g  zwischen  Vokalen  zu  i  aus  Regenstein  entstehen  lässt.  Aber  damit 
ist  die  Sache  nicht  erledigt.  In  der  nd.  Mundart  um  Blankenburg 
hcisst  der  Regenstein  allgemein  renschtein  und  nicht  reinstein,  letztere 
Form  ist  unbekannt.  Benschtein  ist  aus  regenstein  entstanden,  wie 
ren  (Regen)  aus  regen^  lin  (liegen)  aus  ligen.  Daraus  ergiebt  sich, 
dass  Regenstein  die  nd.  Form  ist,  wie  sie  sich  um  Blankenburg  ge- 
bildet hat  und  jetzt  auch  im  Hochdeutschen  üblich  ist.  Beinstein  ist 
für  die  Blankenburger  so  zu  sagen  ein  Fremdwort.  Der  Laut  ei  an 
Stelle  von  älterem  agi  ist  echt  mhd.  und  md.  Daher  halte  ich  Rein- 
stein für  die  hd.  oder  md.  Form.  Hiermit  stimmt,  dass  in  den  Ur- 
kunden von  Ilsenburg  und  Halberstadt  die  älteste  und  häufigste  Form 
Regenstein  ist.  Reinstein  kommt  in  lat.  und  hd.  Urkunden  vor,  in  nd.  Ur- 
kunden finde  ich  es  zwei  Mal  in  Schmidts  Urkundenbuch  der  Stadt  Halber- 
stadt 1878—1879,  nr.  613  und  863.  In  der  einen  Urkunde  verbünden 
sich  die  Städte  Halberstadt  und  Aschersleben  mit  dem  Grafen  von 
Regenstein,  in  der  anderen  Bischof  Johann  und  die  Städte  Halberstadt, 
Quedlinburg  und  Aschersleben  mit  dem  Grafen  von  Regenstein.  An 
anderer  Stelle  habe  ich  nachgewiesen,  dass  die  nd.  Urkunden  von 
Ilsenburg  und  Halberstadt  stark  mit  hoch-  und  mitteldeutschen 
Elementen  angefüllt  sind.  Es  hat  daher  gewiss  nichts  auffälliges, 
wenn  in  jenen  beiden  Urkunden  die  hd.  Fonn  Reinstein  erscheint. 


142 

Das  Ergebniss  meiner  Untersuchung  ist  kurz  folgendes: 
!•  Die   beiden  Benennungen  Regenstein  und  Reinstein  sind  aus 
ein  und  derselben  älteren  Form  raginsiein  hervorgegangen. 

2.  Regenstein  ist  die  ud.,  Reinstein  die  hd.  oder  md.  Form. 

3.  Die  Bedeutung  ist  'mons  altissimus,  grosser  Stein'. 

Auf  der  Voraussetzung  fussend,  dass  das  hd.  Heinstein  und  nd. 
Renschtein  aus  altem  raginstein  entstanden  sind,  möchte  ich  hier  die 
Frage  noch  der  Lautform  JReinke  aufwerfen.  In  der  nd.  Mundart  um 
Blankenburg  wurde  aus  ragin  ein  ren^  aus  altem  inl.  agi  ein  e  und 
nicht  ei.  Wurde  auch  in  anderen  Worten  aus  agi  ein  e?  Nach  a 
wird  in  unserer  Mundart  das  g  immer  wie  g  in  Gott,  gut,  ganz  aus- 
gesprochen, nicht  wie  j^  welche  Aussprache  sich  nach  e,  t,  ei  findet. 
Nach  langem  oder  gedehntem  o  wird  g^  wenn  nicht  Umlaut  bewirkendes 
i    folgte,    ohne  Veränderung    des   a   wie    auch   in   den   anderen    nnd. 

Mundarten  ausgestossen,  z.  B. 

kla(e),  f.  klage,  ahd.  klaga;  mhd.  klage;  mnd.  klage;  westfr   klegge. 

ktän,   klagen,  Präs.  ek  Idä,  klästj    Prät.  klaie,    ahd.   klagon;   mhd.   klagen, 

Prät.  kleite;  westfr.  kleyen, 
sä,  f.  Säge,  ahd.  saga,  sega; 
sdn,  sägen,  Präs.  ek  sä  säst,  sät, 
mät,  f.  Magd,  got.  magaths;  ahd.  magat,  —  ged,  —  gid;  mhd.  meget,  meid; 

alts.  magcUh;  ags.  mägedt;  mnd.  magel;  ostfr.  mägd,  maid,  meid;  westfr. 

fnaagd,  meid;  nid.  maagd,  meid,  engl,  maid;  Woeste  mäged;  Schambach 

maget;  Dähnert  maagd. 
mädeborch,  Magdeburg. 

häputje,  f.  Hagebutte,  ags.  haga,  hege;  ahd.  ?Mg. 
hänebeuke,   f.    Hagebuche,    Schambach  haine    — ,    fiaenebriken.     Bisweilen 

heinebeuken,  doch   scheint  diese  Form   hd.  Entlehnung  zu  sein.     Yergl. 

die  vielen  Orts-  und  Flurnamen  auf  —  hagen. 

Vor  el  findet  ein  Schwund  des  g  in  der  Mundart  um  Blanken- 
burg nicht  statt:  Mgel^  m.  Hagel,  ahd.  hagal,  hagel;  ags.  hagal^  — 
gd^  —  gut,  —  gel;  westfr.  hägel. 

Umlaut  des  a  in  e  erscheint 

1.  im  Präs.  der  str.  Verba:  draw,  tragen,  ek  dm,  drechst, 
drecht.  —  frän^  fragen,    ek  frä,  frechst^  frecht,  Prät.  frauch, 

2.  in  sein,  sagen,  ek  seie^  sechst^  secht,  Prät.  se;  ndl.  seide. 
Aus  ags.,  ahd.  sagjan  wurde  segan,  seggen.  In  der  Mundart 
um  Blankenburg  wurde  g  zu  j,  und  dieses  j  verflüchtigte  sich 
zu  einem  i,  welches  mit  dem  kurzen  e  nicht  zum  Diphthong 
ei,  sondern  zu  ei  wurde,  ähnlich  dem  e*  für  t  im  engrischen 
Gebiete.  Derselbe  Vorgang  findet  sich  noch  in  ne«fic,  neun, 
alts.  nigun;  ekrem^  Ptc.  von  krin,  kriegen.  In  Hasselfelde 
spricht  man  seun  'sagen'  und  ekreun^  'gekriegt'. 

In  lein,  legen.  Präs.  ek  lek^  leckst,  leckt.  Prät.  lackte  got. 
lagjnn;  alts.  leggjan;  ags.  lecgan^  legan;  mhd.  legen,  Prät.  legte,  lakte,  leite. 

Der  Diphtong  ei  (ai)  an  Stelle  von  agi  scheint  sich  zu  finden 
in  seisse^  f.'  Sense'  das  mit  ags.  sage  'Säge'  verwandt  sein  wird.  Alts. 
segisna;  ahd.  segansa^  seginsa^  segensa,  segesna,  segisna;  mhd.  seganse, 
segense^  seinse^  sense^  sense;  mnd.  seise,  seisene^  sesse.    Es  ist  aber  zu 


143 

bemerken,  dass  in  diesem  Worte  ausser  dem  g  noch  ein  n  ausgefallen 
ist,  und  ich  möchte  annehmen,  dass  der  Ausfall  des  n  die  Dehnung 
zu  ei  bewirkt  hat,  vergl.  lüktvarm  und  lunkwarm  (Korrespondenzbl. 
XI.  59),  üse  und  unse^  ags.  ges  für  gansi  u.  a.  m.  Dieses  Beispiel 
darf  meines  Erachtens  nicht  als  Beweis  angeführt  werden,  dass  im 
Nd.  6t  aus  agi  entstanden  sei. 

geü^  geil,  üppig  wachsend.  Woeste  im  westf.  Wtb.  p.  70:  „gail; 
wie  steil  =  ahd.  Steigal^  so  gaü^  gagü^  ags.  gagd;  alts.  gel,  lascivus.'' 
Dazu  Jellinghaus  im  Nd.  Jahrbuch  IX,  p.  68:  ^Dies  wird  bestätigt 
durch  ravensb.  gajel^  geil.^  Von  der  Richtigkeit  dieser  Annahme  habe 
ich  mich  bis  jetzt  nicht  überzeugen  können.  Man  vergl.  ags.  gagul 
und  westf.  gägel;  ags.  hagul^  hagol,  und  westf.  hdgel.  Warum  steht 
nicht  auch  in  diesen  Worten  ein  ai?  Ausserdem  scheint  ravensb. 
giijel  westf.  hägel  und  gägel  lautlich  zu  entsprechen.  Ich  halte  westf. 
gail  und  ravensb.  gc^jel  für  zwei  verschiedene  Worte,  letzteres  ent- 
spricht ags.  gagol^  ersteres  ags.  gäl^  alts.  gel;  vergl.  got.  gaüjan.  ahd. 
geiljan^  mhd.  geilen,  Ags.  ä  entspricht  got.  ai,  ei  in  der  Mundart 
um  Blankenburg,  und  westf.  e.  Aber  neben  westf.  e  kommt  auch  ai 
vor,  z.  B.  ehe  und  aite,  depde  und  daipde,  denst  und  dainst^  dehn  und 
mwestf.  deücn  =  dailen^  'wie  wir  auch  heute  oft  sagen'. ^) 

eidexe,  f.  lacerta.  ahd.  egidehsa;  mhd.  egedehse,  eidehse;  ags. 
ddexe;  mnd.  egedisse,  eigdisse;  nnld.  haagdis.  Die  verschiedenartigen 
Formen,  in  denen  dieser  Name  auftritt,*)  lassen  die  Ableitung  desselben 
noch  gänzlich  zweifelhaft,  und  auch  für  unseren  Fall  ist  nichts  daraus 
zu  gewinnen. 

eisichy  Angst  erregend;  et  eiset  meh^  ich  fürchte  mich.  Got. 
agis,  Furcht,  Angst;  ags.  ege  (ege?),  timor,  horror;  egesa,  cgsau; 
egesig,  eisig;  egesltc;  egesjan,  egsjan;  alts.  egislic  (im  Heliand), 
eislic  (Strassb.  Gl.);')  ahd.  oÄ'l,  ekt,  eg%  aigt;  mhd.  egeslich,  eislich; 
eisen;  egese^  mc;  mwestf.  eisciic^  eislic;  westf.  aisig;  aisen;  osn.  eslik; 
götting.  —  grubh.  eisen^  esen^  eisig^  eisige.  Hier  scheinen  wir  den 
Beweis  zu  haben,  dass  auch  im  Nd.  ei  (ai)  =  urspr.  agi  vorkommt. 
Im  Ags,  ist  der  Ausfall  des  g  nach  kurzem  Vokale  vor  —  en  und  — 
el  gewöhnlich;*)  hier  müsste  g  auch  vor  es  geschwunden  sein.  Im 
Alts,  finde  ich  Schwund  des  g  ausser  in  eislic  noch  in  gein  'gegen' 
und  in  tnester.^)  Was  alts.  gein  anlangt,  ahd.  gagan^  getgin^  gegin;  mhd. 
gegen^  gein^  gen;  md.  kegin^  kein;  ags.  gcgn^  gen;  engl,  again;  so  muss 
es  au£fallen,  dass  die  heutigen  nd.  Mundarten  kein  gein  bieten.  So 
viel  ich  sehe,  haftet  in  allen  Mundarten  das  g  in  den  Formen  für 
'gegen',  während  sonst  der  Ausfall  des  g  mit  der  Zeit  an  Ausdehnung 
gewonnen  hat.  Die  Form  gein  kann  daher  nichts  beweisen.  Alts. 
mester,  lat.  tnagister;  ags.  maegester;  maestei';  holl.  meester;  in  Westf., 


0  Woeste,  westf.  Wtb.  p.  49. 

*)  Die  dtsch.  Mnd.  VI,  p.  471—473. 

»)  Galläe,  Alts.  Gr.  §  42. 

*)  Ettmüller,  p.  XXVIL 

^)  Gallee,  a.  a.  0.  42  und  §  123. 


144 

um  Göttingen  und  um  Blankenburg  mester;  in  Pommern  mester;  in 
Ostf.  mester;  mester;  wird  sich  kaum  direkt  aus  magister,  sondern 
vielmehr  nach  ahd.  maister  gebildet  haben,  so  dass  der  Ausfall  des 
g  nicht  viel  besagen  will.  Somit  bleibt  nur  noch  eislic  neben  egislic 
über,  und  es  fragt  sich,  wie  sich  beide  Formen  neben  einander  ver- 
halten. Die  einfachste  und  wahrscheinlich  allseitige  Billigung  findende 
Erklärung  würde  sein,  dass  eislic  die  jüngere  aus  egislic  entstandene 
Form  ist.     Hiergegen  lässt  sich  jedoch  anführen: 

1.  Dass  im  Alts,  ausser  in  dem  Fremdworte  mester  und  dem 
vennutlich  md.  gein  kein  Ausfall  des  g  stattfindet. 

2.  Dass  im  Ags.  neben  egesa  die  Formen  egsan  und  eisig  stehen; 
warum  nicht  eisan  oder  egsig?  Wenn  Mexe  =  agidexe  sein  soll 
(ostfr.  Wtb.  I,  18),  wie  verhält  sich  dann  ädexe  neben  eisig? 

3.  Dass  im  Westf.  heute  noch  intervokalisches  g  haftet,  z.  B. 
regen^  regnen,  rogen^  pl^ge,  hägel^  seggen,  tiegen  u.  s.  w.,  warum  aber 
aisig? 

4.  Um  Blankenburg  wurde  aus  ragin  ein  rew,  aber  vor  Doppel- 
konsonanz der  Eigennahme  Renke  mit  kurzem  e;  aus  magister  aus 
demselben  Grunde  mester;  aus  agisig^  cgesig  hätte  also  esich  werden 
müssen. 

5.  In  allen  nd.  Mundarten  erscheint,  ausser  im  Osn.,  der  auf- 
fallige Dipthong  ei  (ai),   an  dessen  Stelle  e  oder   e  zu  erwarten  war. 

Ueber  die  Ableitung  von  eisich  bin  ich  im  Zweifel,  neige  aber 
zu  der  Ansicht,  dass  abgesehen  vom  Holländischen  und  Westfriesischen 
der  Lautwandel  von  agi  zu  ei  (ai)  im  Nd.  nicht  erfolgt  ist.  Die  ahd. 
Form  aigi  lässt  es  nicht  unmöglich  erscheinen,  dass  es  im  Alts,  und 
Ang.  ein  ege,  das  schon  EttmüUer  zu  vermuten  schien,  gab,  und  dass 
eisig ^  für  esig  =  egesig  steht.  Nach  langem  Vokale  konnte  g  wohl 
leichter  schwinden.  Selbstverständlich  gehören  nicht  hierher  Formen 
mit  ei  =  urspr.  ah(i),  z.  B.  Scheinich  von  Scahiningi  oder  Scahningi 
=  Schöningen;  schleit  von  slahan;  geit  aus  ga-it  oder  vielleicht  aus 
gahit;  meine  frühere  Ableitung  aus  ^a^tHst  verfehlt;^)  eime^  f.,  Granne 
der  Gerste,  steht  wohl  für  eir^,  ahd.  agane;  mhd.  agane^  agen;  mnd. 
age^  agen;  aber  got.  ahana. 

Lübben,  mnd.  Gr.  p.  35/36  und  57,  hält  ei  an  Stelle  von  altem 
agi  für  nd.  Auch  den  Flussnahmen  Leine^  älter  Lagina  ^  führt  er  an. 
Es  ist  aber  zu  berücksichtigen,  dass  die  Leine  auf  md.  Gebiete  ent- 
springt. Seelmann  bemerkt  mir  zwar,  dass  Flussnamen  gewöhnlich 
von  der  Mündung  aufwärts  wandern,  lässt  jedoch  auch  Ausnahmen 
von  dieser  Regel  zu.  Adam  von  Bremen  erzählt,*)  dass  die  Seeräuber 
in  die  Mündung  der  Wirraha  eingelaufen  seien.  Wirraha  ist  aber 
md.  Form,  noch  heute  heisst  der  Fluss  bei  den  nd.  Anwohnern  Weser 
mit    kurzem   e.      Adam    stammte    aus    der    Markgrafschaft    Meissen. 


')  Ed.  Damkuhlcr,  Zur  Charakteristik  des  nd.  Harzes,  S.  21. 
»)  II,  c.  74. 


145 

Wenn  Lübben  auch  Meidehorch  anführt,  so  ist  zu  erwidern,  dass  ich 
um  Blankenburg  und  in  der  Börde  niemals  diese  Form  gehört  habe. 
In  den  Urkunden  von  Halberstadt  ist  sie  häufig  und  ich  halte  sie  für 
md.,  gerade  so  wie  die  Form  neiber  'Nachbar'.  Formen  wie  seilen  = 
segelen^  altn.  sigla;  ahd.  sigelen  kommen  natürlich  nicht  in  Betracht, 
da  hier  ein  ige  statt  agi  zu  Grunde  liegt. 

Meines  Wissens  zweifelt  niemand  daran,  dass  Reinke  eine  nd. 
Lautform  ist,  deren  erster  Bestandteil  rein  =:  ragin^  deren  zweiter 
Bestandteil  die  Deminutivendung  he  sei.^)  Nach  vorstehender 
Untersuchung  ergab  sich  rein  als  hd.  oder  md.  Form,  auch  in  anderen 
nd.  Worten  musste  ei  =  agi  als  zweifelhaft  erscheinen.  Es  bliebe 
noch  zu  imtersuchen,  ob  in  den  vielen  mit  ragin  gebildeten  Eigen- 
namen sich  nd.  ei  =  agi  mit  Sicherheit  erweisen  Hesse.  Diese  Unter- 
suchimg bin  ich  jetzt  nicht  imstande  anzustellen.  Was  nun  den 
Beinhe  Vos  anlangt,  so  steht  fest,  dass  die  Grundlage  des  mittel- 
alterlichen Tierepos  die  äsopische  Fabel  vom  kranken  Löwen  bildete. 
Diese  kam  von  Griechenland  nach  Italien  und  von  hier  spätestens  im 
8.  Jahrhundert  nach  Deutschland.  Um  940  wurde  sie  von  einem 
Mönche  im  Kloster  Toul  einem  lat.  Epos  eingefügt.  Um  1100  müssen 
die  Hauptträger  der  Fabel,  Wolf  und  Fuchs,  in  Flandern  ihre 
deutschen  •  Namen  Isengrim  und  Reinhard  erhalten  haben^).  Nach 
Seelmanns  freundlicher  Mitteilung  sind  Formen  wie  reghen  und  rein 
^Regen",  seinen  ^segnen^,  seit  ;,sagt'^,  gheleit  ^gelegt'^  ganz  gewöhnlich 
im  Flandrischen.  Dem  entsprechend  lautet  die  niederl.  Form  Beinaert, 
Aus  Reinaert  hat  der  nd.  Uebersetzer  Reinke  gemacht.  Man  könnte 
hieraus  folgern,  dass  diese  Form  im  Nd.  allgemein  üblich  gewesen 
sein  müsse,  notwendig  scheint  es  mir  gerade  nicht.  Wir  wissen  nicht, 
wer  der  nd.  Uebersetzer  gewesen  ist  und  woher  er  stammte.  Walther 
hat  nachgewiesen,  dass  im  R.  V.  Formen  vorkommen,  die  dem 
Lübecker  Dialekte  nicht  angehören.®)  Meines  Erachtens  folgert  er 
mit  Recht  daraus,  dass  der  Uebersetzer  kein  Lübecker  gewesen  ist. 
Die  Form  Reinke  braucht  also  nicht  notwendig  lübeckisch  zu  sein. 
In  den  Urk.  von  Ilsenburg  und  Halberstadt  erscheint  in  Namen  nur 
Rein  =  ragin,  ausser  in  Regenstein.  Regen-,  ren-  erschien  uns  aber 
als  die  reine  nd.,  rein-  als  die  md.  Form.  Reinhard,  Reiner,  Reinehe 
scheinen  auch  in  Niederdeutschland  beliebte  Namen  gewesen  zu  sein, 
während  die  nd.  Formen  Renke  und  Menhe  (für  Meinehe)  seltener 
erscheinen.  Es  ist  daher  nicht  auffallig,  wenn  der  Uebersetzer  des 
R.  V.  die  um  1500  allgemein  gekannte  md.  Form  Reinhe  statt  Renhe 
wählte.  Vielleicht  war  man  sich  des  sprachlichen  Unterschiedes  beider 
Formen  kaum  noch  bewust.  Oder  sind  die  Träger  der  mit  Rein- 
gebildeten Namen  aus  Mittel-  und  Oberdeutschland  eingewandert? 
Bischof  Reinhard   von   Halberstadt   (1106 — 23)   war   wohl    kein    ge- 


')  Lübben,  Die  Tiemamen  im  Reineke  Vos.    Oldenburg.     Programm  1863. 
')  Scherer,  Geschichte  der  deutschen  Litteratur,  S.  260. 
")  MundartUches  im  Reinke  Yos.    Nd.  Jahrbuch  I,  92  ff. 

Ni«d«rd«ntoeheB  Jfthrbuoh.    ZVn.  10 


146 

borener  Halberstädter;  ^)  sein  Neffe  Poppo  ist  in  den  Harzgau  ein- 
gewandert, aber  woher?  Von  Poppos  Söhnen  heisst  der  zweite  wieder 
Reinhard,  doch  liat  das  Urkb.  von  Drübeck  15  neben  preposito 
Reinhardo  auch  prepositus  Rechenhardus.  Die  Urkundensprache  ist 
eben  nicht  zuverlässig,  die  mundartlichen  Formen  der  lebenden  Sprache 
bieten  besseren  Anhalt. 

BLANKENBURG  a.  H.  Ed.  Damköhler. 


Heinrieh's  von  Krole^viz  Vaterunser 

niederdeutsch. 

Die  nachfolgenden  Bruchstücke  entstammen  demselben  Bande, 
dem  ü.  V.  Buchwald  die  in  Band  11  der  Zeitschrift  der  (xesellschaft 
für  Schleswig-Holsteiu-Lauenburgische  Geschichte  (1881)  Seite  364 
veröffentlichte  Liste  des  Verlustes  in  der  Schlacht  bei  Hemmingstedt 
entnommen  hat,  der  1476  in  Lübeck  gedruckten  Scala  celi  (Hain  9405) 
der  Universitäts-Bibliothek  zu  Rostock.  An  sich  von  keinem  hervor- 
ragenden Werte ,  da  sie  anstatt  des  zuerst  in  ihnen  *  gesuchten 
Originalgedichts  sehr  bald  nur  eine  mittelmässige  Uebersetzung  aus 
dem  Hochdeutschen  ergaben,  mögen  sie  doch  hier  Platz  finden, 
da  sie  ein  auch  im  Urtext  nur  in  zwei  auf  gegenseitige  Erzänzung 
angew^iesenen  Handschriften  und  ausserdem  blos  in  ganz  geringfügigen 
Bmchstücken  überliefertes  Gedicht  betreffen,  von  dessen  Uebertragung 
ins  Niederdeutsche  bisher  nichts  bekannt  war.  Man  könnte  sogar 
daran  denken,  das  Vorhandensein  einer  solchen  als  einen  Beleg  für 
die  von  Lisch  in  seiner  Ausgabe  Heinrich's  von  Krolewiz  (Quedlinburg 
und  Leipzig  1839)  Seite  7/8  aufgestellte  Vermutung  eines  zeitweiligen 
Aufenthalts  des  Dichters  am  Schweriner  Hofe  anzusehen.  Aus  dem 
Wortlaut  der  Uebersetzung,  besonders  V.  1295,  geht  hervor,  dass  der 
Schweriner  Codex  nicht  die  unmittelbare  Vorlage  gewesen  sein  kann, 
und  das  Vorkommen  mehrerer  Handschriften  eines  verhältnissmässig 
untergeordneten  hochdeutschen  Dichters  in  demselben  Teile  nieder- 
deutschen Sprachgebiets,  in  dem  sich  vierzig  Jahre  vorher  Herzog 
Wilhelm  von  Lüneburg  Hartmanns  Gregorius  aus  dem  Hoch- 
deutschen ins  Lateinische  übersetzen  Hess,  dürfte  eine  Erklärung 
wünschenswert  erscheinen  lassen.  Eine  solche  ist  gegeben,  wenn  die 
Annahme  von  Lisch,  die  durch  Rumelants  Aufenthalt  am  Hofe  des 
Grafen  Gunzelin  III  von  Schwerin  (1228 — 1274;  Heinrich  von  Krolewiz 
dichtete  sein  Vaterunser  nach  seiner  eigenen  Angabe  in  den  Jahren 
1252 — 1254)  eine  Stütze  erhält,  richtig  ist;  andererseits  können  auch 
Klostergeistliche  die  Vermittler   gewesen   sein.     Allem  Anschein  nach 


')  Schmidt,   Zur  Genealogie  der  Grafen   von   Regenstein  und  Blankenburg. 
Ztschr.  des  Harz-Vereins  f.  Gesch.  und  Alt.  XXII,  S.  1 — 8. 


147 

stammt  das  in .  Frage  stehende  Exemplar  der  Scala  celi,  deren  Ver- 
fasser selbst  dem  Predigerorden  angehört,  aus  der  Bibliothek  des 
Dominikanerklosters  St.  Johannis  in  Rostock.  Die  (ins  Jahr  1256 
fallende)  Gründung,  wenigstens  den  Hauptanteil  an  der  Bewidmung 
dii'ses  Klosters  nimmt  nach  einem  vom  27.  März  1534  datirten 
Schreiben  an  dem  Itat  der  Stadt  Rostock  die  Familie  von  Bülow, 
die  dem  Bistum  Schwerin  im  13.  und  14.  Jahrhundert  drei  Bischöfe 
und  zahlreiche  Domherren  gegeben  hat,  für  sich  in  Anspruch. 

Die   erhaltenen  Reste  der  uns  hier  beschäftigenden  Handschrift 
})estehen  aus    drei  Streifen,    die    aus   dem  Mittelblatt    einer  Lage  ge- 
schnitten  sind    und   von    denen   der  obere   und   der  untere  je  4,  der 
mittlere  7  Zeilen  Schrift  enthalten,  während   ein  vierter  Streifen  aus 
der  Mitte   des  Doppelblattes,  8   Zeilen  breit,   fehlt.     Das   Doppelblatt 
umfasste   sonach    auf   vier  Seiten   von    145    mm  Höhe   und    106  mm 
Breite  zu  je  23  Zeilen  die  Verse  1292—1384,  von  denen  1303—1310, 
1320-1333,    1349—1356,    1372—1380   fehlen.      Das    ganze    Gedicht 
würde   also    54  Doppelblätter   gefüllt   haben.     Die  Handschrift,    wohl 
noch  der   ersten  Hälfte   des  14.  Jahrhunderts    entstammend,    ist  sehr 
sauber  geschrieben,  jeder   Vers   mit    grossem,    roth   durchstrichenem 
Anfangsbuchstaben,  der  Anfang  eines  Abschnittes  (V.  1312)  mit  zwei 
Zeilen  einnehmendem  roth   gemaltem  Initial.     Nicht   das   gleiche  Lob 
wie    der    äusseren  Form  lässt   sich  der    Uebersetzung  selbst  erteilen, 
soweit  der  kleine  Rest  ein  sicheres  Urteil  gestattet.    Missverständliche 
l>bertragungen  sind  häufig,  ohne  dass,  wie  etwa  bei  V.  1295  (behenden 
stiitt  lebenden)^  eine  andere  Lesart  der  Vorlage  zur  Erklärung  dienen 
könnte,    so  1294,    1302,    1318   (wete,  1334   richtig  ivyse),    1346   dure 
statt   dirre^   1348  in  iw   statt  in  ir\    V.  1359   weicht   nicht  nur  den 
Worten,    sondern   auch   dem   Sinne   nach    gänzlich   vom  Original   ab, 
ebenso  1363/64  und  1367,  so  dass  man  fast  zu  dem  Schlüsse  kommen 
nmss,    dem   Uebersetzer    sei   selbst   das    volle    Verständnis   für    seine 
Vorlage   abgegangen.     Das  Metrum   ist   verflacht    (V.   1292),  einzelne 
Verse    über  Gebühr   in    die  Länge    gezogen    (1368,    1371),    der  Reim 
lässt  zu  wünschen  übrig. 

1292     Johannes  ewangeliste  de  hilghe  man 

Deme  gy  doch  recht  ghetruwet 

Vnde  sprekt  hat  got  ghebuwet 
129Ö     En  hus  van  behenden  stejnen 

Na  merket  wat  wy  meynet 

Sante  Johannes  dama  ik 

Dat  is  nu  wol  moghelik 

Dat  ik  na  synen  worde  ghee 
1300     Vnde  an  syne  lere  see 

Wan  er  he  dat  myt  oghen  sach 

Vnde  des  apenbare  jach 


1311     Vnd  myt  gode  ewichliken  lenen 
Na  höret  wat  ik  meyne 
Dyt  eddeie  ghesteyne 


10* 


Vnde  gripen  an  den  sten 
1315    De  nammer  wert  syn  ghelik  gheseen 

Vnde  de  alsalke  schone  hat 

Dat  he  vor  godes  oghen  stad 

Vnde  dat  he  wete  is  ghenant 

Wo  mochte  ik  iw  dat  don  bekaut 
1320    Also  myr  myn  syn  ghesaghet 

Dat  dndet  wol  eyn  reyne  maghet 

De  in  hemmelrike  was 

In  des  konynghes  pallas 

Langhe  gheordineret  vore 
1325     Wan  sik  god  myt  vrier  köre 

1334  Se  dndet  ok  wol  den  wysen 

1335  Den  in  den  groten  vreysen 
Hertoghe  Emest  vns  ghewan 
Wan  iu  der  eilende  man 

In  vil  groten  noden  brak 

Alsns  vns  armen  gheschach 
1340     Dat  wy  armen  weysen 

In  des  dodes  vreysen 

Weret  vorseghelt  myt  here 

Vp  dat  snnden  lenermere 

Vnde  yo  vil  na  weren  dot 
1345     In  der  snlnen  groten  not 

Wart  ghebroken  dnre  steyn 

Dar  Yt  de  gotheyt  ersehen 

Vnde  wart  in  iw  ghehandelt 

1357     Dat  got  van  vns  wendet  dan 

Syn  schone  antlat  snte 

Ghene  vns  de  hoghen  mute 
1360     Vnde  schal  myt  vlitelikeme  sede 

Got  vor  vnse  snnde  beden 

Vnde  knndighen  vnse  wort 

Dat  see  vns  bringhen  in  den  ort 

Dat  vns  god  mote  hir  vmme  seen 
1365     Dat  mut  dor  leue  sehen 

De  he  to  der  vronwen  hat 

Vnde  sik  in  sine  handa  tat 

Vnde  mnt  vns  myt  sinen  reyneu  danken 

Hören  in  vnse  bede  wanken 
1370     Dauid  van  der  vrouwen  sprak 

Also  he  vt  godes  dogheden  dath  sach 

1381     Vnde  ghnldeue  cleyde  ane  han 

Vnde  dat  ok  vmme  se  weren  gheleyt 
Mennigherhande  wnnnicheyt 

1384     Danld  vns  noch  mer  saghet. 

ROSTOCK.  Ad.  Hofmeister. 


149 


Zur  altsäehsisehen  Grammatik. 

(Anzeige.) 

0.  Behagbel  und  J.  H.  OaU6e,  Altsächsische  Grammatik.  I.  Hälfte,  Laut-  and 
Fiexionslehre,  bearb.  von  J.  H.  Oall6e.  Halle  n.  Leiden,  1891.  8^  (Sammlang 
kurzer  Grammatiken  germanischer  Dialekte  VI.) 

Seit  1873,  in  welchem  Jahre  Heyne^s  kleine  as.  and  anfr.  Grammatik 
erschien,  ist  eine  zusammenfassende  Darstellung  der  as.  Sprache  nicht  wieder 
versucht.  Zwar  ist  die  Formenlehre  in  den  Paradigmen  von  Sievers  (1874), 
Arndt  (1874),  Roediger  (1884)  wiederholt  zusammengestellt;  für  die  Lautlehre 
hat  Holtzmann  in  seiner  altdeutschen  Grammatik  (1870)  reiches  Material  ge- 
liefert; Gall6e  gab  in  seiner  as.  Laut-  und  Flexionslehre  I  (1878)  für  die  meisten 
der  kleineren  as.  Denkmäler  eine  Statistik  der  Laute  und  Endungen;  auch  sonst 
fehlte  es  nicht  an  Einzelbeiträgen  zur  as.  Grammatik  in  den  germanistischen 
Zeitschriften;  die  Namen  sind  von  Althof  (1879)  grammatisch  behandelt.  Aber 
immer  vermisste  man  schmerzlich  eine  Behandlung  der  gesammten  Grammatik 
auf  Grundlage  des  durch'  die  Sieverssche  Ausgabe  so  handlich  und  zuverlässig 
hergestellten  Textes  des  Mon.  und  Gott.,  sowie  des  neugefnndenen  Prager  Frag- 
mentes und  des  nicht  unbedeutend  vermehrten  Glossenschatzes.  Denn  so  ver- 
dienstlich Heyne^s  Arbeit  war,  so  genügte  seine  Grammatik  eigentlich  schon  bei 
ihrem  Erscheinen  nicht  mehr  den  Anfordeningen,  die  man  vom  Standpuu}£te  der 
gerade  in  jener  Zeit  sich  Bahn  brechenden  sprachwissenschaftlichen  Anschauungen 
an  eine  wissenschaftliche  Behandlung  eines  Einzeldialektes  stellte,  und  Paul  gab 
in  seiner  Anzeige  der  Heyneschen  Grammatik  (Genn.  19,  217  ff.)  seinem  Tadel 
unverholen  Ausdruck.  So  muss  denn  eine  neue  Bearbeitung  der  as.  Grammatik, 
die  unter  der  Aegide  Brauue's  und  nach  dem  Vorbilde  seiner  trefflichen  got.  und 
ahd.  Grammatiken  erscheint,  von  allen  Germanisten  mit  Freuden  begrüsst  werden. 
Wie  der  Titel  sagt,  haben  wir  es  zunächst  nur  mit  der  ersten  Hälfte  der  Gram- 
matik, die  Laut-  und  Flexionslehre  umfassend,  zu  thun;  die  Wortbildung  und 
S^-ntax  in  der  Bearbeitung  von  Behaghel  soll  den  zweiten  Theil  bilden. 

Wenn  wir,  um  den  Werth  der  vorliegenden  neuen  Grammatik  zu  würdigen, 
sie  zunächst  mit  der  Heyneschen  Vorgängerin  vergleichen,  so  ist  der  Umfang 
zwar  ziemlich  der  gleiche.  Trotzdem  ist  das  Gallßesche  Werk  viel  reichhaltiger. 
Die  altniederdeutschen  Psalmen,  über  deren  Laut-  und  Flexionsverhältnisse  wir 
ja  in  Cosijn's  Oudned.  psalmen  eine  genaue  Statistik  besitzen,  hat  G.  mit  Hecht 
von  seiner  Arbeit  ausgeschlossen,  dagegen  die  beiden  Heliandhss.  und  sämmtliche 
kleineren  Denkmäler,  besonders  die  Glossensammlungen,  viel  ausgiebiger  heran- 
gezogen. Nicht  berücksichtigt  sind  die  Eigennamen,  was  freilich  sehr  zu  be- 
daoern  ist,  aber  aus  den  von  G.  (S.  VI)  angeführten  Gründen  gebilligt  werden 
kann.  Das  aus  diesen  Denkmälern  zusammengebrachte  Material  ist  in  der  ge- 
wöhnlichen Reihenfolge  der  Grammatik  behandelt,  wobei  die  got.  Grammatik 
Braune*s  als  Muster  gedient  hat.  Jeder  Regel  sind  die  Abweichungen  in  den 
einzelnen  Denkmälern  hinzugefügt.  So  kommt  ein  viel  reichhaltigeres  Material 
als  bei  Heyne  in  übersichtlicher  Form  zur  Darstellung.  Es  fragt  sich  nun,  wie 
vollständig  und  zuverlässig  dasselbe  ist.  Hinsichtlich  des  ersten  Punktes  kann 
man  billigerweise  keinen  andern  Maassstab  anlegen,  als  ihn  die  Absicht  des  Verf. 
uns  an  die  Hand  giebt.  G.  sagt  selbst  in  seinem  Vorworte,  dass  er  bei  der 
Arbeit,  aus  seinen  zu  lexicographischen  Zwecken   angelegten  Sammlungen  die 


150 

Yorliegende  für  Studierende  bestimmte  kleine  Grammatik  herzustellen,  sich  mög- 
lichste Beschränkung   auferlegt   habe.     §  61,   Anm.   erklärt  G.   freilich,   in   den 
Anmerkungen  zu  der  Decl.  und  Conj.  seien  alle  Abweichungen  verzeichnet.     Das 
ist  aber,   wie  man  sich  sehr  bald  überzeugt,  durchaus  nicht  der  Fall.     Er  hatte 
also  nicht  die  Absicht,   uns   sein   vollständiges  Material   zu  geben.     Es  war  das 
ja  auch  durch  den  nächstliegenden  Zweck  der  „kurzen^  Grammatiken  ausgeschlossen. 
Mau   kann   also   leider  aus  den   scheinbar   noch   so   genauen  Angaben  G.'s  doch 
niemals   die   erwünschte  Sicherheit  über  eine  einzelne  Frage  der  Grammatik  ge- 
winnen.   Hoffentlich  ersetzt  G.  diesen  Mangel  einer  vollständigen  Materialsammlung 
bald   durch   die  Veröffentlichung   seines  in  Aussicht  gestellten  Wörterbuches  mit 
grammatischem  Apparate.     Müssen  wir  uns  also  den  Zwecken  des  Buches  gegen- 
über mit  unseren  Wünschen  bescheiden,   so   darf  man  doch  die  Ungleichheit  der 
Behandlung  als   einen   Mangel    bezeichnen.     Wozu   die   Ausführlichkeit   in    den 
Angaben  über  d,  d,  th  (§  142  ff.),  k  und  c  (§  115),  these  (§  244),  wenn  andere 
ungleich  wichtigere  Capitel   der  Grammatik  ganz  kurz  oder  gar  nicht  behandelt 
werden?     Auch  sonst  konnte  m.  E.,  ohne  den  Umfang  des  Buches  erheblich  über 
das  Gegebene  anzuschwellen,  den  Citaten  grössere  Vollständigkeit  gegeben  werden, 
oder  doch  gesagt  werden,  wo  der  Verfasser  Vollständigkeit  der  Belege  beabsich- 
tigte, wo  nicht,  indem  durch  zugefügtes  „z.  B."  oder  „und  öfter''  die  Beschränkung 
in  der  Angabe  der  Belege  auf  einzelne  wichtigere  Beispiele  hervorgehoben  wurde. 
Was  nützt  es,  wenn  bei  einmal  vorkommenden  Formen  ausdrücklich  „einmal  M" 
oder  „einmal  C  (z.  B.  §  203  skepiun)  gesetzt  wird,  wo  auf  demselben  Räume 
die  Verszahl  Platz  gehabt  hätte?    Bei  aller  Reichhaltigkeit  im  Einzelnen  vermisst 
man  ferner  mehrere  zusammenfassende  Capit-el,  auf  deren  Wichtigkeit  schon  Paul 
in  der  angeführten  Recension  aufmerksam  gemacht  hat,  wie  sie  auch  z.  B.  bereits 
von  Frauck   in   seiner   mnl.  Grammatik  aufs  trefflichste  ausgeführt  sind.     Dahin 
rechne  ich:    Einfluss  von  Consonanten  (r,  m,  1,  h,  w)   auf  Vocale;   Einfluss    von 
Vocal  auf  Vocal ;  Assimilation  der  Consonanten ;  Metathesis ;  Behandlung  der  aus- 
lautenden Stammvocale  in  der  Composition ;  Einfluss  des  ags.  auf  die  Schreibung 
in  C  und  M,   u.  s.  w.     Durch   solche   susammen fassende  Capitel   wären  manche 
zusammengehörige    Erscheinungen,     die    jetzt    zerstreut    unter    andern    Einzel- 
erscheinungen sich  dem  Blicke  entziehen,  als  verwandte  zu  erkennen  und  dienten 
sich  gegenseitig  zur  Aufklänmg.     Ebenso  nützlich  wären  einige  §§  gewesen,  die 
die  Eigenthümlichkeiten  der  einzelnen  Heliandhss.,  die  dialektischen  Besonderheiten 
der  einzelnen  kleineren  Denkmäler  zusammenfassend  behandelten.     Ein  vielleicht 
zu  weit  gehender  Wunsch  für  eine  as.  Grammatik  ist,  dass  der  Verf.  eine  Übersicht 
der  Formen  gegeben  hätte,   die   in  den   einzelnen  Heliandhss.   (besonders  in  M) 
nur  in  bestimmten  Abschnitten  vorkommen.     Für  die  Geschichte  der  Hss.  ist  die 
Zusammenstellung  der  „graphischen  Varianten",  wie  sie  uns  der  Verf.  für  einige 
Erscheinungen  in  den  „Beiträgen''  geliefert  hat,  unumgänglich  noth wendig.  —  Doch 
wie   gesagt,   über  die  Zweckmässigkeit  des  Mehr   oder  Weniger   des  Gegebenen 
wird  jeder  nach  seinen  Interessen  eine  besondere  Ansicht  haben,   und   der  Verf. 
wird  sich  damit  trösten,   dass   es   doch  niemand  allen  recht  machen  kann.     Wir 
wollen  deshalb  mit  dem  Gebotenen  zufrieden  sein,   wenn   wir  nur  den  einzelnen 
Angaben  das  Lob  der  Zuverlässigkeit  zugestehen  könnten!     Das  ist   aber  leider 
nicht  der  Fall.     Zunächst  will  ich  bemerken,   dass   schon   der  mit  dem  as.  ver- 
traute Benutzer  —  wie  viel  mehr  der  Studierende   —   in  vielen  Fällen  im  Un- 
klaren bleiben   muss   über  das  Verhältniss    mehrerer  neben  einander  liegenden 
Formen.     Dies  gilt  besonders  von  dem  Abschnitte  der  Flexion.     G.  giebt  häufig 
hinter  einander  eine  ganze  Reihe  von  Endungen,  ohne  dass  mau  sieht  oder  erfährt, 
welches  die  am  häufigsten  vorkommende  ist*,   natürlich  hält  man  die   erste   für 
die  regelmässige  oder  häufigste,   die  anderen  für  weniger  häufig,   die  letzte   für 


151 

die  seltenste.  Damit  stimmen  aber  nicht  tiberall  die  Thatsachen,  so  z.  B.  wenn 
im  dt.  8g.  der  schw.  Adjektiyflexion  die  Beihenfolge  gegeben  wird:  göden,  -in, 
-an,  -(yn,  oder  im  dat.  pl.  der  a-decl. :  dagum,  dagun,  dagon.  Überall,  wo  durch 
die  Nebeueinanderstellung  mehrerer  Formen  der  Anschein  der  Gleichberechtignug 
erweckt  wird,  wäre  ein  Hinweis  anf  die  Häufigkeit  der  einzelnen  Form  erwünscht 
gewesen.  Bei  der  Buntheit  der  aus  den  verschiedenen  Denkmälern  zusammen- 
kommenden Formen  hätte  es  sich  überhaupt  empfohlen,  im  Paradigma  nur  eine 
einzige  Form,  etwa  die  des  Mon.  zu  geben,  ähnlich  wie  Braune  in  seiner  ahd. 
Gramm,  die  fränkischen  Formen  als  Beispiele  anführt,  und  alle  anderen  Neben- 
formen in  die  Anmerkungen  zu  verweisen,  wo  dann  über  den  Ort  und  die  Häu- 
figkeit des  Vorkommens  das  Nöthige  gesagt  werden  konnte.  In  anderen  Fällen, 
wie  z.  B.  in  der  u-dekl.  wäre  die  Anführung  sämmtlicher  Belege  einfacher  und 
übersichtlicher  gewesen,  als  die  Aufstellung  eines  doch  nur  lückenhaften  Para- 
digmas. Dankenswerth  sind  die  Verzeichnisse  der  den  einzelnen  Paradigmen 
folgenden  Wörter;  aber  auch  hier  vermisst  man  eine  Angabe,  ob  und  wie  weit 
die  Listen  vollzählig  sind.  Ebenso  ist  es  mit  den  den  Ausnahmen  zugefügten 
Belegen.  Sind  mehrere  Zahlen  gegeben,  so  möchte  man  doch  wissen,  ob  damit 
die  Belege  erschöpft  sind,  oder  in  welchem  numerischen  Verhältnisse  sie  zur 
Regel  stehen;  bei  nur  einmal  vorkommenden  Formen  war  die  Angabe  der  Stelle 
geradezu  nothwendig,  weil  es  bei  der  Beschaffenheit  der  Hss.  nicht  einerlei  ist, 
in  welchem  Theile  des  Textes  eine  Form  sich  findet.  — 

Fehlt  es  schon  im  Allgemeinen  in  allen  diesen  angedeuteten  Richtungen 
an  der  wflnschenswerthen  Zuverlässigkeit,  so  tritt  im  Einzelnen  überall  eine  für 
ein  wissenschaftliches  Hülfsmittel  unerlaubte  Ungenauigkeit  und  Fehlerhaftigkeit 
in  unangenehmster  Weise  zu  tage,  die  Studierende,  deren  Einführung  in  das 
Studium  des  as.  sich  das  Buch  doch  gerade  zum  Zwecke  setzt,  vielfach  irre  führen 
muss.  Hier  kann  ich  mit  dem  Tadel  nicht  zurückhalten,  dass  es  G.  mit  seiner 
Arbeit  nicht  streng  genug  genommen  hat,  und  dass  entweder  sein  Material  nicht 
zuverlässig  ist  oder  der  Verf.  bei  der  Ausarbeitung  allzu  flüchtig  zu  Werke 
gegangen  ist.  Da  sehr  häufig  die  genaue  Anzahl  des  Vorkommens  einer  als 
Ausnahme  besprochenen  Form  gegeben  ist,  so  glaubt  jeder  Benutzer  hier  auf 
festestem  Grunde  zu  stehen,  wird  aber  bei  einer  Nachprüfung  einzelner  dieser 
Zahlen  bald  den  Glauben  an  die  Verlässlichkeit  aller  verlieren.  Die  grosse  Menge 
von  Druckfehlern  in  den  as.  Wörtern,  deren  kleinsten  Theil  die  Zusätze  und 
Verbesserungen  am  Schlüsse  des  Buches  berichtigen,  beweist  schon,  wie  wenig 
Sorgfalt  auf  die  Correctur  verwandt  ist.  Selbst  der  Name  eines  Gelehrten  wie 
Madan  (S.  V)  ist  dem  Druckfehlerteufel  anheim  gefallen,  und  als  Curiosum  mag 
erwähnt  sein,  dass  der  Verf.  sich  auf  dem  Schmutztitel  Galle6  und  Gallee,  auf 
dem  inneren  Titel  Gall^e  und  Gallee  schreiben  oder  drucken  lässt.  Schlimmer 
sind  die  vielen  Fehler  in  den  Verszahlen  und  den  Citaten.  Da  im  Vorworte 
mehreren  namhaften  Gelehrten  der  Dank  für  Correcturlesen  gespendet  wird,  so 
möchte  man  gern  wissen,  bei  wem  man  sich  eigentlich  vornehmlich  zu  bedanken 
hat,  dass  nicht  noch  mehr  Fehler  stehen  geblieben  sind.  Um  diesen  herben 
Tadel  im  Einzelnen  zu  begründen,  müsste  ich  §  für  §  der  ganzen  Grammatik 
durchgehen  und  alle  von  mir  notirten  Fehler  augeben.  Es  würde  das  aber  den 
mir  zur  Verfügung  gestellten  Raum  des  Jahrbuches  bei  weitem  überschreiten; 
auch  liegt  es  nicht  in  meiner  Absicht,  zu  allen  §§  Nachträge  zu  liefern,  was 
soviel  hiesse  als  eine  zweite  Grammatik  schreiben.  Sondern  ich  begnüge  mich, 
auf  die  gröbsten  Fehler  in  der  Lautlehre  und  der  nominalen  Flexion  aufmerksam 
zu  machen.  Durch  eigne  Sammlung  über  diese  Theile  der  Grammatik  bin  ich 
in  der  Lage,  G.^s  Angaben  genauer  zu  controlliren ;  ich  kann  dabei  der  Kürze 
wegen  auf  eine  im  Druck  abgeschlossene,  aus  äusseren  Gründen  aber  noch  nicht 


152 

im  Bachhandel  erschienene  Schrift  von  mir  verweisen,  „Untersnchnngen  zur 
Geschichte  der  altsächsischen  Sprache'',  wo  die  Belege  meist  in  lückenloser  Voll- 
ständigkeit verzeichnet  sind,  and  die  ich  im  Folgenden  mit  „Unt."  anführen 
werde.  Ich  hoffe,  dass  meine  Berichtigungen  nicht  als  rechthaherische  Mäkelei 
anfgefasst  werden,  sondern  als  Hinweis,  wo  und  in  welcher  Richtung  eine  2.  Aufl. 
verbessert  werden  muss,  Beachtang  finden  mögen. 

§  3.  Bei  der  Aafzählong  der  kleineren  Dkm.  hätte  angegeben  werden 
sollen,  wo  die  nicht  bei  Heyne  abgedrackten  Stücke  za  finden  sind.  Nicht  genannt 
sind  die  Glossen  aus  St.  Peter  (Graffs  Dint.  II  und  zerstreut  bei  Steinmeyer- 
Sievers).  —  §  4  Anm.  1.  d  und  b  kommen  auch  ausser  den  Heliandhss.  vor. 
—  Anm.  2  wäre  der  Abkürzungsstrich  für  n  und  m  zu  erwähnen  gewesen,  durch 
dessen  fehlerhafte  Fortlassung  sich  manche  Irrtümer  in  den  Hss.  erklären  (vgl. 
Unt.  S.  146).  —  §  5.  Die  Doppelschreibung  der  Vocale  ist  besonders  für  das 
Chartularium  Werthinense  charakteristisch.  —  §  6.  y  (tyreas  C  131),  ö  und  9 
sind  vergessen.  —  §  18.  Unerwähnt  ist  das  nicht  seltene  Eintreten  von  ae  in 
C  und  M  an  Stelle  von  a  (e) ;  §  29  Anm.  1  wird  nur  ein  Beleg  aus  M  für  ae 
anstatt  e  angeführt.  —  §  19  sind  germ.  0  und  6  unnöthigerweise  in  die  Anm. 
verwiesen.  —  §  20  Anm.  1.  Zu  0  neben  a  besonders  vor  n  vgl.  die  Beispiele 
Unt.  S.  141  f.;  fon  ist  in  M  nicht  „vereinzelt'',  sondern  (vgl.  Jellinek  PBB 
14,  158)  bis  1497  die  ausschliesslich  gebrauchte  Form.  Die  Angaben  über 
mohia  sind  ganz  falsch ;  mohta  kommt  in  G  nicht  zweimal,  sondern  überwiegend 
vor,  z.  B.  164.  672.  646.  738.  849.  1674.  2049.  2301.  2662.  2690.  2778. 
2921.  3063.  3198.  3341.  3369.  3613.  3636.  3688.  3816.  4078.  4867.  5229. 
5917;  muohta  674;  ebenso  mohiun  813.  2303.  2371.  3582.  3649.  3824.  6067; 
mohti  189.  723.  1442.  2322.  2392.  2649.  5278.  5920;  Tnohiig  817;  mohtin 
3929;  mohim  5351.  6923,  wogegen  die  Formen  mit  a  ganz  zurücktreten.  M  hat 
zweimal  mohta  184.  747,  einmal  mohte  1678,  einmal  mohiun  148.  —  Neben 
fold  konnte  noch  hagastoldos  C  2548  erwähnt  und  auf  das  häufige  utierold  ver- 
wiesen werden;  auch  uvoh  G  (auu  M)  3931  und  auoh  (auuh  M)  4222  neben 
uiuih  GM  3960,  G  5673  verdiente  Beachtung.  —  §  20  Anm.  2.  Übergang  von 
a  in  e  vor  r  findet  sich  auch  häufig  im  Hei.,  z.  B.  herda  C  2390,  herdan 
G  1091,  oharuuerdan  C  2391,  tuoutierd  G  4182,  foruv^rdes  C  976,  forihuuerd 
C  4010,  geginutierd  G  2634,  ther  M  4578;  ea  in  scealt  G  261  und  uueard 
G  3711.  Doch  hätten  lieber  alle  Fälle  des  vor  r  in  den  Hss.  wechselnden  a  und  e 
im  Zusammenhange  bei  r  besprochen  werden  sollen,  wo  dann  auch  die  Vocale 
der  Nebensilben  herangezogen  werden  konnten.  —  §  22.  Für  Eintritt  oder  Aus- 
bleiben des  Umlauts  lassen  sich  schärfere  Begeln,  als  sie  G.  giebt,  aufstellen; 
der  Einfluss  der  benachbarten  Laute  und  Lautgruppen,  besonders  des  r  und  r  -|- 
Gons.  (vgl.  §  25)  tritt  noch  in  sehr  vielen  Beispielen  zu  tage;  das  nicht  umge- 
lautete  a  in  sagt,  sagid,  hahid  verdiente  Erklärung  ebenso  wie  die  Analogie- 
bildungen habbien  M,  habhiu  G  933,  dragit  neben  dregit,  spanii  neben  spenit 
Nach  der  Fassung  des  §  25  glaubt  man,  dass  nur  nuarmien  4967  in  M  ohne 
Umlaut  sei,  aber  ebenso  verschmähen  den  Umlaut  hmfardi  G  1351,  umbitJiarbi 
M  1728,  hunargin  M  1089,  auuardiad  M  1646,  avuardien  M  1882,  auuardean 
M  1907,  auuardit  M  2276,  auuardid  M  2588,  fardio  M  3646.  —  §  22  Anm.  2. 
Nicht  einmal  findet  sich  uualda  in  G,  sondern  ausser  301  auch  714.  —  In  die 
Anm.  zu  §  26  gehören  die  Formen  hiki,  stide,  -scipi.  —  In  §  27  hätten  auch 
Formen  mit  a  bei  fortgefallenem  i,  wie  bat,  lang,  laxio,  langron,  aldro  neben 
eldirmx  Besprechung  verdient;  die  Frage  nach  dem  Umlaut  im  part.  praes.  und 
im  Gerundium  ist  nicht  berührt.  —  §  29  Anm.  1.  uueard  C  3711  steht  nicht 
für  uusrdj  sondern  für  uuard.  —  §  29  Anm.  3.    Die  paar  Beispiele  aus  G  für 


153 

anregehnftssiges  i  statt  e   (vor  a  der  folgenden  Silbe):   gifa  654,  giha  1197, 
gthat   1553    und    hfiuonda   Ö947    genügen  nicht,    am   den  Umfang  und  Grund 
dieser  Erscheinung  klar  werden  zu  lassen.     Auch  hier  machen  sich  lautliche  Ein- 
flüsse   geltend,    nachfolgendes   r,    vorhergehendes   g   spielen    eine   Bolle,    z.   B. 
giuuirtkan  2552,  giumrthot  3428  (vgl.  auch  giriuuan  C  3450  mit  Umlauts-eyl, 
gthono  1543,  -gibo  5128,  gtban  1471,  gihon  1200,  gthanne  2328,  gtbu  3082, 
gilp  1084.  2896,   alle  aus  C;   femer  givan  Freck-H.  484,  iegivan  Beda  5.   — 
§  29  Anm.  5.    Bei  dem  nach  k  vorkommenden  ie  statt  e,  wodurch  eine  palatale 
Aussprache  des  k  bezeichnet  wird  (vgl.  auch  gie  C  5870.  5895  neben  ge),  hätte 
auf   §   116   verwiesen   werden   sollen.     Hier  verdiente   auch   das  ie  im  Artikel 
fihiem  et<5.)  und  in  der  Decl.  von  these  Beachtung.  —  §  30  a)  Anm.  1.    Einfluss 
von    folgendem  r  beweisen   herdos   422,  gerstin   2844,-  utierkean   1172.   1613. 
1533,  gemean  148.  1481,'  alle  in  C.    —   Zu  geldet  stellt  sich  sueltid  C  4898. 
—  §  30  b)  Anm.  1.    C  hat  neman  ausser  3887  noch  1550.  2332.  3284,  nemat 
1786;  auch  M  kennt  nennen  1563,  nemun  1550.  —  §  30  b)  Anm.  1.    hringian 
C  338  ist  richtiger  schon  §  26  Anm.  erwähnt;  C  4598  hringan  ist  verschrieben 
für  hringii  4895  C ;  in  M  heisst  es  2059.  2298  hrengean.  —  §  30  c).    gisiaha 
(Gl.  II,  588,  6)  gehört  als  1.  sg.  conj.  gar  nicht  hierher.  —  Anm.  1.    gihu  gehört 
nicht   hierher,   sondern   zu  §  29  Anm.  3.     feho  (nicht  fehu)   steht   in   M   auch 
1669;  an  beiden  Stellen  hat  C  fihu,  sonst  wie  M  stets  nur  e.  —  Die  Form  des 
as.  Wortes  für  hospes  ist  in  den  Oxf.  Gl.   uuerd  (e  fortasse  dubium,   Madan), 
in  den  Prud.  Gl.  uiierd  und  uuird,  in  C  uuird-,  M  uuerd-  2056.   —   Anm.  4. 
me  steht  nur  zweimal  in  M  121.  122  gegen  häufiges  mi;   für  dies  Verhältniss 
ist   der  Ausdruck    „  wechseln '^    nicht   bezeichnend.     Ausserdem  gehören   die  ge- 
geschwächteu  Formen  ec,  me  nicht  hierher,  sondern  zu  §  32.     Bei  der  Wichtigkeit 
dieser  Begel  hätten  die  Beispiele   vollständig  gegeben   werden   sollen.    —   §  32 
Anm.  1.    uuehsitafltin  gehört  nicht  in  diese  Anm.,  für  mehrere  der  übrigen  Bei- 
spiele ist  der  Einfluss  des  r  wieder  beachtenswerth.   —   Anm.  2.    era  statt  iro 
kommt  einmal  C  897  vor,  der  Ausdruck  „wechseln"   führt   irre;   ebenso  sind  ei 
neben   it,  uue  (M  1609)  neben  uui,  ge  neben  gi,  he  neben  hiy   ne  neben  ni 
durchaus  die   selteneren   Formen;   hinzuzufügen   wären  noch   es  (z.  B.   C  220) 
und  met  (selten  neben  mid).  —   §  33.    Bei  der  Besprechung   des  Verhältnisses 
von  t^  zu  0  vermisst  man  wiederum  die  Hervorhebung  der  lautlichen  Einflüsse, 
von  folgendem  r  und  /  (tculf  C  M;   fuldu  C  4075;   fidl,  ful;  uneruldi  öfter 
in  C;  sfnultro  2257,  tulgo  2419),  von  vorhergehendem  w  (utinon  neben  uuonon). 
Der  Wechsel  von  ^f<^^n^  hogda,  hogdun;  rukkinas,  rokko;  thurhwi,  tharfta ; 
uuord,  -uurdi;    sculan,  scolda;   munan,  mansia   (daneben   munste  M  2658; 
-fnuonstun  C  5286   ist  Schreibfehler   s.  Sievers  S.  504);   furi,   fora;  'kiirnid, 
hom;   -kumi,  cofTi  verdiente  Hervorhebung;   auch  das  u  vor  n  in  den  Fremd- 
wörtern punt,  muniia  etc.  —   C  hat  nicht  „einigemale",  sondern  vorherrschend 
gomo ;   neben  benumana  M  findet  sich  C  M  151  binomarif  C  2990  binornana, 

—  Anm.  2.  Hier  hätten  die  übrigen  Beispiele  für  i  statt  u  fii-ision  C  4874, 
anduuirdi  C  4040,  vgl.  anduurdi  C  930.  1759,  miirthi  C  2625.  3936,  mäii^i  C 
835,  gifrimid  0  43,  stkken  Crecelius,  Coli.  1,  S.  11  und  für  u  statt  i  furin- 
C  743,  'Uurdig  C  4597  (G.  leitet  freilich  bartiurdig  von  uuord  ab  =  „offen- 
herzig'^),  huldi  C  5043,  femer  suiliuuat  (suUad  M)  C  1723  Baum  finden  sollen, 
die  für  die  Frage  nach  dem  Alter  des  ^/-Umlauts  von  Bedeutung  sind  (vgl.  Paul, 
Germ.  19,  224).   —   Anm.  3.    cunsti  C  2651   neben   sonstigem   Consta,  consii. 

—  Anm.  4.  Neben  momian  auch  bimumie  C  1869.  —  Anm.  5.  Hinter  „findet 
sich*'  muss  „in  C  eingeschoben  werden;  in  derselben  Anm.  wird  das  uo  in 
gidruog  einem  kurzen  o,  das  tio  von  gedruogi  einem  u  gleichgesetzt;  eine  Er- 
klärung kann  nur  richtig  sein,  denn  es  handelt  sich  nur  um  die  Form  gidruogi 


154 

C  2925  (gidroge  M);  a  statt  u  in  uuarihtio  C  1862.  —  Anm.  7  füge  hinzu 
uridern  3464  C  neben  undom  C  3418.  —  §  35.  Zu  bemerken,  dass  d  nicht 
umlautet:"  fahit.  —  §  36.  geuuadi  steht  neben  geuuedea  1665  (1605  ist  Drckf.) 
und  giuuedie  4100  nicht  nur  1670  (1672  Drckf.),  sondern  häufiger;  weitere 
Beispiele  sind  godsprekea  C  567,  mercan  C  867,  berun  C  2182,  uureka  M  3246; 
leri  (Fr.  H.)  muss  heissen  -leH  in  Ilasleri  157.  504  neben  -lare  in  jE7/w-,  Mud&- 
lare.  —  Als  Anm.  4  wäre  hinzuzusetzen:  d  aus  at/.'  s.  §  44;  ö  aus  a  in 
monothlic  Str.  Gl.  2.  —  §  37.  Das  vereinzelte  eo  in  m^oda  C  3425  hätte  nicht 
vor  das  häufigere  ie  gestellt  werden  dürfen;  hinzuzufügen  her,  hir,  hier,  das 
fälschlich  §  38  steht.  Zu  bemerken  ist  ferner,  dass  auch  C  nicht  selten  e  statt 
des  gewöhnlichen  ie  giebt,  z.  B.  meda  3413,  hM  385.  435,  /e//  2391.  3343, 
-fei  2394,  ^cn^  2994,  hei  579.  728.  729.  3413.  4616,  hetun  568,  (^mf/cW 
2048.  3344,  giredi  2987,  fe/  514.  —  Für  i  ist  anuuülun  (auuellun  M)  C  4073 
ein  Beispiel.  —  In  der  Anm.  muss  auf  §  102  statt  auf  §  33  Anm.,  die  gar 
nicht  existirt,  verwiesen  werden.  —  §  38.  hndo  kommt  meines  Wissens  in  den 
Prud.  Gl.  nicht  vor   und  ist  wohl  Verwechslung  mit  dem  vorhergehenden  hripo. 

—  ür  gehört  wegen  ahd.  xiari  zu  §  37.  —  §  39.  Die  Beichte  hat  neben  den 
3  ö  in  gisonan,  gisonda,  don  stets  ö  (blöd,  brothar,  -dorn,  gibotianna,  flokanna, 
-niodias,  mos,  suor) ;  ebenso  steht  in  der  Fr.  H.  in  der  Regel  6 ;  in  Beda  neben 
godlika,  gedbn,  Jiodigiy  kein  o.  In  den  Prud.  Gl.  neben  überwiegendem  «o  und  ö 
auch  6  in  hodos,  nodda,  ovarmodigo,  nkidmim,  sokiady  thuerstolon,  socneri, 
socyiwiga,  utbosment  Oxf.  Gl.  meist  o,  aber  niot,  ungifuori,  nuoe.  Über  das 
für  M  bemerkenswerthe  fru.brean  4017  s.  Jellinek,  Beitr.  15,  304;  sluggun 
M  2409  steht  vielleicht  für  sluogun?  —   Anm.  2.    Füge  hinzu  temig  C  2489. 

—  Hier  oder  bei  u  hätte  eine  Bemerkung  über  ruomot  C  1554  (rumeat  M), 
C  1688  (romod  M),  ruomuodun  C  3904  (romodun  M)  Platz  finden  können.  — 
§  40.  Füge  hinzu:  Aus  bi  -h  idan  entstand  boian  C  3264.  4370  (vgl.  §  48 
Anm.  3).  —  fisid  C  2353  (fusid  M).  —  §  41.  Die  Entstehung  des  e  in  threginn 
aus  germ.  ai  ist  nicht  sicher.  —  Anm.  1.  Füge  hinzu:  mira  C  2627,  giflihit 
(-fliit^)  1460  (vgl.  Germ.  19,  226);  siole  M  3301.  3353.  3357.  4060.  Wegen 
des  ie  in  bikieri  etc.  war  auf  §  116  zu  verweisen.  —  Anm.  2.  hcdag  (auch 
M  890)  und  haelago  (C  5764)  brauchen  ihr  d  nicht  ags.  Einflnss  zu  verdanken, 
vgl.  die  Ortsnamen  Ilcdogikircari,  -un  in  der  Vita  Meiuw.  81.  98  (Mon.  Germ. 
Scr.  XI,  126,  20;  127,  50)  und  Ilalegehuson  (Erhard,  Reg.  Westf.  645;  Cod.  65); 
zu  erwähnen  arwndi  neben  eri;  aracs  steht  auch  C  4103.  —  §  43  Anm.  2. 
guoma  Ess.  Gl.  M.  27,  36;  fargumon  C  M  3219  neben  gomean  (vgl.  das  vorhin 
erwähnte  romon  neben  7'umean).  —  §  44.  franisco  M  2398.  —  Anm.  2.  Hinter 
„statt  ö"  ist  einzuschalten  „in  /ro.«  —  §  48  Anm.  1.  lut  M  1782  fliut  C), 
hidi  C  4836.  Bemerkenswerth  ist,  dass  P  neben  einmaligem  iu  in  diurUcaro 
nur  io  kennt:  diarlic  961.  1005,  diarlico  967,  liodi  966,  liodio  984.  —  §  49 
Anm.  2.  thitid  C  4431  (nicht  443)  ist  Schreibfehler  nach  dem  vorhergehenden 
thiu  wie  ihimlo  C  5078.  —  Das  io,  ia,  i4^,  e  im  praet.  der  redupl.  Verba  hätte 
ebenso  wie  das  iu,  io  in  friund,  fiund  gesondert  von  dem  Diphthongen  behandelt 
werden  sollen.  Zu  verweisen  war  noch  auf  das  io,  eo  in  knio  in  §  30  c)  Anm.  3 
und  das  ia  in  tian  Ess.  Heb.  und  ahietian  Fr.  H.  —  §  56.  Über  -w  und  -o 
in  der  «-decl.  vgl.  Uut.  S.  172.  —  §  57.  Über  -ß  neben  -a  in  der  3.  sg.  praet. 
s.  Genaueres  Unt,  Exe.  VIII,  ebenso  über  die  Adv.  inna  und  inne  etc.  —  Das 
-6  im  acc.  sg.  der  st.  Adjektiva  helagne  etc.  ist  auf  M  beschränkt,  s.  Unt.  Exe. 
VIII.  —  §  58  1)  Anm.    Die  neben  huila  vorkommende  Form  htiil  C  5802  ist  acc. 

—  Das  Suffix  des  dat.  sg.  fem.  -u  (-o,  -a)  ist  nicht  erwähnt.  —  2)  Neben  -a 
in  der  1.  sg.  prt.  auch  -e,  s.  Unt.  Exe.  VIII;  -a  im  g.  pl.  auch  vereinzelt  im 
Subst.,   8.    Unt.   S.   105.    -  -    3)    Die  Bemerkung   über  alo',  ala-  gehört  nicht 


155 

hierher;    ein   besonderer  §   über  Behandlung  der  Stämme   als   erste  Theile   der 
Composita  fehlt  leider.   —   Anm.    aldrucmo  gehört  ins  Capitel  über  die  Vocale 
der  Mittelsilben;    statt  dessen   waren  zu   erwähnen:    guoduo    C  3635,    scaihuo 
C  1113;   g.  pl.   bethuo  C  981;   Adv.  auf  -no  s.  Unt.  S.  95.   —    4)   -o   in    der 
1.  sg.  praes.  s.  Unt.  173;   -o  neben   -u  im  instr.  ebendas.   —   §  59.    hugi  ist 
nicht  pl.   —   §  60.    Über  das  Verhältniss  von  -e  zu  -a  im  dat.  sg.  der  o-decl. 
s.  Unt.  Exe.  YIII;   -e  im  npl.  der  Adj.  ist  auf  M,  Oxf.,  Mers.  Gl.   und   Fr.  H. 
beschränkt,   s.  Unt.  S.  203  ff.;   über  -e   und   -a   im  Coivj.  s.  ebeud.  S.  210.   — 
§  62.    Ausserdem  zu  erwähnen:  butan,  hotan;  quathie.   —   §  65.    Das  häufige 
-ur  im  Comparativ   hätte  nicht  Übergangen  werden  sollen;   neben   -ing  kommt 
auch  -ung  und  -ang  Tor;  Schwächung  in  ambeht  Fr.  H.  neben  ambaht;  -in  in 
silubrin  etc.   halte   ich   für   kurz,   s.  Unt.  S.  133  Anm.    —   Hier  konnten  noch 
rikeast,  uuestrani,  arbid  erwähnt  werden.  —   §  66.    Der  Einfluss  von  r,  l,  w, 
fiy  w  auf  die  Vocale  der  Umgebung  hätte  hier  betont  werden  können.  —  §  68. 
In  krenkurni  ist  nicht  der  Tonverlust  Ursache  der  Vocalveränderung.   —   §  71. 
Hier  vermisst  man  eine  Bemerkung  über  die  Assimilation  der  secundäreu  Vocale 
an   die  Vocale   der  Nachbarsilben,   vgl.   hvarave,   huarahcyti,   huarahe,   suaraf, 
berege,   huerehian,   huerehai,   bilidij   humbil,  geoponotj   tkurufti   und  dergl. ; 
was  §  73  über  Assimilation  gesagt  ist,  genügt  nicht.  —   §  72.    Für  enna  zähle 
ich   statt    33    nur    22    Belegstellen,    s.   Unt.    S.    131.    —    Das    Suffix  -nm, 
'Un,  -on  des  dat.  sg.  kann  nicht  als  Kürzung  des  Suffixes  -umu  gelten,  s.  Unt. 
Exe.  II.  —  §  72  b).    Zu  der  Regel  für  die  Erhaltung  des  ö  im  Superlativsuffix 
-ost  bildet  helgost  C  5739  doch  keine  Ausnahme,  wohl  aber  sind  helgost  C  5739 
und  helgoda  C  4634  Beispiele  für  die  Synkope  des  a.     Zu  erwähnen  wäre  gewesen 
die  Synkope  in  den  Pronomen  mira  C  3540,  imci'o  C  M  145.  148.  152,  mahtigro 
C  2262.     Ein  adv.  sioithro  existirt   nicht,   wahrscheinlich    meint   Q.    den    Com- 
parativ suidnm  C  4390,  suithrun  C  4876,  midron  M  5976.  —  §  72  3).    Aber 
iungrano  C  2171.  4505.  5956,  mahtigro  C  2262!     Hinter  ,  hat  meist  die  Form 
-ana"  ist  einzufügen :  „und  -?2a* ;  letztere  Form  überwiegt  s.  Unt.,   S.  133.   — 
§  73.     e  in  gxtnmdene  kann  nicht  als  Assimilation  des  a  an  e  angesehen  werden ; 
ebenso  wenig  kann  in  selhomo,  selbumu  von  Assimilation  des  c  an  o   die  Rede 
sein;  warum  überhaupt  nur  in  seJhomo  und  nicht   in   allen   dat.   masc.   der   st. 
A^'.-decl.  ?  Übrigens  existirt  eine  Form  selbomo  weder  in  C  noch  M  (s.  die  Bei- 
spiele für  -omo,  -omu,  Unt,  S.  117.);  o  in  egrohtful   ist  viel  eher  dem  Einfluss 
des  hi  (cf.  drohtin)  als  dem  u  der  folgenden    Silbe    zuzuschreiben.      Wie   schon 
gesagt,  hätte   das  Capitel   des   Assimilation   eine   viel   eingehendere  Behandlung 
verdient.  —  §  74.    Anm.  1.    Der  Wechsel  von  af-  und  -an  gehört  nicht  in  die 
Lautlehre.  —  §  76.    Bei  ant-  hätte  noch  das  neben  antthat  (antat)  vorkommende 
uniat  C  4857,  unthat  M  2240  (vgl.  unt  in  untthat  M  450.  707.  1219)  angeführt 
werden  können.  —  §  79.    bi-  ist  auch  in  M  häufiger  als  be-;  „inM  nur  biüton" 
ist  falsch;  buton  M  185.  536.  653.  861  u.  ö.    —    §  81.    In   M   überwiegt  gi- 
um  mehrere  Hunderte  (gi-  über  8C0,  ge-  über  500  mal);   gi-  ist  besonders   im 
1.  Tausend  vorherrschend   (etwa   292  gi-,  3  -ge),  —   kiscakcten   ist  mir  unver- 
ständlich. —  Weiterhin  muss  es  heissen :  Prud.  Ol.  neben  rege1mä.ssigem  gl  auch 
12  mal  ge-;  Essener  Gl.  neben  durchgängigem  gi-  einmal  ge-  in  gclico  M.  14,  1. 
—  §  83.    erbartmmga  steht  Ess.  Gl.  M.  5,  7;  M.  10,  38.  —  §  84.    Hier  durfte 
auch  -teh  und  -tem  in   zusammengesetzten    Zahlwörtern    Erwähnung    finden.  — 
§  85.    In  dem  allgemeinen  Capitel  über  die   Consouanten    vermisst   man   zusam- 
menfassende Bemerkungen  über  die  Eigenthümlichkeit  des  C^ott,   im  Auslaut  die 
CoDS.  häufig  zu  verdoppeln  (vgl.  §  152  Anm.),   über   Assimilation   (z.  B.   sncca, 
sinnofi),  Metathesis  (z.  B.  verseang,  ginurohti,  uuurohtion)  ;  bei  der  Consonanten- 
gemination  Ovaren  Beispiele   und    Angaben    über   den    Umfang    der    Erscheinung 


156 

erwünscht  gewesen.  —  §  88,  Z.  2.  Hinter  u,  uo,  6  füge  o  ein.  Das  Citat 
für  uuurohtion  ist  falsch,  es  steht  C  3511;  3594  ist  die  Belegstelle  für  sin- 
hiuuun,  —  §  89.  uu  ist  geschwunden  in  net  vgl.  §  62.  —  §  90.  Zum  Schwund 
Ton  uu  nach  r  ist  noch  geridin  C  4248  ein  Beispiel.  —  §  94.  Zu  dem  Ver- 
hältniss  von  e  und  i  vor  o  Tgl.  Unt.,  S.  151,  wonach  im  d.  pl.  der  i-  und  jcu- 
decl.  in  C  häufiger  -ioriy  seltener  -eon  belegt  ist ;  e  vor  u  ist  selten  in  M.  2012. 
2990.  4490.  4918.  4928.  —  Auch  P  kennt  die  Schreibung  gi  für  j :  Oiohannes, 
Giordana;  vgl.  auch  noch  giuvaro  statt  iuuuaro  in  C  1731.  —  §  95.  Der 
Satz  „j  ist  meist  erhalten,  nur  in  C  nach  langen  Silben  einigemal  ausgefallen'' 
wird  durch  die  wirklichen  Thatsachen  sehr  modificirt.  In  C  ist  der  Ausfall  von 
j  ziemlich  häufig  und  genauere  Untersuchung  wird  hier  ohne  Zweifel  bestimmtere 
Neigungen  deutlicher  hervortreten  lassen.  Bekannt  ist,  dass  nach  r,  das  vor  j 
nicht  geminirt  wird,  sich  j  besonders  gut  hält ;  nach  Gutturalen  fällt  j  gern 
aus,  ferner  stets  im  gen.  pl.  des  part.  praes.  (s.  Unt,  S.  108,  Anm.  **).  Aber 
auch  in  M  ist  der  Ausfall  von  j  nicht  so  selten,  wie  man  nach  G.'s  einzigem 
Belege  seggennea  1838  glauben  sollte.  In  brengen  1096.  1928.  -dogcn  4890, 
liggen  2141,  soken  5158,  uuirken  1317,  giuuirkenne  1589,  seggennea  1838  ist 
offenbar  der  vorhergehende  Guttural  von  Bedeutung.  —  F  hat  nur  einen  Beleg 
heland  990.  —  §  97.  Über  die  Schreibung  r  statt  rr  in  kerro  etc.  s.  Unt., 
S.    30,    Anm.   —   §    98.    Vereinfacht  wird  geminirtes   //  in   -fei,  feldi,  feldin. 

—  Zu  succan  C  3202  füge  noch  succa  0  822,  das  vielleicht  verschriebene 
suncan  M  2446  und  surikero  C  3936.  - —  §  99.  Zu  simblun,  simbla  stellt  sich 
mmbh  C  M  3339.  —  Zu  dem  dat.  pl.  auf  -w  s.  Unt.,  S.  145  und  S.  153.  — 
Über  das  Verhältniss  von  -^n  und  -n  im  dat.  sg.  der  st.  Adj.  s.  Unt,  Exe.  II.; 
die  1.  sg.  der  3.  schw.  Conj.  hat  niemals  -m  oder  -w,  die  der  2.  nur  -n. 
C  kennt  nur  hiun,  einmal  481  bion,  M  nur  biujyi;  C  uuaston  2523.  2410. 
2506,  uimstom  1749,  2557.  M  nur  unu^iom  (s.  Unt,  S.  128).  M  dorn  und 
don.  —  §  102.  Vor  dem  Spiranten  s  ist  n  nicht  ausgefallen :  anst,  kunst,  consta, 

—  Anm.  ßnden  auch  M  3873;  niund  auch  M  1293;  C  hat  mehremale  auch 
-ent  in  der  3.  pl.  cf.  §  258.  —  §  104.  Anm.  2.  auch  rum2)husla  (Madan  Nr.  55). 

—  §  105  wird  fälschlich  auf  §  105  statt  auf  §  106  verwiesen.  —  Eingeschobenes 
h  in  simbla,  surnble,  —  §  107.  0  hat  auch  einigemale  (861.  1513.  1856. 
2323)  uu  statt  u  in  neuuan.  —  §  111.  Das  anlautende  u  statt  f  findet  sich 
in  M  meist  nur  nach  den  Präfixen  bi-  und  ge-  (1228);  ausserdem  nur  in  uiln 
5078,  enuald  3747.  3767.  3842,  enualdes  1068  und  Jieouandi  4027;  in  barleosan 
1733  ist  b  offenbar  Schreibfehler.  —  §  112.  Neben  craht  0  38  ist  thurhßig 
C  525  bemerkenswerth.  —  §  114.  6  in  ruob  (-  5398;  geb  M  1522;  u  in  selu 
C  78;  C  259  liest  Sievers  nicht  lieii,  sondern  lief.  —  §  115.  Die  Bemerkung, 
dass  in  Crist  sich  meist  e  finde,  widerspricht  dem  in  der  Anm.  über  Krist  ge- 
sagten. —  §  116.  Hinzuzufügen:  bisiiikean  0  1311,  gihuilikies  C  2284,  .s/^r^- 
kenn  1432.  2307,  ickean  844.  —  §  122.  Zur  palatalen  Aussprache  des  g  vor  i 
vgl.  noch  imentlion  M  863.  —  §  125.  Die  Beispiele  für  mahtina  sind  nicht 
vollständig  (s.  Unt,  Exe.  III),  der  Beleg  für  craftiiia  falsch;  es  muss  heissen  3130. 
2986.  —  Ausgefallen  ist  g  ferner  in  gifran  V  2621.  3347.  3883.  —  §  126. 
sluggun  M.  2409  halte  ich  für  Schreibfehler  statt  sluogun.  —  §  129.  Fehlt  zu 
hlod  (lot  V)  das  Citat  2397.  —  §  130.  Abgefallen  ist  h  auch  in  nchmanan  M 
556.  —  §  131  a).  Der  Ausfall  des  h  ist  häufiger  im  Heliand,  als  es  nach  den 
Beispielen  bei  0.  den  Anschein  gewinnt.  —  b)  Die  Vertretung  von  ursprüng- 
lichem w  oder  y  durch  h  hätte  deutlicher  gemacht  werden  sollen.  --  §  133. 
In  thurh  fällt  h  in  0  ausnahmslos  ab.  —  §  134.  „t.s  in  M  saepissime,  in  C 
saepius"  Schni eller.  —  §'139,  Anm.  2,  gclobistu  gehört  mit  farsachistu,  mahtu 
zu  §  149  ;  statt  dessen  hätten    die  praet    custa,  sohia,  lesia,  boita,  geuuarhta, 


157 

seita  erwähnt  weiden  Bollen.  —  §  140.  Über  den  Abfall  yon  d  nach  n  in  C 
8.  ünt,  S.  13;  in  M  ist  sin  1352  ein  Beispiel.  —  §  153.  Hier  hätte  das  ss 
in  der  Decl.  von  these  und  im  poss.  pron.  d.  1.  pl.  (z.  B.  u^so  C  621,  ussan 
O  2568)  nicht  übergangen  werden  sollen.  —  §  145.  Da  in  §  122  auf  die 
Eigennamen  der  Fr.  H.  Bttcksicht  genommen  war,  hätte  auch  das  z  in  den  Kose- 
formen auf  'XO  erwähnt  werden  können.  —  Auch  in  der  Nominalflexion  wäre 
ein  einleitendes  zusammenfassendes  Gapitel  über  die  Flexionsendungen  im  All- 
gemeinen, und  besonders  über  das  Yerhältniss  desselben  in  den  einzelnen 
Heliandhss.  sehr  erwünscht.  Dadurch  hätt«  manche  Wiederholung  erspart  werden 
können  und  die  Darstellung  wäre  übersichtlicher  geworden.  Auf  die  Mängel  in 
der  Anordnung  der  Endungen  innerhalb  der  einzelnen  Paradigmen  ist  schon  oben 
hingewiesen.  —  §  157.  Über  das  Yerhältniss  Ton  -es  zu  -as,  -e  zu  -a  in  den 
Heliandhss.  und  Übrigen  Denkm.  s.  Unt.,  Exe.  VTII;  über  -os,  -as,  -a,  -e  ib., 
S.  102  ff.  —  Vermisst  wird  eine  Bemerkung  über  die  wichtigen  flexionslosen 
Formen  hus,  -hem,  morgan  u.  s.  w.  Anm.  2.  -o  im  Instr.  hat  auch  C,  und 
M  nicht  nur  2910  s.  Unt,  S.  173.  —  Anm.  5.  -^^m  ist  in  M  im  Ganzen  14  mal, 
-om  9  mal  zu  belegen,  s.  Unt.,  S.  153  f.  —  Über  den  dat.  pl.  auf  -an  in  C 
sagt  G.  nichts;  ebenso  nichts  über  den  g.  pl.  auf  -a.  —  §  158,  Anm.  1.  gaflie 
ist  n.  pl.  =  lat.  furciUae  (Gl.  II,  725,  6).  —  §  162.  Den  instr.  kirdie  weiss 
ich  nicht  zu  belegen.  —  Anm.  1,  dukiras  (Gl.  II,  717,  32)  ist  pl.  —  §  166. 
Bei  eo  hätte  der  in  M   mehrfach  zu  belegende  dat.  sg.  eo  nicht  fehlen   dürfen. 

—  §  168.  Im  gsg.  fehlt  die  Endung  -o,  s.  Unt.,  Exe.  V.  —  Anm.  1.  Spuren 
des  flexionslosen  nom.  s.  Unt.,  Exe.  VII.  —  Anm.  2,  cledthe  ist  n.  pl.  (Gl.  II, 
726,  12).  —  Anm.  3.  Über  den  dat.  sg.  von  thioda  s.  Unt,  Exe.  VII.  —  Anm.  4. 
ficbane  ist  g.  sg.  —  Anm.  5.  thiadono  kommt  im  Hei.  nicht  vor;  über  den 
g.  pl.  auf  '0  und  -ono  s.  Unt.,  S.  189  ff.  —  §  170.  Im  Paradigma  fehlt 
sundiun  für  den  dat.  pl.  —  Anm.  2.  dat.  sg.  auf  -ie  kommen  nicht  vor.  — 
§  174.  Der  dat.  sg.  seldo  ist  wahrscheinlich  Schreibfehler  (s.  Sievers);  der  dat. 
pl.  lantet  treuuon  1016,  2323,  treuun  nur  291.  —  thiu  ist  ^a-stamm.  — 
§  175.  Anm.  2,  C  4312  gehört  zu  finistriu,  —  Anm.  3.  kopanbandi  Fr.  H. 
553  möchte  ich  trotz  des  vorhergehenden  gibunt  für  acc.  pl.  halten.  —  Anm.  4. 
Der  dat.  pl.  erscheint  in  eldion  {-dun  M)  267;  -e  statt  -i  hat  auch  P  in  dope 
961.  —  §  176.  Es  hätte  erwähnt  werden  sollen,  dass  die  Wörter  auf  -nissi 
ihren  dat.  sg.  auch  nach  der  Analogie  der  neutr.  ^a-stämme  bilden.  —  §  178. 
hugi  passt  schlecht  zum  Paradigma,  da  es  im  pl.  nicht  vorkommt.  —  §  179, 
Anm.  1.  Dtsg.  stida  Fr.  H.  426.  —  §  181.  Über  den  dat.  pl.  skepiun  s.  Unt., 
S.  124.  —  §  182.  Neben  ijourme  sollte  im  dat.  sg.  wegen  uuikti  auch  tourfni 
stehen;  im  dt.  pl.  ist  die  Endung  -in  die  seltenste.  —  Anm.  1.  brande  gehört 
wegen  brandos  (Gl.  II,  582,  52)  nicht  zur  t-decl.  —  §  183.  eldi  gehört  als  pl. 
zu  dem  §  175,  Anm.  2  behandelten  eldi.  —  §  184,  Anm.  1.  4182  hat  M  nicht 
tidis,  sondern  tidio.  —  Anm.  2.  erde  ist  wahrscheinlich  Druckf.  für  ferde  C  2845. 

—  ferde  wie  dade  C  4860  zeigen  die  auch  sonst  noch  in  C  vereinzelt  vor- 
kommende Schwächung  von  auslautendem  -i  zu  -e,  —  gimmlde  M  2889  kann 
dat.  sg.  der  o-decl.  sein.  —  Anm.  3.  uimdiu  {-i  C)  halte  ich  für  den  instr. 
Fem.  —  Anm.  5.  Hier  durfte  die  Form  des  acc.  pl.  dcid  (s.  Heyne,  Glossar) 
nicht  fehlen.  —  Anm.  6.  Die  Zahl  3  für  den  gpl.  auf  -o  in  C.  ist  ganz  falsch ; 
ich  zähle  allein  16  Belege  für  liudo  (leodo).  —  Anm.  7.  Auch  im  dat.  pl.  lässt 
C  zuweilen  das  i  fort,  allein  5  mal  in  liudon,  —  §  185.  Anm.  thesan  uuidun 
uuerold  steht  281  und  5629,  thesan  uuerold  alla  C  5622;  s.  darüber  Unt., 
S.  34.  —  Über  die  Decl.  von  craft  s.  Unt,  S.  216,  über  3071  und  5970  Unt., 
S.  26.  —  §  186.  thionost  ist  doch  wohl  wie  im  ahd.  ntr.  der  o-decl.  —  §  189. 
dat  sg.  auch  -e  in  friie  (-  d  -)  M  2810,  fHihe  (-  d  -)  M  4210.   —  §  193  ff. 


158 

Wegen  der  n^st&iunie  kann  ich  auf  das  in  meinen  ünt.  niedergelegte  Material 
verweisen;  einen  Theil  der  Fehler  in  G.^s  Angaben  habe  ich  schon  in  der  Ein- 
leitung dazu  verbessert.  —  §  193.  Zum  nom.  sg.  fehlt  eine  Bemerkung  über  -a; 
im  gen.  sg.  ist  -en  in  M  nicht  überwiegend;  auch  M  hat  im  dat.  sg.  -an  neben 
-on  und  seltenerem  -en;  für  -ano  im  g.  pl.  ist  -sagano  C  3049  der  Beleg; 
über  das  ganz  vereinzelte  -un  im  n.  pl.  sagt  G.  nichts ;  -an  kommt  im  Heliand 
nur  im  u.  pl.  uuwlogan  0  3816  vor;  im  acc.  pl.  kommt  im  Heliand  weder 
'Un  noch  -an  vor.  —  Die  in  den  Anm.  gegebenen  Belege  für  g.  sg.  frohen  C 
sind  bis  auf  3022  falsch;  an  den  3  genannten  Stellen  steht  frohon.  —  §  195. 
Einen  ^a-stamm  bninnio  anzusetzen  halte  ich  für  gewagt;  hrunnion  C  5473 
hat  wie  miekon  C  2137,  heliihie  C  2200,  sithie  C  5460,  uuüiie  C  4247 
u.  a.  überflüssiges  i.  —  §  196.  Im  Paradigma  fehlt  im  g.  und  d.  sg.  die 
Endung  -an.  —  Anm.  1.  Im  nom.  sg.  findet  sich  -e  22  mal  (nicht  'nur  einmal^) ; 
der  g.  sg.  auf  -on  findet  sich  ausser  der  Freck.  H.,  Ess.  H.  und  Hom.  auch  in 
M. ;  der  d.  sg.  ist  gerade  in  den  meisten  Denkm.  (Beichte,  Ps.-G.,  Str.,  Pmd. 
und  Oxf.  Gl.)  -un,  —  Anm  5.  Für  den  nom.  pl.  sind  die  Zahlen  wieder  falsch : 
-on  in  C  zweimal,  in  M  8  mal;  acc.  pl.  C  1,  M  6  (7)  mal.  —  Anm.  4,  lothon 
ist  nicht  fem.  und  steht  auch  §  194  unter  den  masc. ;  ebenso  gehört  thrufon 
zu  einem  masc.  thrufo,  —  §  197,  gimenOui  kommt  nicht  vor;  der  acc.  gimen- 
thon  86B  gehört  zu  einem  masc.  gimeniho ;  aueh  die  Ansetzung  eines  weibl. 
scatlui,  crampa,  spada  lässt  sich  nicht  rechtfertigen;  copa  heisst  'Kufe'.  — 
§  198,  Anm.  2.  Warum  strengia  'wahrscheinlich  schwach  war\  ist  mir  unklar; 
der  einzige  Beleg  ausser  -strengi  ist  das  vermuthlich  verschriebene  -strengiu 
M  4354.  —  §  201.  Das  einmalige  uucUdandi  C  260  berechtigt  nicht,  das  -i 
ins  Paradigma  zu  setzen.  —  §  207.  dat.  sg.  -en  nur  ganz  vereinzelt  (Schreib- 
fehler?); -an  nur  in  C.  —  -omo  nur  1  mal  {iuuuomo  1573  M),  -umo  existirt 
nicht;  -emo  nur  vereinzelt  in  C.  —  Im  dat.  sg.  f.  sollte  godaru  vor  godaro 
stehen ;  dat.  pl.  -U7n  und  -om.  —  Für  die  kleinen  Abweichungen  im  g.  dat.  sg. 
und  g.  dt.  pl.  der  Paradigmata  von  god  und  helag  ist  kein  Grund  vorhanden; 
-U7nu  kommt  nw  in  M  vor;  almaJUigen  C  476  ist  nicht  starker  dat.;  häufiger 
als  -omo  in  den  kleinen  Denkmälern  ist  der  nicht  erwähnte  Ausgang  -atno,  — 
Anm.  3.  Der  ganz  vereinzelte  n.  pl.  m.  haß  C  5413  genügt  nicht  zur  Auf- 
nahme von  god  ins  Paradigma;  ebensogut  hätte  wegen  open  M  3078  god  für 
n.  pl.  f.  angesetzt  werden  können;  „in  C  öfter  a"  stimmt  nicht  mit  der  That- 
sache,  dass  7iur  einmal  ein  nom.  pl.  fnioknie  3846  vorkommt;  über  den  g.  pl. 
auf  -ra  sagt  G.  nichts.  —  §  209.  tnanag  geht  gerade  nicht  wie  hekig.  — 
§  212.  Im  Paradigma  fehlt  zum  dt.  sg.  hlithiun.  —  Anm.  1.  -on  einigemale 
in  C  und  M  s.  Unt.,  S.  141 ;  das  von  G.  allein  angeführte  tuiflon  M  1896  halte 
ich  für  den  Inf.  —  §  216.  Über  -a  im  n.  sg.  sagt  G.  nichts;  im  g.  dt.  sg.  ist 
-on  die  häufigste  Endung;  für  -in  könnte  nur  haftin  geltend  gemacht  werden, 
das  aber  ebensogut  starker  dt.  sein  kann  (Schreibf.  für  haftmi).  —  Im  nom. 
ntr.  ist  -e  nicht  an  erster  Stelle  zu  nennen,  da  es  hauptsächlich  nur  in  M  vor- 
kommt; im  acc.  nicht  god^,  da  -o  nur  vereinzelt  in  C  begegnet;  im  nom.  fem. 
ist  -o  (4354  M)  zu  vereinzelt,  um  ins  Paradigma  aufgenommen  zu  werden;  -e/ii 
im  gen.  sg.  kommt  überhaupt  nicht  vor.  —  §  218.  n.  sg.  f.  griotandi  C  5914; 
n.  pl.  m.  und  fem.  wären  die  nicht  seltenen  Formen  anf  -i  zu  erwähnen,  z.  B. 
masc.  C  5672.  5872.  fem.  C  5741.  5744.  —  §  221.  'Die  anderen  Casus  haben 
in  C  meist  -un^^  doch  nur  im  fem.,  und  auch  hier  öfter  -on;  im  masc.  gen.  -on, 
dat.  unbelegt,  acc.  -an  und  -on,  — 

In  folgendem  Verzeichniss  von  Schreib-  oder  Druckfehlern  stelle  ich  die 
richtigen  Formen  voran.  So  muss  es  z.  B.  heissen:  S.  Y  Madan  stAÜ  Madhan; 
S.  2,  §  3,  Anm.  1,  Beitr.  XH,  356  statt  287.  —  S.  6,  §  12.  i  für  iu  8.  §  48 


159 

Anm.  1  statt  Anm.  2.  —  S.  6,  §  12.  t  aas  in  %  31,  Anm.  3  (giebts  nicht!).  — 
S.  7,  §  13.  ia  aus  eo  b.  %  49,  50  statt  59,  50.  —  S.  7,  §  13.  ie  =  germ.  ai 
%  41,  Anm.  1  statt  2.  —  S.  7,  §  13  tu  in  mw  fehlt  die  Nr.  des  §.  —  S.  11, 
§  30  a)  2.  n.  3.  imper.  sg.  streiche  *n.  3/ ;  gi%  statt  pf  C  1067.  —  Beitr.  IX, 
535  ff.  .statt  539.  —  S.  12,  §  30  c)  »idu  statt  suia;  Anm.  1,  sebun  statt 
söbwn.  —  Anm.  3.  Das  Citat  Beitr.  XTI,  380  ist  falsch.  —  §  31.  Das  Citat 
Beitr.  XIII,  120  ist  falsch.  —  S.  13,  §  32 :  §  241  statt  §  242.  —  §  33  tunga 
statt  tungo,  —  S.  15,  §  36:  Das  Citat  muss  heissen:  Beitr.  XI,  27.  —  ivfg  steht 
2944  statt  2943.  —  landmegun  statt  -megin;  getmedea  steht  M  1665  statt 
1605;  1672  steht  geuuädi  M.  —  S.  16,  §  37  aiidraediyi  steht  C  2252  statt 
C  225.  —  S.  19.  §  43,  Anm.  2.  herohode  statt  berohode,  —  §  44.  Germ.  XXXI 
statt  XXX.  —  §  48,  teoh  steht  3203  statt  3201.  —  S.  20,  §  48,  Anm.  1, 
kodeon  statt  leodion,  —  §  49,  Anm.  2,  C  4431  statt  443.  —  5078  steht 
thitido.  —  S.  22,  §  55:  -beri  statt  bere.  —  §  58,  1)  Anm.:  C  5802  statt  5803. 

—  4)  biru  statt  beru,  —  S.  23,  §  59 :  forhti  statt  fm'Üd,  —  S.  25,  §  69 : 
geiiniberd  statt  getimberid.  —  S.  26,  §  70:  701  suuefne,  C  suefna,  —  §  71: 
C  3450  giriutian  statt  gariutmn.  —  S.  28,  §  72.  Z.  9  v.  unten  Jangsammie 
statt  -a;  Z.  8  v.  unten  C  4527  statt  4427.  —  S.  29,  §  74:  afsuobun  statt 
afswohun]  C  atistiohun  statt  answobun.  —  §  78:   Beitr.  VI,   208  statt  207. 

—  S.  30,  §  84:  C  4663  fullistiu;  C  4679  fuUestie,  M  4663  fullestiu.  — 
S.  31,  §  86:  M  189  steht  forseJieu.  —  S.  32,  §  89:  wonon  statt  wönon.  — 
S.  33,  Z.  2 :  C  4693  statt  4593.  —  S.  34,  §  95 :  ftelend^ro   3558   statt   3559. 

—  S.  35,  §  98:  Ödil  statt  odeL  —  S.  35,  §  99:  mft&r  (-ur  M)  3301  statt 
saßer,  —  S.  35,  §  100:  unbidcrbi  M  5039  statt  -bi;  sliunio  M,  sniumo  0 
statt  sliumo  C,  sniumo  M  cf.  §  98  Anm.  —  S.  36,  §  103,  Anm.  2.  C  646 
statt  146.  —  §  104.  Wfl])an?  statt  wajmon.  —  S.  37,  §  106  statt  §  105.  — 
S.  38,  §  109  a):  Beichte  38  statt  32.  —  b)  frübrean  statt  frobrean\  fruohro 
statt  fr6bro\  frofre  statt  fr6fra\  diuvilo  statt  dmvido.  —  c)  1/L  stiebanos  688; 
streiche  „und  swefnos'^,  füge  hinzu  siiefna  C,  suuefne  M  701.  —  S.  39,  §  112: 
tfiTuHgens  statt  tkruhtigens,  —  §  113:  affieffian  C  4324  statt  alieffian.  — 
S.  41,  §  116.  Die  Verweisung  auf  §  36  ist  falsch;  die  Citate  sind  durch  man- 
gelhafte Interpunktion  falsch  geworden:  tekean  steht  844  und  1212,  gis])rek^an 
164,  be^prekean  1703,  gisprokean  375.  —  S.  44,  §  127  mohtig  C  817  statt 
807.  —  S.  45,  §  131  a)  zu  1739  M  fehlt  der  Beleg  .(/c^eöwi;  aslaan  steht  1906 -, 
sean  2359;  3158  steht  giseen.  —  S.  47,  §  136,  ensetlian,  ensedlion  statt 
enseüum,  ensedlion.  —  S.  54,  §  155:  §§  137,  151  statt  §§  150,  152.  — 
S.  56,  §  158:  sceming  statt  scJieming.  —  S.  57,  §  160:  giscapu  stAtt  giscepu. 

—  S.  66,  §  185,  Anm.,  gikrund  M  2476  statt  2477.  —  §  186  thionost  steht 
2905.  —  S.  70,  §  197:  luthara,  lohn  soll  vielleicht  das  nnd.  Muhre'  sein?  — 
§  198  leccia  statt  leeeio]  lungandian  statt  lungandiun,  —  S.  71,  §  201,  Anm. 
Z.  2  streiche  *nom.  pl.'  —  S.  75,  §  213:  edili  statt  edeli;  awoti  ^t^tt  soti,  — 
S.  78,  §  220:  swotera  statt  sotera,  —  §  221,  Z.  3  von  unten  Beitr.  IV,  346 
statt  VI,  346. 

DORPAT.  W^.  Schlüter. 


v^*    V*    iPfi*  *^>*""r** 


Jahrbuch 


des 


Yereins  fllr  niederdentscbe  SpracMorscbung. 


Jahrgang  1892. 


xvm. 


i>:»»i5»>i3=t=<;i^««>sz< 


HORDEH  und  LEIPZIG. 

Diedr.  Soltau's  Verlag. 
1893. 


1 


Druck  von  Diedr.  äoltau  in  Norden. 


Inhalt. 


Seite 

Karl  Ernst  Hermann  Krause.     Von  Karl  Koppmann 1 

Niederdeutsche  und  niederländische  Volksweisen.     Von  Johannes  Bolte     15 

I.  Das  Lied  von  der  hlanen  Flagge 15 

n.  Eine  niederländische  Melodie  des  Siebenspmnges 16 

m.  Pierlala 17 

IV.  Drinck  Liedeken 18 

Der  Kaland  des  Pfaffen  Konemann.     Von  K.  Euliug 19 

Schatrowe  im  Sachsenspiegel,  Lehnrecht  IV,  1.     Von  C.  Walther    .     .     .     61 

Löven  *sich  belauben'.     Von  C.  Walther 67 

Die  Bechtsaufzeichnungen  in  niederdeutscher  Sprache.  Von  H.  Jellinghaus  71 
Ein  bremisches  Pasquill  aus  dem  Jahre  1696.     Von  J.  Fr.  Iken      .     .     .     79 

Lantstand  der  Glückstädter  Mundart.     Von  J.  Bernhardt 81 

Marienklage.     Von  B.  Priebsch 105 

Ein  viertes  Blatt  aus  dem  niedersächsiachen  Pfarrherm  von  Kaienberg.    Von 

B.  Priebsch 111 

Zum  Crane  Bertholds  von  Holle.     Von  J.  Bolte 114 

Rollenhagen  über  mundartliche  Aussprache.  Von  W.  Seelmann  .  .  .120 
Niederdeutsche  Fibeln  des  15.  und  16.  Jahrhundert«.  Von  W.  Seelmann  124 
Zu  den  Königsberger  Pflanzenglossen  im  Ndd.  Jahrbuch  XVn,  81  ff.     Von 

C.  Walther 130 

Die  mittelniederdeutschen  langen  o.     Von  W.  Seelmann 141 

Zur  altsächsischen  Grammatik.     (Anzeige.)    Von  W.  Schlüter    .     .     .     .  160 


Karl  Ernst  Hernnann  Krause, 

Biographische  Skizze. 


Der  Verein  für  niederdeutsche  Sprachforschung  hat  durch  den 
Tod  seines  Vorsitzenden,  des  Herrn  Direktor  Dr.  Krause,  einen  schweren 
Verlust  erlitten.  Wie  die  Mitglieder  wünschen  werden,  über  den  Studien- 
gang und  die  Lebensgeschichte  des  verehrten  Heimgegangenen  Näheres 
zu  erfahren,  so  empfindet  es  der  ihm  befreundete  Studiengenosse  als 
eine  Ehrenpflicht,  ihm  ein  schlichtes,  warm  und  wahr  gezeichnetes 
biographisches  Denkmal  zu  errichten.  Schwer  wird  mir  die  Lösung 
der  Aufgabe  dadurch,  dass  das  Wirken  Krauses  ein  sehr  vielseitiges 
war  und  teilweise  Gebieten  angehört,  die  mir  völlig  fremd  sind,  und 
dass  unter  seinen  ungemein  zahlreichen  litterarischen  Arbeiten  sich 
keine  Hauptwerke  darbieten,  die  für  die  Skizzirung  seiner  Thätigkeit 
auf  dem  betreflPenden  Felde  zum  natürlichen  Mittelpunkt  dienen  könnten. 
Dazu  kommt,  dass  ich  zwar  schon  seit  dem  Jahre  18G6  mit  Krause 
korrespondirt  habe  und  ihm  gleich  bei  meinem  ersten  Besuche  Rostocks 
im  Jahre  1869  in  Folge  der  Herzlichkeit,  mit  der  er  dem  jüngeren 
Fachgenossen  entgegen  kam,  näher  getreten  bin,  aber  nur  die  letzten 
7^/2  Jahre  an  einem  und  demselben  Orte  mit  ihm  durchlebt  habe. 
Andererseits  ist  mir  von  seinen  Angehörigen  ein  Material  zur  Ver- 
fügung gestellt  worden,  das  es  mir  ermöglicht,  wenigstens  auf  die 
meisten  und  wichtigsten  Fragen  nicht  nur  überhaupt,  sondern  bald 
mit  seinen  eigenen  Worten,  bald  unter  Anführung  urkundlicher  Zeug- 
nisse antworten  zu  können.  Zu  besonderem  Danke  verpflichtet  fühle 
ich  mich  Herrn  Ludwig  Krause,  der  mich  durch  ein  sorgfältig 
gearbeitetes  Verzeichnis  sämmtlicher  ihm  bekannt  gewordenen  Aufsätze 
seines  Vaters  sehr  wesentlich  unterstützt  hat. 

Karl  Ernst  Hermann  Krause  wurde  1822  Sept.  10  in  der  han- 
noverschen Stadt  Northeim  geboren.  Der  Vater,  Louis  Krause,  war 
Offizier  jener  englisch-deutschen  Legion  gewesen,  die  sich  nach  der 
Konvention  von  Artlenburg  (1803  Juli  5)  und  der  Auflösung  des  ehe- 
maligen kurhannoverschen  Heeres  gebildet  hatte,  und  stand  nunmehr 
als  Rittmeister  im  hannoverschen  3.  Husaren-Regimente  zu  Northeim. 
Bis  zu  seinem  15.  Jahre  besuchte  Krause  das  Progymnasium  seiner 
Vaterstadt  und  erlernte  bei  den  Lehrern  Gödecke,  Gieren  und  Deecke 
die  Elemente  des  Lateinischen,  des  (xriechischen  und  der  Mathematik. 

Nied«rd«iiUoh«s  Jahrbuch.    XVIU.  1 


Dann  sandte  ihn  der  Vater,  der  für  den  ältesten  seiner  Söhne  das 
Einschlagen  einer  wissenschaftlichen  Laufbahn  wünschte,  auf  das 
Pädagogium  zu  Ilfeld.  Durch  den  damaligen  Rektor  Windasch  Michaelis 
1837  als  Alumnus  aufgenommen,  befleissigte  er  sich,  abgesehen  von 
den  alten  Sprachen,  insbesondere  der  Mathematik,  die  durch  den 
Konrektor  Hagen  gelehrt  wurde.  Als  er  die  Anstalt  Ostern  1841  mit 
dem  Zeugnis  der  Reife  verliess,  schrieb  Hagen  am  25.  April  an  den 
Vater;  ;,Ihr  Sohn  ist  unter  11  Abiturienten  nur  noch  mit  einem  Ein- 
zigen von  den  Uebrigen  ausgezeichnet  worden  und  es  fehlte  nur  wenig, 
dass  er  den  ersten  Grad  des  Zeugnisses  bekam.  Die  ganze  geistige 
und  was  noch  mehr  ist  die  sittliche  Haltung,  die  er  bei  manchen 
Versuchungen  hier  standhaft  behauptet  hat,  scheint  sichere  Bürgschaft 
zu  gewähren,  dass  er  auch  seine  Universitätsjahre  gut  anwendet,  und 
erregt  die  froheste  Hoffnung  fiii-  seine  Zukunft.  —  Er  hat  ein  ent- 
schiedenes Talent  für  die  Mathematik,  und  ich  habe  ihm  entschieden 
dazu  gerathen,  diese  Wissenschaft  auf  der  Universität  weiter  zu 
studieren,  auch  hatte  er  Neigung  dazu,  und  desswegen  riet  ich,  er 
solle  Philologie  studieren,  jedoch  die  Mathematik  besonders  treiben, 
sodass  er  einst  etwa  die  Stelle  eines  Mathematikers  an  einem  Gymnasium 
oder  Realschule  einnehmen  könnte.  Männer  von  diesem  Fache  sind 
noch  immer  sehr  gesucht,  und  fast  sicher  ist  darauf  zu  rechnen,  dass 
ein  solcher  zeitig  eine  ehrenvolle  Anstellung  finden  wird.^ 

Krause  selbst  hatte  ursprünglich  Medizin  zu  studieren  beabsichtigt 
und  mit  Vorliebe  auf  den  Wieterbergen  bei  Northeim  und  im  Harz 
Botanik  und  Mineralogie  getrieben,  obwohl  ihm  niemals  Unterricht 
in  diesen  Wissenschaften  erteilt  worden  war.  Dem  Rate  Konrektor 
Hagens  folgend,  Hess  er  sich  jedoch  Ostern  1841  auf  der  Universität 
Göttingen  als  Student  der  Philologie  und  Mathematik  immatrikuliren. 
Aber  schon  im  ersten  Semester  gab  er  sich,  ohne  die  Mathematik 
zu  vernachlässigen,  vorzugsweise  den  philologischen  Studien  hin.  Lehrer 
waren  ihm  unter  Andern  Mitscherlich,  Schneidewin,  von  Leutsch, 
Wieseler  und  Hermann.  Insbesondere  waren  es  die  beiden  Letzt- 
genannten, ^der  Kunstkenner  des  Alterthums  Dr.  Wieseler'',  dessen 
philologischer  Societät  Krause  angehörte,  und  ^der  hochgelehrte,  dabei 
practisch  scharfe  und  mitten  im  Leben  stehende  Dr.  K.  Fr.  Hermann^, 
denen  er  für  seine  geistige  Entwickelung  am  meisten  zu  verdanken 
glaubte,  Hermann  namentlich  sowohl  als  Leiter  des  philologischen 
Seminars,  dessen  Mitglied  Krause  zwei  Jahre  lang  war,  wie  auch  als 
alleinigem  Direktor  des  damals  zuerst  für  Philologen  und  Mathematiker 
neubegründeten  pädagogischen  Seminars ,  in  dessen  theoretische 
Abtheilung  aufgenommen  zu  werden  ihm  für  sein  viertes  Studienjahr 
vergönnt  war.  In  seinem  achten  akademischen  Semester  bestand  er 
vor  der  wissenschaftlichen  Prüfungskommission  zu  Göttingen  sein 
Staatsexamen  in  Philologie,  Geschichte  und  Geographie,  Mathematik. 

Ostern  1845  kehrte  Krause,  da  ihm  eine  Lehrerstelle  sich  nicht 
sogleich  darbot  und  eine  Hauslehrerstelle  nicht  anstand,  in  die  Vater- 
stadt heim.    Hier  erteilte  er  aushülfsweise  für  einen  krank  gewordenen 


Lehrer  in  einer  Bürgerklasse  des  Progymnasiums,  welche  etwa 
00  Schüler  zählte,  seinen  ersten  Unterricht.  Schon  Michaelis  desselben 
Jahres  aber  wurde  er  auf  Grund  des  Ausfalls  seines  Staatsexamens 
zur  zweiten  Abteilung  des  pädagogischen  Seminars  nach  Göttingen 
zurückberufen,  um  unter  der  Leitung  des  tüchtigen  Direktors  Dr.  August 
(ieffei*s  praktisch  am  dortigen  Gymnasium  zu  arbeiten.  Statt  der  vor- 
f^eschriebenen  zwei  Jahre  sollte  er  jedoch  hier  nur  ein  halbes  Jahr 
bleiben.  Drei  Monate  nach  Krauses  Eintritt  hatte  nämlich  der  bis- 
herige Konrektor  zu  Göttingen  Gravenhorst  das  dortige  Gymnasium 
verlassen,  um  einer  Berufung  zum  Professor  an  der  Ritterakademie 
zu  Lüneburg  Folge  zu  leisten,  und  auf  dessen  Empfehlung  hin  wurde 
Krause  zu  Ostern  1846  als  Lehrer  und  Hofmeister  (aufsichtführender 
Lispicient)  an  derselben  Anstalt  angestellt. 

Für  den  damals  erst  Dreiundzwanzig;jährigen  wurde  die  Zeit 
seiner  Wirksamkeit  in  Lüneburg  von  1846 — 1850  in  mehrfacher  Be- 
ziehung bedeutungsvoll.  Seine  Stellung  als  Hofmeister  war  nicht 
leicht,  denn  vorschriftsmässig  hatte  er  als  solcher  eine  ins  Minutiöse 
gehende  Aufsicht  über  die  Eleven  zu  führen  und  zwar  auch  über  die 
Primaner,  deren  ältester  kaum  zwei  Jahre  jünger  als  er  selbst  war. 
Von  den  Fächern,  in  denen  er  in  Göttingen,  hauptsächlich  in  der 
realistischen  Quarta,  unterrichtet,  konnte  er  fiir  die  Tertia  der  Ritter- 
iikademie  Deutsch  und  Latein  beibehalten,  statt  Geschichte  und 
(reographie  musste  er  aber  neben  dem  Griechischen  auch  die  Natur- 
geschichte übernehmen ;  dazu  kam  Mathematik  in  der  Quarta.  Später, 
dii  Professor  Gravenhorst  als  erster  Inspicient  eintrat,  erhielt  Krause 
einen  Theil  des  Unterrichts  in  der  Secunda,  und  als  jener  1848  als 
Reiehstagsabgeordneter  nach  Frankfurt  ging,  musste  er  einen  Theil 
v(m  dessen  Stunden  in  der  Prima  übernehmen.  —  Da  die  Zahl  der 
Unterrichtsstunden  im  Ganzen  eine  geringe  war,  so  hatte  Krause  Zeit, 
sich  wissenschaftlich  weiter  zu  bilden.  Die  alte  Neigung,  die  ihn 
l)enihigt  hatte,  den  naturgeschichtlichen  Unterricht  zu  erteilen,  regte 
ihn  zum  Sammeln  und  Erforschen  der  Heideflora  an.  In  gleicher 
"Weise  übten  auch  die  Schätze  der  Lüneburger  Bibliothek  ihre  An- 
ziehungskraft auf  ihn  aus,  und  neben  der  Beschäftigimg  mit  der 
Spezialgeschichte,  insbesondere  ihrer  kulturhistorischen  Seite,  trat  für 
ihn  das  Studium  der  Muttersprache  und  vornehmlich  des  damals  noch 
so  wenig  gepflegten  Mittelniederdeutschen  in  den  Vordergnmd.  —  Aber 
auch  den  Einwirkungen  der  Zeitverhältnisse  konnte  und  wollte  Krause 
sich  nicht  entziehen.  Als  einflussreiches  Mitglied  des  Lüneburgischen 
Bürgervereins,  dessen  Schriftführer  er  war,  und  als  Mitredakteur  eines 
oppositionellen  Blattes  (Vorwärts,  Limburger  Volkszeitung)  trat  er 
dem  liberal,  aber  specifisch  hannoversch  gesinnten  Ministerium  Stüve 
gegenüber  mit  Wort  imd  Schrift  für  das  Programm  liberal  und  national 
ein,  an  dem  er  sein  ganzes  Leben  hindurch  festgehalten  hat.  Er  war 
ein  entschiedener  Gegner  des  Socialismus,  interessirte  sich  in  Folge 
dessen  lebhaft  für  die  Arbeitervereine  —  der  zu  Lüneburg  hatte  ihn 


1849  zu  seinem  Präsidenten  elf  wählt  —  und  war  auf  das  Eifrigste 
für  die  Beschaffung  guter  Volksbibliotheken  thätig,  indem  er  die 
Ansicht  verfocht,  dass  die  Gewöhnung  an  eine  gediegene  Nahrung  des 
Geistes  und  die  daraus  erwachsende  nationale  Bildung  die  einzig  wirk- 
same Waffe  in  dem  Kampf  gegen  den  gerade  durch  seine  Unklarheiten 
fanatisirenden  Socialismus  sei.  Durch  diese  seine  Anteilnahme  an  den 
politischen  imd  socialen  Fragen  war  Krause  in  Lüneburg  in  weiten 
Kreisen  bekannt  und  geschätzt.  ^Jeder  Lüneburger^,  konnte  er  im 
Juli  1849  an  einen  seiner  Oheime  schreiben,  der  mit  seiner  politischen 
Richtung  und  insbesondere  mit  deren  Bethätigung  in  der  Oeffentlich- 
keit  nicht  einverstanden  war,  „Jeder  Lüneburger  wird  Dir  meinen 
Namen  mit  Achtung  nennen,  selbst  die  Gegner  alle,  falls  sie  nicht  zu 
den  „Extremen"  gehören." 

Als  im  Jahre  1850  die  Ritterakademie  zu  Lüneburg  aufgehoben 
wurde,  ward  Krause,  der  sich  zwei  Jahre  vorher  entschieden  gegen 
die  Zulässigkeit  von  Pädagogien  ausgesprochen  hatte  (Blätter  für  das 
gesammte  Schulwesen  des  Hannoverschen  Landes,  1848),  an  das  Gym- 
nasium zu  Stade  versetzt.  Anfangs  war  er  Hauptlehrer  der  ersten 
Realklasse  und  unterrichtete  im  Französischen,  Lateinischen  und 
Deutschen,  dann  der  humanistischen  Tertia,  in  der  er  Deutsch,  Lateinisch 
und  Griechisch  lehrte.  Ausserdem  erteilte  er  wechselnd  in  der  zweiten 
Realklasse  und  der  Quarta  Unterricht  in  Latein,  Geschichte,  Geographie 
und  Naturgeschichte,  ständig  in  der  Secunda  in  Latein,  Griechisch, 
Geschichte  und  Geographie  und  wiederholt  stellvertretend  für  den 
erkrankten  Direktor,  Vierteljahrs-  oder  halbjahrsweise,  in  der  Prima 
in  Latein,  Griechisch,  Deutscher  Litteratur  und  Aufsatz.  Später  rückte 
er  zum  ersten  Konrektor  auf,  war  Ordinarius  der  Tertia  und  unter- 
richtete ständig  in  der  Prima  im  Deutschen  und  im  Lesen  der  griechischen 
Dichter.  Daneben  hatte  er  etwa  6  Jahre  lang  die  Leitung  des  Turn- 
unterrichts und  auch  die  Schulbibliothek  stand  unter  seiner  Verwaltung. 
—  Trotz  dieser  Vielseitigkeit  der  Lehrthätigkeit  fand  Krause  Zeit, 
die  verschiedenartigen  Arbeitsfelder,  die  er  sich  in  Lüneburg  aus- 
ersehen, mit  Energie  zu  bestellen.  Die  Kenntnis  der  Botanik  wurde 
durch  das  Studium  der  Wasser-  und  Moorpflanzen  in  der  Umgegend 
Stades  erweitert.  In  Petermanns  Geographischen  Mittheilungen  äusserte 
er  sich  über  den  Höhenrauch  (1858)  und  berichtete  über  Ergebnisse 
der  damals  bei  Stade  vorgenommenen  Bohrungen  (1858:  Ein  neuer 
Gypsstock  im  Nordwestdeutschen  Tiefland,  1859:  Der  Gypsstock  bei 
Stade;  Bohrungen  bei  Warstade).  Von  der  fortgesetzten  Pflege  der 
Muttersprache  und  der  Beschäftigung  mit  der  deutschen  Litteratur 
zeugen  einestheils  die  praktischen  Zwecken  dienende  ^Kurze  hoch- 
deutsche Sprachlehre",  die  zu  Stade  1855  in  erster,  1882  in  fünfter 
Auflage  erschien,  anderntheils  die  Beiträge,  um  deren  willen  ihn  die 
Gebrüder  Grinmi  unter  den  Sammlern  für  das  deutsche  Wörterbuch, 
Kosegarten  unter  den  Beihelfem  zu  seinem  Wörterbuch  der  nieder- 
deutschen Sprache  aufführten.  Der  am  besten  beackerte  und  ergiebigste 
Boden  seiner  wissenschaftlichen  Thätigkeit  wurde  aber  die  Geschichte. 


5 

Neben  den  älteren  Historikern  wurden  auch  Urkunden  studiert,  ausser 
den  städtischen  diejenigen  des  Erzstiftes  Bremen,  die  sich  damals 
noch  im  Aelteren  Kgl.  Regierungsarchiv  zu  Stade  befanden ;  Denkmal- 
Inschiiften  wurden  entziffert  und  auch  die  Altertümer  wurden  in  den 
Forschungsbereich  hereingezogen.  Als  Schulprogramm  erschienen  1856 
die  „Beiträge  zur  Geschichte  Stades"  (eine  Bearbeitung  des  Stader 
Stadterbebuchs  von  1286),  als  Gelegenheitsschrift  1858  ;,Der  Stader 
Aufruhr  wider  Andreas  Bück  1376'',  in  der  Zeitschrift  des  historischen 
Vereins  für  Niedersachsen,  Jahrgang  1863,  der  Aufsatz  „Zu  den 
Gräflich  Schwerin'schen  Besitzungen  am  linken  Eibufer  und  zur 
Topographie  und  Eintheilung  des  Alten  Landes".  Im  Jahre  1857  trat 
zu  Stade  der  „Verein  für  Geschichte  und  Altertümer  der  Herzog- 
thümer  Bremen  und  Verden  und  des  Landes  Hadeln"  zusammen, 
dessen  Seele  Krause  war;  gleich  zu  Anfang  zum  Schriftführer  und 
Archivar  erwählt,  gab  er  1863  und  1865  das  „Archiv"  heraus  und 
steuerte  seinerseits  zu  demselben  eine  Reihe  grösserer  und  kleinerer 
Arbeiten  bei,  von  denen  hier  nur  die  Veröffentlichung  eines  kultur- 
geschichtlich hoch  interessanten  Buches  der  Lade  des  Schlachteramtes 
aus  dem  14.  Jahrh.  und  die  urkundlichen  Beiträge  zur  Geschichte  des 
Landes  Wursten  im  16.  Jahrh.  genannt  werden  mögen.  —  Seiner 
Neigung,  sich  an  den  Fragen  des  praktischen  Lebens  zu  beteiligen, 
bot  sich  vielfache,  bereitwillig  ergriffene  Gelegenheit.  Er  war  ein 
thätiges  Mitglied  der  national-liberalen  Partei,  schrieb  regelmässige 
Korrespondenzen  für  die  Weser-Zeitung  und  war  fleissiger  Mitarbeiter 
wie  am  Stader  Wochenblatt  (1857 — 1860,  Stader  Wochenblatt  und 
Anzeiger  1860—1861)  und  am  Bremer  Sonntagsblatt  (1833 — 1839), 
so  auch  an  dem  von  Robert  Prutz  herausgegebenen  Deutschen  Museum 
(1856 — 1859).  Für  die  Mützeirsche  Zeitschrift  für  das  Gymnasial- 
wesen schrieb  er  über  die  Gehaltsverhältnisse  der  hannoverschen  Lehrer 
(Jahrg.  12,  1858;  Jahrg.  13,  1859);  bei  der  Umänderung  der  bis- 
herigen von  1840  stammenden  Schulgesetze  des  Stader  Gymnasiums 
wurde  er  von  der  dazu  eingesetzten  Kommission  mit  der  Redaktion 
des  neuen  Entwurfs  beauftragt  und  in  einer  Kommission  für  Erbauung 
einer  Turnhalle  führte  er  den  Vorsitz.  Auch  dem  Vorstande  des  Handels- 
vereins gehörte  er  als  Mitglied  an. 

Im  Jahre  1857  hatte  sich  Krause  um  die  Direktor- Stelle  der 
höheren  Bürgerschule  beworben,  die  damals  in  Bremerhaven  gegründet 
werden  sollte;  die  Verhandlungen  hatten  sich  jedoch  zerschlagen,  da 
die  in  Betreff  der  Organisation  gemachten  Voraussetzungen  sich  als 
unzutreffend  erwiesen.  In  dem  zu  dieser  Bewerbung  nachgesuchten, 
vom  hannoverschen  Ober-Schul-KoUegium  am  11.  Oktober  1857  aus- 
gestellten und  vom  Oberschulrath  Dr.  Kohlrausch  unterzeichneten 
Zeugnis  heisst  es  folgendermassen:  „Der  Konrektor  Krause  .  .  hat  .  .  . 
während  seiner  Anstellung  zu  einem  der  wirksamsten  und  praktisch 
bewährtesten  Schulmänner  Unseres  Vei'waltungskreises  sich  ausgebildet. 
Seine  Brauchbarkeit  erstreckt  sich  über  einen  grossen  Theil  der  Lehr- 


6 

gegenstände  einer  höheren  Schule  und  es  kann  ihm  der  Unterricht  in 
den  alten  Sprachen,  im  Deutschen,  in  Geschichte,  Geographie  und 
Mathematik  mit  vollem  Vertrauen  ühertragen  werden.  —  Sein  Unter- 
richt zeugt  von  Giündlichkeit  des  Wissens  und  von  natürlicher  Lehr- 
gabe, von  Lebendigkeit  des  Geistes  und  von  Gewandtheit  des  Vor- 
trages ;  seine  Methode  beurkundet  den  denkenden  und  geül)ten  Lehrer. 
Zur  Handhabung  der  Disciplin  besitzt  er  die  erforderliche  Autorität 
und  es  haben  ihm  auch  die  zahlreichsten  Klassen  in  dieser  Hinsicht 
keine  Schwierigkeiten  gemacht.  —  Bei  der  dem  Konrektor  Krause 
innewohnenden  Einsicht  in  den  Organismus  der  Schulen,  bei  dem  Eifer 
und  der  Gewissenhaftigkeit,  womit  er  dem  Lehrerberufe  lebt,  bei  der 
Festigkeit  seines  Charakters  und  den  empfehlenden  Eigenschaften 
seiner  Persönlichkeit  können  Wir  nicht  zweifeln,  dass  derselbe  eine 
höhere  Bürgerschule  mit  Geschick,  Energie  und  glücküchem  Erfolge 
leiten  und  als  Vorsteher  die  richtige  Stellung  zu  Mitlehrern,  Schülern 
und  Eltera  einnehmen  werde."  —  Wie  hoch  man  Krause  in  Hannover 
als  Direktor  schätzte,  erhellt  auch  aus  dem  Umstände,  dass  der  Schul- 
rath  Schmalfuss  sich  bemühte,  den  1865  nach  Rostock  Uebergesiedelten 
wiederzugewinnen  und  bei  dieser  Gelegenheit  am  11.  September  1868 
an  ihn  schrieb :  „Sie  gehören  zu  denjenigen  unserer  Directoren  (lassen 
Sie  mich  Sie  noch  zu  den  Unsrigen  zählen!),  denen  ich  die  Kraft  und 
die  sonst  noch  erforderlichen  Eigenschaften  zutraue,  um  das  Andreanum 
in  Hildesheim,  eine  der  schwierigsten  und  zahlreichsten  Anstalten  in 
unserm  Lande,  sicher  lenken  zu  können." 

Die  Uebersiedelung  von  Stade  nach  Rostock  wurde  dadurch  ver- 
anlasst, dass  der  hiesige  Rath  an  den  Oberschulrath  Dr.  Kohlrausch 
das  Gesuch  gerichtet  hatte,  ihm  geeignete  Kräfte  für  die  Neubesetzung 
des  Direktorats  der  Grossen  Stadtschule  zu  empfehlen,  und  auf  Gnind 
der  von  diesem  erhaltenen  Auskunft  die  Berufung  an  Krause  hatte 
ergehen  lassen.  Am  24.  April  1805  fand  zu  Rostock  der  Austritt 
des  bisherigen  langjährigen  Direktors,  des  Prof.  Dr.  Gottlob  Ludwig 
Ernst  Bachmann,  und  die  Einführung  des  neuen  Direktors  durch  den 
wortführenden  Bürgermeister  Dr.  Crumbiegel  statt.  Gleichzeitig  trat 
auch  der  Kondirektor  Dr.  Mahn  von  der  Mitleitung  der  Schule  zurück 
und  nacli  einem  halben  Jahre  wurde  der  Kondirektor  Dr.  Busch  eben- 
falls in  den  Ruhestand  versetzt.  Für  die  (Charakteristik  der  bisherigen 
Verhältnisse  der  Anstalt,  deren  Leitung  und  Neugestaltung  Krause 
anvertraut  worden  war,  wird  die  Aniuhmng  der  lieiden  Thatsachen 
genügen,  dass  erstens  das  sogenannte  Disciplinar-Direktorium  schon 
vor  20  Jahren  von  Direktor  Bachmann  abgetreten  und  Anfangs  durch 
Kondirektor  Dr.  Mahn,  seit  1846  durch  den  nunmehr  ebenfalls  zum 
Kondirektor  ernannten  Dr.  Busch  verwaltet  wurde,  und  dass  zweitens 
einer  der  ersten  Schritte  des  neuen  Direktors  darin  bestand,  das  bisher 
übliche  Diktiren  abzuschaffen  und  durch  die  Einführung  von  Lelir- 
und  Uebungsbüchern  zu  ersetzen.  Wollte  ich  versuchen,  die  Neu- 
gestaltung des  höheren  Schulwesens  in  Rostock,   die  zunächst  Krause 


verdankt  wird,  näher  darzulegen,  so  würde  ich  den  Ralimen  einer 
biographischen  Skizze  verkennen,  die  zunächst  für  die  Mitglieder  des 
Vereins  für  niederdeutsche  Sprachforschung  entworfen  sein  soll.  In 
aller  Kürze  kann  nur  gesagt  werden,  dass  aus  der  Grossen  Stadtschule, 
die  bei  Krauses  Antiitt  aus  4  Gvmnasial-,  3  Real-  und  3  kombinirten 
Klassen  bestand,  zwei  von  einem  gemeinsamen  Direktor  geleitete 
Anstalten,  das  Gymnasium  und  das  Realgymnasium  (bis  1884  Real- 
schule I.  Ordnung)  geworden  sind,  von  denen  sich  18()7  die  unter 
eigenem  Direktorat  stehende  Höhere  Bürgerschule  abgezweigt  hat. 
Näheren  Aufschluss  über  die  Organisation  geben  die  in  den  Schul- 
programmen abgednickten  Lehrpläne,  die,  da  das  Schulwesen  Rostocks 
nicht  unter  der  unmittelbaren  Autorität  der  Grossherzoglichen  Regiening 
steht,  von  Krause  direkt  ausgingen.  Wie  von  massgebender  Seite  in 
Rostock  über  ihn  als  Dirigenten  und  Lehrer  geurtheilt  wird,  mag  das 
nachfolgende  Beglückwünschungsschreiben  beurkunden,  das  am  24.  April 
1890  Bürgermeister  und  Rath  an  ihn  richteten. 

„Am  heutigen  Tage,  an  welchem  Sie  vor  25  Jahren  das  Amt 
des  Directors  unserer  Grossen  Stadtschule  übernommen  haben,  blicken 
Sie  zurück  auf  eine  reich  gesegnete  Thätigkeit.  Sie  haben  die  Ihnen 
anvertrauten  beiden  grossen  Schulanstalten,  das  Gymnasium  und  Real- 
gymnasium, mit  ausserordentlichem  Geschick  geleitet  und  auf  das 
Gedeihlichste  verwaltet.  Sie  haben  schwierige  Organisationen  mit 
unermüdlichem  Fleisse  und  grosser  Sachkenntnis  erfolgreich  durch- 
geführt, durch  Ihre  von  seltener  Begabung,  Tüchtigkeit  und  Pflicht- 
treue zeugende  Leitung  die  Zwecke  der  Anstalten,  —  der  Jugend 
Pflanzstätten  der  wissenschaftlichen  Bildung  und  der  Erziehung  zu 
aufrichtiger  Gottesfurcht,  sittlichem  Wandel,  pflichtgetreuer  Arbeit 
und  echter  Vaterlandsliebe  zu  sein,  —  in  vollem  Masse  erreicht.  Als 
Lehrer  haben  Sie  durch  Ihre  pädagogische  Erfahnmg  und  Ihr  reiches 
Wissen  Ihre  Schüler  wesentlich  gefiirdei-t,  und  durch  Ihre  Wahrhaftigkeit, 
durch  Ihren  Charakter,  durch  Ihren  regen  wissenschaftlichen  Sinn  und 
Ihren  Patriotismus  auf  dieselben  vorbildlich  gewirkt.  —  W^ir  danken 
Ihnen  aufrichtig  für  Ihre  treue  langjährige  Arbeit,  die  unserem  Gemein- 
wesen zu  grossem  Segen  gereicht  hat,  und  wünschen,  dass  Gott  Ihnen 
rüstige  Kraft  und  Gesundheit  noch  lange  erhalten,  dass  Glück  und 
Zufriedenheit  Ihre  Lebenstage  verschönern  möge,  und  Ihnen  der  Lohn 
treuester  Pflichterfüllung  in  der  allgemeinen  Achtung  und  Anerkennung 
und  der  dankbaren  Liebe  Ihrer  Schüler  stets  in  reichstem  Masse  zu 
Theil  werde  !^ 

Die  wissenschaftlichen  Arbeiten  Krauses  während  der  27  Jahre 
seines  Lebens  in  Rostock  gehören  —  abgesehen  von  der  Natur- 
geschichte —  der  Philologie,  insbesondere  der  niederdeutschen  Sprach- 
forschung, und    der   Geschichte  an^),  und  seine  Leistungen   in   diesen 

')  Ein  bibliographischer  Beitrag  (Petzholdts  N.  Anzeiger  für  Bibl.  1879,  H.  5 
über  die  erste  Ausgabe  von  Aurogallus^  hebräischer  Grammatik)  wird  von  Krause 
selbst  in  der  AUgem.  Deutschen  Biographie  22,  S.  793  angeführt. 


8 

Wissenschaften  waren  es  auch,  welche  die  Universität  Rostock  ver- 
anlassten, ihn  bei  Gelegenheit  der  Jubelfeier  der  Grossen  Stadtschule 
am  1.  Februer  1880  zum  Doctor  phüosophiae  honoris  causa  zu  er- 
nennen. Das  vornehmste  Forschungsgebiet,  dem  er  immer  mehr  und 
mehr  seine  Arbeitskraft  zuwandte,  war  aber  die  Geschichte.  Wie  er 
in  Stade  dem  historischen  Verein  für  Niedersachsen  (seit  1856  Dez.  31) 
angehört  und  den  Stader  Verein  mitbegründet  hatte,  so  trat  er  in 
Rostock  dem  Verein  für  meklenburgische  Geschichte  und  Altertums- 
kunde bei  (1865  Juli  10)  und  gehörte  zu  den  Mitstiftem  des  1883 
gegründeten  Vereins  für  Rostocks  Altertümer,  dessen  stellvertretender 
Vorsitzender  er  bis  gegen  Ende  des  Jahres  1891  blieb.  Auch  befand 
sich  Krause  unter  denen,  welche  1871  zu  Lübeck  den  Hansischen 
Geschichtsverein  konstituirten.  Zum  korrespondirenden  Mitgliede 
ernannte  ihn  die  Abteilung  des  Künstlervereins  für  Bremische  Geschichte 
und  Altertümer  (1867),  der  Harzverein  (1879),  der  Verein  für 
Hamburgische  Geschichte  (1882),  die  Gesellschaft  für  Geschichte  und 
Altertumskunde  der  Ostseeprovinzen  zu  Riga  (1882),  der  Verein  für 
Lübeckische  Geschichte  und  Altertumskunde  (1890).  Zum  Ehrenmitglied 
erwählt  wurde  er  von  der  Historischen  Gesellschaft  zu  Berlin  (1880), 
vom  Stader  Geschichts-  und  Altertumsverein  (1881)  und  von  der 
rügisch  -  pommerschen  Abteilung  der  Gesellschaft  für  pommersche 
Geschichte  und  Altertumskunde  (1892).  Arbeiten  Krauses  finden  sich 
in  der  Zeitschrift  des  Harz  Vereins  für  Geschichte  und  Altertumskunde 
(Jahrg.  14:  Zu  den  Sangerhausenschen  Gütern  im  Bremischen; 
Jahrg.  21:  Erasmus  Sarcerius),  im  Stader  Archiv  (Bd.  3,  5 — 7,  9,  11, 
insbesondere  die  aus  den  Handschriften  herausgegebenen  geographischen 
Beschreibungen  der  Herzogtümer  Bremen  und  Verden  von  Dietrich 
von  Stade  und  Georg  von  Roth  und  das  durch  G.  J.  H.  von  Bonn 
verfertigte  Lagerbuch  der  genannten  Herzogtümer),  in  der  Zeitschrift 
des  historischen  Vereins  für  Niedersachsen  (Jahrg.  1867:  Hexenprozesse 
im  Gerichte  St.  Jürgen,  Niederende,  1550  und  1551),  im  Jahresbericht 
des  Museumsvereins  für  das  Fürstentum  Lüneburg  (10 — 13:  Zur  Ent- 
wickelungsgeschichte  der  Lüneburger  Sülze),  in  der  Zeitschrift  des 
Vereins  für  Hamb.  Geschichte  (Bd.  5:  Die  Handschrift  von  Mathias 
Reder's  Hamburgischer  Chronik  und  ein  gleichzeitiges  historisches 
Lied)  und  in  dessen  Mitteilungen  (1879,  1881,  1890),  in  der  Zeitschrift 
der  Gesellschaft  für  Schleswig-,  Holstein-,  Lauenburgische  Geschichte 
(Bd.  5:  Nachtrag  zu  den  Ditmarschen  -  Liedern  auf  die  Schlacht  von 
Hemmingstedt,  1500,  und  Bd.  11:  Zur  Ditmarschenschlacht  von  1500), 
in  der  Zeitschrift  des  Vereins  für  Lübeckische  Geschichte  und  Alter- 
tumskunde (Bd.  3 :  Ein  verschollener  Lübecker  Festtag)  und  in  dessen 
Mitteilungen  (1884 — 86,  1888,  1889),  in  den  meklenburgischen  Jahr- 
büchern (Bd.  47 :  Dr.  theol.  Boger  oder  Hinricus  Flexor,  der  Begleiter 
Herzogs  Erich  nach  Italien  1502 — 1504,  und  Der  Leibarzt  Dietrich 
Ulsenius),  in  den  Beiträgen  zur  Geschichte  der  Stadt  Rostock  (H.  2: 
Empfehlungsbrief  des  General  Gallas  für  Rostocker  Seefahrt  nach 
Dünkirchen  und:   Die  Jahrzahlvcrse  am  Südportal  der  Marienkirche), 


9 

in  den  Monatsblättern  der  Gesellschaft  für  Pommersche  Geschichte 
und  Altei*tumskunde  (Jahrg.  3:  Pommern  in  Rostock;  Jahrg.  5:  Die 
.  Glocke  ;,Nachtigall^  des  alten  Rathauses  in  Anklam;  Zum  Pommerschen 
ürkundenbuche ;  Jahrg.  6:  Die  Pommerschen  v.  Peutz),  in  den  Mit- 
teilungen aus  der  livländischen  Geschichte  (Bd.  13:  Dr.  Heinrich  Bogers 
Gedicht  auf  die  Promotion  des  späteren  Erzbischofs  von  Riga  Johannes 
Blankenveld),  in  den  Sitzungsberichten  der  Gesellschaft  für  Geschichte 
und  Altertumskunde  der  Ostseeprovinzen  Russlands  (Jahrg.  1884: 
briefliche  Notizen,  die  vom  Präsidenten  mitgeteilt  worden  waren), 
in  den  Hansischen  Geschichtsblättern  (1879:  Zwei  Lieder  Domanns 
und:  Zu  den  Seeörtem.  Geister,  Gitscho  =  Gedser:  1880 — 1881: 
Zu  den  Bergen'schen  Spielen  und:  Strandvresen ;  1884:  Rostock  im 
Mittelalter;  1885:  Die  Clironistik  Rostocks  und:  Rostocker  historisches 
Lied  V.  J.  1549;  1886:  Die  Rostocker  metallenen  Normalscheffel  und 
das  Eichverfahren  des  Mittelalters  und:  Stagnum,  Das  Baltische  Meer); 
in  den  Forschungen  zur  Deutschen  Geschichte  (Bd.  15:  Ida  von  Els- 
thorpe  und  ihre  Sippe;  Bd.  18:  Die  Gründer  von  Rastede  und  ihr 
Zusammenhang  mit  Ida  von  Elsthorpe  und  dem  Oldenburger  Grafen- 
liause;  Bd.  19:  Der  Chronist  Matthias  Döring;  Dietrich  von  Niem, 
Konrad  von  Vechta,  Konrad  von  Soltau,  Bischöfe  von  Verden  1395 
bis  1407;  Bd.  22:  Nochmals  die  Bischöfe  von  Verden  Dietrich  von 
Niem  und  Konrad  von  Soltau)  und  im  Neuen  Archiv  (Bd.  10:  Zu  den 
Versen  im  Neuen  Archiv  IX,  628;  Bd.  16:  Zu  Widukind  I,  12.) 

Von  besonderer  Bedeutung  für  Krauses  Arbeitsrichtung  wurde 
die  Mitarbeiterschaft,  die  er  zwei  grösseren  Unternehmungen,  der  von 
Rancke  angeregten  Deutschen  Biographie  und  den  Jahresberichten  der 
Geschichtswissenschaft,  widmete.  Mit  lebhaftem  Interesse  durchmusterte 
er  die  Entwürfe  zum  Verzeichnis  derer,  die  in  die  Biographie  auf- 
genommen werden  sollten,  und  die  mit  einem  ausgebreiteten  Wissen 
verbundene  warme  Anhänglichkeit  an  die  Stätten  seines  Aufenthalts, 
Lüneburg,  Stade  und  Rostock,  Hessen  ihn  regelmässig  Männer  auf- 
finden, die  seiner  Meinung  nach  auf  dieser  Deutschen  Ehrentafel  eben- 
falls einen  Platz  verdient  hatten;  immer  bereit.  Hülfe  zu  leisten,  über- 
nahm er  gern  die  ihm  angetragenen  Artikel  und  bewies  in  deren 
schneller  Bearbeitung  sein  Talent  für  die  Sanmilung  der  einschlägigen 
Nachrichten  und  eine  seltene  Energie  in  der  Konception.  Aus  der 
grossen  Zahl  der  von  ihm  herrührenden  Artikel  —  gegen  400  —  sei 
nur  einer  ausdiücklich  hervorgehoben,  in  welchem  uns  in  Anlehnung 
an  die  über  Lothar  Udo  II.  von  Stade  erhaltenen  Nachrichten  eine 
sorgfältig  gearbeitete  Revision  der  Genealogie  des  ganzen  Stader 
Grafenhauses  gegeben  worden  ist  (Bd.  19,  S.  257 — 261).  Für  die 
Jahresberichte  lieferte  er  für  die  Jahre  1878 — 1890  über  Schleswig- 
Holstein  mit  Hamburg  und  Lübeck,  Mecklenburg  und  Pommern  (für 
die  Jahre  1888 — 1890  in  zwei  Abteilungen:  a.  Bremen,  Hamburg, 
Lübeck;  b.  Schleswig-Holstein,  Mecklenburg,  Pommern)  ein  Referat, 
das  sich  durch  die  Sorgfalt  auszeichnet,  mit  der  trotz  der  Grösse  des 
Bereichs  Alles  aufgezählt  wird,  was  irgendwie  füi*  die  Prähistorie  und 


10 

die  Geschichte  von  Interesse  ist.  Eine  Vorarbeit  für  seinen  Jahres- 
bericht waren  ihm  die  Besprechungen,  die  er  fiir'ciie  Rostocker  Zeitung 
über  neue  Erscheinungen  auf  den  Gebieten  der  mecklenburgischen  und 
hansischen  Geschichte  und  der  niederdeutschen  Sprache  zu  liefern 
gewohnt  war;  in  der  Regel  sind  sie  knapp  gehalten  und  beschränken 
sich  auf  einen  kurzen,  häufig  von  kritischen  Bedenken  begleiteten  und 
mit  Berichtigungen  oder  Ergänzungen  verbundenen  Bericht;  zuweilen 
aber  gehen  sie  auch  ausführlich  auf  den  betreffenden  Gegenstand  ein 
und  bewähren  neben  der  umfassenden  Kenntnis  des  Beurtheilers  die 
Schärfe  seines  kritischen  Blicks.*)  Auch  eine  Reihe  selbstständiger 
Aufsätze  und  kleinerer  Mitteilungen  aus  dem  Gebiete  der  Geschichte 
und  Altertumskunde  Rostocks  hat  Krause  in  der  Rostocker  Zeitung 
erscheinen  lassen;  in  Separatabdruck  ausgegeben  wurde  der  Aufsatz: 
Zum  dreihundertjährigen  Bestehen  des  Bröcker  Stiftes  in  Rostock 
(Rost.  Zeitung  1883,  Nr.  17,  21,  23). 

Die  Beschäftigung  mit  norddeutscher  Specialgeschichto  führt  den 
sprachlich  irgendwie  Veranlagten  wohl  von  selbst  auf  das  Studium 
des  Mittelniederdeutschen  hin.  Der  philologisch  geschulte  Krause 
ergab  sich,  während  er  —  abgesehen  von  der  Herausgabe  der  Ver- 
handlungen der  30.  Versammlung  deutscher  Philologen  und  Schul- 
männer zu  Rostock,  1876,  deren  zweiter  Präsident  er  gewesen  war,  — 
auf  dem  Gebiete  der  klassischen  Philologie  nicht  schriftstellerisch  auf- 
trat, der  niederdeutschen  Sprachforschung  um  so  bereitwilliger,  als  er 
bei  dem  Wechsel  seines  Aufenthalts,  erst  im  Göttingischen,  dann  in 
Lüneburg  und  Stade,  endlich  in  Rostock,  durch  das  praktische  Leben 
verschiedene  Mundarten  kennen  gelernt,  den  Wortschatz  bereichert 
und  das  Ohr  für  dialektische  Unterschiede  geschärft  hatte.  An  Hülfs- 
mitteln  für  die  Beschäftigung  mit  den  betreffenden  Mundarten  boten 
sich  ihm  der  Versuch  eines  bremisch-niedersächsischen  Wörterbuchs 
und  seit  1858  Schombachs  Wörterbuch  der  niederdeutschen  Mundart 
der  Fürstenthümer  Göttingen  und  (iiiibenhagen  dar;  die  erste  Ein- 
führung in  den  Wörterschatz  des  Mittelniederdeutschen  wird  er  dem 
Glossar  zu  Lappenbergs  Geschichtsquellen  des  Erzstiftes  und  der  Stadt 
Bremen  (1841)  zu  verdanken  haben.  Die  beiden  epochemachenden 
Ereignisse  in  der  Geschichte  der  niederdeutschen  Sprachforschung, 
das  Erscheinen  des  grundlegenden  Mittelniederdeutschen  Wörterbuchs 
(seit  1872)  und  die  Konstituirung  unsers  Vereins  (1875  zu  Hamburg), 
wurden  von  ihm  mit  lebhaftester  Freude  begrüsst  und  wie  Lübben 
am  Schlüsse  des  Werkes  Krause  unter  denen  aufzählt,  die  ihm  Beistand 
geleistet,  so  enthält  schon  das  erste  Mitglieder -Verzeichnis  des  nieder- 


')  Viele  Besprechungen  einzelner  Erscheinungen  auf  sprachlichem  und  histori- 
schem Gebiet  finden  sich  ausserdem  im  Nd.  Korrespondenzblatt,  in  der  Deutschen  Lit- 
teraturzeitung  (1884 — 1892),  im  Literaturblatt  f.  rom.  u.  germ.  Philologie  (1886, 
1892),  in  den  Mitteilungen  aus  d.  bist.  Litteratur  (1889—1891),  im  Literarischen 
Gentralblatt  (1891)  und  in  der  Deutschen  Zeitschrift  für  Geschichtswissenschaft. 


11 

deutschen  Sprachvereins  Krauses  Namen.  Nach  Lübbeiis  Tode  (1884 
März  15)  wurde  er  als  dessen  Nachfolger  zum  Vorsitzenden  unsers 
Vereins  erwählt  und  bis  zu  seinem  Tode  hat  er  ihn  wie  mit  Sach- 
kenntnis, Umsicht  und  Energie,  so  auch  mit  warmer  Liebe  und  hin- 
gebender Pflichttreue  geleitet.  Bei  der  Jahresversammlung  füllte  er, 
wenn  einer  der  in  Aussicht  genommenen  Vorträge  hatte  ausfallen 
müssen,  bereitwillig  die  Lücke  aus  imd  unsere  beiden  Vereinsorgane, 
das  Jahrbuch  und  das  Korrespondenzblatt,  hatten  an  ihm  einen 
fleissigen  Mitarbeiter.  Die  formelle  Seite  der  Sprache  zog  ihn, 
obgleich  er  auch  ihr  nie  sein  Interesse  versagte,  weniger  an,  als  die 
suchliche,  mit  Geschichte,  Litteratur,  Kulturgeschichte  oder  Natur- 
geschichte in  Verbindung  stehende.  Seine  ersten  Arbeiten  auf  diesem 
Gebiet  waren  in  Wolfs  Zeitschrift  für  deutsche  Mythologie  und  Sitten- 
kunde 1855  erschienen  (Bd.  2:  Helle,  Lüneburger  Koepenfahrer; 
Mantel  Gottes;  Aus  Lüneburger  Vocabularien;  De  Snäkensten;  Bd.  3: 
Stader  und  Nordheimer  Kinderreime;  Zu  W.  Grimms  Bemerkung  über 
den  Wettlauf  des  Swinegels).  Später  brachten  kürzere  Beiträge  von 
ihm  K.  Bartsch's  Germania  (Bd.  IG:  Kleine  Mittheilungen,  S.  89 — 98, 
S.  303—308;  Bd.  22:  Zu  dem  Gratzer  Cisiojanus),  die  Zeitschrift  für 
deutsches  Alterthum  und  deutsche  Litteratur  (Zum  Leben  Jesu; 
Bemerkungen  zu  der  Reise  von  Venedig  nach  Beirut;  Besprechung  von: 
Jacob,  Welche  Handelsartikel  bezogen  die  Araber  des  Mittelalters 
aus  den  nordisch-baltischen  Ländern)  und  die  Zeitschrift  für  deutsche 
Philologie  (Bd.  12:  Mittheilung  Zachers  von  brieflichen  Bemerkungen 
zu  Macer  Floridus).  Auch  ein  Artikel  in  der  scheinbar  sehr  abgelegenen 
Zeitschrift  für  Numismatik  gehört  hierher  (Bd.  15:  Die  friesische  Tuna; 
Tahnbir).  Wesentlich  grösser  ist  die  Zahl  der  zu  unseim  Korrespondenz- 
blatt beigesteuerten  Beiträge,  auf  die  jedoch  hier  nicht  näher  ein- 
gegangen werden  kann.  In  unserm  Jahrbuch  erschienen  von  ihm: 
ein  Kostocker  historisches  Lied  aus  dem  Accisestreit  von  1566  (1875) 
und  die  Statuten  und  Gebräuche  der  ^^Kopmann-  unde  Schipper- 
Bröderschaft^  zu  Stade  (1878);  eine  niederdeutsche  Predigt  des  15. 
Jahrhunderts  (1876)  und  mittelniederdeutsche  Bruchstücke  (1886); 
Hans  von  Ghetelen  aus  Lübeck  (1878);  das  Caput  draconis  und  die 
Kreuzwoche  (1877)  und  Bruchstücke  eines  mittelniederdeutschen  Kalen- 
ders (1878);  der  abschliessende  Aufsatz  über  das  Hundekorn  (1889); 
Bemerkungen  zu  Schiller  -  Lübbens  mittelniederdeutschem  Wörterbuch 
(1876)  und  das  mit  seltener  Fachkenntnis  geschriebene  erklärende 
Wörterverzeichnis  der  Lüneburger  Sülze  (nebst  Anhang,  1879);  endlich 
die  drei  Aufsätze  über  Quetsche,  Zwetsche  (1886),  Zitelose  (1889), 
Bohne  und  Vietzebohne  (1890),  in  denen  ein  reiches  kulturhistorisches 
Wissen  von  der  einen  und  eine  genaue  naturhistorische  Kenntnis  von 
der  andern  Seite  der  Sprachforschung  die  Hand  reichen. 

Sowohl  dem  Verein  der  Freunde  der  Naturgeschichte  in  Mecklen- 
burg, wie  der  Naturforschenden  Gesellschaft  in  Rostock  gehorte  Krause 
als  Mitglied  an.     Im   Archiv    des    erstgenannten   Vereins    finden    sich 


12 

16  verschiedene  Aufsätze  von  ilim,  neun  zoologischen,  sieben  botanischen 
Inhalts  (1880—1882,  1889—1890). 

Endlich  ist  noch  der  Arbeiten  zu  gedenken,  welche  Krause  in 
den  von  ihm  1866 — 1892  herausgegebenen  Schulprogrammen  —  ab- 
gesehen von  den  in  ihnen  enthaltenen  amtlichen  Schulnachrichten  — 
veröffentlichte.  Unter  ihnen  sind  diejenigen  von  1873  und  von  1880 
von  besonderer  Bedeutung:  im  ersteren,  üeber  den  ersten  und  zweiten 
Theil  der  Rostocker  Chronik,  weist  er  in  einer  sorgfältigen  Unter- 
suchung die  Abhängigkeit  der  niederdeutschen  Darstellung  des  Rostocker 
Aufstandes  gegen  König  Erich  Menved  von  Dänemark  1310 — 1314 
von  der  Reimchronik  des  Ernst  von  Kirchberg  und  die  Geringwerthig- 
keit  einer  Kompilation  von  Notizen  zur  Geschichte  der  wendischen 
Städte  von  801 — 1485  nach,  während  er  im  letzteren,  Von  der  Rostocker 
Veide,  die  werthvolle  niederdeutsche  Chronik  der  Rostocker  Domfehde 
von  1487 — 1491  zum  ersten  Male  veröffentlicht.  Aus  der  fortgesetzten 
Beschäftigung  mit  diesem  Studienkreise  ist  der  schon  erwähnte  Aufsatz 
„Die  Chronistik  Rostocks*  hervorgegangen,  die  erste  umfassende 
Zusammenstellung  und  wissenschaftliche  Würdigung  der  historiographi- 
schen  Arbeiten  dieser  Stadt;  den  Abschluss,  den  er  mit  der  Heraus- 
gabe einer  von  1559 — 1583  reichenden  niederdeutschen  Chronik  und 
deren  hochdeutscher  Fortsetzung  zu  machen  gedachte,  hat  er  nicht 
mehr  erreicht.  —  Auf  das  ehemalige  Dominikanerkloster  St.  Johannis 
zu  Rostock,  in  dessen  Räumen  früher  die  grosse  Stadtschule  unter- 
gebracht gewesen  war,  beziehen  sich  zwei  Beiträge  zum  Programm 
von  1875:  ^Aus  dem  Todtenbuch  des  St.  Johannis-Klosters*  und: 
„Bruchstück  eines  Kalendarii  des  Johannis-Klosters  und  niederdeutscher 
Cisiojanus  des  Konrad  von  Gesselen*;  ausserdem  enthält  dasselbe 
noch  einen  dritten  Beitrag:  „Zur  Geschichte  der  ersten  Jahre  der 
Universität  Rostock*.  —  Litterarhistorischen  Inhalts  ist  das  Programm 
von  1868:  „Ein  Beitrag  zur  Geschichte  des  deutschen  Kirchenlieds*; 
„Eine  Kinderlehre  des  15.  Jahrhunderts*  findet  sich  im  Programm 
von  1873  und  „Zwei  niederdeutsche  Gebete  des  15.  Jahrhunderts*  in 
der  vom  Direktor  und  Lehrercolleg  der  Grossen  Stadtschule  der 
30.  Philologen -Versammlung  gewidmeten  Festschrift.  —  Das  Programm 
von  1876  brachte  den  Aufsatz:  ,Der  angeblich  antike  Torso  Lots  Weib 
in  Doberan,  eine  mecklenburgische  Arbeit*. 

Sein  reges  Interesse  für  die  Fragen  des  praktischen  Lebens 
bethätigte  Krause  durch  seinen  Beitritt  zum  Verein  für  öffentliche 
Gesundheitspflege  und  zum  Bezirksverein  des  Deutschen  Vereins  gegen 
den  Missbrauch  geistiger  Getränke,  durch  Vorträge  in  einem  Verein 
junger  Kaufleute,  der  Union,  die  ihrer  Dankbarkeit  gegen  ihn  durch 
seine  Ernennung  zum  Ehrenmitglicde  Ausdnick  gab  (1881),  als  Mitglied 
und  Bezirksvorstand  des  Deutschen  Schulvereins  zur  Unterstützung  der 
Deutschen  im  Auslande,  als  Mitglied  des  Bezirksvereins  der  Deutschen 
Gesellschaft  zur  Rettung  Schiif brüchiger,  als  Mitglied  und  Geschäfts- 


13 

fuhrer  des  Zweigvereins  und  des  Landesausscliusses  der  Kaiser-Wilhelm- 
Stiftung  für  Deutsche  Invaliden.  Seiner  politischen  Stellung  nach 
Mitglied  der  national-liheralen  Partei,  sah  Krause,  durch  die  mecklen- 
burgischen Verhältnisse  von  der  Beteiligung  an  den  Landes-Angelegen- 
heiten  und  durch  die  Stadtverfassung  Rostocks  von  der  Beteiligung 
an  kommunalen  Angelegenheiten  ausgeschlossen,  sich  darauf  beschränkt, 
seinen  Anschauungen  schriftlich  in  Korrespondenzen  für  die  Weser- 
zeitung, mündlich  im  Privatgespräch  zum  Ausdruck  zu  geben. 

Einer  zwanglosen  Gesellschaft,  die  sich  allabendlich  nach  ab- 
geschlossener Tagesarbeit  und  vor  dem  Nachtessen,  lange  Jahre  hin- 
durch ausserhalb  der  Stadt  auf  Steinbecks  Keller,  zusammenfand,  um 
bei  einem  Glase  Bier  der  Unterhaltung  mit  Gleichgesinnten  zu  pflegen, 
gehörte  Krause  als  eins  der  treuesten  und  anhänglichsten  Mitglieder 
an.  Am  Sonnabend  vereinigte  sich  ein  Theil  der  Gesellschaft  mit 
Andern  zusammen  in  Danniens  Bierlokal,  im  sogenannten  Oberhause. 
Ernste  Gespräche,  bald  wissenschaftlicher,  bald  politischer  Natur, 
wechselten  mit  leichterem,  von  Scherz  und  Frohsinn  getragenem 
Geplauder.  Fachgelehrte  und  Männer  des  praktischen  Beinifs,  Jüngere 
und  Aeltere  sassen  unterschiedslos  neben  einander  und  den  von  aus- 
wärts kommenden  Gast  machten  die  ganze  Art  des  Verkehrs  und  das 
Entgegenkommen,  das  er  fand,  bald  heimisch.  Aber  der  Tod  riss  die 
Einen  hinweg,  der  Wechsel  des  Aufenthaltsortes  die  Andern,  und  wenn 
es  auch  an  einem  Nachwuchs  nicht  fehlte,  so  lockerte  sich  doch  das 
einigende  Band  mehr  und  mehr  und  die  übriggebliebenen  Mitglieder 
schlössen  sich  endlich  einer  andern,  loser  geknüpften  Gesellschaft  an, 
die  in  Grafs  Bierlokal  ihren  Stammtisch  hat. 

Liebe  zur  Natur  und  Lust  am  Laufen  führten  Krause  viel  hinaus 
in  die  Umgebung  Rostocks  in  den  Stadtpark  mit  den  Cramonstannen, 
in  die  Bamstorfer  Anlagen,  auf  die  lieblichen  Höhen  Kösterbecks,  an 
die  Küste  der  See  bei  Doberan  und  Warnemünde  und  in  die  weit- 
gedehnte Rostocker  Heide.  Mit  der  Pflanzenwelt  ringsumher  innig 
vertraut,  der  Geschichte,  der  Altertümer,  der  mündlichen  Ueberliefe- 
rungen  kundig,  war  er  seinerseits  den  Förstern  und  Holzwärtern  ebenso 
bekannt,  wie  den  Gutspächtern  und  den  Predigern  der  Kirchdörfer. 
Gern  Hess  er  sich  bei  Ausflügen  und  Spaziergängen  von  seiner  Familie 
begleiten,  insbesondere  von  den  Söhnen  und  einem  oder  zwei  Pensio- 
nären, in  denen  er  durch  Vorbild  und  Anleitung  unvermerkt  gleich- 
artige Interessen  zu  wecken  liebte. 

Die  Abendstunden  des  Werkeltags  waren  wie  der  Nachmittag 
der  Sonn-  und  Festtage  regelmässig  der  Familie  gewidmet.  Mit  seiner 
Amtswohnung  war  ein  Garten  verbunden,  den  er  pachtweise  noch  etwas 
vergrössem  konnte;  hier  konnte  man  ihn  sehen,  wie  er  pflanzte  und 
pflegte  und  fröhlich  einheimste,  wie  er  seine  Hühner  auf  dem  Hofe 
futterte,  wie  er  nach  dem  Schlüsse  der  Schule,  von  den  Seinen  um- 
ringt, auf  schattigem  Rasen  behaglich  den  Nachmittagskaffee  einnahm. 
In  den  altmodischen,    aber   zahlreichen   und   behaglich   eingerichteten 


14 

Räumen  des  Wohnhauses  genoss  er  eines  glücklichen  Familienlebens. 
Mit  der  Gattin,  einer  Tochter  des  ehemaligen  Stadtsyndikus  Dr.  Wyneken 
in  Stade,  die  nach  dem  frühen  Tode  ihrer  Schwester,  Krauses  erster 
Gemahlin,  dem  bisherigen  Schwager  die  Hand  gereicht  hatte  (1857), 
mit  der  Tochter  und  den  drei  Söhnen,  die  sie  ihm  geschenkt,  war  er 
durch  die  Bande  inniger  Liebe  und  festen  Vertrauens  verbunden. 

Krause  war  von  grosser,  kräftiger  Gestalt  und  von  strammer, 
fast  militärischer  Haltung;  der  Kopf  war  kraftvoll,  auch  die  Gesichts- 
züge energisch;  aus  den  Augen  leuchteten,  wenn  sie  auch  aufblitzen 
konnten,  Güte  und  Fröhlichkeit  des  Herzens.  Seine  Rede  w^ar  nie 
gefeilt  und  deshalb  selten  glatt,  hatte  aber  Kraft,  Wärme  und  Klang, 
und  wenn  er  bei  Schulfesten  in  patriotischer  Erregung  sprach,  ent- 
zündete er  in  den  Schülern  Begeisterung.  Bei  gemüthlicher  Unter- 
haltung liebte  er  Humor  und  die  harmlose  Neckerei,  auch  wenn  sie 
sich  gegen  ihn  wandte:  in  der  Debatte  konnte  er  sich  gehen  lassen, 
bei  der  Leitung  von  Beschlussfassungen  war  er  straff;  Widerspnich 
konnte  er  auf  allen  Gebieten  der  Diskussion  ertragen,  in  der  Ungeduld 
über  blosse  Wiederholungen  aber  und  in  der  Verlegenheit,  in  die 
ihn  ein  plötzlich  auftauchendes  Hindernis  versetzte,  konnte  er 
schroff  oder  polternd  werden.  Innerhalb  des  Hauses  verschwand  diese 
mehr  äusserliche  Herbheit  vor  seiner  natürlichen  Herzenswärme  und 
Heiterkeit  des  Geistes  und  wem  es  vergönnt  war,  ihn  in  seinem  Ver- 
hältnis zu  Frau  und  Kindern  oder  vertrauten  Freunden  kennen  zu 
lernen,  der  musste  ihn  lieb  gewinnen. 

Ein  Herzleiden  hat  die  Kraft  seines  Körpers  gebrochen,  hat  die 
Thätigkeit  seines  Geistes  lahmgelegt;  am  28.  Mai  Abends  9^2  Uhr 
ist  er  der  liebevollen  Pflege  der  Seinen  entrissen  worden.  Ein  Leichen- 
gefolge, wie  es  in  Rostock  so  gross  seit  langen  Jahren  nicht  gesehen 
worden,  hat  dem  Verstorbenen  die  letzte  Ehre  erwiesen;  eines  unver- 
gänglichen Gedächtnisses  in  Hochachtung  und  Dankbarkeit  hat  er  sich 
weit  über  Rostock  hinaus  durch  sein  Wirken  gesichert! 

ROSTOClv.  Karl  Koppmann. 


15 


Niederdeutsehe 
und  niederländische  Volksweisen. 

(Mit  Musikbeilage). 


I.   Das  Lied  von  der  Manen  Flagge. 

In  einer  während  des  18.  Jahrhunderts  angelegten  Sammlung 
von  niederländischen  Volksmelodien,  die  ich  vor  einigen  Jahren  in 
Amsterdam  benutzen  durfte^),  stiess  mir  gleich  auf  der  ersten  Seite 
als  Nr.  3  die  Weise;  De  Blauwe  vlag  die  waeit  auf,  die  für  die  Freunde 
des  niederdeutschen  Volksliedes  ein  ganz  besondres  Interesse  hat.  Aus 
der  Südermarsch  von  Ditmarschen  nämlich  lebte  vor  fünfzig  Jahren 
noch  unter  den  Musikanten  als  ein  auf  Hochzeiten  sehr  beliebtes  Stück 
'de  blaue  Flagg'  fort.  Müllenhoff  vermochte  vom  Texte  nur  den 
Anfang  zu  erlangen,  den  er  in  den  Sagen,  Märchen  und  Liedern  der 
Herzogtümer  Schleswig,  Holstein  und  Lauenhurg  1845  S.  XXXVIII 
veröffentlichte : 

Laet  de  blaue  Flagg'  mael  weicn, 

Laet  se  driHen,  laet  se  dreien; 

Denn  dat  Schip  to  See  angeit. 

Er  vermutet  darin  ein  Schiffer-  oder  Seeräuberlied,  von  ähnlichem 
Inhalt  wie  das  bekannte  von  Störtebeker,  und  erwähnt  auch  eine  unter 
den  Grönlandsfahrern  gesungene  gemeine  Parodie.  Die  schöne  Melodie 
des  Stückes  schickte  M.  um  1860  an  R.  von  Liliencron,  der  sie  weiter 
an  F.  M.  Böhme  mitteilte.  Dieser  hat  sie  1880  in  seiner  Geschichte 
des  Tanzes  in  Deutschland  2,  210  Nr.  347  mit  einer  neuen  Harmoni- 
sierung abgedruckt. 

Unsere  Amsterdamer  Weise,  die  ich  nebst  der  ditmarsischen  in 
der  Musikbeilage  vorlege,  ist,  wie  mir  Herr  v.  Liliencron  schreibt, 
gleich  jener  etwas  modernisiert;  beide  gehen  aus  D  moll  statt  hypo- 
dorisch und  dorisch.  Die  durch  den  abgerissenen  unteren  Blattrand 
entstandene  Lücke  lässt  sich  mit  ziemlicher  Wahrscheinlichkeit  ergänzen. 

Vom  Texte  habe  ich  leider  weder  in  niederländischen  Sammlungen 
noch  durch  Anfragen  bei  Kennern  des  holländischen  Liedes  wie 
Dr.  G.  Kalff  in  Amsterdam,  F.  van  Duyse  in  Gent  u.  a.  eine  Spur 
ermitteln  können.  Und  doch  citiert,  wie  ich  aus  den  Mitteilungen 
des  Vereins  für  hamburgische  Geschichte  6,  159,  vgl.  16  (1884),  ersehe, 
noch  1860  C.  P.  Hansen  in  seinem  Buche  'Der  Sylter  Friese'  'das 
alte   allbekannte   seemännische  Abschiedslied:   De  blaue  Flagg  de 


')  In  der  Bibliothek  der  MaaUschappij  tot  bevordering  der  toonkunat,  Hs.  45. 
79  Blätter  quer  4^  Die  Melodien  sind  sämtlich  einstimmig,  vom  Texte  stehen 
jedesmal  nur  die  Anfangs  werte  da. 


16 

Weihd\  Ich  gebe  daher  die  Hoffnung  nicht  auf,  dass  uns  noch  einmal 
ein  glücklicher  Finder  den  vollständigen  Text  beschert.  Eine  ganz 
selbständige  Dichtung,  der  auch  eine  andre  Weise,  nämlich  die  des 
alten  Landsknechtliedes  'Wir  zogen  in  das  Feld'  *),  untergelegt  wurde, 
ist  K.  Koppmanns  Lied:  'De  blaue  Flagge  wei't'  im  Niederdeutschen 
Liederbuche,  Hamburg  1884  Nr.  64. 

[Nachdem  diese  Blätter  schon  in  die  Druckerei  gewandert  waren, 
erhielt  ich  durch  die  Güte  des  Herrn  F.  van  Duyse  in  Gent  noch  eine 
ältere  Amsterdamer  Aufzeichnung  der  Melodie,  die  im  wesentlichen 
mit  der  handschriftlich  überlieferten  übereinstimmt.  Sie  steht  mit  der 
Bezeichnung  ^En  die  Blauwe  vlag  die  waeyt\  aber  ohne  weiteren  Text 
in  der  zu  Anfang  des  18.  Jahrhunderts  gedruckten  Sammlung  Oude 
cn  nieuwe  Hollantse  Boeren  Litics  (Amsterdam,  Estienne  Roger  o.  J.) 
als  Nr.  331.  Unserm  Abdrucke  in  der  Musikbeilage  Nr.  Ib  ist  die 
erste  Strophe  eines  Liedes  aus  Het  nieuwe  vermaekeLijke  Thirsis 
Minnewit  1,  62  (Amsterdam,  bij  de  Wed.  Jacobus  van  Egmont  1730) 
untergelegt,  das  laut  der  Überschrift  nach  der  Wijs:  'De  blautce 
vlag  die  waeyV  gesungen  wurde.] 

II.   Eine  niederländische  Melodie  des  Siebensprnnges. 

Ueber  den  weitverbreiteten  Volkstanz  'der  Siebensprung'  hat 
F.  M.  Böhme  in  seiner  verdienstvollen  Geschichte  des  Tanzes  in 
Deutschland  (Leipzig  1886)  1,  155 — 157  Material  aus  verschiedenen 
Gegenden  gesammelt  und  in  den  Musikbeilagen  des  2.  Bandes  S.  190 
Nr.  314 — 317  mehrere  Melodien  aus  Düsseldorf,  Meiningen  und  der 
Mark  Brandenburg  mitgeteilt^).  Leider  sind  ihm  die  Versionen  ganz 
entgangen,  die  A.  P.  Berggreen  in  seinem  in  Deutschland  zu  wenig 
bekannten  elfbändigen  Sammelwerke  Folkesange  og  Melodier^  fuedre- 
landske  og  frefnmede^  samlede  og  udsatte  for  Pianoforte  (Kopenhagen 
1842 — 1871)  veröifentlicht  hat,  nämlich  in  Bd.  5,  Nr.  148  eine  Schweizer 
Aufzeichnung  nach  Kuhn  und  Wyss,  Sammlung  von  Schweizer  Kuh- 
reihen imd  Volksliedern,  3.  Ausgabe,  Bern  1818,  S.  123,  Nr.  1; 
femer  1®  Nr.  254 — 255  (1869)  zwei  dänische  'Syvspring*  aus  Jütland 
und  Fünen  und  6,166  Nr.  52  eine  besonders  interessante  französische, 
^Sept  sauts'  betitelt,  die  sich  in  Nouveau  recueil  de  chansons  choisies. 
A  La  Haye  1732  6,21  findet^).  Auch  in  der  schwedischen  Landschaft 
Schonen  ist  nach  Berggreens  Bericht  der  Tanz  heimisch.  Das  Eigen- 
tümliche dieses  Tanzes  besteht  nach  den  aus  Schwaben,  Westfalen 
und  Dänemark    stammenden   übereinstimmenden  Schilderungen   darin, 


^)  Böhme,  Altdeutsches  Liederbuch  Nr.  420.  R.  v.  Lüieucron,  Deutsches 
Leben  im  Volkslied  um  1530  Nr.  116. 

')  Ein  Artikel  von  F.  Höft  über  die  mythologische  Bedeutung  dieses  Tanzes 
(Am  Urdsbrunnen  7,  1.  Rendsburg  1888),  auf  den  mich  W.  Seelmann  freundlichst 
aufmerksam  macht,  ist  mir  augenblicklich  nicht  zugänglich.  Vgl.  noch  M.  Fried- 
länder, Hundert  deutsche  Volkslieder  (1886)  Nr.  42. 

')  Das  genaue  Citat  verdanke  ich  Herrn  F.  van  Duyse.  In  dem  Exemplare 
der  Königlichen  Bibliothek  zu  Berlin  fehlt  gerade  dieser  6.  Band. 


17 

dass  ein  Paar  siebenmal  im  Kreise  herumtanzt  und  dass  am  Schlüsse 
jeder  Tour  der  Tänzer  eine  besondre  Bewegung  ausfuhrt,  indem  er 
zuerst  mit  dem  rechten,  dann  mit  dem  linken  Fusse  auf  die  Erde 
stampft  und  sie  mit  dem  rechten  und  linken  Knie  und  Ellenbogen 
und  zuletzt  mit  der  Stirn  berührt.  In  Jütland,  wo  zwei  Burschen  mit 
einander  den  Siebensprung  tanzen,  machen  beide  Tänzer  die  genannten 
Bewegungen.  Am  Schlüsse  der  zu  jeder  Tour  wiederholten  Liedstrophe, 
die  natürlich  in  den  verschiedenen  Gegenden  verschieden  lautet,  werden 
meist  die  'Sprünge'  gezählt:  "s  ist  einer',  "s  sind  zweie'  u.  s.  w. 

Die  hier  unter  Nr.  III  gegebene  Aufzeichnung  'De  Zeven  Sprong* 
fand  sich  in  der  Handschrift  34  der  Bibliothek  der  Amsterdamer 
Maatschappij  tot  bevordering  der  toonkunst,  einer  um  1770  angelegten 
Sammlung  von  758  Volksmelodien  und  Tanzweisen  (in  Quer  8^  ohne 
Texte).  Neben  manchen  Opernarien  und  Militärmärschen  (Nr.  556: 
De  Brandenburgsche  Marsch  =  Der  alte  Dessauer)  erregen  einige 
vom  Auslande  her  eingedrungene  verbreitete  Weisen  unser  Interesse, 
so  Nr.  271:  God  Ues  the  hing^  755:  Marlbroug  [s'en  va-t-en  guerrej^ 
38:  Broeder  Michel  of  Tryn  myn  enget  =  'Gestern  Abend  war  Vetter 
Michel  da',  bei  L.  Erk,  Liederschatz  1,  Nr.  30,  und  Böhme,  Ge- 
schichte des  Tanzes  2,  159  Nr.  251.  Der  als  Nr.  448  auftretenden 
Weise :  De  Zeven  Sprang  habe  ich  den  Text  untergelegt,  den  G.  Kalff, 
Het  Lied  in  de  Middeleeuwen,  Leiden  1883,  S.  536  aus  Zwolle  mitteilt. 
Die  eigentlich  zu  diesem  Texte  gehörende  Melodie  wird  F.  van  Duyse 
später  veröffentlichen  und  dann  auch  über  ein  Lied  des  sept  sauts 
berichten,  das  noch  jetzt  alljährlich  zu  Chimay  im  Hennegau  bei  einer 
Procession  gesungen  wird. 

Als  Nr.  IV.  der  Musikbeilage  folgt  die  französische  Version  als 
die  älteste  aller  bekannten  Aufzeichnungen.  Der  Text,  von  dem  ich 
nur  die  beiden  ersten  Strophen  abdnicken  lasse,  scheint  eine  junge 
Dichtung  im  galanten  Schäferstile  zu  sein. 

in.    Pierlala. 

Das  Lied  von  Pierlala  ist  in  den  Niederlanden  seit  den  Einfällen 
der  Franzosen  unter  Ludwig  XIV.  aufgekommen  und  öfter  umgestaltet 
worden.  Einen  Text  von  17  Strophen  mit  dem  Anfange  ''Komt  hier 
al  bjf  en  hoort  een  kluchV  gab  J.  F.  Willems,  Oude  vlaefnsche  Liederen 
Gent  1848,  Nr.  129;  er  ist  nebst  der  Melodie  wiederholt  von  F.  A.  Snel- 
laert,  Oude  en  nieuwe  Liedjes^  Gent  1852,  Nr.  57  =  2.  Aufl.  1864, 
Nr.  75,  und  abgekürzt  im  Niederdeutschen  Liederbuch,  Hamburg  1884 
Nr.  54,  ohne  die  Melodie  bei  Hoffimann  von  Fallersleben,  Nieder- 
ländische Volkslieder  *  1856  Nr.  161.  Eine  auf  24  Strophen  ange- 
wachsene Fassung  mit  gleichem  Anfange  und  einer  zweiten  Melodie 
steht  bei  A.  Lootens  et  J.  M.  E.  Feys,  Ghants  populaires  ßamands. 
Bniges  1879  Nr.  87.  Sehr  ähnlich  ist  der  gleichfalls  24  Strophen 
umfassende  Text  und  die  Melodie  gestaltet  im  Nederlandsch  Liederboeh 
uügegeven  doar  het  WiUemS' Fonds  (Gent  1891—92)  2,  165  Nr.  81. 
Eine  vierte  Fassung  von  10  Strophen  und  einer  neuen  Weise  finden 


18 

wir  bei  E.  de  Coussemaker,  Chants  poptUaires  des  Flamands  de 
France.  Gand  1856  Nr.  93;  sie  beginnt:  *Äls  Pierlala  nu  ruym 
twee  jaer'.  Vgl.  noch  van  Paemel,  GcUection  flamande  de  feuUies 
vola^Ues  Nr.  51  and  J.  van  Vloten,  Nederlandsche  Baker-  en 
Kinderrijmen  1874,  S.  37.  Fragmentarisch  ist  das  Lied  auch  nach 
Deutschland  gewandert;  vgl.  Schmitz,  Sitten  und  Sagen  des  Eifler 
Volkes  (1856)  1,  162;  eine  fünfstrophige  Aufzeichnung  aus  Olden- 
burg: 'Pierlala  war  ein  einzger  Sohn',  die  L.  Erk,  Deutsche  Volks- 
lieder Bd.  2,  Heft  4 — 5  (1844)  Nr.  14  veröffentlichte,  ist  sogar  in 
studentische  Kommersbücher  übergegangen,  wobei  der  Held  sich  zu 
einem  'Bierlala'  umtaufen  lassen  musste.  Die  Erksche  Melodie  weicht 
von  den  vier  niederländischen  ab,  auch  ist  die  Zeilenzahl  der  Strophen 
von  acht  auf  sechs  verringert. 

Aelter  als  die  bisher  erwähnten  Aufzeichnungen  ist  die  in  der 
Musikbeilage  unter  Nr.  V.  aus  der  oben  S.  17  angeführten  Amsterdamer 
Handschrift  34  Nr.  32  abgedruckte  Melodie,  die  auch  in  der  S.  15 
beschriebenen  Handschrift  45  auf  El.  63b  erhalten  ist.  Sie  geht  wie 
die  übrigen  im  ^/g  Takt  und  ähnelt  am  meisten  der  zweiten  Weise 
bei  Lootens  und  Feys.  Den  fehlenden  Text  habe  ich  nach  Willems 
hinzugefügt. 

lY.    Drinck  Liedeken. 

1.  Van  waer  compt  ons  den  coelen  wyn, 
En  van  waer  compt  ons  den  coelen  wyn, 

En  van  waer  dorn  daer,  en  van  waer  compt  ons  den  coelen  wyn? 

2.  Hy  compt  van  Ceulen  ouer  den  Ryn. 
8.     Hoe  compt  die  meyt  al  aen  den  wyn? 

4.  Die  vrouw'  die  gheeft  de  meyt  dat  ghelt 

5.  Hoe  compt  die  vrouw'  al  aen  dat  ghelt? 

6.  Den  man  die  gheeft  die  vrouw'  dat  ghelt. 

7.  Hoe  compt  den  man  al  aen  dat  ghelt? 

8.  Den  hoer  die  gheeft  den  man  dat  ghelt. 

9.  Hoe  compt  den  boer  al  aen  dat  ghelt? 
10.  Den  boer  die  saeyt  en  maeyt  dat  velt, 

En  van  daer  soo  cryght  den  boer  dat  ghelt, 
En  den  boer  en  den  man  en  die  vrouw' 
En  die  meyt  en  den  wyn  en  den  Ryn, 
En  van  daer  compt  ons  den  coelen  wyn. 

Dieis  Lied  steht  mit  der  in  der  Musikbeilage  Nr.  VI.  abgedruckten 
Melodie  in  einer  zu  Anfang  des  18.  Jahrhunderts  sehr  sorgfältig  ge- 
schriebenen, mit  ein-  und  zweistimmigen  Weisen  versehenen  und  mit 
grossen  Federzeichnungen  geschmückten  Sammlung  von  Liebes-,  Tanz- 
und  Trinkliedern  in  französischer  und  italienischer,  teilweise  auch 
spanischer  und  holländischer  Sprache,  die  unter  der  Bezeichnung 
Mscr.  Blankenb.  125 — 126  fol.  auf  der  herzoglichen  Bibliothek  in 
Wolfenbüttel  liegt,  und  zwar  in  Band  125,  Bl.  16a.  Der  ursprüngliche 
Besitzer,  vielleicht  auch  Sammler  wird  durch  die  Inschrift:  ^Je  suis 
appartenant  a  Monsieur  Charles  Cousin'  angegeben;  daraufkamen  die 
Bände  an  den  Herzog  Ludwig  Rudolf  von  Braunschweig  (1671 — 1735), 
dessen  Ex-libris  eingeklebt  ist. 

BERLIN.  Johannes  Bolte. 


19 


Der  Kaland  des  Pfaffen  Konemann. 


Als  Franz  Pfeiffer  die  erste  Auflage  von  Goedekes  Grundriss 
in  der  Germania  1857,  S.  503  besprach,  machte  er  auf  den  von 
Goedeke  ausgelassenen  mittelniederdeutschen  Kaland  des  Pfaflfen  Kone- 
mann aus  Dingelstedt  am  Huy  aufmerksam  und  wünschte  dem  von 
Wilhelm  Schatz  1851  nur  auszugsweise  bekannt  gemachten  Ge- 
dichte, wenn  es  auch  dichterisch  völlig  wertlos  wäre,  doch  um  seines  ^ 
Alters  und  seiner  sprachlichen  Bedeutung  willen  eine  vollständige 
Ausgabe.  Auch  Goedeke  hat  sich  dann  in  der  zweiten  Bearbeitung 
seines  Gnindrisses  dieses  Sprachdenkmals  angenommen,  indem  er, 
ähnlich  wie  Pfeifi'er,  S.  478  betonte,  dass  der  aus  dem  13.  Jahr- 
hundert stammende  Kaland  schon  seines  Alters  und  seiner  Heimat 
wegen  längst  eine  Herausgabe  verdient  hätte. 

Im  23.  Jahrgange  der  Zeitschrift  des  Harzvereins  für  Geschichte 
und  Altertumskunde  1890,  erste  Hälfte,  S.  99  ff.  ist  nun  eine  von 
dem  Archivrat  Dr.  jur.  G.  Sello  bearbeitete  vollständige  Ausgabe 
(;,Des  Pfaften  Konemann  Gedicht  vom  Kaland  zu  Eilenstedt  am  Huy^) 
erschienen,  die  zum  Zweck  hat,  „tiii*  eine  Sammlung  und  Bearbeitung 
der  Kalandsstatuten  einen  Beitrag  zu  liefern^;  vergl.  a.  a.  0.  S.  100. 
Während  Sellos,  von  Seelmaim  im  Korrespondenzblatt  XV,  61  f.  be- 
sprochene, Arbeit,  die  sich  durch  manche  historische  Erläuterungen 
auszeichnet,  den  angegebenen  Zweck  gut  ertullen  mag,  wird  mit  der 
sprachlichen  Behandlung  dieses  nicht  unwichtigen  Denkmals,  das  für 
den  Sprach-  und  Literaturforscher  doch  mehr  ist  als  eine  Statuten- 
sammlung,    mancher   Philologe   nicht   ganz    einverstanden    sein. 

Ich  glaube  in  diesen  Zeilen  zur  Kritik  des  Kalandes  etwas  bei- 
tragen zu  können,  weil  ich  eine  Handschrift  mehr  kenne  als  der  Her- 
ausgeber und  mich  länger  mit  einer  Ausgabe  des  Gedichtes  beschäftigt 
habe.  Eine  abschliessende  Behandlung  des  (gegenständes  lässt  sich 
freilich  noch  nicht  bieten;  ich  werde  aber  die  Frage  zu  erörtern  ver- 
suchen, wie  das  Gedicht  nach  den  mir  bis  jetzt  bekannten  Hülfs- 
mitteln  zu  seiner  Rekonstiiiktion  sich  darstellt. 

Um  meine  Bemerkung  über  Sellos  Behandlung  des  Sprachlichen 
zu  begründen,  greife  ich  zunächst  einige  Einzelheiten  heraus. 

V.  79  des  Selloschen  Textes,  über  dessen  Ansprüche  auf  Echtheit  später 
die  Rede  sein  wird,  heisst  es: 

„Man  sal  is  den  gegunnen, 
de  daz  irwerben  kunnen 
mä  sucht  unde  mit  gute, 
mit  eindraehten  mme, 
hroderlichen,  sunder  vare, 
de  spehen  sin  uphare; 
der  sal  man  wesen  ffrieJ* 

2* 


20 

Der  vorletzte  Vers  scheint  zu  bedeuten:  rixosi  sint  remoti  (vergl.  H  78), 
schliesst  sich  also  inhaltlich  an  den  folgenden  an.  Das  Wort  upJutre  =  uphare  = 
uphor  =  bei  Seite  zeigt  die  im  md.  Dialekt  von  Weinhold,  Mhd.  Gr.*  §  116  be- 
zeugte Neigung,  o  nach  a  zu  öffnen.  Vergl.  Kaland  H  762  vorsack:  ok  und  Wein- 
hold, Mhd.  Gr.*  §  67.  [Andere  Belege  für  diesen  Wechsel  aus  dem  Gedichte  sind: 
iaweme  915.  iatoem  1026.  Der  umgekehrte  Fall  liegt  in  moeh  s=  mach  776  vor 
(Weinhold  S.  82),  das  von  Sello  als  Schreibfehler  angesehen  und  im  Texte  ge- 
ändert ist.]  Der  Herausgeber  aber  bemerkt  zu  den  oben  ausgeschriebenen  Versen 
S.  118:  „Spe,  Subst.,  Hohn,  Spott;  adj,  höhnisch,  spöttisch.  —  upJutre  weiss  ich 
nicht  zu  erklären;  darf  man  an  ein  Compos.  von  mnd.  hären,  schärfen,  denken, 
sodass  zu  übersetzen  wäre:  brüderlich,  ohne  Hinterlist,  welche  zur  Spott- 
sucht   (speen  sin)  aufreizt?"*) 

V.  264  kommt  das  bekannte  Wort  aelegerede  in  der  md.  Form  vor:  zo  der 
sele  gerade;  dazu  lautet  die  Bemerkung  des  Herausgebers:  „gerade,  in  den  Rechts- 
quellen bekanntlich:  Frauengerät;  hier  allgemeiner  überhaupt  Ausstattung." 

Dass  Wörter  wie  sich  (v.  756)  pleonastisch  wiederholt  werden,  lehren  Volks- 
sprache und  volkstümliche  Schriftsteller.  Vergl.  Oldecops  Chronik,  S.  692  meiner 
Ausgabe  und  Kaland  (H)  1203  f.  Der  Herausgeber  entfernt  es  als  ungehörig  und 
stört  den  Vers. 

Im  V.  1025  schreibt  Sello  dem  md.  Bearbeiter  eine  Form  zu,  die  es  schwer- 
lich gibt,  wenn  er  degeliker  als  adverbium  =  „gebührend"  erklärt;  im  folgenden 
Verse  wird  dann  ac?Ue  als  „Verdienst"  übersetzt.  Die  betreffenden  Verse  lauten  in  A : 

„Ich  sprach  unde  spreke  iz  recht, 

daz  got  wil  wesen  recht 

nach  dode  mit  geriehle; 

des  swiveU  mü  nichte; 

allein  sin  ordd  si 

alle  degeliker  bi 

ia  toeme  na  siner  achte," 

Wahrscheinlich  ist  nur  degelikes  zu  lesen;  r  und  s  wechseln  in  der  unten 
von  mir  wiedergegebenen  Handschrift  H  und  in  B,  wie  auch  sonst,  häufig;  und 
der  Bearbeiter  von  B  ist  im  Rechte,  wenn  er  die  Stelle  so  wie  H  bietet: 

„Ik  hebte  hir  tovorti  ghesecht, 

bat  God  wil  wesen  recht 

Na  dussem  doede  myt  gerichte. 

Des  schulle  gy  twiveln  mit  nichte, 

Wol  doch  syn  ordel  sy 

Uns  alle  daghe  by 

Jawelkem  na  syner  achte" 

Auch  Formen  wie  Kalys  276')  =  Kalant  und  goder  in  völlig  ungramma- 
tischer Verbindung  werden  dem  Konemann  aufgebürdet.    Vergl:  S.  101  und  102. 

Andererseits  ändert  Sello  bezeugte  Formen  wie  1278  A  den  cracht  in  de 
cracht;  Geschlechtswechsel  belegt  bei  diesem  Worte  Weinhold  S.  309.*) 

Wenn  dede  =  qui  (v.  404)  „De,  de'*  geschrieben  wird,  liegt  unrichtige  Auf- 
fassung zu  Grunde.    Das  Nähere  lehrt  Lübben,  Mnd.  Gr.  S.  113. 

V.  355  liest  der  Herausgeber  mir  unverständlich  „des  we  will*  ec  hebben 
rad"  für  „wiUec".  Die  in  den  Text  gesetzten  Apostrophe  wie  in :  „hos*  tu'z"  oder 
„wiP  tu"  sind  mindestens  sehr  gewagt.  Warum  wird  w  =  v  geändert,  v  =  to  be- 
Utssen?  Vergl.  S.  105.  Mittelaeutsches  est  für  ist  110  war  nicht  als  Fehler  zu 
verbessern.    Vergl.  ir  =  er  1164,  wenn  1166  =  1164  ist. 


^)  Seelmann  schlug  a.  a.  0.  S.  62  vor  de  spehe  sin  up  hare,  Koppmann, 
Korrespondenzblatt  XV,  93  de  spehen  sin  upkare;  des, 

^)  Seelmann  besserte  a.  a.  0.:  An  wogetaner  wis  Man  halden  sal  kalendis, 
wogegen  Koppmann  S.  98  sich  aussprach. 

')  Vergl.  das  Schwanken  bei  herde  431  A ;  Seelmann  S.  62.    Koppmann  S.  98 


Seilos  Abdruck  lässt  ferner  feste  kritische  Grundsätze  bei  der 
Textgestaltung  vermissen.  Über  den  Dialekt  des  ursprünglichen  Ge- 
dichtes hat  sich  Sello  keine  endgültige  Ansicht  gebildet.  S.  102  wird 
zunächst  ein  Beweis  versucht,  dass  die  Urschrift  rein  niederdeutsch 
gewesen;  aber  der  Beweis  ist  einesteils  recht  unvollständig,  andern- 
teils  wird  auch  unrichtiges  Beweismaterial  verwendet,  wenn  Sello  z. 
B.  di  für  nur  niederdeutsch  hält  oder  die  Vertauschung  von  to  und 
V  für  specifisch  niederdeutsch  ausgibt.  Vergl.  Weinhold,  Mhd.  Gr.* 
S.  514  und  169.  Der  Reim  goder:  moder  ist  oben  schon  erwähnt; 
ich  lese  103  togoder  =  togader. 

;,Dem  gegenüber*,  fährt  nun  der  Herausgeber  fort,  ;, stehen  aber 
wieder  rein  hochdeutsche  Reime,  wie  nothaft:  selscaft  48,  paffen: 
straffen  74,  maee:  quaee  314.*  Von  den  aufgeführten  Reimen  ist 
keiner  rein  hochdeutsch;  zum  ersten  vergl.  z.  B.  Leitzmann,  Unter- 
suchungen über  Berthold  von  Holle  S.  34,  zum  zweiten  Weinhold, 
Mhd.  Gr.  S.  165,  zum  dritten  etwa  DW,  u.  d.  Worte  Quas. 

Die  Unsicherheit  des  Herausgebers  inbetreflf  des  ursprünglichen 
Dialektes  erhellt  besonders  aus  seinen  Schlussworten  S.  102:  ;,Sodass 
man  in  dem  Abschreiber,  eine  rein  niederdeutsche  Urform  voraus- 
gesetzt, zugleich  einen  teilweisen  Umdichter  zu  sehen  hätte.  Oder 
schrieb  Konemann,  wie  Schatz  annimmt  (S.  2),  in  einem  aus  nieder- 
und  hochdeutsch  gemischten  Dialekt  (vgl.  Wackernagel,  Gesch.  d.  D. 
Litteratur,  S.  123,  129),  welchen  der  Abschreiber  noch  mehr  hoch- 
deutsch färbte.* 

Bei  solcher  Unklarheit  hat  nun  der  Herausgeber  auch  nieder- 
deutsches in  jenen  md.  Mischdialekt  von  A  (V.  858)  übernommen. 
Vergl.  die  Konjektur  871  Anmerkung. 

Erwägt  man  nun  die  gleich  zu  erörternde,  von  Sello  nur  un- 
vollkommen gelöste  Frage  nach  den  Handschriften  und  Recensionen  ^) 
des  Gedichtes,  so  wird  sich  noch  mehr  zeigen,  dass  der  von  ihm  ge- 
gebene Text  in  mehr  als  einer  Hinsicht  davon  entfernt  ist,  der  ur- 
sprüngliche Konemanns  zu  sein. 

In  seiner  originalen  Gestalt  ist  das  ohne  Zweifel  viel  abge- 
schriebene, auf  bestimmtem  Gebiete  recht  verbreitete  und  in  den 
Kalandsversammlungen  oft  benutzte  Gedicht  noch  nicht  aufgefunden. 
Auch  die  Handschrift  A,  Nr.  778  der  Kopiarien  im  Magdeburger 
Staatsarchive,  die  noch  im  XIH.  Jahrhundert  entstanden  ist  und  erst 
dem  Eilenstedter,  dann  dem  Halberstädter  Kalande  gehörte  und  von 
Schatz  imd  Sello  zu  Gininde  gelegt  wurde,  bezeichnet  nur  gleichsam 
eine  Station  auf  dem  Wege  zum  gesuchten  Originale.  Der  Dialekt 
der  Hs.  A  erweist  sich  als  der  einer  mitteldeutschen  Überarbeitung 
der  niederdeutschen  Urschrift.  Den  wesentlich  mitteldeutschen  Charakter 
der  Handschrift  A  hat  Sello  nicht  beachtet.  Sello  S.  104  ff.  Wenn 
sich  Seelmanns  (S.  62)  Schluss  auf  niederrheinische  Herkunft   einiger 

')  Die  geringfügigen  Änderungen,  welche  von  dem  Halberstädter  Bearbeiter 
herrühren  und  unter  A*  vermerkt  sind,  können  doch  nicht  die  Annahme  einer 
selbständigen  Recension  begründen.    Sello  S.  103  f. 


22 

Reime  in  A  bestätigt,  möchte  ich  der  zweiten  von  ihm  angedeuteten 
Möglichkeit  den  Vorzug  geben,  dass  mittelfränkische  Vorbilder  hier 
eingewirkt  haben. 

Die  Handschrift  B,  Nr.  779  im  Staatsarchiv  zu  Magdeburg, 
(Sello  S.  110  f.)  hat  den  nd.  Sprachstand  bewahrt.  Sie  stammt  aus 
Osterwieck.  Auch  Sellos  dritte  Hs.  C  (Sello  S.  111),  einst  dem  Kaland 
zu  Oschersleben  gehörig,  ist  niederdeutschen  Gepräges.  Nur  5  von 
J.  A.  Steyer  abgedruckte  Bruchstücke  sind  davon  erhalten.  Vergl. 
Seelmann  S.  61. 

Zu  diesem  handschriftlichen  Materiale  füge  ich  nun  eine  ^äert^, 
niederdeutsche  Hs.  hinzu.  Sie  ist,  wie  Hs.  B,  neueren  Datums,  wohl 
im  vorigen  Jahrhundert  auf  7  Bogen  Papier  in  Folio  2  spaltig  mit 
ziemlich  grosser  Sicherheit  deutlich  und  sauber  geschrieben.  Der 
erste  halbe  Bogen  ist  leer  gelassen.  Die  Überschrift  lautet:  „Der 
Homburgische  Kaland,  ex  veteri  manuscripto,  quod  Homburgi  in  scrinio 
ecdesiae  asservatur^''  Sie  befand  sich  im  Besitz  des  verdienten  Gym- 
nasialdirektors Dr.  Schmidt  zu  Halberstadt,  welcher  mir  dieselbe  im 
Jahre  1888  in  liberalster  Weise  zur  Verfügung  stellte. 

Nach  der  Überschrift  ist  sie  aus  einer  alten  Hs.  im  Archiv  der 
Kirche  zu  Hornburg  geflossen;  eine  Nachfrage  ergab,  dass  eine  Hs. 
des  Kalandes  im  dortigen  Archiv  nicht  mehr  vorhanden  ist,  wie  mir 
Herr  Oberpfarrer  A.  Kaselitz  zu  Hornburg  gefälligst  mitteilte. 

Das  Alter  jenes  als  Quelle  erwähnten  vetus  manuscriptum  lässt 
sich  aus  der  Beschaffenheit  der  Abschrift  H  schliessen.  Abgesehen 
von  dem  ganz  vereinzelt  einmal  nachzuweisenden  Eindringen  neuerer 
Orthographie  des  Abschreibers  (vormahnt  640;  vgl.  aber  655  u.  ö.), 
bezeugen  Fehler  wie  das  Auftreten  von  t  für  r,  n  fiir  a  und  umge- 
kehrt, Ä  für  ^,  v  für  0,  e  für  r,  s  für  c,  n  für  c,  eine  Vorlage  aus 
der  Zeit  des  14.  bis  15.  Jahi'hunderts.  Der  Sprachstand  ist  jener 
der  besten  Zeit  des  Mittelniederdeutschen,  wie  er  in  jüngeren  Hand- 
schriften erscheint.  Vergl.  ow  für  o  288  und  1194  (Lübben,  Mnd. 
Gr.  S.  25),  die  massvolle  Verwendung  der  Gemination  und  des  h, 
die  Erhaltung  der  charakteristischen  alten  Fonnen.  Damit  stimmt 
auch  die  metrische  Bescliaffenheit  dieser  Recension  überein;  häufig 
fehlt  die  Senkung,  was  Sello  zu  verkennen  scheint,  wenn  er  S.  104 
von  einer  modernen  Umgestaltung  des  Versmasses  in  B  redet  und 
hinzufügt:  „Zwischen  je  zwei  Hebungen  fehlt  die  Senkung  nun  nicht 
pehr."     Vergleiche  aber  z.  B.  1437.  1403.  1433. 

Obgleich  H  derselben  Redaktion  wie  B  folgt,  hat  sie  doch  auch 
B  gegenüber  selbständigen  Wert.  Verderbnissen  in  B  gegenüber  hat 
H  die  richtige  Lesart  in  folgenden  Fällen  bewahrt:  101  neyber^  B 
neuber.  —  210  soket  =  sotet,  B  sojset,  —  512  So  dat  he  des  dmystes 
moghe  wesen  vry  (lies  quit)^  Edder  glieven  ome  so  lange  vryst  und  tyd; 
hier  hat  B  von  Vers  512  nur  die  Worte  „wwde  gwtd**;  über  das,  was 
in  B  unseren  Versen  513  bis  515  in  H  entspricht,  lässt  Sello  uns  im 
Unklaren.  —  643  innichlik,  B  inniMiken,  —  810  dunne^  B  dumme 
(nach   Seilos  Schweigen   zu   schliessen).  —  965   älgelike^   B  engdiken. 


23 


Die  unmögliche  Form   dond  in  B  1194   ist   von  Sello   wohl  nur  ver- 
lesen aus  doud.    um  R  =  dorch  1284  in  B. 

Eine  fünfte  Hs.  wäre  erhalten  nach  einem  an  mich  gerichteten 
Schreiben  des  Herrn  Geh.  Archiv-Rats  v.  Mülverstedt  vom  23.  April 
1888,  in  dem  es  heisst,  dass  im  Magdeburger  Staats-Archive  „zwei 
auf  den  Kaland  zu  Osterwieck  bezügliche  poetische  Handschriften 
aufbewahrt"  würden.  Da  wird  jedoch  ein  Irrtum  vorliegen;  Sello 
würde  die  etwa  vorhandene  Handschrift  benutzt  haben. 

Bevor  wir  nun  die  Handschriften  ihrem  Werte  nach  ordnen  und 
die  Recensionen  des  Gedichtes  zu  bestimmen  suchen,  ist  die  Frage 
nach  dem  ursprünglichen  Dialekt  der  Dichtung  zu  beantworten.  Die 
Annahme  eines  mitteldeutschen  Charakters  der  Urschrift  stützte  sich 
auf  nichts  anderes,  als  auf  die  Beschaffenlieit  der  einzigen  Hand- 
schrift A,  welche,  weil  sie  die  älteste  der  erhaltenen  zu  sein  scheint, 
von  Schatz  und  Sello  ohne  weiteres  zu  Gininde  gelegt  ist.  Jene  An- 
nahme ist  aber  in  diesem  Falle  unzutreffend. 

Einen  Beweis  für  den  niederdeutschen  Charakter  der  Urschrift 
liefern  die  verhältnismässig  zahlreichen  Fälle,  in  denen  selbst  in  der 
Handschrift  A  unverschobenes  t  allen  Änderungsversuchen  des  mittel- 
deutschen Bearbeiters  zum  Trotz  erhalten  blieb,  mit  der  dcU:  at  514. 
deit:  weit  851.  antht:  trinitat  1320.  vgl.  1233.  sat:  bat  1371.  grot: 
not  1044  =  1100.     deste  bat:  missedat  1185. 

Aus  sonstigen  Formen  und  dem  Sprachgut  in  A,  das  allerdings 
meist  niederdeutsch  ist  oder  das  Gepräge  der  Übersetzung  trägt,  ist 
ein  zwingender  Beweis  deshalb  nicht  zu  entnehmen,  weil  die  betreffen- 
den Formen  und  Wörter  möglichei'weise  auch  mitteldeutsch  gebraucht 
sind.  Für  vieles  dieser  Art  steht  das  fest.  Jedenfalls  bestätigen  aber 
Wortformen  und  Sprachgut  den  Schluss  auf  den  niederdeutschen 
Charakter  der  Urschrift. 

Femer  ist  die  Heimat  des  Dichters  niederdeutsch;  das  Gedicht 
war  offenbar  für  niederdeutsch  redende  Leute  gewöhnlicher  Bildung 
berechnet. 

Sodann  stehen  der  einen  mitteldeutschen  Bearbeitung  drei  bis 
jetzt  bekannt  gewordene  niederdeutsche  gegenüber,  wonach  das  von 
Jellinghaus  in  Pauls  Grundriss  H  423  über  das  Handschriftenverhältnis 
Bemerkte  zu  berichtigen  ist. 

Hören  wir  auf,  dem  Dialekte  der  Handschrift  A  massgebende 
Bedeutung  zuzuerkennen,  so  erweist  sich  die  Fassung  von  A  nur  als 
eine  mitteldeutsche  Umarbeitung  des  ursprünglichen  Gedichtes,  unter 
deren  dürftiger  Hülle  die  Züge  des  echten  Gediclites  hervorbrechen. 
Beispiele,  in  denen  die  Unzulänglichkeit  und  Ungeschicklichkeit  der 
Bearbeitung  besonders  hervortreten,  sind  folgende. 


H  288 
Nu  do%U,  also  tk  giek  bidde, 
ünde  höret  nu  [diät]  dridde, 
In  welker  vrise  und  wudane  hand 
Dat  men  hcMen  scfuil  den  kaland. 


=  A  272 
Nu  dutf  als  ich  tu  bidde, 
unde  höret  daz  dridde, 
an  wogetaner  wie 
man  holden  sat  den  Kalye, 


24 

Auch  Sello  nennt  die  Form  Kalys  unerhört,  steht  aber  nicht  an. 
sie  S.  103  dem  Konemann  zuzuschreiben.  Allerdings  ist  anzunehmen, 
dass  auch  H  höchst  wahrscheinlich  den  alten  Text  schon  erweitert 
oder  sonst  modifiziert  haben  wird.     Vergleiche  ferner: 

=  A  861 

H  902  le  ist  nu  al  vollenbracht, 

It  is  nu  aUe  vuUenbracht,  swas  ju  was  irdacht 

AÜe  dat  tu  darvan  wart  gesacht,  dem  sundere  zo  heile. 

Dem  sunder  to  heyle.  Bus  gaff  sich  gat  veile ; 

Alsus  gaff  aick  God  veyle.  865  al  sin  geven  daz  was  deine 

Unde  leyt  so  grat  dorch  unse  sunde  gegen  der  martir  eine, 

We  were  nu,  dede  konde  de  he  led  durch  unse  sunde. 

Laten  uth  dem  gemode  Wer  were  nu,  de  künde 

De  gottlike  goyde?  lasen  uz  dem  muthe 

Nu  lath  dek  synen  kummer  wesen  leyt  870  de  goddeliken  guthe? 

Myt  gantzer  dancknamicheyt.  Nu  laz  dir  sinen  kumber  leit 

mit  ganzer  dancknamicheit. 

Vers  865  f.  sind  offenbar  interpoliert  und  enthalten  einen  sinn- 
losen oder  sinnlos  ausgedrückten  Gedanken,  wie  ihn  der  Bearbeiter 
von  A  auch  sonst  in  den  Text  bringt,  z.  B.  1011  vergl.  unten.  Für 
den  jedenfalls  verdorbenen  Vers  871  vermutet  Sello  entweder  die 
Lesart  von  H  oder:  nu  ht  dir  sin  den  kumber  leit;  bei  dieser  Fassung 
vermisst  man  aber  das  Pronomen  possessivum. 

Unmittelbar  vor  der    eben   besprochenen  Stelle    gehen   folgende 

von  dem  Bearbeiter  wieder  arg  missh'andelten  Verse  her: 

857  Noch  so  wart  ein  trostUch  wort 
do  Consummalum  est  he  sprach, 
Hey,  was  gote  daran  lach. 

Nur  durch  die  jüngeren  Handschriften  werden  wir  auf  das  Echte 
geführt;  in  H  lauten  die  entsprechenden  Worte: 

898  Noch  so  wart  van  ome  ghehort 
Eyn  so  sanfftmodich  word; 
He  sprack:  Consummatum  est, 
Eya,  welk  grot  goyde  daranne  ist. 

Ebenso  ungeschickt  und  leichtfertig  ist  die  Wiedergabe  folgen- 
der Stelle: 

H  1043  Dat  is  ores  misten  iammers  slach, 
Dat  sick  dat  nummer  endet 
1045  Unde  ok  dat  se  syn  ghewendet 
Van  Goddes  angesichte  dar, 
Dat  maket  alle  ore  pyne  swar 
Unde  dat  se  nummer  werden  vro. 
Des  spricket  David  ok  also. 

Dafür  bietet  A: 

1006  ir  meiste  iamers  slach, 

daz  diz  sich  nimber  endet, 

unde  dcui  se  sin  gependet 
1010  goddes  angesichtis, 

alle  pine  licht  is. 

Davit  sprikt  also. 

Der  dem  letzten  entsprechende  Reimvers  fehlt  ganz ;  Sello  ergänzt 
ihn  diesmal  nicht,  oder  hat  sein  Fehlen  übersehen. 


2& 

Schon  diese  Proben  der  Textgestaltung  in  A  beweisen,  dass  die 
Handschrift  von  dem  Originale  sich  zu  weit  entfernt,  um  überhaupt, 
abgesehen  von  ihrem  Dialekte,  als  durchweg  massgebender  Faktor 
der  Überlieferung  anerkannt  zu  werden.  Die  entsprechenden  Stellen 
aus  H  aber  lassen  erkennen,  dass  die  Recensionen  von  A  und  H 
ziemlich  weit  auseinander  gehen.  ^)  B  folgt  nun  allerdings  derselben 
Art  der  Überlieferung  wie  H;  dennoch  haben  beide  Handschriften 
verschiedene  Vorlagen  gehabt.  Das  letztere  ergibt  sich  schon  aus 
den  oben  S.  22  gemachten  Zusammenstellungen,  durch  welche  der 
selbständige  Wert  von  H  zu  erläutern  war,  aber  auch  aus  denjenigen 
Stellen,  in  denen  B  das  Richtige  der  Handschrift  H  gegeniiber  ver- 
tritt: (es  werden  hier,  wie  oben,  nur  die  wichtigeren  Abweichungen 
angeführt)  303  komen  dar  in  B.  darin  komen  H.  573  ist  in  H  der 
halbe  Vers  verloren;  B  scheint  mit  A  übereinzustimmen,  da  die  An- 
merkung über  B  schweigt.  697.  706  scref  A.  (B?)  scrifft  H.  Auch 
Bemerkungen  in  B  616  fehlen  in  H;  umgekehrt  scheint  es  bei  der 
Überschrift  vor  Vers  448  zu  sein. 

Die  gemeinsame  Abstammung  von  H  und  B  wird  durch  gemein- 
same Fehler  ausser  Frage  gestellt:  Vers  6  Sich  =  Gick.  1442  troff 
=  trosL  Auch  die  Orthographie  ist  bis  auf  die  Verwendung  von  ck, 
gh,  w  im  ganzen  die  nämliche. 

Es  bleibt  sehi*  zu  bedauern,  dass  von  C  nur  5  Bruchstücke  er- 
halten sind;  die  Handschrift  selbst  soll  aus  dem  Magistrats-Archive 
von  Oschersleben  entwendet  sein.  C  nämlich  schliesst  sich,  soweit 
die  Fragmente  ein  Urteil  gestatten,  enger  an  A,  sodass  wir  wahr- 
scheinlich das  Verfahren  des  mitteldeutschen  Bearbeiters  verfolgen 
könnten,  wenn  C  erhalten  wäre,  was  für  eine  Herstellung  des  Gedichtes 
von  grosser  Bedeutung  sein  würde. 

Die  Lage  der  Überlieferung  würde  demnach  in  folgender  Figur 
zum  Ausdruck  kommen. 


A  A 

A      C  B      H 

Je  freier  nun  der  Bearbeiter  von  A  mit  dem  ihm  vorliegenden 
Texte  umging,  desto  wichtiger  wird  für  die  Erkenntnis  des  Ursprüng- 
lichen die  Überlieferung  der  Gruppe  BH.  Während  H  Sello  ganz 
fehlte,  ist  ihm  auch  inbetreff  der  Verwendung  von  B  nicht  zuzugeben, 
dass  er  ^alle  irgend  erheblichen  Abweichungen  von  Inhalt  und  Form 
in  die  Anmerkungen  aufgenommen  habe^,  wie  er  S.  111  versichert. 
Vorausgesetzt,  dass  B  wie  sonst  mit  H  übereinstimmt,  sind  an  nicht 
wenigen  Stellen  die  erheblichen  Abweichungen  von  B  übergangen; 
vergl.  z.  B.  A  26—28  mit  H  21,  22.  A  56,  57  mit  H  53,  54.  A 
495/6  mit  H  536/7.     A  1012/3  mit  H  1048/9. 

V  Seelmaim  erkannte  bereits  S.  61,  dass  A  dem  Schreiber  von  B  (H).  nicht 
▼orgelegen  hat. 


26 

So  schien  es  in  Anbetracht  des  selbständigen  Wertes  von  H 
für  die  Erkenntnis  der  Redaktionen  des  Gedichtes  nötig,  H  unverkürzt 
bekannt  zu  machen.  A  als  Vertreter  der  Handschriftengruppe  AC  = 
Y  und  H  als  Vertreter  von  BH  =  Z  werden  solange  neben  einander 
anerkannt  werden  müssen,  bis  ein  glücklicher  Fund  eine  Vermittelung 
herbeiführt  und  die  Herstellung  möglich  macht. 


Der  Hornbnrgische  Kaland, 
ex  veteri  Manuseript4>,  qnod  Hornbnrfi;!  in  scrinio  ecciesiae  asservatnr. 

Höret  leyen,  höret  papen,  [B-  1*  Sp.  i] 

Höret  riddere,  höret  knapen, 

De  god  heflft  her  gesant 

Hir  an  dussen  kalant, 
5  Ditt  ghedichte  unde  mere 

Gick  allen  to  evner  lere, 

De  leyen  doch  bisunderen  an, 

De  sick  des  latines  nicht  vorstan. 

Dut,  dat  we  hier  lesen, 
10  Dat  schal  orer  aller  lectio  wesen, 

Dat  se  sick  hiran 

Der  sake  rechte  vorstan 

Unde  merken  even  darby, 

Wu  de  kalant  gefunden  sy, 
15  Unde  welkerhande  vromen 

Daraflf  mögen  komen, 

Unde  wume  den  kalant  schulle  holden: 

Des  schal  dut  gedichte  wolden 

Unde  mannige  gude  lere  geven, 
20  We  se  wil  merken  even. 

Merket  alle  to  juwen  vromen, 

Wuraff  de  kalant  sy  gekomen. 

Dusse  selschop  wart  ghefunden 

Van  sunte  Peter  in  den  stunden 
25  Siner  dage  hir  bevoren, 

Den  god  darto  hadde  uterkorcn, 

Dat  he  is  ghenant  de  steyn, 

Dar  de  love  al  by  eyn  [Sp.  2] 

Genslick  is  up  ghebuwet 
30  Unde  mit  godde  vortruwet, 

Do  de  apostelen  alle  quamen 

Myt  sunte  Petro  tosamen 

Unde  lüde  vele,  de  se  larden 

6  Sick. 


37 

Unde  alle  daghe  bekarden 
[In  actibus  apostolonim  Capite  IV.    Multitudinis  credentium  erat  cor  iinum  et 

anima  una.] 
35  To  der  leve  goddes, 

De  weren  alle  eynes  modes, 
Eynes  herten  unde  eyner  sele; 
Nemant  sprack  van  synem  doile. 
Ore  gud,  grot  unde  kleyue, 

40  Dat  was  öne  allen  ghemeyne. 
[In  actibus  apostolorum.    Nee  quisquam  aliquid  esse  sunm  dicebat,  sed  erant 

illorum  omnia  communia  etc.] 

Se  deilden  under  sik  dat  gued 

Eynem  iowelken  na  syner  nod. 

Islikem  wart  sin  gefoeh, 

Dat  se  alle  badden  gbenocb. 
45  Ut  dussen  darna  sproten 

Seven  unde  seventicb  andere  genoten. 

De  weren  ok  goddes  jüngeren  genant, 

Unde  worden  gbesant  in  alle  lant.  [Bl.  l^  Sp.  l] 

Darna  van  stunden  to  stunden 
50  Worden  broderscbop  gefunden 

Unde  mannigerbande  leven, 

De  nocb  bute  sin  gbebleven. 

Ut  dem  sulven  bylde  twar, 

So  men  sud  al  opembar, 
55  Is  de  kalant  getogen; 

Wente  de  papen  niebt  enmogen 

Alle  wesen  an  stiebten; 

De  moten  ok  bericbten 

Capellen,  kerken  unde  parren 
60  Unde  de  zele  voi*waren. 

Des  bebben  de  wysen  erbeven 

Dusser  kalande  leven, 

Dar  men  selscbop  macb  vinden 

Unde  sick  myt  der  vorbynden, 
65  Nicbt  dorcb  bisscbops  gbebodt. 

Sunder  lutterliken  dorcb  god. 

Nu  sut  men  it  vaken  gescbeyn, 

Dat  leyen  unde  papen  overeyn 

Sick  an  einer  selscbop  vordragen; 
70  Dat  kan  neinande  mysbagen, 

Wente  it  macb  komen 

One  an  beyden  parten  to  vromen. 

Men  scbal  it  allen  gunnen, 

De  dat  erwerven  kunnen 
75  Mit  tucbt  unde  goyde 


75  Erst    war   geschrieben  „tucht  van   de*^;   dann  sind  die  beiden   leisten 
Wörter  durchgestrichen  und  daßr  ist  „unde^  geschrieben. 


28  I 

Unde  myt  eyndrechtem  gemoyte, 

Broderliken,  sunder  var, 

Sunder  spotterye  gar. 

Merket,  dat  dusse  selschop 
80  Unde  wunnichlike  broderschop 

Heflft  eyn  pawes  to  Rome, 

Den  ek  Pelagium  nome, 

Bestediget  myt  syner  gewalt 

Unde  heflft  darto  mannichfalt  [Sp.  2] 

85  Ghegeven  fyne  lere. 

Süss  möge  gy  merken  deste  mere, 

Wu  dusse  kalant  is  befredet 

Unde  van  pawesliker  walt  bestedet. 

Doreh  wat  de  kaland  ghemaket  si. 

Nu  höret  vort,  wu  sick  dat  saket, 
90  Unde  dorch  wat  de  kalant  sy  geraaket. 

He  is  bedacht  to  heile 

Beyde  dem  lyve  und  der  zele; 

Des  lyves  heyl  lid  daran, 

Also  ik  mek  vorsynnen  kan, 
95  Dat  sick  under  stunden 

Vrommede  lüde  frunden, 

Dat  se  werden  tniwe  brodere, 

Recht  so  se  sin  van  eyner  moder. 

Dar  Salomon,  de  wyse  man, 
100  Dussen  sproke  heflft  van  gedan: 

[Melior  est  vicinus,  qui  juxta,  quam  frater  procul.J 

Eyn  truwe  neyber  beter  is 

Wen  eyn  liflflick  broder,  dat  is  wis. 

De  dar  wonet  veme. 

Dut  moghe  gy  merken  gerne. 
105  Ik  hebbe  ghelegen  unde  hebbe  ghedacht 

Beyde  dach  unde  nacht 

Mit  sorchfoldigem  gemoyte, 

Wat  an  der  werld  goyde 

Dat  alderbeste  were. 
110  Gued,  gewalt  unde  ere, 

Dat  vinde  ik  alle  wandelbar: 

Synder  eyn  dinck  merke  ik  dar, 

Dat  myn  syn  heflft  uterkoren 

Vor  anderen  dingen  tovoren, 
115  Dat  is  eyn  truwe  stede  fnind;  [Bl-  2*  Sp.  i] 

Dat  duncket  meck  de  beste  fund. 

[Amico  fideli  nulla  est  comparatio.    Ecclesiastes.] 

Wente  Salomon  de  wyse 

Heflft  an  alle  synem  pryse 

Den  steden,  truwen  frunden 


29 

120  Nu  nicht  likes  gefunden. 
[Proverbiorum.    Yae  soli!  si  ceciderit,  uon  habet  sublevautem.] 

We  dem,  de  alleyne  schal  syn; 

Wente  valt  he,  dat  is.  syn  pyn, 

Dat  he  nemande  hefft,  de  one  wedder  upheve 

Edder  jennigerleyen  trost  gheve. 
125  Dat  kan  eyn  truwe  frund  al  vorgoyden: 

Wente  de  is  truwe  in  allen  noden. 

Dat  Bchaltu  vort  ok  darby  proven, 

Wente  de  waren  vnind  kunnen  nicht  bedroven 

Scheideword,  toru  noch  hat, 
130  De  leve  stillet  alle  dat. 
[Proverbiorum.    Vir  amabilis  ad  societatem  magis  amicus  erit.] 

Eyn  tiiiwe  frund  uterkoren 

Is  beter  wen  eyn  frund  angeboren. 

[Nullius  boni  sine  socio  jocunda  possessio.] 

Neyn  gud  helft  vulle  goyde, 

It  ensy  denne,  dat  it  foyde 
135  Eyn  goytlick  kumpenye. 

Alle  valsches  frye. 

Noch  schaltu  merken  lyse, 

Wu  hoch  Seneca  de  wise 

Lovet  unde  pryset  den  steden,  truwen  frund: 

140  Daraff  sprickt  alsus  sin  mund:  [Sp.  2] 

[Amicida  rebus  humanis  omnibus  est  praeponenda.] 
Vor  alle  de  gave  der  erde 
Schal  van  gantzer  werde 
De  wäre  fruntschop  stigen. 

Des  wil  ok  Julius  nicht  swighen 
[Amicus  diu  quaeritur,  vix  invenitur,  inventus  cum  difficultate  obsenratur.] 
145  Unde  secht  alsus  in  synen  sproken: 

Truwe  frunde  mot  men  langhe  soyken 

Unde  men  vind  se  myt  swere; 

Men  schal  orer  warden  sere, 

Wanneir  se  funden  syn. 
150  Hir  van  sprickt  ok  Augustyn: 
[lllam  legem  amicicie  justissimam  esse  arbitror,  qua  praescribitur,  ut  non  minus 

nee  plus  quisque  amicum  quam  se  ipsum  diligat.] 

De  beste  e  mangk  guden  frunden 

Is:  leff  hebben  to  allen  stunden 

Eyn  den  anderen  so  syn  liflf 

Ane  hat  unde  ane  alle  kiff 
155  Unde  ane  jennigerleye  quad  gebere. 

Ach,  wu  leififlick  dat  were. 

Dar  men  de  fruntschop  vunde, 

Dat  vrunt  mochte  myt  frunde 

So  myt  sick  sulven  kosen. 


123  De  he.    157  vunde  Hs,  vinde. 


30 

160  Gensliken  vorholen  vor  den  bösen. 

Van  sodanen  frunde  secht  uns  de  man, 

Den  ik  hir  vor  genomet  han: 

Alsus  schaltu  stede  frunde  merken 

Beyde  an  worden  und  an  werken:  [Bl-  2»>  Sp.  1] 

165  Eyn  frund  hört  den  anderen  gerne  spreken 

Unde  kan  alle  syne  word  to  den  besten  reken; 

He  hört  ok  gerne  van  ome  seggen, 

It  sy  an  steden  edder  an  wegen; 

He  sacht  ok  sulvest  van  ome  gerne, 
170  He  sy  ome  na  edder  verne; 

Ok  dcncket  he  siner  to  aller  tyd, 

Unde  alle  syn  wille  daran  1yd, 

Dat  he  ome  syne  hulpe  do, 

It  sy  kolt,  heit,  spade  edder  vro; 
175  Ok  qweme  dat  so,  und  were  des  uoth. 

He  ghinge  myd  ome  wel  in  den  doed. 

Synen  torn  wil  he  bewaren; 

Dat  is  der  rechten  leve  kam. 

Ok  sut  he  one  bedrovet 
180  Unde  unmod  an  ome  provet, 

He  iß  darna  myt  synen  seden, 

Dat  he  one  bringet  wedder  to  freden. 

Synes  gheluckes  is  he  gemeyt; 

AI  syn  ungelucke  is  ome  leyt. 
185  He  lovet  ok  alle  tyd  den  dach, 

In  dem  he  by  ome  wesen  mach; 

Wente  des  is  ghevrauwet  syn  sin. 

Van  ome  wesen,  dat  bringet  ome  pyn. 

Ok  wat  eyn  vrund  levet, 
190  De  ander  alle  tyd  darna  strevet, 

Dat  he  dat  sulven  in  herten  ginind 

Ok  heflPt  leff  to  aller  stund. 

Wat  he  batet,  dat  batet  ok  ome. 

Ok  maket  he  ome  bequeme 
195  Alle,  de  he  immer  mach, 

It  sy  nacht  edder  dach; 

Unde  bringhet  de  in  syne  fruntschop 

Und  in  lefflike  kuntschop. 

Ok  steyt  he  darna  alle  dagbe,  [Sp.  2] 

200  Dat  he  ome  io  behage. 

Wat  he  ome  gyfft,  dat  be wäret  he  gerne; 

Dat  kumpt  van  ome  seiden  veme. 

He  deyt  ok  alle  tyd  na  synem  rade, 

It  sy  nacht,  dach,  vro  edder  spade. 


172  darna.    178  kam  =  kern;  zum  Reime  a:  e  vgl  1216/7.    712/3.    674/5. 
684;5.    579/80.    359/60.    200  beghage. 


31 

205  De  wise  man  Isidorus 

De  sprickt  darvan  alsus: 

[Amicitia  est  amicorum  societas.] 

An  leve  twier  herten  band 

Dat  is  recht  fruntschop  genant. 

Vruntschop  sotet  lucke. 
210  Ik  meyne,  se  ok  Vordrucke 

Des  ungheluckes  gallen. 

De  enleth  ok  nicht  vallen 

Dat  suftenbare  herte 

An  mystrostes  smerte. 
215  An  aller  rede 

Steyt  io  de  fruntschop  stede. 

De  falsche  dunckelfrund 

De  wankelt  io  to  aller  stund, 

He  drecht  dat  honnich  in  dem  munde, 
220  Und  drecht  doch  valsch  in  herten  gründe. 

Vor  mek  maket  he  syne  word  gar  slicht, 

Binder  mek  is  he  so  quad  eyn  wicht. 

Wol  dem  to  allen  stunden, 

De  eynen  truwen  Jinind  hefft  gefunden, 
225  Dem  he  alles  gudes  mach  gheloven 

Dat  mach  men  wol  by  Davitte  proven. 
[Ecce  quam  bonum  et  quam  jocundum,  habitare  fratres  in  uuum.] 

Su  wu  gued,  wu  lustichlich,  [Bl-  3»  Sp.  1] 

Dar  de  truwen  broder  sammen  sick 

Und  undereynander  sick  befrundet. 
230  Dat  uns  dat  evangelium  ok  vorkundet: 
[Tbl  duo  vel  tres  congregati  füerint  in  nomine  meo,  in  medio  eorum  sum.] 

God  sprickt:  Wu  vaken  dat  gesche, 

Wur  twene  edder  dre 

Sick  in  synem  namen 

Mit  rechter  leve  sammen 
235  In  allerleye  stidde, 

Dar  wil  he  io  wesen  midde. 

Nu  höret  van  dem  heyle. 

De  gescheyn  mach  der  zele 

Van  dusser  selschop  unde  vorplicht. 
240  Alle  selschop  were  nicht, 

Also  ek  lese  unde  prove, 

De  sick  myt  godde  nicht  erhove, 

In  god  unde  dorch  god. 

Höret  nu  alle  sin  gebot: 
[Hoc  est  praeceptum  meum,  ut  diligatis  invicem,  sicut  dilexi  vos.] 
245  Alsus  sprickt  Johannes  breflf: 

Hebbet*  gick  undemander  leff, 


209  soket.    213  sustenbare.    222  ghe. 


32 

Also  ik  gick  liebbe  gedan. 

Alsus  schal  unse  leve  stan, 

Dat  we  to  godde  brochten 
250  Gerne,  eft*  we  mochten, 

AI  unse  fnind  ghemeyne. 

Dat  Ion  enis  nicht  cleyne, 

Dat  god  uns  darvor  wil  gheven 

Na  dussem  krancen  leven.  [Sp.  2] 

255  Wertlick  leve  vorgeyt, 

Aller  erst  denne  besteyt 

De  wäre  leve  myt  lone. 

Dat  steyt  ghescreven  schone: 
[Ego  V08  elegi  et  posui  vos,  ut  eatis,  qui  fructum  aflferatis  et  fructus  vester  maneat.] 

Ik  hebbe  gick  uterkoren 
260  Ut  aller  werld  tovorn, 

Dat  gy  gan  na  tucht 

Unde  bringen  der  leve  frucht, 

De  ewdch  warende  sy. 

Hir  machmen  merken  by, 
265  Wu  grot  heyl  und  vrome 

Van  rechter  fruntschop  kome. 

Van  warer  finintschop  goyte 

Wert  eyn  bedrovet  ghemoyte 

Irluchtet  van  aller  swere 
270  Unde  vint  dar  trost  unde  lere. 

Hir  mach  ok  frund  frunde 

Secker  bichten  syne  sunde 
[Confitemini  alterutrum  peccata  vestra  et  orate  pro  invicem,  nt  Balvemini.] 

Unde  soyken  darto  guden  rad 

Unde  helpen  sick  myt  guder  dat, 
275  Unde  moghen  gelick  den  frunden  und  magen 

Eyn  des  anderen  nod  und  borden  dragen. 
[Alter  alterius  onera  portate,  et  sie  adimplebitis  legem  Christi.] 

Noch  vintme  hiir  gnade  vele 

Unde  guden  trost  der  zele, 

De  dusser  fruntschop  volge  mede 
280  An  almosen  unde  an  bede  [Bl-  3^  Sp.  ij 

Na  den  doede  unde  vor. 

Wur  vint  men  dat  anderswurV 

Na  dem  dode  eyn  stede  frund 

Dat  is  eyn  salich  fund, 
285  De  siner  zele  plecht  myt  guden  werken 

An  klosteren,  clusen  und  an  kerken. 

Wu  me  den  kaland  holden  schal, 

Nu  dout,  also  ik  gick  bidde, 
Unde  höret  nu  [dat]  dridde, 

254  kranneu.    269  Itluchtet    284  satich.  . 


33 

lu  welker  wise  und  wiidane  band 
290  Dat  men  holden  schal  den  kaland. 
»Men  schal  hebben  eynen  deken, 

(Dat  wil  ik  myt  gheloven  spreken) 

Dusser  selschop  bequeme, 

Wiis,  fredesam  und  anneme, 
295  Dede  wontliken  alle  sake 

Utrichte  unde  bestentlick  make, 

So  eynen  wisen  manne  behort; 

De  ok  myt  syner  brodere  viilbord 

An  dussen  kaland  neme 
300  Alle,  de  dar  to  sin  bequeme 

Unde  dusser  broderschap  werdich  sin. 
..  De  quaden  schullen  nummer  komen  darin. 

Men  schal  ok  in  allen  steden 

Dussem  deken  beden 
30.')  Horsam,  tucht  und  ere. 

Noch  schal  men  hebben  mere 

Ome  to  hulpe  eynen  kemerere, 

De  myt  alle  synem  gebere 

Ome  bequeme  sy 
310  Unde  wone  den  broderen  myt  truwe  by, 

Unde  de  ane  alle  vare 

Dusser  broderschop  gud  beware. 

Dusse  kemerer  schal  ok  dama  wesen 

Unde  late  des  avendes  vigilien  lesen,  [Sp.  2] 

315  Wen  des  kalandes  tyd  is  ghekomen; 

Des  mögen  de  zele  nemen  vromen. 

Under  des  de  kock  myt  dem  werde 

Schullen  myt  orem  geverde 

Berichten  unde  bereyden  de  spyse, 
320  Dat  de  sy  an  sulker  wyse, 

Dat  der  sy  ghenoch, 

Eynen  iowelken  sin  ghevoch, 

Dat  or  ok  sy  to  mate, 

Dem  lyve  nicht  to  overate. 
325  Dusse  kaland  schal  ok  nicht 

Mit  der  taverne  hebben  plicht. 

Jowelk  schal  drinken  synes  lyves  mate 

Unde  ga  denne  syne  strate; 

Wente  overat  unde  overdranck 
330  Maken  lyfF  unde  zele  kranck. 

Overat  an  der  spyse 

Warp  Adamme  uth  dem  paradyse 

Unde  krencket  noch  hüte  manigen  man. 


302  darinkomen. 

NiederdantschaB  Jahrbaoh.    XVIII. 


34 

p 

Des  vinde  we  bescreven  stan 

[Non,  ut  edas,  vivas;  sed  edas,  ut  vivefe  posais.] 
335  Men  schal  eten  dorch  dat  levent; 

Dat  Uff  is  dy  nicht  ghegeven, 

Dathu  it  holdest  to  dem  vrate. 

Der  doget  kröne  is  de  mate. 

Sondere  we  also  denet  dem  büke, 
340  Dat  he  der  spyse  vele  vorsluke, 

De  mot  werden  vorstort. 

Dat  sint  des  apostelen  word: 

[Deus  et  hone  et  hanc  destruet.] 
God  wil  vorstoren  de  overflodicheyt 
Unde  alle,  de  oren  willen  dar  hebben  angeleyt. 

Van  den  gherichteB  des  kalandes.  [Bl.  4»-  Sp.  1.] 

345  Nu  wil  ek  gick  segghen, 

Wu  de  werd  iuwer  schuUe  plegen. 

De  werd  schal  geven  to  der  not 

Gued  beir  und  gud  brod 

Unde  veer  gude  gerichte, 
350  Der  enschal  he  myt  nichte 

Vorbat  overmeren; 

Koyken,  kese  unde  beren. 

Des  ghelick  gifft  men  wol  darmede 

Na  unser  broderschap  zede. 
355  Dat  enschullen  neyne  richte  heten  noch  sin. 

Ok  enschal  nemand  wyn 

Tho  dussem  kalande  schencken 

Unde  unsen  wilkor  krencken: 

Id  were  denne,  dat  we  sende 
360  Wyn  dem  kalande. 

Hedde  ok  de  werd  sulven  wyn, 

So  geve  ik  vulbord  darin, 

Dat  he  wyn  mochte  gheven. 

Sick  mochte  anders  erheven 
365  So  kostlick  kost  unde  theer, 

Dat  eyn  den  anderen  iummer  mer 

Mit  der  koste  wolde  overpralen 

Unde  myt  homode  overhalen, 

Dat  it  worde  dar 
370  Den  armen  alte  swar. 

Noch  weyt  ik  eyn  leyt, 

Dat  is  de  quade  drunkenheyt 

De  sunder  twivel  daraff  wolde  komen; 

De  doch  nemande  bringet  vromen, 

348  overslodicheyt. 
362  wulbord. 


B5 

375  Also  ok  bescreven  steyt  [Bl.  4»-  Sp.  2.] 

[ProTerbiorum.    Luxuriosa  res  est  vinum,  et  tumultuosa  est  ebiretas.} 

Wyn  uude  dnmkenheyt 

Mannighe  untucht  erwecken 

Unde  alle  vorholen  dingk  updecken; 

Twischen  den  frunden  breken  se  de  [sone], 
380  De  blöden  maken  se  kone. 

Hinunme  holdet  mate 

An  drinken  unde  an  eten, 

Up  dat  gy  moghen  frunde  wesen. 

Merket,  wat  we  mer  lesen: 
[Melius  est,  vocare  ad  olera  cum  caritate,  quam  ad  vitnlum  saginatum  cum  odio.] 
385  Dat  is  beter  und  themet  wol, 

Dat  men  myt  fruntschop  geve  kol, 

Wen  dat  men  braden  gheve, 

Dar  de  fruntschop  binden  bleve. 
[Melior  est  bucella  panis  cum  gaudio,  quam  domus  plena  victimis  cum  jurgio.] 

Beter  is  eyn  schive  brodes, 
390  Dar  ik  by  mach  wesen  gudes  modes, 

Wen  veer  richte  edder  vive 

Mit  tome  unde  myt  kyve. 

Nu  höret  dat  beste: 

De  werd  schal  syne  geste 
395  Entfangen  gar  vroliken 

Unde  bewisen  one  leiiHiken 

Syn  vrolike  anghesichte; 

Dat  kan  alle  syne  gerichte 

Ane  honnich  maken  zoyte. 
400  Dat  spreke  ik  by  myner  goyte. 

Dat  sulve  leret  uns  ok  meyster  Esopus, 

De  dar  van  scrifft  alsus: 
[Emendat   conditque   cibos   clemencia  vultus,   Convivam   satiat       rDi    jk    c     i  -i 

plus  dape  frontis  honor.]  I-^*-  ^^'    ^P-  ^J 

We  syne  koste  wil  vrolik  bewaren, 

De  late  alle  sorge  varen, 
405  Dewile  de  geste  by  ome  syn, 

So  lovet  men  sin  brod,  beir  und  wyn. 

Unde  wat  he  vrolicken  hefft  ghegeven, 

Sunder  wen  men  myt  sick  sulven  sud  streven, 

De  vorluset  de  koste  unde  ok  de  gunst, 
410  Unde  hedde  he  ok  Salomonis  kunst. . 

Wettet,  he  is  eyn  salich  man, 

De  vrolick  sin  brod  geven  kan. 

Hirane  schuUe  gy  gyck  prisen 

Unde  iuwen  gesten  vrolicheyt  bewisen 
415  Unde  plegen  orer  also, 

Dat  se  de  spyse  make  vro. 

Eyn  dingk  schuUe  gy  ok  beholden, 

3* 


36 

Öat  men  groter  tuchte  schal  wolclen 

Over  dem  dische  myt  allen  dingen. 
420  Men  schal  nicht  ropen  unde  singen, 

Sunder  myt  groten  tuchten  eten 

Ünde  aller  untiicht  vcjrgetten. 

Tho  dem  dissche  schal  men  lesen 

Unde  rechte  hovesch  wesen 
425  Unde  doch  vrolikes  modes 

Unde  spreken  alle  wat  gudes, 

Dar  beteringhe  ane  sy. 

Ok  schal  wesen  by 

Van  uns  alle  achtersprake ; 
430  Dat  is  so  quad  eyn  sake, 

Dat  alle  gude  kumpenie 

Orer  schullen  wesen  vrie. 

Dat  scrifft  ok  sunte  Augustin 

An  dem  dissche  syn: 
[Qnique  Bolet  dictis  absentium  rodere  vitam,  Hunc  procul  a  mcnsa    rr».    ^i,  o      «  i 

cedere  posco  mea.]  ^^^'  ^  '  ^P*  ^-1 

435  Alle,  de  sick  des  vliten, 

Dat  se  de  lüde  byten 

Myt  achtersprake  hinder  one  her, 

De  schullen  mynen  dissche  iummer  mcr 

Unde  to  allen  tyden  wesen  verne. 
440  Dusser  lere  schuUe  gy  ok  volgen  gerne 

Unde  schullen  nemandes  ovel  denken 

Unde  syn  gude  rochte  krencken. 

Wettet,  he  is  eyn  salich  man, 

De  alle  dingk  to  dem  besten  keren  kan, 
445  Unde  wat  one  nicht  tredet  an, 

Kan  laten  by  sick  hen  gan. 

Van  dem  broke  der  kalandes  brodere. 

Nu  sit  ok  alle  des  vormaant, 

Dat  gy  dussen  kalant 

Nicht  vorsumet  sunder  nod. 
450  Sunder  we  dat  freveis  modes  doit, 

Dat  schal  unse  deken 

Myt  syner  ghewalt  wreken. 

So  dat  eynander  dorch  de  vare 

Dat  up  eyn  ander  tyd  beware. 
455  Noch  wettet  suuder  wan: 

Eflft  jennich  dummer  man 

Hir  wedder  wolde  kyven 

Unde  unhorsam  bliven, 

Den  schal  me  hir  uth  driven 

451  uns. 


37 

460  Unde  uth  dussem  kalande  scriven,  [ßl-  S*-  Sp-  1] 

So  dat  de  dar  blive  van; 

Wente  we  vinden  bescreven  stan: 
[Turpis  est  omnis  pars,  quae  non  congruit  suo  toti.] 

Dat  stucke  is  schentlick, 

Dat  nicht  ghevolget  sick 
465  Synem  gantzem  deile. 

Wat  hulpe,  dat  ik  dat  heleV 

[Una  enim  ovis  morbida  totum  gregera  corrumpit.] 

Eyn  eynich  schap  wandelbar 

Bevlecket  eynen  herde  gar, 

Dat  he  wert  al  unreyne. 
470  Sui*e8  deges  eyn  kleyne 

Maket  vele  deges  sur; 

Unde  eyn  kyverne  bur, 

De  kyves  vele  kan, 

De  is  den  synen  eyn  verlick  man, 
475  De  by  ome  schullen  leven. 

Des  vinde  we  bescreven: 

[Ejice  derisorem,  et  exibit  cum  eo  jurgium.] 

Den  kyveren  man  vordriff, 

So  endet  sick  de  kyff. 

Na  dusser  lere  der  wisen 
480  Schal  men  sick  alle  tyd  prysen, 

Dat  men  sodane  lüde 

An  den  kalant  nicht  enfanghe  hude, 

Sunder  dat  men  se  darvan  late 

Ane  jenigerleye  mate; 
485  Sunder  efFt  dat  also  were  komen, 

Dat  se  misfanges  worden  angenomen. 

So  schal  men  doch  orer  nicht  lyden. 

Sunder  wedder  äff  dem  kalande  snyden 

(So  eyn  vul  ledemat) 
490  An  rechten  truwen,  uppe  dat,  [Sp.  2.] 

Dat  dat  negeste  ledemat  sunder  wan 

Ok  nicht  envule  darvan. 

Nu  höret,  effet  men  eynen  man 

An  den  kaland  wil  entfan, 
495  De  schal  sunder  wedderstreven 

Eyn  halff  punt  wasses  gheven 

An  de  kemery e.  ^^'£se   lietT^^ 

Unde  eff  eyn  der  kumpanye  ^^      of  thh  ""^k^ 

Dorch  sake  wil  vorthyen,  I  UNI^nr^iJ-'^^TY 

500  De  schal  sick  alsus  vryen:  x   '.    ~~n. 


468  herde  (grox)  scheint  nd.  wenig  bekannt.    Geschlechtswechsel,  dem  zufolge 
das  Wort  Masc.  wurde,  ist  wahrscheinlich.     Vgl.   Korrespondenzblatt  XV,  62.  93. 
494  entfanghen. 


38 

He  schal  gheven  vor  dat  dingk 

Eynen  lodighen  verdingk 

ünde  vare  an  goddes  segen. 

Weret  ok  also  ghelegen, 
505  Dat  des  kalandes  eyn  geselle 

Van  kummers  ungevelle 

Nicht  konde  denen  dem  kaland, 

Deme  schal  men  altohand 

Bewisen  broderlike  goyde, 
510  Efft  he  des  bidet  myt  othmode, 

So  dat  he  des  denystes  moghe  wesen  quit, 

Edder  gheven  ome  so  lange  vryst  und  tyd, 

Dat  he  sick  dartho  berede: 

Doch  mit  sodanem  underbeschede, 
515  Dat  synes  kummers  sware 

Si  schin  unde  openbare. 

Dar  schal  men  wol  up  proven 

ünde  ome  denne  der  tyd  erloven. 

Wa  und  wan  men  to  dem  Kalande  komen  schal. 

Nu  höret  mer,  wat  ick  gik  sage. 
520  An  dem  kalandes  daghe  [Bl.  5*.  Sp.  1.] 

Vro  an  der  morghen  stunde 

Des  kalandes  brodere  unde  frunde 

Schullen  alle  komen; 

Dat  ensy,  dat  we  worde  benomen 
525  Van  sunderliker  merckliken  nod, 

De  to  allen  tyden  mod 

Unde  in  allen  saken 

Den  mynschen  unschuldigh  maken. 

So  schal  men  singen  dar 
530  Dre  missen  edder  eyn  par; 

De  ersten  vor  de  doden, 

De  dar  noch  syn  in  noden, 

De  anderen  vor  de  broder 

Der  barmhertighen  moder, 
535  Der  junckfruwen  sunte  Marien, 

Dat  de  brodere  alle  wol  dyen 

An  lyve,  ere  und  an  gude, 

An  der  zele  unde  an  alle  orem  mode. 

Wen  sick  dusse  missen  erheven, 
540  So  schullen  sick  dama  streven 

De  papen,  dat  se  singhen  unde  lesen 

Unde  myt  oren  ruggelen  dar  wesen 

Myt  iniger  andacht  unde  anders  nicht. 


507  den  kaland.    511  vry. 


39 

De  leyen  schuUen  ore  plicht 
545  Ok  dar  bringhen  to  hove, 

Dat  se  to  goddes  love 

Ore  beth  flytliken  spreken. 

Neyn  broder  schal  dat  breken, 

He  enbringhe  sin  opper  dar. 
550  Na  der  missen  nemet  war, 

Wa  me  dat  mandat  utlecht 

Unde  den  armen  de  voyte  twecht 

Na  dem  beide  unses  heren, 

ünde  dat  sulve  rechte  leren 
555  Unde  ervuUen  dat  myt  der  daat. 

Do  he  myt  sinen  jüngeren  ath  [Sp.  2.] 

Unde  twoch  one  ore  voyte, 

He  sprack  one  so  rechte  soyte: 

[Si  ego  dominus  et  magister  lavi  vestros  pedes, 
et  V08  debetis  alter  alterius  lavare  pedes; 
exemplom  enim  dedi  vobis,  ut  et  vos  ita  faciatis.] 

Dut  hebbe  ick  gick  to  eynen  beide  ghedan, 
560  Uppe  dat  gy  rechte  lere  nemen  darvan 

Unde  bewysen  juwer  eyn  den  anderen  othmodicheyt ; 
So  moghe  gy  erwerven  salicheyt. 

Wa  meB  de  almesen  bereyden  schal. 

De  wert  myt  sinen  seden 

Schal  dar  de  almesen  bereyden, 
565  Dat  dar  nicht  ane  enschele, 

Sunder  dat  der  sy  so  vele, 

Alse  der  kalandes  broder  is, 

Dat  iowelk  sunder  mys 

Eynem  armen  an  dem  daghe 
570  Syne  voyte  sulven  twage 

Und  ome  eyne  almese  beyde, 

De  schal  [dar  sin  bereide.] 

Wen  dat  is  ghedan, 

So  schal  men  to  capittel  gan 
575  Unde  berichten  unde  overspreken 

Mit  fruntschop  sunder  wreken, 

Wat  da  to  donde  sy. 

Alle  twidracht  de  sy  by. 

So  schalme  denne  to  dische  gan 
580  Unde  dar  schal  van  oven'  an  de  deken  [Bl-  6*-  Sp.  1.] 

Benedicite  unde  den  segen  spreken 

Over  de  sulven  spyse, 

Unde  na  der  sulven  wyse 


572  Die  Wörter  De  schal  sind  wieder  durchgestrichen, 

680  Wa»  hinter  „J3n^  folgt,  ist  eines  Klexes  wegen  nicht  bu  lesen. 


40 

Na  tem  eteu  gratias. 
585  Men  schal  ok  under  des 
Vel  wolghetogen  wesen, 
So  hir  vor  is  ghelesen, 
An  worden,  an  drancke,  an  spyse 
Unde  an  gotliker  wyse. 

Wa  men  don  schal,  wan  eyn  kalandes  broder  sterfft. 

590  Nu  enhoret  dut  nicht  node, 

Wu  men  don  schal  an  dem  dode, 

Wen  der  broder  eyn  wil  sterven. 

So  schal  me  dat  werven 

To  den,  de  men  hebben  mach, 
595  It  sy  nacht  edder  dach, 

Dat  se  komen  dar 

Unde  des  krancken  nemen  war 

Ome  de  sacramenta  to  geven, 

Unde  wat  ome  is  even 
600  To  syner  lesten  hennevart, 

Dat  de  werde  wel  bewart. 

Wen  denne  sin,  dod  wert  vornomen. 

So  schuUen  se  dar  hen  komen, 

De  brodere  al  ghemeyn; 
605  Dat  schal  vorsumen  neyn. 

Vigilien  missen  schal  men  singhen 

Unde  de  graff  vullenbringen 

Schone  na  der  wonheyt, 

So  men  guden  frunden  deyt. 
610  Unde  ein  iowelk  schal  darnach 

Wente  an  den  drittegesten  dach 

Unde  vorbat  alle  dat  iar  [8p.  2.] 

Der  sele  nemen  war. 

So  me  guder  vrunde  plecht. 
615  Ok  schalme  des  vorsumen  nicht. 

Dar  schal  eyn  iowelk  sunder  clagen 

Eynen  hympten  weites  hendragen, 

Dat  de  kemerer  dat  late 

Backen  an  guder  mate. 
620  Dat  schal  men  den  armen  deilen 

To  tröste  allen  crissen  seien. 

Nu  höret  ok  al  openbar: 

Des  drittigesten  schullen  nemen  war 

De  brodere  al  by  namen, 
625  Dat  [se]  komen  to  samen 

Unde  den  drittigesten  began, 


614  guder  doppelt  geschrieben. 


41 

Also  se  de  bigrafft  liebben  ghedan. 

Höret  vort,  wat  ik  gyk  sage: 

An  sunte  Gallen  daghe 
63Ü  Schal  eyn  iowelk  sunder  wedderstreven 

Eynen  Halberstedeschen  schillingk  geven 

Dusses  kalandes  kemerere, 

Uppe  dat  he  moghe  sunder  swere 

Dem  koke  sin  Ion  entrichten. 
635  Ok  schal  myt  den  sulven  plichteu 

Ghescheyn  unses  kokes  grafi't, 

Wen  sin  levent  eynen  ende  lieft, 

Und«  don,  also  men  den  anderen  broderen  deyt, 

Also  hir  vor  gescreven  steyt. 
640  Ok  sy  gyk  broderen  alle  vormahnt, 

Dede  gan  an  dussen  kaland,  [Bl.  6^-  Sp.  1.] 

Dat  iowelk  darna  vlite  sick 

Unde  spreke  alle  daghe  gar  innichlik 

Syn  ghebeth  vor  dusse  kumpanye, 
645  Uppe  dat  se  wol  ghedye 

Hir  an  dussem  lyve 

Unde  iummer  mer  dort  blive 

Vri  van  allen  leyden, 

Van  godde  unghescheden. 
650  Des  help  uns  allen  samen 

De  almechtighe  god!     Amen. 

Kyn  Hunderlick  vormannighe. 

Eya,  leven  broder  myn, 

Gy  alle,  de  ghesammet  syn 

Hir  an  dussen  kaland, 
655  Weset  des  van  mek  vormand, 

Dat  kumpt  gick  to  goyte . 

Seyt  und  provet  an  iuwe  ghemoyte, 

Wu  vraudenbar  dat  si, 

Dat  vrunt  vrunde  wonet  by, 
660  Und  vrund  to  vninde  kome, 

Dat  is  lust  unde  vrome. 

So  men  sued  to  der  werlde  Iure, 

Dar  se  doch  sunder  vire 

Sick  moten  draden  scheyden 
665  Unde  ok  dicke  myt  leyden. 

Doch  is  dat  sammcnt  eyn  grod  wunne. 

Nu  merket  dat,  we  dat  merken  kunne: 
[O  quam  gloriosum  est  regnum,  in  quo  cum  (Christo  gaudent  omnes  sancti.] 
Wu  ersam  unde  wu  wunnebar 
It  mot  iummer  wesen  dar. 
670  Dar  god  mit  aWv  den  svnen  wunnichlik  [^P-  2.] 


42 

Sick  wil  vrauwen  ewichlick. 

Dat  IS  der  gantzen  vraude  eyn  vund, 

Dar  god  alle  syne  frund 

Bringhen  wil  tosammen. 
675  So  moghen  sick  de  wol  Schemen 

Unde  troren  van  schulden, 

De  dar  van  goddes  hulden 

lummer  und  ewich  werden  vorstoten 

Unde  dar  ute  besloten 
680  Vor  des  hymmelrikes  doren, 

De  dut  word  moten  hören: 
[Amen,  ameu  dico  vobis:  nescis  vos.    Vigilate  itaque,  quia  nescitis  diem 

neque  horam.] 

„Gad  hen,"  (dat  is  slicht) 

„Ik  erkenne  iuwer  nicht." 

Nu  waket,  leven  frunde, 
685  Gy  enwetten  nicht  den  dach  noch  de  stunde, 

Wan  god  wil  komen, 

Dat  gy  werden  henghenomen. 

Ik  Werne  gick  dorch  truwe: 

Hoydet  iuck  vor  der  naruwe. 
690  We  ewichliken  wert  vorloren, 

De  were  bether  ungheboren. 

Van  vorsumen  unde  vortheen 

Is  leydes  vele  gesehen 

Unde  schut  noch  alle  daghe. 

695  Nu  höret,  wu  gik  dut  behaghe: 
[Ecclesiastes :  In  omnibus  operibus  tuis  memorare  novissima  tua,  et  in  aetemum 

non  peccabis.] 

Bedencket  iuwe  lesten  stunde,  [Bl.  7*  Sp.  1] 

So  do  gy  nummer  sunde. 

Vorsynnet  gyk  in  der  tyd. 

Vel  mannich  nu  dar  1yd 
700  In  der  helle  gloyte  twar 

Van  valscher  hopeninghe,  dat  is  war. 

De  wyse  unde  hilge  lerer  Augustyn 

Is  des  eyn  tuch  myn: 
[Res  est,  quae  multos  occidit,  cum  dicunt:  cras,  cras.  cras;  et  subito  clauditur 

ostium  et  remanent  foris.] 

Beyden  wente  ovemacht 

705  Hefft  mannighen  darto  bracht, 

Dat  he  dar  uth  bleyff. 

Sunte  Gregorius  uns  ok  scref: 
[Gregorius:  Quanti  ad  vesperam  sani  se  aliquid  in  crastinum  putabant  acturos, 
et  tum  eadem  nocte  repentina  morte  defuncti  sunt.] 
Mannich  hefft  wol  wesen  ghesunt, 
Unde  dachte  in  der  avent  stunt 

672  wund.    697  do  dy.    707  scriflft. 


43 

710  Van  dussen  unde  jennen  dinghen, 

De  he  wolde  vuUenbringen 

Des  morgens.     Ome  dat  vordarflF; 

Wente  he  in  der  nacht  snelles  dodes  sterff. 

Dorch  dussen  angest  und  var 
715  Nemet  myner  leren  war: 

Soket  godde,  dewyle  mßn  one  vinden  mach; 

Wente  he  is  alle  tyd  darnach, 

He  wil  hir  gnedich  wesen. 

An  der  erde,  so  we  lesen,  [Sp.  2] 

[Non  enim  veni  vocare  justos,  sed  peccatores  ad  penitenciam.] 
720  God  is  nicht  mynslick  gekomen 

Den  rechten  her  to  vromen, 

Sunder  dat  he  de  sunder  wil  laden 

Unde  bringhen  se  to  gnaden. 

Nu  nemet  an  juwe  ghemoyte 
725  Goddes  ghewalt,  wysheyt  unde  goite. 

He  mach,  he  kan,  he  wil, 

Gnadens  wert  ome  nicht  to  vel. 

Des  machstu,  sunder,  wesen  vro. 

Ezechiel  sprickt  ok  also: 
[Nonqnam  Toluutatis  mee  est  mors  impii  et  non  ut  convertatur  a  via  sua  mala 

et  vivat.] 

730  Dorch  den  propheten  spricket  god: 

Ik  wil  nicht  des  sunders  doed, 

Sunder  dat  he  sick  bekere. 

Noch  spricket  vort  unse  here 

ünde  ropt  to  uns  hemedder: 
735  Kere  wedder,  kere  wedder, 

Sunamitis,  du  vel  soyte, 

Dat  ik  dy  schauwen  mote. 

Van  dussen  dinghen,  so  ik  las, 

Spricket  wol  Jsaias: 

[Convertimini  ad  me,  et  salvi  eritis.] 
740  Keret  gyck  to  mek  van  stund, 
So  werde  gy  ghesunt. 
He  spricket  ok  vort  an  dusser  stede 

Dussen  na  ghescreven  sproke  mede: 
[Nunqaam  mnlier  potest  oblivisci  infantem  suum,  ut  non  misereatur  filio 

uteri  sui.]  [Bl.  7^  Sp.  1] 

Wu  mochte  eyn  wifflick  wiff 
745  Vorgetten  ores  kyndes,  dat  or  liff 

Hefft  to  der  werlde  ghebracht. 

Doch  is  se  des  under  tyden  umbedacht. 

Sunder,  du  machst  dat  wetten, 

Ik  wil  dyner  nummer  mer  vorgetten; 
750  Wultu  anders  sulven  darto. 

715  lerer. 


44 

Des  scriflFt  uns  simte  Bernbart  ok  also: 
[Neu  liorruisti  conüteiitem  latronem,  non  lacrimantem  peccatricem,  uou  Caiianeam 
supplicantem,  uon  deprehensam  in  adulterio,  non  suspirantem  publicanum,  uec 

negantem  discipulum.] 

He  sprickt  alsus,  bin  ik  bericlit: 

Here,  du  vorsmadest  nicbt 

Den  scbeker  an  dem  cruce,  nocb  dat  wenen 
755  Der  sunderynnen  Marien  Magdalenen, 

Nocb  Cananeam,  de  dek  nareyp, 

Nocb  dat  wiff,  dat  nien  begrep 

An  dem  uuecbte. 

Du  nemest  ok  to  eynem  knecbte 
760  Den  publican  uude  tobier  Mattbeum, 

Ok  dynen  apostelen  Petrum, 

De  dyner  drie  vorsack. 

Dyne  cruciger  nemestu  ok 

Wedder  to  dyner  gnade  scbyn. 

7ü5  Darvan  sprickt  ok  sunte  Augustyn: 
[Sic  deus  reuni  fcstinat  absolvere  a  tormeuto  conscieucie,  quasi  ipsum  plus 

passio  miseri  cogat,  quam  ipsum  miserum  passio  sui.]  [Sp.  2] 

(xod  is  stede  to  der  sone  bereyt; 

Wente  be  vel  lever  gnade  deyt, 

Wen  dat  be  den  sunder  lete  sterven 

Unde  ewicbliken  vorderven. 

770  God  is  vul  aller  goyde. 

Dat  merket  al  an  juwem  mode: 
[Augustinus.     Quemcunque  nccessitas  cogit  peccatorem  ad  penitenciam,  uon  crimiuis 

immensitas,  non  vite  enormitas  excludit  a  venia.] 

Wente  nu  wart  so  grod  sunde, 

Nocb  so  kort  de  stunde: 

God  de  vorgeve  de  sunde  gar, 
775  EflFt  de  wäre  ruwe  wonet  dar. 

Nu  merket  alle,  de  bir  sint: 

Dussen  god,  den  man  vint 

To  den  gnaden  sus  bereyt 

Unde  to  gantzer  bannlierticbeyt, 
780  Wente  be  bud  dem  sunder  alle  tyd  syne  gnade, 

It  si  nacbt,  dacb,  vro  edder  spade; 

Docb  lovet  be  nergen  dar  by, 
[Augustinus.     Qui  pcnitcnti  veniam  spondet  peccanti,  diem  crastinum  uon  promisit.] 
Dattu  des  doedes  syst  vry 
Den  alderncgesten  dacb. 
785  Nemand  secker  wesen  macb. 

In  aller  tyd,  na  aller  stidde  [Bl-  8*  Sp.  i] 

Sliket  uns  de  doet  io  midde; 
Wente  be  nemandes  enscbonet. 
De  ungewernden  be  lonet. 

775  ruwet.     7h:J  vry  syst.     787  do  doet. 


45 

790  Des  steyt  ghescreven  also 

In  dem  hilghen  evangelio: 
[Vigilate  itaque,  quia  nescitis,  qua  hora  dominus  venturus  sit.] 

Gy  schul  len  waken  to  rechten  tyden 

Unde  alle  tyd  de  siinde  vormiden, 

Uppe  dat  gy  werden  rechtferdich  ghevunden. 
795  Wente  gy  wetten  nicht,  to  welken  stunden 

De  here  uns  wert  nalen 

ünde  uns  van  hire  halen. 

Sterven  is  eyn  swerlich  kifF, 

Dar  sick  zele  und  liff 
800  Mit  kummerliken  leyden 

Van  eynander  moten  scheyden. 
[Confectus  Jesus  in  agonia  prolixius  orabat  et  factus  est  sudor  ejus  tanquam 

gutte  sanguinis  decurrentis  in  terram.] 

God,  unse  here,  sulven  leyt 

Dorcli  dodes  angest  blodighes  sweitt. 

De  dod  is  der  mynscheyt 
805  Van  natur  eyn  gi'oyt  greselichey t ; 

Unde  so  gy  hebbet  vornomen, 

Van  Sunden  is  de  dod  herghekomen. 

Weren  de  sundc  nicht  gewesen, 

So  hedde  we  des  doedes  wol  gheneson. 
810  Do  de  arme  dünne  zele 

To  orem  groten  unheyle 

Vorteich  des  leven  goddes, 

Synes  danckes  unde  synes  bodes, 

De  moste  se  mit  grotem  killen  IBI.  H*  Sp.  2] 

815  Unde  myt  groten  wedderwillen 

Vorthien  des  leven  Ivves; 

Se  mach  ores  wedderkyves 

Nicht  gheneten  de  lenghe, 

Se  moth  des  lyves  dwenghe 
820  Rumen  myt  groter  sware. 

So  blifft  dat  liff  opembare 

Liggen  also  eyn  vul  as, 

Dat  vor  karsch  unde  schone  was. 

Dut  scheiden  is  krefftliken  swar. 
825  Sunder  wert  de  zele  ok  dar 

Van  dem  almechtigheu  godde  gescheyden, 

Dat  wert  eyn  leyt  vor  allen  leyden. 

So  willen  dar  van  stund 

De  duvele,  de  worme  unde  de  fnmd 
830  Tohant  des  mynschen  erve  syn. 

Su  unde  prove,  wat  al  dyn  gud  und  dyn  gewin 

Dek  denne  mote  vromen; 


792  Sy.    822  wul.    829  vorme.    Kunde?  [:  stunde.] 


46 

Wente  sus  verne  is  gekomen 

Din  ioghet,  lust,  ghewalt,  gued  und  ere, 
835  Nicht  wen  efft  dyn  pyne  und  swere 

Deste  8warer  daraff  werde  und  sy. 

Ach,  leve  frund,  höre  my! 

Vorsynne  doch  dek  hirane, 

Unde  lath  van  valschem  wane; 

840  Hebbe  dyner  sulven  hoyde. 

Des  sprickt  Bernhardus  de  gude: 
[Caro  clamat:  Ego  deüciam,  mundus  clamat:  Ego  decipiam,  diabolus:  Ego 

interficiam.] 

Dat  Uff  sprickt:  ik  moth  vorgan; 

De  werld  lovet  valschen  wan;  [Bl.  8^  Sp.  i] 

De  duvel  de  wil  doeden. 
845  Dar  umme  schaltu  dek  behoyden. 
He  is  van  manniger  list; 

Des  sunte  Augustyn  myn  tuge  ist: 
[Diabolus  modo  peccata.aliorum  gravia,  modo  nil  esse,  quod  perpetratum  est, 

modo  misericordem  Deum  loquitur.] 

Nu  seght  de  duvel  de  sunde  swar, 

Nu  alto  licht;  so  sprickt  he  dar, 
850  God  sy  barmhertich  unde  gued; 

So  bringet  he  denne  in  dinen  mod, 

Du  mögest  noch  langhe  leven. 

Alsus  kan  he  hindemisse  vele  gheven. 

Hir  wedder  hör,  wattu  dost: 
855  Denke  io,  dattu  sterven  most, 

Unde  schaff  dyne  houde 

Unde  beware  dek  vor  dem  ewighen  doede. 

Nu  nym  ok  an  dynem  mod 

Dynes  schippers  dod 
860  Und  synen  groten  kummer. 

Den  kan  ik  vulspreken  nummer, 

Den  van  unsen  schulden 

Cristus,  goddes  sone,  wolde  dulden. 

Van  dusser  marter  swere 

865  Merket  sunte  Bernhardus  lere: 
[Vide  pauperem  Christnm,  vagum,  sine  hospicio,  jacentem  inter  bovem  et  asinum 

in  presepio,  involutum  in  vili  panniculo.] 

Sy  an,  mynsche,  dorch  god, 
Dussen  iammer  unde  nod, 
Cristum,  dat  klene  kyndelyn, 

Dat  dar  lach  in  der  kribbelin;  [Bl.  8b  Sp.  2] 

870  Snode  doike  was  syn  deckewand. 
He  vloch  in  Egipten  land, 
Up  dem  esele  he  reyt 
Dorch  syne  groten  othmodicheyt. 

846  Hir  is. 


47 

He  stund  an  dem  cnice  naket. 
875  Dat  sick  alle  dorch  uns  saket. 

God  wart  ghefanghen  und  geplaget, 

Gegeyselt  unde  gehalslaget, 

Ghebunden  unde  angespyet, 

Beschimpet  unde  anghestryet, 
880  Manigerhande  wiis  ghehonet 

Unde  myt  scharpen  dornen  ghekronet. 

Hir  mach  men  wol  van  spreken: 

Syn  syde  wart  ome  dorchsteken, 

Lude  ropende  he  sterflft, 
885  Unde  so  bitterliken  uns  erwerfft 

Synes  vaders  hulde, 

De  dorch  unse  schulde 

So  langhe  was  vorloren. 

Nu  merke  duth  tovoren, 
890  Wu  goytliken  he  sprekende  began, 

Do  he  syne  pyniger  sach  bi  sick  stan: 

[Pater  ignosce  illis,  quia  nesciunt,  quid  faciunt.] 

Gnade,  vader,  dusser  iammerliken  knechte; 

Wente  se  kunnen  sick  nicht  vorsynnen  rechte. 

Höret,  wu  sere  he  vor  syne  vyende  bat, 
895  Uppe  dat  orer  mochte  werden  rad. 

Meynstu,  dat  he  nicht  ensy 

Den  frunden  noch  fruntliker  by? 

Noch  so  wart  van  ome  ghehort 

Eyn  so  sanflftmodich  word,  [Bl.  9*  Sp.  i] 

900  He  sprack:  Gonsumatum  est. 

Eya,  welk  grot  goyde  daranne  ist: 

It  is  nu  alle  vullenbracht, 

Alle  dat  iu  dar  van  wart  gesacht. 

Dem  sunder  to  heyle. 
905  Alsus  gaflf  sick  god  veyle 

Unde  leyt  so  grot  dorch  unse  sunde. 

We  were  nu,  dede  konde, 

Laten  uth  dem  gemode 

De  gottlike  goyde? 
910  Nu  lath  dek  synen  kummer  wesen  leyt 

Myt  gantzer  dancknamicheyt, 

Unde  bidde  one  des  tovoren, 

Dat  syn  marter  nummer  werde  verloren 

An  dek«  noch  in  neyner  saken 
915  Over  dek  ga  synes  bloedes  wrake; 

Sunder  dat  he  dek  behoyde 

Vor  dem  anderen  doede, 

Därmen  ewichliken  sterfft 

Unde  nummer  mer  fraude  erwerfft. 


48 

920  Nu  höret,  wat  sunte  Bernhart 

Uns  vort  hefft  ghelart: 
[ßemhardus.    Vide  caput  inclinatum  ad  osculandum,  brachia  extensa  ad 
amplexandum,  manns  perfossas  ad  largiendum,  latus  apertum  ad  diligendum,  toriiis 

corporis  distensionem  ad  se  totum  iinpcndcndum. 

God  is  to  der  gnade  bereyt; 

Dat  merket,  wu  he  steyt 

An  dem  cmtze  opembare. 
925  Synes  beides  nemet  wäre! 

He  hefft  syn  hovet  gheneget  gar; 

Dat  betekent  uns  openbar,  [Bl.  9«  Sp.  2] 

Dat  he  is  bereyt  darto, 

Dat  he  uns  eynen  kus  der  zone  do. 
030  Syne  hende  sin  glierechet  uth, 

Darmidde  he  uns  syne  gnade  buth. 

Smi  band  do  lovet  uns  vrede; 

Syn  syde  steyt  open  dorch  de  rede, 

Dat  dyn  leve  unde  dancken  darin  körnen. 
935  AI  syn  liff  steyt  dek  to  vromen. 

He  steyt  ok  dorch  dat  ghebunden, 

Dat  men  to  allen  stunden 

One  vinde  dar  bereyde 

To  des  beruwers  bede. 
940  Vorsume  dek  liir  nicht! 

Na  dem  doede  wert  na  rechte  ghericht. 

Dat  (^od  na  diissem  levendc  wil  richten  na  rerlito. 

Ik  hebbe  hir  vor  ghescreven, 

Dat  god  wil  vorgeven 

Hir  to  aller  stunde 
945  Iowelken  syne  sunde 

Unde  wil  barmhertich  wesen. 

Van  dem  godde  we  ok  lesen 

Altehant  dar  by, 

Dat  he  eyn  recht  richter  sy 
950  Na  dussem  lyve  dort. 

Nu  merket  myne  word, 

Unde  wur  de  sele  blyve 

Na  dussem  krancken  live; 

Dar  eyn  so  kumpt  et  in  leyflF  edder  leyt, 

955  Also  dat  bescreven  steyt: 

Nulluni  bonuin  irremuneratum,  uullum  malum  impunitum.      [B.  9^)  S.  1] 

Wes  schal  ik  hirane  schonenV 

(iod  wäll  alle  gud  vorlonen 

linde  alle  bosheyt  pynen. 

Dat  mot  denne  erschinen. 
960  Wan  de  sele  van  henne  vert, 

954  Dama  so  kumpt  se?    B  met. 


4d 

So  wert  or  beschert 
Under  drey  wegen  eyn: 
De  salighen  sele  den  ersten  theen, 
Unde  ore  reyse  wert  ghekart  to  hymmelrike 
90)5  Myt  den  engelen  algelike, 
Dar  se  ewichliken  leben. 

Darvan  vinde  we  gescreven: 

[Beati  mortui,  qui  in  domino  moriuntnr.] 

Salich  sin,  de  dar  sin  ghestorven, 

Unde  hebben  hir  den  hymmel  erworven 
970  Unde  dat  ewighe  levent. 

Den  anderen  wech,  merket  even, 

De  sick  des  vorsumpt, 

Dat  he  nicht  van  stunt  to  hymmel  kumpt, 

Und  is  doch  ruwich  gefunden 
975  Unde  gheloset  van  den  sunden 

Vor  dem  prister  in  der  hiebt, 

Doch  so  enheflft  he  nicht 

De  böte  vorvullet  in  dem  leven, 

De  ome  vor  de  sunde  was  ghegeven. 
980  Des  mote  he  dort  boiten  sure 

An  dem  bitterliken  vegevure. 

De  gude  sunte  Augustyn 

Is  des  eyn  tuch  myn: 
[Piirgandiis  est  igne  purgatorii,  qui  in  aliud  seculnm  distulit  fractum  penitencie.] 

Dat  vegevur  sin  kummer  ist, 
985  De  sine  böte  heflft  ghevrist.  [Sp.  2] 

Weynich  edder  vele  na  synon  sclmlden 

Mot  he  dort  pyne  dulden. 

Doch  de  pyne,  leve  gheselle, 

Is  sanffter  wen  de  helle; 
990  Doch  is  se  swarer,  dat  is  wis. 

Wen  iennich  wertlick  pyne  is. 

Dat  vegevur  so  langhe  wäret, 

Went  dat  de  sele  wert  gheklaret 

Myt  evenwichtiger  pyne  der  schult, 
995  Went  dat  de  böte  werde  vorvult 

Van  or  edder  oren  frunden,  dat  is  wis. 

So  hefft  de  fruntschop  bogen  prys. 

De  bösen  geyste,  so  we  lesen, 

Schullen  dar  de  pyneger  wesen; 
1000  Doch  nicht  na  orem  beghere. 

Sunder  na  der  sunde  swere. 

Nu  merket,  wu  men  sclial  komen 

Der  armen  sele  to  vromen 

De  an  dussen  noden  is! 


978  böte  nicht  vorvullet.    980  boite. 

Nl6derd«at8cbe8  J»brbaoh.    XVIII. 


50 

1005  Dat  is  veirleye  wiis: 

Mit  des  bedes  jnnicheyt, 

Myt  alraesen,  de  men  deyt, 

Mvt  vasteii  unde  kastven; 

Doch  so  mach  alder  best  ghedyen 
1010  De  vel  hilfi;he  misse, 

De  helpet  al  gewisse. 

Dusses  weghes  wert  doch  rad, 

Wente  sin  kumraer  io  eynen  ende  had. 

Vriind,  bv  mvnen  tniwen, 
1015  Vor  dem  dridden  weghe  mäcli  dek  gniwen! 

Dat  is  eyn  nod  vor  aller  nod 

Und  mach  wol  heten  de  ander  doed: 

De  wiBch  geyt  to  der  helle 

Nu  höre  du,  myn  geselle:  [Bl-  l<^>*  Sp.  l] 

Mors  peccatorura  pcssima. 
1020  Dat  is:  Eyn  doed  der  bösen, 

Schalmen  dat  recte  glosen. 

Also  uns  David  hefft  bericht. 

So  wart  nu  so  böses  nicht. 

Se  moghen  nicht  vorswynden, 
1025  Se  moghen  ok  iummer  mer  vinden 

Den  doed,  des  se  begheren. 

\Ve  mach  one  des  gewerenV 

Sprickt  sunte  Bernhart. 
[Qnis  eis  det,  semel  mori,  ne  in  etemiim  moriantiirV] 

De  sproke  is  doch  gantz  hart. 
1030  Dat  se  van  der  quäle 

Doch  mochten  sterven  to  evnem  male, 

Unde  nicht  Ivden  iummer  mer: 

Dat  were  evn  trost  orer  swere. 

Se  moten  aver  ewichliken  dulden 
1035  Pvne  dar  na  oren  schulden. 

Hitte,  kulde  und  worme 

An  des  herten  storme. 
[Mittite  eum  in  tenebras  exteriores,  ibi  erit  planotns  et  Stridor  dencium.] 
One  wert  dar  ok  ghegeven 
Düsternisse  unde  tenenbeven, 
1040  Serien,  weneu.  achtermwe, 

Unde  ok  der  duvele  gruwe. 
[Cruriabnntur  die  ac  nocte  et  tomientornm  fumus  ascendet  in  seculo.] 

Dat  wäret  nacht  und  dach. 

Dat  is  ores  mevsten  iammers  slach, 

Dat  sick  dat  nummer  endet, 
1045  Unde  ok  dat  se  syn  ghe wendet 

Van  goddes  angesichte  dar;  [Sp.  2.] 

Dat  maket  alle  ore  pyne  swar: 

Unde  dat  se  nummer  werden  vro. 


51 

Des  spricket  David  ok  also : 
[Quid  enim  mihi  est  in  celo  et  a  te  que  volni  super  terram?] 
1050  Wat  hulpe  mek,  dat  ik  were 

In  dem  hvmmel,  iinde  doch  enbere 

Dyner  dar,  here  god? 

Eva,  frund,  to  dusser  nod 

Höret  nummer  neyn  trost; 
1055  Se  werden  nummer  mer  erlost. 

Darvor  behoyde  uns  alder  raeyst 

De  vader  unde  sone  und  liilghe  geyst! 

Eyn  vornianinghe  van  dem  iaii/i;esteii  daghe. 

Ik  hebbe  liir  tovoren  ghesecht, 
Dat  god  wil  wesen  recht 
lOGO  Na  dussem  doede  myt  gerichte. 

Des  schulle  gy  twivelen  mit  nichte, 
Wol  doch  syn  ordel  sy 
Uns  alle  daghe  by 

Jawelkem  na  svner  achte. 
[Omnis  stabimus  ante  tribunal  et  reddituri  racinnem,  prout  gessimus  sive  bonum 

sive  malum.] 
1065  Eyn  dingk  du  doch  betrachte, 

Dat  mach  dek  lichte  wol  vronien : 

It  schal  eyn  dach  komen, 

Dat  alle  de  werld  ghemeyne, 

Man  wiff,  olt  iungk,  grot  und  kleyne, 
1070  Schal  komen  noch  vor  gherichte 

Vor  goddes  anghesichte,  [Bl.  10»>-  Sp.  1 .] 

Unde  rechte  rede  geven 

Dar  umme  al  ore  leven. 

Dat  is  de  sorchfoldighe  dach, 
1075  Dar  Job  langhe  vor  aflf  sprack : 

[Quis  mihi  hnr  tribuat,  ut  in  infemo  protegas  me  et  absoondas  me,  donec  pertran- 

seat  furor  tuusV] 

We  gyfft  mek,  here,  dat, 

Dat  de  helle  sy  myn  hudevat. 

So  langhe  went  dyn  torn  vorga 

Unde  denkest  myner  denne  darnaV 

[Dies  illa,  dies  irac,  dies  calamitatis  et  miseric,  dies  magua  et  amara  valde.] 
1080  Dat  is  de  dach  torns  rick, 

Dat  is  eyn  dach  iammerlick, 

Eyn  dach  bitter  und  grot, 

Ervullet  myt  angestliker  nod. 

Wan  dusse  dach  kummet, 
1085  So  wert  dat  nicht  vorsumet. 

Alle  ding  wert  opembar. 

Dat  vur  schal  bernen  dar 

AI  umme  to,  van  allen  enden. 

4* 


62 

Dar  schal  de  helle  senden 
1090  Vor  myt  dem  vegevure, 

Dem  vure  dar  to  sture. 

Unde  des  vures  bitte  hart 

Schal  myt  ejTier  vart 

Dat  ertrike  van  aller  unvledicheyt  fryen 
1095  Unde  darna  vomyen 

Water  liicht  unde  erde. 

Ok  schal  des  vures  ungeverde 

Bringhen  alle  herte 

In  sorchvoldighe  smerte, 
1100  De  lüde  nicht  alleyne 

Sunder  ok  de  enghele  algemeyne.  [Sp.  2] 

[£runt  Signa  in  solc  et  luna  et  stellis,  et  in  terris  pressura  gentinm  pro  confusione 

sonitus  maris.] 

Uns  segghen,  de  de  schrifft  kunnen: 

An  Sternen,  mane  unde  sunnen 

Schalmen  grod  wunder  seyn; 
1105  Daninder  schal  ghescheyn 

Grod  drangk  up  der  erden 

Van  waters  ungeverde. 

It  moth  sick  also  behoren, 

Dat  de  lüde  moten  dorren 
1110  Vor  angeste  unde  nod 

Des  tokomende  iammers  grot. 

De  hymmele,  so  men  segget, 

Schullen  werden  beweghet. 
[Tnnc  videbunt  filium  hominis  venientem  in  nube  cum  potestatc  magna  et  majestate.] 
So  schalmen  des  mynschen  sone 
1115  Schauwen  dar  vel  schone 
Komen  myt  groter  ghewald 
In  eyner  wölken  snel  unde  bald 
Myt  den  hjTnmelschen  scharen, 

So  he  was  up  gevaren. 
[Hie  Jhcsus,  qni  a  vobis  assumptus  est  in  celum,  sie  vcuict,  quem  ad  modum 

vidistis  eum.] 

1120  An  der  mynscheyt  goddes,  so  ik  meyn, 

Schalmen  dar  openbar  seen 

Negele,  krönen,  crutze  unde  sper. 

Des  is  de  scrifft  myn  gewer. 

So  wolden  de  bösen  lüde  gerne 
1125  Soyken  ore  houde  und  beschurnisse  verne, 

Unde  an  den  berghen  de  kulen,  [Bl-  U*  ^v-  l] 

Dar  se  dat  gherichte  mochten  ynne  Vorschulen. 
[Ipse  dominus  in  jussn  et  in  voce  archangcli  in  tuba  dei  descendet  de  coelo.] 
Der  basunen  schrecken 
Schal  dar  de  doden  erwecken. 

1094  unwlcdicheyt. 


53 

1130  Nu  merket  Jeronimus  rede. 
Dar  he  uns  wernet  mede: 
rSemper  sonat  illa  vox  terribilis  iu  auribus  meis:  Surgite  mortui,  venite  ad  Judicium!] 
Mek  dunket  stedes,  wu  dat  myne  oren 
Dussen  greseliken  lud  hören: 
Stat  up,  gy  doden,  ghat  vor  gericht, 
1135  Unde  höret  dar  juwe  schuld  und  plicht, 
Und  ghevet  antworde  vor  juwe  leven. 
Hirvan  hofft  ok  (xregorius  ghescreven: 
[0  quam  anguste  eruut  tue  vie  reprobis !    Superius  erit  judex  iratus,  iuferius 
horridum  cahos,  a  dextris  peccata  acciisancia,  a  sinistris  infinita  demouia!] 

0  we,  wu  rechte  grot 

Wert  denne  dar  des  sunders  nod! 
1140  He  mochte  van  leyde  doven. 

Den  richter  sued  he  tornich  boven; 

To  der  rechteren  hand  de  sunde, 

Under  sick  de  affgrunde, 

Dar  he  moth  in  sincken  altohant. 
1145  De  duvele  stan  ome  to  der  lincken  hand. 

Inwendich  des  herten  schult, 

Buten  sud  he  de  werld  vorvult 

Myt  dem  engestliken  vure. 

Enwechkomen  is  dar  dure,  [Sp.  2] 

1150  Vorkomen  is  dar  alto  swar, 

So  de  richter  sulven  dar 

Dat  leste  ordel  wil  vindeü 

Unde  spreken  alsus  to  synen  kinden: 
[Venite,  benedicti  patris  mei,  possidete  regnum  vobis  paratum  a  constitucioue  mundi.] 

Gy  benedigeden  algelike, 
1155  Komet  in  mynes  vaders  rike, 

Unde  entfanget  de  gotliken  ewicheyt, 

De  gick  van  anbegynne  is  bereyt 

Unde  vrauwet  gyck  to  ewighen  tyden! 

De  quaden  moten  dussen  sproke  lyden: 

[Discedite  a  me  maledicti  iu  ignem  etemum!] 
1160  Dat  ander  ordel,  dat  is  sui*: 

Gat  in  dat  ewighe  vur, 

Gy  vormaledigeden,  van  my! 

Dat  ghick  iummer  werde  we 

Myt  den  duvelen  an  der  helle! 
1165  Nu  merke  du,  leve  gheselle, 

Myt  wu  groten  leyden 

De  quaden  moten  scheden 

Van  den  hymmelschen  scharen. 

De  rechten  denne  in  dat  ewighe  levent  varen. 
1170  Nu  merke  rechte,  wu  hir  gescreven  steyt, 

Wat  den  bösen  is  bereyt. 

1169  waren. 


54 

Men  darff  dar  nevner  tuchenisse, 

Noch  der  vorspreken  drochnisse, 

Wysheyt,  gliewald,  adel  unde  gued 
1175  Moghen  nicht  beweyken  des  richters  mod.        [Bl.  11^  Sp.  1^ 

Dar  wert  opembar,  dat  merck, 

Danckeii,  word  unde  werck, 

Also  dat  bescreven  steyt  in  den  boeken. 

Vorsaken  edder  wynkeltoge  soiken 
1180  Kan  dar  nemande  vromen. 

Alle  dyngk  inod  denne  dar  vor  komen. 

[Pugnabit  pro  eo  orbis  terrarum  coutra  inseosatos.] 

Alle  de  werld  schal  denne  rechten 

Myt  godde  wedder  de  unrechten. 

Hymmel,  erde,  sunne  unde  maen 
1185  SchuUen  up  eyner  bauen  stau. 

Nacht,  dach,  de  werld  al 

Stan  alle  na  des  sunders  val. 
[Tuuc  cognoscetur  dominus  justiciam  faciens,  qui  mmc  ignoratur  misericordiam 

querens] 

So  mod  men  denne  by  nod 

Bekennen  unsen  heren  god 
1190  An  synem  strenghen  gherichte, 

De  nu  myt  nichte 

An  syner  bannherticheyt 

Bekennen  wil  unse  dorheyt. 

Ik  vormane  gick,  doud  na  goddes  rede, 
1195  Sendet  boden  na  dem  vrede, 

Eyr  god  greseliken  kome. 

Dat  is  juwer  aller  vrome. 

Soynet  gyck  myt  ome  in  der  tyd; 

Tyghen  one  vechten  is  eyn  vorloren  stryd 
1200  Und  is  gyck  vele  to  swar. 

Dar  umme  nemet  juwer  houde  war. 

Eyn  vormaninghe  van  der  vraude  des  hymmels. 

Nu,  vel  leven  broder  myn, 

De  hir  nu  ghesammet  syn, 

Ik  hebbe  gyck  vorgeleyt  [Sp.  2] 

1205  Van  des  doedes  bittericheyt, 

(Dat  mach  gyck  wol  veren) 

Van  dem  dode  unses  heren, 

Van  des  vagevures  plage, 

Van  dem  jungesten  daghe, 
1210  Dusse  mere  sin  vel  swar 

Unde  sin  doch  werliken  war, 

Unde  is  nod  und  gud, 


1182  vechte.    1194  redde. 


55 

Dat  unse  harde  iiiod 

Hir  an  der  erde  dar  vorscrecke 
1215  Van  grotem  angeste  vel  dicke, 

Uppe  dat  we  deste  bet 

Vonnyden  vele  misscdat. 

Nu  wil  ik  gyck  des  boiten 

Und  wil  myne  rede  soiten; 
1220  Wente  na  dem  suren  dat  soite 

Ghifft  vraude  unde  hochgemoite 

Unde  vorläget  alle  leyde. 

We  se  heflft  befunden  beyde. 

De  mot  mek  des  bybestan. 

1225  Van  der  soyte  heve  ik  an. 
[Absterget  deus  omnem  lacrimam  ab  oculis  eorum,  et  mors  ultra  nee  erit,   ueqiie 
luctus,  neque  clamor,,  neque  dolor  ultra,  quae  prima  abieruut.] 
So  wil  god  one  affdroghen 
De  tränen  van  den  ogen, 
One  kummet  denne  neyn  dot  mer, 
Ok  neynerhande  swer, 
1230  Noch  wenen,  noch  ropen,  noch  scryen; 

Alle  dingk  wil  god  vornyen. 
[Que  preparavit  deus  cUligentibus  se,  fide  non  capitur,  i?pe  uou  attiugitur,  caritate 

non  apprehenditur,  acquiri  potest,  estimaH  non  potest.] 
Wat  god  den  synen  hefft  bereyt,  |Bl-  12*  Sp.  l] 

Vraude  wunne  und  salichevt, 
Des  kan  nemant  vul  dencken  noch  proven 
1285  Myt  leve,  hopeninghe,  noch  myt  dem  geloven; 
Men  mach  dat  vordenen  wol, 

Sunder  nummer  bedencken  vul. 
[Quis  uou  desiderat  illam  pacem,  ubi  amicus  non  exit,  iuimieus  non  iutrat?] 

We  were  nu  de  jenne, 

(Nemant,  also  ik  mene) 
1240  De  des  fredes  nicht  engherede, 

Dar  men  ome  des  ghewerede, 

Dat  syner  frunde  neyn  dar  ut  queme, 

Unde  dat  me  syner  viende  neynen  dar  in  neme? 

In  dem  hymmele  is  dat  also, 
1245  Dar  men  ewichliken  mach  wesen  vro 

Myt  allen  hilghen  sunder  var. 

Des  scrifft  Augustinus  opembar: 
[O  si,  quando  videbo  gaudium  meum,  quid  desidero.    O  si  saciabor,  dum 

appanierit  gloria  ejus!] 
Wanner  schal  mek  dat  gheschen, 
Here,  dat  ek  moghe  seyn 
1250  Dyne  vraude,  der  ik  beghere. 
Denne  wert  opembar  din  ere. 
Myn  herte  darna  schult, 

1243  ueyuer.    1246  war.    1262  nar  na. 


56 

Dat  it  mochte  werden  ervult 
Myt  den  vrauden  dynes  rykes. 

1255  Denne  vint  men  nicht  ghelikes 
Hir  an  dussem  levent. 

Dar  van  hefft  David  ghescreven: 
[Letatus  sum  in  his,  que  dicta  sunt  [Sp.  2],  cum  in  domum  donuni  ibimus.] 
Ik  vrauwe  mek  vel  sere, 
Sprack  David,  der  wunnichliken  mere, 
1260  We  schullen  in  dat  huss  unses  heren  gan 
Unde  schullen  gar  vroliken  stan 
To  Jherusalem  an  den  wegen; 

Dar  wert  uns  sin  segen. 
[Augustin.    Facies  domini  tarn  dulcis  est,  fratres  mei,  ut  illa  visa  nichil  aliud 

possit  delectari.] 

Eya,  leven  brodere,  wettet  datte, 
1265  Dat  soyte  goddes  antlate 

Is  so  schone  und  so  dar, 

We  des  eynes  mach  nemen  war. 

De  kan,  noch  mach  anders  nicht  begeren, 

Unde  alles  anderen  wol  enberen. 
1270  De  hilghe  man  Gregorius 

Scrifft  hirvan  ok  alsus: 
[Qui  creatoris  sui  faciem  vident,  nichil  in  creaturis  agitur,  quod  videre  nou  possent.] 

De  den  schipper  sulven  schauwen, 

De  moghen  sick  des  vrauwen, 

Se  seyn  an  ome  algewisse 
1275  Alle  syne  schipnisse; 

Ok  blifft  nicht  vorborghen, 

Des  dorven  se  nicht  sorghen, 

Se  werden  nummer  mer  beswert, 

De  myt  dussen  vrauden  werden  bewert, 
1280  Und  vorwynnen  al  oren  kummer 

Unde  werden  salich  ewich  unde  iummer. 

EflFt  dat  ok  were  mogelick,  [Bl.  12b  Sp.  l] 

Dat  men  umme  dat  hymmelrick 

Unde  dorch  des  hymmelrickes  willen 
1285  Scholde  buwen  eyne  helle 

Unde  eyne  wyle  lyden, 

Des  scholdemen  nicht  vormyden, 

Uppe  dat  men  mochte  to  hymmel  komen. 

Höret  mer,  dat  mach  gick  vromen: 
[Servivit  Jacob  pro  Rachel  Septem  annis,  et  videbantur  ei  dies  pauci  pro  amoris 

magnitudine.] 
1290  We  lesen  dat  vor  war, 

Dat  Jacob  deynde  seven  iar 

Unde  leyt  sick  darna  Ionen 
Mit  Rachel,  der  vil  schonen. 

1256  leuch. 


57 

De  tyd  en  was  ome  nicht  to  langk 
1295  Dorch  de  leve,  de  one  twangk. 

Daraff  sprickt  [he]  in  ewanghelio : 
[Simile  est  regnum  celonim  homini  negociatori  quereuti  bouas  margaritas.] 

Dat  was  eyn  kopman  bederve, 

De  vorkoflfte  al  syn  erve, 

Do  he  wolde  kopen  und  qiiiteu 
1300  Eyne  dure  margariten. 

Also  schuUe  >ve  ok  geven 

Umme  dat  ewighe  leven, 

Wat  we  leves  iu  gewunnen, 

Iff  dat  we  rechte  sin  vorsunnen 
1305  Unde  willen  dat  merken  even. 

David  hefft  ok  darvan  ghescreven: 

[Melior  est  dies  una  in  atriis  tuis  super  milia.] 

Eyn  dach  is  beter  dar 

Wen  hir  mannich  dusent  iar,  [^P-  ^^•] 

Wen  de  zele  dort 
1310  To  hymmel  wert  gevoert. 

So  wil  we  or  dat  toreken, 

Alse  we  de  meyster  hören  spreken, 

Dat  eyner  konigynnen  schach, 

Do  se  konige  Salomone  ansach. 

[Regina  Saba  ingressa  Jberusalem  cum  comitatu  magno.] 
1315  Van  Saba  eyn  konnigynne, 

Ryke  gudes  und  synne, 

To  Jherusalem  se  in  quam. 

Or  ghetrecke  dat  was  lovesam; 

Se  wart  entfanghen  schone 
1320  Van  konnighe  Salomone. 

Do  se  sach  syne  werdicheyt 

Unde  synes  buwes  czirheyt, 

Syner  dische  spise, 

De  dener  manniger  wyse, 
1325  Do  entfloch  or  dar  under 

Or  geyst  dorch  dat  wunder. 

To  Salomone  sprack  se  dar: 

Dat  is  truwen  alle  war, 

Des  ik  van  dek  was  bericht. 
1330  Ik  gelovede  des  doch  nicht, 

Wente  nu  dat  ik  it  se. 

It  was  nicht  halff  ghesaget  my, 


Nach  1296  fehU  ein  Vers,  den  A  so  toiedergibt:  unse  berre  selbe  also. 

1315  fif.  Warum  nach  SchaU  diese  Ausführungen  auf  Kenntnis  von  Lamp- 
rechU  Alexander  68  ff.  deuten  müssen,  weiss  ich  niclU;  bei  Brun  von  Schonebeck 
S.  10  f.  der  Breslauer  Handschrift  wird  die  Begegnung  der  Königin  mi  SaUnno 
ganz  ähnlich  ertähU. 

1325  datond  er. 


58 

Also  ik  im  bevinde. 
Salich  sin  de  k^iider, 
1335  De  dar  iummer  bi  dek  sin. 
ür  levent  dat  is  fvn. 
Ik  inene  dat  nevn  wunne 

Dusse  wunne  overwynnen  kiinne. 

*■' 

Daraff  sprack,  so  ik  las, 
1340  De  prophete  Isaias: 
[Tuuc  vidcbis-  et  afflues,  et  mirabitur  et  dilatabitur  cor  tuiim.]       [Bl.  13»-  Sp.  1.' 
Denne  schaltu  seen, 
Wat  dar  ere  schal  sehen. 
Des  mot  dek  nemen  wunder. 
Dvn  herte  mach  daruuder 

« 

1345  Van  vrauden  sick  entsleten 

Unde  van  wollust  uttleten. 

Des  machstu  dvck  wol  vrauwen. 

Dar  schalmen  denne  schauwen 

Myt  klaren  ogen  dat  antlat 
1350  Der  werdighen  hegen  trinitat, 

Unvordecket  unde  umbehut; 

Dat  is  dat  alder  hogeste  gud. 

Dar  wert  der  sele  so  wol, 

Dat  se  goddes  ghebruken  schal 
1355  Iummer  mer  ane  verlust, 

Myt  bernichliker  wollust. 

God  wil  ok  dar  sammen 

Myt  der  sele  den  Hebammen, 

De  schal  denne  werden  dar 
1360  Unde  rechte  sunnenvar. 

[Fulgebimt  justi  siciit  sol  in  regiio  patris.] 

Der  sele  clarheyt  unde  schyn 

Schal  dort  sevenvoldich  sin ; 

De  snode  lichani  hire, 

De  wert  to  syner  tzire 
1365  So  snel  unde  so  subtile 

Dat  he  hundert  dusent  mile 

Dorch  evnen  stalne  berch 

Unde  dorch  allerleye  hantwerck 

Ane  hinder  unde  ane  sparen 
1370  By  eynen  ogenblicke  kan  dorvaren, 

Unde  van  dem  hymmel  to  der  erden.  [^P-  2.] 

He  schal  ok  unlidelich  werden, 

Dat  noch  wapen,  noch  vur, 

Unde  neynerhande  creatur, 
1375  Noch  dat  lichte,  noch  dat  sware, 

One  mach  pyneghen  an  eynem  hare. 

Dar  kumpt  heyl  to  heyle, 


59 

Dar  wert  hevl  wol  vevle. 
Ach,  du  Huode  inyuschelyiK 
1380  Wurna  wispelt  din  dumme  syiu 

Uude  wil  hir  und  dar  heyl  sokenV 

Cr 

Wultu  dek  na  warem  heyle  kloiken, 

So  wende  al  din  gemoite 

Na  der  oversten  goite. 
1885  Wert  deck  de,  so  lieftstu  it  al, 

Unde  to  den  vrauden  riken  sdial. 

Sprek  denne:  Wes  begerestu,  niyn  sele. 

Unde  wat  wultu,  liff,  dek  to  heyle  V 

Dar  schalmen  gick  geweren, 
1390  Alle  des  gy  moghen  begereu. 

Rikedom,  schone,  starcke,  und  wat  men  wille; 

Dat  is  dar  alhedille. 
[Proverbium.    Mecum  enim  sunt  divitie  et  glorie  et  houores.] 
By  godde  is  ere  unde  rike  daghe. 
Wultu  ok  anders,  wat  dat  saghe, 
1395  Wultu  suntheyt  edder  eyn  ewich  leven, 

Dat  wert  dek  dar  al  ghegeven. 

[lusti  autem  in  perpetuum  vivent.     Sapieutia.]       [Bl.  13^  Sp.  1] 
De  rechten  leven  sunder  ende, 
Or  Ion  steyt  in  goddes  hende. 
Wultu  eten,  drincken,  des  is  dar  sat, 

1400  Unde  vindest  des  anders  nergen  bat. 
[Saciabor,  dum  apparuerit  gloria  tua.    Inebriabuutur  ab  ubertate  domus  tue.] 
Wen  ik  schauwe  dyne  ere. 
So  werde  ik  sath,  leve  here; 
An  dem  huse  dyn 
Vint  men  aller  vraude  schvn. 
1405  Wilmen  hebben  wunnichliken  sangk 
Edder  soyten  seyden  klang, 
Dat  is  dar  al  by  eyn; 

Alle  wunne  machmen  dar  seyn. 

[In  civitate  domini  sonant  jugiter  Organa  etc.] 

An  dyner  stad,  leve  here, 
1410  Singhen  ewich  und  iummer  mere 

De  hilghen  soyte  unde  lise 

AI  na  orgelen  wyse. 

De  enghelen  singhen  schone 

Dar  vor  goddes  trone. 
1415  E}Ti  dach  is  beter  dar 

Wen  hir  mannich  dusent  iar. 

So  mach  de  sele,  vrauden  vul, 

Alsus  van  leve  spreken  wol: 
[Ecce,  quod  cupivi,  iam  video,  quod  speravi,  iam  teueo,  Uli  sum  iuncta  in  celis, 

quod  desideravi  in  terris.] 


1384  overste. 


» 


Seji;,  des  ik  hebbe  begert,  [Sp.  2] 

1420  Des  byn  ik  nu  wol  bewert, 

So  dat  niek  wol  noghet; 

Wente  ik  byn  dem  togevoget 

lu  dem  hymmele,  des  ik  begerde. 

Van  gantzem  Herten  an  der  erde. 
1425  Nu  merket,  leven  frunde, 

We  alle  scrifft  dorchgrunde 

Van  ambeghynne  wente  her. 

Dem  is  se  des  evn  wer. 

Dat  den  guden  nnde  vromen 
1430  Gotlick  ding  is  toghekomen, 

Den  quaden  is  it  missegan. 

Dar  umme,  brodere,  schalle  gy  stan 

Myt  flite  na  goide 

Unde  gyk  vor  bosheyt  behoiden; 
1435  So  macli  gyek  wol  gelinghen 

In  alle  iuwen  dinghen, 

Beyde  hir  unde  dort. 

Nu  is  ghekomen  up  den  ort 

Alhir  dut  ghedichte. 
1440  Gick  allen  ik  beplichte 

By  broderliker  truwe, 

Dar  ik  trost  up  buwe, 

Biddet  godde  ichteswanne 

Vor  mek,  papen  Konemanne, 
1445  De  dut  kranke  ghedicht 

Dorch  iuwe  leve  hebbe  bericht, 

Dat  ik  hir,  eer  ik  sterve, 

Goddes  hulde  ei'werve, 

So  dat  mek  dat  ewighe  levent 
1450  Dort  mothe  werden  ghegeven 

Unde  gick  myt  mek  allen  sammen. 

Des  helpe  uns  de  almechtighe  god!     Amen. 

Deo  gratias. 


1442  troff. 


LINGEN.  K.  Euling. 


61 


Sehatrowe 

im  Sachsenspiegel,  Lehnreclit  IV,  1. 


Bekanntlich  ist  darüber,  ob  der  Sachsenspiegel  in  niedersäch-\ 
sischer  oder  in  obersächsischer  Sprache  verfasst  sei,  lange  gestritten 
worden.  Durch  Homeyer  ist  die  Frage  zu  Gunsten  des  Niedersäch- 
sischen mit  gewichtigen  Gründen  entschieden  worden.  Es  sind  deren 
zwei,  die  schon  Grupen  im  vorigen  Jahrhundert  geltend  gemacht 
hatte,  ohne  sie  jedoch  bei  der  damals  mangelhaften  Kenntnis  der 
mittelalterlichen  Urkunden  und  Sprachdenkmäler  zu  völliger  Beweis- 
kraft gestalten  zu  können:  1.  dass  sowohl  der  Veranlasser  des  Werkes 
(iraf  Hoyer  von  Falkenstein  als  auch  der  Verfasser  Eike  von  Repe- 
gowe  Niederdeutsche  waren  und  mitten  in  niederdeutscher  Gegend 
lebten;  und  2.  dass  die  obersächsischen  Texte  eine  Anzahl  fehler- 
hafter Lesarten  aufweisen,  welche  sich  nur  als  Missverständnisse  eines 
niederdeutschen  Originals  erklären  lassen.  Zu  solchen  Fehlern  rechnete 
Homeyer  in  der  Vorrede  zu  seiner  zweiten  Ausgabe  des  Sachsen- 
spiegels Ersten  Theils  oder  des  Landrechts  (1885)  S.  XXXV  auch  das 
Wort  sehatrowe.  Er  sagt:  „Endlich  5)  im  sächs.  Lehnrecht  A.  4 
soll  nach  vier  sonst  sehr  guten  obers.  Texten  der  Vasall  nach  (5 
Wochen  des  Reichs  Frieden  haben  unde  fchat  rotoe  Heidelb.  [CodexJ, 
scaht  ruwe  Mainz.,  schaeht  rowe  Quedlinb.,  schätz  r.  Surland,  (dem 
lat.  Text:  quietem  qaae  dicitur  pofita  muss  fat  rüge  zum  Grunde  ge- 
legen haben);  statt  dieses  wunderlichen:  „Schatzruhe"  lesen  die  nie- 
ders.  Texte  und  auch  der  Senckenbergische  obers.  einfach  und  ver- 
ständlich: unde  fai  (fcal,  fchall)  ruwen,^ 

Als  Homeyer  nach  sieben  Jahren  (1842)  des  Sachsenspiegels 
Zweiten  Theil,  Bd.  I  (Lehnrecht  etc.)  herausgab,  hatte  er  mittlerweile 
eine  andere  Ansicht  gewonnen,  S.  119  der  Einleitung:  „Von  den  Be- 
lägen, welche  die  Einleitung  zum  Sachsenspiegel  XXXIV  f.  für  einen 
niedersächsischen  Originaltext  giebt,  ist  freilich  der  fünfte  zu  streichen : 
s.  Lehnr.  A.  4  Note  14."  Er  folgt  jetzt  dem  Giomdsatz  der  Editions- 
kritik, die  schwierigere  Lesart  als  die  wahrscheinlich  originale  zu 
bevorzugen;  und  die  richtige  Deutung  des  bisher  unverständlichen 
Ausdrucks  hat  er  aus  einem  Capitular  und  einem  Edict  in  den  nun- 
mehr erschienenen  Monumenta  Germaniae  historica  gewonnen,  S.  60G 
im  Glossar:  y^Schacht-rowe,  wörtlich  die  Schaftruhe,  nach  der  bekannten 
Vertauschung  des  ch  und  f,  hier  die  Zeit  der  Befreiung  vom  Heer- 
dienst, vgl.  Cap.  Lud.  Pii  de  a.  829  c.  14  (Pertz  Leg.  I,  352):  fcaft- 
legi  (alias:  fcahftlegi^  fcastlegi^  fcatlegi)  i.  e.  armorum  depofitio,  und 
Ed.  Piftenfe  c.  33  (ib.  497).^  So  ist  denn  von  ihm  ;,das  ursprüng- 
liche, wiewohl  nur  in  5  Hdss.  rein  erhaltene  fchaeM  rowe,  gegen  das 


62 

vulgäre  fal  ruwen,  welches  auch  der  Gruudtext^  fd.  h.  der  von  Homeyer 
seiner  Ausgabe  zu  Grunde  gelegte  Text  einer  ndrs.  Handschrift  v.  J. 
1369]  ^aufnimmt,  hergestellt  worden,  weil  hier  die  Vulgata,  ohne 
Änderung  in  Rechtsansicht  und  Sinn,  nur  einen  deutlicheren  Ausdruck 
statt  des  alten  gewählt  hat,  nicht  ohne  dem  Verdacht  sich  auszu- 
setzen, die  alte  Form  nicht  mehr  begriffen  zu  haben. ^  Die  Stelle 
lautet  also  auf  S.  148:  Ses  wehen  fal  die  man  dienen  fime  Herren  mit 
fines  fdves  koft^  unde  fes  wehen  vore  unde  fes  wehen  na  fal  he  des 
rikes  vrede  hebten  unde  fchacht  rowe,  fo  dat  ime  nen  fin  herre  io  len- 
rechte  degedingen  ne  mach,  noch  des  rikes  dienft  gebieden.  Die  An- 
merkung dazu  hat  folgende  Fassung:  „So,  oder  fcacht-^  fchafft-, 
fcaht-ruwe  fd.  i.  Ruhe  vom  Lanzendienst,  s.  Glossar)  lesen  QvetnOd. 
Statt  dieser,  dem  Sinne  und  den  Handschriften  nach,  ursprünglichsten 
Lesart  haben  missverstehend  QurOlehVruy  fcluat  (fchate)  rowe^  QbObMe 
sUxt  rowe^  Vv  undeutlich  ob  fcat  oder  ftat  r.,  Qa  fachte  rouwe;  L 
quietem  quae  dicitur  pofxta,  was  ein  fat  ruwe  voraussetzt;  QiOurg 
VabdefghklmopqstwxGlz  verdeutlichend  fal  ruwen.  Cod.  Berleburg,  reffen, 
Z  dar  binnen  ruhe  haben;  in  QdgOnGofema  fehlt  Ufide  /*.  r.  gänzlicli.^ 
Man  bekommt  aus  dieser  Behandlung  des  in  Rede  stehenden 
Ausdrucks  durch  Homeyer  recht  eine  Vorstellung  von  der  Gewissen- 
haftigkeit und  Gründlichkeit,  mit  der  dieser  treffliche  Gelehrte  bei 
seiner  Arbeit  verfuhr.  Nachdem  er  eingesehen,  dass  er  sich  geirrt 
hat  und  dass  er  die  Stelle  im  Artikel  4  des  Lehnrechts  nicht  mehr 
für  die  niederdeutsche  Abfassung  des  Sachsenspiegels  geltend  machen 
kann,  bekennt  er  seinen  Irrtum  und  begnügt  sich  nicht  mit  der 
Richtigstellung  und  der  Erklärung  der  ursprünglichen  Lesart,,  sondern 
er  lässt  -sich  die  Mühe  nicht  verdriessen,  alle  Varianten  zusammen- 
zustellen, damit  jeder  sich  selbst  ein  Urteil  bilden  könne.  Schwerlich 
mochte  er  ahnen,  dass  jetzt  von  den  Verfechtern  eines  obersäclisischen 
Originals  der  Spiess  umgekehrt  werden  würde  und  dass  man  eben 
diese  von  ihm  festgestellte  originäre  Lesart  zu  einem  Beweismittel 
für  die  behauptete  mitteldeutsche  oder  obersächsische  Abfassung  des 
Rechtsbuches  verwenden  würde.  Das  geschah  durch  0.  Stobbe  in 
seiner  Geschichte  der  deutschen  Rechtscjuellen,  Abt.  I  (1860)  S.  314. 
Stobbe  erklart  sich  für  die  obersächsische  Abfassung  und  sucht  sie 
unter  anderm  auf  folgende  Weise  zu  begründen.  Er  sagt:  ;,Für  die 
niedersächsische  Abfassung  wird  geltend  gemacht:  a)  dass  in  einzelnen 
Stellen  obersächsischer  Handschriften  die  Lesart  nur  erklärlich  wird, 
wenn  man  die  Übertragung  aus  einem  missverstandenen  niedersä(*h- 
sischen  Text  annimmt.  Indessen  giebt  es  auch  umgekehrt  Fälle,  in 
denen  der  Text  der  niedersächsischen  Handschriften  oifenbar  aus 
einer  Korruption  bei  der  Übertragung  eines  obersächsischen  Ausdrucks 
zu  erklären  ist,®')  (als  Nummer  der  Anmerkung;  vgl.  nächste  Seite, 
erste  Zeile)  und  es  wird  zugegeben,  dass  in  den  Texten  des 
Sachsenspiegels   öfter    beide  Dialekte    durch  einander   gehen.  ^^)     Die 

*)  Ich  übergehe  die  iibrige  Beweisführimg  Stobbc's,   da  sie  mit  dem  Gegen- 
stände dieses  Aufsatzes  nichts  zu  thuu  hat,  und  da  die  von  ihm  geltend  gemachten 


68 

Anmerkung  (>7  lautet:  ^^Besonders  interessant  ist  eine  Stelle  des  säch- 
sischen Lehnrechts,  welches  wir  als  Werk  desselben  Verfassers  hier 
mitbenutzen  dürfen;  statt  des  obersächsischen  Schacht  rowe,  Lanzen- 
ruhe, Ruhe  vom  Waifendienst,  haben  die  niedersächsischen  Texte  fal 
rtiwen,  Homeyer  Sachsensp.  II,  1  S.  123  und  Note  14  zu  säclis. 
Lehnr.  art.  4,  vgl.  mit  Sachsensp.  I  S.  XXXV. ^ 

Eine   wunderliche    Art   der   Beweislührung!      Statt    einiger    der 
Fälle,  ;,in  denen  der  Text   der   ndrs.  Hdsch.  offenbar   nur   aus   einer 
Kormption  bei  der  Übertragung  zu  erklären  ist,^    wird    blos   ein  be- 
sonders  interessanter   hervorgehoben   und    dieser   w^ird   begründet    1) 
aus   Homeyer  II,    1  (Lehnrecht)  S.  123,  wo  (s.  oben)    der   Fall    aber 
anders  und  zwar  nicht  aus  dem  Gegensatz  der  Dialekte,  sondern  der 
Zeiten,  in  denen  verba  ut  nummi  gelten,  erklärt   wird,   und  2)  durch 
die  Note  14  zum  Lehnr.  Art.  4,  wo  Homeyer   diese   seine  Auffassung 
als  die  richtige    durch   die  Angabe   der   Lesarten   nadiweist,  und   3) 
endlich    aus   der   anfänglichen   Ansicht   Homeyer's   vom   Jahre   1835, 
w^elche  er  sich  auf  Grund  weniger  Handschriften    gebildet   hatte  und 
die  er  eben  1842    in   der  Ausgabe   des   Lehnrechts   als    falsch   hatte 
fallen  lassen.     Offenbar   beruht   also    der   Beweis  Stobbe's   allein  auf 
3)  und   kann   er   die    in   der  Note  14  zu  Art.  4  des  Lehnrechts  mit- 
geteilten  Varianten   gar   nicht   geprüft   und   nach    ndrs.    und    obers. 
Handschriften  gesondert  haben.     Homeyer  hatte    es    daher    leicht,    in 
der  dritten  Ausgabe   des  ersten  Theils  (oder   des  Landrechtes)    18(11 
Stobbe  zu  widerlegen;  S.  16:    ^In    den  Fällen,   wo  eine  ächte  Lesart 
von  einer  entstellten    geschieden   werden   kann,    finden    sich    meistens 
zwar  plattdeutsche  und  hochdeutsche  Formen  auf  beiden  Seiten  ziem- 
lich gleichmässig.     Doch  ist  einige  Male  die  wahre  Lesart,  ganz  oder 
doch    nahezu,    nur   den   plattdeutschen    Handschriften    eigen.  ^     Diese 
Behauptung  wird  dann  durch  Darlegung  dreier  solcher  Missverständ- 
nisse in  den  obersächsischen  Handschriften  begründet.    Vom  entgegen- 
gesetzten Falle,  nämlich  Missverständnissen  obersächsischer  Ausdrücke 
in    niedersächsischen   Handschriften,    bringt    Homeyer    kein    Beispiel, 
woraus  mit  Bestimmtheit  zu  folgern  ist,    dass    es   keins    giebt,    sonst 
hätte  er  es  anführen  und  zur  Erhärtung  seiner  Meinung  vom  nieder- 
deutschen Original   widerlegen   oder,    falls   er   dies   nicht   vermochte, 
seine  Meinung  einschränken  müssen.     Einzig  auf  das  eine  von  Stobl)e 
vorgebrachte  Beispiel  lässt  er  sich  ein,  aber  nur  um  darzuthun,  dass 
es  mit  diesem  nichts  ist:  ;,Für  den  umgekehrten  Fall,  dass  der  nieder- 
sächsische Text  nur  aus  einer  Corruption   des  obersächsischen  zu  er- 
klären ist,  giebt  Stobbe  RG.  I,  314  N.  G7    das  Beispiel,    dass   im  S. 
Lehnr.  4  §  1  statt  des  obers.  fchachtrowe  (Lanzenruhe)  die  ns.  Texte 
fcd  ruwen   haben.     Allein   nach    Ssp.  II,   1  S.  149  Note  14   begegnet 
fal  ruwen  auch  in  obersächsischen,  andrerseits  ,Schachtruhe'   aucli  in 
ns.  Hss.     Namentlich    lesen   von   den   fünf  Texten,   welche    diese    ur- 
sprüngliche Lesart  bewahrten,  der  ns.  Qt  fcahtrowe^  der  ns.  Od  fcacht- 

Gründe  durch  Homeyer  in  der  dritten  Auflage  des  Ersten  Theils  des  Sachsenspiegels 
(1861)  zulänglich  widerlegt  worden  sind. 


64 

rowCf  der  gemischte*)  Qv  fchachtrowe,  der  os.  Qn  fcahtruwe^  der  or. 
Qe  fehafftruwe.^ 

Danach  Hesse  also  das  früher  von  Homever  zu  Gunsten  eines 
nddtsch.,  später  von  Stobbe  für  ein  obersächs.  Original  benutzte  Bei- 
spiel sich  weder  lür  jenes  noch  dieses  geltend  machen;  es  fiele  der. 
wie  es  scheint,  einzige  sprachliche  Beweisgnind  für  die  Abfassung 
des  Sachsenspiegels  in  obersächsischer  Sprache  hinweg,  während  die 
Zahl  der  Gründe  für  die  niederdeutsche  Abfassung  um  einen  gemin- 
dert würde.  Die  Sache  liegt  jedoch  ganz  anders:  grade  dieses  Bei- 
spiel ist  ein  starkes  Glied  in  der  Kette  der  aus  sprachlichen  Gründen 
hergenommenen  Beweisstücke  für  einen  ursprünglich  niederdeutechen 
Text.  Behufs  Bewährung  dieser  Behauptung  muss  ich  einiges  über 
die  Geschichte  des  Wortes  fckaft  vorausschicken. 

Scaft,  wie  das  altsächsische  Wort  gelautet  haben  muss,  wird 
im  Mittelniederdeutschen  zu  fcacht.  Diese  Wandelung  eines  ft  zu  cht 
hat  bekanntüch  viele  Wörter  im  Niederdeutschen  ergriffen  (s.  Lübben 
Mittelniederdeutsche  Grammatik  S.  ßl  §  43).  Völlig  durchgedningen 
ist  sie  bei  einigen,  während  für  andere  Wörter  beide  Formen,  mit 
ft  und  chtj  bis  auf  den  heutigen  Tag  nebeneinander  bestehen.  Scacht 
oder  fchacht  zeigt  im  Mndd.  aber  noch  eine  ganz  singulare  Eigen- 
tümlichkeit, dass  nämlich  die  Spirans  ch  zu  einem  Hauch,  geschrieben 
Ä,  *)  wird  und  dass  auch  dieser  wegfällt,  so  dass  blos  scat  geschrieben 
wird.  Aus  der  Form  fcaht  und  weil  neben  scat  auch  die  Schreibungen 
ÄCad,  sccUh,  scaath  begegnen,  muss  man  wohl  schliessen,  dass  es  in 
de;'  Aussprache  von  scat,  Gen.  scattes  (der  Schatz)  unterschieden 
worden  ist:  es  wird  mit  tonlangem  a  gesprochen  worden  sein.  Ich 
habe  bereits  1875  im  ersten  Jahrgange  des  Niederdeutschen  Jahr- 
buches S.  48  auf  diese  Sprachform  aufmerksam  gemacht  und  einige 
Belege  gegeben,  denen  ich  jetzt  noch  mehrere  hinzufügen  kann. 
Meine  Bemerkung  im  Jahrbuch  galt  dem  hastile  fchat,  welches  a.  a. 
0.  S.  27  in  einem  lateinisch-niederdeutschen  Glossare  aus  dem  Ende 
des  14.  oder  Anfang  des  15.  Jhs.  erscheint.  Ich  konnte  damals  als 
weiteren  Beleg  der  Wortform  den  Ausdruck  fca(ch)tfnider  anfuhren. 
Die  Schacht-  oder  Schaftschneider  waren  eine  Art  der  Drechsler, 
welche  in  Hamburg  (s.  Koppmann,  Hamburg.  Kämmereirechnungen  I 
S.  XLII),  in  Lübek  (s.  Wehrmann,  Die  älteren  Lübeckischen  Zunft- 
rollen S.  201  f.  und  Lübeckisches  Urkundenbuch  H  S.  768)  noch  i.  J. 


^)  Die  Quedlinburger  Hs.,  von  einigen  Gelehrten  in  das  14.,  von  anderen 
und  auch  von  Homeyer  nach  den  Schriftzügen  noch  in  das  13.  Jh.  gesetzt  und, 
da  der  ndrs.  Codex  von  1296,  der  1739  dem  Mcklenburgischen  Justizrat  P.  F. 
Arpe  in  Hamburg  gehörte,  nicht  mehr  aufzufinden  und  da  Homeyer's  nds.  Codex  aus 
dem  18.  Jh.  nur  ein  Fragment  ist,  also  die  älteste  erhaltene  Hs.,  was  Stobbe  fi'ir 
die  obersächs.  Abfassung  verwertet.  Aber  eben  die  unbeholfen  aus  Os.  und  Ns. 
gemischte  Sprache  verrät,  dass  der  Text  t'bersetzung  ist,  und  a.  a.  O.  S.  17  weist 
Homeyer  aus  vier  Missverständnissen  nach,  dass  seine  Vorlage  niederdeutsch  ge- 
wesen sein  muss. 

')  Bereits  im  18.  Jh.  wird  die  gutturale  Spirans  in  ndd.  Hdschrften.  durch 
ch  ausgedrückt,  nicht  mehr  durch  h,  * 


65 

1527    und   in  Wismar  (s.  Crull  in  den  Jaliibtichern  für  Meklenb.  Ge- 
schichte XXIX,  106.     Meklenb.  ÜB.  VIII,  S.  596  Nr.  5665)  sich  nach- 
weisen   lassen.     Im    ältesten  Hamburgischen  Stadterbebuche  wird  ein 
solcher    Handwerker    einmal    (fol.    94,   3.  a.    1266    in    der    Ztschr.    f. 
Hamb.  Geschichte  I,  376)  scfjchsnidere^)^  einmal  aber  scatsnidere  (fol. 
64,  9.  a.  1262  S.  362)  genannt.     Dieselbe  Geschäftsbezeichnung  finden 
wir  in  den  von  Koppmann  herausgegebenen  Kämmereirechnungen  der 
Stadt  Hamburg  Bd.  I,  84  und  88  (a.  1362  f.)  als  schatsnidere^  neben 
schacJUsnidere  S.  83.  180  (1373).  209  (1375).     Schatsnidere  heissen  sie 
auch  in  den  von  Rüdiger  hrsg.  Hamburgischen  Zunftrollen  S.  54  (a.  1375). 
Ein  nicht  seltener  Zuname  in  Norddeutschland  ist  Schacht,  welche 
Schreibung   im  13.  und    14.  Jh.  mit  Schat   wechselt.     So    im   Namen 
des  Kieler  Rathmannes  Hinrik  Scacht,   wie  er  in  einer  Urkunde  v.  J. 
1286  (Hasse,  Schl.-Holst.-Lauenb.  Regesten  u.  Urk.  II  S.  283  Nr.  695) 
heisst,  während  ihn  das  Kieler  Stadtbuch   aus  den  Jahren  1264 — 89, 
hrsg.  V.  Hasse,  stets  und  zwar  zehnmal  Seat  nennt.     Desgleichen   ist 
der   Ritter    Marquard   Scaht   (Hasse   Reg.  II    S.  15   Nr.  38   a.  1253) 
oder  Scacht^)  (S.  113  Nr.  266  a.  1263)    identisch    mit   dem   dominus 
Marquardus  dictus  Seat  im  Kieler  Stadtbuch  ^  487.  —  Im  Meklenburg. 
Urkundenbuche  IX  S.  322  Nr.  6131  a.   1341  und  S.  366  Nr.  6189  a. 
1342  treffen  wir  auf  einen  Provisor  des  H.  Geist-Hospitals  in  Wismar 
namens  JoJiannes  Schacht^   welcher   aber   (nach  einer  Anmerkung  auf 
S.  322)   in   einem  "Register  dieses  Spitals   aus   dem   14.  Jh.  Johannes 
Schaath  geschrieben   wird.  —  In   dem   Hoyer  Lelinsregister   aus  dem 
13.  bis  14.  Jh.,  welches  W.  von  Hodenburg  im  Hoyer  Urkundenbuch  Abt.  I 
Heft  IV  mitteilt,   lesen  wir  S.  5,  14:    in  IloUhusen  en  hus,  hadde  her 
Ludolf  Schat;  S.  46,  36:  her  Ludölf  Scath  hadde  en  hus  to  Ilolthusen; 
S.  71,  17:  her  Ludolf  Scaht,   also  denselben  Namen  in  drei  verschie- 
denen Schreibungen,  aber  ohne  Zweifel  mit  fast  oder  gänzlich  gleicher 
Aussprache. 

In  der  Sächsischen  Weltchronik,  hrsg.  v.  Weiland  in  den  Monu- 
meiita  Germaniae  historica,  Deutsche  Chroniken  Bd.  II,  kommt  das 
Wort  „Schacht"  nach  Ausweis  des  Glossars  von  Strauch  wenigstens 
dreimal  vor.  Weiland  hat  seiner  Ausgabe  die  (iothaer  Handschrift 
zu  Grunde  gelegt,  weil  sie  noch  dem  13.  Jh.  angehört  und  in  einem 
ndd.  Dialekte  abgefasst  ist,  wie  ihn  der  Verfasser  der  Chronik,  wel- 
cher in  derselben  Gegend  wie  Eike  van  Repegowe  zu  Hause  war,  ge- 
sprochen haben  wird,  und  weil  dieselbe  aus  anderem  Grunde  für  ein 
()riginalexemplar  im  weiteren  Sinne  zu  halten  ist;  s.  die  Vorrede  zur 
Ausgabe  S.  17  und  S.  49  ff.     In  einer  Stelle  (S.   151,  31  ff.),  welche 

^)  Möglicherweise  steht /co/A/ntVZer«  da:  c  und  t  sind  ja  in  mittelalterlicher 
Schrift  schwer  zu  scheiden.  Sonst  ist  Abfall  von  t  nach  ch  gleichfalls  dem  Mndd. 
nicht  fremd;  wegen /c/incA  \\^,  fchachhölt  im  Mndd.  Wb.  Beiläufig  sei  bemerkt, 
dass  ich  im  Hamburger  Adressbuch  von  1877  alle  drei  Formen:  Schachtschneider, 
Schachschneider  und  Schattschneider  vertreten  gefunden  habe. 

*)  So  ist  sicher  statt  Stäche  zu  lesen,  was  Hamburg.  Urkundenbuch  S.  553 
Nr.  671  und  danach  Hasse  bietet.  Die  falsche  Lesung  hat  veranlasst,  dass  dieser 
Marquard  in  den  Registern  irrtümlich   in  die  Familie  Scacco,  Schacke  geraten  ist. 

Nl«d«rd«ot8ch«fi  Jahrbuch  XYIII.  5 


66 

der  lioclideatschen  Kaiserchronik  entlehnt  ist,  hat  die  Chronik  den 
Plaral  scheckte  und  das  Kompositum  schechteicaU,  Hingegen  in  zwei 
originären  Abschnitten  (S.  84,  20  und  163,  14)  schreibt  sie  schat. 
Im  ersteren  Falle  liest  auch  eine  ndrhein.  oder  mfränk.  Hdschr.  des 
14.  Jhs.  so;  zwei  mitteldeutsche  Handschriften  dagegen  des  15.  Jhs. 
bieten  Schacht.  Im  zweiten  Falle  liest  gleichfalls  eine  sprachlich  ge- 
mischte Hdschr.  des  16.  oder  17.  Jhs.  schat^  die  ndd.  Kopenhagener 
aus  dem  15.  Jh.  schad,  aber  die  mitteldeutsche  Pommersfelder  ^)  schaft. 

Wenn  also  hierdurch  festgestellt  ist,  dass  scat  oder  schai  eine 
gut  ndd.  Form  für  scJiacht  war,  und  wenn  es  sogar  nicht  unwahrscheinlich 
ist,  dass  Eike  sich  dieser  Form  bedient  habe,  so  gewinnt  das  Ver- 
hältnis der  Lesarten  an  der  in  Rede  stehenden  Stelle  des  Lehnrechts 
ein  ganz  anderes  Aussehen.  Nicht  missverstanden  haben  die  Schreiber 
der  ndd.  Hsch.,  welche  schatr.  bieten,  das  Wort,  sondern  sie  haben 
die  ursprüngliche  und  dem  Niederdeutschen  ganz  verständliche  Wortfomi 
bewahrt.  Schatrowe  lesen  nun  drei  ndd.  Hss.  aus  dem  14.  Jh.:  Ol,  Vr  und 
Vu.  Da,  wie  bereits  bemerkt,  t  und  c  sich  im  14.  und  15.  Jh.  fast  nie 
unterscheiden  lassen,  so  müssen  wir  zu  diesen  Hss.  auch  rechnen  folgende 
vier  ndd.  Hss.:  sicher  Vv  aus  dem  15.  Jh.,  von  der  Homeyer  urteilt, 
dass  man  sowohl  scat  wie  stat  lesen  könne,  und  höchst  wahrscheinlich 
die  drei  Qb  v.  J.  1342,  Me  aus  dem  14.  Jh.  und  Ob  aus  dem  15., 
in  denen  man  stat  gelesen  hat,  wo  aber  offenbar  scat  zu  lesen  sein 
wird.  Weil  ferner  h  den  Niederdeutschen  im  14.  "Jh.  nicht  mehr  ch 
ausdrückt,  sondern  blos  die  Länge  des  Vocals  bezeichnet,  so  muss 
auch  Qt  mit  scahtrowe  hierhergestellt  werden,  sodass  nur  eine  ndd. 
IIs.,  Od  vom  J.  1336,  die  Form  scachtrowe  gewährt.  Wir  haben  also 
statt  zweier  Hss.  neun  mit  der  ursprünglichen,  richtigen  Lesart  scat- 
oder  scachtrowe. 

Prüfen  wir  jetzt  die  obersächsischen  Hss.,  so  finden  wir  nur  in 
Qv  (der  Quedlinburger  Codex  aus  dem  13.  Jh.)  scJiachtrowe  und  in 
Qn  (aus  dem  14.  Jh.)  scahtruwe.  Die  IIs.  Qe  v.  J.  1432,  welche  in 
den  Consonanten  teilweise  oberdeutschen  Charakter  zeigt,  hat  das 
Wort  ins  Hochdeutsche  übersetzt:  schafftruwe.  Fünf  obersächsische 
Hss.  lesen  schatrowe:  Qu  von  1306  (?),  Oh  aus  dem  Anfange  und  Oe 
(:=  2  Hss.,  Nr.  16  und  86)  aus  dem  Ende  des  14.  Jhs.  und  Vy  v.  J.  1407; 
aber  es  bleibt  sehr  fraglich,  ob  die  Schreiber  den  Ausdruck  verstanden 
haben,  solange  die  Form  schat  =  Schacht  für  das  Obersächsische  nicht 
nachgewiesen  ist;  sogar  schacht  scheint  nicht  recht  obersächsisch  zu  sein, 
sondern  schaft  für  ,hastile'  gebräuchlich  gewesen  zu  sein.^)     Qr  aber 

^)  Der  Schreiber  schrieb  unmittelbar  nach  ndd.  Vorlage  und  verstand  das 
Ndd.  gut;  8.  Weiland  S.  16. 

')  In  der  übertragenen  Bedeutung  „Schacht  im  Bergwerke^  galt  allerdings 
auch  obersächsisch  bereits  im  Mittelalter  fchacht ;  das  Wort  ist  aber  als  technischer 
Ausdruck  dem  Niederdeutschen  entlehnt.  Jacob  Grimm  hat  diesen  Ausdruck  frei- 
lich für  ein  ganz  anderes  Wort  als  jenes  fchacht  =  fchaft  erklärt;  allein  die 
frühere  Ansicht,  dass  fchacht  als  Schaft  und  als  Bergschacht  ein  und  dasselbe  Wort 
sei,  ist  wahrscheinlicher.  Dieselbe  Begriffsentwickelung  finden  wir  in  „Stollen" : 
und  von  dem  Einfiuss   des  Niederdeutschen  legen   auch   sonst   noch   manche    hd. 


6? 

hat  klärlich  schat  missverstanden,  wie  die  Lesart  schater.  beweist. 
Was  endlich  die  niederländische  Lesart  sachte  rouwe  betrifft,  so  be- 
zweifele ich  sie  einigermassen.  Die  Lesart  lässt  auf  eine  ndd.  Vor- 
lage nicht  mit  schat-y  sondern  mit  schachtrowe  schliessen;  dies  konnte 
aber  ein  Niederländer  schwerlich  missverstehen:  das  Wort  wird  ver- 
schrieben sein  für  scachte  rouwe.  Es  bleibt  noch  die  Betrachtung  der 
Vulgata  scal,  schal  oder  sal  ruwen^  welche  Lesart  erst  mit  der  Mitte 
des  14.  Jhs.  aufkommt  und  im  15.  Jh.  herrscht.  Auch  hier  ist  das 
Ergebnis  günstig  für  das  Ndd.  Es  lesen  so  neun  ndd.  Hss.,  nämlich: 
Ou,  Or,  Og,  Vb,  Vg,  Vh,  Vm,  Vq,  Vw,  und  der  Augsburger  ndd. 
Dnick  (Va)  v.  J.  151 G,  hingegen  zwölf  obersächsische,  resp.  hoch- 
deutsche, als:  Qi,  Vd,  Ve,  Vf,  Vk,  VI,  Vo,  Vp,  Vt,  Vx,  Gl,  Gz  und 
der  Dinick  Vs.  Auch  Codex  Berleburg.,  der  resten  setzt,  ist  kein 
nddr.,  und  die  beiden  Ausgaben  Zobel's  v,  J.  1537  imd  1589,  welche 
umschreiben:  dar  binnen  ruhe  haben,  sind  hdtsche. 

Endlich  spricht  auch  für  das  Ndd.,  dass  die  Worte  u,  s.  r.  als 
unverständlich  ausgelassen  sind  von  fünf  obersächsischen  Handschriften 
Qg,  Go,  Gs,  Gm,  Ga  und  vom  oberdeutschen  Druck  v.  J.  1495,  aber 
mir  von  einer  ndd.  Handschrift  des  15.  Jhs.  (On);  Qd  scheint  nicht, 
wie  Homeyer  angiebt,  ndsächsisch,  sondern  ndfränkisch  zu  sein. 

Somit  ergiebt  sich  grade  das  Gegenteil  von  dem,  was  Stobbe 
behauptet:  die  einzige  Stelle,  welche  er  gegen  die  Annahme  eines  ndd. 
Originaltextes  des  Sachsenspiegels  glaubte  verwenden  zu  können,  liefert 
einen  besonders  gewichtigen  und  starken  Beweisgrund  für  dieselbe. 


Ausdrücke  des  Bergbaues  Zeugnis  ab,  welche  Thatsache  bis  jetzt  noch  nicht  ge- 
nügend gewürdigt  zu  sein  scheint. 

HAMBURG.  C.  W^alther. 


Löven  ^sieh  belauben'. 


Im  Ndd.  Korrespondenzblatt  VII  (1882),  S.  84,  ist  aus  einer 
Ebstorfer  Handschrift  ein  geistliches  Lied  mitgetheilt  worden,  welches 
bcscinnt:  love  zedcwerbom  love,  du  hoghdovcde  holt;  ;,nach  dem  ersten 
lovc  eingeschaltet:  Ze.* 

Dasselbe  Lied  in  Münsterländischer  Mundart  hatte  bereits  1854 
B.  Kölscher  in  den  Niederdeutschen  Geistlichen  Liedern  und  Sprüchen 
veröffentlicht.  Hier  lautet  aber  der  Anfang :  boven  allen  cederen  bonien 
du  hoge  gelovede  holt.  Demgemäss  hat  der  Herausgeber  des  Ebstorfer 
Textes  geändert:  boven  allen  zedewerbomen. 

Noch  in  einer  zweiten  Handschrift  des  Klosters  Ebstorf  ist  das 
Lied  erhalten  und  aus  dieser  mit  anderen  Liedern  im  Ndd.  Jahrbuch 
XV  (1889)  herausgegeben.  Da  heissen  diese  Worte  (Nr.  IV,  S.  10): 
lave  sederbom^   du  hoghelavede  holt.     Ahnlich   fängt  das  nächste   Lied 

5* 


68 

an.  (Nr.  V,  S.  12):  mm  lave,  herftjken^  lave!  du  fchdt  nicht  fore 
ftan.  An  beiden  Stellen  ist  offenbar  love  statt  lave  zu  lesen  und  in 
Nr.  IV  nacli  zederbom  das  love  zu  wiederholen.  Diefenbach  Gloffarium 
Latino^Germanicum  niediae  et  iniimae  aetatis  hat  aus  einem  lat.-mndd. 
Glossar :  v  i  g  e  r  e,  loven  und  das  Mndd.  Wb.  aus  einem  Wolfenbütteler 
Vocabular :  loven^  blaygen^  gronen^  v  i  g  e  r  e.  Das  mndl.  loven  und  das 
mhd.  louben  mit  derselben  Bedeutung  sind  bekannt.  In  Nr.  V  des 
Ebstorfer  Liederbuchs  ist  das  Wort  metaphorisch  gebraucht,  grade 
wie  fore  'verdorrt,  dürre'.  Es  muss  angenommen  werden,  dass  diesem 
Liedanfang  ein  anderer  zu  Grunde  liegt,  in  welchem  das  Wort  im 
eigentlichen  Sinne  vorkam.  In  der  That  findet  sich  bei  Böhme,  Alt- 
deutsches Liederbuch,  S.  265  Nr.  175  eine  Weise  aus  einem  Singbuch 

von  L553: 

nun  laube,  Undleinj  laube! 
nicht  länger  icha  ertrag: 
ich  h<nb  mein  lieb  verloren, 
hat  gar  ein  traurig  tag. 

Mehr  ist  nicht  überliefert ;  aber  Böhme  weist  ein  Lied,  die  Liebesklage 

eines  Mädchens,  in  Meinert's  Sammlung  ^Alte  teutsche  Volkslieder  in 

der  Mundart  des  Kuhländchens  (1817)^  nach,  welches  den  vollständigen 

Text  oder  doch  einen  ähnlichen  uns  erhalten  hat  und  das  (S.  131)  anhebt : 

Ay,  laev*  aus,  Leindle,  laev*  aus! 
ick  kons  ni  lenger  dertroen, 
ich  hör  verloren  mai  Livle, 
hör  goer  an*  traurige  Tog. 

Eine  Liederhandschrift  des  15.  Jhs.  bringt  die  erste  Zeile  so: 
nn  lobe  linde  lobe;  Böhme  S.  266. 

Es  wird  demnach  ein  ndd.  Volkslied  mit  dem  Anfang  nu  love^ 
linde  (lindeJcen?)^  love!  gegeben  haben,  welches  geistlich  zu  nu  love^ 
hertken^  love!  umgedichtet  ward.  Ob  aucli  love  s.  b,  love  eine  solche 
NachahjBung  ist?  ob  nicht  vielmehr  boven  a.  jp.  6.  die  ursprüngliche 
Fassung  und  l.  e,  b,  l.  nur,  durch  jenes  Volkslied  verursachte,  Ent- 
stellung ist?  Wenn  wir  die  ganze  erste  Strophe  in  der  Münsterländischen 
Fassung  lesen,  so  scheint  hieran  nicht  zu  zweifeln. 

Boven  allen  cederen  bomen  du  hoge  gelooede  hoU, 
want  du  hefst  gedragen  den  oversten  vorften  ftoU. 

Das  Holz  des  Kreuzes  wird  noch  über  die  als  kostbarst  gepriesenen 
Odern  gesetzt,  weil  an  ihm  Christus  gehangen  hat. 

Es  giebt  noch  eine  vierte,  eine  Niederländische,  Fassung  des 
(iedichtes,  welche  Hoffmann  von  Fallerslebon  in  den  Horae  Belgicae, 
P.  X  oder  „Niederländische  Geistliche  Lieder  des  XV.  Jahrhunderts*^ 
(1854)  S.  186,  Nr.  94  bekannt  gemacht  hat: 

Ghelovet  fijstu  cederboom,  du  hoghe  gheloofde  hout, 
wanttu  heveft  ghedraghen  den  edelen  vorften  ftout 

Der  zweite  Satz  begründet  hier  ebenfalls  das  im  ersten  ausgesprochene 
Lob;  aber  das  Lob  ist  anders  ausgedrückt,  nur  allgemein,  und  nicht 
das  Epitheton  du  hoghe  gheloofde  hout  wird  durch  den  folgenden  Vers 
begründet,  sondern  das  Unternehmen  des  Dichters,  das  Lob  von  neuem 


69 

zu  singen:  ghelovet  fijstu.  Ferner  wird  das  Holz  des  Kreuzes  nicht  mit 
den  Cedern  verglichen,  sondern  es  wird  selbst  als  Ceder  bezeichnet. 
In  dieser  letzteren  Auffassung  stimmen  zu  der  ndl.  Redaction  die 
beiden  aus  Ebstorf: 

A. :    Lave,  zederbom,  [love!]  du  hoghelavede  holt, 
an  dy  fo  heft  ghehenghet  de  eddele  varfle  ßolt. 
und  B. :    Love,  eedetoerbom,  love!  du  hoghelovede  holt, 
in  dy  heft  ghehanghet  de  eddele  für  sie  ßoH. 

Dass  das  so  in  A.  den  Vers  an  den  vorhergehenden  knüpft,  ist 
unbestreitbar,  vielleicht  nur  fortschreitend  oder  relativisch,  kaum 
ähnlich  wie  jenes  want  mit  Begründung  des  Lobes,  das  aber  hier  nur 
als  Epitheton  von  holt  steht,  so  dass  darum  so  (ja)  passender  wäre 
als  ivant^  'denn'  oder  'weil'.  B.  fügt  nach  Art  des  Volksliedes  und 
der  meisten  Strophen  dieses  geistlichen  Liedes  den  neuen  Gedanken 
einfach  nackt  an  den  vorhergehenden. 

Ob  die  Vorstellung  des  Kreuzes  als  Cedernholzes  mittelalterlich 
sonst  bezeugt  ist?  In  den  Dichtungen  vom  Holze  des  Kreuzes  (s.  Carl 
Schröder,  Van  deme  holte  des  hilligen  cinizes  1869,  Einleitung  und 
Anmerkungen  zu  261  und  739),  wird  nur  übereinstimmend  angegeben, 
dass  das  Kreuz  vom  Baume  der  Erkenntnis  im  Paradiese  stamme. 
Die  mndl.  Dichtung  und  ebenso  die  ndd.  Bearbeitung  lassen  aus  den 
drei  Samenkemen,  welche  Seth  vom  Paradiesesbaum  der  Erkenntnis 
heimbringt,  drei  Reiser  spriessen,  Ceder,  Cypresse  und  Palme,  die 
zu  einem  Stamme  zusammenwachsen.  Statt  der  Palme  nennt  Aniold 
von  Imraessen  im  ^  Sündenfall ^  (hrsg.  v.  0.  Schönemann,  Hannover 
1855)  den  Oelbaum,  „und  bleibt  dadurch  in  Uebereinstimmung  mit 
dem  Schluss  des  Gedichtes  [vam  hilligen  cruce],  wo  734  ff.  berichtet 
wird:  Der  Stamm  des  Kreuzes  sei  Cedernholz  (nicht  ausdrücklich 
gesagt,  aber  ergiebt  sich  von  selbst),  das  Querholz  von  der  Cypresse 
und  der  beide  Balken  verbindende  Pflock  vom  Oelbaum  gewesen '^ 
(Schröder  a.  a.  0.,  S.  83).  Danach  gab  es  auch  sonst  eine  mittel- 
alterliche Vorstellung  vom  Kreuze  als  Cedernholz.  Die  Ceder  in  den 
drei  Redactionen  des  Liedes  ist  also  nicht  anzufechten;  ich  werde 
gleich  zeigen,  dass  wahrscheinlich  auch  die  Münstersche  Redaction 
dieselbe  Ansicht  vertritt. 

Ehe  ich  zu  einer  Besprechung  des  love  übergehe,  möchte  ich  die 
Behauptung  aufstellen,  dass  die  Entwickelung  des  Textes  gewesen  zu 
sein  scheint :  entweder  aus  dem  Münsterschen  in  den  Niederländischen, 
in  den  Ebstorfischen  oder  aber  umgekehrt.  Mir  neigt  sich  die  Wage 
für  die  zweite  Möglichkeit.  Wie  sollten  die  Namen  von  psstorf  wohl 
dazu  gekonmien  sein,  den  einen  oder  andern  verständlichen  und  ver- 
ständigen Text  jener  beiden  Redaktionen  in  ihr  'love'  zu  verwandeln? 
bloss  aus  Liebhaberei  für  ein  Volkslied,  in  dem  auch  ein  Baum  genannt 
wird?  und  um  ein  damals  schon  ziemlich  obsolet  gewordenes  Verbum 
loven  zu  conserviren?  Auch  bestechen  jene  beiden  Texte  nur  auf  den 
ersten  Blick,  weil  sie  dem  Verständnis  keine  Schwierigkeit  machen. 
Der  schwächere  ist  der  Niederländische,  es   wäre  denn,   dass  ghelovet 


70 

fijstu  bedeute  :  belaubt  seist  du !  grünen  sollst  du !  Ich  bezweifle  aber, 
dass  der  Dichter  diesen  Gedanken  so  ungeschickt  ausgedrückt  liätte. 
Die  Worte  können  nur  verstanden  werden  als :  „gelobt  seist  du,  hoch- 
gelobtes Holz.^  Diese  Verwendung  desselben  Particips  im  prädikativen 
und  im  attributiven  Sinne  ist  nicht  poetisch  schön,  noch  überhaupt 
als  Gedanke  zu  billigen.  Der  Satz  macht  ganz  den  Eindmck,  als 
sei  hier  loven^  loben,  an  die  Stelle  eines  anderen  ursprünglichen 
Wortes  getreten,  das  veraltet  war.  Und  dass  dieses  das  nicht  gleich, 
aber  ähnlich  lautende  loven  gewesen  sei,  dafür  lässt  sich  anführen, 
dass  derselbe  Hergang  im  Hochdeutschen  sicli  nachweisen  lässt.  Böhme 
(S.  265)  verdankt  die  erste  Strophe  von  Nun  laube^  Lindlein,  laube! 
dem  Umstände,  dass  die  Melodie  im  16.  Jh.  verwendet  ward  für  ein 
geistliches  Lied  des  Anfangs:  Nun  lobet  mit  gefange  den  Herrn  Got 
allefampt.  Auch  das  frören  allen  cederen  bomen  etc.  der  Münsterschen 
Redaction  sieht  nicht  aus,  als  ob  der  Wortlaut  den  Urtext  gebe. 
Das  du  würde  man  um  der  Concinnität  willen  an  der  Stelle,  wo  es 
steht,  gerne  missen.  Die  Beziehung  des  Causalsatzes  auf  ein  einzelnes 
Wort  oder  vielmehr  auf  eine  Anrede,  statt  auf  einen  ganzen  Satz,  ist 
auch  gerade  nicht  zu  loben.  Und  warum  „alle  Cederbäume"?  Man 
erwartete  entweder  blos  „Cederbäume"  oder  „alle  Bäume",  d.  h.  Baum- 
sorten. Die  Lesart  der  Handschrift  kann  wohl  nur  besagen,  dass 
auch  diesem  Verfasser  das  Kreuz  ein  Cederstamm  gewesen  ist  und 
dass  dieses  Cederholz  mehr  als  alle  anderen  Cederbäume  gepriesen 
werde  und  werden  müsse;  das  Letztere  aber  scheint  ein  matter 
Gedanke.  Endlich  ist  in  boven  noch  eine  deutliche  Spur  vom  ursprüng- 
lichen ähnlich  klingenden  und  graphisch  sehr  ähnUch  aussehenden  love 
zu  erkennen.  Der  entgegengesetzte  Gang,  dass  man  boven  allen  cederen 
bomen  in  love  zederbom  love  geändert  habe,  ersclieint  mir  unglaublich. 
Für  die  Lesart  der  Ebstorfer  Texte  lässt  sich  noch  dreierlei  an- 
führen. Einmal  ist  bekanntlich  der  Brauch,  weltliche  Liederanfänge 
zu  geistlichen  umzugestalten,  schon  im  Mittelalter  ein  beliebter  ge- 
wesen. Und  hier  vermittelte  der  Cederbaum  gar  leicht  die  Entlehnung 
aus  dem  Liede  vom  Lindenbaum.  Zweitens  ist  das  geistliche  Lied 
im  selben  Versmass  gedichtet  wie  das  weltliche,  welches  nach  Böhme's 
Urtheil  eine  ;, liebliche^  und,  dürfen  wir  wohl  liinzufügen,  eine  darum 
beliebte  Melodie  hatte.  Auch  das  fünfte  Lied  des  Ebstorfer  Lieder- 
buches :  nu  love^  hertken,  love  ist  in  dem  gleichen  Versmasse.  Drittens 
und  schliesslich  lassen  sich  die  Worte  love,  cederbom,  love  aus  der 
Bildersprache  der  mittelaltorliclien  Mystik  rechtfertigen.  Der  Dichter 
denkt  sich  den  Kreuzesstamm  wie  ein  an  sich  dürres  Holz,  das  durch 
die  Betrachtung  des  Leidens  Christi  und  die  Aneignung  desselben 
durch  die  innige  feie  in  dieser  Leben  gewinnt,  ergrünt  und  erblüht. 
Diesem  Gedankengange  entspricht  der  weitere  Inhalt  des  Gedichts.  Eine 
solche  Anschauung  und  Bildersprache  ist  auch  der  protestantischen 
Mystik  noch  lange  vertraut  geblieben. 

HAMBURG.  C.  W^althep. 


71 


Die  Rechtsaufzeiehnungen  in  nie- 
derdeutscher Sprache. 


Gelegentlich  der  Besprechung  der  mnd.  Literatur  in  Paul's  Grund- 
riss  der  germanischen  Philologie  habe  ich  auch  die  niederdeutsche 
Rechtsliteratur  gesammelt.  Wenn  diese  Sammlung  auch  auf  Voll- 
ständigkeit keinen  Anspruch  machen  kann,  so  glaube  ich  doch,  dass 
sie  manchem  Leser  des  Jahrbuches  willkommen  sein  wird.  Man 
vergleiche  übrigens  Homeyer,  die  deutschen  Rechtsquellen  des 
Mittelalters.  Berlin  1850,  namentlich  s.  26—36  und  64—168. 
ü.  Stobbe,  Geschichte  der  deutschen  Rechtsquellen.  Braunschweig 
1860.  E.  Th.  Gaupp,  Deutsche  Stadtrechte.  Breslau  1852.  H.  G eng- 
ler, Deutsche  Stadtrechte  des  Mittelalters.  Erlangen  1852,  und 
Codex  juris  municipalis.     Erlangen  1878. 

1)  Der  Sachsenspiegel  des  anhaltischen  ScböiTen  Eyke  van  Repgowe,  zwischen 
1224—35  verfasst. 

a)  Das  Landrecht,  hrg.  von  Homeyer,  Berlin  1861,  nach  der  Berliner  Hand- 
schrift V.  J.  1369.  —  Der  Oldenburger  Codex  v.  J.  133G,  Land-  und  Lehnrecht, 
hrg.  von  A.  Lübbon  1879. 

Alte  Drucke:  Cöln  1480  folio.  —  Leipzig  1488  folio,  „Dit  is  de  Sassen- 
speghel  mit  dem  richtstighe."  —  Stendal  1483  folio.  Mit  der  Glosse.  Vgl.  Goetze, 
Buch^ckereigeschichte  von  Magdeburg  1872,  s.  38  f.  —  Cöln  1492  bei  Quentel. 
—  Augsburg  1516  folio,  „Sassenspegel  mit  Leenrechte  vnde  Richtstige"  nebst  der 
Glosse  in  der  kurzen  Form  „dorch  Sylvanum  Othmer  bäkprenther."  —  Heidelberg 
1611  folio.    Ndd.  Text  neben  dem  hochdeutschen. 

Von  den  c.  700  Handschriften  des  Sachsenspiegels,  welche  Homeyer  S.  2—14 
verzeichnet,  sind  etwa  130  niederdeutsch. 

b)  Das  Lehnrecht  und  der  Richtsteig  des  Lelinrechtes,  hrg.  von  Homeyer, 
Berlin  1842.  Dort  S.  330-37  Proben  aus  8  ndd.  Handschriften.  —  Das  Lehnrecht 
auch  in  dem  Augsburger  Druck  des  Landrechts  v.  J.  1516.  Unter  den  19  Hand- 
schriften des  Richtsteig  d.  Lehnrechts  (bei  Homeyer  S.  410—554)  sind  6  nieder- 
deutsche des  15.  Jahrhunderts. 

c)  Der  Ric'htsteig  Landrechts,  hrg.  von  Homeyer,  Berlin  1857.  Von  dem 
märkischen  Ritter  Johann  von  Buch  sammt  der  Glosse  zum  Landrecht,  zwischen 
1350 — 90  verfasst,  (auch  scheveklot,  sckedenklot,  d.  h.  achepenclot  ^Stütze  für  die 
Schöffen'  genahnt). 

d)  Ueber  die  (flössen  zum  Sachsenspiegel  vgl.  Homeyer  IL,  77,  Stobbe  L, 
375  f.  und  E.  Steffenhagen,  Die  Entwickelung  der  Landrechtsglosse  des  Sachsen- 
spiegels.   Berliner  Academie  1881  ff. 

Juristisches  Wurterbach  zar  (llosse  in  der  Wolfenbüttel  -  Helmstedter  Hs. 
no.  393,  195  Bl.,  aus  dem  15.  Jahrhundert. 

Über  die  Abeeedaria,  oder  slotel  zum  Sachsenspiegel  vgl.  Stobbe  I.^  443  f. 
Eine  Probe  bei  Dreyer,  Über  den  Sachsenspiegel  S.  123.  Vgl.  Lübben,  Mnd. 
Grammatik  S.  168. 

Informatio  ex  specalo  Saxoiiuin,  aus  dem  16.  Jahrhundert,  zum  Teil  ver- 
öffentlicht von  Homeyer.    Berliner  Academie  1856,  S.  629—74. 


72 

2)  Dat  KeyHer  recht.     Niederdeutsche  Handschrift  des   Sehwabenspie^els 

auf  der  Königlichen  Bibliothek  in  München,  13.— 14.  Jahrhundert.    4^,  104  Bl. 

Stadreehte,  Bnrspraken,  Zunftordnim^eii,  Polizeiverordnnngeii. 

3)  üortnunder  Statuten  and  Urteile,  hrg.  von  Frensdorf  in  den  Hansischen 
Geschichtsquellen  I.  Dazu  Pick's  Monatsschrift  für  Westdeutschland  V.,  103  f.  — 
Spätere  Rechte  und  Ordnungen  in  der  Zeitschrift  fiir  westfälische  Geschichte  III., 
292  und  343.  —  Statutarrecht  hrg.  von  A.  Fahne.    Köln  1855.  S.  28—66  u.  212—246. 

4)  Oflnabrücker  ,,Sate  nnd  (iewonheden"  (1348)  hei  Lodtmann,  Monumenta 
Osnahrugensia.  Helmstedt  1753.  Appendix  S.  140  ff.  —  Osnahrücker  (lilde- 
urknnden,  hrg.  von  Philippi,  Osnahrück  1890. 

5)  Soest  „Dey  ande  Schrae*^  (um  1350),  abgedruckt  in  Seibertz,  Urkundeu- 
buch  IL,  387—409.  Vgl.  Wigänd,  Archiv  für  Westfalen  IL,  156—165  und  292 
bis  301.  —  Spätere  Willknren  in  der  Zeitschrift  für  westfälische  Geschichte  XL, 
311-333. 

5a)  Stadtreeht  von  Coenfeld  bei  Niesert,  Urkundenbuch  III,  145-209. 

(5)  Herforder  Keehtsbnch  (vor  1400).   Abgedruckt  bei  Wigand,  Archiv  IL,  7-73. 

7)  Boeholter  Privilegien  nnd  Statute  (15.  Jh.),  abgednickt  bei  Wigand, 
Archiv  III.,  1,  S.  1-53.     Vgl.  auch  Wigand  IL,  4,  S.  339—60. 

8)  Breckerfelder  Rechtsbrief  (1396).  Abgedruckt  bei  von  Steinen,  West- 
fälische Geschichte  1269—72. 

9)  Brilon.  Statut  fiir  die  Brüderschaft  der  Kauflente.  (1*289).  Abgednickt 
bei  Seibertz,  Urkundenbuch  L,  Nr.  428  (2  Seiten). 

10)  Stadtreeht  von  Büren  (14.  Jh.),  bei  Wigand,   Archiv  HL,  3,  S.  34-39. 

11)  Willküren  der  Stadt  Dorsten  (15.  Jh.).  Abgedruckt  in  der  Ztschr.  f. 
westfälische  Geschichte  VIL,  172—231. 

12)  llechtsbrief  von  Horde,  bei  Gengier,  198—201. 

13)  Statute  von  Höxter  (14.  Jh.),  bei  Wigand,  Archiv  HL,  8.  —  Ciildebriefe 
von  Höxter  (13.— 15.  Jh.),  bei  Wigand,  Beiträge  für  Geschichte  und  Rechtsalter- 
tümer  1858,  S.  135  ff. 

14^  Lippstädter  Statute,  bei  Pufendorf,  Observationes  HL,  Appendix  409 — 12. 

15)  Rechtsbrief  von  Lünen,  bei  von  Steinen,  Westphäl.  Geschichte  IV., 
237—44.  —  Statute  von  Lünen  bei  Tross,  Westphalia,  Jahrgang  1825. 

16)  Willküren  von  Münster  (14.— 15  Jh.),  bei  P.  T.  Deiters,  die  ehel.  Güter- 
gemeinschaft nach  den  münsterischen  Provinzialrechten.    Bonn   1831,   S.  117—129. 

17)  Statute  der  Bruderschaft  U.  L.  Frauen  in  Paderborn  (1480).  Abgedruckt 
in  der  Ztschr.  für  westfälische  Geschichte  Bd.  30,  S.  162—70. 

18)  Stadtrechtbnch  von  Ruthen,  bei  Seibertz,  Urkundenbuch  IL,  69—96,  und 
bei  Wigand,  Archiv  V.,  55—76. 

19)  Mitteilungen  aus  dem  Bürgerbuche  von  Stadthagen.  Abgedruckt  Ztschr. 
f  Schleswig-Holst.  Gesch.  X.,  121—129. 

20)  Rechtsnrkuuden  von  Unna.    Von  Steinen,  Westph.  Gesch.  IL,  1293—1312. 

21)  Stadtrecht  von  Werl  (v.  J.  1324),  Seibertz,  Urkundenbuch  IL,  198-201. 

22)  Bremen,  a)  Statute  v.  J.  1303,  bei  Gerh.  Oelrichs,  Vollständige  Samm- 
lung alter  und  neuer  Gesetzbücher  aus  Handschriften.  Bremen  1771.  4®,  S.  1 — 3<)2. 
b)  Statut  des  15.  Jh.,  ebenda  S.  303-605.  c)  Bnrsnrake  v.  J.  1483,  ebenda  647 
bis  717.  d)  und  vom  Jahre  1450,  S.  717—745.  Vgl.  Lübben,  Grammatik  164, 
und  Pufendorf,  Observat.  tom.  IL,  App.  no.  HL,  S.  104— 131.  e)  „Bischof  Baldnin 
von  Bremens  Rechtsbnch  (v.  J.  1434)*^  ^^^  Spanf^enberg,  Beitrag  zur  Kunde  teutscher 
Rechtsalterthümer. 


73 

28)  Satzungen  der  Burgmäimer  zu  Yechta,  bei  Lodtmaun,  Acta  Osnabru- 
gensia  I.,  226-234. 

24)  Verden  a)  Dat  olde  Yerdische  Stadt-Bok  (v.  J.  1380).  Abgedruckt  bei 
Gengier,  Deutsche  Stadtrechte,  Erlangen  1852  und  1867,  S.  507—511.  b)  Statuten 
von  Verdener  Neustadt  (v.  J.  1416).  Abgedruckt  bei  Pufendorf,  Observationes 
T.  I.    App.  S.  77—137. 

25)  a)  Statute  von  Stade  (v.  J.  1279),  hrg.  von  Grothaus,  Göttingen  1766. 
4^  Vgl.  Scbeller  no.  1858.  b)  Rechte  der  Wantschnieder  tho  Stade,  bei 
J.  H.  Pratje,  die  Herzogtümer  Bremen  u.  Verden  VI.,  134—142.  c)  der  Kopmann 
unde  Sehipper-Brödersehap.    Ndd.  Jahrb.  4,  70  ff. 

25a)  Moringen.    Statuten,  15.  Jahrh.    Zeitschr.  f.  Rechtsgesch.  7  S.  290. 

25b)  «öttingen.    Statuten  14/15.  Jh.    Pufendorf,  Observ.  3  (1756),  145  ff. 

26)  Statut  von  Otterndorf  (v.  J.   1541).     Pufendorf,  Observ.  IL,   168—184. 

27)  Das  Hannoversche  Stadtrecht,  hrg.  von  Grote  u.  Brunnenberg,  Hannover 
1646:  Statuta  S.  284-334.  Von  Mindescheme  rechte  S.  359—94.  Van  allen 
ammeten,  van  tolne  unde  van  vordrevenen  Luden  S.  451—501.  Vgl.  auch  Archiv 
für  Niedersachsen,  Jahrg.  1844  und  1839  S.  192  ff. 

28)  Statuten  von  Hameln  (14.~16.  Jh.)  Abgedruckt  bei  Meinardus,  Urkundeu- 
buch  von  Hameln,  Hannover  1887,  S.  564-606. 

28a)  Kechtsdenkniäler  der  Stadt  Münden  in  der  Ztschr.  des  bist.  Vereins 
für  Niedersachsen  1883,  S.  212—239. 

29)  Braunschwei^er  Statuten  und  Rechtsbriefe  (1227—1671),  bei  Hanselmann, 
Urkundenbuch  der  Stadt  Braunschweig  I.  Braunschweig  1872.  4**.  Stadtrecht 
v.  J.  1532,  S.  298—318.  Echteding  v.  J.  1532,  S.  826—844.  FUerordeninge  der 
Sudt  Brunswik  4  S.    4°.    Vgl.  Scheller  242. 

Vgl.  Leibnitz,  Scriptores  rerum  Brunsv.  III.,  434—482.  Spangenberg,  Prak- 
tische Erörterungen  IX.,  522—70.  H.  Gengier,  Stadtrechte,  S.  36 — 41 ;  Bodemann, 
Die  Es.  der  Bibliothek  zu  Hannover,  S.  466. 

30)  Helmstedter  Stadtrecht  (v.  J.  1350).  Abgedr.  bei  J.  Th.  Lichteusteiu. 
Ep.  4  de  Diplom.    Helmstedt  1748.     Vgl.  Scheller  no.  162. 

31)  Hildesheini.  Statuten  (v.  J.  1422),  bei  Pufendorf,  Observationes  juris  univorsi. 
Frankfurt  1744—70.  4«.  No.  XV.,  S.  287—314.  Döbner,  Urkundenbuch  der  Stadt 
Ilildesheim.    Bd.  1  Nr.  548. 

82)  Celle.    Leges  mnnicipales,  bei  Leibnitz,  Script,  rer.  Brunsvic.  III.,  483  f. 

33)  Der  Stat  üuderstat  Statrecht  und  lofiiche  olt  herekomme  wonheyt, 
14.— 15.  Jh.,  bei  Wolf,  Geschichte  von  Duderstadt.  Göttingen  1803,  S.  47—86. 
Vgl.  Gengier,  S.  92—94. 

34)  Lüneburger  Stadtrecht,  geschrieben  im  Jahre  1401,  hrg.  von  Th.  Kraut, 
Göttingen  1846.    8^.    80  S.     (Privilegien,  Statute,  Schöffensprüche,  Bursprake). 

85)  üoslar.  a)  Statuten,  vor  1359  entstanden,  hrg.  von  0.  Göschen.  Berlin 
1840.  8^  VgL  Leibnitz,  Script,  rer.  Brunsv.  HL,  484—535  b)  tioslarische  (Ram- 
me Isberger)  Berggesetze.  Zuerst  bei  Leibnitz,  Script.  IIL,  535—58.  Besser  von 
Schaumann  im  Vaterländischen  Archiv  1841,  S.  255-350.  c)  Urkunden  über  das 
Recht  der  Gilden  zu  Gosslar,  ebenda  S.  24—47. 

86)  Sehoppenbuch  der  Stadt  Halle  aus  den  Jahren  1365—80.  152  Bl.  folio 
auf  der  Bibliothek  in  Wernigerode.  Vgl.  Förstemann,  die  Bibliothek  zu  Wer- 
nigerode, S.  115. 

37)  Magdeburger  Recht,  a)  „Dat  buk  wichbelderecht^^  Nach  einer  Ber- 
liner Hs.  V.  J.  1369,  hrg.  von  A.  Daniel,  Berlin  1853.  b)  Magdeburger  Hecht.  Hs. 
Vgl.  Lnbben,  Mnd.  Wörterbuch  Bd.  I.  s.  XII.  c)  Schöffensprüche.  Zeitschr.  des 
Harzvereins  23,  S.  171—201. 


74 

38)  Salzwedel,  a)  Dat  Soltwedelsche  Recht.  15.  Jh.,  hrg.  von  Datuieil  in 
Förstemann's  Neuen  Mitteilungen  aus  dem  Gehiete  der  hist.-antiq.  Forschungen, 
Bd.  IV.,  Heft  1,  S.  83-98.  Vgl.  Gengier  396-407.  h)  Registram  Statttt4>riuii 
V.  J.  1458  in  den  Jahresberichten  des  Altmärkischen  Vereins  V.,  85—117  und 
VII.,  110-138. 

39)  Stendalcr  iTteilsbach  den  14.  Jh.,  hrg.  von  J.  F.  Behrend.    Berlin  1868. 

40)  Berliner  Stadtbnch  v.  J.  1397  bei  Fidicin,  Beiträge  zur  Geschichte  der 
Stadt  Berlin,  Thl.  L,  S.  10  f.  und  77—155.    Neue  Ausgabe.    Berlin  1883. 

41)  Schleswiffer  Stadtrecht  nebst  dem  ndd.  Stadtreeht  von  Flensburg,  Apen- 
rade  und  Uadersleben  im  „Corpus  Statutorum  Slesvicensium"  1794.  4^^.  (Bd.  IL 
der  Ausgabe  von  1819).  Ältere  Drucke:  Der  Stadt  Sleswick  Stadtrecht.  Sleswick 
1534  bei  Wolther  Brenner.  4°.  Wieder  abgedruckt  Schleswig  durch  Nicolaus 
Wegener  1603.  4^.  Ferner  Schleswig  1733  bei  J.  Hollwein.  Vgl.  J.  Bolten  in 
A.  Niemann's  Miscellancen  IL,  171;  Scheller  no.  1497. 

42)  Apenrade.  a)  Statnt.  Auch  bei  Westphalen  IV.,  1849,  und  Dreyer, 
Vermischte  Abhandlungen  III.,  1375—1454.  b)  Apenrader  Skraa  v.  J.  1335.  Ab- 
gedruckt bei  Drever,  Vermischte  Abhandlungen,  Bestock  und  Wismar  1754 — 62, 
S.  1437  ff. 

43)  Flensbnr^er  Stadtreeht  (Anfang  des  15.  Jh.),  bei  Westphalen,  Monumenta 
IV.,  1817  ff. 

44)  Friedrichstädter  Stadtreeht  v.  J.  1633,  gedruckt  in  Amsterdam  bei  Dirk 
Peters  1635  (holländisch). 

45)  Landener  Stadtrecht  von  1529.  Abgedr.  bei  Michelsen,  Dittmarsche 
Rechtsquellen  195—230. 

46)  Rendsbnr^er  Stadtrecht.  Fragmente.  Abgedruckt  in  der  Ztschr.  f. 
Schleswig-IIolsteniische  Geschichte  VII.,  69—82. 

47)  Kiel,  a)  Burspraken  des  15.  Jh.  hrg.  von  Wetzel  in  der  Ztschr.  f. 
Schleswig-Holst.  Gesch.  X.,  171—198.  b)  Ordeninghe  nnde  Rnlle  der  Schomaker, 
1526,  Mitt.  der  Gesellschaft  für  Kieler  Stadtgeschichte  VII.,  37—43.  c)  Kalands- 
regeln  v.  J.  1334,  bei  Westphalen,  Mon.  Cimbr.  III.,  557—76. 

48)  Oldesloer  ßnrsprake  v.  J.  1601.    Abgedruckt  bei  Westphalen  III.,  263. 

49)  Hamburg,  a)  Hanibnrgische  Rechtsalterthnmer,  hrg.  von  Lappenberg. 
Hamburg  1845.  8°.  Stadtrecht  v.J.  1270  S.  1-70.  Van  Schiprechte  75—86. 
Stadtrecht  v.  J.  1292  S.  89-160.  Hochzeitsordnnng  S.  160—2.  Stadtrecht  v.  J. 
1497  S.  165-320.    Billwerder  Recht  S.  323-344. 

b)  Zunftrollen,  hrg.  von  0.  Rüdiger.  Hamburg  1874.  8°.  350  S.  (von 
1306—1600.) 

c)  Hand  Werkerstatuten.  Ztschr.  f.  Ilamb.  Geschichte  V.,  314 — 26;  VI., 
526—92;  und  ^litteilungen  des  Vereins  für  Ilamb.  Geschichte  VIIL,  130—40. 

dj  Burspraken  v.  J.  1594,  hrg.  von  C.  I).  Anderson,  Hamburg  1870.  8**.  80  5?. 

e)  Fleth-Ordnnng,  gedr.  1660.     4°.    8  Bl.     Vgl.  Serapeum  28,  292. 

f)  Armenordnung  v.  J.  1606,  bei  Staphorst,  Kirchengeschichte  IV.,  650  ff. 

g)  Lnxnsordnnng  für  Billworder  v.  J.  1583.  Zeitschrift  für  Hamburgischc 
Geschichte  VI.,  523—525. 

50)  Lübeck,  a)  Das  alte  lübische  Recht,  hrg.  von  Hach,  Lübeck,  1839. 
S.  246—376  der  ndd.  Codex  v.  J.  1294,  S.  377—548  der  Göttinger  Codex,  S.  549 
bis  589  Stellen  aus  andern  lübisclien  Kcchtsbüchern,  S.  216 — 228  Zollordnung. 

Der  Oldeuburger  Codex  (13.  Jh.)  bei  Christiani,  Geschichte  der  Herzogtümer. 
Flensburg  1776,  S.  519-51. 

Neue  Fragmente  von  Hasse,  Ztschr.  für  Schlesw.-Holst.  Geschichte  XL, 
131—150.  Alter  Druck  v.  J.  1509.  Rostock,  bei  Dietz.  Vgl.  Wiechmann,  Meklen- 
burg's  nds.  Literatur  L,  24—27.  Ein  anderer  von  Joachim  Kolle.  Hamburg  1586. 
4'».     Vgl.  Gcngler  258—68. 


I 


75 

b)  Zanftmeisterrollen  des  15.  Jh.,  krg.  vou  C.  Wehrmaim,  Lübeck  1864, 
S.  157—503.  c)  Baaerspraehe  des  15.  Jh.,  bei  Dreyer,  Einleitung  S.  586  if. 
d)  Ratsordnung,  gedr.  Lübeck  1582  durch  A.  Kroger.  Bogen  A— D.  e)  Luxus- 
erdnung  des  15.  Jh.    Abgedr.  in  Ztschr.  f.  lüb.  Gesch.  IL,  508—28. 

51)  Rostocker  a)  Ratsverordnangen.  Meist  bei  Wiechmann,  Meklenburgs 
udd.  Literatur  IL  und  III.    Vgl.  auch  Arndt,  J.  Slüter,  Lübeck  1832. 

b)  (leriehtsordninge.  Abgedruckt  in  „Abhandlungen  von  dem  Ursprünge  der 
Stadt  Rostock".     1757.     S.  82  f. 

c)  Zanftrollen.    Wolfenbütteler  Manuscr.  extravag.  96,  5  folio. 

d)  Über  einen  liber  arbitriornms  vgl  Meklenb.  Urkundenbuch  V.,  S.  XIV.  ff. 

e)  Ordinantie  van  Brutlaehteskosten  vnde  Kindelberen.  Vor  1525  und 
von  1567.     Abgedr.  bei  Wiechmann  IIL,  107—113,  und  IL,  59—66. 

52)  Ordelle  Boeck  der  Stadt  Rabel  v.  J.  1545.  Vgl.  Lisch  in  den  Meklenb. 
Jahrbüchern  32,  149  ff. 

53)  Schweriner  Recht  Bei  Westphalen,  Monum.  cuedver.  Germ.  L,  2019 
bis  32.  Franck,  Altes  und  Neues  Meklenb.  IV.,  S.  55  ff.  Vgl.  auch  Sibrand  Juris, 
Lubec.  Pars.  L,  Sect.  10  p.  99.     Eine  Probe  bei  Gengier  431—34. 

54)  Wismar  a)  Biirgersprachen  des  16.  Jh.,  bei  Burmeister,  Bürgersprachen 
der  Stadt  Wismar.  Wismar  1840.  4^  S.  89—100.  b)  Znnftrollen,  bei  Bur- 
meister, Altertümer  des  Wismarschen  Stadtrechts.    Hamburg  1838.     8^     S.   45  ff. 

55)  Greifswald  a)  Bnrsprake  bei  Pyl,  Pommersche  Geschichtsdenkmäler  IL 
(Ireifswald  1867,  S.  80  f.    Vgl.  Baltische  Studien  XV.,  S.  3  ff. 

b)  Oewerksrollen  des  14.-15.  Jh.  im  Anzeiger  f.  Kunde  d.  deutschen  Vor- 
zeit, 1859,  Sd.  450-54. 

c)  Hocnzeitsordnang  v.  J.  1592.    Abgedr.  Baltische  Studien  XV.,  184—210. 

56)  Die  Statuten  des  Dentschen  Ordens,  herausg.  von  M.  Perlbach.  Halle 
lö90.     (lat,  md.,  ndl.  u.  mnd.  Text.) 

57)  Dat  Rigische  Recht,  hrg.  von  G.  Oelrichs.  Bremen  1778  und  1780 
(Bursprake  v.  J.  1412).  Napiersky,  Quellen  des  Rigischen  Stadtrechts  bis  1673. 
Riga  1876. 

58)  Reval  a)  Willküren  und  Bnrspraken  1360—1509.  Im  Archiv  für  Livland 
1844  IIL,  S.  83—93,  und  bei  Bunge,  die  Quellen  des  Revaler  Stadtrechts  L,  238—40. 

b)  Laxnsordnangen  von  1497—1532.  Archiv  für  Livland  L,  198—236  und 
Beiträge  zur  Kunde  Livlands  IIL,  Heft  1  (1882). 

59)  Hapsal.  Bischof  Jacobs  Stadtrecht  von  1294  ndd.,  im  Archiv  f.  Livland, 
Bd.  IIL,  264—84. 

60)  Windan.    Banersprache.    Im  Archiv  für  Livland  V.,  222—23. 

Bäuerliche  Rechtsanfzeielinnngen  und  Landrechte. 

61)  Westfälische  Weisthiimer  bei  J.  Grimm,  Weistümer  Göttingen  1840—69. 
Bd.  IIL,  S.  31—72,  81—101;  107—125,  145—171,  176—85,  193—208,  212—21. 
Bd.  VI.,  716—22;  725—30  und  von  Woeste  in  der  Ztschr.  für  berg.  Geschichte  IL, 
34 — 41  (Bransel  und  Remlingrade). 

62)  Xiedersächsische.  Grimm  IL,  228—79,  311—19.  Bd.  IV.,  665—69» 
677—89,  703—08.     Vgl.  noch  Arch.  des  bist.  Ver.  f.  Niedersachsen,  Jahrgang  1854- 

63)  Statntar-  and  (jewohnheitsrechte  des  Herzogthunis  Westfalen,  hrg.  vou 
Seibertz.  Arnsberg  1839.  Seibertz,  Landes-  und  Rechtsgeschichte  des  Herz.  West- 
falen.    Arnsberg  1845-75. 

64)  Hofrechte  ans  Westfalen,  bei  von  Steinen,  Westph.  Geschichte,  Stück  VI.» 
S.  1561,  85;  1719,  28,  52,  69. 

6.5)  Mageng^erichtsweisthnm  v.  J.  1567,  bei  Meyer,  Lippesches  Kolonatsrecht 
IL,  367  tL 


76 

66)  Delbrücker  Laiidreeht  bei  Wigand,  Archiv  V.,  8  Ö.  221—61. 

67)  Reckenberger  Land-  und  HaasgenoHsenreclit  ebda.  4()9— 24. 

68)  Beekumer  Polizeipnnete  v.  J.  1535,  bei  Wigand  VI.,  270—75. 

69)  Vom  Gaugericht  zu  Herford,  bei  Meinders,  Tractatus  de  jadiciis. 
Lemgo  1715.    4*^. 

70)  Osnabriicker  Vemgeriehtsordnung  (Vemrecbtsbnch).  Abgedr.  bei  Tross, 
Urkunden  z.  Gesch.  des  Vemgerichts.  1826,  8.  28 — 53.  Vgl.  Wigand,  Femgerichte 
554  ff.     Lodtmann,  Acta  Osnabr.  L,  90—103. 

71)  De  jure  Holzgraviali.  Accidunt  documenta  marcalia,  von  Lodtmann. 
Lemgo  1770. 

72)  Freekenhorster  Höferecht,  l'nvollständig.  Abgedr.  bei  Friedlander,  das 
Kloster  Freckenhorst.     Münster  1872,  S.  187—202. 

73)  a)  OstfriesischeH  Landreeht,  neb.st  dem  Deich-  und  Sielreeht,  hrg.  von 
Wicht,  Aurich  1726.  4P.  S.  1 — 946.  Das  Deichrecht  auch  in  der  Ostfriesischen 
Historie,  Aurich  1720.     T.  IL 

b)  tierichtsordnung:  v.  J.  1545.    Abgedruckt  Ostfries,  historie  IL,  181  ff. 

74)  Appingadammer  Bauerbrief.    Abgedr.  Ndd.  Jahrbuch  VIL,  18—23. 

75)  Dieckrecht  des  Stedinger  Landes  v.  J.  1446,  bei  Oelrichs  IL,  S.  5b7. 

76)  Diekreeht  der  Br^minehen  veer  (lOhen  v.  J.  1449,  bei  Oelrichs  567  und 
575  f.     Neues  Bremisches  Deichrecht  v.  J.  1525,  ebda.  S.  592  f. 

77)  Weistiimer  für  den  Bremer  Landgeriehtsbezirk,  bei  Oelrichs,  S.  558  ff. 

78)  Rechtsbestimmnn/^en   des   Bremer  Landgericht«   aus  dem  15.  Jh.,   bei 

Spaugenberg,  Beiträge  1824  8.  119—32,  und  bei  Möhlmann,  Juristische  Zeitung  1843, 
Heft  3,  S.  9—28  u.  33—47. 

79)  Des  Olden  Landes  Ordenungh  und  Hechteböke  v.  J.  1580,  hrg.  von  Krause 
in  den  Stader  Jahrb.  1882,  S.  106—172,  (auch  separat  89  S.) 

60)  Willkoer  der  sostein  Kadtgevers  uth  dem  Lande  tho  Wursten  1504. 
Hs.  auf  aer  Bibliothek  in  Hannover.     Vgl.  Bodemann  580. 

81)  Recht  des  stichtes  to  Hildensen,  bei  Zepernick,  Miscellaneeu  zum  Lehn- 
recht IV.,  no.  13  (4  Seiten.) 

82)  Hildesheimer  Holtingbuch  in  der  Ztschr.  des  Harzvereins   X.,   249 — 86. 

83)  Holtingsakten  von  1489—1681  ebda.  XL,  49  ff. 

84)  Dat  Jutische  Lowbock.  Zuletzt  hrg.  von  Falck,  Altona  1819.  4^ 
XL,  VI.  u.  222  S.  Alte  Drucke:  Lübeck  1486.  4«.  74  Bl.  Mit  einer  gereimten 
Vorrede.  Schleswig  durch  Nie.  Wegener  1593.  4®.  (Schleswig  1603);  Flensburg 
1717.    4^ 

Vgl.  Dreyer.  Spccimen  juris  publ.  Lubecensis  S.  37,  und  Westphalen  IV., 
1780—1876.  a)  Dispositio  des  Handbocks  von  Eckenberger,  gedr.  1595,  SV«  Bogen. 
b)  Elucubratio  aver  dat  erste  und  tweede  Konig  Waldemars  Lohbock  1595  (Königl. 
Bibl.  in  Kopenhagen),  c)  Tordt  Degne  Erklerung  etliker  Artikel  im  Lowbocke, 
bei  Falck,  S.  215—232. 

85)  Dat  Birke  Recht,  nu  in  dat  Düdesche  erst  ummegesettet  Vor  1603. 
Vgl.  Falck  S.  XXXI. 

86)  Van  dem  Landkope,  gedr.  Schleswig  vor  1603.    Falck  a.  a.  0. 

87)  Van  Processen  etlycker  sunderbaren  Valien.  Schleswig  vor  16i>3. 
Falck  a.  a.  0. 

88)  Van  Eiden  und  Eidleistnngen.    Schleswig  vor  1603.    Falck  a.  a.  O. 

89)  Gaards  Ret  edder  Hoff-Reeht.  Bei  Westphalen,  Monum.  Cimbr.  IV., 
1844—51. 


77 

90)  Nordfriesland,  a)  Statut  der  7  Harden  v.  J.  1426,  bei  Dreyer,  Verm. 
Abhandlungen  III.,  475  flF.;  Camerer,  Nachrichten  1758  I.,  362  if. 

b)  Landrecnt  v.  J.  1558.    Vgl.  Dreyer  a.  a.  0. 

c)  Das  Landrecht  der  4  friesischen  Harden  Amts  Tondern,  v.  J.  1559,  bei 
Dreyer  IL,  1108-28. 

d)  Nordstrander  Landrecht.  Vgl.  Michelsen,  Kirchengeschichte  IV.,  53,  und 
Stemann,  Rechtspeschichte  IL,  243. 

e)  Codex  juris  Prisici  borealis  v.  J.  1426,  bei  Dreyer,  Verm.  Abhandl.  L, 
473.     Vgl.  Scheller  no.  373  und  473. 

