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Jahrbuch
des
Vereins fBr niederdentsche SpracMorschnng.
Jahrgang 1891.
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UNIVERSITY
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RORDEM nnd LEIPZIG.
Diedr. Soltau's Verlag.
1892.
Jahrbuch
des
Vereins für niederdeotscbe SpracMorschnng.
Jahrgang 1891.
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RORDEH nnd LEIPZIG.
Diedr. Soltau's Verlag.
1892.
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Druck von Diedr. Soltau in Norden.
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Inhalt. V5
Heite
Die Totentänze des Mittelalters. Von W. Seelmann 1
Einleitung 1
Welcher von den erhaltenen Totentänzen bietet die altertümlichste Gestalt? 5
Der Totentanz als Drama 11
Die Entstehung des ersten Totentanzes . 18
Die Danse macabre 21
Die alten süddeutschen Totentänze 29
Die Lübecker Totentänze von 1489 und 1520 34
Englische Totentänze 37
Litteratur- und Denkmäler-Übersicht 39
Dänischer Totentanz 41
Deutsche Totentänze (Niederdeutsches Gebiet) 42
Deutsche Totentänze (Hochdeutsches Gebiet) 48
Englische Totentänze 54
Französische Totentänze 5H
Italienische Totentänze 60
Lateinische Totentänze 61
Xiederländischer Totentanz 61
Polnischer Totentanz 63
Spanische Totentänze 63
Ilolbeius Todesbilder 65
Anhang. Der alte lübisch-revalsche Totentanz text 68
Mittelniederdeutsche Pflanzenglossen. Von F. Milkau 81
Die älteste deutsche Übertragung des Dies irae. Von F. Milkau . . . 84
Zu Fritz Keuters Dörchlänchting. Von B. Sprenger 88
Zu einzelnen Stellen mittelniederdeutscher Dichtungen. Von R. S p r e u g e r 90
Van Sunte Marinen 90
Vruwenlof 91
Wolfenbtttteler Osterspiel 92
Zeno 92
Ancelmus 94
Botes Boek van veleme rade 95
Spieghel der zonden. Von H. Babucke 97
Begenstein, Beiustein, Beinke. Von E. Damköhler 136
Heinrich's von Krolewiz Vaterunser niederdeutsch. Von A. Hofmeister 146
Zur altsächsischen Grammatik. (Anzeige.) Von W. Schlüter . . . .149
Die Totentänze des Mittelalters.
Einleitung.
Die Kirche hat sich stets angelegen sein lassen, dem Menschen
die Nichtigkeit des irdischen Daseins vor Augen zu führen und an
das immer gefürchtete, stets unerwartet eintretende letzte Stündlein
warnend zu erinnern. Eine Anzahl weitverbreiteter Dichtungen mahnen
eindrucksvoll an den unausbleiblichen Gang in das andere Land und
das Gericht, welches über die von ihrem Leibe geschiedene Seele
gehalten werden wird. Nichts kommt aber an wirkungsvoller Kraft
der Mahnung dem Memento mori gleich, welches von den Mauern der
Kirchen den versammelten Andächtigen die Totentänze zuriefen, in
welchen Bild und Schrift sich verbanden, das Bild auch zu denen
redend, welche des Lesens unkundig oder unlustig waren.
Die meisten der alten Totentänze, mit welchen im Ausgange des
Mittelalters sich die Kirchen Deutschlands wie des Auslandes schmückten,
sind im Laufe der Zeiten zu Grunde gegangen. In Norddeutschland
gewähren jetzt nur noch die Marienkirchen in Lübeck und Berlin
ihren Besuchern den Anblick eines mittelalterlichen Totentanzes. Das
Lübecker Originalgemälde v. J. 1463 ist zwar nicht mehr vorhanden,
es wird aber ersetzt durch eine 1701 angefertigte Erneuerung, w^elche
die alten Bilder an derselben Stelle und in der ursprünglichen Grösse
im Wesentlichen treu wiedergiebt. Der alte Text hat freilich neu-
hochdeutschen Versen weichen müssen, doch hat eine alte Abschrift
ihn grossenteils aufbewahrt. Es bestellt dieser Totentanz aus einem
auf die vier verschiedenen Wände einer Kapelle verteilten Wandgemälde
von fast hundert Fuss Länge und ziemlich sieben Fuss Höhe. Im
Hintergrunde des Gemäldes erblickt man das Panorama der Stadt
Lübeck, die von Schiffen im Schmuck ihrer Segel belebte Trave und
die belaubte Umgebung der Stadt und des Flusses. Im Vordergrunde
der heiteren und bunten Frühlingslandschaft treten auf einer grünen
Wiese vierundzwanzig Paare, welche in voller Lebensgrösse dargestellt
sind, den Reigen. In jedem Paare ist der Tod, eine nackte in ein
Leichentuch gehüllte Figur von skelettartiger Dürre mit vergnügt
grinsendem Schädel einer der Tänzer. Seinen Partner hat er gezwungen,
ihm zum grausigen Reigen die Hand zu reichen. Er kennt kein
Ansehen der Person, kein Erbarmen. Mit ihm und nach seiner Pfeife
Ni«derd«ut8ob«i Jahrbuch XVII. I
2
müssen alle zum Totentanze antreten: Papst und Kaiser, Kardinal
und König, Bischof und Herzog und alle die geistlichen und weltliclien
Stände, Alt und Jung, Mönch und Arzt, Bürger und Bauer, Mutter
und Kind. Da hilft kein Bitten und Barmen, mitten aus der Herr-
lichkeit der Welt oder den Mühen des Tages reisst der Tod die
Ueberraschten.
Unter den einzelnen Figui-en las man die Reime, welche den im
munteren Tanzschritt sich bewegenden Todesgestalten und den bedrückt
folgenden Menschen in den Mund gelegt sind. Ueberflüssig fast
erscheinen die Worte. Dass keine Macht der W^elt gegen den Tod
hilft, dass ihm Alle folgen müssen, dass alles Heil bei Gott liegt,
diese Gedanken spricht das Gemälde deutlicher und eindrucksvoller
aus, als es die Verse des Dichters vermögen.
Die Totentänze bringen ungewohnte Gegensätze zum Ausdruck:
Neben einer grossen Zahl skelettartiger Todesgestalten im weissen
Leichentuche die geistlichen und weltlichen Würdenträger im vollen
Schmucke farbenreicher Gewänder. Die grausen Todesgestalten vergnügt
grinsend und mit Lust den Reigen tretend. Daneben die Grossen der
Welt, Papst, Kaiser, König und alle die Fürsten, welche dem Volke
als die immer glücklichen sonst so beneidenswert erscheinen, in einer
Lage, dass kein noch so Armer an ihre Stelle treten möchte.
Die Totentänze verdanken der asketischen Richtung der mittel-
alterlichen Kirche ihre Entstehung und Verbreitung. Daneben waren
künstlerische Gründe ihrer Bevorzugung vor anderen Bildwerken
förderlich. Die weisse Tünclie, die heute noch die Wände so vieler
alter Kirchen bedeckt, entsprach nicht dem bilder- und farbenfrohen
Sinne des Mittelalters. Mit ihr hat eine spätere Zeit die zahllosen
Martyrien, Passionen, Allegorien und Reime verhüllt, welche dereinst
die Wände und Pfeiler füllten. Wo bei der baulichen Erneuerung des
Kircheninneren die Kalkhülle fällt, kommen wie hinter einem Schleier
die alten Bilder wieder zum Vorschein. Sie zeigen, wie überall in
den Städten der Puisel des Malers die Ausschmückung der Kirche
vollenden half. Aber es ist nur selten die Hand eines gebildeten
Künstlers gewesen, der ihn führte. Die groben Verzeichnungen in den
oft riesigen Gestalten der Heiligen, die ganze rohe Ausführung zeigt,
wie gering das Können derjenigen war, welche die Bilder hergestellt
haben. Die Totentänze boten nun eine grosse Aufgabe, welche in
jedem Falle dem Maler, mochte er auf künstlerischer Höhe stehen
oder über bloss handwerksmässige Fertigkeit verfügen, die Schöpfung
eines wirksamen Werkes in Aussicht stellte und ermöglichte. Was
den Gesichtsausdruck betraf, so war nicht von Nöten, individuelle
Züge zu malen, eine Kunst, die erst die Niederländer späterer Zeit
verstanden imd lehrten. Es waren zwei Typen nötig, der fröhlich
grinsende Schädel der Todesgestalten, das traurig resignirte Gesicht
der Menschen. Leicht und doch wirkungsvoll war alles übrige:
mannigfache farbenreiche Kostüme und Attribute, welche jedem
Beschauer sofort die Bedeutung der einzelnen Figuren verständlich
machten, dazu ein beliebiger landscliaftlicher Hintergmnd oder eine
architectonische Einrahmung. Der Eindruck auf den Beschauer wurde
nicht einmal geschmälert, sondern, wie die Totentänze in Basel und
Kermaria zeigen, eher noch in seinem; grausigen Grossartigkeit
gesteigert, wenn minder tüchtige Maler, auf feinere Ausführung der
Einzelheiten und landschaftlichen Hintergrund verzichtend, sich auf
die rohe Umrisszeichnung der tanzenden Paare möglichst beschränkten.
In diesem Falle blieb fern alles, was den Blick auf Einzelheiten
ablenken oder durch freundlich lichte Farben den grausigen Eindruck
des Gesanuntbildes mildem konnte, während alles, was den Toten-
tänzen ihre Wirkung sicherte, erhalten blieb: die leicht erkennbare
Idee, die stetige Wiederkehr des tanzenden Todes mit seinem grinsenden
Schädel, die ungewöhnliche Grösse des Bildwerkes, welche, wo es als
monumentaler Schmuck hoch oben das Schiff der Kirche oder die
Aussenwände der Carnarien umzieht, hundert oder mehr Fuss in die
Länge zu messen pflegt.
Die Häufung so vieler Todesgestalten mag dem künstlerischen
Gefühle der Gegenwart zu stark erscheinen, und dass sie auch auf
schlichte Leute abschreckend wirken kann, zeigt der Beschluss des
Basler Rates, der das alte Wahrzeichen der Stadt, den Grossbasler
Totentanz 1805 zerstören Hess, weil es ein Kinderschreck und Leute-
scheuche sei. Aber anders als heute, wo dem häufigen Anblicke des
Todes die Mehrzahl unserer Zeitgenossen nur selten begegnet, standen
die Menschen des Mittelalters ihm gegenüber. Die kleinen Kriege,
welche jede Stadt von Zeit zu Zeit in der Nähe ihrer Thore auszufechten
hatte, die häufigen Hinrichtungen, die von Zeit zu Zeit zahlreiche
Opfer fordernden Seuchen gewöhnten an den Anblick. Man begegnet
sogar der Meinung, man habe die Totentänze gewissermassen als
warnende Erinnerungen an einzelne grosse Pestepidemien des fünf-
zehnten Jahrhunderts herstellen lassen. Diese Ansicht steht im Ein-
klänge mit der Volkssage, die am Lübecker Totentanze haftet, im übrigen
ist sie nur Vermutung, ohne dass Beweise für sie vorgebracht sind.
Wann und wo der erste Totentanz gedichtet oder gemalt wurde,
ist unbekannt. Ohne Zweifel hat er noch dem 14. Jahrhundert an-
gehört. Der älteste, dessen Entstehungsjahr durch historische Zeug-
nisse überliefert ist, war die Pariser Danse macabre v. J. 1425. Nicht
viel jünger waren die Totentänze von London und Basel. Die Mehr-
zahl der Uebrigen gehört dem 15. und IG. Jahrhundert an, doch
Ijisst sich das Alter der meisten nur mit Hilfe kunst- oder litteratur-
geschichichtlicher Merkmale ungefähr bestimmen.*) Die jüngsten
monumentalen Totentänze sind im vorigen Jahrhunderte hergestellt.
Totentanzgedichte und Totentanzkupfer erscheinen noch heute.
Die Totentänze waren zu Ausgang des Mittelalters zumal in
*) Die Nachweise sind in der den Untersuchungen folgenden Litteratur-
Uebersicht gegeben.
X*
Frankreich und Deutschland häufig. Ausser diesen Ländern fanden
sie sich, sei es als monumentale Zierden der Kirchen und Kirchhöfe,
sei es in Handschriften und Drucken, mit und ohne Text, in fast allen
Ländern des christlichen Abendlandes: in Italien, Spanien, England,
Dänemark, den Ostseeprovinzen ßusslands und in Polen. Nur in den
Niederlanden ist seither kein mittelalterlicher Totentanz aufgefunden
worden. Aber auch hier muss er, wie wir später sehen werden, im
Mittelalter bekannt gewesen sein.
Der grossen Verbreitung der Totentänze entspricht es, dass die
Bücher und Aufsätze, welclie sie aus lokalem oder allgemeinem Interesse
behandeln, zahllos sind. Wir verdanken dem Eifer der Verfasser,
dass die erhaltenen Denkmäler meist genau beschrieben und die Nach-
richten der Chronisten überall aufgesucht sind. Auf der anderen Seite
lässt sich nicht verkennen, dass in den meisten jener Schriften die
Forschung, sobald sie über das Lokale hinausgeht, ebenso oberflächlich
als kritiklos ist, und für die (ieschichte des Totentanzes wichtige
Fragen bisher mehr durch vage Annahmen beantwortet als durch in
den Gegenstand tiefer eindringende Untersuchungen klar gestellt sind.
Gewisse thatsächliche Irrtümer und fixlsche Voraussetzungen, welche
in den bisher erschienenen Schriften immer von Neuem wiederkehren,
liegen für den, der überall auf die Quellen zurückgeht, auf der Hand
und werden leicht beseitigt werden können. Einige sind, um Raum
zu sparen, in den nachfolgenden Untersuchungen gar nicht in Betracht
gezogen worden. Damit man aber nicht der Unkenntnis zuschreibt,
was mit gutem Bedacht geschehen ist, sei hier wenigstens auf einzelne
allgemein verbreitete Irrtümer und Abwege der Untersuchung kurz
hingewiesen.
Durch die falsche Lesung einer Jahreszalil auf dem Klein-Basler
Totentanz verführt, hat man früher, trotzdem schon Schnaase mit
gutem Urteile Einsprache erhob, 1312 als sein Entstehungsjahr an-
genommen. Dieser Irrtum wurde verhängnisvoll, indem man, auf ihn
bauend, jenem Denkmal und den ihm verwandten hochdeutschen Toten-
tänzen ein weit höheres Alter als allen übrigen zuschrieb und sich
dadurch die Erforschung des wahren Verwandtschafts -Verhältnisses
zwischen den verschiedeneu Totentänzen unmöglich machte. Trotzdem
es vor fünfzehn Jahren geglückt ist, jenen Irrtum aufzudecken und 1439
als Entstchungsjahr nachzuweisen, findet man immer noch das falsche
Datum 1312. Fast unbegreiflich muss es aber erscheinen, wenn man
— in Deutschland wie im Auslande — für die Chronologie der Toten-
tänze einen vermeintlichen Mindener Totentanz v. J. 1383 verwertet,
während das gemeinte Bild gar kein Totentanz, sondern eine Fahne
ist, deren eine Seite den Tod mit der Sense, die andere eine geschmückte
Frau mit der Umschrift Vanitas Vamtatum zeigt. Fast allgemein
vermengt man mit den Totentänzen die im Mittelalter sehr verbreiteten
Darstellungen der Legende von den drei toten und drei lebenden
Königen. Dieselben sind in vereinzelten Fällen äusserlich den Toten-
tänzen angefügt worden, im übrigen sind diese ganz unabhängig von
jenen entstanden und ausgebildet worden. Aehnlich verhält es sich
mit den besonders in Italien gefundenen sogen. Triumphen des Todes,
die den Tod darstellen, wie er die Menschen mit seinen Pfeilen oder
der Sense niederstreckt.
Man sammelt und verwertet allerlei Hinweise, wie der Tod durch
die bildende Kunst früher dargestellt, wie er von den Dichtern per-
sonificirt oder im orientalischen, antiken, deutschen und ausserdeutschen
Volksglauben aufgefasst ist. Die l)eigebrachteu IJelege mögen in
anderer Hinsicht sehr schätzbar sein, für die Beantwortung der Frage,
wodurch der unbekannte Schöpfer des Totentan/motives zu diesem
angeregt wurde, sind sie bisher wertlos gewesen. p]he diese Frage
beantwortet wurde, hätte untersucht sein müssen, in welchem Lande
und in welclier Zeit der Totentanz entstanden ist. Verdanken wir
ihn z. B. einem Franzosen, so können doch wahrscheinlich nur ältere
in Frankreich heimische Vorstellungen ihn beeinflusst haben, jedesfalls
keine deutschen oder gar orientalischen.
Das Totentanzmotiv, die Vorstellung, dass der Tod als Tänzer
alle Menschen, von Papst und Kaiser heiiinter bis zum Bettler, zu
seinem in das Grab führenden Reigen erbarmungslos zwingt, ist in
Bild und Wort und mimisch-dramatisch im Mittelalter zur Darstellung
gelangt.
Die gnindlegende Untersuchung, auf welcher die Geschichte der
Totentänze aufzubauen ist, muss zunächst zum Ziel den Nachweis
haben, ob die litterarische, bildliche oder mimische Darstellung das
ursprüngliche ist, und in welchem Verhältnis die verschiedenen
Fassungen zu einander stehen. Bisher stehen sich die Ansichten
gegenüber, ohne dass die eine oder die andere sich auf eine fest-
geschlossene Beweisführung stützt.
Um die Untersuchungen möglichst von Litteraturnachweisen und
Beschreibungen einzelner Denkmäler zu entlasten, wird eine besondere
Uebersicht sämmtlicher bekannter Totentänze und der auf sie bezüg-
lichen Litteratur folgen.
Welcher von den erhaltenen Totentänzen bietet
die altertümlichste Gestalt?
Zwischen den verschiedenen deutschen und ausserdeutschen Toten-
tänzen besteht augenscheinlich eine durch verlorene Vorbilder und
Zwischenglieder verknüpfte Verwandtschaft. Dieselbe offenbart sich
nicht allein durch die Gleichheit des Motivs und die Aehnlichkeit in
der Durchführung desselben, sondern auch durch die Wiederkehr
vieler gleicher Figuren, durch dasselbe Princip bei der Auswahl und
Anordnung der Stände, welche vertreten sind, hin und wieder auch
durch w^örtliche Uebereinstimmungen in den Texten. Die Abweichungen
und Verschiedenheiten erklären sich durch die Leichtigkeit, nach eigenem
Belieben oder aus Rücksicht auf die für dies monumentale Bildwerk
zur Verfügung stehenden Wandflä(ihen die Zahl der Personen zu ver-
mehren oder zu verminderen. Der Text zumal konnte keine Schwierigkeit
machen. Geeignete Gedanken und Worte, die den einzelnen Personen
in den Mund gelegt werden konnten, waren leicht gefunden.
Die Thatsache eines alle Totentänze umfassenden näheren odei*
entfernteren Verwandtschaftsverhältnisses hat zui- notwendigen Vor-
aussetzung, dass zu irgend einer Zeit es einen Totentanz gegeben hat,
durch dessen Abänderung oder Nachahmung neue Totentänze ent-
standen, welche wieder die Vorbilder anderer jüngerer wurden.
Es ist der Forschung bislier noch nicht gelungen, einen Stamm-
baum der Totentänze aufzustellen und mit seiner Hilfe Schlüsse auf
den ältesten, gewissermassen den Stammvater aller Totentänze, zu
ziehen. Nur bei einer Anzahl sehr nahe verwandter Totentänze ist
das Verhältnis derselben zu einander klar gelegt, im übrigen haben
einige sehr anfechtbare Annahmen Geltung erlangt. Bei französischen
Gelehi*ten begegnet die Neigung die Danse macabre in der Fassung
V. J. 1425 für das allgemeine Vorbild zu halteu. Was die deutschen
Totentänze und ihre Texte anlangt, gilt dagegen seit Massmann und
besonders Wackernagel als ausgemacht, dass die sämmtlichen mehr-
zelligen Totentanzstrophen und namentlich die des Lübecker Toten-
tanzes v. J. 1463 aus den vierzeiligen des alten oberdeutschen Toten-
tanzes mit 24 Figuren umgearbeitet sind und jüngere Entwicklungs-
stufen darstellen. Man ist sogar soweit gegangen zu behaupten, dass
der Lübecker Totentanz gleichfalls ursprünglich vierzeilig gewesen und
erst bei einer Erneuenmg des Gemäldes in die erhaltene achtzeilige
Fassung umgearbeitet sei.
Entgegen diesen Annahmen würd sich einweisen lassen, dass Bild
und Verse des alten Lübecker Totentanzes gleichzeitig entstanden sind,
dass der Text nicht aus einem hochdeutschen vierzeiligen umgearbeitet
ist, sondern dass Bild und Text im wesentlichen Wiederholung eines
niederländischen Totentanzes sind, und dass dieser nicht nach einem
deutschen, sondern nach einem französischen Vorbilde des 14. Jahr-
hunderts gestaltet war. Ferner wird sich ergeben, dass der Lübecker
Totentanz im Vergleich zu den übrigen erhaltenen deutschen oder
französischen Totentänzen durchaus nicht eine jüngere Entwickelungs-
fonn darstellt, sondern dass im Gegenteil der Lübecker von allen
erhaltenen Totentänzen die altertümlichste Form darbietet.
In sämmtlichen hochdeutschen imd französischen Texten ist das
Zwiegespräch zwischen Menschen und Tod derartig gestaltet, dass der
Tod eine ganze Strophe zu dem von ihm zum Tanze aufgeforderten
Menschen spricht. Dieser antwortet in der folgenden Strophe. Darauf
wendet sich in einer neuen Strophe der Tod zu dem Nächstfolgenden,
der dann wieder, wie sein Vorgänger, in einer Strophe antw^ortet.
So heisst es in dem alten vierzeiligen Totentanze:
18. Der tot.
Her koufman, waz hilft iuwer werben?
Diu zit ist hie, ir müezet sterben.
Der tot nimt weder miete noch gäbe.
Tanzet im nach, er wil iiich haben.
Der konfman (antwortet)-
Ich het mich ze lebene versorget wol,
Kisten und kästen wseren vol.
Nu hat dem tot min gäbe versmacht,
Und mich umbe lip und guot gebracht.
19. Der tot.
Frowe min, ir dunkt iu gar subtil.
Desto gemer ich mit iu tanzen wil.
Werfet van iu daz scapular,
Ir müezet hie mit den toten varn.
Die klosterfrovve (antwortet).
Ich hau in dem kloster min
Gote gedienet als ein gewihtez nünnelin.
Was hilft mich nu min beten?
Ich muez des todes reien treten.
Der Lübecker Totentanz von 14G3 und mit ihm seine Revaler
Copie bietet, verglichen mit dem alten vierzeiligen sowie allen übrigen
hochdeutschen Texten, zwei besondere mit einander verknüpfte Eigen-
tümlichkeiten. Während in diesen Texten zuerst der Tod vier bezw.
acht Verse spricht und darauf die angeredete Person in ebensoviel
Versen antw^ortet, richtet im Lübecker Totentanze der Tod, nachdem
er sieben Verse zu irgend einer Person geredet hat, im achten Verse
derselben Strophe die Auflorderung an die nächstfolgende Person, zum
Tanze anzutreten. Diese redet dann in einer achtzeiligen Strophe
den Tod an, worauf dieser in den ersten sieben Versen der nächsten
Strophe erwidert, um dann wieder die achte Zeile an die dann folgende
Person zu richten. Nachdem z. B. der Tod dem Kapellan in sieben
Zeilen geantwortet hat, redet er den Kaufmann an:
Kopman, wilt di ok bereiden!
(Der Kaufmann.)
It is mi veme bereit to syn.
Na gude hebbe ik gehat pin
To lande unde tor see,
Dor wint, regen unde snee.
Nein reise wart mi so swar,
Mine rekenscop is nicht klar.
Hadde ik mine rekenscop gedan,
So mochte ik vrolik mede gan.
(Der Tod antwortet,)
Hefstu anders nicht bedreven
In kopenscop, alse di was gheven,
It sal di wesen rechtferdicheit,
Wen alle dink to richten steit,
Hefstu di so vorwart
Unde din dink gans wol geklart.
Westu anders, aat is nicht gut.
(zum Küster)
Eoster, kum, it wesen mot!
(Der Küster.)
Ach dot, mot it sin gedan,
Nu ik erst to denen began !
In miner kosterie mende ik klar
Noch hogher to komen vorwar
u. s. w.
8
Der Lübecker Text stimmt nun, was auffälliger Weise bis jetzt
unbeachtet geblieben ist, in Bezug auf die erwähnten Eigentümlich-
keiten vollständig mit der altspanischen Danea general de la muerte
überein. Als Beleg und Beweis mag es genügen, einige Strophen
vorzulegen.
Nachdem der Tod dem Dekane geantwortet hat, wendet er sich
an den Kaufmann im achten Verse der Strophe:
Venit mercadero a la danga del lloro!
Dise el mercadero:
Aquieu dexar^ todas mis riquesas
£ mercadurias que traygo en la marV
Con muchos traspasos e mas sotUesas
Gand lo que tengo en cada lugar.
Agora la muerte vino-me llamar:
Que serä de mi non se que me faga,
0 muerte tu sierre a mi es grand plaga,
Adios mercaderos que voyme a fynar.
Dise la maerte:
De OY mas non curedes de pasar en Flandres,
Estad aqui quedo e yredes ver
La tienda que traygo de buuas y landres:
De gra^ia las do non las quero bender.
Una sola dellas vos farä caer
De palmas en tierra en mi botica,
E en ella entraredes maguer sea chica:
(gum Arehidiaconus)
E vos ar^ediano venid al tanner!
Dise el areediano:
0 mundo bil, malo, e falles^edero,
Como me engann aste con tu promisyou,
Prometiste-me vida, de ty non la espero,
Syempre mentiste en toda sason. etc.
Im übrigen möge es genügen, aus der Danza de la muerte die
nachfolgenden Schlussverse der von dem Tode gesprochenen Strophen
der Reihe nach anzuführen:
eutn PapsL Dan^ad, padre santo, syn mas de-tardar.
js. Kaiser. Dan^ad imperante con cara pagada.
e. Cardinal Morid non curedes, benga el cardinal.
z, König. Vos, rrey poderoso, venit a dan^ar.
z. Patriarchen. En pos de vos benga luego el patriarca.
£. Herzoge. Sygase con vos el duque antes que mas beua.
g. Erzbischof. Venit, argobispo, dexat los sermones.
z. Connetable. Pase el condestable por otra tal via.
z. Bischof. Venit vos, obispo, a ser mi vasallo.
z. Bitter. Venit, cauallero, que estades armado.
z. Abt. Dan^ad, abad gordo, con vuestra Corona
U. 8. W.
Wenn im Gegensatz zu allen übrigen erhaltenen Totentanztexten
dei* Lübecker imd die altspanische Danza general in einer so unge-
wöhnlichen formellen Eigentümlichkeit zusammentreffen, so kann diese
Uebercinstimmung nicht zufällig sein; nur durch ein gemeinsames
mittelbares oder unmittelbares Vorbild, welches beide in diesem Punkte
vollständig nachahmen, lässt sie sich erklären.
Es wird die Frage zu beantworten sein, welchem Lande und
welcher Zeit jenes gemeinsame Vorbild angehört hat. Nach allem,
was wir wissen, ist die Annahme eines unmittelbaren Zusammenhanges
zwischen altspanischer (castilischer) und mittehiiederdeutscher Litteratur
und Kunst abzuweisen. Die Litteratur- und Kunstgeschichte wüsste
kein einziges Beispiel aufzuweisen. Kein Wunder, denn nicht einmal
der Handel verband im Mittelalter durch direkte Verbindung
castilische und norddeutsche Städte. In den Niederlanden, in Brügge,
von dessen sechzehn Contoren der fremden Kaufleute das grossartigste
der Hansa, ein anderes den Castilianern gehörte, war es, wo der
hansische und spanische Kaufmann zusammentrafen und ihre Exporten
mit einander austauschten. Von hier bezog Spanien in grosser Anzahl
die Kunstwerke altniederländischer Meister, mit denen es seine Kirchen
und Paläste schmückte, und aus den Niederlanden waren die fremden
nach Spanien gewanderten Maler gekommen, denen die altspanische
Malerei die nachhaltigste Förderung verdankte.*) Auf der anderen
Seite standen die Niederlande, in dessen Hafenstädten der hansische
Kaufmann gern seine Lehrzeit verbrachte, wo er gleichsam wie zu
Hause war, auch was Kunst und Kultur anlangt in vielfachster
Beziehung zu den deutschen Hansestädten und besonders zu Lübeck.
Noch heute sind Lübecks Kirchen reich an mittelalterlichen Kunst-
schätzen — Gemälden und Grabdenkmälern — , welche die kunstfertige
Hand alter niederländischer Meister geschaffen hat.
Auf ein niederländisches Vorbild weist nun der alte Lübecker
Totentanz ; mit Wahrscheinlichkeit das Gemälde, unzweideutig der alte
niederdeutsche Text. Auf dem (lemälde, welches 1463 oder wenig
später entstanden ist, erscheinen nämlich diejenigen Stände, deren
Ornat nicht wie bei dem Kaiser und Papste sich im Laufe der Zeiten
ziemlich gleich blieb, in burgimdisch- niederländischer Modetracht,
aber in einer Modetracht, welche für das Jahr 1463 schon veraltet
erscheinen muss. 'unter den Kleidungsstücken', sagt Mantels, 'ist
manches, welches an den Hauptplätzen damaliger Mode, in den Nieder-
landen, in Frankreich, am Rhein, imi 1463 schon verschwunden war.'
Nun könnte man freilich mit Mantels an die Möglichkeit denken, dass
jene 1463 in den Niederlanden bereits unmodischen Trachten in
I^übeck, trotz seines Reichtums und seiner Beziehungen zu Brügge,
sich länger erhalten haben. Es ist deshalb entscheidend, dass auch
der Text, wie später an imzweideutigen Belegen dargelegt werden
wird, aus einem mittelniederländischen Original entweder übersetzt
oder nach ihm mit wörtlichen Anlehnungen bearbeitet ist. Deuten
aber beide, Bild wie Text, auf ein .niederländisches Vorbild, so bleibt
nur die Annahme übrig, dass beide nach demselben Vorbilde, also zu
*) Crowe und Cavalcaselle, Geschichte der altniederländischen Malerei.
Bearb. von A. Springer. Leipzig 1875. S. 387 ff.
10
gleicher Zeit, entstanden sind. Das niederländische Vorbild war sicher
eine Anzahl Jahre älter, als der alte Lübecker Totentanz, es muss
in die Zeit gehören, in welcher die Costüme der Figuren der geltenden
Mode entsprachen, also in den Anfang des 15. Jahrhunderts.
Es wird nun unsere Aufgabe sein müssen, das Verwandtschafts-
verhältnis zwischen dem alten niederländischen Totentanze und der
altcastilischen Danza general zu ermitteln. Dass diese selbst kein
Originalerzeugnis spanischen (ieistes ist, ergiebt sich schon daraus,
dass sie in der sie bietenden Handschrift als Trasladagiofi 'Ueber-
setzung' bezeichnet ist. Der Handels- und Kunstverkehr, der Spanien
und die Niederlande verband, könnte möglich erscheinen lassen, dass
durch einen jener Maler aus Flandern, welche ihr Vaterland verliessen,
um in Spanien eine neue Heimat zu finden, nach diesem Lande die
Kenntnis der Totentänze gebracht ist. An diese Möglichkeit kann
man allerdings denken, obwohl in Spanien sich nur Totentanztexte,
nicht Totentanzgemälde erhalten haben, nur darf man nicht an dies
unmittelbare niederländische Vorbild des Lübecker Totentanzes denken.
Wie dieser auf ein niederländisches, so weist nämlich die spanische
Danza general auf ein französisches Original als Vorbild. Da aus
Südfrankreich keine Totentänze bekannt geworden sind, wird man auf
ein nordfranzösisches Werk schliessen müssen, und in Anbetracht der
Verbindung mit Castilien liegt es nahe, entweder an Paris, dessen
Universität auch von spanischen Klerikern besucht wurde, oder an
Flandern, wo französische und niederländische Sprache und Litteratur
zusammentrafen, zu denken. Dieser nordfranzösische Totentanz muss
dann schliesslich das Vorbild auch des niederländischen Totentanzes
gewesen sein. Dass man sich in diesem Falle, wo ein altfranzösischer
oder mittelniederländischer Ursprung in Frage kommt, für jenen zu
entscheiden hat, lehrt nicht nur die allgemeine litteraturgeschichtliche
Erfahrung, es wird auch noch dadurch befürwortet, dass die Figuren
des Totentanzes (in denen der Connetable erscheint, während der Graf
fehlt) den französischen Würdenträgern entsprechen.
Wenn ein altfranzösischer Totentanz sich so als gemeinsamer
Stanmivater einerseits der altspanischen Danza general, anderseits des
Lübecker Totentanzes ergeben hat, so darf doch nicht übersehen
werden, dass die gezogenen Schlüsse nur einen altfranzösischen Text,
nicht zugleich auch ein zugehöriges Gemälde erweisen, deshalb nicht,
weil in der altspanischen Danza nur eine Dichtung, kein damit ver-
bundenes Bildwerk vorliegt. Ausgeschlossen ist freilich die Möglichkeit
nicht, dass auch jener altfranzösische Text irgend wo mit einem
Gemälde verbunden gewesen sein kann.
Es erübrigt noch die Bestimmung des Jahrhunderts, in welchem
jener altfranzösische Totentanz, — r der mit der jungem uns erhaltenen
Danse macabre nicht verwechselt werden darf — verfasst worden ist.
Da er älter als der von ihm abhängige mittelniederländische Totentanz
gewesen sein muss, der in den Anfang des 15. Jahrhunderts gehört,
so würde er spätestens in diese Zeit zu setzen sein. Noch früher ihn
11
lünaufzunicken, nötigt die Danza general. Diese ist in eiiier Hand-
schrift des 15. Jahrhunderts erhalten, soll aber nach der von spanischen
und deutschen Gelehrten gewöhnlich vertretenen Ansicht bereits i. J.
13()0 verfasst sein. Gegen diese Altersbestimmung ist freilich von
einigen Seiten, und wohl mit Recht, Einspruch erhoben worden. Mag
nun aber die Danza auch ein halbes Jahrhundert zu früh angesetzt
sein und sie noch in die ersten Jahre des 15. Jahrhunderts gehören,
so muss immerhin das von ihr nachgeahmte, also um einen gewissen
Zeitraum ältere französische Original noch dem vierzehnten Jahr-
hundert angehört haben.
Noch ein anderer Grund lässt sich dafür anführen, dass bereits
vor dem Ende des 14. Jahrhunderts im nordöstlichen Frankreichs der
Totentanz bekannt war. In Rückblick auf eine 1376 überstandene
j^etahrliche Krankheit sagt nämlich der Pariser Dichter Jehan Le
Fe vre in seinem bald nach 1376 verfasst en Respü de mort:
Je fis de Macabree la dance
Qui toute gent maine a sa trace
Et a la fosse les adresse*)
Es muss also bereits für das Jahr 1376 die Kenntnis einer
Danse macabre, eines Totentanzes, in Frankreich vorausgesetzt werden.
Da der erhaltene Text der französischen Danse macabre, wie wir
später sehen werden, erst im 15. Jahrhundert verfasst ist, kann jene
Stelle sich nicht auf diesen beziehen, sondern legt für die Existenz
eines altern Tofentanzes Zeugnis ab.
Die Form des Lübecker Totentanzes v. J. 1463 und der alt-
castilianischen Danza general weist, wie sich nun gezeigt hat, in eine
etwa um hundert Jahre vor seiner Darstellung in Lübeck liegende
Zeit zurück. Alle übrigen Totentänze gehören einer jüngeren Zeit an.
Es ist somit in dem Lübecker Gemälde nicht, wie man angenommen hat,
eine jüngere Entwicklungsstufe erhalten, sondern vielmehr die ältere.
Der Totentanz als Drama.
Jene in der vorangehenden Untersuchung dargelegte Eigentümlich-
keit der Fonn, welche von allen erhaltenen Totentanztexten allein der
lübisch-revalsche Totentanz und die altspanischc Danza general auf-
weisen, und welche, wie wir sahen, in das vierzehnte Jahrhundert
hinaufreicht, wird auch für die nachfolgende Untersuchung den Aus-
gangspunkt abgeben.
Blicken wir auf die Totentanz g e m ä 1 d e , so finden wir nicht
einen Tod, sondern eine grosse Anzahl Figuren, welche den Tod
darstellen. Jeder menschlichen Figur ist ihr eigener, besonderer Tod
*) Die Stelle ist von Massmann im Serapeum 8 S. 134 mitgeteilt worden.
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beigegebcH, und häufig dem ganzen Reigen noch ausserdem ein oder
einige Tode als Pfeifer oder Vortänzer.
In dem Texte, welchen der lübisch-revalsche Totentanz und die
Danza general bieten, ist dagegen der Tod, welcher mit den ver-
schiedenen menschlichen Wesen redet, immer ein und derselbe. Denn
wenn z. B. der Tod in den ersten Zeilen der Strophe dem Papste
antwortet und in der Schlusszeile derselben Strophe den Kaiser auf-
fordert, zum Tanze anzutreten, und dann, als dieser Einwendungen
erhebt, sie in derselben neuen Strophe widerlegt, in welcher er sich
schliesslich zur Kaiserin wendet, so kaim hierbei doch immer nur
derselbe Tod als redend gedacht sein.
Dies Gemälde zeigt also viele Tode, die Dichtimg 'kennt nur
einen einzigen Tod.
Es liegt hier ein Widerspruch zwischen Bild und Text vor, auf
den bisher noch nicht hingewiesen ist, den man aber bereits im Mittel-
alter empfunden zu haben scheint. Denn mit Ausnahme des lübisch-
revalschen Textes finden sich in sämmtlichen erhaltenen Totentänzen
Bild und Wort in Uebereinstimmung bezüglich dieses Punktes.
Jener Widerspruch, der in den ältesten Fassungen des Toten-
tanzes zwischen Gemälde und Dichtung obwaltet, nötigt zu der Auf-
stellung der Frage, ob der Text oder das Bild das ältere, urspiüng-
lichere ist.
Das Bild kann nicht das ursprüngliche, das früliere gewesen sein.
Wäre der älteste Text als Erläutenmg zu einem vorhandenen Bilde,
welches den menschlichen Figuren im Tanzreigen je einen besonderen
Tod als Tanzpartner gab, verfasst worden, so hätte der Dichter nach
Art der jüngeren Totentänze jeden Tod einzig und allein zu seinem
Tänzer sprechen lassen kchmen. Auch würde ein Maler, der unabhängig
von einem Texte ein Gemälde entwirft, den Entwurf in Einklang mit
der Besonderheit seiner Kunst gesetzt haben. Der Dichter kann
zeitlich auf einanderfolgende Vorgänge schildern, der Maler ist auf
die bildliche Wiedergabe dessen beschränkt, was das Auge in dem-
selben Moment erschauen kann. Den Tanz in seinem Verlaufe, also
wie der Tod nach einander die verschiedenen Menschen auffordert,
in demselben Gemälde bildlich darzustellen, war unmöglich. Ein
Maler hätte nicht an einen Gesammtreigen gedacht, sondern in ein-
zelnen Gruppenbildern den Tanz veranschaulicht.
Es muss also das Werk des Dichters, der Text, das Ursprüngliche
gewesen und zu ihm, zu seiner Erläuterung oder Veranschaulichung
das Bild hinzugefügt sein. Es begreift sich dann der Widerspruch.
Es war eben nicht möglich im Bilde zu veranschaulichen, dass derselbe
eine Tod nach einander mit den verschiedenen geistlichen und welt-
lichen Ständen ein Zwiegespräch hält. Der Maler ergriff den Ausweg,
den Tod so oft zu malen, als er das Wort ergreift, und die sämmt-
lichen Tode und Menschen zu einem Gesammtreigen zu vereinigen.
Die Dichtung (d. i. der altfranzösische sowohl in der Danza
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general wie im Lübecker Totentanze von 1463 nachgeahmte oder
übersetzte Text) ist also älter als das Gemälde und ursprünglich mit
einem solchen nicht verbunden gewesen. Wenn ihre Strophen dem-
nach von ihrem Dichter nicht als Bildersprüche, d. h. als Verse, welche
gemalten Figuren gleichsam in den Mund gelegt werden, dereinst
verfasst waren, so wird die Frage zu erheben sein, welcher Dichtimgs-
gattung jener alte Totentanztext ursprünglich angehört hat.
Der alte französische Originaltext ist freilich nicht mehr vor-
handen. Die beiden erhaltenen Nachahmungen und Uebersetzungen
gestatten jedoch zum Teil sichere, zum Teil walirscheinliche Schlüsse
auf die Form und den Inhalt des Originals. Alles, was übereinstimmend
sich in beiden Nachahmungen findet, muss auch im Original vorhanden
j^ewesen sein. Im Uebrigen lässt sich erkennen, dass in Bezug auf
Wortlaut und Gedankeninhalt die altspanische Danza, deren Verfasser
augenscheinlich durch dichterische Begabung und Uebung sich aus-
zeichnete, eine ziemlich freie Umarbeitung des Originals unter Hinzu-
tiigung neuer Figuren bietet, während der lübische Text, vielleicht
weil er von einem minder sprach- und versgewandten Dichter herrührt,
zwar verschiedene Strophen des Originals auslässt, sonst aber dieses
treuer wiedergiebt. Dass die altspanische Danza das Original um neue
Strophen vermehrt hat, lässt sich daraus folgern, dass verschiedene
der in ihr auftretenden nur in Spanien vertretenen Stände*) unmöglich
dem nordfranzösischen Original entnommen sein können. Aber auch
inhaltlich deuten einige Strophen darauf, dass sie nicht übersetzt,
sondern freie Dichtung eines Spaniers sind, wie z. B. die Rede des
Todes an den Rabbi, denn nur in Spanien, der Heimat zahlreicher
gebildeter Juden im Mittelalter, war eine derartige Bezugnahme auf
eine jüdische Segensformel u. a. erklärlich. Für die treuere Wieder-
gabe des Original durch den in Lübeck und Reval erhaltenen Text
spricht überdem noch ein besonderer Grund, der später noch zur
Sprache konunen wird.
Bei der Frage, welcher Dichtungsgattung der Totentanztext
ursprünglich angehört hat, kommt seine formelle Gestaltung in Betracht.
In Bezug auf diese stimmen der alte lübisch-revalsche Totentanz und
die altspanische Danza general vollständig überein. Es muss also das
gemeinsame altfranzösische Original dieselbe Form geboten haben.
Die Form bietet nicht einen einfachen Dialog, sondern einen
Dialog, der durch seine im vorigen Abschnitt dargelegte Eigentümlich-
keit darauf hinweist, dass die alte Totentanzdichtung dramatisch
war. Selbstverständlich hat diese Schlussfolgerung, die noch durch
andere Gründe zu stützen ist, nur Bezug auf die ursprüngliche
Bestimmung des altfranzösischen Originals aus dem 14. Jahrhundert.
Es wäre falsch, anzunehmen, dass der niederdeutsche in Lübeck und
Reval erhaltene niederdeutsche Text jemals dramatisch verwertet wäre.
Auch abgesehen von anderen Gründen verbietet sich diese Vermutung
*) Die Nachweise werden in der Litteraturübersicht gegeben werden.
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in Bezug auf Lübeck schon deshalb, weil weder in dem erhaltenen
Verzeichnis der hier von 1430 bis 1515 aufgeführten Spiele der
Patricier*) noch in den chronikalischen Ueberlieferungen eines Toten-
tanzspieles Erwähnung geschieht. Uebrigens ist der dramatische
Charakter des Lübecker Totentanzes auch noch von Niemand an-
genommen worden. Die altspanische Danza general pflegt dagegen
als ältestes Drama der spanischen Litteratur betrachtet zu werden.
Doch gründet sich diese Annahme eben nur auf ihre dramatische
Form. Ein Zeugnis oder der Beweis, dass sie jemals aufgeführt worden
sei, hat nicht beigebracht werden können, und es wird deshalb von
anderen Gelehrten dieselbe der dramatischen Litteratur nicht zugerechnet.
Zum Erweis, dass ein altfranzösischer Totentanz in der That
aufgeführt worden ist, wird auf zwei historische Zeugnisse über statt-
gehabte Aufführungen eines Totentanzes hingewiesen werden können.
Dann wird aus einer Stelle des niederdeutschen Textes selbst erwiesen
werden, dass dieser oder vielmehr seine altfranzösische Vorlage
ursprünglich zum Behufe dramatischer Aufführung vor einer geistlichen
Zuschauerschaft verfasst worden ist.
Jene historischen Zeugnisse darf man nicht, wie mehrfach
geschehen ist, auf die uns erhaltene jüngere Danse macabre v. J.
1425 beziehen. Denn diese ist, wie im Fortgange der Untersuchung
gezeigt werden wird, weder ein Drama noch zur dramatischen Auf-
führung geeignet.
Man hat drei alte Zeugnisse beigebracht, welche die dramatische
Darstellung des Totentanzes im Mittelalter beweisen oder beweisen sollen.
Wie zuerst französische Geschichtschreiber des vorigen Jahr-
hunderts und darnach Wackernagel u. a. annahmen, ist 1424 der
Totentanz im Kloster Aux Innocents in Paris dramatisch aufgeführt
worden. Diese Annahme beruht auf einem groben Missverständnisse.
In dem Journal d'un bourgeois de Paris sous Charles VII**) heisst es :
L'an 1424 fut (aide la danse macabre aux Itmocens et fut comnuncee
enuiron le moys ffaoust et acheuee ou karesme ensuinant. Wie bereits
Fiorillo und Peignot klar und richtig ausgesprochen, kann der Toten-
tanz, von welchem gesagt wird, dass er im Mai begonnen und zur
Fastenzeit des nächsten Jahres vollendet sei, nur ein Gemälde gewesen
sein. Hieran ist um so weniger zu zweifeln, als Peignot aus demselben
Journal z. J. 1429 eine Stelle beibringt, in welcher berichtet wird,
dass ein Franziskanermönch Richart im Kloster aux Innocents le dos
tourne vers les charniers encontre la charonnerie ä Vandroit de la dancc
macabre gepredigt habe. Schliesslich wissen wir auch aus Lydgate's
englischer Uebersetzung der Danse macabre, dass es in dem Kloster
Aux Innocents zu Paris einen gemalten Totentanz gegeben hat.
*) Niederdeutsches Jahrbuch 6, S. 1 ff.