91)  Dat  olde  Presche  Landrecht  (Eiderstedt,  Everschop  und  Utholm),  gegen 
1428  geschrieben,  bei  Dreyer,  Verm.  Abhandl.  IIL,  S.  1457—5108.  Vgl.  Scheller 
no.  315  u.  473.    Auch  gedr.  Hamburg  bei  N.  Wegener  1573, 

92)  Willkiir  der  Banerschaft  von  .Mildstedt  v.  J.  1571.  Abgedr.  Ztschr. 
fiir  Schleswig-Holst.  Gesch.  VII.,  150—60. 

93)  Swabsteder  Bnch.  Abgedr.  bei  Westphalen  IV.,  3107—3204.  (Geht 
bisweilen  ins  Hochdeutsche  über). 

94)  Statuta  ruralia  praefeetnrae  Flensburgensis  v.  J.  1560.  Abgedr.  bei 
Westphalen  IV.,  1959  ff. 

95)  Reehtsaufzeichnnng:en,  Dänemark  betreffend,  bei  Westphalen  IV., 
1875—1960. 

96)  Deichrechte,  Hegefornieln  etc.  der  Eibmarschen  bei  Detlefsen,  Geschichte 
der  Eibmarschen  1,  350—407. 

97)  a)  Dithmarscher  Landrecht  v.  J.  1447  bei  Michelsen,  Sammlung  alt- 
ditmarsischer  Rechtsquellen,  Altona  1842,  S.  1—85.  Alter  (verschollener?)  Druck 
V.  J.  1485  folio.  Vgl.  Falck,  Handbuch  des  Schleswig-IIolsteinschen  Privatrechts  l., 
228  f.  und  Viethen,  Beschreibung  von  Dithmarschen  1733,  S.  157  ff. 

b)  Dithmarscher  Landrecht  v.  J.  1539,  bei  Michelsen,  S.  87—177.  Gedruckt 
liuheck  1539  auf  Veranlassung  von  Wiche  Peters.  Vgl.  Lappenberg,  Buchdrucker- 
knnst  in  Hamburg  S.  115  f. 

c)  Deichrechte  von  Biisum  und  Ketelsbtittel  bei  Michelsen  251—260. 

d)  Spadelandsrecht,  ein  Statut  in  Deichsachen  v.  .1.  1459.  Hs.  auf  der 
Kieler  Univ.-Bibliothek.  Hochdeutsch  gedruckt  hinter  Heimreichs  Chronik.  Vgl. 
Falck  437. 

e)  Neueres  Dithmarscher  Landrocht  von  H.  Ranzau  und  Adam  Thraziger 
1567.  Zuletzt  abgedruckt  im  Corpus  Statutorum  Provinc.  Holsatiae.  Ältere  Drucke  : 
Bei  H.  Giesebert,  Periculum  Statutorum.  Hamburg  1665,  4*>;  Gliickstadt  1667,  4^, 
und  1711;  bei  Viethen,  Beschr.  von  Dithmarschen  181 — 90. 

98)  Dat  Holsten  Landrecht,  so  geholden  ys  im  Jahre  1649,  hrg.  von  Leh- 
mann, Glückstadt  1735;  auch  bei  Seestern-Pauly,  Neumünsterscho  Kirchspiels- 
gebnäuche,  Schleswig  1824. 

99)  Neumiinstersche  Kirchspielsgebränche.  Nach  einer  Hs.  des  16.— 17. 
Jh.,  hrg.  von  T.  Seestern-Pauly.     Schleswig  1824.     4^,     35  S. 

100)  Fehmarnsches  Landrecht,  bei  Dreyer,  Sammlung  IL,  1031-  52. 

101)  Rechtsspruche  des  Oberhofs  in  Lübeck  1401—1598,  hrg.  von  Michelsen, 
Altona  1839  (S.  83—349). 

102)  Billwarder  Laudrecht  vom  Anfang  des  15.  Jh.,  bei  Lappenberg,  Hamb. 
Rechtsaltertümer  I.,  321—344. 

103)  Des  olden  Landes  Ordenunge  und  Rechte-Bock  v.  J.  1517,  bei  Pufen- 
dorf  IV.,  48—55,  und  Dreyer,  Abhandl.  I.,  531—44. 

104)  Meklenbnr^ische  Statuten  v.  J.  1516,  abgedr.  bei  Bärensprung,  Samm- 
lung von  Landesgesetzen,  Schwerin  1779,  Theil  IV.,  12—38.  Vgl.  Wiechmann 
I.,  36-39. 


78 

105)  Bambergiselie  Hals^eriehtsordnnng,  gedr.  Rostock,  o.  J.,  60  Bl.    Vgl. 

Wiechmann  L,  27—29. 

106)  Wendiscli-Ragianiselier  Landgeb rauch,  in  der  Mitte  des  16.  Jh.  von 
Matthaeus  von  Normaun  von  Rügen  verfasst.  Bei  Dreyer,  Moniim.  auecd.  Lübeck 
1760  I.,  229—460  und  von  Gadebusch,  Stralsund  1777. 

107)  Herzog  Barnims  Bauerordnnng  v.  J.  1569,  gedr.  Stettin  1570.  4^ 
Abgedr.  bei  Dähnert.    Vgl.  A.  Höfer  in  den  Baltischen  Studien  XXI.,  148—167. 

108)  Bauernrecht  und  (ierichtsordnnng  der  Alten  Mark  von  1531,  hrg.  von 
Hiibbe.    Berlin  1835.    8^.    92  S. 

109)  Livländisches  Bauernrecht.    Vgl.  Bunge,  Beiträge  33—37. 

110)  Dan  mittlere  Livlandische  Ritterrecht,  verfasst  Ende  des  14.  Jh.,  bei 
Oelrichs,  S.  75  ff.    Zuerst  gedruckt  1537,  4°,  o.  O. 

111)  Das  Waldemar-Erichsche  Lehnrecht  für  die  OeutNchen  in  Estland. 
Abgcdr.  bei  Ewers,  Ritter  und  Landrecbt  des  Herzogtums  Estben.  Dorpat  1821, 
S.  46—54. 

112)  Tytel-Bock.    Braunscbweig  1508.    4^.    Vgl.  Scheller  537. 

Seerecht. 

113)  Das  Wisbyer  Seerecht.  Im  15.  Jahrhundert  in  Norden  aus  dem  lübischen 
Rechte  und  verschiedenen  ndl.  Sccrechten  zusammengestellt.  Zuletzt  bei  Schlytcr, 
Corpus  juris  Sveogottici  Tomas  VIII.    Lund  1853. 

Alte  Drucke:  Kopenhagen  1505;  Lübeck  1530;  1538;  1564;  1571  in  Ham- 
burg bei  J.  liow,  12°;  1575,  1589  in  Hamburg  bei  J.  Low.  8«.  „Dyt  ys  dat 
biigcste  vndo  öldeste  waterrecht"  .  .  .  tho  Wifsbii,  1596  in  Lübeck.  Vgl.  Ztschr. 
f.  d.  Philologie  VI.,  114;  auch  im  Corpus  Statutorum  Slosvic.  IL,  675  ff. 

113a)  Rmdener  Waterrecht  nnde  Schiprecht.    Ndd.  Jahrb.  7,  35-62 

114)  Dat  denische  Seerecht,  Zuerst  Kopenhagen.  Dann  Rostock  1572.  8^ 
48  Bl.    Vgl.  Wiechmann  II.,  71  ff.  und  Westphalen  IV.,  1827—44. 

115)  Dat  Schiprecht  vann  denn  Keders.  Wolfcnbüttcler  Ilandschr.  Vgl. 
Scheller  no.  139. 

116)  Krabbe,  Tractat  von  schiffbrüchigen  (üiitern.  Abgedr.  bei  Jargow, 
Von  den  Regalien  S.  453. 

Rechtsphilosophie. 

117)  J.  Oldendorp,  Wat  hyllick  vn  recht  ys.  Rostock  1529.  25  Bl.  Vgl. 
Wiechmann  I.,  123—138,  und  Ztschr.  für  Ilamburgische  Gescbiclite  IV.,  J36  ff. 

118)  J.  Oldendorp,  Van  radtslagende,  wo  men  gude  politie  vnd  ordenungo 
von  Stedcn  vnd  Landen  holden  mogbc.  1530.  8°.  36  Bl.  Vgl.  Wiechmann  I.. 
138—142.     Neudruck  (besorgt  von  Freybe)  Schwerin  1893. 

119)  Vorklaringe  der  herkumst  van  aller  Onericheyt,  von  J.  Wohner. 
Hamburg  1544.    28  Bl.    Vgl.  Serapeum  28,  242. 

SEGEBERG.  H.  Jellinghaus. 


79 


Ein  bremisches  Pasquill  aus  dena 

Jahre  1696. 

An  der  königlichen  Domschule  (Athenaeum  Regium)  zu  Bremen  ^) 
wurde  im  Jahre  1696  der  Subrektor  Joh.  ('hr.  Schulenburg  zum 
Rektor  ernannt,  während  die  Schüler  gehofft  hatten,  dass  dem  be- 
liebteren Conrektor  Pohlemann  das  Amt  übertragen  würde.  Von 
Seiten  der  letzteren  fand  sich  kurz  vorher  eines  Tages  (Ende  Januar 
d.  J.)  an  der  Thür  der  Domkirche  ein  Pasquill  hierüber  in  nieder- 
deutschen Alexandrinern  angeschlagen,  das  aus  einem  ^^^ Codex  des 
Stadtrechts^,  welchen  die  Stadt  Berlin  dem  Bremer  Archiv  geschenkt 
hat,  im  Folgenden  mitgeteilt  wird.  Dasselbe  erregte,  um  es  sogleich 
zu  bemerken,  bei  der  Behörde  grossen  Zorn.  Es  erschien  am  18. 
Februar  eine  Bekanntmachimg  in  der  Bremer  Postzeitung,  welche  be- 
sagte, dass  auf  hochobrigkeitliche  Anordnung  das  Pasquill  zu  Stade 
durch  den  Scharfrichter  verbrannt  sei,  dass  der  Autor,  falls  er  be- 
kannt werde,  ;,als  infam  mit  Staupenschlag  undt  Landtssverweisung^ 
bestraft  werden  solle,  und  dass,  wer  ihn  angebe,  200  Thaler  Belohnung 
erhalte,  auch  falls  er  selber  ;,impliciret"  gewesen,  völlig  ,,pardonnirt" 
und  sein  Name  verschwiegen  werden  solle.  Die  Nachsuchung  scheint 
trotzdem  ohne  Erfolg  geblieben  zu  sein,  da  bald  hernach  eine  neue, 
noch  viel  dringendere  Verordnung  desselben  Inhalts  in  dem  Blatte 
zu  lesen  war.  Man  kann  annehmen,  dass  der  Zorn  der  Jugend  sich 
gelegt  und  der  etwas  vorlaute  Verfasser  ohne  Staupenschlag  und 
Landesvei'weisung  davongekommen  ist. 

Pasquillus  Anonymi  Nebulonis  in  Dominum  M.  Johannem  Schulenbcrg'), 
Bremensem,  Athenaei  Kegii  Sub-Hectorcm,  postquara  ex  favore  Magnatum  dicti 
Athenaei  Rector  eligeretur,  cum  id  munus  honorificum  Domino  Conrcctori  Pohle- 
manno,  optimi  Parentis  Dr.  M.  Joh.  Pohlemanni  Concionatoris  filio  doctissimo 
merito  conferendum  fuisset,  valvis  Templi  D.  Petri  An.  1696  sub  fine  mens.  Janu- 
arii  afiixus.') 

Copia  der  trouwhartigen  Warnung*)  an  Hanss  Karsten  Schuhlenburg,  alse 
hc  mit  luter  Gewalt  wolde  Rektor  wehren,  darin  sine  Undöytheit  tho  dissem  Stande 
wardt  Yöhrgestellet,  van  den  Edlen  Musen  Söhnen  geschreven  mit  der  Fedder. 

')  In  der  damals  freien  Reichsstadt  Bremen  gehörten  die  früher  erzbischöf- 
lichen Besitzungen,  nämlich  der  Dom  und  eine  Reihe  von  Gebäuden,  seit  dem 
Westfälischen  Frieden  zum  Königreich  Schweden  und  standen  unter  der  Regierung 
von  Stade  (1719  fielen  sie  dann  an  Hannover).  Weil  nun  die  Stadt  Bremen  das 
reformierte  Bekenntnis  angenommen,  der  Dom  aber  stets  lutherisch  geblieben  war 
und  die  Schweden  letztere  Konfession  begünstigten,  so  wurde  im  Gegensatz  zu  der 
reformierten  städtischen  Hochschule  (Gymnasium  Illustre)  eine  gleiche  am  Dom 
gegründet,  das  Athenaeum  Regium,  welches  von  Schülern  der  weiteren  (später 
hannoverschen)  Umgegend  stark  besucht  wurde. 

')  Richtiger:  Schulenburg.  ')  Diese  lateinische  Überschrift  scheint  von  der 
Regierung  gemacht  zu  sein. 

*)  Die  niederdeutsche  Sprache  wurde  zu  Bremen  im  17.  und  18.  Jahrhundert 
noch  allgemein  gesprochen,  aber  nur  als  Umgangssprache;  gedruckt  kam  sie,  wie 
anderswo,  nur  noch  in  derartigen  Spottliedern  u.  s.  w.  vor. 


80 

Wat  wultu  Narre  dolin?  wiiltu  im  Rector  wehren? 
Wiiltu  up  stelteu  gahnV  undt  grote  Dinge  körenV 
Du  weest  jo  din  Gebreck,  dat  du  so  scheve  geist; 
AVat  wultu  fangen  an,  wenn  du  nu  baven  steistV 
5  Du  liest  jo  nichts  gelehrt,  du  kannst  man  weidig  pralen. 
Veel  Uhlenstackerey  up  use  Taefel  mahlen; 
Du  bist  een  dummen  Hanss  in  der  Philosophie, 
Du  hest  vergeten  nichts  van  der  Theologie. 
Dit  weestu  alles  wol  undt  wult  doch  Rector  wehren, 

10  Du  weest  jo  sulvest  nichts  und  wult  doch  andre  lehren? 
Ick  dacht,  du  schämbst  di  woll,  du  bist  een  Rectors  Knecht, 
Undt  nu  de  Rector  sulvst,  dat  iss  dyn  Titul  recht. 
De  Andern,  de  du  heffst  wol  öhre  Schöbe  putzet. 
De  seggen  altomal:  Ey!  seht  ins,  wo  he  stutzet; 

15  De  scheve  Schulenburg,  de  geit  nu  baven  an, 

De  unss  wol  12  mal  heft  geschenkt  wat  in  de  Kan! 
Drum  Iaht  de  Iiihren  dem,  dem  se  von  recht  geböhret, 
Dem  Herren  Polemann,  den  wy  thosamen  ehret; 
So  deist  du  recht  undt  woll,  blifst  ock  in  Freed  un  Rau, 

20  Nimstu  dit  nicht  in  acht,  schiahn  wy  dy  binihn  un  blau. 
De  Disputations,  de  du  heruthgegeven, 
Un  uth  een  ander  Book  doch  man  hest  uthgeschreven. 
De  Dinge  altomahl,  de  sind  nich  beters  wehrt. 
Als  dat  man  se  wegbringt  un  wischt  darmit  den  Stehrt. 

25  Du  bist  een  stolten  Kehrl,  du  hest  uns  altosamen 

Verlästert  un  verschmäht,  drum  willn  wy  balde  kohnien 

Uli  danken  dy  darvöhr  mit  einer  Prügel-Sop, 

Ja  kloppen  willn  wy  dy  up  dinen  stolten  Kop. 

Dit  alles  hebbn  wy  dy  tho  euer  Warnung  schrcven, 

30  Darum  bedenk  et  woll,  wultu  in  Freden  leven ; 
Vor  allen  Dingen  nimm  de  Rectorschup  nich  an, 
Lallt  de  Studenten  ock  hier  unverachtet  gan. 
Doch,  schall  dat  Unglück  dy  tlio  eenen  Rector  makon, 
So  willn  wy  wünschen  dy  all  wat  wy  könnt  upstaken; 

35  Wy  wünschen  dy  tho  cerst  twee  Scheet  in  eener  Ilandt, 
So  blitft  de  ander  rein,  dat  laht'n  wy  dy  thoni  Pandt. 

BRExMEN.  J.  Fr.  Iketi. 


^1 


Lautstand  der  Glüekstädter 

Mundart. 


^^^^^^^^^^^^^^^•^t^^^ 


Die  im  Folgenden  dargestellte  Mundart  ist  das  in  der  Stadt 
Glückstadt  gesprochene  Platt,  das  ich  selbst  geläufig  spreche.  Es  ist 
nur  auf  ein  kleines  Gebiet  beschränkt,  da  die  Sprache  ausserhalb  der 
Stadt  —  die  Landbevölkerung  wohnt  auf  zwei  Seiten  nur  etwa  je 
zwei  Minuten,  auf  der  dritten  etwa  zehn  Minuten  entfernt  —  im 
Yokalismus  und  auch  sonst  ganz  bedeutend  von  der  in  der  Stadt 
gesprochenen  Sprache  abweicht.  Da  aber  zwischen  dem  Lande  und 
der  Stadt  ein  reger  Verkehr  besteht,  auch  manche  Landleute  in  die 
Stadt  gezogen  sind,  so  ist  doch  manchmal  —  namentlich  was  den 
Wortschatz  angeht  (auf  dem  Lande  hat  sich  natürlich  mehr  Altertüm- 
liches erhalten)  —  schwer  zu  entscheiden,  was  der  Stadt  und  was 
dem  Lande  angehört.  Ich  war  daher  gezwungen,  zuweilen  auf  die 
Sprache  der  Landbevölkerung  Rücksicht  zu  nehmen. 

Die  Glückstädter  Mundart  ist  am  nächsten  der  Hamburgischen 
verwandt,  doch  hat  sie  nicht  die  breite,  den  ganzen  Stolz  und  das 
Selbstbewusstsein  des  Hamburgers  ausdrückende  Aussprache  einiger 
Vokale.  Die  Bewohner  der  umliegenden  Städte  (Elmshorn,  Krempe, 
teilweise  auch  Itzehoe)  sprechen  "bäurisch",  während  wir  —  wenn 
wir  hochdeutsch  sprechen  —  daselbst,  ja  sogar  in  Kiel  für  Hamburger 
gehalten  werden.  Andererseits  hat  selbstverständlich  unsere  Mundart 
mit  den  übrigen  holsteinischen  und  schleswigschen  Mundarten  vieles 
gemein,  was  sie  von  andern,  z.  B.  der  mecklenburgischen,  unterscheidet. 

Das  gute  reine  Platt  wird  bei  uns  eigentlich  nur  noch  von  älteren 
Leuten  der  mittleren  Bevölkei-ungsschichten  gesprochen;  die  Sprache 
der  jüngeren  Generation  ist  schon  sehr  durch  das  Hochdeutsche 
beeinilusst,  und  manches  gute  alte  Wort  ist  ihr,  wenn  auch  nicht 
unbekannt,  so  doch  ungeläufig;  ja  ich  meine  beobachtet  zu  haben, 
dass  manche  alten  Wörter  im  Laufe  der  letzten  zwanzig  Jahre  ausser 
Gebrauch  gekommen  seien. 

Ich  habe  zweierlei  vorausgeschickt,  erstens  eine  Beschreibung 
der  Laute,  so  weit  sie  mir  möglich  war,  zweitens  verschiedene 
Bemerkungen  über  Lautveränderungen,  Beziehungen  der  Laute  zu 
einander,  Abfall  bzw.  Ausfall  von  Lauten  u.  dgl.  m.  —  Bemerkungen, 
welche  vielleicht  nach  systematischer  Anordnung  erst  nach  der  eigent- 
lichen Lautlehre  kommen  müssten,  welche  aber,  glaube  ich,  zum 
richtigen  Verständnis  der  in  der  Lautlehre  gegebenen  Beispiele,  wenn 
nicht  notwendig,    so    doch   nützlich  sein  werden.     Manches  Derartige 

Nied«rd«utoGh«B  Jahrbuch.     XVIII.  6 


B2 

hätte  ich  noch  zu  sagen  gehabt,  ich  habe  es  aber  für  spater  auf- 
gespart. —  Die  phonetischen  Verhältnisse  liegen  in  der  Gl.  Mundart 
im  allgemeinen  einfacli;  wo  die  Laute  denen  des  Bühnendeutsch  gleich 
sind,  habe  ich,  zuweilen  unter  Hinweis  auf  Sievers,  Grundzüge  der 
Phonetik,  3.  Auii.,  Leipzig  1885,  auf  das  Hochdeutsche  einfach  Bezug 
genommen;  Erscheinungen,  die  nicht  allgemein  verbreitet  sind,  habe 
ich  so  genau  als  möglich  zu  beschreiben  gesucht.  Bei  der  Wahl  der 
Typen  habe  ich  mich  durch  die  Rücksicht  auf  die  in  der  Druckerei 
des  Jahrbuches  vorhandenen  Lettern  bestimmen  lassen  und,  so  weit 
möglich,  an  Holthausen,  Die  Soester  Mundart,  Norden  und  Leipzig 
1886,  angeschlossen.  (Dass  ich  dem  Studium  dieses  Buches  manches 
verdanke,  sei  hier  nebenbei  erwähnt.)  —  Von  Beispielen  habe  ich 
meistens  nur  eine  beschränkte  Anzahl  ausgewählt,  und  zwar  vielfach 
solclie,  die  aus  irgend  einem  Grunde  lehrreich  sind  —  man  wird  z.  B. 
leicht  bemerken,  dass  ich  besonders  solche  Wörter  aufgeführt  habe, 
•  welche  sich  hinsichtlich  des  Umlauts  vom  Hd.  unterscheiden  — ;  an 
einigen  Stellen,  wo  es  mir  nötig  schien,  liabe  ich  dagegen  alle  mir 
bekannten  Wörter  aufgezählt. 

§  1.  Die  Artikulationsbasis  ist  die  norddeutsche,  die  Zunge  ist 
etwas  zurückgezogen  und  verbreitert  (Sievers  S.  103  Anm.  12).  Die 
Thätigkcit  des  ganzen  Ansatzrohres  ist  äusserst  nachlässig;  auch  hei 
nicht  allzu  raschem  Sprechen  fallen  die  Konsonanten  zwischen  zwei 
Vokalen  und  auch  sonst  entweder  ganz  aus  oder  werden  bis  zur 
Unkenntlichkeit  verstümmelt.  Die  Mitteilung  von  Proben  behalte  ich 
mir  vor. 

Die  Vokale. 

§  2.    Die  in  der  Gl.  Mundart  vorkommenden  Vokale  sind  folgende: 

1.  (kurz  und  offen)     .     .     .      i 

2.  (lang  und  geschlossen)    .      t 

3.  (lang  und  offen)     ...      9 

4.  (knarrend) — 

5.  (überkurz) 9 

1.  Die  Vokale  der  ersten  Reihe  sind  kurz  und  offen,  wie  z.  B. 
in  nhd.  und,  lippe;  gdd,  luitte;  hand,  Jiatte;  gott,  stock;  mund,  musisie; 
fföttcr^  stocke;  sünde,  hütte,  —  Dass  das  u  wie  es  in  einigen  nord- 
deutschen Mundarten  der  Fall  sein  soll,  sich  ein  wenig  nach  ü  hin- 
neige, kann  ich  nicht  bemerken. 

2.  Die  Vokale  der  zweiten  Reihe  sind  geschlossen,  sie  kommen 
entweder  halblang  oder  lang  vor  (vgl.  Sievers  §  28  Anm.  S.  187); 
halblang  sprechen  wir  sie  in  nhd.  bieten^  rute,  gemüt^  lang  in  nhd. 
lieder^  ruhte,  müde,  —  Es  könnte  vielleicht  zweifelhaft  sein,  ob  diese 
Vokale  nicht  als  lang  und  überlang  zu  bezeichnen  wären;  ich  bin 
durch  lange  Beobachtungen  sowie  durch  Vergleiche  mit  andern  Mund- 
arten jedoch  zu  der  Ansicht  gekommen,  dass  sie  halblang  und  lang 
sind;  die  langen  Vokale  können  allerdings  unter  Umständen  überlang 


e 

a 

0 

u 

0 

y 

(e) 

(ö) 

ü 

(8) 

S 

ä 

ce 

g 

a 

8 

0 

•  • 

a 

tt 

(ö) 

werden,  z.  B.  wenn  der  fragende  Accent  darauf  liegt:  ruhte?  rühm?  — ^ 
Die  geschlossenen  Vokale  e,  o,  ö  kommen  bei  uns  nicht  vor,  vielmehr 
sprechen  wir  (auch  im  Hd.  und  in  fremden  Sprachen)  statt  ihrer 
Diphthonge  —  ich  habe  sie  deshalb  in  obiger  Uebersicht  eingeklammert 
—  und  zwar  wird  hinter  e  und  ö  ein  T^),  hinter  o  ein  ü  gesprochen, 
d.  h.  gegen  Ende  des  Lautes  wird  der  vordere  bzw.  der  hintere  Teil 
der  Zunge  ein  wenig  gehoben.  Das  T  (y)  und  das  ü  fallen  indes  so 
wenig  ins  Gehör,  dass  ein  weniger  geübtes  Ohr  sie  überhaupt  nicht 
vernimmt,  weshalb  die  Laute  e,  ö,  Ö  von  uns  als  einfache  Laute 
empfunden  werden;  ich  habe  sie  daher  durch  je  ein  einziges  Zeichnen 
bezeichnet.  Doch  will  es  mir  scheinen,  als  ob  in  neuerer  Zeit  die 
diphthongische  Natur  des  e  deutlicher  hervorträte.  Auch  ist  die 
Neigung  vorhanden,  den  Einsatz  zum  ö  mit  etwas  breiter  gezogenem 
Munde  zu  sprechen,  jedoch  ist  diese  Neigung  bei  weitem  nicht  so  stark 
wie  in  Hamburg,  wo  man  mit  der  Mundstellung  des  e  einsetzt, 
geschweige  denn  wie  in  westfälischen  Mundarten,  wo  man  ein  deutliches 
e  spricht.  Ueber  die  Länge  der  Laute  ö,  ö,  8  gilt  das  über  T,  ü,  y  Gesagte, 

3.  Verlängert  man  die  kurzen  offenen  Vokale  i,  w,  y,  so  erhält 
man  ?,  ä,  oe.  Die  Längen  von  e,  o,  ö  kommen  bei  uns  nicht  vor, 
sondern  sind  mit  den  Längen  von  t,  w,  y  zusammengefallen.  Doch 
sind  9,  il,  OS  nicht  ganz  genau  die  phonetischen  Längen  von  i,  w,  y, 
sondern  unterscheiden  sich  von  letzteren  durch  eine  ein  wenig  grössere 
Lippenöfifnung  bzw.  -vorstülpung.  Das  9  ist  dasjenige,  welches  wir  in 
nhd.  beten^  reden  sprechen.  Wie  dies  9  sich  zu  e  und  i  verhält,  so 
verhalten  sich  &  und  «  zu  0  und  u  bzw.  zu  ö  und  y,  —  ä  und  w 
kommen  im  Hd.  nicht  vor,  doch  ist  das  0?  bekannt  aus  Wörtern  wie 
Stör^  Plön  (Ploen);  das  &  ist  noch  niedriger  (lower)  als  das  a  in  engl. 
wall,  saWy  etwa  gleich  dem  dänischen  aa  in  laave,  raaäe, 

4.  5,  a,  ö,  0  sind  knarrende  Vokale  (Sievers  S.  109),  im 
übrigen  sind  sie  gleich  den  Vokalen  e,  a,  0,  ö.  Sie  sind  ihrer  Natur 
nach  immer  lang,  verkürzt  werden  sie  zu  e,  a,  0,  ö.  Das  Knarren 
ist  in  fast  allen  Fällen  ein  Ersatz  für  r;  wir  sprechen  auch  im  Hd. 
nicht  berg,  niark^  korh,  Icörbe^  sondern  hho,  twafe,  kop,  kobj. 

5.  Es  ist  Sitte  geworden,  die  "überkurzen''  Vokale  durch  9 
und  a  zu  bezeichnen;  ich  schliesse  mich  diesem  Gebrauch  an,  obwohl 
0  in  redj  k.aum  von  kurzem  offenem  »,  a  in  uvtcr  (tnita)  kaum  von  a 
zu  unterscheiden  ist;  in  schneller  Rede  wird  dies  a  häufig  ein  wenig 
nach  0  hin  gesprochen.  9  kommt  nur  selten  Imitcr  einem  Vokal  vor, 
bildet  aber,  soweit  ich  sehe,  immer  eine  Silbe  für  sich ;  a  hinter  einem 
VokaP)  kann  silbenbildend  sein,  in  schneller  Rede  verschmilzt  es 
jedoch  in  der  Regel  mit  dem  vorhergehenden  Vokal  zu  einer  Silbe. 
Ausserdem  haben  wir  noch  das  überkurze  ü  vor  der  Tonsilbe  und  das 
überkurze  ö  in  der  Vorsilbe  /o-  (hd.  vcr-). 


')  Folgt  auf  ö  ein  /  oder  S,   so   wird  statt  i  ein  y  gesprochen,   d.  h.   die 
Lippenmndang  wird  beibehalten. 

')  Hinter  einem  Vokal  ist  es  gewöhnlich  aus  ?*,   sonst  ans   er  entstanden. 

6* 


§  3.  Diphthonge.  Ausser  den  oben  erwähnten  diphthongischen 
Lauten  (e,  5,  ö)  haben  wir  die  drei  Diphthonge  at,  au,  ou  Einige 
behaupten,  dass  in  der  norddeutschen  Aussprache  dieser  Diphthonge 
(hd.  geschrieben  et,  ai;  au;'  c«,  äu)  der  zweite  Bestandteil  kein  t,  u, 
sondern  ein  e,  o  sei.  Mag  nun  auch  die  Zungenhebung  nicht  ganz  so 
hoch  sein,  wie  bei  einfachem  (autophthongem)  T  und  ü,  so  kann  ich 
doch  trotz  aller  Anstrengung  keinen  andern  Laut  hören  als  T  und  ü, 
während  ich  in  einigen  westfälischen  und  hannoverschen  Mundarten 
deutlich  ein  e  und  o  höre.  Ich  schreibe  also  ai^  au,  oi,  und  nicht 
ae,  ao,  oe.  In  dem  Diphthongen  ai  ist  das  a  ein  wenig  palatalisiert. 
Die  Diphthonge  kommen  lang  und  überlang  vor. 

Die  Konsonanten. 

§  4.     Die  Gl.  Mundart  hat  folgende  Konsonanten: 

stimm-       stimm- 
haft los 

labiale io,h       —        — 

V  f  - 

ä        J,  s         r       —      t       d       »       l 

j        (x)       — 
l  X        (R) 

1.  Die  Tenues  p,  t,  k  sind,  wenn  sie  allein  oder  mit  r,  /,  i?,  tv 
verbunden  (pr,  pl;  tr,  tw;  Jcr,  W,  Äw,  Jcw)^)  die  Tonsilbe  oder  ein 
Wort  beginnen,  immer  aspiriert;  ebenso  haben  sie  am  Ende  der  Wöi*tor 
bei  genügend  deutlicher  Aussprache  die  Aspiration.  In  den  Laut- 
verbindungen Äp,  st  (Anlaut)  und  p*-,  ts,  ks;  pm,  <«,  fcg  (Auslaut)  sind 
sie  also  unaspiriert,  desgleichen  i  und  p  in  den  Verbindungen  kt,  pt 
(weckt,  eirpt);  ebenso  entbehren  sie  sonst  im  Innern  der  Wörter  die 
Aspiration,  sei  es  nun,  dass  sie  vor  Vokalen  (Inlaut),  oder  dass  sie 
—  in  Zusammensetzungen  —  vor  Konsonanten  stehen  (Auslaut). 

2.  Die  Medien  sind  stimmlos.  Eine  Verwechslung  von  Tenuis 
und  Media  im  Inlaut  findet  selten  statt,  da  sie  sich  als  Fortis  und 
Lenis  unterscheiden;  im  Auslaut  dagegen  fallen  t  und  d  zusammen 
{b  und  g  werden  im  Auslaut  im  Ndd.  zu  f  und  x).  —  Zwischen  zwei 
Vokalen  spricht  man  statt  6,  d,  g  in  der  Regel  b,  d,  5,  die  ent- 
sprechenden Engelaute,  doch  wechselt  die  Aussprache  bei  einem  und 
demselben  Individuum;  wirkliche  Verschlusslaute  werden  jedenfalls  nur 
bei  sehr  langsamem  Sprechen  gehört,  und  wenn  die  gewöhnlich 
gesprochenen  Laute  auch  vielleicht  nicht  immer  wirkliche  Reibelaute 
sind,  so  ist  der  Verschluss  doch  ein  sehr  nachlässiger.^)     Aus  diesem 


labiodentale   .     . 
dentale      .     .     . 
palatale 
volare  (gutturale) 


s      p 

1) 

m 

? 

t 

d 

n 

-  (t) 

r«; 

k 

9 

Q 

')  Es  ist  mir  neuerdings  zweifelhaft  geworden,  ob  in  den  Verbindungen 
pr,  pl,  tr,  kr,  M  wirklich  Aspiration  vorliegt  und  nicht  vielmehr  hinter  dem 
Verschlusslaute  ein  **dem  folgenden  Konsonanten  angepasster"  Reibelaut 
gesprochen  wird. 

^)  Ein  ungeübtes  Ohr  hält  diese  Laute  für  dieselben  b,  d,  g,  welche  im 
Anlaut  gesprochen  werden,  daher  auch  bei  unsern  Dialektdichtem  die  Schreibang 
h  für  das  w  anderer  Mundarten. 


85 

Grunde   und    der   Einfachheit   halber    werde    ich    im   Folgenden    nur 
6,  d,  g  schreiben. 

3.  Zu  den  einzelnen  Konsonantenreihen  ist  noch  einiges  zu 
bemerken. 

a)  labiale,  u?  ist  bilabialer  Reibelaut,  die  Lippen  werden  bei 
der  Aussprache  dieses  Lautes  ein  wenig  vorgestülpt,  w  kommt  nur 
hinter  andern  Konsonanten  vor,  die  zu  derselben  Silbe  gehören,  wie 
nhd.  zwei^  schwer^  quälen;  hinter  einer  Lenis  ist  es  stimmhaft,  hinter 
einer  Fortis  ist  wenigstens  der  Einsatz  stimmlos. 

b)  labiodentale,  f  und  v  sind  labiodentale  Reibelaute, 
ersterer  ist  stimmlos,  letzterer  stinmihaft.  —  Vor  f  sprechen  wir  m 
statt  «,  z.  B.  vernumft,  ftifnf^  und  es  versteht  sich,  dass  das  f  genau 
genommen  bilabial  anfängt,  der  eigentliche  Laut  aber  ist  labiodental. 
Ebenso  wird  hinter  f  m  statt  n  gesprochen,  z.  B.  strafm  (strafen) ; 
folgt  nun  aber  auf  den  Nasal  wieder  ein  Dental  (wie  in  den  Fremd- 
wörtern priSifmtsain,  födifmdlan,  prüfmtlan  =  prophezeien,  verteidigen, 
profitieren),  so  wird  der  Lippenverschluss  nicht  vollständig,  man  könnte 
also  versucht  sein,  von  einem  labiodentalem  m  zu  sprechen.  Daraus 
erklärt  sich  das  Fragezeichen  in  der  Nasalreihe  der  obigen  Uebersicht. 
Für  unser  Ohr  ist  dieser  Laut  ein  wi. 

c)  dentale.  Der  s-Laut  ist  bei  uns  stimmlos,  doch  unterscheiden 
wir  ein  sanftes  J  und  ein  scharfes  s.  —  Das  l  ist  ein  helles  (palatales)  l. 
—  Hierher  gehört  auch  das  r,  es  ist  ein  stimmhaftes,  gerolltes 
Zungenspitzen-r ;  hinter  §  wird  es  nicht  gerollt. 

d)  palatale.  t  und  nt  werden  zuweilen  durch  nachfolgendes  y 
])alatali8iert,  z.  B.  sind  in  antja  (Ännchen)  alle  drei  dem  j  voraus- 
gehenden Laute  palatalisiert ;  da  diese  Fälle  aber  selten  sind,  habe  ich 
davon  abgesehen,  besondere  Zeichen  für  palatalisiertes  t  und  nt  zu 
verwenden. 

e)  Velare.  Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  das  k  in  ki,  g  in 
gi  und  x  in  ix  eine  andere  Artikulationsstelle  haben  als  das  Tc  in  am, 
g  in  gu  und  x  im  ax\  doch  liegen  beide  Artikulationsstellen  so  weit 
nach  hinten,  dass  von  einem  palatalen  Tc^  g  und  x  kaum  gesprochen 
werden  kann;  ich  habe  daher  nicht  nur  zwischen  dem  h^  g  in  hi^  gi 
und  in  ä:m,  gu  keinen  Unterschied  gemacht,  sondern  auch  für  den  ix- 
Laut  dasselbe  Zeichen  verwendet  wie  für  den  aa;-Laut.  Dasselbe  gilt 
von  g  (;)  in  hd.  sage^  siege.  —  Ein  uvulares  r  kommt  in  den  unteren 
und  mittleren  Bevölkemngsschichten  fast  gar  nicht  vor. 

Anm.  Stimmhafte  Konsonanten  werden  hinter  stimmloser  Fortis  selbst 
stimmlos;  doch  ist  der  üebergang  zum  folgenden  Vokal  bei  nicht  allzuschnellem 
Sprechen  stimmhaft.  —  Silbenbildende  /,  7n,  n,  i)  sind  natürlich  immer  stimmhaft. 

Dauer  der  Laute;  Fortis  und  Lenis. 

§  5.  Alle  Laute  können  kurz  oder  lang  sein;  bei  Verschluss- 
lauten kommt  die  Dauer  des  Verschlusses  in  Betracht.  Lange  Kon- 
sonanten kommen  in  unserer  Mundart  —  bei  nicht  zu  schnellem 
Sprechen  —  in  drei  Fällen  vor.     Erstens  wenn  von  zwei  aufeinander 


m 

folgenden  Wörtern  das  zweite  mit  demselben  (oder  einem  homorgauen) 
Laute  anfängt,  mit  dem  das  vorhergehende  aufhöii;,  z.  B.  hd.  abbeissen 
(mit  langem  p,  denn  es  ist  =  op  -f-  beissen),  not  thun;  auffassen^ 
aussaufen ^  hirsch  schiessen;  am  markt ^  einnähme.  Zweitens  werden  die 
Nasalen  tw,  n  verlängert,  wenn  (nach  Ausfall  eines  e)  ein  n  dahinter 
zu  stehen  käme,  z.  II  hd.  harnen^  ahnen^  von  uns  gesprochen  kämm. 
B,nn  mit  langem  Nasal;  zugleich  ist  die  Artikulation  des  Nasals  eine 
energischere.  Drittens  werden  l  und  n  verlängert,  wenn  nach  Ausfall 
eines  e  auf  Konsonant  -{-  l^  n  noch  ein  Vokal  folgt,  z.  B.  hd.  eiegelei^ 
gesprochen  ziegUei;  dabei  ist  das  erste  Z,  n  silbenbildend,  das  zweite 
konsonantisch. 

vj  6.  Die  Dauer  der  Vokale  ist,  wenn  diese  nicht  gerade  am 
Ende  des  Wortes  oder  Stammes  stehen,  abhängig  von  der  Beschaffen- 
heit des  folgenden  Konsonanten,  und  zwar  ist  sie  kürzer  vor  Fortis, 
länger  vor  Lenis.  Lenes  sind  unter  allen  Umständen  ft,  d,  g^  /,  t; 
(immer  im  Inlaut),  ferner  sind  als  Lenes  anzusehen  /*,  ^,  x^  s,  §^), 
wenn  sie  im  Auslaut  nach  Abfall  eines  e  für  ursprünglich 
inlautende  ft,  rf,  g^  J,  2  stehen ;  sonst  sind  /*,  ^,  a;,  5,  §  ebenso  wie 
j>,  k  Fortes.     Man  spricht  also*) 

vor  bd g  Jv 


vor  jp,  t,  Ä,  /",  a;,  5,  g 


und  f  t  X  s   §  am  Eude  der  Wörter 
(wenn  z=z  bdg  j   i) 


kurz .     . 

i     e    a    0    u    ö    y 

halblang 

T     e          ö    ü    Ö    y 

lang .     . 

T:   e:          ö:     ü:    ö:  y: 

f) 

9                     ä         0? 

f) 

9:                       ä:         (b: 

(kurz 

e    a    0          ö       ) 

j) 

V       -       V                   V 

e    a      0            0 

lang  .     . 

ai  oi  au 

überlang 

ai:  oi:  au: 

Dieser  Regel  folgen  auch  die  Lautverbindungen  am,  an^  nij,  al 
usw.  Es  ist  allerdings  schwer  zu  entscheiden  (vgl.  Sievers,  S.  187 
unten),  "ob  blos  der  Konsonant  lang  ist  oder  auch  der  Vokal  eine 
Dehnung  erfahren  hat";  nach  langen  Beobachtungen  bin  ich  aber  zu 
der  Ansicht  gekommen,  dass  in  unserer  Mundart  der  Vokal  an  der 
Dehnung  teihiimmt.  Da  nun  Lautverbindungen  wie  al  usw.  phonetisch 
als  lang  anzusehen  sind,  so  werden  sie  vor  Lenis  überlang;  der  Ein- 
fachheit halber  bezeichne  ich  die  Ueberlänge  dadurch,  dass  ich  den 
Konsonanten  zweimal  setze.  Wir  sprechen  also  hd.  elf  (11),  aber 
ellbj  (Elbe). 

Anm.  1.  Geht  ein  Verbalstamm  auf  einen  halblangen  oder  langen  Laut 
(anch  Vokal  +  m,  n,  ij,  l)  aus,  so  hat  er,  sobald  eine  Endung  antritt,  immer 
(auch  vor  i)  den  langen  bzw.  überlangen  Laut;  ausgenommen  sind  nur  einige 
Formen  der  sog.  unregelmässigen  Verba. 

Anm.  2.  Hinter  einem  halblangen  oder  langen  Vokal  hat  das  /,  wenn 
es   zu    derselben   Silbe   gehört,    vor   sich   noch   einen   Eigenlaut   (je   nach    der 


^)  i  nur  in  Fremdwörtern,  z.  B.  frz.  courage. 
)  Diese  Regel  wird  beim  Verbum  durch  Formenausgleichung  durchbrochen. 


87 

BeschaffeDheit  des  vorbergelieiiden  Vokals  mehr  i  oder  y);  man  hört  ihu  deutlich, 
wenn  man  /  ganz  allein  ausspricht.  Dieser  Laut  entzieht  dem  vorhergehenden 
Vokal  etwas  von  seiner  Dauer,  sodass  z.  B.  das  i  in  hd.  tnel  nicht  ganz  so  lang 
ist  wie  in  visle;  ich  würde  demgemäss  phonetisch  schreiben  ßl,  aber  ß:ld. 

§  7.  Da  die  Medien  in  unserer  Mundart  immer  stimmlos  sind, 
so  werden  sie,  mit  grösserer  Energie  gesi)rochen,  zu  (unaspirierten) 
Tenues.  Dies  ist  namentlich  der  Fall  in  Wörtern,  welche  früher 
geminierte  Media  hatten;  diese  ist  jetzt  zur  einfachen  (unaspirierten) 
Tenuis  geworden.  Deshalb  —  und  weil  man  mit  den  Zeichen  p,  t^  h 
den  Begriff  der  Aspiration  verbindet  —  schreibt  man  heute  in  Dialekt- 
dichtungen umgekehrt,  um  im  Inlaut  eine  einfache  unaspirierte  Tenuis 
zu  bezeichnen,  die  entsprechende  Media  doppelt,  auch  wenn  das  Woii: 
ursprünglich  geminierte  Tenuis  hatte.  Also  geschriebenes  suubben, 
schibber,  bodder^  wuddel,  nadd^n  ist  gesprochenes  Jüpm,  ^ipa,  bota^  vutl^ 
natn  (vgl.  Jellinghaus,  Zur  Einteilung  der  niederdeutschen  Mundarten 
{5  14  S.  38.  —  Müllenhoff  im  Glossar  zur  Klaus  Groths  Quickborn 
u-  d.  W.  obbe).  Ich  schreibe  in  all  diesen  Phallen  nach  der  Aussprache 
und  gemäss  der  oben  über  inlautende  Tenuis  aufgestellten  Regel  ein- 
fache Tenuis. 

Unbetonte  Silben, 

55  8.  Die  Stammsilben  der  Wörter  werden  in  unserer  Mundart 
so  stark  betont,  dass  die  vor  und  nach  der  Tonsilbe  stehenden  Silben 
geschwächt,  der  Vokal  derselben  sehr  häutig  —  sofern  nicht  unaus- 
sprechbare Lautkomplexe  entstehen  würden  —  ganz  unterdmckt  wird. 

1.  Nach  der  Tonsilbe,  e  am  Ende  der  Wörter  —  meist  aus 
andern  Vokalen  entstanden  —  und  das  e  der  Ableitungssilben  und 
Infinitive  wie  -eZ,  -et*  ist  verschwunden:  sprih  Sprache,  Jäi  Sache; 
gctn  giessen;  (b:U  übel,  ^ötl  Schüssel,  ätn  Atem,  besn  Besen;  tt^i  nehme^ 
^t  esse;  dSL:xs  Tages,  hn:s  (dat.  sg.  von  Aus  Haus);  dr&:x  trocken, 
mÖ:t  müde,  m&t  Begegnung.  —  In  der  Regel  fällt  ausser  bei  Adjektiven 
die  ganze  Silbe  -de  weg^):  ^»9^  Pferde,  fülbüan  erlauben,  zulassen 
(mnd.  fulborden),  namentlich  im  Präteritum  der  schwachen  Verba: 
föl  fühlte,  hba  hörte;  ebenso  mö:n  vermutend  (mnd.  modende).  — 
Von  den  alten  P^ndungen  -isk,  -in  bleiben  nur  die  Konsonanten  übrig : 
spöi^  spöttisch,  ironisch,  d(}:n^  dänisch,  rw§  russisch,  hrii  Köchin, 
f/d:2rf§  (fi&:bif^)  Nachbarin:  holtn  hölzern,  golln  golden.  —  Die  alte 
Endung  -i/iy,  -inge  ist,  soweit  sie  nicht  durch  die  hd,  Endung  -ung 
verdrängt  ist,  meistens  zu  -n  zusammengeschrumpft:  hean  Häring, 
fvian  Nahrung,  Verdienst,  twi  Zehining,  Verbrauch,  njfcwü/e.i«  VAn- 
«piartieining,  vctan  Wetterung  (Abzugskanal  in  der  Marsch),  Jösn 
Sechsling  (eine  Münze,  =  H^U  Pfennig),  penn  Pfenning  usw.  —  Die 
Endung  -nisse  erscheint  als  ns  (s)  in  villns  Wildnis,  vims  Wärme 
(mnd.  wermenisse,  Reuter:  warmniss). 


^)  Dies  geschieht,  soviel  ich  weiss,  anf  dem  I^ande  immer,  in  der  Stadt 
hat  man,  namentlich  beim  Nomen,  die  Neigung,  hier  und  da  das  d  ^a]«  i)  zu 
erhalten;  ich  habe  jedoch  hierfür  keinerlei  Regel  erkennen  können 


88 

2.  Vor  der  Tonsilbe,  a)  Am  Anfang  des  Wortes.  In  den 
Vorsilben  ge-,  be-  (qb-^  Iq-)  fallt  das  9  noch  häufiger  aus  als  im 
Hd.  (Glück,  Gnade),  z.  B.  gnik  Genick,  Waijij  neben  (eig.  längs,  ent- 
lang). Von  tVi  =  to  fällt  zuweilen  das  tt  weg:  türex^  trex  zurecht, 
türyx,  tryx  zurück;  dagegen  behält  <fi  =  hd.  zer-  (z.  B.  /firlfn  zer- 
reissen)  immer  das  ü.  —  In  andern  Fällen  fällt  der  Vokal  entweder 
ganz  weg,  oder  es  steht  überkurzes  ö,  und  zwar  hat  man  auf  dem 
Lande  mehr  als  in  der  Stadt  die  Neigung,  den  Vokal  wegzulassen, 
soweit  es  überhaupt  geht,  z.  B.  ittJÖA,  i/ö.)  Couleur,  kidena,  ilena 
Kalender,  prjk  Perücke,  SttÄr&.'it  masc.  Schikane;  in  deutschen  Wörtern 
JdUeJca  Eichkätzchen,  lübenT  lebendig,  vünea  wann  (wann  eher),  vielleicht 
auch  iülölkijgdjix  Maske.  —  Ausnahmen:  ein  überkurzes  ä  haben  wir 
in  jyjMn  Johann,  2?ä^S0:n  Portion,  ein  überkurzes  Y  in  g\dl:n  (g9dl:n) 
Gardine. 

ß)  In  der  Mitte  des  Wortes  steht  ein  überkurzes  8,  z.  B.  dryti- 
hallf  (drytahüUf)  drittehalb,  kr^Mil  Krokodil,  pemUli%x  (pematUnJ 
permittieren  (vom  Militär  entlassen),  ebenso  in  numMax  Nachmittag, 
H:2>ä{ii)X;  Kaveling  (mnd.  kavelinge). 

Assimilation. 

§  9.  •  Kommt  nach  Ausfall  eines  e  ein  n  hinter  einen  Konsonanten 
zu  stehn,  so  assimiliert  sich  das  n  demselben,  d.  h.  es  bleibt  hinter 
t,  d,  5,  J,  8,  «,  l  unverändert,  hinter  p,  ft,  /",  iw,  (v)  wird  es  zu  w, 
hinter  i,  </,  ät,  g  zu  g.  Bei  Verschlusslauten  wird  alsdann  der  Ver- 
schluss nicht  gesprengt,  sondern  während  der  Verschluss  noch  fort- 
dauert, senkt  sich  das  Gaumensegel  (vgl.  Sievers  §  22,8  S.  160.  161). 
—  Geht  kein  Konsonant  vorher,  dem  sich  das  n  assimilieren  könnte, 
so  assimiliert  es  sich  dem  Anfangskonsonanten  des  folgenden  Woiles, 
also  ii)  kela  (im  Keller),  atnbltn  (anbeissen).  Bei  schnellem  Sprechen 
wird  sogar  m  vor  k  zu  ij,  z.  B.  ti^gi  =  n^:m  ik  (nehme  ich).  — 
Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  in  Verbindungen  wie  mitn  besn  (mit 
dem  Besen)  nicht  unvermittelt  von  n  zu  b  übergegangen  wird,  sondern 
vor  dem  b  ein  m  steht,  doch  fällt  nicht  dies  m,  sondern  das  n  ins 
Gehör.  —  Als  einzelner  Fall  ist  noch  jumfa  aus  jui^fa  anzuführen. 
Dass  wir  vor  f  auch  m  sprechen,  wurde  oben  (§  4,8  b.)  schon  erwähnt. 

§  10.  Medien  werden  hinter  Tenues  selbst  zu  Tenues  (natürlich 
unaspiriert) ;  die  davor  stehende  Tennis  ist  dann  ebenfalls  unaspiriert, 
vgl.  oben  §  4,i ;  sind  beide  Konsonanten  homorgan,  so  entsteht  eine 
lange  unaspirierte  Tennis. 

Ein-  nnd  Absatz. 

§  11.  Der  Spiritus  Lenis  scheint  bei  uns  nicht  mehr  zu  existieren, 
da  die  Wörter  in  der  Regel  mit  einander  verbunden  werden.  Am 
deutlichsten  ist  die  Bindung,  wenn  das  zweite  Wort  den  Hochton 
trägt,  z.  B.  gün&mj}  (yün&cbmt)  guten  Abend.  Bei  der  Bindung  wird 
der  Endkonsonant  des  vorhergehenden  Wortes,  wenn  er  aus  einer 
Lenis  entstanden  ist,  in  eine  solche  zurückverwandelt,  z.  B.  btl:vik  = 
ltl:f  ik  bleib'  ich,  re.'da  =  reU  Ae  ritt  er. 


89 


Der  Vokalismns. 

§  12.    a. 
Jetziges  a  ist  gleich  früherem 

1.  kurzem  a  in  geschlossener  Silbe. 

an  an,  nian  1.  Mann,  2.  nur,  han  kann;  Jul  soll,  tal  Zahl;  dax 
Tag,  twax  mag,  sfora:  Schlag ;  glas  Glas ;  af  ab,  fai/*  Spreu ;  nat  nass, 
170^  was,  /a^  Fass,  dat  das;  pa^  Pfad,  rat  Rad,  2/2a^  Blatt,  &a^  Bad, 
bratn  Brodem  (Wasserdampf,  Atem,  Hauch,  mnd.  bratmen,  neben 
bradem);  jak  Sack,  pak  Pack,  dak  Dach;  Snp  Schrank  (Schaff),  nap 
Napf;  tarn  zahm;  va§n  waschen,  hast  Hasel.  —  fas  fest,  gas  Gast, 
las  Last,  mas  Mast,  has  Hast;  flap  Maul  (mnd.  vlabbe),  apl  Apfel, 
/^j?i»  Zapfen  (Subst.  und  Verbum),  jnpm  gaffen,  gähnen ;  plant  PHanze, 
lant  Land,  vant  Wand,  hant  Hand,  pant  Pfand  (dazu  hantig  vann,  pann 
Hände,  Wände,  pfänden);  damp  Dampf,  lamp  Lampe;  kam  Kamm, 
lam  Lamm,  ama  Eimer  (mnd.  amber,  ammer);  Jnf  Saft,  kraf  Kraft; 
ax  acht,  axta  hinter,  max  Macht,  nax  Nacht;  kallf  Kalb,  hallf  halb; 
fhs  Flachs,  vas  Wachs,  vasn  wachsen,  Jas  Sachs,  hrasn  Brachsen, 
Brassen  (ein  Fisch),  atl  Mistjauche,  klatari  nass  und  schmutzig 
zugleich  (mnd.  kladderen,  vgl.  auch  mnd.  Jclatte),  vatj  Molken  (mnd. 
waddeke),  wia<|;  Regenwurm  (mnd.  maddik),  kapin  zanken  (mnd.  kabbelen), 
Japln  etwas  in  den  Mund  nehmen,  sodass  Speichel  herausfliesst  (mnd. 
sabben),  tapln  langsam  gehn. 

2.  =  ar,  er  vor  Fortis. 

x)  hat  hart,  swat  schwarz,  matn  Martin,  spatin  zappeln  (mnd. 
spailelen),  hatl  Hartwig;  ftaS  barsch,  iwaä  die  Marsch. 

ß)  hat  Herz,  smatn  schmerzen,  batl  Barthel,  kasb^.%  Kirsche 
fwöi'tlich  Kirschbeere),  dwas  quer  (mnd.  dwars  [mhd.  twerhes],  dwars, 
dwass),  gasn  Gerste,  kasn  Christian,  kaspl  Kirchspiel,  basn  bersten, 
fas  First  (mnd.  varste,  verste),  tapmtl:n  Terpentin,  maktennda  (Ton 
auf  der  2.  Silbe)  Marketender. 

3.  =  ä. 

dax  Docht  (mhd.  täht),  dax  dachte,  Jaxtd  sachte,  (Jax,  Jaxs 
vielleicht,  wohl),  jama  Jammer  (wie  im  Hd.  —  Vor  wr,  wZ,  (mn) 
scheint  wie  im  Hd.  die  Kürze  beliebt  zu  sein,  z.  B.  Sommer,  sammeln, 
zusammen  usw.,  wo  urspr.  nur  ein  m  stand;  vgl.  oben  ama,  unter  o 
koma^  homa,  oma). 

A  n  m.    Ueberknrzes  8  s.  §  8,a  a,  ß. 

§  13.  ä. 
1.  ä  =  ar  vor  Konsonanten  ausser  t,  s  und  §. 
hida  harte  (von  hat  hart);  h&k  Harke,  Rechen,  m&k  Mark  (die 
Mark,  das  Mark);  siik  stark;  wiäfc  Markt;  fif  Farbe,  nif  Narbe;  am 
Arm  fpauper,  bracchium);  vim  warm;  §äp  scharf.  —  Ää  hatte  (sekun- 
däres r  aus  d).  —  twäS  der  Marsch  scheint  in  neuerer  Zeit  aus  dem 
Hd.  entlehnt  zu  sein.  Wenn  Ja.?,  die  obere  Thürschwelle,  von  frz. 
Charge  kommt,  so  steht  eben  s  für  inlautende  Lenis  (vgl.  j^  6). 


90 

2.  i  =  er  (daraus  war  im  Mnd.  scliou  vielfach  ar  geworden). 
M  Kerbe ;  stnhm  sterben,  fixiiihm  verderben,  vihl  Drehriegel  (nind. 
wervel),  h&s  Herbst;  vin  werden ;  7/ä:i;  Berg ;  sivSik  dunkle  Wolke,  miikj^ 
merken,  /a/rg  Ferkel,  ISJc  Birke,  Wc  Kirche,  v&k  Werk,  W^erg;  sima 
Schirmer,  Scharmer,  v&mm  wärmen,  bim  Bierhefe;  v&f  Geschäft 
(Gewerbe);  h&cla  Hirt  (mnd.  herder),  hv&da  Queder  (Kragen,  Hosen- 
bund); /an  necken,  zerren,  fipin  sperren. 

§  14.     L 

1.  ä  =  altsächs.  u  oder  o  in  offener  Silbe. 

a)  W^örter,  in  denen  ausschliesslich  u  vorkommt,  sind  im  As. 
sehr  selten  (vgl. .  Behagel  u.  Gallee,  Altsächs.  Gramm.  §  33,  dazu  die 
Recension  von  Schlüter,  Ndd.  Jahrbuch  XVH  S.  153);  hierher  gehören 
etwa  nur  die  Wörter  Jc&:mm  kommen,  V'd:nn  wohnen,  fSi-ffl  Vogel; 
vielleicht  auch  fkln  Fohlen,  Füllen,  stk:f  Feuerkieke  (ein  kleiner  Ofen, 
den  die  Frauen  benutzen,  um  die  Füsse  darauf  zu  setzen  und  zu 
wärmen).  Diese  Feuerkieke  scheint  jetzt  fast  ganz  aus  der  Mode 
gekommen  zu  sein,  sie  kommt  in  Vossens  Idylle  ^Der  siebzigste 
Geburtstag'  Vers  56  vor  und  wird  (Ausgewählte  Idyllen  und  Lieder 
von  J.  H.  Voss,  Leipzig,  Reclam  S.  120)  erklärt:  Ein  blechernes 
Fcuerstübchen  für  die  Füsse.  Das  W^ort  st&.'f,  das  dem  hd.  Stube 
genau  entspriclit,  bedeutete  früher  auch  in  unserer  Gegend  "Stube", 
vgl.  Rist,  Das  friedejauchzende  Deutschland  (Deutsche  Dichter  des 
17.  Jh.,  hgg.  V.  Goedeke  und  Tittmann.  15  Bd.  Dichtungen  von 
Joh.  Rist,  Lpzg.  1885,  S.  103):  Staat  dar  nicht  ecn  hupeu  Herenhüse, 
Amtstaven  und  der  geliken  Gebüwe  leddig  uswV 

[i)  Beispiele,  wo  ä  =  as.  o  (got.  ü)  ist:  äpm  offen,  JSipm  gesoff'en, 
krkpm  gekrochen;  ä:Aw  Ofen,  b§i:bm  oben,  kSi:bni  Kofen,  alk&:bm 
Alkoven,  grk:hd  grobe  (von /yro/' grob) ;  klk:f  q\\\  grosses  (abgespaltenes) 
Stück  Holz,  rk:f  Kruste  über  einer  Wunde;  kkt  Käthe  (ein  kleines 
Haus  auf  dem  Lande),  gktn  gegossen,  //ä^n  geflossen;  hk:t  1.  Bot<?, 
2.  Dativ  von  bot  Gebot  (in  der  Redensart:  zu  Gebote  stehn),  bk:dn 
geboten,  angeboten;  Aä:Ju  Strümpfe;  Ja/  Sohle,  stSUn  gestohlen,  kU 
Kohle;  bodrkig^  betrogen, /?ä:(jfij  geHogen;  /"ä-'-t  Vogt;  i?ä;mm  genommen, 
kk'.mm  gekommen;  hkki]  gebrochen,  sprkkr^  gesprochen,  kn^ci^  Knochen, 
kmik  Knaack,  fcäAij  kochen. 

Vor  r:  fölkan  verloren,  frk^in  gefroren,  säan  geschoren;  bkA 
Bohrer  (mnd.  bor),  spkan  Sporen. 

2.  ä  =  ursprüngl.  langem  ä, 

gk:n  gehn,  stk:n  stehn,  mk:i\t  Mond,  mkindax  Montag;  (7rä: 
bald  (mnd.  drade);  rkidn  raten,  rU  rat,  gnktt  Gnade,  dkt  die  That; 
ktn  Atem;  mkt  das  Mass,  l&tn  lassen,  ^rkt  schräge  (mnd.  schrät), 
strU  Strasse;  /ci6"Wiä.'n  verschmähen;  stvka  schwer,  jka  Jahr,  Mka  khir, 
hLi  Haar;  frkigr^  fragen;  tk:x  zäh,  trkix  träge;  mUn  malen;  kibtnt 
Abend;  blkiln  blasen,  ä^Aas;  Ikp  Schaf;  ^jpräJk  Sprache ;  Ä^rä/* Strafe. 
—  In  Fremdwörtern:  Jüldkt  Soldat,  prkt  bereit,  ikrkt  accurat.  Dazu 
plksta  Pliaster,  und  vielleicht  plkts  Hafenplatz. 


91 

3.  ä  =  später,  nach  Ausfall  von  A,  gedehntem  a:  stil  der  Stahl, 
slSi:n  schlagen,  tr&:n  Thräne,  Suin  Aehren. 

4.  ä  =  kurzem  a  in  ursprünglich  offener  Silbe. 

ni&ln  mahlen',  JcU  kahl;  gr&ibnt  graben;  lSL:dn  laden,  ^8,:dn 
schaden,  ß:dl  Sattel;  Ää:/*,  Aä:6m  Hafen  (vgl.  mhd.  diu  habe),  Äwä;/* 
Knabe;  d&:x  Tage,  vEd&x  Schmerzen  (Wehtage),  rlkd&x  Reichtum, 
v&:gl  Nagel,  Mk:gr}  klagen,  ß:gn  sägen;  &p  Affe,  ii&rkpm  nachäffen, 
iripm  schaben,  kratzen;  v&ta  Wasser,  l&t  spät,  llU  Spross  (mnd.  lade, 
mild,  late);  ISJci)  Tuch,  mSJcij  machen,  rätr)  wachen,  stSJciQ  Stange, 
n&Jclt  nackt,  Ic&kln  gackern  (mnd.  kakelen);  h&:n  Hahn,  mk:mi  mahnen, 
sw§L:n  Schwan,  m&:n  Mähne,  ä:w/  Ente  (diese  Form  ist  bei  uns 
wenig  gebräuchlich);  S&:mm  schämen,  üffdähnt  unverschämt,  /fi/ä.m 
zusammen,  n&:m  Name. 

Vor  r:  f&an  fahren,  b&a  Bär,  vLvi  währen,  dauern,  v&an  wahren, 
hüten,  n&an  Nahrung,  k&a  KaVren  (mnd.  kare),  gBvSui  gewahr,  sp&an 
1.  Sparren,  2.  sparen. 

5.  ä  =  kurzem  a  vor  r  in  geschlossener  Silbe. 

g&an  Garn,  Suin  Ernte;  gSui  gar;  f&at  Fahrt,  b&at  Bai*t,  Skat 
Scharte,  äat  Art,  k&at  Karte,  tsSuU,  sSuU  zart,  miat  Marder;  ^ilan 
Garten,  vian  pffegen  (warten),  v&aisfrö  Wärterin;  mäaScdk  Marschalk, 
v&aSön  warneu;  &as  Podex,  bSuis  Barsch  (ein  Fisch).  —  Dazu  vSuit 
Warze  und  v&at  Enterich. 

Anm.  Es  ist  häufig  schwer  zu  entscheiden,  ob  offene  oder  geschlossene 
Silbe  zu  Grande  liegt. 

§  15.     e. 

1.  e  =  e  (got.  i)  in  geschlossener  Silbe. 

vex  Weg;  rex  recht,  slex  schlecht,  knex  Knecht,  fcxq  fechten; 
fd  Fell,  feit  Feld,  gelt  Geld,  gelln  gelten.  Min  schelten,  melln  melden ; 
teil  Zelt;  helpni  helfen;  gestan  gestern,  stvcsta  Schwester,  ges  Hefe 
(mhd.  jesen,  gesen  =  gären),  besn  Besen  (mnd.  bessem,  mhd.  besme), 
vesln  wechseln,  vesl  Wiesel;  ern  ihm,-  Jewp  Senf;  fö&rekg  erschrecken 
(in  diesem  Woi-te  sind  transitive  und  intransitive  Formen  zusammen- 
gefallen; es  wird  auch  in  der  transitiven  Bedeutung  stark  flektiert), 
treki)  ziehen. 

2.  e  =  e  (got.  ä)  in  geschlossener  Silbe. 

hem  haben,  kemm  kämmen,  Icma  Lämmer,  fremtj  fretnp  fremd, 
hentj)  1.  Hanf,  2.  Hemd;  Jei^  sagen,  leg  legen;  strei^q  strenge,  Znjr) 
verlangen,  sich  sehnen,  der^hj  denken;  blei^kan  blinken,  er^kl  Knöchel 
am  Fuss;  bet  Bett,  Jetn  setzen,  pflanzen,  netl  Nessel,  net  Netz;  gti 
Schale,  telln  zählen,  stelln  stellen,  kdlba  Kälber,  helftd  Hälfte,  rf//'Elbe; 
brenn  brennen,  kenn  kennen,  renn  1.  wenden,  2.  gewöhnen,  enn  Ende 
mena  Männer,  lena  Länder,  fenarl  Fähnrich;  eks  Axt,  deki^  decken, 
bedecken,  JVft  Säcke,  rekg  recken,  strekij  strecken,  ekan  Eicheln  (auch 
die  Frucht  der  Buche;  mnd.  ackeren);  ges  Gäste,  best»  beste;  mextl 
mächtig;  kreßl  kräftig,  jef  Säfte,  ^ef  sing.  Schaft  (eines  Stiefels). 

3.  c  =  urspr.  langem  ä  in  JödenJ  (Ton  auf  der  L  Silbe!)  sothan, 
so  beschaffen  (mnd.  sodän,  sodanich,  sodannich),  umdenl  (Ton  auf  der 


92 

2.  Silbe !)  wie  beschaffen,  wie,  auf  welche  Weise ;  jentatl  jämmerlich ; 
du  lets,  Ae  let  du  lassest,  er  lässt.  —  bodextl  bedächtig,  gddexnis 
Gedächtnis  sind  vielleicht  hochdeutsch. 

4.  6  =  ci  in  geschlossener  Silbe  in  einigen  Wörtern:  enJtU^  entsU 
einzeln,  rcnll  reinlich,  rein. 

§  16.     6. 
Da  das  er  in  geschlossener  Silbe  zu  ar   (jetzt  ä)   geworden    ist, 
so  ist   6   bei   uns   sehr  selten.     Es  kommt  1.  in  Fremdwörtern  (dazu 
rechne   ich   auch   die   aus   dem  Hd.    entlehnten),    2.    in  Wörtern  mit 
sekundärem  r  (aus  d,  dd)  vor. 

1.  fks  Vers,  p^tl  fertig,  vUa  Wärter  u.  a.  Vielleicht  gehört  hierher 
auch  fcfiZ,  klk(d)l  Kerl,  statt  dessen  man  etwa  hool  erwarten  sollte,  wie 
es  auf  dem  Lande  auch  wirklich  heisst,  man  vergleiche  auch  den  Eigen- 
namen Kecrl;  M  Herr  wurde  fiüher  auch  in  unserer  Gegend  nur  mit 
einem  r  geschrieben,  also  wahrscheinlich  A9.1  gesprochen. 

2.  ßda  Feder,  /ferfa  1.  Leder,  2.  die  Leiter,  Zßrfl  ledig,  leer,  v6da 
1.  Wetter,  2.  wieder,  nhi  unten  (mnd.  nedden  =  hd.  nieden,  z.  B. 
in  hienieden),  m&n  mitten,  in  der  Mitte,  wiöAiä  Tante  (mnd.  medder, 
in  der  Stadt  kaum  gebräuchlich;  das  angehängte  §  bezeichnet  das 
Wort  noch  besonders  als  Femininum).  —  In  all  diesen  Wörtern  ist 
das  d  kein  Verschluss-,  sondern  ein  Reibelaut. 

1.  ^  =  i  oder  e  (got.  i)  in  offener  Silbe. 

grmm%  gegriffen,  Tcn^pm  gekniffen,  Tcn^  Kniffe,  dumme  Streiche; 
Är^-'/zg  bekommen,  gekriegt,  ti^.'^g  neun ;  k(}h^  geguckt  (Part,  Perf. 
Pass.  von  i'rt'g),  l^ha  sicher;  Vl^:hn  geblieben,  h^ihan  beben;  fr^:t 
Friede,  gl(}:dn  geglitten,  b^:dn  bitten,  swi}:,  sm(}:t  Schmiede,  lif:vSda 
Gelenkwasser  (Gliedwasser),  sn^:t  die  Schnitte  (mnd.  snede),  &r^:t 
Schritte;  r^t  Riss,  spl^  Riss  (eig.  Spliss,  von  sptitn  spalten),  b^tn 
gebissen,  fösl^tn  verschlissen,  m^t  Nisse,  v^tn  wissen;  sp^n  spielen, 
1\l  viel,  l^ln  Siele  (Pferdegeschirr),  st^l  Stiel,  §9?  Scheide,  Grenze 
{dat  S9K  es  ist  ein  Unterschied).  V(^:x  W^ege,  J^:^  Segen,  l^:gi^ 
gelegen  (Part.  Perf.  Pass.  von  Ztgr)  liegen);  S^p  Schiffe,  swy^  Peitsche, 
sl(^pm  schleppen;  r^i  Woche,  br^h^  brechen,  st^ii^  stechen,  stecken, 
p^Un  pökeln;  h^:bm  Himmel,  g^:bn%  geben,  gegeben,  9:6m  eben; 
b(f:dn  gebeten;  m^tn  messen,  ^tn  essen,  gegessen,  l^tn  gesessen;  b^ka 
Becher,  st^n  stehlen,  g^l  gelb;  /9;J«  lesen,  v^:n  =  v^:Jn  sein,  gewesen; 
V^.'tnfn  nehmen,  $tr^:ml  Streifen;  Jcn^*/  Krebs  (als  Krankheit). 

Vor  r:  fr  ihr  (Dat.  sg.  fem.)  b^  Binie,  snii^an  schmieren,  h^a 
her,  Sf.i«  scheren,  entb^an  entbehren  (vielleicht  hd.). 

2.  9  =  Umlaut  von  urspr.  kurzem  a  in  offener  Silbe. 

b^ta  besser,  If^fl  Kessel,  m^tn  Mädchen;  l^:  legte,  J^:  sagte,  st^: 
Stätte,  st^ta  Städte  (pl.  v.  stat);  di^k  Decke,  b^k  Bach;  l^pl  Löffel, 
^^pl  Scheffel;  ^.JZ  Esel,  n^:s  Nase;  h^:n  Henne,  t^:n  Zahn,  Zähne; 
m-'gl  Nagel  (am  Finger  oder  Fuss);  h^:f  Habicht. 

Vor  r:  b^  Beere,  m^n  nähren,  fötf^an  verzehren,  p^  Pferd, 
f^a  Fähre,  aß^n  abtrennen  (durch  eine  dünne  Wand). 


n 

§  18.     6. 

1.  e  =  got.  ai, 

en  ein,  fcSn  Bein,  sten  Stein;  Jei  1.  Seele,  2.  Bügel  am  Eimer 
feig.  Seil),  del  Teil,  ÄeZ  heil,  ganz;  sne  Schnee,  re  Reh,  twe  zwei 
(hierüber  vgl.  Ndd.  Jahrbuch  XVI,  S.  95),  re  weh;  let  leid,  bret  breit; 
§e.-dn  scheiden,  Se;<  Scheide  (des  Säbels),  spr^:d^k  Spreitdecke,  Bett- 
spreite, ^elvlita  Salpetersäure,  Scheidewasser;  blök  bleich,  vek  weich, 
spBk  Speiche,  teJci^  Zeichen;  dex  Teig,  stQ.'x  stieg  (Prät.  von  stl:gi} 
steigen),  ^:gi}  eigen;  ^eä  Fleisch,  Äe§  heiser;  J^  Seife,  rep  Tau; 
henäl  heimlich,  le:m  Leim;  im:nn  meinen,  7e:wn  leihen.  —  Vor  r: 
6a  Ehre,  mSa  mehr,  jöa  sehr,  ejs  erst,  cfo  e.i5fa  der  Erste,  fein  lehren, 
lernen,  hean  wenden,  kehren. 

2.  e  =  got.  tu. 

getn  giessen,  fl6tn  fiiessen,  Se^n  schiessen,  födretn  verdriessen; 
let  Lied,  bS:dn  bieten,  ne:dn  nieten;  Uf  lieb,  c?e/'Dieb,  5<e/Ä:t«^  Stief- 
kind, ief  schief;  r6:in  Riemen;  fle:x  Fliege;  dep  tief;  de:nn  dienen; 
Je  sie;  te:n  ziehen,  fe  Vieh;  ob  ne-,  f?e^  neu  hierher  gehört,  ist  zweifel- 
haft, da  es  in  andern  holsteinischen  und  allen  schleswigschen  Mund- 
arten nl  heisst  (vgl.  unten  Nr.  7) ;  über  dre  drei  s.  Ndd.  Jahrbuch  XVI, 
S.  95.  —  fe.%  vier,  deat  Tier,  Untier,  dean  Dinie,  bea  Bier. 

3.  e  =  e  (ahd.  ia)  in  Fremdwörtern :  spe:gl  Spiegel,  te.gl  Ziegel, 
br^f  Brief,  presta  Priester;  fB:ba  Fieber. 

4.  e  =  ursprüngl.  langem  e  (im  Prät.  der  reduplizierenden  Verben) : 
löt  Hess,  Äe^  hiess;  slep  schlief,  Zep  lief,  rep  rief.  —  Dazu  me:dn  mieten. 

5.  e  =  Umlaut  von  urspr.  langem  ä. 

b9ktce:m  bequem,  $)e:x  nahe,  (n6:ga  näher),  ke:s  Käse,  gr6:f 
Greve  (vgl.  auch  Deichgreve),  be.w  sich  (ver)stellen  (eig.  sich  gebärden), 
le:x  schwach  (eig.  niedrig;  auch  von  schlechtem  Aussehen,  namentlich 
des  Gesichts),  //e:dl  schwach  (eig.  zierlich).  —  ^e-Ygab,  et  ass;  ne:m 
nahm,  ie;m  kam;  ve.%  war  usw.  Im  Plur.  des  Prät.  dieser  Verben 
steht  schon  im  Mnd.  e  neben  ä  (vgl.  Ndd.  Jahrb.  XVI,  S.  94 ;  Lübben, 
Mnd.  Gramm.  §  53. 

6.  e  vor  r  =  e. 

gean  gern,  dwea  1.  quer,  2.  Handmühle  (got.  qaimus),  m  Erde, 
eans  Ernst,  stQan  Stern,  fean  fern,  steat  Schwanz  (Sterz),  hdat  Herd, 
stcaat  Schwert,  veat  1,  wert  (Adj.  und  Subst.),  2.  Wirt,  ttv^an  Zwirn. 
—  Warum  in  diesen  Wörtern  ein  anderer  Vokal  steht  als  in  den 
§  17,1  am  Ende  aufgeführten,  veimag  ich  nicht  zu  sagen. 

7.  e  =  urspr.  langem  T  am  Ende  des  Wortes  oder  Stammes. 

/re  frei,  We  Kleie  (des  Korns),  de  Subst.  das  Gedeihen,  We  Blei ; 
/re:«  freien,  r^:n  reihen  (vorläufig  nähen),  Je:n  seihen,  snB:n  schneien, 
/Ir  äfktisten  schwere  Arbeit  verrichten  (eig.  sich  abkasteien) ;  bjdrügare 
Betrügerei,  Betrug,  te.'glle  Ziegelei. 

8.  e  am  Ende  einsilbiger  Wörter:  Äe  er,  de  der. 

9.  e  vor  urspr.  h  (hwV):  je:n  sehen,  gj^e.'fi  geschehen;  diese 
Wörter  weichen  auch  in  der  Konjugation  des  Präs.  von  den  übrigen 
zu  derselben  Klasse  gehörigen  Verben  ab.     /c   Vieh  s.   unter  Nr.   2. 


10.  e  in  hd.  (?)  Wörtern:  dej^n\g9  (Hauptton  auf  der  ersten, 
Neben  ton  auf  der  zweiten  Silbe!)  derjenige,  ge:ffi^  gegen  (die  nur  auf 
dem  Lande  vorkommende  Form  ^e;^g  liat  denselben  Laut). 

§  19.     i. 

1.  i  =  urspr.  kurzem  t  in  gesehlossener  Silbe. 

vil  will  (and.  willeo,  wili),  stil  still,  spil  Spiel,  spiün  verscbiitten. 
^iU  Schild,  milt  l.  mild,  2.  Milz,  JUlba  Silber,  ilk  Iltis;  timpm  Zipfel, 
imm  Imme,  Biene,  stimm  Stimme,  nimt  nimmt;  tinn  Zinn,  Uivt  blind, 
bhm  1.  binden  (2.  drinnen),  finn  linden,  fivtn  Finten,  Ausflüchte,  klij)i) 
klingen,  rffrjg  handeln,  abdingen,  dii}stax  Dienstag,  fiqa  Finger,  krhß 
Bretzel,  rfirjfc  Ding;  /iijr)  liegen;  §/p  Schiff,  rip  Rippe,  krip  Krippe: 
mit  mit,  smit  Schmied,  lit  Glied;  du  dies,  it  isst,  föffit  vergisst,  Ma 
bitter,  splita  Splitter;  likq  lecken,  snik  Schnecke  (mnd.  snigge),  sfprikt 
spricht,  ik  ich,  dik  dick;  Ji/ii  sitzen,  bitn  bitten;  g^fjix  Gesicht,  dix 
dicht,  nahe;  (fif  Gift,  (ntgifm  Abgaben,  Steuern),  gift  giebt;  rf/S  Tisch, 
twi^n  zwischen;  mis  1.  Mist,  2.  nass  (in  dem  tautologischen  Kompositum 
mis}iat  mit  dem  Hauptton  auf  der  ersten  Silbe),  kis  Kiste,  garis  gewiss. 

2.  t  =  urspr.  langem  t  in  der  2.  und  3.  Sg.  Präs.  der  Verba  der 
«-Klasse :  Wi/is,  blift  bleibst,  bleibt,  drifs,  drift  treibst,  treibt ;  rü  reitet, 
snit  schneidet;  krixt  kriegt,  erhält,  stixi  steigt;  gript  greift,  knipt  kneift; 
bit  beisst,  rit  reisst  usw.  —  Dazu  lix  leicht,  fÖlix  vielleicht.  —  In 
allen  Fällen  ist  urspr.  Doppelkonsonanz  vorhanden,  wahrscheinlich 
auch  in  vit  weiss. 

3.  i  =  urspr.  kurzem  e  in  geschlossener  Silbe,  namentlich  vor  « 
und  Ä-.    (In  diesen  Fällen  kommt  schon  im  Mnd.  teilweise  i  neben  e  vor.) 

♦wiwä  Mensch,  finsta  Fenster,  hii}S  Hengst,  rnjÄ*r|  winken,  äiijW 
Henckel;  blik  Blech  (mnd.  .bleck,  blick),  fdik  Gartenbeet  (mnd.  blek. 
blik),  lika  der  Lecker,  Laffe,  pik  Pech,  prikln  prickeln  (mnd.  prekelen, 
daneben :  pricken ;  Subst.  prekelinge,  daneben :  prickelingc,  Korrespon- 
denzblatt XIII  37),  kiklrem  (Ton  auf  der  1.  Silbe)  Zungenband,  sfik^ 
Zündholz,  Stricknadel;  kitin  kitzeln;  tillgij  Zweig. 

4.  i  ist  entstanden  aus  langem  e  (=:  got.  al,  in)  und  meistens 
schon  im  Mnd.  vorhanden. 

hit  heiss  (Mt  wird  auch  noch  gebraucht,  aber  seltener),  ins 
einmal  (in  der  Stadt  wenig  gebräuchlich),  (tvinll  zwanzig  (as.  twentig), 
hill  heilig  (mnd.  hillich,  in  der  Stadt  wenig  gebräuchlich;  (da  hill'ji^ 
Allerheiligen  in  der  alten  Bauernregel  ida  hillgi}  jit  dj  vivta  opm  ^?7/f/ij). 
hinakf  hiuts^  Äi«S  Heinrich,  Heinz;  lieh  das  Licht  (mnd.  lecht.  licht, 
as.  Höht). 

§  20.     T. 
1.  T  =:  urspr.  langem  t. 

vT/*  Weib,  Zl/*  Leib,  Ivf  Leibe  (Dat.  Sg.  von  ttß;  rt:m  Leim, 
dl:mm  Diemen,  Heudiemen,  vl:m  Wiem,  Hühnerwicm,  hisu'J:mm  in 
Ohmnacht  fallen;  pJl  pfeilgerade,  wiT/ Meile;  ;)T;n  Pein,  Schmerz,  rl.-w 
Wein,  Jl;»  sein  (esse,  suus),  äl.wi  Schein,  fl:n  schwächlich  (fein);  i1: 
Ebbe  oder  Flut  (Tide),  föstr\:n^  f<jstr\:dn  rittlings  (nach  der  Männer 
Weise),    r\:di\  reiten;    r\in  reissen,    smltn  schmeissen,    kwV  kwitt.   ftV 


Pleiss,  ^t  1.  seicht,  2.  die  Seite,  3.  seit;  dlk  1.  Deich,  2.  Teich,  tth 
j^erade,  ghk  gleich,  spiLi  Speiclier;  plp  Pfeife,  shpm  1.  schleifen, 
2.  schlüpfen,  grlpm  greifen;  drls  dreist,  dlsl  Deichsel,  föhlstan  irre 
machen,  verwirren,  TctlHta  Kleister,  r\s  Reis,  T.9  Eis;  kr\:x  Krieg,  fl:x 
Foij^e  (ficiis),  h\x  Beichte;  via  Metalldraht,  fla  Feier,  sp\.i  etwa  Härchen, 
m\ar^m  Ameise  (tautologisches  Kompositum),  1i\a  hier;  -Zir,  ä/v/j/Tx, 
sreWl  schrecklich,  glykll  glücklich;  danach  auch  die  Wörter  auf  -«//, 
z.  B.  mcxtl  mächtig,  sehr,  ÄMijarT  hungrig;  fofl\  fünfzig.  (Vgl.  Ndd. 
Jahrbuch  XVI,  S.  1)8.  99.)  Nach  Analogie  lA  hellfj^  d^:x  bei  hell- 
lichtem Tage. 

Anm.  1.  In  den  Verben  auf  (mlid.)  -ieren  wechselt  I  nnd  e;  in  der 
Stadt,  znmal  bei  der  jüngeren  Generation,  scheint  dnrch  Einflnss  des  Hd.  i  das 
^wohnliche  zu  sein:  i^ogian  regieren,  hantlan  hantieren,  halhun  barbieren  usw. 

Ann).  2.  Durch  Ersatzdehunng  ist  i  schon  im  Altsächsischen  entstanden 
in  dem  Worte  ß:f  fünf  (got.  fimf). 

2.  I  =  ursprüngl.  kurzem  i  am  Ende  der  WtJrter. 
fcl   bei;    t;T   wir,   j\   ihr,    wl   mir,    mich,    rfl   dir    dich;    n\  nicht, 
(dagegen  wl;  nie,  mnd.  ni). 

§  21.     (h 

1.  0  =  ursprüngl.  kurzem  o  in  geschlossener  Silbe. 

holi  Holz,  hölln  hfilzern,  holin  Bolzen,  hol  hohl,  fiitholln  aushöhlen, 
folk  Volk,  fdlgi}  folgen,  oVmJ  morsch,  holpm  geholfen;  got  Gott,  hat 
Angebot;  slot  Schloss  (an  der  Thür);  fos  Fuchs,  os  Ochs;  kok  Koch, 
stok  Stock,  rok  Rock,  troki^  gezogen,  fö^rokq  erschrocken,  erschreckt; 
daxla  Tochter,  tox  Zug,  ox  ach;  hof  Hof,  grof  grob,  lof  Lob,  fttof 
Staub;  fros  Frost,  bosn  Busen  (mnd.  bösem,  bosme,  bossen,  as.  bosom); 
AowT  Honig  (mnd.  honnich);  krop  Kropf,  Aop  Kopf,  dop  kleines  Kind, 
top  Spitze;  dona  Donner  (mnd.  doner,  donner,  donder),  jonia  Sommer 
(auf  dem  Lande  sagt  man  j'ima ;  mnd.  sommer,  somer,  samer).  Danach 
vielleicht  homa  Hammer,  korna  Kammer,  stoman  stottern  (stammeln; 
nnid.  stameren),  onia  Eimer,  vielleicht  ist  aber  das  o  nachträglich  aus 
ä  verkürzt,  wie  man  denn  in  Hamburg  hkma,  kkma  spricht. 

2.  0  =  ör  vor  Fortis:  jotl  Vorteil,  otl  L^rteil,  kot  kurz;  o)d\ 
ordentlich;  hos  Horst  (Ortsname),  hosn  geborsten,  hos  Brust,  ^ost^n 
Schornstein;  mulvop  Maulwurf. 

3.  0  =  a  vor  It  (1k):  JoU  Salz,  smoU  Schmalz,  moU  Malz;  hols 
hältst,  holt  hält,  hol  hielt;  swolk  Schwalbe  (Deminutivum).  —  Ausserdem 
rot  Ratte  (schon  mnd.  rotte  neben  rat). 

4.  0  =  fi  in  Itrox  brachte  (vgl.  Ndd.  Jahrbuch  XVI,  S.  92,9ß :  dazu 
die  Bemerkung  auf  S.  93),  i?o  nach. 

.5.  0  =  ö  in  kofs,  koftf  kof  kaufst,  kauft,  gekauft,  kaufte;  Jar.<f, 
Jö.r/,  Joz  suchst,  sucht,  gesucht,  suchte;  lot  Iliiss;  jedenfalls  auch  in 
fofty  fünfte,  foftnin  fünfzehn,  foflT  fünfzig  (fof  fünf  findet  sich  in  andern 
Mundarten).     Ueber  hosn  siehe  oben  Nr.   1. 

6.  0  =:  ursprüngl.  kurzem  u  in  den  Präteritis  holpm  halfen,  froki^ 
zogen,  fo&roki}  erschraken,  erschreckten.  —  Dazu  op  auf. 


M 

§  22.    8. 

1.  0  =  ursprüngl.  or  (ur):  jox  Sorge,  stox  Storcli,  ßx  Purcht, 
hox  Burg ;  ßk  Forke,  bok  Rinde,  snoky  schnarchen ;  b&gi)  borgen,  fnogt) 
Morgen;  gö/*  Schorf;  8Ö5  Georg,  bos  Bursch,  Lehrling;  vom  Wurm:  toi 
Streich,  Schelmenstück  (frz.  tort);  von  geworden,  stofßin  gestorben, 
föclobm  verdorben.  —  Dazu  ion  Boden  (sekundäres  r  aus  d;  dann 
und  wann  hört  man  auch  noch  bom). 

2.  ö  ^  ursprüngl.  ar:  kSl^  l^(d)l  Karl,  ^ohT  gar  nicht,  örfl  sehr 
(eig.  artig),  kht  Karte,  onJidt  Arnold.  —  Wahrscheinlich  ist  in  all 
diesen  Wörtern  zunächst  Dehnung  des  a  zu  ä  eingetreten,  welches 
dann  wieder  zu  ö  verkürzt  wurde,  wie  denn  die  Formen  ghxi  gar,  kSu^U 
Karte,  kMl  Karl  noch  bei  uns  vorkommen  (vgl.  §  14,6). 

S  23.     ö, 

1.  ö  =  Umlaut  von  o. 

OL)  blök  Blöcke,  siöka  Stöcke,  rök  Röcke;  döxtan  Töcht<*r;  fös 
Füchse,  kös  Festlichkeit,  Hochzeit,  köstl  köstlich,  kösta  Küster;  kop 
Köpfe,  dop  kleine  Kinder,  oß.-hakröp^  affektiert  in  der  Sprache;  holta 
Hölzer,  mÖla  Müller;  Mtl  Schüssel;  t*T  jölt  wir  sollen,  Jolln  sollen, 
rölhi  wollen,  döxt  taugt,  v\  könt  wir  können. 

ß)  kötns  kürzlich,  köta  kürzer,  kös  Rinde,  Kinste,  ßdän  weiter 
bis  zu  Ende   (mnd,  fordan),  dö^n  dreschen,  dö^  Dorsch,   fö-  vor,  ver-. 

Y)  öl^  1.  das  Alter,  2.  älter,  öl^vi  1.  altern,  2.  Eltern. 

h)  alöpt  schläft  {dröpt  trifft). 

e)  bdmöt  begegnet,  höt  heizt,  röpt  mft,  ^öxt  sucht;  stöi  stösst. 
Jöpt  läuft,  döft  tauft,  getauft;  grötn  grösser,  (jrötsU  grössto,  grötj  Grösse. 

^)  öpO'Std  oberste,  der  Vorgesetzte. 

2.  0  =  älterem  e  (schon  im  Mnd.  teilweise  o,  geschrieben  o), 

OL)  vor  l:  cilltm  elf,  twöllf  zwölf,  jöUlmi^  Jölps  selbst;  smoltn 
schmelzen,  vÖltan  wälzen;  Jörti)  schreien;  hölp  Hülfe;  liölln  bellen,  hol 
Hölle,  Aö/Ts  tüchtig,  sehr.  —  Nach  l:  löän  löschen. 

fi)  in  andern  Fällen:  Jos  sechs;  frömt,  frömp  fremd;  sicömm 
schwimmen;  rönn  rennen;  löt  bis.  —  vrötitp  Wermut  (mnd.  wermode, 
wormodc,  wormede);  fötl  Viertel  (mnd.  verdd), 

S  24.  0. 
\.  0  =z  Umlaut  von  or  {ur):  Ijoga  Bürger;  dop  Dorf;  (o/*  Torf,  kof 
Körbe,  dghm  dürfen,  vi  doft  wir  dürfen  (danach :  ik  dgf  ich  darf) ;  dos 
Durst,  fgs  Fürst,  Im  1.  Borste,  2.  Bürste;  fgdan  fordern;  stgtn  stürzen, 
dgtain  dreizehn,  dgtl  dreissig  (mnd.  dortich);  hgtm  tränken,  Itgn  die 
Tränke;  dgx  durch. 

2.  g  =  ir  in  hd.  Wörtern:  Sgm  Schirm,  kgx  Kirche,   A^§  Kirsche, 
Äp§  Hirsch,   vgt^af  Wirtschaft  usw. 

3.  In  einzelnen  Beispielen:  mggi^  mögen,  «I  mgxt  wir  mögen;  fngn 
müssen,  ?'T  mgt  wir  müssen.     Man  sollte  nn/':gy,  mnin  erwarten. 


^1 

§  25.     ö. 

1.  Ö  ■=  got.  as.  0,  mhd.  uo. 

stöl  Stuhl,  pöl  Pfütze  (Pfuhl),  spül  Spule,  So/  Schule;  Äö^  Hut, 
wöt  Mut,  flöt  Flut,  göt  gut,  Wö<  Blut;  wöc/^i  Mutter,  brüda  Bruder, 
/ijnyin  sputen,  röa  Ruder;  bök  Buch,  dök  Tuch,  klök  klug;  fcö:/*  Bove 
(Eigenname),  spitshöf  Spitzbube,  ÄöTfn  Hufeisen;  gonox  genug,  fo:x 
Fuge,  slö:x  schlug  (dazu  frö:x  fragte);  hösn  Husten;  Wo/m  Blume; 
dö:n  thun;  mO^  Moor;  ä;ö  Kuh,  tö  zu. 

2.  0  =  got.  aw,  mhd.  om,  6. 

bo:m  Baum,  p5:m  Saum,  stö:m  Staub,  drö:fn  Traum,  rö:m  Rahm, 
Sahne;  köpm  kaufen,  löpm  laufen,  knöp  Knopf  (Knauf),  tuhöpm  zu- 
sammen (zuhauf);  glö:bm  glauben,  rö:bm  rauben;  stro  Stroh,  flö  der 
Floh;  brQt  Brot,  döt  1.  tot,  2.  der  Tod,  röt  rot;  gröt  gross,  göi  goss, 
l)ö:t  bot  (Prät.  von  be-dn  bieten),  äö^  schoss  (Prät.  von  üetn  schiessen); 
rök  Rauch,  ök  auch;  ö:x  Auge,  flö:x  flog,  höx  hoch;  Zö;n  Lohn, 
§ö:wii  schonen,  tömbaqk  Ladentisch  (hoUänd.?);  lös  los,  ö^n  Osten, 
ösfdn  Ostern;  löf  Laub;  wm  Mohr,  ö.'*  Ohr,  röa  Rohr,  Jöä  trocken; 
/*rö  Frau  (mnd.  vrouwe),  dröin  drohen  (mnd.  drouwen). 

3.  ö  =  ä  in  den  Prät.  stöln  stahlen,  vöigiQ  wogen,  brökq  brachen, 
sprök^  sprachen. 

4.  ö  =  urspr.  kurzem  o  (u)  vor  r: 

d^  das  Thor,  spö(i  Spur,  oci^kk  Ursache;  dmn  Dorn,  köan  Korn, 
/öi«  Turm,  höiin  1.  Hörn,  2.  hörnern,  gjböan  geboren;  vö^n  Norden; 
mödt  Mord,  vö(it  Wort,  (>2i  Ort,  Ahle,  hö:it  Brett  (Bord),  föats  sofort, 
jnkU  Pforte. 

5.  0  =  a  vor  Id:  ölt  alt,  äöZ/  kalt,  foln  Falten,  höln  halten. 
G.  ö  =  an  vor  s:  gös  Gans,  östxiU  Oswald. 

7.  ö  =  ursprüngl.  langem  ü  am  Ende  eines  Wortes  oder  Stammes. 
trö  treu,  tröiu  trauen,  bö:n  bauen,  bröiu  brauen,  vSui&ön  warnen, 
§ü   scheu,   gröin   grauen.   Wo:»   Knäuel.     Die   meisten  dieser  Wörter 
haben  schon  im  Mnd.  neben  -uw  auch  -ow. 

8.  Am  Ende  einsilbiger  Wörter:  Jö  so,  dö  dann,  da,  vö  wo 
(vielleicht  hd. ;  anderswo  sagt  man  vä^i  wo?  wie  dSu^  dort),  ^ö:  ja  (als 
Verstärkung,  namentlich  einer  Negation). 

§  26.     Ö. 

1.  8  =  Umlaut  von  got.  6  (mhd.  üe), 

stdl  Stühle;  hb\t  Hüte,  gdmU  Gemüt,  Wö:rfl  blutig;  A:ö  Kühe; 
//iÖ:(7a  Brüder;  iöfci  Bücher,  dbka^  rfÖÄ;  Tücher; /ö^«Ö:a?^  vergnügt;  A:ö:/T 
kühl;  JÖÄ;r)  suchen,  töA:  Buche,  b&tn  heizen,  ind  mbt  entgegen;  m^'.t 
müde,  ß\da>  Fuder,  misfn&:dl  missmutig,  öZ/mÖ:rfl  sanft,  sachte;  b\ba 
Ufer,  grb:f  Grube,  badrb'.ft  betrübt;  m&x  Mühe;  Wö:m  blühen,  gr&in 
grün;  fd^n  fuhren. 

2.  5-  =  Umlaut  von  got.  au  (mhd.  öm,  ö?). 

b^im  Bäume,  ß:mm  säumen,  drö.m  Träume,  afröim  den  Rahm 
abnehmen;  k&pa  Käufer,  löpa  Läufer,  knlSp  Knöpfe;  glb:bm  glauben; 
//Ö  Flöhe;  irö:^  Brote;  r^kan  räuchern,  öW»?äw  Beiname  (meistens  = 
Schimpfname);  hMd  Höhe;  c?a:r/ö«Ä Tagelöhner,  äö:w  schön;  /Ö:Jw  lösen, 

Nitderdeatoohas  Jahrbuch  XVUI.  7 


98 

bstl  östlich;  stbtn  stossen;  döpm  taufen,  röp  die  Raufe,  afstripm  ab- 
streifen; /oiö/' Erlaubnis,  Verlaub;  dr&:x  trocken,  6Ö:^  biegen,  beugen; 
smbkg  schmauchen,  rauchen;  Jd6:bm  spalten,  stbibm  stäuben,  stöibl 
staubig.  —  Vielleicht  gehört  hierher  auch  16: f  Löwe  (=  mnd.  lauwe), 
wenn  es  nicht  aus  dem  Hd.  entlehnt  ist. 

3.  ö  =  ursprüngl.  kurzem  o  (u)  vor  r. 

vÖÄ,  xfioda  Wörter,  bMci  Oerter,  iö^rfl  gebürtig,  Viada  Bretter; 
pS^dna  Pförtner;  spÖAW  spüren;  Aö^n  Homer,  föt&cin  erzürnen;  b&as 
Börse  (als  Versammlungsort). 

4.  ö  =  an:  g6:s  Gänse;  vielleicht  auch  in  dat  sinb:t  es  schmeidigt. 

§  27.     w. 

1.  M  =  ursprüngl.  kurzem  u  in  geschlossener  Silbe. 

um  um,  dum  dumm,  brumm  brummen,  kumm  Kumme  (irdene  oder 
porzellanene  Schüssel),  pump  Pumpe,  stump  stumpf  (nicht  scharf), 
mumln  murmeln,  Jumpeta  (Ton  auf  dem  e!)  Sankt  Peter  =  22.  Februar; 
munt  Mund,  vunt  wund,  hunt  Hund,  Junn  Sonne,  tunn  Tonne;  Juj^k 
jung,  struT}k  Strunk,  tui^i}  Zunge;  gadult  Geduld,  iula  Schulter,  bulan 
donnern  (mnd.  bulderen);  but  stumpf  (nicht  spitz),  nut  Nuss  (mnd. 
nut  neben  not),  put  Topf  (mnd.  put  neben  pot),  mut  Schlamm  (mnd. 
mudde);  stupm  Baumstumpf  (mnd.  stubbe);  vulf  Wolf,  vul  Wolle, 
vulln  wollen  (aus  Wolle),  mtd  Staub,  ful  voll;  uns  uns,  kuns  Kunst; 
lus  Lust;  luf  Luft. 

2.  ti  =  urspr.  kurzem  o  in  geschlossener  Silbe :  pul  Schopf,  Haar- 
büschel (mnd.  pol),  svuta  Nasenschleim  (mnd.  snotte),  vul  wohl;  Jul 
sollte,  mux  mochte,  kun  konnte,  vul  wollte;  fupm  foppen,  vus  Wurst, 
vutl  Wurzel  (mnd.  wortele).  —  In  Fremdwörtern:  Juldijt  Soldat,  vux 
Woche,  sluspiats  Schlossplatz. 

3.  u  verkürzt  aus  ursprüngl.  langem  ü  oder  6  (teilweise  schon  im 
Mnd.):  krupt  kriecht,  Jupt  säuft,  snuft  schnaubt,  iuft  schiebt,  slut 
schliesst,  juxt  saugt;  mut  muss,  mus  musste,  vus  wuchs,  vu&  wusch 
(danach  vusn  gewachsen,  vusn  gewaschen),  nux^  gdnux  genug,  vu  wie, 
gundäx  guten  Tag,  juxi^  Joachim,  Jochen. 

4.  ti  im  Prät.  und  Part.  Perf.  Pass.  einiger  urspr.  reduplizierender 
Verben:  ful,  fulln  fiel,  gefallen,  /wg,  /wgg  fing,  gefangen,  Ai*g,  Awijg 
hing,  geliangen  (auch  hängte,  gehängt),  guij  ging.  —  Die  Formen  mit 
u  im  Prät.  finden  sich  schon  im  Mnd. 

5.  tt  r=  ursprüngl.  kurzem  a:  fun  von  (vielleicht  unter  Einfluss 
des  Hd. ;  auf  dem  Lande  sagt  man  allgemein  fan).  Die  (in  der  Stadt 
selten  vorkommende)  Endung  -äwp  -schaft,  z.  B.  Je/Sifp  Gesellschaft, 
zeigt  schon  im  Mnd.  o  (as.  -scap,  -skepi). 

6.  u  nachträglich  verkürzt  aus  ä:  unt,  untj  Ente,  muqk  Mahncke, 
jtikop  Jakob,  vümädax  Nachmittag,  brumlb^an  Brombeeren  (schon  mnd, 
brummelbere). 

Aum.     lieber  das  überkurze  ü  vergl.  §  2,5. 

§  28.    y. 
1.  y  =  Umlaut  von  kurzem  u  in  geschlossener  Silbe. 
dyma  dümmer,  jyi^  jünger,  stryi}k  Strünke,  pyt  Töpfe,  vyüf  Wölfe, 


hffis  Künste,  mit  lysn  verlangend  (eig.  mit  Lüsten,  mit  Verlangen), 
lyfm  lüften  (ein  Zimmer).  —  btß  Büsche;  byk  Böcke,  plyk  Pflöcke, 
plyki}  pflücken,  dryki}  drücken,  myk  Mücke,  fn/ks  Beinkleid ;  bryx  Brücke, 
ryx  der  Rücken,  oplyxn  (Ton  auf  der  1 .  Silbe)  aufheben,  lichten  (mnd. 
luchten),  dyastJ  tüchtig;  bys  Büchse,  vys  Würste,  kysn  1.  küssen, 
2.  Kissen,  nystan  nüstern;  kyman  kümmern,  hympl  Haufe  (mnd.  humpel); 
fynn  Sünde,  dyn  dünn,  gynn  gönnen,  kynl  kundig,  bekannt,  änSynn 
anstiften,  verleiten ;  slyi}!  Schlingel ;  tyfl  Pantoffel,  Stoffel,  dyfa  Täuber 
(mnd.  duffer);  drypi  Tropfen,  knypl  Knüppel,  Knittel,  sfiypln  straucheln 
(mnd.  snubbelen),  kryp  Krippe  (selten,  gewöhnlich  krip) ;  gryt  Grütze,  pyi 
Pfütze,  lyt  klein,  spryt  Spritze ;  kyl  Kälte  (mnd.  kulde,  kuldene  neben  kolde). 

2.  y  verkürzt  aus  langem  ü  (got.  iu):  gyt  giesst,  flyt  fliesst,  byt 
bietet,  flyoti  fliegt,  fryst  friert,  fölyst  verliert  usw.,  frynt  Freund. 
Hierher  gehört  vielleicht  auch  drytd  dritte. 

3.  y  nachträglich  verkürzt  aus  (b:  hyi^ki)  Hahn  am  Fass  (eig. 
Hähnchen),  fymtain,  fymil  siebzehn,  siebzig. 

4.  y  z=  e  oder  i:  gystan  gestern,  op  gynt  s\t  jenseits  (auf  jener 
Seite;  he  het  do  byks  op  gynt  Sit  st^:hln  er  hat  die  Hosen  in  die 
Stiefel  gesteckt) ;  krympm  krimpen,  krempen ;  dazu  Jysta  Schwester  (selten). 

5.  2/  =  eo,  io:  yma  immer  (mnd.  ummer),  nyms  niemand  (mnd. 
numment). 

G.  y  =.  Umlaut  von  ü  oder  6:  tymln  taumeln  (schon  im  Mnd. 
tummelen  neben  tumelen),  %/?  Schaufel  (mnd.  schuffeie  neben  schüfele), 
Ji//m  seufzen  (ahd.  süfteon,  süfton);  rys  Rost  (eisernes  Gitterwerk, 
mnd.  röste.) 

§  29.     ce. 

1.  ö?  ist  Umlaut  von  ursprüngl.  kurzem  u  in  offener  Silbe. 

Ja?:«  Sohn,  h(ß:n  der  oberste  Boden  im  Hause  (eig.  Bühne), 
driBifin  dröhnen;  a:W  übel,  ceiba  über;  mod  Mühle,  poel  Pfiihl;  koeim 
Kümmel  (cuminum);  kroepl  Krüppel;  vost  Nüsse,  slostl  Schlüssel,  koetl 
Kot;  ta?:pT)  die  Lügen,  Jlr  h(»:gi}  sich  freuen,  hop.x  Freude,  dcß:gj^ 
taugen,  mop:gi^  mögen,  ündcß:x  schlechte  Streiche  (eig.  Untugenden), 
Jtf.-x  Sau,  fcpigl  Zügel,  tce:gln  zögern;  &/ö?ä:  Schlund,  ;VE^r)  jucken,  boßhin 
klopfen;  snoß:bni  Schnupfen;  rfccjl  dumm  (wird  auch  gebraucht  von 
allem,  was  man  nicht  genauer  definieren  kann),  doß:skop  Dummkopf. 
—  f(E.i  vor,  vorne  (as.  furi,  mit  fora  vermischt),  fceash  vorderste, 
d(ra  1.  Thür,  2.  durch,  nura  mürbe,  heran  aufheben,  baut  Bahre,  st(r:i 
Stör  (1.  Sturia,  ein  Fluss,  2.  Sturio,  ein  Fisch). 

2.  cß  ist  Umlaut  von  ursprüngl.  kurzem  o  in  offener  Silbe. 

h(r:f  Höfe,  groß: bei  gröber  (Comp,  zu  grof),  hm: hast j  oberste, 
l(B:1/m  loben,  J(B:bm  sieben  (mnd.  soven  neben  seven);  Aroj^wa  Käthner, 
Kossäte,  goßt  Ausguss,  skB:t  Schlösser  (an  der  Thür);  krcet  kleiner  Kerl 
(eig.  Kröte),  kroßtl  zornig,  leicht  zum  Zorn  geneigt;  (cß:x  (Plur.  von 
iox)  dumme  Streiche,  foß:x  Vögte,  ti'or:x  Tröge  (Plur.  von  trox);  roo:gi^ 
Rogen  (Fischeier) ;  (»pm  öffnen ;  kncßkan  knöchern,  kmk  Küche,  korM  Köchin. 

Anm.  Bei  manchen  Wörtern  ist  es  zweifelhaft,  ob  der  Vokal  rr  auf  altes 
u  oder  o  zurückgeht,    1.   weil   man  nicht  überall  die  altsächsischen  Fonnen  hat 

7* 


100 

tind  2.  weil  schon  im  As.,  vielmehr  noch  aher  im  Mnd.  der  Vokal  vieler  Wörter 
schwankt.  (Dies  gilt  auch  von  andern  Vokalen.)  Es  scheint,  dass  wir  in 
onomatopöischen  Wörtern  den  Vokal  (b  hevorzugen,  z.  B.  rcetan  rasseln,  klcet^m 
klappern,  sncetan  schnattern,  pkeUin  plappern;  grcßln  schreien.  —  In  iürm:bl 
Frevel,  toroßsblll  frevelhaft  (mnd.  wrevel,  vrevel)  scheint  die  Nachbarschaft  des 
w  den  Stammvokal  beeinflasst  zu  haben;  ob  auch  in  Jm.'brn  (sieben)  das  u  der 
letzten  Silbe  (got.  sibnn)  auf  den  Stammvokal  eingewirkt  habe,  erscheint  mir 
zweifelhaft.  —  Ganz  zweifelhaft  ist  die  Etymologie  von  gor.i  kleines  Kind,  br(r.:Sl 
knrze  Pfeife,  stoatbrcß:Jlli  von  schmutziger  Gesichtsfarbe. 

3.  0?  ist  Umlaut  von  ursprüngl.  langem  d  (sehr  selten). 

oß:s,  oßsta  Plur.  von  &s  Aas  (als  Schimpfwort),  pcßl  Pfähle,  n(r:t 
Nähte  (Plur.  von  nSit  Naht). 

4.  oß  ist  Umlaut  von  ursprüngl.  kurzem  a. 

r(B:t  Räder,  hkjr:t  Blätter,  foß:t  Fässer;  gl(ß:s  Gläser,  glcp§ß  Glaser; 
srt^/.'ft  schal;  vielleicht  auch  in  klccUirl  schlecht  (vgl.  klatcirl). 

§  30.     Q. 

1.  ü  =  ursprüngl.  langem  ü. 

sWciQ  sclilucken,  ftrüfaj  brauchen,  gebrauchen,  krnk  Kruke,  Krug, 
luk  Fensterladen,  Deckel  über  einer  Keller-  oder  Bodenöffnung,  rfüA*ij 
tauchen ;  kr^pm  kriechen,  ^Vipm  saufen,  hvLpm  Haufe,  glvLpm  mit  grossen 
Augen  von  unten  auf  oder  von  der  Seite  sehen,  glüptox  ein  'Zug',  den 
man  unbemerkt  thut;  snuihm  schnauben,  ^rnibni  schrauben,  §ü://m 
schieben;  f(il  fiiul,  schmutzig,  büln  Masc.  Beule  (Sg.),  swvLl  schwül, 
hüln  heulen,  Hl  Eule  (auch  Handfeger),  mü/  Maul,  üüln  verstohlen 
blicken,  schielen,  ^nllopm  die  Schule  schwänzen  (eig.  wohl  "sich  ver- 
stecken"; das  Wort  §ü:rt  geschützt  vor  dem  Winde,  welches  in  andern 
Gegenden  Holsteins  und  in  Schleswig  vorkommt,  ist  bei  uns  nicht 
gebräuchlich),  knl  Grube,  Grab;  h\xs  Haus,  mns  Maus,  Ju :Jn  sausen, 
rfü:Jw^  tausend,  ktms  Auswuchs,  Knorr,  füs  Faust,  püsn  pusten,  blasen, 
prüsn  niesen;  du:/* Taube,  t\X:n  Zaun,  dü:n  1.  trunken,  2.  Dune  (Daune), 
hr\l:n  braun;  dn:m  Daumen,  rüim  Raum,  Schiffsraum,  kn:m  kaum; 
ü^  aus,  öntn  draussen,  ärüfav  schaudern,  klnt  Erdscholle,  stntn  Semmel, 
Weissbrot,  äüt  eine  Art  Schiff  (Treckschuit) ;  l^t  laut,  brvit  Braut,  hnt 
Haut,  krüt  Kraut;  /ü^rij  juch  schreien  (jauchzen),  rü^  rauh;  iü^  Bauer, 
mm  Mauer,  dnan  dauern  (1.  Mitleid  erregen,  2.  währen),  jü^  sauer, 
§ü*^  1.  Schauer  (Regenschauer),  2.  überdachter  Raum  (Scheuer),  l\un 
lauern,  warten,  nütüa^  Natur,  kn^  Kur,  pm  pur,  rein,  tn^i  Tour.  — 
trnf  Trumpf,  stuf  stumpf. 

2.  ü  am  Ende  einsilbiger  Wörter:  e/ü  du,  wü  nun,  jetzt;  jn  euch. 

§•31.     y. 

1.  y  =  altem  langem  ü  (entstanden  aus  im). 

dyibl  Teufel,  rfy/§  deutsch,  ly:t  Leute,  liyt  heute,  nyttl  niedlich,  tyr 
Zeug,  §y:w  Scheune,  dystd  düster,  dunkel,  dya  teuer,  s^y^i  Steuer,  /y^i  Feuer. 

2.  y  ist  Umlaut  von  altem  langem  ü. 

rfyÄxin  untertauchen,  Aypl  häuüg,  hy:p^  Äy:  5  Häuser,  my:  5  Mäuse, 
knyis  Plur.  von  knüs,  fys  Fäuste,  pyst'i  Löschhorn,  tyinn  zäunen, 
Schwatzen,  dy:7nl  Däumling  (Ueberzug  über  einen  verletzten  Finger), 
ry:mll  geräumig,   ytas  äusserst,    klytn  Kloss,    Mehlkloss,    ly:dn  läuten, 


101 

6ry:dl^aw  Bräutigam,  Äy/ Häute,  Äry: (7a  Kräuter,  Jy.tö  säuerlicli,  fAtJaH 
natürlich;  Xy:wiJ^rt  saumselig,  ntlysti^n  ausklügeln,  ausprobieren  (eig. 
aushorchen),  hya  Miete,  dyijlll  schwindlig,  ;y>  schleclites  Getränk 
Mauche);  fjan  führen,  aus  Fichtenholz.  —  tryif  Trümpfe,  tryibm 
Trumpf  ausspielen. 

3.   einzeln  in  fyini  zornig,  wahrscheinlich  =  veninsch  (giftig). 

^  §  32.     ai. 

1.  ai  =  ursprüngl.  äj  (äw): 

draiin  drehen,  kraiin  krähen,  krai:  Krähe,  Rabe,  maiin  mähen, 
nai:n  nähen,  Jai:w  säen,  vaiin  wehen;- Ä/a/rn  kratzen.  —  klaiin  die 
Kleierde  ausgraben. 

2.  ai  =  ag,  eg^  eh, 

aiin  Grannen  an  der  Aehre ;  ai:  Ei  (ovum) ;  aiS  hässlich  (schrecklich) ; 
Jail  Segel,  ^ailn  segeln,  pailn  peilen;  taiin  zehn.  Ueber  diese  Wörter 
vgl.  Ndd.  Jahrbuch  XVII,  S.  136 — 140,  wo  auch  über  gail  geil  und 
rai^kj 'Reinke  gesprochen  wird.  haista>  Elster.  —  twaii^  intwai:  entzwei; 
ai:n  streicheln  (wobei  man  ai:  sagt). 

3.  ai  in  den  Verbalformen  shxiis^  slaiit  schlägst,  schlägt,  staiis^  staiit 
stehst,  steht,  gaiis^  gaiit  gehst,  geht,  dai:s^  dai:t  thust,  thut.  Hier- 
über vergl.  ebenfalls  Ndd.  Jahrbuch  XVII,  S.  136  ff. 

Ausserdem  findet  sich  der  Diphthong  ai  noch  in  vielen  andern 
Wörtern,  in  denen  auch  schon  im  Mnd.  ei  auftritt.  Manche  davon 
sind  offenbar  hochdeutsch. 

§  33.     au, 
au  =  au  (ahd.  äw),  ow,  ouw. 

blau:  blau,  grau:  grau,  gau:  schnell,  gsnau:^  nau:  genau,  knapp 
(mit  ftatia  r?0^),  batiauit  beengt,  flau:  flau,  mau:  Aermel,  hau:n  hauen, 
kau:n  kauen,  drau:n  drohen  (selten),  tödraun  (Ton  auf  der  1.  Silbe) 
zögern,  mit  der  Ausiührung  seines  Vorhabens;  glau:  schlau  (nur  vom 
Gesichtsausdruck),  dau:  der  Tau,  tau:  das  Tau,  klau:  Klaue,  födau:n 
verdauen,  staicn  stauen.  —  Ä:wati/ Knäuel,  krnuln  kribbeln,  kitzeln.  — 
rau:n  ruhen  (selten),  bau:n  bauen  (selten). 

§  34.     oi, 

1.  ot  ist  Umlaut  von  au  (ow^  aw), 

froi:n  freuen,  froi:t  Freude,  stroi:n  streuen,  hoi:  Heu,  wohl  auch 
in  sloif  Schleife. 

2.  oi  =  mnd.  oi:  floitn  flöten,  sloici  Schleier. 

3.  0%  entstanden  aus  palatalisiertem  o:  moii]  (guten)  Morgen  (nur 
als  Begrüssungsformel) ;  poitn  Pfoten,  hk:mpoitn  Hagebutten.  —  In  den 
beiden  letzten  Wörtern  hat  man  sich  ursprünglicli  hinter  dem  t  ein  j 
zu  denken,  welches  in  einigen  Mundarten  nocli  vorhanden  ist. 

4.  oi  entspricht  früherem  ei  in  dwoil  Wischtuch  (der  Schifter), 
sproi:n  spreiten,  auseinander  breiten;  woher  foil  Aufnahmelappen, 
Wischlappen  kommt,  weiss  ich  nicht.  In  swoi:n  (dal  ^ip  swoi:t  das 
[vor  Anker  liegende]  Schift'  dreht  sich  infolge  der  veränderten  Strömung) 
scheint  das  oi  aus  äi  verkürzt  zu  sein,  holländ.  zwaaie^i^  vielleicht  ist 
es  aber  auch  aus  ei  entstanden,  vgl.  Ndd.  Jahrbuch  XVI,  S.  102. 


102 


§  35.    Die  stimmlosen  Vokale. 

Ueber  die  stimmlosen  Vokale  (geschrieben  Ä)  ist  nichts  Besonderes 
zu  bemerken.  Im  Anlaut  ist  das  h  erhalten:  hiSt  Hut,  hunt  Hund, 
ÄTr  hier  usw.  Wird  ein  Wort  enklitisch  gebraucht  (steht  also  das  h 
nicht  mehr  im  Anlaut),  so  fällt  das  h  weg:  re:rfa  =  re:^  Äe  ritt  er, 
J^9  =  J9:  Äe  sagte  er.  Auch  sonst  fällt  das  h  im  Inlaut  weg,  es  sei 
denn,  dass  dem  mit  h  anfangenden  Teile  des  Wortes  eine  gewisse 
Selbständigkeit  zukommt,  z.  B.  je:ti  sehen,  ^d§e:n  geschehen,  aber 
dumhait  Dummheit.  Hinter  p,  ^,  k  scheint  es  allerdings  weniger  ein 
selbständiger  Laut,  als  vielmehr  eine  Aspiration  des  vorhergehenden 
Lautes  zu  sein:  göthaü  Güte;  die  Sache  ist  bei  schnellem  Sprechen 
schwer  zu  entscheiden. 


§  36.    Uebersicht  Aber  die  alten  Vokale  und  ikre  Enteprechnngen 

in  der  Gifickstädter  Mundart. 

Vorbemerkung.  Auch  in  unserer  Mundart  herrscht  das 
Bestreben  —  wie  im  Hd.  —  in  offener  Silbe  "langen",  in  geschlossener 
Silbe  "kurzen"  Vokal  zu  sprechen.  Diese  Regel  ist  aber  nicht  streng 
durchgeführt;  wohl  sind  meistens  in  offener  Silbe  die  alten  "kurzen" 
Vokale  zu  "langen"  geworden,  die  ursprünglich  "langen"  Vokale  jedoch 
haben  sich  auch  in  geschlossenen  Silben  bis  auf  einige  Fälle  behauptet. 
Namentlich  die  Lautverbindungen  ml,  mr,  sm,  kl  —  früher  mel,  mer, 
sem,  kel  —  teilweise  auch  sl,  tm,  dm  lieben,  obwohl  früher  durchweg 
vor  ihnen  tbnlanger  Vokal  stand,  in  unserer  Mundart  "kurzen"  Vokal 
vor  sich,  z.  B.  besn  Besen,  homn  Hammer  usw.  (daher  auch  die  Fortis 
s  statt  der  erwarteten  Lenis  J).  Andererseits  wird  —  ausser  in  einigen 
anderen  Fällen  —  in  der  2.  und  3.  Sg.  Präs.  der  starken  Verben  der 
lange  Vokal  verkürzt;  bei  schwachen  Verben  ist  eine  derartige  Ver- 
kürzung selten. 

Altes:  Glückstädter: 

kurzes  a  in  geschlossener  Silbe     .     .  a  §  12,i    (Umlaut  e  §  15,2). 

selten w  [/ttn  =  van]  §27,5;  [durch  ä] 

§  27,6   (Umlaut  y  §  28,s). 
oder 
vor  Id  .     ,     . 
vor  1  -+-  Fortis 


ar 


ah 

an 

ag,  ah 

aiv 


in  offener  Silbe  "1 
vor  r  zuweilen    / 
vor  Lenis  oder  vor 
zuweilen  [durch  ä] 
vor  Fortis  ausser  k,  p 


k. 


vor 


s  (th) 


0  J:;  21,1  am  Ende. 

oi2lj}(U°»laut«§23,xY.) 

ä  §  14,4  (Umlaut  ce  §  29,4). 
4  §  14,5. 
a  8  13,1. 
0  §  22,2. 
a  §  12,»  a. 

i   §    14,8. 

ö  §  25,8   (Umlaut  ö  §  26,4). 

ai  §  32,». 

au  §  33   (Umlaut  oi  §  34i). 


103 

Altes:  Glückstädter: 

langes  d....^ 4§  14,8    (Umlaut  e  §    18,6 

oder  oe  §  29,3). 
im  Prät.  einzelner  Verben  .  ö  §  25,3. 
in  geschl.  Silbe  zuweilen     .  a  §  12,3   (Umlaut  e  §  15,s). 

vereinzelt o  §  21,4  (Umlaut  ö  §  23,iÄ). 

äj *.  «i  §  32,1. 

äw AM  §  33. 

kurzes  e  in  geschlossener  Silbe     .     .  6  §  15,i.8. 

(d.h. ^od.e)  vor  n  zuweilen i  §  19,8. 

sonst  einigemale     .     .     .     .  S/  §  28,«. 

oder  ö    §    23,8     (schon    mnd.    o, 
geschrieben  o), 

\0T  d  (dd) 6  §  16,8. 

in  offener  Silbe  1    ....  9  §  17,i.8. 
vor  r  /  ....   9  §  17,1.8. 

oder  e  §  18,6. 

er  selten 6  §  16,i. 

vor  Lenis  oder  vor  k,  p      .  ä  5^  13,8. 
vor  Fortis  ausser  ä;,  p    .     .  a  §  12,8ß. 

€g^  eh ^^  §  32,8. 

langes  e  (vgl.  auch  ai  und  tu)      .     .   e  §  18,3.4. 
im  Prät.  einiger  urspr.  redupl. 

Verben ti  §  27,4. 

[in   geschlossener  Silbe   zu- 
weilen    i  §  19,4.] 

kurzes  i  in  geschlossener  Silbe     .     .  t  §  19,i. 
am  Ende   der  Wörter   oder 

Stämme I  §  20,8. 

sonst  in  offener  Silbe      .     .  9  §  17,i. 

ir  in  hd.  Wörtern 0  §  24,8. 

[i  durch  Ersatzdehnung  in  f\:f  T  §  20,i.] 

langes  I I  §  20,i. 

am  Ende   der  Wörter   oder 

Stämme 6  §  18,?. 

im    Präs.    der    Verben    der 

i-Klasse  und  sonst,  verkürzt  i  §  19,8. 
kurzes  0  in  geschlossener  Silbe     .     .   0  §  21,i  (Uralauto  §  23,ia). 

zuweilen w  §  27,8   (Umlaut  y  §  28,i). 

in  offener  Silbe  \  .     .     .     .  &  §  14,i  ß  (Umlaut  cb  §  29,2). 
vor  r  j   .     .     .     .  ä  §  14,i  ß  am  Ende. 

oder  ö  J^  25,4  (Umlaut  ö  §  26,3). 
or  vor  Lenis  oder  vor  k^  p  .  ö  §  22,i  (Umlaut  g  §  24,i). 
or  vor  Fortis  ausser  i,  p    .     .  0  §  21,8  (Umlaut  ö  §  23,iß). 

ow aw  §  33  (Umlaut  oi  §  34,i). 

ogi,  oi oi  §  34,8. 

langes  0 ö§  25,i   (Umlaut  ö  §  26,i). 


104 

Altes:  Glückstädter: 

verkürzt o  §  21,6  (Umlaut  ö  §  23,i  c). 

oder  u  §  27,s  (Umlaut  y  §  28,6). 
kurzes  u  in  geschlossener  Silbe     .     .  m  §  27,i  (Umlaut  y  §  28,i). 
zuweilen  (durch  Formenaus- 
gleichung)  0  §  21,6  (Umlaut  ö  §  23,i  x). 

am  Ende  der  Wörter.     .     .  ü  §  30,2. 
sonst  in  offener  Silbe      .     .   ä  §  14,i  a  (Umlaut  a?  §  29,i). 
[durch  Ersatzdehnung      .     .  ü  §  30,i  am  Ende  (Umlaut  y 

§  31,«).] 

langes  ü ü§  30,i  (Umlaut  y  §  3 1 ,2). 

am  Ende   der  Wörter   oder 

Stämme ö  §  25,?. 

verkürzt  (bei  starken  Verben)  u  §  27,3  (Umlaut  y  §  28,6). 

(got.)  ai  (vgl.  e) e  §  18,i. 

vereinzelt c  §  15,4. 

oder  i  §  19,4. 

(got.)  au ö  §  25,2   (Umlaut  Ö  §  26,2). 

(got.)  iu  (mhd.  ie) e  §  18,2. 

(mhd.  iu) y  §  31,i. 

verkürzt  (in  Verbalformen) .  y  §  28,2. 
[ei  vielleicht  vereinzelt     .     .     .  öi  §  34,4.] 
(mnd.)  oi oi  §  34,2. 

Zusatz.  Vor  etwa  50  Jahren  war  der  Vokalismus  ein  etwas 
anderer;  man  sprach  nämlich  statt  y,  y,  os  (letzte  senkrechte  Reihe 
der  Uebersicht  in  §  2)  i,  T,  ^  (1.  Reihe),  z.  B.  grit  =  gryt  Gnitze,  ml.s 
=  my\s  Mäuse,  k^k  =  hxk  Küche  usw.  Ebenso  sprach  man  statt  Ö 
(vorletzte  Reihe)  e  (zweite  Reihe),  z.  B.  grQ:n  =  grb\n  grün;  ob 
man  aber  auch  e,  6  statt  ö,  0  sprach  —  wie  man  nach  der  Analogie 
annehmen  muss  — ,  habe  ich  nicht  genau  ermitteln  können;  grosseu- 
teils  scheint  es  so  gewesen  zu  sein,  doch  ist  es  wahrscheinlich,  dass 
man  damals  in  gewissen  Fällen  auch  ö  sprach.  Die  Leute,  die  so 
sprachen,  (mag  auch  der  eine  oder  andere  noch  leben)  sind  jetzt 
ausgestorben. 

SOLINGEN.  J.  Bernhardt. 


105 


Marienklage. 


Dit^)  is  unser  leiuen  vrouwen  claglie  tho  dude  dei  sei  hadde  do 
uiise  leiue  here  ihesus  cristus  ghecruceget  wart*). 

A.  Na  moghe  ir  [alle]  gerne  hören  saghen 

Van  der  iemerliken  claghen 

Dei  maria  hadde  und  leid, 

Do  sei  sach  dat  bister  gescheit*) 
5  Van  Jesus  seile  und  liue. 

Id  was  wunder^  dat  sei  to  line 

Mochte  bliven  einighe  stund, 

So  sere  was  ere  herte  ghewnnd. 

Sei  sprach:  'o  wi  und  o  wach, 
10  Dit  is  dei  iemerlikste^)  dagh 

Den  iu  moder  mohte  liden. 

Wat  sal  mi  nu  dat  lenen?' 

Se  ensprach  nu  ungednltich^)  word 

Sei  klagede  den  iamerliken  mord 
15  Den  dei  Juden  hadden  ghedaen. 

Sei  sprach:  'war  sal  ich  arme  gaen? 

A  mich,  wu  is  mir  gescheit! 

Ich  enekan  mir  helpen  nied. 

Alle  moderlike  herte 
20  Ene  leden  nu  so  grote  smerte 

So  ich  arme  moder  lide 

In  dessen  iamerliken  tiden. 

Herte  leiue  kind,  wo  hebbe  ich  di  verloren, 

Dat  du  mi  weres  so  uterkoren 
25  To  steruene  vor  dei  werlde  al*). 

—  Och  ich  ene  wed  nicht  wat  ik  sal.  — 

Din  dot  dei  sundere  hat  verlost. 

Wo  bin  ich  arme  wiff  so  unghetrost 

Dat  mi  betere  were  dei  bittere  dot 
30  Dan  to  lidene  disse  nod. 

Och  wat  bin  ich  wat  sal  ich  don? 

Ich  enekan  gerasten  noch  geruwen^). 

Nu  moder  leit  so  groten  rouwen 

Dan  ich  arme  vrouwe. 


')  In  Bezug  auf  die  Schreibung  ist  zu  bemerken,  dass  an  Stelle  des  häufig 
aber  doch  ganz  willkürlich  stehenden  ,,y''  durchgängig  ^i^  gesetzt,  die  wenig  zahl- 
reichen Abkürzungen  aufgelöst  und  die  Interpunktion  eingeführt  wurde;  wo  aus 
anderen  Rücksichten  eine  Aenderung  im  Texte  notwendig  schien,  geben  die  Noten 
Äufschluss.  ')  in  roter  Schrift.  ■)  subst.  =  Scheidung.  *)  hs.  iemerlike.  *)  hs. 
ungedult.    *j  hs.  werld  alle.     ')  derselbe  Reim  Veldeke,  Kn.  8971,  S.  I.  2969. 


106 


35  Mir  ig  so  hertelike  wee 

Mochte  ich  steraen  ich  enegerde  nicht  me'). 

Och  herte  leiae  kind  miii, 

Wo  lesta  nu  dei  leiae  moder  din 

So  ungetrost  vol  iamerheide! 
40  Nn  moder  ene  geschach  so  leide 

Also  is  gescheit  mi  armen  wine. 

Ich  enemach  nicht  blinen  to  line.* 

Do  mochte  marien  herte  to  riten 

Vnd  in  dnsent  stncken  to  spliten 
45  Van  der  iamerliken  smerte 

Gench  er  ein  swerd  dor  er  herte. 

Nn  was  der  leine  Jhesns  dot 

Nn  hord  wo  grote  not 

Dat  maria  dei  maghet  dreff. 
60  Wo  sei  opsprank  vnde  greif 

An  dat  cmce  na  sime  line. 

Dar  bestont  sei  wnnder')  to  drinen 

Wand  sei  in  roven")  nicht  enmochte. 

Do  yel  sei  nider  nnde  sochtede 
55  Vnd  ward  van  horten  so  kranch 

Dat  sei  np  dei  erden  sanch. 

Sei  sprach:  ^och,  ich  ene  kan  nicht  me. 

Nn  moder  ene  word  so  wee 

Noch  ene  leit  so  grote  noed. 
60  Alhir  mot  ich  bliuen  doet/ 

Sei  kerde  sich  nmme  to  den  Juden. 

Se  sprach:  'wolte  mi  to  eme  doden, 

Jesum  mine  leine  kint; 

Och,  wo  sit  ir  van  horten  al  so  blind  V 
65  Sei  klagede  so  iemerlike 

Dat  nei  moder  ene  ward  er  gelike. 

^Seghet  ir  valsche  iodesche  deit, 

Erbarmet  in  min  iamer  neit 

Den  ich  nu  sei  und  lide 
70  In  so  iemerliken  tiden?' 

Sei  sprak:  'o  wi  ond  o  wach, 

Leine  kint  mochte  ich  noch 

Bi  dir  sin  also  ich  hau  ghedaen 

Dammme  wolde  ich  mich  laten  slaen. 
75  Och  mochte  ich  dat  erwemen 

Dat  ich  bi  dir  mochte  stemen, 

So  en  wolde  ich  nicht  mer  klaghen 

Den  groten  rouwen  den  ich  draghen.* 

Do  leid  maria  ere  hande  hangen 
80  Vnd  schrei  dat  er  dei  wanghen 

Worden  van  den  treuen  roed. 

Nu  mensche  Ternam  dei  noed 

Noch  den  iamer  den  sei  dreff 


^)  hs.  mer;  ebenso  V.  57.    ')  D.  188  groiz  iamer;  wunder  in  der  Bedeut 
^seltsame,  schreckliche  Dinge'?    ')  hs.  rovnen.    D.  189  foeren. 


107 

Vnd  wo  iemerliken  dat  sei  greif 
85  An  ere  herte  nnde  sprach: 
'0  wi  0  we  und  o  wach! 
AI  den  iamer,  den  in  moder  leid, 
Off  dat  leide^)  van  leine  er  gescheit, 
Del  ene  mach  den  iamer  nicht  gheliden 


} 


D. 
94—117 


B.  Dei  mi  to  einer  moder  haet  erkoren*. 

Do  wrank  sei  ere  hande  tosamen  and  sprach: 

*0  wi  0  we  nnd  o  wach")! 

Ich  sei  min  kint  hir  hanghen  dot' 
5  Van  ronwen  mochte  sei  8chrien  blöd. 

Sei  sprach:  'och  na  entrostet  mi  neiman[t].' 

Do  quam  ere  neve  snnte  Johan 

Vnde  horde  disse  wort 

Vnd  her  genk  do  to  marien  vord 
10  Hei  sprach:  'maria  dat  saghe  ich  dir 

Dat  dn  bist  benolen  mir.' 

Hei  nam  sei  in  sine  arme 

Vnd  bestont  sochten  nnde  karmen. 

Hei  sprak:  'war  is  min')  moet 
15  Der*)  iamers  ene  ward  na  besocht? 

Och  Jesus,  wo  bistu  uns  so  hard 

An  desser  lesten  henevard!* 

Do  nmme  venk  hei  marien  ande  sprach: 

'0  we  mir  armen  und  o  wach! 
20  Dat  ich  dit  alhir  moet  sein 

Des  mot  min  herte  van  mir  vlein. 

Ich  wel  yil  leiuer  stemen 

Dan  wi  beide  verderaen. 

Maria  uns  is  onele  gescheit, 
25  Ich  ene  kan  di  gehelpen  neit' 

Do  sach  maria  Jhesns  an 

Mit  manighen  heten  trän. 

'Herte  leine  kint  ich  bidde  di>) 

Dei  di  droch*)  snnder  we, 
30  Wammme  hasta  mi  beghenen? 

Ich  ene  mach  nicht  langher  leuen.' 

Wei  den  Jamer  sach  dei  moste  .weinen') 

Wer  geleghet  sin  herte  van  steinen. 

Johannes  was  so  sere  vorsaghet 
35  Doch  hoppede  hei  op  dei  maghet 

Wante  sei  eme  benolen  was. 

Eme  Word  wers  nnd  nicht  bas. 

Do  wände  eme  dat  herte  breken 

Wante  eme  Yorghenk[dar]  dat  spreken. 


')  Hs.  leyff  van  leyue.    ')  hs.  Do to   sameu  Sey  sprach  o  wach 

o   wy  ün  0   we.    *)  hs.  syn.    *)  hs.  des.    ')  so  die  hs. ;  vielleicht  besser  mit  D. 
bin  de.    *)  hs.  dorch  ungeboren.    ')  hs.  schreyen:  steynen. 


108 

40  Van  deme  iamere  den  hei  dar  sach 

Leit  hei  grot  angemach. 

Dar  waren  bi  drei  ander  marien 

Dei  ene  künden  des  nicht  vertighen, 

Schriens  und  jamers,  wante  sei  saghen 
45  Wo  maria  und  Johannes  laghen 

Vmmevluhten  mit  eren  armen. 

Dat  mochte  nns  allen  wol  erbarmen. 

Nu  was  dei  menscheit  an  ihesnm  erstomen 

Dei  uns  van  der  helle  haet  erworuen. 
50  Wante  sin  menqchelike  doet 

Verloste  uns  van  der  helscher  nod. 

Do  dit  allet  was  gescheit 

Do  ene  wolden  dei  Juden  staden  neit 

Dat  ihesus  und  dei  twe  mordere  man 
55  An  deme  cruce  bleuen  haen 

—  Wante  et  was  ere  pasche  auend  — . 

Do  quamen  sei  to  sament') 

Und  ghengen  in  piiatus  hus 

Und  spreken  to  eme  aldus: 
60  'Disse  drei  man  sint  vorscheden. 

Wi  ene  moghen  nicht  langher  beiden. 

Men  sal  sei  don  her  aue 

Vnd  bestaden  sei  to  graue.^ 

Do  piiatus  horde  disse  rede, 
65  Nu  hört  wat  hei  do')  dedde: 

Hei  yIo  achterwart  in  einen  grauen 

Vnd  snet  sine  kellen  schier  aue'). 

Dit  ene  wiste  nochtand  nei  man 

Dat  dit  piiatus  hadde  ghedaen. 
70  Do  quamen  dei  Juden  ghegaen 

Vnd  säen  dei  drei  doden  haen. 

Sei  breken  den  morderen  ere  been  / 

Wante  ere  ene  leuede  ghein. 

Do  sei  to  Jhesum  quamen^) 
75  Vnd  ok  dat  vernamen 

Dat  Jhesus  verscheiden  was, 

Do  wart  eme  ein  ritter  gehas 

Dei  dede  eme  .     .     .   '.     .     . 

D.  50—54, 
193—214 

C.  leiue  kint  ut  goet 

Do  hei  sins  hertzen  (so!)  minne  ut  vloet. 
Qhedenke  an  dei  quäle  diu 
Vndegeff  uns  helpe  schin. 
5  Verdreff  van  uns  der  seilen  dot 
Vnd  helpe  nns  ut  aller  noed. 

')  hs.  tosamen  synd.  ')  nicht  in  der  hs.  ')  vgl.  Z.  f.  d.  A.  17,  154.  ndd. 
Pilatus  legd :  Do  dit  Pilatus  vomam  hee  grep  sin  egene  mest  unde  snet  sik  sulven 
den  hals  entweig  unde  starf  ....  Doch  hier  Pilatus  als  Gefangener  in  Rom! 
*)  hs.  quame  to  Jhesum. 


Vnse  uod  si  di  bekant 

Helpe  ans  ute  der  sunde  bant. 

Snnderlike  yroawe  bidde  icb  dicb 
10  Dat  du  willest  boreu  micb 

Vnd  willes  ene  genedich  sin 

Dei  dar  lesen  dit  bokelin, 

Oftedei  it  boren  lesen 

Den  saltu  yrouwe  gbenedicb  wesen. 
15  Du  Salt  sei  bescbermen  und  behoden 

Vor  den  bösen  belschen  noden. 

Make  vronwe  ere  ende  gud 

Dat  ere  seile  si  bebod 

Vur  den  belscben  vianden 
20  Vnd  bebodet  ere  li£f  wor  (so!)  scbanden. 

Vnd  belp  en  dat  sei  alle  bir  to  komen 

Vorstehender  hs.  Text  der  bei  'Schade,  Geistliche  Gedichte  des 
XIV.  u.  XV.  Jhd.  vom  Niederrhein',  S.  214 — 21  nach  einem  Kölner 
Drucke  v.  J.  1513  bereits  gedruckten  Marienklage  ist  einem  Ms.  des 
British  Museums,  Sloane  NrL.  2601  Pp.  XV.  Jhd.  12™°  entnommen, 
wo  er  die  Bl.  29»>— SS'»-  füllt^). 

Vor  dem  Schade'schen  zeichnet  er  sich  nicht  etwa  durch  Reich- 
haltigkeit an  originellen  Zusätzen  aus  —  dafür  kommen  nur  die 
V.  A.  31  f.  B.  14  f.,  64 — 69  in  Betracht  —  ja  da  er  uns  in  Folge 
des  Fehlens  einiger  Blätter  leider  nur  fragmentarisch  überliefert  ist, 
bedürfen  wir  vielmehr  des  Druckes  (D)  zu  seiner  Ergänzung;  aber 
die  „stark  verwilderte  Gestalt*'  der  Überlieferung  in  D.  tritt  uns  in 
der  hs.  Fassung  weniger  schroff  entgegen,  das  hohe  Alter  des  Originales 
scheint  lebhafter  hindurch,  vor  allem  jedoch  gewährt  sie  uns  jene 
logische  Aneinanderreihung  der  Gedanken  und  Facta,  wie  sie  ent- 
schieden das  Original  geboten^  die  spät  gedruckte  Überlieferung  aber 
völlig  durcheinander  geworfen  hat.  Dies  zusammengenommen  mag 
den  Wiederabdruck  des  Gedichtes  rechtfertigen,  das  ein  Kenner  dieses 
einst  hochgepflegten  Zweiges  der  Poesie  ;,naiv  und  empfindungsvoll 
wie  die  meisten  der  niederrh.  geistlichen  Dichtungen"*)  nennt. 

Wenden  wir  uns  zunächst  kurz  dem  letzterwähnten  Punkte,  dem 
AuQbau  unseres  Gedichtes  zu. 

Den  ersten  grösseren  Abschnitt  (a)  können  wir  von  A.  1 — 46 
rechnen  und  ihn  abgesehen  von  der  Einleitung  V.  1 — 8  als  Klage 
Mariens  unter  dem  Kreuze,  während  das  Leben  Jesu  noch  nicht  ent- 
flohen ist,  bezeichnen.  Es  folgt  (ß)  A.  47—89  +  Lücke  (=  D.  94 
bis  117)  -H  B.  1 — 5  erneute  Klage  Mariens  um  den  nun  toden  Sohn, 
Y)  B.  6 — 47  Marias  und  Johannes  Wechselrede  und  Klage,  in  welche 
die  „drei  anderen  marien"  einstimmen.  Nun  S)  ein  Scenenwechsel. 
B.  48 — 69  die  Juden  bitten  Pilatus,  die  Körper  Jesu  und  der  beiden 


')  Im  Cataloge  nur:  „Prayers  in  Dutch";  genauere  Beschreibung  u.  Inhalts- 
angabe des  Ms.  werde  ich  an  anderer  Stelle  bringen.  ')  Schönbach,  Marienklagen 
1«74,  S.  47. 


110 

Schacher  vom  Kreuze  nehmen  zu  dürfen.  Pilatus-Episode,  e)  B.  70 
bis  78  •+-  dem  grössten  Teil  der  Verse,  die  das  nun  fehlende  Blatt 
füllten  (=  D.  50 — 54,  193 — 210)  anfangs  wieder  unter  dem  Kreuze: 
Longinus-Episode ;  dann  Grablegung,  die  freilich  in  unserer  Hs.  ganz 
verloren  gegangen,  aber  aus  D.  sicher  zu  ergänzen  ist.  Endlich 
7))  die  Bitte  des  Dichters  um  Jesu  und  Mariens  Hilfe,  von  der  uns  die 
V.  C.  1 — 21  erhalten  sind. 

Gewiss  eine  völlig  logische,  durchsichtige  Gliederung;  nicht  so 
in  D.  Hier  ist  vielmehr  o  (doch  fehlt  wie  oben  angedeutet  die 
Pilatusscene  überhaupt),  die  Longinus-Episode  von  e,  der  grösste  Teil 
von  ß  und  endlich  das  ganze  y  zwischen  a  geraten,  das  so  in  zwei 
Teile  V.  1 — 28  und  V.  166 — 82  gespalten  wird;  dann  erst  folgt  der 
Anfang  von  ß  (V.  183 — 92),  der  zweite  Teil  von  e  und  r^. 

Mit  dem  Original  gegen  D.  hat  unsere  Fassung  sicher  auch  das 
gemein,  dass  die  V.  B.  18 — 25  Johannes  in  den  Mund  gelegt  werden: 
freilich  in  der  Form,  in  welcher  sie  in  D.  erscheinen,  gehören  sie 
Marien  an  (vgl.  bes.  D.  V.  135  f.),  passen  aber  schlecht  genug  in 
diesen  Zusammenhang. 

Dasselbe  Verhältnis  zum  Original  wird  wohl  auch  der  Pilatus- 
Episode  einzuräumen  sein;  wenigstens  sehe  ich  keinen  genügenden 
Grund  dafür,  dass  dieser  naive  Zug  der  Volksüberlieferung  eine  jüngere 
Interpolation  sein  sollte. 

Schade  nennt  vorliegende  Marienklage  ein  „niederrheinisches" 
Gedicht  und  führt  (S.  206)  zur  Erhärtung  seiner  Ansicht  eine  Reihe 
charakteristischer  Reime  an,  darunter  mehrere  „ungenaue"  als  Beweis 
für  das  hohe  Alter  des  Stückes. 

Nun  alle  diese  Reime,  soweit  sie  nicht  in  eine  der  Lücken  fallen, 
finden  sich  in  unserem  Texte  wieder,  ja  sie  lassen  sich  noch  durch 
einige  bezeichnende,  wie  liden  :  leuen  (1.  liuen)  A.  11,  don  :  gern  wen 
(1.  doen  :  geroen)  A.  31,  moet :  besocht  B.  14,  di  :  we  B.  28,  endlich 
mit  -t-  n,  lide  :  tiden  A.  21  und  69,  rouwen  :  vrouwe  A.  34,  arme  : 
karmen  B.  12,  grauen  :  aue  B.  66,  vermehren. 

Zudem  zeigen  die  Reime  was  :  bas  (mhd.  baz)  B.  36  f.  und 
was  :  gehas  B.  76  wie  auch  die  Schreibung  „hertzen"  C.  2,  „der'' 
(Artikel)  A  47  und  die  mehimals  auftretenden  Pronominalformen  „mir, 
dir,  ir",  dass  hinter  der  sonst  rein  ndd.  Sprache  unseres  Fragments 
eine  Vorlage  stecken  wird,  deren  Lokalisirung  man  sich  —  nun  beide 
Punkte  zusamniengefasst  —  ganz  gut  am  Niederrhein  denken  könnte. 

Mit  dieser  Annahme  verträgt  sich  auch  vollständig  der  Versbau 
des  Londoner  Textes.  Zweisilbige  Fasse  finden  wir  weitaus  in  der 
Überzahl ;  doch  daneben  häufig  genug  drei-  und  viersilbige.  In  diesem 
Falle  wird  die  Senkung  gebildet  durch:  Bildgslb.  -f-  Bildgslb.  (z.  B. 
V.  A.  7,  67  etc.)  oder  Bildgslb.  +  Partikel,  Pronom.  Präposit.  Conj. 
Hilfsverb,  etc.  (z.  B.  V.  A.  4,  14,  36 ;  B.  5,  34  etc.),  Posscssivpron. 
(z.  B.  B.  67)  und  endlich  durch  einsilbige  Wörtchen.  (z.  B.  A.  31, 
38,  B.  54  etc). 

Die    Zahl   der    Hebungen    im   einzelnen    Verse   überschreitet    in 


111 

keinem  Falle  4  bei  klgd.  Ausgange  und  sinkt  ebensowenig  unter  das 
gewöhnliche  Maass. 

Wir  können  daher  wohl  annehmen,  dass  unsere  Fassung  auch 
im  Versbau  nicht  weit  vom  Originale  abstehen  wird,  ein  letzter  Punkt, 
worin  sie  vorteilhaft  von  D.  absticht. 

LONDON.  R.  Priebsch. 


Ein  viertes  Blatt  ans  dem  niedersächsischen 
Pfarrherm  von  Kaienberg. 


Zu  den  von  W.  Mantels  im  Jhb.  I,  S.  66—71  und  II,  145—48 
mitgeteilten  drei  Blättern  aus  dieser  Schwankdichtung  sei  im  Folgenden 
ein  viertes  hinzugefügt,  das  im  Brit.  Mus.  aufbewahrt  wird.  Ein  Gross- 
folioband nämlich  mit  dem  Titel  „Fragmenta  Vetusta"  enthält  eine 
stattliche  Anzahl  lat.  engl,  und  weniger  deutscher  Bruchstücke  alter  Drucke 
und  fliegender  Blätter  (auf  einem  solchen  z.  B.  „Maria  zart  von  edler 
art",  Wackernagel,  K  L  II,  1036)  und  darunter  auch  mit  der  Marke 

C  18  -J5  versehen,  2  Bl.  aus  dem  Pf.  v.  K.     Das  zweite  derselben  ist 

wie  das  eine  Veesenmeyersche  identisch  mit  dem  a.  a.  0.  abgedruckten 
zweiten  Blatte  der  Lübecker  Bruchstücke  (N),  während  das  erste  uns 
den  grösseren  Teil  des  Schwankes  „wie  die  Bauern  das  Chor  decken'^ 
überliefert  und  im  Texte  gerade  da  aufhört,  wo  N  I  einsetzt. 

Das  gleiche  Format  der  Blätter  (oktav)  in  N  und  L  (Londoner 
Frgmt.),  die  gleiche  Zeilenzahl  der  Seite  (33)  und  endlich  der  wichtige 
Umstand,  dass,  wie  oben  erwähnt,  N  II  und  L  II  sich  vollständig 
decken,  lässt  wohl  auch  ohne  Vergleichung  der  Typen  den  Schluss 
ziehen,  dass  wir  wiederum  Frgmt.  eines  Druckes  aus  der  nämlichen 
Lübecker  Werkstätte  vor  uns  haben,  leider  wiederum  nur  Frgmt.  — 
Erwähnung  verdient  auch  Folgendes:  L  I  zeigt  rechts  unten  den  Buch- 
staben B.  Dies  weist  natürlich  auf  eine  Lagenbezeichnung  hin.  Da 
sich  bei  L  II  davon  keine  Spur  findet,  so  scheint  das  darauf  hin- 
zudeuten, dass  sich  der  Drucker  begnügte,  nur  das  jeweilig  1.  Blatt 
einer  Lage  durch  den  fortlaufenden  Buchstaben  des  Alphabets  zu 
markieren.*)  Das  Lond.  Frgmt.  besteht  nun  aus  einem  Doppelblatt. 
Gesetzt  die  vollständige  Lage  enthielt  deren  zwei  (Bi — Biiij),  so  ist 
erhalten :  B  i  und  B  iiij  in  L,  B  ij  in  N  (direkter  Anschluss  des  Textes, 
s.  oben),  Biij  (also  ein  Blatt)  aber  verloren  gegangen.  Dies  würde 
vollständig  zu  Edw.  Schröders  Ausfühnmgen  (Jhb.  XIII,  S.  129  S,) 
gegen  Mantels  Annahme  stimmen. 


')  Dass   ein   solches  Zeichen   in   den   a.   a.   0.    veröffentlichten  Bl.    fehlt, 
bestätigt  eben  diese  Ansicht;  sie  waren  zufallig  nie  erste  Bl.  einer  Lage. 


112 

Es  erübrigt  nur  nocli,  den  Text  von  L  I  abzudrucken.  Daraus 
wird  hervorgehen,  dass  auch  hier  der  ndd.  Bearbeiter  seiner  hoch- 
deutschen Fassung,  die  in  dieser  Partie  gewiss  höchstens  in  Kleinig- 
keiten von  dem  Hambg.  Drucke  abweichen  könnte,  treu  und  gewissenhaft 
gefolgt  ist,  nur  etwa  dort  ändernd,  wo  es  sein  Dialekt  heischte. 

L  I*)  a.    Wente  he  dat  kerkhaes  decken  moet, 
lüde  wy  winen  em  kamen  vor 
Vnde  snelliken  decken  dat  koer, 
So  he  vns  de  kdre  heft  ghegheven. 
My  danket  yk  hebbe  ynw  gheraden  euen.* 
Se  spreken:  „da  hefst  vns  gheraden  recht^ 
Vnde  lacheden:  /  „wy  doen  alze  da  hefst  gesecht/ 
Se  senden  tome  kerkheren  ere  denres')  do 
Vnde  leten  em  seggen  alzo: 
Se  wolden  dat  koer  na  siner  wal 
Bereyden  vnde  decken  laten  oaeral. 
De  kerkhere  sprak:  „dat  benelt  roy  wol, 
Hyma  yk  my  rychten  schal, 
Up  dat  dat  gades  hnes  ghetzyret  werde 
Vnde  de  kerke  werde  ghedecket  mede.^     (so!) 
De  baren  hasteden  sere  mit  dem  koer, 
Vp  dat  se  qaemen  deme  kerckheren  tovoer 
Mit  des  kores  nygen  dake. 
De  kerkhere  yortroech  do  sine  sake 
Myt  dem  decken  mennige  wekeu. 
„Oy  hebben  so  nicht  gesecht'  /  de  baren  spreken. 
„Des  schale  gy  yaw  yammer  schämen. 
Yd  en  schal  my')  nicht  doen  yramen.'^ 
Den  kerckheren  wart  do  vertornet  sin  moet. 
He  sprak:  „yd  en  danket  yaw  nicht  gud, 
Dat  yk  drdghe  stae  to  köre  al  byr; 
Na  decket  snlaen  to  de  gathe  schyr, 
Dar  dorch  gy  werden  beregent.'' 
Eyn  yewelker  sik  do  ghesegende. 
De  baren  spreken  do  al  wi0: 
Eyn  Beißen  man  de  kerkhere  is. 
He  spnüi:  „ghesegent  ynw  dar  vor! 
Tk  stae  al  drdghe  in  disem  köre 
b.     Vor  reghen  vnde  ok  vor  winde. 

Vorsorget  ynwen  orth  myn  leneu  kynde, 
Wylle  gy  anders  nicht  ym  nathen  staen; 
Nicht  bethers  yk  yaw  raden  kan.'' 
He  leth  sik  nicht  vorschrecken, 
De  baren  mosten  de  kerken  decken, 
Wolden  se  anders  nicht  werden  nath 
Vnde  weren  se  ghewest  noch  so  qaad. 


*)  S.  V.  d.  Hag.  Narrenbuch  S.  280(unt)  — 82.  Interpunction  ist  im  Abdrucke 
eingeführt,  ebenso  grosse  Buchstaben  zu  Anfang  der  Zeile  durchgehend  gesetzt 
')  s.  Narrenb.  a.  a.  0.  Sandten  des  Richters  Kidam  ihm  zu.     ')  1.  yuw. 


IIB 

//  Hyr  kampt  de  kerckhere 
ynde  medet  arbeydes  lüde 
Tymme^)  loen. 

(HolxschnitU)  •) 
Eynes  daghes  do  wolde  he  gaen 
Vnde  meeden  arbeyden  lüde  ymme  dat  loen. 
He  qaam  dar  hen  an  de  meede  stad 
Eyn  yewelker  ene  vmme  arbeyd  bad. 
Menniger  was  em  do  bereyt. 
He  wysede  se  henne  to  der  arbeyt. 
He  benol  en  do  dat  arbeyt 

(Fortsetzung  NI.) 

OXFORD.  R.  Priebseh. 


^)  l.  ymme.     *)  Derselbe  wie  im  Ilambg.  Ex.  zu  diesem  Schwanke,  so  weit 
ich  wenigstens  aas  Mantels  Beschreibg.  (a.  a.  0.)  urteilen  kann. 

Ni«d«rd«iitooh«B  Jahrbuch.     XVIU.  8 


114 


\ 


Zum  Crane  Bertholds  von  Holle. 


Dass  das  in  den  Jahren  1250 — 1260  entstandene  romantische 
Epos  Crane  ^)  des  hildesheimischen  Ritters  Berthold  von  Holle  lange 
Zeit  in  Norddeutschland  verbreitet  und  beliebt  blieb,  bezeugt  die  That- 
sache,  dass  die  Pommersfelder  Handschrift,  durch  die  uns  etwa  vier 
Fünftel  des  ganzen  Gedichtes  überliefert  sind,  im  Jahre  1470  geschrieben 
wurde  und  dass  1444  in  Lübeck  ein  Fastnachtspiel  ^kran^  valke  vnde  stare' 
aufgeführt  wurde,  dessen  Stoff,  wie  Walther  in  diesem  Jahrbuche  C, 
29  f.  nachgewiesen  hat,  aus  demselben  Werke  entlehnt  ist.  In  etwa 
dieselbe  Zeit  wie  die  Pommersfelder  Abschrift  fällt  eine  Prosabe- 
arbeitung des  Bertholdschen  Gedichtes,  die  ich  kürzlich  in  der  Hand- 
schrift 26G7  der  Darmstädter  Hofbibliothek  entdeckte. 

Diese  von  A.  v.  Keller  (Altdeutsche  Handschriften  1890  S.  148 
Nr.  67)  und  Roth  (Germania  32,  344)  nur  oberflächlich  untersuchte 
und  beschriebene  Handschrift  besteht  aus  zwei  fragmentarisch  erhaltenen 
Teilen,  die  von  zwei  verschiedenen  Schreibern  und  auf  verschiedenen 
Papiersorten  (Wasserzeichen  beim  1.  Teil  eine  Wage,  beim  2.  ein  p) 
geschrieben  sind: 

1)  Ein  'boich  vain  dem  kristen  gelanfe  vnd  leaeii\  aach  lateinisch  als 
^Tabula  tidei  vite  Christiane*  bezeichnet,  in  64  Kapiteln,  die  zu  ffinf  Tractatns 
znsammengeordnet  sind.  Kapitel  42  enthält  ein  Gedicht  'die  mynnen  jadii' ;  alles 
andere  ist  Prosa,  und  zwar  in  kölnischer  Mundart.  Vor  jedem  Kapitel  steht  eine 
sorgföltig  geroalte,  mit  mehreren  Figuren  gezierte  Initiale.  4  Blätter  Register 
and  Bl.  II — CCCL  in  4";  das  erste  Blatt  des  Textes  and  eins  oder  mehrere 
am  Schiasse  fehlen.  Anf  Bi.  la  des  Registers  hat  eine  Hand  des  16.  Jahr- 
hunderts geschrieben :  'Lh/t  boych  hoyrt  to  smedem  [?]  vnd  js  to  houen  geleipti 
jm  jayr  anno  xxxviij  haben  ichs  wiyd&r  geholt    R  hJ 

2)  12  Blätter  in  gleichem  Format,  von  einer  wenig  späteren  Hand  des  15. 
Jahrhunderts  beschrieben,  neuerdings  in  falscher  Reihenfolge  eingebunden  und  als 
Bl.  351—362  signiert.  Sie  enthalten:  a)  Bl.  351,  361,  353—360  den  vom 
verstümmelten  Prosaroman  von  Crane;  von  dem  verlorenen  Blatte,  das  vor  351 
stand,  ist  ein  dreieckiger  Fetzen  irrtümlich  auf  eine  Lücke  von  351  aufgeklebt. 
Jede  Seite  enthält  33—37  Zeilen.  —  b)  Bl.  352,  das  mit  Bl.  361  zusammenhängt, 
den  Anfang  eines  Gedichtes  Der  hoe/uen  orden,  das  ich  binnen  kurzem  heraus- 
geben werde.  —  c)  Bl.  362a  den  Schluss  eines  Gedichts  über  das  Würfelspiel. 
—  d)  Bl.  362b  den  Anfang  eines  in  den  Jahren  1460—1470  zu  Köln  ent- 
standenen Gedichtes  'i:an  den  soll  boeue7i\  Alle  diese  Stücke  zeigen  gleichfalls 
den  kölnischen  Dialekt. 

Der  Prosaroman  gewinnt  nun  dadurch  ein  besonderes  Interesse 
für  uns,  dass  er  uns,  obwohl  unvollständig  überliefert,  in  den  Stand 
setzt,  den  in  der  Pommersfelder  Handschrift  des  Gedichtes  fehlenden 


')  Herausgegeben   von   K.    Bartsch,    Berthold   von   Holle.     Nürnberg   1858, 
S.  17—188  (4919  Verse). 


115 

und  nur  teilweise  durch  zwei  Fragmente  einer  älteren  Handschrift 
bekannten  Anfang  der  Handlung  genauer,  als  es  bisher  möglich  war, 
zu  rekonstruieren  und  auch  eine  spätre  Lücke  einigermassen  auszufüllen. 
FreiUch  muss  man  dabei  berücksichtigen,  dass  wir  es  keineswegs  mit 
einer  getreuen  Umschrift  des  Epos,  sondern  mit  einer  freien  und 
mehrfach  kürzenden  Nacherzählung  zu  thun  haben,  die  namentlich  die 
Personennamen  fast  vollständig  streicht.  Bei  Berthold  heisst  der  Held, 
der  als  zwölfjähriger  Knabe  seine  Heimat  verlässt  und  mit  zwei  gleich- 
gesinnten  abenteuernden  Prinzen,  Agorlin  von  Oesterreich  und  Agorlot 
von  Baiern,  an  den  Hof  des  deutschen  Kaisers  kommt  und  die  Liebe 
der  Kaiserstochter  Acheloyde  gewinnt,  Gayol,  Sohn  des  Königs  Dassir 
von  Ungarn;  im  kölnischen  Romane  wird  er  Angerlant  genannt 
und  ist  der  Sohn  des  Königs  von  Böhmen,  während  die  Prinzen  aus 
Oesterreich  und  Baiem  sowohl  wie  die  Tochter  des  Kaisers  von  Rom 
namenlos  bleiben.  Ebensowenig  wird  Achute,  die  Vertraute  Acheloydes, 
und  der  Marschall  Assundin,  der  nach  dem  Tode  des  ungarischen 
Königs  die  Herrschaft  übernimmt,  im  Prosaromane  namentlich  bezeichnet. 
Aus  den  beiden  nachfolgenden  Stücken,  die  ich  aus  dem  letzteren 
Werke  auswähle,  wird  man  ziemlich  deutlich  den  Stil  des  Erzählers 
und  sein  Verhältnis  zu  seiner  Quelle  erkennen  können.  Aus  dem 
ersten  Bruchstücke,  das  in  die  Lücke  zwischen  V.  137  und  138  des 
Gedichts  zu  setzen  ist,  ergiebt  sich,  dass  Bartsch  irrte,  als  er  in  seiner 
Ausgabe  Bertholds  S.  XXV  f.  die  Verleihung  der  Vogelnamen  an  die 
drei  ihre  Abstammung  sorgfältig  verhehlenden  Prinzen  allein  aus  einem 
Gespräche  zwischen  Acheloyde  und  Achute  hervorgehen  Hess  und  dem- 
gemäss  die  in  der  Zeitsclirift  für  deutsches  Altertum  1,  74  abgedruckten 
Versreste  ergänzte.  Femer  ersehen  wir,  dass  der  Krieg  vom  Kaiser 
lediglich  in  der  Absicht  begonnen  wird,  auf  die  vom  Ritter  vor- 
geschlagene Weise  das  Herz  seiner  Tochter  zu  erforschen. 

L 

Wie  die  Kaiserstocbter  den  drei  Jünglingen  Vogelnamen  gab,  nnd  wie  ihr  der 

alte  Ritter  falsche  BotMchaft  brachte. 

wat  bey 

ere  lieff,  lud 

en  off  voeren,  As  sij 

vaeren,  doe  wurden  sij  groiss 

5  keyser  hatte  bij  yem  eyne  scho 

ie  hey  vysser  maissen  lieff  hatte,  in 

yn  jonckheren  sijner  doichter  zo  plegen,  ind  ye 

[Lücke  von  etwa  80  ZeilenJ 

m  • 

SU 
mb  van  den 

10  jonffer  dede  ye 

hoeff  des  keysers  doi 

den  jongelinck  also  lieff  hed 

nde  zo  brechen,  ind  dat  sij  stelte 

oicht,  dat  sij  den  jongelinck  moicht  sp 

8*  ^     i 


m 

16  [361a]  den  heymlich  zo  yre  komen,  dat  sijne  gesellen  noch  nyemant  des 
gewar  enwurde.  Dit  bestalt  die  dienstjonffer,  wie  sij  moicbte,  dat  der  jonge- 
linck  bij  des  keisers  doichter  qwam.  Doe  sprach  sij  mit  yem  ind  bey  mit 
yre;  ind  wat  reden  sij  badden  off  wair  van,  des  enweiss  ich  nyet,  want  ich 
dair  bij  enwas. 

20  Der  keyser  beuall  den  seinen  dryn  jonckheren  ind  onch  den  anderen 

joufferen,  dat  sij  bij  sijner  doichter  weren  ind  machden  sich  ynder  anderen 
vrolich  ind  sich  ergetzden  samen.  Also  daden  sij  des  keysers  gebott  ind 
waeren  altzijt  mit  sijner  doichter  vrolich. 

Idt  geschach  dar  na  zo  eynre  zijt,   dat   sij  bij  enanderen  saissen  ind 

25  sunerliche  vntreitnisse  yrre  eyn  deme  anderen  sacbten  ind  up  ganen.  Also 
hoiif  die  jonffer,  des  keysers  doichter,  an  ind  gaff  deme  eyme  jongelinge 
yan  den  dryn  zo  raden,  ind  der  seine  was  des  hertzongen  son  van  Oesterich. 
ind  sprach:  ^Walhyn,  du  salt  eyn  vogeli  sijn  na  dyme  wonschen;  nn  sage 
np,  wat  Yogels  wenidstu  dan  alre  lieffste  sijn?'     Hey  antworde  ind  sprach: 

30  'Seulde  ich  eyn  vogeli  sijn,  so  wenlde  ich  sijn  eyn  starre'  (dat  is  eyne  sprae). 
Sij  sprach:  'Warvmb  wenlstu  eyn  starre  sijn?'  Hey  sprach:  *Were  ich  eine 
starre,  so  vermeirde  ich  myn  gesleicht,  dan  wurden  myner  maige  vill  ind 
gewnnne  vill  geselschaff.  Dar  vmb  weulde  ich  eyne  starre  s^n.'  S^  sprach : 
'Starre  saltu  heischen.' 

35  Sij  vraigde  den  anderen,  der  was  des  hertzongen  son  van  Beyeren,  ind 

sprach :  'Du  saltz  onch  eyn  vogeli  sijn  na  dyme  wonschen.  Laiss  mich  ver- 
stain,  wat  vogels  wenlstu  sijn?'  Hey  sprach:  'Seulde  ich  dan  eyn  vogeli 
sijn,  so  weulde  ich  sijn  eyn  valck.'  Doe  sprach  sij:  'War  vmb  weuldstn 
eyn  valck  sijn?'     Hey  sprach:  *So  wanne  as  vrauwen  ind  jonfferen  in  deme 

40  velde  reden  off  voereu,  so  wenlde  ich  alle  dat  wilde,  d[at  ich  kri]jgen  moichte, 
vangen  ind  vort  boeuen  yn  v[ liegen  ind  laissen]  dat  wilt  dan  vallen,  np  dat 
sich  h[erren  ind  vranwen  da]  mit  ergetzden  ind  vrolich  mac  [hden.'  Sij  sprach : 
'Valk  sal]tn  heischen.' 

Doe  vraigde  sij  [den  dirden,  der  was  des  ko]nyncks  son  van  Bee[men,  ind 

45  sprach:  . . . .]  senldz  sijn  [351b]  na  dijnem  wonschen,  sage  mir  doch,  wat  vogels 
weuldstn  sijn  ?'  Hey  antwerde  yre  ind  sprach :  'Seulde  ich  dan  eyn  vogeli  syn, 
so  weulde  ich  eyn  kraen  sijn.'  Sij  sprach:  Warvmb  wenlstu  eyn  kraen  syn?' 
Hey  sprach:  'Vmb  dat  mir  geyn  wort,  des  ich  haill  hanen  seulde  off  onch 
vngeburlich  zo   sagen   were,   vyss  mynem  langen   halss  bis  an  mynen  mont 

50  yedt  komen  seulde,  ee  dan  ich  wall  beraden  were  dat  zo  sagen,  da  mit  off 
yemans  anders  yedt  belancks  an  lege.'  Doe  sprach  die  jonffer :  'Craen  saltn 
heischen.'  Ind  achter  der  zijt  hieschen  sij  alle  drij,  der  e3'nre  Starre,  der 
ander  Valck  ind  der  dirde  Craen'). 

Idt  geueill  dar  na  zo  eynre  zijt,  dat  eyn  ritter  van  des  keysers  dieneren 

55  qwam  up  die  kamer  des  keysers  doichter  ind  sach,  wat  vrenden  des  keysers 
doichter  ind  yre  dienst  jonfferen  mit  den  dryn  jongelinck  hatten.  Dit  wart 
yn  moeden  ind  sere  verdriessen,  dat  hey  mit  ind  gel^jch  den  anderen  nyet 
van  den  jonfferen  vur  gezoigen  ind  lieff  gehadt  wart  gelijch  den  anderen, 
noch  man  yn  nyet  da  so  gerne  enhatte  as  die  drij  vreymde  jonckheren.    Ind 

BO  gienck  hyn  zo  deme  keyser  ind  sprach:  'Gnediger  herre,  hoirt  mich  eyn 
wort!'     Der  keyser  sprach:    'Sage  up!'     Hey  sprach:   'Lieue  herre,  ich  byn 


*)  Vgl.  Berthold  von  Holle,  Crane  V.  147  f.:  'De  drö  wurden  alzohant 
Valkc,  Stare  und  ('rano  genant,  YiT  andern  namen  man  vorgat.'  Ein  darauf 
folgendes  Gespräch  der  Kaiserstochter  mit  ihrer  Vertrauten  Achute  ist  im  Prosa- 
romanc  ausgelassen.  Der  folgende  Abschnitt  füllt  die  Lücke  zwischen  V.  183  und 
184  aus. 


117 

vire  gnaden  geswoeren  rait  ind  diener.  Nii  moiss  ich  ach  etzwat  sagen 
ind  bidden  vre  gnaden,  dat  int  best  willen  verstain.  Vre  doichter  na  alle 
mynen  synnen  so  halt  sij  der  jongelinck  eynen  van  hertzeu  liefif,   mar  wilch 

65  dat  sy,  des  enweiss  ich  nyet.^  Der  keyser  sprach:  ^Des  engeleunen  ich 
nyet.  Ich  halden  myne  doichter  vill  zo  wijse  dar  zo.  Alsnlchs  wesens 
erlaissen  ich  sij  wall.'  Der  ritter  sprach:  'Vre  gnaden  mögen  mir  des 
gentzlichen  gelennen;  want  ich  des  also  vill  gesien  ind  gemirckt  hain,  dat 
idt  sich  also  ind  nyet  anders  yynden  sali,  ind  yr  sult  myne  wort  wairhafftich 

70  Tynden.  Ind  wilt  yr  den  gantzen  gront  yernemen,  wer  idt  sij,  so  volget 
myns  raitz!*  Der  keyser  sprach:  *Wie?'  D[er  ritter]  sprach:  *Yr  sult  vrem 
naber,  deme  hertzongen  %  ynt[sagen  ind  wjerden  sijn  vyant  ind  trecken  yyss 

zo  yelde  in[d  befeien,  dat]  ych  alle  yre  dierer  yolgen,  dan  so  neyn  [ o]uch 

alle  drij.     Asdan  will   ich   w[ ]    zo  yernemen,   so   wilch   id[t   sij 

75 ]ch  mir  genoegt  des   re[ doichjter   zo  maill  liefif  [361a]  ind 

hedde  die  wairheit  ouch  gerne  dair  yan  gewist. 

Der  keyser  gienck  zo  ind  yntsacht  syme  näheren,  deme  hertzongen, 
iud  wart  sijn  yyant  ind  schreifiT  yem,  up  eynen  bescheiden  dach  mit  yem 
zo  strijden,  ind  machde  sich  dar  zo  bereit  mit  alle  syme  yolck,  nochdan  dat 

80  der  hertzouch  dem  keyser  nyet  misdain  enhadde,  anders  dan  des  ritters  rait 
ind  zobrengen  was.  Doe  sij  alsus  yyss  zoigeu  waeren,  doe  qwam  der  ritter 
zo  deme  keyser  ind  sprach:  'Herre,  idt  is  na  zijt;  ich-)  will  heym  rijden 
zo  myner  jonfiferen  ind  sagen,  wir  hanen  eynen  strijt  gehadt,  mar  doch 
geyneu  groissen  schaden  geleden,  dat  yire  gnaden  eynich  trefiflich  hyndemiss 

85  sij,  dan  Starre,  eyn  yan  den  dryn  gesellen,  sij  doit  blenen.  Is  dan  sach^ 
dat  der  der  reicht  schuldige  is,  dat  will  ich  zerstunt  an  yrme  gelaiss  wall 
mircken.'  Der  keyser  sprach:  'Doe  yem  also  ind  brenge  mir  wairafftige 
boitschaff  dair  yan!'  Der  ritter  reit  hyn  zo  der  burch,  da  die  jonffer  up 
was.    Ind  as  die  jonfifer  ind  yort  dat  huyssgesynde  dat  yernamen,  doe  qwamen 

90  sij  haistlichen  zo  dem  ritter  ind  yraigden  yn  ymb  nuw  mere.  Der  ritter 
sprach:  'Myn  herre  halt  eynen  strijt  gehadt  mit  deme  hertzongen,  mar  wir 
enhain  geynen  groissen  schaden  gehadt,  dair  eynich  yerlanck  an  sij,  dan 
Sterre  is  doit  gebleuen.*  Doe  yraigde  die  jonffer:  'Is  Starre  doit?'  Der 
ritter  sprach :  'Jae.'     Doe  schre  sij  sere  ind  was  ynmodich.    Der  ritter  sach 

95  sij  an,  ind  balde  dar  na  nam  hey  yrloff  yan  yre  ind  gesainde  sij  ind  reit 
wederymb  in  dat  her  zo  dem  keyser.  Der  sprach:  'Wat  is  der  meren?' 
Hey  sprach:  'Ich  dede  myner  jonfferen  diese  boitschaff,  aen  ich  sach  wall, 
dat  hey  der  ghene  nyet  en  was,  den  sij  lieff  hadde.' 

Des  anderen')  dags  qwam  der  ritter  wedervmb  ind  sprach  zo  der 
100  jonfferen  ind  dem  anderen  ingesynde:  'Myn  herre  hait  auer  gestreden.  Wir 
hain  nu  yill  youlcks  yerloireu  ind  ouch  etlige  trefflige  man  ind  myns  herren 
diener.'  Die  jonffrauwe  yraigde:  'Wer  sijnt  die?'  Hey  sprach:  'Vr  diener 
Valck  is  mit  doit  bleuen.'  Die  jonffrauwe  schree  ind  was  sere  bedroift, 
mar  hey  proiffde  wall,  dat  idt  noch  der  lieffste  nyet  enwas.  Doe  reit  hey 
105  wederymb  zo  deme  keyser  iud  sprach:  'Ich  hain  myner  jonfferen  gesacht, 
Valck  sij  doit  bleuen.  Sij  schre  ind  was  bedroefft ;  aen  ich  hain  wall  gemirckt, 
[361b]  dat  hey  der  lieffste  nyet  en  is.'  Der  keyser  sprach:  'Bijt  morgen  yroe 
weder  ind  brenge  mir  den  reichten  gront!' 

Der  ritter  hatte  dieser  Sachen  groissen  ylijss  ind  reit  des  dirden  dags  heym 


^)  Bei  Berthold  V.  379  und  389  ist  der  Angegriffene  ein  ungenannter  Graf. 
')  Hier  setzt  die  Pommersfelder  Handschrift  des  Crane  (V.  184)  ein. 
')  Bei  Berthold  V.  215  bleibt  der  Ritter  bis  zum  7.  Tage  beim  Kaiser. 


118 

110  zo  der  jonfferen  ind  sachte  yre  die  mere  van  yrs  yaders  wegen,  dem  keyser,  wie 
aner  eyn  groiss  strijt  laschen  yem  ind  dem  hertzongen  geweist  were  ind  syme 
herren  were  vill  vonlcks  erslagen,  dair  vnder  dat  Craen  yre  diener  ouch  doit  were        | 
bleuen.     Doe  dat  die  jonffer  boirde,   doe  wart  sij  so  sere  yerstoirt,   dat  sij 
geschrijen   noch   eyn   wort  nyet  gesprechen   knnde.     Dat  sach   yre   ouerste 

115  jonffer,  die  die  sachen  onch  wall  wist  ind  wall  knndich  was,  ind  voer  zo 
ind  drnckde  der  jonfferen  eyn  wijss  hermelyn  doit,  dat  sij  in  yrem  boesen 
hadde').  Ind  doe  dat  hermelyn  doit  was,  dair  entaschen  wart  sich  die 
jonffer  versynnen  ind  gebeirde  enxstlichen  ind  wart  doe  so  wall  schryen,  as 
sij  yrste  gedain  hadde.     Doe  sprach  die  dienst  jonffer  zo  yrre  jonfferen,  as 

120  menche  noch  der  andern  wall  hilpt,  as  idt  noit  deit:  *Sich,  gaet  hertze, 
sijt  yr  nyet  wijser,  dat  yr  vmb  eyn  cleyn  hermelijn,  alsalch  vnnutz  dier, 
also  gebeirt  ind  schrijet  also  sere !  Dar  vmb  laist  äff  van  snlcher  geckheit !' 
Doe  dat  der  ritter  sach,  doe  keirde  hey  vmb  ind  reit  balde  zo  dem  keyser 
ind  sprach:   'An  diesen  Sachen  endunckt  mich  nyet  s\jn.     Ich  bracht  myner 

125  jonfferen  diese  boitschaff,  wie  Eraen  doit  ind  erslagen  were.  Sij  enbedde 
sich  dar  ymb  nyet  gewant ;  dan  yre  dienstjonffer,  die  yrre  wardet,  steis  \Te 
eyn  hermelijn  doit.  Dar  ymb  wart  sij  also  sere  bedroefft  ind  schre  zo  maill 
sere,  ymb  want  dat  dier  doit  was;  mar  ymb  die  mere,  ich  yre  sachte,  dair 
an  enkeirde  sij  sich  nyet.' 

130  Die  jonffer')   wart  yan  yerneirniss   also  kranck,   wie   wale   idt   die 

dienst  jonffer  also  yermachde^  dat  is  der  ritter  nyet  en  mirckde,  dat  sij  zo 
bedde  gienck  lijgen.  Ind  sij  wart  alle  noch  krancker,  also  dat  man  dem 
keyser  boiden  sante  ind  yem  yntboide,  wonlde  hey  s\jue  dochter  leaendich 
sien,  dat  hey  dan  balde  heym  qweme;  want  sij  zo  maill  sere  kranck  were. 

135  Der  keyser  hatte  die  doichter  zo  maill  sere  iieff  ind  bereide  sich  mit  s^nen 
frnnden  ind  sprach:  'Wat  [353a]  radet  yr  na?  Ich  doin  deme  hertzongen 
gewalt  ind  ynrecht;  ich  byn  sijn  yyant  worden  ind  hain  yem  s^jns  yolcks 
yast  erslaigen  ind  yeme  s^ne  lant  yerhert  ind  yerbrant  ind  geronfft,  ind 
hey  enhait  mir  nyet  missdain.     Ich    hain   anxst,  got  wille   mich   dar  ymb 

140  straiffen  ind  plagen  ind  myne  lieue  doichter  snlle  mir  äff  Sternen.  Mich 
dunckt  guet  sijn,  dat  wir  diesen  kriech  laissen  bestain  eyn  halff  jair;  dar 
entaschen  snllen  wir  yns  wall  besynnen.  Wir  willen  ymber  heym  rijden 
ind  myne  lieae  doichter  besien,  die  zo  maill  sere  kranck  is.* 

IL 

Wie  Crane  naeli  Böhmen  heimzog. 

[354b]  .  .  .  der  eyn  zoich  in  Oesterrisch,  daer  sijn  yader  eyn  hertzonch  was^ 
der  ander  in  Beyeren,  dair  sijn  yader  eyn  hertzonch  was,  der  dirde  in 
Beemen^  dair  sijn  yader  ein  konynck  geweist  hadde  ind  hey  dar  na  selff 
wart,  ind  nyemant  yan  yn  wiste,  wer  der  ander  were^).  Doe  Eraen  in 
5  Beemen  qwam,  doe  zoich  hey  in  des  konyncks  hoff  ind  yraigde  na  des 
konyncks  marschalck  ind  qwam  an  den  marschalck   ind  groete  yn   honelich 


A 

')  Bei  Berthold  V.  302  klagt  Acheloyde  laut :  'Owe  mtnes  herzen  drüt !'  und 
drückt  zugleich  unabsichtlich  ein  Hermelin,  das  sie  auf  ihrer  Brust  trägt,  (vgl.  zu 
dieser  Liebhaberei  Alwin  Schultz,  Das  höfische  Leben  '  1,  450)  tot.  Ihrer  Gespielin 
Achute  teilt  sie  erst  nach  dem  Weggehen  des  Kitters  mit,  was  geschehen. 

«)  Entspricht  V.  331  bei  Berthold. 

')  Hier  beginnt  bei  Berthold  die  Lücke  zwischen  V.  666  und  667.  In  der 
Prosafassung  fehlt  die  Einkehr  des  Helden  bei  dem  Wirte,  der  ihm  den  Tod  des 
Königs  und  die  Wahl  des  Marschalls  Assundin  zu  seinem  Nachfolger  berichtet. 


119 

ind  sprach:  'Liene  her  marschalck,  ich  wealde  gerne  myme  herren  dem 
konynck  dienen;  ich  bidden  vch,  wilt  des  an  yem  versoicken!*  Der  mar- 
schalck  dede,  as  yn  Eraen  batt,   ind  halp   yem   zo   deme   konynck.     Eraen 

10  was  eyn  schein  ind  sere  werdelich  man,  ind  was  der  koninc  mit  dryn 
perden  Oi  dae  hey  vnr  den  konynck  qwam.  Doe  vraigde  yn  der  konynck,  wan 
hey  were.  Kraen  nante  sich  van  verrem  lande^),  dair  van  hey  geboeren  were, 
np  dat  nyeman  np  yn  deichte ;  want  man  hadde  yn  alle  lant  vyss  w^den  ind 
sijden  dein  soicken.     Ind  also  nam  yn  de^  konynck  zo  dienst.     Ind  as  der 

15  konynck  dat  wesen  van  Kraen  vernam  ind  verstoinde,  dat  hey  eyn  ver- 
stendich  ind  veraaren  man  was  van  strijden,  veichten  ind  anderem  ritter 
speie  ind  was  besnnder  dienstafftich  ind  hoesch  yntgain  yederman  ind  knnde 
oQch  jagen,  beissen  ind  houyren,  ind  yort  alre  leye  man  spill  was  yem 
knndlch  me  dan  anderen.   Darvmb  krich  yn  der  konynck  zo  maill  sere  lieff 

20  ind  vermoicht  yn  wall  besnnder  vur  den  anderen.  Ind  wanne  der  konynck 
selff  vyss  reit  int  feit,  idt  were  zo  jagen,  zo  beissen  off  anders  zo  doin, 
wes  yem  geliefft.  so  nam  hey  altzyt  Eraen  mit  yem,  ind  meiste  der  nyeste 
by  yem  sijn. 

BERLIN.  J.   Bolte. 


')  Vgl.  Berthold  V.  709:   *Den   fand  her   üf  der  beide  breit,   D4  her  mit 
stnen  banden  reit.' 

')  Vielleicht  eine  Umschreibung  seines  wahren  Namens  Angerlant. 


120 


Rollenhagen  über  mundartliche 

Aussprache. 

Die  Nachrichten  und  Zeugnisse,  die  aus  Schriftstellern  des  15. 
und  16.  Jahrhunderts  über  die  mundartliche  Verschiedenheit  der  Aus- 
sprache bisher  beigebracht  wurden,  sind  weder  zahlreich  noch  sehr 
ergiebig.  Es  wird  willkommen  sein,  wenn  sie  um  zwei  Ausiührungen 
vermehrt  werden,  die  sich  in  den  Schriften  Georg  Rollenhagens,  des 
Dichters  des  Froschmeuselers  finden.  Seine  Nachrichten  sind  um  so 
wichtiger,  als  sie  auch  die  niederdeutsche  Mundart  mit  betreflfen,  die 
aus  anderen  Schriftstellern  gesammelten  Stellen  beziehen  sich  nämlich 
fast  ausschliesslich  auf  das  hoch-  oder  mitteldeutsche  Gebiet. 

Georg  Rollenhagen,  der  1542  in  Bernau  bei  Berlin  geboren  ist, 
hat  seine  Jugend  in  seiner  Vaterstadt  und  in  Prenzlau  verlebt,  einige 
Jahre  hat  er  dann  in  Wittenberg,  kurze  Zeit  in  Mansfeld,  zwei  Jahre 
in  Halberstadt  zugebracht.  Die  übrige  Zeit  seines  Lebens  bis  zu 
seinem  1609  erfolgten  Tode  ist  er  in  Magdeburg  an  dem  von  vielen 
auswärtigen  Schülern  besuchten  Gymnasium  thätig  gewesen.  Seine 
Nachrichten  gründen  sich  also  ohne  Zweifel  auf  eigene  Wahrnehmungen. 

Eine  derselben  findet  sich  in  seiner  Paedia^  einer  Art  Gymnasial- 
pädagogik, die  zwar  erst  i.  J.  1619  aus  seinem  Nachlasse  veröffentlicht 
ist,  aber  wahrscheinlich  schon  Jahrzehnte  vorher  abgefasst  war.  Nach- 
weisbar ist  wenigstens,  dass  die  als  Anhang  und  Ergänzung  der  Paedia 
mit  herausgegebene  Comniofiefadio  de  studm  von  ihm  bereits  1571 
seinen  Schülern  dictirt  worden  war.  In  dem  Abschnitte  De  pronunciatione 
(pag.  2  sq.)  sagt  er: 

Primus  itaque  circa  infantem  labor  fit,  ut  pronunciare  fcrmonem 
Vemaculum  difcat,  plene,  diserte,  ac  polite;  ne  quid  haesitet  aut 
mutet  in  literis  difficilioribus  6r,  L,  iJ,  S.  Nee  craeffius  et  agrestius 
efferat  vocales  A  et  E^  quam  munditia  et  elegantia,  imo  veritas 
Orationis  civilis,  patitur.  Solet  enim  Mifnica  Gens  Guvenis^  Gudicium^ 
Gufticia^  pro  Juvenis^  Judicium^  Jufticia:  item,  Jaudium,  Jotthi^  pro 
Gaudium^  Gotthi,  ut  et  Bader,  Boffum  pro  Pater^  Poffum^  quafi 
affectato  cum  ornatu,  ineptiffime  dicere.  Sic,  qui  maritimis  Saxonibus 
viciniores  funt,  ex  litera  C  qua)  tamen  vicem  K  latinis  prsestat,  S\ 
ex  E  diphthongum  JE  proferunt,  aut  vocalem  -4,  prsecipue  ante 
R.  Denique  literam  A  in  JO^)  convertunt,  fimile  propemodum  illi, 
quod  Ebrsei  Camez*)  vocant,  ut  Dofcere,  Varbum,  Omotnus:  pro  Docere, 


^)  JO  ist  wohl  Druckfehler  für  ().  Die  Beobachtung  Rollenhagens  über  die 
Aussprache  des  langen  a  ist  für  die  ganze  Seekante  einschliesslich  Holsteins  zu- 
treffend. *)  Das  hebräische  Vokalzeichen  Camez  wird  bald  a  bald  (als  Camez 
chatif)  V  gelesen. 


121 

Verbum,  Amamus.    Sicut  Itali  et  Galli,  defipere  ajunt,  pro  decipere. 
Qusß  omnia  diligentius  cavenda  erunt. 

Die  andere  Ausführung  findet  sich  in  dem  ABEGEDARJUM 
MAGD^BÜEGENSE  anno  Christi  MDCIII.  Magdcebutgi,  apud 
Ambrosium  Kirchnerum  (5  Bogen  kl.  8^).  Dieses  Buch  war  bisher 
wie  den  übrigen,  die  über  Rollenhagens  litterarische  Wirksamkeit 
geschrieben  haben,  so  auch  mir,  als  ich  für  die  'Allgemeine  Deutsche 
Biographie'  dasselbe  that,  unbekannt.  Als  Verfasser  hat  sich  Rollen- 
hagen zwar  nicht  auf  dem  Titel,  wohl  aber  unter  der  Widmung 
genannt,  die  an  die  Söhne  des  Christoph  von  Dorstad,  Erbherrn  in 
Eimersleben  gerichtet  ist. 

Das  Abecedarium  ist  eine  Lesetibel  zur  Pklernung  der  lateinischen 
und  nebenbei  auch  deutschen  Druckschrift.  Zur  leichteren  Einprägung 
der  lateinischen  Buchstabenformen  und  ihrer  Laute  dienen  Bildchen 
von  Gegenständen,  deren  Gestalt  der  Form  der  Buchstaben  ungefähr 
entspricht.  Jedem  Bildchen  ist  ein  Wort  in  hoch-  und  meist  auch 
niederdeutscher  Sprache  zur  Erklärung  beigefügt. 

a :  Affenkopf  Apenkop.  —  e  Eichel  Ecker.  —  i  Igel  Ile.  —  o  Auge  Oge. 
—  u  Eule  Vle.  —  h  Haken.  —  /  Elle.  —  m  Emse  Ernte.  —  n  Ente.  — 
r  Erbse.  —  s  Feneresse  Esse.  —  b  Bein  vom  Affen  Beeu  vam  Apen.  — 
p  Peitsche  Pitzke.  —  w  Welle  Wiege.  —  c  Ziegenhorn  Zegenhorn  Zelle.  — 
^  Katze.  —  q  Quappe.  —  d  Diegel  Degel  Degen.  —  t  Töhn  [*Zehe']  Teppich- 
nagel.  —  f  Efchen  Efken.  —  g  Geige  Giege.  —  x  Axe  Exe  Crucifix.  — 
^  Zettel  Zedel. 

Hierauf  folgen  Buchstabenverbindungen,  Silben  u.  a.  Untcrrichts- 
stoflF  für  Leseübungen,  endlich  einige  lateinische  Paradigmata.  Den 
Schluss  bildet  die  nachfolgende  Anweisung.  Es  sei  gestattet,  auch 
den  rein  pädagogischen  Anfang  derselben  hier  mitzuteilen. 

[Bl.  35]  An  die  Teutsche  Kinder  Leermeister  bericht.  Gleich 
wie  man  die  Ebreische  buchstaben  also  zum  ersten  gewiß  vnd  leicht 
kennen  vnnd  lesen  lernet,  wenn  man  jhres  nahmens  bedeutung  ver- 
stehet. Also  sol  man  hie  mit  den  Kindern  kindisch  vmbgehen,  vnd 
zu  erst  nur  einen  entzelen  Buchstaben  fürgeben,  vnd  sonderlich 
daheim  bey  den  Eltern  mit  Kreyden  auff  ein  Bretlein  oder  Tisch 
ffirmahlen,  vnd  sagen,  warumb  er  den  nahmen  also  habe. 

Alss  das  a  habe  erst  einen  kopff  wie  ein  Circkel.  Also,  o  vnd 
daran  ein  klein  Hälßlein,  also  /.  Wenn  das  an  einander  gesetzet 
wird,  also  a*)  so  werd  es  ein  a.  Vnd  sey  also  genant,  das  es  ein 
Kopff  sey,  dem  Affen  abgehawen,  als  er  die  Buchstaben  nicht  lernen 
wolte.  Denn  mit  solchen  Fabelwerck  mus  man  die  lieben  Kinder 
dabey  bringen. 

Damach  soll  man  mit  den  andern  vnnd  dritten  Buchstab,  etc. 
auch  also  thun,   biß   das  Kind   sie   alle   nennen,   mahlen,    vnd   des 


')  So  das  Original,  Rollenhagen  meinte  wohl  o/. 


122 

Bildes    bedeutung    kurtzweilich    erzellen    kan.      Dazu    denn   beyde 
Sächsische  vnd  Meischnische  namen  zu  den  Bildern  gesatzt  sein. 

Es  gehet  aber  mit  etlichen  Nahmen  in  andern  Sprachen  etwas 
schwer  zu.  Alß  Hirudo  ist  Sachsisch  eine  JhU,  yüd  reimet  sich 
fein  auff  das  «7.  Sonst  ein  Jgel,  das  auch  vom  SchweinJgel  ver- 
standen wird. 

Das  Y  nennen  bißdaher  die  Sachsen  ein  «i,  vnd  brauchens 
doch  im  lesen  [Bl.  36J  für  kein  &  Gallicum.  Darumb  soll  maus 
ein  %  nennen,  wie  mans  lieset. 

Oculus  ist  Sachsisch  ein  Oge^  reimet  sich  wol  zum  0.  Aber 
Auge  ist  weyter  dauon. 

Das  Caput  Bubonis  thut  es  bey  denen,  die  jhn  Vle  vnd  Vhu 
nennen.     Aber  nicht  mit  der  Eule  vnd  Schufsauß  zum   F. 

Zum  N  haben  wir  kein  bessers,  denn  die  Ente  finden  können. 
Weil  sie  niedrig  ist,  vnd  das  heupt  vornan  stutzt. 

Zum  S  soll  man  des  Rauchs  krSmme  aus  der  FewrEse  reymen. 

Capra  ist  auff  Sachsisch  eine  Cege.  Darumb  gibt  das  Ziegen- 
horn  das  C,  sonst  muß  es  des  Einsiedlers  CeUa  andeuten. 

Wer  bequehmer  Bilder  erdencken  kan,  versuche  vnnd  gebraucli« 
seinen  fleiss.  Denn  das  Goropii^)  Schlang  für  ein  S,  die  Sandvhr 
für  ein  H^  ein  auffgethan  Buch  für  ein  F,  vnd  dergleichen  Weiß- 
heit, die  man  in  seinen  wunderbahren  Hieroglyphicis  lesen  mag, 
wil  zu  vnsern  vornehmen  nicht  dienen. 

Man  soll  aber  die  jungen  Kinder  nicht  auff  ein  ander  Bild 
weysen,  ehe  sie  des  ersten  vnterscheides  silben  alle  buchstabiren, 
vnd  hernach  ohne  anstoß  lesen  können. 

Die  Sylben  aber,  Wort  vnd  Namen,  sind  nicht  allein  auff  das 
lesen,  sondern  auff  den  rechten  vnterscheid  vnnd  laut  der  Buch- 
staben gemeinet,  der  bey  etlichen  Sachsen  leicht,  aber  bey  andern 
Volckern  in  etlichen  Buchstaben  sehr  schwer,  oder  auch  wol  vn- 
müglich  ist. 

Denn  wenn  die  Franken  sollen  ein  G  für  dem  R  im  Latein 
außreden,  so  [Bl.  37]  sprechen  sie  ein  JST,  alß  Kratia  Kramatica 
KrtBce,  Im  Teutschen  verkehren  sie  das  K  in  ein  G,  also,  das  sie 
für  Klocken,  Klucke^  Kutscher,  KhrÜingTc^  Kuckuck,  sagen  Glock, 
Glucke^  Gutscher,  Görtlivg^  Guckuck.  Sie  ziehen  auch  alzeit  den 
folgenden  consonantem  zum  vorgehenden  vocale.  Vnd  machen  damit 
offt  einen  entzeln  buchstab  duppelt.  Als  Philofsophus,  GratnmaUica, 
Echcho^  S.  Fetter,  Patter^  Patter  Noster. 

Die  Meischner  aber  haben  in  jhrer  Sprach  gantz  vnd  gar  kein 
G,  sondern  wo  sie  es  geschrieben  finden  lesen  sie  dafür  ein  J.  Füi* 
Gott  giebt  gute  gaben^  lesen  sie,  Jott  Jiebbet  Jute  Jaben.  Für  sagen^ 
tragen,  hagen,  klagen,  Magt,  sprechen  sie,  Saien,  Traten^  Hain^  Klain, 
Maid.     Im  Latein  halten  sie  bisweilen   das  wiederspiel,   setzen  für 


')  Hieroglyphica  Joa.  Goropii  Becani  (enthalten  in:  Opera  Joa.  Goropii 
Becani  hactenus  in  lucem  non  edita.  Antverpiae  1580  fol.)  pag.  280  ^Latinorum  s 
vcl  duos  serpentes  caudis  connexos,  vel  vnum  polest  referre   etc. 


123 

ein  J  das  G.  Vt  Deus  est  Gustus,  Apud  iUum  Gtulicem  nulla  est 
Gusticia.  Et  contra:  Ungua  iustat  omnia.  Für  dreyen  Garen  war 
Gunker  Gokim  noch  ein  gunger  GunJcer.  Darnach  halten  sie  einen 
geringen  oder  keynen  vnterscheid  vnter  6,  p,  w.  Item  d  vnnd  t^ 
sagen,  das  eine  sey  ein  hart,  das  ander  ein  weich  p  oder  t.  Dar- 
umb  schreiben  sie  Bader  für  Pater^  Pawer  für  Bawr^  Bolle  für 
Wolle.  Vnd  beten:  Ne  nos  iniucas  in  dendateionem.  Item:  Dua 
est  Bodentjsfia. 

Die  Sachsen  nennen  auch  das  W  vnrecht,  uhu^  oder  duppelt 
V,     Man  sol  es  für  einen  Consonantem  lesen,  und   We  nennen. 

Die  Westfalen  reden  o  vnd  e  vnd  tz  für  ein  s.  Vnd  sagen 
für  wie  sitetu  also,  wie  sißtu:  es  gilt  ein  gantz^  also,  es  gut  ein 
ganß.  Seh  können  sie  gar  nicht  außsprechen,  gleich  wie  die 
Ephraimiter  nicht  konten  Schiholeth  sagen,  sondern  [Bl.  37]  sprachen 
Sibdeth.  Also  lesen  die  Galli:  Regina^  Recina,  Rczina,  all?  wir 
lesen  Resina. 

Etliche  Sachsen  lesen  für  das  S  ein  Z,  als  Zinnen^  Zalme^ 
Zamwel,  Zoffe^  für  Simon^  Salome^  Samuel^  Sophia, 

Quidam  Brunfuicensis  &  Hildefiensis  ditionis,  omnes  vocales 
transformant  in  diphthongos  &  iiiftice  pronunciant.  Aie^  beye,  ceie^ 
deie,  eie,  &c.  Paateer  noosteer^  qui  ees  in  feelis^  Recx^  Voox,  amaa- 
miMy  Teerra,  eerde,  peerde^  fweerde.  Item:  Ihfnenas  vabefcam^). 
Aramus.  Et  qui  hoc  reprsehendit,  plane  blafphsemus  fcurra  effe 
putatur. 

Quod  fuum  cuique  pulchrum  est. 

Quidam  ita  ftudiese  abftinent,  ne  C  abs  T  diuellant,  vt  Italorum 
more  pronuncient  Santus  cuntator. 

Solche  angeborne  Idiomata  vnd  eigene  sonderliche  arth  der 
Nationen  vnd  lender  muss  der  Leermeister  sein  vnd  bleiben  lassen, 
wie  er  sie  findet. 

Die  Nachrichten  Rollenhagens  bezeugen,  dass  in  gewissen  Gebieten 
Deutschlands  bereits  vor  dreihundert  Jahren  dieselben  mundartlichen 
Besonderheiten  der  Aussprache  zu  beobachten  waren,  die  noch  heute 
daselbst  begegnen.  Was  er  über  den  Unterschied  zwischen  städtischer 
und  bäurischer  Aussprache  und  besonders  über  die  diphthongische  oder 
circumflectirende  Aussprache  ursprünglich  einfacher  langer  Vokale 
sowie  den  Eintritt  mehr  oflfener  an  Stelle  weniger  offener  Laute 
berichtet,  wird  im  Zusammenhange  einer  ausführlichen  Untersuchung 
zu  verwerten  sein. 

BERLIN.  W^.  Seelmann. 


^)  Druckfehler  für  Damenos  vabcscom? 


124 


Niederdeutsehe  Fibeln 
des  15.  und  16.  Jahrhunderts. 


Abgesehen  von  blos  tabellarischen  Unterrichtsmitteln  sind  mir 
nur  zwei  ältere  Lehrbücher,  richtig  niederdeutsch  zu  lesen  und  zu 
schreiben,  bekannt  geworden,  eins  v.  J.  1532,  das  andere  v.  J.  1633. 
Schon  der  Nachweis  ihrer  Existenz  ist  nicht  ohne  Interesse^),  im 
Uebrigen  ist  aus  ihnen  leider  nicht  viel  zur  Vermehrung  unserer 
Kenntnisse  zu  gewinnen. 

Das  wertvollere  ist  das  jüngere  Buch,  das  sich  im  Besitze  der 
Hamburger  Stadtbibliothek  befindet,  zusammengebunden  mit  einer  hoch- 
deutschen *Fibel  oder  Nahmenbuch'  (Gedruckt  zu  Hamborch  1632. 
12  Bl.  kl.  8®).  Es  wurde  also  damals,  woran  auch  sonst  nicht  zu 
zweifeln  wäre,  in  Hamburg  auch  hochdeutsch  unterrichtet. 

Der  Verfasser  des  niederdeutschen  Lehrbuches,  Heino  Lambeck, 
gebraucht  die  Schriftzeichen  5  und  fi  zur  Bezeichnung  der  Umlaute. 
In  vielen  älteren  Drucken  dient  das  übergesetzte  e  bekanntlich  nur 
zur  Angabe,  dass  der  Vokal  lang  ist.  Eigentümlich  ist,  dass  er, 
abgesehen  von  Druckfehlern,  die  er  ausdrücklich  bittet  entschuldigen 
zu  wollen,  regelmässig  durch  besondere  Zeichen  die  langen  offenen  e 
von  den  geschlossenen  langen  e  unterscheidet.  Als  Zeichen  für  das 
offene  e  dienen  ihm  zwei  darüber  gesetzte  Punkte  oder  damit  voll- 
ständig gleichwertig  ein  dem  griechischen  Circumflex  ähnliches 
Zeichen.  Die  so  bei  ihm  bezeichneten  e  sind  in  den  nachfolgenden 
Auszügen  durch  5  wiedergegeben.  Uebrigens  entschuldigt  er  zu  Schluss, 
dass  öfter  durch  Druckversehen  einfaches  e  gesetzt  sei.  Ausserdem 
findet  sich  dafür  I. 

[Titel:]  D&eöfdje  ®rtt?ograpI^ia.     Cefuro:    De  VOSvbe  vnb  Xlamen 

gnmbiydl  Soccf ftauercn,  rcd^t  Cffcti  vub  Sdtvynen.  TXlyncn  Iceuen  Difcipulis, 

ocf    allen   anfangettöeti   €efe:    vnbe    5d]rvfffd|6leni;    tbo    einer   rid]ttgcu 

Dnöeru>YJingc,    opt    forte^e   geftelleö   vnb   tl^om  atiöern   maljl  in  Drucf 

gegeuen,  VSvdi  Heinonem  Cambffen;  öSrgecn  vnb  Dor6röenöem  Sdjryff : 

4   9 

vnb  Äef enmeiftern  bev  Kercf eti  5t.  3acobi  in  fjamborg.     ^  y  y  "ß"»    ®^' 

öc&rfeö   üio   fjamborg,    in   Dorleggingc    öes   Auctoris.      MDCXXXIII. 
(7  Bogen  kl.  8.) 

[S.  1]  DSrrföe  an  ^en  (ßunfKgen  €{fer.  (ßOnftige  leeue  Cffer, 
öcroyle  xd  offt  vnb  vaten,  nidit  allein  an  Knaben  vnb  Vflaqbten  t>on  ^2.  ^3. 
on^e  mel^r  3af^ren,   funöern  ocf  an  ZHannern  vnb  S^onwen,  Dornat^mlyfen 


»)  Vgl.  Edw.  Schröder  Gott.  Gel.  Anz.  188«,  S.  279. 


i26 

an  ben:  ie  by  Sd^oeloorberucm,  ^fimp:  x>nb  Stfimplern,  ^ufdicrn  vnb 
B5nt)afcn,  £}ucS:  onb  Suöelcrn,  in  onoröcntlvf^n  Dficöfdicn  tDincfd:  onöe 
Klipfcfjotcn  gegotin,  vnbe  afyw  Straffe  vnbe  3urcöc,  aUerley  £;acfema^, 
ocf  iia  5cr  Carue  onb  <ßcu;>at{ni)cit  C^fen  getct^ret,  ü^te  onbe  grott^e  TXlangeie, 
bes  tociivcn  Socfflaucrcn,  onbc  tl^ofamcii  I(feit  bcr  Sylben  gcfunben,  vub 
nodt  bagelvcf  bcfinöe,  ocf  fo  gar  groff  vnb  gan^  Q)qcu\dtyniyten,  bat  xd 
my  pafi  entfette  6cf&(utgcn  aUt^yr  tt^o  melöcii,  bodi  eins  tt}oge6cticf en :  n>o 
manmgmal{(  I^ebbc  icf  van  onSerfdiei&cntlvfcTi  [S.  2]  mann:  t?nö  j^utDcn 
perfol^ncn  Hagcnb  gcIjSrt:  3cf  fan  n>oI  Ijfcn  t?nöc  fd^rvucn,  auerjl  icf  fan 
Öe  i3occff]tauc  (öarmit  irf  erc  egeti  ID5röe  gcbrufc)  nictjt  rcctjt  tlioliopc 
bringen! 

Der  ©rfafen  Ijaluen,  vrxbe  fulrfen  öagelvcf  ü5rgefaDen  ZHangelen,  in 
etn>e5  vSxtliobnwen,  Ijebbe  xd  mynen  leeuen  anfangenben  £jfe  :  vnbe  5ci]rYff- 
idtSlevrXf  ocf  allen,  5e  in  erer  35gen&  Iffen  tljo  lef^ren  Dorfumet,  ebbet  ocf 
nid?t  grunWycf  Soecfjlaueren  vixb  rectjt  £gfen  gelef^ret  liebten,  tiio  nutte  t?nö 
gube,  jegentperbiges  Soerf  vpt  forte:  onö  eintfol&igejie,  in  etlyfe  ipeinig 
Beguten  pn5  gemeinen  €jempeln,  be  fe  jle&es  in  geöäcfitniffe  bet^olöen 
fSnnen,  p5rferöiget  pnöe  vp  ant^oföent  pnb  begeljren  guöer  [S.  3J  5rw»ö^» 
porm  3al^r  pngefeljr  in  Drucf  gegeuen . . .  Dewyle  auerf!  be  £xemplaria  alle 
miteinanber  diftraheret,  pn5e  porfSfft,  t?ebbe  icf  öat  (Exemplar  ipeööer  por  my 
genol^men,  pnö  öar  yM  n5big  getpefen,  mercflycf en  pormel^ret  pnöe  gebetert .... 

S.  5 — 32  Alphabete  (v  vor  u)  in  Antiqua,  Cursive  sowie  in 
Frakturschrift,  Buchstabir-  und  Leseübungen. 

S.  33  ff.  5oIgen&e  ^6.  Hegulen,  mSt^ten  im  Soecfjlaueren  pnö  tljo« 
famen  Iffen  öer  Sylben  mit  ffyte  in  adjt  genat^men  tperöen. 

^.  IDenn  im  tDoröe  tCtpe  Stumboecfjlaue  by  einander  ^afyix,  fo 
tperben  6ef&(uigen  gebeitleb,  vxxb  be  ein  tt^o  5er  £rften,  pn5  be  folgende 
tl^o  5er  anbern  Sylben  genaf^men :  Hiööer,  2t55er,  tDille  tper5en  alfo  Soecf « 
flauere^:   Hi5  5er,    215  5er;    ipil  le,   alfo  ocf  5^55er,  Sd^nigge,  (Cuffel  .  .  . 

2.  Steit  im  tt>or5e  ein  Stumboecfftaff,  ttpifct^en  (Etpeen  €ue5boecf« 
flauen,  fo  n>er5  5e  Stumboecfflaff  tl^o  5er  an5ern  Sylben  genat^men,  5er« 
Ijaluen  n>er5en  5iffe  tt>5r5e :  2t5am,  ^bel,  I?a5er.  2tlfo  recl]t  Soecf jiauere5 : 
il  bam  71  bei   Va  5er,   pn5   nicfjt   ^5  am   2Ib  el   Vab  er  .  .  . 

Sy  5yffer  Begul  ys  mit  flyte  in  actjt  tljonff^men:  Dat  men  n?o  ferne 
iö  mSgelycf,  neen  Sytbe  alfo  €n5e  pn5  befctjlute,  5at  5e  negePfolgen5e  mit 
einen  Cue5boecfftaff  n)e55er  anfange:  CDente  5at  lu5et  liatb  vnbe  gifft  o^ 
ein  tjar5  £{fen5.^) 

3.  2Tlit  5en  Stumboecfflauen,  5armit  men  5e  €rfle  Sylbe  eines 
lDor5es  anfange5,  mad?  men  im  IDor5e,  od  wol  ein  Sylbe  beginnen.  3" 
5iffen  ID5r5en :  Sterue,  (Efjrijlus,  Sct^epper,  Scfjlange,  iper5  5e  <£rfte  Sylbe 
mit  f!,  dl,  \dt,  fd^l,  angefangen,  5ariimme  mag  men  im  tOor5e,  mit  fulcfen 
pn5  5ergelyfen  Soerfflauen,  ocf  ipol  ein  Sylbe  tl^o  Soerfftaueren  beginnen, 
5arumme  iper5en  5iffe  tt>5r5e :  (5eftoruen,  ^voxd\ext,  <ßefci]apeti,  (5efci)lagen, 
alfo  red^t  Soecf jlauere5 :    (ße  jlor  uen,  €  n>i  d^eit,  (ße  fd^a  pen,  <ße  fd?ta  gen. 


^)  Beispiele    sind   nicht    beigefügt.     Gemeint   scheinen   Wörter  wie   ni(g)e, 
vri(g)e,  ge(e)Un. 


IM 

3tem:  preejlcr,  (CrSfler,  pfiper,  [Bl.  35]  fyxlxdtÄt,  Kad^elauc,  3ud?c, 

/^.  ®n  tÖorb,  5at  pan  (Eu>ccn  tt>Sr5cn  ttjofamen  qe\eüeb,  motli  mcn 
al\o  Soccfjlauercn,  &at  nccti  p5rftanMtcf  öei^I  tt)orft)ten  pii&  pnpSrflatiMycf 
gcmafeb  voetbe,  bavixmme  werben  öiffc  It)5r6e:  ©gentrop,  Qacrbanö  red>t 
y occfftauercö,  ©  gen  trojl,  ^acr  banö,  on5c  md]t :  Ogcnt  rofl  .  .  . 

5.  Wenn  be  v  vor  einen  £ucöboccf(laff  jlcyt,  fo  wevb  l^e  alfe  ein  f 
gcbru^eb:  Vabev,  Veet,  Vyvbag  .  . 

6.  De  c  oor  einem  a,  o,  u,  I,  vnb  t  wevb  alfe  ein  f  PtE^gefprafen : 
Caspar,  Cornelius  ... 

7.  tt>enn  auerft  be  c.  por  einem  e  eööer  i  fteit,  fo  wevb  tje  a!fe 
ein  3  öoecfflauereö:  CecHia,  €ucia  .  .  . 

8.  Wenn  vSt  ebbet  miööen  im  Wovbe,  be  t  Por  einem  i  ^eyt,  vnb 
negefl  bem  i  ein  anöer  Cue&boecfjlaff  folget,  fo  toerö  be  t  alfe  ein  c 
gebrufe^:  pontius,  (5ratias,  ^bfolution  .  .  . 

9.  d]  wevb  alfe  ein  gelinöe  g  Ptl^gefprafen :  C(^riftus,  Ct^riftian, 
Qerlidjeit  .  .  . 

1^0.     pii  wevb  alfe  ein  gelinge  f  geljfen:  propE^ete,  pE^arifeer  .  . 

\\,     Ülotli  men  be  a  vnb  a  e,  o  vnb  6,  u  vnb  n,  redjt  pnöerfd^eeben 

letf  ren : 

^ane  C^^ne.  Paber  D^ber. 

£euen  ifuen.  lUcge  R^f^e. 

Bot^me  B6t)me.  Dohen  D62>en. 

Kule  Kule.  l7ule  ^ule. 

\2,     De  babbelten  Soecfftaue  red^t  tt)o  gebrufen: 

Kber  2Ibber.  Sd^ale  SöuaUe. 

Hofe  Hoffe.  wife  roiffe. 

Htber  Hibber.  fiipe  fuppe. 

IDile  W'iüe,  fopcn  foppen. 

\ö.    TXiotl]  be  pn&erfd^eeö  bes  V  vnb  W  woi  in  ad\t  genal^men  tperöen : 

Paget  maget.  polare  wa^ve, 

Pebber  mebber.  palle  maOe. 

P^ber  w^ber.  ven  wen, 

H.     lITotl^   men   öen   €nö:    e55er  lejlen  Soecfflaff  einer  Svlben  woi 

in  ad\t  njl^men,  vnbe  beöenrfen:  €fft  i^  ein  Stum  e6öer  Cue6boecfjlaff  ys. 

Sium.  £uebb.  Stum.  £11  ebb. 

fd^ulte  fd^Iute.  <&arue  <&raue. 

Karme  Frame.  Sd^tnber  Sc^ntber. 

Kercfc  Krccfe.  Käme  Krane. 

^D.  De  Körten  pn&  Catigeti  £ue6boecf  jtaue  red]t  tljogebnif en,  ZHercf e : 
lüenn  ein  Cueöboecfftaff  ppm  €tiöe  in  einer  Sylben  (levt,  fo  tpert  E^e  lang 
öoecf  jlauereö :  (ßaöes,  Sabe,  Sd^aöen.  be,  Eje,  tLwe,  liöe,  5d)ine.  2luerft 
in  öer  Sy^ben,  tperö  ein  Cueöboerfftaff  pp  örverley  2lrtlj  porlange^.  €rft« 
[\fen:  Wenn  I^e  (Croe  maE|I  gefetteö,  fo  tperö  I^e  lang  PtE|gefpraf en : 

Stal  ftaal.  mar  maar. 

Blecf  Dieecf.  beft  beeß. 

IPin  »Y«»  P^^i*  P^Y*« 

f^op  t^oop.  lod  loocf. 

3ul  buul.  t{ur  fyxnv» 


127 

(Cliom  anbem,   wexb  ein  Cucbbocdftaff  lang  viiiQe\ptafen,   wenn   ein 

c  barby  fievt. 

tTTaii  znaen.  Sc^ap  fd^aep. 

Bil  bte(.  ftu  fien. 

Hocf  roecf.  foef  foecf. 

^ur  t^uer.  bur  buer. 

(Ct^om  örfiöben  n>erb  citi  Cuebboecfflaff  Dorlangcb,  mit  bvfettinge  eines  t) : 

2ln  al^n.  lam  lat^m. 

(Er  cl^r.  ler  lel^r. 

Ktn  ftl^n.  mtl  mtt^I. 

Don  bobn.  fom  fot^m. 

Vt  pf^r.  tun  tt^un. 

Weide  2Jrtlj  einem  y^ern  l^\Twan  beleeueb  tI)o  gebrufen,  ftevt  em  frye. 

^6.  CnMyrf,  motlj  men  im  anfange  ficf  beflytigen;  £uöe,  langfam, 
porftanö:  on&e  onöerfd^eeMyfen  tl^o  £{fen,  nidjt  ein  Sylbe  oeel  ipeiniger 
ein  Woxb  oorby  fd?Iaen:  De  lefte  Sylbe  rein  vtii\pvaten,  by  einem  Pirgnl 
fS.  40J  Punct  eböer  (Eeefen  (alfo  HoiPpfben  öer  Sdjrifft)  opl^otöen,  firf 
be5encfen  toat  men  Hjl  ebbet  gelffen  trefft.  ®cf  fd^al  men  im  £{fen  bat 
Stote:  vwb  Stamerenb  mybeti,  neen  IPorö;  Sylbe  ebber  öoecfftajf  onn&big 
Cipeemat^I  £?fen,  onb  an  ber  lejten  Sylben  neen  e  ebber  5,  mit  einem  lang 
lubenbem  Sd^wanfee  jlicf en  ebber  (gangen,  ocf  viii  bem  Cffen  neen  Singenb  maf en. 

5.  40  fF.  sind  Personennamen,  Tauf-  und  Zunamen,  Ortsnamen 
(darunter  pameren,  Horwjgen;  ZTlffelnborg,  ^olpeen,  5d?otpenborg, 
lPanbe5b(cf)  Namen  der  ämpter  vnb  D&twanten  (dabei :  Stecffoaber,  Steeff • 
följn,  ^ecrbe,  Koljl|erbe,  Sd^aepl^eerbe,  fjerbergercr,  tDfuer,  (Ceyelmeifter), 
Hat^men  ber  (ßelfbe  bes  Cyues  (z.  II  Secl,  (ßSrgel,  Cud^trot^r,  Bregen, 
(!)  örfgenpanne,  IDeruel,  Sdilaep,  DorB^oueb,  ©genbrane,  ^efyxe,  (ßagel, 
Kinne,  (ßnirf,  (ßolbfinger,  Kleenftnger,  Cud^taber,  ^loetaber,  ZTlUte,  5d?meer, 
€ncfel,  tCiioen),  Haljmen  ber  Stucfe  bes  ^ue§gerabes  (z.  B.  Snll,  poft, 
(5rinbe(,  DSrnfee,  Ooetfdjemel,  85ne,  Sobbem,  Cfgel,  öffer,  (ßeeter,  piumme, 
Itluelberc,  £t{ri{lanien,  Dobefale,  (ßlSycnbefale,  Drjuet,  5eue,  pumpet, 
pufler,  EDeyer,  Itefeboecf,  5d)(5yer)  usw. 

[S.  66]  5.  Den  runben  o  gebrufcb  men  v$v  in  ben  It)5rben,  auerft 
ben  apen  u  in  ebber  am  (£nbe  ber  ID5rbe:  pub,  cor,  pan,  ons.  3efum, 
begrauen,  auer. 

6.  De  y  tperb  in  pnb  am  ^nbe  ber  buebfctien  IP5rbe  alfe  ein  lang 
i  gebrufcb,  pnb  nxd\t  vSt  in  ben  tDirben  gefetteb :  byn,  myn,  Ityb,  voy,  my,  gy. 

7.  ZHotli  men  ben  a  vnb  a,  0  pnb  5,  u  pnb  fi  jlytig  in  ad?t  nef^men : 
t>nb  neen  a  por  einen  a,  neen  0  por  einen  5,  pnb  neeit  u  por  einen  ix 
fetten  ebber  gebrufen  .  .  . 

[S.  67]  Od  motlj  men  neen  Soecfftaff  in  einem  IDorbe  auerffobigen 
fetten:  (Dd  nxdtt  n.  n,  by  einanber  in  (Einer  Sylben  gebrufen,  auerft  biffe 
beyben  lüSrbe :  wenn,  benn,  fo  be  (Cyb  pnb  ®rfaf e  eines  binges  erforbern, 
m5gen  wol  mit  nn  gefahrenen  werben  .  . 

[S.  70]  3m  2i$ben  pnb  Sdjryuen  tperben  pafe  (Cwe  Sylben  ebber 
lD5rbe  tt)ofamen  gemengeb,   pnb  pp  einmaE)!  ptl^gefprafen :   barumme  fd)a( 


12» 

mcn  fo  oeel  mSgrfvcf  pcf  bcr  forte  beflytigen;  »erb  öerF^aluen  red^t  gcrföct 
DUO  gcfd^rfucn,  por: 

3n  bat  £Juc§  3nt  £}ue§. 

tt}o  ber  C)uer  tt^or  ^ner. 

in  bem  XOe^e  im  IVe^t. 

ll^ngeb  [{ingb. 

ntc^tes  iiid^ts. 

gefd^Iagen  ^fd^Iagn. 
an  bat  Cr&ge  ^et^ingeb       ant  <£r&6  gt^ängb. 

t(f  bin  gefamen  tcf  bin  famen. 

f{e  f|eft  geg(uen  f{e  trefft  gfuen. 


Eine  mehr  als  hundert  Jahre  ältere  Anweisung  lesen  zu  lernen 
bietet  ein  kleiner  aus  nur  vier  Blättern  in  16^  bestehender  Druck 
V.  J.  1532.  (Königl.  Bibliothek  Berlin  Yd  7822.)  Der  Dniekort 
ist  nicht  angegeben,  doch  muss  der  Verfasser  Marcus  Schulte  nach 
Ausweis  seiner  Sprache  (wol  'wer',  a  für  o  in  Gade  usw.)  in  einer 
Stadt  des  Küstengebietes  gelebt  haben.  Viel  Belehrung  lässt  sich  aus 
ihm  nicht  gewinnen.     Es  mögen  die  nachfolgenden  Auszüge  genügen. 

[Bl.  la  Titel:]  Dorflartngc  |  ber  anroifinge,  nimlicf  \  bes  a  b  c 
mit  ftguren,  fampt  einer  for«  |  te  v&vxebe,  öord^  ITlarcum  Sd^ulte.  I 
ZIT.  X).  XXkxi,  3ar  |  ^i^ureiicseöels  woröt.  |  2lUerIeYe  minfd)en  \\nt  tbor 
lere  geredet.  |  (DU,  juncf,  man,  frun>e  t?nöe  fned^t  |  Darumme  öy"^  o^^» 
tt)o  my  ^o  feren  |  IPo  5u  mult  baföe  üaten  t>nde  (eren  |  De  e^bel  fünft 
fc^riuen  Pn&e  lefen  |  .  .  .  (Es  folgen  noch  drei  deutsche  und  zwei 
lateinische  Verse.) 

[Bl.  Ib:  Vorwort]  .  .  .  3cf  t^ebbe  in  fortuorgangen  öagen  frfintlifc 
lefer,  eine  antoiftnge,  n5m(icF  5at  a  b  c  mit  figuren,  etlifen  gu5en  gefeHen 
na  erem  begel^r,  in  egener  perfonen  bat  mit  tljo  öenen,  breuestiDtfe  ym 
bvnd  taten  ptt)gt^an,  Detx>tle  ben  bev  breue  vwbc  tsebet  fo  Pete  gemor^en 
fytit,  bat  fe  peUtd^te  ocf  in  anöer  lanM  vnbe  fleöe  mSdjten  geu5ret  pil 
gebrad)t  weröen,  byn  icf  pororfafet  tpor&en,  eine  (utteringe  pnbe  porftaringc 
öer  ann:)iftnge  (pp  Sat  flcf  nemant  öer  ö&ncfett|eit  tl|o  beflagen  itebbc)  boxdt 
einen  biörucf  ocf  taten  ptt^gl^an. 

[Bl.  2a]  Dorftartnge  &er  boecfflauen  pnöe  filben  figuren  rtmesipife 
poruatet. 

Tlpe  ein  öert  bem  minfdjen  euen. 
öene  (Et^rifti  am  Kriifee  fynt  tjeel  gebleuen. 
(Esegen  Caban  tperen  feer  frud)tbar. 
Degel  öoet  offer  tt?o  fafen  gar. 
(£gel  am  liue  fcarp  borjlen  öred^t. 
(Effet  ym  Printer  tljo  famen  Ied)t. 
(Seren  (Etjrifhis  rod  I^a^^e  nid?t 
ffamer  öes  fmeöes  afgo&e  toridjt 
3f^r  öordifneöen  I^efft  2^\epii&  fjerte 
Kate  pp  öen  ffin^er  pallen  mit  fmerte 
£nen  land  grSte,  fettet  ficf  tt^o  nemant 


129 

Cmmcr  toaters  ein  man  ^rcd)t  in  öer  l^anM 
fngel  ein  habe  van  (Sa^e  Dt{^gefan^t 
®re  tpert  t)oren  pn^e  nidit  ©orftan 
Pefe  onöe  ftaff  Oacobs  v'"  3orban 
Kule  ^erculis,  (El^iron  mafeöe  voadev 
fBl.  3aJ  firtoet  öygen  rool  op  warmem  acfer 

Sspen  hiebet  regen  ftrf  aItY^t 
(Cegel  tljo  mafen  öe&e  (ßaöes  oolcf  Ylyt 
Dien  mert  me  B|5ren  in  Sabilon 
<£^e  an  ^en  boem  geled^t  ys  fd7on 
®ge  llTofi  ane  Dufterl^eit  on&e  flecfen 
S^te  vnbe  iia\en  öe  bene  be^ecfen. 

In  derselben  Art  sind  auch  die  Buchstabenverbindungen  ba,  ka, 
da  usw.  je  durch  einen  Vers  erläutert.  Bl.  3b  4  folgen  20  Regeln, 
wie  man  die  Anweisung  verstehen  und  gebrauchen  soll,  z.  B. 

IL  2TIancf  &en  ^re  vnbe  trointid^  boecfftauen,  lüeröen  etlife  lue&t- 
boecfftauen,  x>nbe  öe  anöern  mitlu^en&e  boecfftaue  genomet. 

VII.  De  namen  öer  fSften  figuren  Ijitt)  effel,  onbe  ys  ein  liodi  &u&efd? 
wovbi,  bat  w\  faffen  nomen  eppel,  wente  feine  anöer  figure  ys  tl^o  mnöen, 
öer  namc  bat  f  fo  bequemelicf  antefen  mod]te. 

VIII.  Vp  be  jilbe  ia  ys  öe  figure  nagebleuen,  ioöodj  yn  bei  or&e» 
ninge  öer  rymen  angetefet,  bovdi  bat  wovbt  iager  (!  Der  gemeinte  Vers 
lautet:  3ager  geweibxd},  was  TXemvob  vot  (ßo^t.) 

XI.  IDen  bn  be  erfte  filbe  bes  mames  ehier  juu>elfen  figuren  allene, 
bat  ys  bat  vootbt  I^alff  nomeft,  fo  I^effftu  ben  boecfftaff  eböer  plbe  einer 
juit>elfen  figuren  otl)  gefprafen,  alfe  ape,  baue,  Ijalff,  a  b  bage,  fale, 
Mff/  ba  ca. 

BKKWN.  W.  Seelmann. 


Ki«derdeutsch«8  Jahrbuch  XVIU.  9 


130 


Zu  de  s 
Königsberger  Pfh 

im  Ndd.  Jahrbuch  X 


Das  im  Jahrbuch  XVII  mitgeteilte    «j 
namen  ist  zwar  kknn  an  Umfang,  aber  di    -^      b  s.-  r«  •  e«  ^  i  • » « - .  in. 

keiten   und   seinen  Wortschatz    höchst  1  |  w«  ^i  llläl?' »II?!?!! 

geber  hat  bereits  aus  zwei  Besitznotizen  ^|.f  aSlo  S!;?!!   aTslS?!  m 

Schrift,    welche    diese    Glossen    enthält,  fPl  ig  13  |h  fj  J^M  § 

Besonderheiten    der    Verdeutschungen    n  «  1  11^''" '^1  5  Jt   ?fl*^^^-  K 

Handschrift  aus  dem  nordwestlichen  Den  S^&a^g'fli^-I  hiÜ|?l  ^ 

vom  Niederrhein;    wie  jedoch   im   folgen  ol^i^rlfff^S  '«'gl'?';» 

die  Heimat  des  Urhebers  der  Glossen  noc  1 5^1  iS^  »3  •!:  EÜlSj«:  h 
Maas  und  Sclielde  zu  suchen,  so  dass  wi 
niederländischer  Sprache  aus  der  Zeit  de^ 
altfränkischen  Standpunkt  in  den  der  n 
spräche  sehen  dürfen.  Daher  erklärt  sicl 
Wert  für  die  Sprachgeschichte,  der  d 
hundert,  Wörtern  eignet. 

Der  (Miarakter  der  Glossen  ist  rein  ^^         ^  •►  '  ff**!   0    --"••< 

hochdeutscher   Lautverhältnisse.      Aus    e  J||«    ^lllU  «   l\   \ 

haben  einige  Wörter  noch  volle  Vocale  ft-f |    SHs-i   ?  tl  L 

wie  z.  B.  merha  10,  yfopo  53,    maäalhom  U^l    lUlU   /  |;    g^ 

die  Mehrzahl  solche  Vokale  zu  e  abgescluN  g;||5    •If^l  %   j.*    5: 

tümlich  mutet  an  die  Unterbleibung  der  l^^n    F*  r|Ä#  I   /?   ^t 

in   offener   Silbe    an   den  Wcirtern    clithc  jf||    |    |%o*   [    K    U 

derselben  wirklich  kurz  ist.   —   Hohes  A  p?f  |   ^    ff||   |   I;    .  f 

(jh  statt  g  erscheint.  Hl^   t   ^^53    ^   U    It 

Altes   ih   ist   schon    zu   d   geworde  qjg-J   |    f^J^    $    fS-    a& 

flcdorn  57;    nur  ein  th  findet  sich  in   cli  ^    .......... 

Wort  dem  ags.  dithe  (nach  Sievers  in  doi  i'icitragen  zur  Gesch.  der 
Deutsch.  Sprache  und  Litteratur  von  Paul  und  Braune  IX,  247  wahr- 
scheinlich mit  kurzem  Vokal)  merkwürdig  gleich  sieht.  Mndl.  und 
noch  westflämisch  heisst  diese  Pflanze  clessc,  clisse,  seeländisch  (nach 
Kilianus  Duftlaeus)  kl  Ute,  und  nndl.  gelten  Bis  und  klit.  Ueber  die 
Lautung  dieses  clitke,  und  ob  es  dem  Misse  oder  dem  iZr^^e  entsj)riclit 
oder  eine  dritte  selbständige  Form  darstellt,  wage  ich  keine  Ver- 
j^utung.  —  Erdbeirhlat  42  hat  am  Ende  bereits  nach  mndl.  Aus- 
lautsregel t  statt  d,  während  rid  H,  erd-  41  f.,  mdquid  GG  noch  die 
Media  zeigen.  —  h  und  c  wechseln  in  der  Schrift,  wie  auch  in  der 
des  späteren  Mittelalters;    aber   dmmin  30  mit  c  vor  i  ist  sehr   auf- 


H 


a 


181 

fällig,  da  man  nach  miidl.  comijn^  nndl.  komijn  doch  die  Aussprache 
kimmin  annehmen  muss.  Auch  das  doppelte  m  befremdet.  Sollte 
etwa  cumini  zu  lesen  sein?  Im  Auslaut  wird  stets  c  gebraucht:  loc 
5.  11  etc.  —  Sc  steht  noch  fest,  an-,  in-  und  auslautend,  auch  vor  c: 
scelworte  19,  fcafbife  24,  lisc  50,  lovefca  70,  colfcot  11,  Im  Adjektiv- 
suffix -esc  kann  c  schon  abfallen:  Romef  col  16.  —  Das  tonlose  alte 
f  beginnt  dem  tönenden  e  im  Inlaut  zu  weichen:  neben  zweimaligem 
bife  17.  24,  neben  yfopo  53,  [h]afelnote  5(5,  mufeke  74  ist  be£fe  25 
und  zweimal  biee  54.  91  geschrieben.  —  Anlautendes  h  findet  sich  in 
hundehlome  33,  es  fehlt  in  anep  23,  afelnote  50  und  in  erfminte  79, 
fälschlich  steht  es  in  mushore  84.  Diese  Unsicherheit  im  Gebrauche 
eines  h  im  Anlaut  ist  ja  bei  altdeutschen  Schreibern  nicht  so  ganz 
selten  anzutroflfen,  war  aber  wohl  nirgends  mehr  zu  Hause,  als  in 
solchen  niederfränkischen  Gegenden,  wo  man  kein  h  mehr  sprach; 
w^ie  man  denn  annocli  heutzutage  fs.  Jellinghaus,  die  Niederländischen 
Volksmundarten  S.  113  {$  ^>7)  in  Seeland,  in  Flandern  und  im  süd- 
westlichen Brabant  den  Hauchlaut  gar  nicht  kennt,  wenngleich  man 
den  Buchstaben  richtig  in  der  Schrift  zu  setzen  in  der  Schule  lernt. 
Dass  die  Pfianzenglossen  aus  jenem  westlichsten  Gebiete  deutscher 
Zunge  stammen,  werden  wir  nachher  durch  andere  lautliche  und 
lexikalische  Erscheinungen  bestätigt  finden. 

Was  der  Herausgeber  über  die  Nichtbezeichnung  des  Nasals  in 
hife,  bisßj  in  madalhom  55  und  mecapT  94  sagt  und  daraus  folgert, 
scheint  auf  Missverständniss  zu  beruhen.  Der  Nasal  n  konnte  im  As. 
ausfallen  vor  5,  (!  und  /";  in  madcd  müsste  er  aber  vor  d  und  in 
mrcop^),  da  dies  Wort  aus  me  und  cop  zusammengesetzt  ist,  am  Ende 
des  Bestimmungswortes  abgefallen  sein.  Uebrigens  sind  in  obiger 
Liste  vergessen  beze  25  und  gigeberre  4().  Es  kann  nun  gar  keinem 
Zweifel  unterliegen,  dass  in  madalhom  und  gigeberre  der  das  n  bedeutende 
wagerechte  Strich  bloss  verselientlich  unterblieben  ist,  da  alle  germa- 
nischen Dialekte  in  den  beiden  Wörtern  ein  n  haben.  Mit  hize^  beze  und 
tnrcop  hat  es  aber  eine  ganz  andere  Bewandtniss,  wie  sich  ergeben  wird. 
In  den  Vokalverhältnissen  begegnet  mehreres,  was  auf  den  ersten 
Blick  dem  mndl.  Vokalismus  zu  widersprechen  scheint.  Für  bivot  2 
erwartete  man  hivoet,  für  hundeblome  33  hondehloeme^  für  ribbe  62  rebbe^ 
für  minte  79  mente.  Allein  da  die  Vokale,  welche  hier  die  Glossen 
bieten,  nur  einem  älteren  Sprachzustand  angehören*),  so  lassen  sich 
jene  Wortformen  niclit  als  dem  niederfränkischen  Lautsystem  wider- 
sprechend bezeichnen.  Für  (erfe)minte  reicht  allerdings  dieser  Grund 
nicht  aus,  da  es  nicht  aus  jy-ivO/;,  sondern  aus  lat.  menta  entlehnt  ist 
und  ndl.  stets  mente  geheissen  hat.  Eigen  ist  auch,  dass  mndl.  ie 
durchweg  als  i  erscheint:  rid  8,  viermal  bife  17.  24  oder  bize  54.  91, 


^)  Ich  schreibe  hinfort  statt  mecopl  so,  da  ich  gleich  dem  Herausgeber  mit 
dieser  Form  nichts  anzufangen  weiss,  dieselbe  aber  sicher  ein  mecop  voraussetzen 
lässt.  ')  Noch  im  12.  Jh.  findet  sich  meist  -dune  statt  -donk  in  Ortsnamen;  auch 
die  Schreibung  op.  für  altes  6  scheint  erst  gegen  12(X)  aufzukommen ;  bivot  ist  ferner 
aus  bibot  hervorgegangen,  dessen  ö  aus  au  verdichtet  ist. 

9* 


132 

melquid  66.     Nur    einmal    steht   die   mehr   sächsische    Form   beee   25 
statt  biee.     Lisc  50  ist  zweifelhaft,  da  heide  Formen,  die  mit  ie  und 
die  mit  i  gut  niederländisrli  sind.     Mire  47,  dem  ein  sächsisches  mire 
entspricht,  hat  langes  i  und  die  spätere  Form  miere  ist  zu  beurteilen 
wie  gier  (Geier),  gierich  (gierig),  miere  (Ameise),  spiere  (Spitze),  S2)ie' 
.  ring  (der  Fisch),  vieren  (feiern)  statt  ursprünglichem  .^^fir  u.  s.  w. ;  s.  Franck, 
Etymologisch  Woordenhoek.    Das  i  jener  oben  genannten  drei  Wörter 
steht    dagegen    für    älteres    iV,     und    soh^hes    i    für   ie   ist,    wie    die 
Namen  in  Urkunden  darthun,  im  11.  und  12.  Jh.  gar  nicht  ungewöhnlich 
gewesen,  in  Namen,  wie  z.  B.  Thiderik^  schon  viel  früher.    Man  scheint 
sich  danach  erst  im  13.  Jh.,  bei  der  Ausbildung  der  mndl.  Litteratur, 
wieder   auf  den   alten  Unterschied   von  i  und  ie  besonnen  zu  haben; 
aber  die  Aussprache   wird,    wenngleich    die    beiden  Vokale  selten  mit 
einander   reimen,    doch  wohl  die  gleiche  eines  langen  i  gewesen  sein. 
Was  den  Umlaut  betrifft,   so  finden  wir  e  für  a  in  daunetcla  83 
und  im  Fremdwort  kervele  32,  ei  in  eräbeire  41,  erdbeirblat  42.    Solches 
ei  für  e  findet  sich  in  ndl.  Dialekten,    besonders   vor   r  nicht   selten: 
dass  es  in  Handschriften  aus  Flandern  und  den  angrenzenden  Gegenden 
häufig  vorkomme,    bemerkt  Franck,    Mittelniederländische  Grammatik 
§  80.  —  Dass  ä  im  Ndl.  nicht  umgelautet  wird,  ist  bekannt.    ^Doch 
finden  sich  nicht  selten  auch  Spuren  des  Umlautes   und  zwar  wie  im 
Md.^  (und  im  Ndsächs.)    „als    e^    diese  Erscheinung  gehört  besonders 
dem  Limburgischen  und  Brabantischen  an" ;  Franck,  (}r.  §  39.    Danach 
liegt  am  nächsten,  das   e  in   mecop   94    als   durch    den   vokalisierten 
Guttural  bewirkten  Umlaut   des  ä   anzusehen;    denn   ahd.    mago   und 
mhd.  mage  werden  allgemein  mit  ä  angenommen,  als  dem  griech.  [xr^xcov 
und  dorisch.  |7.äxo>v  entsprechend.  Osthofi'  hält  gar  mägo  für  ein  vor  der 
ersten  Lautverschiebung  übermitteltes  Fremdwort ;  s.  Beiträge  zur  Gesch. 
der  Deutsch.  Sprache  und  Literatur,  hrsg.  v.  Paul  und  Braune,  VIII,  261. 
Wackernagel  ist  der  einzige,    welcher  den  Stammvokal    bestimmt    für 
kurz  erklärt:    „wa^e,  mahe^  ahd.  mago,    schon  mhd.  mein,    mon,    zsgz. 
aus  mahan''^    sagt   er   in   seinem  Altdeutsch.  Handwörterbuch  S.   188. 
Lexer,  Mhd.  Handwb.  I,  2005,   macht   für   die  Kürze  des  Vokals  mit 
Grund    geltend,    dass  elsässiscli  der  Mohnsame  mageföme  und  magefot 
heisst  und  nicht  mögeföme^  mögrföt.    Vielleicht   lässt   sich   auch    nndl. 
mankop  neben  maankop  daher  erklären.  Also  ist  mago^  mage  zu  schreiben 
und  die  Länge  des  Vokals  ist  erst  in  man  durch  Contraction  von  mahan 
zu  m«aw,  man  entstanden.     Demnach  wird  auch  in  mecop  kein  Umlaut 
e  von  d  zu  erblicken    sein,    sondern   6 -Umlaut   aus   8.      Dafür   zeugt 
nämlich  auch,  dass  nach  De  Bo,  Westvlaamsch  Idioticon,  meekop  ^met 
zware  ee^  gesprochen  wird,  also  mit  franz.  e  wie  in  pere  oder  ai  wie 
in  elmire  (S.  G78  und  280).  —  Unter  denjenigen  Glossen,  in  welchen 
Umhiut   des   a   nicht    stattgefunden   hat,    ist  radic   95   zu   bemerken. 
Hd.   ist  ratih  überliefert,    aber  ndsächs.    kennen   wir   nur  rcrftfe,    und 
im   Ndl.   ist   das  W^ort   schon   im   Mittelalter   durch   radijs  verdrängt 
worden.     Dieses   radic  ist  meines  Wissens   der   erste  Beleg  einer  für 
rcdik  vorauszusetzenden  älteren  unumgelauteten  Form. 


133 

Prüfen    wir   mm   den  Wortjüjehalt  der  Olossen,    so    ist    zunächst 
gegen  den  Herausgeber   einzuwenden,   dass  er  eine  Anzahl  Ausdrücke 
als  sonst  nnl)elegbar  mit  einem  Stern  versehen    hat,    die    auch    sonst 
vorkommen,  dagegen  bei  anderen  den  Stern  zu  setzen  unterlassen  hat, 
von  denen  ich  wenigstens  keine  Spur   habe   finden   können   imd   ver- 
muten möchte,    dass    sie   nicht   nachgewiesen    sind.     Zu  jenen  rechne 
ich  z.  J3.  kuJcucJcesloc  5,  davere  27,  hwndeUome  33,  paftanaca  35,  papla  75. 
zu  diesen  ceuescion  fcuifun  36,    moyfika    74.      Cuccucfilooe   haben   die 
(iloffae  Trevir.    in    Hoffmann's   Hör.    Belg.  VII    oder   l)ei   Diefenbach 
(j|.  10()  für  cucumer\  hd.  weist  Diefenbach  das  Wort  aus  drei  Glossaren 
nach   als    Uebersctzung    von   alleluia,    also    wie    in    den  Königsberger 
(ilossen;  imd  für  acetofa  bietet  cuccuheslof  das  ndd.  Gl.  22  bei  Diefen- 
bach,  mit  der  häufigen  Vertauschung  von  löf  und  16c,     Hunde-  (oder 
hundes-)  blome  ist  auch  sonst  belegbar,  freilich   nicht  als  Glosse    von 
caniamiUa,    sondern   von   amarisca    Ztsch.    f.    Deutsche  Phil.  IX,    198, 
amarusta  bei  Diefenbach;    aber   im   Garden  der  Suntheit   wird    (nach 
dem  Mndd.  Wb.)  hundehlome   docli    wenigstens    für    die  Hundskamille 
gebraucht  im  Gegensätze  zur  lamellenhlonie^  der  echten  Kamille.    Aller- 
dings fällt  bei  mehreren  Glossen  auf,    dass    der   lateinische  Ausdruck 
anders   glossiert  wird,    als  in  den  meisten  Vocabularien  des  späteren 
Mittelalters  und  dass  diese  das  in  den  Königsberger  Glossen  verwandte 
deutsche    Wort   zu    einem    verschiedenen    lateinischen   Pflanzennamen 
bringen,    eine  Erscheinung,    deren  Verfolgung  durch  die  Glossen   eine 
behufs  einer  Geschichte  der  Botanik  wichtige  Aufgabe  für  einen  botanik- 
kundigen Philologen  oder  einen  sprachkundigen  Botaniker  wäre.    Aber 
diese  Abweichung  zwischen  älterer  und  jüngerer  Nomenclatur  scheint 
der  Herausgeber  bei  dem  Zeichen  des  Sternes  nicht  im  Auge   gehabt 
zu  haben,  wie  z.  B.  daticus  paftanaca  35  zeigt,  denn  Nr.  74  bei  Diefen- 
bach giebt  daucus  paßernag;   oder  malva  papla  75,    wie   ahd.  papula, 
as.  pappila,   wie   die    Glossen   bei   Diefenbach  s.  v.  malva,    und  Corn. 
Kilianus  Dufflaeus  unter  pappel  beweisen.     Diese  Pflanze  heisst  west- 
Hämisch  noch  päppele  oder  pappel. 

Zahlreich,  wie  überhaupt  im  botanischen  Sprachschatz  des 
Deutschen,  sind  auch  unter  diesen  Glossen  die  dem  Lateinischen  ent- 
lehnten Wörter.  F^ine  solcher  Glossen,  glaube  ich,  lässt  sich  durch 
eine  wenig  andere  Lesung  richtig  stellen,  das  wunderliche  ceuescion 
seuifon  36.  Beide  Wörter  sind  unbesternt  geblieben,  doch  bezweifle 
ich  einigermassen,  dass  sie  sich  sonst  werden  belegen  lassen.  Ich 
vermute,  dass  cenescion  und  etw^a  fcinfun  oder  fincfun  oder  fenifun 
zu  lesen  ist;  vgl.  finkfoen,  fingfoen^  kruiskruid,  fr.  fenegon,  lat.  fenecio 
bei  De  Bo,  Westvlaamsch  Idioticon,  und  finkfioen  im  Aardenburger 
Dialekt  (Noord  en  Zuid  II,  321).  Die  Endung  des  Wortes  zeugt  dafür, 
dass  es  nicht  direct  aus  dem  Lateinischen,  sondern  aus  dem  Romanischen 
entlehnt  ist.  Ebenso  steht  es  mit  ce2)e  uniun  22,  zu  dem  der  Heraus- 
geber oinjun  aus  dem  Gloff.  Bernenfe  oder  Dief.  Nr.  99  vergleicht. 
Franck  giebt  zum  nndl.  ajuin  die  mndl.  Formen  aiuun,  oiuun^  oniuun, 
aioen^  die  nfläm.  ajoen^  anjoen.    Das  uniun  kommt  noch  sehr  dem  lat. 


134 

unio  nahe,  inuss  aber,  so  gut  wie  engl,  onion^  wegen  der  Endung  aus 
afrz.  ognon  stammen.  Porrum  poret  86  entspricht  nicht  dem  franz. 
poireau,  porreau,  sondern  einem  pore,  statt  dessen  aber  pwee  gilt, 
it.  parrata ;  engl,  porret  stimmt  zum  poret  der  Glossen.  Als  westtiäm. 
giebt  De  Bo  poret^  parety  pret  neben  porei,  prei  an.  PetroßUnum 
perfeie  87,  jetzt  westfläm.  perfelle^  ist  das  franz.  persil,  Salvea  folge  1)8, 
früher  westfläm.  failge,  jetzt  feldje^  kommt  mit  franz.  fange  überein. 
Libiscus  lovesca  70 :  franz.  liveche,  leveffe,  ndl.  bei  Kil.  Dufflaeus  levefche, 
livefche^  bei  De  Bo  lavaf(se)y  auch  nndl.  lavas  neben  luhbeftok,  in 
Brabant  nach  Nemnich's  Polyglotten-Lexikon  der  Naturgeschichte  lavetfe. 

Gleichfalls  ein  Fremdwort  ist  bove^'ella  63,  doch  scheint  es  nicht 
dem  Französischen  entlehnt  zu  sein,  welches  dafür  coquerct  hat,  nach 
Nemnich  auch  coquerelle,  dessen  Endung  zum  deutschen  Worte  stimmt. 
In  den  übrigen  romanischen  und  in  den  slavischen  Sprachen  weichen 
die  Ausdrücke  für  diese  Pflanze  völlig  ab,  nur  das  Tschechische  hat 
hohorelka.  Bei  Diefenbach  sind  hd.  boborell,  boberell  und  ndd.  boberelle 
unter  boborella,  dann  nhd.  boberellen,  boborellen  unter  halicacabum  und 
im  Nov.  Gioff.  alkekengi  =  boberellen  aus  dem  Hortus  Sanitatis  ver- 
zeichnet. Nemnich  hat  unter  Phyfalis  alkekengi  ausser  boberellen  auch 
bocJcerellen,  was  eigen  an  coquerelle  anklingt.  Im  Nndl.  scheint  kein 
baverelle  vorzukommen.  Die  Identificierung  von  boverella  mit  labrusca 
im  Königsberger  Glossar  beruht  wohl  nur  darauf,  dass  beide  Pflanzen 
Beeren  tragen. 

In  Erwägung  der  ans  Französische  mahnenden  Pflanzennamen 
erscheint  baia  15  als  Uebersetzung  von  bacca  luibedenklich,  obschon 
der  Herausgeber  unschlüssig  ist,  ob  er  nicht  beira  lesen  soll.  Es 
lässt  sich  für  französischen  Ursprung  das  ai  geltend  machen.  Ein 
beia  würde  dagegen  als  deutsch  angesprochen  werden  müssen;  denn 
im  Friesischen  findet  sich  ein  solches  Wort  für  „Beere":  westfries. 
bey,  f.  in  Epkema's  Woordenboek  op  de  Gedichten  van  Gijsbert  Japicx; 
ostfries.  beye  in  Cadovius-MüUer's  Memoriale  linguae  Frificae,  hi*sg. 
V.  L.  Kükelhan,  S.  34,  und  bee  bei  Stürenburg,  Ostfr.  Wb.,  S.  12.  1*25 
und  349,  und  bei  ten  Doornkaat  Koolman,  Wb.  der  Ostfries.  Mundart 
I,  134;  ditmars.  beie  in  Ziegler's  Idioticon  Ditmarficum  (in  Richey's 
Idiot.  Hamburgenfe,  2.  Aufl.  S.  406) ;  nordfries.  bei  bei  Johansen,  Die 
Ndfrs.  Sprache  nach  der  Föhringer  und  Amrumer  Mundart  S.  100; 
und  bäi  bei  Bendsen,  Die  Ndfrs.  Sprache  nach  der  Mohringer  Mundart 
S.  131.  An  der  Deutschheit  dieses  friesischen  Wortes  ist  wohl  nicht 
zu  zweifeln;  allein  ob  wir  es  in  jenem  baia  finden  dürfen,  unterliefet 
dem  oben  geäusserten  Bedenken.  Und  dass  franz.  baie  oder  baye  nicht 
etwa  aus  dem  benachbarten  Friesischen  entlehnt  ist,  das  lehren  span. 
baya^  port.  baga  und  die  lat.  Nebenform  von  bacca  :  baca^  aus  welcher 
nach  Diez,  Grammatik  der  Roman.  Sprachen,  4.  Aufl.,  I  S.  257  die 
romanischen  Wörter  sich  regelrecht  entwickelt  haben.  Ob  das  franz. 
baie  im  nndl.  bei  steckt,  das  nur  in  Zusammensetzungen  wie  aardbei 
(Erdbeere)  gebräuchlich  ist,  dünkt  mich  sehr  fraglich,  einmal  wegen 
dieses   eingeschränkten  Gebrauches    und    dann    weil    das  Wort  bei  im 


135 

Südndl.  nicht  vorzukommen  scheint.  Kilianus  Dufflaeus  hat  im 
Etymologicum  (Ed.  3,  1599,  Antwerp.)  haeye  und  heije  als  fläm.,  holL, 
Ines.  =  hefie^  acinus,  giebt  aber  keine  Zusammensetzungen  damit, 
sondern  nur  solche  mit  hefie.  Der  Kilianus  Auctus  von  Potter  (Amster- 
dam 1G42)  hat  die  Artikel  haq/e  und  beye  beseitigt!  Und  De  Bo, 
Westvlaamsch  Idioticon  (1873)  kennt  nur  noch  be/se  für  nordndl.  bejsie, 
hes  oder  -bei.  Somit  werden  die  6et-Zusammensetzungen  im  NndL  aus 
den  friesischen  Dialekten  von  Nordniederland  stammen.  Was  die 
Herkunft  des  Aardenburger  Ausdrucks  beijor^  f.  für  kruisbes,  Stachel- 
beere (Noord  en  Zuid  II,  312)  betrifft,  so  möchte  eher  berie  (vgl.  erd- 
beire  im  Königsberger  Glossar)  darin  zu  suchen  sein,  als  baie  oder 
hie;  im  Mndl.  bestand  bere  neben  bese  und  Kilianus  kennt  es  noch 
als  beere  und  beyre,  wenn  auch  nicht  mehr  als  gemeinndl. 

Unter  den  deutschen  Pflanzennamen  der  Glossen  sind  einige,  die 
eine  Besprechung  verdienen.  Afidula  furcle  6  stimmt  zu  ndl.  eurhel^ 
mndl.  furkel^  fuyrkel,  einem  wegen  seiner  Bildung  bisher  schwierigen 
Worte.  Für  Sauerampfer  finden  sich  sonst  die  in  ihren  Suffixen  ganz 
verständlichen  Bildungen  füre,  füreke  oder  fürJce  und  füring.  Dagegen 
wäre  ein  furkele  mit  k-  und  mit  Z-Suffix  höchst  auffallend.  Die  Königs- 
berger Glosse  scheint  mir  das  Bätsei  zu  lösen:  surkel  ist  aus  zuur-kle 
entstanden  und  entspricht  genau  dem  hd.  fauerklee.  Man  wird  ein- 
wenden, dass  für  kle  im  Ndd.  klever  oder  kldver  gelte.  Diese  ver- 
breitete Ansicht  ist  aber  falsch.  Das  Nddtsche  besitzt  sowohl  die 
einsilbige  wie  die  zweisilbige  Form.  In  Diefenbach's  Glossarien 
begegnet  uns  aus  ndd.  Quellen:  cliton,  herba^  cle  47.  85;  mellüotum, 
cle  24 ;  trifolium  „nd.  cle'\  cleblat  97  (ndrhn.)  u.  de,  drebledere  38.  Das 
ndd.  Colmarer  Pflanzenglossar  im  neunten  Bande  der  Ztschr.  f.  Deutsche 
Piniol,  bietet  S.  201  No.  230  cliton  cley  und  S.  206  No.  570  pifgajnus 
cley,  Kilianus  Dufiiaeus  giebt  klee  als  Synonym  von  klaver  nicht  bloss 
für  das  Deutsche,  d.  i.  das  Hd.,  sondern  auch  als  sächsisch  und 
sicambrisch,  d.  i.  nach  seiner  Erklärung  in  der  Vorrede  soviel  als 
geldrisch,  clevisch  und  jülichisch.  Im  Valentin  und  Namelos  kommt 
das  Wort  an  zwei  Stellen  vor,  in  Seelmann's  Ausgabe  947:  dat  Hot 
den  gronen  kle  bevlöt  nach  der  Stockholmer  Hdschr.  (de),  während  die 
Hamburger  liest:  dat  dat  blot  dor  den  clever  vlot;  und  1G29  im  Reim, 
also  unanfechtbar :  de  roß'e  rorden  dar  den  kle  (in  beiden  Hdschr. :  de 
rofe,  d.  h.  das  im  Kampf  vergossene  Blut,  rorde  dar  den  cle).  Ebenso 
im  Reim:  her  Salomon  wand  den  aloe  in  deffen  Crantz  myt  grünem  klee ; 
Marien  Rosenkranz  235  im  Ndd.  Jb.  VI  S.  107.  Desgleichen  hat 
auch  H.  van  Veldeke  kle  im  Reim;  in  Ettmüller's  Ausg.  S.  5  oder  in 
Minnesangs  Frühling  S.  58.  Klee  dauert  auch  noch,  so  nach  Scham- 
bach im  Göttingschen  als  klei^  während  im  Grubenhagenschen  Tdever 
oder  kleber  herrsche ;  nach  Woeste  im  Westfälischen  neben  klaver  auch 
kle.   kleblaume   usw.,   im  Paderbornischen  klegg.^)     Diese  Formen  Mei 

*)  Die  von  Frisch  Wb.  I,  522c  und  danach  von  Hildebrand  im  Grimm'schen 
AVb.  V,  1059  beigebrachte  Stelle  aus  Hamelmaun's  Oldenb.  Chronik  enthält  nicht 
kley  statt  kUe,  sondern  meint  kley  die  Erdart,  den  Schlamm  der  Gräben. 


136 

und  Megg  beweisen,  dass  an  keine  Entlehnung  aus  dem  Hd.  zu  denken 
ist.  Die  Glosse  furde  und  Veldeke's  Ide  bezeugen,  dass  auch  im 
Andl.  Me  neben  kläver  bestanden  hat.  Wenn  nndl.  eurkvl  ein  Feminin 
ist,  während  Tde  ein  Masculin,  so  mag  das  daher  rühren,  dass  furche^ 
ein  Feminin,  das  nicht  mehr  als  Compositum  fur-kle,  sondern  als 
Simplex  furhele  aufgefasste  Wort  beeinflusst  hat.  Umgekehrt  ist  das 
ndsächs.  klever,  kläver  jetzt  masculin,  während  es  ursprünglich  feminin 
gewesen  sein  muss,  wie  aus  dem  ags.  Feminin  clafer  oder  clrrfre 
(Plural  clmfrä)  und  aus  dem  nndl.  Feminin  kläver  gefolgert  werden 
darf;  hier  wird  der  Umstand,  dass  die  meisten  Substantive  auf  -er 
Masculina  sind,  die  Abweichung  hervorgerufen  haben.  Dass  sie  bereits 
im  Mittelalter  stattgefunden  hat,  lehrt  das  dar  den  clever  der  Ham- 
burger Hdschr.  des  Valentin  und  Namelos.  Doch  galt  damals  auch 
noch  das  Feminin:  dat  dot  ok  yferhart  unde  claveren^  heisst  es  im 
Gothaer  Arzneibuche  Fol.  171a.  Dies  claveren^)  kann  nur  Plural  eines 
schwachen  Feminins  clavere  sein,  und  dieselbe  Form  im  Sg.  finden  wir 
in  den  Königsberger  Glossen:  cüifus  clavere  27.  Aber  nicht  nur  der 
Beleg  der  vollen  Form  ist  bei  dieser  Glosse  bemerkenswert,  sondern 
das  Wort  ist  an  sich  ein  wichtiges  Zeugnis,  weil  kläver  sich  bisher 
nicht  im  Mndl.  hat  finden  lassen,  sondern  erst  im  älteren  Nndl. 
(s.  Franck,  Etym.  Wb.  Sp.  453).  Franck  hält  das  Wort  für  aus  dem 
Friesischen  stammend.  Hier  jedoch  bietet  es  uns  ein  Sprachdenkmal, 
welches  nicht  friesisch  genannt  werden  kann;  und  dasselbe  Wort  ist 
auch  heutzutage  noch  gut  südndl.,  gilt  daneben  in  mehreren  eigentüm- 
lichen Zusammensetzungen  für  verscliiedene  Pflanzen,  hat  selbst  eine 
Suffixbildung  klaverij  (Kleefeld)  veranlasst.  Der  Vocal  ist  allerdings 
gleich  vielen  afrs.  ä  aus  ai  hervorgegangen,  allein  darum  möchte  ich 
clavere  noch  nicht  für  ein  friesisches  Wort  halten,  sowenig  wie  nds. 
kläver  oder  die  md.  Form  clabir  in  Eberhard's  van  Cersne  Minneregel 
4298.  Es  rührt  aus  einer  früheren  Lautenwiclcelung  fränkischer  und 
sächsischer  Dialekte  her,  welche  seit  der  Ausbildung  der  mndl.  und 
der  mndd.  Schriftsprache  nur  von  den  Friesen  und  einigen  ihnen 
benachbarten  Teilen  jener  beiden  Volksstämme  festgehalten  worden 
ist;  vgl.  Hansische  Geschichtsblätter,  Jgg.  1873  S.  163  ff'.  Die  alter- 
tümliche Bildung  dieses  W^ortes  mochte  um  so  leichter  unverändert 
dauern,  wenn  der  Zusammenhang  mit  kU  dem  Bewusstsein  entschwunden 
war.  Mit  diesem  Synonym  wird  es  aber  zusammenhängen  als  ein  mit 
ihm  componiertes  Wort;  s.  Kluge,  Pitymol.  Wb.  unter  „Klee".  Bei 
der  Aehnlichheit  der  Kleeblüte  mit  einer  „Beere"  liegt  nahe,  dies 
Wort  in  dem  zweiten  Teile  von  clavere  zu  sehen  und  den  Ausdnick 
als  ursprüngliche  Bezeichnung  der  Blüte  und  nicht  der  Pflanze  zu 
fassen.  Nun  ist  freilich  got.  6a/?,  ahd.  beri  und  meist  auch  mhd.  bcr 
ein  Neutrum,  wahrscheinlich  auch  das  as.  winberi  (Plur.)  Aber  im 
Mndd.  scheint  ein  schwaches  Feminin  bere  allein  gebräuchlich  zu  sein ; 


*)  Wenn  ich  van  Dale  (Nieuw  Woordenboek  der  Nederlandsche  Taal  1874) 
recht  verstehe,  gilt  nndl.  Plur.  kläver en  speciell  vom  rolklaver^  Schotenklee,  Iotas  L. 


137 

höchstens  könnton  einif^e  Glossen,  wie  hrummeUfpr,  liejßdelheyr,  morfjer 
als  Neutra  zu  fassen  sein.  Vermutlich  ist  aueh  das  erdbeire  41  feminin, 
(las  folgende  erdbeirUat  würde  nicht  dagegen  sprechen.  Auch  das  ags. 
herie  berige^  woher  engl,  herry,  ist  ein  schwaches  Feminin.  Ob  sich 
aber  in  der  Entwickelung  vom  Ntr.  zum  schwachen  Fem.  eine  Mittel- 
stufe eines  starken  Fem.  und  die  Verwendung  desselben  zur  Bildung  des 
in  Rede  stehenden  Compositums  denken  lässt,  wie  ich  glauben  möchte, 
oder   ob   nicht,   das  müssen  des  Altdeutschen  Kundigere    entscheiden. 

Eigentümlich  wäre  in  (llosse  20  carim  mure,  falls  carica  als  der 
altlat.  Ausdruck  für  getrocknete  Feige  zu  fassen  ist,  die  Vertretung 
der  Feige  durch  die  Maulbeere.  Am  nächsten  liegt  sonst  noch  dem 
Laut  nach  das  mndl.  mure,  nndl.  muur  und  murik,  frz.  mouron,  und 
indertat  findet  sich  bei  Diefenbach  cariciim  zweimal  durch  den  Namen 
einer  Blume,  aber  einer  anderen,  nämlich  golfwurcZy  glossiert. 

Biblus  hife  17,  cirpus  heze  25,  iunctts  biee  54,  pitpirus  bize  ül. 
Die  latein.  Wörter  verbürgen,  dass  viermal  derselbe  PHanzenname 
{^(»meint  ist,  das  nndl.  biege  oder  hies.  In  Norddeutschland  kommen 
beide  Fonnen  Mfe  und  befe  (beife)  vor,  gleichbedeutig  und  nur  nach 
dem  Dialekt  verschieden.  Dasselbe  Verhältnis  wird  in  diesen  (flössen 
stattfinden.  Für  carix  24  wird  die  Zusammensetzung  fcafbifc  als 
(flössen  gegeben,  ein  sonst  bis  jetzt  nicht  nachweisbarer  Ausdruck, 
aber  ohne  Zweifel  ein  Synonym  des  nndl.  fchanfgras  und  fchaafstroo^ 
engl,  fhavpgrafs.  ndd.  fchafrufch  und  fchafrifch^  bei  Gherard  van  der 
Schueren  (Theutonista)  fchafriet,  lat.  equifetum,  hd.  Schaftheu  und 
Schachtelhalm,  Pflanzen  die  zum  Schaben  behufs  Reinigung  von 
(»efässen  und  Polierens  von  Gegenständen  verwendet  werden. 

Edera  drefva  88  und  erucus  walric  3^  sind  zwei  Glossen,  welche 
wieder  die  Herkunft  des  Verzeichnisses  bestimmen  helfen.  Es  ist  mir 
wenigstens  nicht  möglich  g(*wesen,  sie  irgendwo  anders  aufzufinden, 
als  in  De  Bo's  Westvlaamsch  Idioticon:  dreefetn,  m.  glechonia  hedera- 
cca  L.,  fr.  lierre  terreftre,  herbe  de  St.  Jean,  rondeleUcy  terrete;  und 
tcalderik,  wolderik,  m.  raphanus  raphaniftrum  L.,  fr.  ravenelle. 

Fungus  banet  44.  Die  Anmerkung  des  Herausgebers,  dass  fungus 
im  Mittellateinischen  auch  die  Bedeutung  von  vetus  pannus  habe,  trägt 
nichts  zur  Erläutenmg  bei.  Man  denkt  zunächst  an  lat.  boletus,  frz. 
bolet,  ags.  bulut,  bolot,  ahd.  buliz,  mhd.  bülee;  allein  daraus  kann  es 
schwerlich  entstellt  sein.  Am  nächsten  kommt  das  Wort  dem  altsächs. 
banut,  fomes,  Zunder;  ja,  es  muss  dasselbe  Wort  sein,  denn  der 
Schwamm,  welcher  an  Bäumen  wächst,  diente  wohl  von  jeher,  wie 
noch  heute,  als  Zündstoff.  Interessant  ist  das  Ablautsverhältnis,  in 
welchem  banut,  banet  zu  as.  binut  (in  Ortsnamen,  ausserdem  das  Adj. 
binittn,  scirpeus),  ags.  beonet,  engl.  nndl.  nndd.  bent,  ahd.  binuz,  mlul. 
bincjg,  binz,  nhd.  binfe  stellt.  Dementsprechend  wird  eine  Begrift's- 
v(»rbindung  obgewaltet  haben:  vielleicht  gab  die  Verwendung  des 
Markes  der  Halme  der  (Gattung  juncus  zu  Dochten  in  den  Lampen 
Anlass  zu  der  Benennung;  biese,  bese  möchte  dagegen  vielleicht  sich 
mit  scirpus  decken. 


138 

Jusquiamum  Mne  52.  Ebenso  bei  Diefenbach :  jusquiamum,  nd. 
hclne  in  den  Sumerlaten,  und  caniculata,  nd.  belne  Sumerl.  VII;  ags. 
helonae,  heolone  =.  fymphoniaca^  laterculum.  Bosworth  giebt  als  ags. 
hclene^  heolone,  belune.  Kluge,  Etym.  \Vb.,  unter  'Bilse',  hat  ags.  beolene 
und  setzt  als  gemeingermanische  Grundform  hrluva  an.  Dieser  Aus- 
dnick  scheint  früh  anderen  Ableitungen  aus  derselben  Wurzel  gewichen 
zu  sein:  Franck,  Etymologisch  Woordenboek  Sp.  102,  giebt  als  nmdl. 
heize  und  beeide  an,  nndl.  herrscht  die  erstere  dieser  beiden  Bildungen 
im  Compositum  bihetikruid.  Im  Mndd.  gilt,  neben  bilfe  und  bilre 
(vgl.  Dähnert,  Wb.  der  Pommersch.  und  Rüg.  Ma. :  hillerkruud)^  vor- 
nehmlich die  Form  büle^  zu  der  wohl  das  ags.  hen-  oder  henneMle 
(engl,  henbane^  also  Hennengift  ^);  nach  Bosworth  auch  noch  henbell) 
zu  stellen  ist.  Ob  dies  besondere  Bildungen  sind  oder  ob  belnCy  bilne 
zu  hclle^  bille  assimiliert  ist? 

Lactarides  melquid  6().  Das  deutsche  Wort  ist  sicher  in  melc- 
wid  zu  zerlegen.  De  Bo:  mclhvied^  ntr.,  hetzelfde  als  niclkdiftel,  dui- 
diftel,  konijnekruid^  fonchus  L.,  fr.  laitron;  fotnmigen  geven  deeen  naam 
aan  de  moHifalade^  fr.  pissenlit  (leontodon  taraxacum).  In  letzterem 
Sinne  ist  melkwiet^  ntr.,  in  Aardenburg  im  Gebrauch  =  nndl.  paarde- 
bloem;  s.  Noord  en  Zuid  II,  312.  318.  Van  Dale,  Nieuw  Woordenboek 
der  Ndl.  Taal,  hat  als  dialektisch  ^^mellewijt  (melkwied)^  ntr.  melkdistel.*' 
Engl,  milkweed  bedeutet  Wolfsmilch,  euphorbia.  Alle  drei  Püanzeu 
sind  durch  ihren  milchartigen  Saft  ausgezeichnet.  Wid  ist  =  as.  toiodj 
ags.  weod.  Unkraut.  Nicht  dieses  Wort,  sondern  widu  (Holz,  Baum, 
Wald)  scheint  in  ligustrtini  widebinde  69  enthalten  zu  sein.  Dafür 
spricht  nicht  nur,  dass  ndd.  das  Wort  stets  wedewinde  und  nie  wcedc- 
oder  weide-  und  u:i(e)dewinde  heisst,  sondern  vor  allem  dass  es  ndl. 
gleichlulls  wedewinde  (nicht  wiede-  oder  icicdivindc)  lautet  und  ags. 
wudubind,  touduwindc^  im  Catholicon  Anglicum  v.  J.  1483  wodde  byude 
(terebintus),  engl,  iioodhind^  woodbine,  also  die  Pflanze,  welche  den 
Wald  bindet  oder  den  Baum  umwindet;  s.  Regel,  Das  mndd.  Gothaer 
Arzneibuch  im  Gothaer  Progr.  1873  S.  23.  In  widebinde  wäre  dem- 
nach die  mndd.  und  mndl.  Brechung  des  Vokals,  die  in  afelnotc, 
wrga(breda)^  (ften)hrcca  bereits  stattgefunden  hat,  noch  nicht  ein- 
getreten. Die  Verwendung  von  binde  statt  winde  zeigt  ausser  dem 
Ags.  und  Engl,  nur  die  Königsberger  Glosse,  doch  bewahrt  die  ndl. 
Volkssprache  nach  van  Dale's  Angabe  ein  Ueberbleibsel  davon  in 
binde  für  akkerwinde;  so  auch  speciell  das  Flämische,  nach  De  Bo 
unter  „bowinde^).*'  Wenn  das  von  Bosworth  auch  gegebene  ags. 
tceodbinde  gute  Begründung  hätte,  so  Hesse  sich,  angesichts  der  Eigen- 
tümlichkeit der  Königsberger  Glossen  ie  durch  i  auszudrücken,  für 
widebinde  auch  an  eine  Zusammensetzung  mit  wiod  denken;  im  Eng- 
lischen  besteht   ein    umgekehrtes    Compositum   bindweed  für  'Winde'. 

')  Den  gegenteiligen  Sinn  hat  mndd.  hennebilf  engl,  henbü,  Hühuerbiss^ 
morsus  gallinae.  ^)  Nemnich  giebt  für  convolvulus  arveusis  auch  den  dtscfa.  N. 
bedewinde;  das  könnte  aus  wedebinde  entstellt  sein.  Woher  aber  fläm.  b<h  oder 
bawinde  ? 


139 

Für  die  Deutung  von  udd.  ndl.  wcdrtcinflc,  au.  viivindiV,  engl,  wlth- 
teind,  tcithiwind  könnte  etwa  gar  ndd.  ndl.  tvede^  an.  t/d,  ags.  vidde, 
Uand,  Fessel,  herangezogen  werden ;  ob  für  widehindc,  scheint  zweitel- 
luift,  da  die  Bildung  tautologisch  wäre;  freilich  giebt  Bosworth  auch 
ein,  zwar  durch  den  Kompositionsvokal  bedenkliches,  ags.  tvcodobend 
liw  und  engl,  withebivd,  ebenso  Benson  weodohend,  convolvulus. 

Schwierig  ist  die  Glosse  moyfika  mufeke  74,  wegen  des  lat.  Wortes, 
das  sonst  nicht  vorzukommen  und  fast  erst  aus  dem  Deutschen  gemacht 
zu  sein  scheint.  Mttfica  wufeke  der  ndl.  Gloff.  Bernenfes  (Dief.  No.  Du, 
Hoffniann  Hör.  Belg.  VII  No.  1)  meint  trotz  des  Mndd.  Wbs.  offenbar 
dasselbe.  Spätere  ndd.  Glossare  (s.  Mndd.  \Vb.  und  Ztschr.  f.  Dtsch. 
Philol.  IX  S.  205  No.  4G8  und  479)  haben  mufeJce  als  Verdeutschung 
von  meUilotum  und  menta.  Mit  dem  altndl.  Worte  ist  sicher  nicht 
das  Mäuseöhrchen,  mndd.  mufekenore^  gemeint,  da  dieses  als  püofella 
mushore  hier  Z.  84  sich  findet,  noch  auch  Moos,  ndd.  ndl.  »mos,  da 
72  muscus  mos  steht  und  der  Vokal  qualitativ  und  quantitativ  ab- 
weicht, wenn,  woran  nicht  zu  zweifeln,  das  mndd.  mufeke  dasselbe 
Wort  ist  wie  das  andl.  Der  letztere  Grund  spricht  auch  gegen  möfeke 
(Waldmeister  (s.  Mndd.  Wb.),  hamb.  mbfchen  (ö  spr.  ä  mit  Umlaut), 
Ih4  Jellinghaus  (Westfäl.  Gramm.)  müefk.  Zu  langem  Vokal  würde 
stimmen  Woeste's  (Wb.  der  Westf.  Ma.)  rükeinüfeken  für  Waldmeister ; 
icli  möchte  aber  vermuten,  dass  rukemüefeken  zu  schreiben  ist,  denn 
diese  neueren  Wortformen  für  asperula  odorata  scheinen  nur  Deminutiva 
von  mos,  Moos,  zu  sein.  Ob  schwed.  myska  und  (nach  Nemnich)  dän. 
myfikc  myske  ebenso  gebildet  sind  oder  ob  sie  dem  Glossennamen 
mufeke  (mit  ü)  entsprechen,  weiss  ich  nicht  zu  sagen. 

Metitriaftrum  vrfminte  71),  eine  höchst  merkwürdige  Glosse. 
Berücksichtigt  man,  dass  die  Mehrzahl  der  Glossare  menthaftrum  als 
., Rossmünze"  fassen,  so  liegt  der  Schluss  nahe,  dass  auch  in  erfminte 
und  in  den  beiden  vom  Herausgeber  aus  Diefenbach  angezogenen 
Glossen  herfemyncze  (No.  20)  und  hierfchfmoite  (No.  11)  das  Bestim- 
mungswort den  Begriff  von  Boss  oder  Pferd  enthalten  dürfte;  vgl. 
auch  ags.  horsmint^  ^'iigl-  horfemwt.  As.  hers  statt  Jiors  oder  (im 
Ileliand)  hros  ist  aus  dem  Segen  gegen  die  „fpurihelti"  bekannt. 
Müllenhoff  (in  den  Denkmälern  Dtsch.  Poesie  und  Prosa)  möchte  es 
freilich  als  verschrieben  ansehen,  nicht  als  dialektisch,  wie  es  im 
Friesischen  vorkommt.  Mir  scheinen  die  obigen  drei  Glossen  gegen 
seine  Meinung  zu  zeugen.  No.  20  bei  Diefenbach  hat  auch  in  anderen 
Glossen  ein  ndl.  Glossar  ausgeschrieben;  in  No.  11,  welches  Glossar 
ndrh.  oder  ndl.  ist,  erscheint  das  Wort  schon  unverstanden  und  ent- 
st<»llt.  Uebrigens  lässt  sich  auch  aus  norddeutschen  Ortsnamen  nach- 
weisen, dass  neben  hors  und  fem.  horfe  dialektisch  noch  die  Formen 
mit  e  und  a  im  Mittelalter  gegolten  haben.  Fürs  Flämische  bezeugt 
dasselbe  die  mundartliche  Aussprache  affekot  imd  effekot  tlir  oß^e-  oder 
orfekot  =  roffe-  oder  peerdekot,  Ilossmühle;  s.  De  Bo  S.  803  f. 

Madiger  cölfcot  11,  Madiger  ist  entstellt  aus  maguder,  dass. 
lat.  magudaris.    Das  Wort  wird  sonst  als  kolftrunk  und  kolftok  glossiert, 


140 

doch  geben  auch  zwei  ndd.  Glossare  bei  Diefenbach  colfcot  und  kcifcof, 
wo  kolfcot  zu  lesen  ist.  Das  Wort  wird  ein  Neutrum  sein,  es  stimmt 
in  seiner  Bildung  zu  ütfcot  germen  (Ndd.  Jb.  I  S.  26b)  und  in  seiner 
Bedeutung  zu  kölfprute^  Kohlschössling  (Jlndd.  Wb.). 

Nepitn  cfauftetda  83 ;  in  der  Note  dazu :  „1.  dawiettla  (V)".  Nettla 
oder  vielleicht  netela  wird  indertat  zu  lesen  sein:  denn  daunetda 
giebt  keinen  Sinn,  wohl  aber  wird  die  nepeta  oder  Katzenminze  auch 
zu  den  Nesseln  vom  Volke  gerechnet,  wie  die  Namen  Katzen-,  Stein-, 
Mariennessel  bei  Nemnich  bekunden ;  somit  ist  nicht  auffallend,  dass 
nepeta  hier  ein  ähnliches  lippenblütiges  Gewächs,  welches  dem  Volke 
gleichfalls  als  eine  Nesselart  gilt,  vertritt,  nämlich  entweder  die  Taub- 
nessel, lamium,  oder  glaublicher  die  Taubnessel,  galeopfis.  'Taub' 
kann  jedoch  nicht  in  dam-  stecken,  das  müsste  dof-  heissen;  man  muss 
dan-  lesen.  De  Bo:  daimctel^  dannittel^  m.  (für  neteh  nettel^  nittel 
giebt  er  m.  und  f.  an;  im  Gemein-Nndl.  ist  netd  noch  ausschliesslich  f.). 
galeopsis  tetrahit;  ebenso  ten  Doornkaat  Koolman;  Bremer  Wb.  III, 
236:  danncttely  auch  dove  vettcl,  taube  Nessel,  urtica  iners,  galeopsis; 
Nemnich  hat  dannettel  tiir  lamium  album;  nach  Grimm's  Wb.  ist 
tannnelfel  galeopsis  ladanum. 

Pulegium  album  böge  93.  Diese  Glosse  hat  mir  am  meisten  zu 
schaffen  gemacht,  ohne  dass  sich  ein  auch  nur  einigermassen  befrie- 
digendes Resultat  ergeben  hätte.  Falls  ein  w-Strich,  wie  in  gigcberrc 
und  madalbom^  versehentlich  unterblieben  wäre,  so  Hesse  sich  etwa  an 
den  Pflanzennamen  bunge  denken:  lulbus  bungo  Graflf  Ahd.  Sprach- 
schatz III,  131,  bolluya  herba  bungen  und  buga  herba  bunghen^  beide 
aus  Sumerlaten  V  bei  Diefenbach.  Das  Wort  ist  als  Simplex  jetzt 
erloschen,  dauert  aber  in  einem  Compositum  bachbunge^  bekcbunge  lür 
die  Pflanze  veronica  beccabunga.  Inwiefern  diese  Vermutung  soweit 
stichhält,  dass  solches  bonge  als  Uebersetzung  von  pulegium  album 
denkbar  ist,  mögen  Botaniker  entscheiden. 

HAMBURG.  C.  Walther. 


141 


Die  mittelniederdeutschen  langen  o. 


Mit  dem  Buchstaben  o  haben  die  Schreiber  mnd.  Denkmäler 
und  Urkunden  Laute  sehr  verscliiedener  Herkunft  und  Geltung  wieder- 
tregeben.  Sieht  man  von  dem  kurzen  und  dem  tonlangen  o,  sowie 
von  dem  im  Küstengebiet  durch  Senkung  aus  a  in  späterer  Zeit 
(entstandenem  o  ab,  so  sind  vornehmlich  dreierlei  durch  ihren  Ursprung, 
durch  die  ihnen  in  den  anderen  germanischen  Spradien  entsprechenden 
Vocale  sowie  durch  ihre  spätere  Phitwicklung  sich  unterscheidende 
lange  6  von  einander  zu  trennen. 


'r^ 


6^  ist  aus  altem  (germanischem)  o  entstanden  und  entspricht 
gotischem  o,  ahd.  und  mhd.  uo  (umgelautet  t/>).  Beispiele:  mot  'Mut' 
(got.  moths^  ahd.  mhd.  muot);  vote  'Füsse'  (got.  f 6t jus,  ahd.  v^wzi, 
mhd.  vüeee), 

0*  ist  aus  altem  au  entstanden  und  entspricht  got.  aw,  ahd.  mhd. 
ou  (umgelautet  öu)  bzw.  vor  h  oder  Dentalen  ö  (umgel.  oe),    Beispiele : 
'>/<?  'Auge'  (got.  au^o,  ahd.  ouga,  mhd.  ouge) ;  Iwvet  'Haupt  (ahd.  hoüint, 
mild,  kouhet,  höubet);    lös  'frei,  ledig'  (got.  laus^   ahd.  mhd.  los);    Ime* 
'böse'  fahd.  hds%  mhd.  hoese). 

6'  oder  anomale  6  nenne  ich  die  in  gewissen  mnd.  Wörtern 
auftretenden,  nicht  altem  ö  oder  au  entsprechenden,  sondern  meist 
aus  altem  a  oder  ä  hervorgegangenen  mnd.  ö.  Bisher  sind  diese  6 
nicht  als  besondere  Klasse  aufgefasst,  sondern  sie  sind  in  den  Lokal- 
grammatiken meist  mit  o^  zusammengeworfen.  Dagegen  ist  zu  bemerken, 
dass  nach  einem  Ergebnisse  dieser  Untersuchung,  welches  hier  vorweg 
schon  angeführt  werde,  die  6^  in  den  verschiedenen  nd.  Mundarten 
ein  verschiedenes  Verhalten  zeigen.  In  einem  (iebiete  fliessen  die  6* 
mit  o^,  in  andern  (lebieten  mit  (V  zusammen,  ein  Dichter  reimt  die 
o'  nur  mit  6^,  ein  anderer  nur  mit  6^.  Dass  sie  späteren  Ursprungs 
als  6^  und  6*  sind,  scheint  auch  daraus  hervorzugehen,  dass  Neben- 
formen mit  altem  a  hin  und  wieder  sich  erhalten  haben.  Die 
hier  folgende  Zusammenstellung  umfasst  die  Wörter  mit  ö^,  welche 
in  den  Reimen  der  in  die  Untersuchung  gezogenen  Dichtungen  begegnen, 
und  ausserdem  noch  einige  W^örter  zweifelhafter  Herkunft.  Die  den 
mundartlichen  Formen  mit  einem  Kolon  beigefügten  Buchstaben  geben 
an,  mit  welchem  alten  Laute  die  6^  in  dem  betreftenden  Worte 
zusammengeäossen  sind.  Die  Regel,  dass  scheinbare  neuniederdeutsche 
Entsprechungen  germanischer  6  und  au  nicht  auf  diese  zurückzuführen 
sind,  wenn  sich  bei  der  Vergleichung  von  Formen  verschiedener  Mund- 


tl42 

arten  Widersprüche  ergeben,  dürfte  nur  dann  Im  Stiche  lassen,  wenn 
mundartliche  Grenzgebiete,  in  denen  Vermischungen  stattgefunden 
haben,  in  Betracht  kommen.  Ferner  ist  für  das  neunicderdeutsclie 
zu  beachten,  dass  in  manchen  Mundarten  Ausgleiche  zwischen  den 
Vokalen  der  Präterita  verschiedener  Ablautsreihen  stattgefunden 
haben.  Im  mittelniederdeutschen  ist  das  nach  Ausweis  der  bis  jetzt 
untersuchten  Dichtungen  noch  nicht  der  Fall.  Die  Ursache,  welche 
auf  die  Entstehung  eines  6*  von  Einttuss  war,  ist  nicht  in  jedem  Falle 
klar.  Die  Mehrzahl  der  Fälle  scheint  sich  aus  der  durch  u  oder  w 
bewirkten  Labialisirung  eines  alten  a  oder  ä  zu  erklären,  einige  anden» 
durch  Nasalwirkung.  Es  schien  zu  genügen,  die  neundd.  Formen  nur 
aus  einigen  Mundarten  zu  verzeichnen,  und  es  ist  hier  darauf  ver- 
zichtet worden,  die  auf  mittel-  und  niederfränkisches  Gebiet  hinüber- 
greifende Erscheinung    ausserhalb    des  Niederdeutschen    zu    verfolgen. 

vrO  'froh'  (as.  flect.  fraha\  abd.  frao,  frö,  11.  fraxv(r\  mhd.  iroj  fl.  vrours, 
rrouwes'j  germ.  *frawo-).  In  Münster  frö  :  o\  weshalb  Kaumann  (Entwurf  der 
Mttusterscben  Ma.  1884  §  36)  denVocal  von  germ  6  ableitet.  In  Soest  frro  :  ü-, 
so  dass  Holthausen  (Soester  Ma.  §  76)  den  Vocal  auf  germ.  au  zariickführt. 
In  Ravensberg  fräu  :  6*  und  darum  nach  Jellinghaus  (Westf.  Gramm.  §  59) 
aus  germ.  au.  In  der  Grafschaft  Mark  (Fromraanns  Ma.  5  s.  64  n.  61)  fräu  :  (r: 
in  Iserlohn  frehi  :  6*  (Zeitschr.  f.  vgl.  Spr.  Bd:  2).  Im  Sauerland  (Humpert, 
Dialekt  im  Hönnethale  1876  sp.  27)  frhi  :  6».  In  Paderborn  frrr  :  o*  (Winkler, 
Idiotikon  1  s.  231);  in  Lippe  frau  :  6^  (Hoifraann,  Vokale  der  Lippischen  Ma. 
1887  S.  58);  im  Göttingenschen  (Schambach  Wtch)  frd  :  ö*;  in  Hildesheira  bei 

,  Braunschweig  (Bierwirth,  Vocale  der  Ma.  von  Meinersen  1890  §  198;  Heibe}', 
Ma.  von  Börssum  1891)  und  im  Ftirstent.  Halberstadt  irö  :  6^  Bei  Pseudo- 
Gerhard und  Everhard  von  Wampen  im  Heime  zu  (V,  in  Groningens  Schicht- 
speel  und  der  Gandersheiraer  Chronik  zu  6*  und  6'.' 

rd  *roh'  (abd.  rö,  flect.  rnwes]  as.  hrd;  ags.  hrf'aw\  mnl.  rau  und  ro ;  ndl. 
ranuw\  nord.  hrdv,  germ.  ^hratvo-)  Münster  7'aw  :  6*;  Ravensberg  räu  :  Tr; 
Göttingen  m  :  ö*;  Braunschweig  ro  :  ö*. 

strd  'Stroh'  (abd.  ab-do,  stro\  afr.  strP.\  mnl.  siro\  ags.  slrcaw;  gorm.  *s'tr(ftro-) 
Osnabrück,  Münster  stj-au  :  6*;  Soest  strio  :  ö*;  Iserlohn  slrehi  :  «V;  Ravens- 
berg slräu  :  6^ ;  Lippe  sträu  :  6* ;  Qöttingen  .strd  :  ö^ ;  Braunschweig,  Halber- 
stadt .slrö  :  6*. 

spdk  'Spuk'  (fehlt  abd.  mhd.;  ndl.  sfpook;  schwed.  siföke-,  norweg.  spjok\  dän. 
.sjföge  'spuken,  scherzen';  germ.  *.s]}a'ku'?)  Mnd.  Nbf.  .9])?}k:o^;  Osnabrück 
fquf'ken,  .^yooksei  :  o*;  Münster  spöüken  :  ö*;  Soest  sprok  :  u*;  Iserlohn 
s})^ik^  :  6*;  L\^i}e  .^fpoikeding  :  6*;  Meinersen  .<7?a?//:  :  ö*;  Mülheim  a.  R.  .^ipukr  :  A'. 
Der  Koker  reimt  mit  6\     (Mecklenb.  .spijökcn  'scherzen'   vgl.  zu  dän.  apöge) 

krdn  'Kranich'  (engl,  krau,  ndl.  krann).  Mnd.  Nbf.  krdn.  Osnabrück,  Münster 
krdne]  Ravensberg  kreonn  :  6*;  Göttingen  krdneke\  Meinersen  kreune  :  6*; 
Altmark  krön]  Mecklenburg-Strelitz  kraun  :  6*  und  krön  :  6*  (?). 

kröinc  'Krume'  (ags.  crume,  ndl.  kruim).  Osnabrück  hramcn  :  ö*;  Iserlohn 
hriiime  :  (V;  Ravensberg  kreoim  :  6*;  Hildesheim,  Göttingen  kraume  :  o"; 
Börssum  und  Meinersen  kraume  :  o*;  vgl.  Soest  h'ipml  (:  tl.  ö  <  u  nach 
Holthausen  §  66). 

tdn  'Zehe'  (abd.  ^f'ha,  xc ;  thüring.  zP.we  s.  Kluge ;  afr.  tnne ;  ags.  Id  ;  nord.  /•>, 
ndl.  lern)  germ.  *taihwon)  Mnd.  Nbf.  ir,  Ihi,  tPwc.  Osnabrück  lein  (bei 
Lyra  plur.  Haue);  Ravensberg  tuin,  tailicn]  Soest  ieuwe  :  e. 


m 

g^  'Gans^  (ahd.  gans).  Mud.  Nbf.  gafis]  Münster  uud  Osnabrück  gatis  :  6*; 
Soest  geos  :  6';  Iserlohn,  Sauerland  g^us  :  6',  plur:  gHse  :  6*;  Bavensberg 
gäus  :  o^;  Göttingen  gas  :  ö^;  Braunschweig,  Halberstadt  gans  :  6^;  andere  nd. 
Formen  verzeichnet  Wrede,  Anz.  f.  d.  Alt.  18,  407.  Ps.-Gerhard  reimt  damit 
ö^  Bote  6\ 

stdt  'stand'.  6  hier  aus  westg.  ö  (vgl.  got.  prät.  stoth,  afränk.  sitiod)  abzuleiten, 
liegt  nahe.  Doch  wird  man  eine  mnd.  Form  mit  ö'  anzunehmen  haben,  die 
sich  aus  dem  Prät.  stand,  siond  (mnd.  Formen  s.  mnd.  Wtb.  4,  359)  ent- 
wickelte, denn  stot  reimt  bei  Ps.-Gerh.  mit  ö*,  im  Schichtspiel  mit  ö^  Die 
heutige  Ma.  bietet  meist  stunt  mit  u,  das  aus  dem  Plural  in  den  Sings 
gedrungen  ist. 

tdn  'Zahn'  (ahd.  xan,  xnnd\  as.  flect.  tandow,  afr.  tCdh,  vgl.  Siebs  1,  95;  ag^. 
tödh\  got.  iunihus\  nord.  timiij  plur.  ienn\  germ.  *tanth-).  Mnd.  Nbf.  tand, 
tan,  plur.  tande,  tane,  tene.  Osnabrück  iant^  pl.  teinne\  Münster  taut] 
üüttingen  if^'n]  Altmark  Uen. 

spdn  'Spahn*  (ahd.  sjMtn]  afr.  spÖHf  s.  Siebs,  Gesch.  d.  engl.-fries.  Spr.  1,  232; 
ags.  spön\  mnl.  spasn\  nord.  s])i)nn;  vgl.  mhd.  mnd.  spat  *Splitter\  ndl.  spint 
*Spliut';  germ.  *spanth'?  sjumu-  ?).  Osnabrück  spannt :  a ;  Anrieh  spannd\  Soest 
sp\yn^  plur.  spcßnc :  mnd.  ä  bzw.  e  (Holthausen  §  70) ;  Raveusberg  späun  :  6*,  sphi ; 
Lippe  spaun :  ö*;  Göttingen  span^  plur.  spöane :  a;  Meiuersen,  Börssum  spann :  u'. 

wdneii  'wÄhnen,  glauben'  (as.  wänian,  ags.  wrnan^  fr.  whm).  Mnd.  Nbf:  ivdnen^ 
irnnen, 

sd  *8o'  (as.  ahd.  so;  ndl.  zoo;  got.  sum  *so';  ags.  sird]  got.  swc  ^wie).  Münster 
so  :  6*;  Osnabrück  sau  :  6'^;  Soest  sro  :  6*;  Iserlohn  seHu  :  6';  Sauerland 
Äaw  :  6*;  Dortmund  sän  :  6*;  Raveusberg  sän  :  6®;  Göttingen  sau  :  6*;  an  der 
Recknitz  so  :  Ci^\  Meiuersen,  Börssum,  Halberstadt  sau  :  6^  Ps.-Gerhard  reimt 
so  nur  mit  6*  =  6*,  Bote  und  das  Schichtspiel  mit  6^  und  ö*. 

wd  'wie'  (as.  hwöj  ags,  hu,  germ.  *hwa\  vgl.  got.  hwv).  Mnd.  Nbf.  wCi.  Osnabrück 
(Lyra  s.  37)  wo  :  6^;  Münster  ?/v?;  Soest  win  :  ft;  Göttingen  wo  :  ö'*;  Börssum 
und  Meiuersen  wo  :  6*. 

dö  'damals'  (Heliand  tliö,  thuo ;  ags.  frs.  tM)  Iserlohn  doa  :  ä ;  Soest  dvo  :  6* ; 
Osnabrück  dein  :  k  oder  6* ;  Meiuersen  und  Börssum  dö  \  ö* ;  Pseudo-Gerhard : 
n*  und  6^ 

jd  'ja,  durchaus'  (as.  ja,  ags.  gea,  afr.  ge,  vgl.  got.  ja,  jai).  Mnd.  Nbf.  jn. 
Osnabrück  jan  :  o* ;  Münster  jau  :  o* ;  Soest  jio  :  6'. 

[trdren  (ahd.  ti-uren;  ags.  dreorig  'traurig';  ndl.  ireureyi).  Mnd.  Nbf.  irfnrn.  Das 
nd.  Wort  scheint  aus  dem  Hochdeutscheu  entlehnt.  Osnabrück  trör,  tn/ren  :  6*, 
sonst  meist  trüren.     Der  Koker  reimt  :  o\] 

[wdeh  'wog',  Prset.  von  v;egpM  anstatt  des  nicht  belegten  ivachf  hat  ein  ö,  das 
schon  sehr  früh  die  Qualität  von  o*  angenommen  haben  muss.  Wenigstens 
scheint  es  nach  Ausweis  der  Reime  und  der  heutigen  Mundart  nirgend  mit  u' 
zusammengeflossen  zu  sein.  Es  ist  deshalb  auch  in  dieser  Untersuchung  überall 
mit  6*  angesetzt.  —  Wenn  in  demselben  Dorfe  Ahnsen  bei  Meiuersen  ivfich 
und  wauch  neben  einander  in  Gebrauch  sind,  so  dürfte  das  erstere  hoch- 
deutsch sein.] 

fbevdl  'befahl',  PrsRt.  von  bevelfhjen,  begegnet  im  Reim  in  Stephans  Schachbuche, 
ohne  dass  sich  die  Qualität  des  ö  bestimmen  lässt] 

0  in  Lehn-  und  Fromdwötern  romanischen  Ursprungs  zeigt  ein 
durch  Zeit  oder  Ort  der  Uehernahme  bedingtes  Verhalten.  In  sehr 
alten  Lehnwörtern  wie  in  schale  'Schule'  (ahd.  scuola,  ndid.  sehuoh)^ 
pröven  'prüfen',  ist  es  vollständig  mit  6^  zusammengefallen  und  braucht 


m 

ron  ihm  niolit  gesondert  zu  werden.  In  Lehnwörtern  jüngeren  Alters 
hat  es  wie  6*  in  verscliiedenen  Gegenden  verscliiedene  Geltung,  indem 
es  wie  dieses  an  einer  Stelle  mit  6^  zusammenfällt  und  mit  diesem 
reimt,  während  es  anderswo  als  (V  aufgefiisst  ist  und  mit  o^  reimt. 
Beispiele  und  Belege  werden  die  Ileimuntersuchungen  bieten. 

rdse  'Rose'.  Osnabrück  rase  :  6*;  Münster  rau^e  :  ö*;  Soest  rfose  :  ö*;  Ravens- 
berg  reose  :  6*;  Fürstent.  Göttingen  rause  :  6*,  Öfters  auch  rose  :  ö*;  Braun- 
schweigisch  rose  :  o*,  7'ause  :  6\ 

kröne  'Krone'.  Osnabrück,  Münster  kröne  :  6^;  Dortmund  h'äune  :  o';  Sanerland 
Mune  :  6*;  Ravensberg  kreone  :  6^;  Hildeslieim  krofie  :  ö*. 

Wenn  die  mit  demselben  Schriftzeichen  von  den  mnd.  Sehreil)ern 
wiedergegebenen  6^  und  6^  in  ganz  Niederdeutseldand  in  mnd.  Zeit 
genau  dieselbe  Aussprache  gehabt  hätten,  würde  die  notwendige  Folge 
gewesen  sein,  dass  beide  o  in  ihrer  Weiterentwicklung  in  späterer 
Zeit  denselben  Weg  gegangen  wären.  Das  ist  aber  wenigstens  nicht 
ül)erall  der  Fall  gewesen.  Vielmehr  zeigt  sich,  dass  die  heutige  nd. 
Mundart  auf  einem  grossen  Teile  ihres  (Gebietes  (V  und  Cr  derartig 
scheidet,  dass  aus  jenem  andere  Laute  als  aus  diesem  sich  entwickelt 
haben.    Die  möglichen  Typen,  die  sich  ergeben,  zeigt  folgende  Tabelle. 

Miiielniedei'deidsch      .     .  6*  ö'  6*  so 

Gotisch  V.   WeMgerm,     .  ö  au  swa 

r  Münster 6  an  sau 

I.  \  Braun^clnrcig    ....  au  6  sau 

l  Sauerland au  au  säu 

II.      Kurdseeküste 6  6  so 

Die  vorstehende  Tabelle  gibt  nur  schematisch  die  Haupttypen. 
Eine  genauere  llebersicht  mit  Berücksichtigung  der  Umlaute  wird  erst 
nötig  sein,  wenn  die  Untersuchung  sich  der  Ermittelung  der  phone- 
tischen Werte  der  mnd.  Laute  und  der  Umlautfrage  zuwendet. 

Es  sind  zwei  Gebiete  zu  untersclieiden.  I.)  Das  monophthongische 
(iebiet,  in  dessen  heutiger  Mundart  (V  und  6*  in  einen  Laut  (abg(»sehen 
von  dem  dazu  gehörigen  Umlaute)  zusanmiengeflossen  sind.  IL)  Das 
diphthongische  Gebiet,  in  welchem  (V  und  6^  sich  getrennt  entwickelt 
haben.  Die  Bezeichnung  mono-  und  diphthongiscli  ist  übrigens  für 
die  betreffenden  Gebiete  nicht  blos  in  Bezug  auf  die  aus  6  entwickelten 
Vokale,  sondern  auch  noch  in  Hinsiclit  auf  andere  Vokale  zutreffend. 

In  Hinblick  auf  den  seit  Jahren  in  Aussicht  gestellten  Wenkerschen 
Sprachatlas,  von  dem  die  genauesten  (irenzangaben  zu  erwarten  sind, 
habe  ich  geglaubt  auf  eingeliendere  Feststellungen  verzichten  und  mich 
mit  einer  vorläufigen  ungefähren  Uebersicht  des  Umfanges  beider 
Gebiete,  wie  sie  sich  aus  gedruckten  Sprachproben  und  einigen  eigenen 
Erinnerungen  ergab,  hier  begnügen  zu  düi-fen. 

Das  m  o  n  0  p  h  t  h  o  n  g  i  s  c  h  e  Gebiet  erstreckt  sich  über  die 
ganze  Küste  der  Nordsee  und  des  westlichen  Teiles  der  Ostset» 
bis  in  Vorpommern  (Seestädte)  hinein,  wo  es  mit  dem  diph- 
thongischen Gebiete  zusammentrifft.  Es  gehören  ihm  an  —  ganz 
oder   doch   zum   grössten  Teile  —  das  ostfriesische  Platt  (ausser  um 


145 

Leer  und  Emden,  sowie  im  Süden),  Grosslierzogtum  Oldenburg, 
Bremen  und  sein  Gebiet,  der  nördliche  Teil  der  Provinz  Hannover, 
Hamburg  und  sein  Gebiet,  Schleswig-Holstein,  Fürstentum  Eutin, 
Stadt  und  Land  Lübeck,  der  nordöstliche  Teil  des  Herzogturas 
Lauenburg,  das  mecklenburgische  Küstenland  und  das  südwestliche 
Mecklenburg.  (Das  Gebiet  der  Reknitz  und  Peene,  auch  Staven- 
liagen,  dessen  Älundart  Fritz  Reuter  schreibt,  ist  diphthongisch,  Neu 
Brandenburg,  sein  Wohnort,  monophthongisch),  Mecklenburg-Strelitz, 
die  Insel  Rügen  und  der  nördliche  Teil  von  Vorpommern  (Wolgast 
ist  bereits  diphthongisch).  —  Ausserdem  sind  monophthongisch  das 
westliche  Münsterland,  die  Gegend  von  Werden,  die  linke  und  rechte 
Oderseite  bei  Stettin  und  Teile  von  Hinterpommern,  der  Provinz  Bran- 
denburg und  der  Altmark. 

Das  diphthongische  Gebiet  umfasst  das  südlich  des  monoph- 
thongischen Gebietes  gelegene  niederdeutsche  Binnenland.  Es  gehört  ihm 
fast  ganz  Westfalen  nebst  dem  benachbarten  Gebiet  von  Osnabrück 
au,  ferner  das  ganze  wifc-Gebiet,  der  südliche  Teil  der  Altmark,  der 
südöstliche  Teil  von  Mecklenburg  -  Schwerin,  Teile  von  Vorpommern, 
die  Inseln  Usedom  und  Wollin  sowie  die  hinterpommersche  Küste. 

Die  getrennte  Entwicklung  des  6^  und  6^  auf  einem  ausgedehnten 
Gebiete  beweist  an  und  für  sich  schon,  dass  mindestens  innerhalb  der 
(ireuzon  dieses  Bezirks  beide  6  in  mnd.  Zeit  verschieden  gelautet 
haben.  Heute  ist  die  Lautverschiedenheit  —  ausser  im  Sauerlande 
—  meist  sehr  gross,  ob  sie  im  Mittelalter  eben  so  gross  war  oder 
sich  auf  geringere  Klangunterschiede  beschränkte,  bedarf  ebenso  der 
Untersuchung  wie  die  Frage,  ob  der  Zusammenfall  beider  ö  in  dem 
monophthongischen  Gebiete  ein  Ergebnis  der  neuniederdeutschen 
Sprachentwicklung  ist  oder  ob  er  schon  für  die  mnd.  Zeit  anzunehmen 
ist.  Zur  Entscheidung  würden  alte  Zeugnisse  aufzuspüren,  orthographische 
(irundsätze  alter  Schreiber  festzustellen,  die  Reime  alter  Dichter  zu 
untersuchen  sein. 

Anm.  Von  den  bisherigen  Beobachtungen  über  die  mnd.  Orthographie 
ist  für  die  Entscheidung  der  Frage,  ob  mnd.  Schreiber  mitunter  die  beiden  0 
geschieden  haben,  nur  die  eine  verwertbar,  dass  6^  hänfig  darch  Uy  dagegen  o^ 
nur  ausnahmsweis  mit  ihm  wiedergegeben  wird  (Beispiele  giebt  Tümpel  in  Paul- 
Braune's  Beitr.  7  s.  ÖO,  Nerger  §  43).  Dieses  n,  das  sich  ohne  örtliche  Be- 
schränkung vereinzelt  bereits  im  13.  Jahrb.  findet,  tritt  häufiger  erst  in  späterer 
Zeit  im  Küstengebiete  auf.  Der  Buchstabe  u  bezeichnet  in  diesen  Fällen  nicht 
den  Laut  unseres  ü  (ausser  vielleicht  an  der  mittelfränkischen  Grenze),  sondern 
ein  geschlossenes  ^,  mitunter  auch  einen  ?«-haltigen  Diphthong.  Von  den  für 
mnd.  u  hin  und  wieder  begegnenden  Schreibungen  oß,  oij  oy,  ou  kommt  jede 
sowohl  in  Wörtern  mit  6*  als  mit  6^  vor,  doch  hoffe  ich  im  weiteren  Verläufe 
der  Untersuchung  mnd.  Schriftstücke  nachweisen  zu  können,  in  denen  die  Schreiber 
nach  einer  festen  Begel  verfahren  sind. 

Die  Untersuchung  soll  zunächst  ermitteln,  ob  aus  den  Reimen 
mnd.  Dichter  für  die  Entscheidung  jener  Fragen  sich  Ergebnisse 
^a'winnen  lassen.  Untersuchungen  dieser  Art  fehlen  bisher,  und  wenn 
Nerger,    Schröder    und    Lübben    mit    ihrer   Behauptung  Recht   haben, 

Niederdeutsches  Jehrbuoh.     XVUI.  10 


146 

dass  die  mnd.  Dichter  die  6  verschiedener  Herkunft  anstandslos  mit- 
einander reimen,  würde  man  allerdings  auf  Ergebnisse  nicht  zu  rechnen 
haben.  Die  nachfolgenden  Zusammenstellungen  werden  jedoch  erweisen, 
dass  es  mittelniederdeutsche  Dichter  giebt,  welche  mit  der  peinlichsten 
Strenge  die  verschiedenen  6  auseinander  halten. 

Die  Umlautfrage  wird  eine  besondere  Untersuchung  erfordern. 
Die  nachfolgenden  Zusammenstellungen  der  Reime  nehmen  zunächst 
keine  Rücksicht  auf  sie.  Auch  ist  ausser  im  Worte  gut  stets  6  gedruckt, 
auch  wo  die  Handschriften  oe,  oo,  u  usw.  bieten.  In  die  Untersuchung, 
die  aus  Vorarbeiten  zu  einer  neuen  Ausgabe  des  Pseudo-Gerhard  von 
Minden  erwachsen  ist,  sind  zunächst  ausser  ihm  nur  solche  Dichter 
gezogen,  deren  Heimat  bekannt  ist.  Soester  Denkmäler  hätte  ich 
wegen  der  vorzüglichen  Hilfe,  die  Holthausens  'Soester  Mundart' 
geboten  hätte,  gern  herangezogen,  es  ergab  sich  aber  leider,  dass 
weder  der  Soester  Daniel  noch  eins  der  Gedichte  von  der  Soestor 
Fehde  von  einem  Soester  verfasst  sind. 

Das  mnd.  gut  'gut'  ist  stets  mit  ü  gedruckt,  auch  in  den  seltenen  Fällen, 
wo  die  handschriftliche  Ueherlieferung  got  hietet.  In  Bezug  auf  dieses  Wort 
hat  man  bisher  angenommen,  dass  die  mnd.  Aussprache  zwar  got  forderte,  dass 
die  Schreiber  aber,  um  es  von  gotj  god  'Gott'  auseinanderzuhalten,  die  Schreibung 
gtity  gud  bevorzugten.  Wo  die  heutige  Mundart  einen  altem  ü  entsprechenden 
Inlaut  bietet,  erklärte  man  diesen  aus  neuhochdeutschem  Einflüsse.  Es  ergiebt 
sich  jetzt,  dass  bereits  in  mittelalterlicher  Zeit  in  gewissen  Gebieten  (wie  in 
Braunschweig)  das  Wort  mit  langem  u  gesprochen  wurde,  vgl.  S.  154.  Auf 
dem  weitaus  grösseren  Gebiete  herrschte  dagegen  die  Aussprache  got. 

Pseudo-Gerhard  von  Minden. 

Die  Heimat  des  Dichters  ist  unbekannt.  Festgestellt  ist  nur, 
dass  er  nicht  aus  Minden,  sondern  aus  einem  westlicher  gelegenen 
Teile  Westfalens  stammt.  Die  Regeln,  nach  denen  er  die  verschiedenen 
6  miteinander  reimt  und  nicht  reimt,  entsprechen  annähernd  den 
Eigentümlichkeiten,  welche  in  Bezug  auf  diese  die  Münstersche  und 
Osnabrücksche  Mundart  aufweisen. 

d*  :  d*.  ö*  :  d*  *M  geschlossener  Silbe. 

döt  Hfmt' :  höt 'Busse'  27,  11.  87,  120.      brGt  :  bot  4,  5. 

—  :  glöt  39,  37.  —    :  dot  'tot'  4,  49. 

—  :  gut  10,  9.    16,  77.    20,  33.       —    :  not  4,  1.    9,  15.    39,  15.   62,  11. 

27,  47.    30,  3.    39,  89.  23.     71,  67. 

42,  31.    43,  19.    48,  24.  —  :  vordröt  29,  33. 

52,  33.  55.    64,  3.    65,  dot  Uof  :  blot  9,  27.    54,  28.    87,  100. 

130.     78,    13.     80,    31.  89,  29. 

100,  147.   101,59.    312.  —  :  genot  2,  11.     94,  27. 

—  :  mot  'Mur  23,  67.    41,  39.  —  :  gebot  23,  33. 

72,  7,  91,  39.    101,  302.       —  :  grot  8,  51.    11,  33.    14,  24. 

—  :  mot  '7nuss'  11,  15.    18,  29.  15,  27.     20,  5.     93,  13. 

29,  103.  101,  256. 

—  :  stöt  'Gehege'  61,  25,                 —            :  not  29,  107.  39,  57.  40,  33. 

—  :  vlot  2,  29.  47,  39.  49,  176.    50,  11. 
gut :  bot  10,  40.     23,  69.  63,  7.     101,  111. 


147 


^t.möt  'Muf   10,   39.     27,  13.  87. 

131.     29,    38.     30,   49. 
49, 140.  87, 118. 100,  33. 

—  :  mot  'muss'  3.  136.     9,  35.     47, 

59.      80,    11.      81,    29. 

92,  27.     100,  57. 

—  :  vlöt  5,  11. 

—  :  vöt  24,  25.  41.     55,  67.     61,  23. 

98,  23. 
Tot :  bot  24,  21. 

—  :  dorewüt  'diircMrmig'  59,  37. 

—  :  möt  'MuV  39,  91. 

—  :  vlöt  'Fluf  3,  92. 
Tlok  :  dok  :  bök  49,  19. 

dröch  'biig' :  genöcb  10,  24.  29.    26,  5. 

71,  48.     84,  17. 

—  :  slöch  10,  76.  50,  6.  59,  35. 

73,11.  92,71.  101,222. 

—  :  (ge)v6cb   9,   1.     49,  178. 

93,  81. 
gendch  :  dw5cb  34,  5. 

—  :  plüch  87,  8.  93. 

—  :  (nn)gevoch    2,    63.      10,    118. 

15,    53.      27,    35.    105. 

40,  53.    45,  17.    50,  13. 

55,  21.    60,  48.     78,  9. 

92,  5.    93,  3.    100,  107. 

101,  105. 
nrwih  'genug'  :  gedröch  Hrug'  103,  77. 
slöch  :  nngevöch  18,  13. 
wuch  'wog'  :  genöcb  3,  19.     92,  69. 

—  :  angevöcb  84,  19, 
behof  :  begröf  54,  10. 

dön  :  hon  'Huhn'  2,  19.     11,  11.     58, 

27.     81,  43.     101,  170. 

d*  :  d*  im  Auslaut, 
du  Hhue:  :  kö  101,  168. 

—  :  tö  8,  23.    27,  93.     49,  42. 

135.  55,  41.  65.  67,  43. 

—  :  vrö  'früh'  36,  33.   100,  53. 

101,  238. 
tö  :  kö  6,  3.  11.     56,  33. 
— :   schö  101,  240. 

—  :  vrö  'früh'  3,  61.    21,  31.    36,  39. 

43,  4.     46,  31.     53,  67. 
74,  39.   91,  21.   102,  13. 

4^*  :  d*  in  offe^iei'  Silbe, 

broder  :  möder  95,  17.     101,  27. 
gfide  :  möde  8,  19.   16,  69.  —  güdes  : 

mödes  17,  19. 

—  :  armöde  10,  114. 


gröt  :  bot  2,  9.    18,  43.    29,  7.    41,  35. 

53,  75.    57,  1.     102,  54. 

—  :  genöt  56,  53.    65,  106.    87,  102. 

88,  3. 

—  :  not  3,  9.    8,  29.    9,  25.    10,  78. 

16,  23.  22,  27.  33,  21. 
53,  97.  58,  65.  59,  57. 
62,  1.  81,  7.  89,  31. 
92,   41.     79.     101,   87. 

—  :  rot  6,  23. 

—  :  vlöt  'floss'  29,  43.     75,  4.    83, 

19.     92,  3. 

—  :  vordröt  75,  11.     86,  5. 

not  :  blöt  11,  35.     55,  103.     86,  3. 

—  :  bot  16,  47.  20,  3.  55,  93.  92,  37. 

—  :  8töt  'Stoss'  6,  25. 

—  :  vordröt  53,  77. 
genöt  :  bot  65,  116. 
stöt  'Stoss'  :  bot  88,  3. 
vordröt  :  bot  87,  35. 
höp  :  kröp  49,  3. 
vorkös  :  vorlös  103,  11. 

—  :  vredelös  54,  38. 
gelöst  :  misse tröst  53,  91. 

—  :  getrost  16,  59.     27,  149. 
töch  :  loch  65,  88. 

—  :  vlöch  58,  3. 
vlöch  :  bedröch  50,  19. 


d-  :  Ä*^  im  Auslaut, 
vlö  :  hö  'hoch'  20,  25. 


ö*  :  ö^*  iri  offener  Silbe, 

bröde  :  nöde  91,  11. 
dögen:ögen37,35.   100,153.  102,153. 
tögen  :  gedrögen  3,  74. 
—     :  bögen  65,  14. 

10* 


148 


güden  :  vormöden  102,  172. 
vorgöden  :  dtmöden  88,  67. 
hdde  :  möde  31,  36.     47,  39. 
höden  :  vöden  39,  13.  —  vodet :  hödet 

34,  17.     103,  3. 
mode  :  sc5de  34,  8. 
möden  :  vöden  7,  37. 
möget  'bemüht'  :  blöget  'blühf  49,  44. 
genögen  :  gevögen  79,  17.     33,  51. 
eraöget :  erböget  {mhd.  erbüeget)  75,  29. 
slögen  :  (uii)gevogen  15,  29.     102,  63. 
vöte  :  böte   23,   19.    55.    75.      72,    3. 

101,  43. 

—  :  möte  59,  13. 

—  :  Böte  85,  23. 
Voten  :  nntmöten  15,  21. 

söte  :  möte  'müsse'  36,   62.     40,   31. 

47,  33. 

—  :  möte  'begegne,'  79,  3. 
böken  :  söken  33,  11.     102,  36. 
koken  :  beklöken  91,  29. 

röken   :   söken    10,    25.      62,    13.    — 

röket  :  söket  55,  33. 
pröven  :  öven  25,  45.  36,  83.  94,  95. 

—  prövet  :  ovet  98,  37. 
behöve  :  dröve  92,  45. 

—  :  gröve  56,  27.  49. 
dröven  :  gröven  71,  35. 
numen  :  römen  35,  27. 

—  :  vordömen  4,  13.   102,  135. 

145.   —   genomet  :  vor- 
dömet  18,  39.     100,  63. 

102,  63. 
genomet  :  geblömet  Vorw.  69. 
berömen  :  verdömen    30,    55.      73,    9. 

—  berömet    :    vordömet 
Vorw.  71.     73,  17. 

vordömet  :  wlömet  2,  23. 
rören  :  vören  3,   96.     49,   58.  —  be- 

rörest  :  vörest  66,  39. 

ö*  :  ö  {tojilang,  aus  o). 
(ohfw  Beleg.) 

d*  :  ö  {tonlang j  aus  u). 
tö  :  vo  {'FücJisin',  got.  faüha)  11,  13. 

genöch  :  toch  {vgl,   hsl.   tuge   24,    10, 

mM.  zuc)  18,  11. 


nöten  :  gröten  64,  70.     66,  47. 
genöten  :  vorstöten  64,  60.     87,  110. 
löse  :  böse  94,   33.    —   lösen   :   bösen 

32,  51.     58,  67. 
Ösen :  nösen  :  gelösen  :  bösen  16,  39 — 42. 
löven  :  beröven  36,  25. 

—  :  döven  101,  161. 

löne  :  schöne  "Schonung'  31,  9 ;  :  schöne 

'Schönimf  79,  10;   ge- 
lönet  :  schönet  32,  9. 

—  :  söne  98,  81. 
lönen  :  bönen  8,  31. 
lönet  :  honet  76,  33. 

dören  :  ören  93,  37.     83.     95,  11. 
(ge)döret  :  höret  36,  73.     94,  53. 


d*  :  ö  {tonlang,  aus  o). 

döne  :  nngewone  61,  77. 
gelösen  :  hosen  92,  29. 

5*  :  ö  {tofilang,  aus  vi), 
(ohfie  Beleg.) 

d«  :  0- 

blöt  :  spoi  87,  73. 
vlöch  :  doch  41,  37. 


149 


5^:0. 

döt  Hktä'  :  dut  'dieses'  101,  66, 
—  :  geschut  100,  67. 

(ohne  Beleg.) 


(ohne  Beleg.) 

6»  :  6". 

8t6t  :  gröt  90,  61. 

wöne  {ahd.  w&oju)  :  döne  46,  25.  85,  45. 

gös  :  gevrös  54,  40. 

do  'da' :  vl6  'floh'  12,  23.  49,  206.  50,  7. 

vr6  Y^oÄ'  :  hö  27,  67.     53,  49. 

—  :  tö   'zog'  23,  23.     61,  67. 

—  :  vlö  'floh'  72,  25. 
w6  'ivie'  :  hÖ  12,  13. 

6»  :  d«. 

d6  'da'  :  b6  25,  49.     65,  49.     101. 

—  :  Btrö  72,  27. 

—  :  vt6   'froh'   10,   54.     20,  27. 

23,  29.    25,  51.    40,  23. 
39.     61,  49.     86,  61. 
Bö  :  vr6  47,  55.     98,  9. 

Lehn  Worte:  d'. 

kröne  :  löne  103,  19. 

—  :  döne  'modus'  103,  73. 
(döne  :  wöne  s.  bei  o* :  ö*.) 

( —     :  ongewone  s,  bei  d'  ;  ö.^ 

gröt  :  döt  'ihuf  {lies  bot?,  vgl.  Anm.  2,)  24,  47. 

Anmerkung  1.  In  die  ZnsammenBtellung  der  Reime  sind  keine  durch 
coigectnrelle  Bessemngen  gewonnenen  Belege  aufgenommen.  Es  würden  nur  drei 
Stellen  in  Betracht  kommen,  nämlich  genoch  :  geroch  2,  21;  vlot :  Iiot  3,  102; 
fach  *zog'  :  loch  *zog\  von  denen  nur  die  erste,  wenn  die  bisherige  Deutung 
haltbar  wäre,  den  regelwidrigen  Reim  ö*  :  ö^  ergeben  würde.  Es  ist  deshalb 
geboten,  diese  Stelle  hier  zu  erörtern  und  zu  bessern.  Sie  findet  sich  in  der 
Fabel  vom  Wolf  und  Lamm  am  Bache.  Der  Wolf  sucht  einen  Grund,  um  das 
Lamm,  angeblich  wegen  einer  ihn  beleidigenden  Handlungi  zu  strafen  und  zu  töten. 

2y  21  De  vndf  sprak:  'Dai  is  schult  genoch 
Van  di,  dal  dm  drank  mi  geroch, 
De  mit  di  moste  sm  verdomet; 
Dut  vlet  drovet  utide  wlomet, 
Dai  ik  is  drinken  nicht  en  mach. 

Wenn  v.  22  die  Form  mi  geroch  richtig  wäre,  so  könnte  man  geroch  nur 
als  Prät.  von  rüken  'riechen'  deuten  und  müsste  das  folgende,  wie  oben  geschehen 
ist,  interpungieren,  d.  h.  es  müssten  die  Yerba  dr&ven  und  wlmnen  intransitiv 
hier  angewendet  sein.  Gegen  diese  Deutung  spricht,  dass  bei  Ps.-Gerhard  das  Prät. 
von  rükan  nicht  roch,  sondern  rok  lauten  müsste,  ferner  dass  dr^rni  und  widmen 


150 

(^trüben\  Uehmig  machen')  stets  transitiven  Sinn  haben.  Die  Stelle  wird  sofort 
klar,  wenn  man  annimmt,  dass  der  Schreiber  einen  einzigen  Buchstaben,  ein  r 
für  V,  nämlich  mi  geroch  für  ungeroch  verlesen  hat  {nn  und  mi  können 
paläographisch  gleich  seitr).     Die  Stelle  erfordert  dann  folgende  Wiedergabe: 

De  wxilf  sprak :  'Dat  is  schult  genoch 
Van  diy  dat  <Un  drank  ungevoch, 
De  mit  di  moste  sin  verdünnet, 
Dut  vlet  drovet  unde  wlomet, 
Dat  ik  u  drinkeyi  nicht  en  mach, 

'Dass  dein  ungestttmer  Trank  das  Wasser  trübt  und  lehmig  macht'  (vgl. 
auch  die  Stelle  mnd.  Wtb.  V  S.  756  de  rit&nde  totUve,  den  dat  unschuldige 
lam  dat  water  vlomet).  So  wird  auch  die  Antwort  des  Lammes  treffend,  welches 
erwidert,  dass  es  unterhalb  des  Wolfes  stehe  und  von  diesem  die  Strömung  erst 
zu  ihm  komme. 

Anm.  2.  Die  einzige  Stelle,  welche  den  Beim  6^ :  ö'  aufweist,  Fab.  24,  47 
lautet  Wcnt  dat  i^  wis,  dat  he  geunnne  To  aller  ttt  Ion  mate  grot,  We  jo 
den  bösen  denst  döt  *wer  bösen  Leuten  einen  Dienst  erweist'.  Der  Wortlaut 
bietet  zwar  in  Bezug  auf  Sinn  und  Grammatik  nicht  den  geringsten  Anlass,  ihn 
für  verderbt  zu  erklären,  nichts  desto  weniger  wird  man  aber  angesichts  der 
Thatsache,  dass  dieser  Beim  die  einzige  Ausnahme  von  der  sonst  von  dem  Dichter 
geübten  Strenge  wäre,  ihn  nicht  dem  Dichter,  sondern  dem  Schreiber  zuschreiben 
müssen,  wenn  das  Versehen  desselben  sich  leicht  erklären  würde.  Das  ist  in 
der  That  der  Fall,  wenn  man  annimmt,  der  Dichter  habe  nicht  denst  döt,  sondern 
denst  bot  geschrieben.  Die  Verbindung  denst  beden  ist  tadellos,  vgl.  Beinke 
Vos  6796  sinen  denst  he  ene  wedder  bot,  aber  häufiger  findet  sich  denst  ddn. 
Der  Schreiber  hat  also  die  üblichere  Bedensart  eingesetzt. 

Anm.  3.  In  die  obige  Zusammenstellung  der  ö  aufweisenden  Beime  sind 
die  Wörter,  welche  ö  vor  rd,  rt  bieten,  nicht  aufgenommen,  weil  die  in  wohl 
allen  neuniederdeutschen  Mundarten  l)egegnend6  Thatsache,  dass  Dauer  und  Klang 
der  Vokale  durch  nachfolgendes  r  +  Consonant,  oft  sogar  durch  r  allein,  beein* 
flusst  werden,  auch  für  das  mittelnd.  auf  Aehnliches  schliessen  lässt.  Die  in 
Betracht  kommenden  Beime  seien  hier  besonders  zusammengestellt.  Es  ergiebt 
sich  aus  ihnen,  dass  kurzes  o  vor  rd,  rt  bei  Pseudo-Gerfaard  Verlängerung  er- 
fahren hat  und  6^  im  Klange  dem  6*  vor  rd,  rt  ähnlich  geworden  ist. 

ö*  :  ö*  —  rörde  :  vörde  49,  234. 

6^ :  0   —  untvört :  gesport  61,  59.  —  rörde  :  worde  42,  9. 
o* :  0*  —  gevört :  gehört  91,  73. 

o'  :  0   —  gehört :  wort  2,  31.     29,  97.    39,  77.    40,  25.    55,  55.    57,  53. 
58,  29.     78,  5.     80,  55.     94,  45.     100,    125.     101,   272.     103,   65. 

—  hörde  :  worde  37,  27.    44,  11.  —  horden  :  worden  49,  240.    51,  23. 

—  hörde  :  isenborde  13,  27.   —   gehört  :  isenbort   46,  17.   —   hörde  : 
Arforde  87,  11. 

Anm.  4.  o  a7iceps  entsteht  bei  Pseudo-Gerhard  aus  ö^,  wenn  im  rartic. 
Praeter,  -odet  zu  -ot  verkürzt  wird.     Es  findet  sich  in  folgenden  Beimen: 

behot  'behütet'  :  döt  68,  25, 

—  „         :  gut  60,  9, 

—  „        :  not  74,  56. 
gebot  'gebü^sf  :  möt  'Muf  60,  7. 
gevot  'genährV  :  Got  39,  11. 


151 

Die  heutigen  Ma.  (vgl.  Höfer,  Zeitscbr.  f.  d.  Wissenscbaft  der  Sprache  1, 
s.  390;  Nerger  §  218,  4;  Jellinghaus  §  253;  Kaamann  §  36;  Holthansen  §  347; 
Hoffmann  §  28,  3;  W.  Schlüter,  Glossar  zu  Meister  Stephan  S.  III  f.)  weisen 
im  Particip  Prät.  wie  Indic.  Präter.  fast  ausnahmslos  kurzes  o  auf.  (Letzteres 
ist  bei  Ps.-Gerhard  auch  fttr  das  Präter.  in  dem  Eeime  39,  49  hotte  :  enimotte, 
Hs.  entmote  anzunehmen.)  Dasselbe  ist  der  Fall  in  der  Mundart  von  Hamburg. 
Ich  verdanke  der  Freundlichkeit  Dr.  C.  Walthers  die  nachfolgende  Auskunft: 
'Die  Verben  mit  ö  und  oi  verkürzen  durchweg  den  Vokal  zu  ö  oder  o,  sowohl 
die  mit  t-  als  die  mit  c^-Ausgang,  so  z.  B.  flöten  (stossen):  Jie  ftött  oder  fiott, 
Iie  heil  ftött  oder  fiott ;  hloiden  (bluten) :  he  hlött  oder  hhtt,  he  lieft  hlött 
oder  hlott.  Ebenso  gehen  groiten  (wenn  man  nicht  schon  hd.  grüssen  gebraucht), 
moiten  (treffen),  boiten  (büssen,  heizen),  hroiden  (brüten).  Von  hoid&n  (hüten) 
sind  meines  Wissens  beide,  Kurz-  und  Langform,  in  Gebrauch:  he  Jiött  und  he 
Jtoid,  und  ebenso  im  Particip ;  doch  wird  man  jeuer  mehr  bei  Bauern  und  älteren 
Städtern  begegnen,  dieser  mehr  in  der  Stadt  und  bei  jüngeren  Leuten.' 

Ergebnis.  1)  Der  Dichter  hat  mit  grösster  Strenge  —  stimmt 
man  der  in  Anmerkung  2  begründeten  Annahme  zu,  ausnalinislos  — 
die  Regel  durchgeführt,  dass  6^  nur  mit  <5^,  6^  nur  mit  6^  oder  ö^,  ö^ 
nur  mit  ö'  oder  o^  reimt.  Es  folgt  daraus,  dass  in  seiner  Mundai-t  6^ 
und  6*  deutlich  von  einander  durch  verschiedene  Aussprache  geschieden, 
6^  und  6^  dagegen  phonetisch  zusammengeflossen  waren.  —  2)  Die 
Strenge,  die  der  Dichter  darin  beweist,  dass  er  6^  und  6^  auseinander 
hält,  rechtfertigt  die  Folgerung,  dass  seine  Reime  zwischen  langem  6 
und  tonlangem  oder  kurzem  o  durch  gewisse  phonetische  Aehnlichkeiten 
zwischen  diesen  Lauten  zu  erklären  und  zu  entschuldigen  sind.  Die 
Zahl  dieser  Reime  ist  nur  klein,  immerhin  aber  ist  sicher  nicht  ohne 
Grund  und  beachtungswert,  dass  6^  nur  mit  kurzem  u  oder  geschlossenem 
kurzem  o,  6*  nur  mit  offenem  o  gereimt  ist. 

Botes  Radbnch  und  Koker. 

Das  Buch  van  vehme  rade  (mnd.  rat  ist  hier  doppelsinnig,  es 
bedeutet  sowohl  *Rad'  als  'Rat')  ist  nach  einem  Lübecker  Drucke  aus 
dem  letzten  Jahrzehnt  des  15.  Jahrhunderts  von  Herman  Brandes  im 
Nd.  Jahrb.  XVI  S.  8  fif.  veröffentlicht  worden.  Der  Findigkeit  des 
Herausgebers  ist  der  wertvolle  Nachweis  gelungen,  dass  der  Braun- 
schweiger Zollschreiber  Hermen  Bote  der  Verfasser  gewesen  ist. 
Bote  stammte  aus  einer  Braunschweiger  Familie,  die  aus  seinem 
Gedichte  sich  ergebenden  sprachlichen  Beobachtungen  sind  also  einer- 
seits durch  die  braunschweigische  Mundart  zu  erläutern,  anderseits 
für  die  Kenntnis  ihrer  Eigentümlichkeiten    zu  Botes  Zeit   verwertbar. 

A  n  m.  Brandes  sagt  S.  8  'die  Drucklegung  ist  wohl  in  den  ersten  Jahren 
des  16.  Jahrb.  erfolgt,  doch  noch  vor  1504.  Aus  welchem  Grunde  Kiuderling 
den  Druck  in  das  Jahr  1509  setzt,  weiss  ich  nicht'.  Hierzu  sei  bemerkt, 
dass  der  Druck  noch  vor  das  Ende  des  16.  Jahrb.  zu  setzen  ist,  weil  sich  in 
ihm  Holzschnitte  des  Lübecker  Unbekannten  (Matth.  Brandis)  finden,  dessen 
Thätigkeit  sich  für  Lübeck  nur  bis  z.  J.  1498  nachweisen  lässt,  es  müsste  denn 
sein,  dass  ein  noch  älterer  Druck  existirt  hat,  dessen  Holzstöcke  in  Lübeck  ver- 
blieben waren.     Einderüng  hatte  keinesfalls  den  von  Brandes  benutzten  Druck 


152 


im  Ange,  sondern  einen  späteren  Abdruck  ^Ghedrucket  v^ide  vuUcndiget  in  der 
keyserlyken  siadt  L^ibeck.  dorch  de  kunst  Steffani  Anvdes,  wonaftich  in  der 
vksckhomver  Straten.  In  deni  yare  mises  heren  M,  ccccc,  nnde  JX/  (8  Bog.  4** 
mit  Holzschnitten.)  Beschreibung  und  Auszüge  bei  v.  Seelen,  Nachricht  von  dem 
Ursprünge  der  Buchdruckerei  in  Lübeck  (1740)  S.  176—183. 

Bote  achtete  ebenso  wenig  wie  andere  Zeitgenossen  auf  gleich- 
massigen  Versbau,  seine  Reimbindungen  sind  dagegen  verhältnismässig 
gut.  In  den  ungefähr  1400  Versen,  welche  die  11  Abteilungen  seines 
Buches  bieten,  kommen  für  unsere  Zwecke  folgende  Reime  in  Betracht : 


6*  :  d^ 

5«  :  d«. 

m6t  :  h6t  II,  111. 

gröt  :  bröt  H,  127. 

—     :  döt  IV,  69.     V,  111. 

—     :  stöt  'Sioss'  m,  21. 

—     :  v6t  IV,  19. 

—     :  not  XI,  25. 

vöch  :  plöch  VIII,  13. 

not  :  bröt  V,  155. 

ungey6ch  :  noch  111,  59. 

—    :  stöt  'Stoss'  V,  61. 

dön  :  hön  VUI,  6. 

ström  :  böm  II,  17. 

vrö  :  tö  VllI,  85. 

döre  :  öre  X,  31.  43. 

behöden  :  vöden  VI,  89. 

:  röre  VI,  67. 

böken  :  clöken  V,  67. 

dören  :  dören  X^  23. 

pröven  :  behöven  11,  5. 

hören  :  verstören  VII,  14. 

boten  :  vöten  XI,  53. 

löven  :  beröven  IV,  121. 

tö  :  BÖ  4,  135.     V,  43.     VI,  35. 


d^ 


0. 


gtLt  :  ü,  Ö^ 
gut  :  krüt  VI,  13. 

—  :  üt  m,  87.     V,  33. 

—  :  overlüt  VH,  41. 

—  :  döt  IV,  161. 
güde  :  höde  V,  167. 


VI,  51. 


löpen  :  open  X,  11. 
hören  :  boren  VII,  80  (vgl.  HI,  47). 
versöre  :  more  (modere  'Moder*)  I,  69. 
lözet  :  krozet  (vgl   altmärk,  kräösen) 
XI,  177. 


Wie  C.  Walther  im  Nd.  Jahrb.  16  Si  107  Anm.  vermutungs- 
weise ausgesprochen  und  später  in  einem  Vortrage  auf  der  Jahres- 
versammlung des  niederdeutschen  Vereines  in  Braunschweig  181)2  dar- 
gelegt hat,  ist  Bote  der  Verfasser  noch  einer  andern  Dichtung, 
nämlich  des  in  Hackmanns  Ausgabe  des  Reineke  Vos  (VVolfenl)üttel 
1711)  S.  301—380  abgedruckten  Koker  (c.  2240  Verse).  Diese 
eigenartige  Dichtung  (vgl.  Walther,  Nd.  Korresp.-Bl.  VI  S.  ()7  ff.)  ist 
für  Reimuntersuclumgen  deshalb  besonders  wertvoll,  weil  gerade  im 
Reime  verhältnismässig  seltene  Worte  erscheinen. 


0*  :  d*. 

blöt  :  vöt  Seite  335. 
bot  :  armöt  322. 
—    :  möt  344. 
brök  :  bök  337. 
krös  :  mos  349. 
kr^ch  :  slöch  354. 


bröt 


döt 
rök 
löp 


0»  :  h\ 
:  döt  340. 
;  gröt  376. 
;  not  318.  347. 
gröt  314. 
lök  354. 
höp  315.  374. 


153 


U) 


schö 
blöde  : 
blöden 
hode  : 


geu6ch  :  w6cb  332. 
pol  :  stöl  349. 

—  :  wöl  319. 
ko  340. 
schö  308.  343. 
vrö  'früh'  303. 

vrö  '/rw/i'  309. 
böde  354. 
:  vorgoden  355. 
heymöde  321. 

—  :  mode  354. 

—  :  vöden  350.  352. 
gevödet  :  vermodet  365. 
genögen  :  krögen  325. 
genüget  :  geplöget  306. 
söteu  (dr.  juten)  :  möten  340. 
Töten  :  böten  349. 

koke  328. 
yorsöke  355. 

vlöken  363. 

boken  308. 

schöpen  357. 

bedrövet  302.  303. 

bedröven  375. 
tövende  :  övende  345. 
kölet  :  wolet  314. 
gekölet  :  spölet  341. 
nömen  :  verdomen  323. 
hone  :  sone  351. 


döke  : 

• 

koken 

söken 

köpen 

prövet 

röven 


böm  :  töm  318. 

Ion  :  bon  358. 

dör  :  rör  352. 

vlö  :  unvrö  (=  unvrowe)'  373, 


benödet  :  dödet  358. 

öge  :  böge  352. 

—    :  löge  'Lauge'  373. 

geöget  :  gesöget  319. 

bögen  :  drögen  319. 

höger  :  dröger  344. 

stöten  :  vorblöten  'eniblössen'  327. 

dope  :  löper  341. 

köpe  :  höpe  309.  318. 

lösen  :  ösen  375. 


dövet  :  bövet  372. 
hövet  :  stövet  369. 
löveu  :  schöven  346. 
böme  :  töme  358. 
—       :  ströme  340. 
döne  :  löne  321. 

dören  :  ören  367. 


6'  >   Ü  :  ü, 

gut  :  brüt  334.  377. 

—  :  krüt  317. 

—  :  üt  304.  325.  348. 
güde(8)  :  krüde(8)  332.  350. 


d*  etc.  :  d*. 
göse  'Gänse'  :  möse  306.  ' 
krön  'Kranicli    :  dön  342. 
krömen  'Krumen    :  blömen  351. 
spök  Spuk  :  brök  378. 
stode  'stände'  :  möde  369. 
krönen  krönen  :  vorsönen  319. 
Körne  :  blöme  361. 
tröre  Hraure'  :  möre  321. 


rö  :  strö  311. 


Ä'  :  6». 


d»  :  62. 
(Ohne  Beleg.) 


o'  :  ö? 

tönen  'Zehen'  :  bonen  'Böden  ?'  339. 


ö'  :  0. 

belönet  :  wonet  310. 
lönen  :  wonen  358. 
ögen  :  regenbogen  358. 
söget  :  ungeroget  362. 
rövet  :  ovet  'Obst'  366. 


154 

Anmerkung.  Die  Reime  mit  dnrch  r  verlängertem  oder  vor  t,  das  aus 
'det  entstanden  ist,  verkürztem  o  sind  nicht  verzeichnet  und  mögen  hier  folgen. 
Im  Badbuche  finden  sich  die  Reime  hört :  hart  **gebührt'  lU,  47 ;  hehoi  ^behütet'  : 
hol  'Gebot'  II,  59.  Im  Koker  or  :  vor  367,  böser  :  moser  (entstanden  ans 
morser,  vgl.  mäuser  in  Mecklenburg),  kunior  :  spikerbof'  'Bohrer'  378,  rer- 
siorde  :  orde  373;  blot  'blutet'  :  stot  'stösst'  337,  kot  'hütet'  :  r€7'bot  'verboten'  331. 

Ergebnisse.  Bote  hat,  sobald  er  lange  6  miteinander  bindet, 
mit  ausnahmsloser  Strenge  6^  nur  mit  6^  oder  6^  gereimt,  ebenso  ö^ 
nur  mit  6^.  Die  verhältnismässig  grosse  Anzahl  Reime  zwischen  o^ 
und  tonlangem  o  erklären  sich  dadurch,  dass  in  der  Braunschweigischen 
Mundart  heute  mnd.  6^  und  tonl.  o  zusammengeflossen  sind.  Die 
Reimstrenge  Botes,  der  gut  mit  6^  und  auch  mit  ü  reimt,  erweist, 
dass  das  Wort  schon  zu  seiner  Zeit  mit  langem  u  gesprochen  wurde. 
Dazu  stimmt  die  heutige  Mimdart  (vgl.  in  Börssum:  blaom^  'Blume\ 
aber  g&ut  'gut'  wie  br&ut  'Braut';  in  Meinersen:  blaome  'Blume',  aber 
gut  'gut'  wie  krüt  'Kraut' ;  Halberstadt  hlaume  'Blume',  aber  gut  wie 
brüt^  krüt). 

Das  Brannschweiger  Sehiehtspiel. 

Zur  Vergleiclmng  mit  Botes  Reimgebrauch  bietet  Gelegenheit 
das  von  seinem  Landsmanne  und  Zeitgenossen  Rainer  Groningen 
i.  J.  149'2  verfasste  und  von  Hänselmann  in  den  'Chroniken  der 
deutschen  Städte'  Bd.  16  S.  101  ff.  nach  der  vermutlich  von  dem 
Verfasser  selbst  angefertigten  Handschrift  herausgegebene  Schichtsped 
to  Brunswick.  Der  Verfasser  ringt  sehr  mit  Stil  und  Reim,  und  um 
letzteren  zu  erhalten,  verwendet  er  in  vereinzelten  Fällen  hochdeutsche 
{üs  statt  üt  2203.  3683.  3749)  imd  wohl  auch  niederdeutsche  un- 
braunschweigische  Formen. '  Sieht  man  von  solchen  vereinzelten  Fällen 
ab,  so  lässt  sein  Reimgebrauch  ihn  als  Landsmann  Herman  Botes 
deutlich  erkennen,  wie  die  nachfolgende  Uebersicht  der  in  seinem 
umfangreichen  c.  5000  Verse  enthaltenden  Gedicht  begegnenden  Reime 
zeigen  wird.  Der  Kürze  wegen  sind  eine  Anzahl  reiner  Reime  zwischen 
6^  :  6^  und  6^  :  6*,  deren  Verzeichnung  ohne  Interesse  schien,  nur 
gezählt. 

35  Reime.  45  Keime. 

6  :  tonl.  0.  ti^  :  tl.  o. 

3  Reime:  1513.  1648.  1794.  9  IMme:   336.  510.  576.  823.  2020. 

3000.  3407.  3920,  4480. 

d*  :  0.  6*  :  o. 

don  :  son  (f.  sone  'Sohn'}  1406.  h6n  :  son  2398;  Ion  :  son  1694. 

(—  :  kyrieleyson  3628.)  not  :  bot  880;  verdrot  :  bot  134. 

^t  :  5*,  ü.  6'  :  d«. 

gut  :  16t  4534,  ;  m6t  3570.  beh6ve(de)n  :  r6ve(de)n  3946.  4404. 

güde  :  m6de  738.   2508.   2968.    4402.      beropen  :  köpen  438. 

—      :  lüde  584. 

gut  :  üt  1976.  4420.  4786. 


d  :  6K 


155 

6»  :  dS  d».  Lehnwort  :  d*. 

jö  :  do  4728;  :  ßtrö  4190;  to  4482.  rosen  :  mösen  1778. 

so  :  do  366.  990;  :  j6  3544.  3936.  kyrieleyson  :  d6n  3628. 

—  :  t6  169.  318.  466.  506.  976.  2746. 

—  :  vr6  'froh'  2192.  liehnwort  :  6». 
vrd  'froh'  :  to  516.  patrön  :  Ion  2846. 

—  :  dö  616.  994.  1086.   1630.    1684.  patronen  :  Ionen  4934. 

2662.  4092.  4272. 
sp6k(e)  :  dök(e)  3277.  3301. 
stöt  'statid'  :  wolgemöt  1528.  flöch  (f,  vlech)  :  noch  974. 

Gandersheimer  Reimchronik. 

Die  1216  von  dem  Pfaffen  Eberhard  verfasste  Reimchronik 
von  Gandersheim  (Herausg.  von  L.  Weiland  in  den  'Deutschen  Chroniken 
des  Mittelalters,  Bd.  2,  Hannover  1877,  S.  397  ff.)  verdient  wegen 
ihres  Alters  Beachtung,  obwohl  der  in  einer  Handschrift  des  16.  Jahrh. 
erhaltene  Text  leider  von  jüngerer  Hand  überarbeitet  scheint  und 
mannigfach  verderbt  ist.  In  1950  Versen  findet  sich  6^  :  6^  (gut  stets 
mit  6^)  über  40,  ö*  :  6^  acht  mal  gereimt,  ungerechnet  die  folgenden  Fälle : 

o»  :  o»,  —  vrö  :  b6  716;  :  dö  1578;  also  :  dö  362. 

o»  :  ö>.  —  86  :  tö  77.  121.  460;  dö  :  tö  836.  870.  1228.  1606. 

Fremdworte:  6\  —   Röme  :  döme   69.   342.   814.    1928;   Saloraön  :  dön  324; 

:  ö»  —  also  :  caelo  996;  :  caro  1634;  :  suo  1034.  —  :  ö*  —  krönen  :  lönen  223. 
o»  :  o"  —  töch  'xog'  :  genöch    1127;   döde  :  möde    1797;   (overmöd  :  död   'toV 

oder  Hhut?'  384). 
ü'  :  o  —  not  :  mot(et)  768. 
Sonstiges.  —  s&gen  'sahen'  :  erwögen  (st,  erwägen  'erwogen^  1116;  leit  'Hess' 

:  noit  'Not'  1441;  —  hertöge  :  bögen  474. 

Verglichen  mit  den  Braunschweiger  Dichtern  zeigt  die  Ganders- 
heimer  Reimchronik  folgende  Abweichungen :  gut  ist  nie  mit  ü  gereimt ; 
krönest  'krönen'  reimt  mit  ö^;  abgesehen  von  einem  einzigen  durch 
Synkope  entstandenem  o  (V.  768  not  :  mot)  ist  in  der  Reimchronik 
langes  ö  nie  mit  tonlangem  und  nie  mit  kurzem  o  gereimt;  hertoge 
hat  in  der  zweiten  Silbe  noch  unverkürztes  o. 

Everhard  von  Wampen. 

Everhard  von  Wampen,  der  einem  pommerschen  Adelsgeschlechte 
entstammte,  hat  i.  J.  1325  einen  vier  Bücher  mit  ca.  2500  Versen 
umfassenden  'Spiegel  der  Natur'  gedichtet  und  dem  schwedischen 
Könige  Magnus  Erichson,  an  dessen  Hofe  er  damals  lebte,  gewidmet.^) 
Das  erste  und  vierte  Buch  seiner  Dichtung  sind  im  Nd.  Jahrb.  X, 
S.  119 — 131,  XI,  118 — 125  vollständig,  die  übrigen  im  Auszuge  mit- 
geteilt. Obwohl  er  auf  gute  Reime  und  Verse  nicht  ängstlich  bedacht 
war  —  er  entschuldigt  das  unter  Berufung  auf  einen  Meister  Vrouwenlof 

*)  Vermutlich  ist  es  derselbe  Magister  Evert  von  Wampen,  den  Crull  als 
Zeugen  in  einer  1330  in  Stralsund  ausgefertigten  Urkunde  nachweist.  Vgl.  Ndd. 
Korresp.-Bl.  X,  S.  18. 


156 


mit  dessen  Worten  ^beter  ein  rim  wen  ein  sin  verloren\  —  hält  er 
doch  im  Allgemeinen  in  seinen  Reimen  die  verschiedenen  6  auseinander. 
Es  lässt  sich  hieraus  schliessen,  dass  er  aus  dem  diphthongischen 
Teile  Pommerns  stammt.  In  Ermangelung  eines  andern  und  bessern 
mnd.  Dichters  dieser  Mundart  mögen  seine  Reimbindungen  untersucht 
werden. 


blot  'bloss  r.  :  not  Prol.  86. 
h6pe  :  löpe  I,  11. 

:  not  I,  167.  177.  306.     H,  71. 

not  n,  75.     Bl.  159. 
—   :  köp  IV,  55. 
böse  :  löse  11,  85. 
viöt  :  not  IV,  69. 


grot 
16p 


6»  :  t^K 

ovet  :  (ge)pr6vet  Prol.  76.     IV,  43. 

dröve  :  pröven  I,  276. 

noch  :  gevöch  I,  45.     II,  83. 

gröt  'Grass'  :  möt  I,  57. 

Böken  :  vldken  I,  412. 

blÖt  :  döt  n,  79. 

tö  :  d6  IV,  29. 

gut  :  dot  I,  200. 

—  :  blöt  II,  81.  89. 

—  :  möt  I,  103.  261.  370. 

d»  :  tonl.  ö  (?).  •  d"  :  tonl.  ö. 

gevöge  :  droge   Prol.  40.     I,   23.  247.      böme  :  some  Bl.  162. 

höret  :  cöret  (?  Es,  tornet)  I,  322. 

d'  :  Fremdworte  :  6". 

also  :  consnetudö  I,  97. 
tröne  :  schöne  I,  107. 
jö  :  complexclö  I,  222. 
vrö  :  strö  I,  282.     IV,  61. 
also  :  jö  Bl.  161. 

blöt  :  not  IV,  8  (vgl.  Prol.  86). 
schöp  :  löp  I,  1.     U,  65. 

Anmerkung.  Mnd.  droge  mnss  in  zweifacher  Form  und  Aussprache 
vorhanden  gewesen  sein,  als  droge  mit  o^  und  als  droge  mit  tonlangem  o.  Die 
heutigen  Mundarten  erlauben  einen  Rückschluss  nur,  wo  altes  ö^  und  tonlanges 
0  später  nicht  zusammengefallen  sind.  Die  verbreitetste  Form  scheint  dröge 
gewesen  zu  sein.  Für  droge  lässt  sich  Ravensbergisches  drüge  (neben  drüüge, 
Jellinghaus  S.  123),  drügen,  drilgeldeok,  Münstersches  drüge,  drügeldok  sowie 
Osnabrücksches  drägt  'getrocknet'  neben  dränge,  (Lyra  s.  34)  anführen,  lieber 
dröge  mit  ö'  vgl.  Holthausen,  Soester  Ma.  §  77. 

Ergebnis.  Es  ist  oben  bereits  bemerkt,  dass  Everhard,  trotzdem 
er  kein  guter  Reimer  ist,  doch  6^  und  6^  (abgesehen  von  wenigen 
Ausnahmen)  nicht  miteinander  bindet.  Beachtung  verdient,  dass  er 
6^  und  entlehntes  6  nur  mit  6^  imd  6^  bindet,  gerade  wie  das  bei 
Pseudo-Gerhard  der  Fall  war. 

Stephans  Hchachbnch. 

Das  von  W.  Schlüter  in  den  'Verhandlungen  der  gelehrten 
Esthnischen  Gesellschaft  Bd.  XF  (Sonderausgabe  Norden  1883)  zu 
neuem  Abdruck  gebrachte  Werk   'Schackspeel  to  dude'   ist  eine  um- 


U1 

fangreiche  Dichtung  von  5886  gut  gebauten  und  im  Allgemeinen  gut 
gereimten  Versen,  welche  dem  Dörptschen  Bischof  Johannes  von  Fif- 
husen,  der  1375  gestorben  ist,  sein  Untergebener,  der  Schulmeister 
Stephan,  gewidmet  hat.  Dieselbe  muss  also  noch  im  14.  Jahrhundert 
und  zw^ar  in  Li  vi  and  verfasst  sein.  Die  Sprache  der  Städte  Liv- 
und  Esthlands  war  nach  Ausweis  ihrer  Urkunden  und  Stadtbücher 
in  älterer  Zeit  das  Niederdeutsche.  Bis  zum  Ende  des  vorigen  Jahr- 
hunderts soll  noch  im  häuslichen  Verkehr  vielfach  plattdeutsch  ge- 
sprochen sein,  heute  ist  die  plattdeutsche  Mundart  in  den  russischen 
Ostseeprovinzen  vollständig  erstorben,  und  es  lassen  sich  keine  Sprach- 
proben heutiger  Mundart  mehr  beibringen,  aus  denen  auf  die  Eigen- 
tümlichkeiten der  mittelniederdeutschen  Volkssprache  der  deutschen 
Bevölkerung  jener  Städte  geschlossen  werden  könnte.  Von  älteren 
nicht  mehr  der  Periode  der  mnd.  Schriftsprache  angehörenden  nieder- 
deutschen Sprachproben  ist  mir,  abgesehen  von  den  wenigen  in  den 
'Bunten  Bildern  von  Papst  Bd.  2'  mitgeteilten  Heimen,  nur  das 
in  F.  K.  Gadebusch's  Livländischer  Bibliothek  Th.  2  (Riga  1777) 
S.  239 — 245  abgedruckte  Gedicht  des  Obersten  der  livländischen 
Adelsfahne  Gustav  v.  Mengden's  (geb.  1625,  gest.  1688)  bekannt. 
Wenn  nach  der  Rechtschreibung  der  erhaltenen  Niederschrift  geurteilt 
werden  darf,  in  welcher  die  altem  6^  und  altem  6^  entsprechenden 
Laute  unterschiedslos  mit  o  oder  o  wiedergegeben  sind,  so  muss  ent- 
weder das  livländische  Platt  im  17.  Jahrh.  monophthongisch  gewesen 
sein  oder  es  konnten  beide  Läute  sich  im  Klange  nicht  sehr  unter- 
schieden haben. 

Zu  dem  letzteren  Schlüsse  führen  in  Bezug  auf  die  Sprache  des 
14.  Jahrhunderts  die  Reimbindungen  Stephans. 

Die  Reime  zwischen  6^  :  6^  und  6^  :  o^,  die  sich  in  je  tausend 
Versen  von  Stephans  Dichtung  finden,  sind  nur  gezählt.  Zur  Ver- 
gleichung  ist  daneben  die  Zahl  der  Reime  zwischen  o^  und  tV  angemerkt. 


Ve7's 

6» 

:  5». 

d»  :  5^ 

d'  :  0^ 

1— 1000 

11 

Eeime 

8  R 

5  R 

1001—2000 

24 

n 

6    « 

6    » 

2001—3000 

23 

1) 

12    „ 

2    « 

8001—4000 

21 

it 

18    « 

1    . 

4001     5000 

16 

j) 

11    » 

2    « 

5001—5886 

11 

» 

8    . 

2    „ 

1-^5886 

106 

Reime 

63  /?. 

18  R, 

5*  :  5^ 
möt  :  grdt  275. 
v6ren  :  voratoren  491. 
don  :  Ion  553.  1475.  1571.  1865. 
behof  :  röf  597. 
pröven  :  gelöven  793.  2732. 
soke  :  rOke  1071. 
blöde  :  ndde  1269. 
gut  :  bröt  1411. 
behövet  :  tolövet  2902. 
gut  :  ddt  3681. 


158 


mdde  :  sndde  4498. 
geovet  :  hoyet  4572. 
böden  :  nöden  5712. 
döt  :  gröt  5764. 


d'  etc.  :  6\ 

(un)vrö  :  to  167.  1561.  3460.  4334. 

als6  :  t6  227.  2941.  4180.  5488. 

döue  :  kone  1776.  4618. 

schöle  :  stole  373. 

Rome  :  blome  1189. 

pryöre  :  v6re  4855. 

dön  :  GrifÖn  4214. 

lat,  -0  :  6*  fohfie  Beispiel). 

bevul  :  stöl  5635. 


d»  etc. 

döne  :  sone  839. 
köre  :  dore  1976. 


0. 


0. 


hören 
nöde 
ören  : 
köpe 


d"  etc.  :  d*. 

tröne  :  löne  2715. 

persöne  :  böne  5430. 

pryöre  :  döre  4838. 

also':  hö  465. 

kröne  :  schöne  671.  813.  833. 

Polypönen  :  schönen  1785. 

laL  -0  :  ö*  98.  352.  375.  631. 

d'  etc.  :  d'  etc. 

(un)vrö  :  dö  1503. 

—      :  also  251.  319.  4538. 
kröne  :  tröne  1549. 

—     :  Neröne  2031. 
lat.  -0  :  ö'  (Cato  :  also  w.  a.)  637.  1708. 

2186.  2283.  3017.  4109. 
Tolöse  :  glöse  4274. 

d*  :  ö,  ör. 

geplöget  :  doget  1399. 
swör  :  vor  1045. 
slögeu  :  vlogen  1849. 
behöyet  :  lovet  2901. 
rörede  :  borede  2933. 
gevoge  :  möge  5206. 
höde  :  bode  5564. 
nnvorsöken  :  gesproken  5680. 

0*  :  0. 
behöf  :  lof  5728. 

Ergebnis.  Nach  Ausweis  der  dem  Reim  Verzeichnisse  voran- 
gestellten  Übersicht  hat  Stephan  in  dem  ersten  Tausend  seiner  Verse 
19  mal  homogene,  5  mal  heterogene  6  miteinander  gebunden,  es 
würden  also  21  Procent  der  betreffenden  Reime  unrein  sein,  wenn  in 
seiner  Mundart  die  heterogenen  6  durch  verschiedene  Aussprache 
auseinander  gehalten  wurden.  Angesichts  der  Thatsache,  dass  seine 
Reime  —  von  der  Rechtschreibung  des  sein  Gedicht  überliefernden 
Lübecker  Druckes  aus  dem  letzten  Jahrzehnt  des  15.  Jahrb.  muss 
man  freilich  absehen  —  im  Allgemeinen  nicht  ohne  Sorgfalt  sind, 
könnte  man  geneigt  sein  aus  jenem  Zahlenverhältnis  zu  folgern,  dass 
in  Stephans  Mundart  beide  ö  bereits  in  einen  Laut  zusammengeflossen 
seien.  Als  üegengiomd  Hesse  sich  der  höhere  Procentsatz  der  übrigen 
Reime  allerdings  nicht  verwerten,  denn  auch  bei  Dichtern,  in  deren 
Mundart  6^  imd  6^  zusammenfallen,  könnte  man  nicht  erwarten  je 
ein  Drittel  Reime  zwischen  6^  und  6\  zwischen  6^  und  ö*  und  zwischen 
6^  und  6^,   also  je   33  Procent  anzutreffen.     Das  Verhältnis   wird   in 


:  boren  369. 

gode  485. 

boren  687. 

hope  3061. 
beröven  :  boven  4024. 
dödes  :  godes  4820. 
hören  :  tovoren  4828. 


169 

der  Regel  sehr  zu  Gunsten  der  Reime  mit  homogenem  6  verschoben 
sein,  erstens  weil  die  Anzahl  der  Reimwörter  mit  (V  grösser  ist, 
zweitens  weil  der  Reimvorrat  jedes  Dichters  durch  die  ihm  bekannten 
älteren  Dichtungen  beeiniiusst  und  bereichert  wird  und  somit  den 
Dichtern  monophthongischer  Mundart  aus  Dichtwerken  diphthongischen 
Gebietes  Reimbindungen  mit  homogenem  6  zugeflossen  sein  müssen, 
um  so  eher,  als  gerade  die  ältesten  Vorbilder,  auch  die  hochdeutschen, 
beide  6  in  den  Reimen  schieden.  Gegen  die  Annahme,  dass  in  Stephans 
Mundart  beide  6  zusammengefallen  waren,  spricht  aber  das  Verhältnis, 
welches  die  späteren  Teile  seines  Werkes  aufweisen.  Das  zweite 
Tausend  Verse  bietet  nur  17,  die  folgenden  Tausende  nur  5  bzw.  2, 
7  und  9  Procent  Reime  mit  heterogenem  6.  Man  wird  hieraus  nur 
folgern  können,  dass  in  seiner  Mundart  beide  o  zwar  im  Klange  ein- 
ander nahe  standen  und  einen  erträglichen  Reim,  aber  keinen  reinen 
Reim  miteinander  bildeten,  weshalb  Stephan,  dessen  Gewantheit  im 
Reimen  mit  dem  Fortgange  seines  Werkes  wuchs,  jene  Reimbindungen 
mehr  und  mehr  vennied. 

Holsteinsche  Reimchronik. 

Die  'Deutsche  Chroniken'  Bd.  2  (1877)  S.  615  ff.  abgedruckte 
Reimchronik  ist,  wie  L.  Weiland  in  dem  Vorworte  nachweist,  zwischen 
1381  und  1483  in  Hamburg,  also  in  einem  heute  der  monophthongischen 
Mundart  zugehörenden  Gelnete  vcrfasst  worden.  Die  erhaltenen  651 
Verse  bieten  ausser  Reimen  (2  mal  6^  :  6^  v.  19,  507;  8  mal  6^  :  o* 
V.  61.  119.  147.  227.  425.  509.  624.  642),  deren  besondere  Verzeichnung 
zwecklos  ist,  folgende  Bindungen: 

dön  :  16n  272;  brök  :  Ok  453. 
also  :  jö  603. 
ü^  Itzehö  :  do  469. 

—      :  tö  1227;  dorste  :  vorwöste  193. 
gröt  :  gebot  87. 
d6ne  ^modns'  :  sone  145. 

Lässt  man  die  Reime  mit  dem  Eigennamen  Itzcho  ausser 
Rechnung,  so  ist  11  mal  homogenes,  2  mal  heterogenes  6  im  Reime 
gebunden.  Es  ergiebt  sich  also  ein  ähnUches  Verliältnis  und  somit 
dieselbe  Folgerung  wie  bei  Meister  Stephans  Schachbuche. 


ö'  : 

Ö' 

Ö»  : 

Ö« 

Ö'  : 

Ö' 

• 

0^ 

Ö»: 

0 

ö   : 

ö 

Die  bisherigen  Ergebnisse  lassen  es  nicht  mehr  zweifelhaft  er- 
scheinen, dass  die  heterogenen  ö  von  vielen  älteren  mnd.  Dichtern  mit 
grösserer  oder  geringerer  Strenge  im  Reime  auseinander  gehalten  sind, 
und  die  grössere  Strenge  bei  den  Dichtern  anzutreffen  ist,  deren 
Heimat  heute  dem  diphthongischen  Gebiete  angehört.  Einige  sich 
anknüpfende  Fragen  müssen  der  Fortsetzung  dieser  Untersuchung  vor- 
behalten bleiben. 

BERLIN.  W.  Seelmann. 


m 


Zur  altsäehsisehen  Grammatik. 

(Anzeige.) 

M.  Roedi^r,   Paradigmata   zur   altsächsischen  Grammatik.     2.   neu   bearbeitete 
Auflage.    Berlin,  1893.  — 

Die  erste  Auflage  von  Roedigers  Paradigmen  erschien  1883;  nach  einem 
Zeiträume  von  zehn  Jahren  liegt  jetzt  die  zweite  vor.  An  Umfang  ist  das  gerade 
einen  Druckbogen  umfassende  Heftchen  nicht  sehr  gewachsen,  die  Neabearbeitung 
zeigt  sich  ausser  einigen  Abweichungen  in  der  Anordnung  hauptsächlich  in  durch- 
gehender Verbesserung  der  Einzelangaben,  indem  kaum  ein  einziges  Paradigma 
unverändert  geblieben  ist.  Als  besonders  wichtige  Besserung  ist  zu  erwähnen, 
dass  das  Paradigma  wini,  das  in  der  ersten  Auflage  merkwürdigerweise  noch 
zur  ^'a-declination  gestellt  war,  jetzt  seinen  richtigen  Platz  bei  der  /-decl.  ge- 
funden hat;  auch  die  schwache  Decl.  der  Subst.  und  Adj.  erfreut  sich  endlich 
einer  berichtigten  Gestaltung.  Die  vielfachen  Besserungen  und  Vervollständigungen 
im  einzeln  aufzuzählen  hat  keinen  Sinn;  als  kurzes,  übersichtliches,  und  doch 
das  ganze  Gerüst  der  Formenlehre  enthaltendes  Hülfsmittel  für  die  Studirendeu 
können  K.'s  Paradigmata  nur  empfohlen  werden.  Selbstverständlich  muss  zu  einer 
ausführlicheren  Darstellung  der  Grammatik  greifen,  wer  sich  genauere  Auskunft 
über  irgend  einen  fraglichen  Punkt  verschaffen  will,  da  es  im  Wesen  solcher 
Paradigmata  liegt,  häufig  nur  die  Möglichkeit  der  Existenz  einer  gewissen  Endung 
anzudeuten,  nicht  aber  deren  wirkliches  Vorhandensein  zu  behaupten.  So  wird 
natürlich  niemand  verlangen,  dass  z.  B.  von  dag  alle  angesetzten  Formen  wirklich 
vorkommen,  geschweige  denn  von  toini  oder  meni.  Es  fragt  sich  aber  doch,  ob 
es  überhaupt  nicht  besser  wäre,  bei  den  reichlicher  belegten  Declinationsklassen 
nur  die  Endungen  anzugeben,  wie  es  Schmeller  in  seiner  Synopis  grammatica 
gethan  hat,  bei  den  selteneren  Classen  aber,  z.  B.  bei  der  u-  oder  consonantischen 
Decl.,  alle  vorkommenden  Formen,  deren  gar  nicht  so  viele  sind,  aufzuführen. 
Was  an  Übersichtlichkeit  dadurch  vielleicht  verloren  ginge,  würde  an  Sicherheit 
und  Unzweideutigkeit  gewonnen.  In  dieser  Richtung  könnten  meiner  Meinung 
nach  überhaupt  die  Paradigmata  noch  bedeutend  verbessert  werden.  R.  giebt  in 
einer  Vorbemerkung  an,  dass  die  Formen  möglichst  nach  der  Zahl  der  Belege 
geordnet  seien  und  dabei  der  Mon.  des  Heliand  den  Vorzug  erhalten  habe;  dass 
dagegen  schwach  belegte  Formen,  sofern  sie  nicht  von  historischem  Werte  seien, 
fehlen.  Man  könnte  über  diese  Bevorzugung  der  Münchener  Hs.  rechten;  denn 
obwohl  ihre  Sprache  den  meisten  der  kleineren  Denkmäler  näher  steht  und 
sozusagen  sächsischer  ist  als  die  einem  Grenzgebiet  Sachsens  angehörige  Mundart 
des  Gott.,  so  ist  sie  doch  viel  ungleichmässiger  und  zeigt  besonders  im  ersten 
Drittel  des  Textes  Spuren  eines  von  der  Sprache  des  Restes  stark  abweichenden 
Dialektes. 

Wir  haben  also  im  Allgemeinen  die  von  R.  angeführten,  hinter  einander 
stehenden  Endungen  der  einzelnen  Conjugations-  und  Declinationsformen  als 
Belege  für  den  im  Vocalismus  vielfach  schwankenden  Sprachzustand  des  Mon.  zu 
halten.  Doch  hat  R.  auch  einzelne  dem  Cott.  oder  andern  Denkmälern  eigen- 
tümliche Formen  angeführt,  ohne  sie  als  solche  kenntlich  zu  machen.  Daraus 
entsteht  nun  leider  häufig  die  Unsicherheit,  was  als  Variante  des  M,  was  als 
eigentümlich  für  0,  was  endlich  etwa  als  vom  Gebrauche  des  Heliand  abweichende 
Form  eines  der  kleineren  Denkmäler  zu  gelten  hat.     Das   ist  sehr  zu  bedauern, 


161 

besonders  da,  wie  ich  meine,  mit  leichter  Mühe  durch  Setzung  verschiedener 
Interpunktionszeichen,  durch  Klammern  oder  durch  Abwechslung  im  Druck  eine 
zuverlässige  Kennzeichnung  der  einzelnen  Formen  nach  ihrer  Herkunft  zu  er- 
möglichen gewesen  wäre.  Die  Klammem  wendet  R  einige  male  an,  aber  in 
verschiedener  Bedeutung;  ebenso  den  Cursivdruck  beim  Verbum  subst.  und  beim 
Pronomen  nur  um  die  zu  ednem  Paradigma  vereinigten,  ursprünglich  verschiedenen 
Stämme  zu  sondern. 

Wenn  ich  nun  zum  Einzelnen  mich  wendend  hie  und  da  die  Angaben  R.*8 
zu  vervollständigen  oder  einige  Versehen  zu  berichtigen  mir  erlaube,  so  möchte 
ich  dadurch  die  Brauchbarkeit  und  Zuverlässigkeit  des  R.^schen  Werkchens  nicht 
in  Frage  gestellt  sehen,  sondern  nur  auf  Grundlage  umfassender  Materialsamm- 
Inngen  eine  kleine  Beisteuer  zu  einer  im  Interesse  der  altsächsischen  Studien 
bald  zu  erwartenden  dritten  Auflage  geben. 

S.  3.  Starke  Conjugation.  Das  im  praet.  pl.  neben  -un  verzeichnete  -on 
ist  für  M  nur  zweimal  als  Endung  der  2.  pl.  (1447.  1684)  belegt;  sollte  -on 
(las  21malige  Vorkommen  dieser  Endung  in  C  bezeichnen,  so  hätte  ebensogut 
die  Plnralendung  -ent  in  C  Erwähnung  verdient. 

S.  4.  III.  Klasse.  —  Statt  wellan,  das  im  Heliand  nicht  vorkommt,  hätt>e 
etwa  ivi'rran  als  Beleg  für  den  Stammausgang  auf  Doppelliqnida  genannt  werden 
können.  —  nenian  durfte  nicht  als  Paradigma  stehen,  da  es  gegenüber  dem 
regelmässigen  niman  CM  1623.  1648.  1788.  3322.  4264.  4578.  C  1563.  5367. 
5447.  (-en  M)  3204.  3307.  M  2332.  3778.  3887.  nimen  3284.  3860  die  seltenere 
Form  ist:  1550.  C  2332.  3284.  3778.  3887.  nemen  M  1563;  auch  die  vor- 
kommenden Personen  des  Praesens  haben  in  M  stets  i:  1786.  2288.  2606.  C 
2571;  nur  C  hat  einmal  1786  nemat.  Ebenso  steht  in  M  dem  ppp.  hinoman 
151  die  Form  benumane  (binmnana  C)  2990  gegenüber. 

S.  5.  Die  Hinzufügung  des  auf  C  beschränkten  tw  im  praet.  der  IV. 
Klasse  verlangte  consequenterwei.«e  das  gleiche  Verfahren  in  Klasse  V,  5  bei 
hropan,  im  Praeteritopr.  moi  (S.  8),  bei  hro^er  (S.  10)  und  wäre  deshalb  besser 
weggeblieben. 

Klasse  IV,  2.  Im  Praet.  gebührt  ia  der  Vorrang  vor  io  wegen  ffriat 
((friot  C)  4071;  ob  der  inf.  *grdtan  anzusetzen  sei,  ist  mir  wegen  griotand 
V>  4724  (vgl.  ags.  greotan)  fraglich. 

Klasse  V,  1.  Das  praet.  sg.  zu  hlopan  u.  s.  w.  ist  nicht  belegt.  — 
V,  2.  ie  im  praet.  hätte  als  fast  ausschliessliche  Eigentümlichkeit  des  C  be- 
zeichnet werden  sollen,  M  hat  nur  an  3  Stellen  (122.  123.  345)  ie,  —  Zu  V,  3 
ist  zu  bemerken,  dass  M  in  allen  Verben  dieser  Klasse  ausnahmslos  e  hat,  aber 
auch  C  kennt  in  fcUlan  nur  e,  in  hcUdan,  waldan  nur  je  einmal  ie  (130.  344), 
in  wallan  einmal  ein  wohl  fehlerhaftes  i  (4073),  und  selbst  in  faJian  und  gangan 
häufiger  e  als  ie.  Es  ist  bemerkenswert,  dass  von  den  21  (8  -|-  13)  Belegen 
für  ie  in  diesen  beiden  Verben  11  dem  ersten  Tausend,  6  den  3  ersten  Hunderten 
des  2.  Tausends  angehören.  —  In  V,  4  kommt  das  ie  wiederum  nur  dem  C  zu; 
sollte  also  hier  die  Abweichung  von  M  hervorgehoben  werden,  so  durfte  unter 
V,  5  das  für  io  (selten  eo  3561.  3570;  5004)  des  M  eintretende  ie  (wiep  5004. 
hriep  2947.  3364)  und  eo  (hrtop  4096.  5481.  5633.  5653.  hrex/ptin  3645.  3651. 
3656.  4860.  5827.  hreopin  3568)  des  C  nicht  fehlen.     . 

S.  6.  VI.  Klasse,  hiun  ist  auf  C  beschränkt;  im  praet.  pl.  fehlt  die 
Angabe  von  warun.  —  Neben  williu,  welliu  (nur  in  C)  hätte  die  auch  in  M 
begegnende  und  998  in  CMP  gemeinsam  überlieferte  Form  willio  nicht  unerwähnt 
bleiben  sollen;  für  die  2.  sg.  ist  wil  (nur  C  5158)  doch  wohl  nur  Schreib- 
versehen; in  3.  sg.  muss  die  Reihenfolge  lauten:  wili.  wil,  wilit  (C  1685); 
im  praet.  fehlt  2.  sg.  weldes   (-as  C)    821;   pl.  weldun  (woldun  C);   die  3.  sg. 

Niederdeutsches  Jahrbnch.     XVIII.  XI 


162 

heisst  in  M  überwiegend  weide,  niemals  wolda,  —  Bei  duan  ist  die  Reihenfolge 
der  Belege  zu  Gunsten  der  Formen  mit  ö  mehrfach  falsch  angesetzt;  in  1.  sg. 
ist  zwar  gidoii  die  am  häufigsten  (2325.  2758.  4644)  in  M  anzntreifende  Form; 
daniy  duom  sind  je  2  mal  vertreten,  duon  auf  0  beschränkt;  aber  2.  %^.  duos 
ist  2  mal  (1549.  4093),  dos  nur  3564  in  M  zu  finden;  auch  in  3.  sg.  überwiegt 
in  M  uo  :  duot  (-d)  16  mal;  doi  (-d)  8  mal,  doit  (5188);  für  den  pl.  ist  zu 
ordnen:  dot,  duat,  duot;  pl.  imp.  doan  (duan,  duaian  C);  conj.  3.  sg.  doe 
1535.  1536.  dua  1695.  dtme  2448;  im  pl.  war  dican  als  nur  in  C  (1473.  2562) 
belegte  Form  ans  Ende  der  Beihe  zu  stellen;  prt.  1.  sg.  nicht  belegt;  2.  sg. 
dedos  C  5637  gehört  hinter  dadi  CM  322;  3.  sg.  dede,  deda;  pl.  dadun  ist  in 
M  die  häufigere  (2649.  3648.  3663.  4409.  4439),  dedun  die  seltenere  (483. 
2804.  3886)  Form;  übrigens  zeigt  auch  C  grössere  Vorliebe  für  dadim  (2238. 
2649.  3663.  3886.  4409.  5560.  5889;  dedun  483.  2804.  3648.  4439.  ♦5495. 
5498);  praet.  conj.  dadi  (2  mal),  dedi  (1  mal);  pl.  dedin  (2),  -dadin  (1  mal  C); 
im  inf.  hat  M  folgende  Reihenfolge:  duan  972.  3258.  3847;  doan  5029.  4909; 
doen  4940;  den  1048;  duan  ist  nur  in  C  vorhanden  3258.  5576;  auch  P  972 
hat  duan;  im  ppp.  überwiegt  in  M  giduafi  (7  mal),  das  auch  für  C  die  einzige 
Form  ist;  daneben  in  M  gidoen  5108.  5115  und  andou  1798.  —  M  hat  öfter 
ftad  als  fted;  stes  ist  nur  in  C  belegt. 

S.  7.  Schwache  Conjugation.  I.  Klasse.  Die  Nebenform  der  1.  sg.  pr. 
auf  -0  ist  nur  für  seggian  belegt.  —  opt.  neben  -ie  auch  -ea.  —  praet.  neride, 
nerida,  —  Für  das  praet.  von  sendicn  ist  in  M  nur  senda  1042  belegt  (sanda 
C;  ausserdem  senda  C  5296);  aber  im  Ganzen  überwiegen  in  allen  schwachen 
Verben  in  M  die  Formen  auf  -e,  so  dass  im  Paradigma  der  Form  ^sende  die 
erste  Stelle  gebührt  hätte.  Der  einzige  Beleg  für  den  Plural  lautet  sendun  C 
5315.  —  Da  von  salhon  nur  der  inf.  belegt  ist,  eignet  es  sich  weniger  gut  zum 
Paradigma  als  etwa  thiofiofi  oder  noch  besser  Diolon,  von  welchem  auch  für  die 
Nebenformen  mit  i  die  meisten  Belege  vorkommen.  Für  den  opt.  auf  -adi  weiss 
ich  keine  Belegstelle;  das  praet.  sollte  salhode  heissen. 

III.  Klasse.  Die  Formen  mit  i  gehören  alle  bis  auf  sagis  (3019)  nnr  dem 
Cott.  u.  den  ihm  im  Dialekt  verwandten  Glossen  an. 

S.  8.  Praeteritopraesentia.  Für  das  praet.  wäre  richtiger  als  vorwiegend 
in  M  die  Form  auf  -e  anzuführen  gewesen:  wisse,  gidorßc,  dorfU  (3208),  far- 
munsie,  moste,  mähte;  dagegen  siud  für  ehia  (841.  850),  Consta  (208.  225. 
1032)  und  scolda  (17  mal)  die  Belege  häufiger  als  für  ehte  (2159),  conste  (3544) 
und  scolde  (10  mal),  was  sich  aber  daraus  erklärt,  dass  diese  Formen  auf  -a 
alle  den  ersten  zwölfliundert  Versen  des  Heiland  augehören,  in  denen  überhaupt 
in  M  die  Endung  -a  überwiegt.  Hieran  reihen  sich  auch  die  einzigen  Belege 
für  1.  sg.  niosta  559  und  scolda  823.  Das  nur  einmal  belegte  afrmsta  (1043) 
bestätigt  diese  Regel.  —  formonsta  gehört  nnr  C  (2658)  an;  für  mohia  und 
mohte  in  M  sind  184.  747;  1678  die  einzigen  Fälle.  Neben  witan  verdiente 
der  inf.  witun  Beachtung.  —  Die  Gesammtzahl  der  Praeteritopraes.  ist  um  eins 
zn  gross,  da  der  Setzer  von  2  auf  4  gesprungen  ist. 

S.  8.  Starke  Decl.  Einen  Vocativ  sg.  anzusetzen  erscheint  mir  unnötig. 
—  Die  Endung  -a  im  n.  acc.  pl.  m.  hätte  als  nur  den  jüngsten  Denkmälern 
angehörig  gekennzeichnet  werden  sollen;  da  dem  seltenen  -as  des  n.  acc.  pl.  ein 
Platz  gegönnt  wurde,  durfte  auch  -an  (C)  im  dat  pl.  nicht  fehlen  und  ebenso- 
wenig das  -um  desselben  Casus  im  Ntr..  dem  doch  gewiss  ,hi8torischer  Wert' 
nicht  abzusprechen  ist.  —  Neben  -u  im  instr.  verdient  -o  Beachtung. 

S.  9.  Bei  der  ^a-decl.  empföhle  sich  die  Angabe  des  ganzen  Wortes  durch 
alle  Casus,  weil  durch  die  blosse  Setzung  der  Endung  die  volle  Form  sich  nicht 
klar  genug  ergiebt.     Im  gen.  sg.  müsste  es  heissen:   hirdies,   hirdens ;   dat.  sg. 


163 

hirdea,  kirdia,  hirda,  hirdie;  heddies,  beddeas;  ricies,  riceas,  rices ;  ricea, 
ride;  Hke  nnr  in  C.  —  instr.  wie  in  der  a-decl.  —  n.  pl.  -as  nur  2  Belege: 
für  acc.  pl.  gar  keiner.  —  Von  heri  nur  n.  pl.  -hm  belegt.  —  Neben  acc.  pl. 
yicttin  M  1186  in  MC  auch  netti  1178.  1155.  C.  1186.  —  rethi  (nur  Prud.  Gl.) 
wäre  besser  fortgeblieben.  —  Da  von  sibhia  nur  d.  pl.  vorkommt,  auch  sonst 
nur  wenig  Belege  von  Wörtern  nach  diesem  Paradigma  sich  finden,  wäre  es 
besser  unter  Aufzählung  der  hierhergehOrigen  Wörter  auf  die  Declination  der 
^^-stämme  zu  verweisen,  von  denen  sie  ja  principiell  nicht  abweichen.  —  Neben 
dem  acc.  woßunnm  hat  M  2695  wostimnie  und  im  dat.  nur  (5  mal)  woftunni; 
'ia  (3),  -iu  (2)  gehören  dem  Cott.  an. 

II.  Starke  Declination.  A.  gast.  g.  sg.  -as  konnte  wegbleiben,  da  tiras 
(tf/reas  C)  131  kein  vollgültiger  Beleg  ist;  ebenso  entspricht  für  den  dat.  -a,  -e 
nicht  den  thatsächlich  überlieferten  Formen.  —  Im  dat.  pl.  treten  in  M  die 
Endungen  -eon,  'ion,  die  in  C  herrschen,  ganz  gegen  -tun  (-eun  4  mal)  zurück, 
für  -un  lässt  sich  nur  hetteandun  2281  neben  hetiendiun  5224  anführen; 
iraknin  ist  nur  für  C  bezeugt. 

Zum  Paradigma  lüini  ist  zu  bemerken,  dass  für  den  g.  sg.  überhaupt  im 
Hei.  keine  Belege  zu  finden  sind  ausser  7n€t€s  C  1224,  7nates  M  1054.  1224; 
wo  der  gen.  von  scepi  steht,  ist  das  Genus  fraglich.  —  Im  Dativ  ist  i  die 
häufigste  Endung  in  M  (hugi  s.  o.;  meti  2833;  seli  711.  3338;  -quidi  3873); 
seltner  -ea  (hugea  2997.  5147.  5183);  -e  wird  nur  von  C  gewährt  neben  dem 
häufigen  -ie, 

B.  Neutra.  Von  meiii  (1722)  ist  nur  der  acc.  sg.  überliefert;  ausser 
dem  nom.  urlagi  f-logi  C)  4323  nur  noch  der  gen.  orlegas  f-lagi^es  C)  3697, 
kein  Plural;  sonst  könnte  man  nur  noch  den  vereinzelten  g.  pl.  aldarlagio  (-lago 
M)  3882  hierherziehen. 

C.  Feminina  auf  -ini.  Der  Ansatz  -iu  für  den  nom.  sg.  beruht  nur  auf 
der  vermutlich  falschen  Lesart  in  M  vieginftrengiu  (-i  C)  und  wäre  besser  weg- 
geblieben oder  in  Klammern  hinter  -ia  gesetzt. 

S.  10.  III.  i^-declination.  Im  n.  sg.  ist  -o  Endung  in  C  und  musste 
dann  folgerichtig  auch  im  acc.  stehen.  Ich  habe  schon  bemerkt,  dass  für  die 
7i-decl.  eine  AufiTührung  aller  einzelnen  Formen  die  Übersicht  über  das  wirklich 
Vorhandene  deutlicher  gemacht  haben  würde.  Im  n.  acc  sg.  n.  hat  M  gerade 
nur  feho  (1548.  1637.  1669.  2501);  im  gen.  fehas  (390.  1186);  mid  fehe  f-o 
M)  kann  man  für  dat.  oder  instr.  ansprechen,  sonstige  Formen  sind  nicht  vor- 
handen, der  pl.  fio  ist  mir  unbekannt.  —  Als  n.  pl.  ist  in  M  und  C  nur  hetidi 
3526  belegt,  im  acc.  nur  hendi,  mit  Ausnahme  von  M  4917  haridi;  dat.  sg. 
liendi  nur  C  2989. 

Consonantische  Stämme,  man:  d.  sg.  man  ist  iu  H  nur  einmal  (1757) 
zu  finden,  sonst  nur  manne;  C  hat  öfter  man  als  manne;  mmma  kommt  in 
beiden  Hss.  überhaupt  nicht  vor,  sondern  nur  in  den  kl.  Dkm.  —  Als  dat.  pl. 
ist  mannum  viermal  in  M  belegt. 

Verwandtschaftsbezeichnungen.  Auch  in  M  ist  die  gewöhnliche  Endung 
-er;  dohter  (3),  dohtar  (1);  bivder,  -broder,  broder-  (8),  brodar,  ge-  (4);  fcuJ^ 
(28),  -foulet*  (5);  fadar  (5);  gesttest  4108  ist  unklar;  nur  modur  ist  häufiger 
(15)  als  moder  (8),  was  mit  der  schon  erwähnten  Vorliebe  des  ersten  Tausends 
von  M,  in  dem  modar  14  mal  vorkommt,  für  flexivisches  a  zusammenhängt. 

IV.  Schwache  Declination.  Neutr.  gen.  sg.  nicht  belegt;  im  nom.  sg.  fem. 
überwiegt  die  Endung  -e ;  die  für  M  charakteristische  Endung  -an  in  den  obliquen 
Casus  des  sg.  fem.  hätte  ebensogut  Berücksichtigung  verdient  als  im  masc. 

S.  11.  Pronomina.  Neben  iinu  haben  M  und  C  auch  imo;  dagegen 
kommen  im  n.  pl.  m.  neben  sie  für  M  die  vereinzelten  seu,  sia  nicht  in  Betracht ; 

11* 


164 

sie  herrschen  in  C,  doch  ist  sin  viel  häufiger  als  sea.' —  Im  nom.  sg.  1  ist  »iu 
in  beiden  Hss.  so  sehr  die  Regel,  dass  die  höchst  seltenen  sea  334,  sia  337. 
505  in  C  keiner  Erwähnung  bednrften.  —  Im  acc.  sg.  hat  M  sie;  sia,  selten 
sea  ist  C  eigentümlich.  —  Ebenso  n.  acc.  pl.  M  sie,  C  sia.  —  Da  neben  is  im 
gen.  sg.  m.  and  ntr.  auch  es  erwähnt  ist,  durfte  auch  im  nom.  acc.  sg.  ntr. 
neben  it  das  entsprechende  et  nicht  fehlen.  —  Im  n.  acc.  pl.  n.  stellt  C  dem 
von  M  allein  gebotenen  siu  dreimal  sia  (1722.  3605.  3607)  und  einmal  sea 
(1429)  gegenüber. 

Bei  den  Possessiven  hätte  vielleicht  durch  Eiuklammerung  auf  die  Neben- 
formen use,  iuwe  hingewiesen  werden  können. 

Demonstrativa.  dt.  sg.  in  M  ist  tliemo  nur  einmal  (2046)  belegt,  gehört 
also  ans  Ende  der  Reihe  und  muss  beim  ntr.  gestrichen  werden ;  in  ( •  ist  themo 
zwar  häufiger,  aber  doch  Ausnahme  gegenüber  dem  regelmässigen  ihem,  — 
acc.  sg.  m.  thana  ist  häufiger  als  thena,  —  n.  acc.  pl.  thia  ist  als  Hauptform 
für  C  von  den  übrigen  Formen  abzusondern.  —  g.  sg.  f.  i}ie:ra  ist  häufiger  als 
thero ;  im  dat.  sg.  f.  kommt  auch  ihera  vor.  —  acc.  sg.  f.  in  M  neben  thea 
auch  die  seltenen  thie  und  the;  thia  nur  in  ('.  —  n.  pl.  fem.  M:  thea,  thia, 
thie,  0:  thia,  tha,  —  Im  nom.  acc.  pl.  ntr.  ist  die  regelmässige  Form  ihiu  ((IM 
392.  415,  458.  648.  778.  1035.  1070.  1178.  1992.  C  26.  47.  4713.  (that  M) 
657;  M  (thu  C)  367.  (that  C)  4644;  ausserdem  entspricht  dem  thiu  des  M 
einigemale  in  C  thia,  wo  es  als  fem.  aufgefasst  werden  kann  235.  358;  als 
Relativum  fungirt  thia  C  1425.  4644.  4713,  tha  C  657.  thea  M  1178.  1993. 
Die  von  R.  gegebene  Reihenfolge  ist  also  nicht  richtig  und  the  ganz  zu  streichen. 

S.  12.  Die  Reihenfolge  für  M  ist:  the.stmjw,  Ütejutin,  thrsun,  thesmn 
1696,  the»9on  ntr.  1337;  0  kennt  nur  thejion;  im  d.  pl.  tlieson  nur  in  C.  — 

Als  gen.  sg.  f.  von  seif  ist  zufällig  nur  selba)^  2988  in  M  belegt 
(selharo  C). 

S.  13.  Adjectiva.  Dat.  sg.  m.  -on  hauptsächlich  nur  in  C;  -emo  und 
-anio  sind  für  die  kl.  Dkm.  bemerkenswert.  —  Im  acc.  sg.  m.  ist  die  Anwendung 
der  Endungen  -an  (-en)  oder  -na  f-ana,  -afw,  -ene,  -rie)  von  der  Beschaffenheit 
des  Wortstammes  abhängig.  —  Im  g,  pl.  ist  in  M  -aro,  -oro,  -n-o  die  Reihen- 
folge; im  d.  pl.  ist  'Om  noch  häufiger  als  -um,  verdiente  also  dieselbe  Berück- 
sichtigung. —  Im  d.  sg.  f.  ist  das  ,usw.'  nicht  verständlich,  genau  genommen 
inüsste  für  M  die  Reihenfolge  aufgestellt  werden:  -aru,  -am,  -ero,  -oro,  -eru, 
-nrff,  -ara,  wofür  es  genügen  würde  anzusetzen:  -ro,  -ru;  C  bevorzugt  dagegen 
die  Endung  -ero.  —  Im  n.  pl.  fem.  ist  im  Gegensatz  zum  masc.  -a  auch  in  M  wie 
in  0  die  Regel  und  im  acc.  kommt  e  Überhaupt  als  Endung  in  M  nicht  vor;  eine 
Endung  -ß  für  den  n.  acc.  pl.  ntr.  ist  mir  nicht  bekannt ;  -a  vorherrschend  nur  in  C.  — 

Schwache  Declination.  g.  sg.  f.  ist  -an  in  M  häufiger  als  -un;  für  die 
verschiedenen  Formen  im  gen.  dat.  sg.  ntr.  fehlt  es  an  Belegen. 

S.  15.  Die  in  der  2.  Auflage  an  den  Schluss  gestellte  Tabelle  der  Laut- 
verschiebungen würde  m.  E.  von  grösserem  Nutzen  sein,  wenn  der  Unterschied 
zwischen  An-,  In-  und  Auslaut  deutlicher  hervorträte  oder  das  starre  Schema 
durch  je  ein  Beispiel  lebendiger  gemacht  wäre. 

DORPAT.  W.  Schlüter. 

Berichtignnj^en. 

Jahrb.  XVII.    s.  75  v.  271  lies  Slaplik. 

„  „         8.  79  zu  V.  107  lieH  Unklar  ist  v.  105. 

„       XVIII.  8.  120  zeile  1  v.  u.  lies  chatuph)  o. 

«  ^        s.  124      „     2  v.  0.   lies  17.  statt  15. 


Musik  -  Beilage 

(zu  S.  15). 

la.  De  blauwe  vlag  die  waeit 


^^ 


k. 


'^^:j^^^^^^:mj^ 


1f   1f   * 


fff^^F^ff^^gg^^-p^fN^^f^ggH 


Ib.  En  die  blauwe  ylag  die  waeyt 


p 


*=|: 


m 


t 


^^^=i 


1 


[Ziet  eens  aen  dit    hei -der  glas,   Dat  myn     al  -  tyd    komt  van  pas!    Ziet    het 


I£g"ipf^^^3S^1Mf^ 


bran  -  den    en  -   de      bla  -  ken,   Ziet  het   schit-te  -  ren     voor't    oog!  Die  het 


^^ 


g^ilF=; 


:ea — r 


^* 


l 


M-*- 


m 


niet    en      kan  ver  •  ma  -  ken,  la      eeu   bloe<l  zee  -  dig    en    droog.] 


IL  Ditmarsisclier  Tanz. 


f  f»f 


i=r-= 


|: 


t 


^ 


Latde  blau  -  e  Flagg  mal  wei-en,    Lat  se  drillen,  lat      se       drei-cn ;  Denn  dat 


0  Dieser  Takt  und  der' folgende  lauten  in  der  Handschrift: 


Die  mit  *  bezeichneten  Noten   sind  nur  teilweise  erhalten  und  von  Herrn   R.  von  IJlien- 
cron    ergänzt. 


1 1 


/       dim.  mf  p  fi    ^  ^  p 


f       dim. 


^^IZlirrj 


Schip  to  See        an-geit 


3::=:i: 


Fl 


t-\- 


1^ 


g 


,4^':^ 


^ 


jy. 


i     -Tl  !     I 


§E 


III.  De  Zeyensprong. 


[Ei,  wie  kan  de  ze-vensprong,  Ei,   wie  kan  se    dan  -  sen  ?  Is  der  dan  geen 


^ 


WT 


T 


:p=i=5r 


I 


t 


=t^ 


i^^M 


ee-ne      man,  Die  de    ze -yensproDgenkan?Datee-ne  etc.] 


Da  capo 


IT.  Les  sept  sauts. 


^-± 


g^ö^gi^^^^ 


V— V 


fcS 


1.  Ton  armant,  Phi-lis,  ne  me  plait  gu-ere,   11  vante  tous  tes  momdres  defauts, 

2.  Pour  le  mien,  il     est  bon  ä     la  oan  -  se,  Aus  -  si    sou-vent  je  le  fais  danaer, 


Mais  il   n'a  que  du  ca-quet,   U  se-roit  la  d'avoir  fait  Un  saut. 
Et  Sans  s'en  em-barras  -  ser,    II  me  fait  pour  commen-  cer  Un  saut,  deux  sauts. 

(8  Couplets.) 

T.  Plerlala. 


is=E:iS 


^a^=^5^^^i 


[Komt  hier  r1     by    en  hoort  een  kluclit,  Ick     zinj?  van     Pier  -  la     la.        Eon 


i 


ht 


^^^ 


3=«T:J?=r»r:j= 


^sfeiiä^^^ 


\  drollig  ventjen  toI    genucht,  De  vreugd  van      zijn     pa  -  pa.  Wat   in  zi^jn  le-ven 


I=p: 


^^^ 


is    geschied,  Dat  zult  gy     hooren    in    dit  lied;  *tl8  al  vanPieivla-la,     sa    sa, 'tis 


[#-f±r^^^^ 


al  van  Pier-la  -  la.j 


TL  Drinck-Liedeken. 


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iT-rtrrr 


Van  waor  compt  ons  den     coe  -  len  wyn,  En  van  waer  compt  ons  den  coe  -  len  wyn, 


^m 


t 


^g^^^^Bi^Bg^ 


£n   van  waer  dorn  daer,    en     van  waer  compt  ons 


den    coe  -  len     wyn? 


•<8Q8) 


Jahrbuch 


des 


Vereins  (fir  niederdeutsche  SpracliforsGliung. 


Jahrgang  1893. 


XIX. 


OSE 


NORDEH  und  LEIPZIG. 

Diedr.  Soltau's  Verlag. 
1894. 


Druck  Ton  Diedr.  Soltftu  in  Norden. 


Inhalt. 


6«IU 

Zar  Geschichte  des  Volksbuches  vom  Ealenspiegel.     Von  Ch.  Walt  her  1 

EaleaspiegeVs  Vorname 4 

Eulenspiegers  Znaame 6 

Die  übrigen  Personennamen L4 

Die  Ortsnamen 14 

Die  Sprache  der  Strassbnrger  Ausgaben  und  die  niederdeutschen  Spuren 

darin 18    v 

Missverständnisse  der  niederdeutschen  Vorlage 34    \ 

Wortspiele  und  Witsreden 42 

Beimverse 45 

Die  Localisierung  der  Historien 49 

Die  Grabschrift  ülenspiegers 62 

Die  ältesten  Drucke 67 

Die  mittelniederländische  Paraphrase  des  Hohenliedes.     Von  Edw.  Schröder    80 

Warnung  vor  dem  Würfelspiel.     Von  J.  Bolte 90    ' 

Zu  mittelniederdeutschen  Dichtern.    Von  R.  Sprenger.     .  94 

Zu  Gerhard  von  Minden 94 

Zu  Konemann ' 102 

Zur  Marienklage 104 

Zum  Sündenfall 107 

Zu  Valentin  und  Namelös 108 

Zu  mittelniederdeutschen  Gedichten.     Von  E.  DamkOhler 109     ^ 

Zu  Botes  Boek  yan  veleme  rade 109 

Zu  Gerhard  yon  Minden 111 

Der  Verfasser  der  jüngeren  Glosse  zum  Beinke  Vos.     Von  Ad.  Hofmeister  113 
Niederdeutsche  Hochzeitsgedichte  des  17.  und  18.  Jahrh.  aus  Pommern.    Von 

K.  Adam 122 

Mittelniederdeutsche  Margareten-Passion.     Von  P.  Graffunder    ....  131 

Zum  Anseimus.     Von  P.  Graffunder 165 

Ein  Spottgedicht  auf  die  Kölner  Advokaten.     Von  J.  Bolte 163 

Trinkerorden.     Von  J.  Bolte 167 


Zur  Geschichte  des  Volksbuches 

vonn  Eulenspiegel. 


Lappenberg's  Ausgabe  des  Strassbiirger  Ulenspiegel  vom  Jahre 
1519^)  hat  zur  Untersuchung  über  das  Volksbuch  dieses  Titels  nicht 
nur  den  Grund  gelegt,  sondern  auch  betreffs  der  Bibliographie,  des 
Quellennachweises,  der  Vergleichung  ähnlicher  Bücher,  der  Emendation 
und  Interpretation,  kurz  fast  in  jeder  Hinsicht  die  Forschung  mit 
bewunderungswertem  Scharfsinn,  Wissen  und  Fleiss  gleich  soweit  ge- 
fördert, dass  einem  Nachfolger  bei  dem  vor  vierzig  Jahren  vorliegenden 
Material  wenig  zu  thun  überblieb.  Seitdem  ist  aber  eine  ältere  Strass- 
burger  Ausgabe,  aus  dem  Jahre  1515,  entdeckt  und  veröffentlicht 
worden.^)  Ausserdem  zeigt  Lappenberg's  Ausgabe  doch  den  Mangel, 
dass  zwei  Hauptfragen  nicht  genügend  von  ihm  in  Betracht  gezogen 
sind:  das  Verhältnis  der  ältesten  erhaltenen  Ausgaben  einmal  zu 
einander  und  zweitens  zu  einer  nicht  auf  uns  gekommenen,  aber  zu 
vermutenden  niederdeutschen  Urfassung  des  Buches.  Ursache  dieses 
Mangels  war  Lappenberg's  Meinung,  dass  Murner  der  Verfasser  des 
Ulenspiegel  sei.  Dieser  Strassburgische  Gelehrte  habe  die  Schrift 
nicht  etwa  aus  dem  Niederdeutschen  übersetzt,  sondern  selbständig 
abgefasst,  und  die  witzige  und  launige  Darstellung,  sowie  die  gewandte 
Diction  stamme  nicht  aus  einer  niederdeutschen  Vorlage,  sondern  sei 
Murner's,  des  bedeutenden  Schriftstellers,  deutlich  erkennbares  Eigen- 
tum. Das  niederdeutsche  Original  habe  sich  nur  auf  einen  kleinen 
Teil  des  Murner'schen  Buches  beschränkt,  nämlich  die  Erzählungen 
von  der  Jugend  und  den  letzten  Tagen  UlenspiegePs  und  die  Hand- 
werkerschwänke ;  auch  sei  nicht  sehr  wahrscheinlich,  dass  diese  erste 
Sammlung  je  gedruckt  worden  wäre.  Bisweilen  fühlt  er  sich  sogar 
geneigt,  selbst  jede  handschriftliche  Grundlage  zu  leugnen:  Murner 
habe  den  Kern  der  Historien  auf  seiner  Jugendreise  durch  Nord- 
deutschland gesammelt,  etwa  in  der  Herberge  zum  wilden  Mann  in 
Braunschweig,  die  im  Volksbuche  erwähnt  wird;  die  Mehrzahl  der 
Geschichten    habe    er    jedoch    aus    anderen   Büchern    entlehnt,    was 


*)  Dr.  Thomas  Murners  Ulenspiegel.  Hrsg.  von  J.  M.  Lappenberg.  Leipzig,  1854. 

')  von  Hermann  Knust  in  (Braune^s)  Neudrucken  deutscher  Litteraturwerke 
des  XVL  und  XVIL  Jahrhunderts,  Nr.  55  und  56 :  Till  Eulenspiegel.  Abdruck  der 
Ausgabe  vom  Jahre  1515.    Halle,  1884. 

Niederdeutsches  Jahrbuch  XIX.  1 


2 

Lappenberg  auf  Grand  einer  erstaunlichen  Belesenheit  nachzuweisen 
sich  bemüht. 

Ausser  auf  innere  Gründe  für  Murner's  Urheberschaft  berief  sich 
Lappenberg  besonders  auf  das  Zeugnis  einer  um  1521  erschienenen 
Schrift^):  dann  er  (Murner)  hat  es  vor  uvl  bewert ,  besunder  da  er  .  ,  . 
der  weit  zu  schöner  andacht  und  underweisunrj  herfür  gebracht  hat  die 
hoch  ergründten  leer,  mit  namen  die  Narrenbschwerung,  die  Schelmen- 
eunftf  der  Grit  Miller  in  Jartug,  auch  den  Ülenspicgd  und  andre  schöne 
buchte  mer.  Das  Zeugnis  mag  ganz  richtig  sein;  dennoch  zwingen 
die  Worte  uns  nicht,  Murner  mehr  Anrecht  auf  den  ülenspiegel  ein- 
zuräumen als  das  eines  Uebersetzers  eines  anonymen  Werkes.  Dass 
er  zu  dem  Volksbuche  in  einem  andern  Verhältnisse  gestanden  hat, 
als  zu  den  vorhergenannten  Schriften,  welche  sicher  und  ganz  Pro- 
dukte seines  Geistes  waren,  scheint  der  Verfasser  des  Dialogs  durch 
die  Anfügung  mit  ^auch**  andeuten  zu  wollen. 

Lappenberg  handelte  in  solcher  Ueberzeugung  ganz  folgerichtig, 
wenn  er  gar  nicht  versuchte,  aus  den  ältesten  Ausgaben,  der  Strass- 
burger,  der  Kruffter'schen,  der  Antwerpener,  der  Cölner,  der  Erfurter, 
der  Augsburger,  einen  Text  mit  Anwendung  philologischer  Kritik  her- 
zustellen, sondern  einfach  den  Strassburger  Druck  von  1519,  der  ihm 
für  die  Originalausgabe  Murner's  galt,  wiedergab  mit  scharfsinniger 
Verbesserung  der  zahlreichen  Druckfehler  aus  eigener  Konjektur  oder 
aus  den  übrigen  älteren  Ausgaben.  Seine  Ansicht  ist  aber  nicht 
durchgedrungen,  weil  eine  genauere  Betrachtung  des  Eulenspiegelbuches 
und  eine  Vergleichung  der  verschiedenen  alten  Ausgaben  sie  als  un- 
haltbar erkennen  liess.  Gewichtige  Bedenken  gegen  die  Strassburger 
Originalität  des  Buches  hat  Karl  Gödeke  aus  niederdeutschen  im 
Strassburger  Text  stehen  gebliebenen  Ausdrücken  und  aus  Missver- 
ständnissen geschöpft,  die  sich  nur  aus  einer  niederdeutschen  Vorlage 
erklären  lassen,  zuerst  im  Weimarischen  Jahrbuch  Bd.  IV  (1856)  S. 
15,  wiederholt  in  seinem  Grundriss  zur  Geschichte  der  Deutschen 
Dichtung  Bd.  I  (2.  Ausg.  1862)  S.  117  und  weiter  ausgeführt  im 
Archiv  für  Litteraturgeschichte  Bd.  IX  (1881)  S.  3.  Lappenberg  hatte 
bereits  solche  Spuren  des  Niederdeutschen  in  Worten  und  Wortspielen 
und  in  den  Namen  vermerkt,  jedoch  nicht  zur  Erkenntnis  der  Sachlage 
verwertet,  weil  ihn  seine  einmal  gefasste  Vorstellung  von  Murner's 
Urheberschaft  verblendete.  Dagegen  will  Gödeke  demselben  die  Autor- 
schaft nur  eingeräumt  wissen,  wenn  damit  eine  ältere  niederdeutsche 
Redaktion  nicht  ausgeschlossen  sein  solle,  welche  Murner  in  einem 
Drucke  vorgelegen  haben  müsse;  doch  dürfe  jene  Stelle  aus  dem 
„Dialog"  kaum  auf  eine  blosse  Uebersetzung  des  Buches  aus  dem 
Niederdeutschen  ins  Hochdeutsche  gedeutet  werden. 

Niemand  hat  für  die  Forschung  über  die  Urgeschichte  unseres 
Volksbuches   mehr   geleistet,   als   Wilhelm   Scherer   in   seiner   Schrift 

')  Ain  schöner  DialoRus  zwischen  aim  pfarrer  und  aim  schulthaisz,  abgedruckt 
bei  0.  Schade,  Satiren  und  Pasquille  aus  der  Reformationszeit.  Hannover,  1863. 
Bd   IL  S.  153. 


„Anfänge  des  Deutsclien  Prosaromans",  Strassburg  1877.  Er  bat  zun! 
ersten  Male  in  kritischer  Weise  die  ältesten  bekannten  Drucke  mit 
einander  verglichen  und  ihr  Verhältnis  zu  einander  und  zu  unbekannten 
Vordrucken  zu  bestimmen  gesucht  und  dadurch  die  Untersuchung  in 
die  richtige  Bahn  gelenkt  und  einer  kritischen  Ausgabe  vorgearbeitet. 
Hierbei  stellte  er  die  Selbständigkeit  der  Cölner  Ausgabe  vom  Jahre 
1539  und  damit  ihre  Gleichwertigkeit  mit  den  ältesten  Strassburger 
Drucken  fest  und  sicherte  somit  ihren  beiden  Angaben  volle  Glaub- 
würdigkeit, erstens  dass  das  Buch  aus  Sächsischer  Sprache  verdol- 
metscht sei  (was  die  früheren  Ausgaben  verschweigen)  und  zweitens  dass 
es  1483  abgefasst  sei  (während  die  Strassburger  Ausgaben  das  Jahr 
1500  angeben).  Abgeschlossen  hat  Scherer  seine  Untersuchung  nicht, 
die  er  nur  gelegentlich  einer  Recension  von  F.  Bobertag's  Geschichte 
des  Romans  anstellte.  Bezüglich  der  erst  1868  aufgetauchten  Strass- 
burger Ausgabe  von  1515,  der  Erfurter  von  1532  und  der  Cölner  von 
1539  konnte  er  sie  nur  auf  Grund  von  Mitteilungen  Anderer  über 
diese  ihm  nicht  zugänglichen  Drucke  führen;  desgleichen  war  ihm  die 
Benutzung  des  Antwerpener  Druckes  nur  soweit  möglich,  als  Lappen- 
berg in  seiner  allerdings  ziemlich  ausführlichen  Beschreibung  daraus 
und  darüber  mitgeteilt  hatte.  Der  Strassburger  Druck  von  1515  ist 
seitdem  durch  Knust  zugänglich  gemacht  worden;  der  Abdruck  der 
übrigen  in  Betracht  kommenden  steht  noch  aus.  Ehe  das  geschehen 
ist,  dürfen  wir  wohl  keine  kritische  Herausgabe  des  Volksbuches  er- 
warten. In  Betreff  solcher  hoffentlich  erfolgenden  und  zumal  von  der 
Antwerpener  Ausgabe  wünschenswerten  Neudrucke  möchte  ich  die  Bitte 
aussprechen,  dass  man  die  alten  Drucke  mit  Haut  und  Haar  gebe, 
mit  allen  sprachlichen  und  orthographischen  Unregelmässigkeiten  und 
selbst  allen  Druckfehlern,  den  Antwerpener  womöglich  in  photolitho- 
graphischer Nachbildung,  wie  es  mit  dem  Kruffter'schen  geschehen  ist^) 
und  wie  es  auch  mit  den  beiden  Strassburgischen  von  1515  und  1519 
eigentlich  hätte  geschehen  müssen.  Nur  so  kann  man  sicher  sein, 
dass  keine  für  die  Geschichte  des  Litteraturdenkmals  verwertbare 
Besonderheit  beseitigt  oder  doch  verwischt  wird,  oder  zum  mindesten 
verborgen  bleibt. 

Mittlerweile  lässt  sich,  da  die  beiden  ältesten  Strassburger  Drucke 
wieder  herausgegeben  sind,  doch  schon  an  der  Sprache  derselben 
prüfen,  wie  weit  die  Behauptung  von  der  Selbständigkeit  der  Strass- 
burger Redaktion  und  ihrer  Unabhängigkeit  von  einer  niederdeutschen 
Vorlage  begründet  ist.  Ich  hatte  das  nach  Gödeke's  Vorgang  an  der 
Ausgabe  von  1515,  als  sie  mir  im  Neudruck  bekannt  ward,  versucht 
und  war  zu  dem  Urteil  gekommen,  dass  sie  im  grössten  Teile  nichts 
als  eine  ziemlich  liederliche  Uebertragung  aus  dem  Niederdeutschen 
sei.  Nachträglich  lernte  ich  durch  den  Nachweis  eines  Freundes  die 
Abhandlung  von  Scherer  kennen,  wo  ich  fand,  dass  dieser,  obschon 
er  die  sprachliche  Seite  minder  berücksichtigt  hat,    sich   für  dieselbe 

*)  Tyel  Ulenspiegel.  Nach  dem  Druck  des  Servals  Kruffter  photolithographisch 
nachgebüdet.    Berlin,  A.  Asher  &  Co.    18G5. 

1* 


Auffassung  zu  entscheiden  geneigt  ist.  Seine  Worte  (auf  S.  33)  sind: 
^Die  Notiz  von  1521  über  Mumer's  Autorschaft  (Lappenberg  S.  385) 
wird  nicht  völlig  grundlos  und  zunächst  an  der  Strassburger  Ausgabe 
von  1515  zu  prüfen  sein:  er  hat  im  selben  Jahr  bei  Grieninger^  [dem 
Drucker  des  ülenspiegels  von  1515  und  1519J  ;,den  verdeutschten 
Virgil,  im  Jahre  vorher  die  Badenfahrt  erscheinen  lassen.  —  Mehr 
als  die  nach  seiner  Weise  oberflächliche  Uebertragung  ins  Hochdeutsche 
hat  er  wohl  nicht  geleistet. '^ 

Dieses  Urteil  ermunterte  mich,  die  Notizen  meiner  Untersuchung, 
welche  eben  in  der  von  Scherer  geforderten  Hinsicht  angestellt  war, 
in  einer  zusammenb äugenden  DarsteUung  auszuführen.  Noch  während 
dieser  Arbeit  erging  an  mich  die  Aufforderung  von  Seiten  des  Nieder- 
deutschen Sprachvereins,  meine  Resultate  auf  der  Pfingst Versammlung 
zu  Lüneburg  im  J.  1889  vorzutragen.  So  musste  ich  meine  Abhand- 
lung fürs  erste  liegen  lassen  und  versuchen,  den  Gegenstand  in  Form 
eines  Vortrages  zu  behandeln.  Dieser  ist  dann  bei  jener  Gelegenheit 
gehalten  worden.  Nachdem  mic^h  darauf  andei'c  Arbeiten  von  der 
Aufgabe  für  mehrere  Jahre  abgezogen  haben,  bin  ich  letztlich  zu  ihr 
zurückgekehrt  und  lege  nun  hier  meine  Untersuchung  in  der  zuerst 
beabsichtigten  Gestalt  vor. 

Voraus  bemerke  ich,  dass  meine  Darstellung  möglichst  so  ge- 
halten ist,  dass  Lappenberg's  etwas  teure  Ausgabe  dem  Leser  nicht 
unumgänglich  zur  Hand  zu  sein  braucht.  Den  kleinen  Neudruck  der 
Strassburger  Ausgabe  von  Knust  wird  man  dagegen  nicht  wohl  ent- 
behren können.  Als  Siglen  für  die  Titel  der  ältesten  Ausgaben  des 
Eulenspiegel  sind  die  Anfangsbuchstaben  der  Druckorte,  nötigenfalls 
mit  Hinzufügung  des  Jahres,  und  in  einem  Falle  der  Anfangsbuchstabe 
des  Namens  des  Druckers  gewählt.  Demnach  ist  unter  S  zu  verstehen 
eine  Strassburger,  K  die  Kruffter'sche,  A  die  Antwerpener  (Michiel 
van  Hoochstraten,  ohne  Jahr),  E  eine  Erfurter  von  1532  u.  s.  w.  und 
C  die  Cölner  Ausgabe  von  1539.  Die  beiden  Strassburger  von  1515 
und  1519  habe  ich  gleichfalls  lieber  durch  Zusatz  der  Jahreszahl 
unterscheiden  wollen,  als  durch  ein  einfacheres  Zeichen,  weil  jene 
Bezeichnung  auch  brauchbar  bleibt,  falls  einmal  ein  früherer  Druck 
aufgefunden  würde. 

Eulen.spiegers  Vorname. 

Der  Vorname  Eulenspiegers  lautet  im  Titel  des  Romans  bei  S 
1515  Dyl,  bei  S  1519  Dd.  Gödeke,  Gnmdriss  I  S.  117  hat  gemeint, 
diese  Form  deute  auf  einen  niederdeutschen  Originaldruck,  oder  mit 
anderen  Worten,  sei  aus  diesem  herübergenommen  worden.  Grade 
das  Gegenteil  ist  der  Fall:  DyU  DU  oder,  hochdeutscher  geschrieben, 
Diel  ist  die  recht  hochdeutsche  Gestalt  des  Namens.  Nach  Art 
schlechter  Uebersetzer  hat  der  Strassburger  Bearbeiter  anfänglich 
den  Namen  in  seine  Mundart  umgesetzt,  in  der  Folge  aber  mehrfach 
die  Form  des  Originals  aus  Flüchtigkeit  beibehalten,  was  ihm  um  so 


leichter  zustossen  musste,  da  er  auch  sonst  zufolge  seines  Dialektes 
anlautendes  t  und  d  nicht  scharf  zu  sondern  vermochte.  So  zeigt 
S  1515  in  der  Vorrede  Dyl  und  Thyl,  Historie  1  Thiel  und  Dyl,  Hi. 
2  und  5  Thü,  Hi.  3  Tyl;  S  1519  schwankt  gleichfalls:  Vorr.  Thyl 
und  Dyl,  Hi,  1  Dil  und  Thyl,  Hi.  2  Thyl  Hi.  3  Tyl,  Hi.  5  Dil  Im 
ndd.  Original  wird  Thyle  und  Thihf  vielleicht  daneben  Tyle  und  Tile 
gestanden  haben. 

Der  Name  darf  nicht,  wie  Lappenberg  S.  227  ihn  fassen  will, 
als  Küi'zung  von  Tileman  angesehen  werden,  sondern  dieser  ist  eine 
erweiterte  Kosebildung  aus  jenem.  Tile  ist  hervorgegangen  aus  alt- 
sächsischem Thiadilo^  das  ein  Deminutiv  ist  von  Thiado,  dem  Hypo- 
koristikon  oder  der  Koseform  eines  jeden  mit  thiad  (Volk)  beginnenden 
männlichen  Vollnamens.  Das  as.  th  geht  regelmässig  in  dh  und  dann 
im  Mnd.  in  d  über.  Ausnahme  von  dieser  Regel  machen  im  Anlaut 
nur  wenige  Wörter,  dagegen  manche  Namen,  z.  B.  die  Ortsnamen 
auf  torp  statt  dorp  und  einige  Koseformen  der  mit  thiad,  thavik  u.  s.  w. 
anfangenden  Vollnamen.  Zu  dieser  letzteren  Klasse  gehört  Tilo,  welche 
aus  Tiadilo  (Tiedelo.  Tidelo)  verkürzte  Form  vielleicht  bereits  in  dem 
Namen  Tüo  in  der  Heberolle  des  westfälischen  Klosters  Freckenhorst 
um  ca,  1000  vorliegt.  Für  Tile  ward  dann  nach  der  Orthographie 
des  späteren  Mittelalters  auch  Tyle,  Thüe,  Thyle  geschrieben,  ohne 
dass  damit  eine  veränderte  Aussprache  gemeint  war,  Dass  der  Name 
z.  B.  den  Vollnamen  Thiderik  vertreten  konnte,  hat  das  Mnd.  Wörter- 
buch IV,  543  urkundlich  nachgewiesen.  Hier  noch  zwei  weitere  Belege 
für  die  Verwendung  des  Namens:  1288  und  1290  wird  ein  Thideco 
de  Hamelen  auch  Thileco  genannt,  Ztschr.  f.  Hamburg.  Geschichte  VI, 
506  und  514;  TiletnannuSj  alias  Titke  Krön,  Staphorst  Hambg.  Kirchen- 
Gesch.  I,  2,  545  =  Tinifm  [d.  i.  Thiadmar],  alias  Teleman  [=  Tile- 
man], al.  Titke  Crone,  das.  I,  3,  606. 

Bestätigt  wird  die  Behauptung,  dass  der  Name  des  Helden  im 
ndd.  Original  mit  T  angelautet  haben  muss,  durch  K's  Schreibungen 
Tyel,  Thiel,  Tiel.  Da  diese  Ausgabe  im  Cölner  Dialekt  abgefasst  ist, 
so  ist  die  Namensform  erklärlich.  Denn  solche  mit  t  statt  mit  d  = 
ad.  th  anlautenden  Kosenamen  sind  in  Mitteldeutschland  nicht  so  selten. 
Nach  den  östlichen  Landscliaften  werden  sie  durch  niederdeutsche 
Kolonisten  gebracht  sein;  daher  stammt  wohl  der  hier  besonders 
häufige  Zuname  Thilo.  Weitere  Importierung  fand  später  statt.  So 
war  der  in  Mitteldeutschland  lebende  und  mitteldeutsch  schreibende 
Verfasser  der  Limburger  Chronik  Tileman  von  Elhen  ein  Niederdeutscher, 
aus  Wolfshagen  im  sächsischen  Hessen  gebürtig.  In  den  nördlichen 
Teilen  Mitteldeutschlands,  nämlich  von  Rlieinland,  Hessen  und  Thüringen, 
wo  die  Volkssprache  bis  in  die  mhd.  Periode  hinein  allem  Anschein 
nach  niederdeutsch  geblieben  war,  werden  sich  solche  Namensformen 
aus  dem  früheren  Sprachzustande  gehalten  haben.  Und  zu  diesen 
Gegenden  darf  man  auch  Cöln  rechnen.  Die  Verkürzung  des  zwei- 
silbigen Namens  zu  einem  einsilbigen,  wie  K  sie  zeigt,  wird  der  Dialekt 
mit  dem  Oberdeutschen  gemeinsam  haben.    U,nd  dasselbe  ist  im  Nieder- 


6 

ländischen  der  Fall:  A  hat  TJiieU)^  die  ndl.  Ausgaben  des  17.  Jhs. 
Thyl  und  Thijl^  während  die  aus  dem  flämischen  Texte  übertragenen 
französischen  Drucke  Tiel  bevorzugen.  Unter  den  deutschen  Ausgaben 
bestrebt  sich  C  hoclideutscher  Schriftsprache  und  wählt  daher  Dyll 
und  Dyl^  desgleichen  Cöln  1554  und  Augsburg  1540.  Bemerkenswert 
ist,  dass  dagegen  Strassburg  1539,  1543  und  1551  Tyll  schreiben; 
ob  sie  sich  nur  dieser  Form  bedienen?  Der  Frankfurter  Druck  1545 
hält  noch  an  Dyll  fest,  der  von  ca.  1557 — 63  hat  wieder  Tyly  die 
Fischart'sche  gereimte  Bearbeitung  Thyll,  Seitdem  dringen  die 
Schreibungen  Till  und  Tyll  durch  und  damit  eine  Form,  die  weder 
hd.,  noch  nd.  genannt  werden  kann.  Denn  im  Nd.  wird  der  gemeinte 
Name  mit  langem  Vokal  gesprochen  und,  wenigstens  zur  Zeit  der 
Entstehung  des  Eulenspiegelbuches,  durchweg  zweisilbig  als  Tue. 
Wahrscheinlich  verdankt  man  die  Entstellung  zu  DiU  und  Tül  nicht 
einer  denkbaren  Vertauschung  mit  einem  Hypokoristikon  von  Dieileib 
(Thiadlef)^  sondern  allein  der  verwilderten  Orthographie  des  16.  Jhs. 
Nicht  unmöglich  ist  aber,  dass  diese  Schreibung  befestigt  ward  durch 
Anknüpfung  an  ein  Appellativ  tül  oder  dül^  welches  Narr  bedeutet 
zu  haben  scheint;  s.  Lübben  in  der  Ztschr.  für  Deutsche  Philologie 
III,  330,  und  vgl.  Rochholz  das.  S.  341.  Der  Schrift  ist  dann  die  Aus- 
sprache gefolgt:  man  spricht  allgemein  Tül  jetzt  mit  verkürztem  Vokal. 
Fischart  im  Gargan tua  Kap.  10  behauptet,  wie  Lappenberg  S. 
227  erwähnt,  dass  in  Lübeck  Till  der  gewöhnlichste  Vorname  sei. 
Das  ist  ein  Irrtum.  In  Lübeck,  Hamburg,  in  ganz  Nordeibingen,  des- 
gleichen in  Stade  und  Lüneburg,  überhaupt  in  den  norddeutschen 
Küstenländern  ist  der  Name  Tylc  selten  und  ursprünglich  nicht  heimisch. 
Hingegen  ist  er  im  niederdeutschen  Binnenland  recht  zuhause  und 
wohl  nirgends  mehr,  als  in  Ostfalen,  wo  der  Eulenspiegelroman  seinen 
Helden  zur  Welt  kommen  lässt.  Dort  wird  auch  das  Buch  zuerst 
verfasst  sein.  Scherer  S.  33  denkt  an  Hildesheim.  Aber  Braunschweig 
hat  mehr  Anspruch,  wie  ich  im  folgenden  nachweisen  werde.  Wie 
verbreitet  der  Name  Tyle  in  dieser  Stadt  war,  zeigen  die  von  Hänsel- 
mann herausgegebenen  Braunschweigischen  Chroniken. 

EuleiispiegeFs  Zuname. 

Schade,  Satiren  und  Pasquille  aus  der  Reformationszeit  II,  338, 
hat  Lappenberg  zum  Vorwurf  gemacht,  dass  er  in  seiner  Ausgabe 
sich  der  Form  Ulenspiegel  bedient  habe;  er  hätte,  dem  Strassburger 
Dialekt  gemäss,  Ulenspiegel  schreiben  müssen;  ule  ohne  Umlaut  sei 
niederdeutsch.  Er  selbst  hat  denn  auch  im  „Dialogus  zwischen  aim 
Pfarrer  und  aim  Schulthaiss^,  nach  Vorgang  des  von  ihm  seinem  Ab- 
drucke zu  Giiinde  gelegten  Druckes  (A),  Ulenspiegel  statt  des  Ulen- 
spiegel der  andern  Drucke  gesetzt;  ja,  er  meint,  er  hätte  das  auch 
thun  müssen,  wenn  A  das  ü  nicht  gäbe.     Dabei  hat  er  nur  übersehen. 


*)  Diese  und  die  folgenden  Angaben  beruhen  auf  Lappenberg's  Verzeichnis 
der  Ausgaben  vom  Ulenspiegel. 


dass  der  Dialekt  jenes  Dialoges,  den  gleich  die  ersten  drei  Zeilen  in 
hreueht  ir,  neuwer  mär  und  euch  kund  thun,  nicht  Ülenspiegel^  sondern 
Eidetkipiegel  verlangt.  Man  könnte  sich  die  Forderung  Schade's  für 
den  Titel  von  Lappenberg's  Ausgabe  allenfalls  insofern  gefallen  lassen, 
als  Lappenberg  den  Strassburger  Murner  für  den  Verfasser  hält. 
Falls  er  aber,  wie  es  scheint,  diese  Form  auch  für  einen  sog.  ge- 
reinigten Textabdruck  des  Buches  beansprucht,  so  hiesse  das  der 
Strassburger  Bearbeitung  eine  Wortform  aufzwängen;  denn  beide 
Strassburger  Ausgaben,  sowohl  die  von  1515  wie  die  von  1519,  schreiben 
Vlen-  oder  Vlnspiegel^  die  von  1515  sehr*  oft  auch  Ulfejnspiegel  und 
vl(e)n$pieg€l.  Sicherlich  schwankt  S  1519  zwischen  diesen  drei  Schrei- 
bungen wie  S  1515;  wenigstens  zeigt  das  Facsimile  des  Titels  bei 
Lappenberg  Ulenspiegel,  abweichend  vom  Vlenspiegel  in  S  1515. 
Lappenberg  war  also,  da  er  einheitliche  Schreibung  und  zwar  stets 
mit  grossem  Buchstaben  durchführen  wollte,  verpflichtet,  die  häufigste 
des  Druckes,  Vlenspiegel,  zu  wählen,  und  berechtigt,  im  Titel  seiner 
Ausgabe  Ulenspiegel  zu  setzen. 

Wie  der  Strassburger  Bearbeiter  den  Namen  aussprach,  lässt 
sich  aus  jenen  drei  Schreibungen  nicht  ersehen,  weil  man  die  Typen 
V  und  V  und  vermutlich  auch  U  nicht  mit  Umlautszeichen  zu  versehen 
pflegte,  diese  Lettern  also  sowohl  zur  Bezeichnung  von  27,  u  als  auch 
von  t/*,  ü  im  Anlaut  dienen  mussten.  Aber  eine  andere  Eigentüm- 
lichkeit der  Orthographie  von  S  1515  kann  die  Frage  lösen.  Die 
Grieninger'sche  Buchdruckerei  war  im  Besitz  der  Type  ü  und  verwendet 
sie  im  Anlaut  der  Wörter,  nur  nicht  konsequent  immer  wo  sie  am 
Platz  gewesen  wäre.  Sie  hat  z.  B.  stets  vbel  statt  übel  und  stets  vch 
statt  üeh  neben  häufigerem  euch.  Dagegen  finden  wir  nie  vwer,  son- 
dern üt€er  oder  meistens  euwerj  bisweilen  ewer.  Auch  vber  steht  durch ; 
nur  einmal,  Hi.  63  ist  mir  über  aufgefallen  und  zwar  in  beiden  Aus- 
gaben, bei  Lappenberg  auf  S.  91,  bei  Knust  auf  S.  96.  Hi.  17  und 
72  (zweimal)  lesen  wir  die  ürten  (Zeche),  55  und  77  die  ürtin,  80 
die  vrten.  Der  Setzer  der  Officin  wechselt  also,  mit  Ausnahme  von 
vÄei  und  vchj  zwischen  v  und  ü  und  gebraucht,  oflFenbar  wegen  des 
folgenden  «?,  die  Schreibung  üwer  ausschliesslich.  Da  er  nun  vlen- 
spiegel mit  kleinem  Anfangsbuchstaben  unzählige  Mal  gesetzt  hat, 
müsste  befremden,  dass  er,  wenn  man  in  Strassburg  den  Namen  mit 
Umlaut  gesprochen  hätte,  sich  nie  der  Form  ulenspiegel  bedient  hat. 
Was  aber  den  Ausschlag  giebt,  ist  folgendes.  Das  im  Namen  ent- 
haltene Wort  „Eule^  erscheint  mehrfach,  Hi.  19  als  üle  und  siebenmal 
als  eulcj  40  als  U  und  üle  (S  1515,  beide  Male  ^le  S  1519)  und  95 
zweimal  etd.  In  40  und  95  besteht  Bezug  zwischen  dem  Vogel  und 
dem  Namen  Eulenspiegel ;  hier  wäre  doch  an  der  Statt  gewesen,  diese 
Beziehung  durch  die  Schreibung  ulenspiegel  oder  gar  Eulenspiegel  zur 
Geltung  zu  bringen;  allein  an  beiden  Stellen  finden  wir  nur  Vlenspiegel 
und  vlenspiegel  gedruckt.  Daraus  darf  man  mit  Sicherheit  schliessen, 
dass  in  Strassburg  Ulenspiegel  gesprochen  worden  ist  und  nicht  Dien- 
Spiegel.     Der  Name  muss  schon   vor   der   hochdeutschen  Bearbeitung 


8 

des  Volksbuches  in  Strassburg  in  seiner  niederdentschen  Fonn  fest- 
gestanden haben  und  verbreitet  gewesen  sein.  So  ergiebt  sich  mit  Not- 
wendigkeit der  Schlnss,  dass  Mumer  oder  wer  der  Bearbeiter  gewesen 
ist  nicht  Verfasser  des  Volksbaches  sein  kann,  ja  dass  ihm  nicht  ein- 
mal eine  niederdentsche  Handschrift  vorgelegen  hat,  sondern  dass  er 
nur  einen  durch  Deutschland  verbreiteten  niederdeutschen  Druck  über- 
setzt und  mehr  oder  minder  zurecht  gestutzt  hat.  Die  Aendemng 
von  speigd  zu  Spiegel  ist  aber  nicht  auffallender,  als  das  allgemein 
übliche  Verfahren  mit  zusammengesetzten  niederdeutschen  Ortsnamen, 
in  denen  der  erste  Bestandteil  gemeiniglich  unangetastet  bleibt,  während 
der  zweite,  wie  z.  E.  dorp,  horche  holt,  molen,  in  hochdeutschen  Laut- 
stand umgesetzt 'wird.  Wenn  nicht  der  Druckfehler  in  S  1515  so  viele 
wären  und  zumal  solche  im  Namen  Vlenspiegel  (VlenspUgel,  Vlenspid^ 
Vlenaplgel,  Vhmspiedel  u.  s.  w.,  s.  Knust  S.  V  ff.),  so  könnte  man 
meinen,  dass  in  einem  einmaligen  Vlenspeigel,  Hi.  20  (bei  Knust  S. 
30)  noch  eine  weitere  Spur  des  nd.  Originals  sich  erkennen  Hesse. 

Kruffter,  dem  eine  Strassburger  Ausgabe  vorgelegen  hat,  beginnt 
mit  der  Schreibung  Vlenspiegelj  wofür  er  später  auch  Vletispyegel 
setzt,  doch  wechselt  er  bald  mit  der  seinem  Dialekt  gemässen  Form 
VUnspegel  ab,  die  ihm  allmählich  die  geläufigste  wird.  Recht  häufig 
kürzt  er  den  Namen  zu  Vlenspe.  und  ebenso  oft  zu  Vlensp,  ab. 
Auch  Vlenspie,  findet  sich.  Er  giebt  dem  Namen  bald  einen  grossen, 
bald  einen  kleinen  Anfangsbuchstaben.  C  1539  hat  ebenfalls  Vln- 
Spiegel  und  Vlnspegel;  die  hochdeutschen  Ausgaben  haben  Vl(e)nspiegel, 
bis  dann  die  von  Lappenberg  zwischen  1557  und  1563  gestellte  Frank- 
furter Ausgabe  zuerst  die  völlige  Uebersetzung  des  Namens  zu  Eulen- 
Spiegel  vornimmt  (s.  Lappenberg  S.  183),  welche  Form  seitdem  die 
in  den  hochdeutschen  Texten  herrschende  bleibt. 

Was  bedeutet  der  NameV  Das  Volksbuch  selbst  erklärt  ihn 
als  aus  ^Eule^  und  ;, Spiegel^  zusammengesetzt,  indem  es  berichtet 
(S  Hi.  40),  Eulenspiegel  habe  die  Gewohnheit  gehabt,  an  solchen 
Orten,  wo  er  als  ein  Unbekannter  eine  Büberei  verübt  hatte,  mit 
Kreide  oder  Kohle  eine  Eule  und  einen  Spiegel  über  die  Thür  zu 
malen  und  lateinisch  darüber  zu  schreiben  Hie  fuit,  und  wenn  es  (S 
Hi.  95)  auf  seinem  Grabstein  eine  Eule,  die  einen  Spiegel  in  den 
Klauen  hält,  ausgemeisselt  werden  lässt.  Dadurch  wissen  wir  aber 
noch  nichts  über  die  Bedeutung  des  Namens;  wir  erfahren  nur,  dass 
der  Dichter  des  Volksbuches  ihn  als  aus  ;,Eule^  und  ^Spiegel"  zu- 
sammen gesetzt  ansah  und  dem  Tile  ein  so  redendes  Wappen  verlieh. 
Es  fragt  sich  weiter,  ob  der  Dichter  seinem  Helden  diesen  absonder- 
lichen Namen  gegeben  hat  oder  ob  er  ihm  denselben  von  seinen  Zeit- 
genossen hat  beilegen  lassen,  um  damit  die  Schalksnatur  oder  wie 
man  nun  seine  Wesensart  auffasste  zu  bezeichnen.  Für  die  eine  wie 
die  andere  Möglichkeit  vermisst  man  jede  Andeutung  im  Buche.  Viel- 
mehr trägt  nach  Hi.  1  bereits  sein  Vater  Claus  denselben  Zunamen. 
Dazu  kommt  noch  die  Thatsache,  dass  es  wirklich  und  selbst,  ehe 
das    Volksbuch   geschrieben    ward,    Menschen    gegeben    hat,    die   den 


Namen  als  bürgerlichen  Zunamen  führten.  Weil  das  unbekannt  war, 
konnte  im  Hannoverschen  Magazin  1812  St.  46  ff,  die  vermeintliche 
Nichtexistenz  eines  solchen  Geschlechtsnamens  als  hauptsächlichster 
Grund  gegen  die  historische  Existenz  eines  T.  Eulenspiegel  verwertet 
werden.  Hiergegen  erklärte  sich  Bhimenbach  in  Spiel's  Vaterland. 
Archiv  1820  Nr.  21  oder  Th.  H,  218  und  ihm  schloss  sich  Spangen- 
berg, Beschreibung  der  Stadt  Celle  (1826)  S.  298  Not.  2  an,  weil  in 
mehreren  Dortmunder  Urkunden  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  dieser 
Zuname  vorkomme.  Nach  Lappenberg  S.  341  erscheint  er  als  Bei- 
name in  einer  angesehenen  Soester  Familie:  1473  und  1482  Johannes 
van  Lünen,  genannt  Ulenspeigell^  Anwalt  der  Stadt  Soest,  und  1482 
Arnd  van  Lünen,  genannt  Ulenspeygell^  Vorsprache  beim  Soester  Frei- 
stuhl des  Fehmgerichts.  Hier  ist  der  Name  jedoch  nur  Beiname, 
durch  den,  wie  Lappenberg  vermutet,  jener  Johann  von  einem  anderen 
Soester,  Johann  van  Lünen,  genannt  van  der  Borcke,  unterschieden 
ward.  Da  aber  ein  zweiter  van  Lünen,  Arnd,  denselben  Beinamen 
führt,  so  muss  mit  Lappenberg  geschlossen  werden,  dass  der  Name 
damals  schon  einem  ganzen  Zweige  der  Familie  eignete.  Sein  Vor- 
kommen als  Beiname  scheint  am  natürlichsten  sich  daraus  zu  erklären, 
dass  bereits  vor  der  Drucklegung  der  Eulenspiegelgeschichten  diese 
im  Volke  unter  dem  Namen  des  Ulenspeigel  umliefen.  Auf  einen  ver- 
schmitzten Advokaten  konnte  der  Name  leicht  übertragen  werden;  s. 
Lappenberg  S.  343.  Der  Verfasser  des  Volksbuches  hat  also  den 
Namen  nicht  erfunden.  Für  den  Nachweis  einer  Familie  Ulenspeigel 
und  für  die  Beantwortung  der  oben  aufgeworfenen  Frage  nach  dem 
ursprünglichen  Sinn  des  Namens  lassen  sich  aber  die  beiden  Soester 
Zeugnisse  nicht  verwenden. 

Anders  steht  es  um  andere  Ulenspeigels.  Nach  den  Stadtrech- 
nungen von  Hannover  bezahlte  der  dortige  Rat  1481  einem  Hans 
Uüenspeigel  van  dem  Osterwolde  (südlich  von  Hannover)  11  0  für  ein 
Fuder  Kohlen;  s.  Histor.  Ztschr.  für  Niedersachsen  1871  S.  215.  In 
einer  Musterrolle  der  Stadt  Braunschweig  vom  Jahre  1547  wird  ein 
Soldat  Hans  Ulenspeigel  aufgeführt;  s.  Lappenberg  S.  343.  Könnte 
auch  etwa  betreffs  dieser  beiden  Leute  noch  ein  Zweifel  aufkommen, 
ob  sie  ihren  Zunamen  unabhängig  vom  Schalksnarren  führten  oder 
nicht,  so  schwindet  jedes  Bedenken  einer  dritten  Person  gegenüber, 
die  bereits  in  der  ersten  Hälfte  des  vierzehnten  Jahrhunderts  unter 
diesem  Namen  urkundlich  vorkommt.  Die  betreffende  und  eine  zweite, 
sie  gleichfalls  nennende,  Stelle  sind  von  Lappenberg  S.  342  f.  abge- 
druckt worden.  Sie  betreffen  eine  mulier  Ulennpeygel,  durch  die  1337 
jemand  vor  dem  Fehmgericht  in  Braunschweig  wegen  einer  gegen  sie 
verübten  Unrechtfertigkeit  belangt  ward,  und  eine  offenbar  mit  jener 
identische  Frau  de  Vlenspeyghelsche,  bezüglich  derer  1355  im  Braun- 
schweigischen Deghedingheboke  protokolliert  ward,  dass  sie  eine  Viertel 
Mark  Zins  in  einem  dortigen  Hause  besitze.  Lappenberg  schliesst 
gewiss  mit  Recht  aus  beiden  Stellen,  dass  sie,  weil  sie  ohne  Vornamen 
und  ohne  d«as  Prädikat  ^^domina''  oder  „vrowe^  angeführt  werde,  den 


10 

unteren  Ständen  angehört  habe,  und  dass  sie  1355,  weil  nicht  ihr 
Mann  als  Besitzer  der  Hausrente  angegeben  werde,  Witwe  gewesen  sei. 
Es  steht  demnach  fest,  dass  ein  Geschlechtsname  Ulenspeighel 
in  Brannschweig  wenigstens  anderthalb  Jahrhunderte  vor  dem  Er- 
scheinen des  Eulenspiegelbuches  vorkommt,  und  dass  er  sich  gleichfalls 
etwas  früher  als  dieses  im  Calenbergischen  findet.  Der  Name  wird 
folglich  vielleicht  gebildet  und  gegeben  worden  sein  ohne  alle  Beziehung 
auf  einen  solchen  Charakter,  wie  ihn  der  Held  des  Volksbuches  oflFen- 
bart.  Jedenfalls  muss  bei  Untersuchung  seiner  Bedeutung  jegliche 
Rücksicht  auf  den  litterarhistorischen  Eulenspiegel  unterbleiben,  wenn- 
gleich bei  Erwägung  der  Möglichkeiten  des  zu  Gninde  liegenden  Sinnes 
man  zunächst  auf  dieselbe  Ableitung  aus  ule,  Eule,  und  speigel, 
Spiegel,  raten  muss.  Das  that  auch  Lappenberg.  Wenn  er  aber 
wähnt,  „die  Bedeutung  des  Spiegels  ist  hier  in  der  im  Mittelalter 
gebräuchlichen  zu  nehmen,  in  der  eines  Lehrbuches  oder  Vorbildes, '^ 
und  nun  zum  Vergleich  eine  Anzahl  mittelalterlicher  mit  Spiegel, 
spegel,  speculum,  miroir,  mirror  gebildeter  Büchertitel  anzieht,  so  hat 
er  sich  von  vorn  herein  durch  Hinschielen  auf  solche  Titel  den 
Blick  getrübt.  Denn  nicht  das  Buch  führt  den  Namen  Eulenspiegel, 
sondern  der  Held  desselben.  Auf  ihn  und  nicht  das  Buch  bezieht 
Lappenberg  inconsecjuent  auch  den  ersten  Bestandteil  des  Namens, 
ohne  zur  Gewissheit  zu  gelangen  „über  den  Charakter,  welcher  durch 
die  Eule  ausgedrückt  werden  soll,  als  deren  Vorbild  unser  Bauemsohn 
Till  erscheint."  Mich  dünkt  die  ganze  Erklärung  unklar,  widerspruchs- 
voll und  darum  unbefriedigend.  Heisst  hier  „SpiegeP  Lehrbuch  oder 
Vorbild,  Muster,  so  verlangt  man  als  Bestimmungswort  entweder  eine 
Angabe  dessen,  dem  das  Buch  als  Belehrung  dienen  und  dem  ein 
Vorbild  gegeben  werden  soll  (vgl.  Laien-,  Sachsenspiegel),  oder  einen 
abstrakten  Ausdruck,  der  bezeichnet,  was  gelehrt  und  in  vollkommener 
Darstellung  als  Muster  aufgestellt  werden  soll  (vgl.  Beicht-,  Ehren- 
spiegel). Die  von  Lappenberg  verglichenen  Titel  Handspiegel  und 
Augenspiegel  (=  Brille)  stellen  gar  nur  Bezeichnungen  zweier  Arten 
wirklicher  Spiegel  dar  in  metaphorischer  Anwendung.  In  keine  dieser 
drei  Arten  der  Büchertitel  passt  „Eulenspiegel"  als  Benennung  eines 
Buches,  noch  speciell  unseres  Volksbuches;  höchstens  in  die  erste 
Klasse,  wenn  man  „Eule"  als  bildliche  Bezeichnung  eines  dummen, 
gedankenlosen  Menschen  fassen  will,  der  durch  die  Lektüre  der  Eulen- 
spiegeleien zur  Wcltklugheit  und  Überlegsamen  Vorsicht  bei  seinen 
Reden  und  Handlungen  angeleitet  werden  soll.  Diese  figürliche  Be- 
deutung von  „Eule"  lässt  sich  aber  für  das  Mittelalter  nicht  nach- 
weisen und  auch  noch  heute  verbinden  wir  mit  der  Eule  nicht  eine 
derartige  Vorstellung.  Wenn  Cornelius  Kilianus  DufHaeus  gegen  das 
Ende  des  16.  Jhs.  in  seinem  Etymologicum  Teutonicae  Linguae  an- 
giebt,  niederländisch  wl  bedeute  metaphorisch  einen  homo  stolidus  et 
improbus,  Dummkopf  oder  Schurken,  so  sind  diese  Bedeutungen  sicher 
auf  Rechnung  des  Volksbuches  vom  Eulenspiegel  zu  setzen.  So  er- 
giebt  sich  also  gleichfalls   auf  diese  Weise,    durch   konsequente  Ver- 


11 

folgung  der  Lappenberg'schen  Hypothese  bis  zu  Ende,  die  Ungereimt- 
heit, den  Namen  Eulenspiegel  als  erläuternde  Bezeichnung  des  Buches 
aufzufassen. 

Das  hat  auch  Lappenberg  eingesehen,  davon  zeugen  seine  oben 
angeführten  Worte  über  das  Bestimmungswort  „Eule"  im  Namen. 
Hier  war  er,  falls  überhaupt  die  Deutung  aus  „Eule"  und  „Spiegel" 
die  richtige  ist,  auf  dem  Wege  zur  Lösung  der  Frage.  Nur  verbaut 
er  diesen  selbst  sich  wieder,  indem  er  an  der  Bedeutung  „Vorbild" 
für  „Spiegel"  haften  bleibt  und  zweitens  nur  an  „moralische  Eigen- 
schaften" der  Eule  denkt.  Die  Menschen  des  14.  Jahrhunderts  hatten 
aber  gewiss  eher  für  leibliche  Besonderheiten  eine  Auffassungsgabe, 
als  für  seelische.  Eine  der  auffallendsten  Eigentümlichkeiten  der  Eule 
ist  eine  körperliche  Eigenschaft,  ihre  Lichtscheue,  dass  sie  das  Sonnen- 
licht nicht  gut  vertragen  kann;  für  die  Beobachtung  derselben  und 
deren  metaphorische  Verwendung  auf  das  menschliche  Auge  lassen 
sich  mehr  als  eine  Stelle  aus  mittelalterlichen  Schriftstellern  beibringen. 
Andererseits  zeichnet  sich  die  Eule  vor  den  übrigen  Vögeln  durch  ihr 
scharfes  Gesicht  bei  Nachtzeit  aus.  Und  „Spiegel"  wird  nicht  nur 
im  Sinne  von  ,, Vorbild"  gebraucht,  sondern  heisst  in  noch  eher  ent- 
wickelter Begriffserweitenmg  soviel  als  „Abbild,  Ebenbild".  Es  Hesse 
sich  wohl  denken,  dass  man  einen  mit  blöden  Augen  behafteten 
Menschen  oder  auch  einen,  der  nachts  besser  als  andere  zu  sehen 
vermochte,  einen  Spiegel  der  Eule  nannte;  kommt  doch  „Spiegel"  als 
Anrede  und  Bezeichnung  für  Menschen  mit  Bezug  auf  irgendeine 
Eigenschaft  häufig  bei  mittelalterlichen  Dichtern  vor.  Einwenden 
lässt  sich  dagegen  freilich,  dass  Beinamen  oder  Geschlechtsnamen, 
welche  mit  „Spiegel"  endigen,  sich  weiter  nicht  nachweisen  lassen 
(Lappenberg  S.  344).  Vielleicht  darf  man  auch  betonen,  dass  „Eule" 
allein  genügt  oder  „Eulenauge"  näher  gelegen  hätte.  Den  Namen 
Ute  führt  L369  ein  Bürger  in  Hannover  (Histor.  Ztschr.  für  Nieder- 
sachsen 1870  S.  58),  1433  ein  Lübek er  Schmied  (Lüb.  U.-B.  VH  S.  507); 
ülenoge  heisst  1474  ein  Söldner  in  der  Schleswig-Holstein-Lauenb. 
•  Urkimdensammlung  I V,  S.  523;  und  davon,  dase  er  selbst  nachts  gut 
zielen  konnte,  mag  ein  Söldner  Ulenschutte  seinen  Beinamen  erhalten 
haben  (Hoyer  U.-B.  L  S.  224  a.  1408).  Gegen  diese  Einwände  darf 
man  aber  geltend  machen,  dass,  nachdem  seit  dem  Anfange  des 
13.  Jhs.  es  Mode  geworden  war,  einerseits  alles  Vorzügliche,  anderer- 
seits Bücher  „Spiegel"  zu  nennen^),  es  nahe  genug  lag,  diese  Bezeich- 
nung auch  einmal  auf  einen  hervorstechend  Blöd-  oder  Kurzsichtigen 
scherzhaft  oder,  wie  ich  eher  glaube,  auf  einen  auch  bei  Nacht  scharf- 
sichtigen, wachsamen  und  darum  im  Kriege  besonders  brauchbaren 
Mann*)  auszeichnend  anzuwenden.     In  diesem  Sinne   hätte   ich    auch 


? 


Ebenso  schuf  man  Blumennamen,  wie  „Frauenspiegel^  und  „Pfauenspiegel''. 

Die  Stadt  und  Burg  Peine  ward  in  der  Hildesheimer  Stiftsfehde  durchweg 
Ule  genannt,  auch  Ulenneft;  nach  Lappenberg  S.  2B7,  weil  über  ihrem  Tor  eine 
Eule  als  Symbol  der  Wachsamkeit  angebracht  war.  Wichtig  für  die  Deutung  des 
Namens  Ulen/peigel  ist  die  Stelle  im  Koker  S.  305:  toe  da  mit  der  ulen  lUhflöge, 
de  fcholde  des  nacktes  vele  vorfpeyen. 


12 

gegen  die  Bedeutung  , »Vorbild,  Muster,  Krone*'  für  „Spiegel"  nichts 
einzuwenden.  Weiter  spricht  tür  eine  solche  Auffassung  des  Namens« 
dass  sich  bei  einer  von  der  Beschaffenheit  der  Augen  hergenommeneu 
Benennung  der  Vergleich  mit  einem  Spiegel  leicht  gab,  und  dass, 
falls  ich  Recht  habe  den  Namen  als  eine  allerdings  scherzhafte,  doch 
ehrende  Bezeichnung  eines  Glaukos  oder  Noctua  (vgl.  Q.  Caedicius 
Noctua)  zu  verstehen,  ebenso  leicht  bei  der  Namengebung  das  ähnlich 
klingende /}?r</cr,//>fi^er  (Späher)  wortspielend  mitgewirkt  haben  kann*). 
In  diesem  Falle  hätten  wir  fenier  eine  Erklärung  für  die  Tatsache 
gefunden,  dass  sich  kein  anderer  mit  „Spiegel"  gebildeter  Personen- 
name nachweisen  lässt.  Als  jene  Spicgelmanie  dann  abgenommen 
hatte,  musste  den  Leuten  der  absonderlich  gebildete  Geschlechtsname 
wunderlich  vorkommen.  So  würde  verständlich,  weshalb  Sage  und 
Dichtung  sich  grade  dieses  singulären  und  rätselhaft  gewordenen 
Namens  bemächtigt  haben,  um  an  ihn  die  Schwanke  einer  ganz  eigen- 
artigen Menschennatur  zu  knüpfen;  vorausgesetzt,  dass  nicht  indertat 
ein  Mann  Ulenfpeigel  einmal  gelebt  hat,  der  seinem  absonderlichen 
Namen  zu  Ehren  auch  wunderliche  Streiche  verübte.  Doch  ist  diese 
Frage  für  die  Deutung  des  Namens  ganz  ohne  Gewicht. 

Ich  füge  hier  noch  die  Besprechung  zweier  anderen  Ableitungen 
an,  bloss  um  sie  zurückzuweisen.  Zunächst  muss  ich  bekennen,  dass 
ich  noch  1889  in  Lüneburg  einer  abweichenden  Etymologie  des  Namens 
das  Wort  geredet  habe.  Ausgehend  von  der  bei  Alberus  sich  findenden 
Form  Aulnfpiegel  statt  Eulenfpiegel  (s.  Grimm,  Deutsch.  Wb.)  und 
der  1481  vorkommenden  Schreibung  üllenfpeigel^  suchte  ich  im  ersten 
Teile  ein  anderes  ule^  Topf,  welches  noch  im  Westfälischen  einen  Kiiig 
(mit  dickem  Halse)  bedeutet  und  das  bereits  ahd.  und  and.  als  ula 
belegbar  ist,  entsprechend  und  entlehnt  dem  lateinischen  dla.  Das 
Woi-t  war  besonders  im  westlichen  Deutschland  zuhause,  mhd.  ti/c, 
später  aul  (s.  Grimm,  Deutsch.  Wb.),  und  davon  heisst  dort  noch  der 
Töpfer,  besonders  der  Krugbäcker,  Äidncr,  Etdner^  Etder^  Ulner, 
Uller  oder  Uller^  was  auf  eine  doppelte  Form  mit  langem  und  mit 
kurzem  Vocal  schliessen  lässt.  Der  in  den  Nürnberger  Chroniken 
des  15.  Jhs.  begegnende  Zuname  Eiclnfmid  und  der  1259  in  Lübek 
(Lüb.  Üb.  II  S.  24)  genannte  Ulenbeckere  möchten  dasselbe  bedeuten. 

*)  Wie  völlig  man  das  Fremdwort  fpeculum  sich  angeeignet  und  seines 
Ursprungs  vergessen  hatte,  zeigen  Verwendungen,  wie  folgende:  fo  lat  one  (Jesus) 
uns  begraven  na  unfern  wone  (Sitte),  fo  ne  derf  (braucht)  he  nicht  to  fpeigel  ftan 
deny  de  dar  vor  henne  (vorüber)  gan;  Marienklage,  hrsg.  v.  Schönemann,  Z.  305. 
fin  (des  Bischofs)  hovet  vorden  fe  (die  Wenden)  van  ftade  to  ftade  ooer  al  Wened- 
lant  to  fpotte  unde  to  fpeigele;  Sachs.  Weltchronik,  hrsg.  v.  Weiland,  S.  171,  18. 
der  werlt  ein  fchimpf  fpot  und  fpegel  werden ;  Daniel  von  Soest,  hrsg.  v.  Jostes, 
S.  239,  280.  Das  Mnd.  Wb.  fasst  das  Wort  an  diesen  Stellen  gleich  „Ansehu, 
Schauspiel" ;  Strauch  im  Glossar  zur  Weltchronik  setzt  fragend  „Hohn,  Spott"  und 
vergleicht  mnd.  fpei,  fpee  (spöttisch,  höhnisch).  Indertat  giebt  die  Chronik  der 
Nortclvischen  Sassen,  hrsg.  v.  Lappenberg,  S.  37  die  zweite  Stelle  wieder  durch  to 
fchimpe  unde  to  hone.  Entschieden  haben  fpeien  (spähen)  und  fpei,  welches  aus 
as.  fpaht  (klug,  scharfsinnig)  ist,  die  Bedeutungsentwickelung  von  fpeigel  beeinflusst. 
—  Ueber  persönliche  Concreta  auf  -el  vgl.  Kluge,  Nominale  Stammbildungslehre  S.  11. 


13 

Da  nun  eine  bekannte  Erscheinung  ist,  dass  Handwerker  im  Mittelalter 
ihre  Namen  wie  von  ihrem  Handwerksgerät  so  auch  von  den  Gegen- 
ständen oder  Erzeugnissen  ihrer  Gewerbstätigkeit  zu  entlehnen  pflegten  *), 
so  meinte  ich  auch  Ulenfpeigel  auf  diese  Weise  erklären  zu  können, 
indem  ich  es  als  Ausdruck  für  eine  Art  glasierter  tönerner  Spiegel, 
etwa  für  geringere  Leute  bestimmt,  nahm.  Allein  die  Erwägung,  dass 
wir  weder  von  solchen  Spiegeln  wissen,  noch  das  Wort  sich  in  dieser 
Bedeutung  irgendwie  belegen  lässt,  liess  mich  die  Unhaltbarkeit  meiner 
Conjectur  einsehen. 

Eine  andere  Ableitung  des  Namens  Eulenspiegel  ist  noch  nicht 
bestimmt  behauptet  worden,  aber  leicht  möchte  das  geschehen  auf 
eine  Aeusserung  von  Ernst  Förstemann  hin,  in  seinen  Deutschen  Orts- 
namen (1863)  S.  91 :  „Auch  ein  fremdes  Wort  muss  hier  seine  Stelle 
finden,  das  latein.  fpectda.  Die  vollere  deutsche  Form  fpiegel  findet 
sich  noch  in  mehreren  Oertern  Namens  Spiegel ;  ob  die  Mühle  Eulvn- 
fpiegel  bei  Clausthal  noch  das  Wort  unmittelbar  oder  schon  den 
bekannten  Personennamen  enthält,  kann  ich  nicht  entscheiden."  Auch 
in  seinem  Namenbuch  II  (2.  Aufl.  1872)  Sp.  1362  vertritt  er  noch 
die  Anschauung,  dass  Spiegel  in  Ortsnamen  aus  lateinischem  fptcuht 
sei  und  verweist  dafür  auf  K.  Roth,  Kleine  Beiträge  zur  Sprach-, 
(leschichts-  und  Ortsforschung  I  (1850)  S.  223,  welcher  also  wohl  zuerst 
diese  Meinung  aufgestellt  hat.  Ob  in  süd-  und  Rheindeutschen  Orts- 
namen „Spiegel"  bisweilen  auf  lateinisch  fpecula  zurückgeht,  weiss  ich 
nicht;  in  norddeutschen  gewiss  nicht,  denn  ein  Appellativ  fpiegel  oder 
fpegely  das  aus  lateinischem  fpectda  stammte  und  dessen  Bedeutung 
hätte,  hat  es  nie  gegeben.  Es  wäre  ja  recht  schön  und  man  wäre 
aller  Quälerei  mit  dem  Namen  Eulenspiegel  überhoben,  wenn  nach 
dieser  Ableitung  Ulenspegel  einen  Wartturm,  den  Lieblingsaufenthalt 
der  Eulen,  bedeuten  könnte.  Man  könnte  schliesslich  selbst  auf  den 
Einfall  kommen,  der  Eulenspiegelturm  in  Bernburg  (S.  H.  22,  vgl. 
Lappenberg  S.  241)  verdanke  nicht  dem  Schalksüarren  seine  Benennung, 
sondern  der  Name  des  Turmes  habe  umgekehrt  veranlasst,  dass  Tile 
zum  zeitweiligen  Kurwächter  und  Turmbläser  des  Grafen  von  Anhalt 
gemacht  worden  sei,  wenn  man  nicht  gar  den  Namen  des  Schalkes, 
nicht  von  irgend  einer  gleichnamigen  Burg,  sondern  eben  von  diesem 
Turm  ableiten  wollte.  Es  mag  überflüssig  erscheinen,  dass  ich  solche 
Träume  vorbringe.  Aber  Förstemann's  Ausspruch  nötigte  mich  dazu, 
da  in  ihm  liegt,  dass  er  sich  den  Namen  Eulenspiegel  durch  fpecula 
erklärt,  obschon  er  das  für  den  des  Helden  des  Volksbuches  nicht 
ausspricht.  Kann  man  aber  glauben,  dass  ein  so  seltener  Name 
zweierlei  Ursj)rung  anzunehmen  zulässt?  Schliesslich  bemerke  ich, 
dass  meines  Wissens  jene  Harzer  Mühle  bei  Zellerfeld  nicht  Eulen- 
spiegel, sondern  Eulenspiegler  Mühle  heisst,  also  möglicherweise  ein 
weiteres  Zeugniss  für  den  Familiennamen  fiulenspiegel  liefert;  es  kann 
aber  auch  eine  ganz  neue  vom  nahen  Spiegelberg  und  Spiegeltal  ent- 
lehnte Namensschöpfung  sein. 

*)  Vgl.  Mittheilungen  des  Vereins  für  Hamburg.  Geschichte  I,  93  f. 


u 

Die  übrigen  Personennamen. 

Ausser  den  Namen  des  Helden  der  (ieschichte  kommen  in  mehreren 
noch  solche  anderer  Personen  vor.  Aus  den  meisten  derselben  lässt 
sich  zu  Gunsten  ursprünglich  niederdeutscher  Gestalt  nichts  entnehmen. 
Höchstens  kann  man,  da  die  Hi.  1.  33.  58  und  64  aus  anderen  Gründen 
sich  als  bereits  einem  ndd.  Text  angehörig  ergeben,  vermuten,  dass 
in  der  Schreibung  Pfaffenmeyer  (S  1519,  Pfaffenmeier  S  1515j  nocli 
eine  Spur  vom  Namen  des  urkundlich  nachweisbaren  Arnold  Papcn- 
mei/er  zu  erkennen  sei,  dass  Künigine  S  1515,  Küngine  S  1519  (Kiiut- 
gund  K)  ein  ndd.  Kunneke  oder  Koneke  wiedergiebt,  dass  Lamhrrchf 
45  S  1515  vom  Strassburger  Bearbeiter  vorgefunden  ist  statt  des 
mehr  oberdeutschen  Lamprecht  S  1519.  Bartholomeus  64  mag  im 
nd.  Druck  gestanden  haben,  aber  keineswegs  Doli;  vielleicht  Tliole 
oder  Thol.     Die  übliche  nd.  Abkürzung  ist  sonst  Mewes. 

Mehr  Anlass  zu  Folgerungen  bieten  die  Namen  der  Eltern  Eulen- 
spiegel's.  Claus  Hi.  1,  2  scheint  keine  oberdeutsche  Kürzung  von 
Nicolaus  zu  sein;  im  nd.  Text  stand  wohl  Clawes.  Der  Name  der 
Mutter  lässt  sich  nur  aus  dem  Nd.  erklären.  Ich  sage,  der  Name 
und  nicht  die  Namen;  denn  Ann  Wibcken  kann  sie  unmöglich  gelieisseii 
liaben.  Ein  doppelter  Vorname  ist  im  15.  Jhdt.  unerhört;  Lappenberg 
S.  227  hat  bereits  bemerkt:  Anna  Wibcke  sei  darum  auffallend,  es 
sei  denn,  dass  wir  Wibcken  für  ihrer  Mutter  oder  ihres  Vaters  Namen 
halten  wollten.  A,  dem  eine  ndd.  Ausgabe  zu  Gebote  stand,  was 
schon  allein  aus  dem  einen  richtigen  Namen  Buddenftede  statt  des 
Buden  fielen  bei  S  (Hi.  11  und  12)  und  bei  K  geschlossen  werden 
muss,  anderer  Gründe  hier  vorerst  zu  geschweigen,  A  hat  blos  WyMce. 
Das  ist  ganz  gewöhnliche  verkleinernde  Koseform  der  Frauennamen 
Wichherg  und  Wichborg^  welche  der  Uebersetzer,  weil  sie  in  Ober- 
deutschland unbekannt  ist,  durch  einen  allerorts  üblichen  Namen  er- 
setzte, zugleich  das  Wibeke  durch  Veränderung  in  den  Genetiv  Wib- 
ckin  als  Zunamen  in  dem  von  Lappenberg  angedeuteten  Sinne  ver- 
wendend. Auch  der  Zuname  des  Heinrich  Hamenftede  Hi.  64  zeigt 
niederdeutsches  Gepräge,  statt  hd.  Hamen ftete;  vgl.  Buden ftetcn  11 
und  12,  Nigenftetten  30. 

Die  Ortsnamen. 

Eine  weit  ergiebigere  Ausbeute  gewähren  die  zahlreichen  Orts- 
namen, weil  der  Strassburger  Bearbeiter  es  nur  zu  oft  bequemer  ge- 
funden hat,  sie  zu  lassen  wie  er  sie  vorfand,  als  sie  zu  übersetzen.  Selbst 
in  Oberdeutschland  sicher  bekannte  und  in  hochdeutscher  Form  üb- 
liche behandelt  er  so:  Denmarck  23  (Denmarckt  S  1519),  Quedlinburg 
36,  Detmerfchcn  73,  Wtdffenbütel  38.  Das  wichtigste  solcher  Beispiele 
ist  Ader,  der  Fluss  Oder,  in  Franckfurd  an  der  Adern  (Francfurt 
andre  Adern  1519)  85.  Dies  ist  nämlich  die  spätmnd.  Gestalt  jenes 
Flussnamens,  mit  Uebergang  des  kurzen  o  in  offener  Silbe  zu  a.  Da 
nun  aber  diese  Lautentwickelung  von  den  Ostfalen,  also  den  Braun- 
schweigern und  Ilildesheimern  nicht  mitgemacht   worden   ist,    und  da 


15 

doch  alles  dafür  spricht,  dass  das  Eulenspiegelbuch  in  dieser  Land- 
schaft entstanden  ist,  so  werden  wir  genötigt  anzunehmen,  dass  die 
Hi.  85  aus  einer,   ausserhalb  Ostfalens  gedruckten,  Ausgabe   stammt. 

Auch  dann  wird  häufig  die  nd.  Form  in  S  gelassen,  wenn  es 
sich  um  kleinere  Ortschaften  handelt  und  wo  die  Bedeutung  des  Namens 
erkennbar  ist:  Nigeftetten  (K  ändert  Ncwfteden)  30,  Rofendal  16, 
Oldenburg  88,  Mollen  89.  90.  93,  sogar  Koldingen  16  ist  beibehalten, 
wo  doch  das  daran  geknüpfte  Wortspiel  ein  Kaltingen  erfordert  hätte; 
K  setzt  dagegen  verständig  Kaldingen^  entsprechend  seinem  Cölnischen 
Dialekte.  Ofterling  34  wird  schwerlich  dem  Oberdeutschen  ein  ge- 
läufiger Ausdruck  für  Ostfale  gewesen  sein.  Hannover  mochte  in 
Süddeutschland  hinreichend  bekannt  sein  und  sein  Name  ward  jeden- 
falls nicht  verstanden;  so  hat  es  nichts  auffälliges,  dass  S  1515  ihn 
(in  Hi.  71)  unverändert  lässt  als  Hanouer  oder  ihn  (Hi.  69)  mit  w 
schreibt  Hanotcer,  welche  Form  S  1519  auch  in  Hi.  71  bietet.  Ein 
einmaliges  Honower  in  Hi.  69  bei  beiden  S  kann  Druckfehler  sein. 
Auffallender  ist,  dass  in  Ampleuen  (S  1519,  1515  daneben  Amplenen)  1, 
in  Äfcherleue  52  und  gar  in  Ißleuefi  78  das  v  nicht  durch  b  ersetzt 
ist.  Der  am  häufigsten  begegnende  Name  Braunschweig  (Titel.  Hi. 
11.  18.  19.  38.  45.  56.  88)  wird  von  S  1515  mehrfach,  so  gleich  im 
Titel,  gut  niederdeutsch  Brunßwick  genannt,  öfter  Brunfchwick^  in 
II  Brunfehuiek,  56  Brunfchtvig  und  Brunfchtvigkj  45  einmal  Bron- 
fckioick.  S  1519  kennt  nur  noch  Brunfchwick^  Brunfchwik  und  Brun- 
fchwig.  Das  Adjektiv  heisst  bei  beiden  S  in  der  Vorrede  Brun- 
fchwigifch,  also  einigermassen  hochdeutsch  zurechtgemacht,  statt  mnd. 
Brunswikefch^  mhd.  Brunswichefch.  Ein  ähnliches  Schwanken  gewahrt 
man  in  der  Behandlung  von  Magdeburg:  Magdburg  (S  1519  Megdhurg) 
1,  Megdburg  2.  14.  15,  Medburg  (S  1519  Maigdfwrg)  11;  doch  schwankte 
der  Name  gleichfalls  im  Mnd.  zwischen  Magde-^  Megde-^  Mede-  und 
Mcidchorck;  letztere  Form  verrät  sich  in  Maigdborg,  Die  jüngere  mnd. 
Form  für  Go$lar  war  Gosler.  S  1515  hat  beide,  Goßlar  und  Goßler, 
Hi.  64,  S  1519  nur  noch  Goßlar,  Hildeß-,  Ilildesheim  steht  Hi.  KL 
37,  dagegen  Hildcshem  (S  1519,  in  S  1515  verdruckt  Mildeßheim)  in 
64;  in  37  ein  Dorf  Egelßheim.  Aber  die  Schreibung  heim  ist  ebenso 
gut  nd.,  wie  hem;  allein  letztere  ist  nicht  hd.  In  Hi.  68  ist  die 
ndd.  Form  Wenden  (statt  hd.  Winden^  Slavi)  stehen  geblieben,  während 
Hi.  50  das  Adjektiv  richtig  hd.  Windifch  lautet.  Nicht  selten  wird 
Sachfen  und  Sachfenland  im  Eulenspiegelbuche  erwähnt.  In  S  wird 
so  oder  Sachßen,  Sachffen  geschrieben.  Saffenland  Hi.  50  in  S  1519 
wird  indirekt  einem  nd.  Urtext  entflossen  sein,  da  S  1519  nicht 
auf  S  1515  zurückgeht,  sondern,  wie  Scherer  (Die  Anfänge  des  Deutschen 
Prosaromans  S.  83)  nachgewiesen  hat,  beide  auf  einen  älteren  hd. 
Druck,  auf  dessen  Rechnung  demnach  die  Flüchtigkeit  zu  setzen  ist, 
welche  S  1515  gebessert  hat. 

In  Hi.  15  wird  ein  Ort,  der  dem  Erzbischof  von  Magdeburg  zur 
Residenz  dient,  zuerst  Greuenftein  genannt,  nachher  von  S  1515 
Genenckenftein,  von  S  1519  Geuenckenflein.     K  und  sämtliche  übrigen 


16 

deutschen  Texte  haben  den  Widerspruch  zu  bessern  gesucht,  indem 
sie  Greuenftein  auch  an  der  zweiten  Stelle  setzten;  s.  Lappenberg  S. 
23G.  Nach  Läpp.  S.  158  fehlt  die  Benennung  des  Schlosses  in  A; 
nach  S.  236  hat  aber  A,  sowie  die  älteren  ^französischen  Texte^  nur 
die  Erwähnung  des  Grevensteins  zu  Anfang  der  Geschichte  unterlassen, 
dagegen  zeigen  sie  an  der  späteren  Stelle  die  ;, verstümmelten*^  Namen 
Geneßeyt,  Genequefteitiy  Getiequeftein,  Welche  Angabe  betreffs  A  richtig, 
lässt  sich  nicht  entscheiden,  so  lange  A  nicht  neu  herausgegeben  ist. 
Jedenfalls  kann  keine  der  beiden  letzten  Formen  durch  A  gebraucht 
worden  sein.  Angenommen,  dass  die  Angabe  Lappenberg's  auf  S. 
286  richtig  sei,  so  muss  in  A  Genefteyt  sicli  finden,  anderenfalls  ge- 
hören alle  drei  Formen  den  französischen  Texten  an.  Mag  das  eine 
oder  das  andere  sein,  es  ergiebt  sich  immerhin  daraus,  dass  die 
französischen  Ausgaben  nicht  eine  blosse  Uebersetzung  von  A  sein 
können;  und  die  Lesarten  Gencqueftein  und  GeiAequeftein  vindicieren  ihnen 
eine  wichtige  Stellung  unter  denjenigen  Drucken,  aus  denen  man  suchen 
muss  eine  Vorstellung  von  dem  ursprünglichen  Eulenspiegelbuche  zu 
gewinnen;  denn  sie  weisen  auf  eine  uns  unbekannte  gute  Quelle. 
Die  Burg  nämlich,  die  gemeint  ist,  hat  Lappenberg  richtig  als  Giln- 
chenftein  erkannt.  Ihr  eigentlicher  nd.  Name  ist  Gevekenftein,  woraus 
sich  sowohl  Geuencketiftein  als  auch  Geucqtieftein  leicht  erklären. 
Genmckefiftein  und  Genequeftein  sind  nur  Druckfehler.  Es  fragt  sich, 
auf  welche  Weise  das  irrige  Grevenftein  in  S  und  die  übrigen  deutschen 
Texte  gelangt  sein  mag.  Mir  ist  eine  Vermutung  gekommen  durch 
die  von  Janicke  herausgegebene  Magdeburger  Schöppenchronik.  Dort 
wird  das  Schloss  öfter  Geveketiftein  genannt,  aber  einmal  S.  64,  20 
bloss  to  dem  Steine,  Wenn  das  an  jener  ersten  Stelle  gestanden  hätte? 
Der  Druck,  der  diese  Bezeichnung  enthielt,  würde  danach  aus  einer 
Stadt  hervorgegangen  sein,  in  welcher  man  sehr  gut  wusste,  was 
darunter  zu  verstehen  sei.  Man  denkt  zunächst  an  Magdeburg ;  doch 
könnte,  da  schon  der  Verfasser  sich  der  Bezeichnung  bedient  haben 
muss,  auch  eine  andere  Stadt  als  Druckort  in  Betracht  kommen  können, 
nur  ist  anzunehmen,  dass  die  Drucklegung  unter  den  Augen  des  Ver- 
fassers geschah.  Die  Aenderung  Grevevftein  setzt  aber  einen  neuen 
Druck,  einen  Nachdruck  in  irgend  einer  anderen  Stadt,  voraus,  der 
wahrscheinlich  zugleich  eine  Bearbeitung  darstellte.  Das  allgemeine, 
unverständliche  Stein  ward  durch  einen  bestimmten  auf  Stein  endenden 
Namen  verständlicht;  man  vergass  aber  nachher  das  folgende  Geveken- 
ftcin  demgemäss  zu  ändern  oder  übersah,  dass  dasselbe  Schloss  ge- 
meint sei.  Es  giebt  einen  Ort  Grevenstein  in  der  Diemelgegend;  viel- 
leicht gab  es  noch  mehrere.  Auf  jeden  Fall  aber  war  der  Bearbeiter 
ein  Niederdeutscher,  denn  der  gewählte  Name  bezeugt  es.  Folgerung 
für  S  wäre  schliesslich,  dass  ihm  ein  nd.  Nachdruck  des  Volksbuches 
zu  Grunde  liegt:  er  hat  beide  Namen,  Grevenftein  und  Gevenckenftcin, 
letzteren  freilich  entstellt,  in  ndd.  Gestalt  beibehalten. 

Ob  sich  aus  Eller  26  statt  Aller  (der  Fluss,  an  dem  Celle  liegt) 
etwas  bezüglich  des  von  S  benutzten  Druckes  schliessen    lässt,    weiss 


1^ 

ich  nicht  anzugehen.  Im  11.  Jhdt  gilt  Aelcra,  Elrrn;  oh  EUtr  im 
15.  Jhdt?  Die  Stadt  und  das  daneben  liegende  Dorf  Uelzen  unter- 
scheidet S  als  Olteen,  Oißen  Hi.  68  und  Vifen  Hi.  20.  Ist  in  den 
beiden  ersten  Formen  nicht  ein  Versehen  oder  eine  Willkür  anzu- 
nehmen, so  bleibt  nur  der  Schluss,  dass  entweder  S  zwei  verschiedene 
nd.  Drucke  zu  Gebote  standen  oder  dass  der  eine  Druck,  den  er 
übertrug,  schon  die  Spuren  zweier  Redaktionen  zeigte.  Hingegen  fasse 
ich  einmaliges  Pt/ßenhrug  neben  zweimaligem  Ryßevlmrg  und  einmaligem 
Ryeßenhurg  in  Hi.  38  S  1515  nur  als  Druckfehler  auf.  S  1519  hat 
stets  Byßcnhmg;  K  dreimal  Byßcnhurch  und  einmal,  was  wohl  Ueber- 
setzung  sein  soll,  Krßenhurch;  aber  A  Rifenl/rug  und  der  zweite 
französische  Text  (von  Lotrian)  Rilfenftrug;  s.  Lappenberg  S.  252. 
Dies  letzte  kommt  dem  zu  Grunde  liegenden  Namen  noch  näher  als 
die  Lesart  von  A,  denn,  wie  Lappenberg  nachgewiesen  hat,  ist  Kiffen- 
hviigge  gemeint.  Es  erhellt  auch  hier  wieder  die  Wichtigkeit  der 
flämischen  und  der  französischen  Drucke.  Im  nd.  Druck  wird  Riffen- 
brugge  verdruckt  gewesen  sein.  Leider  lassen  uns  jene  Ausgaben  im 
Stich  in  Bezug  auf  Brenburg  49,  weil  sie  die  Erzählung  ausgelassen 
haben.  K  bessert  Brandenlmrch,  was  Lappenberg  gutheisst.  K,  der 
S  vor  sich  hatte  und  durchweg  verständig  übersetzt,  mag  zu  dieser 
Emendation  durch  die  Nennung  des  Orts  zwischen  Berlin  und  Rostock 
(Hi.  48  und  50)  geführt  sein.  Ich  mutmasse,  dass  Bernißurg  zu  lesen 
ist.  Aehnlich  hat  S  1519  in  Hi.  70  und  72  Beirnrn  statt  des  richtigen 
Bremen,  welches  S  1515  herstellt;  doch  Imt  S  1519  selbst  Bremer 
marckt  in  Hi.  72  und  Bremen  Hi.  87.  Nach  meiner  Ansicht  schloss 
sich  ursprünglich  Hi.  49  an  Hi.  22  an,  und  das  Hi.  22  nicht  genannte 
Schloss  des  Grafen  von  Anhalt,  das  nach  Lappenberg  S.  241  nur 
Bernburg  sein  kann,  und  der  Markt  zu  Bernburg  in  Hi.  49  stehen 
in  Beziehung  zu  einander. 

Am  meisten  befremdet,  dass  nicht  nur  die  norddeutschen  Orts- 
namen in  S  niederdeutsche  Lautung  zeigen,  sondern  auch  einige  mittel- 
deutsche, die  dem  Strassburger  doch  in  hochdeutscher  Gestalt  geläufig 
sein  mussten.  Während  er  nd.  Namen  auf  Ford  übersetzt  und  also 
Stasfurt  6.  83,  Quer  fürt  15  und  Franchfurd  (S  1515,  Francfurt  S 
1519)  85  für  die  Stadt  an  der  Oder  schreibt,  finden  wir  Hi.  60  Erd-^ 
ford,  Ertford  (S  1515,  bloss  Ertford  S  1519),  29  Ertfort,  2  X  Ertford. 
2  X  Erdifurt  (S  1515,  hier  führt  S  1519  Erffurt  —  einmal  Erdfurd 
—  durch),  dagegen  61  Erdfurt  in  beiden  Drucken.  Ebenso  steht  es 
um  Frankfurt  am  Mayn:  Hi.  35  Franckford  an  dem  Mein.  Frauckfiird 
an  dem  Meyn  in  S  1515,  während  S  1519  beidemal  verhochdeutscht 
Frankfurt  an  dem  Mein;  in  Hi.  63  haben  beide  Drucke  zweimal  Franck- 
furd  und  einmal  Franckford.  In  derselben  Historie  lesen  wir  ferner 
Wedernu  statt  Wctertiu,  Wetterau,  Ob  das  Schwanken  zwischen 
Behemen  (so  S  1515  in  Hi.  28  dreimal,  S  1519  einmal)  und  Bohemen 
(S  1519  zweimal  in  Hi.  28,  und  beide  Ausgaben  Bohemer  wald  in 
Hi.  62)  gleichfalls  hierher  zu  rechnen  istV  Mnd.  ist  stets  Behemen 
und   später   contrahiert   Beinen   üblich,    wogegen    um    1500    im   Hd. 

KiederdenUches  Jahrbuch.    XIX.  y^^^^^ '^  ^^^^^^      2 

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r  j:   >  J-  .  s  >  ■  JL  Y     I 


ziemlich  allgemein  Bohemen  galt.  S  kann  hier  die  alte  Form  unab- 
hängig von  seiner  Vorlage  bewahrt  haben;  sonst  würde  ihm  in  Hi.  28 
und  29  wohl  auch  einmal  ein  Prag  entschlüpft  sein  statt  Brag^  wie 
beide  Drucke  stets  schreiben,  und  Wicklef  statt  WicJclieb  in  Ili.  28 
stehen.  Dieselbe  Historie  und  die  vorhergehende  27.  ge))rauchen  für 
Marburg  in  Hessen  die  Form  Marckburg,  Ich  weiss  nicht,  ob  dieselbe 
auch  hd.  üblicli  war.  Als  mud.  lässt  sie  sich  nachweisen.  Die  Magde- 
burger Schöppenchronik  schreibt  S.  208,  12  und  275,  5  Marthorch^ 
aber  an  letzterer  Stelle  bietet  eine  alte  Handschrift  Markborch,  In 
der  von  Weiland  herausgege])enen  Sächsischen  Weltchronik  hat  die 
Gothaer  Handschrift  S.  241),  28  Marborch^  jedoch  ebenvorher  S.  249, 
3  Marthborch  und  eine  Wolfenbütteler,  deren  „Schreiber  augenschein- 
lich bemüht  war  hochdeutsch  zu  schreiben,  aber  nicht  recht  aus  seinem 
Nd.  herausgekommen  ist^,  Marthirch,  Vielleicht  ist  statt  Martb.  und 
Marthb»,  da  c  und  t  in  mittelalterlicher  Schrift  sich  sehr  ähneln, 
Marcb.  unA  Marchb.  zu  lesen;  denn  der  Name  der  Stadt  enthält  wahr- 
scheinlich das  Appellativ  marah^  marh,  Pferd.  Verwechslung  mit  einem 
andern  gleichbedeutenden  Worte  mark^  Streitross,  lag  nahe,  oder  auch 
lässt  sich  denken,  dass  die  Niederdeutschen  ein  ndid.  Marchburg  fälsch- 
lich auf  andere  Wörter  niark  und  marke  bezogen  und  in  Markborch 
übersetzt  haben. 

Es  ist  aber  noch  eine  zweite  Erklärung  für  diese  scheinbar  nd. 
Formen  in  (ieschichten,  die  nicht  in  Niederdeutschland  spielen,  möglich. 
Sie  finden  sich  namentlich  in  solchen  Historien,  welche  nicht  zum 
ersten  Bestand  des  Volksbuclies  gehört  haben  dürften,  vor  allem  die 
dem  Amis  entlehnten  27.  28.  21).  Diese  und  wohl  überhaupt  die 
meisten  in  Mitteldeutschland  localisierten  Erzählungen  könnten  ihren 
Ursprung  einem  in  diesem  Teile  Deutschlands  lebenden  Verfasser  ver- 
danken. In  den  mehrsten  tritt  Eulenspiegel  ganz  abweichend  von 
den  übrigen  Erzählungen  als  feiner  Mann  und  als  üolehrter  auf.  In 
H.  29  findet  sich  dazu  ein  scharfer  Ausfall  gegen  die  Erfurter  Universität. 
Da  nun  die  zuletzt  besprochenen  Namensformen  ebenso  gut  md.,  wie 
nd.  sein  können  und  da  wir  seit '1532  eine  Anzahl  Plrfarter  Ausgaben 
vom  Volksbuche  kennen,  so  mcichte  ich  glauben,  dass  es  eine  schon 
bald  nach  dem  nd.  Urdriu^k  herausgekommenci  Erfurter  Bearbeitung 
gegeben  hat,  der  wir  jene  Vermehrung  mit  mitteldeatschen  Schwänken 
zuzuschreiben  haben.  Dass  einige  derselben,  wie  sich  zeigen  wird, 
Wortformen  dem  Bear))eitor  von  S  dargeboten  haben,  die  sicher  nd. 
sind,  kann  nicht  dagegen  sprechen.  Wannn  sollte  ein  vermehrter  md. 
Eulenspiegel  nicht  alsbald  ins  Nd.  übertragen  worden  sein,  vielleicht 
eben  so  Hüchtig,  wie  S,  mit  Mengung  hd.  und  nd.  Namensformen V 
Eine  solche  nd.  Ausgabe  köimte  dem  Strass))urger  für  seine  Redaction 
vorgelegen  haben. 

Die  Sprache  der  Strassbnrger  Ausgaben  nnd  die  niederdentschen 

Spuren  darin. 

Die    Untersuchung    wird    einigermassen    erschwert    durch    zwei 
Umstände.     Einmal  sind  beide  Ausgaben,    die  von  1515  und  die  von 


19 

1519,  sehr  flüchtig  gedruckt.  Zweitens  befand  sich  die  Schriftsprache 
des  Elsasses  um  die  ersten  Jahrzehnte  des  15.  Jhdts  in  einem  Ucber- 
gange  aus  dem,  seit  dem  14.  Jhdt  stark  vom  heimischen  Dialekt 
heeinÜussten  Mittelhochdeutschen  in  die  neuhochdeutj^che  Schriftsprache. 
Die  alten  langen  i,  u  und  li,  welche  das  Mhd.  mit  dem  Mnd.  gemein- 
sam hatte,  waren  z.  B.  noch  nicht  völlig  den  nhd.  ei,  au  und  eu  ge- 
wichen; ebensowenig  das  alte  ou  dem  au.  Die  süddeutsche  Aussprache 
gewährte  oft  für  die  Stummlaute  keine  sichere  Handhabe,  wanu  der 
sog.  harte,  wann  der  weiche  Laut  zu  schreiben  war.  Im  Ulenspiegel 
aber  tritt  die  Unsicherheit  in  den  Wortfonnen  g.anz  besonders  schlimm 
auf.  Manche  derartige  Unregelmässigkeiten  würden  eine  Erklärung 
aus  dem  Nd.  zulassen;  allein  ebenso  wohl  können  sie  dem  Elsässischen 
Dialekte  entstammen  oder  Druckfehler  sein. 

Von  einigen  solcher  Doppelformen  ist  schon  oben  bei  Besprechung 
des  Namens  Uletifpiegel  die  Ilede  gewesen.     Andere  sind  z.  B.  folgende. 
Gleich  in  der  ersten  Historie   lesen  wir   nacheinander    ganz    regellos: 
gedöfft^  douffgötel,   der   tauff\   tauffpfetter,   geteufft,   tauffgöttel^   die   töffe 
(zweimal),  geteuff'i,  der  tauff.     Ili.  31  steht  haubt,   32  ho2)t;   35  kauff- 
imi»,  30  kouffman,  78  kauflüt,  koflüt,  kouflüL     Für  ^zeigen^  gebraucht 
S  1515  zeugen  (=  mhd.  eöugen)  4.  10.  27.  09  (verdruckt  aügen  87), 
wofür  S  1519  Hi.  10.  09  und  87  zeigen  bessert;  beide  schreiben  Hi.  2 
zögcn^    entsprechend   dem   nd.   tagen;   Ili.  00  haben  beide  zeugen  und 
zeigen.     Buer^  huren  und   batier^   bauren   wechseln   z.  B.    Hi.  13.  44, 
fuw  und  faw  94.     Für  ^teuer''  finden  wir   folgende  Varianten:   detu^r 
23.  40,  düer  und  verdruckt  dürre  52,  thür  40.  57,  thüer  05,  thüre  79; 
für  ;,Türe^  thier  und  thür  40,  thüre  und  düre  53;  für  „nähen''  neyen, 
neigen,  negen  43.  48,   für   „säen^   fehen^   f^^n,   feyen  73.     Durchweg 
wird  meifter  und  hüner  geschrieben,  aber  27  mefter^   11  höner;   sonst 
stets  heilig^  aber  heilig  51,  heiig  90,  wo  beidemal  S  1519  heilig  bessert; 
helithomb  32,  wo  S  1519  heüthumb,    wie    auch  S  1515  in  Hi.  31  hat. 
Die  labialen  und  gutturalen  Stummlaute  stehen  fest;   höchstens  kann 
man   als  Abweichung   den  Fremdnamen  Bummern  31  anführen,  breiß 
statt  preis  24  und  einmaliges  pabft   in  S  1515    neben   babft  34.     Bei 
hUgelj  Kapuze,  30  statt  gugel  möchte  man  an  Einfluss   des   nd.  kagel 
glauben.     Wie    zwei    der    obigen  Beispiele    gezeigt   haben,   kann  S  d 
und  t  im  Anlaut  nicht  aus  einander  halten.     Während  einige  Wörter 
freilich  stets  richtig  t  haben,    andere   stets    richtig   oder   unrichtig  d, 
herrscht  Willkür  z.  B.  bei  thor,  Narr,   14.  27,  thorheit  24,  dor  15.  57. 
77,  dorrery  04,  bedoren  18.  57.     Difch  und  infch  kommen  neben  einander 
vor  in  Hi,  18;    tach   21    und   dach   51;    betreiffen  11,    er   bedrofft  72; 
thüre^  düre  53,  thier^  thür  40.     Am  meisten  sind  mit  mhd.  t  anlautende 
Wörter  diesem  Schwanken  ausgesetzt,   was  sich   aus  der  Elsässischen 
Aussprache,  die  hier  auf  der  nd.  Lautstufe  beharrt  hatte,   leicht  ver- 
stehen lässt.     Doch  finden  sich  auch  einige  Beispiele,  in  denen  t  neben 
richtigem  d  für  altdeutsches  th  erscheint,  so  in  treck  15.  24  etc.  neben 
dreck  20.  52  etc.     trengen  31.  40.  41,    tile    32    {thüe   S  1519)    neben 
diele   94    (dile   S    1519).     Das   Fremdwort    „Tonne"    wird   zu   thunn^ 
thunne  12,  dünn  04,  dunne^  donne^  dune  40.     Langes  a   geht   im   EI- 

2* 


20 

sässisclien  in  o  über:  S  bedient  sieb  nun  bald  des  bd.,  bald  des  hei- 
matlichen Vokals,  z.  B.  gan^  gehen,  51,  gan  52;  im  nd.  Lehnwort 
wapen  und  wopen  63,  wo  S  1519  an  zweiter  Stelle  toapfen  ändert, 
toappen  40. 

Diese  Beispiele  reichen  wohl  aus,  um   zu  zeigen,   wie   ungleich- 
massig  die  Sprache  in  S  ist,   recht  wie  es  Uebersetzungen  jener  Zeit 
aus  einem   nah   verwandten    Dialekte    eigen   zu   sein    pflegt,    mahnen 
aber  zugleich,  vorsichtig  zu  sein,  eine  abweichende  Form  ohne  weiteres 
aus   einem   nd.  Texte  herzuleiten.     Vielleicht  habe  ich   die  Klippe  in 
meinem   folgenden  Versuche,    die    nd.  Bestandteile  von  S  darzulegen, 
nicht  immer  gemieden.     Doch  habe  ich  mich  wenigstens  bemüht,  zu- 
verlässige Kennzeichen  für  einen  richtigen  Kurs  zu  gewinnen.     Solche 
sind  1.  Verwendung  von  Ausdrücken,  die  nicht  der  hd.,   sondern   der 
nd.  Sprache  angehören;  2.  Umschreibung  eines  Begriffes  durch  Wechsel 
im  Ausdruck,  besonders  eine  durch  oder  verknüpfte  doppelte  Benennung, 
wobei  sich  meist  die   eine   als  nd.  herausstellt,   bisweilen    die  beiden 
hd.    Wörter   ein   drittes,    nd.,    vertreten;     3.    augenscheinlicher   ndd. 
Lautstand   von,   beiden   Dialekten   gemeinsamen,  Wörtern,   oder  ndd. 
Wortbildung,  oder  Abweichung  in  der  Bedeutung  vom  Hd.;  4.  Unklar- 
heiten,  welche  sich  aus  Missverständnis  eines   nd.  Textes   durch  den 
Uebersetzer  erklären  und  so  beseitigen  lassen. 

Eine  besondere  Besprechung  erfordern  zum  Schlüsse  diejenigen 
Partien  des  Buches,  in  welchen  durch  S  Wortspiele  und  Reime  des 
Urtextes  ganz  oder  teilweise  beseitigt  worden  sind. 

Hi.  1  ist  hadmüme  dag  ndd.  bademomc  oder  -möme,  die  Hebamme. 
Oberdeutsch  ist  das  Wort  unbekannt.  Vorher  steht  dafür  die  iauff- 
götiel^  die  göttel^  d.  h.  die  Patin.  Entweder  ist  anzunehmen,  dass  die 
Hebanmie  mit  bei  Eulenspiegel  zu  Gevatter  stand,  oder  wahrschein- 
licher war  es  Brauch,  dass  sie  das  Kind  zur  Taufe  trug.  Dass  ihr 
auch  die  Bezeichnung  götd  beigelegt  wird  von  S,  scheint  aus  der 
üeberschrift  wer  fein  douffgötd  waren  zu  stammen.  Es  wird  aber 
nur  ein  Gevatter  mit  Namen  genannt,  Thyl  von  Utzen.  In  5  und  6 
begegnet  auch  das  einfache  Wort  müm  für  Mutter,  was  gleichfalls 
nd.  ist,  aber  nicht  hd.,  wo  ^Muhme^  fernere  weibliche  Anverwandte 
bezeichnet.  —  Hi.  20  holt  Eulenspiegel  ein  reff  von  einem  dieh  vom 
Galgen,  und  Hi.  47  wird  das  Gerippe  des  im  Bier  versottenen  Hundes 
das  reff  genannt.  Das  Hd.  hat  ein  Wort  reff^  Traggestell,  meines 
Erachtens  ein  ganz  anderes  Wort  als  das  im  Eulenspiegel  verwendete, 
welches  (ref,  rif\  flect.  reves)  dem  Nd.  eigentümlich  zukommt  und 
im  Hd.  nicht  vorkommt. 

Wie  bei  Murner,  ist  in  S  dannocht  27  oder  dennoeht  27.  67  die 
gewöhnliche  Form  für  mhd.  dannoch,  dennoch.  Die  2  (zweimal).  14. 
27  begegnende  umgekehrte  Zusammensetzung  nochdan  im  selben  Sinne 
ist  nd.  —  Schmicke  ist  kein  oberdeutsches  Wort.  In  Holstein, 
Bremen,  Ostfriesland  nennt  man  fmicke  das  Knallende  der  Peitsche, 
im  Niederrheinischen  die  Peitsche  selbst,  in  Westfalen  eine  Rute  oder 
Gerte,    und  diese  letztere  Bedeutung   wird  das  Wort  in  Hi.  7  haben. 


21 

—  Dass  tienep  und  fenep  die  sächsischen  Formen  für  hd.  Hanf  und 
Senf  sind,  wird  Hi.  10  ausdrücklich  gesagt.  —  In  Hi.  15  schwatzt 
Eulenspiegel  dem  Gelehrten  vor,  auf  welche  Weise  er  dessen  Krank- 
heit erkennen  wolle,  damit  er  ihn  heilen  könne.  Der  doctar  ließ  im 
(sich)  fagen,  vnd  meint  aller  wars.  Aus  dem  Hd.  lässt  sich  aller  tcars 
nicht  belegen.  Aus  dem  Nd.  lässt  diese  Lesung  sich  freilich  gleich- 
falls nicht  belegen,  wohl  aber  alwars  ganz  wahr,  a.  meinen  fest  glauben ; 
s.  Mnd.  Wb.  K  kannte  die  Redensart:  vnd  der  doctor  meint  all  wairs; 
S  auch  wohl,  obschon  er  sie  ummodelt,  aber  für  seine  Leser  hielt  er 
es  doch  erspriesslich  hinzuzusetzen:  vnd  meint  nit  anders  dann  was 
im  Vlenfpiegel  fagt,  es  wer  war,  —  Hi.  16  giebt  S  1519  des  kinds 
kackftülin  statt  des  kindßftüUn  von  S  1515  und  stellt  damit  die  für 
den  Zusammenhang  notwendige  Lesart  wieder  her.  Das  Zeitwort  tritt 
nach  dem  Grimm'schen  Wörterbuch  im  Hd.  zuerst  seit  dem  16.  Jhdt. 
auf,  so  bei  Luther;  Diefenbach  unter  cacare  im  Glossarium  Latino- 
Germ.  bringt  es  aus  einem  (um  1500?)  gedruckten  Vocabularius  ex 
quo  bei,  der  nach  seinem  Urteil  die  deutschen  Glossen  aus  dem  Ndd. 
übersetzt  oder  einfach  herübergenommen  hat.  Dagegen  lässt  sich 
mnd.  nicht  nur  das  Yerbum  aus  dem  Koker,  sondern  auch  das  ab- 
geleitete Substantiv  kacke  für  cenum  bereits  aus  einem  Vocabular  vom 
J.  1429  belegen.  Der  Strassburger  Lexikograph  Dasypodius  kennt 
im  16.  Jhdt.  Verb  und  Ableitungen  noch  nicht.  Die  oberdeutschen 
Dialekte  besitzen  es  jetzt,  aber  mit  anlautendem  g^  was  es  als  im- 
portiertes Sprachgut  kundtut.  —  In  derselben  Historie  wird  die  Be- 
satzung von  Peine  spöttisch  als  nackende  banckre/fen  von  der  bürg  be- 
zeichnet. Schon  die  Gestalt  des  Wortes  bankrefe  verrät  die  nd.  Her- 
kunft. Das  Loccumer  Glossar  vom  J.  1467  übersetzt  es  durch  para- 
fitus;  es  ist  „einer  der  immer  auf  der  Bank  liegt,  fauler  Schlingel", 
wie  das  Mnd.  Wb.  richtig  erklärt.  Doch  hatte  das  Wort,  wie  aus 
einem  Meissnischen  Schriftstück  vom  J.  1553,  das  im  Grimmas  Wb. 
unter  „Bankriefe''  im  Auszug  mitgeteilt  wird,  hervorgeht,  noch  eine 
specielle  Bedeutung:  so  hiessen  diejenigen  Adelichen,  welche  keinen 
Ritterdienst  im  Felde,  sondern  nur  Burgwacht  zu  leisten  hatten. 

Hi.  20:  Vieri fpeigel  fprach,  fo  (ein  fchalck)  würd  ich  vaken  (S 
1519,  verdruckt  vaklen  S  1515)  geheiffen.  Es  ist  vaken  ein  nd.  Wort 
für  ^oft''.  Da  es  gerne  allitterierend  mit  vele  zusammen  gebraucht 
wird,  so  möchte  dies  vaken  unde  vele  auch  hinter  dem  oft  vnd  vil  19  (S 
1519,  bloss  offt  S  1515)  zu  vermuten  sein.  Ob  aber  in  Hi.  22  alfo 
ward  Vlenfpiegel  vff  dem  thurn  varten  vergeffen  statt  varten  vaken  zu 
lesen  sei,  ist  fraglich.  K  hat  freilich  dafür  das  synonyme  dick;  das 
wird  aber  Konjektur  sein.  Und  varten  kann  durch  Druckfehler  für 
warten,  ein  Synonym  von  thurn,  stehen  und  ein  vnd  ebenso  lässlich 
ausgefallen  sein.     In  S  1519  fehlt  varten. 

In  Hi.  23  treffen  wir  mehrmals  das  Wort  hüffchhg  für  den  Huf- 
eisenbeschlag des  Pferdes.  In  diesem  Sinne  kommt  huofflac  mhd. 
nicht  vor,  vielmehr  nur  in  dem  von  „Hufspur'',  wie  ja  ^^Hufschlag" 
auch   noch   im   Nhd.   gebraucht  wird,    dagegen   in  jener   Bedeutung 


n 

„Hufbeschlag".  Ein  hd.  hufffchlagk  =  fufferratio  bringt  das  Hoch- 
und  Niederdeutsche  Wb.  von  Diefenbach  und  Wülcker,  aber  aus 
Thüringischer  Gegend  und  aus  dem  J.  1523,  Hofflach  in  dieser  Be- 
deutung iässt  sich  dagegen  aus  mnd.  Quellen  des  14.  und  15.  Jhdts 
sehr  häufig  belegen;  auch  sagte  man  bereits  im  13.  Jhdt.  hofflagher^ 
hofflegher  für  hoffmid^  während  das  Mhd.  nur  huoffmit  kennt.  Der 
Nachweis,  dass  Hi.  23  sich  in  der  nd.  Vorlage  von  S  vorgefunden 
hat,  ist  deshalb  wichtig,  weil  diese  Erzählung  zu  denen  gehört,  von 
denen  die  vermehrte  Vorrede  in  S  behauptet,  sie  seien  den  beiden 
Schwankbüchem  vom  Pfaffen  Amis  und  vom  Pfaffen  vom  Kaienberg 
entnommen.  Hi.  23  soll  beiiihen  auf  dem  Schwank  in  letzterem  Buche 
Z.  1351 — 1556,  wonach  der  Kalenberger,  in  gleicher  Weise  eine  Rede 
seines  Fürsten  missbrauchend,  seine  zerrissenen  Sclmhe  mit  Silberriestern 
flicken  und  mit  Silbernägeln  zwecken  Iässt.  Der  Witz  wird  viel  älter 
sein,  als  die  ungefähr  gleichzeitigen  Schwänkesammlungen  vom  Eulen- 
spiegel und  vom  Kalenberger,  und  jede  der  beiden  hat  ihn  selbständig 
gestaltet  und  erzählt. 

Hi.  28:  er  tobt  nit  lang.  Schon  Lappenberg  hat  das  ndd.  Wort, 
das  darin  steckt,  erkannt:  es  ist  toven^  toiven^  töven  'zaudern,  warten'. 
—  Hi.  35  Iässt  S  1519  den  angeführten  Juden  sagen:  wir  feind  von 
dem  gohen  betrogen.  Lappenberg  S.  250:  „Gohe,  mhA.  gouch,  jüdischer 
Ausdruck  für  den  Christen."  Wenn  der  Dativ  Sing,  gohen  auch  aus 
dem  hebräischen  Plural  gojifn  entstellt  sein  könnte,  so  ist  doch  gotich 
ein  ganz  anderes  und  deutsches  Wort,  das  stark  flektiert,  Kukuk  und 
übertragen  Narr  bedeutet.  S  1515  und  die  übrigen  deutschen  Aus- 
gaben lesen  gecken,  Falls  dies  die  richtige  Lesart  ist,  wäre  es  wieder- 
um ein  Beispiel  nd.  Sprachgebrauchs;  denn  gecke^  geck  ist  kein  ober- 
deutsches Wort. 

Hi.  51  heisst  der  dritte  Tag  der  Woche  in  S  1519  dienftag^  in 
S  1515  verdruckt  deinfttag.  Die  alemannische  Bezeichnung  ist  eist<iig 
oder,  was  Dasypodius,  der  Strassburger  Lexikograph  des  16.  Jhdts., 
allein  für  ^dies  Martis^  kennt,  sinstag.  In  Mitteldeutschland  war  da- 
mals allerdings  schon  der  nd.  Ausdruck  eingedrungen,  und  so  mochte 
er  dem  Redaktor  von  S  bekannt  sein;  er  hätte  ihn  jedoch  sicher 
nicht  verwendet,  wenn  er  selbständig  mit  dem  Stoffe  geschaltet,  wenn 
er  eben  nicht  übersetzt  hätte:  er  behielt  den  Ausdruck  einer  Vorlage 
bei.  Ob  er  auch  sich  der  nd.  Wörter  prajfen  (richtiger  braffen)  67, 
klumpen  75.  76,  zu  pas  85  ohne  eine  solche  bedient  hätte,  lasse  ich 
dahin  gestellt  sein,  da  ich  nicht  weiss,  wie  weit  dieselben  zu  Ende 
des  15.  Jhdts  in  Oberdeutschland  eingebürgert  waren. 

Noch  einige  andere  Ausdrücke  sind  mii*  aufgefallen,  die  wenigstens 
nicht  Elsässisch  zu  sein  scheinen,  wenngleich  sie  ausser  im  Nd.  sich 
auch  im  Md.  und  im  Od.  finden;  doch  da  ich  darüber  nicht  zur 
Klarheit  gelangen  konnte,  so  übergehe  ich  dieselben.  Erschöpfend 
kann  und  soll  meine  Untersuchung  nicht  sein. 

Mehrfach  hat  der  Bearbeiter  von  S  zwei  Wörter  iiir  dieselbe 
Sache.     Entweder  erklärt  er   selbst  das  eine  durch   das  andere,  oder 


23 

er  wechselt  mit  beiden.  Meistens  lässt  sich  eins  als  nd.  nachweisen; 
in  einigen  Fällen  sind  beide  hd.,  dann  befand  er  sich  offenbar  in 
Verlegenheit,  wie  er  am  passendsten  übersetzen  sollte.  „Schock"  als 
Bezeichnung  einer  bestimmten  Menge  ist  im  Oberdeutschen  nicht  ge- 
bräuchlich. Darum  wird  es  Hi.  4  erklärt:  ewei  fchock  das  ift  zwei- 
mal 60;  später  wird  es  als  schon  bekannt  vorausgesetzt:  ein  fchock 
hüner  67  und  fünff  100  alter  fchock  29.  Bei  letzterem  Ausdruck  konnte 
eine  Deutung  auch  dämm  gespart  werden,  weil  er  im  gewerbe-  und 
handeltreibenden  Strassburg  nicht  unbekannt  sein  mochte,  wenngleich 
diese  Münze  dort  nicht  geprägt  ward.  Es  sind  500  alter  Schock- 
groschen oder  gar  500  Schock  alter  Groschen^)  gemeint,  lieber  diese 
Münze  und  Rechnung  s.  Frisch,  Teutsch-Latein.  Wb.  II,  218.  Sie 
galt  vornehmlich  in  Magdeburg,  Meissen  und  Böhmen. 

Das  wekebrot  oder  weekhrot^)^  bestehend  in  Brotschnitten,  die 
iu  Fleischbrühe  oder  Fettsalse  aufgeweicht  sind,  erfährt  in  Hi.  7  und 
8  folgende  erläuternde  Umschreibungen:  das  weckbrot  oder  das  feniel- 
brot^  ein  fuppen  oder  hrei  das  heiffet  das  weckhrott  in  deni  land,  die 
fuppen  oder  das  weckbrot,  das  weckbrot  oder  die  meteelfuppen,  feißte 
fuppe.  Die  erste  Umschreibung,  femelbrot,  gehört  der  Ueberschrift 
an;  sie  deutet  weckbrot  als  wecke^  eine  Art  Semmel.  Da  dieser  Irrtum 
einem  Niederdeutschen  (nd.  week,  weich;  wegge,  Wecke)  unmöglich 
zuzuschreiben  ist,  wird  so  die  Ueberschrift  nicht  in  einem  nd.  Texte 
gestanden  haben.  —  Hi.  10  wird  der  Adeliche,  der  fich  on  herrendienft 
vß  dem  fattel  ernert,  Junker  genannt,  einmal  jedoch  der  hoffman  oder 
Junker.  Hoveman  galt  im  Mnd.  sowohl  für  einen  adelichen  Gutsbesitzer, 
als  auch  hatte  es,  weil  sich  viele  derselben  auf  Buschklepperei  legten, 
die  Nebenbedeutung  von  Strauchritter.  —  Das  nd.  ruter,  rüter  bedeutet 
fatelles,  ftipendiarius,  armiger,  curienfis,  decurio  nach  den  Glossierungen 
des  Mittelalters.  In  Hi.  25  ist  es  beibehalten:  der  hertisog  mit  feinen 
rütern;  in  Hi.  15  wird  des  bifchoffs  hoff ge find  auch  bezeichnet  als 
die  ritter  vnd  das  hoffgefind,  die  hoflüt  (S  1515,  die  reiter  vnd  hoflüt 
S  1519;  so  auch  nachher  beide  Drucke),  die  rüter»  Vermutlich  gehen 
ritter  und  reiter  auf  ein  rüter  im  Urtext  zurück.  —  Thor  oder  nar 
14.  15.  Narre  ist,  wie  ja  aus  Brant  imd  Mumer  zu  ersehen,  der 
gebräuchlichere  Ausdruck  in  Strassburg;  es  ist  ein  oberdeutsches  Wort, 
wohingegen  im  Mnd.,  neben  geck,  dore  galt.  S  wechselt  beständig 
mit  beiden  Ausdrücken  „Thor"  und  „Narr",  doch  hat  letzterer  die 
Ueberhand. 

Der  Bäcker  heisst  oberdeutsch  becke,  brotbecke;  in  Strassburg 
laut  Dasypodius'  Wörterbuchs  beck,  brotbacher,  Becker  ist  dagegen 
md.  und  nd.  Bildung.  In  Hi.  6.  19  und  20  wird  bald  becke,  beck, 
bald  becker,  in  diesem  Falle  aber  meistens  erläuternd  brotbecker  gesetzt. 
—  In  der  letzten  dieser  drei  Erzählungen  verklagt  der  Bäcker  seinen 
Knecht,   der  den  Galgen  bestohlen  hat,  beim  burgermeister.     So  wird 

*)  negerUein  dufent  fchock  older  groffen ;  Grautoff,  ChronUc  des  Detmar  II, 
549.  *)  Vgl.  Koker  S.  329:  eyn  gudt  wekebrot  in  der  fchottelen,  dar  mach  dlleman 
na  taften. 


24 

dieser  Beamte  stets  (viermal)  in  S  1519  genannt,  während  S  1515 
einmal  schreibt  der  ammcisUr  oder  burgermeister.  Scherer  S.  80 
bemerkt,  das  verrate  den  Strassburger.  Gewiss,  denn  „Ammeister** 
ist  in  Strassburg  die  Bezeichnung  für  den  „Bürgermeister".  Wäre  S 
ein  Originalwerk  eines  Strassburgers,  so  würde  gewiss  nur  vom 
Ammeister  und  nicht  vom  Bürgermeister  in  Hi.  20  die  Rede  sein.  — 
Umgekehrt  setzt  S  1519  in  derselben  Historie  statt  fein  deich  ligt  in 
der  mülten  von  S  1515:  fein  deik  liegt  in  der  mülten  oder  im  drog. 
Molde  ist  im  Mnd.  ganz  üblich;  dagegen  ist  mtilte,  mulde  nach  dem 
Grimm'schen  Wb.  im  Hd.  erst  im  15.  Jhdt.  aufgekommen,  Dasypodius 
kennt  es  noch  nicht. 

In  Hi.  26  wird  die  Kippkarre  fiürtekarch  (fturtzkarch  S  1519) 
und  fchütkare  (fchüttkarre  S  1519)  genannt.  Schütkarre  belegt  Lexer's 
Mhd.  Handwörterbuch  aus  einer  Nürnberger  Sprachquelle,  das  andere 
Wort  verzeichnet  er  nicht.  Umgekehrt  fehlt  jenes  im  Nd.,  während 
ftorteJcarre  oft  begegnet.  —  Das  oberd.  Wort  für  Gelage  ist  ürte^  das 
ndd.  gelach  oder  lach.  Dass  letztere  Wörter  dem  Redactor  von  S 
nicht  geläufig  waren,  zeigen  die  Zusammensetzung  malgelach  33,  die  Ent- 
stellungen geloch  72.  82  und,  nebst  Paraphrase,  gelagt  oder  iirtin  55. 
Gelach  steht  66;  aber  die  richtige  hd.  Form  wäre  gelag  gewesen.  Im 
Sinne  von  „Zeche"  bedient  sich  S  stets  des  oberd.  Ausdrucks  ürte^ 
so  17.  72  (zweimal).  80;  einmal  auch  für  „Gelage"  in  Hi.  77,  welche 
Historie  jedoch  schwerlich  im  ndd.  Eulenspiegel  gestanden  hat,  wie 
sie  denn  auch  in  K  und  A  fehlt.  —  Quad  oder  böß  38  spricht  für 
sich  selbst;  es  wird  niemand  einfallen,  den  ersteren  Ausdruck  für 
oberd.  zu  halten.  —  Kuntor  ist  im  Mnd.  „ein  allgemeiner  Name  für 
Schreibtische,  Schreibpulte  und  Schränke  mancherlei  Art"  (Wehrmann, 
Die  älteren  Lübeckischen  Zunftrollen  S.  512).  Im  Mhd.  kommt  dies 
Fremdwort  gar  nicht  vor,  während  im  Mnd.  es  so  gang  und  gäbe 
war,  dass  kuntormaker  ein  Ausdruck  für  Tischler  ward.  In  Hi.  62 
sagt  der  Tischler  zu  Eulenspiegel :  bring  die  fier  bretter  vff  das  kontor 
vff  das  gnauwtft  eüfamen  in  den  leim;  und  nachher  werden  diese 
Bretter  die  krufen  tifch-  ode^-  kontorbretter  genannt.  Statt  fchreiner 
wird  im  Original  auch  wohl  kuntormaker  gestanden  haben.  —  Oben 
habe  ich  unentschieden  gelassen,  ob  nd.  Einfluss  in  den  so  sehr 
variierenden  Formen  für  „Taufe,  taufen"  in  Hi.  1  anzunehmen  sei. 
Wenigstens,  dass  der  tauff  und  die  töffe  neben  einander  vorkommen, 
möchte  ich  jedoch  aus  einer  nd.  Vorlage  ableiten.  Dasypodius  kennt 
zwar  tauff en  und  teuffen,  aber  als  Substantiv  nur  der  tauff,  wie  denn 
auch  diese  Bildung  im  älteren  Hd.  die  gewöhnlichere  ist.  Im  Nd. 
dagegen  herrscht  das  Feminin  dope.  —  Zwischen  zwei  Bildungen  aus 
demselben  Stamme  schwankt  S  auch  in  Hi.  73,  nämlich  zwischen  der 
fot  und  der  fomen.  Dasypodius  giebt  w^iederum  nur  eine  Form,  fanmi 
oder  fomen.  Auch  habe  ich  nicht  finden  können,  dass  fat^  fot  bei 
Strassburger  Schriftstellern  vorkomme.  Und  dass  dem  Bearbeiter  von 
S  das  Wort  fremd  war,  geht  aus  dem  falschen  Genus  hervor,  das  er 
ihm,  wohl  durch  famcn  veranlasst,  erteilt  hat. 


25 

• 

Hi.    86    teilt   mit   anderen  Historien  die  Eigentümlichkeit,   dass 
Ueberschrift  und  Inhalt   von   einander  abweichen.     Nach  der  Angabe 
der  Ueberschrift  ass  ein  Holländer  UlenspeigePs  gebratene  Aepfel,  in 
welche  dieser  fa/fanien  (S  1515,  faffonien  S  1519)  getan  hatte,  vß  der 
kachelen.    In  der  Erzählung  aber  bringt  E.  einen  massig^)  gebratenen 
Apfel  auf  den  Tisch,  nachdem  er  den  vol  fliegen  oder  mucken  gestossen 
hatte.     Nachher   werden   bloss   mucken   erwähnt.     Halten  wir  uns  an 
diese  Darstellung  in  der  Erzählung  selbst,  so  muss  der  Verfasser  von 
S  in  seiner  nd.  Vorlage  fleigen  gefunden  haben.     Für  das  Tier  aber, 
welches  wir  nhd.  Fliege  nennen,  ist  oberd.  mucke  der  gebräuchlichere 
Ausdruck.    Daher  wird  das  erste  Mal  fliege  durch  mucke  verdeutlicht, 
das  zweite  Mal  aber  nur  das  heimische  Wort   gebraucht.     Derjenige, 
welcher  die  Inhaltsangaben  hinzufügte,  was  zugleich  mit  der  Gliederung 
des  anfänglich  als  ein  Ganzes  fortlaufenden  Romans  durch  Auflösung 
In  Historien  stattgefunden  haben  muss,  dieser  Urheber  sovieler  Rätsel 
im  Eulenspiegelbuch,  muss  Anstoss  genommen  oder  falsch  verstanden 
haben,  dass  der  Holländer  sich  aus  Ekel  brach;  er  ersetzte  die  Fliegen 
durch  ein  Brechmittel.     Sa/fonie  ist  nämlich  die  Pflanze   und  Medicin 
helleborus,  Nieswurz.     Die  gewöhnliche  Form  ist  allerdings  fchaffonie^ 
fchaffÖnie;   doch    bietet  fafföfiye  z.  B.  auch  Luther's  Uthlegginge  der 
Evangelien  van  Paschen  an  wente  up  den  Advent,  Wittemberch  1529, 
Bl.  363*.    Der  Name,  welcher  auch  als  fchamffonie  vorkommt,  scheint 
aus  fcammonia  entstellt   zu   sein.     Diese   wird   mnd.    glossiert   durch 
fcamponie^  fcammonie^  mhd.  fchampJionie.     Schaffonüy  faffanie  ist  aber 
hd.  nicht  nachweisbar.     Die  gemeinsame  purgierende  Wirkung  beider 
Pflanzen,    des    helleborus    und    des    Purgierkrauts    oder    convolvulus 
scammonia,   wird   veranlasst   haben,   dass   der  Name   dieser  auf  jene 
übertragen  ward.     Die  kachel  in  der  Ueberschrift  muss  man  wohl  als 
massige  Abweichung   des   Ausdrucks    vom   teller   der   Historie   milder 
beurteilen,    als    jenes    Vertauschen   der   Fliegen    mit    einer   Meditin. 
Allein,  dass  ich  dem  Anfertiger  des  Titels  nicht  zu  sehr  Unrecht  tue : 
es    liesse    sich    auch    denken,    dass    er   sich   keine   weitere   Freiheit 
genommen  habe,   als   bloss  zwei  Pflanzen,   beziehentlich  Arzneien  zu 
vertauschen,    und   dass   in    den   Fliegen   und  Mücken  des  Textes  sich 
eine  starke  Entstellung  berge.     Der  Beifuss,  artemifia  vulgaris,  heisst 
nd.  ^unter  anderm  auch  muggert,  müggerik  (angels.  mugwyrt,  artemifia, 
mater  herba;  engl,  mugwort^  artemifia  vulgaris  und  in  Yorkshire  arte- 
mifia  abfinthium).      Das    vielleicht   seltene    Wort   wenigstens   in    der 
Ueberschrift  durch  eins  ähnlicher  Bedeutung  zu  erläutern  mochte  einem 
Herausgeber  'einer  jüngeren  nd.  Bearbeitung   des  Buches  erspriesslich 
erscheinen.     S  lißss  dies  Wort  unangetastet,  kam  durch  muggert  aber 
zu   der  Aenderung   mucken,    die    er   durch   das    gemeindeutsche  Wort 
fliege  näher  bestimmte.     Ich  weiss  recht  wohl,   dass  man  gegen  diese 
zweite  Erklärung  berechtigte  Bedenken   hegen    darf;    doch    halte    ich 


')  Statt  mäßlichen  \%t  müßUchen  wohl  verdruckt;   einen  zu  Mus  gebratenen 
Apfel  kann  man  nicht  schälen. 


26 

di^'selbe  nicht  für  iiniiiöglicli.     Aus  A  Hesse  sich  niöfijlicherweise  Ent- 
scheidung holen.     E  hat  mückenireks  statt  des  zweiten  mucken. 

Die  Anstellung,  welche  Eulenspiegel  nach  Hi.  11  bis  13  in  Buden- 
steten  überkam,  wird  dreifach  b€»zeichnet,  durch  meßner  oder  figrift^ 
dann  abwechselnd  durch  meßner  oder  durch  figrift,  dazwischen  aber 
durch  kuftar  (in  S  1515  zu  irti//?^  verdruckt)  und  cii5^or.  Ausserdem 
bedient  sich  S  1519  einer  vierten  Bezeichnung:  tlas  fie  V.  für  ein 
glöckner  annamen^  wo  S  1515  bloss  das  fie  V.  annamen  hat.  Dasy- 
podius  bietet  figrift^  meßner,  glöckner,  aber  kein  cuftor  oder  küßer. 
I)ies  ist  im  Mnd.  (kofter)  der  verbreitetste  Ausdruck,  daneben  bestehen 
klockener  und  in  den  binnenländischen  Gegenden  vornehmlich  apper- 
fnan^  offerman,  d.  h.  dcT  dem  Priester  beim  Messopfer  zu  assistieren 
hat,  ein  in  Süddeutschland  unbekanntes  Wort.  Das  aus  dem  Latei- 
nischen cuftos  verständliche  und,  wenngleich  nicht  in  Strassburg,  doch 
sonst  in  Süddeutschland  nicht  ungebräuchliche  ,, Küster"  behielt  der 
Uebersetzer  bei,  in  Uebertragung  von  opperman  bediente  er  sich 
beliebig  bald  des  einen,  bald  des  anderen  hd.  Synonyms  dafür.  — 
Ebenso  scheint  hoffen  oder  düppen  10  auf  ein  im  Oberd.  nicht  vor- 
kommendes Wort  zu  weisen,  mutmasslich  pot^  das  auch  in  Hi.  87  für 
hafen  gestanden  haben  wird.  —  Der  Wechsel  zwischen  karch  und  karre 
Hi.  6.  2H.  46  (in  S  1519).  64.  88  und  zwischen  kante  und  kanne  57. 
92  beruht  auch  wohl  darauf,  dass  S  Uebersetzung  ist. 

S  1515  imd  S  1519  haben  unabhängig  von  einander  einen  älteren 
Druck  (SV)  des  Eulenspiegels  benutzt;  s.  Scherer  S.  83.  Das  wird 
bestätigt  durch  die  Verschiedenheit  des  Ausdrucks  an  manchen  Stellen; 
und  zugleich  bestätigen  diese  Abweichungen,  dass  S  nur  Vebersetzung 
ist;  ja,  ehiigemal  hat  bald  S  1515,  bald  S  1519  eine  nd.  Bitdung 
beibehalten. 

Alfo  niuft  der  pfaff  Ulenfpiegel  vber  feinen  tvillen  vrlaub  geben^  1 1 ; 
für  rfcer  setzt  S  1519  funder.  Das  kann  zwar  Ersatz  eines  veralteten 
Ausdrucks  durch  einen  üblicheren  sein;  denn  über  kommt  im  Mlul. 
für  „gegen,  wider"  vor.  In  einem  Sprachdenkmal  jedoch,  in  welchem 
sich  schon  so  viele  Reste  ndd.  Sprachgebrauchs  haben  nachweisen 
lassen,  ist  man  eher  geneigt  an  zwiefache  Uebertragung  eines  fremden 
Wortes  zu  denken:  boven  war  im  Mnd.  in  jener  Bedeutung  recht  üblich. 
—  In  Hi.  12  gilt  die  Wette  zwischen  dem  Pfaffen  und  Eulenspiegel 
eine  thunne  biers;  in  der  Ueberschrift  der  Historie  gebraucht  S  1515 
dafür  ein  bierthunnen^  was  S  1519  bessert.  W^ahrscheinlich  war  diese 
Ausdrucksweise  in  Süddeutschland  unüblich,  wie  sie  ja^auch  misver- 
ständlich  ist.  Im  Mnd.  bedeutet  aber  beeriunne,  pikvat,  ftaalvat  usw. 
nicht  nur  ein  für  solche  Gegenstände  bestimmtes,  sondern  auch  ein 
damit  gefülltes  Gemäss.  Da  bierthunve  hier,  saffonie  86  in  der  Ueber- 
schrift steht,  so  folgt  daraus,  dass  die  Ueberschriften  schon  von  einem 
nd.  Redaktor  herrühren. 

Hi.  13  (Osterspiel  in  Budensteten):  da  ward  sie  (die pfaff etikeUer in) 
gifftig  auff  V,,  vnd  fprang  vß  dem  grab,  vnd  meint  fie  wolt  ym  in  das 
antut  fallen  mit  den  füsten,  so  S  1515,  dagegen  S  1519:  giftig  zornig. 


27 

Giftig  in  bildlicher  Verwendung  für  „erbost,  zornig"  läsöt  sich  weder 
iiihd.,  noch  mnd.  nachweisen.  Vorgiftich  im  Sinne  von  „boshaft" 
begegnet  dreimal  in  den  von  Hänselmann  hrsg.  Braunschweigischen 
Chroniken  II,  399.  460.  4()G.  Eyn  vorgyfftich  hatcfch  tcyff  steht  im 
Schip  van  Narragonien  4293;  wie  Brant  im  hd.  Original  hat,  kann 
ich,  weil  mir  die  Zarncke'sche  Ausga])e  nicht  zur  Hand  ist,  nicht  an- 
geben; wahrscheinlich  vergiftig,  da  dies  im  figürlichen  Sinne  noch  ein- 
mal von  Lexer  im  Mhd.  Handwörterbuch  belegt  wird.  Sollte  das  auch 
hier  die  ursprüngliche  Lesart  sein?  warum  aber  dann  die  Aenderung? 
und  warum  der  Zusatz  in  S  1519,  der  giftig  zum  Adverb  macht? 
Grade  diese  Lesart  bin  ich  geneigt  als  die  ursprünglichere  zu  be- 
trachten und  auf  ein  nd.  gichtich  tornefch,  d.  h.  „offenkundig  zornig" 
oder  „gewaltig*)  z."  zurückzuführen. 

Die  Hi.  22  ist  besonders  reich  an  Varianten.  Eine,  varten  in 
S  1515,  welches  Wort  S  1519  weglässt,  ist  schon  })esprochen.  — 
V.  fach  durch  das  fenfter^  S  1519  gucket.  Letztere  Lesart  giebt  das 
bezeichnendere  und  hier  passendere  Wort.  Es  fehlte  dem  Ahd.  und 
war  auch  im  Mhd.  selten ;  im  Nd.  dagegen  ist  das  starke  Verb  hiketh 
ein  sehr  gewöhnliches  Woi*t.  An  unserer  Stelle  wird  ein  TceeTc  eines 
nd.  Textes  dem  gucket  zu  Grunde  liegen.  —  V,  r&fft  wider  herab:  vor 
effens  fo  rüff  ich  oder  thuns  nit  gern.  Hier  hat  S  1519  vor  effen  fa 
(lies  so)  ruf  ich  oder  dam  nit  gern,  was,  im  Gegensatz  zu  der  Lesung 
von  S  1515,  einen  guten  Sinn  giebt  und  in  Betreff  von  vor  effens  auch 
besser  hd.  ist.  Vor  elendes  kann  ich  aus  dem  Mnd.  nicht  belegen, 
wohl  aber  auf  analoge  Fälle  des  nd.  Brauches  präpositioneller  Ad- 
verbien, die  auf  ^s  ausgehen,  hinweisen:  s.  laibben,  Mnd.  Gramm.  §  86. 
Ob  danis  das  Richtige  ist  oder  ob  nur  scharfsinnige  Konjektur  von 
S  1519?  K.,  der  S  1515  benutzt  hat,  lässt  das  unverständliche  thuns 
weg:  vür  effens  roiffen  ich  niet  gern.  Man  hätte  eher  blas  erwartet, 
als  dane.  Wie,  wenn  tut  im  Original  gestanden  hätte?  Das  konnte 
leicht  für  „(ich)  tue  es"  genommen  werden,  wenigstens  von  einem 
so  flüchtig  arbeitenden  Schriftsteller,  wie  der  Redaktor  von  S  sich 
beständig  offenbart.  Tuten,  ins  Hörn  stossen,  lässt  sich  oberdeutsch 
schwerlich  aus  dem  Mittelalter  nachweisen,  wohl  aber  mitteldeutsch 
und  niederdeutsch.  —  Der  Graf  eilt  mit  seinen  Mannen  den  Feinden, 
die  ihm  die  Kühe  geraubt  hatten,  nach  vnd  holt  auch  ein  huffen  fpecks 
vff  finen  finden^  vnd  hiiwen  sn  mitt  fieden  vnd  brieten^  S  1515.  Man 
fragt  sich,  wanim  der  Graf  Speck  genommen  hat  und  nicht  lieber 
seine  Kühe,  und  woher  den  Speck?  aus  den  Provianttaschen  der  Feinde? 
K,  der  durchweg  mit  Ueberlegung  verfährt,  sucht  zu  bessern:  hoild 
auch  do  ein  houff  vetter  feto  vp  fyn  viand,  vnd  flogen  do  eo  herd  mit 
fyten  fpecks  vnd  brieden,  S  1519  hat  die  richtige  Lesart:  holt  auch 
ein  hufen  quecks  vf  feinen  fynden,  vnd  da  hiiwen  fie  £^u  ftücken  vnd 
brieten.     Queck,   quick,  im  Genitiv  quekes^  ist  ein  bekannter  Ausdruck 

*)  In  KaDtzow's  Chronik  von  Pommern,  hrsg.  v.  Böhmer»  8.  7.  46.  59  wird 
gichtich,  jichtig  als  Adverb  des  Grades  zu  Zeitwörtern  gesetzt,  ungefähr  übersetz- 
bar: „gewaltig,  heftig,  sehr". 


28 

des  Nd.  für  Vieh,  speziell  für  Rindvieh.  Es  gelaog  dem  Grafen  also, 
einen  Teil  des  Raubes  dem  Feind  wieder  abzujagen.  Nach  der  An- 
strengung des  Zuges  und  Kampfes  lässt  er  dann  das  Mittagsmahl  zu- 
richten. Hier  hat  S  1515  die  ursprüngliche  Lesart  bewahrt.  Töhouwen 
ist  nämlich  der  technische  Ausdruck  der  Schlachter  und  Köche  sowohl 
für  das  Schlachten,  als  auch  besonders  für  das  Zurechthauen  des 
Fleisches  zum  Kochen  oder  Braten.  Vgl.  Ztschr.  des  Vereins  für 
Hambg.  Geschichte  V,  114:  eyn  Wofc,  dar  me  uppe  thohouwet  in  der 
koken.  Der  Schluss  des  Satzes  wird  im  Nd.  gewesen  sein :  unde  foden 
unde  hreeden^  sotten  und  brieten.  —  Nun  heisst  es  weiter :  V,  gedacht 
vff  dem  thurn,  wie  er  auch  etwas  von  der  brut  mbcht  bringen^  vnd  natn 
acht  der  Zeit,  tvan  es  effens  eeit  wolt  fein;  für  brid  liest  S  1519  heüd. 
Danach -muss  man  annehmen,  dass  der  Graf  von  seinen  wiedererbeuteten 
Rindern  sogleich  eins  oder  mehrere  hat  schlachten  lassen.  Das  giebt 
einen  guten  Sinn,  denn  es  scheint  erklärlich,  dass  er  seinen  Leuten 
zum  Lohn  diesmal  frisches  Fleisch  zum  besten  gegeben  habe.  Das 
Wort  „Beute"  findet  sich  noch  in  Hi.  87:  F.  fprnch^  von  differ  biit 
gehört  mir  das  (S  1519:  die)  halb.  Es  ist  das  nd.  büte^  das  zunächst 
ins  Mitteid.,  dann  auch  ins  überd.  eindrang.  Sein  Vorkonunen  im 
Strassburger  Eulenspiegel  scheint  das  frühste  Beispiel  in  oberd.  Sprach- 
quellen  zu  sein.  K  hat  das  brut  von  S  1515  durch  (van  der)  bruit 
wiedergegeben,  was  wohl  soviel  wie  broid,  brot.  engl,  broth^  mlat. 
brodium^  die  Brühe,  sein  soll;  vgl.  broeye,  brue,  bruwet^  bruwe  im  ndl. 
Etymologicou  des  Kilianus  Dufflaeus.  Ich  halte  diese  Lesart  nur  für 
eine  Konjektur  von  K,  die  er  auf  Grund  der  Lesart  brtä  in  S  1515 
gemacht  hat. 

Hi.  25:  er  fchnit  im  (dem  pferd)  bald  den  baiAch  vff;  refch  S  1519. 
Nd.  vufte?  —  Hi.  37:  die  kellerin  hnb  an  /m  Mgen^  vnd  fpüwet  vber 
dm  tisch;  jsn  bycken  S  1519.  Lappenberg  wollte  brecken  lesen;  aber 
A.  v.  Keller  nimmt  es  wohl  mit  Fug  für  das  schwäbische  backen^ 
husten;  vgl.  Grimm's  Dtsch.  Wb.  unter  bicken  und  bexen^  trocken 
husten,  hüsteln.  Was  unter  hd.  balgen  zu  verstehen  sei,  lehrt  Fischart's 
gereimte  Bearbeitung:  die  kellerin  hub  an  eu  bälgen  :  gang  mit  dein 
tviirften  an  den  galgen!  (s.  Grimm's  Wb.  unter  ;, balgen^.)  Allein  hier 
handelt  es  sich  weder  um  schelten,  noch  husten ;  es  wird  ein  Ausdruck 
verlangt,  der  übelwerden,  würgen  bezeichnet.  Das  tut  das  nd.  tcalgen 
und  die  Ableitung  walgeren.  Das  Hd.  hat  dagegen  dem  Worte  xvalgen 
die  ursprüngliche  Bedeutung  ^sich  wälzen,  rollen^  bewahrt.  S  1515 
suchte  sich  zu  helfen,  indem  er  von  balg^  venter,  ein  neues  Zeitwort 
fabricierte.  —  Hi.  38:  da  wart  er  ir  beide  ledig;  quü  S  1519.  Hier 
möchte  letzterer  Druck  das  nd.  Wort  bewahrt  haben.  Quit  ist  freilich 
sonst  ebenso  gut  hd.  Aehnlich  steht  es  um  gükelfpil  31  in  S  1515,  wofür 
S  1519  narry  bietet.  Gükelfpil  wird  verdruckt  sein  statt  gökelspil. 
Hi.  48  sieht  gauckelfpil,  2  geuclcerei  und  in  S  1519  göcMerei^  23  gauck- 
lerei.  So  ist  auch  goukelfpel  im  Mhd.  belegbar.  Ndd.  Form  ist  gokeU 
fpel;  aber  narxy  kann  nicht  im  nd.  Text  gestanden  haben.  —  Hi. 
46:  der  meifter  mit  den  gefellen  liefen  V.  £vl  fxichen  vnd  in  evi  beheben 


2d 

vmb  den  fchaden ;  in  eu,  behalten  S  1519.  Das  entsprccliende  nd.  Wort 
wäre  beherden,  bclutrdrn,  festnehmen.  —  Hi.  50:  da  umrden  die  fchneider 
zornig  vff  in;  ganz  hos  S  1519.  Stand  im  Ndd.  quat  oder  crre,  'crv? 
—  Hi.  52:  du  ftinckft  fo  vbel  alß  dreck;  der  kürßner  fagt:  fchmackftu 
das  nit  gern?  rcuchftu  S  1519.  Im  Elsässischen  bedeutet  riechen 
einen  Geruch  von  sich  geben;  dasselbe  kann  auch  fcbmacken  und 
fchmccken  heissen,  daneben  aber  einen  Geruch  empfinden  oder  wahr- 
nehmen; und  das  ist  hier  gemeint.  Im  Nd.  hat  aber  ruken^  rükvn 
diese  wie  jene  Bedeutung.  S  1519  hat  also  einen  nd.  Ausdruck  bei- 
behalten, was  in  diesem  Falle  nahe  genug  lag,  von  S  1515  aber  nicht 
gebilligt  ward.  —  In  der  Hi.  67  hat  S  1515  hcngft,  S  1519  gaul.  Im 
Ndd.  wird  dafür  pagc  gestanden  haben.  —  Hi.  78 :  das  fpil  wil  iete 
gut  werden^  S  1519  hüt;  ndd.  jutto?  —  Hi.  78:  ein  graußlich  thier 
ftat  bei  dem  feür^  wo  S  1519  ein  graußlich  eistlich  thier  hat.  Eistlich 
ist  von  Lappenberg  richtig  für  eislich,  egeslich  genommen,  graußlich 
als  griuslich.  Beide  Wörter  bedeuten  dasselbe.  Im  ndd.  Texte  mag 
grefelik  gestanden  haben,  welches  zwar  im  nhd.  gräßlich  fortlebt,  aber 
nicht  im  Mhd.  existierte,  und  eisk^  die  einem  Strassburger  unverständ- 
liche Kontraktion  von  eislik.  In  es  was  graußlichen  kalt  71  kann 
grefeliken  übersetzt  sein,  dagegen  in  da  ward  er  grüßlich  bekümret  53 
wird  ^Yaer  grofliken  (sehr)  stecken,  —  Auch  einem  entstellten  und  darum 
wohl  von  S  1519  weggelassenen  Adverb  in  Hi.  80,  der  u:irt  fpravh 
fenUich  das  er  das  gelt  geb,  wird  ein  nd.  Wort  zu  Grunde  liegen. 
Nahe  liegt,  auf  einen  Dnickfehler  für  fienllich,  frhitUch  zu  raten; 
warum  machte  aber  S  1519  nicht  diese  leichte  Konjektur?  und  warum 
half  sich  K  durch  ftdtz?  Man  darf  vielleicht  viiifeliken^  gevenfetlikc 
(heuchlerisch,  in  Verstellung)  mutmassen?  —  Von  dem  Hund,  den 
EulenspiegePs  Wirtin  so  lieb  hatte,  dass  sie  ihn  immer  auf  den  Schoss 
nahm  und  dass  sie  ihm  von  ihrem  Essen  stets  etwas  abgab,  heisst  es 
in  Hi.  82:  da  het  die  toirtitt  ein  eöttigs  hündlin^  den  [!]  het  fie.  ymits 
lieb;  S  1519  giebt  ein  anderes  Adjectiv  an,  zöriK  Dies  Wort  scheint 
mir  Keller  in  Pfeiffer's  Germania  XII,  98  richtig  als  zart,  schwäbisch 
zert,  bestimmt  zu  haben.  Zottig  heisst  aber  ;, zottig",  was  als  Epitheton 
des  Hundes  ganz  überflüssig  ist.  Es  wird  ein  Ausdruck  verlangt,  der 
ihn  als  zierliches,  zartes  Schosshündchen  charakterisiert.  Ndd.  tept- 
hund  oder  teppcthund,  der  auf  dem  Teppich  liegt  (den  men  mer  dor 
luft  helt^  wie  die  Glosse  zum  Sachsenspiegel  III,  47  das  Wort  erklärt ; 
s.  Homeyer  SSpgl.  I,  S.  343),  würde  passen  und  ebenso  das  Adjectiv 
tertel^  tartlik.  Wenn  ein  tertel  ioppethund'^)  im  Original  gestanden 
hätte,  so  würden  sich  beide  Strassburger  Uebersetzungen  verstehen 
lassen,  da  S  1515  an  top,  toppen  gedaclit  haben  könnte. 

Viel  Mühe  hat  die  Schelte  des  von  Eulenspiegel  auf  dem  Toten- 
bette betrogenen  Geistlichen  in  Hi.  92  gemacht:  o  wie  ein  vorteiliger 
fchalckbiftdu;  vortreilger  S  1519.  Lappenberg  will  lesen:  vorcterliger, 
Keller,    Germ.   XII,    99,    meint,    vortheilig^   vörtelig   heisse   noch  jetzt 


*)  toppet  ist  Nebenform  von  teppet;  s.  Mnd.  Wb. 


30 

^pfiffig,  betrügerisch,  eigennützig^.  Scherer  S.  83  konjiciert  vordeiHer, 
vordelder^  ^es  steht  vor  fchalk  in  einem  Ausbruch  grimmigsten  Aergers 
über  Eulenspiegels  unflätigste  Unfläterei'^.  Ich  glaube,  vorchtelik  hätte 
S  wohl  zu  übersetzen  vermögen;  um  Eigennutz  war  es  Eulenspiegel 
hier  nicht  zu  tun;  und  verteilen  =  verdammen,  verfluchen,  ist  zwar 
mhd.,  aber  nicht  mnd.  Wie  erklärte  sich  in  dieser  letzten  Exegese 
dann  vor  statt  ver?  Es  wird  einfach  vordretlik,  vordreiilik  dagestandon 
haben,  das  im  Mndd.  ausser  ^^verdriesslich,  lästig^  auch  die  Bedeutung 
von  ^ frech,  unverschämt"  —  protervus,  importunus  sagen  die  (tIosscii 
—  entwickelt  hatte.  Nun  hätte  sicher  der  Uebersetzer  dies  Wort 
gleichfalls  verstehen  müssen;  wie  aber,  wenn  vordreüik  verdruckt  war? 

Im  Nhd.  gebrauchen  wir  „ja*'  gerne  „als  (Jonjunction  oder  Adverl) 
eng  in  den  Satzverband  eingefügt"  ((himnVs  Wb.).  Das  stammt  aus 
dem  Nd.,  wo  dafür  jo  steht;  was  nicht  die  Bejahungspartikel,  sondern 
das  Zeitadverb  ;,je"  ist,  nur  in  weiter  entwickelter  Bedeutung  von 
„immerhin,  dann,  nun,  allerdings,  gewiss,  jedenfalls,  doch".  Der  Nie- 
derländer, der  das  einfache  io,  ie  aufgegeben  hat,  bedient  sich  dafür 
dei'  Zusammensetzung  immers  mit  der  gleichen  Begrifl*sentwickelung. 
Dass  Mischung  mit  dem,  den  Satz  einleitenden  ,Ja"  stattgefunden 
habe,  leugne  ich  nicht.  Aber  eigentlich  hd.  ist  jene  Verwendung  von 
,ja"  nicht;  vielmehr  gebraucht  das  Mhd.  grade  so,  wie  das  Mndd. 
jOf  die  eutsprechendo  Partikel  ie.  Erst  Luther,  der  mit  je  und  ja 
abwechselt,  hat  die;  Form  ja  statt  jo  oder  je  in  die  nhd.  Sprache  ein- 
geführt. Vorgearbeitet  hat  ihm  S:  Als  ir  dan  gefprochen  hon,  ich 
fall  es  ia  fo  gut  effcn  vnd  trincken  als  ir,  1 1 ;  das  hab  ich  ia  aJ/'o  ver- 
ftanden^  33;  en  Utft  ward  V.  ia  kranck^  38;  du  bist  ein  betrogner 
fchalckj  wa  du  ia  harkummest^  G4.  In  Ili.  38  mag  vielleicht  yo  krenker 
im  nd.  Text  gestanden  haben.  Beweisend  ist  die  Stelle  in  Hi.  10: 
er  gedfjcht,  mein  Juncker  hrt  mich  jo  gheiffen,  weil  S  1519  hier  alfo 
geheiffen  ändert.  In  Ili.  73  hat  dagegen  S  1519  yc,  während  S  1515: 
da  es  nun  nit  anders  macht  fein.  Für  nun  in  ir  fagten  nun  15  wird 
im  Nd.  aucli  yo  gestanden  haben. 

Besprechung  erfordert  schliesslich  noch  der  nicht  immer  über- 
ehistimmende  Gebrauch  von  niergen^  nirgen  und  nienen,  niencr  in 
beiden  Drucken.  Jeues  ist  eine  nd.  (nergen)  und  mitteld.  Bildung, 
der  im  Oberd.  diese  beiden  entsprechen;  doch  ist  niergen  bereits  im 
Mittelalter  in  die  süddeutsche  Sprache  ziemlich  eingedrungen,  so  dass 
es  nicht  grade  Wunder  nehmen  würde,  wenn  wir  ihm  um  1500  in 
einem  Strassburger  Buche  begegneten.  In  Murner's  Schriften  *)  ist  sie 
mir  nicht  aufgefallen;  vielmehr  hat  er  niendert  und  für  „irgend'' 
yendert.  Ob  Sebastian  Brant  sich  des  niergen  bedient,  weiss  ich  nicht. 
Im  Eulenspiegel  überwiegt  niergen  über  die  oberdeutschen  Wörter, 
was  schon  auflallig  ist.  So :  er  het  doch  noch  nirgen  kein  fenep  gefehen, 
10;  fo  dunkt  mich  niergen  kein  beffer  hüffchlag  fein  dan  von  filber 
vnd  von  golt^  23,  Zusatz  (V)  von  S  1519;   V,  fand  niergen  feißte  in  dem 


*)  Ich  kenne  allerdings  nur  seine  Schelmenzunft  und  den  Imtherlschen  Narren. 


fchajuchy  44 ;  da  fand  ich  niergen  feißte,  44 ;  V,  verdient  niergen  (merngen 
Ö  1519)  groffen  dank^  47;  Ican  ich  dan  niergen  danck  verdienen?  51; 
V.  ließ  niergen  guten  geruff  hinder  im,  54 ;  der  gerwrr  hivtvt  fich  niergen 
füry  50 ;  er  dorfft  fie  niergen  verkouffen,  HH.  Daneben  stossen  wir  auf 
die  im  Nd.  beliebte  (ncrgcns),  aber  damals  schwerlich  schon  ins 
Oberd.  aufgenommene  Nebenform  niergens:  der  koch  gedacht  nirgens 
(nicrgens  S  1511))  an,  10;  ich  kau  niergens  arheit  überkumen,  (J3.  Ferner 
finden  wir  dreimal  di(»  oberd.  liildung  immer  nur  in  einem  der  beiden 
Drucke:  folich  brot  ist  mir  niergen  (niner  S  1519)  zu  nut/s^  19;  er 
tvolt  nienen  (niergen  S  151!>)  bleiben^  wa  kinder  tveren^  21;  noch  kan 
ich  niergen  (nieneii  S  1519)  danck  verdienen ^  04.  Im  letzten  Falle 
Uißst  sicli  nienen  aber  auch  anders  verstehen,  nemlieh  als  misverstanden 
aus  ndd.  neneit^  ninen  dank,  keinen  Dank.  Angesidits  der  Tatsache, 
dass  nur  zweimal  im  Anfang  von  je  einem  Dmcke  versucht  ist,  an- 
stelle der  nd.  Wortbildung  die  hd.  einzusetzen  (lli.  19.  21),  scheint 
mir  diese  Erklärung  die  plausiblere  zu  sein,  l-nd  so  verstehe  ich 
auch  das  gemeinsame  nienen  beider  Ausgaben  in:  fo  het  ich  nienen 
ander  feißfe^  wan  feefifchfchmalte^  44;  noch  kan  ich  nienen  danck  ver- 
dienen^ 47.  04,  als  Tebersetzungen  von  nd.  neen  (nin)  ander  vet  und 
netien  (ninen)  dank.  Eine  Form  niener  für  „keiner"  ist  aber  dem  Hd. 
fpemd;  im  Eulenspiegel  sticht  dafür  sonst  kein,  z.  B.  10.  22.  23.  Der 
Uebersetzer  behielt  die  Form  nienen  nur  bei,  weil  er  sie  sich  als 
„nirgends"  deuten  konnte. 

Von  solchen  Wörtern,  welche  beiden  Dialekten,  dem  oberd.  und 
dem  ndd„  gemeinsam  sind,  kommen  einige  wenige  in  Kedeutungen  vor, 
die  dem  od.  Worte  abgehn,  wohl  aber  dem  nd.  eignen.  Dahin  rechne 
ich  vor  allem  die  bün^  Bühne,  das  dem  nd.  Masculin  bön  entspricht. 
Das  hd.  Wort  bedeutet  den  Fussboden,  auch  den  erhöhten  oder  das 
Podium,  und  Decke  eines  Gtanaches,  das  nd.  aber  ausserdem  ein 
oberes  Stockwerk,  einen  Söller,  besonders  den  Boden  unter  dem  Dache, 
wogegen  im  Nd.  bön  nie  für  Fussboden  stehen  kann.  In  dem  aus- 
schliesslich nd.  Sinne  wird  das  Wort  in  S  gebraucht,  so  Hi.  3.  39. 
53.  02.  K,  dessen  Mundart  gleich  wie  S  das  Wort  in  diesem  Sinne 
abging,  pflegt  es  deshalb  zu  umschreiben,  so  Hi.  39  (K  33)  von  der 
büne  durch  van  l}0ven^  nachher  durch  füller;  53  und  (»2  durch  leuue 
(Laube).  Nur  eine  Stelle,  bis  an  die  bün  51,  erlaubt  die  Auffassung 
in  der  Bedeutung  „Zimmerdecke^;  ndd.  würde  freilich  hier  gleich- 
falls gesagt  werden  bet  an  den  bön.     K  setzt  auch  hier  süller  dafür. 

Leber  fi?üm  und  euluxuiven  ist  bereits  oben  gehandelt. 

Die  Hi.  00  erzählt,  wie  Ulenfpiegel  und  ein  pfeiffentrei(g)er  oder 
pfei/fenmacher  in  Lüneburg  sich  gegenseitig  zum  Narren  haben.  Kein 
oberd.,  ja  nicht  einmal  ein  mitteld.  Leser  des  Strassburger  Eulenfpiegel 
kann  nach  dem  Sprachgebrauch  seines  Landes  unter  dem  Pfeifendreher 
etwas  anderes  verstanden  haben,  als  den  Verfertiger  von  Blasinstru- 
menten. Gemeint  ist  jedoch  der  Hersteller  von  Wasserleitungsröhren 
aus  Baumstämmen ;  davon,  dass  er  die  pipe  oder  Brunnenröhre  durch 
Ausdrehen   des    Markes    und    eines   Teiles    des    Kernholzes    herstellt, 


liat  er  seinen  Namen.  Lappenberg  S.  267  ist  freilich  anderer  Meinung: 
„aus  dem  wandernden  Pfeifer,  dem  Landläufer,  der  mit  dem  lotterholz 
umhergelaufen,  musste  wohl,  wenn  er  sich  häuslich  einrichten  sollte, 
ein  Pfeifendreher  werden.''  Und  allerdings  kann  ich  auch  das  Wort 
pipendrcycr  sowenig,  wie  den  Ausdruck  pipen  dr^yen  nachweisen.  Die 
Hannoverschen  Stadtrechnungen  (Ztschr.  des  histor.  Vereins  für  Nieder- 
sachsen 1871  S.  162  ff.)  hal)en  inpen  boren.  Doch  beweist  die  Hi.  6(>, 
dass  man  auch  pipcn  drvyvn  gesagt  hat;  denn  die  Grcisse  der  Pfeife 
oder  Röhre  kann  den  Gcbrauc^h  des  einen  oder  anderen  Zeitworts  im 
Ausdruck  nicht  bestimmt  haben,  es  sei  denn,  dass  sich  drryfm  auf 
das  Drechseln  der  äusserlichen  Form  der  Pfeife  bezieht.  Dazu  zwingt 
aber  nichts,  weil  auch  bei  der  Blaspfeife  das  Ausdrehen  des  Innern 
die  hauptsächlichste  Arbeit  ist.  Die  Worte  vnd  der  tvas  ein  lanffartr 
yewefen,  vnd  was  mit  dem  lotterholtz  vmhgdoff'en  scheinen  ein  Einschiebsel 
des  Strassburgers  zu  sein,  welches  das  Wort  ;, Pfeifendreher*'  erläutern 
und  begründen  soll.  Dass  die  Geschichte  nach  Local,  nach  Sprache 
(gelach)  und  nach  Localfärbung  (ßor)  ursprünglich  nd.  ist,  das  lässt 
sich  nicht  wohl  anfechten.  Nun  ist  aber  lodderhoU  (Narrenpritsche) 
mnd.  nur  in  dem  aus  dem  Hd.  übersetzten  Bovenorden  nachweisbar, 
und  lantfarer,  das  zwar  einen  Landstreicher  bezeichnen  kann,  hatte 
im  Mndcl.  die  bestimmte  Bedeutung  von  „Kaufmann,  der  über  Land 
zieht*'  entwickelt. 

Ob  notlich  (2  u.  4)  zu  der  Bedeutung  von  „wunderlich,  possier- 
lich", samt  dem  abgeleiteten  Substantiv  notlicheit  (21),  und  rtck  (53) 
zu  der  von  „Querlatte  auf  zwei  Trägern  in  der  Hausmauer  zum 
Daraufhängen  von  Zeug,  Fellen  u.  dgl."  selbständig  im  Oberd.  gelangt 
sind,  ohne  Einfluss  des  Ndd.,  war  mir  bis  jetzt  zu  entscheiden  unmöglich. 

Hie  und  da  weist  S  anstelle  rein  hochdeutscher  Form  eine  völlig 
oder  teilweise  niederdeutsche  auf.  Solche  Wörter  liefern  den  durch- 
schlagenden Beweis,  dass  S  nur  üebersetzung,  nicht  Originalwerk  sein 
kann :  diese  Spuren  ndtscher  Lautstufe  müssen  durch  Flüchtigkeit  aus 
der  Vorlage  in  den  hd.  iVxt  gelangt  sein.  Zunächst  sei  hier  an  das 
bereits  von  Goedeke  für  die  Behauptung  eines  nd.  Druckes  unseres 
Volksbuches  verwertete  Lexulnander  in  Hi.  35  erinnert.  S  1519  hat 
es  zu  Levuluonder^  E  zu  Lcxuluonder  entstellt;  aber  K  hat  die  richtige 
nd.  Form  Lexuloander  in  S  1515  verstanden  und  in  seine  Mundart 
als  Leckfelffauder  übertragen.  Andere  Beispiele  sind  fchel  (schielend) 
30  statt  fchfieh,  fchilch;  het  45  statt  hieß;  faftnacht  55  statt  fasfinchf ; 
für  gebens  72,  eine  buchstäbliche  Wiedergabe  des  ndd.  vorgevens^  vor- 
geves^  statt  vergebens;  znstrawen  94,  ebenso  genau  dem  nd.  toftrowen 
nachgebildet,  statt  eerftrawen;  und  her f holte  in  S  1519  statt  des  rein 
hd.  kerbholz  in  S  1515,  Hi.  89. 

Die  Zugbrücke  hcisst  in  Hi.  38  tcghebrücke,  also  sogar  mit  nd. 
gh  für  g.  Man  möchte  es  für  einen  Druckfehler  statt  toghebrucke 
halten,  wenn  es  sich  nicht  in  beiden  Strassburger  Ausgaben  fände  und 
wenn  nicht  auch  K  techbrücke  gelassen  hätte.  Dieser  scheint  es  als 
„Ziehbrücke"   zu   verstehen.     Mhd.    ist   aber   weder   zieh-j   noch   zuc-. 


u 

jgugehriiche  nacliweisbar^),  sondorn  das  Wort  ist  eine  Bildung,  die  sich 
nur  im  Nd.  (tofßhc-^  tochhniggc)  und  im  Md.  (zogehrücke)  findet;  das 
nhd.  Zugbrücke  kommt  erst  im  17.  Jhdt  auf.  Daher  war  toghebrugge 
und  gar  teghebrugge,  falls  so  im  ndd.  Text  verdruckt  stand,  dem 
Strassl)urger  wohl  nicht  ganz  khir  und  ward  von  ihm,  nur  teilwcMse 
ül)erset7.t,  belassen.  —  Unter  den  Schmiedegeräten  wird  in  Hi,  40  ein 
fcürfpct  erwähnt.  Das  scheint  auf  ein  nd.  vhrfpet  zurückzuweisen 
und  würde  mhd.  wohl  viurf^nz  hinten  müssen.  Der  Ausdnick  wird  aber 
in  Oberdeutschland  nicht  gangbar  gewesen  sein  (man  mochte  viurifen 
sagen)  und  ist  darum  in  halbnd.  (festalt  stehen  geblieben.  —  Zwei 
vaß  Eimbcckß  bierß,  64,  sollte  hd.  heissen:  z.  v,  Eimbcckfchos  bierß. 
Dekanntlich  geht  das  Suffix  -isc(hj,  -efcfh)  im  Mndd.  besonders  in  viel- 
gebrauchten Ortsadjectiven  gerne  in  -es^  -s  über^).  Für  Eimbckfes^ 
Eimkefcs  beirs  im  Genetiv  lag  die  Kürzung  Eimbeks,  Eimkes  nahe.  Im 
Oberdeutschen  war  diese  Verlautung  von  fch  zu  s  unbekannt. 

^Keifen"  ist  zwar  nlid.,  aber  mhd.  sagte  man  kiben.  Die  nhd. 
Form  stammt  aus  dem  nd.  kiven^  das  früh  ins  Md.  eingedrungen  ist. 
Dass  S  sein  kiffcn  9  nicht  etwa  gebraucht  hat,  weil  die  nd.  Form 
])ereits  in  Strassburg  eingebürgert  war,  erhellt  aus  der  Verwirrung 
des  Satzes:  vnd  giengen  alfo  zancken  mit  dem  ftock  für  an  zu  kiffcn^ 
vnder  einander,  Zancken  ist  das  hd.  Synonym  für  kiffen,  wie  denn 
auch  fortgefahren  wird:  nit  lang  darnach  da  fie  am  großen  zancken 
waren.  Vielleicht  hat  es  gelautet:  unde  gingen  alfo  mit  dem  ftockc 
rordan,  to  (Di-uckfehler  für  fo?  jo?)  kivcnde  under  enander.  —  Port, 
portner  89  müssten  hd.  pfort,  pfortner  lauten.  Doch  finde  ich  bei 
(loedeke,  Scliwänke  des  sechzehnten  Jalirhunderts  S.  58,  dass  auch 
J.  Frey  in  der  (Jartengesellschaft  120  sich  der  Form  parte  bedient. 
Das  Lateinische  mag  Dopj)elformen  liaben  l)cstehen  lassen.  Aber 
rappen  20  (zweimal)  mochte  dem  rapnn  eines  nd.  Textes  ent- 
süimmen;  wenigstens  heisst  das  Verb  mhd.  raffen.  —  Verdächtig  ist: 
die  magt  fprach.  ich  tvciß  nit  wet  den  teuffei  wir  thün,  47.  S  löli) 
hat  wvi  (=  wieV),  K  aber  ivat,  und  das  miu-hte  auch  wohl  im  Urtext  ge- 
standen haben.  —  Ob  einmaliges  pahft  34  in  S  1515  neben  der  sonst 
stets  und  oft  gebrauchten  Form  babft,  die  ja  auch  überhaupt  im  Mhd. 
durchsteht,  ob  ebenfalls  vereinzeltes  vmmer  27  in  S  1515  statt  sonstigem 
ymcr,  ymmer  und  ob  das  in  beiden  Drucken  in  Hi.  2  stehende  nemen 
für  nieman^  niemans  Ilt^ste  der  nd.  VorInge»  oder  blosst»  Druckfehler 
seien,  ist  schwer  zu  entscheiden.  Zu  der  ersteren  Gattung  von  Fehlern 
scheint  aber  zu  gehören  as  oh  38  in  S  1515,  weil  S  1511)  wie  als  ob 
bessert.  As  für  a//e,  als  lässt  sich  nicht  ganz  selten  bereits  seit  dem 
Ende  des  14.  Jhdts  im  Mnd.  nachweisen. 


^)  Man  hatte  dafür  flage-j  valbrücke  (mnd.  flach-,  vallehrugge). 

')  Physiologisch  erklärlich,  weil  man  fch  wie  gricch.  ay  spracli ;  im  Nieder- 
ländischen ist  dieselbe  Erscheinung. 

Niederdeutsches  Jahrbuch.     XIX.  3 


u 


iHissverstandnisse  der  niederdeutschen  Vorlage. 

Wie  schon  an  einigen  Beispielen  gezeigt  worden  ist,  lassen  sidi 
gar   manche   im   hochdeutsclien  Text   von   S   schwierigen  Stellen    aus 
einer    nd.   Vorlage    erklären;     Unverständlichkeiten    vermögen    durch 
Zurückflihrung  in  ndd.  Ausdrucksweise  ))eseitigt  zu  werden.     So  möclite 
gleich  in  der  Vorrede  in  dem  Satze  für  folich  mein  müe  vnd  arbeit 
wollten   fie  mir  cer  guuft  hoch  erbieten   das   eer  nicht   das  Suhstantiv 
„Ehre^  vorstellen,   man  müsste  denn  annehmen,  dass  vnd  ausgefallen 
sei.     Aher  Ehrerweisung  hahen  dem  Verfasser  seine  Freunde  schwerlirh 
versprochen,  noch  weniger  würde  er  gewagt  hahen,  das  dem  Publikum 
mitzuteilen,  gleichsam  als  rechne  er  darauf.     Eer  muss  die  aus  einem 
nd.  Texte    stehen    gebliebene    nd.  Form    des    hd.  Pronomens   ir   sein. 
—  In  der  ersten  Historie  hat  schon  Lappenberg  apt  z\i  funten  richtig 
gedeutet  als  apt  £U.  fant  ligidien.     So  hätte  S  schreiben  müssen,  wenn 
er    den    nd.    Text   verstanden   hätte;    denn   funte^   funt   ist   nd.,   fa%it 
aber   hd.      S    selbst   hat   fant   an   vielen  Stellen,    z.  B.  5.  6.  18.   19. 
Wie  die  Unform  funten   entstanden  sei,    ist  schwer  zu  begreifen.     In 
Braimschweig  sagte  man  ausser  funte  Egidien  aucli  funte  Ylien;  aber 
keine  dieser  beiden  Namensformen  führt  auf  funten,    es   müsste  denn 
im  Ndd.  der  Heiligenname  abgekürzt  durch  y  angedeutet  gewesen  sein. 
Das  mochte  S  nicht  verstehen  und   er   half  sich,    indem   er  funte   zu 
einem  Ortsnamen   mit   der  häufigen  Endung  auf  -en  umstempelte.   — 
Vnd  tvegt  der   windt   darzü  faur   (1519   fuer)    18.     Dass  der  Wind 
sauer  wehe,   ist  eine  wunderliche  Auffassung;   deshalb  ändert  E  1532 
ftarck.     Offenbar   war   dem  Verfertiger   von   S    das   nd.  Adjectiv   foor 
nicht  bekannt,  das  ^trocken,  dürre^  bedeutet  und  als  Epitheton  eines 
im  Sommer  ausdörrenden,  im  Winter  bis  ins  Mark  kältenden  Ostwindes 
dient.   —  Da  kaufft  er  growen  vnd  roten   aendel  35.     S  hat  graw  in 
H.  21,  dürfte  aber,  da  langes  a  in  seinem  Dialekte  zu  o  geworden  ist, 
grow    gebraucht   haben.     Allein  grau  ist  nicht  grade  eine  ausgezeich- 
nete  Farbe;    und    das    Mittelalter    liebte    lebhafte    Farben.     Es    wird 
groine^  grün,    zu  groiv-   entstellt  sein.   —   AUesdings   waren   die   leütt 
etwan  nit  fo  fchalckhafftig  als  ietz,  3G.     Das  etwan  (ehemals)  steht  an 
falscher  Stelle;  der  Gegensatz  zu  ;,jetzt"  verlangt,  dass  es  zu  Anfang 
des  Satzes  stehe,  an  der  Stelle  von  allesdinges^  das  höchst  überflüssig 
erscheint.     Es  ist  ersicthtlich  aus  oldinges  (ehemals)  verderbt:  die  um- 
deutende Aenderung  machte  dann  allerdings  den  Einschub  einer  Z<Mt- 
partikel  an  anderer  Stelle  notwendig.  —  In  derselben  Geschichte  lässt 
S    1515   die   Bauerfrau  stammelnd  sagen:  ich  z\x  hoff  hei  apt  oder  ap- 
tiffcn   nit   eü  fchaffen  haben  teil.     S  1519   hat  diese  Lesart  gekannt; 
denn,   mit  Sclionung   der  Ueberlieferung,    renkt   er  den  Satz  zurecht: 
ich  hoff  bei  dym  apt  oder  ejdisfin  nichs  eü  fchaffen  ee  haben.     Ich  ver- 
mute, dass  zu  (irunde  liegt :  ik  en  heff  by  abbet  edder  eljbedifchen  nichtes 
to  fchnffende    oder    to  doende,     Dass    der   Urtext,    wenn    auch    in    be- 
schränktem Masse,  noch  die  Negationspartikel  en  verwendete,  ergiebt 
sich  aus  drei  Stellen:    ich  en  iß  fein  nit    10,   fi  en  hct  anders  keinen 


glauben  34  (S  1515)  und  ich  en  "ken  fein  nit  84  (S  1519).  Beide 
Drucke  werden  sie  wohl  noch  an  mehr  Stellen  beseitigt  haben.  Der 
erste  Druck  S,  der  uns  nicht  erhalten  ist,  wird  en  heff  zu  en  hoff 
verlesen  und  das  als  in  hof  verstanden  und  moderner  durch  zu  hoff 
gegeben  haben.     Vgl.  S.  38  (Hi.  69). 

Mit  welchem  Leichtsinn  S  gefertigt  ist,  macht  ein  Versehen  in 
Hi.  37  klar.  Es  wird  dort  die  Unterscheidung  gemacht  zwischen  der 
Messe,  die  früh  am  Morgen  gehalten  wird,  und  zwischen  der  auf  den 
Vonnittag  fallenden.  Jene  heisst  Frühmesse,  diese  Hohe-  oder  Frohn- 
messe.  Von  S  und  zwar  in  beiden  Dnicken  dreimal  wird  jene  die 
fronmeß  genannt  (diese  richtig  die  hohemeß).  Die  einzige  Erklärung 
für  diese  starke  (Gedankenlosigkeit  finde  ich  in  einer  nd.  Vorlage,  in 
der  vroumiffe  stand,  was  der  Uebersetzer  als  vronmiffe  verlas.  K 
giebt  richtig  die  frücmiß  und  die  honiiß.  —  Ein  augenscheinlicher 
Fehler  liegt  auch  vor  in:  er  wolt  fich  feins  tcaffers  etitplöffcn,  39. 
EntpVöffen  kann  nur  bedeuten  „entblössen  oder  berauben^,  aber  nicht 
^entlasten,  entledigen,  befreien*^.  Sicher  weiss  ich  die  Stelle  nicht  zu 
emendieren,  doch  vermute  ich,  dass  das  nd.  loffen  (entloffen?)  dadurch 
wiedergegeben  werden  sollte.  —  Vor  Wysemar  kam  U.,  41 ;  die  Ge- 
schichte scheint  aber  in  Wismar  zu  spielen.  Wismar  wird  im  Mnd., 
wie  im  Meklenburgischen  noch  jetzt,  meist  mit  dem  bestimmten  Artikel 
versehen.  Stand  etwa  in  der  Vorlage  von  S  vor  W.  statt  tor  W. 
verdnickt?  oder  hielt  S  for  W.  für  Druckfehler,  den  er  meinte  bessern 
zu  müssen?  Die  Stadt  kommt  sonst  noch  im  Eulenspiegel  vor;  S  hat 
zu  Wißmar  46.  50.  65,  wo  S  1519  einmal:  in  der  ganzen  ftadt  Wißmar. 
In  dieser  Hi.  41  begegnet  noch  ein  auffälliger  Ausdruck,  der  ohne 
Zweifel  auf  einem  Misverständnisse  beruht.  Als  Ulenspiegel  vor  die 
Schmiede  ritt,  da  kam  die  fraw  vnd  magt  kvL  für  das  huß  vff  ein  dielen, 
S  1519  lässt  ftä  weg  und  hat  die  Form  thielen,  sonst  ebenso.  Man 
muss  also  verstehen,  die  Frauen  hätten  sich  auf  ein  Brett  gestellt, 
das  vor  dem  Hause  lag  oder  angebracht  war.  Der  Grund,  weshalb 
sie  diese  ungewöhnliche  Stellung  wählten,  wird  nicht  angegeben. 
„Kommen  auf  ein  Brett^  ist  ein  höchst  ungeschickter  Ausdruck,  wes- 
lialb  K  verkürzend  bessert:  quam  die  fraw  vnd  magt  vur  ynt  huiß. 
Das  ist  die  passende  Situation.  Im  Original  muss  gestanden  haben: 
vor  up  de  delen^  nach  vorne  auf  die  Hausdiele.  S  verwechselte  also 
zwei  verschiedene  Wörter  dele^  Diele,  Brett,  welches  auch  hd.  ist  und 
von  ihm  selbst  Hi.  32  und  94  gebraucht  wird,  und  dele,  Hausflur. 

In  Hi.  43  sagt  der  Schuhmacher,  Ulenspiegel  solle  gross  und 
klein  zuschneiden,  wie  der  fchweinhii't  aus  dem  Dorf  treibe.  Dieser 
schneidet  zu  und  macht  aus  dem  Leder  Scihweine,  Ochsen,  Kälber, 
Schaf,  Geisböcke  und  allerlei  Vieh.  Warum  nicht  bloss  Schweine? 
weil  fueen^  fwene,  fwener  überhaupt  „Hirte^  bedeutet,  was  S  nicht 
gewusst  zu  haben  scheint.  Ein  zweiter  Fehler  steht  in  derselben 
Erzählung,  wenn  es  heisst:  fein  meiftcr  zürnte  mit  dem  vßgon.  Der 
Sinn  muss  sein,  wie  K  bessert,  füimde  oder,  wie  Lappenberg  lesen 
will,  zögerte.     Ein  hd.  zürnen  mit  dieser  Notion  existiert  nicht.     Schon 

3* 


u 

mnd.  und  noch  nd.  gebräuchlich  ist  tarnen^  im  Laufen  aufhalten, 
hemmen;  doch  scheint  es  nur  mit  dem  Accusativ,  nicht  mit  einer 
Präposition  constniiert  zu  werden.  Nichtsdestoweniger  kann  es  hier 
vorliegen:  vielleicht  kommt  die  Präposition  auf  Rechnung  des  Ueher- 
setzers.  Ks  Hesse  sich  auch  denken,  dass  im  Original,  da  bekanntlich 
im  Mnd.  z  gleichwertig«  mit  .9  wechselt,  eumede^  jsüede  gedruckt  gewesen 
wäre  und  (hiss  S  das  zu  surncdc  verlesen  liätte.  An  toive.de,  wartete, 
darf  auch  geda(;ht  werden,  da  statt  v  in  mittelalterlicher  Schrift  in- 
lautend u  gesetzt  ward  und  u  und  n  leicht  zu  verwechseln  sind,  in 
diesem  Falle  zumal,  wenn  zufällig  torucdc  verdruckt  war.  —  In  Hi.  51 
ist  Uleuspiegel  Wollenwelxa'geselle.  Als  solcher  muss  er  mit  dein 
Wollbogen,  (^ner  zwei  Meter  langen  gekrümmten  Stange,  deren  Enden 
durch  eine  dazwischen  gespannte  Darmsaite  verbunden  sind,  die  Wolle 
schlagen,  damit  sie  aufgelockert  und  gesäubert  wird.  Diese  Verrichtung 
wird  mehrmal  durch  „Schlagen"  ausgedrückt.  Aber  einmal,  gleich 
das  erste  Mal,  heisst  es:  er  bcgund  z\i  fchnieren  vnd  fchlag  tvollen.  Lap- 
penberg hat  mit  fchnieren  nichts  anzufangen  gewusst.  „Schnüren*' 
kaim  es  nicht  sein;  denn  die  Wolle  musste,  um  erfolgreich  so  behandelt 
zu  werden,  eher  gelockert  als  zusammengeschnürt  werden.  S,  vielleicht 
unkundig  der  geschilderten  Behandlung  der  Wolle,  mag  es  allerdings  so 
verstanden  und  darum  dies  Wort  anstelle  eines  anderen  vorgefundenen 
gesetzt  haben,  das  "ihm  rätselhaft  war.  Ich  glaube,  dass  aus  einer 
Stelle  von  Herman  Bote's  Schichtbok  in  den  von  Ilänselmann  e<lierten 
Braunschweigischen  ('hroniken  sich  das  Rätsel  lösen  lässt.  Dort  heisst 
es  (II,  330,  31)  von  den  Strassenaufzügen,  dem  fchoduvellopen  der 
aufständisdien  Gcwerke,  unter  denen  sich  die  „Lakenmaker*'  befanden: 
fe  danfeden  in  den  lakenge fpannen  vnde  fnarden  myt  den  wulbogen.  Das 
wird  der  technisclie  Ausdruck  gewesen  sein.  Die  fnare  oder  das  fnar 
ist  die  Darmsaite;  und  fnaren  wird  also  die  Hantierung  und  das 
damit  verbundene  (ieräuscli  des  Wolleschlagcuis  mittels  des  Wollbogens 
genannt  worden  sein.  Snar  und  fnaren  sind  nicht  hd.,  was  durch  die 
Entstellung  zu  fchnieren  bestätigt  wird. 

Wer  das  Eulenspiegelbuch  kennt,  weiss,  dass  manche  Schwanke 
und  Witze  in  ihm  nicht  grade  sauber  sind,  sondern  nacli  Mist  riechen. 
Diese  Liebhaberei  für  Koprologie  ist  ihm  jedoch  nicht  allein  eigen; 
alle  älteren  Schwankbücher  zeigen  dasselbe  Behagen  an  dergleichen. 
Zu  der  Besprechung  einer  solchen  schmutzigen  Oesehichte  zwingt  S, 
weil  er  sie  völlig  verwirrt  und  zugleich  das  Wortspiel,  um  das  es  sich 
dabei  handc^lt,  vernichtet  hat.  Ich  hehandele  diesen  Fall  schon  hier 
und  nicht  im  folgenden  Kapitel,  wo  die  durch  die  Strassburger  Bear- 
beitung verloren  gegangenen  Wortspiele  durchgegangen  werden  sollen, 
weil  an  d(T  fraglichen  Stelle  noch  mehr  der  ursprünglichen  Darstellung 
von  S  misverstanden,  entstellt  und  daher  unverständlich  geworden  ist. 
Es  ist  die  schon  angeführte  Ili.  51,  in  welcher  Eulenspiegel  einen 
Fluch  seines  Meisters  absichtlich  wörtlich  nehmend,  die  hurd,  das  Ge- 
flecht zur  Aufbewahrung  der  Wolle,  in  der  Stube  verunreinigt  hat.  Der 
wüllenwcbcr  fprach:  nim  den  treck  vnd  trag  in  an  ein  ort^  da  in  nientans 


37 

haben  wil.  V.  nimpt  den  treck  vf  einem  (S  1511)  einen)  ftein,  mid  treit 
den  (S  1519  in)  in  die  fpeißJcammer.  Der  Wollenweber  will  ihn  dort 
nicht  haben.  Eulenspiegel  antwortet,  das  wisse  er  wohl;  aber  er 
handele  nach  seinem  Befehl.  Der  wüllinweber  wart  zornig,  vnd  lieff 
zu  dem  ftall,  vnd  wdt  U,  mit  dem  fcheit  an  den  (S  1519  dem  fchyt 
zu  dem)  kopff  werffen.  Da  gieng  U.  zum  hauß  vß.  Der  wüllinweber 
wolt  das  höltz  endlich  (schnell)  ergreiffen^  vnd  befudelt  die  finger  all  zumal, 
da  ließe  er  den  treck  fallen,  vnd  lief  zu  dem  brunnen.  Es  ist  leicht 
einzusehen,  dass  das  Geheiss  des  Meisters  so  doppelsinnig  gelautet 
haben  muss,  dass  U.  es  zu  Auslührung  seiner  Schalkerei  benutzen 
konnte.  Wenn  etwa  stünde:  trag  in  da  enweg,  so  wäre  dazu  ge- 
holfen: zweifache  Beziehung  des  folgenden  relativen  da  (wo),  einmal 
auf  die  Stube  (da)  und  andererseits  auf  einen  beliebigen  anderen  Ort 
(enweg)  würde  dadurch  mögHch.  Allein,  warum  sollte  S  so  leicht 
verständliche  Worte  geändert  haben?  Der  Fehler  muss  anderswo 
stecken.  Man  lese  nd. :  bring  em(e)  over  ord,  wurem(e)  neimandes 
behovet.  Over  ord  bringen  heisst  „bei  Seite  schaffen'^;  ivure,  tvore  ist 
Nebenform  von  wur,  wor  (wo ;  s.  z.  B.  Hänselmann,  Brnschwg.  Chron. 
I,  (JO,  13.  Hänselmann,  Brnschwg.  Beispiele  Nr.  34);  me  statt  men 
(man)  ist  die  bekannte  Inclinationsform,  die  bei  dem  mit  S  gleich- 
zeitigen Braunschweiger  Herman  Bote  sogar  gerne  zu  blossem  m 
abgekniffen  wird^)  (z.  B.  Brnschwg.  Chron.  H,  320,  5  ff.  fcholdem, 
sollte  man;  373,  17  moftem,  musste  mau;  347,  27  wüstem,  wusste 
man;  411,  4  wanem,  als  man);  ein  wurem,  worem  wäre  also  erst  recht 
misverständlich  gewesen;  „Behuf"  und  „behufen"  (=  bedürfen)  sind  keine 
hd.  Wörter,  behoven  musste  demnach  umschrieben  werden.  Der  Ein- 
tritt der  Dativform  em(e)  für  den  Accusativ  en(e)  ist  gegen  Ausgang 
des  15.  Jhdts.  bereits  nicht  selten;  und  ebenso  bietet  der  Nominativ 
neimandes  statt  neimand,  neiman  nichts  auffälliges.  Der  Euphemismus 
des  Meisters  in  der  Bezeichnung  des  Ortes,  wohin  er  U.  weist,  ist 
hinreichend  verständli(!li.  Den  Schluss  der  Geschichte  wird  man  ver- 
stehen, wenn  man  sowohl  für  ftein  als  auch  für  ftall  liest  nd.  ftellekloot 
und  wenn  man  die  Lesart  von  S  1519  fchyt  als  nd.  Synonym  von 
dreck  fasst,  was  schon  der  bestimmte  Artikel  vor  diesem  Substantiv 
verlangt.  Stellklotz  ist  ein  Holzklotz,  dessen  sich  der  Tuchweber 
bedient  zum  Ausspannen  des  Tuches  auf  dem  Tuchrahmen  (ftellerame) ; 
s.  Campe's  Deutsches  Wörterbuch. 

Nachdem  U.  vom  Taschenmacher  sic^h  drei  Taschen  nacheinander 
hat  machen  lassen,  wobei  er  ihm  auf  die  dritte  zwei  Gulden  Handgeld 
gegeben  hatte,  schiesst  er  schliesslich  auch  diese  auf,  si)rechend :  hastu 
guten  kauff,  den  magftu  behalten,  59.  „Gutes  Kaufes"  heisst  billig 
(nd.  godes  oder  gudes  kopes)  und  steht  so  in  Hi.  G5.  Hier  muss 
aber  ganz  etwas  anderes  gemeint  sein,  nemlich  Godeskop,  Gotteskauf, 
(lottesgeld,  eben  das  Handgeld,  das  U.  ihm,  Grossmütigkeit  heuchelnd, 


')  im  Nnd.  gar  zu  n  verdünnt  wird  und  sich  dann  mit  een^   einer  =  man, 
mengt.    Daher  das  häufige  hd.  einer  für  „man*^  in  Norddeutschland. 


38 

lassen  will.  Auch  diese  Historie  läuft  auf  einen  Wortwitz  hinaus, 
den  ich  gleich  hier  mitnehmen  will.  ü.  kann  keine  Tasche  kriegen, 
die  ihm  gross  genug  wäre.  Endlich  giebt  er  den  Grund  an :  dife  defcJh 
die  ir  mir  gemacht  haben,  das  feind  ledige  defchen^  die  feind  mir  nit 
fhüte^  ich  muß  vil  defchen  hahen^  ich  Jcünd  anders  zu  den  lüten  nit  kummen. 
Er  wolle  eine  Tasche,  in  der  stets  zwei  Pfennige  blieben,  wenn  er 
einen  herausnähme,  so  dass  er  nimmer  ohne  Geld  wäre  und  nie  auf 
den  Boden  der  Tasche  greifen  könnte.  Vil  kann  nicht  richtig  sein. 
Man  denkt  zunächst  an  den  Gegensatz  von  ledig  oder  leer,  an  „voll*^. 
Aber  sollte  S  vulle  tafchen  haben  misverstehen  können?  Mit  vü  muss 
ein  anderes,  ungewöhnlicheres  Wort  wiedergegeben  sein.  Ich  vermute 
rive^  was  ;, freigebig,  reichlich,  ergiebig^  bedeutet,  aber  auch  „gehörig, 
hinreichend,  ausgedehnt^  heissen  kann,  weshalb  er  vorher  immer 
grössere  Taschen  gefordert  hat.  Das  Gegenteil  beider  Bedeutungen 
muss  in  ledig  ausgedrückt  sein;  dies  Wort  wird  aber  nur  dem  einen 
Begriffe  gerecht.  So  muss  auch  für  dieses  ein  anderes  Beiwort  da 
gestanden  haben;  nur  weiss  ich  annoch  nicht,  welches. 

Die   schönen  Kontorbretter,   von  denen  schon  die  Rede  gewesen 
ist,  durchbohrt  U.  an  drei  oder  vier  Enden  vnä  fchlug  fie  in  bretblöcher 
vnd  verkydelt   (verkeilte)   die  zu f amen,  62.     S  1519  und  K  haben  bret- 
löcher.     Beides  giebt  keinen  Sinn,   aber  S  1515  leitet  wenigstens  auf 
den  richtigen  nd.  Ausdruck;    vgl.:    de  eadelere  fcolen  ere  zaddbome 
vaße  mit  pluggen  (Pflöcken)  an  den  lym  ßaan,  verlangt  die  Hamburger 
Sattlcrrolle ;   s.  Rüdiger,  Die  Hamburg.  Zunftrollen  S.  91,  11.  —  Als 
der  Hildesheimer  Kaufmann   (Hi.  64)   U.,    seinem  Kutscher,   befohlen 
hat,  vorwärts  zu  fahren  und  sich  nicht  umzusehen,  zach  U,-den  nagel 
vß  dem  landtvagen  und  fuhr  mit  dem  Vordergestell  weg,  während  das 
Hintergestell  stehen  blieb.     Die  Herstellung   der  richtigen  Lesart  hat 
schon  K  vorgenommen,   er   schreibt  lengwagen.      Nd.    heisst  es   lank- 
wagen^   was  die  Glossaro  erklären:    longale,   medianus,   lignum  curiiis 
tusfchen   die   achterfte   rad   vnd   die  vorderfte.     Es  heisst  noch  heute 
so,  auch  langboom,  langtvede,  mhd.  lancwit,  —  Der  Bader  in  Hannover, 
dem  U.  erst  nach    dem  Munde   gesprochen,    dann    aber   die  Badstube 
verunreinigt  hatte,   spricht:   nun  fy  ich  wol,   das  die  tvort  vnd  werck 
nit  alle  gleich  feint;   dein  wort  waren  mir  angenem,   aber  deine  werck 
fein  mir  nit  taulich  (S  1519  da  gleich),  wan  dein  wort  waren  fat,  aber 
deine  werck  ftincken  vbel,  69.     Schon  die  Differenz  zwischen  den  beiden 
Drucken  an  der  einen  Stelle  beweist,  dass  da  ein  Wort  des  Originals 
nicht  richtig  aufgefasst  ist.     Dogelik,  tauglich,  passend,  muss  in  diesem 
gestanden  liaben.     Sat   kann    gleichfalls  nicht  richtig  sein.     Entweder 
ist  es  aus  fachte  oder  aus  foite  entstellt.     Wenn  U.  dann  antwortet: 
ist  das  nit  ein  huß  der  rcinikeit?    ich  het  hinnen  mer  hehilff  dan  vffen, 
ich  wer  fünft  nit  harin  kumen ;  so  braucht  man,  um  den  zweiten  Satz 
herzustellen,    nicht,    wie  Knust   vorschlägt,    ich  glaubt   einzufügen;   es 
wird  wohl  die  Negation  en  vor  het  weggelassen  und   fünft   dafür  ein- 
geflickt sein.     Endlich  wird  der  Bader  zornig:   fo  dan  hie  pflegt  man 
vff  dem  fcheißhuß  ab  zereinigen.      Für  fo   dan   hie   lese  man   das   nd. 
fodanich,  sothanes,  dergleichen. 


39 

In  Hi.  71  heischt  der  Wirt  von  den  zwölf  Blinden  für  Kost  und 
Wohnung  Bezahlung.  Jeder  meint,  ein  andrer  von  ihnen  habe  das 
üeld  dazu  von  U.  empfangen,  bis  sich  herausstellt,  dass  keiner  etwas 
erhalten  hat.  Die  blinden  fugten  vnd  kratzen  (S  1519  kratzten)  die 
köpff,  wan  fie  waren  betrogen.  Es  muss  fachten,  seufzten,  gelesen 
werden.  Weiterhin  heisst  es:  das  fölleftu  teglich  wol  befinden.  Dieser 
Ausdruck  teglich  =  heute  kehrt  wieder  in  Hi.  81,  wo  mit  dem  Gegen- 
satz morn  hinweg  und  teglich  hinweg  gespielt  wird.  „Täglich^  heisst 
stets  quotidie,  aber,  soviel  mir  bekannt,  nie  hodie.  Das  heisst  viel- 
mehr mhd.  tagelanc,  talanc,  welches  Wort  jedoch  um  1500  schon  obfolet 
gewesen  zu  sein  scheint.  Ich  möchte  auch  einigen  Zweifel  hegen, 
dass  morn  damals  noch  obrd.  für  morgen  üblich  gewesen  sei.  Doch 
weiss  ich  es  nicht  bestimmt.  Jedenfalls  sind  aber  im  16.  Jhdt.  dalling^ 
daling  und  morne,  morn  noch  gut  nd.  Wörter;  und  daher  wird  S 
dieselben  haben,  das  eine  freilich  in  Entstellung  oder  vielmehr  dui'ch 
ein  ähnlich  lautendes  mit  anderer  Bedeutung  ersetzt.  —  Hi.  74  will 
der  Meister  U.  wegen  des  verübten  Schadens  nicht  gleich  gehen  lassen, 
wann  er  dorfft  fein,  vnd  gedacht:  wan  ich  das  mein  beffern  kan^  fo  wü 
ich  das  wd  mit  im  finden^  vnd  im  das  abrechen  an  feinem  Ion,  Ich 
möchte  glauben,  dass  men  (nur)  einen  bessern  Sinn  gäbe,  als  mein. 
Das  Gleiche  meine  ich  von  vufte  statt  vafte  in  U.'s  Gedankenrede 
(Hi.  76):  wil  fie  faft  kummen^  fo  würt  nit  lang  hie  etwas  bleiben.  Auch 
scheint  gerecht  aus  gereed  (fertig,  bereit)  entstellt  in:  ee  die  koß  gerecht 
ward,  80 ;  und  das  ward  feiner  mutet  kunt  gethon,  das  er  kranck  was,  die 
was  bald  gerecht  vnd  kam  zu  im,  90.  Endlich  würde  sich  der  be- 
fremdliche Ausdruck  geben  mir  (dem  Priester)  fdich  gelt,  ich  weit  das 
beftellen,  das  ir  fallen  in  eer  gots  kumen  92  leicht  verbessern  lassen, 
wenn  man  annehmen  dürfte,  dass  im  Original  zu  lesen  gewesen  wäre : 
dat  it  fchde  in  Godes  ere  kamen, 

Reich  an  Misverständnissen,  worauf  Goedeke  aufmerksam  gemacht 
hat,  ist  Hi.  78.  Kautleute  entschuldigen  sich  bei  ihrem  Gastwirt  in 
Eisleben,  dass  sie  so  spät  kämen,  damit,  dass  ihnen  ein  Wolf  viel 
Leids  gethan  habe:  der  bekam  vns  alfo  in  de  müt  (S  1519  in  dem 
mut),  das  wir  vnß  mit  im  fchlagen  müftcn.  K  ändert:  tzo  gemüet. 
Er  wird  es  folglich  recht  verstanden  haben,  denn  dat  gemote  ist  das- 
selbe, was  de  mote,  moite.  In  oder  an  de  moite  körnen  heisst  aber 
auf  ndd.  „zur  Begegnung  kommen,  begegnen,  aufstossen".  Der  Wirt 
prahlt:  wan  im  ^  wölff  im  moß  bekemen  (K:  gemüeten,  also  wieder 
richtig  verstanden),  die  wolt  er  fchlagen.  Hier  sucht  S  also  sich  das 
Fremdwort  durch  mos,  Moor,  verständlich  zu  machen.  Zum  Abschied 
höhnt  er  die  Kaufleute:  fehen  m,  das  vch  kein  ivolff  in  der  wißen  (S  1519 
wifen)  bekum,  S  variiert  also  hier,  wie  es  scheint,  und  nachher  noch 
einmal  mit  dem  Ausdruck,  indem  er  „Wiese^  statt  „Moos^  setzt;  das 
war  dem  vorsichtigen  Kruffter  doch  bedenklich,  er  hilft  sich  beidemale 
mit  alfo.  Doch  will  ich  nicht  unterlassen  zu  erwähnen,  dass  im  Süden 
von  P^isleben,  in  welcher  Richtung  die  nach  Nürnberg  ziehenden  Kauf- 
leute ihre  Reise  fortsetzen,  ein  Plateau  liegt,  die  sog.  Wüste.  Mög- 
licherweise  mag    demnach  S   seine   ^Wiese*^    daraus    gemacht   haben. 


40 

Während  der  Zeit,  dass  die  KauHeute  unterwegs  sind,  da  reit  IT.  vff 
die  hart  vnd  fielt  den  tcöl/f'en.  Die  Ortsbezeichnung  l'asst  Keller  iu 
Pfeiffer's  Germania  XII,  \)\)  als  Wald.  Dass  S  das  gemeint  hat,  daran 
ist  nicht  zu  zweifeln,  weil  er  das  Wort  mit  weiblichem  Artikel  ge- 
brauclit.  So  verstand  seine  Worte  auch  K,  der  dafür  hat  in  den  tcalt. 
Eine  ganz  andere  Sache  ist  es  aber,  w^nn  Keller  behauptet,  an  den 
Harz  sei  gar  nicht  zu  denken.  Im  Gegenteil.  Im  Ostfalischcn,  w« 
wir  die  Abfassung  des  Volksbuches  und  speciel  dieser  Geschichte  78 
suchen  müssen,  und  im  Südsächsischen  ^)  oder  Mansfeldischen,  wo  die 
Geschichte  spielt,  bestand  aber,  soweit  die  Sprachdenkmäler  Zeugnis 
ablegen,  kein  Appellativ  Imrt  mehr.  Es  miLss  als  Eigenname  gefasst 
werden,  und  da  bietet  sich  kein  anderer  dar,  als  der  des  Harzes, 
nd.  des  Hartes.  U.  hatte  nicht  allein  Zeit  genug,  bis  die  Kaufleute 
von  Nürnberg  zurückkamen ;  er  hatte  auch  mehr  Aussicht  auf  einen 
Fang  im  Harzgebirge;  und  endlich  zwang  ihn  die  Ueberlegung,  etwas 
in  die  Ferne  zu  ziclien:  ein  im  Mansfeldischen  erbeuteter  Wolf  hätte 
leicht  dem  Wirt  zur  Kunde  kommen  und  sein  schlauer  Plan,  den  Wirt 
mit  dem  toten  als  einem  lebenden  Wolf  zu  schrecken,  dadurch  vereitelt 
werden  können.  U.  packt  den  Wolf  in  den  vndern  fach  (S  1519 
vnderfack^  K  in  einen  fach)  vnd  reit  wider  gen  Ißleuen,  Man  lese 
einfach  vuder-  oder  voderfack^  Futtersack,  so  ist  die  Darstellung  klar. 
Zum  Schluss  schämt  sich  der  Wirt,  das  in  ein  tod  wölff  vnd  alle  fein 
gefind  (S  1519  alle  gofind)  verfürt  (K  verjagt)  het,  Audi  ohne  Kruffter's 
einsichtige  Aenderung  lässt  sich  verfürt  ohne  Schwierigkeit  auf  das 
nd.  vorveert^  erschreckt,  zurückführen.  Alle  fein  gefind  und  alle  gefind 
ist  ebensowenig  hd. ;  es  müsste  nl  fein  gefind  oder  alles  fein  g,  und 
alles  g,  heissen.  Als  üwer  gefind  hat  S  1515  eben  vorher,  wo  S  1519 
gleichfalls  alle  euwere  gefind^  was  doppelt  falsch  ist,  denn  es  giebt  nur 
ein  starkes  Collectivueutrum  das  gefinde^  das  ohne  Plural  ist,  und  ein 
schwaches  Masculin  der  gefinde,  Dienstbote.  Oifenbar  geht  die  Lesart 
von  S  1519  auf  das  nd.  Neutrum  alle  juive  gefinde  zurück.  Im  Ndd. 
kann  nemlich  vor  Artikel,  Pronomina  und  Adjectiven  die  Form  alle 
ebenso  gut  stehen  wie  a?,  ja  ist  fast  häufiger,  und  zwar  ohne  Rücksicht 
auf  Genus,  Niunerus  und  Casus. 

In  Hi.  87  schlägt  eine  Töi)fersfrau  auf  dem  Markte  zu  Bremen, 
weil  U.  ihren  Kram  vorher  bezahlt  hat,  auf  seinen  Wink  alle  ihre 
Töpfe  entzwei.  Der  Erzbischof,  der  von  U.  die  einfache  Lösung  dieses 
Zaubers  erfahren  hat,  benutzt  das,  um  seine  Ministerialen  zu  schröpfen. 
Sie  müssen  ihm  jeder  einen  fetten  Ochsen  verehren,  ehe  er  ihre  Neu- 
gierde, wie  U.  das  zuwege  gebracht  habe,  stillt.  Als  sie  erfahren, 
wie  das  zugegangen  sei,  reut  sie  ihre  Torheit,  soviel  für  diese  Auf- 
klärung geopiert  zu  haben:  funder  fie  miegt  (bekümmerte)  nit  fo  fer 
in  dem,  dann  (als  vielmehr)  das  fie  fo  groß  doren  weren,  das  fie  ir 
ochfen  für  die  kunft  hctten  geben,   vnd  was  ein  foliche  wackelig.     Lap- 

*)  im  Eulciispiejrel  freilich  wird  diese  Gegend  Ili.  30  und  78  ftilscliUch  zu 
Thüringen  gerechnet,  weil  die  Einwohner  im  15.  Jhdt  mitteldeutsche  Sprache  an- 
genommen hatten. 


41 

penberg  koiijiciert  wanl'lüi)v^  Knust  ivankeUihf.  Allein  weder  werden 
die  Diener  sich  erkühnt  haben,  den  Bischof  der  Lüge  zu  zeihen,  noch 
war  es  überhaupt  eine  Lüge,  was  er  ihnen  gesagt  hatte.  Icli  habe 
früher  an  tvimpeltöge,  wispeltöge,  Flause,  Rank,  gedacht;  aber  eine 
andere  Emendation  liegt  nälier:  entweder  feldt  fache  und  für  wackeliff 
ist  nd.  mackiiik  (einfach,  leiclit)  zu  lesen:  utide  was  (doch)  fulk 
mackelike  fake;  oder  noch  einfacher:  unde  was  fo  tnackelich^  da  das 
Suffix  lik  um  1500  auch  schon  in  der  erleichterten  Foim  lieh  ge- 
bräuclilich  war. 

In  Hi.  1)3  macht  U.  sein  Testament:  vnd  an  fier  wachen  falten 
fy  c'mhellich  die  fchon  kift,  die  er  inen  anzeigt  mit  kofilichen  fchlüffelen 
tvol  bewart,  vnd  fie  tver  noch  vff  zu  fchließen,  das  ien  das  darin  wer, 
mit  einander  teilen,  vnd  ete,  Lappenberg  möchte  lesen:  wa  [besser 
wäre  wan,  dennj  fie  wer  noch  su,  vfffchließen.  Dass  die  Kiste  zu  war, 
werden  sie  wolil  gesehen  haben,  als  U.  sie  ihnen  zeigte :  wozu  brauchte 
er  das  noch  ausdrücklich  ins  Testament  zu  setzen?  Ich  möchte  eher 
annehmen,  dass  Ö  mit  nd.  wecr  =  weder  (weder)  nicht  hat  fertig 
werden  können.  Man  h^se  nd. :  unde  an  vcir  weken  fcholden  fe  ein- 
d recht liken  de  fchonefn?]  keften,  de  he  one  antogede  mit  koftcl(ik)en 
flöteten,  wol  bewaren  unde  fe  wecr  uppe  noch  to  ßuten  etc.,  d.  h.  sich 
überall  nichts  mit  den  Schlössern  zu  schaften  machen. 

Betreffs  einer  Stelle  bin  ich  nicht  zu  sicherem  Resultat  gekommen, 
ob  ein  nd.  Wort  noch  zu  erkennen  ist.  Nachdem  U.  die  Senfkruke 
aus  dem  Keller  geholt  hat,  richtet  der  Koch  in  faß  fchüffelin  den 
fenffan  vnd  fchickt  (S  löl!)  setzt  hinzu:  das)  zu  tifch,  10.  Lappenberg 
will  das  für  faß  lesen.  Aber  es  hätte  dem  oder  vielmehr  einem  heissen 
müssen.  K  hat  das  fragliche  Wort  als  Druckfehler  für  sechs  genommen: 
in  .fvß  dobbelletger.  Schwerlich  richtig;  denn  die  Zahl  der  Schüsseln 
ist  ganz  gleichgültig,  weshalb  auch  nicht  die  Zahl  der  Personen,  die 
dem  Gastmale  beiwohnten,  angegeben  ist.  Sollte  faß  etwa  ein  stehen 
gebliebenes  Fragment  von  faifcerken,  dem  Deminutiv  von  falfeer,  Brüh- 
schüssel, Sauciere,  sein?  Das  Deminutiv  bezeichnete  vornehmlich 
Essignapf,  Senfschüssel.    Schüß'elin  wäre  dann  Zusatz  des  Strassburgers. 

Lappenberg  hat  noch  ein  Misverständnis  eines  ndd.  Ausdruckes 
in  Hi.  4G  gefunden,  was  ich  nicht  zugeben  kann:  kalck  oder,  nach 
S  1511),  kalch  soll  aus  talg  verderbt  sein.  Aber  U.  verkauft  dem 
Schuhmacher  nach  der  Darstellung  sechs  Tonnen  Kalk  und  sechs 
Tonnen  koken  fchnaltz.  Und  Kalk  wird  indertat  zur  Bereitung  nicht 
bloss  der  Pelze  (vgl.  Hi.  52,  53),  sondern  auch  des  Sdmhleders  (vgl. 
gekalket  ledder  in  der  Hamburger  Schuhmacherrolle  a.  1434,  bei  Rüdiger 
S.  280)  gebraucht.  Im  Mittelalter,  wo  die  Schuster  selbst  ihr  Leder 
zu  gerben  pflegten,  l)edurften  sie  sicher  des  Kalkes.  Koken  fchmaltz 
lässt  eine  doppelte  Erkläioing  zu.  PiUt weder  kann  es  „  Küchenschmalz ^ 
heissen  (so  hat  K  es  aufgefasst),  oder  hök  ist  oberdeutsche  Form  für 
keck  oder  queck  im  Sinne  von  ^Hüssig".  Letzteres  ist  anzunehmen; 
denn  Küchenschmalz  wäre  eine  ungeschickte,  ist  auch  sonst  eine  un- 
belegbare  Wortbildung;    und  jedenfalls  kann  im  Nd.  nicht  kökenfmolt 


42 

gestanden  haben,  da  es  in  dieser  Spruehe  zur  Bezeidinung  der  ver- 
schiedenen Fettarten  genug  Ausdrücke  gab,  wie  trän,  talch,  fmer^  vet. 
Das  erste  Wort  wird,  weil  obrd.  unbekannt,  in  Hi.'  44  durch  ßfch- 
feißte,  fifchfchmaltß,  feeftfchfchmalte  umschrie])en.  Karrenfalbe  64,  bei 
K  karrenfmer,  ist  tcagensmer.  Bei  Tcöh  fchmalte  hat  man  die  Wahl 
zwischen  Talg  und  Schmer ;  doch  spricht  das  Adjectiv  für  das  letztere. 
So  hat  auch  K  sein  hücheiifnialtz  verstanden,  denn  in  der  Ueberschrift 
der  Historie  setzt  er  zu  dem  kalk  von  S  noch  fmer  hinzu.  Offenbar 
hat  Lappenberg  die  Nicjhterwähnung  des  Schmeres  im  Titel  zu  seiner 
Konjektur  bewogen;  allein  es  hat  sich  schon  oben  gezeigt,  dass  auf 
diese  Inhaltsangaben  der  Historien  nicht  allzuviel  Gewicht  zu  legen  ist. 

Wortspiele  und  Witzreden. 

Ein  ganz  besonders  wichtiges  Moment  iiir  die  Frage,  ob  das 
Volksbuch  ursprünglich  nd.  war,  muss  man  in  den  Wortwitzen  des- 
selben erkennen.  Die  meisten  der  Schwanke  laufen  auf  Wortklauberei 
hinaus.  Eine  Anzahl  derselben  haben  ihre  Spitze  und  damit  ilire 
Verständlichkeit  bei  der  Uebertragung  ins  Hd.  eingebüsst.  Seit  bald 
vierhundert  Jahren  behilft  sich  die  Welt  mit  dem  Dichtwerk,  welches, 
wie  in  dem  Masse  nur  wenig  andere,  auf  l)opi)elsinn  des  Ausdrucks 
und  auf  Wortspielen  beruht,  in  einer  Redaction,  welche  manchen 
Historien  jillen  Witz  geraubt  hat.  Das  hat  mit  bewirkt,  dass  der 
Held  des  Romans  dann  nicht  in  der  Gestalt  erscheint,  wie  ihn  der 
Verfasser  sich  gedacht  hat,  nemlich  nicht  als  kurzweiliger,  sinnreicher 
Schalk,  dem  ein  Witz  und  Wortspiel  über  alles  geht,  dem  derlei 
Scherze  so  nötig  sind  wie  dem  Fisch  das  Wasser,  sodass  er  sich  ihrer 
selbst  angesichts  des  Todes  nicht  zu  enthalten  vermag,  sondern  dass 
er  vielmehr  bald  als  unverschämter  Hanswurst,  bald  als  schadenfroher 
Schurke,  der  ohne  alle  Veranlassung  seine  Mitmenschen  peinigt,  sich 
darstellt.  Simrock's  Neubearbeitung  hat  in  dieser  Beziehung  nichts 
geändert.  Wie  er  nicht  selten  die  offenbarsten  Verderbnisse  von  S, 
von  denen  oben  gehandelt  worden  ist,  beibehalten  hat,  so  hat  er  des- 
gleichen die  ursprüngliche  Pointe,  wo  sie  verloren  g(»gangen  war,  nicht 
wiederhergestellt.  Freilich  war  das  auch  in  den  meisten  Fällen  in 
hd.  Sprache  gar  nicht  möglich,  weil  der  Witz  sich  im  Gleichklang 
nd.  Wörter  barg.  In  der  Mehrzahl  der  Erzählungen  liegt  allerdings 
die  Doppelsinnigkeit  klar  zutage.  In  anderen  lässt  sie  sich  mit  einiger 
Aufmerksamkeit  leicht  entdecken,  wie  dass  Hi.  1  ;, taufen*',  Hi.  30 
^waschen^^,  Hi.  (U)  ^mit  sich  nehmen^  in  zwiefacher  Bedeutung  ge- 
braucht wird.  Dann  bleiben  aber  immer  noch  manche  Witze  und 
Schwanke,  die  allein  aus  dem  Nd.  zu  verstehen  sind.  Von  denselben 
sind  ein  paar  bereits  besprochen. 

Ein  solches  Wortspiel  hat  sich  der  Verfasser  selbst  erlaubt,  wenn 
er  von  ü.  in  Hi.  4  sagt,  er  habe,  weil  er  die  Rache  der  angeführten 
Bauern  fürchten  musste,  zu  Haus  bei  seiner  Mutter  gesessen  und 
Helmstedtische  Schuhe  geflickt.  Dass  damit  ausgedrückt  sein  soll,  er 
sei  für  einen  Helmstedtcr  SchuhHicker  beschäftigt  gewesen,  braucht 
niemand  Lappenberg   zu   glauben.     Wie    hätte    ihn    denn    (Hi.  5)    die 


43 

Mutter  strafen  dürfen,  dass  er  kein  Handwerk  lernen  wollte.  Nein, 
die  Redensart  gehört  zu  den  scherzhaften  Umschreibungen  eines  Zeit- 
worts durch  einen  ähnlich  lautenden  Ortsnamen,  wie  man  z.  B.  einen, 
der  gerne  nimmt,  aus  Nemerow,  einen  zudringlichen  Menschen  aus 
Anklam  gebürtig  sein  lässt.  Wackernagel  nennt  diese  Sprachwendungen 
geographische  Allegorik.  Ueber  sprichwörtliche  Redeweisen  dieser  Art 
hat  Latendorf  mehrfach  gehandelt.  Die  in  Rede  stehende  wird  be- 
deuten „sich  hehlen,  sich  zu  Haus  halten,  sich  verstecken^.  Der 
AusdiTick  kann  nur  in  der  Nachbarschaft  von  Helmstedt  entstanden 
und  allgemein  verständlich  gewesen  sein.  In  Strassburg  ist  er  sicher 
so  wenig  üblich  gewesen,  als  der  Name  der  massig  grossen  Stadt  und 
der  Ruf  ihres  Hauptgewerbes,  nach  welchem  eine  Kapelle  die  Schuster- 
kirche hiess,  dahin  gedningen  sein  werden. 

In  der  Hi.  20  schlägt  U.  dem  Bäcker,  dessen  Mehl  er  auf  den 
Hof  gesichtet  und  so  die  Zeit  des  Teigmachens  verpasst  hat,  vor,  den 
fertigen  Teig  aus  des  Nachbars  Haus  zu  holen  und  dafür  das  eigene 
Mehl  hinzutragen.  Der  Meister  gerät  über  diesen  Vorschlag  in  be- 
rechtigten Zorn:  du  will  den  tüffd  holen,  gang  an  galgen  vnd  hol  dieb 
haryn  (S  1519  gang  du  fchalk  an  galgen,  vnd  hol  dieb  hur  ein,  vfid  laß 
mir  des  nachburen  deik  ligen).  Dass  der  Meister  im  gerechten  Unwillen 
den,  ihm  solches  zumutenden  Gesellen  an  den  Galgen  wünscht,  ist 
natürlich.  Aber  warum  setzt  er  die  Worte  hol  dieb  hinzu?  die  noch 
dazu  für  das  Andengalgengehen  einen  ganz  anderen  als  den  gewöhn- 
lichen bedingen.  Warum  sagt  er  nicht:  diebe  oder  einen  Dieb?  Die 
Antwort  wird  sich  jeder  selbst  geben,  wenn  er  an  den  ähnlichen  Klang 
von  deech  und  derf  oder  deich  und  deif  denkt.  Der  Bäcker  muss 
deech  oder  deich  gesagt  haben,  was  U.,  weil  man  vom  Galgen  keinen 
Teig  holen  kann,  sich  stellend,  als  sei  der  Ausruf  des  Herrn  kein 
Fluch,  sondern  ein  Befehl,  auf  das  deutet,  was  sich  vom  Galgen  einzig 
bringen  lässt.  In  jedem  anderen  deutschen  Dialekt  wären  das  für  die 
Situation  so  passende  Wortspiel  und  der  sich  daran  knüpfende  Schwank 
unmöglich  gewesen.  Selbst  Kruflfter  wäre  das  nicht  mit  deich  und 
dief  geglückt;  aber  eine  Ahnung  scheint  er  gehabt  zu  haben,  nemlich 
dass  der  Fluch  eben  Fluch  sein  müsse;  er  kürzt  darum:  wiltu  den 
duvel  holen?    ganck  an  galgen  vnd  hoil  dieff! 

Als  U.  in  Hi.  31)  den  Rostocker  Schmied  gereizt  hat,  spricht 
der  im  Aerger  ähnlich:  gang  mir  dobcn  vß  dem  (S  1519  meinem)  huß, 
du  verzweifelter  fchalck;  worauf  U.  über  den  Boden  und  das  aufge- 
brochene Dach  das  Haus  verlässt.  Dohen  ist  zusammengezogen  aus 
da  oben.  Unmöglich  können  das  die  Worte  des  Meisters  gewesen  sein. 
K  sieht  das  ein  und  hilft  taliter  qualiter:  ganck  up  dat  huiß!  was 
einen  Fluch  vorstellen  soll.  Es  handelt  sich  aber  um  ein  Spiel  mit 
boven  (mit  kurzem  o:  oben)  und  boven  (mit  langem  o:  Buben).  Im 
Zusammenhange  stand  ^Buben"  etwa  so:  Der  Meister  ward  zornig 
und  sprach  zu  ihm,  dass  er  das  Bett  w^ieder  hin  trüge,  wo  er  es  ge- 
nommen hätte,  und  sprach  fürder  zu  ihm  in  liastigem  Mute:  und  dann 
mit  dir  Buben  aus  dem  Haus !    du  verzweifelter  Schalk ! 

In  Hi.  47  nimmt  U.  statt   des  Hopfens   den  Hund   des  Brauers, 


44 

weil  der  II und  Hopf  \uess,  zur  Maisehe  und  siedet  ihn  zu  Tode.  Hier 
erseheint  der  Name  bloss  deshalb  gesehaften,  damit  der  Schwank 
möfjich  werde.  Ein  solcher  Witz  ist  schal  und  ohne  Salz.  Ganx 
anders  aber,  wenn  der  Sprachgebrauch  durch  Paronoraasie  einen  Witz 
vorbereitet  hat;  wird  der  dann  in  die  Tat  umgesetzt,  so  ist  ein  er- 
götzlicher Sehwank  fertig.  Und  ein  solcher  Fall  liegt  in  dieser  F^r- 
zählung  hinter  der  Darstellung  in  S  verborgen.  Im  Braunschweigiscben 
Dialekte  gab  es  ein  Synonym  von  hoppe^  Hopfen,  nemlich  ein  schwaches 
Feminin  rörfe,  worauf  Hänselmann  im  2.  Bde.  seiner  Braunschweig. 
Chroniken  im  Glossar  zuerst  aufmerksam  gemacht  hat.  Man  vgl.  die 
Stellen  dasell)st  und  ferner  bei  Ilänselmann,  Braunsclnv.  ÜB.  I,  S. 
Hl)  f.  02.  135.  Ib4.  Ks  scheint  der  Ausdruck  auf  den  Zapfenhoj)fen, 
lupidus  femina,  und  seine  Frucht  beschränkt  gewesen  zu  sein.  Viel- 
leicht beruht  der  hd.  botanische  Name  „Läufer^  auf  derselben  Vor- 
stellung und  mag  das  nd.  Wort  dasselbe  sein,  w^as  als  schwaclies 
Masculin  rode  (Rüde),  ein  Synonym  von  „Hund",  allgemein  ver- 
breitet und  üblich  ist.  Diese  Hi.  47  zeugt  durch  das  Wortspiel  un- 
widersprechlich  für  den  Braunscliweigischen  Ursprung  des  Volksbuches. 

Wenn  U.  dem  Hildesheimer  Kaufmann  in  Hi.  64,  der  ihn  auf 
dem  Felde  liegend  traf,  auf  die  Frage,  was  er  wäre,  mit  verdechter 
fchalchheit  viid  kliif/lichen  antwurt,  er  wer  ein  kuchcnhmb  vnd  het  keinen 
dievfi^  so  ist  nicht  einzusehen,  wie  in  diesem  Bescheide  die  Schalkheit 
und  Klugheit  U.'s  sich  kundgiebt.  Freilich  hat  ^ Küchenbube''  auch 
die  Nebenbedeutung  von  „Schmarotzer'^.  Als  solcher  erweist  sich 
aber  U.  in  der  Historie  nicht.  Nehmen  wir  an,  dass  er  mit  neuer 
Wortlnidung  kokdhnecht  oder  'hmpe  sagte  und  damit  einen  (iaukler, 
Possenreisser  meinte,  während  der  Kaufmann  dies  als  das  gewiihnliche 
Wort  kokel-  oder  kbke7iknecht  (Koch-  oder  Küchenknecht)  verstand, 
so  ist  die  Schalkheit  klar.  Dass  U.,  dann  nach  seinem  Namen  gefragt, 
grade  Bartholomäus  wählt,  mag  auch  noch  einen  anderen  (iiiind 
lui))en,  als  den  auf  der  Hand  liegenden  und  im  Buche  durch  die 
syllabierende  Schreibung  liartho  .  lo  .  me  .  us  angedeuteten,  den  Kauf- 
mann durch  einen  recht  langen  ausländischen  Namen  zu  äffen;  es  ist 
mir  aber  nicht  gelungen,  den  Grund  und  die  Anspielung  zu  entdecken. 

Lappenberg  wundert  sich,  weslialb  Hi.  07  ins  Volksbuch  ge- 
kommen sei,  da  hier  U.  der  Gefoppte  ist  und  nicht,  wie  sonst,  der 
Hänselnde.  Die  Ursaclie  gab  dem  mit  Worten  gar  zu  gerne  spielenden 
Verfasser  ein  Ausdruck,  der  zweierlei  Bedeutungen  hatte.  Diese  Vor- 
liebe für  Wortspiele  hat  ihn  hier  sogar  dazu  geführt,  ausnahmsweise 
eine  obscoene  (ieschichte  aufzunehmen,  was  man  freilich  aus  S  nicht 
erkennen  kann,  da  die  Ueliersetzung  defch  (Tasche)  die  Zote  und  den 
Witz  beseitigt  hat.  Im  Urtext  muss  rantze,  ranße  gestanden  haben 
odcT  das  davon  abgeleitete  rantsel,  rentzel.  Beide  Wörter  bedeuten 
nicht  nur  Tasche,  scmdern  auch  vulva:  vgl.  Germania  XXL  65,  \), 
Sowohl  das  einfache  Ap])ellativ  als  auch  die  Zusammensetzung  mit 
dem  Adjectiv  sind  nicht  ganz  selten  als  Namen  von  Wirtshäusern  auf 
dem  Lande. 


45 

Hi.  69  schildert  einen  närrischen  Bader,  der  nicht  leiden  konnte, 
dass  man  seine  Badstube  so  nannte,  sondern  der  wollte,  man  sollte 
Ueinhaus,  Haus  der  Reinigung  oder  Reinlichkeit  sagen,  trau  der  ftouh 
Ist  in  der  fonnen,  vnä  ift  auch  in  der  erden^  i7i  der  eschen  (Asche)  vnd 
in  dem  fand.  Lapponberg  meint,  diese  Bemerkung  sei  unverständlich ; 
vermutlich  sei  eine  vorhergehende  Zeile  weggefallen,  obschon  die  Stelle 
ebenso  in  den  übrigen  älteren  Ausgaben  laute;  neuere  hätten  sie 
zweckmässig  weggelassen,  und,  füge  ich  hinzu,  haben  damit  den, 
fn^ilich  in  S,  weil  im  Hd.  nicht  wieder  zu  gebenden,  bereits  ver- 
dunkelten Wortwitz  beseitigt,  aus  dem  die  ganze  Erzählung  geflossen 
ist.  Nicht  unmöglich  ist,  dass  wirklich  einmal  ein  Bader  in  Hannover 
oder  sonstwo  gelebt  hat,  der  jene  Grille  gefasst  hatte;  denn  die  nd. 
Wörter  stove^  fmdftovc  und  erst  recht  ftofhuSj  wie  die  Badstube  in  den 
Cioslarer  Statuten  heisst,  konnten  sehr  gut  einem  eitlen  Badstübner 
als  Scheingrund  dienen  für  seinen  Wunsch,  sein  Gewerbe  und  seine 
Werkstatt  mit  prunkvollerem  Namen  zu  belegen.  Ein  hd.  Bader  hätte 
auf  die  Ableitung  jener  W^irter  von  ftauh  nicht  geraten  können.  Im  Ndd. 
heisst  Staub  aber  ftof  (im  Genitiv  ftoves).  So  wird  durch  Rücküber- 
setzung die  Erzählung  erst  verständlich,  und  der  Annahme  einer  Lücke 
bedarf  es  nicht. 

Als  U.  auf  den  Tod  liegt  (Hi.  00),  reist  seine  Mutter  zu  ihm. 
Sie  spricht:  Mein  lieber  ftm,  wa  hißu  Icranck?  IL  fpraeh:  liehe  niufcr, 
hie  zwüfehen  der  leisten  vnd  der  wand.  Ach!  Jieher  fun^  fprich  mir 
noch  zu  ein  [ues  wort.  U.  fpraeh:  liehe  müter^  honirj  das  ist  ein  fiiß 
Irut.  In  welcher  Weise  U.  den  Ausdruck  „süsses  Wort"  absichtlich 
fiilsch  versteht,  ist  deutlich,  und  an  diesem  Witz  könnte  man  sich 
genügen  lassen.  Ich  meine  aber,  dass,  wie  die  erste  Antwort'  auf  die 
Frage,  wenngleich  nicht  völlig  reimt,  so  auch  das  der  Fall  gewesen 
sei  mit  der  zweiten  Frage  und  Antwort.  Die  Herstellung  ist  durch 
Einsetzung  des  Synonyms  von  Kraut  in  ndd.  Gestalt  leicht  bewerk- 
stelligt: wort  (Würz,  Gewürz).  Zugleich  haben  wir  dann  ein  Wortspiel 
mit  Word  und  wort.  Von  den  beiden  folgenden  Entgegnungen  fl.'s 
nuichte  ich  ebenfalls  mutmassen,  dass  sie  in  Reimen  waren  oder  Wort- 
spiele enthielten;  nur  weiss  ich  aus  der  Ueberlieferung  von  S  nichts 
sicheres  zu  gewinnen. 

Reimverse. 

Die  Hi.  90  hat  uns  mit  einer  anderen  Eigentümlichkeit  des 
Volksbuches  bekannt  gemacht,  dass  nendich  sich  gereimte  Verse  in 
ihm  linden.  Bei  der  Hi.  41  ist  das  längst  erkannt  und  Lappenberg 
hat  auch  drei  der  vier  Reden  U.'s  in  dieser  Geschichte  als  Verse 
drucken  lassen.  Der  vierte  Reimspruch  ist  in  dem  Masse  durch  S 
verändert,  dass  seine  Wiederherstellung  unmöglich  scheint.  Der  dritte 
ist  intact  geblieben.  Er  ist  vielleicht  entlehnt,  doch  habe  ich  ihn  an 
den  Stellen  der  mhd.  Litteratur,  in  denen  sonst  dieselbe  Redensart 
nicht  vifch  um  an  den  grat,  d.  h.  nicht  vollkommen,  vorkommt,  nicht 
finden  können.     Aus  dem  Hd.  muss  er  stammen,    da   mnd.  die  Gräte 


46 

grade  (fem.)  heisst  und  nicht,   wie  im  Mhd.   der  gral,     Uebrigens   ist 

die    bezügliche  Redensart   auch  mnd. :    he  en   is   nicht   vifch  uppe   de 

graden;    (Wehrmann)    Lübeck.    ÜB.    IX    S.    021.      Die    beiden    ersten 

Sprüche  lassen  sich  leicht  wieder  herstellen.    Der  erste  würde  nd.  lauten : 

loan  gy  hebhen  yfern  unde  kol 
unde  wind  in  dem  balge  hol, 
fo  k^ne  gy  fmyden  tool. 

Kol  als  CoUectiv  ist  ganz  f^ewöhnlich  im  Mnd.;  und  das  näch- 
gesetzte Adjectiv  in  der  zweiten  Zeile  nuiss  i'cgelrecht  unflectiert 
bleiben.  In  dem  zweiten  ist  das,  im  Mndd.  ganz  gewöhnliche  kunipau 
für  gefcl  einzusetzen.  S  war  das  Wort  ungeläufig,  wie  man  aus  dem 
Schwanken  der  beiden  Drucke  zwischen  cumpamen,  companie^},  com- 
patiion,  Company  in  Hi.  27.  39.  64  merkt.  Lappenberg  hält  dafür, 
dass  diese  vier  Sprüche  durch  ihre  Obertlächlichkeit  komisch  werden. 
Aber  es  werden  zum  Teil  Zoten  darin  enthalten  sein,  was  beim  vierten 
deutlich  genug  ist.  Haupt  hat  auch  den  zweiten  als  im  Liedersaal 
von  Lassberg  III,  205  so  verwendet  nachgewiesen;  s.  seine  Ztschr. 
XV,  266. 

An  die  gereimte  Grabschrift  U.'s  erinnere  ich  hier  bloss.  Aber 
auch  sonst  kommen  hie  und  da  Reimverse  vor.  Der  Verfasser  scheint 
gerne  Reden  so  eingekleidet  zu  haben.  Manche  liegen  in  S  noch  er- 
kennbar vor;  so  z.  B.  in  der  Rede  des  Landgrafen  am  Schluss  von 
Hi.  27 :  Nun  fehen  wir  wol^  das  wir  betrogen  feint ^  vnd  mit  Uleufpiegcl 
hon  ich  mich  nie  bcJcümcrn  wollen,  nochdan  ist  er  eu  vns  kumcn ;  dorh 
die  zwei  hundert  gülden  wollen  wir  tcol  verdulden y  fo  er  dennocht  fin 
fchalck  mus  bleiben,  vnd  muß  darumb  vnfer  fürftcnthom  meiden,  Ndd. 
könnte  en  gelautet  haben: 

Nu  feie  wy  dat  wol  in, 

d(U  \mf  hedrogen  fyn. 

Mit  IJlenfpcigel  wolde  ik  my  in\  beiceren^ 

nochdan  dede  he  to  uns  keren; 

doch  de  twee  hundert  gülden 

Wille  wy  wol  verdulden, 

fo  he  dannoch  ein  fchalk  mot  bliven 

unde  darumme  unfen  vorftendom  miden. 

Ein  altes  Sprichwort  in  Reim  ist  verwendet  Hi.  34: 

Gang  geen  Born  f rummer  man; 
kum  herwider  nequam. 

(vgl.  Dat  nye  schip  van  Narragonien,  hrsg.  v.  C.  Schröder,  4453.) 

Hi.   59:  aber  die  groffe  defch,  die  ich  meine  (S  1519  meint), 
(das  iß  dife  defch  nit,  ich  iüil  ir  auch  nit,) 
fie  ist  noch  rw  c/ciw, 

WO  die  alte  volle  Form  deine  einzusetzen  ist. 

In  lli.  69  spricht  U.  heim  Eintritt  in  die  Badstube: 

Oot  grüß  vch,  her  vnd  euwer  husgefind  (S  1515  verdruckt 

husgefeind) 
vnd  alle  die  ich  in  difem  reinhuß  find. 


47 

In  Hi.  92  sagt  der  schmählich  betrogene  Pfaffe:  hetrugftu  mich 
in  deinem  Ictften  c«d,  da  du  in  deinem  todbet  leiste 

fo  dürffen  die  ginnen  nicht  klagen^ 

die  du  betrogen  haß  in  deinen  jungen  tagen. 

Hier  werden  auch  die  beiden  ersten  Sätze  ein  Reimpaar  gebildet  haben. 
Und  als  unreinen  Reim  oder  als  Assonanz  kann  man  auch  die  Schluss- 
rede des  Priesters  ftissen: 

du  biß  ein  fchalck  ob  allen  fchelcken  vßgelefen ; 
kanft  (1.  konteft)  du  dich  von  (1.  vor)  Lilhick  von  dem  galgen 

reden, 
du  antwurft  auch  wol  mir  wider. 

Andere  Reime  lassen  sich  herstellen,  wenn  man  ins  Nd.  zurück- 
übersetzt. So  Hi.  18:  0  Halber  [tat  ^  Halber  [tat,  der  nam  roti  (S  1519 
mit)  der  dan^),  dein  bicr  vnd  koft  fchmeeld  wol,  aber  dein  pfening- 
ferkel  feind  von  fiiwleder  gemacht,  wo  ich  im  Original  vermuten 
möchte : 

0  Halberftadt,  Halberftadt, 

den  namen  mit  der  dat^) ; 

wente  dyn  beir  unde  koft  wol  fmaket, 

inen  dyne  hygordel  finl  van  fuledder  gemaket. 

YÄw  Reim  liegt  auch  in  der  Frage  des  Bäckers  vor  in  Hi.   19: 

wat  pUcht  vie  to  bakken  ? 
ulen  edder  meerkatten? 

Gereimt  mögen  ferner  die  Worte  gewesen  sein,  welche  in  Hi.  43 
U.  seinem  Meister  auf  dessen  ironische  Bemerkung  du  thüft  alles 
was  ich  dich  heiß^  antwortet :  Welcher  thut  das  man  in  heißt,  der  würt 
nit  gefchlagen,  was  anders  miiglich  zuthun  ist;  wenigstens  geben  deit 
und  heit  einen  Reim,  das  folgende  kann  stark  geändert  sein. 

In  den  Schlussreden  von  Hi.  45  scheinen  mehrfache  Verse  zu 
stecken,  aber  es  ist  schwierig,  sie  herzustellen.  Nur  in  den  Worten 
des  Schmiedes  treten  sie  deutlicher  hervor :  ich  hon  alliveg  gehört,  wer 
mit  fchalckslüten  beladen  iß,  der  fol  den  fchlupff  abfchneiden,  vnd  fie 
laffen  gon;  het  ich  das  auch  gethon,  fo  weren  mein  fenfter  wol  gante 
hliben  (ergänze:  fton?  oder  vielmehr  nd,  ftan).  Man  vergleiche  Koker 
S.  820: 

we  da  vorladen  is  myt  fchelken, 

de  mach  fyne  flippen  affnyden 

lind  lofe  und  flyte  fc  to  tydcn 

und  late  fe  dem  hufe  uthglyden. 

und  Haupt's  Zeitschr.  V,  409: 

de  dar  is  mit  eneme  herenfone  (Bankert,  Schurke)  vorladen, 
de  fnyde  af  de  flippen  und  lopc  van  eme  drade. 

*)  rfä  S  1519.  L.  dat  (tat),  dan;  dat  ist  versehentlich  ausgefallen.  Man 
sehe  die  ergötzlichen  Entstellungen,  welche  dieser  Druckfehler  in  den  späteren  hd. 
Ausgaben  veranlasst  hat,  bei  Lappenberg  S.  24. 

')  vgl.  der  (1.  den?)  namen  mit  der  daet ;  Rerckmanns  (richtiger  Berchmanns) 
Stralsund.  Chronik,  hrsg.  v.  Mohnike  u.  Zober,  S,  47. 


4S 

Mhd.  ßupf  heisst  Strick,  Riemen;  mnd.  flippe  RockscKoss,  Rock- 
zipfel. Dass  dies  letztere  besser  passt,  ^vird  jeder  zugeben.  AVit- 
verl)reitet  nd.  die  Redensart  war  de  oder  den  ßippen  affniden  in  dem 
Sinne,  wenn  man  mit  Bul)en  zu  tun  habe,  lieber  einen  geringen  Schadin 
hiiizunebmen,  als  sieh  mit  ihnen  in  Streit  einzulassen,  zeigen  ans^iT 
d(Mi  beiden  ol)en  angeführten  poetisclien  Belegen  mehrere  prosaische 
im  iMnd.  \Vb. 

In  Hi.  52  bemängelt  U.  den  (ieruch  des  zu  nähenden  Pelzi'^: 
pfy,  pfy,  bistu  fo  weiß  als  hreyden  vnd  ftinckft  fo  viel  als  dreck.  Man 
wandle  kreiden  in  die  nd.  Form  kryt  und  setze  für  dreck  ein  auf 
kryt  reimendes  Synonym,  so  ist  der  ursprüngliche  Reim  hergestellt. 

Dass  in  Ili.  91  Reimverse  gewesen  sein  müssen,  geht  schon  aus 
dem  einen  erhaltenen  hervor,  in  den  Worten  U.'s:  wan  ich  fah  da.s 
ein  man  vff  der  ßra/fen  gieng,  vnd  dem  der  rock  lang  vnder  dem  mantcl 
vß  hing;  und  in  der  Darlegung  der  zweiten  Reue  U.'s  könnten  dir 
Reime  gaendc  :  tande^  ßaende  vorgekommen  sein;  allein  die  Her- 
stellung hat  S  so  erschwert,  dass  man  wohl  auf  sie  verzichten  mu^s. 

feinen  Versuch  will  ich  noch  anstellen,  den  Reim  herzustelliui  in 
der  5.  Historie,  mit  der  sprichwcirtlichen  Rede,  die  U.  dem  Wunsdi 
seiner  Mutter,  ein  Handwerk  zu  lernen,  entgegenstellt.  Er  sa^'t: 
liehe  muter ^  waeu  ßch  einer  begibt,  das  wilrt  im  fein  lebtag  gnxig.  \h\< 
ist  ein  bekannter  Spruch.  Der  Koker  drückt  ihn  S.  BOG  so  au^: 
v)e  flytygen  worna  ringet^  de  kricht  des  wol  cyn  grot  ß ticke;  und  S.  o*>2: 
wor  fick  eyn  yderman  to  holt,  des  wart  öme  fyne  Icvednge  gcnoch.  Johann 
Renner  in  den  Livländischen  Historien,  hrsg.  von  Hausmann  un<l  Höhl- 
baum, S.  107  variiert  den  ersten  Ausspruch  des  Kokers  so:  de  kra/m 
darna  ohre  rechte  lon^  dan  dar  einer  na  ringet^  dat  plccht  cm  gemeinlit'h 
to  bejegenen.  Aber  passt  dieser  Gedanke  zu  U.'s  Sinnesart?  Er  will 
ja  el)en  nach  nichts  ringen,  sich  zu  keinem  Handwerk  bege])en :  er 
will  es  auf  gut  Glück  ankommen  lassen.  Darum  glaube  ich,  dass  S 
aus  Misverständniss  eines  Ausdruckes  jenen  allverbreiteten  Satz  anstc^llc 
des  von  U.  gesprochenen  eingeschmuggelt  hat.  Dessen  Rede  mn^s 
vielmehr  gelautet  lial)en:  loor  een  men  (nur)  to  doch  (taugt),  des  tvml 
em  fyn  levedage  enoch. 

Vielleicht  liegen  auch  Verse  zu  Grunde  den  Reden  in  Hi.  i'A: 
kum  ich  in  das  huß  vit  wider,  fo  bin  ich  doch  hie  gewcßen;  und  Ili. 
83:  V.  fagt:  ich  bin  es;  ade,  ich  far  dahin.  Selbst  (Hi.  (JO)  die  Worte 
U.'s:  ift  Vlenfpiegel  in  difer  gassen  nit  gefeffen,  fo  weiß  ich  vit  in  uns 
ftruffen  er  jitgt,  könnt(^n,  obschon  sehr  unvollkommen,  doch  reimm: 
is  Ulenfpelgel  in  differ  ftraten  nicht,  fo  en  weit  ik  nicht  wor  he  fiit. 

Bereits  erwähnt  ist,  dass  eine  Anzahl  in  Mitteldeutschland 
spielender  Historien  aus  einer  md.  Bearbeitung  des  Buches  staninicn 
möchten.  Deshalb  will  ich  auch  zwei  Beispiele  von  Reimen,  welche 
in  solchen  Erzählungen  begegnen,  besonders  und  zusammen  behandeln. 
Als  U.  in  Erfurt  einen  Esel  in  die  Lehre  nehmen  soll,  überlegt  er: 
vnfer  ift  drei,  ftirbt  der  rector,  fo  lig  ich  frei;  ftirb  dann  ich,  wer  teil 
mich   manen;   ftirbt  dann  mein  discipel,  fo  bin  ich  aber  Icdig^    Hi.   :2!». 


41» 

Wenn  wir  im  Original  des  Eulenspiegel  ein  in  Hamburg  oder  Lübeck 
entstandenes  Werk  erkennen  dürften,  so  Hessen  sich  die  Verse  leicht 
einrichten;  denn  in  jenem  Dialekte  hat  langes  i  im  Auslaut  sich  im 
Laufe  des  Mittelalters  in  ig  zerlegt,  das  i  ward  dann  behandelt  wie 
jedes  andere  kurze  i  in  offener  Silbe,  d.  h.  es  ward  zu  e;  ^  oder  ej 
verschmolz  endlich  zu  ei.  So  finden  wir  erst  frig^  brig  (Brei)  u.  s.  w. 
und  schliesslich  /Vey,  6rcy,  in  neuerer  Sprache  gar  free^  bree  für  altes 
frif  bri.     So  würden  die  Verse  etwa  lauten: 

unfer  is  drei  (dree): 
ftarft  de  rector,  fo  bin  ik  frei  (free); 
ftarve  dann  ik,  tool  wil  mik  manen? 
fiarfi  myn  discipel,  fo  bin  ik  des  ok  ane. 

Ebenso  andererseits  würden  im  Brandenburgischen  dry  und  fry  einen 
guten  Reim  geben.  Anders  im  Braunschweigischen,  wo  man  um  1500 
drei^  dree,  aber  fry  sprach.  Darum,  weil  ich  glaube,  dass  der  Eulen- 
spiegel in  Braunschweig  gedichtet  ist,  aber  in  Thüringen  Erweiterungen 
erfahren  hat,  möchte  ich  annehmen,  dass  diese  Verse  ursprünglich  md. 
oder  hd.  gewesen  sind.  Man  kann  dann  sogar  meinen,  den  thüringischen 
apocopierten  Infinitiv  mane  einsetzen  zu  dürfen,  wodurch  ein  besserer 
Reim  hergestellt  würde,  oder  dass  gereimt  sei:  ßirb  ich  danne^  wer 
wil  mich  mane,  in  welchem  Falle  der  dritte  Reim  zu  suchen  wäre.  — 
Auch  in  der  gleichfalls  zu  Erfurt  spielenden  Hi.  61  wird  gereimt 
gewesen  sein:  wduff^  her  feckel  (S  1519  beutel)^  vnd  bezal  die  leut; 
wie  gefeit  dir  das?  fchmeckt  dir  das  nit? 

Die  Loealisiernnf^  der  Historien.^)* 

Die  Prüfung  der  Sprache  im  Ulenspiegel  hat  zu  dem  Ergebniss 
einer  solchen  Menge  nd.  Sprachgutes  geführt,  dass  die  Annahme  einer 
selbständigen  Bearbeitung,  geschweige  einer  originären  Schöpfung  des 
Romans  durch  einen  Strassburger  und  überhaupt  durch  einen  Süd- 
deutschen hinfällig  wird.  Das  Resultat  wird  bestätigt  durch  die 
Localisierung  der  Historien.  Einige  wenige  werden  zwar  sogar  ausser- 
halb Deutschlands  verlegt,  nach  Dänemark,  Polen,  Rom  und  zweifel- 
haft nach  Paris.  Aber  nicht  eine  einzige  spielt  in  Süddeutschland, 
keine  am  Oberrhein  oder  gar  in  Strassburg.  Frankfurt  am  Main, 
Bamberg  und  Prag  ergeben  die  südliche  Grenzlinie  für  den  Schauplatz 
in  Deutschland.  In  dem  Raum  zwischen  dieser  Linie  und  den  beiden 
nördlichen  Meeren  Deutschlands  tritt  nun  aber  ein  Gebiet  als  dem 
Verfasser  ganz  besonders  vertraut  hervor,  welches  ungefähr  umschrieben 
wird  von  Aller,  Leine,  Harz,  Unstrut,  Saale  und  Elbe.  Hier  in  Sachsen, 
und  zwar  im  Braunschweigischen,  wird  der  Held  geboren ;  hier  verübt 
er  fast  die  Hälfte  aller  seiner  Streiche,  zum  nicht  geringen  Teil  in 
wenig  bekannten  Ortschaften  und  Dörfern;  hier,  zumal  im  Ostfälischen, 
sind  die  Schilderungen  der  Gegend   am   eingehendsten   und  umständ- 


^)  In  diesem  Abschnitt  stütze  ich  mich  vor  aUem  auf  Lappenberg^s   aus- 
gezeichnete Forschungen. 

Nied«rdeatsoh«s  Jahrbiioh.    XIX.  4 


50 

liebsten  und  mit  Details  ausgestattet,  welche  die  intimste  Bekannt- 
schaft des  Verfassers  mit  Local,  Einrichtungen,  Sitte  und  Persönlich- 
keiten verraten.  Zu  diesem  Gebiet  kommt  dann  noch  einerseits  zwischen 
Weser  und  Leine  ein  Strich  Landes,  in  dem  Eimbek  und  Oldendorf  M 
liegen,  andererseits  das  Ilmenau-Tal  mit  Lüneburg,  Uelzen,  Gerdau 
Und  Ebstorf,  beides  Weifisches  Gebiet,  wie  das  Braunschweigische 
und  das  Cellisch-Hannoversche.  Es  wird  nicht  von  ungefähr  sein, 
dass  Ulenspiegel  in  der  Nähe  der  Stadt  Braunschweig  geboren  sein 
soll  und  dass  in  den  Lüneburg-Braunschweigischen  Landen  and  in 
dem  dazwischen  liegenden  Bistum  Hildesheim  so  manche  Historien 
localisiert  sind,  die  sich  durch  vielfache  Ortskenntniss  und  Anspie- 
lungen auszeichnen:  das  Volksbuch  muss  hier  entstanden  sein. 

Wie  genau  der  Erzähler  in  diesen  Landschaften  Bescheid  weiss, 
zeigen  die  bezüglichen  Historien  überall.  Nicht  bloss  die  Dörfer  und 
ihre  Lage  kennt  er;  auch  kleinere  Flüsse  und  Waldgebirge,  wie  die 
Gerdau  und  den  Elm  oder  Melm.  .Wenn  U.  in  Hi.  16  von  Rofendal 
über  Peine  gen  Celle  reitet  und  dennoch  in  Peine  den  Burgleuten 
scherzend  Coldingen  an  der  Leine  als  seinen  Ausreiseplatz  angiebt, 
so  entspricht  das  alles  genau  der  geographischen  Lage  der  Orte. 
Von  der  Schuhmacher  zu  Helmstedt  Bedeutung  für  das  Gewerbewesen 
dieser  Stadt  ist  oben  schon  die  Rede  gewesen.  Den  Goslarer  Geist- 
lichen Heinrich  Hamenstede  der  Hi.  64  hat  Lappenberg  mit  Hülfe 
LüntzeFs  aus  dem  Jahre  1496  nachzuweisen  vermocht;  desgleichen 
den  Arnold  Papenmeyer,  Abt  zu  St.  Aegidien  in  Braunschweig,  dessen 
in  Hi.  1  Erwähnung  geschieht.  Papenmeyer  starb,  wie  Lappenberj? 
richtig  angiebt,  ha  Jahre  1510.  Wann  er  zu  seiner  Würde  gelangt 
sei,  ist  nicht  überliefert;  sein  Vorgänger  Johannes  Stange  lebte  noch 
1489,  s.  Dürre,  Geschichte  der  St.  Braunschweig  im  Mittelalter  S. 
508.  Als  der  Rat  der  Stadt  im  März  1502  die  Accise  auf  Korn  er- 
höhte, wollte  er  die  Satzung  für  seine  Mühle  zu  St.  Aegidien  nicht 
anerkennen  und  processierte  mit  dem  Rate,  verklagte  ihn  beim  Herzog 
und  wollte  ihn  gar  schliesslich  in  den  Bann  bringen,  bis  ihn  jählings 
am  25.  April  1510  der  Tod  übereilte.  Er  war  ein  geborner  Braun- 
schweiger, Sohn  eines  Bürgers  aus  der  Altenwiek.  Weiteres  über  ihn 
s.  bei  Hänsehnann,  Braunschw.  Chroniken  H,  406  f.  und  544  ff.  Diese 
Daten  sind  wichtig  für  die  niederdeutsche  Ausgabe  des  Volksbuches, 
deren  S  sich  bedient  hat  zur  Uebertragung  insHd.;  denn  nach  1502 
wäre  ihm  gewiss  nicht  das  ehrende  Prädicat  wirdig  gegeben  worden, 
wenn  der  Verfasser  ihn  zu  nennen  überhaupt  noch  für  passend  ge- 
halten hätte.  Die  Zeit  vor  1502  stimmt  aber  auch  mit  der  Angabe 
der  Vorrede,  wonach  die  Abfassung  des  Buches  ins  Jahr  1500  fallt. 
Daran  dass  der  Abt  wirklich,  wie  Hi.  1  berichtet,  damals  im  Besitz 
der  Kirche  und  dos  Dorfes  zu  Ampleven  gewesen  ist,  hege  ich  keinen 
Zweifel,  obschon  es  sich  nicht  nachweisen  lässt.     Sind  doch  die  übrigen 


*)  Ili.  88,  wo  der  Name  aber  in  Oldenburg  verderbt  ist.  An  Lappenberg^s 
'Annahme,  dass  eins  der  Oldendorf  genannten,  bei  £imbek  gelegenen  Dörfer  ge- 
meint sei,  ist  nicht  zu  zweifeln. 


Nachrichten  über  die  Geschichte  Ton  Ampleven,  däss  os  aiifängtich 
den  von  Utzen  gehört  habe  und  hernach  wegen  deren  Räubereien 
von  den  Magdeburgiern  und  ihren  Bundesgenossen  zerstört  sei,  ur- 
kundlich richtig.  Da  der  Rat  von  Braunschweig  im  Jahr  1433  die 
Burgstätte  mit  allen  Zubehörungen  samt  dem  Patronat  der  Dorf kirche 
vom  Braunschweiger  Herzog  gekauft  hatte  (Dürre  S.  364),  so  wird 
Arnd  Papenmeyer  durch  den  später  von  ihm  so  angefeindeten  Rat 
in  den  zeitweiligen  Besitz  gekommen  sein. 

In  dieser  ersten  Historie  wird  als  Braunschweiger  Sitte  erwähnt, 
dcis  man  die  kinder  nach  der  töffe  in  das  bierhvß  tregt,  vnd  find  frclich 
vnd  vertrincken  die  kinder  alfo^  das  mag  dann  des  kinds  vatter  hezcdn. 
Dieser  Brauch  war  allgemein  norddeutsch.  Daher  rührt  das  nd. 
Wort  kindelbeer  für  Kindtaufsschmaus,  das  vom  Mnd.  Wb.  aus  ver- 
schiedenen Gegenden  belegt  wird;  dass  Braunschweig  darunter  fehlt, 
ist  sicher  nur  Zufall.  In  Ditmarschen  verlangen  nach  der  Reformation 
(ca.  1540 — 50)  die  Geistlichen,  dass  die  Kindelbiere  frei  gegeben 
werden  möchten.  Es  gehe  der  Zwang  des  Kindelbiers  so  weit,  dass 
die  gaden  (vgl.  S:  douffgötel)^  naber fchen  unde  de  van  der  drankfchop 
(Trinkgelage,  Fest)  wegen,  darto  vorplichtety  willen  dat  ungedofte  kind 
to  der  dope  nicht  vören,  fe  hebten  denne  vorfekeringe  efte  borgen  vor 
dat  kindelbeer;  s.  Noocorus,  Chronik  des  Landes  Dithmarschen,  hrsg. 
von  Dahlmann  II,  147.  Man  wird  den  Vorgang  genannt  haben  ^das 
Kind  vertrinken",  grade  wie  man  noch  jetzt  nach  einer  Beerdigung 
;,das  Fell  oder  die  Haut  versäuft". 

Mit  der  Stadt  Braunschweig  ist  der  Verfasser  offenbar  gut  be- 
kannt. In  der  Historie  19  kommt  Ulenspiegel  zu  der  Bäckerstube, 
in  deren  Nähe  ein  Bäcker  wohnt,  welcher  U.  in  sein  Haus  ruft  und 
ihn  fragt,  was  für  ein  Geselle  (Handwerksmann,  S  1519)  er  wäre, 
worauf  dieser  antwortet,  er  sei  ein  Bäckerknecht,  d.  h.  Bäckergeselle. 
K  giebt  beckerftube  durch  beckergaff el  wieder;  er  fasste  jenen  Ausdruck 
in  S  demnach  als  Gildehaus  oder.  Innungsherberge  der  Bäcker  auf, 
und  so  mag  auch  S  ihn  wohl  verstanden  haben,  denn  in  Strassburg 
sagte  man  dafür  eben  ftube.  Ein  solches  Haus  kann  aber  nicht  ge- 
meint sein,  weil  ein  auf  der  Bäckerherberge  zuwandernder  Geselle 
nicht  erst  nach  seinem  Handwerk  gefragt  zu  werden  brauchte.  Und 
ftove  hat  im  Mnd.  beinahe  ausschliesslich  den  Sinn  von  Badstube. 
Aber  von  einem  beckerftoven,  einer  nach  den  Bäckern  genannten  Bad- 
stube, in  Braunschweig  wird  sonst  nichts  berichtet.  Zunächst  möchte 
man  vermuten,  dass  bi^ckerftove  aus  fteker-^  fteckerftove  entstellt  sei. 
Aber  diese  Badstube  lag  ziemlich  weit  entfernt  von  der  Stelle,  an 
welcher  die  spätere  Localtradition  das  Haus  des  Bäckers  suchte,  vom 
Bäckerklint.  An  dem  Platze,  der  diesen  Namen  führt,  liegt  ein  Haus, 
das  bei  einem  Neubau  zu  Anfang  des  17.  Jhdts  mit  einem  Standbilde 
Eulenspiegel's  versehen  worden  ist,  weil  er  hier  als  Bäckergeselle  ge- 
arbeitet haben  soll;  s.  Steinacker,  Führer  durch  Braunschweig  S.  72. 
Vielleicht  ist  sein  Bild  damals  nur  erneuert  worden.  Jedenfalls  ist 
die  Uebcrlieferung    glaubwürdig,    insofern   die    dem   Bäckerklint   sehr 

4* 


52 

naKe  gelegene,  ohne  besonderen  Namen  nachweisbare  Badstabe  am 
Petri-Tore  füglich  so  geheissen  haben  kann.  Möglicherweise  mag 
sogar  im  nd.  Ulenspiegel  der  Bäckerklint  genannt,  der  Name  aber 
von  S  unterdrückt  worden  sein,  da  er  denselben  sicher  nicht  verstand ; 
ist  doch  Mint  (lat.  clivus,  Anhöhe,  Hügel)  schon  im  Mnd.  so  veraltet, 
dass  es  nur  noch  in  Ortsbezeichnungen  begegnet.  Nachdem  U.  von 
seinem  Meister  den  Abschied  bekommen  hat,  kehrt  er  in  die  Herberge 
zum  wilden  Mann  ein.  So  hiess  früher  ein  Haus  in  der,  vom  Bäcker- 
klint nach  dem  Altstadtmarkt  führenden  Breitenstrasse,  ;,ob  schon 
im  Mittelalter,  ist  unerwiesen^  (Dürre  S.  697;  vgl.  Ribbentrop,  Be- 
schreibung der  Stadt  Braunschweig  I,  90),  wenn  wir  nicht  das  Zeugnis 
unseres  Volksbuches  dafiir  gelten  lassen  wollen.  Am  andern  Tage, 
welcher  der  St.  Nicolaus-Abend  war,  ging  U.  bei  der  Kirche  stehen 
und  verkaufte  seine  gebackenen  Eulen  und  Meerkatzen;  an  wen,  da^ 
sagt  uns  der  Tag.  Wenngleich  nämlich  die  Schüler  der  St.  Blasius- 
Stiftsschule  seit  1407  sich  am  5.  December,  dem  Vorabend  des  Nico- 
laus-Festes, keinen  Kinderbischof  mehr  wählen  durften  (Dürre  S.  567), 
so  wird"  doch  eine  Feier  zum  Andenken  an  diesen  Patron  der  Schulen 
fortbestanden  haben.  Am  6.  December  ward  ihm  zu  Ehren  nach  wie 
vor  ein  feierlicher  Gottesdienst  in  der  Stiftskirche  gehalten  (Dürre 
S.  401),  das  Vorfest  am  5.  vielleicht  in  der  St.  Nicolaus-Kirche;  denn 
dahin  läuft  der  Bäcker,  um  sich  an  U.  seines  Schadens  zu  erholen, 
während  vorher  die  Kirche,  bei  der  U.  ausstand,  nicht  genannt  wird. 
Die  Nicolaus-Kirche  war  nur  eine  kleine  Kapelle.  Doch  scheint  ihre 
Nennung  nicht  etwa  erst  durch  S  in  den  Text  gekommen  zu  sein; 
und  der  Verfasser  wird  sie  nicht  nur  wegen  des  Heiligen  gewählt 
haben.  Sie  lag  nämlich  am  Damme,  einer  hauptsächlichsten  Ver- 
kehrsstrasse, und  in  beträchtlicher  Entfernung  vom  Bäckerklint,  sodass 
sowohl  der  rasche  Absatz  der  Backwaare  als  auch  dass  den  Bäcker 
die  Kunde  davon  zu  spät  erreichte,  geschickt  motiviert  erscheinen. 

Nicht  minder  verrät  der  Verfasser  seine  Ortskenntniss  in  den 
übrigen  Braunschweigischen  Geschichten.  Den  Stiefelmacher  der  Hi, 
45  lässt  er  auf  dem  Kohlmarkt  wohnen;  gewiss  nicht  ohne  Grund, 
denn  die  nach  den  Schustern  benannte  Schostrate  zweigt  vom  Kohl- 
markt  ab.  —  In  Hi.  56  reist  U.  von  Leipzig  nach  Braunschweig  und 
kommt  zu  einem  Gerber  auf  dem  Damme.  An  dieser  Strasse  wohnten 
vornehmlich  Gerber,  sodass  sie  auch  der  Gerberdamm  hiess  (Dürre 
S.  703).  Und  wer  von  Leipzig,  von  Südosten  kam,  betrat  die  Stadt 
nicht  weit  vom  Damme.  —  Auch  der  in  Hi.  55  den  Leipziger  Kürschnern 
gespielte  Streich,  ihnen  eine  in  ein  Hasenfell  genähte  Katze  als  einen 
Hasen  zu  verkaufen,  weist  nach  Braunschweig.  Die  Geschichte  ist, 
wenig  anders,  wirklich  in  dieser  Stadt  geschehen,  wo  1446  ein  städtischer 
Büchsenschütze  Ernst  Bock  die  Pelzer  auf  diese  Weise  narrte  und 
ärgerte;  s.  Hänselmann,  Braunschw,  Chron.  II,  340. 

Kissenbrügge  lag  nach  Hi.  38  im  Asseburger  Gericht,  das  Ge- 
richt gehörte  dem  Rate  von  Braunschweig.  Das  ist  ganz  richtig,  und 
nicht  minder,   dass  U.    den  Pfarrer   beim  Bischöfe   von  Halberstadt 


53 

verklagen  will ;  denn  Kissenbrügge  lag  in  dessen  Sprengel.  —  Hildes- 
heim ist  dem  Verfasser  gleichfalls  nicht  fremd.  Er  kennt  das  Dorf 
Hohen-Eggelsen  bei  der  Stadt,  Hi.  37;  und  in  dieser  macht  er  einen 
„  Heumarkt ^  namhaft,  Hi.  64.  Einen  Markt  dieses  Namens  kann  ich 
in  Hildesheim  nicht  nachweisen,  ein  Neustädter  Markt  wird  kaum  durch 
Druckfehler  in  S  zum  Heumarkt  geworden  sein.  Uebrigens  muss 
die  Stelle  in  der  Historie  auch  sonst  verderbt  sein;  denn  wenn  es 
heisst  recht  in  der  ftraffen^  als  man  von  dem  hetvmarJU  wü  gon^  toont 
ein  reicher  Jcouffman^  der  gieng  vff  ein  zeit  vor  dem  felben  thor  fpacieren^ 
vnd  wdt  vff  feinen  garten  gon,'  so  giebt  das  keine  genügende  Orts- 
bestimmung, da  doch  von  jedem  Marktplatz  und  so  auch  von  jenem 
Markt  in  Hildesheim  mehrere  Strassen  ausgehen.  Es  ist  also  aus- 
gefallen die  Angabe,  wohin  jene  Strasse  geführt  habe,  und  weil  es 
nachher  heisst,  dass  er  ;,vor  dem  selben  Tor^  spazieren  wollte,  so 
muss  vorher  ein  Tor  genannt  sein.  Vermutlich  klang  der  Name  des- 
selben dem  Strassburger  so  sonde^-bar,  dass  er  ihn  als  zugleich  für 
den  Hergang  unerheblich  unterdrückt  hat,  unbekünmiert  darum  dass 
auf  dieses  Tor  nachher  Bezug  genommen  wird.  Nach  den  Proben, 
die  uns  seine  Bearbeitung  bereits  geliefert  hat,  ist  dem  Bearbeiter 
eine  solche  Willkür  und  Geda^kenlosigkeit  wohl  zuzutrauen.  Bei 
einem  selbständigen  VerTasser  wäre  das  aber  ein  unverzeihliches  und 
unglaubliches  Versehen. 

Von  Büddenstedt  wird  in  Hi.  11  gesagt,  es  sei  ein  Kirchdorf 
im  Lande  Braunschweig,  gehöre  aber  in  kirchlicher  Hinsicht  zum 
Stift  Magdeburg.  Die  erstere  Angabe  stimmt  noch  heute.  Ob  das 
Dorf  in  der  Diöcese  Magdeburg  lag,  ist  nicht  bekannt,  weil  das 
Kirchenverzeichniss  des  nordwestlichsten  Archidiaconats  des  Erzbis- 
tums nicht  überliefert  ist.  Da  Büddenstedt  jedoch  zwischen  den  Halber- 
städtischen Kirchen  Scheningen  und  Helmstedt  gelegen  ist,  an  denen 
die  Grenze  des  Magdeburger  Bistums  hart  vorbeilief,  da  femer  Har- 
beke,  gleich  nordöstlich  bei  Büddenstedt,  Magdeburgisch  war  und  da 
endlich  Büddenstedt  nicht  unter  den  Kirchen  des  Halberstädter  Bis- 
tums aufgeführt  wird,  so  darf  man  die  Angabe  über  die  kirchliche 
Zugehörigkeit  des  Dorfes  zu  Magdeburg  für  zuverlässig  halten;  und 
Böttger  hätte  seine  „Gau-  und  Diöcesan-Grenzen  Norddeutschlands^ 
in  Betreff  dieses  Kirchdorfes  aus  dem  Ulenspiegel  als  gut  historischer 
Quelle  vervollständigen  können. 

Dass  der  Verfasser  das  seit  der  ersten  Hälfte  des  15.  Jhs.  be- 
rühmt gewordene  Bier  der  Stadt  Eimbek  kennt,  weshalb  er  Ulenspiegel 
hier  seine  Schalkheit  an  einem  Brauer  üben  lässt  (Hi.  47)  und  in 
einer  anderen  Historie  (64)  dies  Bier  nennt,  zeugt  noch  von  keiner 
sonderlichen  Kenntniss  der  Stadt.  Wenn  er  aber  in  geschickter  Weise 
durch  Erwähnung  eines  Turniers  motiviert,  weshalb  ein  Bauer  aus 
dem  benachbarten  Oldendorf  mit  einer  Ladung  Pflaumen  nach  Eimbek 
gefahren  sei  (Hi.  88),  so  verrät  er  schon  mehr  Vertrautheit  mit  den 
örtlichen  und  historischen  Verhältnissen  der  Stadt.  Denn  ein  Turnier 
ist  in  Eimbek    1471,   allerdings   nicht   im  Sommer,   wie   die  Historie 


54 

angiebt,  sondern  im  October  gehalten  worden.  Lappenberg  (S.  28 1> 
kannte  nur  ein  solches  aus  dem  Jahre  1322,  bemerkte  aber  mit  Recht, 
dasselbe  könne  nicht  gemeint  sein,  weil  nach  den  Worten  unseres 
Textes  (die  fürßen  von  ßrunfchunck)  da^lal8  mehrere  Fürsten  von 
Braunschweig  mit  einander  über  Grubenhagen  regiert  haben  müssten. 
Das  war  der  Fall  1471,  als  sich  der  eine  derselben,  Albrecht  III., 
mit  Elisabeth  von  Waldeck  vermählte,  zur  Feier  welcher  Hochzeit 
das  Ritterspiel  mehrere  Tage  lang  auf  dem  Tiedexer  Anger  vor  Eimbek 
angestellt  ward;  s.  Rehtmeier,  Braunschlveig-Lüneburgische  Chroniiti 
S.  563 ;  Havemann,  Geschichte  der  Lande  Braunschweig  und  Lüneburg 
I,  721;  Harland,  Geschichte  der  Stadt  Einbeck  I,  265  f.  und  Conrad 
Bothe's  Cronecken  der  Saffen,  z.  J.  1475  (Leibnitii  Scriptores  Brunsvic. 
III,  416). 

Solche  die  Oertlichkeit  der  Historien  charakterisierenden  Züge 
weisen  so  ziemlich  alle  diejenigen  Erzähhmgen  auf,  welche  in  dem 
oben  umschriebenen  Gebiete  spielen :  die  Burg  zu  Celle  vor  der  Aller 
Hi.  26,  dabei  eine  Brücke;  der  Damm  zu  Wolfenbüttel  mit  der  Zug- 
brücke Hi.*  38.  Die  Badstube  vor  dem  Leinetor  in  Hannover  Hi.  (>9: 
es  ist  der  seit  dem  14.  Jh.  nachweisbare  Leinestoven  auf  dem  Otten- 
werder  zwischen  dem  äusseren  und  inneren  !teinetor,  s.  Grupen,  Ori- 
gines  et  antiquitates  Hanoverenfes  S.  374  und  Ztschr.  des  histor. 
Vereins  für  Niedersachsen  1871  S.  131.  Dagegen  ermangelt  Hi.  71 
jeder  Localfärbung,  so  dass  die  Geschichte  nur  durch  die  Nennung 
von  Hannover  an  diese  Stadt  geknüpft  ist;  sogar  der  Name  des  Wirts- 
hauses wird  umgangen:  „gond  wider  in  die  ftat^  *da  hum  ich  vß  der 
herberg  reiten,^  vnd  endeckt  inen  dask  hus.  K  dagegen:  „gaü  weder 
in  die  ftat  in  die  herberg  teom  gülden  leuen^  da  komen  idk  vßryden,^ 
Ob  er  das  einer  nd.  Ausgabe  entnommen  hat?  Der  goldene  Löwe 
passt  gut:  er  ist  sowohl  das  Weifische  Wappenbild,  als  auch  im 
Hannoverschen  Stadtwappen  befindlich.'  Das  erregt  aber  grade  den 
Verdacht,  dass  der  Wirtshausname  nur  ein  Zusatz  von  K  sei,  zumal 
da  (Lappenberg  S.  271)  auch  A  wie  S  das  Haus  ohne  Namen  lässt 
und  da  E,  statt  dieses  zu  nennen,  die  Blinden  zum  Hansen  Fritz  in 
die  Herberge  schickt.  War  aber*  die  Herberge  im  nd.  Texte  unbe- 
nannt geblieben,  so  dürfte  die  Historie  als  eine  dem  ersten  Druck 
des  Buches  fremde  anzusehen  sein;  denn  es  wäre  unwalu'scheinlich, 
dass  der  Verfasser,  welcher  die  Lage  des  Leinestoven  wusste,  nicht 
auch  ein  Wirtshaus  in  Hannover  hätte  nennen  können  oder,  wenn  er 
es  konnte,  die  Nennung  gegen  seine  Gewohnheit  (vgl.  Hi.  19.  29.  46) 
unterlassen  hätte. 

Auch  die  Lüneburger  Heide  ist  dem  Verfasser  vertraut.  Er 
unterscheidet,  wie  es  scheint,  Uelzen  ^das  Dorf^  (Hi.  20)  von  der 
Stadt  Uelzen,  wo  der  Jahrmarkt  abgehalten  wird,  da  dann  viel  Wenden 
(aus  dem  nahen  Wendlande)  und  ander  Landvolk  hinkommt  (Hi.  68). 
Von  Gerdau  weiss  er,  dass  es  ein  Kirchdorf  ist  und  am  Wasser 
Gerdau  liegt;  desgleichen  kennt  er  das  eine  kleine  Meile  davon  ent- 
fernte Ebstorf  als  Nonnenkloster,    dem   ein  Propst   vorsteht  (Hi.  67), 


55 

während  dem  Mönchskloster  Mariental  ein  Abt  vorgesetzt  ist  (Hi.  89). 
Alle  diese  Angaben  entsprachen  der  Wirklichkeit. 

Weiter  nach  Norden  und  Nordosten  beschränkt  sich  die  Orts- 
kunde des  Verfassers  auf  einige  grössere  Städte,  so  z.  B.  Bremen. 
Dass  er  die  -Milchweiber  (Hi.  70)  und  die  Topfhändlerinnen  (Hi.  87) 
auf  dem  Markte  ihre  Waare  feilhalten  lässt,  darauf  ist  wenig  Gewicht 
zu  legen.  Dagegen  verdient  Beachtung,  dass  er  den  Bischof  auf  das 
Rathaus  gehen  lässt,  um  das  Gebahren  der  von  Ulenspiegel  bestochenen 
Häfnerin  zu  beobachten;  denn  das  Rathaus  lag  seit  1410  am  Markte, 
während  der  nicht  weit  davon  abgelegene  Palast  des  Bischofs  keinen 
Ueberblick  über  den  Platz  gewährte.  In  dem  scherzlustigenErzbischof 
wird  nicht,  mit  Lappenberg  S.  280,  Burchard  Grelle  1327 — 1344  zu 
sehen  sein,  sondern  es  scheint  „der  sehr  beliebte  und  friedfertige^ 
Gerhard  III.  von  Hoya  1442 — 1463  gemeint;  s.  Miesegaes,  Geschichte 
von  Bremen  III,  192.  In  Hi.  73  wird  sowohl  der  Name  der  Stadt 
an  der  Weser  verschwiegen,  wo  U.  Steine  säet,  als  auch  derjenige 
der  zehn  Meilen  davon  entfernten  Stadt,  von  wo  U.  nach  Ditmarschen 
fahren  will,  woselbst  aber  der  Sack  mit  den  Steinen  liegen  bleibt. 
Lappenberg  heisst  das  eine  zarte  Rücksicht  (S.  274);  allein,  da  er 
selbst  zugiebt,  dass  jene  Angaben  keine  andere  Deutung  als  auf 
Bremen  und  Stade  zulassen,  so  ist  von  Rücksichtnahme  gegen  beide 
Städte  wenig  zu  spüren,  höchstens  gegen  die  letztere.  Denn  die  Bos- 
heit war  schwerlich  gegen  Stade  gerichtet,  eher  gegen  Hamburg,  das 
freilich  ein  paar  Meilen  weiter  abliegt;  aber  die  zehn  Meilen  könnten 
eine  abgerundete  Zahl  vorstellen.  Der  Erzähler,  so  darf  man  vielleicht 
vermuten,  hatte  bei  früherer  Anwesenheit  in  beiden  Städten  Unan- 
genehmes erfahren,  worüber  er  hier  so  seinen  Groll  äusserte.^)  Mit 
den  Bremischen  Kaufleuten  lässt  er  auch  in  Hi.  72  Ulenspiegel  höchst 
despectierlich  verfahren.  Aus  Stade  wird  Hi.  44  eine  harmlose  Ge- 
schichte erzählt,  in  welcher  die  Ei^wähnung  des  Trans  als  Localschil- 
derung  nur  in  weiterem  Umfange  gefasst  werden  kann  und  die  Schalk- 
heit  UlenspiegePs  nicht  einen  Stader  Bürger,  sondern  einen  Bauern 
heimsucht. 

In  Hamburg  (Hi.  74)  hat  der  Verfasser  Kenntniss  vom  Hopfen- 
markt und   dass   an  demselben   ein  Barbier   wohnte   in   einem  Hause 


^)  Lappenberg  S.  274:  „Dieser  Schwank  ist  bei  einem  späteren  Anlasse  der 
Heimath  Ulenspiegels  näher  gebracht,  nämlich  nach  der  Stadt  Braunschweig,  unter 
deren  Bürger  Tyll  den  Ungehorsam  gegen  ihren  Landesherren  ausgesäet  haben 
soll,"  in  einem  Liede  (vom  J.  1606)  von  Tuen  Eulenfpiegeln,  wie  derfelbe  in  Braun- 
fchtoeig  die  höfe  vnnüUe  hcUs/tarrige  Bürger  anfänglich  gefeiet.  —  Eine  alte  Ver- 
wendung der  Redensart  s.  bei  Hänselmann,  Braunschwg,  Chron.  II,  256,  21  (a. 
1491):  dar  me  hen  na  Aken  gheyt,  viüichte  is  der  fchelke  dar  ok  befeyt,  —  Unab- 
hängig von  der  Redensart  und  der  Geschichte  des  Volksbuches  scheint  ein  anderer 
sprichwörtlicher  Ausdruck  entstanden  zu  sein,  den  Dähnert,  Wörterbuch  der  Pom- 
mersch.  und  Rügisch.  Mundart,  S.  503  verzeichnet:  de  is  mit  Ulen-Saad  befeijt, 
er  ist  zu  einer  unglücklichen  Zeit  geboren,  alles  läuft  unglücklich  für  ihn.  Hier 
liegt  wohl  die  Vorstellung  von  der  Eule  als  Unglück  verkündendem  Vogel  zu 
Grunde;  vgl.  Grimm,  Mythologie,  2.  Ausg.    S.  1088. 


56 

mit  hohen  Fenstern;  auf  Beobachtung   deutet  auch,   dass  Ulenspicgel 
die   Stadt   zu    Schilf  verlässt.     Aus   den   Hamburgischen   Kämmerei- 
Rechnungen,  hrsg.  von  Koppmann,  geht  hervor,  dass  im  16.  Jbdt  ein 
Haus  des  Rates  am  Hopfenmarkt  nacheinander   von   wenigstens    zwei 
Barbieren  bewohnt   gewesen   ist   (1511 — 1516    de   mefter   Petersfche. 
also  die  Witwe  eines  Barbiers,  Bd.  V,  89,  12;  1533  S.  Peter  Möring, 
S.  487,  11,  vgl.  mit  den  Hamburgischen  Zunftrollen,  hrsg.  v.  Rüdiger, 
S.  14.  17).     Für  das  15.  Jhdt  entgehen  uns  freilich  sichere  Zeugnisse. 
Die  hohen  Fenster  im  hohen  Erdgeschoss  sind    eine  Eigentümlichkeit 
der   mittelalterlichen   Giebelhäuser    in   Hamburg.   —   Das   H.    Geist- 
Hospital  in  Mölln  (Hi.  90)  hat  existiert;  s.  Lappenberg  S.  287.    Von 
Beginen   (Hi.  91  und  94)    ist   nichts  überliefert.     Vielleicht   sind    die 
weiblichen  Insassen  des  Spitals  damit  gemeint. 

Die  Geschichte  der  Hi.  57  und  58  ist  an  den  schon  im  Mittel- 
alter berühmten  Lübeker  Rathskeller  und  an  das  bekanntlich  scharfe 
Lübische  Recht  geknüpft.     Der  Weinzäpfer  wird  Lambrecht   genannt. 
Nach  Lappenberg  S.  260  lässt  sich  derselbe  nicht  als  historisch  nach- 
weisen, was  Herr  Staatsarchivar  Dr.  Hasse  auf  meine  Anfrage  gütigst 
bestätigte.     Falls  unter  „Weinzepfer^   nicht,   wie  Lappenberg  es  ver- 
stehen möchte,  der  Herrenschenke  oder  Kellerhauptmann  zu  verstehen 
ist,  sondern  was  das  Wort  besagt,    ein   untergeordneter  Beamter,   so 
wird  wohl  niemals  sich  nachweisen  lassen,  ob  der  Verfasser  des  Volks- 
buches den  Namen  Lambrecht  einer  wirklichen  Persönlichkeit  entlehnt 
oder  willkürlich    gewählt   hat.     In    letzterem    Falle    zeugt   der  Name 
jedenfalls  von  guter  Beobachtung.     Die  Lübeker  (und  auch  die  Ham- 
burger) Herrenschenken  nemlich,   so  weit  sie  bekannt    sind,   pflegten, 
nach  ihren  Namen  zu  schliessen,  aus  dem  westlichen  Deutschland  ge- 
kommen zu  sein,  was  sich  ja  ganz  leicht  erklärt.     So  selten  nun  der 
Name   Lambrecht   oder   Lambert   nördlich   der   Elbe   sich   findet,   so 
häufig   ist  er    grade   in  jenen    westlichen  Gegenden.     Im  Jahre  1583 
z.  B.  hiess  der  Lübeker  Herrenschenke  Lambert  von  Sitterdt  (Sittard 
im  Niederländischen  Limburg) ;  s.  Wehrmann,  Der  Lübeckische  B^ths- 
weinkeller,    in   der  Ztschr.  für  Lüb.  Gesch.  II,  81.  —  An   der  Wert- 
angabe  des   von   Ulenspiegel   umsonst   gekauften   Weines,   bei   S   10 
Pfennig,  bei  K  12  Pf.,  bei  E  40  Pf.  (Lappenberg  S.  159)  hat  Lappen- 
berg S.  261  auszusetzen,  dass  diese  Summen  nicht  den  Wert  erreichen, 
auf  dessen  Diebstahl  der  Sachsenspiegel  und  das  alte  Lübeker  Statut 
die  Strafe   des   Galgens   setzen.     Man   darf  aber   einen   so   genauen 
Massstab  nicht  anlegen.     Wichtiger  erscheint  die  Angabe  von  A:  10 
Witten  (Lappenberg  S.  159),   wozu   die  40  Pf.  in  E  stimmen.     Diese 
Münzbenennung  zeugt  wieder  von  der  guten  Vorlage  der  Antwerpener 
Uebersetzung ;    denn   der  Witte  (=  4  Pf.)   ist   eine   echt  Lübekische 
Münze.     Es  kommen  viele  Geldangaben  im  Eulenspiegel  vor.    Grössere 
Summen  werden  durchweg  nach  dem  Gulden,  der  durch  ganz  Deutsch- 
land verbreiteten  Münzsorte,  berechnet;  Ausnahme  wird  gemacht  mit 
Erfurt  (Hi.  29),    wo   nach  Schocken    alter  Groschen    gerechnet   wird. 
Desgleichen  wird   im  Auslande  die   dort  geltende  Münzsorte  gewählt. 


67 

in  Dänemark  Dänische  Mark  (Hi.  23),  in  Polen  Gulden  (Ili.  24),  in 
Rom  Ducaten  (Hi.  34).  Betreffs  des  Kleingeldes  wird  ebenfalls  ab- 
gewechselt je  nach  dem  am  Orte  geltenden  Münzfuss:  in  Halberstadt, 
Hildesheim  Schillinge  (Hi.  18.  64),  Celle  Schillinge  Pfennige  (Hi.  26), 
Bamberg  Pfennige  (Hi.  33),  Quedlinburg  Stephansgroschen  (Hi.  36), 
Leipzig  Silbergroschen  (Hi.  55),  Cöln  Cölnische  Weisspfennige  (Hi.  80). 
So  wird  auch  die  Rechnung  nach  Witten  zu  Lübek  in  Hi.  57  aus 
dem  nd.  Original  stammen.  —  Zur  Leistung  der  von  Ülenspiegei 
unter  dem  Galgen  ausgesprochenen  Bitte  (Hi.  58)  werden  die  Keller- 
beamten nacheinander  von  ihm  gefordert:  das  dann  der  weinzepffer 
ivoU  kummen  all  morgen  3  tag  la^ig^  der  fchenck  eu  dem  erften^  der 
greiben  fchinder  darnach.  Das  kann  unmöglich  richtig  sein.  Mit 
greibenfchinder  hat  noch  niemand  etwas  anzufangen  gewusst.  Ji  hält 
sich  an  fchinder^  beseitigt  den  Schenken  und  macht  sich  den  Text 
willkürlich,  aber  sehr  verständig  folgendermassen  zurecht:  dat  dan 
der  tcynjBepper  will  körnen  3  morgen  na  einander,  der  richterbode  vnd 
fchelmenfchinder  darnae^  vnd  dieffhencker ;  alles  offenbar  Konjektur 
auf  Grund  der  Lesart  von  S.  Anders  hilft  sich  A  (Lappenberg  S. 
159):  U.  verlangt  den  ganzen  Rat  und  den  Bürgermeister  zuerst. 
Simrock  lässt  ihn  samt  dem  Schenken  einfach  weg.  Lappenberg  S. 
446  leitet  greibe  von  mhd.  griebe^  ausgeschmolzenes  Speck,  Excremente; 
er  meint  also  das  Geschäft,  das  sonst  durch  racker  ausgedrückt  ward. 
Aber  wie  kommt  der  unter  die  Weinkellerbeamten?  Auch  lässt  sich 
das  angenommene  Compositum  nirgends  sonst  nachweisen.  Hier  muss 
ein  Verderbniss  vorliegen,  welches  daher  entsprang,  dass  ein  lieber- 
setzer  den  nd.  Text  nicht  verstand  und  die  Lübischen  Verhältnisse 
nicht  kannte.  Wehrmann  teilt  im  angeführten  Aufsatz  (Ztschr.  für 
Lüb.  Gesch.  H,  79  f.)  den  Inhalt  einer  Aufzeichnung  vom  J.  1504 
mit,  die  vom  damaligen  Kellerhauptmann  herrührt  und  deren  Gegen- 
stand eine  Darstellung  der  Verfassung  und  Verwaltung  des  Weinkellers 
bildet.  Danach  standen  unter  dem  Herrenschenken  als  Personal  des 
Kellers  vier  sog.  Gesellen,  nemlich  ein  Bänder  fbender?]  oder  Binder, 
ein  Schreiber  und  zwei  Zapfer;  weiter  zwei  Kohlgreven*),  denen  ins- 
besondere die  Heizung  und  Reinigung  des  Kellers  oblag,  und  zu 
fernerweitigen  Dienstleistungen  noch  vier  Bediente,  welche  Sclaven 
oder  Schlaven  [ßaven  ?]  genannt  wurden.  £imge  dieser  Beamten  zählt 
Ülenspiegei  auf.  Der  Zapfer  und  Schenke  sind  von  S  belassen.  In 
der  greiben  wird  man  den  Plural  de  greven  oder  kolgreven  erkennen 
dürfen.  Auf  völlige  Wiederherstellung  des  ursprünglichen  Textes  muss 
wohl  verzichtet  werden;  denn  es  lässt  sich  mehr  als  eine  Art  der 
Entstellung  des  Uebrigen  denken. 

Gehen  wir  weiter  nach  Osten,  so  finden  wir  von  Wismar  in  Hi. 
65  angegeben  seine  Lage   an   der  See,   in  Hi.  46  einen  Gasthof  zum 

')  d.  h.  Kohlengrafen.  Das  nd.  greve  wird  bekanntlich  nicht  nur  zur  Be- 
zeichnung einer  hohen  Würde,  sondern  auch  für  geringere  Aemter  verwendet: 
greve  bedeutete  in  einigen  Gegenden  „Bauervogt,  Schulze",  hogreve  „Amtmann, 
AmtsYOgf^  \  fpelegreve  heisst  „das  Haupt  der  Spielleute". 


58 

gülden  Sternen  namhaft  gemacht,  während  41  und  43  nichts  topo- 
graphisches erwähnen.  Herr  Dr.  F.  Crull  in  Wismar  hat  die  Grüte 
gehabt,  mir  über  den  Wirtshausnamen  zu  schreiben,  dass  derselbe 
sich  nicht  nachweisen  lasse,  was  freilich  seine  Nichtexistenz  nicht 
bedinge;  denn  die  Wismarer  Stadtbücher  seien  mit  Ausnahme  der 
ältesten  untergegangen.  Aus  dem  J.  1538  bat  Herr  Dr.  Crull  sich 
in  seinen  Aufzeichnungen  von  Häusemamen  ein  goldenes  Hom  notiert. 
Da  S,  wie  wir  gleich  sehen  werden,  in  Erfurt  einen  nachweisbaren 
Hausnamen  corrumpiert  hat,  so  könnte  er  hier  ähnlich  verfahren  und 
einen  verbreiteteren  Namen  an  die  Stelle  des  seltenen  gesetzt  haben. 

Von  Wismar  an  geht  dem  Verfasser  die  Localkenntniss  aus. 
Wenn  Murner  wirklich  der  Verfasser  des  Volksbuches  sein  sollte, 
oder  auch  nur  als  Bearbeiter  selbständig  mit  dem  Stoflf  geschaltet 
hätte,  so  wäre  das  in  Bezug  auf  Rostock  ganz  unbegreiflich,  da  er 
als  Student  sich  in  dieser  Universität  aufgehalten  hat  (Lappenberg  S. 
389).  Aber  in  allen  Historien,  die  zu  Rostock  oder  in  dessen  Nähe 
passieren  (39.  40.  50.  81),  begegnet  nichts,  was  darauf  schliessen 
Hesse ,  dass  der  Verfasser  dort  gewesen  wäre.  Ebenso  gebricht  auch 
allen  anderen  Erzählungen,  die  in  den  Osten  verlegt  sind,  jede  auf 
Anschauung  des  Verfassers  beruhende  Localschilderung,  so  in  Pommern 
Hi.  31,  in  Berlin  Hi.  43.  54,  in  Frankfurt  an  der  Oder  Hi.  85,  in 
Polen  Hi.  24;  desgleichen  im  Norden  in  Dänemark  Hi.  23.  Nicht  ein- 
mal die  Residenzstädte  werden  in  den  letzten  beiden  Historien  genannt. 
Doch  lassen  sich  vielleicht  die  historischen  Angaben  der  beiden  zuletzt 
genannten  Erzählungen  für  die  Geschichte  des  Volksbuches  verwerten. 
Wenn  nemlich  Hi.  23  gesagt  wird,  Ulenspiegel  sei  bei  dem  Könige 
von  Dänemark  bis  an  dessen  Tod  geblieben,  so  darf  wohl  daran  er- 
innert werden,  dass  Christian  I  1481  starb  und  dass  nach  C  1539 
das  Volksbuch  1483  abgefasst  ist:  beide  Daten  möchten  wohl  in 
Beziehung  zu  einander  stehen.  Auch  vom  König  Casimir  von  Polen 
wird  in  Hi.  24  als  von  einem  bereits  Verstorbenen  gesprochen. 
Lappenberg  S,  243  sucht  in  diesem  Könige  Casimir  den  Dritten 
(1333 — 70).  Ich  denke,  Casimir  IV,  welcher  1492  starb,  hat  als 
Zeitgenosse  mehr  Wahrscheinlichkeit  für  sich.  Ist  dies  aber  der 
Fall,  dann  muss  Hi.  24  erst  durch  eine  jüngere  Bearbeitung  dem  ur- 
sprünglichen Bestände  des  Buches  hinzugefugt  sein. 

Auch  nach  Stendal  scheint  den  Verfasser  sein  Lebenslauf  nicht 
geführt  zu  haben,  denn  Hi.  51  ist  so  gehalten,  dass  sie  ebenso  gut 
in  eine  andere  Stadt  hätte  verlegt  werden  können.  Anders  wird  das, 
wenn  wir  Ulenspiegel  südlich  ins  Magdeburgische  und  zumal  ins 
Halberstädtische  begleiten.  Hier  ist  der  Verfasser  wieder,  wenngleich 
nicht  völlig,  doch  ziemlich  daheim,  wie  er  das  sinnig  in  Hi.  2  durch 
die  Herkunft  der  Mutter  seines  Helden  aus  dem  Saallande  andeutet. 
Zwar  erfahren  wir  den  Namen  des  Fleckens  nicht,  in  den  die  Eltern 
von  Knetlingen  einwanderten,  aber  doch  dass  er  an  der  Saale  lag 
(Hi.  3)  und  in  der  Nähe  von  Stasfurt  (Hi.  6);  ebensowenig,  wie  das 
Dorf  bei  Stasfurt  hiess,  wo  Ulenspiegel  den  Himd  schund  (Hi.  82  und 


59 

83).  Ganz  so  genau,  wie  im  Braunschweig-Lüneburgischen  sind  also 
die  Angaben  nicht,  wie  denn  auch  in  Magdeburg  (Hi.  14)  nur  das 
Rathaus  erwähnt  wird;  doch  zeugt  eben,  wie  es  in  der  Geschichte 
verwendet  wird,  dass  der  Verfasser  in  der  Stadt  Bescheid  wussts. 
Ulenspiegel  will  nemlich  von  der  Laube  des  Rathauses  fliegen.  In 
den  meisten  norddeutscheir  Städten  wäre  ihm  das  zu  versuchen  un- 
möglich gewesen,  weil*  die  Rathauslaube  *  einen  Raum  im  Gebäude 
ausmachte.  In  Magdeburg  dagegen,  wie  aus  der  Schöppenchronik 
hervorgeht,  bildete  die  Laube  eine  Art  Altan  auf  Säulen  am  Rathause. 
Vom  Gevekenstein  ist  schon  die  Rede  gewesen.  Der  Erzbischof  wird 
Bruno  von  Querfurt  genannt.  Zwei  Mitglieder  äieser  adelichen  Familie 
haben  das  Erzbistum  innegehabt,  jedoch  kein  Bruno,  sondern  Conrad 
von  1134—1142  und  Albert  von  1383  bis  1403.  Doch  ist  die  Wahl 
des  Vornamens  erklärlich,  weil  er  in  der  Familie  vorkam  und  weil 
der  letzte  des  Geschlechtes,  mit  dem  dasselbe  1491  ausstarb  (Schöppen- 
chronik S.  418),  so  hiess.  Von  der  Burg  und  Stadt  Bernburg  des 
Grafen  von  Anhalt  (Hi.  22  und  49)  wird  nichts  specielles  gemeldet. 
Aber  in  Halberstadt  (Hi.  18)  muss  der  Verfasser  gewesen  sein;  denn 
einmal  nennt  er  den  Dom  zu  St.  Stephan.  Niemann,  Die  Stadt  Halber- 
stadt, 1824  meldet  freilich  nicht,  wem  der  Dom  geweiht  war,  wohl 
aber  die  von  Weiland  herausgegebene  Sächsische  Weltchronik  S.  215,  8: 
Stephanus  war  der  Schutzpatron  des  Bistums  Halberstadt.  Ferner 
weiss  der  Verfasser,  dass  man  zum  Domhof  hinauf  gehen  muss;  der 
Halberstädter  Domplatz  liegt  indertat  auf  einer  Anhöhe,  die  aus  der 
Ebene  der  ihn  umgebenden  Stadt  emporragt.  Auch  in  Quedlinburg 
zeigt  er  sich  orientiert  (Hi.  36).  Er  nennt  das  Burgtor,  weiss,  dass 
daselbst  ein  Stift  unter  einer  Aebtissin  vorhanden  und  dass,  weil  die 
Stadt  zum  Halberstädter  Bistum  gehörte,  dar  Stephansgrosclien  die 
gangbare  Münze  ist. 

Von  hier  an  nach  Südosten  nimmt  seine  Localkenntniss  allmäh- 
lich ab.  Die  Historie  (52)  aus  Aschersleben  ist  farblos.  Der  Wirt 
in  Eisleben  (Hi.  78)  ist  aber  so  charakteristisch  gezeichnet,  dass  man 
eine  Schilderung  nach  dem  Leben  anzunehmen  geneigt  wird.  Auch 
hat  die  Erzählung  sonst  noch  einige  bereits  besprochene  Züge,  die 
einen  zeitweiligen  Aufenthalt  des  Verfassers  in  Eisleben  und  im  Mans- 
feldischen  vermuten  lassen.  Bei  Sangershausen  wird  gar  ein  Dorf 
Nienstedten  namhaft  gemacht  (Hi.  31).  Die  Leipziger  und  die  Dres- 
dener Geschichte  (Hi.  55  und  62)  könnten  ohne  Eintrag  derselben 
auch  anderswohin  verlegt  worden  sein.  Dass  jene  eigentlich  nach 
Braunschweig  gehört,  habe  ich  bereits  bemerkt.  Dass  sie  dieser  Stadt 
nicht  angeeignet  wird,  darf  wohl  als  ein  Zeugniss  für  den  Braun- 
schweigischen Ursprung  des  Volksbuches  gefasst  werden;  denn  der 
gleiche,  im  J.  1446  aufrührerischen  Braunschweiger  Bürgern  gespielte 
Streich  hatte  grosse  Erbitterung  hervorgerufen  und  war  gewiss  1483 
noch  unvergessen.  Um  die  Lage  Dresdens  vor  dem  Böhmerwald 
(Erzgebirge)  und  an  der  Elbe  zu  wissen,  brauchte  man  auch  im  15. 
Jh.  nicht  erst  dahin  zu  reisen.  —  Auch  die  Cölner  Erzählungen  (Hi. 


60 

71)  und  80)  und  die  Antwerpener  (Ili.  86)  weisen  nichts  eigentümliches 
auf,  als  was  man  durch  Uüchcr  oder  mündlichen  Bericht  wissen  konnte, 
wie  dass  man  in  üöln  nrich  Cölnischen  Weisspfennigen  rechnete  und 
dass  nach  Antwerpen  auch  holländische  Kaufleute  zu  kommen  pflegten. 

Es  fällt  auf,  dass  nach  Süden  hin  die  Geschichten  wieder  mehr 
Staffage  bringen,  teils  topographische,  teils  historische.  Nicht  alle; 
die  Erfurter  (Hi.  60  und  61)  und  noch  mehr  die  Nürnberger  (Hi.  77) 
sind  allgemein  gehalten  und  werden  darum  vielleicht  für  jüngere  Zu> 
Sätze  zu  halten  sein,  wenigstens  Hi.  77,  die  auch  aller  nd.  sprach- 
lichen Spuren  bar  ist.  Dagegen  zeichnen  sich  diejenigen  Erzählungen, 
welche  nach  Andeutung*  der  Vorrede  und  nach  Lappenberg' s  Ermittelung 
aus  dem  Schwankbuche  vom  Pfaffen  Amis  stammen,  durch  Detailmalerei 
aus.  In  Nürnberg  (Hi.  17)  wird  das  neue  Spital  erwähnt,  woselbst 
der  heilige  Sper  Christi  mit  anderen  merklichen  Stücken  sich  befindet. 
Seit  1424  wurden  die  Reichs-Kleinodien  und  -Reliquien  in  der  Kirche 
des  H.  Geists  oder  Neuen  Spitals  zu  Nürnberg  aufbewahrt.  Unter 
den  letzteren  befand  sich  auch  das  fper  gotes,  wie  es  in  der  Ueber- 
trags-Urkunde  des  Kaisers  Sigmund  heisst,  lancea  qua  fervatoris  in 
cruce  pendentis  latus  fuit  perfoffum;  s.  Wagenfeil,  De  Civitate  Nori- 
bergenfi  p.  223  fqu.  und  von  Murr,  Beschreibung  der  Merkwürdigkeiten 
in  Nürnberg  S.  195  ff.  Mit  der  Hessischen  Residenzstadt  Marburg 
(Hi.  27)  scheint  der  Verfasser  nicht  aus  Anschauung  bekannt  gewesen 
zu  sein;  aber  von  der  Abstammung  und  Genealogie  der  Hessischen 
Fürsten  offenbart  er  teils  richtige,  grösstenteils  jedoch  fabulose 
Kenntnisse.  Gelegentlich  der  Disputation  in  Prag  (Hi.  28)  weiss  er 
von  Wickliffe,  Johann  Huss  und  den  Hussiten  zu  erzählen  und  moti- 
viert die  schnelle  Abreise  Ulenspiegers  durch  einen  Charakterzug  der 
dortigen  Universitätslelyer  oder  der  Prager  Bevölkerung.  Auf  die 
Mitglieder  der  Erfurter  Universität  (Hi.  29)  erlaubt  er  sich  einen 
spöttischen  Ausfall.  Auch  kennt  er  ein  Wirtshaus  eum  Tomen^  was 
K  als  eom  Thoirn  (zum  Turm)  fasat,  damit  zugleich  einen  Sprachfehler 
bessernd;  denn  der  Dativ  „^orweW*  vom  stark  flectierenden  torn  oder 
hd.  turn  ist  unmöglich.  Dem  Strassburger  ist  aber  hier  wohl  ganz 
wie  in  Hi.  1  bei  funte  yflienj  der  Lesefehler  passiert,  ein  y  für  ein 
n  anzusehen :  es  wird  torney  gestanden  haben.  Die  Erfurter  Ausgaben 
benennen  die  Herberge  mit  dem  Synonym  ztim  Thornier;  s.  Lappenberg 
S.  246.  In  der  letzten  Amis-Geschichte,  die  nach  Pommern  verlegt 
ist  (Hi.  31),  findet  sich  nichts  locales;  dass  die  Pommerschen  Priester 
sich  mehr  an  das  Saufen,  als  das  Predigen  hielten,  wird  der  Verfasser 
wohl  vom  Hörensagen  gehabt  haben. 

Zu  solchen  in  südlicheren  Städten,  woselbst  der  Verfasser  mehr 
oder  minder  Bescheid  weiss,  localisierten  Historien  sind  ferner  zu 
rechnen  die  Nürnberger  Hl.  32,  die  Bamberger  33,  die  beiden  Frank- 
furter 35  und  63  und  die  Römische  34. 

In  Nürnberg  sah  Ulenspiegel  die  Scharwächter  im  Harnisch 
nachts  in  einem  grossen  Kasten  unter  dem  Rathause  schlafen.  Er 
hatte  da   zu  Nürnberg  Weg   und   Steg   wohl   gelernt   und   sonderlich 


den  Steg  bemerkt,  der  zwischen  dem  Saumarkt  und  de  (den  1519) 
hüselin  liegt,  wo  des  Nachts  bos  über  wandeln  ist.  Darauf  baut  er 
einen  Plan.  Er  bricht  in  einer  Nacht  aus  dem  Steg  drei  Dielen  oder 
Bohlen  heraus,  reizt  dann  die  Wächter  im  Rathause  durch  Lärmen 
zu  seiner  Verfolgimg  und  lockt  sie  zu  jenem  Stege,  über  dessen  Lücke 
er  sich  hinweghilft,  während  die  Häscher  in  die  Pegnitz  fallen  und 
sich  noch  obendrein  wegen  der  Scbmalheit  der  Lücke  die  Gliedmassen 
verletzen.  Von  wem  diese  Darstellung  herrührt,  der  muss  in  Nürnberg 
allerdings  Weg  und  Steg  gewusst  haben,  muss  die  Stadt  aus  eigener 
Anschauung  gründlich  gekannt  haben;  denn  alle  Angaben  treffen  aufs 
genaueste  mit  dem  übereiir,  was  wir  von  der  damaligen  Beschaffenheit 
Nürnbergs  wissen.  Ueber  die  Geschichte  des  Nürnberger  Rathauses 
hat  E.  Mummenhoff  in  den  ^Mitteilungen  des  Vereins  fiir  Geschichte 
der  Stadt  Nürnberg«  Heft  V,  1884,  S.  137  ff.  gründliche  Forschungen 
angestellt,  die  er  dann  vervoliständigt  und  in  dem  ausgezeichneten 
Buche  ^Das  Rathaus  in  Nürnberg*'  1891  abgeschlossen  veröffentlicht 
hat.  In  beiden  Arbeiten  giebt  er  eine  Ansicht  der  alten  Fassade 
vor  dem  Neubau  nach  einer  Handzeichnung  v.  J.  1614.  Da  findet  sich 
an  dem  Teile  des  Gebäudes,  der  an  der  Südostseite  und  nach  dem 
Saumarkt  hin  liegt,  ein  Schutzdach  über  einer  Bank,  die  als  ^Schützen- 
banck*'  bezeichnet  ist.  Auf  S.  30  seines  ;, Rathauses^  erteilt  Mummen- 
hoff darüber  Auskunft.  Die  städtische  Polizeiwache  führte  den  Namen 
der  ^Schützen«.  „Im  Beginne  des  16.  Jhdts  war  ihnen  ein  Lokal, 
wohl  ein  Gewölbe  'unterm  Rathause\  auf  dessen  Südseite  eingeräumt, 
wo  ja  später  bekanntlich  das  sogenannte  Schützengewölbe  sich  befand.^ 
;yl538  bestand  die  Wache  aus  sechs  Mann.^  Entweder  ist  dies  Ge- 
wölbe mit  „dem  grossen  Kasten^  in  Hi.  32  gemeint,  oder  aber  das 
Volksbuch  schildert  einen  früheren  Zustand,  da  etwa  anstatt  des  Ge- 
wölbes und  wohl  an  der  Stelle  der  Bank  eine  den  nötigen  Schutz 
gegen  Unbill  der  Witterung  gewährende  Bude  für  die  Schützen  am 
Rathause  angebracht  war.  Betrachtet  man  ferner  den  historischen 
Plan  von  Nürnberg,  der  dem  fünften  Hefte  der  „Mitteilungen*'  bei- 
gegeben ist,  so  findet  man  den  Saumarkt  in  dem  späteren  Trödelmarkt 
auf  einer  Pegnitz-Insel  wieder.  Von  ihm  fuhrt  der  sog.  Henkerssteg 
beim  Unschlitthause  vorbei  auf  einen  Platz,  welcher  den  Namen  beim 
Hieferle  führte.  Wie  M.  Bach  in  den  „Mitteilungen^  V,  59  sagt, 
kommt  diese  Bezeichnung  beim  Uießerle  schon  1397  vor;  dagegen  sei 
das  Unschlitthaus,  nach  welchem  der  Platz  heute  Unschlittplatz  oder 
-markt  heisst,  erst  1490  gebaut.  Die  Form  des  Namens  in  S  ist 
demnach  eine  umdeutende  Entstellung. 

In  Bamberg  ist  der  Name  der  Wirtin  Künigine  trefflich  gewählt. 
Bamberg  war  die  Lieblingsstadt  Kaiser  Heinrichs  des  Heiligen  und 
seiner  gleichfalls  im  J.  1200  canonisierten  Gemahlin  Kunigunde,  von 
welchen  auch  der  Dom  dieser  Stadt  herrührt.  Der  Name  Kunigunde 
wird  also  sicher  in  Bamberg  beliebt  und  häufig  gewesen  sein. 

Aus  Frankfurt  am  Main  ist  von  dem  Verfasser  die  Messe,  der 
Römer  und  die  Judengemeinde  zum  Aufbau  einer  Erzählung  verwendet. 


«2 

• 

Eine  zweite  kmipft  er  an  die  Bedeutung  der  Stadt  als  Ort  der  Kaiser- 
wahl. Aus  der  Umgegend  ist  ihm  die  Wetterau  und  die  Stadt  Frid- 
berg  bekannt.  Ausserdem  entwickelt  er  historische  Kenntnisse,  die 
aber  sehr  verwirrt  sind.  Lappenberg  hat  sie  nach  ihrem  Werte  ge- 
würdigt, s.  S.  263.  Wenn  er  jedoch  die  Vermutung  äussert,  dass 
Supplenburg  aus  Lützlenburg  entstanden  sei,  so  kann  ich  ihm  nicht 
beipflichten,  stimme  vielmehr  seiner  eben  vorher  kundgegebenen  ver- 
ständigen Bemerkung  zu,  es  erkläre  sich  leicht,  wie  ein  niedersächsischer 
Erzähler  den  Namen  des  der  Heimat  seines  Helden  benachbarten 
Supplenburg  in  den  Text  —  sagen  wir  richtiger,  in  seine  eigene  Er- 
zählung —  brachte. 

Dass  in  Hi.  34  zu  Rom  der  dortigen  Währung  gemäss  Ulen- 
spiegel's  Wirtin  nach  Ducaten  rechnet,  ist  schon  erwähnt.  Bedeutender 
ist  die  Kenntniss,  dass  der  Papst  monatlich  einmal  in  der  Kapelle, 
die  da  heisst  Hierusalem  zu  St.  Johanns  Latronnen  Messe  lesen  muss. 
Die  Basilica  St.  Johannis  im  Lateran,  eine  der  sieben  Hauptkircheu 
Roms,  quae  prima  orbis  ecclefiä  dicitur  (Aeneas  Sylvius,  Hiftoria 
Friderici  HL  Imperatoris),  war  ^die  eigentliche  bischöfliche  Kirche 
des  Papstes,  von  der  er  nach  seiner  Krönung  feierlich  Besitz  uimmf^ 
(Daniel,  Handbuch  der  üeographie  H,  258);  und  der  Hochaltar  heisst. 
wie  mir  Herr  Professor  von  Pflugk-Harttung  mitteilt,  noch  altare 
papale.  Somit  mag  es  mit  der  monatlichen  Messe  des  Papstes  in 
dieser  Kirche  seine  Richtigkeit  haben,  obschon  ich  darüber,  sowio 
über  die  Kapelle  Jerusalem  in  der  Kirche  nichts  habe  sonstwo  finden 
können.  Nacli  Zeiller,  Itinerarium  Italiae,  S.  14G  liegt  noch  eine 
Kirche,  die  H.  Kreuzkirche  ;,in  Jerusalem  genant^  auf  demselben 
Mons  Caelius  oder  Lateranenlis,  die  aber  schwerlich  gemeint  sein  kann, 
da  sie  eine  ziemliche  Strecke  von  der  St.  Johannis  Kirche  entfernt 
und  selbst  eine  der  sieben  Hauptkirchen  ist. 

Von  den  besprochenen  Erzählungen  verraten  die  Marburger  (27), 
die  Prager  (28),  die  Bamberger  (33),  die  Römische  (34),  die  l)eiden 
Frankfurter  (35.  G3)  durch  stehen  gebliebene  nd.  Sprachbrocken,  03 
auch  durch  die  Nennung  des  Grafen  von  Supplenburg  ihre  Herkunft 
aus  einem  nd.  Texte.  Hingegen  habe  ich  für  solche  Herkunft  der 
drei  Nürnberger  (17.  32.  77)  und  der  drei  Erfurter  (29.  60.  ül)  bis 
jetzt  in  der  Sprache  keine  Beweisgründe  zu  finden  vermocht,  als 
höchstens  für  29  und  00  die  Namensform  Ertford,  Bemerkenswert 
ist  dabei,  dass  von  den  fünf  Amis-Geschichten  S  zwei  (27.  28)  sicher 
und  eine  (29)  vielleicht  einer  nd.  Vorlage  entnommen  hat,  während 
es  von  zweien  (17  und  der  Pommerschen  31)  ungewiss  bleibt.  Da- 
gegen darf  man  von  Ueiden  Historien  (14.  23),  welche  dem  Kalen- 
berger  entnommen  sein  sollen,  bestimmt  behaupten,  dass  sie  nicht 
nur  aus  einem  nd.  Text  herstammen,  sondern  dass  sie  auch  unab- 
hängig vom  Kalcnberger  erzählt  sind. 

Die  Grabschrift  Ulenspiegers. 

Die  Historien  93 — 90  enthalten  auffällige  Widersprüche.  Hi.  94, 
wo  ü.  auf  dem  Bauche  liegend,  und  Hi.  95,  wo  er  aufrecht  begraben 


63 

• 

wird,  schliessen  einander  aus.  Beide  hinken  hinter  Hi.  93  her,  da 
U.  hier  nicht  bloss  bestattet  wird,  sondern  nach  vier  Wochen  wieder 
ausgegraben  werden  soll;  auch  wird  hier  keiner  zufällig  ungewöhn- 
lichen Bestattungsweise  Erwähnung  getan.  Scherer  (S.  32)  hat  des- 
halb gemeint,  mit  den  Schlussworten  dieser  93.  Historie  könnte  das 
Buch  in  seinem  ersten  Entwurf  sehr  wohl  geschlossen  haben:  alfo 
belib  er  ligen  in  feinem  grab  vnd  im  tcard  en  gdechtniß  ein  ftein  vff 
fein  grab  gfeizt^  als  man  noch  ficht.  Dass  A  die  Hi.  93  und  94  als 
Ein  Kapitel  giebt,  brauchte  solcher  Annahme  nicht  entgegenzustehen. 
Aber  es  Hesse  sich  mit  gleichem  Fug  annehmen,  dass  Hi.  95  den 
ursprünglichen  Schluss  gemacht  habe,  weil  Hi.  93  eine  Beschreibung 
des  Grabsteines  vermissen  lässt,  dass  also  Hi.  93  und  94  eingeschoben 
seien.  Oder  soll  man  diese  im  Epitaphium  der  Hi.  96  sehen?  Da- 
gegen muss  wieder  eingewandt  werden,  dass  nach  Hi.  93  U.  in  Mölln 
gestorben  und  beerdigt  ist,  Hi.  96  aber  sein  Grab  nach  Lüneburg 
verlegt.  Diese  Angabe  passt  jedoch  ebensowenig  zu  Hi.  95,  weil 
nicht  nur  aus  93  und  94,  sondern  auch  aus  89 — 92  mit  Notwendigkeit 
Mölln  als  Ort  von  Ulenspiegel's  Ableben  hervorgeht.  Den  Anstoss 
suchte  Scherer  (S.  33)  zu  beseitigen,  indem  er  behauptete,  die  ganze 
Hi.  96  sei  offenbar  nur  durch  eine  fälschlich  als  Ueberschrift  auf- 
gefasste  Bandbemerkung  zu  dem  Schluss  von  95  entstanden.  Dadurch 
wird  aber  nicht  erklärt,  wie  der  Name  Lüneburg  an  den  Rand  ge- 
kommen ist.  Die  Annahme  der  Interpolation  reicht  für  die  Entstehung 
solcher  Ungereimtheit  und  Widersinnigkeit,  wie  Hi.  93 — 96  sie  un- 
verhüllt selbst  dem  gedankenlosesten  Leser  darbieten,  nicht  aus. 
Einem  Interpolator  musste  nahe  liegen,  dem  Widerspruch  seiner  Leser 
durch  die  einfache  Berufung  auf  verschiedene  Tradition  zu  begegnen. 
Alle  vier  Historien  (93 — 96)  müssen  als  Eigentum  des  Autors  gelten, 
während  allerdings  zweifelhaft  bleibt,  ob  er  sie  sämtlich  schon  der 
ersten  Ausgabe  von  1483  einverleibt  hatte.  Für  ihre  Echtheit  spriclit, 
dass  sie  sich  mit  Ausnahme  von  96  in  allen  alten  Drucken  Andeu 
und  96  wenigstens  in  S,  K  und  C.  Die  Erzählung  von  einer  drei- 
maligen verschiedenartigen  Beerdigung  und  einem  zweifachen  Grabe 
darf  als  beabsichtigte  Neckerei  und  Schalklieit  des  Verfassers  auf- 
gefasst  werden:  wie  der  Held  seines  Romans  mit  den  Zeitgenossen 
Spass  getrieben  hatte,  so  erlaubt  der  Autor  sich  zu  guter  Letzte 
einen  Scherz  mit  dem  Leichnam  desselben  und  zugleich  mit  seinem 
Publicum.  Das  scheint  die  einfachste  und  darum  wahrscheinlichste 
Erklärung  zu  sein. 

Zwei  der  ergötzlichen  Geschichten  93 — 95  zu  streichen,  dazu 
konnten  die  nachfolgenden  Herausgeber  sich  nicht  verstehen;  lag  doch 
auch  der  Witz  der  dreifachen  Bestattung  greifbar  genug.  Hi.  96 
aber  wird  der  Kritik  als  unnötige  und  irrtümliche  Wiederholung  des 
Schlusses  von  95  vorgekommen  und  deshalb  späterhin  gestrichen  sein. 
Allein  die  Uebereinstimmung  von  S,  K  und  C  1539^)   verbürgen  ihre 

^)  Aach  m  dem  Augsburger  Druck  1540?  wie  wenigstens  Lappenberg  S. 
335  angiebt,  wo  er  aber  K  ausgelassen  hat.  Im  Gegensatze  dazu  nennt  er  S.  289 
ausser  S  noch  K,  0  und  £,  während  er  doch  S.  335  behauptet,  £  erwähne  aus- 


e4 

• 

Echtheit,  nicht  als  besondere  Historie,  aber  nach  ihrem  Inhalt  und 
als  Schluss  von  Hi.  95;  und  C  scheint  die  ursprüngliche  Lesart  am 
treuesten  überliefert  zu  haben.  Um  das  zu  erweisen,  müssen  zunächst 
die  verschiedenen  Lesungen  der  Drucke  neben  einander  gestellt  werden. 
Uebereinstimmend,  nur  im  Dialekt  verschieden  erzählen  alle  drei  (S 
95,  K  79,  C  100),  dass  ein  Stein  auf  das  Grab  gesetzt  sei  und  dass 
man  vff  das  halbteil  (in  der  Mitte?  auf  der  einen  Hälfte?)  desselben 
eine  Eule  und  einen  Spiegel,  welchen  die  Eule  in  den  Klauen  hatte, 
gehauen  und  oben  an  den  Stein  geschrieben  habe:  Difen  ßein  fcl 
nieman  erhaben.  Hie  ftat  Vlettfpiegel  begraben.  S  fügt  noch  an:  Anno 
domini  M.  CCC.  L.  iar^  wofür  K  die  unerhebliche  Aenderung  hat: 
Im.  M.  CCC.  L.  Jair^  während  in  C  die  Jahrzahl  fehlt.  Nun  folgt 
in  S :  Die  XC  VI  histori  fagt  wie  Vlenfpiegels  Epithaphium  vnnd 
vbergefchrifft  eu.  Lünefiburg  vff  feinem  grab  gehowen  ßot. 

Epithaphium. 
Diffen  ßein  fol  niemans  erhaben  (S  1519  erheben). 
Vlenfpiegel  ßat  hie  begraben. 
Dann  ein  Holzschnitt :  Eine  Eule  hält  einen  Spiegel  mit  acht  Facetten 
in  ihren  Klauen   oder   steht   vielmehr   auf  demselben  (s.  Lappenberg 
S.  138.)     In  der  Ueberschrift  diflferiert  K  nicht;   einzige  Abweichung; 
ist,  dass  er  gleich  mit  Wie  beginnt,  da  er  die  Zählung  der  „Capitel" 
oder  „Historyen"  schon  im  Anfange  seines  Druckes   bald  aufgegeben 
hatte.     Etwas  anders  lautet  aber  das 

Epitaphium. 
Defen  ßein  fai  nyemanta  erhauen^ 
Vlenfpiegel  fteit  da  vprecht  begrauen. 
Eine  Darstellung  des  Grabsteinbildes  fehlt. 

C  dagegen   lässt   auf  die   erste  Grabschrift   als   Schluss   seiner 
100.  Historie  folgen: 

Vnd  dife  übergefchrifß  ftat  eu  Lünenburg   aujf  feynem  grab  inn 
ein  Stein  gehawen.     Im  Jar  als  man  ealt  nach  Christi  Gelnirt  Dufent 

drey  Hundert  vnd  Funffeig. 

*  * 

Epitaphium. 
Difen  Steyn  foll  niemandts  erhaben. 
Vlenfpiegel  ftadt  da  au/frecht  begiaben. 
Aus  dieser  Fassung   wird   die  Bedeutung   des  Epitaphiums  klar 
und  lässt  sich  die  Entstehung  der  96.  Historie   in  S   erkennen.     Wie 
man  sonst  wohl  „Ende"  zum  Abschluss  eines  Buches  zu  setzen  pflegte, 
steht  hier  die  Grabschrift,  die  vorher  wie  in  S  so   auch   im  Original 
fortlaufend  gleich  Prosa  gedruckt  gewesen  sein  mag,   noch  einmal  in 
Versdruck  und  vermutlich  zugleich  als  Ueber-  oder  Unterschrift  eines 
ähnlichen  Holzschnittes,  wie  S  ihn  zeigt.     Der  eigentliche  Schluss  der 
Erzählung   ist   so   zweideutig   gehalten,    dass   man    sich   vorzustellen 
vermag,  inwiefern  S  —  oder  war  es  der  nd.  Nachdrucker?  —  durch 

drücklich,  dass  der  Leichenstein  zu  Mölln  sei.    Seine  Bibliographie  von  E   und  A 
S.  168  und  S.  173  schweigt  über  diesen  Punkt. 


65 

Umstellung  der  Jahreszahl  und  Beziehung  des  Epitaphiums  auf  die 
Lüneburger  Ueberschrift  glauben  durfte  die  verzwickten  Sätze  ent- 
wirren zu  müssen  und  entwirrt  zu  haben.  Der  erste  Satz  erlaubt 
nemlich,  „diese  Ueberschrift"  sowohl  auf  das  Vorhergehende  als  auf 
das  Folgende  zu  beziehen.  Im  ersteren  Falle  wäre  Ulenspiegel  etwa 
als  in  Mölln  gestorben  und  in  Lüneburg  bestattet  zu  denken;  die 
Jahresangabe  Hesse  sich  aber  von  der  Ilandlung  des  Einhauens  der 
Inschrift  verstehen.  Im  letzteren  Falle  hätten  wir  zwei  Gräber,  eins 
zu  Mölln  mit  den  Versen  auf  dem  Leichenstein  und  eins  in  Lüneburg 
mit  der  Angabe  des  Jahres.  Die  Zweideutigkeit  wird  kein  Zufall, 
sondern  vom  Verfasser  beabsichtigt  sein,  wie  nicht  weniger  die  Varia- 
tion der  Grabschrift  im  Epitaphium,  die  wohl  die  Confusion  noch 
steigern  und  dem  Leser  den  irrtümlichen  Schluss  nahe  legen  sollte, 
Jahreszahl  und  Epitaph  zu  verbinden  und  als  Inschrift  des  Lüneburger 
Steines  im  Gegensatz  zum  Möllner  zu  betrachten.  Ob  das  „aufrecht" 
erst  später  der  zweiten  Grabschrift  eingefügt  ist,  oder  ob  der  Schöpfer 
der  „96.  Historie"  die  beiden  Inschriften  durch  Streichung  des  Wortes 
möglichst  gleich  machen  wollte,  ist  schwer  zu  sagen. 

Wenn  diese  Auifassung  der  Stelle  im  Text  von  C  richtig  ist, 
so  Hesse  sich  folgern,  mit  Sicherheit  dass  in  Mölln  vor  dem  Erscheinen 
des  Volksbuches  kein  Grabstein  EulenspiegePs  existierte,  mit  Wahr- 
scheinlichkeit dass  ebensowenig  eine  Tradition  von  seinem  Ableben 
in  dieser  Stadt  vorhanden  war,  und  als  Möglichkeit  dass  die  Ver- 
teilung des  Schicksals,  den  Leichnam  des  Schalkes  auf  dem  Kirchhofe 
zu  bewahren,  auf  zwei  Städte  erst  in  einer  neuen  Auflage  geschah, 
wer  weiss  ob  nicht  deshalb  weil  die  Möllner  von  dem  ihnen  in  der 
ersten  Ausgabe  zugeteilten  Loose,  des  Schalksnarren  Namen  mit  dem 
ihrer  Stadt  aufs  engste  verbunden  zu  sehen  und  als  Hüter  seines 
Leichnams  zu  gelten,  sich  nicht  recht  erbaut  gezeigt  hatten  und  sich 
erst  gewöhnen  mussten,  eine  solche  Besonderlieit  als  Vorzug  zu  betrachten. 
Letztere  Vermutung,  dass  S,  K  und  C  nicht  die  ursprüngliche  Fassung 
des  Ausganges  der  letzten  Historie  geben,  findet  Bestätigung  in  der 
Gestalt  einer  anderen  Grabschrift,   welche   uns   durch  E  erhalten  ist. 

Epitaphium. 
Dirfen  ftein  fol  niemandts  erhaben. 
Ulenfpiegel  lehent  hie  begraben. 
Leider  verschweigt  Lappenberg  (S.  1G3)  die  Schlussworte  der  vorher- 
gehenden Grabgeschichte,  so  dass  man  nicht  weiss,    ob   in  dieser  die 
Inschrift  ähnlich  oder  gleich  abgefasst  ist    oder    ob  sie    zu  der  scmst 
überlieferten  stimmt.    Dass  das  Epitaph  nicht  von  E  herrührt,  sondern 
auf  einen  nd.  Originaldruck  zurückgeht,   dafür    steht  A  als  Gewährs- 
mann  ein,    welcher    sein    letztes    Kapitel    folgendermassen    schliesst: 
Aldiis  litten  fi  vlefpiegd  recht   int  graf  ftaen   ende   fi  decten  dat  graf 
ende  leyden  daer  op  eenen  fteen^  daer  op  gehouwen  was  een  wie  hebbende 
een  fpiegel   onder  zyn  clauwen  alfo  hier  na  geßgureert  ftcen  (ist  fteen 
zu  streichen?)   ftaet,   ende   op   den  fteen  ftont   gehouwen  met   gefcrifte. 
Defen  [ftreit]  j\d  nyemant  verhouwen.    Hier  lect  vlefpieghel  begrauen. 

Niederdeatsches  Jahrbuch.    XIX.  5 


66 

^jffi^^'^^^f  ^^^  Holzschnitt   in  oblonger  Einfassung,   ein   runder  Spieg»^! 
in  einem  Rahmen  mit  acht  Facetten.     Auf  demselben  sitzt  eine   Kult 
mit  den  Klauen  ihn  ergreifend.     Eine  Inschrift  ist  nicht  vorhanden.* 
(Lappenberg  S.   158.)     Abweichend   von  S  wird   der  Stein    aufs  Gnil« 
gelegt^);    bei    der  Beschreibung   wird   auf   den  Holzschnitt  verwi<*st'n. 
der  offenbar  dem  in  S  ähnlich  sah;    die  Jahreszahl  und  das  Kpit;iph 
fehlen.      Verhouwen  ist  ein  Notbehelf  des  Antwerpeners,  dessen  Mund- 
art für  „erheben"   keine  Nebenform   verhaven,   sondern   nur    verhrffai 
gestattete;  der  auf  Kosten  einer  genauen  Uebersetzung  gerettete  Kt^ini 
ist    freilich    doch   nur    schlecht    ausgefallen.     Mit    S    stimmt    überein, 
dass  die  Verse  nicht  abgesetzt  sind.     Aus  E   geht   hervor,    dass    leet 
Druckfehler   ist   für   leefit:   der   n-Strich    über   den   Vocalen    ist    ver- 
sehentlich unterblieben.     Aus  der  verschiedenen  Wortfolge  im  zweiten 
Verse  bei  A  und  E,  welche  Abweichung   in    der   zweimaligen  Angaht^ 
der  anderen  Grabschrift  bei  S  u.  s.  w.  wiederkehrt,  lässt  sich  schliessen, 
dass  A  das  Epitaph  unterdrückt  hat.     Beide,  A  und  E,  wissen  nicht> 
von  einem  Lüneburger  Grabe  und  Steine.     Es  ergiebt  sich    demnach, 
dass  es  einen  nd.  Druck  gegeben  hat,  in  welchem  nur  von  Mölln  di«' 
Rede  war  und  die  Grabschrift  Hyr  leent  U.,  das  Epitaph  U,  leent  hyr 
lautete.     Dieser   Druck   muss   ein    Originaldruck    des   Verfassers   uml 
wird  die  erste  Ausgabe  gewesen  sein. 

Dieselbe  Lesart  bietet  der  zu  Mölln  vorhandene  Grabstein: 
allerdings  nicht  in  der  von  Lappenberg  seiner  Ausgabe  beigegebenen 
Nachbildung.  Der  Stein  hat  durch  Behauen  der  Längskanten  gelitten, 
so  dass  manche  Buchstaben  ganz  oder  teilweise  verloren  gegangen 
sind.  In  Lappenberg's  Copie  sind  die  viUlig  zerstörten  Buchstaben 
weggelassen,  die  tmdeutlich  gewordenen  von  den  sicher  lesbaren  durcl: 
schwächere  Schrafherung  unterschieden.  Allein  er  hat  nicht  überall 
richtig  gelesen;  so  auch  das  Wort  nicht,  um  das  es  sich  hier  handelt. 
Es  steht  am  Rande  rechterhand  und  ist  nicht  vollständig  erhalten. 
Lappenberg  giebt  li  als  lesbar,  gt  als  schwach  erkennbar  an.  Dagegen 
habe  ich,  als  zu  Pfingsten  1889  der  Hansische  und  der  Niederdeutsehe 
Verein  ihre  Lüneburger  Sitzung  mit  einem  Ausfluge  nach  Mölln  be- 
schlossen, ein  unverkennbares  le  gelesen,  was  sofort  von  anderen  Be- 
schauern bestätigt  ward.  Auch  der  kleine  Lichtdruck,  welchen  ein 
Möllner  Photograph  bei  jener  Gelegenheit  zu  Kauf  anstellte,  und  die 
schöne  grosse  Aufnahme,  welche  damals  Herr  Hofphotograph  F. 
Albert  Schwartz  in  Berlin  veranstaltete  und  von  der  mir  durch  dessen 
Güte  ein  Exemplar  vorliegt,  zeigen  deutlich  dieselbe  Lesart;  von  gi 
ist  aber  keine  Spur.  Die  Ergänzung  ist  leicht  und  sicher.  Die  dia- 
lektische Form  lecht  für  licht  (liegt)  ist  überhaupt  selten  und  in  der 
Zeit,  welcher  Bild  und  Inschrift  angehören,  nicht  mehr  gebräuchlich: 
leit  würde  ,legt'  bedeuten.  So  bleibt  nur  der  Schluss,  dass  lent  oder 
leent  (das  n  möglicherweise  durch  einen  Strich  über  dem  Vocal  oder 


*)  nicht  hier  (95),  aber  Hi.  93,  wo  S  ebenfalls  von  einer  Steinsetzung  redet, 
spricbt  K  von  einer  Steinlegung:   vnd  lachten   einen  ftein  darvp  jm  so  gedechtnys. 


67 

den  Vocalen  atisgedrückt)  gemeisselt  stand.  Unter  den  älteren  Copisteü 
der  Grabschrift  sind  zwei  zu  nennen,  welche  diese  Lesung  noch  völlig 
vorfanden,  nur  entstellen  sie  dieselbe  zu  lehnent,  welche  Form  als 
sprachwidrig  unmöglich  ist  und  für  welche  der  Raum  an  der  Stelle 
des  Steines  gar  nicht  ausreicht:  Molander,  Der  mit  denen  Seltenheiten 
dieser  unter-irrdi sehen  Welt  beschäfftigte  Parnassus,  Hamburg  1698, 
S.  109^)  und  P.  L.  Berckenmeyer,  Der  getreue  Antiquarius,  Hamburg 
1708,  S.  208.  Aber  auch  die  älteste  Nachricht  über  den  Möllner 
Stein,  die  des  Wismar'schen  Stadtsecretärs  Magister  Johan  Höppner 
aus  dem  Jahre  15rJ6,  welche  Dr.  F.  Crull  aufgefunden  und  in  den 
Meklenburger  Jahrbüchern  XXXIII  (1868),  S.  95  mitgeteilt  hat,  ver- 
rät, obschon  er  die  Inschrift  nach  der  Vulgata  angiebt,  durch  die 
einleitenden  Worte,  was  er  wirklich  gelesen  hat:  darfiilveft  leint  Ulen- 
fpegels  fteen,  darup  de  tall  MCCCL^);  wider  gefchreven  dar  up:  Hier 
fteit  ülenfpegel  bografen  etc. 

Als  ein  mit  A  und  E  1532  gleichwertiges  Zeugniss  für  einen 
nd.  Druck  darf  der  Möllner  Stein  jedoch  nicht  angesehen  werden; 
vielmehr  wird  man  annehmen  dürfen,  dass  bei  seiner  Herstellung  E 
als  Vorlage  gedient  hat;  denn  Lappenberg  (S.  882)  bemerkt,  dass 
die  Darstellung  Ulenspiegers  auf  dem  Grabsteine  sehr  derjenigen  in 
den  Erfurter  Ausgaben  1532  flgd.  gleiche.  Da  die  Sprachformen  der 
Möllner  Inschrift  ungefähr  in  das  zweite  Viertel  des  16.  Jhs  weisen, 
so  lässt  sich  von  Seiten  der  Zeitrechnung  nichts  gegen  solche  Ent- 
lehnung von  Bild  und  Grabschrift  aus  E  einwenden.  Selbst  der  Grund 
derselben  würde  klar,  falls  der  Erfurter  Druck  es  gewesen  wäre, 
welcher  zuerst  den  Anspruch  Mölln's  durch  Beseitigimg  von  Lüneburg's 
Namen  wieder  in  sein  altes  Recht  einsetzte  und  für  immer  feststellte. 
Lappenberg's  Angaben  in  Bezug  auf  diese  Frage,  S.  289  und  S.  835, 
widersprechen  sich.  Ohne  Zweifel  aber  ist  .das  noch  vorhandene 
Grabdenkmal  dasselbe,  von  dem  alle  Reisenden  seit  1536  berichten, 
und  nach  meiner  Ansicht  auch  das  erste  und  einzige,  welches  die 
Möllner  ihrem  durch  die  wiederholten  Auflagen  des  Volksbuches 
mittlerweile  weltberühmt  gewordenen  „alten  Herrn"   gewidmet  haben. 

Die  ältesten  Drucke. 

S  1515  ist  der  älteste  von  den  ims  erhaltenen  Drucken  der  hd. 
Bearbeitung.  S  1519  stellt  sich  im  ganzen  als  eine  neue  Auflage  von 
S  1515  dar:  beide  sind  aus  derselben  Buchdruckerei  hervorgegangen 
und  stimmen  in  Titel,  Einrichtung,  Inlialt  und  meistens  auch  im 
Wortlaut  überein.  Der  jüngere  Druck  hat  den  älteren  Text  verbessern 
sollen.  Unter  den  von  Knust  S.  VIII  aufgezählten  Ergänzungen  von 
Lücken  des  älteren  Druckes  durch  S  1519  und  unter  den  bereits  oben 
besprochenen  richtigeren  Lesarten,  welche  letzterer  vor  jenem  voraus 


*)  Lappenberg  (S.  327  ff.)  war  dieser  Bericht  nur  aus  einer  jüngeren   hand- 
scbriftlichen  Chronik  bekannt,  die  ihn  fast  wörtlich  aufgenommen  hatte. 
«)  Der  Stein  hat  1350. 


5* 


68 

hat,   finden   sich  mehrere,   welche  S  1519   nur  einer  zweiten  Vorlage 
verdanken  konnte.     Noch  entschiedener  wird  dieselbe  dadurch  bezeugt, 
dass  S  1519  falsche  Namensformen   von  S  1515   durch   die   richtigen 
ersetzt,    z.    B.:    Meinte   Hi.    1    (1515    Melbc);    Stasfurt   6    (Stafuri); 
GeuenckeAvftein    15     (Genenchenßein);     Hildtsheni     64    (Müdeßheim). 
Ebenso  hat  S  1519  in  Ili.  1  correct:    Thyl  von  Vt^ef},  der  hurgher  ru 
Ampleu^n  statt  der  Entstellung  in  S  1515:    Dyl  von^   der   burger   rü 
Amplenen.     Die  folgenden  deutschen  Ausgaben  zeigen  in  diesen  Namen 
durchweg    dieselben  Fehler   wie   S  1515    oder  entstellen   noch    mehr. 
Derartige  Vorzüge  des  Textes  von  S  1519  verlangen  unabweislich  die 
Annahme,    dass   dem    Hersteller   desselben    ausser   S    1515    noch    ein 
anderer  Text  vorgelegen  habe,  nach  welchem  er  zu  bessern  vermochte. 
War  derselbe  handschriftlich  oder  ein  Druck?   in  hochdeutscher  oder 
niederdeutscher   Sprache?      Knust   (S.   XII)   lässt   die   Fragen    unent- 
schieden:   man  werde  fast  zu  der  Annahme  gedrängt,   dass   beiden  S 
dieselbe,   sei  es  gedruckte,   sei  es  schriftliche,  Vorlage  zu  Gebote  ge- 
standen habe.     Es  wird  jedoch  sicher  ein  Druck  gewesen  sein.     Wenn 
die   Vorlage   eine    nd.    war,    so    muss    man    das    aus   dem    Umstände 
schliessen,    dass  S  und  A  unabhängig  von   einander   ein  nd.  Original 
tibersetzt  haben:    undenkbar  ist  dabei  die  Annahme  handschriftlicher 
Vorlagen.     Sollte   sich   S  1519   aber   einer   handschriftlichen   hd.  Re- 
daction  bedient  haben,  so  müsste  diese  das  Manuscript  gewesen  sein, 
welches   in  S  1515    ungenügend    zum   Abdruck    gekommen   war:    nun 
ist  aber  unglaublich,  dass  jenes  Manuscript  nach  dem  Abdrucke  Jahre 
lang  aufbewahrt  geblieben  wäre;  und  selbst,  wenn  man  das  als  mög- 
liche Ausnahme  zugeben   wollte,    so  würde   doch   ein  solches  Zurück- 
greifen   auf    das    Manuscript    behufs   Herstellung    einer    verbesserten 
Auflage,   weil  dem  üblichen  Verfahren  jener  Zeit  nicht  entsprechend, 
ebensowenig  Glauben,  verdienen. 

Einen  positiven  Beweisgrund  für  die  Existenz  eines  älteren  hd, 
Druckes,  aus  dem  S  1515  geflossen  sei  und  den  S  1519  wieder  benutzt 
habe,  hat  Scherer  (S.  83)  in  dem  Druckfehler  der  letzteren  Ausgabe 
in  Ili.  IG  gefunden:  rechte  hetverte  artsvifchrn  hei  man  statt  artsni 
fcheuhet  fnan  (S  1515  arteny  fchücht  man).  Ob  seine  Schlussfolgerung 
zwingend  ist,  lasse  ich  dahin  gestellt  sein.  Da  jedoch  ausgeschlossen 
erscheint,  dass  S  1519  auf  eine  hd.  Handschrift  zurückgegriffen  habe, 
und  da  auch  eine  Verbesserung  nach  einem  nd.  Druck  wenig  Wahr- 
scheinlichkeit hat,  so  stehe  ich  nicht  an,  ihm  beizupflichten.  Auf 
diese  Weise  lassen  sich  auch  die  Lücken  in  S  1515,  welche  dadurch 
entstanden,  dass  der  Setzer  von  einem  Wort  versehentlich  auf  eine 
Wiederholung  desselben  überging  oder  eine  Zeile  ausliess,  am  ein- 
fachsten erklären.  Dergleichen  Versehen  begegnen  eher  bei  einem 
Nachdruck,  als  beim  Satz  nach  einem  Manuscript;  und  auf  Grund 
eines  nd.  Textes  würde  S  1519  schwerlich  so,  wie  er  es  tut,  gebessert 
haben.  Scherer  bemerkt  weiter,  der  ältere  Druck  oder  die  gemein- 
same Quelle  für  beide  S  könne  gleichfalls  in  Strassburg  entstanden 
sein.     Wenn  wir  jener  alten  Angabe,    dass   der    hd.  Ulenspiegel    von 


69 

Miirner  herrühre,  Glauben  schenken  wollen,  —  und  da  das  Zeugniss 
unverdächtig  ist,  so  ist  kein  Grund  an  der  Richtigkeit  zu  zweifeln, 
—  dann  wird  man  indertat  auf  Strassburg  und  selbst  auf  dieselbe 
Buchdruckerei  Grieninger's  am  ehesten  schliessen  dürfen.  Ein  solcher 
Druck  S  möchte  für  die  erste  Ausgabe  der  Murner'schen  Bearbeitung 
zu  halten  und  ungefähr  in  die  ersten  Jahre  des  16.  Jhs  zu  setzen 
sein,  zufolge  einer  Beobachtung  Zarncke's  (Haupt's  Zeitschrift  für 
Deutsch.  Alterthum  IX,  382),  dass,  während  Nachdrucke  ohne  Aus- 
nahme gleich  nach  dem  Erscheinen  des  Originaldnickes  folgen,  die 
spätere  Wiederauflage  in  den  meisten  Fällen  von  der  berechtigten 
Verlagsbuchhandlung  ausgehe.  Eine  so  frühe  Ansetzung  von  S  em- 
pfiehlt sich  weiter  durch  die  Erwägung,  dass  die  Uebersetzung  sich 
damit  als  eine  Jugendarbeit  des  1475  gebornen  Murner  am  füglichsten 
herausstellen  würde. 

Weiter  zurück  als  in  den  Anfang  des  16.  Jhs  lässt  S  sich  nicht 
datieren.  Eine  Heidelberger  Universitätsrede  nemlich,  das  Quodlibet 
de  fide  concubinarum  des  Paulus  Olearius,  enthält  eine  Anspielung 
auf  den  komischen  Verlauf  einer  dramatischen  Darstellung  der  Auf- 
erstehung in  der  Ostemacht;  s.  Zarncke,  Die  deutschen  Universitäten 
im  Mittelalter  I,  96,  20:  et  in  nocte  pafchali:  wen  fuchen  ir  hie^  ir  be- 
fchlepten  frowen?  ein  alte  hur  mit  einem  ouge,  et  mox  refponfum  est 
,won  eft  hic\  Offenbar  ist  dieselbe  Geschichte  gemeint,  die  im  Ulen- 
spiegel  Hi.  13  erzählt  wird.  Aus  S  kann  jedoch  Olearius  nicht  citiert 
haben;  denn  hier  lautet  die  Stelle  abweichend:  wen  fachen  ir  hie? 
wir  fnchen  eine  alte  eineugige  pfaffenhvir.  Die  Heidelberger  Scherzrede 
ist  ohne  Datum;  aus  zwei  Daten  aber,  die  in  derselben  vorkommen, 
geht  hervor  (Zarncke  S.  244),  dass  sie  zwischen  dem  Ende  von 
Februar  1499  und  dem  Ende  von  August  1501  gehalten  worden  ist. 
Damals  wird  S  kaum  schon  vorhanden  gewesen  sein,  weil  sonst  Olearius 
wohl  nach  dieser  Uebersetzung  des  Volksbuches  citiert  haben  würde. 
Nun  mag  die  Erzählung  ein  alter  Schwank  sein,  der  in  Süddeutsch- 
land so  gut  wie  in  Norddeutschland  umlief;  und  aus  einer  anderen 
litterarischen  Fassung  oder  aus  dem  Volksmunde  könnte  Olearius  ihn 
geschöpft  haben.  Vielleicht  hat  eine  solche  Erwägung  Zarncke  be- 
stimmt, einen  Hinweis  auf  den  Ulenspiegel  zu  unterlassen.  Knust  (S. 
Xni)  sieht  in  den  betreffenden  Worten  des  Quodlibet  ein  Zeugniss 
von  der  frühen  Verbreitung  des  Volksbuches  in  Süddeutschland. 
Seine  Auffassung  lässt  sich  stützen  durch  das  Adjectiv  befchlept.  Im 
Deutschen  Wörterbuch  hat  Jacob  Grimm  dasselbe  ausserdem  aus 
einigen  Schriftstellen  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jhs  belegt  und  zwar 
in  den  Bedeutungen  von  ;,beschleift,  durch  den  Koth  geschleppt,  be- 
sudelt*', welche  doch  für  die  obige  Stelle  wenig  passen.  Man  erwartet 
vielmehr  ein  Wort  etwa  des  Sinnes  ;,im  Trauerge wände,  trauernd, 
betrübt^.  Auf  ein  solches  Wort  führt  nun  das  Niederdeutsche.  Der 
Ditmarsche  Chronist  Neocorus  aus  dem  Anfange  des  17.  Jhs  (hrsg. 
von  Dahlmann,  I,  160)  berichtet  von  einer  Tracht  der  Frauen  bei 
der  Leichenfolge,  die  darin  bestand,  dass  sie  den  Hoiken  oder  Mantel 


70 

anders  als  sonst  antaten:  fe  hengen  en  umme  den  hals  unde  flippen 
en  umme  dat  hövet.  Die  Sitte  wird  noch  aus  dem  vorigen  Jahrhundert 
bezeugt  durch  Ziegler  im  Idioticon  Ditmarsicum  (bei  Richey,  Idioticon 
Hamburgense,  1755,  S.  423):  den  Hettken  flippen,  flippte  Fruwens. 
Das  Mnd.  Wörterbuch  verzeichnet  flip-,  flepehoike,  einmal  mit  dem 
Attribut  fwart;  vielleicht  sind  im  Mittelalter  Hoiken  von  besonderem 
Schnitt  für  jenen  Zweck  im  Gebrauch  gewesen.  Man  darf  vermuten, 
dass  ein  Particip  ge-^  leflipt,  -fiept  von  solcher  Tracht  gebraucht 
ward,  und  folgern,  dass  die  Stelle  des  Quodlibet  aus  einem  nd.  Druck 
des  Volksbuches  genommen  ist.  Somit  gewinnt  wiederum  die  auf  die 
Namensform  ^UlenfpiegeP  gegründete  Behauptung,  dass  das  Origimil 
bereits  vor  der  Uebertragung  Murner's  geraume  Zeit  in  Oberdeutsch- 
land verbreitet  gewesen  sein  müsse,  durch  das  Citat  des  Olearius 
eine  Bestätigung.  Vielleicht  mag  diese  Anführung  gar  Murner  Aulass 
gegeben  haben,  sich  mit  dem  Ulenspiegel  zu  beschäftigen. 

Dass  es  eine  zweite,  frühere  oder  etwa  gleichzeitige,  oberdeutsche 
Uebersetzung  neben  S  gegeben   habe,  eine  solche  Annahme  entbehrt 
aller   Wahrscheinlichkeit;    davon    findet    sich   auch   keine    Spur    und 
keine  lieber  lieferung.     Der  Erfurter  Druck,    den   Lappenberg    S.   ir».j 
zwischen  1533  und    1537    ansetzt   und   der  im   erhaltenen  Exemplare 
am  Ende    verstümmelt  ist,  hat  zwar  in  handschriftlicher  Ergänzung 
(^vermuthlich   im  17.  Jahrhundert   geschrieben*^)    den  Kolophon:   Ge- 
druckt  jsue  Augspurg  durch  Simon  Gymell^  fo  aus  der  alten  Sexifchen 
fprach  in  gute  Teutfche  fprach  gebracht  worden  Im  1498  Jahr;  aber 
abgesehen  von  anderen  Bedenken,  aus  welchen  Lappenberg  die  ganze 
Ergänzung  für  Fälschung   hält,    so    kann   diese  Notiz    allein   deshalb 
schon  nicht  für  echt  gelten,  weil  sich  kein  Buchdrucker  dieses  Namens 
in  Augsburg  nachweisen   lässt.     Oben   habe   ich   die  Möglichkeit   an- 
gedeutet,   dass  es  jedoch    eine   frühe   mitteldeutsche  Bearbeitung  ge- 
geben habe.     Allein  äussere  Zeugnisse  werden  auch  hierfür   vei-misst. 
Die    älteste   Erwähnung    des   Volksbuches,    in    einem    Quodlibet    de 
generibus   ebrioforum,    das   der  Universität   Erfurt   angehört   und    in 
das  Ende  des  Septembers  1515  (circa  autumnale  aequinoctium)   fallt, 
kann  nicht  mit  Sicherheit  dafür  geltend  gemacht  werden.     Es  werden 
in  dieser  Rede   Vletifpiegel,    Klynßor,  Pfarrer   vom  Kaienberg  etc,  an- 
geführt  (Zarncke    a.    a.  0.  S.  126,    10).     Man   kann   aus   der   Stelle 
entnehmen,  dass  das  Buch  bereits  allbekannt  war;   aber   welcher  Art 
die  Ausgabe  gewesen  ist,  die  der  Verfasser  im  Sinne  hatte,  geht  nicht 
daraus  hervor.     Höchstens  lässt  sich  aus  dem  Datum  schliessen,  dass 
es  nicht  S  1515  war;    denn  diese  Ausgabe   ward  erst   an   St.  Adolfs 
Tag,    d.    h.    am   29.  August   dieses   Jahres   vollendet.     Der  Verfasser 
des  Quodlibet  müssto  also,   wenn  man  auf  die  zu  S  stimmende  Form 
des   Namens  Gewicht    legen   will,  jene   vermutete   frühere  S-Ausgabc 
benutzt  haben.     Allein  diese  Uebereinstimmung  ist  nicht  zu  betonen, 
weil  einem  Thüringer  sicher   noch   eher   als    einem  Strassburger  das 
nd.   IJlenfpeighel   ohne   weiteres   zu  Ulenfpiegel  ward.     Der  Verfasser 
kann   demnach   ebensogut   einen   nd.  oder   einen  md.  Druck    gekannt 


71 

haben.  Die  Stelle  bleibt  somit  für  die  Frage  nach  den  ältesten 
Drucken  unbrauchbar. 

Wir  kommen  zu  der  Untersuchung,  wie  viele  nd.  Ausgaben 
existiert  haben  dürften.  Mindestens  zwei  scheinen  verbürgt  zu  sein 
durch  die  Vorrede  von  C  1539,  desselben  Druckes  welcher  im  Titel 
zuerst  die  Kunde  bringt,  dass  das  Buch  newlich  auß  Sachfifcher  fprach 
vff  TetUfch  verdolmetfcht  sei.  Die  Vorrede  beginnt:  Als  man  zalt  nach 
der  gehurt  Chrifti  M.CCCCLXXXIII.,  bin  ich  durch  etliche  per  fönen 
{jebetteti  worden^  diefe  historien  vnd  gefchichten  zu  famen  bringen  vnd 
befchreiben.  Diese  Zeitangabe  1483  hat  schon  Lappenberg  (S.  225 
und  347)  in  Verbindung  gebracht  mit  der  Zeitbestimmung  in  Hi.  1, 
Ampleven  sei  vor  etwa  fünfzig  Jahren  zerstört  worden.  Das  geschah 
iiber  1425.  L.  bemerkt  auch,  dass  die  abweichende  Bestimmung  in 
K  ;,bei  00  Jahren"  noch  besser  stimme;  er  hat  aber  die  Daten  nicht 
ausgebeutet,  vielleicht  weil  sie  zu  Murner's  Autorschaft  nicht  passten. 
Erst  Scherer  (S.  31  f.)  hat  dieselben  nach  Gebühr  gewürdigt.  Die  Ab- 
fassung im  Jahre  1483  erklärt  er  mit  Grund  für  gut  beglaubigt. 
Die  Zahl  60  hält  er  als  die  weniger  abgerundete  für  die  ursprüng- 
liche Lesart. 

Dieselbe  Vorrede,  wie  in  C  1539,  finden  wir  in  S  1515  und 
S  1519,  nur  dass  diese  mehrfach  den  Text  durch  Einfügung  von 
Wörtern  und  Sätzen,  die  aber  zu  dem  Inhalt  nichts  neues  tun,  er- 
weitert haben.  Ferner  haben  beide  S  die  Jahrzahl  1500  statt  1483. 
Es  scheint  also,  dass  C  einen  anderen  nd.  Text,  als  S  vorlag,  hat 
benutzen  können.  Die  etwas  kürzere  Vorrede  von  C  wird  auf  diesen 
Druck  zurückgehen;  fraglich  würde  jedoch  sein,  ob  der  Schluss  schon 
in  seiner  nd.  Vorlage  gestanden  habe:  myt  ßulegung  etlicher  Fabulen 
des  Pfaff  Amis,  mid  des  Pfaffen  votn  Kaienberg.  Dieselben  Worte 
schliessen  auch  die  Vorrede  in  S.  Scherer  (S.  32)  behauptet,  das 
sei  augenscheinliche  Interpolation.  Gewiss,  denn  der  vorhergehende 
Satz,  dass  der  Verfasser  damit  seine  Vorrede  enden  und  den  Anfang 
machen  wolle  mit  Ulenspiegels  Geburt,  lässt  gar  nicht  daran  zweifeln. 
Wenn  Scherer  dann  aber  daraus  folgert,  dass  die  Geschichten,  welche 
aus  dem  Amis  (Hi.  17.  27—29.  31)  und  Kalenberger  (Hi.  14.  23) 
stammen,  nicht  von  dem  Verfasser  der  Vorrede  und  ersten  Aufzeichner 
der  Historien  vom  Ulenspiegel  herrühren,  so  kann  ich  dem  nicht  zu- 
stimmen. Ob  sie  alle  bereits  im  ersten  Entwurf  des  Buches  sich 
vorgefunden  haben,  das  lässt  sich  nicht  entscheiden.  Dass  sie, 
wenigstens  zum  Teil,  aber  in  einer  neuen  Auflage  des  Originals  ent- 
halten gewesen  sind,  ergiebt  sich  zuverlässig  aus  den  Spuren  ursprüng- 
lich nd.  Abfassung  von  Hi.  14.  23.  27.  28,  als  wahrscheinlich  aus 
der  Aufnahme  von  Hi,  17  und  31  in  A,  so  dass  höchstens  über  Hi. 
29  Zweifel  sein  kann.  Da  nun  die  beiden  Hi.  14  und  23  nur  zweien 
Kalenberger-Schwänken  ähnlich,  aber  nicht  gleich  sind,  so  lässt  sich 
der  Zusatz  der  Vorrede  nicht  als  ein  Geständniss  eines  nd.  Verfassers, 
dass  er  die  sieben  Erzählungen  entlehnt  habe,  betrachten,  sondern 
der  Zusatz   muss   von   einem   späteren   Bearbeiter   herrühren,   wahr- 


72 

scheinlich  einem  hd.,  dem  die  Aehnlichkeit  oder  Uebereinstimmuiig 
dieser  Historien  mit  den  entsprechenden  des  Pfaffen  Amis  und  de> 
Kalenbergers  auffiel  und  der  dies  auszusprechen  mit  Rücksicht  auf 
seine  oberdeutschen  Leser  für  nötig  erachtete.  Der  Zusatz  ist  dem- 
nach wohl  auf  Rechnung  des  Verfertigers  von  S  zu  setzen,  und  (.' 
wird  den  Schluss  aus  S  geborgt  haben. 

Wie  steht  es  nun  aber   um  die  Jahreszahl    1500,  welche  S  an- 
stelle von  1483    giebt  und  die  weder   mit   den    50   noch  mit  den  fJ" 
Jahren  der  Hi.  1  sich  reimt?     Der  erste  Verfasser  des  Buches,   wenn 
man  ihm  auch  die  Gedankenlosigkeit  zutrauen  wollte,  bei  einer  Neu- 
datierung  seines  Buches    eine  Umrechnung   der  Zeitangabe    in  Hi.   1 
zu  unterlassen,  kann  doch  unmöglich  die  Aufforderung  seiner  Freunde 
und  die  Abfassung  seines  Werkes  einmal  ins  Jahr  1483  und  ein  ander 
Mal  ins  Jahr  1500  verlegt  haben:  von  ihm  lührt  die  Aenderuug  ge- 
wiss nicht  her;  vielmehr  muss  sie  aus  einem  nd.  Nachdrucke  stammen 
oder  dem  Strassburger  Uebersetzer  zur  Last   fallen.     Auf  jeden  Fall 
beweist  aber  die  Ersetzung   der   ursprünglichen  Datierung   durch    die 
neue,  dass  es  einen  nd.  Druck  vom  Jahre  1500  gegeben  hat.     Wenn 
derselbe  ein  unrechtmässiger  Nachdruck  war,  so  mag  der  Veranstalter 
desselben  die  Jahreszahl  in  der  Vorrede  umgeschrieben  haben,  sei  e^ 
aus   Misverständniss   des  Anfangssatzes,    sei    es   —   und   das   möchte 
eher   der  Fall    gewesen   sein   —   um   dem  Buche   das  vortheilhaftere 
Aussehen  eines  neuen  Productes  zu  verleihen.     Es  lässt  sich  aber  auch 
denken,   dass  der  Bearbeiter   von  S    die  Aenderung   aus  jenem    oder 
absichtlich  aus  diesem  Grunde   vorgenommen   hat.     Die  nd.  Ausgabe 
wird  in  diesem  Falle  die  Jahreszahl  1500   des  Druckes,   wie    damals 
üblich,  am  Schlüsse  enthalten  haben.     Dass  die  Zahl  1500  nicht  das 
Jahr  der  od.  Bearbeitung  angab,   darauf  brauchte  dem  Bearbeiter  S 
nichts  anzukommen,  da  doch  jeder  Leser  merken  musste,  dass  er  nur 
eine  Uebersetzung   vor  sich    hatte,   und   da,   wie    bereits    gezeigt   ist 
S  wahrscheinlich   bald   nach    1500   herausgekommen   sein  wird.     Die 
Hauptsache  war,  dass  durch  Aufnahme  von  1500  in  die  Vorrede  das 
Werk  als  neu  erschien.     Ich  bin  geneigt  anzunehmen,  dass   die  Aen- 
derung der  Jafireszahl  mit  Absicht  von  Murner  (S)  geschehen  ist. 

Nicht  allein  die  Jahreszahl  1500  in  S  spricht  zu  Gunsten  einer 
erneuten  Auflage  des  nd.  Originals;  dafür  lässt  sich  ausserdem  jener 
Anfang  der  Vorrede  in  C  geltend  machen.  Die  Redensart  „als  man 
zählte"  mit  folgendem  Perfect  wird  nicht  selten  am  Schluss  von  alten 
Drucken  gebraucht,  um  die  Zeit  der  Vollendung  derselben  anzugeben. 
So  angemessen  eine  solclie  Ausdrucksweise  am  Ende  der  Bücher  ver- 
wendet erscheint,  so  unpassend  muss  man  sie  an  der  Stelle  jener 
Vorrede  angebraclit  halten,  falls  mit  der  Zeitangabe  das  Jahr  gemeint 
sein  soll,  in  welchem  der  Druck,  zu  dem  die  Vorrede  gehört,  ans 
Licht  trat.  Vielmehr  muss  die  Jahreszahl  1483  auf  eine  frühere,  die 
erste  Ausgabe  des  Buches  hinweisen,  wenn  der  Verfasser  sich  richtig 
ausgedrückt  haben  soll.  Diese  wird  also  entweder  gar  keine  oder 
doch  eine  andere  Vorrede  gehabt  haben.     Für  die  erstere  Möglichkeit 


73 

lässt  sich  der  Mangel  einer  Vorrede  in  K  nicht  verwerten,  weil  K 
offenbar  eine  jüngere  vermehrte  Ausgabe  gekannt  und  benutzt  hat. 
Wohl  aber  spricht  für  die  zweite  Hypothese  der  Umstand,  dass  A 
eine  kurze,  von  der  in  S  und  C  abweichende  Vorrede  bietet.  Sie 
hat  nach  Lappenberg  S.  154  folgenden  Wortlaut: 

„Om  die  bede  van  fommighe  vrienden,  ben  [1.  den]  ick  be  [I.  de] 
fcriueer  des  boecx  niet  weder  feghen  en  dorfte,  fo  hab  [I.  hebVJ  ick 
ghecopuleert  fommighe  rcene  [?  1.  fcone?  die  Pariser  Üebersetzung 
von  1532:  plaifantes,  Lappenberg  S.  161]  boeuerien,  die  Thiel  Vle- 
fpieghel  beclreuen  heft  in  fyn  leuen,  ende  fterf  alsmen  fchreef  M.CCCL. 
Nv  begheer  ick  nochtans  veronfculdicht  te  fine  voor  gheeftelijck  ende 
weerlijk,  voor  hoghe  ende  leege,  dat  mi  niemant  te  feer  hier  in  wil 
ftraffen  noch  hem  feinen  daer  in  verftoren,  want  ick  dat  niet  en 
maecte,  datter  godes  dienft  by  vermindert  ende  verloren  foude  fijn, 
noch  oock  datmen  fcalcheyt  foude  foecken,  maer  om  des  menfchen  finnen 
daer  mede  te  verlichten  ende  te  vernieuwen,  ende  ooc  om  dat  die 
fimpel  flechte  menfchen  voor  der  gelijcker  boeuerijen  hem  fouden 
moglien  wachten,  offe  [1.  of  fe?]  hem  Heden  voor  ooghen  quamen. 
Het  is  oock  beter  te  hooren  ende  te  lefen,  datmen  lachtet  [1.  lachet?] 
ende  gheen  fonde  en  doet,  dan  datmen  fonde  dede  ende  datmen 
weende  ende  fcreyde." 

Dieses  knappe  Vorwort  enthält  lauter  solche  Gedanken,  die  aus- 
zusprechen und  damit  seinem  Buche  eine  Schutzrede  und  Empfehlung 
mitzugeben  der  Autor  eines  sogearteten  Werkes  für  erspriesslich  und 
erforderlich  halten  konnte.  Die  Aehnlichkeit  des  Gedankenganges  in 
dieser  und  der  Vorrede,  welche  C  und  S  zeigen,  fällt  sofort  auf. 
Dass  hier  aber  von  Bübereien  gesprochen  und  der  Held  des  Romans 
schlechter  gemacht  wird,  als  in  der  späteren  Vorrede  und  als  er,  wie 
ich  zu  zeigen  versucht  habe,  nach  der  Auffassung  und  Darstellung 
des  Verfassers  wirklich  zu  betrachten  ist,  das  ist  ein  erklärlicher 
Kunstgriff.  Als  die  Befürchtung  wegen  der  ablehnenden  Haltung  des 
Publicums  sich  als  eitel  ausgewiesen  hatte,  modificiert  darum  der 
Verfasser  wie  sein  ganzes  Vorwort  so  auch  derartige  absprechende 
Ausdrücke.  Während  die  Besorgniss,  sittlichen  Anstoss  zu  erregen, 
hinfällig  geworden  war,  scheint  man  in  der  auf  echt  poetischem  Ge- 
fühl beruhenden  Individualisierung  der  Geschichten,  der  Anlehnung 
an  bestimmte  Orte  und  Menschenclassen,  ja  an  einzelne  gekennzeich- 
nete Menschen,  Anzüglichkeiten  und  Sticheleien  gesucht  zu  haben. 
Daher  in  C  und  S  die  Abwehr  des  Verdachtes,  als  habe  er  Leute 
ärgern  und  ihren  guten  Namen  angreifen  wollen.  Zum  Schluss  fügt 
er  noch  eine  Entschuldigung  seiner  Schreibart  hinzu,  die  gleichfalls 
getadelt  worden  sein  mag.  Die  Veranlassung,  sowie  der  Zweck  des 
Buches  und  die  bescheidene  Vorstellung  von  dem  relativen  Wert  seiner 
Leistung  ist  in  beiden  Vorreden  ziemlich  gleich  ausgedrückt.  Es  er- 
scheint auch  viel  glaublicher,  dass  die  Vorrede  in  CS  durch  den  Autor 
selbst  aus  der  in  A  umgestaltet  ist,  als  dass  A  jene  in  diese  verkürzt 
oder  gar  selbständig  verfasst  habe.     Kurz,  ich  sehe  die  Vorrede  von 


74 

A  für  echt  und  ursprÜDglich  an.  Eine  Bestätigung  liefert  die  Vorrede 
der  Frankfurter  Ausgabe  1545,  welche  ungefähr  von  gleichem  Umfange 
mit  der  von  A  ist.  Sie  scheint  aus  den  drei  verschiedenen  Vorreden 
von  A,  C  und  E  hergerichtet  zu  sein.  Mit  C  teilt  sie  die  Jabrzahl 
1483,  mit  A:  dass  man  nicht  Bosheit  aus  dem  Buche  lernen  solle, 
sondern  wie  man  sich  vor  listigen  Menschen  hüten  könne. 

Es  hat  also  mindestens  zwei  nd.  Originalausgaben  des  Volks- 
buches gegeben,  d.  h.  beide  vom  Verfasser  herrührend:  eine  von  1483 
mit  der  durch  A  überlieferten  Vorrede  und  eine  undatierbare  mit 
dem  neuen  Vorwort.  Die  letztere  ist  ohne  Zweifel  eine  vermehrte 
Auflage  gewesen:  erst  sie  kann  die  Erwähnung  des  Abtes  Papcnmeyer 
und  die  Erzählung  vom  König  Casimir  IV  von  Polen  enthalten  haben. 
Sie  muss  also  nach  1492  herausgekommen  sein,  wenn  diese  Historie 
auf  den  ursprünglichen  Verfasser  zurückgeht;  nach  1490  jedenfalls, 
da  die  Einfügung  des  Abtes  nur  durch  denselben  Verfasser,  einen 
Braunschweiger,  geschehen  sein  kann.  Vermutlich  gehört  aber  die 
zweite  Ausgabe  erst  ins  Ende  des  Jahrhunderts.  Ihr  wird  bald  ein 
nd.  Nachdruck  gefolgt  sein,  eben  der  Druck  von  1500,  dessen  Ver- 
anstalter wieder  den  Bestand  vermehrte,  eingedenk  der  Bitte  des 
Verfassers  in  der  neuen  Vorrede:  vnd  hü  hiemit  cynen  yegklichen^  tco 
mein  fchrifft  von  Vlnfpiegel  eu  lang  oder  zu  hurte  fey,  das  er  das 
beffer^  auff  das  ich  nit  vndanck  verdiene  (C  1539,  bei  Lappenberg  S. 
171).  Der  Nachdrucker  hat  aber  seine  redactionelle  Tätigkeit  nicht 
auf  Zusätze  beschränkt.  Einzig  ihm  und  nicht  dem  Autor  müssen 
die  Aendeiningen  zugeschrieben  werden,  durch  welche  der  Text  so 
gestaltet  und  teilweise  so  entstellt  ward,  wie  wir  ihn  durch  die  Ueber- 
setzung  von  S  kennen  lernen.  Es  erscheint  ausgemacht,  dass  S  keinen 
nd.  Originaldruck,  sondern  nur  den  nd.  Nachdruck  übersetzt  hat. 
Auf  Rechnung  des  Nachdruckers  sind  zu  setzen  die  Verwirrung  in 
der  Reihenfolge  der  Schwanke,  die  neuen  üeberschriften,  die  Zerlegung 
von  sechs  Geschichten  in  je  zwei  und  wohl  auch  die  Zählung  der 
„Historien". 

Abgesehen  von  der  Jugendgeschichte  und  dem  Ende  Ulenspiegefs 
sind  die  Erzählungen  mit  Vorliebe  gruppenweise  geordnet,  nach  dem 
Stande  und  Berufe  derjenigen,  an  denen  U,  sehie  Possen  verübt,  und 
nach  dem  Charakter,  in  welchem  er  als  Handwerker,  als  Gelehrter, 
als  Reisender  u.  s.  w.  auftritt.  Dass  diese  Gliederung  nach  gewissen 
Gattungen  nicht  ursprünglich  vorhanden  gewesen  sein  kann,  ist  längst 
erkannt  worden.  Sie  ist  weder  völlig  durchgeführt,  noch  stimmen  A 
und  C  immer  zu  S.  Und  manche  Historien  verraten  niur  zu  deutlich, 
dass  sie  an  falscher  Stelle  stchn.  Knust  (S.  XIII  f )  hat  einige  Bei- 
spiele hervorgehoben.  Die  Liste  sämtlicher  erkennbaren  Fälle  einer 
willkürlichen  und  gedankenlosen  Ordnung  der  Historien  fällt  aber 
weit  reichhaltiger  aus;  ihre  Mitteilung  ist  hier  jedoch  unnötig;  auch 
kann  jeder  aufmerksame  Leser  sie  sich  leichtlich  aus  S  zusammenlesen. 
Aus  der  durch  Umstellungen  und  Interpolationen  verwirrten  Reihen- 
folge der  Historien  schimmert  noch  erkennbar  eine  andere  Anordnung 


75 

durch,  die  geographische.  Sie  wird  die  ursprüngliche  gewesen  sein, 
indem  der  Verfasser  sich  seinen  Helden  als  einen  Landfahrer  dachte, 
dessen  Leben  er  in  fortlaufender  Erzählung  eines  Romanes  behandelte. 
Doch  scheint  er  selbst  seine  Anordnung  schon  in  der  Wiederauflage 
seines  Werkes  durch  eingeschobene  Geschichten  durchbrochen  zu  haben. 
Vielleicht  sind  erst  dadurch  die  üeberschriften  —  es  können  auch 
bloss  Paragraphen  oder  Inhaltsangaben  am  Rande  gewesen  sein  — 
nötig  geworden.  Sie  waren  kürzer  als  diejenigen  in  S,  und  wahr- 
scheinlich waren  sie  noch  nicht  beziffert. 

Den  Einblick  in  diese  ursprüngliche  Anlage  und  die  nächst- 
folgende Entwickelung  des  Volksbuches  gewährt  uns  abermals  der 
Antwerpener  Druck.  Hier  finden  wir  die  46  Abschnitte  oder  Kapitel 
noch  ungezählt  und  die  Üeberschriften  kürzer  und  oft  abweichend 
von  denen  in  S.  Zu  je  einer  Geschichte  sind  zusammengefasst,  was 
S  zerlegt  in  Hi.  3  und  4  (Hoe  Vlefpiegel  int  water  viel  van  der  coor- 
denjj  9  und  10  (hoe  V,  gvftolen  wert  in  eenen  biekorf)^  12  und  13 
(hoe  V.  te  Bodden ftede  cofter  wert)^  57  und  58  (hoe  V,  te  Lubeke  den 
wijntapper  hedroech)^  90  und  91  (hoe  V,  te  Mollen  cranck  wertf  ende 
hoe  hi  den  apoteker  in  fijn  bu/fchen  fcheet  ende  hoe  hi  in  den  heyligen 
gheeß  ghedraghen  wert)^  93  und  94  (hoe  V.  fijn  teftament  maecte). 
Die  Vereinigung  von  Hi.  9  und  10  ist  auffällig;  allein  grade  dieser 
Fall  gewährleistet,  dass  A  nicht  eine  Zusammenschweissung  von  je  zwei 
Geschichten  vorgenommen,  sondern  dass  er  es  so  in  seiner  Quelle 
gefunden  hat.  Die  Kapitelbezeichnung  kann  im  Original  bei  10  und 
ebenso  wohl  bei  94  zufällig  unterblieben  sein,  was  zumal  erklärlich 
wäre,  wenn  die  Inhaltsbezeichnungen  am  Rande   des  Textes  standen. 

Schon  mehrfach  bot  sich  Gelegenheit,  auf  gute  Lesarten  von  A 
hinzuweisen,  welche  seine  Unabhängigkeit  von  S  dartun.  Als  be- 
achtenswerte Abweichungen  sind  noch  zu  bemerken,  dass  er  schon  in 
der  Hundefellgeschichte  (S  82)  Stasfurt  nennt,  nicht  erst  in  der  von 
U.  auf  dem  Rade;  dass  der  Rabbi  (S  35)  Akipha  (^  Akiba)  heisst; 
dass  nicht  allein  die  Eselsunterweisung  zu  Erfurt  (S  29)  fehlt,  sondern 
auch  in  der  vorhergehenden  Geschichte  die  Schlussangabe,  dass  Ulen- 
spiegel  nach  Erfurt  gegangen  sei;  endlich  dass  der  Milchkauf  in 
Bremen,  der  in  S  (Hi.  70)  zwischen  zwei  hannoversche  Vorgänge  ein- 
geschoben und  ungeschickt  von  (der  bei  A  vermissten)  Hi.  72  oder 
von  87  getrennt  steht,  auf  diese  letztere  folgt.  Die  letzten  beiden 
Verschiedenheiten  können  freilich  eben  sowohl  von  A  herrühren,  als 
auf  seine  Vorlage  zurückgehen;  denn  es  lässt  sich  nicht  verkennen, 
dass  er  eine  gewisse  redactionelle  Tätigkeit  bei  seiner  Uebersetzung 
geübt  hat.  So  hat  er  in  seinen  46  oder,  nach  der  Zählung  von  S, 
52  Geschichten  nicht  alles  wiedergegeben,  was  ihm  zu  Gebote  stand, 
sondern  ausgewählt;  das  ersieht  man  daraus,  dass  er  (Läpp.  S.  159)  Ulen- 
spiegel  von  Nürnberg,  wie  bei  S,  nach  Bamberg  wandern  lässt,  ob- 
gleich die  Nürnberger  Geschichte  bei  ihm  fehlt.  Wenn  ihm  auch 
hier  eine  Nachlässigkeit  in  der  Redaction  begegnet  ist,  so  könnte  er 
doch  in  jenem  Falle  der  Erfurter  Geschichte  (S  29)  vorsichtiger  ver- 


76 

fahren  sein  und  den  vorhergehenden  Hinweis  auf  dieselbe  ausgemerzt 
haben.  Aus  den  Bedenken  jedoch,  die  ich  gegen  diese  Amis-Historie 
als  einen  ursprünglichen  Bestandteil  des  Buches  vorgebracht  halie, 
bin  ich  eher  geneigt,  das  Fehlen  derselben  in  A  als  eine  Bestätigung 
meiner  Ansicht  anzusehen.  Ein  Act  willkürlicher  Wahl  möchte  sodann 
in  der  Mitteilung  der  ursprünglichen  Vorrede  zu  erkennen  sein,  wenn 
anders  meine  Vermutung,  dass  die  in  Polen  spielende  Geschichte  (S 
24)  an  den  1492  gestorbenen  König  Casimir  IV  geknüpft  ist,  Grund 
hat;  denn,  da  A  dieselbe  bringt,  muss  ihm  der  vermehrte  Original- 
druck mit  der  neuen  Vorrede  ausser  dem  Urdruck  zur  Verfügung 
gestanden  haben,  was  aber  auch  an  sich  nicht  unwahrscheinlich  ist, 
und  ausserdem  lässt  sich  für  einen  andern  Uebersetzer,  Kruffter,  eine 
solche  Benutzung  von  mehr  als  einer  Vorlage  nachweisen.  Lappen- 
berg setzt  A  zwischen  1520  und  1530,  während  Grässe  ihn  1495  er- 
schienen sein  lässt.  Grässe's  Annahme  scheint  allerdings,  wie  Lappen- 
berg behauptet,  ohne  Grund  zu  sein.  Nichtsdestoweniger  möchte  ich 
glauben,  dass  seine  Zeitbestimmung  dem  Editionsjahr  näher  kommt, 
als  Lappenberg's  Annahme  es  tut.  Dass  A  auf  jeden  Fall  vor  K 
herausgekommen  ist,  werde  ich  noch  dartun.  Ein  zulängliches  Urteil 
über  A  wird  sich  erst  dann  gewinnen  lassen,  wenn  dieser  Druck  durch 
Reproduction  völlig  ausnutzbar  gemacht  worden  ist,  was  er  in  hohem 
Masse  verdient  als  eine  wichtige  Quelle  für  die  Geschichte  des  Eulen- 
spiegelbuches. 

Kruffter  oder,  wer  diesem  Buchdrucker  den  Text  hergerichtet 
hat,  verfährt  gleich  A  eklektisch.  Er  hat  mehr  als  seine  achtzig 
Geschichten  gekannt,  so  die  Seiltanzgeschichten  (S  3  und  4),  was 
aus  dem  Schluss  seines  zweiten  „Capitels*'  und  dem  Anfang  seiner  dritten 
„History"  hervorgeht,  ebenso  die  Hundefellgeschichte  (S  82),  was  die 
beibehaltene  Historie  von  Ulenspiegel  auf  dem  Rade  (S  83)  ergiebt. 
Die  beiden  Schwanke,  die  in  Pommern  und  in  Nürnberg  spielen  (S  31 
und  32),  hat  er  umgestellt  und  lässt  U.  gleichwohl  aus  Pommern  nach 
Nürnberg  kommen  wie  in  S:  er  hat  also  anfänglich  die  Nürnberger 
Geschichte  überschlagen  wollen,  holte  sie  aber  nach. 

Als  hauptsächlichste  Grundlage  seines  Druckes  hat  K  einen  S 
benutzt.  Das  lässt  sich  schon  aus  seiner  Sprache  schliessen,  die  liie 
und  da  oberdeutschen  Einttuss  verrät.  Das  beweist  ferner  die  häufige 
wörtliche  Uebereinstimmung  mit  S;  recht  deutlich  wird  das  in  Hi.  10, 
wo  S  um  des  Wortspieles  willen  die  nd.  Wortformen  henq^  und  fenep 
beibehalten  und  sie  erklärt  hat:  so  heisse  Hanf  und  Senf  in  Sachsen. 
K  hat  seine  mundartlichen  henff  und  fenff  gebraucht,  weil  sie  das 
Wortspiel  bestehen  lassen;  trotzdem  behält  er  einmal  aus  S  bei: 
fenep^  als  up  die  faß'etifche  fpraech.  Von  den  beiden  S  hat  K  den 
Druck  von  1515  gebraucht.  Wo  in  S  1519  Lücken  sind,  durch  welche 
der  Zusammenhang  gestört  wird  (s.  Knust  S.  VIII),  da  stimmt  K 
immer  mit  S  1515  überein.  Pibenfalls,  wo  beide  S  im  Ausdruck 
diflferieren,  steht  K  auf  der  Seite  von  S  1515,  selbst  in  Fehlern,  z. 
B.  Mclbe^  Amplenen^  Mildeßheim^  das  er  zu  Mideßheim  verdruckt;   fo 


ßogen  fy  vck  eo  doid^  feto  (S  1515  fpeck),  bruid  (Hi.  22);  Jcyuen  (S 
1515  balgen^  Hi.  37).  In  manchen  Fällen  freilich  bleibt  unklar,  welches 
Druckes  K  sich  bedient  hat,  weil  er  sichtlich  bestrebt  ist,  einen  ver- 
ständlichen Text  zu  liefern.  So  hat  er  fast  sämtliche  Misverständnisse, 
die  oben  besprochen  worden  sind,  in  wohlüberlegter  Weise  gebessert 
oder,  wenn  ihm  das  nicht  gelingen  wollte,  die  Stelle  gekürzt.  Die 
von  S  zerstörten  Wortwitze  werden  auch  bei  K  vermisst,  wie  es  nicht 
anders  sein  konnte.  Nur  das  Wortspiel  mit  Koldingen  und  dem 
Winter  glückte  ihm  durch  Umsetzung  des  Namens  in  seinen  Dialekt 
(Kaidingen)  wiederherzustellen,  Hi.  16.  Wie  verständig  er.  verfährt, 
soweit  durch  Nachdenken  eine  Stelle  emendiert  werden  kann,  zeigt  Hi. 
1,  wo  er  für  Dyl  von  der  burger  j&u  Amplencn  bei  S  1515  conjiciert: 
Thiel  twM  der  burch  Amplenen  gcfiant.  Die  richtige  Lesart  Dyl  voti 
Vteen  der  burgher  m  Ampleuen  und  somit  S  1519  kannte' er  demnach 
nicht.  Doch  scheint  ihm  während  seiner  Bearbeitung  oder  seines 
Druckes  diese  Ausgabe  noch  zugänglich  geworden  zu  sein.  Es  finden 
sich  mehrere  Stellen,  an  denen  er  zu  derselben  mehr  stimmt  als  zu 
S  1515,  so  in  Hi.  16  und  89.  Allein  das  kann  auch  Zufall  sein. 
Wenn  er  aber  in  Hi.  16  statt  des  kindes  ßiielgin  das  zum  Yerständniss 
notwendige  Compositum  und  in  Hi.  62  bretlöcker  übereinstimmend  mit 
S  1519  giebt,  so  kann  das  nicht  auf  blosser  Conjectur  beruhen.  Es 
hat  nun  aber  keineswegs  etwas  auffälliges,  wenn  K  auch  S  1519  be- 
nutzt hätte.  Servais  Kiniffter  lässt  sich  als  Druckes  bis  1519  in  Basel, 
seit  1520  in  Cöln  nachweisen  (Lappenberg  S.  149).  Dass  sein  Ulen- 
spiegel  in  die  Zeit  seines  Cölner  Aufenthaltes  fallen  muss,  verbürgt 
sein  Dialekt.  In  Basel  wird  er  S  1515  kennen  gelernt  haben.  Zur 
Zeit  oder  bald  nach  seiner  Heimkehr  in  die  Heimat  erschien  S  1519, 
den  er  dann  wenigstens  noch  bei  seiner  teilweise  oder  ganz  vollendeten 
Arbeit  an  einigen  schwierigen  Stellen  zu  Rate  zog.  Lappenberg  stellt 
K  zwischen  1520  und  1530.  Nachdem  sich  seit  Auffindung  von  S 
1515  dieser  Druck  als  seine  Vorlage  hat  feststellen  lassen,  darf  man 
K  ungefähr  um  1520  ansetzen. 