**) Gedruckt bei Labarre, M^moires pour servir k Fhistoire de France et de
Bourgogne. Paris 1729, S. 103. Neue Ausgabe: Journal d'un bourgeois de Paris,
1405—1449, publ. par AI. Tuetey. Paris 1881, S. 203. 234.
Als zweites Zeugnis wird, zuerst von Carpentier in seinen Zusätzen
zu Du Cange's Glossarium mediae et intimae latinitatis sub voce
Machnlxeorum chorca, eine im Mercure de France (September 1742,
S. 1955) mitgeteilte Stelle einer Handschrift aus Besan^'on angeführt.
Sie lautet: Scxcallus solvat D. Joanni Caleti^ matrictUario S. JoanniSy
quatuor sitnasias vini per dictum nmtriculcirium exhihitas Ulis, qui
choream Machab<eorum fecerunt 10 Julii [sc. 1453] miper lupsa hora
m\ss(B in ecdesia S. Joannis Evirngdistre, propkr Cfipitidum promiciale
Frntrum minorum. Der Seneschal wird also beauftragt, dem Hilfs-
sacristan der Johanniskirche die vier Simasien (das sind 24 Mass)
Wein zu vergüten, welche dieser, als am 10. Juli 1453 bei Gelegenheit
des Provinzialkapitels der Franziskaner nach der Messe der Makka-
bäertanz aufgeführt wurde, den Darstellern desselben gegeben hatte.
Diese Stelle würde unter der Voraussetzung beweisend sein, dass der
lateinische Ausdruck Chorea Mtichahceorum dasselbe wie das französische
Danse nmcal/re bedeutet. Die Frage, ob jene Voraussetzung sicher
ist, mag hier dahingestellt bleiben. Ist sie aber in der That zutreflfend,
so beweist jene Stelle nichts für die Art der Aufführung; es könnte
sich, wie mehrfach angenommen ist, um ein tableau vivant^ d. h. eine
jener mimischen Aufführung ohne Worte handeln, welche in jener Zeit
sich in Frankreich grosser Beliebtheit erfreuten. Auf die Anzahl der
mitspielenden Personen erlaubt dagegen die obige Stelle einen gewissen
Schluss, wenn man die sonst in Frankreich begegnende Sitte, dass den
Darstellern bei Probe und Aufführung nur ein beschränktes Mass Wein
zur Erquickung vorgesetzt wird, in Betracht zieht.
Während die beiden angeführten Zeugnisse allgemein bekannt
sind, ist ein drittes, welches jene beiden an Wichtigkeit weit übertrifft,
den meisten Schriftstellern über den Totentanz, auch denen neuerer
Zeit, unbekannt geblieben, obwohl es in einem vielbenutzten Werke,
freilich erst in den Nachträgen desselben,*) zu finden war. In den
von Laborde zum Abdruck gebrachten Rechnungen der Ausgaben der
Herzöge von Burgund findet sich nämlich folgende Stelle**): A Nicaise
de Carnbray^ painctre^ detnourant en la ville de Douay^ pour lui aidier
ä deffroyer au mais de septemhre Van 1449^ de la ville de BrugeSy quant
il a joue devant mondit seigneur, en son hostel, avec ses autres com-
paignons^ certain jeu^ histoire et moralite sur le fait de la danse muail/re
. . . VIII francs. Die Danse macabre, welche hiernach im Monat
September 1449 in Brügge vor dem Herzoge Philipp dem Guten auf-
geführt ist, wird als jeu, dann als histoire et moralite bezeichnet. Jeu
ist der allgemeine Ausdruck für dramatische u. a. Darstellungen. Die
Bezeichnung histoire, welche allein stehend sonst für historische,
legendarische oder novellistische Stoffe üblich ist, besagt in diesem
Falle wohl, dass ein Spiel mit Handlung und Dialog gemeint ist.
*) Langlois, £s8ai sur les danses des morts. T. I. (1851), S. 292.
**) de Laborde, Le ducs de Bourgogne. Etudes sur les lettres, les arts
et rindustrie pendent le 15« siäcle, et plus particulierement dans les Pays-Bas et
le duch^ de Bourgogne. Partie II. Vol. 1 (1849) S. 393. Comptes n. 7399.
16
Unzweideutig und klar ist der Ausdruck moralüe^ der in Verbindung
mit histoire ein dramatisches Spiel belehrender oder erbaulicher Tendenz
bezeichnet.
Den historischen Zeugnissen, welche zimi Nachweise stattgehabter
Aufführungen des Totentanzdramas bekannt geworden sind, lässt sich
eine bisher für die Untersuchung noch nicht verwertete und in ihrer
Bedeutung überhaupt noch nicht erkannte Stelle anreihen, welche sich
in dem lübisch-revalschen Texte selbst findet. Der 'Prediger auf der
Kanzel', der im Totentanzdrama die Rolle des Prolocutor vertritt,
beginnt seinen Prolog mit den Versen
Och redelike creatuer, sy arm ofte ryke,
Seet hyr dat spectel, junck unde olden!
Das Wort spectel (frz. spedacle) bedeutet 'Schauspiel', es ist also
in diesen Worten geradezu und unzweideutig ausgesprochen, dass die
Totentanzdichtung, die im lübisch-revalschen Texte vorliegt, als Drama
zu denken ist.
Aus demselben Prologe ist ferner zu entnehmen, vor welchem
Zuschauerkreise jenes Drama zuerst aufgeführt worden ist. Vers 9 ff.
heisst es niimlich:
Unde Icven kinder, ik wil ju raden,
Dat gi juwe scapeken verleiden nicht,
Men gude exempel cn opladen,
Eer ju de doet sus snelle bilicht.
Der Prolocutor fordert also die Zuschauer auf, diese möchten
ihre scapeken^ ihre 'Schaf lein' nicht in die Irre führen, sondern
ihnen gute Beispiele geben. Die Geistlichen betrachten sich, in Anleh-
nung an das biblische Gleichnis vom guten Hirten, «als die Hirten,
die 'Pas to res' der Laien, diese wurden nach kirchlichem Sprach-
gebrauche als ihre Schafe oder Schaf lein bezeichnet. Da die
Worte des Prologs also ausschliesslich an Geistliclie gerichtet sind,
so ergiebt sich, dass das Totentanzdrama ursprünglich zur Darstelhing
vor Klerikern verfasst worden ist.
Wenn einerseits unsere Untersuchung ergeben hat, dass die älteste
Form des Totentanzes, wie sie in mittelniederdeutscher Uebersetzung
in dem lübisch-revalschen Texte vorliegt, ursprünglich ein Drama
gewesen ist, anderseits feststeht, dass die in Frankreich entstandene
Dichtung auf dem Wege über die Niederlande i. J. 1463 nach Deutsch-
land gekommen ist, und wenn ferner nachweislich i. J. 1449 in Brügge,
also in einer Stadt, welche in besonderer Verbindung mit Lübeck stand,
ein Totentanz dramatisch aufgeführt worden ist, so liegt die Vermutung
nahe, dass jene in Brügge aufgeführte Danse macabrc im Lübecker
Totentanze von 1463 erhalten ist. Ferner erhält durch den Nachweis,
dass dieses Drama ursprünglich zur Aulliihrung vor Geistlichen
bestimmt war, die Vennutung eine Stütze, dass es dasselbe Drama
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war, welches am 10. Juli 1453 vor dem Provinzialcapitel der Minoriten
in BesanQon dargestellt ist.
So nahe diese Vermutimgen liegen, können sie doch irrig sein,
denn die Möglichkeit lässt sich nicht läugnen, dass es einen zweiten,
uns verlorenen dramatischen Totentanz gegeben haben kann. Sicher
bleibt aber die Thatsache zu Recht bestehen, dass die erhaltene lübisch-
revalsche Totentanzdichtung die Uebersetzung einer altfranzösischen
für die scenische Aufführung verfassten Dichtung des 14. Jahrhunderts
ist. Es wird unsere Aufgabe sein, diese Dichtung in Vergleich mit
altfranzösischen dramatischen Werken gleicher Zeit und gleicher Gattung
zu stellen, um ihre litteraturgeschichtliche Stellung zu erkennen. Leider
besitzen wir nur zwei altfranzösische Moralitäten, welche dem 14. Jahr-
hundert angehören.^) Beide sind von dem bekannten Dichter Eustache
Deschamps und beide weichen, was die Form betrifft, wesentlich von
der Totentanzdichtung ab. Aber auch die Vergleichung mit den
erhaltenen freilich gleichfalls nicht sehr zahlreichen Moralitäten des
15. Jahrhunderts weist keine Dramen auf, welche dem erhaltenen
Totentanze so ähnlich sind, dass man auf sie nur zu verweisen brauchte.
Es wird deshalb nötig sein, die genauere Feststellung der dramatischen
Gattung, welcher das Spiel vom Totentanze angehört hat, in einer
besonderen, der folgenden Untersuchung zu erörtern.
Aber auch ohne diese Untersuchung lässt sich an dem Texte
erkennen, wie die Aufführung jenes Totentanzes vor sich gegangen ist.
Wir haben uns die Aufführung in der Kirche auf einer zu diesem
Zweck hergerichteten Bühne zu denken, die von zwei Seiten zugänglich
ist, deren eine ein Beinhaus oder ein Grab vorstellt.
Zuerst tritt auf einer vor der Bühne befindlichen Kanzel ein
Prediger als Prolocutor auf und mahnt die als Zuschauer versammelten
Kleriker, dem Schauspiel, das sich vor ihren Augen abspielen würde,
die Lehre zu entnehmen, dass niemand vor dem Tode geschützt ist.
Wer viel Gutes in seinem Leben gethan und die seiner geistlichen
Fürsorge anvertrauten Schafe gut geführt habe, werde dafür himm-
lischen Lohn empfangen.
Auf die Bühne tritt dann der Tod und fordert alle Creaturen auf,
ihm zu folgen und dazu sich mit guten Werken zu rüsten.
Zuerst ruft er den Papst, er sei der höchste auf Erde gewesen,
darum gebühre ihm die Ehre des Vortanzes. Klagend tritt der Papst
zum Tode, der auf seine Worte, während er ihn im Tanzschritt zum
Grabe führt, antwortet.
Indem der Papst in dem Grabe oder hinter einer als Zugang
zu einem Beinhause gedachten Thür verschwindet, fordert der Tod in
ähnlicher Weise den Kaiser, Cardinal, König und alle übrigen der
Reihe nach auf, die alle im vollen Schmuck ihres Ornates erscheinen.
') L. Petit de Jolleville, Repertoire du th^&tre comique en France au moyen-
Hge. Paris 1886, S. 19 ff.
Nl<deid«ntsoliM Jahrbacli XYU. 2
18
während der Tod in eng anliegende gelbliche Leinwand gekleidet ist,
welche durch die Kunst des Malers so bemalt ist, dass der Tod einer
Leiche ähnlich sieht.
Die Vorstellung selbst geschah unter musikalischer Begleitung,
der Text wurde durch Gesang oder Recitativ zum Vortrag gebracht.
Es war nicht notwendig, dass für jeden menschlichen Stand ein
besonderer Darsteller agirte. Der abgetretene Papst hatte, während
der Tod mit dem Kaiser, p]rzbischof u. s. w. zum Tanze schritt und
mit ihnen Rede und Gegenrede führte, Zeit und Gelegenheit, die
Kleidung zu wechseln und bald darauf in anderer Tracht die Bühnt*
auf der anderen Seite wieder zu betreten.
Die Entstehung des ersten Totentanzes.
Es ist zuzugeben, dass das alte Totentanzspiel in Bezug auf
Handlung und Dialog an Einfacliheit gewissen altern französischen
Moralitäten ziemlich ähnlich ist.
Dagegen fällt ein auftalliger äusserer Unterschied in die Augen.
Der alte Totentanz bestand, abgesehen von dem Prologe, aus Strophen,
während die eigentlichen Dramen und somit auch die Moralitäten frei
vom Zwange strophischer Gliederung waren.
Neben dem äussern Unterschiede wird ferner ein innerer bemerkbar.
Bei einfachem Dialog und einfacher, ja mitunter fehlender Hand-
lung fesseln die Moralitäten dadurch, dass ein zu Grunde gelegter
Gedanke in vielseitiger Weise erörtert, bestritten und verteidigt wird.
Eine beliebte Form, in welcher sich das am ungezwungensten thun
lässt, ist desshalb der Streitdialog oder ein Process. Allegorische
Figuren treten als Kläger gegen einander auf, und eine andere über-
nimmt die Rolle des Richters. Rede und Gegenrede führen schliesslich
zu einem Urteile oder sonst einem Abschluss des Gedankens.^) In
dem Texte des alten Totentanzes ist von irgend einer Entwickelung
eines Gedankens kaum etwas zu linden. Es ist eine eintönige Variation
desselben Gedanken, den bereits der Prolocutor ausspricht: Jeder wird
vom Tode ergriffen, jeder bereite sich durch gute Werke auf ihn vor
und erfülle die Pflichten, die sein Beruf ihm auferlegt.
Was wir von den französischen Moralitäten des Mittelalters
wissen, lässt nicht darauf schliessen, dass das decorative Moment^ehr
in den Vordergrund trat. Ihre Wirkung beruhte fast einzig auf ihrem
Gedankeninhalt. Im Spiele vom Totentanz muss dagegen der Eindruck,
welchen der Dialog auf die Zuschauer hatte, vollständig gegen den
Eindruck, den die Mannigfaltigkeit und der Wechsel der Kostüme auf
') Ein deutsches nach dem Vorbilde einer altfranzösischen Moralität ver-
fasstes Gedicht mit Reden von je 24 Versen ist im Niederdeutschen Jahrbuch 8,
S. 43 ff. abgedruckt.
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(las Auge ausübte, zurückgetreten sein. Die Worte des Dialogs waren
kaum mehr als Erläuterungen des Kostüms.
Dieser Sachverhalt muss zu der Folgerung fuhren, dass die
Moralität vom Totentanze aus einem jener tableaux vivants entstanden
ist. welche in Frankreich und Flandern im 13. und 14. Jahrhundert
so beliebt waren. Das Tableau wurde Moralität, indem den früher
stummen Personen Worte in den Mund gelegt wurden.
Ueber die Tableaux vivants äussert sich Ebert in seiner Ent-
wicklungs - Geschichte der französischen Tragödie vornehmlich im
XVI. Jahrhundert (Gotha 1856. S. 21 f. 37 f.). 'Tableauartige,
mimische Darstellungen,' sagt er, 'oft unter musikalischer
Begleitung, kamen seit dem Anfange des vierzehnten Jahrhunderts
an den Höfen des Königs und der Grossen zur Vermehrung festlichen
(ilanzes in Mode. Ich meine die Entremets. Die Maschinen, die
Dekoration, das Kostüm war die Hauptsache ; geschichtliche Ereignisse,
damals auch insbesondre aus den Kreuzzügen, wurden zugleich mit
Szenen aus der biblischen Historie vorgestellt, daneben aber wurden
auch blosse Kuriositäten, ohne irgend welche dramatische Bedeutung,
zur Schau gestellt. Solche Tableaux profanen und geistlichen Inhalts
wurden auch seit dem vierzehnten Jahrhundert bis zur Regierung
Heinrichs II. regelmässig bei den feierlichen Einzügen der Könige in
Paris, aber auch fremder Fürstlichkeiten, insonderheit der Königsbräute,
an verschiedenen, zum Teil bestimmten Punkten der Stadt, an welchen
der königliche Aufzug sich vorüber bewegte, auf Gerüsten dargestellt.
Es waren meist bewegte Bilder, in welchen eine Handlung vor sich
ging, die im Augenblick des Erscheinens des Königs anhob, aber sie
war stumm; wie denn oft ausdrücklich von den Chronisten bemerkt
wird, dass die personnages dieser Mysterien sans parier waren.' 'Auch
die stummen Spiele der Entremets und Tableaux entwickelten sich in
dieser zweiten Periode des mittelalterlichen Schauspiels zu noch grösserer
Pracht und Mannigfaltigkeit . . . Interessant ist zunächst, dass in
den Tableaux das ganze ernste mittelalterliche Schauspiel sich damals
vertreten findet: neben Mysterien des neuen und alten Testaments
werden auch Heilige, und selbst Szenen aus Miracles vorgestellt, nicht
minder ferner allegorische Personen, teils bloss symbolisch gruppirt,
teils zu einer Handlung vereinigt; selbst Parabeln fehlen nicht, wie
die des Sämanns.' Dargestellt wurden die Tableaux von allen denen,
die im Mittelalter sich zur Aufführung von Dramen vereinigten, von
(lenossenschaften wie der Basoche und der Confraterie de la Passion
in Paris, den Puys in den Provinzialstädten, von Studenten, Klerikern,
Klerken u. a.
Als Tableau muss also auch der Totentanz ursprünglich dar-
gestellt worden sein; die Rollen waren stumm, die Personen bewegten
sich aber im Tanzschritt nach dem Takte der die Aufführung beglei-
tenden Musik der Orgel oder der Pfeiffer. Als sich dann die Gunst
der Zeitgenossen dem redenden Schauspiele allseitiger zuwandte,
musste man, leichtbegreiflich, veranlasst werden, die früher stummen
2*
20
Rollen des Tableau in redende zu verwandeln. Der Dialog, den man
ihnen gab, konnte jedoch nicht frei von dem Zwange sein, zu welchem
der Umstand nötigte, dass die Personen des Totentanzes sich im Tanz-
schritte bewegten. Anderseits nötigte der Tanz nicht, dass die Personen
stumm blieben, denn im Mittelalter wurde allgemein bei dem Tanze
gesungen oder im Recitativ strophisch gesprochen. Entsprechend
der Zahl der Takte, nach denen der Totentanzreigen geschritten wurde,
musste der für ihn bestimmte Text strophisch abgefasst werden. So
erklärt sich, dass das durch die Hinzufügung eines Textes aus dem
Tableau entstandene Drama oder Singspiel vom Totentanze von den
anderen Moralitäten sich durch seinen strophischen Dialog unter-
scheiden musste.
Bevor wir unsere Untersuchung schliessen, erübrigt noch die
Frage: Wie haben wir uns die Entstehung des Tableau vom Toten-
tanze zu denken? Das Tableau will auf das Auge wirken, die Kostüme
waren für dasselbe eine Hauptsache. Aus der Absicht, die herrlichsten
und mannigfaltigsten Trachten, welche das der historischen und
ethnographischen Kostümkunde entbehrende Mittelalter kannte, in voll-
ständiger Reihe den Zuschauern vorzuführen, ist in erster Linie die
Entstehung des Totentanzes zu erklären.
Ein geschicktes Tableau muss jedoch von einem Gedanken
beherrscht sein, welcher die Mannigfaltigkeit und den Wechsel der
Kostüme zusammenhält und erklärt. Diesen Gedanken fand der
Schöpfer des Tableau in der Allmacht des Todes über die Menschen,
er gewann in der Gestalt des Todes zugleich die wirksamste Folie für
alle übrigen Figuren. Dieser Gedanke und seine Ausführung durch
das Tanzmotiv musste in zweiter Linie zu jener Absicht hinzutreten,
um den ersten Totentanz entstehen zu lassen.
Wie der Verfasser des Tableau gerade zu dem Tanzmotiv kam,
ist eine offene Frage, doch bereitet sie keine Schwierigkeit. Eine
volkstümliche Redensart oder ein in der religiösen Dichtung des Mittel- |
alters geschaffener bildlicher Ausdruck kann den Verfasser angeregt 4
haben. Die mittelhochdeutsche Dichtung wie die mittelniederländische
sind schon zu einer Zeit, die vor den Totentänzen liegt, reich an
bildlichen Redensarten und Wendungen, wie z. B. nach der Pfeife des
Todes tanzen oder von einem Reigen, an den alle müssen, um sich in
das andere Land, d. h. ins Jenseits hinül)er zu singen.^) Ich zweifle
nicht, dass auch die altfranzösisclie Dichtung Belege in reicher Zahl
bieten würde. Jedesfalls ist es falsch, zur Herleitung des Totentanz
auf entlegene, Nordfrankreich fremde Anschauungen oder gar Mythen
zurückzugreifen. Auf den Gipfel ist die Urteilslosigkeit getrieben,
wenn man mit dem Nachweise, dass in einem 1809 entdeckten etni-
') Dergleichen Wendungen aus deutschen und z. T. niederländischen Dichtern
des Mittelalters sind bei Wackemagel kl. Schriften 1, 311 ß. gesammelt.
21
rischen Grabe aus dem Altertume ein paar tanzende Skelette in Stuck-
relief abgebildet waren, die Entstehung des Totentanzes erklären helfen
^ill. Auf den Verfasser des ersten Totentanzes, der im 14. Jahrhundert
gelebt hat, kann doch unmöglich eine antiquarische Kuriosität aus
vorchristlicher Zeit von Einfluss gewesen sein, ganz abgesehen davon,
dass der mittelalterliche Totentanz kein Tanz von Skeletten, sondern
der Tanz einer allegorischen Todesfigur mit lebenden Menschen
ist, die erst durch den Tanz dem Grabe zugeführt werden. Nicht
minder verkehrt hat man, durch die gleiche Benennung wohl verleitet,
die aus Schlesien vom Jahre 1406 berichtete Auffuhrung eines 'Toten-
tinzes' herangezogen. 'Er begann mit Jubel und Jauchzen aller
Anwesenden, die nur Lust hatten, mit zu tanzen. Plötzlich verstummte
die Musik, und ein Jüngling oder Mädchen fiel in die Mitte der Stube
und stellte sich tot. Ein dumpfer Totengesang erscholl von allen
Lippen. Mit abwechselnden Sprüngen näherte sich eine Person nach
der andern dem Toten und küsste ihn, indess sich dieser nicht regen
durfte. Waren die Tänzer alle durch, so erhob sich auf einmal wieder
die Musik in frohen Tönen, und der Tote stand auf.' Dieser 'Toten-
tanz' gehört in eine Geschichte der Gesellschaftsspiele, mit dem Toten-
tanze der Kunst- und Litteraturgeschichte liat er nichts gemein.
Die nüchterne methodische Untersuchung wird vermeiden, durch
kein erkennbares oder nachweisbares Zwischenglied vermittelte, weit
von einander abliegende Momente zu verknüpfen, sondern Schritt für
Schritt vorwärts zu gehen suchen. Die so gewonnenen Ergebnisse werden
allein Anspruch auf Beachtung haben. Dieses schrittweise Vordringen
in das Dunkel der Vergangenheit auf Bahnen, die der Gegenstand
selbst und die Litteraturgeschichte andeuten und begrenzen, ist in den
vorangegangenen Untersuchungen, wie ich hofl'e mit Erfolg, erstrebt
I worden.
Die Danse maeabre.
Für den Totentanz hat die französische Sprache den besonderen,
zuerst im 14. Jahrhundert auftauchenden Ausdruck danse maeabre. Im
engeren Sinne bezeichnet man mit ihm den einzigen Totentanztext,
der sich aus dem Mittelalter in französischer Sprache erhalten hat.
Er liegt in zwei Fassungen vor. Diese unterscheiden sich dadurch,
dass die kürzere nur 30 Tanzgruppen hat, während die umfangreichere
dieselben Gruppen bietet, ausserdem aber noch zehn andere zwischen
jene einschiebt. Sämmtliche Personen beider Fassungen sind männlich,
diese werden deshalb auch als Danse maeabre des hommes zum Unter-
schiede von der Danse maeabre des femmes bezeichnet. Letztere ist
r eine jüngere, zuerst i. J. 1486 gedruckte Nachahmung und kann ausser
Betracht bleiben. Dasselbe gilt für diejenigen Strophen, welche die
erweiterte Fassung der Danse maeabre des hommes allein bietet. Diese
22
ist nämlich, wie sich aus der Vcrgleicliuiig mit den alten Ue])ersetzungeii
mit Sicherheit ergiebt, aus der kurzem Fassung durch Zusätze jüngeren
Ursprungs entstanden.
Die kürzere Fassung der Danse macabre hat einst dem Toten-
tanze angehört, der i. J. 1424 und 1425 an die Kirchholsmauer de??
Klosters Aax Innocents in Paris gemalt war. Es wird das nicht allein
durch die Ueberschrift in zwei Handschriften bezeugt, welche Dictamina
choree macabre prout sunt apud Innocentes Parisius und La dance
macabre prout habetur apud S, Innocentem lauten, sondern auch durch
die englische Uebersetzung, welche der Mönch Lydgate bald nach
1425 für das alte St. Pauls-Kloster in London angefertigt hat. In
den die Uebersetzung einleitenden Strophen heisst es nämlich:
Gonsidereth this ye folkes that been wise
And it imprinteth in your Memorial,
Like thensample which that at Parise,
I found depict ones in a Wall,
Füll notably as I rehearse shall,
Of a French clerke taking acquaintance,
1 took on me to translaten all
Out of the French Machabrees Daunce ....
By en8ample that thei in her entents,
Amend her life in eyery maner age,
The which daunce at Saint Innocents
Portrayed is with all the Surplusage etc.
Der Totentanz des Klosters Aux Innocents ist nach dem bereits
S. 14 angeführten, jeden Zweifel ausschliessenden Zeugnis eines Zeit-
genossen in den Jahren 1424 und 1425 hergestellt worden.
Aelter als dieses Totentanzgemälde oder die von dem Maler für
dasselbe angefertigte Skizze kann auch der Text der Danse macabro
nicht sein. Während sich nämlich für das Vorbild des Lübecker
Totentanzes von 1463 ergab, dass der Text das ursprüngliche, das
Gemälde das spätere war, lässt sich umgekehrt für die Danse macabre
erweisen, dass bei ihr der Text zur Erläuteining des Bildes hergestellt ist.
Es ergiebt sich das mit besonderer Deutlichkeit aus Strophe 48.
Während im Zwiegespräche des Todes mit den Menschen sonst immer
nur der Tod und der von ihm zum Tanze gerade aufgeforderte Mensch
zu Worte kommen, erscheint hier plötzlich eine ausserhalb des Zwie-
gespräches stehende dritte Strophe, welche einem Povre komme zu-
geteilt und erst durch das Bild verständlich wird. Der Mater hat
nämlich neben den Wucherer einen armen Mann gemalt, welchem jener
in dem Augenblicke Geld leiht, als er selbst vom Tode abgeholt wird.
Der Zweck der vom Maler hinzugefügten Figur ist deutlich, es soll
durch sie erkennbar werden, dass der dem Tode verfallene Menseh
ein Wucherer ist. Im Texte wiid dieser einfach dadurch kenntlich,
dass er vom Tode als 'Wucherer' angeredet wird. W^enn trotzdem der
arme Mann seine besondere Strophe erhält, so erklärt sich das nur
daraus, dass der Dichter jeder Figur des Gemäldes seine Stroplie
zuschreibt, selbst dem ^Roy mort tout nu couchie' zu Schluss. In der
diesem gehörenden Strophe wird sogar ausdrücklich auf das Gemälde
23
liiiig€»wiesen, indem sie mit den Worten Votis qui en ceste portrai-
iure Veez dancer estas divers beginnt. Dass der Dichter den Text
verfasst hat, damit er gelesen werde, zeigen die Worte : En ce miroer
chascun petä lire (Strophe 2 v. 1).
Trotz der deutlichen Hinweise, die das Gedicht dafür bietet, dass
es gelesen werden soll und dass es sich auf ein Gemälde bezieht,
ist in Frankreich die Annahme verbreitet, dass es der Text des alten
Drama vom Totentanze sei. Diese Annahme ist lediglich durch den
irrigen Bezug dieser Danse macabre auf die alten Nachrichten von
Auftiihnmgen des Totentanzes eingegeben und bedarf, nachdem in den
vorigen Abschnitten eine andere, dramatische Danse macabre nach-
gewiesen ist, keiner weiteren Widerlegung.
Als für den berühmten Kirchhof des Klosters Aux Innocents
1424 ein neuer Totentanz nach dem Vorbilde der alten Danse macabre
des 14. Jahrhunderts gemalt werden sollte, muss man sich des Wider-
spiTichs, in welchem der dramatische Text zu dem Gemälde stand,
l)ewusst gewesen sein. Man erachtete einen neuen Text für nötig, der
im Einklänge mit dem Bilde war und gleichzeitig erhöhteren Ansprüchen
an den Gedankeninhalt gereclit wurde.
Dichter und Maler müssen die neue Danse macabre im Einver-
ständnisse mit einander hergestellt haben. Und wie der Maler ein
älteres Bild des Totentanzes, so muss der Dichter den alten Text
gekannt und benutzt haben.
Dass wie die alte so auch die neue Danse macabre achtzeilige
Strophen bietet, wird nicht mehr als Zufall erscheinen, wenn man die
Reimbindungen der altspanischen Danza de la muerte vergleicht.
Danza de la muerte: ababbccb
Danse macabre: ababbcbc
Da sich die Strophenform der Danza de la muerte in den übrigen
Denkmälern der altspanischen Dichtkunst nicht wiederfindet, liegt die
Annahme nahe, dass der spanische Dichter auch in Bezug auf sie
seine altfranzösische Vorlage, die Danse macabre des 14. Jahrhunderts,
treu nachgeahmt, und diese bereits dieselben Reimbindungen geboten hat.
Beweisend ist, dass die jüngere wie die ältere Danse macabre
genau mit denselben Worten beginnen. Die alte Dichtung aus dem
14. Jahrhundert beginnt in der erhaltenen mittelniederdeutschen
Uebersetzung oder Umarbeitung:
Och redelike creatuer
Die Danse macabre v. J. 1425:
0 creature roysonnable
Wie dieser Anfang aus der alten Danse macabre des 14. Jahr-
hunderts in die uns erhaltene von 1425 wörtlich übernommen ist, so
ist in die Neubearbeitung wenigstens an einer Stelle auch eine Spur
der formellen Eigentümlichkeit des alten Originals übergegangen, dass
der Tod in derselben Strophe der früheren Person antwortet und
die folgende Person anredet. In den ersten Versen der Strophe,
welche nach der sonst durchgeführten Regel vom Tode an den Kar-
24
täuser allein gerichtet sein sollte, antwortet jener nämlich zunächst
dem Kaufmann und wendet sich dann erst an den Kartäuser:
Alez, marchant, sans plus rester,
Ne faites ja cy residence!
Vous n'y povez rien conquester.
[z. Kartäuser:] Vous aussi, homme d'astinence,
Chartreux, prenez en pacience
De plus vivre n^ayez memoire.
Faictes vous valoir a la dance!
Sur tout homme mort a victoire.
Die Danse macabre von 1425, die altspanische Danza de la
mueile und der lübisch-revalsche Totentanz sind also aus einer gemein-
samen Quelle, der Danse macabre des 14. Jahrhunderts, abgeleitet.
Alle drei haben aus dieser Quelle gewisse Eigentümlichkeiten und
mitunter auch den Wortlaut übernommen. Während aber der alt-
spanische und mittelniederdeutsche Text die Form ihrer Quelle bei-
behalten haben, bietet die Danse macabre von 1425 eine vollständige
Umarbeitung.
Etymoloffle des Wortes Makabre. Von den vielen Deutungs-
versuchungen des Wortes Macabre verdienen nur zwei Beachtung.
Nach der einen soll Macabre eine alte Vulgärform des Wortes Machabde
'Makkabäer' sein. Diese Deutung bietet die in Troyes 1728 gedruckte,
in modernes Französisch umgesetzte Danse macabre, welche im Prologe
den ursprünglichen Ausdruck la dance macabre mit la danse des Macha-
bees wiedergiebt. Gelehrte Geltung erhielt diese Deutung, als Carpentier
in seinen Nachträgen zu Du Cange's Glossar in der S. 15 angeführten
Stelle die Chorea Machabceorum als 'danse macabre' erkläi-te.
Nach der anderen von Van Praet aufgestellten Etymologie ist
das Wort Macabre dem von den Mauren in Spanien gesprochenen
Arabischen entlehnt. Es lautet in dieser Sprache maq^r 'Gräber,
Kirchhof (Plural von maqbara 'Grab'), ein Wort, das in Portugal in
der Form al-mocavar^) und in gewissen Gegenden Spaniens als macabes^)
oder almocaber ") sich in der Volkssprache erhalten hat. Femer weist
Ellissen (S. 80) darauf hin, dass arabisches tane-d-maJcabiri 'Kirchhofs-
spiel' dem französischen danse macabre zu Grunde liegen möge.
Ein Urteil über die Wahrscheinlichkeit der einen oder anderen
Etymologie wird nur mit Hilfe der Belege und der Geschichte des
Wortes Macabre gewonnen werden können.
Im Prologe der Danse macabre von 1425 erscheint es in den Versen
La dance macabre s'appelle,
Que chascun a danser apprant.
') macabre ^toU', im Portugiesischen Wörterbuche von H. Michaelis verzeichnet,
dürfte aus dem Neufranzösischen entlehnt sein.
') Koque Barcia, Primcr diccionario general etimologico de la lengua
Espaüola T. 3 (Madrid 1881), S. 522.
■) Laramens, Mots fran^ais d^rives de Tarabe. Bayrouth 1890, S. 149.
25
Noch älter ist der bereits S. 1 1 gegebene Beleg aus dem Bespit de mort
Je fis de macabree la dance,
Qui toute gent maine a sa trace
Et a la fosse les adresse.
Lydgates englische Uebersetzung aus der ersten Hälfte des
15. Jahrhunderts bietet Machahrees daunce und Daunce of Machabree^).
Die drei letzten Stellen beweisen, wogegen die erstangefiihrte nicht streitet,
dass Macabre ursprünglich Substantiv war. In den S. 14 mitgeteilten
Stellen des Journal d'un hourgois, in der bald nach 1434 von Guillibert
von Metz verfassten Description de Paris sous Charles VI^^) in den Ueber-
schriften der Handschriften und auf den Titelblätteni der alten Drucke
begegnet die Verbindung La danse macabre augenscheinlich bereits als
feststehende Formel, deren Entstehung sich aus den eben angeführten
Worten des Prologs leicht erklärt. Diese Fonnel ist Ursache, dass
macabre heute als Adjectiv aufgefasst und gebraucht wird, trotzdem
die ursprüngliche Bedeutung 'der Tanz Macabre' war, also auch in
dieser Formel das Wort die Geltung eines Substantivs, als Name des
Tanzes, hatte.
Die späteren Dinicke haben auf ihren Titelblättern die Fonnel
la danse macabre festgehalten, doch muss schon zu Ende des 15. Jahr-
hunderts und im 16, Jahrhundert das Wort macabre nicht mehr allgemein
verständlich gewesen sein^). Im 17. Jahrhundert sprachen von den
Parisem die einen La danse macabre^ die anderen La danse macabee.
Es ist dieses den Curiositez francoises^ par Antoine Oudin (Paris 1640)
zu entnehmen, in welchen es S. 314 heisst: La danse Macabee ou
plus vulgairement Macabre . i , la mort: on d6peint vne danse ou des
squelets nieinent danser toutcs sortes de personncs.
Die heutige Volkssprache kennt die Form macabre nicht mehr,
nur in der 'Langue verte' der Druckereien begegnet sie noch mit der
Bedeutung ^morf^). Das Argot ^) der Pariser bietet nur macabee,
^) Die Ueberschriften in den Abdrücken der englischen Uebersetzung und
somit auch die Worte Machabree the Doctour über einer der letzten Strophen sind
spätere Znthat, also nicht als alte Belege zu verwerten.
*) lUec (am Kloster Aux Innocents) sont paintures notables de la Dance
macabre, avec escriptures pour esmouvoir les gens ä deoocion. Le Roux de Lincy
et Tisserand, Paris et ses historiens (1867) S. 193.
*) Es ist dieses daraus zu folgern, dass Desrey in seiner lateinischen
Uebersetzung der Danse macabre das Wort Macaber für den Namen des Dichters
hält Femer bietet von den Handschriften des Journal d'un bourgois nur die
älteste, welche noch dem 15. Jahrhundert angehört, die Schreibung la dance
macabre, während die jungem Handschriften aus dem 16. Jahrhundert la danse
machabee und la danse maratre einsetzen.
*) Vgl. Ant. Oudin, Recherches italiennes et fran^aises ou Dictionnaire. Paris
1655, S. 385. *La danse Machabee: dama delli mortiJ
*) In den deutschen Buchdnickereicn bedeutet ^Leiche^ die Auslassung eines
oder mehrerer Worte im Drucksatze.
•) Vgl. Larchev, Nouveau suppidment du dictionnaire d' Argot. Paris 1889,
S. 143. — Larchet, Dict. histor. d'Argot. 7. äd. Ebd. 1878. — Rigaud, Dict.
du Jargon Parisien. Ebd. (1878). — Delveau, Dict. de la langue vert. Nouv. dd.,
par Fustier. Ebd. (o. J.).
26
machahce. Von den Totengräbern werden niauvais macahees die nach
dem billigsten Tarifsatze bestatteten Leichen genannt, bei den Studenten
lieissen die Leichen der anatomischen Institute, bei den Schiffern alle
auf der Seine treibenden Leichen und Tiercadaver macahees. In der
gebildeten Sprache bezeichnet dieses Wort bekanntlich die alttestament-
lichen Makkabäer^).
Auf den ersten Blick scheint Alles für die Herleilung des Wortes
macabre von Mackabee 'lateinisch Maccabceus' zu sprechen. Die Mög-
lichkeit der sprachlichen Nebenform ist nicht zu läugnen. Das Argot
des Parisers giebt diese Etymologie an die Hand. Und vor Allem
jener alte Beleg der Chorea Machabaeorum!
Aber mit welchem Rechte erklärt man denn jene Chorea Macha-
bceonim als 'Danse macabre' und warum übersetzt man nicht wörtlich
'Tanz der Makkabäer"? Der Gnmd ist, weil die Legende von dem
martervollen Tode der sieben makkabäischen Brüder und ihrer Mutter
keine Möglichkeit bietet, irgend eine Darstellung derselben sich in
Form einer Chorea, eines Tanzreigens, zu denken. Offenbar müsste
derselbe Grund die Möglichkeit ausschliessen, jene Chorea auf die
Danse macabre zu deuten, um so mehr, als diese weder die geringste
Aehnlichkeit mit der Legende von den Makkabäern noch überhaupt
einen einzigen Bezug auf diese bietet. Darf sich doch keine Etymologie
ausschliesslich auf die sprachliche Form stützen, es muss
das sachliche Moment der gleichen Bedeutung oder die Möglichkeit
des Bedeutungsüberganges berücksichtigt werden. Um dieser Forde-
rung gerecht zu werden, hat man zur Stütze jener Etymologie zu
einer höchst künstlichen Hypothese gegriffen. 'Es scheint', sagt
W. Wackemagel, 'dass die in der Legende so genannten Makkabäer,
d. h. die sieben Brüder sammt der Mutter und Eleasar, die unter
Antiochus Epiphanes den Märtyrertod gelitten (2.Makkab. cap. 6 und 7),
eine Rolle in ihnen (den Totentänzen) und eine vorzügliche Rolle
gespielt haben, falls man nicht bloss die Auffühnmg zuerst an deren
Fest verlegte : nur so oder so erklärt sich der in Frankreich altübliche
Name la danse Macabre, Chorea MachabworumJ Keine dieser beiden
Veimutungen erscheint haltbar, und mit ihnen muss auch die Etymologie
fallen, die sich auf sie stützt. Wenn die Legende von den Makka-
bäern in der ursprünglichen Fassung des Totentanzes eine vorzügliche
Rolle gespielt hätte, so würden Spulten davon in dem aus jener ursprüng-
lichen Fassung hervorgegangenen Totentanze in Lübeck oder in der
altspanischen Danza general zu finden sein. Was ferner die ver-
muteten Auftühnmgen am Makkabäertage, also am ersten August,
betrifft, so haben wir von keiner einzigen Aufführung an diesem Tage
Kunde, wohl aber ist überliefert, dass jene Chorea Machabteorum in
') Ausserdem wird mackabee noch als Spitzname der Juden und in Yalognes
(Dep. Manche) der Obsthökerinnen gebraucht. Le Hericher, Etymologies difficiles.
Avranches 188G, S. 109,
27
Besan<,*ün am 10. Juli, dem Tage der unschuldigen Kindleiii, statt-
gefunden hat. Uebrigens verliert die Vermutung einer festlichen Feier
des Makkabäertages an Boden, weil von den Hunderten von Klöstern,
Kirchen und Kapellen im alten Paris, trotzdem doch gerade in dieser
Stadt die Bezeichnung Danse macabre Geltung hatte, kein einziges
Kloster, keine einzige Kapelle den Makkabäern gewidmet war.^)
Auch jene ältesten Belege des Wortes Macabre wollen nicht
recht zu der Et}Tnologie stimmen. Ausnahmslos bieten sie den Sin-
gular, während man doch, wenn macabre eine Vulgärform für Machabee
wäre, im ßespit de mort statt Je fis de macahree la dance den Plural
Je fis des Macabrees la dance erwarten sollte. Den Vers La dance
macabre s'appeüe müsste man 'Der Tanz heisst Makkabäer' übersetzen.
Wie wenig bedeutungsvoll ist dieser Ausdruck im Vergleich zu der
durch die andere Etymologie gebotenen Erklärung: 'Der Tanz, den
jeder erlernen muss, heisst Sterben (eigentlich Tod oder Grab)!'
Man wird, um die alte Bedeutung zu gewinnen, von der S. 25
gegebenen Zusammenstellung der Belege ausgehen müssen. Daraus
ergiebt sich, dass in Paris bis Ende des Mittelalters ausnahmslos die
Form macabre lautet, im 17. Jahrhundert erscheint neben macabre in
gleicher Bedeutung macabee als Nebenform, die letztere Form allein
lebt weiter im Argot. Entweder muss machabee in alter Zeit dui'ch
fehlerhafte Aussprache zu macabre entstellt oder ursprüngliches macabre
volksetymologisch zu machabee umgedeutet sein. Die Annahme
einer solchen Volksetjinologie ist an sich ohne Bedenken. Macabre
ist ein absonderliches, schon im 15. Jahrhundert nicht allgemein ver-
ständliches Wort. Man deutete es um zu machabee^ das durch die
Legende von den Makkabäern volkstümlicher war, wie man himdert
andere unverständlich gewordene Worte volksetymologisch mit bekann-
teren Worten ganz anderer Etymologie zusammenbrachte.^)
Wenn einerseits in späterer Zeit und in der Provinz (wie in dem
Berichte über die Chorea Machabseorum in Besangon) macabre leicht
zu machabee umgedeutet werden konnte, so liegt die Sache gerade
umgekehrt, wenn man macabre für eine vulgäre Entstellung von
Machabie hält. Es erscheint nicht wahrscheinlich, dass der Kleriker,
welcher die Danse macabre verfasst hat, und der gelehrte Jehan le Fevre,
sowie alle alten Berichterstatter an Stelle der richtigen Form machabee^
die ihnen bekannt und geläufig gewesen sein muss, eine vulgäre Ent-
stellung derselben gebraucht haben. Um so weniger ist das anzu-
nehmen, als diese vorausgesetzte Vulgärform überhaupt bei gelehrten
Schreibern des 14. und 15. Jahrhunderts gar nicht nachzuweisen scheint.')
*) Vgl. Bordier, Les eglises et monast^res de Paris. Paris 1856.
') So wurde persisch fa-z 'Feldherr (Königin im Schachspiel)', altfrz. fierce,
fierche, fierge, neufrz. als vierge umgedeutet und zur dame oder reine gemacht, und
dementsprechend lat. als virgo, domina, regina bezeichnet. Vgl.* Andres en,
Volksetymologie. 5. Aufl. S. 40.
'} Wenigstens finde ich in den von mir nachgeschlagenen lexikalischen und
grammatischen Werken nur einen einzigen und dainim zweifelhaften Beleg und
zwar aus einer profanen Handschrift des 13. Jahrhunderts, vgl. Perceval le
Gallois p. p. Potvin, v. 34624 Jiulas MacabrL
28
Ja, sie musö ilmeii als Nebenform von machabee geradezu unbekannt
und unverständlich gewesen sein. Als Beweis iässt sich die Ueber-
schrift einer Pariser Handschrift (F. 25550) des 15. Jahrhunderts
Dtctamina choree macabre anführen. Wäre macahre gleich machabee^
so hätte der Schreiber entweder choree machabee (= machabteae) über-
setzt oder doch macabree fleetirt.
Man wird aus diesen (iründen trotz der theoretischen Möglichkeit
des sprachlichen Uebergangs nicht annehmen dürfen, dass macabre
aus machabee entstanden sei, sondern der anderen Etymologie zuneigen,
wonach macabre gleich dem spanischen macabes dem Arabischen der
spanischen Mauern entlehnt ist und ursprünglich 'Grab' oder 'Kirchhof
bedeutet hat. Angesichts des Totentanzgemiildes in Paris, an welchem
das Wort haftete und durch welches es sich gerade in Paris erhielt,
vollzog sich dann der Bedeutungsübergang zu 'der Tod', den Oudin's
Curiositez 1()40 belegen, und schliesslich im späteren Argot zu 'der
Tote' oder 'Leichnam'.*)
Man könnte gegen die Herleitung von einem maurisch-spanischen
Worte einwenden, dass die französischen Lehnworte orientalischer
Abstammung gewöhnlich Produkte und Dinge betreffen, die dem Orient
entstammen, also bei denen mit der Sache der Name übernommen sei.
Allerdings liegt bei macabre der Fall anders. Hier erklärt sich die
Möglichkeit der Uebernahme aus einer geschichtlichen Thatsache.
Unter der Führung des berühmten Bertrand du Guescliu hatten sich
1366 einige Tausend französischer und englischer Söldner nach
Spanien begeben und waren hier mehrere Jahre gel)lieben, um den
Grafen Heinrich von Transtamare in seinen Kämpfen gegen Pedro den
Grausamen imd die ihm verbündeten Mauren zu unterstützen. Man
wird annehmen dürfen, dass durch diese im Jahre 1870 nach Frank-
reich zurückgekehrten Massen das Wort macabre nach Paris gebi*acht
ist, wo das Wort bereits 1376 nachweisbar ist. Ob jene Söldner
ausser dem Worte auch die älteste Form des Totentanzes, die mimische
Darstellung desselben, eine maurisch-spanische tone-d-mdkabiri, in
Spanien kennen gelenit und nach Frankreich übertragen haben können,
wage ich nicht auszumachen. Für die Entscheidung dieser Frage fehlt
es noch an Vorarbeiten.