S  ist  nicht  die  einzige  Redaction  gewesen,  die  K  zu  Gebote 
gestanden  hat.  Er  weicht  in  Zahlenangaben  von  S  ab  in  Hi.  29.  33. 
57.  66.  87.  Meist  scheinen  diese  Abweichungen  seine  eigene  Correctur 
zu  sein.  Aber  die  60  Jahre  in  Hi.  1  statt  der  50  von  S  lassen  sich 
so  nicht  erklären;  da  er  die  Vorrede  unterdrückte,  brauchte  er  die 
Rechnung  nicht  zu  verbessern:  hier  muss  ihm  die  richtigere  Zahl  aus 
einem  anderen  Druck  geworden  sein.  Ferner  liefert  er  drei  Er- 
zählungen, die  S  nicht  kennt:  I  von  den  altklugen  Antworten,  welche 
U.  als  Kind  einem  reisigen  Manne  gegeben;  II  wie  er  als  Rosstäuscher 
jemand  mit  einem  stätigen  Pferd  betrog,  das  nicht  über  die  Bäume 
d.  h.  über  die  Balkenlage  einer  Brücke  ging;  III  wie  er  als  Oberhirte 
des  Herzogs  von  Braunschweig  dies  Amt  mit  besonderer  Schlauheit 
zu  seinem  Vorteile  ausbeutete.  I  geht  allen  hd.  Drucken  mit  Aus- 
nahme des  Augsburgers  von  1540  ab,  findet  sich  aber  in  A  und  der 
daraus   geflossenen   französischen   und   englischen  Uebersetzung;   um- 


n 

gekehrt   steht   es  um  die  Verbreitung   von  II   und  III.     K  hat    also 
zwei  verschiedene  Quellen   zur  Ergcänzung   von  S   benutzt.     Die  erste 
Hälfte  von  I  ist  durch  Lappenberg  S.  291  als  schon   im  älteren   Ge- 
dichte von  Salomon  und  Markolf  vorkommend   nachgewiesen,    welche 
Dichtung  nach  Schaumberg's  Erweis  in  Paul  und  Braime's  Beitrilf^en 
z.  Gesch.  der  dtsch.  Spr.  u.  Lit.  II,  19  am  Niederrhein  entstanden  ist. 
Es  mochte  dem  Cölner  um   so   näher   liegen,    diese   recht  Eulenspie- 
gelschen  Wortklaubereien  aufzunehmen,  als  ihm  nicht  entgehen  kannte, 
dasß   der  Verfasser  des  Ulenspiegel    bereits   einen   anderen  Schwank, 
den   vom  Bienenkorb   (S  9),    daher   entlehnt  habe;    vgl.  Eschenbur^. 
Denkmäler   altdeutscher  Dichtkunst  S.  169.     Dennoch   dürfen    wir    K 
die  Vermehrung  des  Volksbuches   durch  I  nicht   zuschreiben.     Schon 
dass  er  die  Erzählung   zwischen   sein  Capitel  1    und  Capitel  2    ohne 
Zählung   eingeschoben   hat,   widerspricht   solcher  Annahme.     Er    hat 
sie  denn  auch  aus  A  genommen.     Dass  er  zuerst  roß  und  66/e,  nach- 
her dafür  pert  und  quat  gebraucht,  lässt  schliessen,  dass  er  peert  und 
quaet  von  A  vor  sich  hatte;    keinen  Zweifel    aber  lässt  der  Umstand, 
dass  er,  dessen  Dialekte  fachte  (sagte)  gemäss  war,  in  dieser  Historie 
einmal  das  ndl.  feyde  beibehalten  hat.     Es  bestätigt   sich   also,    das> 
A  älter  ist  als  K.     Ob  A  die  Geschichte   hinzugethan   hat?   oder   ob 
er  sie  in  seiner  nd.  Vorlage   vorgefunden   hat?     Es    giebt   einen    un- 
datierten nd.  Druck  Marcolphus  mit  l'ynem  wive  (s.  Eschenbnrg  S.  178). 
Doch  glaube  ich  nicht  an  eine  Entlehnung  jener  beiden  Historien  au> 
dem  Markolf.     Beide  werden  altes  Fabelgut  sein;  und  die  zweite  Hälft** 
der  Erzählung  vom  klugen  Kinde   findet   sich  gar   nicht  im  Markidf. 
—  Auch  in  Historien,  welche  K  mit  S  gemeinsam  hat,  weicht  er  bis- 
weilen  nicht   unerheblich   von  S  ab,  z.  B.  in  Hi.  13.  14.  15.  39.  Gl. 
Die  erste,  der  Osterschwank,  kommt  fast  wörtlich  mit  dem  englischen 
Texte  überein  (vgl.  Percy,  Reliques  of  ancient  P^nglif h  poetry ;  London, 
1839;  p.  133)  und  K  hat  also  seine  Fassung  wohl    gleichfalls  aus  A 
entlehnt. 

Schwieriger  ist  über  II  und  III  zu  klaren  Ergebnissen  zu  ge- 
langen. Zwar  soviel  ergiebt  sich  mit  ziemlicher  Gewissheit,  dass  S 
dieselben  sowenig  wie  I  gekannt  hat,  weil  seine  schriftstellerischo 
Manier  durchaus  nicht  den  Eindruck  von  wählerischer  Enthaltsamkeit 
macht.  Haben  sie  gleich  nicht  in  seiner  Vorlage  gestanden,  so  könnten 
sie  doch  schon  gedruckt  gewesen  sein.  Nicht  ausser  Acht  gelassen 
werden  darf,  dass  E  und  C  an  der  Stelle  des  Einschubs  von  II  und  III 
(zwischen  Hi.  88  und  89  bei  S)  noch  zwei  Historien  eingeschaltot 
haben:  IV  wie  U.  in  Hildesheim  ein  Pferd  nur  halb  bezahlt,  weil  er 
die  andere  Hälfte  schuldig  bleiben  will,  und  V  wie  er  zu  Erfurt 
Schuhe  ohne  Bezahlung  kauft,  indem  er,  als  Dieb  verfolgt,  mittels 
der  zweideutigen  Behauptung  entkommt,  es  handele  sich  um  einen 
Wettlauf  um  ein  Paar  Schuhe.  Die  Reihenfolge  in  EC  ist:  II,  IV, 
III,  V.  Sie  können  gleichzeitig  eingeschaltet  sein,  so  dass  K  zwei 
Historien  unterdrückt  hätte.  Hi.  II  und  IV  gehören  nach  der  Materie 
zu  der  von  A  und  K  nicht  gegebenen  Wismarer  Rosshandelgeschichte 


79 

(Hi.  65).  Hi.  V  hat  merkliche  Aehnlichkeit  mit  Hi.  60  und  61:  alle 
drei  gehen  in  Erfurt  vor  sieh,  in  allen  wird  U.  zum  Kauf  aufgefordert 
und  verschaflft  sich  die  Waare  durch  schlaue  Rede  ohne  Geld.  Hi. 
III  und  IV  geben  dagegen  nd.  Gebiet  als  Schauplatz  an.  Der  Herzog 
von  Braunschweig  in  Hi.  III,  welcher  Viehzucht  betreibt  und  dessen 
Amtleute  alle  reich  werden,  erinnert  an  die  Schilderung  eines  histo- 
rischen Braunschweiger  F'ürsten  in  der  nd.  Weltchronik,  welche  unter 
dem  Namen  der  Hetlingischen  geht  und  von  der  Caspar  Abel  in  seiner 
Sammlung  etlicher  Chroniken  (1732)  Auszüge  veröffentlicht  hat,  S. 
217:  hertog  Hinrick  (1431 — 1473)  wart  genomet  de  fredefame;  he 
wart  eyn  rike  fürfte  van  queke,  alfe  fchapen;  .  .  .  alle  fine  borge 
hadde  he  fry,  de  weren  nicht  vorpendet,  men  dar  hadde  he  vogede 
uppe,  fo  dat  fin  laut  unde  lüde,  borge  unde  ftede  in  groter  nering 
feten.  In  Bezug  auf  die  Sprache  kann  man  die  Fragen  aufwerfen, 
betreffs  II,  ob  das  sowohl  nd.  wie  Cöln.  lack  (Fehler)  in  K  für  die 
echte  Lesart  zu  halten  sei  oder  ob  es  mit  höfer  tuck  in  EC  auf  einen 
dritten  Ausdruck,  etwa  nd.  nucke,  als  den  ursprünglichen  schliessen 
lasse;  für  III,  ob  fehe  (Vieh)  in  K,  wofür  er  eben  vorher  fye  und  in 
Cap.  36  (Hi.  43  in  S)  fyeg  braucht,  als  Cölnische  Nebenform  oder 
als  Rest  einer  nd.  Vorlage  angesehen  werden  dürfe.  Eins  scheint 
unzweifelhaft,  dass  aller  vier  Historien  Aufnahme  in  das  Volksbuch  vor 
ca.  1520  geschah.  Vier  weitere  Historien  dagegen  (U.  zu  Berlin  als 
Büttel,  als  (jlöckner,  als  Bauerknecht,  auf  der  hohen  Schule  zu  Paris), 
welche  E  und  C  mehr  als  alle  früheren  Ausgaben  bieten,  sind  offen- 
bar erst  später  hinzugekommen  und  rühren  keinesfalls  aus  einem  nd. 
Druck  her.  Von  andern  Gründen  abgesehen,  werden  sie  als  jüngster 
Zusatz  schon  durch  ihre  höchst  ungeschickte  Einflickung  zwischen 
die  beiden  Testamentsgeschichten  (S  92  und  93)  erwiesen. 

Die  vorliegende  Untersuchung  soll  in  keinem  Versuch  enden, 
den  ersten  Entwurf  des  Volksbuches  auszukernen,  noch  die  Inter- 
polationen nach  Herkunft  und  Zeitfolge  zu  sondern.  Bei  dem  jetzt 
noch  so  unvollstiindigen  Material  hat  ein  solches  Unternehmen  keine 
Aussicht  auf  endgültige  Resultate;  vielleicht  aber  selbst  dann  nicht, 
wenn  A,  E,  C  und  Augsb.  in  Neudrucken  vorliegen  werden.  Desgleichen  sehe 
ich  davon  ab,  die  Frage  nach  dem  mutmasslichen  Verfasser  zu  er- 
örtern. Bei  Gelegenheit  der  Versammlung  des  Niederdeutschen  Sprach- 
vereins zu  Braunschweig  um  Pfingsten  1892  habe  ich  in  einem  Vor- 
trage versucht,  den  Brauuschweigcr  Härmen  oder  Herman  Bote^)  als 
wahrscheinlichen  Urheber  des  Volksbuches  nachzuweisen,  für  den  ich 
zugleich  den  Koker  und  verschiedene  historische  Gedichte  in  Anspruch 
nahm.  Es  erscheint  praktischer,  die  Untersuchung  als  Ganzes  zum 
Druck  zu  bringen  und  darum  auf  eine  Mitteilung  des  Abschnittes 
über  den  Eulenspiegel  hier  zu  verzichten. 

HAMBURG.  C.  Walther. 

*)  8.  über  ihn  Hänselmann  in:  Die  Chroniken  der  deutschen  Städte.  Bd. 
XVI  (Braunschweig  Bd.  II);  und  Brandes  im  Nd.  Jahrbuch  XVI,  S.  1. 


80 


Die  mittelniederländisehe 
Paraphrase  des  Hohenliedes. 

Im  vorigen  Jahre  teilte  mir  einer  meiner  Zuhörer,  Herr  L.  Seher 
aus  Wetzlar,  gelegentlich  mit,  dass  im  dortigen  Archiv  Fragmente 
eines  'niederdeutschen  Werkes  von  geistlichem  Charakter'  aufgetaucht 
seien.  Ein  anderer  junger  Wetzlarer,  Herr  Dr.  Rieh.  Wünsch,  ver- 
schaffte mir  später  abschriftlich  Proben,  aus  denen  ich  die  Zuge- 
hörigkeit der  neugefundenen  Pergamentblätter  leicht  bestimmen  konnte, 
und  daraufhin  forderte  mich  Herr  Archivrat  Dr.  Veltman,  der  die 
Blätter  nach  und  nach  von  alten  Reichskammergerichtsacten  losgehest 
hatte,  in  liebenswürdiger  Weise  auf,  statt  seiner  öffentlich  über  den 
Fund  zu  berichten. 

Es  handelt  sich  um  neue,  umfangreiche  Bruchstücke  der  mittel- 
niederländischeu  poetischen  Paraphrase  des  Hohenliedes,  von  der 
1862  Holfmann  von  Fallersieben,  Horae  Belgicae  XH,  16 — 27  erstmals 
Proben  veröffentlichte  (vgl.  auch  L.  Petit,  Bibliographie  der  mnl.  taal- 
en  letterkunde  Nr.  506),  deren  Existenz  aber  gleichwohl  dem  neuesten 
Bearbeiter  der  niederländischen  Litteraturgeschichte,  Jan  te  Winkel, 
gänzlich  entgangen  zu  sein  scheint. 

Im  Jahre  iHiil  übergab  P.  Wigand  der  Kgl.  Bibliothek  zu 
Berlin  44  ganze  und  das  obere  Drittel  eines  45.  Pergamentblattes, 
die  er  Acten  des  Wetzlarer  Archivs  entnommen  hatte.  Es  waren 
Teile  einer  schönen  Pergamenths.  des  14.  Jahrhunderts,  die  spätestens 
im  Jahre  1589  in  Speier  zerschnitten  und  zu  Umschlägen  und  Zwischen- 
lagen von  Acten  verschiedenster  Herkunft  verwendet  worden  war. 
H.  V.  F.,  der  sich  zufällig  von  einem  der  Berliner  Blätter  notiert 
hatte  'Manderschcd'Blankenhcim  contra  Printt\  folgerte  daraus  nach- 
träglich, die  Hs.  müsse  aus  der  alten  Bibliothek  von  Blankenheini 
stammen.  Vor  den  Blättern  selbst,  welche  mehr  als  ein  Dutzend 
verschiedene  Aufschriften  bieten,  kann  diese  Vermutung  nicht  auf- 
kommen: neben  vorwiegend  rheinischen  Namen  begegnen  hier  auch 
oberdeutsche,  wie  ^Vilach  ca.  Oherticloßer\  und  gemeinsam  ist  allen, 
soweit  sie  überhaupt  bezeichnet  sind,  nur  das  'PraesfentatutnJ  Spirae .  . .  .* 
mit  einem  Datum  aus  den  Jahren  1589  bis  1592.*)  Man  wird  also 
den  Rest  der  Hs.  nicht  unter  Manderscheidschen  Archivalien,  sondern 
lediglich  unter  den  Acten  des  Reichskammergerichts  suchen  müssen, 
die  aber  leider  nicht  mehr  vollständig  in  Wetzlar  vereinigt  sind. 

Die  Berliner  Hs.  Ms.  germ.  fol.  613  (B)  enthält  die  Blätter  der 
altern  Fundreihe  in  einer  Anordnung,    die    nicht    ohne  Mitwirken  des 


')  spätere  Zahlen  beziehen  sich  auf  ein  ^repraesentatum^  auf  eine  abermalige 
Vorlegung  der  Acten. 


Buchbinders  zu  stände  gekommen  scheint;  die  neu  aufgetauchten  Blattei* 
(W)  habe  ich  mit  Bleistift  selbst  numeriert:  es  sind  ihrer  27  (25 
einzelne  und  ein  erhaltenes  Doppelblatt:  10-11),  worunter  3  einem 
(doppelten)  Register  angehören.  Wir  haben  also  7lVs  Blätter,  davon 
08  Vs  Blätter  mit  Text.    Auf  die  zweispaltig  beschriebene  Seite  kommen 

40  -h  40  Zeilen;  nach  Abzug  des  Raumes,  den  die  lateinischen  Text- 
einschaltungen und  die  deutschen  (nl.)  Kapitelüberschriften  —  beide  in 
roter  Schrift  —  in  Anspruch  nehmen,  entfallen  auf  das  Blatt  im 
Durchschnitt  150  Verse.  Ziehen  wir  davon  auch  ab,  was  durch  Weg- 
schaben usw.  unleserlich  geworden  ist,  so  bleiben  noch  immer  etwas 
über  10,000  Verse.  Es  lässt  sich  —  wie,  ergibt  sich  unten  —  be- 
rechnen, dass  zwei  Dritteile  des  Codex  erhalten,  ein  Drittel  aber  (ca. 
34 — 38  Blätter)  verloren  oder  doch  noch  nicht  wieder  aufgefunden 
ist:  die  Dichtung  dürfte  vollständig  15 — IGOOO  Verse  umfasst  haben, 
also  eines  der  umfangreichsten  geistlichen  Reimwerke  der  mittelnieder- 
ländischen Litteratur  gewesen  sein. 

Ich  gebe  zunächst  meine  gesicherte  Anordnung  der  Fragmente, 
wobei  ein  +  unmittelbaren  Anschluss  von  seither  getrenntem  bedeutet, 
die  Striche  andeutungsweise  die  fehlenden  Blätter  markieren. 

Wl—  W2.  3  —  Bl.  2 W4.   5  —  B3.  4.  5-hB 

35  -(«  B  6  —  B  7a.  7b.  8.  9  —  B  10.  11 B  12  —  W  6  -h 

B  13.  14 B  15.    16  -h  W  7   —  W  8.   9.    10.    11.    12.    13   — 

W  14  4-  B  17  -h  W  15.  16 W  17  -h  B  18  —  B  19.  20.  21 

B  22.  23.  24  —  B  25 B  43  —  B  28.    29.   30.  31.  32. 

33.  34 B  36  -h  W  18   +   B   37.   38.   39.  40  -J-  W  19  +  B 

41  _  W  20 W  21  —  W  22.    23 W  24  —  W  25. 

26  —  B  42  -h  B  27  +  B  26  +  B  44 W  27 

Um  die  Blätter  anzuordnen  und  den  Umfang  des  vermissten  an- 
nähernd zu  bestimmen,  haben  wir  einen  doppelten  oder  gar  dreifachen 
Anhalt.  Der  lateinische  Text  des  Hohenliedes  ist  nämlich  für  die 
Paraphrase  in  150  Sätze  zerlegt  —  die  Zahl  schwerlich  absichtslos 
—  und  über  diese  (schwarz  numerierten)  Textsätze  besitzen  wir  oben- 
drein auf  W  1 — 2  ein  freilich  unvollständiges  Register;  der  In- 
halt der  Paraphrase  aber  erscheint  in  eine  grosse  Anzahl  mit  roten 
Zahlen  versehener  und  durch  deutsche  Ueberschriften  und  Stichworte 
angekündigter  Kapitel  gegliedert:  auf  W  27,  am  Schluss  unserer 
Ueberlieferung  stehen  wir  bei  Satz  145  des  lateinischen  Textes  und 
bei  Kap.  230  der  deutschen  Paraphrase,  es  können  also  etwa  5 — 8 
deutsche  Kapitel  ausgefallen  sein.  Das  auf  W  2.  3  erhaltene  Register 
reicht  nur  bis  Kap.  181. 

Das  ganze  war  in  Bücher  eingeteilt,  deren  Eingang  eine  grössere 
blau-rote  Initiale  markierte.  Aber  wie  die  einzelnen  Kapitel,  so  sind 
auch  die  Bücher  von  sehr  verscliiedenem  Umfange.  Erhalten  ist  uns 
der  Eingang  von  Buch  I  (das  sich  aber  nicht  als  solches  einführt) 
auf  B  1,  der  von  Buch  III  auf  W  22,  der  von  Buch  IV  auf  W  25: 
danach  entfielen  auf  Buch  I  137  Kapitel,  46  Textsätze,  auf  Buch  II 
65  Kapitel,  60  Textsätze,   auf  Buch  III    dagegen   nur  11  Kapitel,  21 

Niederdeatachea  Jahrbuch.    XIX.  6 


82 

Textsätze.  Man  sieht:  auch  das  Verhältnis  der  Textsätze  zu  den 
deutschen  Kapiteln  ist  nach  Zahl  und  Umfang  ein  sehr  verschiedenes. 
—  Bei  der  Beliebtheit  der  Fünfzahl  darf  immerhin  die  Vermutung 
geäussert  werden,  dass  in  eine  der  grössern  Lücken  des  letzten  Teils 
noch  der  Eingang  eines  V  Buches  fiel. 

Von  der  Art,  wie  sich  die  lateinischen  Textworte  mit  den  deutschen 
Kapitelüberschriften  kreuzen,  könnte  nur  der  Abdruck  von  umfang- 
reichen Proben  einen  deutliclien  Begriff  geben.  Ich  biete  hier  zunächst 
das  deutsche  Inhaltsverzeichnis,  soweit  es  sich  auf  W  2.  3  vorfindet 
und  ergänze  es  dann  durch  die  darüber  hinaus  erhaltenen  Kapitel- 
überschriften. Damit  verbinde  ich  eine  Uebersicht  über  den  gegen- 
wärtigen Bestand  in  der  Weise,  dass  ich  die  Zahlen  der  vollständig 
fehlenden  Kapitel  in  Doppelklammern  einschliesse,  fehlenden  Anfan 
mit  einer  vorangestellten,  fehlenden  Schluss.  mit  einer  nachgesetzten 
eckigen  Klammer  anzeige.  Ueber  den  Umfang  des  Fehlenden  ist  da- 
mit natürlich  nichts  ausgesagt  und  lässt  sich  auch  nur  in  seltenen 
Fällen  eine  bestimmtere  Vermutung  äussern. 

Im  Register  wie  in  den  nachfolgenden  Proben  habe  ich  die 
sichern  Abkürzungen  stillschweigend  aufgelöst,  im  übrigen  aber  die 
Orthographie  durchaus  bewahrt.  Interpunction  habe  ich  reichlich 
hinzugefügt,  zu  ändern  überall  wo  ich  Anstoss  fand,  dazu  fühle  ich 
mich  in  Sprache  und  Stil  des  Dichters  nicht  sicher  genug. 

JULler  beghinnet  die  tafel  in  duutsch  uan  caiitica  canticorum.  in  den  eersten  W  f.  2« 

I  Hoe  dat  god  alle  dmc  maecte  ende  Lucifcr  viel.    (B  1) 

II  Hoe  die  menfche  viel.     (B  2) 

III]  Hoe  gods  minne  an  den  mensche  bleef  ende  makede  vrede  tot  Marien.  (B  2) 

IV]  Wäir  om  die  menfche  is  uerloft  ende  nict  die  duuel. 

V]  Hoe  die  foene  toe  quam. 

VI  Wair  om  dit  boec  is  ghescreuen.    (W  4) 

VII  Een  ander  fprake  uan  niinnen.    (W  4) 

Vin  Hoe  Salemoen  dit  boec  makede.    (W  4.  5) 

IX  Van  den  drien  wanden  (1.  vianden)  der  doget.     (W  5) 

XJ  Hoe  dit  boec  gheheten  is.     (W  5) 

[XI]  Der  bruut  woirde  uan  der  ontfanghenisse  gods. 

[XII  Een  gheliken  in  der  glofen.     (6  3) 

XIH  Hoe  god  an  der  menlcheit  quam.     (B  3) 

XIV  Van  drier  hande  personen  die  hier  tegader  spreken  uan  der  bmlocht.  (B  3. 4) 

XV  Van  drien  pointen  der  minnen.     (B  4.  5) 

XVI  Van  drien  vreden  die  Adam  brac.     (B  5) 
XVH  Wie  wairdich  is  gode  te  cussen.    (B  5) 

XVIII  Van  drien  cussen.     (B  5.  35) 

XIX  Een  vraghen  in  der  glosen.     (B  35) 

XX  Hoe  die  bruut  ontsculdighet  hare  boutheit.     (B  35.  6) 
XXI]  Van  des  brudegoms  borsten.     (B  6) 

[XXII]  Van  den  leden  der  heiligher  kerstenhede. 

[XXIII  Van  den  faluen  der  falicheit.     (B  7*) 

XXIIII »)  Hoe  die  name  Jesus  is  oly.    (B  7»  b.  8) 

XXV  Wair  om  die  maghede  den  brudegom  minnen.     (B  8) 

XXVI  Sinte  Barnaerds  woorde.    (B  8) 

*)  im  Text  verschrieben  XXVII. 


83 


XXVIl 
XXVIII 

xxixj 

[XXX] 
IXXXI] 
[XXXII 
XXXIII 
XXXIIII 
XXXV 
XXXVIJ 
[XXXVII] 
XXXVIII] 
XXXIX 
XL] 
[XLI] 
[XLIl 
XLIII 
XLIIII 
XLV 
XLVI 
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XLVIII] 
[XLIX] 

:l] 

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LXVIII 
LXIX 
LXX 

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LXXII 

LXXIII 

LXXIIII 

LXXV 

LXXVI 

LXXVII 

LXXVIII 

LXXIX] 

[LXXX] 

[LXXXI 

LXXXII 

LXXXIII 


(W  6  B  13) 


Hoe  die  bruut  na  gode  begbeert  te  climmen.    (B  8.  9) 

Van  Finte  Augustin.    (B  9)  f.  2d 

£en  uragben  ende  een  antwoorde.    (B  9) 

Ecbter  uan  vier  faluen. 

£ne  clairnisse  der  glosen. 

Hoe  die  bruut  gbeleit  wart  in  den  kelren  gods.    (B  10) 

Van  den  kelren  wat  fi  fijn.    (B  10) 

Noch  uan  drien  kelren.    (B  10.  11) 

Van  drien  ghesinden  gods.    (B  11) 

Hoe  die  ouerste  al  den  last  dragben.    (B  11) 

Wair  bi  die  prelaten  verduldicb  füllen  fyn. 

Van  den  quaden  die  die  kerke  verdrucken. 

Hoe  goods  gracie  is  moeder  alre  creaturen.    (B  12) 

Een  ander  glose.    (B  12) 

Van  den  prelaten. 

Van  enen  vragben.    (W  6) 

Van  gods  wijngaerde.    (W  6) 

Van  den  goeden  wijngaerdes  boeder.    (W  6) 

Hier  is  ondersceit  van  des  wijngaerts  hoedere. 

Vyf  pointen  uan  gbewairre  minnen.    (B  13) 

Hoe  die  bruut  wil  weten  wair  god  rust.    (B  13.  14) 

Een  ander  glose  van  den  seinen.    (B  14) 

Hoe  die  brudegom  der.  bruut  antwoort. 

Wat  wi  beboeuen  tot  der  falicbeit. 

Hoe  die  brudegom  der  bruut  troost.    (B  15) 

Van  den  gauen  des  brudegoms.    (B  15) 

Van  des  duuels  wagbene.    (B  15.  16) 

Wair  bi  men  die  bruut  kent.     (B  16) 

Van  goeden  werken  ende  bequame.    (B  16  W  7) 

Van  der  bruut  hals  ende  hair  zierbeit.    (W  7) 

Van  den  rechten  gheloue.    (W  7) 

Ene  iammerlike  claghe.    (W  7)  f.  3» 

Van  der  bruut  verduldicbede. 

Drie  duechden  der  bruut. 

Van  tween  manieren  der  ootmoedicbeit.    (W  8) 

Van  rechter  ootmoedicbeit.    (W  8) 

Van  verduldicheit.    (W  8) 

Van  den  risen  des  dogen  gods.    (W  8.  9) 

Noch  uan  der  passien  risekijn  ende  van  den  seuen  tiden.    (W  9) 

Hier  wert  die  bruut  gbetroest  om  dat  hair  lief  bi  hair  is  mit  minnen. 

(W  9.  10) 
Van  der  duuen  dat  Christus  is.    (W  10) 
Een  ander  gloze.    (W  10) 
Een  ander  glose.    (W  10) 

Hoe  die  brudegom  die  bruut  prijst;  dit  lof  is  der  eerster  bruut,   die 
van  Adame  is  eerst  comeu  ende  heet  die  eerste  kerke.    (W  10.  11) 
Van  der  duuen  nature.    (W  11) 

11) 
12) 


(W 
11. 


(W  12.  13) 
(W  13) 
(W  13) 


Noch  twee  ogen  der  bruut. 

Hoe  men  god  hier  siet.    (W 

Echt  een  vragheo.    (W  12) 

Hoe  men  hier  op  antwoort. 

Hoe  die  bruut  te  vreden  is. 

Echt  uan  der  bruut  bedde. 

Van  der  minnen  huse.    (W  13) 

Van  den  rechten  gods  huse.    (W  13) 

Een  ander  glose. 

Van  seuen  bloemen.    (W  14) 

Hoe  die  brudegom  leert  die  bruut  ootmoedich  te  sine.    (W  14) 

Een  ander  suete  lere  van  drien  bloemen.    (W  14) 

6* 


84 


Lxxxnii 

LXXXV 

LXXXVI 

LXXXVII 

LXXXVIII 

LXXXIX 

XC 

XCI 

XCII 

xcmi 

[XCIIII] 
[XCV] 
[XCVl] 
[XCVII 

xcvm 

XCIX 

c 

CI 

CII] 

[CHI] 

[Clin] 

[CV 

CVI 

CVII 

CVIII 

CIX 

CX 

CXI 

CXII 

CXIII 

CXIIII 

CXV 

CXVI 

cxvu 

CXVIII] 
[CXIX] 

'CXX] 

CXXl] 

CXXII] 

CXXIII] 

CXXIIII 
CXXV 
CXXVI 
CXXVII 
CXXVIII 
CXXIX 
CXXX 
CXXXI 
CXXXII 
CXXXIII 
CXXXIIII 
CXXXV 
CXXXVI 
[CXXXVII] 

cxxxvni] 

CXXXIX 


Van  der  lelien  nature.    (W  14  B  17) 

Hoe  die  bradegom  die  braut  pr^st.    (B  17) 

Lof  der  bruut  des  brudegoms.    (B  17  W  15) 

Hoe  die  bruut  hair  belouet  uan  den  brudegom.    (W  15) 

Die  glose.    (W  15) 

Een  ander  glose.    (W  15) 

Van  caritaten.    (W  15.  16) 

Wat  men  minnen  sal.    (W  16) 

Hoe  die  bruut  doget  begheert.    (W  16) 

Hoe  gheloue  fonder  werke  niet  enis.    (W  16) 

Van  tween  banden  gods. 

Van  der  bruut  rüsten. 

Van  tween  campen. 

Des  rees  nature.    (W  17) 

Des  harten  nature.     (W  17) 

Hoe  die  bruut  den  maghen  antwoort.    (W  17  B  18) 

Van  drien  berghen.    (B  18) 

Een  merkelic  woort  uan  gods  springhen.    (B  18) 

Van  tween  pointen  in  Christo.    (B  18) 

Hoe  na  ons  Christus  is  in  naturen. 

Van  vijf  wanden.^) 

Echt  uan  vier  wanden.*)    (B  19) 

Van  gods  werken.    (B  19) 

Van  hinder  der  ghelouen.    (B  19) 

Van  den  winter.    (B  19.  20) 

Van  den  reghen.    (B  20) 

Van  der  bequameliker  tijt.    (B  20) 

Van  vijf  pointen  der  salicheit.    (B  20) 

Teerfte  point.    (B  20) 

Tander  point.    (B  20) 

Terde  point.    (B  20) 

Hoe  Christus  onse  broeder  is.    (B  20.  21) 

Van  der  blijscap  tijt.    (B  21) 

Van  der  tortelduuen  manieren. 

Dat  vierde  point.    (B  21) 

Dat  vijfte  point  der  salicheit. 

Vier  pointen  in  penitencien. 

Wair  salicheit  in  leghet  enter  bruut  drie  namen. 

Wat  die  predicair  sal  sijn. 

Wair  die  sal  wonen. 

Van  des  wijngaei-ts  hoeder.    (B  22) 

Twee  pointen.    (B  22) 

Hoe  die  goede  predicacrs  gode  behaghen. 

Van  drien  wijngaerden.    (B  22) 

Van  gheveinl'de  kerstene.    (B  22) 

Van  ualschen  begheuen  luden.    (B  22. 

Van  den  vossen.    (B  23) 

Van  drien  fcalken  fonden.     (B  2.3) 

Van  rechter  minnen  fede.    (B  23) 

Drie  pointen  die  die  woorde  benemen.    (B  23.  24) 

Drie  pointen  van  rechter  minnen.    (B  24) 

Noch  uan  der  lelien.    (B  24) 

Welc  rechte  lelien  voir  gode  sijn.    (B  24) 

Hoe  die  bruut  hair  [lief  weder  roept.]')    (B  24) 

Hier  beghint  dat  ander  boec. 

Een  voirfproke  des  anders  boecs.    (B  25) 


f.  3»» 


(B  21) 


(B  22) 


f.  3c 


23) 


*)  wohl  vianden  wie  bei  IX.    •)  desgl. 

')  hier  ist  nur  der  Anfang  der  Ueberachrift  erhalten,  vom  Texte  gar  nichts. 


85 


Hoe  die  kerstenheit  is  ghedeelt.    (B  25) 

Van  der  bruut  bedde.    (B  25) 

Hoe  wi  ter  kerstenheit  sijn  comen.    (B  25) 

Hoe  men  foeken  fal  ende  vinden. 

Een  ghelike. 

Hoe  besweert  die  brudegom  die  dochtren.  « 

Hoe  twee  brude  in  gode  vergadert  sgn. 

Wat  der  eerster  bruut  uerwondert.    (B  43) 

Hoe  die  heidenscap  an  gode  quam.    (B  43) 

Hoe  die  eerste  bruut  vraghet  van  der  ander.    (B  43) 

Van  ses  pointen  der  salicheit.    (B  43) 

Een  ander  glose.     (B  43) 

Hoe  die  bruut  mitten  brudegom  werscapt. 

Noch  uan  den  seinen  van  Salemoens  huse  die  sierheit.    (B  28) 

Hoe  die  bruut  den  brudegom  w|jst  den  dochtren.    (B  28) 

Noch  van  den  feinen.    (B  29) 

Hoe  die  brudegom  die  bruut  prijst.    (B  29.  30) 

Noch  ene  glose.    (B  30.  31.  32) 

Hoe  die  brudegom  soeket  sine  vriende.    (B  32)  f.  3d 

Hoe  hi  die  bruut  prijst  in  hären  leden.    (B  32.  33) 

Hoe  die  brudegom  der  kerken  voirseit  hare  viande.    (B  38) 

Wat  beduut  drieweruen  comen.    (B  33.  34) 

Hoe  die  brudegom  troest  die  bruut  ten  stride.    (B  34) 

Van  der  bruut  leden.    (B  34) 

Hoe  rtarc  die  bruut  is  te  uechten.    (B  34) 

Hoe  die  bruut  wederstaet  der  quader  scaren  ende  uerwint. 

Wat  bloemen  in  der  kerken  houe  wassen. 

Van  der  kerstenheit  fonteine. 

Van  den  blomen  des  houes. 

Van  den  bloemen  die  in  der  kerken  paradyse  wassen.    (B  36) 

Van  tween  bomen  sonderlinghe.    (B  36) 

Van  der  bruut  houe  ende  wat  hair  let    (B  36  W  18) 

Hoe  die  bruut  nv  moet  den  brudegom.    (W  18) 

Hoe  die  brudegom  lieflike  der  bruut  antwoort.    (W  18  B  37) 

Hoe  die  brudegom  yint  in  der  bruut  hof  al  sinen  wille.    (B  37) 

Van  den  tiden  des  vreden  in  der  kerken.    (B  37.  38) 

Hoe  men  nv  van  gode  slaept.    (B  38) 

Hoe  die  bruut  ghairne  bleue  mit  rüsten  in  gode.    (B  38.  39) 

Hoe  node  die  bruut  hair  beslet  mitter  werelt.    (B  39) 

Hoe  die  brudegom  die  bruut  wel  minnentlike  dwinghet  te  prediken. 

(B  39) 

Hoe  die  lerair  werden  ghetroest  in  wederstoot.    (B  89.  40) 

Hoe  die  bruut  gehoirsaem  is^)  [hären  lieue].    (B  40  W  19) 

Hoe  die  bruut  hair  lief  soect.    (W  19) 

Hoe  die  bruut  die  dochtren  besweert.    (W  19  B  41) 
CLXXXIIII    Hoe  die  dochtren  uraghen.     (B  41) 
CLXXXV]      Hair  lief  wijst  den  dochtren.    (B  41) 

[CLXXXVI (W  20) 

CLXXXVII    Dit  is  der  bruut  antworde  ten  dochtren.     (W  20) 
CLXXXVI II  Hoe  die  minne  dicken  die  woorde  breket.    (W  20) 
CLXXXIX]    Hoe  vier  brude  vergadert  fijn  in  ene  minne  gods  in  rechter  ghelouen. 

(W  20) 

CXC-CXCVI] 

CXCVII         (W  21) 

3XCVin        Die  derde  graet.    (W  21) 
CXCIX  Der  bruut  lof.    (W  21) 

CC]  Hoe  die  dochtren  nv  die  bruut  prifen.    (W  21) 


CXL 

CXLI 

CXLII] 
CXLIil] 
CXLini] 
CXLV] 
CXL  VI] 
CXLVII 

ftXLVHI 

CXLIX 

CL 

CLI] 

[CLIIl 
CLin 

:;liiii 

CLV 

clvi 

CLvn 

cLVin 

CLIX 

CLX 

CLXI 

CLXII 

CLXIII 

CLXini] 

CLXV] 
CLXVI] 
CLXVIl] 
CLXVIII] 
CLXIX 
CLXX 
CLXXI 
CLXXII 

cLxxm 
CLXXini 

CLXXV 
CLXXVI 

CLXxvn 

CLXXVIII 
CLXXIX 


CLXXX 
CLXXXI 
CLXXXII 
CLXXXHI 


^)  hier  bricht  das  Verzeichnis  selbst  ab. 


86 

rcci]        

[CCII  (W  22) 

CCIII  Hier  beghint  die  derde  boec.    (W  22) 

CCIIII  Die  text  uan  der  lettren.    (W  22.  23) 

CCV]  Hoe  finlicheit  bedrieghet.    (W  23) 

[CCYI-CCXII]  felüen  bis  auf  ein  BlaU,   das  mitten  in  ein  deutsches  Kapitel  faUt. 

(W  24) 

[CCXm (W  25) 

CCXIIII         Hier  begbint  dat  vierde  boec.    (W  25.  26) 

CCXV  Hoe  die  bniut  uut  gaet  ende  wint  die  beiden  te  gode.    (W  26). 

CCXYI]  Hoe  die  fanamite  brengbet  voor  den  bnidegom  mandragora  uan  der 

beidenscap.    (W  26) 

[ccxvni      ,    .    .    . 

[CCXVIII       (B  42) 

GCXIX  Hoe  die  bruat  den  brudegom  bout  ende  mit  hair  leet.    (B  42) 

CCXX  Hoe  men  te  gode  climmet  mit  minnen.    (B  42.  27) 

CCXXI  Hoe  die  braut  rust  na  der  vergaderingbe  hairs  lieuen.    (B  27.  26) 

CCXXn  Hoe  der  fynagogen  uerwondert  van  der  groter  hoocbeit  der  bruut 

mandragora.    (B  26) 
GCXXni        Die  brudegom  die  bruut  waimt  uan  ualle.    (B  26.  44) 
CCXXHIP)    Van  der  minnen  starcheit.    (B  44) 
CCXXV]         Den  lof  der  wäre  minnen.    (B  44) 

[CCXXVI-CCXXVII] 

[CCXXVHI (W  27) 

CCXXIX  Wat  die  bruut  sal  doen.  (W  27) 
CCXXX]  Hoe  die  bruut  antwoort.  (W  27) 
[CCXXXI  bis  ScMuss  ßöchstens  CCXL)  feMenJ, 

Wer  die  stattliche  Reihe  der  Commentatoren  des  Hohenliedes 
überblickt,  die  Pitra  im  Spicilegium  Solesmense  III  167  f.  verzeichnet, 
wird  mich  entschuldigen,  dass  ich  die  eigentliche  Quelle  unseres  Autors 
nicht  aufgefunden  habe.  Die  Einteilung  des  Grundtextes  in  150  Sätze 
mag  solchen,  denen  eine  grössere  Bibliothek  zugänglich  ist,  einen 
Wegweiser  abgeben.  Eine  Selbständigkeit,  wie  wir  sie  z.  B.  dem  Magde- 
burger Konstabier  Bruno  von  Schönebeck  immerhin  zuschreiben  müssen, 
scheint  sich  unser  Autor  selbst  abzusprechen  (Probe  IIa  V.  66  flf.). 
Dass  er  dem  geistlichen  Stande  angehörte  imd  in  erster  Linie  für 
Geistliche  schrieb,  beweisen  zahlreiche  Stellen,  dass  er  ein  Ordens- 
bruder war,  machen  gewisse  Ausführungen,  wie  in  Probe  III  (V.  55  ff.) 
und  dem  was  ihr  in  der  Hs.  folgt,  wahrscheinlich.  Unter  den  wenigen 
Citaten  fällt  besonders  der  heilige  Bernhard  auf,  dessen  Predigten 
über  das  Hohelied  eine  ganze  Reihe  von  späteren  Commentatoren, 
so  besonders  den  hl.  Bonaventura,  befruchtet  haben.  Die  Beliebtheit 
dieses  Gegenstandes  in  der  litterarischen  Tätigkeit  der  Gistercienser 
bezeugt  Pitras  Verzeichnis,  der  aao.  13  Mitglieder  des  Ordens  aufzählt. 
Täusche  ich  mich,  wenn  ich  in  den  Kapitelüberschriften  CLXVI  bis 
CLXIX,  wo  von  dem  Hof  der  Kirche  mit  seinen  Blumen,  von  der 
'fonteine'    und   dem    'paradys'    der  Kirche    die  Rede   ist,    die   Anlage 


')  Die  Zahl  fehlt;  am  Schluss  von  B  26  geht  ein  weiteres  Rubrum  (oder 
der  Anfang  eines  solchen?)  voraus:  *Hoe  die  bruut  fal  gods  gedenken'  —  kommt 
diesem  die  Zahl  CCXXIIII  zu,  so  ist  eben  ein  Kapitel  bei  der  Zählung  ganz 
ausgefallen. 


.87 


eines   Cistercienserklosters   —   man   denke   z.    B.    an   Maulbronn   — 
durchschimmern  sehe? 

Zwei  Proben  aus  den  neugefundenen  Wetzlarer  Blättern  schicke 
ich  den  Eingang  des  Werkes  aus  B  1  voraus.  Unsere  holländischen 
Kollegen  werden  hoffentlich  bald  für  eine  vollständige  Publication 
des  erhaltenen  in  der  Bibliotheek  van  Middelnederlandsche  letterkunde 
Sorge  tragen.  So  gering  der  poetische  Wert  des  Reimwerks  ist,  für 
die  Geistesgeschichte  der  Niederlande  ist  es  als  Ganzes  keineswegs 
ohne  Interesse,  und  ein  besserer  Kenner  der  Kulturzustände  jener 
Landschaften  wird  ihm  gewiss  auch  noch  mehr  interessantes  Detail 
abgewinnen,  als  mir  bei  flüchtiger  Lectüi*e  aufgestossen  ist. 


I. 
B  f.  1»    Hier  beghinnen  die   boeJcen 
die  gheheten  fijn  cantica  canticorum. 

God  here  almachtich  wijs  ende  goet, 
Alles  goedes  vte  vioeiende  nloet, 
Want  alre  diiic  biftu  beghin, 
Mer  beghin  ginc  di  nye  in; 
Du  waers  ye  dattu  nv  bift, 
AI  ende  heuet  di  ooc  gbemifti 
Nochtan  biftu  fonder  mifwende 
Alre  dinc  beghin  ende  ende. 
Want  in  dijnre  godliker  cracht 
Heueftu  alle  dinc  ghewracht, 
In  wijfheit  voegheftu  alle  dinc, 
Wat  ye  wefen  ane  vinc  icsw, 

IL 

Wf.  4c   Jjoe  fdlomoen  dit  boec 

makede,    VIIL 

Salemon  de  wife  man 
Sach  drie  hoghe  pointen  an, 
Dair  alle  doghet  in  wart  ghefaet 
Ende  gheuoeghet  na  rechte  ftaet: 
6  Data  wijfheit  macht  ende  goetheit; 
In  defen  drien  leghet  falicheit, 
Bi  defen  drien  wart  gheroert 
Die  fiele  ende  ter  doghet  gheuoert. 
4d   Wijsheit  doet  die  doghet  beghinnen, 
10  Macht  uolnoert  n  wel  mit  finnen, 
Goetheit  hout  die  doghet  gheftade 
Ende  bequame  in  gods  ghenade. 
Wij«heit  ons  ghelouen  doet, 
Macht  ghenet  in  der  hopen  fpoet, 
15  Goetheit  nolmaect  al  in  minnen 
Ende  uollent  dat  wi  beghinnen. 
Defe  drie  pointen  sijn  op  drie  ftaet 
Gheuoeghet,  dair  die  menfche  in  gaet 


Tallen  ^inghen  die  hi  doet, 

20  Sijn  si  quaet  of  fijn  fi  goet: 

Dats  in  beghinnen  ende  in  voortvaren 
Ende  in  uoleinden  fonder  fparen. 
Want  wijs  gheloue  behoeft  den 

ghenen, 
Die  goet  beghinnen  ende  gode  menen, 

25  Sterke  hope  hebben  moet, 
So  wie  uoortuaren  fal  in  fpoet, 
In  ftadicheit  mit  caritaten 
Moet  hem  elkermallijc  zaten, 
Die  uolmaect  fal  f^n  te  gode 

30  Ende  vafte  bliuen  bin  ßm  ghebode. 
Salemon,  die  dit  al  proeuede 
Ende  wat  ter  falicheit  behoeuede, 
Makede  ons  mit  wijsheit  groot 
Drie  boeke,  dair  hi  in  befloot 

35  Die  leringhe  uan  elken  ftaet 
Ende  gheuet  telken  ganfen  raet. 
Cl  Deerfte  boec  prouerbia  heet: 
Dat  bediet  bifpele  ghereet, 
Want  he  in  den  boeken  leert 

40  Elkermallic,  die  hem  keert 

Ter  doghet,  hoe  hi  die  beghinne 
Ende  mit  wijsheit  vaft  ghewinne. 
In  bifpele  hi  die  wijsheit  leert,  . 
Ghi  die  kinder  toe  keert: 

45  Niet  die  kinder  fijn  uan  ioghet, 
Mer  uan  wijsheit  ende  uan  doghet, 
Als  hi  feine  dair  in  feghet: 
Eint,  der  wijsheit  wech  die  leghet 

5»  Voordi,  dien  fal  ic  di  tonen, 

50  Hoorftu  mi  al  fonder  honen, 
Enten  weghe  der  rechticheit 
Sa]  ic  di  leiden  wel  ghereit. 
Cl  Tander  boec  dat  falemoen 
Makede  uan  wijsliken  doen 

55  Dats  ghemaket  ende  befcrenen, 
Hoemen  ydelheit  fal  begheuen, 


88 


Ende  wat  die  werelt  ons  toonti 
Want  fi  ten  leften  qnalike  loont, 
Ende  datmen  vromelike  fal  Taren 

60  Mit  falicheit  al  fonder  fparen. 
Ecclefiaftes  heet  dit  boec; 
Die  fijnre  woordeu  heuet  roec, 
Hi  vint  ten  eerften  in  Hjn  beghin, 
Want  rine  lere  ons  bringhet  in: 

65  Tdelheit  der  ydelheit, 

Spreket  hi,  ende  al  ift  ydelheit. 
Dat  dnut  der  werelt  goom, 
Is  al  ydelheit  ende  droem, 
Die  werelt  heuet  anders  uiet 

70  Wan  ydelheit  ende  al  uerdriet. 
Des  falmen  11  billic  verfmaden 
Ende  honden  an  der  gods  ghenaden, 
Als  hi  in  den  einde  bei'luut 
Van  den  boeke,  dair  biet  gaet  wt, 

75  Dat  god  ten  oirdel  al  fal  bringhen 
Dat  wi  an  ons  hier  verhinghen, 
Kt  uan  duechden  of  uau  fonden, 
Dat  wert  dair  gheloont  ten  ftonden. 
Cl  Hi  makede  ooc  dat  derde  boec: 

80  Wie  te  kennen  heuet  roec, 
Weten  wille  wat  het  leert, 
He  is  ter  falicheit  ghekeert. 
Des  boecs  lere  is  alfo  goet: 
So  wie  dair  an  keert  fincn  moet, 

85  Dat  hi  die  lere  dair  of  wil  fmaken, 
Hi  vint  dair^)  in  die  hoghefte  faken, 
Die  den  meufche  moghen  tien 
Te  gode  ende  alle  dinc  te  rechte  zien. 

5b   Cantica  canticorum 

90  Heet  dit  boec  allene  dair')  om/ 
Dat  uan  bruutliker  miunen 
Spreket  ende  hoemen  gode  fal  kinnen. 

IIa  (anscMiessend). 

W  f.  6*»     Van  den  drien  vianden *) 
der  doget.     IX. 

|it  boec  heb  ic  an  ghenomen 
Te  dichten,  hier  bin  ic  toe  comeu, 
Om  dat  ic  minne  gherechte  minne, 
Ende  om  die  rechte  coninghinne, 
5  Maria  die  fuete  bruut, 

Die  ons  brochte   den  faligen  druut, 
Die  uoir  ons  allen  manlijc  vacht, 
Dair  hi  uerwan  des  duuels  cracht. 
Mer  drie  uianden  ontfie  ic  zere, 


D' 


10  Die  alle  man  nemen  hair  ere, 
Die  nidich  sijn,  dwaes,  ende  yerkeren 
AI  datmen  ter  doghet  mach  leren. 
Die  nidighe  benijt  alle  doghet, 
Hine  wert  nemmerme  verhoghet 

15  Van  weldaet,  als  hijt  vernemet, 
Dat  den  goeden  wel  betemet. 
Die  dwaes  enachtets  niet 
Wat  hi  hoirt  of  wat  hi  ziet, 
Dair  falicheit  of  ere  an  leghet. 

20  Wert  hem  wijsheit  voer  gefeghet, 
Dat  is  hem  anders  niet  dan  spod. 
Voir  sulke  lüde  behoede  mi  god. 
Mer  wairlijc  ic  moet  emmer  lien 
Ende  in  wairhelt  mi  fo  vrien, 

25  Dat  ic  niement  wille  fparen, 
Want  wairheit  fal  altoes  voluaren 
Dair  fi  ter  falicheit  tiet. 
Der  quader  wairheit  maket  verdriet. 
Ic  fpreke  mit  Salemoen  ouer  al: 

30  Der  dwaes  is  ongetallic  ghetal. 
Mer  die  nv  willen  wefen  wijs 
Enter  werelt  h ebben  prijs 
Van  wijsheit,  der  fijn  vele  bedroghen, 
Bechte  wijsheit  is  hem  ontuloghen. 

35  Die  nu  fet  Ilnen  zoec 

f.  5°  An  wairlike  wijsheit,  die  heet  cloec. 
Mer  fi  is  mit  loosheit  ghemanct, 
Want  cloecheit  menighe  doget  cranct 
Loes  ende  ualfch  heet  men  nu  cloecke 

40  Ende  tiet  fi  ter  wijsheit  boeke, 
Dair  fi  nie  in  worden  ghefcreuen, 
Want  die  cloekelike  dns  leuen. 
Dat  Iijn  die  die  plumen  ftriken 
Ende  der  ualfcheit  emmer  wiken; 

45  Ende  als  die  heren  doen  onghenoech, 
So  uolghen  fi  der  quaetheit  ploech 
Ende  fpreken:  die  heren  hebben  recht 
Ende  maken  dus  der  wairheit  plecht. 
Defe  dwaes  ontfie  ic  fere, 

50  Dair  uore  behoede  mi  god  here. 
Die  yerkeren  mit  baren  anghen, 
Die  gheliken  wel  der  flanghen, 
Die  Yeven  ende  Adam  verriet. 
Want  als  die  quade  doghet  ßet 

55  Ende  hoort  dat  hem  niet  becoomt, 
Alle  doghet  hi  dan  verdoomt 
Ende  dat  goede  maect  hi  quaet. 
God  hoede  mi  voir  ßjn  baraet. 
Mer  is  iemen,  die  hier  vernemet 


*)  hs.  d'.    *)  hs.  d'.    •)  ha.  wanden. 


89 


60  Dat  der  wairheit  niet  ghetemet, 
He  comes  teghen  mi  te  kine: 
Ic  antwoorde  in  minen  liae. 
Heuet  hi  recht,  ic  wil  hem  Tolghen, 
E  ii  dair  om  niet  fijn  verbolghen. 

65  Mer  op  ene  dinc  ic  mi  verlate: 
Ic  wil  gaen  die  ghemene  ftrate, 
Die  die  heilighe  lerers  ghinghen, 
Doe  ß  bedieden  defe  dingben. 
Vnt  baren  monde  wil  ic  dicbten, 

70  Dair  na  di  glofe  mi  berichten. 
Dair  om  bidic  al  den  gbenen, 
Die  gode  mit  rechter  minne  menen, 
Dat  fi  Toer  mi  minnentlike 
Bidden,  dat  ic  falichlike 

75  Begkinnen  moet  ende  yoortnaren, 

f.5<iEnten  einde  fo  bewaren, 

Dat^)  ic8  te  goeden  einde  come, 
Gode  teren  ende  dien  ter  vrome 
Allen  diet  fallen  boren  lefen. 

80  Qods  gbeeft  moete  mi  bi  wesen, 
Die  mine  ünne  fo  berichte, 
Dat  ic  fonder  fonde  dichte 
Ende  noleinde  fonder  fcame. 
Dair  om  beghin  ic  in  gods  name. 

IIL 

W  f.  13»   Hoe  die  bruut  te  vreden  is. 

LXXVL 

|Ie  bmnt  is  nv  te  rüsten  comen, 
Want  fi  lieflijc  beeft  vernomen, 
Trooft  aan  baren  lieue  ende  ere, 
Want  bife  henet  gheprifet  zere. 
5  Dair')  om  fpreect  fi  minnentlike 
Tbaren  lieue  ende  fuetelike: 
(I  Bloeiende  is  onfe  beddekijn, 
Onfer  hufenfparre  fijn 
Van  cedar,  ende  nancipres  die  wormen. 

Leciulus  nofter  floridus,  tigna 

domorum  noftrarum  ccdrina,  laquea- 

ria  noftra  cypreffina.     XXVI. 

10  (I  Hier  merket   alle  der  gods  hnfe 

Yormen. 
Defe  woorden  fijn  merkelike 
Ende  nan  foeten  geefte  rike. 
Na  die  braut  uan  liden  luft 
Ontfanghen  beeft  ende  grote  ruft, 

15  Van  hären  lieue  heuet  trooft, 


D' 


Des  wanic  fijn  te  male  verlooft 
Van  arbeit  ende  uan  alre  pine, 
Des  gheert  fi  mit  hair  te  Hne 
Hair  lief  ende  op  hair  bedde  te  ruften 

20  In  fueteu  minnentliken  lüften. 
(I  Des  fpreect  ß:  onfe  beddekijn  is 
Bloeiende,  foete  lief,  ghewis 
Na  der  heiligher  kerken  ftaet. 
Menigerande  fonder  baraet 

25  Heeft  die  bruut  hair  woirde  opheuen, 
Want  fi  dair  na  hier  moet  leuen. 
Als  fi  liden  heeft  of  doghen, 
Moet  fi  die  woirde  dair')  na  togben, 
Ende  als  fi  pais  heeft  ende  vrede, 

30  Spreect  fi  dair  na  die  woort  mede. 
Hier  bouen  in  des  lidens  tijt 
Sprac  fi,  dat  ß  forgen  quijt 
Wilde  fijn  ende  in  verduldicbeit, 
Oetmoedelike  hair  dair  toe  reit. 

35  Ende  alft  liden  is  uergaen         13  ^ 
Ende  ß  urede  heuet  ontfaen, 
So  fpreect  [fi]  nan  der  lieuer  ruft, 
Die  hair  in  gode  altoes  luft. 
Want  hair  urede  niet  lange  mach  ßjn, 

40  Des  fpreket  fi:  onfe  beddekijn, 
Want  leider  duren  mach  onlangbe 
Der  kerftenheit  rufte  uan  bedwanghe 
Den  houaerdigben  enten  quaden, 
Dair  die  kerke  mede  is  verladen. 

45  Des  heet  wel  een  beddek^n, 

Want  cort  ende  onlanghe  mach  ßjn. 

Echt  uan  der  bruut  bedde,  LXX  VIL 

Hier  moeten  wi  na  den  gheefte 
proeuen. 
Die  wi  ter  gheeftelicbeit  behoeuen, 
Ende  dat  wi  dit  begripen  moghen, 

50  Salic  gheeftelike  v  toghen, 
Wat  dit  beddekijn  ons  beduut, 
Dair  op  ruften  wil  die  bruut, 
Dat  niet  enis  hair  doch  allene, 
Mer  mitten  brndegom  gemene. 

55  (I  Dit  bedde  is  wel  een  gheeftelic 

leuen, 
Dat  in  oirden  is  begbeuen, 
Dair^)  men  in  ruft  uan  wereltsorgben, 
Ende  dair  die  goede  ßjn  in  verborghen 
Voir  menighe  wereltlike  faken, 

60  Die  werringhe  ende  onminne  maken. 
Dit  beddekijn  is  bloiende  ende  rene, 


»)  hs.  Dats.    »)  hs.  d\    »)  hs,  d\    *)  hs.  D'. 


90 


In  goeden  lenen  ende  ghemene: 
Van  der  regule  ende  ghesette, 
Die  Terhoeden  der  fonden  fmette. 

65  Defe  rnken  nterniaten  wale 

Van  goeden  broederen  fonder  hale, 
Die  exempel  fijn  nan  goeden  lenen, 
Ende  Tan  fuftren,  die  ooc  dat  ghenen 
Om  gode  ende  doir  die  lade  mede, 

70  Die  goetwillich  fijn  mit  vrede. 
Ende  want  der  oirden  Tele  Hjn, 
Want  doet  die  brnnt  thant  wel  fcijn 
Ende  fpreect:  onfer  hnfen  fparen 
Sijn  uan  cedarbome  twaren,     f.  13c 

75  Entie  worme  nan  cipres. 
Verftaet  mit  minnen  defe  les: 

Van  der  minnen  hufe,    LXXVIIL 

Defe  hnfe  fijn  alle  conuente, 
Die  ghefparret  fijn  omtreute 
Van  naften  fparren,  die  fijn  uan  cedar, 

80  So  dat  fi  iegen  wint  noch  weder 
Der  coringhe  iet  winnen   mach  mit 

ftormen. 
Dit  fijn  prelaten,  der  doget  Tonnen, 
Die  füllen  wefen  tallen  Tren 
Alna  des  cederbooms  naturen. 

85  Die  ceder  is  hart  ende  ruket  wale: 
Das  fal  fijn  bi  wäre  tale 
Die  ouerfte,  diet  conaent  berecht. 

MARBURG  i.  H. 


Hi  fal  ftarc  fijn  int  ghenecbt 
Des  dunels  ende  der  werelt  mede, 
90  Hi  fal  ruken  nan  goeden  zede 
Ende  aan  ontfermicheit  altoes. 
In  wairheit  fal  hi  niet  fijn  loes. 
Die  cederboom  Terrot  ooc  niet: 
Entie  prelate,  wat  he  fiet 
96  Of  Tememet,  dat  fal  hi  liden 
Ende  hardicheit  altoes  miden 
Tieghen  finen  onderdaen. 
Dat  gommin,  dat  men  uat  ßet  gaen 
Vten  cedar,  dats  wel  goet 

100  Ende  nattelic  te  menigher  fpoet: 
Het  maket  fieke  lüde  ghefont. 
Das  fal  douerste  in  alre  ftont: 
Die  cranke  troesten  ende  ghenefen. 
Ceder s  gomme,  als  wi  lefen, 

105  Verdrinet  mit  finen  roke  ferpenten. 
Das  fal  die  ouerfte  in  finen  connenten 
Mit  goeden  exemplen  ende  mit  lere 
Den  uiant  Terdriuen  Tere. 
Die  Tlieghen  Tlien  ooc  Tan  der  lacht 

110  Des  ceders:  dus  fal  ooc  mit  tacht 
Des  onerften  lere  al  Teriaghen 
Ghedanke,  die  die  fielen  bedragen 

f.  13<)  Mit  Tulen  wille  ende  qnaden  begare, 
Dair^)  die  fiele  of  heuet  dare. 

115  Die  berechter  moeten  f^jn 
Billic  fparren  nan  cedrijn. 

Edward  Sehr  öder. 


"Warnung  vor  denn  W^ürfelspiel. 


Die  nachfolgenden,  in  der  im  Jahrbuch  18,  114  angeführten 
Darmstädter  Handschrift  enthaltenen  Verse  sind  der  Schluss  eines 
in  Köln  während  des  15.  Jahrhunderts  entstandenen  Gedichtes,  das 
die  Verderblichkeit  des  Würfelspieles  schilderte.  Da  die  über  dies 
Thema  handelnden  Dichtungen  meines  Wissens  noch  nicht  zusammen- 
gestellt worden  sind,  führe  ich  kurz  an,  was  mir  gerade  zur  Hand  ist. 

Eine  mehrfach  dem  Vergil  zugeschriebene  Warnung  vor  dem 
Spiele  in  lateinischen  Hexametern  stellt  in  den  Carmina  Burana  S.  248 ; 
ebenda^)  eine  launige  Spielermesse  (officium  lusorum).    Aus  dem  Ende 


«)  Vgl.  F.  Novati,  Studi  critici  e  letterari  1889  s.  187.  289. 


91 

des  13.  Jahrhunderts  stammt  die  lebendige  Schilderung  des  Erfurter 
Kneipenlebens,  die  Nicolaus  de  Bibera  in  seinem  Carmen  satiricum  V. 
1889  S.  (Geschichtsquellen  der  Provinz  Sachsen  1,  2,  102.  1870) 
entwirft;  ein  Spieler  verflucht  V.  1929  die  Würfel: 

Alter  taxillos  rapit  et  sie  arguit  illos 
Dicens:  0  lade,  ego  qaod  sie  ambulo  nude. 
Hoc  tu  fecisti  .  .  . 

Auch  Eeinmar  von  Zweter  (HMS  2,  196.  Roethe,  Die  Gedichte  R. 
von  Z.  1887  S.  466,  Nr.  109  und  Anm.  S.  599)  eifert  gegen  diese 
Erfindung  des  Teufels,  und  Konrad  von  Haslau  hält  dem  Jüngling 
(V.  29Ö — 452,  Zs.  f.  d.  Altert.  8,  559;  auch  besonders  in  den*  Alt- 
deutschen Blättern  1,  63)  die  Nachteile  des  Spieles  vor.  Heinrich 
Teichner  wirft  in  einem  Spruchgedicht  ('Einer  pat,  ich  tat  im  schein.' 
Berliner  Ms.  germ.  qu.  361,  138)  die  Frage  auf,  ob  ein  Spieler  oder 
ein  Stehler  besser  sei,  und  beantwortet  sie  zu  Ungunsten  des  ersteren; 
in  einem  anderen  Spruche  ('Maniger  gicht  mit  rechtem  spiP.  Wiener 
Cod.  2901,  122b.  Berliner  Ms.  germ.  fol.  564,  113  und  Ms.  germ.  qu. 
361,  175;  wenig  verändert  in  dem  Bruchstücke  'Der  Würfel'  in  Lass- 
bergs  Liedersal  3,    229   Nr.  203)   wünscht   er   dem  Würfel,   dass  *  er 

blind  wäre: 

Wann  manger  von  im  duldet 
Hanger,  frost  und  armut. 
Der  Würfel  lasterlichen  tut, 
Er  schaffet,  das  man  swert 
Und  daby  got  entert: 
Der  Würfel  machet  buhen  vil. 

Aehnlich  klagt  Peter  Suchenwirt  im  Liederbuche  der  Hätzlerin  S.  203 
ed.  Haltaus: 

Ach  Würffels  spil,  du  schnödes  ampt, 
Wcllich  edels  hertz  sich  dein  nit  schambt, 

Das  hatt  nit  cluger  synne 

Er  machet  leut  an  witzen  plind; 
Yil  maniges  pidermannes  chind 
Lert  er  zu  puben  werden. 

und  giebt  auch  eine  geistliche  Deutung  der  Zahlen  eins  bis  zwölf, 
die  man  mit  zwei  Würfeln  erhalten  kann  ^).  Eine  ähnliche  Moralisation 
der  achtzehn  mit  drei  Würfeln  möglichen  Würfe,  die  auf  achtzehn 
Sünden  hinweisen  sollen,  finden  wir  in  einer  lateinischen  Predigt  des 
Johannes  Horolt  (Discipulus  D?)  und  daraus  entlehnt  in  dem  1432 
zu  Strassburg  von  Meister  Ingold  abgefiissten  Traktate  vom  goldenen 
Spiele  (ed.  E.  Schröder  1882  S.  52—61  'Das  Schantzen').  Daran 
reiht  Ingold  die  aus  den  Gesta  Romanorum  c.  170  bekannte  Geschichte 


*)  Vgl.  dazu  Hugo  von  Trimhergs  Renner  V.  11406:  *Von  zinken,  quater, 
esse  sitzt  manger  in  kumhers  esse'  und  die  Friamel  in  Eschenburgs  Denkmälern 
1799  ö.  415:  *Von  dem  zinken,  quater  und  es\  Wartburgkrieg  105  f.  Wacker- 
nagel, Kleinere  Schriften  1,  122.  E.  Schröder  zu  Ingold  S.  XXI.  XXVII.  Crei- 
zenach,  Geschichte  des  neueren  Dramas  1,  197.  Guarinoni,  Grewel  der  Verwüstung 
1610  S.  1258. 


92 

von  St.  Bernhard,  der  mit  einem  ihm  begegnenden  'nackten  Buben' 
würfelt;  der  Spieler  setzt  seine  Seele  gegen  das  Pferd  des  Heiligen, 
verliert  und  muss  ihm  ins  Kloster  folgen.  Nicht  gesehen  habe  ich 
die  Sprüche  vom  hasart^)  im  Heidelberger  Cod.  germ.  312,  Bl.  76a-b, 
des  Schmiehers  Spnich  vom  Spiel:  ^Ainer  fraget  mich  der  märe,  ob 
spiel  vast  sund  wäre'  in  der  Weimarer  Handschrift  145,  8^,  Bl.  31a 
(Wendeler,  Wagners  Archiv  1,  432)  und  das  Gedicht '0  mensch,  wiltu 
selig  werden  im  himel  und  auff  erden'  auf  dem  bei  Goedeke,  Grund- 
risse 1,  396  Nr.  32  angeführten  Folioblatte;  ebensowenig  den  in  einer 
Leipziger  Handschrift  erhaltenen  Spruch  vom  Spieler:  *Bekente  ein 
rechter  topelere,  waz  an  spile  untugende  were'  (v.  d.  Hagen-Büschiiig. 
Grundriss  1812  S.  404).  Auch  Hans  Folz  eifert  in  einem  in  Kellers 
Fastnachtspielen  3,  1288  abgedruckten  Spruche  wider  das  lästerliche 
Fluchen,  die  abergläubischen  Bräuche  und  die  Bauernfängerei  der 
Lotter,  Spieler  und  Riffianer.  Conrad  Celtes  schildert  in  einem  latei- 
nischen Epigramme  (2,  18  ed.  Hartfelder  1881)  die  leidenschaftlichen 
Verwünschungen,  die  am  Spieltische  zu  hören  sind.  Ein  1489  zu 
Bamberg  gedrucktes  Gedicht  'Wie  der  würffei  auff  ist  kumen'  (4  Bl. 
4°.  Berlin  Yg  5371)  erzählt  nach  Caesarius  von  Heisterbach  oder 
Nicolaus  von  Lyra,  wie  der  Würfel  einst  durch  einen  römischen  Senator 
mit  Hilfe  des  Teufels  erfunden  wurde,  und  deutet  die  sechs  Felder 
des  W^ürfels  auf  ähnliche  Weise  wie  Suchenwirt.  Ohne  satirische 
Tendenz  schildert  der  Meissner  in  einem  fünfzehnstrophigen  Liede 
das  Kartenspiel  Karnoffelin  (Fichards  Archiv  3,  293).  Brant  spricht 
es  dagegen  im  Narrenschiff  1494  Cap.  77  geradezu  aus,  dass  'die 
spyeler  sint  des  tüfels  k)Tid',  citiert  das  obenerwähnte  pseudovergilische 
Gedicht  de  ludo  und  rügt  unter  anderm, 

Das  pfaffen,  adel,  barger,  frummen 
Setzen  an  köppels  knaben  sich, 
Die  inn  nit  sint  an  eren  glich. 

Bei  Johann  von  Schwarzenberg   (Der  Teütsch  Cicero  1534,  Bl.   146b) 

fleht  der  Spieler: 

0  Glück,  hilft'  mir  durch  würffels  fal; 
Sonst  kumm  ich  inn  der  buben  zal. 

Die  schon  1489  bearbeitete  Erzählung  von  der  Erfindung  des  Würfel- 
spieles stellte  dreissig  Jahre  später  der  elsässische  Dichter  Bernhard 
Klingler  nochmals  dar  (Wie  man  sich  hüten  sol  vor  dem  spiel.  Strass- 
burg  1520,  abgedruckt  bei  Goedeke,  Gengenbach  185G  S.  373.  521). 
Ein  dreizehnstrophiges  Lied  4n  des  Schyllers  done',  Jas  eine  in  Bingen 
vorgefallene  Bauernfängergeschichte  erzählt,  ist  um  dieselbe  Zeit  ge- 
druckt: 'EYn  Neüwe  Gedicht,  Wie  die  Lantbescheisser,  Zwjecker. 
Orenbeysser,  Bleer,  Meinster,  Heyligman,  vnd  Störck,  Die  Freyen  vnd 
Voperten   Betrygen'    (6  Bl.     4^    Berlin    Yd    8382).     P.    Gengenbach, 


*)  Bartsch,  Die  altdeutschen  Hss.  der  Universitätsbibl.  in  Heidelberg  18vs7 
S.  60  (Nr.  147)  teilt  die  Titel  mit  einem  Lesefehler  (hafart  für  hasati)  mit:  *Von 
den  di  durch  hasart  gestraulft  sein  worden^  und  ^Yon  den  Übeln  di  von  hasart  ku]nmen\ 


n 

t)er  welsch  Fluss  lieferte  eine  Darstellung  der  französisch-italienisclien 
Kriege  unter  der  Form  eines  Kartenspieles,  abgedruckt  bei  Goedeke, 
Gengenbacli  S.  3.  Zwei  JLieder  aus  G.  Forsters  Teutschen  Liedlein 
1539  Nr.  115  'Gut  ding  muß  haben  weil'  und  Nr.  89  'Des  spielens  ich 
gar  kein  glück  nit  han'  stehen  ebenda  S.  384  f.  und  bei  Böhme,  Alt- 
deutsches Liederbuch  Nr.  487.  Eine  beliebte  Form  der  Satire  nutzt 
1557  Eustachius  Schildo  in  seinem  'Spilteufel.  Ein  gemein  Ausschreiben 
von  der  Spiler  Brüderschafft  vnd  Orden,  sampt  jren  Stiflftern,  guten 
wcrcken  vnd  Ablas'  (Frankfurt  a.  0.  4°;  vgl.  Roethe,  Allgem.  d. 
Biogr.  31,  209),  während  ein  unter  dem.  Pseudonym  P.  Arorites  zu 
Ferremont  sich  bergender  spätrer  Dichter,  der  vielleicht  mit  Peter 
Schumann  (Hypodemander)  von  Eisenberg  identisch  ist,  (Der  Spieler  Abc 
vnd  Namen  büchlein.  o.  0.  1584.  8^  Berlin  Yh  4801)  die  Nachteile  des 
?ipieh:  Amissiotemporis,  Blasphemm^  Coutumelia  etc.  nach  dem  Alphabet 
aufzählt  und  eine  Parodie  des  Katechismus,  betitelt  'Des  Teuffels 
zehen  gebot',  giebt;  angehängt  sind  noch  drei  Spielerlieder:  'Ich  bin 
der  armen  Frawen  Son',  'Wie  mag  es  in  der  Karten  sein',  'Mein  Fraw 
Hildgard  gar  offt  mein  wart'.  Ein  öder  Dramatiker  aus  dem  Ende 
des  IG.  Jahrhunderts,  Thomas  Birck,  personifizierte  1590  in  seiner 
(Jomoedia  von  den  Gottsvergessnen  Doppelspilern  Würfel  und  Karten, 
die  teils  in  Begleitung  des  Teufels  zu  argem  Leben  ermuntern,  teils 
in  Begleitung  des  weisen  Syrach  gute  Lehren  geben.  Diese  vermittelnde 
Ansicht,  dass  nicht  jedes  Karten-  und  Würfelspiel,  sondern  nur  das 
Uebermass  und  der  Betrug  schädlich  und  verwerflich  sei,  scheint  Birck 
jius  der  Abhandlung  des  Erfurter  Juristen  Heinrich  Knaust  De  ludo 
(1574;  deutsch:  Gegen  und  wider  die  Spitzbuben.  Erffurdt  1575.  8®) 
geschöpft  zu  haben.  Dagegen  erklärt  ein  ungenannter  Meistersänger 
in  drei  am  19. — 20.  Oktober  1598  gedichteten  Liedern  das  Spiel 
kurzweg  für  eine  Firfindung  des  Teufels  (Hans  Müllers  Meistergesang- 
buch V.  J.  1G17,  Bl.  459b  =  Erlanger  Mscr.  10(>8). 

Andres  findet  man  bei  Alwin  Schultz,  Das  höfische  Leben^  1,  531 
und  Deutsches  Leben  im  14.  und  15.  Jahrhundert  1892  S.  512.  J. 
Meier,  Zs.  f.  d.  Philol.  24,  555.  Edw.  Schröder  a.  a.  0.  Schuster, 
Das  Spiel  im  deutschen  Recht  (1878).  Osborn,  Die  Teufellitteratur  des 
16.  Jahrb.  1893  S.  81.  Böhme,  Ad.  Liederbuch  S.  602.  768.  Einen 
englischen  Prosadialog  aus  dem  Anfange  des  16.  Jahrhunderts  hat  0. 
Halliwell  1850  (Percy  Society  29,  3)  neu  herausgegeben:  'A  manifest 
dotection  of  the  moste  vyle  and  detestable  vse  of  Diccplay,  and  other 
practises  lyke  the  same'  etc. 


[362«,  i]  Want  der  wurffell  is  so  starck, 

Hadz  du  hundert  duysent  marck 
In  dnysent  sloss  beslossen, 
Ich  dein  sij  dich  her  vyss  trossen. 
5  Dat  sain  ich  dir  in  wairheit: 

Dir  enblijfft  des  hairs  ymme  erse  nyet. 
Woültn  mir  volgen  zo  alre  zijt, 

y.  7    Vor  zijt  steht  das  später  aasgestrichene  Wort  stont. 


u 


So  saUu  all  des  dijneu  werden  qwijt. 

Hedz  da  Arnoldz  gaet  Tan  dem  Plaisen, 
10  Dat  weren  allit  vijs  vasen; 

Qelenffd  da  den  dobel  steynen, 

Dir  enblyfft  der  haller  geyneu. 

Wir  willen  dit  laissen  drjjnen, 

Bij  deme  wijne  willen  wir  blijaen. 
15  Dit  sijnt  alle  gaede  geselleni 

Balder  dragen  sij  sackdoicli  dan  sijden  pellen. 

BERLIN.  •  Johannes  Bolte. 


Zu  mittelniederdeutschen  Dichtern. 


Zu  Gerhard  von  Minden. 

Fab.  6,  1  lies: 

Ein  louwe  wolde  jagen  varcfi; 
went  het  allene  nicht  bewaren 
ne  künde,  do  nam  he  darto 
den  hokj  den  weder  unde  de  ko 
unde  treckede  mit  on  in  den  wolt, 
dar  lie  des  tvildes  wiste  entholt. 

Gegen  V.  6  ist  zweierlei  za  erinnern.  Znnächst  ist  die  Stellang  des  Verbams 
zwischen  entholt  and  den  dazu  gehörigen  Genetiv  wildes  anffällig.  Dann  ist 
auch  enihoU  in  der  Bedeatang  'Anfenthalt'  bei  Gerhard  nicht  weiter  belegt,  da- 
gegen gebraucht  er  mehrmals  holt  in  dieser  Bedeutung  (s.  d.  Wortl.)  Ich  yer- 
mute  deshalb,  dass  V.  6  ursprünglich  gelautet  hat: 

dar  Jiebbet  de  wilde  wist  efide  holt, 

„Da  hat  das  Wild  Nahrung  und  Wohnung.''  udlde  (hdsl.  Lesart)  ist  Plural  tod 
dat  wilL  vgl.  93,  Si  Do  he  des  geplach  mank  den  wilden  nvan7ngen  darh. 
üeber  das  st.  f.  wist  siehe  Mhd.  Wb.  III,  770b,  Lexer  III,  946. 

6,  13.    De  lonwe  on  (den  Hirsch)  nt  dem  dike  bi'aMe. 
na  sinem  rechte  he  do  om  wrachte. 

recht  ist  hier  „der  Inbegriff  der  Befugnisse  nach  dem  Stande,  Standesrecht''  s. 
Mnd.  Wb.  3,  43  lo  und  vergl.  Fab.  16,  31  De  loive  ein  deil  na  sinem  rechte, 
do  Jie  gehörde  dut  gebreehte,  lep  lie  unde  ivolde  de  hunde  biten  unde  mit  ge- 
walt  de  jaget  sliten.  In  V.  27  ist  Seelmanns  Aenderung  des  hdsl.  do  he  in  de 
ko  durch  den  Zusammenhang  geboten;  vgl.  dagegen  Damköhler  a.  a.  0.  S.  141. 


9  Arnold  van  dem  Plaisen  ist  ein  Mitglied  der  reichen  Kölner  Familie 
'von  dem  Palais',  ^de  Palacio'.  £ia  Arnoldus  de  Palacio  errichtete  1358  einen 
Altar  in  der  Kirche  S.  Maria  im  Kapitol  und  baute  1863  sein  Haus  zum  Lombard 
zu  einem  Nonnenkonvente  aus.  Finnen,  Geschichte  der  Stadt  Köln  3,  796  f.  823. 
Mitteilungen  aus  dem  Stadtarchiv  von  Köln  7,  24.     12,  30. 


95 

7,  13  lese  ich  jetzt: 

De  mse  man  sprak  dusse  mere, 
dat  it  der  stmnen  wille  were, 
dorch  öknisse  dat  Jie  wolde  nenien 
ein  echte  wif 

df/rch  öknisse  *um  Ausbreitung  seines  Geschlechtes  willen*;  vgl.  dorch  üknisae 
der  kerstenfieide,     Mnd.  Wb.  3,  422. 

11,  37.    'Her  vos,  gi  schultet  dat  vur  iobreken/ 
sprak  de  am,  Hk  wil  mit  eden  spreken, 
dat  ik  juwe  welp  sunt  hir  neder 
ju  to  bringende  geve  weder J 

Zu  lesen  ist:  tobringende  'zubringend'. 

16,  27.    Dama  sint  na  unmennigen  dagen 
begunde  des  landes  h-ere  Jagen 
7nit  loilde,  sine  hunde  lepen, 
de  jegere  scrigeden  unde  repen. 

tvilde  kann  nicht  richtig  sein  Ich  vermute,  dass  es  ans  hilde  „eilig''  entstellt 
ist  und  schreibe: 

Dama  sint  na  umnenigen  dagen 

begunde .  des  landes  here  jagen, 

vel  hilde  sine  hunde  lepen, 

de  jegere  scrigeden  unde  repen. 

18,  11.    Ein  konnink  wart  on  gröt  genoch 
wol  sticht  an  art  unde  ane  loch, 

V.  12  hat  Damköhler  S.  141  das  hdsl.  aJie  ast  unde  ane  loch  'ohne  Ast  und 
Zweig'  hergestellt.  Es  ist  noch  wol  in  vul  (dient  zur  Verstärkung  des  adj. 
sticht)  zu  ändern. 

23,  31.    Dama  begunde  an  tomen  dagen 

de  konnink  den  sulven  lowen  jagen. 

tarnen  hat  E.  Breul,  Jahrb.  XV,  78  gut  in  corten  gebessert;  unnötig  ist  aber 
seine  Aenderung  von  an  in  na  vgl.  52,  39  an  körten  jaren. 

23,  46.    He  was  so  stark,  dat  he  se  brachte, 
dat  se  ne  dorsten  den  man  berinen. 

Zu  streichen  ist  se  vor  brachte,  Ueher  bringen  =  'bewirken,  vollbringen'  s. 
Haupt  zu  Erec  9503  und  die  Mhd.  Wörterbücher. 

23,  57.    De  konnink  vmiech  do  up  de  veide 
unde  Ict  de  vangenen  ledich  beide, 
den  truwen  lewen  unde  den  man, 
des  lie  lof  van  der  tverlde  gewan. 

Statt  vortrch  hat  die  Hds.  verste,  und  dies  scheint  richtig,  versten  ist  'fristen, 
crastinare,  induciare'.  Auch  die  hdsl.  Form  vangen  ist  nicht  zu  beanstanden. 
Ich  lese  und  interpungiere : 

De  konnink  verste  do  de  veide 
unde  let  de  iKingen  ledich,  beide 
den  trwwen  lowen  unde  den,  man. 


21,  33.    de  undult  unde  de  grote  unroutüe, 
de  umme  on  dref  de  vrouwe 

Die  Hds.  hat  grote,  d  i.  groten,  und  es  ist  kein  Grnnd,  die  schwache  Form 
des  Adjectiys  hier  zu  beanstanden. 

27,  65.    Ein  kastH  van  detn  dorpe  lach, 

van  in  der  Bedeutung  'abseits  von'  ist  nicht  weiter  belegt.  Es  entspricht  dem 
Zusammenhange,  wenn  wir  an  =   „in"  (vgl.  Mnd.  Wb.  u.  d.  W.)  schreiben. 

27,  133.    went  ik  h^bbe  enen  rat  bedacht, 
de  warliken  wert  vullenbracht 
mit  juwer  hulpe  an  dusser  nacht, 
darane  Ut  juwer  ruwe  macht. 

21,  136   ist  unverständlich.     Ich   setze   nach  V.  135   Punkt   statt  des  Eommas 

und  schreibe  V.  136:   darutnme  tatet  juwer  i'uwech  acht  „Darum  lasst  ab  von 

eurem  traurigen  Benehmen''.  Besonders  der  Schluss  dieser  Fabel  scheint  sehr 
entstellt.     Ich  möchte  V.  173  ii.  folgendermassen  lesen: 

Disse  m>ere  men  bescreven  vint: 
De  blixem  is  lichter  denne  de  umU. 
dal  ein  mere  unde  vel  lichter  s^i 
den  de  blixem,  dat  steit  dar  bi: 
Vrouwen  dat  lichter  sere , 
shi  vele  den  blixem  utule  mere. 

mere  unde  vel  (vergl.  nenhochd.  „viel  mehr")  dient  zur  Verstärkung  des  Com- 
parativs,  wie  sonst  vel  allein;  auch  in  V.  178  gehören  vele  und  /n^c  zusammen. 
Es  ist  zu  übersetzen:  „Folgendes  findet  man  geschrieben:  Der  Blitz  ist  leichter 
als  der  Wind.  Dass  eins  noch  viel  leichter  sei  als  der  Blitz,  das  steht  dabei: 
die  Handlungen  der  Frauen  sind  noch  yiel  leichter  (leichtsinniger)  als  der  Blitz." 
Die  Pointe  beruht  in  dem  Spiel  mit  den  verschiedenen  Bedeutungen  des  Wortes  licht. 

40,  6.  Ein  jowelk  der,  dat  se  bekande 
unde  was  van  vreveslikem  sedCj 
dor  spot  begundet  loven  fnede. 

was  van  fehlt  in  der  Hds.;  es  genügt  vafi  zu  ergänzen. 
40,  15  ff.  interpungiere  ich: 

He  sprak:  ^It  is  also  behaget: 
dat  it  Jiedde  enen  krummen  zaget, 
dat  it  gcjichapen  wcre  afie  twifel 
als  ein  junk  vorschapen  duvel. 

dat  in  V.  16  ist  „gesetzt  dass,  wenn''. 
40,  29  ff.  schreibe  ich: 

^Dit  kint  is,  vniwe  apinne, 
so  veme  alse  ik  mi  vorsinne, 
fer  unde  schone  unde  also  sote: 
ik  bidde  glk,  dat  ik  it  mote 
dorch  leve  küssen  vor  den  muntJ 

40,  56  ff.     Werne  trxnve  is  unde  wdrJieit  mede, 
künde  unde  ötmodicheit  mit  spinne, 
ik  wone,  lof  de  wol  gewinne 
van  Qode  unde  al  der  werlt  gemeyie. 

Statt  künde  hat  die  Hds.  gomle;  zu  lesen  ist  gode  'Güte'. 


1 


Ö7 

Nach  43,  9  ist  Punkt  statt  des  Kommas  zu  setzen  und  zu  lesen: 

des  hUf  Sin  gerunge  verliolen 

urule  umnie  ein  ander  pert  sm  wille. 

Der  Zusammenhang  ist  folgender:  Nun  nachdem  ihm  sein  Pferd  gestohlen  war, 
vernahm  man  nichts  mehr  von  seiner  Bitte  nnd  seinem  Wunsche  nach  einem 
zweiten  Pferde.     Er  hat  Gott  nur  noch,   dass  er  ihm   das  besessene  wiedergebe. 

45,  5  ist  es   nicht  geboten  daran  mit  Damköhler  in  Darna  zu   ändern. 
Folgende  Interpunktion  von  V.  1  ff.  löst  alle  Schwierigkeit: 

Ein  vos  gink,  do  de  mane  scJiein, 
des  nacktes  up  ein  veÜ,  dar  ein 
de]7  pol  bi  sinem  wege  lach, 
dar  he  des  nuifien  scliemen  sach 
daran,  mne  dnMe  an  sinem  gebere, 
dat  it  ein  scJidpkese  were. 

dar  ist  relat.-temporal  =  als,  da. 

47,  62.    6k  komet  jegere  al  her  geslrelcet 

mit  windeyi,  jyanc?e?i  unde  mit  hundsn, 
ik  sach,  dat  se  tivene  hasen  vmndsn, 
ds  on  entlopen  nicht  ne  künden, 
de  Jiebhet  se  jutto  upgehnnden, 
nu  orei'  reit  se  here  jaget. 

Obgleich  pande  im  Mnd.  Wb.  VI,  232  als  bei  der  Hasenjagd  gebranchte  Geräte 
nachgewiesen  sind,  so  kann  hier  das  Wort  dem  Zusammenhange  nach  nicht  richtig 
überliefert  sein.  Da  ferner  U2)gebunden  losgebunden'  nur  auf  die  Hunde  gehen 
kann,  so  erweisen  sich  die  auch  schon  formell  anstössigen  Verse  64,  65  als 
späterer  Znsatz.     Ich  lese: 

ük  komet  jeg&re  al  lier  gestreket 
mit  winden,  brocken  muh  mit  hunden, 
de  hebbet  se  jutto  up  gebumlen, 
nu  oirr  velt  se  Jiere  jaget. 

Nebeneinander  erscheinen  auch  sonst:  wyrule  und  Jiasshunde  und  bracken,  s. 
Mnd.  Wb.  I,  412.     nu  fasse  ich  cansal  =  da. 

49,   159  ff.  le^'e  und  interpungiere  ich: 

De  wevele  quamen  her  gevaren 
mit  simimen  in  den  strtt  7uit  macht 
wol  baren  der  erden.     Ene  mannclaft 
dar  mosten  de  dere  bUren  under. 

Statt  stimmen  hat  die  Hds.  s^inyien.  Dass  summen  in  der  Bedeutung  von 
tinnire  im  Mnd.  Wb.  fehlt,  ist  wohl  Zufall. 

49,  189.    De  vedere,  dar  man  mede  scref, 
de  was  vorgeten  in  dem  hrede. 

Eine  Aenderung  der  hdHl.  Lesart  (vgl.  Damköhler  S.  142)  ist  nicht  geboten. 
was  t>orgeten  =  „war  vergessen";  der  Schreiber  hatte  sie  stecken  lassen.  Nach 
V.  153  hatte  das  Brett  am  Ende  ein  Loch,  das  dazu  diente,  die  Feder  hinein- 
zustecken. 

Niederdentsches  Jahrbuch.    XIX.  7 


98 

52,  8  ff.  lese  ich: 

Went  older  karde  urüaiiges  varei 
des  hundes,  des  mot  mne  afgan 
al  wol  dat  spisen  sunder  wan 
phge  on  sin  here  an  aüen  stucken. 

D.  b. :  „Weil  das  Alter  den  Hand  bald  gefährdet,  deshalb  mnss  ihm  das  Essen 
beschwerlich  werden,  wenn  ihn  auch  sein  Herr  in  jeder  Beziehung  pflegt.'  Der 
Dichter  nimmt  auf  die  bekannte  Erfahrung  Bezug,  dass  das  Leben  des  Hundes 
nur  kurz  ist. 

Nach  V.  31  hat  Damköhler  mit  Recht  Punkt  statt  des  Kommas  gesetzt, 
aber  auch  in  den  folgenden  Versen  ist  die  Interpunction,  und  zwar  folgender- 
massen,  zu  ändern: 

do  (damals,  in  meiner  Jugend)  gi  mi  hi  ju  slapen  leieti 

unde  tvaren  mi  so  rechte  gut 

unde  mi  nu  so  gröt  ovel  döt. 

dat  mach  ju  an  den  eren  kranken, 

54,  1.    Ein  raven  dut  enen  pawen  vant, 

Do  dachte  he  darna  tohant 
mit  sinne  unde  mit  gudem  unllen, 
dat  he  den  pawen  wolde  mllen 
unde  wolde  sin  vlesch  eten  sdn, 
algader  umme  stnen  rugge  hän, 

Damköhler  will  statt  algader  =  „durchaus"  de  vederen  lesen.  Allein  die  hdsl. 
Lesart  ist  nicht  zu  beanstanden,  denn  rugge  bezeichnet  das  abgezogene  Fell 
eines  Tieres  samt  den  Haren  oder  Federn,  s.  Mnd.  Wb.  3,  523.  umme  ist  mit 
hhi  zu  verbinden. 

55,  1.    De  lowe,  Jconnink  unde  here 

der  dere,  toart  der  unlen  sere. 

In  V.  2  ist  das  Komma  und  das  der  vor  udlen  zu  streichen.  Letzteres  in  der 
Bedeutung  „einst''  auch  13,  11;  61,  1. 

55,  7.    De  quamen  al  up  enen  daeh, 
dar  he  an  sinem  denne  lach, 
dut  dicke  umme  van  dorne  was, 
dnrhinnen  hlomen  unde  gras. 

Damköhlers  Verteidigung  der  hdsl.  Lesart  yon  V.  9  hat  mich   nicht   fiberzeugt. 
Ich  lese:  dar  ein  dicke  umme  van  dornen  was  „um  das  ein  Dickicht  von  Dorn- 
büschen war",     ein  Inisch  van  dornen  86,  23. 
55,  133  f.  lese  ich: 

Vil  mannich  sulven  daran  veüet, 
dat  Iie  to  vaUe  enen  anderen  stellet. 

„Mancher  fällt  selbst  in  das,  was  er  einem  andern  zum  Falle  aufgestellt  hat.^ 
Das  bekannte  Sprichwort  nach  Prov.  26,  27  Qui  fodet  foveam,  incidet  in  eam. 
daran  nach  bekanntem  mnd.  Gebrauche  für  darin. 

58,  10.    went  Jie  lieft  hares  wol  de  vuUen. 

Es  ist  den  imllen  zu  lesen,   da  vulle  in  schwacher  Form  nur  als  mascul.  belegt 
ist,  vgl.  Mnd.  Wb.  5,  554. 
65,  109  lese  ich: 

dat  ome  to  leM  quam,  ovele  7nede. 

„Das  bekam  ihm  zuletzt  Übel."     Damköhlers  Aendernng  hat  mich  nicht  Überzeugt. 


d9 

69,  17  interputtgiere  ich: 

Do  ledede  he  on  bi  ene  want, 
dar  he  do  uppe  gemalet  vant, 
dat  Sampso7i  deni  lowen  uphrak 
den  munt.  de  man 

Fab.  71  beginnt  der  Dichter  mit  einer  Einleitung  über  die  Eigenschaften 
des  Panthers,  bricht  dann  aber  mit  V.  32  —  up  dat  de  rede  körte?'  blive  — 
ab,  um  etwas  von  einem  dieser  Tiere  zu  erzählen.  Hieraas  ergibt  sich,  dass 
Seelmanu  richtig  liest :  der  dere  eifi  wilen  (Hds.  enwilen)  hegutide  sere  de^ 
naehtes  ilen  to  velde  „eins  dieser  Tiere  lief  des  Nachts  eiligst  aufs  Feld''. 
Damköhlers  Erklärung  hat  mich  schon  deshalb  nicht  überzeugt,  weil  das  unserem 
„bisweilen"  entsprechende  enwilen  nicht  in  den  Zusammenhang  passt. 

V.  B6  könnte  man  versucht  sein,  das  hdsl.  sinem  vrunde  in  sinen  vrumlen 
zu  ändern;  allein  der  Sing,  vrunt  bezeichnet  auch  die  Verwandtschaft,  s.  Mnd. 
Wb.  5,  546. 

72,  4  ist  böte,  wie  auch  Fab.  24,  31,  nicht,  wie  die  Wortlese  angibt  = 
Heilung,  sondern  =  Arzenei;  siehe  die  Stelle  aus  dem  Vok.  Eugelh.  im  Mnd. 
Wb.  I,  404 :  arcedige  aut  böte,  aut  hulpe,  lyiedicina,  7n£dela,  reniediurn.  Deistu 
di  jenige  böte?     „Wendest  du  irgend  eine  Arzenei  au?" 

72,  24.  me  scluü  ju  selten  van  den  luden  erklärt,  weshalb  der  Wolf 
so  rasch  flieht.     Der  Esel  erzählt,  der  Fuchs  habe  ihn  für  aussätzig  erklärt. 

72,  29  if.  lese  und  interpungiere  ich: 

So  wanne  valscJies  vul  valsch  man 
bedregen  anders  nicJd  tie  kan, 
let  de  truwe  den  sek  an, 
}ie  is  ivts,  de  dat  merken  kan. 

Ich  fasse  also  V.  31  als  Bedingungssatz. 

74,  6  bedeutet  touw  nicht,  wie  die  Wortlese  erklärt,  „Tau,  Garn'',  sondern 
ist  =  mhd.  qexonwe,  womit  jedes  Gerät  oder  Werkzeug  bezeichnet  wird;  s. 
Mnd.  Wb.  4,' 595. 

74,  13  f.    Set,  wo  he  kneit,  wo  Jie  sik  meit, 
wo  he  uns  al  de  wege  streit. 

Statt  al  de  wege  ist  zu  lesen:  alderwegen  „überall";  vgl.  Reineke  Vos  4963, 
sowie  Schambach  S.  7,  Woestes  WestÄl.  Wb.  S.  5.  —  streit  von  streigen 
'Futter  streuen'. 

74,  29.    AI  surogede  is  ök  de  man, 

dat  he  nicht  wol  gesein  ne  kan. 

surogede  erklärt  Damköhler  als  „trieföugig",  das  Mnd.  Wb.  als  „schielend". 
Seelmann  erklärt  es  durch  „boshaft  blickend".  Letztere  Bedeutung  verlangt  der 
Zusammenhang.  Zur  Erklärung  dient  der  Umstand,  dass  dem  Schielenden  nach 
dem  Volksglauben  „der  böse  Blick"  zugeschrieben  wird.  Vgl.  Adolf  Wuttke, 
Der  deutsche  Volksaberglanbe  der  Gegenwart,  2.  Ausg.     §  220. 

74,  41  ff.    de  jungen  na  der  jungen  sede 
wolden  da  den  hert  besein. 

Für  liei't  ist  das  hdsl.  umrtj  welches  im  Mnd.  oft  ==  Mann  im  allgemeinen  ist, 
wiederherzustellen.     Die  jungen  Vögel  wollten  den  Vogelsteller  näher  betrachten. 

81,  14  lies:  Dave  het  ök  ir  aller  sede.     Vgl.  56,  29  Duve  is  it  al,  des 
du  di  gener  est. 

1* 


100 

81,  17  f.  lese  ich: 

Ok  sclialtu  proven  min  beste  daran, 
dal  di  neiji  hunt  gemimien  kan 

9  Aach  sollst  da  mir  dadarch  Vorteil   schaffen,   dass   dich   kein  Haud   bezwingen 
kann.''     Die  Erklärung  geben  die  folgenden  Verse. 

81,  43  f.  ist  zn  lesen: 

De  vndf  sprak :  Wal  mach  ik  dön  ? 
Ute  ik  varen  dai  schäp,  were  it  ein  hon. 

D.  h. :  Der  Wolf  sprach:  „Was  kann  ich  than?  Liesse  ich  das  Schaf  fahren 
es  wäre  ein  Schimpf!"     V.  45  lese  ich: 

De  husch  is  uns  nicht  so  vere. 

Die  Aenderang  ist  geboten,  da  der  Wolf  nur  durch  den  Hinweis  auf  die  Nähe 
des  Waldes  seine  Hoffnung,  das  Schaf  davon  zu  bringen,  begründen  kann. 

82,  37    verrät   sich    schon    durch    den    ungeschickten   Reim   als    späterer 
Einschnb.     V.  36  ff.  lese  ich: 

StoUem  papen  knecht  im/n  dikhr  art, 
Jie  ne  kan  singen  edder  lesen, 
nochtan  gelik  wil  Jie  om  wesen* 

D.  h.:  „Ein  Knecht  aus  niedrigem  Stamm  will,  wenn  er  auch  nicht  singen  oder 
lesen  kann,  einem  stattlichen  Pfaffen  gleich  sein.''  Vgl.  Fab.  94,  101  ff.  Su.^- 
is  mannich  drogenafiieh  man,  de  nu  gut  fundament  ne  wan  van  jnipheit 
unde  leit  sek  an,  dat  Jie  wil  ein  mei^ier  wesen,  de  nichtes  nicht  kan  lesen 
noch  der  böke  verstän, 

83,  1  ff.  lese  ich: 

De  Jiasen  klageden  oi^ersere,  se  wömlen,  se  woldcn  de  were  bestdn, 

dat  ore  siechte  so  blöde  were  ök  uni  it  one  scJwlde  irgdn. 

beneden  alderhande  dere,  Dat  sj/reken  se  alle  itt  enem  munde, 

des  were  one  de  Uf  so  unmere,  ToJiant  sagen  se  dar  hunde 

dat  se  sek  wolden  drenke^i,  wide  jrgcre  komen  al  mit  winden: 

al  scJwlden  se  ore  siechte  krenken.  tohayit  leten  se  sek  xa^  jagen  wnde  bhiden 

tinde  begaven  sek  der  were 

Es  ist  zu  übersetzen:  „Die  Hasen  klagten  gar  sehr,  dass  ihr  Geschlecht  unter 
allen  Tieren  so  feige  wäre.  Deshalb  wäre  ihnen  das  Leben  so  verhasst,  dass 
sie  sich  ertränken  wollten,  und  sollten  sie  dadurch  (durch  den  schimpflichen 
Selbstmord)  ihr  Geschlecht  kränken.  Sie  meinten,  sie  wollten  sich  von  nun  an 
zur  Wehre  setzen,  wie  es  ihnen  auch  ergehen  sollte.  So  sprachen  sie  alle  wie 
aus  einem  Munde.  Alsbald  sahen  sie  da  Hunde  und  Jäger  mit  Windhunden 
kommen,  und  sofort  verliessen  sie  sich  auf  Laufen  und  Springen  und  unterliessen 
es,  sich  zur  Wehre  zu  setzen."  binden  erkläre  ich  =  altfr.  Imtulir,  engl,  to 
boimd,  springen;  es  ist  wahrscheinlich  ein  aus  Frankreich  überlieferter  Jäger- 
ausdruck. 

83,  34  ff.  lese  ich: 

We  leveyi  echt  7ia  unser  art: 

so  dnchtich  hase  noch  7m  gevmrt, 

den  da  eisten  hunt  gerink, 

dat  it  mne  wol  dama  gegink. 

Das  hdsl.  eipien  in  V.  36,  der  bekannte  niederdeutsche  Accusativ  für  den 
Nominativ  (siehe  Lübben,  Mittelniederd.  Gramm.  S.  104),  ist  um  so  weniger  zu 
bezweifeln,  als  es  von  dem  Schreiber  nicht  verstanden  wurde  und  ihn  zu  weiterer 
Entstellung  des  Verses  veranlasste. 


101 

86,  49.    Dat  do  ek  dor  de  rede, 

dat  ek  se  werme  unde  de  bede 
mit  nihiem  dteniy  de  mi  heit 
ein  del  van  deme  live  geit. 

Es  ist  zu  lesen:  Dat  ek  werme  de  lede.  lei  ist  =  Fingerglied,  vgl.  die  Stelle 
aus  den  Goslarer  Stat.  31,  22  welk  wunde  nagheles  dep  in  unde  ledes  lang 
im  Mnd.  Wb.  2,  704. 

86,  65  ff.  lese  ich: 

Ein  klene  was  it  ome  to  heit, 
darumme  he  des  nicht  enleit, 
he  hlcs  durin  mit  sinem  ninnde, 
icht  he  des  icht  gekolen  künde. 

Ein  klene  'ein  wenig'  statt  des  hdsl.  Vil  kloie  verlangt  der  Zusammenhang; 
leit  statt  beit  ist  schon  von  Damköhler  richtig  gebessert.  „Da  ihm  der  Trank 
ein  wenig  zu  heiss  war,  unterliess  er  nicht,  ihn  durch  Hineinblasen  zu  kühlen." 

86,  87  ff.  lese  und  interpungiere  ich: 

De  valschen  lüde  sint  vil  rechte  de  döt  dat  sulven  vür  der  leve  kolden 

gemarkel  bi  dem  bloten  knechte,  unde  wil  dar  vor  de  veide  holden, 

de  dreget  honnich  in  dem  vumde  des  ^ja^  mot  7ne  vorstdn  vor  'tiein\ 

nnde  galten  in  des  herien  gründe.  De  des  doch  nicht  willen  gein, 

trc  hüte  to  der  kulde  menget  der  hebbe  ik  leider  vel  gesein; 

ufide  linder  vnnide  artige  brenget,  des  mote  one  lede  schein. 

Nach  Fab.  92,  83  setze  ich  Punkt  statt  des  Kommas   und  lese  V.  84  f.: 

icht  ek  gä  nicht  käme  weder, 
so  seit  sidven  an  jitwen  vroineyi, 
dat  gi  bi  tiden  van  hinnen  kernen, 
Dat  is  ju  gilt  ,  ,  , 

gd  fasse  ich  als  adv.  =  schnell,  nicht  als  Form  vom  Verb.  gdn. 

93,  27  ff.  lese  ich: 

Do  de  esel  lochte 

to  wolde  wat  lie  mochte, 

mit  dem  lüde  vorjage?i 

de  dere  dede  he  unde  vorxagen, 

rorhte  ist  =  rogcde  (rngedc)  brüllte.  Als  der  Esel  im  Walde  so  laut  er  ver- 
mochte brüllte,  machte  er  durch  den  Laut  die  Tiere  erschrecken  und  verzagen. 
vorjagen  'erschrecken'  (vgl.  V.  77  vorjagen  unde  voiTcren)  fehlt  im  Mnd.  Wb. 

Dagegen  halte  ich  die  Einschiebung  von  mere  in  V.  60  für  nicht  geboten. 

93,  70  ff.    sin  here  des  lowcn  hüt 
tut  enem  esele  an 
unde  maket  enen  ammechtman 
enen  bur  van  older  art, 
dede  gut,  wis,  tnave  nu  ne  wart 

Statt  older  verlangt  der  Zusammenhang  dilder,  vgl.  knecht  van  dilder  art  82,  36. 

94,  95  interpungiere  ich: 

Di  dem  poggen  mach  men  jrroven, 
de  mennige  kutist  ivilten  oven. 


102 

der  se  kunnen  nicht  ein  hdr. 
ek  srpreke  dat  vor  war: 
we  se  lerde  vertich  jdr, 
dat  Jie  nicht  so  vele  kan, 

nicht  so  vele  mit  der  bekannten  Fingerbewegiing  'nicht  so  viel,  d.  h.  gar  nichts". 
„Ich  sage  dies  fürwahr:  Wenn  einer  sie  vierzig  Jahre  in  die  Lehre  nähme,  er 
wird  nichts  (bei  ihnen)  ausrichten.'' 

101,  143  lese  ich: 

Do  sprak  de  wulf:  ^Vil  leve  knecht, 
dat  dunket  mi  werlikcn  unrecht, 
dat  di  ds  dat  dunket  hose, 
dat  du  hefst  hönre,  ende,  gose 
oMus  vordomet  in  der  horde, 
so  rechte  nu  nicht  worde! 

,,Dass  du  den  Bauern  ihre  Hühner,  £nten  und  Gänse  stählest  —  nichts  geschah 
jemals  mit  solchem  Hechte.^     Die  Begründung  folgt  in  den  nächsten  Versen 

103,  23  ff.  interpungiere  ich: 

Do  se  dut  van  ome  gesagen 
men  kos  on  to  kontiinge  na  siner  bede 
—  dorch  sin  golt  dat  tne  gerne  dede  — 
unde  wart  daraf  ein  mogent  here, 
al  (obgleich)  stn  gnt  al  duve  were. 

V.  26  ist  Jie  zu  ergänzen. 
103,  101  f.  lese  ich: 

Oode  levet  de  ivärJieit  ane  twivel, 
de  logene  hoget  jo  den  duvel. 

„Gott  ist  die  Wahrheit  lieb,  die  Lüge  erfreut  den  Teufel." 

Zu  Konemann. 

K.  Eoppmann  hat  im  Korrespondenzbl.  XVII  S.  18  ff.  nuwiederleglich 
dargethan,  dass  die  Eilenstedter  Hds.  des  Kaland  ein  nur  gelegentlich  durch 
Nachlässigkeit  entstelltes  treues  Bild  der  Kouemannschen  Dichtung  wiederspiegelt, 
während  der  Urheber  der  Kecension  BH  seine  Vorlage  plaumässig  umgemodelt 
hat.     Wirklich  unverständlich  scheint  ihm  die  Stelle 

A  871 :  Nu  laz  dir  sinen  kuniber  leit 
mit  ganzer  dancknamicheit 

gegenüber    BH    910:  Nu  lath  dek  synen  kumtner  wesen  legt 

Myt  gantxer  danknamicheit. 

Koppmann  meint  also,  wie  auch  schon  Sello  und  Euling  annahmen,  dass  hier  in 
A  weisen  durch  die  Nachlässigkeit  des  Schreibers  ausgefallen  sei.  Nun  wird  aber 
im  Ahd.  und  Mhd.  nach  lassen,  wenn  ein  Adjektiv  mit  sein  oder  wesen  und 
dem  Dativ  der  Person  folgt,  das  Verb,  subst.  gern  unterdrückt;  eine  Erscheinung, 
die  iu  J.  Grimms  Gramm.  4.  Teil  S.  133  mit  Stellen  belegt  ist.  Es  ist  demnach 
nicht  zu  bezweifeln,  dass  auch  hier  die  Lesart  von  A  die  ursprüngliche  und 
ivesen  in  BH  erst  später  eingesetzt  ist,  worauf  auch  die  ungebührliche  Länge 
des  Verses  schliessen  lässt.  Auch  für  die  V.  1007  ff.  lässt  sich  die  Ursprüng- 
lichkeit der  Lesart  von  A  erweisen.     Man  vergleiche: 


103 

A  1007  (it  is)  ir  meiste  jamers  slach,  mit  H 1043  Dat  is  ores  meysten  Jammers  slach, 
daz  dix  sich  nimher  endet  Dat  sik  dat  niimmer  endet 

unde  daz  se  sin  gependet  Unde  ok  dat  se  syn  gfiewetidet 

goddes  angesichies.  Van  Goddes  angesichte  dar, 

Mhd.  phenden,  niederrhein.  z.  B.  im  Earlmeinet  p&nden  mit  Genet.  (s.  Lexer  II, 
236)  ist  =  „jemand  eines  Dinges  berauben''.  Dieselbe  Bedeutung  hat  auch 
niederd.  panden  (s.  Mnd.  Wb.  VI,  232).  Die  alte  Anschauung,  dass  das  Aus- 
geschlossensein vom  Anschauen  Gottes,  der  höchsten  Freude  der  Seligen,  die 
grösste  Strafe  der  Verdammten  ist,  wird  danach  in  A  klar  ausgedrückt,  während 
der  Bearbeiter  von  BH  das  ihm  unverständliche  gependet  in  ghewendet  entstellt  hat. 

Zu  Eulings  Text  bemerke  ich  noch  folgendes: 

V.  121.  We  dem,  de  alleyne  schal  syn; 
Wente  valt  he,  dat  is  syn  pyn, 
Dat  he  nemmide  hefftt  de  one  weddcr  upJteve, 

Statt  Dat  in  V.  123  hat  die  Hds.  De ;  zu  lesen  ist  Do  =  wenn,  weil  {do  statt 
de  V.  787).     Hinter  Wente  V.  122  ist  Komma  zu  setzen. 

V.  463.  Dat  stucke  is  schentlik, 
Dat  nicht  gevolget  sick 
Synem  gantzetn  deile. 

Nach  dem  lat.  Texte:  Turpis  est  omnis  pars,  quae  non  congruit  suo  toti 
möchte  man  vermuten,  dass  gevoiget  seck  'fügt  sich'  zu  schreiben  sei.  Allein 
da  auch  in  A  V.  427  gevelleget  sich  überliefert  ist,  so  ist  die  hdsl.  Lesart  nicht 
zu  beanstanden.  Das  im  Mhd.  Wb.  nicht  belegte  sich  gevellegen  gehört  zu  dem 
Adj.  gevdlec,  aptus  (Lexer  I,  959).  Auch  im  Mnd.  Wb.  ist  s^ik  gevolgen  = 
congruere  nicht  beleg^. 

V.  486.    misfanges  'aus  Irrtum,  Versehen'  fehlt  im  Mnd.  Wb. 

V.  B04.  Weret  ok  also  ghelegen,  Dems  schal  men  altohand 

Dat  des  kalandes  eyn  gesdle  Bemisen  brodcrlike  goyde, 

Van  kummers  ungerelle  Efft  he  des  hiddet  myt  othmodc, 

Nicht  konde  denen  dem  kaland,  So  dat  Jie  des  denystes  moghe  wesen  quit. 

In  V.  507  hat  der  Herausgeber  das  hdsl.  d^n  in  dem  geändert;  allein  der 
Accusat.  ist  richtig,  denn  denen  ist  hier  transit.  und  hat  die  Bedeutung  „als 
Pflicht  geben,  leisten" ;  den  kaland  denen  ist  also  =  den  pfiichtmässigen  Ealand- 
schmaus  geben.  Vgl.  das  Deutsche  Wörterb.  unter  dienen  7,  und  Mnd.  Wb.  I, 
503;  besonders  die  dort  angeführte  Stelle  aus  Westphalen,  Monum.  ined.  3,  561: 
ok  schallen  de  jeyuien,  de  unse  (Plur.  oder  unsen  zu  lesen?)  kaland  denen, 
houwen  loten  twelf  gude  stucke  vlesches.  Ebenda  ist  aus  Oldenburger  Urkunden 
belegt:  den  loyen  (Amtschmaus  der  Goldschmiede)  doien  „ausrichten". 

V.  529  ff.  (vgl.  A.  486  ff.  mit  Sellos  Bern.)  interpungiere  ich: 

So  sdial  men  singen  dar 

Dre  missen  edder  eyn  par 

(De  ersten  vor  de  doden, 

De  dar  noch  syn  in  noden, 

De  andern  vor  de  broder) 

Der  barmhertighen  moder 

Der  juncfruiven  Sunte  Marien  .  .  . 

D.  h.:  Es  sollen  zwei  oder  drei  Messen  zu  Ehren  der  Jungfrau  Maria  gesungen 
werden:  die  erste  für  die  armen  Seelen  im  Fegefeuer,  die  andern  für  die  (noch 


104 

lebenden)  Brüder,  de  andern  kann  als  schwache  Form  des  Singular  oder  als 
Plural  gefasst  werden,  je  nachdem  es  auf  dre  oder  eyn  par  bezogen  wird. 

V.  607  ist  graß  „Begräbniss"  zu  lesen;  vgl.  636  und  627  bigrafft. 

V.  682  lies:  fieseio  statt  7ieseia. 

y.  744  lese  ich: 

Wu  mochte  egn  wifflick  vnff 

Vorgetten  ores  kindeSj  dat  or  Uff 

Hefft  to  der  werlde  gfiebracht. 

Doch  is  it  des  under  tyden  wfibeducfiL 

Sunder,  du  machst  dat  wetten, 

Ik  wil  dtjner  nummcr  nier  iwgeften; 

Doch  in  V.  747  ist  relat.  =  „wenn  auch",  eine  Bedeutung,  die  im  Mnd.  Wb. 
nicht,  wohl  aber  bei  Lexer  belegt  ist.  ei?ies  unbedacht  sin  „nicht  an  jemand 
denken";  im  Mnd.  Wb.  ist  nur  verzeichnet:  unhedaM  =  unverdächtig. 

V.  951.    Nu  merket  myne  word, 
Unde  wur  de  sele  hhjve 
Na  dussem  krancken  live; 
Dar  eyn  so  kumjH  et  in  ley  ff  edder  leyt .  . . 

Der  in  A  nicht  überlieferte  Vers  ist  unzweifelhaft  entstellt.  Euliug  vermutet: 
Darna  so  kwnpt  se  in  ley  ff  edder  leyt.  Ich  schreibe:  Darna  so  kummel  ir 
ley  ff  edder  leyt.  Auf  kummet  =  geschieht  (s.  Lexer  I,  1669,  Z.  7  v.  n.)  führt 
auch  die  Lesart  von  B  kump  met;  siehe  Sellos  Bern,  zu  V.  931 — 39. 

V.  1188.    So  mod  meyi  denne  by  nod 
Bekennen  unscn  heren  yod, 
An  synem  sfrengJien  gherichte. 
De  nu  myt  JiiMe 
An  syner  barmhertirheyt 
Bekennen  wil  unse  dorheyt. 

Statt  De  in  V.  1191  ist  Den  zu  lesen,   wie   auch  B  hat  (vgl.  Sello  zu  1157a). 

V.  1194.     Die    hdsl.    Lesart   redde   ist  im   Mnd.  Wb.   3,    440   aus   einer 
Oldenburger  Urk.  vom  J.  1512  belegt. 

V.  1283.    Dat  men  U7nme  dat  hymmelrick 

Unde  dorch  des  hymnielrickes  willen 
Scholde  buicen  eyne  helle 
Unde  eyne  wyle  lyden. 

V.  1285  ist  eyne  Schreibfehler,  dadurch  veranlasst,  dass  das  Auge  des  Schreibers 
auf  das  eyne  der  folgenden  Zeile  abirrte.  Ueber  das  richtige  biiiven  de  helle, 
buiren  =  bewohnen,  s.  das  Mnd.  und  die  Mhd.  Wbb.,  sowie  J.  Grimm,  Kleine 
Schriften  4,  234.  Der  Ausdruck  begegnet  in  Wackernagels  Altd.  Predigten  7, 
25,  Ulrichs  Wilh.  146  b,   Diemers  Ged.   des  11.  u.  12.  Jahrb.  372,   24  u.  öfter. 

1393.    rikedaghe  ist  nach  A  1365  als  Composit  =   „Beichtum'^  zu  fassen. 

Zur  Marienklage 

(her.  von  Schönemann  als  Anhang  zum  Sündenfall). 

V.  38.     Wat  is,  dat  dar  hanget  an  dem.  böm? 

Wer  isset,  ein  mynsche  edder  ein  wortn  ? 
It  imndet  sik  unde  drivet  groten  storm. 

Die  Stelle  ist  nachzutragen  in  der  Bemerkung  Schröders  z.  Redentin.  Spiel  V.  423  f. 


105 

V.  52  ff.  interpnngiere  ich: 

Wat  7nunt  von  leide  ju  geajrrachj 
Dat  is  allet  gar  ein  %vint 
Vor  dat  dusse  leide  sint, 

'Was  je  ein  Mnnd  von  Leiden  erzählte,  das  ist  alles  nichts  yor  diesem  Leide/ 
Vgl.  noch  gebräuchliche  anch  in  die  hochdeutsche  Umgangssprache  eingedrungene 
Umschreibungen  wie:  'Was  mein  Bruder  ist  (=  mein  Bruder)  hat  mir  gesagt/ 
Nach  57  ist  weiter  ein  Komma  st.  des  Punktes  zu  setzen,  dat  in  V.  55  ist 
=  'gesetzt  dass',  vgl.  die  im  Jahrb.  XVI,  139  angeführte  Stelle  ans  dem  Helm- 
sted ter  Theophilus  737  ff. 

80  f.  ist  wahrscheinlich  zu  lesen:  wente  we  eine  Den  kummer  enkunnen 
nicht  half  ndlen  klagen, 

V.  63  ist  zu  lesen:  Marie,  sunde  vrie,  ebenso  V.  70  wie  :  Marie. 

V.  95.  se  doch  an  de  brüste  min,  Dar  ?nede  ik  dg  gewydet  hdn.  Zu 
lesen  ist  gevogdet.  Vgl.  Sündenf.  2985  Or  kint  or  an  den  (Hds.  der)  brtisten 
UL     Dat  vaidet  se  wol  mich  oren  lasten    Mit  der  melk  orer  brüsten, 

V.  144  ist  zu  lesen:  Bc  bevele  dg  de  moder  mm;  vgl.  140.  Die  Hds. 
hat  der  moder. 

147.  Her  meist  er,  vor  wat  ik  iu  sagen  iville.  Es  ist  zu  lesen:  Her 
m,  vor  war  ik  iu  sagen  wille. 

V.  195  ist  zu  lesen:  Eft  iuwerlde  alsoddn  pm 

Eineme  deve  worde  an  gelacht  (Hds.  gedacht)  :  bracht 

'Ob  jemals  einem  Diebe  solche  Pein  angethan  wurde'.  Die  Form  angelacht  statt 
angelelecht  ist  im  Mnd.  Wh.  I,  96  aus  dem  Ulensjfegel  belegt.  V.  202  lies: 
iuwerlde  'irgendwo'. 

V.  231  lies:   Wen  ik  den  se  vor  niik  döt  up  des  brüsten  ik  untslcp, 

V.  252  f.  lese  ich:  Dat  ik  mik  arm  Petrus 

Nu  al  sulven  han  gedoret  aldns. 

Nach  V.  266  scheint  nur  ein  Vers  zu  fehlen. 

V.  268  ff.    Ik  gd,  ik  slape,  ik  wake, 

So  bedorf  ik  wol,  dat  ik  mg  bedecke 

Undf  mm  hefi'te  van  sunden  rlecke, 

Ofte  ik  arme  maria  ^nagdalena  wantcgstich  werden 

Van  sunde  wegen  hir  np  werden. 

Dass  wantcgstich  verschrieben  ist,  hat  schon  Höfer,  Germ.  XV,  76  erkannt,  der 
dafür  wantröstich  'trostlos'  vermutet.  Aber  dies  scheint  mir  wenig  in  den  Zu- 
sammenhang zu  passen,  ganz  abgesehen  davon,  dass  dieses  allerdings  ganz  richtig 
gebildete  Compositum  nicht  weiter  zu  belegen  ist.  Schöuemanns  Text  ist  un- 
verständlich und  folgendermassen  herzustellen: 

Ik  gd,  ik  sldpe,  ik  wake, 
so  bedorf  ik  wol,  dat  ik  mg  bedecke 
unde  min  Iierte  van  sunden  vlecke. 
Ofte  ik  arme  M.  M.  ivansedich  berde 
van  sunde  ivegefi  hir  up  erden. 

vlecke  gehört  zu  vlicken,  sonst  vlieiiy  vligen  'in  Ordnung  bringen'  Mnd.  Wb.  5, 
273.     V.  271  ist  zu  übersetzen:  'Oft  benahm  ich  mich  unsittlich.' 


106 

274  if.  lese  ich:  Des  wart  my  van  godes  wegen 

ein  tröstelik  hulpe  her  gesant, 
den  my  der  boxen  joden  kafit 
hebtet  jamerliken  benotnen. 

hulpe.    8w.  in  =  Helfer. 

316.     Van  dt  unsia  my  trovicheit  'Deshalb   höre   mir  auf   za   tranem!' 
unstan  hier  wie  entstan  Zeno  1591  Xu  wil  ik  troren  entstan. 

317.    Oedult  was  dich  io  bereit. 
Des  hestu  nu  vorgeten  gar, 
Undult  is  dy  nu  worden  war, 

y.  319  wird  im  Mnd.  Wb.  5,  41  übersetzt:  'Ungeduld  ist  dir  nun  zur  Wahrheit, 
Wirklichkeit  geworden.'  Es  lässt  sich  aber  für  die  Länge  des  ä  in  gar  kein 
Beispiel  ans  unserem  Gedichte  erbringen.  Auch  hier  ist  gar  anzusetzen  und 
der  folgende  Vers  folgendermassen  zu  schreiben: 

Undult  is  dyn  nu  worden  war. 
„Ungeduld  ist  deiner  nun  gewahr  geworden;  hat  dich  nun  ergriffen.'' 

322.     Unde  Idt  one  ufis  begraven  nach  usem  sede, 
Unde  wes  dar  sulven  msde, 
So  endarf  he  nicht  to  gisel  stän, 
Den,  de  dar  vor  henne  gdn. 

Während  V.  340  td  gisel  stän  richtig  ist,  wird  es  hier  nach  V.  306  in:  to 
Speigel  stau  'zum  Ansehn,  Schauspiel  dienen'  zu  ändern  sein. 

360  am  Schluss  ist  im  Heime  zu  stunde  wahrscheinlich  lidunde  zu  ergänzen. 

374  f.  lese  ich:   Wolde  god  dat  hir  ein  ungcdult 

Des  dodes  my  yunde  eine  schult. 

'Wollte  Gott,  dass  Missgunst  eine  todeswürdige  Sünde  au  mir  fönde.' 

V.  384  f.  ist  zu  lesen:  De  my  dicke  vroide  gaf, 

de  licht  hier  vor  my  an  ein  graf. 
an  =  nhd.  in. 

V.  395  ist  zu  lesen:   Wat  wil  ik  vil  anjie  aue  gdn? 

'Was  werde  ich  arme  beginnen?'  angnn  =  „anfangen"  wird  noch  in  der  Göt- 
tinger Mundart  gebraucht,  vgl.  Schambach  S.  10.  Vgl.  auch  Zeno  102.  Wat 
schal  ik  nu  ane  gdn? 

V.  415  lies:   Owe  der  iamerliken  scJieide! 

Kum,  döt,  unde  nim  uns  beide! 

Vgl.  V.  440.     Döty  kiim,  nym  uns  beide, 

419  ist  im  Reime:  begraven  st.  begnaden  vielleicht  das  gleichbedeutende 
begaven  einzusetzen. 

V.  424  f.  lese  ich:  De  werlt  en  künde  anders  nicht  getiesen, 

Wan  der  iammerliken  vart 

„Die  Welt  konnte  nicht  anders  gerettet  werden  als  durch  Christi  Höllenfahrt" 

V.  453  lies:  Latet  gik  vorbarmen, 
Dat  ik  an  dussem  live 
So  grote  ruwe  drive, 

ruwe  driven  =  .bekümmert  sein." 


107 
Zum  Sflndenfall. 

Zu  meinen   früheren  Bemerkungen   im  Jahrb.  XIV,  148  ff.  und  XYI,  116 
ff.  trage  ich  noch  folgendes  nach: 

Y.  1456  lese  ich:  Hör  sethf  wat  dat  kleine  hint  inende 

Dat  dar  uppe  deme  home  sat  unde  wefvde, 

De  dar  vordroget  stot, 

Des  wil  ik  dy  nu  niaken  vrot. 

Die  Hds.  hat  V.  1458  vor  droge,  was  Damköhler  im  Jahrb.  XV,  81  verteidigt. 
Schönemanns  Verbessemng  wird  aber  gestützt  durch  die  Parallelstelle  im  Gedichte 
Vam  Holte  des  Hilligen  Crnces  V.  184 :  he  vragede  enie  altohant,  wat  dal  kleine 
kint  mende  dat  uppe  deine  boine  lack  unde  wende,  de  dar  so  grot  vordorret  stunt. 

V.  1470.    De  missedat  scal  dat  kint  wedderropen. 
V.  d.  Holte  d.  H.  C.  V.  199  heisst  es:   dat  mot  dat  kint  wedder  kojyen,   und 
dies  scheint  die  richtige  Lesart,    da    ein  Widerruf   der  Missethat  nicht   genügt, 
sondern    nach   germanischer   Rechtsanschauung   nur   eine   Busse,   Entschädigung. 
Vgl.  mhd.  underkoufen,  Lexer  III,  841. 

V.  1507.     Dar  hi  mach  me  den  vader  nomen.    Die  hdsl.  Lesart  wird 
bestätigt  durch  V.  d.  Holte  V.  245  dar  hi  ik  den  vader  nome. 

V.  1541.    Aver  ik  segge,  dat  ik  sack 

Midden  in  detne  paradise  ein  hörne  springen, 
Dar  veer  grote  waier  ut  gingen. 
Dat  erste  dat  is  physon  genant, 
Dat  vlut  in  emmdat  dat  lant. 

Schönemann  vermutet  im  Wörterb.  z.  Sündenfall  unter  eimnelant  „England". 
Er  begründete  seine  Vermutung  wahrscheinlich  auf  das  den  gleichen  Stoff  be- 
handelnde Stück  im  Hartebok  der  Flandrerfahrer,  wo  es  heisst:  De  erste  is 
Phison  ghenant,  de  lopet  umme  den  trent  Engelant,  Allein  die  Unrichtigkeit 
dieser  Lesart  ergibt  schon  der  Znsammenhang;  in  der  Hamburger  Hds.  des  Ge- 
dichtes vom  Holze  des  heiligen  Kreuzes  [s.  Niederd.  Jahrb.  II  (1876),  S.  90] 
lesen  wir:  de  erste  is  Phison  ghennnt,  de  lopet  al  ummentrcnt  dat  lant  dat 
dar  het  Enbat,  Danach  scheint  mir  in  emmelat  der  Name  einer  asiatischen 
Landschaft  verborgen  zu  sein.  Nicht  zu  erklären  wusste  sich  ihn  offenbar 
auch  der  Schreiber  einer  hannoverschen  Miscellan.-Hdschr.  (angeführt  im  Mnd. 
Wb.  I,  637),  wo  es  heisst:  Dat  ene  water  is  glienant  Phison  und  dat  water 
overgeit  al  dat  einUint, 

V.  1546.     Dai  ander  dat  ik  inene 

Hetet  geon  ttnde  en  is  nicht  kleine, 
Unde  vlut  in  ethiopien 
Nar  de  s^warten  lüde  lien. 

Statt  Nar  hat  die  Hds.  Dar  und  dafür  will  Damköhler  Jahrb.  XV,  82  Dor  lesen ; 
da  jedoch  auch  dar  =-  „durch*'  belegt  ist,  so  ist  kein  Grund  zur  Aenderung. 

V.  1551.     Unde  lopt  in  lant  van  as^ia. 
Zu  lesen  ist  int  lant,  vgl.  V.  d.  Holte  V.  152;  Damköhler  schreibt  in  dat  lant. 

V.  1522.  Hir  umme  so  mach  me  merken  V.  d.  H.  des  geükes  mach  men  merken 

Den  hilgen  geist   in   sinen  268.     den    hilligen   geist    an    sinen 

wei'ken,  werken, 

De  sine  gave  gevct  tware  de  sine  gndde  hlr  ufide  dar 

Hemelik  unde  openhare  hemelik  unde  dpenhur 

So  mennich  utesprct,  so  mannichvolt  üt  spret 

Dar  me  nein  tal  af  wct.  dat  men  nenen  tal  dar  van  wet. 


108 

Beide  Stellen  hängen  unzweifelhaft  von  einander  ab.  Da  nun  das  Heilitre  Kreuz 
das  ältere  Gedicht  ist  (s.  Schröders  Einl.  zu  seiner  Ausg.),  so  wird  uiesjyret  = 
„er  breitet  aus"  sein,  und  gcirt  nur  eine  Art  Dittographie  von  f/ave.  Ich  lese 
jetzt:  Hir  unwie  so  mach  vie  merlcen  Den  liihjen  gcist  in  siucn  werken. 
De  sine  gare  tivare  Ilemelik  nnde  opcnhare  so  mennichcoÜ  utcspret,  Dal 
Die  nein  tal  af  wet. 

V.  3829.     Nu  Sil  ivilkomen,  min  lere  tnd, 
Joachim,  gy  setten  niy  lange  ut. 

Ich  lese:  gy  seien  mi  lange  ui  „ihr  bliebt  mir  lange  aus''.  ^7/ ist  Dat.  ethicus. 
Ueber  sitten  =  *8ich  aufhalten,  sein  und  bleiben'  vgl.  Mnd.  Wb.  4,  218.  Anders 
erklärt  Daniköhler,  Jahrb.  XV,  S.  83. 

Zu  Valeutin  und  Namelös. 

V.  1245  ist  sart  statt  scart  zu  lesen,  vgl.  V.  1824,  1970. 

V.  1369.     'mcn  schal  hir  lesten  nicht  to  spade, 
dat  jene  twe,  de  tncchtich  s}n, 
iverden  bracht  i?i  dodes  pin\ 

Im  Mnd.  Wb.  II,  672  wird,  nur  nach  dieser  Stelle,  ein  schw.  Verb,  lesten  = 
„säumen,  zögern"  angenommen,  da  in  der  Hamburger  Hds.  die  entsprechende 
Stelle  lautet:  vmn  schal  hir  nicht  hrgden  to  spade;  allein  es  hindert  nichts, 
hier  lesten j  leiMen  in  der  Bedeutung  'ausführen,  vollbringen*  zu  fassen,  nicht 
to  spade  d.  i.  ^nicht  zu  langsam,  sofort'. 

1427  und  2069  ist  das  in  beiden  Hss.  überlieferte  megsterscaft  (s.  Anm. 
zu  1426)  nicht  zu  ändern. 

V.  1625  ff.  lese  und  interpungiere  ich: 

Valentin  quam  %ip  sin  ros: 
bi  eme  oh  stot  Kamelös 
linde  Blandemer,  de  upsprungen. 
de  konink  mit  sinen  jungen 
de  rosse  rorden  dar  den  klr, 
to  der  were  setteden  sik  de  drc. 

So  entsprechen  die  Verse  der  schwedischen  Uebersetzung:  Tha  spi'ang  Volant  in 
pa  siyi  hicst,  och  Xantpnlos  gik  s(n  uar  hoiiom,  och  Blandanuer  tok  sin 
skiold  for  sik;  och  koninigot  och  haus  man  threngcdr  til,  och  the  iij  SfitUf 
sik  til  wernr.  Von  hdsl.  Lesarten  habe  ich  geämlert:  V.  1628  do  in  de,  V. 
1629  dingen  m  jungen,  der  junge  s.  Lexer  1,  14J)S)  bedeutet,  wie  noch  jetzt 
im  Niederd.  Jung  'junger  Mann'.  Statt  de  rosse  ^)  rorden,  wie  schon  Seelmann 
verbesserte,  haben  beide  Hdss.  de  rose  rorde;  Walther  im  Jahrb.  XVIII,  S.  135 
fasst  rose  als  „das  im  Kampfe  geflossene  Blut".  V.  1629  ist  dar  =  durch; 
8.  Mnd.  Wb.  I,  544.  —  upspringen  V.  1627  heisst  'sich  in  kampfbereite  Stellung 
setzen',  vgl.  V.  477,  709,  2412.  dat  ros  raren  =  'das  Pferd  in  Bewegung 
setzen',  vgl.  V.  933,  1282  und  Lohengrin  her.  v.  Rückert  swenn  si  durch  tjosi 
diu  ors  xesamne  ruo7ien  (s.  Lexer  unter  ^rüerc7i). 

V.  1835.     se  levct  mi  bovcn  alle  wlf, 

se  achtet  nicht  up  mi  ein  kcitif, 

ein  keitif  „ein  Schelm"  ist  dem  Zusammenhange  nach   nicht  wahrscheinlich.     H 


*)  Vielleicht  ist  der  unflectierte  Plural  de  ros  (vele  ros  unde  perde  Mnd. 
Wb.  III,  508)  zu  setzen. 


109 

■ 

hat  uj)  myn  hedriff,  und  dies  führt  auf  die  Yerrantung,  dass  es  nrsprünglich 
gelautet  hat:  se  achtet  nicht  iip  minen  klf. 

Ich  nehme  an,  dass  A'//*  hier,  wie  mhd.  k^p  (Lexer  I,  1578)  die  Bedeutung 
„leidenschaftliches  Strehen**  hat,  also  das  eifrige  Miunewerbeu  des  Riesen  be- 
zeichnet. In  der  gewöhnlichen  Bedeutung  steht  klf  ebenfalls  im  Reime  auf  w%f2bl^, 

V.  2043.     de  en  rvas  mälcet  wol  dun. 

Ich  lese  mit  der  Hs,:   en  wa^  junkes  wol  to  dön,     „Sie  waren  der  Ruhe  wohl 
bedürftig."     Vergl.  die  Stelle  aus  Grimms  Weisttimem  3,  182  ^dai  di  geene,  die, 
dar  in  gewncrt  sein  to  dnstwaer,  moegen  liauwen,   ives  sie   tho  doen  liehhen 
eres  heeides  (für  ihren  Herd  nötig  haben)  in  vuringe,  und  andere  im  Mnd.  Wb. 
I,  539,  sowie  die  neuhochdeutsche  Redensart  „es  ist  mir  darum  zu  thun". 

V.  2251.     Magros  de  rese  ließ  se  vayigen  sat 
dwch  sinen  tom  in  sin  bat, 

Pass  bat  hier  und  2400  „Wäscherei"  bedeute,  ist  nicht  zu  belegen;  es  ist  viel- 
mehr eine  Umschreibung  für  „Gefängniss",  vgl.  Mnd.  Wb.  I,  158,  Grimms 
Wörterb.  unter  Bad  3  und  4. 

V.  2414  vermute  ich  statt  de7i  segehaft:  den  segevacht  „den  Sieg"  (:  stach), 

V.  2560   streiche   ich    was,    das   auch  H  nicht  hat   und   erkläre  kste  als 
Adverb.  =  zuletzt. 

NORTIIEIM.  R.  Sprenger. 


Zu  mnd.  Gedichten. 


Zii  Botes  Boek  van  velenie  rade. 

(Nd.  Jahrb.  XVI,  1  ff.) 

I,  9  ff.  ist  zu  interpnngieren: 

Wente  wo  boxe,  wo  rrdsch  nnde  (piacl 
Mank  den  laden  is  ngt  unde  haet, 
l)at  ivet  nema)it  unde  rerht  rorstvit 
Wen  de  jenne^  de  mit  egiieyn  nmniegcit; 

21  ff.  lese  ich  folgeudermassen : 

Ngt  unde  fiat  de  maket  alle  twidraeht 

I'nde  benimpt  den  weldighen  ei'e  walt  unde  macht, 

(JUrumme  werfet  voersichtich  orerall) 

De  land  U7ide  lüde  regeren  scal, 

V.  22  fasse  ich  ere  als  Pron.  i)oss.,  da  Ehre  meist  eere  geschrieben  ist.  In  V. 
23  werden  die  weldighen  angeredet.  De  in  V.  24  bezieht  sich  auf  walt  umle 
macht  in  V.  22.     Vergl.  V.  3/4. 

II,  21.  Seet  to,  dat  to  dem  rade  nicht  Jcame  qnnei  broekelik  holt! 
Das  Adj.  broekelik  ist  nicht  erklärt.  Der  Herausg.  hält  es  offenbar  für  bröklieh, 
das  im  mnd.  Wb.  —  hrokhaftich,  1.  ermangelnd,  2.  straffällig  erklärt  wird. 
Beide  Bedeutungen  passen  hier  nicht,  die  richtige  ist  vielmehr  'anbrüchig';  also 
Holz,  das  nicht  eckervast  ist,  sondern  bereits  in  Fäulnis  überzugehen  beginnt. 


110 

51  fif.  ändere  ich  so: 

Wes  eyn  vrunt  der  hiüigheti  kerkm 

AI  na  sunte  Peters  werken 

Unde  denie  tvrevel  unde  stolt, 

De  synen  geystliken  staet  nicht  holt! 

III,  8  ff.  ist  zu  interpungieren: 

Oy  eddelen  koer forsten,  dencket  hiran, 

Wen  dat  romesche  rike  vorstorven  were, 

Gy  ertxbisschoppe  Kollert,  Mentz  unde  Trere, 

De  hochwerdighe  konninck,  to  Bemen  ghenant, 

De  paltxgreve  unde  hertiglie  to  Sasserümt 

Unde  de  kocJighebaren  marchgreve  to  Brufidenborch, 

(De  synt  alle  erlu^chtet  mit  dogheden  dorch): 

Slaet  dat  kanirad  tohope  vast  unde  dicht, 

y,  70.     Hinter  grunth  ist  statt  des  Punktes  ein  Komma  zu  setzen. 

103.    Eyn  iewdk  rapet  in  sytien  sack, 
Dyi  maket  juw  alle  den  quack. 

Der  Herausg.  übersetzt  quack  mit  'unnützes  Gerede'  von  qtiackelen  und  beruft 
sich  auf  westf.  kwack  'Schnattern  der  Enten'  etc.  und  ndl.  kuKbk  'Geschichte, 
Erzählung'.  Diese  Bedeutung  scheint  mir  hier  sinnlos.  Ich  halte  quoick  für 
ein  anderes  Wort.  In  der  Eattenstedter  Mundart  bedeutet  kwack,  m.,  so  viel 
wie  dauernder  Schaden,  Krankheit,  Leiden,  z.  B.  disen  winter  het  fiei  stnen 
kivack  ekrein,  diesen  Winter  hat  er  genug  bekommen.  Dazu  gehört  das  Adj. 
kivackich,  schwächlich,  leicht  erkältlich,  nicht  widerstandsfähig.  Vergl.  Dähnert : 
quack*,  im  figürlichen  Sinne  wird  es  auch  von  Kindern  gebraucht,  welche  nicht 
die  Kraft  haben,  sich  aufrecht  zu  erhalten,  sondern  zusammensinken,  dat  jäor 
Mngt  ass*n  quack,  Adj.  quackig,  Ostfr.  Wtb.  11,  427:  kwakke,  kwak,  ein 
unfester,  weichlicher,  schwächlicher,  oft  kränkelnder  Mensch  etc.  Vielleicht  ge- 
hört hierher  auch  quaJckebrook,  ein  weichlicher,  kränklicher  Mensch,  der  gleich 
bei  den  ersten  Schmerzen  ächzt  und  schreit;  Br.  Wtb.  III,  392.  kwack  stelle 
ich  nicht  zu  mnd.  quackelen  'schwatzen',  sondern  zu  und.  kwacken,  'nach  einem 
heftigen  Fall  oder  Wurf  einen  lauten,  hellen  Schall  verursachen'.  Demnach  be- 
deutet quack  zunächst  Schlag,  Fall,  dann  die  Folgen  des  Schlages.  Das  passt 
für  unsere  Stelle:  'ein  jeder  scharrt  in  seinen  Sack,  das  bringt  euch  allen 
den  Schaden'. 

130/1  ändere  ich  also: 

So  werde  gy  vor  uprichtighe  manne  angheseen, 
Eere  unde  rechte  juw  denne  vallet  by, 

deme  für  denne  bietet  der  Druck  auch  in  VI,  36. 

VI,  53  ff.  interpungiere  ich  folgendermassen : 

Gy  weldighen,  gy  scJwlet  dat  staden  nicht, 

Dat  unvomufft  schal  sitten  in  gherichi, 

Wente  de  deit  nenen  warnen. 

De  unvomufft  unde  umvetenJieit  let  kamen 

To  grade,  dar  dat  sik  nicht  enboert, 

Nicht  gudes  wert  dar  ghespoert. 

De  geystliken  unde  werldUken  kamen  dannn  to  nickte. 

Woer  unwetenheit  unde  unvomufft  holt  dat  rieJde, 

Unde  syd  rad  in  hogliem  grade  tverd, 

Dar  is  de  cristenlmd  seer  mede  beswerd. 


111 

106  if.     So  machstu  hy  dynem  arbcide  blyven, 

Dat  sy  slackten,  smeden,  glieten,  sticken,  negfien, 
Backen,  hrouwen,  hcniwen,  sniden  unde  dreghen, 
Dat  »y,  wat  id  vor  eyn  ammet  »y, 
Dar  rode  he  over  unde  blyve  darby, 
Unde  bespeghele  dy  an  dessem  plochrade, 

In  y.  110  ist  die  3.  Person  störend,  die  nur  auf  V.  104  nnd  105  bezogen 
werden  kann.  Ich  vermute,  dass  hinter  V.  108  ein  Komma  zu  setzen  und  V. 
110  zu  lesen  ist:  dar  rade  (du)  over  unde  blyff  darby.  Der  Ausdruck  ammei 
ist  auch  für  die  V.  107/8  aufgezählten  Beschäftigungen  zulässig.    Mnd.  Wb.  I,  67. 

VII,  86.     Ihfn  vraem  wiff  der  eere  unde  doghet  tolet 
Vorware  se  wal  eyn  poUererrad  het. 

In  V.  86  ist  mir  tolet  unklar.  Der  Reim  auf  het  ==  Mt  scheint  ein  langes  e 
zu  fordern.  Darum  vermute  ich  einen  Druckfehler  für  klet  =  klet  =  kledei 
'kleidet,  ziert'.  Konstruktion  mit  dem  Dat.  und  Bedeutung  sind  zwar  im  mnd. 
Wb.  nicht  belegt,  aber  dem  heutigen  Niederdeutsch  gewöhnlich.  Der  Relativsatz 
der  —  klei  ist  in  Kommata  zu  setzen. 

Vm,  19  lese  ich: 

Dat  dacht  nicht  nien  to  spolen  unde  to  spinnen, 
Alle  de  lichivorich  arbeit  to  beghinnen, 

Beghinnen  hat  hier  die  nnd.  Bedeutung  *thun,  verrichten\ 

55.     Se  synt  Jieit  vort  höret,  siede  ju>ch  unde  wach 
Unde  dencken  nicht,  wat  dama  kamen  mach. 

Der  Herausg.  übersetzt  juch  mit  'betriebsam,  thätig\  Ich  stelle  es  zn  mnd. 
jucliei  'Lebemann',  jucliefi  ^schreien',  nnd.  juclieen  'ausgelassen,  heiter  sein  mit 
Gesang  und  Tanz'  (Kattenstedt  a.  Harz),  und  übersetze  es  'ausgelassen'. 

Zu  Gerhard  von  Minden. 

Fab.  100,  37.     De  konnink  sprak:  So  saget  mi, 

wat  juwer  beider  aminecht  si, 
darto  juwe  kunst  U7ide  wo  gi  heten, 
darto  möge  gi  mm  g&nelen, 
wente  na  der  ktinst  scfial  nie  jo  geven. 

Statt  darto  in  Y.  40,  das  keinen  passenden  Sinn  g^ebt  und  wahrscheinlich  aus 
der  vorhergehenden  Zeile  hierher  geraten  ist,  lese  ich  dama, 

73.     Do  sprak  de  konnink:  'Dat  is  gewis, 
dat  juwe  kunst  nicht  selseii  is 
an  alle  mhiefni  rike; 
mit  beider  kunst  wol  juwe  gelike 
vü  node  doch  wolden  des  gein, 
wo  vele  der  wert  von  mi  gesein. 

Da  V.  47  Oirelin  sagt:  uyide  en  lernt  nicht  eiti  nun  gelike  mit  giriclieit  in 
al  detn  rike,  so  ist  V.  74  nicht  auffällig  und  statt  dessen  recht  zu  lesen.  Die 
V.  76 — 78  besagen  dann,  dass  ihresgleichen  im  Reiche  überhaupt  nicht  gefunden 
werden.  Das  Semikolon  hinter  V.  75  könnte  auch  hinter  V.  74  gesetzt  werden. 
Statt  wolden  in  V.  77  lese  ich  wolde  me. 


112 

Pab.  101,  148  lese  ich  Wo  rechte  statt  So  rechte  ik  ju  icht  wartk, 

171.     Wat  niaclhstu  on  dar  schaden  ane  dön? 
Kuvistu  daraf,  du  deist  unrechte, 
wente  des  gqdogen  lieft  al  dm  siechte. 

Statt  des  hs.  vü  recJde  hat  der  Herausg.  unrechte  gesetzt,  yermutlich  weil  er 
kunistu  daraf  in  dem  Sinne  nahm  'kommst  du  davon  ab,  hQrst  da  auf,  ihnen 
Schaden  zu  thnn.  Diese  Bedeutung  ist  nicht  belegt.  Das  hs.  vil  reefite  halte 
ich  für  richtig  und  übersetze  'kommst  du  mit  dem  Leben  davon'.  Vergl.  mnd. 
Wb.  af kamen  mit  einem  Gen.  =  von  etwas  loskommen,  z.  B.  der  pkigh^  afkometi. 

179.     Nernan  so  guden  köp  ne  gaf 

dem  umme  ein  Jiön  vel  unde  lif; 

Hinter  Ji&n  ist  ein  Komma  zu  setzen,  i'el  unde  lif  ist  Apposition  zu  kop. 

Fab.  102,  76.     so  wert  he  is  unds  ök  ju  gewas 

sin  holt  allen  luden  hehande, 
dat  is  ivitlik  in  dem  lande. 

Y.  76  ist  so  sinnlos;  statt  dessen  ist  wo  zu  lesen.     Vergl.  Fab.  101,  148. 

95  flf.  ist  vom  bramber,  bräm  die  Rede ;  die  Wortlese  erklärt :  'ein  Strauch 
(Pfriemen,  spartium  scop.  L.?),  doch  schwerlich  der  Brombeerstrauch'.  Der  Nd. 
Aesopus  hat  V.  36  de  gele  brdm  und  HofFmann  erklärt  es  offenbar  richtig  als 
spartium  scoparium.  Im  Schottischen  heisst  diese  Pflanze  hroom,  spr.  hrüm, 
Sie  ist  auch  an  unserer  Stelle  gemeint.  Mnd.  breme,  branie,  brumnie,  Bubus 
und  Scoparium.  b7'ä)n  statt  brdmber  zu  schreiben,  wie  Sprenger,  Progr.  Nort- 
heim  1879,  will,  scheint  nicht  notwendig.  Am  Harz  sagt  man  heute  allgemein 
bi^arribere  oder  brambranke,  das  aus  braniberranke  zusammengezogen  sein  wird, 
statt  hrttfn. 

Fab.  103,  45  flf.     De  jene  de  dar  dröch  dat  swert, 

de  was  al  der  werlde  unwert, 

wente  he  nicht  wemie  loge^ne  sj/rak, 

de  andere  dar  nicht  ne  brak, 

wente  he  gerne  spreken  wolde 

de  wdriieit,  wat  dat  Jcosten  scholde. 

Sprenger  fasst  de  wdrheit  in  V.  60  als  Objekt  zu  brak  und  fügt  hinter  he  in 
V.  49  ein  se  ein.  Folgerichtig  ändert  er  auch  dar  in  dar,  Nd.  Jahrb.  IV,  104 
und  Germania  XXXIY,  430.  Diese  Aenderungen  scheinen  unnötig.  Die  V. 
46/47  und  48/49  stehen  sich  gegenüber:  Der  eine  war  ein  Taugenichts,  weil 
er  nur  Lügen  vorbrachte;  der  andere  ward  nicht  straflTällig  (verbrach  nichts), 
weil  er  die  Wahrheit  liebte.  Zu  brcken  'verbrechen,  straffällig  sein'  s.  mnd. 
Wb.  I,  419:  vortjner  scal  nenian  vor  den  anderen  beieren,  mcn  we  xe  (wer 
da)  dar  brekt,  de  scal  vor  syk  sulven  beteren, 

BLANKENBURG  a/IL  Ed.  Damköhler. 


113 


Der  Verfasser  der  jüngeren  Glosse 

zunn  Reinke  Vos. 


Beinahe  könnte  es  Wasser  ins  Meer  tragen  heissen,  wenn  ich  es 
unternehme,  noch  einmal  die  so  oft  und  so  gründlich  behandelte  Frage 
nach  dem  Verfasser  der  jüngeren  Glosse  des  ßeinke  Vos  zum  Gegen- 
stande der  Untersuchung  zu  machen,  zumal  nachdem  Brandes  in  seiner 
trefflichen  Ausgabe^)  alles  Einschlägige  aufs  Umsichtigste  erwogen  und 
den  derzeitigen  Stand  unseres  Wissens  aufs  Klarste  dargelegt  hat. 
Gerade  diese  Zusammenstellung  war  es  aber,  die  mich  in  der  Ueber- 
zeugung  bestärkte,  dass  das  Festhalten  an  der  durch  Rollenhagen 
formulierten  Ueberlieferung  nur  im  Kreise  herumführe  und  dass  auf 
diesem  Wege  nicht  weiter  zu  kommen  sei.  So  möchte  ich  denn  meine 
schon  in  einer  Besprechung  der  Brandesschen  Ausgabe^)  in  Kürze 
angedeutete  Ansicht  näher  begründen. 

Bei  dem  ausserordentlichen  Beifall  und  Einfluss,  den  sich  der 
alte  Reinke  Vos  im  neuen  Gewände  so  überraschend  erworben  hatte 
—  von  1539  bis  1595,  dem  Erscheinungsjahr  von  Rollenhagens  Frosch- 
meuseler,  sind  nicht  weniger  als  8  niederdeutsche,  17  hochdeutsche, 
5  lateinische  und  eine  dänische  Ausgabe  erschienen^)  —  und  bei  der 
unverkennbaren  Sorgfalt,  mit  welcher  der  Bearbeiter  seine  Anonymität 
bewahrte,  konnte  es  nicht  ausbleiben,  dass  schon  frühzeitig  die  Frage 
nach  der  Person  des  Urhebers  der  Glosse  die  literarischen  Kreise 
beschäftigte.  Aus  dem  Werke  selbst  geht  nur  hervor,  dass  der  Ver- 
fasser ein  Mann  war  von  ausserordentlicher  Belesenheit  und  aus- 
gedehnter Sprachkenntniss,  von  reicher  Lebenserfahrung  und  scharfem 
Blick  für  die  offenbaren  und  verborgenen  Schäden  in  Staat  und  Kirche, 
im  öffentlichen  und  Privatleben,  erfüllt  von  dem  ernsten  Bestreben, 
nach  Möglichkeit  zur  Belehrung  und  Veredelung  seiner  Zeitgenossen 
beizutragen,  indem  er  frei  von  Menschenfurcht  allen  Ständen  ohne 
Unterschied  ihr  ungeschmeicheltes  Abbild  vor  Augen  hielt.  Das  ist 
aber  auch  alles,  was  sich  daraus  entnehmen  lässt  und  Bieling*)  geht 
offenbar  zu  weit,  wenn  er  aus  den  freimüthigen  Aeusserungen  gegen 
den  geistlichen  Stand  den  Schluss  zieht,  der  Verfasser  könne  kein 
Geistlicher  sein,  sondern  müsse  dem  Laienstande  angehören.  Hab- 
sucht, Wucher  und  Unkeuschheit  der  Pfaffen,  Cöiibat,  Ablass,  Mönchs- 


*)  Die  jüngere  Glosse  zum  Reiuke  de  Vos,  herausgegeben  von  Herrn. 
Brandes.  Halle  a.  S.  1891.  S.  I— XX.  *)  Deutsche  Litteraturzeitung  1892, 
Nr.  13,  Sp.  435—437.  ')  Reinke  de  vos.  Herausgegeben  von  Friedr.  Prien, 
Halle  1887.  S.  XXIX— LXHI.  *)  AI.  Bieling,  Die  Reineke  -  Fuchs  -  Glosse  in 
ihrer  Entstehung  und  Entwickelung.    Berlin  1884.    4^.    S.  14  und  15. 

Niederdeatsohes  Jahrbnoh.    XIX.  Q 


114 

thum  geisselt  er  mit  den  schärfsten  Worten,  aber  nicht  um  ein  Haar 
schärfer  als  die  Reformatoren  selbst  und  alle  evangelischen  Prediger 
es   thaten,   und   wenn   er   dann   davon   spricht,    dass   die  Diener   des 
Wortes  uns  weiden  sollen  mit  dem  göttlichen  Wort  und  gutem  Beispiel, 
so  tritt  er  damit  nicht  für  seine  Person  in  Gegensatz  zur  Geistlichkeit, 
sondern  versetzt  sich  nur  in  lebhaft  -  lehrhafter  Weise  unter  die  Zahl 
derer,  für  die  sein  Werk  hauptsächlicli  bestimmt  ist,  in  die  evangelische 
Gemeinde.    Alles  dies  giebt  noch  nicht  den  geringsten  Anhalt  für  die 
Person  des  Verfassers;    das    einzige,    was  dafür  von  Wichtigkeit  sein 
könnte,    das  Versprechen    „dath   Bock  Plutarchi   van    dem   Gemeinen 
besten  in  Sassyscher  sprake"    dem    günstigen  Leser  „tho  nütte  uppet 
baldeste"  auch  zu   verfertigen^)  ist  uneingelöst  geblieben.     Auch  von 
ihm   galt   offenbar,    was    er   vom  Dichter  des  Reinke   sagt^)  „dat  de 
Poeta  orsake  hedde  dat  yenne  uththospreken,  so  he  ym  gemöte  bedacht, 
averst  befaringe  und  forchte  halvon  under  syner  persone  nicht  apen- 
baren  dorffte.'^     Dass  der  Verfasser  unter  einer  Nothwendigkeit  steht, 
die   ihm   nicht   nur   die  Verschweigung  seines  Namens,  sondern  auch 
gewisse  Beschränkungen  in  der  Wahl  seiner  Vorlagen  auferlegt,  liegt 
klar  auf  der  Hand.    Jedem  muss  bei  einem  Manne,  der  so  entschieden 
auf  der   Seite   der   Reformation    steht,    dass   ihm    „evangelisch"    und 
„christlich"  als  gleichbedeutend  gilt^),   das  gänzliche,  nur  durch  vor- 
sichtige  Ueberlegung    zu    erklärende    Fehlen   Luthers,   Melanchthons, 
Bugenhagens  und  der  anderen  hervorragenden  Reformatoren  unter  den 
benutzten  Schriftstellern    auffallen  und  ich  vermag  dabei  nur  auf  die 
analoge    Erscheinung    hinzuweisen,    dass    im    selben   Jahre    1539    bei 
demselben  Drucker  ein  für  „de  Olden  vnnd  bedageden  lüde"  in  grober 
Schrift  gednicktes  Neues  Testament  in  niederdeutscher  Sprache  erschien, 
von  dem  es  zwei  sonst  identische  Ausgaben   giebt;   die  eine  sagt  auf 
dem  Titelblatt  „dorch  D.  Martinum  Luther  mit  vlyte   vordüdeschet'\ 
wälirend   die    andere   statt   dessen   setzt    „na   dem  Grekeschen   recht 
gründtHck  vordüdeschet".*)    In  beiden  Fällen  besorgte  also  der  Drucker 
und  Verleger,  durch  allzuoffene  Ilervorkehrung  des  lutherischen  Stand- 
punktes die  Absatzfähigkeit  seiner  Artikel  zu  beeinträchtigen. 

Es  ist  geradezu  undenkbar,  dass  bei  dem  beispiellosen  Erfolg 
des  Werkes  nicht  doch  auch  Andere  Kunde  von  der  Person  des  Ver- 
fassers bekommen  hätten,  aber  bewundernswert  ist  es,  dass  trotzdem 
die  Festhaltung  der  Anonymität  mit  Erfolg  durchgeführt  werden  konnte. 
Der  Verfasser  der  schon  im  Jahre  L544  in  Frankfurt  a.  M,  er- 
scheinenden hochdeutschen  Uebersetzung  resp.  Bearbeitung  nennt  den 
„Sechsischen  Glossator"  seinen  „besondern  bekandten  Freundt",  da 
er  sich  aber  gleichfalls  in  Dunkelheit  hüllt,  ist  auch  dieser  Hinweis 
zur  Feststellung  des  Verftissers  seiner  Vorlage  nicht  zu  verwenden. 
300  Jahre  lang  hat  man  allgemein  Michael  Beuther,  geb.   1522,  1546 


*)  Brandes,  Glosse  S.  235,  39  ff.  ')  Ebenda  S.  234,  10  ff.  »)  Ebenda  S.  132, 
120  ff.  134,  178  f.  —  BielinjT  S.  11.  *)  C.  M.  Wie ch mann,  Meklenburgs  alt- 
niedersächsische  Literatur  I,  ^Schwerin  1864,  S.  178  ff. 


Professor  der  Geschichte  zu  Greifswald,  1565  y.\x  Strassburg,  gest. 
1587,  für  den  Bearbeiter  gehalten,  bis  Prien  1887  den  Nachweis  führte, 
dass  der  einzige  Gewährsmann  dafür.  Hartmann  Schopper,  ßeuthers 
Namen  nur  als  Vermuthung  ausspricht,  innere  Gründe  aber  diese  Ver- 
muthung  als  wenig  glaubhaft  erscheinen  lassen^).  Erasmus  Alberus, 
der  1550  erklärt,  er  habe  noch  nie  kein  feiner  noch  meisterlicher 
Gedicht  gelesen  als  das  Buch  von  Reinicken,  womit  er  wie  alle  Zeit- 
genossen die  mit  der  jüngeren  Glosse  versehene  Bearbeitung  meint, 
durch  die  die  älteren  Dinicke  vollkommen  in  Vergessenheit  gerathen 
waren,  weiss  auch  nichts  mehr  zu  sagen,  als  dass  desselben  Buchs 
Meister  ein  Sachs  gewesen  sei,  „ein  hoch  verstendiger  weiser  Mann, 
ein  Ehr  aller  Sachsen"^),  und  dazu  genügte  die  als  sicher  voraus- 
zusetzende Bekanntschaft  mit  der  Vorrede  des  hochdeutschen  Bearbeiters. 
Sechsundfunfzig  Jahre  waren  vergangen,  in  dreissig  Ausgaben 
war  der  Reinke  verbreitet  und  in  alle  Schichten  des  Volkes  gedrungen, 
und  noch  war  der  Schleier  nicht  gelüftet,  der  über  seiner  Entstehung 
lag  —  da  trat  1595  Georg  Rollenhagen  mit  seinem  stark  vom  Reinke 
Vos  beeinflussten  ^)  Froschmeuseler  auf  und  berichtete  haarklein,  was 
es  damit  für  eine  Bewandtniss  habe.  Ein  gelehrter  scharfsinniger 
weltweiser  Sachse  mit  Namen  Nicolaus  Bau  mann  „beim  vrsprung 
des  Weserstroms  bürtig"  habe  unter  dem  Namen  Reinicken  Fuchses 
das  ganze  politische  Hofregiment  und  das  Romische  Papstthum  nach 
seinen  eigenen  als  Rat  und  Sekretär  am  Jülichschen  Hofe  gemachten 
schlimmen  Erfahrungen  weislich  beschrieben  und  nachdem  er  in  die 
Dienste  des  Herzogs  Magnus  von  Mecklenburg  getreten,  dem  Rostocker 
Buchdrucker  Ludwig  Dietz  übergeben.  Dieser,  ein  Oberländer  von 
Speyer  und  selbst  ein  guter  Reimer,  habe  alsdann  die  Glosse  aus 
anderen  Reimbüchern  dazugesetzt  und  das  Buch  so  im  Jahre  1522 
erscheinen  lassen,  aber  nicht  unter  dem  Namen  des  Verfassers,  sondern 
als  wenn  es  zuvor  „ein  altes  Welsch  und  Frantzösisch  Buch  gewesen". 
Gleichsam  zur  Beglaubigung  seiner  Erzählung  fügt  Rollenhagen  noch 
hinzu,  dass  Baumann  in  der  St.  Jakobikirche  zu  Rostock  seine  letzte 
Ruhestätte  gefunden  habe  und  theilt  den  Wortlaut  des  ihm  im  April 
152G  von  der  hinterbliebenen  Wittwe  gestifteten  Epitaphs  mit  eigener 
deutscher  Uebersetzung  mit*).  Dass  sich  Rollenhagen  diesen  Wahres 
und  Falsches  in  wunderbarer  Weise  durcheinandermengenden  Bericht 
nicht  aus  den  Fingern  gesögen  haben  kann,  ist  klar,  ebenso  dass  ihm 
die  Grundlagen  dazu  nirgends  anders  her  als  aus  Rostock  zugegangen 
sein  können,  imd  da  kann  nur  der  poeta  laureatus  Peter  Lindeberg 
in  Frage  kommen,  der  ebenso  wie  Rollenhagen  dem  grossen  Kreise 
von  Gelehrten  angehörte,  der  in  Heinrich  Rantzau,  dem  prorex 
Cimbriae,    seinen  Mäcen  und  Mittelpunkt  fand.     Lindeberg   starb   am 


*)  Friedr.  Prien,  Ueber  die  hochdeutsche  Reinke-Uebersetzung  vom  Jahre 
1544.  Neumünster  1887.  40.  S.  10  ff.  ^)  Brandes  S.  XV,  Anm,  1.  •)  Jahrbuch 
d.  V.  f.  nicderd.  Sprachf.  XIV  (1888),  1.  (Brandes.)  *)  Rollenhagens  Bericht  ist 
vielfach  abgedruckt ;  nach  der  ersten,  ausführlichsten  Fassung  bei  Brandes  8.  XI/XII. 

8* 


116 

16.  Juli  1596,  als  der  Druck  seines  Chronicon  Rostochiense  ungefähr 
bis  zur  Hälfte  fortgeschritten  war.    Der  Rest  wurde  dann  im  Auftrage 
der  Erben  von  Mag.  Nik.  Peträus  ohne  jede  Aenderung  des  vorliegenden 
Manuscripts   herausgegeben   und   das    Ganze   erschien   im   September 
desselben  Jahres.     Auf  der  vorletzten  Seite  finden  sich  die  Zeilen,  die 
zur  Kontrolierung  Rollenhagens   von  hohem  Werthe   sind.     Es  heisst 
da  in  der  Beschreibung  der  Universität:  „Diesem  (Nikolaus  Marschalk) 
folgte    Nikolaus   Bau  mann,    der   (nachdem    er   eine   Zeit   lang    am 
Jülichschen  Hofe  als  Rath  gelebt  hatte  und  schliesslich  bei  dem  Fürsten 
verläumdet  worden  war,  so  dass  er  genöthigt  war,  mit  Gefahr  seines 
Lebens  zu  Herzog  Magnus  von  Mecklenburg,  dessen  Sekretär  er  später 
wurde,  zu  flüchten)  auf  Giiind  seiner  eigenen  Erfahrungen  die  Ränke 
des  Fuchses  in  deutschen  Versen  scharfsinnig  und  kunstvoll  geschildert 
und  in  Rostock,  wo  er  nach  vollbrachtem  Lebenslauf  in  der  St.  Jakobi- 
kirche  beerdigt  ist,  in  Druck  gegeben  hat."  In  diesen  schlichten  Worten 
haben   wir  die  Quelle   von  Rollenhagens  weitausgesponnenem  Bericht 
zu  suchen;  entweder  direkt  auf  Grund  persönlicher  Bekanntschaft  oder 
durch  Vermittelung    Rantzaus   hat   Rollenhagen    dort    angefragt,    wo 
voraussichtlich  am  ersten  noch  eine  Kunde  vorhanden  sein  konnte,  in 
Rostock,  und  Lindeberg,  der  anscheinend  sich  vorher  mit  dieser  Frage 
nicht   beschäftigt   hatte,    zieht   nach  Möglichkeit  Erkimdigungen    ein, 
was  ihm  nicht  allzu  schwer  werden  konnte,  denn  Stephan  Möllemann, 
dessen  Druckerei   er   selbst   benutzte,   war  mit  Ludwig  Dietz'  hinter- 
lassener   Wittwe   verheirathet.      Dass    vorher    derartige    planmässige 
Nachforschungen  nicht  angestellt  sein  werden,    dafür   glaube   ich    die 
von  Möllemann  gedruckte  Reinke  -  Ausgabe  von    1592   als  Beweis  an- 
führen zu  dürfen,  der  zwar  der  Verleger  Laurenz  Albrecht  eine  besondere 
Vorrede  mit  auf  den  Weg  giebt,  aber  mit  keiner  Silbe  auf  eine  Bekannt- 
schaft mit  dem  Verfasser  und  dem  Glossator  hindeutet^).    Was  Linde- 
berg   zugetragen   wurde,    theilte    er  Rollenhagen  mit ;    was    er   selbst 
davon   für   feststehend  erachtete,    fügte  er  seiner  Chronik  einstweilen 
da  ein,    wo  es  ihm  noch  am  besten  hinzupassen  schien,    nämlich    bei 
dem  nächsten  Vorgesetzten   des   Sekretärs  Nik.  Baumann,    dem  Rath 
Nik.  Marschalk,    und   so    blieb,    da  die  letzte  bessernde  Hand  fehlte. 
Baumann  mitten  unter  den  Universitäts-Professoren  als  ihres  gleichen 
stehen,  trotzdem  er  in  Wirklichkeit  nicht  einmal  einen  akademischen 
Grad   besessen   hatte.     Rollenhagens   Bericht   ist   von  Zarncke*)    zur 
Genüge  zerpflückt  worden,    sodass   wir  hier,    zumal   es    sich   für   uns 
nicht  um  den  Verfasser  des  Reinke,    sondern  um  den  der  Glosse  von 
1539  handelt,  nicht  weiter  darauf  einzugehen  brauchen.     Es  mag  nur 
bemerkt  werden,    dass    von   allem,    was  Rollenhagen   über   den   sonst 
nirgends    besonders   hervortretenden  Baumann,    dessen  Andenken   nur 
zufällig   durch   das   vielleicht   an   auflfallender  Stelle  angebrachte,  bis 
ins  vorige  Jahrhundert  noch  vorhandene  Epitaphium^)  etwas  frischer 

0  Wiechmann  III,  S.  165-167.  —  Prien,  Reinke  S.  XXXVI.  >)  Zeitschrift 
für  deutsches  Alterthum  IX,  377  ff.  ')  (Mantzel)  Bützowsche  Ruhestunden  XX 
(1765),  85. 


117 

geblieben  sein  mag,  nichts  von  Bestand  bleibt,  als  dass  er  Sekretär 
der  Mecklenburgischen  Herzoge  (aber  weder  des  schon  1503  ver- 
storbenen, noch  des  späteren  erst  1509  geborenen  Magnus)  war,  1526 
in  der  St.  Jakobikirche  zu  Rostock  beerdigt  wurde  und  nicht  aus 
Rostock  stammte.  Selbst  die  Angabe  seiner  Herkunft  vom  Ursprung 
des  Weserstroms  lässt  sich  darauf  zurückführen,  dass  sein  Bruder  und 
Erbe  in  Eisenach  seinen  Wohnsitz  hatte  ^).  Dass  Baumann  den  bisher 
noch  durchaus  in  der  Luft  schwebenden  und  nur  auf  Rollenhagen 
beruhenden  Druck  von  1522  veranlasst  habe,  ist  bei  dem  feindseligen 
Verhältniss,  in  dem  Dietz  zu  ihm  stand  und  das  Ende  1520  selbst 
das  Einschreiten  des  Landesherren  und  des  Rathes  erforderlich  machte*), 
von  vornherein  abzuweisen. 

Trotz  des  schwankenden  Grundes,  auf  dem  also  die  einzige  aus- 
luhrlichere  Nachricht  über  die  Entstehung  des  Rostocker  Reinke  steht, 
dürfen  wir  doch  den  durch  sie  gegebenen  Hinweis  nicht  unbeachtet 
lassen,  sondern  müssen  untersuchen,  ob  sich  das,  was  uns  über  Ludwig 
Dietz'  Leben  und  Wirken  anderweitig  bekannt  ist,  mit  Rollenhagens 
von  Dr.  Brandes  wieder  zu  Ehren  gebrachtem  Bericht  vereinigen  lässt. 
Da  stossen  wir  schon  beim  ersten  Schritte  an:  Das  einzige,  was  uns 
mit  Sicherheit  über  die  Person  des  Glossators  berichtet  wird,  ist,  dass 
er  ein  Sachse  war,  und  man  mag  nun  den  Ausdruck  „Sasse"  so  weit 
fassen  wie  irgend  möglich,  der  Oberländer  aus  Speyer,  mag  er  auch 
in  Niederdeutschland  noch  so  heimisch  geworden  sein,  hat  ebensowenig 
Anspruch  darauf  wie  der  Thüringer  von  der  Werra.  Die  hervorragende 
Tüchtigkeit  des  Buchdruckers  Dietz  in  allem,  was  seine  Kunst  betrifft, 
findet  überall  die  wohlverdiente  Anerkennung;  wo  es  Aufgaben  gilt, 
die  aussergewöhnliche  Anforderungen  an  die  Leistungsfähigkeit  des 
Typographen  stellen,  die  Lübecker  Bibel  von  1533/34,  die  Kopenhagener 
Bibel  von  1550,  werden  seine  Pressen  in  Anspruch  genommen.  Früh- 
zeitig macht  er  seine  Druckerei  dem  Reformationsgedanken  dienstbar, 
wenngleich  er  dabei  als  Geschäftsmann  vorurtheilsfrei  genug  ist,  sie 
auch  jeder  anderen  Richtung  zur  Verfügung  zu  stellen,  mag  diese  nun 
päpstlich,  zwinglianisch  oder  wiedertäuferisch  sein.  Wie  alle  seine 
Berufsgenossen  jener  Zeit  ist  er  gleichzeitig  in  ausgedehnter  Weise 
als  Verleger  thätig,  behält  die  verschiedenen  Strömungen  im  geistigen 
und  politischen  Leben  ebenso  scharf  im  Auge  wie  die  praktischen 
Anforderungen  des  Tages  und  ist  eifrig  bestrebt,  allen  Bedürfnissen 
und  Wünschen  nach  Möglichkeit  entgegen  zu  kommen,  sei  es  durch 
Nachdruck  hier  nur  schwer  erreichbarer  Schriften  (verschiedene  im 
Original  nicht  mehr  bekannte  Schriften,  so  das  erste  niederdeutsche^) 
und  das  erste  dänische  Gesangbuch,  sind  nur  in  Dietz'schen,  unmittelbar 
nach  dem  Erscheinen  veranstalteten  Nachdrucken  auf  uns  gekommen*), 
sei  es  durch  Uebersetzung,   aber  auch  durch  Originalwerke,  zu  deren 

0  Lisch,  Jahrbb.  d.  Vereins  f.  meklenb.  Geschichte  IV  (1839),  194. 
«)  Jahrbb.  d.  V.  f.  mekl.  Gesch.  LIV  (1889),  208/9.  »)  Bachmann,  Geschichte  des 
evang.  Kirchengesangs  in  Mecklenburg,  Rostock  1881,  S.  22—37.  —  Wiechmann  III, 
S.  117—121.    *)  Jahrbb.  d.  V.  f.  mekl.  Gesch.  LIV,  S.  212. 


118 

Ausführung  er  den  Anstoss  gab.  Die  geeigneten  Kräfte  zu  finden, 
die  gern  bereit  waren,  durch  ihre  Mitarbeit  die  Wissenschaft  und  die 
Sache  der  Reformation  zu  fördern,  konnte  ihm  in  der  blühenden 
Universitäts-  und  Hansestadt  mit  ihren  weitreichenden  Verbindungen 
nicht  schwer  fallen,  und  gar  mancher  unter  den  so  geworbenen  Mit- 
arbeitern mag  aus  verschiedenen  Gründen  vorgezogen  haben,  ungenannt 
zu  bleiben  und  dem  Drucker -Verleger  die  Vertretung  zu  überlassen. 
Dass  Dietz  selbst  litterarisch  thcätig  gewesen  sei,  dass  er  Gedichte 
verfasst  oder  Bücher  geschrieben  habe,  davon  wissen  seine  Zeitgenossen 
nichts  zu  melden,  selbst  David  Chyträus,  der  bei  Gelegenheit  der 
Beerdigung  des  am  19.  Januar  15G0  im  Alter  von  70  Jahren  ver- 
storbenen Curt  Dietz  dem  nur  vier  Monate  früher  entschlafenen  älteren 
Bruder  einen  glänzenden  Nachruf  widmet  und  keins  seiner  Verdienste, 
keinen  seiner  Vorzüge  unterdrückt,  macht  auch  nicht  die  leiseste 
Anspielung  darauf,  dass  er  je  selbstthätig  zur  Bereichenmg  der  Litteratur 
beigetragen  habe^).  Aber  er  sagt  es  uns  ja  selbst  und  die  Bücher, 
als  deren  Verfasser  er  sich  bekennt,  sind  noch  vorhanden,  wird  man 
mir  einwenden.  Allerdings  giebt  es  einzelne  derartige  Andeutungen 
in  den  Dietzischen  Drucken,  doch  verlieren  dieselben  bei  näherer 
Betrachtung  sehr  viel  von  der  ihnen  namentlich  durch  Wiechmann 
zugeschriebenen  Beweiskraft.  Gleich  im  allerersten  Werke,  womit  der 
vorher  nur  als  Diener  und  Bevollmächtigter  des  Rostocker  Raths- 
sekretärs  und  Buchdruckereibesitzers  Hermann  Barckhusen  genannt«*) 
Ludwig  Dietz  selbst  als  Dnicker  an  die  OefTentlichkeit  tritt,  der 
Editio  princeps  des  Lübischen  Rechts,  findet  sich  die  Erklärung,  dass 
er,  der  Drucker,  um  einem  allgemein  gefühlten  Bedürfnisse  entgegen- 
zukommen, eine  grosse  Anzahl  von  Handschriften  geprüft  und  diejenige 
davon,  die  ihm  als  die  Beste  erschienen  sei.  abgedruckt  habe*).  Diese 
Erklärung  ist  fast  überall  mit  dem  ausgesprochensten  Misstrauen  auf- 
genommen worden  und  es  ist  in  der  That  scliwer  glaubhaft,  dass  der 
höchstens  25jährige  Pfälzer,  der  vielleicht  seit  drei  Jahren  als  Werk- 
fuhrer  Barckhusens  in  Rostock  wohnhaft  war,  eine  solche  Arbeit  aus 
eigener  Initiative  und  ohne  rechtsverständigen  Beirath  unternommen 
haben  sollte  und  wir  kcinnen  wohl  annehmen,  dass  unter  den  „guten 
Gönnern  und  Freunden",  die  die  Ausführung  betrieben  und  unter- 
stützten, Hermann  Barckhusen  der  erste  und  einflussreichste  war. 
Immerhin  mag  zuzugeben  sein,  dass  der  Antheil  Dietzens  ein  so 
beträchtlicher  war,  dass  er  sich  ohne  Ueberhebung  als  Herausgeber 
bezeichnen  konnte. 

Der  nächste  Hinweis  auf  eigene  persönliche  Betheiligung  an  einem 
seiner  Drucke  wird  in  dem  1526  gedruckten  Auszug  aus  der  Preussischen 
Landesordnung*)  gefunden,  in  dessen  Schlusss(;hrift  es  heisst:  „Uth 
Hochdudescker  jnn  Neddersassescke  sprake   ged nicket  dorch  Ludwich 


*)  Scripta  in  Academia  Rostochiensi  publice  proposita  ab  anno  1560  .  .  . 
ad  initium  amii  1567,  Rostochii  1567,  fol.  11/12.  «)  Jahrbb.  d.  V.  f.  mekl.  Gesch.  IV,  70. 
»)  Kbenda  IV,  S.  75.  81—84.  ia.5.  —  Wiechmann  I,  24-^27.  *)  Wiechmann  I,  105— KftK 


119 

Dietz".  Der  so  nicht  wieder  vorkommende  Wortlaut  erlaubt,  das  muss 
man  zugeben,  die  Deutung,  dass  Drucker  und  Uebersetzer  eine  Person 
seien,  aber  er  zwingt  nicht  dazu  und  innere  Gründe  nöthigen  uns,  einen 
anderen  Uebersetzer  anzunehmen.  Die  Vorrede  kann  ihrem  ganzen 
Stil  und  Gedankengang  nach  nicht  wohl  von  Dietz  herrühren  und  im 
Text  zeigen  sich  sprachliche  Eigenthümlichkeiten,  die  von  denen  aller 
übrigen  p]rzeugnisse  der  Dietzischen  Pressen  abweichen.  Am  auf- 
fälligsten ist,  dass  in  der  ganzen  16  Seiten  4^  umfassenden  Schrift 
die  Ableitungssilbe  -isch  ausnahmslos  -isck  geschrieben  wird,  also 
evangelisck,  hönscke  worde,  Colmiscke  buren,  hochdudesck,  nedder- 
sassesck  und  dem  entsprechend  auch  minscken;  ähnliches  zeigen  von 
sämmtlichen  Dietzischen  Dnicken  nur  die  in  demselben  Jahre  erschienenen 
„Twe  Artikel  Virich  Zwinglij  ^)",  für  deren  Uebersetzer  der  Wismarsche 
Prediger  Heinrich  Never  gilt,  doch  ist  auch  da  nicht  minscke,  sondern 
minsche  gebräuchlich,  während  in  allen  übrigen  Schriften  -isch  weitaus 
das  -isck  überwiegt. 

Ganz  klar  und  unanfechtbar  erscheint  die  Uebersetzerthätigkeit 
Dietzens  bezeugt  in  der  Ausgabe  von  Sebastian  Francks  Schrift  „Van 
dem  gruweliken  laster  der  Drunckenheit"  aus  dem  Jahre  1542*),  wo 
es  in  der  „Der  Drucker  wünschet  dem  Leser  Gnad,  Frede  vnd  erkant- 
nüsse  Gades,  durch  Christum  vnsen  Heylandt,  Amen"  überschriebenen 
Vorrede  heisst:  Dewile  averst  solcke  Böchlin  vast  vorkamen,  ock  der 
spracke  halven  dem  gemeynen  Man  unvorstendich,  byn  ick  van  etlyken 
myner  günstigen  Heren  und  guden  fründen  thom  mehrerm  mal  früntlich 
ersocht  unde  angelanget,  dat  ytzt  gedacht  Christlick  Böchlin  in 
Sassischer  Sprake  wedder  in  den  Druck  stellen  mochte  ....  Hebbe 
also  ...  na  vormöge  mit  hülpe  etlyker  guden  Fründe  dyt  Böchlin 
in  düsse  Sassische  sprake  vorfertiget  und  in  den  Druck  gebracht." 
Die  Worte  erinnern  unwillkürlich  an  die  Vorrede  zum  Lübischen  Recht; 
auch  dort  spielen  „gute  Gönner  und  Freunde"  hinein,  die  bei  der 
Ausführung  mitgewirkt  haben,  ohne  dass  ihr  Antheil  näher  bezeichnet 
wird.  Besonders  ist  es  aber  eine  Wendung,  die  sich  an  der  einzigen 
Stelle  der  Reinke-Vos- Glosse,  wo  der  Autor  von  sich  selbst  spricht, 
wörtlich  wiederfindet,  nämlich  „in  Sassische  sprake  vorferdygen".  Ent- 
weder hat  der  Verfasser  der  Vorrede  von  1542  diese  ungewöhnliche 
Redensart  aus  dem  Schluss  des  Reinke  von  1539  entlehnt,  oder  es 
ist  beidemal  derselbe,  der  den  gleichen  Ausdruck  gebraucht.  Das 
Letztere  angenommen,  wie  Wiechmann  imd  Brandes  thun  —  wer  ist 
dann  aber  der  Uebersetzer  der  zuletzt  besprochenen  Schrift?  Ist  es 
wirklich  so  zweifellos  Dietz  selbst?  Zu  dieser  Frage  berechtigt  uns 
die  erst  vor  fünf  Jahren  wieder  zum  Vorschein  gekommene  nieder- 
deutsche Uebersetzung  des  Biblischen  Betbüchleins  von  Otto  Brunfels') 
„in  der  laveliken  stadt  Rozstock  by  Ludowich  Dietz  gedrücket,  ym 
jar  1530,  am  10.  daghe  Januarii,"  in  deren  Vorrede  der  Drucker  dem 


>)  Ebenda  I,  102—104.    »)  Ebenda  I,   187—189.    »)   Ebenda   I,   144/45.   — 
Jahrbb.  d.  V.  f.  meklenb.  Gesch.  LIV,  214. 


120 

christlichen  Leser  Gottes  Gnade  durch  Christum  wünscht  und  erklärt, 
er  habe  das  vorliegende  Gebetbuch  für  überaus  nützlich  und  heilsam 
befunden  und  darum  dem  Christlichen  Leser  zur  Erbauung  dargeboten. 
Das  spricht  genau  so  klar  für  Dietz  als  Urheber  der  Uebersetzung, 
wie  die  Worte  in  Francks  Warnung  vor  der  Trunkenheit,  aber  schlagen 
wir  das  Ende  1528  bei  Hans  Schott  in  Strassburg  mit  sechsjährigem 
Privileg  gegen  Nachdruck  erschienene  Original  nach,  so  w^erden  wir 
durch  die  Wahrnehmung  überrascht,  dass  daselbst  „Hans  Schott 
Trucker"  Wort  für  Wort  das  gleiche  sagt,  was  Dietz  durch  einfache 
Weglassung  des  Namens  für  sich  in  Anspruch  nimmt.  Bei  solchem 
Verfahren  hört  jede  Möglichkeit  einer  Sonderung  eigenen  und  fremden 
Antheils  auf  und  Dietz  darf  sich  nicht  beklagen,  wenn  man  nach  dem 
Sprichwort  „Wer  einmal  lügt,  dem  glaubt  man  nicht"  noch  andere 
Beweise  verlangt  als  seine  Worte.  Natürlich  hören  damit  auch  die 
der  Preussischen  Landesordnung  und  Franck  voraufgeschickten  Verse 
auf  als  vollgültige  Beweise  zu  dienen  für  Dietz's  von  Rollenhagen 
gerühmte  Geschicklichkeit  im  Reimen,  die  offenbar  erst  aus  der  Glosse 
hergeleitet  ist.  Aber  selbst  zugestanden,  dass  Dietz  von  der  ihm 
nicht  abzusprechenden  Befähigung  zu  eigener  litterarischer  Thätigkeit 
auch  Gebrauch  gemacht  hat,  so  besteht  doch  zwischen  der  Thätigkeit 
eines  Uebersetzers  nnd  der  des  Verfassers  der  Glosse,  deren  plan- 
mässig  einheitliche  Anlage  ihr  den  vollen  Eindruck  einer  Originalarbeit 
verleiht^),  ein  himmelweiter  Unterschied.  Wir  müssen  also,  wollen  wir 
uns  nicht  mit  einem  Anonymus  begnügen,  den  Verfasser  anderswo 
suchen  und  naturgemäss  unter  der  Zahl  der  Männer,  deren  litterarische 
Beziehungen  zu  Dietz  eines  weiteren  Nachweises  nicht  erst  bedürfen. 
Es  sind  deren  nicht  viel,  trotz  der  recht  beträchtlichen  Zahl  von 
Druckwerken,  allerdings  meist  geringeren  Umfanges,  die  von  1520  bis 
1560  aus  seinen  Pressen  hervorgingen;  unter  den  Gliedern  der  Universität 
und  der  Rostocker  Geistlichkeit  befindet  sich  um  1538/39  keiner,  an 
den  gedacht  werden  könnte.  Der  Lübecker  Syndikus  Johann  Olden- 
dorp,  dem  die  Befähigung  dazu  allerdings  ein  jeder  zugestehen  muss, 
hatte  zu  jener  Zeit  schwerlich  Lust  und  Müsse  zu  einer  derartigen 
Arbeit,  auch  wohl  selbst  zu  viel  von  Reinkes  Natur  in  sich  („ein  klen 
Menneken,  men  grot  in  der  Schalkheit"  charakterisiert  ihn  ein  Zeit- 
genosse) und  von  den  übrigen  hat  keiner  grösseren  Anspruch  auf 
Berücksichtigung  als  Johannes  Freder  der  Aeltere*).  Am  29.  August 
1510  in  Köslin  geboren,  bezog  er  schon  1524  die  Universität  Witten- 
berg, wo  er  mehrere  Jahre  hindurch  Luthers  Hausgenosse  war.  Drei- 
zehn Jahre  weilte  er  hier,  lernend  und  lehrend,  bis  er  1537  als 
Conrector  an  das  Johanneum  zu  Hamburg  berufen  wurde.  Diese 
Stellung  vertauschte  er  1540  mit  der  des  zweiten  Lectors  am  Dom, 
die  er  bis  1547  bekleidete.  Zu  Anfang  des  Jahres  1543  steht  er 
nachweislich  mit  Dietz  in  Verbindung  und  zwar  lässt  die  Art,  wie  er 


^)  Brandes  S.  XXI.     *)  Ueber  ihn :  (M  o  h  n  i  k  e)  Johannes  Frederus.    I— III. 
Stralsund  1837.     4^. 


121 

sich  darüber  ausspricht,  klar  durchblicken,  dass  er  vorher  schon 
mit  dem  Buchdrucker  näher  bekannt  war.  Es  ist  sein  Buch  „LofF 
unde  Unschuld  der  Frouwen",  was  er  Dietz  übersendet^),  welches  sich 
besonders  gegen  Sebastian  Franck  wendet  und  eine  genaue  Bekannt- 
schaft mit  den  Schriften  dieses  in  der  Glosse  häufig  benutzten  Autors 
bekundet.  Es  liegt  daher  die  Vermuthung  nahe,  dass  Freder  auch 
der  nicht  genannte  Uebersetzer  von  Francks  „Laster  der  Trunkenheit" 
von  1542  ist,  für  den  bisher  Dietz  galt,  und  von  da  zu  der  Glosse 
von  1539  ist  der  Uebergang  schon  vorhin  angedeutet.  Auch  mit  den 
Schriften  von  Johann  Brenz,  die  gleichfalls  in  der  Glosse  verwerthet 
sind,  ist  Freder  sehr  vertraut  und  überträgt  mehrfach  Abschnitte 
daraus  ins  Niederdeutsche,  die  ebenfalls  bei  Dietz  erscheinen^).  Ueber- 
haupt  stimmt  die  ganze  schriftstellerische  Thätigkeit  Freders,  wie  sie 
Mohnike  im  zweiten  Theile  seiner  Monographie  schildert,  vollständig 
zu  unserer  Annahme,  Eigene,  von  ihm  selbst  verfasste  Schriften 
kennen  wir  sehr  wenig,  ausser  seinen  Rechtfertigungsschriften  betreffend 
die  Ordination  und  den  Streitschriften  gegen  Knipstro  nur  drei,  eine 
in  lateinischer,  zwei  in  niederdeutscher  Sprache  und  von  letzteren 
richtet  sich  die  eine^)  gegen  Seb.  Franck,  während  die  andere  an  ihn 
anknüpft*).  Ausserdem  rühren  noch  IG  geistliche  Lieder  in  nieder- 
deutscher Sprache  von  ihm  her  ^) ;  alle  die  übrigen  ziemlich  zahlreichen 
Schriften,  die  seinen  Namen  tragen,  sind  Uebersetzungen  aus  dem 
Deutschen  ins  Lateinische  oder  aus  dem  Lateinischen  und  Hochdeutschen 
ins  Niederdeutsche  und  gerade  bei  den  letzten  stellt  er  mit  Vorliebe 
die  Aussprüche  mehrerer  Verfasser  über  ein  bestimmtes  Thema  zu 
einem  Büchlein  zusammen,  so  von  Hieronvmus  Weller  und  Johann 
Brenz  über  das  Abendmahl®)  und  von  Bugenhagen,  Luther,  Brenz  und 
Veit  Dietrich  über  die  Sonntagsheiligung'),  ganz  entsprechend  der 
compilatorischen  Arbeitsweise  des  Glossators.  Da  er  in  so  jugend- 
lichem Alter  schon  die  Heimath  verlassen  hatte,  kann  es  kaum  auf- 
fallen, dass  ihm  die  an  sich  ja  ohnehin  nicht  reiche  niederdeutsche 
Litteratur  fremd  geworden  war;  weit  auifälliger  würde  das  Fehlen 
aller  niederdeutschen  Quellen  ausser  dem  Narrenschifi'  und  dem  Henselin 
sein,  wenn  Dietz  der  Verfasser  der  Glosse  wäre,  aus  dessen  Druckerei 
nicht  wenig  Schriften  hervorgegangen  sind,  die  sich  wohl  dazu  eigneten, 
mit  herangezogen  zu  werden,  wie  z.  B.  Aeneas  Sylvius,  Van  Frouwe 
Glück  unde  van  allen  Stenden  der  Werldt  von  1520  oder  des  Stral- 
sunders Johannes  Crützeberch  Bericht  und  Unterweisung  von  1526®). 
Daher  trage  ich  kein  Bedenken,  als  den  Verfasser  der  Rostocker  Glosse 
aufzustellen  Johannes  Freder,  den  ersten  evangelischen  Superintendenten 
von  Stralsund. 

ROSTOCK.  Ad.  Hofmeister. 


>)  Wiechmann  I,  200—202.  «)  Ebenda  II,  18.  19.  III,  153.  »)  Ebenda  II,  14. 
*)  Ebenda  I,  200.  *)  Mobnike  II,  45  zäblt  deren  13  auf,  drei  andere  bej  Wiecb- 
mann  III,  153.  •)  Wiechmann  II,  19.  ')  Ebenda  III,  159.  «)  Ebenda  I,  59/60.  92. 
95.    II,  14.    III,  195. 


122 


Niederdeutsehe  Hoehzeitsgediehte 

des  17.  und  18.  Jahrh.  aus  Pommern. 


Seit  etwa  12  Jahren  birgt  die  Universitäts-Bibliothek  zu  Greifs- 
wald in  ihren  Räumen  die  ursprünglich  41  Bände  umfassende,  neuerdings 
auf  152  Bände  erweiterte  und  'Vitae  Pomeranoram'  genannte  Sammlung 
des  am  20.  Juni  1786  verstorbenen  Tribunalpräsidenten  zu  Wismar 
Augustin  von  Balthasar  (vgl.  Pyl,  Pomm.  Gesch.-Denkra.  V.  S.  110). 
Hiervon  enthalten  die  Bände  1  bis  108  eine  grössere  Zahl  von  nieder- 
deutschen gedruckten  Hochzeitsscherzen  und  zwar  nach  Ausscheidung 
von  etwa  6  holländischen  Gedichten  gegen  36  plattdeutsche  in  zumeist 
ortsheimischen  Mundarten.  Ist  auch  die  Ausbeute  an  seltenen  oder 
unbekannten  Wortformen  gering,  so  finden  sich  doch  darin  mehrere 
den  Sprachforscher  wie  den  sittengeschichtlichen  Sammler  anregende 
Redensarten.  Vor  Allem  aber  legen  die  lebensfrohen  und  vielfach 
grobsinnlichen  Dichtungen  ein  beredtes  Zeugnis  ab  für  die  unversiegbare 
Frische  des  deutschen  Volkshumors,  hier  besonders  in  den  Kreisen 
altstädtischer  Patrizier  -  Familien,  pommerscher  Universitätslehrer, 
Studenten  und  Pastoren. 

Kaum  hatte  der  Rest  der  kaiserlichen  Truppen  am  16.  Juni  1631 
das  Land  geräumt,  da  erwachte  wieder  die  Freude  an  den  schon  im 
16.  Jahrhunderte  üblichen  gedruckten  Hochzeits  -  Carminibus,  welche 
meist  aus  Kollektiv-Dichtungen  von  je  2  bis  10  Verfassern  bestanden. 
Man  wählte  fortan  aber  nicht  mehr  ausschliesslich,  wie  bisher,  die 
lateinische  Sprache,  sondern  halb  etwa  diese,  halb  die  hochdeutsche: 
dann  hängte  sich  hie  und  da  ein  plattdeutscher  Schwank  an  die  Lieder- 
sammlung an,  bis  schliesslich  das  liatein  um  die  Mitte  des  17.  Jahr- 
hunderts fast  ganz  verdrängt  war. 

Der  im  17.  Jahrhunderte  besonders  rege  Verkehr  mit  den  freien 
Staaten  der  Niederlande  zeitigte  in  den  Seestädten  Stralsund,  Greifs- 
wald   imd  Wolgast    holländische    Glückwünsche    in    gebundener  Rede. 

Um  das  Jahr  1700  hörten  die  lustigen  Scherze  plötzlich  ganz 
auf,  zweifellos  im  Zusammenhange  mit  der  in  Vorpommern  Ausgangs 
des  17.  Jahrhunderts  herrschenden  orthodoxen  Theologie,  welche 
namentlich  in  den  Jahren  1701  bis  1712  von  dem  Generalsuperinten- 
denten Joh.  Fr.  Mayer  auf  das  Rücksichtsloseste  behauptet  wurde. 
Vollends  aber  war  der  von  Mayer  bekämpfte  Pietismus  lebensfrohen 
Liedern  abhold.    So  geschah  es,  dass  die  hochzeitlicheti  Glückwünsche 


123 

in  der  Sammlung  der  'Vitae  Pomeranorum'  bis  zum  Jahre  1728  ganz 
ruhten  und  dass  der  erste  und  letzte  plattdeutsche  Scherz  seit  1698 
erst  im  Jahre  1735  gedruckt  wurde. 

Nachstehend  erfolgt  ein  Verzeichnis  der  in  oben  genannten 
Bänden  befindlichen  plattdeutschen  Scherze  derart,  dass  der  Familien- 
name des  Bräutigams  in  alphabetischer  Folge  als  Richtsteig  gilt. 
Fehlt  irgendwo  die  Angabe  des  Formates,  so  ist  Quart -Format  zu 
verstehen. 

1)  AlTert,  Nikol.,  Pastor  zu  Kenz  bei  Barth,  VorpommerD ;  nxor :  Barbara  Regina 

Merzahn,  verw.  Krüger,  d.  1.  XII.  1690.  Anonymes  plattd.  Gedicht  von 
7  Strophen  in:  „Glückwünschender  Zarnff  ..."  beginnt:  „Ey  it  is  doch 
liedend  wacker  /  Prester  up  dem  Lande  syn.*  Gedruckt:  GreifiFswald  (1690). 
[Vitae  Pom.  Vol.  68.] 

2)  Bahde,   Ernst,   Pastor   zu   Bakow   bei   Grimmen,   Vorpommern;    ux. :   Eathar. 

Sophia  Plötz  seit  1691.  —  Kollektiv-Glückwunsch;  am  Schluss  der  Samm- 
lung wird  dem  „Sindicus  to  Rakow''  ein  niederd.  Gedicht  in  den  Mund 
gelegt.     Greiffswald  1691.     [V.  P.  Vol.  1.     (Nr.  25.)] 

3)  Boemer,   Job.    Christoph,    Apotheker   zu    Greifswald;    ux. :    Benigna   Mauss, 

Wittwe  d.  Apoth.  Gadebusch  ebend.,  am  6.  V.  1663.  —  Enthält  im 
Anschluss  au  lateiu.  Gedichte  plattdeutsch:  a)  ein  Zwiegespräch  zwischen 
zwei  Rüpeln:  dem  Pracher-Vogt  Herrn  Hans  Klien  und  Klags  Hagel- 
bargen, Sänger  in  der  langen  Rege  (Lauge  Reihe  eine  Vorstadtstrasse), 
b)  einen  Freudengesang  in  schwungvollen  daktylischen  Reimen,  c)  eine 
Zugabe  des  Kloster -Vaders,  besteh,  aus  einem  überaus  derben,  aber  schönen 
Gedichte.     Gryphiswaldiae  (1663).  —  [V.  P.  Vol.  4.     (Nr.  33.)] 

4)  Boetticher,  Job.,  Past.  zu  Voelschow  bei  Jarmen,  Vorpommern ;  ux. :  Christina 

Glant  27.  VII.  1685.  —  Titel:  „Schart -Gedicht  up  den  Ehren-Dag  .  .  . 
Johannis  Böttchers  .  .  .  Upgesett  van  enen  stern  goden  Fründe.  Gedrückt 
in  dissem  Jahr.*     (s.  1.  1685.) 

Dies  Gedicht  hat  ein  Vorbild  gehabt  in  dem  von  K.  E.  H.  Krause 
veröffentlichten  Rostocker  Sclierzgedicht  von  1650  auf  einen  Namenstag 
(Korresp-Bl.  d.  Vereins  Jahrg.  1886  S.  49 — 51);  es  ahmt  die  ersten  lat.- 
plattd.  Doppelzeilen  dieses  Vorbildes  fast  wörtlich  nach,  geht  dann  aber 
sehr  glücklich  seine  eigenen  Wege,  sodass  der  Inhalt  keine  Nachahmung 
bildet.     [V.  P.  Vol.  71.] 

5)  Brunst,  Job.,  Praepositus  u.  Past.  zu  Poseritz  a.  Rügen ;  ux. :  Margar.  Bolten 

11.  X.  1687.  —  Innerhalb  des  Kollektiv-Titels  /Paedae  ardentes  in  Nnptiis 
....  Brunst!  .  .  .  Gryphiswaldiae"  s.  a.  wird  scherzhaft  dem  „Cantor 
tho  Poseritz"  zugeschrieben  ein  „Hochtydlick  Radel-Leed  im  Thon:  Hans 
de  fleug  an  to  grienen,  als  he  syn  Greite  sach".  Das  Lied  enthält  ein 
Rätsel,  dessen  Lösung:  Brunst  und  Bolzen,  später  vereint  im  Plätteisen 
als  Brautbett.     [V.  P.  Vol.  4»  u.  Vol.  72] 

6a)  Bünsow,  Christoph,  Patrizier  zu  Greifswald ;  ux. :  Regina  Engelbrecht  den 
19.  II.  1656.  „Hertzliche  Glückwünschungen"  (3  Bogen  in  4*^)  worunter 
2  plattd.  Gedichte:  a)  12  Strophen  in  ostpreuss.  Mundart,  „Geschreven 
van  Haselio  Windsprung  ut  Thoren."  —  b)  Titel:  Een  eentfoldiget  .  .  . 
Recept  dem  Hart  -  Allerlevesten  Jungfern  -  Timmer  tho  nütte  in  disse  nye 
Forme  gegaten."     Greiffswald  (1656).     [V.  P.  Vol.  73.] 


124 

6b)  Dieselben  Brautleute:  Ein  Bogen  in  4**.  Titelbl.:  „Fruwen-Kolta.  Erste  Deel, 
Tom  ersten  mal  uppelegt  un  övergeveu  bi  der  Koste  der  dögentsahmen 
Brut -Lüde  Hern  Stoffer  Bünsowen  vn  J.  Eeginke  Engelbrecbts  im  Jahr 
1656.  Recht  im  bilgen  Fastelafeu  van  enem  godeu  Fründe  apenbahret 
unne  thom  Drück  befördert."  Dialog  zw.  „Geske*'  und  „ Talke*,  (s.  L) 
[V.  P.  Vol.  73.] 

7)  Biinsow  (Kaspar),  Patrizier  zu  Greifswald;   ux. :   Anna  S^hwartz  den  14.  X. 

1662.  In  ,, Hochzeitlicher  Ehren -Dienst''  enthalten  die  Abstattung-  e. 
Ehren-Trunkes  in  vorpomm.  Plattd.     Greiffswald  (1662).     [V.  P.  Vol.   73.] 

8)  Biinsow  (Samuel),  Past.     Neuenkirchen  bei  Greifsw. ;   ux. :  Katharina  Wendt 

d.  11.  IV.  1665.  U.  a.  zwei  plattd,  Gedichte.  Greiffswald  (1665).  [V.  F. 
Vol.  ö  Nr.  10] 

Für  die  Zeit  charakteristisch:  Sam.  B.,  der  Spross  einer  der  ältesten 
und  vornehmsteu  städtischen  Familien  endigte  bereits  nach  drei  Jahren 
(1668)  in  bitterster  Armuth  (Biederstedt's  Beyträge  z.  Gesch.  d.  Kirchen, 
1818,  Th.  IL  S.  90). 

9)  Eppeii    (Melchior),    Past.   zu   Gross   Luckow,   Kreis  Prenzlau;    ux. :    Dorotb. 

Sternhagen  i.  J.  1689.  —  An  der  Glückwunsch-Sammlung  betheiligen  sich 
fünf  hervorragende  Universitätslehrer;  zum  Schluss  steht  ein  anonym, 
plattd.  Gedicht  von  vierzehn  Strophen  mit  dem  Kehr-Reiro :  „Denn  Kosten- 
un  Gillen-  uu  Gastgebahds-Dag  Ick  alle  mien  Levdag  Tcrsühmen  uich 
mag.«     Greiffswald  (1689).     [V.  P.  Vol.  77.] 

10)  Flesch  (Otto  Ernst),  Laken-Händler  zu  Greifsw.;  ux. :  Anna  Ilsabe  V($Isehow 

den  18.  IX.  1695.  ü.  a.  ein  plattd.  Doppel-Gedicht.  Greiffswald  (1695). 
[V.  P.  Vol.  79.] 

11)  Gerdes  (Georg),   Pastor  zu  Wusterhusen   bei  Wolgast;   ux. :   Margar.  Caden 

den  4.  V.  1664.  Inhalt  u.  a.  ein  langes  plattd.  Gedicht  üb.  den  Floh: 
„En  Radeis  vp  den  Brudt-Disch  by  der  Braden  tor  Stippe  vörtosetten.* 
Gryphiswaldiae  (1664).     [V.  P.  Vol.  13.] 

12)  Hartwig  (Friedr.);  ux.:  Anna  Pöppelow  1656.     Titel:  „Ein  eintfoldich  Platt 

Pamersch  Gedicht  vp  den  Hochtydtliken  Ehren-Dach  Hern  Fredrick  Hart- 
wigen vnde  dessen  HartAllerleevesten  Jumffer  Annen  Pöppelowen  wol- 
menende  van  enem  godeu  Fründe  upgerichtet  unde  thom  Druck  beföddert 
im  Jahr  1656  des  2.  Harfstmahnds.  —  Vnde  up  de  Hochtydt  in  Anklam 
översaudt."  Inhalt  massig.  Zwei  Blätter  in  4°.  s.  1.  und  a.  [V.  P. 
Vol.  15  Nr.  22.] 

13)  Helwig  I.   (Christoph),   seit  1667  Prof.  med.   und   Stadtarzt   zu   Greifswald; 

ux. :  Anna  Regina  Henne,  Tochter  d.  Prof.  med.  Job.  Heune,  den  15.  X. 
1667.  Titel:  „Stippelisse  bye  de  Brade  üb  Hern  Doct.  Christoff  Helwigs 
unne  Juufer  Anna  Regina  Huninn  Hochtieddach.  Gedruckt  tho  Nullibi 
dorch  Niemand  im  Jahr  un  am  Dage  as  idt  was."  Zwei  Blätter  4^ 
[V.  P.  Vol.  17.] 

14)  Hoppe  (Mich.),   Kaufm.   zu  Wolgast;   ux. :   Anna   Schnitze  aus  Wismar    den 

4.  ni.  1644.  —  Die  Sammlung  „Epithalamia  in  Festivitatem  Nuptiarum  . .  .* 
enthält  zwei  plattd.  Scherze:  a)  „ Sonnet ''j  beginnend:  „Nu  Junfer  Anne, 
nu!  gy  möten  mau  toflyen;  b)  titellos.  Scherz,  beginnend:  „Idt  iss  in  der 
Fastlavend  Weken,  Dar  sick  de  Lüde  plegn  affsteken.''  Gryphiswaldiae 
1644.     [V.  P.  Vol.  84.] 

15)  Jo^l  y.  Örnstedt  (Phil.  Joach.),  Kgl.  Schwed.  Regier.-Rath ;  ux.  n. :  Brig^itte 

y.  Sparfeldt  i.  J.  1664.    —   Tttel:    „Öy ergeh leyene  Nege  up  de  Blecke 


125 


^v 


Koste  Hn.  Philip  Jochim  Joel  van  Öhrnstedt  nnde  Jnng^f.  Brigitten 
y.  Sparrfeld  van  ntten  npgegahten  dorch  Peter  Harm,  hochhetrugten  Ql&ser- 
wachter  hy  disser  Eöst,  süst  wolbestelteu  Holm  -  Schipper/  Ein  Blatt 
schmal  Fol.     s.  1.  und  a.     [V.  P.  Vol.  27.] 

16)  Kroekislns  (Balthas.),  Past.  z.  H.  Geist,  seit  7.  IL  1670  Pastor  bei  St.  Marien 

zu  Stralsund;  ux. :  Christine  Maria  Sehoner  12.  XL  1660.  —  In  der  Samm- 
lung „Bona  Verba  Taedis  .  .  .  Dni  B.  Krockisii  ..."  Ein  plattd.  Qedicht 
von  „C.  H.  H.  S.  P."     Stralsuudi   den    12.  Nov.    1660.     [V.  P.  Vol.  22.] 

17)  Ktthtz   (Daniel),   Pastor;   ux. :    Anna  Schaar  den  3.  VIL  1693   zu  Wrietzen 

an  der  Alten  Oder,  Titel:  „Dat  leve  Leves - Schaarwarck  der  Buhren  uu 
aller  Lüde  up  der  fröliken  Pie8ter-K(53te  (Tit.)  Herrn  Daniel  Kühtzen  un 
(Tit.)  Ihr.  Anneke  Schaaren,  de  den  3.  Julii  des  1693.  Jahrs  tho  Wrezen 
an  der  Ajer  geholden  word,  mit  eenfoldiger  Pahmerischer  Buhr-Sprake 
vörgedragen  van  Zippe  1-Tewes  Naber,  de  wol  wet  wo  he  sit."  (Oder- 
ländisches   Plattd.)     Zwei   Blätter   in   4°.     s.  L    (1693).     [V.  P.  Vol.  86.] 

18)  Lange  (NikoL),  Pastor  zu  Bauer  bei  Lassahn;  ux. :  Anna  Sophie  Blanck  den 

26.  IL  1691.  —  In  dem  Sammelhefte  (ein  Bogen  4*),  betitelt:  „Glück- 
wttnschender  Zuruff"  findet  sich  ein  längerer  plattdeutscher  Schwank,  worin 
einige  sprachlich  merkwürdige  Ausdrücke,  z.  B. :  „Man  sümmer  allen  kranckt : 
ick  bau  wol  gantz  verdwalet"  u.  a.     Greiffswald  (1691).    [V.  P.  Vol.  87.] 

19)  Nevellng   (Martin),    „Herr**;    ux. :    Regina   Sehwellengräbel   i.   J.    1661.    — 

Titel:  „Der  Stattinschken  Jnngferkens  Köste-Schincke,  geapicket  mit  ullen 
terretenen  Liefländischen  Scholappen;  Süst  ut  Nergeud-Laud  den  tweeu 
lewen  Brut-Lüden  Herrn  Martin  Newveling  un  Jungfer  Regina  Schwellen- 
gräbels  tho  sonderlicken  Ehren  van  eren  kenmahls  gewesenen  Keller-Kock 
upgesadent  ewergeschicket  .  .  .  van  enen  ullen  Cordewanischen  Flöhen- 
Griper.'     Zwei  Blätter  4^     s.  1.  1661.     [V.  P.  Vol.  27.] 

Beide  Brautleute  entstammten  altangesehenen  stettin'schen  Familien 
(15.  Jhdt.  f.).  Den  Schluss  des  derben  Scherzes  bildet  das  Wiegenlied: 
„Jussle  Pussle,  schlap  myn  Kinken,  Vnsre  Magd  gaf  hüt'  er  Münken 
In  eu  Winckel  unsren  Knecht:     Jnssle  Pussle  dat  iss  recht. ^ 

20)  y.  Örnstedt  s.  Nr.  15:   Joel  v.  Önistedt,   den  Urenkel  des  Prof.  med.  Franz 

Jo61  L,  eines  Hanptgegners  des  Paracelsisten  Thunieysser. 

21)  Plaster  (Samuel),  Past.  z.  Wartenberg  u.  Belitz,  Kreis  Pytitz;  ux. :  Dorothea 

verw.  Starcke,  geb.  Böhm,  Wittwe  des  Amtsvorgängers.  In  dem  Sammel- 
hefte u.  A.  ein  unbetiteltes  plattdeutsches  Gedicht,  unterschrieben:  „So 
schref  mit  dem  dreytünnigen  Knefelstaken  Schulten  Bisitter  vam  negsten 
Dörp.«     Stetini  s.  a.  (2.  Hälfte  17.  Jhdts.).     [V.  P.  Vol.  95.] 

22)  Saalbaeh   (Chrn.).   —   In  „Ehren -Bezeigung   Herrn   M.  Christiane  Saalbach, 

P.  P.  der  löbl.  Philosophischen  FacuUät  Decano,  und  der  Königl.  Universität 
Greiffswald  jetzigem  Rectori  Magnifico,  und  der  .  .  Jungf.  Evae  Lucretiae 
Greiggin,  als  dieselbe  den  4.  Decembr.  1683  ehelich  verknüpffet  wurden. 
Abgestattet  von  Nachgesetzten*'  (seil.  J.  H.  von  Greiggenschield,  C.  Eich- 
mann und  Pseudonym  (plattd.)  „Spinäus  Raderus")  ist  enthalten  ,Een  kort 
Rätzel  an  dat  söte  Junffer-Volck**  (Auflösung?),  s.  1.  s.  a.  [V.  P.  Vol.  13 
Nr.  33  (s.  V.:  Greigg).] 

23a)  Seherenberg  (Peter),  Kaufm.  zu  Alt  Stettin;  ux. :  Doroth.  Held  am  13.  IL 
1665.  —  In  , Hochzeitliche  Ehreugedichte  auf"  pp.  Unter  vier  Scherzen 
zwei  niederdeutsche  verschiedener  Mundart.  Alten  Stettin  (1665). 
[V.  P.  Vol.  100.] 


126 

23b)  Dieselben  Brautleute,  besondere  Druckächrift,  zwei  Bl.  in  4*^:  , Kosten- 
InföUe,  welcke  ick  all  vär  dre  Wäkeu,  as  ick  met  de  Bollinsche  Post  ver- 
reiset was,  un  met  den  vehlen  Schiedden  wedder  qvau),  gekregeu,  uu  dat 
di  de  Doht  hall,  ball  vergeten  had\  wau  ick  sillkes  au  enen  goden  Ohrt 
nicb  had  verteilen  hört,  Nu  öferst  sind  se  den  leven  .  .  .  Hochtied-Lüden 
tho  goder  Starcknng  upgesettet.  Vn  dat  gibt  glickwol  waten  roägen,  van 
wehm  dit  iss  gekahmen,  wull  ickt  ju  woU  seggen,  want  nich  sobn  umpQnt 
Wedder  wer;  doch  wat  frag  ich  dania,  ick  bin  nich  uth  dem  nhrolleu 
Jagdüfelscben  Geschlecht."  Auf  drei  Seiten  wird  nun  die  Brautuacht  mit 
einem  lustigen  Kriege  oder  Duell  verglichen,     s.  1.  s.  a.     [V.  P.  Vol.  100.] 

24)  Stegemann,  ux.:  UiUieli  den  20.  X.  1735.  —  Titel:  „Ass  Herrn  Steegmann 

siene  Brut  /  wurd  vam  Prester  angetrut,  /  wünschde  Glück  to  diessem 
Fest  /  Euer  van  de  Hochtieds-Gäst.  Hier  tom  Sund  wurd  dit  geschickt, 
Un  da  is  et  ook  gedrückt.  /  Den  20sten  in  Wien-Mand  1735."  (,tom 
Sund**   1736.)     Zwei  Bl.  fol.     [V.  P.  Vol.  37  Nr.  30.] 

25)  üeeker,  Johann,   Bürgermeister  v.  Stettin,   ♦   2.    IL    1634,   f   21.   I.    1703, 

erzogen  im  Collegium  Jagteuffelianum,  einer  Stiftung  des  i.  J.  1412  gest. 
Bürgerm.  Otto  Jageteuffel.  Auf  Letzteren  spielt  zweifellos  der  Anonymus 
in  dem  unter  Nr.  23  b  wiedergegebenen  Titel  an!  —  Scherz  -  Rätsel  auf 
Uecker's  Verlobung  im  J.  1666,  zwei  Bl.  in  4°:  „Kasten  Suerbroks  Bliuue- 
Koh:  dat  iss  vp  Dütsch  en  kleen  lustig  Tietverdrieff  vär  datt  sävenkloke, 
Hemmelhoch  wiessnäsige  un  schnippisch-püntlicke  JumfTern-Tüch,  so  sick 
up  Hu.  Johann  Vkers  un  Fr.  Margareta  Stubben,  Seel.  David  Schönings 
nagelatene  Widwe  hochtiedtlichen  Bradendach  herrnth  breiden  warn,  äver- 
schickt  vam  Baven  gedachten. **  Lösung  des  Rätsels:  der  Flach.««,  s.  1. 
s.  a.     [V.  P.  Vol.  39] 

26)  Völschow,  Moritz,  Patrizier  zu  Greifsw. ;  ux. :  Elisab.  Meehow  5.  VII.   1647. 

—  Kollektiv -Gedichte,  darunter  zum  Schluss  ein  sangbares  holländisches 
„Bruylofs  Liedt  op  syn  eegen  Wise"  und  ein  Scherz  in  vorpommerscher 
Mundart  mit  dem  Nachsatz:  „Vp  der  Galleyen  gemaket  van  Ty eschen,  der 
Schipperschen  vam  Stralsuun."     Greyffswald  1647.     [V.  P.  Vol.  107.] 

27)  Yolz,   Friedr.,   Hofgerichts  -  Advokat   zu  Stargard;   ux. :   Anna  Marie  Mollen 

Tochter  des  Bürgermeisters  M.  zu  Greifenberg,  den  13.  X.  1673.  —  In 
„Thalassus  hymeneus  Festivitati  Nuptiarum  ..."  pseudonym  unter  ,  Görries 
van  Tunnenbuhr"  ein  plattd.  Rätsel  (Lösung:  Mörser  des  Stadt-Apothekers 
zu  G.),  scheinbar  im  Dialekt  von  Greifenberg.  Stargardiae  (1673).  [V.  P.Vol.  39.. 

28)  Wagner,  Job.  Chph.,  Magist.  Philos. ;  ux. :  Anna  Gabriel,  Witwe  des  Hofger- 

Adv.  Johann  Fabiicliis,  den  21.  IV.  1662.  —  In  „Hochzeitl.  Glückwünsche" 
enthalten:  „Jädens  Fiendes  Radeis  Schrifftken  thor  Braden  -  Stippe  den 
Jungferkens  by  dijer  Brut-lach  upge^^ateu  un  iugedahn  van  Hansen  des 
Radelstückgens  Halfbroder''  (Rätsel  in  gebundener  Rede).  Alten  Stettiu 
(1662).     [V.  P.  Vol.   108.] 

29)  Wendt,  Matthäus,  J.  U.  D. ;  ux. :  Soph.  Kathar.  Meyer.    Vermählt  zu  Starganl 

15.  XL  1670.  —  In  „Hochzeitl.  GlückwüuschuDgen"  ein  plattd.  Rftusel 
(über  den  Krebs)  u.  d.  T. :  „Ehn  verdecket  Etend  vor  dat  leefleke  Fruwen- 
Timmer^  Am  Schluss:  „Thogericht  van  Jim  Kaker".  Alten  Stettin  (1670). 
[V.  P.  Vol.  108.] 

30)  Westphal,   Peter,   Magister   und   Rektor   der   Greifswalder  Stadtschule;    ux. : 

Anna  Margar.  Brunst  den  12.  VII.  1698.  —  „Lust-  nun  Schertz-Ode  van 
dei  verdreitlike  Schaul  -  Arbeit.     Sülkes    hefft    in    Bronsewieker  Sprake  nt 


127 


recht  oprichtigen  diUsken  Harten  npsetten  wollen  dei  da  hett:  Ick  lefde 
leiver  im  Bronsewiekskeu  Holte."  Eine  lauge  nnd  gute  Ode  in  Braan- 
schweig'scher  Mundart.  —  Vgl.  Lehmann,  Gesch.  d.  Gymnas.  zu  Gr.  82 — 86. 
Ein  Blatt  gross  2^     GreifiFswald  (1698).     [V.  P.  Vol    40.] 

31)  WItton  (Joh.),  Fast,  zu  Crummin  auf  Usedom;  nx. :  Burbara  Clese  den  I.  IX. 
Iö96,  Tochter  des  (1680  t)  Stadtrichters  Pet.  Ciese  zu  Anklam.  In  „wol- 
gemeinte  Gedancken  pp.''  ein  sehr  gewandtes,  sprachlich  ziemlich  modernes 
plattd.  Poem  aus  der  Feder  des  Bruders  der  Braut:  P(aul)  C(iese),  L.  L. 
Stud.  —  Der  Dichter,  geb.  26.  März  1670,  starb  als  Advokat  zu  Rostock 
d.  3.  Dez.  1746;  er  schrieb  namentlich  das  Manuale  exceptionum  foreusium 
(zwei  Auflagen)  und  (1699)  eine  summarische  Relation,  was  in  Pommern 
sich  von  1024  bis  1637  jährlich  zugetragen  hat.  Zwei  Blätter  in  Folio. 
Alten  Stettin  (1696).     [V.  P.  Vol.  40.] 


Aus  Nr.  6. 

Glückwunsch  an  Herrn  Christo fter  Bünsow  und  Jungfer 
Regina  Engelbrecht  zu  Greifswald  auf  „dero  hochzeitlichen  Ehren-Tag 

den  19.  Febr.   1656": 

Stulto  quoties  delectari  volo,  me  video.     Seneca. 

1.  Alss  eck  op  dem  Bedd*  noch  schlepe,        2.  Kum  alss  he  nii  dat  vorsede, 


Mi  eu  goder  Fründ  tho  repe: 
Broder,  ey  du  most  opstahn 
On  met  mi  thor  Kesting  gähn! 

3.  Solcke  Lüde  möten  stutzen, 
Tho  gefallen  seck  utputzeu: 
Opgesettet  Haar  on  Bart 
Mot  syn  na  FrantzOscher  Art. 

6.  Schall  eck  mi  nich  Ansehn  maken  ? 
Stahuen  mi  doch  wol  de  Saken : 

Min  Hembd  wi  en  Wagen-Rad 
Hängt  vor  ut  bet  en  dat  Fat. 

7.  Wat  schall  minen  Schoen  schaden  ? 
Voren  syn  se  wie  en  Spaden 

On  et  mangelt  nich  gar  vehl, 
Dat  se  syn  dreverdel  Ebll. 

9.  Wat  schall  eck  mi  nu  bedreven? 
3Ianchet  Macken  werd  mi  leven; 
Doch  de  nich  es  rick  on  fyn, 
Schall  my  nich  gewassen  syn. 

11.  Jungfern  syn  bahld  tho  vexeren, 
Laten  lichtlich  seck  verföhren, 
Dencken :  wie  dat  Haar  en  Perdt, 
DatdatKled  den  Mann  magktwerth. 


Eck  de  Nestlen-Brock  anlede, 
Dacht:  du  scbalt  wat  mehrers  syn, 
Gähnen   nich    wie  andre  Schwiti. 

4.  De  Geroch  ock  nii  erfrewet, 
Wenn  met  Polver  wit  bestrewet 
Es  dat  angel echte  Haar, 
Dat  erst  enes  Dewes  war. 

6.  Wenn  eck  man  gab  op  der  Straten, 
Hör  eck,  dat  de  Lüde  prateii: 
Op  dem  Fod  de  Kappen  stabn 
Runder   alss   de  Hoif  vam  Mahn. 

8.  Darmet  kan  eck  mi  wol  beckeu 
On  thom  Reverentzen  Schecken; 
Jeder  secht:  eck  dantz  so  wyss 
Wie  de  Krehg  op  blanckem  Yss. 

10.  Wer  met  Sammet  kommt  opstiegen, 
Kau  en  ricket  Macken  kriegen: 
Denn  de  schöne  Ogen-Weyd 
Macht  den  Mädkens  Lost  on  Freyd. 

12.  Ey  so  well  eck  nich  verzagen, 
Well  drob  fresch  benennen  wagen: 
Eck  wet  dat  gewiss,  en  Brut 
Werd   mi  dardorch  noch  vertrat. 


In  Eyl   in   den   kalten  Hunds -Tagen  geschreven  van  Haselio  Windsprung 
ut  Thoren." 


128 

Aus  Nr.  17. 

„Dat  leve  Leves-Schaarwarck  der  Buhreii  un  aller  Lüde  up  der  fröliken 
Prester-Köste  (Tit.)  Herrn  Daniel  Kühtzen  un  (Tit.)  Jfr.  Anneke 
Schaaren,  den  3.  Julii  des  1693.  Jahrs  tho  Wrezen  an  der  Ajer  (!) 
geholden  word,  mit  eenfoldiger  Pahmerisclier  Buhr-Sprake  vörgedragon 
van  Zippel-Tewes  Naber,  de  wol  wet  wo  he  hit: 

Et  schaarwarckt  sick  jo  so  tho  dissen  unsen  Tyden; 
Men  will  nun  ock  darmit  uns  arme  Buhren  bruden: 

Wann  wi  den  gantzen  Dag  tho  Hafe-Deenst  gegaho, 

So  will  de  Scharwarcks-Deenst  doch  ock  noch  syn  gedahn. 
De  Juncker  schenckt  uns  nist  by  levendigem  Lyve: 
Un  schaarwarckt  dan  de  Buhr  by  sinem  eegnen  Wyve, 

So  nimmt  de  Juncker  flucks  dat  Balg  thom  Underdahn, 

Dat  enem  up  de  Wyss  dat  Schaarwarck  mücht  vergahn. 
Mien  Naber  Zippel-Tews  hefft  Föffthein  leve  Bälge 
In  sinem  Kaken  gähn:  De  Juncker  (den  Gott  delge) 

Kam  eens  van  achter  tho  un  wull'  de  Bälge  sehn : 

Dar  beefde  minem  Tews  de  Kop  un  Hand  un  Been; 
He  wüst'  nich,  wat  he  schull  in  sülker  Hast  bedriwen: 
He  nam  der  Bälge  Fyff  un  stülpt  se  unnert  Kufen ; 

Fyff  andre  kröpen  all  in  dat  Back-Afen-Loch 

Un  Fyfe  stuniien  dar  för  unsem  Juncker  noch. 
De  sede:  „Tewes,  sind  dat  alle  dine  Kinner? 
Bekenne  mi  man  recht:  heffstu  nich  mehr  noch  nimmer 

As  disse  Fyff  alleen?"    He  krabbd'  sick  in  den  Kop 

Un  dacht' :  wat  schaltu  dohn,  du  arme  Dudendop  ? 
„Ja,  Juncker,^  (sede  he,)  „ick  kan  se  so  nich  räken, 
Der  mägen  hier  un  dar  noch  wol  so  welke  steken:" 

He  seed',  de  Juncker  schull  in  den  Back-Afen  sehn; 

Dar  burrden  Fyff  heruth  recht  ass  de  jungen  Spreen. 
Dun  bährd'  he  't  Kufen  up;  dar  schurrden  ock  de  Fyfve 
Ass  een  llaphöner-Volck  dicht  weg  by  sinem  Lyve. 

„Nu,"  (seed'  de  Juncker,)  „nu:  wer  sone  Mandel  het, 

De  heffst  mi  doch  (Gott  loff)  mien  Dürp  noch  wol  bcsett!" 
„Ja,  Juncker,"  (sede  Tews,)  „ick  mut  juw  Hker  seggen: 
Gl  muten  mi  jo  nich  thom  quaden  dat  uthleggen, 

Dat  ick  veel  Kinner  hcbb';  se  sind  so  uth  gestaakt 

Un  allthomietzsche  mahl  by  Schaarwarcks-Tydt  gemaakt. 
An  Juwem  Hafe-Deenst  iss  nist  darby  versümet: 
Et  hefft  sick  jiimmer  so  getlaschct  un  gerimet, 

Dat,  wan  ick  kam  tho  Huuss  un  et  Fier-Avend  wass, 

Ick  dan  un  wan  noch  steeg  mit  Modern  up  den  Tass. 
Wo  darvan  jümmcr  nu  de  Gören  sin  gekamen, 
So  kan  ick  nich  darför;  Juw  hebb'  ick  nist  genamen 

Tho  miner  Lenden-Sterck ;  by  mi  iss  alles  goot, 

Wan  ick  man  hebben  kan  dat  leve  Keess  un  Brodt." 
„Ne"  (seed'  de  Juncker,)  „ne,  so  böss  ist  nich  gemenet; 
bat  du  veel  Kinner  heffst,  dar  is  mi  mit  gedenet: 

So  mannig  Dochter,  Sühn,  so  mannig  Uuderdahn; 

Ick  wull,  se  hedden  all'  so  veel  ass  du  Cumpahn." 
Dun  dacht  ick:  groote  SüUck!    Schall  men  de  Kinner  maken 
Tho  unscs  Junckers  Deenst,  un  doch  ook  plügen,  haken, 

Un  bringen't  Schaarwarck  ook  un  Scheerwcrck  int  geschick: 

So  huir  dat  mit  der  Tydt  en  ander  uth,  nich  ick. 
De  Lüde  in  der  Stadt  de  hebben  bet're  Dage, 
De  weten  jo  wol  nich  van  unser  Buhren-Plage : 


m 

De  könen  Koste  dohn,  scharrwarcken  jümmer  hen, 
Wol  iss  de  Se  un  de  ook  ere  Kinner  kenn? 

De  Presters  allerdegs  de  känent  ook  nich  laten, 

Un  wan  men  eu  ock  schüir  dat  Unuss  för  enen  Katen: 
Dat  Schaarwerck  steckt  en  doch  ock  jümmer  in  dem  Kop 
Wann  reets  de  Kop  studeert  doch  prekelt  Leev  im  Krop. 

Ick  was  nu  in  Berlin  tho  Marckt  mit  unsem  Vajer, 

Dar  seden  mi  de  Lud' :  tho  Wrezen  an  der  Ajer 
Dar  war  en  Prester-Mann,  de  heet  Herr  Daniel, 
De  hedde  hier  gekoift  en  schmuck  Jung  Jumfern-Fell. 

Ick  froog:  „Wo  hith  de  BruthV"     Se  seden:  „Anna  Scharen"; 

.ta,  ja,  (dacht  ick,)  mien  Kind,  gi  warrent  wol  erfahren, 
Wat  dat  för  Schaarwarck  geeff;  men  kant  tho  Wrezen  oock, 
De  Presters  weten  dar  oock  Raht  für  Rock  un  Brook. 

Hört,  Jumfer  Anneke,  juw  Nähme  wart  gelesen 

Van  hinnen  ass  van  förn;  lath  Juw  nich  bange  wesen: 
Dat  Scharwarck  gifft  sick  wol ;  want  hefft  juw  Mann  studeert 
So  deit  he  wol  so  veel,  dat  he  de  Kunst  Juw  lehrt. 

Un  gi,  Herr  Daniel,  denekt,  dat  dit  leve  Kindken 

Veel  Zucker  heift  geschmeckt  mit  sinem  Zucker-Mündken 
Fort  van  der  Kindheit  an;  un  so  denekt  ook  darby, 
Wo  zucker-söth  dat  Hart  in  erem  Lyve  sy. 

Schaarwarcket  wol,  Herr  Kühtz,  mit  Jumfer  Annke  Scharen, 

De  Leve  trute  Gott  de  wuUe  Juw  bewahren 
För't  Buhrcn  -  Scharen -Warck;  He  geve  Juw  en  Schaar 
Mit  Lyff  un  oock  mit  Seel  na  een  Dre  Vardel  Jahr! 

Aus  Nr.  22. 

Aus :  „Ehren-Bezeigung  Herrn  M.  Christiano  Saalbacli,  P.  P.  der  Löbl. 
Philosophischen  Facultät  Decano,  und  der  Königl.  Universität  Greiffs- 
wald  jetzigem  Rectori  Magnifico,  und  der  Wohl-Edlen  Jungfer  Jungf. 
Evae  Greiggin,  als  dieselbe  den  4.  Decembr.  1683  ehelich  verknüpffet 

wurden'' : 

„Een  kort  Rätzel  an  dat  söte  Junifer-Volck." 

Kuhm  was  ick  hüden  frü  uth  minen  Posen  krapen, 

Da  quam  för  mick  een  Ding  sehr  kruhs  und  bund  gesckapen, 

Dat  hadd  nich  Kopp  nich  Hand,  dat  was  nich  Mann  nich  Wieff, 

Doch  lyckvol  düchte  my,  et  hädde  recht  een  LiefF. 

Mick  ahnd',  et  sehd  to  my:  Ick  schul!  by  diäser  Koste 

Mick  dner  nemen  an  und  spreken  doch  dat  beste 

By  disser  Brüht,  wiel  Se  Em  vertyds  leef  gehat, 

Dat  Se  Em  künfftig  ock  mitdeelde  eene  Gnad. 

So  möcht  de  olle  Leef  by  Ehr  nich  rustern  laten 

ün  nemen  em  ock  mit  in  Eeren  nyen  Katen, 

He  wull  van  Harten  gern  alltyd  na  Eerem  Sinn 

Bedriven  dat  alleen,  wat  Eer  kehm  to  Gewinn. 

Darto  wull  he  ock  gehrn  vergeten  und  vergewen, 

Wat  Se  för  Hartcleed  Em  hedde  togedrcwen 

Wo  Se  Em  angespygt,  byr  Nase  ümgekeert, 

De  Haare  uthgeröpt  un  trefflick  sehr  vexeert. 

Se  schull  man  för  de  Küll  Em  eene  Mütze  gefen, 

Wat  süss  sien  Lieff  bedürffd'  an  Unnerhold  to  lefen, 

Dat  wehr  een  schlichter  Drunck,  darto  een  dünne  Reep, 

Dat  spand'  he  ümhet  Lieff  un  so  tor  Arbeet  greep. 

Drum,  Junffer  Brut,  wyl  gy  juw  immer  öffer  Armen 

Nlederdentsches  Jahrbuch.    XIX.  Q 


m 

Un  de  Nohtliedende  noch  pleget  to  vorbannen, 
So  stelVt  ju  nu  ock  so  by  mynem  Bidden  an, 
Dat  man  ju  nah  als  för  noch  beeter  lawen  kan. 
Jjaht  't  dissen  ollen  Knecht  noch  länger  by  ju  lewen, 
Gy  därifen  Em  jo  nich  veel  Lohn  noch  Freeten  gewen! 
Ick  hape  wo  he  ju  man  wedder  ward  bekand, 
So  gryp  gy  recht  nach  Em  mit  süt  un  lefer  Hand.  — 
Ju  andern  Junffern-Volck  bidd  ick  uht  Harten-Grundc, 
Dat  Gv  dit  raden  wulVt  un  denn  mit  söten  Munde 
Myn  Bidden  drifct  fort,  wyl  gy  recht  hebbt  gelehrt. 
Wo  eener  bidden  skall,  süst  ward  ick  ganz  verstört. 

Den  beeden  Bruth-Lüdden  to  Eren  lebt  dit  uhtlopen 

Spinäus  Raderus.*' 

GREIFSWALD.  Karl  Adam. 


1B1 


Mittelniederdeutsche  Margareten- 
Passion. 


In  der  Bibliothek  des  Domes  zu  Fürstenwalde,  wo  von  1385 
an  der  Sitz  eines  Erzbischofs  war,  fanden  sich  in  dem  Umschlag  eines 
Buches  zu  Deckelpappe  zusammengeklebt  achtzehn  Blätter  in  Oktav, 
deren  Inhalt  mittelniederdeutsche  Bruchstücke  teils  in  Versen,  teils 
in  Prosa  sind.     Derselbe  Einband  umfasst  zwei  Werke: 

1)  Der  Ordinanden  Examen  wie  es  kii  Wittenberg  gehalten  wird  n.  s.  w. 
Geschrieben  durch  Herrn  Philipp.  Melan.  —  Gedruckt  zu  Leipzig  durch  Jacobuni 
ßerwaldt. 

2)  Die  Heupt- Artikel  Christlicher  Lere  Frageweise  gestellet  durch  Jolran. 
Spangenberg  u.  s.  w.  Wittenberg  1501.  —  Gedruckt  zu  Wittemberg  durch  Veit 
Creutzer. 

Die  erste  handschriftliche  Einzeichnung  ist  datiert  vom  24.  Dc- 
cember  1573;  leider  ist  aber  die  Namensunterschrift  nicht  mehr  zu 
entziffern.  Das  Wasserzeichen,  das  den  Blättern  der  Handschrift  ein- 
geprägt ist,  stellt  einen  gotischen  Bogen  dar,  der  ein  Kreuz  umschliesst 
und  oben  in  eine  Kreuzblume  ausläuft.  Einige  andere  Papierblätter, 
welche  ausserdem  noch  zum  Bekleben  der  Deckel  verwendet  wurden, 
haben  als  W^asserzeichen  das  kursächsische  Wappen.  Die  in  der 
Handschrift  enthaltenen  Bruchstücke  sind: 

1)  335  Verse  einer  Margareten-Passion; 

2)  378  Verse  eines  Anseimus,  entsprechend  dem  V.  45  bis  424 
des  von  Lübben  herausgegebenen  Anseimus  (Zeno  etc.  Ancelmus,  vom 
Leiden  Christi.     3,  Aufl.     Norden  1885); 

3)  der  Anfang  von  „Buschmans  Mirakel"  Cp.  1 — 3  bis  zu 
den  Worten:  „vnde  wolde  em  mer  vraghen^^  vgl.  W.  Seelmann  Ndd. 
Jahrb.  G,  32  ff. 

Da  der  Dialekt  des  Prosastückes  mit  den  Versen  genau  überein- 
stimmt, so  muss  man  annehmen,  dass  dies  der  Dialekt  des  Schreibers 
oder  dessen  war,  der  die  Sammlung  veranstaltete.  Seine  Sprache  ist 
im  wesentlichen  frei  von  Umlaut  und  steht  in  dieser  Hinsicht  etwa 
auf  derselben  Stufe  wie  der  Reineke  Vos.  Allerdings  stehen  über  (^m 
u  oft  die  Striche,  welche  bei  uns  jetzt  das  ü  bezeichnen;  aber  diese 
Striche  sind  in  damaliger  Zeit,  wie  Lübben  nachgewiesen  hat  (Zeno 
S.  XVII  und  Ndd.  Jahrb.  4,  41  ff.),  nur  diakritische  Zeichen,  welche 
n  und  u  scheiden  sollen,  und  finden  sich  auch  in  lateinischen  Hand-  . 
Schriften.  Dazu  stimmt,  dass  in  unserer  Handschrift  auch  düüe  und 
ihthir  geschrieben  wird,  wo  n  für  ein  v  stellt.     Auch  der  Umlaut  von 

9* 


132 

0  erscWeint  garnicht.  Einmal  freilich  liest  man  äuer  Marg.  477,  wo 
aber  die  Striche  von  zweiter  Hand  hinzugesetzt  sind;  ursprünglich 
stand  auer  da,  was  noch  sehr  oft  vorkommt.  Sicherlich  wird  der 
Umlaut  nicht  bezeichnet  durch  ein  dem  o  nachgesetztes  e.  Aber  auch 
Schröders  Ansicht  (Reineke  Vos  S.  XVII),  dass  dieses  e  die  Vokallängc 
bezeichne,  kann  nicht  als  allgemeines  Gesetz  hingestellt  werden.  Für 
westdeutsche  Handschriften  mag  die  Regel  gelten,  da  dort  nieder- 
ländische Schreibung  angenommen  wurde.  Aber  in  ostdeutschen  Hand- 
schriften bezeichnet  dieses  e  sicher  einen  gesprochenen  Laut.  Neben 
kryech  findet  sich  „fyit  Zeit^  (Frankfurt.  Cod.  dip.  Brand.  XX,  S.  20S), 
neben  raet  auch  rait  (Hamburg.  Cod.  dip.  Lubec.  V  Nr.  202).  Diese 
Form  entspricht  genau  dem  niederrheinischen  Dialekte,  in  dem  doch 
auch  die  Diphthongierung  ursprünglich  durch  Nachschlag  eines  Vokals 
entstanden  ist.  Zur  Gewissheit  aber  wird  diese  Ansicht,  dass  jenes 
e  wirklich  gesprochen  wurde,  durch  einige  Beispiele  erhoben,  in  denen 
zwischen  das  nachgeschlagene  e  und  den  vorhergehenden  Vokal  ein  h 
gesetzt  ist:  ohen  =  oen  eis  (Salzwedel  C.  D.  B.  XIV,  636),  ohetien 
(ebfenda  Nr.  642),  oheme  (Nr.  660),  dohem  *Dom'  (Nr.  685).  In  der 
Mark  also  war  sicherlich  dieses  e  nicht  ein  orthographisches  Zeichen, 
sondern  ein  gesprochener  Laut,  den  man  noch  jetzt  in  der  Sprache 
hören  kann. 

Wichtig  für  die  Bestimmung  der  Zeit,  in  der  die  Fürstenwalder 
Handschrift  entstand,  ist  ferner  der  Umstand,  dass  hier  schon  durchweg 
ein  betontes,  in  offener  Sin)e  stehendes  kurzes  o  zu  a  geworden  ist< 
vorlaren  (Marg.  80)  und  alle  ähnlichen  Participia,  lauede  lobte  (M. 
253),  dagegen  loitcn  glauben  (Ans.  20),  grsaleth  (Busman),  gades  (M. 
249),  gade  (M.  97),  gaden  (M.  105)  u.  s.  w.,  nur  goden  (M.  64)  und 
affgoede  (M.  27  u.  87);  bade  (Gebote  (M.  297),  baden  *Butte'  (M.  359), 
vagel  (M.  55),  vrame  (M.  272),  graue  'grobe'  (Ans.  155),  apen  CM. 
252)  u.  s.  w.,  dauendich  (M.  350),  auer  (M.  269)  u.  s.  w.  In  diesen 
Worten  ist  eine  Lautwandlung  wirksam,  welche  sich  bekanntlich  im 
Laufe  des  15.  Jhdts.  über  das  ganze  (iebiet  des  Niederdeutschen  ver- 
breitet hat  mit  Aussc^hluss  des  Südens.  Natürlich  konnte  dieses  a 
auch  innerhalb  des  Gel)ietes,  in  dem  es  herrscht,  nur  so  weit  das 
ursprüngliche  o  verdrängen,  als  dieses  nicht  schon  zu  ö  geworden  war. 
Die  Ausbreitung  des  a  zeigen  sehr  übersichtlich  schon  die  hierher- 
gehörigen Ortsnamen:  Wigersrade  in  Holstein:  Wigersrode  (Cod.  diji. 
Lubec.  V,  524.  1415),  Steinrade  bei  Lübeck:  Stenrode  (ebd.  V,  277. 
1409),  Dakendorf  bei  Lübeck:  Dokemdorpe  (ebd.  VI,  801.  1418)  n. 
nakendxnppc  (VIII,  399.  1447),  Gadebusch  in  Mecklenburg:  Godelms 
(ebd.  V,  653.  1408),  Bergrade  bei  Lauenburg:  Berkrode  (ebd.  VI,  67. 
RfS),  Radt  in  Westfalen:  Rode  vor  dem  uolde  (ebd.  VI,  534)  und 
Royde  vuv  dem  walde  (Lacomblet  Urkundenbuch  IV,  127.  1423),  Gräf- 
rath  bei  Elberfeld:  Greucroide  (ebd.  IV,  40.  1403),  Wickrath  bei 
Kheydt:  Wyckerode  (ebd.  III,  95.  1310),  Anrath  bei  M.-Gladbach : 
Anrode  (el)d.  IV,  628.  1161),  Herzogenrath  bei  Aachen:  Hertogenrodc 
(ebd.  IV,  548.  1544).     Gerade   diese  Namen  auf  rode   sind   in  dieser 


133 

Frage  sehr  lehrreich,  wenn  man  sie  mit  däuischom  IJUleröd,  mit 
schwedischem  Mellerud  und  mit  den  Harzischen  Orten  aul*  rode  ver- 
gleicht. An  den  äussersten  Vorbergen  des  Harzes  also  und  an  den 
Wesergebirgen  ist  die  Bewegung  zum  Stillstand  gekommen;  sie  er-- 
scheint  auch  in  dem  nördlichen  Teil  der  Rheinprovinz,  während  das 
eigentliche  Westfalen  davon  frei  blieb.  Damit  stimmen  die  Urkunden 
vollkommen  überein;  Braunschweig  (ÜB  her.  von  Hänselmann-  1872), 
W^ernigerode  (ÜB  her.  von  E.  Jacobs  1891),  üöttingen  (ÜB  her.  von 
G.  Schmidt  1863  u.  68)  kennen  das  a  an  Stelle  des  o  nicht;  einige 
Beispiele  bleiben  so  vereinzelt,  dass  sie  die  Hegel  nicht  umstossen. 
Ursprünglich  betraf  diese  Assimilation  aber  nur  diejenigen  o,  welche 
aus  kurzem  u  durch  folgendes  a  oder  6  umgelautet  waren.  Ob  bislatenun 
der  Merseburger  Glossen  hierherzuziehen  ist,  muss  bezweifelt  werden, 
da  es  von  der  hier  besprochenen  Lautbewegung  um  300  Jahre  ge- 
schieden ist  (Heyne,  Kleinere  altniederdeutsche  Denkmäler  Paderborn 
1877  S.  97).  Das  älteste  mir  aufgefallene  Beispiel  ist  gades  in  einer 
urschriftlichen  Urkunde  Waidemars,  die  zu  Spandau  1318  gegeben  ist 
(Cod.  dip.  Brandenb.  XXIII,  16);  dann  ayentKH',  vramen  in*Salzwedel 
(C.  D.  B.  XIV,  223.  1373).  Doch  bleiben  diese  Formen  noch  lange 
vereinzelt.  In  Salzwedel  werden  die  Beispiele  häutiger  1427  (Nr.  312), 
und  um  1444  (Nr.  341)  ist  die  Lautwandlung  dort  ganz  durchgeführt 
(tq)€iibar,  yade^  laue^  auer,  frameriy  hovalen,  toJcamendeHj  kameti,  vth- 
ganamen)  und  um  dieselbe  Zeit  auch  in  Stendal  (C.  D.  B.  XV,  315. 
1439).  Die  Altmark  scheint  also  mit  der  helleren  Aussprache  des  o 
den  Anfang  gemacht  zu  haben.  In  Lübeck  tritt  dieselbe  viel  später 
auf;  die  Ratsurkunden  um  1450  kennen  sie  nicht,  ebensowenig  das 
ganze  nördliche  Gebiet  des  Niederdeutschen,  das  man  aus  dem  Cod. 
dipl.  Lubecensis  gut  übersehen  kann.  Das  Zeitwort  halen  darf  nicht 
dagegen  geltend  gemacht  werden,  weil  darin  das  a  ursprünglich  ist, 
ebenso  nicht  das  Participium  bevalen,  da  schon  das  Präsens  bekanntlich 
häufig  ein  a  hat.  Die  Aussprache  des  Volkes  scheint  allerdings  auch 
in  Lübeck  um  1450  heller  gewesen  zu  sein.  So  erklärt  es  sich,  dass 
der  Lübische  Syndikus  Arnold  van  Bremen  in  einem  Privatbriefe  schon 
öfter  a  statt  o  setzt  1447  (C.  D.  L.  VIII,  454).  Unter  den  17  aus 
Bremen  und  Oklenburg  stammenden  Gedichten,  die  Lübben  heraus- 
gegeben hat  (Mittelniederd.  Ged.  Oldenburg  18()8),  hat  nur  das  vierte 
einige  Beispiele  des  a,  die  übrigen  kein  einziges.  Ziemlich  häufig  hat 
dann  a  statt  o  das  Redentiner  Osterspiel,  das  1464  entstanden  ist, 
dessen  Handschrift  aber  nicht  vom  Dichter  selber  herrührt.  Auch  das 
Lübecker  Passional  von  1492  zeigt  schon  Vorliebe  für  «;  und  ganz 
durchgeführt  ist  die  Lauttrübung  in  der  Lübecker  Bibel  von  1494. 
Es  ist  zwar  bedenklich,  aus  alten  Drucken  über  die  Sprache  der 
Druckorte  Schlüsse  zu  ziehen.  Aber  die  Lübecker  Bibel  stimmt  in 
dieser  Hinsicht  genau  zu  den  Urkunden,  die  ungefähr  aus  derselben 
Zeit  stammen.  Die  aus  dem  Lübecker  Wettebuche  von  1527  mitge- 
teilten Urkunden  (C.  D.  L.  II,  1  S.  354  u.  355)  haben  alle  Beispiele 
des  betreffenden  o  zu  a  verwandelt:  bauen,  angenamen,  auertryt;  ebenso 


134 

die  in  dem  Coi)iarius  von  1530  enthaltenen  Urkunden  (C.  D.  L.  IK 
1  S.  VIII  u,  IX):  vaget  (dreimal),  gadeahuses^  auereynkamen.  Die 
Bibel  scheint  also  in  der  That  im  Lübecker  Dialekt  geschrieben  zu  sein. 

In  dem  Ostfriesischen  Urkundenbuche  (her.  von  Friedländer 
Emden  1878)  linde  ich  in  Originalen  bis  1400  kein  a  für  jenes  o; 
unter  den  Urkunden  des  Jahres  1400  verliert  sich  das  einzige  hauen 
(N.  172.  25.  Mai  Jever)  ganz  und  gar.  Auch  im  Jahre  1450  lese  ich 
nur  das  einzige  apenhar  (Nr.  622.  24.  Jan.  Die  Häuptlinge);  denn  die 
Abschriften  632  und  634  koimen  nicht  massgebend  sein.  Sogar  noch 
1490  ist  a  nicht  zu  häufig:  Nr.  1264  auer^  Gades^  prauest,  ghebaren 
neben  gheboren;  denn  es  erscheint  ausser  in  der  Abschrift  1273  nur  o. 
Erst  in  den  Urkunden  von  1500  ist  a  statt  o  überwiegend  in  der 
Sprache 'des  Volkes:  Nr.  1667  (Testament  des  Barnecate)  apenhar^ 
apenen^  Gades  (dreimal),  Gade,  vramen^  vthgenamen^  aver^  bauen^  baren^ 
während  in  anderen  Urkunden  noch  immer  beides  neben  einander 
hergeht.  Ostfriesland  scheint  also  noch  etwas  später  als  Lübeck  sich 
der  Lautwandlung  angeschlossen  zu  haben. 

Abgesehen  von  den  oben  zusammengestellten  Beispielen  enthält 
aber  die  Fürstenwalder  Hs.  einige  ähnliche  Formen,  wie  man  sie  um 
1500  nur  in  der  Altmark  findet,  nicht  in  den  nördlichen  Gebieten. 
Durch  falsche  Analogie,  nicht  durch  Wirkung  eines  folgenden  a  oder  o, 
ist  sane  zu  erklären,  das  neunmal  neben  sone  vorkommt;  damit  ver- 
gleiche man  sauen  =  souen  (Tangermünde  C.  D.  B.  X,  133.  1476). 
Für  gebade  (Marg.  26)  finde  ich  allerdings  kein  entsprechendes  Ifci- 
spiel,  ebensowenig  für  jageth  (Marg.  91),  das  in  Lübeck  nur  jaget  und 
später  jögct  lautet.  Aber  se  Scalen  (Marg.  101)  klang  ebenso  in  der 
Altmark:  schdewy  (Tangermünde  C.  D.  B.  X,  133.  1476),  se  schahti 
(Stendal  XV,  535.  1511).  Neben  dar  vare  (Ans.  173),  var  (Marg. 
101),  vartiden  (Busm.)  stelle  man  varunde  nha  (Brandenburg  IX,  274. 
1472),  vorsichtigen  (Salzwedel  XIV,  353.  1445),  varstendere  (Üambeck 
XIV,  381.  1457),  varscreuen  (Stendal  XV,  494.  1497).  Ebenso  wie 
tarne  (Marg.  350)  ist  gebildet  karnepechte  (Stendal  XV,  537.  1511). 

Wie  in  den  letztgenannten  Beispielen  das  r  wohl  den  Uebergang 
von  0  zu  a  veranlasste,  so  wahrscheinlich  auch  in  ittir,  wie  man 
durchweg  in  der  Fürstenwalder  Hs.  liest.  Allerdings  ist  war  auch  die 
ursprüngliche  Form;  später  aber  ging  auf  dem  ganzen  Gebiete  des 
Niederdeutschen  um  1300  in  dem  Worte  das  a  in  o  über.  Hamburg, 
Lübeck,  Bremen,  Mecklenburg  haben  auch  um  1500  noch  war  (Nerger. 
(irrammatik.  iii  42).  Auch  die  Altmark  hatte  zuerst  war  aufgenommen 
(Stendal  XV,  172.  1346.  Salzwedel  XIV,  248.  1388),  später  aber 
erringt  war  die  Herrschaft  (Stendal  Nr,  261,  1409.  Nr.  319,  1440. 
Nr.  349,  1460.  Nr.  486,  1499.  Tangermünde  Nr.  133,  1476.  Nr. 
141,  1487).  In  dem  südlichen  üel)iete  des  Niederdeutschen  wurde  da- 
gegen war  schon  früh  in  wur  verwandelt.  In  den  Wernigeroder  Ur- 
kunden hat  iDur  schon  um  1350  das  Uebergewicht.  Gerade  dieses 
Adverbium  in  seiner  Form  war  weist  also  sehr  klar  darauf  hin, 
dass  die  Altmark  die  Heimat  der  Fürstenwalder  Handschrift  ist. 


135 

Zu  demselben  Ergebnisse  führt  uns  die  Betrachtung  der  persön- 
lichen Fürwörter,  unter  denen  neben  häufigem  emCy  ene,  ere  auch 
Formen  mit  o  in  den  Fürstenwalder  Binichstücken  erscheinen.  Es 
kommen  folgende  vor:  oer  Marg.  63,  817,  333,  358,  387;  or  Ans.  44, 
oere  98,  oerer  59,  oeren  97.  Im  Arnt  Busmann  findet  sich  kein  Bei- 
spiel. In  diesen  Formen  ist  eine  Lauttrül)ung  wirksam,  welche  für 
die  Zeitbestimnmng  vieler  niederdeutsc^her  Dichtungen  wichtig  ist.  Der 
Sachsenspiegel  hatte  in  jenen  Fürwörtern  imr  i;  ich  lese  diese  Formen 
ausschliesslich  auf  einem  handschriftlichen  Pergamentblatte  des  Sach- 
senspiegels, welches  Umschlag  eines  aus  Zerbst  stammenden  Buches 
war  (Die  üantze  Lehr  vom  Tod  und  Absterben  der  Menschen  durch 
Mosen  Pfiacher.  Zerbst  1597.  8®).  Dasselbe  scheint  daher  noch 
dem  13.  Jahrh.  anzugehören;  denn  die  Oldenburger  Handschrift  von 
133G,  nach  welcher  Lübben  den  Sachsenspiegel  herausgab,  giebt  schon 
fast  ganz  dem  e  den  Vorzug.  In  Braunscliweig  hat  das  Ottonische 
Stadtrecht  von  1227  (Braunschw.  ÜB  her.  von  Hänselmami)  noch  vor- 
wiegend die  Formen  mit  i,  neben  sehr  seltenem  c;  in  der  Fassung 
des  Hechtes  von  1265  ist  dagegen  das  Verhältnis  umgekehrt,  während 
das  imi  1300  geschriebene  Recht  der  Neustadt  (Nr.  16)  nur  das  e 
kennt.  Die  Vehmgerichtsordnung,  die  nicht  vor  1342  geschrieben  ist 
(Nr.  21),  bevorzugt  o  sehr  entschieden,  und  von  1367  an  (Nr.  46) 
hat  das  o  fast  die  Alleinherrschaft  in  jenen  Fürwörtern  erlangt. 
Ungefähr  um  dieselbe  Zeit  hat  die  Sprache  von  Wernigerode  das  o 
aufgenommen  (U'B  her.  von  E.  Jacobs  Nr.  106.  1351),  wenn  auch  ein 
langes  Schwanken  stattfand.  In  Göttingen  aber  kennen  schon  die 
ältesten  niederdeutschen  Urkunden  um  1300  nur  das  o  in  den  be- 
treflfenden  Fürwörtern.  In  die  Altmark  ist  diese  Lautverdumpfung 
später  eingedrungen.  Die  ältesten  Urkunden  von  Stendal,  die  häufiger 
0  statt  e  haben,  gehören  ins  Jahr  1410  (C.  D.  B.  XV,  262)  und  1425 
(XV,  276);  aber  erst  um  1450  erhält  das  o  entschieden  den  Vorrang. 
In  Salzwedel  liat  zuerst  eine  Urkunde  von  1444  (C.  I).  B.  XIV,  349) 
öfter  0,  welches  aber  erst  im  letzten  Viertel  des  15.  Jahrhunderts 
durchdringt.  Also  ist,  wie  man  sieht,  die  Bewegung  von  Süden  nach 
Norden  fortgeschritten.  Sie  ist  auch  wohl  bis  an  die  Grenze  von 
Mecklenburg  gedrungen,  aber  Lübeck,  Hamburg,  Bremen  sind  um  1 500 
davon  frei,  wie  das  Redentiner  Spiel,  die  Lübecker  Bibel,  das  Passional, 
die  Lübbenschen  mittelniederdeutschen  Gedichte  erweisen. 

Wendet  man  diese  Betrachtung  auf  die  Fürstenwalder  Handschrift 
an,  so  passt  also  der  Wechsel  zwischen  o  und  e  in  den  Fürwörtern 
sehr  gut  zu  der  Sprache,  wie  sie  im  nördlichen  Teile  der  Altmark  um 
1490  gesprochen  wurde.  Wer  zur  Vergleichung  heranzieht  etwa  eine 
Urkunde  aus  Stendal  XV,  510  von  1502  oder  aus  Tangermünde  XV, 
565  von  1516,  dem  muss  die  Aehnlichkeit  der  Sprache  sofort  auffallen, 
so  dass  er  an  jenem  Schlüsse  nicht  mehr  zweifeln  wird. 

Das  Bruchstück  einer  Margareten-Passion,  welches  die  Fürsten- 
walder Handschrift  enthält,  gehört  zu  denjenigen  dichterischen  Bear- 


136 

beitungen  dieser  Legende,  die  aus  der  in  Mombritius  äanctiiariiuu 
zuerst  gedruckten  Lebensbeschreibung  der  Heiligen  hervorgegangen 
sind.  Da  aber  über  diese  und  über  Margaretenlegenden  überhaupt 
F.  Vogt  (Beiträge  zur  Gesch.  d.  deutschen  Sprache  1,  263  ff.)  eine 
genaue  Untersuchung  angestellt  hat,  so  genügt  es,  auf  ihn  zu  ver- 
weisen. Unter  den  von  ihm  behandelten  und  bisher  veröffentlichten 
Margareten-Dichtungen  ist  keine  der  Fürstenwalder  Fassung  gleich, 
auch  nicht  die  mitteldeutsche  Passion,  von  der  K.  Stejskal  eine  kri- 
tische Ausgabe  veranstaltet  hat  (Buchelin  der  heiligen  Marg.  Wien 
1880);  ebensowenig  eine  niederländische  nach  Mombritius  gearbeitete 
Passion,  welche  v.  Bahder  in  einer  Kopenhagener  Handschrift  gefunden 
hat  (Germania  19,  S.  289  ff.).  Dass  V.  585  der  von  Bartsch  bekannt 
gemachten  Margaretenmarter  in  swelichem  huse  min  tnarter  si  mit 
V.  429  unserer  Dichtung  in  welkem  huse  mine  martel  is  übereinstimmt, 
ist  allerdings  auffällig;  denn  Mombritius  sagt:  Adhuc  peto  domine, 
ut  qui  .  .  .  scripserit  passionem  meam  vel  qui  de  stio  labore  comparaverit 
codicem  passionis  meae  .  .  .,  in  domo  illius  non  nasccUur  infans  dattdus 
aut  caecus  vel  mutus.  Aber  Entlehnung  darf  man  doch  wohl  nicht 
annehmen;  denn  gleich  das  Folgende  V.  434  stum,  doff  vnde  Uini  ibt 
genauer  nach  Mombr.  gearbeitet  als  Bartsch  V.  291  behüet  sie  vor 
solchem  chmde^  da  man  missetvende  ane  vinde.  Und  dies  Yerhältnib 
kehrt  noch  öfter  wieder. 

Dagegen  ist  mit  unserer  Fassung  identisch  eine  Margareten- 
Passion  einer  Oldenburger  Hs.,  aus  der  Lübben  im  Wörterbuch  s.  v. 
maisch  V.  106,  107,  245,  24(]  mitteilt.  Beide  Handschriften  sind  un- 
vollständig; in  der  Fürstenwalder  fehlt  V.  1 — 24  und  111 — 141,  in 
der  Oldenburger  der  Schluss  von  V.  366  (449)  an.  Da  sie  sich  aber 
gegenseitig  ergänzen,  so  ist  es  doch  möglich,  die  Dichtung  vollständig 
zu  geben.  Die  Oldenburger  Hs.  (Mscr.  Oldenb.  spec.  Sibelshausen  I) 
besteht  aus  25  Papierblättern  in  8®.  Blatt  1  hat  die  Aufschrift: 
Tyarick  tansen  hört  desse  passien^  darunter:  Sancta  margareta  ora  pro 
nobis.  Auf  Blatt  2  steht:  Dyt  Icalendeer  hört  tiarick  tho  Sibelsshusen 
we  dat  vynt  de  doet  hem  wedder  vmme  gades  wyl  etc.  Darunter :  dominc 
libera  animam  meam  a  labiis  iviquorum.  Blatt  3 — 13  enthalten  ein 
Kalendarium,  Blatt  14 — 20  ohne  Ueberschrift  die  Margareten-Passion. 
Darauf  folgt  auf  Blatt  21 — 23  ein  Gedicht  Van  den  seuen  bedrouenissen 
vnses  heren^  am  Anfang  und  Ende  unvollständig,  entsprechend  dem 
V.  21 — 91  von  Nr.  XVII  der  Mittelniedd.  Ged.  hersg.  von  Lübben. 
Den  Titel  darf  man  wohl  ergänzen  aus  der  Ueberschrift  einzelner 
Teile,  z.  B,  ^Dc  ander  bedrouenisse  etc.*  Blatt  24  u.  25  trugen 
kurze  Notizen  über  Sterbefälle,  die  wohl  in  der  Familie  des  Besitzers 
vorgekommen  waren;  die  Namen  sind  aber  nicht  mehr  zu  lesen.  Da 
die  Hs.  an  einigen  Stellen  schadhaft  geworden  ist,  so  ist  es  notwendig, 
dort  zur  Ergänzung  eine  früher  von  einem  Oldenburger  Registratur 
angefertigte  Abschrift  heranzuziehen. 

Zu  diesen  beiden  Handschriften,  die  mit  F  und  0  (Abschrift  o) 
bezeichnet  werden  mögen,  tritt  nun  hinzu  als  dritter  Zeuge  ein  Mag- 


137 

deburger  Druck  von  1500  mit  dem  Titel:  Hyr  begynnet  dat  leuent  vnde 
passie  Sunte  Marghareten,  dat  Theotinus  mit  tiyte  beschreuen  hefft^ 
herausgegeben  von  Ph.  Wegener  (Drei  mnd.  Gedichte  des  15.  Jahrh. 
Programm.  Magdeburg  1878).  Der  Verfasser  sagt  nämlich  selber,  dass 
er  mehrere  verschiedene  Dichtungen  benutzt  habe  in  V.  871/2  Desse 
passie  is  vt  velen  tosamende  genomen  Sunte  Margareten  to  laue  vnde 
vns  to  vromen.  So  hat  denn  schon  Wegener  die  Verse  angegeben, 
die  der  Magdeburger  Dichter  aus  Bartschs  Margaretenmarter  und  aus 
der  niederrheinischen  Passion  bei  Schade  (Geistl.  Ged.  vom  Nieder- 
rhein, Hannover  1854)  entlehnt  hat.  Als  dritte  Quelle  hat  er  aber 
noch  unsere  in  F  und  0  erhaltene  Dichtung  benutzt  und  etwa  150 
Verse  daraus  hergenommen,  und  zwar  nicht  blos  einzelne  Zeilen, 
sondern  sogar  längere  Abschnitte,  z.  B.  V.  96 — 103  =  M  184 — 191, 
155—167  =  M  258—270,  183—188  =  M  284—289,  197—214  = 
M  300—317,  369—374  =  M  615—620,  410—417  =  M  675—682. 
Da  nun  der  Magdeburger  Verfasser  begreiHicher  Weise  im  Jahre  1500 
eine  bessere  Vorlage  haben  konnte  als  wir,  so  wird  niemand  zaudern, 
aus  Stellen,  die  er  wörtlich  übernommen  hat,  gute  Lesarten  zurück- 
zuführen; solche  sind  V.  22  ammen,  72  Margarefa  sprach  fehlt,  131 
mync  wunden^  155  tauet,  184  dyw,  203/4  trad  :  bathj  206  sahen,  208 
man,  209/10  segen  :  vnderwegen,  216  wcUer  vnde,  214  vyant,  224  geuen, 
226  Darvan  wart  so  vuel  eyn,  238  Vnde  nene  sericheit,  Schluss  0  325 
sinnen.  Auch  die  ausgefallenen  Verse  168,  207  und  Schluss  0  378 
wird  jeder  nach  M  ergänzen.  Nur  darf  man  nicht  vergessen,  dass 
die  Form  der  Worte  dem  Magdeburger  Dialekt  entspricht  und  auch 
der  Satzbau  vielleicht  ein  wenig  geändert  ist. 

Was  das  Verhältnis  der  beiden  Handschriften  F  und  0  anbetriflFt, 
so  sieht  man  auf  den  ersten  Blick,  dass  der  Zustand  der  P^rzählung 
in  0  sehr  trümmerhaft  ist.  Es  kommen  Wiederholungen  derselben 
Verse  vor:  V.  173—178  stehen  auch  nach  V.  40,  125/6  =  Schluss 
0  332/3,  Schluss  0  312/3  =  322/3.  An  falsche  Stelle  sind  geraten 
V.  215,  216  und  V.  288—291.  Dann  ist  der  Text,  abgesehen  von 
starker  Verderbnis  einzelner  Worte,  auch  noch  durch  zahlreiche 
Lücken  entstellt.  Ausgefallen  ist  V.  252.  Für  die  ebenfalls  allein  in 
F  erhaltenen  Verse  26,  27  sprechen  die  Worte  des  Mombritius:  Veniebat 
autem  (Oliberius)  persequi  Christianos  et  deos  vanos  multos  suadebat 
adorare;  für  V.  58,  59  die  Worte  adiuva  me  et  sana  me,  domine,^  ne 
me  derelinquas  in  manibus  impiorum.  Die  V.  260 — 274  sind  we- 
nigstens zum  Teil  geschützt  durch:  et  cum  dormierint,  venia  super  cos 
et  cxcito  illos  a  somno  .  ,  .  et  quos  non  possum  movere  de  somno,  facto 
in  somnio  peccare;  dagegen  sind  V.  265 — 268  nicht  gesichert  und 
müssen  vielleicht  als  Zusatz  von  F  gelten.  Vorbild  für  V.  283 — 285 
war :  quis  vobis  praecepit  in  sancta  opera  insidiari.  Daemon  dixit :  Die 
mihi  Margareta,  unde  vita  tua  .  .  .  rrf  quomodo  in  gressus  est  Christus 
in  te.  Mit  V.  304,  305  vergleiche  man:  Altera  die  jutssü  praefectus 
bcatam  Margaretam  adduci  und  M  557  Dar  na  se  oene  nicht  mer 
eiisach.     Allerdings  haben  V.  80,  81  in  Mombritius  nicht  ihre  Vorlage, 


138 

aber  da  M  136,  137  Sc  sprach:  des  moten  se  ewych  verloren  syn  Vmle 
lyden  in  der  helle  grote  pyn,  ganz  ähnlich  sind,  so  müssen  sie  doch 
als  echt  gelten.  Am  meisten  durch  Verderbnis  entstellt  sind  die 
letzten  100  Verse  in  0,  so  dass  es  notwendig  war,  sie  besonders 
drucken  zu  lassen,  um  eine  klare  Anschauung  davon  zu  geben. 

Andrerseits  ist  auch  die  Hs.  F,  die  sonst  einen  lesbareren  Test 
bietet,  von  Lücken  nicht  frei.  V.  74  ist  allein  in  0  erhalten,  und 
auch  zu  V.  326  giebt  wenigstens  Schluss  0  V.  816  De  de  werld  ghdaset 
hat  den  passenden  Reim.  Ueberhaupt  scheint  der  Schreiber  oder  Ver- 
fasser von  F  sich  gegen  Ende  mehr  Freiheiten  genommen  zu  haben. 
Denn  der  Schluss  von  0  hat  mehrere  gute  Verse,  deren  Echtheit 
durch  die  Uebereinstimmung  mit  M  erwiesen  ist,  während  F  sie  ent- 
weder garnicht  hat  oder  in  anderem  Wortlaut;  es  sind  Schluss  (.) 
V.  324,  325  =  M  599,  600;  350  =  M  631;  378  =  M  683,  r.84. 
Vielleicht  war  also  auch  die  Vorlage,  aus  der  F  hervorging,  ähnlich 
wie  0  gegen  Ende  schadhaft,  so  dass  der  Schreiber  eigene  Dichtungs- 
versuche  machte.  Das  wenigstens  kann  nicht  bezweifelt  werden,  dass 
V.  337 — 356,  die  0  nicht  kennt,  ein  späterer  Zusatz  sind.  Während 
sonst  die  Reime  unserer  Passion  so  genau  oder  ungenau  sind,  wie  iu 
anderen  niederdeutschen  Dichtungen  jener  Zeit,  zeigt  darin  der  ge- 
nannte Teil  eine  unglaubliche  Nachlässigkeit;  gebunden  sind  sach  : 
sprach^  vthsperren  :  thoscharen^  haken  :  makeden,  hamel  :  ghetagcfi, 
fiycht  :  dyck,  dath  :  tvarth  etc.  Während  femer  alle  übrigen  Teile 
der  Passion  Wort  für  Wort  nach  Mombritius  gearbeitet  sind,  ist  jener 
Abschnitt  aus  der  vita  Rebdorfiensis  (Acta  Sanctorum  Julii  tom.  V 
S.  33  ft.)  oder  einer  ähnlichen  Legendenform  hervorgegangen.  Bei 
Mombritius  wird  sie  nur  mit  scharfen  Ruten  gepeitscht,  es  heisst: 
Tunc  praefectus  iratiis  jussit  eam  in  aere  suspendi  et  cum  virgttlis 
acerbissimis  carnes  eius  disrumpi,  ganz  abgesehen  davon,  dass  diese 
Worte  schon  Vorlage  für  V.  167 — 200  waren.  Von  einem  Galgen 
dagegen  spricht  die  vita  Rebdorfiensis  iu  folgender  Weise:  Tftnc 
pracscs  iussit  Christi  Märtyrern  in  eculeo  suspendi  atque  sacratissinios 
eins  arius  acutissimis  ungulis  laniare  (a.  a.  0.  S.  37c).  Auch  Jacobus 
a  Voragine  spricht  ähnlich  von  einem  equuleus  (Graesse  I,  401)  und 
schon  Rhabanus  Maurus:  Oliberius  .  .  in  equulco  suspensam  ungulis 
acerbissimis  iussit  carnes  eins  lacerare  (opp.  Colon.  1626  fol.  VI,  190). 
Noch  grausamer  ist  die  Marter  bei  Surius,  der  sagt:  Is  .  .  .  ferrei^ 
eam  hm'uns  conclusam  et  clavis  affixam  juhet  ferreis  caedi  fuscinis 
(Historiae  seu  vitae  Sanctorum.  Aug.  Taur.  1877.  VII,  386).  Man 
sieht,  die  Erzählung  einer  solchen  Marter,  welche  einer  Hexenfolterung 
sehr  ähnlich  ist,  war  auch  das  Vorbild  für  den  betreffenden  Abschnitt 
iu  F,  den  man  daher  als  unecht  betrachten  muss. 

Vielleicht  darf  man  auch  die  weitere  Eigentümlichkeit,  das5>  F 
einen  doppelten  Schluss  hat,  dem  letzten  Schreiber  in  die  Schuhe 
schieben.  Den  Versen  481 — 490,  welche  eine  Apostrophe  an  die  Ge- 
meinde enthalten,  entspricht  nichts  bei  Mombritius;  derselbe  geht 
vielmehr    gleich    von    der   Heilung    der    Siechen    zur   Bestattung   der 


139 

m 

Margareta  über.  Nun  bat  aber  jener  erste  Scbluss  von  F  inbaltlieh 
eine  gewisse  Aebnlicbkeit  mit  dem  Schlüsse  der  niederrheiniscben 
Margareta  bei  Schade.  Man  vergleiche  V.  481  Nu  byddet  ock  alghe- 
meyne  mit  Schade  V.  428  Nu  laiet  uns  bidden  algemeine,  wenn  auch 
sonst  die  übrigen  Reime  nicht  gleich  sind.  Nur  bilden  bei  Schade 
die  Verse  428  ff.  auch  wirklich  den  Schluss  und  folgen  der  Bestattung. 
Da  nun  in  F  der  genannte  Abschnitt  der  Bestattung  vorhergeht,  so 
wird  die  Beziehung  des  Verses  491  Do  du  Theodosius  vornam  fast 
unmöglich;  denn  dit  kann  nur  auf  den  Tod  der  Margareta  bezogen 
werden.  Ausserdem  muss  die  Aehnlichkeit  von  V.  489  mit  V.  502 
auffallen.  Man  wird  daher  zu  der  Vermutung  gedrängt,  dass  auch 
V.  481 — 490  der  niederdeutschen  Dichtung  nicht  ursprünglich  an- 
gehört haben. 

Beiläufig  mag  noch  auf  einige  Unterschiede  des  Dialekts  von  F 
und  0  aufmerksam  gemacht  werden.  Die  Hs.  0  neigt  dazu,  ein  am 
Ende  nach  unbetontem  e  stehendes  n,  besonders  im  dat.  plur.,  abzu- 
werfen: V.  7  hillige,  23  euenolde,  32  ghesellc,  57  hwfde,  64  gade,  105 
myne  gade,  120  dorne,  128  bende,  155  aUeweldighe,  166  lose,  191  an- 
hede,  290  hohe,  Schluss  0  345  ere  vote;  in  F  findet  sich  nur  ein  Beispiel 
V.42  vordcrve.  Umgekehrt  lautet  das  Fürwort  „man*'  in  F  häufig 
tne,  in  0  nur  men.  Das  persönliche  Fürwort  der  3.  Pers.  hat  in  F 
oft  die  Formen  mit  o  (s.  o.),  während  0  nur  die  Formen  mit  e  kennt. 
Allerdings  hat  die  Abschrift  o  Schluss  0  385  ome,  aber  in  0  steht 
•  eme.  Demgemäss  erscheint  die  Vorsilbe  be-  auch  niemals  als  bo-,  wie 
häufig  in  F,  sondern  hat  in  0  oft  die  Form  6y-.  Das  Zeitwort 
„haben''  erscheint  in  F  immer  in  den  Formen  „du  hest,  he  hct^,  in 
•  0  nur  als  „heffst,  heUest  und  hefft".  Die  sonst  mit  sl  anlautenden 
Worte  haben  in  0  durchweg  den  Anlaut  sd:  sclaen  110,  143,  Schluss 
0  353,  356,  393,-  sdach  Schluss  0  384,  sdaghe  133,  idanghe  222, 
voersdaent  232.  Die  Präposition  „mit"  kennt  ()  nur  mit  i,  F  nur  mit 
e;  nur  einmal  Anselm.  70  (=  Lübben  114)  steht  myd.  Die  Partikel 
$ucht  wirft  in  F  oft  das  t  ab,  was  in  0  nicht  vorkommt.  Die  Par- 
tikel do,  welche  0  allein  anwendet,  heisst  in  F  oft  don  und  done. 
.  Die  Verstärkung  der  Negation  ist  in  0  manchmal  zu  t^yn  gedehnt, 
während  F  dieselbe  meistens  fortlässt. 

Die  Frage  endlich,  in  welcher  Sprache  die  Urschrift  unserer 
Passion  verfasst  war,  lässt  sich  mit  Bestimmtheit  aus  den  Reimen 
entscheiden.  Dabei  aber  muss  man  wohl  beachten,  dass  niederdeutsche 
Dichter  in  den  Reimen  überhaupt  nicht  die  Genauigkeit  hochdeutscher 
Dichtungen  erstrebt  haben.  Ungenauigkeiten  des  Reims,  wie  sie  im 
Reineke  Vos  oder  im  Redentiner  Spiel  gestattet  sind,  darf  man  in 
allen  ähnlichen  Dichtungen  erwarten.  Dann  darf  man  nicht  vergessen, 
dass  jene  niederdeutschen  Dichter,  die  doch  meist  Gelehrte  waren, 
auch  die  hochdeutsche  Sprache  kannten  und  auch  wohl  ein  hoch- 
deutsches Wort  gebrauchten,  besonders  wenn  die  Reimnot  da/u  zwang. 
Wenn  wir  daher  in  unserer  Passion  das  Zeitwort  „sagen"  in  hoch- 
deutscher Form  antreffen  V.  2,  247,  352,  499  (:  maghci),  oder  ebenso 


140 

das  Zeitwort  ^habeii*'  V.  405   hun  (:  f/hedttn),    Schluss  0  V.  3113    hat 
(:  raei)^    so    darf  man  daraus  noch  nicht  einen  weitgehenden  Schlu<s 
ziehen.     Auf  ist,  welches  V.  429  mit  Crist  reirat,  grosses  Gewicht  zu 
legen,  wäre  unriclitig,  da  ein  am  Ende  stehendes  t  öfter  nicht  beachtet 
wird;    auch   lauten   in  0  die  Verse   anders.     Ebenso  unsicher  ist  es. 
ob   der   ursprüngliche   Dichter   sprach   oder  sprach   sagte:    V.   172   u. 
31(j:  vnghenutck,  V.  317:  am/hesach^  aber  die  Verse  fehlen  in  0,  V.  437: 
slach^  aber  0  hat  andere  Keime  vuUenhracht  :  slach.     Dass  ausserdem 
noch  die  Form   sprach   dreimal   in  dem  Abschnitte  von  F  sich  findet. 
der  als  Zusatz  erkannt  ist,  beweist  natürlich  nichts.     Es  kommt  also 
sprach  nur  in  F,  nicht  in  ()  vor.     Aus  solchen  einzelnen  hochdeutsclieu 
Ileinmorten  darf  man  also  nicht  schliessen,    dass   die  Vorlage   von  F 
üiid  ()    hochdeutsch   gewesen   sei.     Entscheidend    in    dieser  Frage    ist 
vielmehr  die  Mehrzahl  der  Reime.     Von  diesen  sprechen  gegen    rahd. 
und  md.  Urschrift:   V.  15   haet  :  bat^   72  hete  :  margaretc,  134  vloet  : 
roet,    186  Init  :  trat,  188  vloet  :  hloct,  251  sath  :  stat,  36D  grat  :  roth, 
385  hat  :  stat  (t  :  z).     Ebenso  ist  allein  dem  Niederdeutschen  eigen- 
tümlich,   dass   ursprüngliches   iu  unter  bestimmten  Bedingungen  zu  c 
zusammengezogen  wird:  V.  137  i^eten  :  margareten^  105  knSn  :  sehen, 
Ibü  afftcen  :  been,  208  vorlesefi  :  wesen,  wenn  auch  dies  letzte  Beispiel 
unsicher   ist,    da   der  Reim   tvesen   aus  M   ergänzt  ist,   und  der  Vei-s 
überhaupt  nicht  heil  ist.     In  allen  jenen  Fällen  hat  das  Niederländische 
und  Niederrheinische  ie;   das  Mitteldeutsche   zieht   diesen  Laut,  dann 
noch  zu  t  zusammen,  an  dessen  Stelle  nur  sehr  selten  e  auftritt  (vgl.' 
R.  Bechstein,    Zu   der   thüring.  Chronik   v.   Joh.  Rothe,    Germania   4. 
S.  477).     (iegen   die   ebengenannten  Dialekte  spricht  ferner  das  Prä- 
teritum nenn  V.  469   (:  ercv);    denn  dieser  Jonismus  ist  nur  einigerf 
Gebieten   des   Niedersächsischen    eigen.     Auch    die   ungenauen   Reime 
kne  :  wy  V.  31)3  würden   in  den  bezeichneten  Dialekten,    das  Nieder- 
ländische  ausgenommen,    ganz    zerstört   werden.      Endlich    ist   hoch- 
deutscher Ursprung  noch  ausgeschlossen  durch  V.  74   louest  :  prottesi 
(uo  :  o  und  ou  :  o),   249  sehen  :  ghesen,  402  dele  :  sele  (ei  :  e),  284 
darmede  :  bede^  316  vele  :  seien  (i  :  e),  60  ghehort  :  vort,  396  schone: 
kröne   (o  :  ö).     Daraus  ergiebt  sich,    dass   die  urschriftliche  Vorlage, 
auf  welche  F  und  0  zurückgehen,  von  einem  niederdeutschen  Dichter 
in  der  Sprache  seiner  Heimat  geschrieben  war.     Darin,  liegt  auch  der 
Wert  dieser  kleineu  Dichtung;    denn    bisher   war   keine   ursprünglich 
niederdeutsche  Margareten-Passion  bekannt  gemacht  worden. 

Was  die  Behandlung  des  nun  folgenden  Textes  anlangt,  so  ist 
noch  zu  bemerken,  dass  die  Interpunktion  hinzugefügt  ist;  auch 
haben  die  Eigennamen  grosse  Anfangsbuchstaben  erhalten.  Wo  nur 
eine  Handschrift  vorhanden  ist,  da  ist  sie  genau  zum  Abdruck  ge- 
bracht, wo  beide  zu  vergleichen  waren,  sind  die  orthographischen 
Abweichungen  nicht  angemerkt. 


141 


argareta  de  vil  hillighe  maghet 
De  was  Theodocius  dochter  als  vns  de  scrifft  saghet. 
He  was  der  hevden  en  houetmaii; 

De  affgade  bedede  he  an. 
5  He  enliadde  anders  nyn  kynt 

Men  dat  sulue  dochterlyn. 

Des  so  voerwuHe  des  hillige  gheystes  schyn. 

Thohant  do  dat  kynt  wort  ghebaren, 

Do  wort  eme  eyn  amme  al  vthvoerkarcn. 
10  De  amme  hadde  leff  dat  kynt. 

Des  zo  starfF  des  kyndes  moder  syn. 

De  amme  nam  erer  beter  waer, 

Wente  dat  kynt  was  schoen  vnde  klaer. 

Jhesiim  Cristum  yt  ane  bat, 
15  Daer  vmme  was  eer  de  vader  haet. 

Se  was  van  vyffteyn  yaren  oelt, 

Vnde  se  hoerde  zo  mennighenvoelt, 

Dat  men  se  alle  van  deme  lyue  dede. 

De  Jhesum  Cristum  ane  bede. 
20  Se  gaff  syck  gade  an  syn  ghewalt, 

Daervmme  leet  se  so  mennighenvoelt. 

Der  ammen  schaep  se  hoden  scholde, 

Margareta  myt*  eren  euenoelde. 

Eynes  daghes  dat  gheschach, 
25  Dath  Olibrius  tho  redende  plach, 

Dath  he  den  eristenluden  dat  ghebado, 

Dath  se  anbededen  syne  affgoede. 

War  he  enen  cristenmynschen  yanth, 

Snelliken  he  ene  vinck  vnde  banth. 
80  He  wart  sunte  Marj^areten  ghewar, 

Dar  se  hudde  der  lemmer  schar. 

He  sprack  tho  synen  seilen: 

;,Halet  my  de  maghet  snelle; 

Is  se  vri,  ick  neme  se  tho  wiiie, 
35  Is  se  des  nich,  ick  medo  se  to  mynen  lyue. 

Se  scal  wesen  myn  eyghen  wyff, 

Wente  se  het  so  wunnichlicken  lyff.^ 

De  kneclite  grepen  se  met  der  verde; 

Do  kuelde  sick  Margareta  vp  de  erde 


1—24  f.  F.  —  7  verderbt.  —  9  al/  M.  —  12  erer  des  kyndes  0.  —  17 
mcnnighen  groten  voelt  0.  —  20  gade  0.  gude  o.  —  22  ammen  M.  lammercn  0. 
—  25  einige  Verse  scheinen  zu  fehlen,  de  richter  Olibrius  tho  rydcnde  0.  —  26, 
27  /.  0.  —  28  Althohant  waer  eyn  kristen  vant  0.  —  29  Snelle  0.  —  30  enwort  0, 
Margareta  vntwaer  0.  —  31  hod'de  der  lammcren  O.  —  32  gheselle  0.  —  35  nicht 
methe  0.  nicht  mothe  o.  —  36  eyhen  F.  aldericueste  0,  s.  u.  V.  115.  —  37  Wente 
f.  F,  hefft  0,  wunnichlick  eyn  F.  menniohlyken  0.  —  38  an  myt  werde  0.  —  39 
knede  sick  O,  vppe  0. 


..  1 

142 

40  Vnde  sprack:  ^wes  my  gnedich,  leue  got  myn, 

Entfarme  dy  vnde  lat  my  dyn  arme  maget  syn; 

Lat  my  nych  vorderve  met  den  bösen 

Vnde  van  dessen  blutsculdigen  luden  my  lose. 

Here  Jliesus  Crist,  lath  nu  tho  desser  stuntli 
45  Dyn  loff  konliken  gan  vth  mjTien  munth. 

Help  my,  dath  myn  loue  nich  werde  vormynret, 

Vntle  myne  szele  nicht  werde  ghehindreth. 

Behold  de  kusheyt  an  mynen  hoie, 

Dath  myn  maghetscop  reyne  blyue, 
50  Dat  myn  syn  sick  vor  des  dmiels  bosheyt  nycht  vorvere. 

Sende  my  den  hylchen  gest,  dath  he  my  len», 

Dat  ick  moghe  den  richter  wedderstan 

Vnde  synen  bösen  rath  vorsman. 

Ick  byn  so  eyn  scap  dat  manck  de  wulue  gath, 
55  Vnde  so  eyn  vagel,  de  vnder  deme  nette  stat, 

Vnde  so  eyn  vysk,  de  an  der  angel  hanghet, 

Vnde  so  eyn  re,  dat  me  met  den  szelen  vanget. 

Help  my  godt  dorch  dynes  dodes  ende 

Van  desser  bösen  lüde  hende.'^ 
00  Don  de  knechte,  dath  hadden  ghehort, 

Se  qwemen  wedder  tho  den  richter  vort; 

Se  spreken:  ^here,  se  ys  dy  nycht  beqweme, 

Dyn  both,  dath  ys  oer  gar  vngheneme. 

De  mynsche  denet  vnsen  goden  nicht." 
()5  Thohant  vorwandelde  Olibrius  anghesicht, 

Don  me  de  mageth  tho  em  brochte. 

He  sprack:  ;jl>ystu  van  vrien  siechte V* 

Se  sprack:  ;,here,  wo  iw  dat  l)ehaghet. 

Ick  l)yn  Cristus  arme  denstmageth." 
70  De  richter  sprack:  ;,wat  ys  ivwe  name, 

Sagetli  my  dath  an  sunder  schäme." 

„Ick  saghe  dy  wol,  wo  ick  bete, 

Myn  name  heth  Margarete." 

„Saghe  my  an,  welken  got  du  louest." 
75  „Vortmeer,  eflfte  du  dat  prouest, 

Sprekc  ick  al  sunder  vrist, 


40  Se  sprack  here  myn  herte  is  tho  dy  ghekert   0,  ■  dann  folgen  die  Verse 
173—178  auch  hier.  —  45  konliken  /.  M.  —  40  dyn  loff  M,  fides  moa  MombrittH*. 

—  52  moghe  F.  mach  M  /.  0.  —  52,  53  wedderstaen  :  vorsmacn  M,  vorsmaen  : 
wedderstaeu  0.   stan  wedder  :  vorsman  sedder  F.  —   54  manck  den  wnluea  O  M. 

—  55  vogel  0  M.  —  56  yn  dem  anghele  O.  —  57  men  myt  den  hunde  0.  —  5t<, 
59  /.  0  M.  —  60  do  0.  voerhoert  0.  —  61  den  F,  deme  0.  —  62—64  Se  spreken : 
her  richter.se  endenet  0.  —  64  gade  0.  —  65  Althohant  vorwandelde  zyck  O.  — 
66  Do  men  eme  de  0,  tho  em  /.  ü.  —  ()8  Margareta  sprack  wo  yt  dy  byhaghet 
0.  —  69  Ick  byn  vrv  vnde  (),  vry  vnde  /.  F  M.  —  70  wo  het  dvn  name  0.  — 
71  dath  /.  0,  an  F.  al  0.  —  72  Margareta  sprack  F  0  /.  M.  iw^F,  dy  O.  wol 
wo  ick  hete  nach  0,  F  schadhaft  —  73  de  het  0.  —  74,  75  in  unvgekehrter  Feige 
(),  74  /.  F.  —  75,  76  Margareta  sprack  effte  du  dat  prouest  Ick  wyl  dy  sagben 
wölken  god  ick  dene  Vnde  ick  spreke  sunder  vrist  F.  —  76  Margareta  sprack  al  0. 


143 

Ick  ambede  den  almechtigen  Jhesum  CriRt. 

Ick  byn  met  Cristus  name  bevangen, 

Den  de  ioden  han  an  eyn  cruce  bangen; 
80  Des  synt  se  ewychlyken  vorlaren, 

Se  weren  beter  vnghebaren/^ 

De  richter  tornede  sick  vil  sere, 

He  let  se  werpen  in  enen  kerkenere, 

Wente  dat  he  id  bedachte, 
85  Wo  he  ere  reynicheit  nemen  mochte. 

Dar  na  qwam  he  to  Antiochia  an  der  stat. 

Dar  he  syne  stumme  aflFgodc  ambat. 

Don  sath  he  vor  svnen  sale: 

Snelliken  let  he  se  vor  sick  halon 
90  Vnde  sprack:  ;,iunckfrowe,  dencke  an  dyne  doget, 

Vnde  an  dyne  kyntlike  yoghet. 

Do  noch,  wath  ick  wyl! 

Ick  wyl  dy  gheven  gudes  vyl; 

Isset,  datli  ick  an  dy  vynde, 
95  Du  schalt  wesen  baven  all  myn  ghesynde.*^ 

Margareta  sprack  althohant: 

;,Gade  ys  myne  reynicheyt  wol  bekant; 

Du  mögest  my  sullcen  rat  nych  gheven, 

Dat  ick  buten  der  reynicheit  wyl  leven. 
100  Ick  hebbe  my  Jhesu  Cristo  bevalen, 

Dar  var  alle  dementen  beuen  Scalen 

Deme  alle  creatura  ys  vnderdan; 

Syn  ryke  schal  ane  ende  stan.* 

De  richter  sprack:  ^dith  schal  sehen, 
105  Wultu  nich  tho  vnsen  gaden  knen, 

Werestu  noch  enes  so  maisch, 

Myn  swert  snyt  dorch  dynen  hals. 

Dynen  licham  werpe  ick  an  dat  vur, 

Wente  du  byst  altho  vnghehur. 
110  Deystu  auer  mynen  rath 

Vppe  dat  myn  got  nicht  werde  voersmaet, 

Vnde  dat  du  myt  al  dynen  synne 


77  anbede  0.  den  almechtigen  /.  0,  —  78  myt  0.  byvanghen  0.  —  79  De 
daer  an  dat  cruce  vort  ghehanghen  0.  —  80,  81  /.  0.  —  82  vortornyde  0.  vil 
/.  O.  —  88  auer  werpen  al  yn  den  0.  —  84  Wente  so  langhe  dat  he  sick  0.  — 
85  Wo  0.  Met  wolker  bosheit  F,  bynemen  ().  —  86  tho  Anthiochien  yn  de  0.  — 
87  syne  stumme  vnde  dode  F.  synen  stummen  aifgade  anebat  0.  —  88  De  richter 
sat  0.  —  89  Vnde  leet  sunte  Margareta  0.  —  90  He  sprack  0.  —  91  iageth  F. 

—  92  Vnde  do  allent  dat  0.  —  93  vyl  F.  tho  wul  0.  —  94  Is  dat  alzo  ick  an  dy 
wynne  0.  —  95  all  myn  ghesynde  F.  movghe  synne  0.  —  97  Got  de  ys  myn  Ö. 

—  98  Du  enkanst  0.  nicht  0.  al  sulken  F.'  —  99  wyl  F.  mach  0.  —  100  Ick'haen 
my  Jhesum  byvalen  0.  —  101  Daer  voer  alle  elementer  0,  scholen  0.  —  102  De 
alle  dynck  is  0,  creature  synt  M.  —  103  ryke  0.  loff  vnde  ere  F  M,  sunder  ende 
stan  M.  nine  ende  haen  0.  —  104  yt  0.  —  105  dy  nicht  tho  myne  gade  0.  — 
106  Ock  werest  0,  enes  /.  F.  —  107  snvt  dv  0.  gevt  F.  —  108  Dvn  vlesk  schatme 
werpen  al  yn  dat  vuer  0.  —  109  altho'F.  al  0.  —  111—241  /.  F. 


144 

Wedder  kerest  tho  mynen  wynne: 

Margareta,  ick  loue  dy  dat  vppe  myn  liif, 
115  Du  schalt  wesen  myn  alderleueste  wiff.*' 

Margareta  sprack:  ;,ick  liebbe  myn  liflF  to  gade  geueii, 

Wente  Cristus  leet  vor  my  den  doet, 

Daer  vmme  lide  ick  alle  noet.^ 

Do  leet  he  se  grypen  an 
120  Vnde  leet  ze  myt  scharpen  dorne  sdaen. 

Do  sa(*li  se  vppe  tho  hemmel  wert 

Vnde  sprack:  ;,here,  myn  herte  is  tho  dy  ghekeert; 

Help,  here,  dat  ick  myt  dy  blyue 

Vnde  dat  de  viant  neen  spot  myt  my  dryue.*' 
125  [Margareta  sach  vppe  tho  hemmelrike 

Vnde  se  bat  got  ynnichlykcj 

Voerbarme,  Jhesum  Cristum,  dy 

Vnde  lose  my  van  dessen  bende 

Vnde  van  desser  bösen  lüde  hende. 
130  Sende  my  dynen  engel  hyrnedder, 

De  myne  wunden  sachte  wedder.*^ 

Want  se  rSp  tho  gade  sere. 

Des  worden  ere  der  sclaghe  mere. 

Dat  bloet  van  eren  lyue  vloet; 
135  Mannich  wenede  syn  oghen  roet. 

De  knechte  repen  tho  Margareten: 

„Loue  noch,  des  mochstu  neten.^ 

Dat  bloet  van  eren  lyue  ran, 

Dat  byclaghede  beide  vrowen  vnde  man; 
140  Se  spreken:  „Margareta,  yt  is  vns  leyt, 

Dat  wy  dy  seen  ane  deyt 

Naket  aldus  voer  vns  stacn 

Vnde  dyn  licham  so  sere  thosdaen, 

Och  wo  schone  verwe  ys  an  dy  vorloren 
145  Vmme  den  louen,  den  du  haddest  koren. 

De  richter  vil  tornich  vppe  dy  werde, 

Myt  schände  wil  he  dy  bringen  van  der  eerde. 

So  moghestu  ynmer  bliuen  sunt.^ 

Do  sprack  Margareta  drade: 
150  „Swyghet  myt  uven  bösen  rade 

Beyde  vrowen  vnde  man, 

Ghy  moghet  wol  van  henne  ghaen. 

Dodet  he  den  licham  myn, 

Des  so  schal  de  sele  an  vrowden  syn. 


116  ein  Vers  felüt;  vieU.  myn  leuent  To  gade  .  .  .  geuen.  —  121  vort  O.  — 
124  mine  viande  nenon  spot  M.  —  125—127  /.  M;  vgl.  Schluss  0  v,  322,  323.  — 
131  mvne  wunden  M.  my  vrowde  0.  —  133  I)e8  M.  der  0,  der  M.  de  0.  —  1:^5 
weinede  M.  wenet  0.  —  136  De  boddelc  M.  —  137  Lloue  O.  —  148  ein  V.  fehlt. 


l55  Mer  lauet  den  alleweldighe  got 

Vnde  voervullet  syn  ghebot, 

So  wort  iw  de  hemmel  vppe  ghedaen, 

De  yo  langhe  hefFt  thoghestaen. 

Ick  wil  nicht  doen  na  iwer  lere, 
IGO  Wente  iwe  gade  synt  van  kopper  vnde  ere. 

Wente  dat  leuent  ys  eyn  wynt. 

Richter,  du  bist  der  syne  blynt; 

Du  bist  eyn  huut  ane  schemede, 

Dat  du  myn  iunghen  lifF  hefFst  tho  nemende. 
165  Cristus  wil  myn  hulper  syn, 

Vnde  lose  my  van  den  henden  dyn.^ 

Vyl  tornich  do  de  richter  woert, 

Wente  an  oer  wart  nine  marter  ghespart; 

He  leet  Sr  dat  vel  affteen, 
170  Dat  men  sach  ere  de  blote  been. 

Margareta  sach  vppe  vnde  sprack: 

;,De8se  hunde  doet  my  groet  vnghemack; 

Help  my  here  drade 

Vnde  Sterke  my  myt  dyner  ghenade. 
175  Wes  my  ghenadich  vppe  desser  erde, 

Help  my,  dat  ick  ghetwydet  werde. 

Sende  my  dynen  enghel  hyrnedder, 

Dat  ick  mynen  syn  van  den  richter  kere  wedder. 

Laet  my,  leue  here,  ock  byscheen 
180  Dat  ick  mynen  vyant  mothe  seen, 

Vnde  ick  myt  mynen  synnen 

Ene  mothe  vorwynnen; 

Dat  ick  dat  moghe  bewysen, 

Waervmme  dyn  name  sta  tho  prisen." 
185  De  ene  knecht  na  den  anderen  trat; 

Se  sloghen  se  sere  vnde  bat. 

De  richter  mochte  nicht  anseen  dat  bloet, 

Dat  van  eren  lyue  vloet. 

He  sprack:  „wo  langhe  wultu  karmen, 
190  Wultu  dyn  iunghe  lifF  nich  vorbarmen 

Vnde  anbede  vnsen  affgot, 

Edder  du  schalt  steruen  den  doet. 

Myn  swert  bynemet  dy  dat  leuent  dyn, 

Wultu  my  nicht  hoersaem  eynsyn.^ 
195  Margareta  sprack  al  vnvoerveret: 


155  louet  an  M  bauen  0.  —  157  iw  M  eme  0.  —  160  Wente  /.  M.  —  161 
Wente  /.  M.  —  162  Du  richter  0  Richter  M,  der  sune  blynt  0  des  duuels  kynt 
M.  —  164  Du  best  min  lyff  nv  wol  to  nemende  M.  —  167  voert  0.  —  168  ergänzt 
nach  M  /.  0.  —  169  Vnde  be  0.  —  184  dinen  namen  M  myn  name  0.  —  189 
karmen  «</i.  Reineke  Voa  2537  etc.  berman  0.  —  191  affgade  0.  —  193,  194  in 
umgekehrter  Folge  M.  —  194  Vnde  wultu  0  Wente  wultu  M. 

Miederdeutsches  Jahrbaoh.    XIX.  ]^0 


146 


^De  duuel  heuet  dy  dat  gheleret, 
Byschone  ick  den  licham  myn, 
So  mothe  myn  sele  vorlaren  syn. 
Daervmme  laet  ick  minen  licham  slaen, 

200  Dat  ick  de  kröne  van  gade  wil  entfaen.^ 
De  richter  wort  voertornighet  sere, 
He  leet  se  aiier  werpen  yn  den  kerkenere. 
Do  se  yn  den  kerkenere  trad, 
Se  zeghende  sick  vnde  den  heren  bath: 

205  „0  here,  daer  alle  wyesheyt  ane  stad, 
Tho  dy  alle  croatuere  soken  raet, 
Du  beschermest  wedewen  unde  wesen, 
An  dy  so  enkan  nyn  man  vorlesen. 
Ghyff  my,  here,  dynen  seghen, 

210  Myn  vader  leet  my  dorch  dy  vnderwegen. 
0  sote  name  Jhesum  Crist, 
Wente  du  en  recht  richter  bist, 
OfFte  dat  iummer  mochte  scheen. 
So  laet  my  mynen  vyant  seen." 

215  De  amme  sach  ane  ere  noet, 
Se  gaff  ere  water  vnde  brot. 
Althohant  do  se  dat  bat, 
Eyn  drake  al  vthe  dem  wynkel  trat. 
He  was  grwuelicker  bere, 

220  He  makede  stanck  al  yn  den  kerkenere. 
Vurich  was  eme  syn  haer  vnde  wanghe, 
Vnme  syn  hals  lach  eyn  scianghe. 
Syne  tenen  weren  eme  yserin; 
Syne  oghen  gheuen  vlammen  schyn. 

225  Vth  syner  nesen  ghynck  eyn  roeck, 
Darvan  wart  so  vuel  eyn  smoeck. 
He  hadde  eyn  swert  an  syner  haut, 
Dat  was  vurich  alzo  eyn  brant. 
Do  wort  dat  yn  den  kerkenere  alzo  lecht, 

230  Do  wort  sunte  Margareta  vorscricht. 
Vppe  dede  he  synen  munt  althohant, 
Margareta  he  vil  schiere  voersdaent. 
Dat  cruce,  dat  se  vor  sick  hadde  ghedaen, 
Do  se  yn  den  kerkenere  w^as  gheghan. 


199  minen  licham  slaen  M  thosclacn  den  licham  myn  0.  —  200  Nach  M, 
Daervmme  wil  ick  vntfangen  de  crone  fyn  0.  —  202  al  yn  den  0  in  eynen  M.  — 
203,  204  trad  :  vnde  do  den  heren  hath  M  quam  :  vnde  sprack  0.  —  205  stad  M 
Bteyt  0.  —  206  soken  M  sulken  0.  —  207  Nach  M,  /.  0.  —  208  nyn  mach  vor- 
lesen 0  neen  man  nicht  genesen  M.  —  209  godlikeu  sogen  M  segheningc  O.  — 
210  Nach  M,  Wente  dyn  vader  leet  my  vnder  synen  willen  vanghen  0.  —  211 
name  0  here  M.  —  214  vyant  M  vrunt  0.  —  215,  216  stehen  in  0  nach  210.  210 
water  vnde  M  vader  dat  0.  —  219  grwuelick  0.  —  223  yseren  0.  —  224  geuen  M 
weren  em  wul  0,  schyn  M  syn  0.  — -  226  Nach  M,  Beyde  vuer  roeck  vnde  smoeck  O. 


147 

235  Dat  wos  yn  des  draken  munde; 

He  thoreet  an  der  suluen  stunde. 

Margareta  de  vth  ghynck 

Vnde  nene  sericheit  äff  eme  vntfynck. 

Do  sach  ze  yn  der  anderen  syden  staen 
240  Eyn  kole  swart  man, 

Deme  weren  syne  hande  bunden  alzo  eyn  deue. 

Done  wart  Margareta  van  herten  leue; 

Se  nam  gade  gude  tho  werden 

Vnde  warp  ene  by  den  baren  to  der  erden. 
245  Done  wart  se  kone  vnde  malsk 

Vnde  sette  eren  votb  vppe  synen  bals. 

Se  sprack:  ;pber  duuel,  ghy  vindet  dat  ghy  saghet, 

Ick  byn  Cristus  arme  magbet.^ 

Done  wart  dat  gades  cruce  gbesen, 
250  Dat  lecbt  al  auer  deme  kerkenere  scbeen. 

Do  sprack  de  duue,  de  vp  den  cruce  satb: 

;,  Margareta,  des  paradises  porte  dy  apen  stat.^ 

Do  lauede  se  den  alweldigen  Crist 

Vnde  sprack:  „seggbe  my,  we  du  byst.^ 
255  He  sprack:  ;,vil  eddele  maget  reyne, 

Nym  van  my  dynen  votb  kleyne, 

So  wyl  ick  dy  sagbeu  vnsen  ratb, 

Vnde  Warna  alle  vnse  werck  statb: 

Belsebukes  schare  byn  ick  en  bouetman, 
260  De  guden  werck  ick  vorstoten  bogban. 

Nu  betb  dy  gbebulpen  Crist, 

Dattu  best  vorwunnen  myneu  lyst. 

Ick  bebbe  vele  bosbeyt  gbedan 

Vnde  gade  ghenamen  wyff  vnde  man, 
265  Leygen  vnde  papen 

Ridder  vnde  knapen. 

Vil  mennicb  stolt  wif  bebbe  ick  gbebalet 

Dartbo  mennigbe  stolte  magbet. 

Ick  motb  des  nu  gben  auer  al: 
270  Der  lüde  ys  nen  tal, 


235  W08  f,  0,  crux  crevit  Mombrüius.  —  238  Vnde  nene  sericheit  M  Ynseriget 
de  se  0,  oem  M  ene  0.  —  242  Do  wort  sunte  Margareta  0,  leue  0  vro  F.  —  243 
gude  tho  werden  F  verderbt,  tho  hulpe  althohant  0.  —  244  myt  den  hären  M  by 
den  handen  0,  per  capilos  Mombr.  —  245  Do  wort  0,  mals  0.  —  246  trat  den 
duuel  myt  den  voten  vppe  den  0.  —  247  du  duuel,  du  envindest  nicht,  wat  du 
lägest  0.  —  248  byn  vri  vnde  cristus  arme  denstmaghet  0.  —  249  Do  wort  doer 
gades  ere  0.  —  250  Dat  dar  so  luchtede  an  den  kerkener  schyn  F,  ouer  den  ker- 
kener  M.  —  251  Do  de  *duue  vppe  deme  0  Do  sprack  de  genno  F.  —  252  /.  0. 
—  253  enlouede  0,  se  0  Margareta  F.  —  254  to  den  duuel  saghe  F  segge  M, 
my  viant  0.  —  255  Do  sprack  de  duuel  F,  vil  /.  0,  eddel  junfrowe  0.  —  256 
Nv  nemet  van  my  eyn  kleyne  0.  —  257  Ick  wyl  iw  saghen  al  0.  —  258  waerna 
al  vnsen  willen  0.  -  259  byn  0  was  F.  —  260—274  /.  0.  —  267  viell  eijaghet. 

10* 


m 

De  ick  met  vnloven  an  de  helle  hebbe  bracht. 

AIsus  hebbe  ick  vp  mynes  heren  vrame  ghedacht 

Ick  de(r)  ock  nicht  entleth, 

Wer  de  raynsche  wakede  effte  slep. 
275  Wo  dicke  ick  darvp  dachte, 

Wo  ick  ene  to  den  sunden  brachte. 

Dat  sy  huden  vnde  iummermer  gheklaget: 

Ick  byn  vorwunnen  van  ener  maghet. 

Margareta,  id  doth  niy  doch  we, 
280  Dat  dyn  vader  vnde  moder 

Hebben  ghewesen  vnse  seilen; 

Dy  enkan  ick  nich  ghevellen.^ 

Margareta  sprack:  ^we  het  dy  de  rechticheit  geuen?^ 

De  duuel  sprack:  ;,nu  saghe  my  erst,  wo  ys  dyn  leuent 
285  Vnde  wo  ys  Cristus  an  dy  ghebleven.^ 

Margareta  sprack:  „ick  segghe  dy  nycht, 

Du  bist  des  vnwerdich,  böse  wycht.* 

Don  sprack  de  duuel  snelle: 

„Satanas  ys  vnse  koninck  in  der  helle. 
290  Nu  machstu  wol  in  den  boken  lesen, 

Wat  vnse  siechte  moghe  wesen. 

Ick  derre  nich  met  dy  spreken  mere; 

Ick  se  Jhesum  by  dy,  den  vnichte  ick  sere. 

Doch  so  bidde  ick  dy,  maget  reyne, 
295  Dat  ick  muchte  met  dy  spreken  eyn  kleyne. 

Margareta,  ick  beswere  dy  by  Gade 

Vnde  by  all  syne  bade, 

Dattu  my  wysest  an  de  stade, 

Dar  ick  den  luden  moghe  schaden.^ 
300  Do  sprack  Margareta:  „du  duuel  swich, 

Vnde  lath  dynen  bösen  krich. 

Vare  van  my  met  der  verde.  *^ 

Thohant  vorslanck  ene  de  erde, 

Dat  me  ene  nych  mer  ansach. 
305  Des  anderen  daghes  dat  ghescach, 


273  vieü,  My  de  .  .  .  entlep.  —  275  Vyl  dick  0,  darvp  f,  0.  —  276  Wo  ick 
ere  reynicheit  bynemen  mochte  0  vgl,  V,  85.  —  277  Nv  sc  dat  hüte  vnde  morghen 
0.  —  278  Dat  ick  0,  van  eyn  kleyne  maghet  0.  —  279  De  duuel  sprack  dat  deyt 
my  we  0.  —  280  Dat  F  Wente  0 ;  vielL  ^r  nach  moder  eu  ergangen.  —  281  myn 
ghesellen  0.  —  282  Vnde  dy  0,  nicht  vyllen  0.  —  283-285  /.  0.  283  ghewesen 
F.  —  284  ein  Vers  fehiL  —  286  yt  amma  (l.  ick  arme)  zage  dy  dat  nicht  O.  — 
287  Vnde  du  enbist  nicht  werdich  du  0.  —  288—291  in  0  nach  V,  278.  288  De 
vyant  sprack  snelle  0.  —  289  Tho  lucifer  syn  gheselle  0.  —  290  dat  an  den 
boke  0.  —  291  Wo  vele  siechte  vnser  moghen  0,  wesen /.  0.  —  292  Do  sprack 
he  ick  endore  nicht  myt  0,  —  294  Ick  bidde  dy  eddele  iuncfrowe  0.  —  295  myt 
dy  mothe  spreken  0.  —  296  byswere  0.  —  297  alle  syn  ghebade  0,  —  298  stede 
F,  Dat  du  my  settest  yn  der  stat  0.  —  299  schaden  moghe  F,  Daer  ick  den  kristen 
nicht  schaden  vnde  mach  O.  —  300  Margareta  sprack  0.  —  301  late  0.  —  302 
Vnde  waer  0,  mitter  O.  —  303  AI  thohant  vorklundede  sick  de  erde  0.  —  304,  305/.  O. 


14» 


Dat  Olibrius  sat  vor  den  sale 
Vnde  leth  Margareten  vor  sick  halen 
Don  se  vth  den  kerkener  ginck 
Vnde  scholde  treden  vor  dat  dinck, 

310  Dat  cruce  sluch  se  vor  sick; 
Se  sprack:  ;,here  beware  mick 
An  der  zele  vnde  an  den  liue 
Vnde  lath  my  ewych  by  dy  blyuen.^ 
Don  wolden  de  lüde  alle  seen, 

315  Wat  Margareten  scholde  sehen. 
Don  de  richter  se  anghesach, 
Vyl  gutlyken  he  tho  oer  sprack: 
„Margareta,  do  noch  myn  gheboth 
Vnde  bede  an  mynen  godt, 

320  Vnde  do  den  wyllen  myn; 

Myn  rychte  gheyt  anders  auer  dy.^ 
Margareta  de  sprack  dar  wedder: 
„De  rede  wyl  wy  leggen  nedder, 
Vnde  beden  Jhesum  Cristum  an, 

325  Dem  alle  dinck  synt  vnderdan, 

So  mach  dyner  werden  vyl  gut  rath. 
Deystu  des  nych  tho  desser  stunt, 
Du  werst  ghesenket  in  der  hellen  grünt.  ^ 
Olibrius  vyl  tornich  wart; 

330  He  let  de  maget  met  der  vart 
Vil  sere  hoch  vphenghen 
Vnde  bemende  lampen  brenghen 
Vnde  leth  oer  lyflf  entfengen  auer  all. 
Don  sprack  de  maget  in  der  qwall: 

335  „Ick  laue  dy,  here  Jhesus  Crist, 
Wente  du  myn  troster  byst.^ 
Don  dit  Olibrius  sach, 
Tho  den  knechten  he  don  sprack: 
„Ghy  scolen  se  in  den  galgen  vthsperren 

340  Vnde  er  lyfF  tlioschoren 

Met  krowelen  vnde  jnet  haken.  ^ 
De  knechte  dat  vil  snelle  makeden. 
Se  wart  ghesperret  so  eyn  hamel; 
Dat  vlesk  van  eren  liue  wart  ghetagen, 

345  Dat  me  ere  ghebente  sach. 
Margareta,  de  reyne  sprack: 
„Crist  here,  vorgeth  myner  nycht, 
Dit  wyl  ick  lyden  dorch  dyck.^ 
Don  Olibrius  horde  dath, 


306  De  richter  sat  vor  synen  0.  —  307  Vnde  he  leet  sunte  Margareta  0. 
308  Schhus  von  0  8.  u.  —  326  ein  Vera  fehU. 


150 


350  Van  tarne  he  don  dauendich  wart 

Vnde  spracjc  mer  tho  der  maghet: 

;,Ick  hebbe  dy  voer  ghesaget, 

Dattu  dedest  mynen  wyllen, 

So  dorflfte  ick  dy  nich  laten  villen.^ 
355  Margareta  sprack:  ^swich,  du  dauendighe  bunt, 

Cristus,  myn  here,  maket  my  wol  ghesimf 

De  richter  dauendich  wart  in  synen  synne 

Vnde  leth  oer  hende  vnde  vote  bynden 

Vnde  leth  se  werpen  in  ene  baden  groth, 
360  De  van  water  auer  vloth. 

Margareta  her  tho  hemmel  sach, 

Vyl  ynnichliken  dath  bede  sprack: 

^Gfot  here,  lose  myne  bende, 

Ick  oppere  my  in  dyne  hende. 
365  Here  vader,  Jhesus  Crist, 

Wente  du  alles  dinges  mechtich  byst, 

Lat  dit  water  myne  dope  syn, 

Vor  alle  de  missedat  myn.^ 

Thohant  wart  eyne  ertbevinghe  grot; 
370  Ene  duue  brachte  ene  crone  roth 

Van  golde  lutter  vnde  dar 

Vnde  settede  se  vp  Margareten  har. 

Don  wart  se  los  van  den  benden, 

Beyde  an  voten  vnde  an  henden. 
375  En  stemme  tho  Margareten  sprack: 

„Du  best  gheleden  grot  vnghemack, 

Du  schalt  kamen  yn  myn  ryke, 

Dat  ys  dy  boreyt  ewichliken.*' 

In  desser  stunden,  alzo  nu  ys  boscheyden, 
380  Worden  bekert  vyflf  dusent  heyden, 

De  de  cristenheyt  entfengen 

Vnde  tho  deme  dode  gingen. 

Thohant  let  de  richter  ane  wan 

En  alle  de  houede  afFslan. 
385  Nochten  enlet  he  io  nich  syne(n)  haet 

He  sprack:  „trecket  de  touerersch  vthe  der  stat, 

Men  scal  oer  dat  houet  affslan." 

Don  sprack  Malchus,  eyn  iungerman, 

Den  was  se  bevalen  vnde  vnderdan. 
390  Se  kuelde  sick  nedder  vp  dat  gras; 

Cristus,  vnse  here,  by  oer  was. 

Malchus  vel  nedder  vp  syne  kne, 


363  Dattu]  Vnde  F.  —  385  haet  :  vthe  der  stat  ergänzt  nach  0  M, 
F  schadhaft,  —  889  vnde  vnderdan]  vndedan  F.  VieU.  nach  M  657—660  tu  er- 
ganzen  Kne  nedder  vp  desseme  plan. 


151 


He  sprack:  ;,Margareta,  vorbarme  dy  auer  my 

Huden,  des  bidde  ick  dick. 
395.  Cristus  steyt  by  dy,  dat  se  ick, 

Met  synen  enghelen  schone. 

In  syner  hant  het  he  ene  crone; 

De  schal  dy  vminer  syn  boreyt. 

Seal  ick  dy  slan,  dat  ys  my  leyt.^ 
400  Margareta  sprack:  „sustu  by  my  stan  Crist, 

So  geflf  my  ene  wyle  vrist, 

Dat  ick  myn  bet  met  der  cristenheyt  dele 

Vnde  bevele  gade  myne  sele.^ 

Malchus  sprack:  ;,ick  geue  dy  dult; 
405  Bidde  wo  langhe  dattu  wult.^ 

Margareta,  de  wart  don  vro, 

Ere  beth  sprack  se  don: 

;,(Here  Jhesus)  Crist,  gades  kint, 

(Alle  dinck)  dorch  dy  ghemaket  sint, 
410  (Here),  se  an  myne  noth, 

Dorch  dy  lide  ick  den  bitteren  dodt. 

Twide  my,  eflfte  dath  mach  wesen. 

Alle  de  dit  bock  myner  marter  lesen. 

Edder  de  dit  hören  met  trvwen, 
415  Dat  du  ene  genest  wäre  rrwe; 

Vnde  we  mynen  namen  ereth 

Vnde  sick  tho  mynen  denste  kereth, 

Dattu  ene  tho  allen  stunden 

Vorgeuest  alle  sine  sunde. 
420  Isset  dat  ock  iemant  vor  gherichte 

Wert  ghevoret  van  vmplichte 

Vnde  denket  an  den  namen  myn. 

Sin  vorloser  schaltu  syn. 

We  ock  bvwet  eyn  gades  hus 
425  In  myne  ere  edder  ene  klus, 

Dattu  eme  willest  gheven 

Dat  Ion  in  dat  ewighe  leuent. 

Ick  bidde  dy,  leue  here  Jhesus  Crist, 

In  welken  huse  myne  martel  ys, 
430  Dat  dar  neyn  mynsche  gheqwalet  werde 

Van  den  ouelen  gheste. 

Ock  bidde  ick  dy  aldermeyst, 

Wert  dar  inghebaren  eyn  kint, 

Dath  id  nych  werde  stum,  doff  vnde  blint; 
435  Ock  vorlige  der  moder  ere  ghesunt. 

Des  twide  my  tho  desser  stunt.^ 


408  das  Eingeklammert  ergänzt,  F  schadhaft,    —   413  de]  dee  F.    —    430 

irAri^A  vnrniivRt 


viell,  werde  vorquyst 


152 


Don  se  dit  betli  ghesprach, 

Don  wart  dar  ghehort  eyn  donreslach, 

Vnde  gades  stemme  dar  mede. 
440  He  sprack:  ;,Margareta,  dyne  bede, 

Der  schaltu  al  ghetweden  syn. 

Ick  wyl  se  nemen  an  de  hulde  myn 

Vnde  wyl  se  losen  vth  aller  noth 

Vnde  wyl  se  boschermen  vor  den  doth. 
445  Kum  nu  tho  my,  de  ewighe  kröne, 

De  wyl  ick  dy  glieven  tho  lone.^ 

Don  sprack  Margareta  den  knechte  tho: 

,Dat  dy  bevalen  ys,  dat  do. 

Nu  machstu  my  myn  houet  affslan, 
450  Got  wyl  my  in  syn  ryke  entfan.^ 

De  knecht  sprack:  ;,soolde  ick  iummer  ghenesen, 

Dynes  dodes  wyl  ick  vnschuldich  wesen.*' 

Se  sprack:  „sleystu  my  nycht, 

Du  schalt  met  my  neue  plycht 
455  In  deme  hemmelrike  han. 

Wattu  my  deyst,  dat  hestu  nych  ghedau. 

Du  deyst  des  rychters  both; 

Du  schalt  liden  neue  noth.*' 

Malchus  kuelde  sick, 
460  He  sprack:  „Margareta,  bidde  vor  mick, 

Dat  my  goth  mote  vorgheven, 

Dat  ick  dy  beneme  dyn  leuent.^ 

Don  helt  se  vp  ere  hende 

Vnde  sprack:  „here,  vorgeflf  em  al  syne  sunde." 
465  Met  vruchten  sluch  he  enen  slach, 

Margareten  ere  eddel  houet  äff. 

Don  starff  Malchus  tho  den  suluen  tyden 

Vnde  vel  nedder  tho  erer  vorderen  syden. 

Don  se  beyde  doth  weren, 
470  Dar  qwemen  met  groten  eren 

De  engel  vnde  nemen  ere  seien. 

Done  schegen  dar  tcyken  vele. 

Lamen,  blinden  tho  der  stunth 

Vnde  alle  krancken  worden  ghesunt. 
475  De  met  den  duuel  weren  behafft, 

De  worden  gheloset  van  syner  krafft. 

Tho  den  male  auer  hoff 

Sunghen  de  engel  gades  loff 

Vnde  vurden  de  szele  vroliken 
480  In  dat  ewyghe  ryke. 


437  hadde  vuUeobracht  0.   —  445  de]  du  F.   —  459  Am  Bande  eine  un- 
lesbare Bemerkung.  —  466  Dat  oer  dat  houet  v^  der  erden  lach  M.  —  476  syner]  erer  F. 


153 


Nu  byddet  ock  alghemeyne 
Margareten,  de  maget  reyue, 
Dat  se  vns  helpc  vth  aller  noth 
Dorcli  eren  hilghen  doth 

485  Vnde  dorch  erer  martel  ere, 
Dat  Cristus,  vnse  leue  here, 
Dorch  eren  wylle  mothe  vns  gheven 
Na  dessen  leuende  dat  ewighe  leuent. 
Dat  gesche  vns  allen  samen. 

490  In  gades  namen  amen. 

Do  dit  Theodosius  voniam, 
He  heymeliken  tho  den  lycham  qwam. 
He  nam  ene  vp  van  der  erden 
Vnde  lede  ene  vil  werde 

495  In  eynen  marmelynen  schryn. 
He  screff  ock  dit  bokelyn 
Van  der  martel  vnde  pyn 
Der  reynen  iunckfrowen  vnde  maget, 
Van  der  dit  bück  het  ghesaghet. 

500  Van  den  het  he  tho  lone  ghenamen 
Vnde  ys  in  dat  hemmelrike  kamen. 
Dat  vns  dat  altomalc  ghesche, 
Des  helpe  vns  der  namen  dre. 
Hir  het  sunte  Margareten  passio  (ende); 

505  Got  mote  vns  syne  warheit  (senden). 


Schlms  von  0  =  V,  308—449. 

308  Do  se  vtbe  deme  kerkenere  gynck, 

Se  zeghende  sick  vnde  ghynck  vortan. 
310  De  lade  wolden  alle  seen, 

Wat  snnte  Margareta  scbolde  byscheen. 

De  richter  sprack:  „Margareta,  do  noch  myn  ghebot 

Vnde  anbede  an  mynen  got.'' 

Se  sprack  althohant  al  sunder  vrist: 
315  j,Ick  anbede  Jhesum  Crist, 

De  de  werld  gbeloset  hefft 

Van  den  bösen  duuel  raet/ 

Vnde  myt  barnende  lampen  den  wat  se  snelle  to  sick. 

Dat  se  brenden  eren  licham. 
320  Se  sprack:  „here,  hyrtho  byn  ick  byreyt; 

Laet  nv  an  my  vorbernen  alle  boesheit/ 

De  richter  sprack:  „do  noch  myn  ghebot, 

Vnde  anbede  an  mynen  got." 

„Dyn  duuel  kan  my  nicht  voerwynnen, 


491  Theotinas  M.   —  500  van  den  verderbt,  ghenamen  tho  lone  F.   —   504 
Die  letzten  beiden   Verse  eingerückt. 


154 


325  Dat  ick  wil  doen  na  dynen  willen. 

Wo  dn  bist,  so  bliff; 

Got  de  bywaere  myn  sele  vnde  myn  liff.*^ 

Me  bant  ere  bände  vnde  ere  vote  alzoTort 

He  leet  se  werpen  ane  eynne  bodene  gröt, 
330  De  van  beten  water  vth  vloet, 

Dar  mannicb  ane  vurdemede. 

Se  sacb  yppe  tbo  bemmelrike 

Vnde  se  bat  got  ynnicbliken: 

„Lose  myne  bende, 
336  Ick  byvele  my,  here,  an  dyne  hende. 

Here  vader,  Jliesnm  Grist, 

Wente  du  alle  dynck  weldich  bist, 

Laet  dyt  water  myn  dope  syn 

Voer  alle  mysdaet  gbe  myn." 
340  Thobant  wart  daer  eyn  ertbenynghe  gr5t. 

Daer  brochte  eyn  duue  eyn  crone  roet 

Van  golde  latter  vnde  claer, 

Se  sette  se  Margareta  yppe  ere  haer. 

Tbobant  wart  se  loes  van  den  benden 
345  Beyde  van  ere  vote  vnde  benden. 

Do  sprack  eyn  stempne  yn  vroliker  stalt, 

Dat  dy  got  bywaret  an  desser  stunt. 

Alzo  ick  nv  byscbeyden  kan, 

Vorden  daer  louedich  yyff  dusent  man 
350  Ane  megeden  ynde  vrowen, 

De  alle  ere  snnde  rwaen. 

Thobant  leet  se  de  richter  yppebaeu 

Vnde  wolde  ere  laten  dat  bouet  affsclaen. 

Noch  leet  he  nicht  syn  haet; 
355  He  leet  ze  trecken  ythe  der  stat, 

Vnde  leet  eer  dat  honet  affsclaen. 

Do  sprack  Malchins,  eyn  inngher  man: 

„Sterke  den  als,  Margareta,  vnde  yorbarme  dy  aner  my; 

Ick  se  Jbesnm  myt  synen  enghelen  wanderen  by  dy.* 
360  „Vyl  leue  yrunt,  sustu  by  my  Crist, 

So  ghyff  my  eyne  wyle  vrist, 

Dat  ick  iw  den  cristendoem  dele 

Vnde  beyele  gade  myne  sele." 

Malchins' sprack:   „ick  gene  dy  dnlt, 
365  Bidde,  wolanghe  du  suluen  wult." 

Do  begbunde  ze  tbo  spreken  ere  bet: 

„Here  got,  de  du  alle  dynck  heuest  ghemaket, 

Hemmel  vnde  erde  ynde  alle  dynck 

Beyde  water,  yuer  vnde  wynt, 
370  Dencke,  here,  an  myne  noet; 

Dore  dy  lyde  ick  den  bitteren  doet. 

Twyde  my,  offte  dat  mochte  wesen, 

Alle  de  dyt  bock  lesen 


325  Dat  ick  volge  dynen  bösen  sinnen  M.  —  348  ick  0  eck  o.  —  358  vieU. 
strecke  den  hals;  extende  cervicem  Mombrü, 


155 


Edder  anhören  myt  tmwen, 
37Ö  Dat  du  ghenest  erer  snnde  ruwen. 

Vnde  we  mynen  namen  eret 

Edder  sick  tho  mynen  denst  keret 

Myt  offer  edder  myt  ienigher  plicht, 

Vnde  bnwet  an  mynen  eren  eyn  gades  hues 
380  Edder  eyn  gheystlick  klns, 

Dat  du  an  der  snluen  stünde 

Vorghenest  eme  alle  syne  snnde. 

Dat  du  eme  dat  vorschaldedest, 

Vnde  myt  deme  hilligen  geyste  yorwulledest. 
385  Stande  ock  eme  tho  plichte 

(Vo)r  enen  scharpen  gherichte 

(It  da)t  daen  kencket  myn, 

(Dat)  du  den  synen  vorstander  syn. 

(Welck)  yrowe  hefft  yn  eren  hnse  desse  passien, 
390  (Do  en)wart  nyn  kynt  ghebaren, 

(Stnm),  doeffy  lam  edder  blynt. 

(Ock)  nyne  vrowen  sternet  yn  der  beert,  , 

(Ick  en)kame  er  tho  hnlpe  yn  der  noet. 

(Des)  twyde  my,  here,  dorch  dynen  bitteren  doet.' 
39Ö  Do  se  ere  bet  hadde  wuUenbracht, 

Do  wort  dar  höret  eyn  donnersclach 

Vnde  gades  stempne  daer  mede 

De  stempne  sprack:  „Margareta,  dynes  bedes, 

Schaltn  enttwidet  syn. 
400  £ym  nv  yn  dat  rike  myn; 

Kvm  nv  hyr  tho  my, 

Ny  schaltn  vntfanghen  de  crone  fyn.'^ 

Margareta  sprack  deme  knechte  tho, 

„Wat  dy  gheheten  ys,  dat  do; 
406  Ny  machsta  affsclaen  dat  honet  myn, 


Zum  Anseimus. 

Das  Gedicht,  welches  durch  einen  Dialog  zwischen  dem  heiligen 
Anselm  und  der  Maria  die  Leidensgeschichte  des  Heilandes  darstellt, 
ist  uns  in  einer  niederdeutschen  und  niederrheinischen  Fassung  erhalten. 
Die  erstere,  von  Lübben  nach  einer  aus  Braunschweig  stammenden 
Handschrift  (B)  1869  veröffentlicht,  erhält  durch  das  Fürstenwalder 
Bruchstück  (F)  s.  o.  S.  131  einen  Vertreter,  dessen  Dialekt  noch 
grössere  Reinheit  zeigt.  Dazu  kommt  ein  Lübecker  Druck  von  1521 
her.  von  Ch.  Walther  (=  L,  St.  Anselmi  Frage  etc.  Norden  1890). 
Mit  dem  niederrh.  Anseimus  aber,  den  Schade  (Geistliche  Gedichte 
S.  248  flf.)  aus  einem  Kölner  Druck  von  1514  (C)  herausgab,  muss 
man  einen  zweiten  wohl  etwas  älteren  Kölner  Druck  vergleichen,  der 
in  der  Königlichen  Bibliothek  zu  Berlin  vorhanden  ist  (c). 

378  Mit  offer  almissen  edder  lichte  Edder  mit  yeniger  hande  plichte  M.  — 
385  eme  0  omo  o.  —  386  Das  Eingeklammerte  nach  o  ergänztf  0  ßchadhaft 


156 

Der  Titel  lautet:  Sent  Äusdimis  tirage  ixo  Marien  van  der  pa^ssk 
uns  lieven  heren  ihesu  christi.  Darunter  ein  Holzschnitt,  welcher  Maria  mit 
dem  Kinde  sitzend  darstellt,  (o.  0.  u.  f.)  gr.  8.  —  Bl.  Ib  beginnt  das  Ge- 
dicht. Bl.  20  a  trägt  das  Bild  eines  Mönches,  dessen  linke  Hand  erhoben  ist, 
während  die  rechte  anscheinend  ein  Bach  hält.  Anf  Bl.  20  b  sieht  man  das 
Kölner  Wappen  mit  den  drei  Kronen  im  oberen  Felde,  gehalten  von  einem 
Adler  und  einem  Löwen.  Das  Papier  hat  als  Wasserzeichen  ein  q,  ans  dem 
oben  ein  Stern  hervorragt,  (vgl.  Götze,  Ältere  Gesch.  der  Buchdmckerkanst 
zu  Magdeburg.    1,  S.  20). 

G  und  c  sind  untereinander  nahe  verwandt.  Gemeinsam  ist  ihnen  beiden 
die  häufig  eingestreute  Moral,  welche  in  schleppender  Weise  den  Gang  des 
Gespräches  unterbricht  (vgl.  Schade  S.  240).  Nur  C  173—6,  377/8,  647/8 
fehlen  in  c.  Noch  häufiger  sind  Cc  entstellt  durch  die  HinzufOgung  des 
Namens  des  Anseimus,  G  109  etc.  28  mal,  der  Maria  C  655,  669,  729,  1131, 
des  Judas  234,  wo  meistens  schon  die  Verslänge  Verdacht  erregt.  Ebenso 
ist  der  Schluss  C  1235—42,  der  nur  eine  Ausführung  der  bekannten  Elaaania 
ist,  den  beiden  Kölner  Drucken  eigentümlich.  Schon  in  der  Vorlage  derselben 
war  durch  Zufall  eine  Lücke  nach  G  472  entstanden,  indem  der  Schreiber 
von  B  465  owe  herte  leve  sone  hinüberglitt  zu  472  owe  herte  leve  kini. 
Dagegen  scheint  absichtlich  nach  G  1199  fortgelassen  zu  sein  B  1166 — 1222, 
so  dass  in  Gc  die  Grablegung  garnicht  erzählt  wird.  Endlich  stimmt  C  mit 
c,  abgesehen  von  vielen  Lesarten,  auch  darin  überein,  dass  häufig  sechs  oder 
vier  Verse  zu  geringerem  Umfange  zusammengezogen  sind  z.  B.  B  97 — 102 
=  Cc  91/2,  B  121—24  =  Gc  109/110,  B  427—32  =  Gc  433—36  und  öfter. 
Aber  die  übergrosse  Länge  der  Verse  verrät  auch  hier  sehr  deutlich,  was  die 
ursprüngliche  Form  ist 

Trotz  dieser  nahen  Verwandtschaft,  die  unter  den  Kölner  Drucken  be- 
steht, ist  aber  doch  keiner  von  beiden  aus  dem  anderen  geflossen.  Abgesekea 
davon,  dass  c,  wie  oben  bemerkt,  doch  wenigstens  an  einigen  Stellen  noch 
von  der  Moral  frei  geblieben  ist,  hat  er  auch  einige  Lesarten,  die  durch  ihre 
Übereinstimmung  mit  BFL  sich  als  ursprünglich  erweisen.  Unverständlich  ist 
allerdings,  was  c  hat,  wie  dat  eirst  quam  txo  spränge  anstatt  G  75  toie  dat 
xo  dem  eirsien  is  ergangen;  aber  wer  die  Lesart  von  F  (=  B  79  und  L  81) 
wo  qtiam  dat  irst  iho  pranghe  damit  vergleicht,  kann  keinen  Augenblick 
zweifeln,  wer  geändert  hat.  Auch  mit  dem  Verse  Mj/n  mont  ennioichie  niei 
sprechen  stimmt  c  genau  zu  B  (FL)  320,  während  G  320  lautet  of  icht  mit 
einte  swerde  were  doirstechen.  Statt  der  verderbten  Lesart  C  1102  so  hail 
ir  alle  ingesinde  hat  c  das  Richtige  soe  fiaint  yr  gedoedet  aU  syn  gesyndt, 
ähnlich  wie  BL.  Auch  die  nichtssagenden  Zusätze  G  49,  56,  343  fehlen  in 
c  wie  in  den  niederdeutschen  Zeugen. 

Einige  andere  beachtenswerte  Lesarten  von  c  sind  folgende:  G  90 
blewen  G,  fehlt  in  BFcL.  99  ein  iewelk  sprack  BFL  sie  sprechen  alle  c. 
f.  G.  208  jammerliken  BF  soe  jemerlichen  c  mit  einem  schentlichen  doit  C. 
241  min  lief  kint  C,  f,  BFcL.  287  sin  morder  und  G,  /*.  BFc.  357  he  sprack 
BFL  do  sprach  hie  c  Jesus  antwoirde  G.  384  lange  C,  /*.  BFcL.  567  tins 
BL  tzins  c,  f,  G.  906  ere  BL  erue  c  rieb  G.  941  stich  B  stige  L  stiege  c 
koroe  G.  908  vot  B  vödet  L  gevoit  c  genoit  G.  993  ducke  G,  f,  BcL. 
1066  doeden  BL  doede  c,  f,  G.  1128  alrede  BL  all  bereit  c  so  balde  G. 
1138  toch  BL  tzoich  c  treckt  G. 

Andrerseits  finden  sich  aber  auch  in  c  kleinere  Zusätze,  von  denen  G 
rein  blieb.  Vor  allen  hat  c  mehrere  Verse,  die  BG  beide  enthalten,  fortge- 
lassen; was  meistens  dann  geschah,  wenn   das  niederrh.  Idiom   mit   dem    nd. 


15? 

b  Streit  lag:   511/2,   519/20,   621/2,   767/9,   887/8,  873/4,  1017/8,  1212  H 
1214  fehlen  in  c.     Daraus  folgt,  dass  auch  C  nicht  aus  c  hervorgegangen  ist. 
Jedenfalls  aber  wird,  wenn  eine  neue  Ausgabe  der  Scbadescheu  Gedichte  ver- 
anstaltet werden  sollte,  dazu  c  herangezogen  werden  müssen. 

Eine  noch  nähere  Verwandtschaft  als  unter  den  Kölner  Drucken 
besteht  unter  den  beiden  niedersächs.  Handschriften.  Dass  in  F  die 
Verse  B  62,  352,  410  ausgefallen  sind  und  nach  B  57  einer  hinzu- 
gefügt wird,  ändert  daran  nichts;  denn  sonst  entsprechen  sich  Zeile 
für  Zeile  und  Reim  für  Reim.  Es  ist  sogar  der  gleiche  Fehler  in 
beide  eingedrungen  B  73  egheno.  statt  cneghe^  was  aus  einich  Cc  und 
ynnige  L  sich  ergiebt;  denn  Gott  ist  der  Maria  einziger  Trost,  einen 
eigenen  Trost  giebt  es  nicht.  Der  Zusatz  gi  heren  B  131  (=  F)  ist 
in  CcL  nicht  eingedrungen.  Die  Lücke,  die  in  B  nach  V.  1151  da- 
durch entstand,  dass  C  1180 — 84  durch  Übergleiten  des  Auges  fort- 
fielen, würden  wir  vielleicht  auch  in  F  finden,  wenn  die  Handschrift 
so  weit  reichte;  L  allerdings  blieb  davon  unberührt. 

Aber  einige  Male  hat  F  in  Übereinstimmung  mit  Cc  das  Richtige 
bewahrt,  wo  B  verderbt  ist.  Nur  durch  eine  Glosse  ist  wohl  B  143 
undertunschmschfydefi  entstanden,  während  FCcL  underscheyden  haben. 
Ebenso  muss  mit  FCcL  marter  gelesen  werden  statt  B  172  pine^  das 
aus  dem  vorhergehenden  Verse  eingedrungen  ist.  In  V.  B  99  Wer 
stoghen  se  de  hauede  nedder  spricht  die  Lesart  von  FL  de  oghcn  zu 
sehr  für  sich  selber;  denn  das  Haupt  schlägt  man  nicht  nieder.  In 
dem  unverständlichen  Verse  B  296  hedde  ik  siner  nicht  geweten  liest 
F  ebenso  sinnwidrig  synen  doth  statt  siner  nicht,  aber  das  steht  der 
Lesart  von  Cc  sin  groiee  not  doch  näher;  das  Richtige  ist  natürlich 
sine  not.  Nicht  weniger  dunkel  ist  B  196  darumme  so  scdt  an 
dem  rechte;  dafür  hat  F  d.  s.  schaltu  prwen  rechte  ähnlich  wie  Cc. 
Die  überflüssigen  Zusätze  BL  108  rechten  273  to  hidpe  BL  kennen 
FCc  nicht.    Die  richtige  Versfolge  B  378,  377  ist  in  FCcL  nicht  gestört. 

Da  also  der  Handschrift  F  trotz  ihres  jungen  Alters  selbständiger 
Wert  zuzuerkennen  ist,  so  darf  man  auch  einige  gute  Lesarten  zurück- 
führen, wenn  sie  auch  nur  durch  diesen  Zeugen  beglaubigt  sind.  Der 
Vers  nu  is  al  vnse  trost  vorlaren  ist  viel  kraftvoller  als  B  306  Maria 
nu  is  it  al  vorloren^  wofür  auch  LCc  stimmen;  die  Hinzufügung  des 
Namens  war  wohl  Ursache  der  Kürzung.  Ganz  ebenso  verhält  es 
sich  mit  dem  Verse  Och  dedc  dy  des  noth,  wo  B  115  und  L  ein  spreke 
ik  Cc  ein  sprechen  ich  einschieben.  Der  Vers  dnih  he  nicht  van  iw 
enscheydc  wird  durch  Anwendung  des  Hülfsverbunis  moghe  B  150  u. 
('CL  nur  matter.  Die  eigenartige  Losart  burelmcht  ist  aus  snode  knecht 
B  364  und  Cc  und  L  hocze  tvycht  kaum  zu  erklären.  Überhaupt  ent- 
spricht dieselbe  mehr  der  mittelalterlichen  Dichtungsweise,  die  alle 
Verhältnisse  nach  heimatlichem  Vorbilde  umgestaltet.  So  sitzt  Maria 
auf  einem  Stuhle  B  295.  Christus  wird  zur  Erde  bestattet  und  der 
Stein  darüber  gelegt  B  1210,  so  dass  Maria  auf  seinem  Grabe  sitzen 
kann  B  1225. 

Auch  der  Lübecker  Druck  von  1521  steht  Vers  für  Vers  zu  B. 


158 

Darin,  dass  wir  die  Verse  B  177—218,  257  u.  260,  295—296,  731 
bis  769  nicht  in  L  wiederfinden,  darf  man  wohl  die  Absicht  des  letzten 
Herausgebers  sehen;  dagegen  sind  wahrscheinlich  durch  Zufall  aus- 
gefallen B  370—372,  1227  u.  1228.  Andrerseits  ist  aber  L  von  der 
Lücke  in  B  nach  V.  1151  nicht  berührt  worden,  sondern  L  1055  bis 
1061  entsprechen  den  Versen  C  1180 — 1186;  es  kann  also  L  nicht 
aus  B  herstammen.  Das  ergiebt  sich  auch  aus  vielen  LesaHen,  be- 
sonders aus  ynnige  für  yenige,  wo  B  73  in  Übereinstimmung  mit  F 
das  falsche  eghene  hat.  Wenn  hier  und  da  in  L  die  Reime  geändert 
sind  wie  z.  B.  B  57,  121,  363,  397  etc.,  so  sieht  man  bei  der  Ver- 
gleichung  sehr  bald,  dass  BF  das  Ursprüngliche  haben.  Nur  die  Reime 
B  847  in  L  stoet  :  bloet  werden  verteidigt  durch  die  Altertümlichkeit 
der  Form;  auch  die  Reime  kinde  :  swinde  B  439  wird  man  wegen 
der  Übereinstimmung  mit  Cc  der  Lesart  von  B  vorziehen,  überhaupt 
neigt  L  in  einzelnen  Lesarten  zu  Cc  hin;  einmal,  das  ist  sehr  be- 
achtenswert, findet  sich  in  L  798 — 801  die  Moral  Cc  911 — 914,  nur 
in  reinerer  Form.  Dadui*ch  wird  man  zu  der  Vermutung  gedrängt, 
dass  es  schon  eine  niederdeutsche  Handschrift  des  Anseimus  gab,  in 
der  die  Moral  der  Erzählung  eingestreut  war. 

Aus  diesen  bisher  behandelten  Lesarten  ergiebt  sich  leicht,  welche^; 
Verhältnis  unter  den  Handschriften  besteht.  Je  zwei,  nahe  unter  sich 
verwandt  aber  selbständig,  stehen  den  beiden  anderen  schroff  gegen- 
über. Die  Fassung  L  aber  nimmt  eine  Mittelstellung  ein.  Wenn 
man  daher  mit  x  die  Urschrift,  mit  y  die  Vorlage  der  niedersächsischen 
Handschriften,  mit  z  die  Vorlage  der  niederrheinischen  Drucke  be- 
zeichnet, so  hat  der  Stanmibaum  folgende  Form,  in  der  die  Entfernung 
nach  rechts   zugleich   den  Abstand  von   der  Urschrift   andeuten   soll: 

B    F     L     c     C 


Ob  die  Urschrift  niederdeutsch  oder  niederrheinisch  war,  darüber 
sind  die  oben  genannten  Herausgeber  nicht  einig.  Lübben  hält  (' 
für  eine  t Übersetzung  aus  B,  ohne  einen  Beweis  zu  erbringen.  Schade 
sucht  durch  eine  Betrachtung  der  Reime  darzuthun,  dass  ein  niederrh. 
Dichter  der  Verfasser  war.  Aber  fast  alle  Sprachformen,  die  er  lÜr 
niederrh.  Ursprung  geltend  macht,  sind  zugleich  niedersächsisch. 
Formen,  in  denen  beide  Idiome  mit  einander  streiten,  hat  er  fast 
garniclit  betrachtet.  Er  hat  also  zwar  bewiesen,  dass  der  Anseimus 
nicht  hochdeutsch  war,  aber  jene  andere  Frage  hat  er  nicht  entschieden. 

Von  vorn  herein  muss  schon  der  Umstand  ein  wenig  günstiges 
Vorurteil  für  Cc  erwecken,  dass  in  ihnen  so  viele  seltene  und  alter- 
tümliche Worte  beseitigt   sind.     So    wird  klenliken  B  193   durch   van 


159 

hinde  ersetzt,  mit  mychelikeme  grale  628  durch  mit  eime  gemeinen  schale 
icaden  244  durch  getreuen,  vreschet  1241  durch  totsten  nu,  rügende 
710  durch  gelaufen  (=  L  lopcn).  In  vor  magh't  B  414  scheint  dem 
niederrh.  Dichter,  ebenso  wie  der  Lübecker  Redaktor,  die  Bedeutung 
der  Anrede  vor  nicht  mehr  khxr  gewesen  zu  sein,  so  dass  er  sie  lieber 
unterdrückte.  Um  mit  höre  B  71)0  zu  vermeiden,  sind  die  Reime  ge- 
ändert cruize  :  iiudfre  G  801;  aber  der  Tiefton  auf  der  Reimsilbe 
muss  Bedenken  erregen,  wie  auch  die  Uneinigkeit  der  Zeugen;  denn 
c  hat  Doe  tcorpen  yn  die  kinder  vp  der  straisse.  In  derselben  Weise 
ist  vorwoten  B  1094  umgangen;  aber  wegen  der  Länge  des  Verses  C 
1122  sin  moder  is  swairlich  dairumh  bedragen  kann  die  Entscheidung 
nicht  zweifelhaft  sein,  zumal  die  Kraft  des  nd.  Ausdruckes  vollständig 
zerstört  wird.  Auch  L  hat  allerdings  vorwoten^  aber  in  anderer  Weise 
umgangen.  Durch  ein  sehr  beachtenswertes  Missverständnis  ist  Cc 
82  durch  irre  cdre  goit  entstanden  aus  B  86  (sin  blöt),  dat  he  sedder 
vor  vns  gbt  (=  FL).  Der  niederrh.  Dichter  erkannte  in  got  (oder  godt 
F),  wegen  der  falschen  Schreibung  nicht  die  Verbalform  'vergoss', 
sondern  glaubte  ein  Adjektivums  vor  sich  zu  haben,  das  dann  eine 
Änderung  notwendig  machte.  Die  Fassung  der  niedersächs.  Dichtung 
ist  also  zweifellos  für  ihn  Voraussetzung. 

Dazu  treten  dann  aus  den  Reimworten  eine  beträchtliche  Zahl 
von  Formen  hinzu,  welche  dem  Niedersächs.  im  Gegensatz  zum  Nie- 
derrh. eigentümlich  sind.  Der  alte  Diphthong  iu  wird  im  Ndrh.  zu 
ü  oder  ie,  im  Ndss.  zu  ü  oder  c,  von  denen  das  letztere  auch  in  ei 
übergehen  kann.  Schade  selbst  (S.  7)  bezeichnet  opjsin  (:  ovddederin) 
Doroth.  229  als  echt  niederrh.  Ferner  vergleiche  man  Margar.  290 
h%0e}i  :'giezen;  aus  einem  niederrh.  Kato,  vorhanden  in  der  Königlichen 
Bibliothek  zu  Berlin  (Catho  teo  duytschen  .  Impressum  Colonie  apud 
lyskirchen^  um  1500)  S.  12b  dyet  :  niet,  S.  6b  besynnen  :  dyenen;  Cres- 
centia  (Schade,  Berlin  1853)  145,2  ich  gebute,  Ißßfi  virkisen  :  virlisen^ 
194,5  genizen  :  scizen.  Für  den  Anseimus  ist  nun  aber  aus  den  Reimen 
ersichtlich,  dass  der  ursprüngliche  Verfasser  ie  zu  e  zusammenzog: 
B  677  u.  1252  neten  :  heten  (geniezen  :  heizen);  B  309  neyn  :  teyn 
(ghein  :  zien),  während  beyn  :  teyn  B  827  u.  1062  von  C  geändert 
sind;  B  313  deif  :  bleif  (dief  :  bleif);  B  473  dreif  :  deif;  B  1081 
breif  :  dreif  (brief  :  dreif);  B  573  teken  :  sekcn  finden  wir  nicht  in  C 
wieder,  aber  die  ungeheuerlichen  Verse  577/8  müssen  verdächtig  er- 
scheinen; B  857  wesen  :  grescn  hat  C  nur  durch  Hinzufügung  des 
leeren  Verses  874  ich  sagen  dir  dat  zxtaren  zu  vermeiden  gewusst. 
Sonst  beachte  man  noch  B  37  u.  161  kne  :  ue,  167  bereit  :  deit  (= 
deot  'Volk'),  175  untvlein  :  schein^  849  vleten  :  geten^  Formen,  die  C 
meist  umgangen  hat. 

Ebenso  ist  dem  Niederrh.  fremd  das  e  im  Präteritum  der  Verba 
der  zweiten  Ablautsreihe:  Kathar,  402  ansagen  :  crslagen;  Margar.  91 
däden  :  ungenaden;  Anselm.  C  731  däden  :  beraden;  873  waren  ;  ewaren; 
Crescentia  127,5  gesägen,  41,2  täte.  Daher  widerspricht  Anselm.  B 
895  =  C  919   geven  :  screven    dem   niederrh,   Idiom.     Allerdings   ist 


ISO 

dieser  lomsmus  im  Anselm  durchaus  nicht  durchgeführt:  B  703  tcären  : 
gevaren^  572  dagen  :  sägen;  sogar  im  Conjunct  1055  ghäue  :  graue^ 
647  wäre  :  Järe  vgl.  1045  jär  :  openbar.  Beachtenswert  ist,  dass  L 
jenes  a  V.  703  und  572  vermieden  hat.  Nur  das  praet.  von  don  hat 
immer  e.  Ganz  dasselbe  Verhältnis  zeigt  die  Göttinger  Mundart: 
aus  dem  Urkundenbuch  (Hannover  1868)  habe  ich  folgende  Formen 
angemerkt:  I  Nr.  115  se  bräkcfi;  226  tce  versäghen;  227  tce  säghcn; 
306  we  spräken;  127,  131,  IS^  toären;  252,  277  teeren;  163,  350  wc 
deden  II,  351  we  stehen.  In  der  Nähe  des  Harzes  ist  also  vermutlich 
der  Anselm  entstanden. 

Endlich  stelle  ich  noch  einige  einzelne  Formen  zusammen,  die 
daa  oben  über  die  Heimat  des  Anseimus  ausgesprochene  Urteil  be- 
stätigen. Die  niederrh.  Negation  hat  ausschliesslich  die  Form  nief 
oder  nit^  Barbara  300  nid  :  antlit^  Ursula  188:  Ut,  Marienklagc  1!> 
u.  29:  geschiet  etc.  Schade  selbst  bezeichnet  (S.  110)  nicht  Barbara 
61  u.  159  als  hochdeutsch.  Die  Form  nicht  wird  für  den  Anseimus 
bewiesen  aus  B  33.  844.  982  nicht  :  bericht;  für  B  748  hat  C  761 
allerdings  niet  :  gescheit.  Das  beweist  aber  nichts;  denn  es  könnte 
nd.  auch  geschieht  statt  geschut  heissen,  vgl.  die  Braunschweiger 
Wächterordnung  von  1563  (Urkundenbuch  S.  377):  Bewart  iuwc  fucr 
u%\d  licht     Dat  nefnande  schade  geschieht. 

Ausser  allem  Zweifel  steht  es  auch,  dass  der  Verfasser  des 
Anseimus  die  nd.  Formen  der  persönlichen  Fürwörter  wählte:  wii  :  si 
B  174,  209,  604,  793;  mi  :  In  B  390,  255;  di  :  si  B  599,  901. 
Nicht  in  Betracht  kann  kommen  C  1099  mir  :  sper;  denn  B  1077 
(=  L)  hat  mere  :  spere^  mere  aber  musste  umgangen  werden,  da  es 
niederrh.  me  lautet.  Zweifelhaft  könnte  allerdings  sein  B  593  mir  : 
hir^  L  hyr  :  my;  aber  dem  Ausdrucke  der  Bibel  entspricht  mehr  die 
Lesart  von  Cc  mich  :  (were  van  hinne  min)  rieh.  Die  Reime  haben 
also  wahrscheinlich  ursprünglich  rik  :  mik  gelautet. 

Weiter  ist  echt  niedersächsisch  die  3.  pers.  plur  dat  (:  not)  B 
796  (=  L),  welche  niederrh.  dont  oder  doint  lauten  würde;  daher 
schrieb  Cc  die  mir  smaicheit  doint  und  den  doit  (V.  808),  wo  der  Zu- 
satz leicht  erkennbar  ist.  Grössere  Schwierigkeiten  machte  die  alte 
Form  5/o^^stand^  (:  hlot)  B  208;  al)er  dass  der  niederrh.  Dichter 
auch  den  Vers  dat  vor  ome  an  der  erden  stot  vor  Augen  hatte,  zeigen 
die  von  ihm  zugesetzten  Verse  C  199/200  in  einem  gardcn  dat  geschach 
vp  der  erden  dar  he  lach.  Die  alte  Form  hat  L  im  Reim  auch  V. 
754  (:==  B  847)  erhalten:  Jiy  deme  cruce  dat  ick  sioct  :  Hott;  und 
da  mit  dem  Wortlaut  jenes  Verses  Cc  übereinstimmen,  so  wird  er 
wohl  der  Lesart  von  B  vorzuziehen  sein. 

Als  schwaches  Verbum  erscheint  „stossen"  allein  im  Nd.,  so 
dass  die  Reime  B  459  tostod  :  behlot  (zerstossen;  beblutet)  nur  in 
diesem  Idiom  möglich  waren,  zumal  auch  die  Zusammenziehung  der 
Endung,  die  noch  ausserdem  notwendig  war,  nur  hier  vorkommt  (Nerger 
a.  a.  0.  §  110).  Das  Niederrh.  braucht  das  genannte  Verbum  nur 
mit  starken  Formen:  Margar.  203  gestoizcn  :  gcnoistn.     Daher  schrieb 


161 

G  467  zostoieen  :  mit  bloide  bevloizen;  aber  die  wortreiche  Unischreibung 
wird  schwerlich  jemand  als  ursprünglich  betrachten. 

Mit  dem  niederrh.  Dialekte  streiten  dann  die  Reime  gesecht  : 
knecht  B  363  und  seghe  :  weghe  B  233;  derselbe  giebt  nämlich  in 
dem  Verbum  ;,sagen"  dem  a  den  Vorzug:  Margar.  57  gesacht :  macht 
vgl.  Ursula  251  gelacht  (gelegt)  :  nacht.  Auch  Schade  selber  spricht 
sich  dafür  aus  (S.  77  u.  241).  Umgekehrt  kommt  das  Verbum  ;,be- 
fehlen^  nur  im  Niedersächs.  auch  mit  a  vor,  während  das  Niederrh. 
darin  nur  e  hat:  Marg.  119  bevelen  :  quelen  u.  Catho  S.  9a  quellen  : 
gesvlle.  Daher  veranlassten  die  Reime  hevale  :  dale  B  1034  folgenden 
ungeheuerlichen  Vers  ind  sprach  vader,  ich  bevelen  dir  zomdle  C  1056. 
Ähnlich  steht  es  mit  h'aghen  (:  sJagen)  B  712,  ein  Wort,  das  auch 
in  der  Form  breghen  selten  ist.  Der  Teuthonista  hat  es  überhaupt 
nicht,  und  Kilian  hat  „breghe  I  breghen,  Sax.  Sigamb.  Cerebrum*'. 
So  ist  es  denn  nicht  zu  verwundern,  dass  C  724  die  Reime  wangen  : 
Stangen  vorzog.  Aber  es  wird  uns  auch  zugemutet  zu  glauben,  dass 
die  Dornenkrone  dem  Heilande  auf  die  Wangen  gedrückt  sei,  nicht 
auf  Stirn  imd  Hinterhaupt. 

Aus  den  vorgeführten  Sprachformen  darf  man  folgern,  dass  die 
Urschrift  des  Anseimus,  wie  es  Lübbens  Ansicht  ist,  in  niedersächs. 
Landen  entstanden  ist.  Es  ist  vielleicht  sogar  möglich,  den  Ort  noch 
näher  zu  umgrenzen.  Aus  den  Reimworten  sS  :  e  B  731  u.  sS  :  to& 
B  248  folgt,  dass  das  Fürwort  we  'wir'  lautete.  Diese  Form  findet 
sich  schon  sehr  früh  in  der  Gegend  des  Harzes,  in  Braunschweig 
(Urkundenb.  Nr.  2  §  60.  1227),  Wernigerode  (Nr.  69.  1323),  Göttingen 
(Nr.  53.  1303).  Um  dieselbe  Zeit  hat  der  märkische  Dialekt  noch 
tvye  und  •  das  nördliche  Gebiet  wy  (Nerger  §  144).  Das  Fürwort  os 
B  873  statt  üs  ist  freilich  nicht  durch  den  Reim  gesichert,  aber  man 
darf  es  vielleicht  doch  zur  Schlussfolgerung  verwenden;  gerade  die 
genannte  Gegend  verwandelte  darin  das  u  zu  o,  Wernigerode  (Nr.  72. 
1324),  Braunschweig  (Nr.  46.  1367),  Göttingen  (Nr.  74.  1318). 
Jedenfalls  scheint  die  Vermutung  berechtigt,  dass  am  Nordharze  die 
Heimat  des  Anseimus  ist,  und  also  die  Braunschweiger  Handschrift, 
die  älteste  von  allen,  wenn  sie  auch  nicht  ganz  frei  von  hochdeutschen 
Sprachformen  ist,  dennoch  am  nächsten  dem  Ursprungsorte  ent- 
standen ist. 

In  der  hier  nun  folgenden  Übersicht  der  Lesarten  von  F  sind 
die  rein  orthographischen  und  ganz  unwichtigen  Abweichungen  über- 
gangen; nur  wo  es  die  Deutlichkeit  erforderte,  sind  zur  Vergleichung 
die  Lesarten  von  BCcL  herangezogen. 

45  wo  etc.  statt  wu.  sy  tho  deme  dode  ghokamen.  46  wente  etc.  hane 
Vornamen.  47  em  etc.  statt  ome  u.  oue.  martel.  beschach.  48  dath  du  nach. 
49  Stede  byst  by  em  ghewesen.  50  So  de.  hebben  etc.  boschrewen.  51  AUent 
dath  se  hebben  gheseen.  52  Men.  en  /.  etc.  auer  en.  53  hebben  etc.  statt  hebbet. 
54  wet.  neynen.  Nach  hl  Beyde  groth  vndecleyn  F,  /.  BCcL.  58  Men.  leue  /. 
59  wil  BL  wolde  F  woilde  Cc.  61  vü  BL  szo  F  soe  Cc.  62  /.  63  de  BL  dat 
F  die  Cc.  achaltu  etc.  statt  der  Formen  mit  o.  64  or  al  B  en  allen  F  al  Cc  my 
oek  L.    65  scal.    dl  /.    grote.    66  Darvan.    leth.    67  one  IT  m  Cc  ene.  L  mynen 

NiederdeutsoheB  Jabrbach.    XIX.  H 


162 

sane  F.  68  se  em  vphenghen.  69  dat  BCcL  ock  id  F.  70  moste  darvan  B  moiste 
daevan  Cc  wolde  my  F  scholde  ray  L.  71  met  etc.  statt  mit.  aughesach.  72  wan 
B  mer  FCc  doch  L.  ik  /.  trurcn.  78  eghenc  B  eyghene  F  cinich  Cc  yimige  L. 
74  vri  B,  /.  FCcL.  het  irloset.  75  di  /.  gheii.  76  hebbe  gheseen.  77  irst. 
78  bidde  /.  79  dath  irst.  to  den  prangen  B  tho  praughe  FL  tzo  spränge  c  is 
ergangen  C.  80  sane.  ghehangcn.  81  wath.  82  scach.  den  u  so  oft  statt  dem. 
donredaghe.  88  sath.  81  lepliken  dat  B  leeflikcn  dat  L  de  IcfHiken  F  inde  lief- 
lich  C  und  lyffelichen  c.  he  /.  85  ou  /.  vlesk.  bluth.  SG  sze  godt.  87  ok  B 
noch  FL  /.  Cc.  guthe.  88  em  alle  or  votlie.  90  bogiinde.  thoklaghen.  92  met 
vns  an  der  schar.  93-98  zerstört.  99  wer/,  oghen  FL  houede  B.  101  don 
etc.  statt  do.  desse  etc.  statt  disse.  102  cm.  103  ocrer.  104  vorghan.  105  alzo. 
106  gades  bniste.  entslapen.  108  segghe.  rechten  BL  /.  FCc.  109  vns  weseu 
boricht.  110  nicht.  111  meister  BL  Icue  m.  F  here  m.  Cc.  112  wet  dat  wol  dat. 
118  Nummer  mer  edder  nu  wil  ick.  114  myd  dy  my.  115  Ock  dede  dy  des  noth. 
116  wolde  med  dy  ghan  an.  117  he  en  vorsakedc.  122  vil  sere.  123  vorwart. 
124  miner  drie.  125  er  de  haue  krcget.  120  best  mv  nv.  128  war  etc.  statt  wor. 
129  de  /.  130  den  ioden  vorsten.  132  iv  f.  134  Dar  sint  ghy  lange  na  bestau. 
135  heren  BL  mcyster  (meister)  FCc.  136  mit/.  i:>7  druttich  pennyghe  in.  l:»s 
schollen  etc.  statt  der  Formen  mit  u.  bokant.  139  vnsc  B  myn  (min)  FCcL.  141 
ghelick  an  oeren  gheberen.  142  können  elc.  statt  der  Formen  mit  u.  143  oere. 
twischen  /  FCcL.  144  so  f.  FCcL.  darna  /.  145  wentc  ick  en.  146  an  der 
sulven  B  to  der  sulucn  L  zo  der  selver  Cc  tho  desscr  F.  149  ene.  150  Dath 
he  nicht  van  iw  enscheyde.  151  do  ghcbleven.  152  dath.  153  sane  etc.  in  den. 
154  heit  /.  warde  155  van  iv  BL  van  uch  Cc  nu  F.  158  an  BL  in  FCc.  ir>o 
sinen.  161  szo  rechte  lede.  162  an  de  B  vp  syne  (sine)  FCcL.  165  ben.  wentc 
an.  167  huden  etc.  168  joddoschen  dcit  B  snoden  iodischeyt  F  snoder  joctscheit 
c  boeser  joedscheit  C  quaden  yödescheyt  L.  169  dick.  170  dyne  hulde.  171  vocr, 
172  ik  de  pine  B  my  de  martcr  F  de  marter  L  der  raartilien  C  der  groisser  mar- 
telien  c.  173  Dat  mach  syn  wo  dath  sy.  174  gesche  B  de  schal  sehen  F  schal 
scheen  L  sal  geschien  Cc.  175  entvlcn.  176  gebcdest  BL  wylt  F  woult  Cc.  177 
borycht.  178  wer  /.  edder  nycht.  179  antwcrdede.  orae  /.  FCc.  180  den  hemmel 
her.  181  he.  stedc.  182  marter  B  pyne  F  piuen  Cc.  183  vader.  wil  etc.  statt 
wel.  184  menschen,  vt  der  B  vth  aller  F  uiz  alre  Cc.  186  em  was.  187  dath 
he  dath  vruchte  188  sint  dath.  190  dorch  etc.  statt  dor.  191  heth  vmme.  192 
moder  etc.  eync.  193  Se  hath  ene  klcnliken  vp  ghetaghcn.  194  iunckfrowelike. 
het.  196  an  dem  B  proven  F  procven  C  myrken  c.  197  werdet  eddele  lüde. 
198  vole  wers.  199  wen  graue,  dath  ys.  200  vruchtede  he.  202  saken.  2^4 
den  doth  vorghevruchtet.  206  synen  schonen.  20S  stunt.  210  drudde.  212  alle. 
214  synen.  boreyth.  215  on  f.  216  ianimerlik  em.  217  dar  vare  was.  219  dath. 
221  leth  M.  so  oft  statt  der  Formen  mit  ei.  synen.  223  sine  BL  sin  Cc  de  F. 
224  erer  en.  vp  der.  225  scapen  u.  so  öfter  ohne  die  Vorsilbe  ge.  226  groten. 
227  em  tho.  228  ineghe  /  FL.  229  alzo.  230  seit  /  kummct  hir  here.  231 
den.  nen.  235  der  orkunde  B  der  stunde  FL  einer  stunden  Cc.  236  minen  BL 
min  Cc  dynen  F.  238  lopen.  239  reclite  szo.  dauendich.  240  vnde  kussede  cue. 
241  grute.  242  dath  moth.  243  sus.  216  wen.  247  den  /.  248  it  B  datli  F. 
SV.  249  Twige  B  twye  L  drie  F  zo  dem  mail  (\  f.  c.  251  vat  B  tastet  F  gripct 
L.  253  do  /.  254  ene.  255  borichte.  256  de  BL  die  Cc  syne  F.  al  /.  251» 
bleflf.  260  alle.  261  stunt  dar.  vthghcsceydet.  263  dat  sulfftc  brachte  hy  hervoer, 
264  hew.  sin  ore  Bli  dath  oer  F  dat  oir  C  syn  oir  c.  26()  ene  sunt,  sprack, 
267  peter  desse  sulffte.  268  steck,  dyne  schoyde.  269  darmede  wyllen.  270  dar 
doth  van.  271  wunste  des  B  meinestu  Cc  Meynstu  L  dat  wetestu  wol  F.  272 
vole  beth  erneren.  273  to  hulpc  /.  lüde.  274^  saude.  275  wol  /.  der  eugeleu 
schar.  276  weren  B  werden  F  sin  C  hclflfen  c  helpen  L.  27S  alsus.  279  borycht 
280  was  don  dar.  281  sin  B  siner  L  synes  F  vil  uae  C  bynae  c.  282  miner  /. 
283  dar  was.  284  dar  vmme  B  dar  F.  dar  BL  donc  F.  285  wes  haddcstu  dos. 
286  muchte.  287  also.  289  dath.  292  syncs.  leider  /  293  war  etc,  statt  wur. 
künde.  294  wo  node  dath  ick  eyue.  29(5  sinor  nicht  B  synen  doth  F  sin  groize 
noit  Cc.  297/8  Ma^ia  wcstestu  dar  nicht  van  Wo  Icth  he  dy  dath  vorstan. 
299  höre  nv  BL  nu  höre  Ancelme  F   Anselme   nu  höre  Cc.     300  Wo   drade   dath 


163 

me  dy  dath  both.  301  herc.  302  rechte  /.  303  de  /.  rep.  305  wy  worden  ife. 
306  Maria  /.  it  al  B  dat  alle  L  it  allct  Cc  alle  iinse  trost  F.  308  den  konningh 
B  dyn  (din)  kint  rd.  diu  lieflf  kynt  c.  309  weth.  310  then.  311  nych.  313  met 
cm. "  also  B  so  F.  deff.  314  weten.  dat  /.  315  icht  B  don  nycht  F  do  nicht  L 
doe  iet  Cc.  317  machstii.  wol /.  318  wer  B  effte  FL  of  Cc.  nycht.  319  wolde 
BIj  woulde  Cc  mochte  F.  320  nicht  raer  BL  my  nich  F  niet  c,  C  interpoliert. 
321  Ick  kuude  noch  hören  edder  scen.  322  My  wolden  nych  dragen  myne  been. 
323  wcren  vuUenkomen  B  wcrcn  viillenbracht  F  worden  oek  vullenbracht  L  quamen 
Valien  C  quamen  myr  in  vallen  c.  324  hern  f.  325  nach  den  olden  szeden.  326 
nam  myn  kint.  327  unde  B\j  don  F  doe  Cc.  in  de  kerke.  328  dar  vrome  vingh 
B  entfingk  FL  entfeink  (enfcinck)  Cc.  329  sine  arme  B  sine  armen  L  den  armen 
F.  sprack.  331  van  smertc.  333  done.  336  in.  337  one  B  dar  F.  338  tho  em. 
342  an  den  suluen  stunden.  343  quemen.  344  vorneraen.  wy  etc.  statt  we. 
344a  borichte.  345  id  B  dit  Cc  dat  Ti  he  F.  349  weten.  351  ghebrocht.  352/. 
354  ok  /.  355  wat  /.  vraglien.  356  Ick  kan  iw  apenbare  saghen.  357  stille. 
358  de  hebben  mennich  van  my  ghehorth.  359  Se  weten  dat  is  /.  360  scolen 
B  sollen  Cc  möghen  FL.  361  wolde  B  wyl  (wil)  BCcL.  362  icht  BL  iet  Cc  ock 
F.  363  si  BCc  se  F.  364  suode  (snoede)  kneclit  BCc  boze  wycht  L  bureknecht 
F.  365  he.  min  kint  BL  mineu  son  Cc  mynen  sane  F.  an  sin  BL  an  ein  ('c 
by  dath  F.  366  wath  bystu  cyn  dul  dore.  367  so.  370  iungherman.  371  ouel 
di  B  hir  ouel  F  ie  ([ualich  Cc.  372  hestu.  mir  B  my  wol  F.  373  ef.  arges  B 
ouel  (oevel)  F('c.  374  scoldestu  my  so  sere  slan.  375  segghe.  376  dar  mere  B 
em  mer  tho  leyde  F  em  nu  meer  to  leyde  L  eme  me  zo  leide  Cc.  377,  378  in 
umgekehrter  Folge  in  FCcL.  377  nemen.  dock.  378  unde  B  se  FL  si  Cc.  379 
ome  /.  380  wente.  381  nicht  BL  ny  F.  382  Se  gheven  em  mennyghen  harden 
slach.  38:»  welke  tid  B  zo  ietlichcr  zit  as  C  wen  FL  als  c.  384  spreken  cm  tho. 
3h5  effte.  prophete  byst.  38()  van  wene  dath.  387  vele.  388  nidich  B  ere  L 
cyn  swinde  F  ein  ungclich  Cc.  390  dat  /.  391  nv  B  my  FL,  /.  Cc.  klaghe. 
392  wu  B  wo  L  so  F  alzo  Cc.  saghe.  395  doer.  397  Mariam  magdalenen.  399 
owe  wer  ik  B  o  wcre  ick  L  och  we  ys  F  owe  is  Jhesus  Cc.  400  leue  frowe  kony- 
ginne.  401  ghat  B  hol  FL  loch  (locch)  Cc.  402  dar  lepe  wy  tho.  403  alle  de. 
404  me.  405  sincn  iuugheren  ghesiude.  406  jenian  B  neman  C  nyeman  c  nemant 
L  ennych  F.  407  yniic.  408  pctrum.  sick.  409  petrum.  410  /.  411  de.  412 
mit  ome  B  wol  bv  em  L  met  em  er  F  mit  Jhesus  Cc.  413  van  ome  B  he  FL 
])cter  Cc.  vortzagliet.  414  llc  B  Vnde  FL.  415  to  dem  vure  B  bi  dat  vuir  Cc 
l)y  dat  vure  L  vocr  de  dore  F.  416  Tho  handes  qwam  dar  en.  417  Se.  de 
sulffte.  418  dar  io  nich.  419  druddon.  grutte  se  en.  420  swur.  nv  BL  nie  Cc 
nych  met  ogen  F.  422  cnc  vorsakede.  423  van  /.  petrus  dat.  424  sane  ene 
don  ansacli.     Mit  424  l)rieht  F  ab. 

FÜRSTENWALDE.  P.  Graffunder. 


Ein  Spottgedicht  auf  die  Kölner 

Advokaten. 


Dio  im  Jalirbncho  18,  114  boschrieluMie  Darmstüdter  Handschrift, 
in  (lor  uns  dio  älteste  Fassnni^  dos  l?nl)onordons  ül)orliofort  ist,  ent- 
hillt  .'iiioh  (»in  in  Köln  ontstandonos  satirisohos  Godioht,  dosson  Titel 
'tYin  (hii  Süllhonuii'  ()fl'oid)ar  auf  Jone  Soliilderung  der  betrügerischen 
Landstreicher  Bezug  nimmt,    um  sie  mit  den  Trocuratoren    des  geist- 

11* 


164 

liehen  Gerichts  zu  vergleichen.  Unverhohlen  spricht  der  wohl  unter 
den  niedren  Bürgern  Kölns  zu  suchende  Verfasser  seinen  Hass  gegen 
die  nach  den  ilim  unverständlichen  lateinischen  Gesetzen  und  Formen 
verhandelnden  Rechtsgelehrten,  die  fortwährend  Geld  und  Geschenke 
von  ihren  Clienten  verlangen,  aus  und  nennt  sie  sogar  einzeln  bei 
Namen  ^).  Hierdurch  liefert  er  uns  die  Möglichkeit,  die  Abfassungs- 
zeit genauer  festzustellen.  Da  der  in  Vers  40  und  53  erwähnte  Gis- 
bert  Spull  1474  starb,  muss  das  Gedicht  vor  diesem  Zeitpunkte  ent- 
standen sein;  die  übrigen  Namen  machen  es  wahrscheinlich,  dass  es 
dem  Decennium  1460 — 1470  angehört.  Leider  bricht  die  Handschrift 
mitten  in  der  Erzählung  ab. 

Verwandten  Inhalt  hat  ein  im  Berliner  Mscr.  germ.  fol.  564, 
Bl.  276a  unter  den  Sprüchen  Heinrich  Teichners  überliefertes  Gedicht 
des  Baiem  Heinrich  Kaufringer,  das  nebst  acht  andern  Sprüchen 
derselben  Handschrift  dem  Herausgeber  von  Kaufringers  Gedichten, 
Karl  Euling  (Tübingen  1888.  —  Progr.  Lingen  1892),  unbekannt  ge- 
blieben ist.    Es  führt  den  Titel  'Von  den  vorsprechen'  und  beginnt: 

Ain  böser  sitt  ist  auffgestanden 
In  Payren  vnd  in  andern  landen, 
Das  man  die  uorsprechen  myetten  sol; 
Das  geuellt  mir  nit  gar  wol. 

Als  Beispiel  für  die  Bestechlichkeit  der  Advokaten  erzählt  Kaufringer 
eine  Geschichte  von  einem  Schuster,  der  dem  Fürsprech  ein  Paar 
bockslederne  Stiefel  schenkt,  aber  trotzdem  seinen  Process  verliert, 
weil  sein  Gegner,  der  Kürschner,  jenem  einen  Fuchspelz  gebracht  hat. 
'Der  fuchs  der  hatt  den  bock  gaß\  erwidert  der  Advokat  dem  klagenden 
Schuster.  Aehnliches  berichten  Pauli,  Schimpf  und  Ernst  Nr.  125. 
128  mid  Kirchhof,  Wendunmut  1,  12G.  Dass  gerade  in  Baiern  und 
Würtemberg  ein  grosses  Misstrauen  gegen  die  seit  dem  Ende  des  14. 
Jahrhunderts  auftauchenden  Rechtskonsulenten  herrschte,  wissen  wir 
auch  aus  andern  Quellen^).  Anschaulich  und  öfter  an  unser  Gedicht 
erinnernd  schildert  der  Oppenheimer  Drucker  Jakob  KöbeP)  1511 
die  erbitterten  Klagen  der  Bauern  über  die  habgierigen  und  in  un- 
verständlichem Latein  verhandelnden  Procuratoren,  denen  er  in  einer 
Dorf  schenke  zugehört  hat: 

Ee  ich  dann  den  oifecal  geschweige 
Und  was  ich  im  fruntschafft  erzeige 
Und  ich  im  die  hend  vol  stopff, 
So  spot  er  doch  mein  in  seinem  kröpft*. 


*)  Herr  Dr.  Hermann  Keusscn  hatte  die  Freundlichkeit,  mir  die  weiter  unten 
angefiihrten  biographischen  Daten  über  die  im  Gedichte  erwähnten  Juristen  aus 
der  von  ihm  herausgegebenen  Köhier  TTniversitätsmatrikel  zur  Verfügung  zu  stellen, 
wofür  ich  ihm  auch  an  dieser  Stelle  den  vcrbindliclistcn  Dank  sage. 

*)  Stobbe,  Geschichte  der  deutschen  Ilechtsquellen  2,  50. 1)5  (1864).  Stintziug, 
Geschichte  der  populären  Littcratur  des  röm.  kanonischen  Hechts  in  Deutschland 
1867  S.  XXni.  XXXI. 

')  Uir  in  man  von  der  fledcrmuß  list  Und  was  der  Procuramus  ist.  Oppen- 
heym  1511.    8°;  abgedruckt  bei  Weiler,  Dichtungen  des  16.  Jahrhunderts  1874  S.  4. 


166 

Ich  gib  im  hüner,  butter,  ayer  da  mit, 

So  begint  er  zu  sprechen:  'Das  ist  die  recht  sit; 

Nym  einen  Procuramus  do, 

Dem  schenck  auch  also!' 

Der  bgint  dann  zu  plecken  und  plärren 

Und  schreibt  mich  ein  vor  eyn  narren  .  .  . 

Wie  eine  solche  Verhandlung  vor  dem  Official  verlief,  ist  aus 
dem  lustigen  Fastnachtspiele  vom  Eheprocesse  des  Bauern  Rumpolt 
und  der  Bauerndirne  Mareth^)  zu  ersehen,  in  welchem  allerdings  der 
liiebeshandel  der  Genannten  und  nicht  die  Bestechlichkeit  der  lateinisch 
verhandelnden  Gerichtspersonen  den  Brennpunkt  des  Interesses  bildet. 
Dagegen  nimmt  in  dem  Pfarrkircher  Passionsspiele*)  unter  den  von 
den  Teufeln  in  die  Hölle  geschleppten  Vertretern  einzelner  Stände 
ein  Vorsprech  die  erste  Stelle  ein,  der  das  Gerade  krumm  und  das 
Krumme  gerade  zu  machen  pflegte.  In  einem  Meisterliede  des  Hans 
Sachs  ^)  wird  ein  Jurist  als  Bauernschinder,  in  Waldis'  Aesop  4,  38 
ein  Fürsprech  als  Zungendrescher,  in  Paulis  Schimpf  und  Ernst  Nr. 
117  als  Höllenkind  verhöhnt.  Und  so  eifern  auch  die  Sittenschildrer, 
wie  Rodericus  Zamorensis*),  Jodocus  Gallus*^),  Seh.  Brant®),  Thomas 
Mumer'),  häufig  gegen  die  Betrügereien  der  unredlichen  Sachwalter. 

Einiges  andre  Material  über  dies  Thema  hat  W.  Kawerau  in 
in  der  Vierteljahrsschrift  für  Litteraturgeschichte  6,  27 — 34  gesammelt. 

[ß^^^,  i]  Dit  is  van  den  sali  boenen. 

So  wer  in  den  sali  wilt  gain  dyngen, 
Deme  raden  ich  in  sijner  mauwen  zo  brengen 
Eyoen  bndell  harde  swair. 
Want  yrst  as  hey  is  komen  dair, 
5  So  moistn  den  richter  zo  vrnnde  machen, 
Dem  brenge  capnyne,  hoinre,  ander  Sachen. 
Deistu  des  nyet,  ich  will  dich  weren, 
Wonltu  yem  die  hant  nyet  smeren, 
Dijne  sach  wirt  dir  verioiren, 
10  Weirstu  van  konynck  Arthur  geboeren; 
Dat  enhilpt  dir  mit  allen  nyet, 


')  Keller,  Fastnachtspiele  2,  987.  Nachlese  S.  246.  Sterzinger  Spiele  hsg. 
von  0.  Zingerle  1,-  1  und  114  (1886). 

■)  Wackerneil,  Die  ältesten  Passionsspiele  in  Tirol  1887  S.  100. 

«)  Dichtungen  hsg.  von  Goedeke  1,  201  (1870). 

*)  Spiegel  des  menschlichen  Lebens,  übers,  von  H.  Steynhuwel  o.  J.  Bl. 
XXXviijft  1,  17—18.  Auf  Bl.  XXXXV»  eine  Stelle  aus  H.  v.  Trimbergs  Renner 
iiber  die  Judisten. 

°)  Mensa  philosophica.  Coloniae  1508  Bl.  36a.  43a  *de  advocatis^  (zuerst  1489). 

•)  Narrenschiff  71:  *Zancken  und  zu  gericht  gan'. 

^)  Narrenbeschwörung  21  *Ein  loch  durch  einen  brief  reden';  23  *Die  federn 
spitzen'.  Schelmenzunft  2  *Ein  loch  durch  einen  brief  reden'.  —  Vgl.  noch  das 
Fastnachtspiel  von  Claus  Bur  V.  425  und  Frischlins  lateinische  Susanna  11,  5. 

y.  1  sali  =  Curia,  das  geistliche  Gericht  des  £rzbischofs.  —  12  Dieselbe 
Redensart  steht  auch  im  Fragmente  vom  Würfelspiel  V.  6  (oben  S.  93).  —  23plucken- 
nyerre,  wie  unten  V.  37  plucketoir  von  plucken  (rupfen,  seines  Geldes  berauben) 
mit  Anlehnung  an  Procurator  gebildet. 


166 

Hey  en  liest  dir  des  hairs  am  arse  nyet. 

Alsdaun  committiert  hey  die  sachen 

Eyme  «duocait,  der  wirt  dich  rächen, 
15  Der  reickt  dir  dar  sijne  haut. 

Haistu  geyn  gelt  ader  ander  paut, 

So  en  histu  yem  liefF  noch  wert, 

Hey  spricht:  'VerkoufF  koe  oflF  dyn  pertl' 

lud  wijst  dich  in  des  procuratoirs  hnyss. 
20  Der  macht  dich  noch  me  confuy^s, 

Der  gifft  dir  dijne  sache  gewonnen. 

Mar  as  des  schrijnens  is  beguunen 

Ind  die  pluckennyerre  sijn  gekoereu, 

So  ist  bewijien  oner  halff  verloireu. 
25  Want  dan  moiss  man  in  den  budel  gain. 

Yrre  wort  en  kan  man  nyet  verstain; 

Want  wat  sij  sprechen,  datz  latijn. 

Idt  dunckt  mich  allit  eyne  lose  geselschaif  sijn. 

All  schrijnen  sij  nyet  eyns  vyngers  lanck, 
30  Sy  wilient  geioint  hain  zo  groissem  danck, 

Sij  sagener  [?]  maich  noch  h dar 

[Lücke  von  etwa  fÜ7if  Versen, J 

[B62b,  2]  Id  sij  der  plucketoir  off  aduocait, 

Sij  soecken  menchen  losen  rait. 

Idt  sij  Segener,  Myelenheym  ader  Back, 
40  Valentijn,  Spull,  Berck  ader  Peffersack, 

Dise  gesellen  sijnt  altzijt  in  der  wer; 

So  wa  die  Sachen  komen  her, 

Die  heischen  vns  zom  segeler  gain. 

Sijn  clerck  wirt  vns  den  kappes  slaiu, 
45  He  heischt  vns  gülden  ader  croneu, 

Dair  mit  moissen  wir  yem  Ionen. 

Och  got,  weulds  du  sij  eyns  castijen! 

Sij  enlaissen  vns  nyet  gedijen, 

Dat  wir  armen  yedt  behalden; 
50  Des  moess  yrre  der  dunell  walden. 

Ich  qwam  eyns  up  eyne  platz  gega[in], 

Peffersack,  Berck  ind  Valentijn  /varit  ich  dair]  stain 

Ind  Gijssbert  Spull,  yren  gesellen; 


B9  Adolf  Segen  er  war  1476  Procurator  curiac,  1481  Advocatus  curiar 
(Matrikel  Nachtr.  170);  Johann  de  Melcnheym  1440  Procurator  curiae  Colonienj«i> 
(Matrikel  205,  68);  Walter  Back  1455  Advocatus  curiae,  1459  Ofticial,  starb  14(>^ 
(Matr.  178,  35);  Martin  Back  1460—1476  Procurator  (Matr.  178,  36).  —  40  Wil- 
helm Valentin i  de  Bredc  war  1439  Baccalaurcus  in  dccretis,  1455—1460  Pro- 
curator curiae  (Matr.  174,  32);  Gisbert  Spul  1451—1466  Procurator  (Matr.  113. 
29),  starb  1474;  Theodoricus  de  Berka  1455-1459  Procurator  iiscalis  (Matr.  201», 
47);  Johann  Pepersack  1460 — 1471  Kotar,  1468  Procurator  Iiscalis.  —  43  scgcler 
ist  der  erzbischöfliche  Siegeler,  der  die  Gerichtsgebühren  erhob ;  damals  bekleidete 
Swederus"  de  Thoer  diesen  Poston,  und  zwar  schon  seit  1444  (Matr.  138,  10.  Au.«^- 
gabe  1,  198).  —  44  vgl.  N.  Manuel  hsg.  von  Baechtold  1878  S.  60  'Wir  müessend 
üch  den  kabis  bcschnidcu'  und  S.  302  'Dcu  kabis  dir  mit  trüwen  brupft'.  —  52 
Der  Ausfall  der  von  mir  eingeschobenen  Worte  ist  iu  der  Handschrift  nicht  angedeutet. 


167 


Van  den  sali  ich  nch  eyne  bürde  erzellen. 
55  Die  spraicheu  zo  samen  latijO) 

Ich  dacht:  'Och  got,  wat  mach  dat  siju!^ 

Ich  hatte  mit  eyme  get  zo  doin, 

Ich  was  3^em  schuidich  vmbtryut  eyn  cro[iu], 

Die  hey  mir  qwalich  hatte  äff  verdient. 
60  Ich  waiude,  dat  die  ander  weren  myn  vr[unt], 

Dat  sij  mir  van  yem  helpen  seulden. 

Ich  geloeffde  den,  wat  sij  hauen  weulden, 

Yecklichs  wijne  eyn  guet  stuck  v[as] 

Vau  dem  besten  mir  gewaessen  wa[s], 
65  Dat  sij  dat  beste  darin  seulden  sain. 

Dair  mit  gienck  ich  bij  sijden  stain, 

Off  ich  yedt  van  yn  hadde  gehoirt. 

[Mit]  deme  sprach  der  ....  dat  [voirt] 

BERLIN.  Johannes  Bolte. 


Trinkerorden. 


De  xviij.  egendome  der  dreiickers. 

Hort  tlio,  yiinck,  oldt,  frauw  viul  mtiii, 
Der  (Irencker  ordeu  hyr  sick  heuet  an. 
Ein  yiiwelck  dreneker  raerck  gar  euen, 
Wer  he  in  dessem  orden  mede  sta  gesehreiien. 
.")   Drey  süsse  sint  der  dunen  dreneker  wereke 
Na  desser  seliritt't;  ein  vwliek  hefft  svne  mereke. 
De  erste  wys  vnd  van  altho  seliarper  witte. 
De  ander  röniet,  wo  he  groth  gudt  hesitte, 
De  iij.  süpt  vnd  frett  vp  allent,  wat  lie  krieht, 

10  De  iiij.  Uieht,  wasschet  vnde  nieht  vorswicht, 
De  V.  ein  esel,  de  wil  l)olsc]ioppie  pk^gen. 
De  vj.  kyfft,  em  diinckt,  he  sy  en  all  auerlegen, 
De  vij.  wil  dar  all  syn  gudt  vorköpen. 
De  viij.  ein  rüwer,  siek  hy  den  harn  wil  röpen, 

15   De  ix.  wert  vnhöueseh  mit  worden  gefunden, 
De  X.  swert  hy  gade  vnd  synen  wunden, 
De  xj.  ein  ape,  wil  schrien  vnd  syn  hehend, 
De  xij.  geit  vnde  strampelt  an  de  wend, 
De  xiij.  slept  vnd  smift't  na  egels  ardt, 

20  De  xiiij.  röpt  Olriek  vnd  wiseht  dcMi  hardt, 
De  XV.  sitt  vnd  kau  ehi  wordt  nieht  spreken, 
De  xvj.  wil  gieß  vnd  kniß  thohreken, 


168 

De  xvij.  singt  vnd  lett  sine  kelen  klingen, 
Den  xviij.  kan  de  düster  nicht  to  bedde  bringen. 
25  Hirby  merckt  vnd  auerlest  disses  ordens  spil! 

Welcker  sick  hinian  entschuldigen  wil 
Vnd  nicht  wil  syn  im  orden  mit  pralen, 
De  schal  dat  gantze  lach  betalenJ 

Aus  einem  Liederdrucke  des  16.  Jahrhunderts:  Veer  schöne 
le  I  de,  Vam  Slömer.  Dat  ander,  Ve-  |  nite  gy  leuen  Gesellen  ane 
sorgen.  |  Dat  drüdde,  Van  söueu  Stalbrö-  |  dern.  Dat  veerde,  Van 
den  achtein  |  eigendömmen  der  Drenc-  |  kers.  |  Dat  is  ein  Narr  in 
Lyff  vnd  blodt,  |  De  einem  armen  Minschen  vnrecht  doth.  Q  |  Ick 
wil  freten,  supen  vnd  störten,  |  Minnern  myn  gudt  vnd  leuendt  körten.  | 
4  Bl.  S^  o.  0.  und  J.  (Berlin  Yd  9509).  —  Das  erste  Lied  steht 
hochdeutsch  bei  Böhme,  Altdeutsches  Liederbuch  Nr.  358  =  Uhland, 
Volkslieder  Nr.  213;  das  dritte  bei  Böhme  Nr.  422  =  Uhland  Nr.  198. 

Zehn  Arten  von  Trinkern  schildert  ein  Gedicht  des  14.  Jahrli. 
'de  ebriosis  et  vinosis',  das  die  Brüder  Grimm  in  den  Altdeutschen 
Wäldern  2,  188  aus  dem  Gothaer  Cod.  chart.  A  210  abgedruckt  haben. 

BERLIN.  Johannes  Bolte. 


JahrMch 


des 


Vereins  fllr  niederdeotsche  SpracMorschong. 


Jahrgang  1894. 


XX. 


HORDEN  nnd  LEIPZIG. 

Diedr.  Soltau's  Verlag. 
1895. 


Druck  von  Dieclr.  Soltau  in  Norden. 


Inhalt 


Seite 

Die  Glückstädter  Mundart.     Zweiter  Teil.     Von  J.  Bernhardt.     .     .     .  1 
Die    Präpositionen    und    präpositionalen    Adverbien    in    der    Mecklenburger 

Mundart.     Von  K.  Wossidlo 40 

Zur  Geschichte  der  Pommerischen  Kanzleisprache  im  16.  Jahrhundert.     Von 

Willy  Scheel 57 

Einleitung 57 

Material  und  Methode 58 

Die  Kanzlei  und  ihre  Beamten 61 

Die  Korrespondenz  der  herzoglichen  Kanzlei 65 

Die  Sprache  der  herzoglichen  Kanzlei 66 

Die  Sprache  der  Katskanzlei 71 

Schluss 76 

Die  Bielefelder  Urkundensprache.     Von  H.  Tümpel 78 

Zu  John  Brinckmanus  Erzählungen.     Von  B.  Sprenger 89 

Die  alten  Kalenbergdrucke  und  Uebersetzungen.     Von  Wilhelm  Koppen  92 

Wert  der  Drucke  für  die  Textkritik 92 

Der  herstellbare  hochdeutsche  Text  des  Kalenbergers 99 

Der  niederländische  Text 101 

Die  englische  Uebersetzuug 105 

Zu  den  altsächsischen  Bibelbruchstücken.     Von  W.  Schlüter 106 

Physiognomische  Lehren.     Von  AlwinLonke 122 

Ueber  die  mecklenburgisch-plattdeutsche  Mundart  in  Bemerkungen  zu  Richey's 

Dialectologia  Haraburgensis  von  J.  Ch.  F.  Dietz 12Ji 

Der  Wegekörter  von  1592.     Von  J.  Bolte 132 

Van  einem  köninge,  Bonhasen,  Besen,  Einhorne  vnd  wilden  Swyne    .  135 

Ein  Fabel  van  einem  Arsten 138 

Verzeichnis  der  Mitarbeiter  und  ihrer  Beiträge  in  Bd.  I-XX 139 

Übersicht  der  in  Bd.  I-XX  abgedruckten  nd.  und  ndl.  Texte 145 

Eegister  zu  den  Bänden  I-XX 149 


Die  Glüekstädter  Mundart 

Zweiter  Teil. 
(Vergl.  Nd.  Jahrb.  XVIII,  81  ff) 


Der  Koiisonantisinns. 

§  37.  Über  den  Lautwert  der  Konsonanten  ist  das  Nötige 
schon  Nd.  Jahrb.  XVIII.,  84  fF.  gesagt,  ich  muss  hier  aber  noch 
einmal  darauf  zurückkommen,  um  zu  einigen  gegenteiligen  Äusserungen, 
die  inzwischen  gemacht  sind,  Stellung  zu  nehmen. 

1.  In  §  4,1  heisst  es:  „Die  Tenues  ;>,  t^  k  sind,  wenn  sie 
allein  oder  mit  r,  l,  n,  w  verbunden  ...  die  Tonsilbe  oder  ein  Wort 
beginnen,  immer  aspiriert."  Also  haben  z.  B.  in  kantö.%  Kontor, 
krakeln  krakeelen,  /)ti'l  Partie,  Partei,  prampöln  schimpfen  jedesmal 
die  beiden  ersten  Silben  aspirierte  Tennis  (natürlich  ist  die  Aspiration 
der  die  Tonsilbe  beginnenden  Tennis  die  stärkere);  ebenso  ist  in 
(Jgtain  dreizehn,  föafain  vierzehn  usw.  das  t  aspiriert,  weil  tai:n  ein 
selbständiges  Wort  ist.  Dagegen  ist  in  krtiklüdil  Krokodil,  lüiümü/l;/' 
Lokomotive  das  k  der  zweiten  Silbe  unaspiriert^),  ebenso  das  t  in 
dotl  dreissig,  fofll  fünfzig  usw.,  weil  -^l,  -tlx  kein  selbständiges  Wort 
ist;  in  kivid  quoll  ist  das  A'  aspiriert,  in  kvul  =  ik  vul  ich  wollte 
unaspiriert.  Demgemäss  sprechen  wir  in  Wörtern  wie  vinta  Winter, 
munta  munter,  Imuto  bunte,  mantl  Mantel  unaspiriertes  ^,  unterscheiden 
aber  z.  B.  sehr  deutlich  hd.  Üherwinder  von  ührrwwterv.  (Vgl. 
Korr.-Bl.  XVI.,  94  nr.  9.)  Dasselbe  gilt  von  vS.ta  'Wasser'  (Korr.- 
Bl.  XVII.  32  nr.  Iß).  Vgl.  auch  unten  3  und  Bremer,  Phonetik 
§  177  Anm.  2. 

2.  Weiter  heisst  es  (§  4,2),  die  Medien  seien  stimmlos.  Dies 
bezieht  sich  zunächst  auf  das  Fehlen  des  Blählautes.  Nun  sehe  ich 
aber  aus  Bremer  ^  HS  Anm.  2,  dass  in  der  norddeutschen  Aussprache 
im  Anlaut  6,  rf,  g  überhaupt  ohne  Blählaut  gesprochen  werden  und 
dass  ;,die  Stimme  erst  im  Moment  der  Explosion,  während  des  vorher- 
gehenden Verschlusses  aber  noch  nicht  in  Wirksamkeit  tritt"  (§  17(5). 
FjS  mag  sein,  dass  es  in  meiner  Mundart  auch  so  ist,  d.  h.  dass  die 
Medien  doch  ^zur  Hälfte^  stimmhaft  sind;  ich  habe  es  jedoch  nicht 
bemerken  können  und  meine,  dass  die  Stimme  erst  bei  der  Aussprache 
des  folgenden  Vokals  (oder  Z,  r  usw.)  in  Wirksamkeit  tritt.     In  dieser 


*)  Im  Ild.  sprechen  wir  bei  sorgfältigerer  Aussprache  auch  in  nebentoniger 
Silbe  im  Innern  der  Wörter  aspirierte  Tennis:  lokhomothive,  khrokhodiL 


Niederdeutsohes  J&hrbnch.     XX. 


Ansicht  bestärkt  mich  der  Umstand,  dass  bei  schärferer  Artikulation 
—  in  emphatischer  Rede  —  statt  der  Media  geradezu  (unaspirierte) 
Tennis  gesprochen  wird.  In  den  Aufzeichnungen,  die  Abbe  Rousselot 
mit  seinem  Apparat  in  Greifswald  gemacht  hat  und  die  Prof.  ReiiTer- 
scheid  auf  der  Versammlung  in  Köln  vorzeigte,  ist  das  b  eines  Ham- 
burgers, obwohl  es  zwischen  stimmhaften  Lauten  steht  (em  bani)^ 
stimmlos,  vorausgesetzt,  dass  die  Abgrenzung  der  einzelnen  Laute  auf 
der  kontinuierlichen  Linie  richtig  ist,  was  ich  nicht  kontrollieren  kann. 

3.  Auch  in  neben-  oder  untoniger  Silbe  unterscheidet  sich  eine 
Tennis  von  einer  Media  (doch  vgl.  unten  4)  durch  ihre  schärfere 
Artikulation  (durch  die  Geschwindigkeit  des  Ein-  und  Absatzes,  Bremer 
§  84.  85),  ausserdem  ist  die  Quantität  des  vorhergehenden  Vokals 
(§  6)  eine  andere*),  ein  Unterschied,  der  den  mittel-  und  süddeutschen 
Mundarten  fremd  zu  sein  scheint^):  hd.  llta  Liter,  ll:da  Lieder;  r^ip 
Räte,  r^:d9  Rede;  laitn  leiten,  lai:dn^)  leiden;  boüa  Beute,  gdlboudg 
Gebäude;  entd  Ente,  enndd  Ende. 

4.  Das  unter  Nr.  2  über  anlautende  Media  Gesagte  gilt  über- 
haupt für  Media  vor  betontem  Vokal:  hd.  gdbltn  gebieten,  bedinn 
bedienen,  gdg^:hm  gegeben  usw.  In  nebentoniger  Silbe  im  Innern  einer 
Taktgruppe  scheint  dagegen  häufig  ein  stimmhafter  Reibelaut  ge- 
sprochen zu  werden:  hd.  dih9f^:h  die  Befehle;  ll:ha  lieber,  y:bZ  übel, 
ll:da  Lieder,  ll:^^  Hege,  ß:7;l  Vogel,  for^-jugi  Bewegung,  ^fcilp  Erfolge 
usw.  (Wir  sprechen  niemals,  wie  es  wohl  in  mitteldeutschen  Mund- 
arten geschieht,  ßxl,  erfolja^  hdv^:jui}k  o.  dgl.)  Es  ist  in  diesen  Fällen, 
wie  schon  §  4,8  hervorgehoben  ist,  vielfach  sehr  schwer  zu  ent- 
scheiden, wo  der  Verschlusslaut  aufhört  und  der  Reibelaut  anfangt; 
h^  d,  g  in  den  Verbindungen  fem,  dn,  ^g  sind  sicher  Verschlusslaute  (§  9). 

Im  übrigen  bemerke  ich,  dass  ich,  soweit  es  ging,  vermieden 
habe,  bekannten  Lauten  und  Wörtern  ein  fremdartiges  Aussehen  zu 
geben  (z.  B.  für  aspirierte  Tennis  jjä,  /ä,  kh  zu  schreiben),  vielmehr 
bestrebt  gewesen  bin,  mich  möglichst  eng  an  die  hergebrachte  Ortho- 
graphie anzuschliessen. 

§  38.    eieitlante. 

Gleitlaute  als  solche  werden  in  der  Regel  nicht  bezeichnet,  sie 
können  sich  aber  unter  Umständen  zu  vollen  Lauten  entwickeln,  sowie 
umgekehrt  volle  Laute  zu  Gleitlauten  herabsinken  können. 

')  Auch  im  Auslaut  ist  die  Artikulation  der  Konsonanten  nach  kurzem 
(halblangem)  Yokal  energischer  als  nach  langem  (überlangem),  also  in  bot  Boot 
energischer  als  in  bö:t  Bude,  vgl.  hd.  braut  die  Braut  und  brauet  er  braut  (=  brauet). 

*)  Daher  wohl  die  verhältnismässig  zahlreichen  Reime,  wie  geraten  :  verladen, 
reiten  :  leiden,  Kante  :  Lande,  in  denen  nach  unserer  Aussprache  und  fiir  unser  Ohr 

Bremer  ^ _-.,  --  „  — ,  — „ 

ist  die  Engenbildung  des  i  und  ü  etwas  grösser,  d.  h.  das  das  i  und  ü  begleitende 
Reibungsgeräusch  (Bremer  §  50  u.  66)  ist  etwas  stärker  als  bei  den  Diphthongen, 
die  ich  als  lang  bezeichnet  habe. 


1.  Gleitlaute  zwischen  Konsonanten. 

a)  Zwischen  m  und  t  steht  der  Gleitlaut  p ;  wird  in  nachlässiger 
Aussprache  oder  bei  Konsonantenhäufung  das  t  weggelassen,  so 
erscheint  ein  volles  p.  So  entstehen  Formen  wie  Äö  lump  er  kommt, 
nimp  nimmt,  Jempil  sämtlich,  mitsamps  mitsamt,  hemp  Hemd,  fremp, 
frömp  fremd,  ^öwärnj}  guten  Abend,  (atnp  Amt),  himpm  Himten  (ein 
Hohlmass).  Ähnlich  ist  auch  wohl  das  p  in  imp  Heimchen  zu  erklären. 
—  Ebenso  wie  p  an  die  Stelle  von  t  tritt,  erscheint  k  statt  t  hinter  g : 
Äar)r)fc  Ärtts  =  Äagg^  kr\is  hängt  kraus,  wi'gig  =  nii^tn  neunten. 

b)  Vor  l  schiebt  sich  zuweilen  ein  d  ein  (vgl.  §  16,i;  22,«): 
ÄöÄ  Kerl,  Mdl,  kMl  Karl,  p^dl  Perle,  midlblöm  Marienblümchen 
(Bellis  perennis),  seltener  ein  t:  noetln  neben,  noeln  zögern  (dän.  n0le.) 
Jlbenso  ist  das  d  in  handl  Handel  nur  Gleitlaut. 

c)  Wie  sich  schon  in  den  ältesten  Zeiten  zwischen  s  und  r  ein  t 
entwickelt  hat  (z.  B.  in  *$toestr  Schwester),  so  findet  bei  uns  cßsta  (Plur. 
von  ks  Aas,  als  Schimpfwort),  ktlstrullok  Loch  für  den  Luftzug  in 
altmodischen  Feuerherden  (vgl.  frz.  casserolle);  vielleicht  gehört 
hierher  auch  ßstrvn  rittlings. 

d)  Zu  bemerken  ist  noch  der  Gleitlaut  zwischen  labialem  oder 
gutturalem  Verschlusslaut  und  n:  ip^nna  (dreisilbig)  offene,  ^:hnin9 
ebene,  ö:^i)Ha  eigne,  rceiy^^na  Rogener  (ein  Fisch  mit  Rogen),  vgl.  §  5. 

2.  Gleitlaute  zwischen  Vokalen. 

a)  Ein  voller  Laut  hat  sich  aus  einem  Gleitlaut  vor  starkbetonter 
Silbe  entwickelt  in  /tlül.p  Luise,  pr\llt^ant  Proviant  (über  das  h  vgl. 
55  50,2,  über  das  ä  §  8,2fi),  vor  nebentoniger  Silbe  in  janvivka 
Januar  (doch  betonen  einige  die  letzte  Silbe),  fe:hnv3ia  (ohne  r  hinter  b) 
Februar.  Man  hört  nebeneinander  trUn§La  und  tritnvSiA  Trottoir,  splöm 
und  spljö:n  Spion.  So  erklärt  sich  auch  wohl  die  Form  äZe?e  Aloe 
(der  eingetrocknete  Saft).  Vielleicht  ist  auch  als  Gleitlaut  zu  erklären 
das  g  (wohl  aus  j)  in  flyllVn  Violine  (§  56,3).  Ausser  den  ange- 
führten Wörtern  wird  sich  aus  unserer  Mundart  kaum  noch  ein 
Beispiel  eines  Gleitlautes  dieser  Art  beibringen  lassen. 

b)  Umgekehrt  ist  zum  Gleitlaut  herabgesunken  das  v  in  Aöljn 
Hufeisen,  genauer:  äü(üm;>IJ«,  das  j  in  der  Beteuerungsformel  damlä, 
damiXi  aus  dam\  jk  (ver)damme  mich  ja! 


§  39.    Ans-  und  Abfall  von  Konsonanten. 

1.  In  Zusammensetzungen  oder  wenn  Wörter  so  nahe  aneinander 
gerückt  werden,  dass  sie  als  eins  anzusehen  sind,  fällt,  auch  wenn 
nur  zwei  Konsonanten  zusammentreffen,  oft  der  erste  (zuweilen  auch 
beide)  aus:  hanndök  Handtuch,  kifmdöp  Kindtaufe,  spre:d^k  Spreitdecke, 
Bettspreite,  pladyt^  plattdeutsch,  hedat  =  het  dat  hat  das,  das  =  dal 
is  das  ist,  dav\  =  dat  v\  dass  wir,  ly\  (y  ein  wenig  nasaliert)  =  Jyni 
j\  seid  ihr;  vov\  (völ)  =  völt  vT  wollen  wir,  lak  =  Jal  ik  soll  ich; 
fl:vQ  Leibweh,  ärI.7^üÄ:  Schreibheft,  av&ts  nach  der  Seite  hin,  abstehend, 

1* 


eig.  abwärts^),  stclhkgi^  Schwibbogen,  haljmt  halbpart,  iryhön  Kriech- 
bohne (niedrige  Gartenbohne);  daml  verdamme  mich,  gim\  =  gif  wT 
gieb  mir ;  g^h  =  g^:f  ik  geb'  ich,  Ulk  =  bll:f  ik  bleib'  ich,  kr\k  = 
krVx  ik  bekomm'  ich,  kr\:  (mit  zweigipfligem  i)  ==  krV.xt  v\  oder 
kr\:xt  jl  bekommen  wir,  bekommt  ihr ;  limb^x  Lindberg  (Personen- 
name), tg^  kfm  türkische  Bohnen  (eig.  Erbsen),  bofir^k  Buchfink,  rürlp 
Reif,  eig.  rauher  Reif  (pruina)  =  rnxrlp.  Vielleicht  gehören  hierher 
auch  höjapm  gähnen,  sWMt  das  Gewicht  an  der  Uhr,  welches  das 
Schlagwerk  in  Bewegung  setzt,  sl&viki},  sMinkr^  Rockschcisse  (?)  [nur 
in  der  Redensart  AT  da  slViviki}  krVgi}  ergreifen,  erwischenj.  Neben 
hödyt^  hochdeutsch  sagt  man  gewönlicher  höxtytS,  neben  dn  kris  du 
bekommst,  vT  krU  wir  bekommen  auch  dvL  krixs,  vi  krVxt, 

2.  Dass  Medien  vor  den  entsprechenden  Nasalen  ganz  unter- 
drückt werden,  ist  selten ;  ich  kenne  nur  folgende  Fälle :  hemm  haben, 
^cß:muntwintl  usw.  siebenundzwanzig,  Jymtain  siebzehn,  fyfntl  siebzig 
(aus  J«;im,  vgl.  §  28,3);  Kijij  liegen,  fegg  legen,  Jei)ij  sagen,  n^viun- 
ttvintl  usw.  neunundzwanzig,  nirjtain  neunzehn,  mi}t\  neunzig  (aus 
n^:g^).  In  schneller  Rede  sagt  man  statt  L'hmt  Abend  ämp,  d.  h.  das 
b  wird  unterdrükt,  dadurch  verliert  das  m  seine  silbenbildeude  Kraft, 
wird  Konsonant,  und  jetzt  wird  der  Gleitlaut  zwischen  m  und  / 
deutlicher,  ja  er  wird  nach  Abfall  des  t  zum  vollen  Kousonant<^n 
(§  38,i).  Statt  al^:m  allmählich  schreiben  Klaus  Groth  und  Johann 
Meyer  dllebenf  d.  i.  al^:hm.  Interessant  ist  auch  das  Wort  örgi^Wk 
Augenblick.  Diese  Form  hört  man  fast  nie,  sondern  meistens  o:binlik, 
o:bm(b)lik.  Ich  erkläre  mir  diese  Veränderung  folgendermassen:  aus 
ö:gvf)lik  wurde  zunächst  öi^Uik^  dann  omhlik  (vgl.  jumfa  aus  juijfa 
Jungfer)  oder  öm(b)lik  (indem  das  b  Gleitlaut  wurde;  diese  Form 
hört  man  auch  oft),  endlich  dreisilbig  o:bmUk^).  Ähnlich  sagt  man 
e:«ZT  statt  e:g^ll  eigentlich. 

3.  Hinter  Nasalen  fallen  im  Inlaut  die  entsprechenden  Medien 
stets  weg,  im  Auslaut  b  immer,  rf,  g  nur  beim  Verbum  (durch  Formen- 
ausgleichung);  dasselbe  gilt  von  d  hinter  l:  slim,  slimo^  slimm  schlimm, 
schlimme,  schlimmen,  Inm^  Irma  Lamm,  Lämmer,  oma  Eimer,  luma 
(auch  numa^  angelehnt  an  das  bekanntere  ^Nummer*')  Lombard, 
Pfandhaus,  blint,  hlina,  blinn  blind,  bHnde,  blinden,  kint,  kina  Kind, 
Kinder,  anasn  Andersen  (Personenname) ;  öW,  ö;fo,  öln  alt,  alte,  alten. 
bilt,  bila  Bild,  Bilder,  ola  L  älter,  2.  das  Alter,  köla  kälter.  inijÄ*, 
lai]9,  foiijij  lang,  lange,  langen,  digft,  dii^ci  Ding,  Dinge,  agZ  Angel, 
Stachel,  ag.9  Angst.  —  funn  fand,  Jttijrj  sang  gebildet,  wie  auch  der 
Vokal  beweist,  nach  funn  fanden,  Jmqi)  sangen. 


*)  Vgl.  Ihm  schwärmen  ahwärts  immer  die  Gedanken  Nach  seines  Vaters 
Hallen  usw.    Goethe,  Iphigenic  I.  1. 

*)  Dass  sich  vor  m  ein  h  entwickelt,  kommt  auch  sonst,  wenn  auch  nur 
vereinzelt,  vor,  z.  B.  hört  man  zuweilen  kce.hm  statt  l-a-.m  Kümmel;  vielleicht  ist 
so  auch  die  Form  löi-Jm  Kiemen  (der  Fische)  zu  erklären.  Der  hier  und  da  gehörte 
Singular  Sanc^ä/  Gendarm  lässt  sich  nur  aus  der  Aussprache  des  Plur.  landiJm 
erklären. 


In  himmh^a  Himbeere  bleibt  b  hinter  »w,  weil  69;!  ein  selbständiges 
Wort  ist.     Über  das  d  in  handl  Handel  vgl.  §  38,i. 

4.  Unsere  Mundart  ist  Konsonantenhäufungen  am  Ende  der 
Wörter  abgeneigt.  Stammhaftes  t  (auch  das  t  in  Ableitungen)  hinter 
f,  5,  Xf  k  fallt  stets  weg,  wenn  es  nicht  durch  folgenden  Vokal  ge- 
schützt ist:  luf  Luft,  duf  1.  Duft,  2.  matt  (von  Farben,  Gegensatz 
blai^k),  hef  Heft,  Stiel,  lcr^:f  Krebs  (als  Krankheit),  gif  Gift,  ä/*  Erbse; 
fas  fest,  bos  Brust;  ax  acht,  lix  1.  leicht,  2.  Licht;  1/^Jc  Kedit,  asirak 
Extrakt,  Essenz,  mik  Markt,  buk  (bezeichnet  das  Gefühl  der  Spannung, 
das  man  im  Bauche  hat,  wenn  man  zuviel  gegessen  hat;  mnd.  büket 
dickbäuchig),  fyfm  seufzen,  ütgifm  Abgaben,  Steuern,  ä/m  Erbsen; 
hösn  Husten,  letsn  letzten,  gasin  (mnd.  garstelen)  Brot  mit  einem 
Firnis  überziehen;  lyxi}  leuchten,  minaxi}  gering  achtend,  gering- 
schätzig. Aber  vltlöftl  weitläufig,  luftl  kühl,  dufta  matte,  hefta  Hefte, 
giftl  giftig;  fasta  fester,  best»  beste,  letst»  letzte;  axta  hinter,  slaxta 
Schlachter,  Metzger,  tiyxtan  nüchtern,  lixta  1.  leichter,  2.  Lichter, 
Kerzen.  Ebenso  erhält  sich  das  t  in  tuxthns  Zuchthaus,  meistens  auch 
in  lusthüs  Laube,  dagegen  fehlt  es  in  hasiJmt  eine  Arbeit,  z.  B.  eine 
Reparatur,  die  sofort  gemacht  werden  muss.  —  Das  t  der  Flexion 
erhält  sich,  meistens  sogar  auch  in  nachlässigerer  Sprache:  koft  (er) 
kauft,  gekauft,  Mft  schiebt;  l^ist  liest,  gelesen,  vest  gewesen;  laxt 
lacht,  gelacht,  gotaxt  gestaltet;  mkkt  merkt,  gemerkt. 

k  fällt  ab  in  h^:f  Habicht,  lemp  Lembcke  (Personenname). 

Vereinzelte  Fälle  werden  bei  den  einzelnen  Konsonanten  auf- 
geführt werden. 

§  40.    Hinznfugnng  von  Konsonanten. 

L  Selten  wird  ein  Konsonant  vorgeschlagen.  Der  letzte  Laut 
des  Artikels  ist  zum  folgenden  Worte  gezogen  in  nhkilni,:m  Beiname, 
Spitzname  (neben  ÖÄ'Zwä.m),  mkas  anus  (neben  äa5),  vgl.  Grimm,  Gr. 
P,  S.  536.  —  Das  t  in  dem  veraltenden  Worte  taa^t\  achtzig  ist 
wohl  alt,  vgl.  as.  antahtoda,  mnd.  tachentich. 

2.  Einschub  eines  Konsonanten  weisen  manche  Fremdwörter 
auf,  und  zwar  ist  der  eingeschobene  Konsonant  meistens  ein  Nasal 
(wie  schon  im  Ahd.  und  auch  im  Engl.),  hinter  t  einigemale  ein  r 
(vgl.  frz.  tresor):  a)  prXifmtsavn  prophezeien,  prtifmtlan  profitieren; 
dipmtSit  Deputat,  zuerteilte  Portion,  dipmtlat»  bogas  deputierte,  d.  h. 
in  den  Stadtrat  gewählte  Bürger,  kumpkibl  capable,  fölisndlan  ver- 
licitieren,  fisntUn  durchsuchen,  visitieren,  disntlan  desertieren,  pusntxxa 
Positui',  Statur,  pasnSlA  Passagier;  kunjoiüan  kujonieren,  niederträchtig 
behandeln,  rui^dtilan  iniinieren,  bai}dnet  Bajonett.  Alt  ist  dagegen  das 
n  in  munsta  Muster,  munstan  einen  Vertrag  als  Matrose  abschliessen, 
in  lanthn  Laterne  und  in  ixna  Erker  (mnd.  arkener;  über  das  x  vgl. 
§  57,4).  —  b)  trtimult  Tumult,  öpstriXn&t^  aufsässig,  zornig. 

3.  Von  Anhängung  eines  Konsonanten  seien  hier  folgende  Fälle 
erwähnt:  a)  Bei  den  schwachen  maskulinischen  Substantiven  ist  in 
der  Regel  der  Nasal  aus  den  übrigen  Kasus  in   den   Nominativ   ein- 


gedrungen,  z.  B.  kntUn  Knoten,  lapm  Lappen,  taki^  Zacken  (mnd. 
knutte,  läppe,  tacke).  Dasselbe  gilt  für  die  schwache  Flexion  der 
Adjektiva:  g  go:dn  kMl  ein  guter  Kerl  (vgl.  §  74,i;  76,i).  Ähnlich 
verhält  es  sich  wohl  mit  dem  n  in  gasn  (mascul.)  Gerste,  hk:ban 
Hafer  (vetn  Weizen)  ;  diese  I*ormen  sind  offenbar  nach  Analogie  von 
roki)  Roggen  usw.  entstanden,  vgl.  §  74,i.  —  b)  An  viele  Adverbien 
(Präpositionen)  wird  ein  s  gehängt:  foats  sofort  (foat  weiter),  gtiks 
(auch  ghk)  sogleich,  atjys  adieu,  nSuns  nirgends,  Q:nav^:g^s  (Ton  auf 
der  1.  Silbe)  irgendwo,  anav^:gijs  anderswo,  unav^:gijS  (Ton  auf  der 
letzten  Silbe)  unterwegs,  alav^:gi^s  (Betonung  schwankend)  überall, 
st&ts  anstatt,  niitsamps  mitsamt,  drVbtns  geradeswegs,  kotns  vor  kurzem, 
;ixg5  irgend,  Wö^^  (auch  blöt^  blüs)  nur,  bloss,  bltlts  frühzeitig,  apslüls 
durchaus,  §L:bas  aber  (gewöhnlich  L'ba)  usw.  Das  s  in  nyms  niemand 
ist  weit  verbreitet,  auch  in  den  süddeutschen  Mundarten,  und  reicht 
ins  14.  Jh.  zurück  (Grimms  Wb.)  —  c)  Ein  t  wird  bisweilen  an 
Wörter  auf  -er  gehängt:  mellgat  Melcher,  blaixat  Bleicher  (Personen- 
name), vgl.  Blüchert  bei  Fritz  Reuter,  d^at  Tier,  Untier  (dies  t  bleibt 
auch  im  Plural :  deata).  Zu  ap  anat  hant  (zu  zweien)  vgl.  hd.  andert- 
halb u.  ä.  Von  älteren  Leuten  hört  man  manchmal  k:hmt  statt 
Lbm  Ofen. 

Vereinzelte  Fälle  werden  bei  den  einzelnen  Konsonanten  auf- 
geführt werden. 

§  41.    Vertanschimg  von  Konsonanten. 

1.  Media  statt  Tenuis  findet  sich  in  einigen  Fremdwörtern: 
brWhlan  probieren,  k^lbüts  unförmliche  Kopfbedeckung  der  Frauen, 
rüiü:s  Kapuse,  str^XbSitsn  Strapazen;  m^idrats  Matratze,  mandlarutjfc 
Soldatenkleidung,  Äürf^/S  Kartätsche  (auch  Kardätsche,  Pferdestriegel) ; 
ebenso  6ore  Porree.  Umgekehrt  lampar\  Lambris  (Bekleidung  der 
unteren  Zimmerwand),  ptlrfö  Batardeau  (Bär,  Vorrichtung  zum  Stauen 
des  Wassers;  einer  der  aus  der  Zeit,  wo  Glückstadt  noch  Festung 
war,  vorhandenen  Burggräben  führt  diesen  Namen),  pematlka  Perpen- 
dikel. Vgl.  Wilmanns,  Deutsche  Grammatik,  I  §  78.  —  In  deutschen 
Wörtern  findet  sich  (abgesehen  von  den  unter  2  angeführten  Bei- 
spielen) niemals  Media  statt  Tenuis,  ausgenommen  vielleicht  in  dem 
Worte  h^:d9v\kj^  (ein  Gebäck,  welches  Fassnacht  gegessen  wird),  wenn 
es  nämlich  =  heisse  Wecken^)  ist ;  andere  erklären  es  als  Heidenwecken. 

2.  Fortis  statt  I^enis  haben  wir  vielfach  (aber  nicht  immer) 
vor  den  Ableitungssilben  -cm,  -rf,  -er  (vgl.  §  36  Vorbemerkung,  Wil- 
manns §  84):  besn  Besen,  bosn  Busen;  hanlnost  Haselnüsse,  inasln 
Masern,  ktvasln  dummes  Zeug  reden,  vesl  Wiesel.  (In  diesen  Wörtern 
findet   sich   schon   im   Mnd.   vielfach   ss).     &tn  Atem,   bratn  Brodem; 


*)  In  Reuters  Dörchläuchting  Kap.  7  kommt  wiederholt  die  Form  Heüv>ecken(^) 
vor.  Vgl.  J.  Mestorf,  Backwerk  in  Schleswig-Holstein  (Die  Heimat,  Monatsschrift 
des  Vereins  znr  Pflege  der  Natur-  und  Landeskunde  in  Schleswig-Holstein.  Jahrg.  II 
Kiel  1892  S.  97  ff.,  namentl.  S.  100  u.  104.) 


fotl  Vorteil,  otl  Urteil,  fötl  (auch  fitV)  viertel;  swVn^ld  (aber  auch 
swVn^gl)  Schweinigel,  als  Schimpfwort*).  Statt  der  auf  dem  Lande 
und  von  älteren  Leuten  auch  in  der  Stadt  gebrauchten  Formen  fk:d(t 
Vater,  mö:da  Mutter  sagen  die  jüngeren  /b^^,  muta^  Formen,  die  unter 
dem  Einfiuss  des  Hd.  entstanden  sein  können,  aber  nicht  müssen. 
Hierher  ist  auch  pakllvnn  Pfau  zu  rechnen,  wenn  es  überhaupt  unserer 
Mandart  angehört,  ebenso  Wörter  wie  tripUlan  tribulieren  u.  a.,  vgl. 
§  49,2.  —  Es  finden  sich  aber  auch  Formen  mit  Lenis,  wie  ^:Jl  Esel, 
f&:dn  Faden  u.  a.  Bei  andern  Wörtern  schwankt  der  Gebrauch: 
man  hört  iy.'JZ  Kreisel,  Wirbel  auf  dem  Kopfe,  in  letzterer  Bedeutung 
aber  auch  kysl,  ebenso  /ry.JZn  und  kysln  sich  wie  ein  Kreisel  drehen; 
ältere  Leute  sagen  noch  by:dl  statt  bytl  Beutel,  gleichmässig  gebräuch- 
lich scheinen  wä.rf/  und  n&tl  zu  sein  (in  dem  Lübecker  Schulvokabular 
vom  Jahre  1511  —  Jahrb.  XVI  S.  112  —  findet  sich  schon  t  in 
kfiöpedenatel^  heute  knQ^pn&tl  Stecknadel),  wohingegen,  soweit  ich  sehe, 
kandl:dl  vergnügt  nur  mit  d  vorkommt.  —  Das  t  in  tweto  zweite  kann 
ich  nicht  erklären,  in  symto  siebente,  «ijg/a  neunte  erklärt  es  sich 
durch  den  Gleitlaut  p  oder  k  (§  38,1»),  was  wiederum  bei  tainta 
zehnte  nicht  zutriflft ;  in  dryta  dritte  liegt  Doppelkonsonanz  zu  Grunde 
(§  53,8)  und  in  fofte  fünfte,  Jösta  sechste  usw.  geht  Fortis  vorher. 

3.  Der  Wechsel  von  l  und  r  ist  nicht  sehr  häufig,  a)  l  statt  r 
steht  in  galstarl  ranzig  (besonders  vom  Speck),  balblan  (auch  bsJfTan) 
barbieren,  opslflan  observieren,  beobachten,  cllgkan  Irrgarten  (so  wurde 
früher  der  Glückstädter  Stadtpark  genannt),  k^nallnfk\gl  Kanarien- 
vogel, prampeln  schimpfen  (mnd.  pramperen),  fömulU^  mulSl  vermorscht, 
morsch,  folk  Forke  {misfolk  Mistgabel),  mWlolka  Mazurka,  während  in 
dui]kl  dunkel  (mnd.  dunker),  söfem  es  nicht  hd.  ist,  nur  eine  andere 
Ableitungssilbe  vorliegt.  —  b)  Auf  Vokal  -j-  r  statt  Vokal  -+-  l  gehen 
die  knarrenden  Vokale  in  vok  (auch  v^k)  einige  (eig.  welche)  und 
JöAv  solche  zurück. 

4.  Wechsel  zwischen  den  verschiedenen  Medien  oder  ihren 
Vertretern,  a)  g  für  d  hört  man  zuweilen  in  dem  Worte  twÄÖ.'^jg  = 
inhb:dn  (Ton  auf  der  1.  Silbe)  das  Haus  behüten,  dementsprechend 
zuweilen  k^:x  für  k^:t  Kette.  —  b)  Auf  den  Wechsel  von  g  und  b 
geht  die  Form  drax  Trab  zurück  in  der  Redensart  opm  drax  ^rigg 
auf  den  Trab  bringen,  fortjagen,  ebenso  der  Dativ  in  driix  im  Trabe, 
laufend.  —  c)  Statt  g  habe  ich  nur  b  gehört  in  dem  im  Aussterben 
begriffenen  Worte  g&:bl  Zahnfleisch  und  in  höxdrL'bmt  hochtrabend, 
stolz  (mnd.  hochdragende),  wenn  diese  Form  nicht  etwa  geradezu 
hd.  ist  (was  ich  anzunehmen  geneigt  bin,  da  sonst  die  ganze  Silbe 
'de  geschwunden  sein  müsste,  vgl.  §  8,i.  54,3). 

§  42.    Die  Nasale. 

1.  Dass  von  der  Endung  -ing  häufig  nur  der  Nasal  übrig  ge- 
blieben ist,  wurde  bereits  §  8,i  erwähnt;  als  weitere   Beispiele    seien 


0  Den  Igel  nennen  wir  staxlswln  Stachelschwein. 


8 

genannt  r^Jcj^  Rechnung  (vgl.  auch  Nr.  6  c),  Ay.Jn  Behausung,  Obdach^ 
hüss&ki^  Haussuchung,  fyan  Feuerung,  Brennmaterial,  rdg\an  Regierung. 
v(^n  Wehling  (Personenname),  fokbln  Erkältung  (Verkühlung).  Er- 
halten ist  die  Endung  in  H.'teZ/ijÄ  Kaveling,  wohl  weil  sie  den  Nebenton 
trägt,  mit  dem  Stamme  verschmolzen  ist  sie  in  ?yi)Ä  Sperling  (mnd. 
lunink);  hier  ist  das  h  vielleicht  deshalb  erhalten,  weil  das  n  der 
Endung  mit  dem  des  Stammes  zusammenfiel  (vgl.  was  §  54,8  über 
die  Wörter  gynnt  und  folaj}i}t  gesagt  ist),  was  allerdings  auch  bei 
penn  Pfennig  geschehen  ist,  ohne  dass  das  k  geblieben  wäre.  Ferner 
haben  wir  -njfc  noch  in  SiZigfe  (ein  Hamburger  Schilling  =  7^k  Pfennig), 
rfre;Z«r)i  Dreiling  (V*  Schilling),  während  statt  Jörftgfc  Sechsling  (V2  Schil- 
ling) gewöhnlicher  ^ösn  gesagt  wurde*),  mcsir^k  Messing  ist  offenbar 
hd.,  auf  dem  Lande  sagt  man  mi^n. 

2.  Hinzugefügt  ist  ein  Nasal  in  hympl  Haufe,  timpm  Zipfel 
(in  beiden  Wörtern  ist  der  Einschub  alt  und  weit  verbreitet); 
e:nav^:gr^s  irgendwo,  alav(}:giQS  überall,  anav^:gi^s  anderswo,  unavi*:gi^ 
unterwegs,  jiom^s  auf  irgend  eine  Weise,  allns  alles;  ttiMlan  zuwider, 
fun(n&)axtan  von  (nach)  hinten,  fun(n&)fcean  von  (nach)  vorne  (hinten 
heisst  axtaj  vorne  foea). 

3.  Der  Ausfall  des  Nasals  ist  alt  in  den  Wörtern  gös  Gans; 
brox,  hroxt  brachte,  gebracht,  dax^  daxt  dachte,  gedacht,  dyXy  dyxt 
däuchte,  gedäucht,  däucht,  jaxt9  sachte,  jaxs  vielleicht;  Jy:rf»  Süden; 
fi:f  fünf,  trüf  Trumpf  und  vielleicht  in  einigen  andern.  In  hosten 
Schornstein  ist  wohl  nie  ein  n  vorhanden  gewesen. 

Zu  den  einzelnen  Nasalen  ist  folgendes  zu  bemerken. 

4.  n  für  m  findet  sich  in  kVn  Keim,  kT:nn  keimen  (schon  sehr 
früh;  ebenso  ist  n  in  nykij  Mucken,  üble  Angewohnheiten  schon  alt), 
durch  Assimilation  in  krantsf&gl  Krammetsvogel  (die  Form  ist  mit 
dem  Tier  vielleicht  von  auswärts  —  Itzehoe?  —  zu  uns  gekommen), 
ausserdem  in  Ableitungs-  und  Flexionssilben :  §itn  Atem,  bratn  Brodem, 
f§i:dn  Faden,  bon  Boden,  bcsn  Besen,  bosn  Busen;  ntn  aus  dem,  fcl 
lytn  bei  kleinem  (d.  i.  allmählich)  usw.  —  n  verschwindet  häufig  in 
einem  vorhergehenden  Nasal:  dü:m  =z  dvL:mm  Daumen,  Aä:n  Hahn 
(Nom.  und  Akkus.,  vgl.  §  74,i).     Vgl.  §  58. 

5.  Von  den  durch  Assimilation  aus  n  entstandenen  m  (§  9) 
ist  namentlich  das  m  vor  f  zu  bemerken  (§  4,8^0 :  kumfl^ö:n  Konfusion, 
fernumß^  fümf;  in  jumfa  entspricht  das  m  einem  g,  ebenso  in  nims 
nirgends;  weshalb  in  dem  letzten  Worte  m  eingetreten  ist,  weiss  ich 
nicht.  In  nachlässiger  Aussprache  sagt  man  wohl  m^:  (auch  q^:)  statt 
;/V:  nein. 

6.  g.  a)  ij  steht  in  französischen  Wörtern  und  solchen,  die 
dafür  gehalten  werden,  an  Stelle  der  Nasalierung  eines  Vokals :  fötsui} 
Fagon,  sar^fösuij  sans  fa(^0D,  Subst.,  etwa:  ein  phlegmatischer  Mensch, 


*)  Diese  drei  Wörter  kommen  heute  nur  noch  in  gewissen  Redensarten  vor 
oder  wenn  man  von  Zeiten  vor  P^inführung  der  Reichswährung  spricht.  Schilling 
ist  auch  Personenname.     Auf  dem  liande  sagte  man  siai^k,  driai^k. 


/bflSwi)  Fanchon  (eine  Art  Tuch  zum  Bedecken  des  Kopfes),  lufbalui} 
Luftballon,  mümai)  Augenblick,  faiiuij  Phaeton  (leichter  Wagen); 
manche  sprechen  auch  tehfoi}  Telephon,  ver^tll  Ventil.^) 

b)  g  ist  aus  g  entstanden  vor  n  in  Wörtern  wie  ai^nas  Agnes, 
tnar^net  Magnet,  Jir)«ä?  Signal  (auch  Jig^wäZ)*  Vielleicht  erklären  sich 
hierdurch  auch  die  Formen  haipnet  Bajonett,  rwg^wlan  ruinieren  (§  40,2). 
Formen  wie  ai}fi9$,  mar^vet^  Jir^nSil  sind  offenbar  auf  mündlichem  Wege 
von  auswärts  zu  uns  gekommen,  dagegen  scheint  es  mir,  dass  das 
Wort  hjkünltö  inkognito  durch  die  Zeitungen  bekannt  geworden  ist 
und  daher  das  Wortbild  so  gut  oder  so  schlecht  ausgesprochen  wird, 
wie  es  eben  geht.     (Man  vgl.  hierzu  önlbus  Omnibus). 

c)  r)  fällt  in  der  Regel  in  dem  Verbum  r^ky  aus:  r^A  rechne, 
rechnete,  r^t  rechnet,  gerechnet.  Bei  teki^  zeichnen  ist  dieser  Ausfall 
selten,  bei  andern  ähnlichen  Verben  (r^.'gi^  regnen,  J(}:gi}  segnen)  kommt 
er  nie  vor.  Dass  in  den  Infinitiven  und  in  dem  Substantiv  r^Jcr^ 
Rechnung  nur  ein  einziges  g  steht,  erklärt  sich  aus  dem  Umstände, 
dass  es  in  nichtstarktonigen  Silben  keine  langen  Konsonanten  giebt 
(vgl.  §  58). 

§  43.     r. 

1.  r  erhält  sich  im  Inlaut  vor  einem  Vokal  (dazu  gehören  auch 
die  Fälle,  wenn  es  hinübergezogen  wird):  huj^arJ  hungrig,  gcearJ  kindisch, 
sw&ard  schwere,  leara  Lehrer.  In  diesen  Fällen  ist  das  a  vor  r  sehr 
flüchtig  und  bildet  keine  Silbe,  auch  nicht  in  hui^ari.  Ebenso  mTarem 
Ameise,  dSiarufn  darum,  vtltttw  wanim,  axtarceiha  hintenüber,  förüi 
voraus,  föraftT.  (selten  vöraftt)  wahrhaftig  1  [als  ob  die  Vorsilbe  fö- 
darin  steckte];  auch  mit  Aphäresis  rum  herum,  rin  herein,  hinein, 
rüt  heraus,  hinaus,  runa  herunter,  hinunter  usw.  Man  hört  neben- 
einander ßauntwintJ  und  ßarunttointl  usw.  vierundzwanzig  usw.,  loararin 
und  learain  Lehrerin. 

2.  r  (-er)  wird  zu  a  im  Auslaut  hinter  geschlossenen  Vokalen 
und  hinter  Konsonanten:  Aöan  hören  (Hörner),  sw&a  schwer,  mna 
Mauer,  draia  Drechsler,  höan  Hörn,  moea  mürbe,  6:ba  Ufer,  öla  älter 
usw.;  dazu  n  styia  dre  ein  Stück  oder  di'ei,  etwa  drei  Stück,  n  daxa 
f\:f  etwa  fünf  Tage,  mika  tai:n  etwa  zehn  Mark  usw.*) 

3.  r  (rr)  wird  sozusagen  in  den  vorhergehenden  Vokal  verlegt 
in  Wörtern  wie  äajj  scharf,  tgf  Torf,  hns  Herbst,  ^ot  Schürze,  dos 
Durst,  bgs  Bürste  (Borste)  hok  Borke,  kgf  Körbe,  limtlan  etwa:  laut 
schreien  (scheint  aus  lim  Lärm  und  lamentieren  vermischt  zu  sein), 
Wän  laut  weinen  usw.     Vgl.  die  knarrenden  Vokale  §  13,  16,  22,  24. 


*)  Andere  Wörter  werden  wie  im  Hd.  mit  n  gesprochen:  baifjö:n  Bataillon, 
gimsöcn  Garnison,  pei^l^ö.-n  Pension;  antre  Eintrittsgeld,  kuntant  1.  gesund  (eig. 
zufrieden),  2.  bar  (comptant),  kantöa  Comptoir. 

')  Hinter  einem  mit  -er  schliessenden  Worte  verschwindet  dies  so  zusammen- 
geschrumpfte *oder'  gänzlich:  n  dL'la  taim  etwa  zehn  Thaler  (vgl.  ein  Thaler 
achtzig,  Minna  v.  Barnh.  III  7). 


10 

4.  r  fällt  in  der  Regel  ganz  aus  in  starkbetonten  Silben  Tor 
Fortis  ausser  p  und  t,  in  nicht  starkbetonten  Silben  auch  vor  p,  k 
und  Lenis:  swat  schwarz,  hat  Herz,  kot  kurz,  ^sten  Schornstein,  döns 
Stube  (auf  dem  Lande);  mulvop  Maulwurf,  maklenncLi  Marketender*), 
tapmtVn  Terpentin,  b^hlan  barbieren  usw.  (vgl.  {^  12,«;  21,«;  23,iß;  §  8). 
mö:Ja  Mörser  (auch  mgja)  kommt  schon  im  Mud.  ohne  r  vor.  Statt 
kwMa^  kwida  Kragen,  Hosenbund  heisst  es  gewöhnlich  ktc^:da. 

5.  r  ist  manchmal,  aber  nicht  so  oft  wie  in  andern  Mundarten, 
aus  rf,  dd  entstanden;  dies  r  wird  ebenso  behandelt  wie  ursprüng- 
liches r  unter  Nr.  3:  Aä  hatte,  ßdi  Feder,  bon  Boden,  Jo  seit  (mnd. 
sodder;  in  der  Stadt  selten)  usw. 

6.  Metathesis  des  r  linden  wir  in  vrömp  Wennut,  fryxgdxk^) 
Früchtenicht  (Personenname),  wohl  auch  in  kry:s  wählerisch,  namentlich 
im  Essen;  doiain  dreizehn,  dotl  dreissig,  bgn  Tränke;  bos  Brust,  kos 
Brotrinde,  kasn  Christian,  dö§n  dreschen  (knarrender  Vokal  oder 
Schwund  des  r  nach  Nr.  3  und  4). 

§  44.     l 

1.  l  int  ausgefallen  in  as  als,  Jas  sollst.  Jus  solltest,  vis  willst, 
vus  wolltest.  In  vüem  Wilhelm,  vUemVna  Wilhelmine,  fiXnel  Flanell 
in  nichtstarkbetonter  Silbe,  weil  die  stärker  betonte  Silbe  ebenfalk 
ein  l  enthält.  Wahrscheinlich  ist  l  auch  in  haista  Elster  ausgefallen : 
schon  as.  kommt  ägastria  vor,  ahd.  ägalastra.  —  Eingeschoben  ist  l 
in  al^Adlsta  Alabaster  (als  Kügelchen  zum  Spielen),  in  öltm&:dl  sanft, 
sachte,  langsam,  offenbar  in  Anlehnung  an  ölt  alt,  da  das  frühere 
odmodich  nicht  mehr  verstanden  wurde. 

2.  Noch  sei  erwähnt  das  Z,  welches  zur  Verbindung  zweier 
W^örter  in  Zusammensetzungen  dient  (vgl.  hd.  Wendrftreppe,  Wünschrf- 
rute  u.  a.) :  vitlktoas  (auch  vitkwas)  Quast,  grosser  Pinsel  zum  Tünchen 
der  Wände,  brundbi^an  Brombeeren,  vasldö:m  die  Schmerzen  in  den 
Knieen  während  des  Entwicklungsalters,  eig.  Wachstum,  stiklgrim 
Stichling  (ein  Fisch),  bindlböm  der  Baum,  der  auf  ein  Fuder  Heu  oder 
Stroh  gelegt  wird,  um  das  Ganze  festzuhelten;  hierher  gehört  auch 
wohl  midlhlö:m  Marienblümchen  (Bellis  perennis),  vendlßkg  (selten) 
ein  Ferkel,  welches  entwöhnt  ist  und  daher  schon  verkauft  werden  kann. 
Vgl.  Korrespondenzbl.  XVI  70.  Dagegen  ist  f&:glbunt  Vagabund,  eig. 
;, Vogel  bunt*'  offenbar  durch  Volksetymologie  entstanden. 

3.  Für  d  steht  l  in  mihtsVn  Medizin,  SeZväia  Scheidewasser, 
Salpetersäure,  für  n  vielleicht  in  nSJclt  nackt  (gewöhnlich  nSM);  bciijd 
=:  bontjd  Bonbon.  Umgekehrt  steht  n  für  l  in  knaut  Knäuel,  während 
in  klö:n  Knäuel  das  urspr.  l  erhalten  geblieben  ist. 


')  Dies  Wort  ist  in  §  12,«  irrtümlicher  Weise  unter  ^  statt  unter  a  aufgeführt. 
')  Das  Wort  fgxx^  fürchten  ist  hei  uns  sehr  selten  und  wird  gewöhnlieh  durch 
&(iqQ  f\:n  bange  sein  (persönlich  konstruiert  ik  hyn  öaqq)  ersetzt. 


11 

§  45.     J,  s. 

1.  Sanfteres  J  (§  4,3*')  sprechen  wir  im  Anlaut  vor  Vokalen: 
Jant  Sand,  Jöa  trocken,  dürr,  ^ölps  selbst  usw.,  im  Inlaut  a)  zwischen 
zwei  Vokalen,  wenn  der  vorhergehende  Vokal  lang  ist:  Zl.p  Elise, 
vi: ja  Zeiger,  Äy.Ja  Häuser,  dl;jl  eigensinnig,  widerspenstig,  b)  nach 
langem  Vokal,  sofern  der  folgende  Konsonant  es  gestattet:  rl.-Jn 
zeigen,  6e:Jn  Binsen,  (?y:JWl  schwindlig,  ^:jl  Esel,  doch  vgl.  Nr.  2  d, 
c)  nach  den  Lautverbindungen  Vokal  -f-  m  usw.,  wenn  sie  überlang 
sind:  alljn  Alsen;  ebenso  Incijn  schnell  gehen. 

Das  J  ist  ausgefallen  in  v^.n  =  v^:jn  sein,  gewesen,  häufig  wird 
es  weggelassen  in  gann  =  gannjn  ganzen. 

2.  Das  schärfere  s  steht  im  Anlaut  vor  Konsonanten  (p^  t^  Z, 
fn,  w,  to)i  sp^ln  spielen,  strMö  Schlittschuh,  slim  schlimm,  smit 
Schmied,  snVdn  schneiden,  swat  schwarz.^)  Im  Inlaut  steht  s:  a)  wenn 
es  aus  SS  entstanden  ist:  kysn  küssen,  Kissen,  b)  vor  Tenuis,  auch 
wenn  sie  nicht  mehr  vorhanden  ist:  fastd  feste,  hösn  Husten,  muskus 
Moschus  (als  Odeur),  haspl  Haspel,  c)  hinter  Tenuis,  auch  wenn  sie 
nicht  mehr  vorhanden  ist:  osn  Ochsen,  osl  grob  (ochsig),  fosl  rötlich 
(fuchsig),  kaspl  Kirchspiel,  d)  vielfach  vor  den  Ableitungssilben  (vgl. 
55  41,2):  nusUl  unsauber,  hdnyslt  betäubt,  fönyslt  etwa:  verstrickt  (vgl. 
Schlangengenüssel  bei  Goethe,  Zahme  Xenien  II);  hierher  kann  man 
auch  Wörter  wie  rislflat  entschlossen  (resolviert),  risnrilan  raisonnieren 
u.  ä.  rechnen. 

Wie  im  Auslaut  das  s  natürlich  immer  scharf  ist,  so  auch,  wenn 
es  hinübergezogen  wird  vor  Vokalen:  s&:bfns  des  Abends;  ebenso  in 
den  Femininis  von  Personennamen:  do  nehnsn  Fem.  von  nehns  Neuhaus. 

3.  s  wird  durch  nachfolgendes  s  oder  t  geschützt  in  du  frys, 
Aö  fryd  dich,  ihn  friert,  du  fölys,  Äe  fölyst  du  verlierst,  er  verliert, 
ges  Hefe. 

4.  s  wird  von  folgendem  §,  wenn  es  zu  demselben  Worte  gehört, 
verschlungen :  rwä  russisch,  frantsM  französisch,  potügl:^  portugiesisch. 
Es  steht  statt  S  in  dem  Schifferausdruck  eißsman  Engländer  (auch 
=  englisches  Schifl).  Schliesst  ein  Wort  mit  s  und  beginnt  das 
folgende  mit  §,  so  entsteht  ein  langes  §,  vgl.  §  46,4. 

5.  Das  s  und  e  (c)  in  fremden  Wörtern,  namentlich  im  Anlaut, 
wird  verschieden  behandelt,  man  hört  tsux,  siuc  Zug,  Eisenbahnzug, 
Jas  Zarge,  tsipl,  sipl,  l'ipl  Zwiebel,  tsl:x^  Jr.\r  Ziege,  litan  zittern,  tsem- 
pM  Sympathie  (sympathetisches  Heilmittel),  j(i:bajkt  Zitwersamen, 
tstJca^  juJca  Zucker,  Jup^  sup  Suppe,  grümatsn  Grimassen,  ]cunJ9^o:n 
Konzession,  intrajlan  interessieren  usw.  Die  Jüngeren  bringen  die 
dem  Hd.  am  nächsten  kommende  Form  mit  aus  der  Schule,  die  älteren 
Leute  und  die  Landbewohner  bedienen  sich  selten  des  dem  Ndd. 
fremden  Lautes  ^e^,  oder  aber  sie  gebrauchen  ihn  an  falscher  Stelle. 
Wir  wird  immer  zu  ns  O^J):  dans  Tanz,  krans  Kranz,  stvans  Schwanz, 


')  Leute,  die  etwas  feiner  sprechen  wollen,  fangen  an  vor  l,  m,  n,  to  statt  8 
§  zu  sprechen:  ülim,  hnit,  »ni:dn,  Iwat, 


12 

glans  Glans,  glensn  glänzen,  gans  ganz,  flektiert,  ganvjj,  ganajn;  ebenso 
pels  Pelz. 

6-  J»  *  geben  zuweilen  auf  frz.  2  zurück,  namentlicb  dann,  wenn 
nocb  ein  i  (aucb  j)  in  dem  Worte  vorkommt;  sÖ5  Georg,  /«J/iyöa 
Ingenieur,  löpment  ein  kleines  Zimmer;  in  §tlja«i5  Sergeant  sind  die 
beiden  Ziscblaute  umgestellt. 

7.  Erwälint  sei  noch  das  s  in  Zusammensetzungen,  z.  B.  stunnstlt 
Zeitraum  einer  Stunde  u.  dgl.  Ob  und  wann  hier  ein  Genitiv  vorliegt, 
ist  schwer  zu  entscheiden,  vgl.  §  75,1. 

§  46.     S. 

1.  §  in  deutschen  sowohl  wie  in  fremden  Wörtern  ist  entstanden 
aus  sJc^  auch  wenn  s  und  k  ursprünglich  nicht  zusammengehörten: 
§Ö;n  schön,  ireJctl  schrecklich,  ^rlbent  Skribent,  Schreiber;  <i§  Asche, 
/?g  Fisch,  waiflfi  Näherin,  fiLbi^  Nachbarin,  lari/S  Hänfling,  stlgllitä 
(Ton  auf  der  letzten  Silbe)  Stieglitz,  mHä&tn  nut  Muskatnuss,  e/Sop 
Elskop  (Ortsname),  Ayfiw  Kerngehäuse  der  Apfel,  Zl§,  ll^n  Lieschen, 
^eSn  Gesche  (weibl.  Vorname),  mÖSw  Waldmeister;  manche  sprechen 
auch  das  hd.  Wort  ^bischen''  6tSn,  hßn.  Hierher  gehört  auch  wohl 
neSLirl  neugierig,  aus  we^plarl,  wesilarl.  —  sk  findet  sich  nur  in 
mtAskus  Moschus  und  in  muskant  Musikant;  in  dem  letzten  Wort  sind 
offenbar  erst  in  neuerer  Zeit  s  und  k  nach  Ausfall  des  i  aneinander 
gerückt.  —  Zuweilen  erscheint  ä  da,  wo  im  Hd.  js^,  tz  steht:  ÄttiS 
Ilinz,  götlk  Götz,  müä,  wIS  Miez  (Kosename  für  die  Katze),  6ä&M/§ 
Barbuz,  Barbier;  ähnlich  strv&  Blumenstrauss,  /o§  forsch  (von  frz. 
force).  In  fran^hrüt  Franzbrot,  Semmel  (vgl.  den  auf  S.  6  Anni. 
zitierten  Aufsatz  von  J.  Mestorf),  liegt  wohl  ebenso  wie  in  fransn 
gkan  Franscher  Garten  (ein  Lokal  in  Glückstadt)  imd  fran&n  bratnvTn 
Franzbranntwein  eine  Adjektivbildung  auf  -S  vor. 

2.  §  in  Fremdwörtern  =  ä,  2  (geschrieben  scÄ,  ch,  g,  j):  kau^} 
koscher,  wliSttfcg  meschugge,  Sapas  Sabbath*),  falä  falsch;  wüSrtwi 
schlecht  (vom  Aussehen,  namentlich  der  Kleidung),  Ärürä:S  Mut,  ytL'ä 
Etage,  ZüSl  Wohnung,  Zü§Tan  wohnen  (als  Chambregamist),  Sös  Georg, 
^\ijant  Sergeant  (mit  Umstelhmg  der  Zischlaute);  SünäZ  Journal; 
§jml  Chemie,  §eml§  chemisch,  §I:wä  China;  in  bu^bö:m  Buchsbaum 
liegt  offenbar  volksetymologische  Entstellung  vor. 

3.  S  =  sj,  stj  in  lateinischen  Wörtern:  A*ümTäö:n  Kommission, 
ktimfVkö:n  Konfusion,  prilfd^^m  Profession,  iwwpSö.-n  Konzession ;  kri^n 
Christian,  mtxle^  Beschwerde.  Lateinisches  tj  wird  hinter  Konsonanten 
zu  S,  hinter  Vokalen  zu  tö:  aÄ:§ö:M  Auktion ;  Äaw^Sö.n  Kaution,  mö/sö;« 
körperliche  Bewegung  und  in  vielen  Wörtern  auf  -at^ö:n.  Hierher 
gehört  auch  spUhi  Speciesthaler  (alter  dänischer  Doppelthaler  =  4V2 


')  Obwohl  kurz  nach  der  Gründung  Glückstadts  (1617)  sich  daselbst  sehr 
viel  Juden  ansiedelten,  so  dass  ein  Zeitgenosse  berichtet:  ^urd)  bie  ^ubcn  Nation 
ift  Glückstadt  im  anfange  am  mciftcn  in  5rn)ct)cn  S^ommen  (vgl.  Detlefsen,  Geschichte 
der  holsteinischen  Eibmarschen,  Bd.  II  S.  189  f.),  so  finden  sich  bei  uns  heute 
doch  nicht  mehr  hebräische  Wörter  als  auch  in  andern  deutschen  Mundarten. 


13 

Mk.)  Ob  Jclat^  (kafdklai^  Kaffeef^osellschaft)  von  collatio  kommt,  weiss 
ich  nicht  [Reuter  hat  klatsch  und  Mais  und  erklärt  selbst,  es  komme 
von  collatio,  kanTdat^  Erntefest.  Läuschen  un  Rimels  II  C3],  jedenfalls 
ist  aber  ^Klatsch*^  Medisance  und  ^klatschen*  medisieren  hinein- 
gemischt. Ganz  verstümmelt  ist  leks  (mascul.)  aus  lectio  die  häus- 
liche Arbeit  der  Schüler,  besonders  das  auswendig  zu  Lernende. 

4.  Eine  Art  von  ä  entsteht  bei  schnellerem  Sprechen,  wenn 
s  und  j  zusammentreffen:  vet^k  =  vUs  jk  weisst  ja,  aäü  =  as  jü  wie 
euch.  Dies  §  hat  keine  so  grosse  Lippenvorstülpung  wie  das  eigentliche 
ä,  auch  ist  die  Artikulation  der  Zunge  eine  andere  (vgl.  Bremer  §  71, 
72).  Schliesst  ein  Wort  mit  s  und  beginnt  das  folgende  mit  §,  so 
entsteht  ein  langes  §,  z.  B.  da^entti  =  dat  is  ^entlT  es  ist  schändlich 
(vgl.  §  45,4). 

§  47.    ;. 

1.  j  =  altem  j  (i)  im  Anlaut:  jk  ja,  jaxtan  wild  und  mit 
Geschrei  umherlaufen,  einander  nachlaufen,  jüa  Euter  (der  Kühe; 
mnd.  jeder,  jüdder),  jol  eine  Art  Boot,  juj^h  jung,  jceki^  jucken,  .;^.*ww 
das  Gesicht  verziehen  (mnd.  Janen,  jenen)  usw.  Die  Wörter  ,;^m  (jem, 
J9m)  ihnen,  jyma(s)  immer  kommen  in  der  Stadt  selten  vor. 

2.  Früherem  g  entspricht  j  in  jrx  Gicht  (mnd.  gicht,  jecht), 
Jon  Jürgen,  (Jeorg,  vielleicht  in  jalpm  kindlich  übermütig,  albern  sein 
(wenn  es  mit  gelp  zusammenhängt);  japm  gaffen  (höjapm  gähnen) 
kann  auf  gapen  oder  japen,  j.appen  zurückgehen.  Der  Name  jaspa 
Jasper  gehört  unserer  Mundart  wohl  nicht  an.  Das  Wort  jü^  welches 
eigentlich  einen  jungen  Ochsen  bedeuten  soll  (das  Fem.  dazu  heisst 
kw(f:n)^  ist  wohl  dasselbe  wie  das  anderswo  vorkommende  git^)]  die 
angegebene  Bedeutung  ist  aber  wohl  kaum  richtig,  da  das  Wort  bei 
uns  heute  nur  —  im  Scherz  —  auf  junge  Mädchen  angewendet  wird : 
oU  jit\  vgl.  Korrespondenzbl.  XVII  14.  —  Französischem  2  entspricht 
;  in  franjan  Fransen. 

3.  Aus  i  ist  nach  Konsonanten  in  Fremdwörtern  manchmal  j 
geworden:  spanja  Spanjer  (Familienname),  spanjöda  Spanier,  fämilJB 
Familie,  ripljö:n  Rebellion;  an  Stelle  der  Mouillierung  des  l  steht  es 
in  papljui}  Pavillon,  haüjö:n  Bataillon.  —  Im  Auslaut  nach  Konsonanten 
fällt  das^  (die  Mouillirung)  weg:  hall  Balje,  Waschbütte,  tralln  Traillen, 
(litterwerk,  p^ltrtd  Patrouille,  dazu  patrVJlan  patrouillieren.  —  Hinter 
einem  Vokal  hat  sich  das  j  nach  Abfall  eines  e  vokalisiert  in  ÄöT  Koje, 
wöT  bequem,  schön  (holländ.) 

4.  Dass  das  j  die  ihm  vorangehenden  Laute  bisweilen  palata- 
lisiert,  wurde  §  4,3  erwähnt;  besonders  ist  dies  in  Deminutivbildungen 
auf  -tp^)  der  Fall:  doentjj  Schnurre,  Erzählung    (holl.    deuntje),  antJ9 

')  Vielleicht  auch  nicht.  Jellinghaus,  Zur  Einteilung  der  ndd.  Mundarten 
S.  56  fährt  aus  dem  Jahre  1797  das  Wort  jelt  =  junges  Rind  als  in  der  Kremper 
Marsch  vorkommend  an. 

^)  Hier  liegt  vielleicht  k  zu  Gninde,  vgl.  Tiübben,  Mnd.  Grammatik  §  41  S.  59; 
dies  j,  tj  ist  aber  wohl  kaum  auf  holsteinischem  Boden  entstanden,  sondern  von 
auswärts  (Holland?)  zu  uns  gekommen. 


14 

Ännchen,  otJ9  Otto,  diij^f  Dietrich,  etja  Eduard,  fentjd  Geck  (Fäntchen), 
ktjdhktp  Storch  (in  der  Kindersprachc),  vuiJB  Schwein  (in  der  Kinder- 
spräche),  aber  auch  in  einigen  Wörtern,  die  ursprünglich  k  hatten: 
vatj  Käsewasser,  Molken  (mnd.  waddeke),  matj,  mait  Regenwurm 
(raeddik,  meddeke),  matJ9shQxrivfc  Matjeshering  (madikesherink),  pytja 
Töpfer  (potker,  putker),  kaJcalatp  Schabe  (ein  Insekt:  Blatta),  lyt  klein 
(luttik),  flektiert  lyt9  oder  lytp^  (auf  dem  Lande  auch  lüj).  In  diesen 
Fällen  ist  das  j  im  Inlaut  ein  selbständiger  Laut,  im  Auslaut  soll  es 
nur  die  Palatalisierung  des  vorhergehenden  t  ausdrücken.  Wie  bei 
lyt  unterbleibt  die  Palatalisierung  in  verschiedenen  Eigennamen  häufig 
ganz :  löt  Ledtje,  Lödtje,  lyt  Lüdtje,  lytns  Lütjeus,  tltns  Tietjens, 
Tietgens,  rktns  Rathjens.  (Ältere  Leute  palatalisieren  noch  meistens 
sowohl  das  t  als  auch  den  vorhergehenden  Vokal,  was  man  so  be- 
zeichnen könnte:  rSijtns.)  Vielleicht  erklären  sich  hiemach  auch  die 
Formen  m^tn  Mädchen  statt  m^tki^  (anderswo  sagt  man  m?Ä;g),  grötn 
üretchen,  Intn  Ludwig,  pöpm  Baby  (Püppchen),  vT/m  Weibchen  (eines 
Vogels),  et9  (mit  t\  vgl.  oben)  Eduard,  mlta  Mariechen  (selten  iwTÄrrj: 
dagegen  kenne  ich  rnlka  auch  als  Abkürzung  von  Emil),  flt9  Sophie 
(seltener  =  Friedrich). 

Auf  dem  Lande  ist  die  Palatalisierung  viel  häufiger  als  in  der 
Stadt:  jfijtn  Milchsatte,  klyjtn  Kloss,  Mehlkloss,  trüjt  Trude,  d.  i.  ein- 
fältiges Frauenzimmer  u.  a. 

S  48.     w. 

Der  bilabiale  Reibelaut  w^)  kommt  nur  hinter  Konsonanten  vor, 
die  zu  derselben  Silbe  gehören  (§  4,3») :  dwca  quer,  kwansvVs  (hcants- 
?;T;s^zum  Schein,  ktvul  quoll,  sw§ia  schwer,  twe  zwei.  Dagegen  kvul 
=  ik  vul  (k  unaspiriert)  ich  wollte.  —  In  dem  Eigennamen  wikicif 
Marquardt  ist  das  A,  das  ursprünglich  zur  ersten  Silbe  gehörte,  zur 
zweiten  gezogen,  daher  ist  es  aspiriert,  und  es  steht  tv  statt  des 
erwarteten  v  dahinter.  —  Vokalisiert  oder  mit  dem  folgenden  Vokal 
verschmolzen  hat  sich  das  w  schon  früh  (wie  im  Hd.)  in  kL-rnm 
kommen,  gekommen,  kumt  (er)  kommt,  kLmt  (wir)  kommen,  während 
es  in  ke:m  kam  ganz  ausgefallen  ist;  die  Formen  quam^  queme  finden 
sich  in  unserer  Gegend  noch  im  17.  Jh.  (1676). 

§  49.     p. 

1.  jp  =  alten  p  (pp):  pax  Pacht,  pans  Pansen,  Wanst,  ptLr 
schlechtes  Bett.  du7npl  dumpfig,  ntröpa  Ausrufer,  rlp9  reife,  fipm 
sickern ;  lapm  Lappen,  knupm  Knospe,  dep  tief,  §äp  Schaf,  tilp  genau 
(vom  Hören  und  Sehen),  v^ps  Wespe  (s  imd  p  der  bequemeren  Aus- 
sprache wegen  umgestellt,  Grimm,  Gr.  P  S.  525.  566.    Wilmanns  {5  95.) 


^)  Es  unterscheidet  sich  von  b  dadurch,  dass  die  Lippen  hei  der  Aassprache 
des  w  ein  wenig  mehr  vorgestülpt  werden  als  hei  der  Aussprache  des  \),  während 
hei  dem  süd-  und  mitteldeutschen  bilabialen  to  die  Lippen  nicht  vorgestülpt  werden. 


15 

2.  p  =  bb :  flap  Maul,  irupm  schrubben,  Jcnupm  Erhöhung  (auf 
der  Haut,  am  Baumstamm  usw.,  mnd.  knobbe),  Jcapln  zanken,  snypln 
straucheln,  grapln  schnell  greifen,  tasten,  lapln  etwas  in  den  Mund 
nehmen,  so  dass  Speichel  herausfliesst,  tapln  langsam  gehen,  (danach 
die  neueren  Bildungen  snapllKin  schnabulieren,  schmausen  tripltlan 
tribulieren,  quälen,  ripljö:n  Rebellion,  papljui}  Pavillon,  vgl.  auch  §  41,2), 
krip,  Jcryp  Krippe,  rip  Rippe,  Jipat  Sibbert  (Personenname),  dipan  Dib- 
bern (Personenname),  slupctn  schlürfend  essen  oder  trinken.  —  Zuweilen 
finden  sich  schon  im  Mnd.  Wörter  von  gleicher  oder  ähnlicher  Be- 
deutung mit  pp  und  hb  nebeneinander,  z.  B.  die  oben  angeführten 
knoppe,  knuppe,  knobbe. 

§  50.     6. 

1.  6  =  altem  b.  Im  Anlaut:  b^h  Bach*),  bSJc  Zeichen,  nament- 
lich für  die  Schifffahrt,  blot  Blut,  brak  salzig  (vom  Wasser,  also :  mit 
Meerwasser  vermischt).  —  Im  Inlaut  in  Fremdwörtern:  wö.M  nobel, 
p^M  Pöbel. 

2.  b  im  Inlaut  =  altem  v  (got.  6,  as.  b):  v\:ba  Weiber,  ö.7>m 
üben,  'ky:bm  Kübel,  bk:bm  oben,  ceSl  übel,  Äü;W  Hobel,  vihl  Drehriegel, 
hallbd  halbe,  hellba  Kälber,  strvi:b9  von  striÄf  rauh  (vgl.  hd.  straubig, 
sträuben),  ^:ba  Ewer  (eine  Art  Schiflf),  We.'&i  Klee  (auch  Treff  im 
Kartenspiel),  ^:bcis  Ewers  (Personenname),  han^:bci  Hannover,  v^.bls 
Wevelsfleth  (ein  Dorf),  si^:bn  Steven  (am  Schiflf),  Ö.-Jä  Ufer,  Vba  Eifer, 
5/T:fc  steife,  siVbm  (Wäsche)  stärken.  f\:bni  Plur.  von  f\:f  fünf.  Iii 
Fremdwörtern:  st^:bl  Stiefel,  puUba  Pulver,  piö:ba  armselig  (auch  von 
schlechtem  Gesundheitszustande),  Ääfare  Havarie,  prülä/aw^  Proviant, 
lirh:b9  brave. 

3.  Verschwunden,  zunächst  wohl  assimiliert,  ist  b  in  Aä  hatte, 
hat  gehabt. 

§  51.     t?, 

1.  t;  =  altem  w;  es  kommt  fast  nur  im  Anlaut  vor:  ve:dn 
jäten,  vtd  wohl,  wollte  usw.  Auch  vor  r  hat  es  sich  vielfach  erhalten ; 
die  mir  (ausser  Eigennamen)  bekannten  Wörter  mit  anlautendem  vr 
sind  folgende:  vrah  Wrak,  ^ü  vrah  etwa:  zum  Verdruss,  vrant\  mür- 
risch, verdriesslich  (besonders  von  kleinen  Kindern,  wenn  ihnen  nicht 
ganz  wohl  ist),  vras  unruhiger  Mensch,  der  leicht  Streit  anfängt, 
vrikln  hin-  und  herbewegen  (um  etwas  herauszuziehen),  vriki^  ein 
Ruder  am  hinteren  Ende  des  Bootes  im  Wasser  hin-  und  herbewegen, 
um  das  Boot  vorwärts  zu  treiben,  mgg  ringen  (Wäsche  ausringen; 
die  Wringmaschine  ist  auch  ins  Hd.  übergegangen),  vris  Fusswurzel 
(Wrist  ist  auch  ein  Ort  in  Holstein),  vruki^  etwa:  nörgeln,  dazu  das 
Adjektiv  vruM,  Ausserdem  tra.-W  Frevel,  Adj.  vrce:Ul\  (mnd.  sehr 
häufig  wrevel   neben   vrevel),   vrömp   Wermut,   mit    Metathesis  des  r. 


^)  Diese  Form  geht  wahrscheinlich  auf  hihi   zurück,  nicht,  wie  §  17,t  an- 
gegeben ist,  auf  ein  Wort  mit  dem  Stammvokal  a,  sie  gehört  also  unter  §  17,i. 


16 

In  andern  Wörtern  ist  das  to  (v)  geschwunden:  rav/^n  sich  hin-  und 
her  wälzen  u.  a.,  wieder  andere  ursprünglich  mit  wr  anlautende  Wörter 
kommen  in  unserer  Mundart  nicht  vor,  ebenso  keine  Wörter  mit  an- 
lautendem wl, 

2.  Im  Innern  des  Wortes  findet  sich  v  nur  in  lC[:^t  Kiebitz, 
e;rTic  ewig  (in  beiden  Fällen  folgt  ein  voller  Vokal)  und  in  dem  wahr- 
scheinlich friesischen  Worte  leva  Maikäfer,  wofür  ich  auch  J9.'&*  gehört 
zu  haben  meine.  Anders  verhält  es  sich  mit  sliSviki^  (vgl.  §  39,i),  da 
hier  das  «?  vor  stark  betontem  Vokal  steht. 

3.  Abfall  eines  alten  w  liegt  vor  nach  l  und  r:  g^  gelb,  pcpl 
Pfühl,  kiJ,  kahl,  m^  Mehl,  swclk  Schwalbe  (Deminutiv  zu  ^swid) ; 
mceci'  mürbe,  sm^n  schmieren  u.  a.  (doch  vgl.  §  52,3b).  Auch  in 
v^itman  Witwer,  vf^Ufrö  Witwe,  hatl  Hartwig  ist  w  weggefallen,  ebenso 
in  JclSiS  Klaus,  tes  Thies  (Matthias).  —  Nach  ä  hat  sich  tv  gewöhnlich 
vokalisiert:  Uau:  blau,  grau:  grau,  klau:  Klaue. 

§  52.     f. 

1.  f  im  An-  und  Auslaut  =  altem  f  (as.  f,  mnd.  im  Anlaut 
gewöhnlich  v  geschrieben):  fya  Feuer,  föa  vier,  fc^^^  vorne,  /re  frei, 
fle-'gi^  fliegen;  hof  Hof,  stef-  Stief(vater  usw.),  stlf  steif,  llf  Leib,  halJf 
halb  usw. 

2.  f  im  Inlaut  (nach  langen  Vokalen  selten)  ist  meistens  =  ff: 
fitrhfm  strafen,  tkß  Tafel;  hjfl  Schaufel,  tyfl  Pantoffel,  Stoffel  (d.  i. 
einfältiger  Mensch). 

3.  a)  f  =  altem  inlautenden  ??,  wenn  es  in  den  Auslaut  tritt 
(also  auch  vor  s  und  t  der  Flexion) :  l\:f  Dat.  sg.  von  tlf  Leib,  rfe./ 
Plur.  von  rfe/"  Dieb,  6re./  Plur.  von  Are/*  Brief,  tif  Hündin  (auch  /c;/ 
als  Schimpfwort)  J*/"  Sieb;  h.ft  übt,  hadrh:ft  betrübt,  iQ.ft  wartet,  ^nft 
schiebt,  ä/X  erbt.  —  h)  f  \m  Auslaut  =  altem  w  (fremdem  v)  in  ßf 
Farbe,  f?ä/*  Narbe,  if  Erbse  (Plur.  /äftm,  mhm^  ä/^)»  l^:f  Löwe;  ferii/, 
}>rof  brav  afkkt  Advokat;  manchmal  auch  im  Anlaut,  z.  B.  rislflM 
entschlossen. 

4.  f  =z  p  in  drei  (vier)  Formen  von  kopm  und  döpm:  kofs 
kaufst,  kauftest,  koft  L  (er)  kauft,  2.  gekauft,  kof  kaufte;  döfs^  döft, 
döf  taufst,  tauftest,  tauft,  getauft,  taufte;  ebenso  in  ?'IÄö/VI  weitläufig. 
Woher  das  f  in  §e/  Schärpe  (engl,  scarf,  dän.  skjjerf)  kommt,  weiss 
ich  nicht. 

5.  Weggefallen  ist  f  (v)  in  kk  Kerbe  (mnd.  kervc),  Ms  Herbst, 
h&t  barfuss,  hes  hast,  het  hat. 

6.  f  ^=  pf  im  Anlaut  hochdeutscher  Wörter:  flix  Pflicht,  faifm 
pfeifen  usw. 

§  53.     t. 

l,  t  -=.  altem  t  (tt) :  ^o  zu,  tai:n  zehn,  tall  Zahl,  apiok  Apotheke. 
vktci  Wasser,  9rt  Essig,  rl/n  reissen,  §e^M  schiessen,  sUetl  Schlüssel, 
boltn  Bolzen,  smöltn  schmelzen,  vintci  Winter.  Je/«  setzen,   /rtn   sitzen. 


17 

vetn  wetzen,  netl  Nessel*)  äS/Z  Schüssel,     dat  das,   fat   Fass,   r^t   riss, 
Je^  sass,  mit  (fem.)  Mass,  hat  Herz. 

2.  ^  =:  altem  c/d  im  Inlaut,  d  im  Auslaut:  äy^n  schütten,  petn 
treten,  petlx  Mark  (in  Pflany.eu),  vetn  wetten,  sinutlll  sudelig,  rötö.x 
Kotauge  (ein  Fisch,  mnd.  roddöge),  tytdn  binden,  verschlingen  (einen 
Faden,  Strick),  dotu  Dotter  (vgl.  auch  §  41,2);  re:/  ritt,  got  gut,  möt 
Mut,  t\t  Zeit. 

3.  Eingeschoben  ist  t  in  o.xbrkin  Augenbrauen  (mnd.  ogebrän) ; 
m\:ntv^:gi^  meinetwegen,  ^^inti^sgi}  ihretwegen  u.  dgl. 

4.  Ausgefallen  ist  t  wahrscheinlich  in  slüviki^  (§  51,8);  in  mes 
Messer,  besto  beste;  Aawä  Handschuh,  ü/§  die  Alte,  öZmö/s  altmodisch 
(hier  aus  d  entstanden) ;  die  Formen  ölsto  älteste,  Jcolst»  kälteste  können 
auch  anders  erklärt  werden,  vgl.  §  39,8. 

§  54.     d. 

1.  d  =  altem  d  (th)  im  An-  und  Inlaut:  dwa  durch,  rfigfc  Ding, 
dei^kiQ  denken,  dwii}i)  zwingen,  dwiia^  quer;  d&i  herunter,  hinunter,  dcea 
Thür,  dü.n  thuu,  drV/mi  treiben.  M^:dii'  Kleider,  ß,:dn  Faden;  €e:b(ifl6:dl 
überflüssig,  Jl:d9  niedrige,  vl:da>  weiter,  rVda  Reiter,  Wö;tfT  blutig,  blö:dn 
bluten,  gö:dn  guten. 

2.  In  vielen  Mundarten  fällt  d  zwischen  zwei  Vokalen  aus. 
Dies  kommt  bei  uns  zwar  nicht  vor,  scheint  aber  früher  in  einem 
Falle  vorgekommen  zu  sein ;  in  Wörtern  nämlich,  in  denen  ursprünglich 
die  Silbe  -de  oder  -den  auf  einen  langen  Vokal  folgte,  unterdrücken 
die  Landbewohner  —  und  hier  und  da  geschieht  es  auch  in  der 
Stadt  —  das  d  und  lassen  statt  des  e  ein  T  hören,  z.  B.  krytsrol 
Quadratrute,  Icxilnsii  Kudensee,  wä  räl  allmählich  (mnd.  narade),  golu^) 
guten.  Formen  wie  goic7i  kommen  auch  z.  B.  bei  Rist  vor.  Soweit 
ich  sehe,  werden  diese  Formen  neuerdings  auch  auf  dem  Lande  von 
den  Formen  mit  d  (t)  allmählich  verdrängt.  Woher  das  T  kommt, 
weiss  ich  nicht. 

3.  Dass  die  ganze  Silbe  -de  vielfach  ab-  oder  ausfällt,  wurde 
in  §  8,1  bereits  gesagt^);  es  geschieht  auch  in  Zusammensetzungen, 
z.  B.  l(}:v&fii  (lelenkwasser,  sw^.If«  Schmiedeeisen,  rL'mSJc^  Rademacher. 
Sie  erhält  sich  indes  in  den  abstrakten  Substantiven,  welche  eine 
Dimension  oder  etwas  Verwandtes  bezeichnen:  lei^i)d9  Länge,  häxtd 
Höhe*),   depta   Tiefe,   dikta   Dicke,    ne:xt9    Nähe;   vVdo   Weite,    bre:do 


')  dannetl  eine  nesselähnliche  Pflanze  mit  gelben  Blüten  (Galeopsis);  davon 
heisst  eine  Strasse  in  Glnckstadt  danneÜstrU  Danneddelstrasse  (über  die  Schreibung 
mit  dd  vgl.  §  7). 

')  Die  Form  gxit  statt  gbt  hört  man  nur  noch  von  älteren  Leuten,  ebenso 
scheint  sie  auf  dem  Lande  gänzlich  ungebräuchlich  zu  sein. 

')  Das  d  von  im  und  erhält  sich  (da  es  hinübergezogen  wird)  in  den  beiden 
Redensarten  um  un  dum  um  und  um,  ringsherum,  op  un  dop  von  unten  bis  oben, 
z.  ß.  d9  filina  is  op  un  dop  hka  v\t  der  ('ylinder  ist  in  seiner  ganzen  Hohe  gleich- 
massig  weit, 

*)  hM9  ist  eine  bestimmte  (gemessene)  Höhe,  dagegen  in9  hZx  in  die  Höhe 
=  aufwärts,  hinauf. 

MiedardentBchea  Jahrbuch.    XX«  2 


18 

Breite.  —  Auch  das  Partie,  präs.,  wenn  es  nicht  flektiert  ist,  verliert 
sein  'd9  :  ÄäÄij  vijA  kochendes  Wasser,  mo:n  vermutend  usw.,  doch 
erhält  sich  das  d  in  gynnt  gönnend,  ßlai^i^t  verlangend,  wahrsclieinlidi 
deshalb,  weil  hier  das  n  der  Endung  mit  dem  des  Stammes  zusammen- 
fiel (vgl.  §  42,1  lyv/c).  Abgefallen  ist  dagegen  die  Endung  wieder 
in  tökum  zukünftig,  kommend  {t^kum  jiA  nächstes  Jahr)  trotz  des 
vorhergehenden  Nasals  (mnd.  tokamende),  wohl  weil  die  erste  Silbe 
den  Starkton  trägt.  —  Ob  in  den  Wörtern,  in  denen  auf  de  ein  r 
folgte,  wie  rcx?  Steuerruder,  bai^vant  Beiderwand  (aus  Wolle  imd  Leinen 
gewebter  StoflF)  de  oder  d  ausgefallen  ist,  lässt  sich  schwer  entscheiden, 
ist  auch  gleichgültig,  da  das  Ergebnis  in  beiden  Fällen  das  gleiche 
sein  muss;  vielleicht  gehören  diese  Formen  nicht  einmal  der  Stadt 
an,  sondern  sind  vom  Lande  hereingebracht  (wie  denn  die  meisten 
Schiffer  —  Fluss-  und  Seeschiffer  —  aus  der  Landbevölkerung  her- 
vorgehen). Ebenso  ist  mir  zweifelhaft,  ob  die  Formen  dlak  JDivk. 
Dietrich,  dliiks^  Diercks,  dla^ka  Dietrich  (als  Instrument  zum  ÖflTnen 
von  Schlössern),  desgleichen  ß-ba^Sit  Zitwersamen  unserer  Stadt  an- 
gehören. 

§  55.     k. 

1.  k  =  altem  k  (q;  kk,  geschrieben  ck):  kSit  Käthe,  Ä'e:«  kein, 
kint  Kind,  kl^t  Kleid,  iwl^^m  kneifen,  krlt  Kreide,  kriiß  Bretzel,  iirl.-w« 
kränkeln,  v^ko  weiclie,  ^(^hi  sicher,  tekjj  Zeichen,  zeichnen;  /aÄij  Zacken, 
ekan  Eicheln,  ba^ikij  thun,  verrichten.  §yk  Seuche  (nur  von  Tieren). 
lik  l.  gerade,  2.  Leiche,  v^k  weich,  melk  Milch,  vik  L  Werk,  2.  W^erg, 
Jä/c  Sarg. 

2.  k  =  altem  gg  (doch  vgl.  §  57,2):  myk  Mücke,  snik  Schnecke, 
pok  Frosch,  ek  Ecke,  slaki^  Schlacken,  knakr^  dickes  Stück  (Brot. 
Fleisch,  IIolz  usw.),  brik  Brigg,  ste.mbryka  Pflasterer,  baka  Bagger. 
bV.leka  Beileger  (Ofen,  welcher  von  der  Küche  aus  geheizt  wird),  roh) 
Roggen,  fwtlSwAri)  meschugge,  ^eka  Gewährsmann  (der  etwas  gesagt  hat), 
vT  lekt^  lekt^  llkt  wir  sagen,  legen,  liegen.  —  Zuweilen  liegen  schon 
im  Mnd.  Doppelformen  mit  ck  und  gg  vor,  z.  B.  tacke  und  tagge  Zacken. 

3.  k  =  g  im  Auslaut  nach  g  beim  Nomen:  Zaijfc  lang,  rfiijt 
Ding.     Vgl.  §  39,3. 

4.  k  =  ch  in  tälk  Talg  (neben  tälTx;  mnd.  talch,  tallich);  in 
niks  nichts  ist  es  =  cht, 

5.  Eingeschoben  ist  k  (schon  im  Mnd.)  in  fiktrJöl  (auch  mit 
Ilinzufügung  von  öl :  fiktrltUSl)  Schwefelsäure,  fiktrll  Kupfervitriol. 

6.  Ausfall  des  k  haben  wir  in  spitSJcl  Spektakel,  Lärm,  kcuqii 
Kirchspiel  (aber  kikmisn  Kirmes,  Jahrmarkt);  der  Ausfall  in  JViZ  soll 
ist  sehr  alt^),  in  slLf  Sklave  ist  wohl  nie   ein  k  vorhanden    gewesen. 

Über  die  Palatalisierung  des  k  vgl.  unter  ;  ($5  47,4)  und  x  (§  57,7). 


')  Auf  dem  Lande  sagt  man  übrigens  §a/,  und  der  Anlaut  dieses  Wortes  ist 
vielleicht  das  sicherste  Unterscheidungsmerkmal  der  städtischen  und  der  ländlichen 
Sprache. 


19 

§  56.    g. 

1.  flf  ==  altem  g  im  An-  und  Inlaut:  gkan  Garn,  Garten,  gina 
Gärtner,  gana  Gänserich,  g^:bm  geben,  gif  Gift,  glöihm  glauben,  grcdn 
schreien,  grvubm  Graupen.  rvngB  rauhe,  ro.gd  rohe,  h^iga  höher,  n^:ga 
näher,  trk:gi^  trägen,  hoecgi^  (sich)  freuen,  Je;^  sahen,  t\y:g\^  zogen, 
tk:gi^  gezogen,  ^:g^  eggen  (zu  ^:x  Egge,  mnd.  egede;  mnd.  egen, 
eggen  =  nhd.  eggen),  tcßigln  zögern.  —  Im  Anlaut  ist  g  vor  n  sehr 
beliebt,  es  heisst  nicht  nur  gnhn  knurren,  murren  (mnd.  gnarren), 
gn^tan  knattern  (mnd.  gneteren,  kneteren),  gnatarl  zornig,  aufgebracht 
(vgl.  mnd.  gnitterich),  sondern  auch  gna^n^  gng§n  knirschen  (mnd. 
knarsen,  knirsen),  gnui  Knorpel  (vgl.  mnd.  knoster),  gnyfln  knuffen, 
gnhi  knarren,  gnapln  knappem,  nagen,  gn\:8gnk:8  ein  mürrischer, 
immer  nörgelnder  Mensch  (im  Bergischen  heisst  es  knaspita  Knurr- 
peter), gn^:gln  nörgeln,  seinen  Verdruss  äussern. 

2.  g  steht  vor  einem  Vokal  für  ch  in  mellgat  Melcher,  tslgmn 
Cichorien;  einige  sagen  auch  g9m\  Chemie. 

3.  g  statt  ;  ist  selten:  ges  Hefe,  g^^n  gären  haben  schon  früh 
g  erhalten,  ebenso  gynt  dort  in  der  Ferne,  op  gynt  $U  jenseits  (mnd. 
gunsit).  Vielleicht  ist  g  aus  ;  als  Gleitlaut  entstanden  in  flgllVn 
Violine  (§  88,2);  auch  weist  wohl  die  Form  ftü«/(ir)ij  Kastanie  auf  ein 
aus  j  entstandenes  g  hin.  Ebenso  steht  g  vielleicht  statt  j  in  t&:g9 
zähe  (mnd.  täie;  vgl.  §  57,5). 

4.  Bei  den  Adjektiven  und  Zahlwörtern  auf  -ig  (-ich)  ist  in  den 
unflektierten  Formen  das  g  meistens  weggefallen:  ifiA  leer,  ledig, 
foftl.  fünfzig,  selten  wird  es  (als  x)  beibehalten :  IMix,  foftix.  Werden 
diese  Wörter  flektiert,  so  spricht  man  vor  n  (i))  das  g  (nach  Mass- 
gabe des  §  9):  /f^ft//r),  W9  foftlgi^^  vor  Vokalen  zuweilen  ein  5:  lüdlp^ 
doch  ist  dieser  Laut  in  der  Regel  so  flüchtig,  (manchmal  ist  er  über- 
haupt nicht  zu  vernehmen:  /örfl-/),  dass  man  seine  Artikulationsstelle 
nicht  sicher  angeben  kann;  sie  scheint  ziemlich  weit  nach  vorne, 
etwa  bei  der  des  y,  zu  liegen. 

5.  Ganz  verschwunden  ist  g  in  den  Präterita  J9;  sagte,  l^:  legte, 
auch  wohl  in  rfe  (masc.)  das  Gedeihen  (mnd.  dege).  —  Über  g  in  den 
Lautverbindungen  ag,  eg  —  Jai7  Segel,  mavnat  Meinert,  hai.döan  Hei- 
dorn  (Personennamen)  —  usw.  vgl.  §  32,2. 

§  57.     X. 

1.  X  =  altem  x  (nur  im  In-  und  Auslaut):  laxr^  lachen,  hröxln 
(kryxlriy  knyxln)  hüsteln  (mnd.  krochen),  pulvhcl  Kopfweide  (Salix 
fragilis ;  mnd.  wichele ;  ptd  =  Schopf),  koxl  Kachel,  axln  essen  (hebr.), 
§ax  Stange,  strymp^x  das  Bein  am  Strumpf  (mnd.  schacht,  schecht; 
doch  vgl.  Nr.  G),  gotaxt  gestaltet,  tallx  Talg,  höx  hoch,  tr&:x  träge, 
rQrc  rauh,  ndtx  nahe,  jB:x  sah,  tö:x  zog  (vgl.  auch  unter  Nr.  3). 

2.  X  =  gg  (seltener,  vgl.  §  55,«):  biyx  Brücke,  ryx  Rücken, 
tryx  zurück,  flax  Flagge,  flaxi^  flaggen,  fx  Tuchecke  (Plur.  exij),  5/e;iw- 
bryxi^  pflastern,  smuxln  schmuggeln,  Jrx,  lexs,  jrxt   sage,   sagst,   sagt, 

2* 


20 

gesagt,  lex  usw.  lege,  lir  (tlx)  usw.  Hege.     Hierher  gehört  auch  viel- 
leicht strixg  stricken,  lex  Falte  in  einem  Frauenkleide. 

3.  X  =  g^  wenn  es  in  den  Auslaut  tritt  (also  auch  vor  .?  und  / 
der  Flexion) :  drö:x  trocken,  ^:x  Egge,  re:x  Reihe,  ve:x  Wiege,  Jä?:ir 
Sau,  hoßix  Freude,  ß:x  Vogt,  dL'x  Tage,  d&rxs  Tags,  hdxtd  Höhe  (mnd. 
hügede),  ne:xst9  nächste,  r&:xt  regt,  liihrt,  badryxt  betrügt,  vixt  wägt, 
wiegt.  —  hrox^  hroxt  brachte,  gebracht. 

4.  a:  =  Ä  in  lönos  suchst,  ^öxt  (er)  sucht,  gesucht,  lox  suchte 
(auch  loxs^  loxt^  Jox) ;  dax^  daxt  dachte,  gedacht,  dyxt^  dyx  (dyxt^  dys) 
däucht,  däuchte.  In  ikxna  Erker  (mnd.  arkener)  steht  x  wohl  zur  Er- 
leichterung der  Aussprache;  stox  Storch  ist  jedenfalls  hd. 

5.  x  ist  vielleicht  aus  ;  (i)  entstanden  (vgl.  §  56,8)  in  f»8;r 
Mühe  (mnd.  moie,  moige,  möge),  tk:x  zäh  (mnd.  tä,  taie). 

6.  a;  für  /*  vor  t  (schon  im  Mnd.)  ist  bei  uns  selten :  axta  hinter, 
lyxj^  heben,  lüften,  äeia;,  Sftr  Schaft,  ex  echt,  laxtd  sachte  (die  beiden 
letzten  sind  auch  ins  Hd.  übergegangen),  Jirg  durchsieben  (Mehl), 
davon  ^tsix  eine  Brotart  (vgl.  die  Anm.  auf  S.  6  zu  §  41). 

7.  Die  Adjektive  auf  -Wc  ;,erweichen''  (wohl  nach  Analogie  der 
Adj.  auf  -ig)  ihr  k  im  Auslaut  zu  x^  im  Inlaut  zu  g  und  weisen  genau 
dieselben  Formen  auf  wie  die  Adj.  auf  -ig  (vgl.  §  56,4),  also:  nyttijr 
niedlich,  nytll^  ^y^^^Qi  fiytll^9,  nyttla.  Das  gleiche  Schicksal  hat  das 
Je  in  petlx  Mark  (in  Pflanzen),  retlx  Rettig,  ^T  Essig  gehabt.  Die 
Form  JXc  sich  ist  hd.  (ganz  alte  Leute  sagen  Jik).  Zu  dieser  ganzen 
Erscheinung  vgl.  Ndd.  Jahrb.  XVI  S.  94.  98.  99. 

8.  a;  fällt  häufig  ab  in  doea  durch  (neben  dox)^  no  noch  (neben 
nox).  Sehr  früh  ist  es  schon  geschwunden  in  So  Schuh,  wä,  wü  nach, 
§e/w  schielen,  baf^n  befehlen,  fiki  Furche,  fyan  fohren,  aus  Fichtenholz, 
sfKfü  Schlinge,  erßltret  Engelbrecht  (Personenname),  hnex  rupat  Knecht 
Ruprecht;  ebenso  vor  s:  fias  Flachs,  Jas  Sass  (Personenname),  vas 
Wachs,  vasn  wachsen,  brasn  Brassen,  Brachsep  (ein  Fisch),  veshi 
wechseln,  dresla  Drexler  (Personenname),  os  Ochs,  fos  Fuchs,  Jos  sechs, 
l}ys  Büchse,  dlsl  Deichsel.  Die  hd.  Formen  haben  wir  in  viks  Wichse, 
lahf  Lachs,  aJcslklapm  Achselklappen,  jaksn  Sachsen,  Jaks  Sachse,  luks 
Luchs,  daks  Dachs,  gdveks  Gewächs. 

§.  58.    Anhang:  Konsonanten  in  unbetonten  Silben. 

Wie  in  neben-  und  unbetonten  Silben  Verkürzungen  aller  Art 
eintreten,  so  giebt  es  in  ihnen  auch  keine  langen  Konsonanten.  Also 
heisst  höan  nicht  nur  Hörn,  sondern  auch  hörnern  (hürnen),  ebenso 
hin  Atem,  atmen,  fe^e;^  begegne,  begegnete,  begegnen,  begegneten. 
r^Ä-i)  L  rechnen,  2.  Rechnung,  <eÄg  zeichnen,  r^/^i)  regnen;  fiMnkk:m 
vollkommen  (mnd.  vullenkomen),  tokum  zukünftig,  kommend  (mnd. 
tokomende),  kandl:dl  vergnügt  (nicht  kannd\:dl)  usw.  So  erklärt  sich 
das  scheinbare  Fehlen  des  Artikels  in  Verbindungen  wie  op  dak  (ge- 
nauer qi^tak)  statt  opt  dak  auf  dem  Dache,  in  hü:s  =  inn  hn:8  im 
Hause;  ebenso  im  Satzzusammenhange:  gifemltetn  •=  gif  em  w  befn 
gieb  ihm  ein  bischen. 


21 


§  59.    Übersicht  ttber  die  Konsonanten. 

Hier  sind  nur  die  Hauptsachen  aufgeführt. 
Altes  (fremdes):  Glückstädter: 

b  im  Anlaut 6  §  5Ö,i.  [ 

fallt  weg  nach  (voi:)  w  .    .    . —  §  39,»".  a. 

bb jp  §  49,«. 

ch «  §  57,1.1 

fallt  weg —  §  57,8. 

in  den  Adjektiven  auf  -ich  (-ig) §  56,4. 

d  im  Anlaut d  %  54,i. 

im  Auslaut  (ausser  beim  Yerbum) t  %  53,s. 

vor  den  Ableitungssilben  -em,  -el,  -er  vielfach     ....  ^  §  41,8. 

fällt  weg  im  Inlaut  nach  n  und  l  .    . —  §  39,«. 

dd  meistens t  %  53,s. 

zuweilen (V)  §  43,6. 

de  fällt  vielfach  weg —  §  8,i.  54,2. ». 

/und  #    .... /  §  52,1. «. 

(oder  v)  fällt  weg .....—§  52,». 

g  im  An-  und  Inlaut ^  §  56,i. 

im  Anlaut  selten j  %  47,s. 

in  französ.  Worten^ S  §  46,«. 

vor  n  in  Fremdwörtern  gewöhnlich q  §  42,6  b. 

im  Auslaut  gewöhnlich x  %  57,s. 

„        „        nach  q  beim  Nomen ib  §  39,8.  55,s« 

fällt  weg  nach  (vor)  q —  §  39,s.  ». 

„      „     in  der  Endung  -ig  (-ich)       —  §  56,4. 

gg  meistens k  %  55,s. 

seltener x  %  57,s. 

h  nur  im  Anlaut Ä  §  35. 

faUt  weg  (vgl.  auch  ch) —  §  35.  (67,8). 

i  (0 i  §  47,1.  8. 

selten  \       g  %  56,8.  38,». 

oder  im  Auslaut     /       x  ^  57,5. 

fällt  weg —  §  47,8.  4. 

*,  gr,  c*  d.  i.  ** k  %  65,1. 

einigemale  vor  «,  t x  %  67,4. 

palatalisiert       ") <;  §  47,4. 

oder  fällt  weg   V —  §  47,4.  57,7. 

oder  J X  %  57,?. 

l  (U)  gewöhnlich  l  (§  44),  selten r  §  41,8  b. 

m  in  bestimmten  Fällen n  §  42,4. 

Nasale  (m,  n,  q)  untereinander  vertauscht §  4,8  b ;  9 ;  42,4.  8. 

hinzugefügt §  40;  42,s. 

ausgefallen —  §  42,8. 

Nasalierung  in  französ.  Wörtern q  §  42,6  a. 

Pf  PP P  §  49,1. 

in  einigen  Fremdwörtern ,    .    .  6  §  41,i. 

vor  8,  t  zuweilen /  §  52,4. 

pf  im  Anlaut  hochdeutscher  Wörter /  §  52,6. 

q  siehe  k. 

r  im  Anlaut,  im  Inlaut  vor  Vokalen r  §  43,i. 

vor  Fortis  fällt  meistens  weg —  §  43,4. 

umgesteUt §  43,6. 

Vokal  -h  r  (rr) Vokal  -f-  a  §  43,». 

od.  knarr.  Vok.  §|43,8. 

er  nach  Kons,  und  geschloss.  Vokalen »    .  a  §  43,s. 


22 

Altes  (fremdes):  Glückstädter: 

8 fs%  45,1-«. 

in  fremden  Wörtern />  »»  te  §  45,». 

angehängt 0  |  40,8b. 

88 (vgl.  auch  §  41,s)  8  I  45,sa. 

oUff     0C//#     ••••••.•.•••••••■•••Oji     4v«li    •• 

Vf    8tj S    §    46,3.  (4). 

i,  U t  %  53,1. 

in  einigen  Fremdwörtern d  %  41,i. 

hinter  /,  8,  x,  k  föllt  weg —  §  39,«. 

th  =  d. 

(;'  in  lat.  Wörtern  nach  Konson ^    \  s  j<: 

„     Vokalen <g  /  «  *^'"- 

V  im  Anlaut  =  /. 

im  Inlaut 6  §  50,3. 

wenn  es  in  den  Auslaut  tritt /  §  52,s. 

fällt  weg —  §  52,5. 

w  (u)  nach  Kons,  in  derselben  Silbe fo  §  48. 

nach  ä u§  51,s. 

(  sonst 0  §  51,1.  s. 

\  im  Auslaut /  §  52,«  b. 

fällt  zuweilen  ab  im  Anlaut  vor  r —  §  51,i. 

fällt  weg  nach  Kons.  u.  lang.  Vok —  §  51,3. 

s  in  Fremdwörtern te>  «»  /  §  4:5,5. 

Gleitlaute  §  38. 

Konsonanten  ausgefallen  §  39,i.8.  —  6  §  50,8.  —  </  §  56,5.  —  k  %  55,e.  —  2  §  44,i. 

—  Nasal  §  42,8.   —  /  §  45,i.  —  i  §  53,«. 
abgefallen  §  39,  s.  «. 
vorgeschlagen  §  40,i. 

eingeschoben    §  40,i.  —  k  %  55,8.   —   l  §  44,i.  —   Nasal  §  42,s.  — 

t  §  53,8. 
angehängt  §  40,8.  —  Nasal  §  42,8. 
vertauscht  §  41,i.  —  d  >  l  %  44,8. 


Konjugation. 

§  60.    Allgemeines. 

1.  Das  Verbum  hat  in  unserer  Mundart  keinen  Konjunktiv  und 
kein  Participium  Präs.;  nur  in  einigen  erstarrten  Wendungen  haben 
diese  Formen  sich  erhalten. 

a)  Konjunktiv,  ik  v^:s  ich  sei,  in  Beteuerungsformeln,  z.  B.  ik 
v^:s  föflnxt^  ven  ....  ich  sei  verflucht,  wenn  .  ,  .  ,^  got  g^f  Gott  gebe, 
gewöhnlich  zui*  Konjunktion  herabgesunken  in  der  Bedeutung  „wenn 
auch^^),  gnk:t  dl  got  Gott  sei  dir  gnädig  (eine  Drohimg  =  dir  wird 
es  schlecht  ergehen).  Ein  Konjunktiv  ist  auch  anzunehmen  in  Wen- 
dungen wie  nü  klTc  mkl  ^:na  an  nun  sehe  einmal  einer  an.  Ob  die 
Formen  geif  gab  usw.  (V.  Klasse  §  65)  als  Konjunktive  erklärt  werden 
oder  nicht,  ist  ohne  Belang,  da  sie  als  Judikative  gebraucht  und 
empfunden  werden;  überhaupt  haben  nur  diejenigen  ein  Gefühl  für 
den  Konjunktiv,  denen  es  in  der  Schule  anerzogen  wird. 

1)  Vgl.  Grimms  Wb.  IV  1,1  Spalte  1708  Nr.  20. 


23 

b)  Von  den  erhaltenen  Part.  Präs.  werden  einige  mit  bestimmten 
Substantiven  verbunden  attributiv  gebraucht,  während  andere  nur 
prädikativisch  vorkommen:  a)  hilcij  (sprii^i^k&h})  vä/a,  lopm,  oplöpm^ 
aflöpm  v&ta  kochendes  (springendkochendes)  Wasser,  fliessendes,  auf-, 
ablaufendes  Wasser,  cb  löpmdB  föt^  rö:t  der  laufende  Fuss,  die  laufende 
Rute,  neimelki}  kb:  frisch  milchende  Kühe,  optn  Aagg  h&a  um  ein  Haar 
(wörtl.  auf  ein  hangendes  Haar),  tökum  twic,  j&a  usw.  künftige  Woche, 
künftiges  Jahr,  fle:giQdj  hits  fliegende  Hitze;  rl:dncb  atalarl  reitende 
Artillerie  und  raic^nda  ly:t  reisende  Leute  sind  vielleicht  dem  Hd.  nach- 
gebildet. —  fi)  gynnt  gönnend,  /Siagg^  verlangend,  fnö:n  vermutend^), 
vSiki}  wachend  (verstärkt  hdv&k^),  tryxholn  zurückhaltend,  schüchtern, 
minaxij  geringschätzig ;  bei  fög^tn  vergesslich  ist  die  Sache  zweifelhaft. 
—  Dazu  sprig^lübenl  springend  lebendig  (namentlich  von  Fischen), 
rUnt  afg&:n^  vexgii:n  reissend  abgehen;  hierher  gehört  auch  wohl  Sltn 
ai^s,  propm  fül  vollgepfropft,  drVbms  geradeswegs  und  das  Adjektiv 
glÖ:nlx  glühend  (mit  angehängtem  -ix,  vgl.  Zeitschr.  f.  d.  deutsch. 
Unterricht  VII  632  f.).  —  Vielleicht  findet  sich  noch  das  eine  oder 
das  andere  Participium,  welches  mir  entgangen  ist;  früher  scheinen 
noch  andere  in  Gebrauch  gewesen  zu  sein,  z.  B.  snn:bm  schnaubend, 
kii}kq  hinkend  mit  folgendem  Personennamen.  Ausserdem  liegt  ein 
Participium  vor  in  Redewendungen  wie  dat  vU  r^:gy  es  fängt  an  zu 
regnen  usw.,  Ae  blQ:f  Jitn  er  blieb  sitzen  usw. 

2.  a)  Die  Endungen  sind  bis  auf  die  des  Part.  Perf.  Pass.  für 
die  starke  und  die  schwache  Konjugation  gleich. 

Ind.  Präs.  Präterit.        Imperat. 

Sg.     Plur.       Sg.     PL         Sg.       PI. 

1.     — 


Inf.  -n  (-my  -ij^. 
Part,  stark  -n  (-m^  -j^); 
schwach  -t. 


2.  '8      y  't       'S 

3.  't 

Der  substantivierte  Infinitiv  hat  in  der  Stadt  nie  oder  doch  nur 
sehr  selten  ein  -t:  dat  snakg  das  Plaudern  usw. 

b)  Der  Stammvokal  ist  im  Sg.  und  Plur.  des  Präteritums  auch 
bei  den  starken  Verben  stets  gleich;  der  Stammvokal  der  1.  Pers. 
Sg.  Präs.  ist  immer  gleich  dem  des  Plurals,  während  die  2.  und  3.  Sg. 
häufig  einen  andern  Stammvokal  haben.  Ich  werde  bei  der  Aufzählung 
der  einzelnen  Klassen  jedesmal  Inf.,  3.  Sg.  Präs.,  2.  Sg.  Imperat.; 
1.  Sg.  Präter.  und  das  Part.  Perf.  Pass.  vorausschicken. 

c)  Das  Part.  Perf.  Pass.  hat  nicht  die  Vorsilbe  g9]  selbst  wenn 
es  als  Adjektiv  gebraucht  wird,  fehlt  häufig  (auf  dem  Lande  häufiger 
als  in  der  Stadt)  diese  Silbe,  wie  denn  überhaupt  Participien  mit  der 
Vorsilbe  ga  in  dem  (nicht   immer   gerechtfertigten)   Verdacht   stehen, 


')  Zu  vat  hys  mö.n  was  meinst  du,  dat  vea  t^  n\  mo:n  das  dachte  ich  nicht 
usw.  (diese  Ausdrucksweise  ist  übrigens  in  der  Stadt  seltener  als  auf  dem  Lande) 
vgl.  Emilia  Galotti  II  7 :  Ich  war  Sie  in  dem  Vorzimmer  nicht  vermutend.  Ähnlich 
Don  Carlos  V  10:  Ich  war  mir's  nicht  mehr  vermutend;  IV  10:  Solcher  Ergeben- 
heit war  ich  mir  ....  nicht  vermutend. 


24 

entweder  hd.  zu  sein  oder  doch  unter  dem  Einfluss  des  Hd.  entstanden 
zu  sein. 

d)  Stammhaftes  s  fällt  mit  s  der  Endung  zusammen  (hinter  s 
verschwindet  das  s),  stammhaftes  d  und  t  mit  t  der  Endung,  stamm- 
haftes m,  n,  j}  mit  n  der  Endung  (nach  §  5  und  §  58).  t  nach  einem 
Konsonanten  kann  in  schneller  Rede,  wenn  das  folgende  Wort  kon- 
sonantisch anlautet,  wegfallen,  vgl.  §  39,i. 

3.  Die  3.  Pers.  Plur.  hat,  wenn  sie  als  Anrede  gebraucht  wird, 
gewöhnlich  die  hd.  Endung  -w,  und  zwar  im  Imperativ  häufiger  als 
im  Indikativ :  p  g&:t  oder  gL'n  Sie  gehen,  gL'n  p  gehen  Sie !  häufiger 
als  g&:t  Ja;  das  -n  gewinnt  immer  mehr  die  Oberhand.  Ob  in  Rede- 
wendungen wie  btl:f  p  man  [itn  bleiben  Sie  nur  sitzen  Imperativ 
(statt  blvft)  oder  Konjunktiv  vorliegt,  ist  wohl  nicht  zu  entscheiden. 
Ich  möchte  das  erstere  annehmen,  da  bei  uns  die  Anreden  Äe  Er  und 
Je  Sie  (als  Singul.)  in  der  Stadt  durchaus  ungebräuchlich  sind ;  selbst 
auf  dem  Lande  ist  die  Sitte,  dass  der  Knecht  den  Herrn  mit  Ae,  die 
Frau  mit  Je  anredet,  stark  im  Schwinden  begriffen.  Merkwürdig  ist 
jedoch,  dass,  wie  ich  meine.  Formen  wie  blvf  Ja  nur  an  weibliche 
Personen  gerichtet  gebraucht  werden. 

Starke  Konjugation. 

§  61.     I.  Klasse. 
klki^^  kikt^  kik;  Jcek;  ki^g. 

Hierher  gehören:  Uvbrn  bleiben,  drl:bm  treiben,  rVbtn  reiben, 
§rT:6m  schreiben ;  grlpm  greifen,  ktilpm  kneifen,  stlpm  schleifen  (schär- 
fen). gti:dn  gleiten,  Ivdn  leiden,  rVdn  reiten,  snlidn  schneiden,  strV.dn 
streiten;  bitn  beissen,  rUn  reissen,  stltn  schleissen,  smltn  schmeissen, 
sptUn  spalten  (selten),  §T^n.  krVgi}  bekommen,  mVgg  mingere,  stl:gj} 
steigen,  swVgij  schweigen ;  klkg  schauen,  sllkij  schleichen,  strJkg  streichen. 

f6l^:dn  vergangen  (selten).  i?lÄ;g  weichen  ist  sehr  wenig  gebräuch- 
lich, es  wird  aber,  soweit  ich  sehe,  schwach  flektiert;  fogllki}  ver- 
gleichen hat  in  der  2.  und  3.  Sg.  gewöhnlich  L 

§  62.     n.  Klasse. 

1.  l^:gii^  lyoct^  le-'x;  lö:x;  Wgg. 

2.  krüpm,  krupt^  krnp;  krop;  krkpm. 

1.  he:dn  bieten;  födretn  verdriessen,  fletn  fliessen,  gctn  giesseu, 
gjHctn  geniessen,  Setn  schiessen.  dre:gri  verlassen  (sich  auf  etw.), 
b^dre:gi}  betrügen,  fle-gi}  fliegen,  /e;^j  lügen.  t^:n  (tö:x^  tL'gii)  ziehen 
(selten),     fr^n  frieren,  fölOan  verlieren. 

2.  sn\x:bm  schnauben,  ^rivbm  schrauben,  iTvbni  schieben;  ifcrupm 
kriechen,  Jvipm  saufen,  slütn  schliessen.  Jü.'^m  saugen;  slvJcq  schlucken. 
—  stj:bm  stieben,  stauben  (dat  styft),  ryÄij  riechen  (he  rykt). 

Zu  iö:a?,  b&:gi^  fehlt  das  Präs.  und  wird  durch  Jö:^  biegen, 
beugen  ersetzt.  —  frmn  und   fölean   behalten   in   der   2.   und  3.  Sg. 


25 

Indik.  ihr  ursprüngliches  s :  frpst,  fÖlyst   (§  45,3) ;   Imperat.  ßlea,  — 
slükxj  bildet  auch  schwache  Formen. 

§  63.     m.  Klasse. 

1.  driifihg,  drii^kt^  driijk;  drur^k;  c7rtti|%Q. 

2.  a)  geän,  6dÜ,  ieU;  hiü;  Sulln, 

b)  helpm,  hdpt,  hdp;  hdp;  hcipm. 

1.  binn  binden,  finn  finden,  föswinn  verschwinden,  vinn  winden; 
linn  sinnen,  spinn  spinnen,  (g9)vinn  gewinnen,  fövinn  verwinden,  ver- 
schmerzen, digg  dingen,  handeln,  drii}j}  dringen,  dwii^i}  zwingen, 
Wigg  klingen,  fl'aKgg  gelingen,  Jtgg  singen,  sli^ri  schlingen,  spring 
springen,  swii^i}  schwingen,  mgg  wringen,  ausringen;  drii^ki^  trinken, 
stiijhj  stinken,     opgodunnjn  aufgedunsen  (hd?). 

Von  dem  Simplex  Jinn  ist  das  Part.  Perf.  Pass.  ungebräuchlich. 
Von  irigg  kommt  nur  das  Präsens  vor;  Präter.  und  Part.  Perf.  Pass. 
sind  schwach  (brox,  broxt). 

2.  a)  gelln  gelten,  Selln  schelten;  hdidumm  beklommen,  kwilln 
quellen,  siüüln  schwellen. 

Von  gelln  heisst  die  3.  Sg.  gelt  (nicht  gellt)  Imperat.  ßgelt  (hd. 
Einfluss?).    kioilln  und  stoittn  haben  im  ganzen  Präs.  i. 

2.  b)  helpm  helfen;  /Söreig  erschrecken  (intransitiv  und  transitiv), 
treki^  ziehen,  födibm  verderben,  stibm  sterben;  vin  werden.  M^fg 
bergen,  iSvobm  erwerben,  basn  bersten. 

Von  iägrg,  iv&bm^  basn  fehlt  das  Präteritum,  von  bisn  ausserdem 
die  1.  und  2.  Sg.  Präs.  und  der  Imperativ ;  bisn  ist  überhaupt  wenig 
gebräuchlich,  Sva6m  wohl  hd. 

melkj^  melken,  flexr^  flechten,  snuJltn  schmelzen  sind  schwach,  docli 
linden  sich  zuweilen  die  Part.  Perf.  Pass.  pidki^,  floxi^,  und  auch 
smöltn  ist  wohl  starkes  Part.  Perf.  Pass.  in  Ausdrücken  wie  m  punt 
smÖltn  We  ein  Pfund  geschmolzenes  Blei. 

§  64.     IV.  Klasse. 

1.  Äpr^lg,  sprikt^  spr^;  sprdk;  spriJcij, 

2.  n^:mmj  nimt^  nim;  ne:m;  ni:mm. 

1.  dri):gi^  tragen,  v^:gi^  wägen;  br^kg  brechen,  spr^kg  sprechen. 
—  Sv^n  scheren  bildet  die  3.  Sg.  Präs.  6^at;  ich  weiss  nicht,  ob  das 
Imperfekt  von  diesem  Worte  bei  uns  vorkommt.^)  Auch  st^ln  stehlen, 
fo/9Zn  befehlen,  entßln  empfehlen  bilden  st^lt^  bdf^lt^  entf^t  —  Von 
gjb^an  gebären  kommt  nur  das  Part.  Perf.  Pass.  vor,  ältere  Leute 
sagen  gdbkan^  mii-  ist  nur  gdböan  geläufig. 

2.  n^imm  nehmen ;  dazu  kk:mm  kommen :  kumt^  kum ;  ke.m,  kL-mm. 

')  Hier  sei  beiläufig  bemerkt,  dass  das  Imperfekt  überhaupt  vielfach  Eiubusse 
erlitten  hat  durch  die  Umschreibung  mit  dö:n  thun;  auch  wird  imNdd.  häufig  das 
Perfekt  gebraucht,  wo  der  Hochdeutsche  das  Imperfektum  setzt.  Das  Genauere 
darüber  gehört  in  die  Syntax. 


26 

§  65.     V.  Klasse. 

9<w,  ü,  ^t;  et;  (}tn, 

^tn  essen  (fr^tn  fressen),  fög()tn  vergessen;  tr<^:dn  treten,  si^kij 
stechen,  stecken.  —  g^:bm  hat  im  Imperat.  gif.  —  m^tn  messen  ist 
nur  im  Präs.  stark,  dann  und  wann  hört  man  auch  noch  einmal  das 
starke  Part.  m^tn.  —  l^:Jn  lesen  wird  von  jüngeren  Leuten  schwach 
konjugiert,  ältere  Leute  sagen  noch  Ie:s,  Z^.Jw ;  dagegen  entsinne  ich 
mich  nicht,  in  der  3.  Sg.  Präs.  jemals  list  gehört  zu  haben.  —  Statt 
v^:^n  sein  sagen  wir  gewöhnlich  v^:n ;  es  ist  im  Indikativ  Präs.  unge- 
bräuchlich, bildet  aber  das  Präterit.  ve.i,  Part.  Perf.  Pass.  v^:n  (daneben 
vest)^  die  1.  Sg.  Konj.  Präs.  ik  v^:s  (vgl.  J5    60,ia)   und   den  Imperat. 

Verba  mit  urspiünglicher  Erweiterung  des  Präs.  durch  j  sind 
^*ün  sitzen,  bitn  bitten,  Kijr)  liegen.  Sie  bilden  jit  sitzt,  Jrt  sitze; 
/e^,  J^tn  usw.  Zigg  hat  im  Plur.  Ind.  Präs.  und  im  Imperativ  den 
Stammvokal  1:  likt,  llx  (selten  lix)^  ebenso  gewöhnlich  ik  llx. 

Endlich  gehören  hierher  Je;n  sehen  und  ga^e-n  geschehen.  Sie 
bilden  Jy5,  Jyxs  siehst,  Jy^,  fyxt  sieht,  vT  Je^  wir  sehen,  Jy  sieh !  (mehr 
Interjektion),  Je  sieh !  Je.vr  sah,  Je.'^g  sahen  (auch  Je:,  Je.'w) ;  Je:« 
gesehen,  ga^yt  geschieht,  ^^äe:^  geschehen  (3.  Plur.  Ind.  Präs.) ;  g^Sc: 
geschah;  gaSe:n  geschehen  (Part.  Perf.  Pass.) 

ij  66.     VL  Klasse. 

1.  va^n,  va^t^  m&;  vuS;  vu^n, 

2.  sWgr^y  —  $1&:;  8lö:x^  slkgii. 

1.  vasn  wachsen,  vaSn  waschen. 

2.  slLgTj  bildet  das  Präs.  ik  slL'  (slk:x)  ich  schlage,  slaiU 
schlägt,  vi  slkt  (slL'xt)  wir  schlagen,  Imperat.  slk:  (seltener  slli'x).  — 
Von  swöan  schwören,  opMihm  aullieben  (d.  i.  beseitigen)  ist  nur  das 
Part.  Perf.  Pass.  stark:  swkan^  ophL'btn^  alles  übrige  schwach.  — 
Hierher  gehört  auch  das  Imperfekt  stutin  stand  von  stLn. 

Hinzu  kommt  noch  das  Imperfekt  frö:x  fragte,  das  wir  aus- 
schliesslich gebrauchen. 

§  67.     Ursprüngl.  reduplizierende  Verba. 

1.  Iktn  lassen,  let^  ISit;  löt;  l'itn. 

2.  slipm  schlafen,  slö]i)t»  slkp;  slGp;slXpm.  Ebenso  konjugieren 
wir  drSipm  treffen. 

3.  lüpm  laufen,  löpt^  löp;  l^p;  löpni,     röpni  inifen. 

4.  kein  heissen  (genannt  werden),  hat  (Imperat.  fehlt);  Äe^;  hoin. 
In  der  Bedeutimg  befehlen  ist  es  nur  im  (substantivierten)  Infin.  (nt 
e.7/g  hctn  aus  eignem  Antrieb)  und  im  Part.  Perf.  Pass.  gebräuchlich. 

5.  falln  fallen,  fallt,  fall;  füll;  ftdln.  /agg  fangen,  Aoijg  hangen, 
hängen,  gur^r^  ging  (das  adjektivisch  gebrauchte  Part,  fogar^i}  vergangen 
ist  wohl  hd.)  —  höhl  halten  flektiert  Ind.  Präs.  Sg.  1.  Äö?  3.  holt, 
Plur.  holt;  Präterit.  holt   (selten   hel)\   Part.   höln.    —   Ausserdem  ist 


27 

vielleicht  joUn  gezalzen  (adjektivisch  gebraucht)  als  starkes  Part. 
Perf.  Pass.  anzusehen;  es  kann  aber  auch  die  schwach  flektierte  Form 
des  Adjektivs  JöU  salzig  sein. 

Schwache  Konjugation. 

§  68.  Bei  den  meisten  Verben  bleibt  der  Stammvokal  und  der 
letzte  Stammkonsonant  in  allen  Formen  unverändert,  z.  B.  hb:dn  hüten, 
Äö  Aö:^  er  hütet,  hütete;  nenn  nennen,  nannte,  nennt  genannt,  kenn 
kennen,  kannte,  kennt  gekannt  usw.  Ausgenommen  sind  nur  folgende 
Verben,  bei  denen  die  Endungen  von  alters  her  unmittelbar  an  den 
Stamm  traten  (daher  auch  die  Verwandlung  von  p,  k  in  /*,  x):  motu 
aufhalten  (etwas  in  Bewegung  Begriffenes;  bambtn  begegnen.  Beide 
Wörter  sind  in  der  Stadt  ziemlich  selten  und  nicht  in  allen  Formen 
gebräuchlich),  bötn  einheizen,  stbtn  stossen ;  hl6:dn  bluten,  köpm  kaufen, 
d6pm  taufen.    JÖÄg  suchen.     Sie  bilden  also  z.  B. 

Präs.        Sg.  Äöp,  koß;  Plur.  kopt.     Imperat.  kop.  —  Part.  koft. 

„             „    UM,  Uöt;  „     blb:t.           „         stbt.                   blöt, 

Präterit.  Sg.  kof;  „     kofm. 

y,            „    Uöt;  „     Uötn. 

Hierzu  kommen  mit  j,Rückumlaut^  im  Präter.  und  Part.  Perf. 
Pass.  dei^kr^  denken  {dax  dachte,  daxt  gedacht),  6rtr)g  bringen  (brox, 
broxi;  vgl.  §  63).  —  Bei  fÖÄg  suchen  sind  in  den  in  Betracht  kom- 
menden Formen  beide  Vokale  gebräuchlich:  ^öxt^  Joxt. 

§  69.  Folgende  Verba,  welche  früher  stark  waren,  sind  (teilweise 
schon  im  Mnd.)  in  die  schwache  Konjugation  übergetreten: 

I.  Sl:nn  scheinen,  kVnn  keimen,  amprVjn  anpreisen,  plpm  pfeifen ; 
opre:n  aufreihen,  inre:n  vorläufig  nähen,  sp&:n  speien,  spucken,  §fe;M 
schreien.  —  Zweifelhaft  ist  mir  rlfeg  weichen  (ütvTkg  ausweichen). 

IL     brö:n  brauen.     Über  b6:grj  vgl.  §  62. 

III.  rföSw  dreschen,  swömm  schwimmen.  Über  tWgg  vgl.  §  63 
und  68  am  Ende. 

IV.  — 

V.  b9V^:gg  bewegen,  pl^.:gr^  pflegen  (fovere;  ich  pflege  zu  thun 
—  soleo  —  heisst  ik  plex;  Imperf.  plex^  Inf.  und  Part.  Perf.  kommen 
kaum  vor),  kn^.dn  kneten,  v^:bm  weben. 

VI.  bakg  backen,  l&:dn  laden,  vL'dn  waten,  grLbtn  graben, 
mSi:ln  malen,  f&an  fahren. 

VII.  rSi:dn  raten,  brL'dn  braten,  Wä:Jw  blasen;  Sc:dw  scheiden; 
föln  falten  (selten). 

§  70.     ^Unregelmässige*'  Verba. 

1.  Jt;n  sein,  byn  ([yn),  bys,  is ;  fynt  (bynt).  Imperat.  /T:,  Jl^. 
Alles  übrige  von  wjn  (J^  65).  Die  eingeklammerten  Formen  gehören 
mehr  dem  Lande  an.  —  Das  Perf.  usw.  wird  wiederum  mit  Jl:n  ge- 
bildet: ik  byn  v^.n,  doch  lautet  der  Inf.  Perf.  oft  vest  hemm. 


28 

2.  2.  dö:n  thun.  (?ö;,  (lai:8,  daist;  döl,  Präterit.  d^i;  Imperat. 
dö;,  döt.     Part.  d&:n. 

3.  5^ä:n  stehen,  ^&:n  gehen,  ^ä.*,  ^ai:^,  ^a«:^;  ^ä/.  Imperat. 
g&:^  gSd.     Part.  ^fä:«.     Die  Präterita  stunn^  ^ugg  §  66.  67. 

4.  hemm  haben,  hef^  hes,  het;  höpt  (auch  hept).  Imperat.  hef, 
höpt.     Präterit  Ää,  Part.  hat. 

§  71.     Präterito-präsentia  und  voUn. 

Alle  ausser  gynn  ohne  Imperativ. 

1.  v^n  wissen,  t^e^,  vets,  vet;  v^t.  Präterit.  vus^  Part,  vust 
(selten  v^n), 

2.  d(B:gg  taugen.  d€s:x,  döxs,  döxt;  d(ß:xt.  Präterit.  döx  (Plur. 
döxi^^  Part.  döxt. 

3.  gynn  gönnen,  gynn,  gynns^  gynnt;  gynnt.  Imperat.  gyfm. 
Part.  Präs.  gynnt  (§  60,i  b).  Präterit.  gynn,  Part.  Perf.  Pass.  gynnt. 
(Dies  Verbum  wird  häufig  umschrieben  durch  ik  byn  gynnt  ich  bin 
gönnend.) 

4.  könn  können,    kan,  kans,  kan ;  kötU.    Präterit.  hm,  Part.  kunt. 

5.  dgbm  dürfen,  dgf^  dgfs,  dgft;  dgft.  Präterit.  (/©/"(Plur.  dgfm 
und  dgbm)^  Part.  dgft.  —  Dies  Wort  kommt  auch  (aber  sehr  selten) 
in  der  Bedeutung  ;, wagen  ^  vor,  was  eigentlich  dgn  heissen  müsste. 

6.  Joßn  sollen.  Jal^  Ja«,  jal;  JÖU.  Präterit.  JwZ,  jus,Std;  JuUn. 
Part.  Jult, 

7.  ^<?</9  (ntos:gi})  mögen,  max,  maxs,  max;  mgxt  (m(e:xt). 
Präterit.  mux  (Plur.  wtwarr)),  Part.  muxt. 

8.  mon  müssen,  mut^  mus,  mut;  mgt  (mceit).  Präterit.  mus^ 
Part.  must. 

9.  vSlln  wollen.  Sg.  1.  3.  ml,  2.  vis  oder  vult;  PL  vSU. 
Präterit.  vul^  vus,  vtd;  vuUn.     Part.  vult. 

Anm.  Auch  hinter  Infinitiven  haben  die  Part.  Perf.  dieser  Verba 
die  oben  angeführten  Formen,  z.  B.  his  m\  man  fri:gi^  kunt  (du) 
hättest  mich  nur  fragen  können. 

Deklination. 

§  72.    Allgemeines. 

Eine  Deklination  giebt  es  in  unserer  Mundart  kaum  noch.  Man 
kann  also  auch  genau  genommen  nicht  von  einer  starken  und  einer 
schwachen  Deklination  reden,  sondern  nur  von  Wörtern,  welche 
ursprünglich  der  starken  oder  der  schwachen  Deklination  angehört 
haben,  und  in  diesem  Sinne  sind  die  iinten  gebrauchten  Ausdrücke 
starke  und  schwache  Deklination  zu  verstehen. 

Genitiv  und  Dativ  sind  als  lebendige  Kasus  nicht  mehr  vor- 
handen, sondern  fristen  nur  in  gewissen  erstarrten  Redensarten  ein 
kümmerliches  Dasein.  Der  Dativ  ist  dem  Akkusativ  gleich  geworden. 
Der  Genitivus  possessivus  (subjectivus)   wird   umschrieben,   und   zwar 


29 

in  der  Regel  bei  lebenden  Wesen  durch  das  Possessivpronomen  mit 
vorgehendem  Akkus,  (d.  i.  Dativ) :  den  juq  Jim  bök  des  Knaben  Buch, 
Jtn  fata  Jim  brö:da  Jl»w  bai:dn  hy:s  die  beiden  Häuser  des  Bruders 
seines  Vaters,  da  bm,  den  Jt»  hüs  af brennt  is  der  Bauer,  dessen  Haus 
abgebrannt  ist  usw.,  bei  leblosen  Wesen  durch  fun  von:  da  finstan 
fiin  dat  hns  die  Fenster  des  Hauses.  Der  Genitivus  partitivus  wird 
(wie  auch  grossenteils  im  Hd.)  durch  fun  umschrieben.  In  andern 
Fällen  ist  der  Genitivus  durch  den  Akkus,  ersetzt:  ful  vSda  voll 
Wasser(s),  A6  is  dat  nl  mal  er  ist  dessen  nicht  würdig.  Das  Nähere 
hierüber  gehört  in  die  Syntax. 

Überreste  des  Gen.  und  Dat.  a.  §  75. 


§  73.    Starke  Deklination  (Pluralbildung). 

1.  Der  Plural  ist  dem  Sing,  gleich,  d.  h.  er  ist  jetzt  ohne 
P^ndung.  —  a)  Maskul.  /is  Fisch,  äZ  Aal,  byt  Butt  (ein  Fisch),  dön 
Dorsch,  h^k  Hecht,  t^:n  Zahn,  äo  Schuh,  stQ:n  Stein.  —  b)  Neutr. 
äkp  Schaf,  swVn  Schwein. 

2.  Der  Stammvokal  wird  im  Plural  gedehnt,  wenn  er  ursprüng- 
lich in  offener  Silbe  stand;  nachträglich  fiel  die  Endung  -e  (-de)  ab. 
—  a)  Maskul.  bref,  bre:f  Brief,  rfe/",  rfc./  Dieb,  vex,  v(^.:x  Weg,  dax^ 
dL'x  Tag,  äri^,  ^r(}:t  Schritt;  vint,  vinn  Wind,  hunt,  hunn  Hund, 
frynt^  frynn  Freund.  —  b)  Neutr.  §£/?,  g^p  Schiff;  p^y  p^  Pferd.  — 
c)  Fem.  hant,  kann  Hand,  vant^  vann  Wand  (Abfall  des  -de  §  8,i ;  54,8). 

3.  Umlaut  (-e  abgefallen);  der  Stammvokal  wird  im  Plural 
gedehnt,  wenn  er  in  ursprüngl.  offener  Silbe  vor  Lenis  stand.  — 
a)  Maskul.  p&l^  pcel  Pfahl,  gas^  ges  Gast,  slax^  sl(}:x  Schlag,  hof,  h(p:f 
Hof,  trox,  trce:x  Trog,  tox^  tns.x  lustiger,  dummer  Streich,  rfrä^,  droe:t 
Draht,  fot,  ßt  Fuss,  stöl,  st6l  Stuhl,  //ö,  /?Ö  Floh,  tö:n,  t(S:n  Zehe, 
spö;w,  sp&:n  Spahn,  Wo/c,  Llök  Block,  kop^  köp  Kopf,  dop,  döp  kleines 
Kind,  buk^  byk  Bock.  —  b)  Neutr.  blat,  blopit  Blatt,  rat,  rce:t  Rad  —  danach 
fat^  f(e:t  (statt  ffpt)  Fass,  slot,  slce:t  Schloss  (an  der  Thür)  —  Ivröt, 
fjTÜ.'t  Brot,  bot,  bi^:t  Boot,  plunt  abgerissenes  Stück  Leinen,  jüynn 
Lumpen,  schlechte  Kleidung.  —  c)  Fem.  nut^  ncet  Nuss,  «ä^,  nceit 
Nat,  Äo,  kiS  Kuh,  Züs,  lyis  Laus,  wil.<?,  my:s  Maus,  äü/,  hy.t^)  Haut, 
^0.9,  gh:s  Gans,  kuns,  kyns  Kunst. 

Doppelformen  s.  unter  4. 

4.  Endung  -a,  mit  Umlaut,  wenn  möglich ;  Dehnung  des  Stamm- 
vokals wie  unter  Nr.  3.  —  a)  Mask.  mau^  mcna  Mann,  gais,  gaista 
Geist  (hd?),  runt,  rena  Rand,  öat,  ^ata  Ort,  Ahle,  rföfc,  ddka  Tuch, 
stok,  stöka  Stock,  bant,  bena  Band  (1.  Strick,  Schnur,  2.  Band  eines 
Druckwerkes).  —  b)  Neutr.  lam,  lema  Lamm,  äyi/Z/*,  kelUni  Kall),  ni:, 
aia  Ei,  lok,  löka  Loch,  kernt  (h(*mp),  hnvmda  Ilemd,  hrt,  //r^.-rfa  Brett, 
bok^    böka   Buch,   gojix,   g,)Jixta   Gesicht,   Äiw/,    kina    Kind,   We/,  klB:da 


')  §  31,2  (Seite  101  Zeile  1)  steht  fälschlich  ^y(. 


30 

Kleid,  holt^  holta  Holz,  hb:na  Hühner  (ohne  Sg.).  —  c)  Fem.  stat,  st^ 
Stadt  (halb  hd.) 

Mehrere  Wörter  haben  Doppelformen,  indem  sie  bald  die  Endung 
a  annehmen,  bald  nicht.  Hierher  gehören:  töm,  vom,  vgma  Wurm, 
Aöan,  Aöan,  hgna  Hörn,  vöat,  t7Öa,  vbata^  vgta  Wort,  blatj  Uced^  hl^:da}) 
Blatt,  ÄÜ5,  Äy:s,  Ay:Ja  Haus,  glas^  gloß.s^  gl^'^ci  Glas.  —  Einige  dieser 
Formen,  wie  z.  B.  hona,  vota  sind  offenbar  hd. 

5.  Endung  -n.  —  a)  Mask.  d/ö,  di§«  Tisch,  pol,  pöln  Pfütze, 
vHat,  vmtn  Wirt,  apl^  apln  Apfel,  «/^/M,  st^Mn  Stiefel,  katityfl,  hantyfln 
Kartoffel.  —  b)  Neutr.  Sop,  Mpm  Schrank,  äah,  ddki^  Dach,  bet^  hein 
Bett,  styh,  styhf)  Stück,  finsta^  finstan  Fenster,  j&a,  j&an  Jahr,  §öU, 
^ötln  Schüssel,  fwÖ.Wn  Möbel  (ohne  Sg.)  —  c)  Fem.  (vgl.  §  74,3)  mas, 
masn  der  Mast.  —  doxfa>^  däxtan  Tochter. 

6.  Die  Endung  -5  haben  namentlich  die  Wörter  auf  -el,  -en 
(-em),  -er.  —  a)  Mask.  f&:gli  f&:gls  Vogel,  n§L:gl,  nk:gls  Nagel,  9.J/, 
9;JZc9  Esel,  f»!)?,  evjl^s  Engel,  slwil,  sUMs  Schlüssel,  kroppl,  krcepls  Krüppel, 
hH,  kUs  Kerl ;  i'd'^ij,  vLgj^s  Wagen,  h&:f»m^  hL'bnis^  Glashäfen  (Gefasse 
von  cylindrischer  Form),  ä:6m,  L'bms  Ofen,  L'bmt,  &:bnis  Abend ;  /txifi, 
töans  Turm,  fksdn,  fL'dns  Faden;  svVdci,  snVdas  Schneider,  t?9;irt,  v^.-fnis 
Weber  usw.  sm:n,  S(E:ns  Sohn.  Zu  mes  Messer  bildet  man  den  Plural 
mesas  von  dem  hd.  mesa,  welches  auch  im  Sg.  neben  mes  gebraucht 
wird.  —  b)  Neutr.  spii:gl,  spG.gls  Spiegel,  cwn,  enns  Ende. 

Bei  manchen  Wörtern  schwankt  der  Gebrauch. 

§  74.    Schwache  Deklination. 

1.  Maskulina.  Das  n  der  obliquen  Kasus  ist  (wie  im  Hd.) 
sehr  häufig  in  den  Nom.  eingedrungen :  ftä:^ij  Bogen,  hcdki}  Balken, 
halln  Ballen  (am  Fuss;  Warenballen),  l)rk:dn  Braten,  drgpm  Tropfen, 
gollgi^  Galgen,  g§i:an  Garten,  grLbm  Graben,  hopm  Hopfen,  hösn  Husten. 
knjmi  Kar[)fen,  kas^i  Kasten,  ktvXkij  Knochen,  kollbm  Kolbon,  /löfci)  Kuchen, 
krL-gii  Kragen,  mLgi^  Magen  (aber  auch  niLx  Femin.),  nnki^  Nacken 
(auch  nak  Fcmin.),  plaki}  Fleck  (Schmutzfleck,  das  Schwarze  in  der 
Scheibe),  posn  Pfosten,  rokij  Roggen,  Sä.d«  Schaden,  äiijtg  Schinken, 
s^:dn  Schlitten,  snm.bni  Schnupfen,  stöan  Stern,  tapni  Zapfen.  —  Dazu 
die  ursprüngl.  starken  Wörter  ^atn  Schatten,  vetn  Weizen,  lesn  Leisten. 
Vgl.  §  40,3. 

Andere  Wörter  werfen  das  -e  des  Nom.  ab:  Ää:n  Hahn,  swL'n 
Schwan,  wä:m  Name,  rfü-n»  Daumen,  rii:m  Riemen  (l^.w  Besen);  glösf 
(ilaube,  hLs  Hase,  A6  Herr,  mink  Mensch,  vil  Wille,  sL't  schade! 
(d(U  is  §ä;^  es  ist  schade).  Diese  bilden,  soweit  sie  nicht  auf  einen 
Nasal  endigen  (vgl.  §  42,4),    den  Akkus,    auf  -w:   glo:bm,    M:Jw,    A6n, 


*)  Man  hört  auch  bl(p:da,  bl(^:t,  dagegen  scheint  ropula,  r^.i  Räder  ebensowenig 
beliebt  zu  sein  wie  gl(p:fa  Gläser. 

')  8tyl"Q  sind  wirkliche  Stücke  (Teile,  z.  B.  auch  Scherben),  styka  sind  Stucke 
als  Ganzes  (z.  B.  Lesestiick) ;  bei  Zahlangaben  sagt  man  auch  atyk,  z.  B.  f\:f  atyk 
wie  fvf  föt  u.  dgl. 


Bl 

min^fif  villn.  Dies  -n  zeigt  sich  auch  im  Nom.,  wenn  ein  schwach 
flektiertes  Adjektiv  oder  der  unbestimmte  Artikel  vorhergeht :  n  jui^rj 
minsn  ein  junger  Mensch  (vgl.  §  76,i.) 

Zweifelhaft  ist  mir  der  Akkus,  von  bm  Bauer,  ip  Affe,  bLt  Bote, 
idhfant  Elefant;  es  scheint,  als  ob  Formen  mit  und  ohne  -n  neben 
einander  vorkommen.  Sicher  ohne  Endung  im  Akkus,  sind  rip  Reif 
(pruina),  Juld&t  Soldat,  musltant  Musikant. 

Der  Plural  wird  verschieden  gebildet. 

a)  Die  Wörter  ohne  Nasal  im  Nom.  Sg.  haben  im  Plur.  die 
Endung  -n:  hk\ln^  miv&n,  hm;  äpw,  iüan,  ebfantn,  ^uld&tn, 

b)  Die  Wörter  mit  Nasal  im  Nom.  Sg.  haben  teils  gar  kein 
Pluralzeichen,  teils  -5;  manche  Wörter  schwanken.  —  a)  balln^  ii^pm^ 
/iTwäfcr),  Ä:ÖÄ;i).  —  ji)  hrk:dns^  gkanSy  kasns,  Jcrkgi}S^  plaki^s^  stmns;  sw&:nfi, 
nkims^  reims. 

2.  Neutra.  Im  Nom.  Akk.  Sg.  keine  Endung,  im  Plur.  -w: 
hat  Herz,  ö:x  Auge,  öa  Ohr,  wiwä  Mensch.  Plur.  oigr^,  öan  (hatn  Ca^ur 
im  Kartenspiel  gilt  als  Singular  und  bildet  den  Plural  hatns), 

3.  Feminina.  Der  Sing,  hat  keine  Endung,  der  Plural  die 
Endung  -n :  69a,  h^an  Birne  (auch  Beere),  du:/*,  dü:hm  Taube,  kat^  hatn 
Katze,  ÄäÄ,  kSJci)  (kox,  konjl)  Kirche,  kLi^  Man  Karren,  klok^  Moki^ 
Glocke,  Uhr,  netl^  netln  Nessel,  po:it^  pöatn  Pforte,  ro:s,  rö:Jw  Rose, 
§1:/*,  Slihm  Scheibe,  ü/,  üln  Eule.  Bei  den  auf  einen  Nasal  endigenden 
Wörtern  kommt  das  -w  weniger  zur  Geltung:  blöim,  Plur.  hlryjnm 
oder  blöim  Blume,  ebenso  spinn  Spinne,  Zwgg  Lunge  usw. 

Hierher  gehören  auch  viele  ursprünglich  starke  Feminina,  z.  B. 
mll,  mlln  Meile,  eft,  eAjg  Eiche,  rip,  ripm  Rippe,  JäA,  JdAi)  Sache,  spnU, 
spr&ki}  Sprache,  Jöj^,  Jö^g  Sorge,  söZ,  göZ«  Schule,  dcra,  dman  Thür, 
/ä/*,  ßhm  Farbe,  frk::r,  frkgij  Frage,  Wä/,  klk'Jmi  dickes  Stück  ge- 
spaltenen Holzes,  mkt^  mktn  Mass,  mm^  mmn  Mauer,  klau:^  Jdaum 
Klaue,  krai:^  krai.n  Krähe,  ütgifm  Abgaben  (ohne  Sg,),  tlt^  tT:dn  Zeit, 
(Äat?§,  hatten  Handschuh).  —  Ursprünglich  stammhaftes  n  ist  im  Sg. 
abgefallen  in  k(}:t  Kette,  kirk  Küche,  mal  Mühle,  r9:^  Rode,  Plur. 
Ä:9:rf«,  Äv/'^,  mo'ln^  ix.dn;  hk:f  Hafen  (portus)  bildet  den  Plur.  MvJmis 
(vgl.  die  folg.  Anm.  1);  auch  völk  Wolke  hat  ein  n  verloren  und  ist 
Femin.  geworden. 

Ein  -s  im  Plur.  haben  /S:n,  fk\ns  Fahne,  /rö,  frö:ns  Frau. 

Anm.  1.  Hier  können  nicht  alle  Wörter  aufgezählt  werden, 
welche  aus  der  einen  Deklination  in  die  andere  übergetreten  sind 
(manche  schwanken  schon  seit  alter  Zeit)  oder  welche  ihr  Geschlecht 
gewechselt  haben.  Einige  Wörter  haben  doppelte  Formen  und  dop- 
peltes Geschlecht,  z.  B.  mLx  Fem.,  w/i\:^g  Mask.  Magen,  Aä:/  Fem., 
hk:bm  Mask.  Hafen,  naki^  Mask.,  nah  Fem.  Nacken. 

Anm.  2.  Von  vielen  Wörtern  —  abgesehen  von  denen,  wo  es 
der  Natur  der  Sache  nach  ausgeschlossen  ist  —  kommt  bei  uns  kein 
Plural  vor,  von  andern  habe  ich  nie  den  Sing,  gehört,  z.  B.  ^u]mi 
Schuppen  (eines  Fisches),  sp&an  1.  Sporen,  2.  Sparren,  so^aw  Scherben 
u.  a.;  zu  gBdaijkg  Gedanken  kenne  ich  nur  den  hd.  Sing,  gr^dar^ka. 


32 
§  75.    Clenitiv  und  Dativ. 

< 

1.  Sehen  wir  von  Zusammensetzungen  (wie  Jdnnskina  Kindes- 
kinder, ;Aa5/W*)  Jahreszeit,  Aä:Jw6rä:dn Hasenbraten, in  denen  vielleicht 
ein  Genitiv  stekt)  ah,  so  kommt  bei  uns  der  Genitiv  noch  in  zwei 
P'ällen  vor:  a)  als  Genit.  partit.  von  Adjektiven  nach  niks^  vat  u.  dgl. : 
niks  göidds  nichts  Gutes,  vat  öls  etwas  altes,  vat  gift  n^s  was  giehts 
Neues?  usw.  b)  adverbial  von  gewissen  Wörtern:  di.:xs  tags  (naws 
nachts),  Jyn&nis  Sonnabends  usw.  Äe  i.9  hütn  böks  er  trägt  keine  Ver- 
antwortung. —  Einzelne  erstarrte  Reste  des  Gen.  von  Adjektiven 
findet  man  in  alalai:  allerlei,  alahant  allerhand;  do  cdagrötst9,  alabest9 
usw.  der  allergrösste,  allerbeste. 

2.  Dativ  Sing,  a)  Wörter,  die  selbst  flektiert  sind:  hl  dkijr 
bei  Tage,  fönd&ix  heute,  in  dr&'jc  (drSiif)  im  Trabe,  in  fulln  drk:x  in 
schnellem  Laufe,  ii)  paijij  im  Gange,  in  Betrieb,  fti  ^arjr),  aij  ^^ijij,  Äe 
is  vM(i  i\x  flfarjr)  er  ist  von  einer  Krankheit  wieder  aufgestanden,  ik 
jkil:w  rfib  wl  mit  t\x  parjij  etwa:  es  (die  Arbeit,  das  Spiel  o.  dgl.)  will 
mir  nicht  gelingen,  Ae  is  oij  ^ciijg  er  treibt  seine  Witze,  Spässc,  Toll- 
heiten, ^ü  bSi\t  stkin  zu  Gebote  stehn,  <ü  pi^a  zu  Pferde,  in  (inu)  hü:s 
im  Hause  (über  das  scheinbare  Fehlen  des  Artikels  vgl.  §  58),  ü/w 
hü:s  aus  dem  Hause,  bxitn  hn:s  ausserhalb  des  Hauses,  bin  hn:s  beim 
Hause,  J?  is  bin  hiiis  sie  ist  zu  Hause,  d.  h.  sie  hat  keine  Stellung 
bei  fremden  Leuten,  sogar  daxi^  hn:s  durchs  Haus,  in  hemm  im  Hemde, 
opm  lann  auf  dem  Lande,  fun  lann^)  vom  Lande,  in  lann  im  Lande, 
ntn  lann  aus  dem  Lande,  in  tl:f  im  Leibe,  optn  (ce'.ban)  h:f  auf  dem 
Leibe  (z.  B.  Äe  hct  niks  (r'.Uin  lJ:f  =  er  hat  schlechte,  dürftige,  un- 
genügende Kleidung  an),  fun  l\:f  hry.ln  vom  Leibe  halten,  /le  is  göt 
iö  v(^:x  er  ist  gut  zuwege,  es  geht  ihm  gut,  ik  f*yn  Jü  slex  (nl  got) 
t\l  niö:t  es  ist  mir  schlimm,  übel  (zu  Mute),  in  stann  im  Stande,  in 
gutem  Zustande,  iJlfr^idn  zufrieden,  in  fr^.dn,  unfr^idn  in  Frieden, 
Unfrieden,  fun  hatn  von  Herzen,  /ü  hatn  zu  Herzen;  opm  feUn  auf 
dem  Felde,  Ae  is  ann  (bin)  iolln  er  ist  im  Zollfach,  am  Zollamt  an- 
gestellt, ameno  am  Ende  (=  vielleicht)  ist  wohl  hd.,  ebenso  ü/w  grutm 
aus  dem  Grunde,  gründlich,  Tit  disn  grunn  aus  diesem  Grunde  {gnttit 
fundus  ist  im  Ndd.  Femininum).  —  b)  Wörter,  die  nicht  selbst  flektiert 
sind:  bixtn  dö.i  ausserhalb  der  Stadt  (des  Thores),  rntn  (vitn)  dCu 
zur  Stadt  hinaus,  im  wTij  gannjn  l^ibm  in  meinem  ganzen  Leben,  an 
If^ilmi  am  Leben,  niitn  grötsn  fögnbigj}  mit  dem  grössten  Vergnügen. 
tun  immkki}  zum  Einmachen,  tur^  k^igln  zum  Kegeln,  f«g  glykt}  zum 
Glück  (ist  glykij  Infinitiv  oder  Substantiv?)  usw.  —  c)  Adjektiva:  in 
natn,  in  dr&:gi)  im  Nassen,  im  Trocknen,  d.  h.  bei  nassem,  trocknem 
Wetter,    Ae    het   sin   ^ip   opm   drö:^ij    er   hat    sein  Schiff"  ins  Trockne 


')  In  n  jMr  tu  Zeitraum  eines  Jahres  ist  Jitas  wohl  Genitiv  (vgl.  n  haJlf  mi 
v^.-.rs  eine  halbe  Meile  Weges),  man  sagt  aber  auch  n  stunns  i\t  etwa  eine  Stunde, 
n  a.r  dLxs  tU  etwa  acht  Tage  (vgl.  §  45,?). 

')  Gegensatz:  in  der  Stadt,  aus  der  Stadt;  aber  /?  fynt  opt  lant  sie  sind 
auf  dem  Acker,  f»  k^mt  funi  lant  sie  kommen  vom  Acker. 


33 

gebracht,  M  lytn  bei  kleinem,  allmählich,  Ae  is  tun  axiasn  ki.:m  er  ist 
in  seinen  Vermögensverhältnissen  zurückgegangen,  hat  sein  Vermögen 
verloren ;  im  Uinn  mit  geschlossenen  Augen,  in  dystcin  in  der  Dunkel- 
heit, mit  (fö)  ah  gdvalt  mit  aller  Gewalt,  hans  fun  g:wÄ  llii  Hans 
von  einer  Leier,  d.  i.  ein  Mensch,  welcher  immer  nur  ein  und  das- 
selbe vorzubringen  weiss,  in  e:t?Ä  ^ü^  in  einer  Tour,  ununterbrochen. 
3.  Dativ  Plur.  a)  in  Ääan  in  Haaren,  d.  h.  ohne  Kopfbedeckung, 
^ti  hrefm  hkimm  zu  Kräften  kommen  (nach  überstandener  Krankheit), 
t\i  ßin  am  Fussende  des  Bettes,  mit  f&tn  petn  mit  Füssen  treten  (in 
übertragener  Bedeutung ;  sonst  heist  es  mitd  /Ö^),  Ae  het  vat  unan  fiStn 
er  hat  Subsistenzmittel,  A6  stai:t  op  stvaoi:^  fütn  er  lebt  in  bedrängten 
Vermögensverhältnissen,  mit  lysn  mit  Verlangen.  —  b)  in  oln  tvdn 
in  alten  Zeiten,  im  mlg  kintllgr^  jian  als  ich  noch  ein  Kind  war, 
p  brii}j}t  ean  man  allns  unan  kann  nt  etwa :  sie  verplämpert  das  Ver- 
mögen ihres  Mannes  ohne  dessen  Vorwissen;  fö  dlln  dtgi)  vor  allen 
Dingen  ist  wohl  hd.  —  Bei  andern  Redensarten  kann  man  nicht  mit 
Sicherheit  entscheiden,  ob  die  Substantivformen  Dat.  oder  Akk.  sind, 
z.  B.  hJ  naxtVdn  bei  Nachtzeit,  fö  j&an  vor  Jahren,  ttl  jian  bejahrt, 
da  die  Nom.  und  Akkus,  ebenfalls  tVdn,  j&an  heissen.  Beiläufig  sei 
hier  erwähnt,  dass  man  in  der  Redensart  dat  synt  j&an  A^a  es  ist 
Jahre  her  zur  Bezeichnung  einer  sehr  langen  Dauer  sich  der  Form 
j&aren  (mit  dem  Hauptton  auf  der  Endsilbe)  bedient. 

§  76.    Das  Adjektiv. 

Die  meisten  Adjektive  behalten  ihren  Stammvokal  durch  alle  Formen 
unverändert :  tam^  tamo  zahm,  zahme,  small^  smah  schmal,  schmale  usw. 
Nur  die  Adjektive  auf  f  =  h,  t  =  d  und  x  =  g  lassen  eine  Dehnung 
des  Stammvokals  in  offener  Silbe  eintreten:  grof  gr&Ma  grob,  grobe, 
göt^  g{):do  gut,  gute  (hat,  h&d)  hart,  harte),  Aöa;,  ho:g9  hoch,  hohe. 

1.     Die  starke  Flexion  des  Adjektivs  zeigt   folgende  Endungen: 
Sg.  Mask.  Fem.  Neutr.  Plur. 

Nom.  l'd]  '9  [-^5]  -9 

Akk.  (Dat.)     -n  -a  [-95j  -9 

Gen.  -95,  'S 

Der  Nom.  Sg.  Mask.  hat  nur  selten  die  Endung  -9,  z.  B.  go:d9 
v\:n  is  dya  guter  Wein  ist  teuer.  Gewöhnlich  ist,  auch  wenn  kein 
anderes  Wort  vorhergeht,  das  -«  des  Akkus,  (oder  der  schwachen 
Dekl.)  in  den  Nom.  gedrungen;  dies  ist  immer  der  Fall  nach  dem 
unbestimmten  Artikel  und  wenn  das  Adjektiv  hinter  dem  Verbum  steht: 
r)  grötn  kU  ein  grosser  Kerl,  da^  gö:dn  vl:n  das  ist  guter  Wein,  göt 
iea  is  h^ta  as  sIcxiq  vl:n  gutes  Bier  ist  besser  als  schlechter  Wein. 

Das  Neutrum  hat  im  Nom.  Akk.  Sg.  eigentlich  keine  Endung, 
doch  hängt  man  sehr  häufig  die  hd.  Endung  -9S  an.  Von  ana  ander 
hört  man  zuweilen  das  Neutrum  anat. 

Der  Plural  hat  zuweilen  keine  Endung,  nämlich  dann,  wenn  das 
Adjektiv  mit  dem  Substantiv  zu  einem  Begriff  verschmolzen  ist:  gröt 
ly:t  kina  vornehmer  Leute  Kinder. 

Niederdeatsches  jAhrbnch.     XX.  B 


u 

2.  Geht  der  bestimmte  Artikel  dem  Adjektiv  voran,  so  nimmt  es  im 
Nom.  Sing,  aller  drei  Geschlechter  sowie  im  Akkus.  Sing.  Fem.  und  Neutr. 
die  Endung  -9,  in  allen  übrigen  Formen  die  Endung  -n  an:  d»  gröta 
hunt  der  grosse  Hund,  Akk.  dei}  grötn  hunt,  dd  grVj^  hat  die  graue 
Katze,  dat  rü:d9  hiis  das  rote  Haus.  Selten  fehlt  die  Endung  -9: 
dB  öl  khl  der  alte  Kerl,  dat  öl  minS  das  alte  Mensch;  in  diesen  und 
ähnlichen  Fällen  hat  (Ht  nicht  seine  eigentliche  Bedeutung,  sondern 
bezeichnet  etwas  Wegwerfendes,  Abfälliges,  Unbequemes.  In  do  öl 
der  Alte  ist  öl  Substantiv,  ähnlich  da  e:n  der  eine,  (fo  ana  der  andere. 
d9  unas  der  unterste  u.  dgl. ;  in  da  gröt  jug  der  grosse  Junge  sind 
beide  Wörter  zu  einem  Begriff  verschmolzen  (s.  oben). 

Der  Vokativ  wird  gewöhnlich  durch  ein  Fürwort  unterstützt: 
du  grötd  taps  grosser  Taps,  mig  göidd  man  mein  Guter  (auch  ironisch), 
jl  dumm  jtii^i^s  ihr  dummen  Jungen.     Über  grot  jui^  s.  oben. 

Überreste  des  Gen.  und  Dat.  von  Adjektiven  sind  in  §  75  aufgefiihrt. 

Anm.  1.  Das  Adjektiv  ne-  nimmt,  wenn  es  nicht  flektiert  wird, 
ein  t  an:   dd  höt  is  net  der  Hut  ist  neu,  n  net  hüs   ein  neues  Haus. 

Anm.  2.  Wie  Adjektiva  werden  die  Adverbien  tö  zu  und  bit 
barfuss  behandelt :  da  töa  doea  die  verschlossene  Thür,  dd  lAdn  föt  die 
unbekleideten  Füsse ;  ich  habe  auch  bidn  kop  Kopf  ohne  Haare  gehört. 

Anm.  3.  In  emphatischer  Rede  erhält  sich  das  e  der  Endung 
-eti,  z.  B.  Jun  turnen  jui}  so  ein  dummer  Junge. 

§  77.    Kamparation. 

Der  Komparativ  hat  die  Endung  -o,  flektiert  -an;  er  kommt 
kaum  hinter  dem  bestimmten  Artikel  vor,  sondern  wird  in  diesem 
Falle  meistens  durch  den  Superl.,  auch  wohl  durch  den  Positiv  ersetzt. 
Der  Superlativ  hat  die  Endung  -std,  -sn:  smallstd  schmälste,  smaUsn 
schmälsten. 

Der  Umlaut  tritt  nicht  so  häufig  ein  wie  im  Hd. 

Verkürzung  des  Stammvokals  haben  wir  bei  grötj  gröta^  grötsts 
gross,  ölt,  cHa,  Slstd  alt,  költj  kola,  kclstd  kalt.  Man  vgl.  die  Substantiva 
grötd  Grösse  und  ö^  Alter  und  §  41,9  (schärfender  Einfluss  des  Suffixes). 

"Unregelmässige"  Komparation:  göt^  b^ta,  bestd  gut,  /9Z,  wm, 
maisto  (measta)  viel;  e.i  eher,  easto  erste;  foß.%$ta  vorderste,  bos:bastJ 
oberste,  öpastd  Vorgesetzter,  unastd  unterste,  axlasta  hinterste,  letsta 
letzte,  ytastd  äusserste  (in  übertragener  Bedeutung ;  doch  auch  ap  ytas 
kant  auf  der  äusseren  Kante,  näml.  des  Schlittschuhs) ;  mitist»  mittlere, 
üntsTxstd  einzige. 

§  78.    Das  Prouomen. 

1.     Persönliche  Fürwörter. 
Sg.  N.  ik,  'k.      du,  — .     Ae,  A^,  -9 ;    Je,   p,    -s;    dat,    -t.      Refl. 

D.  A.     m\  dl  cw,  -n       Je,  J9,  -5, 9a    dat,    -t      Jlx,  JT. 

V ^ ' 

Plur.         N.    üT,  -T       /I,    -T  Je,  jj,  -s 

D.  A.     uns        ja  Je,  Jj,  -5,  9^  Jtt,  JT. 


u 

über  px  vgl.  §  57,?.  —  Ist  du  enklitisch  nachgestellt,  so  ver- 
schwindet es  ganz;  hes  =  hast  du,  kans  =  kannst  du  usw.  Aber 
auch  sonst  wird  du  zuweilen  ganz  weggelassen.  —  Je  ist  Akkus.,  ^a 
ist  eigentlich  Dativ;  doch  wird  9a  im  Sing,  fast  ausschliesslich,  im 
Plur.  häufig  auch  als  Akk.  gebraucht  1)  wenn  daneben  kein  Dativ- 
objekt vorhanden  ist  und  2)  nach  Präpositionen.  Je  und  9a  gelten 
auch  als  Anrede,  doch  bedienen  sich  viele  statt  dessen  sowohl  für 
den  Dativ  als  auch  für  den  Akk.  der  hd.  Form  T:nn.  Als  Dat.  Akk. 
Plur.  der  3.  Person  gebrauchen  einige,  wenn  von  Personen  die  Rede 
ist,  jytn,  j^m, 

2.  Possessiva. 

ml:«,  dl:n,  /I:w,  9a;  mwä,  ^u,  9a.  Davon  entbehren  wl:w,  dl:f?, 
Xl:n  gänzlich  der  Deklination,  9^,  uns^  jn  bilden  den  Akk.  Sg.  M£|,sk. 
9aw,  unnfn^  ;un,  ausserdem  bildet  uns  noch  die  Formen  auf -e:  nnnja, 
wofür  aber  im  Sing,  häufig  uns  steht. 

3 .  Demonstrati  va. 

a)  Sg.  Mask.  Fem.         Neutr.         Plur. 
N.            de  [cl9]^        de  /da»/,         dat;        de  [da], 
D.  A.    denn  [denj^     de  /&/,        dat;        de  [ddj. 

Die  in  eckigen  Klammem  stehenden  Formen  dienen  als  Artikel 
und  als  Relativpronomen ;  das  Neutrum  des  Relativs  heisst  gewöhnlich 
fxit.  Hinter  den  meisten  Präpositionen  wird  der  Artikel  noch  weiter 
verkürzt,  sodass  nur  die  Formen  -»,  -n,  -t  übrig  bleiben,  von  denen 
wiederum  -n  und  -t  infolge  von  Konsonantenhäufung  vielfach  gänzlich 
verschwinden  (§  58).  —  Ist  das  Relativ  von  einer  Präposition  abhängig, 
so  heisst  es  stets  rö,  tu.  Der  Genitiv  des  Relativs  wird  durch  Um- 
schreibung gebildet:  den  fl;fi,  de  9a  oder  rü  .  .  .  .  fun  (§  72). 

b)  Sg.  Mask.  Fem.  Neutr.  Plur. 
N.  dis9  disd  du  dis9. 
D.  A.   disn        disa        du        disd. 

Man  hört  auch  y  statt  i  in  der  Stammsilbe:  dysd^  dyt, 

4.  Interrogativa. 

Maskul.  N.  D.  A.  w,  Neutr.  N.  A.  vat.  Eine  Verstärkung  von 
vo  ist  vok^:n  (Ton  auf  der  letzten  Silbe),  dies  wird  wiederum  verkürzt 
zu  Ä:e:M*).  Zu  bemerken  sind  Konstruktionen  wie  vo  h&at  den  rigfe  ^ö 
wem  gehört  der  Ring?  —  vat  wird  in  Ausrufen  gebraucht  in  den 
Bedeutungen  "wie"  und  "was  für":  vat  fai:n  wie  schön!  vat  n  fai:n 
hüs  was  für  ein  schönes  Haus !  Auch  mit  folgendem  Gen.  part.  vat 
vBan  d&a  n  min^n  welch  grosse  Menge  Menschen  war  da!  Dagegen 
entspricht  vat  fö  nicht  nur  dem  hd.  interrogativen  "was  für",  sondern 
auch  dem  Fragewort  "wer"  und  dem  adjektivischen  Fragewort  "welcher" : 
vat  vm  dat  fö  n  Mn  wer  war  der  Herr?  vat  vea  dat  fö  e:n  wer  war 
das?  vat  fö  n  numa  hes  du  welche  Nummer  hast  d\x?  vat  =  "welches" 
zur  Bezeichnung  einer  unbestimmten  Menge,  z.  B.  Wenn  du  kein  Geld 
hast,  will   ich    dir   welches   geben;    ebenso  n  daxa  vat    einige  Tage 


')  Vgl,  vö,  vnn^:m,  ti^:m  wo?  vüitea,  wea  wann  (eher)? 

3* 


36 

(§  43,2).  —  Hängt  das  Interrogativ  von  einer  Präposition  ab,  so 
heisst  es  stets  rö,  vü. 

5.  Der  unbestimmte  Artikel  (sowie  das  adjektivische  Indefinitum) 
heisst  in  allen  Formen  t?,  ist  er  etwas  betont,  so  sagt  man  auch  wohl  et?. 

e:n  irgend  einer  (Substantiv),  vok,  vokd  einige,  wcwle;n  mancher 
(manch  einer,  substantivisch),  mai^xa  (subst.)  ist  wohl  hd.,  ebenso 
wie  das  adjektivische  mai^xo  (Mask.  u.  Fem.)  mai^xas  (Neutr.);  /tön 
e:n  (Mm  wiwä,  Mina)  niemand;  man  man  (enklitisch  n  d.  i.  e:n). 
Dat.  u.  Akk.  e:n ;  ddjöUbo  (da  nemtlxj)  derselbe  (idem) ;  dejemg^  der- 
jenige; dis9  un  JQind  dieser  und  jener  (nur  in  dieser  Verbindung  kommt 
;e:nd  vor);  Hb  e:n,  dd  ana  der  eine,  der  andere  (dB  e:n9,  dB  aiiaro); 
JG:da^  ;eĻe;n  jeder  (substantivisch),  je:d9  (Mask.  u.  Fem.),  ie:djsi 
(Neutr.)  jeder  (adjektivisch) ;  allns  alles,  niks  nichts  (verstärkt  niks  wl). 
—  "Einander"  wird  verschieden  ausgedrückt:  ntn  e:«,  fun  c;>t,  il^« 
ana^  e:m  bin  ai?a,  e;m  mitn  ana  usw. 

§  79.    Das  Zahlwort. 

1.  Grundzahlen:  1  e:n,  2  twe:^  3  dtre:,  4  /ai,  5  flif,  G  Jos, 
7  J(B:bm^  8  ax,  9  n^:gi},  10  toi:n,  11  ollbm^  12  twöllf^  \S  dotain^  14 
ßatain^  15  foftain,  16  Jöstoin,  17  Jymtain  (J(B:bmtain),  18  axtainy  19 
nirj^ain  (n^:gntainX  20  twintlj  21  e:wttn^ii;iti/I,  27  Ja:»ittn^ii7iw/T,  28 
axuntwintl,  29  w^/gun^witirt,  30  (fort,  40  /"earfl,  50  /b/ifl,  60  JosH,  70 
Jymrt  (J(e:bmtl)^  80  aa:/T  (toa;i)tt^,  88  axunaxiX  (axuntaxi)tl)^  90  «/ij/l 
(n^:gntl),  100  Aiiwa^  1000  (7ü:Jw<i),  1  000  000  miZyö.n.  In  der  Kinder- 
sprache ist  aus  Quadrillion  h%akmüjo:n  geworden. 

Von  den  Grundzahlen  bildet  man  auch  einen  Plural,  und  zwar 
nehmen  die  auf  n  endigenden  (ausser  5:w)  ein  s  an,  die  übrigen  ein  n, 
also:  twQin^  fean^  flihm^  Joe:bms  usw.,  ina  twintTgr^  usw. 

2.  •  Ordnungszahlen:  1.  do  öastB,  2.  twetB^  3.  drylB,  4.  füadj, 
5.  foftB,  6.  JöstB^  7.  Jym^a  (joe:bmt9),  8.  aa:^a,  9.  wiij/»  (^^'g^to)^  10. 
taimtd^  11.  öllbmtB^  öVfta,  12.  tivöllftd^  13.  dotainstd  usw.,  von  hier  ab 
immer  mit  -5^^. 

3.  Distributiva  werden  durch  die  Präposition  il  gebildet:  p 
jttrjr)  /ert  tl  /ea  es  gingen  je  vier  in  einer  Reihe,  fö  ä  man  für 
jeden  einzelnen. 

§  80.    Präpositionen. 

af  von  (selten,  z.  B.  dka  vet  ik  niks  af  davon  weiss  ich  nichts), 
an  an,  axta  hinter,  bLbm  oberhalb,  über,  bl  bei,  während,  hinn  inner- 
halb (drinnen),  War)i)  neben,  bntn  ausserhalb  (draussen),  dox^  dcß.i,  durch. 
fö  für,  vor,  fun  von,  pe:flfg  gegen,  in  in,  binnen,  innerhalb,  lavfi  entlang, 
ma\]k  zwischen,  mit  mit,  vermittelst,  mitsamps  mitsamt,  w&,  wü  nach, 
nächst,  op  auf,  €e:ba  über,  gegenüber,  oberhalb,  fit  (Jo)  seit,  .<f/ä^5 
anstatt,  tö  zu,  ^ii^tsw  zwischen,  um  um,  wwa  unter,  unterhalb,  ü^  aus. 
ausserhalb,  ü^^  ausser,  v(^:gi)  wegen.  —  Ild.  sind  ö:n9  ohne,  irois  trotz. 

*)  Man  hört  auch,  aber  nie  von  Jüngeren,  dö-fnl;  woher  die  Form  kommt, 
weiss  ich  nicht. 


37 

Zusammengesetzt:  op  diss\t  diesseits,  op  ana  Jl/ jenseits;  um  .  .  . 

^9-^Bi  ß  '  •  •  ^'9*/7iJi  ^^  •  •  •  hallhm^  fun  ,  .  .  af. 

Weniger  Präpositionen  als  vielmehr  Adverbien  sind  die  nach- 
gestellten wie :  entg&.gr^  entgegen  (hd.  V),  itiv^dan  zuwider,  fta/o  zuvor  u.  a. 

Alle  Präpositionen  regieren  den  Akkusativ,  doch  werden  einige 
unter  Umständen  mit  andern  Kasus  verbunden.  Man  kann  sagen, 
dass  die  zusammengesetzten  um  .  .  .  v^:gT^,  fö...  V(}:gx}^  um  .  .  ,  hallhn 
den  Genitiv  regieren,  denn  es  heisst:  fö  mVnt  v^:gi^  meinetwegen, 
meinethalben,  fö  dlint^  ^:nt,  (}ant^  unnjnt,  jü:n  vi}:gT} ;  um  mVnt  hallbm 
usw.  um  meinetwillen,  um  fata  ^vt  hallbm^  um  muta  ^nt  hallbm,  um 
do  kina  (fant  hallbm  (der  Kinder  wegen)  usw. 

Über  den  Dativ  nach  Präpositionen  vgl.  §  75,2.8.  Auch  hinter 
(zwischen)  zusammengesetzten  Präpositionen  steht  der  Dativ  in  Fällen, 
die  den  in  i^  75  aufgeführten  ähnlich  sind,  z.  B.  tun  Aü:5  rü^  zum 
Hause  hinaus  (auch  bloss  rvitn  Aü:«),  tun  hn:s  n«,  rin  hü:s,  tun  döa  rnt 
zum  Thore  hinaus  usw. 

§  81.    Konjunktioneo. 

Die  Konjunktionen  sind  vielfach  dem  Hd.  entlehnt  oder  doch 
nach  dem  Hd.  gebildet;  die  jetzige  ndd.  Sprache  der  Ungebildeten 
zieht  sehr  häufig  der  Hypotaxe  die  Parataxe  vor  und  schiebt  dann 
überhaupt  keine  Konjunktion  ein. 

un  und,  ä:ba  aber,  ö:da  oder,  entv^ida  .  .  .  ö.da  entweder  .  .  • 
oder,  nemh  nämlich,  aZiJö  also,  op  ob  (auf  dem  Lande  vat),  as  als, 
ven  wenn,  Jtlftatt  (Jtl  drSn)  as,  JuvT  sobald  als,  in  dQ  (d»)  tU  dat  wäh- 
rend, Jl^  rfe  (dd)  tu  dat  seit,  Jtt  ?ai)g  as  so  lange  als,  bot  bis,  oa  ehe, 
bevor,  vail  weil,  dat  dass,  sodass,  d\amit  (dat)  damit,  opgllk  obgleich, 
indessen,  ven  ö/c  wenn  auch,  got  g^:f  wenn  auch,  /ü  .  .  .  /ü  (desto)  je 
.  .  .  desto,  all  as  ']q  nachdem  usw. 

Sprachproben. 

A.     Wiegenlieder.  B.     Kinderreime. 

1.  ai:jo  vTvl:  1.    ä:  be:  ab 
min  triino  slöpt  bl  ml:  int  brötSap 
nc;:  vT  völt  dat  anAs  mäkg                  T:  en  in 

trlrno  Jal  in  ai:jo  släpm.  is  niks  mcA  däArin. 

2.  shlp  kintkon  släp  2.    ä:  be:  tse: 

dln  fatA  is  n  Säp  da  kat  da  löpt  in  sne: 

dim  nmtA  is  n  damltrl:n  da  kätA  axtA  h9A 

ga>A  lät  dat  blän  Jl:n.  mit  n  gröt  styk  8m9A. 


A.  1  ,j.   slöpt  h\  sprich  slöpi  oder  slöppi  (p  unaspiriert !).  —  1,3.  völt  dat  sprich  vöUat.  — 
1,4.  fal  in  sprich  falin.    (In  allen   ähnlichen  Fällen   tritt  die   Bindung  ein ; 

dies  ist  im  folgenden  nicht  besonders  angemerkt). 
2,3.    In  din  fata  kommt  das  n  kaum  zur  Geltung,  so  dass  fast  nur  ein  nasa- 
liertes 1  übrig  bleibt.  —  2,«.    l^t  dat  bim  sprich  ISdat  blin  oder  IKtapplin, 
13.  1,1.    ab  sprich  ap,  —  1,«.    auch:  darin, 
2,3.   kat  de  sprich  kat9. 


38 


3.  aT:jo  ptllaiyo 

vat  raslt  int  strö 
dat  synt  da  lytn  myis 
da  höpt  ja  ken  gö. 
da  SöstA  het  15dA 
ken  lesn  däAtö. 

4.  ai:jo  pülaiijo  da  vintA  vul  kä:mm 
ha  da  5l   man   da   lytja   deAn 

man  nä:mm 
Ja  käk  em  deg  köl,  Ja  rÖA  em 

da  gryt 
vti  v6a  den  oln  man   da   lytja 

deAn  vul  nyt. 

5.  ätjabätja  ö:dA 

brig  ml  n  lytn  brö:dA 
ätjabätja  esU 
brig  ml  n  lyta  swestA 
lex  sa  man  ig  gäAn 
ik  vill  Ja  vul  föväAn. 

6.  snikghüs 

krüp  üt  dln  hüs 

st^k  ala  feA  fif  ügAn  üt 

ven  du  dat  nl  dai:s 

den  slä  ik  dln  hüs  intwai: 

7.  r^igg  r9:gg  ruS 

da  kO:nlx  fäAt  im  bug 

lät  den  r^rgg  (B:bAgä:n 

un  da  le:ba  Junn  vö  kä:mm. 

8.  bü:kö  fun  hallbAstat 

kum  un  brig  mim  pöpm  vat 

vat  sal  ik  mim  pöpm  dem  brigg 

äö  mit  gollna  rigg 

[§o  mit  gollna  knöpm 

dat  pöpm  kan  dansn  un  löpm]. 


C.     Rätsel. 

1.  rürga  rü:ga  rip 

vtt  g9l  is  dl  da  pTp 
vti  swat  is  dl  da  Jak 
rä:t  mal  vat  is  dat. 

2.  bütn  blagk  um  binn  blagk 
is  dox  fli§  um  blöt  magk. 

3.  öl  dik  mttgret 

het  feATuntwintl  föt 

feA  flygkg  un  ö:n  steAt 

rä:t  mal  vat  is  dat  fö  n  deAt. 

4.  twe:be:n  Jet  op  dre:be:n  dä\bl 
le:x  6:mbe:n  dö  kS:m  leAbern 
ne:m  S:mbe:n  k€:m  twe:be:ii 
ne:m  drö:be:n  smet  feAbein 
dat  he  e:mbe:n  falln  let. 

Auflösungen :  1.  Gelbe  Wurzel  (Möhre). 
2.  Fingerhut.  3.  Windmühle.  4.  Zwei- 
bein =  ein  Schuster,  Dreibein  ==  sein 
Schemel  (Bock),  Einhein  =  ein  Knochen, 
Vierbein  ss  ein  Hund. 

D.  Zungenübungen. 

1.  snIrdA  snöA  Jin  SeA  snit  §ap 
§ap  snit  snT:dA  snöA  JIn  äeA. 

2.  ik  st^k  mig  kop  ig  kopAn  put 
ijg  kopAn  put  st^k  ik  mIg  kop 
un  stroi:  dÄA  Jolt  um  p^pA  op. 

3.  e:m  butl  bcA,  twe:  butl  bcA 
dre:  butl  butl  butl  butl  bcA 
fcA  butl  beA,  ft:f  butl  beA 
Jos  butl  butl  butl  butl  beA  usw. 


B.  S^,  synt  tb  sprich  8ynt9,  —  8,4.  Jiöpt  jk  sprich  höpivi.  —  8,«.  auch  dato. 

4,t.  dean  man  sprich  deamman,  —  4,8.  r5A  em  auch  r^rem,  —  4,4.  ölti  man 
sprich  ölmman, 

6,s.  M  ik  fast  wie  sl^ik. 

7,8.  l&t  den  sprich  Uien, 

8,8.  oder  pöpki^  oder  ein  beliebiger  Name. 

C.  1,4.  rL't  auch  rL\ 

4,1.  d&abl  auch:  d<>6i.  —  4,5.  dat  he  sprich  dat9. 


39 


E.     Volksreime, 

1.    ik  sit  un  derjk 
un  tap  un  §er)k 
ven  dat  sü  ke:m 
dat  he  ml  ne:m 
un  he  is  n  timAman. 


2.    til  bet  tli  bet 
vo  n  lesn  het 
vo  ke:nn  het 
mut  ök  ttl  bet. 


F.  Neckreime  auf  Vornamen.*) 

1.  jähan     span  an 
dre  katn  föran 
dre  my:s  förop 

der)  gai:t  dat  ii)  galop. 

2.  ]äkop  Jet  n  käk  op 
et  n  hlA  op  Jet  n  däA  op 
et  n  bä:bm  opm  krempA  töAnop. 

3.  matn 

löpt  mit  all  do  swatn  katn 
dcBA  dd  latn. 


G.     Hochdeutsch. 


dö  mögg  kä:m;  es  äoixtn^)  Jaina  trite 
d9n*)  lai:Jn  §lä:f,  d6  mix')  galint  umfirjk, 
das  Tx,  evaxt,  aus  mainA  stilln  hyta 
d9n  bßx*)  hinauf  mit  fri§A  Jerla  gigk ; 
Ix  froiita  mix  bai  ainam*)  je:dn  Srita 
de  noian  blürma®),  dl  fol  tropfn"^)  higk; 
d6  juija  tax  6höp  six  mit  entsykij, 
unt  al9s  vä  ökwikt,  mix  tsü  ökwiki). 


SOLINGEN. 


J.  Bernhardt. 


E.  2,2.    lesn  Leisten  ist  offenbar  entstellt  aus  lefsn  Liebsten. 

*)  Ich  gebe  hier  nur  einige  Neckreime,  und  zwar  solche,  die  im  Korr.-Bl. 
XII  69,  XIII  50  nicht  aufgeführt  sind. 

F.  1,4   sprich  dej^gautatij^Uap. 

2,s.  hia  op,  dSuA  op  auch  hlarop,  däarop. 
3,s.   löpt  mü  sprich  löp  mit 

6.  Nachlässiger:  ^)  e&loioctn  oder  elotxtn,  ')  das  ^  sehr  flüchtig,  aber  doch 
nicht  =  9.  *)  demix,  *)  d^mb6x,  das  ^  wie  unter  2.  *)  aimm,  •)  fast  denoitnblü.-m». 
')  tropfm. 


40 


Die  Präpositionen  nnd  präpositionalen  Adverbien  in  der 

Medlenbnrjer  Mondart 


Der  Gebrauch  der  Präpositionen  in  der  heimischen  Mundart 
weist  starke  Besonderheiten  auf,  die  von  der  Kraft  der  Sprache  unseres 
Volkes  beredtes  Zeugnis  geben. 

Die  Aufgabe,  ^esen  Stoff  in  möglichst  ausgiebiger  Weise  zur 
Darstellung  zu  bringen,  erschien  um  so  verlockender,  als,  soweit  ich 
sehe,  eine  umfassendere  Stoffsammlung  auf  Grund  einer  anderen 
niederdeutschen  Mundart  bisher  nicht  versucht  worden  ist.  Natürlich 
kann  auch  ich  nur  einen  geringen  Bruchteil  des  wirklichen  Spracb- 
bestandes  geben ;  jedes  längere  Gespräch  mit  Leuten,  die  einer  reinen 
Sprache  mächtig  sind,  bringt  neuen  Zuwachs. 

Als  Vorarbeit  konnte  die  kurze  Zusammenstellung  in  der  Gram- 
matik von  Mussäus  (S.  79 — 84)  benutzt  werden.  Die  Dialectlitte- 
ratur  ist  eingehend  zu  Rate  gezogen.^) 

Alle  Wendungen,  bei  denen  eine  Quellenangabe  fehlt,  entstammen 
dem  Volksmunde  und  sind  nahezu  ausnahmslos  von  mir  selbst  seit 
1884  in  den  verschiedensten  Gegenden  des  Schweriner  und  Strelitzer 
Landes  gesammelt  worden. 

Die  Herkunftsorte  der  einzelnen  Stücke  anzugeben,  erschien  für 
die  Zwecke  der  Arbeit  nicht  erforderlich  und  damit  glaubte  ich  denn 
auch  von  einer  Darstellung  der  lautlichen  Unterschiede  der  Einzel- 
Mundarten  unseres  Landes  absehen  zu  sollen. 


')  Verzeichnis  der  häufiger  angeführten  Werke :  Bartsch,  Sagen,  märchen  und 
gebrauche  aus  Mecklenburg.  I.  IL  Wien  1879/80.  —  Brinckman,  Kasper  Ohm  un 
ik.  Rostock  1868 ;  Vagel  Grip.  Güstrow  1859 ;  Peter  Lurenz  bi  Abukir.  Rostock 
1868;  Uns  Herrgott  up  reisen,  ebd.  1870;  Voss  un  swinegel,  ebd.  1877;  Uöger 
up,  Mottje  Spinkus  un  de  pelz,  de  generalreder,  ebd.  1886.  —  Derboeck,  Spledder 
un  spöhn  I.  II.  Berlin,  Drewitz  o.  J.  —  Dolberg,  Eine  Küstenwanderung  von  der 
Waruow  bis  Wustrow.  Ribnitz  1885.  —  Nie.  Gryse,  Leien  Bibel.  Rostock  1604.  — 
Wilh.  Heyse,  Punschendörp,  Neubrandenburg  1861 ;  Frische  Kamiten  ut  Krischau 
Schulten  sin  Muskist.  Berlin  o.  J.  —  Laur.  Niederdeutsche  Scherzgedichte  von 
Job.  Lauremberg  ed.  Braune.  Halle  1879.  —  Löper,  Acker,  Wischen  un  veih. 
Berlin  1886.  —  Mantzel,  Bützowsche  Ruhestunden.  26  The.  Bützow  1761—67.  — 
Mi  (Sibeth)  Wörterbuch  der  Mecklenburgisch- Vorpommerschen  Mundart  Leipzig 
1876.  —  Müller  und  Friese,  Feldblaumen.  Norden  1889.  —  Muss,  J.  Mussaeus, 
Versuch  einer  pld.  Sprachlehre  mit  besond.  berücksicht.  der  meckl.  mundart.  Neu- 
strelitz  1829.  —  Baupach,  de  linguae  saxouiae  inferioris  neglectu  atque  contemtu 
iniusto.  Rostock  1704.  —  Hans  Beinholä,  De  schatzgrawer  un  sin  kind.  Neu- 
brandenburg 1804.  —  Carl  Reinhold,  De  holtrevolutschon  to  Holteck.  Wittenberg 
1861.  —  Beuter,  Werke,  Volksausgabe  in  7  Bänden.  Wismar  1885.  —  Schlu, 
Isaac  ed.  Freybe.  Norden  1892.  —  Schröder,  As  't  de  Garw  givt,  Güstrow  1880. 
—  Gildemeister,  Jochen  Frank.  Rostock  1895.  —  Stülfried,  De  Wilhelmshäger 
Kösterlüd  I.  IL  Rostock  1887.  88;  Ut  Sloss  un  Käthen.  Leipzig  1890;  Biweglang. 
Rostock  1895.  —  Wagtsmügott,  Dörpgeschichten  I.  II.  Stavenhagen,  o.  J. ;  ^ning 
un  Mariken,  ebd. ;  Söss  pld.  Geschichten  von  den  ollen  Badmaker  Martin,  ebd.  1878. 


41 

aehter.  be  is  so'u  beten  acbter  sik  'geistig  heschränkt\  —  tein  wagens 
het  he  acbter  (die  Lokomotive  der  Eisenhalm).  —  de  en  por  gröscben  achter 
sik  harr.  Betiter  V  25.  —  he  is  ümmer  kort  achter  'ohne  Geld,  iji  Nahnings- 
sorgen*.  —  ik  bün  dor  acbter  to,  dat  wi  de  schap  afschaffen  'suelie  es  durch- 
zusetzen'.  —  de  (bunn)  süud  dor  slimm  achter  to  ^hinter  den  Mäusen  her\  — 
to  achter  kamen:  to  hinner  kamen  'in  Abnahme  geraten'.  —  de  het  achter 
Bnssland  rin  noch  twe  göder.  —  dor  harren  wi  enen  knecht  acbter  Rostock  her.  — 
achter  de  scbol  lopen  'schwänzen'.  Derboeck  I.  9.  —  acbter  öwerwind  gabn.  — 
(Adjectiviscb:)  up  de  achter  Station.  Derboeck  I  27.  —  dat  süU  em  för 
acbter  tid  ne  wamnng  sin.  Derboeck  I  141.  —  dat  geibt  achterlicb  (Gegensatz 
zu  furtlich.)  —  hennacbtem.  Mantzel  15,  40.  —  mi  is  so  to  mot,  as  wenn 
ik  yon  achtem  to  behext  bün.  —  achtema  löppt  dünnbier  Schiller  II  4.  — 
ein  schrit  lanck  achtemtb  Laur.  11  770.  —  achtemt!  'ganz  und  gar  nicht'.  — 
achterüml  ebenso,  Muss.  83.  —  be  wahnt  achterüm.  —  acbteröwer!  ivie 
aehiertit,  —  dat  is  acbteröwer  'verloren'.  —  acbter  ihrgistern!  —  achterkänen 
'unederkäuen'.    Brinckman  Grip.  —  acbterrügge  'hinterrücks'.    Gryse  III  D  la. 

—  de  leg  achterwarts  den  krog.  Stiüfried  Ut  sloss  12.  —  achterwarts  adverbial 
Müller-Friese  44.  —  be  böUt  sik  in  de  achterkant  'hn  Hintergrunde'.  —  dat 
is  *n  achterwischigen  'einer  au^  der  Gegend  hinter  den  grossen    Wiesen  her*. 

af.  ik  bün  von  af  'bin  frei  davon'.  Muss.  81.  —  ik  kann  nix  af 
'nichts  vertragen'.  —  be  kann  dat  nicb  af  'kann  das  nicht  durchhalten'.  — 
de  spaden  kann  dat  nicb  af.  —  dat  mag  dat  nicb  af  'das  tcirß  das  GescMft 
nicht  ab',  —  ne,  dat  is  af  'das  ist  vorbei'.  —  de  weit  dor  nix  af.  —  mag  dor 
ken  wurt  af  ?  mllst  du  nicht  das  Schweigen  aufgeben'.  —  de  bodder  will  nicb 
af.  Stillfried,  Biweglang  79.  —  bet  be  dorvon  af  möt.  Brinckman  Herrgott 
170.  —  dor  kannst  du  up  af,  dor  känen  Se  säker  up  af  'das  können  Sie  sieJier 
glauben'.  —  dor  von  af  'davon  abgesehen'.  —  dor  is  dat  enn  von  af.  —  he 
hUrt  dat  all  mit  af.  Brinckinan  E.  0.  226  Herrgott  229.  -—  he  borkt  dat  mit 
af.  —  de  slapen  ihrst  god  af.  —  de  het  sik  afvertellt  'weiss  nichts  mehr  zu 
erzählen'.  —  wi  bebben  affodert  'sind  fertig  mit  dem  Futtern'.  —  ik  bef  mi 
wol  afkeken  'versehen,  geirrt'.  —  be  wahnt  uppe  afkant  'entlegen'.  —  von  wid 
af  bürt  be  dat  ropen.  —  sidaf  'abseits'  Reinhard  Harwstblomen  2.  Brinckman 
Herrgott  169.  205.  —  afsid  ib.  160.  —  (raf.  raffer:)  be  giwwt  sik  to  wid 
raf.  —  ik  bün  all  viertig  johr  ra£fer  west  'von  der  Insel  Pocl  fort  gewesen'. 

—  rafferriten.  Gildem.  Frank  241,  rafferstoten,     ib.  210. 

ahn.  an  de  bakens  wir  alles  holt  ahn  de  well  an  dat  hakiseu  '7nit  Aus- 
nähme'  .  .  .  Löiyer  42.  —  ahn  mit  de  pird.  Löpei'  151.  —  ahn  von  ehr 
mudder.  ib.  181.  vgl.  23.  —  be  is  'n  abnwat  'hoyno  impotens'.  Mantxd  2,  3.  — 
he  is  so  ahnwattig  'kraftlos'.  —  de  koh  is  so  ahnfleischig  *mager'.  —  ahne  bloi 
nnd  ahne  huschen  vgl.  Gloede  Korr.-bl.  XVII  55.  —  de  snnppen  is  nicb  abnig 
to  warden.  —  dat  bün  ik  abnig  'verlustig'. 

an.  de  is  wol  an.  de  is  god  an.  Muss.  80.  —  de  is  god  bi  em  an  west. 
wenn  he  mit  de  dOschers  god  an  wir.  Löper  151.  —  dor  is  be  god  mit  an 
west.  —  ik  wuU  den  jung  an  'wollte  ihn  s}/reehen'.  —  be  möt  an  'er  kann 
nicht  umhin'  Muss.  80.  —  willen  Se  to  land  an?  be  geibt  to  land  an.  — 
an  denn  to  bas  an.  as  be  to  bas  an  güng.  Wagtsnütgott,  Anning  12.  — 
ik  müsst  to  lager  an.  —  ik  bef  dat  sehn,  dat  be  to  em  an  gabn  ded.  —  de 
seeband  güng  glik  to  bodden  an.  —  he  is  klewan,  —  strewan,  —  stroman,  — 
he  is  nich  god  koppan  'bei  Laune',  —  he  geibt  kojean.     Brinkrfian,  Ldcrcnz  20. 


42 

—  he  müsst  lageran.  —  he  kann  dat  nich  anwarden  ^sich  flieht  daran  gewöhtien'. 
se  is  dat  riw  anworden.  —  seiht  jng  man  'n  bäten  an  em  yör.  —  dat  fehlt  an 
em  ^er  wird  vermissV.  —  hol!  nich  up  doran  ^höre  nicJii  auf  damit\  —  se 
seten  dicht  an  dicht.  —  all  willen  se  dicht  an  dicht  bi  vaddiug  sitten.  WeUner 
wat  sik  dat  volk  yertellt  3.  —  mit  de  dirn  is  dat  all  föte  an  föte.  —  se  is  ne 
swester  an  em.  de  is  swager  an  em.  de  is  brnt  an  em.  —  dor  wir  he  fründ 
an  'mit  dem  war  er  verwandt',  auch:  he  frünnt  an  mi.  —  dat  is  cämmereigod 
an  Pärchen.  —  ik  hebbe  kene  kennts  an  em.  Mctntxel  Bütz.  rnh.  15  no.  46.  — 
man  god,  dat  de  dirn  an  'n  kirl  is.  —  an  de  forst  kost  dat  nix.  —  he  sfiU 
Ünnersöken,  wat  de  (smuck)  an  würden  wir.  Kreuix^yr  mekl.  gerichtsztg.  1887. 
pag.  2.  wi  holen  em  gor  nich  an  wirt  'für  wertvoW.  —  dat  (veih)  höUt  sik 
bäter  an  ^n  liw.  Löper  156.  —  de  is  noch  gor  nich  an  de  kried  'fioch  gar  nicht 
angeschrieben^  —  de  is  god  an  dagen  'gut  bei  Sache',  —  de  is  nich  omlich 
an  de  pinn  'bei  schlechter  Laune\  —  wenn  se  'n  bäten  bäter  an  *n  pris  wiren. 
de  ort  is  timmer  god  an^n  pris.  —  wo  de  Ittd  nich  so  ann  globen  sünd.  — 
dat  is  all  nich  mihr  so  an  de  weit  —  he  süll  mi  an  den  globen  helpen.  — 
de  will  em  wedder  an  sinen  deinst  verhelpen.  —  o  kond  ick  wedderfim  an  myn 
junckdohm  geraden.  Laur.  I  311.  —  dat  yck  nn  an  eyne  snke  velle.  Böheler 
fasin,  p.  66  y.  84.  —  he  is  min  lewdag  noch  nich  an  mi  kamen  'hat  den 
Beischlaf  mit  mir  nicht  geühf,  —  he  künn  nich  wedder  an  hus  kamen,  hat 
geht  't  an  *t  hns.  ygl.  Brinckman  Kasper  Ohm  288.  de  is  nich  an  hos.  dat 
se  gor  nich  ens  an^t  hns  schriwwt.  —  ik  btin  noch  gor  nich  an  de  strat  west.  — 
yon  ....  nix  an  Simon  to  seggen.  Brinckman  höger  np  154.  —  an 
Lowise  knnn  se  yon  ehren  fnnd  nix  nich  seggen.  Betiter  VI.  375.  —  he  mellt 
dat  an'n  amtsyerwalter.  —  so  yermellt  he  denn  an  den  kämmerling.  Brinckman 
höger  np  48.  —  ik  harr  kenen,  an  den  ik  mi  afklagen  künn  'dem  idi  mein 
Leid  klagen  konnte*,  —  de  deuwel  kann  andacht  an  ne  red  hebben.  Beuter 
VII  291.  —  he  bmmmt  an  sik.  —  dat  seggt  he  so  an  sik.  —  he  denkt  so  an 
sik.  dat  harr  he  so  an  sik  dacht.  —  Die  Deminutiyform  anning  finde  ich  bei 
Gildem,  230.  wat  kickt  dat  ein'n  so  sänting  anning.  —  denn  nödig  ik  mi 
Panlen  an.  —  wnrt  em  mal  an.  —  so  bi'n  anschummem  'beim  Anbrechen  dfr 
Dämmerung',  —  anjetzt.  —  anstäden.  —  de  anaust  'der  Beginn  der  Ernte\  — 
anöwer,  anbarg  'Anhöhe'.    Mi  s.  v. 

baben»  he  hakt  drei  toll  haben  Stoppel.  —  den  (snaps)  kann  mau  haben 
'n  döst  drinken.  —  se  krigt  noch  schell  haben  ehren  goden  willen.  —  haben 
herzen  hen  roren.  dat  is  so  haben  harten  seggt.  —  de  frag,  de  ik  haben  dit 
capitel  schreben  hef.  Löper  158.  —  de  is  na  haben  gähn  von  Verstorbencfu  — 
ik  gab  glik  na  haben  'an  die  höheren  Stellen'.  —  he  is  enen  haben  kamen 
vom  Schüler.  —  ach  so,  Se  willen,  dat  (die  alten  sagen  und  reime)  sali  nu 
wedder  na  haben  kamen.  —  he  snackt  yon  bähen  dal.  —  dor  geht  dat  yon 
haben  dal.  —  yon  haben  hendal  Wagtsmitgott  söss  pld.  gesch.  96.  —  he  gift 
dat  babenin.  Mtiss.  80.  —  he  het  de  babenhand.  —  bäbelwarts.  Mi  s.  v.  — 
he  is  de  bäbelst 

bet«  het  de  tid  hen.  —  het  des  tid  her.  —  het  so  lang  her  Wagtsmitgott 
Anning  88.  —  bet  utgemakte  sak.  Beuter  I  349.  —  het  de  letzt  stunn  Beuler 
IV  258.  —  bet  dorto.  Brinckman  Ohm  269.  Stillfried  W.  K  n  257.  — 
bet  herto.  Stülfrkd  W.  K.  H  77.  157.  185.  249.  —  bet  hero.  —  bet  hierento. 
Beuter  IH.  63.  —  bet  hierto.     Stillfried  W.  K.  I.  322. 

bl.  bi  markttiden.  —  bi  harwsttideu.  Stillfried  W.  K.  11  6.  193.  — 
bi  harwsttid.     Gildem,  76.  —  bi  sommerstiden.   —   bi  abendtiden.   —  dat  wir 


43 

bi  Hahnen  tiden  ^zu  Zeiten  des  71ieatcrgrafeti\  —  bi  den  sin  wahnstid  hebben 
se  in  freden  lewt.  —  undank  is  de  weit  lohn,  de  weit  lohnt  bi  johrstid  nich 
beter.  —  bi  tids  ^reehtxeüig',   —  dat  is  bi  sommerdag  west.   —  bi  winterdag. 

—  bi  avendt  und  bi  morgen.  Laur.  beschluht  66.  —  biünner  'bisweilen'.  — 
bi  schnern  'xeitweise\  —  bi  tnrwis.  Wagtsmitgott,  Anning  10.  37.  —  bi  Wih- 
nachten  nt.  —  bi  Wihnachten  umher.   —  bi  nagen  fimher.  —  bi  hento  elben. 

wenn  dat  harr  bi  regen  bieben.  —  bi  leben  süht  se  beter  np  (cds  auf 
dem  Bilde),  —  ein  bi  ein  'einzeln'.  (Mi.)  —  se  fallen  ein  bi  ein.  Brinchrnan 
Grip  194.  —  drei  bi  drei  up  enen  sack.  Siillfried  W.  K.  II  111.  —  dor  gähn 
se  por  bi  por  spazieren  (so  auch  Laur.  11  340).  —  dat  is  ritz  bi  ritz  un  slatz 
bi  slatz  von  zerrissener  Kleidung.  —  höhn  bi  höhn.  Beuter  I  233.  —  by  kisten 
vul.  Laur,  II  661.  —  by  hupen.  Gryse  n  G  la,  11  K  la,  I  Cc  la.  Laur. 
n  660.  —  wi  döschen  dat  bi  fackwis  ut.  —  bi  schichtenwis.  —  nu  kamen  se 
bi  hümpelwis.  —  ik  hef  dat  bi  pundwis  yerkö£ft.  —  de  warden  bi  stttckwis  ver- 
köfft.  —  dor  sttnd  se  bi  dusendwis.  —  se  müssten  all  bi  enwis  röwer  'einzeln*. 

—  bi  städwis  'stellenweise'. 

he  is  bi  'dabei'.  Muss.  80.  dor  wir  he  mal  mit  bi  'da  JuUte  er  auch 
noch  mitzusprechen'.  —  de  denstdims  sünd  htttigen  dags  nich  to  kennen  von 
de  eddellttd,  blos  bi  de  sprak.  —  den  kennt  he  bi  de  feddern.  —  ik  seih  dat  bi 
dat  geld  'am  Gelde'.  —  he  weit  dat  bi  sik  sülm.  —  dat  weit  ik  bi  de  Inft 
'ob  es  regnen  vnrd'.  —  ik  weit  dat  bi  de  brak.  —  wo  weit  de  oss  dat  bi.  — 
dorbi  (am  oktanten)  weiten  se  dat.  —  dor  is  ken  rath  bi.  —  dor  is  ken  twifel 
bi.  —  dor  wir  gor  ken  fragen  bi.    Löper  152.  —  dor  httrt  en  scharp  seiss  bi. 

—  de  hürt  bi  de  höhner  von  einem  Menschen  mit  kurxsn  Beinen.  —  dor  geiht 
't  man  dicht  bi  'geht  es  nur  armselig  her'.  —  dat  geiht  ümmer  bäter  bi  'vor- 
wärts'. —  he  het  den  brunen  bi  nahmen  'als  Ilandpferd  gespannt'.  —  de  vörbi- 
mähr  'das  Pferd,  das  vorne  rechts  gehf.  —  de  geiht  hinnenbi  'als  Handpferd'. 

—  vgl.  hinnenüm.  —  willn  'n  bäten  bi  wesen  'uns  daranmacJien,  z,  B.  ans 
Kartenspiel'.  —  dat  de  säg  dat  letztemal  bi  west  is  'heim  Eber'.  Löper 
185.  —  wi  hebben  se  nülich  bi  bröcht:  zum  Bollen,  sünd  all  ihrensaken,  wenn 
de  koh  bi'n  bullen  bröcht  ward.  —  enen  bi  de  kusel  nehmen :  einen  Priem.  — 
de  hund  sali  bi  de  ked.  —  willn  Se  bi  den  lihrer?  'den  Lehrer  bestichen'.  — 
ik  hef  all  ümmer  bi  Se  wullt.  Heyse,  kamiten  1.  —  ik  will  nich  bi  de  kinner 
gähn  'mich  als  Kindermädchen  vertnieten'.  —  wo  kümmst  bi  den  deuwel!  — 
by  dat  Unglück  kamen.  Gryse  L.  B.  III  B  2  b.  —  bi  gewalt  kamen.  Mi  s.  t. 
bi.  —  wenn  Se  bi  em  kamen.  —  dor  kümmt  de  wulf  bi  em  un  fröggt  ...  — 
se  schwigt,  bet  se  bi  lüden  kümmt.  Mantzel  20  no.  21.  —  he  biddt  bi  den 
könig.  —  dat  schipp  bi  de  wind  leggen  vgl.  Brincknmn,    höger  up   167,  212. 

de  is  nich  recht  bi  sik  'schwaclmnnig,  auch  =  krank',  büst  wol  nich 
bi  di  'Jiast  wohl  kein  Geld'.  —  de  is  god  bi  sak  'um)JU  genährly  auch  wohl- 
habend', ebenso :  de  is  god  bi  schick.  —  he  wir  nich  recht  bi  gröschen  'schwach- 
sinnig'. —  de  is  beter  bi  kopps  as  ik.  —  he  güng  so  bi^n  stock  als  Bettler. 
de  by  den  stocken  gähn  van  grotem  older.  Gryse  L.  B.  I  N  4a.  —  de  gähn 
mi  bi  hut  un  hör  nix  an.  —  em  föllt  dat  jo  bi  tein  mil  wegs  nich  in,  dat  .  .  . 
Brinckman,  höger  up  143.  —  bi  en  viertelwegs  ib.  122.  —  dat  hängt 
blos  noch  bi  graden  tohop  von  einem  alten  Hause.  —  wenn  man  maidag  den 
weiten  bi  de  lücht  söken  möt.  —  he  harr  jo  bi  de  brill  weigen  müsst. 

alles  wat  bi  un  nah  wir.  Stillfried  pld.  sünndagsbladd  1890.  94.  — 
biher.  dat  is  'n  biherlöper  'flüchtiger  Arbeiter'.  —  binebenher.  —  bihen.  Muss.  80. 

—  bian.  (Mitss.  80.  Mi  s.  v.)  bian  von  den  wagenslag.  Derboeck  11  224.  — 
de  het  ^n  lütten  bian  vom  Schwachsinnigen.  —  lütt  bummel  bian  zum  Kinde. 

—  bi  de  mag  to  äten  'über  den  Appetit  hinaus'.  —  dat  is  bito  fallen,  he  schütt 


44 

bito.  by  thü  dor  kann  man  am  besten  drapen.  Laur,  Jhb.  III  100.  —  flüstert 
80  biwegs  verluren.  Gildem,  179.  —  vgl.  biweglaug,  bihuselang.  s.  lang.  — 
de  het  son  bifällen  ^Einfälle',  —  bybröke  ' Nebciisirafcn .  Ocmckc  bei  Wiech- 
mann  II  94.  —  de  bidörper  ' Nachbar döi'fer\  —  bygelouen.     Gryse  I  0  2b. 

biunen.  gab  binnen.  —  stek  dat  geld  binnen  Hn  die  Tasche,  —  dat  het 
he  all  binnen  hablt,  voni  Seeräuber  'ans  Land  gehoU\  —  haben  binnen  kamen. 
Brinckman  Ohm  11.  —  binnen  lauds.  Muss,  80.  binnen  uude  baten  landes. 
Gryse  0  2a.  binnen  lands  möt  de  kaptain  sik  vörsehn.  —  binnen  felds  is  he 
noch  to  bruken.  —  binnen  hüt  un  morgen.  JÜIuss.  80.  —  binnen  klock  ein  süll 
dat  farig  sin.  —  de  koh  geiht  einen  monat  binnen  johr  'elf  Monate\  —  de  is 
binnen  an  baten  glasürt.  —  de  bibelsch  geschieht  kennt  he  binnen  an  baten. 
Stillfried  W.  K.  I  42.  —  binnenklok  'überklug\  —  binnen  vergnögt.   lieuter  V  214. 

baten,  de  het  baten  Hamborg  deint.  —  de  geiht  mi  ümmer  baten  weg 
(Weg),  —  führ  baten  de  trad.  de  weg  güng  baten  de  trad  to.  —  as  se  baten 
den  dar  kernen.  Betiter  V  173.  —  gistern  hebben  wi  em  noch  baten  bedd  ut- 
trocken.  —  baten  hasch  is  god  reden.  —  dat  is  baten  minen  dummen  verstann. 
3[uss.  80.  —  dat  het  he  baten  kopp  lihrt.  —  dat  is  ganz  baten  tids  'ausser- 
gewöhnlich'.  —  früher  würd  blos  inn  frühjohr  an  harwst  heiratht,  na  geht  dat 
butstids.   —   se  lopen  baten  tids  'planlos  ins  Freic\   —   he  folirt  baten  lands. 

—  dat  is  bateu  bards  segelt  'verloren'.  —  dat  weit  ik  all  buten  boks.  Rein- 
hold,  de  holtrevolutschon  22.  —  dat  weit  ik  von  baten  bok.  —  he  weit  sin  lex 
von  bateu  to.  —  hebben  Se  dat  ut*n  bok?  ne  von  butcu  to.  —  de  sttnd  ganz 
baten  vor  'stehen  im  Ansehen  weit  vor  den  anderen'.  —  ut  un  bat  schön. 
Muss.  80.  —  de  rechts  butenat  löppt,  dor  seggen  wi,  de  geht  np  'n  bullensädel. 

—  dat  butenst  end.  Müller-Friese  41.  —  butenwendig.  Gildem.  21.  —  bnt- 
warts.  Ikuter  IV  275,  V  398,  VII  233.  —  de  butendurschen  'die  Bewohner 
der  Vorstädte',  {Muss.  80.)  —  de  butenlüd.  Manlael  VI  59.  —  de  swälk  is 
früher  'n  baten vagel  west.  —  dat  buteuweseu  'die  Änssenwirtschaft\     Mi  s.  v. 

—  butenarbeit.  Wagtsmitgott,  Anning  3.  —  butenaben  'Ofen,  der  von  der 
Küche  aus  geheizt  wird'. 

dal.  de  (miether)  wahnt  nix  dal.  —  hebben  wi  den  robber  dal?  beim 
Whist,  ,xu  Ende  gespielt'.  —  he  lep  stratup  stratdal.  C.  Reinhold,  de  holt- 
revolutschon 31.  —  se  besehn  Berlin  sik  up  an  dal.  Ileyse,  kamiten  19.  — 
he  het  de  mätens  up  an  dal  fragt.  —  up  un  dale  setten  'beklatschen'.  Gryse 
I  0  2b.  —  dal  kamen  'gebären'.  —  dor  kann  man  sik  dal  argern.  —  sik  dod 
an  dal  lopen,  arbeiten  u.  s.  w.  —  de  führt  alles  dod  an  dal.  —  de  joggt  alles 
um  an  dal.  —  de  kümmt  wol  bi  uns  dal  vom  Hochmütigen.     Mantxel  14,  35, 

—  he  gift  sik  so  anner  dal  'erniedrigt  sich'.  —  sik  dal  geben  'sieh  xufrieden 
geben,  sich  beruhigen'.  (Mi.)  —  den  annern  winter  känen  Se  sik  mit  dissen 
aben  nich  wedder  mit  dalgeben.  —  dat  regent  ümmer  liek  dal.  —  dor  leg  he 
kopp  dal.  —  hendalen.  —  he  wasst  dalwarts  as  de  kohstart.  —  dalbarg  neben  bargdal. 

dtfreh.  de  landlüd  känen  hüt  nich  dörch.  —  he  kann  dor  nich  mit  dörch 
'flieht  damit  auskommend   —  johren  dörch.   —   dor  blew  he  johrenlang  dörch. 

—  henner  fiwen  dörch  'nach  fünf  Uhr'.  —  wat  is  de  klock  ?  tein  minuten  dörch 
tein  'nach  zehn  Uhr'.  —  dat  geht  nich  anners  dörch  de  grote  tall.  —  dat  het 
se  dörch  angst  dahn.  —  A :  dat  litt  he  nich.     B :  wodörch  nich  ?  'waimni  nicht  ?' 

—  sik  dörch  den  döst  drinken.  —  dat  he  dörch  den  dost  kern.  Kretitier,  nickl. 
Gerichtsxeitung  1888.  12.  —  edder  kumstu  dorch  den  smack.    Oemeke  bei  Wiech- 


45 

mann  2,  92.  —  fretsack,  ausbund  is  he  dörch  'n  barg  ^durch  und  durch\  — 
ik  bün  ganz  mit  dörch  ^eimiidet'.  —  he  is  all  ganz  dörchhen  vorn  Säufer. 
Manixel  15,  30.  Siillß'ied,  Ut  sloss  207.  —  he  lest  sik  rein  dörchhen.  —  was 
se  (die  kalotte)  dörchhen  besudelt.  Lau7\  II  694.  —  de  is  dörchweg  ^nicht 
ganz  bei  Sinnen'.  —  he  geiht  furtsen  dörchweg  vorn  Ungestümen.  —  de  kümmt 
hier  so  blos  dörchher  'ab  mid  zu\  —  dörchut  un  dörchüm  'durchaus',   Muss.  82. 

—  dör.  Muss.  82.  So  noch  heute :  dat  güng  ne  fine  fohrt  dör.  se  wiren 
dorvör,  se  müssteu  ok  dör.  WagtmnitgoU,  Dörpgesch.  II  10.  —  dörcher. 
Qildem.  101.     vgl.  hendörchen,  hendörcher,  s.  hen. 

gegen,  gegen  is  he  ümmer.  Mu^s.  83.  —  ik  mag  dor  nich  gegen 
^darange}ie7i\  —  dat  is  mi  entgegen  'unangenehm'.  —  de  säd,  se  wallen 
all  dor  gegen  starben,  dat  he  nix  dahn  harr  '.sie  .seien  alle  von  seltner 
Unschuld  fest  überxsugt\  —  ik  hef  'n  herzensolo  gegen  drei  'ohne  drei  Buhen. 

—  gegen  den  tusch  ik  noch  lang  nich.  —  as  se  gegen  de  Qürlitzer  kirch  kemen. 
Ileuter  VI  229.  —  de  sitt  gegen  mi  'neben  mir\  Muss.  83.  —  de  wahnt  gegen 
em.  —  se  het  gestahn  gegen  den  schandoren  'dern  Gensdarm'.  —  he  möt  afbed  dohn 
gegen  den  tunkönig.  —  beklaget  sik  gegen  ehr.  Orijse  II  L  3b.  —  gegendess 
'unterdessen'.  —  dor  küun  man  gor  nich  gegen  hen  kamen  '7iicht  mitkomvieti', 
bei  einem  scharfen  Ritt.  —  von  gegen  to.     Löper  130.   —   gegen   vör'n   johr. 

—  Reuter  un  köster  Snhr  wiren  oft  gegensidig  'im  Streit'.  —  en  buer  künn 
em  dat  gegendeil  maken  'war  ihm  gewarJisen'. 

gJSL  gttiit  'hinten,  jenseits',  he  wahnt  dor  ganz  göt.  —  dor  göten, 
gOnten.  —  dor  günnern.  —  günnerthen.  Baif^ach  61.  —  dor  güut  bi  den  see. 
Drhwkman,  höger  up  .  .  .  9.  —  dor  günt  den  see  'jenseits'.  Drinckman, 
vagel  grip  129.  —  dor  günt  de  boeken.  ib.  172.  —  iünt.  {Muss.  82.)  jünt 
de  bäk.  —   Vgl.  7ioch  up  jensids.    Stillfried  W.  K.  II  9.  —  up  jensid  den  see. 

halben,  d erohalber.  —  dererhalben.  —  dorümhalben,  Löper  92.  —  dor- 
vonhalben.  —  von  deshalb.  —  dat  deiht  he  vorn  schimps  halben  nich.  —  wegen 
umstand  halber.  —  tim  weitenhalbent  dor  is  ken  frag  von.  —  betreckens  halber 
kann  dat  gähn.  —  wenn  dat  noch  so  nothalben  gähn  deiht. 

hen.  de  is  hen  rute  fallen.  —  he  hürt  hen  Ithaka  to  hus.  Neun  pld. 
Gütterge.spr.  31.  —  dor  hebben  se  *t  nich  vor  hen  'für  den  Preis  können  sie 
sich  kein  Haus  bau-en  lassen'.  —  dor  regent  *t  wedder  hen.  —  bums  lag  he 
hen  im  Ilätsel  vom  Talg-Licht.  —  de  (fru)  krigt  se  ümmer  hen  'ihre  Männer 
xu  Tode\  —  he  is  hen  'totj  bankerott'.  Mi  s.  v.  —  du  btist  wol  hen  'Imst 
das  Spiel  u)ohl  verloren'.  —  nu  is  man  doröwer  hen  'man  hat  kein  Interesse 
mehr  daran'.  —  gegen  frühjohr  hen.  —  he  jog  dat  dörp  hento.  Stillfried  W. 
K.  I  32.  —  den  aunern  dag  gegen  morgens   hento  klock   tein.     Beuter  V  272. 

—  bet  hento  Moskau.     Reuter  II  415.  —  bet  dortohen.     Still fried,  Ut  sloss  55. 

—  de  klock  ward  hen  tein.  —  henter  klock  acht,  henter  tein.  —  dat  dÖrp  liggt 
henter  N.  Mantxel  3,  40.  —  bi  henter  elben.  —  henner  fiwendörch.  —  he  seggt 
em  dat  vörhen  'voi'her^.  —  gewöhnlichhen.  —  hen  un  wenn  'hin  und  wieder, 
mitunter ,  —  gemeinhen  'meisV.  —  dat  se  gradhen  vergiftig  sünd.  Löper 
182.  —  he  blew  ümmerhen  ehr  fründ.  Wagtsmitgotty  Gesch.  90.  — 
hendörchen.  Renter  II  291.  Vgl.  mankheudörch.  —  de  het  sin  plücken 
hendörchbröcht.  —  en  hendörcherbringer,  Stillfricd  W.  K.  I  302.  — 
hendörcher.  Reuter  I  334.  Gildem.  50.  —  hendalen  vgl.  dal.  —  näwer.  gab 
mal  ilen  näwer.     Auch  bei  Reuter  V  324.  —  heninner,  heuunner,  henuppen,  so 


46 

aiich  hei  Heyse,  kamiten  113.  —  nnppen  gähn.  —  nnp.  Heyse,  kamiten  3.  — 
nuten,    ib.  155.  —  Ueber  hen  mit  dem  Infinitiv  vgl,  Korr. -El,  XVII  6L 

her.     all  de  schuern  möten  wi  ihrst  her  hebben.  —  her  mttssten  se  *ker- 
Jialten  rmissien  die.  Pferde!.     Vgl.  Oildem.  93.  —  sin  tid  un  stund  is  her  west. 

—  wenn  de  johren  her  sünd.  —  dat  is  vor  lange  j obren  her.  —  so  laug  her  is 
dat  so  west  'bisher^.  —  ümmerher.  dat  is  all  ömmerher  so  west,  auch  bei 
Beuter  I  304.  —  her  künn  se  jo  noch  ümmer  wedder.    Still fried  W.  K.  II  137. 

—  von  snack  her  weit  ik  dat  ^von  Hörensagen^  —  ik  bün  bi  Woren  her  to 
hus.  —  ümlangsher  'rings  Jierum*.  Mantzel  15  no.  80.  —  bäter  gift  dat  hier 
Umlands  her  nich.  —  Vgl.  twischenher,  sörreher,  dörchher,  bet  herto.  —  dat  is 
all  so  hen  as  her.  he  kann  nich  mihr  her  un  hen.  Oildem.  133.  —  he  tröggt 
ehr,  wo  hen  un  her  dat  se  httrt.  dat  helpt  all  nich  hen  un  her.  dat  is  *n  hen 
unherbroder.  —  dat  möt  doch  ^n  hemehment  hebben  *eine  Ursache'. 

hinner.  to  hinner  gähn,  to  hinner  kamen  'verderben,  sterben'.  —  ik  hef  em 
hinnenttm  spannt  'ah  Handpferd'.  Vgl.  hinnenbi  s.  bi.  —  dor  mOten  wi  hinnerut  sin 
'das  müssen  wir  xu  erreichen  stichen'.  —  dat  is  wol  hinnensus  'letztes  Qebräu'. 

In.  he  was  nich  in  'nicht  zu  Hause'.  (Mass,  80.)  —  se  het  em 
in  hahlt  'au^  dem  Kruge  nach  Hause  gelioW.  —  wi  sünd  in  einen  dag 
geburen.  —  wenn  nu  nich,  morm  in'n  dag  sweit  kern.    Brinckman,  hOger  np  56. 

—  ik  möt  in  de  tid  weggahn,  süss  ward  ik  natt.  —  wenn  man  in  de  tid 
uppasst  'rechtzeitig'.  —  in  *n  körten  wir  't  all  mit  em.  —  in  't  ihrst.  —  in  de 
ihrst  ^anfangs'.  (Mi  s.  v.)  —  in  ein  twei  drei.  Wagtsmitgott,  Anning  61.  — 
indem  'indessen'.  {Mi  s.  v.)  —  in  tiden  'zu  Zeiten,  bisweilen'.  —  dat  wir 
in'n  pingsten.  —  ik  arbeit  dor  all  in't  auner  johr  'länger  als  ein  Jahr'.  — 
he  stammt  in  de  Gadebuscher  gegend  her.  —  de  krummstart  is  in  de  köh.  — 
in^n  rump  is  se  (de  koh)  wenig.  —  in  de  läng  het  de  rogg  noch  wat  dahn.  — 
sik  in  de  bein  maken.  sünd  din  röben  ornlich  in  de  bein  kamen.  —  he  will  se 
in'n  grngent  maken.  —  em  wir  in  de  kund  kamen,  dat  ...  —  as  wi  uns  nu 
bi  lütten  in  de  kund  kemen.  —  ik  wuU  Se  in  rath  nehmen.  —  in  pand  ver- 
setten.  Laur.  IV  394.  —  in  die  Instrumente  gesungen.  Scfdu  7.  —  unde  kan 
ock  smucke  loysen  mit  in  singen.  Schlu  82,  16.  —  dat  hef  ik  in  blinne  wis 
dahn.   —   vergnögt  in  sinen  gott  sin,  so  auch  Wagtsmitgott,  Dörpgesch.  I  41. 

—  dor  kennen  se  sik  rin.  —  dor  het  he  ken  schuld  in.  dor  best  du  jo  schuld 
in.  —  ik  bün  in  de  meinung,  so  auch  Beuter  IV  258.  —  dat  Triddelfite  in 
leiw  to  Lowisen  wir.  Reuter  VI  374.  —  wenn  dat  kurn  slicht  in*n  pris  is, 
Löper  173.  —  dat  is  em  noch  inn  unkloren.  dat  wir  em  nich  in'n  kloren.  — 
dor  bün  ik  viellicht  verkihrt  in  'darin  irre  ich  mich  vielleicht'.  —  denn  würd 
em  dat  wenigstens  in  de  kost  nich  so  düer.  Stillfried  W.  K.  I  25.  —  he  harr 
noch  ein  in'n  handel.  —  se  setten  sik  fast  in't  spill.  —  he  stürw  in  de  massein. 

—  ik  haust  in  dat  amt.  Beuter  II  294,  vgl.  III  230.  —  ick  dachte  in  my 
sülvest.  Laur.  IV  189.  —  he  lüggt  in  sinen  geldbüdel.  —  jeder  redt  in  sin 
eigen  nohrung.  —  he  was  en  gewaltigen  redner  in  den  herrn.  Brinckmany  Uns 
Herrgott  200.   —   dat  kind  is  infrahm,  inklok   'durch  und  durch',     Muss.  80. 

—  stadtin.  Brinckman,  Höger  up  13.  42.  150.  Schröder  168.  —  feldin. 
Beuier  VII  159.  Auch:  to  feld  in.  —  de  voss,  de  lockin  müsst.  Brinckman, 
Kasper  Ohm  135.  —  holtin.     Brinckmari,  Voss   21.   —  nurdenin.   —    buschin. 

—  dörpin.  Biinchnan,  Qrip  112,  Uns  Herrgott  188.  238.  —  dOrpherin. 
Beutel-  IV  31.  —  husch  herin.  Beutet'  I  268.  —  de  het  leg  inlegen  'ist  emslHck 
kraiik  gewesen'.  —  he  het  in  Wismar  husin  legen.  —  januae   ingressus  passim 


47 

vocant  hasin  et  exitus  hasat.  Mantxd  9,  46.  —  dor  liggt  to  väl  in  nn  an 
'daran  liegt  zu  vid\  —  dat  sali  dl  nog  inwarden  'es  soll  dir  klar  werden', 
Mi  8.  V.  —  ik  hef  de  inhand  'muss  das  Haus  hewacJien'. 

lang,  se  krigen  de  reih  lang  släg.  —  he  geht  lang  den  dörp.  —  de  het 
sik  dat  lang  de  best  gaten.  —  beter  längs  de  arm  as  dörch  de  darm.  —  längs 
dat  water.     Mtiss.  83.  —  laugsids  dat  pird.   —   winterlang  'den  Winter  über', 

—  mit  N.  wir  sacht  lang  to  kamen  'auszukommen',  StiUfried  W.  K.  I  279 
II  9.  —  de  is  so  bi  lang  lopen  von  einefu  schlechten  Malier.  —  blang  bi.  — 
blangs.  —  blangs  an  de  schün.  —  bi  weg  lang.  —  bi  haselanck  dragen.  Qryse 
L.  B.  I  0  2,  I  Q  3b,  II  B  4a|  III  D  la.  —  an  de  seekant  lanker,  Brinchmati, 
Uns  Herrgott  11.  —  henlanke.  Still fried,  Biweglang  84.  —  henlanken.  —  ent- 
lanken  öfter  bei  Beuter,  —  verlanken.  Ileyse,  kamiteu  162.  verlangst.  lauter 
1  339.  verlaugs.  Heuler  II  315.  verlängs.  lieinhold,  Schatzgrftwer  60.  — 
vörlang,  seggt  de  kreih.  —  link  un  lank  den  wagen,  linkelank  dat  dörp.  linke- 
lank  de  scheeden.     Schröder  154.     linkelank  den  disch.    Still  fried,  Biweglang  81. 

—  Schutt  länglang  up  de  ird.  Müller- I^Viese  27.  längelang.  Wagtsmitgott, 
Dörpgescb.  II  105.  —  plög  'n  bäten  lieklang  'gerade',  —  de  süht  nt,  as  wenn 
se  orslangs  dörch  *n  tun  krapen  is. 

mank.  he  is  mank  holt.  —  he  wir  mirren  mank  an  st.  —  dor  sttnd  se 
ümmer  dttller  mank  beim  Kartoffel- Aufnehmen,  —  ik  bün  dor  all  gistern  mank 
west  beim  Kirscfienpflückefi.  —  dor  is  arbeit  mank.  —  is  dor  ken  handel  mank  ? 

—  mank  nns  mank  is  ener  mank,  de  nich  mank  uns  mank  hürt.  —  mankhen- 
dörch,  mankedörch  räumlich  und  zeitlich,  —  mankdörchen.  Eeinliold,  Dokta- 
medicus  18.  —  mankher.  Reinliold,  Holtrevolutschön  XII.  —  mankntbliben. 
Mantzel  2  no.  55.  —  manckgoet  'Zinn  mit  Blei  vermengt'.  Vgl,  Mantxel  21,  14. 
mankmos.  —  mankkakt  äten. 

midden.  ümmer  so  midden  de  jungens,  passt  sik  denn  dat.  Latendorf, 
Frommanns  Mundarten  II,  223.  —  dat  platzt  midden  von  ein.  —  middwarts. 
so  recht  middwarts  in  Meckelborg.  Beuter  II  387.  middenwarts.  Mi  s.  v.  — 
middels,  middelst,  adverbial  'mittlerweile'.  —  dat  geld  ward  middelst  knapp.  — 
dünn  middels  kümmt  de  anner  wedder  dal. 

mit.  mit  *n  ihrsten  'nciclistens',  —  mit  de  ihrsteu,  mit  de  negsten  dagen. 
mit  *n  negsten  sUnndag.  —  de  brügg  breckt  mit  negsten  uns  tosam.  —  in  de 
negste  woch  mit  den  letzten.  Beuter  IV  212.  —  mit  abend  un  all  oft  im 
YolksmundSy  bei  Beuter  III  381.  —  's  morrns  mit  dagwarden.  Neun  pld, 
Q Otter gespräcJie  29.  —  mit  acht  mond  olt  'im  Alter  von  acht  Monaten'.  Löper 
185.  —  mitdes  'unterdessen',  oft  bei  Brinckman.  Auch  mittedess.  —  He 
kem  mit  dissen  all  angahn.  —  mit  eins  ^plötzlich',    Mass,  81,  öfter  bei  Löper, 

—  middewils.  mitwilen.  Mi  s.  v.  —  ik  ward  mitdegang  olt,  atu^h  mürregang.  — 
mitto,  mittomal  'zuweilen',  Muss.  58.  metow.  Mantzel  3  uo.  57.  mättho.  Baupach  62. 

wi  möten  ümmer  den  tidgeist  mit  gähn  '7nit  der  Zeit  vorwärts  schreiten'. 

—  em  is  dat  mit  'er  ist  damit  zufrieden,  damit  einverstanden',  so  auch  bei 
Beuter  IV  146,  V  53.  Stillfried  W.  K.  I  350,  II  81.  Heyse,  Kamiten  61.  — 
mi  sali  't  mit  wesen.  {Mi  s.  v.  mit.)  —  em  ward  't  noch  mit  warden.  Mi.  — 
enen  wat  mit  dohn   *cä  ihm  begreiflich  machen,  es  ihm  eintränken'.    Mi  s.  v. 

—  de  (lüs)  sünd  nich  mit  god  'sind  angeJiext',  du  büst  jo  so  lang  mit  god  west. 
wenn  he  mit  god  wir.  mit  goden  lett  Durchlauchten  mi  nich  gähn.  Beuter  V  51. 
mit  goden  kam  ik  wider,  ik  kenn  min  göder   (meine  Pferde),   —  du   büst  wol 


48 

mit  lüsteii.  —  he  was  mit  höfliclikeit.  Reuter  Hl  140.  er  war  stets  mit  manier. 
Beuter  III  186,  VII  388.  he  is  sihr  mit  nerven.  Beuter  11  252.  Vgl.  HI  430, 
VI  36,  V  270.  de  is  nich  iin  mit  släg.  Beuter  III  139.  he  harr  mit  giz  den 
wohren  denwel  seihn.  Beider  II  113.  die  art  ist  bloss  mit  bibel  an  gesangbfichem. 
Beuter  VII  117.  —  he  harr  dat  mit  verteilen.  Stiüftied  W.  K.  H  217  und 
ähnlich  oft,  —  kreg  't  mit  nerven.  Stillfried,  Biweglang  102.  Beuter  V  389 
mit  äugsten  m  157.  —  de  sünd  de  fmchtborsten  mit  farken.  Löper  184.  de 
engländer  sünd  nns  mit  swin  öwer.     Löper  184. 

dat  is  mit  vull  man.  —  de  herr  wir  dor  mit  pird  *xu  Pferde^.  —  ik  wir 
mit  vier  kinner  stark.  —  mit  twölf  mann  hoch.  —  ik  blöd  jo  mit  'n  meisten. 
Ileyse,  Kamiten  122.  —  mit  all  nich  'keineswegs^  Muss.  81.  —  dat  swart« 
meer,  wat  den  namen  mit  de  daht  het  'mit  Bechf,  Beuter  V  385.  —  als  se 
sick  ein  mahl  bögede  mit  der  hast.  Laur,  U  110.  —  mit  gewaltsame  wis.  — 
dat  het  he  ok  man  mit  bedregen  kregen.  Qhede,  Eorr.-Bl.  16,  36.  —  mit  freden. 
Schlu  p.  10,  24.  —  denn  laten  ehr  de  köh,  de  liegen  mit  freden.  —  ]at 
mi  mit  freden.  Wagtstnitgott,  Anning  2,  Söss  pld.  gesch.  61.  —  mit  freden 
gähn  laten.  Söss  pld.  gesch.  92.  —  äten  Se  Ehr  frühstttck  mit  freden.  —  wat 
du  di  dor  wanner  wat  mit  weist.  Brinckman,  H5ger  np  108.  —  nn  stLnd  wi 
doch  väl  lindert  mit  afgaben.  —  he  öwt  sik  mit  lopen  an  springen.    LÖper  164. 

—  se  möten  mit  foder  god  nppasst  warden.  LÖper  185.  —  de  möten  mit  holt 
un  stein  rath  schaffen.  Beuter  V  5.  —  dor  gewünn  he  mit  'den  Prore^s's 
gewcmn  er\  —  dann  gttng  dat  mit  grot  wnnnern  los.  Beuter  H  407.  —  se 
laben  em  (den  lehrer)  all  mit  de  kinner  'seine  Art,  mit  den  Kindern  umxugeJien. 

—  he  was  mit  jeden.  Beuter  III  128.  —  so  einfach  nn  so  mit  den  Ifttten 
mann.  Brincicnmn,  Uns  Herrgott  79.  —  s9ss  kinner  hef  ik  mit  min  fm  hatt 
dor  (mit  der  zweiten  Fran)  het  he  en  frölen  mit.  —  mit  den  will  ken  frigen. 
Vgl,  Heyse,  Kamiten  41.  —  ik  will  mi  mit  ehr  scheiden  laten,  auch  bei  Zander, 
Baute  biller  174.  mit  sin  frn  het  he  sik  at  *n  auner  geben.  —  diss  slag  kümmt 
na  ganz  mit  weiten  'unrd  ganz  mit  Weizen  besäet',  —  spott  man  nich  mit  de 
botter,  da  kannst  se  noch  to  äten  krigen.  —  he  schellt  mit  em,  he  het  schallen 
mit  mi.  dor  is  ^n  mann  west,  de  het  mit  gott  schallen,  he  schttll  mit  de 
wakfrn.  Quitxow,  meckelb.  gesch.  II  134.  —  he  kennt  sik  mit  em.  —  he 
schmoecket  mit  taback.  Laur,  II  476.  —  min  mitbroder.  sin  mitgesellen. 
Beider  IV  133.     sin  mitcoUeg. 

na«  he  is  dor  slimm  na.  —  he  is  na  sik  'Jiahsüchtig',  —  he  het  dat  na 
pandwis  verköfft.  —  dat  gelt  na  nix.  —  na  fahlen  na  is  dat  grot  nog.  —  na 
dit  hea  licken  se   (de  köh)   de  dal  na.   —   na  angaw  na  is  he  twintig  johr  olt. 

—  dorna  wir  dat  ledder  hier  öwer  to  dick  'dazu  rvar  er  zu  dumni,  —  de 
alle  dorna  töfden.  Laur,  III  315.  —  de  stammt  na  Woren.  —  de  klock  is 
na  hento  achten.  —  na  hef  ik  dor  nix  von  hürt  'fiacMier',  —  na  mal  ens  betto 
's-päter  einmaV,  —  näherer.  —  dennahsten.  Beuter  III  122.  —  hennahsten. 
Slillfried  W.  K.  II  203.  —  führ  na  di  rüm  'lifiLs',  —  hott  'rechts',  nask  'Ihiks' 
im  Südivesten  des  iMtides,  —  dat  nasch  pird  'da.s  Sattelpferd\  —  denn  gew 
dat  nageld  'Nachzahlung'.  —  najagd  'das  Mahl  nach  der  Jagd\ 

negst.     he  is  negst  mi  de  grötst.     Mu^s,  81. 

neben,  wotoneben  'wo\  Mi  s.  v.  Brinckman,  Kasper  Ohm  180,  Hoger 
np  103,  Peter  Larenz'>42.  woneben.  Mi  s.  v.  wonew.  —  wenn  dre  (pird) 
vörnew  gahu.  —  he  wahnt  new  de  kirch.  —  ik  wir  newst  em  dor.     Muss,  81. 


49 

nejlden.  neren.  dat  sackt  glik  nerendal.  *—  nedden,  mich  nedder.  Mi  s.  v.  -^ 
nedderwarts.  Mi  s.  v.  —  he  wahnt  up  'n  neddelsten  end.  —  dat  süDd  de  neddelsten. 

9wer,    as  se  öwer  namiddag  nt  sine  dör  gnng.     Beuter  Y  145.     öwer 
namdag.     öwerehmdag.  —  öwerdag.   Derboeck  II  69.     dagöwer.    Schroeder  202. 

—  anstöwer  'während  der  B}mte\  harwstöwers.  harwstöwer.  festöwers.  — 
anerlanck  'mitunter',  oft  hei  Qryse.  —  he  is,  he  ward  em  öwer.  grossmndder 
ward  de  weg  5 wer.  —  lat  di  nich  öwer  gähn,  de  kamen  ehr  hald  öwer.  — 
he  het  nix  öwer  'übrig\  {Mv^s,  81.)  dor  is  nix  bi  öwer.  —  he  het  wat  ver- 
öwert  'erübrigt'.  —  in  fiw  dag  möt  'n  pund  toback  röwer  sin  'verbratieht  sein'. 

—  wenn  ik  man  ihrst  röwer  wir  'tot  wäre'.  —  he  het  dor  'n  verbott  öwer 
kregen.  —  öwer  den  besök  känen  wi  npstnnns  nich  sin.  Beuter  V  160.  he 
mag  öwer  nix  sin  'ist  völlig  theilnahmslos'.  —  de  (brat)  geiht  öwert  dörp  von 
einer  Ällmannshure.  dat  ihrst  kind  hürt  öwer  't  dörp.  wi  hebben  torf  öwer 
't  dörp,  de  ward  öwer  't  dörp  backt.  —  dat  de  haken  öwer  beid  händ  geht. 
Löper  40.  lat  den  hingst  ens  öwer  de  anner  band  gähn.  —  wenn  wi  hüt  abend 
öwer  dat  klewerjass  sitten.  Brinckman,  Kasper  Ohm  84.  bi  disch  öwer  de 
swinsbrad  sitten.  Brinckman,  Höger  np  34.  öwer  disch  sitten.  ib.  36.  Vgl. 
Qryse  II  J  2b  syn  Gappelani  den  he  dagelikes  aner  synen  disch  spysede.  Vgl. 
II  T  2b,  I  D  2b.  —  he  kann  nich  mihr  öwer  end  kamen  vom  Kranken,  he  is 
all  wedder  öwer  end.  —  maskanten,  blast  mal  ens  öwer  de  tafel.  —  he  röppt 
öwer  mi  'nach  mir',  worum  heft  Ji  nich  öwer  mi  ropen?  wenn  de  mhrsparling 
öwer  natt- röppt  'fMch  nassem  Wetter  ruft\  wenn  se  öwer  ^n  namen  ropen  warden 
'hei  ihrem  Namen'.  —  öwer  wat  dnern,  awcÄ  hei  Still fried,  W.  K.  II 85.  Löper  1 7. 109. 

wo  dat  in  de  weit  bnnt  Swereck  geiht.  Beuter  III  384.  —  he  satt  schrat- 
öwer  von  Beuter  VII  370.  —  tensöwer.  —  dwasfeldöwer.  —  aner  dwer 
un  dwas.  Qryse  I  L  2a,  I  Q  Ib,  II  F  2b.  krtiz  öwer  quer.  Löper  86.  he 
antwortede  em  öwerdwas.  Mantxel  9  no.  22.  —  öwer  nn  öwer  vnll,  öwer  nn 
döwer.  dat  sali  öwer  nn  döwer  driben.  —  allöwer  so  witt.  Brinckman,  Grip 
204.  —  dat  swin  het  dat  für  Öwer  nn  ganz.  —  mi  prickelt  dat  öwerher.  he 
het  öwerherig  weihdag.  Auch:  dor  kümmt  öwist  her  'n  bäten.  —  koppöwer. 
du  sasst  öwerkopp  wegkamen.  Mantxel  25  no.  64.  —  öwerors  'rücklings'. 
{Mass.  81.)     Dan7i  auch  ebenso  wie  öwer  kopp  un  nors  'über  Hals  und  Kopf. 

—  rüggöwer  schütt.  Beuter  I  314.  rttggöwer!  Ahfertigutig.  Mtiss.  11.  — 
dat  unkrnt  kem  öwerdull.     Oildem.  149.  —  öwerful.  —   dat   is   nich   öwerdür. 

—  öwernog.  Heyse,  Eamiten  119.  —  nich  öwerschrag  nich  öwerväl.  Brinck- 
man, Grip  184.  —  öweröllert  bün  ik  nich.  —  öwermaten  girn.  Derboeck  II 
252.  öwermaten  breit.  Löper  168.  —  he  is  min  öwermann  'ist  mir  über- 
legen'. Mofiatsschriß  von  und  für  Mecldeyiburg  1796.  271;  so  noch  Iieute.  — 
he  het  em  öwer  lagen  'ihn  im  Lügen  übertrofferi'.  —  dor  is  'n  öwersteg.  — 
in  't  üwerschur  gähn  'vor  schlechtem  Wetter  Schutz  su/iJwn'.  —  ik  will  di  ken 
öwerlast  wedder  dohn  'werde  dich  mit  meinem  Besuche  niM  uneder  heiästigen'. 
öwerlast  au£h  hei  Laur.  II  374. 

samt,  he  samt  all  sin  frünn.  Muss.  81.  samst.  Brinckman,  Vagel 
grip  82.  mitsamt.  Mi  s.  v.  Adverbial  'alle  miteina^ider'.  Derhoeck  II  179. 
mitsamst  ehr  frugens.     Brinckman,  Voss  2. 

sonner  'ohne',  sonner  noth  'ohne  Noth\  Mi  s.  v,  sonner.  sonner  dank 
'ohfie  Lohn'.    Mi  s.  v.  dank. 

i 

sörre  'seit\  sörre,  dat  he  ...  .  Beuter  V  43.  *—  sörredem,  auch  hei 
Beuter  II  49.  —  sörredess.  —  sörreher.     Beuter  II  406. 

Niederdeatsohes  J»hrbaoh. 


60 


8lKt8  *^ate.    (Mi  8.  T.) 


to.  he  kickt  nt  to  finsterladen  i)om  Oefang^nen,  -^  nt  ^n  toemmei*  snpen, 
d.  h.  aus  einem  Ei,  in  einem  Sympathie- Mittel  —  vör'n  kopp  em  slalin  so  os 
ne  koh?  dat  is  em  denn  doch  ok  so  to!  Stillfried,  Biweglang  102.  —  dat  is 
to  *n  kirl  'ungewöhnlicher,  unanständiger  Mensch'.  Mi  s.  v.  kirl.  —  he  harr 
dor  to  *n  groten  last  to. 

ik  harr  ^n  sweren  drom  to  nacht.  Schröder  95.  wenn  sommers  to  nacht 
alle  dören  dicht  to  sttnd.  Löper  156.  —  to  frtthjohr  'im  Frühjahr'.  —  to  johr 
'voriges  Jahr\  —  ik  ward  ok  all  to  johren.  —  to  gewöhnlich  kann  man  dat 
nich  krigen.    —   to  dennmalen.     to  dunnmalen.     Realiter  IV  228.  292,  VII  237. 

—  tokamen  woch,  toknmm  woch  'in  der  kommenden  Worhe\  —  na  Lübeck 
hehben  se  to  wnllt.  —  se  kann  ok  nich  to  ahu  sprütten   'nicht  fertig  'u>erdeti\ 

—  nix  is  mi  leger  to  as  dat  snpen.  —  ik  bün  dor  nich  recht  öwer  to.  —  he 
is  fründ  to  mi.  wir  'n  tragen  fründ  to  mi.  Beuter  IV  270.  —  de  vaterleben 
to  Heimann  was.  Brinckman,  Höger  up  146.  —  he  würd  dor  vörmnnd  to.  — 
oH  mann  is  licht  to  'um  ihn  ist  es  leicht  gescheiten^  —  wenn  dat  to  noch  *n 
beten  grot  is  'noch  dazu,  wenn  .  .  /  —  dar  is  he  tho  gewendt    Latir.  IV  665. 

—  wenn  man  sik  to  ne  frisch  gewöhnen  sali.  —  se  is  gänzlich  to  em  gewöhnt 
west.  —  dor  wiren  se  to  verdächtig.  —  dor  is  ken  andenken  to.  —  dorto  hef 
ik  ken  gedanken  hatt  Reuter  IV  49;  ebenso  Stillfried  W.  K.  I  225.  wi 
hebben  jo  gor  ken  gedanken  hatt  to  den  hnnd.  —  wat  denken  de  Ifld  to  di. 
Zander,  Bunte  biller  72.  —  un  denk  to  Jochen.  Öildem.  91.  —  dor  hef  ik 
ken  ahnnng  to  hatt.  —  he  harr  se  all  drei  to  dod.  —  wat  to'n  dod  is,  dor 
känen  de  dokters  ok  nich  helpen.  —  he  is  tom  starben  'dem  Sterben  na}ie\  — 
wenn  dat  ton  glücken  geiht  'glücklich  abläuft'.  —  dat  licht  is  tom  ntgahn.  — 
wenn  't  ihrst  to  'n  verrotten  geiht. 

to  diss  gegend  kamen  wol   ken   mihr,   de   sonne   ollen   würd   hahlen.    — 
wennihr  geht  de  omnibus  to  Rostock?  —  he  is  to  pol  follen  ^ertrunken'.  —  de 
is  to  water  ingahn.   —   dor  lep   he  all   wedder   to   Stadt  in.   —   de  möt  ik  to 
water  smiten.  —  de  sitnn  geiht  to  samp.  —  nn  kämm  denn  alles  to  bein  nn  to 
dören.     Rmter  III  371.     Vgl.  III  93.    —    to  dämm  kamen.     Za?ider   38.    72. 
ik  han  di,  dat  de  spleddern  to  dämm  liegen.    —   to   stormeshaven  binnen  lopen 
sin.    DoWerg  201.  —  de  harr  to  middel  legen  'in  der  Mitte\  —  denn  möt  man 
sik  to  str&w  henstellen.   —  dat  möt  ik  mi  to  uhren  wrucken  laten   'vorluüim 
lassen'.   —   he  krttppt  to  henlager.   —  de  het  *n  Itttten   to  husch  sitten   ix>m 
Schwachsinnigen.   —   dat  mttsst  apenbor  to  dag  breken.     Eeuter  III  387.     de 
wohrheit  schütt  Ummer  to  dag.   —   de  rogg  kem  to  timmer.     de  kttll  drängt  to 
timmer.    —   de  bahn  kreiht  to  wiemen.   —   ik  will  noch  mal  to  feld  kiken.  — 
de  gös  sttnd  to  schaden  gähn.  —  dat  sali  to  blot  helpen.  —   ik  kann  vor  tein 
nich  to  tüg  kamen.     Vgl.  LÖper  61.    —   dat   (tüg)   kümmt  jo   sin  dag  nich  to 
tun.    —   den  kem  ik  leg  to  mat.    —   de  will  sik  ordentlich  to  kopp  sehn  'vor- 
sehen'.    Reuter  V  16.  —  passen  as  wenn  s'  uns  to  liw  makt  wiren.    Quitxow, 
Meckelb.  Gesch.  II  209.     de  (sauce)  möt  dat  to  liw  driben.  —  as  se  em  to  uhren 
stöhnte.     Wagtsmitgott,  Söss  gesch.  31.   —   de  liggt  einen   ümmer  to   hals,    to 
liw.  —  dat  will  sik  nich  to  weder  setten  'festes  Wetter  werden'.  —   he  let  'n 
grotes  deil  land  to  koppel  nn  weid  liggen.    Löper  159.  —  to  acker  is  dat  nich. 
Löper  17.  —  den  best  du  god  to  gast  nahmen  (beden)  'tüchtig  mitgenommen. 
—   ik  hef  dat  eten  to  füer  kregen.   —   he  het  den  brunen  to  sadel  spannt.   — 
se  lacht  to  ehren  mann  'über  ifin.     öildem.   236.    —    dat  losament  to  storm 
lopen.     Schlu  81,    2.   —  ik   wull   em   noch   to   wurd.  —  de  kamen  jug  noch 
oft  to  bäd.     Schröder   19.   —    he  will  blos  wat  to  pris  wisen.     de  wisch  ward 


de  liamel  to  pris  j^eben.  Löper  126.  —  dat  het  se  to  tilgen  geben  ^eidlich 
hexeugV,  —  wenn  ik  'n  glas  hier  to  borg  krigen  kann,  tho  borge  deith.  Qryse 
I  Aa  4b.  —  de  hebben  dat  so  to  de  mod.  —  be  barr  dat  so  to*n  wart.  —  he 
gift  dat  up  to^n  rätsei.  —  to  schick  maken.  —  to  rank  maken.  Derboeck  II 
137.  —  denn  is  de  kräkeli  to  gang.  Derboeck  II  26.  —  he  wir  ümmer  to 
brach  ^stand  wegen  Holzfrevels  angeschrieben'.  —  nicht  tho  dancke  betalet  syn. 
Gryse  I  Ff  4a.  —  thodegen  Hüchtig'.  Raupach  63,  und  noch  heute,  —  de 
wind  künimt  to  gnnsten  ^günstig',  —  he  sali  dat  (geld)  man  to  goden  anwenden. 

—  he  harr  dat  to  sinn  hatt.  Derboeck  I  18ö.  —  ik  hef  vier  mark  yerdeint  to 
äten  un  drinken  ^ausser  freier  Kost\ 

weg  krigen  deht  man  dat  dormit  to  *n  ibrsten  'am  sichersten',  dat  is 
tom  gesnnnsten.  he  möt  dat  ton  besten  weiten,  dat  is  tom  besten  u,  s.  w, 
tom  höchsten  sünd  dat  twintig.  wer  toletzt  lacht,  de  to  best  lacht.  Mrmenich 
III  73  no.  100.  as  ik  tom  wenigsten  sehn  hef.  so  säd  he  tom  wenigsten. 
Brincknmn,  Höger  np  51.  —  toläng  'xuleizV,  Dolberg  137.  140.  toläng  nn 
toletzt.  toendlich  an  toletzt.  toend  an  toletzt.  —  tens  dat  dörp,  tens  den  fbten 
u.  8,  w,  vgl,  Mass,  82.  Au^h  tinst.  tinst  de  hock  is  dat  noch  natt.  —  de 
brun  slög  na  lud  to.  —  Vgl,  von  achtem  to,  von  baten  to  u,  ä,  —  vor  middag 
to.    Brinckman,  Högernp  145.  —  vörmormto,  vermorrnto,  oft  auch  bei  Reuter, 

—  ihrstlichto.  —  dat  sali  noch  ebento  grot  nog  sin.  —  knappto.  —  liekto.  sin 
nahwersch  liekto.  Reuter  V  70.  —  negerto.  Brinckman,  Uns  herrgott  239, 
Kasper  Ohm  192.  259.  271.  317.  —  lieber  to  beim  Infinitiv  vgl,  Korr,-Bl. 
XV]  I  61.  —  mit  dat  en  hemd  gähn  se  ttmmer  mit  to.  —  de  het  em  menntg 
stück  brod  togünnt.  —  de  rogg  stnmpt  to  'stirbt  ab',  —  de  sälen  dnll  totachten. 

—  de  stammt  to  na  Woren.  —  de  kihren  bi  N.  to.  —  toslapen  'einschlafen'. 
barg  to!  'nimm  dich  in  Acht',  in  der  Schiffersprache.  —  de  het  liker  ttmmer 
noch  tostttttnng  'Unterstützung', 

twischen.  tUsehen.  tfisken.  twischenher.  Löper  134.  —  tUschenhttschen, 
aueh  wohl  blas  tttsch  genannt.     Vgl.  Reuter  I  135.     Mass.  82.     dat  tuschen. 

—  de  swart  is  nich  tuschen  ans  west  'kirchlich  getraut  sind  wir  nicht'.  — 
de  ttmmer  tttschensnack  maken. 

Um.  wohr  di  ttm  'geh  aiis  dem  Wege',  gab  mal  tim  'bei  Seite',  —  wo 
sali  de  dor  mit  rttm  'damit  auskommen',  —  he  het  väl  ttm  em  hoUen.  —  he 
het  väl  ttm  ehr  dahn  'für  sie',  —  he  is  ttm  bidden  gahu.  se  hebben  ttm't  geld 
graben  gähn.  —  dor  is  ken  fragen  ttm.  Löper  160.  —  dat  is  halw  ttm  halw 
^haU)  Oiciwrien,  halb  Kaffee',  —  slichtttm  taschen  'ohne  dass  der  Eine  etwas 
zugiebV,  Auch  slicht  ttm  slicht,  bor  ttm  bor  taschen  —  as  dat  (der  baner- 
acker)  noch  stttck  ttm  stttck  wir.  —  dat  is  all  slttck  ttm  stttck  'das  Korn  ist 
ungleichmässig  vom  Frost  befallen'.  —  löppt  an  springt  na  rand  ttm  rand. 
Iley.'ie,  Pansch.  25.  —  ammeschicht  'eins  ums  andere,  Raupach  63.  —  ftra- 
harts,  ttmhatz  'abwechselnd',  —  ttm  vergews.  —  lat  't  aflF  am  myner  bede  'um 
meiner  Bitte  willen',  Oemeke,  bei  Wiechmann  II  96.  —  dat  se  ttm  andüchtig- 
keit  dor  wegkamen  wir.  Stillfried  W.  K.  I  334.  —  he  kann  em  nich  ttm  't 
leben  krigen.  —  reden  S^  sik  nich  ttm  den  hals.     Reuter  III  331. 

wenn  dat  abends  ttm  twölf  kamen  is  'wenn  es  zwölf  Uhr  geworden  ist'. 

—  ttmtid  'nach  einer  Weile,  fnit  der  Zeit',  Derboeck  I  46  213.  —  ttm  dat 
dat  'damit',    —    ttm  des  dat   'daiu/m,  weil',     Bi^ncJcman,  Voss  an  swinegel  4. 

—  he  lep  mi  ttm  an  ttm.  Muss,  83.  sttss  harren  wi  se  ttm  an  ttm  ftthrt 
Brinckman,  Kasper  Ohm  116.  —  as  't  ttm  an  dum  kern,  wiren  *t  lägen.  Loten- 
dorf,  Frommanns  Mundarten  II  225.     he  löppt  se  noch  ttm  an  dttm.  —  dörchat 

4* 


S2 

Uli  iftrchüm  s.  ihtah.  —  se  hebben  ebr  so  y&l  um  nn  an  dabn.    de  bet  «>  waü 

ttm  Uli  an  sik.  Reuter  YII  2.  —  dat  kümmt  so  wid  rüm  oder  vor  in  der 
Erxählung,  'es  kommt  dahin  .  .  /  —  de  ward  ttmherBpiest  von  einem  Dorf- 
armen.  —  de  hebben  dor  rundum  stahlen  an  bandit't.     ik  hef  väl  mndflm  arbeitet. 

—  dat  hangt  annersüm.  willn  man  wedder  annersttm.  lieuter  V  2.  annersüm 
wirtschaften.     Reuter  VI  221.     Vgl  Derhoeck  II  237.  246.  —  achter  de  fimeck. 

—  kmmmüm,  ein  Gebäck  in  UaUrmofidform, 

flniier.  ünner  de  döp  'während  der  Taufe',  —  ttnner  de  tid  kann  de  weiten 
jo  noch  inn  pris  stigen.  —  nndertiden.  Schlu  p.  86,  10.  —  nnnerwilen, 
au/th  hei  Derhoeck  II  244.  —  ttnnerlang  'inzwischen',   —  bitinner  'hisumlen\ 

—  dor  steiht  noch  väl  rogg  bnten  mitnnner  'stellenwei-se\  —  drei  dag  ttnnerrad 
'ununterbrochen',  —  underrad.  Ma^it'id  15  no.  81.  —  de  wabnt  finner  'n 
eddelmann  'steht  in  .meinem  Dienste'.  —  de  pird  stünnen  ünner  't  geschirr.  — 
wenn  de  pird  ttnner  krftften  sünd.  —  den  hebben  se  ttnner  drög  bröcht  r<m 
einem  gefänglich  Eingexogenen,  —  ik  kann  em  nich  unner  'e  kund  kamen.  — 
nn  kern  de  sak  ik  ttnner  knnd.  Heyse,  Punsch.  39.  —  dor  geiht  alles  nnner 
un  öwer.  Mu^s.  81.  —  dat  sackt  na  ttnnerwarts  dal.  —  dat  de  riken  alles 
herunner  gewen  möten  'hergehen  müssen,  Wagtsmitgoit,  Anning  13.  —  he 
het  dat  ttnnelst  na  haben  kregen.  —  dat  lat  ünnerwegeut!  'das  lass  sein!^ 

up.  np  middag  wttrd  he  hier  sin.  —  up  hoch  abend  dnrt  dat  nich.  — 
up  wihnachten  mttssten  se  sik  na  ne  anner  ttmseihn.  —  np  desen  dag.  Sttüfried 
W.  K.  I  53.  —  up  enen  goden  dag.  —  je  höger  up  'n  dag,  je  mihr  Iftd.  — 
de  gast,  de  so  tidig  kamen,  reisen  up  'n  dag  wedder  af.  dat  (der  Regen)  kfimnit 
up  'n  dag.  —  dat  was  np  'n  pingsten.  Vgl,  di4t  Schnurre:  wonp  wisst  du  denn 
heirathen?  np  pingsten.  —  auf  den  harwst.  Reuter  YII  264.  —  as  dat  nppe 
nacht  kttmmt.  —  nppe  nacht  kttmmt  em  dat  hosen  an.  —  as  dat  so  uppe  tid 
wir.  as  dat  so  uppe  tid  kttmmt,  dat  ...  —  up  'n  frtthjohr.  —  np  ftühstttcken- 
tid.  —  uppe  woch.  —  up  welckere  stunde.  Grijse  III  H  4a.  —  upjetzt,  npstäds, 
upstädwis,  upstnnds.   —  uppe   letzt,   np  't  letzt,     bet  np  de  letzt.    Mi  s.  y.  1. 

—  up  't  kttnftig.  Heyse,  Kamiten  126.  —  dat  was  man  so  np  de  ihrst.  — 
ik  nehm  so  väl  mit,  dat  ik  up  'n  dag  nog  hef.  —  wo  oft  kttmmt  dat  np  't  johr. 

—  up  einschen.     Briticknian,  Höger  np  21. 

dat  is  up  *n  körten  'kurz  zu  erzählen',  —  dat  is  nich  up  'n  besten.  — 
dat  is  ^n  stttck  up  'n  goden  yerfat.  —  he  is  noch  up  den  globen.  —  as  dat 
(der  Baneracker)  noch  np  stttck  wir.  —  wenn  de  so  recht  np  sin  fett  wir.  bttt 
is  he  np  sin  jttstement,  np  'n  sticken,  np  sinen  termus,  up  sin  tempo,  up  sinen 
törn,  up  sinen  groschen  etc,  —  du  bttst  httt  nich  uppe  däg.  de  is  nich  np  sin 
däg.  —  is  he  wedder  up  ort.  Stillfried ,  Biweglang  121.  —  ik  denk,  dat  is 
nich  up  de  ort  'iM  nicht  richtig  mit  dir',  —  he  is  up  schick.  StiUfried, 
Biweglang  122.  138.  —  up  söss  spält  dat  scharper  'zu  see)isen\  —  so  seggen 
wi  up  't  ländlich.  —  np  oll  wttrd  eigentlich  —  seggt.  —  up  degliken.  —  np 
wesselwis.  —  dat  wir  denn  ok  noch  so  up  de  bäd  'nur  den  Bitten  zu  verdankest . 

—  dat  wir  kort  up  ^n  topass.  —  dat  wir  up  'n  naueu  togg,  dat  de  nich  öwem 
horz  gttng.  —  up  'n  trent,  umtrent  'ungefähr.  Raupach  63.  —  dat  is  man 
so  up  de  ihrste  fohrt.  —  wi  willn  up  'n  wurt  handeln  'ohne  langes  Feüschen\ 

—  dat  is  uppe  kraft  betahlt  'tJieuer  genug',  —  dat  sttnd  uppe  kraft  tein  pund 
'höchstens*,  —  mihr  kann  ik  nppe  kraft  nich  geben.     StiUfried,  Biweglang  99. 

—  ihrst  wir  ik  sihr  up  *n  dmnk.  —  he  wir  gefährlich  up  ehr  'toar  hart  gegcft 
sie',  —  he  is  so  up  sik  'selbstsüchtig',  —  nppe  kirch  is  se  gefährlich  up  */wr 
die  Kirche  sorgt  sie  sehr',  —  he  wir  wat  up  dat  geld.     Müüer-Friese  182.  — 


53 

min  fru  is  dor  rergnögt  up.  —  dor  ward  man  stedsch  np.  —  he  is  dor  krüdsch 
up  worden.  —  de  swestern  sünd  dor  abgeneigt  np.  —  de  is  dor  afgünsdg  ap 
west.  —  wenn  du  np  föftig  penning  eigen  büst.  —  dor  bün  ik  np  gewennt.  — 
de  is  god  nppe  tncht.  —  ik  bün  dor  länfig  np.  —  he  is  künnig  np  lud.  — 
dor  möten  Se  lud  na  fragen,  de  dor  klöker  np  sfind.  —  he  is  wol  klok  np  sine 
böker.     Eeuter  H  33.   —  np  schelmenstücken  is  he  klok  nog.     Beutet'  Y  267. 

—  dor  warst  dn  wol  lindernng  np  krigen.  —  wat  best  dn  dor  vor  *n  pris  np?  — 
dor  wir  n  strengen  verbott  np.  —  de  harr  np  nns  gor  ken  ahnnng.  —  ik  harr 
dor  ken  ahnnng  np.  —  se  möt  np  mi  wehren  ^mick  pflegen',  —  ein  plappert 
np  *n  annem  na.  —  de  (koh)  is  np  ^n  bnllen  markt.  —  de  slacht  nich  np  vadder 
oder  mndder.  —  se  is  np  ehren  dummen  kopp  so  losgahn.  —  de  oberst  het  se 
np  ^ne  suchte  nrsak  anfallen.  —  se  will  dat  nppe  tid  slahn.  —  he  harr  dat  geld 
enen  marketender  nppe  band  geben.  —  se  het  ehr  lütt  kind  np  'n  titt  geben 
*ausgethan\  —  he  is  dor  np  scholen  gähn.  —  de  jäger  ward  np  straf  treckt  — 
he  wnll  mi  up  *n  annern  globen  helpen.   —   he  will  'n  bäten  uppe  Inst  führen. 

—  wenn  ik  nich  nppe  Incht  kamen  harr.  —  dat  is  blos,  dat  se  uppe  luft  sünd. 

—  np  de  gegend  rümmer.  —  dor  sünd  so  yäl  duben  up  de  gegend.  —  wat  se 
all  np  de  ganze  gegend  weiten.  —  denn  sünd  wi  np  *t  rein.  BrinckmaUj 
Höger  np  114.  —  wenn  de  sak  up  *n  kloren  kümmt.  —  de  hackeis  wir  np  en'n. 
Derboeck  I  152.  —  de  np  den  hof  np  döschen  güngen.    Still fried  W.  K.  II  210. 

—  wenn  de  offizier  np  den  deinst  geiht.  Brinckman,  Kasper  Ohm  302.  — 
de  geiht  np  de  om  ^auf  EmtearheiV.  —  de  früh  morgens  up  waschen  gnng. 
Miiüer-Friese  88.  —  dat  geiht  np  düwelhahl,  up  düwel  kumm  rut  u.  s,  w,  — 
dor  geiht  dat  up  'n  graps  *da  loird  man  übervorteiW.  —  dat  alles  steit  np 
myneu  sahn.  Seidu  21,  9.  —  dat  steiht  up  de  tokunft.  Reuter  V  386.  —  up 
*n  paster  (afkaten  etc.)  studieren,  Uhren  cdlgernein,  —  he  denkt  blos  np  ^t  geld. 

—  np  enen  dämeln  Hhn  zurechtsetzen'.  Mi  s.  v.  daemeln.  —  denn  is  nix  np 
em  to  weiten.  Wagtsmitgott,  Dörpgesch.  I  78.  —  de  (hirsch)  lacht  up  all  de 
köterie.  Reuter  II  291.  —  en  (gos)  is  np  vierteln  pund  bieben.  —  wenn  de 
Winter  so  scheidt  np  'n  frtthjohr.  —  de  (schap)  schichten  up  den  tweiten  tän.  — 
he  fördert  em  mp  np  'n  sabel  'zum  Zweikampf.  —  denn  friet  dor  ^n  anner  np 
"heiratet  ein  anderer  in  die  Bauern- Stelle\  —  dat  is  jo  lütt  np  lütt. 

se  is  np  nn  dnp  gliek  dick  'von  ungeschickter  Figur'.  (Mass.  81.)  up 
un  dnp  blitzenblank.  Neun  pld.  Oöttergespr.  8.  —  de  het  mi  god  up  nn  an- 
nahmen. —  de  ganze  np  nn  anputz.     Reuter  VI  366.  —  de  wind  is  np  nn  af. 

—  de  koh  deckt  den  disch  np  nn  to.  —  np  und  umme  werpen.  Qryse  I  C  3b.  — 
he  kümmt  nich  up  oder  höger.  —  knall  un  fall  is  np  un  fürt  he  west.  Brinckman, 
Vagel  Grip  191.  —  vor  tein  johr  bün  ik  toletzt  rnpperwest  auf  die  Insel  Poel. 

—  gradup.  lieknp.  dor  geiht  dat  gradnp  na  N.  wi  willn  gradnp  tuschen 
'ohne  dass  einer  etwas  dazu  giebt'.  —  de  het  sin  vnllup  arbeit.  —  he  kann 
dat  nich  np  krigen  'den  Sinn  der  Rede  nicht  verstehen'.  —  de  (goUen  weig) 
schient  so  np  'kommt  zum  Vorscliein'.  —  de  finster  sttnd  npfroren  'ztigefroren'. 

—  dat  kann  ik  nich  npnennen. 

nt,  he  is  nt  'nicht  zu  Hause'.  (Muss.  80.)  —  he  is  väl  nthüsig.  — 
dat  is  'n  ntheimschen.  —  de  is  god  nt  'gut  daran'.  —  mit  de  pird  kann  ik  mit 
jeden  nt.  —  dor  kannst  du  mit  nt.  —  de  seggt  nix  ut  sik  'gesteht  nichts'.  — 
dat  hef  ik  ut  'n  kopp  lihrt.  —  ik  verstah  mi  dor  nich  nt.  —  ik  kam  eben  ut 
't  feld  rut.  —  dat  god  is  von  'n  könig  ut  bewirtschaft.  —  de  köfft  dat  knm 
von  de  häw  ut  —  dat  nest  is  ut  de  gmnd  ntbrennt.  —  dat  brod  is  ut  saft  nn 
kraft  backt.  —  he  is  nt  de  armkass  begraben  'auf  deren  Kosten'.  —  dat  mag 
wol  so  von  gott  rut  wesen.  —  von  ihrst  nt  'von  Anfang  an\  —  ach,  Se  söken 


54 

oll  wttrd  Yon  früher  rat.  —  nn  so  bet  to  end  nt.  —  fahrmann  is  he  at  'n 
ihrsten  end.  —  um  de  adventen  at.  Brinckman,  Kasper  Ohm  11.  —  um  Micheli 
at  u.  ä.  oft  bei  Reuter  und  Stillfried,  um  Wihnacht  uten.  Wagtsmiigott, 
Dörpgesch.  II  99,  vgl,  II  26  und  Söss  gesch.  74.  —  ja,  de  tideu  at  wir  dat 
'xu  den  Zeiten,  datnals\  —  se  harr  dat  nich  at  legen  dahn,  ne  at  goden. 
Stillfried  W.  K.  II  66,  I  163.  —  dat  deiht  he  at  freaden  'gern'.  —  dat  hef 
ik  at  mi  sülm  dahn  'au^  eigenem  Antriebe'.  —  wenn  dor  wat  twischen  atfehlt. 
fiw  johr  at  an  in.  Beuter  II  402.  —  na  ist  at  an  at  mit  em.  Mi  s.  ▼. 
as  se  nich  mihr  at  an  dat  wüsst.  Derboeck  II  289,  vgl,  II  262.  —  at  an  dnt. 
Lessen,  Hellenia  Vers  317.  6.  —  dat  wohrt  acht  dag  at  an  dat.  —  at  an  bat 
schon  'durchweg  8chön\  Muss,  80.  —  gähn  Se  man  liek  at  'gerade  atcs',  he 
het  alles  liekat  makt  'alle  Schulden  bezahlt'.  —  batenat.  Mi  s.  v.  —  Vgl. 
achterat.  hinnerat.  mankut.  —  de  geht  trüggat,  dwasat.  —  dor  sali  dat  na 
at  sin  'dahin  soll  es  zielen',  —  vörat  'besonders',  aach  oft  bei  Brinckman  nnd 
Löper,  —  dat  is  wat  atbenahms  'etwas  aussergewöhnlich  gutes',  —  ater  de 
massen  kolt.     Löper  108.  —  he  wir  aterw&rts.  —  aterwis  'aussergewöhnlich'. 

—  geld  tltert  he  nich.  Mantzel,  Btttz.  rnh.  8  no.  99.  So  noch  heute.  —  dat 
stimmt  vallnt.  —  ik  hef  vallat  min  arbeit  dahn.  —  at?  dat  het  sik  wat  to  uten. 
Reinhold,  Holtreyolatschon  34.  —  ik  hef  min  dracht  atschell  weg.  —  de  köh 
krigen  na  atweid  'frische  Weide'.  —  he  höll  sin  schol  at  'zu  Ende'.  RetUer 
V  109.  —  de  het  sik  atbrakt  vorn  Sympathie^Kundigen :  'vermag  nichts  mefir'. 

—  dat  ttig  is  all  so  atgeblasst.  —  he  sali  atbichten.  —  de  warden  anners  at- 
nennt.  —  se  willen  dat  nich  atvertellen  'erzählen',  —  de  saal  wir  atkränxt. 

von.  Tan«  vanabend  'heute  Abend',  dit  sali  yenabend  noch  farig.  van- 
nacht  'vergangene  Nachf.  —  von  langen  johren  harr  dat  in  de  ird  leg^o.  — 
dat  hef  ik  von  langen  johren  all  dahn.  —  de  is  ihrst  von  Wihnachten  olt.  — 
von  in  'n  harwst  her.  —  von  in  *n  wochenstand  her.  —  von  vor  dfta  an  dag. 
Brincknian,  Uns  herrgott  230..  —  von  de  tid  in  is  ^t  anners  worden.  —  von 
lütt  af  her.  von  lütt  ap  her.  von  je  at  her.  dat  het  se  von  ehr  madder  rat. 
von  ihrst  nt.  von  jang  at.  von  Martini  at  bet  fastelabend.  Brinckman,  Uns 
herrgott  194.  von  je  at  ao.  von  kind  af  an.  von  don  af  an.  Wagismitgott. 
Anning  69.  von  na  af  an.  von  lütt  ap  an.  von  ihrst  af  an.  von  vom 
af  an.  Löper  186.  Wagtsniitgott,  Anning  43.  von  farts  an.  von  fnrts 
ap  an.  Mi.  von  hannert  dahler  af  an.  —  de  verköfft  sin  karn  von  'n  hof  to. 
Vgl.  von  achtern  to,  von  baten  to.  —  dat  (geld)  steiht  von  v5m  rin.  —  se  sünd 
von  fim  gähn. 

dat  wir  von  landsgesetz.  —  dat  weit  ik  von  so.  dat  weit  ik  von  allein, 
dat  blot  driwwt  von  allein.  —  Se  kennen  dat  jo  von  *n  ihrsten  'am  besten'.  — 
dor  kann  man  von  tofreden  sin.  dor  bün  ik  nich  von  tofreden.  Auch:  dor  bün 
ik  friedlich  von.  —  de  matros  het  dor  ken  Interesse  von.  —  denn  hebben  de 
ollen  mihr  roh  von  ehr.  Löper  180.  —  he  harr  dat  so  von  de  mod.  dat  is 
dor  so  von  de  mod.  dat  harren  de  ollen  so  von  'n  glow.  —  dat  se  so  von  lägen 
wir,  kann'k  nich  seggen  'lügenhaft',  de  sünd  hellsch  von  ihr.  de  baer  is  so 
dägt  von  angst,  da  büst  wol  nich  god  von  lan.  ik  bün  stiw  von  nors.  —  dat 
is  von  pass,  von  schick.  —  dat  wir  de  dirn  ok  nich  von  *n  legen.  Stillfried, 
Pld.  sünndagsblatt  1890.  74;  vgl  Ut  sloss  110.  Biweglang  118.  —  ik  nehm 
mi  *n  bäten  brod  mit,  dat  ik  van  anner wegens  ok  wat  harr.  —  ik  waste  nicht 
van  angst,  wo  ik  henne  scheide.  Schlu  69,  16.  de  se  van  angst  van 
sick  smeth.  ib.  11,  13.  van  wellichheit.  ib.  84,  16.  van  smerte. 
ib.  66,  21.  van  freaden  springen,  ib.  16,  16.  de  stinkt  von  falheit 
dörch    de   rippen.     dat  is   blot   von   wäldag.    —    wovon  nich?    'wesfialb  mW*/'. 


55 

Vgl,  dorvonhalben  und  von  deshalb,  s,  halben.  —  von  *t  leben  wir  he  jo  doch 
west  *des  Lebens  verhistig\  —  ey  lener,  hör  up  van  dynem  brummen.  Schlu 
26,  16.  —  dat  is  mi  wedder  von  afhannen  kamen,  van  affhenden  kamen. 
Gryse  L.  B.  I  T  4a.  —  von  sinentwegen  etc.  Vgl.  wegen.  —  he  wahnt  in  dat 
dittdd  von  *t  letzt  hus. 

dor  wir  jo  väl  seggen  von.  —  dor  weit  ik  nix  van.  —  he  fröggt  ehr, 
woan  nn  wovan.  —  he  weit  nich  an  orer  van.  —  je  ihrer  ran,  je  ihrer  van.  — 
dat  is  vonein,  vanein  gähn  *  auseinander^,  so  auch  bei  Brinckman,  Höger  up 
65.  72.  —  en  goden  slag  von  kirl.  en  släks  von  jungen,  en  talps  von  bengel. 
sin  lapps  von  sahn,  ne  nuss  von  en  mann,  de  dausend  vqn  bengel  u.  ä,  oft 
im  Volksmunde  und  auch  bei  Reuter,  StiUfried,  Brinckman  u.  a,  de  ekels 
von  ümknUppeldök.  Beuter  VI  77.  son  wor  von  wagen,  de  lütte  kamickel 
von  franzos.  Brinckman,  Kasper  Ohm  294  u.  s.  w,  de  tölen  von  hund.  en 
verfluchten  hund  von  pird,   säd  de  jung,  dor  harr  he  uppe  katt  reden  u.  s,  w, 

vlJr  'vor^,  ^für*,  dat  is  all  vor  de  oll  weit  her.  —  vor  ne  tid  lang.  — 
vor  dem  as  wi  wegreisen  deden  'bevor^,  —  vördess  dat.  —  vor  dessen.  —  vor 
abend  ^heute  Abend\  Brinckman,  Herrgott  184.  vördag,  verdag  ^}ieute\  dat 
ward  mistig  weder  vOr  dagen.  in  de  vörvergangen  woch.  —  thovörn  *  früher*, 
Laur.  II  169.  486.  —  he  is  vor  in  de  föftigen  'Anfang  der  fünfziger  Jahre', 

—  de  is  dor  duU  vor  west  'schwerkrank  gewesen'.  —  de  het  drei  johr  vör'n 
dokter .  legen.  —  wenn  se  nich  vor  schütz  stahn  'geschützt  stehen',  —  vor  wyndt 
nn  wage  dryuen  laten.  Oryse  I,  la.  wenn  dat  (holt)  vor  wind  liggt.  —  de 
wind  steiht  vor  mm  (wenn  he  to  gunsten  is).  —  denn  kttmmt  en  wnrt  vor  dat 
anner.  —  ik  hef  em  vor  de  döp  hollen  'über  die  Taufe'.  —  vor  respect  to  seggen. 

—  de  kennt  eckern  vor  bokmast.  —  de  kennt  nich  koh  vör'n  kalw.  —  vor  em 
gähn  se  nich  'wenn  er  fährt,  wollen  die  Pferde  nicht  ziehen',  —  vor  den  (hund) 
httren  uns  (köh)  god  up.  —  Lübbendörp  liggt  vOr  Lttbtheen  öwer.  —  de  vor  Se 
öwer  seet.  —  dor  kann  ik  nich  vor  striden.  —  dor  stür  ik  ttmmer  vor.  —  dor 
weigert  he  sik  vor.  —  dor  pass  ik  vor.  —  wat  ik  vor  den  jung  dohn  kann 
'soweit  mir  die  Sorge  um  den  Jungen  Freiheit  lässt',  —  nu  steiht  uns  spann 
pird  vor  'n  kropp  in  ^n  stall.  Brinckman,  Grip  107.  —  mak  den  tun  so,  dat 
*t  vor  de  höhner  dicht  is.  —  ik  mtlsst  vor  ^t  wild  wachten. 

he  Süll  fot  vor  fot  führen  'langsam'.  —  dat  geiht  fdrfötsch  weg.  — 
wenn  de  annern  vörto  gähn,  soans  is  Bedefin  'n  beten  vörto  'in  dieser  Beziehung 
ist  Bedefin  etwas  den  Nacfibardärfem  voraus'.  —  de  liggt  so  vörto.  —  fot  em 
vörto  'kam  ihm  zuvor'.  Beuter  II  431.  —  denn  kümmt  mihr  hervöre  'ans 
Licht'.  —  gab  bet  vörs.  he  kümmt  nich  trügg,  nich  vörs.  —  wenn  dat  to  'n 
vorwärts  geiht  'zum  Angriff.  —  de  vörfru  'seine  erste  Frau', 

de   sehg  narrns   vor   ut.   —   dat  is   vor  gor  nix.   —   dat   hülp   vor  nix. 

—  vor  mi  steiht  se  hier  bet  öwermorgen.     Beuter  II  87.     Vgl,  Derboeck  I  59. 

—  vor  min  ansichten  wir  dat  bäter  so.  —  späl  mal  ut  vor  de  harten  'gegen 
einen  Coeur-Solo'.  —  dat  nehmen  Se  mi  nich  vor  unäwel.  —  o  nich  vor  äwel. 
Reuter  I  221.  —  de  let  sik  nich  vor  narren  brnken,  vorn  narren  hebben.  — 
arbeiten  Se  noch?  ja,  öwer  nich  vor  zwang.   —   dat  hus  vör'n  kathen  schellen. 

—  den  süss  de  lud  vor  kuhnhahn  schellen.  Beider  IV  64.  Vgl,  Stillfried  W. 
K.  I  260.  —  „wohrt*  seggen  wi  vor  platt,  vor  uns*  'in  unserer  Spraclie',  — 
he  wüsst  vor  ganz  gewiss.  Stillfried  W.  K.  II  5.  —  vor  fast  behaupten. 
Stillfried  W.  K.  I  2.     Vgl.  256.  —  schiessen  vor  wrack  aus.     Beuter  III  414. 

—  vor  bog  geld  spälen  wi  nich.  —  ik  bün  vor  stttermann  führt.  —  se  gähn 
vor  junge  lud  na  de  kirch  'd.  h.  am  Sonntage  nach  der  Hochzeit'.  Lateruiorf, 
Zu  Laurembergs  Scherzgedichten  16.  —  de  geiht  ok  vor  fasel  mit,  scherzend 


56 

vom  Wohlbeleibten.  —  de  gören  lopen  vor  wild  an  waost.  —  de  let  se  vor 
wild  upwassen.  —  de  lopen  vor  ballast  mit.  —  dor  liggt  se  v5r  dod.  —  as  se 
em  vor  dod  up  den  hof  bröchten.  Siillfried  W.  K.  I  62.  —  vor  ttmsfinst  is 
dat  nich,  so  auch  Reuter  VI  42,  Still fried  W.  K.  I  123.  —  de  köpen  ok  vSt 
schuld,  he  nimmt  dat  vor  schuld  'ohne  zu  bezahlen'.  —  dat  het  he  vor  ann 
kregen  'gestohlen',  nehmen  Se  mi  vor  arm  mit,  so  auch  Kreutzer,  3£eykL 
gerichtsxtg.  1888  no.  3.  vor  nass  ebenso.  —  he  würd  vor  bull  en  enningf  mit- 
gahn.  Derboeck  II  63.  —  de  postillon  het  mi  vor  bück  mitnahmen.  —  ik  hef 
dat  vor  old  köflFt,  auch  bei  Stillfried  W.  K.  I  187.  —  süll  vor  ganz  biiwen 
bi  .  .  Stillfried  W.  E.  II  212,  Ut  sloss  un  kathen  140.  —  dat  he  v5r  fast 
dorblew.  Stillfried  W.  E.  U  140.  —  ik  btin  vor  standfast  bi  em  'stehe  in 
fest&m  Dienst  bei  ihm'.  —  vor  gang  is  dat  nich  'immer  ist  es  nicht  so\  — 
dat  geiht  hüt  ümmer  vor  duU.  verdull  hat  Beuter  III  47.  —  sloeg  vor  blind 
un  dull.  Brinekman,  Grip  65;  vgl.  Heyse,  Punsch.  80.  —  ümmer  vor  gewalt. 
ik  hür  dat  bautzen  vor  gewalt.  Reuter  II  106;  vgl.  II  290.  —  ik  hef  vor 
lebensgewalt  anfatH.  —  wi  hebben  arbeitet  vor  't  stÖrken.  —  ik  mfisst  dat  vor 
god  dohn.  Brincktnan,  Easper  Ohm  270.  294.  296.  349.  —  A:  ritt  em  de  mort? 
B:  vor  god  ritt  em  de  mort  'sicherlich'.   —   ik  krig  *t  vor  god.     Gildem.  209. 

—  vördwer,  vördwass,  v5rdwiss  un  vördwass,  vörquass.  verquass.  Heyse,  Punsch. 
144.     verkrüz  un  verdwass.     Reuter  V  144. 

während,    in  de  während  tid  'während  dessen'. 

wedder.  wenn  dat  din  ihr  toweddem  is.  Brinckman,  Höger  up  115.  — 
he  is  mi  toweddem.  {Muss.  83.)  —  mi  wir  nie  wat  toweddem  kamen  'nie  ein 
Gespetist  begegnet'.  —  enen  wat  towedder  leggen.  —  he  leggt  sik  jümmßr  to- 
wedder.     Muss.  83.   —   he  möt  jo  all  wedder  wesen  'wieder  zurück  seifi^. 

weg.  in  einssen  weg.  —  de  is  in  de  leiw  weg.  —  wat  is  di  weg. 
Reuter  II  428.  —  dor  is  em  nix  bi  weg.  —  btist  weg  'hast  du  das  Spid  ver- 
loren?' —  Erer  ys  nicht  einer,  de  my  schal  wech  supen.  Schlu  78,  18.  — 
N.  güng  dat  öwerweg  nix  an.     Derboeck  I  193. 

wegen,     dat  is  von  wegen!     Mi.   —   von  minentwegen,  von  sinentwegen. 

—  vor  minentwegen.  Brificknian,  Ohm  229.  vor  se  ehrentwegen.  Brificknian, 
Höger  up  236.  —  von  gottswegt.  Brinckman,  Herrgott  207.  —  van  wegen 
dat  geld.  Muss.  83.  —  von  wegen  mit  dat  stroh.  —  von  wegen  ik  will  dor 
roggen  upseigen.  —  ik  hef  dor  *n  lock  in  makt  von  wegen  *n  bäten  luft  schöpfen. 

—  wegen  umstand  halber.  —  deswegens.  —  dessentwegen.     Reuter  V  67.  153. 

—  dortim  wegen.     Still  fried  W.  E.  II  123,  Sloss  9. 

wllen  'während',  wilen  de  ganze  tid.  Reuter  IV  298.  —  wilen  dessen. 
Reuter  VI  57.  —  wildessen  und  wildess  häufig,  auch  bei  Reuter,  Stillfried  und 
Löper.  wildess  dat  ....  —  wiltdess  bei  Dolberg  34.  —  wilt  möt  de  jung  na 
hus  lopen  'während  dessen'. 

WAREN.  R.  ^VossidlO. 


57 


Zur  Gescliiclite 
der  PomiDeriscIien  Kanzleisprache  im  16.  Jahrhundert. 


Einleitung.  *) 

Wenn  wir  heute  hinaustreten  auf  die  Strassen  von  Stettin,  so 
hören  wir  zwei  Sprachen  reden :  hochdeutsch  und  plattdeutsch  *).  Dem 
war  nicht  zu  allen  Zeiten  so.  Vor  vier  Jahrhunderten  noch,  da  redete 
in  Stettin  der  Fürst  am  Hofe,  der  Beamte  in  der  Kanzlei,  der  Arbeiter 
am  Hafen,  der  Bürger  in  seiner  Werkstatt  nur  niederdeutsch.  Erst 
im  16.  Jahrhundert,  als  in  ganz  Deutschland  jene  gewaltige  Umwälzung 
auch  auf  sprachlichem  Gebiete  stattfand,  da  drang  das  Hochdeutsche 
wie  in  schwerem  Kampfe  vor  und  eroberte  sich  Schritt  für  Schritt 
eine  Position  nach  der  anderen'),  zuerst  die  Sprache  der  Kanzlei, 
dann  die  des  Gerichtes,  des  Verkehrs  am  Hofe,  der  Kirche  und  Schule*) 
und  dann  auch  allmählich  die  Sprache  der  Gebildeten,  aller  derer, 
wie  Hildebrandt  sagt,  die  in  weitere  Berührungen  kamen,  während  die 
in  engeren  Schranken  befindlichen  ja  heute  noch  in  Stettin,  wie  überall 
den  Dialekt  sprechen. 

Dies  allmähliche  Eindringen  der  nhd.  Schriftsprache  in  Stettin 
als  den  Hauptort  Pommerns  soll  uns  in  den  nachfolgenden  Unter- 
suchungen beschäftigen  und  zwar  zuerst  nur  für  die  Sprache  der 
Kanzlei^),  als  ersten  Teil  jenes  grossen  Werdeprozesses;  denn  sie  hat 
ja  den  eigentlichen  Gi-undstock  für  unsere  hd.  Schriftsprache  geboten •). 
Wie  bekannt,  hat  die  kaiserliche  Kanzlei  Karls  IV.  den  Anstoss  dazu 
gegeben.  Ihre  Sprache  hat  nach  Nord-  und  Südwesten  vordringend 
eine  Kanzlei  nach  der  andern  erobert,  indem  sie  jeder  je  nach  deren 
ursprünglichen  Beschaifenheit  einen  Teil  ihrer  eigenen  Sprache  und 
Eigentümlichkeit  aufdrängte.  Auch  dies  ist  natürlich  kein  einheitlicher 
Vorgang  gewesen ;  Stadt  für  Stadt  lässt  er  sich  verfolgen,  bis  endlich 
nach  langer,  langer  Zeit   nicht   ohne   gewaltige  Beihülfe  von  anderer 

*)  Abkürzungen:  St.'Ä,-SL  =  Kgl.  Staatsarchiv  zu  Stettin.  M.-Ä.-St,  = 
Urkunden,  die  vom  Magistrat  aufbewahrt  werden.  St.-Ä,'St,  ReperL  d.  dep.  AH.  = 
Dem  Kgl.  Staatsarchiv  überwiesene  TeUe  des  ehemaligen  Stadtarchivs  von  Stettin. 
G.  /.  pomm,  Gesch,  SL  =  Archiv  der  Gesellschaft  für  pommersche  Geschichte  zu 
Stettin.  ')  J.  Hildebrandt,  Bilder  aus  Stettin  vom  Anfange  des  16.  Jahrhunderts. 
1857.  S.  48  ff.  ')  Vgl.  im  allgemeinen  die  Uebersicht  über  die  Litteratur  bei 
Behaghel  in  Pauls  Grundriss  der  germanischen  Philologie  I  (3)  548—44 ;  dazu  jetzt 
0.  Weise,  Unsere  Muttersprache,  ihr  Werden  und  ihr  Wesen  (1895)  S.  15—36. 
*)  Burdach,  Vom  Mittelalter  zur  Reformation  1  (1893)  S.  XI— XIII.  »)  In  der 
späteren  Entwicklung  (seit  1532)  musste  auch  Wolgast  hinzugenommeu  werden; 
vgl.  S.  68  ff,  *)  Scheel,  Jaspar  von  Gennep  und  die  Entwicklung  der  nhd.  Schrift- 
sprache in  Köln  (Westdeutsche  Zs.  f.  Gesch.  und  Kunst  Ergänznngsheft  8)  S.  1—3. 


58 

Seite,  vom  Buchdruck  her,  ganz  Deutschhmd  hier  zum  erstenmal  geeint 
wird  unter  einer  einzigen,  allen  Gebildeten  verständlichen  Schriftsprache. 

Im  Beginne  des  16.  Jahrh.  nun  schrieb  und  sprach  man,  wie 
schon  gesagt,  in  Stettin  nur  Dialekt.  Gerade  wie  die  Schweiz  weit 
unten  im  Süden  des  Reiches,  war  hoch  oben  im  Norden  Niederdeutsch- 
land die  flochburg  der  alten  Sprache  geworden,  während  süd-  und 
mitteldeutsche  Kanzleien  eine  Kompromissprache  entwickelt  hatten, 
die  man  mit  dem  Namen  'gemeines  Deutsch'  zu  bezeichnen  pflegt. 

Durch  den  Verkehr  mit  dem  mittleren  und  südlichen  Deutsch- 
land beeinflusst  neigt  sich  jedoch  nun  auch  die  Kanzleisprache 
Pommerns  dem  allgemeinen  Zuge  der  Zeit  folgend  einer  hd.  Sprache  zu. 

Ein  gewaltiger  Uebergang.  Hatten  hoch-  und  mitteldeutsche 
Kanzleien  so  manchen  durchgreifenden  Unterschied  der  neu  ein- 
dringenden Sprache  zum  Opfer  bringen  müssen,  —  ich  erinnere  uur 
an  die  Einführung  der  neuen  Diphthonge  — ,  so  schied  Niederdeutsch- 
land und  Stettin  von  den  südlicheren,  ja  selbst  von  der  eng  benach- 
barten brandenburgischen  Kanzlei  des  16.  Jahrh.  noch  ein  Merkmal,  wie 
es  grösser  nicht  gedacht  werden  kann,  die  hd.  Lautverschiebung.  Und 
gerade  hierin  liegt  ein  durchgreifender  Unterschied  von  der  Einführung 
nhd.  Schriftsprache  in  südlichere  Kanzleien.  Es  ist  eine  vollständig 
andere  Sprache,  die  eindringt ;  nur  so  lässt  sich  die  scharfe  Trennung 
von  hd.  und  ndd.  Urkunden  erklären,  sowie  auch  das  fast  gänzliche 
Fehlen  sogenannter  Mischurkunden,  die  wie  z.  B.  in  Köln  ^)  jahrelang 
altes  und  neues  Sprachgut  neben  einander  zeigen,  vollständig  ver- 
ständlich ist. 

Die  Volkssprache  hält  natürlich  noch  weit  länger  am  alten  fest. 
Sehr  nett  ist  die  Erzählung  Sastrows  von  dem  Empfang  Herzog 
Philipps  I.  von  Pommern -Wolgast  i.  J.  1539  durch  den  Bürgermeister 
ChristoflF  Lorber  in  Stralsund,  der  den  Fürsten  in  ndd.  Sprache  will- 
kommen hiess,  was  noch  lange  mit  den  Anfangsworten  der  Rede  ,,6ry 
Philipps  van  Gades  gnaden  ..."  als  Spott-  und  Scherzwort  in  der 
fürstlichen  Kanzlei  umging,  als  man  schon  längst  ndd.  zu  schreiben 
aufgehört  hatte*). 

Material  und  Methode. 

Das  uns  zu  Gebote  stehende  Material  ist  verhältnismässig 
umfangreich;  aber  es  leidet,  besonders  was  die  Stadt  Stettin  angeht^ 
an  einem  Gebrechen:  es  ist  nicht  ohne  Unterbrechungen  und  Lücken 
überliefert.  Von  den  beiden  in  Betracht  kommenden  Kanzleien,  der 
herzoglichen  und  der  städtischen  hat  die  ersterc  fortlaufende  Ueber- 
Heferung.  Die  reichen  Schätze  des  Kgl,  Staatsarchivs  zu  Stettin  bieten 
für  eine  Darstellung  der  Verkehrssprache  der  Kanzlei  nach  aussen') 
für  jedes  Jahr  eine  ganze  Reihe  von  Belegen  und  Urkunden  in  ihrem 


»)  Vgl.  Verf.,  a.  a.  0.  S.  20.  25  ff.  *)  Grote,  Barthol.  Sastrow  (1860)  S.  408. 
')  Betreffs  Scheidung  der  Kanzleien  unter  sich  vgl.  Verf.,  a.  a.  0.  S.  17  und  unten 
S.  60 ;  über  den  Einfluss,  den  die  jeweilige  Kanzleisprache  des  Empfängers  auf  die 
ausstellende  Kanzlei  ausübt,  vgl.  Verf.,  a.  a.  0.  S.  17.  24 — 25. 


59 

wohlgeordneten  Urkundenarchive;  auch  Kopienbücher,  Willebriefe  und 
ähnliche  Verwaltungsakten  in  Kopiarien  lassen  uns  die  Sprache  der 
inneren  Kanzleiverwaltung,  die  nicht  unmittelbar  für  den  Verkehr 
nach  aussen  bestimmt  und  von  ihm  beeinflusst  war,  recht  gut  erkennen. 

Schlechter  ist  es  dagegen  mit  den  Archivalien  der  Stadt  Stettin 
bestellt.  Urkunden  der  Stadt  selbst  sind  fast  gar  nicht  vorhanden, 
Kopienbücher  von  gleichzeitiger  Niederschrift  ebenfalls  nicht.  So  steht 
es  um  die  UeberUeferung  leider  gerade  für  die  Zeit,  in  der  die  grosse 
sprachliche  Umwälzung  vor  sich  geht.  Nur  Schreinsbüchern  ähnliche 
Verlassungen  und  Schenkungen  aus  dem  Anfange  des  Jahrhunderts 
lassen  uns  wenigstens  konstatieren,  dass  damals  noch  nicht  hd. 
geschrieben  wurde.  Allein  einzelne  kleinere  Büchlein,  in  denen  die 
Gerichtsverhandlungen  skizziert  wurden,  bieten  treffliches  Material; 
dann  fliesst  erst  in  den  sechziger  Jahren  die  Ueberlieferung  breiter. 
Der  Grund  für  diesen  Mangel  ist  die  Zerstückelung  des  Ratsarchives. 
Der  Magistrat  verwahrt  im  Rathaus  nur  wenige  Urkunden  in  einem 
einzigen  Schränkchen,  einiges  ist  auch  beim  Staatsarchiv  deponiert, 
das  darüber  einen  eigenen  Katalog  führt*);  das  übrige  ist  in  den 
siebziger  Jahren  beim  Antiquar  veräussert  worden. 

Es  ist  hier  freilich  nicht  der  Platz,  die  Methodik  einer  Betrach- 
tung nhd.  Schriftsprache  zu  geben,  doch  sollen  einige  methodische 
Hauptpunkte  festgestellt  werden,  ehe  wir  beginnen,  das  oben  geschilderte 
Material  zu  verwerten. 

Fünf  Hauptpunkte  sind  es,  die  sich  bei  der  Darstellung  der 
schriftsprachlichen  Entwicklung  einer  Stadt  oder  einer  Landschaft 
ergeben;  die  beiden  ersten  finden  sich  bereits  in  den  Brandstetterschen 
Untersuchungen*),   wir    brauchen   sie   daher  hier  nur  zu  wiederholen. 

1.  Original  und  Kopie  sind  streng  zu  scheiden ;  selbst  Abschriften 
aus  der  gleichen  Zeit  sind  nur  mit  der  äussersten  Vorsicht  zu 
benutzen,  da  ja  an  eine  vollständige  Uebereinstimmung  zwischen 
Original  und  Kopie  für  die  in  Frage  kommende  Zeit  nicht  im  ent- 
ferntesten gedacht  werden  kann. 

2.  Es  ist  sehr  wichtig,  die  Schreiber  der  betreifenden  Mss. 
auf  Grund  der  Schriftzüge  oder  sonstiger  Anhaltspunkte  zu  eruieren, 
falls  sie  sich  nicht  nennen,  um  die  Bildung  der  betreffenden  Personen 
in  Betracht  zu  ziehen. 

Allerdings  ist  dabei  zu  berücksichtigen,  und  damit  kommen  wir 
zu  etwas  neuem,  dass  die  Einschränkung  Brandstetters,  die  zur  Ver- 
wendung kommenden  Urkunden  müssten  in  Luzern  geschrieben  sein 
und  zugleich  Luzernische  Verhältnisse  behandeln,  nur  für  den  ersten 
Teil  aufrecht  zu  erhalten  ist.  Wie  steht  es  denn  um  Urkunden,  die 
in  den  Luzernischen  Kanzleien  verfasst  sind,  aber  z.  B.  Baseler  Ver- 


^)  Repertorium  der  deponierten  Akten  der  Stadt  Stettin  im  St.-A.-St. ;  die 
Urkunden  im  Rathaus  sind  citiert  als  M.-A.-St. 

')  R.  Brandstetter,  Die  Reception  der  nhd.  Schriftsprache  in  Stadt  und  Land- 
schaft Luzern  S.  8—9;  Derselbe  im  Geschichtsfreund  der  fünf  Orte  47  (1892) 
S.  231-34;  245—46. 


60 

hältnisse  betrefifenV  Freilich  die  Korrespondenz  Luzems  mag  keine 
allzugroBse  Bedeutung  gehabt  haben;  ein  Verkehr  nach  aussen,  mit 
anderen  Kantonen  oder  ins  Reich  hinaus  muss  aber  doch  vorhanden 
gewesen  sein.  In  diesen  nach  aussen  gehenden  Urkunden  ist  es  aller- 
dings schwerer,  den  Schreiber  des  einzelnen  Ms.  festzustellen,  da  die 
Verfertiger  solcher  offizieller  Schriften  sich  fast  nie  zu  nennen  pflegen. 
Diese  auch  über  die  engsten  Grenzen  der  Stadt  und  Landschaft  hin- 
ausreichende Korrespondenz  führt  uns  jedoch  zu  einer  Scheidung  in 
der  Kanzleisprache  selbst.  Diese  Sprache  des  Verkehrs  ins  Reich 
hinaus  steht  als  gleichberechtigter  Faktor  neben  der  im  Innern  der 
Landschaft  üblichen,  muss  aber  durchaus  davon  geschieden  werden. 
Ja  wir  können  noch  weiter  gehn  und  einen  dritten  noch  engeren  Ring 
ziehen.  Von  der  Sprache,  die  im  Verkehr  zwischen  Stadt  und  Land- 
schaft angewandt  wird,  scheidet  sich  nun  noch  die  im  inneren  Ver- 
waltungsdienst übliche,  ich  meine  z.  B.  die  Sprache,  in  der  Schreins- 
bücher, Turmbücher  etc.  und  Kopien  von  Akten  geschrieben  werden, 
Bücher  also,  die  nicht  aus  den  Kanzleizimmern  selbst  herauskommen 
und  nur  für  den  Gebrauch  der  Kanzlei  bestimmt  sind.  Brandstetter 
hat  nur  die  Sprache  des  zweiten  und  dritten  Ringes  behandelt,  den 
ersten  äussersten  aber,  die  Verkehrssprache  über  die  landschaftlichen 
Grenzen  hinaus  ausser  Acht  gelassen^).  Trotzdem  Hessen  sich  vielleicht 
aus  einer  Vergleichung  und  Anknüpfung  der  Luzernischen  Kanzlei- 
sprache an  auswärtiges  noch  recht  interessante  Resultate  erzielen 
und  die  Einflüsse  erkennen,  die  die  Luzerner  veranlasst  haben,  ihren 
heimatlichen  Dialekt  in  diesen  Schriftstücken  zu  vergessen*).  Denn 
nicht  inneres  Bedürfnis  treibt  die  Kanzleien  dazu,  die  Sprache  der 
Heimat  aufzugeben :  ohne  äusseren  Anstoss  hätten  die  Kanzlisten  von 
Luzern  wie  die  Secretarii  von  Stettin  noch  lange  den  Dialekt  geschrieben. 
Die  neu  eindringende  Schriftsprache  ist  eine  Verkehrssprache  und 
eine  Geschichte  derselben  muss  auch  eine  Geschichte  des  Kanzlei- 
verkehrs enthalten.  Aus  ihr  resultieren  dann  noch  zwei  andere  Dinge : 
die  Wichtigkeit  der  Sprache  des  Adi*essaten  und  ihr  Einfluss  auf  die 
ausstellende  Kanzlei  und  die  Wichtigkeit  der  einlaufenden  Korre- 
spondenz, die  den  Empfänger  zur  Nachahmung  der  darin  angewendeten 
Sprache  anreizt. 

Drei  neue  Punkte  sind  also: 
L    Teilung  der  Kanzleisprache  in  drei  Ringe: 

a)  Sprache  des  Verkehrs   über   die  landschaftlichen  Grenzen 
hinaus, 

b)  Sprache  im  Verkehr  der  Landschaft  selbst, 

c)  Sprache  im  inneren  Verwaltungsdienst  der  Kanzlei. 

2.  Wirkung  der  Sprache  des  Adressaten   auf  den  Aussteller   beim 
Abfassen  der  Urkunde. 

3.  Einfluss  der  einlaufenden  Korrespondenz. 


^)  Brandstetter  im  Geschichtsfreund  47,  S.  232  unten.  ')  Dieselbe  Anknüpfung 
an  die  Entwicklung  der  Kanzleisprache  im  Reich  fordert,  wie  ich  nachträglich  sehe, 
auch  Fr.  Kauffmann  in  seiner  Recension  der  Brandstetterschen  Schriften  im  Anz. 
f.  indogerm.  Sprach-  und  Altertumskunde  4  (1894)  S.  69  £ 


Ol 


Die  Kanzlei  und  ihre  Beamten. 

Soll  die  Geschichte  der  schriftsprachlichen  Entwicklung  einer 
Kanzlei  eine  Geschichte  des  Kanzleiverkehrs  enthalten,  so  muss  sie 
sich  auch  mit  den  Leuten  beschäftigen,  die  diesen  Verkehr  bewerk- 
stelligen, den  Kanzleibeamten.  Wir  haben  schon  oben  bemerkt,  dass 
bei  den  offiziellen  Urkunden  selten  der  Schreiber  persönlich  zu  fassen 
ist,  bei  den  Akten  der  inneren  Kanzleiverwaltung  wird  man  ihn  öfter 
genannt  finden.  Als  ein  Ersatz  kann  es  angesehen  werden,  wenn  wir 
wenigstens  über  die  Kanzleibeamten  im  Allgemeinen  etwas  erfahren, 
die  ja  doch  in  der  Kanzlei  sassen  und  Briefe  und  Urkunden  abzu- 
kopieren  erhielten;  ihre  Stellung  in  der  Kanzlei,  ihre  Bildung*)  zu 
schildern,  führt  uns  in  die  Geheimwerkstätte  der  Schriftsprache  ein: 
denn  darüber  dürfen  wir  nicht  im  Zweifel  sein,  überall  ist  die  Schrift- 
sprache zuerst  am  grünen  Tische  gemacht  worden  und  von  dort  aus 
in  die  Kreise  des  Hofes,  des  Adels,  des  Gerichtes,  der  Kirche,  Schule 
und  endlich  des  gemeinen  Lebens  übergegangen*).  Geschichte  der 
Schriftsprache  ist  auch  Geschichte  der  Kultur,  der  Bildung,  und  des- 
halb dürfen  auch  die  Leute,  die  zuerst  diese  neue  Sprache  eingeführt 
haben,  unser  vollstes  Interesse  beanspioichen. 

So  wollen  wir  im  Folgenden  wenigstens  die  oberen  Beamten  der 
herzoglichen  Kanzlei  Stettins  zusammenstellen,  —  die  städtischen 
sollen  an  anderer  Stelle  behandelt  werden*),  um  zu  sehen,  was  denn 
damals  für  Leute  in  den  Kanzleien  gesessen  haben. 

Im  16.  Jahrh.  war  es  auch  in  Pommern  Sitte  geworden,  junge 
Leute  besserer  Herkunft  auf  die  Universitäten  zu  schicken;  wir  finden 
unter  den  Studenten  damaliger  Zeit  viele  Namen,  die  wir  nachher  in 
Amt  und  Würden  bei  der  Kanzlei  wiedersehen.  Allein  schon  die 
Wittenberger  Matrikel  bietet  viele  Pommerische  Namen,  wie  Eberstein, 
Schwerin,  Citzewitz,  Borck,  Kleist  u.  a.*).  Dadurch  wurde  nicht  nur 
Interesse  an  wissenschaftlicher  Bildung  in  diese  Kreise  hineingetragen, 
sondern  die  jungen  Leute  kamen  auch  in  persönliche  Berührungen  mit 
der  Reformation  und  den  Bestrebungen  Mitteldeutschlands  auch  sprach- 
licher Art,  was  gewiss  seinen  Einfluss  nicht  verfehlt  hat. 

Die  Kanzlei  Bogislavs  —  wir  betrachten  sie  ungefähr  vom 
Anfange  des  Jahrhunderts  ab,  —  zählt  folgende  Mitglieder*):  P.  TetzeK. 
L50G— 13,  Peter  Houesche  S.  1506-18  (1518  Notarius  genannt), 
Dr.  jur.  Valentin  Stoientin  S.  1508 — 17,  Konrad  Krempzow  S.  1511, 
Andreas  Jan  S.  151G,    PribislaflF  Kiest  S.  1516—17    (1517    Kantzler- 


1)  Vgl.  Burdach,  a.  a.  0.  S.  42  ff.  (im  allgemeinen  auch  S.  XII -XIII). 
*)  Burdach,  a.  a.  0.  S.  XIII.  •)  S.  S.  71  ff.  *)  M.  Wehrmann,  Aus  Pommerns  Vergangen- 
heit (1891)  S.  88.  ^  Bei  Aufstellung  der  Zahlen  für  die  einzelnen  Mitglieder  ist 
u.  a.  auch  Dähnerts  Rügisches  und  Pommersch6s  Urkundenbuch  neben  den  Original- 
urkunden benutzt.  —  K.  bedeutet  Kanzler,  S.  Secretarius;  die  übrigen  Abkürzungen 
sind  an  sich  verständlich.  Vgl.  über  das  Personal  der  benachbarten  branden- 
burgischen Kanzlei  L.  Lewinski,  Die  brandenburgischc  Kanzlei  .  .  .  (Strassb.  Diss. 
1893)  S.  58.  59. 


62 

öcriuer),  Balthasar  Seckel  K.  1516 — 27  (1527  Lic),  Laur.  Kleyst 
S.  1519—27,  Nie.  Brun  K.  1521—35  (1521  Rentmstr.),  Fr.  Dhene 
1521 — 27  S.,  1527  K.  —  Dazu  haben  wohl  auch  Jost  von  Dewitz, 
Erasmus  von  Manteuffel  und  Jacob  Wobeser  in  der  Kanzlei  wenigstens 
zeitweilig  gearbeitet. 

Von  den  genannten  haben  erst  wenig  studiert:  Dewitz  ist  in 
Greifswald  1515,  Wobeser  in  Greifswald  1505  und  in  Wittenberg 
1518;  Brun  ist  1496,  Pribislaflf  Kiest  1486  und  Manteuffel  1494  in 
Greifswald  immatrikuliert  gewesen. 

Zu  dieser  Zeit  ist  ja  auch  Greifswald  noch  vollständig  ndd. ;  nur 
Wobeser  also,  der  sich  auch  mit  seinem  jungen  Herren  Barnim  eine 
Zeit  lang  in  Wittenberg  aufhielt,  ist  md.  Einflüsse  ausgesetzt  gewesen. 
Freilich  ist  ja  auch  in  den  Urkunden  dieser  Zeit  noch  kein  Eindringen 
neuer  Sprache  zu  spüren*). 

Wie  Barnim  ist  auch  Georg,  der  mit  ihm  nach  Bogislavs  Tode 
die  Regierung  übernahm,  in  Mittel-  und  Oberdeutschland  gewesen. 
Georg  hatte  eine  Zeit  lang  in  Leipzig  studiert  (ungef.  1510),  war  am 
Hofe  Georgs  von  Sachsen  erzogen  worden*);  er  war  ein  Schüler  Eras- 
mus ManteuflFels  gewesen. 

Barnim  hatte  in  Wittenberg  studiert'),  wie  schon  erwähnt  ist. 
Trotzdem  hatte  dieser  Aufenthalt  auf  beide  Herzöge  verschiedenartig 
gewirkt.  Georg  war  der  Reformation  feindlich  gesinnt  und  stand  auch 
ihrer  Sprache  ablehnend  gegenüber,  ebenso  wie  sein  Lehrer  Manteuffel : 
ihm  gegenüber  Barnim,  der  zwar  durchaus  nicht  auf  Seiten  Luthers 
stand,  wenigstens  niemals  offen  für  ihn  eingetreten  ist,  auf  den  aber 
Luther  persönlich  gewaltig  gewirkt  haben  muss,  da  er  Zeuge  seiner 
ersten  Predigten  und  seiner  Disputation  mit  Eck  war*). 

Als  Jürgen  und  Barnim  ihre  Regierung  antraten,  waren  folgende 
Leute  nach  Kantzow^)  ihre  Räte:  Er  Degener  Buggenhagen  Ridder, 
Viuigentz  van  Eickstede,  Baltzar  Seckel  olde  Cantzler,  Doctor  Valentin 
Stoyentin,  ein  sehr  vornheme,  beder  vnd  gelert  Man,  Jost  van  Dewitz, 
nicht  ein  geringer  Man,  Rudinger  Massow  Marschalk,  Er  Nicolaus 
Brun,  Jacob  Wobeser  Cantzler,  Zabel  vam  Wolde,  Doctor  Eickstede, 
Bartholomeus  Schwaue  Vicedominus,  ane  de  andern  byrede. 

Davon  gehören  Seckel,  Stoientin,  Dewitz,  Brun,  Wobeser,  Eick- 
stede (und  Schwabe)  der  Kanzlei  an. 

Das  Kanzleipersonal  Georgs  imd  Barnims  ist  also  folgendes: 
Hans  Steenbach  S.  1524,  Johannes  Olde  S.  1524,  Jacob  Wobeser  K. 
1524—27,  Jacob  Wis  K.  1524,  Benedict  Klock  S.  1524,  Vivigentz 
V.  Eickstede  K.  seit  1526,  Niclas  von  Klemptzen  S.  1531 — 47.  (1535 
Lantrentmstr.)  Dazu  kommen  aus  Bogislavs  Zeiten  übernommen  noch 
Laur.  Kleyst,  Brun,  Dhene  und  Seckel.     Von   diesen   haben   nur   die 


»)  Vgl.  S.  67.  »)  Barthold,  Gesch.  v.  Rügen  und  Pommem  4,  2  S.  83. 
?)  V.  Med«m,  Die  Universitatsjahre  der  Herzoge  £rnst  Ludwig  und  Barnim  v. 
Pommem  S.  6;  Wehrmann,  a.  a.  0.  S.  88;  Alb.  acad.  Viteberg.  ed.  Forstemann 
S.  80.    *)  Wehrmann  S.  88,    *)  Kantzow,  Chronik  von  Pommem  hsg.  v.  Böhmer  S.  163. 


63 

bereits  oben  angeführten  studiert;  neue  kommen  nicht  hinzu.  Hierzu 
stimmt  ja  auch  die  sprachliche  Entwicklung  vollkommen^). 

Im  Jahre  1531  stirbt  Georg,  und  Barnim  teilt  sich  mit  Philipp, 
dem  Sohne  Georgs  in  das  Land.  Sie  teilten,  wie  Kantzow  erzählt*), 
Bede,  Canteler,  hofgesynde,  hämisch,  geschulte,  artelerie,  vnd  husgerat. 
Von  Barnims  Kanzlisten  sind  folgende  belegt*):  Bartholomeus  Swaue 
K.  1537,  Valentin  Pritze  Vice-K.  1544,  Dr.  jur.  Jac.  Phil.  Oseler 
Vice-K.  und  K.  1546,  Dr.  Joh.  Falck  K.  1547—48,  Georg  Ramell  S. 
und  Protonotarius  1560,  Laur.  Otto  K.  1558 — 69,  Johannes  Schacht 
S.  1560 — 63,  Michel  Somnitz  S.  1569.  Von  ihnen  studierten  fast  alle: 
Schacht,  Schwabe,  Laur.  Otto,  Val.  Pritze  und  Barnim  selbst;  dazu 
kommen  natürlich  die  Drr.  Oseler  und  Falck.  Schacht  ist  in  Greifs- 
wald 1525,  Pritze  1524  belegt,  dort  sind  1544  Schwabe,  1560  Otto 
als  Drr.  erwähnt. 

Aus  Philipps  Kanzlei  haben  wir  für  die  ersten  Jahre  nicht  viel 
Notizen;  erst  mit  den  vierziger  Jahren  mehren  sich  die  Namen  der 
Kanzlisten;  es  ist  dies  freilich  eine  Zeit,  in  der  die  sprachliche  Ent- 
wicklung schon  abgeschlossen  ist. 

Wir  kennen:  Thomas  Kantzow  S.  1533 — 37,  Erasmus  Husen  S. 
1541— 67,  Jochim  RustS.  1541—46,  Dr.  Baltzer  vom  Wolde  K.  1544—49, 
Johannes  Rust  S.  1544,  George  Leuchsener  S.  1547,  Jacob  Citzewitz 
K.  1549 — 56,  Christof  Labbun  S.  1551 — 56,  Laurentius  Dionysii  S. 
1555—56,  Heinrich  Oldenkercke  S.  1551 — 64,  Valentin  v.  Eickstedt  S. 
(seit  1560  K.)  1556—73,  Joachim  Berckhane  S.  1558—73.  Aus  früherer 
Zeit  kommen  dazu  Nicol.  Brun  und  Nicol.  v.  Klemptzen. 

Davon  werden  in  den  Matrikeln  erwähnt:  B.  v.  Wolde,  Greifs- 
wald 1524,  Kantzow  (und  Gottschalck)  Wittenberg  1538,  [Rust  in 
Greifswald  1545J,  Berckhane  in  Frankfurt  1553,  Husen  in  Greifswald 
1539,  cbendort  1539  Labbun,  1541  Eickstedt  (auch  in  Frankfurt  1548), 
Oldenkercke  1545.  Bei  Schenkungen  werden  erwähnt  Schwerin  1547, 
Citzewitz  1547,  vom  Wolde  1547  —  alle  in  Greifswald;  Dionysii  ausserdem 
1545  als  Baccalaureus  artium. 

Nicol.  V.  Klemptzen*)  und  Kantzow*^)  haben  wir  auch  schon  früher 
kennen  gelernt.  Beide  sind  ja,  ebenso  wie  der  nachmalig  berühmte 
Valentin  von  Eickstedt®)  Vertreter  der  pommcrischen  Geschichts- 
schreibung gewesen;  alle  drei  waren  also  durchaus  gebildete  Leute; 
dass  trotzdem  freilich  in  der  ersten  Zeit  ihrer  Wirksamkeit  in  der 
Kanzlei  ndd.  Sprache  herrschte,  zeigt  ausser  den  Urkunden  die  Chronik 
Kantzows,  die  ja  bekanntlich  erst  später,  man  weiss  nicht,  ob  infolge 
oder  vor  dem  Wittenbergischen  Aufenthalte  ins  hd.  umgeschrieben 
worden  ist. 

In  den  vierziger  Jahren  wurde  es  immer  mehr  Mode,  die  jungen 
Kanzleibeamten  einige  Zeit  lang  vom  Dienst  zu  dispensieren  und  auf 
die  Universität   zu    schicken.     Der  spätere  Stralsunder  Bürgermeister 

')  Vgl.  S.  67.  »)  Kantzow  lisg.  v.  Böhmer  S.  200.  'j  Vgl,  auch  Kantzow  hsg. 
V.  Böhmer  S.  183.  *)  Allg.  Dtsche  Biogr.  16,  155;  Kantzow  hsg.  v.  Böhmer  S.  74  ff. 
»)  Allg.  Dtsche  Biogr. ;  vgl.  Kantzow  hsg.  v.  Böhmer  S.  34  ff.    ")  Balt  Stud.  3. 


u 

Nicol.  SastroW  bat  uns  In  seiner  Lebensgeschichte  ^)  eine  hübsche 
Schilderung  gegeben,  wie  es  zur  damaligen  Zeit  in  der  Wolgaster 
Kanzlei  zuging,  der  er  selbst  eine  Zeit  lang  angehört  hat.  Er  nennt 
die  Herren,  die  zar  Zeit  seines  Eintrittes  im  Amte  waren  (154(t): 
Citzewitz,  Husen,  Rust,  Gottschalck,  Dionysii,  Labbun,  Altenkircfa 
(Oldenkercke),  Eickstedt  und  er  selbst.  Er  erwähnt  ausdrücklich,  dass 
Eickstedt  nach  Greifswald  und  Wittenberg  geschickt  wird,  um  dort 
noch  ein  weniges  zu  studieren. 

Dass  in  dieser  Zeit  der  Dialekt  nicht  mehr  blühen  konnte,  sondern 
in  der  Kanzlei  dem  gemeinen  Deutsch  weichen  musste,  liegt  auf  der  Hand. 

Die  jungen  Herzöge  endlich,  die  selbst  erst  in  Greifswald,  dann 
in  Wittenberg *)  studiert  haben,  ändern  daran  nichts  mehr'). 

Sie  übernehmen  zum  grossen  Teil  noch  die  Kanzleibeamten 
Barnims  und  auch  Philipps :  Eickstedt,  Oldenkercke,  Husen,  Berckhane. 
Schacht,  Ramell  und  Sastrow. 

Neu  kommen  hinzu:  Lorentz  Sommitz  S.  1560,  Andreas  Borck 
K.  1563,  Henning  vom  Wolde  S.  1503,  Christian  Küssow  S.  1564. 
Otto  von  Rammin  S.  1563,  Joachim  Hagemeister  S.  1558 — 69,  Michael 
Woitke  S.  1573,  Melchior  Normann  S.  1573,  P.  Klemptze  S.  und 
Protonotarius  1573 — 75,  Jacob  Kleist  K.  1575,  Job.  Hechler  S. 
1573—75,  C.  Funk  S.  1575,  Simon  Vischer  S.  1575. 

Auch  von  diesen  lassen  sich  eine  ganze  Reihe  Studierter  nach- 
weisen: so  Hagemeister,  Greifswald  1561 — 63,  Henning  v.  Wolde. 
Greifswald  1541,  Johannes  (!)  Hagemeister,  Greifswald  1556 — .'j^, 
Jacob  Kleyst,  Frankfurt  1560,  ebendort  Küssow  1548,  Normann  15<i0. 

Wir  sehen  also  aus  diesen  Aufstellungen,  dass  in  der  Pomraerschon 
Kanzlei  keineswegs  Leute  sitzen,  die  niemals  aus  den  Mauern  Stettins 
oder  Wolgasts  herausgekommen  sind,  es  sind  vielmehr  zum  grossen 
Teil  akademisch  gebildete  Leute,  bei  denen  schon  der  häufig  vor- 
kommenden Rechtsfragen  wegen  z.  B.  juristische  Vorkenntnisse  er- 
wünscht, ja  oft  durchaus  nötig  waren*). 

Ueberlegen  wir  uns  nun,  wieviel  tausend  Fäden  sich  so  durch 
das  Studieren  der  Einzelnen  in  Wittenberg,  Frankfurt  a.  0.,  ja  selbst 
Rostock  und  Greifswald  hinausspinnen  aus  dem  engeren  Pommcrlando, 
vergessen  wir  ferner  nicht  die  Teilnahme  der  Fürsten  an  den  grosson 
Reichstagen  jener  Zeit,  allgemein  gesagt,  also  die  politische  Stellung 
Pommerns  und  seiner  Herzöge,  so  müssen  wir  zugestehen:  Pommern 
lag  eigentlich  gar  nicht  so  abgelegen  von  aller  Welt,  wie  man  immer 
anzunehmen  geneigt  ist;  es  hatte  nicht  allein  durch  den  Hände K 
sondern  auch  politisch  und  kulturell  einen  ziemlich  innigen  Verkehr 
mit  Mitteldeutschland  und  dem  Reiche  überhaupt. 


')  Barth.  Sastrowen  Herkommen,  Geburt  vnd  Lauff  seines  gäntzen  Lebens  . . . 
hsg.  v.  Mohnike  2,  S.  4—6.  Vgl.  Kantzow  hsg.  v.  Kosegarten  1,  S.  IV.  •)  Vgl. 
Medem  a.  a.  0.  S.  8.  11.    ')  Vgl.  unten  S.  70.    *)  L,  Lewinski  a.  a.  0.  S.  57, 


65 


Die  Korrespondenz  der  herzogliehen  Kanzlei 

von  aussen. 

Greifbare  Beweise  für  lebhaften  brieflichen  Verkehr  von  aussen 
liegen  nun  in  den  im  St.-A.-St.  aufbewahrten  Korrespondenzen  vor, 
sowohl  in  den  Briefschaften  aus  dem  engeren  Pommerlande,  wie  in 
denen  aus  dem  ganzen  Reiche.  Besonders  in  letzteren  sehen  wir  mit 
jedem  einzelnen  Briefe  obd.,  resp.  md.  Einfluss  nach  Norden  kommen 
und  die  Herrschaft  des  Dialektes  erschüttern.  Es  wird  daher  am 
übersichtlichsten  sein,  wenn  wir  die  ganze  im  St.-A.-St.  ruhende  Korre- 
spondenz in  einer  Tabelle  vorfuhren.  Adressat  ist  immer  der  betr. 
Herzog,  wenn  nichts  anderes  angegeben  ist.  ^) 

1.    Eingänge  aus  dem  Reiche. 


1508  Kaiser 

„     ü.  Rat  V.  Nürnberg 
„     Herzöge  v.  Mecklenburg 

1510  Rat  V.  Lübeck    .     .     . 
„     Herzöge  v.  Mecklenburg 

1516  Christ,  v.  Dänemark    . 

1521  Stadt  Kiel 

„         „     Lübeck     .    .    . 

1522  Rat  V.  Nürnberg   .    . 


n  rt      n  n 

1523  ö.  „     „         „ 

1524  Friedrieb  v.  Sachsen 

1525  Rat  V.  Nürnberg     . 

1526      1)      n  n 

152G  Rat  V.  Magdeburg  . 
1531  Joachim  von  Brandenburg 

1535  Rat  V.  Lübeck    .     .     . 
„      Ernst  V.  Braunschweig 

1536  Johann  Friedrich  v.  Sachsen    hd. 
„     u.  Joachim  v.  Brandenburg  .    hd. 

1537  „         „ 

1538  „         „ 

1541  ö.  Kaiser 

1541  Joachim  v.  Brandenburg 
1543  Christian  v.  Dänemark 


hd. 

hd. 

hd. 

ndd. 

hd. 

ndd. 

ndd. 

ndd. 

hd. 

hd. 

hd. 

hd. 

hd. 

hd. 

ndd. 

hd. 

ndd. 

hd. 


hd. 

hd. 

hd. 

hd. 

ndd. 

hd. 


1544  Kaiser hd. 

1545  Joachim  v.  Brandenburg.    .  hd. 
1545  Ernst,  Graf  zu  Schaumburg, 

(köln.  Kanzlei)     ....  hd. 

1545  Adolf,    Koadjutor    v.    Köln, 

(köln.  Kanzlei)     ....  hd. 

1546  Joachim  v.  Brandenburg .     .  hd. 

1546  Johann  Friedrich  v.  Sachsen 

(kais.  Kanzlei)     .    .    .    .  hd. 

1547  ö.  Joachim  v.  Brandenburg .  hd. 
„     Ernst,  Herzog v.Braunschweig  hd. 

1548  Joachim  v.  Brandenburg.     .  hd. 

1549  Braunschweiger  Herzöge.    .  hd. 
„     Kaiser hd. 

1550  }  »^^^^^i*^^  ^'  Brandenburg .  hd. 

IS  }  Kaiser hd. 

1555  YolradtundCarlzuMansfeldt  hd. 

1556  ö.  Kaiser hd. 

1558  „        hd. 

1559  ö.       „         hd. 

1560  Vertrag  zu  Odense.    .    .    .  hd. 
(Lübeck  und  Fricdr.  v.  Dänemark) 

1571  Lübeck  (Rat) hd. 


1544  Joachim  v.  Brandenburg 

Was  wir  aus  dieser  Tabelle  lernen,  ist  ein  Doppeltes:  erstlich 
ist  es  natürlich  klar,  dass  die  erdrückende  Mehrheit  der  von  Süden 
her  einlaufenden  Urkunden,  Quittancen,  Schreiben  hd.  abgefasst  ist. 
Nicht  der  Kaiser  allein  schreibt,  wie  ja  natürlich,  in  seinen  offiziellen 
Urkunden  an  die  Stettiner  Herzöge  jenes  Hd.,  das  wir  eben  als  Deutsch 
der  kaiserlichen  Kanzlei  zu  bezeichnen  pflegen,  auch  Nürnberg  hat  in 
seinen  zierlichen  Quittungsbriefchen  (vgl.  1508.  22.  23.  25.  26.)  eine 
der  kaiserlichen  recht  ähnliche  Kanzleisprache  angenommen.  Selbst 
aus  mitteldeutschem  und  sogar  ndd.  Gebiet,  aus  den  Kanzleien  von 
Sachsen,  Brandenburg  und  selbst  Mecklenburg  (1508!),  sowie  Braun- 
schweig kommen  nur  in  dem  sogen,  'gemeinen  Deutsch'  ausgefertigte 

^)  ü.  bedeutet  mehrere  Urkunden  desselben  Jahres. 

Kiederdeutsches  Jahrbuch.    XX.  5 


Briefschaften,  das  natürlich  bei  den  einzelnen  nun  wieder  hinsichtlich 
des  Einflusses  der  kaiserlichen  Kanzlei  und  der  Sprache  der  umgebenden 
Kanzleien  von  Höfen  oder  Städten  differenziert  ist.  So  sehen  wir 
charakteristisch  die  kölnische  Kanzlei  hervortreten  (1545). 

Direkt  ndd.  Briefschaften  kommen  von  Süden  her  nur  aus  Magde- 
burg; der  Norden  hatte  ja  selbst  eine  Art  ndd.  Schriftsprache  ent- 
wickelt: so  schreiben  Kiel  und  Lübeck  lange  Zeit  ndd.,  bis  der  Einflusj> 
des  Südens  sich  auch  bis  hierher  erstreckt:  eine  1571  aus  Lübeck 
datierte  vollständig  hd.  Urkunde  besiegelt  die  Verdrängung  jener  ndd. 

Schriftsprache.  , 

2.    Eingänge  aas  Pommern  selbst  (Aaswahl). 

1501  Jurge  Berndt  Moltzan     .     .  ndd  1536  Henning  Nairmann,  ?  .     .     .     ndd. 

1510  Diderick  Lanckow  ....  ndd.  1543  Alex,  und  Dinniges  v.  d.  Osten     hd. 

1511  Degener  Buggenhagen  .  .  ndd.  an  Eberstein  (ndd.  Datum) 
1524  Gerth  Nijgenkerken,  Wolgast  ndd.  1543  Michel   Pipke    schwört   ür- 

1532  Erasmus  Manteufel,  Bischof  fehde,  Stralsund  ....     ndd. 

z.  Cammin ndd.  1546  Ewald    und   Fentz   Blücher 

1533  HcrzoginMargarete  antwortet  hd.  auf  Daberkow      ....  ndd 
1535  Hans  Scharmer,  Wolgast     .  ndd.         „  Ulrich  v.  Schwerin,  Wolgast  hd. 
1535  Klaus  Dracke,  Wolgast   .     .  ndd.  1549  Hans  Whogenn,  Stettin   .     .  ndd. 

1535  Joachim  v.  Eickstede,  Greifs-  1553  WoliF  Borck,  Stettin    ...     hd. 

wald ndd.       1553  „  „        .     .     .     hd. 

1536  Jacob  Krap,  Wolgast .     .     .     ndd.      1553  „  ?        .     .     .     hd. 

Ueber  diese  Eingänge  ans  Pommern  selbst  können  wir  schneller 
hinweggehn.  Die  Schriftsprache  der  Landschaft  richtet  sich  natürlich 
nach  der  des  Hauptortes,  resp.  der  seiner  Kanzlei.  So  haben  wir  mit 
Ausnahme  eines  Antwortschreibens  der  Herzogin  Margarete  (1533  lid.), 
in  der  Korrespondenz  pommerischer  Edler  mit  der  herzoglichen 
Kanzlei  nur  ndd.  bis  1543,  was  ja  der  unten  zu  schildernden  Ent- 
wicklung der  herzoglichen  Kanzleisprache  durchaus  entsprechen  wird, 
wenn  wir  beachten,  dass  sehr  viele  Briefe  der  30  er  und  40  er  Jahre 
aus  Wolgast  datiert  sind.  Vereinzelte  ndd.  Briefe  bis  1549  sind  sehr 
wohl  erklärlich,  besonders  wenn  wir  die  Aussteller  einmal  auf  ihre 
Bildung  hin  ansehen.  Merkwürdig  bleibt  der  ndd.  Brief  der  Blücher 
von  Daberkow  154G^).  Auch  die  Folgezeit  mag  noch  diesen  odc*r 
jenen  ndd.  Brief  gebracht  haben,  die  Herrschaft  des  Dialektes  ist  aber 
in  den  40er  Jahren  gebrochen. 

Die  Sprache  der  herzogliehen  Kanzlei. 

Die  herzogliche  Kanzleisprache  im  Anfange  des  Jahrhunderts 
bietet  keine  grossen  Schwierigkeiten  dar;  in  der  Folgezeit  treten  uns 
schon  deshalb  recht  verwickelte  Verhältnisse  entgegen,  weil  die  Herr- 
schaft 1532  durch  Erbvertrag  zwischen  Barnim  und  Philipp  geteilt 
wird,  und  wir  so  zwei  Kanzleien  mit  verschiedenem  Ausstellungsort 
und  getrenntem  Bcamtenpersonal  zu  behandeln  haben. 

Der  Anfang  des  Jahrhunderts  zeigt  in  Bogislavs  Kanzlei  voll- 
ständig den  Dialekt.  Das  singulare  To  wetenn  sey  aus  dem  Jahre  1503^) 
ist  zwar  sehr  merkwürdig,  fiillt  jedoch  so  vollständig  aus  dem  Rahmen 

»)  Vgl.  S.  69.     »)  M.-A.-St.  201. 


67 

der  Entwicklung  heraus,  dass  wir  es  als  zufallig  bei  Seite  lassen 
können.  Rein  ndd.  Charakter  zeigen  abgesehen  von  einer  gewissen 
Vorliebe  für  -cÄ  im  Auslaut  (hinderlich^  schedelich  gegenüber  sonstigem 
h  in  orkontlick)^)    die  Urkunden  bis  1523^). 

Hd.  abgefasste  Urkunden  haben  ihre  Sprache  immer  nur  einer 
bestimmten  Veranlassung  zu  verdanken;  so  ist  die  hd.  Urkunde  1508') 
an  den  Braunschweiger  Hof  gerichtet,  also  schon  des  Empfängers 
wegen  hd.  1521  ist  der  Herzog  ins  Reich  gereist  und  hat  teilgenommen 
an  den  bewegten  Tagen  jener  Zeit;  aus  Worms  ist  eine  Urkunde*) 
an  Herrmann  v.  d.  Malspurg  datiert,  und  es  ist  gewiss  natürlich,  dass 
in  dieser  ganz  fremden  hd.  Umgebung,  auch  wenn  sich  vielleicht  ndd. 
Schreiber  im  Gefolge  des  Herzogs  befunden  haben,  besonders  da  der 
Brief  an  einen  Nichtndd.  gerichtet  ist,  hd.  Sprache  zur  Anwendung 
kommt.  Wie  jedoch  eine  vollständig  hd.  abgefasste  Bestallung^)  des 
Lutke  Han  zum  Vogt  von  Uckermünde  zu  erklären  ist,  bleibt  unklar. 
Auf  den  Kanzleigebrauch  hat  dies  keinerlei  Einwirkung  gehabt. 

Der  Regierungsantritt  Georgs  und  Barnims  (1523)  ändert  nichts 
an  ihrer  Kanzleisprache.  Die  ganze  Reihe  der  von  ihnen  ausgestellten 
Urkunden  ist  ndd.®)  Charakteristisch  sind  auch  jetzt  schon  die  h 
nach  Konsonanten,  also  gleichsam  eine  erste  Schicht,  die  sich  später 
mit  der  aus  Süden  kommenden  vereinigt,  ebenso  die  Konsonanten- 
dopplung und  die  Vorliebe  für  -ch  statt  rein  ndd.  -Ä  im  Auslaut.  Eine 
Ausnahme  macht  nur  eine  einzige  Urkunde'):  Georg  und  Barnim 
senden  Jost  von  Dewitz  an  Philipp  v.  Braunschweig  und  Albrecht  zu 
Mansfeldt  nach  Halberstadt.  Sie  ist  hd.  dem  alten  Grundsatze  der 
Kanzlei  zufolge,  dem  auswärtigen  Empfänger  das  Lesen  möglichst  zu 
erleichtern. 

Im  Jahre  1531  stirbt  Herzog  Georg  und  die  Herrschaft  geht 
auf  Barnim  und  Philipp  über,  die  jedoch  nicht  zusammen  regieren, 
sondern  das  Land  durch  Erbvertrag  teilen  und  zwar  so,  dass  Barnim 
Stettin,  Philipp  Wolgast  erhält. 

Mit  der  neuen  Regieining  scheint  eine  neue  Zeit  heraufzuziehen. 
Gleich  die  erste  Urkunde,  die  uns  begegnet,  ist  vollständig  hd.  und 
leitet  die  selten  unterbrochene  Reihe  der  hd.  Urkunden  ein.  Und  das 
wichtige  an  diesem  Wechsel  ist,  dass  nun  nicht  mehr  bloss  Urkunden 
an  Auswärtige,  wie  wir  dies  früher  sporadisch  sahen,  in  hd.  Sprache 
abgefasst  werden;  man  beginnt  jetzt  vielmehr  auch  das,  was  Pommern 
selbst  angeht,  nicht  mehr  in  der  Landessprache  zu  Urkunden.  Damit 
ist  der  grosse  Schritt  vorw^ärts  gethftn,  und  der  grosse  Riss  mit  der 
Vergangenheit  geschehen ;  der  Dialektvokalismus  nicht  nur,  nein  auch 
die  alten  unverschobenen  Konsonanten  sind  verschwunden,   wir  finden 


»)  M.-A.-St.  202.  *)  M.-A.-St.  204  (1509);  St.-A.-St.  Duc.  426.  428.  429.  433a 
430(1511);  M.-A.-St.  205(1511);  St.-A.-St.  Duc.  480  (1521);  485(1522),  486  (1522) 
»>  St.-A.-St.  Duc.  418.  *)  St.-A.-St.  Duc.  474.  *)  St.-A.-St.  Duc.  487  (1522) 
•)  St.-A.-St.  Duc.  495.  496.  498.  501—503  (1524);  504.  505  (1525);  508.  513  (1526) 
512.  515—16  (1527);  M.-A.-St.  209.  210  (1529);  St.-A.-St.  Duc.  544.  547.  549  (1531); 
553  (1532).      'j  St.-A.-St.  Duc.  511  (1526). 

5* 


68 

in   den   Urkunden    vollständig    die    Sprache    der  'sächsisch-branden- 
burgischen  Kanzlei  ohne  eine  Spur  Andenken  an  ndd.  Erbe. 

Interessant  ist  es  nun  zu  beobachten,  ob  Barnim  oder  Philipp 
mehr  für  die  neue  Sprache  inkliniert,  oder  ob  sie  sie  beide  gleichmässig 
angenommen  haben.  Die  Urkunden  lassen  uns  dies  deutlich  erkennen 
und  zwar  lehren  sie  uns,  dass  Barnim  der  fuhrende  ist,  Philipp 
dagegen  weit  mehr  an  der  Mundart  hängt,  trotzdem  er  ja  bekanntlich 
in  Heidelberg  am  Hofe  seines  Oheims  ausgebildet  worden  ist:  ein 
Zeichen  also,  dass  der  Erziehungsort  des  betr.  Fürsten  keineswegs 
immer  eine  tiefere  Wirkung  hinterlassen  hat;  war  ja  doch  auch  Geor? 
in  Sachsen  erzogen  und  in  den  Regierungskünsten  unterwiesen  woixien. 
ohne  dass  dies  auf  die  Sprache  seiner  Kanzlei  und  seines  Hofes  irgend 
einen  Einfluss  gehabt  hätte.  Ja  auch  der  Umstand,  dass  seine  Braut 
und  nachmalige  Frau,  ebenso  wie  die  seines  Neffen  Philipp  eine 
sächsische  Prinzessin  war,  ist  von  keinerlei  Bedeutung  gewesen.  Auch 
die  Reformation  an  sich  hat  in  sprachlicher  Hinsicht  keinen  direkten 
Einfluss  auf  Pommern  ausgeübt.  Schon  1523  kam  Paulus  a  Rhoda 
nach  Stettin,  dort  Luthers  Lehre  und  damit  seine  Schriften  zu  ver- 
breiten. Der  Anstoss  zur  Sprachänderung  ist  also  anderswo  zu  suchen: 
einesteils  hat  die  massenhafte  Korrespondenz  mit  dem  Reiche  auch 
Stettin  in  den  allgemeinen  Zug  der  Zeit  hineingerissen,  andersteils 
haben  die  Kanzleibeamten  infolge  ihrer  höheren  Bildung  die  Umwand- 
lung begünstigt  und  beschleunigt.  Gehen  wir  nun  zur  Betrachtunir 
des  Einzelnen.  Wir  haben  die  Urkunden  aus  der  Zeit  1532 — 60  (dem 
Todesjahre  Philipps)  in  drei  Rubriken  zu  teilen.  Erstlich  stellen 
Barnim  und  Philipp  jeder  für  sich  Urkunden  aus  (a,  b),  zweitens 
Urkunden  beide  zusammen  (c),  drittens  urkundet  einer  für  alle  beide  (d ). 

a.    Urkunden  Barnims. 

Von  zwanzig  Urkunden  Barnims  sind  nur  drei  ndd. ;  der  Ueber- 
gang  ist  also  recht  schnell  vollzogen.  Die  hd.  Sprache  der  erston 
Urkunde  ^)  kann  uns  nicht  w^undern.  Sie  betrifft  das  Leibgedinge  der 
Braunschweigischen  Prinzessin  Anna,  der  Gemahlin  Barnims  zu  Loitz 
(1532),  und  da  der  verschwägerte  Hof  von  Braunschweig  sicher  eben- 
falls davon  Kenntnis  zu  nehmen  hatte,  wandte  man  die  dort  übliche 
Verkehrssprache  an.  Daneben  geht  dann  freilich  aus  demselben  Jahre 
eine  ndd.  Urkunde  an  Lorentz  Kleist^),  die  allerdings  in  Wolgast  aus- 
gestellt ist,  wo  man  ja  zu  dieser  Zeit  noch  mehr  lokalen  Traditionen 
folgte.  1534  bringt  uns  wieder  eine  hd.  Urkunde^)  an  Georg  v.  Eber- 
stein, jenen  Gelehrten,  der  sich  freilich  seines  nicht  ganz  lauteren 
('harakters  wegen  gerade  keinen  guten  Namen  in  der  Geschichte  seines 
Landes  hinterlassen  hat.  Auch  die  nächste  Urkunde*),  ein  Schein  fiir 
Moritz  Damitz,  das  Heiratsgeld  für  Frau  Anna  zu  empfangen,  rührt 
wieder  an  auswärtige  Verhältnisse,  ist  also  schon  deswegen  hd.  ab- 
gefasst.     Ob  der  Lehnsbrief  an  Pribislaflf  Kleist^)  (1541)  wirklich  ndd. 


»)    St.-A.-St.    Duc.    554.      »)    St.-A.-St.   Duc.    552.      »)    St.-A.-St.   Duc.    557. 
*)  St.-A.-St.  Duc.  5G2  (1535).     •*)  St.-A.-St.  Duc.  593. 


69 

im  Original  war,    lässt   sich  nicht  sehen.     Wir  haben  nur  eine  Kopie 
davon,  in  der  das  einmalige  scynen  stutzig  machen  kann. 

Wenn  aber  1541  in  der  Ernennungsurkunde^)  des  Wolf  Borck 
zu  Labes  zum  Hofmarschall  Barnims  Kanzlei  ganz  hd.  schreibt,  dann 
können  wir  annehmen,  dass  mit  diesem  Zeitpunkte  die  Herrschaft  des 
Dialektes  abgeschlossen  ist;  nun  wird  auch  in  der  nicht  über  die 
Grenzen  Pommerns  hinausgehenden  Korrespondenz  hd.  geschrieben. 
Bis  1563  haben  wir  davon  nur  eine  einzige  Ausnahme.  1548  ist  der 
Lehnbrief  an  die  Herren  von  Zarten^)  ndd.  ausgefertigt,  eine  Urkunde, 
die  ihrem  ganzen  Aeussern  nach  darauf  hindeutet,  dass  sie  vielleicht 
schon  bis  auf  die  Unterschrift  fertig  mitgebracht  worden  und  nur  in 
der  Kanzlei  unterfertigt  worden  ist.  Sämtliche  übrigen  Urkunden, 
die  sogar  ganz  interne  Angelegenheiten  wie  Reservierung  eines  Raumes 
am  Mühlenthor  zu  einem  Lusthaus,  Bestrafung  des  Ritters  Matzke 
Borck  u.  a.  behandeln,  sind  hd.  abgefasst*). 

b.  Philipps  Urkunden. 

Betrachten  wir  dagegen  die  Reihe  der  Urkunden,  die  Philipp 
allein  ausgestellt  hat,  so  finden  wir  merkwürdig  viel  ndd. 

1533  ist  der  Entwurf  zur  Urkunde  über  das  Leibgedinge  der 
Frau  Margarete,  Herzog  Jürgens  Wlttwe*),  ndd.,  während  allerdings 
die  offiziell  ausgefertigte  Urkunde^)  hd.  Sprache  zeigt.  Urkunden  der 
folgenden  Jahre,  die  an  pommerische  Adressaten  gerichtet  sind,  sind 
durchgängig  ndd.®). 

In  sehr  charakteristischer  Weise  sehen  wir  nun  ganz  klar  den 
Einfluss,  den  die  Kanzlei  Barnims  ausübt.  1541  fand  der  endgültige 
Teilungsvertrag  statt').  Er  ist  von  Philipp  ausgestellt,  die  Urkunde 
jedoch  in  Stettin  geschrieben  und  ausgefertigt,  die  Sprache  ist  also 
nicht  ndd.,  sondern  hd. 

Vorerst  ist  dieser  Einfluss  jedoch  noch  nicht  durchgehend.  Eine 
in  Wolgast  ausgestellte  Urkunde®)  Philipps  an  Jost  von  Dewitz  (1541) 
ist  ndd.,  zeigt  freilich  Formen  wie  wetentlich.  Auch  das  folgende 
Jahr^)  hat  Formen  wie  tho  gebenn,  1543  beginnt  die  Reihe  der  hd. 
Urkunden^®). 

Wir  sind  nun  in  die  oben  geschilderte  Zeit  gekommen,  wo  Leute 
wie  Rust  und  Genossen  in  der  Wolgastischen  Kanzlei  sassen,  die  alle 
auf  den  Universitäten  gebildet  dort  schon  auf  den  Gebrauch  einer 
gemeinen  Sprache  hingewiesen  waren  und  dies  auch  dann  in  die  Kanzlei 
ihrer  Heimat  mitgebracht  haben. 


»)  5t.-A.-St.  Duc.  592.  »)  St.-A,-St.  Duc.  619.  »)  St.-A.-St.  Duc.  596  (1542); 
604a.  605a  (1544);  613  (1547);  625.  626  (1551);  M.-A.-St.  227.  228  (1552);  St.-A.-St. 
Duc.  630  (1553);  633.  634  (1558);  638  (1560);  640  (1563).  *)  St.-A.-St.  Duc.  555 
(Konzept).  *)  St.-A.-St.  Duc.  555a.  «)  St.-A.-St.  Duc.  560.  563.  564  (1535) ;  575 
(1537);  588  (1540).  ')  St.-A.-St.  Duc.  594a.  »)  St.-A.St.  Duc.  594.  »)  St.-A.-St. 
Duc  598.  »<>)  St.-A.-St.  Duc.  602  (1543);  606  (1545);  609  (1546);  620  (1549); 
625a  (1551);  631  (1555);  635  (1559). 


70 


c.  Barnim  and  Philipp  Urkunden  zusammen. 

Ebenso  wie  bei  den  von  jedem  einzeln  ausgefertigten  Urkunden 
geben  auch  bei  denen,  die  beide  zusammen  ausstellen,  die  in  Stettin 
geschriebenen  —  nur  zwei  datieren  aus  Wolgast  und  Wollin  —  in 
der  Entwicklung  den  Ton  an:  Von  dreizehn  Urkunden  sind  drei  ndd., 
die  anderen  zehn  alle  hd.  und  zwar  verteilen  sich  die  ndd.  folgender- 
massen:  1536  beurkunden  Barnim  und  Philipp*)  das  Leibgedinge  der 
Margarete  v.  d.  Schulenburch,  Hans  Voss'  thom  Lindenberg  Wittwe 
ndd.  Die  beiden  anderen  Urkunden  sind  merkwürdigerweise  an  die 
Stadt  Stettin  gerichtet«)  (1540). 

Die  übrigen  hd.  Urkunden  zeigen  den  gewöhnlichen  Typus'): 
davon  behandeln  nur  zwei  nicht -pommerische  Verhältnisse.  Die 
Urkunden,  die  noch  zu  erwähnen  sind  (d),  lassen  ihrer  geringen  Anzahl 
wegen  kein  sicheres  Urteil  zu.  Urkunden,  die  Barnim  ausstellt,  in 
denen  er  aber  Philipp  auch  nennt,  haben  uns  zwei  vorgelegen*);  davon 
ist  eine  hd.,  die  andere  ndd.  Umgekehrt :  Urkunden  Philipps  zugleich 
für  Barnim  sind  vier  ndd.^),  von  denen  zwei  aus  Wolgast,  die  dritte 
unsicher  datiert  ist,  eine  hd.®),  ein  Rezess  zwischen  den  Herzögen 
und  der  Stadt  Stettin  ist  in  Stettin  ausgestellt,  also  hd.!  (1535).  Wir 
sehen  also  jedenfalls  auch  hier  Barnims  Kanzlei  und  ihren  Eintius> 
durchschimmern;  die  Adressaten  sind  sämtlich  Pommern. 

Im  Jahre  15G0  stirbt  Philipp;  Barnim  übernimmt  für  dessen 
fünf  Söhne  unter  Beibehaltung  eines  Kollegiums  die  Regierung.  Diese 
jungen  Herzöge,  die  sehr  gebildet  waren  und  noch  nach  1560  weite 
Reisen  durch  ganz  Deutschland  gemacht  haben''),  sind  natürlich  draussen 
im  Reich  so  beeinflusst  worden,  dass  sie  gar  nicht  daran  denken,  etwa 
pommerische  Sprache  in  ihrer  Kanzlei  wieder  zu  Ehren  zu  bringen. 
Auch  in  den  Urkunden,  die  sie  bis  zur  Abdankung  des  alten  Barnim 
für  Wolgast  allein  ausstellen  (1569),  bedienen  sie  sich  durchaus 
hd.  Sprache®).  In  diesem  ganzen  Zeitraum  begegnet  nur  eine  ganz 
geringe  Zahl  ndd.  Urkunden.  Bedeutsam  ist  die  vereinzelte  Urkunde 
Kasimirs^)  von  1575  vielleicht  alten  Traditionen  der  bischöflichen 
Kanzlei  Erasmus  Manteuffels  folgend. 

In  den  Kopiaren  und  Brief  büchern  der  herzoglichen  Kanzlei,  in  die 
sowohl  ausgehende,  wie  einlaufende  Briefschaften,  Urkunden,  Willebriefe 
etc.  notiert  wurden,  die  also  die  Akten  der  inneren  Verwaltung 
für  die  herzogliche  Kanzlei  repräsentieren,  lässt  sich  die  fortschreitende 
Entwicklung  in  der  gleichen  Weise  verfolgen,  wie  an  den  Urkunden, 
die  dazu  bestimmt  waren,  an  die  Oeffentlichkeit  zu  treten.  Freilich 
müssen  wir  hier  noch  mehr  als  bei  jenen  mit  dem  Abschreiber  rechnen. 


»)  St.-A.-St.  Duc.  570.  »)  M.-A.-St.  216.  217.  ^)  St.-A.-St.  Duc.  552a  (1532); 
571  (1536);  572  (1537);  677  (1538);  583  (1540);  594  d.  e  (1541);  622  f.  (1549); 
M.-A.-St.  232  (1557);  St.-A.-St.  638  f.  (15601  *)  St.-A.-St.  Duc.  579  (1538);  590 
(1541).  »)  St.-A.-St.  Duc.  5.58  (1534);  584.  587.  589  (1540).  •)  M.-A.-St  213  (1535). 
')  Vgl.  S.  64.  «)  St.-A.-St.  Duc.  638  d,  e.  (1560);  638  g.  640  c.  641  (1563): 
M-A.-St.  241  (1566);  245  [246.  247]  (1569).     •)  St.-A.-St.  Duc.  679. 


71 

und  wenn  schon  die  Kopie  an  sich  kein  ganz  ähnliches  Bild  des 
abgeschriebenen  Schriftstückes  in  jener  Zeit  darbietet,  wird  dies  um 
so  weniger  bei  den  Abschriften,  die  nur  für  Kopienbücher  bestimmt 
waren,  der  Fall  gewesen  sein. 

So  haben  wir  in  der  That  Abschriften,  bei  denen  der  Kopist 
sicherlich  Orthographie  und  Lautgebung  auf  eigene  Faust  eingeführt 
hat;  leider  lässt  es  sich  in  dem  einzelnen  Falle  nicht  nachweisen,  da 
die  Originale  nicht  dazu  vorhanden  sind.  In  dem  Kopiar  von  Adels- 
sachen (St.-A.-St.  Mss.  II  9a)  S.  51  ist  ein  Gnadenlehen  für  Lutke 
Han  1531  (Stettin)  abkopiert,  in  dem  sich  neben  ndd.  Formen  wie 
tho,  furstlike,  hußstede  sogar  überwiegend  hd.  Lautgebung  findet.  Wir 
dürfen  zweifeln,  ob  das  Original  hd.  oder  ndd.  war.  War  es  in  der 
That  hd.,  so  wäre  es  die  erste  hd.  Urkunde,  die  pommerische  Ver- 
hältnisse berührt,  fiele  also  noch  weit  vor  die  erste  derartige  Original- 
urkunde; war  es  ndd.,  so  schmiegt  es  sich  genau  den  Resultaten  an, 
die  wir  von  anderer  Seite  her  gewonnen,  wie  überhaupt  die  aus  diesen 
Kopiarien  sich  ergebenden  Resultate  durchaus  zu  der  aus  den  Original- 
urkunden gewonnenen  Entwicklung  stimmen;  es  wird  nicht  auffällig 
erscheinen,  dass  sich  der  Dialekt  allerdings  hier  etwas  länger  hält. 

Als  Beispiele  mögen  folgende  Stichproben  dienen: 

Kopiar  Mss.  II  9a. 

S.  114.    Leibgedinge  f.  Hinrik  Rusches  Wwe.  Georg  Barnim      1524  ndd. 

„     58.    Gnadenbrief  für  Lutke  Han  „  „  1525  ndd. 

„  116.    Leibged.   f.  Frau  Kurt  Fleming  zu 

Trebenow  „  „  1526  ndd. 

„     17b.  Gnadenbrief  für  Herrn  v.  Eickstede         „  „  1527  ndd. 

„  109.    Leibged.  f.   Frau  Magdal.  Lortzen  Philipp  1533  ndd. 

„    54b.  Gnadenlehen  f.   Klaus  und   Moritz 

Damitz  Barnim  u.  Philipp  1535  hd.     (Stettin.) 

„  113.    Leibged.  f.  Katherine  V.  Günthersberg  Philipp  1542  ndd. 

„  117.    Leibged.  f.  Frau  Reimer  Voss  Wwe.         „  1543  ndd. 

„     60.    Gnadenbrief   für   Herrn    Nikol.    v. 

Klemptzen  „  1543  hd.    (Wolgast.) 

„    62.    Gnadenbrief  für  denselben  „  1543  hd.  „ 

„  120.    Begnadung  Hans  Bantzows  „  1544  hd. 

„  121.    Erbgedingesbrief    für    Frau    Marg. 

Eisholz  „  1544  hd. 

Kopiar  Mss.  II  9b. 
S.  123.    Urk.  für  Ewald,  Fentz  und  Tönniges 

V.  Blücher  „  1546  hd. 

„  131.    ürk.  für  Ewald  v.  Blücher  „  1547  hd. 

Die  Sprache  der  Ratskanzlei. 

Die  Korrespondenz  der  Stadt  Stettin,  zu  der  wir  uns  nun  wenden 
wollen,  ist  natürlich  weit  mehr  auf  die  Stadt  und  Landschaft  selbst 
beschränkt,  als  die  der  Herzöge.  Der  Verkehr  der  Stadt  mit  ihren 
Bürgern  und  den  angrenzenden  kleinen  Städtchen  und  Dörfern,  die 
z.  T.  unter  direkter  Oberhoheit  und  Gerichtsbarkeit  der  Stadt  Stettin 
stehen,   ist  trotz   der  für   die  Geschichte   der  Stadtkanzlei  sonst  un- 


72 

günstigen  Ueberlieferung  ^)  noch  recht  klar  zu  übersehen  und  zu  ver- 
folgen. Die  an  die  Stadt  gerichteten  Urkunden,  Briefe  u.  ä.  sind 
jedoch  leider  nicht  sehr  zahlreich,  so  dass  wir  sie  mit  den  von  der 
Stadt  selbst  ausgestellten  zusammen  behandeln  wollen. 

Gleich  die  erste  Urkunde,  auf  die  w^ir  stossen,  giebt  uns  zu 
denken  auf.  ^  Es  ist  der  Vertrag  des  Bürgermeisters  Jacob  BLogen- 
holtz  mit  Bogislav  X.  um  Schossfreiheit  vom  Jahre  1516.  Die  Sprache 
ist  ndd;  doch  hat  sich  ein  £fu  eingeschlichen,  das  nicht  leicht  zu  er- 
klären ist;  auch  Formen  wie  nemlich  zeigen  wohl  nicht  mehr  rein 
ndd.  Gewand.  Im  Gegensatze  dazu  beurkundet  1528  Stephanus,  der 
Prior  von  St.  Jacobi  zu  Stettin  verkaufte  Renten*)  in  reinem  Ndd., 
das  weder  in  Lautgebung  noch  Wortwahl  hd.  Einfluss  verrät. 

Bis  1534  schweigt  die  Ueberlieferung.  1534  bringt  uns  jedocli 
zwei  Urkunden  Stettiner  Bürger  für  den  Rat,  die  aber  in  der  Rats- 
kanzlei  selbst  ausgestellt  sind  und  deshalb  ebenfalls  für  ihre  Sprache 
in  Betracht  kommen.  Die  Wittwe  Glinden  und  Genossen*)  schreiben 
ndd.,  jedoch  mit  eingestreuten  Formen,  wie  haben  und  tag.  Anderer- 
seits schreibt  in  demselben  Jahre  Joh.  Buchower,  Prior  an  St.  Jacobi; 
nicht  nur  vollständig  hd.,  sondern  kleidet  auch  ndd.  Ausdrücke  wiu 
hovestol  in  ein  lautlich  entsprechendes  Gewand :  haubstull  ^). 

Das  ist  aber  in  dieser  Zeit  noch  eine  Ausnahme;  denn  zwei 
Jahre  später  (1536)  lesen  wir  eine  offizielle  Urkunde®)  in  vollständig 
ndd.  Sprache:  die  Abgeordneten  der  pommerschen  Städte  erteilen 
Bürgermeister  und  Rat  von  Stralsund,  Stettin,  Greifswald,  Stargardt 
Vollmacht  wegen  Erneuerung  der  Erbverträge  mit  Brandenburg.  Im 
ganzen  Bereich  der  Städte  von  Pommern  schreibt  man  also  ndd.  und 
zwar  ganz  reines  ndd.,  trotzdem  die  Urkunde  an  den  Brandenburger 
gerichtet  ist,  dessen  Kanzlei  zu  dieser  Zeit  schon  hd.  schrieb,  be- 
einflusst  durch  die  Nähe  und  den  Verkehr  mit  den  sächsischen  Herzögen. 
Es  ist  dies  ein  Zeichen,  dass  hier  in  Pommern  nicht  eigentlich  der 
Stadtdialekt,  freilich  nur  in  den  offiziellen  Urkunden,  durch  die  hd. 
Kanzleisprache  verdrängt  wird,  sondern  eine  ndd.  Schriftsprache  durch 
eine  hd.  bekämpft  wird.  —  Für  Stettin  kommt  diese  Urkunde  deshalb 
in  Betracht,  weil  sie  dort  ausgestellt  ist. 

Die  folgenden  Jahre  bringen  uns  wechselnd  hd.  und  ndd.  Sprache. 
An  die  Herzöge,  deren  Kanzlei  ja  schon  weiter  vorgeschritten  war, 
schreibt  der  Rat  von  Stettin')  in  sehr  leidlichem  hd.,  sogar  mit  der 
Tendenz,  die  Konsonanten  zu  häufen:  mitteU,  apgethann,  sowie  ein  A 
wie  auch  früher  im  Dialekt  ®),  Konsonanten  hinzuzufügen :  müh^  ap- 
gethann.  Doch  fällt  diese  Nötigung,  sich  die  Sprache  der  vorgesetzten 
Kanzlei  zum  Muster  zu  nehmen,  fort,  wenn  der  Rat  dem  Bürgermeister 
Braun  und  dem  Bürger  Henning  v.  Usedom  verkaufte  Renten  be- 
urkundet®)   (1541),   freilich  auch  schon   mit  Formen   wie    tag^   nicht 


»)  S.  S.  59.    2)  M.-A.-St.  20G.    ^)  M.-A.-St.  208.    *)  M.-A.-St.  212.    *)  M.-A.-St. 
211.     «)  M.-A.-St.  214.     ')  M.-A.-St.  218  (1540).     «)  Vgl.   S.   67.     »)  M.-A.-St.   219. 


73 

dagh  oder  dergl.  Auch  sehen  wir  zuerst  den  Einfluss  auf  die  Kon- 
sonanten, nicht  die  Vokale  ^). 

Dies  Nebeneinander  von  hd.  und  ndd.  Urkunden  finden  wir  die 
vierziger  und  fünfziger  Jahre  hindurch. 

Gleich  das  nächste  Jahr  (1542)  bringt  uns  einen  hd.  Kaufbrief 
Lorentz  Borcharts  über  die  Bergmühle  ^)  und  eine  ndd.  Kaufverschrei- 
bung des  Eggert  Wüstneyen  an  Diederich  Hademer'). 

Jene  ndd.  Schriftsprache,  die  ganz  Ndd.  zu  umspannen  scheint, 
zeigt  sich  auch  1543  in  einem  Brief  der  Richter  und  Schoppen  von 
Stettin  an  die  Stadt  Lübeck*). 

Die  herzogliche  Kanzlei  hatte  schon  Anfangs  der  dreissiger  Jahre 
aus  mannigfachen  Gründen  schnellere  Fortschritte  gemacht;  Ende  der 
vierziger  Jahre  scheint  dies  auch  auf  die  Kanzleien  der  benachbarten 
kleinen  Städte  übertragen  worden  zu  sein.  Im  Jahre  1548*)  ver- 
gleicht sich  der  Rat  von  Alt-Damm  mit  Stettin  über  Grenzen  in  der 
Kiefheide  in  vollständig  hd.  Sprache.  Dabei  ist  nun  freilich  nicht  zu 
vergessen,  dass  der  Aussteller  Petrus  Hundertmark  von  Behstlicher 
gewaldt  offenbar  notarius  ist,  also  ein  gebildeter  Mann,  der  sicher  schon 
über  die  Mauern  des  kleinen  Pommernstädtchens  hinausgekommen  war; 
als  Zeuge  fungiert  Dr.  Melchior  Wins,  Syndikus  von  Alten-Stettin, 
dessen  Rolle  in  der  Geschichte  der  Stettiner  Ratssprache  uns  noch 
beschäftigen  soll. 

Hd.  ist  auch  femer  ein  Vertrag  des  Rates  (1549)  mit  dem  Mark- 
grafen Johann  v.  Brandenburg  wegen  der  Cüstriner  Brücke  ®) ;  was  ja 
indessen  nicht  wunderbar  ist,  da  die  fürstliche  Kanzlei  in  Branden- 
burg längst  hd.  schrieb. 

Eine  interessante  Urkunde  des  Kampfes  zwischen  neuer  und  alter 
Sprache  ist  der  Kaufbrief  über  die  Popplion-Mühle ')  (1550),  den  der 
schon  genannte  Lorentz  Borchartt  (!)  vor  den  Schöffen  des  Dörfchens 
Wussow  ausstellt.  Die  gut  geschriebene,  vollständig  Kanzleiursprung 
verratende  Urkunde  —  die  Stettiner  hatten  sich  wohl  einen  Schreiber 
mit  herausgenommen  —  beginnt  hd.  mit  der  geläufigen  Phrase:  Vor 
yedermenniglichen  wes  Stands  geistlichs  vnd  tceltlichs  dieselbigen  sein 
mugen  .  .  .;  dann  folgt  aber  rein  ndd.  Text  beginnend  mit  den  Worten: 
bekenne  ick  .  .  .,  welcher  zeigt,  wie  wir  auch  nachher  noch  in  dem  Notiz- 
büchlein der  Gerichtsherren®)  sehen  werden,  dass  derartige  Unter- 
suchungen damals  noch  durchaus  ndd.  geführt  worden  sind. 

Für  den  Verkehr  der  Ratskanzlei  innerhalb  Stettins  selbst  be- 
diente man  sich  auch  noch  in  den  folgenden  Jahren  des  Dialektes. 

So  zeigt  sowohl  der  Vertrag  der  Gewandschneider  mit  den 
Schoppen^)  (1552),    wie  der  Kaufbrief  des  Rates  über  die  Kuckucks- 


')  Vgl.  Martin,  Anz.  f.  Dtsch.  Alt.  20  (4)  S.  401.  In  Stettin  allerdings  besteht 
ein  derartiges  Nebeneinander  nur  selten.  ')  M.-A.-St.  221.  ')  M.-A.-St.  220. 
*)  M.-A.-St.  222.  »)  M.-A.-St.  224.  •)  M.-A.-St.  225.  ^  M.-A.-St.  226.  »j  S.  S.  76. 
»)  M.-A.-St.  229. 


74 

mühle^)  (1552)  ndd.  Sprache:  Formen  wie  rechtliche  und  vestiglichen 
fallen  allerdings  aus  diesem  Rahmen  heraus. 

Nun  schweigt  die  Ueberlieferung  wieder  einige  Jahre,  nämlich 
bis  1558;  da  zeigt  sich  aber  hd.  Sprache. 

Freilich  lesen  wir  in  dem  Kaufbrief  des  Barth.  Halle  über  einen 
Anteil  an  dem  Dorfe  Messenthin  ^)  in  sonst  vollständig  dialektfreier 
Sprache  die  Formen  gepluget  V7md  vngepluget,  doch  ist  hier  nicht 
einmal  der  Schreiber  der  Urkunde  verantwortlich  zu  machen,  der  etwa 
vom  Konzept  aufsehend  statt  des  vorgeschriebenen  hd.  einen  ilim 
natürlich  viel  geläufigeren  ndd.  Ausdruck  gesetzt  haben  könnte'); 
hier  haben  wir  es  mit  einem  formelhaften  juristischen  Ausdrucke  zu 
thun,  an  dem  man  nicht  zu  rühren  wagte.  Solche  technischen  Aus- 
drücke finden  wir  noch  1571*)  gewahrt:  vagedinge,  hoppenstacken f 

1560  haben  wir  eine  sehr  interessante  Urkunde  des  Secretarius 
Seb.  Mum,  der  uns  nachher  noch  weiter  beschäftigen  soll:  es  ist 
eine  Vormundschaftssacho  der  Frau  Anna  Sachse  in  vollständig  lid. 
Sprache;  doch  unterschreiben  die  Zeugen,  alles  Stettiner  Ratmannen 
und  Bürger,  teils  hd.,  teils  im  heimatlichen  Dialekte  und  zwar  von 
7  Zeugen  4  hd.,  3  ndd.;  selbst  der  gestrenge  Herr  Peter  Kavemann 
beginnt  noch:  Ick  peter  kauemann  dat  de  vor  geschreuinge  testererinn 
anna  sasseenn  peter  hellenn  toitwe  jnn  meiner  (!)  vnnd  der  himebenn 
ge^ckreuenn  tugenn  gegennwerdicheit  solche  er  vorgeschreuenn  testamennth 
mit  gutter  vor  nofft  hefft  vth  gesprackenn  vnnd  vor  ordenth be- 
kenne ick ^). 

In  den  sechziger  und  siebziger  Jahren  fängt  die  Ueberlieferung 
nun  an,  etwas  reichlicher  zu  fliessen.  Es  ist  eine  ganze  Reihe  von 
Kaufbriefen,  Quittungen  und  Privatbriefen  erhalten,  von  denen  kein 
einziger  mehr  ndd.  Sprache  zeigt.  Sogar  die  Briefe  an  einzelne  Bürger 
über  Korn,  Schiffahrt  u.  ä.  sind  hd.  abgefasst.  Die  Sprache,  die  die 
Urkunden  dieser  Jahre  zeigen,  ist  merkwürdiger  Weise  eine  fast  ängst- 
lich zu  nennende  Nachahmung  der  kaiserlichen,  also  einer  süddeutschen, 
nicht  der  md,  Kanzlei.  Ndd.  Spuren  sind  äusserst  selten:  sollten 
schepffcl  und  schipffer  noch  Kompromisformen  sein? 

Aus  dem  Jahre  1560  ist  der  Kaufbrief  Peter  Wussows  über 
Kornpacht  in  Pommerensdorf  hd.  ®),  ebenso  1564  der  Vertrag  deb 
Rates  mit  Gregor  Pruckmann  wegen  Kornscliiffens^).  Sehr  auffällig 
ist  die  Häufung  von  Konsonanten:  vnnhaü^  vonn,  annderenn,  baidenn, 
thailenn^  ebenso  das  höchst  merkwürdige  Eindringen  von  ai  (=  mhd.  et), 
beides  charakteristisch  für  die  kaiserliche  Kanzleisprache:  vnnhail, 
ein  thail,  baidenn,  thailenn. 

Dasselbe  Aussehen  zeigt  noch  fünf  Jahre  später  (1569)  eine  Ur- 
kunde von  Bürgermeister  und  Rat,  zu  der  das  Konzept  erhalten  ist  ®) : 
darin   stehen   merkwürdiger  Weise    bei  Weitem   nicht   soviel   ai;    der 


»)  M.-A.-St.  230.  »)  M..A.-St.  233.  »)  Vgl.  z,  B.  M.-A.-St.  248.  *)  M.-A.-St 
254.  ö)  Ges.  f.  pomm.  G.  St.  Ms.  la  8  fol.  Nr.  9.  •)  M.-A.-St.  235.  ^  M.-A.-St, 
238.     8)  M.-A.-St.  248. 


r 


75 

Schreiber  ist  also  wohl  angewiesen  worden,  in  der  öffentlichen  Ur- 
kunde selbst  ai  (für  mhd.  ei)  zu  setzen;  dass  er  aber  trotzdem  in 
den  Dialekt  zurückfällt,  indem  er  statt  des  ihm  vorgeschriebenen 
verpflichten  ein  vorplichten  einsetzt,  giebt  der  ganzen  Urkunde  ein  für 
Stettin  ungewohntes,  buntscheckiges  Aussehen. 

Woher  nun  diese  Neigung  stammt,  die  obd.  Diphthonge  einzu- 
führen, ist  ganz  und  gar  nicht  zu  erkennen.  Es  scheint  diese  Mode- 
sache, wie  man  eine  solche  für  ndd.  Gebiet  ja  unerhörte  Schreibung 
wohl  nennen  könnte,  sogar  weitere  Verbreitung  gehabt  zu  haben.  In 
den  Akten  z.  B.,  die  den  sog.  Odenseischen  Vertrag  betreffen  ^),  finden 
sich  Briefe  aus  Lübeck,  die  dieselben  ai  zeigen. 

Daneben  gehen  Urkunden^)  in  fast  dialektlosem  Hd.,  in  denen 
z.  T.  sogar  innerstettinische  Angelegenheiten  behandelt  werden,  das 
beste  Zeichen,  dass  nun  die  Herrschaft  des  Dialektes  vorbei  ist. 

Ungefähr  um  dieselbe  Zeit  hat  Pommern  im  grossen  und  ganzen 
das  Hd.  als  Kanzleisprache  adoptiert.  Wir  können  dies  aus  zwei 
Urkunden^)  der  Jahre  1569  und  1571  schliessen,  wo  Bürgermeister 
und  Rat  der  Städte  Stralsund,  Stettin,  Greifswald,  Stargard  und 
Anclam  für  die  jungen  Herzöge  Johann  Friedrich,  Bogislav,  Ernst 
Ludwig,  Barnim  und  Kasimir  eine  Bürgschaft  über  31000  und  25000 
Thaler  übernehmen:  beide  sind  hd. 

Und  so  bleibt  es  nun  auch  in  der  Folgezeit  *).  Zwar  finden  sich 
immer  noch  Unterschriften  im  Dialekt^),  aber  direkt  ndd.  Urkunden 
kommen  nicht  mehr  vor;  die  Sprache  bleibt  hd.,  zeigt  freilich  noch 
eine  Zeit  lang  die  grösstmöglichste  Regellosigkeit  im  Schreiben  der 
Doppelkonsonanz,  auch  das  ai  kommt  periodisch  noch  vor.  Als  Bei- 
spiel möge  die  Vollmacht  der  Alterleute®)  von  1571  dienen:  Wyr  die 
verordennten  allterleutte  des  Jcauffmannes  mind  aller  gewerken  mitt- 
sambtt  der  gannteenn  gemeinhaitt  dieser  fürstligenn  stadtt  Alltenn 
Stettinn  beJcennenn  .... 