Der Verfasser der Danse ma4^abre. Mitten unter Schriften,
deren Verfasser Johannes Gerson ist, sollen zwei Handschriften die
Danse macabre bieten. Ob die aus diesem und einem andern Grunde
von P. Lacroix^) gezogene Folgerung, Gerson habe auch die Danse
macabre verfasst, richtig sei, wird nur mit Hilfe von Untersuchungen,
die mir nicht möglich sind, entschieden werden können. Dagegen
Iässt sich vielleicht geltend machen, dass (Jerson seit 1415 fern von
Paris gelebt hat und sich in seinen Briefen keine Erwähnung der
') Auch nd. heisst es ursprim^lich Dodesdans, später Dodendans.
') Bibliophile ülustr^ T. 1 (15 mai) London 1862, doch kenne ich den
ritirten Aufsatz nur aus dem Hinweise bei Dufonr, Dance macabre. Paris 1874, S. 87,
29
Danse macabre findet. Anderseits scheint die Subscription von Car-
bonells spanischer (eatalonischer) Uebersetzung einen neuen Hinweis
zu bieten, dass nach der Tradition des 15. Jahrhunderts Gerson an
der Abfassung der Danse macabre beteiligt war. Jene leider confuse
Subscription lautet Aquesta Danga de la Mort ha compost un sand
home dodor e canceüer de Paris en lengua francesa appeüat Joannes
Climachus sive Climages a pregaries (d. h. 'auf Bitten') de alguns devots
religiöses francesos. Die Worte Dodor e canceller de Paris Joannes
können nur auf Johannes Gerson bezogen werden, während der dann
folgende Name offenbar Gersons Freund Nicolaus de Clemangis meint,
der 1425 im Collegium Narbonense in Paris Eloquenz und Theologie
vortrug, aber w^eder Doctor noch Kanzler der Universität gewesen ist.
Seine Lebensbeschreibung und seine Briefe scheinen zur Lösung der
Frage, ob er in Gemeinschaft mit Gerson den Text der Danse macabre
bearbeitet habe. Nichts zu ergeben.^)
Die alten süddeutschen Totentänze.
Vierzeilige Totentänze, Von allen Totentänzen Süddeutsch-
lands war der älteste und der beiühmteste der Basler. Er ist zweimal
vorhanden gewesen, an der Kirchhofsmauer des Predigerklosters in
Grossbasel und im Kloster Klingenthal in Kleinbasel. Beide waren
ursprünglich in Bezug auf Zeichnung und Text einander gleich und
sind ohne Zweifel von demselben Maler hergestellt. Verschiedenheiten
zwischen ihnen sind erst später durch die Veränderungen entstanden,
welche bei den Erneuerungen der alten Bilder vorgenommen wurden.
Sie sind bald nach dem Jahre 1437 gemalt, doch w^eiss man das Ent-
stehungsjahr nicht genau anzugeben. Man hat an 1439 gedacht, weil
dieses ein Pestjahr war, ältere Schriftsteller gaben 1441 an, ohne
jedoch Gründe hierfür anzuführen. Wichtiger als die Jahreszahl muss
der Umstand erscheinen, dass die Entstehung in die Zeit des von 1431
bis 1448 in Basel zusammengetretenen Concils fällt. Der Teil des
Klingenthals, welcher den Klein-Basler Totentanz enthielt, war 1437
erbaut worden. Es muss fast mehr als wahrscheinlich erscheinen,
dass die Leiter des Kirchenbaues mit auswäiligen Prälaten, die zum
Concil gekommen waren, über ihren Neubau gelegentlich ins Gespräch
gekommen sind, und dass einer der fremden Geistlichen die Anregung
gab, nach dem Muster eines ihm bekannten Totentanzes auch im
Klingenthal und im Predigerkloster einen solchen zu malen. Jedesfalls
ist es Thatsache, dass bald nach 1437 ein vom Niederrhein gebürtiger
Maler beauftragt wurde, nach einem auswärtigen von ihm besichtigten
^) Vgl. J. Launoy, Academia Parisiensis. Parisiis 1682, S. 558 ff.; A. Müntz,
Nicolas de Cl^menges. Th^se. Strassbourg 1846; Nicolai de Clemangiis Opera
ed. J. Lydius. Lugdoni Bat. 1618.
30
oder ihm nur beschriebenen Vorbilde einen Totentanz in Basel zu
malen. Sein Vorbild ist vielleicht die Dance macabre der Sainte-
Chapelle in Dijon gewesen. Sicher war es ein französischer Toten-
tanz und zwar in einer anderen Fassung, als die Pariser Danse macabre
bot. Er muss nämlich mit der alten Danse macabre des 14. Jahr-
hunderts identisch oder aus dieser unmittelbar umgestaltet gewesen sein.
Aus den erhaltenen Copien lässt sich erkennen, dass der Maler
recht grobe Verstösse gegen die Richtigkeit der Zeichnung begangen
hat. Nichtsdestoweniger sicherten seinen Werken deren Idee und
Grossartigkeit ihre volle Wirkung. Sie sind später von Einfluss gewesen
auf die Entstehung von Holbeins berühmten Totentanzbildern und
waren schon vorher das Muster, nach welchem andere süddeutsche
Städte ihre Totentänze malen Hessen. Ferner geht auf sie die Ent-
stehung eines Werkes der Holzschneidekunst aus der Mitte des 15. Jahr-
hundert zurück, welches einen gegen das Basler Vorbild mit 38 Tanz-
paaren um 14 Gruppen verkürzten Totentanz bietet.
Die grob geschnittenen Figuren ahmen die Basler nur nach, ohne
eine Copie zu bieten ^), während der Text, der später auch handschrift-
liche Verbreitung und monumentale Verwendung fand, von unwesent-
lichen Veränderungen der Lesart abgesehen, treu wiederholt ist.
Die vorstehenden Angaben über das Verhältnis des Basler Toten-
tanzes zu seinem Vorbilde und den vierzeiligen Totentänzen mit nur
24 Tanzgnippen sind zum Teil neu, zum Teil den bisher geltenden
Ansichten widersprechend. Sie bedürfen also der Begründung.
Der Text beginnt
0 diser werlt wisheü kM
Diese Worte entsprechen dem Sinne nach vollständig den Anfangs-
worten der alten wie jüngeren Danse macabre und des alten nieder-
ländischen in niederdeutscher Bearbeitung erhaltenen Totentanzes
(Siehe oben S. 23). Dort lauten sie 0 creature raysonahle, hier Och
redelike creature. Der niederdeutsche bezw. niederländische Ausdruck
wäre von einem Süddeutschen mit 0 redeliche creatitire wieder zu geben
gewesen. Wenn er statt dessen mit einer so ungelenken Konstruktion,
wie sein Text bietet, diesen beginnt, so ist das ein Beweis, dass ihm
der niederländische Totentanz unbekannt war und er auf eigene Hand
eine Uebersetzung der französischen Worte 0 creature raysonable
versucht hat.
Dass die Basler Totentänze zum Vorbilde nicht die Danse macabre
vom Jahre 1425, sondern — mittelbar oder unmittelbar — die alte
Danse macabre des 14. Jjihrhunderts gehabt haben, ist zu folgern,
weil sie in der Auswahl der Personen und sogar an einer Stelle im
Wortlaute mit dem Lübecker Totentanze von 1463 grosse Ueberein-
*) Ein Beispiel ziemlich treuer Copie bieten die Figuren der Könige. Dass
der Holzschneider nur freie Nachahmungen, kerne Copien bietet, mag sich auch
daraus erklären, dass er nicht angesichts des Originals, sondern aus dem Gedächtnis
in seiner Werkstatt seine Holzschnitte herstellte.
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Stimmung zeigen. Im Lübecker Texte lauten nämlich die Worte des
Kindes
0 doet, wo schal ik dat vorstau,
Ik schal dansen unde kan nicht gan?
Diesen Worten entsprechen, wie schon Massmann hervorgehoben
hat, der darum mit Wackernagel den Lübecker Text aus dem Basler
ableiten wollte, in diesem die Verse
Wie wiltu mich also Verlan?
Muoz ich tanzen und en kan nicht gan.
In Bezug auf die Personen ist zu bemerken, dass, abweichend
von der Danse macabre von 1425, Lübeck und Basel den Prediger,
die Kaiserin und Jungfrau gemeinsam haben. Man wird derartige
Uebereinstimmungen in den Personen allerdings nur bei den ältesten
Totentänzen mit heranziehen dürfen. Bei späteren Totentänzen haben
Uebereinstimmungen in den Personen nur sehr bedingte Beweiskraft
für die Bestimmung des Verwandtschaftsverhältnisses, denn, nachdem
die Totentänze erst zahlreicher geworden waren, konnte jeder spätere
leicht von mehr als einem Vorbilde Anregungen empfangen.
Die in den Totentänzen erscheinenden Personen werden auch
für den Beweis herangezogen werden dürfen, dass nicht die Texte mit
24 Personen, wie man bisher annahm, die ältere Fassung bieten,
sondern dass gerade umgekehrt jene Texte erst durch Kürziuig der
in Basel vorliegenden Fassung erst entstanden sind. In jenen Texten
mit 24 Pei"sonen fehlen nämlich der Jüngling, Jungfrau, Wucherer
und Pfeifer, also Personen, die wie der alte Lübecker Text in Ueber-
einstimmung mit der Danse macabre zeigt, bereits dem Vorbilde des
Basler Totentanzes angehört haben.
Dass die Danse macabre der Sainte Chapelle in Dijon, die 1436
hergestellt war, das Vorbild für die c. 1437 — 41 gemalten Basler
Totentänze war, lässt sich nur vermuten, nicht beweisen. Die Ver-
mutung stützt sich darauf, dass zu jener Zeit noch nicht sehr viele
Totentänze vorhanden waren und Dijon die Basel am nächsten gelegene
französische Stadt ist, wo sich ein solcher bereits seit dem Jahre 1430
fand. Auch früher schon hatten die Basler Dijoner Malereien copiren
lassen. Es ist nämlich überliefert, dass der Rat von Basel im Jahre
1418 dem Meister Hans Tieffenthal von Schlettstadt die Ausmalung
der Kapelle des elenden Kreuzes um 300 Gulden übertrug und ihm
dabei genau vorschrieb, was er malen soll, indem ihm als Muster eine
Kapelle in Dijon genannt wurde.^)
AehtzeUiger Totentanz. Der Text des alten achtzeiligen
'Totentanzes mit Figuren' ist eine Nachbildung der Danse macabre
vom Jahre 1425. Während er mit keinem deutschen Texte an irgend
einer Stelle im Wortlaute zusammentrifft, stimmt er, wie schon Massmann
bemerkt hat, mehrmals mit der Danse macabre überein, z. B. beim Kinde.
'} Bahn, Geschichte der bildenden Künste in der Schweiz. (1876.) S. 648.
$2
Doteudantz.
A a a, ich kan noch nyt sprechen.
Hude geboren hude muss ich ufFl>recbcn.
Danse macabre.
A a a, je ne scay parier,
Enfant suis, j'ay la langue mu.
Hier naquis, huy m^en fault aller.
Ferner bietet der achtzeilige Totentanz zu Anfang zwei Strophen,
welche einem Toten zugeschrieben sind. Kin entsprechendes Stück
findet sich nicht in dem vierzeiligen Totentanze, wohl aber am Ende
der Danse macabre, wo un roy mort in zwei Strophen den Beschauer
des Gemäldes mahnt, sich an ihm eine Lehre zu nehmen.
Im Gegensatze zum Texte, dessen Verfasser die Danse macaJ)re
(vielleicht in einer Handschrift mit blossem Texte) benutzte, ist fiir
die zugehörigen Figuren ein Totentanz das Vorbild gewesen, der dem
Basler nahe verwandt war. Die allgemeine Aehnlichkeit zwischen
den Basler Figuren und den Holzschnitten ist erkennbar, ohne dass
sie durch treu wiederholte Einzelheiten sich leicht erweisen lässt. Der
allgemeine Charakter der Totentanzgruppen ist derselbe, im Einzelnen
ist auf das Beinhaus zu Anfang und den Prediger zu Schluss zu ver-
weisen. Dem Vorbilde ist ferner die Anregung entnommen, den Todes-
gestalten — die in den übrigen Totentänzen lieber mit einer Waffe
oder der Sichel erscheinen — Musikinstrumente in die Hand zu geben.
Im Baseler Totentanze war das nur einigemal geschehen, in den Holz-
schnitten des achtzeiligen Textes trägt der Tod nur beim Kinde ein
Spielzeug, sonst hat er in jeder Tanzgruppe ein Musikinstrument
und zwar möglichst immer ein verschiedenes. Eigentümlich ist den
Holzschnitten die bewusste burleske Komik. Man hat in den Toten-
tänzen Ironie und Humor finden wollen. Wie ich glaube, mit Unrecht,
was die älteren Totentänze betrifft. In diesen herrscht nur eintöniger
frommer Ernst, auch dem Tanzmotiv lag nur ernste, allegorische
Bedeutung zu Grunde. Die Holzschnitte des achtzeiligen Totentanzes
dagegen sollen augenscheinlich durch komische Züge wirken, wenn
z. B. eine Figur, sich gegen den Tod wehrend, diesem in den Haar-
schopf greift, oder eine andere ihn mit der Faust am Halse würgt
und zugleich einen kräftigen Fusstritt vor den Bauch versetzt.
I>ichtung8gattunff. In Bezug auf den Charakter der Toten-
tanztexte stehen sich die Ansichten der Litteraturhistoriker schroff
gegenüber. Die Totentänze des Mittelalters, sagt Godeke (Grundriss 1*
S. 322) gingen aus Bildern hervor und wurden durch Reime erläutert.
Andere, wie Gervinus und Scherer, zählen die Totentänze dagegen der
dramatischen Gattung zu. Es handelt sich bei ihnen um die hoch-
deutschen Totentänze. In Bezug auf diese muss mit aller Entschiedenheit
der dramatische Charakter in Abrede gestellt und Gödeke beigepflichtet
werden.
Die Ansicht, dass die hochdeutschen Totentanztexte ursprünglich
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Schauspiele gewesen sind, rührt von W. Wackernagel ^) her, und ohne
dass jemand ihre Gründe näher prüfte oder neue Stützen dafür bei-
brachte, ist sie mit Ausnahme Gödekes von den Litteraturhistorikern
auf guten Glauben übernommen worden. Die Nachricht von Auf-
fiihi-ungen des Totentanzes in Frankreich musste freilich die Frage
nahelegen, ob nicht etwa auch die deutschen Totentänze als Dramen
gedichtet und aufgeführt seien. Wackernagel bejahte diese Frage
ohne Rücksicht auf alle Gründe, welche dagegen sich aus den Toten-
tänzen selbst beibringen Hessen, und ohne zu beachten, dass eine
Autfuhining des Totentanzes in Deutschland um 1500 zwar denkbar,
ziemlich hundert oder, da Wackernagel noch an das Entstehungsjahr
1312 für den Klingenthaler Totentanz glaubt, gar zweihundert Jahr
früher ohne jede Wahrscheinlichkeit wäre. Wackernagel stützt sich
allein auf die angeblich dramatische Form. "Wo und wann dieses
deutsche Drama zur öffentlichen Aufführung gekommen, wird zwar
nirgend berichtet, von ihm so wenig als es bei andern zu geschehen
pflegt: doch ist, dass solche stattgefunden habe, auch von ihm un-
zweifelhaft: dem Mittelalter war die Unnatur noch fremd, dergleichen
bloss zu schreiben und zu lesen, nicht aber zu spielen." Es ist nicht
einmal wahr, dass die dramatische Form im Mittelalter in jedem Falle
die scenische Aufführung zur Absicht gehabt habe, er braucht nur an
die Dramen der Hrotsuith, an das Spiegelbuch*) u. a. erinnert zu
werden. Ganz falsch wäre es aber, von jeder die Form des Dialoges
bietenden alten Dichtung zu behaupten, dass sie für die dramatische
Daretellung verfasst sei. Es scheint nicht einmal nötig, Beispiele
hierfür anzuführen.
Gegen den dramatischen Zweck sprechen folgende Gründe. Die
Texte selbst enthalten Hinweise, dass sie zu Gemälden gehören. Vers
•25. 2(i des alten vierzeiligen Textes heisst es:
Als des gemseldes figiu*en
Sint hie ein ebenbilt ze truren.
Aehnlich heisst es in dem achtzeiligen Totentanze v. 17 f.
Merkent nu und sehent an disse figure,
War tzu kommet des mentschen nature.
Zweitens. Es ist trotz des massenhaften urkundlichen Materiales,
welches aus dem Mittelalter jetzt gedinickt oder ausgezogen vorliegt,
keine einzige Stelle bekanntworden, welche irgend eine dramatische
Aufführung eines Totentanztextes in Deutschland bezeugt. Drittens.
Zu Anfang des 15. Jahrhunderts, also in der Zeit, wo die ältesten
deutschen Totentanztexte verfasst sind, wurden, abgesehen von der
nur auf Oster- u. dergl. Spiele beschränkten Mysterienbühne, überhaupt
keine dramatischen Spiele in Deutschland agirt, welche soviele Rollen
erforderten, als die Totentänze geboten hätten. Ausser den Mysterien
kannte man damals überhaupt nur das Fastnachtspiel und den Fast-
nachtsaufzug.
>). Zeitschrift für deutsckes Alterthum 9 S. 313 ff., kl. Sehr. 1 S. 317.
») Hrsg. von Rieger, Germania 16 (1871) S. 173 ff.
KUdflxdeutsohofl Jahrbuch XVU. 3
u
Die Lübecker Totentänze von 1489 und 1820.
Der Lübecker Totentanz von 14G3 ist ein grosses Wandgemälde.
Davon zu unterscheiden sind zwei Totentänze, welche in Lübecker
Drucken von 1489 (neue Ausgabe 1496) und 1520 vorliegen. Der von
1489 enthält einen umfangreichen Text, nicht weniger als 1686 Verse,
der von 1520 bietet nur 424 Verse. Beide stimmen stellenweise unter
sich wörtlich überein und beide bieten Stellen, die auf Benutzung des
Totentanzes von 1463 deuten. Der Totentanz von 1520 kann, nach
Umfang und Form zu urteilen, wohl die gedruckte Copie eines monu-
mentalen Totentanzes darstellen. Der von 1489 ist, wie sein Verfasser
Vers 1681 hinreichend deutlich ausspricht, für die Buchfonn und den
Druck von vornherein bestimmt gewesen und muss 1489 oder kurz
vorher verfasst sein.
Die allgemeine Ansicht über das Verhältnis der Totentänze von
1489 und 1520 ist, der letztere sei ein Auszug aus dem älteren v. J. 1489.
In Wirklichkeit verhält sich die Sache ungefähr umgekehrt. Es
wird sich beweisen lassen, dass der Totentanz von 1520 durch den
Verfasser des Textes v. J. 1489 benutzt ist. Der Dichter des letzteren
kann selbstverständlich nicht den uns erhaltenen Diiick von 1520 in
Händen gehabt haben, sondern muss seine Kenntnis des Textes aus
einer Handschrift des 15. Jahrhunderts oder einem unbekannten alten
Druck geschöpft haben.
Der Beweis für die von mir eben ausgesprochene Behauptung,
dass der Totentanztext v. J. 1520 älter als der von 1489 und in diesem
benutzt sei, lässt sich am kürzesten mit Hilfe des 'Zwiegespräches
zwischen dem Leben und dem Tode' führen. Dasselbe ist i. J. 1484
in Lübeck gedruckt und in die 'mittelniederdeutschen Fastnachtspiele'
aufgenommen worden.^) Unangemerkt ist geblieben, dass es mehrere
wörtliche Uebereinstimmungen mit den beiden Totentänzen bietet.
Zwiegespräch. ▼. 61 — 64.
God sprack mit synem billigen munde:
Waket unde bedet to alier stunde, Zwiegespräcb. v. 29 f.
De dod sendet ju neynnen breflF, ^^^^^^ jj^ ^yl ^^ ^^^1^ ^n^e„ spreken,
Mer be kummet shkende alse eyn deff. j^^ ^^ ^y ^y^ j^^^e tbobreken.
Dodesdanz 1489. v. 143 f. Dodesdanz 1489. v. 1609 f.
Hirumme waket, wente de dot sendet hj, ^^ ^^^^^ ^^^^^^^ ^^^^g, spreken,
„ , ,., -P ^^^^^ *^f®*> Einem isliken wil ik sin berte tobreken.
He kumt sliken recbt so em def. -^ , , ^ ^-^^
T^ j j tnc%i\ Dodendantz 1620.
Dodendantz 1520. ^^^ j^ ^ü ^ ^„^g„ ^ sprecken :
God sprickt niit synem hilgen munde: goltb an, ik wil dyn berte to breken.
Waket unde bedet to alier stunde.
De dot sendet juw neuen bref.
He kumpt slyken recht so eyn deff.
^) Mittelniederdeutsche Fastnacbtspiele, hrsg. von W. Seelmann. Norden 1885.
S. 45 ff. Vgl. Vorrede S. 33 ff.
Aus der Vergleichung dieser Stellen aus den drei angeführten
Werken ergiebt sich, dass der Wortlaut des Zwiegespräches im Totentänze
von 1489 abgekürzt, in dem von 1520 vollständig wiederholt ist.
Unmöglich kann also der Totentanz von 1520 ein blosser Auszug des
Totentanzes von 1489 sein, wie Mantels und Baethcke angenommen
haben. Da sich femer für die Annahme, dass beide Totentänze
unabhängig von einander dieselbe Quelle benutzt haben, keine Gründe
beibringen lassen, so können nur folgende Möglichkeiten in Betracht
kommen. Entweder ist das Zwiegespräch, das in einem Drucke von
1484 vorliegt, die Quelle, aus ihr hat der Verfasser des 1520 gedruckten
Totentanzes geschöpft und diesen wieder der Dichter des Totentanzes
von 1489 benutzt; oder dem Totentanz von 1520 sind von den Dichtern
der beiden andern Werke unabhängig von einander jene Stellen entlehnt.
Mag man sich für jene oder diese Annahme entscheiden, in jedem
Falle ergiebt sich die Schlussfolgeinmg, dass der Text des Totentanzes
von 1520 bereits dem Dichter des Textes v. J. 1489 vorgelegen hat,
also älter als dieser ist.
Zu demselben Ergebnis gelangt man durch folgende Erwägungen.
Der Verfasser des Totentanzes von 1489 hat, wie von seinem Heraus-
geber dargelegt ist, Gedanken und Worte vielfach aus älteren in Lübeck
gedruckten Werken entlehnt. W^enn nun wirklich der Totentanz von
1520 ein Auszug aus dem von 1489 wäre, würde doch anzunehmen
sein, dass auch eine oder die andere jener Entlehnungen mit über-
nommen wäre. Das ist jedoch nicht der Fall.
Der Verfasser des Totentanzes von 1489 hat also sowohl den
alten Text von 1463 als auch das i. J. 1520 gedruckte Gedicht benutzt.
Jenen muss er in der Marienkirche in Lübeck gesehen haben. Er
folgte diesem Vorbilde, indem er erst den Menschen, dann antwortend
den Tod sprechen lässt, er entnahm ihm die Reihenfolge der zuerst
auftretenden Stände und hin und wieder einen Gedanken. Den anderen
ims in einem Druck von 1520 erhaltenen Totentanz hat er in einer
Handschrift oder in einem alten verschollenen Diiick bequem zu Hause
benutzen können. Dieser Text muss ihm, als er seinen Totentanz heft
gedieht unde taten setten, wie er sich Vers 1681 ausdrückt, stets zu
Händen und vor den Augen gewesen sein, denn er hat ihn an sehr
vielen Stellen wörtlich ausgeschrieben und nicht minder häufig, was
er kurz sagte, breiter ausgeführt.
In Bezug auf die Personenfolge lässt die nachstehende Uebersicht
sein Verhältnis zu beiden Texten erkennen.
L
III.
n.
1463
1489
1520
1.
Papst fs. III, 1)
1.
Papst (s, II, 1)
1.
Papst
2.
Kaiser (s. III, 2)
2.
Kaiser (s. II, 4)
2.
Cardinal
3.
KaiBerin (s. III, 3)
3.
Kaiserin (s, II, 5)
3.
Bischof
4.
Cardinal (s, III, 4)
4.
Cardinal (s. II, 2)
4.
Kaiser
3*
36
L m. n.
1463 14S9 1520
5. König (s. III 5) 5. König (s, II, 6) 5. Kaiserin
6. Bischof (8, III, 6) 6. Bischof {s. II, 3) 6. König
7. Herzog (s, III, 7) 7. Herzog (s. II, 7) 7. Herzog
8. Abt (8. ni, 8) 8. Abt (s. II, 8) 8. Abt
9. Ritter (8, III, .9. ILJ 9. Ordensritter (s. II, .9) 9. Kreuzherr
10. Kartänser-Mönch (III, 10) 10. Mönch (s. ZZ, 13) 10. Arzt
11. Edelmann (8. III, 11) 11. Ritter (s. 77, 74) 11. Domherr
12. Domherr (s. III, 12) 12. Domherr {s. II, IT) 12. Pfarrherr
13. Bürgermeister (8, III, 13) 13. Bürgermeister (s. 77, 17) 13. Mönch
14. Arzt (8. III, 14) 14. Arzt {s. II, 10) 14. Ritter
15. Wucherer 15. Junker (s. 77, 20. I, 22) 15. Official
16. Capellan 16. Klausner (s. 77, 16. I, 20) 16. Klausner
17. Kaufmann/:?. 77, 7.9. 777, 75; 17. Bürger {s. II, 22) 17. Bürgermeister
18. Küster 18. Student (s. 77, 26) 18. Nonne
19. kmimaim (8,11,25.111,21) 19. Kaufmann (s. 77, 7.9. 7, 77) 19. Kaufmann
20. KUnsner (8. II, 16. 111,16) 20. Nonne (s. II, 18) 20. Junker
21. Bauer (8. II, 27. III, 23) 21. Amtmann (.9. 77, 25. 1,19) 21. Jungfrau
22. Jüngling 22. Werkmeister der Kirche 22. Bürger
23. JvLngfrm(8.II,21.in,26) 23. Bauer (s. 77, 27. I, 21) 23. Begine
24. Kind 24. Begine {s. II, 23) 24. Narr
25. — 25. Hofreuter (.9. 77, 28) 25. Amtmann
26. — 26. Jungfrau (s. 77, 21. I, 23) 26. Student
27. — 27. Amtsknecht (ä. 77, 29) 27. Bauer
28. — 28. Amme mit Kind («. 77, 30) 28. Reiter
29. — — 29. Amtsgesell
30. — — 30. Amme mit Kind.
Von den 28 Ständen, welche der Totentanz von 1489 bietet,
sind also die ersten vierzehn genau dieselben wie die ersten vierzehn
im Totentanze der Marienkirche in Lübeck. Denn wenn an elfter
Stelle der Edelmann des älteren Textes als weltlicher Ritter erscheint,
so bedingt diese Abweichung keinen Unterschied des Standes. Vom
Junker ab sind dagegen seine Personen mit der einzigen Ausnahme
des Werkmeisters dem sechszeiligen Totentanze entnommen, doch hat
er als Ordnungsprincip die Abwechslung geistlicher und weltlicher
Personen möglichst festgehalten.
Zieht man die Holzschnitte, welche sich in den Drucken von
1489 und 1520 finden, in die Untersuchung, so scheint es eine sehr
einfache und überraschende Ursache zu sein, warum der Verfasser des
Totentanzes von 1489 in der Reihenfolge der Personen sich bis zur
14. Figur dem Totentanze in der Marienkirche angeschlossen, dann
aber die Reihenfolge seines Vorbildes unbeachtet gelassen hat.
Die Holzschnitte, welche sich in den Totentänzen von 1489 (und
1496) wie 1520 (und seiner dänischen Uebersetzung) finden, sind
nämlich von denselben Holzstöcken abgezogen.*) Es unterliegt
keinem Zweifel, dass dieselben Holzstöcke auch bereits zu jenem ver-
schollenen Drucke benutzt sind, welcher die erste Ausgabe des Toten-
*) Vgl. die Litteratur-Uebersicht unter Dänemark.
37
tauzes von 1520 bot und der dem Verfasser des Textes von 1489
vorgelegen hat. Letzterer hat nun die Personen seines Todestanzes
mit Rücksicht auf die Holzstöcke des von ihm benutzten Totentanzes
von 1520 ausgewählt.
Er ist in seiner Anordnung dem Totentanze der Marienkirche
bis zum Arzte gefolgt, weil er für diesen und alle vorhergegangenen
Stände sich der Holzstöcke des Totentanzes von 1520 bedienen konnte.
Auf den Arzt folgten in der Marienkirche Wucherer und Capellan.
Für diese bot seine gedruckte Vorlage keine Holzstöcke. Er musste
deshalb diese aus seiner Reihe auslassen. Dasselbe war der Fall mit
dem Küster und Jüngling. An Stelle der fortfallenden setzte er Figuren
seiner gedruckten Vorlage ein, wobei er jedoch thunlichst nach dem
Princip des Totentanzes der Marienkirche geistliche und weltliche
abwechseln Hess. Ungelöst bleibt nur die Frage, woher er den Werk-
meister entnommen hat. Vielleicht ergäbe sich die Antwort leicht,
wenn man die Holzschnitte der Ausgaben, von denen je nur ein
Exemplar (das von 1520 in Oxford) erhalten ist, nebeneinander ver-
gleichen könnte.
Aus den Holzschnitten ergiebt sich mit annähernder Richtigkeit
auch das Jahr, in welchem der nur in einem Drucke von 1520 erhaltene
Totentanz zum ersten Male gedruckt erschienen ist. Die Holzschnitte
bieten nämlich die Strichlagen des sogen. 'Lübecker Unbekannten',
der nach den Ergebnissen von mir früher veröffentlichter Unter-
suchungen \) identisch mit Mattheus Brandis und zwischen d. J. 1487
bis 1499 in Lübeck imd in Kopenhagen thätig gewesen ist. Da jener
erste Druck bereits in dem Totentanze von 1489 benutzt ist, so ist
er zwar vor diesem Jahre, wahrscheinlich aber nur ein oder zwei
Jahre früher, erschienen.
EngUsehe Totentänze.
In englischer Sprache ist nur ein vollständiger Totentanztext aus
dem Mittelalter erhalten. Er ist von Lydgate verfasst und bietet eine
freie Uebersetzung der Pariser Danse macabre v. J. 1425.
Daneben sind als Rest eines alten Totentanzes, welcher der
Kathedrale von Salisbury angehört hat, folgende Verse erhalten:
Alasse Dethe alasse a blesfull thyng thou were
Yf thou woldyBt spare us yn ouwre lustynesse
And cum to wretches that bethe of hevy chere
Whene thay ye clepe to slake their dystresse
Bat owte alasse thyne own sely selfwyldnesse
Crewelly werneth me that seygh wayle and wepe
To close there then that after ye doth clepe.
<) See] mann, Der Lübecker Unbekannte. ^Centralblatt für Bibliothekswesen.
Jg. 1 (1884).' S. 19—24. Vermehrt abgedruckt in den 'Mitteilungen des Vereins
für lübeckische Geschichte 2 (1886) S. 11—19.'
38
Death answers:
Grossless galante in all thy luste and pryde
Remembyr that thou schalle onys dye
Deth schall fro thy body thy sowie devyde
Thou mayst him not escape certaynly
To the dede body es cast clown thyne ye
Beholde thayme well consydere ancl see
For such as thay ar such shalt thou be.
Bemerkenswert ist, dass zuerst der Mensch redet und darauf
erst der Tod spricht. Dieselbe Folge lässt sich sonst nur in der
spanischen Danza general de la muerte und im Lübecker Totentanze
von 1463, also in den Totentänzen altertümlichster Gestalt nachweisen.
Ferner zeigen die beiden erhaltenen Strophen, zu denen die Schluss-
verse zu fehlen scheinen, dieselbe Reimbindung, wie die ersten sieben
Verse der spanischen Danza (vgl. S. 23)
Salishury text: a b a b b c c
Danea de la muerte: ababbccb
Danse macabre: ababbcbc
Auch dieser Umstand deutet darauf, dass von dem Verfasser des
englischen Textes die alte Danse macabre des 14. Jahrh. benutzt ist,
nicht die jüngere v. J. 1425. Beweisen würden die leider mangelnden
achten Verse der Strophen. Sie fehlen, sei es, dass sie als unterste
Verse des Gemäldes unlesbar geworden waren, sei es, dass sie über-
haupt nie vorhanden waren. Wäre der letztere Fall anzunehmen, so
würde er sich daraus erklären, dass die in ihnen enthaltene Anrede
an die nächstfolgende Person (vgl. S. 7 flf.) unverständlich oder ent-
behilich schien.
Vergleicht man die beiden Strophen in Bezug auf ihren Inhalt
mit den aus der gemeinsamen Quelle geflossenen übrigen Totentänzen,
so findet man im Lübecker Texte von 14G3 nur ganz allgemeine, in
der jüngeren Danse macabre dagegen bemerkbare Aehnlichkeiten in
dem Zwiegespräch zwischen Tod und Liebhaber. Vgl. Str. 46:
Gentil amoreux gay et frisque,
Qui Yous cuidez de grant valeur,
Yous estes pris; la mort yous pique
Le monde laires a douleur.
Trop l'aYez ame, c'est foleur.
De YOUS mort est peu regardee.
Ja tost YOUS changeres coleur.
Beaute n'est qu'image fardee.
Also auch aus der Vergleichung mit den englischen Strophen
ergiebt sich, was bereits S. 23 gefolgert werden konnte, dass der
Bearbeiter der jüngeren Danse macabre aus der älteren vieles wörtlich
herübergenommen hat.
39
Litteratur-
und Denkmäler-Uebersicht.
Die nachfolgende Uebersicht soll die monumentalen Totentänze
bis zum 18. Jahrhundert, die übrigen sowie die Texte bis auf Holbeins
Imagines mortis mitsammt der auf sie bezüglichen Litteratur umfassen.
Die zahlreichen Nachdrucke der Danse macabre, der Basler Totentänze
und der Holbeinschen Zeichnungen vollständig zu verzeichnen hat
keinen Zweck. Dem Interesse des Bibliographen genügen die umfang-
reichen Titelabschriften und Beschreibungen in den bereits vorhandenen
Verzeichnissen, auf welche verwiesen werden wird. Abgesehen von
diesem bibliographischen Detail wird die nachfolgende Zusammen-
stellung aus zwei Gründen weit vollständiger und genauer als alle
früheren sein können, einmal, weil der Verfasser diese benutzen und
durch neue Nachweise vermehren kann, dann, weil er, mit Ausnahme
weniger Fälle, meist Incunabeln, auf nichts Gedrucktes verweist, was
er nicht selbst eingesehen hat.
Die Schriften, welche sich vorwiegend auf ein einzelnes Denkmal
beziehen, werden b(?i diesem verzeichnet werden. Diejenigen, welche
die Totentänze im Allgemeinen behandeln, seien hier vorweg genannt.*)
Am meisten haben sich um die allmälige Sammlung des Materiales
Peignot, Douce und Langlois imd ganz besonders Fiorillo
verdient gemacht. Letzterer ist auch deshalb noch zu erwähnen, weil
man bei ihm die Litteratur des vergangenen Jahrhunderts angegeben
findet. Ausserdem ist noch auf Prüf er 's Ausgabe des Berliner Toten-
tanzes hinzuweisen, weil er eine sehr übersichtliche Tabelle der monu-
mentalen Denkmäler bietet und zuerst einige derselben zu allgemeiner
Kenntnis gebracht hat.
W. Bftamker, Der Todtentanz. Studie. Frankfurt a. M. 1881. (= Frankfurter
Broschüren N. F. II n. 6. S. 175—205.)
F. ]>onee, The Dance of Death exhihited in elegant engravings on wood with a
dissertation on the several representations of that snbject. London 1833.
') Ausser den hier und bei den einzelnen Denkmälern Verzeichneten haben
noch folgende über die Totentänze im Allgemeinen gehandelt: L. Bechstein,
'Deutsches Kunstblatt, hrsg. von Eggers, 1 (1850) 8. 57 ff.; Branche, 'Bulletin
monumental. 8 (1842) S. 326—39*; Douce in der Einleitung zu *The dance of
Death, painted by Holbein and engraved by Hollar 1794 u. ö.'; Einleitung zu
'Holbeins Dance of Death. London 1849'; Gödeke, Grundrisz z. Gesch. d. dtsch.
Dichtung. 2. Aufl. 1. S. 322- 25; Massmann, (Wiener) Jahrbücher d. Litter.
Bd. 58 Anzeige-Bl. S. 1—24 ; d e r s. in der Schlotthauerschen Ausgabe des Holbein-
schen Totentanzes. München 1882; ders. 'Dtsch. Kunstblatt 1 S. 255 ff.'; Müntz,
•Revue critique d'hist. etc. 13 (1887) 8. 35 ff.'; R. Springer, 'Westermanns Illu-
strirte Monatshefte 47 (1880) S. 723 ff.; Weltmann, Holbein und seine Zeit.
2. Aufl. Bd. 1. 8. 240 ff. — Die Arbeiten über die Allegorie und Ikonographie des
Todes (die neueste und ausführlichste ist von Frimmel, 'Mittheilungen der k. k.
Centralcommission, NF. Jg. 10 ff.) sind in das Verzeichnis nicht aufgenommen.
40
A. EUissen, Geschichtliche Abhandlung über die Todtentänze. In Hans Holbeios
Initial-Buchstaben mit dem Todtentanz nach Hans Lutzelburgers Original-
Holzschnitten treu copirt von H. Lödel. Mit einer geschichtl. Abhandlung etc.
Göttingen 1849.
J. B. FlorlUo, Geschichte der zeichnenden Kunst« in Deutschland und den ver-
einigten Niederlanden. Bd. 4. Hannover 1820. S. 117 — 174.
H, Fortonl, Essai sur les po^mes et les Images de la danse des morts. In
La danse des morts dessin^e par H. Holbein grav^e par J. Schlotthaner.
Paris 1842 und in ^tndes d*arch6ologie et d'histoire. T. 1. Paris 1854.
S. 321 ff. (Nicht benutzt.)
€• Grlineisen, Beiträge zur Geschichte und Beurtheilung der Todtentänze 'Kunst-
blatt (Beiblatt zum Morgenblatt für gebildete Stände) 1830 Nr. 22—26.'
G. Kastner, Les danses des morts. Dissertations et recherches historiques, philo-
sophiques, litt6raires et musicales sur les divers monuments. Paris 1852. 4.
N, ۥ Kist, De kerkelijke Architectuur eu de Doodendanse. Leiden 1844 {Sonder-
ahdruck aus dem 'Archief voor kerkelijke Geschiedenis. Deel 15').
E. H. Langlois, Essai historiques, philosophique et pittoresque sur les danses des
morts, suivi d'une lettre de C. Leber et d'une note de Depping. Ouvrage
compl6t6 et publi6 par A. Pottier et A. Baudry. 2 Ts. Ronen 1851.
H. F. Massnumn, Literatur der Todtentänze. (Aus dem „Serapeum'^ besonders
abgedruckt.) Leipzig 1840. (Beschränkt sich wesentlich auf eine bibliographische
Beschreibung der Abdrücke von Holbeins, des Gross -Basler und des acht-
zeiligen deutschen Totentanzes, der Danse macabre und der französischen
Gebetbücher mit Totentänzen. Einige Zusätze giebt Heller 'Serapeum 6
[1845] S. 225—231'.)
H. F. Massmann, Die Baseler Todtentänze in getreuen Abbildungen. Nebst geschicht-
licher Untersuchung, so wie Yergleichung mit den übrigen deutschen Todten-
tänzen. Stuttgart 1847. 8 nehst Atlas. Ebd. 1847. 4^ (=, Der Schatz-
gräber. Hrsg. von J. Scheible. Th. 5.)
H. F. Massmann im Universal-Lexikon hrsg. von H A Pierer. 2. Afl. (3. Ausg.)
Bd. 31 (1845) S. 318 f.
A« F. Merino, La dance macabre. Estudio critico literario. Madrid 1884.
F. Naumann, Der Tod in allen seinen Beziehungen, ein Warner, Tröster und
Lustigmacher. Als Beitrag zur Literaturgeschichte der Todtentänze.
Dresden 1844. 12.
0. Peignot, Recherches historiques et litt6raires sur les danses des morts et sur
Torigine des cartes ä jouer. Dijon et Paris 1826.
K. Sehnaase, Zur Geschichte der Todtentänze. ^Mittheilungen der k. k. Central-
Commission zu Erforschung der Baudenkmale. Bd. 6. Wien 1861.
S. 221—223.'
P. Tigo, Le danze macabre in Italia. Studi. Livomo 1878.
W. Wackemagel, Der Todtentanz. 'Zeitschrift für deutsches Alterthum. Bd. 9
(1853), S. 302—366', wieder abgedruckt 'Kleinere Schriften Bd. 1 (1872)
S. 302 ff.'
J. £. Wessely, Die Gestalten des Todes und des Teufels in der darstellenden
Kunst. Leipzig 1876.
Einige Kunstdenkmäler, welche in diesen Werken verzeichnet
sind, wird man in der nachfolgenden Uebersicht nicht finden, deshalb
nicht, weil sie mit Unrecht Totentänze genannt sind. Zum Beispiel
die sogen. Totentänze von Annaberg, Freiberg und Leipzig,
bildliche Darstellungen der Lebensalter des Menschen, die sogen,
Totentänze von Minden und Wien u. a. (Vgl. S. 4 f.)
41
Der sogen. Mindencr Totentanz von 1383, auf den wohl in jeder Abhandlung
über die Totentänze bisher Bezug genommen worden ist, ist allbekannt, weil er
yon Fabricios in der Bibliotheca mediae et infimae aetatis (Hamburg T. V p. 2)
angeführt wird. Er ist jedoch weder aus Minden noch ist er überhaupt ein
Totentanz. Die Nachrichten über ihn gehen znrück auf Michael Sachsens Newe
Keyser Clironwa Magdeburgk 1606 (Vorrede S. 2), der ihn nach Minden versetzt,
ohne seinen Gewährsmann zu nennen. Einem glücklichen Zufall verdanke ich,
dass ich Sachsens Quelle in Letxner's Dasselischer Chronica. Erffurdt 1596
entdeckt habe. In dieser heisst es Bl. 155b:
"Zu Münden (sie) in der Pfarrkirch war an einem Pfeiler eine Tabel, einer
zimlichen Stubenthür grosz, mit einer Ketten angeheftet, also, dass man die kehren
vnd wenden, vnd auff beydcn feiten besehen kundt. Auff der einen Seiten war ein
fchön Weibesbildt gemahlet, prechtiglich, gleich einer Königin bekleidet, gezieret
vnnd geschmücket, die hatte einen grossen Spiegel in der Handt, vber demselbigen
stunden folgende Wort mit grossen Buchstaben geschrieben: VANITAS VANITA-
TUM. Vnter dem Bilde stund eine Jahrzahl 1383. Am Rande herumb standen
folgende Wort:
Der Welt Pracht, Ehr vnd Herligkeit
Ist meines Hertzn Ergetzligkeit
Mein Frewd, mein Lust, zu aller zeit
Damit bin ich allr Sorgen queidt.
Auff der andern seite war der Todt gantz hesslich vnd erschrecklich gemalet,
führete auff seiner Achsel eine Sense vnd sprach:
Ich komm vnd mach der Frewd ein £nd
Vnd aller Welt Wollust ich wend
In heulen, Weinen vnd Weeklagen
Thun sich verkehrn die guten Tage.^'
Da Letzner (vgl. Krause in der Allgem. Deutschen Biographie s. v.) bis 1564
Capellan in (hannoversch) Münden gewesen ist, wird man nicht zweifeln dürfen,
dass seine Angaben richtig und für alle späteren Anführungen die Quelle sind.
Sachse, der ihn ausschreibt, hat Münden zu Mynden gemacht, was Fabricius
u. a. als Minden in Westfalen übernommen hat.
Der sog. Wiener Totentanz in der Loreto-Kapelle der Hofpfarrkirche zu
St. Augustin bestand aus einer Reihe von Sinnbildern aus dem Anfange des
18. Jahrb. mit kurzen Sprüchen (z. B. Mars hin, Mai's her. Mors gut noch
me}ir)f welche von AbrahamaS. Clara verfasst waren, dessen 'Besonders meu-
blirt und gezierte Todten-Capelle. Nürnberg (1710). Ebd. 1711 (auch holländisch
'Algemejrne Doodenspiegel etc. Brüssel 1730)') Sprüche und Abbildungen enthält.
— Eher entsprechen einem Totentanze nach Holbein'schem Master die Bilder in
Abraham's a. S. Clara 'Sterben und Erben. Amsterdam 1702.' Statt des Todes
tritt hier ein Todesengel an die meist auf dem Sterbebette liegenden Vertreter
der menschlichen Stände, sie auf Christus als ihren einzigen Trost verweisend.
Dänischer Totentanz.
Ein (lefect erhaltener Druck ohne Titelblatt, in der kgl. Bibliotliek
in Kopenhagen, spätestens aus. dem Jahre 153(5, bietet eine dänische
Tebersetzung des Lübecker Totentanzes von 1520 mit Itenutzung seiner
Holzschnitte.
Aasgabe mit modemisirter Rechtschreibung : Dödedandsen, udg. af C. J. B r a n d t.
Köbenhavn 1862. (Von mir nicht benutzt.) — Die Abhängigkeit vom Lübecker
42
Totentanz weist nach Massmann *Serapeum 10 (1849), 305 ff.' — Beschreibung:
Ch. Brnun, Aarsberetninger fra det störe kong. Bibliothek. Bd. 2 (1875)
S. 154—161.
Holzschnitte. Brunn giebt a. a. 0. im Facsimile zwei Holzschnitte,
welche die Figuren des Königs und eines auf einem Löwen reitenden Todes ent-
halten. Letztere Figur findet sich unter den bei 'Weigel u. Zestermann, Anfänge
der Druckerkunst Bd. 2 (1866) S. 166 f.' facsimilirten Figuren aus dem Toten-
tanze von 1489 wieder, und zwar lehrt eine Vergleichung, dass beide von dem-
selben Holzstock stammen. Von dem Lübecker Drucke von 1520, der sich in
Oxford befindet, sind keine Facsimile hergestellt, doch ist mit Hilfe der von
Massmann gegebenen Beschreibung zu folgern, dass seine Holzschnitte identisch
einerseits mit denen des dänischen Druckes, anderseits mit denen der Drucke von
1489 und 1496 sind. Auf Grund der so gewonnenen Anhaltspunkte ist S. 38
angenommen, dass zu allen vier Drucken dieselben Holzstöcke benutzt sind.
Selbst vergleichen konnte ich, wie gesagt, nur die mir im Facsimile vorliegende
Figur des auf einem Löwen reitenden Todes.
Deutsehe Totentänze. (Niederdeutsches Gebiet.)