Das  ausgehende  Jahrhundert  lässt  jedoch  auch  diese  vorüber- 
gehenden Eigentümlichkeiten  bald  verschwinden. 

Bei  der  Beschreibung  der  Sprache  der  inneren  Kanzlei  Verwal- 
tung müssen  wir  trotz  des  auf  den  ersten  Blick  recht  reichen  Materiales 
sehr  vorsichtig  in  der  Auswahl  sein.  Denn  weder  das  sog.  Stadt- 
buch')  mit  Eintragungen  seit  1243,  noch  das  Matrikelbuch  von  Stettin®) 
sind  für  unsere  Zwecke  zu  gebrauchen,  da  beides  erst  spätere  Ab- 
schriften sind.  Erst  ein  dritter  dicker  Band,  der  Stettiner  Rats- 
aufzeichnungen ^),  Verlassungen,  Erbschaftsverträge  u.  a.  enthält,  also 
die  Rolle  der  Schreinsbücher  anderer  Städte  vertritt,  kann  uns  ein 
Bild  der  gleichzeitigen  Sprachentwicklung  geben.  Die  Aufzeichnungen 
gehen  von  1495  freilich  nur  bis  1523,  lassen  jedoch  in  dieser  ganzen 


»)  M.-A.-St.  234  (Jahr  15()0).  »)  M.-A.-St.  239  (1566),  231  (1566),  240  (1566). 
»)  M.-A.-St.  244.  253.  *)  M.-A.-St.  254  (1571).  »;  M.-A.-St.  256  (1571  \  •)  M.-A.-St. 
255.  '')  St.-A.-St. :  Repos.  d.  depon.  Akten  d.  Stadt  St.  Tit.  I,  sect.  1,  Nr.  la. 
®)  M.-A.-St.  237;  gleichzeitige  und  spätere  Abschriften  sind  gesammelt  in  St.-A.-St.: 
Repos.  d.  depon.  Akten  Tit.  I,  sect.  1,  Nr.  1.  •)  St.-A.-St.  a.  a.  0.  Tit.  I,  sect.  1,  Nr.  Ib. 


76 

Zeit,  selbst  am  Ende  kein  Eindringen  von  Neuerungen  irgendwie 
spüren.  Noch  1523  lesen  wir  folgende  Eintragung:  Iteni  hans  Bardeke 
vorlet  merten  myddenwolt  vnnd  annen  szyner  hußfrowen  eyn  huß  jn  der 
bredenstrate  tusschen  hans  engelkens  vnnd  rochows  hußern  jnne  belegen 
mytt  aller  tobehoringe  szo  als  he  dat  vorhenn  beseten  hefft  .  .  . 

Dieselbe  Sprache  finden  wir  in  einem  Band  geistlicher  Ver- 
lassungen ^)  gleichzeitiger  Niederschrift. 

Nun  kommen  wir  zu  einem  Kopienbuch  gleichzeitiger  Abschrift, 
dessen  Schreiber  wir  kennen:  es  ist  der  schon  mehrfach  erwähnte 
Sebastian  Mum.  Leider  sind  in  diesem  Kopial  der  Stettinischen 
Privilegien^)  nur  wenig  deutsche  Stücke  enthalten;  uns  interessiert 
ein  Kaufbrief  Albrecht  Glindes  über  Messenthin  aus  dem  Jahre  1534, 
wo  wir  in  vollständig  ndd.  Text  Formen  wie  haben  lesen');  ein  Kauf- 
brief Barthelt  Hallens  von  1558  ist  dagegen  ganz  hd.*) 

Sebastian  Mum  treffen  wir  noch  in  zwei  weiteren  Bänden  als 
Schreiber.  Erstens  im  Eigenthums  Buch^),  Voigding  und  BaurBuch  .  . . 
verfertiget  durch  den  Ober  Secretarium  Sebastian  Mum  in  Ao,  1540. 
Die  Eintragungen  beginnen  1540  teils  von  Mum,  teils  von  andern 
Stadtschreibern  herrührend,  alle  schreiben  jedoch  wohl  unter  dem 
Eindrucke  von  Mums  Sprache  ein  sehr  gutes  Hd.,  was  in  einem  der- 
artigen Buch  um  so  auffälliger  ist,  als  ja  doch  die  Verhandlungen 
mit  den  Delinquenten  sicher  ndd.  geführt  worden  sind.  Dass  aber  ein 
gewisser  Kanzleibrauch  ausgebildet  war,  bezeugt  der  Umstand,  dass 
sich  die  Sprache  der  übrigen  Schreiber,  z.  B.  eines  Petrus  Hundert- 
mark in  keiner  Weise  von  der  Mums  unterscheidet.  Als  Probe  diene 
eine  Eintragung  auf  S.  2  (Pölitz,  1547  am  Tage  Petri  und  Pauli  i: 
Hans  Albreckt  schrader  vnd  Merten  hoppener  hattenn  sich  jm  stadt 
heller  mit  einander  geraufft;  dafür  soll  jrer  jeder  1  gülden  straff  geben  .... 

Ganz  genau  die  verschiedenen  Schreiberhände  zu  scheiden,  ver- 
mögen wir  in  einem  kleinen,  schmalen  Büchlein  Rcgistere  der  Vaigd- 
dinge  .  .  .  ®)  Auf  der  Innenseite  stehen  die  drei  Besitzer  und  Schreiber 
verzeichnet:  M.  Winss  D.  154G,  Sebastian  Mhum  1546,  Helias 
Schlecker  1564. 

Das  Buch  beginnt  mit  Eintragungen,  die  nicht  von  Mums  be- 
kannter Hand,  also  wohl  von  seinem  Vorgänger  Wins  herrühren;  sie 
sind  ndd.  Mit  Mums  Handschrift  beginnt  auch  (mit  einigen  Aus- 
nahmen allerdings  auf  S.  8  b)  hd.  Sprache  vorzuherrschen.  Was  nach 
1564  eingetragen  ist,  also  wohl  Schlecker  zugehört,  ist  hd. 

Sehluss. 

Fassen  wir  zum  Sehluss  die  Resultate  noch  einmal  übersichtlich 
zusammen:  Das  15.  Jahrhundert  bewahrte  auf  allen  Gebieten  das  Ndd. 
Im  Beginne  des  16.  Jahrhunderts   zeigen    sich   zuerst   in   der  Kanzlei 


1)  a.  a.  0.  Tit.  II,  sect.  1,  Nr.  1,  vol.  2,  Bl.  159.  *)  a.  a.  0.  Tit.  I,  sect.  1. 
Nr.  2.  »)  Bl.  175  f.  *)  Bl.  171.  »)  St.-A.-St. :  Rep.  d.  dep.  Akt.  Tit.  XIU,  Gen^ 
Nr.  1.    «)  a.  a.  0.  Tit.  XIII,  Gen.  Nr.  2. 


77 

der  Herzöge  erste  Spuren  eines  Einflusses  hd.  Sprache  und  zwar  in 
den  Urkunden  an  auswärtige  hd.  Adressaten.  Ein  Umschwung  tritt 
in  der  Kanzlei  Barnims  ein,  als  er  nach  Georgs  Tode  1531  die  Herr- 
schaft mit  seinem  Neffen  Philipp  geteilt  hatte.  Philipps  Kanzlei  zu 
Wolgast  bleibt  noch  etwas  zurück:  hier  beginnt  man  erst  seit  c.  1543, 
dort  schon  seit  1534  auch  Pommerische  Verhältnisse  in  hd.  Sprache 
zu  beurkunden;  ndd.  zeigt  sich  sporadisch  noch  bis  in  die  70er 
Jahre  hinein.  Die  Sprache  in  den  inneren  Verwaltungsakten  hält 
ungefähr  mit  dieser  Entwicklung  Schritt. 

Die  Stadtkanzlei  in  Stettin  wird  dadurch  Anfang  der  40er 
Jahre  beeinflusst,  wo  Leute  wäe  Sebastian  Mum  im  Regiment  und 
der  Kanzlei  sassen.  In  der  Mitte  der  60er  Jahre  ist  die  Entwicklung 
in  allen  Teilen  der  Stadtkanzlei  als  vollendet  zu  bezeichnen ;  das  Ndd. 
hat  dem  Hd.  weichen  müssen. 

BERLIN.  Willy  Scheel. 


78 


Die  Bielefelder  Urkundenspraehe 

Vortrag, 

gehalten  zu  Bielefeld  am  5.  Juni  1895  in  der  Sitzung  des  Vereins 

für  niederdeutsche  Sprachforschung. 


Neuerdings  ist  der  Wert  der  Urkunden  für  sprachliche  Zwcoko 
mitunter  bestritten  oder  herabgesetzt  worden.  Demgegenüber  stelle 
ich  den  Satz  auf:  Es  bilden  die  Urkunden  eine  der  wichtigsten  Quellen 
zur  Aufhellung  der  Sprachgeschichte.  Vor  unserer  sonstigen  schrift- 
lichen Ueberlieferung  haben  sie  den  Ungeheuern  Vorzug,  örtlich  untl 
zeitlicli  genau  bestimmt  zu  sein.  Was  das  bedeutet,  braucht  gegen- 
über der  Mühe,  die  die  Lokalisierung  und  Datierung  sonst  oft  macht, 
nur  ausgesprochen  zu  werden.  Freilich  muss  man  die  Urkunden  zu 
benutzen  verstehen.  Denn  ohne  weiteres  muss  zugegeben  werden,  dass 
man  nicht  von  ihnen  unmittelbar  auf  die  Volkssprache  ihrer  Heimat 
und  Zeit  schliessen  darf. 

Bedeutung  und  Eigenart  dieser  Sprachdenkmäler  möchte  ich  nun 
an  den  deutschen  Urkunden  Bielefelds  erläutern. 

Die  erste  deutsche,  leider  nur  in  neuerer  Abschrift  erhaltene 
Bielefelder  Urkunde  ist  von  1302.  Aus  der  ersten  Hälfte  des 
14.  Jahrhunderts  standen  mir  dann  nur  noch  vier,  nämlich  zwei  von 
1338,  eine  von  1348  und  eine  von  1350  zur  Verfügung.  Sie  betreffen 
sämtlich  die  Neustädter  Kirche  und  sind  mit  den  übrigen  zahlreichen 
Urkunden  derselben  dem  Staatsarchiv  zu  Münster  überwiesen  worden. 
Zum  Teil  sind  sie  im  Urkundenbuch  der  Stadt  Bielefeld^)  abgedruckt, 
das  aber  vorläufig  leider  nur  bis  1346  reicht,  zum  Teil  lagen  sie  mir 
in  Abschriften  vor,  die  mir  der  Herausgeber  des  genannten  Werke> 
gütigst  überlassen  hatte.  Alle  späteren  von  mir  benutzten  Urkunden 
gehören  dem  hiesigen  städtischen  Archiv  an  und  wurden  im  Original 
eingesehen,  doch  haben  mir  auch  hierbei  eine  Anzahl  von  Abschriften 
des  Herrn  Dr.  Reese  gute  Dienste  gethan.  Durch  die  Notwendigkeit, 
mich  an  die  Originale  zu  halten,  ist  mir  übrigens  klar  geworden,  dass 
man  sich,  um  einen  genauen  Einblick  in  das  Wesen  und  die  Ent- 
wicklung der  Urkundensprache  zu  thun,  auch  um  die  Schreiber  und 
Schreibschulen  wird  bekümmern  müssen;  ich  selbst  habe  die  ver- 
schiedenen Hände  allerdings  auch  nur  gelegentlich  verfolgt.  —  Je  weiter 
wir  in  der  Zeit  vorschreiten,  um  so  massenhafter  wird  das  Material, 
um  im  16.  Jahrhundert  mit  etwa  200  Stück  den  Höhepunkt  zu 
erreichen.    Durch  die  Hände  sind  mir  bis  1625  alle  hier  vorhandenen 


*)  Im  9.  Jahresbericht  des  Historischen  Vereins  für  die  Grafschaft  Ravcnsberg, 
herausgegeben  von  R.  Reese.    1894. 


79 

Urkunden  gegangen,  doch  habe  ich  mich  für  genauere  Ausnutzung  von 
1490  an  mit  Stichproben  begnügt.  Aus  der  zweiten  Hälfte  des 
14.  Jahrhunderts  habe  ich  etwa  zehn,  aus  dem  15.  Jahrhundert  einige 
zwanzig  und  aus  dem  16.  einige  dreissig  Stück  verwertet.  Ausser  der 
ersten  von  1302  sind  alle  Originale.  Um  sicher  zu  gehen,  dass  sie 
wirklich  von  Bielefeldern  herrühren,  habe  ich  nach  Möglichkeit  nur 
solche  herangezogen,  in  denen  ausschliesslich  Bewohner  der  Stadt 
miteinander  verhandeln.  Fast  nur  in  den  frühesten  kommen  auch 
Leute  aus  der  Umgegend  vor,  was  vielleicht  manche  Eigentümlichkeit 
erklärt. 

Ganz  ausgeschlossen  wurden  die  landesherrlichen  Urkunden,  auch 
solche,  bei  denen  Landesherr  und  Stadt  beteiligt  sind.  Nur  bis  1346 
entstammen  die  Landesherren  demselben  Sprachgebiet,  mit  Aussterben 
der  Ravensberger  Grafen  fällt  Bielefeld  an  die  Herzöge  von  Jülich 
und  Berg  —  also  ein  fränkisches  Geschlecht,  und  1511  erbt  das  Ganze 
der  Herzog  von  Cleve,  also  gleichfalls  ein  Rheinländer.  Ich  bemerke 
übrigens  im  Voraus,  dass  sich  eine  Beeinflussung  der  Bielefelder 
lokalen  Urkunden  durch  die  fürstliche  Kanzlei  nicht  sicher  nach- 
weisen lässt. 

Sehen  wir  von  einigen  Urkunden  aus  dem  Jahre  1555  ab,  in 
denen  der  Rentmeister  zum  Sparenberge,  also  ein  nichtstädtischer 
Beamter,  vorkommt,  so  tritt  die  nhd.  Schriftsprache  zuerst  in  den  60er 
Jahren  des  16.  Jahrhunderts  auf.  Aber  noch  nicht  sofort  rein,  viel- 
mehr bleiben  anfangs  starke  nd.  Reste.  Und  zwar  leistet  der  nd. 
Konsonantismus  zäheren  Widerstand  als  der  Vokalismus,  in  der  Art, 
dass  vielfach  die  Konsonanten  auch  in  solchen  Urkunden  unverschoben 
bleiben,  deren  Vokale  schon  überwiegend  nhd.  sind.  Neben  den 
Urkunden,  die  starke  Beeinflussung  durch  das  Nhd.  zeigen,  kommen 
übrigens  bis  1575  ungefähr  ebensoviel  vorherrschend  nd.  vor.  Nach 
1575  begegnet  Gebrauch  des  Nd.  nur  noch  vereinzelt  und  zwar  zum 
letzten  Mal  1589.  Das  Hd.  brauchte  hier  also  mehrere  Jahrzehnte, 
um  zur  Alleinherrschaft  zu  gelangen.  Hd.,  wenn  auch  mit  mannig- 
fachen nd.  Anklängen,  sind  auch  die  Bielefelder  Rats  Verhandlungen 
von  1586 — 1628*),  aus  denen  ich  eine  Reihe  schwieriger  Stellen  im 
Korrespondenzblatt  des  Vereins  für  nd.  Sprachforschung^)  zur  Sprache 
gebracht  habe.  Sie  sowohl  wie  unsere  Urkunden  würden  dem,  der  die 
Geschichte  des  Kampfes  der  nhd.  Schriftsprache  mit  dem  Nd.  schreiben 
wollte,  eine  wertvolle  Quelle  sein. 

Jostes  meint  einmal^),  wie  bei  Soest  werde  es  sich  im  allgemeinen 
zeigen,  dass  gerade  die  altgläubige  Geistlichkeit  zuerst  und  die 
protestantischen  Städte  zuletzt  den  Dialekt  aufgeben.  Hier  könnten 
demnach  kaum  konfessionelle  Gründe  für  und  gegen  gewirkt  haben. 
Auf  den  ersten  Blick  scheint  es  so,  als  spräche  auch  bei  der 
protestantischen  Stadt  Bielefeld  das  späte  Auftreten  des  Hd.  in  ihrer 


^)  8.  Jahresbericht  des  Ilistor.  Vereins  für  die  Grafschaft  Ravensberg  1891. 
")  15,  53  f.  vergl.  16,  10  f.     •)  Daniel  von  Soest  S.  393.     Anm.  2. 


u 

Urkundenspraclie  für  diese  Behauptung.  Aber  bei  ihr  ist  zu  berück- 
sichtigen, dass  hier  auch  die  Reformation  erst  spät  (seit  1541)  Eingang 
fand  und  sich  dann  erst  allmählich  und  nicht  ungestört  durchsetzte  ^ ). 
Hier  fallen  also  Einführung  der  Reformation  und  der  nhd.  Schrift- 
sprache nicht  zu  weit  auseinander,  und  erstere  könnte  bei  ihren 
mannigfachen  Beziehungen  zum  Hochdeutschen  (man  denke  nur  an 
das  hd.  Kirchenlied,  das  nun  auch  in  Bielefelds  Kirchen  erklang)^) 
doch  hier  den  Umschwung  in  der  Urkundensprache  mit  befordert 
haben,  wenn  ich  auch  keineswegs  den  Hauptgrund  darin  sehe.  Der 
Wechsel  würde  über  kurz  oder  lang  auch  dann  eingetreten  sein,  wenn 
Bielefeld  katholisch  geblieben  wäre. 

Der  genaue  Zeitpunkt  des  Eintritts  des  Hd.  hängt  gewiss  oft 
von  Zufälligkeiten  ab.  Die  spät-nd.  Bielefelder  Urkunden  rühren 
grossenteils  von  derselben  Hand;  mit  ihr  verschwindet  die  nd.  Sprache 
aus  dem  Aktenmaterial.  Wäre  nun  der  betreflFende  Schreiber  zufällig 
früher  verstorben  oder  sonst  in  Unthätigkeit  getreten,  so  würde  sich 
das  Bild  für  uns  vöüig  verschieben. 

Zunächst  fassen  wir  die  Zeit  ins  Auge,  in  der  hd.  Urkunden 
noch  ganz  fehlen,  also  die  250  Jahre  von  1300 — 1550,  um  dann  noch 
einen  kurzen  Blick  auf  die  Periode  zu  werfen,  in  der  das  Nd.  vor 
dem  Hd.  zurückweicht. 

Zuerst  soll  die  Stellung  der  Bielefelder  Urkundensprache  innerhalb 
des  Schriftnd.  überhaupt,  dann  das  Verhältnis  zu  dem  gesprochenen 
Laut  erörtert  werden. 

Wenn  wir  nichts  über  die  Heimat  unserer  Urkunden  wüssten, 
so  könnten  wir  doch  aus  der  Sprache  auf  die  ungefähre  Herkunft 
schliessen.  Bekanntlich  haben  die  meisten  Erscheinungen  der  ge- 
sprochenen Sprache  ihr  besonderes  Gebiet ;  nicht  gar  oft  decken  sich 
zwei  Grenzen.  Wer  noch  daran  gezweifelt  hat,  den  wird  überzeugt 
haben,  was  über  den  grossartigen  Wenkerschen  Sprachatlas  bekannt 
geworden  ist.  Ebenso  ist  es  mit  den  Verschiedenheiten  der  geschrie- 
benen Sprache.  Immerhin  haben  oft  mehrere  Spracherscheinungen 
wenn  nicht  die  Peripherie,  so  doch  den  Mittelpunkt  gemeinsam,  und 
danach  können  wir  ein  grösseres  Gebiet  in  dialektische  Landschaften 
scheiden.  Einzelne  Eigentümlichkeiten  können  dann  freilich  eine 
Gegend  enger  mit  einer  anderen  verbinden,  von  der  wir  sie  bei  der 
vorgenommenen  Gruppierung  getrennt  haben.  Mit  diesem  Vorbehalte 
möchte  ich  das  Schriftmnd.  in  vier  Ginippen  teilen,  wobei  ich  übrigens 
bemerke,  dass  ich  den  Nordwesten,  Ostfriesland  und  Nachbarschaft, 
als  mir  unbekannt  ausschliesse.  Im  wesentlichen  bildet  der  Norden, 
also  die  Wasserkante,  eine  Einheit.  Dagegen  der  Süden  zerfällt  in 
drei  Gebiete,  Westfalen,  ungefähr  im  Umfang  der  heutigen  Provinz, 
das  Gebiet  zwischen  Oberweser  und  Mittelelbe  und  die  Mark  Branden- 
burg nebst  Nachbarschaft. 


^)  Goebel,  2.  Jahresbericht  des  Hist.  Vereins  für  Ravensberg  1878  S.  50  ff. 
»)  a.  a.  0.  S.  55.  72. 


81 

Die  beiden  letzten  Landschaften  würden  nun,  wenn  wir  den 
Ursprung  unserer  Urkunden  nach  ihrem  Dialekt  bestimmen  wollten, 
sofort  ausscheiden. 

Der  Mark  Brandenburg  sind  viele  Formen  und  Laute  mit  dem 
Hd.  gemein:  ü  (z.  B.  brudcr^  tu)  für  o,  %  (z.  B.  die,  hrif)  für  e,  %  in 
unbetonter  Silbe  (z.  B.  unsis)  für  ^,  oder  für  eder^  von  für  mn,  het 
für  heft;  ausserdem  fehlt  der  Plural  des  Präsens  auf  -et  Unsere 
Urkunden  bieten  dagegen  ö,  ^,  e,  cdcTy  van^  heft  und  viele  -e^,  und  sie 
L348,  Zielten  1461,  stichtis,  unsis  1348,  «w^ir  1451,  oder  1338  (Urkbuch 
der  Stadt  Bielefeld  L  Nr.  160  und  162)  sind  Ausnahmen. 

Das  Gebiet  zwischen  Oberweser  und  Mittelelbe  aber  wird  gekenn- 
zeichnet durch  ek,  mik^  ome,  ore,  os  für  ik^  mi^  eme^  er,  W5,  —  wieder 
lauter  Formen,  die  bis  auf  eine  Anzahl  ore,  von  denen  unten  gesprochen 
werden  wird,  ganz  und  gar  fehlen. 

So  kämen  also  die  Wasserkante  und  Westfalen  in  Betracht. 
Wenn  man  zwischen  diesen  beiden  Gebieten  die  Wahl  hat,  würde  man 
sich  für  Westfalen  entscheiden.  Charakteristisch  für  dieses  ist  nämlich 
Erhaltung  des  n  in  uns  und  den  abgeleiteten  Formen ;  in  den  Urkunden 
steht  ebenso  nur  ausnahmsweise  1338  (Nr.  160)  use  neben  uns^  unsen^ 
unser  und  1355  user  neben  uns.  Auch  Stades  als  Gen.  von  stat  findet 
sich  ausser  in  Lübeck  und  dem  Nordosten  fast  nur  im  Westen.  In 
Bielefeld  aber  ist  es  ausserordentlich  häufig:  bis  1400  wechselnd  der^ 
des  Stades^  seitdem  fast  nur  des  Stades, 

der  nienstaddes  1302.  der  olden  Stades  1371.  van  des  Stades  wegen 
1380.  der  olden  Stades  1392.  unses  Stades  1399.  der  Stades  1422. 
unses  Stades  1442.  1483.  1510.  1536.  1539. 

Selbst  in  den  Ratsverhandlungen  spukt  jenes  Stades  nach.  Es 
heisst  zwar  stets  der  Stadt,  aber  in  Zusammensetzungen  die  drie  stadts- 
knechte  1595,  Stadtsdiener  1602,  stadtsdiener-eyd  1621  neben  stadt- 
Schreiber  1591,  stadtdiener  1621  u.  s.  w.  Zu  Westfalen  passt  femer 
die  Seltenheit  des  Uebergangs  von  o  zu  a  in  offener  Silbe  in  Fällen 
wie  apen  für  open,  und  auch  ew,  ende  für  un,  unde  1338  (Nr.  160  und 
162)  weisen  auf  dieselbe  Landschaft. 

Ja  innerhalb  Westfalens  können  wir  die  Herkunft  der  Urkunden 
noch  genauer  bestimmen.  Auf  den  Osten  werden  wir  nämlich  geführt 
durch  Vorkommen  von  schal,  scholen  neben  sal,  solen.  Zuerst  über- 
wiegen wohl  sogar  die  Formen  mit  sc,  seh. 

schölle  wi  1302.  scolent  1338  Nr.  160.  scole  wy,  zal  1338  Nr.  163. 
scolden  1355.  scoldc  1380.  solen  1390.  schal,  scholen  1405.  schal 
1420.  sollen,  sali  1445.  scholen,  schall,  sollen  1489.  scholde  1497. 
sali  1506.  schollen  1512.  sali  1517.  schal,  schollen,  sal,  sollen  1520. 
schall,  schollen,  sollen  1528.     schall,  sal  1555. 

Im  Herzen  Westfalens  gilt  nur  sal,  solen.  —  Auf  den  Norden 
aber  weist  vp.  Im  Süden,  wenigstens  in  den  Dortmunder  Urkunden, 
soweit   ich    sie   nach  RübeP)  kontrollieren   kann,    herrscht   op.     Dies 


*)  K.  Rubel,  Dortmunder  Urkundenbuch  Band  I  und  II.  (bis  1400  reichend). 

NiedordeutBches  Jahrbuch.    XX.  Q 


82 

steht  z.  B.  1320,  1342,  1361,  1373,  1382,  1396,  1400,  und  up  13s7 
ist  Ausnahme^). 

Schwieriger  ist  die  zweite  Frage,  die  neuerdings  öfters  aufgeworfen 
worden  ist:  Wie  verhalten  sich  Urkundensprache  und  wirkliche  Volks- 
sprache zu  einander? 

Indem  ich  ihr  näher  trete,  hole  ich  nach,  was  der  verdiente 
Bearbeiter  der  heutigen  Ravensberger  Mundart,  Jellinghaus^),  für 
seine  Person  ausdnicklich  ablehnt.  Um  zunächst  meine  Stellung  xu 
dieser  Frage  im  allgemeinen  anzugeben :  auf  Gnmd  eines  umfassenden 
Materials  nicht  bloss  von  Urkunden,  sondern  auch  zahlreichen  andertii 
namentlich  Prosadenkmälern  bin  ich  zu  der  Ansicht  gekommen  un<l 
hoffe  noch  Gelegenheit  zu  finden,  sie  in  einem  grösseren  Zusammen- 
hang darzulegen,  dass  es  im  Mnd.  eine  durchgeführte,  über  den  Mun<l- 
arten  stehende  Schriftsprache  noch  nicht  gab,  wohl  aber  Ansätze  zu 
einer  solchen,  und  die  Entwicklung  würde  weiter  gegangen  sein,  wenn 
nicbt  das  Aufkommen  der  nhd.  Schriftsprache  sie  unterbrochen  hütti'. 
Zu  dieser  Ansicht  hat  mich  die  Beobachtung  geführt,  dass  einerseit«* 
vielfach  die  noch  heute  geltenden  mundartlichen  Eigentümlichkeitt^n 
auch  in  den  mnd.  Denkmälern  hervortreten,  dass  aber  anderseits 
ebenso  oft  nachweislich  die  mnd.  Schrift  den  gesprochenen  Laut  nirlu 
wiedergiebt.  Dies  sonst  gewonnene  Ergebnis  haben  mir  die  BielefeUUi 
Urkunden  bestätigt. 

Um  festen  Boden  unter  den  Füssen  zu  gewinnen,  seien  ziinäeh>: 
einige  ganz  sichere  Beispiele  sowohl  für  die  Uebereinstimmung  dei 
Urkunden  mit  der  Mundart  als  für  ihre  Abweichungen  von  derselhtii 
angeführt. 

Zunächst  also  Uebereinstimmungen !  Ich  hob  oben  (Seit^*  M  > 
eine  Reihe  von  Eigentümlichkeiten  des  Mnd.  zwischen  Oberweser  und 
Mittelelbe  hervor;  diese  sämtlich  erweisen  ihren  Ursprung  aus  dw 
Volkssprache  dadurch,  dass  sie  noch  heute  ungefähr  innerhalb  d(M- 
selben  Grenzen  vorhanden  sind.  Sie  reichen  zum  Teil  bis  ganz  in  die 
Nabe  von  Bielefeld  —  so  wird  Detmold  noch  als  ccfc-Ort')  angegeben  — . 
aber  bis  Bielefeld  selbst  erstreckt  sich  keine,  und  dementsprecheinl 
finden  sie  sich  auch  nicht  in  den  Urkunden.  Wenn  dann  im  Ge«2cen- 
satz  zu  den  Dortmunder  Urkunden  die  Bielefelder  up  haben,  so  stimmt 
auch  dieser  Unterschied  zu  den  heutigen  Mundarten*).  Was  schliesslii-h 
den  Wedisel  von  sal^  solen  und  schale  scholen  betriff't,  so  galten  houtt' 
in  der  Umgegend  von  Bielefeld,  wie  ich  mich  durch  Umfragen  hi\ 
Schülern  überzeugt  habe,  die  .9-Formen,  aber  schon  aus  Minden  iiinl 
Exter  bei  Vlotho  wird  seh  bezeugt.  So  erklärt  es  sich  vielleicht,  da^-^ 
Jellinghaus^)  beiderlei  Formen  als  ravensbergisch  angiebt.  Ni(*lit> 
steht  also  der  Annahme  im  Wege,  dass  im  Mittelalter  auch  in  Biele- 
feld neben  eindringendem  s  noch  seh  gesprochen  wurde. 


>)  a.  a.  0.  I.  Nr.  885.  508.  760.  11.  Nr.  38.  127.  9G2.  1038.  194.  *)  Wosf- 
fälischo  Grammatik  S.  3.  ^)  Wrcdc,  Anzeiger  für  deutsches  Alterthum  18,  8(»s. 
♦)  a.  a.  ü.  21,  159.  161.     '•)  ^  168,  259,  S.  114. 


83 

Nun  einige  Abweichungen!  Es  sind  das  dieselben,  die  schon 
Jostes  in  seinem  schönen  Aufsatz :  Schriftsprache  und  Volksdialekte  *) 
hervorhob,  um  für  das  Mittelwestfälische  das  Vorhandensein  einer 
Schriftsprache  zu  beweisen. 

Das  heutige  Westfälisch  hat  in  uns  und  den  abgeleiteten  Formen 
durchaus  Ausfall,  das  Mittelwestfälische  einschliesslich  der  Bielefelder 
Urkunden,  wie  wir  (S.  81)  sahen,  ebenso  durchgehends  Erhaltung  des  n. 
Ersteres  wird  aber  als  das  Ursprüngliche  erwiesen  durch  das  Alt- 
sächsische,  wo  die  Formen  mit  n  ganz  unbekannt  sind.  Und  zum 
Teil  stammen  die  altsächsischen  Denkmäler  doch  sicher  aus  West- 
falen. Die  Freckenhorster  Heberolle  kommt  hier  für  uns  freilich  nicht 
in  Betracht,  da  sie  die  betreffenden  Formen  nicht  bietet.  Um  so 
häufiger  sind  sie  im  Heliand,  dessen  westfälische  Herkunft,  wenn  auch 
bestritten,  doch  immer  noch  wahrscheinlich  ist.  Und  ganz  beweisend 
sind  die  Essener  Stücke;  selbst  in  diesen  Denkmälern,  die  aus  der 
Nähe  der  niederfränkischen  Grenze  stammen,  herrscht  Ausfall  ^).  Diese  n 
zeigen  in  analogen  Fällen  auch  die  von  Althof'^)  behandelten  west- 
fälischen Namen.  Hier  möchte  ich  die  Frage  aufwerfen,  ob  eine  eigen- 
tümliche Schreibweise  mehrerer  Bielefelder  Urkunden  vielleicht  damit 
zusammenhängt,  dass  das  n  blosser  Schreibgebrauch  ist.  Es  wird  u 
bekanntlich  von  n  vielfach  so  unterschieden,  dass  über  u  diakritische 
Zeichen  gemacht  werden.  Nun  finden  sich  aber  mehrfach  z.  B.  1385 
diese  auch  über  n  in  unse  usw.  Ist  hier  blosse  Nachlässigkeit  der 
Schreiber  anzunehmen,  oder  regt  sich  das  Sprachbewusstsein  unwillkür- 
lich gegen  die  angelernte  Rechtschreibung? 

Während  diese  Abweichung  von  der  Mundart  in  Westfalen  von 
Anfang  der  mnd.  Zeit  an  besteht  (später  setzt  sie  sich  übrigens  im 
ganzen  Bereiche  des  Mnd.  durch),  so  gelangt  eine  andere,  die  nicht 
auf  Westfalen  beschränkt  ist,  erst  allmählich  zur  Herrschaft,  die 
Endung  -en  im  Plur.  praes.  statt  -et.  Heute  herrscht  durchaus  in 
Westfalen  -(e)t  und  wird  als  uralt  erwiesen  durch  das  Altsächs.,  das 
im  Plur.  ind.  praes.  ausschliesslich  ad  kennt.  Für  Westfalen  kommt 
hier  ausser  den  oben  bei  us  genannten  Quellen  auch  die  Frecken- 
horster Heberolle  in  Betracht.  Die  Bielefelder  Urkunden  bevorzugen 
im  14.  Jahrhundert  -H,  1400 — 1450  herrscht  Wechsel,  dann  überwiegt 
'tu.     Ganz  verschwindet  übrigens  -et  nie.     Es  mögen  hier  einige  Belege 

aus  späten  Urkunden  stehen : 

wvlt,  werdet  1489.    blyvet  1491.    hebbet,  wylt  1496.     wonet,   uthfordert 
1499.     hebbet  1511.     wilt  1520.     hebbet  1539. 

Die  Praeteritopraesentia  haben  in  den  Bielefelder  Urkunden  -en, 
nur  ausnahmsweise  steht  moghet  1355,  Tconth,  solt  1549.  Immerhin 
deuten  diese  Formen  darauf  hin,  dass  der  ravensbergischen  Volks- 
sprache des  Mittelalters  auch  bei  diesen  Verben  die  Endung  -(e)t 
bereits    bekannt   war,    die    heutzutage    bei    ihnen    allein    herrscht*). 


*)  Nd.  Jahrbuch  11,  85.  *)  Heyne,  Glossar  zu  den  Kleineren  altnd.  Denk- 
mälern 2.  Aufl.  S.  196.  ')  Grammatik  altsächs.  Eigennamen  in  westf.  Urk.  des  9. 
bis  11.  Jahrhunderts  §  117,  118.    *)  Jellinghaus  §  259. 

6* 


n 


84 

Anderswo   findet  sie   sich   in   diesem  Fall  seit  etwa  1350.   —    Sonst 

begegnet  -en  zuerst  in  Nebensätzen: 

dat  wy  hebben  1338.  Nr.  163.    Aehnlich  1371.  1391.    zee  enhebben  ISa'-. 
Nr.  163, 

während  allerdings  in  anderen  frühen  Urkunden  im  gleichen  Fall  schoii 
-et  steht: 

dat  wi  hebbet  1302.     dat  wy  lovet  1338.  Nr.  163.     dat  wy  hebbet   13^5. 
dat  wy  willet  1390. 

Haben  wir  es  vielleicht  bei  jenen  -en  mit  Fortdauer  des  Konjunktiv 
zu  thun,  dem  ja  im  Altsächsischen  die  Endung  -en  zukommt?  Wor 
in  den  anderen  -en  keine  bloss  orthographische  Eigentümlichkeit  sehen 
will,  könnte  sie  so  deuten,  dass  sie  aus  dem  Konjunktiv,  dessen 
Bedeutung  allmählich  dem  Sprachbewusstsein  abhanden  kam,  in  den 
Indikativ  gedrungen  wären  und  beide  Endungen  eine  Zeitlang  aucli 
in  der  gesprochenen  Sprache  nebeneinander  bestanden  hätten,  bis  '(ejf 
in  dieser  zur  Alleinherrschaft  gelangte.  Damit  wäre  aber  nicht  erklärt, 
warum  in  der  Schrift  grade  -en  je  länger  je  mehr  überwiegt  und 
schliesslich  wenn  nicht  in  unsern  Bielefelder  Urkunden  so  doch  anderswo 
oft  obsiegt,  wo  heute  die  Mundart  noch  '(€)t  hat. 

Es  steht  also  fest,  dass  die  Schrift  der  wirklichen  Volksspraclu' 
nicht  überall  entsprach.  Von  diesen  zweifellosen  Fällen  wenden  wir 
uns  zu  der  schwierigen  Frage,  wie  weit  der  eigentümliche  westfälisrlu- 
Vokalismus  schon  im  Mittelalter  vorhanden  war. 

Wir  fangen  mit  dem  Diphthong  ie  an.  An  dessen  Stelle  st(»ht 
altsächsisch  einmal  kurzes  i;  z.  B.  heutiges  fiele  ist  altsächsisch  filu, 
tielen  =  tüian^  sieker  =  sikor.  Dies  %  herrscht  auch  in  den  west- 
fälischen Namen  des  9.  bis  11.  Jahrhunderts.  Althof  führt  nur  wenijjo 
e  z.  B.  Fretherich  gegenüber  zahlreichen  i  in  demselben  Namen  aiiM. 
Für  die  folgende  Zeit,  für  die  in  Westfalen  bis  etwa  1300  gleichfalls 
fast  nur  deutsche  Wörter  in  lateinischen  Denkmälern  zur  Verfügung 
stehen,  bin  ich  auf  vereinzelte  Beobachtung  angewiesen.  Entnommen 
habe  ich  sie  dem  4.  von  Darpe  besorgten  Band  des  Codex  traditionuni 
Westfalicarum,  weil  er  in  musterhafter  Behandlung  Denkmäler  enthält, 
die  ganz  aus  der  Nähe  Bielefelds,  aus  Herford,  stammen*).  Ich  haln« 
hieraus  die  Formen  für  das  Dorf  Brackwede  bei  Bielefeld,  heute  im 
Volksmund  Brokwie,  zusammengestellt.  Die  Heberolle  des  12.  Jahr- 
hunderts hat  Brequide^),  die  des  13.  Bracwide^)^  doch  bietet  eine  Hs. 
derselben  schon  Bracwcde^  und  letztere  Form  herrscht  im  14.  Jalir- 
hundert  und  später  ausnahmslos.  Ferner  steht  in  den  Zusätzen  zur 
Heberolle  des  12.  Jahrhunderts  niderval^)^  im  Nachtrag  zu  dem 
summarischen  Register  von  einer  Hand  anscheinend  des  13.  Jahrhunderts  **•) 
fiitherval,  in  der  Heberolle  des  13.  Jahrhunderts  aber  schon  negeti- 
ogen'^)  (negen  heute  fliegen).  —  Heutiges  ie  geht  aber  teilweis  auch 
auf  altsächs.  Umlauts-e  zurück,    z.  B.  bieke  auf  beki,   kietel   auf  ketiL 


*)  §  80,  147.  *)  Einkünfte-  und  Lchns-Re^ister  der  Fürstabtei  Herford  sowie 
die  Heberollen  des  Stifts  auf  dem  Berpje  bei  Herford.  *)  a.  a.  S.  S.  32.  *)  S.  70. 
»j  S.  51.     «)  S.  02,  vrgl.  S.  10,  5G  a.     '}  S.  84. 


85 

An  dessen  Stelle  tritt  schon  in  der  Hs.  M  der  Freckenhorster  Hebe- 
rolle gern  i^),  ebenso  bieten  die  westfälischen  Namen  des  9.  bis  11. 
Jahrhunderts  oft  -biki  neben  -bekP).  In  der  Heberolle  des  12.  Jahr- 
hunderts überwiegt  -biJce,  -biki^  in  der  des  13.  gilt  aber  schon  -beke. 
Z.  B.  heisst  es  dort  Bernehike^  hier  Bernebeke  (jetzt  Bermbeck  im 
Kreis  Herford).  Diesen  Namen  habe  ich  auch  in  den  späteren  Her- 
forder Denkmälern  verfolgt,  er  hat  auch  da  stets  c.  Den  gleichen 
Unterschied  habe  ich  beobachtet,  wenn  biki^  beke  den  Hauptton  trägt. 
Jene  Form  herrscht  in  den  älteren  Denkmälern,  vrgl.  Bikehusen  in 
einer  Paderborner  Urkunde  von  1151^),  Bychethorp,  Bykeseten^)  in 
der  Herforder  Heberolle  des  12.  Jahrhunderts,  diese  in  den  jüngeren: 
die  Heberolle  des  13.  Jahrhunders  bietet  zwar  noch  Wechsel,  vrgl. 
Bekeseten  neben  Bikeseten^)^  später  aber  habe  ich  i  in  dieser  Stellung 
nur  vereinzelt  beobachtet. 

In  beiden  Fällen  verschwindet  also  i  im  Laufe  des  13.  Jahr- 
hunderts in  der  Schrift,  und  auch  die  Bielefelder  Urkunden  zeigen 
kaum  eine  Spur;  widerkopen  1302  und  vor  der  nideren  porten  1480 
sind  vereinzelt.  Und  doch  möchte  ich  auch  hier  mit  Jostes  u.  a.  an- 
nehmen, dass  die  Verdrängung  des  i  durch  e  nur  der  Schriftsprache 
angehört.  Wenn  bis  zum  13.  Jahrhundert  ein  i  geschrieben  wird  und 
der  i-Laut  heute  noch  im  Diphthong  überwiegt,  so  ist  zu  vermuten, 
dass  er  auch  in  der  Zwischenzeit  nicht  verschwunden  ist.  Bestärkt 
werden  wir  in  dieser  Annahme,  wenn  wir  sehen,  dass  an  anderen 
Orten  grade  Westfalens  selbst  noch  im  14.  Jahrhundert  %  nicht  selten 
geschrieben  wird.  So  namentlich  in  den  Dortmunder  Urkunden  des 
14.  Jahrhunderts,  gegen  dessen  Ausgang  es  allerdings  zurücktritt.    So 

heisst  es  dort: 

ghesikert,  ghescrivenen  1349.    witet  1352.    wider  1362.    myde  1396'). 

Für  das  15.  Jahrhundert  versagt  leider  bis  jetzt  das  trefiFliche 
Rübelsche  Urkundenbuch ;  in  den  mangelhaften  Abdrücken  Fahnes 
habe  ich  i  kaum  gefunden.  Ich  vermute  also,  dass  sich  der  heutige 
Diphthong  ie  unmittelbar  aus  kurzem  i  entwickelt  hat;  wann  dies 
allerdings   geschehen    sei,    darüber  geben  die  Quellen  keine  Auskunft. 

Zweifelhaft  bin  ich  in  zwei  anderen  Fällen.  Wenn  auch,  wie 
wir    oben    (S.  81)    sahen,    unsere  Urkunden    meist   in   offener  Silbe  o 

behalten,  so  begegnen  doch  einige  a. 

apenbar  1489.    avergegeven  1512.    tegelaven  (Zicgelofen)  1517.    appenbar, 

apenbaren,    baveu,    gekaren    (^gekoren'),    geswaren    1520.    vulIentageD, 

baven  1549. 

Sehr  häutig  ist  dieser  Uebergang  im  späteren  Mnd.  da,  wo  noch 

heute  ein  dem  langen  a  ähnlicher  Laut  gesprochen  wird,  während  er 

zwischen  Oberweser  und  Mittelelbe,  wo  heute  ö  gilt,  und  in  Westfalen, 

wo  wa  herrscht,    im    allgemeinen  fehlt.     Bei  den  a  unserer  Urkunden 

können   wir   nun    entweder   annehmen,    dass   sie  in  ungenauer  Weise 


0  Jellinek,  Paul-Braune  Beiträge  XV,  302.  '-»)  Althof,  §  136.  137.  »)  Codex 
trad.  Westf.  IV,  S.  8.  *)  S.  28.  35.  *)  S.  63.  81  und  S.  63a.  •)  K.  Rubel,  Dort- 
munder Urkundenbuch  I,  Nr.  651.  694.  771.    II,  Nr.  962. 


86 

das  ua  der  Aussprache  wiedergeben  sollen,  oder  wir  müssen  in  ihnen 
ausschliesslich  ein  Stück  Schriftsprache  sehen. 

Zweitens:  1338.  Nr.  160,  1348  und  dann  wiederholt  nach  1497 
steht  für  ihre^  ihrer  u.  s.  w.  ore,  orer  u.  s.  w.,  während  die  ent- 
sprechenden Nebenformen  mit  o  bei  eme^  en,  enne  fehlten.  Heute 
heisst  es  war,  üare,  aber  am,  an,  en^).  Vielleicht  weist  jene  Ver- 
schiedenheit in  der  mnd.  Schreibweise  auf  einen  ähnlichen  Unterschied 
auch  in  der  mnd.  Aussprache  Ravensbergs  hin.  Jellinghaus*)  will  in 
einer  Urkunde  von  1400  uerem,  in  einer  von  c.  1500  tarem  gelesen 
haben.  Wo  finden  sich  diese?  Das  uren^  das  er  aus  einer  Urkunde 
des  Landesherrn  von  Ravensberg  vom  Jahre  1362  anführt^),  zieht 
jedesfalls  nicht,  da  in  jeuer  Zeit  Ravensberg  schon  mit  Jülich  und 
Berg  vereinigt  w^ar  (vrgl.  darin  vorkommende  Formen  wie:  toyr^  i«d,  hain). 

Was  den  Konsonantismus  anbetrifft,  so  möchte  ich  die  Assimilation 
des  d  an  vorhergehendes  n  zur  Sprache  bringen.  Heute  ist  sie  durch- 
geführt, in  unseren  Urkunden  fehlt  sie  fast  ganz.  Nur  1348  kommt 
orhunne  vor.  Ich  habe  diese  Urkunde  nicht  selbst  eingesehen,  aher 
durch  besondere  Anfrage  festgestellt,  dass  gar  nicht  anders  gelesen 
werden  kann.  Trotzdem  würde  ich  auf  dies  vereinzelte  Vorkommen 
nichts  geben,  wenn  nicht  sonst  gesicherte  analoge  Fälle  aus  ähnlich 
früher  Zeit  begegneten.  Dieselbe  Form  findet  sich  1346*)  in  einer 
Originalurkunde  des  letzten  Grafen  aus  dem  Hause  Ravensberg  zu 
Gunsten  einer  Bielefelderin,  die  also  vielleicht  auch  in  Bielefeld  aus- 
gestellt, von  mir  aber  als  nicht  städtisch  beiseite  gelassen  worden  ist. 
Auch  hier  ist  die  Richtigkeit  der  Lesung  gesichert.  Dann  steht  in 
einer  Freckenhorster  Originalurkunde  von  1343  ghesynne^).  Eine 
ganze  Reihe  von  Fällen  findet  sich  ausserhalb  Westfalens  besonders 
in  Bremer  Originalurkunden^). 

ghelle  {=  ghelde)  1371.  de  ole  dyck,  velle  (=  velde),  holen  (=  holden) 
1374.  velle,  lanne,  tennest  (=  tendest)  1375.  de  ellere  1378.  (Vrgl. 
panne  1333.    manne  1360  in  den  Bremer  Schedungen^). 

In  den  späteren  Bremern  Denkmälern  verschwindet  die  Assimilation 
wieder.  In  der  Nichtwiedergabe  derselben  sehe  ich  hier  wie  in  West- 
falen eine  Abweichung  der  Schrift  von  der  Aussprache. 

Worauf  beruhen  nun  derartige  Abweichungen?  Sehen  wir  von 
der  Schwierigkeit  ab,  die  manche  Laute  wie  etwa  die  westfälischen 
Diphthonge  jedem  bereiten  müssen,  der  sie  schriftlich  wiedergeben 
will,  so  ist  einmal  vor  allem  auf  die  orthographische  Tradition  hin- 
zuweisen. Es  gab  schon  im  Mittelalter  eine  feste  Rechtschreibung, 
von  der  man  nicht  abwich,    wenn    sich    auch  der  Laut  änderte.     Ein 


*)  Jellinghaus  §  212.  213.  *)  §  87.  »)  Nd.  Korrespondenzblatt  11,  3,  wo 
das  Citat  aus  Lamey  S.  136  in  S.  123  zu  berichtigen  ist.  *)  Urkundenbuch  der 
Stadt  Bielefeld  I,  Nr.  182.  ')  Codex  traditionum  Westfalicarum  I,  S.  183  unten. 
•)  Bremisches  Urkundenbuch  II,  Nr.  406.  463.  469.  540.  ')  Oelrichs,  Sammlunpr 
alter  und  neuer  Gesetzbücher  der  Stadt  Bremen. 


87 

schlagendes  Beispiel  bietet  die  obengenannte  Schreibung  nd  statt  ww. 
Für  die  Urkundenschreiber  lag  es  doppelt  nahe,  sich  der  über- 
kommenen Orthographie  weiter  zu  bedienen,  weil  sie  oft  nach  be- 
stimmten Formularen  schrieben.  Anders  würde  es  sich  nicht  erklären 
lassen,  warum  bestimmte  Formen  immer  an  derselben  Stelle  wieder- 
kehren, während  sie  in  derselben  Urkunde  in  anderem  Zusammenhang 
anders  lauten.  Ich  habe  dies  bei  der  Pluralendung  -et  beobachtet. 
In  vielen  Urkunden  steht  sie  nur  in  der  Wendung :  se  hebbet  de  genade^ 
diU  se  mögen,  z.  B.  1442,  1483,  1510,  1539.  Auch  Jostes  ^)  macht 
auf  den  Einfluss  der  Formelbücher  aufmerksam. 

Aber  nicht  alle  Abweichungen  erklären  sich  durch  traditionelle 
Orthographie.  Die  Schrift  zeigt  vielfach  Laute  und  Formen,  die  über- 
haupt nie  der  betreffenden  Mundart  angehört  haben.  Man  hat  in 
Westfalen  nie  uvs  für  «5,  nie  e  für  *  in  Fällen  wie  vele  =  vieln 
gesagt.  Hier  haben  wir  Einwirkung  aus  der  Fremde  anzunehmen. 
Und  zwar  kann  entweder  ein  anderer  Dialekt  desselben  Sprachtypus 
(hier  also  des  Niedersächsischen)  oder  eine  andere  Spracheinheit  den 
EinHuss  ausüben.  Letztere  Möglichkeit  lag  grade  in  Westfalen  nahe, 
weil  es  auf  zwei  Seiten  an  andere  deutsche  Stämme  stösst.  Vom 
Rhein  her,  also  vom  Mittel-  und  Niederfränkischen,  bezw.  Nieder- 
ländischen, und  vom  Süden  her,  also  vom  Mitteldeutschen,  konnten 
fremde  Schreibungen  eindringen.  Woher  die  Neuerungen  stammen, 
wird  sich  oft  nicht  entscheiden  lassen.  So  kann  das  n  in  uns  und 
der  unsächsische  Plur.  praes.  auf  -en  vom  Süden  und  Westen  her  ein- 
gedrungen sein :  sowohl  dem  südlichen  als  dem  westlichen  Sprach- 
gebiet kommen  diese  Eigentümlichkeiten  zu.  Bei  e  statt  i  könnte 
auch  Beeinflussung  durch  die  anderen  niedersächsischen  Mundarten 
vorliegen,  denn  dem  grössten  Teil  Niedersachsens  kommt  die  Senkung 
von  i  zu  c  wirklich  zu.  Joste  ^)  denkt  für  Westfalen  vorzugsweise  an 
westlichen  Einttuss,  und  er  wird  darin  Recht  haben. 

Zum  Schluss  werfen  wir  noch  einen  Blick  auf  die  Zeit  von  1550 
bis  1589,  in  der  sich  hd.  Einflüsse  stark  geltend  machen. 

Jetzt  dringen  nhd.  Formen  mit  Macht  auch  in  solche  Urkunden, 
deren  Gesamttypus  unverkennbar  nd.  ist.  Das  Nd.  zeigt  im  grossen 
und  ganzen  keine  Weiterentwicklung.  Offenbar  stehen  die  Schreiber 
auch  jetzt  noch  unter  dem  Bann  der  mittelalterlichen  Rechtschreibung, 
wenn  auch  manche  seltsame  Schreibweise  die  einreissende  Unsicher- 
heit beweist.  Bemerkenswert  sind  zwei  Urkunden  von  1555.  Ge- 
schriel)en  hat  sie  ein  Bürger,  namens  Cock.  Es  ist  begreiHich,  dass 
er  nicht  so  von  der  Tradition  beherrscht  wird  wie  die  berufsmässigen 
Urkundenschreiber.  Bei  ihm  briclit  die  Mundart  durch.  Schon  alt- 
sächsisch wechselt  namentlich  in  der  Freckenhorster  Rolle  6  =  got. 
au  mit  a,  vgl.  nrano^  vischhapa.  Ebenso  schreibt  Cock :  vorkapes^  vor- 
kape^    vorkafft  neben  vorkopes^  wederkopen^    aber   6  =  hd.  uo  giebt  er 


»)  Nd.  Jahrbuch  11,  86,  88.     *)  a.  a.  0.  S.  88. 


88 

mit  0  wieder,  z.  B.  goderen^  to^  modes  (vorkafi  lese  ich  übrigens  auch 
schon  in  einer  Urkunde  von  1528).  Diese  verschiedene  Schreibweise 
beruht  jedenfalls  auf  Verschiedenheit  der  Aussprache.  Doch  nähern 
sich  heutzutage  grade  in  der  Bielefelder  Gegend  die  beiden  ö,  die 
man  sonst  im  Ravensbergischen  als  eo  =  hd.  uo  und  äu  =  got.  au 
unterscheidet,  als  au,  ou^  6  auf  der  einen  und  au  auf  der  anderen 
Seite  ^).  Eine  andere  Schreibweise  in  den  Urkunden  Cocks  macht  mich 
geradezu  stutzig,  ob  er  überhaupt  den  ravensbergischen  Dialekt  wieder- 
giebt.  Ravensbergisch  heisst  es  nämlich  früwwe^  frübbe  und  nur  bis- 
weilen frugge^  wobei  Jellinghaus  ^)  ausdrücklich  bemerkt,  dass  das 
paderbomische  gg  =  ww  nicht  beliebt  sei.  So  haben  auch  unsere 
Urkunden  stets  frouwe^  aber  Cock  schreibt  husfroggen.  Nicht-ravens- 
bergisch  ist  bei  ihm  auch  vor  myck  (acc.)  neben  vor  my  (acc). 
van  my.  —  Zwei  Urkunden  von  1585  und  1586,  beide  von  der 
Hand  des  Stadtschreibers  Johannes  Anthonii,  die  schon  starke  Be- 
einflussung durch  das  Hd.  zeigen,  bieten  eine  andere  Form,  die  ich 
für  mundartlich  halte:  das  Part,  gieben.  Als  Infinitiv  findet  sich  die 
gleiche  Form  in  dem  ersten,  von  demselben  Beamten  geschriebenen 
Teil  der  Bielefelder  Ratsverhandlungen,  während  die  späteren,  von 
anderen  verfassten  Teile  geben  bieten.  Die  heutige  Mundart  hat  gibeti^ 
gieben.  Auch  hier  halte  ich  das  i  für  uralt.  Schon  im  Altsächs. 
(Bedas  Homilie,  Freckenhorster  Rolle)  findet  sich  gegivan^  givan,  und 
in  Dortmunder  Urkunden  von  1342  und  1352^)  steht  gheghyven,  gyven. 

Derartige  mundartliche  Schreibungen  sind  aber  auch  in  den 
späten  Urkunden  selten,  und  grade  diese  Denkmäler,  die  aus  einer 
Zeit  stanunen,  in  der  das  Nd.  als  geschriebene  Sprache  schon  in 
den  letzten  Zügen  lag,  beweisen,  wie  fest  die  traditionelle  Recht- 
schreibung sass. 

Fassen  wir  die  zahlreichen  Fälle  zusammen,  wo  wir  Eigen- 
tümlichkeiten des  heutigen  Platt  schon  in  frühe  Zeit  verlegen  mussten, 
so  werden  wir  zwar  nicht  so  weit  gehen,  die  westfälische  Mundart 
schon  bei  Hermann  dem  Cherusker  vorauszusetzen,  wie  Fürst  Bismarck 
neulich  beim  Empfang  der  Westfalen  gethan  hat.  Aber  wenn  er 
hinzusetzte:  Ich  wüsste  nicht,  woraus  man  schliessen  könnte,  dass 
der  westfälische  Dialekt  damals  anders  gelautet  hätte  wie  heute  in 
Paderborn  und  dem  Teutoburger  Walde  —  so  können  wir  auf  einen 
grossen  Teil  des  Mittelalters  diesen  Ausspruch  mit  Recht  anwenden. 
Wenigstens  die  Keime  der  heutigen  Aussprache  gehen  schon  in  frühe 
Zeit  zurück. 

Es  scheint  das  gegen  die  Wertschätzung  zu  sprechen,  die  ich 
am  Eingang  meines  Vortrages  den  Urkunden  zu  teil  werden  Hess  : 
denn  in  ihnen  treten  diese  Eigentümlichkeiten  vielfach  grade  sehr 
zurück.     Aber  naturgemäss  habe  ich  mehr   die  Fälle    hervorgehoben. 


1)  Jellinghaus  ^  56,   57,   70.     «)  §  163,  169.     »)  K.  Rubel,   Dortmunder  Ur- 
kundenbuch  I,  Nr.  567,  694. 


89 

wo  bei  ihrer  Benutzung  Schwierigkeiten  vorliegen,  als  die,  wo  sie  ohne 
weiteres  als  Erkenntnisquelle  dienen  können.  Und  sodann  teilen  sie 
im  Prinzip  diese  Schwierigkeiten  mit  den  anderen  Aufzeichnungen  des 
Mittelalters.  Im  Prinzip  —  sage  ich,  denn  im  einzelnen  bestehen 
sicher  zwischen  den  verschiedenen  Arten  von  Denkmälern  noch  grosse 
Unterschiede  in  dem  Grade  der  Treue,  mit  dem  sie  die  wirkliche 
Volkssprache  wiedergeben.  Aber  ein  reines  Bild  derselben  liefert  von 
allen  mnd.  Aufzeichnungen  vielleicht  keine  einzige. 

BIELEFELD.  H.  Tümpel. 


Zu 
John  Brinekmanns  Erzählungen. 


Erfreulicherweise  finden  die  köstlichen  Erzählungen  John  Brinek- 
manns nun  auch  in  weiteren  Kreisen  die  ihnen  gebührende  An- 
erkennung, wozu  unzweifelhaft  die  in  Wilh.  Werthers  Verlage  in 
Rostock  erschienenen  schön  gedruckten  und  ausgestatteten  Ausgaben 
(John  Brinekmanns  Ausgewählte  Plattdeutsche  Erzählungen,  1.  Bd. 
Kasperohm  un  ick,  5.  Aufl.  1894;  2.  Bd.  Kleinere  Erzählungen, 
3.  Aufl.  1895)  viel  beigetragen  haben.  Leider  verdienen  die  in  diesen 
Bänden  mit  Rücksicht  auf  die  des  Niederdeutschen  weniger  kundigen 
Leser  gegebenen  Erklärungen  unter  dem  Texte  nicht  dasselbe  Lob. 
Gerade  bei  schweren  und  seltenen  Ausdrücken  wird  eine  solche  hin 
und  wieder  vermisst,  öfter  hat  sich  auch  der  Herausgeber  mit  einer 
einfachen  Umschreibung  des  niederdeutschen  Wortes  ins  Hochdeutsche 
begnügt,  an  anderen  Stellen  ist  eine  geradezu  falsche  Erklärung  ge- 
geben. Ich  möchte  hier  in  Rücksicht  auf  eine  neue  Auflage  einiges 
derartige  berichtigen. 

Bd.  I,  S.  24,  Z.  12  bedurfte  Pulpet  (Pult),  das  engl,  pulplt,  einer  Er- 
klärung; es  findet  sich  nochmals  S.  310,  Z.  4  in  der  bei  Webster  als  dritte 
verzeichneten  Bedeutung.  —  S.  13,  A.  2  bezeichnet  Speegel  jedenfalls  nicht  wie 
die  Anmerkung  angiebt  den  'Rücken',  sondern  einen  tiefer  liegenden  Teil  des 
menschlichen  Körpers.  S.  16,  A.  4  wird  durch  die  Uebersetzung  von  Paribrassen 
durch  „Perlbrachsen''  niemand  gedient  sein.  Gemeint  ist  unzweifelhaft  eine  Art 
des  bekannten,  hochd.  Bleie  (Sparus.  Lum.)  genannten  Fisches.  —  S.  33,  A.  6 
mischt  ist  mehr  unser  „geknufft"  als  „gehauen''.  —  S.  64,  3  bezeichnet  rügen, 
das  in  der  Anmerkung  durch  'rauhen'  übersetzt  wird,  das  Abschülfern  der  Haut 


90 

nach  Masern,  Friesel  und  ähnlichen  Krankheiten.  —  S.  62,  A.  1  i^t  masig  (es 
ist  von  Käse  die  Bede)  falsch  darch  madig  übersetzt.  Dies  Wort,  das  ich 
übrigens  in  den  mir  zugänglichen  niederdeutschen  Wörterbüchern  vergeblich  ge- 
sucht habe,  gehört  zu  mase,  Fleck,  i.st  also  =  fleckig,  faulig;  vgl.  mbd.  i/ifLs{r 
(Lexer  I,  2056).  —  Wenn  S.  98,  A.  ö  durchsükt  durch  „durchgeseacht'  um- 
schrieben wird,  so  ist  dies  nicht  einmal  ein  hochdeutscher  Ausdruck;  aükeu  be- 
zeichnet hier  treffend  den  Zustand,  der  sich  bei  den  ersten  Kauchversucheu 
Nichterwachsener  einzustellen  pflegt.  —  S.  219,  Z.  2  bedurfte  Balge  =  *Wasch- 
fass'  einer  Erklärung.  —  S.  247,  A.  5  ist  Palankin  durch  'Baldachin'  erklärt 
Letzteres  bekanntlich  aus  Bald^cco,  der  ital.  Form  des  arab.  Bagdad,  herzu- 
leitende Wort  hat  aber  mit  dem  ersteren  nichts  zu  thun.  Man  vergleiche  die  Er- 
klärung in  Websters  Complete  EnglishDictiouory:  „Palanqiiin,  Pakinkecn(Fg.\\.FT. 
palanquin,  Javan.  pdlangki,  0.  Javan.  palangkan,  palaki,  Hind.  pelaki).  A  covered 
carriage  used  in  ludia,  China  etc.,  borne  on  the  Shoulders  of  men,  and  in  which 
a  Single  person  is  conveyed  from  place  to  place."  —  S.  251,  A.  3  ist  ivan.schajtf  n 
durch  „abgenutzt",  wie  Bd.  II,  S.  168,  3  ivantschapcn  durch  „gebrechlich*  über- 
setzt (vgl.  auch  S.  286,  Z.  5).  Es  ist  aber  vielmehr  =  hässlich  (s.  Mnil.  Wb 
u.  d.  W.).  —  Schliesslich  möchte  ich  noch  die  Vermutung  aussprechen,  dass  das 
S.  17,  A.  1  durch  höltern  Redder  (Ritter)  erklärte  Spiel  Ilöltendraetick  mit 
draetic  =  dreissig  zusammenhängt.  Die  in  der  Anmerkung  gegebene  Erklärung 
halte  ich  nicht  für  richtig.  Vielleicht  giebt  ein  Landsmann  des  Dichters  darüber 
Auskunft. 

Bd.  II,  S.  217,  A.  1  durfte  Krickahnt  nicht  einfach  durch  „Ente'  über- 
setzt werden,  sondern  es  musste  bemerkt  werden,  dass  eine  besondere  Art  vun 
wilden  Euten  damit  gemeint  ist.  Auch  wird  einem  Hochdeutschen  kaum  damit 
gedient  sein,  wenn  ebd.  A.  7  Brokfi^cher  einfach  durch  „Bruchfischer"  übersetzt 
wird.  Falsch  wird  S.  221,  A.  2  Schimann  durch  „Seemann"  übersetzt,  wobei 
der  Verfasser  der  Anmerkungen  wohl  an  engl,  seaman  (spr.  ssimän)  gedacht  hat. 
Schiemann,  ScMmmann  (auch  noch  als  Familienname  vorkommend)  ist  vielmehr 
ein  altes  niederd.  Wort  und  bezeichnet  einen  Bootsmann  oder  Schiffszimmermann ; 
8.  Mnd.  Wb.  IV,  93.  —  S.  229,  A.  2  wird  stoben  un  flagcn  durch  'abgeblieben' 
übersetzt.  Liegt  hier  ein  Druckfehler  oder  ein  Provinziallismus  für  'geblieben'  vur'^ 
—  Ebd.  A.  4  war  es  jedenfalls  besser  den  Sinn  der  Redensart  ^dor  het  tvcddir 
ne  Uhl  scten'  zu  erklären,  als  nur  das  bekannte  Uhi  durch  „Eule"  zu  über- 
setzen. —  S.  233,  A.  2  war  das  aus  dem  Schwedischen  herübergenommene  T<di- 
hood  besser  durch  'Zollamt'  als  durch  'Zollbude'  zu  erklären.  —  Zu  S.  267,  A.  4 
ist  zu  bemerken,  dass  Ikcperöllst  nicht  durch  'Seilermeister'  zu  übersetzen  ist, 
sondern  den  Aeltesten  der  Seilerzunft  bezeichnet.  —  Zu  S.  272,  Z.  6  wird  eine 
Anmerkung  zu  ,,Oewett'^  vermisst,  ein  Ausdruck  der  auch  nicht  jedem  Nieder- 
deutschen ohne  Weiteres  klar  sein  wird.  Gemeint  ist  wohl  das  Mnd.  wedde  = 
Polizeigericht  (s.  Mnd.  Wb.  V,  622)  und  geiveddc,  ebd.  II,  99.  —  Einer  Er- 
klärung bedürfen  auch  noch  lenTfi  auf  S.  285  und  292  (das  Verb,  lentseyi  ist 
S.  289,  A.  2  erklärt),  sowie  der  Münzname  Biesteber gers.  —  Völlig  falsch  er- 
klärt ist  folgende  Stelle  aus  der  Erzählung  Peter  Lureni  hi  Abukir  (Bd.  II, 
S.  310):  Seen  Se,  Herr  Block!  ahn  de  horizontale  Peilung  und  den  »iil)marinrii 
Pegel  iiadd  de  Slacht  hi  Abukir  in  desen  Leiren  nich  von  den  Engelsmaym 
gewunnen  tvarden  künnt,  un  wir  ick  nich  to  rechtet'  Tid  darawer  lookame^t, 
denn  hadd  de  Engehniann  dar  ok  so  scker  mit  ne  lange  NäC  von  af trecken 
müfsi,  OS  de  Dan  vor  Gadebuschy  ore  mu  ersten  he  hadd  ok  so  vel  Släg^  kregen. 
dat  de  gesammten  britischen  Eilanden  sick  dorup  kadden  gichten  laten  künnt. 
Was  der  Herausgeber  sich  dabei  gedacht  hat,  wenn  er  gichten  durch  'die  Gicht 
vertreiben'  erklärt,  ist  schwer  erfindlich.     Die  richtige   Erklärung   ergiebt    sich 


91 

aus  dem  19.  Kapitel  von  Fritz  Beuters  Keis'  nah  Belligen,  wo  'oll  Witt'  vor  dem 
Burmeister  erklärt: 

„Ick  gab  na  'n  Dokter  hen  un  lat  mi  gichten; 

Uu  ick  verlang  up  alle  Fälle 

So  ^n  dortig  Daler  Smerzensgelle." 

Zu  dieser  Stelle  wird  in  der  Volksausgabe  der  Sämmtlicben  Werke  Bd.  3, 
S.  77  ick  lat  mi  gwhten  richtig  erklärt:  „ich  lasse  mich  ärztlich  besichtigen 
(zwecks  Erlangung  eines  Befundscheins). "  Weitere  Auskunft  Über  das  sw.  v. 
gichten  in  dieser  Bedeutung  giebt  das  Mud.  Wb.  II,  107.  Der  Sinn  der  obigen 
Stelle  ist  also:  „Die  Engländer  hätten  dann  so  viel  Schläge  bekommen,  dass  ganz 
England  sich  hätte  darüber  können  den  Befundschein  ausstellen  lassen. '^ 

Interessant  ist  es  zu  bemerken,  dass  die  sprichwörtliche  Redensart  auf 
S.  348:  „gegen  ho  'n  Backaben  lett  »ick  nich  good  hojahne7i,"  sich  schon  in 
den  von  Hoffmann  von  Fallerslebeu,  Berlin  1870  herausgegebenen  Sprichwörtern 
des  Tunuicius  (v.  J.  1514)  in  folgender  Fassung  findet:  Ile  moet  wgdc  gapen, 
die  tegcn  den  oren  ivyl  gapen.  Uebrigens  ist  die  Redensart  „Jahnen  wie  ein 
Backofen"  auch  sonst  noch  in  Norddeutschland  gebräuchlich. 

NORTHEIM.  R.  Sprenger. 


92 


Die  alten  Kalenbergdrueke  und 

Uebersetzungen. 


Die  Anregung  zu  der  nachfolgenden  kleinen  Arbeit  verdanke  ich 
Herrn  Professor  Edward  Schröder,  der  mich  auch  mit  bibliographischen 
Notizen  und  anderen  Hinweisen  unterstützt  hat.  Mir  lagen  im  Original 
folgende  Drucke  vor:  Augsburg,  ca.  1470  (A,  I),  Nürnberg,  ca.  141)0 
(K),  Heidelberg  1490  (H.),  Frankfurt  1550  (F.),  Augsburg  1602 
(A,  II),  0.  0.  1611,  0.  0.  1620  XI  und  XII),  von  den  vier  vor- 
handenen Bruchstücken  der  niederdeutschen  Uebersetzung,  Lübeck 
(L,)  die  zwei  in  Berlin  vorhandenen,  der  holländische  Druck,  Amster- 
dam 1613  (Ad.),  ausserdem  die  Abschrift  eines  Druckes  in  der  Valentin 
Holischen  Liederhandschrift  (V.-H.)^  abgeschlossen  den  18.  April  152(), 
die  Ausgaben  von  N.  durch  Bobertag,  Kürschner  N.  B.  11,  von  XH 
durch  von  der  Hagen,  Narrenbuch  (vielfach  eigenmächtig  geändert) 
von  L.  durch  Mantels  und  Priebsch  (Jahrb.  1875,  1876,  1892),  von 
der  englischen  Uebersetzung  (E.)^  erschienen  wahrscheinlich  Antwerpen 
ca.  1510,  durch  Schröder  (Jahrb.  1887),  schliesslich  der  Ebelingsche 
Text,  Berlin,  Lustenöder  1890  (angeblich  von  1500).  Andere  alte 
Texte  sind  bisher  nicht  bekannt,  und  Herr  Dr.  Karl  Schorbach,  der 
demnächst  A.  I  und  H.  neu  drucken  wird,  teilte  mir  noch  am 
26.  Dezember  1894  freundlichst  mit,  dass  er  keine  andern,  als  die 
mir  bekannten  Ausgaben  gefunden  habe  trotz  Anfrage  bei  70  Bibliotheken. 

Ueber  A.  I  und  Ad.  handelt  kurz  der  Finder  K.  Meyer,  Saniuil. 
bibl.-wiss.  Arbeiten  Heft  6  (1894),  H.  bibliographisch  beschrieben  von 
Ad.  Schmidt,  Centralbl.  f.  Bibliothekswesen  10,  433  ff.,  cf.  dazu  noch 
Edw.  Schröder,  Korresp.  XVII.  75. 

Ich  citiere  die  Verse  stets  nach  N.  ed.  Bobertag. 

I.    Wert  der  Drucke  für  die  Textkritik. 

a.  Unwert  von  E.  (Ad.)  Unzweifelhaft  nachgewiesen  ist  von 
Schröder  und  Meyer,  dass  L.  im  Anfang  des  16.  Jahrhunderts  zu 
einer  niederländischen  Prosafassung  umgearbeitet  wurde,  auf  der  E. 
beruht  und  von  der  Ad.  ein  Naclidruck  ist.  Dieser  Nachdruck  war 
ein  sehr  genauer.  Ganz  zweifellose  —  aber  auch  unabsichtliche  — 
Veränderung  der  Vorlage  liegt  nur  an  einer  Stelle  vor.  In  der 
Geschichte  vom  Chordecken  sind  durch  Flüchtigkeit  mehrere  Sätze 
fortgelassen.  Wie  im  Englischen  (cf.  Schröder  a.  a.  0.  131.  Anm.), 
wurde  wohl  das  häufige  Vorkommen  des  Wortes  Chor  verhängnisvoll. 


93 

Auf  Aldus  koesen  die  beeren  dat  Choer,  wohl  der  einzige  Satz,  dessen 
Uebersetzung  an  dieser  Stelle  in  E.  ausgefallen  ist  (die  Beratung  der 
Bauern  weder  in  Ad.  noch  E.),  folgt  gleich  maer  die  Pastoor  en  tvas 
niet  haastich  om  fyn  deel  te  decken.  Die  in  E.  vorhandene  Botschaft 
der  Bauern  an  den  Pfarrer  muss  in  dem  alten  niederländischen  Druck 
enthalten  gewesen  sein.  Eine  Aenderung  des  Nachdrucks  wird  wohl 
noch  vorliegen  entspr.  N.  875  fuft  mSifc  ir  ewig  fein  verwiegen.  Ad. 
of  gy  enftdt  de  Ten  nacht  van  niy  gheen  vriendtfchap  gecryghen.  E,  138. 
14  f.  or  ellys  from  hena  forth  I  wyll  shewe  you  no  point  oflove  tchylst 
I  leve.  Ausserdem  vielleicht  an  der  Stelle  N.  440  ff.,  wo  in  E.  133. 
34  f.,  wie  in  N.,  der  mit  den  Flügeln  schlagende  Pfarrer  mit  einem 
Engel  verglichen  wird,  und  N.  759,  wo  in  E.  13G.  40  f.,  wie  in  N., 
bei  dem  wunderlichen  Versuch  des  Bischofs,  sich  von  seinem  Augen- 
übel zu  befreien,  auf  den  Rat  des  Pfarrers  zurückgewiesen  wird. 

Das  sind  aber  auch  die  einzigen  Stellen,  an  denen  die  Genauig- 
keit des  Abdrucks  mit  einigem  Grunde  bezweifelt  werden  kann.  Ich 
gebrauche  im  folgenden  der  Kürze  halber  Ad.  auch  als  Bezeichnung 
des  niederl.  Drucks  aus  dem  XVI.  Jahrhundert. 

Von  E.  steht  also  von  vornherein  fest,  dass  es  abgesehen  von 
den  vier  obengenannten  Stellen  überhaupt  keinen  Wert  für  die  Kritik 
des  hochdeutschen  Textes  haben  kann.  Ad.  ist  wichtig,  insofern  L. 
fragmentarisch  ist. 

b.  Unwert  von  XII.  Unter  den  hochdeutschen  Drucken  ist  nur 
einer  ein  direkter  Nachdruck  eines  andern.  XII  ist  nur  eine  Neu- 
auflage von  XI,  aus  derselben  Druckerei,  in  Format,  Papier,  Lettern, 
ja  in  jeder  Zeile  mit  XI  übereinstimmend.  So  ist  ihnen  denn  auch 
ausser  der  Fortlassung  der  letzten  24  Verse,  des  Nachworts,  nicht 
nur  eine  grosse  Auslassung  mitten  im  Zusammenhang  gemeinsam, 
509 — 632  —  es  fehlte  offenbar  gerade  ein  Blatt  in  der  Vorlage  von  XI, 
die  in  Format  und  Druck  genau  mit  A.  II  (dort  das  Blatt  mit  C  be- 
zeichnet) übereingestimmt  haben  muss  — ;  auch  in  den  sinnlosesten 
Druckfehlern  folgt  XII  im  allgemeinen  XL  Nur  an  einigen  wenigen 
Stellen  nahm  XII  selbständige  Aenderungen  vor.  z.  B.  2027  in  dem 
nassen  statt  in  den  gasscn  oder  merzte  einen  Druckfehler  von  XI 
wieder  aus.     z.  B.  238,  das  alte  fcelin  für  XI  flehn. 

Für  die  Textkritik  ist  XII  also  völlig  wertlos. 
Für  alle  übrigen  deutschen  Drucke  und  V.-H.  ist  direkter 
Zusammenhang  ausgeschlossen. 

c.  A.  I  —  jüngere  Drucke.  Alle  späteren  deutschen  Texte  bilden 
gegenüber  A.  I  (um  1470)  eine  Gruppe.  Allerdings  hat  die  Gruppe 
in  den  ca.  300  Versen,  die  wir  von  A.  I  besitzen,  keinen  offenbaren 
Fehler.  Gemeinsame  Lesarten  1747,  1800,  1822  (in  dem  Ctall^  A.  I 
in  dem  pfarhof),  1871  (allefamt,  A.  I  alle),  1908  (fie  da,  A.  I  fie 
allain),  1964  (Als  gut  ift  maisterfchaft,  A.  I  das  ift  meifterfchaft). 
Mfin  darf  wohl  sagen,  die  Lesarten  von  A.  I  drücken  am  einfachsten 


94 

aus,  was  gesagt  werden  sollte,  durch  die  Lesarten  der  späteren  Texto 
wird  der  Vers  geglättet.  Doch  sclton  in  Anbetracht  der  zeitlichtMi 
Verhältnisse  müssen  wir  annehmen,  dass  ein  Druck,  dem  A.  I  zu 
(jrunde  lag,  der  Ausgangspunkt  für  die  weitere  Entwickelung  de> 
Textes  wurde.  Der  eine  gemeinsame  Fehler  von  A.  I,  N.,  H.  1744 
ich  weiss  statt  ich  weiss  nicht  kann  sehr  wohl  erst  von  der  Grund- 
lage der  übrigen  Drucke  gebessert  sein. 

d.  Gruppe  N.,  H.  Im  nahen  Zusammenhange  stehen  N.  und  H. 
(lemeinsame  offenbare  Fehler  finden  sich  in  N.  und  H.  an  folgenden 
Stellen,  die  ich  vollständig  mitteile,  damit  jeder,  der  sich  im  Besitz 
des  Bobertagschen  Textes  befindet,  diese  Verse  verbessern  kann. 
Voran  stehen  die  Verse,  die  auch  in  A.  I  erhalten  sind. 

1799.     Sy  truncken  do  wol  dy  lialbe  nacht  A.  I;    tnmcken   wol  V.-H.,    F.. 

XI,  XII;  (inincken  bis  zu  Mitternacht  A.  II);  do  vx)l  Juilbe  N.,  H. 
1925.     Er  fprach  es  ift  des  teufeis  fchetitz   A.  I,   V.-H.,  F.,  XI,  XII;     T'fi'i 

(prach  A.  II;  fprach  ift  N. ;  fprach  ift  da.'i  des  H. 
1947.     Der  richter  und  dy  gantx  gemain  A.  I,  V.-H.,  F.,  XI,  XU;  tind  rih 

gantx  N.,  H.  (Samj)t  dem  Richter  und  gayitten  Gniein  A.  II). 
415.     Der  Mefner  wolt  dein  Unluft  wehren  A.  II;   wolt  den  unlufl   V.-H  . 

F.,  XI,  XII;  wolt  unluft  H.;  wolt  fich  ufiluft  N. 
417.     Dax  da  nit  fchm^icken  unird  die  jyfarr  V.-H.;    fchmeckemlt  F.;    .1///' 

das  nicht  fchmeckendt  A.  II,  XI,  XII;  das  do  gesehmccht  nit  N.,  H. 
95H.     Das  der  p fairer  on  riyderklayd  V.-H,  F.,    A.  II;   ohn  Niderkleid   thr 

Pfarrh^rr  XI,  XII;  pfarrer  ain  nydei'klail  N. ;  mit  cim  H. 
1047.     Ich  forgi  ir  hiclts  für  übel  mir  V.-H.,  F.,  A.  II,  XI,  XII;  hi^ix  X  : 

liertx  H. 
1356.     Mit  gutten  flecken  und  groffenV.-B..^  F.,  XI,  XII;  uyid  auch  groffm 

A.  II;  flecken  do  von  groffen  N.,  H. 
1558.     Der  hertxog  den  truehfcffen  batt  V.-H.,  F.,  A.  II,  XI,  XII;  den  Imnn: 

fetten  N.;  den  betrug  sehen  H. 
2059.     Dann  er  daz  allx  verderben  thuit  V.-H.,  F.,  XI,  XII;    Wa;nn  das  t 

alls  A  11;  das  er  es  all-s  N.,  H.  *) 

Ausserdom  stimmen  N.  und  H.  gegenüber  allen  anderen  Drucken 
in  den  folgenden  Versen  übercin.  OH,  177,  274,  293,  310,  313,  >M4, 
327,  041,  754,  703,  705,  884,  81)3,  1100,  1181,  1210,  1414,  141!». 
1523,  1551,  1593,  1G51,  1719,  2122.  Es  Hessen  sich  bei  genauem 
Nachsuchen  wohl  noch  ein  paar  derartige  Stellen  mehr  auffinden. 
Es  kam  mir  hier  —  und  das  gilt  auch  für  die  weiteren  Ausführungen  — 
nur  darauf  an,  genügendes  Beweismaterial  für  meine  Resultate  an- 
zuführen. Inwieweit  an  diesen  Stellen  N.  und  IL  spätere  Umbildun<;cii 
(grösstenteils  übrigens  ganz  unbedeutende)  des  ursprünglichen  Textes 
enthalten,  wie  weit  sie  dagegen  nur  das  Alte  beibehalten  haben,  liisst 
sich  deshalb  nicht  entscheiden,  weil  gemeinsame  Fehler  —  allerdings 
sehr  wenig  zaldreich  —  aller  übrigen  Drucke  beweisen,  dass  sie  auf 
eine  Grundhige  zurückgehn. 


»)  Nur  Lcsofehlcr  von  Bobcrtag  sind  3^12  [hat],   478  fchur  statt  schixf,  142!> 
thttt  statt  thar,  1559  da  statt  das,  2004  ir  statt  ich. 


95 

e.  Gpüppe  L.,  V.-H.,  F.,  A.  H,  XL 

327.     des  vnirden  fie  vom  pfai-rer  gefpeift  B.,  V.-H.,  F.,  A.  II,  XI,  XII;  ge- 

preift  N.,  H. 
923.     der  hifchof  da   7iit    fprechen   kan  V.-H.,    F.,  A.  II,  XI,  XII;  daer  en 

fal  de  Bifchop  nz  tegen  fegghen  Ad. ;  do  ividei-  fprecJien  N.,  H. 

Wohl  auch  so  in  477,  wo  F.  selbständig  auf  den  richtigen  Text 

zurückkam. 

das  ein  im  dankt y  dus  ander  nit  N.,  H.,  F. 
ein  im  dacht  A.  II,  ein  gedacht  V.-H.,  difs  einem  doch  XI,  XII ;   Ad.  über- 
setzt den  Vers  nicht,    sagt   gleich    d'een  seyde  Öodt  gJieve   Jieni   dis   ritte 
=  478. 

Von  allen  diesen  Drucken  steht  L.  (Ad.)  der  Grundfassung  näher, 
als  die  andern,  welche  wieder  eine  Gruppe  bilden. 

f.  Gruppe  V.-H.,  F.,  A.  If,  XI.  Fehler  der  Gruppe:  283.  344. 
Lesarten  258,  324,  349,  741,  745,  748.  Hier  stimmt  L.  mit  N.  und 
IL  Aus  Ad.  zu  erschliessen,  dass  die  Gruppe  V.-H.,  F.,  A.  II,  XI, 
(XII)  auch  sicher  allein  stand  in  den  Versen  1834,  192G,  2095.  Es 
ist  kein  Grund  anzunehmen,  dass  auch  in  L.  die  Fehler  der  Gruppe 
in  folgenden  Versen  vorhanden  waren:  249,  547,  581,  989,  1442, 
1727,  2127.  Als  Beleg  gebe  ich  die  beiden  obengenannten  Verse 
283  und  344. 

283.  dar  durch  ir  do  beregent  N.  fe.s  dan  regnet  H.) ;  gy  werden  beregent 
L. ;  daz  ir  an  mir  da  begere^it  V.-H. ;  an  mich  thut  begeren  F. ;  ir  dann 
an  mich  da  begeret  A.  II,  XI,  XII. 

344.  fie  ftunderi  an  einen  and/iren  ian  N.  H. ;  ya^n  L. ;  an  ein  andern 
an  V.-H,  ain  ander  bahn  F. ;  auff  ein  anders  an  A  II,  XI,  XII. 

Von  der  Untergruppe  sondern  sich  als  naheverwandt  und  der 
Grundfassung  fernerstehend  deutlich  ab  A.  II  und  XI  (XII). 

« 

g.  Gruppe  A.  II,  XI.  Gemeinsame  Fehler  95,  305  f.  (Erweite- 
rung um  zwei  Verse),  534,  561,  040,  775,  954,  1403,  1514,  2138. 
Hierzu    kommen    noch   Lesarten,    bezl.    veränderte   Wortformen    102, 

281,  730,    708,    1000,    1125,    1150,    1221,    1272,    1315,    1043,    1080, 
1708,  1780,  2088,  2151.     Als  Beispiel  gebe  ich 

534.  Nur  nmb  die  halb  und  nit  in plnrali  N.,  H.,  V.-H.,  F.;  Nur  umb  die 
fragt  ich  nicht  in  plnrali  A.  11;   Ihnb  die  frag  ich  XI,  XII. 

Zu  vergleichen  auch  die  oben  schon  angeführten  Verse  417  und  344. 

h.  V.-H.  nnd  F.  V.-H.  und  F.  können  sehr  wohl  von  demselben 
Druck  abgeschrieben  bezl.  gedruckt  sein. 

Allerdings  hat  V.-H.    an    drei   Stellen,    in  Vers    908,    1015    und 

1187  die  alte  richtige  Lesart,  wo  F.  mit  den  späteren  Drucken  einen 

gemeinsamen  Fehler  hat.     (908  rath  für  räch,   1015  fich  für  fie,  1187 

thut  eucrn  für  thu  euer,)     Doch  hat  hier  V.-H.  wohl  auf  das  Richtige 

zurückgeraten,  wie  für  F.  in  Bezug   auf  Vers   477    anzunehmen   war. 


96 


i.  Stammbaum. 


A.  I 


Es  sind  mindestens  fünf  Kalenbergdrucke  verloren  gegangen,  von 
denen  uns  kein  Exemplar  erhalten  oder  bisher  bekannt  ist. 

Eine  Vergleichung  der  Bilder-  bezgl.  Kapitelüberschriften  (ausser 
in  V.-H.,  wie  natürlich,  fehlen  die  Holzschnitte  in  XI  und  XII)  und 
der  Holzschnitte  selbst  bestätigt  diesen  Stammbaum  durchaus.  Dass 
die  Vermutung  von  Ad.  Schmidt  (a.  a.  0.),  dass  die  Holzschnitte  von 
N.  und  H.  in  direkter  Beziehung  ständen,  nicht  zutrifft,  geht  daraus 
zur  Genüge  hervor,  dass  nur  H.  mit  den  übrigen  Kalenbergdmckon 
in  der  Darstellung  des  waschenden  Pfarrers,  nur  N.  mit  ihnen  in  der 
Doppeldarstellung  des  geschlagenen  Thorhüters  und  Studenten  über- 
einstimmt. Weitere  Beschreibungen  unterdrücke  ich  als  überflü^sig 
und  gebe  nur  für  das  Verhältnis  der  Bilderüberschriften  ein  Beispiel. 

Ilie  kumpi  de  pfarrer  geritten  mit  feinem  rofs  auff  dem  miftmagen   m  de^s 

fürfien  fal  N.,  H. 
feinem  j^fc^'tt  cm  ff  dem  niiftwagen  in  des  fürsien  fcd  gen  Wien  V.-H.,  F. 
Pfatrer  mif  einem  Miftwagen  gen   Wien  gei'itten  und  gcfaren  A.  II. 
gefi  Wien  gefahren  und  geritten  XI,  XII. 

Die  Stellen,  an  denen  sich  uftter  zwei  oder  mehr  Drucken  Ucber- 
einstimmung  zeigt,  die  durch  obigen  Stammbaum  nicht  erklärt  wird, 
lassen  in  ihrer  Vereinzelung  nur  die  Erklärung  zu,  dass  hier  der 
Zufall  spielte.  Die  zwei  Stellen,  die  in  dieser  Hinsicht  zuerst  autfalliii 
scheinen,  teile  ich  mit.  Im  übrigen  handelt  es  sich  um  leicht  er- 
klärliche Kleinigkeiten. 

411.     Ich  hob  erst  nä/'hten  linfen  gassY.-U.^  N.,  F.,  A.  IL     Die  Lifisen  die 

ich  nmhten  afs  H.,  XI,  XII. 
1643.     das  will  ich  thun  V.-H.,  N.,  F. ;  das  soll  fein  H. ;  nun  das  foll  fein 

Reimwort  klein  cf.  103)  A.  II,  XI,  XII. 

Der  Grund,  weshalb  einzelne  Drucke  an  diesen  Stellen  änderton, 
liegt  nahe.  Zufällig  wurden  selbständig  hier  von  zwei  Druckern  die- 
selben, allerdings  nicht  fernliegenden,  Aenderungen  vorgenommen. 

Der  oben  mitgeteilte  Stammbaum  wird  dadurch  nicht  im  geringsten 
zweifelhaft. 

k.  Der  Ebelingsche  Text.  Dass  K.  Meyer  über  das  Verhältnis 
der  Drucke  nicht  klar  wurde  (cf.  a.  a.  0.)  lag  erstens  natürlich  daran, 


97 

dass  ihm  zu  geringes  Material  zu  Gebote  stand  (es  fehlten  V.-H., 
H.,  A.  II,  XI),  zweitens  aber  auch  wohl  daran,  dass  er  den  Text 
Ebelings,  angeblich  nach  einem  Druck  von  1500,  als  gleichwertig 
berücksichtigte.  Eine  solche  Behandlung  kann  aber  der  Herausgeber 
für  seinen  Text  nicht  beanspruchen.  (Vrgl.  die  Kritik  Strauchs 
Jahresber.  für  neuere  Litt.  1890.)  Dieser  wunderliche  Ealenbergtext, 
der  nach  dem  Herausgeber  früher  im  Besitz  des  verstorbenen  Buch- 
händlers Werl  in  Leipzig  war  und  nun  nach  England,  man  weiss  nicht 
an  wen,  verkauft  ist,  passt  in  die  im  übrigen  völlig  klare  Text- 
entwickelung gar  nicht  hinein.  Hinter  636  (=  N.  634)  hat  der  Text 
eine  überschüssige  Zeile,  mit  den  beiden  vorigen  reimend,  ebenso 
hinter  2127  (2124),  was  in  den  vorliegenden  Kalenbergdrucken  nirgends 
vorkommt.     Von  den  drei  Versen  634 — 637 

[ich  will] 

1.  Euch  euer  Pfarre  nimmer  lan. 

2.  Seit  ich  das  Spiel  gewonnen  han, 

3.  Will  ich  noch  weiter  setzen  dran, 

sind  1  und  2  der  alte  Text  (auch  in  N.),  in  XI  und  XII  finden  sich 
2  und  3.  Hier  setzt  nämlich  X  nach  der  Lücke  von  34  Zeilen  wieder 
ein  (cf.  oben).  1  wurde  als  unvollständig  fortgelassen,  Zeile  3  ist  ein 
nicht  gerade  glücklicher  Notbehelf  von  X.  Diese  Stelle  findet  sich 
gerade  mitten  in  dem  Abschnitt  des  Ebelingschen  Textes,  der,  wie  der 
Herausgeber  (Einl.  Seite  15  Anm.)  sagt,  in  dem  Druck  von  1500 
fehlte.  Hier  liegt  also  ein  beabsichtigtes  Zusammenarbeiten  des  Textes 
von  N.  und  X  vor.  Ebenso  in  diesem  Abschnitt  (495 — 668)  V.  547, 
641  =  N.;  581  ==  X. 

Der  übrige  Teil  des  Textes,  der  also  aus  dem  Druck  von  1500 
stammen  soll,  stimmt  mit  dem  Text  von  XII  (vom  Jahre  1620),  der 
nur  ein  Abdruck  von  XI  (1611)  mit  ganz  geringen  Aenderungen  ist 
(cf.  oben),  nicht  nur  in  den  der  Gruppe  A.  II,  XI,  XII  angehörenden 
Ijcsarten  305  ff.*),  1813  und  in  Lesarten  und  Fehlern  (auch  Druck- 
fehlern), die  nur  XI  und  XII  gemein  sind  (1780,  1829  f.,  1920,  2027 
fieder),  sondern  sogar  in  ganz  singulärer  Lesart  von  XII  (2027  in  dem 
nassen^  cf.  oben).  Ausserdem  sind  einige  Konjekturen  von  der  Hagens 
aufgenommen  ohne  Hinweis  (525,  1742,  2010).  Andererseits  enthält 
der  Text  singulare  Lesarten  und  Fehler  von  N.  (121  f.  Keimpaar 
eir  —  mir  st.  ipart  —  fart,  332  ee  st.  me,  1192  donü  st.  domit)  und 
sogar  einen  Lesefehler  von  Bobertag  (2004  cf.  oben).  Solange  man 
diesen  alten  Druck  nicht  selbst  sehen  kann,  darf  man  ihn  nicht 
berücksichtigen. 

1.  Arbeitsweise  der  Drneker,  bezgl.  Absehreiber  des  hochdentsehen 
Textes.  N.,  V.-H.,  F.,  XI,  XII  hielten  sich  im  ganzen,  abgesehen  von 
der  oben  schon  erwähnten  Auslassung  der  24  letzten  Verse  in  XI 
(XII),   sehr  genau  an  den  ihnen  vorliegenden  Text.     V.-H.  hat  aller- 


.   *)  Hier  wieder  die  Verszahl  nach  N.  citiert. 

Niederdeatsohes  JAhrbuch.    XX. 


dings  einige  —  unabsichtliche  —  Aenderungen  mehr,  wie  es  bei  einem 
Abschreiber  natürlich  ist. 

Die  Aenderungen  in  H.  sind,  wenn  auch  immer  noch  unbedeutend, 
doch  zahlreicher  und  etwas  weitergehend  (34.  239  f.  etc.,  Auslassungen 
gegen  den  Schluss)  als  die  der  genannten  Drucke.  A.  II  hat  nur  ganz 
unbedeutende,  den  Sinn  nicht  berührende  Aenderungen,  di«  aber  auch 
in  beinahe  jeder  Zeile. 

m.  Arbeitsweise  der  Uebersetzer.    (L.  und  Ad.)    Was  bei   der 

so  sehr  fragmentarischen  Gestalt  der  niederdeutschen  Uebersetzung 
über  die  Arbeitsweise  des  Verfassers  festgestellt  werden  kann,  ist  von 
Mantels  und  Schröder  (a.  a.  0.)  gesagt.  Im  allgemeinen  hält  sich 
der  Üebersetzer  sklavisch  genau  an  seine  Vorlage.  Er  scheut  sich 
nicht  einmal,  wo  er  etwas  missverstanden  hat,  völlig  Sinnloses  in 
seinen  Text  aufzunehmen.  Andererseits  versuchte  er  sich  doch  auch 
zweimal  im  selbständigen  ^Dichten^,  zuerst  in  Bezug  auf  die  etwas 
anrüchige  Linsengeschichte.  Hier  war  ihm  eine  Fassung  bekannt,  die 
ihm  besser  gefiel,  als  die  hochdeutsche.  Ob  sie  schon  vorher  mit  dem 
Kalenberger  in  Beziehung  gesetzt  war,  oder  nicht,  ist  natürlich  nicht 
zu  entscheiden.  Ausserdem  fugte  der  üebersetzer  bei  der  Ankunft  des 
Pfarrers  am  bischöflichen  Hofe  einige  Verse  hinzu,  die  gewiss  sein 
Eigentum  sind.  Dass  der  niederdeutsche  Üebersetzer  sonst  nichts 
Selbständiges  hatte,  das  nennenswert  wäre,  ging  schon  aus  E.,  geht 
jetzt  noch  klarer  aus  Ad.  und  der  Uebereinstimmung  dieser  Fassungen 
mit  dem  hochdeutschen  Text  hervor.  Aber  gerade  wegen  des  im 
allgemeinen  engen  Anschlusses  des  niederdeutschen  Textes  an  seine 
hochdeutsche  Vorlage  wäre  er,  wenn  vollständig,  bei  seiner  Stellung 
innerhalb  des  Stammbaums  für  die  Textkritik  sehr  wichtig;  wobei 
allerdings  zu  bemerken  ist,  dass  bei  der  grossen  Uebereinstimmung 
von  z.  B.  N.  und  F.  der  Textkritik  sehr  wichtige  Fragen  überhaupt 
nicht  zu  entscheiden  bleiben.  (Zur  thatsächlichen  Verwendung  von  L. 
für  die  Textkritik  cf.  oben  Abschnitt  f.) 

Auf  Ad.  und  die  Arbeitsweise  seines  Verfassers  gehe  ich  noch 
weiter  unten  ein.  Hier,  wo  es  sich  um  den  Wert  für  die  Textkritik 
handelt,  bemerke  ich  nur:  Die  Uebersetzung  nahm  allerdings  das  im 
niederdeutschen  Text  Gebotene  meist  fast  wörtlich  hinüber,  sodass 
noch  an  einigen  Stelten  die  deutschen  Reimworte  durchblicken,  aber 
die  Uebertragung  aus  einer  Sprache  in  die  andere  verwischt  hier,  wo 
es  sich  in  der  Textkritik  um  Kleinigkeiten  handelt,  doch  soviel,  dass 
ich  nur  drei  Stellen  angeben  konnte,  wo  Ad.  zur  Herstellung  des  aus 
A.  I  geflossenen  Textes  massgebend  sein  konnte  (cf.  oben).  Da  aber 
A.  I  selbst  an  zweien  davon  erhalten  ist,  so  schwindet  die  Bedeutung 
von  Ad.  für  die  hochdeutsche  Textkritik  fast  gänzlich. 

n.  Schlussresultat  fBr  die  Textkritik.  Ausser  in  den  gegen  300 
Versen,  die  in  A.  I  erhalten  sind,  ist  einem  kritischen  Texte  N.  als 
der  treuere  der  beiden  nach  A.  I  ältesten  Drucke  zu  Grunde  zu  legen, 


da  die  hochdeutsche  Vorlage  von  L.,  die  offenbar  (cf.  oben)  fehler- 
freier war,  als  N.  (H.),  uns  nicht  vorliegt.  Die  Vorlage  von  F.  (V.-H.) 
enthielt  schon  etwa  eine  gleiche  Anzahl  Fehler,  wie  die  Vorlage  von 
N.  (H.).  Selbstverständlich  wäre  aber  in  N.  aufzunehmen,  was  sich 
in  Anbetracht  des  nachgewiesenen  Verhältnisses  der  Drucke  als 
ursprünglicher,  als  der  Text  von  N.  erweist.  Vers  654 — 735  (in  N. 
ausgerissen)  sind  wohl  besser  mit  Zugrundelegung  von  F.  (V.-H.) 
wiederherzustellen,  als  auf  Grund  von  H.  Ob  aber  ein  dringendes 
Bedürfnis  für  einen  solchen  kritischen  Text  vorliegt,  ist  wohl  sehr 
zweifelhaft,  besonders  da  mit  Hülfe  der  obengemachten  Mitteilungen 
jeder  den  Text  von  N.  in  der  Bobertagschen  Ausgabe  in  den  meisten 
wichtigen  Punkten  säubern  kann,  da  die  anderweitige  Ueberlieferung 
dazu  eine  sichere  Handhabe  bietet.  Die  paar  Stellen,  die  ausser 
denen,  die  schon  ohnedies  eine  Stelle  in  den  obigen  Ausführungen 
gefunden  haben,  noch  nennenswert  sind,  gebe  ich  hier:  Es  ist  zu  setzen 
51  ufigeheur  st.  geheur,  279.  das  im  ereürnet  gante  der  mut.  496.  ich 
st.  er.  497.  den  st.  der.  519.  den  st.  der  [drei],  766.  [neun].  Kon- 
jektur nötig :  753.  fchleichent?  aus  fchleicMiehen,  das  auch  die  Grund- 
lage des  fchlechtlichen  der  andern  Drucke  sein  kann.  Ursprünglich 
vielleicht  fleidichen  (fleischlichen),  cf.  Lexer.  H.  dem  Sinne  entsprechend 
hat  frischlichen. 

IL    Der  herstellbare  hochdeutsche  Text  des 

Kalenbergers. 

Der  kritische  hochdeutsche  Text  des  Kalenbergers,  der  auf  die 
oben  angegebene  Weise  gewonnen  wird,  ist  sicher  von  dem  Text,  wie 
er  in  A.  I  vollständig  vorlag,  nur  sehr  wenig  verschieden.  Zu  diesem 
Urteil  berechtigen  uns  die  von  A.  I  erhaltenen  Verse.  Es  liegt  meiner 
Ansicht  nach  auch  durchaus  kein  zwingender  Grund  vor,  anzunehmen, 
dass  das  Werk  Philipp  Frankfurters  jemals  wesentlich  anders  gewesen 
ist,  als  der  herstellbare  Text.  Sicher  hat  in  der  ursprünglichen 
(mündlichen)  Erzählung  vom  Kalenberger  der  Herzog  den  Pfaflfen  auf- 
gefordert, in  seiner  besten  Hofweise  zu  kommen,  woraufhin  er  auf  dem 
Mistwagen  kommt  (cf.  Schröder,  Jahrb.  XHI,  150),  —  der  englische 
Uebersetzer  kam  beim  Durchdenken  des  Stoffes  von  selbst  auf  diese 
Aufforderung  zurück ;  ebenso  sicher  wird  der  Bischof  dem  Kalenberger 
ursprünglich  eine  Aufforderung  ^^gahens  zu  ihm  zu  reiten^  (in  dieser 
oder  ähnlicher  Form)  geschickt  haben,  woraufhin  dann  der  Pfarrer 
halb  geht,  halb  reitet ;  aber  beides  wird  in  Frankfurters  Text  nie  ge- 
standen haben.  Die  Form  ist  durch  den  ganzen  Text  hindurch  über- 
all gleich  ungeschickt,  und  wenn  auch  inhaltlich  der  Verfasser  die 
meist  trefflichen,  wenn  auch  zum  Teil  etwas  derben  Schwanke  in  der 
Hauptsache  garnicht  schlecht  wiedergiebt  —  ich  erinnere  nur  an  die 
Stellen,  wo  lateinische  Worte  eingemischt  sind  —  so  hatte  er  doch 
wohl  nicht  Ueberlegung  oder  Scharfsinn  genug,  eine  unvollständige 
Ueberlieferung,  wie  sie  in  diesen  beiden  Fällen  gewiss  vorlag,  zu  er- 


100 

ganzen.  Was  er  wusste,  gab  er  nach  Art  der  Volksballaden  springend, 
ohne  Einleitungen,  mehr  in  Gesprächen,  als  eigentlicher  Erzählung. 
Er  wusste,  das  Publikum,  für  das  er  reimte,  kannte  die  Schwanke 
schon,  die  ihm  selbst  gewiss  aus  mündlicher  Tradition  gekommen 
waren,  wenn  er  auch  scheinbar  auf  schriftliche  Quellen  Bezug  nimmt 
(2159  f.).  Daher  genügt  mangelhafte  Anknüpfung  (hinter  251  und 
1357)  und  sogar  äusserste  Kürze  im  Schwank  selbst  (713).  Das  enge 
Zusammenrücken  der  Schwanke  bringt  an  einer  Stelle  den  Verfasser 
dazu,  einen  inneren  Zusammenhang  zweier  Züge  anzudeuten,  die  ur- 
spininglich  zweifellos  jeder  selbständig  (oder  mindestens  anders  ver- 
knüpft) waren.  (Die  wunderliche  Art  der  Ankunft  des  Pfarrers  am 
bischöflichen  Hofe  und  die  Heilung  der  Blindheit  des  Bischofs.)  An 
anderer  Stelle  erscheint  als  selbständig,  was  in  engem  Zusammenhang 
mit  den  vorigen  und  folgenden  steht:  das  schamlose  Waschen  des 
Pfarrers  am  Bach,  das  nur  ein  Mittel  ist,  sich  die  junge  ;,Kellnerin 
zu  lösen,*'  wie  hier  der  Drucker  von  H.  durch  eine  Aenderung  in 
seinen  Text  richtig  hineinbringt.  Es  sind  also  auch  noch  inhaltliche 
Unebenheiten  genug  im  dem  herstellbaren  Text  vorhanden,  die  aber 
dem  wohl  auch  auf  mangelhafte  Ueberlieferung  angewiesenen  Reimer 
zur  Last  fallen  werden.  Offenbare  Fehler  des  Textes  finden  sich 
ausser  dem  oben  angeführten  Fehler  von  A.  I  1744  noch  in  1230  und 
1478 ;  an  beiden  Stellen  gewiss  Versehen  des  aus  A.  I  hervorgegangeneu 
Druckes  oder  von  A.  I  selbst,  dem  ja  sogar  auch^noch  ein  anderer 
Druck  vorangegangen  sein  könnte.  Beide  Stellen  sind  von  Bobertiij» 
—  gewiss  richtig  —  conjiciert.  Den  Fehler  1890  (auch  A.  I)  auf  den 
K.  Meyer  hinweist,  nit  unverholen  statt  nit  verholen  traue  ich  al^ 
eine  Gedankenflüchtigkeit  dem  Verfasser  selbst  zu.  Zu  conjiciereo 
gewiss  825,  auf  fehlerhafter  in  V.-H.  erhaltener  Fassung  beruhend: 
wohl  tvar  kein  kunder  mit  A.  U,  XI,  XII  herzustellen.  479?  So  einen 
statt  £fu  einem.  Möglicherweise  ist  noch  hier  oder  da  in  einer  der 
mir  sonst  nicht  bekannten  Phrasen  ein  Fehler  vorhanden.  Aber  wirk- 
liche Unklarheit  im  Zusammenhang  ist  höchstens  an  zwei  Stellen  vor- 
handen. 1)  In  der  Doppellösung,  die  der  alte  Pfarrer  auf  die  letzto 
Rätselfrage  des  Kalenbergers  giebt  (569—573).  Er  will  wohl  die 
garnicht  schlechte  Lösung  geben:  Ich  habe  jetzt  Mangel,  was  ich 
vorher  nicht  gehabt  habe  etc.  {Ich  han  558  ist  unter  allen  Um- 
ständen als  ich  habe  gehabt  aufzufassen).  An  diese  Lösung,  die  ent- 
schieden besser  ist,  als  die  geschraubte  Lösung,  mit  der  der  Kalen- 
berger  herauskommt,  knüpft  sich  durch  erklärliche  Gedankenassociation 
die  Lösung,  das  ewige  Leben,  aber  nicht  das  irdische  haben,  die  sich 
aber  nicht  durch  das  ganze  Rätsel  durchführen  lässt.  Die  unleugbare 
Schwierigkeit,  diese  Gedanken  auszudrücken  und  die  erwiesene  l'n- 
geschicklichkeit  des  Reimers  sind  vielleicht  schon  eine'  genügende 
p]rklärung  für  die  Verse  5()9 — 573.  Es  bleiben  nur  öoch  die  Verse 
025,  G2(),  die  in  den  Zusammenhang  nicht  hinein  passen,  wenn  man 
sie  wie  Bobertag  auffasst.  Sollte  mit  Rausch  das  sobenannte  Karten- 
spiel,   mit  Tausch    die  belr.  Karte    oder  der  Würfelspiel wurf  gemeint 


161  V  ^ 

sein?  Es  wären  dann  zwei  Spielvorschläge,  über  die  gleich  weg- 
gegangen wird.  Kommt  aber  Tausch  etwa  auch  als  Name  eines  be- 
stimmten Würfelspiels  vor,  so  wären  wohl  mit  F.  die  Reimwörter  um- 
zustellen und  ein  Rausch  als  ein  Anlaufe  ein  ^iel  zu  nehmen,  was 
entschieden  die  befriedigendste  Lösung  wäre,  da  Brett  und  Würfel  sehr 
wohl  zusammen  gebraucht  werden  konnten.  Jedenfalls  geht  aus  dem 
Gesagten  wohl  hervor,  dass  der  herstellbare  Kalenbergtext  keineswegs 
als  ein  in  hohem  Masse  verderbter  zu  betrachten  ist  und  dass  Philipp 
Frankfurter  ihn  ungefähr  so  gereimt  haben  kann.  Eine  sehr  lange 
Zeit  hat  ja  auch  zwischen  der  Abfassung  und  dem  Druck  nicht  gelegen. 
Herr  Prof.  Schröder  hat  mich  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  Vers 
7  bis  9  doch  nur  als  Hinweis  auf  eine  deutsche  Rhetorik  zu  verstehen 
und  dass  eine  solche  vor  Mitte  des  15.  Jahrhunderts  nicht  nach- 
gewiesen und  nicht  anzunehmen  ist.     (cf.  H.  Zs.  37,  26  ff.) 

ni.  Der  niederländische  Text. 

Der  Amsterdamer  Di*uck  von  1613  ist  (cf.  oben)  ein  so  gut  wie 
genauer  Abdruck  des  niederländischen  Prosatextes  aus  dem  Anfang 
des  16.  Jahrhunderts.  Dieser  war  wahrscheinlich  zu  Antwerpen  ge- 
deckt (cf.  Schröder  a.  a.  0.).  Ob  die  Sprache  von  Ad.  dies  bestätigt, 
wird  ein  des  Holländischen  und  Flämischen  Kundiger  aus  den  nach- 
folgenden Textproben  von  Ad.  leicht  erkennen.  Ad.  scheint  mir  hier 
eine  besondere  Beachtung  zu  verdienen,  erstens  als  direkter  Ausfluss 
der  zum  weitaus  grössten  Teil  verlorenen  niederdeutschen  Uebersetzung 
und  auch  als  Erzeugnis  der  nahverwandten  niederländischen  Litteratur, 
die  in  diesem  Jahrbuch  vielfach  ihrer  selbst  willen  in  den  Kreis  der 
Forschung  gezogen  wird. 

Ad.  ist,  natürlich  vom  hochdeutschen  Grundtext  ausgehend,  die 
weitaus  selbständigste  der  vorhandenen  Kalenbergfassungen. 

Ausgelassen  ist  an  längeren  oder  wichtigeren  Stellen: 

1)  die  Einleitnng,  in  der  der  Dichter  von  sich  selbst  spricht  (1 — 31),  ebenso 
die  Nachrede  (2167—2180); 

2)  die  ganze  Geschichte  von  den  Hauern  (296 — 398); 

3)  die  Lösnngsversnche  des  alten  Pfarrers  auf  die  letzte  Bätselfrage  des  Eal. 
(569—573) ; 

4)  der  Witz  des  Eal.  beim  Znsammentreffen  mit  dem  Bischof  (736  f.); 

5)  der  Witz   des   Eal.    beim   Znsammentreffen    mit    dem   Weihbischof    (810 
bis  816); 

6)  das  Trinken  der  Herzogin  mit  dem  Ealenberger  (1096 — 1124). 

7)  der  Schwank  mit  dem  Hackbrett  (1218—1240) ; 

8)  der  Scherz  des  Herzogs    (dn    willst   die   Hosen   auch  wohl  flicken  lassen 
1451  f.); 

9)  der  Witz  des  Eal.  von  den  Schlehen  (1462—1475); 

10)  das  Uebersehen  der  Herzogin  durch  den  Eal.  (1732—1749). 

Das  Fortlassen  von  1.  war  selbstverständlich;  4  5  und  7  im 
Niederländischen  naturgemäss  wohl  nicht  wiederzugeben,  3  gewiss  über- 
haupt nicht  verstanden;  6,  9  und  10  waren  dem  Uebersetzer  wohl  zu 


102 

witzlos;  8  übersah  er  vielleich  einfach,  aufiallig  nur  die  Fortlassung 
von  2.  Die  Situation  des  zu  Berg  und  zu  Thal  Hauens  (hier  durch 
die  schlechten  Holzschnitte  keineswegs  klarer  gemacht)  mochte  ihm 
nicht  deutlich  sein.  Damit  fiel  allerdings  aueh  die  vorzügliche  Ge- 
schichte fort  vom  Raben  als  Feierabendverkündiger. 

Ausserdem  manche  kleine  Auslassungen,  Kürzungen  und  Aende- 
mngen. 

Ein  systematisches  Vorgehen  des  Uebersetzers,  wie  es  aus  den 
angeführten  Auslassungen  hervorgeht,  tritt  auch  in  den  Zusätzen  zu 
Tage.  Die  Situation  wird  durch  sie  geklärt,  oder,  wo  nötig,  über- 
haupt erst  gegeben. 

Dies  letztere  ist  der  Fall  am  Anfang  der  Geschichte  vom  Chor- 
decken :  Als  hy  nu  een  tijt  de  Kercke  ghedient  had  /  Co  fach  hy  dai  de 
Kercke  vermUen  tvas  I  fo  dat  m^  niet  drooghe  daer  in  flaen  en  conde  / 
fo  fprac  hy:  etc.  (N.  242  ff.)  und  beim  Besuch  der  Herzogin  beim 
Pfarrer:  Hier  nae  ginck  de  Hertoginne  by  den  Beert  aent  vyer  efide 
befach  wat  de  Kerckheere  feien  coekte  /  ende  Cy  vandt  alle  paiten  ydel 
etc.  (N.  1063  ff.).  Die  Situation  wird  geklärt  in  Bezug  auf  den  Kai. 
und  seine  beiden  zwanzigjährigen  Schaffnerinnen  durch  den,  allerdings 
ungeschickt  eingeschobenen  Zusatz :  ende  alffer  yemandt  quam  foo  gifidi 
hy  fe  verberghen  /  ende  dede  ßjn  dingen  Cdfs  /  op  dat  hem  de  BirCchcp 
niet  en  foude  quellen  (zwischen  N.  1044  und  1045).  Gleichwertige 
kleine  Zusätze  hat  Ad.  in  der  Verhandlung  der  Bauern  mit  dem  Pfarrer 
über  das  Kirchendecken  und  an  zwei  Stellen,  wo  Ad.  einmal  eine  ver- 
derbte (N.  923  cf.  oben)  und  einmal  eine  von  L.  selbständig  zugesetzte 
unklare  Fassung   vorlag   (Ankunft   des   Kai.   am   bischöflichen  Hofe). 

Durch  eine  Aenderung  brachte  er  die  oben  besprochene  Stelle 
625  f.  in  Ordnung:  ende  nae  den  eten  liet  die  van  kalenberch  cornen 
een  verkeerbert  ende  Ceyde  tot  den  Ouden :  laet  ans  fpelen  waeromme  dai 
gy  wilt,  Neen  /  Ceyde  die  oude  I  ick  en  fal  niet  fpelen  maer  wüdy 
anders  avontuealijck  (f)  eijn:  Ick  ntangele  niet  (gedruckt  met):  kerdi 
om  kerck  /  g^y  de  mijne  /  ende  die  u  is  mijne  etc.  (also  des  Kai.  Vor- 
schlag zum  Spiel  abgelehnt,  statt  dessen  wirklicher  Tausch).  Die 
übrigen  Zusätze,  die  vielleicht  noch  eine  Anfuhrung  verdienten,  ich 
zähle  deren  acht,  geben  Reflexionen  der  handelnden  Personen  und  an 
einer  Stelle  des  Uebersetzers  selbst.  Auf  diese  Weise  entstand  in  Ad. 
ein  Kalenbergtext,  der  viel  einfacher  und  klarer  ist,  als  die  zu  Grunde 
liegende  hochdeutsche  Reimfassung. 

Allerdings  wurden  nicht  alle  Mängel  derselben  beseitigt.  So 
blieb  der  Schwank  vom  Schuhflicken  noch  ohne  den  wünschenswerten 
einleitenden  Satz  und  wurde  auch  des  Fürsten  Aufforderung  an  den 
Kai.,  in  seiner  besten  Hofweise  zu  kommen,  vom  niederländischen 
Uebersetzer  noch  nicht  neu  gefunden.  An  zwei  Stellen,  wo  er,  wie 
schon  erwähnt,  bessernde  Zusätze  machte  (in  der  Unterhandlung 
bezügl.  des  Chordeckens  und  bei  der  Ankunft  des  Pfarrers  beim 
Bischof),  lässt  der  Text  immer  noch  zu  wünschen  übrig.  Auch  Ad. 
eigene  Verderbnisse  fehlen  nicht  ganz.     N.  738  ist  als  Wort  des  Kai. 


103 

genommen,  nachdem  der  Witz,  auf  den  der  Vers  sich  bezieht,  ganz 
fortgefallen  ist,  und  noch  ein  paar  andere  Kleinigkeiten  (ich  zähle 
drei  solche  Stellen,  zu  denen  auch  die  mehrfach  erwähnte  letzte 
Rätselfrage  des  Kai.  gehört,  deren  ohnehin  mangelhafte  Fassung  hier 
noch  unklarer  erscheint),  die  aber  sehr  wohl  schon  L.  zur  Last  fallen 
können.  Im  ganzen  kann  das  Schlussurteil  über  die  niederländische 
Prosafassung  nicht  zweifelhaft  sein.  Sie  ist  in  Bezug  auf  die  lieber- 
einstimmung  von  Inhalt  und  Form  nicht  nur  ein  Fortschritt  gegenüber 
der  hochdeutschen  Keimerei,  sondern  auch  für  sich  betrachtet  ein  acht- 
bares Litteraturdenkmal.  Zum  Beweise  dessen  und  zugleich  als  Ergänzung 
der  in  diesem  Jahrbuch  (1887)  erschienenen,  am  Anfang  unvollständigen 
englischen  Uebersetzung  eben  dieses  niederländischen  Textes  drucke  ich 
hier  den  Anfang  von  Ad.  (die  Fischkaufgeschichte)  ab.  Bei  meiner  geringen 
Kenntnis  des  Niederländischen  wage  ich  keinerlei  Textänderungen. 

Nach  einem  gereimten  Prolog  von  elf  Zeilen. 

Hier  begint  die  materie  des  Boecx 
Hoe  een  Clerck  eenen  grooten  Visch  cochte,  om  dien  te  schencken  den 

Hertoghe  van  Oostenrijck. 
In  die  oude  Chron^cken  der  Hertoghen  van  Oosterijc  vinden  wy  beschreven, 
dat  in  den  t\jden  van  den  denchdei^cken  Prince  ende  Hertoghe  Otto  van  Oostryck  / 
woonde  in  die  machtige  sta^t  van  Weenen  een  Borgher  r^'ck  ende  machtich  van 
ghoede  /  ende  een  Raedtfheere  van  der  felver  Stadt  /  Die  eenen  armen  Clerck 
om  Gods  wille  hielt  in  f^'n  huys  die  ter  fcholen  ginck  /  ende  leerde  feer  neer- 
stelijc  /  op  dat  hy  namaels  foude  mögen  comen  tot  den  Priesterlljcke  ftaet  / 
welcke  Clerck  feer  cioeck  was  van  ßnnen  /  ende  fnbtyl  van  verstände  /  alft 
blijcken  faL  Soo  ghevielt  op  eenen  t^jt  dat  hy  ginck  met  ßjnen  Heerfchap  ter 
vifchmerckt  /  daer  hy  veel  volcx  fach  ftaen  aen  een  vifvanck  /  fo  liep  de  Clerck 
daer  oock  /  om  te  beßen  watter  te  doen  was  /  fo  lach  daer  een  grooten  Visch  / 
dat  defgelijcx  niet  meer  gesien  en  was  /  in  de  ftadt  van  Weenen  /  ende  de 
Visch  was  soo  groot  van  gelde  /  dat  hem  uiemandt  coopen  en  wilde  /  om  dat 
de  Vifcher  daer  mede  fo  coftelijck  was.  So  peyfde  die  Clerck  in  ^jnen  Anne  / 
ViB  wonderlijck  waer  m^n  avontuere  geleghen  is  /  ic  fal  defen  vifch  coopen  / 
om  te  befchencken  daer  mede  den  Hertoge,  den  denchdeiycken  Prince  /  can  ick 
gelt  ghecrygen.  Aldus  is  de  Clerck  te  hnys  gegaen  tot  fynen  Heere  /  fegghende : 
Ic  bidde  u  lieue  beere  /  dat  ghy  myn  wilt  leenen 


A2.  

leenen  alfoo  veel  gelts  dat  ick  hem  coope  den  ghrooten  Visch  die  hier  te  merckt 
comen  is  /  ic  foude  hem  schencken  onfen  Hertoge  /  op  avontnere  oft  my  de 
Visch  mijn  gelnck  in  brochte  /  ende  de  Raedtfheere  dede  den  Clerck  alfo  veel 
gelts  dat  hy  den  Visch  cochte  /  ende  dedefe  (!)  brengen  in  fyns  beeren  hnys. 
Doe  feyde  de  Clerck:  mijn  lieve  beere  /  ghy  moet  myn  leenen  cleederen  /  als 
een  Tabbaert  /  een  wambays  /  eenen  mantel  een  paer  niewe  fchoenen  /  dz  ic  fo 
eerlijc  voor  den  Hertoghe  comen  mach  /  ickt  falt  weder  tegen  n  verdienen  als 
ic  can.     Ende  die  Baedtfheere  dede  alle  dingen  die  de  Clerck  op  hem  begheerde. 

Hoe  de  ftudent  quam  voor  des  Hertogen  poorte,  daer  hy  den  poortier 
gheloven  moefte,  hem  mede  te  deylen  die  vvederghave  des  Hertoghen 

d'vvelck  hy  dede. 
Ais  hem  de  Clerck  nn  eerlycken  gecleedt  hadde  /  foo  ginck  by  na  der 
Horcht  /  ende  de  dragbers  volghden  hem.    Ende  als  de  Clerc  aen  de  bmgghe 


104 

qnam  /  foo  betaelde  hy  de  dragers  /  ende  uam  felven  den  Visch  ende  ghinck 
op  de  Borcht  tot  voor  des  Hertoghen  Säle  daer  hy  clopte  aen  de  poorte.  Doe 
quam  de  doorwachter  /  en  feyde:  vriet  /  wat  begeerdy  (ende  hy  fach  hem  den 
grooten  visch  hebben).  De  Clerck  feyde:  ick  fonde  geeme  den  Hertoghe  fpreken. 
Neen,  feyde  de  doorwachter  /  ghy  en  fult  daer  foo  niet  in  /  gy  en  fnlt  my  eerst 
geloven  by  uwer  waerheyt  fo  wat  u  den  Hertoghe  gheven  fal  dat  ghy  dat  met 
my  deylen  fnlt  /  woerom  de  Clerck  ghram  wert  /  maer  hy  en  condet  niet  ghe- 
beteren  /  das  moefte  hy  den  doorwachter  geloven  by  fynen  eede  ende  fgner  Man 
warheyt  dat  hy  hebben  wilde. 

Hoe  de  Clerck  fchenckte  den  Vifch  den  Hertoghe  Ende  hoe  de  Clerck 

met  die  ftocken  gheflaghen  wert. 

Als  de  Clerck  den  doorwachter  die  gelofte  gedaen  had  /  foo  wert  hy  in 
ghelaten  /  ende  qnam  in  der  Sälen  daer  de  Hertoge  was  met  fijnen  Heeren  / 
dien  hy  den  Vifch  fchanck  /  en  de  Hertoghe  nam  hem  in  grooter  weerden 
/  en  feyde :  Mijn  goede  vriendt  /  fegt  my  wat  n  begeeren  is  /  ic  falt  doen  nae 
mijner  macht.  Doe  feyde  de  Clerc  /  Genadighe  Prince  /  ick  en  begheer  na  ter 
tijdt  anders  niet  /  dan  dat  ghy  twee  van  nwe  dienaers  laet  comen  /  ende  laet 
my  binden  banden  ende  voeten  /  ende  dat  fe  my  dan  wel  flaen  met  ftocken. 
De  Hertoghe  feyde :  dat  en  fal  ic  niet  doen  /  want  dat  waer  een  groote  fchande 
van  my  /  ende  een  yegelijck  fonde  my  des  oneere  achter  my  fpreken  die  dat 
fonden  hooren  fegghen  /  want  gy  ons  eerweerdichz  ende  dencht  bewefen  hebt  ,' 
waerom  ons  dit  dnnckt  zijn  een  wonderlijke  bede.  Doen  feyde  de  Clerck:  will 
doch  mijn  bede  volbrenghen  /  ten  fal  u  doch  niet  costen  landt  oft  lieden.  Als 
de  Hertoge  hoorde  dat  hy  dat  ymmer  begeerde  /  fo  ontboodt  hy  twee  van  fijnen 
knechten  die  den  Clerck  bonden  banden  ende  voeten  /  ende  floegen  he  over  al 
f\jn  lijf  met  stocken.  Als  de  Clerck  aldns  gheflagen  was  /  foo  feyde  de  Hertoghe : 
Nu  feght  ons  ghy  jonghe  man  hier  af  n  meyninghe.  De  Clerck  feyde :  genadige 
beere  /  als  ick  voor  u  poorte  qnam  met  defen  Vifch  /  ende  nwe  genade  geeme 
gefproken  hadde  /  fo  en  wilde  my  n  doorwachter  niet  in  laten  /  ick  en  moefte 
hem  geloven  by  mgneu  eede  /  ick  fonde  hem  gheven  die  helft  van  myner  giften  / 
dat  my  nwe  ghenade  gönnen  fonde:  hlerö  op  dat  ic  mijneu  eedt  nijten  mach  ' 
fo  begeer  ick  van  nwe  ghenaden  /  dat  ghy  nweu  Doorwachter  voorft.  datel^jck  (laet) 


laet  comen  /  ende  gheeft  hem  die  helft  van  mijder  (1)  gaven  /  jae  al  heeft  hy 
meer  dan  ick  /  ende  de  meefte  helft  /  ick  en  fal  niet  ghram  daerom  zijn  /  noch 
kijven.  Doen  werdt  de  Hertoghe  lachende  /  ende  dat  beviel  hem  feer  wel  .' 
ende  hy  dede  voor  hem  comen  den  doorwachter  /  ende  feyde:  Wie  heeft  n  foo 
ftont  gemaeckt  /  ghy  valfche  Man  /  dat  ghy  de  lieden  fchatten  fönt  die  my 
geerne  fpraken?  waer  af  de  doorwachter  ontverwede  in  ^jn  aengeücht  van  fchaemten 
forghende  dat  hem  de  Hertoghe  fonde  doen  dooden  /  ende  hy  badt  om  genade  / 
feggende  dat  hy't  in  fchimpen  en  boerden  gedaen  hadde.  Doe  feyde  de  Hertoghe : 
ghy  fnlt  nwen  loon  hebben  /  ende  half  defe  ghiften  die  defe  jonghe  Man  heeft 
gehadt.  Ende  den  doorwachter  worden  banden  en  voeten  ghebonden  /  ende 
werdt  feer  gheflagen  dat  hy^t  wel  acht  daghen  lanck  gevoelde  /  ende  wat  hy 
riep  ofte  claechde  /  ten  halp  hem  nz  /  hy  moefte  de  helft  van  der  ghiften  met 
hem  draghen.  Ende  als  dit  aldus  ghedaen  was  /  foo  feyde  de  Hertoghe  tot  den 
Clerck:  Qhy  jonghe  man  /  wat  is  nwe  hanteringhe?  De  Clerck  feyde:  Ghenadig^he 
beer  /  ick  ben  een  arm  fcholier  /  ick  foude  geem  Prijster  ^jn  /  maer  myn  goet 
is  te  cleyue  /  dns  foo  bidde  ic  nwer  genaden  /  dat  ghy  my  doch  wilt  helpen 
tot  defen  ftaet  /  ick  fal  nacht  ende  dach  voor  n  bidden.  Doe  feyde  de  Hertoghe : 
de  eerfte  Kercke  /  oft  beneficie  oft  proeven  die  myn  fal  bevallen  te  gheven  / 


105 

die  fal  a  z^n.  Ende  als  dit  de  Hertuge  nuch  fprack  qaamen  daer  twee  eerbaer 
mannen  tot  den  Hertoghe  /  die  hem  tijdinge  brochten  dat  de  Kerckheere  v.  K. 
gestorven  was  /  ende  dat  henlieden  eenen  anderen  vau  noode  was.  Doe  fprack 
de  Hertoghe  tot  den  Clerck:  Na  gaet  /  ende  regeert  n  wel  /  ick  geve  n  die 
Kercke  /  bewaert  n  feele  en  nwer  onderfaten  fielen.   Dies  de  Clerck  blijde  was  / 


Hierauf  einfach  und  kurz  Uebernahme  der  Pfarre  und  erste  Rede 
(N.  219 — 241),  dann  die  oben  angeführte  Stelle  Als  hy  nu  een  tijt  de 
Kercke  ghedient  had  etc.,  mit  der  wir  in  den  englischen  Text  hinein 
kommen.     Der  Vollständigkeit  halber  noch  ein  paar  Worte  über 

IV.   Die  englische  Uebersetzung  von  Ad. 

Es  ist  keineswegs  eine  sklavische  Uebersetzung  von  Ad.  (cf.  K.  Meyer, 
a.  a.  0.).  Doch  ist  nur  eine  grössere  Partie  fortgeblieben,  der  ganze 
Rätselstreit  des  alten  Pfarrers  mit  dem  Kai.,  dessen  erstes  Rätsel 
achthalb  Schaf)  im  Englischen  nicht  wiederzugeben,  und  dessen  zweites 
und  letztes  Rätsel  (cf.  oben)  unklar  war.  Die  Zahl  der  kleinen  Aende- 
rungen  ist  sehr  gross.  Sie  sind  nicht  alle  gleichwertig,  zum  grössten 
Teil  aber  sind  es  wünschenswerte  Kürzungen.  Die  in  Ad.  noch  ent- 
behrte Einleitung  zum  Schwank  vom  Schuhflicken  und  die  Botschaft 
des  Herzogs  an  den  Kai.  wurde  von  E.  ergänzt.  Also  wenn  auch 
dem  englischen  Uebersetzer  naturgemäss  eine  geringere  Arbeit  zufiel, 
als  seinem  niederländischen  Vorgänger,  so  ist  seine  Fassung  doch 
wieder  ein  Schritt  vorwärts. 

Es  liegt  uns  in  E.  ein,  durch  die  Entwickelung  allerdings  ver- 
kürzter, aber  im  ganzen  wohl  lesbarer  Kalenbergtext  vor. 

ALTONA.  Wilhelm  Koppen. 


106 


Zu  den 
altsächsischen  Bibelbruchstücken. 


Braehstäcke  der  altsächsisehen  Bibeldichtang  aas  der  Bibliothcti 
Palatina.  Herausgegeben  von  K.  Zangemeister  und  W.  Braane.  Heidel- 
berg 1894.  8^  (Sonderabdrack  aus  den  Neuen  Heidelb.  Jahrbüchern, 
Bd.  IV,  S.  205 — 294,  wo  auch  auf  sechs  Tafeln  eine  vollständige  Licht- 
druckwiedergabe der  Handschrift  gegeben  ist.) 

Durch  einen  Bericht  Prof.  Braune' s  in  der  Beilage  zur  Allgemeinen 
Zeitung  vom  9.  Mai  1894,  Nr.  106,  wurde  die  wissenschaftliche  Welt 
in  freudige  Aufregung  versetzt.  In  Rom,  unter  den  aus  Heidelberg 
entführten  Schätzen  der  ehemaligen  Bibliotheca  Palatina  hatte  der 
Leiter  der  Heidelberger  Universitätsbibliothek,  Prof.  Zangemeister, 
einen  lateinischen  Codex  gefunden,  der  auf  einigen  leeren  Blättern 
Bruchstücke  einer  altsächsischen  Bibeldichtung  enthielt,  und  zwar 
ausser  einem  sich  genau  mit  dem  Texte  der  uns  bekannten  Hss. 
deckenden  Bruchstücke  des  Heliand  auch  drei  Fragmente  einer  poetischen 
Bearbeitung  der  Genesis.  Diese  wenn  auch  noch  so  spärlichen  Ueber- 
bleibsel  einer  altsächsischen  alttestamentlichen  Stabreimdichtung 
mussten  das  Interesse  aller  Germanisten  um  so  mehr  erregen,  als 
man  auf  das  Zeugnis  der  sogenannten  Praefatio  gestützt  schon  früher 
das  Vorhandensein  einer  auch  das  A.  T.  umfassenden  as.  Bibeldichtung 
vermutet  hatte,  und  von  Prof.  Sievers  im  J.  1875  in  der  Schrift  „Der 
Heliand  und  die  angelsächsische  Genesis*'  die  Behauptung  aufgestellt 
war,  dass  uns  in  einem  Teile  der  angelsächsischen,  früher  dem  Dichter 
Kädmon  zugeschriebenen  „Genesis*^  eine  Uebersetzung  aus  einem  alt- 
sächsischen Originale  vorliege.  Diese  mit  glänzendem  Scharfsinn  ver- 
fochtene  Behauptung  blieb  aber  immerhin  eine  Hypothese,  hat  jetzt 
aber  durch  den  Römischen  Fund  ihre  volle  Bestätigung  erhalten,  da 
der  Zufall  uns  in  der  Vaticanischen  Hs.  gerade  ein  Stück  der  alt- 
sächsischen Genesis  erhalten  hat,  das  sich  Wort  für  Wort  mit  dem 
entsprechenden  Teile  der  angelsächsischen  Genesis  deckt,  wodurch 
jener  bereits  von  Sievers  als  Uebersetzung  angesprochene  Abschnitt 
des  ags.  Gedichts  als  wortgetreue  Uebertragung  eines  im  Vaticanus 
nur  zum  kleinsten  Teile  erhaltenen  as.  Originals  erwiesen  wird.  — 

Rascher  als  man  hoffen  durfte,  ist  nun  der  vorläufigen  Mitteilung 
Braune's  die  Veröffentlichung  der  wertvollen  Fragmente  erfolgt.  Der 
Text  liegt  in  buchstabengetreuem  Abdruck  vor.  Lichtdrucktafeln  er- 
möglichen die  Nachprüfung  jedes  etwa  zweifelhaften  Schriftzeichens, 
und  von  beiden  Herausgeberp  ist  trotz  der  kurzen  ihnen  zu  Gebote 
stehenden  Zeit  alles  zur  Erläuterung  Notwendige  in  einer  alle  billigen 


107 

Wünsche  vollkommen  befriedigenden  Weise  hinzugefügt  worden. 
Mittlerweile  hat  der  Kreis  der  nächsten  Interessenten  Zeit  gefunden, 
sich  eingehender  mit  dem  kostbaren  Funde  zu  beschäftigen  und  seine 
in  Einzelheiten  von  den  Ansichten  der  Herausgeber  abweichende 
Meinung  laut  werden  zu  lassen.  Wenn  mir  dadurch  auch  Vieles  von 
dem,  was  ich  als  Berichtigung  oder  Vervollständigung  meinem  Referate 
über  die  Zangemeister-Braune'sche  Veröffentlichung  hinzufugen  konnte^ 
schon  vorweggenommen  ist,  so  habe  ich  doch  auch  den  Vorteil, 
zugleich  mit  meiner  Besprechung  des  Werkes  selbst  auf  die  mir  bis  jetzt 
bekannt  gewordenen  Kritiken^)  desselben  Rücksicht  nehmen  zu  können. 
In  ihrer  gemeinsamen  Arbeit  giebt  zuerst  der  glückliche  Finder 
eine  genaue  Beschreibung  der  Hs.  (Cod.  Pal.  lat.  no.  1447).  Sie 
stammt  aus  Mainz  und  ist  eher  in  der  ersten  als  in  der  zweiten  Hälfte 
des  9.  Jhs.  geschrieben;  der  Inhalt  ist  astronomisch -kalendarischer 
Art.  Auf  zwei  ganz  und  vier  teilweise  leergelassenen  Seiten  finden 
sich  nun  die  Stücke  der  altsächsischen  Bibeldichtung  eingetragen, 
deren  Schrift  Z.  als  eine  „mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  noch  in  das 
9.  Jh.*'  gehörige  bezeichnet.  Nach  der  Meinung  dieses  bewährten 
Handschriftenkenners  sind  alle  Bruchstücke  von  einer  und  derselben 
Hand  geschrieben,  die  auch  die  Korrekturen  eingetragen  hat. 
Bemerkenswert  sind  noch  die  nekrologischen  Notizen,  die  in  ein  auf 
Bl.  12'  bis  17^  stehendes  Kalendarium  im  9.  und  10.  Jh.  nachgetragen 
sind.  Es  sind  folgende  Namen:  Rathelm^  Baue  laica,  Ibet  laic,  Magada- 
bürg,  Ercanrat,  Hcinrihc  rex,  womit  nach  Ausweis  des  Datums  Heinrich  I. 
gemeint  ist,  Litädtdf  latc.Wdfhedan^  Lipharius^  Magab  (=  Magdeburg). 
Aus  den  beiden  auf  Magdeburg  bezüglichen  Einträgen  Hesse  sich  nach 
Zangemeister  schliessen,  dass  die  Hs.  dort  oder  in  einem  nahen  nieder- 
sächsischen Kloster  sich  befunden  habe,  wozu  auch  die  Angabe  des 
Todestages  Heinrichs  I.  stimmen  würde.  Kögel  (a.  a.  0.  S.  19)  macht 
dagegen  geltend,  dass  dann  Magathabtirg  geschrieben  sein  müsste,  auch 
sei  der  Lautstand  der  Eigennamen  rheinfränkisch.  Das  ist  richtig, 
ja  man  könnte  Gewicht  darauf  legen,  dass  Bathelm  und  Ercanrat  im 
sächsischen  Gebiete  sonst  ungebräuchliche  Namen  sind.  Aber  andrer- 
seits ist  Ibet  bisher  nur  in  Corvey  nachgewiesen,  auch  die  Abkürzung 
Ibbo  findet  sich  mehrfach  in  Norddeutschland,  und  Baue  zeigt  als 
Frauenname  die  Endung  -e,  wie  sie  in  Corveyer  und  Paderbomer  und 
andern  sächsichen  Urkunden  des  10.  und  11.  Jhs.  häufig  vorkommt. 
(Das  von  Förstemann  PN,  S.  195  aus  Goldast  angeführte  Bave  kann 
ich  nicht  feststellen,    es  wird  wohl  für  Bavo  stehen.)     Ausserdem  ist 

*)  Galläe,  T^dschr.  v.  Nederl.  Taal-  en  Letterk.  XIII.  —  Symons,  Over 
fragm.  van  eene  ouds.  bewerkmg  der  Genesis  in  Versl.  en  meded.  der  Amsterd. 
Ak.  Letterk.  3.  R.  XI  (1894).  —  Liter.  Centralbl.  1895,  S.  26.  —  S  i  e  v  e  r  s  in 
ZfdPh.  27,  534.  —  Siebs,  Allg.  Zeitung  1895,  Beil.  Nr.  45  und  ZfdPh.  28,  138. 
--  Holthausen,  ZfdA.  39,  52.  —  Jellinek,  ZfdA.  39,  151.  —  Kögel,  Die 
as.  Genesis.  Strassb.  1895.  —  Nicht  zugänglich  ist  mir:  Hench,  Mod.  language 
notes  IX,  8.  —  [Nach  Abschluss  meiner  Besprechung  erschienen  noch :  Ries,  Zur 
as.  Genesis  ZfdA.  39,  301  und  Jellinek,  Bruchst.  der  as.  Genesis  AfdA.  21 
(1895),  204  ff.] 


108 

die  Möglichkeit  zu  erwägen,  duss  im  neunten  und  zehnten  Jh.  in 
sächsischen  Klöstern  auch  geborne  Franken  leben  und  schreiben  konnten, 
wie  z.  B.  auch  die  älteste  Heberolle  des  Klosters  Corvey  von  einem 
Nichtsachsen  geschrieben  und  dadurch  mit  vielen  nichtsäcksischen 
Namensformen  angefüllt  ist.  Mir  scheint  deshalb  die  fränkische 
Schreibweise  der  Namen  nichts  gegen  die  Möglichkeit  zu  beweisen, 
dass  die  Kalendereintragungen  in  Sachsen  gemacht  sind.  Da,  wie 
gesagt,  Ibet  bei  Förstemann  nur  durch  die  Trad.  Corb.  belegt  ist,  so 
richtet  sich  unwillkürlich  der  Blick  auf  Corvey  als  mutmasslichen 
Wohnort  des  Mönches,  der  die  nekrologischen  Notizen  eintrug.  Siebs 
(a.  a.  0.  S.  142)  weist  auch  auf  die  nahen  Beziehungen  liin,  die 
zwischen  Corvey  und  Magdeburg  durch  die  Uebertragung  der  Reliquien 
des  big.  Justinus  von  M.  nach  C.  bestanden.  Die  Tradition  des  einen 
Ibet  (Cod.  trad.  Corb.  ed.  Wigand,  Nr.  197)  fällt  nach  der  Berechnung 
Mart.  Meyers  (Z.  alt.  Geschichte  Corveys  und  Höxters;  Päd.,  1893, 
S.  8  und  9)  in  die  zweite  Hälfte  des  10.  Jh.,  es  können  also  der 
Ibet  der  Corveyer  Traditionen  und  der  Ibet  laicus  des  Kalenders  ganz 
gut  dieselbe  Persönlichkeit  sein.  Vermutlich  ist  auch  der  Ibed  in  der 
Tradition  Nr.  188  bei  Wigand  derselbe  Mann,  da  das  in  seiner 
Schenkung  genannte  Holtushusen  das  Holtensen  sein  kann,  das  nicht 
sehr  weit  von  dem  in  Nr.  197  genannten  Heynem  (=  Einem  bei 
Stadtoldendorf)  liegt;  vgl.  Dürre  in  Ztschr.  f.  vaterl.  Gesch.  u.  Alt.  41. 
S.  112  und  118.  Indessen  scheint  es  gewagt,  aus  dem  Zusammen- 
treffen des  Namens,  der  doch  nur  zufällig  uns  so  vereinzelt  überliefert 
sein  kann,  einen  sicheren  Schluss  zu  ziehen.  Erwähnen  will  ich  noch, 
dass  im  N.  Arch.  d.  Ges.  f.  ä.  d.  Gesch.-K.  20,  681  darauf  hingewiesen 
wird,  dass  die  Namen  Liutdulf  und  Baue  im  sächsischen  Königshause 
vorkommen,  doch  wird  vor  einer  voreiligen  Identificirung  gewarnt,  da 
man  für  so  vornehme  Tote  eine  andere  Bezeichnung  als  laicus  und 
laica  erwarten  müsste.  Die  Annahme  Kögels,  dass  die  as.  Bruchstücke 
in  Mainz  in  den  Codex  eingetragen  seien,  weil  in  der  Hs.  sich  ein 
Vermerk  vom  J.  1479  befindet,  dass  die  Hs.  der  Mainzer  Dombibliotliek 
gehöre,  und  die  Hinweisung  auf  Hatto,  den  Erzieher  Ludwigs  des 
Kindes,  und  die  in  der  Familie  Ludwig  des  Frommen  vererbte  Vorliebe 
für  die  as.  Bibeldichtung  scheinen  mir  durch  nichts  gestützte  Ver- 
mutungen. Denn  die  von  K.  bemerkten  Spuren  rheinfränkischer 
Orthographie,  die  sich  übrigens  zum  Teil  ebenso  im  Cott.  finden, 
beweisen  höchstens  die  Tätigkeit  eines  in  Rheinfranken  gebildeten  oder 
in  rheinfränkischer  Schreibschule  geübten  Schreibers,  sei  es  des 
Originals  oder  der  Bruchstücke  selbst;  dieser  Schreiber  konnte  aber 
ebensogut  in  Sachsen  leben  xwie  am  Rheine,  ja  konnte  ein  geborner 
Sachse  oder  Friese  sein. 

Z.  lässt  die  Bruchstücke  alle  von  einer  und  derselben  Hand  ge- 
schrieben sein  (S.  9),  gewisse  Verschiedenheiten  im  Charakter  der 
Schrift  giebt  er  zu,  erklärt  sie  aber  dadurch,  dass  das  Ganze  nicht 
in  einem  Zuge  und  mit  derselben  Feder  geschrieben  sei.  B.  (S.  24) 
möchte  zur  Erklärung  verschiedener  Differenzen  in  den  Bruchstücken 


109 

(Behandlung  des  h,  Accente)  drei  verschiedene  (Genesis  I  und  III; 
Gen.  II;  Heliand)  Schreiber  annehmen,  hält  aber  doch  schliesslich 
Z.'s  Meinung  für  wahrscheinlicher.  Sievers  (a.  a.  0.)  glaubt  deutlich 
drei  durch  palaeographische  Eigentümlichkeiten  (g,  &,  or  als  Ligatur) 
zu  unterscheidende  Schreiber  erkennen  zu  können  (A  =  Gen.  1 — 26, 
108—110  und  151—337;  B  =  Gen.  27—150  mit  Ausnahme  von  108 
bis  110;  C  =  Hei.),  stimmt  also  ganz  genau  mit  B.^s  auf  Beobachtung 
von  orthographischen  Verschiedenheiten  beruhender  Annahme  von  drei 
Schreibern  in  der  Abgrenzung  der  einzelnen  Hände  zusammen,  nur 
dass  er  die  iVa  ersten  Zeilen  auf  Fol.  10  b.  (Taf.  IV)  noch  A  zu- 
schreibt. Ich  glaube  diese  durch  Anwendung  verschiedener  Kriterien 
gewonnene  Unterscheidung  einzelner  Schreiberhände  durch  Hinweis  auf 
andere  orthographische  Besonderheiten  noch  verstärken  zu  können 
(s.  weiter  unten).  Uebrigens  ist  ja  jeder  in  der  Lage,  diese  Frage 
mit  Hülfe  der  dem  Texte  beigefügten  Lichtdrucktafeln  zu  prüfen.  Er- 
wünscht wäre  auf  den  einzelnen  Tafeln  die  Angabe  gewesen,  welchem 
Teile  des  Textes  sie  entsprechen ;  bei  der  ersten  Tafel  stört  der  Um- 
stand, dass  der  untere  Teil  des  folgenden  Blattes,  statt  durch  ein 
weisses  Blatt  verdeckt  zu  werden,  mitphotographirt  ist,  wodurch  man 
zuerst  ganz  irre  wird.  — 

An  Zangenmeister's  Beschreibung  der  Hs.  schliesst  sich  Braune's 
Anteil  der  Arbeit,  der  die  Bruchstücke  nach  ihrer  Bedeutung  für 
Sprache  und  Litteratur  behandelt.  Er  bespricht  zuerst  die  Anordnung 
der  Blätter  und  giebt  dann,  um  die  Einheitlichkeit  der  Vorlage,  die 
ja  jeder  a  priori  für  das  Wahrscheinlichste  halten  wird,  nach  Möglich- 
keit zu  stützen,  auf  S.  12 — 24  eine  Zusammenstellung  der  Sprach- 
formen der  Bruchstücke  und  ihre  näheren  und  entfernteren  Be- 
rührungen zu  den  anderen  Heliandhss.  Daran  knüpft  B.  eine  litterä- 
geschichtliche  Betrachtung  der  Genesisbruchstücke  und  ihr  Verhältnis 
zur  angelsächs.  Genesis,  wobei  er  im  Gegensatz  zu  Sievers  die  von 
diesem  als  Interpolation  des  ags.  Dichters  ausgeschiedene  Stelle 
(371 — 420)  auch  als  Uebersetzung  aus  dem  ags.  Originale  in  Anspruch 
nimmt.  Mit  Verweisung  auf  die  eingehende  Besprechung  des  ersten 
Genesisbruchstückes  durch  Kögel  in  dessen  Litteraturgeschichte  geht 
dann  B.  (S.  27)  gleich  auf  die  Analyse  des  zweiten  und  dritten  Frag- 
mentes über,  bespricht  die  Kunst  des  Dichters  in  der  Komposition 
seines  Werkes  im  Verhältnis  zu  seiner  biblischen  Quelle  und  kommt 
zur  Ueberzeugung  (S.  29  und  34),  dass  der  Verfasser  der  Genesis- 
fragmente und  des  Heliand  eine  und  dieselbe  Persönlichkeit  seien. 

Hierin  schliessen  sich  Kögel,  Siebs  (Beil.  z.  Allg.  Zeit  1895, 
Nr.  45)  und  Symons  dem  Herausgeber  an ;  doch  wollen  B,  und  Kögel 
die  Abfassung  des  Heliand  vor  die  der  Genesis  legen  mit  Berufung 
auf  die  ,höhere  Stufe  des  künstlerischen  Schaifeus',  auf  der  der  Ver- 
fasser des  Genesis  stehe.  Symons  dagegen  hält  an  der  in  der  Praefatio 
genannten  Reihenfolge,  altes  Testament,  dann  neues  Testament,  fest, 
welcher  Ordnung  auch  Siebs  den  Vorzug  giebt,  weil  er  in  der  Genesis 
ein  weniger  reifes  Werk  als  den  Heliand  sieht   und   sie   deshalb   für 


110 

eine  Anfängerarbeit  halten  möchte.  Noch  weniger  günstig  über  den 
Dichter  der  Genesisbnichstücke  urteilt  Sievers  (Z.  f.  d.  Ph.  27,  538), 
der  ihn  für  einen  Schüler  des  Helianddichters  erklärt,  ja  geradezu 
einen  ,Stümper'  nennt,  ,in  allem,  was  Vers-  und  Stilbehandlung  angeht, 
der  seinem  Meister  auch  in  der  Kunst  des  geschlossenen  Aufbaues  der 
Gedanken  nicht  gewachsen'  sei.  Diese  sich  so  schroff  gegenüberstehen- 
den Ansichten  zeigen,  dass  wir  uns  auf  einem  Gebiete  befinden,  wo 
dem  subjectiven  Ermessen  ein  weiter  Spielraum  gegeben  ist,  und  zu 
unanfechtbaren  Ergebnissen  wird  man  wohl  schwerlich  gelangen.  Es 
kommt  eben  sehr  viel  darauf  an,  wie  man  sich  zu  den  Angaben  der 
Praefatio  stellt;  wer  ihr  in  dem  wesentlichen  Stücke  ihrer  Mitteilung 
traut,  dass  ein  Dichter  altes  und  neues  Testament  in  sächsischer 
Sprache  dichterisch  behandelt  habe,  wird  an  der  EinheitUchkeit  des 
Dichters  der  nur  lückenhaft  und  von  verschiedenen  Schreibern  über- 
lieferten Reste  festhalten,  wenn  diese  auch  in  Sprache,  Stil  und  Metrik 
mehr  Verschiedenheit  zeigen  sollten,  als  es  der  Fall  ist.  Zwischen 
Beginn  und  Vollendung  der  Dichtung  kann  nach  den  jetzt  feststehen- 
den Grenzpunkten  immerhin  ein  Zeitraum  von  mehr  als  einem  Jahr- 
zehnt liegen.  — 

Es  folgt  dann  der  Text  der  gefundenen  Bruchstücke,  erst  die 
80  Verse  aus  dem  Heliand,  denen  die  wichtigsten  Varianten  von  C 
und  M  und  die  daraus  sich  ergebenden  Grundsätze  für  die  Kritik  an- 
geschlossen sind,  dann  die  drei  alttestamentlichen  Stücke  mit  genauer 
Angabe  der  Accente,  Schreibversehen,  Rasuren  und  Lücken  der  Hs. : 
dem  Texte  von  Genesis  I  (Rede  Adams  an  Eva)  ist  der  entsprechende 
Abschnitt  der  ags.  Genesis  gegenübergestellt.  An  den  Text  schliessen 
sich  Anmerkungen,  die  besonders  den  Sprachgebrauch  berücksichtigen 
und  durch  Parallelstellen  aus  der  ags.  Genesis  und  dem  Heliand  den  Text 
erläutern  helfen.  Daran  reiht  sich  von  S.  65 — 71  ein  grammatisches 
Verzeichnis  aller  Wortformen  und  schliesslich  von  S.  71 — 93  ein  alpha- 
betisches Glossar  und  Namenverzeichnis  zum  Wortschatz  der  Genesis. 

Die  genannten  Zugaben  zum  Texte  sind  mit  solcher  Genauigkeit 
und  Zuverlässigkeit  ausgeführt,  dass  auch  beim  gewissenhaften  Nach- 
prüfen der  Citate  nur  ganz  verschwindend  wenige  Versehen  festzustellen 
waren.  Da  B.,  wie  er  selbst  Seite  94  sagt,  nur  die  ;, wichtigeren  und 
durch  etwas  reicheres  Material  in  V  vertretenen  Erscheinungen*'  der 
Orthographie  und  Flexion  in  dem  Abschnitt  über  das  Verhältnis  von 
V  zu  den  anderen  Heliandhss.  zusammenstellen  wollte,  so  mag  es  mir 
gestattet  sein,  hier  die  Ergebnisse  einer  kleinen  Nachlese  einzuheimsen. 

S.  12  ff  vergleicht  B.  die  Sprachformen  des  V  zunächst  mit  C, 
der  in  wichtigen  orthographischen  Eigenheiten  mit  V  übereinstimmt. 
Noch  enger  ist  aber  die  Verwandtschaft  des  V  mit  P,  die  B.  aller- 
dings erwähnt,  aber  nicht  in  einem  besonderen  Abschnitt  behandelt  hat. 

Es  sind  folgende  Punkte : 

1)  «0,  ie  an  Stelle  von  ö,  e  des  M;  hier  stimmt  auch  das  in  V 
Hei.  allein  belegte  (1280.  1296.  1319.  1328.  1329.  1330.  1332.  1336) 


111 

und  in  Genesis  36  mal  (gegen  14  hie)  vorkommende  he  zu  P  993 
(neben  sonstigem  hie),  während  G  die  Form  he  fremd  zu  sein  scheint 
(Gallee);  thie  überwiegt  das  seltenere  the  wie  in  C,  in  P  nur  thie. 

2)  io  für  iu  ist  in  P  im  Verhältnis  viel  öfter  vertreten  als  in  C, 
in  welchem  es  sich  nur  um  ganz  vereinzelte  Beispiele  (s.  Kögel,  Ind. 
F.  III,  S.  289)  handelt;  Für  V  ist  dieses  io  aber  nur  in  liodi  neben 
liudi  zu  belegen ;  statt  fiond,  wie  C  meist  schreibt,  bietet  V  nur  fiund. 

3)  Die  kurzen  Dative  sg.  m.  und  n.  der  pronominalen  und  st. 
Adjectivdeklination ;  diese  hat  ja  auch  C  und  das  erste  Drittel  von  M; 
aber  die  auch  von  B.  hervorgehobene  grössere  Altertümlichkeit  in  Be- 
wahrung des  auslautenden  m  in  Y  teilt  in  besonders  auffallender 
Weise  das  Prager  Fragment,  das  keine  anderen  Formen  kennt  (sinum, 
bejstom,  hohom);  dass  damit  die  im  ersten  Drittel  von  M  bevorzugten 
Formen  (vgl.  meine  Unters.  S.  117  f.)  stimmen,  erhöht  die  Wahr- 
scheinlichkeit ihres  Vorkommens  auch  im  Archetypus. 

4)  Gleich  V  (und  C)  kennt  P  kein  -c  im  nom-acc-sg.  fem.,  kein 
-en  im  acc-sg.  m.  der  Adj.  decL,  kein  -en  im  Inf. 

5)  Gleich  V  (und  C)  hat  P  die  Schreibung  der  Gemination  im 
Auslaute. 

6)  thana  haben  V  und  P  (und  erstes  Drittel  von  M). 

7)  Das  Verhältnis  des  auslautenden  m  zu  «  im  dt.  pl.  stellt  V 
am  nächsten  zu  P ;  wenn  C  hier  durch  sein  fast  ausnahmsloses  n  am 
meisten  sich  von  den  übrigen  Hss.  entfernt,  so  verrät  sich  darin  die 
grössere  Jugend  der  Hs. 

8)  Wie  P  (und  C)  hat  auch  V  in  der  u-decl.  nicht  selten,  wenn 
auch  nicht  so  häufig  wie  beide  andere  Hss.,  -o;  die  Zahlen  bei  B. 
sind  nicht  ganz  richtig:  sunu  ist  im  Hei.  zweimal  1282  und  1294 
belegt;  fäo  in  der  Genesis  dreimal  (225,  281,  284),  ausserdem  bah- 
54  und  garo  Hei.  1344,  wo  M  garu  hat. 

9)  Mit  seinem  häufigen  -a«,  besonders  im  acc.  sg.,  in  der  schw. 
Declination  steht  V  auch  wieder  P  am  nächsten,  der  von  dem  einen 
dat.  alouualdon  abgesehen  für  gen.  und  dat.  keinen  Beleg  liefert,  da- 
gegen neben  dem  einen  acc.  auf  -on  (herron  997)  vier  acc.  auf  -an 
gewährt. 

10)  Das  überwiegende  -as  im  g.  sg.  m.  und  n.  der  st.  Declination 
stimmt  am  besten  mit  dem  durchgängigen  -as  in  P. 

11)  Ebenso  ist  es  im  d.  sg.  derselben  Kategorie. 

12)  In  der  regelmässigen  Setzung  von  d  stellt  sich  V  auch  wieder 
am  nächsten  zu  P,  wobei  noch  die  stete  Schreibung  mtd  und  das  ver- 
einzelte -id  in  der  3.  sg.  in  V  besonders  in  Gewicht  fällt ;  P  hat  zwei- 
mal oder  gar  dreimal  wtd  (963,  969  (V),  1004)  und  die  3.  sg.  gerisid 
(975)  ist  zufällig  der  einzige  Beleg  für  die  3.  sg.  praes. 

Ausser  diesen  zum  grössten  Teil  schon  von  B.  erwähnten  Ueber- 
einstimmungen  sind  noch  folgende  bemerkenswert: 

13)  Der  acc.  Ahrahama  (160)  entfernt  sich  von  der  bei  Eigen- 
namen üblichen  Bildung  dieses  Casus  in  C,  der  nur  -an  oder  -e  kennt, 


112 

und  findet  seine  Parallele  in  Crista  P  991  und  Krista  M  657,  während 
sonst  in  M  (wie  in  G)  nur  Krist  gebräuchlich  ist  und  auch  sonst  nur 
—  mit  Ausnahme  von  Petrusen  3187  und  Satanasan  1031.  1108  — 
dem  nom.  gleichgebildete  acc.  vorkommen. 

14)  Die  Schwächung  der  Endungs-i  zu  c,  die  Kögel  a.  a.  0. 
S.  14  mit  zu  den  Kriterien  rechnet,  die  ihn  zu  einer  Herabdriickung 
der  Hs.  in  den  Anfang  des  10.  Jahrh.  veranlassen  und  wozu  ihm 
keine  parallele  Erscheinungen  aus  den  Heliandhss.  bekannt  sind,  findet 
sich  auch  in  P:  dope  961,  gisauue  1001;  auch  die  Vorsilbe  ge-  ist  P 
nicht  fremd  (gelicnessia  987,  gerisii  975,  gehuüih  975).  Uebrigens 
sind  vereinzelte  derartige  Schwächungen  in  C  und  M  nicht  unerhört, 
vgl.  meine  Unt.  S.  192  f.;  zum  Vergleich  mit  den  in  V  auftretenden 
Schwächungen  mögen  folgende  in  C  und  M  belegte  Formen  hier  noch- 
mal genannt  sein:  angegen  Gen.  34  =  M  346;  hdega  Gen.  306  vgl. 
helegoda  M  5973,  helego  M  1313;  gereuuedi  Gen.  246  vgl.  anuuordeda 
C  3305.  gethigedi  M  2066;  there  Gen.  298,  -re  Gen.  311  =  there  C 
2682;  sorogonde  V  Hei.  1357,  uuaUande  Gen.  184,  gornunde  Gen.  97 
vgl.  utULCoiande  C  384;  uuüe  V  Hei.  1339  vgl.  gode  M  3037;  engelos 
Gen.  157  vgl.  manega  C  1 ;  menegi  M  4838.  4842  u.  ö. ;  sauuen  Gen.  304 
vgl.  licode  C  992,  andriede  C  116.  Für  e  im  ppp.,  das  in  V  neben 
a  und  i  dreimal  erscheint  (fargehen  Hei.  1323.  farliuuen  Gen.  279. 
adalboren  Gen.  381),  hat  auch  P  in  giborenaro  993  ein  Beispiel  neben 
gicoranan^  ebenso  gitogen  in  C  732;  über  M  s.  Unt.  S.  231.  Da  nun 
M  und  P  bis  jetzt  dem  9.  Jahrh.  zugeschrieben  wurden,  so  können 
diese  e  in  V  uns  nicht  an  der  aus  palaeopraphischen  Gründen  an- 
genommenen Datierung  der  Hs.  durch  Zangemeister  irre  machen. 

15)  Der  dt.  sg.  fem.  der  pron.  Decl.  geht  in  V  fast  ausschliess- 
lich auf  '0,  jedenfalls  niemals  auf  u,  die  gewöhnliche  Endung  in  M, 
aus  (s.  Braune  S.  67);  auch  hierin  schliesst  sich  V  am  engsten  an 
P  an,  wo  nur  -o  belegt  ist  (963.  971.  972.  999.  1003),  während  C 
durch  'U  und  -a  sich  teilweise  mit  M  berührt. 

16)  Auch  orthographische  Eigenheiten  werden  von  V  und  P  in 
besonderem  Maasse  geteilt ;  so  die  Schreibung  e^i-  für  j :  P  Giohannes 
965.  977.  994.  Giordanastroma  965;  V  Giordanas  Gen.  266.  giungaron 
Hei.  1325.  giungarduom  Gen.  280.  giamarmuod  Gen.  50.  gio  Gen. 
195.  Hei.  1324.  giu  Gen.  12.  Auch  C  und  noch  öfter  M  haben  diese 
Orthographie,  aber  nicht  so  häufig.  Ueberhaupt  erscheint  bei  dem 
geringen  Umfange  der  Vaticanschen  Bruchstücke  und  des  Prager  Frag- 
mentes die  häufige  Uebereinstimmung  dieser  beiden  Hss.  auch  in  Kleinig- 
keiten der  Schreibart,  für  die  sich  aus  C  und  M  immer  nur  vereinzelte  Belege 
beibringen  lassen,  besonders  beachtenswert.  Auch  ist  zu  berücksichtigen, 
dass  manche  Eigenheit  von  V  vielleicht  nur  zufällig  in  P  nicht  belegt 
ist,  so  kommt  z.  B.  in  P  kein  Wort  vor,  in  dem  die  in  V  so  stark 
zu  Tage  tretende  Vorliebe  für  den  Svarabhaktivocal  sich  zeigen  könnte : 
ebenso  fehlt  ia  an  Stelle  von  io  in  P  wohl  nur  zufällig  (io  963.  972.  998 ). 

Es  ist  aber  misslich,  von  den  orthographischen  Eigentümlichkeiten 
der  Hs.  auf  die  Vorlage  zu  schliessen,    da  wir  es  ja  überall  mit  den 


113 

Sclireibgewohnheiten   des   letzten  Schreibers    zu   thun   haben   können. 
Dazu  kommt,  dass  die  Bruchstücke  unter  sich  auch  in  einzehien  Punkten 
der  Orthographie   nicht  übereinstimmen.     Braune  selbst  hat  S.  22  ff. 
auf  zwei  Unterschiede   in   der  Schreibung  zwischen  Gen.    und  Hei.  V 
hingewiesen,    nämlich    auf  die  Behandlung   der   Accente    und    des    h^ 
femer    (S.    36)   die   Häufigkeit   der   Nasalabkürzung   und    S.    70   das 
alleinige  Vorkommen  von  -er  statt  -ar  im  3.  Genesisfragment  hervor- 
gehoben.   Auch  hier  lassen  sich  noch  einige  Beobachtungen  anreihen. 
Auf  76  gi'  in  der  Gen.  kommen  12  ge-,   im  Hei.   dagegen  auf  18  gi- 
6  ge-.    Dabei  ist  auffallend,  dass  ge-  besonders  häufig  vor  uu  erscheint: 
Gen.    46.    105.    117.    155.    267.  272.  272.     Hei.  1317.  1339;  das  hat 
wohl    keinen    lautlichen,    sondern   nur   einen    graphischen  Grund,    um 
durch  e  an  Stelle  von  i  die  fünf  gleichen  Grundstriche  hintereinander 
zu  vermeiden;    übrigens   findet   sich   auch  die  Lautfolge  gi  -f-  «u  .  . 
21.  27.  36.  43.  88.  107.    131.    193.    200.    205.    247.    263.    267.    312. 
Aehnlich  verhält  es  sich  mit  bi-  und  be-;  in  der  Genesis  kommen  auf 
16    bi-    und    9    bi   nur  2  be-   (38.  251)  und  1  be  (93);   im  Hei.  aber 
auf  2  bi-  (1310.  1346)    schon  1  be-   (1311);    ebenso    findet   sich   nur 
im  Hei.  1353  ne  statt  ni.     Ferner  hat  der  Hei.  stets   (8  mal)   he,  in 
Gen.  tritt  neben  überwiegendes  (36)  he  häufig  (14)   hie;   in  Hei.  nur 
2  0   {tho  1279,   godo  1344)    neben  24  wo,   während  in  Gen.  die  Fälle 
für   0   verhältnissmässig   häufiger    sind.     B.  hat  in  seiner  Aufzählung 
S.  12  die  Belege   für  tho  vergessen:    34.  80.  89.  290.  293.  298.  310. 
329.  330;  dagegen  hätte  er  dror-uuoragann  weglassen  sollen,  da  hier 
offenbar  vereinfachte  Schreibung  für  uuuoragana  vorliegt,  wie  in  uuorig 
46,  tiuohsun  105,  123,    uuopan  1352,   neben  denen  uuuosk  87  als  un- 
gewöhnliche Orthographie  erscheint;  ganz  ebenso  vertritt  anlautendes 
uu  die  Lautverbindung  wu  in  uuräun  103,  279,  uurdiin   127,    uumna 
1349,   giuunnan  263,  uuruhun  306  neben  dreifachem  u  in  uuurdi  45, 
uuundun  46,    uuunnia  93,    -uuurohtiun    93,    uuunnion    138,    uuunniun 
1352  und  vuunsamas  1325.     Dieselbe  Vertretung    des    uu    durch   ein- 
faches u  ist  auch  nach  ä,  5,  t  und  th  Regel  (vgl.  huand.  huar,  huarobat, 
-hwitan,  hue,  hueder,  huerigin,  hui,    huila,    huiiic^    huiriint,    -huoroban; 
suart,  suara,  snebal^  suei,  suido,  suigoda,   suikan,    suuUun ;   tua,    tucm, 
tuetie,    tuisk;   thuingit;    im  Vergleich  dazu  ist  die  Schreibung  mit  an- 
lautendem huu,  suu  selten  (15.  33.  68.   191.  213.  232.  251.  255.  268. 
279.  287.  312;   16.  151),  der  Heliand  V    kennt  huu  überhaupt  nicht. 
Auch  C  schreibt  anlautend  uuo  in  -uuoraga  678,  uuohsun  2546,  -uuohs 
2656,  uuohs  2859,  -uuosteat  3699,  uuostia  3701,  uuol  4325,  uuoi  5426, 
uuopiandero  5687,    uuopiandi   5744,   uuop   5918;    ebenso    thuog   4505. 
5475  u.  8.  w.     Ebenso  steht  im  Merseburger  Zauberspr.  Uuodan  neben 
vuorun,  vuoe,  -guol,  hluot. 

Man  könnte  sich  versucht  fühlen,  aus  den  Korrekturen  tho  91, 
romes  198  und  lokoian  275  mit  übergeschriebenem  u  zu  schliessen, 
dass  die  Vorlage  des  V  durchgehends  o  gehabt  habe,  das  vom  Abschreiber 
seinem  Dialekte  gemäss  überall  in  uo  umgesetzt,  an  diesen  Stellen 
aber    zuerst   versehentlich    beibehalten  und  dann  erst  nachträglich  in 

Niederdeatfiohea  Jahrbuch.    XX.  3 


114 

uo  korrigiert  sei,  wie  ja  auch  für  C  (vgl.  Sievers  Einl.  S.  XV)  ein 
mechanisches  Umsetzen  von  o  der  Vorlage  in  uo  angenommen  ist 
Auch  thuoh  statt  thoh^  suo^as^  te  suoüan  statt  sodaSy  sodan  lässt  ein 
gedankenloses  Umschreihen  der  Vorlage  vermuten  und  afluf  94  fuhrt 
eher  auf  ein  vorliegendes  ahof  als  auf  ahuof.  Die  besonders  im  Anfang 
von  C  begegnende  Korrektur  o  mit  übergeschriebenem  u  spricht  eben- 
falls für  vorliegendes  o  und  die  vielen  falschen  uo  für  ö  und  6  (=  got. 
au)  scheinen  am  lautesten  den  Schreiber  des  mechanischen  Umsetzens 
von  0  in  uo  anzuklagen. 

Die  Korrekturen  durch  übergeschriebenes  u  und  das  einfache  o 
erklären  sich  indessen  wohl  am  besten,  wenn  man  annimmt,  dass  in 
der  gemeinsamen  Vorlage  von  C  und  V  nicht  wo,  sondern  ö  stand, 
wie  es  sich  ausser  vereinzelten  Beispielen  in  der  Beichte  und  Bedas 
Homilie  ziemlich  häufig  in  den  Prudentiusglossen  neben  o  und  uo  und 
auch  zweimal  in  den  Essener  Glossen  (doma^  domian)  findet.  Die 
fiüchtigen  Abschreiber  gaben  diese  ö  zum  Teil  nur  durch  o  wieder, 
zumal  da  die  Aussprache  des  Lautes  noch  nicht  so  bestimmt  diph- 
thongisch sein  mochte,  oder  sie  hielten  nach  ihrer  Mundart  zuweilen 
0  für  genügend  zur  Wiedergabe;  später  verbesserten  sie  selber  oder 
ein  Korrektor  durch  nachgetragenes  w.  Bei  diesem  unsicheren 
Schwanken  kam  es  dann  auch  zu  den  falschen  Schreibungen,  indem 
uo  statt  ö  und  ö  (==  au)  gesetzt  wurde  (vgl.  Jellinek,  Beitr.  15,  305). 
Dieses  falsche  uo  findet  sich  vereinzelt  auch  in  M  (fruomod  2062),  in 
den  Prudentiusglossen  (afguod  G\,  II,  580,  44)  und  in  den  Ess.  Gl. 
{guoma  Matth.  27,  36);  vgl.  auch  Kögel  im  Anz.  f.  d.  A.  19,  227, 
wo  er  aus  Isidor  und  Willirem  Leid.  Beispiele  für  uo  an  Stelle  von 
0  =  au  anführt.  Für  die  Ursprünglichkeit  des  uo  im  Heliandtexte 
sprechen  ausser  der  Einstimmung  von  C,  P  und  V  noch  folgende 
Einzelheiten:  auch  M  hat  an  einigen  Stellen  uo  (206.  939.  2626. 
2762.  2850.  2995.  3846.  4017.  4353.  4471.  4595.  5209  und  ausserdem 
häufig  im  Verbum  duan,  wo  Beichte  und  Beda  don  und  gedon  schreiben), 
von  denen  4017  besonders  wichtig  ist,  weil  fruhrean  noch  deutlich 
die  Schreibung  der  Vorlage  wiederzugeben  scheint,  s.  Jellinek  a.  a.  O. 
S.  304;  sluggun  M.  2409  lässt  in  der  Vorlage  ein  sluogun  vermuten: 
muosle  C  66  kann  jedenfalls  nicht  aus  direkt  vorliegendem  cnosle 
entstellt  sein,  sondern  setzt  cnuosle  voraus;  gadulinguon  C  1450,  nach 
dem  folgenden  guod  verschrieben,  macht  eben  für  dies  Wort  den 
Diphthong  wahrscheinlich. 

Ich  kehre  zu  den  graphischen  Verschiedenheiten  in  den  Vat. 
Bruchstücken  zurück.  Im  Heliand  geht  der  nom.  pl.  der  AdjektiTa 
nur  auf  -a  (15  Fälle;  sorogonde,  von  Br.  S.  16  als  -e  gerechnet,  steht 
für  sorogondi)  aus,  in  Gen.  6  mal  auf  -e  (gornunde  von  B.  S.  68  mit- 
gerechnet, steht  für  gornundi)]  ebenso  kennt  Hei.  im  g.  sg.  m.  und 
n.  nur  -a«,  nicht  -es  (Braune  S.  16);  ferner  bietet  Hei.  neben  7  Formen 
im  praet.  der  schw.  Verba  auf  -a,  keine  auf  -«,  wie  Gen.,  und 
schliesslich  sind  im  Hei.  im  d.  pl.  die  Formen  auf  -m  selten  (erlotn 
1326,  oärum  1347,  mannü  1295)  gegen  22  Dative  auf  -«,  während  in 


115 

Gen.  16  -m  -f-  7  ü  auf  38  -n  kommen.  Erwähnt  mag  auch  noch 
sein,  dass  sich  im  Hei.  wenige  Korrekturen  und  fast  keine  Abkürzungen 
(nur  1295)  finden. 

Nächst  P  zeigt  C  die  meisten  Uebereinstimmungen  mit  V;  den 
von  B.  angeführten  füge  ich  noch  hinzu:  -on  in  der  3.  pl.  praet. 
uuaron  13,  vgl.  für  C  meine  Unterss.  S.  80,  für  M  ib.,  S.  88.  — 
-a  im  g.  pl.  (Braune  S.  68)  ist  in  C  häufiger  als  in  M  (Unters.  S.  106). 

—  t/uis  (viermal  in  Gen.  und  Hei.)  =  thas  C  5427.  (B.  hält  thas 
irrig  für  sonst  nirgends  im  as.  belegt).  —  ti-  (neben  te-)  vgl.  ti  C  20  u.  ö. 

—  4  in  der  3.  sg.  und  -at  in  1.  und  3.  pl.  —  tekean  13;  Beispiele 
für  e  nach  h  sind  in  C  häufiger  als  in  M.  —  uuorquidi  190,  vgl.  über 
Auslassung  von  d  nach  r  und  n  in  C  Unters.  S.  13.  —  dat.  sg.  thioda 
Hei.  1314  stimmt  mit  der  in  C  häufigen  Form  des  Dativs  thioda^  vgl. 
Unters.  S.  185  ff.  —  dt.  sg.  thistin  68  =  thison  C  4094.  —  3.  sg. 
Ivhot  337  vgl.  C  774  lehod.  —  Der  verhältnismässig  häufige  Ausfall 
von  ;  nach  langer  Silbe  in  rikero  1321,  gilesto  1355,  liodo  204,  libben- 
dian  135,  libbendero  92,  fegero  314,  fegere  254,  be^ero  13,  Huomera  252 
findet  sich  in  C  häufiger  als  in  M.  Dabei  ist  zu  bemerken,  dass 
gerade  der  g.  pl.  von  ;a- stammen  in  V  wie  in  C  (s.  Unt.  S.  109  Anm.) 
mit  einer  Ausnahme  {derehioro  310)  auf  -ero  gebildet  wird.  —  gidedos  44 
stellt  sich  zu  den  aus  C  bekannten  Belegen  für  die  2.  sg.  praet.  auf 
'OS  und  -as  (s.  Unt.  S.  111). 

S.- 13  ff.  stellt  B.  dann  die  orthographischen  Eigentümlichkeiten 
zusammen,   die  V  mit  M  teilt.      Zu  1)  ia  ist  zu  bemerken,    dass  das 
eininalige  ea  in  fieatan  Hei.  1319  in  greatandi  M  2996  eine  Parallele 
hat;  unter  den  Belegen  aus  V  fehlt  diapun  29;   breosfun  59.  84.  87. 
stimmt  mit  M,   während   C   brioston  (Jmcston)  hat.    —   Zu  der  in  4) 
behandelten  Altertümlichkeit  der  Endung  des  dat.  pl.  ist  die  Erhaltung 
des  auslautenden  m   in  bium  Gen.  64,   wozu   ebenfalls   auch  biQ  228 
zu  stellen  ist  (daneben  biun  169),  zu  vergleichen;  auch  M  hat  durch- 
weg in  bium  das  m  bewahrt  (Unt.  S.  154).  —  Zu  6  ist  marean  (acc. 
sg.  f.  Hei.  1305)  als  eine  nach  dem  masc.  gebildete  Analogieform  noch 
hinzuzufügen;  oder  liegt  etwa  auch  hier  ein  Schreibfehler  für  mareun 
vor,  wie  in  enam  Gen.  29  für  enum  ?  —  Zu  9)  ist  zu  bemerken,  dass 
die  n.  acc.  pl.  der  Adjectiva  auf  -e  (S.  68)  im  V  besonders  in  mehr- 
silbigen Stämmen   sich  finden,    gerade   wie  in  M   (vgl.  Unt.  S.  205); 
die  Formen  gornunde  Gen.  97  und  sorogonde  Hei.  1357  sind  übrigens 
nicht  als  n.  pl.   aufzufassen,   dessen  Endung  -ia  oder  -ie  ist,    sondern 
stehen  für  gornundi  und  sorogondi^  wie  auch  uuallande  Gen.  184  neben 
uaallandi  78 ;  dieses  aus  dem  nom.  sg.  in  den  pl.  übertragene  -i  findet 
sich   häufig   in    C    (z.  B.  1013.  2575.  3431.  5514.  5672.  5741.  5744. 
5872.)  —   Hinzuzufügen  wären   als  Uebereinstimmungen  zwischen  V 
und  M  ausser  den  von  B.  im  Nachtrage   erwähnten  fiäan  und  gumo 
(vgl.  B,uch ginuman  94)  noch:  eu  Hei.  1340.  1343  (vgl.  die  entsprechen- 
den Formen  in  M  bei  Behaghel,  Germ.  31,  381.  —  Mit  den  Formen 
der  3.  schw.  Conj.  sagat  Gen.  51  und  habas^  hatuxs  (viermal)  stimmen 
die    in    M    gebräuchlichen   Belege    sagad   und   habas    (Unt.    S.   239), 

8* 


116 

während  C  abweicht.     Hahes  (200),  das  von  B.  S.  69  als  Ind.,  S.  7s 
als  Conj.  (Ind.  ?)  angeführt  wird,  möchte  ich  trotz  des  sonst  den  Conj. 
verlangenden  thuoh  für  den  Indicativ  halten,  so  dass  auch  in  dieser  Form 
Uebereinstimmung  mit  M  besteht;  Hei.  118  hat  auch  C  hahes  {haues  M). 
Ein  zweiter  Beleg   für    die   2.  sg.   ind.    der    3.    schw.    Conj.    liegt    in 
ruomcs  (198)  vor,  das  nicht  mit  Br.  (S.  61,  Anm.  zu  V  198)  in  rttomos 
zu  ändern  ist.  —  In  der  Schreibung  hc£:to  begegnen  sich  V,  P  und  M.  — 
Als   besonders    charakteristisch  für  V  hebt  B.    das    starke    Auf- 
treten der  Svarabhakti  zwischen  r  und  folgendem  Labial  oder  Guttural 
hervor.      Dabei    ist  die  Assimilierung    des    eingeschobenen  Vocals    nn 
den    Vocal    der    Stammsilbe    zu    beachten    {haram,    bcrega^   uuirikiau. 
aoroga,  hurug),    wovon  nur  wenige  Ausnahmen  vorkommen :    ntoragan, 
ferah  (neben  fcrchas),  feraht^  forahta  (neben  -foroht),  -uuurohtiun  (neben 
geuuuruhte),  huerigin,  narouua,  die  doch  wohl  nur  ungenaue  Schreibungen 
sind.     In  huarobat  (49)  liegt  deshalb  wohl  auch  nur  ein  Schreibversehn 
für  htuirabot  vor.     Unter  den    aus   dem  Hei.  (S.  18)    angeführten  Be- 
legen fehlt  uuiriican  1290.  —  S.  21  If.  behandelt  B.  einzelne  V  eigen- 
tümliche Wortformen  und  berührt  dabei  einige  Frisonismen  innerhall« 
des    as.  Textes,    die    auch   Kögel    S.    19    zusammenfassend    bespricht. 
Kögel  hat  auf  diese   auch  in  C  sich  findenden  Spuren   fries.  Sprachi- 
zuerst  aufmerksam  gemacht  in  den  Ind.  Forsch.  III,  276  flf.  und  da- 
durch ein  entscheidendes  Gewicht  in  die  Wagschale  gelegt  tili:  Werden 
als  Entstehungswort   der   as,  Bibeldichtung;  denn    hier   waren    unter 
Liudger   und   seinen  nächsten  Nachfolgern  gewiss   viele  aus  Liudger> 
Heimat   stammende  Mönche,    die    ihre  Schreibkunst  wohl    in    Utrecht 
erlernt  hatten  und  deren  Thätigkeit  noch  ihre  Spuren  in  unsern  H<s. 
hinterlassen    hat.       Doch    ist    auch     hier    geraten,     auf    vereinzelte 
Schreibungen  nicht  viel  zu  geben ;  so  halte  ich  guodo  Gen.  229,  in  dem 
Kögel  eine  dem  fries.  fremo  (vgl.  memgo  C  10)  entsprechende  Bildunj: 
sehen  will,   für   einen    durch    das  vorausgehende  thinaro  verursachten 
Schreibfehler;    mamgon  Hei.  1314,  von  Kögel  mit  monigun  Mers.   Gl. 
als   friesisch    erklärt,    ist   wie   mavega    C    1    eine   auf  Abstufung    de> 
Suffixes  (vgl.  auch  hluodig  45)  beruhende  Nebenform,  die  im  benach- 
bjirten  Fränkischen  ebenso  zu  finden  ist.    Der  Berührungen  mit  nieder- 
fränkischen Spracheigentümlichkeiten  sind  überhaupt  in  dem  Werdener 
Dialekt  —  oder  genauer  in  dem  in  Werden  geschriebenen  Sächsischen  — 
so  viele,  dass  ihr  Vorkommen  in  V,   der  auch  hierin  sich  nahe  zu   C 
stellt,  nicht  auftauen  kann.      Zu  dem  von  B.    als  wichtigstes  Beispit*! 
hervorgehobeneu  stvoid  (2G9)  gicbt  Kögel  (S.  20)  weiteres  Material ; 
doch  geht  er,  wie  mir  scheint,  zu  weit,  wenn  er  aus  einzelnen  Formen, 
ja  aus  vereinzelten  orthographischen  Schreibungen  schliesst,  dass   der 
Schreiber  ein  Rheinfranke  gewesen  sei.     Die  Auslassung  von  h  in  der 
Lautgruppe  ht  findet  sich  z.  B.  auch  in  der  Freckenhorster  Heberolle 
und  anderen  Denkmälern  (s.  Gallee  Gr.  §  132  a),  ebenso  ist  die  Um- 
stellung dieser  Lautgruppe  zu  th  et>yas    so    wenig    charakteristisches, 
dass    man    darin   unmöglich    eine   besonders    nahe  Beziehung    zu   der 
Orthographie    der  Strassburger  Eide    sehen   kann;    ebenso  wenig  ge- 


117 

statten  offenbare  Fehler  wie  tranro^  trifig^  muodi  (Hei.  1301,  wohl 
durch  odmuoii  der  folgenden  Zeile  veranlasst)  oder  die  Weglassung 
des  anlautenden  A  oder  des  ä  in  uuorquidi  einen  Rückschluss  auf  die 
rheinfränkische  Heimat  des  Schreibers;  das  dem  Vat.  eigentümliche 
inlautende  rfA,  wodurch  sich  nach  Kögel  (S.  17)  der  Schreiber  neben 
den  Weissenburger  Katechismus,  die  Strassb.  Eide  und  das  Ludwigsl. 
stellt,  findet  sich  auch  in  den  Werdener  Urkunden  (s.  Lacombl.  ÜB.  1, 13: 
fridhubaldij  hlucfhuuuiniy  uualafridhi)»  — 

Zum  Text  der  Bruchstücke  möchte  ich  mir  folgende  Bemerkungen 
gestatten.     Hei.  1301  nimmt  B.  die  von  V  und  C  überlieferte  Lesart 
an  thesaro  middügnrdun  als  richtige  an  und  stellt  (Anm.  zu  Gen.  52) 
demnach  auch  ein-  swf.  middilgarda  auf.     Bis  jetzt  ist  uns  aber  weder 
im  as.  noch  im  ags.  oder  fries.  ein  swf.  garda  nachgewiesen,    und  es 
scheint  mir  deshalb  geratener  in  thesaro  tniddügardun  eine  Entstellung 
aus  thesun  middilgardun  zu  sehen,  dem  d.  pl.,  wie  er  sich  auch  Gen.  52 
findet,  wo  freilich  B.  der  Heliandstelle  zu  Liebe  in  thesaro  zu  ändern 
vorschlägt.     Auch  Kögel  (S.  10)  erklärt  Gen.  52  thesun  middilgardun 
aus  missverständlicher  Auffassung  des   sonst   unerhörten  sw.  fem.  als 
Plural.     Der  Plural  ist  aber  in  diesem  Worte   gar  nicht   auffallend; 
auch    von  gard   ist   der  pl.  im  Sinne  von  Erde  mehrfach  zu  belegen 
(Hei.  1696.  1769.  4496),  Gen.  271  bedeutet  ^ardoÄ  Wohnung  (vgl.  ags. 
fädergeardum  fear  Gen.   1053  und  geardas  in  der  Bedeutung  von  Haus). 
Beim  Schwanken  des  Wortes  middilgard  zwischen  masc.  und  fem.  (vgl. 
P    1003    thesaro   middilgard ^    wo    C    thesan    hat),    halte    ich    es    für 
wahrscheinlicher,    dass   aus   ursprünglich   vorliegendem  thesun  middil- 
gardun C  und  V  einzeln,    oder  was  wahrscheinlicher,    schon   ihre  ge- 
meinsame Vorlage  thesun  in  thesaro  änderte  ohne  den  d.  pl.  entsprechend 
in  den  sg.  umzuschreiben    (vgl.  M  5970   mit   them  grotun  godes  craft 
statt  theru;    C  2182  at  them  burges  dore  =  }A.  at  thera  hurges  dore; 
C  281  und  5629  thesan  uuidun  tiuerold  (-uld)   aus  thesa  uuidun  uu.; 
C  5622  thesan  uuerold  alla.     Dasselbe  inconsequente  Ueberführen  von 
Wortformen  in  ein  anderes  Geschlecht  habe  ich    (Unt.  S.  5)    als  Er- 
klärung  für    C  4233   thie  liohto  sunna   benutzt,    wozu  jetzt    Gen.  20 
thiu  berahto  sunna  eine  Parallele  bietet.     Ein  weiteres  Beispiel  dafür 
sehe   ich   in    der  Lesart   des  V  1314   undar   thesaro   manigan    thioda. 
Als  Form  des  schwachen  dat.  sg.  f.  müsste  man,  wenn  man  überhaupt 
von  manag^  das  im  as.  und  ags.  sonst  nur  stark  flectiert  wird,  einen 
schwach  gebildeten  Casus  zulassen  will,  nach  Analogie  von  Euun  und 
lognun  eher  manigun  erwarten,  obwohl  auch  für  -on  in  suarton  (Gen.  2) 
ein  Beleg  vorliegt;  thioda  (theodo  C^  thioduM)  stellt  sich  aber  zu  den 
von  mir  Unters.  S.  186  behandelten  gleichlautenden  Dativen  des  Gott, 
und  bestärkt  mich   in  der  dort    geäusserten  Vermutung,    dass   neben 
dem  fem.  thioda  auch  ein  ntr.  thiod  bestand,    von   dem  uns  in  thioda 
der  dat.  sg.  erhalten  ist,   während    das  zugehörige  Demonstrativ  aus 
thesun   in    thesaro  geändert  wurde,    manigon  ist  dann  dat.  sg.  n.  der 
st.  Adjektivflexion   auf   -ow,    für   den   sich    in  V   freilich    kein   Beleg 
neben   hlutrom    (Gen.    67)    und    der    sonst    vorherrschenden   Endung 


'Un  findet.  Hat  aber,  wie  ich  glaube,  die  Annahme,  dass  in  thesaro 
middilgardun  ein  C  und  V  gemeinsamer  Fehler  steckt,  grössere  Wahr- 
scheinlichkeit für  sich,  als  die  Ansetzung  eines  sonst  unerhörten  svf. 
middilgarda,  so  stellen  sich  C  und  V  auch  in  Fragen  der  Textkritik 
nur  als  Vertreter  einer  handschriftlichen  Grundlage  dar.  — 

In  der  Genesis  ist  v.  10  statt  thes  zu  lesen  them  (ebenso  Symons 
a.  a.  0.  S.  149);  der  Ausfall  von  schliessendem  m  ist  durch  Ueber- 
sehen  des  Abkürzungsstriches  zu  erklären  (vgl  Unt.  S.  146).  Auch 
simlo  Hei.  1327  {aimlon  1342),  laro  Gen.  140  (vgl.  ünt.  S.  62.  146 
und  169)  haben  wohl  aus  demselben  Grunde  ein  n  eingebüsst.  (Siebs 
a.  a.  0.  S.  137  glaubt  das  Abkürzungszeichen  noch  zu  erkennen.)  — 
V  22  wird  von  Holthausen  (ZfdA.  39,  S.  52)  und  Siebs  (ZfdPh,  28, 
S.  139)  ergänzt:  ni  te  skadoua  (skadowe)  ni  te  scura,  wobei  scur  dann 
die  Bedeutung  von  Schutz  (Schauer)  hat.  Auch  ich  war  auf  diese 
Ergänzung  verfallen,  und  diese  Einstimmung  mehrerer  bietet  wohl 
eine  gewisse  Gewähr  für  die  Richtigkeit;  doch  will  ich  bemerken, 
dass  in  der  anlautenden  Verbindung  von  s  H-  Guttural  vor  nachfolgen- 
dem a  (scal,  scalc)^  o  (scolda),  u  (scura)  der  Vat.  ausnahmslos  nur 
sc  hat;  sh  findet  sich  —  von  skred  and  vom  Auslaut  in  unosk  87 
und  tuish  125  abgesehn  —  nur  vor  i:  skion  13.  286.  skinü  19.  Wenn 
also  noch  deutlich  sk  in  der  Hs.  zu  lesen  ist,  so  empfiehlt  es  sich  ein 
Wort  mit  nachfolgendem  hellen  Vokal  einzusetzen.  Als  solches  könnte 
nur  sküd  in  Frage  kommen,  das  auch  im  ags.  in  der  Bedeutung  von 
Schutz  vorkommt. 

V  29  ist  enam  diapun  vielleicht  Schreibfehler  für  enum  diapan, 
da  die  Endung  -un  als  dat.  sg.  der  schw.  Decl.  ebenso  wenig  belegt 
ist  wie  -am  für  den  dat.  sg.  der  starken;  für  den  dat.  sg.  m.  der 
Subst.  ist  -an  häufiger  als  -on  (s.  Braune,  S.  67).  —  V.  30  ist  utiaran 
schon  von  Holthausen  (a.  a.  0.  S>  53)  und  Symons,  S.  150  als 
Infinitiv  =  uuaron  erklärt,  während  B.  darin  eine  sonst  nicht  belegte 
3.  pl.  praet.  auf  -an  sehen  wollte;  dazu  hätte  aber  auch  legarbedd 
nicht  als  pl.  gepasst,  der  nach  Analogie  von  netti^  nettiu  legarbeddi, 
'beddiu  heissen  müsste.  —  V.  34  in  kuman  sehe  ich  mit  Holthausen 
einen  Schreibfehler  für  guman;  ich  verweise  auf  die  Prud.  Gl.  cumono 
(Gl.  II,  581,  64)  und  cumiski  (583,  67).  — 

V.  288.  Die  verschiedenen  Versuche  das  störende  htUKtm  zu  ver- 
bessern scheinen  mir  alle  noch  nicht  gelungen,  ohne  das  ich  etwas 
besseres  vorzuschlagen  wüsste.  Holthausen  will  fruoiam  als  dt.  sg. 
zu  daga  lesen;  Gallee  (Tijdschr.  XIII,  303)  fora  dagalioman,  Siebs 
(ZfdPh.  28,  141)  huoani^  ein  mit  dem  Suffix  ja-  aus  dem  Neutrum 
hon  gebildetes  masc.  =  Hahn.  Holthausen  und  Siebs  operieren  mit 
unbelegten  Wörtern ;  wegen  der  Endung  -am  beruft  sich  H.  auf  enani^ 
das  aber  wahrscheinlich  selber  Schreibfehler  ist;  auch  kennen  ahd. 
und  mhd.  wohl  die  Verbindung  des  Adverbs  mit  Morgen  (früh  am 
Morgen),  aber  nicht  des  Adjektivs ;  Siebs  lässt  das  offenbar  fehlerhafte 
uoa  stehen  unter  Hinweis  auf  duoas,  duoan  (196.  233),  wo  das  a  aber 
doch  nur  durch  Anlehnung  an  die  entsprechenden  Formen  der  binde- 


119 

vocalischen  Conjugation  entstanden  ist.  Gegen  Gallee  lässt  sich  sagen, 
dass  die  im  Hei.  belegten  Composita  mit  dag  den  Stammauslaut  fallen 
lassen  (äagskimo^  dagwerk,  dagthingi)^  man  würde  deshalb  besser 
schreiben  fora  dagas  lioman ;  lioman  kann  dann  aber  nur  dt.  sg.  sein, 
warum  G.  darin  einen  acc.  sg.  sehen  will,  verstehe  ich  nicht.  Uebrigens 
bleibt  auch  dann  noch  das  Bedenken,  dass  fora  in  temporaler  Be- 
deutung bis  jetzt  im  as.  nicht  nachgewiesen  ist.  Doch  wird  man, 
wenn  man  nicht  ganz  radikal  vorgehen  will,  den  Fehler  nur  in  huoam 
suchen.  Ist  raten  erlaubt,  so  möchte  ich  wenigstens  auf  uuanum  oder 
uuanami  hinweisen,  die  sich  in  huoam  versteckt  haben  könnten,  ersteres 
auf  uhtfugal  zu  beziehen,  letzteres  zu  einem  gen.  dagas  gehörig.  — 
V.  296  hat  die  Hs.  gietun^  was  B.  in  hietun  bessert,  während  Eögel 
(S.  17)  darin  ein  ietun  „hiessen^  mit  vorgeschlagenem  j  sehen  will. 
Die  Möglichkeit  gietun  als  gihetun  (vgl.  giordun  329)  zu  fassen,  weist 
B.  zurück,  weil  in  den  redupl.  Praet.  sonst  nur  ie  geschrieben  werde. 
Aber  auch  C,  der  mit  V  den  Diphthong  bevorzugt,'  hat  zuweilen  e 
(Sievers  PBB.  I,  506),  und  ebenso  wie  in  he  konnte  der  Schreiber  des 
Vat.  auch  in  gihetun  statt  des  ie  der  Vorlage  e  eintreten  lassen.  Doch 
die  Bedeutung  giebt  zu  Bedenken  Anlass ;  für  ,heissen^  setzt  der  Hei. 
immer  nur  hetan^  het;  gihetan  bedeutet  ,verheissen'.  —  Auch  V.*322  hat 
schon  verschiedene  Besserungsvorschläge  hervorgerufen.  Holthausen 
(a.  a.  0.):  that  is  [sidj  enig  theg  [na]  ni  [brukitj  ac  so  bidod  U  an 
doiseu  [a],  Siebs  (a.  a.  0.):  that  is  segg(i)o  enig  thig  nigienas;  ac  thus  bi- 
dodit  an  doiseu^  ,das  von  seinen  Männern  keiner  irgendwo  erwuchs, 
sondern  so  ertötet  im  toten  Meere;'  nigienas  soll  adverbialer  Genitiv 
sein,  der  jedoch  erst  eines  Nachweises  bedarf;  ausserdem  fehlt  vor 
theg  eine  Negation.  Jellinek  (ZfdA.  29,  151):  that  is  segg  enig^  thegan 
ni  ginas^  ac  so  bühuuvgan  uuard^  bidodit  an  dodseu.  —  Symons :  that 
(g)  is  (iäias)  enig  thegn(o)  ni  ginas  (aus  genas  verbessert).  —  Cosijn 
(bei  Symons  S.  154  angeführt):  that  is  enig  segg  ni  ginas  ac  so  bidod 
it  an  dödseu  (bidod  nimmt  er  wie  Holthausen  als  3.  sg.  von  bidon), 
—  Sievers  (a.  a.  0.  S.  536)  nimmt  hinter  ac  so  eine  Lücke  an  und 
ergänzt  uimrä.^  wozu  dann  bidodit  an  dodseu  eine  Variation  bildet. 
Wenn  man  Hei.  4371  that  thar  enig  gumono  ni  ginas  vergleicht,  so 
kann  man  kaum  zweifeln,  dass  in  ginas  (ie  ist  Korrektur)  das  Prädikat 
zu  dem  vor  enig  ausgefallenen  Subjekte  steckt.  Dies  wird  segg  (oder 
im  gpl.  seggio)  gelautet  haben,  ist  aber  aus  irgend  einem  Grunde  dem 
Schreiber  unverständlich  gewesen,  der  es  dann  durch  thegan  oder 
thegno  zu  ersetzen  beabsichtigte,  aber  damit  nicht  zurecht  kam.  Zu 
einer  nochmaligen  Aufnahme  des  Subjektes  vor  dem  Prädikate  liegt 
aber  kein  zwingender  Grund  vor,  ich  schlage  deshalb  vor  theg  zu 
streichen,  wodurch  dann  alle  Zusätze,  die  nur  aus  Rücksicht  auf  die 
Alliteration  zu  thegan  nötig  erscheinen,  überflüssig  werden. 

Zu  den  Anmerkungen  Braune's  S.  55  ff.  möchte  ich  noch 
folgende  Beiträge  beisteuern:  8.  farbrekan  kommt  in  übertragener 
Bedeutung  auch  Ess.  Gloss.  zu  Matth.  5,  20  vor.  —  75.  fluhtigun 
steht  Prud.  Gl.   (Gl.  U,  583,  42).   —   106.  spähi  kommt  im  Heliand 


120 

nur  im  nom.  sg.  vor,  allen  übrigen  Formen  liegt  ein  Stamm  f^pcA  zu 
Grunde.  —  154.  B.  erklärt  fiunda  barn  für  die  Gott  feindlich  gesinnt-en 
Sodomleute,  was  ihn  dann  veranlasst  V.  155  uuisian  in  der  Bedeutung 
jZeigen,  beweisen*  zu  nehmen;  es  bedeutet  aber  hier  wie  auch  sonst 
im  Heliand  ,anzeigen,  lehren*  und  die  fiunda  barn  sind  wie  in  der 
von  B.  selbst  citierten  Stelle  (Hei.  3604)  die  bösen  Geister,  die  Teufel. 
(Ebenso  Symons,  S.  152.)  —  166.  Mit  Holthausen  (a.  a.  0.  S.  56) 
möchte  ich  dem  as.  einen  Infinitiv  bügan  zusprechen.  — 

229.  guoda  ist  vermutlich  nur  Schreibfehler,  dem  vorausgehen- 
den thinaro  zu  liebe.  —  255.  In  allaro  seltäa  gihuuen  und  287  an 
allara  seliSa  gihuuem  haben  wir  nun  mit  B.  in  Üebereinstimmung  mit 
dem  g.  pl.  allara  halha  gihuilica  Hei.  1987  eine  lautliche  Verkürzung 
aus  sdidono  zu  sehen ;  die  Form  gihunen  fehlt  in  meinen  Unters,  zwar 
S.  116,  wo  sie  stehen  sollte,  ist  aber  S.  146  angeführt,  weil  ich  sie 
für  einen  Schreibfehler  hielt;  übrigens  steht  die  Form  C  5405.  — 
286.  Die  von  Kögel  (S.  12)  hervorgehobene  Formelhaftigkeit  der 
Wendung  narouua  naht  zeigt  sich  schon  in  der  ungewöhnlichen  Setzung 
der  schw.  Form  des  Adj.  (vgl.  ags.  vintercealdan  niht  bei  Grein)  ;  die 
von  Kögel  verlangte  Bedeutung  ,dunkel'  hat  auch  das  ags.  in  der  auch 
von  B,  angeführten  Verbindung  nihtes  nearve  (Grein,  S.  287).  — 
304.  Zu  bralcon  gehört  auch  as.  braht^  Lärm.  — 

Dem  Verzeichnis  der  in  den  Genesisbruchstücken  vorkommendeu 
Wortformen  und  dem  Glossare  habe  ich  folgende  Bemerkungen  hinzu- 
zufügen. S.  65.  tharf  ist  nicht  m.  sondern  fem.  —  stridin  hätte,  wie 
B.  selbst  Anm.  zu  317  vorschlägt,  als  Ableitung  von  strtd  zn  den  Adj. 
gestellt  werden  sollen.  —  gidiuxn  reiht  sich  besser  den  starken  als 
den  schw.  ppp.  an.  —  S.  66.  Die  unter  acc.  pl.  mit  Fragezeichen 
aufgeführte  Form  lango  hätte  auch  beim  acc.  sg.  nicht  übergangen 
werden  sollen.  Alle  Accusativformen  des  st.  fem.  sollten  übrigens 
nach  B.'s  Bemerkung  S.  65  unter  dem  nom.  stehen.  —  S.  67.  Zu  gen, 
sg.  fem.  firina  fehlt  im  Glossar  der  Beleg.  —  ala  ist,  wie  auch  Kögel 
a.  a.  0.,  S.  11  bemerkt  bat,  nicht  als  dat.  auf -a  anzusehn,  sondern  als 
consonantischer  Dativ  mit  Abfall  des  A  und  gehört  also  zu  f).  — 
diapun  29  ist  nicht  dat.  sg.  fem.,  sondern  ntr.  —  Zum  Instrumental 
würde  ich  auch  das  von  B.  unter  den  dat.  gestellte  side  rechnen  mit 
-e  statt  'U ;  treuuua  (nicht  treuua)  73  könnte  auch  als  acc.  sg.  gefasst 
werden.  —  S.  68  legarbedd  ist  sing.,  s.  o.  S.  118. —  d.  pl.  uuordxi  findet 
sich  zweimal:  109.  228.  —  S.  69.  Beim  Verbum  vermisst  man  einen 
Verweis  auf  die  bei  der  Dedination  behandelten  Participia  praes.  und 
Gerundia.  —  S.  69.  Zu  3.  pl.  uicaran  s.  oben  S.  118.  —  Zu  hohes 
s.  oben  S.  116.  —  Bei  der  Vollständigkeit,  mit  der  im  Glossar  die 
Belege  für  alle  in  der  Genesis  begegnenden  Formen  gegeben  sind, 
wäre  auch  die  Einreihung  aller  Vorsilben  in  das  Alphabet  erwünscht 
gewesen.  —  S.  73.  Die  Belege  für  briost  haben  alle  nur  eo.  —  S.  73. 
don;  zu  fordön  vgl.  Ess.  Gl.  M.  27,  19  ne  uerduo  thi  an  thesanw  guoden 
manna.  —  S.  75.  Zu  filo  fehlt  der  Beleg  284.  —  fldd  ist  als  m.  und 
n. ?  angesetzt;  dazu  liegt  kein  Grund  vor.  —  S.  77  besser  godforoht. 


121 

—  S.  80.  Die  zu  folc  uuirdil  gihuordhan  tc  als  Erklärung  hinzugefugte 
Uebersetzung  ,liingelenkt  zu'  könnte  den  Anschein  erwecken,  als  sei 
haerhan  hier  transitiv  gebraucht;  es  ist  aber  eine  dem  im  Hei.  so 
häufigen  uuard  cuman  gleiche  Verbindung,  in  der  das  part.  praet. 
seine  aktive  Bedeutung  nicht  aufgiebt.  —  S.  81.  Die  Form  lebot  ver- 
langt den  Ansatz  eines  inf.  lebon,  —  S.  85.  Bei  den  mit  sk  anlauten- 
den Wörtern  ist  nicht  konsequent  verfahren ;  in  sconi^  scur  hat  B.  sc 
gelassen,  in  scalc,  scarp,  scatj  sculan  es  durch  sk  ersetzt.  —  S.  86 
fehlt  ti  43.  —  S.  87  fehlt  zum  gen.  sg.  thes  der  Beleg  46.  —  S.  92 
fehlt  zu  uuord  der  Beleg  uuarom  ttMorÖu  109.  — 

Schliesslich  merke  ich  noch  einige  Druckfehler  an :  S.  37.  Ueber- 
schrift  1297—1358  st.  1279—1358.  —  S.  41.  Anm.  2)  uueralde  st. 
uuerdde.  —  S.  58.  Anm.  zu  84.  breostun  st.  briostun.  —  S.  59. 
96  tuSm  st.  tuuem.  —  S.  61.  162  st.  161.  —  163.  manna  st.  manno. 

—  S.  69.  Infin.  a)  grimman  st.  grimmon,  —  Praes.  ind.  is  7  und 
öfter.  —  st.  praet.  uuosk  st.  uuuosk.  —  S.  75.  for  thes  side  st.  sida. 
S.  87.  Der  Beleg  für  suuet  hätte  in  der  Form  suet  gegeben  werden 
müssen.  —  S.  90.  utan  bi  thcru  burug  st.  thera.  —  S.  91.  uuerian  n.  pl. 
geuueride  st.  giuueride» 

In  anderer  Weise,  als  es  Grein  in  seiner  Uebersetzung  des  Heliand 
(2.  Bearb.,  S.  180)  erhoffte,  indem  er  sagt:  „sollte  ein  solcher  (A.  u. 
N.  Test,  enthaltender)  Codex  vielleicht  in  der  1623  nach  Rom  über- 
geführten Heidelberger  Bibliothek  vorhanden  gewesen  und  1815  bei 
der  Rückgabe  der  altdeutschen  Handschriften  dort  zurückgeblieben 
sein?"  ist  die  Angabe  der  Praefatio '  von  dem  Vorhandensein  einer  as. 
dichterischen  Bearbeitung  des  A.  T.  bestätigt  worden.  Aus  Heidelberg 
stammt  der  Codex  der  Vaticana  und  zwei  Lehrern  der  Heidelberger 
Universität  gebührt  der  Dank  der  wissenschaftlichen  Welt  für  die  Auf- 
findung der  kostbaren  Bruchstücke  und  ihre  rasche  und  gediegene 
Veröflfentlichung. 

DORPAT,  im  Mai  1895.  W.  Schlüter. 


122 


Physiognomische  Lehren. 


Die  Pergamenthandschrift  des  Sachsenspiegels  v.  J.  1342  (Ms  der  Bremer 
Stadtbibliothek  a  80»;  Homeyer  Nr.  79  (Ct  w)  enthält  auf  Seite  26  und  27  zwischen 
Inhaltsangabe  und  poetischer  Vorrede  eine  Zusammenstellung  Ton  physiognomischea 
Bemerkungen.  Ihre  Schrift  unterscheidet  sich  in  nichts  von  deijenigen  der  übrigen 
202  Seiten  der  Membran. 

[8,  26^J  Swese  heuet  en  grot  houet,  de  is  gherne  dorech.     Wese 

heuet  en  sennewolt  houet  unde  korth,  de  is  sunder  wisheit. 
Wese  heuet  en  senewolt  vorhouet,  de  is  tomich.  Wese  heuet 
en  langhouet,  de  is  vordachtig.  Wese  heuet  en  lutlic  vor- 
houet, de  is  hartsinnich  unde  en  vretere.  Wese  heft  en  bred 
vorhouet,  de  is  carch.  Wese  heuet  en  hanghende  antlat,  de 
is  schemerne.  Wese  heuet  en  uer  ecghet  antlat,  de  is  wis, 
Wese  heuet  weck  har  unde  clene  hares,  de  heuet  stapen 

[8.  26^J  sin.  Wese  heuet  crus  har,  de  is  ghirich  uppen  penning. 
Werne  dat  har  hanghet  sere  up  de  oghen,  de  is  grundich. 
Wese  heuet  wit  har,  de  is  blöde. 

Werne  de  oghen  brau  gat  na  to  samene  bi  de  nese,  de 
is  be  hende  unde  vordachtig  in  allen  dunde.  Wese  heuet 
langhe  brän,  de  is  grimich.  Wese  heuet  blanke  oghen,  de 
is  wol  sedich.  Wese  heuet  gleisene  oghen,  de  is  kune.  Wese 
heuet  grot  oghen,  de  is  en  drenkere.  Wese  heuet  swarte 
oghen,  de  is  sunderdech   unde   ghirich.      Wese   heuet  lutleke 

[8.  2>]  oghen  unde  senwolde  oghen,  de  is  unstede.  Wese  de  oghen 
vele  to  deit,  de  is  vruchtich.  Wese  de  oghen  uele  openheuet, 
de  is  dorich  unde  unschemerne. 

Wese  heuet  grote  oren,  de  sprict  vele.  Wese  heuet 
licghende  oren,  de  is  trach.  Wese  heuet  grote  nesen,  de  is 
edele.  Wese  heuet  ene  smale  langhe  nese,  de  is  licht  mQdich 
unde  lichte  umbedan.  Wese  heuet  ene  lutlike  nese,  de  is  en  def. 
Wese  heuet  enen  sere  widen  mQt,  de  is  en  vretere  unde 
nicht  sachtmudich  unde  böse.  Wese  heuet  enen  langhen  kin, 
de  is  tomich  unde  be  droft.  Wese  heuet  enen  lutleken  kin 
unde  kort,  de  is  hatisch.  Wese  sprict  dor  de  nese  ofte 
singhet,  de  is  en  loghenere  unde  bosdadich  unde  vrousich  tu 
de  lüde  schaden. 

Wese  heuet  körte  hande  unde  körte  vinghere,  de  is 
grundich  uft  def.  Wese  heuet  langhe  ufl  clene  vinghere,  de 
is  woldadich  unde  erachtich.     Wese  heuet  lutleke,  de  'nis  nicht 

[8.  27^]  wis.  Wese  langhen  trede  heuet,  de  is  homodich.  Wese  kortt* 
treden  heuet,  de  is  carch  unde  wedderstreuich  Wese  heuet 
wit  rode  hut,  de  is  hodreghendes  müdes.  Wese  heuet  wit- 
bleke  hut,  de  ne  heuet  neue  doghet  an  sich. 

BREMEN.  Alwin  Lonke. 


i2i 


Ueber  die  meeklenburgiseh-platt- 

deutsehe  Mundart 

in  Bemerkungen  zu  Riohey's  Dialeetologia  Hamburgensis 

von  Johann  Christian  Friedrich  Dietz. 


[Vorbemerkung.  J.  Ch.  F.  Diets  ist  1765  in  Wetzlar  geboren,  von  1786  bis 
1812  anf&nglich  Saccentor,  später  Snbrector  an  der  Domschale  in  Güstrow  nnd 
daranf  bis  zn  seinem  1833  erfolgten  Tode  Pastor  zn  Ziethen  bei  Batzebnrg  gewesen. 
Seine  litterarische  Thätigkeit,  die  bereits  1780  mit  den  in  Rostock  erschienenen 
^Aufsätzen  eines  Jünglings*  begonnen  hatte,  war  sehr  rege,  wie  das  umfangreiche 
Verzeichnis  seiner  theologischen,  philosophischen  a.  a.  Arbeiten  aasweist,  welches 
'Das  gelehrte  Teatschland,  angefangen  von  G.  Ch.  Hamberger,  fortgesetzt  von 
J.  G.  Mensel.  6.  Aufl.  Bd.  2  S.  58,  9  S.  240—42,  17  S.  416  bietet.  Erwähnung 
verdienen  hier  nur  seine  Vermischten  Bemerkungen  über  die  Sitten,  Litteratnr 
und  Aufklärung  Mecklenburgs'  in  Winkopp's  Bibliothek  für  Denker  Bd.  2  St.  2.  6, 
Bd.  3  St.  2—4  und  die  von  ihm  1786  in  3  Stücken  im  Selbstverlage  heraus- 
gegebene litterarisch-kritische  Zeitschrift  'Mecklenburgisches  Museum'.  Seine 
Bemerkungen  über  die  mecklenburgische  Mundart  waren  bisher  ungedruckt,  sie 
finden  sich  auf  12  von  der  Hand  des  Verfassers  eng  beschriebenen  Qnartblättem 
in  einer  Sammelhandschrift,  welche  allerlei  der  alten  Berlinischen  Gesellschaft  für 
deutsche  Sprache  in  d.  J.  1816—19  zugestellte  Beiträge  zur  deutschen  Mundart- 
forschung umfasst.^)  Zum  Abdruck  ist  davon  in  dem  1820  erschienenen  'Jahrbuch 
der  Berlinischen  Gesellschaft  für  deutsche  Sprache  Bd.  V  S.  218  nur  die  An- 
merkung Über  den  'Mettensommer'  gekommen,  die  als  besonderer  Beitrag  einer 
Erklärung  der  nd.  Ausdrücke  'Framsis  und  Kramsis'  folgt,  die  gleichfalls  von 
Dietz  beigesteuert  ist.  So  erscheint  hier  zu  Schluss  des  Jahrhunderts  gedruckt, 
was  zu  Anfang  desselben  Über  die  Eigentümlichkeiten  der  Mundart  Mecklenburgs 
und  insbesondere  der  Stadt  Güstrow  im  Vergleich  zu  der  Hamburgs  beobachtet 
worden  ist  Den  Abdruck  verdienen  die  Bemerkungen  um  so  eher,  als  sie  die 
frühesten  zusammenhängenden  Mitteilungen  über  die  mecklenburgische  Mundart 
bieten  und  bei  geringem  äussern  Umfange  iuhalt-  und  lehrreich  sind.  Aus- 
geschlossen vom  Abdruck  ist  der  Schluss  der  'Nacherinneruug'  geblieben,  in  dem 
Sprachproben  aus  alten  Urkunden  zur  Vergleichung  mit  der  späteren  Mundart 
herangezogen  sind.  Femer  sind  in  dem  beigefügten  Wörterverzeichnisse  die  Er- 
läuterungen vielfach  gekürzt.  Zusätze  des  Herausgebers  sind  durch  eckige 
Klammern  kenntlich  gemacht.     W.  S.] 

Vorerinnerung.  Richey  gibt  in  seinem  Idioticon  Hamburgense 
(Hamburg  1755)  nicht  blos  die  Eigenthiimlichkeiten  der  hamburgischen 
Mundart  als  solcher;  sondern  man  lernt,  wenn  man  die  angehängte 
Dialeetologia  Hamburgensis  hinzunimmt,  die  sogenannte  plattdeutsche 


*)  Eine  Inhaltsangabe  der  Handschrift  giebt  John  Koch,  Die  ehemalige  Ber- 
linische Gesellschaft  für  deutsche  Sprache  und  ihre  Büchersammlung.  Wissen- 
schaftliche Beilage  zum  Jahresberichte  des  Dorotheenstädtischen  Realgymnasiums 
zu  Berlin  1894  S.  31.  32. 


124 

Mundart  überhaupt  in  ihren  Abweichungen  von  dem  Hochdeutschen 
aus  ihm  ziemlich  kennen;  jedoch  so,  wie  sie  in  Hamburg  und  nahe 
bei  Hamburg  erscheint.  Darum  können  Bemerkungen  zu  jenem 
Werke,  die  das  Abweichende  und  Eigentümliche  der  mecklenburgischen 
Mundart  anzeigen,  von  dieser  einen  ziemlich  vollständigen  BegriflF  geben. 
Hier  ist  zuerst  ein  Versuch  solcher  Bemerkungen  zu  der  Dialectologia 
Hamb.,  welchem  Bemerkungen  zu  dem  Wörterbuche  und  Sammlungen 
bei  Richey  nicht  vorkommender  Wörter  und  Redensarten  nachfolgen 
sollen. 

Zum  1.  Hauptstücke  (Kapitel):  von  den  Selbstlautem.  — 
Was  R.  ein  dunkeles  a  nennet,  möchte  ich  lieber  ein  helles  nenneD 
und  jenen  Namen  dem  geben,  was  bei  ihm  hell  heisst.  Denn  je  mehr 
der  Mund  geschlossen  wird,  desto  dunkeler  wird  der  Ton.  Doch 
drücken  auch  andere,  selbst  neuere  Sprachlehrer  sich  hierüber  aus. 
wie  Richey.  Uebrigens  wird  das  ihm  helle,  mir  dunkele  o  in  haben 
usw.  in  dem  Munde  des  Mecklenburgers  dem  o  nicht  so  nahe  gebracht 
als  von  dem  Hamburger;  mancher  Bauer  aber  nähert  es  dem  au. 
Statt  Harken  (Härlein)  sagt  der  Mecklenburger  Harken,  aber  so,  dasb 
das  ä  fast  öä  klingt  und  das  r  (wenigstens  von  den  Meisten)  sehr 
stumpf  abgequetschet  wird.  Marken  (Marderchen)  ist  mir  nie  vor- 
gekommen; der  Marder  heisst  im  Mecklenburgischen  Mahrd^  welche> 
fast  wie  Moahd  klingt. 

Zu  S.  378 — 380.  Das  dunklere  (von  Richey  mit  e  verglichene^ 
e  wird  in  Mecklenb.  vor  r  z.  B.  in  sehr^  mehr,  ehren  gewöhnlich  wie 
%  ausgesprochen,  daher  auch  Manche,  selbst  aus  höheren  Ständen, 
auch  im  Hochdeutschen  sihr,  mihr,  ihren  sprechen,  welches  man  jedoch 
jetzt  viel  seltener  hört,  als  noch  vor  30  Jahren.  So  ging  ja  ehemals 
das  griechische  »  (das  schwerlich  ein  ä,  sondern  ein  dunkles  e  war) 
der  Aussprache  nach  in  i  über.  (Itacismus).  Andere  machen,  wenn 
sie  hochdeutsch  sprechen,  aus  diesem  dunkeln  e  dasjenige,  welches  R. 
mit  7)  vergleicht,  (wodurch  er  bezeichnen  will,  dass  der  Ton  sich  dem 
ä  nähert  oder  ein  helles  ä  wird,)  so  dass  in  ihrem  Munde  jene  Wörter 
sähr,  mähr,  ähren  klingen.  Uebrigens  wird  das  e  (yi)  Richey's  in 
Mecklenburg  ganz  wie  ein  helles  ä  gesprochen.  Dieses  helle  ä  aber 
und  das  e  (r,)  werden  eigentlich  in  Mecklenburg  auf  viererlei  Art  aus- 
gesprochen. Der  recht  gebildete  Mund  nähert  sie  dem  dunklern  c  z.  B. 
in  Ehre,  ohne  jedoch  mit  dem  Obersachsen  Ähre  und  Ehre  gleich 
auszusprechen.  Von  den  Meisten  in  Mecklenburg  werden  sie  aber  mit 
etwas  weiter  geöffnetem  Munde,  dem  a  ein  wenig  näher,  ausgesprochen. 
Andere  öffnen  den  Mund  noch  mehr  und  sprechen  beinahe  wie  der 
Danziger.  Doch  wird  man  den  so  sprechenden  Mecklenburger,  wenn 
er  z.  B.  Leben  ausspricht,  noch  immer  von  dem  Danziger  unterscheiden 
können.  In  einem  breiten  Munde  endlich  geht  das  geschärfte  ä  und  e 
(tj)  vor  r  (vornehmlich  in  Rostock)  beinahe  ganz  in  a  über,  dagegen 
das  6  (yi)  des  Hamburgers  dem  Richey'schen  e  (e)  näher  ist.  Ernst 
klingt  in  Rostock  wie  Arnst,  Herr  wie   Harr^   Berg   (auch  im  Hoch- 


125 

deutschen)  Barg  (verschieden  von  dem  plattdeutschen  Bcihrg)^  Ere  wie 
Are^  Märe  wie  Mure.  Dagegen  hört  man  auch  Manche,  die  (im  Hoch- 
deutschen) nicht  Karl  sagen  können  (plattdeutsch  heisst  es  im  Meckl. 
Kahrl)^  sondern  dafür  Kerl  sprechen,  sowie  Feibey  Eerhcn,  Erm,  Gern 
für  Farbe  (plattd.  F^rw),  darben  (pl.  dRrtvcn),  Arm  (pl.  krtn),  Garn 
(pl.  Gahrn). 

Ausser  dass  der  Bauer  in  Mecklenburg  gewöhnlich  Beer  spricht 
(doch  so,  dass  dem  ee  ein  weiches  ;  angehänget  und  das  r  abgestumpft 
wird),  höret  man  auch  im  Plattdeutschen  fast  durchgehends  Bier; 
doch  unterscheidet  sich,  und  zwar  nicht  nur  bei  dem  grossen  Haufen, 
sondern  bei  Allen,  die  nicht  etwa  aus  dem  Hochdeutschen  die  Aus- 
sprache in  das  mecklenburgische  Plattdeutsche  hinübertragen,  dieses 
Wortes  Aussprache  von  der  hochdeutschen  dadurch,  dass  auch  hier 
das  r  abgestumpft  wird  und  man  beinahe  Biä  höret.  Für  negen 
(neigen)  meine  ich  stets  niegen  gehört  zu  haben.  Ever  (Scapha)  und 
Pesel  (in  der  Bedeutung  von  triclinium)  sind  in  Mecklenburg  mir  nicht 
vorgekommen.  Scheeren  (Forfices)  wird  Schieren  gesprochen  (wie  nach 
oben  fihr  statt  frhr  usw.).  Statt  cken  (eitern)  habe  ich  gemeiniglich 
ecken^  nie  aber  Flrge  für  Kopfputz,  Keke  für  Windstoss,  Kreten  für 
Ritzen,  peken  für  lange  sitzen,  und  reken  für  rein  gehört. 

Es  hätte  übrigens  auch  noch  des  stummen  e  gedacht  werden 
sollen.  Dieses  wird  in  Mecklenburg  am  Ende  weit  weniger  als  in 
Hamburg,  oder  vielmehr  gar  nicht  gehöret.  Man  spricht  dort  Kcek 
für  Keke  (Maul),  Fleeg  für  Flege  (Fliege),  Kreft  für  Krefte  (Kräfte), 
Krähvt  (Krebse),  Böhg  für  Böge  (Bug,  Krümmung),  Bahn  für  Bohne 
u.  s.  f.,  statt  dass  z.  B.  im  Braunschweigischen  das  stumme  e  hinzu- 
gesetzet  wird,  wo  es  sonst,  im  Plattdeutschen  so  wenig  als  im  Hoch- 
deutschen, steht,  z.  B.  vppe  für  up  (auf),  uhte  für  uht  (aus). 

Zu  S.  382.  Im  Mecklenburgischen  spricht  man  auch  in  starvet 
u.  ä.  Wörtern  des  e  nicht  aus,  sondern  si^rvt^  verdorrt.  Für  Ilemmel 
und  Stemme  habe  ich  in  M.  immer  Himmel  und  Stimm'  gehöret. 
bidden,  midden  u.  ä.  Wörter  werden  gewöhnlich  birren,  mirren  ge- 
sprochen, vgl.  Richey  S.  391  Z.  8  flF.  So  geht  auch  in  Bede^  bereden^ 
Sieden  das  d  oft  in  ein  r  über. 

Das  bün,  biist  ist  in  M.  so  gewöhnlich,  dass  auch  im  Hoch- 
deutschen viele  sonst  gebildete  Mecklenburger  es  hören  lassen. 

Für  tüh  (ziehe)  sagt  man  teh^  ob  man  gleich  he  tüht  (er  zieht) 
spricht,  tehlen  für  zielen  ist  mir  in  M.  nicht  vorgekommen.  —  Fieeden 
(tiiessen)  heisst  in  M.  fleeten.  He  hctcde  (er  hiess)  in  M.  he  heet, 
allenfalls  he  heeVd.  Liegen  heisst  liggen^  lügen  heisst  leegcn.  Ob 
man  Preem  sagt,  weiss  ich  nicht;  ich  erinnere  mich  nur  Preen  (das 
so  heissende  adelige  Geschlecht  hat  3  Pfriemen  im  Wappen)  und  aA/, 
auch  Sugel  oder  Suhl  (Hamb.  Suhlr^  dän.  SyrL  schwed.  Sgl)  geliört 
zu  haben.  In  Deert^  formeeren  u.  dgl.  wird  häufiger  das  i  des  Hoch- 
deutschen beibehalten;  des  Bauern  breiter  Mund  lässt  beinahe  ein 
ej  hören. 

Zu  S.    383.     Das   lange  o  vor  r  wird  leicht  w,   hinter   welchem 


126 

ein  kurzes  e  gehört  wird,  z.  B.  Pucrt  (Pforte),  Duer  (Thor).     So  wird 
auch  häufig  ö  zum  ü  z.  B.  dörichtf  düricht  (thöricht). 

Zu  S.  384.  Borst  (Brust)  heisst  im  Meckl.  Bost,  Dorst  (Durst) 
Döft^  Nöte  (Nüsse)  Nähte.     (Das  ä  aher  dem  o  und  äu  sich  nähernd.) 

Zum  2.  Hauptstücke:  von  den  Doppellauten.  —  Zu  S.  384. 
Dieses  uu  nimmt  in  der  Aussprache  vor  dem  r  gemeiniglich  ein  gar 
kurzes  e  oder  ä  an  und  das  r  wird  abgestumpft.  Buur  (Bauer)  lautet 
demnach  ungefähr  Buä, 

Zu  S.  385.  Smool'en  (schmauchen),  auch  smoken.  Teegen  für 
zeihen  ist  mir  nie  vorgekommen;  statt  n^eet  (neu)  habe  ich  immer 
nie  oder  niet^  im  breiterm  Munde  flieg  oder  t7?>/  gehört,  desgleichen 
Suee  breit  Sfiej,  Brie  oder,  wie  R.  es  schreibt,  //ry  (brei). 

Zu  S.  386.  Seilen  (segeln)  und  Teilfrld  (Ziegelfeld)  habe  icli 
nie  gehört ;  für  jenes  immer  auch  frgeln  wie  im  Hochdeutschen.  Für 
juwe  sagt  man  juhg. 

Für  [nhd.]  eu  spricht  man  auch  in  folgenden  Wörtern  ein  langes 
(gedehntes)  u :  juhg  (euer),  juhch  (euch),  Schuh,  Schug  (Scheu),  sich 
schugen  (sich  scheuen). 

Eu  wird  auch  beibehalten  in  //««,  nur  die  Bauern  sprechet 
ungefähr  Höi  oder  Höig,  In  ein  geschärftes  u  geht  es  über  in  fucht 
oder  fuchtig  (feucht).  Ein  i  wird  es  in  nie  (neu).  Neun  heisst  negcn 
oder  nagen, 

Dass  im  Hochdeutschen  das  ö  kein  Doppellaut  ist,  bedarf  hier 
nicht  erinnert  zu  werden.  Aber  das  ö  in  schön  u.  dgl.,  von  Richev 
mit  oe  (e)  bezeichnet,  ist  in  dem  Munde  des  Hamburgers  wirklich  ein 
Doppellaut  und  klingt  fast  wie  oi;  in  Mecklenburg  spricht  der  recht 
breite  Mund  es  fast  wie  eu  oder  dü\  sonst  klingt  es  wie  das  hoch- 
deutsche ö.  Das  ö  aber,  dessen  Aussprache  R.  durch  oti  bezeichnet, 
wird  in  Mecklenburg  —  anders  als  in  Hamburg,  wo  man  wirklieb 
das  ö  höret  —  ganz  wie  ein  dunkeles  ä  gesprochen,  das  allerdings 
dem  ö  näher  ist,  als  das  ä  des  Danzigers,  weil  es  mit  mehr  ge- 
schlossenem Munde  gesprochen  wird. 

Für  dröven  (dürfen)  sagt  man  in  M.  gemeiniglich  dörwen^  allen- 
falls dröwwen  mit  reinem  ö,  und  möten  wird  von  sehr  vielen  in  beidi^n 
Bedeutungen  [müssen ;  im  Laufe  aufhalten]  gleich  mit  ö  ausgesprochen. 

Zum  3.  Hauptstücke:  von  den  Mitlautern.  —  Zu  S.  389. 
Das  v,  welches  statt  des  in  hochdeutschen  Wörtern  befindlichen  l 
steht,  wird  in  M.  vor  einem  sogenannten  Mitlauter  gemeiniglich  ir 
z.  B.  hliwen  (bleiben),  am  Ende  des  Wortes  aber  und  vor  t  wird  es 
f  oder  ff  z.  B.  he  blift  (er  bleibt),  de  Deef  (der  Dieb) ;  aber  in  der 
Mehrzahl  Deew  für  Deeice. 

Zu  S.  391.  In  M.  geht  auch  das  einfache  d  zwischen  zwei 
Selbstlautern  nicht  selten  in  r  über.  De  Bede  (Bitte)  klingt  häufig 
wie  de  Bahr\  Weder  (Wetter)  wie  Wäre  oder  WärW.  Beren  (ge- 
berden) heisst  in  M.  gemeiniglich  hieren^  die  Erde  Ihr  (dem  lär  oder 


127 

Ja  sich  nähernd),  die  Stelle  St'dM  (das  ä  wie  im  Hochdeutschen), 
Stähr  (mit  abgestumpftem  r),  auch  wohl  8tä^ ;  holen  (halten)  auch 
hollen^  und  hole  (kalt)  Txohl  oder  holt. 

Zu  S.  392.  In  M.  spricht  man  Brccw^  (Briefe),  Hwcn  (keifen), 
Düivel  (Teufel),  Dörp  (Dorf),  und  für  drcpen  (treffen)  auch  drapeti. 

Zu  S.  393.     In  M.  Pierd  (Pferd),  breit  Pejrd;  Kopprr  (Kupfer). 

Das  r  wird  am  Ende  grösstenieils  abgestumpft,  daher  auch 
Siemssen  zu  Rostock  in  der  Monatsschrift  von  und  für  Mecklenburg 
[1789  Sp.  1043  ff.;  1790  Sp.  51  ff.,  329  ff.]  ehemals  die  Aussprache 
der  Endung  rr  am  besten  durch  ä  ausdrücken  zu  können  meinte,  z.  B. 
Käicä  (Käfer)  für  Käu)et\ 

Zu  S.  394.  Hat  für  Hass  ist  mir  in  M.  nicht  vorgekommen. 
Triss'  heisst  dort  frett^  nur  näher  nach  Hamburg  und  Lübeck  zu, 
wo  die  Aussprache  sich  der  dortigen  nähert,  auch  fritt,  *Muss'  heisst 
öfter  möt  als  mutt. 

Zu  S.  396.  Tuvder  (Zunder)  in  M.  Tunner  oder  (nach  Siemssen) 
Tunnä, 

Zu  S.  397.  Holten  (hölzerne)  in  M.  holten,  smolten  (schmelzen) 
smolten. 

Zum  4.  Hauptstücke:   von   den   Endungen   der   Wörter.  — 

Zu  S.  397  f.     Blech  heisst  in  M.  Bleck;  brich  Weck. 

Zu  S.  398.  Die  Endsilbe  lick  wird  von  den  Städtebewohnern 
heutiges  Tages  häufig  lieh  gesprochen,  wie  im  Hochdeutschen.  Der 
Bauer  aber  sagt  gemeiniglich  wägeJk  statt  möglich  u.  dgL,  sonst  lick^ 
auch  lieh. 

Die  Verkleinerungssilbe  kcn  (hochd.  chen)  ist  in  der  Mitte  von 
M.  bei  Weitem  nicht  so  gewöhnlich  als  ing^  z.  B.  Triening  (Katha- 
rinchen),  Höhnwg  (Hühnchen),  Döchiing  (Töchterchen),  auch  ?Zyw,  z.  B. 
Steeniken  (Steinchen),  Höhmken  (Hühnchen).  Mädchen  heisst  mehr 
Mätcriy  als  Mäkcn.  Köppken  wird  stets  gesagt,  wo  die  Obertasse  ge- 
meint wird;  ein  kleiner  Kopf  heisst  mehr  Köppiken  oder  Köpping. 
Für  Kleedjen  (Kleidchen)  hört  man  Kleeting  oder  Kleeten  oder  Kleetken. 

Zu  S.  399.  Das  e  in  der  weiblichen  Bildungssilbe  [z.  B.  in 
Wahrseggersche,  Wahrsagerin]  wird  im  gemeinen  Leben  fast  gar 
nicht  gehört. 

Zum  5.  Hauptstücke:  von  Verkürzung  der  Wörter.  Zu  S.  399. 
Für  h'ocht  (gebracht)  hört  man  in  M.  mehr  flocht. 

Zu  S.  400.     Für  dat  wilVk  hört  man  auch  dat  wick. 

Zu  S.  401.  Gebräuchlicher  ist  in  der  Mitte  von  M.  wy  gähn, 
wy  dohn,  jy  wült^  wül  jy^  auch  toijjy?  wo  süjjy?  (wir  gehn,  wir  thun, 
ihr  wollt,  wollt  ihr?  wo  seid  ihr?) 

Ferner  sagt  man  häufig  ick  bun'n  em  (ich  band  ihn),  he  ftni^n 
tcat  (er  fand  Etwas),  he  wun'n  up  (er  wand  auf).  Ich  konnte  heisst 
mehr  ick  könn  oder  künn;  er  wollte  oft  he  woll;  er  brachte  he  bröcht. 


12B 

Zum  6.  Hauptstücke:  von  sonderbarer  Konjugation  der 
Hülfszeitwörter.  —  Zu  S.  402.  Abweichungen  in  dem  Zeitwort  syn 
oder  Wesen,  Ick  tcaSj  auch  wohl  ick  toier^  du  toierst,  wy  wieren^  jy 
wiert^  fe  wieren.  Im  Conjunctiv  durchaus  ie  statt  e.  —  Statt  ick  luin 
tuest  hört  man  auch  oft  ick  heww  wesi. 

Zu  S.  403.  Ick  heww^  wy  hcwwen.  Ick  harr  gewöhnlicher  aK 
hadd^  und  so  durchweg.  Iclc  heww  hatt.  Ick  war  hewwen.  Herne 
oder  heff.     Hewwen. 

Du  wist^  wy  willen  (willi)^  jy  willt,  se  willen.  Ick  tccll  und 
wull^  du  wüst  oder  wost^  he  wvll  oder  woll,  wy  willen^  auch  wob! 
wälen  (mit  dunkelm  ä),  jy  willt  oder  willen^  se  willen  oder  wälen.  hl 
heww  wullt  oder  wollt.      Willn,  auch  wohl  uSden. 

Für  ick  sull  ( fchull)  ist  ick  still  (schall)  sehr  gebräuchlich  u.  s.  f. 
Ick  heww  sullt,  sfchJülU,  sollt. 

Zu  S.  404.  In  M.  scheint  mir  dörven  oder  vielmehr  dönceu 
allgemeiner  gebräuchlich.  Ick  dörw.  In  der  Mitte  von  M.  ist  wenigsten- 
ebenso  gebräuchlich  als  du  geist  (du  gehst),  breit  yejat  (im  Grumltr 
jenes  geist)^  so  auch  he  geht.  Ick  gung  usw.  Ick  segg^  ick  säd  (sät. 
sä').     Ick  loop^  leep.     Ick  lat\  köp\  köft. 

Nacherinnerung.     Wenn  man  ältere  in  plattdeutscher  Spraclit 
geschriebene  mecklenburgische  Urkunden  lieset,  so  findet  man  sehr  vielr 
der  von  mir  bemerkten  Abweichungen  nicht.     Diese  sind  also  entweilei 
damals  noch  nicht  gewöhnlich  gewesen  oder  man  hat  sich  im  SchreibeL 
mehr  an  die  Sprache  der  vorhandenen  Bücher  und  früheren  Aufsät/t 
gehalten.     Dass  übrigens  mit  der  Mundart  in  Mecklenburg  eine  gro»» 
Veränderung  vorgegangen  ist,  kann  nicht  geleugnet  werden.     Eine  der 
Hauptursachen  ist  der  Gebrauch  der  hochdeutschen  Sprache  in  Büchern. 
Kirchen,  Schulen  und  dem  Umgänge ;  und  man  kann  wohl  mit  Wahr- 
heit sagen,  dass  das  rechte  Plattdeutsch  nirgends  mehr  ganz  gekannt 
und  unvermischt  gesprochen  wird.     Möchte  nur   seine   Kenntnis   nicht 
sich  ganz  verlieren,  da  aus  ihm  sehr    Vieles    zur   Erklärung  und  zur 
Bereicherung  der  Schriftsprache  geschöpft  werden  kann !     Die  Unkundt 
dieser   Sprache   und    ihrer   Mundarten    hat   bekanntlich    zu    manohci' 
seltsamen  Erklärungen,  Vermuthungen  und  Vorschlägen  gefuhrt.*) 

Beiträge    zu    einem    WSrterbnche    der    mecklenbargiseh- platt- 
deutschen Mundart.    A. 

Von  den  in  Richey's  Idioticon  Hamburg,  unter  A  angeführter. 
Wörtern    sind    mir   achterfolgen,    afwyten,   akke^    (Sollte   dieses    Wort 


♦)  Vor  etwa  20  Jahren  wurde  in  dem  Reichsanzeiger  eine  Menge  Aufsätze 
über  den  sogenannten  Mettensommer,  Mättkensommer  oder  Mättjensommcr  mit- 
getheilt,  in  deren  etlichen  ein  Mädchen sommer  daraus  gemacht  wurde.  Schon  vor 
mehr  als  60  Jahren  erklärte  Strodtmann  es  für  MaUkäassommer^  weil  Mai  je  oder 
Mätge  das  Verkleinerungswort  für  Matthäus  sei.  Allein  Ebenderselbe  fahrt  im 
Idioticon  Osnabrugense  S.  332  an,  dass  MäJtke  oder  Mälje  Verkleinerung  vod  Marie 
sei,  und  so  lag  ihm  die  richtige  Erklärung  nahe:  Marieusommer  —  auf  die  er  um 
so  eher  hätte  fallen  können,  da  Richey  [S.  162]  die  lateinische  Benennung  fila- 
mentum  D.  Virginia  angeführt  hatte. 


129 

nicht  eine  Verkleinerung  von  Äa  sein,  welches  cacatum  bedeutet?), 
allengskens,  dlltomüs,  allfost,  Ammädjen,  angröyen  in  Mecklenburg  nicht 
vorgekommen. 

afholen  wird  in  M.  afhollen  ausgesprochen. 

Für  alldoehsoman  sagt  man  in  M.  as  doch  man  so. 

ankamen  hat  ausser  den  Bedeutungen  des  hochd.  ankommen  und  der  von  Eichey 

angegebenen  in  M.  auch  diese:  sich  trotzig  gegen   Jemand   ausdrücken,  ihn 

Übel  anlassen,  z.  B.  he  kümnet  mi  grof  an  (er  begegnet  mir  grob),  aber 

auch  lie  kämmt  mi  so  an, 
anken  kommt  in  M.  mehr  für:  sich  sehnen,  schmachten  vor  z.  B.  Jie  ankt  dama. 

Gewöhnlicher  aber  ist  dafür  janken. 
appeldwaljes   ist  mir  als   Hauptwort  nie   vorgekommen,   wohl   aber   das  Beiwort 

appeldwalseh,  recht  einfältig,  albern,  verkehrt. 

Von  den  im  Nachschuss  [bei  Richey]  S.  355  zu  A  gehörigen 
Wörtern  sind  amhöstig  und  Apeneersken  auch  in  M.  gebräuchlich,  nur 
dass  letzteres  gemeiniglich  Äpen-ierschen  lautet.  Die  österreichische 
Benennung  dieser  Frucht  (vgl.  Nicolai's  Reise,  5  Th.  S.  70)  ist  von 
der  nämlichen  Aehnlichkeit  hergenommen. 

Unter  den  von  Strodtmann  im  Idioticon  Osnabrugg.  unter  A 
aufgeführten  Wörtern  kommen  ganz  ebenso  in  Mecklenburg  vor: 
afstäken,  Alkowen^  allgoot^  anbei  (r,),  andohn,  ane  (ahn^)^  anschmeren, 
Escheriaken,  und  aus  dem  Nachschuss  (S.  299  f.)  afslahu,  amacht, 
amächtig. 

Anders  ausgesprochen  werden :  Aal  in  der  hier  angeführten  ersten 
Bedeutung,  wofür  man  in  M.  Adel  sagt;  die  zweite  Bedeutung  aus- 
zudrücken sagt  man  Adelpütt  (Mistpfütze);  Adel  im  finger,  wie  im 
Lüneburgischen.  Aes  klingt  in  M.  bei  dem  Pöbel  im  Grunde  ebenso, 
doch  hört  man  gewöhnlich  ein  abgestumpftes  r;  manche  setzen  auch 
ein  N  voran.  Anebunen  (angebunden)  in  M.  anluvn^n^  he  is  kort 
anhunn^n.  Anrochiig^  in  M.  anrüchtig  oder  rüchtig.  Arne  in  M.  Ahr^v. 
Augenblicks-Sake  in  M.  Ogenblickssah^  oder  en^n  OgenUick  Sak\ 

afkappen  und  aflopen  laten  sagt  man  ebenfalls  in  M.,  aber  es 
scheint  durch:  einen  übel  anlassen  —  nicht  vollkommen  ausgedrückt 
zu  sein;  es  ist  meiner  Meinung  nach:  Einen,  der  sich  Etwas  heraus- 
nimmt oder  mit  einer  Hoffnung  erscheint,  übel  anlassen  oder  be- 
schämt heimschicken.  In  dem  ankappen  scheint  besonders  der  Neben- 
begriff des  schnellen  Anfahrens  und  Abführens  zu  liegen.  Man  sagt 
auch  schlechthin  kappen  in  dieser  Bedeutung,  überhaupt  aber  für: 
einen  derben  Verweis  geben,  afkappen  sagt  man  auch  von  den  Bäumen 
wie  in  Hamburg  nach  Richey  S.  109. 

Ulmen  wird,  so  viel  ich  weiss,  in  der  gemeinen  meckl.  Sprache  nur  vom  Vor- 
empfinden gebraucht.     Dat  hett  mi  ahnt. 

ahrkanen  ist  das  meckl.  aderkauen,  ahr'rkauen  (wiederkäuen).  Nicht  von  Ader 
abzuleiten,  sondern  aus  dem  dän.  atter  (zum  zweiten  Mal)  zu  erklären. 

Niederdeutsches  Jahrbuch.    XX.  9 


130 

aUemann  wird  vornehmlich  in  der  Redensart  gebraucht:  dat  is  aÜemami's 
Qadung  (das  ist  Jedermanns  Gattung)  d.  i.  von  der  Art,  wie  Jedermann 
es  gebrauchen  kann,  Viele  es  suchen,  es  leicht  verkauft  wird. 
Ahlke  für  Adelheid  muss  ehemals  auch  in  M.  gebräuchlich  gewesen  sein,  da  es 
in  den  plattdeutschen  Inschriften  zu  Doberan  vorkommt;  es  gehört  zu  haben, 
erinnere  ich  mich  nicht. 
Aal.    He  hett  Aal  to  koqp  sagt  man  von  Jemanden,  dessen  Strttmpfe  (besonders 

seidene)  nicht  glatt  sitzen,  sondern  grosse  Falten  werfen. 
Aar,  der  Entenstosser,  Fischaar. 
Aosig,  schmutzig,     sik  iruzasen  sich  beschmutzen. 

achter,  hinter,  hinten.  Achter  un  vor  (vär)  utslahn  wird  eigentlich  von  Pferden 
gebraucht;  aber  auch  von  Menschen,  die  ausgelassen  lustig  laufen  oder 
umherspringen.  Dat  geit  mit  em  achter  un  vor  lihk  hoch,  er  reitet  in 
vollem  Laufe. 

Xeks  oder  EckSt  Axt. 

Ad'balir,  Storch.  Ad*hahr8hloom\  Wasserlilie.  Ad'bahrsbrot,  Storchachnabel 
(geranium  robertianum).  Das  brot  soll  hier  wol  nicht  hochd.  Brot,  sondern 
Brut  vertreten.  Ad'hahrskaspem  oder  -kasbeem,  Oichtbeeren.  Kasbeeru 
ist  die  Benennung  einer  kleinen  dnnkelrothen  Kirschenart. 

Iditfich,  Eidechse. 

Sich  afSschem,  sich  durch  Arbeit,  Laufen  ermüden,  wie  in  Schwaben  (nach 
Schmidt^s  Versuch  eines  schwäb.  Idiot.,  im  9.  Th.  von  Nicolai's  Eeiae). 

AfdrSppeln,  afdrttppeln,  abtropfen,  abtröpfeln. 

Af patschen,  weggehen,  besonders  mit  getäuschter  Hoffnung  oder  beschimpft 
abziehen.  In  der  Jenaischen  Literaturzeitung  wird  es  von  ital.  appaciare 
hergeleitet.     Warum  nicht  lieber  vom  franz.  patauger  und  af  (ab)? 

Aftrotzen,  mit  groben  Worten  abfertigen. 

Afschu  (breit  Afschuj,  Afschulig)^  Abscheu.  Man  sagt  aber  meines  Wissens 
nicht  afschulich,  sondern  afscheulich  (abscheulich). 

Afsluten,  afschlnten,  abschliessen. 

Afsnacken,  abschwatzen.     So  auch  ansnacken, 

Aftehen  und  aftrecken,  abziehen. 

Ahlfranken  heisst  (nach  Siemsseu)  die  Specklilie  (lonicera  periciymenum). 

Ahnt,  auch  Xhnt  (Mehrzahl  Ahyiten  und  Ahnten),  Ente.  Ahnten-,  Ähiinifloti, 
auch  wol  schlechthin  Flott,  die  Wasserlinse  (lemna). 

AhÖhr^n,  Ahühm,  Ahorn. 

AUdahgseh,  alltäglich. 

Ampeln,  mit  Händen  und  Füssen  streben. 

Anbacken,  ankleben  (hängen  bleiben,  und  machen,  dass  etwas  klebt). 

Anbreken,  anbrechen. 

Ank,  Anna.  Aber  man  hört  nicht  Ank  Marie,  sondern  Ann  Mari,  und  so  in 
ähnlichen  Fällen. 

Anmohlen  soll  (nach  der  Monatsschrift  von  und  für  M.  1795  S.  146)  beissen: 
Speisen  zurichten.  Daran  zweifle  ich.  Anmohlen  oder  vielmehr  annwhl^n, 
wie  ich  wenigstens  immer  habe  sprechen  gehört,  heisst,  meiner  Meinang 
nach,  anbrocken,  zurecht  mischen.  Se  hett  gar  to  veel  anmöhÜ  heisst  freilich : 
Sie  hat  gar  zu  viel  (Speise)  zugerichtet,  es  wird  aber  wol  nur  von  Speisen 
gesagt,  wobei  ein  Brocken,  ein  Mischen  statt  findet  oder  die  aus  vielen 
Stücken  bestehen. 

Ansprtttten,  AnsprUtzen,  anspritzen. 

Anwärtech,  gewohnt,  AnwÄrtschigJceii,  Verwöhnung.  Dat  is  man  so^ne  Apt- 
ivartschigkeit  (Das  ist  nur   so   eine   Verwöhnung).     Ohne  Zweifel   von   an- 


131 

tmr^n,  anwarden:  Auch  im  Hochdeutschen  hört  man  in  M.  oft:  ich  bin 
das  angeworden,  d.  h.  ich  habe  mich  dazu  gewöhnt. 

Apeldnhrn,  Feldahorn. 

Arig,  artig;  ziemlich  gross. 

Arpel,  Enterich. 

Ihsel,  8.  Ösel  bei  Bichey. 

Assen,  Asmos. 

Atterig,  ärgerlich.  Sich  cUtem,  sich  ärgern.  So  werden  beide  Wörter  in  der  AUg. 
Lit.  Zeit  1789  Nr.  186  angegeben.  Irre  ich  nicht,  so  habe  ich  sich  arren 
d.  i.  addem  gehöret,  welches  ich  von  Adder  (Natter)  ableiten  and  sich 
erbossen  wie  eine  Natter  erklären  würde.     Aergem  heisst  sonst  argem. 

Anken,  Oken  sind  der  inwendige  Winkel,  welchen  der  untere  Teil  des  Daches 
mit  dem  Gebäude  oder  dessen  Boden  bildet,  ühner  de  Oken  liggen,  unterm 
Dache  liegen.  Aukenbrett,  Okenbrett,  das  Brett,  womit  die  OefFnung,  die 
zwischen  dem  untern  Teile  des  Daches  und  dem  Gebäude  bleibt,  verschlossen 
wird. 

Aulamm,  an  manchen  Orten  Og'lamm,  Matterlamm.    Engl.  Ew-lamb. 

Anst  (von  August),  die  Erntezeit. 

Xver,  in  M.  gesprochen  äwer,  über.  He  geit  äver  mi,  er  geht  über  mir.  He 
geit  mi  äver,  er  übertrifft  mich.  Äverlien,  ttberhin;  oben  hin.  He  maakt 
alles  äverheUj  er  macht,  arbeitet  alles  flüchtig,  oberflächlich,  untüchtig. 

Xver,  ttverst,  averst,  aber. 

Xveraars,  rückwärts,  ä  reculons. 


9* 


132 


Der  ^ATegekörter  von  1B92. 

Auf  den  Wegekörter,  die  einzige  niederdeutsche  Schwanksammlung 
des  16.  Jahrhunderts^),  hat  Goedeke  zuerst  hingewiesen;  denn  auch 
die  Brüder  Colshom,  die  1854  zwei  Stücke  daraus  in  ihren  Märchen 
und  Sagen  abdruckten,  verdankten  wohl  ihm  ihre  Kenntnis  des  Geller 
Exemplars.  Da  jedoch  seine  Charakteristik^):  „Eine  gemischte 
Sammlung  von  29  Märchen,  Schwänken,  Schildbürgereien  aus  dem 
Wegkürzer,  Rollwagen,  Schimpf  und  Ernst  u.  s.  w.^  trotz  ihrer  Kürze 
zwei  Irrtümer  enthält,  wird  eine  genauere  Beschreibung  des  Büchleins 
an  dieser  Stelle  gerechtfertigt  erscheinen.     Der  Titel  lautet: 

Wegekörter,   de  |  klene,  EtUle   [I]  kortwili-  |  ge  vnde  tüchtige 
Historien.  |  ):(  |  [Zwei  HoUschnüte :   Eine  mit    ausgestrecktem    Finger 
redende  Frau  und  ein  gleichsam  erschreckt  zurückweichender  Mann.] 
Anno  M.D.XCII.  |  5  Bogen  8^.    Auf  Bl   E8a  steht:   Z.V.C,   wozu    ein 
neuerer   Benutzer  des   Buches   die  Bemerkung  hinzugefügt  hat:   'Heinr. 
Binder,  Hamburg.'  —  Exemplar  in  der  Ministerialbibliothek  zu  Celle. 

Kein  Vorwort  giebt  Aufschluss  über  den  ungenannten  Heraus- 
geber. Gleich  auf  der  Rückseite  des  Titelblattes  beginnen  die  „kurz- 
weiligen und  züchtigen"  Erzählungen,  deren  Ueberschriften  ich  weiter 
unten  mitteile.  Ihre  Zahl  beträgt  30,  nicht  29;  eine  Numerierung 
fehlt.  Der  Inhalt  ist  bunt  genug ;  denn  wir  finden  da  die  noch  heute 
verbreiteten  Kindermärchen  von  der  Feindschaft  der  Hunde  und  Katzen. 
vom  gescheiten  Hans,  vom  tapferen  Schneiderlein,  ferner  lustige  Aben- 
teuer wie  das  des  fahrenden  Schülers  aus  dem  Paradies  oder  das  des 
Hungrigen,  der  im  fremden  Lande  zum  Zahnbrecher  statt  ins  Wirtshaus 
gerät,  Mordthaten  neben  schwankhaften  Ehebruchshistorien,  allerlei 
Exempel  von  Bauerndummheit  und  Weiberbosheit  neben  artigen  Witz- 
reden und  Schildbürgerstreichen. 

Im  wesentlichen  sind  diese  Erzählungen  aus  drei  hochdeutschen 
Schwankbüchern  elsässischer  Verfasser  entlehnt,  dem  Rollwagenbüclilin 
Georg  Wickrams  (zuerst  1555  erschienen),  der  Gartengesellschaft 
Jakob  Freys  (1556)  und  dem  Wegkürzer  des  Martin  Montanus  (1557). 
Wahrscheinlich  lagen  diese  dem  niederdeutschen  Uebersetzer,  der  einige 
erst  nach  1560  in  den  Rollwagen  aufgenommene  Stücke  benutzte,  in 
einer  Frankfurter  Ausgabe  von  1590  vor,  in  der  alle  drei  Werke 
zu  einem  Ganzen  vereinigt  waren.  Aus  dem  Rollwagenbücbleiu 
stammen  17  Schwanke  (Nr.  9.  13 — 27.  30),  aus  der  Gartengesellschaft 

^)  Im  17.  Jahrhundert  erscheinen  nur  noch  einzelne  niederdeutsche  Partien 
in  hochdeutschen  Schwankbüchem,  wie  in  der  trefflichen  Sammlung  des  Pseudonymiis 
Joh.  Peter  de  Memel,  die  C.  Walther  (Zeitschr.  d.  V.  f.  hamburg.  Gesch.  9,  143) 
dem  Colonellschreiber  Gottfried  Schnitze,  und  F.  Gerhard  (J.  P.  de  Memels  Lustige 
Gesellschaft  1893  S.  114)  dem  bekannten  Joh.  Prätorius  zuweist. 

*)  Grundriss  1,  378  (1859)  =  2.  Aufl.  2,  472  (1886).  Vor  Goedeke  hat 
übrigens  schon  Spangenberg  das  in  Celle  befindliche  Exemplar  des  Wegekörters 
gekannt  und  in  der  Allgem.  Literatur-Zeitung  1827  Bd.  1  n.  91  sp.  733  seinen 
Titel  angeführt. 


133 

8  Stücke  (Nr.  4 — 8.  10.  28.  29),  während  der  Wegktirzer  ausser  dem 
TiteP)  nur  drei  Historien  (Nr.  1 — 3)  geliefert  hat.  Eine  Nummer  (12) 
ist  dem  Aesop  Steinhöwels  entnommen,  fiii*  Nr.  11  habe  ich  noch 
keine  Vorlage  ermittelt.  Paulis  Schimpf  und  Ernst  ist  entgegen 
Goedekes  Behauptung  nicht  verwertet. 

Somit  enthält  der  Wegekörter  allerdings,  wie  Goedeke^)  bemerkt, 
nichts  Neues,  sondern  schöpft  gleich  so  vielen  Schwanksammlern  — 
ich  erinnere  nur  an  den  'Schertz  mit  der  Warheit' *)  (1550),  an  Bern- 
hard Hertzogs  Schiltwacht*),  an  Hulsbuschs  lateinische  Auswahl),  an 
die  'Kurtzweiligen  und  lächerlichen  Geschieht  und  Historien'  von  1583 

—  aus  bewährten  Vorgängern.  Aber  ich  kann  nicht  mit  dem  hochver- 
dienten Forscher  finden,  dass  er  „nur  hastig  zusammengeraspelt"  sei. 
Sein  Autor  hat  in  der  Zusammenstellung  guten  Geschmack  und  An- 
standsgefühl ohne  Uebertreibung®)  bewiesen  und  seine  Vorlagen  sinn- 
gemäss wiedergegeben,  somit  sich  ein  bescheidenes  Verdienst  erworben. 

Bei  den  folgenden  Nachweisungen  habe  ich  vom  Rollwagenbüchlein 
die  1865  erschienene  Ausgabe  von  H.  Kurz,  von  der  Gartengesellschaft 
meinen  unter  der  Presse  befindlichen  Neudruck  citiert.  Die  beigefügten 
Proben  werden  von  dem  Charakter  des  Werkes  eine  ausreichende 
Vorstellung  gewähren. 

1.  Van  einem  köninge,  Bönhasen,  Besen,  Einhome  vnd  wilden  Swyne 
(Bl.  Ajb).  —  Nach  Montanus,  Wegkürtzer  1557  Bl  18a,  Nr.  5:  'Von  einem 
könig,  Bchneyder,  rysen,  einhorn  vnd  wilden  schwein^  (=  Goedeke,  Schwanke  des 
16.  Jahrhunderts  1879  Nr.  6  =  Bobertag,  400  Schw&nke  des  16.  Jahrhunderts 
1887  Nr.  37).     Unten  S.  135  abgedruckt. 

2.  Warümme  de  hunde  sich  tmderlanges  vor  den  stert  rüken  (BL  A  6a). 

—  Nach  Montanus,  Wegktlrtzer  Bl.  39a,  Nr.  14:  'Warumb  die  hund  einander 
für  den  hindern  8chmecken\  (Vgl.  zn  dem  Stoffe  Hans  Sachs,  Fabeln  und 
Schwanke  hsg.  von  E.  Goetze  Nr.  200.     Bolte,  Zeitschr.  für  vergl.  Littgesch.  7,  451). 

3.  Wo  ein  Maget  sede,  se  drincke  fienen  Wyn,  (Bl.  A  7a).  —  Nach 
Montanus^  Wegkürtzer  Bl.  52b  Nr.  21:  'Ein  magdt  sagt,  sie  trenck  kein  wein\ 

4.  Van  einem  grauen  narrisdien  huren  söne,  de  junge  Oense  vthbreden 
ivolde  (Bl.  A  8a).  —  Nach  Frey,  Gartengesellschaft  1656  Nr.  1:  Ton  einem 
groben  närrischen  bauren,  der  wolt  junge  gäus  ausbrütlen.'  —  Abgedruckt  bei 
Colshom,  Märchen  und  Sagen,  Hannover  1854  S.  237  Nr.  84,  doch  mit  Tilgung 
der  Ortsnamen  Gebeliugen  und  Sarbrüggen  und  einigen  Aenderungen  des  Ausdruckes. 


*)  Dieser  kehrt  auch  in  dem  niederländischen  Wechcorter  (Tijdschrift  voor 
uederlandsche  taal-  en  letterkunde  13,  85)  wieder,  von  dem  mir  kürzlich  ein  Am- 
sterdamer Druck  von  1613  zu  Händen  kam. 

«)  Schwanke  des  16.  Jahrhunderts  1879  S.  XXVII. 

")  Vgl.  die  sorgsame  Quellenuntersuchung  von  Stiefel  im  Archiv  für  neuere 
Sprachen  95,  55  (1895). 

*)  Die  erste,  bisher  noch  nicht  aufgefundene  Ausgabe  muss  vor  1563  er- 
schienen sein;  vgl.  das  Verzeichnis  des  Leipziger  Buchhändlers  C.  Ziehenaus  im 
Archiv  f.  Gesch.  des  d.  Buchhandels  17,  16  (1894). 

^)  Sylva  sermonum  iucundissimorum  (Basileae  1568).  H.  übersetzt  p.  1  aus 
Montanus  (ander  theyl  der  Gartengesellschaft),  p.  37  aus  Wickram,  p.  104  aus 
Frey,  p.  174  aus  Montanus  (Wegkürtzer),  p.  188  aus  Schumann,  p.  200  aus  Hertzog, 
p.  232  aus  Pauli  und  Kirchhof. 

•)  In  Nr.  7  hat  er  mehrere  anstössige  Ausdrücke  Freys  (S.  91,  3.  91,  7  ed. 
Bolte)  abgeändert. 


134 

5.  Wo  ein  nian  vnd  syn  frouwc  eins  worden,  se  scholde  de  man  mit 
dem  arbeide  syn,  so  wolde  he  frowe  mit  der  htisholdinge  syn  (BL  B  3a).  — 
Nach  Frey,  Gartengesellschaft  Nr.  20:  'Ein  man  und  ein  fraw  wurden  eins, 
sie  solt  niann  mit  der  arheit,  so  wolt  er  fraw  mit  haushalten  sein." 

6.  Va7i  einem  Eddelmanne,  de  alle  gefete  vp  dem  dissche  thom  vinster 
henuth  werpet  (Bl.  B  7a).  —  Nach  Frey,  Oartengesellschaft  Nr.  66:  *Von 
einem  edelmann,  der  alles  geschirr  uff  dem  tisch  zum  fenster  hinauß  warff.' 

7.  Van  eines  börgers  frouwen  tho  Aufsborch  vnd  einem  jungen  Eddtl- 
man,  wo  se  em  eine  guÜen  Kede  affierbolde  vnd  wedder  geuen  moste  (BL  B  7bi. 

—  Nach  Frey,  Gartengesellschaft  Nr.  76:  Ton  einer  goldtschmidin  zu  Augsburg 
und  einem  jungen  edelman,  wie  sie  im  ein  guldin  kettin  ab  erbulet  und  wider  gab.' 

8.  Van  einem,  de  dar  mende,  dat  he  hedde  einen  schait  gefundmi,  do 
Mdde  he  dat  bedde  vuU  gescheten  (Bl.  C  la).  —  Nach  Frey,  Gartengesellschaft 
Nr.  77:  'Ein  Schatzgräber  vermeinet,  er  hett  ein  schätz  funden;  da  het  er  das 
beth  voll  ghofiert.* 

9.  Wo  einer  sede,  lie  queme  van  Pariß,  do  mende  ein  Bunvyff,  he 
qtieme  vth  dem  Paradise  (Bl.  C  2a).  —  Nach  Wickram,  RollwagenbQchlin 
Nr.  107:  'Von  einem  armen  Studenten,  so  au0  dem  paradyß  kam,  vnd  einer 
reychen  bettrin.* 

10.  Van  einem  Studenten  tho  Franckfort  an  der  Ader,  wo  de  so 
subtil  tho  syner  süster  Hochtydt  was  (Bl.  C  4b).  —  Nach  Frey,  Garten- 
gesellschaft Nr.  127:  Ton  einem  Studenten  zu  Franckfort  an  der  Ader,  wie  er 
so  höflich  bey  seiner  Schwester  hochzeit  was.* 

11.  Mn  Fabel  van  einem  Arsten  (BL  C  6a).  —  Quelle  noch  nicht  er- 
mittelt. —  Unten  S.  138  abgedruckt 

12.  Eine  Fabel  Isopi  van  flytigen  arbeide  (Bl.  C  6b).  —  Nach  Stein- 
höwels  Aesop,  Rimicius  Nr.  17  S.  259  ed.  Oesterley  1873  *Von  ainem  bnwman.' 
Zum  Stoffe  vgl.  Oesterley  zu  Kirchhofs  Wendumut  1,172. 

13.  Van  dem  narren  im  sacke  (BL  C  6b).  —  Nach  Wickram,  Roll- 
wagenbüchlin  Nr.  105:  Ton  dem  narren  im  sack.* 

14.  Wo  ein  kindt  in  kindtlicher  vnse  ein  ander  kindt  vmmebringei 
(Bl.  C  7b).  —  Nach  Wickram,  Rollwagenbüchlin  Nr.  74:  Ton  einem  kind. 
das  kindtlicher  weis  ein  ander  kind  vmbbringt.' 

16.  Van  einem  Lantzknecht,  de  men  dree  wordt  begeret  mit  sytietn 
Höuetmanne  tho  redende  (BL  C  8a).  —  Nach  Wickram  Nr.  16:  *Von  einem 
lantzknecht,  der  nur  drey  wort  begert  mit  seinem  hauptmann  zu  reden.* 

16.  Van  twen  Lantzknechten,  de  miteinander  in  den  krych  tör/eu 
(Bl.  D  la).  —  Nach  Wie  kram  Nr.  14:  *Von  zweyen  lantzknechten,  die  mit- 
einander in  krieg  zogen.* 

17.  Wo  ein  koepmmi  kamerloge  in  ein  oldt  schajpp  ghot  (Bl.  D  2a).  — 
Nach  Wickram  Nr.  99:  'Ein  kauffman  schtttt  bruntz  in  ein  gwandkasten.* 

18.  Wo  einem  ein  tene  wedder  synen  willen  vthgeiagen  wart  (Bl.  D  3a). 

—  Nach  Wickram  Nr.  65:   'Einem   ward    ein   zan   wider   seinen   willen  auß- 
brechen,  als  er  gern  gessen  hett* 

19.  Van  Twen  bösen  nahern  (Bl.  D  3b).  —  Nach  Wickram  Nr.  30: 
'Von  zweyen  bösen  nachbauren.* 

20.  Van  einem  Snyder,  dem  syn  frouwe  fladen  vor  vadem  kofft,  vnd 
beren  vor  iweren*)  (Bl.  D  4b).  —  Nach  Wickram  Nr.  16:  'Von  einem  Schneider, 
dem  sein  frouw  fladen  für  faden  kaufft.*  Georg  Voigtländer  hat  1642  ein  Lied 
daraus  gemacht.    (Oden  Nr.  75.) 

*)  Dazu  die  Bemerkung:  'Tho  weten,  dat  in  etliken  landen,  wen  se  seggen 
vaden,  zwirn,  nätz  edder  neyels,  dormit  menen  se  op  Sassensch  tweren.' 


135 

21.  Van  einem  wackeren  Umgesehen,  dat  meisterlick  wol  kegeln  könde, 
vnd  likewol  tho  iunck  was  beden  tho  leren  (Bl.  D  5b).  —  Nach  Wie  kr  am 
Nr.  69:  ^Von  einem  knäblein^  das  meisterlich  wol  keglen  knndt,  war  aber  noch 
zn  jung  lernen  betten.' 

22.  Wo  erer  twe  thosaniende  getuschet  hebben  (Bl.  D  6a).  —  Nach 
Wickram  Nr.  65:  'Ein  grawsame  vnnd  erschrockenliche  history,  so  sich  auch 
von  wegen  eines  kanffs  oder  tauscbs  zugetragen  hatt* 

23.  Volget  van  twe  Roßtüschern,  wo  se  mit  einander  tuschen,  büten 
edder  tummeln  willen  (Bl.  D  8b)  Dazu  auf  Bl.  E  la  ein  Holzschnitt,  der  einen 
Tom  Pferde  abgestiegenen  Reiter  darstellt,  der  mit  abgezogenem  Baret  einen 
barhäuptigen  Mann  begrüsst;  darüber  steht  noch  eine  Überschrift;  'Wo  twe 
Roßtüscher  mit  einander  hüten  willen.'  —  Nach  W  i  c  k  r  a  m  Nr.  31 :  'Von  zweien 
rossztauschern,  die  Schelmen  tauschten.' 

24.  Wo  ein  Eddelman  vorbodt,  dat  syne  buren  flieht  scholden  flöken 
edder  sweren  (Bl,  E  2b).  —  Nach  Wickram  Nr.  50:  *Ein  edelmann  verbot 
seinen  bawren  zu  schweren.' 

25.  Van  einem  narren  vp  dem  duuenböne  (Bl.  E  3b).  —  Nach  Wickram 
Nr.  109:  Ton  dem  narren  im  taubhau  ß.' 

26.  Van  einen  reisigen  kriecht  (Bl.  E5a). —  Nach  Wickram  Nr.  61: 
'Ein  reisiger  knecht  reit  ein  büchsenschntz  von  Colmar,  entschlafft,  kummt  wider 
hinein,  meint,  er  sey  zu  Schietstatt.' 

27.  Van  einem  grauen  buren,  de  negen  dage  ein  leter  was*)  (Bl.  E  5b). 

—  Nach  Wickram  Nr.   10:  'Von  einem  beyerischen  banren,  der  neun  tag  ein 
lässer  was.' 

28.  Van  einem  groten  kukuck  (Bl.  E  6a).  —  Nach  Frey,  Garten- 
gesellschaft Nr.  27:  'Von  eim,  der  seiner  gmein  gauch  erhielt,  und  ime  der 
wolff  ein  pferd  darüber  frass.'  —  Abgedruckt  bei  Colshorn,  Märchen  und  Sagen 
1854  S.  233  Nr.  81. 

29.  Wo  de  buren  van  Oarborch  einem  WalWome  tho  drünckende  geuen 
(Bl.  C  7a).  —  Nach  Frey  Nr.  12:  'Die  bauren  von  Gar  bürg  wolten  einem  nußbaum 
zu  trincken  geben.' 

80.     Van  cinefm  koepmanne,  de  mit  Heringe  gehayidelt  hadde  (Bl.  E  8a). 

—  Nach  Wickram  Nr.  27:  'Von  einem,  der  häring  feil  hat' 

L 
(Nr.  1.)    Van  einem  kSninge,  Bonhasen,  Resen,  Einhorne  vnd 

wilden  Swyne. 

In  einem  Stedelin,  Romandia  genSmet,  ys  ein  Bönhase  geseten,  de  vp  ein 
tydt,  alse  he  gearbeidet,  einen  appel  by  sick  liggende  gehatt,  darup  vele  flegen 
geseten,  dat  en  sehr  tSmich  makede,  einen  läppen  wandes  genamen,  vp  den  appel 
geslagen  vnd  der  flegen  sOuen  erslagen.  Alse  sülckes  disse  eintfoldige  snyder, 
dat  ein  fryer  knecht  vnd  B6nhase  was,  geseen,  by  sick  sülnest  gedachte,  syne 
sake  scholde  gudt  werden.  Flnx  ein  sehr  schAn  hämisch  maken  leth  vnd  mit 
gfilden  Bockstauen  darup  schryuen:  'Sönen  in  einem  slage  tho  dode  geslagen.' 
Vp  der  Straten  in  synem  Harnisch  vmmeher  geghän.  Alle,  die  en  segen,  de 
menden,  he  hedde  sÄnen  minschen  mit  einem  slage  tho  dode  geslagen;  wart 
dardorch  van  yderman  seer  geschuwet. 

*)  Dazu  die  Bemerkung:  'Dat  ys,  wen  einer  vth  der  adem  gelaten  hefft, 
de  ys  ein  leter  beth  in  den  cb*udden  dach,  so  lange  schal  he  rowsam  leuen.  Querst 
disse  nam  negen  dage.' 


136 

Nu  was  in  dersülnen  jegent  ein  kduinck,  des  syn  lo£f  wydt  vnd  auerall 
erschall;  tho  deme  sick  disse  k&ne  Heldt  v5gede,  in  den  hoff  trat  vnd  sick  dar- 
sfilaest  inth  Graj}  nedder  lede  vnd  sleep.  De  Hoffdener,  de  dar  vth  vnd  ic 
gingen,  den  Mau  im  blancken  hämisch  [Bl.  Aija]  segen  vnd  de  auerschrifft  lesen, 
sick  seer  vorwunderden,  wat  de  strytbar  man  nu  in  fredes  dagen  in  des  könniges 
hoff  don  wolde;  he  düchte  en  wat  treflikes  syn.  De  heren  vnd  rede,  de  en  ock 
segen,  dem  Röuinge  sülckes  tho  wetende  deden  mit  antßginge,  dat,  wo  sick 
twespaldiuge  begeue,  he  ein  seer  nfitte  mann  were.  Dem  k6ninge  de  rede  wil 
gefeil,  vnde  na  dissem  blancken  manne  schickede,  en  fraget,  yfft  he  deusUs 
begerde.  De  böuhase  balde  antwert  gaff,  he  were  darum me  alse  her  gekamen 
vnd  bede  köniuckiike  majestat,  wor  se  syner  tho  gebrukende  hedden,  allerguedigest 
denst  mit  tho  delende.  De  köninck  em  balde  denst  tho  sede  vnd  em  ein  sun- 
derlick  losament  vorordende. 

Nu  stundt  ydt  nicht  lange  hen,  de  ruter  vnd  dener  w5rden  dissem  stareket 
Erygeshelde  gram,  hedden  wol  gewoldt,  dat  he  by  dem  satan  were;  wente  s<: 
befrüchteden  sick,  wo  se  scheiden  vneins  mit  em  werden,  w5rden  se  em  iu  nenem 
wege  wedderstandt  k5nen  dhon,  wenn  he  alle  tydt  s5nen  mit  einem  slage  thd 
dode  slande  wdrde;  gedachten  se  stedes,  wo  se  doch  des  krygesmans  los  werdea 
machten.  Doch  thom  lesten  rades  eins  werden  vnd  alle  auerein  queme[nj,  alle 
tho-  [Bl.  Aijb]  sameude  vor  den  E5ninck  tho  tretende  vnd  vmme  orloff  bidden. 
welckes  ock  geschach. 

Do  de  köninck  sach,  dat  alle  syne  dener  vmme  eins  maus  willn  orloä' 
nemen,  neen  truriger  man  he  jewerle  wardt,  hedde  leuer  gew61t,  dat  he  den 
kriger  nywerle  hedde  geseen,  drofft  em  doch  nicht  orloff  geuen ;  wente  he  fruchtet 
dat  he  sampt  alle  synem  volcke  dodt  geslagen  vnd  darna  syn  ryke  van  dem 
kriger  besetten  wörde.  Eadt  söchte,  wo  em  doch  tho  donde  were,  vnd  na  langen 
hen  vnd  her  denckende  tho  lest  einen  sinn  erfant,  dardorch  he  mende,  des  ge- 
weidigen krygers  loß  tho  werdende.  Schickt  an  em  vnd  helt  em  v6r,  dat  lit 
wol  Vornamen  hedde,  dat  he  ein  starcker  krygesman  were,  so  hedde  he  twe  Besen 
in  einem  Wolde,  de  em  vthermaten  schaden  thofdgeden  mit  morden,  reuen  vnd 
bernen,  einem  hyr,  dem  andern  dar,  vnd  nemandt  konde  se  vordriuen  mit  jeoniger 
wehr  noch  wapen;  wente  se  slögen  se  alle.  Vnd  so  he  sick  vnderstHu  wolde. 
desüluen  Resen  vmme  thobringende  vnde  he  se  vmmebr5chte,  so  wolde  he  em 
syne  dochter  tho  einem  wyue  vnd  syn  halue  köninckryke  thom  brndtschatte  geuen. 
so  wolde  [he]  em  ock  hundert  Euter  tho  hülpe  dhon  wedder  de  resen.     [Bl.  Aiija 

Dem  b5nhasen  wart  wol  tho  mode,  dat  he  scheide  eines  köninges  Dochter 
man  werden;  sprack,  he  wolde  gern  de  Resen  vmmebringen,  vnd  se  wol  ane  de: 
Rftter  hülpe  wüste  tho  döden.  Vnd  he  sick  thom  negesten  in  den  Waldt  V()get, 
de  Rüter  vor  dem  Walde  t^uen  hethe,  ginck  vmmeher,  sach  sick  wydt  vmme. 
yfft  he  de  Resen  nergens  sege,  vnd  na  langem  s5kende  he  se  vnder  einem  Bome 
slapende  vandt,  vnd  snarckeden,  dat  de  twige  bögen.  De  Bönhase  sick  k5rtlick 
besann,  wat  em  tho  dhonde  were,  las  synen  bussem  vuU  stene,  steech  vp  den  bom. 
dar  se  vnder  legen,  hoff  an  den  einen  mit  einem  stene  vp  syne  borst  tho  wer- 
pende;  daruan  he  balde  vpwakede  vnd  vp  den  andern  t5rnich  wart  vnd  aede: 
*Worümme  sleistu  my?'  De  ander  entschüldigede  sick,  so  he  best  konde,  vud  »t: 
slepen  wedder  iu.  De  Böuhase*)  auermals  mit  einem  stene  den  andern  werpet: 
daruan  he  vp  synen  gesellen  ock  b6se  wart  vnd  sprack:  'Wat  heffstu  my  tho 
slinde?^  Vnd  se  lethen  daruan,  worden  wedder  slapende.  De  snider  gttotz 
hefftich  vp  den  ersten  werpet,  des  de  Rese  nicht  lenger  vordragen  konde  vnd  yy 
synen  gesellen  hefftich  sloch;  wente  he  mende,  he  were  van  em  also  gesla^^n 
Vnd  de  ander  [Bl.  Aiijb]  wolde  sülcks  nicht  liden,  stünden  vp*),  reten  Bome 
vth  vnd  slögen  sick  vnderandem  süluest  tho  dode.     Alse  sülckes  de  snyder  sach, 

*)  BÜnhaser.    *)  vo. 


137 

wart  em  beth  tho  modei  alse  he  jewerle  gewesen  was,  steech  frdlick  van  dem 
bome,  vnd  einem  ydern  he  mit  synem  Swerde  etlike  wunden  gaff  vnd  wedder 
Yth  dem  walde  ginck. 

De  r&ter  frageden  en,  yfft  he  de  resen  nergens  geseen  hadde.  'Ja/  sede 
he,  'ick  hebbe  se  tho  dode  geslagen  vnd  vnder  dem  bome  liggen  laten.*  Se 
woldent  finerst  nicht  gelöuen,  dat  he  also  vngewnndet  scholde  van  den  Resen 
kamen,  sunder  se  reden  in  den  Woldt,  dat  wunder  tho  besichtigen,  vnd  se  vfindent 
so,  alse  en  de  snyder  gesecht  hadde.  Daruan  se  slck  seer  vorwunderden,  groth 
schreckent  entfengen  vnd  vel  5ueler  tho  mode  weren;  weute  se  hadden  sorge, 
so  he  en  viendt  w6rde,  w6rde  he  se  alle  ymmebringen. 

Beden  also  thohnß  vnd  seden  dem  köninge  de  dHt  an.  Vnd  de  snyder 
begerde  van  dem  köninge  de  dochter  sampt  dem  halnen  kÖninckrike. 

De  k6ninck,  alse  he  sach,  dat  de  Besen  erw6rget  weren,  vnd  derwegen 
syne  dochter  scholde  dem  vnbekanden  kriger  tho  echte  geuen,  begftnde  em  syner 
thosage  seer  tho  gerü-  [Bl.  Aiiija]  wen,  gedachte,  wo  he  doch  Sjmer  mit  guder 
Yoge  loß  wörde;  wente  he  em  de  dochter  tho  genende  in  neuem  wege  gesinnet 
was.  Dem  snyder  noch  einmal  sede,  wo  he  ein  Einhorn  im  walde  hedde,  dat 
em  so  grothen  schaden  an  Vee  vnd  l&den  dede;  wenn  he  datsülne  venge,  so 
wolde  he  em  de  dochter  geuen. 

De  snyder  was  des  wol  tho  freden,  nam  ein  strick  vnd  ginck  thom  walde, 
befoel  den,  de  by  em  weren,  her  buten  tho  wachtende,  he  wold  allene  in  den 
Woldt  Vnd  he  spatzerede  also  her  ymmer;  in  dem  sach  he  dat  Einhorn  jegen 
em  hertho  springen,  gedachte  ene  vmme  tho  bringen.  De  snyder  was  nicht 
Yubehendt^),  tÖuet,  beth  dat  jdt  gar  na  to  em  quam,  vnd  alse  ydt  nahe  by  em 
was,  tret  he  hinder  den  negesten  bom.  Dat  Einhome  Zuerst,  dat  sick  im  vuUen 
lope  nicht  wenden  konde,  mit  dem  home  in  dem  boem  leep  vnd  also  darinne 
ynuorwendet  stekende  bleeff.  Also  balde  trat  de  snyder  tho  vnd  dhede  dat  strick 
dem  Eiuhorne  vmme  den  hals  vnd  bandt  ydt  an  den  boem  vnd  ginck  heu  tho 
synen  gesellen  vnd  secht  en  syne  auerwinninge  des  Einhorns  an. 

Darna  dem  köninge  tho  weten  deden,  de  daruan  hertlick  trnrich  was,  wüste 
nicht,  wo  em  tho  donde  [Bl.  Aiiijb]  were ;  wente  de  Bönhase  der  dochter  iJegerde. 
Doch  begerde  de  kfininck  noch  einmal  an  den  krygesman,  he  scholde  em  dat 
wilde  Swyn,  dat  im  Walde  leep,  vangen ;  darna  wolde  he  em  de  dochter  ane  alle 
vortoch  geuen,  wolde  em  eck  syne  jeger  tho  ordenen,  de  em  helpen  scheiden, 
dat  wilde  Swyn  tho  vangen. 

De  Bftnhase  thoch  mit  alle  synen  gesellen  thom  walde ;  vnd  alse  se  hentho 
quemen,  befol  he  en,  her  buten  tho  bliuende.  Des  se  gar  wol  thofreden  weren ; 
wente  dat  Swyn  se  der  maten  vaken  entfangen,  dat  se  em  nicht  mehr  begerdeu 
na  tho  stellende;  danckeden  em  flytich.  De  snyder  trat  henin;  vnd  alse  en  dat 
Swyn  ersach,  leep  ydt  gelike  tho  em  an  mit  schümendem  munde  vnd  wetenden 
tenen  vnd  wolde  eu  thor  Erden  werpen.  Tho  allem  gelflcke  stnndt  ein  Capelleken 
im  holte,  darinne  men  in  vor  tyden  afflath  gehalet,  darby  euen  de  snyder  was. 
Vnd  alse  he  dat  ersach,  thom  negesten  in  dat  Gapelleken  leep,  bauen  thom  vinster 
wedder  heruth  spranck.  Dem  de  Su  alsobalde  na  volget  vnd  im  Capelleken 
stundt.  De  snyder  leep  strax  tho  der  dören,  sloech  se  tho  vnd  besloeth  dat  swyn 
im  Capelleken,  den  negesten  wech  hen  ginck  vnd  sölckes  synen  gesellen  antfiget, 
[Ava]  de  mit  einander  henin  in  den  Waldt  reden,  sülckes  befanden,  mit  grotem 
vorwunderende  na  huß  reden  vnd  dem  Eöninge  antögeden. 

Ifft  de  köninck  solcker  meere  fro  edder  trurich  gewesen,  mach  ein  yder 
geringe  vorstendich  lichtlick  affnehmen;  wente  he  dem  Bönhasen  syne  dochter 
hefft  geuen  möst.  Twiuelt  my  öuerst  gar  nicht,  hedde  de  k^ninck  gewAst,  dat 
ydt  ein  Bönhase  were,  he  hedde  em  eer  ein  Strick  gegeuen  alse  syne  dochter, 

*)  vnbehendr. 


138 

Nu  de  köninck  möst  syne  dochter  also  einem  ynbekanden  genen  nicht  mit  kiener 
bekümmernisse.  Darna  6aerst  de  gude  snyder  weinich  fraget,  gedacht  allene,  wo 
he  des  kÖniuges  dochterman  werden  möchte.  Also  wardt  de  Hochtydt  mit  klenen 
fröwden  ynllenbracht,  vnd  vdt  einem  B6nhasen  ein  köninck  geworden. 

Na,  alse  he  etlike  nacht  by  Sjmem  Gemale  geslapen,  hefft  he  im  slape 
geredet  vnd  gesecht:  'Knecht,  make  my  dat  wammes,  flicke  my  de  hasen,  edder 
ick  sla  dy  de  Elenmate  twischen  de  oren!'  Welckes  de  gude  kOninginne  enen 
gemercket  helft  vnd  sfllcks  erem  Heren  vader,  dem  k6ni[n]ge,  angetöget  vnd  en 
gebeden«  dat  he  er  des  mans  aifhülpe;  wente  se  wol  gemercket  hedde,  dat  he 
ein  snyder  were.     [Bl.  Avb] 

S&lcke  rede  den  köninge  syn  herte  dorchsneden,  dat  he  syn  enige  dochter 
einem  snider  genen  hedde.  Tröstet  se  vpt*  beste  vnd  secht,  se  schölle  de  tho- 
kümpstige  nacht  de  kamer  öpenen,  so  wil  he  etlike  dener  vor  de  kamer  stellen, 
vnd  wenn  he  mehr  also  secht,  schölen  se  henin  gähn  vnd  en  vmmebringen. 
Dat  gefell  er  wol. 

Na  hadde  de  köninck  am  Hane  einen  wapendrager,  de  dem  bönhasen 
gflnstich  was  vnd  des  köninges  rede  tho  der  fronwen  gehört  hadde,  sick  snelle 
thom  jungen  köninge  (welcker  se  snyder  was)  vnd  em  dat  sware  ördel,  dat  aner 
en  was  gegän,  apenbarede  mit  biddende.  he  wolde  sick  so  best,  alse  he  konde, 
vorwaren.  De  nye  kÖninck  sede  em  syner  waminge  groten  danck,  he  wüste 
disser  saken  wol  recht  tho  dhonde. 

Alse  nn  de  nacht  gekamen  was,  de  snyder  sick  mit  der  köninginnen  tho 
bedde  lede,  nicht  anders  derle,  als  yfft  he  slepe.  De  fronwe  stnndt  heimliken 
▼p,  öpende  de  kamer  vnd  lede  sick  wedder  tho  bedde.  De  snyder,  de  sülckes 
alles  hörde,  hoeif  an  tho  reden,  gelick  als  im  slape  mit  heller  stemme,  dat  ydt 
de  vor  der  kamer  wol  hören  möchten :  'Knecht,  make  my  de  [BI.  A  6a]  hasen, 
flicke  dat  Wammes,  edder  ick  wil  dy  de  elemate  twisschen  de  obren  slän  1  Ick^) 
hebbe  sönen  in  einem  slage  dodt  geslagen,  ick  hebbe  twe  Reseu  dodt  geslagen, 
ick  hebb  ein  Einhorn  vnd  ein  wilt  Swyn  gefangen ;  scheide  ick  denn  de  vor  der 
kamer  fruchten!' 

De  vor  der  kamer,  do  se  sfllcke  rede  vornemen,  nicht  anders  lepen,  denn 
als  jageden  se  dnsent  lanieu  köppe,  vnd  was  nicht  einer,  de  sick  an  den  bön- 
hasen richten  wolde.     Also  bleeff  de  snyder  alle  syne  dage  ein  köninck. 

IL 

(Nr.  11.)    Ein  Fabel  van  einem  Arsten. 

De  gewanheit  hadde  men  tho  Bome,  dat  des  krancken  water  tom  arsten 
gebracht  wart  by  einem  mit  twen  sülnern  penningen,  dat  he  radt  geue  thor 
gesnndtheit  des  krancken. 

So  schreff  ein  arste  maunigerley  arstenye  vnd  rädt  der  krauckheide  (eder 
lede  recepte)  in  einer  nacht  gar  vele  zede  vnd  lede  se  in  ein  uasck.  Des  mor- 
gens, wen  de  watere  to  em  gebracht  worden  vnd  hülpe  van  em  begert  wart, 
so  grep  he  in  dat  nasck,  mende,  de  erste  zedel,  den  he  slamplick  ergrepe,  den 
wolde  he  hemth  nemen.  Vnd  sprack  im  hemth  nemende  tho  dem,  de  rädt 
begerde:  'Bidde  Godt,  dat  du  ein  gudt  recept  heruth  krigest!' 

Disser  arsten  lopen  stedes  allenthaluen  noch  vele  roanck  andern  dorch  de 
lande,  de  mit  einem  recept  allerley  wunden  helen  könen,  meinen  se,  de  sick 
laten  doctor  beten,  vnd  synt  so  gelert  als  ein  perdt,  könen   latin   als   ein    swin. 

»)  Ich. 

BERLIN.  J.   Bolte. 


Verzeichnis 
der  Mitarbeiter  und  ihrer  Beiträge 


in  Bd.  I-XX. 


Adam,  E.,  in  Greifswald. 
Nd.  Hochzeitsgedichte  des  17. 
u.  18.  Jahrh.  aus  Fommeru  .  19|  122 

Babneke,  H.,  in  Königsberg  i.  P. 

Über  Sprach-  und  Gaugrenzen 
zwischen  Elbe  und  Weser  .    7,   71 

Weiteres  über  Dialekt-  und 
Gaugrenzen 14,     9 

Spieghel  der  zonden  .    .    .    .  17,   97 

Bäumker,  W.,  in  Rurich. 

Mnl.  Spruchdichtungen  .     .     .  13,104 

Bartseb,  K.,  in  Heidelberg,    (f  20. 

Februar  1888.) 

^  Mnd.  Osterlieder 5,  46 

Lateinisch-niederd.  Hexameter    5,   55 
Marien-Rosenkranz     .    .     .     .    6, 100 

Klosterallegorie 11, 128 

Zwei  nd.  Hymnen       .     .     .     .  11, 133 
Simdenklage    eines    Verstor- 
benen   . 11,136 

Lat.-nd.  Gedicht 11, 137 

Beehstein,  R.,  in  Rostock,     (f   5. 

Oktober  1894.) 
Der  Heliand  und  seine  künst- 
lerische Form 10, 133 

£xcurs.  Zur  Reimbrechung 
im  Heliand 10, 142 

Bernhardt,  J.,  in  Solingen. 

Glückstädter  Mundart    .18,81.    20,1 

Bolte,  J.,  in  Berlin. 
Das  Berliner  Weihnachtsspiel 

von  1589 9,   94 

Nd.  Übersetzung  von  Naogeorgs 

Mercator 11, 151 

Rists  Irenaromachia  und  Pfeif- 
fers Pseudostratiotae .    .     .11,157 
Naogeorgs   Mercator  polnisch  11, 176 
Hans  unter  den  Soldaten  .    .  12, 130 
lidurembergs  handschriftlicher 

Nachlass 13,   42 


Liederbuch  des  Fabricius   .    .  13,   55 
Per  Jesusknabe  in  der  Schule  14,     4 

Weinprobe 14,    90 

Nd.  und  nl.  Volksweisen    .    .  18,   15 
Zum  Crane  Bertholds  von  Holle  1 8, 1 1 4 
Warnung  vor  dem  Würfelspiel  19,   90 
Spottgedicht  auf  Kölner  Advo- 
katen      19, 163 

Trinkerorden 19, 167 

Der  Wegekorter    .     .    .    .    .20,132 

Brandes,  H.,  in  Potsdam. 

Zur  mnd.  Visio  Philiberti  .     .    7,   24 

Zum  Mühlenliede 9,   49 

Der  guden  farwen  kraus    .    .  10,   54 

Jesu  Namen 11, 173 

Guido  von  Alet 18,   81 

Kleine  mnl.  Dichtungen      .    .13,111 
RoUenhagens    Froschmeuseler 
und  die  protest.  Glosse  zum 

R.  V 14,     1 

Zur  Geschichte  der  Leberreime  14,   92 
Botes  Boek  van  veleme   rade  16,     1 

Bremer,  0.,  in  Halle. 

Föhringer  Plattdeutsch  .    .     .  12, 123 
Einleitung  zu  einer  amringisch- 

föhringischen  Sprachlehre  .13,  1 
Zum  Amringisch-Föhringischen  14, 155 
Zeugnisse  für  die  frühere  Ver- 
breitung der  nordfr.  Sprache  15,  94 
Pehlwormer  Nordfriesisch  .  .15, 104 
Anzeige 16, 161 

Brenl,  K.,  in  Cambridge. 

Zu  Pseudo-Gerhard  von  Minden  15,   78 

Brensing,  A.,  in  Bremen,   (f) 
Die    Sprache    des    deutschen 

Seemanns 5,1.180 

Bnitenrnst  Hettema  in  Zwolle. 

Reimsprüche  der  Vögel      .    .  11,171 

Carstens,  H.,  in  Dahrenwurth. 
Dat  Boddermaken 4,   87 


140 


Dei  Hau&ra 6,119 

Datt  Broudbakk'n      .     .     .     .     6,121 
Kinderspiele     aus    Schleswig- 
Holstein  8,98.   9,60.    10,49.    13,96 
Dat  Bosseln 10,   52 

Chemnitz,  E.,  in  Hamburg. 
Die  nd.  Sprache  des  Tischler- 
gewerks    in    Hamburg   und 
Holstein 1,   72 

Crecelins,  W.,  in  Elberfeld.    (f  1 3. 
Dezember  1889). 
Über  die  Grenzen  des  Nieder- 
deutschen   und    Mittelfrän- 
kischen       2,     1 

Bibliographisches 8, 183 

Antonius  Liber  von  Soest  als 

Grammatiker 4,     1 

Essener  Glossen 4,   44 

Kecepte    für    Bereitung    von 

Kräuterbier 4,   89 

Arnt  Buschman 7,    70 

Nd.  Kechenbücher     .     .     .     .  14,   98 

Crnll,  F.,  in  Wismar. 
Die   Buchstaben   0  und  H   in 
Wismarschen    Stadtbüchem 
usw.  des  14.  Jahrb.     ...     3,      1 

Caiemannn,  F.  6.  H.,  in  Hannover. 

(t  6.  Dezember  1886). 
Lobgedicht  auf  die  Stadt  Braun- 
schweig       1,   56 

Dahlmann  in  Leipzig. 

Die  English  Dialect  Societv   .  1,116 
Nd.  Bibliographie  für  d.  J.  1874 

und  1876 1,119 

Nd.  Bibliographie  für  d.  J.  1876  2,  153 

Damk9hler,Ed.,  i.  Blankenburg  a.  H. 

Zu  Gerhard  von  Minden    .     .  13,   75 

16,139.    19,111 

Diele,  dele,  däle 15,   51 

Zum  Sündenfall 15,    79 

Begenstein,  Reinstein,  Reinke  17, 136 
Zu    Botes    Boek    van  veleme 
rade 19, 109 

Deiter,  H.,  in  Aurich. 

Ein  lateinisch-deutsches  Gebet- 
buch des  15.  Jahrh.    ...     4,    62 

Tractaet  inholdende  vele  koste- 
lycke  remedien  off  medecynen 
weder  alle  krancheyt  der 
Peerden 6,   74 

Der  Appingadammer  Bauerbrief 
vom  2.  Juni  1327  in  nd. 
Übersetzung 7,   16 


Dat  waterrecht  nach  einer  Em- 
dener und  Auricher  Hand- 
schrift    7,    34 

Dat  Seentrecht  der  7  Münster- 
schen  Probsteien  in  Ost- 
friesland     8,    86 

Rymsproeke  to  vermaninge  der 
Richteren 8,    97 

Nd.  Vaterunser  mit  Glossen   .    9,  146 

Ermahnung  an  Nonnen  .    .     .  11,  l(w 

ten    Doornkaat   Koolman,    J.,    in 

Norden,  (f  18.  April  1881)). 
Tier-  und  Pflanzennamen  aus 

Ostfriesland 11,  111 

Friesische  Ortsnamen  und  deren 

älteste  Form 1 3,  1 5o 

Enling,  E.,  in  Lingen. 
Der  Kaland  des  Pfaffen  Koue- 
mann 18,    19 

Fischer,  L.  H ,  in  Berlin. 

Königsberger  Gedicht  a.  d.  J. 

1670 12,141 

Zur  Geschichte  der  Leberreime  14,    *J5 
Frisch  als  Sammler  mark.  Idio- 
tismen    16,  109 

Oaedertz,  K.  Th.,  in  Berlin. 

Johann  Rist  als  nd.  Dramatiker     7,  IUI 
Die   Hamburgischen  Opern  in 
Beziehung  auf  ihre  nd.  Be- 
standteile   8, 11.5 

Oall^e,  J.,  H.,  in  Utrecht. 

Mnd.  Arzneibuch 15, 105 

Graffander,  P.,  in  Fürsten walde. 

Mnd.  Margareten  Passion  .     .  19, 131 
Zum  Anseimus 19, 155 

Urauland,  V.,  in  Stockholm. 

Kriegsprophezeiung    .     .     .     .12,119 

Hänselmann,  L.,  in  Braunschweig. 

Braunschwcigischc  Fündlinge  .     3,    70 

6,135.    16,    69 

Kalenderorakel 6, 135 

Fragment  einos  Dramas  von 
Simson 6, 1 37 

Zwei  Gedichte  aus  der  Refor- 
mationszeit      9,    83 

Eine  merkwürdige  alte  Fäl- 
schung   16,    8(> 

Hofmeister,  A.,  in  Rostock. 

Caspar  Abels  nd.  Gedichte     .    8,      1 
Die  nd.Leberreime  des  Johannes 
Junior  v.  J.  1601    ....  10.    59 


141 


Heinrichs  von  Krolewiz  Vater- 
unser nd 17, 146 

Der  Verfasser  der  jüngeren 
Glosse  zum  Keinke  Vos  .    .  19,118 

Holstein,  H.,  in  Wilhelmshaven. 

Ein  lateinisch  -  deutsches  Vo- 
kabelbuch Yon  1542    .     .     .     6, 123 

Eine  nd.  Spottschrift  auf  den 
Hamburger  Patrioten  von 
1724 9,    75 

Iken,  J.  Fr.,  in  Bremen. 

Ein   bremisches  Pasquill    aus 

d.  J.  1696 18,   79 

Jahn,  C. 

Das  Volksmärchen  in  Pommern  12, 151 

Jellin/^hans,  H.,  in  Segeberg. 

Das  Mühlenlied 8,   83 

Zwei  plattdeutsche  Possen  von 

J.  Lauremberg 8,   91 

Aus    Kopenhagener    Hand- 
schriften     7,     1 

Bemerkungen  zu  Fr.  Woeste's 
Wörterbuch  d.  westfälischen 
Mundart  nebst  Briefen  des- 
selben    9,   65 

Mundart  des  Dorfes  Fahrenkrug  14,   58 

Syderak 14^   59 

Der  Heliand  und  die  ndl.  Volks- 
dialekte      15,   61 

Lübecker  Schulvokabular  v.  J. 

1511 16,111 

Rechtsaufzeichnungen    in    nd. 

Sprache 18,   71 

Jostes,  F.,  in  Freiburg  (Schweiz). 
Westfälische  Predigten  ...  10,   44 
Schriftsprache   und   Volksdia- 
lekte         .  11,   85 

Werdener  Liederbuch    .     .    .  14,   60 

Kalff,  0.,  in  Amsterdam. 

Moorkens-Vel 11,143 

Anzeige 14, 158 

Knoop,  0.,  in  Posen. 
Plattdeutsche  Sprüchwörter  u. 
Redensarten     aus     Hinter- 
pommem 15,   53 

Köhler,  H.,  in  Hamburg. 

Dat  Flas  (Lüneburger  Mundart)    3, 1 60 

Koppmann,  K.,  in  Rostock. 

Schwerttanz 1, 105 

llanschen  un  bot 1, 107 

Reimlust  im  15.  Jahrb.  .     .     .  1,108 

Zum  nd.  Kalender     .    .    .    .  1,110 


Irmin  und  St.  Michael  .    .    .  2,114 

Zum  nmd.  gh 3,     7 

Liebesgruss 8,     8 

Runmieldens 8,   67 

Friedrich  Woeste 8, 165 

K.  E.  H.  Krause 18,     1 

Krause,    K.   E.   H.,    in    Kostock. 
(t  28.  Mai  1892.) 
Rostocker  historisches  Lied  aus 

dem  Accisestrcit  1556     .    .     1,   57 
Nd.  Predigt  des  15.  Jahrh.    .    2,   11 
Zu  Schiller-Lübben  mnd.  Wör- 
terbuche      2.    40 

Brunsilgenholt ,    Brizilien    im 

Mittelalter 2,   83 

Brunsilgenholt 3,   56 

Caput  Draconis  und  die  Kreuz- 
woche     3,   76 

Flachsbereitung  im  Göttingen- 

schen 3, 156 

Statuten    und  Gebräuche   der 
Kopmann-    unde    Schipper- 
Bröderschaft  zu  Stade    .    .    4,   69 
Bruchstück  eines  mnd.  Kalen- 
ders        4,   91 

Hans  van  Ghetelen  aus  Lübeck    4,    96 
Erklärendes  Wörterverzeichnis 

der  Lüneburger  Sülze  .  .  5, 109 
Strassen,  Örtlichkeiten,  Kirchen 
etc.  in  Lüneburg,  auch  der 
nächsten  Umgebung  .  .  .  5. 167 
Quetsche,  Zwetsche  .  .  .  .  12,  97 
Mnl.  Bruchstücke  .  12,106.  15,39 
Nd.  Handschriften      .    .    .    .  15,   33 

Zitelose 15,   44 

Noch  einmal  das  Hundekorn  .  15, 149 
Die  Bohne  und  die  Vietzebohne  16,   53 

Latendorf,  F.,  in  Schwerin. 

Die  Deminutiva  der  nd.  Aus- 
gabe von  Agricola's  Sprich- 
wörtern       3, 101 

LSwe,  Rieh.,  in  Berlin. 

Dialektmischung  im  Magdebur- 
gischen Gebiete 14,    14 

Lonke,  A.,  in  Bremen. 

Physiognomische  Lehren    .    .  20, 122 

Lfibben,  A.,  in  Oldenburg,   (f  15. 
März  1884.) 

Einleitung l,     i 

Zur    Characteristik    der  mnd. 

Litteratur l,     5 

Medicinalia  pro  equis  conser- 

vandis 2,    19 

Rcimsprücho 2,   24 


142 


Zu    den    historischen    Volks- 
liedern von  E.  von  Liliencron    2,    35 
Urkundenbuch  der  Berlinischen 
Chronik.     Berliner   Todten- 

tanz 8, 170 

Van  de  Scheide  tot  de  Weichsel    3, 181 
Aus  dem  Yocabelbuche   eines 

Schülers 4,   27 

Zum  Umlaut 4,   41 

Spieghel  der  zonden      ...    4,   54 

Das  Hundekorn 4, 106 

Ostfriesisches  Urkundenbuch  .    4, 116 
Die  niederdeutschen,  noch  nicht 
weiter  bekannten  Handschrif- 
ten der  Bibliothek  zu  Wolfen- 
büttel     6,   68 

Etwas  über  nd.  Familiennamen    6, 145 
Bruchstück  einer  Unterweisung 

über  die  zehn  Gebote     .    .    7,   62 
Das    Paradies    des    Klausner 

Johannes 7,   80 

Die  Halberstädter  nd.  Bibel- 
übersetzung von  1522      .     .     8, 108 

Luther,  Joh.,  in  Berlin. 

Marienmesse 12, 143 

Salzwedel  und  die  übrigen 
Ortsnamen  auf  -wedel     .    .  16, 150 

Maass,  in  Brandenburg. 
Wie  man  in  Brandenburg  spricht    4,   28 

Mantels,  Wilh.,  in  Lübeck,   (f  18. 

Juni  1879.) 

Zwiegespräch  zwischen  dem 
Leben  und  dem  Tode     .    .    1,   54 

Aus  einem  niedersächsischen 
Pfarrherrn  von  Kaienberg  .     1,   66 

Noch  einmal  das  Zwiegespräch 
zwischen  dem  Leben  und 
dem  Tode 2, 131 

Ein  drittes  Blatt  aus  dem 
niedersächsischen  Pfarrherm 
von  Kaienberg 2, 145 

Krude 3,   83 

Nachträge 3,161 

Menz,  A.,  in  Norden. 

Nachtrag 3,    82 

Alte    Kanoneninschriften    aus 

dem  16.  Jahrhundert  ...     5, 189 

Mielek,  W.  H.,  in  Hamburg. 

Die  nd.  Sprache  des  Tischler- 
gewerks  in  Hamburg  und 
Holstein     .......     1,   72 

Das  Gothaer  mnd.  Arzeneibuch 
und  sei^e  Pflanzeunamen    .    2, 122 

Zeitlose» 4,   65 


Milkan,  F.,  in  Berlin. 

Mnd.  Pflanzenglossen     .    .    .  17,   81 
Älteste  deutsche  Übertragung 
des  Dies  irae 17,    84 

Hosen,  R.,  in  Oldenburg. 

K.  Strackerjan 15, 157 

Malier,  J.  6.,  in  Hildesheim. 

Jesus  dulcis  memoria  (Tagzeiten 
der  heiligen  Anna).    .    .    .     5,    5G 

Nissen,  C.  A.,  in  Kopenhagen. 
Eine  dritte  plattdeutsche  Posse 
von  J.  Lauremburg     .    .    .  11,  145 

Pratje,  H.,  in  Sobemheim. 
Syntax  des  Heliand   ....  11,      1 

Prenss,  0.,  in  Detmold,    (f  1.  Mai 
1892). 
Die  Lippischen  Familiennamen    9,      1 

Priebsch,  0.,  in  London. 

Marienklage 18,  105 

Ein  viertes  Blatt  aus  dem  nd. 
Pfarrherm    von    Kaienberg  18,111 

Prien,  F.,  in  Neumünster. 

Yan  den  Detmarschen  is  dyt 
ghedicht  (auf  die  Schlacht 
bei  Hemmingstedt,  1500)     .10,    89 

Pals,  A.,  in  Flensburg. 

Tannhäuserlied  u.  Maria  tzart  16,    G5 

Regel,  K.,  in  Gotha. 

Zwei  mnd.  Arzeneibücher  .    . 
Aus  dem  Gothaischen  Arzenei- 
buche 5,    61 

Beifferseheid,  AI.,  in  Greifswald. 

Beschreibung  der  Handschrif- 
tensammlung des  Freiherm 
August  von  Amswaldt  in 
Hannover       .     9,182.    10,5.    11,99 

Zwei  Briefe  Jacob  Grimms  an 
Albert  Hoefer 9,  146 

Albert  Hoefer  (Nekrolog)  .     .  10,  149 

Über  Pommerns  Anteil  an  der 
nd.  Sprachforschung   .     .     .13,    38 

Ribbeck,  W.,  in  Marburg. 

Ein  Liebesbrief  aus  dem  16. 
Jahrhundert 15,    73 

Schäfer,  D.,  in  Tübingen. 

Nd.  Inschriften  in  der  Krypte 
der  Domkirche  St.  Laurentii 
zu  Lund 9,  125 


4, 


5 


143 


Sehäffer,  J.  G.,  in  Bienebek. 

Edtliche  Christliche  Frage- 
stucken  vnd  Antwort  ...    8,   25 

Scheel,  W.,  in  Berlin. 
Zur   Geschichte    der    Pomme- 
rischen    Kanzleisprache   im 
16.  Jahrhundert      ....  20,   57 

Sehirmer,  K.,  in  Metz. 

Mitteilungen  aus  einer  nmd. 
Handschrift 9,    1 

Schifiter,  W.,  in  Dorpat. 

Zur  altsächs.  Grammatik  (An- 
zeigen)     ....  17,149.    18,160 

Zur  altsächs.  Bibeldichtung 
(Anzeige) 20,106 

Schmidt,    Gast,     in    Halberstadt. 

(t  2.  Januar  1892). 
^    Niederdeutsches  in  Handschrif- 
ten der  Gymnasialbibliothek 
zu  Halberstadt    ...    2,  27.    3, 60 
Fragment  des  Seebuchs      .    .    2,   80 
Dyt    ys    dy     erfindunge    und 
Wunderwerke    des     hilligen 
sacramentes  tho   der  Wils- 
nagk 8,   57 

SchrSder,  C,  in  Schwerin. 

Varia  aus  Wiener  Handschriften  2,  51 
YomHolze  des  heiligen  Kreuzes    2,   88 

Schröder,  Edw.,  in  Marburg. 

Der  Parson  of  Kalenborow  .  13,129 
Ebstorfer  Liederhandschrift  .15,  1 
Jacobs  von  Ratingen  Lied  auf 

das  Breslauer  Hostienmirakel  16,   41 
pjulenspiegels  Grabstein      .     .  16, 110 
Ein  lat.-nd.  Tractat  aus  Burs- 
felde       16,145 

Mnl.  Paraphrase  des  Hohen- 
liedes     19,   80 

Seelmann,  W.,  in  Berlin. 

Wo  de  sele   stridet  mit   dem 

licham.     (Yisio  Philiberti)   .  5,  21 

Arnt  Buschmans  Mirakel  .  .  6,  32 
Eyne    gude    lere     van    einer 

junchvrowen 8,  33 

Van  deme  drenker     ....  8,  36 

Des  Minners  Anklagen  ...  8,  42 

Des  Engels  Unterweisung  .     .  8,   63 

Farbendeutung 8,  73 

Friedrich     von     Hennenbergs 

geistliche  Rüstung  ....  9,  55 
Gories    Pccrse's    Gedicht   van 

Island 9  110 


Everhards  von  Wampen  Spiegel 
der  Natur     .     .    .10,114.    11,118 

Dilde,  dulde 10, 131 

Zwei    Verse    eines   niederlän- 
dischen Liedes  v.  J.  1173   .  10, 157 
Valentin   und    der   Verlorene 

Sohn 10,160 

Fragment  eines  Totentanzes  .  11,126 
Mnl.  Parthonopeus-Fragment  .  11, 170 

Nordthüringen 12,      1 

Ortsnamenendung-leben  ...  12,  7 
Bewohner    Dänemarks    und 

Schönens 12,   28 

Ptolemaeus  und  die  Sitze  der 

Semnonen 12,    39 

Das  norddeutsche  Herulerreich  12,   53 
Hassegau  und  Hocsioburg  .    .  12,   59 
Der  Zetacismus  und  seine  Ver- 
breitung in  Niedersachsen   .12,   64 

De  Heinrico 12,   75 

Thietmar  von  Merseburg,   die 
Merseburger  Glossen  und  das 
Merseburger  Totenbuch  .     .  12,   89 
Peder  Smed  u.  Amt  Buschman  12,   95 

Johan  Statwech 13, 121 

Die  Vogelsprachen  .  .  .  .14, 101 
Die  Totentänze  des  Mittelalters  17,  1 
Rollenhagen  über  mundartliche 

Aussprache 18, 120 

Nd.  Fibeln  des  17.  u.  16.  Jahrh.  18, 124 
Die  mnd.  langen  o  .  .  .  .18, 141 
Dietz'  Beiträge 20, 123 

Smidt,  H.,   in  Bremen,     (f  1878). 
Pädagogischer     Spruch     vom 

Ende  des  16.  Jahrh.  ...     2,    34 

Sohnrey,  H.,  in  Freiburg  i.  B. 

Ale  MUreken  von  der  Weper  8, 108 
Öppelken 10,112 

Spee,  J.,  in  Köln. 

Der  Flachs 3, 152 

Sprenger,  R.,  in  Northeim. 

Zu  Gerhard  von  Minden     .     .    4,   98 

6,188.    19,94 
Zu    den    historischen    Volks- 
liedern von  R.  von  Liliencron    4, 104 
Zum  Berliner  Todtentanz  .     .    4, 105 
Zu     Laurembergs     Scherzge- 
dichten  5,186.     15,84 

Zur  mnd.  visio  Philiberti    .     .     6, 130 

Bockshorn 6, 134 

Bruckstück  einer  Unterweisung 

über  die  zehn  Gebote     .    .    7,   62 
Nachträge      zu      Schambachs 
Göttingisch  -  Grubenhagen- 
schcm  Idiotikon      ....     8,    27 


144 


Molt 

Zum  Dramenfragment     .    .     . 

Zu  Reinke  Vos 

Zum  nd.  Aesopus       .... 

Zum  Sündenfall 

16, 116. 

Zu  Stephans  Schachbuch    .     . 

Zum  Düdeschen  Schlömer  .    . 

Zur  Kritik  und  Erklärung  des 
Theophilus 

Zu  Reuters  Dörchläuchting 

Zu:  Van  Sunte  Marinen,  Vru- 
wenlof,  Wolfenbütteler  Oster- 
spiel, Zeno,  Ancelmus,  Botes 
Boek  van  veleme  rade    .     . 

Zu  Konemann 

Zur  Marienklage 

Zu  Valentin  und  Namelos  .     . 

Zu  Brinkmanns  Erzählungen  . 


Strackerjan,    K.,    in    Oldenburg. 

(t*19.  November  1889.) 
Heinr.  Aug.  Lübbcn.    Gedächt- 
nisrede   9, 149 

Strackerjan,  L.,  in  Oldenburg,    (f) 

Winterklage 2,   26 

Tümpel,  H.,  in  Bielefeld. 

Zur  Einteilung  der  nd.  Mund- 
arten       10,158 

Die     Bielefelder    Urkunden- 
sprache       20,   78 


8, 

82 

9, 

48 

10, 

107 

13, 

69 

14, 

148 

19, 

107 

14, 

153 

15, 

91 

16, 

128 

17, 

88 

17, 

90 

19, 

102 

19, 

104 

19, 

108 

20, 

89 

Walther,  C,  in  Hamburg. 

Hamburger  mnd.  Glossen  .     . 

Mundartliches  im  Reineke  Vos 

Kleine  Beiträge      .... 

Friesisches  im  Ditmarschen? 

Causales  wenn  oder  wann  . 

Das  Fastnachtspiel  Henselin 

Bibliographisches  .... 

Zum  Fastnachtspiel  Henselin 
'    Über  die  Lübecker  Fastnacht- 
spiele     

Ein  historisches  Kirchenlied 
Abraham  Meyer's  v.  J.  1559 

Fragment  eines  Dramas  von 
Simson 

Status  mundi 

Nd.  Inschriften  in  der  Krypte 
der  Domkirche  St.  Laurentii 
zu  Lund    


1,  15 
1,  92 
1,113 
2,134 
2,149 
3,  9 
3,183 
5,173 

6,      6 

6,114 

6,139 
9,104 


9,127 


Die  Hamburger  Islandsfahrer    9, 143 

Kai       10,1.  103 

Joh.  Kediger 11,138 

Fragment     aus     Maerlants 

Spieghel  historiael  .  .  .11,168 
Zum  Redentiner  Spiel  .  .  .  16,  44 
Über  die  Sprache  der  Wederaer 

Urkunde 16,   93 

In  Drunten  varen 16, 107 

Schatrowe   im    Sachsenspiegel  18,   61 
Loven  *sich  belauben'    .     .     .18,   67 
Zu  den  Königsberger  Pflanzen- 
glossen   18, 130 

Zur  Geschichte  des  Volks- 
buches Yom  Eulenspiegel    .19,      1 

Wedde,  Joh.,  in  Hamburg,     (f) 

Miscellen  aus  dem  Sachsen- 
walde     1, 101 

Wcddigcn,  0.,  in  Wiesbaden. 

Aus  dem  Westfälischen  Magazin    4,    79 

Wehrmann,  0.,  in  Lübeck. 

Lebensweisheit 8,      8 

Fastnachtspiele  der  Patrizier 
in  Lübeck 6,      1 

Wilkcn;  E.,  in  Celle. 

Eine  Müustersche  Grammatik 
aus  der  Mitte  des  XV.  Jahrb.     3,    36 

Winkler,  J.,  in  Haarlem. 

Für  Mundartenforscher  ...     2,    45 

W^oeste,  F.,  in  Iserlohn,   (f  7.  Jan. 

1878.) 
Antworten  auf  Fragen  des  mnd. 

Wörterbuchs 2,    47 

Wert  u.  Benutzung  der  Magde- 
burger  Bibel  für  das  mnd. 

Wörterbuch 2,119 

Kinderspiele  in  Südwcstfalen  .  3,  1()3 
Südwestfälischc  Schelten  .  .  3,  lio 
Aberglaube  und  Gebräuche  in 

Südwestfalen 3,  127 

Briefe 9,    7o 

Wossidio,  R.,  in  Waren. 

Die  Präpositionen  und  präpo- 
sitionalen  Adverbien  in  der 
Mecklenburger  Mundart  .     .  20,    4() 


übersieht 

der  in  Bd.  1-20  abgedruckten  nd.  und  ndl.  Texte. 


Alt-  lind  mlttelnd.  Glossen. 

Essener  Glossen 4,   44 

*    Königsberger  Pflanzenglossen     .17,   81 
Hamburger  mnd.  Glossen  .    .    .     1,    15 
«     Lübecker    Schulvokabular    vom 

Jahre  1511 16,111 

Ein  lateinisch-deutsches  Y okabel- 

buch  von  1542       6, 123 

Mnd.  historische  Dichtnni;. 

"     Lobgedicht  auf  die  Stadt  Braun- 
schweig      1,    56 

'     Rostocker  historisches  Lied  aus 

dem  Accisestreit  1566    .     .     .     1,   57 

Lied  von  König  Ludwig  von  Un- 
garn      7,    11 

Zwei  (Braunschweiger)  Gedichte 

aus  der  Reformationszeit    .     .     9,   83 

Van  den  Detmarschen  is  dyt  ghc- 
dicht 10,   89 

Johan  Statwech 13, 121 

Jacobs  von  Ratingen  Lied  auf 
das  Breslauer  Hosticumirakel 
von  1453 16,    41 

Spottgedicht  auf  die  Kölner  Ad- 
vokaten (kölnisch)      .     .     .     .  19, 163 

Mnd.  weltliches  Lied. 

(Anfänge) 

Aver    wyl    ick    heuen    an    van 

eynem  Danhuser  syngcn     .     .  16,    65 
Dar  scholde  eyn  esel  (Schamper- 

nolleken)       16,   80 

Dar  steyt  eyn  lindekcn  ...  3,  73 
Do  de  leve  werde  meyg  .  .  .  15,  35 
Et  was    ecn    schipken   angckam 

(Weiuprobe) 14,    90 

NiederdcutiichDa  Jahrbuch.     XX. 


Id  redt  eyn  ridder  wolgemod     .15,  19 

Min  lef  heft  mi  vorlaten  ...  7,  94 
Na  groner  farwe  min  herten  vor- 

langhet 15,  18 

Och  Winter  kolt  wo  mannigfoldt    2,  26 

Wor  schal  ik  mi  henkeren    .     .  16,  78 

Fragment  eines  Volksliedes  .     .  15,   20 

Mnd.  Einzelsprilche  n.  Reimereien. 

Reimsprüche  (aus  einer  Emdener 

Sic  servetur  interdictum  ...  2,  27 
Sprüche  (aus  Halberstädter  Hss.)    2,   29 

30.    3,   60 

Blutsegen 2,   32 

Fastenspruch 2,   30 

Die  zehn  Gebote 2,   80 

Pädagogischer  Spruch  ....  2,  34 
Varia  aus  Wiener  Handschriften  2, 51.  53 

Lebensweisheit 3,     8 

Aus    dem    Vocabclbuche    eines 

Schülers  ....  4,27  (vgl.  5,55) 
Alte  Kanoneninschriften  aus  dem 

16.  Jahrh 5, 189 

Priameln 7,     9 

Rymsproeke  to   vermaninge   der 

richteren 8,    97 

Nd.  Inschriften  zu  Lund  .  .  .  9,125 
Lateinisch-nd.  Gedicht  .  .  .  .12, 137 
Sprüche  der  Ebstorfer  Licderhs.  15,  16 
Gi  minschenkindcr  up  erden  .  16,  74 
Warnung   vor   dem   Würfelspiel 

(kölnisch) 19,    93 

De  XVIII  egendome  der  drenkers  19, 167 
Zeichen  des  Tierkreises     ...     2,    27 

Briefreime 3,   73 

Unterschrift 2,    27 

10 


146 


Mnd.  Drama. 

Das  Fastnacbtspiel  Henselin  oder 
Von  der  Rechtfertigkeit     ,    .    3,     9 

Namen  der  Lübecker  Fastnacht- 
spiele    6,     3 

Fragment  eines  Dramas  von 
Sunson 6,137 

Der  Jesusknabe  in  der  Schule. 
Bruchstück  eines  niederrhei- 
nischen Schauspiels   ....  14,     4 

Sonstige   mnd.  Dichtungen    welt- 
lichen Inhalts. 

Aus     einem     niedersächsischen 

Pfarrherrn  von  Kaienberg  .    .     1,   66 
Ein  drittes  Blatt  aus  dem  nieder- 
sächsischen    Pfarrherm     von 

Kaienberg 2,145 

£in  viertes  Blatt  aus  dem  nieder- 
sächsischen    Pfarrherm     von 

Kaienberg 18,111 

Bruchstück    eines    Lobgedichtes 

auf  den  Filzhut 2,    54 

Van  den  eddele  ghestcnten   .    .    2,   57 

Rummeldeus 3,   67 

Kalenderorakel 6,138 

Eyn  gude  lere   van  e}Tier  junc- 

vrowen 8,   33 

Van  deme  drenker 8,   36 

Des  Minners  Anklagen  ....     8,    43 

Farbendeutung 8,   73 

Gories     Peerses    Gedicht     Van 

Island 9, 110 

Der  guden  farwen  kraus    .     .     .  10,    54 
Everhards  von  Wampen  Spiegel 

der  Natur  .    .     .     .     10,114.    11,118 
Beimsprüche    der    Vögel     (üt- 

rechter  Bruchstück)   .     .     .     .11, 171 
Vogclsprache   (aus  einer  Stock- 
holmer Hs.) 14,126 

Vogelsprachc  (aus  einem  Wiegen- 
drucke)       14, 146 

Hermen  Botcs  Boek  van  veleme 
rade 16,     1 

Mnd.  geistliches  Lied. 

Mnd.     Osterlieder     (aus     einer 

Hildcsheimcr  IIs.)       .     ,     .     .     5,    46 


Jesu  dulcis  memoria-    Tagzeiten 

der  h.  Anna 5,    56 

Ein  historisches  Kirchenlied 
Abraham  Meyer's  v.  J.  1559  .    6,114 

Mnd.  Kirchenlieder  (in  Kopen- 
hagener Hss.) 7,      1 

Johannes  Rediger 11, 188 

Eine  Werdener  Liederhand- 
schrift aus  der  Zeit  um  1500  .  14,    GO 

Die  Ebstorfer  Liederhandschrift  15,      1 

(Anfänge) 

Anna  ein  eddele  stam  du  bist  .16,   09 

Ave  Maria  roseke 15,    23 

Böge  dinen  strengen  telgen  .  .15,  13 
Criste  du  bist  dach  ende  licht  .14,  88 
Christus  is  uns  geboren  al  recht  11,  IS:; 
De    gröteste    kunst    der    werlt 

bekandt 6,115 

De  here  vorbode  den  engel  schone  15,  21 
Den  heren,  unse  gerechtigkeit   .  11, 139 

Dies  irae,  mnd 3,70.    17,84 

Ditat  herus  (lat. -nd.  Misch- 
gesang)      2,    28 

Dri  konningen  ut  Orienten  .  .  14,  05 
Droch  werlt,  mi  gruwet  vor  diu 

wesent 15,    15 

Een  jeghers  hom  mit  ricker  schal  14,    G3 

Een  vrolic  nie  liet 14,    77 

Eine  möl  ick  buwen  wil  (Mühlen- 
lied)    ....       3,86.    14,83.    15,6 
En  dach  des  tomes.de   dach  is 

genant 17,    86 

Gegrotet  sistu  Maria  vul  reine  .16,  70 
God  is  mir  holt,  bin  ik  sin  kint  7,  Vk~) 
Goddcs     sone     wolde    minsche 

werden 11,  131 

Hcfif  up  min   cruce  min  leveste 

brut 7,3.    14, 88 

Help  riker  god  van  baven  .  .  14,  70 
Het  is  een  dach  der  vroelicheit  14,  61 
Hochuterkom     juncfrauwe     fyn 

(Schülerlied) 2,    28 

Ick  grote  di  gerne  meres  steme  16,    71 

Ik  was  ein  vorste  also  grot    15, 19.  20 

Ick  bin  van  sorgen  drovich   .    .15,  24 

Ik  heb  die   schönste  utverkaren  14,  69 

Ik  rede  dat  van  ghansen  zynnen    7,  93 


14? 


Ik  sach  den  dach  upstigen    .    .  14,  72 

Ik  sach  den  here  van  Nazaret  .14,  79 

Ik  sach  die  aventsterne  .    .    .    14,  78 

Ik  se  de  lentes  tit  upghan    .    .    5,  50 

Ik  vronwe  ml  to  deser  stont     .  14,  76 
In  den  tiden  van  den  jaren   14, 86.    16, 41 

Jesus  soite  betrachtinge    ...    5,  56 
Lave  zederbom  Du  hoghelavede 

holt 15,  10 

Maria  tzart  van  edler  art      .    .  14,  67 

15,8.    16,30.  67 

Mit  desen  nien  jare 14,  64 

Mit  vrouden  willen  wi  singen    .  14,  80 

Nu  lave  hertken  lave    .    .    .    .  15,  12 

Nu  sterk  ons  god  in  onser  not  .14,  85 

0  Anna  zart 15,  31 

Och,  edel  mensch,  bedenk  die  tit  1 4,  74 

Ons  kompt  een  schep  geladen  .  14,  75 

Ten  ewigen  leven  weer  ik  gern  14,  82 

To  dissem  nuwen  jare  .     .     .     .  15,  22 

Uns  daget  hüte  en  salich  dach  15,  24 

Wal  up,  ik  mot  van  henen    .     .  14,  73 

Wi  willen  alle  vrolik  sin  .     .     .15,  23 
Wo  lüde  so  sank  de  lerer  .  14,81.   7,6 

Mnd.  Legenden. 

Vom  Holze  des  hcilifjcn  Kreuzes    2,   8rt 
Anseimus  vom  Leiden  (-hristi     .     7,  12. 

19,155 
Margareten  Passion       .     .     .     .  19,  131 

Sonstige 
mnd.  geistliche  Dichtungen. 

Heinrichs    von   Krolewiz    Vater- 
unser nd 17, 146 

Jesus  und  die  Seele      ....  7,     3 

Van  der  wapcn  Kristi  .     .     .     .  3,   71 

Marienklago 18, 105 

Marienmesse 12, 143 

Marien  Rosenkranz 6, 100 

Des  Engels  Unterweisung  ...  8,    03 
Der  Kaland   des   Pfaffen    Konc- 

mann 18,    19 

Weisse  und  grüne  Farbe  .     .     .  16,    74 
Friedrich  von  Hennenbergs  geist- 
liche Rüstung 9,    55 


Klosterallegorie 

Lehrer  und  Jüngling     .... 

Spieghel  der  zonden      .    .  4,54. 

Wo  de  sele  stridet  mit  dem 
licham  (Visio  Philiberti)     .    . 

Zwiegespräch  zwischen  dem 
Leben  und  dem  Tode     .  1,  54. 

Fragment  eines  Totentanzes  .    . 

Der  alte  lübisch-revalsche  Toten- 
tanztext     

Sündenklage  eines  Verstorbenen 

Paradies  des  Klausners  Johannes 

Gereimte  Gebete  .    .    .    .7,8. 

Weltliche  Prosa. 

Prosaauflösung  von  Berthold  von 
Helles  Crane  (köln.)       ,    .     . 

Ein  Liebesbrief  aus  dem  16. 
Jahrhundert 

Der  Wegekörter  von  1592     .    . 

Zwei  mnd.  Arzneibücher  (aus 
Gotha  und  Wolfenbüttel)  .    . 

Aus  dem  Gothaischen  Arzneibuche 

Mnd.  Arzneibuch 

Medizinisches 

Wider  die  Pestilenz      .... 

Physiognomische  Lehren    .    .    . 

Van  dem  eckenblade     .... 

Recepte  für  Bereitung  von 
Kräuterbier 

Krude      

Medicinalia  pro  equis  conser- 
vandis 

Tractaet  inholdende  remedien 
weder  alle  krancheyt  der  peer- 
den       


11, 128 
7,  6 
17,97 

5,    21 


2, 

130 

11, 

126 

17, 

68 

11, 

136 

7-, 

80 

16,  73- 

18, 114 


15, 

73 

20, 

132 

4, 

5 

ö, 

61 

15, 

105 

8, 

G4 

3, 

74 

2(), 

122 

2, 

32 

4, 

89 

3, 

83 

Waterrecht  nach  einer  Emder 
und  Auricher  Hs 

Dat  Seentrecht  der  Münsterschen 
Propsteien  in  Ostfriesland 

Appingadammer  Bauerbrief    .    . 

Statuten  nnd  Gebräuche  der 
*Kopmann-  unde  Schipper- 
Broderschaft'  zu  Stade  .     .     . 

Eine  merkwürdige  alte  Fälschung 
(Wedemer  Urkunde)  .... 

10* 


2,    19 


6,    74 


7,    34 


8, 

86 

7, 

18 

4, 

69 

16, 

80 

148 


("ragment  des  Seebuches  .    .    ;  2,   80 
Bruchstücke  mnd.  Kalender  4,91.   9,41 

Judeneid 16,   75 

Wafifenbesprechung 2,    27 

Heilzauber 16,   76 

Waffenbesprechung 2,   27 

Heilzauber 16,76 


2,    11 
10,   44 

11,167 


8, 

57 

3, 

65 

3, 

75 

4, 

62 

6, 

32 

7,    62 


Geistliche  Prosa. 

Nd.  Predigt  des  15.  Jahrh.  über 

Non  sum 

Westfälische  Predigten      .    .    . 
Ermahnung  an  die  Nonnen  eines 

Klosters 

Erfindunge  und  Wunderwerke  des 

h.  sacramentes  tho  der  Wils- 

nagk 

Van  den  apostelen 

De   processien   der  kruceweken 
Lateinisch  •  deutsches  Gebetbuch 

des  16.  Jahrh 

Amt  Buschmans  Mirakel  .    .    . 
Bruchstück    einer   Unterweisung 

über  die  zehn  Gebote    .    .    . 
Edtliche  christliche  Fragestucken 

vnd  Antwort 

Nd.  Vaterunser  mit  Glossen  .    . 

Guido  von  Alet 

Übersetzung    von    Evang.    Joh. 

1,  1—14. 
Biblische  Zeugnisse   vom  Lohne 

der  guten  Werke 

Ein  lateinisch  -  nd.   Tractat  aus 

Bursfelde       


Ans  nenniederdentscher  Zeit. 

Die    nd.    Leberreime    des   Joh. 

Junior 10,    59 

Zwei   plattdeutsche  Possen   von 

J.  Lauremberg 3,   91 

Eine  dritte  plattdeutsche  Posse 

von  J.  Lauremberg  ....  12,145 
Laurembergs    handschriftlicher 

Nachlass 13,   42 

Rist  als  nd.  Dramatiker  ...  7, 101 
Hans  unter  den  Soldaten.    Posse 

des  17.  Jahrh 12, 130 


8, 

25 

9, 

146 

13, 

81 

15, 

7 

16, 

27 

16, 

145 

Die  Hamburgischen  Opern  in 
Beziehung  auf  ihre  nd.  Be- 
standteile       8, 115 

Ein  Königsberger  Gedicht  in  nd. 
Mundart  aus  d.  J.  1670     .    .  12, 141 

Ein  bremisches  Pasquill  aus  d.  J. 

1696 18,    79 

Hochzeitsgedicht  aus  d.  J.  1697 
in  Westfälischer  Mundart  .    .    4,    82 

Eine  nd.  Spottschrift  auf  den 
Hamburger  Patrioten  von  1724    9,    75 

Caspar  Abels  nd.  Gedichte    .    .    8,     1 

Nd.  Hochzeitsgedichte  des  17. 
und  18.  Jahrh.   aus  Pommern  19, 122 

Westfälisches  Liebesgedicht  aus 
d.  J.  1792 4,    84 

Westfälisch-plattdeutsche  Ueber- 
setzung  von  Claudius  ^War 
einst  ein  Riese' 4,    85 


Proben  von  Hundarten. 


Lüneburg  (Hannover)    .    .    .    . 

Nienhagen  (ebd.)       

Solling  (ebd.)   ..:.... 

Delve  (Holstein) 

Fahrenkrug  (ebd.) 

Glückstadt  (ebd.) 

Lunden  (ebd.)  ....    6, 12L 

Stapelholm  (ebd.) 

Hinterpommern 

Kempen.  Geldern  (Rheinprov.)  . 
Südwestfalen 


3,  160 

10,112 
8,  lOG 
6,119 

14,    53 

20, 

10, 

15, 


52 
87 
53 


3,  154 
3,  103 


Führ  (Nordfiiesland)     ....  12,  126 
Pelworm 15,  104 

Niederländisches. 

Varia  aus  Wiener  Handschriften 
m,  IV    .    2,50.  51  (vgl.  13,111.    ir>0) 

Liebesgruss 3,      ^ 

Fragment  aus  Jacob  van  Maer- 

lant's  Spiegel  historiael      .     .  11,  IGs 
Mnl.  Parthonopeus-Fragment      .  11,  I7u 

Jesus  Namen 11,  173 

Bruchstücke    aus    Willem    von 
Ilildegacrsberch 12,  KW» 


149 


Kriegsprophezeiung 12, 119 

Lyedeken :  Mija  oocbgens  weenen  13,  62 
Mnl.  Spruchdichtungen  .  .  .13, 104 
Kleine  mnl.  Dichtungen     .    .     .13,111 

Mnl.  Bruchstücke 15,    39 

Spieghel  der  zonden     .    4,   54.  17,   97 


Van  wacr  compt  ons  den  coelen 

wyn 18,    18 

Mnl.  Paraphrase  des  Hohen- 
liedes     19,   80 

Keimlust  im  15.  Jahrhundert  1, 108 

Werdener  Liederhandschrift  .    .  14, 16 


Register 

zu  den  Bänden  1  bis  20. 


a  statt  0  1,  98;  9,  132  ff.;  20,  85. 

ä  and.  statt  ö  11,  90. 

A-B-C-Spruch,  mnl.  13,  12. 

Ahel,  Caspar  8,  1  f.  —  Die  hülflose 
Sassine  8,  7  f.;  Gespräch  von  hösen 
Weihern  8,  20  f.;  Hirten-Gespräch 
8,  23  f. 

Aherglauhe  in  Südwestfalen  3,  127  f. 

Accisestreit,  Rostocker  1,  57  f. 

Acta  Sanctomm  6,  68. 

Adolfi,  Johann,  s.  Neocoms. 

Advokaten,  Kölner  19,  163. 

Aesopus,  Ndd.  13,  69  ff. 

Affscheidt  Christian!  HI.  6,  114  f. 

Agnes,  S.  6,  69;  10,  42. 

Agricola  3,  101  f. 

Ahlstein  1,  114. 

Alanus  10,  44. 

Alhert,  Decan  in  Osnabrück  11,  87. 

Albertus  Magnus  11,  109. 

Alboin  12,  5. 

Alhrecht  van  Bardewich  1,  5. 

Alet,  s.  Guido 

Alexandersage  6,  24. 

Allegorische  Minnedichtung  8,  73. 

Altmärkische  Sprachformen  19,  134. 

Altenaer  Mundart  2,  2. 

Altsächsisch  11,  90  f.;  17,  149  ff.; 
19, 160  ff. ;  20, 106,  s.  auch  Heliand. 


Alvert  19,  123. 

Amicus  und  Amelius  6,  26. 

Ammeland,  Schmied  1,  104. 

Amrum,  Mundart  13, 1  ff. ;  160 ;  14, 155  ff. 

Amsweer  11,  151. 

Anckelmann  9,  75. 

Anderson  9,  115;  9,  124. 

Angeln,  Bedeutung  des  Namens  12,  23 ; 

in    Thüringen    12,    2.    21.    90;    in 

Schleswig  12,  9  ff. 
Anna,  S.  5,  56  f.;  6,  71. 
Anseimus  6,  70;  6,  72;  7,  12  f.;    17, 

94;  19,  131.  156—163. 
Antonius-Bruderschaft,  Stader  4,  69. 
Anxte,  Van  den,  ende  der  minnen  10,  20. 
Apocope  des  t  nach  ch  6,  144. 
Aposteien,  Van  den  3,  65. 
Appingadammer  Bauerbrief  7,  18  f. 
Arndes,  Steffan  10,  91. 
Arnold  von  Lübeck  6,  23. 
Arnswaldtsche  Handschriften  9,  123  f.; 

10,  5  f.;  11,  99—110. 
Arstedie,  Dudesche  5,  61  f. 
Artikel  des  Leidens  Christi,  Die  65 :  10, 4 1. 
Artussage  6,  19;  10,  3. 
arveyt  6,  144. 
Arzeneibücher  2,  122;  4,  5  f.;  5,  61  f.; 

6,  71;  15,  105  f. 
asna  1,  114. 


150 


Assibilatiou  12,  64. 
Augsburger  Beichstag  12,  81  f.;  86. 
Angustinus,    Leben  des    11,    99;   Ser- 
monen 11,  100. 
Aurora  grammatices  4,  1. 
Ausgang  der  Kinder  Israel  aus  Egypten 

9,  142;  10,  21. 
Aussprache,  Mundartliche  18,  120. 
Ave  Maria  11,  107. 

Aventmale  Christi,  Van  dem  10, 15;  10,39. 

Ayrer,  Jakol)  12,  132. 

Babylonischen  Monarchie,  Ende  der  8, 141. 

Bado  6,  8. 

Bahde,  Ernst,  19,  123. 

Baldach  6,  25. 

Balthasar,  Aug.  von  19,  122. 

Bangicheit    ende  lacht,    yan    geestiker 

10,  36. 

Barbiergesellen  in  Island  9,  111 ;  9, 143. 

Bardengau  12,  22. 

hare  1,  101. 

Barkhnsen,  Herman  1,  92. 

Bartholomeus,  Meister  4,  5. 

Basel,  Totentänze  17,  48. 

Bataven  2,  4. 

Bauernbetrügerei  11,  144. 

Baum,  der  geistliche  10,  23. 

Baumaun,  Nicolaus  1,  92;  19,  115  f. 

Baurenmasquerade  8,  130. 

Beccaus  Belsazer  8,  141. 

Behrmann,  Georg  9,  75. 

Beizeichen  3,  1. 

Beichtformeln,  Altsächsische  12,  7. 

bekaaid  10,  103  f. 

Belsazer  8,  141. 

belswort  2,  123. 

benty  *bi8'  16,  103. 

Bereitung  des  Herzens  10,  5. 

Berengar  12,  82. 

Berliner  Chronik,  Urkundenbuch  der  3, 

170  f.;  Totentanz  3,  178  f.;  4,  105; 

17,  42;  Weihnachtspiel  9,  94  f. 
Bernburg,  Enlenspiegelturm  19,  13. 


St.  Bernhards  Lehre   an  eine  Jungfrau 

6,  70;  6,  72. 
Berthold  von  Holle,  Crane  6,  30;    18, 

114   if. 
Besanmust  5,  15. 
Beschluss  des  Carnevals  8,  129  f. 
Beteuerungsformel  8,  113. 
Betrug,  Der  angenehme  8,  124. 
Betuwe,  2,  4. 
Beuther,  Michael  19,  114. 
Bibel,  Halberstädter  8,  108  f. ;  Kölner  8, 

108;  Lübecker  8,  109;  Magdeburger 

2,  119  f. 
Bibelbruchstücke,  Altsächs.  20,  106. 
Bibliographie  für  1874—75;  1,  119  f.; 

1876:  2,  153  f";  3,  183. 
Biechtdochter  10,  29. 
Bielefelder  Urkundensprache  20,  78  ff. 
-biki,  'bizi  12,  71  f. 
bin  =  bin  schuldich  3,  68.  . 
bitxaslec  4,  114. 
Blaue  Flagge  18,  15. 
Blefken  9,  112  f. 
bliven  =  schuldich  bliven  3,  68. 
Blutsegen  2,  32. 

Blytscap,  Van  hemelscher  10,  19. 
bobbeyi  2,  138. 
Boccaccio  6,  27. 
Bockshorn  6,  134. 
Böhmer,  W.  13,  37. 
Böhmische  Yogelsprache  14,   105.    118. 
Börner,  19,  123. 
Böse  Frauen,  6,  7. 
Bötticher,  Job.,  19,  123. 
Bohne  16,  53  ff. 
Boileaus  Satiren  8,  1;  8,  117. 
Bokenem,  Johannes  1,  96. 
Bonaventura  6,  70. 
Bookesbeutel  8,  139;  8,  150. 
bore  1,  101. 

Borybra^seUj  Borgtau  5,  18. 
Boroctra-Gau  2,  6. 
Bosseln,  Dat  10,  52  f. 


151 


Bostel,  Lucas  von  8, 117.  —  Cara  Masta- 

pha  8,  116  f.;  Croesus  8,  161  f. 
Bote,  Hermen  16, 1  ff.;  17,  95 ;  18, 151  f. ; 

Radbuch  16,  1  ff.;  19,  109  ff.;  Ver- 
fasser d.  Eulenspiegel  19,  79. 
Brandan  6,  25. 
Brandenburg  12,  54 ;  Mundart  4,  28  f. ; 

2Ö,  81. 
Brandis,  Matthäus  10,  91;  16,  5  f. 
brant  1,  101. 
Brassen  5,  5. 

Braune,  As.  Bibeldichtung  20,  106. 
Braunschweig,    Ein   neues  Gedicht  von 

9,    85    f.;    Lobgedicht    auf    1,   56; 

Eulenspiegel    19,    6;     59,    50     ff.; 

Schichtspiel  18, 154 ;  Totentanz  17, 42. 
Braunschweiger  Chroniken  1,  94;  Fund- 

linge  3,  70  f.;    6,  135  f.;    16,  69; 

Schichtbuch  1,  95. 
Braunschweigische    Mundart    16,    104; 

19,  126  n.  30. 
Braut  Christi  10,  40. 
Bräutigam,  der  geistliche  10,  15. 
Brechung  kurzer  Yoc.  in   offener  Silbe 

1,  97. 
Brede  mandach  1,  111. 
Bremen,  Eulenspiegel  20,  40. 
Bremer  Handschriften    2,  35;    20,  22; 

Kanoneninschriften  5,  189;  Pasquill 

18,  79;  Statuten  1,  5. 
Brennenberger,  Lied  v.  13,  59. 
Briefe   von  Fr.   Woeste    9,  70  f.,    von 

Jacob  Grimm  9,  146  f. 
Briefreime  3,  73. 
Brig  5,  20. 

Brigittens  Vision  1,  100;  9,  134. 
Brinckmann,  John  20,  89. 
Brizilien  2,  83  f.;  3,  56. 
Brockdorf,  Graf  von  9,  75. 
Brockes,  Barthold  Heinrich  9,  75. 
brodenreigendach,  brodentag,  brotgetis- 

tag  1,  112. 
Brotbacken  (ditmarsch)  6,  121  f. 


Brüder  des  gemeinsamen  Lebens  6,  34 ; 

9,  109. 
Brügge  17,  9.  16. 
Brugman,  Johan  10,  38;  10,  39. 
Brukterer  2,  5. 

Brun  von  Köln,  Erzbischof  12,  85.  87. 
Brunsfels,  Otto  19,  119. 
Brunsilgenholt  2,  83  f.;  3,  56. 
Brunst,  Job.  19,  123. 
Buch  der  letzten  Not  6,  70. 
Buch  der  ewigen  Weisheit  9,  132. 
Buch  der  zehen  gepot  7,  62. 
Buchstabenrätsel  3,  23. 
btickt  2,  142. 

Bülow  von  der  Tremse  3,  75. 
Bttnsow,  Christ.  19,  123  f.;  127. 
Bünsow,  Kaspar  19,  124. 
Bünsow,  Samuel  19,  124. 
Bugenhagen  8,  114;  9,  84. 
Burenbedregerie  6,  7. 
Burgunder  12,  47. 
Burmeister,  Joachim  1,  100. 
Bursfelde  16,  145. 
Buschmann,  Arnt  6,  32  f.;  7,  14;  7,  70; 

9,  134;  12,  95;  19,  131. 
Butterbereitung  4,  87. 
Calpumia  8,  138  f. 

Cantica   Canticorum    10,   13;    10,  34; 

10,  35. 
Capitano,  II  8,  130. 
Caput  draconis  3,  75. 
carallen  2,  123. 

Cara  Mustapha  8,  116  f. 

Carneval  von  Venedig  8,  124  f. 

Cassiodor  12,  53. 

Cato,  Distichen  3,  66;  6,  68. 

ch  statt  g  16,  98. 

Chalousos  12,  43. 

Chamaven  2,  4. 

chaperon  1,  107. 

Charudes  12,  35. 

Chattuarier  2,  4. 

Chaucer,  Assembly  of  foules  14,  123. 


152 


Chauci  12,  64. 
ChristuSy  Loblied  auf  6,  69. 
Christus  und  die  Seele  15,  13. 
Chronik,  Urknndenbach  der  Berlinischen 

3,  170  f.;  Lüneburger  6,  72;  6,  73. 
Schaumburgische  6,  73;  Detmars  1,  12; 

6,  22. 
cht  für  ft  18,  64. 
Chytraens,  David  1,  59;  19,  118. 
Clas  Engebart  1,  106. 
Clausthaler  Spiel  1,  106. 
Claustram  spirituale  6,  72. 
Clawes  Bur  6,  8. 
Cleopatra  8,  123  f. 
Clevische  Mundart  2,  3. 
Clnsen,  Van  eenre  geestliker  10,  43. 
Codanus  sinus  12,  36. 
Colmisches  Eecht  6,  73. 
Complexionen,  Lehre  von  den  10,  116  f. 
Conscientie,  Von  reiner  10,  11. 
Consonantengemination   1,  93;   8,  113. 
Conversieringhe,  Van  inwendigher  10, 15. 
Crimolt  6,  19. 
Croesus  8,  161  f. 
Cruces,  De  tide  des  h.  6,  70. 
Crux  fidelis  to  dude  6,  71. 
et  statt  cht  6,- 144. 
Cuno,  Die  lustige  Hochzeit  8,  130  f. 
Cuno  und  Meister,  Carneval  von  Venedig 

8,  124  f. 
Dähnert  13,  35. 
Dänemark,     Alte    Bewohner     12,    28; 

Ortsnamen  12,  10.  16. 
Dänen  12,  31.  33. 
Dänischer  Totentanz  17,  41. 
Daetri  14,  99. 

Daniel,  Soester  3,  128;  6,  8. 
Danse  macabre  11,  126;  17,  21.  59. 
Danza  de  la  muerte  17,  8.  63. 
David  von  Augsburg  10,  10. 
deie,  deien  2,  140. 
dele  15,  51  ff. 
demalaierre  5,  81. 


Deminutiva  bei  Agricola  3,  101  f. 

Grade  der  Demut  11,  102. 

Denksprüche  10,  24. 

Depositio  Comuti  Typographici  7,  172. 

det  6,  144. 

Detmars  Chronik  1,  12;  6,  22. 

-dey  3,  69. 

c^,  th  16,  97. 

Diätetische  Regeln  für  die  Monate  des 

Jahres  4,  19  f. 
Dialektgrenzen  2,  1  ff.;  11,  96;  14,9  ff. 
Dialektmischung  14,  14  ff. 
diele  15,  51  ff. 
Dies  irae  17,  84  ff. 
Dietz,  Job.  Ch.  Frdr.  20,  123. 
Dietz,  Ludwig  19,  115  ff. 
dilde  10,  131. 
Dische,  Van  deme  6,  70. 
Ditmarsche  Mundart  2, 134  f.;  6, 119  f.; 

10,  52  f. 
Diethmarschenlied  15,  37;  160. 
Dits    des   bestes    et    des   oiseaux    14, 

105  f.  121. 
Doberaner  Grabschrift  3,  75. 
Dodeleben  12,  27. 
Dodesdans,  Lübecker  1,  100. 
Doechden,  Van  XII:  10,  22;  10,  35. 
Draak  1,  102. 
Drachentragen  3,  75. 
Draconites  1,  59. 
drakenblot  2,  124. 

Drama  1,  9;  von  Simson  6,  137;  9,  48. 
dreedt  2,  140. 
Dreizehnten,  Die  1,  113. 
Drenker,  Van  deme  8,  36  f. 
Drewitz,  Theodor  13,  36. 
Drucke,  nd.  11,  94. 
Drunten  16,  107. 
Drusus  12,  50. 

Dubravius,  Job.  14,  105.  118. 
diulcsch  8,  109. 
Dndesche  arstedie  5,  61  f. 
Düffel  2,  4. 


153 


dulde  10,  131. 

Dummerjan  6,  12. 

Düren,  Van  9,  128. 

dusk  6,  143. 

dutie  1,  99. 

Ebstorf  15,  1. 

Ebstorfer  Liederhandschrift  15,  1  ff. 

Edzardas,  Sebastian  9,  76. 

Egidins,  Sprüche  des  10,  7;  10,  23. 

Ehlstein  1,  114. 

ei  ans  o^  17,  142  ff.;  fttr  e  6,  142. 

Eider  12,  38.  57. 

Einteilung  der  nd.  Mundarten  10,  158. 

eisich  17,  143  f. 

Ekenblade,  Van  dem  2,  32  f. 

Eiberfeider  Mundart  2,  9. 

Elegast  6,  20. 

Elisabeth,  S.  6,  70;  9,  138. 

Emdener  Handschrift  2,  26. 

Embeke,  Hinrik  y.  3,  1. 

enie,  ene  19,  136. 

ende  5,  24. 

Engelhns,  Dyderik  6,  72. 

Engelin,  Gau  12,  5;  90. 

Engels  Unterweisung,  Des  8,  63  f. 

Engem  2,  6. 

English  Dialect  Society  1,  116  f. 

ennöch  1,  98. 

Ente  2,  138  f. 

Epatologia  hierogliphicarythmica  10, 60  f. 

Eppen,  Melchior  19,  124. 

ere  19,  135. 

Erbrecht  der  Nordschwaben  12,  30. 

Eselshaupt  5,  19. 

Essener  Glossen  4,  44  f. 

-etj  -en  Pluralendung  11,  88;    20,  83. 

Eufrosina,  Van  10,  16. 

Eulenspiegel  Volksbuch  19,  1  ff.;  Name 

19,  6;  Sprache  der  Ausgaben  19,  18; 

Grabschrift    16,    110    f.;     19,    62; 

Drucke  19,  67. 
Eutii  12,  57. 
Evangelien,  Die  vier  6,  73. 


Evangelienharmonie  10,  33. 

Everhard    von    Wampen    10,    114    f.; 

11,  118;  18,  155. 
Ewer  5,  2;  5,  180. 
Eynwolde,  Van  sunte  6,  70. 
f,  ff  statt  inlaut.  v  9,  129. 
f  und  V  3,  28. 

Faber,  Dionysius  9,  105. 

Fabritius,  Petrus  13,  55  ff.;  160. 

Fahrenkrug  (Dorf)  14,  53. 

Fallen    und   Aufstehen   des  Gerechten, 

Siebenmaliges  10,  10;  10,  19. 
Familiennamen    6,    145    f.;    Lippische 

9,  1  f. 
Farbendeutung  8,  73  f.;  10,  54. 
Farbenlied  15,  18;  16,  74. 
Farwen  kraus,  Der  guden  10,  54  f. 
Fastenspruch  2,  30. 
Fastnachtspiel  (Henselin)  3,  9  f.;  5,  73  f.; 

6,  13;  (in  Lübeck)  3,  33;  6,  1  f.;  (in 

Hildesheim)  6,  9. 
Fausta,  S.  6,  69. 
Feind,  Barthold  8,  124  f. 
Felsen,  Von  den  neun  9,  133;  9,  139. 
Ferrandus,  Sermon  11,  99. 
Feuchtigkeiten,  Die  vier  4,  95. 
Feustkings  Cleopatra  8,  123  f. 
Fibeln,  Ndd.  18,  124. 
Filzhut,  Lobgedicht  auf  den  2,  54  f. 
Flachs,  Der  3,  152  f. 
Flachslieder  3,  154  f. 
Flesch,  Otto  Ernst  19,  124. 
Flottenfahrt  der  Römer  zum  Kattegat 

12,  41. 
Fock  5,  15. 

Föhr,     Mundart    13,    1  ff.     160;      14. 

155  ff.;  Plattdeutsch  12,  123  ff. 
Fonteinen  der  zielen  9,  135. 
Forchem,  Matthaeus  6,  8. 
Fränkisches  Reich  12,  5. 
Fragestucken,  Christliche,  8,  25  f. 
Franciscus  ghesellen  10,  6. 
Francke,  Aug.  Herrn.  9,  80. 


154 


Franzosen,  De  4,  95. 

Freckenhorster  Hofesrecht  1,  97. 

Freder,  Johannes  19,  120  f. 

Fremdwörter,  Ndl.  17,  99. 

Freaden  der  Maria,  Die  zwölf  7,  88  f. 

fri,  frig,  frei^  free  19,  49. 

Fridank  3,  67. 

Friederich  von  Hennenberg  15,  37. 

Friese,  Bembert  14,  99. 

Friesen  im  Hiidesheimischen  12,  72  not. 

Friesenfeld  12,  58.  63. 

Friesisches  12,  123  ff.;    13,  1  ff.;    15, 

94  ff.;  16,  161  ff.;    im  Ditmarschen 

2,  134  f. 
Frisch,  Job.  Leonh.  14,  96;  16,  109  f. 
Frowen  claghe,  Unser  6,  70. 
Fünen  12,  34;  Ortsnamen  12,  16  f. 
Fünfzehn    Zeichen    vor    dem    jüngsten 

Tage  10,  24;  10,  27;  10,  28. 
Fürstenwalde,  mnd.  Gedichte  19,  131  ff. 
Funnsii  12,  35, 

Fassfälle  Jesu,  Die  35;  9,  135. 
Fussfälle,  im  Mittelalter  12,  80. 
g,  altsächsisches  16,  98. 
Galie  6,  21. 

GaI16e,  As.  Grammatik  17,  149. 
Gandersbeim,  Totentanz  17,  43. 
Gang  nach  dem  Eisenhammer  4,  56. 
Gaagrenzen  11,  95;  14,  9  ff.;  zwischen 

Elbe  und  Weser  7,  71  f. 
Gebete  3,  70;  4,  62  f.;   7,  8;  9,  141. 
Gebote,   Zehn  2,   30;    3,  183;    6,   72; 

7,  62  f.;    10,  21;    gereimt  11,  103. 
Gebräuche  in  Südwestfalen  3,  127  f. 
Gedichtenisse  eens  mouincs  yan  S.  Ber- 

nardns  orden  9,  139. 
Geesteliken  leven  ende  van  geesteliken 

doet,  Van  9,  136. 
geil  17,  143. 

Geiler  von  Kaysersberg  9,  142. 
Geistliche  Lyrik  1,  6. 
gelacht  für  geleeht  1,  101. 
Geldemsche  Mandart  3,  152  f. 


gelik  mit  Genitiv  3,  19. 

Gelove  des  Mörders  am  Grütze  3, 183. 

Gemination  der  Consonanten    1,  93  ff.; 

8,  113. 
Genealogia  Christi,  nd.  13,  121. 
Gerard  van  Zutphen  10,  13. 
Gerdes,  Georg  19,  124. 
Gerdes,  Valentin  1,  58;  1,  61. 
Gerechtigkeit,  Die  verlorene  5,  175. 
Gerechtigkeit,   Gedicht   von  der  3,  34. 
Gerhard  von  Minden  s.  Pseudo-Gerhard. 
Germania  Inxnrians  11,  162  ff. 
Gespräch  zwischen  Sponsas  nnd  Sponsa 

6,  70. 
Gesprech  mit  einem  Waldbruder  5,  173. 
Gesta  Bomanornm  9,  105  f. 
gestoken  1,  99. 
Gezeit  5,  19. 
gh.  Mittelniederdeutsches  3,  7;   3,  28: 

16,  98. 
Ghangen  dach  1,  110. 
Gbebreken,  Van  drien  inweudigben  10, 30. 
Ghesellen  van  der  Betorike  6,  12. 
Ghetelen,  Hans  van  4,  96. 
Gibichenstein  19,  16. 
Gilow,  Ch.  13,  40. 
glede'2,  124. 

Glosse  zum  B.  V.  14,  1;  19,  113  ff. 
Glossen  (Hamburger)  1, 15.  f.;  (Essener^ 

4,  44  f.;  siehe  Pflanzenglossen. 
Glücksrad  6,  28. 

Glückstadt,  Mundart  18,  81  ff.;  20,  1  ff. 
Götaland  12,  29. 
Göttingensche  Mundart  3,  156  f. 
Göttingisch-  Grubenhagensches  Idiotikon 

8,  27  f. 
gös  18,  143. 
Gotbaer  Arzeneibuch  2,  122  f.;  4,  5  f.; 

5,  61  f. 

gotsene  entron^  2,  13. 
Grabschrift  in  Doberan  3,  75. 
Graden,  Van  XV  10,  18. 
grdl  1,  99. 


155 


Grammatik,  Mttnstersche  3, 36  f. ;  Aurora 
grammatices  4,  1. 

Graue  Katze  1,  103. 

grerne  5,  24. 

Grenzen  d.  Nd.  und  Mfr.  2,  1  f. 

J.  Grimm,  Briefe  von  9,  146  f. 

Grobian  5,  12. 

Gross-Brittannien,  Jauchzendes  8,  162  f. 

Grossmuht,  Die  römische  8,  138. 

Güstrow,  Mundart  20,  123. 

Guido  von  Alleste  6,  34;  6,  35;  7,  14; 
10,  12;  von  Alet  13,  81  ff. 

Guido  de  Columna  6,  23. 

giilcweke  3,  77. 

Haag,  Handschrift  3,  8. 

Habermanns  Gebetbuch  6,  114. 

Hack,  Schmied,  1,  103. 

Hadersleben  12,  9. 

Hadmersleben  12,  27. 

Hafer,  Polnischer  2,  125. 

Haken,  Christian  Wilh.  13,  36. 

Haken,  C.  W.,  Amours  der  Vespetta 
8,  163  f. 

Halberstadt,  Eulenspiegel  19,  47 ;  Hand- 
schriften 2,  27;  Katechismus  17,  106; 
Totentanz  17,  43. 

Halberstädter  Bibelübersetzung  von 
1522:  8,  108  f. 

Halerau  12,  43. 

hanig  11,  90. 

Halsen  5,  19. 

Hamaland  2,  4. 

Hamburg,  Eulenspiegel  19,  65;  patrio- 
tische Gesellschaft  9,  75. 

Hamburger  Fibel  17,  124;  Glossen  1, 
15  f.;  Jahrmarkt  8,  141  f.;  Island- 
fahrer 9,111;  143  f.;  Opern  8, 116 f.; 
Patriot  9,  75  f.;  Rechenbücher  14,  99; 
Schlachtzeit  8,  152  f.;  Sprache  des 
Tischlergewerks  1,  72  f.;  Totentanz 
17,  43;  Uthroop  8,  129;  8,  159. 

Hamburgische  Komödianten  12,  133. 

Haucke,  Michael  14,  92. 


Haneforde  9,  144. 

Hannover,  Name  12,  9;  Eulenspiegel 
20,  11. 

Hans  unter  den  Soldaten  12,  130  ff. 

Hanschen  un  hot  1,  107. 

Hans  Hohn  von  Scher  7,  169  f. 

hard  12,  37. 

Harlungberg  12,  54. 

Hartwig,  Frdr.  19,  124. 

Harz  12,  50. 

Hasfurt,  Job.  v.  4,  91. 

Hassegau  22,  6;  68  ff.;   74,  93. 

Hatterun  2,  6. 

Hauptlaater  14,  124;  17,  104. 

Haupttugenden  14,  124;  17,  104. 

Haverland,  Gerhard  von  6,  8. 

Heckelberg  9,  116. 

heft,  het  20,  81. 

heger  6,  16. 

Heinrich  I  von  Baiern   12,  78  ff.;   87. 

Heinrich  von  Krolewiz  17,  146  ff. 

Heinrich  der;,Vogler,  Singspiel  8,  139  f. 

Heinrich  Julius  von  Braunschweig  5, 
23;  7,  139. 

Heinrico,  De  12,  75  ff. 

Helgoland  13,  6. 

Heliand  7,  72;  10,  133  f.;  16,  61  ff.; 
20,  106  Syntax  des  Verbums  11,  1  ff. 

Heijäger  1,  102;  6,  128. 

Helten,  Altostfr.  Grammatik  16,  161. 

Helwig,  Chr.  19,  124. 

Hemmingstedt,  Schlacht  bei  6,  18; 
10,  89  f. 

Hendric  van  Herp  10,  30. 

Hennenberg,  Friederich  von  9,  55  f. 

Henricus  de  Vrimaria  10,  20. 

Henselin3,  9 f.;  5,  173  f.;  6,13;  10,  91. 

Hermann  von  Fritzlar  3,  66. 

Herminafried  12,  4.  56. 

herteshom  2,  125. 

Hertzenbrock  10,  6. 

Heruler,  Wanderung  nach  Norddeutsch- 
land 12,  3  f.    19  f.;    Sitze  in  Schonen 


156 


und  Seeland  12,  28  ff.;  im  thüringi- 
schen Reiche  12,  53  ff. 

Hessen  12,  6,  59. 

Hettergan  2,  4. 

Heuernte  (ditmarsch)  6,  119  f. 

Hexameter,  Lat-ndd.  5,  55. 

Hieronymus,  Prologe  des  10,  31;   Ser- 
moen  11,  107. 

Hildebrandslied  7,  72. 

Hildesheimer  Fastnachtspiele  6,  9. 

Hildegaersberch,  s.  Willem. 

Hinrik  von  Embeke  3,  1. 

Hinsch,  Hinrich  8,  131. 

Hinsch,  Zimmermann  1,  103. 

Historia  de  Septem  sapientibns  6,  26. 

Historia  destmctionis  Troie  6,  23. 

Historie   van    der  yerstoringe  der  stat 
Troya  6,  23. 

Hochzeit,  Die  lustige  8,  130  f. 

Hochzeitsgebränche  3,  83;  3,  127. 

Hochzeitsgedicht,  Westfälisches  4,    82. 

Hochzeitsgedichte,  ndd.  19,  122--130. 

Hochzeitsreime,  Iserlohner  3,  128. 

Hocsioburg  12,  61  ff.    74. 

Hoefer,  Albert  9,  146;  10,  148. 

Hohe  Lied,  Das  6,  69;  6,  70. 

Hohes  Lied,  mnl.  19,  80—90. 

Hochsingos  12,  60. 

Holbein,  Todesbilder  17,  65. 

Holden,  Die  guten  6,  38;  6,  54. 

Holle,  s.  Berthold. 

Holsteinische  Mundart  14,  53  ff.;  Reim- 
chronik 19,  159. 

hoÜkomf  4,  109. 

Holz  des  heiligen  Kreuzes  2,  88  f. 

Homann  13,  37. 

Homilien  6,  71. 

honig,  lianig  11,  90. 

Hopfen  (Hundename)  19,  44. 

Hoppe,  Mich.  19,  124. 

h&m  6,  132. 

Hotters  SU^rt^beker  und  Jödge  Michaels 
8,  168. 


houßswerne  2,  125. 

Hützler,  Caspar  14,  100. 

Hugdietrich  12,  3. 

hulck  2,  142. 

hundegelt  4,  110. 

Hundekom  4,  106  f. 

Hundekorn  15,  149  ff. 

hundeshoer  2,  126. 

hunt  (Ackermass)  4,  107. 

Hut,  Lobgedicht  auf  einen  2,  54  f. 

Huysinga,  Julius  11,  153. 

Hymnen,  mnd.  11,  87;  133  ff. 

i  tonlanges  11,  91. 

i  statt  e  20,  81.  84.  88. 

t  Yor  Vokalen  11,  89. 

jach  5,  25. 

Jacob  von  Ratingen  16,  41. 

Jahreszeiten,  ndl.  Gedicht  13,  117. 

Janhagel  5,  12. 

Janmaat  5,  12. 

Jellinghaus,   Einteilung  der  nd.  Mund- 

arten  10,  158. 
Jeremias,  Uebersetzung  des  10,  31. 
Jesu  dulcis  memoria  5,  56  f. 
Jesu    Leben    6,    69;    6,   70;    10,  33; 

10,  38;  10,  39;  10,  42. 
Jesu  Namen  11,  173  ff. 
Jesus  und  die  Sele  7,  3  f. 
Jesusknabe  in  der  Schule  14,  4  ff. 
igge  statt  ie  11,  89. 
Ilseben  levent  6,  70. 
Immesen,  Arnold  1,  96;  6,  19. 
4?ig  9,  68. 

-inge  statt  -leven  12,  22.  27. 
Ingeborg,  Herzogin  10,  114. 
Inschriften  in  Lund  9,  125  f. 
Inspreken,  Die  vier  10,  20. 
Joel  von  Ömstedt  19,  124. 
Joest,  Van  sunte  6,  70. 
Johannes  Chrysostomus,  Leben  des  10,  25. 
Johannes  de  Essendia  6,  34. 
Johannes  de  Hamborch  6,  69. 
Johannesevangelium  10,  39. 


157 


Johannes,  Klausner  7,  80  f. 

Johannes  von  Hoyme  8,  65. 

Jönsson,  Arngrim  9,  112. 

Jordaens,  Wilh.  10,  10  not. 

Jordanns,  Sermonen  11,  99. 

Josefs  Gedicht  von  den  edelen  Steinen 
2,  75. 

Josefs  Gedicht  von  den  sieben  Tod- 
Sünden  4,  55;  6,  72. 

Irmin  und  St.  Michael  2,  114. 

Isaias,  Übersetzung  des  10,  31. 

Iserlohner  Hochzeitsreime  3, 128;  Mund- 
art 2,  2. 

Island,  Van  9,  110  f.;  9,  143  f. 

Islandsfahrer  9,  111;  9,  143. 

Itinerarium  in  terram  sanctam  1,15;  6,73.' 

Jndeneid  16,  75. 

Jugemens  de  Damme  7,  34. 

Jütische  Sammlung  8,  33. 

Juist  11,  117. 

Juliane,  Passio  6,  69. 

Junchvrowen,    Lere  van  einer  8,  33  f. 

Junior,  Johannes  6,  26  f.;  10,  59  f. 

Kai  10,  1  f.;  10,  103  f. 

Eaisertitel  12,  86. 

Ealand  18,  19  ff. 

Kalenberger  1,  66  f.;  2,  145;  18,  111; 
engl.  13,  129  ff. 

Kalenborow,  Parson  of  13,  129  ff. 

Kalender,  nd.  11,  100. 

Kalender,  Zum  nd.  1,  110  f.;  4,  91  f.; 
9,  41  f. 

Kalenderorakel  6,  135. 

hallen  =  snacken  2,  143. 

Kanoneninschrifteu  5,  189  f. 

kwitJiaken  3,  98. 

Kanzleisprache,  Pommersche  20,  57  ff. 

Jcappen  5,  5. 

Icaprun  1,  107. 

Karl  d.  Gr.,  Spiel  von  1,  106. 

Karl  und  Elegast  6,  20. 

Karlssage  6,  20. 

Karlmeinet  6,  21;  6,  28. 


Katharina,  S.  7,  83  f. 

kattenkrankheit  3,  93. 

Katze,  Graue  1,  103. 

Kaufringer,  Heinrich  19,  164. 

Kamelnägd  5,  5. 

Kerkener,  Johannes  9,  83. 

Kerkring,  Heinrich  6,  1;  6,  10. 

Kerstenspegel  12,  107. 

kervele  2,  127. 

Kindelbier  19,  51. 

Kinderlieder  20,  37,  s.  Wiegenlieder. 

Kinderreime  13,  20;  20,  37. 

Kinderspiele  aus    Schleswig-Holstein  8, 

98  f;  9,  60  f.;  10,  49  f.;  13,  96  ff.; 

in  Sttdwestfalen  3,  103  f. 
Kindertreck'Discours  9,  77  f. 
Kinlinga  12,  68. 
klever  2,  127. 

Kloster,  Von  einem  geistlichen  10,  24. 
Klosterallegorie  11,  128  ff. 
Klüfer  5,  15. 

Knittel  (Ackermass)  4,  111. 
Kock,  Beimar  6,  10. 
Koegelt  4,  110. 
koel,  romesclier  2,  127. 
Kölbigk  12,  71. 

Köln,  Gedichte  aus  19,  90.  163;  Kanz- 
lei 11,  86. 
Kölnische  Mundart  2,  1. 
Konemann  18,  19  ff. 
König,   Johann  Ulrich  von  8,   158.  — 

Calpurnia   8,    138  f.;    Heinrich    der 

Vogler  8,  139  f. 
Könige,  Drei  tote  und  lebendige  11, 104. 
Königsberger,    nd.    Gedicht    12,    141; 

Pflanzenglossen  17,  81  ff.;  18,  130  ff. 
Koker  3, 169;  16,  107;  18,  152;  19,  79. 
Kolde,  Diedrich  12,  107  nota. 
Konemann  19,  102  ff. 
konfers  5,  184. 
Konrad,  Bruder  11,  106. 
Kopenhagener  Handschriften  7,  1;    13, 

42;   14,  59. 


158 


Kopfständer  5,  6. 

Korner  3,  163  f.;  6,  26. 

Kosegarten,  J.  G.  W.  13,  39. 

krak^  6,  24. 

Kränterbierrecepte  4,  89  f. 

Krause,  K.  E.  H.  18,  1  ff. 

Krefeider  Mundart  2,  2. 

Kremon,  Marqward  6,  69. 

krepen  für  krupen  1,  101. 

hretelmo7'e  2,  128. 

Kreuz woche  3,  75  f. 

krevet  2,  128. 

Kriegsprophezeiung  12,  119  ff. 

Krockisius,  Balth.  19,  125. 

Kronschlangen  1,  103. 

krude  3,  83  f. 

Krüger,  Bartholomäus  9,  102. 

Krüger,  Stadt  Lübeck  5,  175  f. 

kubik  'Becher'  2,  140. 

kuckedus  3,  69. 

Ktthtz,  Dan.  19,  125.   128. 

Kunst  wol  to  stervende  6,  72. 

Kuntjes  5,  5. 

ladenh*ut  3,  86. 

Laiendoctrinal  6,  73. 

Lambeck,  Heino  18,  124. 

lanie  5,  24;  6,  132. 

Lange,  Heinrich  1,  15. 

Lange,  Nie,  19,  125. 

Langelaya  12,  11. 

Langobarden  12,  5.   29.  48.   90. 

La  Peyrere  9,  114. 

Lapidarius  2,  57  f. 

Lasins,  Christoph  9,  97. 

Latein.-nd.  Gedichte    2,  28  f.;    5,  55; 

11,  137. 
Lauremberg,  Hssl.  Nachlass  13,  42  ff.; 

Nd.    Possen    3,    91    f.;    11,    145  ff. 

Scherzgedichte  5,  186;  15,  84  ff. 
Lauremberg,  Petrus  13,  55. 
Leben  des  Johannes  Chrysostomus  10, 25. 
Leben  Jesu  6,  69;  6,  70;  10,  33;  10, 

38;  10,  39;  10,  42. 


Leben   und   Tod   1,  54  f.;    2,   I3l  t.\ 
3,  161  f.;  6,  70;  6,  71. 

Leberreime  10,  59  f.     14,  92  ff. 

Le  Fevre  9,  105. 

Lefevre,  Jehau  17,  11. 

'legen  12,  27. 

Legenden  1,  13. 

Lehn  Worte,  Mundartliche  12,  65. 

Leh  5,  15;  5,  184. 

Lehre  an  eine  Jungfrau,  St.  Bernhards 
6,  70;  6,  72. 

Lehrer  und  Jüngling  7,  6. 

Leichtaue  5,  17. 

Lelie  der  reinicheit  10,  35;  10,  40. 

Leopold,  Van  de  Scheide  tot  de  Weichsel 
3,  181. 

Lerbeck,  Herman  von  6,  73. 

Lere  yan  einer  junckvrowen,  Eyne  gude 
8,  33  f. 

Leringe,  Een  10,  19. 

Letanien  3,  75. 

Lex  Angliorum  12,  21.   26. 

Liber,  Antonius  4,  1. 

Liber  vagatorum  7,  16  f. 

Liebe,  Die,  und  der  Pfennig  6,  15. 

Liebesbrief  15,  73  ff. 

Liebesgedicht,  Westfölisches  4,  84. 

Liebesgruss  3,  8. 

Lied:  Flachslieder  3,  154  f.;  Oster* 
lieder  5,  46  f.;  von  den  Trömling- 
sehen  Bauern  7,  171  f.;  nieder- 
ländisches 10,  157,  siehe  20,  145  ff. 

Lieder,  historische  1,  57;  2,  35;  4,  104; 
6,  114;  7,  11;  9,  83.    16,  41. 

Liederbücher  13,  55  ff.;  15,  1  ff. 

Lindeberg,  Peter  1,  58;  19,  115  f. 

Lippische  Familiennamen  9,  1  f. 

Litanei  vom  Leiden  Christi  10,  43. 

Lithodius,  Joh.  16,  110. 

Livländische  Sammlung  8,  43;  8,  73. 

//  statt  Id  12,  91. 

Lobgedicht  auf  Braunschweig  1,  50. 

Low,  Joachim  9,  110. 


159 


Lois  de  Westcapelle  7,  34. 

Lorde  1,  100. 

Lotse  5,  8;  5,  183. 

Lotteriereime  1,  108  f. 

Love  der  apostele  6,  70. 

laven  18,  67  ff. 

loye  2,  128. 

lucht,  licht  16,  100. 

Luckeradt,  Dat.  6,  28. 

Ludolphns  de  Sachen  6,  73. 

Ludwig  von  Ungarn  7,  11  f. 

Lübben,  Heinrich  Angnst  (Nekrolog) 
9,  149  f. 

Lübeck,  Enlenspiegel  19,  56;  Fast- 
nachtspiele 6,  1  f. ;  Handschrift  3,  8 ; 
3,  84;  Lnxnsordnnng  3,  83;  Passional 
1,  13;  Batsweinkeller  14,  101;  19, 
56;  Keime  in  der  Kanzlei  6,  175; 
Schulvokabular  16,  111  ff.;  Toten- 
tänze 1,  100;  17,  1.  7  ff.  34  ff; 
Becht  1,  5;  1,  11;  Verlobnngs- 
gebräuche  3,  83  f.;  Zirkelgesellschaft 

3,  33;  6,  1. 
Lübische  Zahlung  5,  143. 
Lüne  5,  137. 

Lüueburger  Chronik  6,  72;  Handschrift 

4,  95  not.;    Mundart   3,  160;    Oert- 
lichkeiten  5,  167  f.;  Sülze  5,  109  f. 

-lund  12,  37. 

Lunder  Inschriften  9,  125. 

Luxusordnung,  Lübecker  3,  83. 

Lydgate,  John  18,  55. 

Lyra  1,  97. 

Macabre  17,  24. 

Märchen  8,  106  f.;  12,  151  f. 

Maerlant,  Spiegel  historiael  11,  168  f. 

Magazin,  Westfälisches  4,  79. 

Magdeburg,  Mundart  14,  14  ff. 

Magdeburger  Bibel  2,  119  f. 

Magnus,  Erichson  10,  115. 

Mahthild,  Königin  12,  83.    85. 

7?iais(fn  5,  15. 

Major,  Job.  14,  104.    114. 


Mala  franzosa  4,  05. 
mandach,  de  hrede  1,  111. 
Mantel  (Schifferausdruck)  5,  5. 
Marburger  Handschriften  15,  30  f.;  16, 

110.  .145  ff 
Marcus  von  der  Lindau we,  7,  63. 
Margaretenpassion  19,  131 — 155. 
Maria,  Freuden  der  7,  88  f. 
Maria  zart  14,  67;  15,  8;  16,  7. 
Maria  Magdalena  6,  70;  10,  8. 
Mariengruss  6,  71. 
Marienklage  18,  105  ff.;  19,  104  ff. 
Marienleben  6,  70. 
Marienlied,  mnl.  13,  118. 
Marienmesse  12,  143  ff. 
Marienpredigten  10,  8. 
Marien  Bosenkranz  6,  100  f. 
Mariens  Mitleiden  9,  134. 
Marienspiegel  6,  69. 
Marine,  Sunte  17,  90. 
Matthaeus  Paris  10,  157. 
Matrose  5,  10  f.;  5,  183. 
Mattheson  8,  115  f. 
Maufahrteihrig  5,  13. 
Mechden,  Van  den  XI  dusent  10,  38. 
Mechthildis,  Von  der  geistlichen  Gnade 

10,  12. 
Meklenburg,  13,  29  f. 
Meklenburg  im  Altertum   12,  44;    46; 

Präpositionen  20,  40  ff. 
Mecklenburger  Mundart  20,  123  ff. 
Medicinaliapro  equis  conservandis  2, 19  f. ; 

6,  73. 
Medulla  animae  10,  22. 
Meiderich  6,  32. 
Meister  und  Cuno,  Carneval  von  Venedig 

8,  124  f. 
Mela  12,  39. 
Meland,  Schmied  1,  104. 
Melibocus  12,  49  ff 
Mengden,  Gust.  von  18,  157. 
Mercatoris,  Nicolaus  3,  161 ;  6,  7. 
Merseburg  12,  93. 


160 


Mersebnrger  Glossen  12,  89  ff.;  Toten'* 

buch  12,  90  ff. 
Merswin  9,  133;  9,  139. 
Messbetrachtungen  für  alle  Tage  9, 135. 
Meyer,  Abraham  6,  114. 
meyland  5,  185. 
Michael  und  Irmin  2,  114  f. 
mik  11,  93. 
mik  9,  70. 
mik'Qehiet  7,  72. 
Mindener  Tötentanz  17,  41. 
Minne,  Van  geestliker  10,  34. 
Minne,    Von  geistlicher  11,  103;    105. 
Minnen  ons  Heren,  Van  der  10,  20. 
Minners  Anklagen  8,  42  f. 
Mischgesang  2,  28. 
Mistevojus  von  Müller  8,  169. 
Mittelfränkisches  Gebiet  2,  5. 
Mittel  gegen  Pferdekrankheiten  2, 19  f. ; 

6,  74  f. 
Mittelniederdeutsche  Litteratur  1,   5  f. 
MöUmann,  Stephan  1,  58;  10,  61. 
Mölln  16,  110;  19,  63  ff. 
Mohacz,  Schlacht  bei  13,  68. 
Mohnkopf-Dmckerei,  3,  26  f.;   10,  91; 

16,  6  f. 
niolt  8,  32. 

Mörders  am  Grütze,  Gelove  des  3,  183. 
Mordhorst  8,  27. 
Morgen  (Ackermass)  4,  108. 
7norgenkom  4,  110. 
Moorkensvel  11,  143  f. 
Mühlenlied  14,  84;  15,  6;  16,  2. 
Mülgau  2,  5. 

Mühlheimer  Mundart  2,  3. 
Müller,  Job.  Engelb.  13,  34. 
Münster,  Drucke  11, 94;  Lustspiel  11, 94. 
Münstersche  Grammatik  3,  36  f.;  11,  92. 
Mulnerinnen,  Van  eyner  hilghen  6,  72. 
Mummelied  8,  140. 
muot,  vvuox  12,  QQ. 
Murner's  Eulenspiegel  19,  1  ff. 
Muskatblüt  9,  50. 


mutten  9,  69. 

Myliander  1,  58. 

Mystische  Schriften  10,  22. 

Myrgingen  12,  5.  57. 

Nachfolge  Christi  6,  70;  6,  72;  10,  24. 

nach  für  fioch  1,  101. 

Naogeorg,  Mercator  11,  151.  176. 

Narrenschiff,  Nd.  1,  100;  5, 187;  10,91. 

neddel  'NadeP  2,  141. 

Neocorus  2,  134  f.;  10,  90. 

nettelenkamen  2,  129. 

Neumark  12,  32. 

Neun  Felsen,  Von  den  9,  133;  9,  139. 

Neveling,  Mart.  19,  125. 

Never,  Heinr.  19,  119. 

Nibelungensage  6,  19. 

Nicodemi,  Passio  6,  69. 

Nieblum  12,  126. 

Niederfränkisches  Gebiet  2,  4. 

Niederländische   geistliche    Lieder    14, 
158  ff. 

Niederländisches,  siehe  20,  148;  im  He- 
iland 15,  61  ff. 

Niederländischer  Totentanz  17,  61. 

niederrheinisch  2,  2. 

nn  statt  nd  12  y  91. 

nochtan  1,  101. 

Non  sum,  Predigt  über  2,  11  f. 

Nonnen,  Ermahnung  11,  167. 

Norderney  11,  117. 

nordfränkisch  2,  2. 

Nordschwaben  12,  3.  6.  57.  73  not. 

Nordthüringer  12,  1  ff.  73. 

nu  9,  69;  für  ^le,  ni  1,  99. 

Nuithones  12,  34. 

Nutzen  der  Leiden  10,  30. 

0  (mnd.  langes)  18,  141  ff. 

0,  kurzes,  in  offener  Silbe  1,  98. 

0  und  H  in  Wismarschen  Stadtbüchern 
3,  1  f. 

oberfränkisch  2,  2. 

Och  Winter  holt  2,  26. 

odery  eder  20,  81. 


161 


Oder  12,  32.  42.  47. 
Ömstedt,  Joel  von  9,  124. 
Oefening^en^  Van  inwendigen  10,  32. 
Oeifeninge  met  Maria  end  JhesnB,  Epistel 

van  enre  devoter  10,  11. 
Öhlstein  1,  114. 
Öppelken  10,  112  f. 
Oevenam  13,  26. 
Offenbarung  Johannis   mit   der   Glosse 

10,  38. 
Oldekop  1,  95. 

Oldenburg,  Johann  Graf  zu  6,  73. 

Ollegast  6,  20. 

ome,  one  19,  135. 

Omichius  9,  104. 

Ongliin,  Siavische  12,  23  not. 

Opclimmingen,  Van  gheesteliken  10, 13. 

Opern,  Hamburgische  8,  115  f. 

Ordinancie  7,  34. 

ore  19,  135. 

Ortsnamen  auf  wedel  16,  150  ff. 

Oschersleben  12,  27. 

Osnabrück,  Totentanz  17,  45. 

Osning  12,  49. 

Osterlieder  5,  46  f.;  7,  1  f. 

Osterpredigt  9,  133. 

Ostersche  sprake.  De  1,  116. 

ostfränkisch  2,  2. 

Ostfriesisches  Urkundenbuch  4,  116  f. 

Ostfriesland,    Tier-   und  Pflanzeunamen 

11,  111  ff. 
Ostsachsen  12,  2. 
Ostthüringen  12,  1  not. 
Otto  d.  Gr.  12,  78  ff. 
Otto  von  Bamberg  12,  47. 
Pachius,  Petrus  11,  162. 
padelkersse  2.  129. 
Pädagogischer  Spruch  2,  34. 
Panotier  12,  39. 

Pape,  Ambrosius  9,  97. 
Papenmeyer,  Arnold  19,  50. 
Papenteich  13,  122. 
Papyrio,  Historie  van  6,  8. 

niederdeutsches  Jahrbuch.    XX. 


Paradies  des  Klausners  Johannes  7, 80  f. 
Paradiese,  Von  dem  irdischen  10,  38. 
Parthonopeus,  mnl.  Fragment  11, 170  f. 
Pascheburg  6,  11. 

Passio  Juliane  6,  69;  Nicodemi  6,  69. 
Passion   6,  69;    6,  70;    10,   31;    (Von 

der)    10,    41;     (Leeringe    van    der 

passien  Christi)  10,  43. 
Passional,  Lübecker  1,  13. 
Patriot,  Hamburger  9,  75  f. 
Patriotische  Gesellschaft  9,  75  f. 
Paul,  Carl  Andr.  12,  133. 
Paula,  S.  6,  71. 
Pavo  14,  106.  122. 
Peder  Smed  12,  95. 
Pelworm  15,  104. 
Peerse,  Gories  9,  110  f.;  9,  143  f. 
peilen  5,  9. 

pennighdrukker  7,  100, 
Perchtag,  Prechtag  1,  111. 
pers  2,  129. 
Pertürleine  5,  5. 
Pestilenz,  Wider  die  3,  74. 
peterkomen  =  peperkomen  2,  129. 
Pfarrherr  von  Kaienberg,  s.  Kalenberger. 
Pfeiffer,  Erasmus  7,  106;  11,  157. 
Pfennig,  Der,  und  die  Liebe  6,  15. 
Pferdearznei  16,  77. 
Pferdekrankheiten,  Mittel  gegen  6,  74  f. 
Pflanzennamen,  2,  122  f.;  4,  65  f. 
Pflanzennamen,  Ostfriesische  11,  111  ff. 
Pflanzenglossen  17,  81  ff.;  18,  130  ff. 
Pflaume,  Namen  der  12,  97  ff. 
Pflicht  (Schifferausdruck)  5,  17. 
Pharodeinoi  12,  28. 
Philiberti,  Visio  5,  21  f.;  6,  71;  6,  73; 

6,  130  f.;  7,  24  f. 
Philipps  Marienleben  6,  70. 
Physiognomische  Lehren  20,  122. 
Pierlala  18,  17. 
Pilot  5,  6  f. 

Placebo  seggen  3,  17;  3,  20. 
Planeten  Macht,  Der  6,  72. 

11 


162 


plas  1,  100. 

Plaster,  Sam.  19,  125. 

Plattdeutsch  1,  114  f. 

Pliniua  12,  36. 

Polnischer  Hafer  2,  125. 

Pommern,  Anteil  an  ndd.  Sprachforschung 

13,   33  f.;  Märchen  in    12,  151  flf.; 

Sprichwörter  15,  53  ff. 
Pomroersche  Kanzleisprache  20,  57  ff. 
Pondo,  Georg  9,  94. 
pooWobben  2,  138  f. 
poolennen  2,  138. 
Postel,  Chr.  H.  8,  119.   —  Xerxes  in 

Ahidas  8,  118  f. 
Postilla   seu    Glossa   in    Evangelia    et 

Epistolas  4,  96. 
Practica    Baccularii   Johannis    Hasfart 

4,  91. 

Präpositionen  in  MecklenhargerMa  20,40. 
Praetorins,    Joh.    Philipp    8,    141.    — 

Hamburger    Jahrmarkt    8,    141    f.; 

Hamburger   Schlachtzeit   8,    152  f.; 

Atis  8,   161  f.;   Jauchzendes   Gross- 

Brittannien  8,  161  f.;  Die  verkehrte 

Welt  8,  166  f. 
Predigten  2,  11  f.;    9,  140;   10,  8  f.; 

10,  16  f.;  10,  24;  10,  26  f.;  10,  34; 

10,  44  f.;  11,  99  ff. 
Presenning  5,  5. 

Preussen  (Provinz)  Mundarten  14,  12  f. 
Priameln  7,  9  f. 

Prinzen  als  Schauspieler  11,  163. 
Processien  der  kruceweken  3,  78  f. 
Procession  mit  dem  Drachenbilde  3,  75. 
Profectus  religiosorum,  Van  10,  10. 
Prokop  12,  29  ff. 
Prologe  des  Hieronymus  10,  31. 
Prosa,  Mnd.  1,  10  f. 
prull  9,  72. 
Psalmbuek  6,  114. 
Psalter  mit  der  glose  6,  73. 
Pseudo-Gerhard   von   Minden   4,  98  f.; 

5,  188;    13,    75    ff.;    15,    78;     16, 
139  ff.;  18,  146  ff.;  19,  94  ff.    111  f. 


Pseudo-Marcellinus  2,  6. 

Ptolemaeus  12,  39  ff. 

Pyramus  und  Thisbe  8,  122  f. 

Quadruplici  instinctu,  De  10,  20. 

Quedlinburg  12,27.  78  ff.;  Hs.  8,  63. 

Quetsche  12,  97  ff. 

Quirsfelds  Bosen-Gebttsch  9,  78. 

-rode  statt  -rode  in  Namen  19,  132  f. 

radeke  6,  16. 

Bätsei  3,  155;  20,  38. 

Rzhe  5,  16. 

rake  1,  99. 

rank  5,  17. 

Bantzowe,  Keye  van  10,  4. 

Batio  Status  7,  135  f. 

Batsversammlung  der  Tiere  1,  99. 

Becepte  2,  19  f.;  3,  64;  3,  74;  (für 
Bereitung  von  Eräuterbier)  4,  89  f. 

Becbenbttcher  14,  99  f. 

Becbtfertigkeit,  Von  der  3, 9  f.;  5, 173  f. 

Bechtsaufzeichnungen  18,  71  ff. 

Beden,  Van  hoverschen  6,  72. 

Bedentiner  Spiel  16,  44  ff. 

Bederykers  6,  12. 

Bediger,  Johan  11,  138  f. 

Begel  der  Minne  10,  5;  10,  8;  10,  36. 

Begeln,  Diätetische  für  die  Monate  des 
Jahres  4,  19  f. 

Begenstein  17,  136  ff. 

Begimen  rusticorum  7,  14. 

Begula  laicorum  6,  72. 

Beigen  tanz  10,  157. 

Beimbrechung  10,  142. 

Beimbüchlein  13,  104;  14,  1.  107. 

Beimchroniken  1,  7. 

Beimsprttche,  siehe  20,  145. 

Beinke  Vos  1,  8  f.;  14,  116;  17,  136; 
Mundartliches  1,  92;  Protestantische 
Glosse  3,  24;  19,  113  ff.;  Anklfin^e 
10,  91;  Zu  B.  V.  10,  107  f. 

Beiter,  Schwarzer  1,  102. 

Beuter,  Fritz  1,  7;  17,  88. 

Beval.  Lieder  14,  90  ff.;  Totentanz 
17,  45.   68. 


163 


Beytzinge  der  lene,  De  6,  70. 

Rhein  und  Meer,  Zwischen  5,  25;  6, 130. 

Rhytmi  mensaies  10,  61  f. 

Eicardi  Synonyma  6,  73. 

Richard  von  S.  Victor  10,  34;  11,  105. 

Richey,  Mich.  9,  75;  20,  123. 

Richolf,  Jürgen  1,  67. 

Riesen  1,  104. 

ritte  3,  88. 

Ripuarische  Mundart  2,  2. 

Rist,  Johann  7,  101  f.  —  Aller  Edelste 
Belustigung  7,  102  f.;  Depositio 
Comuti  Typographisi  7,  172;  Friede- 
jauchtzendes  Teutschland  7,  103;  7, 
158  f.;  Friede  wünschend  Teutsch- 
land 7,  158;  Herodes  7,  102; 
Irenaromachia  7,  104  f.;  Ireuaro- 
machia  11,  157  ff.;  Perseus  7,  140  f. 

rö  (roh)  18,  142. 

Röbeler  Spiel  6,  7. 

Rödiger,  As.  Grammatik  18,  160. 

Roland,  Engelländischer  13,  64  ff. 

Roleyink,  Werner  7,  14. 

Rollenhagen,  Georg  19,  115  f.;  über 
Aussprache  18,  120  ff.;  Frosch- 
meuseler  14,  1  ff.;  Paedia  18,  120; 
Abecedarium  18,  121. 

rornescfier  kod  2,  127. 

Rooles  d'Olferon  7,  34. 

Rose,  Christian  11,  162. 

Rosengarten  unseres  Herrn  und  Marien 

9,  135. 

Rosen-Gebüsch,  Historisches  9,  78. 
Rosenkranz-Marien  6,  100  f. 
Rostocker  Handschriften   2,  11;   histo- 
risches Lied  1, 57  f. ;  Zunftrollen  6, 73. 
Rother,  König  11,  110. 
Ruchamer  4,  97. 
Ruderkommando  5,  185. 
Rummeldeus  3,  67  f. 
Rupertus  Werlensis  11,  94. 
Rusbroec,    Johan    9,    136   f.;    9,  140; 

10,  5;    10,    14;    10,    22;    10,   23; 
10,  25;  10,  29;  10,  35;  11,  107. 


Rassesche  KoUektaneeu   10,  90. 
Rymsproeke  to  vermaninge  der  Richteren 

8,  97. 
Saalbach,  Chrn.,  19,  125.   129. 
Saale  12,  46.  50. 
Sachs,  Hans  5,  173  f.;  14,  104. 
Sachsenspiegel  18,  61  ff.;  ursprünglich 

niederdeutsch  18,  62  ff. 
Sacramento  altaris.  De  7,  13. 
Sacrament,  Van  deme  9,  138;   10,  40. 
Saeyo  mons  12,  36. 
saghet  6,  144. 
scd  9,  109.    20,  81. 
Sallboeyen,  Van  den  19,  165. 
Saliersleben  12,  67. 
Salomonis,  Paraboles  6,  69. 
Salomon  und  Markolf  6,  19. 
Salter  to  dude  1,  100 
Salung  5,  19. 

Salzwedel  16, 150 ff.;  Handschr.  12, 143. 
Sarcerius,  Erasrons  6,  123. 
Sassische  sprake  8,  109. 
Saterländische  Mundart  2,  45. 
Saurbrey,  Johan  Heinrich  8,  130. 
sc  und  seh  6,  143. 
Scala  coeli  6,  26. 
Scandinavia  12,  37. 
seh  und  sc  6,  143;  16,  99. 
Schacht,  Schafl  18,  64. 
Schäve,  Heinr.  14,  96. 
Schafdiebe,  Aufzug  vom  7,  157. 
schal,  sal  20,  81. 
Schambachs    Idiotikon,    Nachträge     zu 

8,  27  f. 
schatrowe  18,  61. 
Schaumburgische  Chronik  6,  73. 
Schelten,  Süd  westfälische  3,  110  f. 
Schembart  laufen  6,  11. 
Scher,   Hermann   Heinrich    7,  157.   — 

Hans  Hohn  7,  169  f. 

Scherenberg,  Peter  19,  125  f. 

Scheveklot  6,  8  f. 

Schichtbuch,  Braunschweigisches  1,  95; 

16,  4  f. 

11« 


164 


Schillers  Gang  nach  dem  Eisenhammer 

4,  56. 
Schlag  (Schififersprache)  5,  17. 
Schlei  12,  38. 

Schlesische  Mundart  7,  134. 
Schleswig,  Dmck  11,  138. 
Schieswig-holsteinsche   Kinderspiele    8, 

98  f.;  9,  60  f.;  10,  49  f.;  13,  96  ff. 
schlingern  5,  18. 
Schlömer  s.  Stricker. 
Schmidder  11,  143. 
Schmied  Hack  1,  103. 
Schnortison  1,  106. 
schodüvel  lopen  3,  75;  6,  11. 
Schenaens,  Cornelius  11,  158. 
Schonen,  Ortsnamen  12,  18;  Bewohner 

12,  28  ff.  37. 
Schote  5,  19. 
Schott,  Gerhard  8,  115. 
Schottelius  11,  161. 
Schriftsprache  1,  13;  11,  85  ff. 
Schröder    8,    122.     —    Pyramus    und 

Thisbe  8,  122  f. 
Schröder,  Georg  12,  132. 
Schalerlied  2,  28. 
Schumann,  Vat.  12,  132. 
Schuner  5,  20. 
Schwartau  12,  28. 
Schwarzer  Heiter  1,  102. 
Schwerttanz  1,  105  f.;  6,  11. 
Scierheiden  XIII:  10,  37. 
sei  6,  143. 
Sebesten  12,  97. 
Seebuch  2,  80  f.;  5,  184  f. 
Seeland,  Name  12,  37;   Ortsnamen  12, 

16  f.;  Bewohner  12,  33. 
Seelentrost    11,   101.    103;    12,    107 

17,  108. 
Seemanssprache  5,  1  f.;  5,  180  f. 
Seerecht,  Das  Wisbysche  7,  35. 
Seesen  (am  Harz)  15,  73. 
Segen  2,  27;  2,  32;  16,  76. 
seghe  6,  144. 


Selentrost  1,  13;  6,  69. 

Semanns  12,  51  not. 

Semnouen,  Auswanderung  12,  2;  Stamm- 
sitz 12,  39  ff. 

Sendrecht  der  7  Münsterschen  Prob- 
steien  in  Ostfriesland  8,  86  f. 

Sequencic  van  deme  sacrament  9,  188. 

serapen  4,  21. 

Seuse  9,  132;  10,  36. 

Severlingeburg  12,  69. 

Sic  servetur  interdictum  2,  27. 

Sidrac  14,  59. 

Siebensprung  18,  15. 

Siegerländer  Mundart  2,  2. 

Sierheit  der  geesteliker  bruloft  9,  138; 

9,  140. 
Sigamber  2,  4. 
Sigulones  12,  43. 

Simson,  Drama  von  6,  137;  9,  48. 

sin  =  schuldich  sin  3,  68. 

Skippers  San^e  2,  45. 

sl  und  schl.  9,  76. 

Slayen  12,  5. 

slik  1,  101. 

Sloten,  Die  seven  10,  23. 

smicke  19,  20. 

Smil  von  Pardnbic  14,  118. 

Soester  Daniel  3,  128;  6,  8. 

Sommer,  Johann  10,  60  f. 

Sonntagsevangelien     mit    Erkl&nuigen 

10,  31. 

Spangen,  Hinricus  9,  84. 

Sparghe  2,  130. 

speckmms  9,  73. 

Spegel  der  samwitticheit  6,  69. 

speghelglas  6,  132. 

Spiegel,  in  Namen  19,  8  ff. 

Spiegel  aller  Menschen  11,  102. 

Spiegel  der  Joncfrouwen  9,  138;  11, 
108;  der  Natur  1,  7;  10,  114  f.;  der 
salicheit  6,  73;  10,  114;  der  vol- 
comenheit  10,  30;  s.  auch  Sünden* 
Spiegel. 


165 


Spiel  von  Karl  d.  Qr.  1,  106;  Claus- 
thaler 1,  106. 

SpUttflagge  5,  19. 

spök  18,  142. 

Sponsus  und  Sponsa  6,  70. 

Spottschrift  auf  den  Hamhnrger  Pa- 
trioten 9,  76  f. 

Sprachgrenzen  zwischen  Elbe  und  Weser 
7,  71  f. 

Sprichwörter,  Westftlische  4,  79  f. 

Sprichwörter  aus  Pommern  15,  63  ff.; 
Sprttche,  siehe  20,  145;  15,  16  f.; 
Mnl.  13,  104  ff. 

Stader  Antonius-Bruderschaft  4,  69; 
Eopmann-  unde  Schipper-Bröderschaft 
4,  69  f.;  Statuten  6,  73. 

Stades  20,  81. 

stampfen  (Schiffersprache)  6,  18. 

Stapel,  Ernst  7,  105. 

Stapelholmer  Mundart  4,  87  f. 

Starkader  1,  106. 

Status  mundi  9,  104  f. 

Statwech,  Johan  13,  121  ff. 

Steegmann  19,  126. 

Steen,  Van  den  blickenden  10,  14. 

Stephan,  Schachbuch  14,  153  ff.; 
18,  156. 

Stettin  Kanzlei  20,  61  ff.;  71  ff. 

Stevens,  Joh.  10,  37. 

Stimulus  amoris  6,  70. 

Stiten,  Franz  und  Heinr.  von  14,  101. 

Stökken,  Christian  von  6,  23. 

Stockholmer  Vogelsprache  14,  126; 
Handschrift  8,  33  ff. 

Stortebeker  6,  151;  13,  58. 

Strackeijan,  Karl  15,  157  ff. 

Strassennamen,  Lttneburger  5,  167  f. 

Stricker,  SchlOmer  15,  91  ff. 

strö  18,  142. 

stroete  =  strate  2,  143. 

Suardones  12,  28.  34. 

Suebos  12,  43.  46. 

Süderländische  Mundart  2,  2. 


Südwestf&lische  Kinderspiele  3,  103  f. ; 
Schelten  3,  110  f.;  Aberglaube  und 
Gebräuche  3,  127  f. 

Sftlze,  Lüneburger  5,  109  f. 

Sünden,  Allerlei  11,  106. 

Sündenfall  1,  96;  6,  19;  14,  148  ff.; 
15,  79  ff;    16,  116  ff.;  19,  107  ff. 

Sttndenklage  11,  136. 

Sündenspiegel  4,  54  f.;  17,  97  f. 

Suidbert  2,  6. 

Suionen  12,  26. 

sulfmester  6,  154. 

stüeven  10,  57. 

Syderak  14,  59. 

Synonyma  Bicardi  6,  73. 

Synonyme  Ortsnamen,  12,  38. 

Tabernakel,  Van  den  geesteliken  10, 
25;  10,  29. 

Tacitus  12,  33  f.  41  ff. 

Tagzeiten . der  hl.  Anna  5,  56  f.;  ver- 
schiedener Feste  10,  42. 

Takel  5,  5. 

Ta^e  5,  5. 

tan(d),  tene  16,  95  f. 

Tannhäuserlied  16,  66. 

Tantalus  12,  95. 

Taufgebräuche  3,  146. 

Telemann,  Georg  Philipp  8,  162. 

teile  *Korb'  2,  140. 

Temperamente,  Die,  10,  116  f. 

Teutoburg,  Name  9,  3  anm. 

Teutoburger  Wald  12,  5. 

Theerjacke  5,  13. 

Theodebert  12,  56  f. 

Theoderich  d.  Gr.  12,  53. 

Theophilus  16,  128  ff 

Therander,  Huldrichus  10,  60  f. 

Thietmar  von  Merseburg  12,  89  ff. 

Thomas  de  Argentina  6,  69. 

Thorlakson,  Theodor  9,  114. 

Thüringisches  Reich  12,  4.  53  ff. 

Tiberius,  Kaiser  12,  41.  47  ff. 

Tierkreises,  Zeichen  des  1,  27. 


166 


Tieraamen,  Ostfriesische  11,  111  ff. 

Till,  Eulenspiegels  Vorname  19,  4  ff. 

Tirs,  Katharina  14,  60;  15,  3. 

Tischlersprache,*  Hamburg.  1,  72  f. 

Tobie  bock  6,  71. 

Todeszeichen  11,  103. 

Todsttnden,  Sieben  6,  72;  4,  55. 

Tötehof  9,  3. 

Tondem  11,  138.   141  f. 

Tonlänge  11,  91. 

Tonnis,  Jan  11,  156. 

Torqaatns,  Jeorg  14,  14  ff. 

Totentanz  17, 1—80;  Berliner  3, 178 f.; 

4,  105;  Fragment  eines  nd.  11,  126  f. 
Trankrflsel  5,  1. 
Transbadani  12,  62. 
Trensen  5,  5. 

Trinkerorden,  Gedicht  19,  167. 
Trömlingschen  Bauern,    Lied   von  den 

7,  171  f. 
Tubanten  2,  4. 

Tugenden,  Fünf  6,  27;  10,  24. 
Tundalus  6.  34;  6,  71;  10,  28;  12,  96. 
Tunnicius  7,  15  f. 
Twedracht  der  prelaten  6,  73. 
Twente  2,  4. 
ü  für  6  20,  81. 

H  in  Wismarschen  Stadtbttchern  3,  1  f. 
uake  9,  74. 
Ubier  2,  4. 
Ücker,  Job.  19,  126. 
üsse  9,  69. 

Ulenspiegel  s.  Eulenspiegel. 
Umlaut  3,  2;   3,  29;   4,  41;   8,  113; 

9,  13. 
imde  mit  ausgelassenem  Subject  3,  17. 
Ungeloben,  De  ohle  1,  104. 
Ungt,  Snurren  1,  97. 
uns,  US  20,  31. 
uns,  US  in  Westfalen  11    89. 
Unterirdische  1,  104. 
Unterschrift  2,  27. 
Untreue  der  Welt,  mnl.  13,  111. 


Urkundenbuch  der  Berlinischen  Chronik 

3,  170  f.;  Ostfriesisches  4,  116  f. 
Urkundeusprache  20,  78  ff. 
Uthroop,  De  Hambörger  8, 129;  8, 159. 
V  und  f  3,  28. 

Valentin  und  Namelos  19,  108  f. 
Van  den  Detmerschen   is  dyt  ghedicht 

10,  89  f. 
Vandalen  12,  30. 
Vaterunser,  Mnd.  9,   145  f. 
Veghe  11,  88. 

Velleius  Paterculus  12,  47  f. 
ver  statt  vor  9,  109. 
Verein  für  nd.  Sprachforschung  1,  2  f. 
Vereinigung  mit  Gott  10,  7 
Verlobungsgebräuche  3, 83  f. ;  3, 127  f. 
Verlorn  Szohn,  Parabel  vam  6,  8. 
Verstentenisseu    der    zielen,    Van  den 

seven  10,  29. 
Vervolginge,  Van  der  gewaerger  10, 36. 
Verwttnschungsformel  8,  113. 
Vierdaghe,  Van  dem  10,  15. 
Vietzebohne  16,  53  ff. 
Vigilien,  Lexen  van  der  9,  139. 
Vincke,  Ebbecke  15,  33. 
VinÜer  17,  107. 
VirgUsage  6,  23. 
Visio  Philiberti  5,  21  f ;  6,  71;  6,73; 

6,  130  f.;  7,  24  f. 
Vithones  12,  34. 
Vögelsprüche  11,  171  f. 
Völschow,  Mor.  19,  126. 
Vogelgesang,  Das  geistliche  14,  115. 
Vogelsprachen  14,  101  ff. 
Vokabelbuch  eines  Schülers  4,  27;  5, 55; 

Lateinisch-deutsches  6,  123  f. 
Volksdialecte    und    Schriftsprache    H- 

85  ff.;  20,  78. 
Volksweisen  18,  15  ff. 
volst  *Volk*  2    137. 
Volz,  Frdr.  19,  126. 
von,  van  20,  81. 
vor  Süden  9,  117. 


167 


Vriesen  landtrecht  6,  74. 
vro  (froh)  18,  142. 
Vruwenlof  17,  91. 
Waffeubesprechang  2,  27. 
Wagner,  Joh.  Chr.  19,  126. 
Walbeck,  Kloster  12,  91. 
Wampen  s.  Everhard. 
Wanten  5,  17;  5,  184. 
Wapen  Eristi  3,  71. 
war,  wor  19,  134. 

'War  einst  ein  Biese  Goliath'  von  Clan- 
dins  in  westfälischer  Übersetzung  4,85. 
Warnavi  12,  44. 

Warnen  12,  3.  19  ff.  29  ff  44.  56  ff 
Warnow  12,  44  f. 

Warnung  vor  Würfelspiel  19,  90—94. 
Warpanker  5,  18. 
Warschanen  5,  19. 
Watanesleba  12,  14. 
Waterrecht  7,  34  f. 
watte  1,  99. 
Waude  1,  101. 
Wauen  1,  101. 
Wange  1,  101. 
Waul  1,  101. 

Wech  der  reyningen  10,  19. 
Weddigen,  P.  F.  4,  79. 
wedel  16,  150  ff. 
Wedem  (Wüstung)  16,  80  ff. 
Wegekörter  20,  1. 
Weichmann  9,  75. 
Weihnachtslieder  7,  1  f. 
Weihnachtspiel,  Berliner  9,  94  f. 
Weinprobe  14,  90  f. 
Wendt,  Matth.  19,  126. 
wenn  causal  gebraucht  1,  113;  2,  149. 
wente  einen  Vordersatz  einleitend  1,  113. 
Weper,  Die  8,  106. 
Werdener  Liederhandschrift    14,  60  ff. 
Werdicheit  der  joncfrowen  10,  41. 
Werinofeld  12,  21.  23. 
Werldtspröke  14,  107. 
Werngaii  12,  5. 


Werpanker  5,  18. 

Westerman,  Johan  3,  183. 

Westfölische  Brechung  kurzer  Voc.  in 
offener  Silbe  1,  97;  Hochzeitsgedicht 
4,  82;  Liebesgedicht  4,  80;  Maga- 
zin 4,  79;  Mundarten  11,  85;  14,  11; 
20,  81  ff;  Predigten  10,  44  f.; 
Sprichwörter  4,  79  f.;  Uebersetzung 
von  'War  einst  ein  Biese  Goliath' 
4,  85;  Wörterbuch  9  65  f.,  siehe 
auch  Südwestfälisch. 

Westfalen,  mnd.  Schriftsprache  11, 85  ff. ; 
20,  78. 

Westfriesische  Mundart  2,  45;  Colonien 
12,  72. 

Westphal,  Peter  19,  126. 

Widsidh  11,  1;  57. 

Wiegenlieder  13,  20;  20,  37. 

Wiener  Handschriften  2,  51  f. 

Wierstraat,  Christian  15,  33. 

Willem  van  Hildegaersberch  15,  39. 

Wilsnack,  Heiliges  Blut  zur  3,  57  f. 

Winnigstede,  Johannes  9,  49  f. 

Winterklage  2,  26. 

Wirkende  und  mögliche  Vernunft  10, 16. 

Wisbysche  Seerecht  7,  35. 

wisdieldaeh  1,  112. 

Wismar,  Eulenspiegel  19,  57;  Stadt- 
bücher 3,   1  f.;   Totentänze  17,  46. 

Witton,  Joh.  19,  127. 

Wockenstedt  bei  Oschersleben  12, 
131.   137. 

Wörterbuch,  Zum  mnd.  2,  40  f.;  2,  47  f. 

Woeste,  Friedrich  3,  165  f.  —  West- 
fälisches Wörterbuch  9,  65  f. ;  Briefe 
9,  70  f. 

Wo  de  sele  stridet,  s.  Visio  Philiberti. 

Wolfenbütteler  Arzneibuch  4,  5  f. 

Wolfenbütteler  Handschriften  6,  68  f.; 
2, 19;  11, 128—138;  Osterspiel  17,92. 

Wolgast,  Totentanz  17,  46. 

Wo  men  böse  Fromvens  frhn  maken 
kan  ß,  7. 


1^8 


ioopm  =  wenen  2,  138. 
Würfelspiel,    Warnung    vor    dem    19, 

90—94. 
Wyers,  Mathya  9,  141. 
Xerxes  in  Abidns  8,  118  f. 
y  statt  i  16,  96. 

Zangemeister,  As.  Bibeldichtnng  20. 
Zant  Ghangen  dach  1,  110. 
Zehn  Gebote,  s.  Gebote. 
Zeichen    des    Tierkreises    2,   27;    Die 

fünfzehn  10,  24;  10,  27;  10,  28. 
Zeitlose  4,  65  f.;  15,  44  fif. 
Zellerfeld,  Eolenspiegler  Mühle  19,  13. 
Zeno  6,  69;  17,  92  ff. 
xeppel  2,  136. 


xest  2,  136. 

Zetacismns  12,  63  ff. 

Ziegenbock  (Gespenst)  1,  102. 

Ziese  1,  59. 

Zimm^nnann  EUnsch  1,  103. 

xint  2,  135. 

Zio  2,  114  f. 

Zirkelgesellschaft,  Lübecker  3,  33;  6, 1. 

Zisa  2,  114  f. 

Zitelose  s.  Zeitlose. 

xußm  2,  136. 

Zwetsche  12,  97  ff. 

Zwiegespräch  zwischen  dem  Leben  und 

dem  Tode    1,   64  f.;    2,    131  f.;  3. 

161  f.;  6,  70;  6,  71. 


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UNIVERSITY 


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Jahrbuch 


des 


Vereins  lilr  niederdeotscbe  Sprachforschung. 


Jahrgang  1895. 


^  OK  THK        'TK 

UNIVERSITY 


NORDEN  und  LEIPZIG. 

Diedr.  Sollau's  Verlag. 
1896. 


Druck  von  Diedr.  Soltau  in  Norden. 


Inhalt. 


Seite 

ErinneraDg  an  Wilhelm  Mielck.     Von  C.  Walther 1 

Ueher  Dialektforschung  im  Niederdeutschen.     Von  W.  H.  Mielck     .     .     .  13 

Die  Heliandhaudschriften.     Von  P.  Piper 17 

Der  Cottonianus 19 

Der  Monacensis 43 

Das  Prager  Bruchstück 54 

Die  Vatikanische  Handschrift 55 

Die  angelsächsische  Genesis 58 

Ortsmundarten  der  Magdeburger  Gegend.     Von  G.  Krause 60 

Der  Berliner  Totentanz.     Von  W.  Seelmann 81 

Text  des  Berliner  Totentanzes 95 

Der  Lübecker  Totentanz  von  1520.     Von  W.  Seelmann 108 

Text  des  Lübecker  Totentanzes  von  1520 111 

Zu  mnd.  Gedichten.     Von  E.  Damköhler 123 

Zu  Keinke  Vos 123 

Zu  Valentin  und  Namelos 125 

Zum  Sündenfall 126 

Zu  Eonemann 128 

Zum  Volksbnche  von  Eulenspiegel.     Von  B.  Sprenger 130 

Zu  niederdeutschen  Dichtungen.     Von  B.  Sprenger 132 

Zum  Redeutiner  Osterspiel 132 

Zu  den  Fastnachtsspielen 133 

Zu  den  nd.  Schauspielen  älterer  Zeit 135 

Zu  den  nd.  Bauernkomödien 139 

Zu  Gerhard  von  Minden 142 

Zu  Botes  Boek  van  veleme  rade 143 

Zu  der  Warnung  vor  dem  Würfelspiel.     Von  J.  Bolte 144 

Satire  auf  die  katholische  Messe  v.  J.  1529.     Von  L.  Hölscher      .     .     .  147 

Westpreussische  Spracheigenheiten.     Von  H.  Jacob  und  W.  Schröer.     .  156 

Zur  Farbendeutung.     Von  W.  See  Im  an  n 162 


Erinnerung  an  Wilhelm  Mielek. 

Vortrag,  gehalten  in  der  gemeinsamen  Versammlung  des  Hansischen  Geschichtsvereins 
und  des  Vereins  für  Niederdeutsche  Sprachforschung  zu  Bremen  am  26.  Mai  1896. 


Schon  mehrmals  haben  die  beiden  Brüdervereine,  der  für  Han- 
sische Geschichte  und  der  für  Niederdeutsche  Sprachforschung,  die 
herbe  Pflicht  erfüllen  müssen,  verdienter  Mitglieder,  welche  durch  den 
Tod  ihnen  entrissen  worden,  in  Trauer  und  Dankbarkeit  zu  gedenken. 
Im  vorigen  Jahre  hat  dies  Los  den  Hansischen  Verein  betroffen, 
welcher  durch  den  Todesfall  von  Professor  Ludwig  Weiland  einen 
schweren  Verlust  erlitt..  Diesmal  ist  es  der  Niederdeutsche  Verein, 
welcher  sein  Vorstandsmitglied  Dr.  Wilhelm  Mielek  aufs  schmerzlichste 
vermisst.  Beider  Männer  Lebenslauf  hat  auf  ähnliche  Weise  geendigt. 
Diesen  wie  jenen  rief  der  Tod  plötzlich  und  unerwartet  ab,  da  er 
noch  in  vollkräftiger  Thätigkeit  stand  und  ehe  er  das  mittlere  Mannes- 
alter überschritten  hatte.  In  den  letzten  Wochen  und  Tagen  seines 
Lebens  war  Mielek  noch  aufs  angelegentlichste  beschäftigt  mit  Vor- 
bereitungen für  diese  Jahresversammlung,  mit  der  Fertigstellung  unseres 
Korrespondenzblattes  und  dem  Abschluss  seiner  Kassenrechnung. 
Heute,  da  wir  nun  ohne  ihn  hier  versammelt  sind,  wird  unwillkürlich 
die  Erinnerung  wach  an  die  Pfingsten  des  Jahres  1874,  als  der  Han- 
sische Geschichtsverein  gleichermassen  hier  in  Bremen  tagte.  Mielck's 
durch  mehr  denn  zwanzig  Jahre  unermüdlich  fortgesetztes  Streben 
und  Wirken  für  den  Niederdeutschen  Sprachverein  und  dessen  Zwecke 
begann  mit  jenem  Mai  des  Jahres  1874. 

Wie  kam  er,  dessen  Fachwissenschaft  weder  die  Philologie  noch 
die  Historie  war,  der  vielmehr  die  exacten,  naturwissenschaftlichen 
Disciplinen  sich  zum  Studium  gewählt  hatte,  wie  kam  der  Mann  von 
praktischem  Berufe  dazu,  ein  so  warmes  Interesse  an  den  Aufgaben 
unserer  beiden  historischen  Vereine  und  vornehmlich  an  denen  des 
sprachgeschichtlichen,  an  der  Erforschung  des  Niederdeutschen  zu 
nehmen?  Sein  Ausgang  war  gleich  dem  so  mancher  Forscher  vor 
ihm  und  beruhte  auf  demselben  Grunde,  dem  überhaupt  die  ger- 
manische Philologie  ihren  Urspnmg  verdankt,  der  Liebe  zur  Mutter- 
sprache, zur  Sonderart  des  Volkes,  zur  Geschichte  der  Heimat.  In 
Mielck's  Lebensgange  lässt  sich  deutlich  erkennen  und  verfolgen,  aus 
welcher  Wurzel   und   unter   welchen  Bedingungen    seine  Vorliebe   für 

NiederdeatBohes  Jahrbach  XXI.  1 


niederdeutsche  Art  und  Sprache  erwächst  und  wie  sich  aus  der  Gemüts- 
neigung das  wissenschaftliche  Interesse  entwickelt,  wie  dann  der  Trieh, 
die  von  ihm  gesprochene  Mundart  grammatisch  zu  begreifen  und 
historisch  zu  erkennen,  ihn  zum  Studium  und  schon  früh  zur  selb- 
ständigen Forschung  leitet. 

Wilhelm  Hildemar  Mielck  ward  am  17.  October  1840  zu  Hamburg 
geboren.  Sein  Vater,  ein  angesehener  Apotheker,  stammte  aus  dem 
Flecken  Barmstedt  in  Stormarn,  wo  sein  Grossvater  das  Amt  des 
Pastoren  bekleidete.  Auch  der  Urgrossvater  war  Geistlicher  gewesen, 
im  Flecken  oder  Städtchen  Preetz  in  Wagrien.  Die  Familie  Mielck 
darf  eine  altliolsteinische  genannt  werden,  da  sie  laut  des  Stamm- 
registers ihre  Vorfahren  bis  auf  den  im  Jahre  1658  zu  Rendsburg 
geborenen  Bertram  Mielck  zurückverfolgen  und  zugleich  nachweisen 
kann,  dass  die  Nachkommen  desselben  stets  im  Lande  Holstein  an- 
sässig gewesen  sind.  Das  Stammregister,  welches  Wilhelm  Mielck 
1888  zum  83sten  Geburtstage  seines  Vaters  hat  drucken  lassen,  war 
angelegt  worden  von  einem  Melchior  Öhlmann,  als  er  1571,  nachdem 
er  fünfzehn  Jahre  ;,vör  enen  Krigesman  gedenet*^,  in  seine  Vaterstadt 
Eimbek  zu  dauerndem  Aufenthalt  heimgekehrt  war.  Durch  Ver- 
heirathung  mit  seiner  Enkelin  überkam  jener  Bertram  Mielck  das 
Register.  In  der  Familie  Mielck  ist  es  dann  immer  vom  ältesten 
Sohne,  zuletzt  von  einem  Landmanne  bei  Barmstedt,  bis  in  die  Gegen- 
wart weiter  geführt  worden.  Zum  Verständniss  der  Persönlichkeit 
unseres  verstorbenen  Freundes  scheint  die  Existenz  einer  solchen 
Familienchronik  und  der  sich  durch  ihre  Führung  aussprechende 
historische  Sinn  seiner  Vorfahren  nicht  minder  beachtenswert,  als 
seine  Abstammung  aus  einer  nordelbingischen  Mittelstands-  und 
Gelehrtenfamilie,  in  welcher  nach  Landesbrauch  neben  der  hoch- 
deutschen Schriftsprache  sich  die  niederdeutsche  als  Verkehrsmittel 
im  gewöhnlichen  Leben  und  als  Muttersprache  im  Hause  erhalten  hatte. 

Um  Ostern  1852  kam  Mielck  in  die  Realschule  des  Johanneums 
zu  Hamburg.  Nach  vierjährigem  Besuch,  während  welcher  Zeit  er 
auch  an  dem  Unterricht  im  Lateinischen  teilgenommen  hatte,  ging 
er  Ostern  1856  ab,  um  sich  dem  Berufe  seines  Vaters  zu  vridmen. 
Aus  seiner  Schulzeit  ist  folgender  Zug  von  ihm  bemerkenswert  und 
vorbedeutlich.  Der  Lehrer  der  zweiten  Klasse  hatte  ausnahmsw^eise 
einmal  den  Schülern  die  Wahl  von  Gedichten  zur  Declamation  über- 
lassen. Zu  allgemeiner  Ueberraschung  trat  Mielck  mit  einem  Gedichte 
von  Klaus  Groth  auf,  ernsten,  aus  dem  schleswigholsteinischen  Kriege 
gegen  die  Dänen  entlehnten  Inhalts.  Von  unserm  trefflichen  Lehrer, 
dem  Professor  Röpe,  erntete  er  nicht  bloss  Lob  wegen  des  Vortrages, 
sondern  auch  ganz  besonders  wegen  der  Wahl  des  Gedichtes.  Ich 
muss  gestehen,  dass  auf  mich  der  Vorgang  einen  tiefen  und  nach- 
haltigen Eindruck  gemacht  hat.  Wenngleich  uns  meisten  das  Platt- 
deutsche, weil  wir  es  beständig  auf  der  Strasse  und  im  Hause  hörten, 
wohl  bekannt,  manchen  auch  durch  Uebung  in  der  Familie  ganz 
geläufig  war,  trotzdem  oder  grade  deshalb  war  uns  nie  der  Gedanke 


gekommen,  dass  diese  Sprache  sich  auch  zu  edlerem  Gebrauche  schicke; 
eine  Geringschätzung,  ja  selbst  Verachtung  derselben  als  einer  un- 
gebildeten, gemeinen  beherrschte  so  gut  die  Vorstellung  der  Schul- 
jugend, wie  der  meisten  Erwachsenen.  Mielck's  Wagestück  muss 
dämm  eine  mutige  Tat  genannt  werden,  durch  welche  der  Knabe 
schon  jene  Selbständigkeit  des  Urteils  und  jene  Entschiedenheit  des 
Willens  offenbarte,  denen  er  als  Mann  so  manche  Erfolge  verdanken  sollte. 

Nach  Beendigung  einer  vierjährigen  Lehrzeit  in  einer  der 
bedeutendsten  Apotheken  Hamburgs  kehrte  Mielck  Ostern  1860  ins 
väterliche  Haus  zurück,  um  ein  Jahr  lang  die  Stelle  eines  Gehülfen 
zu  versehen.  Während  derselben  Zeit  hörte  er  die  Vorlesungen  der 
Professoren  des  Akademischen  und  Real-Gymnasiums,  einer  jetzt  ein- 
gegangenen Vorbereitungsanstalt  für  die  Universität.  Seine  nur  spär- 
liche Müsse  dieses  Jahres  verwandte  er  auf  eine  philologische  Arbeit, 
die  Darstellung  der  Formenlehre  des  Stormarisch- Hamburgischen 
Dialektes.  Ausser  einer  historischen  Einleitung  konnte  er  jedoch  von 
den  vier  Abteilungen,  aus  welchen  diese  Grammatik  bestehen  sollte, 
nur  die  beiden  über  die  Formenlehre  und  die  Conjugation  vollenden. 
Und  auch  zur  Redaction  und  Reinschrift  dieses  in  Hamburg  fertig 
gewordenen  Teiles  fand  er  erst  im  folgenden  Jahre  in  Russland  Zeit, 
wohin  ihn  sein  Beruf  geführt  hatte.  Von  dort  aus  sandte  er  1862 
seine  Arbeit  an  Professor  Christian  Petersen,  seinen  Lehrer  auf  dem 
Gymnasium,  mit  der  Bitte  um  eine  Beurteilung.  Das  Begleitschreiben 
giebt  über  die  Genesis  des  Werkes  Aufschlüsse,  die  zugleich  wert- 
volles Material  für  die  Biographie  des  Verfassers  liefern,  weshalb 
ich'  einen  Auszug  mitteile. 

Es  werde  seinen  Lehrer  befremden,  dass  er  einen  seinem  Berufe 
so  fremden  Gegenstand  behandelt  habe.  Das  Plattdeutsche  sei  aber 
nun  einmal  sein  Lieblingsthema.  Wie,  wann  und  wodurch  in  ihm 
die  Liebe  zu  dieser  Mundart  und  die  Neigung  zur  Beschäftigung  mit 
ihr  erweckt  worden  sei,  wisse  er  nicht  zu  sagen.  Doch  suche  er  die 
Ursache  in  dem  Umstände,  dass  das  Plattdeutsche  seine  erste,  seine 
Muttersprache  sei,  da  im  elterlichen  Hause  mit  ihm  und  seinen 
Geschwistern  bis  zum  Schulbesuch  nur  in  derselben  gesprochen  worden 
wäre.  Später  hätten  auf  ihn  die  Gedichte  von  Klaus  Groth  bedeutenden 
EinHuss  geübt.  In  seiner  Lelirzeit  hätte  während  mancher  Stunden 
seine  Beschäftigung  in  gleichbleibenden  mechanischen  Bewegungen, 
die  keines  Aufpassens  bedurften,  bestanden,  wo  also  der  Geist  Müsse 
gefunden  habe,  sich  mit  anderen  Dingen  zu  beschäftigen.  Wenn  er 
es  müde  gewesen,  chemische  Zusammensetzungen  der  Körper  im 
Gedächtniss  zu  wiederholen,  in  Gedanken  Pflanzen  zu  bestimmen  oder 
PHanzenfamilien  von  einander  zu  sondern,  dann  habe  er  über  das 
Plattdeutsche  nachgedacht.  Ihn  habe  die  Geringschätzung  geärgert, 
mit  welcher  von  dieser  Mundart  um  ihn  her  geredet  ward;  da  habe 
er  versucht,  sich  klar  zu  werden,  ob  sie  nicht  doch  besser  sei  als 
ihr  Ruf,  und  habe  er  sich  bemüht,  ihre  eigentümlichen  Formen  und 
die  für  sie  geltenden  Gesetze  zu  verstehen.     Mit  der  Conjugation  von 


^taben''  und  ;,sein*^  habe  er  begonnen,  und  er  erinnere  sich  noch  der 
Freude,  als  er  alles  glücklich  zusammengefunden  hatte.  Bald  aber 
sei  er  seines  geringen  Wissens  von  germanischer  Philologie  inne 
geworden  und  habe  darum  sich  aus  Jacob  Grimm's  Grammatik  und 
Geschichte  der  deutschen  Sprache  zu  belehren  gesucht.  Allein  ohne 
Anleitung  hätte  das  ih;m  ein  ziemlich  vergebliches  Bemühen  bleiben 
müssen.  Endlich  habe  er  eingesehen,  dass,  um  doch  zu  einem  Ziele 
zu  gelangen,  es  gegolten  habe,  einen  andern  Angriffspunkt  zu  suchen, 
und  so  habe  er  gewagt,  wenn  auch  nicht  alle,  so  doch  einige  seiner 
Beobachtungen  über  die  Sprache,  wie  sie  im  Munde  des  Volkes  lebe, 
und  über  ihre  Regeln  zu  Papier  zu  bringen,  mit  Unterlassung  jedes 
Vergleiches  mit  anderen  Mundarten. 

Petersen  sprach  ihm   seinen  Beifall  aus,    doch   fühle   er,    selbst 
Dilettant  auf  diesem  Gebiete,    sich   nicht   competent   zur   Beurteilung 
der   Arbeit,   sondern   habe   Dr.  Elard  Hugo  Meyer   von   Bremen   um 
eine   solche  gebeten.     Meyer,   dessen   Bekanntschaft   Mielck   noch   in 
Hamburg  gemacht  hatte,  gab  diesem  mit  freundlicher  Bereitwilligkeit 
das  Resultat  seiner  Prüfung.    Während  er  dem  feinen  Sinn  für  Sprach- 
liches,   der  sich  in  den  Beobachtungen   offenbare,   seine  Anerkennung 
zollt,  vermisst  er  eine  gründliche  historische  Kenntniss  der  deutschen 
Sprache;    aus    diesem    Mangel    seien    die    Schwächen    und   Fehler    zu 
erklären,    deren  er  eine  Anzahl   eingehend  bespricht.     Er  teilt  seinen 
Rat  mit,   wie  solche  für  fernere  Arbeiten  unentbehrlichen  Kenntnisse 
zu    gewinnen   seien.     Die  weiteren  Schritte   in   das    gemeinsame  Feld 
werde   er   mit   Freuden    begrüssen.     Mielck   antwortet  mit  Dank  und 
nimmt  mit  Bescheidenheit  die  gemachten  Ausstellungen  an.   Hinsichtlich 
zweier  Punkte  bleibe  er  aber  bei  seiner  Ansicht.     Die  ihm  empfohlene 
Frommann'sche   Rechtschreibung   liir  Mundarten    (in   desselben   Zeit- 
schrift ;,Die  Deutschen  Mundarten^  Bd.  VI  am  Schluss)  sei  wohl  not- 
wendig,   wo    es    gelte,    eine   Anzahl   Dialekte    nach   Einer   Regel    zu 
behandeln;    ;, sollte    es   aber   eines  so  zusammengesetzten  Werkzeuges 
bedürfen,    wenn   nur  Eine  Mundart   durch   die  Schrift  wiederzugeben 
ist?*'     Der  andere  Punkt  war  ein  geäusserter  Zweifel  an  der  Richtigkeit 
zweier  Behauptungen,  den  Mielck -als  einen  Zweifel  an  der  Richtigkeit 
seiner   Beobachtung   der   Laute   und   Formen   verstanden   hatte.      Er 
schliesst:  ;,Die  Stufe  eines  Meisters    oder    auch   nur   Gesellen   in    der 
Deutschen   Sprachforschung    werde    ich    wohl    schwerlich    erklimmen, 
aber  auch  als  Handlanger  könnte  ich  (wenn  ich  die  Begabung  für   die 
Sprache,    die    Sie    mir   zuerkennen,    besitze,)   Andern  beim  Bau  einer 
plattdeutschen  Sprachlehre  helfen.*'     Auf  den  Vorschlag  Petersens,   die 
Arbeit  zu  seinem  Angedenken   dem  Gymnasial -Archive  zu  übergeben, 
wo   sie   neben  Arbeiten   seiner   früheren  Collegen  eine  würdige  Stelle 
einnehmen  würde,  ist  Mielck  nicht  eingegangen,  sei  es  aus  Bescheiden- 
heit, sei  es  weil  er  hoffte,    sie    einmal    umarbeiten   und   vollenden   zu 
können. 

Wenden  wir  uns  nun  zu  dieser  Arbeit  selbst,    so   ist   in  Ueber- 
einstimmang    mit   Professor   Meyer's   Kritik   die   Einleitung    als     der 


schwächste  Teil  zu  bezeichnen,  insofern  der  Verfasser  hier  ohne  die 
nötige  Vorbildung  in  einem  historischen  Ueberblick  schildern  wollte, 
wie  das  Hochdeutsche  sich  gebildet  habe  und  zur  allgemeinen  Schrift- 
sprache geworden  sei.  Dagegen  enthält  seine  Besprechung  des 
Charakters  der  behandelten  Mundart  und  ihres  Verhältnisses  zur 
Schriftsprache  und  zu  anderen  niederdeutschen  Dialekten,  die  mehr 
vom  Hochddeutschen  beeinflusst  worden  sind,  manche  treffende 
Bemerkung.  Unbefangen  und  mit  triftigen  Gründen  verurteilt  er  den 
Wahn,  für  Norddeutschland  eine  niederdeutsche  Schriftsprache  neben 
die  hochdeutsche  setzen  zu  können  oder  auch  dies  nur  zu  wünschen. 
Was  dann  Mielck's  grammatische  Darstellung  seiner  heimischen 
Mundart  anbetrifft,  so  ist  vor  allem  die  richtige  und  genaue  Auf- 
fassung des  Sprachstoffes  hervorzuheben.  Bisweilen  berücksichtigt  er, 
dass  Doppelformen,  städtische  und  ländliche,  existieren;  selten  hat 
er  die  speciel  hamburgische  übergangen  und  die  in  der  Stadt  weniger 
übliche,  aber  auf  dem  Lande  herrschende  allein  angegeben.  Seine 
Schulung  des  Auges  durch  naturwissenschaftliche  Beobachtung  hat 
wohl  dazu  beigetragen,  dass  er  auch  mit  dem  Ohre  scharf  wahr- 
zunehmen sich  gewöhnte.  Die  schwierige  Aufgabe,  sich  zur  Darstellung 
der  mundartlichen  Laute  eine  ausreichende  Orthographie  zu  schaffen, 
hat  er  mit  verständiger  Verwendung  des  deutschen  Alphabetes  und 
mit  Hinzunahme  bloss  zweier  Zeichen,  des  Grimm'schen  Längezeichens 
und  eines  Punktes  zur  Andeutung  des  in  unserem  neueren  Dialekte 
die  Aussprache  so  stark  beeinflussenden  stummen  e,  ganz  geschickt 
gelöst.  An  die  Conjugation  hat  er  einige  syntaktische  Bemerkungen 
angeschlossen,  um  die  Verschiedenheit  hoch-  und  niederdeutscher  Aus- 
drucksweise darzutun;  diese  zeugen  von  feinem  Sprachgefühl.  Es  ist 
zu  bedauern,  dass  ihm  später  die  Neigung  oder  wahrscheinlicher  die 
Müsse  gefehlt  hat,  seine  Arbeit  zu  vollenden  und  zugleich  zu  vervoll- 
kommnen. Einzelnes  hat  er  hie  und  da  im  Niederdeutschen  Korre- 
spondenzblatt verwertet. 

Im  Mai  1861  war  Mielck  zur  weiteren  Ausbildung  in  seinem 
Berufe  nach  Russland  gegangen.  Er  war  dort  in  zwei  Apotheken 
als  Defectar  tätig,  zuerst  ein  Jahr  in  Petersburg,  dann  drei  Jahre  in 
Moskau.  Die  gründliche  Kenntniss  des  Russischen,  die  er  sich  in 
dieser  Zeit  nicht  nur  im  Verkehr,  sondern  auch  durch  Unterricht  und 
Leetüre  erworben  hat,  ist  ihm  hernach  bei  seinen  germanistischen 
Studien  von  grossem  Vorteil  gewesen.  Von  Petersburg  aus  bereiste 
er  Finnland,  und  an  den  Moskauer  Aufenthalt  schloss  sich  eine  Reise 
nach  dem  Kaukasus,  Von  Tiflis  kehrte  er  über  das  Schwarze  Meer 
und  über  Odessa,  wo  er  längere  Zeit  am  Typhus  krank  lag,  nach 
Moskau  und  von  dort  im  August  1865  nach  Hamburg  zurück.  Wie 
er  auch  auf  diesen  Reisen  seine  Beobachtungsgabe  mit  Nutzen  gebraucht 
und  mit  offnem  Aug  und  Ohr  Land  und  Leute  studiert  hatte,  davon 
gaben  seine  gelegentlichen  Mitteilungen  deutliche  Beweise. 

Nach  Vollendung  seiner  praktischen  Vorbereitung  verwandte  er 
die  nächsten  Jahre  auf  akademische  Studien,    zuerst   und   zuletzt   in 


Göttingen,  dazwischen  in  Heidelberg.  Auf  beiden  Universitäten  hörte 
er  neben  den  Vorlesungen  seines  Faches  auch  germanistisch -philo- 
logische, nemlich  historische  Grammatik  der  deutschen  Sprache  und 
Altsächsisch  bei  Professor  "Wilhelm  Müller  und  Gotisch  und  Althocli- 
deutsch  bei  Professor  Ernst  Martin.  Im  April  1869  beschloss  er  sein 
Universitätsstudium  mit  einem  vorzüglich  bestandenen  Examen  und 
der  Promotion  zum  Doctor. 

Heimgekehrt  trat  er  in  seines  Vaters  Apotheke  ein,  um  diesem 
in  der  Führung  derselben  beizustehen.  Im  September  desselben  Jahres 
verheiratete  er  sich.  Er  verlebte  dann  in  höchst  glücklichem  Familien- 
leben und  in  befriedigender  Ausübung  seines  Berufes  sechs  ruhige  Jahre, 
bis  ihn  im  November  1875  die  Uebernahme  der  väterlichen  Apotheke 
zu  geschäftlicher  Selbständigkeit,  zur  Gewinnung  des  Bürgerrechts 
und  infolge  dessen  zu  vielseitiger  gemeinnützigen  Tätigkeit  führte. 
Was  es  ihm  möglich  machte,  die  sich  allmählich  so  mehrenden 
Pflichten  zu  erfüllen,  war  einmal  seine  Lust  an  der  Arbeit,  ohne 
welche  für  ihn  das  Leben  keinen  Wert  hatte,  andererseits  seine  durch 
stete  Uebung  gewonnene  Kunst,  die  Zeit  auszukaufen.  Von  Jugend 
auf  war  er  gewohnt,  früh  sein  Tagewerk  zu  beginnen ;  in  den  Jahren 
seiner  vollen  Kraft  vermochte  er  dabei  bis  tief  in  die  Nacht  hinein 
zu  arbeiten.  Der  grösste  Teil  des  Tages  gehörte  seiner  Apotheke, 
welche,  schon  unter  seinem  Vater  von  Ruf,  durch  ihn  noch  an  Be- 
deutung zunahm.  Hier,  am  Schreibtisch  oder  an  der  Toonbank  oder 
auch  im  Laboratorium,  war  er  am  ehesten  zu  treflfen.  Manches  Mit- 
glied unserer  beiden  Vereine  wird  sich  gern  und  wehmütig  erinnern, 
dort  von  ihm  in  seiner  herzlichen  Weise  bewillkomment  und  darauf 
in  sein  nahegelegenes  kleines  Arbeitszimmer  geleitet  worden  zu  sein. 
Oefters  fand  der  Gast  geraume  Müsse,  die  hier  befindliche  Bibliothek 
zu  mustern  oder  über  die  Menge  der  zu  erledigenden  Schriftstücke 
auf  Pult  und  Tisch  zu  staunen,  wenn  der  Hausherr  ab  und  an  wegen 
einer  dringenden  Geschäftssache  oder  sonstigen  Angelegenheit  abgerufen 
ward.  Selten  war  es  diesem  vergönnt,  seinem  Gaste  auch  nur  eine 
ungestörte  Viertelstunde  zu  widmen. 

In  seinem  Berufe  wirkte  ei*  nicht  nur  als  Praktikant,  sondern 
auch  viele  Jahre  als  Docent  an  der  pharmaceutischen  Lehranstalt 
seiner  Vaterstadt.  An  den  Bestrebungen  sowohl  des  Hamburg- 
Altonaer,  als  an  denen  des  Deutschen  Apotheker -Vereins  beteiligte 
er  sich  aufs  regste.  Die  Pharmacie  bemühte  er  sich  durch  neue  Heil- 
mittel zu  bereichern;  mehrfach  hat  er  über  solche  in  medicinischen 
Zeitschriften,  zumteil  gemeinsam  mit  Aerzten,  welche  dieselben  erprobt 
hatten,  berichtet.  Ein  Fachgenosse  bezeichnet  in  seinem  Nachrufe 
(im  Internationalen  Pharmaceutischen  Generalanzeiger)  seine  Tätigkeit 
für  die  Therapie  auf  dermatologischem  Gebiete  als  bahnbrechend. 
Rühmend  hebt  derselbe  ferner  hervor,  dass  er  die  Schärfe  seines  Ver- 
standes in  vielen  Berichteu  zum  Wohle  seiner  Collegen  bekundet  habe, 
nachdem  er  seit  1887  von  der  Hamburgischen  Medicinalbehörde  mit 
dem  Amte   eines  pharmaceutischen  Assistenten    betraut  worden    war. 


Nach  hansischer  Sitte  stellte  er  seine  Arbeitskraft  bereitwillig 
in  den  Dienst  der  bürgerlichen  und  kirchlichen  Gemeinde,  sowie  zur 
Unterstützung  cultureller  und  gemeinnütziger  Bestrebungen.  In  einer 
beträchtlichen  Anzahl  sogenannter  Ehrenämter  hat  er  so  gewirkt,  hat 
z.  B.  das  mühsame  Amt  eines  Armenpflegers  seit  1878  viele  Jahre 
verwaltet.  Von  den  vaterstädtischen  Vereinen,  in  denen  er  tätig  war, 
ist  vor  allem  der  für  Hamburgische  Geschichte  zu  nennen,  dessen 
Vorstand  er  seit  1885  angehörte  und  dessen  Zwecke  zu  fördern  er 
eifrig  bestrebt  war.  Auf  seine  Anregung  und  unter  seiner  Leitung 
unternahm  der  Verein  die  Herausgabe  der  kunsthistorischen  Beschrei- 
bungen der  hamburgischen  Kirchen.  Das  Interesse  für  die  Geschichte 
seiner  Vaterstadt  veranlasste  ihn  zu  seiner  letzten  Arbeit,  der  Schaffung 
eines  historischen  Museums.  Eine  derartige  Sammlung  bestand  zwar 
schon  durch  die  Bemühungen  des  Hamburgischen  Geschichtsvereins 
seit  1839;  allein  sie  war  allmählich,  da  sie  nicht  nach  ihrem  Wert 
geschätzt  und  in  unzulänglichen  und  ungeeigneten  Räumen  unter- 
gebracht war,  in  einen  ungeordneten  und  verwarlosten  Zustand  geraten, 
was  Mieick  bereits  1875  öffentlich  ohne  Erfolg  gerügt  hatte.  Grössere 
Beachtung  ward  der  Sammlung  erst  zuteil,  als  zu  Anfang  der  acht- 
ziger Jahre  der  infolge  der  Anlegung  des  Freihafens  bevorstehende 
Abbruch  eines  älteren  Stadtviertels  auf  eine  reiche  Vermehrung  hoffen 
Hess.  Um  das  geweckte  Interesse  wach  zu  halten,  veranstaltete  der 
Verein  für  Hamburgische  Geschichte  1885  eine  gewerbegeschichtliche 
Ausstellung,  an  der  Mieick  sich  hauptsächlich  durch  den  Aufbau  einer 
Apotheke  beteiligte.  Schon  einige  Jahre  vorher  hatte  er  angefangen, 
vorhandene  Reste  des  vormaligen  Apothekerbetriebes  von  dem  Unter- 
gange zu  retten.  Sein  bei  dieser  Gelegenheit  erschienener  Katalog 
weist  nahe  an  tausend  Gegenstände  auf.  Diese  Ausstellung  gab  ihm 
Anlass,  sich  genauer  mit  der  Sammlung  Hamburgischer  Altertümer 
bekannt  zu  machen.  Besonders  zog  ihn  die  Waffensammlung  an,  auf 
deren  durch  Alter  und  Zahl  bedeutenden  Wert  er  durch  Wort  und 
Schrift  die  öffentliche  Aufmerksamkeit  lenkte.  1891  zum  Vorsitz  in 
der  Commission  für  die  Altertümersammlung  berufen,  entwarf  er 
einen  Plan  der  Neuordnung.  Mit  gewohnter  Energie  ging  er  sofort 
an  die  Ausführung.  Nach  drei  Jahren  rastloser  Tätigkeit  hatte  er 
die  Genugtuung,  den  grösseren  Teil  der  Gegenstände,  vor  allem  die 
militärische  Abteilung  in  den  erweiterten  und  zweckmässig  umgebauten 
Räumlichkeiten  geordnet  aufgestellt  zu  haben  und  bei  Gelegenheit  der 
25jährigen  Sedanfeier  dem  Publikum  zugänglich  machen  zu  können. 
Froh  über  die  einstimmige  Anerkennung,  die  man  seiner  Leistung 
zollte,  verfolgte  er  dann  im  letzten  Winter  mit  erneutem  Eifer  die 
weitere  Lösung  seiner  Aufgabe,  deren  Vollendung  er  jedoch  nicht  mehr 
erleben  sollte. 

Mieick  erfreute  sich  einer  guten  körperlichen  Constitution,  Dazu 
Jiatte  er  seinen  Körper  von  Jugend  auf  durch  Leibesübungen  gestählt 
und  stets  massig  und  rationel  gelebt,  so  dass  man  ihm  wohl  ein 
längeres  Leben   hätte   versprechen  mögen.     Vielleicht   hat   aber   eine 


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ernstliche  Krankheit,  die  ihn  im  Herbste  1888  befiel  und  von  der  er 
erst  im  nächsten  Sommer  völlig  genas,  der  Widerstandsfähigkeit 
seiner  Natur  Abbruch  getan ;  und  die  durch  so  viele  Jahre  fortgesetzte 
angestrengteste  Arbeit  und  geistige  Anspannung  wird  seine  Kräfte 
geschwächt  haben.  Doch  vermochte  er  bis  zuletzt  rüstig  weiter  zu 
schaffen;  und  da  er  auch  seit  Anfang  1895,  indem  er  die  Verwaltung 
seiner  Apotheke  teilweise  anderen  Händen  anvertraute,  seine  Arbeits- 
last gemindert  hatte,  da  ihn  der  glückliche  Fortgang  seines  Museums- 
Werkes  munter  und  heiter  stimmte,  so  kam  sein  Ende  am  16.  März 
1896  durch  einen  Gehirnschlag  nach  kaum  halbtägiger  Krankheit  ganz 
unerwartet.  Gross  war  die  Teilnahme  in  seiner  Vaterstadt,  und  dem. 
welcher  anspruchslos  durchs  Leben  gegangen  war  und  nie  nach  Ehre 
getrachtet  hatte,  ward  nach  seinem  Tode  die  verdiente  Anerkennung 
und  Ehrung  in  reichem  Maasse  zuteil,  als  Ausdruck  des  allgemeinen 
Gefühls,  wie  es  ein  ehrwürdiger  Mann,  der  mit  an  der  Spitze  des 
Hamburgischen  Gemeinwesens  steht,  den  Hinterbliebenen  ausgesprochen 
hat,  dass  nicht  nur  die  Familie,  sondern  auch  die  Vaterstadt  einen 
schweren  Verlust  zu  beklagen  habe. 

Gleich ermassen  bedeutet  Mielck's  Heimgang  dies  für  seine  Freunde 
und  zumal  einen  schwer  empfundenen  Verlust  für  den  Niederdeutschen 
Verein.  Dass  der  Verein  ins  Leben  gerufen  ward,  ist  in  nicht  geringem 
Masse  mit  sein  Werk.  Dieser  ist  hervorgegangen  aus  einem  kleinen 
Kreise  gleichgesinnter  Freunde  in  Hamburg,  die  sich  zu  gemeinschaft- 
licher Lesung  und  Besprechung  altdeutscher  Sprachdenkmäler  ver- 
einigt hatten.  Mielck  hat  nicht  von  Anfang  diesem  Lesezirkel  an- 
gehört. Aber  einmal  in  denselben  eingetreten,  in  welchem  er  seinen 
Wunsch  nach  weiterer  historischen  Erkenntniss  der  deutschen  Sprache 
zu  befriedigen  suchte,  ward  er  bald  ein  eifriger  Teilnehmer  der 
Uebungen  und  hat  zum  Fortbestand  derselben  vornehmlich  beigetragen. 
Die  anfangs  lose  Vereinigung  ward  zu  einer  fester  gefügten,  da  sie 
sich  zu  Anfang  der  siebziger  Jahre  als  eine  Section  des  Hamburgischen 
Vereines  für  Kunst  und  Wissenschaft  constituierte.  Mielck  wusste, 
als  später  nach  der  Stiftung  des  Vereins  für  Niederdeutsche  Sprach- 
forschung die  Section  zugleich  die  hamburgische  Gruppe  desselben 
bildete,  den  Zusammenhang  mit  jenem  Vereine  als  iCtglied  beider 
aufrecht  zu  erhalten,  und  seiner  Vermittlung  ist  es  zu  danken,  dass 
der  Vorstand  des  Vereins  für  Kunst  und  Wissenschaft  unserem  Sprach- 
verein bei  seinen  litterarischen  Unternehmungen  fortdauernd,  bis  im 
vorigen  Jahr  das  Sectionsverhältniss  aufgelöst  wurde,  in  liberaler 
Weise  seine  Unterstützung  gewährt  hat. 

Nachdem  im  Jahre  1871  der  Hansische  Geschichts verein  unter 
wesentlicher  Mitwirkung  eines  Mitgliedes  des  Hamburger  Germanisten- 
kreises, K.  Koppmann's,  gegründet  worden  war,  traten  die  meisten 
übrigen  Mitglieder  diesem  Vereine  gleichfalls  bei.  Das  Vorbild  des 
Hansischen  Geschichtsvereins  Hess  in  der  Section  die  Vorstellung  auf- 
tauchen, wie  erfolgreich  die  Gründung  einer  ähnlichen  Gesellschaft 
für  die  Erforschung  der  niederdeutschen  Sprache  und  Litteratur  werden 


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könnte.  Wer  den  Gedanken  zuerst  gefasst  und  ausgesprochen  hat, 
das  ist  vergessen ;  dass  aber  diese  Idee  Gestalt  gewann,  ist  wiederum 
zu  nicht  geringem  Anteile  Mielck's  Verdienst.  In  den  Winter  1873/4, 
nachdem  er  zu  Pfingsten  zum  ersten  Male  an  einer  Hansischen  Jahres- 
versammlung teilgenommen  hatte,  fallen  die  ersten  Besprechungen 
über  die  Ausführung  des  Planes.  Man  entwarf  die  „Grundlinien  für 
die  Statuten  des  Niederdeutschen  Sprachvereins".  Dass  in  ihnen  die 
Lautphysiologie  und  die  Dialektforschung  in  den  Vordergrund  gestellt 
waren  und  die  Herstellung  einer  Sprach-  und  Stammkarte  in  Aussicht 
genommen  war,  geschah  ausser  unter  Adolf  Theobald's  besonders 
unter  Mielck's  Einfluss.  Es  ward  femer  beschlossen,  sich  mit  einem 
Gründungsantrag  an  den  Hansischen  Geschichts verein  zu  wenden,  weil 
ja  das  mittelalterliche  Niederdeutsch  die  Schriftsprache  der  meisten 
Hansischen  Städte  gewesen  und  die  Blütezeit  dieser  Sprache  mit  der 
Glanzzeit  der  Hansa  zusammengefallen  sei,  weshalb  man  bei  keiner 
anderen  wissenschaftlichen  Gemeinschaft  auf  so  grosse  Teilnahme 
rechnen  dürfe,  wie  bei  jenem  Verein,  eine  Hoffnung,  die  denn  auch 
nicht  getrogen  hat.  Der  Antrag  ward  gestellt  in  der  bereits  erwähnten 
Bremer  Versammlung  des  Jahres  1874.  Man  suchte  für  ihn  zu  werben 
durch  jene  „Grundlinien"  und  durch  eine  von  Mielck  verfasste  Schrift 
„lieber  Dialektforschung  im  Niederdeutschen".  Aber  so,  wie  die  Ham- 
burger sich  die  Sache  gedacht  hatten,  durch  den  Geschichtsverein, 
Hess  sich  der  Sprachverein  nicht  gründen.  Sie  befolgten  darum  den 
Rath  der  Hansischen  Freunde  und  riefen  zunächst  auf  Grund  eines 
vereinfachten  Programms  den  Verein  in  und  für  Hamburg  ins  Leben. 
Dies  geschah  am  -  25.  September  desselben  Jahres,  und  unter  den 
sieben  Unterzeichnern  des  Statutenentwurfs  befand  sich  auch  Mielck. 
Als  dann  um  Pfingsten  1875  der  Hansische  Geschichtsverein  seine 
fünfte  Generalversammlung  in  Hamburg  hielt,  da  tagte  der  Verein 
für  Niederdeutsche  Sprachforschung  zum  ersten  Male  mit  ihm.  Die 
Statuten  wurden  endgültig  festgesetzt  und  der  Vorstand  ward  gewählt, 
in  welchem  Mielck  das  Amt  des  Kassierers  übernahm. 

Eine  zweite  Obliegenheit,  die  nicht  in  den  Statuten  vorgesehen 
w^ar,  schuf  er  sich  selbst,  dabei  unterstützt  von  Koppmann.  Zwar 
heisst  es  im  ersten  Paragraphen  des  Statuts,  dass  der  Verein  sich 
die  Erforschung  der  niederdeutschen  Sprache  in  Litteratur  und  Dialekt 
zum  Ziele  setze;  aber  bei  den  dann  aufgezählten  Mitteln,  durch  die 
man  diesen  Zweck  zu  erreichen  gedachte,  nemlich  durch  Herausgabe 
einer  Zeitschrift  und  durch  Veröffentlichung  von  Sprachdenkmälern, 
waren  die  lebenden  Dialekte  nicht  genügend  berücksichtigt.  Für  diese, 
soweit  sie  nicht  den  Gegenstand  von  ausführlicheren  Abhandlungen 
und  Einzeldarstellungen  bildeten,  war  in  der  Zeitschrift  kein  Raum. 
Dagegen  hatten  jene  „Grundlinien  für  die  Statuten"  und  Mielck's 
Schrift  ,,über  Dialektforschung"  bereits  die  Notwendigkeit  eines  Neben- 
organs betont,  das  jedem  Mitgliede  gestatte,  zwanglos  mitzuarbeiten, 
und  das  zugleich  einen  Verkehr  und  Austausch  aller  Mitglieder  er- 
mögliche.    Mielck,    der   die  Wichtigkeit   eines   solchen  Vereinsorgans 


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von  Anfang  an  mit  klarem  Blick  erkannt  hatte,  suchte  deshalb  alsbald 
und  gewann  noch  im  selben  Jahre  die  Einwilligung  des  Vorstandes 
zur  Herausgabe  seines  —  so  darf  man  es  füglich  heissen  —  Nieder- 
deutschen Korrespondenzblattes.  Wie  richtig  er  geurteilt  hat,  wer 
wollte  es  jetzt  nach  zwanzigjährigem  Bestände  des  Blattes  noch 
bezweifeln?  Dass  es  solchen  Beifall  gefunden  hat  und  uns  unentbehrlich 
geworden  ist,  lag  nicht  zum  mindesten  an  der  geschickten  Redaction, 
bei  der  Mielck  es  durchaus  vermied,  der  individuellen  Freiheit  der 
zahlreichen  Mitarbeiter  zu  nahe  zu  treten,  weshalb  er  auch  den  Zwang 
einer  einheitlichen  Orthographie  ausgeschlossen  hatte.  Er  beschränkte 
aber  seine  Tätigkeit  am  Blatte  nicht  auf  die  Bemühung  einer  sorg- 
samen Leitung,  die  Zusammenstellung  der  gelieferten  Beiträge,  die 
Anregung  zu  bestimmten  Untersuchungen,  die  aus  eigener  Erfahrung 
geschöpften  Ratschläge,  wie  man  sammeln  und  aufzeichnen  solle; 
sondern  er  lieferte  selbst  fleissig  Beiträge,  so  über  einzelne  lautliche 
Erscheinungen,  Wortbildungen,  Betonungsgesetze  und  Sprachgebrauch, 
und  teilte  seine  Sammlungen  von  volkstümlichen  Tier-  und  Pflanzen- 
bezeichnungen mit.  Gerne  beschäftigte  er  sich  auch  mit  Unter- 
suchungen über  Volks-  und  vor  allem  über  Kinderlieder,  von  denen 
ihn  die  geographisch  weitverbreiteten  'am  meisten  anzogen,  deren 
abweichende  Fassungen  er  zusammenstellte  und  deren  Entstehung  und 
Bedeutung  er  zu  ergründen  suchte. 

Auch  am  Niederdeutschen  Jahrbuche  hat  er  mitgearbeitet,  wenn- 
gleich aus  Mangel  an  Zeit  nur  in  den  ersten  Jahren.  Gleich  im  ersten 
Jahrgange  veröflFentlichte  er  eine  musterhafte  Arbeit  über  die  Sprache 
des  Tischlergewerkes  in  Hamburg  und  Holstein,  der  ähnliche  Zusammen- 
stellungen folgen  sollten.  Zwei  andere  Aufsätze  besprechen  botanische 
und  pharmaceutische  Namen.  Dieses  Gebiet  der  Namensforschtmg 
hat  er  auch  sonst  gelegentlich  behandelt;  zur  Ausführung  einer 
Geschichte  der  pharmaceutischen  Nomenclatur,  zu  der  er  durch  seine 
Fachkenntnisse  ausnehmend  befähigt  war  und  zu  der  er  Material,  so 
durch  Abschrift  einer  umfangreichen  mittelniederdeutschen  Handschrift, 
gesammelt  hatte,  ist  er  leider  nicht  gekommen.  Ausser  solchen  Auf- 
sätzen und  Abhandlungen  in  unsern  beiden  Zeitschriften  hat  er  einige 
ältere  Sprachdenkmäler  publiciert,  kleinere  teils  im  Korrespondenzblatt, 
teils  in  der  Zeitschrift  für  Hamburgische  Geschichte;  eine  umfang- 
reichere als  eigenes  Buch  unter  dem  Titel  „Die  niederdeutschen  Lieder- 
bücher von  Uhland  und  de  Bouck."  Es  ist  eine  combinierte  Ausgabe 
zweier  alten,  von  ihm  nach  den  Namen  der  Entdecker  bezeichneten. 
Drucke,  die  sich  ihm  bei  Untersuchung  als  eine  ältere  und  eine  ver- 
mehrte Ausgabe  eines  und  desselben  Liederbuches  ergeben  haitt^»n. 
beide  leider  nur  unvollständig  erhalten,  sich  jedoch,  wenn  auch  nicht 
völlig,  ergänzend.  Auf  dem  Titelblatte  hat  er  diese  Niederdeutsehen 
Volkslieder  als  erstes  Heft  bezeichnet;  ein  zweites  sollte  nach  dem 
Vorwort  alle  auf  sogenannten  fliegenden  Blättern  erhaltenen  Lieder 
bringen.  Noch  ist  zu  erwähnen,  dass  er  sich  an  einem  niederdeutschen 
Liederbuche  zu  geselligen  Zwecken,  dessen  Sammlung  und  Herausgabe 


11 

von  der  Hamburgisclien  Gruppe  unseres  Sprachvereins  bewerkstelligt 
ward,  beteiligte,  vornehmlich  durch  die  Feststellung  der  Orthographie, 
über  welchen  Punkt  er  auch  in  einem  Excurs  Rechenschaft  gab. 

Mielck's  sprachwissenschaftliche  Tätigkeit  erstreckte  sich  also 
hauptsächlich  auf  die  jetzt  lebenden  Dialekte,  besonders  seinen  heimat- 
lichen, sodann  auf  die  technische,  zumal  die  pharmaceutische  und  die 
volkstümliche  botanische  und  zoologische  Terminologie,  ausserdem  auf 
das  Gebiet  des  Volks-  und  Kinderliedes.  Von  der  mittelniederdeutschen 
Sprache  hatte  er  tüchtige  Kenntnisse,  so  dass  er  sie  selbst  gewandt 
zu  handhaben  und  in  hübschen  Gelegenheitsschriften  zu  verwenden 
vermochte.  Doch  lag  ihm  die  eigentliche  philologische  Behandlung 
dieser  Sprache  und  ihrer  Litteratur  femer;  sie  dienten  ihm  meist  nur 
als  Mittel  bei  seinen  Untersuchungen  auf  den  oben  umschriebenen 
Gebieten  und  wurden  ihm  bloss  dann  Gegenstand  der  Forschung, 
wenn  ein  stoffliches  Interesse  die  Veranlassung  bot.  Seinen  gediegenen 
Leistungen  auf  sprachwissenschaftlichem  Gebiete  stehen  gleichwertige 
auf  anderen,  zumteil  ganz  heterogenen  zur  Seite,  was  eine  seltene 
vielseitige  Begabung  bekundet,  sowohl  für  die  historischen  wie  für 
die  Naturwissenschaften.  Wäre  es  ihm,  wie  er  in  der  Jugend  gewünscht 
hatte,  vergönnt  gewesen,  die  rein  wissenschaftliche  Forschung  zum 
Lebensberuf  zu  machen,  so  würde  er  ohne  Zweifel  im  gewählten 
Fache  Hervorragendes  geleistet  haben.  Aber  auf  einen  Geschäfts- 
beruf hingewiesen,  entwickelte  er  auch  die  für  diesen  unentbehrlichen 
Anlagen,  vor  allem  in  eminentem  Masse  die  Eigenschaften  praktischer 
Einsicht  und  Umsicht.  Sein  gesunder  Verstand,  das  Vermögen  rascher 
Auffassung  und  scharfer  Unterscheidung  der  Dinge  befähigten  ihn, 
selbst  bei  schwierigen  Geschäften  und  verwickelten  Verhältnissen  des 
Lebens  ein  richtiges  Urteil  und  einen  schnellen  Entschluss  zu  fassen. 

Diese  seine  geschäftliche  Tüchtigkeit  ist  dem  Vereine  für  Nieder- 
deutsche Sprachforschung,  insofern  er  von  Anfang  an  bis  zu  seinem 
Tode  als  Vorstandsmitglied  dessen  Leitung  und  Entwicklung  mitzu- 
bestimmen, als  Kassierer  dessen  Geldverhältnisse  zu  verwalten  hatte, 
von  grossem  Nutzen  gewesen.  Seit  1879  lag  ihm  auch  die  Verwaltung 
des  Kapitals  ob,  welches  unser  Mitglied,  Rechtsanwalt  K.  Bauer, 
behufs  Ausführung  gewisser  philologischen  Arbeiten  vermacht  hatte. 
Eine  andere  Stiftung,  zum  besten  einer  anzulegenden  niederdeutschen 
Bibliothek,  die  Theobald- Stiftung,  brachte  Mielck  selbst  im  Jahre 
1S91  zu  Stande.  Die  Jahresversammlungen  hat  ihn  seine  Pflichttreue 
mit  einer  Ausnahme,  wo  er  verhindert  war,  nie  versäumen  lassen. 
Ausser  dem  Kassenbericht  stattete  er  einige  Male  ebenfalls  den  all- 
gemeinen Jahresbericht  ab,  führte  auch  einmal  den  Vorsitz,  aber  nur 
notgedrungen,  weil  er  sich  zu  öffentlicher  Rede  und  Repräsentation 
nicht  schickte  und  deshalb  ungern  verstand.  Ueber  die  Vorträge  und 
Verhandlungen  pflegte  er  im  Korrespondenzblatt  ausführlich  zu 
referieren.  Diesen  Versammlungen  mass  er  überhaupt  einen  hohen 
Wert  bei,  weil  sie  die  persönliche  Bekanntschaft  der  Mitglieder  des 
Vereins  mit  einander  vermitteln.     Durch   seine   stete  Anwesenheit  bei 


12 

diesen  Zusammenkünften,  durch  seine  Stellung  im  Vorstande,  durch 
seine  Wirksamkeit  als  Geschäftsführer  des  Vereins  und  durch  seine 
Redaction  des  Korrespondenzblattes  trat  er  selbst  zu  einer  grossen 
Zahl  der  Mitglieder  unseres,  wie  auch  des  Hansischen  Vereines,  in 
persönliche  Beziehung  und  vermöge  seines  trefflichen  Charakters  zu 
manchen  in  ein  näheres,  freundschaftliches  Verhältniss,  so  dass  ihn 
schon  im  Jahre  1879  ein  Freund  als  Mittelpunkt  unseres  Vereins- 
lebens bezeichnen  konnte. 

Diese  eigentümliche  Stellung  Mielck's  im  Niederdeutschen  Verein 
entsprang  dem  ganz  besonderen  Verhältniss,  in  welchem  er  zu  dessen 
Aufgaben  stand.  Zwar  war  es  überhaupt  eine  Eigenheit  seines 
Charakters,  dass  er,  wenn  nach  kühler  Prüfung  auf  Richtigkeit  und 
Durchführbarkeit  er  sich  zu  einem  Unternehmen  entschlossen  hatte, 
dann  nicht  bloss  mit  dem  Verstände,  noch  einzig  aus  Pflichtgefühl 
für  dasselbe  tätig  war,  sondern  mit  warmer  Teilnahme  für  die  Sache. 
Bei  dem  Verein  für  Niederdeutsche  Sprachforschung  war  aber  sein 
Gemüt  ganz  besonders  in  Mitleidenschaft  und  zu  Mitwirkung  gezogen. 
da  es  sich  hier  um  seine  von  Jugend  auf  geliebte  Muttersprache 
handelte.  Aus  dieser  Liebe  erwuchs  seine  unwandelbare  Treue  gegen 
den  Verein.  Unser  Verein  hat  ausser  ihm  manche  verdienstvolle 
Vorsteher  und  viele  tüchtige  und  fleissige  Mitarbeiter  und  bewährte 
Mitglieder  gezählt,  aber  wohl  keinen,  der  in  dem  Masse  für  den 
Verein  gelebt  und  sich  so  mit  ihm  gleichsam  identificiert  hätte.  Möge 
ihm  für  seine  Treue  der  Verein  ein  treues  Gedächtniss  in  Dankbarkeit 
bewahren  1 

HAMBURG.  C.  Walther. 


n 


Ueber  Dialektforschung  im 
Niederdeutsehen. 


Es  sollen  in  Nachfolgendem,  mehr  angedeutet  als  ausgeführt,  eine  Reihe  von 
Gedanken  üher  den  in  der  Aufschrift  genannten  Gegenstand  dargelegt  werden. 
Dieselben  sind  das  Ergebnis  von  Besprechungen  und  Beratungen,  welche  Freunde 
der  Sache  gepflogen  haben  und  durch  welche  die  früheren  Ansichten  der  Einzelnen 
teils  sich  ausgeglichen,  teils  an  Umfang  und  Vertiefung  gewonnen  haben. 

Und  wenn  auch  diese  Auseinandersetzungen  weder  Tatsachen  noch  Kom- 
binationen bringen  sollten,  welche  dem  Leser  unbekannt  sind,  so  dürften  doch 
Absicht  und  Zweck  derselben  neu  sein.  — 

Die  Sprache  eines  jeden  Volkes  ist  in  ihren  Anfängen  nur  eine  Sprache 
dos  Mundes  und  des  Ohres,  d.  h.  sie  existirt  bloss  durch  den  Laut,  den  der 
Mund  des  Sprechenden  ausstösst,  das  Ohr  des  Hörers  entgegennimmt.  Viel  später 
erst,  wenn  ein  Volk  —  meistens  von  Aussen  kommenden  Anregungen  folgend  — 
eigentümliche  Formen  der  Kultur  zu  entwickeln  beginnt,  tritt  die  Schriftsprache 
hinzu,  die  nunmehr  vom  Laute  abgelöst  an  einen  andern  Sinn,  das  Gesicht,  sich  wendet. 

Von  einem  geistig  hoch  Begabten  oder  von  mehreren  Volksgenossen  eigen- 
sinnig und  in  Folge  fremden  Kultureinflusses  oft  unrichtig  fixirt,  lebt  von  da  an 
die  Litteratursprache  ihr  besonderes  Leben,  welchem  die  Spuren  derjenigen  Periode 
nationaler  Entwickelung,  in  welcher  es  begann,  stets  eingeprägt  bleiben. 

Einseitig  und  meistens  konservativ  soll  sie  Hüterin  der  Resultate  bewusster 
Geistesarbeit  sein  und  sie  steht  —  unausgesprochen  zwar,  doch  klar  erkennbar  — 
der  Sprache  der  unbewussten  Masse  feindlich  gegenüber. 

Nur  selten,  wenn  bisher  unbekannte  Gebiete  geistiger  Forschung  sich  er- 
schliessen  und  der  Kulturstand  fremder  Völker  keine  Ausdrücke  liefert,  geht  die 
Schriftsprache  zurück  auf  den  Grund,  von  dem  sie  ausging,  und  schöpft  aus  dem 
Borne  der  Lautsprache,  der  Vulgärsprache. 

Das  Volk  aber  und  seine  Sprache,  welche  nach  Loslösung  der  Schriftsprache 
als  Dialekt  mit  seinen  Mundarten  bezeichnet  werden  kann,  leben  weiten  entwickeln 
und  verändern  sich,  beeinflusst  wol  durch  die  Sprache  der  Bildung,  doch  wesentlich 
unbekümmert  um  dieselbe.  In  der  Litteratur  tritt  die  allmälig  wachsende  Scheidung 
des  Dialektes  von  der  Schriftsprache  ans  Licht  in  Folge  von  Veränderungen  der 
Machtgebiete  innerhalb  des  Volkes  und  nach  historischen  Umwälzungen,  die  von 
aussen  hineingetragen  werden.  Dann  genügt  die  alte  Schriftsprache  nicht  mehr 
und  aus  dem  Dialekte,  aus  einer  Mundart  desselben  wächst  eine  neue  Litteratur- 
sprache hervor. 

Mit  der  Schriftsprache,  mit  der  Sprache  der  Litteratur  beschäftigt  sich  die 
Philologie,  mit  dem  Dialekte  dagegen  die  Linguistik.  Sie  ist  in  erster  Reihe  eine 
Beobachtungs Wissenschaft  wie  die  Naturwissenschaften.  Ihr  Objekt  sind  die  vom 
Menschenmunde  hervorgebrachten  Laute  nach  Form,  Funktion  und  allmäligem 
Wandel.  Nur  wo  der  Mund  des  Sprechenden  erstarrt  ist  und  das  Ohr  des  Hörers 
erstorben,  ist  die  Linguistik  für  ihre  Forschungen  auf  die  Schriftsprache  an- 
gewiesen, wie  sie  uns  die  Litteratur  überliefert  hat,  und  auf  die  Ergebnisse  der 
Philologie.  — 

In  unsern  Dialekten  und  Mundarten  walten  noch  jetzt  frei  die  bildenden  und 
zersetzenden   Kräfte,    als:    Vokalassonanz,    Konsonantassimilation,    Abstossen   der 


14 

Affixe,  falsches  Analogisiren  u.  s.  w.,  welche  bei  der  geschichtlichen  Veränderung 
der  Sprache  tätig  waren. 

Nur  genaue  Beobachtung  und  Erforschung  der  liaut-  und  Wortbestände  und 
ihrer  in  der  Gegenwart  geschehenden  Wandlungen  befähigen  uns  die  jetzt  wirkenden 
Kräfte  zu  erkennen  und  nur  derjenige  darf  hoffen  die  Sprachengeschichte  richtig 
zu  erkennen,  der,  im  Boden  der  Gegenwart  fussend,  von  Gesetzen  ausgeht,  nach 
denen  lebende  Dialekte  sich  umbilden. 

Der  Vergleich  mit  der  Geologie,  der  Wissenschaft,  welche  die  Vorgänge  bei 
der  Gestaltung  der  Erdrinde  zu  erforschen  sucht,  liegt  nahe. 

Die  Kenntnis  der  jetzt  wirkenden  Kräfte  und  der  jetzt  geschehenden 
Gestaltungsänderungen  gehört  dazu,  uns  vor  tollen  Hypothesen,  wie  sie  lange  genu^ 
gegolten  haben,  zu  bewahren,  und  nur  nach  gegenwärtig  gültigen  Gesetzen  dürfen 
frühere  Veränderungen  und  Umwälzungen  beurteilt  we  den.  — 

Von  solchem  Gesichtspunkte  aus  sind  die  deutschen  Dialekte  wenig  bearbeitet 
worden,  auch  die  Mundarten  des  niedersächsischen  nicht.  Und  doch  verlangen 
letztere  eine  ganz  besondere  'Beachtung,  da  dieselben  in  ihrer  Weiterentwickelung 
schon  seit  Jahrhunderten  fast  unberührt  geblieben  sind  von  dem  direkten  Einflüsse 
und  der  Einwirkung  des  Schrifttums,  der  Literatursprache.  Seit  dem  Niedergange 
der  niedersächsischen  Litteratursprache  lebt  der  Dialekt  liauptsächlich  im  Bauern- 
stande und  den  Elementen  des  Kleinbürgertums,  die  erst  vor  einem  oder  vor  zweien 
Menschenaltern  dem  Bauernstande  entsprossen  sind. 

Der  Bauernstand  in  Niedersachsen  liest  wie  überall  der  Bauer  wenig,  schreibt 
noch  weniger  und  das  wenige  nicht  in  einer  Schriftsprache,  von  dem  die  scinige 
ein  Dialekt,  sondern  in  einer  anderen  Sprache,  nämlich  Hochdeutsch,  dessen  laut- 
liche Scheidung  der  Geistbeschränkte  oft  stärker  als  der  Begabte  empfindet.  Die 
heutigen  Bauern  sind  Nachkommen  von  Volksgenossen,  die  in  ihrer  Masse  auch 
zur  Zeit  der  niederdeutschen  Schriftsprache  nicht  schriftkundig,  nicht  „buch  kraft  ig"" 
waren.  In  keinem  andern  deutschen  Dialekte  wird  also  in  solchem  Masse  wie  hier 
der  Einfluss  der  Schriftsprache  als  ausgeschlossen  betrachtet  werden  können. 

Jeglicher  Einfluss  soll  damit  nicht  bestritten  sein,  derselbe  fand  aber  nur 
statt  durch  Vermittelung  der  dem  Schriftdeutschen  anbequemten  Sprechweise 
Gebildeter  und  Halbgebildeter  in  den  Städten. 

Wie  sehr  ländliche  Abgeschiedenheit  von  sogenannter  Bildung,  von  Ein- 
wirkung der  Schriftsprache  und  von  Verkehr  die  Erhaltung  und  die  Weiterbildung 
dialektischer  Eigentümlichkeiten  begünstigen,  davon  berichtet  schon  Schütze  in 
der  Einleitung  zu  seinem  holsteinischen  Idiotikon.  — 

Aber  nicht  lange  mehr  ist  eine  Durchforschung  rein  erhaltener  Mundarten 
des  Niedersächsischen  möglich.  Gefahr  liegt  im  Verzuge.  Die  letzten  Schriftlosen 
(analphabeti),  Goldgruben  für  den  Forscher,  sterben  aus.  Eisenbahnen  und  alle 
neueren  Verkehrsverhältnisse  werfen  auf  eine  bis  zur  Mitte  dieses  Jahrhunderts 
ungeahnte  Weise  die  Volksatome  durcheinander,  zerwühlen  den  Volksboden.  Nichts 
macht  die  hochdeutsche  Schriftsprache  mächtiger  und  schafft  dem  ihr  nachgebildeten 
Dialekte  schnellere  Ausbreitung  als  die  vielfältige  Mischung  verschiedener  Dialekts- 
genossen. 

Dem  eben  behandelten  sprachwissenschaftlichen  Interesse  gesellt  sich  ein 
wesentlich  patriotisches  zu,  wenn  wir  die  Sprache  als  einen  Organismus  betrachten, 
der  als  geistiger  Ausdruck  des  Volkslebens  alle  Stufen  der  Entwickelung  desselben 
widerspiegelt.  In  der  Sprache  liegt  Alles,  was  den  Volksstamm  treibt,  bewegt, 
durchdringt,  beschäftigt.  Für  einen  reinen  klaren  Blik  gibt  die  Sprache  die  Volksart 
wieder.  Der  Wortschatz  zeigt  uns  den  Umfang  des  Denkens  und  der  Lebeus- 
interessen.  Die  Veränderungen  des  Wortes  im  Satze  und  die  Art  des  Satzgefüges 
verschaffen  uns  einen  Einblick  in  die  Art  des  Denkens,  in  die  Art  des  Aneinander- 
reihens  und  Auseinanderentwickeins  von  Bildeni  und  Gedanken. 

So  wie  unsere  Sprache  ist,  so  ist  unser  Volk,  so  sind  wir.  Sind  wir  auch 
bestimmt  in  einer  höhern  Einheit  aufgehend  zu  verschwinden  und  unsem  regel- 
schönen Dialekt  gegen  den  dialektischen  Abklatsch  einer  hoch  entwickelten  aber 
nicht  formenreinen  Schriftsprache  einzutauschen,  so  wollen  wir  doch  damit  nicht 
dazu  verurteilt  sein,  unsere  jetzige  Art  zu  verdammen  und  schlecht  zu  ündeu.  Wir 
wollen  im  Gegenteil  durch  Aufzeichnung  unserer  Volkssprache  und  durch  Sammlung 


16 

schriftlicher  Berichte  üher  die  kaum  von  der  Sprachforschung  auszuschliessenden 
Gebräuche,  Sitten  und  Sagen  unserm  Volke  ein  Denkmal  setzen ;  uns  zum  Spiegel, 
nachkommenden  Sprossen  späterer  Jahrhunderte  zur  Lehre  und  wissenschaftlichen 
Erforschung.  Und  nicht  ohne  auf  die  Zukunft  des  Hochdeutschen  zu  achten 
geschähe  dies. 

Eine  genaue  Bekanntschaft  mit  unsem  Lauten,  unserm  Wortvorrate,  unserm 
Satzbaue  wird  auf  die  Weiterbildung  des  Hochdeutschen  in  Schrift  und  Dialekt 
nach  Aussprache,  Wortschatz  und  Stil  verändernd,  ich  darf  wol  sagen,  veredelnd 
einwirken.  Der  Oberdeutsche  und  der  Mitteldeutsche,  sie  beide  sind  armselig  oder 
gefühllos  in  ihren  Lauten,  und  vor  dem  schärfern  Ohre  des  Niederdeutschen  kann, 
was  jenen  als  Reim  gilt,  nur  zu  oft  nicht  bestehen. 

Auch  hat  die  Schriftsprache  sich  noch  vieler  Knorren  und  Auswüchse,  her- 
vorgerufen durch  lateinische  und  andere  fremdländische  Bildung,  zu  entledigen,  bis 
der  Bau  ihrer  Prosa  dem  einfachen  Redeflüsse  niederdeutscher  Erzählung  gleiche. 
Anschliessend  an  das  eben  Gesagte  erwähne  ich  noch,  dass  eine  genaue  Kenntnis 
des  Dialektes  die  Möglichkeit  gibt  zu  bestimmen,  wie  und  wo  die  Schriftsprache 
bereits  von  unsern  niedersächsischen  Mundarten   gelernt   und   aufgenommen   habe. 

Weiter  bietet  die  Erforschung  unserer  niederdeutschen  Mundarten  auch  ein 
historisches  Interesse. 

Es  ist  hier  nicht  der  Ort  sich  darüber  auszulassen,  ob  ein  naturwissenschaftlich 
Geschulter,  der  im  Besitze  eines  feinen  und  richtigen  Gefühles  für  Sprachen  ist, 
für  die  Unterabteilungen  einer  grossen  Sprachsippe  den  Artbegrii!  beziehungsweise 
so  scharf  und  sicher  wird  ziehen  und  bestimmen  können,  wie  Linnä  es  nach  manch- 
fachen  Vorläufern  und  Vorversuchen  in  solcher  Weise  für  das  Pflanzenreich  gekonnt 
hat,  dass  trotz  entwickelungsgeschichtlicher,  darwinistischer  Angriffe  der  Artbegriff 
im  Grossen  und  Ganzen  unverrückt  feststeht  für  die  Gegenwart  sowol  wie  für  jeden 
paläontologischen  Zeitabschnitt.  Ich  meine  aber  behaupten  zu  dürfen,  dass  eine 
Auffassung  und  Erkenntnis  des  Dialektes  nach  Art  und  Unterart,  nach  Gattung 
und  Familie  es  noch  jetzt  ermögliche,  vom  augenblicklichen  Sprachstande  aus  die 
ehemaligen  Gaue  mit  ihren  Volksstämmen  nachzuweisen  und  zu  begrenzen.  Hülfs- 
mittel  hierzu  liefern,  abgesehen  von  geschichtlichen  Ueberlieferungen,  beispielsweise 
die  Lebensgewohnheiten  des  Volkes,   die  Bauart   der  Wohnstätten,   die  Sagen.   — 

Auch  für  derartige  Forschungen  bringt  jeder  weitere  Zeitverlust  schlimmeren 
Sachverlust.  Wiederum  liegt  mir  ein  Vergleich  nahe.  Mehr  und  mehr  werden 
Flora  und  Fauna,  wie  sie  sich  als  Ausdruck  von  Klima  und  Bodenbeschaffenheit 
im  Kampfe  ums  Dasein  ausgebildet  haben,  gestört  durch  den  Land  bauenden, 
Tiere  züchtenden  Menschen.  Vor  dem  Fusstritte  des  modernen  Menschen  ver- 
gehen ganze  Arten  und  Gattungen  und  gerade  die  eigentümlichsten  und  zugleich 
empfindlichsten. 

Und  der  Pflanzengeograph  sieht  sich,  wenn  er  ein  Bild  der  natürlichen 
Pflanzenverbreitung  und  Anordnung  entwerfen  will,  oft  mehr  auf  Aufzeichnungen 
vergangener  Zeiten  als  auf  Erforschung  des  derzeitigen  Vegetationsstandes  angewiesen. 

Während  ich  im  Vorstehenden  versucht  habe,  klar  zu  legen,  aus  welchen 
Gründen  und  mit  welchen  Gesichtspunkten  wir  uns  für  das  Studium  der  Dialekte 
im  allgemeinen  und  für  das  unseres  lieimischen  niederdeutschen  im  besonderen 
interessieren,  komme  ich  nun  zu  der  Frage,  wie  solches  Studium  fruchtbringend 
zu  betreiben  wäre. 

Sollte  wirklich  ein  Menschengeist  gefunden  werden,  welcher  in  sich  das 
ganze  Volksleben  mit  allem  Denken  und  Tun,  Träumen  und  Treiben  aufzunehmen 
vermöchte,  so  würde  doch  die  Wiedergabe  des  Aufgenommenen  Kraft  und  Dauer 
eines  Menschenalters  übersteigen,  und  ich  glaube,  dass  auf  Einzelleistungen  hoffend 
wir  unbemerkt  und  unbeschrieben  unsere  alte  Art   und  Sprache  verlieren  würden. 

Auch  würden  die  Schranken  des  Raumes  jedem  Einzelforscher  ein  hinderndes 
Hemmnis  sein. 

Eine  irgend  wie  versprechende  Tätigkeit  kann  also  nur  von  mehreren  aus- 
gehen, die  sich  unter  gleichen  Voraussetzungen  zum  gleichen  Zwecke  verbinden. 
Vorausgesetzt  werden  muss  allerdings  zunächst,  dass  für  die  oben  berührten  Fragen 
nicht  einzig  und  allein  vereinsamte  Schwärmer  Sinn  und  Verständnis  haben,  sondern 
dass  weitere  Kreise  mit  uns  die  Empfindungen,  die  uns  zur  Liebe  unserer  Mutter- 


Mundart  führten,  und  das  Streben,  in  das  Verständnis  tiefer  einzudringen,  teilen, 
oder  dass  unsere  Liebe  und  unser  Streben  sich  weiteren  Kreisen  mitteilen  lasse. 

Finden  sich  aber  solche,  so  müssen  diese  —  was  kaum  ausgesprochen  zu 
werden  braucht  —  in  einem  Vereine  einen  gemeinsamen  Mittelpunkt  suchen,  in 
welchem  sie  Anregung  schöpfen,  zu  neuen  Arbeiten  angetrieben  und  vor  einseitigem 
Urteile  bewahrt  werden. 

Ein  jeder,  welcher  je  Dialekte  kennen  zu  lernen  gesucht  hat,  weiss,  dass 
das  Achten  auf  das  Mundwerk  seines  Nächsten  nur  bei  grosser  Vorsicht  gelingt 
und  oft  nur  beim  vertrautesten  Umgange  möglich  ist.  Vertraut  zu  sein  mit  mög- 
lichst vielen  Individuen  verschiedener  Lebensstellung  ist  uns  aber  im  gesellschaft- 
lichen Leben  unmöglich  gemacht.  Tu  dem  geplanten  Vereine  wird  sich  für  jedes 
Thema,  für  jede  Frage  wohl  einer  finden,  der  Antwort  geben  kann  aus  sich  selbst 
oder  aus  seiner  Freundschaft,  die  er  wie  der  Botaniker  den  freien  Wald  durchsucht 
und  durchstöbert,  um  die  Blumen  der  Volkssprache  zu  sammeln  und  einzuheimsen. 

Um  so  reichlicher  wird  die  Frucht  geerntet,  je  planmässiger  das  Absuchen 
geschieht  und  je  grösser  das  Gebiet  ist,  auf  dem  gesucht  wird.  Deshalb  soll  nicht 
auf  ein  kleines  Land  und  auf  ein  enges  Stadtgebiet  der  Verein  sich  beschränken, 
sondern  darauf  hinwirken,  dass  möglichst  viele  Gruppen  oder  Teilvereine  überall 
im  niederdeutschen  Gebiete  sich  bilden. 

Ein  gemeinsamer  Vorstand  würde  ausser  seiner  gewöhnlichen  Vorstands- 
tätigkeit als  Hauptaufgabe  betrachten  auf  bestimmte  Ziele  hin  anzuregen  und  zu 
fragen,  die  Antworten  zu  sichten  und  das  gesammelte  Material  an  geeignete  Kräfte 
zur  Bearbeitung  mitzuteilen. 

Zur  Veröffentlichung  seiner  Arbeiten  würden  zwei  gesonderte  Organe  dienen : 

I.  eine  rein  wissenschaftliche  Zeitschrift. 

Diese  würde  in  Art  der  Frommann 'sehen  Zeitschrift  —  doch  Dichtungen 
so  viel  als  möglich  fern  haltend  —  sprachwissenschaftliche  Aufsätze  von  Vereins- 
mitgliedern  und  die  Bearbeitungen  des  eingesammelten  Stoffes  bringen. 

II.  ein  speciell  den  Vereinszwecken  dienendes  Korrespondenzblatt:  Vereins- 
berichte, hinsichtlich  derer  auf  die  in  Vorschlag  gebrachten  Grundlinien  zum 
Statutenentwurf  verwiesen  wird. 

Aus  der  germanistischen  Sektion  des  Vereins  für  Kunst  und  Wissenschaft 

zu  Hambnrg  im  Mai  1874. 

W.  H.  Mielck,  Dr.  phil. 


17 


Die  Heliandhandschriften. 


Von  dem  Grundsatze  ausgehend,  dass  man  ein  richtiges  Bild 
der  Überlieferung  nur  durch  Einsicht  der  Handschriften  selbst  gewinnen 
kann,  habe  ich  die  für  die  altsächsische  Bibeldichtung  in  Betracht 
kommenden  Codices  in  London,  München,  Prag,  Rom,  Oxford  selbst 
verglichen.  Photographien  sind  nur  für  die  Rückerinnerung  gut,  an 
sich  sind  sie  kein  genügender  Ersatz  der  Autopsie,  schon  deshalb 
nicht,  weil  die  Rasuren  in  ihnen  nicht  gelesen  werden  können.  Ich 
versprach  mir  nicht  viel  Ergebnisse  von  meiner  Neuvergleichung, 
denn  der  Cottonianus  war  ja  von  Sievers  und  Bartsch,  der  Mona- 
censis  von  Schmeller  und  Sievers  wiederholt  nachverglichen,  für 
das  Prager  Bruchstück  und  den  Vaticanus  lagen  die  ausgezeich- 
neten Ausgaben  von  Lambel  und  Braune  vor,  und  auch  Kädmons 
Genesis  hat  in  Wülckers  Ausgabe  eine  sehr  sorgfältige  Behand- 
lung gefunden.  Gleichwohl  bin  ich  zufrieden,  die  Arbeit  mir  ge- 
macht zu  haben,  denn  nicht  nur  konnte  ich  an  zahlreichen  Stellen 
die  Rasuren  und  Verderbnisse  besser  bestimmen,  als  bisher  geschehen, 
sondern  auch  direkte  Fehler  der  bisherigen  Ausgaben  vermochte  ich 
nachzuweisen.  Damit  ist  kein  Tadel  gegen  die  bisherigen  Herausgeber 
ausgesprochen,  vielmehr  finde  ich  es  ganz  natürlich,  dass  noch  einige 
Irrtümer  zu  berichtigen  waren.  So  konnte  ich  aus  dem  Cottonianus 
noch  etwa  zwei  und  ein  halbes,  aus  dem  Monacensis  über  drei  und 
ein  halbes  Dutzend  wesentlicher  Besserungen  notieren,  und  selbst  das 
kleine  Prager  Stück  hat  trotz  Lambels  trefflicher  Vergleichung  noch 
mindestens  eine  recht  wesentliche  Besserung  geliefert.  Dabei 
sind,  wie  gesagt,  nicht  die  zahlreichen  Rasuren  und  Correkturen  mit- 
gerechnet, welche  ich  glaube  besser  gelesen  zu  haben  und  für  die 
auch  der  Vaticanus  noch  Ausbeute  geliefert  hat.  Auf  diese  Besserungen 
habe  ich  mich  aber  nicht  beschränkt,  sondern  habe  namentlich  auch 
festgestellt,  wo  Worte  mit  Majuskeln  beginnen,  da  ich  bei  meinen 
Arbeiten  für  den  Heliand,  namentlich  für  dessen  Vers,  es  oft  unange- 
nehm empfunden  hatte,  dass  Sievers  Ausgabe  dafür  keinen  Anhalt  bietet. 
Auch  die  von  den  üblichen  Halbversenden  abweichende  Punktstellung 
habe  ich  notiert.  Gern  hätte  ich  auch  über  Trennung  und  Zusaumien- 
schreibung  der  Wörter,  über  Zeilenschlüsse,  über  die  Verwendung 
der  Punkte  ausführliche  Angaben  gemacht,  doch  hätte  das  hier  zu 
weit  geführt;  es  soll  das  aber  an  andrem  Orte,  soweit  als  möglich, 
nachgeholt  werden.  Zu  bemerken  ist  noch,  dass  neben  den  Majuskeln 
in  allen  Heliandhandschriften  Buchstaben  auftreten,  welche  der  Form 
nach  Minuskeln,  aber  grösser  als  gewöhnlich  gemalt  sind.    Diese  habe 

Niederdeutsches  Jahrbuch  XXI.  2 


18 

ich  durch  die  Bemerkung  ;,  grösser*^  kenntlich  gemacht.  Besonders  giebt 
es  in  den  Hdss.  für  h  noch  eine  dritte  Form,  welche  zwischen  H  und 
h  steht  und  hier  durch  eine  besondere  Form  (fi)  kenntlich  gemacht  ist. 
Die  häufig  auch  innerhalb  der  Worte  begegnenden  n  in  der  Form  der 
Majuskel  und  der  Grösse  der  Minuskel  habe  ich  hier  nicht  erwähnt: 
nur  wo  sie  im  Anfang  von  Worten  stehen,  haben  sie  Berücksichtigung 
gefunden.  Die  Accente  habe  ich  vollständig  verzeichnet,  nur  nicht 
in  dem  angelsächsischen  Stücke. 

Beim  Cottonianus  setze  ich  die  von  Sievers  und  Bartsch 
gemachten  Nachvergleichungen  als  bekannt  voraus. 

Die  Eigennamen  der  Handschriften  sind  stets  mit  kleinem  An- 
fangsbuchstaben geschrieben,  wo  es  nicht  anders  bemerkt  ist.  Die 
Zeilenschlüsse  sind  nicht  nur  erwähnt,  wo  sie  zur  Erklärung  einer  Ab- 
breviatur oder  einer  Auslassung  dienen,  sondern  auch  da,  wo  das  Wort 
des  Zeilenanfanges   oder  Zeilenendes  aus  sonstigen  Gründen  vorkam. 

Der  Cottonianus  (Calig.  VII,  gr.  8vo),  in  festem  Lederband. 
vorn  und  hinten  mit  aufgepresstem  Wappen,  mit  Goldschnitt.  Unten 
auf  S.  12b  steht  A,  auf  S.  13a  B,  auf  S.  36b  D,  auf  44b  E,  auf 
68b  und  69a  H,  auf  76b  und  77a  steht  J.  Die  übrigen  Gustoden  sind 
abgeschnitten,  die  Hds.  muss  also  ursprünglich  grösser  gewesen  sein. 
Vorher   gehen  zwei  leere  Pergamentblätter,   dann   ein  Blatt  (1),    auf 

Tppon  doble  baiids 

welchem  Sir  Rob.  Cotton  geschrieben  hat:  Bind  this  book  a  very  stronng 
in  Lether  and  gilt  vppon  the  |  Egges  And  my  Armes  lett  |  it  be  dou 
prefently.  And  paft  thos  leaues  together  |  I  haue  croffed  |,  Bl.  4  u.  5 
leer;  auf  Blatt  6  (2)  mit  der  Notiz:  Catalogus  Tractatuü  |  in  isto 
volumine.  |  1.  Quatuor  Evangelia  in  lingua  Danica  |  cum  picturi^ 
deauratis.     Liber  quonda  |  Canuti  Regis.  |  2.  Exorcifmi  sacri  ad  red- 

»gros 

dendos  a  ferti  |  les.  Saxonice.  |  Dann  folgt  ein  Papierblatt,  dann  acht 
Bilder,  je  zwei  mit  ihren  Rückseiten  gegeneinander,  zwischen  den 
Bildseiten  je  ein  Papierblatt  zum  Schutze.  Die  Bilder  stellen  dar: 
1.  Maria  Verkündigung.  2.  Maria  Besuch  bei  Elisabeth.  3.  Christi 
Geburt.  4.  das  Gloria  in  excelsis.  5.  den  Bethlehemitischen  Kinder- 
mord. 6.  die  Darstellung  im  Tempel.  7.  die  Anbetung  der  Könige. 
8.  Christi  Taufe  durch  Johannes.  Das  erste  Blatt  des  Heliand- 
textes,  5,  hat  oben  und  unten  auch  die  Bleistiftnummer  11.  Link> 
oben  auf  dem  ersten  Blatte  steht  von  modemer  Hand:  Euangelia  in 
lingua  I  Danica;  rechts  oben  steht  QVATVO.  Bl.  170  hat  keine  Blei- 
stiftnummer,  Bl.  171  trägt  die  Bleistiftnummer  176.  Der  Heiland 
steht  Bl.  5—170;  S.  171a  (176)— 173a  (178)  stehen  die  ags.  Segen. 
S.  173l>  (178)  ist  leer,  dann  folgt  noch  ein  leeres  Pergamentblatt. 
Auf  S.  69a  unten  steht  ferr  uuretha. 

Der  Monacensis  besteht  aus  folgenden  Lagen :  1.  I  Blatt 
Papier;  2.  1  Quaternio  (Bl.  2 — 8),  dessen  erstes  Blatt  ausgeschnitten 
ist;  3.  drei  vollständige  Quaternionen  (9 — 16,  17 — 24,25 — 32);  4.  ein 


Quateraio  (Bl.  33 — 38),  dessen  zweites  Doppelblatt  (nach  Bl.  33  und 
nach  Bl.  37)  fehlt;  5.  ein  vollständiger  Quaternio  (Bl.  39 — 46); 
B.  ein  Quaternio,  dessen  fünftes  Blatt  (nach  Bl.  50)  ausgeschnitten 
ist  (Bl.  47 — 53);  7.  ein  Quaternio,  dessen  fünftes  Blatt  (nach  Bl.  57) 
ausgeschnitten  ist  (Bl.  54 — 60);  8.  ein  Quaternio,  dessen  achtes  Blatt 
(nach  Bl.  67)  ausgeschnitten  ist  (Bl.  61 — 67);  9.  ein  yoUständiger 
Quaternio  (Bl.  68 — 75);  10.  ein  einzelnes  Blatt  (76).  Das  letzte  Blatt 
ist  unten  halb  abgeschnitten.  Die  Linien  (zu  24  auf  der  Seite)  und 
der  tland  sind  vorgerissen.  Auf  S.  27b  neben  der  fiinftletzten  Zeile 
steht:  Oc  fcal,  und  am  unteren  Rande  derselben  Seite:  fcal  ic  ev 
feggean  von  alter  Hand  eingeritzt.  Auf  S.  47a  rechts  neben  Z.  8 
steht  dixit  ausgewischt,  neben  Z.  12  ist  ein  Tierkopf  ausgewischt. 
Näheres  über  diese  beiden  Hdss.  s.  bei  Sievers. 

Der  Cod.  Pal.  1447  ist  von  Zangemeister  beschrieben.  Ich  be- 
merke nur  noch,  dass  mir  die  letzten  zwei  Zeilen  auf  S.  11^  (Si  lunä 
in  ueftigare  uoluerif  in  qua  parte  fit.  multiplica  pfente  lunä  p   XIII. 

&  tunc  parare  p  XXX  |  &  q,t  XXX.  habuerif.  tot  figna  ft  int  folem 
&  lunam  |)  und  die  letzten  zwei  Reihen  auf  S.  12r  (conpendoo  [durch 

mano 

das  vorletzte  o  lang  i  gezogen]  fi  ta  te  numerandi.  ordine.  IUI  refpectuf 

i.  con  

infiö.  &  quinq;  refpectuf  h&  unufquifq,  mfif  nifi  feb.  |)  von  dem 
Schreiber  der  altsächsischen  Reste  herzurühren  scheinen.  Auch  S. 
32v  vita  sanctorum  Septem  u.  s.  w.  bis  in  K)  aug.  falt^  lune  apte 
ponitur  (14  Reihen)  ist  Zusatz  von  der  Hand  des  Heliandschreibers, 
sowie  links  am  Rande  eine  Bemerkung. 


1.   Der  Cottonianns. 

Die  Eigennamen  sind  stets  mit  kleinen  Anfangsbuchstaben  ge- 
schrieben, die  f  hng^  die  grossen  Anfangsbuchstaben  stehen  an  den  von 
Sievers  angegebenen  Stellen^  wo  es  nicht  anders  bemerkt  ist.  Bis  S.  13a 
sind  die  letzteren  rot  ausgemalt.  Die  Striche  in  b,  d  sind  durchweg  alt. 
..Mit  Häkchen''^  bezeichnet,  dass  an  der  Stelle,  welche  der  Obergeschriebne 
Buchstabe  im   Worte  einnehmen  soll,  ein  ,  steht.  —  Überschrift  INC  : 

PIT  .  QVAT  :  :  (braun  auf  grlh)  \  OR  .  EVANGELIV  •.•  (braun  aufUau) 
MANEGA  VVARON  (braun  auf  gelb)  \  —  1  thefiaro  (vor  r  ist  i  t?. 
alier  Ud.  überg.)  —  2  thafia  (vor  f  ist  t  mit  Häkchen  überg.)  \  — 
3  riceo  (ri  a.  Bas.  von  fe,  das  e  dieser  Basur  zweifelhaft)  —  maritha 
(das  letzte  a  offen,  einem  u  ähnlich)  —  9  firiho  (das  zweite  i  a.  Bas.  von 
o)  —  10  mego  (ni  mit  Häkchen  vor  g  überg.)  —  12  Craft  |  —  13  |  That 

—  15  nemofta  (u  mit  Häkchen  vor  o  überg.)  —  18  Matheuf  —  19  |  Lucaf 

—  Johannef  —  24  That  |  —  helagaro  (ags.  r)  —  20  Thiu  —  That  — 
28  Eftho  —  29  Huand  —   31  adal  ord  frumo  |  —  34  That   —   36 

2* 


20 

giuuaralita  (ags.  r)  —  39  |  gifcuop  (darnach  Pufikt  rad.)  —  40  Eudi 

—  42  That  —  45  uuerold  aldar  |  endon  fcoldi.  —  48  Scolda  —  50 
Helagaf  —  51  mid  |  dil  gard  —  mauagon  (das  Icteie  n  aus  m  ge- 
macht durch  Bas.  des  letzten  Striches)  —  53  |  uuid  (das  ernte  u  grösser) 

—  god.  roma  no.  —  56  That  —  thiedo  |  gihoilica  (a  a«5  o  eorr.)  — 
59  liudo  (e  vor  o  mit  Häkchen  v.  alter  Hd.  überg,)  —  60  |  Erodef  — 
61  Judeono  —  62  kuninge:  (Ras.  r.  g  oder  rundem  s)  —  64  |  hie  — 
65     ifrahelef  (i  rad.y  aus  p?)  —  66  Cuman  —  thef  |  (f  a.  Bas.  von  t) 

—  68  I  That  —  69  auaron  (r  aus  n  rad.)  —  71  Erodef  —  nach  |  rad- 
burdeon  etwa  acht  Buchst,  rad.  —  72  than  (t  rot  ausgem.)  —  links  am  liande 
steht  vor  fruodgomo :  Scd^m  lucam.  |  InüIo  t5po  |  re  fuit  Indi  |  ebuf  erodif 
re  I  gif  lüde,  facer  |  quidä  nomin*.  |  zacharias;  |  hierin  r  stets  ags.)  — 
73  that  (das  erste  t  rot  ausgemalt)  —   75   Jacobaf  |  —   76  Zacharial 

—  that  —  79  Uuaf  —  82  gihoga  (a  aus  u  corr.^  nach  o  ist  ri  mit 
Häkchen  überg.)  —  83  diu  |  ridon.  —  85  Nefaca  —  uuaf  |  —  86  moftun  (\i 
vor  o  mit  HdUchen  überg.)  —  87  Ac  —  than  (t  gelb  ausgemalt)  —  88  Sm 

—  93  mofti.  II.  1  (u  vor  0  ohne  Häkchen  überg.)  —  94  Thuo  (die  Buchst. 
rot  ausgemalt)  —  96  thuo  (t  rot  ausgem.)  —  97  Thar  |  —  Judeo  — 
100  hea  |  ron  (a  rad.)  —  that  (das  erste  t  rota^isgem.)  —  103  that 

—  109  frumida  (f  rot  ausgem.)  —  110  Junger  fcipi  —  111  |  Midi  — 
114  fprak  (r  ags.)  —  115  fiiet  (grösseres  h)  —  fruod  |  (r  ags.)  — 
116  quat  I  hie  —  118  Thin  —  119  ikif  —  120  Gabriel  |  —  121  |  and- 
uuard (das  erste  a  rot  ausgem.)  —  nefi:  |  (Bas.,  von n?)  —  122  nuhiet  (it 
austcarr.)  — 123  Hiet—  126  that  |  —  127  Uui  |  nef  —  131  |  Tugin  — 

geban  (über  a  Bas.  von  a)  —  133  thie  |  (nach  e  scheint  Bas,)  — 


132  for 

Johannef  —  135  |  That  — 138  gibod  fcepe  (g  a.  Bas.  von  hohem  Buchst. j 

—  139  Za 

Than  —  at 


chariaf  —  141  huo  |  —  142  after  |  (a  rot  ausgetn.)  —  14*' 
ibunta  |  (b  oben  anrad.)  —  147  fithoE  |  (ob  lig,)  —  14> 
Souuit  —  I  Juguthi  —  150  fodan  |  (u  über  o  mit  Häkchen  v,  andrer 
Dinte)  —  152  That  —  155  find.  —  fprikif.  III.  |  —  159  Thuo  (auch 
u  rot  ausgetn.)  —  arm  (vor  a  ist  h  mit  Häkehen  iiherg.)  —  \\vi 
ala  I  Jungan  (es  ist  lang  J,   kein  1,    denn  unten  fehlt  die  Krümmung) 

—  he  (i  über  e  mit  Häkchen  überg.)  —  164  uuord  (r  ags.)  —  1(;:j 
thimagu  (h  oben  rad.)  —  170  langron  |  (r  ags.)  —  thuo  (t  rot  ausgem, ) 
— -  171  I  Giuuordan  —  |  uuiae  (h  nach  i  mit  Häkchen  überg.)  —  17J 
Engil  —  174  baranif  (r  ags.^  i  nach  r  mit  Häkchen  überg,)  —  bi  |  dim 

—  179  Than  —  184  hie  —  185  Gifeggean  —  met  {b  von  alter  Hand 
aus  i  corr.)  —  186  |  ufef  (u  a.  Bas.;  e  a.  Ras.  von  a)  —  196  bugeon 
(.  r.  mit  Häkchen  über  g  überg.)  —  bed  —  197  fcred  |  —  198   Jarel 

—  Jo  I  hannef  —  199  nach  \  fconi  Bas.  eines  Punktes  —  200  uual 
(das  erste  u  war  ausgem.^  doch  ist  die  Ausmalung  wieder  rad.)  —  20.i 
I  fuafoftun  (fo  scheint  a.  Bas.^  n  aus  m  corr.  durch  Bas.  des  leisten 
Striches)  —  204  That  |  —  208  engifruodot  —  210  niudlico  (ni  durch  Äa>\ 
der  Verbindung  der  beiden  letzten  Striche  aus  m)  —  212  Jac  —  213  So  — 
2 1 6  hier  |  (h  ausgemalt)  —  fiu  (f  a.  Bas. ?)  —  2\l  Jara  |  —  2 1 8  Johannef 

—  221  engel  |  hert  —  222  Nihiet  (et  lig)  —  223  uuita  kiefan  (n  aus 
m  corr.  durch  Ras.  des  letstru  Striches)  —  224  uotc  |  (n  aus  m  ebenso  t 


21 

—  228  fitit  (ti  scheint  a,  Bas.,  von  a?)  —  229  Uuifanif  |  (das  erste  if 
a.  Bas.  van  a)  —  Thoh  —  230  thoh  (t  rot  ausgem.)  —  231  thuo  |  — 
236  Jühan  |  nef  —  237  giuuret  (et  lig.)  —  238  fuitho  [IIa]  fpahlico 

—  239  That  —  242  fandi  iungron  tuo.  IIII.  |  (über  dem  ersten  i  ist .  if  . 
mit  Häkchen  übcrg,;  die  Nummer  rot)  —  246  That  |  —  248  te  (t  rot  aus- 
ge^n,) —  249  uuitie  (das  eweite  u  a.  Bas.^  von  it?)  —  250  gali  |  (rechts  a, 
Udc.  ro^- be  fcä  |  marian.  |  )lealand  —  252muni  |  WcaimrotafAsgem.)  — 
253  Uuaf  I  —  fia  —  254  Jofeph  —  257  anazareth  bürg  —  260 
uualdaudi  (das  erste  u  rot  ausgem )  —  260  habif  mit  Häkchen  überg, 

—  261  thu  I  —  262  I  nihabiuuekean  —  263  Niforohti  —  264  Nedragu 

—  I  thu  —  266  Thef  (T  rot  ausgem.)  —  thie  —  heland  —  267  endi 

—  270  engel  (darnach  Bas.  von  a  oder  d)  —  272  neik  —  276  thanan 

—  277  uual  I  dandef —  279  niuuarth  —  280  Nifo  —  285  |  Thiu  uuabiun 

—  nii  —  286  Uuerthe  —  287  nifmi  —  288  Ne  uuord  —  291  uuarth  | 

—  293  Jac  —  295  Jofepef  —  299  Kiuuanda  |  —  300  Niuuiffe  — 
giuuardot  (das  zweite  u  mit  Häkchen  überg.)  —  301  |  niualda  —  302 
Acbegan  —  303  thar  (r  ags.)  —  304  |  Neuuelda  (N  schwarz)  —  308 
So  I  huilik  —  310  ferahuni  —  311  That  —  u  in  muofti  |  ohne  Hakeken 
überg.  —  313  god  |  — Jofeph  —  314  thiornun  (or  a  Bas,  von  rn)  tho  |  — 
317  Unten  aufS.  12b  steht  k  —  318  Minneon  |  —  niuuif  —  320  Niforhugi 

—  tiardo  (h  vor  a  ohne  Häkchen  Überg.)  —  321  lefti  |  (e  aus  i  corr.) 

—  323  thoh  (davor  lanj  J  corr.)  —  324  barn  (b  rot  ausgem.)  —  |  it 

—  326  That  —  iiif  |  —  328  |  nilat  —  330  imm  |  (das  eweite  m  rad.) 

—  332  uuaf  —  335  AU  —  unten  auf  S.  13a  steht  .  B  .  —  338  fcolda. 
V.  I  —  339  uuai-th.  von  erster  Hand  (nur  kleiner)  mit  Häkchen  überg. 

—  345  Biet  (et  lig.)  —  vodil  (v  ags.  Form)  —  346  elithof  |  —  350 
forun  —  352  anbrief  |  —  354  Jaland  (d  mit  Häkchen  überg.)  Jaliudi 

—  356  giuuet  (et  lig.)  —  357  |  Jofeph  thioguodo  —  359  Thia  —  361 
marium  —  365  fialdan  hob  gifetu  |  fea  —  366  cnoUe  (u  mit  Häkchen 
über  0  v.  andrer  Dinte  überg.)  —  367  thu  |  —  371     Allero  —  cuman  |  thie 

—  378  uuarun  (das  eweite  u  mit  Häkchen  überg.)  —  374  |  tho  —  376  Thuru 

—  378  I  thuo  —  382  That  I  —  cribbiun  (r  ags.)  —  383  Thar  |  thiu 

—  384  uuacoinan  |  (das  erste  n  rad,^  hinter  dem  zweiten  ist  .  de  mit 
Häkchen  überg.)  —  385  Seid  —  387  Uuar  |  dof  —  392  uuanom  (uu 
a.  Bas.)  —  393  fia  uuar  |  dun  —  thio  (i  rad.)  —  394  u  in  muode  ohne  Haken 
überg.  —  396  biet  (et  lig)  —  397  ik  —  399  Cuthian  |  —  nuift  —  400  naht 
(n  aus  f  rad,)  —  401  An  I  —  403  thar  —  findan.  |  (ndan.  a.  Bas.)  —  405 
hebeat  (vor  b  ist  b  mit  aäkchen  überg.)  —  406  That  —  409  uuord  (das 
eweite  u  mit  HäJichen  überg.)  —  411  fielag  —  414  eft  (e  a.  Bas.  v.f)  —  415 
thea  !|  —  421  the  (vor  e  ist  i  mit  Häkchen  überg.)  —  422  Thuru  — 
I  thia  —  424  Giuuitun  —  426  muoftun  .  .VI.  |  —  427  HAßda  —  all  —  430 
Endi  —  fan  a.  Bas.^  von  thia?  (a  sicher)  —  431  fagdun  |  —  432 
Uualdande  —  (das  eweite  u  ohne  Häkchen  überg.)  —  cuthdin  (c  a. 
Bas.,  von  fV)  —  434  gitigid.  (nach  t  ist  o  mit  Häkchen  überg.)  — 
435  that  fri  vor  r  ist  i  mit  Häkchen  überg.)  —  437  Thiu  —  438 
fodda  —  440  |  helithof  —  441  Anthcm  —  443  heland  —  445  |  Uuarun 

—  446  Thuo  —  447  uuaf  —   449    that   —    452    folgeban  |  —   453 


22 

thuo  —  458  Giuuitun  (n  atis  r  corr.)  —  460  Suoh  |  tum  —  462 
Uualdan  |  de  —  463  thar  —  464  Aldan  —  465  Thie  —  endi  (di 
mü  Häkchen  überg.)  —  46(5  Oft  |  —  471  Uuendian  —  473  fielagna  — 
thuo  —  475  thuo  —  479  bilithi  (das  erste  i  aus  1  rad,,  1  a.  Bas.  von  e, 
das  zweüe  i  a.  Bas. ;  darnach  ist  .endi.  mit  Häkchen  überg,)  —  480  nu  — 
489  thina  —  492  Thinon  —  liftion  |  —  494  Sagda  —  497  Them  —  501 
that  I  —  502  thiu  (i  mit  Häkchen  überg.)  —  511  metodef  (et  lig,)  —  519 
Them  —  521  Nuift  —  523  Toalofannea  —  527  aftaer  —  529  alaha 
feit  I  —  531  &e  I  lagero  —  532  Jofeph  —  534  drohtinef.  .VII.  |  Mana- 
gero  —  536  Than  —  537  Thoh  —  539  Them  —  540  Ac  —  543 
Threa  —  tun  in  fohtun  ohne  Häkchen  überg,  —  548  rikkian  |  —  551  Thuo 

—  553  hiu  I  lic  —  554  hueder  —  giuun  [19a]  dan  —  556  |  huat  ginet 
huanan  (et  lig,)  —  557  ik  —  558  Cuunief  —  cnofle  (u  vor  o  mit  Häkchen 
überg.)  —  560  gifculon  —  563  uui  —  565  gifeggian  |  fuothlico  (t  a.  Bas. 
von  e)  —  573  fiuand  —  579  Thuo  —  het  (et  lig,)  —  582  Thuo  |  — 
584  Thef  —  585  Quat  —  586  euon  (u  vor  o  ohne  Hikchen  überg,)  —  587 
&ie  —  591  odar  (d  a.  Bas,  v.  b,  Querstrich  von  ders.  Hd.  wie  d)  —  592 
Nefulik  barn  —  fiiet  —  593  hiet  |  (et  lig,)  —  594  fea  mit  Häkehen  uberg. 

—  gifauum  {von  a  ist  die  Schleife  alt,  der  schräge  Strich  steht  a.  Bas. 
eines  fiach  unten  gehenden  geraden  Buchstaben,  wie  f;  der  erste  Strich 
des  ersten  u  aus  1  rad,^  der  eweüe  ist  alt)  —  595  hit  (e  oben  an  i 
angeschrieben)  —  geruuan  (vor  a  w^  e  mit  Häkchen  Überg.)  —  596  fiiet 

—  597  uueroldi  (i  ist  später  snigesetßt)  —  nuif  —  598  Cuman  —  thie 

—  601  uuigi  I  fahutt  —  603  Uuegof  —  huilon  uari  (vor  dkistvL  mit  Häk- 
chen überg.)  —  605  |  fagi  —  606  Imian  —  610  Craftigron  —  611  |  thuo 

—  hiet  (et  lig.)  —  615  uuiffun  (das  erste  f  ohne  Häkchen  Überg.)  —  616 
Suitho  —  617  Cuningef  (ef  rad.)  —  619 no  ohneHäkchen  überg.  —  621  fo  — 
622  Uuiflico  —  625  That  —  628  Judeo  (no  später  überg.)  —  629  managan 
thiodon.  VIII.  |  — 631  Therouuaiifago  |  no(Ratisicorr.)  —  632thet  |  (et 
lig.,  anders  als  654 ;  hier  ist  t  alt)  —  634  fiuan  —  636  fia  —  640  Suitho  — 
642  That —  644  than  harne  than  —  651  habda  (h  jpu  b  corr.,  b  eu  1  rad.J  — 
654  Uuarun  —  es  stand  tha  thea  |  (von  dem  ersten  a  ist  der  Haken 
rad.^  an  den  Best  ist  die  e-Schleife  gesetzt  und  an  den  Querstrich  von 
dieser  der  Grundstrich  von  t  gefügt)  —  655  uuolnef  (c  nach  1  mit 
Häkchen  überg.)  —  657  Ant  kendun  —  662  thiefteorra  —  669  genguu 
(das  letzte  n  au^  m  corr.  durch  Bas.  des  letzten  Striches)  —  671  crist  thia 

—  fellun  (f  a.  Bas.  eines  Fleckes)  —  674  Gold  |  —  uuiroc  (h  vor  r 
mit  Häkchen  überg.)  —  675  thia  -  679  galt  feli.  —  682  That  im  — 
687  thuo  I  —  690  badunal  uualdon  .  (das  erste  n  aus  m  corr.  durch 
Bas.  des  letzten  Striches)  —  691  fieranheban  |  cuning  —  693  thanan. 
Villi.  I  Erlof  —  695  »amun  —  697  Umbi  —  699  Ac  |  —  704  nu  — 
707  Uuonon  —  uuord  |  (r  in  der  Anschlussform)  —  708  thinef  (ef 
lig.)  —  711  Jofeph  |  —  712  Giuuet  —  714  Uualda  —  718  vodil  (v 
wie  345)  —  719  fia  that  |  —  722  thuo  —  724  nu  —  725  Uuet  (et 
lig-)  —  727  under  —  729  Cuning  |  —  731  Somanag  —  732   tionou 

—  734  m  —  735  |  Jamorlicra  for  gang  Jungero  —  736  armlicro 
(erste  r  ags.)  —  idifi  —  738   m  \  —  739  egan  (eg  lig.)  —  741   The 


23 

—  menef  —  743  fellun  |  —  744  tha  —  745  kara  —  746  Thoh  man 
iro  I  —  751  thea  —  754  ina  |  (a  aus  n  carr.)  —  757  uuag  (n  nach 
a  mit  Häkchen  überg.)  —  762  that  (das  erste  t  etwas  grösser)  —  770 
biet  (et  lig.)  —  771  nuhabit  |  (n  grösser)  —  772  herodeffe  |  —  773 
nu  —  774  NU  —  775  all  {b, grösser)  —  776  Jofeph  —  779  uuordon  |  gibod. 
X.  [  —  782  anoazaretbburg  |  {erste  r  ags.)  —  784  fiie  —  785  man  ||  (noN 
unterg.) —  788  iudeo  |  —  796  |  Thuo  —  797  uuilleon  (überdem aweiten  n  ist 
noch  ein  iüberg.)  —  798  godef  |  fio  —  799  Ac  — 800  gifrsLgn  (das  er  sieg  ags.y 

^rös^er;— 803Uärth  |  —  804  |  unbi— 805filo(f;?rö55er;— 806  Giuuitun 

—  808  Anthem  —  810  fiuo  —  811  uuerol  (d  mit  Häkchen  oben  nachgetr.)  — 
813  Sio  —  821  fiui  —  822  That  —  825  fiuat  —  826  das  eweite  ik  ohne  Häk- 
chen V.  j.  Hd.  überg.  —  830  |  Maria  —  832  eft  |  fon  —  837  Endi  —  839 
odmuodialdron  (ia  o.  Ras,)  —  840iriuuolda  —  842  Ac  —  845  |  Seggean  — 
847  fiabda  —  851  |  Achie  —  852  niuuaf —  855  Uuirkean  |  —  uuilTun  — 
\^b%iQ\ho {Strich durchhrad)  —  uuelda. X.  |  — 859Johannef — Jugutbe| 
diauuahfan  —  860  |  Thar  —  865  Godlic  —  Joban  |  ne  —  868  Hiet 
Ina  —  871  Uuelono  —  im  —  876  Tbat  —    878  Tbat   giuuer  |  tban 

—  quthie  (a  mit  Häkchen  nach  u  überg.)  —  bebanriki  —  879  nu  — 
881  Letbef  —  882  after  (f  durch  Sas.  aus  t  corr.)  —  ik  —  883  tbob 
(t  grösser)  —  885  Tbat  —  887  |  Mabtig  —  889  Tbie  —  891  fiie  — 
892  So  —  894  Tbat  —  898  Tburu  —  899  tbef  |  —  900  Sobuie  — 
903  tetbS  I  —  905  Uue  |  rof—  909  Tbuo  —  912  Tbat—  914  |  Jobannef — 
915  nibiun  ik  |  —  921  bie  —  922  fagi  —  923  bift  —  924  buat  —  927 
bebui  —  929  tbu  |  bift.  —  930  Jobannef  —  931  minef  (ef  lig.)  — 
933  ikbabbiu  —  935  Uuerodef  —  nubiun  —  936  Hie  —  937  |  Tbat 

—  939  Tbat  —  943  bebbeat  —  944  liudi  (1  o.  Ras.)  —  Tbann  — 
948  nilatat  —  tuiflean.  XII.  |  —  950  manag  —  952  Quamun  —  954 
bie  I  —  955  üuretbero  —  956  |  beban  riki  —  957  bem  (u  vor  e  mit 
Häkchen  überg.)  —  958  Endi  —  961  Diurlic  —  962  uuaf  —  969  fprak  {unter 
a  Ras.  une  von  einem  g-Haken)  —  970  fuitbuo.  —  Jobannef  —  973 
fiuand  — 977  Jobannef—  979  Uuerod  |  —  987  Uuaf—  989  |  Uuonoda 

—  after  —  uuor  (d.  mit  Häkchen  oben  nachgetr.)  —  990  Crift  |  —  994 
Jobannefall  |  — 995  hie — 1005  bie  |  —  1007  Manno  men  dadi  bie  |  — 
1009  tbit  —  1011  uuela—  1014  |  numuot  —  1016Tionon  |  —  1018 that 

—  1019  duot.  XIII  I  —  1020  Jobannef  —  gu  |  :  :  mono  (^  oder  3 
Buchst  rad.)  —  1022  fierren  —  1027  Uuaf  —  1028  bab  :  a  {Ras. 
von  b,  d  V.  j.  Hd.  überg.)  —  1030  Uuolda  —  1033  bubie  (o  mit 
Häkchen  nach  u  von  alter  Hand  nachgetr.)  —  1039  Gumono  —  tbuo 

—  1047  drob  {davor  bi  mit  Häkchen  v.  alter  Hd.  überg.)  —  1048 
Bifuek  —  1051  Herta  —  1052  uuaf  —  1054  fohie  —  1055  Tban  — 
1059  fohie  (hie  a.  Ras.)  —  1060  That  —  1062  mann  euuald  |  — 
1064  Gruotta  —  ef  (e  grösser)  —  1065  nibetif  tbu  (u  a.  Ras.  von  an) 

—  1066  oftthefon  (o  aus  a  corr.  durch  Ras,  des  unteren  Teiles  des 
schrägen  Striches,  das  erste  t  rad.^  f  aus  g  corr.  durch  Ras.  der  oberen 
linken  Schleife)  —  1067  giheli  —  1077  that  (das  erste  t  grösser)  — 
1078  Uurethef  —  1081  hie  anhie  |  rufalem  —  1082  upp  (darnach  an 
mit  Häkchen  überg.)  —  1083  An  —  1085  the  ertbu  ||  (das   erste  e  v. 


24 

•  I 

alter  Hand  aus  icorr.^üüberg.)  —  gifcriban  — 1089  Kujat — 1099  |  Endi—  | 
1104  I  than  —  1108  Endi  —  1111  Suitlio  —  1112  thar  —  1117  Jungur 
duom     —  1119  Thionon  —  das  Fclgeiidc   lautet:  \  gode  herren  after  ' 
if  huldi  heban  |  auf  der  ersten  Hälfte  der  folgenden  Zeile  ist  eine  Eas..  j 
auf  der  jsweiten   steht   von  alter  Hand   cuninge  XIIII  (die  Zahl   Itraxin 
auf  blau)  \  Uuaf  (gemalter  Initial)  imthein  (an  vor  t  mit  Häkchen  überg.. 
e  aus  i  corr.,  der  Anfang  von  m  a.  Bas,^  von  g?)  fin  uueldie  —  1121 
iiiim  I  (das  zweite  m  rad.)  —  1124  Uueroda  |1  — thuo  —  1125  enodeaf 
ard  (nach  f  Ras.  eines  kleinen  Buchst.^   das  folgende  a   a.  Ras,  eines 
tiefgehenden  BucJist)  —  1127  Gieng  —  Johannef  —  1130   Johanuef 

—  iuNgron  —  1133  Mancunnief  —  1137  tirlio  (vor  o  isti  von  ältester 
Hand  überg.)  —  1143  Gibie  |  tun  —  neridien  (vor  d  ist  eu  mit  Häk- 
chen überg.)  —  1145  Sohuie  —  thionoian  (das  zweite  o  aus  Ansats 
von  i  corr,)  —  1146  thuo  —  1152  thar  —  1153  An  |  dreafe  —  115». 
thar  —  1157  gruotta  (davor  gi  ohne  Häkchen  überg,)  —  1159  lar 
geban  |  fogit  —  1163  thuo  —  1164  bithionothem  (das  letzte  o  rad„ 
das  letzte  t  a.  Ras.)  —  Ant  kendun  —  bar  (darnach  n  mit  Häkchen 
überg.)  —  1167  Uuaf  —  1172  Giuuerkean  (k  a.  Ras.)  if  (f  a.  Ras.) 
uillon  I  thuo  —  1175  Jacobe  endi  |  Johannefe  —  1176  |  fatun  —  117^ 
Thiu  —  1181  endiühan  ||  (nes.  unterg.,  nach  d  ist  i  v.  j,  Hd.  mii 
Häkchen  überg.)  —  1182  man  .  Tuo  |  —  1186  Netti  |  —  1191  Crift 
anenaro  |  —  1197  |  Gold  —  1199  Cof  —  crift  (c  a.  Ras.,  von  zu  tief 
geschriebnem  kV)  —  1204  fei  |  bo  —  1205  uord  (vor  o  i^^  u  mit  Häk- 
chen überg,)  —  1207  Giuuarahta  —  uuaf  —  1208  Jac  —  1210  |  mannn 
barnon.  XV.  (Zahl  braun  auf  blau)     —  1211  Liudeon  (gemalter  Initial, 

—  oft  —  1212  Than  he  |  —  1221  Thoh—  thar  a.  Ras.  —  1223  Uuaf  — 
1225  Thigidun  —  1229  That—  1231  |  Uuoldun  uualdancrift  —  1234  uua- 
run  I  —  1236  |  That  —  1239Uurdun  —  hie  mit  Häkchen  überg.  —  1241 
hie  —  1243  gileftan  (nach  t  ist  i  mit  Häkchen  überg.)  —  1244  uartb 
(nach  u  ist  u  mit  Häkchen  überg.)  —  1248  im.  —  1249  ena  berg  |  — 
1250  Sundar  —  1251  Tueliui  —  1255  biet  (et  lig.)  —  nahoa  |  (ob 
^^•)  —  1256  Andriafe  —  1257  bethia  |  —  1258  Jacobe  —  Johaunofft» 

—  1259  hie  anif  |  —  1260  that  mit  HäkchenvJ.  Hd.  überg.  —  1263  Judafoi 

—  Ja  I  cobe  —  1265  Jacob  —  1266  thuo  —  1268  Thuo  —  127n 
fiiet  —  1273  thar  hie  |  —  1274  Managero  —  1278  |  Thuru  —  hogda. 
(darnach  1  Zeile  leer)  —  1279  Thuo  (Initial  ausgemalt)  —  nah  ob 
(oR  lig.)  —  1281  I  ftuodun  —  1283  Uuerof  —  1286  Thefon  —  |  than  — 
1289  I  Lerean  —  1291  Sat  |  —  1294  Uuifda  —  1296  Spahon  —  12i»> 
Ilui  I  lica  —  1300  Sagda  |  —  1301  Thia  —  1302  Arma  —  1307 
I  Thia  muotun  —  1309  Rincof  —  thef  —  1312  anmahle  (e  a.  Ras.  t\ 
a)  —  1315  herta  (a  aus  d  rad.)  —  1317  folca  (f  aus  ausgewiscJitem 
b  corr.)  —  1318  Thia  —  1320  Seibon  —  1322  Them  —  1324  nicii- 
mit  (ni  aus  m  rad.)  —  1325  Uuelono  —  |  f o  —  uualdan  —  1327  gihiu- 
(vor  e  ist  i  mit  Häkchen  überg.)  —  1328  gihalon  (on  a.  Ras,  von  d:} 

—  1329  Eftha  —  1329  teeuon  dage  (nach  u  ist  u  mit  Häkchen  überg.  i 

—  1336  Giuuerthat  —  1341  Logneat  —  1342  thef—  1343  Huand  — 
1346  Iluand  |  —    1347    athefaro  (vor  t  ist  n  mit  Häkchen  überg.)   — 


25 

uuirff  —  1349  Uuidon  —  1357  tlian  —  1362  Uuaron  [  —  1365  fo^ 
I  latean  (ob  Ug.)  —  1370  Than  —  1372  Ac  |  —  1373  fo  —  1374 
Ef  —  1377  Ac  —  1379  Uuirtliit  |  —  1380  nidog.  XVII.  |  (darnach 
1  Zeüe  leer)  —  1381  So  (versierter  Initial)  —  1382  |  Lerda  —  1383 
I  hluttru  (das  erste  t  aus  o  rad,)  —  lielithof —  1385  |  Uiierof —  1386 
Thahtun  —  1393  Nimugun  |  —  1395  Than  mer  |  —  1396  höh  (dar- 
nach an  von  gane  junger  Hd.  überg.)  holm  clibu  (nach  m  ist  an  v,  j, 
Hd.überg.  und  wieder  rad.) — 1397uuririlic  |  (ra.Bas.^vonH)  —  Nimugun 

—  1 399  duot  —  1400  |  Latat  —  1402  Juuua  —  1405  i  in  demioji  ohne  Häk- 
chen überg,— U07  That— 1408  Inne  |  —  Ullfielith  cunnie— 1412gU 
bod  (od  a.  Ras,,  von  ?)—  1413  obarthit  |  —  1414  Endi  — 1417  Endi  — 
1419  That  —  aldan  |  später  eugeseiat —  1420  Niuua  neat  githef — ;  1432 
gihordun —  1433  uor  |  dun  (vor  oistxi  mit  Häkchen  überg,)  —  1436  ik  iu  | 

—  1439  I  huaud  (h  rad.  aus  ?)  —  1441  Man  —  1442  gileftian  (das  erste 
i  aus  1  rad,)  —  1443  |  Than  —  1445  Thie  —  1447  fogiuuitun  —  1448 
That  —  1455  .  magaf .  mit  Häkchen  vor  duat  |  überg,  —  1456  |  An- 
guodef  —  duot  —  1458  that  —  1465  luuef  |  —  1468  Inuuidhu  |  gif 

—  1469  gifonean  (u  nach  f  mit  Häkchen  überg.)  —  1470  Sithor  —  med 
mof  II  (Strich  durch  d  rad.)  —  mat  (h.vort  ohne  Häkchen  überg.)  —  1475  oc 

—  1476  fiuo  —  1478  uuid  mid  —  than  —  1479  That  —  1481  |  That 

—  1482  than  —  1486  Than  —  1492  nifcal  (c  a,  Bas.)  —  1494  Than 
nifihie  —  1496  than  mit  Häkchen  überg.  —  1499  That  —  1501  gi- 
fuokean  ,  ,\  1  Zeüe  leer,  am  Ende  davon  XVHI.  |  —  1502  oc  —  1504 
I  That  —  1505  Nefor  fuerie  —  felbon  that  |  —  1507  ef  —  1509  Nebi  j 

—  1510  Nebi  —  1511  Nee  —  1514  bethiu  —  gimithan  |  —  1515 
Erlof  —  1523  Quede  —  1524  Sohuat  —    1525   ubile  —   1526  That 

—  1527  than  —  1528  Huo  —  1541  Nemo  keat  —  githef  j  —  154^ 
Mahtig  I  —  1548  Eftha  —  fiuand  j  —  1551  tehuiuuet  thi  thef  ualdand 
(nachuistu  ohne  Häkchen  überg,)  —  1553luathefaro  — 1554  Endi  — 1556 
Ac  —  1558  Suitho  —  1559  fohuat  fothu  —  1562  |  idila  (a  a,  Bas, 
V,  h)  —  1563  Lethlico  |  —  than  —  1567  That  —  1568  focono  j  endi 
thero  thiagi  iu  (nach  thero  ist  .  fundea  .  mit  Häkchen  überg.)  —  hir  | 

—  1570  Nimareat  —  1571  iridiurean  —  1572  thu  |  ni  idila  (nach  u 
ist  that  mit  Häkchen  überg.)  —  1573  |Ac  —  1576  Than  —  es  stand 
tlie  niuet,  vor  n  ist  ein  h- Schaft  eingeschoben,  die  Verbindung  der  beiden 
n-striche  rad,  —  1577  fielag  —  1578  hie  —  1580  |  Mid  —  helithof  — 
1581  godef .  ger  |  no  (nach  f  ist  funo  v.  j,  Hd.  überg.)  —  1582  Uuerof 

—  1586  Torohtef  —  thuo  —  1587  j  godef  barne.  XVIIIL  |  (darnadi 
1  Zeile  leer)  —  1588  fierro  —  1590  Allero  —  1592  Diurlic  —  1594 
duo  I  —  Jungron  —  1595  uf  giruni  j  (that .  vor  g  mit  Häkchen  überg,) 

—  1597  Thagiuuillean  (n  vor  g  mit  Häkchen  überg,)  —  1608  Endi  — 
1612  Achilp  I  —  1613  tebedu  —  1618  Than  —  lu  —  1623  |  gifcuhm 

—  1625  Allef  —  1628  fcal  iu  te  |  —  1629  gileftean  —  1631  luuua 

—  I  thann  (das  erste  n  a.  Bas,,  von  t?)  —  1632  |  Acmithat  —  |  uuet 
(et  Ug.)  —  1634  hiegildid  —  1636  Thefgi  |  —  1637  |  niuuelleat  — 
1638  Ac  —  1639  That  —  1641  Uueroldfcat  |  tef  —  ef  giuuelleat  — 
1042  Thann  nifamnod  (Strich  durch  d  rad.)  gihier  —   1()45  auuerdat 


26 

(nach  didtiv.j,  Hd.  mit  Häkchen  überg.)  —  1G46  togongit  (das erstei grösser 

—  lefteat  —  1647  |  Samnod  —  1648  ni ohne Häkchrn überg.  —  1649  auuen- , 
dan  I  (nachdemerstensiistnmÜHäkchenv.aUer Hl. überg,)  —  1650garote  , 
gegnef  —  1652  |  fielithof  —  luuuan  —  1655  nif  —  1656  That  —  165^ 
Achie  —  1665  It  —  1667  huat  githat  bethefon  —  1670  Thoh  —  IGTi 
iuua  (vor  a  i^^  u  mit  Häkchen  überg.)  —  1674  Nimohta  —  1678  Thohl 

—  1681  blomen  {nach  \  ist  m  mU  Häkchen  überg.)  —  1682  fier  - 
t  merr  —  1683  |  Liudi  —  1684  Uual  |  dand  —  bithiu  —  1685  God  - 
1687  Gerot  gifimla  |  —  1688  Thann  —  1690  feggiu.  XX.  |  1  Zdi 
leer  —  1691  Nb  —  1693  Thar  —  1695  nio  —  unret  (h  wr  t  müi 
Häkchen  v.  alter  Hd.  überg.)  —  1696  Gumono  —  1698  Menfd  - 
1699  gehulicon.    Su  |  lic  —  1704  That  —  1705  halman  —  1706  Thena 

—  1707  fiard  —  lat  —  1708  than  |  (t  grösser)  —    1709   uuerthat 
gi  opanod  .  Thann  —  1711  fo  —  1713  es  stand  mer  (der  erste  StriA 
von  m  rad.,  der  aweite  eum  h-Schaft  gemacht,  vor  e  ist  i  mit  Häkeken 
überg.)  —  1714  Than  —  1716  ef  —  1717  |  Than  —    1718    lofon  in 
aus  m  corr.  durch  Bas.  des  Utaten  Striches)  —  fithoB  (ob  lig.)  mah 
hie  mid  lerun  (vor  1  t^  .  if  .  mit  Häkchen  überg.)  —  1720  |  SundioDO 

—  nefcttlun  —  1722  fiuand  —  1727  |  Ac  —  miclo  |  (nach  c  ist  i  m^ 
Häkchen  überg.)  —  1729  nifrnd  —  1730  That  —  luuua  |  —  1731 
Nilinon  —  |  them  —  1732  gifpraka  —  1733  The  |  —  1734  üuara  j  ro 

—  1735  Lifteon  —  1736  |  That  —  1737  Nemid  —  fiacumat  —  1T3> 
Thoh  —  1739  mugun  fan  |  —  1740  Siafprekat  —  1741  |  huand  gi- 
uuitun  —  1743  Nee  |  —  1744  that  —  giunder  huggean  —  1745  |  That 

—  1746  I  Nee  —  1748  Accumid  —  1750  that  —  1751  Managero- 
1754  fiugi  —  1755  Ac  cu  |  mit  —  Inuuidradaf  |  —  1757  |  Iimla  - 
1759  I  anduttirdi  (i  jtu  r  gemacht^  das  r  vor  d  rad.)  —  1762  thanau 
~  1763  Suitho  —  1765  Uuerthan  —  1770  gilobean  .  |  darrutch  1  Z. 
leer,  am  Ende  .  XXL  |  —  1771  Oc  (c  steht  in  0)  —  1773  Thera  —  177:. 
IMancunneaf—  1776  Uueroldlufta  —  1778  Thar  —  1785  lidie  .  (vor 
d  ist  e  mit  Häkchen  üJberg.)  —  1788  fohue  |  foina  —  1790  githef  — 
1791  githena  |  —  1793  |  hie  —  1794  Uuithar  —  tige  |  banne  theman 

—  1795  fuokeat  —  luuuan  |  —  1796  Than  —  1797  kuthiat  —  17i»> 
At  —  1799  fiimili  |  portun  —  gianthat  |  —  1803  That  —  1805  Lef- 
tean  —  1807  fiorfca  —  1809  Uuegof  |  —  1811  |  Acmah  —  1812  filifa 
(das  erste  i  a.  Bas.,  von  a?)  —  1814  Uurethit  —  1818  The  |  —  1824 
ertha  [52a]  —  1830  Uuob  |  den  (ob  lig.)  —  for  ftuodun  —  183i 
Acoran  —  1836  gifprak  .  XXIL     (1  Zeile  leer)  \  Gibod  —    1837   hi^ 

—  1840  Uuid  bredan  —  la  hie  —  1843  Suara  —  lac  |  —  1844 
That  —  1846  That  —  1848  miedon  (m  grösser)  —  fo  —  uuefat  (t 
o.  Bas.  von  n)  —  1850  Lerat  —  1853  it  an  |  —  1857  gigangan  — 
1858  Anthat  —  nio  umbi  |  —  1859  fiuand  —  1860  folc  fcepi  (unten 
vor  f  eine  kleine  Bas.)  —  1861  |  thethem  —  1863  Thena  —  thefo  — 
1865  that  I  —  1867  fiuo  —  1869  bithiu  (hgrösser)  — 1872  fiodon(n  vord  t. 
erster  Hd.  ohne  Häkchen  überg.)  —  1875  So  —  1876  undar  |  (n  aus  m 
corr.  durch  Bas.  des  ersten  Strichs)  —  hebbeat  —  1877  So  —  fofamo 
thie  —  1879  That  —  1880  for  ||  —    1881    That   —   1882  uuefat  — 


27 

1888  j  fiondon  (f  ags.)  —  1886  Tat  —  1891  Manag  —  1892  bithiu  | 
(b  grösser)  —  1898  anhugiehuer  |  gin  (über  dem  ersten  n  ist  der  An- 
fang eines  h-Schaftes  rad,)  —  heri :  :  :  ||  {Bas.  von  e  und  noch  2  Buchst.) 

—  1900  &uat  giim  —  1901  thu  (i  nach  h  ohne  Bahchen  v.  alter  Bd. 
überg.)  —  1903  bithiu  man  dradat  |  —  1904  Ni  —  1905  That  — 
1907  andradat  —  1911  |  Get  —  giiuuua  anthe  |  —  1913  fiuand  — 
1914  anhimil  rikie.  |  {1  Zeile  her,  am  Ende  XXIII.  |  —  1915  thia 
her  I  —  1916  |  managa  —  1918  firo  |  pat  —  1920  Ac  —  1922  That 

—  1928  githat  arundi  (r  ags,^  könnte  aus  n  corr.  sein.)  —  1930  uue- 
roldi  I  (r  a.  Bas,  von  I  und  Anfang  von  d)  —  1931  Bred  —  befton 
mann  |  —  1932  Endi  —  1934  That  —  1935  hugiu  (über  dem  ersten 
u  ein  i  halb  ausrad.)  —  1936  Uuonot  —  ||  ßim  (fi  rad.)  —  1937 
Geldat  —  1938  uuiCTa  {darnach  n  ohne  Bäkchen  v,  alter  Bd.  überg.)  — 
1941  That  fiauuerc  {vor  dem  ersten  u  ist  .  iuuua  .  mit  Bäkchen  Überg,) 
frQ  I  meam  —  1942  Than  gifan  |  —  1944  endi  (e  grösser)  —  1946 
Micil  —  1947  theman  iu  anfahan  {vor  f  ist  t  mit  Bäkchen  v.  j.  Bd.  überg.) 

—  1948  Ac  I  —  1949  Them  |  —  1950  than  (t  grösser)  —  1952  That 

—  1954  II  Than  thiu  —  meran  |  (er  a.  Ras,,  von  a?)  —  1956  uuidar 
uerpat  {vor  dem  letzten  n  ist  n  v,  alter  Bd.  überg.)  —  Iuuua  —  1959 
giuuarah  endi  |  nach  h  ist  tan  .  mit  Boikchen  v,  j.  Bd.  überg.  —  1960 
I  luuuan  —  1962  uuet  —  1963  Gumono  |  —  duot  |  {davor  ge  ohne 
Bäkchen  v.  j.  Bd.  überg.,  g  ags,)  —  1964  Thoh  —  1966  that  {das 
erste  t  grösser)  —  he  (i  oAwe  Bäkchen  überg.)  —  1967  thefa  |  —  1968 
That  —  iu  ni  bilibit  |  a.  Ras.  von  uuara  that  |  —  1970  Mieda  —  1973 
Endi  —  1976  Ac  —  1977  thena  (t  grösser)  —  1980  uid  {vor  i  ist  u 
v.  j.  Bd.  mit  Bäkchen  überg.)  —  1982  Endi  —  1984  fiabda  —  1986 
thuo  (t  grösser)  —  1987  halba  gihuilica  (ag  a,  Äw.,  von  on?)  — 
1988  fiabdun  —  1990  So  —  1992  fpraconon  fpahirun  |  —  8.  56h  die 
oberste  Zeile  leer,  am  Ende  .  XXIIII.  |  —  1997  Mulica  {vor  1  ist  ne 
ohne  Bäkchen  überg.)  —  |  thar  —  1999  mahti  gef  {m  grösser)  —  mana 
I  garo  —  2000  Geng  —  2003  lac  —  |  habda  von  hier  ab  hellere  Dinte 

—  2005  Uualdandef  —  |  uuerod  —  2007  |  gengun  —  2010  Thuo  — 
2012  fo  —  2013  Them  {von  hier  ab  die  erste  Dinte)  —  2014  That  | 

—  2015  drogin  j  (u  ohne  Bäkchen  überg)  —  Acthiu  —  2016  Thuo  |  — 
2018  Criftef  —  2020  That  —  2021  fiu  —  2022  that  {das  erste  t  grösser) 

—  2026  tehui  —  2027  manof  (m  grösser;  von  hier  ab  wieder 
hellere  Dinte)  —  ne  j  —  2028  gitruoda  {über  r  ein  Bäkchen  wie  i, 
aber  kein  Cirkumflex)  —  2030  that  {das  erste  t  grösser)  —  uuob  |  don 
(oR  lig.)  uualdandef  (def  a.  Ras,)  —  2032  fiiet  —  2034  That  —  2036 
Leftian  —  larea  —  2037  thuo  —  2039  NeuuilTa  |  -  2040  fiie  —  2043 
it  auf  ausgewischtem  Worte  —  hladan  |  (ladan  desgl.)  —  2044  Seppian 
(c  vor  6  überg.)  —  2046  them  |  (t  grösser)  —  2052  j  undar  —  thefaro 
(es  stand  d,  daraus  ist  th  gemacht,  doch  der  Strich  in  d  blieb  stehn)  — 
2054  than  —  2057  fietif  —  2060  Geban  —  nu  —  2062  |  Ift  —  folc 
folc  (das  ßweitemal  rad.)  —  2063  gio  gio  fah  |  —  2064  mid  (m  grösser) 

—  2065  I  Thann  —  2068  that  (das  erste  t  grösser)  —  2069   fithoB  | 
(oR  lig.)  —  2071  thuo  (t  grösser)  —  2072  ludeo  —  20ia.fittflL.;- 2077 

OF   TMP  '  r 

UMVK/i^.^TTy 


28 

tharuuarth  (vor  u  ist  .  fithor  .  mit  Uäkchrn  ührrrf.)  —  2079  Angodtf 

—  2081  gihiet  (et  lig.)  —  2082  fiiet  —  2084  |  Drom  —  2085  Thar 
geft  (t  aus  a  rad,  und  corr.)  —  2087  gibod.  .  XXV.  |  1  Zeile  leer  |  — 
2090  megin  —  2092  Saug  —  2096  ena  (wacA  c  ist  n  mü  Häkchen 
von  alter  Hand  überg.)  —  lango  |  (1  a.  Bas,  von  g)  —  2097  Siocan  — 
2101  I  quat  (q  grösser)  —  2102  thuo  (t  desgl)  —  2107  mid  (m  desgl\ 

—  thu  I  (u  a.  Ras.  von  a)  —  2109  Uualdand  —  2110  ||  Thann  —  21  li. 
that  (das  erste  t  grösser)  —  2118  Ac  —  2119  Thoh  —  2121  Bitliiu 
ni  I  gidarr  (das  eweite  r  nieht  nachgetragen;  es  sieht  euHxr  etwas  anders  aus, 
aber  es  ist  alte  Schrift,  Wäre  es  weggelassen  gewesen^  so  milsste  euu 
ungewöhnlich  grosse  Lücke  gelassen  worden  sein;  vgl.    V.  2127,  2130), 

—  2123  Suo  I  kief  —  biuw  |  —  2127  thie  |  (t  grösser)  —  rnerr  (s.  V. 
2121)  —  2129  Thann  —  |  nu  —  2130  thar  (t  grösser)  —  uuordou  (r 
gerade  so  wie  F.  2121)  —  2134  Thia  —  2135  endi  an  |  Jacobef  - 
2138  ludeo  |  —  2140  tlmiftron  (die  Verbindung  unten  bei  u  rad.y  so 
dass  thiuftron  zu  lesen)  —  2141  ferro fton  (statt  des  ersten  r  war  f 
angezogen^  dann  wurde  die  Schleife  des  r  daran  gehängt^  das  zweite  r 
wie  V.  2121)  —  2142  Thar  (r  wie  V,  2121)  —  2144  Thar  —  214ti 
Suai-t  I  —  2148  That  —  err  |  (s.  V,  2121)  —  2149  uuendigie  ||  (gi<' 
a.  Ras,  von  ie)  —  2152  That  —  2153  It  —  2157  habda  —  21Ö'J 
Uuen  I  da  —  2161  Criftef  —  2163  tecan  (c  scheint  a.  Ras.)  —  2164 
giahton  (i  a.  Ras,  t;.  a)  —  2165  gi  |  finimida.  XXXI  |  1  Zeüe  leer 
I  Vundref  —  2170  uuor  |  don  (ob  lig,)  —  2171  |  lungrono  —  217:; 
Manno  —  2175  mannon  (m  grösser)  —  thuo  —  2177  Thie  —  217S 
thuo  —  mahtituo  |  (nach  i  ist  g  mit  Häkchen  überg,)  —  2179  |  Nerieiido 

—  2180  So  faun  (vor  n  ist  u  mit  Häkchen  überg.)  —   2182   beiim  (h 
grösser)  —    2183    Magu  lungan   —   thiu   —  |  alter  (af  verwischte  — 
2184  hugie  (g  a.  Ras.,  von  r?)  —    2186  Idif  am  fcapan  (vor  m  ist  r 
mit  Häkchen  überg.)  —  2188  Neuan  tithem  fu  |  nie  (vor  f  ist  .  enigau  . 
mit  Häkchen  überg.)   —    2192    lungan   —    2195  thu   —    2196  Thi  — 
2199  lac  hie  |  Ina  —  2201  |  fiiet  —  2202  thie  —  2203  that  (das  erstt 
t grösser)  —  2205  thuo  (t  grösser)  —  muodeR  (b  wie  2141)  —  2206  Kugi  — 
2208  feil  — 2210  mun  |  doda  (m  grösser)  —  2211  1  thie  (t  desgl)  —  2210 
Uuar  I  fagon  —  2216  erl  mit  Häkchen  überg,  —  2217  Gifahun  —  221»' 
I  Thuo   —  thiu.  V,  anderer  Hd,  mit  Häkchen  überg,   —   2220   thuo    c 
grösser)  —  that  (oben  vor  dem  ersten  t  Ras.,  von  H?)  —   2224  thiu 
(a  aus  Ansatz  von  e  corr.)  —  2225  Cumana  —  2229  Mahtig  —  223" 
gilobit  I  1  Zeile  leer;   rechts   darauf  steht  ltuo.|  XXVII  |  —   2231    AnIi 
(A  Initial)  —  thuo  —  2233  The  |  lo  —  thuo    —    2235  Uualdand    — 
I  thuo  ~  2238  Slapan  —  Tegel  —    2240  |  Manon  —   middean  (n  aus 
m  corr.  durch  Ras,  des  letzten  Striches)  —  2241  Uualdand  —  thuo  — 
2244  Uuand  (d  rad.)  —  2245  Niuuanda  —  modag  (u  Über  o  von  alter 
Hd,  ohne  Häkchen)  —   2247  uuekidun  (darnach  Ras,;  es   könnte    etwa 
uuordon  dagestanden  haben,  es  ist  aber  nichts  zu  lesen)  —  uuor  |  d<^»ii 
(ob  lig.)  —  2250  fueltam  |  (von  m  der  letzte  Strich  rad,)  —  2252  Kirt 

—  andrajdin  (ie  alt)  —  2253  tc  (t  grösser)  —  2254  nif  —  2256  gitliit 

—  2257  getethe  |  —  2258  fia  —  2262  Kuilic  —  2264  l)ethiu  (h  grösser. 


29 

V 

—  tliuo  —  22ü5  fortlioR  (ob  lig.)  —  2266  ho  hur  |  nid  (das  erste  h  grösser)  — 
helithof  (i  aus  1  rad,)  quamuui  —  2267  Uindse  (ae  alt)  —  2268  quam  (q  gros- 
ser)  —  2270  Sohuena  —  2274  lungroii  —  2277  folce  thoh  |  (ce  th  auf 
verwischter  Stelle)  —  2279  Dref  —  2281  Liet  —  2283  Anfohuilicon  — 
uuaf.  XXVin..  I  (i  Z,  leer)  \  Sodeda  —  2285  ludeon  —  2286  That  — 
2290  thuo  (t  grösser)  hie  met  if  |  —  2294  umbi  —  2295  Thar  —  2296 
.  them  .  mit  Häkchen  überg.  —  thar  |  —  ena  (nach  e  ist  n  ohne  Häkchen 
überg.)  —  2297  Uuoldun  —  2299  That  —  2304  fia  thurf  |  tigef  — 
2307  Megin  thio  |  do  —  thuo  —  2309  Barun   —   2310  Ant   that   — 

2311  tuo  (t  und  der  erste  Strich  des  u  beim  Schreiben  aus  d  rad.)  — 

2312  huobun  [65a]  ina  —  2313  endi  midi  |  —  2314  anthena  —  2317 
Anthero  —  2319  Quat  —  2323  Grimuuerc  —  2324  Uualdand  —  thuo 

—  2325  fciN  —  2327  innan  uun  |  dron  ■—  2328  fargibanne  (fa  a. 
Bas,  eines  Fleckes)  —  2329  tegihelianne  (g  desgl,)  —  2330  nach  ina 
kleine  Bas.  —  2332  Upp  —  2334  Sniumo  —  2337  God  —  2338  elcoB  | 
(ob  lig.)  —  2339  Graft  —  2341  Nigilob  |  dun  —  2342  Uunnun  — 
2344  Thef  —  fia  |  uueldun  (fia  a.  Bas.  von  ni,  ni  dann  am  Ende  der 
Zeile  nachgetragen)  —  2346  Uuido  —  2351  hie  —  2354  Thena  |  — 
2356  Liet  |  —  2358  Liet  —  2360  ne  uuaf  |  —  2361  Lethef  —  bettera. 
XXVIIIL  I  (1  Z,  leer)  |  An  (Initial)  —  2363  Suitho  —  2365  Liudi  — 
niuuaf  —  2366  uuor  |  don  (ob  lig,)  —  2369  uuob  |  don  (desgl.)  — 
2370  Endi  —  2372  Under  hug  |  gian  —  2375  Marfan  —  thar 
2378  uuardfaftun  (d  rad,)  —  |  hie  —  2379  Niuuelda  —  2381  Ac 
2383  An  —  2390  |  Kren  curni  —  fum  1  —  2392  ni  mit  Häkchen  überg. 

—  2394  fruht  (t  a,  Bas,,  von  e?)  fum  —  2395  |  Bigan  —  2398  fum  — 
2399  Anena  —  2401  Bigan  —  2404  That  it  |  —  2408  Uuarth  |  — 
2409  thuo  I  —  2410  Uue  |  ridun  —  2412  eftha  thomof  |  —  2419  huat  | 

—  2420  gean  1  —  2423  Anhufon  —  |  herro  —  2427  uutun  |  (i  vor  t 
mit  Häkchen  überg.)  —  2429  That  —  2430  muotin.  XXX.  |  (1 Z,  leer)  \  — 
2435  lungron  |  —  2437  |  helic  (he  rad.,  darauf  mi  geschrieben;  hi  am 
Ende  der  vorigen  Zeile  nachgetr.)  —  2438  Them  —  |  bebilithon  —  2440 
gimina  —  2442  That  ||  (Sad,  mit /als  Unterstellungszeichen  darüber, 
unter  der  Mitte  der  Zeile)  ~  2444  Euo  |  —  2445  |  uuerof  —  2448  That  — 
2449  uuellie  (das  erste  e  aus  i  corr.)  —  2451  G  def  |  —  2453  That  that  — 
2455  ethi  |  lero  (thia.  Bas.  von  di)  —  2456  fo  huat  ohne  Häkchen  überg.  — 
2459  I  An  — 2460  |  forth  — 2463  Ist  — 2464  odoB  |  (ob%.)  — 2465  Thei 

—  2467fiu  I  git  — 2470Linot(ia.Äi5.,wnu?)  — 2475Soanthem  |  —2481 
uuretha  ||  (unter  der  Zeile  steht  N)  —  Endi  —  uard  (vor  a  ist  u  mit  Häkchen 
überg.)  —  2483  And  that  —  2484  gethiu  —  2485  geoc  |  —  2486 
fiabit  —  gi  I  uuefhh)t  —  2489  Tionuno  —  treuua  |  —  2491  |  uuefut  — 
2492  Mancun  |  ne  (vor  e  ist  i  ohne  Häkchen  überg.)  —  2498  Than  — 
2499  Thann  (das  zweite  n  nachgetr.)  —  2510  Elcor  —  2516  uuifa 
fum  I  —  2517  merr  (Accent  über  m)  —  2518  that  |  bihalda  (letzte  a 
zu  SP  corr.)  huo  —  2519  bethiu  (b  grösser)  —  2522  com  (darnach  i 
v,  j.  Hd.  ohne  Häkchen  überg.)  —  2523  In  (es  stand  Ina,  a  rad,,  ein 
Strich  für  m  angefügt)  —  2524  Giheftid  —   2526  Huo  —  2527  That 

—  2529    So  endi  |  lofan  |  (letzte  o  ans    a  rad.)    —    2530    nio    hie  |  — 


u 

2532  That  —  2534  fted  (t  mit  e  JStMammen  gebogen)  —  2535  Manno  |  — 
2537  That  |  —  muoti.  XXXI.  |  (i  Z.  leer)  \  Souuifda  —  2540  nach  thefaro 
Eas,  von  Fleck  —  |  tellian  (te  wie  in  fted  V.  2534)  —  2541  Quat  — 
2543  Uuolda  —  2544  thuo  —  2545  Thuni  —  2546  uueo  |  do  (eo  aus 
i  corr.,  vgl.  V.  2552)  —  2547  gethat  (sftceimal)  —  f o  —  2550  fiuat  — 
2552  uueodef  (das  erste  e  aus  i  corr.)  —  hui  —  that  (th  o.  Ucw.,  von 
n?)  —  2554  quat  (q  grösser)  —  2556  negi  onfto  —  2559  Cumfo  — 
2562  gilt  —  2563  nigi  (n  grosser)  —  2564  late  |  —  hinan  (h  beim 
Schreiben  aus  i  corr.)  —  2565  |  under  —  2566  Endi  —  2568  Endi  1  — 
2573  Laton  —  2580  thuo  (t  grösser)  — -  angegin  (das  erste  n  mit  Häk- 
chen überg.)  —  2581  that  —  2582  |  Endi  —  2583  hierr  |  (s.  oben  2221) 

—  2584  Thiuf  (uf  a.  Ras.,  von  a?  oder  e?)  —  2586  |  Satanaf  —  2589 
Thoh  —  her  |  (e  aus  i  corr,,  r  hineugesetet)  —  2591  Ant  that  —  2593 
rikie  a.  Ras,  von  Lande  —  2594  |  than  —  ertha  (r  aus  t  corr,)  — 
2595  That  —  2597  Endi  |  —  2598  than  —  2601  Endi  —  2603  |  Thar 

—  2604  Endi  ||  —  2606  fuliclon  |  —   2609  So  lata  |  —   2612  Uuordc» 

—  uueroo  .  allaro  (c  aus  o  rad,)  —  2613  That  —  2615  Tha  —  2617 
After  I  —  2619  tir  I  (Accent  über  t)  —  2620  godef.  XXXII.  |  (/  Z.  leer) 

—  2623  fiuilic  —  2632  Lithot  {über  o  der  Punkt  eines  falsch  angesetzten 
Buchst,)  —  2633  Endi  —  2634  |  fo  —  2635  anthem  ma  |  rion  —  2637 
Lifit  I  —  2639  Rellifiuref  niuuet  |  —  2643  ne  thef  uue  ||  len  (das  vor- 
letzte e  /fu  i  rad,,  dann  1  hineugesetet  am  Zeilenschlusse)  —  fcerit  — 
2644  Gildid  |  —  2647  thuo  (t  a.  Ras.  von  h)  —  than  |  —  2649  |  Dadun 

—  2652  So  —  hie  —  2653  Thie  —  2654  huat  |  —  2655  So  cuth  |  — 
2656undeB— 2660nehie— 2661iro(AöAcÄr;«»Z.F.^i4i;— 2662fiuandhie 

—  2663  uurethan  |  —  2664  umbi  (der  letzte  Zug  des  m  heim  Schreiben 
aus  b  rad,)  —  2665  So  —  fo  thar  thar  uuaf  —  2667  Aebigan  — 
2669  hietun  —  2672  Uurethan  —  2673  fplelo  (vor  o  ist  1  mit  Häk- 
chen überg.,  e  scheint  durchstrichen)  fia  |  —  2674  Kuo  |  —  2677  forhe 
(e  a.  Ras.  von  t)  —  2678  Uuiffa  —  2681  Ac  —  2683  Thar  —  2690 
That  —  fomohta  —  2691  Endi  —  2692  hie  —  2693  |  Endi  —  2(>li:i 
An  enna  —  2696  Cuningo  —  2697  uuari.  XXXIII.  |  (1  Z,  leer)  Te 
(T  Initial,  e  grösser)  —  2698  than  |  (t  grösser)  —  2699  Johannef  — 
2700  Lerda  |  —  2702  Men  —  hie  —  gef  (g  rad.,  dann  beim  Schreiiten 
1  darauf  gesetet  und  i  vergessen)  —  2703  |  hie  —  2706  Buida  —  270T 
ellioB  I  (oR  lig.)  —  2710  thuo  bigunnan  |  —  2711  Johannef  —  271:; 
That  bruo  [76a]  der  —  nami  (über  m  ein  Fleck  rad,)  —   2714  efthu 

—  2716  Acmithiro  —  2719  gifponi  (u  nach  p  mit  Häkchen  überg.)  — 
2720  That  —  for  lieti  (ie  a.  Ras,  von  aV)  bigan  |  (b  grösser)  fiu  (u 
a.  Ras,  V,  a)  —  2723  Endi  —  2725  uuarun  |  (das  zweite  u  a.  Rus.  von 
a,  beim  Schreiben,  der  zweite  Strich  des  ersten  u  ist  mübeschädigt)  — 
2726  Uuiffun  —  2728  iartale  (t  mit  Ras.  aus  d  gemacht)  —  2729 
I  gitald  (t  mit  Ras,  aus  d  gemacht;  vgl.  V.  2728)  —  2731  Anlioht  — 
fouuaf  —  2732  vobian  (über  v  s.  zu  F.  54.-5)  —  3733  thuo  —  278r) 
heri  togo  anthat  |  —  2739  Uuefan  —  druog  —  2741  |  Grengun  —  2742 
Hlud  —  drucun  (n  vor  c  mit  Häkchen  überg,)  —  2745  fonth  |  — 
2746     bruother     (t     a.     Ras.    von     d,     beim     Schreiben)     —     2747 


51 

üuinu  —  2749  That  —  2750  lat  ||  la  a.  Ras.  van  thi)   —   2751    fiuo 

—  2752  Ef  —  mithro  —  2753  |  Than  —  2755  That  —  2757  |  Thoh  — 
2761  I  That  —  2764  |  Thera  -    thiii  —  2767  unten  auf  S.  77a  steht  0 

—  2769  Godaro  —  2770  Thiu  —  2774  Jo  |  hannef  —  2777  fpr»can  | 
(»c  lig.,  alt)  —  2778  So  —  2780  |  Gangan  —  endihet  |  —  2784  Magat 

—  menigi  ||  (das  letzte  i  könnte  a.  Ras.  stehen)  —  2787  |  Thero  —  2788 
Liet  —  2790  Neuuan  (das  erste  u  rad.)  —  2791  gaeftaf  (ae  alt)  — 
2792  I  Thie  —  2795  Endi  —  2798  muofta.  XXXIUI.    (1  Z.  leer)  \  Salig 

—  2799  thuo  —  2800  Johannefef  |  —  2801  &elag  feraha  —  2802 
giuuitun  —  2804  Craftigna  —  2805  |  Ruo  —  2807  hie  —  2808  Suno 

—  2810  An  —  thuo  (t  grösser)  gifragi  |  —  2812  Uue  |  rod  —  2814 
I  Im  —  2815  Sunie  —  2817  Uuennian  —  uualdand  |  —  2819  Elithiodiga 

—  2822  Quathun  —  2823  fia  —  2824  Heli  |  thof  biungref  —  nulat  — 
2829  metiloli  (das  letzte  i  a.  Ras.  von  a)  —  2830  gebat  gi  |  —  2838 
fprac  (r  ags.)  —  2839  firuuitlico  (o  a.  Ras.^  wie  es  scheint^  van  ligi- 
ertem  ob)  —  2843  than  (n  aus  r  corr.)  —  2845  fiuu  (vam  moeUen  u 
der  letzte  Strich  rad.)  —  2846  fiuat   —   2848  Scerian   —   2850  Endi 

—  2852  that  (das  erste  t  grösser)  —  2854  |  uuihda  (i  aus  1  rad.)  — 
2855  Helag  heban  cuning  midif  ||  —  2857  fia  —  2858  Druö  |  gon  — 
2859  heia  (ga  mit  Häkchen  iiherg  ,  g  ags.)  helpa  un  |  dar  —  2860  Thero  ~ 
2866  Hiet  —  2867  thar  —  2868  That  —  2870  fiuand  thar  |  (r  a.  Ras. 
van  1  und  Anfang  von  d)  —   2873  anro  (jl  vor  r  mit  Häkchen  überg,) 

—  2875  quathun  (q  grösser)  —  2876  Eftha  —  2878  en  uualdan  (e 
grösser)  —  alla  —  2880  That  —  2884  That  |  —  2888  Land  —  2890 
Cuning  riko  —  2891  bithiu  —  2893  Uue  |  rold  cuningef  —  2895  An 

—  es  stand  vpl  |  pan  (v  wurde  su  u  corr.  und  1  rad.)  —   2897  Endi 

—  2898  I  gangan  fcoldin;  XXXV.  |  1  Z.  leer  \ --  2902  Uual  dand 
anif  (das  letzU  n  a.  Ras.,  von  t?)  —  thuo  —  2903  The  —  2908    fcred 

—  2909  Sunno  —  |  fedle  (d  aus  1  corr.)  —  2910  nellu  |  biuuarp  (Quer- 
strich in  b  aÜ)  —  2912  |  Thero  nahtef  (na  aus  mi  corr.)  —  2913 
Thuo  I  —  2918  lago  |  lithanda  (go  o.  Ras.  von  li)  —  2921  |  innan  (i 
aus  a  rad.)  —  2927  man  (m  grösser)  —  nugi  —  2929  |  gibaldlieo  — 
2932  es  stand    \  ur  uurdig,  das  erste  u  zu  a,  corr.,  b  spater  vorgesetzt 

—  2934  efthu  (e  grösser)  —  quathie  |  hie  scheint  am  Rde.  spater  zu* 
gesetzt  —  2936  fii'et  —  2939  hie  —  2940  Stuop  —  2942  mäht  (t  a. 
Ras.  eines  Fleckes)  —  hie  |  anif  (über  n  ein  Häkchen,  wie  2028)  — 
2943  Thuo  —  2944  Uundun  —  uthi  |  un  höh  —  2945  reht  —  2946 
So  I  —  endi  |  (e  grösser)  —  2947  endi  (desgl.)  —  2951  mid  |  if  (d  a. 
Ras.  von  f)  —  2952  gituedodi  Ruat  —  2956  |  Anthinon  hardo  (über  r 
Häkchen;  vgl.  V.  2028)  —  nu  —  2957  Kiraan  anthe  |  faro  —  2961 
Stuopun  —  2962  uuath  (h  a.  Ras.  von  er)  —  2965  |  Thuru  —  2966 
Diurdun  —  2972  deda.  XXXVL  \  1  Z.  leer  \  —  2973  Vuid  (Inüial) 

—  thuo  I  —  2977  Thathie  |  —  2978  uuaim  |  (f  nach  a  ohne  Häkchen 
überg.)  —  2981  Uuarin  —  2982  manag  |  (b  a.  Ras.  v.  a)  —  hie  (h 
aus  n  corr.,  ie  a.  Ras.)  —  2983  Suohta  —  2984  thar  —  2985  en  | 
(e  grösser)  —  2986  Siu  —  2987  quathat  —  2988  quat  fiu  (.  that  .  vor  f  mit 
Häkchen  übeig.)  —  2989  nuil'  —  atendi  (h  vor  e  mit  Hälchen  überg,)  — 


32 

2990  Thia  —  2992  That  ||  —  2993uuam  |  fcathon(ta.Äw.  wnfc)--iiegaf 
(n  grösser)  —  2994  Siu  |  —  2996  lungi-on  —  2999  |  endi  if  —  3003  Thia  - 
3005  Dribat  —  3007  Thoh  |  —  3008  Agleto  —  3011  forth  ||  (o  o.  Bas. 
von  a,  r  mitbeschädigt^  t  aus  e  rad.)  —  3012  Hebbian  —  thuo  i  (t 
grösser)  —  301 3  mari  (r  ags.)  —  301 6  Uuernie  —  301 7  met  a.  Bas.  von  län- 
gerem Worte  —  3018  UaRift  (nach  aist  n  ohne  Häkchen  äberg. ;  b  wie  2111) 

—  3019  fiuat  —  3020  .  herren  .  mit  Häkchen  überg.  —  3021  The 
fon  biede  |  —  3024  Uuola  —  3025  mikil  --  3026  all  —  uuib  fagi  a. 
Ras.\  unter  uu  stand  fu  oder  fa  —  3031  fiabda  —  3035  thiu  {i  grösser) 

—  met  (et  lig.)  —  3037  That  —  3038  All  |  —  3041  Im  |  —  3042 
nif  —  3043  Sum  |  —  3045  Sum  —  3048  That  —  3050  |  endi  (e  grösser) 

—  3052  I  fiue  —  I  mina  (m  a.  Ras.)  —  3056  hold. ;  XXXVII.  |  (1 Z,  leer) 

—  3057  petruf  |  (pe  a.  Ras.  vonhie)—  3059  Crist  —3062  bifthu  —  3008 
muod  githah  |  tion  (nach  d  Ras.  eines  Fleckes)  —  neit  (n  grösser)  — 
3065  barnon  (das  Ictete  n  rad  )  —  thuforth  gi  |  fpraki  —  3066  |  diurlic 

—  3067  Hluttro  —  3068  So  —  bam  (r  ags.)  —  3069  Obar  —  3073 
That  —  allon  |  uualdand  (das  letzte  d  rad,)  —  3075  Thu  ||  —  3077 
Them  —  3080  Ant  heftean  (das  letzte  e  aus  i  corr,)  —  3082  Gnioni 

—  met  —  3085  mifculun  —  3089  |  ALtean  —  3090  ik  —  3092  |  beft 
(be  a.  Ras.,  von  fu)  —  3095  nifcal  —  3096  iu  vor  \  fulic  ohne  Häkchen  überg. 

—  3 1 00  Kuat  —  I  uuidar .  uuard  —  3101  huat  —  the  |  faro  (o  a.  Bas. ,  von  Cf  \ 

—  3103  ik  mag  —  3104  Uuaron  —  hier  a.  Ras.^  von  thar?  —  3106  fiuereban 
--3109Jacobe  |  —  Johannefe  — 3110endi(e^ros5er>— 3112Mid  —  3113 
Uualdand  —  thar  |  (r  o.  Ras.,  vont)—  3115  That  --  3118  |  Cuerof  - 
3121  uuolda.  XXXVIII.  |  (1  Z.  leer)  \  Berehtlic  (Initüd)  —  3122  thuo 

—  3123  Thuo  —  3124  Uurdun  —  3125  So  fcen  —  3127  Uuat  (r 
nach  a  mit  Häkchen  überg.)  —  3134  So  —  3135  Uuaf  —  3136  Petruf 

—  3138  I  Gruotta  —  guod  |  —  3141  marlico  (m  grösser)  —  3144 
Lioht  —  3146  fon  |  (über  o  Ras.,  von  l?)  —  3148  felbo  -^3149  Lib- 
bendero  —  3150  hugi  fceftion  (t  a.  Ras,  eines  Fleckes)  them  gihoreari 

—  3154  Ac  —  3156  Behren  —  mid  (unterhalb  m  Ras.)  —  3157  nifcal 

—  3158  Thef  gihier   —   3162  Uuaf  —    3164    berge  (vor  g  ist  e  »«/ 
Häkchen  überg.)  —   3166  felbo  |  fuitho   —   3167    es  stand  aftandan 
(das  letzte  n  rad.,   an   das  letzte   a   ein  e  gehängt)  —  3168  |  Arife  — 
I  gut   —   3169  theodon.    XXXVIIII.  |  (1  Z.  leer)  \  Vuido  (Initial)  - 
3170  thuo  I  (t  grösser)  —  3173  endi  (e  desgl.)  —  3176  Them  —  3177 

Thef  (e  a.  Ras.  von  o  oder  a)  —  3179  gihor  |  don  thuo  (d  a.  Ras., 
von  th?)  —  3182  them  |  (hem  a.  Ras.)  —  3183  iudeono  |  (e  aus  i 
Cörr.;  —  3184  Quamun—  kapharnaum  |  thar  —  3188  That  —  3189  Thia 

—  3190  nif—  3191  fia  for  |  guldin  —  3193  fiabit—  nifcal  —  3194  fanian 

—  3196  .  thuo  .  mit  Häkchen  überg.  —  3198  Im  —  3200  fiiet  - 
3202  I  fuccan  fothu  —  uerpan  |  (vor  e  ist  u  mit  Häkchen  überg.)  — 
mugi  fifk  I  —  3204  Ant  klemmi  —  3206  Them  —  3209  |  Geng  - 
3216  Kuo  —  3217  uucroldherren  (Id  a.  Ras.  von  d)  —  3219  |  Gerno 

—  3220  Ni  —  I  ac  (c  a.  Ras.)  —  3221  Thiono  |  —  anthu  (i  vor  u 
ohne  Häkchen  überg.)  —  3223  hebbeaN.  XL.  |  (1  Z.  leer)  \  —  tho  (i 
vor  e.ohne  Hkch.  überg.)  —  3224  thia  (a  aus  u  corr.)  —  ef  (e  grösser)  — 


32ä7  Umfi  —  ef  im  |  —  nefi  (e  aus  i  carr)  —  3228  Kalo  —  3'23Ö 
Sac  —  ef  —  3234  anhugie  —  Than  —  3236  ef  (e  grösser)  —  3237 
I  Than  —  3239  Nefi  —  3240  for  lihe  (unten  an  h  rad.,  als  wäre  es  p 
gewesen)  —  3243  fiuo  oft  |  —  3245  Seal  —  3246  |  er  ik  —  3250  duon  | 
(d  a.  Rus,,  von  P?)  —  3251  Sibun  —  3255  Managef  —  3258  fcal  ohne 
Häkchen  v.  j.  Hd.  überg.  —  3260  Kabda  —  3263  |  fiuat  —  3265  efthu 
(e  grösser)  —  3268  ||  gibiudit  (das  zweite  i  au^  einem  nach  unten  gehenden 
langen  Striche  rad.)  —  3269  That  —  3272  Nenithin  —  3273  Uuif  |  —  3274 
friund  hold  |  —  3275  Them  —  than  |  —  3278  All  —  3280  fehan 
midif  (vor  m  ist  .  an  .  mit  Häkchen  überg.)  —    3281    en   (e  grösser) 

—  3283  That  —  thiodne  |  thionon—  3294  Uuaf  —  3297  That  |  —  3299 
OthoB  I  (oR  lig.)  —  unmet  (et  lig.)  —  3302  Thef  —  3304  godef.  XLI.  | 
(1  Z.  leer)  \  —  3305  erthuungan  (das  zweite  u  ohne  Häkchen  v.  j,  Hd. 
überg,)  —  3307  fiuat  —  3312  liudeo  —  3313  Sagda  —  Thaik (n voriüberg.) 

—  3315  I  Thar  —  3318  Muotun  —  3323  tehan  (t  grösser)  —  3324 
I  obar  —  3326  allaro.  —  3327  quat  (q  grösser)  —  that  (das  zweite  t 
a.  Bas.  f.  r  oder  f)  —  3328  undeE  —  hie  —  3331  im  filo  hab  |  da  — 
3334  anibenki  (vor  h  ist  f  mit  Häkchen  überg.)  —  3336  Lag  —  3337  Inna 

—  3339  Sittean  —  3341  Nehie  ||  —  3352  That  |  —  3353  Thar  |  —  3355 
men  (a  über  e  geschr.)  —  3357  Bi  fenkidun  —  3361  Libef  —  3363  endi  (e 
grösser)  —  3365  faden  —  3368  That  —  3369  ik  —  3371  |  That  —  alefke 
(i  nach  k  mit  Häkchen  überg.)  —  S374  |  Letharo  —  mx  :  :  \  (J2  Buchst, 
rad.)  —  3375  anduuordia  |  —  3376  fiuat  —  3377  fiuat  —  3381 
bi  I  thiu  —  3389  That  —  3390  feudi  a.  Bas.  v.  felban  —  3393  |  Sia 

—  3397  anthsBm  (nach  se  Bas.  eines  heruntergehenden  Schaftes)  — 
3399  Uuar  fagono  —  |  effia  —  3400  Than  —  3403  |  liudion  (die  rechte 
Bundung  des  o  und  der  erste  Strich  des  n  durch  Bas.  eines  Fleckes 
vernichtet)  —  ef  (e  grösser)  —  3405  lata  —  3408  That  —  hebbian. 
XLIL  I  (1  Z.  frei)  |  —  3411  Manag  —  3414  |  The  —  3415  Quat  — 
3418  Adro  —  |  fum  —  3419  |  Sum  —  3420  Sum  (der  2.  Strich  des 
u  und  die  ersten  beiden  des  m  durch  Elex  verdorben)  —  3421  Sum  | 
~  3422  thuo  —  3426  Them  —  ge  |  bau  —  3431  uuandun  —  3433 
arabedie  (d  aus  b  rad.)  —  3438  Nuni  —  3442  Uuerthef  |  —  huat  (h  a. 
Bas.,  von  P?)  —  3444  |  luuef  —  3445  Thoh  —  3447  fiuo  —  3448  So  — 

3457Leftit—  |  antimif— 3458  |  Giuuitit  — 3473 Uuordon— 3478 thu? 
(von  junger  Hund)  —  3479  bet  |  trun  —  3488  Thuru  gen  |  git  — 
3491  Thia  —  3494  Ant  |  that  —  3495  |  endi  if  uuunnia  forflitit  Than 
biginnit  j  von  alter  Hand  mit  schwärzerer  Dinte  a.  Bas.  für  kürzeren 
Text  —  I  im  foraga  anmuode  (vor  im  ist  he  von  alter  Hand  vorgesetzt) 

—  3497  Grimmef  |  —  thei  (i  rad.)  —  3498  Thia  —  3500  filudo  — 
3501  mahtigna  (m,  grösser)  —  nilatitfi  |  thor  —  3502egrot  |  füll  (hvort 
mit  Häkchen  überg.)  —  3505  Alla  —  teene  |  ro  (das  zweite  e  aus  i  corr.) 

—  3506  I  Thoh  —  3508  |  thiodon  das  erste  o  zu  q  corr.  —  3509  mannon 
(m  grösser)  —  that  |  —  3510  Thuo  —  3513  tefrohen.  —  3515 
uuerthan.  XLIII  |  (1  Z.  leer)  —  fiiet  (iet  steht  in  fi)  —  3518  Man  — 
3519  Othier  |  —  3520  thef  —  3521  quat  |  (q  grösser)  —  3522  |  thar 

—  3530  Sia  —  3533  ne  |  —  3535  That  —  3537  Thio  |  non  —  3538 

Niederdeutsches  Jahrbach  XXI.  3 


S4 

ik  I  —  3540  helpa  |  (e  aus  o  durch  Bas.)  —  3541  fiior  (f  grösser)  — 
3543  Uuel  |  da  —  3546  |  UÄrod  (o  aus  e  rad,)  —  3550  [  fia  (fi  oief 
verwischter  Stelle)  —  3551  fiuand  |  —  3552  fia  —  3553  endi  (e  grösser) 

—  3556  thuo  —  3557  quat  (q  grösser)  —  3558  |  herroft  von  hier  al 
andre  Dinte  —  3559  |  thuo  —  von  hugi  ab  die  alte  Dinte  —  3561 
Kreopun  —  3564  |  Neri  —  3568  |  fia  —  3569  |  Ac  —  3570  |  helaml 

—  3571  .  Allaro  —  3572  Ledean  |  —  3573  fiuat  |  —  3574  |  helagna 
that  hie   a.  Bas.   —  3580  That  —    3583   Lioht  —   thuo   —  Soh'i 

Giuuitun  —  3587  endi  (e  grösser)  —   gicuthit.    XLIIII  |  (1  Z,  leer) 
MAnogon('/m^MiZ;  — 3588thar—  3591  |  That  — 3593  |  then  — thuru(t 
grösser)  —  3595  |  Adam  —  3596  Ac  —  3598  |  Bifuek  —  3599  Uurthun 

—  3602  Uunnun  I  —  3605  Anthero  |  —  bethiu  —  3607  fiuant  fia 
neant  |  kendun  —  3609  Giuuarahta  —  |  thiuf  —  3610  |  anthiod  araMi 
(e  nach  b  mit  Häkchen  überg,)  —  3611  Sa  |  tun  —  3612  lamor  muoda 

—  3613  Siu  —  3616  That  —  3623  Gie  |  —  3625  |  thui  —  3620 
them  (em  aus  iu  mit  Ras,  corr,)  —  3627  Afteilhem  tun  |  gle  — 
3628  Ac  —  3630  middil  gard  (das  erste  d  o.  Bas.  v.  1)  —  3636  That  - 
3639  thuo  —  3640  thia  (t  grösser)  —  3642  Tholodun  —  3644  Crift  —  364') 
thuo  —  3646  Thia  —  3650  ||  Acfia  —  3654  that  —  3657  Than  - 
3659  I  Soduot  —  3663  |  Giuuitun  —  3665  Soduot  —  3666  fithoR  (ob 
lig.)  —  3669   fioh  —  3670  folgON.  XL.V.  |  (1  Z.  leer)  \  Thuo  (Inü.) 

—  3671  nahida  (ahida  a.  Bas.^  vielleicht  für  nerienda;  der  letzte  Buch- 
stabe ivar  kein  o)  —  3672  quam  —  3674  Ant  fiengun  —  3676  midi 
buomo  (das  zweite  i  rad.)  —  3677  That  —  3679  tethero  |  (das  ersteX 
grösser)  —  huarb  —  3681  That  —  3684  ;odo*)  nach  \  thie  v. ;.  Hd. 
mit  Häkchen  Überg.  —  3685  bü  |  —  3686  fioha  —  3693  fiuo  |  - 
bihadd  (über  dem  ersten  d  ein  Punkt)  —  3695  than  —  3696  man 
non  Lediat  —  3700  neaffet  |  —  3701  Sten  —  3703  Euand  —  37o:) 
Niuui  I  tun  —  3708  thu  (i  vor  u  ohne  Häkchen  v.  alter  Hd.  überg,)  — 
3709  thuo  I  uuarth  —  3711  Lo  |  bodun  —  3713  That  —  3716  Quät 

—  3718    Uuitag   —   3720   anhuge   —    3721    That   —   3722    dolsi 
muoda    (m    rad,)    —    3725   Leti   thia  |  (t   über    dem    ersten   t  ahm 
Häkchen  überg,)  —  3726  it  —  3728  ef  —  3730  |  Than  —  3733  Uuidi 

—  3737  Mangodun  |  —  auf  den  letzten  3  Zeilen  von  8.  105a  ein  rr 
pariertes  Loch,  das  die  Schrift  umging  —  3741  es  stand  Quathuuari 
(vor  t  ist  t  überg.  ^  uuari  ist  rad.  und  at  uuari  dafür  geschriebefi)  — 
3742  That  —  3744  That  —  3745  Thon  |  —  3747  enuuald  (das  ersü 
u  a.  Bas.  für  di)  wegi  —  3751  Them  —  3753  |  uuarth  —  3755  blin- 
don  I  (b  grösser)  —  fo  —  5757  Umbi  —  fofamo  ||  darunter  steht  .  XLVI. 

—  S.  106a  erste  Zeile  frei  —  3760  Gifah  —  3763  that  all  |  dn)b 
uuaroda  —  3765  Idif  —  tethem  (das  erste  e  rad.^  aus  ?)  —  37GT 
en  I  uald  (a  nur  etwas  anders,  aber  es  kofnmt  auch  sonst  so  vor)  — 
3773  I  nededa  -  3774  Ac  —  3776  bethui  —  3778  Te  —  thef  - 
3780  Am  Bde.:  SecdiiT  lucam.  |  In  illo  tpr.  abeuntef  phar  (phar  rad.) 
I  pharifei  con  |  silium  inief t  |  ut  capcrent  |  ihm  In  fermo  |  ne. ;  et  rli.  . 
(r  hier  stets  ags.)  —  3783  |  f  Ic  (o  nach  f  mit  Häkchen  überg.)  ludeono 

—  3785  That  —  3792  links  oben  auf  den  drei  ersten  Beihen  van  107<^ 

*)  Das  Zeichen  ^  steht  für  das  angelsächsische  g. 


SB 

etil  aiisgehessertes  Loch  —  3793  hei  |  pu  (der  eweite  Strich  des  u  ab- 
gerissen) —  3794  ero  |  defef  (das  erste  e  grösser)  —  3795  obar  hordin 
(n  rad.)  —  3796  Ef  —  3801  thu  (t  a.  Bas.,  von  h?)  —  3804  Umbi 
if  I  rikiduo  —  3808  thio  |  don  —  3812  fagi  —  3813  If  —  rad  — 
8815  I  Than  ni  mohta  (ni  rad.)  —  3817  nefcal  —  3819  |  fiiet  —  3821 
ludeon  |  —  3823  üuaf  —  3826  after  mit  Häkchen  überg.  —  3831  Endi 

—  3836  That  —  3839  uuari.  XLVIL  |  (1  Z.  leer)  |  —  3842  thu  idif  | 
(vor  u  ist  i  mit  Häkchen  überg,)  —  3848  fiuedar  |  —  3849  eftha  (e 
grösser)  —  3850  Thuo  (o  rad,)  —  3853  endi  (e  grösser)  —  |  auurpin 
(vor  r  ist  nach  ein  u  mit  Häkchen  überg.)  —  3855  fa  |  gi  —  3856 
Uuoldun  I  —  foR  I  fahan  (ob  lig,)  —  3857  ef  (e  grösser)  —  3861 
qucthanth  |  (das  letete  th  rad.)  —  midan  (da  a.  Ras,  oder  Fleck)  — 
8803  Uueldun  —  3868  fo  —  3869  fogan  |  gan  —  3870  endi  (e  grösser) 

—  3871  auuerpe  |  —  3874  Gi  hogda  —  3878  ena  (q  grösser)  —  3880 
unten  auf  der  Seite  109a  steht  S  —  3881  Thef  —  3884  huar  |  —  3892 
neik  (nei  a.  Bas.  von  der)  —  geth  de  |  riu  —  3893  Ac  —  3895  fiabda 

—  3900  fiaddun  |  —  giloben  |  —  3901  Uuaf  —  3904  Ruo  muod  |  — 
3908  I  hie  —  3909  Lerda  —  3912  Sohue  —  3914  Ik  —  3915  Sohue 

—  3919  Cumat  |  —  thefa  —  3925  .  godef.  XLVIIL  |  (1  Z.  leer)  \  — 
3927  i  in  thiu  ohne  Häkchen  überg.  —  3929  |  fiabdun  —  3931  nuhie 
anuuoh  |  ulerid  (das  letMte  u  rad.)  —  3932  fprac  (ac  a.  Bas.)  — 
3933  cumad  —  3937  Ac  —  3938  that  —  3946  |  anuueRpan  —  3948 
II  Uuretha  —  neuui  —  3950  |  Ac  —  3951  fiuand  |  —  3960  Deda  — 
8062  that  —   3963  fothat  |  anif  (at  a,  Bas.  von  e)  —   3969  Uuarun 

—  3972  anbä  |  dan  —  3975  gihor  |  da  (Stridi  durch  d  rad.)  — 
3977  Quat  —  3981  thiu  |  —  3987  tehui  —  3991  Thar  —  3993 
Thuomaf  —  3994  nefculun  (das  erste  n  grösser)  —  3995  Niuuernian  | 

—  3996  Thuoloian  —  uf  |  fef  —  ift  :  (Bas.;  ft  auch  auf  Bas.)  —  3997 
I  That  —  3998  |  duan  —  4000  Neba  —  4001  than  —  4005  felbo 
(elbo  a.  Bas.)  —  4009  |  Thann  —  4018  That  —  nika  |  rodun  —  4024 
uuif  I  fuN.  XL  Villi.  I  (1  Z.  leer)  |  —  4025  Tfiuo  —  4027  fieou  |  andi 

—  4088  That  —  4043  Nethin  |  —  4045  All  —  4047  endi  (e  grösser) 

—  4049  Than  |  —  4054  Bethiu  —  4055  nio  —  4057  Thoh  —  4059 
That  —  4063  Uuiton  —  4065  gifran  |  thero  (ik  am  Schlüsse  der  ersten, 
that  am  Anfange  der  folgenden  Zeile  nachgetragen)  —  4066  maria  (m 
grösser)  —  4074  Kiet  —  4075  |  lag  —  4080  |  fromin  —  4082  Kuand 

—  4084  flu  uuar  j  —  4085  And  uurdig  —  4086  huat  —  4089  amaht 
(das  erste  a  rad.)  —  4098  Sigi  drohtin  —  4094  Ac  —  4097  upp  |  stan 
(darnach  .  dan  .  mit  Häkchen  überg.)  —  4101  fiiet  |  —  4102  uuerof  — 
4108  ae  in  ar^ef  ist  alt  —  4105  That  —  4113  Thuo  |  —  4114  fiel  — 
fomag  —  4116  endi  fiondo  |  niht  —  4117  far  gibit.  L.  |  (1  Z.  leer)  \ 

—  4119  II  uuerc  (r  a.  Bas.)  —  4120  fiuand  —  4123  Ac  —  4125  Suoh 
tun  —  4132  ant  hie  (vor  h  ist  that  mit  Häkchen  überg.)  —  4138 
Ricdun  —  nift  |  —  4142  than  —  4147  Caiphaf  —  4150  Uuardun  — 
mi  (m  grösser)  —  4151  gicunnun  —  4153  That  —  4154  unten  auf 
S.  117a  steht  T  —  4160  Ac  —  4162  bigangan  (über  dem  ersten  e  ein 
Häkchen,  wie  2942)  —  4163  Uuar  |  dun  —  4164  bifcop  (b  grösser)  — 

3» 


31 

4166  I  That  —  rad  |  auf  ausgewischter  Stelle  —  4169  enn  ]  uuundia  - 
4172  Sohue  foina  |  —  4174  |  Quathun  —  4179  |  fiie   —   4180  that 
(at  a.  Bas.  von  ie)  —  4183  That  |  —  4188  Uuonoda  |  —  iierodufiw 
Q  ist  u  mit  Häkchen  überg.)  —  uuUeon  |  —  4190  Mid  —  4191  Thim 

—  4192  nif  —  4194  we  —  4195  uue  |  rold  (nach  e  Bas,  von  ol  ;  ^ 
unsicher)  —  4196  lethef  (h  a.  Bas,^  von  i?)  —  4197  nimuotun.  LI. 
(1  Z,  leer)  \  —  4202  That  —   4207   thiodo  —  4210  |  That  —  421» 
uuaf  —  4220  Ac  —  4224  Ac  —  4226  fiabda  —   4229  Ac  —  than 

—  inahti  |  —   4230   fada  (über  dem  ersten   a  steht  g  ohr^  Häkchen i 

—  uuoRd  I  (OR  lig.)  —  4231  uuaf  |  —  4232  Ant  thathie  —  423: 
thuo  —  4239  Uuaf  —  4240  |  fiuand  —  4242  endi  filo  |  —  4248  Tbl 
(vor  T  Meine  Bas.)  fia  fia  ||  geridin  (das  zweite  fia  rad,)  —  4249  Tliat 

—  4252  Kiet  —  4253  men  (unter  dem  Accente  ein  Punkt)  —  426') 
Ac  —  4266  craft||(aft  o.  Bas.  von  ift)  —  4272  lAC  — 4273Sat- 
4274  fia  —  4275  |  Thia  —  4280  tellian  |  (über  e  ein  Punkt)  —  42.^4 
So  uuiflico  —  4286  fiuo  —  4287  Er  —  4293  fculi.  LH.  |  (1  Z.  leer) 

—  4297  I  faholan  —  4298  Uual  |  dand  —  4300  uueroldi  (i  aus  u 
corr.  durch  Bas.  des  zweiten  Striches,  unter  dem  auch  ein  Punkt  skhlj 

—  Ne  —  4305  fader  |  —  4306  fielag  —  elcoB  |  (ob  lig.)  —  48ii" 
anthefa  (oben  am  letzten  a  Bas,  eines  kleinen  Strichs,  une  einer  e-Schleiftj 

—  4310  That  |  —  4311  lac  —  4315  Grimmid  —  4316  |  ugifon  - 
4319  Ac  —  4324  That  —  morth  fculun  (t  mit  Häkchen  m 
alter  Hd.  überg.;  h  f  a.  Bas.,  wie  es  scheint,  von  fcu)  —  432'i 
Uuirthit  —  4331  min  min  |  nifta  (das  erste  min  durchstrichen)  - 
4334  gite  —  4335  than  (a  corr,  aus  i  und  Anfang  von  e)  —  4.^3i 
fiimil  craftef  |  —  4338  Ruat  |  githefaro  —  4339  die  Anm,  gehört  z^' 
4349  —  4341  Thann  |  —  4344  gioc  —  4349  .  helag.  mit  Häkkn 
überg.  —  4352  giuuaralico  |  —  4354  Thiu  —  4355  furi  —  giuuardon 

—  4358  mut  fpelli  |  —  4360  darno  mid  (o  m  a,  Bas.)  —  4362  Sofain" 

—  4366  I  So  —  4370  botan  (b  grösser)  —  4372  That  —  4374  So  - 
4375  So  —  I  lezo  (t  nach  z  mit  Häkchen  überg.)  —  for  —  4377  betliiü 
latat  aniu  |  uuan  —  forga.  LIII.  |  (1  Z.  leer)  \  —  4378  fiuand  —  4.>^ 
Sittian  —  4383  thann  (t  grösser)  —  4388  A  |  delian  —  4390  So  - 
4391  Gruote  |  —  4392  riki  |  (r  auf  verwischter  Stelle)  —  4393  That 
thar  —  4394  luu  —  4395  |  gimuotun  —  4397  |  mi  iuuera  (vor  i 
noch  ein  u  ohne  Häkchen   überg.)  —    4398   Than   —   4401    giuuarui 

—  4403  fromin  |  —  4405  fiuann  |  —  4406  huat  —  4407  Gie  —  440' 
iuuef  (vor  q  ist  vi  mit  Häkchen  überg.)  —  4413  Sohuat  fogi  —  441'' 
Thiu  —  bithiu  —  4423  fiuand  —  4425  iamoR  |  muod  (ob  lig.)  - 
4426  I  Thann  nihabda  —  Thann  ik  —  4428  Thann  ni  |  —  4429  uuifon 
(der  erste  Strich  des  zweiten  u  aus  hohem  Buchst.,  1?,  rad.)  —  uuibi: 
(das  zweite  u  a.  Bas.,  nach  dem  zweiten  i  scheint  ein  Buchst,  rad.)  — 
4430  bethiu  —  4433  fiuann  —  thi  manno  |  —  4434  huat  —  443t' 
than  (t  grösser)  —  Die  letzten  9  Zeilen  der  S,  125b  scheinen  Palimpsesi 
zu  sein ;  hier  und  da  sieht  man  Spuren  alter  Buchstaben.  —  4439  be- 
deldun  |  (b  grösser)  —  4440  bethiu  |  (b  grösser)  —  4441  Ac  —  444r> 
Thia  —  4448   ledit   —    4450  |  Anthat   —  4451  thioda.    LIIII.  (Zahl 


37 

braun  auf  gelb)  \  (1  Z  leer)  \  PASSIO.  DOMINI.  (auf  blau)  \  SO  (Inu 
tial)  —  4454  fiuo  —  4457  fiuat   giuuitim  ||  —  4460  Uuerof  |  —  thef 

—  44(51  Thar  —  4463  tholod  (t  grösser)  —  4469  thar  —  4472  qua- 
thun  (q  grösser)  —  4474  Huand  —  heri  fcipi  (das  letete  i  aus  einem 
nach  unten  gellenden  Schafte  rad.)  —  4475  uui  —  4480  Quat  —  4481 
Euat  —  gimi  —  4484  ef  (e  grösser)  —  4489  atfamm  (der  letzte  Strich 
des  zweiten  m  ist  eu  e  gemacht)  —  4490  zwischen  der  fünft-  und  dritt- 
letzten Reihe  der  S.  127a  ein  ausgebessertes  Loch  —  4491  Uuenda  — 
ureth  (vor  r  ist  u  mU  UakcJien  überg.)  —  4498  That  —  4497  vodil  | 
(v  wie  345)  —  4501  fcred  —  4506  famen  |  —  4508  nethunkit  — 
I  fometlic  —  4511  ef  |  —  4513  thuru  (t  grösser)  —  4515  |  fiugi  — 
4516  thu  —  4524  |  Mahtig  —  thing.  LV.  ||  ofce«  auf  S.  128b  eine  Z,  leer 

—  4525  Firihon  —  frithu  |  barn  —   4526   genge  (das  zweite  e  rad.) 

—  4528  malitigan  —  4531  fiuar  —  4533  rogithann  —  4537  them 
gifolgon  —  4538  An  |  —  4539  lac  —  gitliem  (.  than  .  mit  Häkchen 
vor  t  überg.)  —  4543  thar  |  —  4544  thar  —  4545  Selbo  —  4549 
uiiarth  I  —  rechts  an  der  Seite  129a  von  hier  bis  unten  ein  grosses 
ausgebessertes  halbkreisförmiges  Loch,  vor  land  ein  kleines  —  4550  tlia 
(nach  a  ist  t  mit  Häkchen  überg.)  —  4554  alouuai  |  do  (das  zweite 
oben  durch  ein  Loch  beschädigt)  —  4556  tuelifi  (t  grösser)  —  4558 
Beiiuordon  |  —  4560  gruotta  —  gern  |  —  4561  That  ||  —  4563  iuuuef 
(i  aus  heruntergehendem  Schaft  rad.)  —  4566  er  (e  grösser)  —  4567 
mi  —  4569  Loch  zwischen  te  und  them  —  4571  Uuarth  —  gifuoRcan 
(r  aus  f  corr.  mit  Ras.)  —  4572  fiuat  —  4573  gimi  —  4574  nu  — 
4575  Ac  —  nu  —  4576  That  —  4577  vor  mi  Ras.  eines  Striches  — 
4578  endi  (e  grösser)  —  4579  metmof  |  (h  nach  t  mit  Häkchen  überg.) 

—  4583  Than  —  4584  That  —  4585  |  than  —  4587  thero  e  |  erlo  (das 
e  am  Ende  der  Zeile  rad,)  —  4590  thia  —  4593  rechts  ausgebessertes  kleines 
Loch  —  4595  Menn  githahteo  —  4597  er  (e  grösser)  —   bar  uuur 
dig  —  4598  negidoR  |  fta    (or  lig.)   —    4603  ]  Thar   —   4604   fpRac 
(r  aus  a  corr.)  —  4605  Bigann  —  hue  —  4607  uf  —  4608  uuoRd 
OR  lig.)  —  4609  fih  —  4610  men  githat  (über  dem  letzten  t  ein  Punkt j 

—  4615  ludafe  —  4616  Selbo  —  fnimo  het  |  —  4617  frura  (darnach 
i  ohne  Häkchen  überg.)  —  4620  gina  |  hid  (Über  a  ein  Funkt,  der  linke 
-Bö^ewdf'saa.i?a5.,vtmi?)  — 4624  Uuarth  |  —4627  |  uuehf Ion.  LVI.  ||  S. 
131b  die  erste  Z.  leer.  —  4629  ludaf  —  4630  uuaf  —  4634  fielgoda 

—  4635  endi  (e  grösser)  —  4639  Gibu  —  4640  thit  —  anerthu  | 
(ne  a.  Ras.)  —  4646  Mid  —  frummean  (u  a.  Ras.,  von  u?)  —  4648 
That  —  4650  That  —  4651  fierren  —  gihuggent  gißmla  —  4652 
that  (das  erste  t  grösser)  —  4653  fiebbiat  —  4659  Satanaf  |  —  4660 
finnon  gi  |  —  4661  Ik  —  4662  That  —  4663  oc  —  4664  Thoh  — 
4673  Simon  —  4678  ik  —  4679  That  —  4680  Thoh  —  4681  thuoh 
(t  grösser)  —  4683  fielieben.  |  effia  (das  letzte  e  grösser)  —  4688 
handcraf  (vor  h  ist  h  rad.,  der  Schaft  des  h  steht  a.  Ras.  von  u)  — 
4689  fiuat  —    4690  Thriftero   —    4691    ik  |  mahthi    —    4693  That  | 

—  4694  hancradi  (vor  c  ist  o  mit  Häkchen  von  alter  Hand  überg.)  — 
thin  (t  aus  h  corr.^  indem  der  Schaft  rad.  und  über  den  rechten  Teil 


38 

der  Querbaiken  gelegt  ist)  —  4695  Acthu  |  —  4696  ef  |  (e  grösser)  — 
4698  Doian  —  4700  thuo  |  (t  grösser)  —  4701  That  |  —  uueldin. 
LVII.  I  (1  Z,  leer)  \  —  4704  |  fiiet  —  4705  nedruouie  —  uord.  (vor  o 
ist  u  mit  Häkchen  v.  alter  Hd.  überg.)  —  4706  Ne  —  ik  —  4709 
Thie  I  —  4711  hie  —  4715  nah  I  tef  felbo  —  4717  |  crift  (darnach 
ef  mit  Häkchen  v.  j.  Hd,  überg,)  —  4718  firiuuig  muoda  (uig  auf 
schlechtem  Perg,)  —  thuo  —  hohan  (höh  auf  schlechtem  Perg.)  —  472U 
uuifa  I  —  4722  I  iugron  (n  vor  g  mit  Häkeken  v.  alter  Hd,  überg.)  — 
4723  gifmd  —  4724  Nu  —  4726  Thiuf  —  thef  —  4727  |  Than  - 
4728  gimendian  —  4730  Bethiu  nethurbun  iuu  —  4731  fiuand  |  — 
4735  fiiet  |  —  4736  Jacobe.  —  Johannefe  —  4737  thrift  muodian 
(das  erste  t  grösser)  —  4738  gengun  (e  aus  a  corr,^  u  a.  Bas,  v.  a, 
das  jsfweite  n  a.  Bas.?)  thuo  —  4740  fiiet  —  4744  Gie  —  4745  Craftig 

—  4750  If  —  anfarahtan  (das  letzte  a  scheint  bu  u  corr,)  —  475J 
I  üuar  —  4754  Oder  —  4755  Oder  |  —  4757  Ac  —  fimnon  —  4759 
fiohan  —  4760  ef  (e  grösser)  —  4763  Te  uuegianne  —  4764  Ik  — 
4767  ik  —  4777  fiui  —  nimugun  —  4780  minif  —  4781  Mingeft  - 
4783  Letit  —  4784  |  ik  —  4785  hebbiat  —  4789  godef  —  4791  bei 
dida  (b  grösser)  —  hie  —  4793  ef  (e  grösser)  —  4798  |  geng  — 
4802  I  Manoda  —  4805  nu  —  fnimo  {ovormv,  j,  Hd,  ohne  Häkchen 
überg,)  —  4809  ||  Anthena  —  |  mikilon.  LVm.  |  (1  Z.  leer)  \  Vvretha 

—  4810  uuifda  —  4814  |  Thar  —  4815  thia  —  4820  Cuffiu  —  4821 
thena  —  4822  bindan  uppan  |  —  4824  |  Mid  —  uuerod  I  —  4828  thun 

—  4829  Judaf  —  4831  Cufta  —  4834  fprac  (pr  auf  Fleck)  —  483o 
fragoda (f ^rösser^ —  |  hihm (fast zusammengeschrieben)  —  4836behui  — 
ludi  I  —  4838  Meldof  —  geng  —  4839  uuerod  (das  erste  u  rad.,  aus?)  — 
endi  |  (e  grösser)  —  fragn  (a  aus  u  corr.)  —  4841  |  So  niudlico  — 
fogi  —  4843  that  (das  erste  t  a.  Bas.,  von  q?)  —  4846  ina  —  4847 
I  üueldun  —  4854  Uuanin  |  —  4864  Sothat  —  4872  Ac  —  4875  That 

—  4880  Uuell  —  |  thuo  —  4884  ef  (e  grösser)  —  4886  Than  - 
4888  That  —  4889  Uuigef  —  4892  Ac  —  4894  |  That  —  iS% 
fiuand  fohue  fo  |  (das  erste  o  a,  Sas.y  von  a?)  —  4899  Uui  |  —  490«' 
geng  —  4902  fiobiduundun  —  4905  gimi  —  4906  gimi  —  4907  Au 

—  4908  than  —  4909  Diurlic  —  gimi  —  4910  Le  |  thef  —  4912 
Thann  —  4913  uue  |  rod  —  4914  Gripun  —  4916  Muodag  —  49 1> 
im  —  4920  Teuuinnianne  —  4921  fiuand  —  4922  Halon  —  4924 
Thef  I  —  uueldun.  |  (1  Z,  leer,  am  Schlüsse  ,  LVIIII.  |  —  4928  tliia  - 
4929  I  geng  —  4930  gibindan  (über  dem  zweiten  i  ist  v  überg. ^  v,  j. 
Hd,,  wie  es  scheint)  —  4931  uuarun  —  4934  Ac  —  4937  Johannef  ||  — 
4940  I  thuo  —  4941  fan  (f  grösser)  —  4946  Lietun  —  4947  uuaf  - 
4948  gelmuogero  (di  nach  dem  ersten  o  von  älter  Hand  mit  Häkchen 
überg,)  —  Johannef  —  4953  Johannef  —  4954  fridhof  (das  letzte  i 
ags,)  —  4957  Magat  —  huat  |  —  4959  thuo  |  —  4962  Nethef  |  — 
4965  fiuarbondi  —  4967  Geng  —  thar  —  4968  fiier  —  4969  thit 
(das  erste  t  grösser)  —  4972  uua  ||  (ri.  unterg.)  —  4974  uui  anthi 
non  uuordon  —  anthinero  (r  von  andrer  Form)  —  4975  Ac  — 
hieni   —   4976   Ac   ftud  |  —   4980   huarabe  |  (e   auf  Fleck^   dahinter 


39 

Bas.)  —  4983  |  Thar  —  4985  Rie  —  4986  if  |  libef  —  quat  (q 
grösser)  —  4989  thuo  —  4990  hanacradaha  |  ban  (das  a  vor  h  a. 
Bas,^  von  h?)  —  Thuo  fah  (jsmschen  o  und  f  ohen  zwei  untereinander 
stehende  Punkte)  —  crift  felbo  |  te  —  4996  Suitho  —  4998  fuartun 
(der  erste  Strich  des  zweiten  u  oben  aus  dem  Schafte  eines  d  rad,,  es 
hatte  erst  fuardin  gestanden)  —  4999  er  (e  grösser)  —  5000  |  thef  — 

trahni  (ni  a.  Bas.,  von  te?) 


5002  The  —  5004  uuan  |  fcefti  —  5005 

—  5006  hie     —  5007  Firin  uuerco  —  5008  nif  —  5009  That  man 
nef  —  5011     uuolo  —  5012  That  —  5013  |  ef  —  5014  huldi  (darnach 

0  mit  Häkchen  von  alter  Hand  überg.)  —  5015  Thiodan  —  5026  That 

—  5027  thej  |  no  —  5029  hie  —  5030  Kerroft  —  |  fielag  —  5031 
Liet  —  5033  Liet  —  5036  |  That  —  5038  härm  giuurohti.  LX.  |  (1  Z. 
leer)  |  —  5041  Than  —  5044  Thie  —  that  —   5046  bithiu  —  5047 

1  Te  —  5051  huurbun  —  5056  Mor  |  gan  —  manag  —  5058  In  |  uuid 

—  uuarth  —  5060  |  Irri  —  5061  gengun  —  5062  Rincof—  5066  That 

—  5067  I  fia  —  5070  thuo  |  —  5073  |  Quathun  —  5078  |  fiie  —  5084 
Gruotta  ||  —  5085  das  erste  that  scheint  a.  Bas,  —  5087  Crift  |  — 
uui  —  5089  I  Thie  —  thu  —  |  it  for  thefon  scheint  a.  Bas.  —  5090 
Suothlico  I  —  5091  thef  —  5092  Nefmd  —  nufeggiu  —  5093  That 
ginoh  —  5096  endi  (e  grösser)  —  5100  |  nune  —  5101  |  Thit  —  5102 
that  —  5103  Kineo  —  5104  |  huat  —  5105  if  —  5106  Uuirdig  — 
that  —  5107  fcolo.  LXI.  |  (1  Z.  leer)  |  —  5108  Vuitief  (Inüial)  — 
neuuaf  —  5109  That  —  5114  be  uurpun  (b  grösser)  —  5115  iro  o. 
Bas.,  von  i?  (die  Bas.  ist  Mein)  —  5117  bifmar  fpraea  (b  grösser) 
ftuod  —  5119  tholoda  githuldion  |  —  5121  thuo  —  5124  Thero  — 
thar  —  5125  thar  —  5127  Cuman.  |  —  5129  Pilatuf  —  5132  uuar 
lofa  —  5133  Agabun  —  5135  That  —  5136  Sarpon  (c  vor  a  mit 
Häkchen  v.  alter  Hd.  überg.)  —  thuo  —  5138  Mahlidun  —  5141  Ac 

—  5142  Pilatuf  —  5146  |  Thuo  —  5149  |  Thriti  —  5150  Geng  — 
5151  Sundiun  —  5156  |  funda  (i  vor  a  mit  Häkchen  v,  alter  Ed.  Überg.) 

—  5157  Kuat  —  5158  huat  —  5159  thuo  —    5163    fuor  (f  grösser) 

—  fiondo  (f  ags.)  —  5166  That  —  5167  fineg  —  5168  uurag  (vor  r 
ist  a  mit  Häkchen  v.  alter  Hd.  überg.)  —  5169  Kard  —  5170  fuek.  | 
(1  Z.  leer,  am  Ende  .  LXII.  |  —  5174  im  te  )  —  5177  mudag  (o  vor 
d  mit  Häkchen  v,  alter  Hd.  überg.)  —  5178  After  —  5179  Anthem  — 
5182  Uuitief  —  bihui  —  5184  negabin  —  5186  Uuordon  —  hie  — 
5188  Duot  —  5189  ina  (i  aus  f  rad.,  oder  Fleck  darüber)  —  5190 
hie  —  5191  Quithit  —  5192  begihina  \  (t  vor  n  ohne  Häkelten  v.  j.  Hd. 
überg.)  —  oft  gegnef  |  (nach  t  ist  te  v.  alter  Hd.  ohne  Häkchen  überg.) 

—  5193  Bodo  —  ef  —  5196  endi  (e  grösser)  —  5201  uureth  hu  |  dig 

—  5203  rumu||(.  bürg  .  unterg.)  —  fiiet  —  5207  fiueder  —  5210 
Uulanc  —  5211  nebiun  —  5213  Thefaro  |  —  bifala  (darnach  h  v.  j. 
Hd.  ohne  Häkchen  überg.)  —  5214  Agabun  —  5215  huat  —  5217 
Quam  —  5219  Anthem  —  nif  |  —  5220  ef  —  5221  Than  —  5223  So 

—  5226  giuuit  |  fcipi  giuuaref  —  5227  tliat  —  5228  Thia  uuerof  — 
min  (n  a.  Bas.  v.  d)  —  5232  thuo  —  5233  Muodag  —  5234  Obar  |  — 
5236  Forthem  —  5237  Dodef—  |  than— 5239  uurug  |  dun  (raflfsj  Quathun 


40 

—  5242  Manno  —  5244  dodef  |  gifculdian.  LXIII.  |  —  5245  ma  - 
5246  Thuru  —  |  thuo  —  5249  Manno  |  —  5251  erodef  (das  erste  e 
grösser)  —  that  craftiga  |  ciming  duom  —  5255  |  Duomof  —  hie  -— 
5257  .  mid  if .  mit  Häkchen  überg,  —  5259  Pafcha  |  —  5260  That  — 
5263  &af  I  tan  —  5264  |  uuigand  —  5267  |  Allaro  —  5270  Cuning  eRodef 

—  5273  üuandun  |  —  5276  fragoda  (f  grösser)  —  unt^n  auf  S.  149<i 
steht  y  —  5277  muod  febon  |  (nach  n  ist  ein  Buchst,  rad.)  —  5280  ec 
tho  I  loda  (nach  n  ist  di  mit  Häkchen  überg.)  —  5281  vor  neif  Äw.,  voti  effV i 

—  5284  uurougdun  |  —  5286  farmuonftun  (das  erste  n  aus  f  rad.)  —  5287 
fiimilifcan  —  5288  Baluuuef  —  barn  —  5291  fohuat  fo  |  huat  fo  (das 
»weite  fo  huat  rad.)  —  5292  Sia  (i  a.  Bas.^  von  e?)  —  5296  erlof  (<• 
grösser)  —  thuo  — -  5298  Ledian  —  lun  |  gra  (r  ags.)  —  5302  Ne  |  — 
5303  I  fiofc  —  thuo  —  5308  |  Uuelda  —  5309  Nerian  —  ftuodun  — 
5312  Grimmera  —  thuogi  |  uuet  —  5313  .  thia  .  mit  Häkchen   überq. 

—  5314  Kard  —  huat  gimi  —  5317  nu  —  5319  fein  —  5320  erodef 
(das  erste  e  grösser)  —  5323  Lif  —  nu  —  5326  folc  --  5329  cri  |  ci 
(ci  steht  nur  scheinbar  auf  Ras.;  ri  sieht  aus  wie  nachgetragen)  — 
5330  Uuegian  —  hie  —  5333  eue  (vor  dem  »weiten  e  noch  ein  u  v. 
j,  Hd.  mit  Häkchen  überg.)  —  5334  ||  That  —  copo  |  (1 Z.  leer,  am  Schlüsse 
.  LXIIII.  I  )  —  5336  Miktion  —  5339  huaf  |  im  —  5342  Kuat  —  |  te  — 
5343  uueft  —  5344  Umbi  |  —  mihebbiat  —  5345  üuerod  —  5348  Sohue- 
der  I  —  5356  Thegan  |  —  5357  Ac  —  5358  ne  —  5359  thinon  (in  aus 
m  gemacht  durch  Bas.  der  Verbindung  des  ersten  u.  »weiten  Striches)  — 
5360  Sithon  —  5362  Ahabid  —  .  mugi  .  mü  Häkchen  überg.  —  5364 
I  fiie  —  5365  bethiu  —  men  |  uurekan  ef  —  5370  Selbo  —  5372  lan 
goda  —  5374  Quelan  —  5376  ofer  ohne  Häkchen  überg.  —  5378  hie  fcal  |  — 
5379  Uuiti  —  |  uuerod  —  5381  |  hie  —  5383  nio .  Uuid  —  uueruo  |  (o  Rest 
eines  halb  radierten  d]  Id  nachträglich  hinjmgesetBt) —  5385  uuundron  (das 
erste  u  rad.)  —  5386  Niuuol  |  da  —  im  (es  war  m  angefangen,  die  Verbindung 
des  er stenu.  zweiten  Strichs  rad. ^  ein  vierter  hineugesetet)  —  5388fiuand  |  — 
5389  Than  —  5391  Thann  —  5393  bethiu  —  5394  thiu  —  539.% 
I  Mari  —  5400  üuaf  —  5401  |  Uuaf  —  5402  barrabaf  (f  a.  Bas.  von  xx) 

—  5407  That  —  5410  fragonan  (nach  o  ist  i  von  alter  Hd.  überg.)  — 
5411  Ruederon  —  |  tueio  :  (o  :  a.  Bas.)  —  5414  gifpanam  (der  dritte 
Strich  des  m  »u  sl  gemacht)  —  5418  Quelidin  —  thuo  —  5419  Duomof 

—  thuo  —  5420  I  barn  that  —  5422  That  —  5426  uuoi  (i  a.  Bas.  eines 
langen  Striches)  fithor  (ith  auf  verdorbnem  Berg.)  uuann  ß  |  thor  — 
agaf.  LXV.  |  (1  Z.  leer)  \  —  5430  Thuo  —  .  uuaf .  mit  Häkchen  überg.  — 
5431  Barn  |  —  5432  Uuiffa  —  5437  That  —  5439  Te  —  5442  |  hie  — 
5443  Thera  |  —  5447  Uuiffa  |  —  5449  Obar  —  |  that  —  5450  Suitho 

—  5452  Anhe  |  lith  helme  —  thuo  —  5455  Thuru  —  5456  fornion 
{i grösser)  —  ferhe  (f  ags.)  —  ik  —  Ina  —  5462  Anthem  —  5463  thar  — 
5464  Sagda  —  thuo  —  5467  Gie  |  that  ina  ("vorina  ist  fea  a.  Bas. 
mit  Häkchen  überg.)  —  5469  Thuru  —  uuarth  —  5471  Te  —  5473 
fiiet  II  —  5474  Uuatar  —  5475  |  Thuog  —  5477  Quat  —  5478  neuuiüiu  | 

—  5479  achleot  |  githef  —  5482  quathun  (q  grösser)  —  5483  De- 
rauoro  (das  erste  o  aus  u  corr.)  —  fare  —  5485  Obar  —  uui  —  5487 


41 

Ageban  —  5489  Thar  —  5491  Menfcathono  —  mahtig  |  —  5494 
fpiuun  (vor  n  ist  noch  ein  u  v.  j,  Hd.  mit  Häkchen  überg,)  —  5496 
Uue  I  rof  —  5497  Rouodun  —  5499  fiietun  —  5501  gCDgum  (e  a.  Ras. 
von  o,  das  zweite  g  a.  Bas.  von  n)  —  5502  queddun  (q  grösser)  — ' 
5505  I  Mahtig  —  5506  fiietun  |  —  5508  Craftigna  —  5510  Dragan  — 
fcolda  bedrorag  |  an  — ■  5511  fithodun  —  5512  |  Uuerof  —  5513  thar 

—  5515  I  Uuib  —  5516  J  Thia  —  galilea  (g  a.  Ras.  v.  2  Buchst.)  — 
gangan  fol  |  godun  (vor  {ist  quamun  mit  Häkchen  überg.)—  5518  Suitho 

—  thuo  I  —  5520  fiiet  —  nitharf  —  5522  urethan  (vor  r  ist  u  mit 
Häkchen  v.  j.  Hd,  überg.)  —  5523  Tornon  —  noh  |  —  5528  That  — 
5529  uari  (vor  sl  ist  u  ohne  Häkchen  überg.)  —  5531  cumid. 
LXVI.  I  (1  Z.  leer)  \  —  5534  Born  —  5538  Bittra  —  5539  hie  — 
urecan  (u  vor  r  mit  Häkchen  überg.)  —  5541  Mahtig  |  na  —  5542 
uure  I  tha  huand  —  5545  thia  |  —  5546  |  fam  uurdi  (u  vor  r  mit  Häk- 
chen V.  alter  Hd.  überg.)  gifprecan  (e  aus  o  corr,)  —  5547  er  (e  grösser) 

—  5548  I  peda  (d  a.  Ras.)  —  5549  Allaro  —  |  thef  —  5554  An- 
bomin  —  thuo  —  5556  Selbo  —  5558  Kard  —  it  —  5560  Dadun  — 
5563  uuarag  threue  (u  vor  dem  letzten  e  mit  Häkchen  v,  alter  Hd.  überg.) 

—  5564  thia  —  5567  |  Quelan  —  efthu  —  5569  Neri  —  5571  |  Thefa 

—  fum  —  5574  thu  fagdaf  —  5576  |  Sten  uuerco  —  5578  |  Thefef  —  fmu  — 
5580 balouuef  (brjfrÖÄSfr;—  thuo  —  5583 Thef  |  —  ef  —  5584  Crift  —  5585 
fan  a.  Ras.  (von  fim?)  —  5586  |  ef  —  5587  Uualdand  |  —  uuercon  (c 
aus  d  rad.)  —  5588  thuo  —  5589  An  —  5590  behui  —  5591  Gruotif  —  ftef 
(ft  a.  Ras.  von  o)  —  5592  uuit  —  5594  hie  |  —  5595  Allaro  —  5600 
That  —  5602  Uuef  —  thuo  —  5603  |  ik  —   5604  |  That  —  5609   oc 

—  uuib  (b  aus  p  rad.)  —  5611  Thanftuod  |  —  5613  Druuodun  — 
thar  —  5614  muodeR  —  5619  |  Idif  —  thuo  —  5620  gibod.  LXVII.  | 
(7  Z.  leer)  \  —  hlutran  (t  nach  u  mit  Häkchen  v.  junger  Hd.  überg.)  — 
5623  Thuo  —  5625  Kuo  —  nimah  |  ta  (über  dem  letzten  a  ein  Häkeken,  wie 
2028)  — 5629  Obar— 5631  1  Ant  — thuo —  5633  Re  |  dron  — thuo  — 5634 
I  thuohie  —  5635  fader  —  5636  Tethiu  (t  rad.)  —  mik  (an  k  ist 
unten  der  zu  lang  gewordene  Schaft  rad.)  —  5638  ik  —  5639  Uundron 

—  uuerod  —  5641  Drohtin  —  5642  thiu  —  5643  |  Uuretha  —  5644 
I  tuo  (vor  t  ist  un  von  ganz  junger  Hd.  am  Rande  geschr.)  —  5645 
fiabdun  —  |  fuoti  (davor  un  am  Rde.  von  ders.  ganz  jungen  Hd.  wie  V, 
44)  —  5650  I  Gibundan  —  5651  hie  —  5653  So  —  5654  |  Kludo  —  |  ik 

—  5655  mi  I  non  am  Ende  und  Anfang  der  Zeile  von  alter  Hand  nach- 
getragen. —  I  garo  te  thiu  —  5656  firio  |  —  5657  Gihnegida  —  5662 
That  —  5664  feli  |  fof  (f  grösser)  —  felde  (de  a.  Ras.  von  ife)  — 
fehan  |  lacan  —  5667  |  fiel  —  5669  Kelagef  —  5672  aftuodun  (n  aus 
m  gemacht  durch  Ras.  des  dritten  Striches)  —  5674  Mannon  —  that  | 

—  5675  That  —  5677  Uuord  anthe  |  faroldi  (.  uueroldi  .  vor  1  mit 
Häkchen  überg.)  uuerod  —  5681  An  —  5682  fuma  —  5683  Thia  —  hvodian 
(v  u^e  345;  d  aus  1  rad.)  —  5684  That  that  |  —  ualdandef  (nach  u  ist 
u  mit  Häkchen  überg.)  —  5686  Barno  —   flo  |  gun  —  5688  &er  |  ren 

—  5689  Suitho  —  than  |  —  5691  Lengerun  —  5693  Gengun  —  5694 
Thieobof  —  5696  Unt  that  —  5699   nithortun   (f  nach  r   ohne  Häk- 


42 

chen  überg.)  —  5701  If  —  5703  That  —  thuo  —  5705  |  Rard  —  5707 
That  —  I  fidu  (vor  d  Ras.  eines  unter  die  Zeile  gehenden  Striches)  — 
5708  I  thia  —  5710  Uiiellun  —  5712  |  firiho  —  fnimu  (f  ags.)  -  fo. 
LXVIII.  I  (1  Z.  leer)  —  5713  nahoR  |  (or  Hg.)  —  5716  TJuafiin  | - 
5719  ludeno  —  5720  Dar  nungo  —  5721  folgolte  |  —  5722  Sie  - 
mahlan  (nach  1  ist  i  mit  Häkchen  v,  alter  Hd.  überg.)  —  5723  Thin- 
gon  I  —  5725  giquelmid  (das  erste  i  a.  Eos.  von  e)  —  5726  |  Thef  — -  572^ 
Rie  —  5730  te  them  |  —  barn  ||  godef  (r  a.  Bas.  von  n,  dann  n  hinjsu- 
gesetzt)  —  5732  |  Nam  —  5735  Dniog  —  5737  Thar  —  5738  |  Gumon 

—  thar  —  5741  griotandi  —  5742  Idifi  |  —  for  fauun  |  (über  n  ist  tun 
überg. ^  aber  ausgewischt)  —  5743  Thef  —  giuuitun  |  —  5745  fiuo  — 
5746  Rabdun  —  5748  Idifi  |  ~  5749  neflu  (f  ags.)  nith  folc  —  5750 
meni  |  gi  .  —  5751  Rekidun  —  huat  |  —  5753  |  Uuerod   ■—  5754  liie 

—  5755  thiuf  |  —  5756  Thit  —  nu  —  5763  Tethem  —  5764  uuarth 

—  5765  fia  —  5766  uerof  (vor  e  ist  u  mit  Häkchen  überg.)  —  5761) 
Liu  I  don  —  lohte  (vor  o  ist  i  ohne  Häkchen  v.  alter  Hd.  überg,)  — 
thuo  —  5771  Ralag  —  5772  An  the  |  —  lioht  —  5775  uua  |  nom  - 
5777  Sothia  —  uuardef  (e  eu  o  corr.,  dann  noch  o  überg.)  —  5771) 
Aref  —  rincof  —  5780  umbi  (über  m  ein  Häkchen  oder  Punkte  wie 
2028)  —  5781  fcred  —  5782  naht  .  ||  (darnach  steht  ein  Kreuz)  - 
5786  I  Uuerthef  —  5787  That  —  5789  Uuundun  |  —  thiu  —  5794 
Befulhun  |  —  fothiu  —  5797  engil  (e  grösser;  nach  1  Ras.^  von  e?)  — 

5798  all  (darnach  Ras.)  —  afciann  (vor  [  ist  n  ohne  Häkchen  überg.)  — 

5799  Thiu  |  —  5801  forah  |  ten  (nach  e  ist  o  mit  Häkchen  überg.)  — 
egan.  LXVIIII.  |  (1  Z.  leer)  \  Lif  —  5802  lagun  —  5806  Diurlic  - 
hie  —  5808  blicfniun  |  —  5809  Uuaf  ~  5810  thuo  —  5811  Thiu  - 
5816  Quat  —  5818  Riet  —  ik  ■-  5819  |  Neriendon  —  5822  Sundi- 
lofian  I  nu  —  5824  nu  —  5825  NahoR  |  (or  lig.)  —  5827  Thar  - 
lungra  —  5829  Uliti  fconi  |  uuib  —  5831  engil  (e  grösser)  —  Riet  — 
5835  Riet  —  5837  Cumi  —  5845  Then  —  nemahtun  |  (Elex  auf  e)  - 
5847  thuo  I  —  5848  Uualdan  |  def  —  5849  J  Tehui  —  5851  ferahef  lf 
grösser)  —  fullan  (a  durch  Ras.  aus  e)  nugi  —  5853  Anif  lic  lic  ha 
men  thefgi  —  5856  Angalilea  |  lande  —  5859  |  That  —  5862  nuhabit 

—  5863  Gifrumid  —  5864  cuth.  LXX.  |  (1  Z.  leer)  |  —  5865  Rie  - 
5869  Cu  I  thian  —  5870  |  giefrumida  —  5872  fed  |  lic  (über  d  Bas. 
eines  {-Schaftes)  —  5873  thuo  —  5874  Judeono  —  5875  endi  .  - 
5877  Ruilica  —  5880  |  Nimithun  —  thuo  --  5882  Saldun  —  5883  ac 

—  5884  An  fuebidi  |  —  5885  fimnen  —  5887  uuigi  helpat  —  58S> 
I  Lethef  —  thuo  —  5890  Negiuuel  |  dun  —  5895  Johannef  |  —  58!)T 
Johannef  —  guode  |  (o  von  alter  Hand  über  e  geschr.)  —  5899  erl  u 
grösser)  —  5900  |  Rreo  giuuadi  —  5904  Mid  —  5905  Rikief  |  —  590b 
Johan  I  nef  —  5908  uuaffa  [  (das  erste  a  aus  u  corr.^  durch  Häkchen 
darunter  getilgt  und  i  überg.)  —  5910  Upp  —  thuo  —  5911  Johannef 

—  5912  Thia  —  |  than  --  5915  |  Maria  —  5917  Thena  —  5920  ant 
kennian  —    5921    Seggian  —    hie  —    ferobi   uuiepi    —    5922    So   — 
trahnin  (r  aus  h  rad.)  fiu  quat  —    5923    efthu  |  —    5924   efthu  |    (e 
grösser)  —  ginamif  |  (a  aus  dem  dritten  Striche  eines  m  corr,)  —  5926 


43 

fia  niuuiffa  fia  —  5928  |  fiof  uuard  —  thuo  |  —  51)30  That  1  —  5931 
Mitha  I  —  ina  (in  aus  m  corr.  durch  Ras,  der  Verbindung  der  beiden  ersten 
Striche)  —  5932  Nouau  —  5933  Quat  —  5934  ik  —  5935  Ac  —  593() 
Bruothron  |  —  5938  uuilliu.  LXXI.  |  (1  Z,  leer)  \  \  5940  Seggian  — 
5942  That  —  5944  fia  —  5946  Ac  |  —  5947  thuo  —  5948  eft  (e 
grösser)  —  5950  than  (t  grösser)  —  5951  Quedda  —  5952  hie  — 
5953  Acgi  I  —  5957  anthem  (a'  a.  Bas,  von  a)  —  5958  temauf  (vor 
m  ist  e  V.  alter  Hd.  mit  Häkchen  überg.)  —  5961  Thö  ||  —  thuo  —  5964 
I  Uuaf  —  5965  Rui  —  ift  —  5966  foragono  (g  aus  dem  ersten^  o  aus 
dem  zweiten  Striche  von  n  corr.)  -—fia  —  5967  Thia  —  tehui  —  5968 
bift  (b  grösser)  —  hierufale  —  fol  cas.  |  Die  zehn  letzten  Zeilen  der 
Seite  sind  leer^  auf  8. 170a  sind  13  Zeilen  von  S,  169b  in  Spiegelschrift 
matt  abgedruckt^  8,  170b  ist  leer,  — 


2.  Der  Monacensis. 

Die  in  der  Mitte  und  am  Ende  von  Worten  häufig  begegnenden 
N  sind  hier  nicht  notiert,  wohl  aber  die  im  Anfange.  Von  S,  2a  sind 
die  ersten  sieben  Zeilen  rad,,  doch  sind  folgende  Reste  noch  festzustellen: 
h(abda)  f(ere)h(tan)  h(u)g(i)  .  (uuaf)  f(on  them  liudiun  leuiaf  cunneaf 
iacobef)  |  f(une)f  g(o)da(ro  t)h(iodo  zachariaf  uuaf  he  hetan  that  uuaf 
fo  falig  man)  |  (huand)  he  f(imlun)  g(erno)  g(ode  thiono)d(a  uuarahta 
a)f(tar  if  uuilleo)n  .  |  d(ed)a  (if  uuif  fo  felf  uua)f  (iro  gi)  a(ldrod 
i)d(i)f(ni  mo)f(ta  im  er)  b(iuuard)  |  a(niro  iu)g(uthedi)  g(ibidi)g(uuerdan) 
l(ibdun  im)  f(arutar)  l(aftar  uuarahtun)  |  l(o)f  g(oda  uuarun  fo)  g(ihori)g(a 
heban  cunin)g(e  diuridun  ufan)  d(ro)h  (tin)  |  niuu(el)dun  (dere)biaf 
im(i)h(t  un)d(ar  man)c(unnea  menef  gi)  f(rumm)ie(n  ne)  |  —  85  faca  ne 
(ca  n  anradiert)  —  86  moftun  (darnach  Punkt  rad,)  —  89  ina  .  —  91 
heuancuningef  .  (das  erste  u  scheint  aus  li  corr,^  von  1  ist  keine  Schleife 
da;  vgl.  vorher  bi)  —  106  drog  .  (Punkt  rad.)  —  111  Von  den  ersten 
2  Zeilen  von  S,  2b  lese  ich  noch:  fo  ma  (n)  h  (erron)  f  (c)  al  (gerno) 
fulg  (an)  gan  .  g  (rurio)  f  (qua)  m  (un  im)u;  (der  letzte  Buchst,  sieht 
mehr  aus  wie  ein  a)  egifon  |  an  th  (em)  alaha  he  gifah  thar  aftar 
(thiu  enan  en)  gil  god  (ef  an)  them  |  —  114  to  deutlich  —  116  andredi 
Thina  (a  schwer  zu  erkennen)  dadi  find  deutlich  —  129  het  —  131  Quad  — 
133  teNamon  —  138  bodfkepi  (f  sieht  aus  toie  f)  —  139  Zacha  |  riaf  — 
142  It  —  al  .  te  lat  .  —  144  huuanda  —  168  than  —  169  Ni  — 
170  fo  .  (Punkt  rad,)  —  174  breoftun  .  Imu  |  Bidun  (Imu  rad.)  — 
197  fkred  —  198  lohannef  —  200  fagar  .  fahf  .  endi  naglof  .  — 
201  uultige  .  I  (nach  1  ist  i  überg.)  —  204  aldun  .  tüem  .  —  205 
Niuuari  —  207  nimahti  .  (ti  lig.)  —  210  wiutlico  —  wamo  —  211 
uuefaN  .  —  212  an  .  if  gibarea  .  —  218  lohannef  —  219  that  — 
221  eN  I  (n  a.  Ras.)  —  223  uuita  kiafan  .  —  224  niud  |  famnaNamon  . 
—  231  Namon  —  236  lohannef  —  247  feNdean  (n  a.  Ras.)  — 
253    feaeNthegan   —    254    lofeph   —   256   thar   —    262  |  giuuihit   . 


44 

(h  a.  Ras,  v.  g)  Nehabe  —  263  |  Nequam  —  266  teNamon  — 
273  uuif  .  —  276  than  —  277  uualdandef  —  280  Nefomari  - 
281  Tho  (T  rot)  —  283  thanc  (t  grösser)  —  287  nifmi  —  291 
uuardthehelago  —  295  Tho  —  |  hugi  lofepöf  (i  I  aus  a  corr.  ohne 
Ras.)  —  296  ifmod  gidrobid  .  the  .  im  .  er  .  thea  magad  habda 
thea  idif  |  anthettea  .  adalcnoflef  .  uüif  .  giboht  .  im  .  te  brüdiu  . 
heaffof  that  .  fiu  |  habda  .   barn  .   undar  .  iru  .  ni    (i   aus   a  corr.) 

uuande  thef  .  mid  .  uiiihti  .  that  .  im  .  that  .  uuif  |  habdi  .  gi- 
uuardod  .   fo   uuaf  lico  .  vi  .  uuilTe  .  uualdandef .  thoh  .  (leiste  h  rad.) 

noh  .  bh'di  |  gibodfkepi  .  m  .  uuelde  .  fie  im  .  tebrudiu  (leiste  u  rad.) 
tho  halon  im  te  hiuuon  .  ac  |  —  306  fo  —  310  fri  .  midira  ferhu . 
Ni  uuäf  .  gio  .  thiu  |  feniea  fo  god  .  that  fiu  mid  them  liudiun  leng 
llbbien  mofti  .  |  uuefaii  ündar  .  them  uueroda  .  Bigan  im  the  .  uüifo 

man  fuTdo  |  —  313  lofeph  —  315  forleti  .  (ti  lig.)  —  320  ve  \  - 
321  lefti  .  inca  .  uuini  treuua  ford  .  fothu  dadi  .  endi  |  —  331  Aut- 
kenda  —  332  |  uuaf  (das  erste  u  grösser)  —  337  ina  (a  a.  Bas.)  — 
338  I  brengean  (ng  v.  jüngerer  Hand  nachgesogen)  —  339  Tho  (T  rot) 

—  341  baN  .  endi  bodfkepi  .  342  cuniaN  .  fonthem  —  343  heritogon  (Ti 
aus  Anfang  von  o  corr.)  —  345  biet  —  348  gibod  .  (CirkumfL  v.  j,  Ild.) 
uuard  .  gileftid  .  obar  .  thefa  uuidon  .  imerold  |  uuerod  .  famnoda. 
te  .  aUaro  .  burgeo  .  gihuuem  .  Forun  .  thea  .  bodoN  |  obar  .  all- 
thea  .  fon  .  them  .  kefura  .  cumana  .  uuanin  .  bokfpaha  .  uuerof  . 
endi  1  an  bref  .   fcribun  .    fuido    .    niudlico    .    namono    .    gihuilican  . 

ialand  .  ialiudi  .  !  that  .  im  .  ni  .  mahti  .  alettean  .  man  .  gumono . 

fulica  gambra  .  foimfcolda  |  geldcN  .  gihue  .  helido  .  fon  .  if  .  hobda . 
Tho  .  giuuet  .  im  .  6c  .  mid  .  if  |  hiuuifca  .  iofeph  .  the  godo  .  fo . 
it  god  .  mahtig  .  uualdand  .  uuelda  .  fohta  |  imthiu  .  uuanamos 
(über  n  Ras.)  hem  —  359  b&hlehem  .  —  360  oc  —  helagun  —  361 
mariun  .  thera  .  godun  .  Thar  .  uuaf  .  thef  .  mareon  .  ftol  .  an . 
er  dagu^f  |  —  363  godoN  .  than  .  langa  the  he  .  thana  .  druht  ' 
fkepi  .  (h  aus  d  corr,,  t  am  Rde,  nachgetr,)  thar  .  eri  .  (r  aus  1 
rad.  u.  corr,)  undar  ebreon  .  eganmofta  .  haldaN  .  hohgifetu  |  fiu  (u 
SU  e  rad.  u,  corr.)  uuarun  .  if  .  hiuuifcaf  .  cumaN  fon  .  if  .  cnofla  . 
eunneaf  .  godef  .  bediu  |  bigiburdiuN  .  Thar  .  gi  .  fragnic  .  that  . 
fie  .  thiu  .  berhtun  .  gifcapu  |  mariun  .  gimanodun  .  endimaht  godef. 
that  .  iru  .  anthem  fida  funu  |  —  370  bärno  .  ftrangoft  .  —  371 
uuard  .  the  mareo  —  372  er  —  373  bilidi .  uuarun  endi  bogno  .  filu . 
giuuorden  .  aN  |  —  374  Tho  .  uuaf  .  it  allgiuuarod  .  fö  .  foit  . 
er  fpaha  .  man  |  gifprocan  .  habdun  .  thurh  .  huilic  .  odmodi  . 
hethit  —  378  |  Tho  iNa  (ho  iNa  a.  Ras.  von?)  —  Kam  —  386  magad . 
ira  I  modfebo  .  —  402  that  —  403  thar  —  405  Hebbiad  —  407 
that  (das  sweite  t  a.  Ras,  von  r)  —  415  thea  —  435  fagar  .  an 
felde  .  that  —  438  fodda  —  443  heleaNd  —   447  uuaf  —  449  that 

—  450  unt  .  that  —  451  endiNahto  tho  (t  grösser)  —  453  fo  —  450 
uuard  funu .  afodit  —  459  bediu  (e  aus  o  corr.)  fon  {{aus  langem  Strich)  — 

460  krift  |  gans  Mar  —  465  Thea  —  466  |  Oft  —  475  aw  (n  mht  aus  wie  f) 


th(an)a  (uui)  h(innan  T)h(o  fa)gda  h(e  uua)l(dande  th)an(c)  alomaliti  |  gon 

—  476  mid  .  —  477  geng  —  481  biddeaN  (das  erste  d  aus  angefangenetn 
hohem  Buchst.)  —  492  liftiun  —  493  idif  a.  Ras.  —  494  fiinu  .  fcolda 

—  496  tefalle  .  —  497  the  .  —  gihordin  .  —  501  that  —  uiierk 
(der  Strich  durch  den  Schaft  rad.)  —  504  ald  .  innan  .  —  505  doh- 
tar  I  (d  aus  falsch  angesetztem  Strich  corr.)  —  507  flu  mofta  —  512 
tho  (t  grösser)  —  516  Siuquam  (das  erste  u  aus  c-ähnlichem  Ansatz 
von  q  corr.)  —  520  ginahid  (d  aus  h  rad.  w.  corr.)  —    526  manag  . 

—  530  andi  (a  beim  Schreiben  zu  e  corr.)  —  535  uuard  |  (Strich 
durch  d  von  alter  Hand)  —  537  imiilic  (das  erste  i  rad.,  n  eu  h  corr.) 

—  540  Niuuarun  .  —  548  tho  (t  grösser)  —  550  |  mordef  (Strich  durch 
d  alt^  ebenso  in  allen  folgenden  Füllen)  —    551    Tho  —  554  huueder 

—  uuracfid  (a  a.  Ras.,  von  o?)  —  555  tegebu  .  huilicuu  gumuno  .  — 
558  nIo  —  560  giuualdan  .  —  566  giu  —  569  |  than  (t  grösser)  — 
571  thar  |  NUiuard  (t  grösser)  —  enig  .  man  —  582  tho  (t  grösser) 

—  586  erdun  (vo^i  alter  Hand)  —  587  hequad  —  592  barn  .  — 
bocan  .  het  —  595  |  Het  —  598  the  —  599  giboran  .  bald  .  endi 
ftrang  |  —  603  that  (das  erste  t  grösser)  —  605  |  faga  uf  .  (vor  u 
ist  h  oder  d  rad.)  —  613  es  stand  fpac,  aus  a  ist  r,  aus  c  ist  offenes 
a  gemacht  und  cono  damugeschrieben  beim  Schreiben  —  615  uuiffun  .  te 
iiuarun  .  —  mid  uuor  |  dun  —  620  uuiffin  (n  aus  r  beim  Schreiben  corr.)  — 
621  foifanufun —  626  lioht  (haus  Ansatz  von  n  corr.)  —  630  gifragn  .  ic  . 

—  636  hedro .  fonhimile  .  fie  (fo  aus  n  corr.  beim  Schreiben)  —  643  fo  | 
keaN  .  aNiffeldo  .  —  645  |  than  —  646  He  —  647  lango  .  (g  ci. 
Ras.)  —  653  uuiffun  (das  erste  u  grösser)  —  658  |  thea  —  662  the 
(t  grösser)  —  668  |  tho  —  671  krift  .  |  thea  (Punkt  jünger)  —  680 
naht^^fuueban  (der  Haken  von  alter  Hand)  —  687  |  tho  —  693  mod  . 
morganhuuem  .  tho  (t  grösser)  —  698  von  fid  uuorige  ab  schwärzere 
Dinte  —  707  cuma  (a  zu  e  corr.  v.  j.  Hd.)  —  709  landfcepi  (epi 
scheint  a.  Ras.)  —  710  |  tho  (t  grösser)  —  712  fan  .  antkenda  . 
Giuu&  —  713  thomon  (nach  h  ist  i  ohne  Häkchen  überg.)  —  715  |  tho 

—  716  rikea  |  (e  aus  i  corr.)  —  719  Seite  IIa  ist  unten  altgeschnitten 

—  722  tho  —  724  nu  —  725  mag  (m  aus  g  rad.  u.  corr.)  —  731 
umbib&hleem  .  —  733  tho  —  734  ni  —  736  idifi  —  741  menef  — 
743  fellun  —  744  thia  —  745  cara  —  |  anb&hleem  —  749  biforan 
(b  aus  p  rad.  u.  corr.)  —  751  thie  —  756  ansegypteo  —  757 
iofe  I  p6  .  (o  scheint  corr.)  —  759  Nord  —  760  thar  —  765 
hetan  .  —  777  Thofie  —  782  thar  —  785  He  —  788  S.  12a  unten 
beschnitten  —  792  thar  —  797  |  anthe  (h  a.  Ras.  von  e,  e  später  zu- 
gesetzt) —  800  friun  dun  .  (das  erste  un  a.  Ras.  von  a  :)  —  803 
uuard  |  —  804  ira  —  806  Giuuitun  (n  aus  m  rad.)  —  811  the  thefa 
(nach  dem  ersten  e  ist  f  rad.y  das  folgende  t  a.  Ras.  von  a)  —  812 
thar  —  813  antkennan  (i  vor  dem  zweiten  a  v.j.  Hd.  überg.)  —  815  |  fie 
(ie  a.  Ras.  von  a  :)  —  816  |  fie  (ie  a.  Ras.  von  a)  —  818  modar 
(ar  anradiert  und  von  j.  Hd.  ungeschickt  nachgezogen)  —  822  gifidon 
(g  a.  Ras.  von  fo)  —  829  biuui  (h  über  dem  ersten  u  ohne  Häkchen 
überg.)  —  830  maria  (m  grösser)  —  835  bezta  (z  a.  Ras.  von  t)  — 


46 

847   hab  |  da  —  852  ni  (n  grösser)  —  855  uuilTan  —  861  alonual- 
don  (das  eweite  a  und  d  anrad,)  —  862  forl&  thieda  (e  atAS  o  corr.) 

—  863  es  stand  \  gimentha  thar  das  ist  ganz  rad,  —  uuard  (das 
erste  u  anrad.)  —  865  iohaDiie  (e  v.  j.  Hd.  aus  a  corr,)  —  867 
thefan  (n  aus  r  corr,)  —  868  h&  |  —  871  |  im  —  873  giuu&  — 
878  hebanriki  |  —  879  nu  —  882  |  ic  —  895  gi  |  biodex  .  —  godef  .  — 
899  faran  .  —  lieta  |  thef  —  900  |  So  —  903  |  erlof  —  909  Tho  — 
911  bodon .  —  bürg  .  —  915  |  baldlico  .  —  921  heif  |  —  932  Ic  —  941  So- 
mikilu  —  nif  —  944  thaw  fcal  eu  |  lango  fcal  uuefan  .  —  947  |  hegan 
(h  durch  Punkt  darüber  und  darunter  getilgt)  —  950  |  manag  —  9(i4 
tho  I  —  970  lo  I  hannef  —  973  Krift  —  977  lohannef  —  982  craft^ig 
krift  .  —  988  dubuN  .  endi  .  fat  ||  (die  Seite  unten  abgeschnitten)  — 
aflu  .  (h  über  a  ohne  Häkchen  geschr.)  —  991  krift  .  —  bezton  .  quad 

—  995  gifehan  .  —  he  —  998  uuilleo  (e  aus  i  corr,)  -—  999  mi  .  — 
godef  .  —  1007  he  |  —  1009  thit  —  1011  uuala  (das  erste  u  grösser) 

—  1018  that  —  1025  them  ||  (die  zwei  letzten  Striche  von  m  rad.)  — 
1032  He  —  1040  for  |  geben  (vor  f  ein  Strich^  aber  wohl  kein  Buchstabe) 

—  1041  bethiu  (b  grösser)  —  1042  funu  .  fenda  |  that  —  1045  |  funu  . 
drohtinef  ,  —  1049  than  —  1050  uuid  .  —  1052    uuaf  —    1054    fu 

—  1060  mofef  |  —  1062  die  Seite  16a  unten  abgeschnitten  —  10r»7 
geheli  —  1077  that  fridu  |  barn  .  tholode  .  —  1080  let  —  1085  ^efcriban 

—  ti  te  (das  zweite  t  a.  Bas,)  —  1089  huuat  —  huuargin  (h  a.  Ras., 
von  n?)  —  1091  I  To  (T  rad.)  —  1093  thinef  |  (über  dem  Haken 
des  h  Bas.  eines  Schaftes)  —  1094  fandon  .  —  frohan  .  —  neg  :  :  : 
(Ras.  von  cn  oder  ecn)  —  1095  thriddean  —  1096  berg  .  then 
hohon  .  —  1102  uuilt  (uuil  und  darunter  habaf  auf  rad,  Perg,^  es 
standen  aber  keine  Worte  da)  -^  1104  than  —  1107  the  (von  h  an 
schwärzere  Dinte)  —  1109  betz  |  —  1112  thar  —  1115  uuard  —  1117 
Climen  (u  a.  Ras.,  von  m?)  —  1127  Geng  —  1131  thit  —  1133  luaN- 
ciinneaf  .  mcN  —  1134  Krift  —  1148  ho  |  —  1152  thar  —  115-^. 
adreaf  (über  dem  ersten  a  ein  liegendes  n)  —  1156  thar  —  1157  grotta 
(r  aus  o  rad.  u.  corr.)  —  1176  fatun  im  |  thage  funfader  —  lllU 
krift  .  aN  I  —  1208  anif  (i  a.  Ras.  von  a  oder  o)  --  1222  fume  — 
1226  ahnofuie  (nach  1  ist  a  .  mit  Punkt  überg.)  —  1233  fuma  —  124.'» 
Thogifahe  —  1255  wemnida  —  1260  bigeburdiun  |  —  1261  owdi  —  1270 
bartholomeuf  (rt  lig.)  —  1273  thar  (r  aus  dem  ersten  Striche  eines  u  oder 
aus  i  corr.)  —  1281  ftodun  —  1298  IrminmaNno  —  1304  quad —  180(i 
quadthat  -  1308  Saligafind  (das  zweite  a  v.  alter  Hd.  zu  e  corr.)  — 
1309  thef  —  1312  fali  |  ge  —  1315  hebenef  (h  mit  Ras.  aus  h  oder 
p  corr.;  die  Ris.  geht  herunter)  —  1316  quad  |  (q  grösser)  —  1817 
te  (h  über  t  geschr.)  —  133(>  Geuuerdat  —  1342  thef  —  .  gi  vor 
euuan  mit  Punkt  überg.  —  1351  hinferdi  (n  aus  r  corr.)  —  ISTri 
than  I  (t  etwas  grösser)  —  1355  than  —  1357  fogondigefehan  .  ||  ('.  r 
nach  dem  ersten  o  mit  Punkt  überg.)  —  than  (t  grösser)  —  13i>2 
uuordun  .  —  |  uiicroldef  .  nu  ford  —  1367  fo  —  1373  fo  —  1374  Ef 

—  1375  that  .  hi  .  —  1380  siduguN  .  |  —  1382  uuard  .  liudi  .  — 
1385  uuerof  .  —  1389  mag  .  —  1393  Ni  —  1397  »i  —  1399  dot  |  — 


47 

1409  than  —  1410  dernien  (das  erste  e  a.  Bas.  von  n)  —  1427  unleftid  . 

—  1431  that  —  1437  Sohuue  —  1439  gebrodar  (die  Striche  durch  d  swd 
von  hier  ab  in  gleicher  Weise  altf  wie  früher)  —  1453  |  ic  iu  nu  teuuaron 

—  1456  dot  —  1458  that  —  1460  than  (t  grösser)  —  1462  ne  |  (n 
grösser)  —  1466  far  |  geban  .  that  it  .  —  1469  er  —  1472  mer  —  1473 
godef  (g  aus  o  corr,)  —  1482  than  —  1504  mi^^thse  .  (Haken  alt, 
e  von  j.  Hd,  an  a  angelehnt)  —  1507  eft  (f  a.  Bas.  von  t)  —  1511 
nee  (n  grösser)  —  1517  bithiu  —  1521  ef  |  —  1522  gquede  ia  .  geb  | 
it  fi  .  (das  erste  g  rad.)  —  1524  So  huat  —  1529  fohue  —  1532 
than  —  1536  doe  —  1539  leftiemuuili  .  |  —  1540  erodgiarme  ■—  1541 
rokad  (e  über  a  geschr,)  —  1542  leobon  |  (e  aus  i  corr.)  —  1546  fagare 
(zweite  a  offen)  —  1549  fo  —  1550  thuhugif  |  —  1552  bifilhif  endi  antfaif  . 
eft  I  thaN  thu  uuili;  —  1553  iuuuan  uuillion  (i  vor  1  zu  e  gemacht,  das 
erste  1  und  das  letzte  i  rad,)  —   1557  ef(t)  g(e)l(d  nima)n  f(uiii)  do  | 

—  1559  fo  huuat  |  —  1563  thanna  —  1565  gebeodan  .  (das  zweite  e 
aus  i  corr,)  than  (t  grösser)  —  1566  helpono  (h  aus  1  corr,)  biddeaN  . 
(über  der  rechten  Schleife  des  h  steht  etwas  wie  ein  zu  hoch  angesetztes 
i;  ein  h  war  es  sicher  nicht)  —  1580  ftoduN  (über  n  ist  ein  Fleckchen) 

—  1594  do  —  1597  uuo  :  d  (vor  d  steht  ein  Ansatz  von  d,  der  wohl 
noch  zu  r  corr.  werden  seilte,  aber  vergessen  wurde)  —  1604  uuilleo  — 
uuerold  .  al  fo  |  —  1605  anerdo  .  —  ift  —  1606  himil  rikea  .  —  1608 
I  Endi  —  1612  Ac  —  1616  efgithan  —  1630  than  —  1637  ne  (n 
grösser)  —  1645  |  giuuadi  —  1646  leftead  —  1647  himile  hord  .  that 
mera  .  —  1655  .  finc  (vor  f  Bas.,  von  gV)  —  1661  lib  .  euuig  .  — 
1664  etan  .  eftho  |  —  1665    geuuedea  .  it  uuet  al  .  uual  |  dawd  god  . 

—  1666  thionod  .  uuel  —  1667  githat  —  1674  Ne  |  —  1679  uurt  frt 
lig.)  —  1681  Ina  —  1682  mer  —  1684  bethiu  (b  grösser)  —  1694 
uuerdan  .  them  teuuitea  —  gefprikid  .  bis  that  auf  rauhem  Pergament, 

—  1697  I  gim&  —  1700  it  eft  |  —  1703  Te  —  1705  halm  (1  aus 
Anfang  voti  r  corr.)  —  1707  lat  —  1709  mahtthu  (das  zweite  t  a.  Bas. 
für  Anfang  von  h)  —  1711  fo  —  aN  if  hob  |  de  .  (n  if  a.  Bas,)  — 
1712  middilgard  .  maNno  .  ||  —  1715  faca  .  endi  fundea  .  endi  habad  | 
im  .  felbo  mer  —  1719  |  uu&  .  —  1729  |  nefind  —  1731  |  them  — 
1737  fie  —  1741  giuuitun  —  1743  fagororo  —  1744  that  —  1748 
eumid  (i  und  der  letzte  Zug  des  m  a.  Bas.  von  d,  es  stand  cund)  — 
1757  fimbla  — ,  1762  thanan  —  1769  godef  .  anthefun  gardun  .  be  | 
thiu  —  1771  Oc  rot  —  1772  |  anthefumu  .  Höhte  .  —  1774  ftrata  . 
endi  bred  .  —  1780  atthemu  .  endie  ni  dugi  |  —  1785  ledea  .  (das 
zweite  e  atis  i  corr.)  —  1786  than  (t  grösser,  a  offen,  ist  atis  i  heim 
Schreiben  corr )  —  1797  cudeadiuuua  |  —  1803  thatalloro  (das  erstet 
grösser)  —  1811  thar  .  uuid  .  (uu  a.  Bas.,  von  th?)  ungi  |  uuidereon  . 

—  1813  ftene  .  anthabad  .  —  1814  uure  |  did  .  uuidar  uuinde  .  — 
1821  nemag  (n  grösser)  —  1828  Ne  —  1830  far  ftodun  —  1835  nc 
1837  heimtho  (das  erste  h  grö,^ser)  —  1840  giahe  |  —  1844  Nonamin  . 

—  1845  ge  I  huggead    —   huand   (h  auf  Anfang   eines  anderen  Buch- 
staben) —  1848  fo  —    1852  nelatad  |  —  1858  gimang  .  neo   —  me 
ti  forgot  .  —  1862  uuirdig  —  1865  that  —  1875  gi  .  —  1876  hebbeac 


4a 

—  1880  I  far  —  1882  uuefat  —  1883  fecneon  rfomaii  —  1888  nef- 
culun  —  1891  Namon  —  1892  bethiu  |  —  1894  githar  —  1903  betliiu 
(b  grösser)  —  1916  managa  —  1919  Nefmd  —  1920  Ac  —  1923 
thca  (t  grösser)  —  1924  huanda  (erste  Strich  des  u  atis  Anfang  vofin 
corr.)  —  1925  uu&  —  1927  bethiu  (b  etwas  grösser)  —  1929  than 
(t  grösser)  —  1933  ef  —  1935  mid  |  imu  (u  durch  Punlä  darunter 
getilgt)  —  1937  imu  (u  durch  Punkt  darunter  getilgt)  —  1940  ef  w 
grösser)  —  1947  fotun  .  —  iu  .  —  uuili  .  —  1962  uuet  —  19G4 
Thoh  —  1973  thar  |  uppe  .  —  fader  —  1976  gut .  far  gumfke  |  pi  — 
1977  godef  |  ogun  .  —  1980  rethinon  .  —  rikeon  .  thar  —  1981  niildi 
(das  erste  i  aus  Ansäte  von  1  corr.)  —  1987  herifkepi  manno  (r  o. 
Ras.  von  li;  if  kepi  manno  fidon  te  auf  rauhem  Perg.)  —  1988  hab 
dun  —  1995  enumu  (das  letzte  u  durch  Punkt  darüber  und  darunter 
getilgt)  —  1997  thar  —  2002  He  —  2007  gengun  —  2010  Thothar  |  - 
2012  tho  —  2026  te  —  2037  tho  —  2040  He  —  2046  themu  - 
2050  quad  (q  grösser)  —  2052  undar  —  2054  than  —  2056  than  (t 
grösser)  —  2057  gemarcod  .  |  —  menigi  .  —  2064  mid  —  20»»'» 
gebon  .  endigomean  .  —  2069  truodun  (t  grösser)  —  2074  That  — 
2078  themu  .  uuerode  .  —  2079  |  wamon  —  2086  |  uunod  .  an  uuil- 
leaN  .  —  2090  megin  —  2093  than  |  (n  aus  r  corr.)  —  2107  uui»r- 
dun  .  endi  mid  |  uuercun  .  —  2113  uuelono  .  ge  |  uunnen  .  —  2119 
Thoh  —  2122  biddieN  .  barn  godef  |  —  2124  faruurhti  .  |  (ti  lig.)  - 
2138  than  —  2142  |  thar  —  2146  fundea  (der  erste  Strich  des  n  trar 
etwas  länger  und  ist  altradiert)  —  2153  It  —  2156  halp  .  (1  aus  dem 
ersten  Zuge  eines  p  rad.)  —  2158  Giuuet  —  2160  bu  .  endi  bodlof . 

—  2163   Nimag   —    2174  uuaf  (das  erste  u  grösser)  —    2177    Naim  . 

—  2186  It  —  2187  Ne  —  2189  uunneaendi  —  2192  thar  —  219.) 
thu  (t  grösser)  fcalt  craft  |  fehan  hir  —  2197  Ne  —  2267  telande  . 
'liudi  .  —  2268  |  quam  —  2272  »io  —  2277  fori  .  undar  |  themu 
folke  .  —  fargab  ferh  .  —  2286  Ne  —  2293  endi  .  al  .  undar  |  if. 
cunnie  —  2296  thar  —  2301  Ni  —  2302  thaN  |  —  2318  Tho  —  2?^ 
He  —  2334  fnimo  (iAher  i  ist  u  ohne  Häkchen  überg,)  —  2341  se  - 
2353  es  stand  farlgaf  und  vor  der  Rasur  war  r  überg.;  dieses  r  und 
ilga  sind  rad.  und  rga  darauf  geschrieben)  —  2354  than  (t  grösser)  — 
ina  the  heland  —  2360  Ni  —  2369  giuuenid  .  mid  if  uuordun  .  — 
2375  huat  (h  a.  Ras.,  von  u?)  —  2379  |  Niuuelde  —  2412  thornol* . 
fo  —  2423  I  herro  —  2429  uui  .  —  uuerk  .  —  cumad  .  (a  durch 
Punkt  darunter  getilgt  und  lang  J  hindurch  geeogen)  —  2432  anduuodi 
(über  o   ist  r  ohne  Häkchen  geschr,)  —  2440  marien  .  huat  ikmende  . 

—  2448  it  .  be  .  —  duse  (ae  alt)  —  2460  ford  —  2462  Nio  —  2463 
If  —  2467  if  .  orun  .  to  .  —  2470  If  if  gilo  |  bo  (b  aus  u  corr,  r. 
alter  Hand)  —  2483  that  .  —  2486  habad  (h  grösser)  —  2489  treuua 
find  .  I  fogoda  —  2492  miflike  \  {e  eu  sl  corr.)  —  2502  than  —  250ti 
that  —  2511  Ni  —  2578  badun  —  2581  that  —  2582  Ik  —  2584 
thiuf  (t  grösser)  —  2585  |  buland  (la  rad.  aus  b  und  Anfang  eines  1) 

—  2591  anttatcl  .  allaro  (unten  auf  der  regelrechten  letzten  Zeüe  der  S. 
38»  steht:    •/.  bmudfpellef  megin  obar   max  ferid  .  endi  thefaro  uue- 


4d 

roldef  .  ThaN  if  nachgetragen)  —  2593  geripod  .  —  ri  |  kea  —  2594 
thaN  —  2597  |  thit  (das  zweite  t  aus  Anfang  von  h  rad.)  lioht  . 
fgifaun  .  (das  erste  Uad.)  —  2G15  Thaw  —  2627  |  that  —  2632  |  Lifit 

—  2635  anthemu  (u  aus  Anfang  von  o  corr.)  —  2636  brengid  .  irmin- 
thiod  .  I  —  2639  Niuuet  |  —  2642  uimag  —  2643  NÜhef  uuelon  .  nithef 
uuilleoN  .  1  —  2646  moti  .  (ti  lig.)  —  2647   than  —  thealiudi  .  to  . 

—  2648  galilseo  (das  erste  1  a.  JRas,  eines  Fleckes,  i  nicht  a.  Bas.^ 
ffio  auf  Ausgewischtem)  —  2652  Keif  (h  grösser)  —  2654  fiuat  (h 
grösser)  —  2656  KuancN  (h  grösser)  —  2660  Nihethar  —  2661  Niuuelde  . 

—  2666  giborcN  .  —  Niuueldun  —  2668  thsene  und  2669  cumsen  (se 
alt)  —  2669  fietun  (h  grösser)  —  2671  anthene  .  —  S.  39a  unten 
abgeschnitten  —  2672  Niuuaf  —  2677  |  Niuuaf  —  2678  Nimahtun  — 
2683  I  uualleNider  —  2688  wifo  ~  2689  fieNiuuaf  (h  grösser)  —  2690 
fo  —  undar  .  —  ftandeN  .  —  2692  Ke  (h  grösser)  —  2702  Re  (h 
grösser)  —  2707  Idif  —  2708  uueflode  .  |  tho  .  (t  grösser)  —  2713 
I  Nami  .  —  2714  ef  (e  grösser)  —  2715  nI  —  2716  Nihaba  —  2717 
Nifundeo  —  2718  uuibef  .  —  uuorduN  .  |  —  2724  Udo  |  cofpun  .  be  them 
liudiun  .  —  2731  fouuaf  —  2732  erg  (g  rad.,  dann  Lücke  gelassen,  um  lo 
einzutragen,  was  aber  nicht  geschah)  —  2736  quamuN  |  (qgrösser);  die  Seite 
ist  unten  abgeschnitten  —  2737  glad  modhugi  |  —  2739  |  drog  —  2745  fiet 
(R  grösser)  —  2750  lat  ~  2764  thiu  (t  grösser)  —  2769  Siu  ||  —  2775 
inneN  —  2776  that  —  2778  So  —  2789  Niuuard  —  2814  Imu  — 
2820  fedle  .  Tho  .  gen  |  gun  —  2821  te  themu  —  2825  nah  —  2836 
noh  (an  n  ist  noch  der  Ansatz  des  3,  m-Striches)  —  2844  Nihabdix  — 
2845  fiui  .  anufaru  |  ferdi  .  —  2846  menigi?  |  (Fragezeichen)  —  2852 
that  (das  erste  t  grösser)  —  2853  mikil  |  (kil  sc/^int  nachträglich,  aber 
von  derselben  Hand  hinzugesetzt)  —  2865  S.  42a  unten  abgeschnitten.  — 
2866  Het  —  2867  |  thar  —  2869  that  (das  erste  t  grösser)  —  2874 
tho  —  2879  gehui  (Loch)  likef  .  —  2881  Nuhefulic  —  2882  alle  .  gi- 
uiiard  I  —  2884  Niuuaf  —  2888  |  Nidedin  —  2891  bethiu  —  theroh 
(e  rad.,  aus  den  Besten  u  gemacht;  o  rad.)  —  2893  Namon  |  Ni  — 
2904  Ni  —  2906  tho  letun  fie  fuide  an  ftrom  —  2910  Ncbu  |  lo  — 
Nathidun  —  2912  Ncriendo  —  2913  uuarode  |  (de  später  v,  ders.  Hd. 
zugesetzt)  —  Tho  —  2921  Nimahte  —  2928  Ne  —  2929  Ik  —  2930 
fee .  fcal  —  2931  mundon  .  —  meri  ftrom  .  —  2933  Niuuelde  —  2934  uuiti; 

—  2936  mi .  thaN  —  tethi  .  —  2939  gangan  |  (das  zweite  n  aus  m  rad.)  — 
he  —  2943  andradex  .  diap  |  uuater  .  —  2950  thiodo  —   2952  huat 

—  2957  ine  ||  (e  könnte  aus  o  corr.  sein)  —  2965  Tho  —  2975  eli- 
thioda  —  2978  Imu  —  2986  cunnies.  —  2987  helagna.  —  2989 
atendi.  (t  aus  Anfang  von  n  corr.)  —  3005  nc  |  —  3019  Ruat  (h 
grösser)  —  3025  mikilif  —  3029  That  —  3037  gerno  (e  mit  Ra.^. 
aus  o)  geuunoduN  .  (e  ohne  Ras.  aus  o)  —  3043  Sum  —  3045  Sum 

—  3047  Alle  —  3049  uuordun  .  giuu  .  —  3062  quad  .  he  —  Nimahtef 

—  3063  Ne  —  3064  |  Acdede  —  3066  diurlico  —  3069  peter  .  — 
stone.  —  3071  I  Ni  —  3075  Thu  —  3079  So  huene  fo  |  —  3088 
iNnan  —  3091  craft  .  fan  .  —  3097  Nif  —  3101  huat  |  —  3105  thea- 
Nimotun  —  3122  Berhtlic  —  3131  thar  —    3134  So  —  3144  uuol  | 

Ni«derd«ataohea  J»hrbiioh  XXL  A 


50 

can  .  fken  .  —  3150  |  themu  —  3151  ThoNimahtuNthea  |  —  3157 
Niandredin  —  3170  uueroldi  fopita.  Lux  |  (nicht  am  Rande)  —  3177 
thef  —  3181  he  .  II  S.  47«  unten  abgeschnitten,  —  3184  thar  —  3186  Re 

—  3198  giuuaro  .  uualdand  crift.  j  Imu  Kimahte  —  3200  gehuilikef 
(k  aus  c  corr,)  —  fiet  —  3206  max  |  ne  .  —  3218  fculdi  .  en  |  di 
fcattof .  —  3219  NÜcal  —  3220  m  —  3226  rad  .  j  faga  .  —  3230 
if  .  fundea  j  —  3233  j  Odo  —  3236  Neuuili  .  —  3244  drohtin  (n  rad., 
aber  noch  bu  erkennen)  —  3245  ||  Seal  —  3248  angegin  .  —  3250  j  Ik 

—  to  (o  aus  angefangenem  h  rad.)  —  3254  hiuuifkef  |  (ifkef  scheint  ton 
alter Hd. nachgeschr,)  —  3255  nu  —  uue  fen  —  3263  Nif—  3271  nc  -- 
3272  ne  |  nidin  .  ne  hatul  —  3275  than  —  3276  himil  |  rikeaf  . 
(über  und  unter  a  Punkte  der  oberste  wieder  ausgekratzt^  der  unterste 
angekratzt)  —  3277  |  fprak  (nach  a  ein  falsch  angesetzter  Strich  rad.) 

—  3279  Ni  —  3284  |  thu  Thu  that  —  wimeN  .  —  3285  farcopicN  .  j  (e> 
könnte  von  älter  Hd.  später  nachgeschr,  sein)  —  3293  uuende  (das  erste  u 
grösser)  —  3297  iungarun  .  geginuuardun  .  —  3298  unodi  .  —  3291* 
man  |  olbundeon  —  3303  giuuendid  .  as  |  thene  uuerold  fcat  .  —  3304 
Modgithahti  .  —  3307  uimeN  |  —  3309  egan  |  endi  .  erbi  —  3311 
huat  (h  grösser)  —  3312  telone?  (Fragezeichen)  —  3319  dadiuN  . 
(iuN  könnte  nachgetragen  sein)  —   3321  minamin  |  nea  (e  ai^  i  ctny.) 

—  3325  euuig.  lif . —  3327  quad  (q  grösser)  —  3334  thaN  (t  grösser)  — 
3340  Nimofte  —  3341  Ne  —  3346  Niquam  —  3356  uuihti  .  (ti  lig,)  — 
3357  fuarton  (rt  lig.)  —  3359  tbanen  |  —  3367  |  Sendi  —  3368  gefforea 
(das  erste  eausicorr,^  das  zweite  {rad.^  das  erste  mit  o  unten  durch  Haken 
verbunden)  —  3370  nu  if  |  —  3374  if  .  mi  .  nu  (u  aus  d  rad.)  — 
3377  huat  —  3379  uuiti  —  3383  Ni  |  mag  —  3384  It  —  3385  Nimag 

—  3392  Sie  —  3393  Ik  —  3399  ef  —  3403  |  Niuuilliad  —  3404 
Nihoriad  —  3409  uuordoN  .  (das  zweite  o  aus  u  rad,  u.  corr.)  — 
3412  I  Quad  —  3414  thef  (h  a.  Ras.)  —  3491  teNonu  —  3493  ge- 
frodot  I  (ot  v.  ders.  Hd.  am  Rande  nachgeschr.)  —  3497  Nimag  — 
3498  dadi  .  —  gefrumide .  —  3500  hludo  .  —  3501  mahtigne .  —  uuerde . 
Ni  —  3502  fo  —  3503  far  uuernieN  .  —  finef  .  |  -  3508  gibid.  he  —  3512 
I  Nam  —  3513  fülle  .  (11  a.  Ras.)  —  froiaN  .  —  3515  |  folate  uuerdCan  ^ 

—  3520  thef  Ni  |  —  3522  thar  —  3525  thar  —  3529  endi .  —  3530  Sie  — 
3531  Ik  —  3535  si  —  3543  uueldun  .  —  hierufalem  —  3548  (thero  meni 
gi  thar  faten  j  tuenie  (über  thero  meni  ist  pvaa  geschmiert)  —  35r>< 

frah  modhugi  .  —  3568  Niuueldun  —  3570  Heleand  —  3572  liftiun  . 
üo  —  3573  uuilliad  |  (liad  könnte  von  alter  Hand  nachgeschrieben  seiri} 

—  3584  S.  52a  unten  abgeschnitten.  —  3585  Geuuitun  —  mid  .  imu  .  — 
3596  Ac  —  te  Nah  .  —  3605  antheru  —  bethiu  —  3607  huand  .  fiu  . 
ine  .  ni  .  antkiendun  .  craftagne  (c  aus  i  corr.^  t  a.  Ras.)  god  .  —  3611 
Satun  —  3613  Siu  .  Ni .  mähte  —  3618  antkennieN  .  uuel  —  862" 
huggieN  .  endihorien  —     heliandef  .  —  3623  lahuat  —  3624  labe  huiu 

—  3626  Thiu  |  —  3628  gehuilikef  duod  .  oder  |  uueder  .  —  36.S7 
gifahin  .  ßnfconi  —  3639  tho  (t  grösser)  —  3641  fatun  .  anfundiun  — 
3642  affobuN  |  (buN  nachgetragen)  —  3645  tho  —  3649  fie  —  365:5 
Open  —  3658  imeridun .  —  3659  Sodot  —  3661  fidur .  —  3663  seuuituu 


—  3665  Sodod  —  Noh  —  3667  geliuhte  .  mid  if  lerun  .  —  3671  wahide 
Neriendo  —  3672  quam  |  —  3674  Antfengun  —  3679  theru  |  nachgetr. 

—  huarf  —  3680  |  loffang  .  hof .  —  3686   thset  (die  e-ScMeife  rad.) 

—  3695  thaN  —  3696  Lediad  —  managse  .  to  .  —  3697  ordof  . 
endieggia  |  —  3700  felliad  .  folduN  .  Niafftad  —  3705  m  \  —  uuifadd 
(das  erste  d  aus  n  corr.^  das  Mweüe  ausrad.)  —  3706  imu  —  3712 
Thiu  —  3722  tho  (t  grösser)  —  3726  |  »i  —  3728  Nimotin  —  3734 
geng  .  —  huf .  I  —  3739  that  —  3740  |  Dref  —  3746  uuehlf  (unten 
gwischen  1  u.  f  steht  a;  dieses,  sowie  If  sind  rad.)  —  3749  fo  —  3756 
uuerode  .  huand  .  —  3758  fora  (o  ist  an  a  angelehnt^  dessen  Schleife 
noch  dasteht)  —  3762  godu  uuebbiu  —  3763  that  —  3769  /-  brahti 
I  geba  .  —  3773  uuidouua  |  (uua  könnte  v.  alter  Hd.  nachgetragen  sein) 

—  3776  Bethiuü  (n  rad.)  —  3778  thef  —  3782  ftod  —  3783  /  uuord 
/  godan  /.  fuotea  (das  letete  a  au^  Anfang  von  f  corr,)  —  3802  Nif  — 
3804  I  Neuo  —  3806  Nimag  —  3813  if  —  3817  |  Nifcal  —  3823 
Uuaf  —  3828  rumuburg  .  the  |  allef  —  3829  geuuald  .  —  3834  m  \ 

—  3837  uuar  |  dode  .  —  3840  SieNiuueldun  —  3850  menegi .  — 
8854  HU  —  3855  faga  —  3857  Ef  —  3860  Ef  —  3863  uueldun 
(das  erste  u  grösser)  —  3867  |  Tho  —  3872  Nimahte  —  3875 
üiuuaf  —  3877  ftandcN  (offenes  a  aus  u  corr.)  —  3881  |  the  (e  a. 
Ras.)  —  3882  theru  —  3888  uundrun?  |  (Frageeeichen)  —  3889 
niomaN  |  (n  scheint  nachgeschrieben)  —  3892  neo  uuiht .  quad  he  .  — 
3896  thaH  —  3900  habdun  —  3905  habdun  (d  aus  b  corr.)  — 
3908  heanmiddicN  —  3922  es  stand  hebencung  (gleich  beim  Schreiben 
durch  Verwandlung  des  g  in  i  und  den  ersten  Strich  von  n  ist  dar- 
aus cuning  .  gemacht)  —  3928  gelmode  .  |  iudeon  —  3930  fram- 
modaga  |  —  3933  leriand  .  |  —  fie  .  kumad  —  3935  Nif  —  3936  Nio 

—  3938  kumid  .  —  crafte  .  that  |  —  3941  nach  ftedi  Ras.^  von  a, 
tcie  es  scheint  —  3943  Niforhtodin  —  3945  Nuuuilliad  gimi  —  4017 
frubreaN  .  (o  scheint  jünger)  —  4028  mo  :  karag  (Ras.  eines  Anfangs 
von  k)  —  4032   Nidorfti  —  4041  |  Ik  —   4054  bediu    (e  aus  i  corr.) 

—  4056  lif  (f  aus  Anfang  von  1  corr.)  —  4057  Thoh  —  4058  Nif  — 
4059  flefk  .  if  biuoIheNthat .  ferah  if  |  gihalden  .  —  4061  thu  (u  aus 
Anfang  von  e  corr.)  —  4065  idifiu  .  quam  |  —  4067  tho  —  4069 
Rofnu  (h  grösser)  —  4073  |  fpracun  het  (cun  rad..,  h  auf  den  letzten 
Strich  des  radierten  n  geschr.)  —  4075  lag  |  —  4079  marrha  (rx  lig.) 

—  4090  tho  —  4092  gihorif.  |  quad  he  —  4093  figidrohtin  .  felboik 

—  4094  Ac  —  4098  la  —  4100  beuundeN  (b  ist  ursprünglich^  daran 
ist  corr.,  es  scheint  ein  i  herangeschrieben  eu  sein)  —  4101  het  |  — 
4103  uuanu  —  4107  m  \  —  4108  gefueft  |  —  4119  gihuor  |  hex  . 
hugifkefti  .  —  4122   Niuueldun  —  4124  uunnun  .  mid  iro  |  uuordun  . 

—  4129  im  I  kriftef  —  4140  than  —  4142  |  thax  —  4144  gierod  |  — 
4166  That  —  4174  githoloiaN  .  —  4178  muuaf  |  —  4179  Ke  (h 
grösser)  muuelde  —  4182  torohteon.  ||  tidio  .  —  4189  te  b&ha  |  nia 
brahtmu .  thiu  mikilun .  —  4195  Imuall  —  4197  NimotuN  .  |  —  4203 
bed  —  4206  martha  (rt  verschlungen)  — .  4207  thiodo  —  4211  or- 
lobu  .  godu  .  I  —  4213  ford  .  mid  thiu  folcu  —  4216  uuarodun .  —  4217 


52 

tliieNiuuelclun  —  4218  |  xite  —  4219  NihabduN  |  —  4222  farfengu>- 
(uN  nachgetr,?)  —   4224   Ac  |  —   4225   antlangandag  .  (vor  d  «^  a 
überg.)  —  4227  ine  (nach  e  Bas.,  toie  es  scheinty  von  angefangnm  ri 

—  4231  uuaf  —  4233  felidun  (li  aus  d  rad.  u.  corr.)  —  4237  oliiiü 
biNamoN  .  |  thar  —  4238  Neriendeo  —  4240  uuifle  .  |  ti  uuarun  .  — 
4241  So   —  4246  thar .  —  4250   diurida  .  antfahcN  .  —  4251  fagde 

—  4252  I  fiet  (h  grösser)  —  4254  NimaN  .  —  4255  hertan  .  (rt  ter- 
sddungen)  —  4260  Ja  —  4265  Niuueldun  —  4266  moftux  |  (u  su 
offnem  a  corr.)  —  4268  |  m  —  4272  lac  —  4275  gumon  .  —  429: 
lac  —  4298  Nimag  —  4300  |  weit  —  4309  |  er  he  —  4311  lac  - 
3ifaerkad  |  —  4314  Biuod  —  4319  uuerold  .  alla  .  —  4325  uuirdid 
(das  erste  u  grosser)  —  4329  uimi&  (  grot  —  4330  hungar  .  hetigrim 

—  4331  Nif  I  —  4332uuiteo  .  anthefaru  uueroldi .  —  4337  Himilcraftei 

—  4338  drohtinef  .  mid  if  |  diuridun  .  —  4340  thanlie  —  4346  Nimot . 

—  4347  gefullid  .  |  f o  —  4352  gi  a.  Ras.  —  4355  fora  —  43«! 
lazto  .  —  I  liohtef  —  Niuuitun  .  —  4366  So  —  4374  Sofarungo  — 
kumex  .  fo  uuard  er  .  —   4377  |  bethiu  —   4383  ThaN  |  —  4390  So 

—  4392  gi .  —  thea  thar  —  4394  Xu  —  4401  giuuarun  —  4404 
bethuimgana  (das  letzte  a  rad.)  —  thefaru  (a  aus  u  corr.)  —  4406  huat 

—  4409  Namon  .  —  4410  godef  far  gabun  (UmsteUungseeichen  über 
o  und  a)  —  4413  |  minaNn  (das  Utete  n  rad.)  —  4415  be  thiu  — 
4418  maNnun  .  —  fculin  .  —  ant  |  gelden  .  —  4420  forflocaane  (ios^ 
letzte  o  aus  a  rad.  u.  corr.^  das  letzte  a  rad.)  —  über  euuig.  ist  Ras. 

—  4423  fiuand  (h  grösser)  —  Nihulpun  —  4425  geng  .  iamer  mod. 

—  4426   thaNik  —   4428  xiuueldungi    —    4429    Niuuaf   —   4433 
huan   —  4434  huat   —    gebun   (b  a.  Eos.  von  p)  —   4436    than  (t 
grösser)  —   4439    igi  (das   erste  i   rad.)   —   4440   i^iuuer  |  nidun  — 
bethiuNiuuili  —   4441    gianthat  —  4452  uuid  godefriki  .  auf  rauhm 
Perg.  —  4457  fiuat  (h  grösser)  —  4460  uuerof  (das  erste  u  a.  Eas.i 

—  thef  —  4466  uurdun  —  4469  |  craftag  (cra  rad.^  doch  noch  lesbar, 

—  4470  fie  1—4472  Nifcoldin  .  —  4475  farftandeN  .  ||  mid  ftridu .  - 
4476  frefon  .  —  4477  xi  —  4484  ef  —  4498  meron  (e  aus  Schkifr 
von  a  corr.)  —  4502  tho  —  4506  foti  .  mid  folmuN  .  —  4516  thuit 
grösser)  —  4517  godo  .  —  hando  .  —  4518  thua  |  hanne  .  —  moti- 

—  4525  fridubarn  —  4526  Geng  —  4528  mahtigne  —   4543  thar 

—  4544  thar  —  uuif^kumo  .  |  (Haken  alt)  —  4548  Niuuaf  —  454' 
thar  —  uuard  —  4553  eo  .  endi  ald  fidu  —  4560  grotte  —  |  Ik  - 
4563  delien  (das  erste  e  aus  i  corr.)  —  4564  Nimot .  —  4568  uuiti 

—  uunder  quäle  .  |  —  4575  ac  (a  offen^  aus  c  corr.)  —  4580  that  - 
4583  uuet  (das  erste  u  im  ersten  Striche  aus  1  corr.  ohne  Bas.)  — 
4585  than  —  nimid  .  (n  aus  r  corr.)  —  4590  thea  —  4596  .segi- 
dorftuN  .  —  4598  Negidorfte  —  felbo  (b  aus  u  corr.)  —  4607  uf  - 
4614  mofef .  —  mannun  .  —  4615  iudafe  (u  aus  d  rad.)  —  4617  faran 

—  frumi  —  4619  thiu  —  4626  foifthemu  —  4627  himile  .  fcal  —  4li3i' 
uuaf  —  4631  funudrohtinef  —  4638  githef  |  liohto  .  —  4640  driNkan. 
(der  erste  Strich  des  n  zu  lang  geraten)  thit  —  4643  ^ihuggeat  -— 
4647    habbad  (über   dem   zweiten   a  ist  i  überg.)  —  4650  max  .  j  — 


63 

middil  gard  .  —  minnea  .  giduan  .  —  4651  5ehuggiad  —  4655  irmin- 
thiod  (r  aus  n  corr.)  —  4656  gifind  —  4660  fimlun  —  4661  |  Ik  — 
4662  Nimugi  —  4663  Ik  —  4664  Negiftodi  .  —  4667  gi  —  4668 
luuuef  —  4670  maNnuN  .  |  —  4741  coftondero  craft .  farftodi  —  4743 
Nimahti  —  4744  lak  —  4750  If  —  4753  barne  .  the  |  geft  .  —  4756 
Niuuelde  —  4757  acdrobde  .  —  dode  .  —  4760  uualdand  .  —  uuor- 
dun  .  —  4761  Nefi  —  4766  NÜeh  —  4778  thiu  —  4780  nü  —  4784 
uuilleeN  (das  erste  e  aus  i  corr.,  das  zweite  durch  Punkt  darunter  ge- 
fügt, a  darüber  geschr,)  —  4785  hebbiad  |  —  4786  imu  .  —  thancN  . 

—  4789  jodef  —  4791  he  —  4792  ford  .  |  an  flite.  —  4793  nimag 
(ni  aus  m  corr.  ohne  Ras,)  —  4798  geng  —  4801  er  .  dede  .  —  4804 
GeNg  —  4815  thea  —  4818  Nifarfen  |  ginthar  .  —  4821  thene  — 
4841  foniutlico  (das  eweUe  i  a.  Ras.)  —  4849  fagdse  (se  alt)  —  4853 
uuider  uuardef .  that  uuerod  —  4854  Uuarun  —  4858  ftoduN  — 
4867  henimahte.  —  4871  wiauaf  —  4872  bloth  .  ax  if  breoftun  .  |  — 
bil  (darnach  scheint  li  rad.)  —  4878  |  hlear  .  endiore .  —  4881  |  thoftod 

—  4888  engil  .  herod  —  4890  |  Niftodi  —  4892  ac  (a  grösser)  — 
4895   Nifculun  —  4896  hue  (h  aus  b  rad.)  —  4899  üui  —  |  NifculuN  . 

—  4908  thaN  —  4909  diurlic  .  ||  —  4920  Ac  —  4923  Nebifprak  .  — 
4929  geng  —  4931  uuarun  —  thea  (a  offen,  aus  i  corr.)  —  diurioN 
I  tho  gefuikane  .  —  4936  Nimahtun  —  4943  thar  —  4947  uuaf  — 
4949  hof .  innaN  —  4951  mlet  —  4954  thar  —  4961  Nibikonfti  .  — 
4962  Nithef  |  —  Niuuari  .  —  4965  huarabondi  |  Geng  —  4968  iuuaan 
(das  erste  a  rad,)  —  4971  nid  huata  .  (h  aus  erstem  Striche  eines  u 
corr,)  —  4974  uuifoN  (o  aus  u  corr.,  n  später  zugesttet)  —  4975 
Niuuelda  —  4979  ge  marcode  .  —  4980  far  uuardot .  anthefaru  uue- 
roldi  .  I  —  4986  uueldi  —  5005  hertcara  .  (rt  verschlungen)  —  5006 
HeNiuuande  —  mahti  .  —  uuiht .  —  5007  firinuuerk  .  furdur  .  —  5013 
ef  —  5016  liohtequam  .  (e  aus  q  rad.)  —  5020  nu  —  5027  fne  thegno 
(fne  rad.)  —  5028  It  —  5029  fie  (h  grösser)  —  5031  hullike  (langes 
I)  craft  .  habet  —  5039  mikilun  biderbi  —  5041  gesuikid  .  — 
sundeo  .  —  5046  Nifcoldi  —  5049  Nifterkit.  |  —  5051  |  huurbun  — 
managa  (über  ga  Ras.)  —  5056  manag  —  5058  uuard  (das  erste  u 
grösser)  —  5061  uuredef  (das  erste  u  grösser)  —  gengun  —  5067 
Nimahtun  —  5072  tellicN  .  an  .  —  5078  sifprak  —  5083  lac  — 
5084  Namon  .  —  5087  uui  (das  erste  u  grösser)  Nimugun  —  5088 
Neanthinun  uuorduN  .  wian  —  uuerkun  .  —  5091  thef  m  |  —  Niuuilliad 

—  5092  Nifind  —  5102  that  —  5104  huat  —  5106  uuordun?  | 
(Fragezeichen)  —  5108  Vuitief  —  5117  |  ftod  —  5120  »ibalg  — 
5124  I  thar  —  5125  thar  —  5132  uuarlofe  —  5138  Niuueldun  — 
5140  II  themu  d(a)ge(derbief)  u(uiht)  ad(e)Iie(n  ne)g(ihor)din  .  — 
5154  thiod  (t  grösser)  —  5158  huat  —  uf?  (Fragezeichen)  —  5162 
Negidorfte  —  5163  For  —  5174  fr(ummi)a  (nuue)l(din  T)h(otha)r  |  — 
5178  Niuueldun  —  5182  be  —  5184  gileftid  .  Niga  j  uin  .  —  5186 
he  —  5188  I  Ni  —  5197  iuuuaro  (o  aus  u  corr.)  —  5189  Nimoftin  . 

—  5199  anthe  helagon  tid  |  —  5200  uuerdcN  .  mid  uuapnun  —  5204 
Nahor  —    5207  fpri  |  kif .  quad   he  .  —    5212   Nigadoling  |  —   5215 


64 

huat  —  5227  that  —  (dies  Blatt  ist  an  der  rechten  Seite  beschnitten) 

—  5240  begunni  .  angalileo  lande  .  |  —  5241  heroduuardef .  thanex  . 
hugi  (h  grösser)  —  5255  he  —  5260  Namin  .  —  5969  fan  (a  unsicher) 

—  5971  gode  .  ledda  fie  .  ut  thanan.  —  5983  uualdandef  —  Von 
den  4  Schlusszeilen  ist  nichts  zu  lesen^  die  untere  Hälfte  der  Seite  ist 
abgeschuitten^  die  Rückseite  leer. 


3.   Das  Prager  Brnehstfiek  (Facs.  bei  Gallee). 

Die  N  sind  sämtlich  niedrig.  Ich  notiere  nur,  warin  ich  ettms 
zu  Lambels  Texte  zu  bemerken  habe. 

Erste  Seite:  Z.  1.  Das  ;  nach  lera  ist  viel  jünger.  —  Z,  2 
lang  noch  erkennbar;  nur  der  obere  Teil  von  1  fehlt  —  afta  deutlich, 
von  r  noch  der  Schaft  erhalten,  das  Häkchen  durch  das  folgende  Loch 
vernichtet  —  ein  zweites  Loch  ist  zwischen  Z,  1  u.  2  von  fan  bis  giu. 
und  nimmt  zum  Teil  die  Schrift  fort.  Einige  Buchstabenreste  (nament- 
lich lilea  und  ue)  sind  durch  Reagentien  verdorben.  Zu  erkennen  ist 
noch  fan  ga  :  :  :  :  agiu  (vom  zweiten  u  noch  der  erste  Strich)  :  t  jodaf 
(5(>daf  füUt  nicht  ganz  die  Zeile,  oben  Niuua  und  unten  fuokeair  geU 
etwa  um  3  Buchstaben  darüber  hinaus;  indessen  ist  nichts  weggefallen) 

—  Z,  3  dioilic  (d  grösser)  —  Z.  4  Uiiaf  (U  etwas  verdorben^  vorn 
ausgerückt)  im  (abgeschabt,  aber  lesbar)  —  all  (sl  grösser)  —  Z.5£o  —  Z,  6 
nach  if  scheint  ein  Punkt  zu  stehn  —  thar  (t  grösser)  —  Z.  7  allan  (das 
erste  a  grösser)  —  Z.  6  liodi  (das  zweite  i  verdorben,  aber  deutlich)  — 
dopta  (d  grösser)  —  nach  diorlico  scheint  ein  Punkt  zu  stehn  —  Z.9 
fioldaN  (h  grösser)  —  nach  herraN  scheint  ein  Punkt  zu  stehn  — 
Z.  10  thef  (t  grösser)  —  Von  Z.  11  ab  wird  es  undeutlich  —  Z.  11 
mid  (d  sicher)  darüber  steht  .  im  thuo  ,  Idein  übergeschrieben,  ist  ziau 
durch  einen  Bruch  im  Pergament  verdorben,  doch  noch  gut  lesbar  — 
uuorduN  t :  o  (vor  diesem  o  noch  der  erste  Strich  des  u  erkennbar. 
der  nicht  krumm  ist;  im  hätte  gar  nicht  dastehn  können)  ku  (untere 
ein  kleines  Loch)  —  thu  te  noch  erkennbar,  dann  eine  Lücke,  too  iii: 
gestanden  haben  könnte,  dann  wa  |  —  Z.  12  drohtiir  (ün  undeutlich} 
fronÜN  thiod  (t  grösser)  gumo  :  o  (eher  n  als  n)  bez  :  :  (von  z  tiocA 
eine  charakteristische  Spur  sichtbar,  darnach  Raum  für  zwei  Buchstaben} 

—  Z.  13  fo  fco  verdorben,  aber  lesbar  —  h  :  :  Nd  (von  u  nach  h  tim 
eine  Spur,  h  grösser)  thu  b :  ft  allaro  |  (das  zweite  a  unsicher,  o  auf  Bruch: 

—  Z.  14  kuningo  (k  scheint  mir  sicher,  wegen  der  charakteristische 
Strichkreuzung)  craftagoft .  (noch  ganz  gesehen;  der  Punkt  v.  j.  Hd., 
oder  ein  Fleck?)  —  felbo  (Strich  noch  erkennbar;  nach  o  ein  Fled:* 
:  ibod  (g  durch  Fleck  vernichtet)  U:aldand  (letzte  d  unklar)  —  Z.  li 
u:ar  lico  (vom  ersten  u  und  von  a  nur  Spuren)  tha  :  :  :  :  nI  fpraki 
(von  p  Spuren ;  i  unsicher)  th  :  :  :  (von  t  w.  h  nur  l^mren)  :  :  :  rd : 
:  :  :  n  :  :  r  —  Z  16  Uueft  (U  auf  den  Band  ausgerückt)  —  that  (das 
zweite  t  tioch  erkennbar  trotz  eines  kleinen  Loches)  —  nach  gerilitl 
oben  zwei  kleine  Löcher  —  quad  (d  sicher,  einen  Strich  habe  ich  nicht 
bemerkt)  —  allaro  (o  unsicher).  —   V.  Z.  17  ab  deutlicher:  gehuilic  . 


55 

(e  deutlich)  —  ax  (a  grösser)  —  Z.  18  nach  uuilleaN  das  ;  viel 
jünger  —  3iohannef  —  dopta  (d  grösser)  allaN  dag  |  (axda  verdorben) 
Z.  19  uuatara.  :  »di  (i  unsicher)  —  Z.  20  fierraN  (fi  grösser)  heba^- 
kuüing  handuN  (u  sicher^  der  Schein  des  o  ist  durch  Schmutz  hervor- 
gerufen) —  Z,  21  finum  .  aN  (a  grösser)  —  Z,  22  aN  (a  grösser)  — 
Z,  22  upp  (beide  p  sicher)  —  fagar  (f  grösser)  —  fluoda  fridu  (a 
sicher,  das  letzte  u  noch  lesbar).  — 

Zweite  Seite:  Z.  1  ;  nach  uuard  jünger  —  Z.  2^  (von  So)  ist 
rundliches  S  wie  V.  994  in  giohannes  —  von  d  nur  der  untere  Teü 
erhalten  —  thu  (von  u  der  cbere  Teil  durch  das  Loch  vernichtet;  von 
i  vor  d  und  vor  laf  nur  die  unteren  Teile  als  Punkte  erhalten)  —  nach 
laf  scheint  ein  Punkt  von  jüngerer  Hand  zu  stehen  —  Z,  3  fon  (f 
grösser)  —  Z.  4  im  (m  im  zweiten  und  dritten  Strich  beschädigt)  — 
die  Glosse  gitalaf  gut  geschrieben   von   derselben  Hand  —  Z,  5  diur- 

licaro  (d  grösser)  —  Z,  0  ahflo  .  (n  von  alter  Hand)  —  uualdan  — 
Z.  7  filud  (fi  grösser)  —  Z.  9  nach  gicoranaN  scheint  ein  jüngerer 
Punkt  zu  stehen  —  Z  10  felbo  (f  grösser)  —  thiefuno  |  —  Z,  16  ; 
nach  alouualdand  ist  jünger  —  Z.  17  uuefaN  (das  erste  u  grösser)  — 
Z,  18  drohtinaf  (d  grösser)  —  Z,  19  uuerof  (das  erste  u  grösser)  — 
fohuar  .  (Punkt  jünger)  —  Z,  20  thana  (t  grösser)  —  Z,  23  diorlic 
(d  grösser). 

Die  Hds.  trägt  die  Bezeichnung  XYI  D  42  und  liegt  jetzt  in 
einer  Mappe.  Die  Masse  entsprechen  genau  Lanibels  Facsimüe.  Der 
Bibliothehsstempel  steht  auf  der  zweiten  Seite  links  von  Z.  13  u.  14. 
Das  Blatt  ist  durch  Wasser  und  an  einigen  Stellen  auch  durch  Be- 
agentien  verdorben. 


4.  Die  Yatikanisclie  Handschrift 

a.   Heliand  1297—1358. 

beginnt  Seite  27r^  Z,  16;  1279  Nahor  — 1283  Niüd.  —  1286  [eLÜmderÄccent 
scheint  zu  i  zu  gehören.  —  1293antl6c.  —  1302  od.  |  muödi.  (d  etwas  ver- 
wischt) — 1305  muotun.  —  1 307  muotun  —  gebidan.  (Accent  geht  durch  den 
Anfang  eines  irrig  angesetzten  d-Schaftes)  —  1308  |  fäligafindök  (das 
erste  f  grösser)  —  1309  aduomean  —  1310  es  stand  zuerst  bidriegan. 
(aus  d  wurde  k,  aus  ri  das  n  corr.)  —  1311  Neuuilleat  —  1319 
xeätan  —  1324  Nikumit.  —  1326  thar  (ich  hcdte,  was  über  a  steht^ 
nicht  für  Accent ^  die  Photographie  führt  irre)  —  1328  uuili.  (das 
zweite  i  etwas  verwischt)  —  1333  all  (a  grösser)  —  1335  g  in  godaf 
mir  deutlich  —  1337  aftarthelun  (über  dem  zweiten  t  Ansatz  eines 
zu  früh  angefangenen  h)  —  1340  fpraka  (nur  das  letzte  a  unsicher)  — 
1344  garo  (Accent  deutlich,  nur  etwas  verwischt)  —  1347  VmvRt  (das 
letzte  i  verloschen^  aber  noch  deutlich)  —  1348  gibidig  .  —  1350 
Narouuora  —  1353  nc  —  1355  ich  konnte  nur  thann  |  erkennen;  die 
Photographie  zeigt  das  e  allerdings  deutlich  —  i  in  kumit.  abgekratzt^ 
nicht  absichtlich. 


56 

b.    G  e  n  e  8  i  s.  i 

1  Das  erste  ü  in  Uuela  ist  überklebt,  —  vor  habaf  Bas,  ton  l 

—  (oben  steht  ela  that  thu  nu  eua  ha)  —  2  nu  —  |  fuai-ton  (fu  überlleU, 
aber  erkennbar)  —    5  gelihc.  (der  Accent  geht  durch  1)  —  10  fida  v\ 
noch  deutlich  erkennbar;  darnach  Reste  eines  Buchstaben  r?  z?)  —  12 1 
hungar.  endi   thruft.    —    thuingit   (über   thuing  Basur;    ich   lese  mir| 
giemlich  sicher)  —  13  uüit  (der  Accent  könnte  auch  ein  Best  früherer.  \ 
jetet  radierter  Schrift  sein)^ —  14  nu  (u  durch  Beschädigung  des  Perl 
gamentes   verletzt)  —   eftou  —   an  (unter  dem  eioeüen  Striche  des  n 
ein  Punkt)  —  |  uuit  (das  erste  u  noch  überklebt)  —  liatlia  (der  AcoM , 
geht  durch  den  Schaft  des  h)  —  uuefan  p)  (vgl.  F.  153)  —  16  nortlm, 
(d  war  durchstrichen,  der  Strich  dann  rad.)  —    17  kumit  (k  ist  über- 
klebt) —  19  h&o  —  22  nefk  :  :  :  a  |  ne  (von  n  nur  der  zweite  Sind 
sichtbar)  fcura  .  —  nach  liier  Bas.  von  zwei  Buchst.  —   24  |  tehui  it 
überklebt)  —  uuit .  —  25  heban  rikean   —   26   uualdand    al  :  : : : :. 
Von  der  letzten  Zeile  sind  nur  Beste   hoher  Buchstaben  eu   sehen.  — 
30  legar  bedd  .  (r  in  Bas.)  —  31  thuo  frak  (über  r  steht  p  mit  Punli 
darüber  u.  darunter)  —  32  Uualdand  |  —  34  |  tho  —  35  habda  (Struk 
durch  d  rad.)  —  36  uuaffo  |  sicher   —   40   uuande   —   42    thuo  |  — 

45  blodig  (b  aus  p  rad.)  —  51  tedroh tina  (t  ganz  deutlich)  —  öj 
thuo  —  56  garoo  .  —   57  That  —    58  foik  |  —  hugi  .  quadbebenin 

—  59  fluog  (1  auf  ursprüngliches  u  geschrieben)  —  60  nuuuet  |  — 
62  fomi  —  fuidaron  (r  etwas  verwischt,  o  verschmilzt  mit  dem  ersten  Strich' 
von  m,  über  dem  letzten  Striche  des  m  ein  Punkt)  —  66  es  steht  tiunou' 
(es  kann  kein  offenes  a  sein)  —  69  thuo  —  70  Hebanef  —  hier- 
fcalt  —  71  libbian  .  —  thoh   —    72  f&eaN  (vor   e   ist   t   mit  Pmh 

davor  überg.)  —  74  nifif.;  —  75  Flutik  —  77  For  huatan  —  furthur 
(es  war  erst  geschrieben  furd,  dann  machte  der  Schreiber  d  zu  tl 
(wobei  der  Querstrich  des  d  im  Schafte  des  h  blieb)  und  setzte  ur  da£U} 

—  78  vuallandirt&  —  79  anelli.  —  81  foroga  —  87  thuo  —  88ferag.;-' 
89  lac  (vgl.  V.  134)  —  90  es  stand  fordade,  afis  a  wurde  e  gemacht  (a* 
und  e  wurde  durch  Punkt  darüber  und  darunter  getilgt  und  a  afigeUhu' 

—  dl  es  stand  thoh  noh,  das  zweite  h  durch  Punkt  darüber  getihf- 
Über  dem  ersten  o  ein  u  nachgetragen  —  92  aledid  —  93  |  thuo  \li 
durch  Punkt  darüber  und  darunter  getilgt)  —  94  Niudlico  —  afluf  i^ 
sieht  aus  als  wäre  es  auf  a  geschrieben)  —  95  thef  —  96  herta;  — 
100  thian  .  tholodun  .  —  102  buotta.;  —  103  That  (t  grösser)  — 
104  exdi  —  106  fpuodda  —  107  |  drohtin;  |  —  108  (S,  lOv  Z.  VJ) 
that  im  (t  grösser;  that  schon  eimnal  verwischt  links  am  Bande)  — 
110  vor  endi  war  ein  Strich^  als  sollte  u  geschrieben  werden^  dann  das^ 
C'Häkchen  oben  daran  gesetzt;  über  hu  (in  hugi)  ist  hu  rad.^  wie  €6 
scheint  —  111  gang  .  heuuaf .  —  114  fiie  (h  grösser)  —    115  huldi . 

gumun.  —  116  menn .  —  118  uuel ;  —  121  Niuueldun  —  123  Üuohfunim  — 
124  I  bigunnun—  128  gifcuop;  |  —  131  mikil;  —  132  thie  —  133  middil 
gard;  — 134  That  Ina  —  135  libbendiaN  —  136  Ac  — 137  Endi—  13> 
feN'di  I  —    140    thann    —    thie    (es   stand   erst   d,   dann   wurde   beim 


67 

Schreiben  th  daraus  corr.^  wobei  der  Querstrich  stehen  blieb)  —  141 
That  —  142  uuerod  (Strich  durch  d  rad.)  —  hemid  .  uuapunufcal 
(das  vorletzte  u  durch  Punkt  darüber  getilgt)  —  143  enocha  .  te  banon  | 

—  146  eggiun;  —  147  Uuirthit  —  148  folk  —  gihroroban;  —  149 
Tegodaf  —  150  |  eNdifted  —  thit  (it  aus  e  corr.)  —  gifuNd;  —  153 
dribun  .)  |  —  154  Fremidun  —  159  thuo  (t  grösser)  —  161  uühi 
ftedi  (der  Accent  geht  durch  h,  er  ist  unterscheidend)  —  162  endifcol  | 
da  :  (Ras,^  von  n?)  —  163  thiebezto;  —  164  antkenda  (das  zweite  a 
offen)  —  165  Gengim  —  167  muofti;  —  171  uühit .  (s.  161)—  172 
ftod;  —  173  en  diik  gibi  (nach  n  ein  Schaft  von  fälsch  angesetztem  d^ 
über  dem  vorletzten  i  steht  lo)  —  175  uuilleaf;  —  177  niuuilli  — 
thimithan  .  |  (der  Accent  geht  durch  den  Schaft  des  h)  —  180  |  nu  — 
182  nu  —  183  I  mann.  —  184  tlianna  —  186  fuebab  (das  zweite  b 
unterpunktiert,  1  über  a  geschr.)  —  188  menda  dige  (das  erste  e  von 
andrer  Form;  vgl.  V.  218)  —  193  hauaf.  (f  durch  ein  Loch  beschädigt) 

—  194  manna  (das  zweite  a  scheint  zu  o  rad.)  —  198  romef  —  rhtaef  (t 
aus  e  durch  Ras,  u.  Corr,)  —  199  fothu  —  203  Ef  —  205  ftandax;  |  — 
206  anduuor  di  ;  —  207  Ik  —  210  aldanuille  ;  —  212  ford  (Strich 
durch  d  rad,)  —  fradcgoda  (d  und  Anfang  des  a  durch  Punkte  dar- 
unter getilgt)  —  finan  ;  —  214  Efthuthar  —  218  gifadda  .  |  (das  erste 
d  durch  Punkt  darüber  getilgt  und  g  unter  d  geschr,)  —  hie  (e  wie 
V.  188)  —  219  leftian  .  —  ef  —  220  fidaN  —  221  godforotha  | 
(das  letzte  o  aus  Anfang  von  r  corr.)  —  223  uuefaN  .  |  —  224  agal&- 
lico  —  225  gifprac  ;  —  226  biddean  .  —  228  uuiderthi  .  midiminü 
uiiordü  .  ikuu&  —  234  Ef  —  235  undthemo  |  —  238  buan  .  anthe 
burugiü  I  —  241  the  land  |  de  (das  erste  d  oben  verwischt)  —  noh  */. 

—  243  dorfte  .  —  246  gereuuedi  (das  letzte  e  wie  188)  —  endigode 
(tmter  g  ein  Punkt)  —  247  giuu&  —  250  feahi&  —  260  adalburdig 
(der  Strich  durch  1  geht  auch  durch  b)   —    261    loth  midthemliudiü  | 

—  2()3  uuirdig  ;  |  —  264  abrahamaf  —  adain  knolaf  (die  erste  Hälfte 
des  ersten  n  verloschen)  —  265  b&araman  (das  erste  a  aus  u  corr.)  — 
266  giordanaf  —  267  giuuerrid.  |  (das  erste  r  getilgt)  mid  geuuittio  . 

—  275  lokoian  ;  —  276  he  (e  wie  218)  —  279  far  liuuen  .  —  280  Ac 

—  281  unten  auf  der  Mitte  der  Seite  ein  Stern  und  rechts  eine  Ver- 
zierung.  —  282  thar  —  284  fia  —  285  fuodaf.  |  gifagda  .  fuart  — 
286  fkion  .  nahida  .  moragan  ;  —  287  Anallara  (das  vorletzte  a  offen) 

—  288  tho  —  290  |  tho  —  293  hi&un  tho  .  gangan  .  thanan  .  —  294 
tiundü  .  —  295  adalborana  .  he  —  habdathar  .  —  hadaliaf .  (nach  i 
ein  Punkt  wie  von  einem  falsch  angesetzten  a)  —  296  midthe  gi&un  fie 
(darnach  Bas.  eines  Buchst,)  —  298  tho  —  303  Hi&un  —  gehlunn  . 
mikilbrakon  —  305  uüeldix  .  —  307  engi  .  (Schnitt)  lof  gengUN  .  | 
fniumo  .  —  308  tefodo  mo  —  309  loth  .  —  310  |  dag  .  kuman.  — 
311  thar  mit  Punkten  überg,  —  316  bred.  burugugif&u  .  bran  |  —  317  ften. 

—  318  Suultim  —  320  that  —  323  thegnigenaf .  ;  —  325  thuo  —  326 
allfodomo  thiod  —   327  Botan   —  328  endithiu  .  uuif  mid  |  imthriu  . 

—  tho  —  332  leftftian  (das  erste  ft  rad.)  —  lohthaf  —  334  bifach  ; 

—  337  EXPL.  — 


58 

5.   Die  angelsächsisclie  Genesis  (V.  235  ff.) 

237  hni5on  —  238  tojenef .  (das  erste  e  aus  a  corr.  mit  Eas.) 

—  240  h}?8erf*)  —  241  ftodf  —  244  heo  —  245  der  Ecst  der  Seife  13 
wird  von  einem  Bilde  eingenommen.  —    248   tene  (das   erste    e   durch  \ 
Punkt  darunter  getilgt^  y  überg.)  —  250     him  (i  durch  Punkt  darunter 
getilgt,  eo  überg.)  —  252  jefett  —  254  hehftne  (f  a.  Bas.)  —  haefdt  I 

—  256  löf  —  258  J)on  |  lete  (das  erste  e  aus  ae  rad.)  —  259  helfende 
(vor  p  ist  a  mit  Einschaltungshäkchen  überg.)  —  üphebban.  |  (vor  h 
ist  a  ebenso  überg.)  —  260  paldend  .  (vor  a  ist  e  ebenso  überg.)  — 
))&  I  —  261  ure  .  (e  durch  Punkt  darunter  getilgt^   v   darüber  geschr.) 

—  }?eor8an  .  (eo  durch  je  einen  Punkt  darunter  getilgt^  y  überg.)  — 
262  enjyl  .  onjan  —  265  hJ^seB  (der  Schaft  des  h  rad.^  aus  dem 
rechten  Teile  ist  c  corr,)  —  lic  J?8ere  .  leoht  —  266  ne  —  2G7  br 
nach  |)  mit  Häkchen  überg.  —  271  feala  —  274  heah:run  (vor  r  Ras. 
von  o)  —  278  h}?8et  |  —  nif  —  282  |  h}?y  —  284  biz  ftanbaB  me . 
ftranje  jeneataf .  —  ftriße  .  gef)?icaii .  —  285  h8elej)af  (1  aus  b  rad,) 
hearb  |  inobe  .  hie  habbaS  me .  —  289  f  J?a  —  291  len3.  |  —  292  Jia  —  2H3 
micel!  —  299  J)ä— 301  hete  —  302  nach  him  ist  3  rad,  —  304  ac)>aee  —  30JJ 
fe  I  —  feollon  (n  aus  (rad.)  —  309  forJ)on  —  313  J)a3r  —  316  cald  .  fyiublt^ 

—  319  fiße,  fylde  —  320  heoldon  —  322  la3on  |  —  324  Rest  von 
S.  17  ein  Bild,  —  325  Brand  (B  Initial)  —  326  J)yftro.  (o  aus  e  corr.) 

—  328  al}?aldan  .  (e  nach  }p  mit  Häkchen  überg.)  —  334  fynd  |  — 
335  }?ita,  ünrim  .  —  336  |  heora  (0  aus  r  corr.)  —  338  J)a  —  33'> 
heofne  .  (das  zweite  e  ^m  o  corr.,  darüber  n  geschr.)  —  345  futaa 
fiBBan  .'  —  helle  .'  —  346  |  }?innan  ;  (das  erste  n  a%^  0  corr.)  —  34T 
Satan  —  350  heofne  .  (das  zweite  q  eu  o  corr.^  n  überg.;  vgl.   V.  3o'Jt 

—  352  J?olbe  !  —  353  J?eoIlhim  |  on  innan'  —  355  he|)aJ?orbe  —  3oti 
if  |)8ef  (die  linke  Schleife  von  ae  rad)  a3n3a  (vor  3  ist  i   mit  Häkchen 

überg.)  ftybe  .  |  —  359  al}?alban  (nach  ]>  ist  e  mü  Häkchen  überg,)  — 
360  nsefS  —  361  befiel  |  leb  .  (über  i  ist  y  geschr.)  —  364  J>me  — 
366  ftronzlican.'  |  —  368  }?alä  —  371  äc  —  iren  benba  (über  a  i< 
f  mit  Häkchen  überg.)  —  373  habbafi  —  hearbe.'  —  377  me  —  3>- 
licgaB  me  ymbe  .  (das  letzte  e  rad.,  utan  v.  j.  Hd.  überg.)  —  885  ff^a 

—  388  zej^ealb.  Vir.-  |  3  Z.  leer  \\  S.  20  ein  Bild  ||  —  391  fpa  —  31»S 
)?ita  (a  aurch  Bas.  aus  e  gemacht)  —  nema3on  —  395  hehi^effS  — 
3emeärcob  .  anne  |  mibban3earb  .  —  397  J?e  —  401  Ne3elyfe  —  nu  . 

—  furSor  .  —  I  him  (i  zu  e  corr.^  dieses  und  der  erste  Strich  des  n. 
durch  je  einen  Punkt  darunter  getilgt,  eo  mit  Häkchen  Oberg.)  — 
neotan  .  (e  au^  i  corr.)  —  403  30  |  bef .  mob  on  }?8ecen  .  uton  — 
nü  .  —  404  3e  |  bon  p  —  405  |)onne  —  406  hylbo  !  —  408  beara  . 
on  I  —  clomme  .  onginnaB  —  409  3if  li  —  410  for  5eafe  !  |  —  411 
fseton  !  —  412  tib.'  —  417  feBer  homan  .  (die  linke  Schleife  von  ae  rarf,  • 

—  421  nu  —  423  heofon  ri  |  ce  .'  —  425  {>  —  on  mobe  !  minum  —  427 
3if  —    430   5if  —   431    3e3ar{>ob  .  (vor  a  ist  e  mit  Häkchen  überg. j 

*)  Mit  dem  Zeichen  p  ist  im  Folgenden  das  angelsächsische  w  bezeichnet. 


59 

m 

—  432  hycsaß  —  433  fißßan  —  435  Se  —  438  Sittan  —  444  füll 
(das  atceüe  1  t^^  mit  andrer  Dinte  dazu  gesetst,  nicht  ausgekratzt)  — 
446  /.  }?ora  (am  Rande  mit  Verweisungszeichen  /.  lj?raj)ra  }?orba)  — 
)?anb  —  449  t}?a.  —  453  he  pajeferebe.  (das  vorletzte  e  rad,)  — 
feonbef  craeft.  —  454  äbäm  —  458  felf  —  459  metot  —  460 
twejen  .'  (das  zweite  e  aus  i  corr.)  —  466  am  Bande:  i.  "|  )?ä)?an  — 
I  nseffe  —  467  a.  Bande:  i.  "|  fceone  .  (o  rad,)  —  474   oii)?orulde.  | 

—  475  jefjinsl»^  !  (J)^  jünger)  —  476  )?enbe  ;  —  477  |)onüe  —  484 
Sceolde  —  485  dreamaf  |  —  487  landa  .  f^eartoft .  —  489  p  — 
490  Schluss  von  S.  24  ein  Büd  —  491  )?earp  —  495  on  |  3011  — 
496  lansaB  —  497  ädam  —  506  fjinü  |  hearan  .  —  507  brihten  .  — 
3e)?orhtne.  |  —  hine.  |  —  worb.  —  509  f}?a —  516  |  nuhe|)e  —  519  |)e 

—  521  liear  ||  (ra  untergeschrieben)  —  522  abam  (a  grösser)  —  523 
|)onne  —  531  nat  —  533  fi}?8et  —  535  ic  —  538  J)u  —  542  J)y  — 
543  ic  —  544  |)a  |  —  555  serenbe  f}?a.  —  556  |  nü  —   558  beoban. 

—  ine.  —  wyrB.  —  559  jif  —  562  jehyje  —  564  J)oniie  —  568 
I  meaht  —  a  |  dame  —  575  fpan  —  578  3if  —  580  adam  —  583 
ac  —  588  Iseb  |  be  —  594  ne  |  —  595  |)  —  598  Am  Schlüsse  von 
S.  28  ein  Bild.  —  599  fieo  (fi  grösser)  —  603  (»uhtre  (r  rad.)  — 
609  heofon  rice.  j)a  fe  for  hatena.  |  fprsec.  —  611  j)u  —  617  Sse3e 
adame.  —  618  cime.  crsefta  3if  3iet.  |  —  fiobo.  —  619  lara.  — 
3ife.  ic  I  —  561103.  —  623  f}?a  —  626  |)a  —  abame.  —  631  fceolbon. 
(das  zweite  0  zu  e  corr.)  —  634  |  mom3e  —  640  |)  J)»t  |  —  647  for 
lec  —  649  3eJ)oht.  —  on  |  3an.  —  tru}?ian.  —  654  pa  —  655  adam 
(das  erste  a  grösser)  —  656  breoftü  |  —  659  hif  |  —  661  3if|)U  — 
663  piWsJS  !  II  ixpsdi  —  664  |  unc  —  666  ic  —  671  J^ynfumaft.  hpk 
I  meahte  me.  —  3ifan.  —  673  Gehyran  (solch  G)  —  676  j  )?earö  — 
678  nu  —  hif.  —  hanba.  —  3oba.  —  679  3eonie.  ic  —  686  ftob  —  J^raßa. 
bo  I  ba.  —  694  h)?8et  —  hell3e|)J?in3.  (das  letzte  3  rad.)  —  704  heo  — 
toadame.  —  706  h)7eorfan.  |  ^  —  3ehate.  3etru}?obe.  —  714  f)?elce.  — 
ogieJ?be.  —  zehet.  —  715  adame.  j  —  717  he  —  719  of    etef  —  723  f>a  | 

—  726  nuhaebbe  —  729  abam  —  eue.  —  731  forfjon  —  733  f^a  —  740  unc 

—  743  I  äc  —  745  forJ)on  —  750  j  m8B3  —  755  fj^a  —  morBref.  J)olia8.  — 
756  abame.  —  758  morBef  (f  aus  r  corr.)  —  forJ)on  —  759  heortan. 
3erüme.  —  uncre.  |  hearmaf  3e)?recene.  —  760  t>olebon.  nü  |  —  eft.  | 

—  761  fatan  —  feccan  (das  erste  c  rad.)  —  762  h)7earf —  766  abam 

—  eue.  —  770  p  —  772  lare  (a  a.  Bas.,  von  1?)  —  777  h)?ilum  — 
781  hif  nach  hie  mit  Häkchen  iiberg.  —  783  bare  —  788  J)a  —  790 
adam  —  euan  —  791  h}?8et  j  —  eue  —  792  3e  |  fyhft  —  799  nu  — 
802  nu  —  805  hu  —  815  j  toh)?ön  —  816  NÜme  maex  hreo}?an.  |  —  820 
3efeah.;  j  —  821  eue  —  824  p\x   —   827  hire  l)a  |  adam  —    835  nif 

—  838  ac  —  839  uton  —  840  h}?urfon  —  841  Schluss  S.  39  ein 
Bild  —  842  Seeton  —  845  J)a  —  847  ac  — 

ALTONA.    •  P.   Piper. 


60 


Ortsmundarten  der  Magdeburger 

Gegend. 


Die  nachfolgende  Darstellung  soll  den  Lautstand  von  dreizehn 
benachbarten  Orten  nur  in  seinen  wichtigsten  Einzelheiten  übersicht- 
lich und  vergleichend  verzeichnen ;  wo  minder  Wesentliches  aufgeführt 
ist,  schien  dasselbe  besonderes  Interesse  zu  bieten.  Nach  Möglichkeit 
ist  versucht  worden,  die  älteste  Sprachform  zu  geben,  soweit  sie  noch 
den  Gewährsmännern^)  im  Bewusstsein  war.  Das  gilt  besonders  von 
R345689.  Hochdeutsche  Formen  sind  im  Allgemeinen  nur  dann  be- 
rücksichtigt, wenn  sie  schon  die  Herrschaft  erlangt  haben.  Den  Aus- 
gangspunkt bildete  meine  Heimat  Ranies  (ü),  dann  folgten  Glinde 
(ö),  Pömmelte  (I),  Grünewald  {J2),  Felgeleben  (5),  Wespen  (4),  Prödel 
(5),  Dornburg  (^),  Plötzky  (7),  Dannigkow  (ö),  Leitzkau  (P),  Elbenau 
(a),  Pretzien  (ß).  Es  sind  sämtlich  Dörfer,  nur  Leitzkau  ist  ein 
Marktflecken  (in  anderer  Beziehung  merkwürdig  als  der  Sitz  de> 
Geschlechtes  der  Herren  von  Münchhausen).  Die  Orte  liegen  zwischen 
Magdeburg  und  dem  fast  4  Meilen  südöstlich  davon  gelegenen  Barhv 
auf  beiden  Seiten  der  Elbe,  Gl 34  auf  der  linken,  5 — 9  und  [i  aui 
der  rechten  Seite,  R2a  auf  einer  Insel,  die  durch  eine  Gabelung  de< 
Flusses  gebildet  wird. 

Bei  der  Lautbezeichnung  ist  leichte  Lesbarkeit  und  die  Rücksicht 
auf  den  Letternvorrat  der  Druckerei  massgebend  gewesen.  Es  sind 
folgende  Zeichen  verwendet  worden: 

Für  kurze  Vokale  «,  e,  a,  ö,  w,  9  (überkurz);  für  lange  Vokalt^ 
I,  e  (geschlossen),  ^  (offen),  ä  (hell),  ä  (dumpf),  6  (geschlossen),  if- 
für  Diphthonge  (deren  erster  Teil  fast  einer  Länge  gleichkommt, 
während  der  zweite  überkurz  ist,  sodass  beide  zusammen  eine  gewöhn- 
liche Länge  ausmachen)  au  {u  =  überkurzem  &),  ai  (i  =  über- 
kurzem ^),  9a,  tJa,  äa,  1«;  für  Konsonanten  w  (bilabial),  t?  (labiodental . 
y,  r,  Z,  f»,  w,  y  (Gaumennasal),  p,  i,  /*,  ^,  dt,  s  (stimmlos),  e  (stimm- 
haftes s),  .^,  z  (stimmhaftes  §),  ^,  4,  A,  x  (palataler  und  gutturaler 
Reibelaut);  K,  ntm,  nn  bezeichnen  die  entsprechenden  langen  Konsonanten,  j 


')  Dies  sind  die  folgenden,  denen  ich  hiermit  für  ihre  Unterstützung  bestens 
danke :  Witwe  Kahe  und  Fährmann  Jacobs  in  G,  Gastwirt  Christoph  Steffens  iu  1. 
Otto  Becker  in  2,  Gastwirt  Zenker  senior  in  3,  Christian  Sehönau  in  4,  August 
Finzelberg  in  5,  homestr  Vogt  in  6,  Frau  Gastwirt  Müller  (melhr)  in  7,  Witve 
Schütze  in  8,  Schneidermstr.  Rohde  in  9,  Frau  Gastwirt  Hamel  (Mnal)  in  x. 
Schneidermstr.  Piepenbrink  in  fi. 


61 


Lautlehre. 

Kurze  Vokale. 

§  1.     a.    Es  bleibt  in  geschlossener  Silbe. 

In  Gl 34  ist  es  in  einer  Reihe  einsilbiger  Wörter  gedehnt  (bei 
den  Substantiven  nach  Analogie  der  obliquen  Kasus):  Uity  jrkf^  nkt^ 
M&l,  f&t,  r&t,  jl&s,  k&f^  &f,  &n,  d§Jc,  äl&x^  jr&s,  (jras  3). 

5689  zeigen  Umlaut  gegen  a  in  den  übrigen:    det  —  d<U^  end^r 

8  and^r  R  u.  s.  w.  (auch  6),  UeUrn  589  Uatdrn.  R6ß  u.  s.  w.,  hez'dn^to 
—  haedln^td  R247aß,  kletd  8  klatd  R67aß,  dext  Nebenform  in  7  sonst 
überall  daxt.  Umgekehrt  faym  56789ß  —  fcydn^  ebenso  hayan  und 
heym^  hamoln  569  h^maln  Rl234ß. 

Linkseibisch  a,  rechtselbisch  (d.  h.  links  oder  rechts  vom  Haupt- 
arm der  Elbe)  Umlaut:  jandM  Gl 34  jent9r  R256789aß  (überall  aber 
jans)^  dksd  34  ehsa  RG256789aß  (Axt);  umgekehrt  hekarn  G34  hakarn 
R256789aß  (von  Kindern,  die  überall  herumklettern),  äellar  1  ^^aUar 
RG2345689ß  (grosser  Holzsplitter,  in  a  nicht). 

Anm.  Ueber  Dehnung  und  sonstige  Veränderung  der  kurzen  Vokale  in 
oflFener  Silbe,  vor  r  -|-  Konsonant,  vor  1  -4-  Konsonant,  vor  intervokal,  j  oder  g, 
sowie  andere  Ueberg&nge  siehe  die  betreffenden  Abschnitte. 

§  2.     Umlaut  von  a  ist  c:  beda^  trextar^  hela^  melk. 

§  3.     i  >  i:  fila  (fei  3),  himal^  lüija^  sonst  e,  s.  §  44. 

§  4.  0  >  o:  hof,  Ueber  o  >  u  s.  §  45.  Der  Umlaut  ist  e: 
heltn  oder  helsarn. 

§  5.  ü  >  w:  vula,  tuna^  ful^  püla,  vulf  (volf  in  G2ß  ist  hd.), 
btik  (beruht  bok  in  Gl 234  auch  auf  hd.  Entlehnung?). 

u  erhalten  in  tumm  9,  sonst  umgelautet  tiva  5,  timm  RG24678aß; 
dgl.  in  hufa  6789ß  hifa  R14  (hd.  hifta  in  G2357a);  umgekehrt  im 
Norden  umgelautet:  mü  5089  mül  34a,  kikarn  59  kukarn  RGl23678aß 
(4  fUsan). 

§  6.  Umlaut  von  u  >  i:  pita^  plikan^  .<ipa^  linsa  (in  4  dafür 
Memltsta), 

Lange  Vokale. 

§  7.  ä  in  RGl23467aß  >  ä,  in  5,  8,  9  diphthongiert  >  &a: 
Wn  liatny  nktl  niatl^  ätr&ta  .Ur&ata.  trkna  nur  noch  selten  in  R, 
anderwärts  nur  Umlaut  tr^na  Gl23467aß  tr^na  5;  auch  neben  iiwkr 
R7aß  swkar  589  umlautende  Formen  sw^r  6  §wer  G1234  (auch  5), 
dgl.  neben  §tkn  und  Mkan  Men  Gl 34,   neben  jin  und  j&an  jen  Gl 34. 

kmt  RG247ß  hat  in  5689  hellen  Vokal  änü,  früher  äna  in  59, 
jetzt  noch  et  änas  9. 

Zu  ä  ist  zu  bemerken,  dass  sein  Lautwert  schwankt,  nicht  von 
Ort  zu  Ort  oder  von  Wort  zu  Wort,  sondern  im  Munde  einer  und 
derselben  Person  und  in  einem  und  demselben  Worte. 

Beim  Diphthong  lassen  sich  lokale  Verschiedenheiten  feststellen: 
der  zweite  Teil  ist  am  deutlichsten  als  a  zu  hören  in  8,    weniger    in 

9  und  ganz  flüchtig  in  5. 


6^ 

lieber  den  Einfluss  von  folgendem  intervokalischem  j  oder  q 
siehe  §  46. 

§  8.  Der  Umlaut  von  d  ist  9  und  9a  mit  gleicher  lokaler 
Verteilung  wie  bei  ä;  bezüglich  des  zweiten  Teiles  des  Diphthonge^ 
gilt  dasselbe  wie  von  äa. 

In  2  Wörtern  >  e:  äSrQ^  kezd. 

§  9.  8.  a)  Ursprüngliches  e  >  c,  ai,  i  und  U:  med»  (Mietet 
RGl237aß  maidd  4  mid9  6  wtecZa  589,  hrtf  R7aß  (2  hd.  hrtf)  braif 
Gl  34  ferl/"  6  brief  589. 

b)  Auf  ai  zurückgehend  >  e  R256789aß,  >  ai  Gl 34:  6en  60 j«, 
(?eZ  dail,  fleä  flai^,  Mld  haih,  het  hau  (hais  4),  ne  nai,  älen  ,^tain^  stcft 
(2  äwes  und  äwais)  äwais^  dix  daix,  vek  vaik,  bret  braity  iief  äaif,  meei 
(Meise)  maied.  her9  5  h^r9  9,  in  RGTaß  nur  noch  in  h^rndenst^  sonst 
hd.  hard.  Zu  led9r  zeigen  Gl 34  nicht  Umlaut,  sonder  die  abweichende 
Form  letdr,  Ueberall  e  in  e^d^  lim,  evix,  erd^  ler9,  ee^  ven&r^  ler^h 
(larx9  25679  larJca  8).  Leitzkau  heisst  in  589  Itet^a  sonst  lei.^a^  da- 
nach wäre  hd.  ein  ie  zu  erwarten. 

§  10.  Der  Umlaut  ist  ai:  baidd,  Uaiko,  raUi9,  lainn,  ^paika,  — 
ai  zeigt  sich  auch  durchgehends  in  aika,  vaitd  R5689  vaitn  7ß  vaits^%i 
Gl 234a,  taik9n  R56789aß  tsaixan  Gl 234. 

Anm.    Von  zaisd  zeigen  Gl  34  hd.  Form  zensd, 

§  11.  !  >  i:  dristd,  dtk,  krUd  RG134  krida  256789a;  vt.^^  RGl 
234aß  aber  vi§^  56789;  ferner  vit  Rß  u.  s.  w.,  aber  vis  Gl  34  (ist  die 
Länge  hier  alt  oder  nur  Annäherungsprodukt  an  das  Hd.?). 

§  12.  d.  a)  Auf  älteres  au  zurückgehend  >  0  R27aß,  >.  an 
Gl 34,  w  >  6,  tia  >  589.  üa  zeigt  ähnliche  Abstufungen  wie  äa,  nur 
ist  hier  9  der  Ort,  der  den  zweiten  Teil  des  Diphthongs  am  flüchtigsten 
erklingen  lässt.     Beispiele: 

blot  (Blut),  Uomdj  bok^  bröddr  [G  brüddrj,  don,  fot  (nur  gebräuch- 
lich in  der  Wendung  td  fotd  j&n,  in  3  auch  hier  hd.  fo  füsaj^  röpm. 
mos,  ,^d  [auch  in  6  manchmal  äth  Singular],  .^oh,  ätM,  dik,  /o,  höstp. 
flölcon,  kökan,  kot,  ko,  köh  zeigt  in  5  Umlaut:  kteh,  ebenso  äi€iti^. 
das  ausserdem  in  2  gegen  die  Regel  ü  zeigt:  äwula;  Snör  zeigt  ii  ixi 
G26;  rm  (Ruder)  R7afi,  raull  G14  rüll  235;  jrövd  (steil  abfallendes 
Ufer)  Raß  jrüvB  Gl 245679  (8  jr%ift);  kröx  (Gasthof,  heute  überall 
ausgestorben,  in  G12  ganz  unbekannt)  R56789aß  krüx  4,  plox  R2rM. 
78a|^  plauz  G134.  —  knop  R57aß  zeigt  linkselbisch  Kürze  (hd.)  kntf 
G234.  jdnox  nur  in  R59,  sonst  janux  G24678aß  nuyk  1.  hon  B2x 
haun  G134,  ganz  abweichend  him  56789,  hon  und  hina  ß. 

b)  Auf  älteres  6  zurückgehend  nur  >  ö :  Wm,  brot,  dot,  Ä&r,  los, 
not  (Not),  rot,  pöta,  drom,  Mokan,  ror^  lof  (Laub),  I6n,  ök,  rök^  unoth 
(ungern),  bona,  jröt,  döf,  tom,  U6t  (bloss),  ostn  nur  noch  selten  in 
Ra,  sonst  überall  hd.  ostn;  statt  kop  kof  5  kauf  4  (kauf man  3),  neben 
jlömm  in  G  meist  jlaumm^  das  völlig  herrscht  in  13. 

c)  anderen  Ursprungs.  £^6  rechtselbisch  und  in  3,  es  herrscht 
auch  schon  in  G,  eau  noch  ausschliesslich  in  14.  Von  äpon  R  iipü.*fi 
59  zeigt  sich  hnkselbisch  nur  hd.  Form  äpkn  G  14.     fro,  älro,  ro. 


63 

§  13.  Der  Umlaut  von  6  hat  ganz  die  entsprechende  Ent- 
Wickelung  genommen,  a)  >  e  R27aß,  >  ai  G134,  >  i  6,  fe  589:  jren, 
betn  (heilen),  kenn  (hüten),  medd  (müde),  £^et9,  veln,  brenn  (brüten,  in 
4  dafür  nur  eitn  und  ütbriyan)^  fein,  §pekdn^  behr^  reva.  Hd.  Einfluss 
veranlasst  i  rtrn  2;  stärker  ist  er  in  kein,  wo  Ra  meist,  24  aus- 
schliesslich i  haben.  Von  Buche  zeigen  plattdeutsche  Form  Ra  bekd^ 
l  baika,  6  btka,  die  anderen  büxa;  fre  zeigt  rechtselbisch  nur  e.  fd 
in  der  Zusammensetzung  ^Fussende^  (des  Bettes)  bald  mit,  bald 
ohne  Umlaut: 

feten»  Raß  fötend  7  faitend  134  fUend  6  füatena  5  [4  meist  fuseno], 

b)  überall  >  e:  bleda,  depa  [TaufeJ,  dremm^  kern,  rekarn^  ,<?ena, 
tema,  kepm,  nedix^  Memm  (stäuben). 

§  14.  u  >  u:  brüty  lüda  (hd.  laut  G4,  meist  auch  in  5a),  wfo, 
,^nut9,  ftisti)  [in  G4  ohne  a], 

§  15.  Umlaut  zu  ü  >  t:  dimHyk^  Mzar,  btle,  ohne  Umlaut  Imla 
G1234. 

Diphthonge. 

§  16.  an  vor  folgendem  w  resp.  u  >  au:  daudn^  drauan  [in  G 
meist  hd.  dröan], 

§  17.  Der  Umlaut  zu  diesem  au  ist  ai:  hai;  ätraian  5689,  ohne 
Umlaut  RG234aß,  beides  in  7. 

§  18.  In  5689  vor  folgendem  Vokal  statt  u  und  t  meist  Diph- 
thonge au  und  ai:  .^an  (scheuen)  —  .^auan  568,  trüan  —  trauan^ 
früd  —  frauj^  buan  —  bauan^  klüan  —  klauan  und  klaian  6  klaien  5 
klSiian  8,  £fü  (^al)  —  eau  (ijal),  zian  —  eaian,  .^nxan  —  ^naian^  krian 
—  kraian  [nur  in  5],  met  —  naiat  5  nait  689,  brt  —  brai  5689, 
Artan  —  Sraian  568,  Mtan  —  Maia%i  [nur  in  569],  äwian  —  Swaian 
[nur  in  5],  fiarkmt  —  faiarämt^  die  Endung  — ta  lautet  in  5689 
stets  — aia. 

§  19.  io.  Es  ist  ebenso  entwickelt  wie  (urspr.)  e  und  Umlaut 
von  6  (urspr.  au)  >  e  R27aß,  >  ai  Gl 34,  >  t  6,  >  iß  589.  Beispiele: 
dep,  benn  (bieten),  rem  (Riemen).  —  ät^ldef  ist  seltene  alte  Form  für 
st(ßdip  in  R;  M^ldep  9,  sonst  nur  M^ldip  Gl 23467a  (in  58ß  unbekannt). 
Hd.  Form  ist  meist  durchgedrungen  in  d^inn  RG267aß;  das  alte  steckt 
noch  in  h^rndenst  R7aß,  dainn  134  (selten  noch  in  G),  dtenn  589. 
forlern  u.  frern  zeigen  i  in  Gl 2345689.  fert  (ViertelscheflFel)  RG123 
47afi  (hier  haben  sich  die  linkselbischen  Orte  also  der  mittleren  Gruppe 
angeschlossen)  ßrt  5689.  klemm  und  jremm  zeigen  nur  e.  bena  RG 
12347a^  (dessen  e  auf  Dehnung  beruht)  zeigt  in  der  nördlichen  Gruppe 
dieselbe  Entwicklung:  bifia  6  biena  589.     Ueberall  heisst  es  Mr. 

§  20.  in  >  ?:  Uda^  distar,  itx,  k%za-(fr^tA)  (daneben  in  6  kiz^ta, 
in  9  ktz^jta,  besonders  häufig  in  5  ktz^ta);  sprt  erscheint  (umlautend) 
in  5689  als  .^prai^  beide  Formen  in  7  (vgl.  §  18). 

Unbetonte  Vokale. 

Auslautendos  a  ist  linkselbisch  in  einigen  Wörtern  geschwunden: 
dun  Gl 34  sonst  duna^  desgl.  forst  (Dachfirst),  dhr  (teuer)  G   rechts- 


64 

elbisch  mit  d,  füst  G45  füsta  R56789aß,  rust  (Rost  im  Ofen)  6,  rechts- 
elbisch  rustd  hd.  laut  G45a  statt  lüda;  nur  im  äussersten  Norden 
noch  9  in  js^vq  8  £i^V9  6,  Jc&ana  5,  därawrr  9,  öra  568  sonst  or.  In 
2  Wörtern  kehrt  sich  das  Verhältnis  um:  dr§Jcd  123  sonst  dr&i*,  in 
G45  nur  hd.  draxa;  zkn  9,  sonst  mit  a  (Sohn). 

Betreffs  des  Lautwertes  dieses  auslautenden  Vokales  ist  zu  be- 
merken, dass  er  sich  besonders  in  6  und  8  a  nähert. 

Konsonanten. 

§  22.     w.     a)  Im  An-  und  Inlaut  >  v. 

b)  Nach  anlautendem  Ä,  §  u.  ts  >  w:  Tcw^ln,  äwart^  t^wep. 

c)  Im  Anlaut  vor  r  teils  abgefallen:  rUn^  rtmm,  teils  >  f:  (d- 
friyan,  frailn  [in  56789ß  dafür  hnevdln].  Neben  f  auch  b  vl.  v:  fraU. 
in  9  jetzt  hratsd,  in  4  v&rtska;  frayafl)  R  frayd  2  frayo  57aß  vratjo  8 
braya  69  [in  den  anderen  Orten  draiar  13  dfe;ar  4,  auch  dr^ar  2J. 

d)  Geschwunden  im  Inlaut  nach  u:  hauan,  früa  fraua^  büan  bau^n. 
dau9n,  jruln^  khhn,  mat  [R7ß,  ntt  G23a  mas  4  «at^^  5  nait  ()8H|: 
Ä;Zai«d;  in  Waw,  jrau,  dau^  janau  (jatiaua  5689)  in  Angleichung  an  die 
obliquen  Kasus  auch  im  Auslaut. 

e)  dgl.  im  Auslaut:  j^l,  jkr^  m^r  [der  Kürze  halber  führe  ich 
nicht  überall  die  nur  vokalisch  abweichenden  Formen  an,  z.  B.  mir 
G  etc.  m^r  58J,  brt 

f)  Vor  t  >  f:  arfta  [in  4  nur  noch  in  arftanzef,  sonst  arvdsm\ 
kr^ft  (R)589aß  aber  kr^vas  G14  kr^ps  R237. 

g)  In  einem  Worte  anlautend  >  p:  p^davina  R579aß  aber  ved^viv.^ 
Gl 3,  beides  in  2,  vedaviya  4. 

§  23.    j.     a)  Im  Anlaut  >  ;:  juyk, 

b)  Intervokalisches  j,  gleichviel  ob  ursprünglich  oder  erst  später 
(besonders  aus  g  nach  palatalen  Vokalen)  entstanden,  ist  erhalten 
>  ;'  in  RG12347aß  soweit  es  nicht  Gl 34  Diphthongierung  des  vorher- 
gehenden Vokals  bewirkt  hat,  stets  geschwunden  in  5689:  n^jar  IW 
12347aß  w^ar  589,  hcjar  R  u.s.w.  hejr  568,  halvya  R  etc.  halav^  (i>'^ 
(5  u.  6  jetzt  auch  halav^ja),  fl^jal  RG7  fl^l  5689 ;  krya  RG27a{i  fcivp 
4  kraia  13  krä  (Plural  krän)  56  kr^  89,  e^an  RG27aß  eejan  4  eaian  !> 
si^n  5689,  ebenso  klyan  [in  6  meist  kratsan,  in  59  meist  klaim\ 
n^jan^  ni^an.  Merkwürdig  ist  zaiar  Rl2356789aß,  s^jar  G  ifepr  4 
[auch  in  Mühlberg  a/Elbe  eejar].  äpejal  R27aß  ipail  G134  äpH  rM 
tejalfdak]  R7aß  tel  5689,  ^su-e;V  R27a^  ^5M?aw  G134  tswea  5689,  fo>:;> 
R(t)  krear  59,  We/an  R27aß  Wai^n  G134  blean  6  W^ri  589,  ebenso  kiji 
plejarif  breja  \bria  2],  badrejan,  Ujan,  fleja.  rejal  R27ari  rejal  4  rail  Gl 
raial  3  r^i  5689,  /Ze;5/  (meist  nur  Windmühlenfiügel)  R7aß  /Z?>Z  GH 
34  ^iZ  G  /Z^Z  5689  [3  auch  flitja,  14  auch  flitja  oder  raurfa],  de/J 
R7aß  dejal  234  rft/s»?  G  d^  5689,  Jp/aZ  R27aß  fc^y^Z  4  btjal  G13  M 
5689,  tejal  R(t)  ^a?Z  l(t)  ^om^^Z  5689  sonst  tstjal  tejan  (Zehen)  \U' 
aß  ^öw  (Plural  /enp;  Gl 4  tsena  3  ^c5  6  U  589.  ;er/a?  va?>>n  RG6  mtjrn 
5.     xr^pi,  i^aZ  R56  sind  Lehnwörter. 

eejan  R25678aß  eaian  Gl 349. 


65 

Nach  i  ist  j  überall  geschwunden:  .Uhn  RGl3478aß  ,^tai9n  56 
9Mt9n  568  [in  2  nur  UatBrn,  in  9  Uetorn]^  krlon  RGl2346789aß  Ä-nr/aw 
5,  Man  R  etc.  ^raidn  568,  äwidn  R  etc.  äwaidn  5;  mU  Rap  \miko 
G23456789,  in  l  jnitn],  rhn  R28aß  rt9  569  [ritan  Gl 2346],  bru 
R56789aß  [brikd  G1234]. 

c)  Nach  kurzem  Vokal  der  Stammsilbe  bleibt  j  in  unbetonter 
Silbe  nach  i  erhalten  lilijat  penija,  aber  pmi9n  peinigen. 

d)  Im  Auslaut  >  x  n^x  RG2568a  naix  3  nex  4. 

§  24.  r  >  r.  Es  wird  mit  der  Vorderzunge  in  der  Gegend  des 
harten  Gaumens  gebildet.  Im  Anlaut  und  noch  mehr  im  Auslaut 
wird  es  schwach  artikuliert.  Unter  den  Ortschaften  zeichnet  sich  9 
durch  schärfere  Artikulation  aus;  den  Bewohnern  von  a  wird  in  R 
nachgesagt,  sie  schnarrten  und  man  nennt  deshalb  scherzhaft  den 
rasselnden  Kettendampfer  einen  „Elbenauer";  mir  ist  das  nicht  auf- 
gefallen, auch  giebt  man  zu,  es  sei  früher  stärker  gewesen. 

a)  Ausgefallen  ist  r  vor  d,  dem  ein  r  folgt:  v^dar  (in  489  un- 
bekannt), fodarn,  oddr;  ferner  in  2  mit  statt  zusammengesetzten 
Wörtern:  vipstat  Raß  vipMart  256789  vipM^rts  G(t)  vipst^rt  4(t)  [akdr- 
man  G134],  hatonstat  R25789aß  katanstart  6  kats9vst^rt(s)  G  [karnkrut 
1  kannkrüt  34  auch  tannkrüt  3  und  katsdntsagdl  4J.  Das  Simplex 
zeigt  stets  r:  Mart(s)  Rr)6789aß  st^rts  G1234. 

b)  Umstellung  des  r  hat  stattgefunden  in  fratd  s.  §  22c,  krixo 
krixhof  589  (jetzt  überall  f),  kru^j  4(t);  karbat^an  G34  rechtselbisch 
krabatsan, 

c)  r  >  l:  balbirn,  roll  s.  §  12. 

d)  r  >  d:  ^dar  R6789aß  edar  G4  [^rar  25  Srar  G13J  und.^*  wedar 
Rl3ß  [swordar  Ra  siv^rdar  6  sw^a(r)dar  589  su-irar  G234J. 

§  25.  1.  a)  Vor  der  Endung  ar  nach  kurzem  Vokal  >  U: 
miliar  RGl234a  mcllar  56789,  kellar,  tellar. 

b)  dgl.  unter  Assimilation  eines  folgenden  d:  ellar, 

c)  dgl.  wenn  d  mit  der  Endung  el  assimiliert  ist:  rUl^  roll, 
im,  r§dl. 

d)  Geschwunden  in  veka,  vist,  sost 

e)  eimaltrn  [über  etwas  nachdenken]  1,  sonst  jsumimrn;  snetl  9 
(f),  sonst  Metl;  kumalt  5689,  sonst  kumat. 

§  26.  m.  a)  Die  Endung  an  assimiliert  mit  vorausgehendem  m 
oder  b  zu  mm:  n^mm, 

b)  Im  Auslaut  unbetonter  Endsilben  nur  erhalten  in  /am  RG14 
7afi  fiiam  589,  aber  fknn  G23  an  tsw^rnsfänn  6  [aber  auch  in  6  inf^mm]. 

§  27.     n.     nn  entwickelt  sich 

a)  vor  der  Endung  ar  aus  n  u.  nd,  doch  wird  in  beiden  Fällen 
namentlich  im  Norden  auch  nd  gesprochen:  dinnar,  dtmnar,  sennar, 
klennar,  hinnar  (Hühner),  hinnar  (hinter),  kinnar. 

b)  im  Auslaut,  indem  sich  vorhergehende  stimmhafte  alveolare 
Laute  damit  assimilieren :  finn  (finden),  l&nn  (laden). 

c)  Im  Auslaut  nach  stimmlosen  Lippenlauten  >  m:  lopm, 

d)  Im  Norden    ist    die    alte  Endung   a   statt  nhd.  an   noch  ver- 

KlederdeatBohea  Jahrbuch  XXI.  5 


66 

hältnismässig  häufig:  rogd  R  (selten)  rovd  5689  sonst  rogon  u.  rdhn, 
vaita  R5689  sonst  vaün  u.  vaüsan^  meshSJcd  9  hiikan  R,  Ap&do  9  (Plunil 
.^pinn)  .<?jpäwM  (PI.  ,^lLnns)  R78,  tiva  5  sonst  /t<mm  u.  timnif  rb  ötit^ 
sonst  r<«^n  u.  n'fcjw,  A^arpa  569  karpm  R,  .s^ied.*  89  sonst  .vZrww,  huah  ^ 
A:uA;a  6  %oA;dn  R  kaukdn  G,  brM^  569  br&nn  R,  X;9?aX;d  [freilich  femini- 
num]  569  sonst  hnaxan  u.  Jcnaxal  68. 

e)  6  zeigt  allein  ein  n  in  häkdnUots^  sonst  hakdTdoH. 

§  28.  p.  In  einem  Worte  mp  >  m:  fcramp  R56789aß  kramp 
Gl 234;  überall  top^  hamf  oder  hanof,  hemfarliyk  nur  in  7  JientjiQrliiß: 
bez.  flastdf  s.  §  38c. 

§  29.  b.  a)  Intervokalisch  erscheint  auch  Geminata  als  r. 
Aßt;^,  riw,  krivB, 

b)  arbait  hat  b  wegen  des  Nebentones  erhalten,  umsomehr  W- 
6<rn,  wo  die  Silbe  den  Hauptton  trägt. 

c)  Intervokalisch  ganz  geschwunden  in  binakn^l  s.  §  38b. 

d)  Statt  lef  heisst  es  meist  hd.  llp:  lef  Rafi  Itf  6  U^-f  589  /jj 
RGl2347aß  [auch  7  noch  Komparativ  levor].  Mitteldeutsches  p  in 
pindlf  rustputd  R;  beruht  es  auch  in  pas^irn  R  =  bossieren,  Steiu« 
behauen,  darauf?  hikan  RG234679aß  pikan  58  (auch  vereinzelt  hih\u 
wird  von  den  fast  erbrüteten  Eiern  gesagt,  die  schon  die  Stelle  zeigen. 
an  denen  der  Vogel  durchbrechen  will. 

§  30.  t.  Unorganisch  in  most  R25789aß  mos  134  (mox  G(J5«'. 
nlat  s.  §  22d.  Hier  sind  die  hd.  Eindringlinge  besonders  zahlreic: 
namentlich  linkselbisch.     Ich  nenne  folgende: 

hartsd,  hUs9,  nets,  tsw^rn, 

katd  5789(a)ß  katsa  RGl 23467a  s.  katan.Uat  §  24a,  ,^fart  s.  §  24^. 
holt  R56789ß  kols  RG1234x  (in  a  aber  noch  helfn  u.  hdsarn),  forkr** 
(»78ß  sonst  mit  t$,  ütt^rn  (Subst.)  R56789ß  sonst  t$,  pleiboltn  (R)5> 
9ß  sonst  ts^  Ujoldak  R7aß  teldak  5689  sonst  tsljal,  taps  ina  jrita  1^''^ 
das  einfache  Wort  überall  jritsa,  vaita  s.  §  10,  timarman  nur  nuob  in 
68,  tejal  R(t)  tail  l(t)  t^l  (56)  überall  tslpl  taikan  s.  §  10,  satt  - 
swais  G12349  s.  §  9  aber  überall  ,^wi(san,  Zahn,  Zehen,  Nuss  zoig'i 
noch  überall  t  (doch  3  tsena  Zehen  u.  4  meist  aus),  ebenso  tU  (nur 
4  sU,  Mexta  sUn)  und  mat  (in  4  mas)  s.  §  22d,  volta  7ß  sonst  mit  <. 
jota  R  sonst  josa  u.  rena^  vit  —  vts  Gl 34  vais  2,  kr^ft  s.  §  22^,  M' 
R56789aß  [harftix  RGl234xßJ  barvast  569  [IwLVvastix  4],  äa/i^  59  amL| 
hier  schon  wie  sonst  övast,  jrötfkdar  meist  mit  s,  nur  mit  s  in  Gl--^, 
68aß;  veltarn  R57aß  veldarn  1  reZ^^n  4689.  Neben  möu^^in  resp.  wä«^* 
überall  mont, 

t  nicht  wie  östlich  von  Magdeburg  geschwunden  in  distl. 

§  31.  d.  a)  Bildungen  mit  dem  Suffix  da  resp.  ta:  Injäj  \^ 
letja^  G  meist  ley^]^  hreda  [in  G  auch  hraida^  3  nur  braita^  89  W4 
Ara:^a  [Afa;^a  23,  hea  569,  6  auch  Äea?^aJ,  h'xfa,  n^xta  [n^a  589],  d*^ 
[dika  4],  rf^i?^9  R237aß  daip^»  G  dipta  6  rf/>p^c?  589  daipa  4,  tti^^^  ["'if 
veZc?  8];  ähnlich  nkktix  RG237aß  naktix  4  [noks  56789]. 

b)  Intervokalisches  d  ist  stark  reduziert:  die  Zungenspitze  niilu'rt 
sich  der  gewöhnlichen  Artikulationsstelle,  schnellt  aber  wieder  zurüiiJi 


6? 

ehe  sie  sie  ganz  erreicht  hat,  so  dass  nur  eine  kurze  Hemmung,  aber 
kein  völliges  Unterbrechen  des  Luftstromes  stattfindet;  etwas  schärfer 
scheint  die  Artikulation  in  8  zu  sein.  Darauf  beruht  wohl,  dass  in 
R  und  1  gelegentlich  besonders  bei  Kindern  ein  1  erscheint:  /üfor,  heh. 
Vollständig  ist  l  durchgedrungen  in  siln^  aber  HdBJavdl  R3468{i 
[sildjavdl  G57  äihjkvdl  2  äilj&vdl  ol  äindjavdl  9]. 

c)  Hd.  t  ist  mehrfach  zur  Herrschaft  gelangt:  dn/p  46  hitd  456, 
fktdr  256. 

d)  Intervok.  d  ist  zu  r  geworden:  hara  (hatte)  überall,  pard 
parn  Tß. 

e)  In  den  inlautenden  Verbindungen  md,  nd,  rd,  Id  schwindet  d: 
fremde  end^  ^r^,  oh,  nur  vor  folgendem  1  bleibt  es:  mandl, 

f)  Ueber  kinndr  und  kindar  s.  §  27a. 

g)  Auslautendes  aus  d  entstandenes  t  tritt  in  den  Inlaut  in  hart 

—  liartar,  bunt  —  bunta  (Plural  in  RG23478aß  bunt  in  569  bina  in  8), 
tu  —  tUn. 

h)  Ueberall  n&tl;  kritd  nur  in  R6134,  sonst  d;  ohs  dert  nur 
noch  Rß  (in  beiden  fast  f),  sonst  ttr. 

§  32.     s.    Im  Anlaut  a)  vor  Vokalen  >  £f, 

b)  vor  1  m  n  p  t  V  >  ,^. 

Im  Inlaut  c)  zwischen  stimmhaften  Lauten  >  £f,  ausgenommen 
nach  r  und  wenn  es  auf  Geminata  zurückgeht  (misdn,  husan,  besdn  8 
sonst  beedn  R5679afi  und  b^zdti  Gl 234), 

d)  nach  r  >  .^:  iär.*?,  dor.H;  in  2  Wörtern  >  2:  faria  Verse, 
harid  R25679aß  herid  Gl 34. 

§  33.  g.  a)  Im  Anlaut,  sowie  im  Inlaut  nach  palatalen  Vokalen 
und  Liquiden  >  j,     Ueber  den  Schwund  dieses  j  s.  §  23l>. 

b)  Im  Inlaut  nach  gutturalen  Vokalen  >  ^,  geschwunden  in 
5089:  frkgdn  R  etc.  frdn  5689,   ebenso  vkg^fn  —  van  [Plurale  vkgdns 

—  vdn9\  mkyat  —  mät,  dkgd  —  rfa,  ekgan  —  eän^  ogd  —  6d. 

Dieses  g  ist  kein  eigentlicher  Verschlusslaut;  es  findet  ähnlich 
wie  beim  intervokalischen  d  nur  eine  Bewegung  der  Zunge  zur  Arti- 
kulation eines  Verschlusslautes  statt,  die  aber  nicht  vollendet  wird. 
Diese  Artikulation  scheint  am  geringsten  zu  sein  in  G  nach  k  (betreffs 
des  Vokals  s.  §  46)  und  in  Rß  nach  o:  fogal,  rogd  klingen  fast  wie 
fodl  TOB  oder  foval,  rov9  [deutlicher  fogal  27a,  fögol  Gl 346  fai  589); 
wirkliches  v  zeigen  5689  in  rovj  und  rovobluma  [rogo  und  rogan  \i 
rogdn  37aß  rok^n  Gl 24],  ferner  Raß  in  einigen  andern  Wörtern:  dkgd 
und  dkv3  R,  mkgat  und  mkvat  R,  frkgon  und  frkvan  R,  öga  und  öva 
Rafi,  drkgan  und  drkvan  R. 

dögan  zeigt  g  auch  in  569. 

Ueberall  ist  g  geschwunden  im  Plural  m^da  RG56789aß  (nur 
m^kans  134). 

c)  Geminata  nach  gutturalem  Vokal  >  x:  tajra,  baxar,  knaxan 
RG2347aß  [en  knaxjlbröt  68,  ena  r^lkmka  569J. 

d)  Im  Auslaut  >  x, 

5* 


6g 

e)  Auslautendes  (aus  ng  entstandenes)  yk  tritt  in  2  Wörtern  in 
den  Inlaut:  laykdr  und  jurjkdr  [in  8  nur  layiir  und  juy9r]. 

f)  Ueberall  heisst  es  r^ym  Regen,  regnen. 

g)  Ein  mitteld.  Eindringling  ist  kaf9n. 

§  34.  k.  Von  den  zahlreichen  hd.  Eindringlingen  seien  genannt: 
fax  nur  noch  in  R  selten  fak^  draxa  G45  drkka  123  driJc  R67h**7;;. 
aixhorn  34  aikhornakon  1  aiknts  R6256789«ß,  larxa  Urjk»  s.  ^  i«. 
flüxan  6  sonst  mit  k,  hkvixt  RG  1234a  h&k  (R)7ß  Äai  5689,  stis  U 
.•f/?:r/7i?.s^  26  .^t^k  R578a{i. 

§  35.  h.  a)  In  einem  Worte  ist  h  vor  s  überall  geschwunden: 
hesd;  andere  schwanken  zwischen  hs  und  s:  oks9  RGl2347aß  os9  67*^!*. 
flaks  RGaß  flas  56789,  vaksan  RGl2347a|i  vas9n  5689;  nur  ks  zeige!. 
aks9,  fuks^  daks^   vgl.  Bremer,    Zur  Geographie   deutscher  MundarteL. 

5.  39  ff. 

b)  in  ahhöpg  schwindet  h  in  R  gelegentlich,  in  2  u.  3  niei<:: 
dagegen  tritt  ein  h  hinzu  in  haxal  RG234a  [axal  56789fJj  und  hahiu^ 
R(f)G(t)  [jetzt  überall  ohne  A,  in  13  auch  ohne  Schluss  9\, 

Vokaldehiinngen  in  offener  Silbe. 

§  36.  In  offener  Silbe  sind  alle  kurzen  Vokale  gedehn: 
worden,  ausser  wenn  eine  Endung  auf  1,  r,  m  folgte:  Aäiia,  /a'... 
niedrige  (Wald-)Wiese,  m^tn,  ^t^lcdn,  hodd  [68  bötd\  jap?,  lüka. 

Bei  der  Dehnung  werden  jedoch  mehrfach  verschiedene  Voknl» 
entwickelt: 

a)  linkselbisch  e  sonst  ^  resp.  ^a:  hSvj  G123  h^v9  Ra  (heva  45^!»!. 
pep9r  G134  p^par  R25679ß,  veU  G134  [Singular  ebenfalls  gedehu: 
not,  auch  in  6J  n^ta  [Sg.  u.  PL  ausser  in  6J  R256789aß,  seil  Gl:^l 
sonst  e^ll,  derg  —  rf^rp,  bero  —  ft^r^,  .sVrf  —  .sV^Z,  ,^pHn  —  ,^p^ln  [sp*b> 
6],  0cf  G14  —  £^f  s.  §  21,  mer  G  —  tn^r  R,  ütsern  G1234  sonst  ^. 
veJ9  4  v^J9  R  v^9  5,  nejaldkdti  184  v^ahk^  R7a^  n^hka  5  nehh^  Cii2r»>: 
ezal  erstreckt  sich  unter  hd.  Einfluss  weiter,  ^aeal  nur  in  589,  ähnlir 
verhält  sich  das  Wort  tsaxes  R267a  [mit  Ton  auf  der  2.  Silbe,  in  ii 
mit  Ton  auf  der  ersten]  tsax(^as  589  [eine  aus  Eier  Milch  Seuniirl 
l)estehende  im  Backofen  gebackene  Speise).  Ueberall  t^na  [Sg.  u.  V\ 
mit  Ausnahme  von  Gl 2349,  wo  der  Sg.  thi  lautetj. 

b)  linkselbisch  ö,  rechtselbisch  &  resp.  &a:  knökon  Gl 34  kn&f.*', 
R256789a(i,  ütpöln  Gl 234^  titpSdn  R5678x. 

c)  hkln  RG.     köln  67ß  (mit  Umlaut  l^kdn  RG23579aß  lekan   r,>i 

d)  umgekehrt  im  Norden  &  und  äa  für  ö:  hold  R6ß  hialo  r>>" 
ovost  —  kaft  s.  §  30,  dörfv^x  u.  vexj  R6  dSiar(d)vex  59,  eöna  R  gkan(^  ■ 
59,  Äo;8ri?  R  hkasa  89,  ro/m  R  vkann  589,  lUronn  R  M^räaitw  589  «/riw/i 

6,  ÄT^yar  R  kkavdr  5   vergl.  §§  49.  51;    derselbe  Wechsel   mit  Unihui: 
in  hök9r(vif)  Gl 34,  hekor  R26a,  h^kor  56789^. 

§  37.  Ueber  Dehnung  des  Vokals  a  in  einsilbigen  Substantiver. 
in  Gl 34  s.  §  1.  IH  (Augenlied)  Gl 34  ApH  134  vgl.  §  44c.  r^j-  ist 
nach  den  obliquen  Kasus  gedehnt,  doch  vex  (Substantiv!)  in  569.  käu 
hat  wie  r^/"  ursp.  vokal.  Auslaut  gehabt,    span^jr  36789,  .^pkn^jr  G4.'>. 


69 

Die  einsilbigen  Adjektive  gleichen  stets  sämtl.  Kasus  einander 
an:  Z&w,  ikm.  Hl,  j^l,  Mal  Rl 2567a  sm&l  G13,  jram  R25678a[i  Jr&m 
G4,  nat  R256783C  n&t  G13,  klam  R25678aß  kiöm  G134,  hol  un  hol, 
Jrof,  vol 

Dehnung  ist  nicht  eingetreten  in  mehf  Jena,  fein  Fohlen,  ledix, 
predijon,  honix^  ioh,  fih  \fd  3];  bei  ledix  und  honix  scheint  die  Endung 
von  Einfluss  zu  sein,  es  heisst  auch  venix. 