Bildwerke.
Berlin. Wandgemälde in der Turmhalle der Marienkirche, von
c. 22,6 m Länge und fast 2 m Höhe. 15. Jahrh. Die Figuren bilden
einen Gesammtreigen, der sich auf braunem Erdboden vor einem
Hintergrunde mit Wald und Bergen bewegt. Von dem 1860 unter
der Tünche entdeckten Gemälde, das später (an einigen Stellen nicht
richtig) restaurirt ist, sind die Figuren ziemlich vollständig, die dar-
unter befindlichen Verse nur zum Teil erhalten.
Figuren (von links nach rechts): Prediger auf der Kanzel, vor welcher
eine fratzenhafte Gestalt die Sackpfeife hläst. Tod und Küster, CapeUan (?),
Offizial, Augustiner, Prediger, Pfarrer, Kartäuser, Arzt, Mönch, Domherr, Abt,
Bischof, Cardinal, Papst, Christus am Kreuz. Kaiser, Kaiserin, König, Herzog,
Ritter, Bürgermeister, Wucherer, Junker, Kaufmann, Handwerker, Bauer, Krügerin,
Narr, (Mutter mit Kind?).
Ausgaben etc.: Ein 1860 angefertigtes Facsimile besitzt das Märkische
Museum in Berlin. — Der Todtent^nz in der Marienkirche zu Berlin u. Geschichte
und Idee der Totentänze überhaupt von Th. Prüfer. Mit 6 photolith. Tafeln.
{In: Vermischte Schriften etc. hrsg. von dem Verein für die Geschichte Berlins.
Berlin 1888. Bd. 1.) Berlin 1876. Fol. — Ebs. Mit 4 Blatt farbigen Litho-
graphien (in kleinerem Massstabe). Berlin 1883. Fol. — Der Text ist in allen
diesen Ausgaben mit vielen Fehlern wiedergegeben. Einzelnes verbessern Lübbeu
und Sprenger, Niederd. Jahrbuch 3, 178 ff. 4, 105. — (Wertlos ist: Der
Todtentanz in der St. Marienkirche zu Berlin. Ein Wort für die Besucher.
Berlin 1863. 8 S. 8., worin als Probe eine Strophe.)
Brannschweig. Wandgemälde des 15. oder 16. Jahrh. in der
ehemaligen Andreaskirche.
"Albrecht in seiner Postill. Symb. Dn. 24 Trin. schreibet: In etlichen
Kirchen ist ein Gemälde noch von den lieben Vorfahren ausgedacht, zu sehen,
da hüpfft der Tod voran, führt aber allerley Leute nach sich, Päpste, Käyser,
Könige, Fürsten, Grafen, Ritter, Bürger und Bauern, Alte, Junge, Schöne, Häfs-
43
liehe, Gross nnd Kleine, beyderley Geschlechts, und tantzt mit ihnen zur Welt
hinans, springt so lange, biss einer nach dem andern lebloss nieder fällt. Fast
dergleichen Worte führet auch Erasmus Rothmaler in der 3. Predigt über
den Eirchengesang : Christ lag in Todes - Banden, and meldet dabey, dass der
Todtentanz anch zu Brannschweig in der S. Andreas -Xirchen als ein altes
Gemälde anff einer Tafel allda noch daznmal zn sehen gewesen." Hilscher,
Beschreibung des sog. Todten - Tantzes (1705) S. 91 f. — Eothmahler ist 1561
geboren und 1610 gestorben.
Gandersheim (Braunschweig). 'Zu Gaiidersheim im Barfüsser
Closter im Creutzgange am Capitelhause stund (ehe dasselbe von
Hessen eingenommen und geplündert worden) eine lange Tabel, daran
war auflf Pergamen der Tod gemahlet, unnd wie derselbe einen ge-
meinen Tantz hielt mit allen Ständen vnd Orden Geistlicher und Welt-
licher Leute, vom Obersten bis an den Untersten. Da waren forne
folgende Teutsche Vers geschrieben, also lautend: Hie hebt sich an
des Todes Tantz Der hat gut acht auflf seine Schantz, Dasz niemand
jhm entspring davon' etc.
Le t z n e r , Dasselische und Einbeckische Chronica. Erffurdt 1596. Fol. Bl. 156.
Halberstadt. Skulptur auf dem von Joh. Pincerna (Schenk) 1554
gemeisselten Grabmale des Bischofs Markgrafen Friedrichs von Branden-
burg im Dome.
Tnter der Flinte desselben ein höchst interessanter Todtentanz\ F. Lncanns,
Wegweiser dnrch Halberstadt. 2. Afl. Halb. 1876, S. 39.
Hamburg. Eines Totentanzes aus der 'Monnicken tyd' in der
Franciskanerkirche St. Maria Magdalena gedenken Nachrichten aus
d. J. 1551 — 1623. Derselbe muss eine Länge von mindestens 40 — 50
Fuss gehabt haben.
Vgl. Beneke 'Zeitschrift des Vereins für Hamb. Geschichte 5 (1866)
S. 611—615'.
Lübeck. In der Marienkirche, v. J. 1463. Dieser Totentanz,
von dem bereits S. 1 f. eine Beschreibung gegeben wurde, war
ursprünglich auf zusammengefügte Holztafeln gemalt. Nachdem 1588
und 1657 umfangreiche Ausbesserungen vorgenommen waren, wurde
er 1701 von dem Maler Anth. Wort mann auf Leinwand übertragen.
Die niederdeutschen Verse unter den Bildern, welche zu einem grossen
Teile unlesbar geworden waren, wurden bei dieser Erneuerung durch
neuhochdeutsche ersetzt, welche der Praeceptor Nathanael Schiott
vollständig unabhängig von dem alten Texte angefertigt hatte. Das
wenige von dem letzteren "so man noch davon hat lesen können"
hat der damalige Pastor der Marienkirche Jacob von Melle in seine
handschriftlich erhaltene 'Ausfuhrliche Beschreibung von Lübeck' auf-
genommen. Die Zuverlässigkeit seiner Abschrift wird durch die
Genauigkeit, der sich Melle in seinen übrigen Copieen nachweislich
befleissigt, wahrscheinlich gemacht. Auch die Copie Wortmanns giebt
im Allgemeinen ein treues Abbild des alten auf Holztafeln gemalten
Originals. Für die Treue der Copie spricht, dass sänmitliche Figuren
die Tracht des beginnenden 15. Jahrhunderts tragen, sowie die LTeber-
44
eiustimmung mit dem erhaltenen Reste des Revaler Totentanzes, einer
alten Copie des Lübecker. Anderseits wird man, da der Text 1701
nicht mehr vollständig lesbar war, annehmen dürfen, dass auch das
Bild 1701 bereits an einzelnen Stellen nur schwer oder gar nicht
mehr zu erkennen war und an diesen Stellen Wortmann notgedrungen
freier hat verfahren oder eine Lücke lassen müssen. Dieses muss der
Fall bei der ersten Figur gewesen sein, die auf dem Original ein
Prediger auf der Kanzel war. Vielleicht liegt ein ähnlicher Fall zu
Schluss des Bildes vor. Ferner scheint sich aus einer Vergleichung
mit dem Lübecker Totentanz von 1480, dessen erste Hälfte dieselben
menschlichen Stände wie der Totentanz in der Marienkirche bietet,
zu ergeben, dass bei letzterem sowie in Melle's Ueberlieferung des
Textes die Reihenfolge in Verwirrung geraten ist. Diese Verwirining
lässt sich am leichtesten dadurch erklären, dass einige der alten Holz-
platten bei der Abnahme von ihrer alten Stelle in eine falsche Ordnung
gekommen sind. Ehie Verstümmelung in neuerer Zeit hat der Toten-
tanz dadurch erlitten, dass man 1799 aus ihm den Herzog und den
ihm folgenden Tod herausgeschnitten hat, um Raum für die Erhöhung
einer Thür zu gewinnen.
Figuren. Vorpfeifender Tod, Reigen des Todes mit Papst, Kaiser,
Kaiserin, Cardinal, König, Bischof, Herzog (fehlt jetzt), Aht, Ritter, Cartäuser,
Bürgermeister, Domherr, Edelmann, Arzt, Wucherer, Capellan, Kaufmann, Küster,
Handwerker, Klausner, Bauer, Jüngling, Jungfrau. Dann folgt der Tod mit der
Sense und zu Schluss das Kind in der Wiege. — Ausserdem findet sich auf
einem schmalen Querbrett, welches eine Ecke zwischen zwei Wandflächen des
Todestanzes verkleidet, eine Zuthat Wortmanns: drei Figürchen, nämlich zwei
Tode und ein Dämchen in der Tracht d. J. 1700. — Die Reihenfolge, welche
nach Ausweis des von Mantels geordneten Textes die ursprüngliche war, s. S. 35.
Das heutige Bild und Schlotes Text bieten die Abweichung, dass in ihnen
Nr. 11 — 13 in der Folge 13. 12. 11 (also Bürgermeister, Domherr, Edelmann)
erscheinen. Femer hat Schiott den Kaufmann des Gemäldes als Amtmann und
umgekehrt diesen als jenen irrtümlicher Weise aufgefasst.
Entstehungsjahr. Die Annahme d. J. 1463 beruht auf der von Melle
mitgeteilten alten Schlussschrift Anno domini MCCCCLXIII in mgilia Ässump-
Clonts Marie. Dieses Datum könnte ein späterer Zusatz sein, der auf des
Lübecker Chronisten Detmars Angabe, dass 1463 in Lübeck die Pest herrschte
und diese am Tage von Maria Himmelfahrt nach Dänemark sich verbreitete,
zurückgeht. Jedesfalls trifft nach dem Urteile der Kunsthistoriker jene Zeitangabe
ungefähr zu. Wahrscheinlich ist, dass der Totentanz eher früher als später
entstanden ist.
Ausgaben: Der Todtentanz nach einem 320 Jahre alten Gemälde in
der St. Marienkirche zu Lübeck, auf einer Reihe von acht Kupfertafeln, von
Lud. Suhl. Lübeck 1783. 4*. (Darin der nd. Text nach Melle.) — Der
Todtentanz in der Marienkirche zu Lübeck. Nach einer Zeichnung von C. J. Milde
mit erläuterndem Texte von W. Mantels. Lübeck 1866. Quer -Fol. (Auf
dem Facsimile fehlt der Herzog, den Suhl noch bietet.) Weniger brauchbar für
wissenschaftliche Untersuchungen sind : Ausführliche Beschreibung und AbbUdung
des Todtentanzes etc. (von Schmidt) Lübeck (1831) kl. 8". — Der Todtentanz etc.
von P. Geisler. Hamburg 1872. 4*.
45
Litteratnr: H. Baethcke, Der Lübecker Todtentanz. Ein Versack
zur Herstellnng des alten nd. Textes. (Göttinger) Inang. - Dissertation. Berlin
1873. 8«. (Vgl. darüber Mantels 'Gijtt. Gel. Anzeigen 1873. I. S. 721—41.')
— Mantels, Der Lübecker Todtentanz vor seiner Erneuerung i. J. 1701
* Anzeiger f. Kunde dtsch. Vorzeit 1873 S. 158—161.' — Alb. Benda, Wie
die Lübecker den Tod gebildet. Vortrag. Lübeck 1891.
Osnabrfiek. Stickerei auf dem Rande eines bischöflichen Pluviales.
Aus dem Anfange des 16. Jahrh. In verschiedenen Feldern je ein
Bischof, Cardinal, Papst, dann Graf, Herzog, Kaiser, die von dem
Tode ergriffen werden. Die Länge der Figuren beträgt 21 cm.
Vgl. Mittheilungen des histor. Vereins zu Osnabrück 11 (1878) S. 356.
— Mithoff, Kunstdenkmäler etc. im Hannoverschen 7 S. 115.
Seval (Estland) in der Nicolaikirche. Oelgemälde auf Leinwand
1,75 m hoch und soweit erhalten c. 8 m lang. Erhalten sind das
Bild und die Worte des Predigers auf der Kanzel, vor der ein Scelett
den Dudelsack bläst, dann der Reigen nebst dem Zwiegespräche des
Todes mit Papst, Kaiser, Kaiserin, Cardinal und König. Alles übrige
ist vermodert. Der Rest lässt deutlich erkennen, dass Bild und Text
eine sehr getreue Copie des Lübecker Totentanzes von 1463 sind.
Genau so wie in Lübeck trägt der dem Papst vorantanzende Tod auf
der rechten Schulter einen Sarg, während er mit der linken Hand eine
Falte des päpstlichen Ornates hochhebt. In beiden dieselbe Hand-
bewegung des Papstes, dieselbe Haltung des dann folgenden Todes,
der Königin, des Cardinais u. s. w. Der landschaftliche Hintergi-und
ist zwar in beiden Totentänzen nicht ganz gleich, zeigt aber doch
eine allgemeine Aehnlichkeit, auch findet sich die Burg, welche man
in Lübeck zur linken Seite der Königin im Hintergrunde erblickt, in
Reval zur Linken des Königs wieder. Abweichend sind beide darin,
dass in Reval der König eine Krone zu tragen scheint, während er
in Lübeck eine eigentümliche rund aufgewulstete Kopfbedeckung hat.
Femer fehlt in Lübeck zu Anfang des Gemäldes der Prediger. Dieser
ist keine Zuthat des Revaler Malers. Wie die Uebereinstimmung des
Textes und der altspanischen Danza general zeigen, muss auch in
Lübeck der Prediger zu Anfang des Tanzes früher seine Stelle gehabt
haben. Die Uebereinstimmung beider Gemälde in den Details des
Costüms, der Stellungen und Handbewegungen lässt schliessen, dass
der Revaler Totentanz gar nicht in Reval selbst, sondern, wenn auch
in revalschem Auftrage, in Lübeck angesichts des Originals, dessen
Copie er bietet, angefertigt ist. Für das Alter des Revaler Gemäldes
hat sich kein urkundliches Zeugnis beibringen lassen. Einheimische
Gelehrte haben sich für die Entstehung 'um 1600', andere für das
15. Jahrhundert entschieden. Wenn für die Zeit um 1600 der land-
schaftliche Hintergrund zeugen soll, so erweist schon das Lübecker
Original die Haltlosigkeit dieses Grundes, ausserdem könnte auf
Maimels Totentanz und ältere Gemälde der flandrischen Schule hin-
gewiesen werden. Die Sprachformen des Textes scheinen für den
Anfang des 16. oder das Ende des 15. Jahrhunderts zu sprechen. Der
46
erhaltene Rest ist durch Einrahmung jetzt vor weiterem Verderben
geschützt.
Eine Abbildung in kleinem Massstabe giebt W. Nenmann, Grundriss der
Geschichte der bildenden Künste in Liv-, Est- und Kurland. Beval 1887. S. 143.
(Was der Verfasser von gewissen Abweichungen sagt, die das Lübecker Gemälde
biete, verrät, dass ihm von diesem keine Abbildung vorgelegen hat. Die Skelette
sind in beiden Totentänzen ganz gleich bekleidet oder bzw. unbekleidet) Vgl.
auch S. F. Amelung, Revaler Altertümer (1884) S. 45 if.
Der Text ist teilweise fast erloschen. Das Verdienst, ihn zuerst zum
Abdruck gebracht und seine Zusammengehörigkeit mit dem Lübecker erkannt zu
haben, gebührt Russwurm, welcher in der Zeitschrift *Das Inland. Eine Wochen-
schrift für Liv-, Esth- u. Curlands Geschichte, Jahrg. 3 (1838) Nr. 31 f£: beide
sammt einer freilich oft sehr falschen Uebersetzung mitteilte. Einen mehrfach
berichtigten Text nebst einer besseren Uebersetzung der in Reval erhaltenen
Strophen bietet Gotthard v. Hansen, Die Kirchen und ehemaligen Klöster
Revals. 3. Aufl. Reval 1885, S. 39 ff.
Wismar I. Gemälde an der inneren Turmwand der Nicolai-
Kirche. Erhalten ist nur eine Abschrift der Verse, welche der Rat-
mann Gregor Jule auf Ersuchen der Prediger 1596, vermutlich für
eine beabsichtigte Erneuerung der Bilder, verfasst hat.
Aus den Versen lässt sich die Reihenfolge der Figuren ersehen: Papst,
Kaiser, Kaiserin, Cardinal, König, Bischof, Fürst, Abt, Ritter, Advocat, Bürger-
meister, Edelmann, Arzt, Franciskaner, Bürger, Witwe, Handwerker, Arbeiter,
Bauer, Jüngling, Jungfrau, Kind. Vgl. (F. C r u 1 1) Nachricht von einem Todten-
tanze zu Wismar. Schwerin 1877. 4°.
Wismar IL Wandgemälde in der St. Marien-Pfarrei, etwa v. J.
1500. Die unter der Tünche entdeckten Reste lassen einen Gesammt-
reigen von 18 Zoll hohen Figuren erkennen, die sich auf grünem
Erdboden bewegen.
Nach Crull a. a. 0., der eine Ahhildung gieht, stallten die blossgelegten
Figuren ausser den nackten Todesgestalten den Cardinal, Patriarchen, Erzbischof,
Kriegsmann (Herzog?), Bischof, eine weltliche und drei geistliche Personen, den
Doctor und Domherrn vor.
Wolgast, An den Brüstungen der hölzernen Emporen der Gertruds-
kirche befinden sich im 17. Jahrh. von Bentschneider gemalte Toten-
tanzscenen, freie Nachbildungen der Holzschnitte Holbeins, lieber
den Bildern stehen hochdeutsche Verse.
Vgl. K u g 1 e r , Pommersche Kunstgeschichte (Baltische Studien 8. 1840) S. 226.
Texte.
Während in Frankreich, England imd Süddeutschland die ver-
schiedenen monumentalen Totentänze im Mittelalter im wesentlichen
denselben Text bieten, begegnet in Niederdeutschland, wenn man von
Reval absieht, bei jedem Totentanze ein anderer Text.
Berliner Totentanz. Siehe bei den Bildwerken.
Lfibecker Totentanz v. 1463. Siehe bei den Bildwerken zu Lübeck
und Reval.
Lfibecker Totentanz v. 1489 n. 1496. Dieser in der Officin und
mit Holzschnitten des sog. Lübecker Unbekannten zuerst 1489 gedruckte
47
und 1495 neu aufgelegte Totentanz bietet den bei weitem umfang-
reichsten Text (72 Capitel mit 1686 Versen), auch nicht zur Hälfte
erreicht ihn einer der übrigen deutschen oder ausländischen Totentänze.
Es erklärt sich dieser Umfang dadurch, dass der Verfasser ihn für
die Buchform, nicht fiir die monumentale Verwendung verfasst hat.
Das Totentanzmotiv dient ihm, seinen moralischen Ausfühiimgen Rich-
tung und Form zu geben, zu Schluss lässt er es aber fallen, weil die
24 Verse, welche er seinen Personen zuteilt, und die Bezugnahme auf
die von diesen vertretenen Stände ein zu beengender Rahmen für seine
nun allgemeiner gehaltenen Gedanken gewesen wären. Seine Sprache
ist lehrhaft, breit, durchw^eg moralisirend, aber doch nie langweilend
oder schleppend, und der Neigung zu satirischem Humor wird mit
Behagen Raum gegeben. Dass der Verfasser identisch mit dem Bearbeiter
des nd. Reinke Vos sei, ist jüngst wahrscheinlich gemacht. Sichtlich
lehnt er sich an den alten Lübecker Totentanz von 1463 und den von
1520 (s. S. 34) an.
Ausgaben: Des dodes dantz. Lübeck 1489. 4^ (Germanisches Mnseam
in Nürnberg.) Beschreibung bei Weigel und Zestermann, Die Anfänge der
Druckerkanst Leipzig 1866, Bd. 2, S. 166. — Dodeudantz. Lübeck 1496. 4.
(Herzogl. Bibliothek Wolfenbüttel.) Umfangreiche Aufzüge bei Bruns, Beiträge
zur kritischen Bearbeitung aller Handschriften (1802) S. 321 — 360. — Des
dodes danz, nach den Lübecker Drucken von 1489 und 1496 herausg. von Herm.
Baethcke. (Bibliothek des litter. Vereins in Stuttgart. 127.) Tübingen 1876.
— Vgl. auch H. Brandes, Die litterarische Tätigkeit des Verfassers des
Reinke 'Zeitschr. f. dtsch. Alterthum 32, S. 24 — 41. — Die Beihenfolge der
Personen s. S. 35.
Lübecker Totentanz v. J. 1520. Dieser Totentanz muss, wie
S. 34 gezeigt ist, bereits vor 1489 verfasst sein. Bekannt ist er nur
aus einem Drucke von 1520, der aus der Officin des Lübecker Un-
bekannten hervorgegangen ist. (Ueber eine dänische Bearbeitung dieses
Totentanzes siehe S. 41.)
Ausgaben. Das einzig bekannte Exemplar des alten Druckes befindet
sich im Besitze dei Bodleiana in Oxford, das Titelblatt bietet unter einer Krone
das Wort Dodendantz, Die Schlussnotiz lautet: Anno dni MCCCGCXX
Lübeck, Eine Beschreibung des Druckes giebt Massmann im Serapeum 10 (1849)
S. 306 ff., einen Abdruck des Textes nach einer von Sotzmann angefertigten
Abschrift bietet Lttbke in seiner Ausgabe des Berliner Totentanzes (S. 39 ff.) und
Mantels in der Einleitung zu Milde's 'Todtentanz in der Marienkirche zu Lübeck*
S. 10 ff.
üebersetzang der Danse macabre. Das Bruchstück einer wört-
lichen Uebersetzung der Danse macabre ist nach einer Berliner Hand-
schrift aus dem Ende des 15. Jahrh. von mir im Niederdeutschen
Jahrbuche XI S. 126 f. mitgeteilt worden.
48
Deutsehe Totentänze. (Hochdeutsches Gebiet.)
Bildwerke.
Attinghnsen (Schweiz, Kant. Uri). "1755 wurde die alte Kirche
vergrössert, durchweg erneuert, und dabei der ausserhalb gemalte, aber
schadhafte Todtentanz verstrichen. Meister war Jacob Moosbrucker."
Geschichtsfreund. Mittheilungen des histor. Vereins der fünf Orte Lncem etc.
Bd. 17. Einsiedeln 1861. S. 152.
Basel I. Wandgemälde an der Kirchhofsmauer des Dominikaner-
klosters in Gross-Basel, aus derselben Zeit (c. 1537 — 41) und wahr-
scheinlich von demselben Maler wie der Klcin-Basler Totentanz, den
er um 5 Schritt Länge überragt. Mit diesem stimmt er in den Figuren
und im Texte im Allgemeinen überein. Die Abweichungen sind durch
spätere Erneuerungen, besonders durch die von Klaubcr 15G8 vor-
genommene Uebermalung entstanden. Dieser hat Verschiedenes aus
Manuels Berner Totentanze in den Basler übertragen, sein Bild zu
Schluss beigefügt und der Mutter des Kindes die Gesichtszüge seiner
Frau gegeben. Bei einer späteren Uebermahmg sind diese beiden
Bilder dann wieder beseitigt, um Raum für eine Darstelhmg des Sünden-
falles zu gewinnen. Der Totentanz ist 1805 abgebrochen, doch sind
Copieen in den zuerst 1G21 erschienenen und wiederholt abgezogenen
Kupferstichen Job. Jac. Merians sowie in einem handschriftlichen
Facsimile desselben Em. Bücheis vorhanden, dem man die Abbildungen
des Klingenthaler Tanzes verdankt.
Die Litteratur s. bei Basel IL
Basel IL Wandgemälde im Klingenthal, einem Nonnenkloster
Dominicanerordens in Klein-Basel. Erhalten sind mehrere treue Copien
der Bilder und des Textes, die im vorigen Jahrhundert ein Basler
Bürger, Em. Büchel, angefertigt hat. Dieser hatte eine Jahreszahl
auf dem Totentanze zuerst als 1812 gelesen. Erst später erkannte
er, wie er in einer handschriftlichen 'Ferneren Untersuchung' darlegte,
dass jene Zahl richtiger 1512 zu lesen sei und sich auf eine teilweise
Uebermalung des alten al-fresco gemalten Tanzes mit Oelfarben beziehe.
Leider blieb die Selbstberichtigung Bücheis unbekannt, und so ist in
alle Schriften über die Totentänze die falsche Jahreszahl 1312 als
Entstehungsjahr des somit als ältesten erklärten Klingenthaler Toten-
tanzes übergegangen. Erst 187(5 hat Burckhardt den Irrtum mit Hilfe
der von ihm aufgefundenen Handschrift Bücheis aufgedeckt, indem er
zugleich nachwies, dass der Teil des Kreuzganges, an welchem sich
der Totentanz befand, selbst erst 1437 erbaut ist. Der Totentanz
war nach Büchel 72 Schritt lang, die Figuren in Lebcnsgrösse.
Figuren: Prediger auf der Kanzel, vor derselben in einer Qruppe Papst,
König u. a. (fehlt im Klingenthal wegen einer alten Fensteröffnung, vgl. den
Strassburger Ttz). Karner, davor zwei musicirende Tode. Dann in Tanzpaaren
der Tod mit Papst, Kaiser, Kaiserin, König (Königin nur in Gr.-Basel), Cardinal,
Patriarch (fehlt Gr.-B.), Erzbischof (fehlt Gr.-B.), Herzog, Bischof, (Herzogin nur
in Gr.-B.), Graf, Abt, Ritter, Jurist, Fürsprech, Chorherr, Arzt, Edelmann, Edel-
4»
fran, Kanfroann, Aebtissin, Krüppel, Waldbruder, Jüngling, Wucherer, Jungfrau,
Pfeifer, Herold, Schultheiss, Blutvogt, Narr, Begine (dafür in Gr.-B. : Krämer),
Blinder, Jude, Heide, Heidin, Koch, Bauer, Kind, Mutter, Prediger (fehlt in K1.>B.).
Abbildungen und Text beider Basler Totentänze nach Bücheis Copien
bei Massmann, Basler Ttze. — Die Gross-Basler Bilder bieten die 1621 — 1832
in 17 Ausgaben erschienenen Merian^schen Kupfer. (Massmann, Litter.
S. 75 — 80.) — Ungenügend für wissenschaftliche Zwecke ist: Todtentanz der
Sta<lt Basel. Basel, Stuckert. 1858. 16. — Mit beabsichtigter Täuschung führen
irre die Titel des 1588 und 1608 durch Huld. Fröhlich, 1715—1796 durch
die MecheTsche Druckerei ausgegebenen, angeblich in Basel bzw. Bern befind-
lichen *Todten-Tantz\ Diese Ausgaben enthalten den Basler bzw. Bemer Text,
geben aber dazu Nachbildungen einer grossen Anzahl Holbeinscher Imagines
mortis und nur weniger Basler Figuren. Es ist dadurch früher der Irrtum ent-
standen und verbreitet worden, dass der Maler des Basler Totentanzes Holbeiu
gewesen sei. Vgl. Massmann, Litter. S. 30 if. — Die älteste Aufzeichnung
des Gross-Basler Textes in H. Fröhlich's *Lobspruch an die Stadt Basel. 1581'.
Zur Geschichte etc. der Basler Ttze vgl. noch besonders: Th. Burck-
hardtrBiedermann 'Beiträge zur vaterländischen Geschichte, Bd. 11. Basel 1882.
S. 59 ff.' — Rahn, Gesch. d. bild. Künste in der Schweiz (1876) S. 654—59.
— Wackemagel, Kl. Sehr. 1, 329 if., 366 if.
Bern. Auf der 1660 abgebrochenen Kirchhofsmauer des ehe-
maligen Dominikaner-Klosters befand sich ein Totentanz, den Nicolaus
Manuel um d. J. 1517 — 19 gemalt und mit eigenen Versen versehen
hatte. Das Gemälde zeigte Tanzpaare, welche sich unter Arkaden
bewegten, durch deren Säulen man landschaftlichen Hinterginind
erblickte. Die menselilichen Figuren hatten die Gesichtszüge von Zeit-
genossen und Mitbürgern Manuels, der in der Figur des Malers sein
eigenes Bildnis beifügte. Bild und Text sind eine freie Nachahmung
sowohl des Gross-Basler Totentanzes als auch der erweiterten Danse
macabre. Aus einem Drucke derselben hat Manuel die Anregung zu
den Arkaden, der Gruppe der vier musicircnden Skelette und anderen
Figuren empfangen.
Figuren: Sttndenfall, Moses empfängt die zehn Gebote, Crucifix. Vier
ninsicirende Skelette. Tod und Papst, Cardinal, Patriarch, Bischof, Abt, Priester,
Doctor, Astrolog, Ordensritter, vier Mönche, Aebtissin, Waldbruder, Nonne, Kaiser,
König, Kaiserin, Königin, Herzog, Graf, Bitter, Jarist, Fürsprech, Arzt, Schultheiss,
Jüngling, Ratsherr, Vogt, Bürger, Kaufmann, Narr, Kind und Matter, Handwerker,
Bettler, Kriegsmann, Jungfrau, Koch, Bauer, Malers Frau, Witwe, Dirne, Jude
und Heiden, Maler, Tod als Schütze, Prediger.
Abbildungen. Es sind zwei alte Copien vorhanden, die eine ist 1649
von Albr. Kauw, die andere von Stettier (gest. 1708). Vgl. Nikiaus Manuels
Todtentanz, gemalt zu Bern um 1515 — 1520, lithographirt nach den getreuen
Copien des berühmten Kunstmalers Wilhelm Stettier. (Bern o. J.) Quer-Fol. —
Vgl. Rahn *Repertorium für Kunstwissenschaft, Bd. 3 (1880) S. 13— 17\
Text. Die Verse finden sich auf der Kau waschen Copie und sind darnach
bei C. Grün eisen, Niclas Manuel, Stuttgart 1837, S. 324—338, vgl. S. 156 if.
abgedruckt. Ausserdem sind die Verse in einer Hs. von 1576 vorhanden, die
dem Abdrucke *Niklaus Manuel, hrsg. von Jak. Bächtold, Frauenfeld 1878,
S. 1 — 28' ZQ Grunde liegt. — Fröhlich giebt in seinen 'Zween Todtentäntz,
Deren der eine zu Bern . . . Der Ander aber zu Basel. Basel 1588' den Berner
Text, nicht aber die Bilder Manuels (vgl. bei Basel II).
Nlederdeateohet Jahrbach XVII. 4
50
t)er Lübecker Totentanz yon 1496 und der 'Dotentanz mit Figuren^
soll nach Vögelin (S. LXXVIII ff. in Bächtold's Ausgabe) von Manuel benutzt
sein. Diese Annahme ist irrig, die Entlehnungen, welche sie beweisen sollen,
erklären sich aus der Benutzung der Dause macabre.
Bruchhansen (bei Unkel a. Illicin). Tafelgemälde des 17. Jahrb.
in der Pfarrkircbe.
'Aus dem Anfange desselben (17.) Jahrh. stammt auch der Todtentanz in
der Pfarrkirche zu Broichhausen, ein Gemälde auf Leinwand im hölzernen Rahmen.
In der oberen Reihe sind die weltlichen Stände, mit dem Kaiser anfangend, in
der unteren die geistlichen, mit dem Papste an der Spitze, dargestellt\ Bäumker
S. 23. — Totentanz, 20 Gruppen in zwei Reihen tibereinander ; Oelgemälde,
handwerklich ausgeführt'. Bau- und Eunstdenkmäler des Reg. -Bez. Coblenz.
Beschr. von P. Lehfeldt (1886) S. 478.
Chiir (Kanton Graubünden). Wandbilder v. J. 1543, ursprünglich
im bischöflichen Palast, jetzt im Rliätischen Museum. Copien und
Nachahmungen der Holbeinschen Imagines.
Vgl. F. S. Vögelin, Die Wandgemälde im bischöflichen Palast zu Chur.
Ztlrich 1878. 4. (= Mittheilnngen der antiquarischen Gesellschaft in Zürich,
Bd. 20, II, Heft 1). Die Annahme, dass die Churer Bilder die ursprüngliche Gestalt
der Holbeinschen Todesbilder bieten, erfuhr allseitige Ablehnung. Vgl. Repertoriam
fttr Kunstwissenschaft Bd. 12 (1889) S. 227 f.
Gonstanz. Im ehemaligen Dominikanerkloster. Wandgemälde
des 16. Jahrh, von Job. Hiebler.
'Auch die dem Ereuzgang nach der Stadt zu vorgelegten Vorhallen (jetzt
die Bureaus des Hotels) weisen Wandmalereien auf, deren bereits Fiorillo (1, 294)
mit Ueberschätzung ihres Eunstwertes gedenkt. In einem Zimmer sieht man
einen Totentanz: der Tod tritt als Gerippe in die menschlichen Beschäftigungen
ein; deutsche Inschriften/ Eunstdenkmäler des Grosshzgt. Baden 1, hrsg. von
Eraus (1887) S. 247 f. Aehnlich Zepperlin in den Schriften des Vereins f.
Gesch. d. Bodensees 1875, S. 22 f. Darnach scheint es irrig, wenn Wacker-
nagel, kl. Sehr. S. 370 sagt, dass bei dem Constanzer Totentanze die latein.
Hexameter von Desrey stehen. Benutzt scheinen von dem Maler die FrOlich'schen
Eupfer (s. bei Basel II).
Dresden. Basrelief in Sandstein v. J. 1534, ursprünglich am
Georgen-Schlosse, seit 1701 auf dem Neustädter Kirchhofe. Die Figuren
sind 40 cm hoch und bilden einen reigenartigen Aufzug.
Figuren: Voran schreitet ein Gerippe, das die Pfeife bläst, ihm folgen
Papst, Cardinal, Erzbischof, Bischof, Prälat, Domherr und Mönch. Dann folgt
ein Gerippe, das die Trommel schlägt, hinter ihm Eaiser, Eönig, EurfUrst,
Graf (?) und Ritter, dann Edelmann, Ratsherr, Handwerker, Landsknecht, Bauer
und lahmer Mann, dann Aebtissiu, Stadtfrau und Bäuerin, Eaufmann, Eind
und Bettler. Den Beschluss macht ein Totengerippe mit der Sense. Eein alter
Text. Die später beigefügten sechs Strophen sind erst im 18. Jahrh. verfasst.
Beschreibung und Abbildung: (P. C. Hilscher), Beschreibung des
sogen. Todten - Tautzes. Dressden 1705. — F. Neumann, Der Tod in allen
seinen Beziehungen. Dresden 1844. — Erbstein : ^Mittheilnngen des Egl. Sachs.
Vereins für Erforschung etc. der vaterländischen Alterthümer, Heft 2. Dresden
1842, S. 46 ff;
Emmetten (Kanton Unterwaiden).
Einen hier befindlichen Totentanz erwähnt (nach Prüfer) Jos. Schneller,
Luzems St. Lukas-Bruderschaft. Luzem 1861^ S. 11, Anm. 3.
Erfurt. Im evang. Waisenhause und mit ihm 187^ verbrannt.
52 Oelgemälde aus dem 18. Jahrh., jedes mit einem Lebenden und
Tode in Lebensgrösse. Der Maler J. S. Beck hat Holbein, der Dichter
des beigefügten Zwiegesprächs Schott (s. beim Lübecker Ttz. v. 1463)
nachgeahmt.
J. L. E. Arnold, Erfart mit seinen Merkwürdigkeiten (1798). — Naumann,
Der Tod S. 58—60. — (v. Tettau,) Erfurt in seiner Vergangenheit (1868) S. 79.
FreibttPg (Schweiz). Im Barfiisserkloster 1744 von Sal. Fries gemalt.
"Les cordeliers poss^daient jadis dans leur cloitre une trös-belle danse des
morts, peinte en fresque ; mais eile est tellement d^gradee qu'on n'en Yoit
maintenant plus que des traces et quelques figures." F. Euenlin, Dictionn. du
cauton de Fribourg. (1832) 1, 312.
Fassen (Bayern). Wandgemälde auf 20 Holztafeln in der Magnus-
kirche, von Jac. Hiebler nach Huld. Frölich's (s. bei Basel H.)
Abbildungen im 16. Jahrh. angefertigt.
Vgl. Massmann, Basler Ttze, wo auch die Abweichungen vom Basler Texte
mitgeteilt sind.
Kukns (Böhmen). Wandbilder vom Ende des 17. Jahrh. auf der
Gallerie des Hospitals.
Helgestellt auf Kosten des Grafen Ant. v. Sporck. Abbildungen in
'Erinnerungen des Todes und der Ewigkeit bey 52 von M(ichael) Bentz in Kupfer
gestochenen Vorstellungen. Linz 1763. 1779. Wien 1767. Fol.' Damach
lehnten sich die Bilder in Bezug auf Composition und Beihenfolge an Holbeins
Imagines an. Die von Patricius beigefügten Sprüche bestehen in je 4 vom Tode
an die Menschen gerichteten Versen.
Landslat. 'Auf dem Kirchhofe des Dominikaner-Klosters ist an
der Mauer ein Todtentanz a fresco gemalt. Der Tod kämpft mit
allen Ständen: unten stehen alte Beime.^
C. A. Lander, Beisen durch verschiedene Gegenden Deutschlands. Augs-
burg 1801 p. 134. (Citirt von Fiorillo S. 142.)
Luern L Acht Oelgemälde ohne Inschrift, gemalt von Jac. von
Wyl (gest. 1621), früher in der Jesuitenkirche, jetzt in der Kantons-
bibliothek.
Figuren: Vertreibung aus dem Paradiese, Papst, Kaiser, Kardinal, KOnig,
Kaiserin, Königin, Prälat, Kurfürst, Abt^ Aebtissin, Pfarrer, Bitter, Kriegsmann,
Bürger, Braut, Jungfrau, Wucherer, Maler, Krämer, Bauer, Mutter und Kind,
Beinhaus.
Vgl. Todtentanz oder Spiegel menschlicher Hinfälligkeit. In 8 Abbildungen,
welche von v. Wyl gemalt etc. Getreu nach den Originalien lithogr. von Gebr.
EgUn. Mit Text von B. Leu. Luzem 1843. Quer -Fol. (Nicht benutzt.) —
Naumann S. 42 — 46. — Wie in Füssen ist Frölichs Totentanz (s. bei Basel)
Vorbild. Vgl Wackemagel, Sehr. 1, 370.
Lnzem II, 56 Bilder ^n der überdachten Mühlenbrücke, von
K. Meglinger 1626 — 35 gemalt. Jedes stellt eine Gnippe dar, welche
ausser dem Tode und der ihm verfallenen Person noch andere Figuren
enthält; der Tod tanzt nicht, sondern holt die Menschen mitten aus
ihren Geschäften, wie in Holbeins Imagines, die jedoch nicht copirt
sind. Den Bildern sind je 4 Verse beigefügt, die teils dem Sterbenden,
teils dem Tode in den Mund gelegt sind.
4*
52
Figuren: Austreibung ans dem Paradiese, musicirende Skelette, Papst,
Kaiser, Kaiserin, Cardinal, König, Königin u. s. w. Auch allerlei Handwerker
erscheinen in der Reihe. — Abbildung etc. : Der Todtentanz. Gemälde auf
der Mtihlenbrücke in Lucern, ausgeführt von Caspar Meglinger Pictor, getreu
nach den Originalien lithogr. und hrsg. von Gebr. Eglin. (Mit Einleitung von
J. Schneller.) Luzern 1867. Quer-Fol.
Metniz (Kärnten). Am Kanier des Kirchhofes findet sich ein um
1490 — 1500 gemalxer Totentanz, der einen das ganze Gebäude auf
der Aussenseite umziehenden breiten Fries bildet. Die Figuren sind
in halber Lebensgrösse, darunter beliinden sich deutsche Verse, die
nicht »mehr lesbar sind.
Vgl. F. Lippmann 'Mittheilungen der k. k. Central - Commission etc.
Neue Folge. Jg. 1. (1875.) S. 56—58.' Erkennbare Figuren; Prediger auf
der Kanzel, vor ihm sitzen Papst, Kaiser und Cardinal. Geöffneter Höllenracheu
mit den Verdammten und dem gefesselten Teufel, Papst (dessen Tod zwei
Trommeln umgehängt hat), Kaiser, Kaiserin, König, Cardinal, 6 unerkennbare
Figuren, Ritter, Jurist, Mönch, Edelmann, Arzt, Reisiger, Edelfrau, Kaufmann,
Nonne, Krüppel, Koch, Bauer, Kind, Mutter mit Kind in der Wiege. Letzter
Prediger, vor seiner Kanzel sitzen einige Frauen. — *Mittheiluugen etc. N. F.
11 S. LXXXnr sind drei Tanzpaare abgebildet.
Der alte yierzeilige Totentanz in abgekürzter Fa.ssung ist ohne
Zweifel für diesen Totentanz benutzt.
Pinzolo (Südtirol). In der Vigiliuskapelle.
Eine kleine Abbildung giebt Frimmel 'Mittheilungen der k. k. Central-
Commission N. F. 12 (1886) S. XXII'. Vgl. E. Caetani - Lovatelli, Thanatos.
Rom 1888. (Nicht benutzt.)
Figuren: 3 musicirende Skelette, Crucifix, dann folgt der Aufzug der
Tanzpaare mit Papst, Cardinal, Bischof, Abt, Geistlichem, Kaiser, Königin, Kur-
fürst (?), Arzt, Kriegsmann, Bürger (?), Junker, Krüppel, Nonne, Frau, Frau mit
Kind. Zu Schluss der Tod zu Pferde, Pfeile schiessend. Jeder Tod trägt eine
Waife oder ein militärisches Emblem, jeder der Menschen ist von einem Pfeile
durchbohrt. Unter den Figuren ist der Text.
Rendena (Südtirol). Von 1519. An der Stei)hanskirche.
'Mittheilungen der k. k. Central-Comraission N. F. 16 S. 112' wird gesagt,
dass der noch heute erhaltene Totentanz nach Ständen geordnet ist und einen
langen Streifen bildet.
Strassbnrg i. E. Wandgemälde des 15. Jahrh. in der Neuen
(ehemaligen Dominikaner-) Kirclie, c. 2 m hoch, 1824 unter der Tünche
entdeckt, 1870 zerstört.
Die Figuren bilden keinen Reigen, sondern einen Aufzug. Dargestellt
.sind ein Prediger auf der Kanzel und vor ihm als Zuhörer allerlei Stände, dann
Tod mit Papst. Hierauf Gruppen von mehreren Personen, bei denen sich je ein
Tod befindet: 1. Cardinäle, 2. Kaiser, Kaiserin und Zofe, 3. Kaiserliches Gefolge.
4. König, Königin, 5. Gefolge des Königs, 6. Zwei Bischöfe. Dann eine Gruppe
mit 2 Todesfiguren, Bischof, Abt u. a. Der Best des Totentanzes war nicht
erkennbar. Die Figuren bewegen sich in einem Säulengange hinter Arcaden.
Ein Text fehlte, doch schien zu Schlnss eine moralische Nutzanwendung sich zu
finden. Blosse Mutmassung ist, dass Martin Schöngauer (f 1482) der Maler
gewesen sei.
A b b i 1 d u n g bei F. W. Edel, Die Neue-Kirche in Strassburg (1825) S. 55 —63.
53
Stranbing (Niederbayern). In der Seelenhauskapelle der St. Peters-
l*farrkirche. Aus dem 18. Jahrh.
'*Die Fresco Gemälde, an den Seitenwänden, alle Stände der Welt mit dem
Tod an der Seite in sonderbare Vorstellungen eingetheilt, und unten mit jeder-
maligen passenden deutschen Reimen versehen, sind von Felix Ilölzl/^ F. S. Mei-
dinger, Beschreibung der Städte Landshut und Straubing. Landshut 1787, S. 200.
Wyl (Kant. St. Gallen). In der T()tenkai)elle wurde der ganze
P'ries, der sicli an der nördliclien Langsoite und der Westwand unter
der Decke hinzielet, durch einen Totentanz aus dem Anfange des
Iti. Jahrh. ausgefüllt.
Beschrieben von Kahn im *Repertorium für Kunstwissenschaft 3 (1880)
S. 197 — 199'. Erkennbar sind eine Figur mit Krummstab, ein weisser Mönch,
Arzt, Krüppel, Koch, Bauer, Kind, Mutter. Vom Texte teilt Rahn 7 von ihm
entzifferte Strophen mit. Diese Strophen und die Reihenfolge der Figuren lassen
erkennen, dass der vierzeilige Totentanz in gekürzter Fassung benutzt ist.
Texte.
Alter vierzeiliger Totentanz mit c. 40 Fignren. Auf den Wand-
gemälden in Basel und Füssen. Er ist bei diesen und S. 29 ff. besprochen.
Alter yierzeiliger Totentanz mit 24 Figuren. Aus dem vorigen
Texte dui'ch Kürzung hergestellt. Vgl. S. 30 ff. Ueberliefert ist er
in Holztafeldrucken und Handschriften. Monumentale Verwendung
hat er in Metniz und Wyl gefunden.
Massniann giebt im Anhange seiner 'Basler Ttze* ein Verzeichnis der
Drucke etc., einen Textabdruck und ein Facsimile eines Holztafeldruckes (v. J.
1443?) in der Heidelberger Hs. nr. 438 Fol. Ferner ist dieser Ttz enthalten
in: 2) Cod. Pal. 314. (e. 1447 Hs. mit deutschem und lat. Texte.) — 3) Mün-
chener Cg. 270. — 4) Cod. mon. xylogr. n. 39. (Vor dem ersten Prediger sitzen
Papst und Kaiser, stehen König und Kardinal. Zum Schluss ein Prediger, der
auf Totenschädeln steht.) — 5) Cod. mon. bav. 4 (v. J. 1446). — Nach irgend
einer Hs. giebt Docen einen Abdruck im 'Neuen Litter. Anzeiger S. 348 if., 412 if.
— 7) Berliner Ms. germ. fol. 19 Bl. 224—227 (v. J. 1448, aus Basel).
Figuren: Prediger, Tod und Papst, Kaiser, Kaiserin, König, Kardinal,
Patriarch, Erzbischof, Herzog, Bischof, Graf, Abt, Ritter, Jurist, Chorherr, Arzt,
Edelmann, Edelfran, Kaufmann, Klosterfrau, Bettler, Koch, Bauer, Kind, Mutter,
Prediger.
Jfingepep vierzeiliger Totentanz. In einer Handschrift v. J. 1499.
Voran geht eine Anrede Gottes an die Menschen und deren Antwort.
Dann folgt das Zwiegespräch des Todes zuerst mit geistlichen, dann
weltlichen, zuletzt weihlichen Personen.
Die weibliche Reihe erinnert an die Danse macabre des femmes, doch
scheint keine Nachahmung vorzuliegen. Der Verfasser hat vielmehr den alten
vierzeiligen und den achtzeiligen Totentanz benutzt. Jenem hat er die Form
seiner Strophen und den Wortlaut der Rede der Kaiserin, dieser die Trennung
der geistlichen von den weltlichen Ständen und meist auch Worte und Reime
entnommen. In der Conclusio ist eine Stelle aus ^Sibyllen wissagunge' entlehnt.
Personen: Papst, Kardinal, Bischof, Domherr, Pfarrer, Abt, Mönch, Arzt,
Kaiser, König, Herzog, Graf, Ritter, Edelmann, Richter, Schreiber, Bürger, Hand-
werker, Wucherer, Spieler, Wirt, Bauer, Kaiserin, Königin, Herzogin, Gräfin,
Ritterfrau, Edelfrau, Bürgerin, Handwerksfrau, Bäuerin, Nonne. — Gedruckt
als *Totentanz8prtiche', hrsg. von K. J. Schröer. Germania 12 (1867) S. 296 flf.
54
Mannels Totentanz. Siehe bei Bern.
Achtzeiliger Totentanz. Er ist in 3 Holztafeldrucken und einer
Casseler Handschrift, sämmtlich aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrb.,
erhalten. Entstanden scheint er, da der 'Wirt von Bingen' eine der
Figuren ist, in der Nähe dieser Stadt. Vgl. über ihn S. 31 ff.
Der Text ist nach der Casseler Handschrift, aus welcher Kngler, Kl. Sehr,
zur Eunstgesch. 1, 52, zuerst eine Probe mitgeteilt hatte, von M. Riedel al»
'Jüngerer Todtentanz* in der 'Germania, Jg. 19 (1874) S. 257' herausgegeben.
Der Tod redet in je 8 Versen die Menschen an and jeder antwortet mit eben-
soviel Versen. Voran gehen 24 Verse, welche den Strophen des 'Boy mort* zn
Schlnss der Danse macabre entsprechen.
Die Holztafeldrucke sind bei Massmann, Litter. S. 84 ff. (= Sera-
penm 2 S. 184) beschrieben: 1) Der Doten dantz mit figoren. Klage vnd / Ant-
wort schon Yon allen staten der weit. / (Exemplare in München, Berliner Kupfer-
stich-Eabinet etc.) — 2) Der Doten dantz mit fignren / clage ynd antwort schon /
etc. (Exempl. in München, Wolfenbüttel etc.) Vgl. Brons, Beyträge 3 (1803)
S. 313 ff.; Ebert No. 23006. — 2b) Anderer Dmckabzng, ohne den Titel.
(Berliner Egl. Bibl.) — 3) Der todten dantz mit Agaren ynd schafften / Klag etc.
(Ex. in München. Ebert no. 23006.) — Sämmtliche Drucke sind ohne Ort and
Jahr, kl. fol. Sie bieten alle denselben Text nnd dieselben Holzschnitte, doch
weicht nr. 2 von den beiden andern in Bezog auf die Reihenfolge der Fignren ab.
Figuren (nach n. 1. 3): Holzschnitt mit 6 Gerippen, die ein siebentes
im Grabe liegendes nmtanzen; seitwärts sieht man ein Beinhaas. Holzschnitt
mit vier in einem Zelte mnsicirenden and drei vor ihnen tanzenden Gerippen.
Dann folgen die Holzschnitte mit einzelnen Tanzpaaren, zuerst mit geistlichen,
dann weltlichen Personen : Papst, Cardinal, Bischof, Abt, Doctor, Offtcial, Domherr,
Pfarrer, Capellan, Guter Mönch, Böser Mönch, geistlicher Bruder, Nonne, Arzt,
Kaiser, König, Herzog, Graf, Bitter, Janker, WappentrSlger, Bürgermeister, Bats-
herr, Bürger, Fürsprech, Schreiber, Wucherer, Bäuber, Spieler, Dieb, Handwerker,
Wirt Yon Bingen, Jüngling, Kind, Bürgerin, Jungfrau, Kaufmann, Leute Ton
allen Ständen. Kirchhof mit Beinhaas, einem aus dem Grab steigenden und vier
anderen Gerippen.
Abbildungen der Holzschnitte findet man bei Kastner Planche VI ff.
nr. 38 — 78. Die Beihenfolge ist die von Druck nr. 2. — Ein Facsimile eines
Blattes aus Druck no. 1 (Bürgermeister und Spieler) bei Weigel u. Zestermann,
Anfänge der Buchdruckerkunst, Bd. 2, S. 167 ff.
Englische Totentänze.
Bildwerke.
Croydon (bei London). Im erzbischöflichen Palast waren im
Anfange dieses Jahrhundert noch undeutliche Reste eines Wandgemäldes
des Totentanzes vorhanden. Vgl. Douce S. 54.
London L An der Kirchhofswand des alten 1549 abgebrochenen
St. Paulsklosters. Die dazu gehörenden Verse waren von dem Mönche
John Lydgate der Danse macabre von 1425 nachgedichtet (s. S. 22),
das Gemälde muss demnach zwischen 1425 und etwa 1440 hergestellt sein.
Eine Copie ist nicht erhalten, wohl aher Lydgates Text, aus dem sich die
Beihenfolge der Personen ersehen lässt (s. unten). Vgl. Douce S. 51 ff.
55
London II. 'In the tower of London was some tapestry witli
tlie Macaber Dance' Douce S, 54. Wai-ton, History of engl. Poetry 2, 43.
Salisbnry. An den Wänden der Hiingerford-Kapelle in der Cathe-
drale war ehemals eine Gruppe, welche einen um 1460 gemalten
Jüngling in Lebensgrösse neben einem Tode dargestellte und anscheinend
der Rest eines alten Totentanzes war.
Vgl. Doace S. 52. — 'One of these paintings, displaying fignres of a Beau
and Death was engraved by Thomas Langley, from a drawing by J. Lyons 1748.*
(J. Britton, Cathedral antiquities Vol. 5 (1836) S. 113.) Eine Abbildung soll
in Gough's Sepulchral Monuments in Great-Britain T. II aufgenommen sein.
Stratford (am Avon).
'From a manuscript note by John Stowe, in his copy of Leland's Itinerary.
(Vol. IV part 1 p. 69), it appears that there was a Dance of Death in the church
of Stratford: and the coi^ecture that Shakespeare, in a passage in Measure for
Measure (Act III sc. 1), might have remembered it, will not, perhaps, be deemed
rery extravagant He there alludes to Death and the fool, a subject always
introdnced into the paintings in question.* Douce S. 53.
Whitehall. Im Schlosse. Gemalt auf Befehl Heinrichs VIII
(also zwischen 1509 — 1547), 1697 verbrannt. Vgl. Langlois 1 S. 217.
Wortley Hall (Gloucestershire). 'There was inscribed, and most
likely painted, "an history and daunce of deathe of all estatts and
degrees". This inscribed history was the same as Lydgate's, with
some additional characters.' Douce S. 53.
Texte.
Lydgate's Daunce of Machabree. Eine bald nach 1425 vei-fasste
Bearbeitung der Pariser Danse macabre, welche dem Totentanze des
St. Pauls-Kloster in London beigefügt war.
Der Verfasser ist der bekannte englische Dichter John Lydgate. Wie er
in seinem Prologe (s. oben S. 22) mitteilt, hat er das Original in Paris selbst
gesehen. Die Beimfolge des Originals hat er zwar übernommen, im übrigen
dasselbe aber ziemlich frei behandelt und durch Zusätze erweitert. Er selbst
sagt darüber zu Schluss:
Dut of the French I drough it of intent
Not Word by word, but following in substance
And from Paris to England it sent,
Only of purpose you to do pleasance.
Zu Worte kommen bei ihm ausser dem Tode: Papst, Kaiser, Kardinal, König,
Patriarch, Constabel, Erzbischof, Baron, *Princessin, Bischof, Squire, Abt, Aebtissin,
Bayly, Astronom, Bürger, Comon Secular, Kaufmann, Kartäuser, Sergeant, Mönch,
Wechsler und armer Mann, Arzt, Liebhaber, *Edelfrau, Jurist, *John Bikil
Tregetour, Pfarrer, *Jourrour, Minstral, Arbeiter, Minorit, Kind, Junger Klerk,
Eremit, King eaten of Worms, The Doctour. (Den der franz. Vorlage nicht ent-
nommenen Personen ist ein * beigefügt.)
Gedruckt in ^Wiil. Dougdale's Mouasticum Anglicauum* (Bd. 3 der alten
Ausgaben), femer als Anhang von 'The Dance of death painted by H. Holbein
and engraved by W. HoUar (1796. 1804; mit Vorwort von Fr. Douce)'. Das
den Abdrücken beigefügte Bild, eine Composition des 16. Jahrb., darf nicht für
den St Paols-Tanz gehalten werden.
Salisbnry Text. Vgl. bei dem Bilde in Salisbury und S. 37 f.
56
Französische Totentänze.
Bildwerke.
Amiens. Gemälde in einem Kreuzgange der Kathedrale, der
früher Cloitre-du-Macabre hiess. Zerstört 1817.
Vgl. Langlois 1 S. 220 f., wo Verse, die an der Eircfaenmauer zu lesen
waren, mitgeteilt werden. Dieselben können die Einleitung des Textes gebildet
haben. Mit der Danse macabre yon 1425 verraten sie keine Verwandtschaft.
Angers. Im Musee d' Antiquites befindet sich ein Basrelief in
Nussholz aus dem 16. Jahrh., 83 cm hoch und 166 cm lang, mit
30 Personen.
Langlois IS. 217: On remarque un pape, nn cardinal, deux eveques, des
moines, des chevaHers, deux femmes, dont Tune porte une couronne, et Tantre
un chaperon, etc. Six des personnages sont en train de danser, et ne sont nolie-
xnent en garde contre la mort, tandisque les autres tiennent des arcs band^s
contre celle-ci, qui est k leur centre et qui, tenant une pelle de la maine gaucbe,
d^coche de la droite un jayelot k ceux qui Tentourent.
Bar (Dep. Alpes-maritimes).
Als 'La danse macabre du Bar^ ist von A. L. Sardou in den 'Annales de
la soci6t6 des lettres etc. des Alpes-maritimes T. VIII (1882) S. 177—189' und
in einem 1883 erschienenen Sonderabdrucke ein KirchenbUd beschrieben und
abgebildet worden. Dasselbe ist 1,68 m hoch, 1,27 m breit und frühestens zu
Ende des 15. Jahrh. in Oel auf Holz gemalt worden. Auf einer Wiese sieht
man neben einem Spielmann mit Pfeife und Trommel fünf junge Männer und
ebensoviele Frauen einen Kreis bilden und den Beigen treten, allen hüpfen auf
dem Haupte ganz kleine Teufelchen, die darauf warten die Seele in Empfang zu
nehmen, wenn sie mit dem letzten Atemzuge aus dem Munde entflieht. Ausserhalb
des Kreises der Reigenden steht der Tod mit Bogen und Pfeilen. Ein Tänzer
und eine Tänzerin, eben getroffen, sind im Begriff hinzustürzen. Ein Toter lieget
bereits auf dem Erdboden; seine Seele, die als kleines aus dem Munde auf-
steigendes Kindchen dargestellt ist, ergreift ein Teufel. Einen anderen Teufel
sieht man eine Seele in den Hölleurachen werfen. Femer sieht man einen Engel
mit einer Wage, deren eine Schale ein Buch, die andere eine Seele trägt. Eine
Inschrift auf dem Bilde bietet 33 provenzalische Verse.
Wie man aus der Beschreibung des Bildes erkennen wird, bietet dasselbe
durchaus nicht einen Typus der Danse macabre, sondern eine Art Triumph des Todes.
Möglich, wenn auch unerweisbar, ist freilich, dass der Maler und Dichter eine
Danse macabre gekannt und von ihr Anregungen empfangen liaben. In diesem
Falle würde es kein, wenngleich leicht erklärlicher, Zufall sein, dass das bei-
gefügte Gedicht in den ausgesprochenen Gedanken an den Anfang der Danse
macabre erinnert, und man würde in den Worten (y. 21 f.)
la ten'ibla datisa
Laqual s'appdla ben pcrpetu-al C7'eviansa
'der schreckliche Tanz, welcher ewiges Brennen (in der Hölle) hcisst' eine
Keminiscenz an die oben S. 27 angezogene Stelle aus der Dause macabre
La dance mambrc s^appelle
finden können.
Der Text des beigefügten Gedichtes besteht aus 33 provencalisuhen Versen.
Sie werden von Sardou mitgeteilt, der zugleich bemerkt, dass sie vorher bereits
in der 'Kevue des langues romanes' (15. Oct. 1878) und, von einer mangelhaften
57
Zeichnang des Bildes begleitet, im Bulletin des coxnit6s historiques (Fevr. 1851)
u. ö. abgedruckt sind.
Blois. Unter den Arkaden des Schlossliofes befand sich früher
eine auf Befehl des Königs Louis XII i. J. 1502 gemalte Danse macabre.
Langlois I S. 207. Erhalten ist eine für den Schauspieler Talma angefertigte
Copie der menschlichen Figuren.
La ('haise-Dien (Auvergne). Wandgemälde des 15. Jalirh. in der
Al)teikirche, 2() m hing, die Figuren sind c. 71 cm hoch. Ein fast
vollständig erhaltener Gesammtreigen. Der einzige^, aber textlose
Totentanz Südfrankreiehs.
Figuren: Sündenfall, Prediger auf der Kanzel, Mönch. Hierauf der
Beigen des Todes mit Papst, Kaiser, Cardinal, König, Patriarch, Herzog, Bischof,
Edelmann, Chorherr, Junker, dann Lücke für ein Tanzpaar, Kleriker, Bürger,
Kanonissin, Kaufmann, Nonne, Sergeant, Frau, Mann, Knappe, Liebhaber, Advocat,
Spielmann, Wucherer, Arbeiter, Mönch, Kind, Clerk, Eremit, Gruppe von 3 Per-
sonen (Allerlei Stande ?), Prediger mit einem Blatte in der Hand. (Einige Figuren
sind von mir vielleicht falsch gedeutet.)
Abbildung etc. A. Jubinal, La danse des morts de la Chaise -Dien.
Paris 1841. 4. — Unvollständig und minder gut: Ad. Michel, L'ancienne Au-
veigne et le Valay. Atlas. Moulins 1847. Fol. Planche 119 — 21 (bzw.
96—98). — Damach bei Langlois T. II PI. XVII.
Cherboarg. In einem Seitenschiffe der gotischen Kirche befanden
sich einzelne zu Ende des 15. Jahrh. hergestellte und 1793 zerstörte
Basreliefs, von denen nur ein Scelett mit einer Trommel erhalten ist.
In den einzelnen Gruppen fanden sich alle Stände vom Papst und
König bis zum Bettler in Figuren, die 70 cm hoch waren. Vgl.
Langlois I S. 205 f.
Clermont, (üep. Mayenne).
^A r^glise de Clermont, pr^s Laval, on yoit uue v6ritable danse macabre,
tres-remarquable par la conversation et par Tex^cution de la pointure'. Bulletin
monumental 19 (1853) S. 592.
Dijon I. Nach einer archivalisclien Notiz hat ein gewisser
Masoncelle für das Kloster Sainte-Chai>elle 1436 einen Totentanz gemalt.
Vgl. Peignot S. XXXVII.
Dijon II. Die Kirche Notre-Üame besass einen Teppich von grosser
Länge und zwei Fuss Breite, auf Avelchem ein vollständiger Totentanz
gestickt war. Vgl. Peignot S. XXXVII.
Dole (Franche-Comte). Langlois I S 219.
Erbalten sind nur folgende Verse. Tod zum Jttngliug : Ah, galatid, galand,
Qne tu CS fHngand! S'il te faui-il meiirrc. Anivfort: Ei yn&rt airogan, Prcn
toiit nw7i argean Et ine laLsse quewre.
Josselin (Dep. Morbihan). In der Kirche Notre-Üame.
Tresque repr^sentant une danse macabre qui existe dans une chapelle au
fond de cette ^glise.' Bulletin monuni. 9 (1843) S. 6.
Kermaria (Bretagne). Wandgemälde des 15. Jahrh. in der Kirche
Notre-Dame, auf beiden Seiten des Kirchenschiffes über den Arkaden.
Die Figuren bilden einen Gesammtreigeu, jede steht in eiuer besonderen
gemalten Arkade. Es sind ausser dem Tode Papst, Kaiser, Cardinal, König,
Patriarch, Connetabel, Erzbischof, Kitter, Bischof, (dann jetzt Lücke für 5 Paare,)
58
Kartäuser, Sergeant, Mönch, Fräulein (an Stelle des hierher gehörenden fehlenden
Todes), Wacherer mit dem Armen, Liebhaber, Spielmann, Arbeiter, Franciscaner,
Kind. Es sind also die Fignren der Pariser Danse macabre ohne Kanoniker,
Kaufmann, Arzt, Advocat, Pfarrer, Clerc, Eremit, Prediger und totem KOnige.
Daneben eine Darstellung der drei toten und lebenden Könige.
Der Text, von dem nur einige Strophen lesbar sind, stimmt mit der
Pariser Danse macabre vollständig überein.
Abbildung etc.: Soleil, Les heures gothiques. Ronen 1882. S. 281 — 87.
Landivisian (Dep. Finistere). An einem Beinhause. 17. Jahrb.
Vgl. Bulletin monumental 16 (1850) S. 467.
Paris. Die berühmte Danse macabre, ein Wandgemälde am
Beinhause auf dem Kirchhofe des Minoritenkloster Aux Saints Innocents.
Gemalt 1425, zerstört vor 1532. (Vgl. S. 22 ff.)
Copie des Textes und wahrscheinlich auch des Gemäldes bietet die 1485
erschienene editio princeps der Danse macabre (siehe bei den Texten). Der
Reigen des Todes fand darnach unter 16 Arkaden statt, in jeder waren zwei
Tanzpaare mit je einem geistlichen und einem weltlichen Stande (Papst nnd
Kaiser, Kardinal und König, etc.).
Die Oertlichkeit und äussere Geschichte dieses Totentanzes
behandelt besonders V. Dufour, La dance macabre des SS. Innocents de Paris.
Paris 1874. — Ders., Recherches sur la dance macabre. Paris 1873. (Nicht
benutzt; der Verf. will nachweisen, dass ein gewisser Jehan d'Orleans der Maler
war.) — Paris h travers les äges. Paris 1875—82. Fol. Tom. 1 S. 19 ff.
(Geschichte des Kirchhofs und der Danse macabre).
Ploaedem (Bretagne). An einem Beinhause. 17. Jahrh.
Vgl. Bulletin monumental 16 (1850) S. 457.
La Roche-Manrice (Dep. Finistere).
'L'ossuaire est de Tan 1689 . . . Dans cette ornementation, on remarque
particuli^rement une danse macabre, repr^sentation des diff&rentes conditions de
la destin^e humaine, sous la forme de divers personnages, comme par exemple,
le pape, le roi, le Chevalier, le moine, le laboureur, etc., et ä cöt6 d^eux est la
mort arm6e d^un dard, avec cette devise: „Je vous tue tous.'^ Bull, monum. 16
(1850) S. 456 f.
Ronen. Sculpturen aus d. J. 1526 — 29. An den 31 Säulen des
Kreuzganges, welche den Kirchhof des Klosters St. Maclou einschliessen,
befindet sich je eine Gruppe unter den Capitälen.
Abbildungen etc. bei Langlois 1 S. 31 ff. Erkennbar sind noch der
Sündenfall, Kaiser, König, Conuetabel, Herzog, Papst, Cardinal (oder Legat),
Bischof, Benedictinerabt, Kartäuser n. a. An den Säulen der einen Seite sind
Sibyllen nnd allegorische Darstellungen der Tugenden.
Sainte-Marie-anx-Anglais (^»lormandie, bei Lisieux). Wandgemälde
in der Kirche.
'Sous le badigeon qui s'6caille, on voit paraitre une de ces Danses Macabres
si c^lebres et si rares en France.^ Zeitungsnotiz v. J. 1844, mitgeteilt bei
Kastner S. 107.
Si-Onen-des-Vallons (Dep. Mayenne).
'En d^molissant notre vieille 6glise de St-Ouen-des-Vallons, nous avons
retrouv^ sous un badigeon qui les recouvrait, de vieilles peintures murales tr6s-
curieuses. Elle repr^sentaient une sorte de danse macabre.* BolL monum. 19
(1853) S. 591 f.
59
Somme-Py (Dep. Marne). 15. Jahrb. An einem Kirchenpfeilcr.
'Les piliers sont compos^s de 9 colonnes r^unies en faiscean et couronn^s
d'im large chapitean . . . Le plus curienx en est an qni repr^sente une danse
macabre d'nn dessin assez 8oign6 et compos6 d'une vingtaine de personnages;
malhenreusement la bantenr ä laqnelle il est plac6 empeche qn'on le puisse
fadlement studier.' Bulletin monumental 17 (1851) S. 408.
Texte.
Wie S. 10 ff. nachgewiesen ist, hat es bereits im 14. Jahrb.
einen französischen Totentanztext gegeben. Dieser Totentanz liegt nur
noch in mittelniederdeutscher und spanischer Umarbeitung vor. Erhalten
ist nur der französische Text, weicher ursprünglich zu dem 1425
gemalten Totentanze des Klosters Aux Innocents zu Paris gehört hat.
Es sind zwei Fassungen zu unterscheiden (vgl. oben S. 21).
La danse macabre in kfirzerer Fassung. Einige Strophen haben
sich auf dem Gemälde in Kermaria erhalten. Ausserdem bieten ihn
auf ihren philologischen Wert noch nicht untersuchte Handschriften
und ein alter Druck v. J. 1485.
Handschriften: Paris Bibiloth^que nation. Fonds lat. 14 904; ebd.
Fonds firan(;. 25550; Lille, Bibl. publ. — Druck: La danse macabre, Paris,
Qny Marchant, 28. Sept. 1485. Fol. (Ein einziges Exemplar, in Grenoble.
Genaue Beschreibung von Champol lion Figeac in Millin's Magazin encyclop6dique
1811 Decembre, S. 355—369; Peiguot S. 95; Massmann S. 91.)
Neudruck mit getreuer Nachbildung der Holzschnitte bei Le Boux de
Lincy et Tisserand, Paris et ses historiens etc. (1867) S. 293 ff. (leider sind
die Strophen der erweiterten Fassung v. J. 1486 ohne Scheidung beigefügt) und
bei Dttfour, La dance macabre S. 120 ff.
La danse macabre in erweiterter Fassung. Dieselbe ist 148G
zuerst gedruckt und, mit andern Dichtungen vereinigt, als Volksbuch
in sehr vielen Drucken wiederholt worden. .
Personen etc. (Die eingeklammerten Figuren finden sich nur in dieser,
nicht aber in der kürzeren Fassung.) Acteur, (1 — 4. roort), pape, empereur,
cardinal, roy, (l^gat, duc), patriarche, conn6stable, archevesque, Chevalier, ev^sque,
escuier, abb6, bailly, astrologien, bourgois, chanoine, marchant, (maistre d^escole,
bomme d'armes), chartreux, sergent, moine, usurier & povre homme, m^decin,
amourenx, advocat, m^nestrei, cur6, laboureur, (promoteur, g6olier, p61erin, bergier),
cordelier, enfant, clerc, hermite mit 2 toden, (hallebardier, sot), roy mort, acteur.
Drucke. Editio princeps: Miroer salutaire pour toutes gens. Paris,
Guyot Marchant, 7 juin 1486. — Diese und 24 andere in Paris, Lyon, Troyes,
Bouen und o. 0. 1486 — 1729 erschienene sind von Massmann S. 92 — 109 aus-
führlich beschrieben, desgl. von Langlois 1, S. 331 ff. — Die Drucke des
18. Jahrb. ans Troyes bieten den Text verstümmelt, willkürlich geändert und in
modemislrter Sprache.
Neudrucke: La grande danse macabre des hommes et des femmes
pr6c^6e du dict des trois mors et des trois vifz du debat du corps et de Tame,
et de la complaincte de Tame dampn6e. Parin, Baillien o. J. (c. 1860). 4<'. (Der
Text wiederholt die editio princ. v. 1486 ; die Holzschnitte sind die einer späten
Ausgabe aus Troyes.) — Collection de poesies, roraans, chroniques etc. publik
d*apr^s d'anclens mss et d'apr^s des Mitions des XV. et XVI. siöcles. Livr. 24.
Paris, chez L. Potier (1858). (Wiederholt La grant danse macabre etc. imprime
a Paris XVn. C.)
60
lleures. Seit der zweiten Hälfte des 15. JahrL finden sich in zahlreichen
französischen u. a. unter dem Titel Henres, Horae» Hoors etc. erschienenen
Gebetbüchern als Randverzierungen Grnppen der Danse macabre und dazu
gehörige Verse.
Bibliographische Beschreibungen und Verzeichnisse geben Brunet, Nouvelles
recherches bibliographiques T. 3; Ders., Manuel du libraire 5 fed. T. 6, Sp. 1553 fF.
Massmann, Litter., S. 110 ff.; F. Solei), Les heures gothiques. Ronen 1882.
Eine 'Danse macabre, in^dite, manuscrit d' Anne de Bretagne' wird von
A. du Sommerard, Les arts au Moyen-Age T. 1 (1838) S. XIV (Division, chap. 8)
erwähnt. Vermutlich ist ein Gebetbuch gemeint.
Alte Uebersetzungeu der Dause macabre giebt es in mittelniederdeutscher,
englischer (von Lydgate), italienischer (Ballo del morte), lateinischer (von Desrey)
und spanischer Sprache (von Carbonell).
Nachahmung: La grande dance macabre des femmes que composa
maistre Marcial de Paris, dit d' Auvergne, procureur au parlemeut de Paris.
Publi6 par P. L. Miot-Frochot. Paris 1869.
Italienische Totentänze.
Bildwerke.
(Insone (Prov. Bergamo). Aus dem 15. Jahrh. Am Giebel der
Kirche de' disciplini ist al fresco der Triumph des Todes und dai'unter
ein Totenreigen dargestellt.
Abbildung etc.: 0. Vailardi, Trionfo e danza della morte a Clusone.
Milano 1859. 4. — Nur weltliche Personen nehmen am Reigen teil, jede trägt
eine Summe Geldes in den Händen: Edelfrau, Flagellant, Bettier, Alchimist (?),
Arkebusier, Kaufmann, Jüngling, Magister, Arzt (?), Richter (?), Edelmann. —
Eine kurze Inschrift lässt den Tod sagen, er halte über Alle gleiches Gericht,
er wolle sie selbst, nicht ihr *Geld.
Como. Frescogemäldc an der Aussenseitc der Kirche des h.
Lazarus. Aus dem 15. oder IG. Jahrh. Die Figuren in Lebensgrösse
bilden einen Reigen.
Abbildung: C. Zardetti, Danza della morte depinta a fresco sulla
facciata della chiesa di San Lazzaro fuori di Gomo. Milano 1845. Erkennbar
sind die Reste von 8 aufeinanderfolgenden Paaren; im 4. — 6. tanzen weibliche,
in den übrigen männliche Personen.
Ferrara I. Fresco im Palazzo della Ragione.
'La Stauza della Gonforteria 6 tutta ne' muri dipinta con una bizarra in-
venzione del Ballo della Morte, con yarj Scheletri, che menano al Ballo diverse
condizioni di Persone con alcuni Versi air antica scritti al di sotto; lavoro di
Bernardino de' Flori V anno 1520.*
Barotti, Pitture e scolture di Ferrara (1770) S. 192. Vgl. Cittadella,
Notizie relative a Ferrara 1864, S. 334 not. 1.
Ferrara IF. Fresco in der Kirche S. Benedetto. c. 1500.
'^A di 6 de Octobre 1499 Lodovigo da Modena (depintore) de havere a
hon conto livre 17 de m. et queste sono per havere depinto lo iTalo de la morte
in la sagrestia, daccordo" etc. Gitadella, Documenti risg. la storia artistica ferra-
rese. 1868. S. 84; Revue critique 13, S. 37.
Sl
Text.
El ballo della morte. Handschrift des 15. oder 16. Jalirli. in
dor Riccardiana in Florenz. Uebersetzung und Nachbildung der kürzeren
Fassung der französischen Danse macabre, die von dem Verfasser um
einige ungeschickt eingereihte Personen aus eigener Erfindung (Pauper,
Aniorosa, Senator, Praepositus, Scolare u. a.) vermelirt ist.
Abgedruckt bei Pietro Viego, Le danze macabre in Italia. Stndi. Livorno 1878.
Lateinische Totentänze.
Lateinische Totentanztexte liegen in Drucken und Handschriften
vor, sie sind sämmtlich Uehersetzungen erhaltener Originale, also ohne
selbständigen Wert.
1. Eine Uebersetzung des deutschen vicrzeiligen Totentanzes ist
zusammen mit diesem in dem Heidelberger Cod. pal. 314 enthalten,
der in den J. 1443 — 47 geschrieben ist.
Anfang: 0 tos viventes Imius mundi sapientes Cordibns opponite duo verba
Christi venite Nee nunc et ite per primnm janua vitae etc. Vgl. Massmann,
Ha.sler Totentänze S. 123.
2. Die jüngere erweiterte Fassung der französischen Dance
macabre ist von Pierre Desrey aus Troyes, der sonst als Verfasser
mehrerer 1492 — 1514 erschienener chronikalischer Compilationen
bekannt ist, in lateinischen Versen übersetzt. Seine Bearbeitung ist
1490 im Dnick erschienen und 1499 wiederholt.
Erster Druck (v. J. 1490): Chorea ab eximio Macabro versibus alenia-
nici.s edita et a petro desrey trecacio quodam oratore nnper emendata. Parisiis
per magistmm guidonem Mercatorem pro Quidonem Mercatorem pro OodeiTrido
de Mamef. Fol. — 2. Druck v. J. 1499. — Neu abgedruckt im Speculnni
omninm statnnm etc. Anetore Boderico Episcopo Zamorensi etc. editum ex
bibliotheca Melchioris Goldasti. Hanoviae 1613. 4^ S. 231 — 277. — Monnmeuts
de la Xylographie VII. Danse macabre reprodaite en fac-8imil6 . . . par Adam
Pilinski. Paris 1883. Fol.
Der im Titel enthaltene Hinweis anf einen deutschen Verfasser des Originals
Namens Macabms kann nur einer blossen Vermutung des Uebersetzers seine Ent-
stehung verdanken.
3. Eine von Caspar Laudismann verfasste Uebersetzung des
Gross-Baseler Textes aus dem 16. Jahrh.
Sie ündet sich in C. Landismanni Decennalia mnndanae peregrinationis
1584 (s. Fabricins Bibl. med. et inf. latinitatis 5, 3) und in H. Fröiichs Zwen
Todtentänz. Vgl. Hassmann, Litteratur S. 30.
Niederländischer Totentanz.
Während alle übrigen Länder des Abendlandes Totentänze auf-
weisen, findet sich in den Niederlanden auffälligerweise keine Sjnir
6^
eines solchen aus mittelalterlicher Zeit ^). Denn der Titel eines kleinen
Schriftchens, 'De nederlandsche Doodendans door J. C. Schultz Jacobi.
Utrecht 1849. 8°\ das wie ein Hinweis auf einen alten Totentanz
mitunter citirt wird, ist insofern irreführend, als in diesem Schriftchen
nicht von einem Litteratur- oder Kunstdenkmal gehandelt wird, sondern
von einem bei den Kindern in Holland und Nordfrankreich beliebten
Kartenspiel, in welchem der Verfasser eine Erinnerung an die alten
Totentänze wiederfindet. Dieses Spiel wird nämlich mit Karten gespielt,
von denen eine den Tod, eine andere das Leben darstellt, auf den
übrigen erscheinen Kaiser, König, Bischof, Prinz, Fürst, Graf, Junker,
Jäger, Kapitain, Fähnrich, Soldat, Kaufmann, Bote, Schiffer, Hand-
werker, Bauer, Knecht imd ausserdem noch die Frauen von allen
diesen.*) Jacobi, der sehr verschiedene Diiickabzüge dieser Karten
gesammelt hat, teilt als Aufschrift eines Exemplars derselben die
Verse mit:
Deez' prente strekke a, lieve jeugdl
Tot tydverdrüf, Termaak en vreugd;
En leere u, hoe, van keizer af,
Elks deel op't laatsten is het graf.
Wenn, wie es scheint, diese Karten auf alte niederländische
Totentanzbilder zurückdeuten, so beweisen sie zugleich, dass jene
Bilder dereinst grossen Eindruck auf das Volk gemacht haben. Zu
derselben Annahme nötigt auch die Beobachtung, dass in früheren
Jahrhunderten die Vorstellung eines Totenreigen volkstümlich gewesen
sein muss. So beginnt ein Tanzlied des 17. Jahrb.')
Voegd u aen de krans
Van ons Dooden-dans
Overleede Mans
Die kreupel gaen etc.
und in einem älteren Liede niederländischen Ursprungs aus dem Ende
des 15. Jahrh. heisst es vom Tode*)
We myt em hen mot spryngen,
He nympt en bi der hant.
Auf eine Darstellung des Todestanzes in Brügge v. J. 1449 ist
S. 15 und auf den niederländischen Ursprung eines erhaltenen nieder-
deutschen Totentanztextes S. 9 hingewiesen worden.
') Vgl. N. C. Kist, Het humoristische karakter der christelvjke kunst, zigtbaar
vooral in de kerkelijke architectuur en de doodendansen (Archief voor kerkelgke
geschiedenis, inzonderheid van Nederland. Deel 15. Leiden 1844. S. 369 ff.) S. 424 ff.
') Ob das in Deutschland von den Kindern gespielte Tod und Leben' aus
dem holländischen Kartenspiel hervorgegangen ist?
*) G. Kalff, Het Lied in de middeleeuwen. Leiden 1883. S. 527 f.
*) Veghe, hrsg. von Jostes (1883) S. 392; Hölscher, Geistliche Lieder nr. 68.
63
Polnischer Totentanz.
Krakan. Im Bernhardinerkloster. Ein Oelgemälde auf Leinwand
ans dem 18. Jahrh. Im Mittelbilde sieht man neun Frauen verschie-
denen Standes und ebensoviele Skelette um einen Sarg einen Ringel-
reihen ausfuhren. Umgeben wird das Mittelbild von 12 kleineren
Bildern, deren jedes ein Tanzpaar enthält, nämlich den Tod und Papst,
Kaiser, König, Kardinal, Bischof, Polenfiirst, Graf, Edelmann, Kauf-
mann, Bauer, Soldat nebst Bettler, Kind nebst Narr. Beigefügt ist
jedem Bilde eine Strophe mit vier polnischen Versen.
Beschreibang: 'Mittheilangen der k. k. Central-Commission. Jahrg. 14
(1869) S. XYIII — XX.' Die hier ausgesprochene Ansicht, dass das Gemälde die
Copie eines altem Gemäldes, etwa des 15. oder 16. Jahrh. sei, ist irrig. Wie
ich an einem anderen Orte nachzuweisen gedenke, ist zu dem Krakauer Toten-
tanze ein Kupferstich von Joh. Jac. Ridinger (gest. 1795) benutzt.
Spanische Totentänze.
Ein monumentaler Totentanz ist in Spanien bisher noch nicht
nachgewiesen, dagegen sind spanische Totentanzdichtungen erhalten.
La danza general de la mnerte, deren Entstehung gewöhnlich
um das Jahr 1360 gesetzt wird, ist die älteste der spanischen Toten-
tanzdichtnngen.
Die Bedeutung, welche gerade dieser Text besitzt, rechtfertigt eine aus-
führlichere Inhaltsangabe. Der 79 achtzeilige Strophen bietenden Dichtung geht
in der Handschrift, ein kurzer Prologo en la iraslada^ion in Prosa voran. Von
Belang ist in dieser Üeberschrift das Wort traslada^on, welches darauf hinweist,
dass das Gedicht aus einer andern Sprache übersetzt ist. Das Qedicht selbst
beginnt mit vier Strophen, in denen der Tod seine Macht darlegt. Die erste
lantet (in Kleines XJebersetzung) :
Ich bin der Tod, der allen Creaturen
Gewiss ist, die in dieser Welt hier leben.
Was folgst du eifrig eines Daseyns Spuren,
Das du, 0 Mensch, so schnell dir siehst entschweben ?
Wenn^s keine Riesen, stark genug, kann geben.
Zu trotzen meines Bogens straifem Nerv,
Trifft dich der Pfeil auch tödtlich, den ich werf, —
Hin sinkst du, um dich nie mehr zu erheben.
Darauf erscheint ein Prediger, welcher in 3 Strophen unter Berufung auf
die heilige Schrift ausführt, dass alle Geborenen sterben müssen, und zur Voll-
bringong guter Werke mahnt. *Thut Busse, bereuet häufiger euere Sünden, wie
ihr Vergebung hoffiet von dem, der Macht zu vergeben hat. Säumet nicht, denn
schon beginnt der Tod seinen schauerlichen Beigen, dem ihr nicht entrinnen
könnt. Oeffhet die Ohren seinem trauervoUen Gesänge!^ Darnach fordert der
Tod die Menschen jeglichen Standes zum Todestanze (a la dan^ morial) auf.
Wem es nicht beliebe, den werde er mit Gewalt holen. Zuerst ruft er zwei
Jungfrauen auf. „Jetzt fordere ich zu diesem meinem Tanze die beiden schönen
64
Jungfrauen auf. Sie kamen in der üblen Absicht, meine Gesänge, welche so
betrübend sind, anzuhören.'' Nicht Blumen noch Schmuck würden ihnen helfen,
sie seien ihm verlobt. Dann wendet sich der Tod au den heiligen Vater. Da
derselbe so gewaltig sei und seinesgleichen nicht in der ganzen Welt habe, so
solle er im Reigen den Vortanz haben. Der Papst jammert, dass ihm alle seine
Machtbefugnisse und Ehren hier nichts nützen und ergiebt sich, Jesus und die
Jungfrau Maria anrufend, in sein Geschick. Mit dem Papst beginnt das Zwie-
gespräch des Todes mit den Vertretern der geistlichen und weltlichen Stände, in
welchem der Tod und der von ihm zum Tanze Aufgeforderte je eine Strophe
sprechen. Nach einander werden nun zum Tanze vom Tode aufgefordert: Kaiser,
Cardinal, König, Patriarch, Herzog, Erzbischof, Condestable, Bischof, Ritter, Abt,
Knappe, Dechant, Kaufmann, Archidiaconus, Advocat, Domherr, Arzt, Pfarrer,
Bauer, Mönch, Wucherer, Ordensritter (el frayre), Pförtner des Königs, Eremit,
Cassirer, Diaconus, Steuereinnehmer (Recabdador), Subdiaconus, Küster, Rabbi
Meldaredes, der maurische Hohepriester (el alfaqui), der Almosensammler (el
santero). Zum Schluss fordert der Tod alle diejenigen auf, welche er nicht
besonders genannt hat (lo que dise la muerte a los que nou nombro). — Wenn
auch die altspauische Danza general de la muerte eine Üebersetzung ist, so ist
doch nicht zu verkennen, dass ihr Verfasser das französische Original nicht allein
in sehr freier Umgestaltung wiedergegeben, sondern dasselbe auch durch eigene
Zusätze erweitert hat. Sicher sind eigene Zusätze diejenigen Strophen, welche
sich auf Würdenträger beziehen, welche nicht in Frankreich, sondern nur im
alten Spanien vorkamen, wie z. B. el Alfaqui, der maurische Priester, oder nur
in Spanien zu besonderer Geltung kamen, wie der Rabbi und der Recabdador.
Ferner steht es im Widerspruch zu Str. 11, in welcher der Tod dem Papste aus-
drücklich als ihm gebührende Ehre den Vortanz zuerteilt (e desie my dan^xi sera
(/uiadorj, wenn trotzdem vor dem Papst der Tod zwei Jungfrauen zum Tanze
auffordert. Es müssen also auch die an diese gerichteten Strophen 9 und 10
ursprünglich gefehlt haben. Wenn Amador de los Rios und Wolf (Beiträge zur
Gesch. d. castilischen Nationalliteratur S. 133) Recht haben, ist die Danza general
1360 entstanden. Diese Annahme ruht jedoch auf sehr schwacher Grundlage;
sie stützt sich wesentlich darauf, dass dieselbe Handschrift, welche sie enthält.,
ausserdem noch ein sicher im 14. Jahrh. verfasstes Gedicht enthält. Die
Ergebnisse der S. 8 if. geführten Untersuchung sind der Annahme, dass die
Danza general das ihr von jenen Gelehrten zugesprochene Alter hat, nicht günstig,
und es scheinen diejenigen im Rechte zu sein, welche sie nicht über das 15. Jahr-
hundert hinaufrücken. Diesem muss sie freilich spätestens angehören, da die
Handschrift bereits so alt ist.
Ausgaben: Ticknor's Geschichte der schönen Litteratur in Spanien,
deutsch von Julius. Th. 2. S. 598 — 612. Correcter ist der Abdruck in den
Poetas castellanos anteriores al siglo XV, colleccion hecha por Toraas Ant. Sanchez
continuada por Pedro Jos6 Pidal, considerablemente aumentAda e illustrada por
Florencio Janer. Madrid 1864, S. 379 — 385 (Biblioteca des autores espan. etc.
vol. 57). — Einzelausgabe mit Facsimile : La danza de la muerte, poema castellano
del siglo XIV, public, etc. por Flor. Janer. Paris 1856.
Inhaltsangabe etc. bei Jos6 Amador de los Rios, Historia critica de
la literatura espauola Tom. 4. Madrid 1863. S. 491—508; J. L. Klein,
Geschichte des Dramas VIII. Das spanische Drama. Bd. 1. Leipzig 1871.
S. 261 — 283. Vgl. femer Ludw. Garns, Darstellung der span. Litter. im Mittel-
alter. Bd. 2 (1846) S. 305 f.
Erweiterung: La dan^a de la muerte. Ympressa etc. Sevilla 1520.
Neuer Abdruck bei Amador de los Rios a. a. 0. Tom. 7. S. 507 — 540. Eine
durch viele neue Personen auf 136 Strophen erweiterte Bearbeitung.
65
CarbonelFs Dan^a de la mort. Catalonische Übersetzung der
französisen Danse macabre in kürzerer Fassung, vermehrt durch einige
neue Personen. Die Übersetzung muss spätestens i. J. 1497 gemacht
sein, da bereits zu Schluss desselben Jahres Carbonnell eine Fort-
setzung der Dan^a verfasst hat.
Ausgabe. Opuscnlos in^ditos del crouista catalan Pedro Miguel Car-
bonell llnstrados etc. por Manuel de Bofarull y de Sartorio. Tom. 2. Barcelona
1865 (= Coleccion de documentoa ineditos del archivo general de la Corona de
Aragon) S. 267—296.
Die Fortsetzung 'Carmina in tetrae mortis orrendam coream diebus festis
Jesu Christi Maximi nataliciis anni saiutis M.CCCCXCVII dum vulgus incertnm
Indis taxilariis yacaret composita^ ebd. S. 297 £f.
Anfang: 0 creatura rahonable, Qui desiges vida terrenal Tu has a^i regia
notable Per ben finir vida mortal La present danga que veus tal Es de la mort
poc delitosa Morir a tots es natural La mort es vil molt odiosa. — Personen:
Papa, Emperador, Cardeual, Rey, Patriarcha, Capita o Conestable, Archabisbe,
Tavailer, ßisbe, Gentilhome, Abbat, Governador, Astrolec, Bnrges, Canonge, Mer*
cader, Cartuxa, Porter, Monio, Usurer, (die dem 'armen Manne' in dem franz.
Originale beigefügte Strophe folgt hier mit der Überschrift: Paria la mort mes
avant contra lo Usurer), Metge, Enamorat, Advocat, Ministrer, Curat, Cavador,
Frare menor^ Infant, Schola, Hermita, Donzella, Monge, Vidua, Maridada, Notari,
Rey que lau dins nna tomba o moniment. — Über die Subscription in der Hand-
schrift vgl, oben S. 28.
Des Tuchscherers Juan de Pedniza Tarsa llamada Dan^a de la muerte'
V. J. 1551 ist neu herausgegeben und besprochen von Ferd. Wolf *Ein spanisches
Frohnleichnamsspiel vom Todtentanz', in den Sitzungsberichten der K. Akad.
d. Wiss. in Wien, phil.-hist. Classe Bd. 8 (1852) S. 114—150 und von Ed. Gon-
zales in den 'Autos sacramentales desde su origin hasta fines del sigio XVII.
Pedroso 1865/ Dieses Dramn, in welchem ausser dem Tode Papst, König, Dame,
Hirt, Vemnnft, Zorn und Verstand agiren, ist keine Dramatisirnng eines eigentlichen
Totentanzes. Immerhin ist es ein Zeugnis dafür, dass der Totentanz dereinst
auch in Spanien volkstümlich war.
Holbeins Todesbilder.
Wie Goethes Bearbeitnng des Reineke Fuchs die alte Dichtung
Leserkreisen zuführte, welche der Litteratur des Mittelalters sonst
keine Aufmerksamkeit schenkten, so erhielten Ilolbeins Todesbilder
(las mittelalterliche Totentanzmotiv der modernen Kunst.
Angeregt durch den alten Totentanz seiner Vaterstadt Basel
zeichnete der jüngere Ilolbein eine Folge kleiner Bildchen, welche, von
seinem Landsmannc Hans Lützclb erger in Holz geschnitten, eine
eigenartige Umbildung seines Vorbildes bieten. Es ist, genau ge-
nommen, falsch, wenn jene Bildchen von Alters her 'Ilolbeins Toten-
tanz' genannt werden, doch knüj)ft ihre Entstehung an den mittel-
alterlichen Totentanz an, und anderseits sind fast alle später entstan-
denen Totentänze durch HoUieins Zeichnungen beeinflusst.
Der älteste Typus der Totentanzgemälde war, wie die Über-
einstimmung der ältesten französischen und niederdeutschen Dar-
Niederdeutsches Jahrbuch XVII. >^^^^ '""^^^.S'S^
UNIVIAvSJTY )
66
Stellungen beweist, der Ketten- oder Ringelreigen. Sämtliche Tanz-
paare bilden eine lange, zusammenhängende Kette, in welcher jede
Figur eine Hand dem Nachbar zur Linken, die andere dem zur
Rechten reicht.