§  38.  Die  Regel,  dass  vor  einer  Endung  auf  1  r  m  die  Dehnung 
nicht  eintreten  soll,  ist  mannigfach  durchbrochen,  a)  So  dehnen  die 
einsilbigen  Substantive,  deren  Plural  auf  ar  ausgeht,  davor  fast  sämt- 
lich ihren  Vokal  und  diese  Dehnung  geht  in  Gl 34  auch  auf  den  Sg. 
über.  Nur  der  Norden  hält  vielfach  an  der  Kürze  fest:  r^dar,  d^Jcar 
R  [R  u.  1  haben  auch  d^ko  (f),  sonst  nur  deka]  dekar  678ß  sonst 
dexar,  f^tar  R(f)G137  fehr  589  meist  fesar,  fekar  nur  noch  selten  in 
R  sonst  fexdr,  bl^dar  R7ß  bletar  68,  jl^jsar,  jr^var  R267,  br^dar  G134 
(vereinzelt  in  2)  bretar  R26789aß  [bret  Plural  5,  br^t  Sg.  14];  vgl. 
dazu  v^dar  RG7ß  (jetzt  auch  in  5)  vetar  (5)68. 

b)  Kürze  haben  bewahrt:  fadar  (Gevatter),  kajsal  resp.  hejsal, 
fedar  [in  2  ^],  flidar,  ledar,  fledarmüs,  evar,  evjl  [2  t],  ekar,  vedar 
(wieder),  hoval  [u  89,  ö  2;  als  Handwerkszeug  meist  tJ],  bonn,  modar, 
stokaln,  botar;  kneval  [in  5  u.  9  neben  kneval  an  der  Kette  ein  binakn^l 
zum  Garbenbinden],  levar  [l^avar  89],  jeval  [j^aval  9,  t  2],  äteval  [meist 
i  a,  nur  %  25689ßJ,  .«e«,  Ml,  keil  [k^atl  8]. 

c)  Schwanken  zeigen:  hamaln  —  h^maln  s.  §  1  [aber  überall 
hamal],  neben  havar  kommt  überall  schon  h&var  selbst  hifar  vor  havar 
nicht  mehr  in  2a,  javal  R13469  jS.val  2aß  jäval  58,  hamar  R2456789aß 
hSimar  RGl3a,  kamar  R245689aß  k&mar  (R)Gl37(a),  plastar  (Strassen- 
u.  Heilpflaster)  14  plastar  (Strassenpfl.)  (G)89  plastar  (Heilpfl.)  6  flastar 
(Strassen-  u.  Heilpfl.)  23  flastar  (Strassenpfl.)  RG567aß  plkstar  (Heilpfl.) 
RG5789aß,  kövar  resp.  k&avar  —  kovar  u.  kövar  46,  fidar  R56  faidar  G4. 

d)  Dehnung  ist  eingetreten:  f&dar  resp.  f&tar,  n^val,  ß^jal,  k^jal, 
p^par,  e^ll,  ezal,  zUl  [selten  und  nur  in  der  Verbindung  tar  oder 
unnar  ekll  jkn^  R7ß,  sonst  hd.  eatl;  ferner  wo  intervokalisches  j  oder 
g  geschwunden  ist. 

Vokaldehnniig  vor  r+Alveolar. 

§  39.  Auch  vor  r-f-Alveolar  sind  die  kurzen  Vokale  gedehnt 
worden,  doch  nicht  so  konsequent:  jkrn  (R)G3  jkrtn  R246789aß,  kkrta 
(karta  3),  m&rta,  bkra,  j(^rn^  ät^rn  [Stern],  ^ra,  ^rn  (Ernte),  ^rnst  (der 
Name  meist  arnst),  tsw^rn,  p^rt,  h^rt,  f^ria,  st^rn  (Stirn,  vielfach  hd. 
sturn).  dern  Rl347aß  dirn  5689  (in  G  u.  2  ungebräuchlich),  Vera  [nur 
in  jilda  Vera  j^wm,  in  4  u.  6  auch  hier  nur  vorta],  dorn,  hört,  förts 
[in  G24  unbekannt,  in  1  selten],  antvörn  (antvortn  68),  ,§pör  [mndd. 
sporn]  R14aß  ^piir  G235689,  hofporta  R569,   nornn  Rß  (sonst  nornn). 

Kürze  zeigen:  hart^  äwart,  kort  [kurt^  G  kort§  134],  äorta  [sarta 
4],  vortl  \yortsal  Gl 2346],  horta,  vorsl,  dorst,  borMa,  born,  körn,  hörn. 


70 


Vokalverkfirzang. 

§  40.  a)  Jeder  lange  (gleichviel  ob  dem  Ursprung  nach  oJer 
durch  Dehnung)  Vokal  wird  vor  folgendem  Vokal  zur  Halblänge  ver- 
kürzt; Kürzung  erfährt  in  diesem  Falle  auch  der  erste  Teil  dir 
Diphthonge. 

b)  Vor  mehrfacher  Konsonanz  tritt  beim  Verb  häufig  Kiirz' 
(resp.  Dehnung  nicht)  ein  s.  starke  Verben  u.  §§  57,  58.  Aiidtri 
Fälle  sind  vaxta,  dixtd^  eaxtd;  hextd  3. 

c)  Unter  Einfluss  eines  r  der  Endung  tritt  Kürze  ein :  stnkdn  - 
stukQrn,  änmißm  —  änuparn^  düvd  —  devart  R579aß  dovsrt  G234  dcmi^ 
5689,  jröt  —  jretBT^  Main  —  klenndr  resp.  klendar  [klainer  G],  sviw  - 
sendr^  sw&r  —  swedar  s.  §  24d. 

Vokalverändernngen  vor  r  und  1  Verbindnngeii. 

§  41.  Vor  r-K  Nichtalveolar,  oft  auch  vor  r-}-  Alveolar  hiilHi 
die  Vokale  e,  i,  u  Verändei-ungen  nach  a  hin  erlitten,  e  >  a,  i  üb»^ 
e  >  a  über  w  >  ö,  u  >  ö.  Zu  ö  ist  zu  bemerken,  dass  sein  Lauhtr! 
oft  im  selben  Worte  bei  derselben  Person  schwankt;  im  allgemeiiiti 
lässt  sich  sagen,  dass  linkselbisch  ö,  im  Norden  u  sich  festzusetzd 
scheint.  Beispiele:  barx,  darp,  hartsd^  harvast^  farkan,  sparliyk^  färb 
jar.Ua^  karf,  ,Uart(s)  {M^rts  in  Gl 234),  arpl,  varval  [vurval  4],  te'- 
barkd  [burkd  23  birka  G],  harta  [auch  horta  2J,  äarligk  RG56T>' 
C^irliyk  1234a),  (Dach)  /ör.s^^(^a;  RGl234678aß /wr.^/a  59,  ,s-orm  RG'iSTi: 
surm  5689,  an.^orn  RGß  an.^urn  568  (meist  umsurn  u.  upsurn  5t>S"' 
koi'sa  Raß  u  G56789,  korxa  RG2347aß  f^  5689,  vorklix  RG2ß  u  567^  i^. 
orn  R  u  G5689aß,  urnibus  5,  vorpm  RG237a  u  469  varpm  4,  sorb  - 
sarta  4,  vort  (Wirt)  R  vurt  8,  borx,  dora,  botarUorl^(j\2^^1oLUd& 
s.  auch  §  39. 

§  42.     Vor  1-f-Alverlar  ist   a   zu   ö   geworden:   holn,    koUt  /o< 
fola^  volta  7ß  volsa  R3  sonst  valsa,  holftar  (mit  Umlaut  helftar  8);  ak: 
bah  [b&la  G134J. 

Entlabialisierung. 

§  43.  Auf  dem  ganzen  Gebiete  ist  Entlabialisierung  eingetret' 
also  Umlaut  von  o  >  e,  Umlaut  von  6  >  c,  Umlaut  von  u  >  i,  IV 
laut  von  ü  >  t,  s.  §§  2,  6,  13,  15. 

Uebergänge  zwischen  i  und  e,  o  und  n. 

§  44.  a)  Statt  älterem  e  erscheint  i  in  stima^  uphitsan;  in  ai 
deren  Wörtern  zeigt  der  Norden  e,  die  anderen  i:  hema  59  hef}id^^'^ 
sonst  hima^  bez.  /iwiln  ktoiln  jiln  .Hin  s.  Verb,  briyan  nur  in  8  brep- 
i  u.  e  in  folgenden  Wörtern  beruhen  auf  Umlaut:  kela  5G89  soi:^ 
kila^  eeloar  68  ^üvast  RG2347a^,  helpm  5689  sonst  ÄiZptn,  ^rtifaln  F. 
(jetzt  meist  kartufaln  u.  kariofaln)  7aß  kartufaln  G23  kartofaln  4  ^'• 
^«?/bZn  5689,  miif^r  RG  1234a  tweZZar  56789  überall  me?^,  «/"^Zn  R7  tefl 
59  (in  5  jetzt  tifaln), 

b)  In  offener  Silbe  ist,  wie  schon  mnd.,  i  zu  e  geworden:  k^^- 


~i> 


71 

s^Jl,  0^f,  vetn,  neddr,  veddr,  retiQ,  .Uevol,  slenn  [in  8  sledd^  9  sleddr]^ 
tdftenn  Gl 34  sonst  tdfrinn  (jetzt  auch  in  G). 

c)  Andere  Fälle:  Tcamsh,  vekd^  mes^  hen,  §wemm^  äelp  (äilp  34), 
bct  (bis  Gl 234),  smet  (i  24),  em  {in  Gl 34),  .^pel  [^H  134  ,^pil  6],  ^r 
er,  tsw^rn,  [öggnjlet  [let  Gl 34  lit  2],  vetfhdn  RG79aß  viykdn  234568, 
met  56789  sonst  mit,  §net  5  f^nit  R6. 

§  45.  0  >  u:  dül,  vülij,  rast^  dum,  fürt,  htdca,  rustd  (Ofenrost); 
mul  4  sonst  mcH^  huvdl  89  sonst  hovdl. 

u  >  0:  zom^r,  fogdl,  botar,  komm  vgl.  Verb,  ddg9n,  vönn,  ednd, 
foTB  (Furche);  knupa  nur  in  G134  sonst  Arnopa,  op  G1234  sonst  ifp. 
Umgelautet:  evdl,  evar,  §letl,  Ml,  fein  Fohlen,  d^rg,  myan,  n^td,  b^rn,  kemdh 

Yokalverändernngen  unter  Einfluss  eines  folgenden 

intervokalischen  j  oder  g. 

§  46.  j  und  g  haben  vielfach  bestimmend  auf  die  Entwicklung 
des  vorhergehenden  betonten  Vokals  eingewirkt: 

a  wird  linkselbisch  und  in  der  nördlichen  Gruppe  nicht  zu  ä 
gedehnt,  sondern  zu  einem  wesentlich  helleren  Laute,  der  namentlich 
in  589  als  d  zu  bezeichnen  ist  oder  fast  noch  darüber  hinausgeht, 
in  6  klingt  er  etwas  dumpfer,  dann  folgt  etwa  1  und  schliesslich  G34. 

Auch  o  ist  in  einem  Worte  in  589  zu  ä  geworden:  fäl  Plural 
f^ld,  oder  ist  der  Sg.  Neubildung  nach  dem  Plural? 

e  vor  j  4-  dl  ist  in  5689  unter  Ausfall  des  j  zu  ^  gedehnt 
worden,  in  Gl 34  ist  teils  ai  teils  e  entwickelt,  R27aß  bewahren  e. 

ä  ist  umgelautet  zu  ^  in  RG27aß  5689  in  den  letzten  4  unter 
Schwund  des  j,  zu  e  in  4,  mit  j  diphthongiert  zu  ai  in  1  u.  3. 

e  hat  in  Gl  34  mit  j  zusammen  den  Diphthong  ai  entwickelt. 

0  ist  umgelautet  zu  e  und  dieses  wie  das  vorige  entwickelt; 
nur  in  6gd  ist  6  geblieben. 

Beispiele  siehe  §§  23  u.  33. 


Flexionslehre. 

In  der  Flexionslehre  habe  ich  mich  auf  einige  Pronomina  und 
das  Verb  beschränkt. 

§  47.  Pronomina,  mai  dai  5  (jetzt  meist  mi  di),  mi  di  689 
sonst  mik  u  dik,  Ueberall  heisst  es  schon  zix.  vi  R2789aß  vai  1456(9) 
vir  3.  h^  R(5)789fa)ß  hai  (3)4  ^r  G12353C.  en  G134  sonst  em,  ee 
R  eai  14  zi  36  eie  8.  er  G134  sonst  ^r.  de  R67aß  dai  G134  di  6 
die  589. 

Starke  Verben. 

§  48.  I.  Klasse,  bitn,  bU,  obetn  RGl2367aß  jabetn  4  [in  4  hat 
das  Particip  überall  J9  statt  a!|  db^atn  589,  ebenso  fitn,  ,^itn,  ,<mitn, 
jripm,  knipm  [schwache  Nebenformen  sknipt  68],  sninn,  $rinn,  rinn, 
linn,  sirinn,  drimm,  blimm,  änmm,  nmm;  §tidn  (h^  ätixt,  8  h^  Midi) 
äaidn  569  (Ä9  .stait),  Mtx,  gsi^an  dittjan  Gl  34  ast^an  9  eätian  568  (in 


72 

3  ist  das  Verb  unbekannt,  dafür  Ijatdrn^  auch  in  5,  6,  9  meist  Üeim", 
kt'idn  (h^  krixt,  6  Ä^  krit,  8  h^  kriat)  kraidfi  5,  krex  (Nebenform  kriäd 
7^),  dkrejt^n  (j134  dkrid  in  allen;  sridn  .^aün  568  (A^  srait)^  sm, 
<^sr^jdn  d.^njan  Gl  34  dsr^dn  569  d.^rait  8;  Swian  .^waian  5,  swex^  ^^^tc^^n 
e  G134,  9siv^9n  69  (58?);  Ä:*Ä;an  (A;/ä5^  568ß,  die  andern  i),  ^'  (i^ikt^ 
Nebenform  in  R7a^  kikU  in  5689),  skikt  dk^akan  9  (u.  Nebenform  in  8). 
viean,  ves  RGl23469a  visto  ß6789a,  9Ve£f9n  G134  av^aean  9  avist  R24 
56789aß;  pipm  hat  im  Particip  starke  Nebenform  ap^apm  8,  ebenso 
Mrikan  u.  rffen. 

§  49.  II.  Klasse.  jHn  jaün  Gl  34  jitn  6  y*e^n  589,  i^,  ^otn 
RGl23467aß  9J&atn  589;  ebenso  Mn  (6  .^*5an  aber  a.^ö^n),  fardtetn, 
benn;  h^drejdn  badraian  (jl34  badren  5689  (Ä^  bddret)^  badrdgan  badrosn 
69  6a(?rc^  89  (8  auch  badrögan]  5?;  Ze/^n  Zawn  lin,  alögan  aloan  6  pMh 
89  dlet  9  (8  auch  alögan)  5?;  /?/^'dn  /fown  /?e»,  aflögan,  aflöan  69  #'« 
89  aflet  9  a/fc^  8  5V;  6p/an  bin  5689,  aio^pn  (auch  8)  abit  89  5t;? 
[dazu  schwaches  Verb  b^an  R27aß  bejan  34  b^n  569  t^in  89];  /V/trn 
i  Gl 2345689,  forlorn  forlkarn  589,  ebenso  frern;  MiUn  älttn  5689  [Miti 
aslötn  äa  589;  ebenso  kräpm^  sfüpm  [aber  A;rt^p^  und  eupt  in  5689]: 
.•?«wm  (.si/*6-^  134  sifst  u.  .s'wya«^  RG  mvast  256789aß),  a,^ömtn  asüvdt  ^ 
(in  9  Nebenform);  ebenso  ^rumm  [Particip  y.«?r&amwi  59  a.^ruvai  8|. 
snumm  [Particip  asnüvat  5689];  rükan  \rukt  56789,  rikt  u.  riüci  G, 
sonst  rükt\  rök  RG234589ß  rükta  RG237aß,  rukta  9,  arökan  G4a  ariak3n 
589  ar/^A:^  RG237aß  arukt  569;  £rv?an  [£rir<  34  sonst  eüat],  evx  G459 
^«.^^a  RG25789aß,  azogan  Gl 345a  a^t/^^  R25789aß. 

brükan  geht  schwach  [ftrttÄ:s^  56789ß  s.  §  58],  femer  Ä-7rmw, 
stemm,  kauan  [Ä^  A;au^  5689  sonst  kauat], 

55  50.  III.  Klasse,  i^wemm  .§wimm  G234,  .9m;ww|?,  a^iwumm  asweint 
8;  javinn  javunt  javmin,  ebenso  ,^pinn,  eix  baeinn^  rinn^  binn^  finn,  mn, 
fovf^ivinn,  sinn,  jinn;  srinn  Rl23789aß  [schwach  in  R8  und  meist  i 
stark  in  23]  Myan  G4569  läriyat  G4  sriyt  569,  schwach  in  G,  stark 
in  4569];  driykan^  druyk  adruykan^  ebenso  siykan^  stiykan;  giyan  \zi}}^ 
5689  sonst  ziyat]  zuyk  aeuy.m,  ebenso  spriydn^  driyan,  Tdiyan,  tsm)p^ 
[2,  3  u.  a  auch  tswiy9ta\  friyan  [in  7ß  stark  u.  schwach,  3  schwache> 
Particip,  9  starkes  und  schwaches  Particip],  jaliyan,  jsix  tUbadiyan 
ohne  üt^  in  5  u.  9  dafür  ütmkk^ny  aber  aduyan  5];  ,'^wiln  ^weln  [swt 
5689  swul  d§wuln^  ebenso  kicün^  jün^  siln  [in  9  ütäimpm  Particip  «/■ 
asimpt  u.  iUasumpm,  in  5  meist  tsaykan]^  hilpm^  eix  forärekan;  vighh 
2345689  veykan  RG7aß  ist  schwach  [aber  in  3  amiykan^  ferner  5t>6'J 
A^  veykt,  Äe  hei  aveykt]-^  starmm,  Morf  u  45689,  a.Uormm;  fordartntn. 
fordorf  R2ß  u  46  daneben  und  überall  sonst  fordarvata,  fordormm; 
v(^rn  (vort)  varn  (vart)  56789ß,  vora,  avorn;  ^mclsan  RG78ß  snieltn  5^ 
smilsan  Gl  (in  R  schwach),  Amuls  G13468  smult  59,  asmulsan  G1234(^ 
asmultn  59  (in  den  nicht  angeführten  Orten  war  Sicheres  bei  diesem 
Verb  nicht  zu  ermitteln). 

flejrtn  (starkes  Particip  15,  stark  und  schwaches  Particip  ^1- 
melkan,  jlimm,  dresan  sind  schwach;  baf^ln  s.  §  51. 

§  51.     IV.  Klasse,    brükan  br^akan  {brekt  56789   breU  und  ft»"* 


//: 


73 

ß  sonst  brikt)^  brdJc,  ^hrohn  äa  589;  ebenso  .^pr^ksn  [ß  nur  ^eM^ 
auch  in  den  beiden  folgenden  nur  e),  st^kan^  dr^pm;  v^jdfi  vepn  4 
v^n  {v^t)  5689,  dvögd^i  (8  auch  intransitiv)  9V^t  589;  s^rn  sern  Gl 234 
(von  den  Schafen  meist  ämnn  4589)  9äörn  9s&arn  59  9fi^rt  (u.  d.^orn!) 
8;  ebenso  bdsw^rn  (basw&arn  8);  y^rw,  9jöm  9j&arn  9  p/^r^  5789ß; 
.s't^ln,  dätöln  d.Uiualn  589;  ebenso  baf^ln;  jdhörn;  n^mm  (nemt  5689 
sonst  nimf)^  vSun  mm  5689,  9nomin  dn&amm  589;  ebenso  A;omm  k&amm 
589  [Acw^  589  iom^  6  sonst  kirnt];  b^rn  birn  Gl 3  [in  4  nicht  ge- 
bräuchlich) ist  schwach. 

§  52.  V.  Klasse,  fr^tn  fr^atn  (frei  5689  sonst  frit),  fr&t  frät 
5689,  9fr^tn  ofr^atn;  ebecso  jgitn  [überall  natürlich  jeri^] ;  m^tn[müG4: 
met  5689  sonst  w^^],  m^ta  (Nebenform  mdt  69),  9m^tn  {pm^t  7ß  Neben- 
form); tr^nn  wie  fr^tn;  j^mm  jemm  Gl 34  {jcft  56789  ^e/i  und  jift  ß 
sonst  yi/i),  ßf  jäf^  9j^mfn  djemm  Gl  34;  ?i5»,  Ikr.  Mx,  aZ^^an  rf^n  5689; 
zedti  jsaidu  Gl 34  je^«aw  5689,  ekx  edx^  dein  9eain  dsst^n;  psSn  \jdM  9 
jaäit  8  56?  sonst  päioct]^  jdäkx  a,  J9.^en;  ^tn  (et  5689  sonst  it)  &t  ät, 
ojetn;  ebenso  forjetn  [forjetd  R23478ß,  Nebenform  in  G69];  vir  var 
5689  dvest;  binn  (bitten),  b&t  bat  biddtd  R8,  dbiddt  jdbitdt  4  [Nebenform 
db^nn  3ßJ;  l^ean  [l^st  68  59?  sonst  list],  lis  (?)  las  69  l^st9  R59, 
aZ^s<  R2678aß  al^eat  Gl 3  jaZ^^eran  4.    r^iwiw,  /?Qjaw,  ftaryaw,  Aw^nn  schwach. 

§  53.  VI.  Klasse,  äl&n  sl&jan  (sletst  Gl 234,  sletst  u.  ,^/at5^  Ra, 
slaist  56789ß),  Möx  R268ß  .^Zawa:  Gl  34  Mux  G9,  a.<fZin;  .^^&n  Mefi  Gl  34 
(.sVe^  Gl  34,  sonst  ätait),  Munt,  asthi  dMen  Gl 34;  ßrn  (f&rt)  firn  (firt) 
689  5?,  för  R268aß  /ör  G139  faur  14  /^är^a  R,  a/'ärn  RG234789aß 
gförn  6  a/är^  RGlß  oßrt  8;  dr&^fan  [drea:^  u.  driggt]  dran  \drät]  5689, 
drox  R2689aß  ü  G3  aw  14,  adrkgdt  ddrät  5689  jddrkgdn  4  (Nebenform 
ddrkgdn  7a);  /ri^an  /raw,  /Vc>x  R268a  «  G39  aw  14,  dfrkgdt  dfrät; 
vaksdn  (vakst  R7aß  vekst  G1234)  vasan  5689  (vast)^  vuks  vus  69  wi5^a 
8  5?,  douksdn  avasan  68  59?;  h^mm,  höf  RG1346  il  9  h^vdta  R268a, 
aAöww  RGl2346789aß  ah^vat  R34678aß. 

jr&mm,  I&nn,  m&in^  bakan,  vaäan,  hxan,  v&kan  [vaxan  68]  sind 
schwach. 

§  54.  VII.  Klasse,  faln  (feit  Gl 234  sonst  falt),  fei  ai  Gl 34  ö 
68  ü  d  5?,  dfaln;  Iktn  [lot  8  569?  sonst  let],  let  ai  Gl  34,  al&tn; 
ebenso  slkpni,  löpni;  röpm  au  Gl 34  ü  689  5?  (rifp<  689  5?  sonst  rept)^ 
rep  raip,  aröpm  au  n  [auch  arupt  8];  höln  [holst  689  5?  sonst  helst\ 
hei  ai  G134  Ö  6  w  9  hdtd  8  5?,  dholn;  feyan  (feyat)  fayan  6789ß  5V 
(fayjt  689),  schwach  (aber  Nebenformen  feyk  R  /'wpfe  89a  efuyan  8); 
ebenso  A^j;a«  (Nebenformen  hiyJc  R  Amj;ä;  89  Äi^Äj  9  ahuyan  intransitiv 
S);  j&n  (jaü)  Jen  (jet)  G134,  juyk  RGl23468aß  jiyk  R246789a,  ajSiU 
ajen;  hetn  (hüst)  haitn  (haitst)  G134  hitn  6  hietn  589,  hita  R689  Äat^a 
G134  heta  2  Äc^  a,  ahetn  ai  i  ie;  stetn,  stota  RGl  Mot  2347a  .s^d^  689, 
dstotn  R7a  a,^/ö^w  G256  astetn  589  a.^^o^  G134. 

.^/>ann,  6ränw,  *8r^;an,  dr^jen,  .§ainn^  hauan,  flökan,  blkzan  [blkzat 
Gl 34,  sonst  Ukst]^  räww,  irönw  sind  schwach. 

§  55.  ddn  {dait)  daun  (daü)  Gl  34  dun  {dut)  5689,  dkt  dät 
5689,  adftn. 


74 


Präteritapräsentia. 

§  56.     vetn  vitn  8  (vet  vet  5689),  vusta^  ovust 

kinn  kenn  Gl  234a  (Äran),  kunt9,  dkunt. 

darmm  {darvBst  R456789aß  darfst  2),  dorftB  R  u  78,  ddorfi  Ro 
67ß  u  G89a. 

eoln^  zoltd^  dzolt, 

m^jdn  mejdn  Gl 34  m^n  5689,  Optativ  mexh  G12456(a)  mixU 
R789aß,  Particip  selten  dmuxt  789ß,  Präteritum  kaum  vorkommend. 

mutn  mitn  8  569?,  mn^td,  dmust. 

min  völn  Gl  234a,  volts,  dvoU, 

Schwache  Verben. 

§  57.  Schwache  Verben  mit  Vokal  Veränderung  im  Präteritum 
und  Particip. 

briydn  \hriyt  5689  sonst  hriydt\  hroxts  braxia  56789  ß?,  ^Jra-' 
dbraxt. 

zekdn  {zikt)  zaikan  (zaikt  u.  zikt  G  zaikt  3)  Gl  34  zikBn  6  sieha 
589,  zoxt9  zuxta  6789ß  5?  zanktd  4,  9zoxt  dzuxt  jazaukt  4. 

kepm  (kefst  RG2347a  kepst  5689  köft  3),  kofta,  dkoft. 

hemm  [Infinitiv  in  1  Äaw,  gelegentlich  auch  in  4],  hara  [hadd\  M' 

§  58.  Kürze  zeigt  der  Stammvokal  in  der  2.  u.  3.  Pers.  Prasenv 
sowie  im  Präteritum  und  Particip  auch  bei  einigen  anderen  Yerbe 
auf  dem  ganzen  Gebiet: 

r^nn  renn  G1234,  A^  ret,  reto,  dret;  Imn  läuten  dt  lidot  RGl2i 
dt  lit  R3469a,  Uta  R6,  alit  R9a  altdat  a;  badinn  bedeuten  badidat  R34il' 
badit  R2; 

bei  anderen  nur  im  nördlichen  Teile: 

r&pm  569,  h^  ropt^  ropta^  aropt;  mkkan^  h^  mokt^  mokta,  ondi 
5678ß  9?;  et  het  na  jansa  vila  vort  6  (es  hat  ziemlich  lange  gedauert^ 
ütrknn  68  täarot  5689;  blilann  58,  ethetablut  5689;  britkan,  brukt  5678'«p 
Der  Imperativ  heisst  rop,  mok;  vgl.  dazu  /afc,  slit  58,  älox  69.  >/^ 
man  vedar  up  689,  frax  69,  lot  ßS^^jox  689  (geh);  ferner  n&ktfx  noks  31» 

§  59.  2  Verben,  deren  Stamm  vokalisch  auslautet,  nehmen  in 
Imperativ  Singular  konsonantischen  Auslaut  ,^trauan  hauan :  straufH^'^ 
straux  G4  straix  679  Mraua  RG2  straia  5,  haux  (ursp.  Stammauslaiit 
w)  R45679  häuf  a^  haua  2;  vgl.  dux  R25689a  daux  G4:]  ausgegang^^i^ 
ist  diese  Erscheinung  von  Formen  wie  zix  RG235689aß. 

§  60.  Bei  vokalisch  auslautendem  Stamm  fällt  in  der  nÖTdliclui 
Gruppe  das  a  vor  den  Endungen  st  und  t  aus:  at  daut  6,  Ä^  hei  w 
adraut  8,  ä^  kaut  5689;  in  den  andern  Orten  heisst  es  dauat^  odran^- 
kauat;  ebenso  nach  stammauslautendem  y  s.  starkes  Verb  §  50. 

Zahlen. 

§  61.  Die  Zahlen  sind  sämtlich  überall  hd.  beeinflusst:  tn> 
ains  G14,  tsw^a  tswaia  G134  tswed  5689,  draia^  fira,  ßmva,  sthi^ 
z'mim,  axta,  naina^  tsf^na  u.  s.  w, 


75 


{ 
{ 


Sehlassflbersicht. 

814GR2aß76895 


{ 


{ 
{ 

{ 
( 

{ 


{ 
{ 

1 


.895 

3    1    4  G 

R  2  a   ß   7 

6    .     *     • 

.895 

3    1    4  G 

R2   a   ß  7 

6    .     .     . 

.895 
6    .     .     . 

•     .     •     • 

'.  !  '  '.   i 

•  •         •         • 

3    1    4  G 
3    1    4  G 

•  •         •         • 

R  2  a   ß   7 

R2  a  ß  7 

6   8   9    5 

.895 
6    .     .     . 

.... 

•         •         •        « 

3    1    4  G 

R  2   a   ß   7 

6    8   9   5 

•         «         •         • 

6   8   9    5 

3    1    4  G 

R  2   a   ß   7 

3    1    4  G 

•         ■         •        • 

R2   «   ß   7 

•         t         •         • 

.895 

3    1    4  G 
3    1    4  G 

R  2  a   ß   7 

6    .     .     . 

R  2  a   ß   7 

6    .     .     . 

.895 
6   8   9    5 

3    1    4  G 

•     •    .     . 

R2   «   ß  7 

•         ft         •         • 

6   8    9    5 

3    1    4  G 

.     .     •     . 

R2   «   ß    7 

•  •         •         • 

6   8    9    5 

•  •         ■         ■ 

!  !  !{g 

.     .    4    . 

R2  a  ß   7 

3    1.. 

3    1    4   G 

•  «         •         • 

(3)(1)  4(G) 

•  •         •         • 

•  •         .         . 

R  2   a   ß   7 

6    8   9    5 

R2   a   ß   7 

.        •        •        .          f 

6    8   9  (5) 

.    5 

6    8    9. 

•         •         »         • 

3    1    4  G 

R  2    a    ß   7 

l^}=  Umlaut  von  ä  §  8. 


=  6  (e),  Umlaut  von  ö  (au),   =  io 
9,  13,  19. 


}  =  ö  (ai)  §  9. 

uay 

"  ^  '  =  ö  (au)  §  12. 


0 

au 

au  u.  ai 

A 

n 

Schwund  des  intervokal 


"•.^*Wor  Vokalen  §  18. 
u.  t     I  ^^ 

.  j  u.  g  in  allen  Fällend 
„  „  „  nach   i  u.  bei  l   jj  ^g  ^ 

8.  .  ,  I       §  33. 

.  j  u.  g  nur  nach  i         J       " 


n  n  n 

Diphthongierung 

Schwund  des  intervokal 


Dehnuugsprodukte  in  offener  Silbe 
§  36. 


a  vor  intervokal,  g  §  46. 


e  vor  ^'  -h  *'  §  46. 


=  k  vor  iutervokal.  j  §  46. 
e 

ai 

m 

?*\  =  e  u.  6  vor  intervokal,  j  §  46. 

Jf}  §  ''■ 

mat, 

mi, 

mik. 


ai,  daiy) 

h  di     f\%  47. 

ik,  dik   ) 


Die  vorstehende  Uebersicht  über  die  wichtigsten  lautgesetzlichen 
Abweichungen  der  Mundarten  von  einander  ergiebt  folgendes  Resultat: 
Die  Mundarten  bilden  3  grössere  Gruppen,  von  denen  die  eine  die 
4  linkselbischen  Orte,  die  andere  die  3  auf  der  Insel  und  die  2  an 
der  alten  Elbe  gelegenen,  die  dritte  die  anderen  4  rechtselbisch  ge- 
legenen oder  die  nördlichen  umfasst.  Von  der  linkselbischen  trennen 
sich   in   einem  Punkte  G  und  4,   G,   um   sich   der  Inselgruppe   anzu- 


76 

schliessen;  von   der  nördlichen  Gruppe   trennt  sich   in    einem  Punkte 

5  ab,  in  zahlreichen  Punkten  aber  6,  das  sich  in  mehreren  davon 
der  Inselgruppe  anschliesst;  die  letztere  stimmt  in  allen  wesentlichen 
Punkten  in  sich  überein. 

Das  wesentlichste  Unterscheidungsmerkmal  besteht  in  Folgendem: 
Linkseibisch  finden  sich  nur  fallende  Diphthonge  d.  h.  solche,  die 
von  a  ausgehen,  in  der  nördlichen  Gruppe  (895)  nur  steigende,  d.  h. 
solche  die  zum  a  hingehen  (mit  einer  Ausnahme,  §  18),  die  mittlere 
Gruppe  ist  arm  an  Diphthongen  und   weist   nur   fallende  auf.     Auch 

6  weist  (ausser  den  in  §  18  erwähnten)  keine  Diphthonge  auf;  trotz- 
dem gehört  es  zur  nördlichen  Gruppe,  da  seine  den  Diphthongen 
derselben  entsprechenden  einfachen  Laute  aufs  engste  mit  denselben 
verwandt  sind;  seine  einfachen  Laute  sind  offenbar  von  der  Diph- 
thongisierung  noch  nicht  ergriffen  worden  und  werden  es  bei  dem 
entgegenwirkenden  Einfluss  der  Schriftsprache  auch  wohl  nicht  mehr 
werden.  Auf  diesem  Unterschiede  der  Diphthonge  beruht  es,  da^s 
namentlich  die  linkselbischen  Mundarten  behäbig  breit  erklingen,  die 
nördlichen  dagegen  eigentümlich  unruhig  und  hastig. 

Zahlreiche  Einzelerscheinungen  würden  das  obige  Bild  in  seinen 
einzelnen  Zügen  noch  schärfer  hervortreten  lassen;  doch  fehlt  e> 
naturgemäss  nicht  an  anderen,  die  dieselben  verwischen  und  ver- 
schieben, so  schliesst  sich  ß  und  merkwürdiger  Weise  noch  mehr  T 
der  nördlichen  Gruppe  mehrfach  an,  während  wiederum  G  mit  R. 
mit  dem  es  zusammengepfarrt  ist,  noch  mancherlei  gemein  hat.  Auf 
Einzelheiten  eingehen,  hiesse  aber  die  Arbeit  wiederholen.  Dass  die 
beiden  auf  dem  rechten  Eibufer  gelegenen  Orte  ß  und  7  sich  so  eng 
der  Inselgrup])e  anschliessen,  dafür  giebt  es  geographische  wie  histo- 
rische Gründe.  Durch  Wald  und  Sandhügel  sowie  durch  die  Elile- 
sümpfe  sind  sie  von  der  nördlichen  Gruppe  (5,  8,  9)  gescchiedeu: 
6  ist  noch  heute  anhaltinisch;  Aecker  und  Laubwald,  der  früher  als 
Weide  besonders  in  Betracht  kam,  waren  für  sie  nur  auf  der  Eibinsel 
zu  finden;  sodann  haben  sie  politisch  stets  in  enger  Beziehung  zur 
Insel  gestanden,   vgl.  Winter,   Magdebui'g.  Geschichtsblätter  X,  97  ff. 


Anhang. 

Im  folgenden  sind  eine  Reihe  von  Wörtern  zusammengestellt, 
die  ich  entweder  im  Danneil  nicht  oder  in  abweichender  Bedeutung 
oder  Form  gefunden  oder  die  mir  sonst  bemerkenswert  schienen. 

aian  (streicheln)  kennen  alle  Orte,  aifo«  nur  RG23x. 

An  den  Getreidegarben  heisst  das  eine  Ende  überall  ärew9,  da< 
andere  startend  in  G123  und  vereinzelt  in  R,  Martnend  in  4,  bolteti3 
in  R56789aß. 

banix  ist  ein  Steigerungswort,  das  gern  mit  jr6t  verbunden  wird. 

bagka  überall  mit  a,  höchstens  in  der  Schule  einmal  batfk, 

harstakrüt  [eine  giftige  Sumpfpflanze]  RGaß,  barätajras  569, 


77 

In  134  beln  die  Hunde,  in  R256789aß  blafan  sie,  in  G  beides 
(auch  in  6  beln  für  ein  kurzes  Anschlagen). 

bl^kan  heisst  sowohl  jemandem  die  Zunge  zeigen  als  auch  laut 
schreien. 

blisd  veraltet  in  RG46a,  jetzt  blU9  RG2345689aß,  in  ß  alt  bletd. 

Der  bölsdkoJtdr  schreckt  Kinder  in  R56789aß,  in  1  und  4  ist  es 
der  mumdhdJt^r^  in  3  der  mumdlkkidr, 

boltend  s.  2kreno. 

bdm^t^dn  RGl,  selten  in  2,  Schiffe  an  Tauen  stromaufwärts  ziehen 
(auch  in  Mühlberg  a.  Elbe);  zwischen  R  und  G  ist  eine  für  die  Segel- 
schiffahrt besonders  ungünstige  Stelle.  In  3  u.  4  versteht  man  unter 
hdm^täi^r  die  Flösser. 

bom9  Bürste  345G9  burstd  Sprung,  Riss  34569,  in  RG278aß 
lautet  beides  borsta, 

br^kan  alles  vor  sich  niedertretend  einherstürmen,  in  4  dafür 
br'dkS9n;  eon  olhr  brs^kju  wild  durcheinandergewachsenes  Kraut  (nicht 
in  489). 

brumzdl  s.  dkzika. 

bulhrdistl  s.  kulhrdistdl, 

buls  sind  die  Kühe,  wenn  sie  nach  dem  Bullen  verlangen. 

Die  grosse  den  Pferden  nachstellende  Fliege  heisst  dkzikd  RG2 
r)7aß,  dQ,ed  5689,  brumzal  134. 

drildistl  s.  hüldrdistdl. 

duvMx  nimmt  man  einen  Faden  und  blühen  besonders  die 
Blumen  in  RG12345xß  [in  R  auch  di'Mix^  diwalt  in  678ß. 

dal  giebt  es  nur  in  RG23aß,  nicht  in  1456789. 

fijoln  pflückt  man  in  RG(14)7aß,  failxdn  in  124,  faüdxdn  in  68, 
fihk^n  \end  fihkj]  in  589;  in  R  bedeutet  fibkan  Lack. 

fUja  resp.  fle  bezeichnet  in  R256789aß  sowohl  Fliege  wie  Floh; 
will  man  den  Unterschied  deutlich  machen,  ^o  heisst  es  hipfltjd  und 
floxflejd  R,  hipflea  und  ptirflea  6,  hip^ha  und  purfled  8,  hipfte  und  purfle 
9;  in  a  und  5  giebt  es  nur  den  Zusatz  A/p;  in  3  und  4  bezeichnet 
fIeJB  Floh,  flaid  Fliege. 

Der  die  Beeren  tragende  Flieder  heisst  fliddr  (deutlicher  vais^r 
tvflidar  89,  kßit^kdtihoüar  4);  die  Zierpflanze  ist  tork^ar  fliddr  R(G)ß 
spavsar  //.  6789  spiniiar  fl.  5  htllar  Gl 23  [in  G  auch  mit  dem  Zusatz 
sphh^ar^  in  3  .^paw.^^r],  Apith^ar  holhr  4,  in  a  auch  einfach  flidar. 

/o.<'  ist  etwas,  was  leicht  zerreisst,  z.  B.  ein  Strick. 

frostarketl  (frustark^atl  8)  zeigt  in  R  manchmal,  in  4  meist  i, 

fuxtix  (foxtix  6)  sagt  man  von  jemandem,  der  zornig  ist. 

Die  Goldammer  heisst  j^ljast  RCiaß  (in  R  auch  j^ljas)^  jrenzarlhjk 
1,  jenzdrliyk  3,  jrevsliyk  4,  jrinsliyk  56,  jrisliyk  9,  jrimaliyk  8,  j^hr 
hemparhyk  7. 

j^ilix  hat  die  Bedeutung  „ziemlich  gross,  kräftig",  häufig:  an 
ji^tlixar  ätok  oder  knipal. 

Hunde,  die  etwas  zu  fressen  haben  wollen  oder  von  der  Kette 
los  wollen,  jiparn,  daneben  auch  jinzaln,  in  G4  aber  vinzaln. 


78 

him  8.  nets. 

h^jdr  (=  Kies)  giebt  es  nur  in  R7aß,  z.  T.  auch  in  G;  soust 
lieisst  es  kits  G14  kis  59  kis  23;  diese  Orte  verstehen  unter  /<^;> 
eine  Sandinsel  oder  -Bank  in  oder  an  der  Elbe. 

hell9r,  holldr  s.  flidar, 

rödar  hinrik  s.  ji^ütb  lampd, 

hipflejd  s.  fleja. 

Die  Hornisse  heisst  hornikB  R27aß  hornikal  6  harnnikal  8  hmiisb 
G134. 

hortd  ist  das  gegen  die  Leiter  gelegte  Seitenbrett  des  Wagens 
sowie  das  Flechtwerk  zum  Dörren  des  Obstes  im  Backofen. 

Bezeichnungen  der  kleineren  und  grösseren  Heuhaufen  (die  ganz 
grossen  heissen  dimm,  Plural  dimms):  huka  und  hüp  [Plural  Aipa]  R» 
6789aß,  hüptn  G,  vinthüpm  und  hupm  13,  vinthüpm  und  jrotdhupm  4: 
die  entsprechenden  Verben  sind  inhukdn  und  in  hip9  zetn  R  etc.. 
inhukan  1,  inhüpm  und  in  7i?/pm  i-e^n  34. 

Das  Brot,  Fleisch  etc.  isst  man  iliyfj  wenn  man  nichts  dazu  hat. 

itsan  RGa  U^kon  123569  heissen  die  Muscheltiere,  die  Muscheln 
selbst  itssJn  RTa^,  Usans-Xln  G8,  it-^kansAln  12359  i.s^aZn  6. 

kait^kan  G4  k^'ti^kdn  R  seltene  Bezeichnung  für  die  Fliedertraubeu. 
anderwärts  unbekannt. 

Die  Hühner  kikaln  RG23456ä  kakAn  8,  machen  kakddkts  RGi» 
4G7aß  kakadäts  4589,  sie  hikarn  RG234568aß,  in  4  auch  jak^rn;  (la> 
jüngste  Kind  ist  ein  kikalnest  RG23467aß  kakalnest  8  kdkanest  59. 

kaphsind  RG 1345689  volksmässige  Umformung  von  Kapaun. 

karfi  hat  in  RG234678aß  eine  ganz  eingeschränkte  Bedeutuu:! 
und  kommt  nur  in  Redensarten  vor  wie  dat  is  mik  dox  dU  beUjn  /< 
karA  =  das  geht  mir  über  die  Hutschnur;  in  5  ist  kars  auch  ein 
Essen,  das  ein  wenig  zu  sauer,  salzig,  scharf  ist. 

Wer  den  Husten  hat,  muss  Icexan  R25678afi  bxsdn  G134;  der 
Ilund,  dem  etwas  im  Halse  stecken  geblieben  ist,  muss  k^ksdn. 

kits  s.  h^pr, 

klak^  s.  krak^. 

knif  altes  Messer,  davon  kfiifdn  ungeschickt  schneiden. 

knisal  (Knöchel  am  Fuss)  R2r)679aß  knixal  G34  knejnäl  G4. 

kdkaln  (mit  Feuer  spielen)  RG23479a  kukdn  ß  kuahdn  5  kuykdn  >• 

koMwart  R579aß  koln,^wart  G234  kolUwart  69. 

konn  5689,  sonst  hoUb^rn. 

körn  z.  B.  Weizenkorn,  Plural  körn  R589aß,  kornyr  G23467. 

kord  z.  B.  phimmkora  (fem.)  R7aß  (Plural  körn)  k^rs  (PI.  k^n- 
G,  kare  (kam)  iyS^  kam  59,  k^rn  134,  kom  2. 

kam  (hols  resp.  holt)  R256789aß  k^rnhds  Gl 34. 

kißtd  der  Teil  des  Pferdebeines  unmittelbar  über  dem  Huf  R2343t: 
kommt  hauptsächlich  nur  in  Verbindungen  vor,  die  ein  Vertreten  be- 
zeichnen: dat  pi^rt  het  evorekdtt  R234a  dt  p^rt  jait  ina  kötj  9  et  is 
evarköt  dädtn  6,  et  het  evar  köt  atr^nn  5. 


79 

kdv9rlatain.^  5  und  kütgrven.^  9  ist  das,  was  man  nicht  recht 
verstehen  kann,  half  daüä  half  rakar  5  eine  Mischmaschspsache. 

kraka  R345679aß  (in  6  auch  krikj)  bezeichnet  ein  schlechtes 
Pferd  und  wird  daher  gern  als  Schimpfwort  gebraucht;  klakj  von  den 
Kühen  R345679aß. 

krailn  =  Perlen. 

kr^ta  8.  pada. 

Der  hd.  als  Kohldistel  bezeichnete  Distel  heisst  kullardistl  R257aß 
redtstl  G  trulldistl  13  trulardistl  4  drildistl  G  buUardistl  8. 

Sauerampfer  heisst  jsüra  lampa  R25678aß  eürampa  (auf  der  2. 
Silbe  betont)  G134;  teilweise  dasselbe  bezeichnet  rödar  hinrik  R25678aß 
hinrikU^la  R  hinriksteh  134. 

Die  Katzen  (auch  Kinder)  lauan  in  RG2345a,  nur  mauan  68. 

lorka  s.  pada. 

Die  meisten  Birnen  müssen  m^r  werden,  ehe  sie  essbar  sind, 
einige  Arten,  wie  Holzbirnen,  Gänseköpfe,  dagegen  ma^,  so  in  R5673; 
in  8  u.  9  tritt  noch  mCidak  hinzu,  in  6  murva^  in  a  woi,  in  G  vaik^ 
murva  und  roA;  in  2  giebt  es  m^r  und  wi^/,  in  3  vaik  murva  md,  in 
1  murva  md  mos  rö.v,  in  4  nter  und  ros\ 

mets  R59aß  metsar  R59a  mesar  RG234(). 

mota  nahm  man  früher  in  die  tundarbiksa  in  569,  motn  holt  oder 
mosas  holt  8,  anderwärts  fül  holt. 

mumakSUar  s.  bolsak&tar. 

mul  s.  .^prok. 

Statt  nets  (grosses  Fischnetz)  wird  meist  jkrn  gebraucht ;  kleinere 
heissen  him,  so  fiüf(h)km  RG2345  (meist  fishkm)  67aß;  in  4  giebt  es 
auch  einen  krafshkm;  noch  kleiner  und  anders  gestaltet  ist  der  .^pilU 
korf  RGl348a  .^pillkipa  ß. 

wt/Zn  RGl45679aß  nustahi  RGl2345679a  bezeichnen  ein  langsames 
Arbeiten  (auch  ruwkntdn  23),  dgl.  nuzaln  8;  nusaln  RGl2345679aß 
ist  undeutlich  sprechen,  dazu  naeaJix  8;  «^/w  langsam  sprechen. 

Die  gewöhnlichste  Froschbezeichnung  ist  pada  R35689,  meist 
nur  im  Plural  pann  G123,  davon  Singular  pana  4a;  häufig  zusammen- 
gesetzt killpann;  para  7ß.  Die  das  helle  Geschrei  erheben  sind  reliya 
Kl 34  rflakans  aß  rüahm  6  rkdak^  5S9,  dumpf  klingt  das  Geschrei  der 
pnpa^m  R2a  puparn  ß  kCdpann  G3  tnjkjn  4  padeksan  678.  Ackerfröscho 
heissen  lorka  R7aß  lurka  5689  kr^ta  R5689aß  rltkr^ta  3. 

palmm  werden  auch  im  Volksmunde  die  Weidenkätzchen  ge- 
nannt R57. 

pama  besteht  noch  in  56,  vereinzelt  in  9,  es  wird  verdrängt 
durch  Atula,  das  in  5  schon  vorherrscht. 

Pfaffenhütchen,  die  Frucht  des  spühom,  ist  pSipmldeda  (überall 
Ton  auf  e)  R,  pkpmkUta  ß,  pkpmklHn  59,  pkpmkUtxan  68,  pkpmstzakan 
a,  pkpmkU  7. 

parlaukan    (auf   der  2.  Silbe    betont)    giebt    es   nur   rechtselbisch 
R25678aß,  auch  parluykan  ß;  r^'anmknn  Gl 34. 

Ebenso  pismirn  R2456789aß,    in  5    mit   dem  Ton  auf  fwirw,  das 


so 

auch  allein  gebräuchlich  ist;  pismirn  und  pishemt^an  (auf  der  2.  Silbe 
betont)  G,  pisheme9n  (auf  der  1.  Silbe  betont)  34. 

pra^arn  und  prampirn  (Ton  auf  i)  thun  Kinder,  wenn  sie  etwa> 
gern  haben  wollen,  auch  praykaln^  letzteres  nicht  in  89,  in  9  dafür 
prikaln. 

prumsan  mit  Mühe  etwas  in  ein  Behältnis  hineinstopfen. 

purfle  siehe  fltjd, 

put^l  s.  eü^dl, 

reliya  s.  pada. 

rOrS  8.  w^r.  $ 

züydl  (Stacheligel)  R27aß  enijal  34  muijal  ß  eau^l  58;  ftW/zV 
ß  bUdijdi  6  put^U  5  pw^^Z  8. 

Die  grosse  Schleppharke  zum  Zusammenbringen  der  Heu-  iin«! 
(ietreidereste  heisst  zustarvo  R234z  Alefharka  568  huyarharka  5678i 

^/d«>  nennt  man  in  G  das  Stroh,  wenn  es  von  Mäusen  zerfres>eii 
ist  (in  Ra  nicht). 

Nüsse  aus  der  grünen  Schale  machen,  heisst  ütslüan  R2347i: 
ümüsan  568. 

finomm  schlafen  (auch  in  Mühlberg  a.  Elbe),  .^novyhop  einer  der 
gern  schläft. 

.^pillkorf  s.  nds, 

.^prok  nennt  man  die  am  Ufer  beim  Zurückweichen  des  Hocli- 
Wassers  liegen  bleibenden  Holzteilchen,  auch  den  Holzschutt  im  H«l/- 
stall  in  R56a,  in  G89  nur  letzteres;  das  erstere,  sowie  sonstige  Hok- 
abfalle,  in  G  Hut;  statt  .^prok  mtd  in  34. 

stortena  s.  krena, 

Ml  Garbenhaufen  von  20  Stück,  nur  Gerste  oder  Hafer,  in  f)'^} 
unbekannt,  in  6  selten. 

t&pl  =  Pappel  nur  in  R,  sonst  papl;  in  4  soll  es  die  alte  Be- 
zeichnung gewesen  sein. 

trulldistl  s.  kuUardistl. 

vörns  (irgendwo)  Raß  vürns  Gl 2347  vürnst  5689. 

vida  die  Weide  als  Pflanze;  die  abgeschnittenen  Zweige,  die  tm 
Einbinden  von  Holzbunden  dienen,  heissen  v^da  R2578  veda  G134. 

DÜSSELDORF.  G.  Krause. 


81 


Der  Berliner  Totentanz. 


Gegenüber  dem  Lutherdenkmale  auf  dem  Neuen  Markte  in  Berlin 
sieht  man  die  Turmfront  der  Marienkirche  breit  und  massig  aufragen. 
Tritt  man  durch  das  grosse  Portal,  welches  zu  ebener  Erde  die  Turm- 
mauer gerade  in  der  Mitte  durchbricht,  so  gelangt  man  in  eine  Vor- 
halle der  Kirche  und  gewahrt  in  mehr  als  Menschenhöhe  über  dem 
Fussboden,  gleich  hinter  der  Thür  am  Pfeiler  linker  Hand  beginnend, 
ein  Wandgemälde,  das  sich,  nahezu  zwei  Meter  breit,  in  einer  Länge 
von  mehr  als  22  Metern^)  friesai*tig  um  die  Pfeiler  und  Zwischenmaueni 
bis  zu  der  Wand  hinzieht,  welche  jetzt  die  Turmhalle  von  dem  Lang- 
hause der  Kirche  trennt.  Wir  sehen  den  alten  Totentanz  von  Berlin, 
schlichte,  hahdwerksmässige  Contourmalerei,  trotzdem  in  kunst-  und 
litteraturgeschichtlicher  Beziehung  von  Bedeutung.  Von  den  nicht 
mehr  sehr  zahlreichen  alten  Totentänzen  Deutschlands,  die  noch  im 
Originalbil3e  selbst  erhalten  sind,  ist  der  der  Berliner  Marienkirche 
der  älteste,  und  die  niederdeutschen  Verse,  welche  unter  den  Figuren 
des  Bildes  sich  befinden,  sind  die  älteste  berlinische  Dichtung,  die 
bekannt  ist.*) 

Wann  und  von  wem  der  Berliner  Totentanz  hergestellt  ist, 
darüber  fehlt  jede  urkundliche  Nachricht;  vor  d.  J.  1721  findet  man 
ihn  nicht  einmal  erwähnt,  weder  in  Urkunden  noch  bei  Chronisten, 
und  man  ist  auf  Schlüsse  aus  ihm  selbst,  aus  seinen  sprachlichen 
oder  malerischen  Eigentümlichkeiten,  zur  Bestimmung  seines  Alters 
angewiesen.  Die  Bau  geschieh  te  ^)  des  Turmes,  in  dessen  Halle  er 
sich  befindet,  ergiebt  nur,  was  ohnehin  Niemand  annehmen  würde, 
dass  der  Totentanz  nicht  vor  dem  15.  Jahrhundert  gemalt  sein  kann. 
Denn  1418  war  der  Turm  der  1380  niedergebrannten  Kirche  noch 
im  Bau  und  noch  1490  wird  zu  Beisteuern  zu  dem  Turm,  der  neu  — 
nova  turris  —  bei  dieser  Gelegenheit  genannt  wird,  aufgefordert. 
Die  dem  Schiff  der  Kirche  vorgelagerte  Tunnhallc  muss  freilich  viel 
früher  als  Glockenstuhl  und  Oberdach  vollendet  und  ausgebaut  worden 
sein,  denn  bereits  14 Gl)  überweist  Kurfürst  Friedrich  dem  von  ihm 
neugegründeten  Domstifte  die  Einkünfte  des  itndcr  dem  torne  belegenen 
Altars  des  heiligen  Sigisnmnd.  Die  Erwähnung  des  Altars  in  der 
Turmhalle   —    architektonische    Gründe   lassen    sogar   noch    auf   die 


*)  Die  genauen  Masse  waren  nach  Prüfers  Angabe  (v.  J.  1832)  22,«76  Meter 
Länge  und  1,»88  Meter  Höhe. 

')  Die  im  Berliner  Stadtbnche  enthaltenen  Beime  sind  aus  anderen  Quellen 
entlehnt. 

*)  R.  Borrmann,  Die  Bau-  und  Kunstdenkmäler  von  Berlin.  Berlin  1893. 
4°.     S.  205  ff.  —  W.  Lübke,  Sp.  6  ff. 

NiederdentBohes  Jahrbach  XXI.  ß 


82 

■ 

ehemalige  Existenz  eines  zweiten  Altars  schliessen  —  erweist  zugleich. 
dass  die  Halle  im  Mittelalter  als  Kapelle  benutzt  wurde. 

Der  Berliner  Totentanz  ist  weder  vollständig  noch  unverU^t/i 
erhalten,  ein  recht  beträchtlicher  Teil  ist  vielmehr  im  Laufe  der  Jahr- 
hunderte zerstiirt  worden.  Und  merkwürdiger  Weise  verdankt,  w:i> 
von  ihm  noch  übrig  ist,  seine  Erhaltung  gerade  der  Absicht  einer 
früheren  Zeit,  ihn  zu  tilgen,  indem  man  ihn  —  wahrscheinlich  iiu 
17.  Jahrhundert  —  mit  Kalktünche  überstrich.  Noch  1729  wussu- 
man  von  ihm.  In  diesem  Jahre  schrieb  nämlich  der  Prediger  th> 
Heiligen  Geist-Hospitals  Schmidt  in  seiner  Beschreibung  der  Marien- 
kirche: 'Nun  wollten  wir  uns  zur  Thür,  so  die  Glocken-Thür  genauii 
wird,  hinverfügen  und  zur  linken  Hand,  wenn  man  zur  Thür  himnn- 
kommt  an  der  Kirchenmauer  inwendig  den  Todtentanz  aDsehen 
Allein  dieser  ist  bei  Renovirung  der  Kirchen  mit  Kalk  überstriilun 
und  also,  wenn  ihn  nicht  jemand  mit  seinen  Figuren  und  alten  Ycrsclui 
abgeschrieben  unter  die  res  deperditas  zu  zählen.' 

Die  durch  neuen  Ueberstrich    stetig   verstärkte  Kalkschicht,  di 
das  alte  Gemälde  bedeckte,  schützte  es  vor  vollständigem  Erblas^i 
Als  im  J.  18G0  entdeckt  wurde,  dass  bemalter  Stuck  imter  dem  Kalk 
sich  befinde,   gelang  es  diesen  vorsichtig   zu  entfernen   und    das  ah- 
Gemälde,  wenn  auch  verblasst,  dem  Tageslichte  zurückzugeben,    h' 
bekannte  Kunsthistoriker  Wilhelm   Lübke   unterzog   sich    der  Aal- 
gäbe  das  umfangreiche  Gemälde    sorgfältig   zu  untersuchen,  den  ^i<l- 
ifach  undeutlich  gewordenen  Text  durchzuzeichnen  und,  von  MassDiani 
unterstützt,  seine  Lesung  zu  versuchen.     Diese  Arbeit,  die  im  Wiuti: 
18G0/61  ausgeführt  werden  musste,    nennt  Lübke   die  anstrengen(li>t' 
die  er  je  unternommen   habe.^)     Viele  Wochen   hindurch    musste  »r 
jeden  Morgen  Stunden   lang   in   der   bittersten  Winterkälte    arbeitii- 
Der  Frost  war  so  grimmig,  dass  im  Augenblick  sich  dünne  Eiskribtni 
auf  der  Wand  bildeten,  wenn  er  mit  einem  Schwämme  heisses  \Vas>' 
über  die  Inschriften  goss.     Die  Schwierigkeiten,  die  er  zu  überwiiul«! 
hatte,    lassen  es   begreiflich  erscheinen,   wenn  bei  diesem  ersten  Vi  r- 
suche    einer   Lesung    mancherlei    Fehlerhaftes    unterlief,    und    sein-! 
Zähigkeit  in  der  Entzifferung  des  Textes  wird  man  um  so  mehr  Daiil 
wissen,  als  manche  Stellen  eben  nur  bei  der  ersten  Blosslegung  durr^ 
Anfeuchtung    deutlich  wurden,    um    dann   später   wieder   unlesbar  / 
werden.     Die  Ergebnisse    seiner  Untersuchungen   und   einen    Abdrii-^ 
des    Textes,    dem   er    eine   Abbildung    der    Figuren    in   verkleinerte 
Massstabe  beifügte,  Hess  er  bereits  1861  in  einem  besonderen  Work* 
erscheinen.^) 

Das  durch    eine  glückliche  Fügung   in  Berlin,   das   an    frenult 
Altertümern    reich,   an    eigenen    so  arm    ist,    entdeckte  Denkmal  u\> 

*)  W.  Lübke,  Lebenserinneriingen.     Berlin  1801.     S.  344  f. 
*)  Der  Totentanz  in  der  Marienkirche   zu  Berlin.     Bild  und  Text,  hrsg.  ^'^ 
W.  Lübke.     Mit  4  Tafeln  Abbildungen.     Berlin  18GL     Fol. 


83 

dem  Mittelalter  war  man  bestrebt  durch  geeignete  Vorkehrungen  voi" 
dem  Untergange  zu  retten.  Die  Behörde  bewilligte  die  Mittel,  durch 
Auffrischung  und  Uebermalung  von  Künstlerhand  die  alten  Figuren 
und  Buchstaben  in  neuer  Farbenfrische  wieder  hervortreten  zu  lassen 
und  durch  behutsame  Ergänzungen  einige  zerstörte  Teile  in  den  Figuren 
wieder  zu  ersetzen.  Von  dem  so  erneuerten  und  z.  T.  ergänzten 
Totentanze  fertigte  mit  Hilfe  von  Durchzeichnungen,  die  vom  Originale 
selber  Strich  für  Strich  genommen  wurden,  der  Berliner  Architekt 
Th.  Prüfer  ein  Facsimile  an,  das  er  in  photographischer  Verkleinerung 
zweimal  —  187G  einfarbig  in  grösserem  Massstabe  ^),  1883  farbig  aber 
in  viel  kleinerer  Wiedergabe  —  vervielfältigen  und  als  Beigabe  zu 
einem  Abdrucke  und  einer  recht  fehlerhaften  neuhochdeutschen  Ueber- 
setzung  des  Textes  erscheinen  liess.^) 

Diese  Facsimiles  geben  ein  recht  gutes  und  fast  durchweg  zu- 
verlässiges Abbild  des  Totentanzes  in  seinem  jetzigen  Zustande.  Dass 
sie  ihm  nicht  mehr  vollständig  entsprechen,  hat  seinen  Grund  in  Vor- 
gängen bei  der  kürzlich  erfolgten  durchgreifenden  Erneuerung  des 
ganzen  Kirchenbaues.  Bei  dieser  Gelegenheit  wurde  durch  eine  Wand, 
welche  zwischen  Turmhalle  und  Kirchenschiflf  errichtet  ist,  ein  kleiner 
Teil  des  Totentanzes  (vgl.  zu  Vers  339)  verbaut,  ferner  die  Figur  des 
Narren  richtiger  als  bei  der  ersten  Erneurung  ergänzt  und  wahr- 
scheinlich das  ganze  Bildwerk  noch  einmal  wenn  nicht  übermalt,  so 
doch  überfirnisst. 

Bei  diesen  Erneuerungen  hat  die  Hand  des  Malers  die  alten 
Schriftzüge,  sogen,  gotische  Mönchsfractur,  nicht  allein  soweit  sie  er- 
halten waren  mit  Farbe  neu  überzogen,  er  hat  offenbar  verblichene 
Teile  einzelner  Buchstaben,  nicht  immer  das  richtige  erratend,  zu  er- 
gänzen gesucht.  Leicht  und  glatt  lassen  sich  heute  die  Buchstaben 
lesen,  und  die  deutliche  farbenfrische  Schrift  lässt  die  Schwierigkeiten 
nicht  melir  ahnen,  welche  bei  der  Lesung  des  stellenweis  fast  ver- 
blichenen Textes  bei  seiner  Entdeckung  zu  überwinden  waren. 

Trotz  des  grossen  Verdienstes,  welches  man  Lübcke  und  Prüfer 
um  die  Lesung  der  niederdeutschen  Verse  gerechterweise  zuerkennen 
muss,  kann  nicht  verk«annt  werden,  dass  die  von  ihnen  gebotenen 
Textabdrücke  selbst  massigen  Ansprüchen  nicht  genügen.  Die  Kenntnis 
dos  Mittelniederdeutschen,  die  vor  dem  Erscheinen  der  W^örterbücher 
Lübbens  ohnehin  in  ausreichendem  Masse  nicht  einmal  von  Fachleuten 
erlangt  werden  konnte,  mangelte  ihnen  derartig,   dass  ihre  Abdrücke 


*)  Prüfer,  Der  Totentanz  in  der  Marienkirche  zu  Berlin.  Mit  G  photolith. 
Tafeln,  Berlin  1876,  enthalten  in  den  Vermischten  >Schriften  etc.  hrsg.  von  dem 
Verein  für  die  Geschichte  Berlins.    Bd.  1.     Berlin  1888.     Fol. 

")  Th.  Prüfer,  Der  Todtentanz  in  der  Marienkirche  zu  Berlin  und  Geschichte 
und  Idee  der  Todtentanzbilder  überhaupt.  Mit  4  Blatt  farbiger  Lithographien. 
Berlin  1883.  4  (besonderer  Abdruck  aus  dem  Archiv  für  kirchliche  Baukunst, 
hrsg.  von  Prüfer,  Jahrg.  6,  Berlin  1882,  S.  1  ff.) 

6* 


84 

voll  grober  Verlesungen,  ihre  Deutungen  und  Uebersetzungen  v(ul 
arger  Missverständnisse  sind.  Auf  einige  hat  bereits  s.  Z.  LübbiMi^- 
hingewiesen.  Wenn  im  Laufe  nun  vieler  Jahre  von  philologische 
Seite  Nichts  geschehen  ist,  die  Fehler  dieser  Texte  auszumerzen,  ini»l 
selbst  die  conjecturfreudigsten  Kritiker  die  oft  leicht  und  sicher  zu 
heilenden  Entstellungen  unberührt  Hessen,  so  findet  das  seine  Er- 
klärung nur  in  dem  Umstände,  dass  die  bisher  gedruckten  Text- 
wegen  der  Art  ihrer  Veröffentlichung  und  ihrer  Beigaben  meist  nur 
in  Kunstzwecken  dienenden  Bibliotheken  zugänglich  waren.  EinerM  it\ 
um  diesem  Mangel  abzuhelfen,  anderseits  zur  Ergänzung  meii.^. 
früheren  Arbeiten  über  die  Totentänze^),  unternehme  ich  den  Versiuli 
diesen  Text  ebensowohl  wie  den  ihm  verwandten  Lübecker  v.  J.  K»J" 
in  diesem  Jahrbuche  allgemein  zugänglich  und  nutzbar  zu  maclien. 

Verhältnis  des  Berliner  Totentanzes  zu  seinem  Tor- 
bilde*     Ehe  ich  auf  die  Kritik  des  Textes  selbst  eingehe,    seien  m  i 
einige  Ausführungen  gestattet,   welche    geeignet  erscheinen,    das  Ver- 
hältnis  des   Berliner   Totentanzes    zu    den    übrigen   Totentänzen  (In 
Mittelalters  klarer  zu  stellen,    als  es  bisher  geschehen  ist.     Ich  kami 
dabei   von    dem    sicheren   Ergebnisse   meiner   früheren   Untersudiu:  - 
ausgehen,    dass   von   allen   Totentanztexten    der  Lübecker    v.  J.  14ii 
der  altertümlichste  ist  und  durch  die  Art  seiner  Entstehung  aus  eiü«i 
niederländischen  Texte  jede  Beeinflussung  durch  irgend  einen  deutsch' 
Totentanz  ausgeschlossen  erscheint.     Es  folgt  hieraus  mit  Sichorli'i' 
was    sonst   nur   Wahrscheinlichkeit   beanspruchen   könnte,    dass  jnl 
niclit  zufällige  Uebereinstimmung    zwischen    dem    alten  Lübecker  uii«l 
irgend    einem    andern    deutschen   Texte    Abhängigkeit    dieses    Text- 
von  dem  Lübecker  beweist.     Es.brauclit  also  in  solchen  Fällen  ni^l* 
erst  die  Möglichkeit  des  umgekehrten  Verhältnisses  erwogen  zu  wenl«  i 

Der  Berliner  Text  enthält  eine  solche  wörtliche  Uebereinstinmiui .^ 
V.  171  f.  heisst  es  in  ihm 

Patves  erdesche  vader  ... 

Gy  hebben  in  der  siede  gadea  ghcstan 

während  man  im  Lübecker*)  Texte  V.  22  ff.  liest: 

AI  hevestu  in  godes  siede  siaen 

Een  erdesch  vader,  vre  unde  iverdicheii  nnifaen 

Van  al  der  werlt  .  .  . 

liier  sind  also  Wendungen,    die  der  Lübecker  Totentanz    bot,    in  Ak'. 
Berliner  übergegangen.    Ist  nun  die  betreffende  Stelle  aus  dem  Lübeck^: 


*)  Nd.  Jahrbuch  3,  178.  Die  von  Li'ibhen  angezogenen  Stellen  hat  datu 
R.  Sprenger  ebd.  4,  105  ft".  von  neuem  behandelt  und  zu  bessern  versucht. 

*)  W.  Seelmann,  Die  Totentänze  des  Mittelalters.  (Besonderer  Abdrmi 
aus  dem  Niederdeutschen  Jahrbuche  XVII).     Norden  u.  Leipzig  1893. 

»j  Nd.  Jahrbuch  17  S.  70  ff. 


85 

Toteutauze  uunüttelbar  oder  mittelbar  übernommen  V  Diese  Frage 
lässt  sich  dank  einer  audem  Stelle  beantworten,  welche  sich  in  dem 
Berliner  und  einem  andern  Lübecker  Totentanze,  dem  1520  gedruckten,^) 
in  fast  wörtlicher  Uebereinstimmung  findet.  Es  ist  nämlich,  wie  be- 
reits von  Lübke  bemerkt  ist, 

Berliner  Totentanz  V.  11  —  14 

[Bytterlyken  sjtervefnj  ys  dy  [erjste  sanck 
[De  andejr  alzo  dy  klokkenklanck, 
[De  drudde  vajn  frunden  syn  vorgeten 
[Aljtydes  dat  svlle  gy  weten! 

=  Lübecker  Totentanz  v.  J.  1520  V.  401—404 

Bytterlyken  sterven  is  de  erste  sanck 
De  ander  is  der  klocken  klanck 
De  drydde  is:  in  korter  stunden 
Werstu  vorgetten  van  dynen  frunden. 

Unter  der  später  als  zutreffend  sich  ergebenden  Voraussetzung, 
dass  der  Verfasser  des  Berliner  Textes  nur  einen  altern  Totentanz 
gekannt  und  als  Vorbild  benutzt  hat,  erweisen  die  beiden  eben  dar- 
gelegten Uebereinstimmungen,  dass  weder  der  Lübecker  Totentanz 
von  1463  noch  der  von  1520  als  Quelle  benutzt  sein  kann,  denn  keiner 
bietet  beide  Stellen  zugleich.  Es  muss  also  ein  Totentanz  die  Quelle 
des  Berliner  Dichters  gewesen  sein,  der  einerseits  selbst  eine  Nach- 
ahmung des  alten  Lübecker  Totentanzes  war,  anderseits  das  Vorbild 
für  den  aus  ihm  entlehnenden  Berliner  und  dem  gleichfalls  ihn  be- 
nutzenden Jüngern  Lübecker  Totentanz  gewesen  ist. 

Das  eben  ermittelte  Verwandtschaftsverhältnis  eimöglicht  bereits 
einige  sichere  Schlüsse  auf  die  Beschaffenheit  und  den  Inhalt  des 
nicht  mehr  vorhandenen  unbekannten  Vorbildes,  dessen  Nachbildung 
oder  Nachahmung  der  Berliner  Totentanz  ist.  Jener  Totentanz  muss 
nämlich  alles  das  geboten  haben,  was  das  Berliner  Denkmal  Ueber- 
einstimmendes  einerseits  mit  dem  alten  Lübecker,  anderseits  mit  dem 
Jüngern  Lübecker  Totentanze  enthält. 

Auf  den  ersten  Blick  schon  gewahrt  man  die  typische  Gleich- 
artigkeit des  gemalten  Reigens  und  der  in  demselben  auftretenden 
Todesgestalten  im  Berliner  und  Lübecker  Totentänze  von  1463. 
Diesen  Typus  des  Reigens  muss  aus  dem  alten  Lübecker  Gemälde 
der  unbekannte  Totentanz  übernommen  und  seiner  Berliner  Nachbil- 
dung übermittelt  haben. 

Die  bemerkenswerteste  Uebereinstimmung  zwischen  dem  Berliner 
und  dem  jungem  Lübecker  Totentanze  ist  dagegen  die  sich  vom  altern 
Lübecker  Totentanze  wesentlich  unterscheidende  Form  des  Zwiegesprächs 
zwischen  dem  Tode  und  den  menschlichen  Ständen.  Im  alten  Lübecker 
Totentänze   fordert  der  Tod   in  je  einem  Verse  die  einzelnen  Stände 


>)  Nd.  Jahrbuch  17  S.  34  ff.  41  f.  47. 


86 


zum  Tanze  auf,  diese  antworten  in  je  acht  Versen  und  erhalten  dann 
vom  Tode  eine  Erwideining  in  je  sieben  Versen.  Im  Berliner  und  iii 
dem  Jüngern  Lübecker  Totentanze  ist  die  Form  des  ZwiegcsprlÄ' 
dagegen  wesentlich  vereinfacht.  Der  Tod  redet  die  Einzelnen  in  je  j 
sechs  Versen  an  und  diese  antworten  in  ebensoviel  Versen.  Dk>f 
vereinfachte  Art  des  Zwiegespräches  muss  also  auch  das  gemeinbiiine 
Vorbild  schon  geboten  haben. 

Die  beiden  wörtlichen  Uebereinstimmungen,  von  welchen  di-' 
Untersuchung  ausging,  werden  diese  noch  in  anderer  Beziehung  fördoiu 
Es  muss  auffällig  erscheinen,  wenn  der  Verfasser  des  Bei'liner  Toxtt^ 
überhaupt  wörtliche  Entlehnungen^)  sich  erlaubt  hat,  dass  di.-' 
einzig  und  allein  an  jenen  beiden  Stellen  begegnen,  welche  sich  it 
den  Versen  des  predigenden  Franziskaners  und  des  Papstes  Huil- j 
Eine  Erklärung  dieser  Thatsache  wird  sich  ergeben,  wenn  man  di 
Reihenfolge  der  Figuren  in  den  verschiedenen  Totentänzen  vergleich 


I 
Lübeck  1463 

Prediger  auf  der  Kanzel 
und  Tod  an  Alle 

1.  Papst 

2.  Kaiser 

3.  Kaiserin 

4.  Cardinal 

5.  König 

6.  Bischof 

7.  Herzog 

8.  Abt 

9.  Ritter 

10.  Kartäuser 

11.  Edelmann 

12.  Domherr 

13.  Bürgermeister 

14.  Arzt 

15.  Wucherer 

16.  Capellan 

17.  Kaufmann 

18.  Küster 

19.  Handwerker 

20.  Klausner 

21.  Bauer 

22.  Jüngling 

23.  Jungfrau 

24.  Kind 


11 
Lübeck  1520 

Prolog  und 

Tod  an  Alle 

1.  Papst 

2.  Cardinal 

3.  Bischof 

4.  Kaiser 

5.  Kaiserin 

6.  König 

7.  Herzog 

8.  Abt 

9.  Kreuzherr 

10.  Arzt 

11.  Domherr 

12.  Pfarrherr 

13.  Mönch 

14.  Ritter 

15.  Official 

16.  Klausner 

17.  Bürgermeister 

18.  Nonne 

19.  Kaufmann 

20.  Junker 

21.  Jungfrau 

22.  Bürger 

23.  Begim 

24.  Narr 

25.  Handwerker 

26.  Student 

27.  Bauer 

28.  Reiter 

29.  Geselle 

30.  Kind 


III 
Berlin 

Franciscaner  auf 

der  Kanzel  (s.  J) 

1.  Küster  (s.  I,  18) 

2.  Capellan  V  (s.  I,  16) 

3.  Official  (8.  II,  15) 

4.  Augustiner 

5.  Dominikaner 

6.  Pfarrherr  (s,  II,  12) 

7.  Kartäuser  {$,  1, 10.  U,  ^' 

8.  Arzt  (s,  I,  14) 

9.  Mönch  (8,  II,  13) 

10.  Domherr  (s.  I,  12.    II  '^ 

11.  Abt  (8.  I,  8.     II,  6) 

12.  Bischof  (8,  I,  6.    IL  5- 

13.  Cardinal  (s.  I,  4.    IL  - 

14.  Papst  (8.  I,  i.     //,  li 
Christus  am  Kreuze 

15.  Kaiser  (s.  I,  2.     IL  4' 

16.  Kaiserin  (8.  I,  3.     IL  ' 

17.  König  (8.  I,  ö.     IL  hj 

18.  Herzog  (8.  I,  7.     IL  ^ 

19.  Ritter  (s.  I,  IL     IL  i* 

20.  Wucherer  (8.  /,  lö) 

21.  Bürgermeister  Cf,  75. //,r 

22.  Junker  (8.  II,  20) 

23.  Kaufmann  (8.  1, 17.  IL  '- 

24.  Handwerker {5. /,i5.  IL^ 

25.  Bauer  (s.  I,  21,     IL  -• 

26.  Schankwirtin 

27.  Narr  (s.  II,  24) 

28.  KindV  (s,  I,  24,    II,  3'- 


*)  Ausserdem  finden  sich  nur  einige  Anklänge,  vgl.  die  Anmerkungen  auf  S.  !<• 
Sie  beweisen  immerhin,  dass  der  Dichter  manche  Reminiscenzen  verwerten  kouut« 


87 

Wie  die  vorstehende  Uebersicbt  zeigt,  finden  sich  jene  wörtlichen 
Entlelmungeu  des  Berliner  Totentanzes  an  sehr  weit  in  ihm  ausein- 
anderliegendeu  Orten,  da  der  predigende  Franciskaner  zu  Anfang, 
der  Papst  an  vierzehnter  Stelle  steht.  In  dem  Vorbilde,  dem  jene 
Entlehnungen  entnommen  sind,  hat  dagegen  der  Prediger  (vgl.  I) 
gleichfalls  zu  Anfang  seine  Stelle  gehabt  und  der  Papst  (vgl.  I,  1. 
II,  1)  dicht  neben  ihm.  Die  entlehnten  Verse  fanden  sich  also  in 
dem  Vorbilde  des  Berliner  Malers  zu  Anfang  desselben  neben  ein- 
ander. Aus  der  ursprünglichen  Stellung  zu  Anfang  kann  sich  nun 
die  durch  den  Berliner  Maler  erfolgte  wörtliche  Entlehnung  in  zweierlei 
Weise  erklären  lassen.  Entweder  ist  sie  durch  sein  Gedächtnis,  das 
leicht  begreiflich  gerade  den  Anfang  des  Textes  festhielt,  vermittelt, 
oder  er  hat  den  Anfang  seines  Vorbildes  einfach  copirt  und  den 
übrigen  Teil  des  Totentanzes  nach  selbständigem  Entwürfe  ausgeführt. 
W^ir  würden  in  diesem  Falle  anzunehmen  haben,  dass  man  sich  in 
Berlin  eine  Copie  der  ersten  Gruppen  des  Totentanzes  verschafft  und 
dem  Maler  den  Auftrag  gegeben  hat,  nach  diesem  Muster  einen  Toten- 
tanz auszuführen.  An  eine  Copie  des  ganzen  als  Vorbild  dienenden 
Totentanzes  als  Muster  für  den  Berliner  Maler  wird  man  bei  seiner 
Ausdehnung  schwerlich  zu  denken  haben.  Die  Copie  eines  Teiles 
konnte  genügen,  weil  die  fehlenden  Tanzgi-uppen  wegen  ihrer  typischen 
(ileichartigkeit  unschwer  zu  entwerfen  waren.  ^) 

Zwei  Einzelheiten  im  Berliner  Totentanze  ermöglichen  den  Be- 
weis, dass  der  Maler  den  Anfang  seines  Vorbildes  nicht  zu  einem 
eigenen  Entwurf  umgeändert,  sondern  nach  einer  Copie  gedankenlos 
wiederholt  hat. 

Erstens.  Der  Tod  sagt  (Vers  15  ff.)  zum  Küster,  weil  dieser 
auf  Erden  ein  Vorbeter  gewesen  sei,  so  solle  er  jetzt  mit  ihm  den 
übrigen  vortanzen.  Aehnlich  redet  der  Tod  aber  auch  zum  Papste 
(V.  173  f.).  Weil  dieser  Gottes  Statthalter  auf  Erden  gewesen  sei, 
so  solle  er  vor  allen  andern  tanzen.  Diese  beiden  Anreden  stehen 
im  Widerspruch  mit  einander.  Die  Worte  des  Todes  passen  auf  deu 
Küster,  der  im  Berliner  Gemälde  an  der  ersten  Stelle  steht,  sie  passen 
aber  nicht  auf  den  Papst  an  vierzehnter  Stelle.  Der  Maler  oder 
Dichter  muss  den  Wortlaut  seinem  Vorbilde,  in  welchem  der  Papst 
den  Anfang  des  Reigens  machte,  gedankenlos  entlehnt  haben. 

Zweitens.  Der  den  Prolog  sprechende  Prediger  auf  der  Kanzel 
ist  im  Berliner  Gemälde  als  Franziskaner  (vgl.  Zeile  1)  bezeichnet. 
Nun  hat  es  freilich  auch  in  Berlin  Franziskaner  gegeben,  aber  ihnen 
gehörte  das  graue  Kloster,  dessen  altertümliche  Kirche  noch  heute 
erhalten  ist,  nicht  aber  die  Marienkirche,  welche  mit  St.  Nicolai 
Stadtkirche  war.  Mag  nun  auch  gelegentlich  vorgekommen  sein,  dass 
einer  ihres  Ordens   in  St.  Marien   die  Kanzel    bestiegen   hat,   —  ein 


*)  Eine  rohe  zwei  Gruppen  bietende  Skizze  unbekannter  Herkunft,  die  ver- 
mutlich zur  Herstellung  eines  monumentalen  Totentanzes  angefertigt  ist,  bietet  ein 
Fergamentblatt  der  Königlichen  Bibliothek  in  Berlin.    Vgl.  Nd.  Jahrbuch  HS.  126  f. 


88 

solcher  Fall  ist  übrigens  nicht  bezeugt  — ,  so  kann  das  nur  eine 
Ausnahme  gewesen  sein,  denn  nach  Ausweis  der  Urkunden  ist  k 
beiden  Stadtkirchen  der  Predigt-  und  Altardieust  von  Priesteru  und 
Caplanen  besorgt  worden.  Man  wird  deshalb  auch  bezüglich  dt^ 
predigenden  Franziskanerbniders  vermuten  dürfen,  dass  er  aus  deB- 
Vorbilde  des  Berliner  Totentanzes  copirt  ist.  Für  diese  AnDahnii- 
spricht  noch  ein  Umstand.  Der  Franziskaner  und  die  Kanzel,  aui 
der  er  steht,  weisen  im  Faltenwurf  des  Gewandes  wie  in  der  Orna- 
mentik der  Brüstung  mehr  Detaildurchführung,  als  in  den  übriiron 
Teilen  des  Totentanzes  begegnet,  und  zugleich  besseres  Ebcnuia>> 
der  Verhältnisse  auf.  Diese  Verschiedenheit  der  künstlerischen  Aus- 
führung wird  begreiflich,  wenn  man  das  gutgelungene  Stück  als  C(»pii' 
aus  einem  Totentanze  ansieht,  dessen  Künstler  dem  Maler  des  Ber- 
liner Bildes  an  Kunstgeschick  überlegen  war. 

Das  Vorbild.  Wo  wird  man  das  heute  nicht  mehr  vorhaiideui 
Vorbild,  von  dem  der  Berliner  Totentanz  teils  Copie  teils  NachahmuuJ 
ist,  zu  suchen  oder  zu  vermuten  haben?  Wahrscheinlich  doch  ja 
einer  Stadt,  die  sowohl  mit  Lübeck  als  auch  mit  Berlin  sei  es  kina- 
liche,  sei  es  commercielle  Beziehungen  im  Mittelalter  unterhalten  hat 
Es  muss  eine  Stadt  sein,  deren  Totentanz  an  Alter  dem  Lübecker 
von  14()3  nicht  viel  nachstand,  da  der  ihn  wiederum  benutzen|l^ 
jüngere  in  Lübeck  1520  abgedruckte  Totentanz  nachweislich  bereit^ 
vor  d.  J.  1489^)  verfasst  ist.  Schliesslich  muss  die  Kirche  oder  J'- 
Convent,  in  dem  dieser  Totentanz  gemalt  war,  sich  im  Besitze  dor 
Franziskaner  befunden  haben. 

Die  ehemalige  Existenz  eines  grossen  Totentanzes,  der  die>'^i^ 
Voraussetzungen  in  jeder  Beziehung  zu  entsprechen  scheint,  lässt  ^Kl' 
in  der  That  nachweisen  und  ilin  werden  wir  als  das  Vorbild  d^^ 
Berliner  Malers  mit  grösster  Wahrscheinlichkeit  ansehen  dürfen:  t'^ 
ist  der  Totentanz,  der  sich  früher  in  der  St.  Maria  Magdalenenkinli^ 
zu  Hamburg  befunden  hat.  Er  wird  zwar  nur  in  Urkunden  dr 
1<>.  imd  17.  Jahrhunderts  genannt,  muss  aber  beträchtlich  älter  a* 
die  erste  Erwähnung  v.  J.  1551  sein,  da  hierbei  auf  eine  ältere  ^^'■ 
der  monnicken  tyden  ausgestellte  Urkunde  Bezug  genommen  winl 
worin  dem  Amte  der  Leinweber  ein  Platz  zu  einem  Gestühle  einge- 
räumt sei  achter  in  duscer  harken  an  dem  steinen  %iyler  vor  dem  dodcn- 
dansse.  Daraus  dass  mindestens  acht  Gräber  in  einer  Reihe  vor  ihn^ 
lagen  und  jedes  5 — 6  Fuss  breit  war,  kann  man  schliessen,  dass  i^ 
die  Westseite  des  Mittelschifles  der  Kirche  geschmückt  und  eine  Lau?' 
von  mehr  als  40  Fuss  geliabt  hat.^)  Andere  Nachrichten,  aus  deiuu 
sich  Näheres  ül)er  ihn  ergäbe,  haben  sich  leider  nicht  erhalten.  1"^ 
Kirche  selbst,  die  einen  wahren  Schatz  schöner  Gemälde  in  sich  g<" 
borgen  haben  soll,  ist  1807  abgebrochen. 


M  Nd.  Jahrbuch  17  S.  84  ff. 

^)  Zeitschrift  des  Vereins  für  hamburgische  Geschichte.     Bd.  5  (1866)  S.  ^^" 


89 

Es  ist  vorhin  darauf  hingewiesen  worden,  dass  man  das  Vorbild 
des  Berliner  Totentanzes  in  einer  Stadt  zu  suchen  habe,  welche  im 
Mittelalter  sowohl  zu  Lübeck  als  zu  Berlin  Beziehungen  gehabt  habe. 
Die  enge  Verbindung  Hamburgs  iind  Lübecks  braucht  nicht  erst  dar- 
gethan  zu  werden.  Aber  auch  die  Berliner  haben  mit  Hamburg, 
wohin  sie  ihr  Getreide  verschifften,  schon  seit  dem  13.  Jahrhundert 
(nach  Fidicins  Worten)  4n  «nger  Beziehung  gestanden'*).  Ganz  be- 
sonders fiillt  aber  ins  Gewicht,  dass  die  Hamburger  St.  Maria  Mag- 
dalenenkirche  Klosterkirche  der  Franziskaner  war,  der  Kanzelredner 
des  Totentanzes  also  in  der  Tracht  dieses  Ordens  schicklicherweise 
gemalt  sein  konnte. 

Die  Anordnung  des  Berliner  Totentanzes.  Eine  Ver- 
gleichung  mit  den  übrigen  Totentänzen  —  man  braucht  nur  die  oben 
S.  86^  gegebene  Uebersicht  anzusehen  —  erweist  bezüglich  der  Reihen- 
folge und  Anordnung  der  in  den  Todesreigen  aufgenommenen  mensch- 
lichen Stände  für  das  Berliner  Denkmal  eine  Besonderheit,  die  sich 
sonst  nirgend  wieder  findet  und  die  somit  wahrscheinlich  auf  der 
selbständigen  Erfindung  seines  künstlerischen  Urhebers  beruht.  Während 
in  den  übrigen  Totentänzen  Papst  und  Kaiser  den  Reigen  beginnen 
und  die  übrigen  Stände  nach  Massgabe  ihrer  Würde  folgen,  macht 
in  Berlin  der  Küster  den  Anfang  und  ihm  folgen  von  links  nach  rechts 
zunächst  nach  aufsteigendem  Range  —  wenn  auch  ohne  peinlich  ge- 
naue Durchführung  dieses  Grundsatzes  —  die  geistlichen  Würden- 
träger, deren  letzter  der  Papst  ist.  Darauf  folgt,  durch  ein  Crucifix 
getrennt,  der  Kaiser  mit  der  Kaiserin  und  nach  ihnen  in  absteigendem 
Rangverhältnisse  König,  Herzog,  Ritter  usw.  bis  zum  Narren  und 
Kinde  hinunter.  Diese  Anordnung  enthob  den  Urheber  der  Notwen- 
digkeit zu  entscheiden,  ob  dem  geistlichen  oder  weltlichen  Schwerte, 
dem  Papste  oder  dem  Kaiser,  die  erste  Stelle  gebühre.  Aber  nicht 
diese  Erwägung  war  die  Ursache  der  eigenartigen  Anordnung,  sondern 
ein  besonderer  Umstand,  dem  er  Rechnung  tragen  musste.  Die  linke 
Abteilung  der  Turmhalle,  in  welcher  sich  der  Totentanz  findet,  war 
früher  von  dem  Kirchenschifte  durch  keine  Mauer  geschieden,  sie  bot 
also  dem  Maler  für  sein  Werk  ausser  weit  vorragenden  Pfeilern  nur 
zwei  Wandseiten,  eine  westliche  und  eine  nördliche.  Beide  Wand- 
seiten würden  im  rechten  Winkel  zusammenstossen,  wenn  nicht  die 
Innenseite  desselben  durch  einen  Eckpfeiler  ausgefüllt  wäre,  der  eine 
ebene  Seitenfläche  von  1)6  Centimeter  Breite  darbietet.  Nun  wissen 
wir,  wie  bereits  S.  81  mitgeteilt  ist,  dass  im  Mittelalter  ein,  vielleicht 
zwei  Altäre  in  der  Turmhalle  aufgestellt  waren.  Wenn  einer  dieser 
Altäre  der  linkseitigen  Halle  zugehörte,  so  muss  er  entweder  vor  der 
Mitte  einer  der  beiden  Seitenwände  oder  gerade  vor  dem  Eckpfeiler 
seinen  Platz  gehabt  haben.  Seine  Stellung  an  einer  der  Seitenwäude, 
welche   jetzt   den  Totentanz    tragen,    vertrug    sich    nicht   mit  diesem. 


>)  E.  Fidiciu,  Beiträge  zur  Geschichte  der  Stadt  Berlin.   Th.  3  (1837)  S.  39  f. 


90 

Der  Altar  muss,  wenn  er  nicht  bereits  schon  ursprünglich  vor  den 
Eckpfeiler  gestellt  war,  unbedingt  vor  diesen  gerückt  worden  mu. 
um  die  Seitenwände  für  den  Totentanz  verwendbar  zu  maclufU. 
Immerhin  bedingte  die  Stellung  des  Altars  vor  dem  P^ckpfeiler  au 
diesem  eine  Unterbrechung  des  Totenreigens,  um  Raum  für  ein  Altar- 
bild zu  gewinnen.  Der  Maler  des  Totentanzes  fand  den  AuswtL\ 
dass  er  am  Eckpfeiler  über  dem  Altare  Christus  am  Kreuze  mit  Maria 
und  Johannes  zur  Seite  derartig  malte,  dass  das  durch  besondert 
Linien  eingerahmte  und  hervorgehobene  Bild  zugleich  als  Altargemäld 
dienen  und  doch  als  Teil  des  Totentanzes  aufgefasst  werden  sollt.*. 
Die  bloss  äusserliche  Einfügung  des  Crucifixes  in  den  Totentanz  fre- 
nügte  allein  hierzu  nicht,  dieser  musste  so  gegliedert  werden,  dav 
die  Einreihung  des  Crucifixes  und  seine  bedeutungsvolle  Stellung  im 
Totentanze  auch  aus  inneren  Gründen  sich  rechtfertigte.  Der  Makr 
oder  der  ihn  beratende  Kleriker  zeigte  sich  dieser  Aufgabe  gewadb' 
und  löste  sie  in  sinnigster  Weise.  Er  schied  die  geistlichen  u-! 
weltlichen  Stände,  jene  links,  diese  rechts  vom  Cnicifix  derartig  an- 
ordnend, dass  der  sterbende  Christus  zwischen  Papst  und  Kaiser  gf^- 
stellt  zur  vornehmsten  Figur  des  Totenreigens  und  zum  geistig«  n 
Mittel-  und  Hauptstücke  des  Gesammtbildes  wurde.  Auch  der  Gotte- 
söhn  ist  als  Teilnehmer  am  Todesreigen  dargestellt 

Vor  juw  mut  ik  dragen  van  scharpen  darrte  enen  hraniz^ 
Kämet  al  met  my  an  den  dodendantz! 

aber  ihn  hat  nicht  der  Tod,  dessen  Figur  darum  neben  ihm  febK: 
darf,  zum  Tanze  in  das  Grab  aufgefordert,  er  ist  freiwillig  für  tU 
Menschheit  gestorben: 

Seet  wu  ik  vor  juw  leet  den  bittren  doet! 

Maler  tind  Dichter.  Der  Berliner  Totentanz  ist  unmittellür 
auf  den  Wandstuck  gemalt,  der  Maler  muss  das  Bildwerk  mithiu  ai 
Ort  und  Stelle,  also  in  Berlin,  geschaffen  haben.  Diese  Thatsacl 
bedingt  jedoch  durchaus  nicht,  dass  der  Künstler  gerade  ein  Berliin: 
gewesen  sein  müsse.  Mag  es  auch  nahe  genug  liegen,  an  einen  Ber- 
liner Meister  zu  denken,  so  wird  doch  die  Möglichkeit  nicht  geläugu' 
werden  dürfen,  dass  der  Maler  erst  von  ausserhalb  zur  Herstellui:- 
des  Gemäldes  berufen  worden  sein  kann.  Wichtiger  ist  die  Fm- 
nach  der  Herkunft  des  Verfassers  des  dem  Todesreigen  beigefügt»  i 
mittelniederdeutschen  Textes.  Nur  wenn  der  Dichter  in  Berlin  gek' 
hat,  haben  seine  Verse  den  Anspruch,  das  älteste  poetische  Sprad- 
denkmal  der  Stadt  Berlin  zu  sein. 

Die  Entscheidung  der  Frage,  ob  die  niederdeutschen  Verse  A^ 
Totentanzes  von  einem  Einwohner  der  Stadt  Berlin  verfasst  stiu 
können,  lässt  sich  nur  aus  einer  Untersuchung  der  Spruchfonuei: 
des  alten  Textes  gewinnen.  Diese  Untersuchung  wird  zugleich  anc: 
darüber  entscheiden,  ob  der  Maler,  der  jene  Verse  unter  den  Todes- 
reigen gesetzt  hat,  aus  Berlin  gebürtig  und  ol)  er  vielleicht  mit  deu. 
Dicliter  identisch  gewesen  sein  kann. 


91 

Im  Allgemeinen  treten  uns  in  den  niederdeutschen  Versen  die- 
selben Sprachformen  entgegen,  welche  man  in  den  märkischen  und 
berlinischen  Urkunden  aus  den  vier  letzten  Jahrzehnten  des  fünf- 
zehnten und  dem  Anfang  des  sechzehnten  Jahrhunderts  findet.  Be- 
züglich einer  für  die  Bestimmung  der  Mundart  bedeutsamen  Sprach- 
erscheinung lässt  sich  jedoch  ein  Unterschied  feststellen. 

Die  berlinischen  Urkunden  jener  Jahrzehnte  bieten  für  gemein- 
niederdeutsches langes  e  in  gewissen  Fällen  langes  i  oder  ie,  statt  beer 
'Bier'  denst  'Dienst'  sen  'sehen'  scref  'schrieb'  lef  'lieb'  ist  also  in 
ihnen  ftiV,  hier  oder  iyr,  dinsty  sin,  scrif^  lif  etc.  geschrieben. 

Der  Maler  des  Totentanzes  hat  nun  ein  und  das  andermal  im 
Texte  ein  e  oder  ei  gemalt,  wo  der  Dichter  ursprünglich  ein  i  nach- 
weisbar gesprochen  oder  geschrieben  hatte. 

So  liest  man  V.  333 

Och  gruwelihe  doet^  bysfu  rede  hyr? 
Nym  den  dorenf  ick  gha  vnde  tappe  her. 

Die  beiden  Verse  sollen  mit  einander  reimen,  die  Wortformen 
hyr  'hier'  und  her  'Bier'  ergeben  jedoch  keinen  Reim,  sondern  man 
muss,  um  diesen  herzustellen,  für  her  die  in  den  Berliner  Urkunden 
oft  erscheinende  Form  hyr  einsetzen.  Der  Maler  hat  offenbar  nur 
deshalb,  weil  ihm  in  diesem  Worte  das  i  nicht  geläufig  war,  die 
ausserhalb  der  Mark  verbreitete  und  auch  ihm  gewohnte  Form  her 
eingesetzt,  während  er  das  Reimwort  hyr  ungeändert  Hess,  weil  es 
in  dieser  Form  auch  ausserhalb  der  Mark  Geltung  hatte  und  die 
Form  her  ihm  unbekannt  war. 

Andere  Aenderüngen  dieser  Art  sind  V.  312  ruseleret  anstatt 
ruscliret  im  Reime  zu  ghevyret  und  V.  349  scheyr  anstatt  schir  im 
Reime  zu  partyer. 

Wenn  diese  das  märkisch-berlinische  i  aufweisenden  Reime  dafür 
sprechen,  dass  der  Dichter  des  Textes  aus  der  Mark  stammte,  also 
wahrscheinlich  ein  Berliner  Kleriker  war,  so  erweist  anderseits  der 
Anstoss,  den  der  Maler  an  dem  märkischen  i  nahm,  dass  er  auf  keinen 
Fall  aus  Berlin  gebürtig  war.  Es  würde  vielleicht  gut  zu  der  Annahme 
eines  Hamburger  Vorbildes  für  das  Berliner  Gemälde  stimmen,  wenn 
man  auch  den  Maler  als  Hamburger  aus  irgend  welchen  sprachlichen 
Einzelheiten  erklären  könnte.  Es  findet  sich  jedoch  nicht  das  geringste 
Anzeichen  dafür,  vielmehr  macht  die  Thatsache,  dass  abgesehen  vom 
i  für  e  die  Mundarten  des  Dichters  und  Malers  im  Wesentlichen  mit 
einander  übereinstimmen,  es  durchaus  wahrscheinlich,  dass  der  Maler 
aus  einer  der  Mark  benachbarten  Stadt   nach  Berlin  gekommen  war. 

Einen  Ueberblick  über  die  mundartlichen  Eigentümlichkeiten^) 
des  Textes  gewährt  folgende  Zusammenstellung,  in  welcher  der  Laut- 
stand desselben  mit  dem  gemeinmittelniederdeutschen  verglichen  ist. 


*)  Ueber  die  Muudart  Berlins  und  der  Mark  Brandenburg  im  Mittelalter 
handelt  B.  Graupe,  De  dialecto  marchica  quaestiuncula  duae.  Diss.  inaug. 
Berlin  1879.    Besonderheiten  desselben  verzeichnet  kurz  Tümpel  Nd.  Jahrb.  20,  81, 


92 

a  vor  Id  wird  o:  old  316;  bewahrt  ist  es  in  kalM  199. 

e  in  unbetonter  Silbe  wird  i:  heidin  'warten'  289;  besetin  ^gesessen'  47;  schetfiiu 
^scheiden'  278.  290.  (Sonst  ist  stets  e  geschrieben,  vgl.  vortjeten  13;  kcUu 
14;  heyden  25;  scheyden  26;  gheven  41  usw.) 

e  in  unbetonter  Silbe  wird  o:  horwkten  288  (sonst  stets  he-  vgl.  v.  72.  75.) 

6  wird  i  oder  ie:  1)  im  Artikel  dy  nomin.  sing.  1.  11.  12.  20  u.  ö.,  die  256. 
280;  dij  acc,  sg.  fem.  107.  198.  329;  dy  nom.  accus,  plur.  56.  t>h\ 
ferner  in  sü  276.  (e  findet  sich  nur  in  de  18.  83.  128,  vgl.  he  98.1  — 
2)  lyf,  Uve  aieb'  200,  285 ;  lietc  liesset'  233 ;  sie  *ich  sehe'  108 ;  siet  'sehe:' 
172;  appcllyren  43.  48;  liovircn  44.  283.  üeber  her  334,  ru^clcrci  o\i 
und  8cheyr  349  ist  bereits  auf  Seite  91  gesprochen.  (Sonst  findet  sich  ' 
noch  in  leve  *lieb'  57.  70;  vorveieu  63.  295;  seet  *sehet  55.  90.  104.} 

i  wird  Ie:  die  'dir'  261;  tied  280;  viene  330;  hier  293.  (Sonst  ist  stets/ 
gesetzt.) 

0  wird  durch  Tondehnung  zu  a:  z.  B.  yade,  gades  84.  102.  134.  173.  2Tr.. 
288  u.  ö.;  kämet  15;  beraleu  75;  gebaren  241.  296.  304;  apenbar  3(»o. 
gcwanen  236;  sjyarcn  'Sporen'  295.  (o  ist  jedoch  geblieben:  komen  57. 
119.  287;  ei'korcn  61;  rorlaren  62;  hoivircn  283.) 

or  wird  ar:  r/ar;«^  *dem  Dorne'  187. 

d  wird  ü:  z.  B.  ///«  'zu'  83.  102.  113.  124.  197.  199;  gud  'gut'  21.  23.  M 
u.  ö.;  ?/m^,  muten  44.  60.  68.  94.  116.  130  u.  ö.;  ^»Wer  1;  siul2,  h< 
19.  40;  rupe  'rufe'  98;  vorsiiken  114;  dumhere  123;  (iw/  'thiu'  211;;/'- 
wm7i  245;  ivuker,  wukercr  267.  274;  krugersrh^  321.  (o  ist  g^eschriebea 
//io  61.  323;  alto  64;  altoinalen  190;  (/orfc  'gut'  287;  /«orfe  *Hut'  15V: 
kroghe  'Krug'  312;  Ao  'Kuh'  324;  rope  'rufe'  349.) 

Einzelne  Wortformen:  van  'von'  1.  48.  103.  255;  (nie  von),  —  wol  'wohr  S<^ 
104.  107.  126.  258.  303.  332;  ical  11.  197.  -^  edder  'oder'  60.  200.  292.  - 
mct  'mit'  7.  17.  24.  44.  66.  71.  85.  92.  200.  219.  243.  27ß  u.  ö.;  .v 
68.  147.  282.  314.  —  gtj  sint  'ihr  seid'  276.  -7  muchie  'mochte,  mwht.; 
24.  26.  42.  84.  287;  mögen  112.  276.  —  schokn  'sollen'  18.  138.  27:. 
sulle  gy  14;  sal  25.  75;  soMe  107.  —  ed  'es'  200.  326.  —  em  'ihmM^ 

Orthographisches:  vorgewcscnn  259;  nha  289;  nhu  246.  270.  273.  284:  '//r 
277.  289;  mhan  273;  vhalscheyt  330. 

Vergleiclit  man  die  nd.  Originalurkunden,  welche  Fidicin  iu  seiinn 
'Beiträgen  zur  Gesdiichte  der  Stadt  Berlin,  Th.  2'  hat  abdruckt^ 
lassen,  so  ergiebt  sich  ziemliche  Uebereinstimmung  der  in  ihnen  K- 
gegnenden  Formen  mit  denen  des  Totentanzes.  Es  kann  im  Alk»- 
meinen  auf  die  von  Graupe  verzeichneten  Belege  verwiesen  werdtu 
doch  seien  einige  Einzelheiten  aus  den  Urkunden  d.  J.  1450  bis  14''^ 
(Fidicin  II,  S.  223—308)  hier  zusammengestellt. 

di,  die.  Der  Artikel  lautet  stets  di  oder  die,  einmal  jedoch  s.  259  de  (Druckfehler - 

si.  he.  Es  heisst  immer  57  'sie',  z.  B.  s.  227.  228.  229.  250,  und  immer  /'■ 
'er',  vgl.  s.  229.  231.  271.  274.  277.  300.  (Dagegen  lässt  sich  aus  älter. 
Urkunden  hi  belegen.) 

em.  ore.  Es  heisst  stets  cnu  cme,  cn  neben  ore,  ores,  crem,  wen.  Nicht  eii^ 
einziges  Mal  om,  on  oder  er,  eres,  eretn,  eren.  —  etn  als  Dativ  plnr 
'ihnen'  begegnet  s.  224.  228,  als  Accus,  sg.  'ihn'  s.  270.  (Die  Urkunde 
s.  238  kommt  als  magdeburgisch  nicht  in  Betracht.) 

sieh.  Das  im  Totentanz  nicht  belegte  Reflexiv  lautet  gewöhnlich  sich  vgl.  ? 
225.  242.  253.  254.  256.  257.  296.  297;  nur  vereinzelt  begegnet  sik  s 
259.  275.  278.  Es  ist  hierzu  zu  bemerken,  dass  noch  heute  in  der  nd 
Mundart  eines  Teils  der  Mark  das  Reflexiv  sich,  nicht  sik  lautet. 


93 

met,  mede  *mit*  oft;  mit  nur  s.  250.  252.  257. 

wol  begegnet  mehrfach,  nie  wal. 

Orthographisches.  Die  jüngsten  Yon  Consonanthänfangen  ziemlich  freien  Urkunden 
sind  Nr.  181  und  182  aus  d.  J.  1487.  Anderseits  beginnen  schon  früh 
damit  überlastete  Schreibungen,  besonders  mit  7in  im  Aus-  und  Inlaut,  Tgl. 
Nr.  156  (1461):  vniisenn,  horenn,  netnjnij  sodann,  rek^nn  u.  a. ;  Nr.  164 
(1467)  vnnsen,  horenn,  lesxen,  nha,  nlmmen,  mJieren,  anhe  *ohne'  u.  a. 

Alter.  Das  Entstehungsjahr  des  Berliner  Totentanzes  ist  un- 
l)ekannt,  und  nicht  einmal  das  Jahrzehnt  seiner  Herstellung  lässt  sich 
sicher  ermitteln.  Aus  seiner  Abhängigkeit  von  dem  alten  Lübecker 
Totentanz  folgt,  dass  er  eine  Anzahl  Jahre  nach  1463  geraalt  ist. 
Dass  das  vor  dem  letzten  Jahrzehnt  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  ge- 
schehen ist,  wird  durch  die  Orthographie  des  Textes  wahrscheinlich, 
welche  von  den  Auswüchsen  der  späteren  Zeit  noch  ziemlich  frei  ist. 

IMe  UeberlieferHVff  tJes  Textes.  Bei  der  Herstellung  des 
nachfolgenden  Textes  sind  benutzt  worden 

L    Lübkes  Abdruck, 

P    Prüfers  Facsiraile  und  Abdruck, 

T    das  Totentanzgcmälde  selbst  in  dem  Zustande,  in  welchem  es  sich 
i.  J.  189G  befindet. 

Lübkes  Abdruck  ist  trotz  vieler  offenbarer  Verlesungen  wichtig, 
weil  Lübke  den  Totentanz  noch  vor  seiner  Uebermalung  untersuchen 
und,  indem  er  die  noch  nicht  überfimiste  Wandtiäche  anfeuchtete, 
manches  erkennen  konnte,  was  heute  unlesbar  geworden  ist. 

Prüfers  nach  18G0  angefertigtes  Facsimile  giebt  ein  fast  durch- 
weg zuverlässiges  Bild  des  Originals  in  dem  Zustande  nach  seiner 
ersten  und  vor  seiner  zweiten  Uebermalung.  Da  die  zweite  Ueber- 
malung vom  J.  181)3  den  Text,  soweit  er  noch  erhalten  ist,  ungeändert 
gelassen  hat,  so  ist  das  Facsimile  zwar  als  JUnveis  fiir  diese  Thatsache 
und  als  becpiemes  Hilfsmittel  schätzbar,  unentbehrlich  für  die  Text- 
kritik ist  es  aber  nur  hinsichtlich  der  wenigen  Verse  (vgl.  V.  331) 
bis  350),  welche  bei  der  Wiederherstellung  der  Kirche  in  den  Jahren 
1S02/93  zerstiirt  sind. 

Der  Totentanz  selbst  würde  in  seinen  erhaltenen  Teilen  allein 
fiir  den  Textabdruck  berücksichtigt  zu  werden  brauchen,  wenn  die 
Uebermalung  allenthalben  eine  zweifellose,  zuverlässige  Wiedergabe 
der  alten  Schriftreste  böte.  Das  ist  nur  im  Allgemeinen,  aber  nicht 
ausnahmslos  der  Fall.  Der  Maler  hat  freilich  die  alten  mehr  oder 
weniger  verblassten  Buchstaben  in  neu  aufgetragener  Farbe  meist 
treu  nachzuziehen  versucht,  oft  genug  aber  auch  undeutlich  gewordene 
oder  nur  stückweis  erhaltene  Buchstaben  nach  eigenem  Ermessen  ergänzt. 

Für  die  Kritik  des  Textes  ist  von  Belang  zu  wissen,  ob  der 
Maler  ])ei  seinen  Ergänzungsversuchen  rein  mechanisch  verfahren  ist. 
Es  scheint  das  meist,  aber  nicht  überall  geschehen  zu  sein.  An 
einigen  Stellen  hat  der  Maler  nämlich  augenscheinlich  Lül)kes  Abdruck 
benutzt,  denn  er  hat  offenbar  Verlesungen  desselben  übernommen,  z. 
B.  190  brrrM,  281  rnde,  288  thur,  303  fnwstcs,  327  Drugersche, 
345    knoken.     Im    Allgemeinen    freilich    hat    der    Maler    bei    seinen 


94 

Ergänzungen  sich  nur  durch  die  erhaltenen  Schriftreste  und  das  Be- 
streben, vollständige  und  deutliche  Buchstaben  herzustellen,  bestimiuHi 
lassen,  ohne  den  Sinn  der  Worte  zu  verstehen  oder  sich  um  ditsii. 
auch  nur  zu  kümmern.  Nur  so  erklären  sich  Wortformen  und  Siiiij- 
losigkeiten  wie  V.  94  our  für  ock,  158  vormehen  für  vormereii,  '»2t» 
toede  für  mede^  323  Iho  für  tho  usw.  Auch  die  deutliche  Scheiduni' 
der  Buchstabenformen  für  c  und  t,  n  und  w,  welche  in  mittelalttT- 
licher  Schrift  gern  vernachlässigt  wird,  ist  wahrscheinlich  aus  demselbrii 
Streben  des  Malers  nach  deutlichen,  unzweideutigen  BuchstabenforaiHn 
hervorgegangen.  Nur  r  und  e  war  er  nicht  bestrebt  auseinanderzu- 
halten, so  dass  z.  B.  sterven  als  streven  oder  strrven  gelesen  werden  kaiiii. 

Die  zweite  Bemalung  des  Bildes  scheint  den  Text  unborührt 
gelassen  zu  haben.  Dagegen  muss  in  den  Figuren  gebessert  wunl«^ 
sein.  Der  Narr,  der  von  Lübke  als  Koch  erklärt  wurde,  muss  iiai : 
Ausweis  von  Prüfers  Facsimile  mit  beiden  Füssen  früher  in  stiiiK 
(von  Lübke  für  einen  Kochkessel  gehaltenen)  Bunge  oder  Pauke  ?'• 
standen  haben. 

Den  Irrtum  Lübkes  und  die  dadurch  veranlasste  falsche  Restau- 
ration der  Figur  wies  später  Prüfer  nach,  und  offenbar  ist  dieMf 
Nachweis  die  Anregung  gewesen,  dass  der  Narr  heute  hinter  seiner 
Bunge  steht. 

Trotz  seiner  Uebermalung  bietet  das  Totentanzbild  selbst  inini:: 
noch  die  wichtigste  Handhabe  für  die  Herstellung  des  Textes,  mc\< 
müssen  die  alten  Buclistaben  noch  deutlich  erkennbar  gewesen  mIü 
Es  spricht  jedenfalls  für  den  Wert  des  gemalten  Textes,  dass  ich  an 
mehreren  von  Lübke  und  Prüfer  falsch  wiedergegebenen  Stellen  (i:^ 
Richtige  aus  ihm  selbst  ablesen  konnte.  Und  wenn  auch  maiuh«^ 
bei  der  Uebermalung  falsch  hergestellt  ist,  so  verraten  sich  dk^- 
Stellen  dank  der  Unwissenheit  des  Malers  meist  durch  Sinn-  oiltr 
Sprachwidrigkeiten. 

In  mancher  Beziehung  wird  die  Kritik  den  heute  auf  dem  Gemäl«!' 
befindlichen  Text  wie  eine  fehlerhafte  Abschrift  eines  verlorenen  i^ri 
ginals  ansehen  und  behandeln  dürfen.  Insofern  wahrt  jedoch  J'^ 
Bild  auch  in  seinem  heutigen  Zustande  volle  authentische  Gewäli: 
als  bei  der  Beurteilung  von  Besserungen  und  Ergänzungen  der  äussi:^ 
Umfang,  also  Wortlänge  und  Buchstabenzahl,  in  Frage  kommt. 

Die  von  dem  Gemälde  in  der  Marienkirche  heute  gebotem! 
Lesungen  sind  überall  unter  dem  gedruckten  Texte  angemerkt,  ^v 
in  diesem  davon  abgewichen  ist.  Die  Lesungen  und  Verlesung*' 
Lübkes  und  Prüfers  sämmtlich  gleichfalls  anzumerken,  schien  zweckl«»" 
und  nur  eine  Auswahl  ist  aufgenommen.  Doch  wird  man  stets  üh- 
gegeben  finden,  wo  sie  Einzelnes  haben  lesen  können,  was  heute  nirli^ 
mehr  zu  lesen  ist. 

Die  versuchten  Ergänzungen,  die  nur  den  Zweck  haben,  i^'' 
Lückenliaftigkeit  der  Ueberlieferung  weniger  hervortreten  zu  lassin- 
sind  durch  eckige  Klammern,  die  unausgefüllt  gebliebenen  Lücken 
durch  Punkte  bezeichnet. 


95 


Franeiseaner  auf  der  Kanzel. 

[Hyr  ste]et  dj  brader  van  funte  Francifcus  orden 
[nppe]  eyneme  predickftul  vnde  feeth: 

[Leven  wold]e  gy  fander  grot[e  not,] 
[Nn  mute  gl  lide]D  den  bitteren  doet. 

5 den  konde  an  linen 

t  fyner  .  .  . 

vnde  met  .  .  . 

litche  .... 

redy       .  .  . 

10 den  pypen  wike 

[Bytterlyken  f]terve[n]  ys  dy  [er]fte  fanck, 
[De  ande]r  alzo  dy  klokkenklanck. 
[De  dradde  van]  frnnden  fyn  vorgeten 
[Al]tyde8,  dat  fvlle  gy  weten! 

Tod  zum  KOster. 

15  Her  kofter  yan  der  kercken  kämet  b[er]! 
Gy  fynt  hyr  gewefe[n]  alze  eyn  vo[r]beder, 
Ik  wil  vor  an  den  dantz  met  jw  rpring[henj 
Dat  jw  de  flotelle  alle  fcholen  klyng[beu.] 
Legget  dat  tidebuck  fnel  ntb  jwer  baut! 

20  Ik  bin  dy  dot,  ik  neme  nymandes  pant. 

KUster. 

Ocb  gnde  dot,  frifte  my  docb  nocb  eyn  iar, 
Wente  myn  leneut  ys  nocb  gar  nnklar! 
Hadde  ik  wol  [eer]  vel  giides  gbedan, 
8o  niucbte  ik  nu  frolicken  met  dy  gaen. 
25  Ocb  we,  Tal  ik  na  nicbt  [lenger]  beyden, 
Dat  lydent  Jbefu  mncbte  roy  scbeyden! 


5.  an  liuen  ohve  dass  ein  Buchstabe  dazwischen  su  fehlen  scheint.     T, 

11.  erfte]  .  .  fde  T.  —    Vom  n  in  sanck  ist  nur  ein  Rest  lesbar,  der  einem 
r  ähnlich  ist.     T. 

12.  .  .  .  r]  r  oder  t  T. 

13.  fyn]  Ive  oder  we  T,;  we  L. 

14.  .  .  tydes]  von  t  und  y  ist  nur  der  obere  einem  m  ähnliche  Teil  noch 
erkennbar  T.;  fvlle]  fvde  T.;  .  .  .  gudes  dat  wurde  gy  weten  L, 

15.  her]  jetzt  verlöscht  in  T.;  h  ,  .  L. 

U\,  vorboder]  jetzt  verlöscht  in   T,;  ...  der  L. ;    ,vorbeder  war  bei  An* 
feuchtung  der  Wand  noch  ganz  deutlich  zu  lesend     P. 

20.  fo  T. ;  ik  neme  .  .  .  gades  pant  L, 

21.  giide  L]  gode  T, 

26.  scbeyden  L.,  heute  verblichen  T, 


96 

Tod  zam  Capellaii. 

(v,  27 — 30  nicht  erhalten.) 

[gjhetyde  beden 

de  treden 

Capellan. 

n  ghehanen 

lanen 

35 dodde  wnder  ghan 

beftan 

gheaen 

lenen 

Tod  zam  Official. 

Gy  kluke  wyfe  man,  her  official, 
40  Iw  tidebnk  ys  yo  dat  decretal. 
Got  hadde  jw  yele  wllkor  gheaen. 
Machte  gy  na  hir  ewichliken  lenen? 
Wat  helpet,  dat  gy  vele  appellyeren? 
Gy  mathen  met  my  im  dantz  haniren. 

Official. 

45  Och  dot,  ik  hebbe  dat  wol  eer  gelefen, 
Dat  dynes  richtes  nymant  kan  ghenefen. 
Dy  richter  is  fo  hoch  befetin  een  man, 
Dat  van  em  nymant  wol  appellyren  kan. 
Wat  heipet,  dat  ik  vele  blafe  den  wynt? 

50  Sauder  help  my  nn,  Jhefn,  Marienn  kynti 

Tod  zum  Augnstlner. 

Her  angart[i]uer,  gheftlyke  gade  man, 
Volget  my  ok  na  vnde  fchedet  dar  van! 
Dy  beghiftinge  ys  jw  nicht  gheghenen, 
Dat  gy  hyr  konen  ewichliken  lenen. 
55  Dar  vmme  feet,  wa  ik  jw  vor  kan  reigen! 
Dy  gheftliken  fteraen  alfo  de  leygen. 

Augustiner. 

Och  lene  dot,  wa  komeftn  fo  dradel 
Beide  doch  fo  lange  beth  dat  ik  dy  lade! 


35.  wnder]  wuder  T. 

40.  yo]  yn  T 

41.  wilkor]  wilker  T. 

43.  appellyeren]  appellyren  L. 

44.  im]  an  T.  —  hauiren]  baniren  T. 

47.  een  Ijübheti]  nen  T. 

48.  dat]  dar  T. 

50.  Marienn]  Mariam  T. 

55.  vme  T. 


97 


Sunder  du  bift  eyn  feltzen  wanderlike  kumpan, 
60  Ik  wil  edder  ik  wil  nicht,  ik  muth  mede  dy  gan; 
Dar  fyn  alle  menfchen  tho  vterkoren. 
Help  Jhefn,  dat  ik  nicht  werde  vorlorenl 

Tod  zum  Predigrer  (Dominikaner). 

Her  predeker,  gy  fchult  jw  nicht  vorveren 
Vnde  nicht  alte  fere  teghen  my  weren. 
65  Ik  byn  dy  doet,  jwe  alder  hoghefte  raet, 
Dantzet  nu  met  my  vnde  weft  nich  quat! 
Vele  fcarmone  hebbe  gy  yan  my  gedan, 
Gy  muthen  ok  mith  my  an  den  dantz  ghan. 

Prediger. 

Och,  gude  doet,  geff  my  doch  noch  lengher  frift, 
70  Wen  du  myn  alder  leuefte  kumpan  bist! 

Och,  my  dnncket,  ik  kan  met  dy  nicht  wynnen. 
Och,  wat  fal  ik  arme  man  nu  begynnen? 
Snelliken  ft erneu  is  eyn  grot  vnghenal. 
Help  my,  Jhefu,  vnde  den  geistliken  all 

Tod  zum  Pfarrer. 

75  Her  kerkhere,  jw  is  vele  bevalen, 

Ik  byn  dy  doet,  ik  wyl  jw  nu  ok  halen. 
Iw  was  yo  vter  maten  walgelungen. 
Wen  gy  dat  requiem  haddeu  ghefunghen. 
Hevet  dat  nu  ok  van  jwert  wegen  an[e], 

80  Ik  wyl  jw  yortreden,  also  ik  wan[e]! 

Pfarrer. 

Och  alweldyge  god,  wat  is  dat  leuent, 
Sint  deme  dat  yns  allen  is  ghegeuen. 
Wen  de  doed  kummet,  fnelliken  thu  fteruen? 
Ach  muchte  ik  gades  hnlde  my  weruen, 
85  So  wolde  ik  vrolikeu  met  dy  syngen. 

Help  nu,  Jhefu,  fo  mag  my  wol  ghelingeu! 

Tod  zum  Kartttoser. 

Her  kartuser  unde  geyftlike  vader. 
De  monken  muthen  ftreven  alle  gader 
Der  regellen  unde  [dem]  g[efette]  volgen  na. 
90  Siet,  wtt  Tuverliken  dat  ik  jw  vorga! 
Vorlatet  jwes  klofters  bequeroycheit 
Vnde  dantzet  nu  meth  my  in  frolicheit! 


61.  Dar  P.]  dat  T. 

80.  wane]  man  T.  F.;  wan  L. 

88.  monken]  menken  T. ;  mensken  L. ;  —  streven]  strrven  T. ;  sterven  L,  P. 

89.  gesette  verblichen  1\,  als  g[cse]tz[e]  gelesen  von  Prüfer. 

90.  Siet]  stet  T. 

91.  bequemycheit  T.]  bequemyckeit  L.  P.,  doch  ist  vom  h  der  dasselbe  vom 
k  unterscheidende  Haken  noch  nicht  volLständig  verlöscht  in  T. 

92.  frolickeit  T. 

Niederdeutsches  Jahrbach  XXL  7 


98 


Kart&nser. 

Och  gude  doet,  ftemen  ys  een  ghemene  recht, 
Ock  mnt  fternen  bede  here  an[de]  knecht, 
95  Oeystlik,  werlik,  ok  monke  [algelyk], 
B[yk,  arm,]  man,  frowen,  jwe[lyk]. 
Wat  helpet  my  denne  dat  [ik  wedderrede]? 
Ik  mpe  tho  Jhefa,  dat  he  [mi  berede]. 

Tod  zum  Arzt. 

Her  doctor,  meyster  in  der  arftzedye, 
100  Ik  hebbe  jw  rede  gheefchet  wol  dryge, 
Noch  meyne  gy  leyder  lenger  to  lenen 
Vnde  willen  jw  nicht  thn  gade  genen. 
Legget  wech  dat  glasz  nnde  fcheidet  darvan 
Vnde  feet,  wn  wol  ik  iw  yordantzen  kan! 

Arzt. 

105  Och  almechtige  god,  gef  dn  my  nn  rath, 
Wente  dat  water  is  ntermaten  qnat! 
Ik  folde  wol  np  dy  abbeteken  ghan, 
Wente  ick]  fie  den  dot  harde  vor  my  ftan; 
Dar  jegen]  waffet  keyn  kmt  in  den  garden. 
110  [Her  Jhejfu,  woldeftn  myner  warden! 

Tod  zum  MOneh. 

Her  monick,  ik  wil  jw  gar  ko[rt]  wat  feggen, 
Den  blawen  bndel  moghet  gy  van  jw  leggen 
Vnde  ok  dar  thn  dat  bereideken  wyth. 
Vorfaket  nn,  wn  wol  jw  dat  dantzen  fyt, 
115  Dat  gy  vaken  hebben  gedan  myt  eren! 
Volget  na!  gy  mnthen  den  tal  vormeren. 

Mönch. 

Och  gode  ghefelle,  tafte  my  nicht  an, 
Wente  ik  byn  ein  begeven  geystlik  man. 
Ik  wnfte  gar  wol,  dat  dn  woldeft  komen, 
120  Doch  konde  ik  de[r  tyd  nicht  ramen], 

Wente  nymant  wet,  [wanneer  he  mnt  scheyden]. 
Help  nn  Jhefn,  wor  ik  my  nn  [bere]y[de]. 


93.  een]  ed  T. 

94.  Ock]  our  T.;  owe  L.  P. 
102.  willen]  willen  T. 

106.  water]  wat'  der  er  bedeutende  Haken  ist  noch  halb  sicJUbar.  21 ;  wat  F. 

109.  waffet]  waffer  T.  L.  P. 

110.  warden]  warten  T, 

118.  geystlick  P.]  geystlich  T.;  geystlike  L. 
120.  der]  de  T.;  der  L.  P. 
122  my  nu  L.]  my  n  .  T. 


d9 


Tod  zum  BomherreB« 

Her  damhere,  grot  van  hogem  ftade, 
Thu  den  dantze  der  doden  ik  jw  lade, 
125  Dar  gy  io  niht  vele  heb[b]en  na  gedacht, 
De  wyle  dat  gy  weren  by  der  wolmacht. 
Leggbet  myt  hnlde  neder  dat  byreydeken  rot, 
Volghet  my  fneliken  nal  ik  byn  de  dot. 

Domherr. 

Och  da  hemellische  konigk  der  eren, 
130  Nu  is  dy  tyd,  dat  ik  mnth  ftenien  leren. 
Hedde  ik  dat  gheleret  in  jnngheren  jaren, 
[Hedde  ik  wol]  ftervendes  ghed[acht  to  varen]. 
[Mut  ik  nu]  fternen  in  de[r  joget,] 
[So  helpe  my]  gades  krafift  yn[de  doget!] 

Tod  zum  Abt. 

135  [Here  abb]et  rike 

Iwen  moniken  were 

Owers  jw  fal  .  .  .  .   ol 

Gy  fcholen  jw 

[Haldet]  jw  ok  ber[eyt] 

140  Springet  vp  vn[de] 


Abt. 

[0]ch  gnde  d[oet] 

(i\  142 — 146  nicht  erliallen,) 

Tod  znm  Bischof. 

Her  bifcop  myt  juwer  koftliken  kröne, 
[Dantzet]  my  na!  got  wyl  jw  nu  wol  Ionen. 

ghy  hebben  ghedan 

150 hebbe  gy  gheftan 

hadde  ghe  .  .  en 

Bischof. 

[Och]     


155 ow  .  .  .  .  uft  weren 

nicht  vormeren 


olde  lan 
all  .  .  . 


125.  dar  L.]  dat  P.  T. 

132.  ghede  T.;  ghedesd  .  .  .  P. 

139.  nur  jw  ok  ist  noch  lesbar  T.,  [Ilaldet]  Jw  ok  ber[eyt]  L. 

148.  wyl]  vyl  T. 

151.  hadde  gheb.  den  L. 

155.  ow  T.]  komet  L. 

156.  vormeren  L.  P.]  vormehen  T. 
158.  all  X.]  nicht  mehr  erkennbar  T, 

7* 


100 


Tod  zum  Kardinal. 

Her  kardenal  mit  deme  roden  hode, 
160  Oy  mnten  met  alße  ik  my  [yormo]de. 
Der  geweit  knnde  gy  gar  wol  [vorstan], 
Dar  vor  muthe  gy  nn  [met  my  gan]. 
Beydet  nicht  lange,  fander  [komet  mede], 
Ik  wyl  [jw  na]  leren  des  dan[tzes  trede]. 

Kardinal. 

(v.  165 — 170  nicht  erhalten,) 

Tod  zum  Papst. 

Pawes,  erdefche  vader,  volget  my  na 
Vnd  fyet,  wu  fchone  ik  jw  nv  vor  gha! 
Gy  hebben  in  der  ftede  gades  geftan, 
Dar  ymme  fchole  gy  vor  an  den  dantz  g[ban]. 
175  [Trede] t  nn  an  vnde  fynget  gheringe, 
[Vnde]  maket  neene  vortogheringe ! 

Papst. 

[Och]    ...   bar 

ne     

.  .  dot  byn  ik 

180 ik  des  dodes 


[Help]  nn  Jhesn 

Christas  am  Kreaze. 

[Gi  c]risten[menschen,  arme  an]de  rike, 

J[ange  ande  olde  algelike], 
185  [Vor  jw]  ik  gestorven  byn! 

Gy  mvthen  alle  [ok  des  dodes  fyn]. 
Vor  jn]  mnt  ik  draghe[n]  van  fcharpen  darne  enenkrantz, 
Kämet]  al  met  my  an  den  dodendantz! 
pk]  gy  geystliken  cristen,  grot  vnde  klene, 
Mit  rechtem  ernste  ik  jw  altomalen]  mene, 

Set  wn  ik  vor  jw  leth  den  bittren  doet! 

Gy  maten  alle  Sternen,  dat  is  not. 

An  den  dodendantz  [jw]  beredet, 

Gy  mnthen  ok  dantzen  [mede!] 


190 


160.  met]  yett  T.  —  ^q  .  .  zu  Ende  der  Zeile  las  noch  L.,  heute  ü^i  ' 
nicht  mehr  erkennbar» 

164.  Nur  die  beiden  ersten  Worte  Ik  wyl  sind  noch  lesbar  in  T.  P.;  Ik  ': 
[Iw  nv]  leren  des  dan[tzes  .  .  .  L.  (siehe  bei  v.  305.) 

167.  L.  las  noch  als  Anfangsbuchstaben  Ik,  P.  Jo. 

168.  P.  las  noch  zu  Anfang  ein  M. 
176.  neene  undeutlich  T. 

179.  dot  byn  ik  X.]  .  .  .  yn  ik  T.  P. 
182.  na  Jhesu  X  ]  fehlt  jetzt  T. 

190.  mene  undeutlich  T.    * 

191.  bittren]  bettren  T. 

193.  beredet]  bereket  T.  L.  P. 


101 


Tod  znm  Kaiser. 

195  Her  keyfer  ftolt,  edel  nnde  mechtichlik, 
Vp  erden  hebbe  gy  gbehad  dat  hemmelrik, 
Eyn  gnd  walftalt  wiff,  dar  thn  perde  fchone, 
Nv  legghet  neder  rnellik[en]  dy  güldene  kröne, 
Haldet  jw  thn  den  dodendantze  bereyt! 

200  Oy  mnthen  met,  ed  fy  iw  lyff  edder  leyd. 

Kaiser. 

Och  Jbesn  Crifte,  barmhertige  got, 
Ik  math  fterven  des  dodes,  ed  ys  neyn  fpoth, 
Unde  gan  an  deffen  dantz  der  dmfFheit, 
Vorlaten  alle  [der  wejrlde  [herlicheit]. 

205  Her  dencken 

ünde  help 

Tod  zur  Kaiserin. 

Eeyferin[ne],  hoghe  frowe  gebaren, 
Ik  hebbe  iw  fnnderliken  vterkaren, 
Gy  mnthen  tho  des  dodes  dantze  yo  mede, 
210  Synt  gy  gerne  dragen  [de  ny]gen  klede. 
Qevet  ende  nnde  duth  [my  de  hant], 
Gy  mnthen  fnel  met  my  yn  eyn  ander  la[nt]. 

Kaiserin. 

0  we  my  arme  wiff 

Dat  ik  gelevet  hebbe 

215  Ik  mach  andere 

Nemet gy 

WV  gTY 


Tod  zum  Onige. 

Her  konig  med  iwen  gnlden  stncke, 
220  In  deffer  werlt  hebbe  gy  gehath  grot  gelncke, 
Alle  menfken  finth  nha  jwen  willen  wefen, 
[An  den  dod]  dachte  gy  nicht  eyne  nese[n]. 

rike0  was  mengerleye 


197.  walstalt  Sprenger]  wal  ftaet  T. 

199.  Haldet  P.]  Baldet  T. 

200.  lyff  Z.]  Ihif  T. ;  Ihlf  P. 

201.  Och  Jhesu]  0  bithe  T.;  0  githe  P;  .  .  .  owe  L. 

202.  neyn  X.]  neyft  T.  P. 
205.  Her  T,  L.]  Ver  P. 
210.  klede]  fehlt  jetet  T. 

215.  Ik  L.]  fehÜ  jetzt  T. 

216.  Nemet  i.]  .  .  .  et  jetzt  T. 

217.  gro  oder  gm  T. 
219.  jwen  T.l  men  L,  P. 
221.  jwen  X.J  jwem  T.  P. 


102 

Kmg. 

(v.  225 — 230  nicht  erhalten,) 

Tod  zum  Herzoge. 

231  Her  hertoch  mechtich,  dnchtig  tho  velde, 
[Den  ar]men  ye  vordruckede  gy  med  gewelde 
[Unde  d]en  riken  liethe  gy  bethemen. 
Ik  wil  iw  eck  by  deme  liae  nemen, 

235  Ik  lade  jw  fael  an  den  doden  dantz, 

[D]e8  gy  [sali]  noch  [wol]  gewanen  gantz. 

Herzog. 

Och  bann[hertige] 

Wat  helpet des .... 

240 groter  druffheit 

wol  gebaren 

Tod  zum  Ritter. 

Her  ritter  med  jaweme  krewete  ftolt, 
Hir  hebbe  gy  gedragen  dat  rode  golt, 
245  Hebbe  gy  iwer  ere  hir  genach  gedhan, 
So  möge  gy  nhu  froliken  mede  my  ghan. 
Legge t  dat  fcarpe  fwert  vau  iwer  Tiden, 
Gi  mathe[n]  med  my  au  den  dodendautz  gliden! 

Ritter. 

Och  wat  fchal  ik  arm en 

260  Wente  nyman[t 

(v.  251 — 254  nicht  erlialte^i.) 

Tod  zum  Bürgermeister. 

255  Her  borgermeister  van  grotheme  ftade, 
Gy  fint  die  upperfte  in  deme  rade, 
Dat  gemeine  hefte  ftunt  in  jwer  gewalt, 
Dar  thu  dat  recht  der  armen  wol  dufentfalt. 
Hebbe  gy  den  allen  wol  vorgewesenn, 

260  So  möge  gy  defies  dantzes  geuefen. 

Bürgermeister. 

Och  gude  doeth,  ick  kan  die  nicht  entwiken, 
Du  haleft  den  armen  vnde  den  riken. 
Wen  fe  hebben  gelevet  wol  dufent  jar, 
So  muthen  (ie  noch  volgeu  diner  fchar. 
265  Nimant  is  diner  gewalt  anich  [gewefjeu. 

0  Crifte  Jhefu,  help  my  nu  dat  [ick  genefe]! 


232.  men  ve]  men  gen  T.  —  gewelde]  gewalde  T. 

234.  liue]''line  1\ 

235.  lade  jw  fehlt  jeUt  T.;  laden  jw  L. 

236.  Des]  .  er  T. 


103 


Tod  zum  Wucherer« 

Her  wukerer  med  jwen  blawen  facke, 
Vor  geld  were  gy  van  gadeine  fnacke, 
Gy  deden  den  armen  ein  fchok  vor  twe, 
270  Dar  vmme  muthe  gy  uhn  liden  groth  we. 
Legget  van  ja  wer  ßden  den  fwedeler, 
Gy  muthen  al  mede  in  dath  olde  her! 

Wucherer* 

Ach  war  fchal  ik  arme  mhan  uhn  [bliyen], 
Sint  ik  waker  nicht  meyr  ma[ch  drivjen? 
276  Mine  hindere  fcholen  dath  wed[der  gew]en, 
So  mögen  ße  med  gade  ewich  lewen. 
Des  helpe  my  ok  Jhefns,  dha  ewige  goth, 
Wente  van  erden  to  scheydin  is  neyn  spoth. 

Tod  zum  Junker. 

Her  Jancker  med  jwen  haweke  fyn, 
280  Gy  wolden  alle  tied  die  schoneste  syn. 
Mennigen  hebbe  gy  gebracht  tho  valle, 
Vppe  den  doeth  dachte  gy  nicht  mid  alle; 
Wedewerken,  howiren  was  jwe  art. 
Volget  nha  desseme  dantze  mede  der  fart! 

Junker. 

285  Och  liue  doeth,  beide  noch  eyne  stunde! 

Ik  wolde  gerne  lewen  wen  ik  konde. 

Alzo  machte  ik  myne  sunde  bichten 

Ynde  my  med  gades  licham  borichten. 

Sunder  dhu  wilt  dar  leider  nicht  nha  beidin. 
290  0  Criste,  laeth  my  van  dy  nummer  scheidin! 

Tod  zum  Kaufmann. 

Her  kopman,  wat  gy  ghvmmen  nu  hastych  synt! 
Gy  sparet  noch  reghenweder  edder  wynt. 
De  market  ys  doch  seker  hier  all  gedan 
Gy  muthen  enquantzwys  met  my  dantzen  gan. 
295  Yorueret  Jw  nicht,  legget  af  dy  sparen! 
Wente  sterven  is  jw  ok  an  ghebaren. 


270.  Dar]  Dor  T. 

273.  Och  war  schal  ik  arme  "nhu  [bliuen]  mhan**  L.  'Der  Schreiber  hat 
sich  hier  verschrieben  und  hat  dies  durch  die  Häckchen  ^  angedeutet^  L, 

275.  wedder]  wed  .  .  .  X. ;  fehlt  jetzt  in  T, 

278.  Wente  van  erden  to  scheydin  is  neyn  spoeth  L.;  Jetzt  ist  nur  noch 
Wente  deutlich  lesbar  T. 

282.  mid  alle  Lübben]  mid  alls  T, 

284.  volget]  volset  —  mede]  vnde  T, 

289.  dhu]  dhit  T. 

293.  allgedan  T.;  affgedan  L.  P. 

295.  Vorueret]  Vorwret  T. 


104 


Eanfmaiin.  | 

Och  gode  doet,  wo  kome  gy  my  das  hastich  an!  I 

Wol  dat  ik  byn  ghewesen  eyn  Syn  kopman,  I 

Doch  is  myne  rekenschop  noch  gar  nnclar;  | 

300  Dat  klaghe  ik  dy  Criste  al  apenbar.  j 

Waltn  se  nu  dar  maken,  des  hefst  da  macht,  | 

Ik  hebb[e]  seker  nicht  vele  ap  dy  dacht.  | 

I 
Tod  zam  Handwerker. 

Her  amptman  ghat,  van  daytzen  wol  ghebaren, 
Gy  synt  wesen  eyn  w[erk]man  wol  vorvarn, 
305  Dar  knnde  gy  vore  .  .  .  dy  behende  lyden. 
Gy  mathen  bet  an  den  dodendantz  glyden, 
Sprynghet  ap,  ik  wil  jw  vore  synghen! 
Synt  gy  wesen  ghat,  so  mach  jw  ghelynghen. 

Handwerker. 

Och  mechtyghe  got,  wat  is  myne  knnst, 
310  Synt  ik  hebbe  ghekreghen  gades  vngnnst? 
Den  hilghen  dach  hebbe  ik  nicht  ghevyret, 
Sander  in  deme  kroghe  rvfeleret 
Och  Criste,  woldesta  my  dat  vorgheven, 
So  mathe  ik  myt  dy  na  ewich  leuen! 

Tod  zum  Bauer. 

315  Kere  wedder,  bare!  da  mvft  almede 

Ynde  dantzen  na  dyner  olden  fede. 

Dynes  ackers  arbeyt  is  al  vorlaren, 

Den  du  baven  god  haddel't  vterkaren. 

Legghe  dal  dat  pluchfchar  ande  prekel! 
320  Da  mvft  feker  mede  yn  den  partekel. 

Bauer. 

Och  ghude  doet,  fume  de  godes  doget, 
Spare  dannen  noch  myner  junghen  iogbet 
Unde  ghef  my  ghammen  dat  erfte  tho ! 
Ik  gheve  dy  vorwar  eine  vette  ko. 
325  Doch  ik  fe  wol,  du  wult  dar  nicht  na  vraghen. 
[0]ch  help,  Crifte,  ed  ghelt  my  hir  den  kraghen. 


wol  wv  T. 

298.  f>Ti]  thur  T. 

303.  duytzen]  banstes  T.;  *[banstcs]  ziemlich  deutlich''  L. 

305.  [vore]  bei  L.,  verblichen  in  T.  Die  eckigen  Klammern  Lübkes  bedeute**. 
dass  die  Richtigkeit  der  Lesung  unsicher  ist. 

305.  lyden  T.,  doch  ist  vielleicht  davor  ein  Buchstabe  oder  ein  Buchstab€H' 
paar  verblichen. 

314.  muthe]  mache  T.  L, 

320.  mede]  wede  T. 

321.  sume  de]  sumede  T. 

322.  dannen  Sprenger']  bannen  T. 

323.  tho]  Iho  T. 


105 


Tod  zur  SehankwirÜB« 

Krngersche,  gy  mnthen  [ok  al  xnede]! 
Valfch  tap[p]en,  aifrekeu  is  yo  juwe  fe[de]. 
Legghet  dy  valfche  math  nt  inwer  bant! 
330  Juwe  viene  vhalfcheyt  ys  yo  bekant. 

Iw  leyt  [is  aftaleggen]  wol  dat  blawe  bereyt. 
Volgbet  na!  gy  fynt  wol  thn  dantze  ber[e]yt. 

Sehankwirtin. 

Ocb  gruwelike  doet,  byftu  rede  byr? 
Nym  den  doren!  ick  gha  vnde  tappe  ber. 
335  Jodocb  [dod  beyde!]  thn  kort  werth  my  dy  tyd. 
Ocb  were  ik  deffer  yal8cbe[n]  matbe  qnytb! 
Dar  ik  jo  mntb  vore  lyden  grote  pyn. 
Help  my  Cbrifte  uth  deffer  notb,  macb  dat  fyn! 

Tod  znm  XarrcB. 

(ren  mit  jnw[er  bnngen 

340 (cb  dar  an  gbelnngen 

(velde  patync[k]en  .  .  . 

Vnde  (v  .  .  .  ok  rewen  ys  myn  bo    .  .  . 
Were  gy  ok  (nocb  eyns  ghewesen  so  mal. 
Gy  mntben  al  yor(meren  na  dessen  tal! 

Narr. 

345  Ocb  watb  ga  gy  (maken,  gy  ynle  kockyn? 

Latet  my  docb  (nocb  leven,  al  macb  dat  syn! 

Ik  jw  wil  mak(en  eyn  baaerecb[t], 

Dat  macb  leyder  nicht  (helpen  my  arme[n  knecht. 

Des  rope  ik  thn  dy,  Crist(e,  help  my  scheyr, 
350  Synt  ik  byn  gewest  e(yn  vule  partyer! 

Tod  zn  Matter  und  Kind.  0) 

(v,   351  ff,   »ind  nicht  erhalten.) 


327.  Krngersche]  Drugersche  T. ;  [I)]rugeriche  L. 

328.  tappen  Lübben]  taper  T, 
328.  affreken  T.;  aftreken  L.  P. 
330.  yo]  jw  T.  P.;  io  L. 

332.  bereyt]  beryt  T. 

333.  Och]  Sith  T, 

334.  ick]  in  T,  —  gha  Sprenger]  gna  T.  —  ber  P.  ber  T, 

335.  Jo  undeutlich  T. ;  Ig  P. ;  So  L. 

339-350.  Die   durch   runde   Klammern   abgesonderten    Versteile    sind  heute 
nicht  mehr  varhanden,  aber  noch  von  L.  und  P.  gelesen  worden. 
345.  kockyn]  knocken  L.  P. 

349.  scheyr  T. 

350.  partyer  Lübke]  .  .  .  ytyer  L.;  paytyer  P. 

351  ff.  Die  van  L.  noch  gelesenen  Buchstaben  sind  folgende :  v.  351  [G]y  .  .  . ; 
352.  Syn  ... ;  353.  Gy  .  .  . ;  366.  Wolgb  .  .  . ;  357.  [Ojch  w  .  .  . ;  358.  Wente 
thu  .  .  .;  361.  Rupet  al  Iw  .  .  . ;  362.  Help  .  .  . 


106 


Anmerkungen. 

1.  2.  Die  beiden  ersten  Zeilen  sind  bisher  nicht  als  Ueberschrift  erkannt, 
sondern  unter  der  Annahme,  dass  ein  Reimwort  verblichen  sei,  für  die  Anfangs- 
verse gehalten  worden.  Die  vorgeschlagene  Ergänzung  Höret  dy  bruder  'Huret 
den  Bruder'  ist  schon  deshalb  unmöglich,  weil  dy  nicht  Accusativ  Sing.  Masc. 
sein  kann. 

1.  steet.  Die  späteren  Berliner  Urkunden  bieten  nur  die  Form  steit,  dagegen 
ist  es  aus  andern  märkischen  Urkunden  belegbar,  vgl.  Graupe,  de  dialecto  marchica 
S.  7,  Fidicin  Beitr.  2,  44. 

2.  seeth  aus  seget  'sagt'  zusammengezogen.  Andere  Belege  bei  Graupe  S.  9. 
Die  späteren  Berliner  Urkunden  bieten  daf&r  stets  secfU.  Es  ist  bemerkenswert, 
dass  gerade  die  beiden  ersten  Zeilen,  welche  zur  eigentlichen  Dichtung  nicht  ge- 
hören und  vielleicht  Zuthat  des  Malers  sind,  ausgeprägt  mundartliche  Formen 
bieten,  welche  wohl  in  der  Mark,  aber  nicht  in  Berlin  selbst  Geltung  gehabt  haben. 

11—14.  Vgl.  Lübecker  Totentanz  v.  J.  1420  Vers  401—404.  Die  üeber- 
einstimmung  beider  Stellen  hat  schon  Lübke  erkannt.  Die  Ergänzung  Prüfers 
[sjterve  ya  dy  1  de  fank  [Tweijt  alzo  dy  klokkenklanck  [Von  den]  frunden  wt 
vorgeten  III  des  dat  sulde  gy  toeten  und  seine  Uebersetzung  'Sterben  ist  der  erste 
Sang,  Zweitens  also  der  Glockenklang,  Von  den  Freunden  wirst  vergessen  Drittens, 
das  sollt  ihr  wissen'  seien  hier  als  Beleg  seiner  Unkenntnis  der  Sprache  angeführt. 

19.  tidebuk  bedeutet  bekanntlich  das  nach  den  kanonischen  Tageszeiten  ge- 
ordnete Gebetbuch.  Die  Möglichkeit  einer  andern  Deutung  eröffnet  die  Anmerkung 
Prüfers:  ^Hidebuk  'Zeitenbuch'.  So  heisst  noch  heute  in  Neu- Vorpommern  das 
Rechnungsbuch,  in  das  der  Küster  die  sogenannten  Zeitengelder  (temporalia,  das 
Gehalt  des  Predigers),  die  er  einzuziehen  hat,  einträgt." 

24.  Das  fröhliche  Mitgehen  mit  dem  Tode  begegnet  auch  in  dem  Zwie- 
gespräch des  Pfarrers  v.  85,  des  Kartäusers  v.  92  und  Ritters  v.  246.  Im  Lübecker 
Totentanz  von  1463  v.  282  heisst  es  So  mochte  ik  vrolik  mede  ghan  beim  Kaufmann. 

27  ff.  Die  zugehörige  Figur  war  bei  der  Aufdeckung  des  Bildes  voUstandi? 
zerstört  und  ist  erst  bei  der  Erneuerung  nach  der  kaum  zweifelhaften  Vermutung 
Lübkes  als  Capellan  hergestellt  worden. 

49.  *den  wind  blasen'  ist  sprichwörtlicher  Ausdruck  für  zweckloses  Handeln 
vgl.  Brant,  Narrenschiff  cap.  45,  29  f.  Wer  bett,  vnd  weiszt  nit  was  er  bett,  Der 
bloszt  den  wint  vnd  siecht  die  sehet. 

70.  Der  Tod  wird  der  beste  Genosse  des  Predigers  genannt,  weil  dieser 
durch  stete  Hindeutung  auf  ihn  eindringlicher  auf  seine  Zuhörer  zu  wirken  sucht, 
vgl.  V.  67. 

106-109.  Vgl.  Lübecker  Totentanz  von  1520  v.  148.  Dyt  toater  is  ror- 
toare  gantz  quath,  ferner  v.  151  üp  der  appoteken  is  nicht  eyn  krud  Dat  gegen 
den  doet  kan  wesen  gud. 


107 

113.  Prüfer  merkt  an:  'Dass  das  Baretchen  des  Mönches  dem  Texte  ent- 
gegen gelb  resp.  braun  im  Bilde  erscheint,  könnte  auch  als  einer  der  vielen  Gründe 
dafür  gelten,  dass  der  Text  nicht  speciell  für  dieses  Bild  oder  umgekehrt  gemacht 
ist.'  Der  heutige  Widerspruch  zwischen  Bild  und  Text  dürfte  wohl  dadurch  ent- 
standen sein,  dass  die  früher  weisse  Farbe  sich  im  Laufe  der.  Jahrhunderte  ver- 
ändert hat  oder  dass  der  Restaurator  des  Bildes  die  alte  Farbe  nicht  treu  wieder- 
gegeben hat.    Vgl.  zu  V.  279. 

197.  walstaü  ^wohl  gestaltet',  nicht  toal  gestaÜ,  ist  eingesetzt,  weil  sich  in 
der  Lücke  zwischen  wal  und  stalt  auch  nicht  eine  Spur  als  Anzeichen  dafür  findet, 
dass  etwa  hier  Buchstaben  verblichen  sind. 

207.  Vielleicht  sind  hier  Häckchen,  wie  sie  sich  in  v.  273  fanden,  ver- 
blichen und  die  richtige  Wortfolge  ist:  KeyserinnCj  frowe  hoghe  gebaren, 

219.  gülden  stucke  bedeutet  mit  Gold  durchwirktes  Gewand,  vgl.  mnd. 
Wörterbuch  4,  446. 

267.  'Auch  hier  stimmt  der  Text  nicht  zum  Bilde,  wo  die  Tasche  nicht 
blau,  sondern  grau  gemalt  ist'.    Prüfer.    Vgl.  zu  v.  103. 

279.  Wenn  in  dem  Bilde  in  seiner  heutigen  Gestalt  der  Junker  keinen 
Habicht  auf  der  Hand  trägt,  so  darf  man  hieraus  auf  keinen  Widerspruch  zwischen 
Bild  und  Text  schliessen.  Wie  das  von  Lübke  gegebene  Facsimile  zeigt,  war  die 
den  Habicht  tragende  Haud  des  Junkers  zerstört,  und  der  Maler  hat  ohne  Rücksicht 
auf  den  Text  die  Figur  ergänzt.  Im  Lübecker  Bilde  trägt  der  Edelmann  einen 
Habicht,  doch  nimmt  der  Text  darauf  nicht  Bezug. 

291  ff.  Vielleicht  nur  zufällige  Anklänge  bietet  der  Lübecker  Totentanz 
von  1463  V.  292  ff.    Vgl.  besonders  v.  290  Mine  rekenscop  is  nicht  dar, 

295.    Das  Bild  zeigt  keine  Sporen. 

303.  Statt  des  sinnlosen  banstes,  das  Lübke  ziemlich  deutlich,  aber  doch 
nicht  mit  voller  Sicherheit  las,  darf  hier  nur  ein  Wort  eingesetzt  werden,  welches 
genau  denselben  Kaum  einnimmt  und  dessen  einzelne  Buchstaben  im  verblichenen 
Zustande  mit  denen  des  von  Lübke  gelesenen  Wortes  verwechselt  werden  konnten. 
Diesen  Bedingungen  entspricht  das  durch  den  Zusammenhang  geforderte  dudeschen 
in  dieser  Form  nicht,  wohl  aber  in  der  in  den  berlinischen  Urkunden  (vgl.  Graupe 
S.  10)  begegnenden  mundartlichen  Gestalt  duytzen.  Bekanntlich  hielten  die  Aemter 
oder  Gilden  im  Mittelalter  darauf,  dass  ihre  Angehörigen,  insbesondere  die  Meister, 
deutscher,  nicht  wendischer  Abkunft  waren. 

312.  ruseleren  hier  und  Lübecker  Totentanz  von  1463  v.  371  *in  Saus  und 
Braus  leben',  vgl.  mnd.  Wörterbuch  6,  249. 

313  f.  Aehnlich  im  Lübecker  Totentanz  von  1463  v.  322  ff.  Nu  bidde  ik 
dif  leve  here,  Du  mi  de  sunde  wilt  varghcven  Unde  lade  mi  in  din  ewige  leven! 


108 

819.  dat  pluchachar  unde  prekd.  Der  Artikel  den  fehlt  bei  dem  zweiten 
Worte  trotz  des  verschiedenen  Geschlechtes  gemäss  des  zu  Pseado-Gerh&rd  von 
Minden  3  v.  1  belegten  Sprachgebrauches. 

820.  partekel  Tartei'.    Sonst  mnd.  nicht  belegt. 

384.  den  doren  nämlich  den  Narren,  der  nach  der  Schankwirtin  im  Tode9- 
reigen  folgt. 

345.    kockyn,  mnd.  cockijn,  frz.  coquin  ^Schelm'. 

350.    partyer,  mhd.  partierare,  partierre,  frz.  baraieur  ^Betrüger*. 

357,  358.  Mantels  ergänzt  aus  dem  Lübecker  Totentanze  fOJch  [toat  schal 
ik  du  kind  vorlaenj  Wente  thu  [danzen  en  mach  ed  nicht  vorstaenj. 


Der  Lübecker  Totentanz  v.  J.  1520. 

Es  sind  drei  verschiedene  Lübecker  Totentänze  zu  unterscheiden. 
Erstens  der  von  1463  in  der  Marienkirche  zu  Lübeck,  dann  die  ii. 
Lübeck  1489  gedruckte  und  1496  neu  aufgelegte  Dichtung  mit  ileai 
Titel  'Des  dodes  dantz',  drittens  ein  Gedicht  geringeren  UmfaiigN 
das  in  einem  Lübecker  Drucke  aus  d.  J.  1520  erhalten  ist  und  dt- 
halb  als  Lübecker  Totentanz  von  1520  bezeichnet  zu  werden  pflegt. 
Dieser  letztere  soll  hier  im  Abdruck  mitgeteilt  werden. 

Sein  Verhältnis  zu  den  übrigen  Denkmälern  seiner  Gattung  ^^o- 
wie  die  Zeit  seiner  Entstehung  sind  bereits  in  den  vorangegangenec 
Untersuchungen^)  klar  gestellt  worden.  Es  genügt  deshalb  hier.  & 
Thatsachen,  die  sich  ergeben  haben,  kurz  zusammenzustellen. 

Der  sog.  Totentanz  von  1520  ist  in  Wirklichkeit  viel  älter 
Er  hat  nämlich  bereits  dem  Verfasser  und  dem  Drucker  des  Toten- 
tanzes von  1489,  welche  aus  ihm  viele  Verse  entlehnt  und  seine  H«'l'- 
stocke  benutzt  haben,  gedruckt  vorgelegen.  Dieser  verschollene  cN« 
Druck  kann  nur  um  ein  oder  zwei  Jahre  früher  als  1489  hergeste.l* 
gewesen  sein.  Die  Holzschnitte  bieten  nämlich  die  Strichlagen  d».^ 
sogen.  Lübecker  Unbekannten,  eines  Formenschneiders,  der  von  14>' 
bis  1499  thätig  und  mit  dem  Drucker  Mattheus  Brandis  identiN- 
gewesen  ist.  Der  Unbekannte  hat  zwar  auch  für  andere  Officinet 
in  und  ausserhalb  Lübecks  Holzstöcke  geschnitten,  meist  bessere  aN 
er  für  seinen  eigenen  Verlag  benutzte,  der  Totentanzdruck  ist  jedotl 
Erzeugnis  seiner  eigenen  Presse  gewesen.  Andernfalls  hätte  er  dit 
Holzstöcke  später  nicht  selbst  wieder  benutzen  können. 

Das  Gedicht  selbst  ist  die  Nachahmung  oder  Bearbeitung  dem- 
selben Totentanzes,  vielleicht  eines  hamburgischen,  welcher  das  ^  Ur- 
bild des  Berliner  Totentanzes  gewesen  ist. 


')  Vgl.  Nd.  Jabrb.  17,  S.  34  ff.  41  ff.,  femer  Jahrb.  21,  S.  84.  86  ff.    Litte- 
ratumachweise  ebd.  17,  S.  47. 


109 

Sein  Verwandtschaftsverhältnis  veranschaulicht  folgender  Stamm- 
baum: 

(Danse  macabre  des  15.  Jh.) 

(Niederlänaischer  Tz.) 

Lübecker  Tz.  v.  1463 


Reval 


(Hamburg?) 


/■ 


Lübeck  1520  Berlin 


Lübeck  1489  Dänischer  Tz. 

Eine  zum  Teil  freie  Bearbeitung,  zum  Teil  wörtliche  Uebersetzung 
des  Lübecker  Totentanzes  von  1520  liegt  in  einem  nicht  ganz  voll- 
ständig erhaltenen  dänischen  Totentanze  vor.  Der  Einband  des  einzigen 
noch  erhaltenen  Exemplars  in  der  Kgl.  Bibliothek  in  Kopenhagen 
trägt  aufgedruckt  die  Jahreszahl  1536  und  das  Namenszeichen  Christians 
VIL,  der  Druck  muss  also  aus  diesem  oder  einem  älteren  Jahre 
stammen.  Seine  von  Massmann  nachgewiesene  Abhängigkeit  von  dem 
Lübecker  Totentanze  von  1520,  dessen  Holzschnitte  auch  in  ihm  sich 
wiederfinden,  ist  augenscheinlich.  Der  Bearbeiter  hat  jedoch  auch 
Kenntnis  von  dem  Lübecker  Totentanze  von  1489  gehabt.  Der  Ver- 
fasser dieses  Totentanzes  hat  nämlich  den  Zwiegesprächen  des  Todes 
eine  Einleitung  vorangeschickt,  in  welcher  er  ausfuhrt,  welcherlei  Art 
der  Tod  sein  kann.  Ebenso  leitet  der  Dänische  Dichter  sein  Werk 
ein,  die  Nachahmung  der  Vorlage  ist  erkenntlich,  wenn  sie  auch  noch 
so  frei  ist.^) 

Gm  firehaande  Döde  haver  jeg  laest, 

Som  Skriften  taler  om  allermest: 

Gud  forböd  Adam  i  Paradis 

**At  sede  af  den  Fragt,  som  jeg  dig  vis'; 

Gjör  du  derimod,  da  skalt  du  dö, 

Og  Alle,  som  födes  i  Verdens  Ö." 

Adam  brüd  Budet  forudcn  al  Nöd, 

Thi  kom  os  over  den  evige  Dod; 

Den  haver  Kristus  skilt  os  ved, 

Givet  os  Alle  den  evige  Fred. 

Men  den  naturlige  Düd  kume  vi  ej  vige, 

Hverken  Gamle  eller  Unge,  Fattige  og  Rige, 

Den  hellige  Skrift  raaber  med  al  Flid, 

At  her  er  jo  en  stakket  Tid. 

Derfore  lader  os  for  Öjen  staa, 

At  vi  skulle  snarlige  heden  gaa. 

Den  anden  Düd  vil  jeg  og  om  tale 

Og  eder  saa  hannem  for  öjen  male. 

Den  Dud  er,  Synden  ihjel  at  slaa 


')  Nach  dem  Abdruck  in  modernisirter  Rechtschreibung  bei  E.  J.  Brandt, 
Aeldre  Danske  Digtere.    Bd.  1.    Kjöbenhavn  1862. 


110 

Og  altid  mod  vor  Begjsering  at  staa, 
Dertil  den  gamle  Adam  at  döde 
Og  med  sin  Art  Isegge  aldeles  öde. 
Den  Död  er  Eristne  ganske  nyttellig, 
Om  de  ville  undgaa  Djaevelsens  Svig. 

Den  tredie  Död  er  visselige  ond, 
Thi  han  fordserver  Sjielen  i  Bund; 
Det  er,  naar  Synden  maa  selv  regjere, 
Og  intet  agte  om  Kristi  Lsere. 
Naar  Adam  röres  med  ond  Begjaering, 
Saa  mister  Sj seien  al  sin  Nsering. 
Naar  man  vil  sig  ikke  med  Guds  Ord  lade  styrc, 
Det  maa  man  kjöbe  evindelig  dyre, 
Thi  at  naar  Sjaelen  fanger  ikke  sin  rette  Föde, 
(Jeg  men'  Guds  Ord),  da  bliver  hun  öde. 
Thi  vogte  sig  hver  for  denne  Död, 
Om  han  vil  undgaa  Helvedes  Nöd, 
Og  höre  Guds  Ord  og  tro  derpaa, 
Og  vaere  fuldkommen  og  ikke  laa. 

Den  fjerde  Död  han  er  saa  slcm, 
Ingen  Ting  er  saa  ubekvem, 
Der  er  ikke  nogen  anden  slig, 
Thi  han  vil  vare  evindelig. 
Thi  alle  som  blive  i  Synden  död, 
Og  vorde  ej  hulpne  af  den  Nöd, 
Ganger  Nogen  af  i  slig  Yantro, 
Da  maa  han  i  Ilelvede  evindclige  bo. 
Thi  raader  jeg  nu  baade  Mand  og  Kvinde, 
Som  evig  Salighcd  agte  at  vinde, 
At  I  ikke  saa  forsömmelige  heden  gaa, 
Men  meget  mere  i  Troen  staa, 
Og  eders  Levnet  dercfter  skikke, 
Saa  sker  Gud  Lov  og  eder  Lykke! 
Saa  kan  den  naturlige  Död  eder  ej  skade, 
Men  meget  mere  gavne  og  baadc. 

Ob  der  dänische  Dichter  den  Lübecker  Totentanz  von  1  !•' 
gleichfalls  gekannt  hat,  ist  zu  bezweifeln.  Die  eigentümliche  Ait. 
wie  er  das  Zwiegespräch  gestaltet,  legt  freilich  diese  Vermutung  nah»'. 
genügt  aber  nicht  als  Beweis.  Der  Tod  redet  nämlich  zuerst  d:- 
zum  Reigen  aufgeforderte  Person  an,  dann  antwortet  diese  und  erhäl* 
schliesslich  noch  vom  Tode  eine  kurze  Entgegnung.  Als  Beispi» 
eins  der  kürzesten  Gespräche: 

Dödcn  til  Embedsmanden: 

Du  Embedsmand,  gjör  nu  din  Flid, 

Af  Verden  maat  du  folge  mig  i  denne  Tid. 


L 


in 

Havde  da  end  ilere  Embede  Iseft, 

Det  helper  dig  dog  intet  i  denne  Fserd. 

Embedsmanden  svarer: 

Hjelp  nu  Gud  og  Sancte  Loye, 
laar  skulde  jeg  skyde  Papegöje, 
Duden  gWer  mig  ingen  Tid, 
Han  bniger  med  mig  sin  störste  Flid. 
0  Gud,  giy  mig  af  din  Miskund, 
Den  beder  jeg  om  af  Hjertens  Grund. 

Döden  svarer: 

Jeg  vil  nu  strax  gaa  afsted, 
Du  vorder  alt  at  folge  med. 

Der  Lübecker  Druck  von  1520  (16  Bl.  kl.  4)  ist  nur  in  dem 
einen  Exemplare  erhalten,  das  sich  jetzt  in  der  Bodlejanischen  Bibliothek 
in  Oxford  befindet.  Nach  einer  Abschrift,  die  Sotzmann  bevor  der 
Druck  1849  nach  England  verkauft  war  hatte  nehmen  lassen,  ist  der 
Text  in  Lübkes  Berliner  Totentanz  später  mitgeteilt  worden.*)  Lübkes 
Veröffentlichung  liegt  dem  hier  gebotenen  Abdruck  zu  Grunde,  doch 
hat  Herr  Professor  Napier  in  Oxford  die  grosse  Güte  gehabt  sämmt- 
liche  Stellen,  deren  Richtigkeit  fraglich  schien,  sowie  einen  Abschnitt 
zu  Anfang  und  Ende  mit  dem  Original  zu  vergleichen. 

In  dem  neuen  Abdrucke  sind  die  Interpunktion  eingefügt  und 
die  Abkürzungen  aufgelöst,  für  consonantisches  y  ist  j  eingesetzt,  u 
und  V  sind  nach  heutiger  Geltung  geschieden. 


Dodendantz. 

God  vorboth  Adam  in  deme  paradyse: 
Eth  nicht  van  desser  fnicht,  de  ick  dy  wyse, 
Deystu  hir  entjegen,  so  mostn  sterven, 
Nicht  dn  alleyne,  men  ock  al  dyne  erven. 
5  Adam  brack  dat  gheboth  ane  noth, 
Alsns  quam  au  nns  de  naturlike  doth, 


*)  Die  Holzschnitte  sind  von  Massmann,  Scrapeum  10  S.  306  ff.  verzeichnet. 
Bemerkenswert  ist,  dass  Bl.  6  neben  dem  Pastor  ein  Holzschnitt  sich  befindet,  der 
Christus  am  Kreuz  mit  Maria  und  Johannes  darstellt.     Vgl.  oben  S.  90. 

Vorbemerkung.  Zu  Vers  1—70  sind  sämmtliche  Abweichungen  des  Textes 
von  dem  Originaldrucke  verzeichnet.  Von  Vers  71  ab  ist  nicht  mehr  angegeben, 
wo  v  für  u,  u  für  v  und  j  für  y  eingesetzt  ist.  —  üeber  Dodendantz  eine  Krone, 
darunter  drei  Totenköpfe.  —  3.  entjegen  —  fteruen  —  4.  eruen  —  6.  vns  —  8. 
yunge.  ya  —  10.  hir  yo  —  13.  yw  —  15.  yw  —   17.  yw  —  18.  yuwer  —   20.  yw 

—  21.  yöget  —  25.  yw  —  26.  Vnde  —  29.  leuent  —  yöget  —  30.  vnde  —  vndöget 

—  31.  yöget  —  32.  Vnde  —  34.  vp  —  39.  ouer  -—  40.  vnd  —  45.  cadinal  —  47. 
staeh  vnde  werdichcyt  (!)  —  49.  50.  51.  yo  —  54.  ya  —  57.  (Ueberschrift)  tome] 
tom  hier  und  an  allen  übrigen  Stellen.  —  60.  ghevodet  vnde  wacht  —  64.  yo  — 
69.  tom. 


112 

Dem  wy  nenerleyewys  konen  entwyken, 

Olde,  junge,  ja  de  arme  myt  den  ryken. 

De  hilghe  schrift  ropt  myt  allem  fyd, 
10  Dat  hir  jo  is  eyne  körte  tyd, 

Ok  bebbe  wy  des  grote  yorfarenheyt, 

Wo  yd  alle  dage  faste  gbeyt. 

Hir  nmme  latet  jw  dyt  vor  ogen  staen, 

Wente  in  korter  tyd  möthe  gy  dar  an. 
16  De  doet  sendet  jw  neenen  breff, 

He  kumpt  slyken  recht  so  eyn  deif. 

De  doet. 

In  dessen  dantz  essche  ick  jw  alle, 

Wo  vele  ja  wer  ock  is  in  deme  talle, 

Komet  au!  gy  mÖthen  doch  raede, 
20  Altes  nicht  helpen  jw  de  wedderrede. 

Nicht  spare  ick  wer  adel  efte  joget, 

Neen  gelth,  stath,  wyszheyt  efte  d6get 

Weset  altomale  by  tyden  bereyt. 

Komet  alle  beer  in  mynen  kreyt! 
25  Ick  wyl  jw  up  de  erden  strecken 

Unde  ernstlik  eynen  foeth  lenger  recken. 

He  sy  olth,  junck,  arm  efte  ryke, 

Ick  neme  se  mede  al  ghelyke. 

Des  mynschen  leyent  is  in  der  jöget 
30  Vorfullet  myt  sunden  unde  veler  undöget, 

Sas  spare  ick  ok  nicht  jöget,  wo  yd  gba, 

Unde  dantze  sus  vore.     Folget  alle  na! 

De  Doet  spriekt  Tortan 
alsiis  to  deme  pawese« 

De  doet 

Her  pawes,  dy  mene  ik,  wes  hastigen  rede, 
Du  holdest  up  erden  de  hoghesten  stede, 
35  Eyn  vicari  Cristi,  de  hogheste  prelate, 
Dantze  du  voran  nach  dyneme  State! 
Hefstu  dit  hilge  ampt  wol  Torstaen, 
So  machstu  nu  frolik  vor  den  Heren  gaen. 

De  pawes. 

God  Torbarme  dy  over  my,  miserere  mei, 
40  Maria  helpe  my  und  ock  de  gracia  Dei! 
AI  byn  ick  to  grotem  stathe  uth  vorkoren, 
So  byn  ick  doch  ghewest  vele  vorworen 
Der  kristen  wolfart  betrachten  myt  flyth. 
Here,  wes  des  andechtich,  yd  is  nu  recht  tyd! 

De  dot  tome  cardinal. 

45  Her  cardinal,  tret  her  an  mynen  dantz! 
Ick  mene  dy  emstlyk,  heel  unde  gantz. 
Dyn  apostelyke  staet  uude  werdicheyt 


Wert  nu  gantz  ande  heel  nedder  gheleyt, 
Jo  hogher  stath  di  God  heft  ghegeyen, 
50  Jo  grotter  rekenschop:  dyt  merke  eyen! 

De  Cardinal. 

Deu8  meus,  God,  wes  myner  jo  nu  dechtich ! 
AI  byn  ick  in  stathe  hoch  nnde  mechtich 
Gheholden,  de  stede  der  hilgen  apostel, 
Werd  ich  geachtet  ja  ach  so  kostet, 
55  De  doet  wyl  my  dyt  gantz  vorderven. 

God  gnade  my,  wente  nu  moth  ick  sterven! 

De  dot  tome  bisschop. 

Her  bisschop,  du  werst  na  gef5get  to  der  erde. 
Eyn  bisschop  is  eyn  gbeystlik  herde. 
Hefstu  de  schape  Cristi  gheholden  in  acht, 
60  Nicht  vorstroyet,  men  ghehödet  nnde  wacht. 
Dar  susz  alle  prelateu  synt  tho  yorplicht: 
Bysta  so,  dantze  fort,  fruchte  nicht! 

De  bissehop. 

Fax  Doroini  unde  syne  grote  barmherticheyt 
Mothe  my  nu  jo  syn  bereyt. 
65  Wo  eyn  recht  bisschop  schal  leyen, 

Dat  heft  Paulus  tho  Thimotheo  schreven. 

Dat  bedencke  ik  nu  in  myoeme  lesten. 

0  Got,  ghetruwe  her«  de  f6ge  ydt  tome  besten. 

De  doet  to  dem  keyser. 

Her  keyser,  du  werest  tho  einem  heren 
70  Utherkoren,  de  cristenheyt  to  regeren 
Myt  dem  s werde  der  rechferdicheyt. 
De  hilge  kerke  to  holden  in  eyndrechticheyt, 
De  vyende  der  cristen  myt  flyte  to  baten: 
Isset  so  gescheen,  dat  mach  dy  nu  baten. 

De  keyser. 

75  Alle  myn  staet  unde  werdicbeyt 
Wert  nu  tho  handes  nedder  gbeleyt. 
Dat  maket  de  aldergresslikeste  doet, 
Syn  both  is  stark,  syne  macht  is  groth. 
Wo  bog  ik  sy,  ik  kant  nicht  keren. 

80  Gnade  my,  God,  eyn  here  aller  heren! 

De  dot  tor  keyserynnen. 

Ja,  keyseryune,  dat  is  dat  olde  leet, 

Se  Bpreken  alle:  Ick  byn  noch  nicht  bereyt, 

Beyde  jo  noch  eyne  lange  tyd. 

Neyn,  de  forstinneu  unde  frouwen,  de  nu  syd, 


69.  kyeser  —  76.  tho  hantes. 

Niederdeutsches  Jahrbach  XXI.  3 


114 

85  Dantzen  gerne  yele  njer  trede. 

Holth  an,  dantze  yort  np  eyn  ander  stede! 

De  keyserynne. 

Och,  wo  rechte  wnnderlyk  is  my  to  synne, 
AI  byn  ick  eyne  ryke  eddele  keyserynne! 
Nicht  en  kan  ik  höger  in  stathe  ryaen, 
90  Ok  kan  syk  neyne  groter  forstynne  bewyaen 
In  alle  desser  heelen  cristenheyt, 
To  sterven  bin  ik  noch  nenerleyewysz  bereyt. 

De  doet  tome  konninck; 

Her  konninck,  hochgheboren,  eddel  nnde  ryk, 
Dantze  myt,  du  werst  nu  myn  ghelyk! 
95  Dyt  behoret  dyneme  stathe,  merke  my, 
Rechtferdich  to  wesen,  barmhertich  dar  by: 
Isset  so  van  dy  unde  den  dynen  ghescheen, 
So  wert  dy  God  gnedichlyken  anseen. 

De  konnynck. 

De  doet  knmpt  to  my  snnder  frage! 
100  Ach  mochte  ick  yd  setten  myt  öm  an  dage, 
Hundert  jar  unde  meer  scholde  yd  staen, 
Eer  my  eyn  jaword  scholde  äff  gaen. 
AI  mynes  rykes  raet,  rydders  unde  manss, 
Neen  gheyt  vor  my  in  dessen  dantz. 

De  doet  tome  hertogen. 

105  Hochgheboren  hertoge  van  eddelem  siechte!  — 
Sus  hebben  di  beten  dine  ridders  unde  knechte 
Men  ick  wil  dy  anders  to  spreken: 
Holth  an,  ick  wil  dyn  herte  tobreken. 
D[e]  denne  is  rede,  heft  God  ghesecht, 

110  Wan  he  ön  esschet,  selich  is  de  knecht. 

De  hertoch. 

Dyt  hadde  ik  ernstlich  vaken  ghewroken, 
De  my  susz  hadde  toghesproken. 
Men  nu  moth  ik  hebben  paciencie, 
Wente  my  wroget  aeer  myne  conciencie, 
115  De  doet  kumpt  her  seer  unghehür. 

Ick  moth  fort,  yd  sy  lucke  effte  effentflr! 

De  doet  to  dem  abbet. 

Her  abbet,  geystlike  vader,  di  mene  ik  gantz, 
Hum  hastygen  in  den  dodendantz! 
In  velen  capittelen  hefstu  gewesen, 
120  Dar  dines  ordens  regel  wart  gelesen: 
Hefstu  di  wol  dar  na  gericht 
Myt  dynen  broderen,  so  fruchte  nicht! 


102.  Eer  he  my. 


115 

De  abbet. 

Ach,  hadde  ik  dat  gheholden  myt  flyd 
Mit  al  inynen  broderen,  de  myt  my  syd, 
125  Dat  qneme  my  na  to  g^roter  bathe; 
Och,  hadde  ick  Gode  in  dessen  stathe 
Also  ghedenet  in  rechten  truwen, 
So  mochte  ik  dar  nu  ewich  np  bnwen. 

De  doet  tom  erdtzheren. 

Her  meyster  yan  dem  Dfldeschen  orden. 
130  Ik  wil  myt  di  dagen  in  körten  worden, 
Di  helpet  nicht  lenger  staet  efte  ghelt'- 
Yolge  my  na  up  eyn  ander  feit! 
Hefstu  barmhertich  ghewest  dynen  armen, 
So  wil  sik  God  diner  wedder  erbarmen. 

De  crfttzhere. 

135  Seet,  wo  greselik  synt  dease  word! 
N&werlde  hebbe  ik  der  gheliken  hord. 
Unse  orden  strecket  syk  wente  an  de  Torkye, 
Dorch  Prutzen,  LyMant  went  an  de  Wallachye, 
Dyt  alle  kumpt  my  na  weynich  to  baten. 

140  Help  my  na,  Maria,  so  werde  ik  nicht  vorlaten. 

De  dot  to  dem  doetor. 

Her  doetor,  dantze  myt,  holth  an  de  band! 
Da  hefst  my  nenen  boden  sand. 
God,  de  hogeste,  erste  ande  de  beste, 
He  helpet  erst  onde  ok  in  dat  leste. 
145  AI,  de  öm  denen  nth  hertens  grant, 
Maket  he  ewich  an  der  seien  gesunt. 

Doetor  in  artzedye. 

Ach  God,  hir  is  gantz  klene  rath, 
Dyt  water  is  vor  wäre  gantz  qaath, 
De  ferwe  is  suarth,  grön  ande  roth, 
150  Ick  see  dar  in  den  bytteren  doth. 
üp  der  appoteken  is  nicht  eyn  krnd, 
Dat  gegen  den  doet  kan  wesen  gad. 

De  doet  tom  eanonik. 

Her  domhere,  proiiciat,  bona  dies! 
Wordesta  vorgetten,  dat  were  wat  nyes! 
155  Holth  an,  dantze  mit  in  den  doet! 

Dyne  prebenden,  reute,  kleyn  ande  groet, 

AI  dat  tytlyk  is,  wersta  na  qayd, 

Men  gnde  werke  belonet  God  to  ewiger  tyd. 

De  eanoiiicos. 

Och,  dat  weth  ik  wol,  sy  des  bericht, 
160  Dat  ik  to  yeler  geystlicheyt  byn  vorplicht, 

3^ 


116 

Der  ick  noch  nicht  vele  hehle  heteng^et. 
Na  werde  ick  van  deme  dode  ghedrenget, 
Des  hadde  ick  noch  gantz  kleynen  loven. 
Nu  werde  ick  berovet  aller  myner  proven. 

De  dot  t4>  dem  fNuner. 

165  Her  kerkhere,  cum  licentia,  ich  kome  to  dy, 

Holt  hastyghen  an  nnde  folge  niy. 

Dy  is  bevolen  de  kerke,  Godes  tempel, 

To  geyen  dynem  kaspelfolke  gnde  exempel. 

Bysta  ein  gud  herde,  eyn  recht  prelate, 
170  So  kumpata  recht  na  vort  to  grotem  State. 

De  postor  (pamer). 

0  Criste,  da  storvest  nmme  my  gantz  wylligen. 
Ick  bydde  dorch  vordenst  dyner  hilligen, 
Umme  alle  gade  werke,  de  werden  ghedan, 
See  my  armen  gnedichliken  an, 
175  Laet  dyne  hylgen  wanden  ande  bittere  doet 
My  jo  na  helpen  oth  aller  noet! 

De  dot  to  dem  monnike. 

Broder  monnyck,  yan  wat  orden  datta  byst, 
Dyn  orde  is  gemaket  ane  argelyst 
Van  den  hilgen  vaderen  eyn  recht  reformacien. 
180  Wo  wol  du  beifst  gheleden  etlyke  temptacien, 
Vor  dyn  horsam,  castigynge  ande  ander  arbeyt 
Wert  God  dy  geven  de  ewygen  salicheyt. 

De  monninek. 

0  Dens,  wo  wol  qaeme  ick  denne  to  mathe, 
Mochte  ick  komen  to  so  grotem  stathe! 
185  Myn  kleyne  arbeyt,  waken,  lesen  ande  syngen, 
Konde  my  nynerleyewysz  dar  henne  bringen, 
Were  Cristns  yor  my  so  bitterlyk  nicht  gestorven, 
Dar  myt  he  my  dit  al  heft  vorworyen. 

De  doet  to  dem  rydder. 

Her  rytter,  ick  do  dy  hastich  to  wetten, 
190  Treth  an,  ick  wyl  dy  nicht  yorgetten. 
Volge  my  na  in  den  dodendantz! 
Dyn  stath,  wertlyke  ere,  heel  nnde  gantz 
Nympt  na  eyn  ende  ane  alle  schympen. 
De  wegge  is  na  ap  went  an  den  tympen. 

De  rj'tter. 

195  Help  ridder  sante  Jnrgen!  my  is  gantz  bange. 

Tayende  sath  ik  alto  lange. 

By  deme  konnynge,  myneme  gnedigen  heren: 

Dath  dede  ick  6m  tho  groten  eren. 

Na  yole  ick  an  my  den  bitteren  doet. 
200  0  God,  help  my  jo  nn  in  desser  noet! 


117 


De  doet  to  deme  offlcial. 

Gy  geystliken  richters,  ok  da  official, 
Komet  alleheer  in  dessen  gral, 
Eartesaners,  ock  alle  gy,  notarins 
Hinricas,  Johannes,  locate  ande  bacalarias, 
205  Vor  godes  richte  möte  gy  in  desser  fart. 

Dar  helpet  neyne  wassene  neze  efte  flassene  barth. 

De  official. 

Ach  God,  dyt  synt  seer  scharpe  word, 
De  ick  na  hir  sass  hebbe  ghehord 
Myt  al  den  gesellen,  de  myt  my  syd. 
210  Hadde  wy  dat  richte  vorstan  myt  ilyd. 
Mit  rechter  gaden  conciencien, 
So  horde  wy  na  eyne  gnedige  sentencien. 

De  dot  tom  klosener. 

Broder  Conrat  eft  wo  du  bist  gebeten, 
Desses  dantzes  laet  di  nicht  vordreten. 
215  Bistu  otmodich  ghewest,  ane  glitzerye. 
So  de  vaders  plegen  in  der  wostenye, 
Din  willige  armod  ande  ander  flid 
Wert  Got  di  beloneu  to  ewiger  tid. 

De  klosener. 

0  Here,  dencke  myner  in  desser  stant, 
220  De  da  amme  my  by^t  jemmerliken  vorwant, 
Erlöse  my,  so  da  dedest  den  hilgen  Heliam 
Unde  den  gaden  konnynck  Ezechiam! 
Nym  my,  Here,  ath  dessem  elende, 
Myne  sele  bevele  ick  in  dyne  hende! 

De  dot  tom  bormester. 

225  Her  bormester,  dat  ordel  ande  alsodane  word 

Hefsta  noch  nicht  eer  ghebord, 

Dat  dy  nn  wert  thogesecht: 

Dantze  myt,  da  most  vor  Godes  recht! 

Is  na  gerecht  dyne  conciencie, 
230  So  wersta  boren  eyne  gnedige  sentencie. 

De  borgermester. 

Ach  God,  wo  schal  ick  dyt  yorstaen? 
De  doet  tastet  my  ernstlyk  an. 
Ick  meende,  ick  scheide  noch  werden  gesparet, 
Dat  vele  saken  noch  werden  gheklaret. 
235  De  borgers  konen  my  nicht  wol  entberen. 
Id  is  gad  by  tyden  sterven  leren. 


212  setcie. 
217  Din]  di. 


118 


l>e  dot  to  der  nonnen. 

Klosternonneken,  vorvere  dy  nicht  to  sere, 
Desses  dantzes  hefstn  grothe  ere. 
Wente  de  syk  Gode  heft  ghegeven 
240  Unde  de  wil  voren  eyn  geystlik  leven, 
De  moth  syk  gantz  van  der  werlde  keren 
Unde  schal  hy  tyden  sterven  leren. 

De  klosternonne. 

Eya,  help  Maria,  my  is  ovel  to  mode! 
Schal  ik  alrede  sterven,  dat  do  ik  node. 
245  Ick  hadde  ghehopet  noch  meer  to  leren, 
Wo  ick  scheide  denen  Gode,  mynem  heren, 
Deme  ik  myne  sele  hebbe  vortruwet  gantz, 
Unde  also  mochte  erlangen  der  junckfronwen  krantz. 

De  dot  tom  kopman. 

Kopman,  to  stervende  bystn  gantz  bedroyet, 
250  De  werlt  heft  dy  men  sere  gheovet. 
Umme  gelt  deystn  arbeyt  unde  flyd, 
Men  Gode  to  denen  hefstu  neene  tyd. 
Nu  mosta  myt  in  eyn  ander  lant, 
Wat  is  nu  dath  vele  ghyrent  bewant? 

De  kopman. 

255  Ach  yd  is  jo  war,  hadde  ik  myne  tyd 

Gode  ghedenet  myt  so  grotem  flyd, 

Also  ick  na  gelde  hebbe  ghyret 

Unde  weynich  hilge  dage  rechte  fyret, 

So  krege  ik  wyß  ewyghe  salicheyt! 
260  Dem  gelde  to  denen  is  al  vorlaren  arbeyt. 

De  dot  tome  Juncheren. 

Juncker,  wo  rechte  fremde  is  dy  by  my, 
Unde  byn  doch  nu  so  na  by  dy, 
Dat  schal  tu  recht  also  vors  tan: 
Dyn  levent  is  nu  tho  deme  ende  ghan. 
265  Hefstu  wol  ghedenet  Gode,  dynem  heren, 
So  kumpstu  nu  tho  groten  eren. 

De  Jiuieher. 

Ach  neen,  leyder  dat  is  vorkeret. 
Gode  to  denen  hebbe  ick  nicht  wol  gheleret, 
Men  slomen,  dornen,  dryncken  unde  syngen, 
270  Myt  pypen,  bungen,  dantzen,  spryngen. 
Myn  vader  heft  my  vele  to  hope  lacht, 
Up  den  dot  hadde  ik  noch  nicht  gedacht. 


261  framde. 


J 


119 


De  dot  tor  jimckfroweii. 

Janckfronwe  Gyseltrnt,  wo  ick  dy  schal  heten, 
Dantze  yort,  laet  dy  nicht  yordreten! 
27Ö  Du  plechflt  gerne  tho  dantzen  unde  spryngen, 
Vele  nye  lede  lerestn  syngen. 
To  steryende  make  dy  hastigen  rede, 
Dar  synt  yele  achter,  de  m6ten  alle  mede. 

De  Jnnckfronwe. 

Ach  neyn,  ick  hyn  yo  noch  eyne  ynnge  deme» 
280  Myne  elderen  behelden  my  ock  gantz  gerne. 
£ya,  mochte  ick  beholden  dat  leven, 
Dar  wolde  ik  al  mine  kleynode  nmme  geyen. 
De  dot  sparet  nicht  olde  efte  de  nyen, 
Ick  heyele  my  deme  sone  der  jonckfrowen  Marien. 

De  doet  to  deme  borger. 

285  Du  borger  lechst  grote  sorge  dar  an, 

Dattn  mögest  heten  eyn  ryke  man. 

De  tytiik  gud  wyl  sammelen  ane  snnde 

Unde  Gode  dar  by  wyl  hebbeu  to  frande. 

Der  synt  manckt  yyyen  nonwe  twey. 
290  Dede  socht  ewich  gut,  selich  is  de. 

De  borger. 

Ach  Got,  wat  hebbe  ik  dar  yele  nmme  dan» 
Dat  ick  mach  heten  eyn  erbar  man 
Unde  ock  yele  geldes  mochte  wessen, 
Dat  snlye  to  laten  mynen  kynderen  nnde  eryen! 
295  Hadde  ik  den  armen  gbegeyen  myt  flyd! 
Ach  de  dot  nympt  my  dat  leyent  unde  tytl 

De  dot  to  der  bagynen. 

Voryeer  dy  nicht,  komnte,  saster  bagynken! 
Id  is  all  eyns,  eft  dn  betest  Wobbeke  efte  Kristinken, 
Erichstu  wat  to  wetten  gysteren  efte  hflde, 
300  Wo  draden  knmpt  dat  manckt  de  lüde! 
Neen  dinck  hyndert  dy  nu  so  sere, 
Alse  yele  nnnntte  tydynge  unde  nye  mere. 

De  baghyne. 

Do  men  my  nicht  konde  ryke  beraden, 
Moste  ick  werden  bagyne  draden. 
305  Ik  hebbe  geknuttet,  geneyet  unde  gewracht, 
Myt  kleynen  sorgen  myn  leyent  heune  bracht, 
Ock  hebbe  ick  my  erneret  myt  der  spyllen. 
0  dot;  schone  myner  nmme  Jesus  willen! 

De  dot  tom  doren« 

Hyntze  Sychelenfyst  yan  Geckeshusen, 
310  Du  hefst  lange  noch  gan  in  deme  susen. 


120 

Da  dorest  faste  an,  lest  ock  nicht  äff 
ünde  blyfst  eyn  narre  wente  in  dat  graff. 
Dantze  vort!  ick  wyl  dy  vore  syngen, 
Da  mast  na  na  myner  pypen  springen. 

De  dor  efte  geck. 

31Ö  AI  wor,  ik  weet  de  fetten  slöke, 

Dar  gba  ick  hen  manckt  de  koke, 

Ick  ethe  nnde  dryncke  myt  den  heren, 

Eyn  ander  betalet,  ick  helpet  vorteren 

Myt  lichten  synnen,  bangen  ande  pipen. 
320  Na  kampt  de  dot  ande  wyl  my  grypen. 

De  dot  tom  amptman. 

Mester  amptman,  hefstn  myt  trawen  ghewerket, 
So  knmpsta  na  int  rechte  market, 
Nicht  myt  loszheyt,  schon  vor  ogen, 
Bynnen  feyl  ande  so  bedrogen, 
325  Bysta  ock  trawe  ghewest  myt  allem  flyd, 
Dat  belonet  God  na  ande  ock  to  ewyger  tyd. 

De  amptman. 

Ach  neen,  ick  befrachte  roy  in  velen  saken, 
Mochte  ick  leven,  ick  wolde  yd  beter  maken. 
Ick  hebbe  jo  myn  ampt  wol  ghelerd, 
330  Mynen  gyldebrodereu  was  ik  ok  lef  ande  werd. 
Dat  my  doch  de  doth  lenger  leven  lethe 
—  Wat  schade  öm  dath?  —  ande  myne  fruwen  Grete. 

De  dot  to  dem  Studenten. 

Her  domine  efte  Johannes,  wo  dyn  name  ist, 
De  dot  gyft  dy  nicht  lenger  fryst. 
335  Eyn  jaock  man  schal  by  tyden  leren 
To  denen  Gode,  syneme  heren. 
Hefsta  dat  ok  so  myt  flyte  gheleret, 
So  wersta  na  ewichlyken  gheeret. 

De  studente. 

Non,  non,  expectate!  yd  is  noch  neen  tyd. 
340  Ik  hebbe  staderet  myt  grotem  flyd, 

Vaken  hebbe  ik  ghekregen  scharpe  correccien, 

So  wan  ik  jo  vorsamede  de  leccien. 

Mochte  ick  appelleren !  —  de  doth  deyth  my  wee  — 

Ach  leyder  neen,  dat  is  impossibile. 

De  doth  to  deme  bnren. 

345  Tytke  bnrkerl,  holt  an  myt  der  hast! 
Wen  ik  angrype,  den  holde  ick  fast. 
Hefsta  den  hilgen  teyn  boden  horsam  wesen, 
De  dyn  kerkhere  dy  plach  vortolesen, 


323  loszhety. 


j 


121 


So  wert  dy  nn  schaden  nicht  eyn  stucke 
350  Unde  knmpt  dy  to  seer  grotem  lacke. 

De  bare. 

Neyntwar,  wo  scholde  ik  so  alrede  steryen! 
Ick  wyl  noch  bynden  mannyghe  gerwen, 
Mochte  ik  leven  wente  in  de  arne, 
Myn  wyff  heft  ock  vefteyn  stucke  garne. 
355  Nicht  ein  schyte  schadet  niy,  mochte  ik  leyen, 
Ok  wolde  ik  minem  junkere  de  pacht  wol  geven. 

De  doth  to  dem  rflter. 

Du  rüter  woldest  gerne  juncher  heten, 
Dantze  vort,  laet  dy  nicht  vordreten! 
Ik  wyl  myt  dy  fechten  in  dessen  dagen, 
360  Gewyunestu,  so  werstu  nu  to  rytter  slagen. 
Ik  wil  dyn  overdaet  nicht  lenger  schonen, 
Dyne  groten  word  helpeu  dy  nicht  eyne  honen. 

De  rüter. 

Wol  umme,  wol  heer  myt  lichten  synnen! 
De  nicht  en  waget,  de  kan  nicht  wynnen. 
365  De  doth  maket  my  halff  den  schrul, 
My  duncket,  he  is  alder  dynge  dnl, 
He  beginnet  my  hir  unde  dar  to  plücken. 
He  menet  my  vorwar  eyn  fei  to  r&cken. 

De  dot  to  dem  amptghesellen 
ande  ander  Jangeiyngen. 

God  sprickt  myt  synem  hilgen  munde: 
870  Waket  unde  bedet  to  aller  stunde! 
De  dot  sendet  jw  neuen  breff, 
He  kumpt  slyken  recht  so  eyn  deff. 
Hir  umme,  amptgheselle,  holt  an  de  hanth, 
Du  most  myt  in  eyn  ander  lanth. 

De  amptgheselle. 

375  Wat  lanth,  wat  lanth  schal  ick  nu  wanderen? 

Ik  quam  nu  kortes  van  westeu  uth  Flanderen. 

Nu  kumpstu,  dot,  vort  jagen  myt  macht, 

Up  dy  hebbe  ik  noch  nicht  ghedacht. 

Ik  gynge  lever  to  kroge  myt  mynen  kumpanen 
380  To  der  Wytten  Ulen  efte  to  deme  Roden  Hauen. 

De  dot  to  der  ammen. 

Amme,  kum  heer  myt  deme  kynde, 
Ik  neme  den  werd  myt  dem  ghesynde. 
De  suster,  den  broder  myt  alle  den  gesten, 
Olth,  jnnck,  quaden  unde  ock  de  besten. 
385  God,  dede  wonet  in  den  hogesten  tronen, 
Wyl  yslyken  recht  na  den  werken  Ionen. 


182 

"De  anune  ande  kynt. 

Ach,  greselyke  doet,  schone  dessem  kynde, 
Dat  ick  hir  in  de  d^ke  wynde! 
Ach  ick  hehelde  dyt  kynt  gantz  gerne, 
390  Ach  schone  ok  my  arme  derne, 
Ach  wyl  my  noch  leven  laten! 
Wat  kan  dy  dat  schaden  efte  haten? 

In  beslnth 
spriekt  de  dot  alsns: 

Tredet  alle  heer,  papen,  ock  gy  leyen, 

Ick  wyl  jw  alle  nmme  meyen 
395  Myt  desser  setzen  grot  nnde  kleyne, 

Myt  rechtem  ernste  ick  jw  alle  meyne. 

Myn  anslach  is  myt  groter  hast, 

So  wene  ik  fate,  den  holde  ick  fast 

Dantzet  mede,  ick  synge  vorhen, 
400  Alsns  heth  de  sanck,  den  ick  meen: 

Bytterlyken  sterven  is  de  erste  sanck, 

De  ander  is  der  klocken  klauck, 

De  drydde  is:  in  korter  stunden 

Werstu  Torgetten  van  dynen  frunden, 
405  Umme  dyn  tytlyke  gnd  ghan  se  to  deele, 

De  worme  umme  dat  flesz,  de  düvel  nmme  de  sele. 

Wan  denne  dyt  sns  wert  entricht, 

Dat  eyn  yslyk  syn  eyne  part  kricht, 

Dat  holth  he  so  fast  ane  alle  feyl, 
410  He  geve  dat  nicht  vor  de  anderen  twey  deyl. 

Erygen  de  worme  dat  flesz  to  deele, 

Se  achten  nicht  des  gndes  edder  der  sele. 

Wan  de  frnnde  ock  krygen  dat  gud, 

Achten  kleyn,  wat  lyff  nnde  sele  doet, 
415  Kricht  de  dftvel  de  sele  in  beholth, 

Ja  he  geve  se  nicht  vor  alle  golth. 

Up  dat  syn  wylle  jo  nicht  en  schee 

Eyn  yslyk  syk  wol  vore  see. 

Leret  wol  sterven  nnde  syd  bereyt! 
420  Wol  sterven  allen  kunsten  boven  geyt, 

Wol  sterven  is  so  groten  knnst, 

Dar  mede  men  kumpt  in  Godes  gnnst. 

JO  Criste,  dorch  dynen  doth  sy[n]  wy  vorlost, 

Wesz  du  jo  unse  ewyghe  trost!     Amen. 

Anno  domini  MCCCCCXX  Lübeck. 

BERLIN.  W.  Seelmann 


123 


Zu  mnd.  Gedichten. 


Zu  Reinke  de  Yos. 

Die  Interpunktion  des  Lübeker  Druckes  von  1498   ist  eine  rein 

willkürliche   und  von  den  Herausgebern   durch   die   moderne   ersetzt. 

Die  Ausgaben  zeigen  aber  eine    nicht   unerhebliche   Abweichung   von 

einander.      Prien,    nach    dessen   Ausgabe   hier   citiert  wird,  hat  zwar 

seine  Vorgänger  an  vielen  Stellen  berichtigt,    an  einigen  jedoch,  wie 

mir  scheint,  das  Richtige  noch  nicht  gefunden  oder  wieder   beseitigt, 

indem  er  wohl  Lübbens  Ausgabe  zu  sehr  folgte. 

y.  383  ff.     Wente  Reynke  hadde  uns  ghelacht  syne  läge 
ünde  quam  ahjkende  uth  eyner  hage 
Unde  heft  uns  de  porten  underghan 
Unde  grep  myner  besten  kynder  eyn  an; 

y .  385  ist  das  Perf.  heft  in  der  Erzählung  auffällig ;  es  findet  sich  jedoch  mehrfach, 
so  V.  1505,  2870;  auch  in  Valentin  und  Namelos,  V.  374. 

V.  725.    He  sloch  myt  syner  holten  slyngeren, 
Gerold  myt  den  krummen  vyngeren 
Unde  syn  swager  Kuckelrey, 
Alder  meyst  slogen  desse  twey; 

So  interpungieren  Hoffmann,  Lübben,  Prien;  Schröder  setzt  hinter  V.  725  einen 
Punkt,  indem  er  offenbar  he  auf  Ludolff  in  V.  723  bezieht.  Aber  mit  he  in  V.  725 
ist  doch  wohl  sicher  Gerold  gemeint;  dann  müsste  V.  726  Apposition  zu  he  sein 
und  in  Kommata  gesetzt  werden.  Aber  auch  so  ist  die  Anknüpfung  von  V.  727 
nicht  ganz  korrekt.  Daher  glaube  ich,  dass  mit  Umstellung  der  V.  725  und  726 
zu  lesen  ist: 

Gerold  mtß  den  krummen  vyngeren 

(He  sloch  myt  syner  holten  slyngeren) 

Unde  syn  swager  Kuckelrey^ 

Alder  meyst  slogen  desse  tioey; 

Vergl.  y.  722 :    Slobbe  myt  deme  krummen  bene 

Unde  Ludolff  myt  der  breden  nese, 
Alder  wredest  weren  eme  dese. 

und  y.  729:     Abel  Quack  unde  dar  to  vrouw  Yutte, 

Unde  Talke  Lorden  (Jjuacks  (de  sloch  myt  der  butte) 
Nicht  desse  alleyne,  men  al  de  wyve, 

y.  837.     Sus  sprack  Beynke,  do  he  sach. 

Bat  Brun  sus  drouich  unde  blodich  lach. 
He  wart  des  vro  utermaten  seer 
Unde  sprack: 

So  im  wesentlichen  alle  Herausg.  Der  Zusammenhang  ist  folgender:  R.  glaubt, 
dass  Brun  in  Rustevils  Hofe  seinen  Tod  gefunden  hat,  y.  822 :  men  nu  lycht  he 
doet  in  deme  boem,  und  war  froh  darüber,  y.  823 :  des  byn  ik  vro  in  alle  mynen 
dagen.  Als  er  aber  Brun  noch  lebend  am  Ufer  liegen  sieht,  wird  er  wieder  sehr 
betrübt,  V.  828,  doch  tröstet  er  sich  mit  dem  Gedanken,  dass  Brun  wenigstens 
ein  Pfand  gelassen  haben  werde.  Jetzt  erst  bemerkt  er,  wie  drouich  unde  Modich 
Brun  daliegt  und  wird  nun  ausserordentlich  froh  darüber.  Daher  meine  ich,  dass 
in  V.  837  hinter  Beynke  ein  Punkt  und  in  V.  838  hinter  lach  ein  Komma  zu 
setzen  ist. 


124 

V.  888.    ,flh/t  höret  my  to  tcreken  ane  gnade. 

Borste  Reynke  sehenden  alsolk  eynen  heren 

Älze  Brtin  is,  ya,  by  tnynen  eren, 

Dar  to  swere  ik  by  myner  kröne, 

Bat  Beynken  dat  schal  werden  to  lone. 
So  bei  Lübben,  Schröder  und  Prien;  aber  zu  dem  Vordersatze  Borste  —  t>.  der 
nicht  konditional  gefasst  werden  kann,   bildet   sicere   ik   keinen   logisch   richti^tL 
Nachsatz;  dieser  steht  vielmehr  V.  888  näher.     Daher  ist,  wie  es  Hoifmann  bennt^ 
gethan  hat,  hinter  is  ein  Fragezeichen  oder  Ausrufungszeichen  zu  setzen. 

y.  1263.    Be  konnynck  aprack:  y,toe  is  so  soth, 

Be  Reynken  dor  bryngen  dat  drydde  both 
TJnde  eyn  oghe  heft  to  vele  edder  eyn  lyff, 
Bat  sulue  wagen  umme  den  bbzen  keiyff, 
Edder  sus  syne  sunthcyt  hengen  in  de  wage, 
Bentie  noch  Reynken  nicht  konen  bryngen  to  dage? 
Schröder  bemerkt:  „eigentlich  to  wagen'\  und  Prien  fuhrt  zwei  Beispiele   aus  d^a 
Glossen  an,  in  denen  gleichfalls  to  vor  dem  Inf.  fehlt.     Aus  dem  Sündenfall  führe 
ich  an  V.  2858: 

Be  here  heft  mik  ütgesant, 
den  bedroveden  herten  dön  bekant 
Arzedie  aller  dinge. 
Auch  das  Hchd.  lässt  sich  vergleichen.    Von  den  Thesen,   die  I>r.  Balthasar  Hul- 
meier  aus  Friedberg  für  ein  Religionsgespräch  zu  Waldshut  1524  vorschlug,  lauter 
die  10. :  „Es  ist  viel  besser,  ein  einigen  Vers  eines  Psalmen  nach  eins  jeden  Land? 
Sprach  dem  Volk  zu  vertolmetschen,    dann  fünf  ganz   Psalmen  in  fremder   Sprju 
singen  und  nit  von  ber  Kirchen  verstanden  werden.**    Kluge,  Von  Luther  bis  Lessia: 
S.  6.    Danach  ist  in  Hermen  Botes  Boek   van   veleme   rade,   Nd.   Jahrbuch  XVI. 
S.  29,  V.  20,  das  to,  welches  ich  Nd.  Jahrbuch  XIX,  S.  111  gesetzt  hahe,  zu  tilgen. 

V.  2477.    „0  Retjnke,  ghetrmce  voss, 

Be  hir  sus  grauede  in  dyt  moss 

Bessen  schat  myt  dyner  lyst, 

God  geue  dy  ere, 
Lübben  vermutete,  dass  de  grauedest  zu  lesen  sei,  da  Beinaert  2624  hat :  die  Äi-r 
groeves  und  die  Delfter  Prosa:  dattu  groeves.    Schröder   bemerkt   nur:    „W'edi>>. 
der  2.  und  3.  Person.'*    Es  lässt  sich  Parzival  182,25  vergleichen: 

Bo  sprach  er  'frowe,  hie  habt  ein  man 

der  iu  dienet,  ob  ich  kanj 
Ferner  eine  Wemigeröder  Urkunde  aus  der  Zeit  um  1430  (Ztsch.  d.  Harz- Verein- 
24,  S.  505):  Ik  Herman   Wulf,  Hermen  syn  sone,  borger  to  Wernigerode^  v>y  cUvi^ 
etc.',  wenn  hier  nicht  etwa  ein  Schreibfeliler  vorliegt. 
V.  3895  ff.  interpungicre  ich  folgendermassen : 

Id  en  is  noch  nicht  al  so  klare. 

Bat  nu  de  wulff  unde  ok  de  bare 

Myt  deme  konnynge  wedder  ghan  to  raden, 

Bat  wyl  noch  man ny gern  sere  schaden, 
V.  3895  übersetze  ich :  „es  ist  noch  nicht  alles   ganz   klar,  bekannt",    d.   h.  maa 
kennt  des  Königs  Habgier  noch  nicht  ganz. 

V.  4170 — 75.     Die  Interpunktion  bei  Schröder  scheint  mir  die  aliein  richtige 
zu  sein. 

V.  4670.     Se  meenden,  queme  dyt  vor  de  heren 

In  den  hoff,  denne  scholde  dat  recht 

So  ghan,  alze  se  hadden  ghcsecht. 

Here,  ik  segge  dyt  myt  orloff, 

Se  qucmen  myt  deme  manne  in  den  hoff. 

So  Lübben  und  Prien ;  Schröder  setzt  hinter  V.  4G73  ein  Kolon,  Hoffmann  dagegen 
richtig  einen  Punkt.  V.  4673  ist  offenbar  mit  Rücksicht  auf  die  beiden  vorher- 
gehenden Verse  gesagt,  in  denen  der  König  eine  Beleidigung  hätte  sehen  könneu. 
und  daher  besser  in  Klammern  zu  setzen. 


125 

V.  5551.    Sus  konde  Beynke  de  wort  stofferen, 
So  dat  alle,  de  dar  toeren, 
Meneden,  he  spreke  ane  beraet. 
Wente  he  hadde  ernstaftich  ghelaet 
Van  den  kleynhden  in  si/nen  worden, 

Diese  Interpunktion  scheint  mir  unhaltbar.  Die  beste  hat  Schröder,  der  V.  5554 
einklammert.     Van  den  kleynhden  in  V.  5554  hängt  ab  von  he  spreke. 

Hinter  V.  6150  ist  ein  Gedankenstrich   zu  setzen,   da  nur  V.   6144—50  an 
Isegrjm,  die  beiden  folgenden  an  die  übrigen  Anwesenden  gerichtet  sind. 

V.  6365.     Rei/nkens  vorv^te  dat  weren  si/ne  hende; 

Der  krech  Ysegrym  ein  hy  dem  ende. 

In  syne  munt  Reynkens  hant. 
Die  Worte  hy  deni  ende  sind  von  keinem  der  Herausg.  erläutert,  auch  im  Mnd.  Wb. 
nicht.  Die  wörtliche  Uebersetzung  *beim  Ende'  scheint  mir  sinnlos,  auch  wenn  man 
ende  mit  ^Spitze'  übersetzen  wollte.  Ich  vermute,  sie  sollen  heissen  'endlich, 
zuletzt*,  wie  sonst  in  dat  ende  gesagt  wird.*)  ein  ist  Akk.,  s.  Mnd.  Wb.  I,  637; 
ebenso  Sündenfall  V.  1542.  in  syne  mtint  ist  mit  krech  zu  verbinden  und  hinter 
letzteres  ein  Komma  zu  setzen :  „Keiukens  Vorderfüsse,  das  waren  seine  Hände ; 
von  denen  bekam  Isegrim  zuletzt  einen  in  seinen  Mund,    nämlich  Reinkens  Hand." 

Zn  Valentin  nnd  Namelos. 

V.  157  ist  zu  interpungieren : 

unde  sprak  *voryete  ik  miner  tucht, 

V.  349  ff.  ^  Do  gingen  de  heren  in  den  rät, 
Crisostomus  mede,  al  was  he  quät 
van  Philan  der  eddelen  vrowen  fin. 
do  sprak  de  hertoge  Baldewin 

Offenbar  ist  V.  350/1  qudt  vati  'böse  infolge  von  Philas  Benehmen'  zu  verbinden. 
Doch  scheint  mir  der  Ausdruck  etwas  kühn.  Man  könnte  auch  hinter  quät  ein 
Komma  setzen  und  van  mit  gingen  verbinden  'gingen  hinweg  von',  dann  bleiben 
aber  die  Worte  al  —  quät  ohne  genügende  Erklärung.  Statt  van  hat  H  aber  tho, 
was  mir  das  Richtige  zu  sein  scheint.  Zwar  ist  quät  io  'böse  auf  im  mnd.  Wtb. 
nicht  belegt,  doch  findet  sich  V.  1618  unduldich  to;  Unwillen  to  einem  hebben 
Ztsch.  d.  Harz- Vereins  24,  504  und  im  heutigen  Nd.  ist  gut.  schlecht  tau  ganz  ge- 
wöhnlich. V.  350  setze  ich  hinter  mede  einen  Punkt  und  V.  352  hinter  fin  ein 
Komma  und  beziehe  he  auf  Baldewin.  Dem  al  'obgleich'  in  V.  350  entsprechend 
ändere  ich  V.  352  do  in  doch. 

V,  486  flF.     'Äer  ridder  gut  al  unvorsaget, 

hadde  gi  nicht  desse  vrowe  fin, 

ik  wolde  denne  juwe  egen  sin. 

gi  hadden  wol  vorwaret  mf. 
V.  489  hat  der  Herausg.  das  hs.  wor  aret  in  vorwaret  geändert  'ihr  hattet  mich 
gut  beschützt'.  Man  würde  jedoch  erwarten  'ihr  habt  mich  gut  beschützt'.  H. 
hat  aber  vorschuldet,  was  auf  eine  andere  Ls.  deutet.  Die  im  mnd.  Wtb.  unter 
vorschulden  angeführten  Bedeutungen  1.  vergelten,  vergüten,  2.  schuldig  sein,  kann 
an  unserer  Stelle  dies  Verb  nicht  haben;  es  muss  vielmehr  bedeuten  'verdienen, 
erwerben'  wie  im  Mhd.,  s.  mhd.  Wtb.  III,  189.  Daher  glaube  ich,  dass  vorwarwet 
statt  vorwaret  zu  lesen  ist:  'ihr  hättet  mich  wohl  verdient,  erworben'.  Vergl. 
Teuthonista  p.  231 :  verschulden,  in  I).  vei'dyenen. 

V.  996  ff.     de  konink  sprak  tor  sulven  stunt 
*al  mochte  gi  tein  dusent  punt 
van  krekeschen  roden  golde  geven, 
her  ridder  junc,  dat  merket  even, 
gi  scholen  wesen  lös  unde  vri* 

*)  Vergl.  Dat  nye  schip  van  Narragonien,  herausgeg.  von  Schröder,  V.  8065 ; 
by  dem  ende  syn,  'am  Ende,  am  Schluss  sein'. 


126 

V.  980  ff.  bietet  der  König  dem  Valentin  für  seine  Hilfe  Gold  und  Silber  at. 
Valenffn  bittet  aber  nur  um  seine  Freilassung.  Daber  scheint  mir  der  Gedanke 
*wenn  ihr  auch  10  000  Pf.  Gold  geben  wolltet'  unpassend,  man  erwartet  vielmehr 
*wenn  ihr  auch  10  000  Pf.  haben  wolltet'.  V.  998  fehlt  in  H  und  auch  in  S  scheint 
nicht  alles  in  Ordnung  zu  sein.  Ich  glaube,  dass  heven  statt  geven  zu  lesen  ist 
Die  Form  heven  für  das  übliche  hebben  ist  freilich  im  mnd.  Wtb.  und  in  Liibku« 
mnd.  Gr.  nicht  belegt,  findet  sich  aber,  wie  mir  Herr  Bibliothekar  Dr.  Milchsa^k 
in  Wolfenbüttel  schreibt,  in  der  Hds.  des  Laien  Doctrinals  206,  13.  14  im  Reime 
heven  :  begeven.  Da  nun  die  Hdsch.  des  Laien  Doctrinals  eine  Uebersetzuog  aus 
dem  Brabantischen  Deutsch  ist,  und  für  unser  Gedicht  Brügge  als  Entstehungsor: 
angenommen  wird,  s.  Einl.  XVII  ff.,  so  erklärt  sich  die  Form  heven  leicht.  Mai 
vergl.  noch  V.  536  den  Imper.  hevet,  der  in  der  mnd.  Gr.  gleichfalls  fehlt,  V.  197S 
du  hevest,  2216  gi  haven. 

V.  1205.  Valentin  dat  scher mes  kos 
Statt  schermes  haben  SH  scherent  Da  die  Form  mes  im  Gedichte  nie  vorkommt 
sondern  nur  mest:  1494,  1500,  1502,  1526,  1544,  1546,  so  hätte  auch  scherm^n 
geschrieben  werden  müssen.  Aber  das  hs.  scherent  war  überhaupt  nicht  %n  ver- 
werfen, vergl.  V.  1176:  ein  islik  dar  sin  sittent  kos  und  2060:  ein  suchUni  ih 
8in  herte  kos, 

V.  1322  ff.     Valentin  de  nam  den  kop 

unde  sloch  den  enen  in  den  top, 
dat  he  in  dusent  stucken  brak. 

H  hat  V.  1322  pot  statt  des  vom  Herausg.  gesetzten  kop  und  1323  vor  den  h>} 
statt  in  den  top.  Die  md.  Prosabear.  S.  88,  26  hat :  und  [Valentin]  nam  den  l'0}>j 
mit  trank  mit  al  und  slug  en  vff  das  hewpty  das  der  kop  zciibrach.  Hiernach  kioi. 
es  nicht  zweifelhaft  sein,  dass  H  die  richtige  Lesa.  hat.  Der  unreine  Reim  ;y^ 
köpf  der  den  Herausg.  vermutlich  zu  seiner  Aendcrung  veranlasst  hat,  ist  zwär 
selten,  aber  nicht  zu  verwerfen.  Aehnliche  unreine  Keime  kommen  im  Gedicbt 
mehrfach  vor,  s.  Einl.  XVII,  und  sind  im  Mnd.  überhaupt  nicht  selten.  Der  Kein 
t  :  p  findet  sich  aber  wirklich  einige  Male,  so  in  den  mnd.  Fastnachtspielen,  her- 
ausg. von  Seelmann,  S.  29,  V.  88/89  Kroep  :  Godt;  I^aiendoctrinal,  herausg.  ^'^^ 
Scheller,  S.  50:  Got  :  stop,  Vergl.  auch  Gerhard  von  Minden,  Fabel  36,  53^4  hs. 
dat  :  maky  was  der  Herausg.  unnötig  in  mät  geändert  hat.    V.  1323  1.  eme  st.  enei'. 

V.  1628.     de  konink  mit  sinen  jungen 
de  rosse  rörden  dar  den  kle. 

So  nach  Sprengers  ansprechender  Aenderung  (Nd.  Jahrb.  19,  108),  nur  wird  (^'^t 
*durch'  in  dor  zu  ändern  sein,  da  diese  Form  im  ganzen  Gedicht  nicht  weiter  vor- 
kommt, sondern  nur  dorch,  dor  dhr,  wenn  man  nicht  etwa  annehmen  will,  das^  ir 
der  Vorlage  von  SH  dar  stand  und  aus  Miss  Verständnis  der  Abschreiber  un\  er- 
ändert blieb. 

V.  2072.    van  leide  er  dat  swet  ütbraky 

se  sprak  wenende  to  her  Valentin 

Hatet  mi  den  vrier  min\ 

V.  2073  ist  to  vom  Herausg.  hinzugefügt.  Wenn  ich  nicht  irre,  so  kommt  im 
ganzen  Gedicht  kein  Beispiel  vor,  wo  vor  direkter  Rede  sprak  einen  Zusatz  ii.it 
to  hätte.    Es  ist  daher  zu  lesen:  se  sprak  wenende  *hei'  Valentin,  etc. 

V.  2211  ist  to  statt  so  zu  lesen. 

V.  2397  ist  mit  S  de  rese  gröt  zu  lesen,  wie  auch  V.  2389  steht. 

Zum  Sändenfall. 

V.  159.     Hir  umme  ok  se  nu  entledige 

Unde  undotlik  unde  ewich  se  bestedige. 
Statt  ok  ist  ik  zu  lesen. 

178.     De  quade  lat  ek  vallen, 

De  guden  wedder  upstallen. 
Statt  qu<ide  1.  quaden. 


12^ 

293.    Dar  inne  Jeret  unse  Status, 

Dat  tcy  alle  tun  de  sunde  afkeren, 

Statt  tun,  worin  offenbar  ein  Fehler  steckt,  ist  don  oder  scuUen  zu  lesen. 

298.    Dat  he  na  sinem  tuiUeJcor 
Alle  tit  dat  beste  kere  vor. 

Statt  kere  vor  liest  Sprenger,  Nd.  Jahrbuch  16,  118  kese  vore  *vorher  prüfend  be- 
trachte'.   Da  aber  V.  749  steht: 

Dat  ein  iuioelk  mochte  unde  konde 
Na  sinem  vrigen  wilkore 
Dat  gude  edder  erge  kernen  vore. 
so  scheint  kerne  das  Eichtigere  zu  sein. 

824.     IcfU  dat  flesk  en  soden  wolde, 
Dat  der  sele  wat  anne  scolde. 
So  scal  de  sele  hebten  de  macht, 
Dat  it  to  vorne  toerde  bedacht, 
Ift  it  möge  scaden  edder  vromen. 

Statt  anne  glaubte  ich,  Nd.  Jahrb.  15,  80,  nach  mnd.  mhd.  ande,  mhd.  mich  andet 
ein  Verb  anden  'schmerzen'  annehmen  zu  dürfen.  Dagegen  macht  Sprenger  im 
Nd.  Jahrb.  16,  120  geltend,  dass  das  Wort  diese  Bedeutung  im  Mnd.  nicht  habe. 
Ich  muss  zugeben,  dass  diese  Bedeutung  bis  jetzt  nicht  belegt  ist.  Wenn  aber 
Sprenger  ändert :  dar  de  sele  wat  anne  scolde  'daran  die  Seele  etwas  verschuldete', 
so  ist  gleichfalls  zu  erwidern,  dass  scolen  diese  Bedeutung  nicht  hat.  Da  der  Sinn 
der  Stelle  offenbar  ist:  'wenn  das  Fleisch  so  etwas  wollte,  was  der  Seele  Nachteil 
bringen  könnte,  so  soll  die  Seele  die  Macht  haben  vorher  zu  bedenken,  ob  es 
schadet  oder  nützt',  so  bleibe  ich  der  Ansicht,  dass  in  anne  ein  Synonym  von 
scaden  oder  dies  selbst  zu  suchen  ist.  Uebrigens  findet  sich  anne  im  Sündenfall 
selbst  mehrfach,  z.  B.  Y.  146.  3288  und  in  den  Mnd.  Beispielen  im  Stadt- Archiv 
zu  Braunschweig,  gesammelt  von  Hänselmann.     1892.    Nr.  79,  92,  111. 

857.     Nu  hebbe  wy  vor  dat  beste  gekoren. 
Hinter  V.  856  setze  ich  einen  Punkt  und  lese  Dut  statt  Nu. 

1316.  Die  Hs.  hat  grotter.  Diese  Form  findet  sich  auch  bei  Hänselmann, 
Mnd.  Beispiele,  Nr.  113  vom  Jahre  1524;  R.  V.  2116.  Da  im  Sündenfall  V.  2852 
auch  better  steht  und  beide  Formen  der  heutigen  Mundart  entsprechen,  s.  Scham- 
bachs Wtb.,  so  sind  sie  nicht  verwerflich,  sondern  geben  erwünschten  Aufschluss 
über  den  Dialekt  zur  Abfassungszeit  unseres  Gedichtes. 

1558.    Den  sach  ik  also  lange, 
Dat  dar  ein  eislik  slange 
In  lach  unde  sik  to  hope  wunden; 

y.  1558  fasse  ich  den  als  'dann'  und  ändere  wunden  in  wunde.    Reime  auf  en  :  e 
kommen  mehrfach  im  Gedicht  vor,  ebenso   überflüssiges  n  am  Wortende,  z.  B.  V. 
137,  460.     Anders  erklärt  Sprenger  die  Stelle  im  Nd.  Jahrb.  14,  149. 
1674  ist  wohl  dar  statt  dat  zu  lesen,  ebenso  Y.  2961. 

1708.  Noe,  dut  schaltu  alle  wisse[n]  (:  fecisse) 
De  vogel  des  himmels,  de  der  der  erden 
Schullen  alle  wedder  vorstört  werden, 

Schünemann,  der  das  hs.  wisse  in  wissen  ändert,    scheint   hier   eine  hd.  Form  für 
möglich  zu  halten*  es  ist  wahrscheinlich   zu  ändern:  dut  schaltu  wetten  algewisse; 
letzteres  Wort  findet  sich  in  Meister  Stephans  Schachbuch,  Y.  2873. 
1719/20  ist  zu  interpungieren : 

Dat  schaltu  don  mit  kloken  sinnen, 
Beide  buten  unde  binnen. 
2069  lies  se  statt  so,  vergl.  Y.  2090/91. 

2141.  Unde  bidde,  here,  hilge  tröst, 
Dat  hir  geiaüike  inne  vorlöst 
In  tökomenden  ttden  mögen  werden. 


i2S 

De  jü  gebom  worden  up  erden, 
Ünde  noch  schuUen  werden  gebom, 
Dat  se  nummer  mer  werden  verlorn, 
Dat  dusse  geistlike  wtn  unde  bröt 
Jo  80  schicke  du,  leve  god. 

y.  2147  ist  unverständlich,  ich  vermute,  dass  zu  lesen  ist:  Dor  dussen  geiatUhr 
win  unde  brot.  Die  Form  dar  statt  dor,  welche  Sprenger  V.  1549  ansetzt  (Nd 
Jahrb.  19,  107),  kommt  sonst  im  Gedicht  nicht  vor  und  scheint  daher  unzulä$>i: 
ist  auch  der  heutigen  Mundart  fremd. 

2273  ist  das  auch  dem  heutigen  Dialekte  fremde  kommen  in  körnen  zu  anders 

2277  ist  zu  lesen:   Wu  %cy  dem  mynsliken  siechte  mochten  roden. 
2450.    Dar  up  ek  dy  recht  nein  en  geve, 
Statt  recht  nein  ist  nein  recht  zu  lesen,    recht  geven  fehlt   im  mnd.  "Wtb.,   tiiwe^ 
sich  aber  in  Meister  Stephans  Schachbuch,  s.  Wörterverzeichnis  p.  74. 

2885.     üse  scrifte  de  droget  over  ein, 
Statt  droget  lies  draget  oder  dreget;  die  lis.  hat  öfter  o  für  e,  z.  B.  V.  974,  l^i'ü 

3787  lies  live  statt  leoe;  to  dele  geven  Stephans  Schachbuch  V.  4122. 

3809  lies  der  statt  de. 

Zu  Konemann. 

Konemanns  Dichtung  ist  in  zwei  vollständigen  Hs.  veröffentlirbt 
einer  md.  (A)  von  Sello  im  23.  Bd.  der  Ztsch.  d.  Harz-Vereins  ^ 
99  flF.  und  einer  nd.  (H)  von  Euling  im  Nd.  Jahrb.  18,  S.  IM  f 
Beide  Herausg.  nehmen  nd.  Urschrift  an,  doch  lässt  Sello  die  ^Vk- 
lichkeit  zu,  dass  Konemann  in  einem  Mischdialekte  schrieb,  wie  Schatz 
annahm.  Koppmann  wies  im  Korrespondenzbl.  17,  18  ft\  nach,  da^- 
die  Vorlage  von  H  mit  A  identisch  oder  nahe  verwandt  gewesen  seir 
muss.  Dass  diese  Vorlage  nicht  nd.  war,  erhellt  auch  noch  aus  eint:; 
andern  Grunde,  den  Koppmann  nicht  hervorhebt.  V.  197  kat  A  rf'»- 
suftenljare  herse,  ebenso  H  V.  213  suftenbare.  Dieses  Adj.  ist  im  Mn»L 
nicht  belegt,  würde  auch  wohl  suchttnhar  lauten,  obwohl  sufleti  für 
suchten  einige  Male  vorkommt.  Aber  mhd.  heisst  es  siuftelxiere^  mli«l. 
Wtb.  III,  721.     A  V.  701:  Got  unse  herre  selbe  leie 

durch  dodvs  äugest  blödes  sioeie. 
Ebenso  hat  H  Itit :  sweit.  siveiz  Uizen  ist  ein  beliebter  mhd.  Ausdruck, 
im  Mnd.  kommt  er  nicht  vor,  statt  dessen  heisst  es  dat  swet  brikt  t'ft 
Hieraus  ergiebt  sich,  dass  die  Vorlage  von  H  md.  oder  hd.  war,  uni 
dass  H  dieselbe,  sei  es  des  Reimes  wegen,  sei  es  aus  andern  Gründi-i- 
unverändert  übernahm.  Ein  mnd.  swet  leiten  darf  aus  dieser  SttU- 
nicht  gefolgert  werden. 

A.  V.  10Ö8.      Waeer,  eide  unde  luft;  H.  V.  1096.      Water  lucht  unde  erde. 

ok  8ol  des  vures  guft  Ok  schal  des  vur es  ungererl 

bringen  alle  herzen 
an  sorchsamen  smerzcn. 

A.  V.  1070.   Iz  moz  sich  also  geboeren,  IL  V.  1108.   It  moth  sick  also  behoren, 
daz  de  lüde  mozen  doeren  Dat  de  lüde  moten  dorreu 

vor  angest  unde  beide  Vor  angeste  unde  not 

der  zokumften  leide.  Des  tokomende  iammers  grf^. 

Ein  mnd.  guft  A  1059  und  leide  'Erwartung'  A  1072  ist  nicht 
belegt,  obwohl  beiden  vorhanden  ist.  Beide  Worte  sind  hd. ;  mlul. 
beitefi  'warten  auf  etwas'  und  bUe  st.  f.  Die  Aenderungen  in  H,  lasst^r. 
sich  nur  aus  hd.  oder  md.  Vorlage  erklären.  Auch  die  Zeit  der  Ab- 
fassung des  Gedichtes  weist  auf  hd.  Urschrift;  um  1250 — 1270  schrieb 


man  nicht  nd.,  s.  Lübben  im  Nd.  Jahrb.  L,  S.  5  ff.  Ob  mit  Seelmann 
niederrheinische  Mundart  oder  Beeinflussung  durch  mittelfränkische 
Vorbilder  anzunehmen  ist,  ist  schwer  zu  entscheiden;  die  von  Seel- 
niann  angeführten  Reime  beweisen  dies  noch  nicht,  nit  findet  sich 
z.  B.  auch  in  einer  Urk.  des  Grafen  zu  Stolberg  und  Wernigerode 
vom  Jahre  1525,  s.  Ztsch.  d.  Harz-Vereins  23,  423/4.  Möglich  wäre 
es,  dass  Konemann  aus  dem  benachbarten  md.  Gebiete  um  Aschers- 
leben stammte,  wo  heute  noch  nd.  Lautstufe  mehrfach  vorkommt, 
lieber  die  Sprache  um  Aschersleben  wird  in  den  Mitteilungen  des 
Voreins  für  Erdkunde  zu  H.  a.  S.  1895  ein  Aufsatz  von  mir  erscheinen. 

Zu  Eulings   Text  füge  ich  noch  einige   Bemerkungen   hinzu,   die   sich   zum 
Teil  auf  A  als  mutmassliche  Vorlage  stützen. 

V.  35  ist  hinter  goddes  ein  Punkt  zu  setzen ;  Sello  hat  V.  40  ein  Semikolon. 
128  lies  den  waren  wund,  Sello  hat  V.  136  waren  vrunt, 
406/7.  Hinter  Y.  406  ist  der  Punkt  zu  streichen  und  hinter  V.  407  zu  setzen. 
468.  Um  Blankenburg  a.  H.  hat  man  herde  f.  'Herde';  Schambach  bietet  here, 
531  ist  ein  Punkt  statt  des  Kommas  zu  setzen,  wie  Sello  Y.  551  richtig  hat. 
602  ist  ein  Komma  statt  des  Punktes  zu  setzen. 

744.     Wu  mochte  eyn  wifflick  wiff 

Vorgetten  ores  kyndes,  dat  or  Uff 

Hefft  io  der  werlde  ghebracht 

Doch  is  se  des  under  tyden  umbedacht, 

Sunder,  du  machst  dat  weiten, 

Ik  wil  dyner  nummer  mer  vorgetten, 

Sprenger  im  Nd.  Jahrb.  19,  104  ändert  V.  747  unnötig  se  in  it  und  fasst  doch  im 
Sinne  von  'wenn  auch',  welche  Bedeutung  im  Mnd.  nicht  belegt  ist ;  'doch,  dennoch' 
giebt  guten  Sinn :  Wiewohl  eine  Frau  ihres  Kindes  nicht  leicht  vergisst,  so  kommt 
CS  doch  bisweilen  vor,  aber  ich  werde  deiner  nicht  vergessen.  V.  746  ist  ein  Aus- 
rufungszeichen zu  setzen.    In  derselben  Weise  ist  doch  gebraucht  V.  782.  977.  1009. 

814  lies  Do  statt  De, 

831  if.  Hinter  N.  832  ist  ein  Komma  statt  des  Semikolons  zu  setzen  und 
am  Schluss  von  V.  834  ein  Fragezeichen,  wente  'wenn',  s.  Meister  Stephans  Schach- 
buch y.  4014.  V.  835  wen  efte  'als  dass',  fehlt  im  Mnd.  Wb.  Die  Interpunktion 
bei  Sello  richtig. 

1020/21  ist  nach  Sello  Y.  984  zu  ändern: 
Dai  is:  Eyn  doed  der  bösen. 
Schal  men  dat  rechte  glosen, 

1255  ist  statt  denne  wohl  deme  oder  den  en  zu  lesen ;  schwerlich  entspricht 
denne  dem  heutigen  dene  =  Dat.  PL ;  vergl.  jedoch  mnd.  wene  =  Akk.  Sing.  'wen'. 

1307  ff.     Eyn  dach  is  beter  dar  So  wil  we  or  dat  toreken, 

Wen  hir  mannich  dusent  iar,  Älse  we  de  meyster  hören  spreken, 

Wen  de  gele  dort  Dat  eyner  konigynnen  schach, 

To  hymmelf  wert  gevoert  Do  se  konige  Salomone  ansach. 

Die  Interpunktion  ist  nach  Sello  Y.  1273  ff.  zu  ändern,  doch  muss  bei  Sello 
y.  1283  ir  statt  in  gelesen  werden.  Y.  1283  bei  Sello:  so  moz  in  dar  gescen 
lautet  in  H. :  so  wil  we  or  dat  toreken.  toreken  kann  nicht  dasselbe  sein  wie 
toreken  'zureichen,  genügen'  oder  wie  toraken  'wohin  gelangen'.  Ob  der  Yers 
richtig  überliefert  ist?  we  könnte  aus  Yersehen  aus  der  folgenden  Zeile  hierher 
geraten  sein.  Nach  dem  Wortlaut  in  H.  würde  man  erwarten:  so  wü  sik  or  dat 
raken,  wofür  auch  reken  vorkommt,  s.  mnd.  Wb.  III,  416b. 

BLANKENBURG  a.  H.  Ed.  Damköhler. 


Niederdontsohos  Jahrbuch  XXL 


m 


Zuna  Volksbuehe  von  Eulenspiegel. 


3.  Hi.  In  dem  Zuruf  der  Jungen:  he  had  nur  wol  uss  etc.  Z>u  hast  hni\ 
nach  dem  bade  gerungen  vermutet  Koppmann  im  Korrbl.  XVIII,  S.  19  ein  vn:. 
hochd.  Uebersetzer  missverstandenes  Wortspiel,  dessen  Wortlaut  etwa  gewes*=L 
„bade  meti  wol  ut;  du  hefst  lange  gerungen  na  bäte,  nu  bustu  körnen  to  barif 
Du  hefst  lange  gerungen  na  bäte  „du  hast  lange  auf  Vorteil  gesonnen,"  passt  ui  !.: 
recht  in  den  Zusammenhang.  Ich  vermute,  dass  es  gelautet  hat:  du  hefst  /«iiv 
gerungen  nä  unbaie.     „Du  bist  lange  auf  den  Schaden  (anderer)  bedacht  ^wesen " 

6.  Hi.  und  da  der  jung  mit  dem  brotbecker  wider  kÄ  da  w£  Uienspir^ 
hinweg  mit  dem  brot.  Lappenberg  vermutet,  dass  statt  des  sinnlosen  6ro</^c>" 
brot  zu  lesen  sei.  Allein  so  wäre  die  Entstellung  nicht  zu  erklären ;  es  mus>*': 
danu  auch  wohl  weissbrot  gelesen  werden.  Ich  vermute,  dass  der  üebersetzc' 
schon  in  seiner  Vorlage  einen  Fehler  fand,  nämlich :  mit  dem  Becken  (Bäcker)  ^tj" 
des  niederd.  mit  dem  Wecken.  Weck  oder  Wecke  ist  eine  Art  Weissbrod  v  c 
länglicher,  zugespitzter  Form,  das  noch  heute  in  Norddeutschland  (z.  B.  in  Que.-- 
linburg)  gebacken  wird.  Vgl.  auch  Brem.  Wörterb.  V,  S.  221.  Den  Becken  seio'- 
Vorlage  hat  dann  der  iStrassburger  Uebersetzer  gedankenlos  in  einen  Brotbeti 
verwandelt. 

11.  Hi.  da  ward  sie  (die  kellerin)  gar  zornig  und  särnt  über  Ulenspiegel,  tr-i 
lieff  zum  pfaffen  und  sprach  zu  im,  wie  daz  sein  hübscher  knecht  sie  also  rrr.v' 
het.  hübscher  ist  hier  kaum  ironisch  zu  fassen.  Ich  vermute  vielmehr,  dass  ani 
hier  ein  dem  hochd.  Uebersetzer  unverständliches  niederd.  Wort  gestanden  ha- 
vielleicht  hünsch  (zu  Hüne,  Kiese;  s.  Woestcs  Westf.  Wb.  u.  Schambach)  unc^ 
Schlacht,  grob.  Oder  sollte  bübischer  zu  lesen  sein?  Vgl.  Hi.  25  Da  Ihet  U.  c*» 
abentürliche  büberei. 

13.  Hi.  da  wart  sie  gifftig  au  ff  ulnspiegel.  Der  Druck  von  1519  (B)  hit 
statt  giftig:  zornig.  Im  Texte  stand  vielleicht  ursprünglich  das  noch  jetzt  it 
niederd.  Mundarten  allgemein  gebrauchte  veninisch  =  zornig. 

21.  Hi.  wan  ein  alter  milter  würt  der  achtet  seines  gutes  nü,  und  teer  <?:• 
wonlich  ein  bott.  Für  bott,  wofür  B:  thor  hat,  stand  hier  wohl  ursprünglich  di* 
alte  niederd.  Butt  'Stumpfsinniger',  wozu  das  Brem.  Wb.  und  Stürenburg  auf  gr 
baut  in  gleicher  Bedeutung  verweisen. 

ebd.  Wan  gesunde  speiss,  das  wer  krut,  wie  gesundt  es  auch  toer.  AnJ- 
so  segenet  er  sich  vor  den  speissen  uss  der  apoleck  wie  wol  sie  gesuni  ist,  so  .^ 
sie  doch  ein  zeichen  der  kranckheit.  Hier  scheint  dem  Uebersetzer,  wie  öfter,  ei 
Wortspiel  entgangen  zu  sein,  indem  statt  gesunder  speiss  ursprünglich  gesunt-spisf ' 
(Gesundheitsspeise)  im  Texte  stand,  das  durch  krut  'Heilmittel'  erklärt  wur^e 
Uebrigeus  haben  wir  uns  unter  ihm,  wie  auch  im  Reinke  V.  6715  (se  un-eren  ew^' 
kr  Cd  in  sin  ene  ör)  wohl  ein  mineralisches  Pulver  zu  denken,  wie  noch  im  Ostfne> 
(z.  B.  Rüttenkruud  =  Arsenik),  vgl.  Stüren])urg  S.  126.  Der  zweite  Satz  siclt 
ganz  wie  ein  späteres  Einschiebsel  aus. 

22.  Hi.  Also  ward  Ulenspiegel  uf  de  turn  varten  vergessen.  Im  niederd 
Text  stand  vielleicht  ursprünglich:  üf  der  warten,  wozu  als  Erklärung  rfe  tum 
hinzugesetzt  wurde.  Die  Warte  wird  noch  jetzt  in  Norddeutschland  =  Wartturs 
gebraucht.     Anders  Walther,  Niedd.  Jahrb.  XIX,  21. 

35.  Hi.  Gottes  dicner  wir  seind  von  dem  gecken  betrogen !  Gottes  diehr 
ist  wohl  ein  Missverständnis  (oder  Druckfehler)  für  den  niederd.  Fluch  Gottes  dun^^ 
„Gottes  Donner!"     S.  Mnd.  Wb.  I,  540  und  Woeste,  Westf.  Wb.  unter:  du9netk 

36.  Hi.  Also  fragt  Ulenspiegel  wz  dz  par  (hünei)  gelten  soU,  sie  antu:Mr: 
im  dz  par  umb  zwen  st^ffans  groschen,  ulenspiegel   sprach  wölUd  ir  sie  nü  «rÄt»^ 


*)  vgl.  Komposita  wie  gdch-spise  „schnell  bereitete  Speise". 


I3l 

gehen.  —  neker  scheint  aus  dem  niedcrd.  neerer  'niedriger,  zu  geringerem  Preise' 
entstellt.    Ueber  neer  aus  nedder  vgl.  Schambach  S.  143. 

43.  Hi.  Da  befal  er  Ulenspiegeln  das  er  nem  toas  er  hett,  und  macht  dem 
huren  ein  supp^  er  het  im  das  im  schank  gelasen.  Das  zweite  das  ist  aus  daiz 
=  dazu  entstellt.  Ursprunglich  hiess  es  wohl:  er  heite  im  dartö  (Stoff  dazu)  im 
schank  gelaten. 

ibid.  wa  von  er  dem  buren  ein  sup  gegossen  het.  *ein  sup  giessen*  =  be- 
reiten scheint  oberd.,  ich  hörte  den  Ausdruck  vor  Jahren  zu  Grindelwald  im  Berner 
Oberland. 

52.  Hi.  Ülenspiegel  sagt  lieher  meister  ir  sagen  war  ich  hin  dahej  nit  lang 
geicesen,  wan  ir  mir  nun  wollen  gestatten  dass  ich  jjjj  necht  hy  dem  werck  schlieff 
das  ich  des  gewont  und  dan  sehen  ir  was  ich  thün  mag.  Lappenberg  fasst  gewont 
als  Adj.  und  will  werde  einschieben,  es  ist  aber  conj.  praet.  von  gewonen  'ge- 
wohnt werden'. 

53.  Hi.  und  sein  meister  zürnte  mit  dem  uss  gon  .  .  .  Statt  zürnte  liest 
Lapponberg:  zögerte.  VjS  ist  aber  das  nicderd.  för«<c  einzusetzen.  Niederd.  <ör««» 
ist  zwar  gewöhnlich  transitiv  in  der  Bedeutung:  hemmen,  aufhalten,  aber  in  der 
Altmark  sagt  man  nach  Danneil  auch:  ,,Wat  törnst  (zögerst)  du  denn?  sprick 
graod  herüt!"  (der  meister)  nam  im  dz  zugeschnitten  leder,  und  sagt,  wz  fürsichtigen, 
sehin  da  hastu  ander  leder  u.  s.  w.  Aus  dem  Zusammenhange  ergibt  sich,  dass 
es  statt  WZ  fürsichtigen  ursprünglich  gelautet  haben  muss:  wat  unvorsichtigen. 
Dass  diese  Verwendung  von  toat  =  'etwas'  der  niederdeutschen  Sprache  eigentüm- 
lich und  erst  in  neuerer  Zeit  in  das  Hochdeutsche  (was)  übergegangen  ist,  bemerkte 
schon  KttmüUer  z.  Spil  v.  d.  üpst.  896;  vgl.  auch  Woeste,  Westf.  Wb.  S.  316. 

56.  Hi.  da  gedacht  er  Du  solt  dich  mit  disem  gerb  er  disen  winter  leiden. 
—  sich  leiden  ist  mnd.  sik  liden  'sich  genügen  lassen,  behelfen'.    Mnd.  Wb.  U,  688. 

58.  Hi.  Als  nun  des  gerichtes  tag  kä  dz  man  Ülenspiegel  ussfieren  solt  und 
solt  in  hencken  dz  wz  ein  gerühcl  über  die  gantz  stat,  dz  iedermann  zu  ross 
und  zu  fuss  uff  WZ  also  das  dem  rat  von  Lübeck  leid  was  das  er  in  abgetrungen 
ward.  Vgl.  mnd.  mi  is  led  ich  bin  bange,  ich  fürchte,  vgl.  R.  V.  520.  In  West- 
falen nach  Woeste  S.  158  noch  heute  gebräuchlich. 

71.  Hi.  Der  wirt  was  gricht  nach  dem  gelt.  Statt  gricht  wurde  wohl  ur- 
sprünglich giricht  =  begierig  gelesen.  Der  Uebersetzer,  dem  das  niedd.  unorganische 
t  am  Ende  unbekannt  war,  fasste  es  anscheinend  als  gericht  =  gerichtet. 

78.  Hi.  Lieben  fründ,  ich  merck  wol  das  der  wirt  ein  hoch  bocher  ist,  — 
hochhocher  (so,  als  compos.  ist  zu  lesen)  =  Prahler;  vgl.  mnd.  hach.  hochbochen 
'sich  trotzig  benehmen'  nach  Lexer  erst  bei  Agricola. 

86.  Hi.  unnd  briet  den  npffel  müsslichen.  Hierzu  bemerkt  Walther  Nd. 
Jahrb.  XIX,  25:  „Statt  mässUchcn  ist  müsslichen  wohl  verdruckt;  einen  zu  Muss 
ji^ebratenen  Apfel  kann  man  nicht  schälen."  Ich  sehe  in  müsslichen  das  mhd. 
müezeclichcn  'langsam'.  Der  Apfel  wird  deshalb  langsam  über  dem  Feuer  gebraten, 
damit  er  eben  nicht  zu  Muss  wird. 

ebd.  und  an  fier  wochen  sollen  sy  cinhellich  die  schon  kist,  die  er  inen 
anzeigt  mit  kostlichen  schlüsseln  wol  bewart,  und  sie  wer  noch  uff  zu  schliessen 
dz  ien  dz  darin  wer,  mit  einander  teilen.  Lappenborg  liest:  wa  sie  wer  noch  zu, 
iifschliessen.  Dass  und  aus  wa  verdruckt  sei,  ist  nicht  anzunehmen.  Es  ist  nur 
und,  das  =  „wenn"  zu  fassen  ist  (vgl.  Haupt  z.  Erek  7028  und  z.  Gottfried  v. 
Neifcn  8,  17),  umzusetzen  ^und  zu  schreiben:  und  na  fier  wochen  sollten  sie  die 
schon  kist .  .  .  ,  und  sie  wer  noch  zu,  uffschliessen. 

87.  Hl.  sunder  sie  miegt  nit  so  ser  in  dem,  dann  das  sie  so  gross  doren 
tücren,  das  sie  ir  ochsen  für  die  kunst  hetten  geben,  und  was  ein  soliche  wackelig. 
Für  wackelig  vermutet  Lappenberg  das  unmögliche  wankellüg,  es  ist  aber  un- 
zweifelhaft ein  Druckfehler  für  gawkeli,  nd.  gökelie  „Gaukelspiel". 

93.  Hi.  wan  got  der  her  über  in  gebfat,  und  von  todts  wegen  abstund. 
Lappenberg  will  er  nach  und  ergänzen,  allein  die  Auslassung  des  Personalpronomens 
stammt  aus  der  niederd.  Vorlage  und  und  ist  =  „und  er"  zu  fassen.  Vgl.  Seel- 
mann zu  Gerh.  v.  Minden  S.  166  f.  und  zu  Valentin  u.  Namelos  V.  38. 

NORTHEIM.  R.  Sprenger. 

9* 


132 


Zu  niederdeutschen  Dichtungen. 


Zum  Reden tiner  Osterspiel. 

172  if.  prahlt  der  Tertius  miles: 

Tros!  dat  myner  iemant  heyde, 

Ik  toolde  em  dat  hen  beseien, 

He  scholde  en  jar  an  der  Hasen  quelen! 

Walther  im  Jahrb.  XVI,  S.  45  fasst  den  Sinn  der  Stelle  folgendermassen :  .ich 
wollte  ihm  so  das  Bein  besudeln,  dass  er  ein  Jahr  lang  an  seiner  Hose  kranin 
sollte."  Eine  sachliche  Bestätigung  erhält  diese  Erklärung,  'die  Schröder  unsicher 
scheint,  durch  das  Röbeler  Spiel  V.  78  ff.  (Mittelniederd.  Fastnachtspiele  her  v. 
W.  Seelmann  S.  63  ff.).  Hier  droht  Kundige  Gerolth  dem  Schulzen,  der  den  Basen 
schlechtes  Bier  vorgesetzt  hat: 

Ick  völde  en  de  vorscho  bedropen; 

He  scolde  uns  tool  mer  (in  Zukunft)  gudth  hyr  kopen. 
Also  auch  hier,   nicht  viel  später   und   auf  Meklenburger  Boden    eine  Androhoo? 
desselben  Schabernacks ! 

583.     JesvLS  dicit: 

Lucifer,  du  böse  gast, 

Du  scholl  bliven  an  dessen  keden  vast. 

Du  scholt  hir  negcst  mer  malet  toesen, 

Myne  leven  scholen  vor  dy  wol  ghenesen. 

Ueber  diese  Stelle  habe  ich  schon  Zs.  f.  d.  Phil.  XXVII,  S.  303  gesprochen.  Id 
bemerke  jetzt  noch  folgendes.  Für  malet  steht  in  der  lids.  maU,  was  =  neU 
(maisch),  stolz,  kühn,  verwegen  sein  kann,  ein  gebräuchliches  Beiwort  der  Teufel 
Vgl.  Mnd.  Ged.  her.  v.  Lübben  S.  42,  V.  12.  Wente  du  (Jacob)  bekerdtst  ^ 
tovere  valsch  Ünde  du  brandest  de  duvele  maisch.  In  negest  steckt  vielleicht  eioe 
bildliche  Bezeichnung  der  Negation  ene  gest  'einen  Dreck'.  Ygl.  Böse  Frauen  20 
(Mnd.  Fastnachtsp.  ed.  Seelmann  S.  10) :  Eynen  dreck  ick  na  unsem  Papen  fra^^ 
Es  wäre  dann  zu  lesen: 

Du  scholt  hir  enen  gest  mer  mals  toesen. 
Ich  gebe  die  Unsicherheit  dieser  Vermutung  zu ;  jedenfalls   aber   fugt    sie  sich  ia 
den  Zusammenhang  und  weicht  weniger  als  andere  von  der  Ueberlieferung  ab. 

720.    Auf  die  Frage  Davids  an  den  Latro,  w^eshalb  er  hier  so  früh  an  (kr 
Thüre  des  Paradieses  warte,  antwortet  dieser  in  Schröders  Ausgabe: 

Wete  wy  nycht,  wes  ik  warde? 
Der  Zusammenhang   verlangt:   Wete  gy  nycht.    Da  Ettmiüller  Wete  gi   nickt  bu 
liegt  hier  wohl   nur   ein  Druckfehler  vor.    Ebenso  1066,   wo  Ettm.    das    ricbtip 
weren,  Schröder  wer  et  hat. 

1154  ff.  ruft  Lucifer  seine  dienstbaren  Geister.    Da   sie  nicht   sogleich  er- 
scheinen, setzt  er  hinzu: 

Ik  mochte  myn  kranke  hooet  vorropen! 
vorropen  ist  im  Mnd.  Wh.  5,  425b  nur  in  der  Bedeutung  „zerraufen*'  belegt 
Schröder  meint  aber,  dass  diese  hier  nicht  in  den  Sinn  passe,  und  nimmt  für  dies 
Stelle  ein  sonst  nicht  weiter  nachgewiesenes  vorropen  'verrufen,  zemifen.  zi 
Schanden  rufen'  an.  Aehnlich  fassen  die  Stelle  auch  Freybe  und  Froning.  Deiil:^ 
man  sich  aber,  dass  Lucifer  nach  seiner  Beschwörung  der  Geister  eine  Pause  ein- 
treten lässt,  und  dann,  als  sie  ohne  Erfolg  bleibt,  geärgert  ausruft:  „Ich  mücht« 
mir  mein  krankes  Haupt  zerraufen,**  so  kommt  man  mit  der  belegten  Bedeutoc? 
des  Wortes  wohl  aus. 

1410.     Ach  were  ik  mynsche,  also  ik  vore 

Wat  ik  to  deme  schowerke  nicht  en  köre! 


133 

Ich  glaube  jetzt,  das8  Wat  aus  Was  entstellt  ist,  welches  für  die  Grammatische 
Construction  nicht  zu  entbehren  ist,  und  schreibe: 

Äch  teere  ik  mynsche,  aho  ik  vore 
Was,  ik  to  deme  schowerke  nicht  enkore! 

*Wenn  ich  wieder  Mensch  würde,  wie  ich  früher  war,  das  Schustergewerbe  würde 
ich  nicht  (wieder)  wählen  I" 

1694.    Ach,  toe  dar  na  toolde  lesen. 

Wer  he  gicht  krank  mochte  wesen, 

Oft  he  an  der  suke  Icghe,  — 

Woste  ik,  we  eme  dat  glas  beseghe! 

Schwierigkeiten  macht  zunächst  in  V.  1694  die  Rda.  lesen  na  eneme  dinge,  die 
Ettmüller  in  dem  "Wörterverzeichnis  seiner  Ausgabe  auffuhrt,  aber  ohne  sie  zu  er- 
klären; auch  die  übrigen  Ausgaben  bieten  nichts.  Ich  halte  den  Vers  für  entstellt 
und  glaube,  dass  er  ursprünglich  gelautet  hat: 

Ach  we  dat  mi  toolde  lesen  .... 
„Ach,  wenn  mir  einer  das  berichten  wollte!"  lesen  wird  im  Mnd.  bekanntlich  von 
jedem,  auch  mündlichen,  Berichte  gebraucht,  wie  ja  auch  in  unserm  Spiel  V.  409  f. 
von  Sathanas  Jesus  sagt:  Ik  hebbe  dar  nicht  verne  wesen,  Dar  he  syn  testament 
lieft  ghelesen.  Die  folgenden  Verse  sind  in  den  Ausgaben  bisher  falsch  inter- 
pungiert.  Ettmüller  setzt  hinter  V.  1696  [1685]  ein  Ausrufungszeichen  statt  des 
Kommas.  So  enthält  aber  der  zweite  Teil  der  Doppelfrage  nichts  neues.  Ich 
fasse  toer  als  Conj.  der  einfachen  Frage,  oft  =  *wenn'  und  schreibe  die  Verse 
folgendermassen : 

Ach,  we  dat  mi  wolde  lesen, 

Wer  he  gicht  krank  mochte  wesen! 

Oft  he  an  der  suke  leghe, 

Woste  ik,  we  eme  dat  glas  beseghe! 

D.  h. :  „Ach,  wenn  mir  doch  einer  berichten  wollte,  ob  er  etwa  krank  geworden! 
Wenn  er  aber  gar  bettlägerig  geworden  ist,  wüsste  ich  dann  wenigstens,  wer  ihm 
das  Uringlas  beschaute!^  Ueber  die  Diagnose  der  Aerzte  vgl.  Seelmann  zu  den 
bösen  Frauen  262  (Mnd.  Fastnachtspiele  S.  71)  und  Schröder  z.  d.  St. 


Zu   den  Fastnachtspielen, 

her.  V.  W.  Seelmann. 

1.   Zu  den  bVsen  Franen. 

V.  17  ff.  Der  Herausgeber  versteht  unter  ogen  *Hühn eräugen',  aber  da  hier 
eine  offenbare  Parodie  der  ärztlichen  Thätigkeit  vorliegt,  so  ist  wohl  an  misslungene 
Staroperationen  dieses  Doktor  Eisenbart  zu  denken.  'Hühneraugen  ausschneiden' 
heisst  im  R.  Vos  6298  ogen  uthbreken.  Auch  zwischen  dem  thene  uttheen  (R.  Vos 
5299)  und  th.  uthbreken  ist  wohl  insofern  ein  Unterschied,  als  mit  letzterem  Aus- 
druck hier  das  gewaltsame  Ausbrechen  gesunder  Zähne  gemeint  ist. 

70  f.    Leue  Dochtei',  segge  my  beschedenheydt, 
Wo  steydt  yuwer  beyde  sake? 

Da,  wie  der  Herg.  selbst  bemerkt,  beschedenheit  in  der  Bedeutung  'Bescheid,  Aus- 
kunft' im  älteren  Niederdeutsch  nicht  zu  belegen  ist,  so  liegt  wohl  ein  Druckfehler 
vor  und  ist  zu  lesen:  segge  my  bescheyt.  Durch  diese  Aenderung  wird  auch  der 
Vers  geglättet. 

359  fragt  Drfideke: 

Wo  nu,  Henreke,  bystu  worden  dul? 
Wat  deystu  mit  der  roden  pagenhudl? 

Der  Hg.  bemerkt :  „roden  statt  roen  'frisch  ungegerbt'  was  der  jüngere  Druck  bietet, 
ist  vielleicht  Druckfehler,  doch  lässt  es  sich  als  'rot,  noch  blutig'  erklären."  Zu 
der  Annahme,  dass  wirklich  ein  Druckfehler  vorliegt,  führt  mich  folgende  £rwägung 


134 

V.  318  überreicht  der  Arzt  dem  Alert  mit  den  Worten:  Hyrmit  mole  gy  er  'l. 
hudt  d^rchhouwen  —  eine  Ruthe.  Diese  erblickt  nun  Dr&deke  in  der  Hand  ibrt- 
Mannes  und  ruft: 

Wat  deystu  mit  der  roden  und  pagenhudt? 
392  f.  befiehlt  der  Doctor: 

Tastet  se  an  und  holdet  se  fast 

Und  splytet  ehr  äff  dat  hast! 
Der  Hg.  versteht  unter  hast  die  Haut,  welche  an  einigen  Stellen  durch  Schlafe 
mit  Birkenreisem  abgeschunden  werden  muss,  damit  die  Rosshaut  das  Gift  an- 
dem  Körper  saugen  kann.  Davon  ist  aber  im  Texte  nichts  gesagt,  und  mir  scheiit 
es  natürlicher  dat  hast  afsplyten  =  *das  Zeug  ausziehen'  zu  fassen.  IHes  ei>- 
geschehen,  damit  der  Arzt  den  Aderlass  vornehmen  kann.  So  erklärt  die  Stell: 
(=  Keller,  Fastnachtspiele  983a)  auch  Woeste,  Westf.  Wb.  S.  22.  Bei  Leser  I 
133  ist  hast  =  ;,Saum  eines  Kleides"  verzeichnet. 

2.    Zur  Barenbedregerie. 

1  f.    Der  Prolocutor  spricht: 

Godt  grhte  yuw,  Heren  allentsamen, 

Vastelauendes  unse  wy  tho  yuw  kamen. 
Dass,  wie  der  Hg.  meint,   kamen  nicht  Praesens  ist,   sondern  Praeteritum  =  'wr 
sind  gekommen'  ist  unwahrscheinlich,  vielmehr  ist   ersteres   hier  wohl  am  Plat.': 
Uebrigens  ist  wohl  zu  schreiben:  In  vastelavendes  wise  toy  tho  yuw  kamen. 

70.    Darto  doen  se  uns  de  schape  tho  haluen. 
S.  erklärt  richtig  to  halven  seil,  dele  'auf  halben  Anteil'.    Ein  solcher  Pachter  wrrJ 
in  Westfalen  nach  Woeste,  Wb.  S.  90  noch  half  genannt,    mnl.  halfwinner,  coIoli- 
partitiarius. 

72.  Unter  Doren  und  düllen  sind  wohl  die  sogenannten  'dummen  Schafe'  gemciLi 

75.  De  wulle  plach  ick  snluest  tho  netten. 
Seelmann  weist  mit  Recht  die  Erklärung  des  Mnd.  Wb.  {netten  =  knitten^  strickri. 
zurück.  Aber  auch  seine  Aenderung  in  neten  'gemessen,  zu  eigenem  Gebranchc 
verwenden',  durch  die  noch  dazu  ein  ungenauer  Reim  (neten:  hebbe  getten)  en*- 
stehen  würde,  trifft  das  richtige  nicht;  netten  ist  vielmehr  =  'nass  machey*.  W 
Wolle  anzufeuchten,  damit  sie  schwerer  wird,  ist  eine  noch  jetzt  häuüg  geul  t 
betrügerische  Praktik. 

151.  Hans  Meyer. 

Ja,  de  JDhrp  Mlgede  synt  ock  nicht  schuto! 
Se  h^den  de  Phrde  mit  den  Knechten. 

Hennecke  Bane. 
Ja,  se  laten  sick  fryken  flechten. 

Seelmann  bemerkt  S.  81:  „Welche  Bedeutung  ^ec^ten  hier  hat,  lehrt  der  ZusammeL 
hang,  unerklärlich  ist  aber,  wie  das  Wort  zu  diesem  Sinne  kommt."  Zur  Krklärui:: 
dient  eine  Stelle  der  von  Merzdorf  (Oldenburg  1857)  herausgegebenen  nieder^*! 
sischen  Uebersetzung  der  Bücher  der  Könige  S.  225,  Z.  1  v.  o. :  Do  sande  h 
(Josias)  und  leth  de  knaken  Haien  ute  den  graven  tmd  brande  se  uppe  deme  alt'ir- 
und*he  heulechlele  dat  bocen  dat  wort  unses  heren.  Dies  entspricht  der  Vulgat^ 
Reg.  XXIIl,  16:  misitque  et  tulit  ossa  de  sepulcris,  et  combussit  ea  super  altarr 
et  polluit  illud  juxta  verbum  domiui.  Auch  hier  ist  wohl  deutlich,  welche  Art  d*-' 
Besudelung  der  niederd.  Uebersetzer  mit  bevlechten  *)  gemeint  hat.  Da  aber  pollaoi' 
sowohl  „besudeln"  als  auch  „verunehren"  bedeutet,  so  dürfte  dadurch  auch  da- 
flechten  in  obiger  Stelle  der  Erklärung  näher  geführt  sein. 

158.    Ja,  wenn  de  Ryngelduuen  drouen 

Und  syiten  ^Rudup,  rudup^  up  unser  Kareken. 
droven  wird  im  Mnd.  Wb.  VI,  108  durch  'trübe  sein,   trauern'  erklärt  und  auf  dk 
klagenden  Töne  der  Tauben  bezogen,  was  nicht  annehmbar  ist.     Seelmann  bemerkt 
dass  vielleicht  doven  'toben,  lärmen'  das  richtige  sei.    Allein  auch  dies  wäre  keitt 

»)  Das  Wort  fehlt  im  Mnd.  Wb. 


135 

fassende  Bezeichnung  für  das  Gegirr  der  Tauben.    Ich  erkläre  mir  droven  als  zu- 
sammengezogen aus  dar  oven  [so  noch  im  Göttingischen:  dröwer  =  daröiotr]  und  lese: 

Ja,  wenn  de  Byngelduuen  drouen 

sytten  ^Budup^  rudup*  up  unser  Kareken, 

D.  h.:  'Wenn  die  Ringeltauben  auf  unserem  Kirchturm  sitzen  (und  rufen):  Rudup, 
Rudup  I  —  eine  volkstümliche  Kürze  des  Ausdrucks. 

173.    Ja,  wy  toyllen  nu  beyden  wenie  echt, 
echt  'wiederum'.    Man  vergleiche  die  noch  gebräuchliche  scherzhafte  Rda. :  „Warte 
bis  es  wieder  einmal  so  kommt!'' 

3.   Hercatori's  Yastelavendesspiel. 

66.     Kum  her  mit  dynem  krummen  geuerde. 
Dass  mit  geuerde  die  Sense  gemeint  ist,   ergibt   der  Zusammenhang.    Diesen  aber 
mit  dem  Hg.  als   'den  krummen  Gefährten^  zu   deuten,   kann  ich  mich  nicht   ent- 
schliessen,   erkläre  es  mir  vielmehr  =  gewer,  Wehr,  Waffe,   mit   eingeschobenem 
unorganischem  d. 

130  ff.  lese  und  interpungiere  ich: 

Ock  grote  Vesie  und  hoge  Mfiren, 

Dar  men  vor  dy  machte  diiren. 

Ick  wolde  buwen,  so  vaste  und  so  hoch, 

Alse  dar  y^werlde  ein  Vagel  floch. 

4.    Zwiegespräch  zwischen  dem  Leben  und  dem  Tode. 

Ueber  geverde  V.  11  s.  zu  Merc.  66.     Die  Erklärung  wird  auch   durch  die 
Bezeichnung  der  Sense  als  dat  krumme  iauwe  in  V.  19  bestätigt. 

5.   Scheveklot. 

V.  29  f.  ist  leicht  ein  reiner  Reim  herzustellen,  wenn  wir  schreiben: 
De  seste  wüste  gudt  bescheidt, 
Wo  he  under  dem  hode  spelde  (:  scheide) 

244.     Wat  sechstu,  rechte  legedeff? 
Die  Hds.  hat  getrennt:   lege  deff.    Ueber  lege  =  'schlimm,   böse'   vgl.  Woeste  S. 
1Ö8.     Schambach  S.  120;  Mnd.  Wh.  II,  641. 

6.   RSbeler  Spiel. 

94.     Nu  moth  men  yw  jagen  unde  herczen 
Uppe  dat  ghy  nicht  en  bersthen. 

herczen  'anherrschen',  wie  der  Herg.  erklärt,  ist  nicht  belegt,  und  nach  dem  Zu- 
sammenhange ist  nur  ein  Synonimum  von  bersten  anzunehmen,  also  heczen,  hessen. 
Ein  reiner  Reim  wird  hergestellt,  wenn  wir  hatzen  und  statt  bersten  das  gleicli- 
bedeutende  platzen  setzen.  Dies  Hesse  auf  eine  hochdeutsche  Vorlage  schliessen. 
96  f.  lese  ich: 

Bisset  vart!  jck  wil  jw  jagen! 
Bisset  vart!  d.  i.  „Laufet   weg",     vart  =  vort.    Ueber   bissen,   rennen,    das   auch 
V.  23  begegnet,  vgl.  ausser  den  im  Mnd.  Wb.  I,  343  Belegen  auch  Woestes  Westf. 
Wb.  S.  31  unter  bidsen. 


Zu  den  Niederdeutschen  Schauspielen  älterer  Zeit, 

her.  V.  J.  Bolte  u.  W.  Seelmann. 

I.   Hoorkensvel. 

141.  droes  ist  nicht,  wie  in  der  Anm.  erklärt  wird,  =  'Drüse,  Pestbeule', 
sondern  =  mnd.  drös,  dru^  *Riese,  Teufel';  s.  Schiller-Lübben  I,  583;  auch  drous. 
Niederd.  Bauernkom.  her.  v.  Jellinghaus  S.  20  (Glossar  S.  95).  Vgl.  auch  V.  335 
dat  hem  de  Droes  haelde! 


136 

158.  vertoorghen  ghelijc  een  Hoen.  Der  Ausdruck  ist  formelhaft;  Tgl,  di* 
gepriche  ich  sam  das  huon.  Rolandslied  des  Pfaffen  Eunrad  135,  16,  Hartmaüi:: 
£rec  5482;  Meier  Helmbr.  1851  u.  Anm. 

IL   Boeren  Yasten-avonds-spel. 

30.    Bat  hy  (der  Büttel)  hadde  opt  passe  ghekomen, 
Hy  hadde  my  heyde  mijn  paerden  ghenomen; 
Wal  ick  ben  vast  schuldigh  in  aüe  strafen. 

Die  Herausgeber  vermuten  in  Wat  einen  Druckfehler  für  want  'denn' ; ')  allein  aacb 
toat  kann  als  causale  Conjunktion  gebraucht  werden;  s.  Sehiller-Lübben  Y,  614  u 
618.    Auch  kann  toat  =  wie  viel  und  der  Satz  als  Ausruf  gefasst  werden. 

73.     Ten  schade  hem  noch  niet  en  veest 

Ten  schade  hem  =  'es  schadete  nicht'.  Vgl.  128.  Ten  is  noch  geen  Somer  = 
*es  ist  noch  kein  Sommer\    veest  ist  natürlich:  mnd.  tnst  'crepitus  yeQtris\ 

94.    vruchte  (wie  die  Hgg.  für  duchte  vermuten)  ist  in  den  Text  zu  setzen 

113.    All  eer  sal  eyndighen  dit  Jaer, 
Wil  ick  daer  op  toeseti  verdacht 
En  sien  dar  nae  met  al  mijn  macht, 
Of  ick  de  manier  mochte  vinden, 
Om  mijn  Joncker  wt  onsen  hvyse  ie  binden; 
Want  hy  komt  mijn  Wijf  veel  te  na. 

Fassen  wir  trt  in  Y.  117  =  üt,  so  ist  die  Stelle  unverständlich.  Es  ist  zn  lescs: 
mijn  Joncker  met  onsen  huyse  te  binden  'unseren  Junker  mit  unserem  Hause  m 
verbinden',  nämlich  durch  Gevatterschaft,  wie  Hanneken  Bane  den  Pastor.  Sachlich 
vergl.  die  Anm.  zu  Y.  106. 

III.  Vitalns. 

33.  Anm.  Dass  Spital  als  Schimpfwort  aus  'Spektakel'  und  nicht  ac? 
Spital  entstanden  sei,  ist  nicht  glaublich;  vielmehr  wird  es  bei  der  Erklämcf 
Frischs  (angeführt  bei  Sehiller-Lübben  IV,  321):  „Wegen  der  bösen  Leute,  die  sicf 
manchmal  unter  den  Spitalleuten  .  .  befinden  ist  es  ein  Schimpfwort  geblieben  in- 
Nieders."  sein  Bewenden  haben.  Gegen  die  Erklärung  aus  Spektakel  spricht  aoch 
das  A^'.  spitalisch,  das  in  Y.  33  etwa  unserem  'jämmerlich'  entspricht.  Das  Wort 
lebt  noch  im  Bremischen  in  der  Form  spittelsk  'einer,  der  Armut  und  Kraokbe.n 
halber  eines  Spitals  bedürftig  ist'  fort.  Ygl.  Brem.  Wb.  lY,  957,  Y.  61  ist  ri^  ■. 
Spital  als  'faules  Spital'  zu  fassen. 

54.  Mit  molden  drecht  he  uih  den  Dach.  Zu  vergleichen  ist  folgende  Stell: 
in  Gryses  Leienbibel  Rostock  1604  fr.  44  [citiert  im  Mnd.  Wb.  III,  113]:  (Faul 
lenzer)  de  untydich  unde  wedderwyllich  den  dach  mit  molden  uthdregen  utuie  wegfi. 
Ygl.  auch  die  Redensart:  met  molden  uihtoerpen,  die  von  verschwenderischen  Fraut: 
gebraucht  wird.  Noch  jetzt  sagt  man  übrigens  von  einem  Yerschwender,  dass  er 
das  Geld  mit  Mollen  aus  dem  Hause  trägt. 

92.    Sue,  dar  hastu  ydt  alUhosamen, 

Wat  vorkopen  schalt :  hasttU  vbrnamen  ? 

Wat  erklären  die  Hgg.  durch  'wofür,  zu  welchem  Preise',  es  ist  aber  einfach  alf 
Relativpron.  zu  fassen.  Der  Ausfall  des  persönl.  Fron,  (du)  ist  im  Niederd.  ziei> 
lieh  häufig. 

100.  Koeplfjide  =  Käufer,  wie  noch  in  der  Redensart :  'Handeln  und  Bietec 
macht  Kaufleute'. 

113.     Wat  bistu  unbeholpen  en  Dwalss!    'Was  bist  du  unbeholfen  und  dumzL 
Da  im  Drucke  sonst  innerhalb  des  Yerses  nur  Substantiva  grosse  Anfangsbuchstabe c 
haben,  so  scheint  es  nicht  unnütz   zu  bemerken,   dass   dvoals  (in  Meklenburg  noch 
jetzt:  dtcalsch)  Adj.  =  mnd.  dtoelsch,  delirus  ist. 


')  Der  Yerf.  scheint  übrigens  als  causale  Conj.  went  zu  gebrauchen. 


137 

186.  ein  Ey erhack  *eine  Masse  zerbrochener  und  zusammengelaufener  Eier'. 
Noch  jetzt  sagt  man  Yon  Menschen,  die  eng  zusammenhalten  halb  hochd.:  ,,sie 
sind  ein  Back  Eierkauken. " 

154.    Hellebrandt  *Hüllenbrand« ;  s.  Mnd.  Wb.  II,  232. 

222.  wellege  Teven.  wellege  ist  nicht,  wie  man  nach  der  Schreibung  ver- 
muten könnte,  mhd.  wiüige  'freundliche,  dienstwillige',  sondern  w^lige  ausgelassene ; 
vgl.  v^lle  =  vft/e  V.  61.  Im  Hanenreyrey  (202  u.  ö.)  ist  immer  wehlich  geschrieben. 
Im  Scriba  finden  sich  beide  Schreibweisen:  Y.  66  en  gladde  welige  Teve;  262  Ein 
welligen  Bengel;  478  ein  welich  Kumpan. 

260.    by  den  Hangedews!  offenbar  Verwünschung:  'zum  Henker  1' 

279.  Anke,  lath  U88  noch  wat  darin  stygen  (näml.  Bier)l  Die  Redensart 
erinnert  lebhaft  an  das  studentische  „in  die  Kanne  steigen*'. 

360  ist  hei  im  Gegensatz  zu  Hemmd  offenbar  'Hölle'.  Wir  haben  hier  eine 
der  volkstümlichen  halb  sinnlosen  Redensarten. 

361  lies:  min  (st.  tnit)  Hut  und  Har. 

383.  uthstaken  entspricht  ganz  dem  hochd.  (ein  Fass)  ausstechen;  an  eine 
zweideutige  Geberde  (s.  Anm.)  ist  nicht  zu  denken. 

597.  Och  sinck  doch :  Godt  de  Vader  wahn  uns  by.  Nicderd.  üebersetzung 
des  Anfangs  von  Luthers  Trinitatisliede :  Gott  der  Vater,  wohn  uns  bei  und  lass 
uns  nicht  verderben,  mach  uns  aller  Sünden  frei  und  hilf  uns  selig  sterben !  wahn 
ist  demnach  als  Imperativ  und  nicht  als  Gonjunct.  Praes.  zu  fassen. 

V.  625  f.  sind  in  der  überlieferten  Gestalt  unverständlich.  Ich  schlage  vor 
zu  lesen: 

Wolde  ik  lyker  hahben  störten  wunden, 
Wan  dat  toi  dal  best  nu  nich  neten  künden, 

'Lieber  wollte  ich  die  fallende  Sucht  haben,  als  dass  wir  das  Tier  nun  nicht  ge- 
messen könnten'. 

688.  De  Gest  schal  hyr  nich  lange  maken.  *Der  Geist  soll  es  hier  nicht 
lange  mehr  machen'.  Dem  Sinne  nach  =  640.  De  Knüoel  schal  wol  bald  vor- 
schwinden. 

643.    mit  =  damit,  wie  mhd.  mite,  s.  Haupt  z.  Erek  1060. 

652.    möcht  =s  möcht  it  (das  unbestimmte  Etwas,  der  Geist). 

683.  Lies:  Suh,  ick  schem  myck  recht  in  mynen  (st.  mynem)  HaJss»  Vgl. 
692.     Fy  in  den  Halss  machk  myck  wol  schämen. 

Als  Drews  an  die  verschlossene  Thür  um  Einlass  klopft,  antwortet  Mews 
V.  722  ff : 

Nen,  by  Godt,  nemant  hyr  in  kumpt. 
Wat  hestu,  seg. 
Wat  hestu  wird  in  der  Anm.  mit  Verweisung  auf  Gerb.  v.  Minden  2,  3:  wat  se  hete 
durch  'wie  heisst  du'  erklärt.  Allein  die  hdschriftl.  Lesart  ist  dort  nicht  sicher, 
auch  ist  eine  Zusammenziehung  von  hetest  in  heat  dem  Verfasser  nicht  zuzutrauen 
und  überhaupt  nicht  zu  belegen.  Wat  hestu  ist  vielmehr  =  „Was  hast  du  (für 
ein  Begehren),  was  willst  du.**  In  diesem  Sinne  ist  die ,  Redensart  auch  in  der 
hochd.  Umgangssprache  Norddeutschlands  noch  allgemein  gebräuchlich.  Veran- 
lassung zu  der  falschen  Erklärung  gab  wohl  Drews^  Antwort  V.  723  f.: 

Drews  Leckeding 
Ick  bydde  dyck,  mack  doch  up  dat  Ding! 
Das  heisst  aber,  mit  vom  Hochdeutschen  abweichender  Wortstellung :  Ich,   Drews 
Leckeding,  bitte  dich  u.  s.  w. 

729  ist  Toff  wohl  Druckfehler  für  Töff;  vgl.  727. 

793.     WiUen  saggen,  datter  en  old  Wyff  underwcgen 
Dyck  hafft  betooert  rechte  degen; 
De  hafft  so  veel  segent  und  kaket, 
Dat  se  dyck  tom  Kalve  maket. 

Bei  käken  ist  wohl  nicht  an  das  Kochen  von  Zaubertränken  zu  denken,  sondern 
es  ist  hier  wohl  =  garrire,  ursprünglich  von  der  Henne,  dann  auch  von  Tieren 
und  anderen  Menschen  gebraucht.  Ich  finde  das  Wort  nur  bei  Schambach,  während 
das  davon  gebildete  Iterativum  kakeln  allgemein  niederdeutsch  ist. 


138 

832.    patzern  ist  =  frz.  passer ;  in  der  Form  passem  im  Niederd.  allgeiLei: 
gebraucht. 

884.    stücke  Defes  =■  Stück  von  einem  Diebe. 

835.    Lies:  Eho  wölk  n  tool  freien  van  groten  Tom,  eine  bekannte  Reden<ar 

852.    Brüde  (und  de  Brüd  Scriba  153)  'Last',  finde  ich  nicht  weiter  heUj 
Nur  Woeste  im  Westf.  Wörterb.  S.  41  verzeichnet  brftd  als  mascuL  in  der  Rede:, 
art:  ek  hef  den  brtid  deroan  'ich  habe  die  Last  davon'. 

865  u.  905  ist  thogruset  als  Composit.  zu   lesen,    denn   nur    tttgrusen,  n:  . 
wie  in  der  Anm.  steht:  grusen  ist  =  'zermalmen'. 

891  interpungiere  ich :  Wo  nu  thom  Dtivel  toest  (—  wese  ü)  ocky   voai  K^t 
'Zum  Teufel  auch,  was  willst  du?' 

906  ist  an  =  en  (ihn)  wie  905  Am  =  £m  (Ihm). 

IV.  Scriba. 

5.    Du  plegst  hyr  yo  nich  gern  tho  suven, 
Went  tho  Huss  hast  en  warme  Stufen 
Statt  des  sinnlosen  suven  vermuten  die  Herausgeber  snuven  'schnüffeln'.    Vielle.: 
ist  zu  lesen:   Du  plegst   hyr  yo  nich  gern  to  sumen,     WetU  tho  Huss   hast  •. 
warme  stüwen. 

28.     Godte  segen  'Gott  segne  sie.' 
42.     üeber  snufn  vgl.  zu  Vit.  815. 

70  f.  sind  mir  in  der  überlieferten  Gestalt  unverstandlich.     Ich  vermate  ua 
dem  Zusammenhange: 

Ock  darffk  wol  schir  darup  wedden, 
Dat  se  dy  nicht  vn'sch  kenoch  fhld  im  liedde. 
'Ich  wette  darauf,  dass  sie  dich  nicht  frisch  (jugendlich)  genug  im  Bette  fühlt*. 
167.    Matz  (post  dimicationem) : 

Wummen  ist  Chim,  gha^  lat  dyck  man  tnaken 
Ein  par  Hörner  up  dynen  Kanthaken. 
Statt  loummen  vermuten  die  Herausgeber:  wunnen  'gewonnen'.    Ich  vermute«  d^-* 
Wummen  aus  wu  men,  'wie  denn,  wie  nun'  zusammengezogen  ist  und  interpund^: 
folgendermassen : 

Wummeti  ist,  Chim?  gha,  lat  dyck  u.  s.  w. 
'Wie  ist  es  nun?*  sagt  Matz,  nachdem  er  gesiegt,  höhnisch. 
388  lies:  dar  .  .  .  üth  supen. 
432  ist  besser  zu  interpungieren : 

Wo  nu,  du  olde  stanckass?  ryth  he  (der  Teufel)  dtf, 
Dat  du  so  dörst  snacken  mit  my? 
535  lies:  segen  (:  kregen).    571.    gode  wyl  =  Gott  willkommen;  vgl.  tUre 
Goitwüche. 

586.     Ick  moth  en  wat  staken  de  Oren 
Und  en  maken  thon  Doctorn. 
Ist  staken  'mit   dem   Stecken  schlagen'    richtig,   oder  ist   nicht   vielmehr    str-i- 
'streicheln'  zu  lesen? 

625  lies:    So  dorffker  nich  vel  um  Uggen  gdn   'So   brauche    ich    nicht  k>' 
weit  zu  gehen,  um  mich  hinzulegen. 

V.   Hanenreyerey. 

177.     Up  en  neie  ardt  gar  veeregt.    (s.  d.  Anm.)    veregged  ist  mwestf.  ==  w 
eckig  (s.  Woeste  Westf.  Wh.  S.  290):  viereckig  auf  eine  neue  Art,  d.  h.  natCirlich  rw« 

179  lies:  geuen  'geben'  st.  genen. 

316  lies:         Minr  Fruwen  deit  de  Panse  wey, 
Dartho  plagt  se  so  de  Thenen, 
Datk  vaken  mudt  mit  (st.  mir)  er  wehnen, 

366.    Hey  wo  plecht  er  tho  pupn  dat  gat, 
Wenn  eck  plege  tho  Bedd  tho  siign. 
Der  Zusammenhang  verlangt  puprn  =  puppern,  das  aus  dem  Niederd.  in  die  hör.»: 
Schriftsprache  übergegangen  ist. 


139 

533  ff.  interpungiere  ich: 

Fressen,  sauffen  und  huren  wol 
Mein  hcrtz  ewich  ergetzen  sol, 
was  wilf  was  kan! 

Vgl.  die  Redensart:  Herz  was  willst  du,  Herz  was  begehrst  du! 

599  interpungiere  ich:  Eck  wold  deck,  de  steck,  water  supn!  'Ich  würde 
den  Teufel  Wasser  saufen!'. 

602  lies:  so  plegste  meck  de  schnut  tho  schlan. 

729.    Zu  im  schlaggn  vgl.  unser  'Schlackerwetter'. 

834.    Zu  utheuduht  vgl.  auch:  überendüber  =  über  und  über. 

966.     Woy  dat  deen  ist  jedenfalls:  „Wenn  ihr  das  thätet." 

1012  lies:  Eck  rae  welcke. 

1024.  'Mach  dich  nicht  zu  grün,  sonst  fressen  dich  die  Ziegen'  ist  eine 
noch  jetzt  gebräuchliche  Redensart. 

1084  f.  Eine  Speise  nur  mit  Wasser  gekocht  essen  ist  ein  Zeichen  der 
Genügsamkeit;  vgl.  Meier  Helmbreoht  1124.  ir  kint  müezen  ezzen  üz  dem  wazzer 
das  koch, 

1198  if.  interpungiere  ich: 

Mi  würde  lehrn,  wai  wehr  en  Harck 
Min  Wiff,  wo  eck  dalgen  nich  dee. 
Eck  hedde  nehne  stunde  free. 

1204  lies :  Eck  hebt  den  danck  (st.  dach)  ock  wol  dacht  ehr  'den  Gedanken 
habe  ich  früher  auch  wohl  gehabt'. 

1212.    itffrien,  wohl  =  afwrien,  zusammengezogen  aus  afwriven  'abreiben'. 
1295  ff.  sind  arg  entstellt.    Ich  vermute: 

Effte  eck  wol  en  Hanrey  si, 
So  wan  eck  doch  nene  st^te  bi. 
De  man  krech  bi  miner  Seel 
Stoete  mehr  asse  alltho  veel. 

1343.  uthfornehmlick  ist  in  einem  Worte  zu  schreiben.  1377.  foss  unser  'forsch'. 

1457  lese  ich:  Eck  frag  de  s\\ek  na  juwem  Schwer  dt, 

Wo  eck  man  (st.  na)  dalgen  juw  schnitt  thor  Er  dt. 

man  'nur',  vgl.  1525.     He  deit  siedes,  wat  eck  man  wiL 


Zu  den  Niederdeutsehen  Bauernkomödien  des 

siebzehnten  Jahrhunderts, 

her.  V.  IL  Jellinghaus. 

I.   Slennerhinke. 

S.  16,  2.  daur  behoe  us  lijkel  sunte  Veters  rebbe  vor ...  Da  rchbe  im 
Wörterverz.  S.  114  durch  'Stab,  Spazierstock'  erklärt  wird,  so  hätten  wir  hier  an 
den  Krummstab  des  Papstes  zu  denken;  allein  schon  die  Zusammenstellung  mit 
holten  sunte  Jürgen  weist  auf  den  Heiligen  selbst.  Ich  erkläre  daher  rchbe  für 
das  hochd.  Rippe.  S.  38,  10  werden  die  „Juiferendeirs**  mit  Anspielung  auf  die 
biblische  Schöpfungsgeschichte  Rebben-dregers  genannt  (weil  das  Weib  aus  einer 
Kippe  Adams  geschaffen  ist).  In  mhd.  Gedichten  wird  rippe  trop.  für  den  ganzen 
Menschen  gebraucht;  z.  B.  in  der  Martina  27,  64:  doz  junge  murwe  rippe  (das 
Christkindlein)  lac  üf  dem  herten  houwe. 

18,  7.  Seit  Nauber,  so  wortme  meite  Venten  elruyt,  wan  mense  uth  der 
asschen  op  evot  en  ebrot  hebt.  Zu  lesen  ist :  ebruyt  von  mnd.  bruden,  bruen  'quälen, 
plagen';  vgl.  S.  22,  10  und  35,  20. 

21,  10.     Statt  asse  sey  verlangt  der  Sinn:  asse  seyn  'wenn  sie  sehn'. 

21,  11  V.  u.    einen  deynen  'jemand  grüssen'.     Diese  Bedeutung  fehlt  im  Wb. 

26,  16.  Jau,  Vruwc  ick  kenne  den  trompheir  wol.  —  trompheir,  dem  Zu- 
sammenhange nach  =  'Prahler',  wird  aus  'Trompeter'  erklärt,   wogegen  schon  die 


140 

Form  spricht.    Am  nächsten  liegt  die  Ableitung  von  trumph,  tromph  =  Triam] l 
Vgl.  S.  26,  8.    dar  was  saunen  trumph  im  huae. 

30,  6.  dar  venckt  so  leytuyrig  en  klocxken  an  toe  pinken;  ick  sta  unv^ 
enckede  steunen  teilen,  dar  vengt  sich  wol  voftig  an  tho  houpe  reUelen.  stewn 
wird  im  Wörterb.  durch  Stunden  erklärt;  allein  steune  ist  von  stunne,  st*i^\ 
durchaus  verschieden  und  bedeutet  den  einzelnen  Glockenschlag  £s  gehört  sss 
mhd.  8WV.  stunen,  stunden,  treiben,  stossen,  schlagen ;,  vgl.  an  die  glocken  «fveiüi 
Lexer  II,  1269;  Schmeller-Frommann  II,  764.  Götting.-Grubenhagensches  äw^ 
^wehklagen',  holl.  stenen,  steunen  in  derselben  Bedeutung  gehören  hierher. 

35,  12.  et  is  ein  groht  Dorp  vol  fijnes  Volkes,  men  scholse  uth  schounin 
watter  vretten.  Die  Leute  im  Hag  sehen  dem  Slennerhinke  so  reinlich  und  4f- 
petitlich''  aus,  dass  man  sie  in  hlmsem  Wasser  gekocht  —  ohne  weitere  app?t 
erregende  Beigaben  —  essen  könnte.  Der  Zusammenhang  verlangt  sckur^ 
(schiren,  scheren).  Der  Vergleich  ist  noch  gebräuchlich;  mau  vergleiche  aach  ä 
bekannte  vür  euckei'  g'mzzen  in  die  vnp  aus  Wolframs  Parzival. 

40,  10  V.  u.  lies:  seg  is  sucke  hovvestecke  unewent,  nicht  gewöhnt  an  .  ■ 

43,  12.  du  lechst  dick  truwe  im  seifen,  'sich  gut  ins  Geschirr  (oder:  Zcc 
legen'  ist  noch  jetzt  eine  in  Norddeutschlaud,  auch  ausserhalb  der  ländlichen  Krei' 
bekannte  Redensart. 

45,  13  V.  u.     0  waupen  nein!  H  plack  so  bogse  krauckopte  Tevüe  tho  vtti(* 
sey  muckte  mich  slakn.    Im  Glossar  steht  kranckopt  'krankköpfig\     Sollte  vieliek 
kraulkopte  zu   lesen  sein?   man   vergl.  kriwelköpt   'leicht   in   Zorn   geratend'  t 
Schambach  S.  118. 

49,  13  V.  u.  0  blaut,  laet  ick  eir  eis  up  et  Strep-sfuckc  kamen...  Sci> 
ick  wirklich  richtig  überliefert  und  nicht  fiir  mick  verdruckt  sein? 

II.   Lnkevent. 

S.  143,  6,  160,  16,  161,  3.  Auch  hier  ist  rebbe  =  Rippe.  Es  kommt  d.: 
zuschauenden  Bauern,  die  noch  nie  ein  Schwert  gesehen  haben,  so  vor,  als  ob  i' 
Fechter  eine  seiner  Rippen  aus  der  Seite  zieht. 

140,  20.  bin  ick  nick  eynen  starcken  jongen  keyrl,  on  ouc  besuki  gr-.- 
besuickt  (vgl.  auch  179,  4  besuckt  dicke)  kann  hier  nicht  =  'siechhaft,  krankU" 
sein,  wie  im  Wb.,  erklärt  werden.  Ich  fasse  den  Ausdruck  so,  wie  das  Volk  b  ■  • 
von  einem  'verflucht'  grossen  Kerl  spricht.  Dat  dick  de  suke  bestä  ist  beksnn'^- 
ein  alter  niederd.  Fluch. 

141,  2  V.  u.  Men  kan  altijdt  nicht  achtern  Mous  pot  ziUen,  Wennwoa^- 
im  Wb.  als  Gemüsetopf  erklärt  wird,  so  ist  das  nicht  richtig,  denn  unter  »'«'«' 
ist  hier  vielmehr,  wie  auch  aus  der  Zusammenstellung  von  moes  un  gorte  (Grs'^ 
S.  142,  4  V.  u.  hervorgeht,  etwas  anderes.  Melkmaus  heisst  noch  heute  im  Götti- 
Grubenliagenschen  ein  aus  Milch  und  Mehl  gekochter  Brei.  Mouspot  ist  also  =  Breit ' 

147,  29.     Dat  loyve  ick  wal,  de  Stadt-lue  hebbet  snare.balgke,  en  kmnet^; 
met  einen  Slijcker-brae,  of  met  einen  broutien  Peppernatte  bekelpen      Im  ^yortf 
wird  brae  als  das  niederl.  brade,  brai,   masc.  „eene  snede  spek  of  hespt  Hinter 
des   Schinkens,   in    die    Pfanne   geschnitten    (Schuermanns  74)"    gefasst    Da?t.' 
spricht  aber  schon  der  Umstand,  dass  es  sich  hier  um  eine  leichte  Speise  haflo^ 
wozu  gebratene  Schinken-  oder  Speckschnitten  sicherlich  nicht  gehören.    Ich  u ; 
brae  vielmehr  als  Brod.    Noch  jetzt   heisst   nach  Woestes  Wb.  in  Westf»leu 
get   te  broe  (st.   br6de)/er  geht   bei   andern  in   die  Kost'.    Der  Dat  brde  i«^^ 
dumpfer  gesprochen  6räe)  von  brod  'Brod'  ist  also  belegt.  —  sHkkern  ist  nach  a^ 
Brem.  Wb.  III,  S.  830  =  naschen.     Dazu  stellen  sich  noch  ver-slikkern,  5/ii*f 
'Näscherei  von  Zuckerwerk',  wofür  auch  Slikkeriüg  gesagt  wird,  sowie  67iHrr  *  ^ 
'täne  und  Slikker-taske  'Schleckermaul'.  —  Schleckerbrod,   Zuckerbrod  passt  j 
gut  zu  den  Pfeffernüssen.    Dass  unter  Kolkommels  eingemachte  Kukumber,  wie "  - 
Hebel  die  Gurken  bezeichnet,  zu  verstehen  sind,  ist  schon  im  Korrbl.  XVII,  51  geJ^^-' 

157,  6  V.  u.  Das  Fuhrmannslied  auf  der  Weinstrasse  auch  in  des  Koi^ 
Wunderhom  IL  (Abdr.  in  Meyers  Volksb.  S.  77). 


^)  Auch  das  Mnd.  Wb.  erklärt  allerdings  mos  durch  'Kohl,  Gemüse'. 


141 
ni.  Oyerysselsebe  Boere-Vryage. 

180,  6  lies :  Ick  dacht  in  mijn  teloes  eygeriy  W(U  duestuw  (thust  du)  äl  nich 
um  dat  snare  tuygh? 

182,  1.  Woe  Johatif  toat  toaeset  vuer  en  jaer,  't  is  so  spechttch  op  eschaien, 
(laer  sol  nich  ein  hont  sat  an  vretten.  —  spechtig  erklärt  der  Hg.  durch  *8pite'; 
es  entspricht  jedoch  vielmehr  dem  holl.  spichiig,  'laug  und  schmal,  schmächtig, 
hager',  das  auf  den  *Spechi'  zurückgeführt  wird.  Da  aher  in  unserem  Texte  S. 
179,  Z.  4  V.  u.  das  dazu  gehurende  Substantiv  spucht  schwächlicher,  hagerer  Mensch  ^) 
erscheint,  so  ist  es  wahrscheinlich,  dass  spechiig  aus  spuchlig  entstellt  ist.  Das 
Wort  findet  sich  in  dieser  Bedeutung  in  vielen  niederd.  Mundarten  (s.  Stürenburg, 
Schambach,  Brem.  Wörterb.,  Woeste  u.  a.) 

187,  15.  Das  im  Wörterverz.  nicht  belegte  proeme  entspricht  ohne  Zweifel 
'  dem  wcstf.  prüme  f.  ahd.  pruma  vom  lat.  prunum;  s.  Woeste  S.  206.  Stürenburg, 
Ostfr.  Wörterb.  S.  184  führt  holl.  pruim,  westf.  prüme  an,  wovon  er  präümke 
Tortion  Tabak  zum  Kauen'  ableitet. 

IV.   Teweschen  Hochtydt. 

210,  21.  Hör:  Wol  mach  dat  pultern  maken,  ick  dencke  myn  grote  Junge 
Tewes  toihl  dat  de  Havick  vom  Hecke  ys.  Heck  wird  im  Wörterb.  durch  'Gitter' 
erklärt,  dies  passt  aber  nicht  in  den  Zusammenhang.  Danneil,  altm.  Wb.  S.  78 
erklärt  Heck  (von  hecken,  nisten,  Junge  ausbrüten)  als  die  künstliche  Nachahmung 
einer  Hecke,  um  Vögel  zum  Ausbrüten  von  Jungen  zu  veranlassen;  Woeste  ver- 
zeichnet hecke  f.  =  Heckkorb. 

211,  19.  tro  vaken  hey  gy  meck  wol  unr  kregen,  un  en  Hencken  vorm  Koppe 
beten.  Zu  lesen  ist:  un  as  en  Hencken  (Hühnchen)  v.  K.  b.  Der  Vergleich  vom 
Hahnen,  der  das  Huhn  in  den  Kamm  beisst,  begegnet  in  den  Bauemkomödien  öfter. 

212,  4.  des  Avens  umme  düe  Tydt  Jahrs  gähn  se  tho  Bedde,  wenn  de  Sünne 
iho  Gae  gait.  to  Gae  kann  nur  heissen  „zu  Gott**  und  so  wird  es  auch  in  einer 
Anm.  zu  den  Niederd.  Schauspielen  älterer  Zeit  her.  v.  Bolte  u.  Seelmann  S.  154 
(zu  Vit.  725,  803)  gefasst.  Da  jedoch  dieser  Ausdruck  für  das  Untergehen  der 
Sonne  nicht  weiter  belegt  ist,  so  liegt  wahrscheinlich  ein  Druckfehler  vor:  Gae  für 
Gfiae  (Gnade  vgl.  215,  7).  Vgl.:  e  die  sonne  zu  gnaden  get,  Grimms  Wörterb.  I, 
744,  Lexer  I,  850.     Gnae  bedeutet  also  hier :  Niederlassung  um  auszuruhen,  Ruhe. 

214,  20.  kwolln  hatt  hebben,  wencken  ock  scholl  roe  upfreten  hebben.  Vgl. 
oben  zu  Slennerh.  35,  12. 

215,  9.  ik  wil  dy  veel  Froude  upn  Stock  doen.  Bei  Stock  ist  wohl  an  das 
Kerbholz  gedacht.  Im  Brem.  Wörterb.  IV,  1045  findet  sich:  Enem  wat  «p'n  Stokke 
doon:  'einem  Verdruss  und  Kränkung  machen'. 

215,  23.  du  must  en  unr  möet  gan.  Zu  lesen  ist  inr  ivöet  gän  'entgegen 
gehen'.    Schambach  S.  137:  in  de  moite gan;  vgl.  auch  Schürenburg,  Brem.  Wb.  u.  a. 

216,  10  V.  u.  myn  olle  plumpe  in  de  grütte.  'Tapp  in  de  Grütte  ist  eine 
noch  jetzt  gebräuchliche  Bezeichnung  eines  plumpen,  tölpelhaften  Menschen. 

y.   Tewesken  Kindelbehr. 

269,  2  V.  u.  offt  he  gaff  meck  wat  umme  de  Lenden,  unde  namtliken 
wancken^)  gengsken  gung.  Im  Wörterb.  S.  280  wird  erkläi*t:  „gengsken,  n.  en  g. 
gähn,  zum  Schatz  gehen''.  Dies  genügt  jedoch  nicht.  Auf  das  richtige  führt  die 
Bern,  des  Brem.  Wörterb.  II,  482:  „Gängsken  das  Verkleinerungswort  von  Gang. 
Wir  brauchen  es  nur  für  Kampf,  Wettstreit,  es  sei  im  Scherz  oder  Ernst,  congressus 
pugnantium,  certamen.  Een  Gängsken  mit  eennnder  wagen:  sich  mit  einander 
messen,  in  arenam  descendere."  Danach  ist  hier  wohl  an  eine  Rauferei  mit  Neben- 
buhlern zu  denken. 


^)  von  Schambach  =  Specht  erklärt,  während  Stürenburg,  wohl  mit  Unrecht, 
Spöök  'Spukgeist'  heranzieht ;  andere  Erklärungsversuche  im  Brem.  Wörterb.  IV,  977. 

')  wancken  =  wan  ick  in,  wie  Jellinghaus  richtig  statt  des  überlieferten 
mancken  gebessert  hat. 


U2 

i7Ö,  8.  laap  hen  un  lege  de  Punsworst  upr  Roste  ,  .  .  Die  Krklärnng  de> 
Hg.  von  Punsworst  als  Funt-worst  ^gewichtige  Wurst'  ist,  abgesehen  von  der  ForL 
auch  schon  deshalb  nicht  wahrscheinlich,  weil  Bratwürste  nicht  besonders  schwer 
zu  sein  pflegen.  Ich  weiss  zur  Erklärung  nur  auf  das  im  Mnd.  Wb.  VI,  23S  rer- 
zeichnete  punse  =  vulva  zu  verweisen.  Vielleicht  hiess  die  Wurst  ihrer  Pora 
wegen  so;  vgl.  pipwost  bei  Schambach  S.  155.  Zu  dem  münster.  püngel^  Wurr. 
das  auch  mir  nicht  verwandt  scheint,  vgl.  pung,  gemästetes  Schwein  bei  Kehreii. 
Volkssprache  in  Nassau  I,  318. 

277,  22.  Hör  Wummel,  so  frage  usen  Vaer,  dattei  upr  Unut  houle,  1e 
Wbch.  wird  nach  der  Bedeutung  von  Unut  gefragt.  Ich  vermute,  dass  unji.'t' 
„unnütz**  darin  steckt,  und  der  Sinn  etwa  ist:  Höre,  frage  unsern  Vater,  ob  er  *.- 
nicht  auch  für  unnötig  hält,  den  gefrässigen  Nachbar  Bonses  einzuladen. 

278,  13.  HO  wUck  gähn  un  wetten  dat  Mest  un  de  Heise  Schluchten  —  Het-\ 
das  der  Hg.  nicht  zu  erklären  weiss,  ist  eine  andere  Bezeichnung  der  wüten  /km' 
orden  Gelte  277,  5.  Gelt-Stoyn  ist  nach  dem  Brem.  Wörterbuch  „ein  MuttPr 
Schwein**;  in  Westfalen  heisst  das  Zuchtschwein:  Fäsel-GeUe.  Heise  entsprir.* 
einem  ostpreuss.  heesch  in:  Königsberger  Zwischenspiele  a.  d.  J.  1644  niit?rt  ' 
Joh.  Bolte  in  der  Altpr.  Monatsscheift  XVII.  3.  Die  Schulzenprobc  V.  122.  Ih- 
was  so  ene  heesche  Suu  alletyd,  allemahl  had  se  op  ene  Reis  acht  oder  negen  Farri' 


Zu  Gerhard  von  Minden. 

59  f.  ist  bisher  nicht  genügend  erklärt  und  scheinen  mir  entstellt.  Ich  Al- 
mute, dass  sie  ursprünglich  gelautet  haben: 

went  he  mit  sinen  verden  lach 
unde  kost  darinne  nicht  ne  plach. 

*weil  er   mit  seinen  Gefährten   darin   kein   Gelage   und   keinen   Schmaus    abhie.t 
Ueber  plegen  mit  Accus,  st.  des  "häufigeren  Genetivs  s.  Mnd   Wb.  3,  342. 

86,  G  ff.     Scelmann   vermutet,   dass   vor  V.  8   zwei  Vers^  ausgfcfallen  sint! 
Da  der  Zusammenhang  nicht  dafür  spricht,  so  vermute  ich,  dass  ursprünglich  sibart 
im  Texte  stand.    Zum  Reime  vergl.  91,  8.     bewarte :  slrate.    V.  10  muss  nach  de ~ 
Zusammenhange  gelautet  haben:  dar  he  des  duges  inne  schulde  'worin  er  sichd.s 
Tag  über  verbarg.' 

87,  16  ff.  V.  21  hat  die  Ilds. :  id  schude  om  m.  j.,  was  J.  Grimm  darri 
'das  geschah  ihm  vor  langer  Zeit'  (s.  Seelmanns  Anm.)  erklären  wollte.  Ich  ver- 
mute :  wente  it  schude  one  mannich  fär  'denn  es  geschah  ihnen  (durch  den  Verka  ü 
der  Ochsen  u.  s.  w.)  grosse  Gefährdung,  grosser  Schaden.' 

87,  30,     Dass  malen,    pingere,    wie  im  Mnd.  Wb.  3,  13  vermutet  wird,  hi  ' 
bedeuten  soll :  'Hess  auffällig  erscheinen',  halte  ich  nicht  für  möglich.     Ich  verranr 
nieldede  ^verriet'.     Dat  geht  auf  den  ganzen  vorhergehenden  Satz.     *J)ic  Beschaf^ri 
heit  seines  Gesichtes  verriet,  dass  das  Haar  falsch  war.' 

87,  62  ist  dön  =  4eihen',  nicht  'geben',  wie  die  Wortlese  bemerkt. 

87,  97  ff.  lese  und  interpungiere  ich: 

Hirto  dat  me  geliken  mach  de  treden  arm  in  unde  (Aöt 

—  icht  we  dat  spreken  dorsten  —  unde  maken  ore  dink  also  grut, 

ammechtmany  vogede  ?u>ger  vorsten,  dat  nicht  ein  or  genot 

der  some  like  lecet,  like  döt.  sik  on  mach  noch  geliken, 

„Hiermit  kann  man  —  wenn  ich  das  sagen  darf  —  Amtleute  und  Vögte  hol.- 
Fürsten  vergleichen,  von  denen  manche  in  ähnlicher  Weise  leben  und  band»  f. 
Sie  treten  arm  und  bloss  (in  ihr  Amt)  ein  und  vergrössern  ihr  Vermögen  so.  d.- 
sich  keiner  ihrer  Genossen  ihnen  mehr  gleichstellen  kann.**  Dat  in  V.  97  ist  d  - 
bedeutungslos  eingeschobene,  worüber  Grimms  Gram.  IV,  444,  4  und  Mnd.  Wh.  ! 
488  zu  vergleichen  ist. 

89,  5  ff.  lese  und  interpungiere  ich: 
To  Denemerken  lit  ein  stein  de  hadde  to  etende  begunt 

in  der  se,  den  hun  ik  gesein.  enen  antvogel,  de  he  vink 

Paruppe  ein  wit  valke  stunt,  in  der  weide  dar  fie  gink. 


14^ 

89,  9  ff.  sind  zu  übersetzen :  Er  (der  Falke)  hatte  begonnen  eine  £nte  zu  verzebreü, 
die  er  fing,  als  er  auf  die  Jagd  ging,  dar  ist  also  zeitlich  zu  fassen.  Zu  weide 
vergl.  weiden  im  Mnd.  Wb.  5,  655  und  weideganc  'Gang  zur  Jagd\  Wolfr.  Parz. 
120,  11;  Neidh.  50,  15. 

91,  14.    Statt  do  hey  wofür  die  Hds.  on  se  hat,   schreibe  ich  mit  näherem 
Anschluss  an  die  Ueberlieferung :  om  dat  he  *weil  er'. 

V.  36  f.  ist  überliefert:  Se  al  gemene 

dat  loveden  se  in  truwen. 
Für  se  in  V.  37  hat  der  Herausgeber  Wiggerts  Conjektur  sik  aufgenommen.  Dabei 
ist  die  Voraufstellung  des  se  auffallig.  J)ie  hdsl.  Lesart  kann  aber  unverändert 
bleiben,  wenn  wir  se!  als  Imperativ  von  sin  ^sehen'  fassen,  das  hier  als  Aufmerk- 
samkeit erregende  Inteiject.  erscheint.  Vgl.  mhd.  sc  Lexer  II,  840.  Auch  jetzt 
wird  >ü  und  sich  in  niederd.  Mundarten  (s.  u.  a.  Schambacli  und  Danneil)  als 
luterjection  gebraucht, 

92,  24  lese  ich:  He  sprak:  *Ku  ga  ek  to  der  weden. 

dit  drinkent  icere  bat  vormeden, 
al  hedde  ek  dorst  mir  geleden, 
wente  ek  hirumme  sterven  rnöt. 

Er  sprach:  „Nun  werde  ich  gehenkt.  Dies  Trinken  wäre  besser  unterblieben, 
wenn  ich  auch  noch  grösseren  Durst  gelitten  hätte,  weil  ich  darum  sterben  muss.^ 
Statt  al  'obgleich,  wenn  auch'  hat  die  Hds.  also. 

Nach  V.  83  setze  ich  einen  Punkt  statt  des  Kommas  und  interpungiere  dann 
folgendermassen:      icht  ek  gä  nicht  kumme  weder ^ 

so  seit  sulven  an  juwen  vromerif 

dat  gi  hi  tiden  van  hinnen  komen. 

gä  fasse  ich  als  Adverb.  =  schnell.     „Wenn  .ich  nicht  bald  wiederkomme,  u.  s.  w. 


Zu  Botes  Boek  van  veleme  rade. 

I,  37  ist  zu  interpungieren :  Ijft  ik  scal  vele  don,  maih,  bringet  mede,  'Wenn 
ich  viel  thun  soll,  Freund,  so  bringt  mir  Geschenke'. 

II,  29  f.  vermute  ich :  Deme  pawes  unde  keysei'  ghebort  van  plicht  WaJsch 
unde  dudesch  ghericht.    van  plicht  =  mit  Recht,  ghericht  =  Regierung,  Lexer  II,  30. 

V.  49  ff.  interpungiere  ich: 

Jlebbe  gode  leff  unde  den  eoenmynschen  dyn      AI  na  sunte  Peters  werken 
(Dat  scholen  de  twe  cirkelbaghen  syn)  Wes  deme  wrevel  unde  stoU, 

unde  eyn  vrunt  der  hiUighen  kerken  De  synen  geystliken  staet  nicht  holt! 

eyn  vrunt  d.  h.  k   ist  =  „als  ein  Freund  der  heiligen  Kirche"    zu   fassen.     Dam- 
köhlers Aenderungen  (Jahrb.  XIX,  S.  110)  sind  nicht  geboten. 
V.  76  ist  nneleit  als  ane  leit  =  „daran  litt"  zu  fassen. 
V.  108  f.  lese  und  interpungiere  ich:    Wor  me  so  de  hiUighen  kerke  wigen 
schalf    Dar  vlucht  de  krezem  mit  deme  wigwater  uth. 

V.  111  ff.  interpungiere  ich:     Vorbede  den  platten  den  yseren  hoet, 

(Weilte  id  jo  nicht  wesen  moel) 
Setle  up  de  krönen  des  bischoppes  ghewaet. 

ghewaet  hat  hier  die  im  Mnd.  Wb.  fehlende   Bedeutung   „Rüstung"    und  steht  im 
Gegensatz  zum  yseren  hoet  V.  111;  kröne  ist  hier  die  Platte  des  geweihten  Priesters. 

in,  42  interpungiere  ich:  Nicht  mit  twen  iunghen,  mit  winckelen  oghen  scheve 
und  fasse  winket  nicht,  wie  der  Herausgeber,  der  mit  winckelen  durch  'mit  Ränken, 
Kniffen'  übersetzt,  als  Substantivum,  sondern  als  A^ject,  entsprechend  etwa  unserem 
'schielend'. 

V,  63.  Dat  me  dar  holt  todo  hard  unde  vast.  to,  das  zu  dar  gehört,  ist 
von  do  zu  trennen. 

V.  131.  Eere  unde  rechte  deme  vaüet  by  übersetze  ich:  „der  Ehre  und 
dem  Rechte  stehet  bei."  £s  ist  weder  an  der  Interpunktion,  noch  an  dem  Texte 
zu  ändern  (s.  Jahrb.  XIX,  110). 


144 

VI,  82.    8wep-reme  =  Peitschenriemen  fehlt  im  Mnd.  Wb. 
V.  36.    Du  plochradf  do  du  deme  so.    Die  Aenderung  des  Herausgebers  f<-i 
deme   in  denne   scheint   mir  nicht  geboten.     „Er  that  dem  so"-=  „£r  that  es' 
findet  sich  auch  im  älteren  Nhd. 

y.  64  f.    Ich  lese  daghen  und  verstehe  es  als  das  hchd.  Verb.  =  schweiees. 
paghen  als  mhd.  bägen  'rühmen'  (vgl.  mnd.  back  „das  Rühmen**);  saghen  =  sathoi 
V.  86  f.  vermute  ich: 

Eyn  vraem  toiff,  de  ere  unde  doghet  to  het, 
„Ein  frommes  Weib,   das  Ehre  und  Tugend   dazu   hat",    to  'dazu',    z.  B.  R.  V... 
6243.    Beinke  ot  wol  unde  drank  ök  to. 

VIII,  21.    Dyi  spoelrad  is  von  eyner  breder  krumme.    St  breder  ist  vielleicl- 
breden  *brettem'  zu  lesen. 

V.  5  flf.  interpungierc  ich: 

I)at  luckerai  sleit  mank  dessen  vtff  raden  ovel, 

Dat  hefft  noch  speke  noch  naoe  noch  dovel, 

Dat  is  neen  holt,  ok  neen  metal. 

Van  eghener  upsate  unde  toval 

Dat  de  duvel  maket  unde  hevet  an 

In  der  erde  eynen  kreiß  und  eynen  plan,  u.  s.  w. 

upsate  'böser  Anschlag'  und  toval  'Einfall'  sind  hier  fast  Synonima.  Dtit  ist  di^ 
bedeutungslos  eingeschobene;  vgl.  Mnd.  Wb.  I,  488. 

X,  60.    De  donre  sleit  nenen  swinekaven.    Auch  diese  Rda.  ist  sprichwörti:  1 
und  findet  sich  u.  a.  in  Hoffm.  v.  Fallersleben  Findlingen  1,  S.  210. 

Nach  V.  82  ist  ein  Punkt  statt  des  Kommas  zu  setzen.    Die  folgenden  Ye:^ 
sind  als  Parenthese  zu  fassen  und  folgendermassen  zu  interpungieren : 

Woiool  dat  dryerleye  doren  synt: 
De  druneken  man,  eyn  dore  unde  dat  kynt: 
Dysse  seggen  de  toarheit  gerne, 
Wente  dat  is  erer  wißheit  verne, 
Dat  maket  dat  se  des  niciü  better  vorstaen, 
Darumme  schalen  se  in  nener  heren  rode  ghaen. 

Die  Verse  sind  eine  Umschreibung  der  Sprichwörter:  „Kinder  und  Narren  säsco 
die  Wahrheit"  und  „In  vino  veritas!"  In  V.  86  hat  Brandes  hinter  dat  das  Sufti^r. 
swigent  eingefügt.  Da  verne  aber  im  Mnd.  den  Genetiv  regiert,  so  ist  er^  ii^ 
persönliches,  nicht  als  besitzanzeigendes  Fürwort  zu  fassen,  tcißheü  ist  hier  = 
'Weltkhigheit',  die  es  verbietet,  unter  allen  Umständen  die  Wahrheit  zu  sagca- 

XI,  74  lese  ich:  De  mynsche  guet  dat  vorsmad.    He  sy  wardlik^  de  sy  p<y»iUl. 
He  sy  suverlik,  he  sy  eyslick,    Arm  effte  rick,  hoch  effte  syd, 

NORTHEIM.      '  R.  Sprenger. 


Zu  der  Warnung  vor  denn 

Würfelspiel. 


Als  ich  im  Jahrhuche  19,  90  dem  Bruchstücke  eines  währeml 
der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  in  Köln  entstandenen  Gedichte- 
eine  Aufzählung  von  andern  Dichtungen  beigesellte,  die  das  gleicht 
Thema  von  der  Verderblichkeit  des  Würfelspieles  abhandeln,  habe  icl 
das  in  verschiedener  Hinsicht  interessante  Reimwerk  Josefs  von  den 
sieben   Todsünden   zu   erwähnen    vergessen.     Nach   dem    leider     nui 


145 

kurzen  Auszuge,  den  Babucke  davon  im  Nordener  Gymnasialprogramme 
von  1874  veröffentliclit  hat,  wird  in  dem  etwa  250  Verse  umfassenden 
Abschnitte  über  das  Würfelspiel  (Babucke  S.  20)  dieses  als  eine  Er- 
findung des  Teufels  bezeichnet.     Weiter  heisst  es: 

Wan  de  dobeler  hasert  anropt, 
So  esket  he  den  bösen  man  Astrod, 
De  schal  eme  helpen  de  missen  singhen 
Unn  de  worpel  umme  brynghen, 
Dat  he  wynne  an  synem  namen. 

Von  den  sechs  Feldern  des  Würfels  giebt  der  Dichter  eine  geistliche 
Ausdeutung,  wie  wir  sie  schon  in  den  Bamberger  Versen  von  1489 
'Wie  der  würflFel  auff  ist  kumen'  und  bei  Suchenwirt  fanden  (Jahrbuch 
19,  91  f.);  die  Zahlen  1 — 6  erinnern  an  lauter  Dinge,  die  der  bethörte 
Würfelspieler  missachtet  und  verhöhnt. 

Ueber  die  hier  auftretende  Begrüssung  des  Würfels  als  eines 
dämonischen  Wesens  ist  Grimm,  Mythologie*  S.  841  und  3,  269  zu 
vergleichen.  Ob  Josef  die  Erfindung  des  Spieles  durch  den  Teufel 
ausführlicher  geschildert  hat,  geht  aus  Babuckes  Angaben  nicht  her- 
vor; jedenfalls  ist  die  Vorstellung  sehr  verbreitet,  so  dass  z.  B.  1610 
ein  Maler  zu  Winterthur  den  sieben  Todsünden,  die  ja  oft  als  des 
Teufels  Töchter  benannt  werden,  auf  der  achten  Ofenkachel  das  Spielen 
als  achte  Schwester  hinzufügte*)  und  dass  noch  jetzt  im  spanischen 
Volke*)  die  Karten  als  ein  Teufelsfabrikat  gelten.  Das  älteste  Zeugnis 
möchte  der  früher  Cyprian  zuge^clinehene  Traktsii  adu(^sus  aleator es  ^) 
liefern,  in  dem  als  Erfinder  des  Würfels  quidam  studio  litterarum  bene 
eruditus  genannt  wird  (offenbar  der  in  der  antiken  Tradition  verherr- 
lichte Palamedes),  der  instigatu  solito  salmli  [=  diaboli]  oder  stu/ge- 
rente  sibi  inimico  darauf  verfiel.  Aehnlich  klingt  eine  Aeusserung 
Hincmars  von  Rheims*)  aus  dem  Jahre  860  über  das  Würfelspiel: 
*'quod  omnino  diabolicum  est^  et^  sicut  legimus^  primum  diabolus  hoc  per 
Mercurium  prodidit,  unde  et  Mercurius  inventor  illius  dicitur,^ 

Eingehender  berichtet  uns  über  die  teuflische  Beeinflussung  eine 
Legende  von  einem  aussätzigen  und  boshaften  Senator  zu  Rom,  die 
mir  in  zwei  deutschen  Bearbeitungen  des  15.  Jahrhunderts,  einer  ge- 
reimten und  einer  prosaischen,  bekannt  ist  und  vermutlich  auch  in 
lateinischer  Fassung  existierte.  Die  gereimte  Gestalt  bietet  uns  das 
schon  erwähnte  Bamberger  Gedicht  von  1489  'Wie  der  würffei  auff 
ist  kumen',  das  1520  von  Bernhard  Klingler  überarbeitet  wurde;  die 
prosaische  steht  in  einem  hsl.  Arzneibuche  aus  dem  Ende  des  15. 
Jahrhunderts  auf  der   gräflichen  Stolbergischen  Bibliothek  zu  Werni- 

>)  LUbke,  Ueber  alte  Oefeu  in  der  Schweiz.  Mitteil,  der  antiquarischen 
Gesellschaft  in  Zürich  15,  178  (1865). 

')  F.  Wolf,  Beiträge  zur  spanischen  Volkspoesie.  Sitzgsber.  der  Wiener 
Akademie  31,  185  (1859)  nach  F.  Caballero,  Clemencia,  1,  275. 

'j  Anonymus  adversus  aleatores,  hsg.  von  Miodonski  1889  S.  88  Cap.  7,  2; 
vgl.  S.  41.  -  Isidor,  Etymol.  19,  60  nennt  den  griechischen  Krieger  und  Erfinder  Alea. 

*)  De  divortio  Lotharii  regis  et  Tetbergae  reginae  (Migne,  Patrologia  lat. 
125,  719.\).     Vgl.  Grimm,  Mythologie"  136.  958.     S,  58. 

NiederdeutBcbts  Jahrbuch  XXI.  \Q 


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gerode  auf  Bl.  40 — 41.^)  Leider  ist  der  untere  Teil  des  letzten  Blattes 
ausgerissen  und  dadurch  eine  zwiefache  Lücke  entstanden.  Ich  gebt- 
den  Text  nach  einer  Kopie,  die  ich  zu  Weimar  in  Reinhold  Köhlers 
Nachlasse  fand: 

Es  waß  vorzitten  in  der  ftatt  zu  Rome  ein  fenitor,  der  goty 
forcht  nit  enhat  vnd  waf  zemal  ein  boß  menfch,  als  hernach  ge- 
fchriben  ftat.  Die  felb  fenitor  het  von  got  ein  plag,  das  er  von 
natur  waß  vlTetzig  ynd  ib  heflich,  das  man  lins  glichen  nit  vindec 
kunt;  vnd  dar  vmb  was  er  vngedultig  vnd  boß  worden,  das  er  got 
vaft  fer  haft  vnd  mit  freffel  lept  wider  fin  gebot;  vnd  dar  vmh 
fchucht  in  al  gefelfchaflft  von  finer  vnreinigkait  wegen.  Was  er  ze 
fchmachet  geton  mocht  der  eren  gottes  vnd  finen  liben  heilgeo. 
das  dett  er  geren. 

Es  macht  fich  zu  einer  zit,  das  der  fenitor  zufelde  uf  Rom 
fpacirn  ritten  folt,  als  er  dick  pflag;  von  finer  gefelfchafft  begert 
in  nimans.  Ynd  da  er  uff  das  velt  quam  geritten,  da  fach  er  den 
tuffel  in  eins  mans  geftalt  zu  im  kumen,  vnd  fprach:  'Her,  ich  bii 
iwer  frunt,  vnd  darzu  hon  ich  uch  fer  lib,  vnd  herfchreckent  nri 
wan  ich  uch  fag,  wer  ich  bin.  Ich  bin  der  tuffel  von  der  helfe 
vnd  ich  uch  ein  dinck  lernen  wil,  vnd  ist  das  fach,  das  ir  das  dunt 
ir  follent  da  mit  got  ton  fchmacheit  in  der  ewikait,  vnd  ich  weii 
wol,  alß  lang  die  weit  ftett,  fo  fol  man  fin  blut,  finen  fchweiß,  Cn 
pin,  fin  pafion,  finen  bittem  dot,  fin  mutter  [1.  martter]  vnd  ai  fin 
glider  vermaledien  vnd  verfchweren  vnd  leftern  vnd  al  fin  b&ilgeii 
in  himelrich  vnd  ertrich  hermant  vnd  verschmachet.'  —  Der  fenitor 
fprach:  'Nu  1er  mich,  über  bruder!     Ich  wil  das  gern  tun.' 

Der  tuffel  fprach:  'Gern.  Nu  verftand  wol  min  red  vnd  min 
1er;  wan  da  von  mang  man  verderben  vnd  verlorn  wirt  vnd  fie 
irem  fchepffer  entpfrimet  werden;  das  weiß  ich  wol,  daz  das  boC 
fpil  gefach  nie  man  ader  frawe.  Item  ir  follent  machen  ein  vir- 
eckecht  figur,  die  fol  haben  fechs  fitten,  das  fol  haiffen  ein  wirffei 
oder  ein  doppelftein.  An  die  erfte  fitten  follent  ir  fetzen  ein  puntliu, 
das  fol  haiffen  ein  efß,  das  dutt  fchmacheit  vnd  vner  dem  einge- 
bomden  fdn  gottes.  An  die  andena  fitten  follent  ir  fetzen  zwav 
äugen,  das  follt  ir  heiffen  ein  tuß  got  zu  laster  vnd  finer  ,  liben 
mutter,  darmit  man  fie  vnwirdiglichen  vnd  fer  lefterlichen  verfpugen 
vnd  verfchweren  fol.  An  die  drit  fitten  follent  ir  fetzen  drij  äugen, 
das  fol  heiffen  ein  drij  zu  laster  den  drij  perfon  in  einem  weffen, 
got  dem  vatter,  gott  dem  fün,  got  dem  heiigen  geift.  An  die  vinle 
fitten  follent  ir  fetzen  vir  äugen,  das  fol  heiffen  ein  quatter  zu  vner 
vnd  fchmacheit  den  vir  ewangeliften  gottes.  An  die  funfft  fitten 
follent  ir  fetzen  fünft'  äugen,  das  fol  heiffen  ein  einck  zu  laft-er  vnd 
fchmacheit  den  heiigen  fünft'  wenden  vnffers  hern,  die  er  emptinjj 
durch  aller  funder  willen.  An  die  fechft  fitten  follent  ir  fetzen 
fefß  äugen,  das  fol  heiffen  ein  ftß  den  feß  tagen  ze  fchmacheit  vnd 

^)  Zbm.  4°.    —  Vgl.    E.   Jacobs,   Die   ehemalige    Büchersammlung    Ludwigs 
Grafen  zu  Stolberg  in  Königsteiu  (Wernigerode  1868)  S.  24< 


147 

ZU  lafter,  da  er  in  macli[tj  himel  vncl  ertrich  vnd  alles,  das  da  lept. 
Vnd.daruflf  fol  mang  doppelfpil  volbracht  werden,  vnd  da  fol  gewin 
vnd  verluft  vflf  ftan,  alfo  das  mang  man  fol  verderben  vnd  ver- 
Ipillen,  waß  er  hat  vnd  geleiften  mag  .  .  . 

[Lücke  von  etwa  ewölf  Zeilen] 
^  .  .  vnd  blib  nach  fim  verdinft  geradbracht,  gebrant,  gehangen, 
die  zung  binden  zum  half  uß  gezogen  werden,  iclicher  darnach  er 
wirbt.  Har  [1.  Dar]  vmb  fo  follen  rieh  heren  verkauflFen  ir  laut 
vnd  ir  Ifitt,  fchloß,  büß  vnd  hoff  vnd  andern  lätten  das  ir  ent- 
weltigen  wider  got,  er  vnd  recht.  Mang  man  fol  dar  vmb  nacket 
lauffen,  der  lieh  wol  mit  dem  finen  het  begangen;  mang  gut  fnint 
vnd  gefeilen  vmb  ein  heier  oder  vmb  eins  wortz  wegen  von 
dem  leben  zu  dem  dot  bringen;  vnd  alles  boß,  das  da  von  kumpt  vnd 
kumen  mag,  das  mag  keiner  in  einem  iar  gefchriben  oder  betrachtten.' 
Da  das  der  boß  fenitor  gebort  het,  da  bracht  er  die  figur 
in  mang  laut,  da  groß  schad  vnd  schand  von  kumen  mag;  wan  er 
macht  die  doppelftein,  als  in  der  tuflfel  geleret  hatt,  wan  er  des 
tuffeis  frij  eigen  waß.  Dar  vmb  edel  vnd  vnedel,  jung  vnd  altten 
gutten  cristen  l&tten  fluchen  vnd  fch[mehenVJ  .... 

Aus  dem  16.  Jahrhundert  habe  ich  noch  ein  Spruchgedicht  über 
das  Spiel  und  die  Spieler  nachzutragen,  das  der  Mönch  Johannes 
Hauser  (f  1548)  in  eine  jetzt  der  Wiener  Hofbibliothek  gehörige 
Miscellanbandschrift  (4119,  Bl.  7b — Ha)  eingeschrieben  hat:  'Swem 
sin  gemüet  an  spill  erhitzt'  .  .  .  Dagegen  sind  die  oben  19,  92* 
angeführten  Sprüche  des  Heidelberger  Cod.  germ.  312  aus  der  Reihe 
der  Belege  zu  streichen,  da  sie,  wie  ich  aus  einer  von  Herrn  Cand. 
phih  A.  Wick  besorgten  Abschrift  erselie,  von  der  Hoffart  und  nicht 
vom  Hasard  handeln.  Andres  hier  Uel)ersehene  werden  andre  nach- 
zuweistni  wissen.*) 

BERLIN.  J.  Bolte. 


Satire  auf  die  katholische  Messe 

V.  J. 


Die  Kirchenbibliothek  zu  Calbe  a.  d.  Milde  (Kreis  Salzwedel) 
besitzt  einen  Sammelband  (419.  8)  folgenden  Inhalts: 

1.  Uiiderriclitung  ym  liechteu  Chriftliken  Geloven   unde  Leveode,  an  de 
('hriften  tho  ilildefeni.    Horch  Autorem  Sanderum.    1528.    (15  Blätter). 

2.  Dialof^us.     (A  Blätter). 

*)  Auch  Muskatblut  (Nr.  84,  66  ed.  E.  v.  Groote)  warnt  vor  Würfel-,  Kegel- 
uüd  Kartenspiel.  Den  Spruch  des  Schiniehers  werde  ich  gelegentlich  anderwärts 
initteilen.  Teber  das  Würfelspiel  in  der  altindischen  Litteratur  vgl.  P.  Cassel, 
Misclili-.  Sindhad  lb88,  S.  164  f. 

10* 


14S 

3.  Eine  körte  underwyfunge  etc.  doc.  Johan.  Dreiger.    1528.     (f.  1.) 

4.  Johannis  Bugeuhagii  Pomerani  in  Epiftolam  Pauli  ad  Romanos  inter- 
pretatio,  a  Doctore  Ambroßo  Maibano,  ut  licuit,  excepta.  Ha^^anoae, 
per  Job.  Secer.    1527.    Menfe  Januario.    (182  Blätter). 

5.  Der  Erbarn  Stadt  Brunfwig  Cbriftlike  ordeninge,  tbo  denfte  dem  liilgcn 
Evangelio,  Cbriftliker  leve,  tucbt,  frede  unde  eynicbeit  Ock  dar  ander 
vele  Cbriftlike  lere  vor  de  borgere.  Dorcb  Jobannem  Bugenhagec 
Pomem  befcreven.  1528.  (gedruckt  to  Wittemberch  dorch  Joseph  Kluck ) 

Der  an  zweiter  Stelle  befindliche  Dialogus,  welchen  nach  Schellers 
Bücherkunde  S.  180  Nr.  728  auch  die  Herzogliche  Bibliothek  in 
Wolfenbüttel  besitzt,  wird  nachstehend  abgedruckt. 


DIALOGVS. 

Nyge  tidinge  vor  nye  gehört. 
Eyn  Klegelike  podefchopp  Dem  Pawefte  vorgekamen,  andrepende,  dea 
houetfteen  ym  fundament  des  gantzen  Paweftumbs,  nömlick  fyne  MylTe. 
vnde  wat  fyne  Hillicheyt  dar  tho  geantw6rdet  hefift,  mit  fampt  fynen 

geiftliken  bundtgenoten. 

Allen  Papiften  tho  einem  nyen  iar 

MDXXIX. 

Der  hylligen  Euangelifcken  Myffe,  na  Chrifti  ordcnung  yngefetet. 
der  fy  ir  Ehr  unde  krafft  alle  tidt  in  hochem  pryfe  tho  vor  on  he- 
holden,  dorch  eren  enigen  unde  ewigen  brefter,  na  der  ordening  ifel- 
chifedech,  Unde  nicht  na  dem  gruwel  der  Bebft  zufadt,  welke  Godt 
vernichtiget  dorch  fyn  wort  yn  ewicheyt.     Efaie.  40. 

Volgen  dy  Clegers  der  Bebtifcken  Myffe,  unde  ehrer  kranckheit 

uodehelper. 

Babft  Cardinal 

D.  Alveld  D.  Menfing 

Der  Malefacius  Mit  Tollen  Anna 
Pater  Rofychen  Clauwes  buer 

Rotkopp  Tolle  peter. 

Stultorum  numerus  infinita  progenies  Der  Doren  tal  is  an  ende. 

Der  Cardinal  fprecket  thom  Pavefte. 
Alder   hylgefte    Vader,    ick   hebbe    eyn    Epiftel    uth  Dädeffchen 
landen  entfanghen,  avers  gi'ufamliker  und  erfchreckliker  dinck  ys  vor 
myne  vornufFt  newerle    gekamen,    hyr   vor   moth    ock    de    vorftoringe 
Hyerufalem  wyken. 

Paweft. 

Was  ys  dat?  dreffet  ydt  dat  gantze  erdtrykc  an,  befunderge 
lüde,  edder  geyt  ydt  aver  eynen  gemeynen  ftandt. 

Cardinal. 

Ydt  bedreppet  de  heften,  ftarkeften,  und  dreppet  an  den  hovetfl^n 
ym  fundament,  up  welkeren  alle  Papheyt  gebuwet  ys. 


149 

Paweft. 
Nu  gewalde  des  Godt,  ydt  ys  de  Myffe,  dat  armboft  helft  lauge 
gefpannen  ftan,  fo  balde  ydt  loß  geyt,  fyndt  wy  alle  gefchaten. 

Cardinal. 
Ja  Here  gy  hebben  ydt  entraden.     Ick  byn  vorfchrocken  fo  dat 

iiiy  de  tSnen  klappern. 

Paweft. 
Wo  fteyt  ydt  avers  umme  de  Myffe,   ys   nicht   noch  hopen  wat 
gudes  rades  tho  vinden?     Dar  ys   nicht   bofers   by   alfe  afflaten  radt 
tho  foken,   Wente  wo  men  uns  deffen  fchemel  entruckede,  fo  lege  wi 

alle  up  der  erden. 

Cardinal. 
Ick  byn  gantz  erftümet  und   erfchrocken,   Radet  gy,   wente   ick 

hebbe  wedder  vornuflFt  noch  atem. 

Paweft. 
Wat  ys  de  unfall,  edder   in  wat  geftalt   lydeth   de  Myffe   noth, 

ys  fe  fere  kranck. 

Cardinal. 

Se  ys  angeklaget,  beruchtiget,    uthgeropen   und   affgefchryet,  fe 

fy   eyn   klaue,   edder   kutze   bedregende   geltfack,    eyn   gruwel,    eyne 

gadeslefteringe,   unde   de  grotefte  atfgoderye  fo  yewerle   erwaffen  ys, 

dewyle  dat  de  erde  geften   hefft,   unde   is   tho    beforgen,   men  werde 

er  den  eedt  van  knechten  geven. 

Paweft. 
Is  ydt  avers  gewyß  war,  edder  alleine  eyne  erfchrecklyke  botfchap. 

Cardinal. 
Idt  ys  fo  gewiffe,  alfe  de  doet  allem  erdiffchen  levende. 

Paweft. 
Dat  ys  erfchreckliker  tho  hören,  alfe  de  erdtbevynge  des  nachtes, 
unde  grufamliker  tho  feen,  alfe  de  düfterniffe  tho  mydage. 

Cardinal. 
Ja  Here,   neue  zyfern  mochten  den  fchaden  vorbylden   und  uth- 
fpreken,  funder  by  yw  ys  de  macht  fodanes  tho  fchatten. 

Paweft. 
Und  wol  fynt  avers  unfer  Miffe  wedderfaker.  Joden,  Türken,  edder 
Heyden,  yn  welkeren  Gck  föne  wrewel  eroget  unde  apenbart. 

Cardinal. 
Idt  ys  dat  nachtmall  Chrifti   de  hovet  faker,  unde  fyne  byften- 
dere  fynt  de,   welkere   den  Chriftengeloven   entfangen  hebben,   Hoch- 
gelerde, unde  ungelerde  papen  unde  Leyen,  und  der  vele  ane  tall. 

Paweft. 
Dat  ys  erbarmlick  und  fchedeliker,  alfe  de  vordervinge  Sodama 
unde  Gomorra  .vam  helliffchen  vflre,  ytzundes  lecket  unfe  Schypp   an 

allen  orden. 

Cardinal. 
Ja  Here,  yck  vruchte  ydt  helpet  neen  vorftoppen.  Dar  tho  hebbe 

wy  ydt  yegen  den  wynt,  unde  alle  unfe  roder  fynt  tobraken. 

Paweft. 
Unde  wol  ys  an[d]ers  vor  eyn  richter  angeropen  edder  gefettet. 


150 

Cardinal. 
Dat   fynt   veffteyn   Epifteln    der    twelbaden,    de    gefcheffte    ih 
Apofteln,   unde  elfte   de  Myffe    nicht   bokennich  unde  anredich  \xoUl 
fyn  erer  anfprake  nicht  thoftendich  fo  wyllen  fe  alle   gude   Prophet^ 
tho  tilgen  ftellen,  unde  vortroften   fick   ftarck    up   de  Epiftel  tho  d<^ 
Hebreern,  ock  fchal  dat  olde  Teftamente  hovetmau  fyn. 

Paweft. 
Dat  vrowet  my  euen.  wo  den  fteltener  de  vordantz,    Dar  wor»! 
wy  alfo  vele  an  gewynnen,  alfe  eyner  de  eyn  meffer  ym  vüre   wett^dt. 
De  richtere  fynt  partyfch,   und   van  anbegynne    wedder   uns    geweft^: 
fo  werden  unfer  Myffe  gelick  fo  gefiint  fyn,  alfe  dem  Koninge  Phan 
dat  rode  mSr,  Mochte  wy  ydt  avers  vor  den  uthfproeck  der  geyftlikfL 
rechte  bringen,  fo  were  der  fake  geraden  unde  fchon  gehulpen. 

Cardinal. 

Dat  ys  fchon  vorfeen,  unde  eine  vorlorne  rede.  Wente  by  dtn 
Volke  ys  nichtes  unwerders,  archgewanigers  unde  beruchtigei-s.  all* 
de  geyftlyken  rechte.  Ja  fe  holdent  fnodcr  alfe  dat  breth  achter  ivx 
gemeynen  fprackhufze,  dar  de  buren  de  unfuvern  tolle  aver  aiFwerpei. 

Paweft. 

Ick  weeth  noch  eine  tröftlike  tovlucht  wy  willen  tappere,  rt^d«- 
like,  hantvefte,  unde  trotzyge  lüde  anropen,  de  ydt  den  klegem  At- 
fchrecken  myt  drouworden  unde  flegen,  unde  defiilven  averreden.  H^ 
klegere  fyn  de  ergefte  Kettere,  fo  de  werlt  yewerle  gedragen  helib*. 
Se  willen  Chriftum  van  allen  eren  ftöten,  vorlochenen  Gades  All- 
mechticheyt,  fchenden  de  werdyge  Moder  Gades,  alle  hilgen  und  Engei. 
Leren  men  fchall  nichtes  gudes  dön,  alle  avericheyt  uthdelgen,  undf 
nemande  dat  fyne  geven,  men  mSth  fe  avers  vorhen  wol  myt  geld'^ 
falven,  denne  werden  fe  fo  lynde,  dat  men  eyn  hoetfyfern  yn  en  weeck 

maken  mochte. 

Cardinal. 

Scholde  dat  mögen  helpen,    fo    were    nichtes  vorfiimet,    ock  neu 

koft  gefpart,  wy  hebben  ydt  vorfucht,  und  vorware  nicht  ane  merck- 

like  koft  beftelt,  Hans  ftryck  den  hart,  Kuntze  fee  füre,  Clawes  vioke 

avel,  Hemmy  geltrap,  deffe  hebben  ock  ere  hefte  gedan,   avers    nicht 

mer  uthgerichtet,  alfe  hedden  fe  dewile  thom  regenbogen  geworpen. 

Paweft. 

Unde  wo  kumpt  dat,  dat  hedde  ick  nicht  genieynetV 

Cardinal. 

Ja  fe  fynt  nicht  alle  de  Myffe  tho  befchärmen  gefchicket,  «1« 
füre  feen,  Wente  dat  weddepart  kan  ydt  ock,  unde  geyt  hyr  na  drui 
gemeinen  fprocke,  De  eyne  puchet  und  de  ander  gyfft  nichts  darumme. 
Dat  ys  avers  dat  alder  bofefte,  dat  de  arme  troftlofe  Myffe,  alfe  IV 
gefeen  hefft,  dat  vann  er  gcweken  fynt,  ere  buntgcnoten,  alfe  de  be- 
greffniffe,  de  drudden,  föveden,  druttigeften,  de  yartydt,  fampt  dein 
offer  betheren  dar  tho  gedragen,  hefft  fe  den  handel  fo  fwar  th*> 
harten  genamen,  dat  fe  d6dtlick  kranck  licht,  imde  eres  levendes  v^ 
weynich  höpen,  avers  groffiick  tho  beforgen,  effte  fe  fchon  nicht  vor 
gerichte  käme,  fterve  fe  doch  fuß  des  dodes. 


151 

Paweft. 

Lever  nieuftu  nicht,  effte  er  mit  einer  reyfe  in  dat  warme  badt 
tho  helpen  were,  potz  krynt,  ydt  mochte  koften  wat  ydt  wolde,  wy 
woldent  wagen. 

Cardinal. 

Ja  ick  meyne  ydt  hefft  gekoftet,  ydt  ys  vorgeves,  wy  hebben 
ydt  fcbon  vorföcht,  avers  fe  voer  fchinnich  darben,  unde  quam  fchor- 
vich  wedder  van  dar,  fe  ys  fere  unfchützlick  uthgeflagen,  avers  nicht 
geheylet,  ydt  fynt  van  der  tidt  her  erften  grote  hftler  yn  fe  gevallen, 
unde  hefft  Etikam  der  vorfwyndende  facht  gekregen,    Sich   even   ge- 

betert,  alfe  de  peltz  vam  wafchen. 

Paweft. 
Ick  wil  fe  dem  wyetberomeden  Arften,  Doctor  Alveldt  und  dem 

Appoteker  Doctor  Menfing  bevelen. 

Cardinal. 
Hebbe  wy  fo  vele  vorbadet,    fo   latet   uns    ock   recht  deffe  koft 
daran   wagen,   unde  geluck  walden,    gevet   en   men   ein   hupen  fmSrs 
in  de  buffen,  fe  moten  vele  vorfalven. 

Alfe  nu  de  twe  upgenömte  Doctorn  der  MilTe  tho  helpen  beftelt,  wereu 
fe  vlitich,  und  handelden  wo  gy  ytzunt  werden  vormercken. 

Doctor  Alveldhefach  derMylTe  dat  water,  taftede  de  pulfsadere  und  fprack, 

De  Myffe  ys  fwack,  fe  ys  wor  manck  den  witgervem   gewefenn, 

de  hebben  er  de  rybben  thoftot,   und  er  ys  eyn  gröth  fwele  an  dem 

Canon  gewaffen. 

Apoteker  Menfing. 

Idt  ys  ein  olt  fchade,  fe  hefft  dat  gebrecken  yn  de  werlt  gebracht, 
unde  ys  vam  anbogynne  erer  gebort  newerle  gefunt  ynwendich  ge- 
wefen,  w^o  fchon  fe  ock  uthwendich  gefchSnen  hefft,  Vele  berompte 
Arften  fynt  daran  tho  fchanden  worden,  darumme  ys  uns  noth  gudes 
rades,  unde  vlyth  antokeren,  mochte  wy  er  allene  eyne  upholdinge 
geven,  fo  were  unfe  f5ge  vett,  unde  worde  uns  den  arbeyt  belonen, 
Dar  umme  herr  Doctor,  fo  yeleht  fnelle  mit  yuwer  kunft,  ick  hebbe  hyr 
allerleye  confect,  Römiffche  ftuck,  wortele  unde  krfider,  welkere  gy 
weten  mitbracht  werltwyfer  kluckheit  tho  tempereren,  nach  Arifto- 
telifcher  wyfe,  unde  Sophiftifcher  art,  dorch  alle  macht  dar  tho,  ick 
wil  my  ock  nicht  fparen,  my  ys  fm§r  van  Borne  gefchicket,  darmede 
wil  ick  falven,  ydt  modt  ghan,  imd  weret  ock  fo  rüeth  alfe  ein  Egel. 

Doctor  Alveld  ein  artz. 
So  wol  herr,  wy  willen  vann  der  fake  reden,  Erftlick  wil  wy 
anfeen,  de  Myffe  fy  in  einem  bofen  teyken,  nömlick  ym  Scorpion  ent- 
fangen, ym  krevete  unde  fwermede  Mane  gebaren,  ydt  regeret  fe  ock 
de  wauckelmödige  unde  bofe  blanete  Mars,  unde  vorware  fe  hefft  aver 
achteyn  vaders  gehat,  de  an  er  gemaket  hebben,  dat  töget  an  eres 
waters  geftalt  unde  wefent,  Hyrumme  wyl  uns  noth  fyn  und  geboren 
groter  forchvoldicheyt,  wente  fe  ys  vann  mennigerleye  naturen,  fpecien 
unde  qualiteten,  thofamen  geflicket,  itzundt  warm  denne  kolt,  vucht 
unde  droge,  unde  wor  mede  men  dem  einem  helpet  vordervet  men  dat 
ander  wedderumme. 


152 

Apoteker  menfing. 
Ja  Herr  Doctor   gy   reden   recht,   unde   van   der   wortel    de  (Ter 
faken,  vele  hebben  ere  kiinft  unnutlick   daran   vorfleten,    ick    beforg- 
wy  gewynnen  ock  fo  vele  err   an  deffer  arbeyt,   alfe  der  honnich    tu 
fprackhufe  föchte,  des  Ion  fynt  befcheten  hende. 

Alveld. 
Nu  fynt  wy  mit  der  Myffe  ym  bade,  Godt  geve  fe  fwete  edder 
nicht,  danunme  ervordert  de  nöth  eyn  guden  radt,  wente  deffer 
Myffen  döth  ys  unfe  peftilentie.  Ja  eyn  vorterende  vfir,  welkere  uth- 
droget  den  luftigen  bome,  uth  welkerem  dar  herüuth  unfe  gefmack- 
fam,  vete,  vorfekerde  und  averflodige  leven. 

Malefacius. 
Herr  Godt  fy   gelavet,   de  Myffe  hevet  an  tho  fweten    yck    hojie 
ydt  wil  beter  umme  fe  werden. 

Toll  anDa. 
Ja  ya  fe  betert  lick,   alfe  ein  twintichyarich  Roß,  alfe  de  vyfcL 
yn  der  Sonnen,  unde  alfe  dat  körne  im  hagel,   ydt   ys  de    dödtfwet.i 

fo  gewiffe  alfe  Godt  levet. 

Alveld. 
My  ys  ein  gudt  radt  vorgekamen,  ydt  vormach  de  natur.,  dat 
de  Louwen  ere  iungen  dödt  geberen,  unde  dar  na  mit  ftarckem  gefchm> 
levendich  und  krefftich  maken,  Nu  ys  de  Myffe  ein  gefcheppe  vaD 
dem  Römifchen  ftole  gebaren,  darumme  wille  wy  uns  mit  ftarket 
gefchreye  der  Rßmiffchen  kerken  dar  aver  fetten,  mit  groten  worden 
unde  krefftiger  ftymme  der  veders  lerers,  unde  Concilien,  unde  fe  oct 
wedder  umme  erwecken,  fuß  ys  wedder  höpene  noch  thoflucht,  aven« 
dyth  myddel  wert  helpen,  Nu  nu  fchrye  myn  leve  Malefacius^  mit 
iuwen  rotkopp,  yth  duth  grot  van  nöden. 

Malefacius. 
Ick  vruchte  wy  werden  er  heefch  unde  m5de,  alfe  de  Myffe  ge- 
funt  unde  levendich  uns  wert  ade  gebreken,  doch  wage  ick  ydt  vorfoken. 

Apoteker  menfing. 
Wy  moten  andere  fchryers  ock  beftellen,   ydt  ys  fuß,    aver  unft 
macht,    unde    defulvigen    wol    falven    mit    hamerfmire,    fo    geyt    ydt 

gladt  her  uth. 

Thumher. 
Wy  hebben  des  hamerfmers    fo  vele   vorfmeret,    dat    ick    künde 
lyden,  de  falve  ^vere  wedder  in  der  buffen. 

Rotkopp. 
Ey  potz  marter  wefet  unvorfchrocken,   yck  wil  fchryen    de  erde 
fchal  beven,  unde  de  minfchen  fick  entfetten. 

Tolle  peter. 
Wat  make  gy?  de  Myffe  fchal  wol  mer  kranck,  doff  unde  blöde 
werden,  van  yuwen  gefchreye,  alfe  ftarck  unde  levendich,  gy  geven  er 
ytzundes  erften  eyn  vorderniffe  thom  dode  Sodane  gefchrey  höret  nicht 
tho  der  fwaken  Myffe,  wente  ere  nature  vorgeliket  fick  mer  den  hafen. 
alfe  den  Louwen. 

Je  lenger  fe  fchryeden,  yo  fwacker  de  Miffe  werth. 


153 

Toll  anna. 

0  Höret  up  Tarn  fchryende  ynn  Gades  namen,  fee  gy  nicht  dat 
de  Myffe  feeltaget,  fo  vorfta  yw  nicht  up  ftervent. 

Alveld  der  artzt 
Fürwar,  furwar,  De  Myffe  is  gantz  fwack,  unde  dem  dode  fere  nha. 

Toll  Peter. 
Seeth  tho  wo  thuet  fe  myt  den  fchuldern,  de  ogen  fynt  er  yn- 
gevallen,  unde  fe  ys  bleeck  unune  den  fnavel,  unde  umme  de  backen 
alfe  ein  ungebacken  wyt  broth,  edder  eyn  wolgef ölten  ey,  wo  fpitz  ys 
er  de  neße,  unde  de  nefehSler  gan  er  fnel,  de  puls  flecht  er  nicht 
mer,  dath  ys  ein  bofe  teyken,  fe  nympt  den  adem  deep,  und  mechtich 
kort,  ock  treffentlich  fnell,  fe  ys  vul  dodtplacken,  fe  wert  ydt  nicht 
lange  holden,  de  vöte  fynt  er  fchon  vorkoldet. 

Apoteker. 

Höii;  tto  leven  heren,  ick  iveth  feer  eynen  guden  radt,  Wy 
wyllen  uns  undereinander  helpen,  und  fe  thom  vegefüre  dragen,  effte 
fe  wedderumme  vorwärmet  mochte  werden. 

Toll  anna. 

Dar  wil  ick  nicht  tho  helpen,  wete  gy  nicht,  Dat  de  buren  hebben 
dat  Wygewater  ynt  Vegeffir  gegaten,  unde  dat  Vegefür  erloffchet, 
und  fytten  Mönnicke,  Nunnen  unde  papen  ym  roke,  dat  en  de  ogen 
aver  lopen,  Darna  fynt  etlyke  fo  wrevelich  gewefen,  dat  fe  yn  den 
ketel  gefcheten  hebben, 

Malefacias. 

0  we,  Dat  ys  der  Myffe  eyne  fchedelike  dodt  wunde,  wente  vam 
VegefSre  hefft  fe  gelevet  alfe  de  vyfch  vam  watere,  dat  waß  de  rechte 
kamp  unde  weyde,  up  welkerer  fe  veth  geworden  ys,  Nu  mach  fe 
doch  nicht  leven,  effte  er  fchon  fuß  nichtes  gebreke,  fo  moth  fe  doch 
hungers  fterven. 

Menfing  apoteker. 

Wy  willen  fe  tho  den  leven  hylgen  laven,  tho  unfer  leven  vrowe 
by  den  föven  eyken,  dar  ys  eyn  gnaderick  bilde. 

Toll  anna. 

Dar  werde  gy  gelick  vorforget,  alfe  eyn  nakendiger  mith  dem 
wintere,  Wente  de  beide,  fo  defulve  bedevart  uth  gehete  eres  bolfeu 
des  düvels  vororfaket,  hefft  men  tho  Berne  vorbrent,  darna  de  Capele 
fampt  hues  unde  hoff  vorftöret,  unde  de  wormftekygen  götzen  fynt 
vorrucket,  radt  tho  wor  hen. 

Alveld. 

Wol  hefft  dat  angerichtet,  de  buren  fynt  upgewefen,  fo  gewiffe 
alfe  Godt  levet,  ick  merket  wol. 

Hans  franck. 

Ick  weeth  ydt  wol,  Chriftus  hefft  ydt  gedän,  Mathei  am  11. 
dar  hefft  he  fe  geropen  unde  gefpraken,  Kämet  her  tho  my  alle,  de 
gy  arbeyden  und  beladen  fynt,  ick  wil  iw  rowe  geven,  Se  hebben  ock 
dat  Evangelium  fampt  allen  Epifteln,  funderlick  Johan.  am  1.  unde 
17.  Exod.  20.  Efaie  43.  Hiere.  18.  und  alle  pfalmen  uth. 


154 

Malefacius. 
De  düvel  hefFt  de  buren  dar  aver  gedragen  und  fyn  moder.  }• 

ys  nummer  gud,  fo  de  buren  dat  weten. 

Toll  anna. 
Wefet  nicht  alfo  vrolich  gy  Heren  de  dar  arften,  weilte  de  mnT 
ys  yo  lenger  yo  fwacker,  fe  gorgele  mit  deiji  hälfe,    unde  ftainert  ü: 

der  rede. 

Rotkopp. 
Her  Vromiffer  bringet   uns   unfern   her  Godt,  dat  wy    de  Mvfl 

dar  myt  vorforgen. 

Toll  peter. 
Herr  Rotkopp,   yck  kan  ene  nicht  erlangen   de  heniiiiel    ys   ^;': 
ftoel,  unde  de  erde  fyn  vötfchemel,  wo  künde  ick  ene  ergripen. 

Malefacius. 
Ick    meyne   du   bift   noch   vuller   naiTen,    alfe   de    Sommer    •■ 
müggen,   bringet  uns   unfern  herr  Godt,    edder   du   moft    to   Cofter. 
up  de  fchyve. 

Alveldius. 
Snel  brinck  uns  du  Capellan  dat  hilge  Olye,  de  tydt  naiet  ii«A 

Toll  anna. 
Ick  merke  wol,  gy  m^nen   den   olye,    welker   men    fo    lauge  h: 
van  Bifchoppe  gekotft  hefft,  des  ys  nicht  mer  in  der  bufTen,   de  C&ftr.: 

hefFt  de  fcho  mede  gefmeret. 

Rotkopp. 

So  ys  he  ym  banne,  dar  mach  nemant   vorwefen,    bc  luoth  i«J:  I 
d&re  genoch  betalen. 

Pater  Rüfichen. 
Snel    bringet   eyn   licht,    Ibp    thom   beeuhufe   tho    den    lau])H^ 

zünde  an  ylende  und  wunder  behende. 

Toll  peter. 

Dar  ys  wedder  v5r  noch  lecht,  kertzen  noch  lampen,   Dencke  2}  i 
ydt  nicht,  dith  iär  fynt  aver  teyndufent  mäfe  unde  rotten  hunger  c- 
ftorven,  unde  den  kerckheren  iunfrowe  kaket    nu  nicht   halif  fo  ve!t. 

alfe  vor  veer  iaren. 

Rotkop. 
Is  war,   du  leve  narr,    So  höre   ick    wol,    men   brent    den   levtL 
feien  wedder  olye,  vete,  noch  fmeer,   unde    deyt   en   nicht    gudes  nä, 
dat  Gade  erbarme,  wor  tho  yffet  gekamen,   wol  heflft  de  erringe  lii: 

geplantet,  edder  wat  ys  de  orfake. 

Toll  anna. 

Alfe  dat  R6mifche  aflat,  fo  vele  lavede  unde  fchuldich  was,  uml 
alfo  ydt  betalen  fcholde,  künde  ydt  nicht,  mofte  ydt  alfe  eyn  fchehi; 
wedder  uth  dem  lande  lopen,  und  hefft  alle  nachtl&chtere  lichte  umi- 
lampen  welkeren  ydt  grote  dinge  gelavet,  mit  fick  up  gevordert,  dai- 
umme  fynt  fe  em  na  getagen,  unde  up  dem  wege  vom  wynde  erlofchti 
fo  fe  nicht  entfettiuge  unde  bitte  van  vegeffire  erlangen. 

Toll  peter. 

Wat  behövet  men  der  nachtlychter  unde  lampen,  de  dodenk5[ipt 
feen  nicht,  fo  dantzen  de  holten  götzen   ock   nicht,    unde  Godt  hefli 


155 

gefchapen  alle  lyditere  hemmelifche  und  erdifche,  by  em  ys  de  ewige 
klarheyt  unde  nene  dfifterniffe,  darumine  ys  ydt  eyne  heydenfche  dor- 
lieyt,  fick  vorneemen  Gade  mit  lichteren  unde  lampen  tho  denen. 

Rotkopp. 
Ey  du  leve  Anna,  brynge   uns    doch    eyn  weynych  Palmen,    dat 
Avy  eynen  gefegenden  rock  maken  vor  dat  bM'e  gefpenfe. 

Toll  anna. 
H6rftu  du  Rotfux,  De  vrouwen  hebben  vor  veer  iaren  dat  vlefch 
dar  mede  gerftkert,  unde  na  dem  nSnen  meer  laten  befweren. 

Doctor  Cubito. 
Wor  nu  hen  uth,  fprack  de  voß  yn  der  vallen,  ytzundes  fynt  wy 
gantz  ane  fchip  unde  roder,  wol  kan  koken  backen  ane  v&r  unde 
vete,  edder  ane  veddern  vlegen,  ydt  ys  gelick  alfo  mögelick,  dat  gantze 
mer  an  dem  regenfbagen  tho  hengen,  alfe  ein  bratworft  an  eynem 
ftock,  dat  fe  dorre  unde  droch  wert  alfe  deffer  Myffe  tho  helpen,  fo 
fee  fchon  vorlaren  hefft  de  rechte  hertzaderen,  nömelick  dat  Vegefur, 
welkere  in  fyner  vlucht  mit  ßck  wech  gevört  hefft,  de  begreffniffe 
drudden,  fövenden,  druttigeften,  vigilien  und  jardage,  fampt  den  offern, 
lichtem,  wygewater,  olye,  und  palmen,  Nu  radet  alle  gude  Redere, 
wo  wy  ungebrent  vam  ketel  kamen,   ydt  helpet  doch  wedder  fchrient 

noch  falvent. 

Alveld.    Hüßcheii. 

Scholde  uns  de  Miffe  under  den  henden   fterven,    fo    worde  uns 

nichtes  vor  dat  arfteloen,   darumme  wyl    noth  fyn,    uns  van   hyr   tho 

v6gen,  offto  fe  denne  in  unfem  affwefende  ftervet,  fo  wille  wy  fpreken, 

Se  fy  eraiordet. 

Rotkopp. 

Ick  volge,  gy  hebben  ydt  entraden,  unde  wol  gedrapen,  hedde 
wv  de  hamervetten  falven,  fo  wv  vorfmert  hebben,  wedder  in  der  bulTeu, 
wv  wolden  uns  fulveft  mede  falven. 

Alveld. 

Dat  ys  nu  eine  vorlarne    rede,    brynget   even    alfe   vele   vrucht, 

alfe   vogellem   ym  peper,  Ick  rade  dat  wy  van  hyn  ryden,   unde  wol 

uns  vraget  wo  fteyt    ydt   umme   de  Miffe    wille    wy    antwerden,    wol, 

wol,  marter  liden  wol,    fee    hedde    gyfterne   einen   vordantz    mit  dem 

Doctor  Cubito. 

Claus  buer. 
l^oxmarter  her  Rotkopp,  hir  eyn  bar  kes,  wor  wille  gy  mit  alle 
tleii  Sögen  hen,   de  gy  deffe  iare   myt  iw  tho  huß  bringen,   men  wert 

uns  vor  vorkSpere  upgrypen. 

Rotkop. 
Nicht  vel    kramantzes,    Vnde    lath   my    ungcfatzet,  dat  dy  ffinte 
Valentins    arbeit  befthe  allers    boven,   ick  hcbbe    f&ft  genoch  dat  my 
bedr5vet,  woldeftu  my  ock  noch  befpotten. 

?  inis. 

HERFORD.  Hölscher. 


156 


Westpreussisehe  Sprach 

eigenheiten. 


[Vorbemerkung.  Dieselbe  aus  dem  Besitze  der  alten  Berlinischen 
Gesellschaft  für  deutsche  Sprache  stammende  Sammelhandschrift,  in 
welcher  Dietzens  Bemerkungen  über  die  mecklenburgische  Mundart 
(Nd.  Jahrbuch  20,  123  if.)  erhalten  sind,  bietet  zwei  Sammlungen 
westpreussischer  Ausdiücke,  aus  denen  eine  Anzahl  Ergänzungen  zu 
H.  Frischbiers  verdienstvollem  Preussischen  Wörterbuche  geschöpft 
werden  kann.  Gleich  diesem  haben  die  Verfasser  sich  nicht  auf 
Wörter  niederdeutscher  Form  beschränkt,  sondern  ohne  Sonderung 
Hoch-  und  Niederdeutsches  verzeichnet.  Vollständigen  Abdruck  ver- 
dienen die  Sammlungen  nicht,  es  genügt  sie  im  Auszuge  mitzuteilen. 
Fortbleiben  durfte,  was  in  ganz  gleicher  Sprachform  mit  vollständig 
gleicher  Bedeutungsangabe  sich  bereits  bei  Frischbier  findet  und 
keiner  weiteren  Bezeugung  für  sein  Vorkommen  in  Westpreussen  be- 
dürftig ersdiien. 

Beide  Sammlungen  sind  augenscheinlich  in  eigenhändigen  gut 
lesbaren  Niederschriften  der  Verfasser  erhalten.  Die  erste  aus  Dan  zig 
stammende  lässt  jede  Ordnung  in  der  Aufeinanderfolge  der  verzeich- 
neten Ausdrücke  vermissen;  die  einzelnen  Wörter  scheinen  niederge- 
schrieben, wie  sie  gerade  dem  Verfasser  in  den  Sinn  kamen.  Für 
den  Abdruck  sind  sie  alphabetisch  geordnet  worden.  In  der  zweiten 
Ausdrücke  aus  Thorn  bietenden  Sammlung  brauchte  die  bereits  vom 
Verfasser  gegebene  alphabetische  Anordnung  nur  hier  und  da  be- 
richtigt zu  werden. 

Die  Danziger  Sammlung  ist  'D«anzig  den  16.  April  1816'  unter- 
schrieben. Seinen  Namen  hat  der  Verfasser  nicht  beigefügt.  Wie 
John  Koch  in  seinem  Programm  'Die  Berlinische  Gesellschaft  für 
deutsche  Sprache'  Berlin  1894  S.  32  anmerkt,  ergeben  die  Protokolle 
der  Gesellschaft,  dass  der  Verfasser  H.  Jacob  war.  Litterarisch 
scheint  sich  derselbe  sonst  nicht  bekannt  gemacht  zu  haben,  wenigsten^ 
nicht  durch  selbständige  Werke. 

Die  zweite  kleinere  Sammlung,  welche  der  Berlinischen  Gesell- 
schaft nach  einem  handschriftlichen  Vermerk  'einbracht  24  Juli  181  r»' 
worden  war,  ist  'W.  Schröer'  unterzeichnet.  Der  Verfasser  niuss  in 
oder  bei  Thorn  zu  Hause  gewesen  sein,  wie  aus  der  wiederholtjeu 
Bezugnahme  auf  diese  Stadt  und  das  in  ihrer  Nähe  gelegene  Gut 
Rülmau  hervorgeht.  Es  ist  ohne  Zweifel  derselbe  Schröer,  der  ein 
Büchlein  'Griechische  Blumen,  ein  Uebersetzungsversuch  von  Wilhelm 
Schröer.  Berlin  1803.  4®',  dessen  Vorrede  'Thorn  im  August  18o:V 
datirt  ist,  und  später  patriotische  Dichtungen  hat  erscheinen  lassen. 
(Zur  Erinnerung  für  seine  Waffenbrüder,  Königsberg  1814;  Kriegs- 
lieder,    ebd.  1815.) 


15? 

Schliesslich   sei  noch   bemerkt,   dass  Zusätze   des  Herausgebers 
durch  eckige  Klammem  gekennzeichnet  sind.  W.  S.] 


Danziger  Spraeheigenheiten. 

[Allgemeine  Bemerkungen.]  Das  Danziger  lange  a  ist  gleich  oa 
(a  mit  vorgeschlagenem  o  z.  B.  Doavzig),  Man  spricht  fast  alle  a 
auf  diese  Weise  gedehnt  (wie  au  in  author  englisch).  [Vgl.  Förste- 
mann,  Germania  hg.  v.  vdHagen  9  S.  153.] 

Man  spricht  e  sehr  häufig  ä  z.  B.  basier^  ändlich. 

Man  spricht  u  zwischen  u  und  o,  oft  sogar  hört  man  noch  eine 
Art  a  (wie  im  Engl.  but). 

Kusschen,  Tasschen^  Raupchen  und  alle  Verkleinerungswörter 
[spricht  man]  ohne  n. 

[Genus:]  die  Oel,  auch  Oellje;  der  Band  (etwas  zu  binden); 
das  Monat;  das  Spicss,  die  Äff  (der  Affe);  das  Schrank,  das  Sarg, 

abgekringelt  aussehen,  matt,  erschöpft  aussehen. 

abkringeln,  abdrehen  z.  6.  einer  Tanbe  den  Kopf. 

abräken,  ansschelten. 

altdnhn,  noch  Ton  gestern  betranken. 

auch,  und.     Fleisch  auch  Oemttse. 

aasbenommen,  ausnehmend  z.  B.  schön. 

aasspritzen,  aasschlagen,  Ton  Bäamen. 

Bartneege,  feiner  aufgesparter  Bissen. 

beneekelt,  belegen,  aasgepatzt  betranken. 

Beestkaehen,  Kuchen  von  der  ersten  sehr  fetten  Milch,  nachdem  die  Kuh  gekalbt  hat. 

betrempelt,  betreten. 

so  billig,  so  ziemlich. 

bisaehelehes,  sacht,  allgemach. 

Blamseer,  ein  Fleck  z.  B.  von  Fett  in  einem  Kleide. 

BUekfink,  Heringssalat. 

Bllngsehllng,  Blindschleiche. 

BoUenpllserlk,  eine  Art  Karbatsche  fflr  das  Gesinde  auf  dem  Lande. 

Bolven,  Kartoffeln. 

BoTke  und  Bosehke,  kleiner  Bnbe,  durchtriebener  Bube. 

einem  op  de  Brems^  stoan,  peinigend  warten  auf  etwas. 

Burtsehik,  ältester  Sohn  des  Bauern,  welcher  an  seiner  Stelle  die  Aufsicht  ftthrt. 

dttge  don,  gut  thun,  sich  gut  führen. 

und  so  was  daher,  und  dergleichen 

deigen,  abdelgen,  einen  prügeln. 

doff,  matt  z.  B.  Gold. 

Dohnlehdäg,  Thunichtgut. 

drenig  sein,  drennlls^  blödsinnig,  ein  Traum  sein. 

der  DrOn,  das  Dröhnen. 

dorehgetrabt,  durchtrieben. 

dwalUg,  albern. 

dwarg,  dwerg,  Zwerg. 

ebberai*seh,  rückwärts. 


loS 

• 

et,  Aufmerksamkeitswort.  Willst  du  Wein  ?  Ei  Wasser.    Ei  der  Sturm  vorige  Nacht. 

elnsen,  eins  (im  Weiterzählen). 

Eierpfann,  Rührei. 

Feim,  Füllen. 

Flöhten,  grosse  hölzerne  oder  irdene  Milchgeschirre. 

geforben,  gefärht. 

geheirathet  sein,    verheiratet    sein,    von   Männern    oder   Frauen,   Gegensats   von 
ledig  sein.     z.  B.  sie  ist  geheiratet. 

(jrehfech,  Gestrüpp. 

Oesttwer,  schreiendes  wüstes  Geschwätz. 

Gesp,  Handvoll. 

Onagge,  hölzerner  Nagel,  Pflock,  etwas  daran  zu  hängen. 

Gosse  (zwei  sehr  weiche  s),  Ziege.     Gossebock.    [Poln.  !coxa  Ziege.] 

grassate  goan,  spazieren  gehen. 

Oratehelehes,  Händchen. 

gris,  gmmmlieh,  grau. 

heilig  sein,  sehr  dürsten. 

Hölkes,  Holzäpfel. 

Kapelle,  Hinterteil  und  Rückenknochen  gekochten  oder  gebratenen  Geflüg^els. 

Karschbiren,  Kirschen. 

Kintehen,  kantehen.  Ecke  am  Brote. 

Kirst,  Kurst,  Kruste. 

klafristern  [erste  Silbe  kurz,  zweite  betont],  ausprttgeln. 

Klagflestem  klagen  angeberisch  (stänkern?),  ein  Klag  fixesten-. 

Klauditke,  Gefangenwärter. 

Klemp,  junge  Kuh. 

Köjel,  Ki^el,  Keiler. 

kojtthncn,  winselnd  heulen. 

Es  kommt  zu  sehen,  es  ist  zu  sehen  z.  B.  ein  Fleck  in  einem  Kleide. 

ich  k5nnt%  ieh  dürft*  Imperfekta  mit  e  gegen  die  Regel  [statt  ich  konnte]  z.  B. 
ich  könnt  nicht  anders. 

Korn,  wenig.     En  kleen  Kohrn  Woater. 

kUseh,  hart  und  braun  gebacken.  , 

Kosten  der  iu*men  IJt,  die  Gerichte  der  armen  Leute. 

Krauter^  1)  abgefeimter  Mensch   2)  Naturgärtner   im  Gegensatze  zum   grelemten 
Knnstgärtner. 

krupe,  kraufen,  kreuchen,  kriechen. 

kukkuluren,  (z.  B.  nach  Krankheiten)  umhersitzen.     [Vgl.  ndl.  koekeloeren,\ 

Kunter,  kleiner  schneller  Klepper 

Kuschen,  Kuhkalb. 

lass  er  man  kommen,  4ass  ihn  [man  kommen]'  findet  sich  bei  mehreren  Schrift- 
stellern ans  dieser  Gegend. 

Lollke,  Pfeife.     Lollst  all  wedder,  rauchst  du  schon  wieder. 

Losleder,  Losnagel,   ein  junger,    noch   ganz   ungebundener  und  vorwitzi^r    oder 
frecher  Mensch. 

himpiseh,  lumpig. 

Manist,  Menonit,   nachher   für  jeden  kleinen  Krämer,    besonders    für   solche,     die 
mit  Brandtwein,  Schwefelfaden  handeln. 

Moll,  Maulwurf. 

nioUen,  wühlen. 

niulksich,  mulksohkUi,  beständig  finster,  brummig. 

Mundsclimackschen,  so  viel  um  zu  schmecken,  auch  ein  feiner  Bissen. 


m 

muscbelii,  kttssen. 

Mutzeben,  Kttsschen  (in  der  Gegend  von  Dirschan). 

iiar  nieh  to,  nirgend  nicht  gut,  ganz  unnütz,  Tangenichts. 

Xeistersehe  (neien  nähen)  Nähterin. 

niederkorken,  Schuhe  niedertreten. 

nieweddrig,  ühellaunisch  (ähnlich  dem  wetterwendisch). 

Xndeln,  Kartoffeln. 

(Hschehen,  (Hschelehes,  Aenglein. 

Pathen,  Weidenstecklinge,  welche  noch  nicht  gewnrzelt  haben. 

die  Pll,  Fälteleisen  zu  Hauben  u.  dgl. 

Plndelpraeher,  Landstreicher  (Bttndelbettler). 

die  PInn,  Schnümadel. 

PIsehke-Grtttze,  -Gret,  grobe  Graupen. 

Planderkasche,  Plaudertasche. 

Pllng,  Lappen,  Plunder,  auch  Plid,  welches  man  aber  auch  von  dünngestopften 

(geschütteten)  Betten  braucht,  dat*s  jei  man  e  Plid. 
Pommager,  Paselack,   niedriger  Gehülfe,   Handlanger   in  der  Küche^  im  Stalle, 

mit  ihren  abgeleiteten  Verben  Pa^elacken  etc. 

pusehkatem,  kitzeln.  

die  Rabe,  Schorf  auf  einer  Wunde. 

Banebalken,  Bundbalken. 

Been  nnseht,  rein  nichts. 

ribbeln,  rebbeln,  z.  B.  einen  gestrickten  Strumpf  wieder  auMbbeln. 

der  Bieken,  Beet  im  Garten. 

ruhrkohlen,  unruhig  sitzen. 

rusehehes,  sehr. 

Hchappe,  BabUQuhn,  Himmelbett. 

.schietsam,  gehleksig,  sehletdg,  vom  Gange  nnd  der  ganzen  Haltung,  nachlässig,  träge. 

schmnrzig,  sebmorzig,  schmutzig. 

Hohnitzker,  Tischler. 

Hehnnekup,  Schlucken. 

SehnUpfeltuch,  Schnupftuch. 

Schoof,  Schub  z.  B.  e  goode  Schoof  wek  goan. 

Schelm,  Haarscheitel. 

der  Schwanz!  im  verächtlichen  Sinne  der  armselige  unbedeutende  Mensch. 

schwiemschlagen,  höchst  nachlässig  schlendern. 

spicken,  heftig  werfen  z.  B.  spick  doch  nicht  alles. 

Spierehen,  Sträusschen,  ein  Riechblümchen. 

Sprathen,  Sprossen. 

stakem,  stechen,  in  einem  Sprichworte  'den  lieben  Gott  nach  den  Augen  stockern* 

durch  unzufriedenes  Tadeln  des  Wetters. 
Steckbiel,  Stechling  [Fisch]. 
Streich-Elsen,  Plätt-Eisen. 

Stück,  z.  B.  gieb  mir  doch  ein  Stück  Wasser,  ein  Stück  Löffel  u.  s.  w. 
es  stUmflt,  von  heftigem  Wind  mit  Regen. 
Topkekleker,  Gelzpungel,  Arvteteller  [Kleinigkeitskrämer.] 
tmgglleh,  rund  von  Kindern  und  Frauen  besonders. 

übertragen  (eine  Krankheit),  sie  vernachlässigen,  nichts  [gegen  sie]  brauchen. 
überschregehi,  zwischen  zwei  ausgefahrenen  Gleisen  fahren. 
Uhle,  Kappe. 

Unmflhe,  Mühe.     Machen  sech  doch  kein  Unmöje. 
verknieweln,  eigentlich  mit  dem  Messer,  dann  überhaupt  au  uichte  machen. 


160 

vermudbarsehen  [?],  vermüden. 

Terpeddet,  wo  wir  Terfilzt  sagen  von  Werrig,  feinen  Wurzeln  etc. 

Terpliesteni,   besonders   von  Sachen    wie  Haaren,   die  der  Wind   in    Unordnung 

bringt,  verstört. 
versetzt,  die  Kuh  hat  versetzt,  d.  i.  zn  frtth  gekalbt. 
vertobben,  verführen. 
verwebt,  unaufmerksam,  zerstreut. 
vorlilhden  neulich. 
[Yomamen:]  Bensch  Benjamin;  Jaseh  Johann;  ifo^^Ä^Erdmuthe;  Drotke  Dorothea; 

Buschke  Barbara;  Kaschke  Karl. 
Wanker,  Ochsenziemer  (von  seinem  geschäftigen  Umhergehen  in  Landwirtschaften  etc.} 
Wanning,  Flannel-Jacke,  Kittel. 
wirrlg  und  irrig,  verwirrt,  blödsinnig. 
wisehig  (sehr  weiches  sck),  windig. 
Wohnungen,  Herrenhäuser  fllr  arme  Leute  eingerichtet,  auf  einem  Landgnte  z.  B. 

die  Arbeiterwohnungen. 
Wratze,  Warze. 
Wnnsen,  Schnurbart. 

Zoten  machen,  sehr  lustig,  ausgelassen  sein. 
die  Zugg  oder  Zagg,  Hündin. 
Zwinn,  Zwirn. 

Dansig,  16.  April  1816.  [H.  Jaeob.J 


Eigenthfimliehkeiten  der  Preiissisehen  Mundart. 

Ausruf,  Auktion. 

Bording,  ein  kleines  Schiff,  womit  man  die  Ladung  an  Bord  der  grossen  Schiffe  bringt. 

Bott,  das  Gebot,  das  beim  Versteigern  Gebotene. 

Dresse,  Blei  (Fisch). 

BUgel,  Bretzel. 

BUi'gerlehn,  (in  den  ehemahls  freien  Städten  gebräuchlich)  ein  verarmten  Bürgers 
zur  ausschliessenden  Verwaltung  oder  Benutzung  überwiesener  Dienst  z.  B. 
Einnahme  des  Brückenzolls,  Aufsicht  über  öffentliche  Anstalten  etc. 

Bremicker,  Henerleute  auf  dem  Lande. 

Einst,  einmal,  in  der  Verbindung  mit  nicht  z.  B.  er  hat  es  nicht  einst  verlaugt. 

FastbUcker,  verstümmelt  aus  Festbäcker,  da  die  Aussprache  des  e  dem  a  sehr 
nahe  kommt.  In  Königsberg  nämlich  und  den  übrigen  grösseren  Städten 
theilen  sich  die  Bäcker  in  Fest-  und  in  Los-Bäcker.  Jene  backen  nur  festes, 
dichtes,  diese  lockeres,  loses  Brod,  daher  denn  auch  Festbrod,  Losbrod. 

Oute  Männer  heissen  in  den  ehemahls  freien  Städten  die  bei  Verlöbnissen,  Hoch- 
zeiten oder  gerichtlichen  Verträgen  von  beiden  Theilen  gewählten  Werblente. 
Vermittler  oder  Zeugen  (Obmänner,  Scheider). 

Golle,  ein  kleines  Boot. 

Hegen  (in  den  freien  Städten)  im  aussergerichtlichen  Gebrauche  die  Handlung 
des  Aeltermanns  der  Gilde,  mittelst  welcher  er  nach  Entfernung  fremder 
Zeugen  die  in  herkömmlichen  Schranken  sich  ernst  bewegende  Verhandlung 
eröffnete ;  daher  es  in  den  Gilde-Abschieden  (Recessen)  immer  heisst :  Nach- 
dem der  Aeltermann  gehegt  und  die  Bescheidenheit  und  Verschwiegenheit 
empfohlen  hatte  etc. 

Halten,  Halter  (in  den  ehemals  freien  Städten)  z.  B.  eines  Landguts,  einer  Kasse 
etc.  der  Verwalter,  Verweser.     Daher  Haltung  das  Verweseramt,   auch  der 


161 

Schatz,   Säckel   desselben  z.  B.   N.  empfängt  50  Fl.  aus  der  Kirchen-   and 

Almosen-Haltung.     N.  hält  jetzt  den  Richnauschen  Schlüssel :   er  verwaltet 

die  Gesammtheit  der  zu  R.  gehörigen  Vorwerk. 
Kämmerer   was   in  Schlesien   Meier,    in  Pommern  Hofmann    und  in  Mecklenburg 

Statthalter  heisst.     [Vgl.  Frischbier  2,  532]. 
Kilmpe  Insel. 

Kathner,  Eigenkathner,  der  Miether  und  Eigner  einer  Käthe. 
Klar  am  Seestrande   gebräuchlich   und    aus    der   Schiffssprache   entlehnt.     Alles, 

was  bereit,  fertig,  geordnet  ist,  z.  B.  der  Wagen  ist  klar,  d.  i.  angespannt. 
Klei  Schleim,  Brei,  z.  B.  Haferklei. 
Kobbel  Stute,  auch  überhaupt  Klepper  (aus  dem  Poln.) 
Kölmer,  Besitzer  eines  zinspflichtigen  Meierhofes. 
Kttrsaal  (in  den  ehemals  freien  Städten)  der  Saal  im  Rathhause,  worin  die  Wahl 

der  Rathsherren  geschah. 
Kttrbier   das  bei  dieser  Gelegenheit  gebraute  und   an   die  Gewählten  vertheilte 

Doppelbier  (Thom). 
Tiossen  mit  einem  andern  Aussager  verbunden  nimmt   den  Erstfall  zu  sich  z.  B. 

lass   er  kommen,    lass    der  Vater   ihm  Antwort   geben.     Jedoch    sagt    man 

richtig:  lass  mich  gehen. 
Maehander  Wachhoider. 
Maehllch.     Zur  Erklärung  dient  die  Redart :  es  macht  sich,  es  geht  damit ;  also : 

ziemlich,  hinreichend. 
Mi[e]tnachlMir  ein  Ackerwirt  im  Gegensatz  von  Eigenkathner  und  Inwohner. 
Pi&de,  eine  Wassertrage. 

Puwowe,  eine  buschige  Sumpf-  oder  Berggegend  (poln.) 
Poflsekel,  ein  Schlägel. 

Ke«e,  eine  Rese  Wasser:  eine  Tracht  Wasser.    [Fehlt  bei  F.,  vgl.  Korr.-Bl.  9,  76.] 
Sehlttssel,   eine  Gesammtheit  von  Landgütern,   kleine  Herrschaft  z.  B.  der  Rüh- 

nausche  Schlüssel  bei  Thorn:  das  Hauptgnt  Rübnau  mit  seinen  Nebengütern. 
VollbrSsig  (Thorn)  übermüthig. 
Zannart,  Zander  (Fisch). 

Ich  übergehe  sprachwidrige  Redearten  des  grossen  Haufens  z.  B. 
dass  man  statt  hat:  hcUte^  statt  wäre:  war  und  umgekehrt  sagt,  z.  B. 
Wenn  er  mir  begegnet  war,  wenn  ich  ihn  gesehen  hatte,  als  ich  ihn 
gesprochen  hätte  etc.,  aber  auch  unter  Gebildeten  findet  sich  die  Form 
des  Supinum  auf  en,  wo  dieses  im  Hochdeutschen  regelmässig  ist  z. 
B.  geschonken,  gewonken  für:  geschenkt,  gewinkt.  Ferner  die  Wieder- 
holung des  Aussagers,  wo  der  Meissner  den  Aussager  thun  gebraucht, 
z.  B.  trinken  trinkt  er  wohl,  essen  isst  er  wohl,  singen  singt  er  wohl, 
schaden  schadets  nicht. 

Zur  Sittengeschichte  Preussens  gehören  folgende  Altthomsche, 
zum  Theil  schon  in  Vergessenheit  gerathene  Gebräuche. 

War  dem  Hausvater  ein  Erbe  oder  eine  Erbin  gebohren  worden, 
so  sandte  er  seine  junge  Magd  (Jungmädchen,  Stubenmädchen)  zu 
den  werthen  Nachbarn,  Verwandten  und  Freunden,  welche  beim  Ein- 
tritt in  das  fremde  Haus  bloss  die  Worte  sprach:  der  Herr  N.  N. 
lässt  grüssen  mit  einem  jungen  Sohn,  oder  mit  einer  jungen  Tochter. 
Dasselbe  Jungmädchen  ging  bei  einem  Todesfalle  im  Hause  ihrer 
Herrschaft,  in  einen  langen  weissen  Schleier  gehüllt,   in  den  Häusern 

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162 

umher  und  piachte  es  mit  den  Worten  kund:  der  Herr  N.,  die  Frau  N. 
lässt  sich  bedanken. 

Herren  hiessen  amtlich  nur  die  Mitglieder  des  Raths,  des  alt- 
städtischen und  vorstädtisclien  Schöppengerichts,  die  Geistlichen, 
Aerzte  und  Oberlehrer.  Kaufleute,  Unterlehrer  und  was  nicht  zu  den 
Genannten  gehörte,  hiessen  —  domini,  und  der  Rektor  der  Neu- 
städtischen  Schule,  den  im  gemeinen  Leben  Jedermann  Rektor  nannte, 
hiess  ludimagister.  Der  Prediger  auf  der  Kanzel  musste  sich  diesem 
Gebrauche '  fügen  und  sonach  sagen :  der  ludimagister  Dominus  N. 
mit  Jungfer  N. 

W.  Schroep. 


Zur  Farbendeutung. 


Das  in  der  Livländischen  Sammlung  erhaltene,  im  Jahrbuch  8 
S.  73  ff.  abgedruckte  Gedicht  von  der  Bedeutung  der  Farben  in  der 
Liebe  ist,  wie  seine  Reime  deutlich  zeigen,  aus  dem  Hochdeutschen 
übersetzt.  Der  hochdeutsche  Text  ist,  wenn  auch  nicht  ganz  lücken- 
los (es  fehlen  v.  51 — 64)  erhalten  und  bietet  im  Allgemeinen  denselben 
Wortlaut  wie  die  niederdeutsche  Fassung.  Er  findet  sich  unter  den 
von  Fichard  im  Trankfurtischen  Archiv  für  ältere  deutsche  Litteratur 
imd  Geschichte  Th.  3  Frankfurt  a.  M.  1815'  veröffentlichten  'Alt- 
deutschen Liedern  und  Gedichten  aus  der  ersten  Hälfte  des  XV. 
Jahrhunderts'   als  Nr.  LXIII  auf  S.  297  ff.     Vers  41  ff.  lauten   hier: 

Hut  dich  vor  geseHschaflft 

Dy  sich  berumet  und  klafft 

Nim  eben  in  dineu  mut 

Was  dir  von  liebe  kämmet  zu  gut     ^^^—        "—  ==5^»^ 

Das  saltu  in  din  hertz  smyden         ^^^^^         '^'^^^ 

Und  dich  dy  lybe  ban  geleyden      ^  ^       **'  "^        ^ 

E  das  ymant  werde  gewar 

So  volgestu  der  rechten  schar  ^^Of  rl u\k 

Dostu  das  so  volget  dir  heil  ">^^/^LIFORH^^, 

Nu  hast  du  miner  lere  ein  deil. 


BERLIN.  W.  Seelmann. 


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