Ein jüngerer Typus entstand durch Auflösung des Ketten-
reigens in einzelne Tanzpaare. Nur dem eigenen Tanzpartner reicht
der Tod die Hand oder tritt mit ihm auch ohne Handreichung zum
Tanz an. Beispiele bieten die mittelalterlichen Totentänze Süddeutsch-
lands, auch die gedruckten. Während der älteste Typus sämtliche
Paare notwendigerweise tan derselben Stelle — gewöhnlich einer Wiese
— und zu derselben Zeit den Reigen treten lassen musste, fiel diese
Notwendigkeit bei der Auflösung in Einzclpaare, sobald jedes Tanzpaar
seine besondere Bildfläche erhielt, zwar fort, thatsächlich wurde aber
gegen die alte Anschauung, dass der Tanz aller Paare auf derselben
Stelle zu denken sei, im Allgemeinen nicht Verstössen. Nur die Holz-
schnitte des hochdeutschen achtztnligen Totentanzes und die Lübecker
Drucke bieten einige nicht sehr in die Augen fallende Ausnahmen,
indem einigemal der Fussboden wechselt.
Eine Abart dieser Typen liegt vor, wenn der Reigen in einen
Tanzaufzug, in welchem die Paare hinter einander herschreiten, ver-
wandelt wird.
Der Holb einsehe Typus ist aus dem jüngeren Typus, wie
er in Basel dem Künstler vor Augen stand, entwickelt. Auf Einheit
des Ortes, der Zeit und der Handlung verzichtend, löste Holbein nicht
nur nach Art der gedruckten Totentänze den Totentanz in Einzelbilder
auf, sondern er Hess auch das Tanzmotiv fallen. Nicht die Allegorie,
dass der Mensch nach der Pfeife des Todes tanzen muss, kommt in
seinen Bildern zum Ausdinick, sondern der allgemeine (Jedanke, dass
Jeder unerwartet vom Tode heimgeholt wird. Von dem Zwange des
gleichen Ortes und des Tanzmotivs befreit, konnte Holbein, der nur
den Wechsel und die Abstufung der Stände beibehielt, jedes Bildchen
selbständig und unabhängig von den übrigen gestalten und somit seiner
künstlerischen Erfindungs- und Gestaltungsgabe ohne Schranken Raum
geben. Die Scenerie ist überall verschieden, das Tanzmotiv nur ver-
einzelt beibehalten, häufig sind dem Tode und dem ihm verfallenen
Menschen noch andere Personen beigefügt. Dem Könige last Holbein
den Tod während des Mahles an reich besetzter Tafel die Schale
reichen. Auf dem Schlachtfelde durchbohrt der Tod den verzweifelt
gegen ihn kämpfenden Krieger mit der Lanze. Auf stürmischer See
tritt er unter die Mannschaft eines scheiternden Schiff'es. ilr tritt zum
Arzte, in dessen Studierzimmer er einen kranken (ireis geführt hat usw.
Die Auflösung des Gesamtbildes in Einzelgruppen, die Klein-
heit und Zierlichkeit der Holzschnitte an Stelle der monumentalen
Kirchenbilder machten die Holbeinschen Zeichnungen des grossartigen
Eindinickes verlustig, welchen die durchgeführte Einheit der Conception
und die elementare Wirkungskraft grosser Verhältnisse den monumen-
talen Totentänzen gesichert hatten. Anderseits überragten die Hol-
67
beinschen Holzschnitte, nach dem Urteile sachkundiger Kenner aucli
heute noch unübertroffene Meisterwerke, nicht nur in künstlerischer
Beziehung alle alten gemalten und gedruckten Totentänze, sie ent-
sprechen gerade durch ihre Zierlichkeit und den mannigfaltigen Inhalt
der Vorliebe des sechzehnten Jahrhunderts für die Kleinkunst und
lehrhaft moralischen Inhalt, eine Vorliebe, die sich bekanntlich auch
auf dem Gebiete der Litteratur in breitester Weise durch die Bevor-
zugung der gnomischen und satirischen Dichtung äussert.
Holbeins in Buchform 1538 erschienener Totentanz war bald in
zahllosen Abdrücken und Nachstichen in fast allen Ländern verbreitet.
Während in Frankreich die alte Danse macabre als Volksbuch neben
den Holbeinschen Zeichnungen sich erhielt, verdrängten diese in Deutsch-
land sämtliche altern Druckwerke, wenn man von den Merianschen
Kupfern des Basler Totentanzes absieht, vom Buch- und Kunstwerke
und werden noch heute häufig herausgegeben und nachgeahmt.
Die französischen vierzeiligen Verse, welche Corozet der ersten
in Lyon erschienenen Ausgabe beigefügt hatte, wurden für spätere
Ausgaben von Luthers Schwager Georg Aemilius (eig. Ömmel) in
das Lateinische übersetzt. Deutsche Reime fügte an ihrer Stelle der
Lehrer Fischards, der geniale Bearbeiter des Grobianus, Caspar
Seh ei dt hinzu. Diese erschienen L^)rj7 zu Worms und wurden bereits
im folgenden Jahre in das Niederdeutsche mehr umschrieben,
als übersetzt.
Vgl. A. Woltinann, Ilolbcin und seine Zeit, 2. Aufl. (1874) Bd. L, S. 258 ff.,
IL S. 174 ff. und die übrige 8. 39 angegebene Litteratur.
Ausgaben. Das vollstflmligste Verzeichnis der Drucke der Holbeinschen
Todesbilder und seiner Nachahmungen bietet M assin an n, Litteratur der Toten-
tänze, 8. 7 — Gl. Bevor ITolbeius Zeichnungen 1538 in Lyon als Buch erschienen,
waren .schon in Basel von den Holzstöcken Probeabzüge hergestellt. (Facsi-
mile: Hans Holbein's Dance of Death, illustr. by a series of photho-lithogr.
facsiniiles of the first edition in the British Museum. By H. Noel Humphreys.
London 1868. — Holbeins Totentanz. Nach dem Exemplar der ersten Ausgabe
im Kgl. Knpferstichcabiuet zu Berlin in Lichtdruck nachgebildet von A. Frisch.
Hrsg. von Frdr. Lippmann, Berlin 1879. Später auch mit engl. Texte). — Die
erste Buch ausgäbe mit Text: Les simulachres & historiees faces de la mort
etc. Lyon (Melchior et Gaspar Trechsel fratres). 1538, kl. 4^ (Facsimile-
ausgaben: The Holbein-Society's Fac-simile Reprints. Les Simulachres etc.
translat. and ed. by Henry Green. Manchester and London 1869. 4®. — Lieb-
haber-Bibliothek alter lUnstratoren in Facsimile-Reproduction. Bdch. 10. München
1884. 4**). — Die erste Ausgabe mit lateinischem Texte: Imagines de morte
et epigrammata e GalHco idiomate i\ Georgio Aemylio in Latinum translata.
His accesserunt Medicina animip etc. Lugduni, 1542. 8^ — Scheid t^s Über-
setzung erschien zuerst 1557: Der Todten-Dantz, durch alle Stende vnd Geschlecht
der Menschen. Mit sampt der heylsamen Artney der Selen. Im Jar MDL VIT. 8^
— Niederdeutsch: De Dodendantz, dorch alle Stende vnd Gesiechte der
Minseken, darin er herkumst vnnd ende, nichticheit vnd sterfflicheit, alse in enem
Spegel tho be.scboweude vorgebildet, vnd mit schunen Figuren getzieret. Sampt
der heilsamen Arstedie der Selen. D. Urbani Regij. MDLVIII. 8®. [Berlin,
Helmstädt, Wolfenbüttel. Vergl. Bruns Beiträge S. 324. Korrespondenzblatt 4, 96.]
5*
68
Figuren etc. (nach der Ausgabe von 1538): Erschafihing Eyas, Sünden^
fall, Vertreibung ans dem Paradiese, Adam bant die Erde. Mnsicirende Gerippe,
Papst, Kaiser, König, Cardinal, Kaiserin, Königin, Bischof, Herzog, Abt,
Aebtissin, Edelmann, Domherr, Richter, Fürsprech, Batsherr, Prädicant, Pfarrer,
Mönch, Nonne, Altes Weib, Arzt, Astrolog, Beicher, Kaufmann, Schiffer, Ritter,
Graf, Altmann, Gräfin, Edelfran, Herzogin, Krämer, Ackermann, Kind, Jüngstes
Gericht, Wappen des Todes. (In der Lyoner Ausgabe von 1545 ausserdem noch
Kriegsmann, Spieler, Säufer, Narr, Räuber, Blinder, Kärtner, Siecher, Kindergrnppen).
— Die Probeabztlge zeigen eine andere Figurenfolge, voranstehen die biblischen
Scenen, dann folgt die Reihe der geistlichen Würdenträger vom Papst bis zur
Nonne, dann die der weltlichen vom Kaiser bis zum Ritter, zu Schlnss die
bürgerlichen Stände, der Richter, Fürsprech usw.
Initialen. Ausser den Todesbildem hat Holbein ein Alphabet Initial-
buchstaben angefertigt, in und um welche Gruppen mit dem Tode gezeichnet
sind. Nene Ausgabe von Ellissen und Lödel s. oben S. 40. Damach : L^alphabet
de la mort de H. Holbein publ. par A. de Montaiglon. Paris 1856. (Hit engl.
Texte eh. 1866). — Femer hat Holbein einen Totentanz von 6 Paaren (König,
Königin, Fähnrich, Bürgerin, Mönch, Kind) als Schmuck einer Dolchscheide
gezeichnet. Abbildungen bieten Douce und Langlois Planche XXIV.
Anhang.
Der alte lübiseh-revalsche Totentanztext
Der Text, der dereinst unter den Figuren des Totentanzes der
Marienkirche zu Lübeck und seiner Copie in Ileval zu lesen war, ist
nur unvollständig erhalten. Von den 404 oder mehr Versen, welche
er umfasst haben muss, sind nur 294 überliefert. Zwei Verse aus
der Strophe des Kindes vereinzelt (siehe zu V. 389 f.), von den übrigen
der kleinere Teil auf den erhaltenen Resten des Revaler Bildes, der
grössere in Melle's alter Abschrift dessen, was 1701 noch von dem
Lübecker Texte lesbar war (s. oben S. 43).
Der Abdruck des Textes, der diesen Vorbemerkungen folgen wird,
vereinigt zu einem Ganzen, was sich getrennt, in Rcval und Lübeck,
erhalten hat. Für den Revaler Teil liegen die Lesungen zu Grunde,
welche Russwurm und Hansen an den oben S. 4G verzeichneten Orteu
veröfl'entlicht haben, für das übrige der von Mantels gegebene Abdruck
tler Abschrift Melle's.
Wenngleich die Genauigkeit, durch welche Melle's übrige Ab-
schriften sich auszeichnen, auch für den Totentanz anzunehmen ist,
so rechtfertigen doch verschiedene Stellen in seiner Abschrift die Ver-
mutung, dass hin und wieder ein unlesbar gewordenes Wort ausgelassen
ist. Femer kann es keinem Zweifel unterliegen, dass in ihr, wie
bereits S. 44 bemerkt wurde, die Reihenfolge der Strophen in Ver-
69
wirrung geraten ist. Die richtige Ordnung ist mit ziemlicher Sicher-
heit herzustellen, wenn berücksichtigt wird : 1) die Reihenfolge, welche
durch die Schlussverse der vom Tode gesprochenen Strophen gefordert
wird ; 2) dass der Inhalt der Strophe dem Stande der Person entspricht,
welcher sie zugeteilt wird; 3) der Totentanz von 1489 (vgl. oben
S. 35 f.); 4) die Reihenfolge der Figuren des in einer Erneuerung
erhaltenen Gemäldes in Lübeck. Der durch diese Hinsichten bedingten
Reihenfolge entspricht die Ordnung der Strophen, welche aus teilweise
anderen Gründen bereits Mantels für die richtige erklärt hat und die
deshalb in dem nachfolgenden Abdrucke beibehalten ist. Doch ist in
diesem durch lateinische Ziffern, die in Klammern beigefügt sind, die
von Melle gebotene Reihenfolge kenntlich gemacht. Wenn H. Baethcke
in seinem 'Versuch zur Herstellung des alten niederdeutschen Textes'
(s. oben S. 45) in Bezug auf die richtige Reihenfolge der Strophen
zu einem ganz abweichenden Ergebnisse gelangt ist, so tnig eine
irrige Voraussetzung daran die Schuld. Baethcke, dem der Revaler
und altcastilische Totentanz offenbar unbekannt gewesen war, hatte
nämlich nicht geglaubt, dass die Schlussverse der dem Tode zugeteilten
Strophen an die folgende Person gerichtet sein könnten. Er nahm
an, dass jeder Schlussvers ebenso, wie es der Fall in den übrigen
ihm bekannten deutschen Totentänzen war, mit den vorangehenden
Versen derselben Strophe zu ein und derselben Person gesprochen werde.
Die Folge dieses Irrtums war, dass er in jenen angeblich entstellten
Schlussversen allerlei Änderungen zur vermeintlichen Herstellung des
ursprünglichen Wortlautes vornehmen und zugleich zu anderen Ergeb-
nissen als Mantels und der Verfasser dieser Untersuchungen kommen
musste.
Die litteraturgeschichtliche Stellung des lübichen Textes und
sein Verhältnis zu den übrigen Totentänzen ist bereits in den voran-
gegangenen Untersuchungen eingehend dargelegt worden. Es erübrigt
hier nur noch der Hinweis, dass der überlieferte Text einige sprach-
liche Eigentümlichkeiten aufweist, welche weder durch das lübische,
noch überhaupt durch das gemeine Mittelniederdeutsch sich erklären
lassen, sondern mittelniederländischer Herkunft sind, und die
P\)lgerung rechtfertigen, dass der Lübecker Totentanz eine mittel-
niederländische Vorlage gehabt hat. Die zum Beweise dienenden
Sprachformen werden in den Anmerkungen, die dem Abdrucke folgen,
zu Vers 184. 236. 332 u. a. hervorgehoben werden. Sie finden sich
sämtlich im Reime. Der niederdeutsche Bearbeiter hat sie augen-
scheinlich nur beibehalten, weil an den betreffenden Stellen sich ihm
kein niederdeutscher Reim leicht darbot und bei dem regen Verkehr,
in welchem Biiigge und Lübeck standen, in letzterer Stadt einige
flandrische Formen das Verständnis des Textes trotz ihrer Fremd-
artigkeit nicht gerade gefährdeten.
Die im Revaler Totentanze erhaltene Copie des lübischen Textes
enthält derartige Sprachformen nicht; sei es, dass das Lübecker
70
Original sie innerhalb der dort erhaltenen Strophen gleichfalls nicht
bot, sei es, dass sie bei der Anfertigung der Copie durch nieder-
deutsche Formen ersetzt worden sind. Bemerkenswert ist dabei
übrigens, dass der Revaler Text frei scheint von Sprachformen oder
Schreibungen, welche sich durch mundartliche Besonderheiten der
russischen Ostseeprovinzen erklären. Man wird hieraus folgern können,
dass die Revaler Copie nicht nach einer Skizze in Reval, sondern
vielmehr in Lübeck selbst von einem Lübecker Künstler ausgeführt
worden ist. Es kann das nicht viel vor oder nach d. J. 1500 ge-
schehen sein. Einerseits zeigt nämlich der Revaler Text den Vokalismus
des ausgehenden 15. Jahrhunderts, anderseits ist er frei von den
orthographischen Unarten (-nn für -w, nh für n, h als Dehnungs-
zeichen usw.), welche im 16. Jahrb. allgemein üblich werden.
Der Abdruck lässt die etwaigen bloss mundartlichen Änderungen
der Lautform, die bei den alten Erneuerungen der Gemälde ein-
geflossen sein mögen, unberührt. Gebessert ist, was in den ver-
öffentlichten Abschriften, vielleicht auch in einigen Fällen schon bei
den Übermahmgen verlesen oder ausgefallen scheint.
Unter dem Texte ist angegeben, wo von Melle's Abschrift (M)
des Lübecker und Hansens (H) Lesung des Revaler Totentanzes ab-
gewichen ist. Russwumi's ältere Lesimg (B) des letzteren ist nur.
wo sie noch beachtungswert schien, angemerkt worden. Den von
Mantels und Baethcke übernommenen Besserungen des Textes
ist der Name ihres Urhebers beigefügt.
Überschriften, Interpunktion und Nonniiaing des ti, t;, w fehlen
natürlich den Originalen.
1. Der Prediger auf der KanzeL
Och redelike creatuer, sy arm ofte rjke,
Seet hyr dat spectel, jnnck unde olden,
Unde dencket hyr aen ok elkerllke
Dat sik hyr nexnant kan ontholden,
5 Wanneer de doet kumpt, als gy hyr seen.
Hebhe wi den vele gndes ghedaen,
So moghe wi wesen myt gode een,
Wy moteu van allen loen untfaen.
Unde lieven kynder, ik wil ju raden,
10 Dat gl juwe scapeken verleiden nicht,
Men gude exempel en opladen,
Eer ja de doet sns snelle bUicht.
2. Der Tod an Alle.
To dessem dansse rope ik alghemene
Pawes, keiser nnde alle creaturen,
1. 29. Ach R. Och H. — 10. verleide H. — 11. gude R. gute H. — 13. dessem
dansse M. dusscn dantsc H. — 14. pawest M. pawes i/., creaturen M. creature //.
71
15 Arme, ryke, grote onde klene.
Tredet vort, wente nn en helpet nen truren!
Men dencket wol in aller tyd,
^^ Sy S^^^ werke myt ja bringen
Unde jawer snnden werden quyd,
20 Went gy moten na myner pypen springen.
3. Tod ziim Papste.
Her pawes, du byst bögest nu,
Dantse wy voer, ik unde du!
AI bevestu in godes stede staen,
Een erdescb vader, ere unde werdlcbeit untfaen
25 Van al der werlt, du most my
Volghen unde werden als ik sy.
Dyn losent unde bindent dat was yast,
Der hoecbeit werstu nu een gast.
4. Papst.
Och bere got, wat is min bäte,
30 AI was ik hoch geresen in state,
Unde ik altohant moet werden
Gelik als du een slim der erden?
Mi en mach hocheit noch rickheit baten,
Wente al dink mot ik nalaten.
35 Nemet hir exempel, de na ml siet
Pawes, alse ik was mine titl
5. Tod.
Dat were gud in ly. bekennt (?)
(V. 38—43 nicM erhalten.)
(jsutn Kaiser)
Her keiser, wi moten dansen!
6. Kaiser.
45 0 dot, dyn letlike figure
Vorandert my alle myne natture.
Ik was mechtich unde rike.
Hegest van machte sunder gelike.
Koninge, Torsten unde heren
50 Mosten my nigen unde eren.
Nu kumstu, yreselike forme,
Van mi to maken spise der worme.
7. Tod.
Du werst gekoren, — wil dat vroden! —
To beschermen unde to behoden
55 De hilgen kerken der kerstenheit
Myt deme swerde der rechticheit.
15. arme M. arm H, grote M. groet H. — 16. wente nu M. went ju H. —
30. geresen B. gewesen H. — .33. en fehlt H. — 37. So nach J?., nach H. ist der
Vers unlesbar. — 45. dyn] du H. — mechtig H. mechtich B. — 51. Nu] Du Ä
72
Men hovardie heft di vorblent,
Da hefst di sulven nicht gekent,
Mine knuste was nicht in dinem sinne.
(zur Kaiserin)
60 Du ker nn her, fron keiserinne!
8. Kaiserin.
Ick wet, my ment de doet!
Was ick ny vorvert so grot!
Ik mende, he si nicht al bi sinne,
Bin ik doch jnnck nnd ok eine keiserinne.
65 Ik mende, ik hedde vele macht,
Up em hebbe ik ny gedacht
Ofte dat gement dede tegen mi.
Och, lat mi noch leuen, des bidde ik di!
9. Tod,
Keiserinne hoch vormeten,
70 My dnncket, du best myner vorgheten.
Tred hyr an! it is nn de tyt.
Da mendest, ik solde di scheiden quit.
Nen! al werstn noch so vele,
Du most myt to dessem speie
75 Unde gi anderen alto male!
(zum Kardinal)
Holt an, Yolge my, her kardenale!
10. Kardinal.
Ontfarme mjmer, here, salt sehen,
Ik kan di niegensins entilen.
Se ik vore efte achter my,
80 Ik vole den dot my alle tyt by.
Wat mach de böge staet my baten.
Den ik besät? ik mot en laten
Unde werden nnwerdiger ter stuut
Wen ein unreyne stinckende bunt.
11. Tod.
85 Du werest van stAte gelike
En apostel godcs np ertryke
Unime den kersten loven to Sterken
Myt worden unde anderen dogeutsammen werken.
Men du best mit groter bovardichit
90 Up dinen bogen perdeu reden.
Des mustu sorgen nn de mere !
(zum König)
Nu tret ok vort her, koningck here!
62. 63. ich R. IL — 78. di niegensins] di nie gensins //. deme gensins H. —
80. den li. gcu //. — Si. staet] säet //. — 85. von Jf. vau K. — 89. hoverdicbit,
lies boverdichede.
73
12. König:.
0 dot, dyue sprake heft my vorvert,
Dnsseu dans en hebbik nicht gelert!
95 Hertogen, rydder nnde knechte
Dagen vor my durbar gerichte,
Unde Juwel ik hodde sick de worde
To sprekende, de ick node horde.
Nu komstu unvorsenlik
100 Unde berovest my al rayn ryk.
13. Tod.
AI dyne danken hestu geleyt
Na werliker heriicheyt.
Wat batet? du most in den slik,
Werden geschapen myn gelik.
105 Recht geyent unde Yorkeren
Hestu under dy laten reigeren,
Den armen niegene leed want!
(eum Bischof)
Her bischop, nu holt an de haut!
(V. 108 — 180 sind nicht erhalten, sie kamen ausser dem Tode folgenden
Ständen zu: dem Bischof, Herzog, Abt, Ritter und Kartäuser.)
23. Tod zum Kartäuser. (Melle III.)
Nu tret vort, dl helpet neu klagen,
Du most dyn part sulven dragen.
It sal di wesen swar,
Di mach nicht volgen nar
185 Wen dine werke gut ofte quat.
Diu Ion is na diner dat,
Nemant mach di des vorbringen.
(zum Edelmann)
Gummen kum an, ik wii di singhen.
24. Edelmann. (Melle IV.)
Dot, ik bidde di umme respyt,
190 Late mi vorhalen! mine tyt
Ik hebbe ovel overbracht,
Sterven hadde ik klene geacht.
Mine gedauken weren to vullenbringen
Jutto lust in ideleu dingen,
195 Minen uudersaten was ik swar.
Nu mot ik reisen unde wet nicht war.
25. Tod. (Melle I.)
Haddestu gedelt van dinem gode
Den armen, so were di wol to raode.
96. dagen H.; lies dogedeu?— 188. Gummen] Meu M. — 194. Jutto] To M.
De Mantels.
74
De klegeliken klagen er gebreken,
200 Nawerle mochtestu se hören spreken.
Dines pachtes werstn gewert.
Na mi haddestu niuen begert,
Dat ik ens urnme käme to hants.
(zum Domherrn)
Eanonik; tret her an den dans.
26. Domherr. (Melle H.)
205 Mi dankt, it is mi noch to yroch,
Van minen pranden hadde ik genoch
To bmken went her min leyen,
Late mi des dansses noch begheven.
Nu scholde ik yuUen min schrin.
210 Dine velen worde don mi grote pin.
Late mi doch gade denen bat,
Den ik in miner joget yorgat.
[V. 213—228 oder Str, 27, 28 fehlen, sie kamen dem Tode und dem
Bürgermeister zu.]
29. Tod zum Bürgermeister. (Melle V.)
Grot Ion schaltu entfan.
230 Vor din arbeit, dat dn hefst ghedan,
Wil di God dusentvult belonen
Unde in deme ewighen leyende krönen.
Mer dine bedrechlicheit darmede
Mochte di bringen in groten nnyrede.
235 Wultu umme dine sunde mwich sin!
(zum Arzte)
Volghe na, meister medicin!
30. Arzt. (Melle VI.)
Ik hadde wol yordrach, mochte it wesen,
Vele minsken hebbe ik ghenesen,
De yan groter snke leden not.
240 Mer jegen di klene noch grot
£n helpet nine kanst noch medicin.
Nu beyole ik mi sulyen de pin.
Van deme dode bin ik beseen,
Wat ordel dat mi schal bescheeu.
31. Tod. (Melle VH.)
245 Recht ordel schaltu entfan
Na den werken, de du hefst ghedan.
Du hefst ghedan, dat God wol wet,
Mengen in grot eyentur gheset,
Den armen swarlik bescbat,
250 Des he yaken billik hadde to bat,
AI nemestu grote summen daryan.
(zum Wucherer)
Wokerer, yolghe yan stunden an!
233. darmede] mede M.
75
32. Woeherer. (Melle VIII.)
0 da aller anvormodeste dot,
Up di en dacht ik klene noch grot.
2Ö5 Ik hebbe al min gut Torsaden,
Mine bone sint yqI kornes geladen,
Mot ik nn sterven, dat is mi swar,
Unde latent hir nnde wet nicht war.
Ik en wet nicht, war ik henne mot.
260 Vorbarme miner, her, dor dinen dot!
33. Tod. (Melle IX.)
Vorkerde dor olt yan jaren,
Anders hefsta nicht nterkaren
Den dat gut up desser erden.
Ik wet nicht, wat Tan di sal werden.
265 üp mi 80 haddestu klene acht.
Noch to stenrende nicht gedacht.
Nn mustu int ander lant.
(zum CapeUan)
Her kappelan, lange her de haut!
34. Capellan. (Melle X.)
Ach leider wo quelet mi de dot!
270 Ik hebbe last yan sunden grot,
Staplik hebbe ik gequiten,
Ik ynichte, God schalt nu mer witen.
De werelt, de yiant unde dat ylesch
Hebbet bedraghen minen gest.
276 Wat schal mi nu dat gut,
Wente ik it hir al laten mot!
36. Tod. (Melle XV.)
Haddestu yan joget up bet
Gades recht yor di geset
Unde ylitliken gelert,
280 Dar du mennich wort hefst yorkert —
Dat yolk bracht to gode,
Dat were gut, nu schedestu unnode.
It mot sin sunder beiden.
(zum Kaufmann)
Eopman, wilt di ok bereiden!
36. Kauftnann. (Melle XVI.)
285 It is mi yeme bereit to sin,
Na gude hebbe ik gehat pin
To lande unde tor see,
Dor wind, regen unde snee;
270. sunden BaethckeJ sorgen Mantels. Bei M, ist eine Lücke angedeutet.
— 272. nu mer Mantels] nummer M, — 277. up Gade bet M. — 278. Gades Baethcke]
fehlt. Mantels vermutet Haddestu van joget up gade bet Recht vor dine ogen
ghcset. — 280. gode] gude M, — 282. got M.
i
76
Nin reise wart mit so swar.
290 Mine rekenscop is nicht klar.
Hadde ik mine rekenscop ghedan,
So mochte ik vrolik mede ghan.
37. Tod. (Melle XHI.)
Hefstu anders nicht bedreven
In kopenscop, alse di was gheve,
295 It sal di wesen tor vromicheit,
Wen alle dink to richte steit,
Hefstu di so vorwart
Unde din dink gans wol geklart.
Westa anders, dat is nicht gnt.
(zum Küster)
300 Koster, kum, it wesen mot!
38. Kttster. (Melle XIV.)
Ach, dot, mot it sin gedan,
Nn ik erst to denen began?
In miner kosterie mende ik klar
Noch hogher to komen yorwar.
305 En grot officium was min sin,
Also mi dnnkt, so krige ik nin.
Ik mach des nicht gebruken,
De dot wil mi yorsluken.
39. Tod. (Melle XI.)
AI werstu hogher geresen,
3l0 In groter yar ronstestu wesen.
It is diner sele meiste profit,
Dat gi nicht hogher resen sit
Volghe na in mine partie,
Wente hoch sin maket hovardie !
315 Dat is al jeghen god.
(eum Handwerker)
Amtman, tret an, it is nen spot!
40. Handwerksmann. (Melle XII.)
Ach leider, wat schal mi bescheen!
Ovel hebbe ik mi vorgeseen
Uude hebbe mi ser ovel bedacht,
320 Min hautwerk so truwe nicht na getracht,
Dat gud prisede ik sere.
Nn bidde ik di, leve here,
Du mi de suude wilt vorgheveu
Uude late mi in diu ewige ieveu!
41. Tod. (Melle XVII.)
325 Gi amteslnde alghemeine
Achten vele dinges kleine,
289. Nin] ua M., De Mantels. — 294. gheven M. — 295. wesen tor vromicheit]
. . . euheit JH. Mantels will ergänzen: wesen rechtferdicheit, Baethcke: werden
rechticheit.
77
Bat gi einen anderen bedreghen
Unde vaken darinne leghen.
Up sterven hebbe gi nicht gepast,
330 Jawe sele ser belast,
Dat wil jnwer sele wesen swar.
(zum Klausner)
Klasenaer^ volghe uaer!
42. Klausner. (Melle XVIII.)
To sterven dat is mi nicht leit,
Were ik van binnen bereit,
335 Were mine conciencie wol purgert.
De viant heft mi tentert
Mit menniger temptacie swar.
Vorbarme di, her! openbar
Ik di bekenne mine sund.
340 Wes my gnedich tor lesten stnnd!
43. Tod. (Melle XIX.)
Da machst wol danssen blidelik,
Di hört dat hemmelske rik.
Dat arbeit, dat dn hefst ghedan,
Sal diner seien lastende stan.
345 Deden se alle so, it scholde en vromen,
Er scholde nicht vele ovel komen,
Men it worde mengen sar.
(sutn Bauern)
Kum to min reigen, veltgebnr!
44. Bauer. (Melle XX.)
Des dansses neme ik wol respit.
350 Noch hebbe ik mine tyt
Mit arbeide hen ghebracht
Unde ghedacht dach nnde nacht,
Wo ik min lant mochte begaden,
Dat it mit vmcht worde geladen,
355 To betalen mine pacht.
Den dot hebbe ik nicht geacht.
4ö. Tod. (Melle XXI.)
Grot arbeit hefstu ghedan.
(lod wil di nicht vorsman
Mit dinem arbeide nnde not.
360 It is recht, ik segge di blot,
God wilt di betalen
In sinen oversten salen.
Vrnchte nicht en twinkl
(zum Jüngling)
Tret her, jnngelink!
335. conciencien M. — 354. wirde M,
78
46. Jttngliii?. (Melle XXII.)
365 Der werlde last mi na smaket.
Da hefst de tyt ovel raket,
Da kampst slikende her geghan
Unde walt mi in din nette beslan.
De werlde mi lavet heil,
370 Bedracht se mi, so is se feil.
Wike wechy late mi raseleren!
Int older wil ik mi bekeren.
47. Tod. (Melle XXIH.)
In der nacht, der deve gank,
Slikende is min ammewank.
375 Ein jnnk man sik bi tiden ker
To gade, sin Inste dregen ser.
Hir is nene blivende stat.
Haddestu west der werlde hat,
Were di beter nnde er minne.
(zur Jungfrau)
380 Jankvron, mit di ik danssen beghinne!
48. Jongfran. (Melle XXIV.)
Des reiges were ik onich gheme,
Ik jnnghe schone deme,
Ik hadde merket der werlde Inst,
Van diner knmpst nicht gewnst.
385 Nn knmpsta snel nnde mi vorverst,
Ik wnste nicht, dattn hir werst.
Were ik ene klostervrowe worden,
So trede ik vro in dinen orden.
49. Der Tod zum Kinde.
(feJat,)
50. Kind.
0 dot, wo schal ik dat vorstan,
390 Ik schal dansen nnde kan nicht gan?
(Der Schluss fehlt)
Anno Domini MCCCCLXIII. in vigilia Assumcionis Marie.
376. sin luste dregen aev' Mantels] sin dregen her M. — 383. hadde
merket] merke M. — 386. dattu fehlt M. — 389. 390. Diese beiden Verse sind
nicht von Jacob von Melle überliefert, sondern in seinem handschriftlich erhaltenen
Werke *Jjubeca Beligiosa' von einem seiner Nachkommen nacfUräglich eingezeichnet
worden,
Anmerkungen. 1. Och redelike creatuer. Auf die Übereinstimmung dieser
Worte mit den Anfangs werten der frz. Danse macabre ist oben S. 23 hingewiesen.
Über spectel vs. 2 s. S. 16, über scapeken v. 10 ebd.
24. Vgl. Danse macabre: He? faut-il que la dance mainne Lepremier qui
suis dieu en terre Tay eu dignite souverrainne En Veglise comme Saint Pierre.
Berliner Totentanz: Pawes erdesche vader volget my na . . . Oy hebben in der
stede gades ghestan.
79
26. als ik sy *wie ich bin\ Mittelniedcrländischer Sprachgebrauch. Nach
mnd. Regel müsste es ah ik hin hier heissen, im mnl. ist es dagegen den Dichtem
gestattet, in den Nebensätzen, welche in der Prosa den Indicativ bieten müssten,
vom Ycrbum substantivum die Conjunctivformen des Praesens einsetzen zu dürfen,
wenn es der Reim erfordert Zahlreiche Belege verzeichnet W. L. van Helten,
Middelnederlandsche Spraakkunst (1887) S. 305 f., z. B. Maerlants Spegh. bist.
Vy 21, 22 Ceres es eene siai bi Endi Daer een lant na gheheeten si Daer die
home zijdwuUe dragen. Ebd. 3^ 16, 60 Com met an mi Want ic sere gevenijnt si.
Ebd. !•, 43, 44 Want hi hem besniden liet Vanden vleesche, alse ghi stet. Vgl,
Franck, Mnl. Grammatik § 169.
27. 28. Vgl. Dodesdanz v. 1489 vs. 185. Din losent unde bindent was hei,
vullenkomen unde gans. Ebd. 303. Der hocheit werstu nu ein gast (die von dem
Herausgeber missverstandene Stelle ist zu übersetzen : 'Deiner hohen Stellung wirst
du nun fremd d. h. beraubt').
30. Vgl. Dodesdanz v. 1489 vs. 169 Her pawes du wer est hoch geresen in State,
53. wi7 imperativisch wie v. 284 u. 323 wiU, 235 wul.
63 ff. Vgl. Dodesdanz v. 1489 v. 211 ff. Her keiner du wer est gekoren to
einem heren. De cristenheit to vorstan unde to regeren Mit dem swerde der recht-
verdicheit; ebd. v. 221 f. Sus heft giricheü unde hovardie di vorblent Dattu di
sulven nicht hefst gekent.
78. negensins 'durchaus nicht', vgl. Mnd. Wtb. 4, 209.
107. Den Armen hastu kein Leid abgewandet' hestu aus v. 106 gilt für den
folgenden Vers mit, vgl. v. 266. 330. 386.. Unklar ist v. 205.
184. nar 'nach'. Mittelniederländische Form. Da die mnd. Form na keinen
Reim ergeben hätte, so hat der Urheber des lübischen Totentanzes die mnl. Form
der Vorlage hier und vs. 332 beibehalten, während innerhalb des Verses stets na
gesetzt ist, vgl. v. 236. 313.
188. gummen 'Herr, Mann' . Melle's Abschrift überliefert nur men, ohne
anzudeuten, dass vor diesen Buchstaben einige andere unlesbar geworden waren.
Trotzdem wird man letzteres hier und in einigen anderen Versen zu Beginn der-
selben annehmen dürfen, vgl. v. 194. 289. Das Wort gummen findet sich noch
in dem Bavenbergischen Ausruf 'o gum ! o gum ! Oh Wunder ! eigentlich oh Mann !'
Ferner heisst in einem holsteinischen Kinderspiel der beim Lauf zuerst das Ziel
erreicht Gumm. Vgl. Schütze, Holst. Idiot. II. S. 78.
229 if. Mantels S. 7 bemerkt: 'Dass diese Worte an den Bürgermeister
gerichtet sind, beweist der im Einzelnen gleichlautende Text von '[1489 und] 1496'.
Vgl. Dodes danz hrsg. von Baethcke v. 711 ff.
236. medecin ist die mittelniederländische, dem Französischen entlehnte
Bezeichnung für 'Arzt', mnd. arste, arstedien.
243. beseen mnl. besien heisst 'besehen, besuchen, untersuchen, abwarten'.
Hier ist wohl der Sinn, dass der Tod wie ein Arzt den Kranken besieht und die
Prognose (ordel) stellt.
255. vorsaden ist an dieser Stelle unerklärlich und scheint entstellt, ohne
dass eine ansprechende Besserung sich leicht darbietet. In den Zusammenhang
würde der Gedanke passen 'Ich habe mein ganzes Vermögen in Korn angelegt,
und meine Böden sind damit angefüllt, ohne dass ich jetzt schon weiss, an wen
ich es verkaufe.' Baethcke schlägt vor, vorladen statt vorsaden zu lesen. Die in
paläographischer Beziehung leichte Änderung erscheint aber anstössig wegen des
rührenden Reimes.
273. Die Reimbindung vlesch: gest ist wahrscheinlich der mnl. Vorlage ent-
lehnt. Mittelniederländisch lauten die Worte vlees: gheest und können mit
einander reimen.
294. gheven, das in Melles Abschrift sich findet, giebt keinen in den Zu-
sammenhang passenden Sinn. Das dafür eingesetzte ghevt (mnl. ghave, ghece, mhd.
gcebfy ostfries. u. westfal. gäve), heute nhd. nur noch in der Redensart 'gank und
gäbe' gebräuchlich, hat die Bedeutung 'untadelhaft'.
so
295. tor vromicheit *zum Nutzen'. Gegen Mantels' Ergänzung recJitverdicHeit
'Gerechtigkeit' ist einzuwenden, dass die Gerechtigkeit des göttlichen Gerichtes ja
auch statt hat, wenn der Kaufmann unrecht gehandelt hat. Nicht die Gerechtig-
keit, sondern die Rechtfertigung kann dem Kaufraanne in Aussicht gestellt sein.
301 flf. Der Küster findet sich von allen alten Totentänzen nur im Lübecker
von 1463 und in dem der Marienkirche in Kerlin. Da er sich Hoffnung auf en groi
officium *ein grosses lürchenamt', also auf eine höhere Weihe (als Diaconus, Pres-
byter oder gar Bischof) gemacht hat, muss er als Kleriker gedacht sein, der von
den vier niederen Weihen (Acoluth, Exorcist, Lector, Ostiarius) zum mindesten die
niedrigste, nämlich die als Ostiarius empfangen liat, dessen Kirchondienst mit dein
des Küsters zusammenfiel. Auffällig bleibt bei dieser Erklärung jedoch, dass der
Küster überhaupt voraussetzt, später ein hölieres Kirchenamt zu erhalten, da in
der Praxis die für die höheren Weihen bestimmten Kleriker (ausser Rom) die
niederen Weihen gar nicht zu erhalten pflegten. Auch war es nicht einmal not-
wendig, dass der Küsterdienst einem (niederen) Kleriker übertragen werden musstc,
auch ein gut beleumdeter Laie durfte ihn thun. Bemerkenswert ist, dass der
Küster im Lübecker Gemälde in Laientracht, im Berliner als Kleriker dargestellt ist.
332. klusenaer 'Klaussner', mittelniederländische Form, vgl. mnl. clusenare,
mnd. klusenere; mnl. moordenaer^ mnd. mordenere.
335 ff. Die hier dicht neben einander gesetzten Fremdwörter romanischen
Ursprungs eoncieficie, purgert, tentert, temptacie sind wahrscheinlich schon in der
mnl. Vorlage enthalten gewesen. Die mnd. geistliche Poesie und Prosa verwendet
zwar derartige Fremdwörter gelegentlich, so gehäuft begegnet man ihnen gewöhnlich
aber nur in mnl. und solchen mnd. Schriften, die aus mittelniederländischen über-
setzt oder durch mnl. Vorbilder beeinflusst sind, z. B. in vielen im 15. Jahrb. in
Westfalen geschriebenen geistlichen Tractaten.
373. der deve gank, Apposition zu nacht, *die Zeit, wo die Diebe auf Raub
ausgehen', vgl. ulenvlucht *die Zeit, wo die Eulen fliegen', Stockh. Vogelspracbe
10. 16 (nd. Jahrb. XIV., 129), Mnd. Wtch. 5, 1. — Ais Appostion kann gank im
Nominativ stehen, obgleich es sich auf den Dativ der nacht bezieht, vgl. Dodes
danz von 1489 v. 73 : Men leset van einem riken van gclde, ein unedelman ; Bock
der profecien von 1493 Bl. G2 (angemerkt von Baethcke a. a. 0.) Men lest ran
einem doctor, ein vornomen 7nan; Chroniken d. dtsch. Städte 19 (Lübeck Bd. L,
hrsg. von Koppmann) S. 195 (vgl. Nissen, Middelnedertysk Syntax § 19) vormiddeat
eyme ghestUken personen, en lesemcster in sunte Franciscus orden.
379. Wide er minne *und eher Barmherzigkeit'.
BERLIN. W. Seelmann.
81
Mittelniederdeutsche Pflanzen-
glossen.
Im folgenden bringe ich aus einer Königsberger Handschrift, die
wahrscheinlich noch aus dem 12. Jahrhundert stammt, einige mnd.
Glossen zur Kenntnis, die durch ihre Gestalt wie durch ihr Alter den
Fachmann interessieren dürften. Die volle Endung -a (10 merJca,
15 baia (?), [35 paftanaca,] 38 drefna, [63 bouerella, 70 louefca,] 73 ah
rutia, 75 papki, 83 daunettla (?), 92 wegabreda, 96 ftenbreca^ [97 kun-
nella]), wie die Nichtbezeichnung des Nasals (17 W/e, 24 scafbife^
54 u. 91 biee, 55 madalbom^ 94 mecopl) legen die Vermutung nahe,
dass die Glossen zum Teil aus einer älteren, der as. Zeit angehörigen
Handschrift übernommen sind. Mit einem Stern * bezeichnet sind
diejenigen Glossen wie lat. Pflanzennamen, die ich in der hier vor-
liegenden oder einer nahestehenden Form weder in Diefenbachs beiden
Glossarien noch in einer der späteren Veröffentlichungen nieder-
deutscher Pflanzenglossare, wie sie hier und da in Zeitschriften und
Programmen zerstreut sind, habe finden können. Es sind übrigens
Interlinearglossen; der Übersichtlichkeit wegen ist die Anordnung hier
geändert. Die Kompendien sind aufgelöst. Über einigen der hier
ungiossiert verzeichneten Pflanzennamen zeigt die Hs. Rasuren ; die
Anwendung der üblichen Chemikalien führte zu keinem Resultat.
Bisher hat niemand auf die Hs., die mancherlei Interessantes
bietet, aufmerksam gemacht, und so sei es mir gestattet, eine Be-
schreibung vorauszuschicken.
Cod. ms. liegiom. 1783, vorn innen alte Sign. B. 161. Perg. Grenzscheide
des 12. n. 13. Jahrh. 87 Blätter. 20,5X13,8 cm. Zweisp., 24 Zeilen, fast
durchweg auf vollständigem Schema von verschiedenen Händen geschrieben.
Rote Überschriften; Bl. 2a ein goldener und ein blauer, sonst rote und grüne
Initialen mit Rankenwerk, meist gelb ausgemalt; Bl. 12b u. 14a grössere Initialen
beabsichtigt ; in einigen Partieen rot durchstrichene grosse Buchstaben. Quaternen,
einige mit alter Zählung am Schluss. Die Hs. ist greulich verbunden: die
5. Lage (Bl. 34—41) gehört hinter Bl. 25, die 10. Lage (Bl. 71—78) an den
Schluss hinter Bl. 87 ; ans den beiden letzten Lagen zu je 4 Bl. wird 1 Quat., wenn
man, wie der Inhalt es verlangt, Bl. 84 vor Bl. 80 und Bl. 85 u. 86 vor Bl. 82
legt. Bl. 79, auf das ich noch zurückkomme, ist mit schmalem Ealz für sich
allein geheftet. Von der 8. Lage sind die drei letzten Bl. (hinter Bl. 62) weg-
geschnitten (Lücke). Als Vorsatz (heute vom Deckel abgelöst und = Bl. 1) ist
ein wahrscheinlich einem alten Psalterium entstammendes Pgbl. benutzt, welches
auf der Vorderseite in schwarzer, mit blassem Rot schattierter Federzeichnung
den König David mit der Harfe auf einem Thronsessel sitzend zeigt; Bl. 59b
eine begonnene, Bl. 60a und 62b ausgeführte schöne Federzeichnungen. Holz-
deckel mit weissem Lederüberzug; ehemals wohl mit Kette, wie die noch vor-
handenen Nägel am hinteren Deckel schliessen lassen.
Das Inhaltsverzeichnis Bl. Ib in grober Cursive des 15. Jahrh. ist ebenso
unvollständig wie ungenau. Die Hs. enthält
1) Bl. 2a — 2b. Pronostica Galieni (Rot in verzierter Kapitalschrift.)
Auf.: PBouidit galienuf in corpore humane. Ende: inuenief
radicem eiuf totcmi paUidam.
Ni«d«rd«iittoh«i Jabrbacli XVIL 6
8d
2) Bl. 2b — 12b. Medizinische Rezepte, Notizen aus einem Lapida-
rium, aus einem Tractatus de arinis etc., regellos zusammengeschrieben.
3) Bl. 12b — 51a. Des Nicolaus Salernitanus Antidotarium.
Bl. 12b — 13b. Register. A n f. : (E)Oo nicJiolauf rogatuf a quibuf-
dam, Ende: et Ubidinem potenter excitat,
4) Bl. öla — ö4b. Desfelben Tractat de dosibus medicinarum.
Auf.: Quia sufßcienter de difpumatione (!) omnium confectionum.
Ende: et amiconwi plenütidine gaudeant et glorientur. Hierauf
Verzeichnis: Carpobalsami ufieias IL — trifolii acuti drach-
mam L lacterici drachniam I.
5) Bl. 54b — 57b. Desfelben Synonyma medicinarum.
An f.: Ktphtia atitem specierutn ponderibus, Ende: Vneorzaria
i. e. flos agni casti vel Salicis Tnarini.
6) Bl. 57b — 59a. Ad connossendas (!) herbas (rot) in colore (dar-
unter in kleinerer Schrift schwarz).
Auf.: Äloes epaticum purptireum. Ende: Sal gemyna alba pure
sttbere et ludde bonum,
7) Bl. 60b— 62a. Des Aegidius Carboliensis Verse de urina-
rum iudiciis (Fragm.)
A n f . : Dicitur urina quoniam sit renibus una. Ende: Et ialetn
sercans cotistanti tempore formam.
8) Bl. 63a. Lateinisches Herbarium mit nd. Glossen.
9) Bl. 63b— 73b und Bl. 80a— 87b. Diyersae curationes.
Bl. 63b— 64b. Register. Bl. 65a. Überschrift: Hee svrit diversp.
curatioiies ad dolorem capU (rot in Capitalschrift ; die letzten Buchst,
weggeschnitten).
Auf.: Corona de agrimonia facta, Ende (Bl. 73b.): uidneribu^
et uexationibus prosuni,
10) Bl. 73b — 78b. Medizinische Rezepte, die mit den Diverse curationes,
soweit das diesen vorausgeschickte Register schliessen lässt, in keinem
Zusammenhang stehen.
11) Bl. 79a— 79b. Medizinische Rezepte.
Auf.: Antidotum quod stomaco jrrodest.
Dies Bl. ist, wie schon oben erwähnt, für sich allein geheftet und hat
einst, wie eine am unteren Rande desselben ausradierte Besitznotiz zeigt, den
Anfang einer medizinischen Hs. gebildet.
Über die Herkunft der Hs. schliesslich geben zwei Besitznotizen Auf-
schluss: Bl. Ib am oberen Rande: F. Jacobns Coloniensis prior. Bl. 2a am
Fusse: liber sancte marie inpolplin. Danach scheint die Hs. vom Niederrhein,
wohin auch die sprachliche Eigentümlichkeit der Glossen deutet, nach dem
Cisterzienserkloster Pelplin in Westpr. gelangt zu sein. Im Liber mortuorum
monasterii Pelplinensis (hrsg. von K^trzynski = Monum. Poloniae "bist. IV. 73)
wird 1564 der Tod eines Jacobus sacerdos et monachus et prior verzeichnet ;
ob dieser mit dem ehemaligen Besitzer unserer Hs. identisch ist, scheint mir
deshalb zweifelhaft, weil die zweite Besitznotiz ihrem Schriftcharakter nach
schwerlich über das Jahr 1500 hinausgerückt werden darf.
(Bl. G3a.)
agrimonia
artemefia biuot
acerra
aquileia aquüeia
5 alleluia hukuckefloif
afidula furde
atriplex melde
arundo rid
anetum
10 apium merha
u
25
alleum loe
abfintium alfne
apirrifium
balfamita
15 bacca baia
beta Bofnef cöl
biblus bife
bitannus*
celidonia fcelworte
20 carica mure
caadacaballina cattenftert
cepe uniun
canaps anep
carix scaf bife*
cirpus bese
cirmus
citifus dauere*
cardus ditel
corimbus fructus edere
30 ciminuiü cimmin
colliandnim
cerfolium keruele
camamilla hundeblome*
cicuta
35 daucnf paftanaca*
ceuefcion fcuifun
enula
edera drefna*
erucus «?a/rtc*
40 ebulum ctdic
fragum erdbeire
fragifolium erdbeirblat
feniculum uenecal
fungus banet*
45 filix uaren
gingiber gigeberre
gilconum mire
galbanum galegan u. galange (?)
genifta bram
50 gladioluf lifo
hinnula
iufquiamum belne
yfopum yfopo
iuncuf bi£fe
55 amigdaluf madälbom
auellana afelnote
ater fledorn
atrile fle
alnuf elf
60 abief dan
gariofileta
lanciolata ribbe
labrusca bouerella*
lactuca latuc
65 lappa clühe
lactaridef* mdquid*
lupinuin
lilium lüie
ligustrum widebinde
70 libifcus louefca*
lentifcus
mufcus mof
mandragora alruna
moyfika mufeke
75 malua papla*
mirica
madiger* cölfcot
maratrum uenekd
mentriastrum erfminte
80 morum
marubium marubie
millefolium garwe
nepita daunetcla
pilosella mufhore
85 piretiaim pet . . (?)
porrum poret*
petrofilinum perfeie*
potentilla millefolium
primula
90 polipodium bomuarn
6. afidnla = acedula; vgl. Diefenbach, N. Gl. XIV., 88 a. E. „ce, ci häufig
mit se, si verwechselt, folglich so ausgesprochen." (Citat aus Hoflfm. Sum.) —
15. L beira (?) vgl. 41. erdbeire u 42. erdbeirblat. — 22. vgl. oinjun D. Gl. 113.
25 vgl. befen D. Gl. 519. — 28. l. diftel — 44. vgl. D. N. Gl. 186 schwam
(fongus) est vetus pannus. — 47. vgl. D. Gl. s. v. glicinum die Glosse mirrych, —
52. Die Lesung der 2. Glosse ist schwierig, könnte auch galanot heissen. —
57. 1. acer (?) vgl. D. Gl. 8 acer hagdorn. — 79. 1. mentastrum; vgl. D. Gl. 356
herse-myncze u. hiersche mente. — 83. 1. daunetüa (?)
6*
84
papirus biise
plantago wegahreda
pulegium album (in marg.) hoge*
papauer mecopi
95 rafanum radiif
Ausserdem finden sich noch auf der Rückseite des Blattes fol-
gende Glossen:
sure hrade
veretri ters
faxifraga ftenbreca
farpillum kunneüa
faluea falge*
fauina fauelbom
94. Bei der Schwierigkeit, die diese Glosse bietet, habe ich es für angezeigt
gehalten, die Kompendien nicht aufzulösen. Vgl. D. Gl. 410 mancopzaet.
BONN. Fritz Milkau.
Die älteste deutsehe Übertragung
des Dies irae.
Ungewöhnlich gross ist die Zahl derer, die mit mehr oder
weniger Glück eine Übersetzung des sogenannten Gigantenhymnus
ins Deutsche versucht haben^). Nach dem Vorgange Mohnikes*), der
sich jedoch noch sehr vorsichtig hierüber ausdrückt, haben Lisco^)
und Koch*) des bekannten Eiferers Johannes Frederus Lied „Christus
thokumpft ys vorhanden"^) (1558) an die Spitze der deutschen Be-
arbeitungen gestellt, duixhaus ohne genügenden Grund, wie mir
scheint; wenigstens dürfte man mit gleichem Recht jedes beliebige
Lied eschatologischen Inhalts, wofern es jünger ist, in ein Abhängig-
keitsverhältnis zu unserer Sequenz setzen. Danach haben wir als die
älteste deutsche Nachbildung das namenlose Lied „Es ist gewiUlich
an der Zeit^®), dessen ersten Druck Wackernagel um 1565 ansetzt
anzusehen. Als die älteste deutsche Übersetzung aber gilt heute^)
Martin Mollers Lied ;,Der letzte Tag nu komen wird"®) aus dem
Jahre 1584. Ich bin mm in der Lage, aus einer Königsberger Hand-
schrift vom Ende des XV. (vielleicht Anf. des XVI.) Jahrh. eine
meines Wissens bisher unbekannte niederdeutsche Übersetzung des
Dies irae mitzuteilen, welche sicli inhaltlich ziemlich eng an das
Original anlehnt und reichlich ein halbes Jahrhundert älter ist als
selbst die älteste uns bisher bekannte Bearbeitung (1565).
*j Kayser, Beiträge zur Geschichte und Erklärung der alten Kirchenhymnen
II 225 (1886) schätzt die Anzahl der deutschen Übertragungen des Dies irae
auf achtzig bis hundert.
2) Kirchen- und litterarhist. Studien u. Mittheilungen I, 1. p. 73. (1824).
') Dies irae, Hymnus auf das Weltgericht Sp. 99. (1840).
*) Geschichte des Kirchenliedes VHP 660. (1876).
*) Wackernagel, Kirchenlied UI N. 237.
•) Wackernagel, Kirchenlied IV N. 490.
^ Kayser a. a. 0. 11 224.
*) Wackernagel, Kirchenlied V N. 71.
85
Dem niederdeutschen Übersetzer hat der liturgische Text der
Se<j^uenz vorgelegen, wie ihn das Missale Yen. von 1479 bietet^). Nicht
lange nach dessen Druck wird unsere t^bertragung, der übrigens auch
hinsichtlich ihres poetischen Wertes nicht der letzte Platz unter den
vorhandenen Übersetzungen anzuweisen sein dürfte, entstanden und
aufgezeichnet sein. Da Steffenhagen in seinem Verzeichnis der alt-
deutschen Handschriften zu Königsberg^®) aus einem mir unbekannten
Grunde den Codex, aus dem ich meine Mitteilung schöpfe, übergangen
bat, gebe ich hier eine Beschreibung desselben.
Cod. ms. Begiom. 1859. Perg. XV. Jahrh. 188 Bl. (nach Bl. 59, 77,
84, 88, 105, 113, 120 und 150 Beste von je einem aasgeschnittenen oder aus-
gerissenen BL, ohne Lücke). 11,1X15,5 cm. 24, auf den letzten drei Bl.
20 — 25 Zeilen, einsp. und ohne Horizont., nur Bl. 181h und 182a zweisp.
Blane, rote und gelhe Initialen, häufig in feiner Ausführung mit aufgelegten
Gold- und Silherstreifen und Arahesken, meist auf purpurrotem Grunde. Rand-
▼erziemngen mit sauberen goldenen Linienornamenten auf purpurnem oder bunten
Blumen und Tieren auf lichtem Goldgrund. Kote Überschriften und, soweit die
erste Hand reicht, rote Kommata; die lateinischen Anfangsworte der Psalmen
sind rot unterstrichen. Meist Quaternen, ohne Bezeichnung. Mit drei sehr sorg-
fältig gemalten Bildern : 69b Ecce homo; 127a Christus am Kreuz ; 148b Kreuz-
abnahme. — Holzdeckel mit blindgepresstem Leder und dieses wiederum, was
freilich nur noch dürftige Beste bezeugen, mit schwarzem Sammet überzogen;
mit silbernen vergoldeten Buckeln in Bosettenform, Schlössern und Schliesshaken-
haltem in Gestalt von Engelsköpfen, welche hier die Stelle der bei weniger
kostbaren Einbänden üblichen Haftbleche nud Deckelkantenbeschläge vertreten.
Das Mittelstück des vorderen Deckels aus demselben edlen Metall zeigt in kreis-
rundem Ringe den Apostel Andreas mit dem Heiligenschein, die rechte Hand
auf sein vor ihm stehendes Kreuz gelegt, während die linke ein Buch hält.
Die Schliesshaken, das Mittelstück des hinteren Deckels und noch andere Be-
schläge, für deren ursprüngliches Vorhandensein die Löcher in den Deckeln
sprechen, fehlen heute.
Die Hs. enthält
1) 6a— 169b (1 — 5 weiss). Die Psalmen nd.
Überschrift: Deffen falmefti lyfx dat godt de werldt beware vor
vouere vnde keltere de crißenkeit (rot).
Anf. : BEahis vir qui non abijt in confilio impiorum. He
is eyn falich man, de nicht en ghinck an derne wege de?' bofzen.
Ende : Hir wert endighet de pfalter dauid.
2) 169b — 181a. Vnde nv volghen hirnegest de Cantika de men in
dermetten finghet Canticum yfaie (rot; am Rande schwarz:
MandacK).
Anf. : COnfitebor tibi doniine qumiiam iratus es. Here ick wyl
dy Urnen wente du biß tomich op my. Ende : Ere fy deme vader.
3) 181a — 184a. Hirnegheß volghet de Letanie tho allen godes
hilghen. de lis gerne vaken: (rot).
Anf. : KYrieleyfon Here vorbarrne dy ouer vns. Ende : Deo Qracias.
4) 185a. Ein Gebet, nd.
Anf.: 0 du moder godes Ih arme funderimie.
•) Ich schliesse dies aus dem quia in der Überschrift der 9. Strophe, welches
die Lesart des Missale Ven. ist ; das Lübecker Missale (bald nach 1480) verbesserte
qua. Die vulgäre Lesart ist quod. Vgl. Kays er a. a. 0. II 204.
»<^ Z. £ d. A. XUI = N. F. I 501-574.
86
6) 186a — 188a. Die Sequenz Dies irae nd.
6) 188a — b. Liturgische Bemerkungen.
An f.: In der mitten der laudes na denie te deum laudanitis.
Die erste Hand reicht bis 83b, die zweite bis 184a; die drei letzten
Stücke sind von ebensoviel verschiedenen Händen geschrieben, 4) und 6) in Cursive.
Die unter 5) verzeichnete Sequenz folgt hier in vollständigem Abdruck;
die Abkürzungen sind wie schon vorher aufgelöst und die zum Teil vorhandene
Interpunktion ist ergänzt.
Dies Ire dies illa Soluet feclum**)
1. En dach des tornes de dach ys ghenant,
Dede werlt in deme vure vorbrant.
Dyt bethuget vns dauid de pfalmifte,
Dar to Sybilla de heydenfche profetyffe.
Quantus tremor eft füturus
2. 0 Wylk eyn beuent tokamende ys vnde lede,
Wenner erfchvnende is de richter fittende to rede,
Allent dat van ambeg}Tine ys gefcheenn,
Strenghe den wert richten vnde vptheenn!
Tuba minim fpargens fonum
3. Eynen wnnderliken lut wert de balTune geuen
Auer alle graue der doden vnde dede den noch leuen,
Dat fe alle van dode moten vpstann
Vnde vor dat ftrenghe richte ghann.
Mors ftupebit") et natura cum
4. Vorwunderen werden fyck den noch mere
De greflike doet vnde mynfchlike nature fere,
Dat fick de creature van dode vorheuen
Vnde deme ftrengen rychter antwnrde gheuen.
186b. Liber fcriptus proferetur In quo to
5. Dat gotlike boek gefcreuen wert den vorgebracht,
Dar alle fake der funde fyn ynne bewracht,
Dede van ambegynne der werlde fyn gefchen.
Na dyffeme boke wert de rychter fentenceren^^).
Iudex ergo cum fedebit nil")
6. Wenner de rychter den wert fyttende dar,
Alle hemelike funde den werden apenbar;
Den yn der fulueften tyt vnde ftunde
Nicht vngewraken blyuen de fware funde.
Quid Tum mifer tunc dicturus
7. Wath fchal yk aime mynfche dar reden vnde fpreken,
Wenner de richter fo nouwe werth leggenn**) vnde rekenn?
") Die lat. Anfangsworte sind rot.
") Hs. ßuhehit.
**) Hs. fenthaeren; nach diesem Wort folgt in einer fünften Zeile darunter,
aber offenbar von derselben Hand, ein sehr störendes allen.
") Beginn der dritten Zeile des lat. Textes.
**) Hier doch wohl prägn. = recht leggen; vgl. Schiller-Lübben II 654.
87
Wen fchal yk vor eynen vorfpreker wthkefenn,
Wente de rechtuerdige dar kume kan genefen!
Eex tremendc maieftatis
8. 0 du konyngk der beuende maieftet vnde werdicheit,
De du de wtlierkaren falich makeft dorcb dyne barmherticheit,
0 du aueruletende born der myldicbeit,
Make my falicb dorcb dyne gruntlozen gudicheit.
lB7a. Recordare ihefu pie qua") fum caufa
9. Wes den dechafFtich o Jhefii mvlde,
Eyn orfake byn dynes weges dar to dyn bilde.
In deme daghe latb my nicbt vordomen,
Vppe dat de bofenn geyfte fik auer my nicbt vorromen.
Querens me fedifti laffus
10. Gefoebt befftu my gefeten vomiodet naket vnde blöt,
Ok my vorlofet vnde yn deme cnice geleden den döt.
Sodan fwar arbeyt vnde grote pyn,
0 leue bere, lat vmme fus vor my nicbt gefcben fyn.
Jiifte iudex vlcionis, donum fac r'
11. 0 recbte ricbter der funde eyn ftrenge vreker,
Gyff my de gaue dyner vorhitynge feker,
Ere de ftrenge dach wert kamen vnde befenn,
Dar alle rekenfcbop van den funden wert yn leben.
Ingemifco tanquam reus, culpa rubet
12. Alfe eyn fcbuldicb funder yk den wol macb fucbten
Vnde dar beneuen^') my ok fere bevrucbten*'*),
De rode verwe mynes anthites w^ert my melden,
Spare my, bere, yn dynem torne wil my nicbt fcbelden.
Qui Mariam abfolnifti
13. Dedu magdalenan ere funde befft vorlaten
Vnde des fcbekers bet vorboret, van eme wtgegaten,
My dar ynne eyn bopen vnde bilde gegbeuen,
0 bere hiefu, lat my myt dy ewicb leuen.
187b. Preces mee non funt digne
14. Myne bede fyn nicbt werdicb vnde fo goetb,
Ouerft vppe dyne gudicbeit drege ik eyn moet;
Bewys my de yn de tyt der gnaden,
Dat my dat ewige vur nicbt möge fcbaden.
Inter oues locum prefta et ab hedis me
15. Manck den lammeren vnde fcbapen to der vorderen bant
Gyflf my eyne ftede yn dynes vader laut;
0 bere, van den bücken my denn afffcbede,
To dyner vorderen bant gyflf my eyne ftede.
*•) Hb. quia.
^'j Hs. beueue,
"»)^Hs. hwruchU,
88
Confiitatis maledictis flamm
16. De vormaledynge fy verne van my vordreuen,
Dar de vordomeden moten ewich yn leuenn;
Efke my to dynen benedieden to der vorderen hant,
Dat yk nummer werde vorlaren^®)
Oro fupplex et acclinis**), cor contritam
17. Ick rope to dy biddende vnde dor myn ogen nicht vpheuen;
Van ruwe ys myn harte alle afche towreeuen;
0 du falichmaker achte mvn lefte ende,
Entfange myne feie yn dyne hende.
Ijacrimofa dies illa, qua refurget
18. Sere bedrofflick vnde wemodich ys de dach,
Dar ne ynne fodan Wunderwerk fchach,
Dat van der afken de mynfchen fyn vorwecket
Vnde td^^) deme ftrengen rychte getrecket.
188a. ludicandus homo reus, huic
Van der gantzen werlt de funder den werden besecht,
Dede yn velen creaturen ere falycheit hebbenn gelecht*^).
Pie hiefu domine dona eis
0 here Jhefu**) fe de den ouer nicht fo nouwe to rvchtende*'),
GyflF den wtherkaren feien de ewige vroude. Amen.
^^) Lücke, keine Rasur; ein Umstand, der im Verein mit der ungeübten
Hand und der bis jetzt nur einmal konstatierten Überlieferung unseres Stückes zu
der Vermutung führt, dass der Übersetzer seine Übertragung selbst niedergeschrieben
und sich die Ausfüllung der Lücke vorbehalten hat.
") Hs. accUuis.
'^) Der untere Aussenrand des Bl. ist, wahrscheinlich durch Feuchtigkeit,
stark geschwärzt, so dass die Zeilenanfänge dieser Strophe nur schwer, der Beginn
der 4. Zeile überhaupt nicht zu entziffern ist.
'^) Soll das vielleicht heissen : Die ihre Seligkeit in irdischen Dingen gesucht
haben? (velen vielleicht zu fei *falsch'?)
") Hs. Ih ' n.
^) Der dritte Buchstabe ist verwischt, kann aber an dieser Stelle kaum
etwas anderes sein als c;* gegen die Lesung rv hege ich deshalb Misstrauen, weil
nirgends sonst in diesem Stücke inlautend v für u geschrieben wird ; auch mit der
am nächsten liegenden Lesung w weiss ich nichts anzufangen; schliesslich scheint
der Reim die Streichung des schliessenden de zu fordern, wenn man nicht Schreib-
fehler für 'den annehmen will. Könnte man wohl ändern to rechten und übersetzen :
Sieh dann nicht so streng zum Rechten? Jedesfalls ist dies keine befriedigende
Lösung.
BONN. Fritz Milkau.
Zu Fritz Reuters Dörehläuehting.
Über die Abstammung Dörchläuchting's und seinen Regierungs-
antritt berichtet Reuter im ersten Kapitel seiner Erzählung (Volksausg.
Bd. 5, S. 9 f.) folgendermassen :
„Adolf Fridrich IV., Herzog von Meckelnborg-Strelitz was en Ssehn von
den Prinzen von Miran (Mirow), mit den de oll Fritz in sine
89
flotten Bheinsbarger Johren sinen Spijök bedrew; hei folgte in de
Regining np Adolf Fridrich III., de woll vele Schulden, awer keine Kinner
hinnerlaten hadd. Wil hei sewerst noch nich vnll föfteihn Johr olt was, höllen
sei em tau't Begiren noch nich rip, wat 'ne grote Dummheit was, denn irstens
was hei rip. Worum? Hei is seindag^ nich riper worden; tweitens hadd jo
sin leiw Mutting för em regiren kunnt, un drüddens hadd den sin Herr Vedder
Liebden, Erischan Lurwig von Meckelnborg-Swerin, sin meckelnborg - strelitzsches
Reich nich mit Krieg awertrecken kunnt, denn he hadd ok stark in den Sinn
för em tau regiren; kämm aewer nich recht dortau, denn de Mutter van dat
Kind, 'ne Prinzess van Hildborgshnsen, knep 's Nächtens mit ehren lütten Herzog
ut nn lep mit ehm nah Gripswold. Hir let sei ehm studiren lihren, denn, wenn
ok nich tau't Regiren, tau*t Studiren was hei rip ; sei sülwst aewer schrew en langen
Breif an den jgReichshofrath" un wes ^nah, dat ehr Kind en anner Kind wir,
as anner Kinner; dat dat all von Ltltt up an hellsehen klauk west wir un,
wenn^t nu nich bald vulljöhrig spraken würd, licht aewerrip warden künu tau'm
Schaden von de meckelnborg-strelitzschen Landen. De „ Reichshof rath" sach dat
in und ded ok en Inseihn, hei sprok unsen Dörchläuchten vulljöhrig, un Vedder
Liebden Kriscban Lurwig von Swerin müsste mit ^ne lange Näs' aftrecken un
de Part von dat meckelnborg-strelitzsche Reich, Nigen Bramborg, de hei mit 'ne
Armee von fiw Kumpanien besetzt hadd, wedder 'rute geven."
Woher entnahm Reuter die Angaben über diesen kleinen Fürsten
aus der Nachbarschaft von Rheinsberg? Man denkt zunächst an den
Briefwechsel des Kronprinzen, im besonderen an die ^Briefe Friedrichs
des Grossen an seinen Vater, '^ die 1838 zu Berlin in Sonderausgabe
erschienen sind; allein es ist wohl so gut wie sicher, dass er nicht
diese selbst, sondern die Auszüge daraus in Thomas ('arlyle's History
of Friedrich II. of Prussia benutzt hat. Dieser berichtet H. X., Kap. 3
(Ausgabe in 10 Bänden: London, Chapman and Hall Bd. 3, S. 235 ft.)
ausführliches über den Prinzen von Mirow, der für englische Leser
als Vater der Königin Charlotte von besonderem Interesse ist. Be-
sonders zu beachten ist der Auszug, welchen Carlyle aus einem Briefe
des Kronprinzen an seinen Vater vom 26. Oktober 1736 gil)t. Aus
ilim hat Reuter nicht nur die humorvolle Schilderung der Hofhaltung
eines deutschen Kleinfürsten des 18. Jahrhunderts in gewisser Weise
zum Vorbild gedient, sondern es kehren auch einige ('harakterzüge
des Herzogs von Strelitz (des von Reuter erwähnten Friedrich HI.)
in der Schihlerung Dörchläuchtings wieder. Jener treibt in Musse-
stunden das Schneiderhandwerk und verfertigt höchst eigenhändig sehr
schöne Schlafröcke. Reuter hat diese Vorliel)e für „schöne Kledaschen"
auf seinen Nachfolger, Dörchläuchting übertragen, der sie allerdings
nicht selbst verfei-tigt, sondern, sehr zum Schaden seiner Kasse, aus
Paris konunen lässt. Ein anderer zu beachtender Charakterzug ist
das menschenscheue Wesen des Strelitzers [He is extremely silly
(blöde)]. Auch Dörchläuchting zeigt diese Eigenschaft, allerdings
])esonders weiblichen Wesen gegenüber. lk»sonders nuichte ich nocli
auf eine Stelle aufmerksam machen. Wenn es nämlich S. 237 vom
Herzog von Strelitz heisst: ^His Hofrath Alt rock teils him as
it were, everything he has to say^, so erinnert dies an das vertrau-
liche Verhältnis, in welchem Hofrath Altmann zu Dörchläuchting
90
steht. Dass die Gemahlin des Prinzen von Mirow eine geborene
Prinzessin von Hildburghausen war, konnte Reuter Carlyle entnehmen.
Dagegen findet sich bei ihm kein Anhalt für die Erzählung von der
Flucht der verwittweten Fürstin nach Greifswald. Vielleicht schöpfte
Reuter diese Angabe aus einer anderen Quelle, möglich aber auch,
dass er hier nur einen Zug aus Paul Heyses Schauspiel Hans Lange
benutzt hat, wo die verwittwete Pommernherzogin mit ihrem Sohne
Bogislaw ebenfalls nach Greifswald flieht und ihn dort mündig erklären
lässt. Heyses Schauspiel erschien 1806, als Reuter mit der Abfas-
sung des Dorchläuchtung beschäftigt war, und bei den ^historischen^
Grundsätzen, zu denen sich der Dichter in der Einleitung seines
Romans bekennt, scheint mir letzteres nicht unwahrscheinlich.
NORTHEIM. R. Sprenger.
Zu einzelnen Stellen nnittelnieder-
deutscher Dichtungen.
Tan Saute Marinen.
(Abdruck der Helmstedter Hds. bei Bruiis S. 144 ff.; Ausgabe von Carl Schröder
[mit Vruwenlof], Erlangen 1869.)
14. dar to gaf or de sote here
dat se mit duldegeni arbeide
sculde ufider manlikem klede
van kinde gans or levent ut.
St. ga7is setzt Schröder gdn in den Text and erklärt sculde = 'sollte'
(s. Wörterb.). Es ist aber Praet. von schulen, sctilen 'sich verbergen, latitare',
gans or levent ut hat schon Brans richtig wiedergegeben dnrch : 4hr ganzes Leben
hindurch.' — 'sollte' ist sonst in diesem Texte stets durch scolde wiedergegeben.
104. Dar was en hlek bi gdeghen
alse dar de koplude plegen
ore gut to hope bringen.
De monke voren dar na dingen
der se in dem kloster bedachten:
up der kar se dat brachten.
Um die Erklärung der Verse 107 ff. haben sich die Herausgeber vergeblich
bemüht; auch Lttbben z. Zeno V. 20 weiss sich dieselben nicht zu deuten. In
der lat. Quelle (bei Schröder S. 9) heisst es entsprechend: et ibant monachi et
afferebant quae necessaria erant monasterio. Die Stelle wird klar, wenn wir
V. 108 dss St. der schreiben uud dingen, das noch Sehr, durch 'Sachen' erklärt
= 'einen Kauf abschliessen' (s. Mnd. Wb. 1, 520) fassen, bedenken erklärt sich
dann einfach dnrch 'nötig erachten'.
178 lies: Du salt nu mer in allem dinge
besorgen dem des he bedarf.
Statt des hat die Hds. de. Schröder: besorgen dat des he bedarf.
251 ff. schreibt und interpuugiert Schröder:
se gingen unde bevoleden
unde mit water spoUden
91
alse 86 woneden de mannes lif:
wen he was van nature en unf,
dat wart en al do kunt.
wonen erklärt Schröder durch 'gewohnt sein^ obgleich er bemerkt, dass
diese Bedeutung im weiteren Mnd. nicht belegt sei. Auch wen in der Bedeutung
'dass', wie es Sehr. (Wb. S. 69) fasst, ist nicht möglich, wonen ist 'glauben,
meinen'. Der Ton liegt auf se woneden 'die vermeintliche Mann8leiche\ Nach
lif ist Komma, nach wtf Punkt zu setzen und wen durch 'denn' zu übersetzen.
314. Über hequinen 'gedeihen' ist schon das richtige im Mnd. Wb. I.,
237 bemerkt.
317. ungelik un hon, ungelik, wofür Sehr, nicht passend ungeluk
Unglück' setzt, ist 'ungerechte Behandlung'.
«TT
Tmweiilof.
(Bruns S. 124 ff.; Schröder S. 19 ff.)
13 ff. ist zu lesen:
Wu mochte groter vraude sin
tvan dar en man unde en vruwe fin
mit rechte bi en ander ligget,
unde on de leve an siget,
dat en den anderen mit ganser dat
wen sik sulven leoer hat,
unde en de lern an siget 'wenn sie die Liebe bezwingt.' Über an sigen
8. Hartmanns Iwein 6604 mit Lachmanns Anm. und Erek' 8795. Die Hds.
hat txiget, was noch Schröder, obgleich er mit Recht bemerkt, dass dieses Wort
im Mnd. nicht weiter belegt ist, wie Bruns durch 'zeigen' erklärt. Im Hartebok
V. 269 (auch bei Schröder S. 6) lautet die Stelle ebenfalls entstellt: unde den
de hve dat segget (; ligget),
46. en gut wif is der vonden vunt, Bruns findet hier eine Anspielung
auf Prov. Salamonis 18, 20; gemeint ist wohl V. 22: qui inveniet mulierem
bonam, invenit honum,
79. Der Sinn (vgl. 71 f.) verlangt: ore schin is nicht tigen reine wif
'ihr Schein ist nichts im Vergleich zu reinen Frauen'.
83. Statt an lachen enen werden man hat die Hds. die nicht zu be-
zweifelnde Lesart: anlagen enem w, m. Über anlagen mit Dat. u. Acc. 'jemand
bittend angehen, s. Mnd. Wb. I, 95.
101. Up dem angere scolde sucker stan
dar de werden vruwen hen gan
Bruns denkt sich den Anger mit Zucker bestreut. Dass aber an eine
zuckerhaltige Pflanze zu denken ist, zeigt der Vergleich mit Wolframs Willeh.
87, 30 geeret st veli unde gras Äldä der minncere lac erslagen. dax velt solde
Zucker tragen al u/mh ein tagereise.
103 f. liest die Hds. richtig:
Nen man kan to vullen scriven,
wat umnne kumpt van werden tviven.
to vullen 'zur Fülle, völlig.'
109 f. verstehe ich nur als zur Entschuldigung der 'wandelbaren' Frau
gesagt und lese:
Et enwart up erden nu so gut,
et en wunne wol tvnvelmot
'Es ward nichts so gutes auf Erden geboren, dass nicht zuweilen Wan-
kelmut gewönne.'
92
113 schreibt Sehr.: we entsen aller vruwen lif. Die Hds. hat entsiren,
d. i. wohl entsiten ^sich ehrfurchtsvoll vom Sitz erheben.'
116. Statt do ist wohl don zu lesen.
Wolfenbtttteler Osterspiel.
47 lies: jungeling (; ding). Vgl. die Auferstehung Christi bei Mone,
Altteütsche Schauspiele V. 839.
78 ff. sind wohl folgendermassen zu ordenen:
Wene soke gy dre vrowen,
Mit so groter raiiwe
Also vro an dussem grave
Unde mit so groter klage?
Bei Mone 997 ff. lauten die Verse: Wen sucht ir dry frawen so fru
in desem tawe, so na^ hif desein graben kunt ir uns dax gesage?
103 lies Du st. Da.
120 ff. Die ungeschickten unreinen Reime verraten die hochdeutsche Vor-
lage; vgl. Mone 1025 ff.
134 lies: verivundet lif.
157. Woldestu de jodden hebben vormeden,
Der merter en dechtestu nicht Iiebben geleden.
Man ist versucht tnechtestu st. dechtestu zu schreiben, doch vgl. auch
ßrandan (Brnns) 539 : heddestu den tom vermeden \ du en dechtest (Br. dethtest)
der pine nicht hebben leden. Auch Lübben z. Zeno V. 20 weiss sich die Form
nicht zu deuten. Vielleicht ist dedest zu lesen.
168. Bistu here, wo wir erwarten: 'Bist du es, Herr?' s. Lachmann-Benecke
z. Iw. 2611.
172. Ungemaget gekoren weiss ich mir nicht zu deuten. Ist vielleicht
lmgeman?iet geboren 'ohne Mannes Beihülfe geboren' zu lesen?
Nach 204 fehlt ein Vers, der etwa folgendermassen zu ergänzen ist:
Hude mwgen, do ik to dem grave quam,
IVan dem enget ik t'omamj
Dat he were van dem dode up gestan.
Vgl. Mone 1148. ich wax gegangen cxu* dem grabe, ich umx vor dem
tage fro*, ich sach dy^ enget, sif sprachen mir cxu\
Zeno.
(her. V. Lübben, Bremen, 1869).
41 ff. lese und interpungiere ich:
He makede darbi enen bref:
In bli he one schref.
De duvel, tnit sine?' hant,
Dat deme (dem Bischof) were bekant
Dat kint vunden
Unde ok allen sinen vrunden.
vunden kint ist = vu7itkint 'Findelkind', vgl. Hartmanns Gregor 1227.
Dass ausser dem Namen des Vaters auch die der Verwandten des Kindes in dem
Briefe verzeichnet stehen sollten, ist nicht wahrscheinlich; auch V. 152 wird
nur berichtet, dass der Bischof den Namen des Vaters darin fand.
166. up or lif Wide up wen sin. Die Formel ist nicht zu bezweifeln
(s. d. Anm.) Der sin wird anch sonst dem lip gegenübergestellt; vgl. an Übe
unde an sinne Iw. 125; Wig. 3817.
93
183 ff. lese ich:
Do lerde it bi ver jaren,
Dat allen den scholem, de dar waren,
In der lere om io en boven lach.
Dat ist =■ Dat it; on Dat. ethic.
225 ff. sind unzweifelhaft durch Znsatz des Schreibers (mit Benutzung
von 318) entstellt Ich glaube, dass die 4 Verse in 2 etwa folgendennassen
zusammenzuziehen sind:
He kledede on wente up den vot
Unde let ome over al sin got
Die Redensart: Von Kopfe zu Fusse (d. h. völlig) kleiden besteht noch;
vgl. auch V. 479.
255 ff. lese und interpungiere ich:
Zeno vil stille swech:
Van leide rot unde blek
He wart na harter vriste,
Dat he ein edder ander enwiste.
288 (s. Anm.) Mir scheint die hdsl. Lesart nicht zu beanstanden.
341. Die hdsl. Lesart von H.W. : He wart also ein dok (Lübben: dode)
blek ist nicht zu beanstanden; dok meint hier ein ^Leintuch'. ^Bleich wie ein
Betttuch, Laken' ist ein noch jetzt üblicher Vergleich.
396 f. sind umzustellen:
Dat is noch, so it vore was,
Do se siner erst genas.
401 f. Do her Zeno dat horde.
Sin leit he gar vorstorde.
Dh. 'Da Zeno dies hörte, so vernichtete er (der Antwortgeber) damit seinen
Kummer.' Es ist kein Grund, die Lesart von D. vorzuziehen.
428. Da HDZ. Übereinstimmend armen mamie lesen, so haben wir kein
Becht, manne aus metrischen Gründen zu streichen. Dasselbe gilt von dat vor
tvere in V. 458.
500. Ik wege se iuk over in den schot. over ist wohl = aver iternm,
d. h. also 'doppelt'.
643 ff. lese und interpungiere ich:
Lat di nu so leve sm
Also mi was, to dem schaden mm
Do niik Zeno wart gesant
Van deme bin ik sits geschant
'Lass dir nun so angenehm zu Mute sein, als mir war, da mir, zu meinem
Schaden, Zeno gesandt wurde.'
649. Da HD. übereinstimmend tucke st. niicke haben, so ist erstere Lesart
wohl vorzuziehen.
712 f. lese ich:
Unde vorden se iegen en stat:
VenMe was benomet (Hds. de narae) dat.
Der Grund zur Entstellung war, dass stat als Neutr. ungebräuchlich ist.
824 (s. Anm.) Auch hier ist kein Grund, die Lesart von D. der von
HW. vorzuziehen.
Nach 870 ist Punkt statt Komma zu setzen und dann fortzufahren:
Dai se up de koninge proven,
En scalt du di nicht bedroven.
Noch dat se so hastigen kamen rant
To di mit wapender hant.
»4
Die unzweifelhaft entstellten Verse 945 ff. sind kaum Überzeugend her-
zasteilen (s. d. Anm.)
973 ist unzweifelhaft beren 'Gebärden^ statt 'weren' zu lesen. [S. Anm.]
Nach 1014 setze ich Punkt statt Komma und lese dann 1015 ff. :
Tohant do Satanas
üt der juncvroxven varen was
Unde hadde sik gehudet,
Hedde dat wat gehütet!
* Alsbald war Satanas aus der Jungfrau gefahren und hatte sich versteckt.
Wenn das nur etwas genützt hätte!' Vgl. 1047 f. Wat he sik nu to winket
tut, Wart he geste körnen stitf
1055. Sollte hier H. wirklich den drei Hdss. WDZ. gegenüber allein
das richtige bewahrt haben, und nicht vielmehr: Stcs deit Saianas u?nme gude
Wort ironisch zu fassen sein? (s. d. Anm.)
1085 lies: kortewüe,
1116. Do }he ein blek van danne quam,
Do vant he in dem wege,
Dar se tnede to graveride plegen.
So viel ich weiss, kann man nicht sagen: ein blek tnn danne kamen,
ebensowenig wie nhd. 'einen Fleck weiter komen\ Auch muss das gänzliche
Ausfallen des Subjekts in V. 1117 ausfallen, es sollte wenigstens der unbestimmte
Artikel stehn (vgl. z. B. Meier Helmbr. 597 : dir ragete uz dem rocke einez als
ein aJisen di^m.) Ich glaube deshalb, dass zu schreiben ist:
Do he van damie quanij
Do vant he ein blek in dem wege, . . .
'Als er von dannen kam, fand er ein Blech (eine Metallplatte) in dem
Wege, womit man zu graben pflegt.'
1232 f. ist zu lesen:
Zeno sprak: 'Ik were noch lenk
Gewesen, enheddest du geddn . . /
'Z. spr. : „Ich wäre noch länger ausgeblieben, wenn du nicht gewesen wärest.''
don vertritt hier die Stelle des voraufgehenden Verbums; vgl. Mnd. Wb. I., 538.
1273 lies: Wat du gheist (sagst. Hds. deiM), dat is gedan,
1303. Da so in WHZ. fehlt, so ist es zu streichen.
Die nur in D überlieferten Verse 1473 u. 74 machen allerdings den Eindruck
der Ächtheit.
1519;, Dedet ein dink, dat sdiolde mi leit sin.
Die Überlieferung gibt allerdings keinen rechten Sinn (s. Anm.). Sollte
nicht zu lesen sein: Dedet en sake, d, s, rn, l. s. (?) = 'Sollte es einen Streit
veranlassen, das sollte mir leid sein.' Die miss verständliche Änderung von dink
in sake wäre wenigstens leicht zu erklären.
1536. Da auch D: an beider s^iet hat, so wird anzunehmen sein, dass auch
in H weder »yd aus heder s. entstellt ist.
Aneelmos.
(her. V. Lübben im Anhange zu Zeno, S. 113 fl.)
Nach V. 6 ist besser Kolon statt des Komma, nach 105 besser Punkt statt
des Komma zu setzen.
143 lies: undertunschen, 228 lies einighe (vgl. 73).
294. scheint die Änderung von nicht in iht leichter, doch vgl. die Anm.
301 f. lies und interpungiere :
De jungheren queinen her gelopen
So rechte jarmnerliken rqpen.
95
Vgl. 432 IT., wo ebenfalls das Komma nach lopm zu tilgen ist, denn die
folgenden Infinitive stehen statt des Participiums. Ebenso nach 397. 415 ist
dsigegen gestän Infinit, mit der Vorsilbe ge.
343. Vor tvant *bis* ist das Komma zu tilgen. 377. toch = ^dok'.
403 lies: al de not,
507 fif. ist zu interpungieren :
Ik hopede dat: min leve sone
De was so deinlik unde so schone
Unde so reckte suverlich,
Sin antlat was ome mynniclich:
Wan se dat liadden an gesein,
Dat ome nicht quades were schein,
Dat se sik scolden sin unbamien.
525. Das hdsl. ome ist nicht in one zu ändern, (s. Anm.)
Nach 566 ist Kolon statt Semikolon zu setzen und zu schreiben :
Do he vor pilatus qv/zm u. s. w.
647 if. lies:
He vragheden ok, oft he dat wäre,
Dar tmime sin vader ouer mannighem jare
Hei de kinder slaghen dot
Hei hiess 'befahr.
746 liess: He sweich unde enwolde des ome nicht sagen.
854. Das composit gecleit (vgl. Hau. Marienl. 34, 23 und Lexer u. d. W.)
ist im Mud. Wb. nicht belegt. Ebenso 971 leitvortrif 'Leid vertreib', vgl. die
Widmung in Kinkels Otto der Schütz: 'Ihm war das Lied ein Leidvertreib'.
839 fr. ist zu lesen:
Se alle richten up mit groter not
Dat cnise, wani is was so grot,
Dat se des nicht lichte konden hören,
Dar enmosten vele lüde to Jioren,
Es darf nicht mosten statt enmosten (s. Lübbens Anm.) geschrieben
werden; vgl. über die Constraction meine Bemerkung z. Sündenfall 1665 f. im
Jahrb. XVI.
1117. Do sine vote iveren los,
Wu drade ek de erden kos
Unde leghede one an minefi sclwt!
de erden kos erklärt Lübben in den Anm. und im Mnd. Wb. IL, 457:
'die Erde wählte, mir ersah, mich auf die Erde niederliess', zweifelt aber selbst,
dass er das richtige getroffen, Ich vermute: de horden kos 'die Bürde mir
ersah, auf mich nahm.'
Botes Boek van veleme rade.
(her. V. Herrn. Brandes, Jahrb. XVI., 1 ff.)
Bl. Ib. ,v. 3. Ick hyn eyn van den vrommeden ghesten. Der Hrsg. sucht
in diesen Worten einen versteckten Hinweis auf den Namen des Dichters (Bote).
Vergleichen wir I., 92 Wy sint hir up erden vrommede gheste^ so ergibt sich,
dass der Dichter hat sagen wollen: 'Ich bin ein Mensch, mit menschlicher
Schwäche behaftet.'
n., 49. ist wohl evenmynschen als Compositum aufzufassen, da das A4j.
even sonst flectiert wird (s. Mnd. Wb. u. d. W.) Nach V. 65 ist besser Punkt
oder Kolon zu setzen.
96
Vin. 21 lese ich: Dyt spoelrat is van eyner hreden hnimme. (Druck:
eyn% hreder),
47 f. ist zu interpangieren :
In heerhencken hm me groetspreken,
Mit s werden unde mesten ivü me denne de heize äff stecken.
49 f. 0 gy rechten dummen hmpen,
De jii eyn laken ummewarmede unde lede juw slapen
ummewarmen in der Bedeutung 'umlegen' ist nicht belegt und auch nicht
wahrscheinlich. Sollte nicht zu lesen sein De ju eyn laken wmne tvamede.
S. warnen 'zur Sicherheit mit etwas versehen, mnnire' Mnd. Wb. 5, 606.
53 f. sind unzweifelhaft entstellt, besonders ist die Qegenilberstellung von
ordel und stryt unmöglich. Ich vermute
Bar lant unde lüde dye (so auch der Druck) unde vordarff ane lycht,
Se enachien noch oi'del noch rycht.
lant und lüde steht formelhaft. Vgl. Stindenf. 2756 Wente dar an licht
dig unde vorder f Nicht einerleie allene, Su7ider aller gewerlt gemene. Götting.
Urkb. II., Nr. 153 (1431) S. 106, Z. 22: afidere unchtige stucke , . , ,, dar
un^er Henze openbare dye unde vorder ff ane licht.
Nach IX., 7 ist Pankt statt des Komma zu setzen und dann zu interpungieren :
Va7i eglietier upsate unde toval
Dat de duvel niaket unde Jievet an:
toval hier 'Einfair, im Mnd. Wb. aus Griseldis belegt. Dat ist Demonstrativ.
31. Toje^lwr ist unverständlich. Sollte nicht tosegher = 'Aufhetzer'
zu lesen sein? V. 32 ist Unde = Unde de.
50 if. ist folgendermassen zu interpungieren:
Wente dat tvil eynen anderen vomichten
Dat sulves nicht entdocht.
Qu4xden rat quade lere socht
Quaden rat ist der bekannte niederd. Accusativ statt des Nominativ.
64 ff. ist zu interpungieren:
0 here got, wol synt de in deme schaden?
Dat doet de heren unde ere armen lüde.
„0 Herr, wer ist es, der den Schaden erleidet? Das sind die Herren und
ihre armen Leute." Der Hrsg. erklärt doet = dodet, aber diese sonst nur einmal
belegte Form ist hier nicht anzunehmen ; doet ist vielmehr 3. Pers. Plur. Praes.
Ind. von don, welches hier die Stelle des vorhergehenden Verbums vertritt.
(s. Mnd. Wb. I, 538b.)
X., 4. Zu muntspeer vergleiche unser 'die Maulsperre', die man bekanntlich
auch vor Verwunderung bekommen kann.
28. Das bisher unbelegte hoitensnavel vom Hsg. durch 'Grünschnabel'
übersetzt, wird wegen der Bedeutung von hotte wohl besser durch 'Milchbart'
wiedergegeben. Vgl. auch VIIL, 86 Du bijit dar alto wit umme ds munth to.
80 bidt erklärt der Hsg. dem Sinne nach richtig durch 'entsteht'. Haben
wir ein mnd. bullen = lat. bullire 'hervorwallen, quellen' anzusetzen?
NORTHEIM. R. Sprenger.
97
Spieghel der zonden.
(Mnd. Handschrift des 15. Jalirh, in der Panlinisclien Bibliothek
zn Miinster i/W.)
Im Jahre 1874 veröffentlichte ich in dem Programm des da-
maligen Progymnasiiims zu Norden ^Josefs Gedicht von den sieben
Todsünden" in fortlaufenden Auszügen und Inhaltsangabe nach einer
bis dahin unbekannten mnd. Handschrift der Bibliothek des Vereins
für Kunst und vaterländische Altertümer zu Emden. Professor Suchier
in Halle machte mich dann auf ein Gedicht ähnliches Inhalts aiif-
merksam, welches sich handschriftlich in der Bibliotheca Paulina zu
Münster befände, und in dem Niederdeutschen Jahrbuche IV (1878)
p. 54 — 61 veröffentlichte dann später A. Lübben unter der Ueber-
schrift ;,Spieghel der zonden* einen kurzen Aufsatz über diese Hand-
schrift nebst einer derselben entnommenen Erzählung, welche eine
merkwürdige Aehnlichkeit mit der Geschichte hat, die Schillers ;,Gang
nach dem Eisenhammer" zu Grunde liegt.
Lübbens Aufsatz enthält, wie mir scheint, einige Unrichtigkeiten
und giebt von dem Inhalte des Gedichts nur im allgemeinen Kunde.
Wenn aber der Spieghel der zonden zweifellos fast in derselben Zeit
entstanden ist, wie Josefs Gedicht von den sieben Todsünden, ohne
dass irgend welche Anlehnung stattgefimden hat, ivenn derselbe Stoff
in räumlich nicht weit entfernten Gebieten von zwei verschiedenen
Bearbeitern ganz selbständig in umfassenden Dichtungen behandelt
worden ist, so lohnt es wohl der Mühe, nun auch die Münstersche
Handschrift in ähnlicher Weise wie Josefs Gedicht bekannt zu machen.
Die Handschrift befindet sich also auf der Königlichen Pauli-
nischen Bibliothek zu Münster unter Nr. 268 (früher Nr. 1139) und
ist in Ständer's 'chirographonmi in bibliotheca Paulina catalogus'
S. 117 sub Nr. 536 kurz beschrieben. Es ist ein Folioband, in Leder
gebunden, auf Pergament geschrieben. Auf der Innenseite des Vorder-
deckels steht die Notiz: ^Aus dem Hanloschen Diebstahl von einem
Schreiner, dem es zum Auskleben — musikalischer Instrumente ver-
kauft w^ar, freiwillig zurückgeliefert. M. 20/2 75.^ Die Blätter
25 — 34, 37 — 54, 70 — 74, 102 — 108 sind unten angeschnitten. Es
sind dadurch weggefallen auf Blatt 25 — 28 je 2 Zeilen, Bl. 29 1 Zeile,
auf Bl. 30 — 32 ist nur der untere Teil der letzten Zeile weggeschnitten,
desgl. auf Bl. 37—38, 51—54, 70—74, 102—108. Auf Blatt 33—34,
39 — 50 ist nur der imtere weisse Rand weggeschnitten. Die Hand-
schrift besteht aus 139 Blättern. Auf jeder Seite stehen 2 Spalten
ä 32 Zeilen, die ohne jeden Absatz hinter einander folgen. Das
139ste Blatt enthält nur auf der Vorderseite noch 1^/« Spalten Text.
Die vollständige Handschrift hat also ca. 17700 Zeilen enthalten.
Nicderdeutiches Jahrbuch. XVII. 7
»8
Man kann nur Zeilen, und, trotz der poetischen Form des Werkes,
nicht Verse, sagen, weil in vielen Zeilen Inhaltsüberschriften pro-
saischer Form sich befinden. Die Handschrift ist im Anfange un-
vollständig. Lübben meint, es fehlten vorne ^einige Blätter, vielleicht
aber auch nur zwei oder eins.^ Es kann vorne aber nur ein IJhitt
fehlen, denn auf dem jetzigen Blatte 73a ^j lesen wir:
Hyr off is ghenoech unt laden
Int LXVIste desser b laden,
Int capittel, welk uns bevroet,
Wat quade traecheit den mensche doet.
Dieses Kapitel von der traecheit beginnt aber nach der jetzigen
Zählung auf Blatt 65 (nicht 64, wie Lübben meinte.) Es muss also
vorne ein Blatt weggefallen sein. Die Schrift, in schwarzen, schein-
bar klaren Schriftzügen, ist nicht so deutlich, wie sie aussieht, weil
die Buchstabenformen nicht immer scharf auseinandergehalten sind.
Die Schrift steht auf ganz zart vorgezogenen Linien. Jede Zeile be-
ginnt mit einem grossen Anfangsbuchstaben, welclier mit einem senk-
recht durchgehenden roten Strich verziert ist. Bedeutsamere Inhalts-
Abschnitte haben grössere, etwa 3 cm hohe Anfangsbuchstaben mit
blauen und roten Arabesken. Die Hauptteile haben ganz grosse,
etwa 6 cm hohe Initialen, welche mit äusserst feinen und zierlichen
Arabesken in gotischem Stile gefüllt sind und blaue oder rote Farbe
zeigen. Links vorne an den Zeilen steht bei Citaten oder bei Inhalts-
Abschnitten, jedoch nicht regelmässig, das Zeichen ^, blau und rot
abwechselnd. Im Texte finden sich, wie oben erwähnt, häufig reim-
lose Inhalts-Ueberschriften in roter Farbe, doch nicht strenge der
Disposition gemäss.
Die Zeit, in welcher das Gedicht entstanden ist, lässt sich aus
dem Inhalte desselben zunächst nur insoweit bestimmen, als es vor
der Reformation verfasst sein muss, jedoch in einer Zeit, in der sich
die Empfindung von dem Vorhandensein kirchlicher und sozialer Miss-
stände lebhaft geltend machte, also im 15. Jahrhundert. Ferner wird
86b eine nur im 15. Jahrh. übliche Kopfbedeckung der Frauen, die
^jKappenhörner" erwähnt. — Der Verfasser, der sich am Schlüsse
een simpel clerck nennt, ist ein scholastisch gebildeter, frommer und
streng kirchlich gesinnter Mann, der sich jedoch wiederholt der Ge-
ringen und Armen gegen die Grossen aufs entschiedenste annimmt.
Auch dieses dürfte auf das 15. Jahrhundert deuten. Zu zweifelloser
Sicherheit wird dann diese Annahme durch den Charakter der Schrift
und der Sprache erhoben.
Die Sprache ist mittelniederdeutsch. Der Verfasser nennt sie
selbst an verschiedenen Stellen duHsch, z. B. 39b : de seste sprcie Na
unsen duetsche het sintonie* Sie gehört dem wii-Gebiet an, es kommen
nur die Formen my (mi) und dy vor, niemals meh oder mik. Starke
^) Die Bezeichnung der Blätter mit fortlaufenden Zahlen rührt von modemer
Hand lier. Ich bezeichne mit a die erste Seite des Blattes, mit b die zweite.
99
niederländische Färbung ist unverkennbar. Das niederländische Wort
tür 'schön', moy^ welches noch heutigen Tages im ostfriesischen Dialekt
ijanz allgemein ist, in andern Dialekten meines Wissens jedoch nicht
vorkommt, ist im Sündensi)iegel ziemlich häufig, jedoch mit schone
wechselnd, z. B. 13b moye icyfs, Een moyert 82a bedeutet ^ein fein-
•jeimtzter, schöner Herr^. Auch dieses ist niedcruiudisch, ebenso wie
sla der uterliker moy erdien und l)3b tnoyhede, desgleichen das öfters vor-
kommende wet 'Gesetz', z. B. 32a Exemple van der oolder wet. Das
(ledicht wird also in den niederdeutschen (iegenden an der nieder-
ländischen Grenze entstanden sein.
Uel)er das ganz autfallend zahlreiche Vorkommen von Fremd-
wörtern hat sich bereits Lübben gewundert. Es geht weit über das
sonst im Nd. gewohnte Mass hinaus. Ob diese Eigentümlichkeit dem
vermeintlichen Ursprünge des W^erks aus dem Lateinischen zuzu-
schreiben sei, wie Lübben annahm, scheint mir fraglich. Wenn man
auch den Urspnmg aus dem Lateinischen zugeben wollte, so war doch
der Gebrauch des Lateinischen allen Geistlichen, welche niederdeutsch
schrieben — und ein Geistlicher war der Verfasser des Sündenspiegels
— damals so vertraut, dass sich in allen von (Geistlichen geschriebenen
mnd. Dichtungen eine gleich auffjillende Zahl von Fremdwörtern finden
müsste. Das ist abei- nicht der Fall. P^s muss also hier etwas In-
dividuelles zu Gninde liegen, der Ursprung aus dem Lateinischen
kann allein der Grund nicht sein. Auch zeigen viele von den Fremd-
wörtern des Sündenspiegels entschieden Durchgang durch das
Französische. Ich möchte daher eher glauben, dass auch diese
Eigentümlichkeit auf den Entstehungsort des Gedichtes hinweist, und
dass derselbe somit in den nieder ländisch- französischen
Grenzgegenden zu suchen sei.
Einige dieser Fremdwörter hat auch Lübben, wie er selbst er-
klärt, nicht enträtseln können. Dass ich sie alle hierunter verzeichnet
hätte, wage ich nicht zu behaupten; der Begriff eines Fremdwortes
ist ja an imd für sich schwankend, aber die irgendwie autfälligen
finden sich im Folgenden alle notiert. Die Blattzahl soll nur bedeuten,
dass man u. a. das Wort dort findet, nicht, dass man es nur dort
findet. In Schiller-Lübbens Wörterbuch ist nur ein kleiner Teil der
hier folgenden W^örter enthalten.
Amye (Freundin) 9b. — accorderen (bewilligen) 15b, (dazu stimmen) 22b.
— altar, cUtaer 21b. — ahkominnhel (= franz. abomi nable) 31a. — aveniure
(Abenteuer, Zufall, Schicksal) 31b. — abdtjen (Abteien) 39b. — arcke (Bundes-
lade) 44b. — almoessen. oft. — a^-che (Arche des Noah) 59b. — de apostolen
60a. — CrisiuSj der kerken advocaet 61a. — auctoriteit (Ansehen, beweiskräftiger
Ausspruch, beweiskräftiger Autor), oft. — ahusioen (Missbrauch, Verkehrtheit)
94a. — aroei' 94a. (Ein König
— solde festeereti zyne maglicn
To eenen van zynen vercorene daghen;
So moy dreef he zyn acoer,
Dat he solre, toant und floer
Verdecken dede van der zale
Met pellen, purpere und mel einddle.)
7*
100
— appetyd (im übertragenen Sinne: keren xynen a. upt vremde wyf) 97a. —
aecoort (Znstimmnng, Anhalt: broder an broder iH^nt a.) 108a. — antecrist
(Antichrist) 110b. —
Bastard 16b. — benedixicn (segnen) 32b. — befiedien (jgy gebenedids) 57a.
— blanie (Schmach, Tadel) 37a. — beest (nur im allgemeinen *Tier'. stomme
beeste) ö4b. — de bible 60a. — bepipien (durch Arbeit erwerben) 66b. —
blasphemie 72b. — Oode blaspliPinieren 121b. — blameren (tadeln) 133a. —
Sonder cesseren (ohne Aufhören) 121b. — Centurio (der gottesfürchtige
Hauptmann der Schrift; als Eigenname gebraucht. Centurio antworde to
deseri) 45a.
Düuvie (Sündflut) 7b. — dispensieren 8a. — devot (demütig, gläubig)
15b. — disdpels, discipule (Schüler) 19a. — mei devoden (mit demütigem
Glauben) 43a. — de devote (der Gläubige) 47a. — dolouve (de duve, de Xoe
ter dolouven utvlieghefi dede, Schiller -Lübben denkt an „Fensteröffnung''. Ob
es vielleicht 'düuvium' „zur Zeit der Sündflut" ist?) 59b. — diverse (ver-
schiedene, diverse hden) 66b. — disputeren 70a. — in disei'etien Y
(De here des konynx gherichte tnynt
In discretien gehint) 85a. —
ee7ie duwire (eine Höhle = vulg. franz. une douve? welches Wort auch „Felsen-
höhle" bedeutet, cf. Diez, Etymol. Wörterb. u. doga) 96b. — discoort (r/i.'?-
cordia Zank, Zwietracht) 97a. — deei'et 101a. — di^cant {syn sehmie discmit,
seine schöne Oberstimme) 109b. — de divisen (die Einteilung, Disposition) 115b.
— destnwren \21\i. — destruxie (Zerstörung) 136a.
Exces (Übermass) 3b. — exposicie (Exposition) 71a. — elementen 106a. —
Fruut (Frucht). — falgtreti (franz. faillir verfehlen, abweichen, nach-
lassen) 22b. — fonteyne (Quelle) 32a. — flatiren (schmeicheln) 40a. — flaiu-
ringfie (Schmeichelei) 40a. — figure (Ähnlichkeit, Abbild) 43a. — t?i fignren
(gleichwie, ähnlich wie) 72b. — vftn fauten (von Fehlem, franz. la faute) 82b.
— fundanient, fundiren (beides im übertragenen Sinne) 88b. — festeren (fest-
lich bewirten) 94a. — faeelnient {dat silveme /*., silberner Tafelzierrat) 98a. —
formiren (bilden; geformiert ist der Mensch nach dem Bilde Gottes) 101b. —
fingieren (z. ß. diteghet) 109b. — frenesie (Tollwut, Fieberwahn, franz. la
frene^ie) 113a. —
Gracie (Gnade) 3b. — int generael (im allgemeinen) 10a. — grdner
(Kornboden, franz. grenier) IIa. — greignaert, franz. grognard? oder von
vulg. franz. grigner greinen, cf. Diez. grugnire und gri7iar {de man is alte
gr. alter Brummbär) 16a. — ghrie 28a. — dat gracilike leven (welches Gnade
vor Gott findet) 74a. — glorificeren (rühmen, auch prahlen, em sulven gl) 90a.
— gftetemperthede (Mässigung, Seelenruhe; derjenige, de zackte von moede is,
de levet in alre gh.) 131b. — gejyense (franz. pensei' Gedanken, Sinnesart, z. B.
das böse Herz sinnt allezeit auf argiie gepens^ 133b. —
Horribile beesten IIa. — habyt (Kleidung) 41a. — hwree-^t (Lärm,
eigentl. Unwetter) 47a. — fieremite (Eremit) 50b. hcmüte xitten (als Eremit
leben, sitzen) 108b. — heris^ien (Ketzereien) 88a. — }wbtaidanient? 101a.
lugement (Urteil) IIa. — Instrumenten (Spielgeräte) 49a. — inghel
(Engel) 59b. — iuncturen {Mine schulderen tninden imicttiren vallen. Hiob.
31, 22. Meine Schultern fallen mir aus den Gelenken) 79b. —
Consciencie (Gewissen) 3b. — capittulen 4a. — caste^, kastdl (Schloss,
Kastell. Schiller-Lübbeu nur ^Schiffshinterteil') 17b. — consentieren (einwilligen,
gewähren) 18a. — creatur 18b. — contrar (adject. u. substant. entgegengesetzt)
18b. in rontrarie (im Gegenteil) 39a. contrarie (adverb.) 50b. — cru/nfix
21b. — caritate (Liebe, Barmherzigkeit. Godes caritate 25a. karitaten geben
101
Barmherzigkeit erweisen 29b. karüate docn Werke der Barmherzigkeit thnn)
107b. — collecte (Altargebet) 2öa. — crayereu (franz. crier schreien) 28a. —
castien (tadeln, strafen, kasteien) 32b. — candicie (Lage, Stellung) 35a. —
clerken (Kleriker) 39a. — clays, 40a. Die Schmeichelei
18 nie worden een amt ten hove
Und maect vor manighen here pays,
Se doet och vor prelaten clays
Met plucken und trecken er habyt.
Vielleicht prov. das Geschrei, altfranz. glas, chlaz, eigentlich Glockengeläute,
auch Hundegebell, cf. Diez u. chiasso.) — clergie (Klerisei) 40b. — columne
42a. — corrigiren 49b. — eontefnpladefi (beschauliche Betrachtungen) 69a. —
ter eure leben (sorgsam leben?) 82a. — comimperen 87a. gecorrumpeertheit
112b. corrupcien (Verkehrtheiten) 112b. — comellen (Nusskeme) 88b. —
conoefi. Von der Zauberei heisst es 101a
Verwaten zyn se aüe, diet doen,
Vanden paus int groie conoen, —
twce correceien (zwei Arten der Besserung) 108a. — compangie {läer devoter
conipatigien, aus der Gesellschaft der Gläubigen) 113b. — consoort (lat. con-
soriium od. eonsortio) Teilhaben, Genossenschaft, Gemeinschaft. 117b.
Als Christus was verresen
Und synen disciplen brachte consoort,
DeU he seggende was dit woort:
Vrede tnet iu luden st, —
confuse (subst. ein lecen nU van confuse, ein Leben voll Verwirrung und Un-
ruhe, bei yertriebenen Leuten) 118a. — cameretten (Trinkhäuser) 123b. — nut
eonsente (unter Zustimmung) 123b. — chstriers (Klosterleute) 136b. —
Luxurie (Unkeuschheit) 4a. — Inbareren 24a. — de leeken (Laien) 39b.
— wilde laiuken (Lattich, lat. lactuca) 43a. — leUeren (Buchstaben) 47a. —
laburen (Mühsale) 51b. — lebart (Leopard) 71b. — hxarie 108a. lax^rhede
(Aussatz) 108b. — de laxare (der Aussätzige) 108a. —
Maniren (Arten) la. — ^nedidne 3b. — syn medicien (sein Arzt) 96b.
— mendoen, mensioen viaken (Erwähnung thun) 4a. — niayslere (Steinmauer)
12b. — maledixie (Verläumdung) 19a. — multiplizieren 21b. — materis 22a.
— moncke (Mönche) 39b. — miracle 40b. — mm-viweren (wider Gott murren)
54a. murniureringlie. munnurcu-ie (das Murren wider Gott) 124b. — morseel
(franz. morceau, mlat. morsellus, 'ein Bissen') 82b. — metselrie {structura
muri, Fremdwort?) 88b. — m^nteniei'en (franz. 7naintemr, aufrecht erhalten,
herstellen. Silbernes Gerät
daer de tafele mede is verchiert
und ydele glorie menteniert) 98a. —
meifistrandie (die Zunft der Ministreis, der Sänger u. Spielleute) 98a. —
Nakaren (Pauken) 98a. —
Occusoen (Gelegenheit) 4a. — m'dinireti. (ordnen) 8a. — ordinancic
(Ordnung, Verordnung). — bi ordinande stellen (in Ordnung bringen) 18b.
De de ordinande niet ansien, diejenigen, welche die Verordnungen Gottes
nicht beachten. 76a. — offerands (Opfergabe) 21b. — olye (Öl) 55a. — or^isoen
(franz. araison, Gebet, Bede, de abt dede groot orisoen) 62b. — offirie 64a.
— in apinioen holden (im Gedächtnis behalten) 91a. —
Partien (Teile) 4a. — jprocessie (Prozession) 14a. — P^'ofyt 16a. —
predicaden (Predigten) 18b. — jjroper (eigentümlich, eigen, z. B. eene jrrojrre
redene ein eigenartiger Beweis. 25a. De welke proper ilv m gode derjenige,
welcher sich Gott zu eigen giebt 25a. Die Zeit ist een jyroper goet, ein ganz
besonderes Gut 67b. Vier Güter sind j/ropcrlike unser, d. h. sie gehören uns
102
ganz eigentlich und besonders an) 26b. — j^atjcn (franz. jKtt/er bezahlen) 25b.
gcpait (bezahlt, durch Zahlung befriedigt) 55b. — porli/r (Pförtner. Der Tod
ist des Lebens portyr,) 27b. — jrn7irhe (gesprochen „Prinze", Fürst) 28a. —
palat/s (franz. jmlais Palast) 30a. — pclgrhn (Pilger) 30a. — lyclgrhuagc
Wallfahrt. NB. Die Endung im Vergl. mit franz. pelennage, Schiller -Lttbben
hat nur pelgrimade. 69a. — de phglosophe Diogenes 32a. — paert (Part,
Anteil) 33a. — geparseelt (geteilt, parzelliert) 33a. — jjoofi (Stadt) 35a. —
Itrincipal (hauptsächlich, i^ier jrriyicipale mketi) 35b. — jmrahole (Parabel) 35b.
— prologhe (Prolog) 39b. — jn^ovende (Pfründe) 39b. — pi'elaten (Prälaten)
40a. — j)ajfs (franz. paixy Ruhe, Frieden) 30a. — pagsivel (franz. paisihle,
friedlich, friedfertig. Saloinon luitt pagsivel, Salomon lautet ^Friedrich", denn
Salomon kommt von hebr. schnlom Frieden her) 117b. — Ein anderes ^Kiys,
als das eben erwähnt, findet sich 40a. Die Stelle ist u. clays zu vergleichen.
Die Schmeichelei
is nu worden een amt ten hove
Und maect vor manighen here pays.
Vielleicht ist dieses |>a//5 = franz. pays Land, und hat hier eine ähnliche
Bedeutung, wie in der franz. Redensart gagner pays, avancer pays Vorteil ge-
winnen. Es würde dann der Sinn der Stelle sein „die Schmeichelei bringt
manchem Herren Vorteil.* — poe7it (franz. point. Dat erste 2)oent der erste
Punkt) 42b. — ten paradise (im Paradies) 42b. — paeschlam (Osterlamm) 43a.
— pas&ie (Passion) 43a. — peneienei^Hy penUencien (Bussübuugen) 45a. —
jrrediken (predigen) 45b. — parcJielen (Anteile, Parzellen.
De terlinCf de ghelt doet deelen
Na zyn bewisen bi parchelen
= der Würfel, der das Geld verteilt nach Verhältnis der einzelnen Anteile?)
48a. — parrk (Fussboden, Parkett. Do tjuam de pyl up dat parck blodirh
glievallen.) 49a. — pat^ement (lat. pavimentum gepflasterter Fussboden, Estrich.
Das franz. pavement bedeutet heutzutage nur noch „das Pflastern''. Das Wort
habe ich im Sündenspiegel nur im bildlichen Sinne gefunden:
Ydele glorie en is niet cl
Dan een pavement vanden diivel) 50a. —
jrroye (franz. proie Beute) 51a. — d4i j^^'cdicarcn (Prediger) 53a. — to prosente
(zum Präsent) 56a. — pafrone (Gönner und Beschützer) 56b. — payene (franz.
payens Heiden) 61a. — pynen (Pein leiden) 65b. — bepyyien (durch Mühe
und Arbeit erwerben) 66b. — poye? 72a.
De vier de vrucht, de uut den munt komet,
De mach biechte syn ghenomet,
Wat dat desse vrucht doen mach,
Hoert men ter poye al den dach, —
pardiis (Panther) 76b. — peynse? 82b.
Droefheit na der hilghen leren
Mach den mensche driesins deren,
Peynse brenct se em vake an, —
parmen 95b.
Du8 80 werden ter lester uren
Wit of swart der zielen parmen
Na den weghe, den se ghenghen.
Gewänder, franz. pavement? — prochiane (Parochianen, Parochiekinder) 102b.
— planeien 106a. — pensingh/*n (in deroini pensinghen, in demütigen Ge-
danken) 107a. — pensen (franz. pcnser, pensende in Gode an Gott denkend)
108b. — persp(juircn (nachgehen, nachgeben, z. B. seiner Sünde 1 15a, einen
verfolgen 130b.) — prcseiü (gegenwärtig) 124a. — perlament (Wortwechsel)
132a. —
103
Quajjer ((Tebetbach. altfraiiz. quaijcr eigentlich Heft, Papier, franz.
cahier) 69a. — queruloyende (franz. quereller zanken? querulieren?
Ghecheü is inder ghecken mont
Queruloyende in alre stont) 120a. —
quite maken (quitt, los und ledig machen, franz. quitte (lat. quieius) in der-
selben Bedeutung) 125b. —
Eestor (Beschlaglegung auf Erbschaften, Arrest. — Franz. resto?' {re^iau7')
ist Schadloshaltung des Assekuranten, wenn der Verlust aus Nachlässigkeit ent-
standen ist) 29b. — rivire, riviere (Bach, Fluss, franz. riviere) 31b. — reg-
fieeren, regnieren (regieren) 36b. — remeden, reniedien (Heilmittel) oft. — de
ratnei/nen (die Römer) 5öb. — re faseren, refusiren (zurückweisen, franz. refiiser.
Nydighen gyn gecorrumpoert,
Des moeten se eyn gerefuseert) 112a. —
religieus (NB. die französierendeEndung) 122a. — dai religioen (Kloster.
Auch franz. in dieser Bedeutung, z. B. entrer en religion ins Kloster gehen.
meitre une fille en religion ein Mftdchen ins Kloster schicken, Nonne werden
lassen) 132b. —
Speeien (Arten. Unterabteilungen) oft. — simplex 4a. — scrifture 4b.
— schofiringhen (Spöttereien, altfranz. d^nicmißre) 4 b. — int spedad (im Be-
sonderen) 10a. — serpent (Schlange) 10b. — subtil {fiauwe unde subtil 50a.
stMüe hehendiehede 66a.) — sarrazyn (Sarazene.
Mer teghen eenen jode äffte sarrazyn
Süllen sie gherne woher ende syn) 25b. —
sottemyen 26a. sothede 48a (Dummheiten, franz. sot albeni). — sondoy^iers ? 29a.
Die Armen sint als sondoyiers van uns geset.
sanctuarien werke 32a. — simonie 32b. — saeranwnt 32b. — sandeye ? 34b.
Die met vremden sandeyen macct
Syn huuSy he is altoos niisraect,
Als hie muren doet, alst vriest, —
sepuUure (Begräbnis) 36b. — suhditen, subdyten (Untergebenen), lat. subditus
37a. — sertnoen 38b. — sacrüegie doen 39a — studere 39b. — s^i/nagogke
41a. — saterdach (Sonnabend, engl, saturday) 47a. — de saUer (Psalter) 53b.
Auch „Psalm'' 68a. — sahn (Psalm) 68a. — spacie gheven (Baum, Befreiung
geben, z. B. von Busstibungen) 55a. — scrienen (Schränke, lat. scrinia) 57a. —
slavine (Mantel aus grobem Wollenstoff) 69a. — de safteten (die Heiligen, de
hilghe sancten) 90b. — si7idal (Taffet) 94a. — stole (Kleid, lat. stoki. Die
Eng^l sind gekleidet in untten stöhn) 96a. — suhyt?
Und eer dat een point ghelyt,
So dalen se int heische subyt l)8a.
solveren (lösen, beseitigen) 126b. — secreet bliven 134a. orer secreet unter
dem Siegel der Verschwiegenheit 134a. — sileyicie holden 136b, — sentencie
(der Sinn des Satzes gegenttber dem sprachlichen Ausdruck) 138b. —
Tractaet (Abhandlung) 3b. — temptaeie (Versuchung) 4b. — tempteeren
(versuchen) 4b. — tormerä (Qual, Tortur) IIa. — termin 18a. — testament
29b. — taberpiakel 31b. — iy^'anien (Tyrannen) 34b. — tasseren, tassei'ers,
tassetnent (Gewalt anthun, gewaltthätige Menschen, Gewaltthat) oft. — truwanten
und bedelaers 52b. truwanten und dieven 127b (Vagabunden. Es ist wohl
dasselbe Wort, wie nordfranz. troureor, trouverey prov. troubadour), — trihunt
(Abgabe, im weitesten Sinne) ö2b. — t&tnpeest (Sturm, Unwetter) 63a. — trisoer
(Schatz) o7a. — tavemen (Trinkhäuser) 64a. — in frihuladen (in Nöten und
Beschwerden, Beängstigungen und Versuchungen) 72a. — tineture (Farbe,
Aussehen.
Ctedre van andertire tineture,
Dan €dso se gaf nature) 95b. —
104
ira7isfi{jiureren (verwandeln) 96a. — tronipen (Trompeten) 98a. — tdivereren
(befreien, franz. dMivrer,
Van eenen sere hüghen man,
De up gode sonder ceaseren
Eiep: WiU mi ieltvereren,
Heere god, vander tanghen mine) 121b. —
ühgheordinerde minne (nicht auf das richtige Ziel gelenkte Liebe) 96a.
— tmgentum (Salbe) 12öa. —
Venyn (lat. venenum Gift, im eigentlichen und übertragenen Sinne, z. B.
der Jwverdigen venyn 89b.) — vaillani (franz. vaiUant) 14a. — vermaledien
34b. — versuhtilen (allzn fein machen?) 37b. — vvfhne (Erscheinung 42a und
Anschauen, z. B. helet van godliken visione =■ ein Hindernis, Gott zu schauen
83a.) — victorie cHghen 56b. — viriunt (innewohnende Kraft und Eigenschaft,
wie franz. vertu, z. B.
Also de boom und dat crunt
Welken elc na ere virtunt) 67a. —
vigilie (Nachtwache) 67b. — vergier (69a. Einige Verse weiter wird dafür
bömgarden gebraucht, franz. le verger in derselben Bedeutung). — visieren
(beobachten, sein Augenmerk auf etwas richten, z. B.
Menych toyf nu visiert
Dure moyheden te hanghene an,
De niet daer in meent eren man) 93b.
viserUeren (beobachten, ins Auge fassen) 110b. —
YjyocrUen (Heuchelei üben, ypocriten was dat mencn dyn = deine
Herzensmeinung war Heuchelei) 109a. —
Ypocrisie fi^, de fingiert
Dueghet, de he niet Imntiert) 109b. —
ypocriie (ein Heuchler) 109b.
Der Inhalt des Sündenspiegels ist eine Darstellung der Todsünden,
welche u. a. 79a hooft senden genannt und folgendennassen von den
leichteren, anderen Sünden unterschieden werden:
Alle vuuUieide, de men vint,
Syn te rekene niet en ttvint
Theghen de smitte eenre hooft sonden.
Es werden deren sieben in folgender Ordnung dargestellt: 1) gui-
sichede (gula. gulositas.) Völlerei, 2) luxurie Unkeuschheit, 3) vracheit
Habsucht, 4) traecheit Trägheit, 5) hoverde Hoffahrt, Stolz, 6) nyt
Neid, 7) gramshap Zorn. Diese Reihenfolge ist in mehrfacher Hin-
sicht bemerkenswert.
Zusammenstellungen von Tugenden und Lastern in Gruppen gab
es sicherlich schon sehr früh, die 4 Kardinaltugenden sind bekannt-
lich schon im heidnischen Altertum zu einer feststehenden Gruppe
vereinigt worden. Die Zusammenstellung von Sünden imd Lastern
zu Gruppen erfolgte jedoch wohl erst in der christlichen Zeit. Die
früheste, die mir bekannt ist, findet sich in einem Gedicht des um
400 n. Chr. lebenden Aurelius Prudentius Clemens, Psvchomachia
(Migne Patr. X- ^>^) genannt. In allegorischer Darstellung wird hier
eine Schlacht zwischen Tugenden und liastern geschildert, in welcher
nach der Weise homerischer Helden aus der Masse der Kämpfenden
bestimmte 7:p6jAa/oi hervortreten, um mit einander zu streiten. Da-
105
durch entstehen folgende Kampfgruppen: Fides streitet mit Vderum
Cultura Dearum^ Pudicitia mit Sodomita Libido^ Patientia mit Jra^
Humilüas mit Superbia^ Sobrietas mit Luxuria, Batio mit Avaritia,
Caneordia mit Discordia, Die Luxuria ist hier noch die Völlerei im
Pässen und Trinken, nicht, wie später, die Unkeuschheit, die geistliche
Trägheit, später eine der Hauptsünden, fehlt und war auch wohl in
der Schilderung einer Schlacht als Kämpferin nicht gut anzubringen.
Im übrigen sieht man hier jedoch bereits den Keim zu den später
sogenannten ^Todsünden ^.
Die Absonderung von peccata principalia, später auch capitalia,
lekdia, mortalia genannt, von den andern minder schweren Sünden,
später als ve^iialia bezeichnet (Todsünden — lässliche Sünden), rührt,
soviel ich erkennen kann, von Gregor dem Grossen her, der in
seinen um 580 geschriebenen Moralia (Moralium libri sive expositio
in librum lob.) die Superbia als die Quelle aller Sünden bezeichnet
und hierauf fortfährt: Primae autem eins soboles, Septem nimirum
principalia vitia, de hac virülenta radice proferuntur^ scüicet 1) inanis
glaria 2) invidia 3) ira 4) tristitia 5) avarüia 6) ventris ingluvies
7) luxuria.^) Nachdem er diesen duces das exercitus der übrigen
Sünden hat folgen lassen, versucht er in freilich ziemlich gezwungener
Weise jede dieser Hauptsünden aus der vorangehenden herzuleiten,
ausserdem nennt er die fünf ersten spiritalia^ die beiden letzten
carnalia^ seine Reihenfolge ist also nicht willkürlich, sondern auf be-
stimmten Gnindsätzen benihend.
Der erste Theologe, welcher im Abendlande die Dogmatik in
ein System brachte, war der „magister sententiarum*' Petrus Lom-
bardus. Sein Werk Sententiarum libri IV. um 1160 verfasst, schliesst
sich der eben ei'wähnten Kodificierung der Todsünden unter ausdrück-
licher Berufung auf Gregor genau an, nur dass invidia und ira um-
gestellt sind. Die betr. Stelle lautet^): Praeterea sciendum est, Sep-
tem esse vitia capitalia vel principalia, ut Oregorius super Job aü,
scüicet 1) inanem gloriam 2) iram 3) ifwidiam 4) accidiam vel tristi-
tiam 5) avaritiam 6) gastrimargiam 7) luxuriam. —
Etwa hundert Jahre später verfasste der zweite grosse Syste-
matiker der Scholastik, der Doctor angelicus Thomas von Aquino
seinen Kommentar zu den Sentenzen des Lombarden und seine
Summa theologiae. In dem letzteren Werke stellt er die Sünden
den entsprechenden Tugenden gegenüber. Die Tugenden sind ihm
die Hauptsache, sie ordnet er zunächst und schliesst dann jedesmal
das entgegengesetzte Laster an. So geschieht es, dass zwar (von II,
2 quaestio 35 an) alle sieben Todsünden abgehandelt werden, ihre
Reihenfolge ist aber von derjenigen der Tugenden abhängig und wird
auch von anderen Sünden vielfach durchbrochen. So ist bei ihm die
*) Nach der älteren Zählung Hb. 31 cp. 31 ; bei Migne Patrologia Latina.
Paris 1849, steht die Stelle Bd. 76 p. 620 (lib. 31. cp. 45.)
•) Ausgabe Luven. 1552. Kx offirina Barthnlomei Oravii. Sententiarum
Hb. II. distinctio 42. IL
106
Reihenfolge ganz ungewölmlich : 1) Acedia quuestio 85. 2) Invidia
qu. 3(>. 3) Avaritia qu. 118. 4) Gula qu. 148. 5) Luxuria {{u. 153.
G) Ira qu. 158. 7) Superbia qu. 102. In der Ausfühiiing scliliesst
er sieh ausdrüeklieh an (iregor an.
Auf Thomas von Aquino beniht zum grossen Teile das um 1310
entstandene Speculum morale, welehes den dritten Teil des Specu-
lum universale des Vineenz von Beauvais bildet, obwohl es nicht von
ihm selbst herrührt.*) Die Todsünden werden hier, ganz wie bei
(iregor, aus der SujuMbia abgeleitet, welcher ein besonderes Kapitel
gewidmet ist, und dann folgen, wiederum genau Gregor, nicht ganz
Petrus Lombardus, gar nicht Thomas Acpinas in der Keihenfolge ent-
sprechend: Inanis gloria, invidia, ira, acidia, avaritia, gula, luxuria.
Um diese Zeit beginnt nun die superbia, welche früher als Quelle
aller Sünden eine Art Sonderstellung einnahm, mit der bisherigen
ersten Todsünde, der inanis gloria, unter dem Hauptnamen superbia
zu einer zu verschmelzen. Die ^Stolzen^, nicht mehr die „Prahler"
sind es, welche als Hauptsünder gelten. So geschieht es bei Dante
in der Göttlichen Kom(klie, welche im Anfange des 14. Jahrhunderts
entstanden ist und stofflich, soweit es sich nicht um die Zuthaten
des „Dichters" Dante handelt, nichts enthält, was man nicht auch
in der vorhin erwähnten grossartij^en Encykloi)ädie des Vineenz von
Beauvais fände.*) So kann es denn auch nicht überraschen, dass
sich im Purgatorium auf dessen sieben aufsteigenden Stufen, wieder
nach Gregors Reihenfolge, folgende Arten von Sündern befinden 1)
die Stolzen, 2) die Neidischen, 3) die Zornigen, 4) die Trägen, 5)
die Habsüchtigen (und die Verschwender, ihr (iegenbild), G) die
Schlemmer, 7) die Wollüstigen, und zwar befinden sich die Stolzen,
als die schlimmsten Sünder nach der bis zu di(»ser Zeit allgemeinen
kirchlich-dogmatischen Anschauung, auf der untersten Stufe, also
am weitesten vom Paradiese entfernt. Dass auch die Anordnung der
sich bis zum liUcifer vertiefenden Höllenkreise, welche die verschie-
denen Sünder enthalten, auf demselben Svstem beruht, hat v. Lilien-
cron a. a. 0. p. 44 f. nachgewiesen. Natürlich finden sich auch hier
die Vertreter der Todsünde des Stolzes, die Verräter, im tiefsten
Höllengrunde, Lucifer am nächsten.
Wenn nun v. Liliencnm (a. a. 0. p. 25) sagt, dass diese Keihen-
folge „im wesentlichen bis ins 15. Jahrhundert auch für die populäre
Moral die kanonische geblieben sei^, so ist das doch nur bedingt
richtig. Ein lateinisches Gedicht, welches den Namen Flores poetarum
de virtutibtis et vitiis fuhrt, ist im 15. Jahrh. gednickt, aber nach
') Vergl. hierüber die vortrcfHichc Festrede „über den Inhalt der allgemeinen
Bildung in der Zeit der Scholastik", welche Frhr. R. von Liliencron am 28. März
1876 in der Bayrischen Akademie der Wissenschaften gehalten hat. (München.
1876. 4.) — Ich habe zu obigen Angaben einen bei v. Liliencron nicht erwähnten
Druck des speculum morale s. 1. 1 485 benutzt, welcher sich auf der hiesigen Königl.
Universitäts-Bibliothek befindet.
*) cf. V. Liliencron a. a. 0. p. 30.
107
Zariu'ke (Zeitschrift f. deutsch. Altert. IX. 1853. p. 118) ,weit früher^,
also im 14. Jahrhundert verfasst. Hier findet sich folgende Disposi-
tion : Superbia. Bona fama. Jnvidia, Ira. Avaritia, Gtda, Luxuria.
De virtutibus. De dovo Sartcti l^iriius; also ist hier noch im wesent-
lichen Gregors Reihenfolge festgehalten, es fehlt nur hinter der Jra
die Acedia, Vielleicht sind al)er auch Verwirningen in der hand-
schriftlichen UeberlielVrung eingetreten, wodurcli die Trägheit aus-
gefallen ist, die ganz seltsame Zwischenstellung der bona fama lässt
wenigstens auf so etwas schliessen.
Der lateinisch schreibende, also gelelirte Dichter der Flores
poetanim hat sich also noch an Gregors System gehalten, bei den volks-
mässigen Dichtern fängt sich jedoch schon seit dem 14. Jahrhundei*t
die Reihenfolge zu ändern an. Peter Suchenwirt dichtete um 1378
ein Lied unter der Bezeichnung 'Daz sind di syben todsümV.*) Hier
heisst es:
Hochfahrt, unchcusch, neid und has,
Trachait, tninchenhait und vras,
Geitichait (Habsucht) und auch der t/oren.
Hier könnte man nun freilich annehmen, dass der Verszwang die
Reihenfolge beeinflusst habe, aber auch in den am Ende des 14. Jahr-
hunderts geschriebenen prosaischen Halbe rstädter Katechismus-
stücken*) heissen die VII totlike sunde folgendermassen : 1) hoch-
fart^ 2) gierheit, 3) unJcuschheit^ 4) zorn^ 5) nyt, 6) vressigkeit, 7) tragheyt
zu gotes dinste. Hier ist also Gregors Reihenfolge im ganzen, wie
auch im besonderen die Anordninig nach spirüalia und cartialia vüia
verlassen, und es tritt hier zum ersten Male eine neue Anordnung
auf, nach welcher die Acedia, die geistliche Trägheit, als der Gegen-
satz der Superbia, an das Ende der ganzen Reihe gestellt wird.*)
Aus dem Jahre 1411 kennen wir ein (iedicht von dem Tiroler
V int 1er, betitelt 'Blume der Tugend', nach einer italienischen Dich-
tung von 1320. Die Disposition des Vintlerschen Gedichtes ist äusserst
verworren*), soviel wird jedoch klar, dass der Verfasser, dem Titel
seines VJTerkes entsprechend, die Tugenden zur Giiindlage seiner Dar-
stellung machen wollte; den Tugenden stellt er dann die entsprechen-
den Laster gegenüber, also ganz so, wie es Thomas von Aquino in
seiner summa theologiae gemacht hatte. Natürlich kann auf diese
Weise von einer so zu sagen ^unabhängigen" Reihenfolge der Tod-
sünden nicht die Rede sein. Wenn jedoch unter den 17 Abschnitten
des W^erkes die ersten imd die letzten folgendennassen geordnet sind:
1. Liebe — Neid,
2. Freude — Traurigkeit*),
*) Gedicht 40 in der Ausgabe von Primisser. Wien 1827. p. 120 f.
•) Herausg. von G. Schmidt in der Zeitschr. f. deutsch. Philol. Bd. XII. p. 141.
') Also bereits am lOnde des 14. Jahrhunderts und nicht erst bei Beheim,
wie V. Liliencron a. a. (). j). 85 meinte.
*) Vergl. Zarncke, Zeitschr. f. deutsches Altertum IX. p. 68 ff., auch X. p. 255 ff.
•) Dies ist offenbar die von v. Ijiliencron a. a. 0. p. 40 in Vintlers Werk
vermisste Aridia, die ja ursprüngHch durch tristitia bezeichnet wurde.
108
3« Friede — Zorn,
4. Barmherzigkeit — „Gräülichkeit**,
5. „Milde* (Freigebigkeit) — GeisJ,
15. Demut — Hoffährtj
16. Massigkeit — „P'rassheit",
17. Keuschheit — „Unkeusche",
so erkennt man sofort Vintlers Bestrehen, die sieben Todsünden an
den Anfang und den Schluss der (resamtdisposition zu bringen.
Die alte Gregorianische Reihenfolge verlor nun immer mehr an
Geltung. Muskatl)lut dichtete imi 1425 em strophisches Lied über
die sieben Todsünden.^) Er war wegen der Strophenform seines Liedes
in der Anordnung der Todsünden ganz unbeschränkt, und doch finden
wir bei ihm wieder eine ganz neue Reihenfolge: 1) Hoffahrt^ 2) ün-
heuschheit^ 3) Trägheit, 4) Neid und Hass, 5) Zorn, G) Gefrässigkeü,
7) Habsucht und Wucher.
Wieder eine andre Reihenfolge zeigt eine Kopenhagener nd.
Handschrift des 14. — 15. Jahrhunderts^): 1) homot, 3) ghiricheyt, 3)
torn, 4) hate (Neid), 5) tracheyt, 6) vrassent (die unkuschheit ist trotz
der Ueberschrift die VII dotliken sunde nicht erwähnt.) Hier ist also
wenigstens die Einteilung Gregors in geistliche und fleischliche Sünden
beibehalten.
Um 1450 gritf nun Michel Beb ei m in seinem Liede über die
Todsünden*) auf die neue Anordnung (cf. die Halberstädter Katechis-
musstücke) zurück und setzte die Acedia ans Ende.
Freiiich drang diese Reihenfolge vorerst noch nicht überall durch,
>vie der ;,8eelentrost^ von 1473 beweist (Mscrpt. L 84a der Königl.
Bibliothek zu Hannover). Blatt 184: 1) hovart^ 2) giricheit, 3) vrass,
4) tracheit, 5) unkuschheit, 0) torue, 7) nyt und affghunst und Blatt
473: 1) hovart, 2) had, 3) iorn, 4) tracheit, 5) vrass^ <i) unJcuscheit^
7) giricheit. Man erkennt aber gerade daran, dass in einer und der-
selben Schrift zwei verschiedene Ordnungen enthalten sind, wie sehr
sich das Festhalten an der alten strengen schematischen Ordnung
gelockert hatte.
Auch noch in dem Mentz ersehen Drucke von 1490*) findet
sich Willkür in der Anordnung: 1) Hoffahrt, 2) Unkeuschheit, 3) 6rcier,
4) Zorn, 5) Neid, G) Trägheit, 7) Völlerei.
Die neue Reihenfolge zeigt sich aber wieder in Josefs Gedicht
von den sieben Todsünden, das ungefähr in Michel Beheims Zeit ent-
standen ist 1) superbia, 2) avaritia^ 3) luxuria, 4) invidia, 5) gida,
i\) ira, 7) accidia) imd 1494 ist sie dann so im Be^viisstsein der
*) Das 878tc in der Ausgabe von Groote. Köln 1852. p. 228 f.
^) Herausgegeben von .Tellinghaus in der Zcitsclir. f. deutsch. Philol. Bd.
XIII. p. 24 ff.
•) Vergl. V. Liliencron a. a. O. p. 35 u. 40.
*) Dyt sint de seven dot sunde de stryden rayt den seven dogeden. Ge-
drucket unde vulendet in der Stadt Magdeborch dorch Symon Mentzer am sona-
wende na Mauritii. Im iare 1490. Beschrieben in .T. B. Riederers Nachrichten
7MV Kirchen-, Gelehrton- und Bücher-Geschichte. Altdorf. 1768. IV. p. 280 ff.
— Der sehr seltene Dmck ist auf der Bibliothek in Wolfenbüttel T. 481 vorhanden.
109
Menschen befestigt, dass der Anthidotarius anime des Nicolaus
Salicetus*) für sie das Merkwort (dictio) ^Saligia" empfiehlt.
Auch die heutige katholische Kirchenlehre bedient sich noch
derselben Anordnung. Sie stellt für die „Hauptsünden ^ folgendes
Schema auf: 1) Hoffahrt (superbia), 2) Geiz (avaritia), 3) ünkeuschheit
(luxuria), 4) Neid (invidia), 5) Ünmässigkeit im Essen und Trinken
(gula), 6) Zorn (ira), 7) Trägheit (acedia).'^)
Wir finden also in der Reihenfolge der Todsünden eine Gregoria-
nische Periode von Anfang an bis zu den Halberstädter Bruchstücken
ca. 1400, eine Periode des Schwankens bis 1494, eine Saligia-Periode
bis heute.
Die Anordnung unsers Gedichtes weist also (cf. p. 104) auf die
Zeit zwischen 1400 und 1494. Die Ordnung der Todsünden ist eine
ganz singulare, sonst nirgends vorkommende. Die Gregorianische
Einteilung ist wenigstens in Bezug auf Zusammenstellung der geist-
lichen und fleischlichen Sünden gewahrt, sonst ist sie freilich g.anz
abweichend. Besonders auffallend und sonst nirgends vorkommend
ist es, dass die Fleischessünden an erster Stelle behandelt werden.
Die Anzahl der Todsünden unsers Sündenspiegels ist also
sieben, demnach zerfallt das ganze Werk also auch in sieben
Hauptteile und nicht in fünf, wie Lübben (S. 54 f.) in schwer ver-
ständlicher Weise annahm. Er nennt nur die fünf ersten Hauptsünden
unseres Werkes bis einschliesslich hoverde und meint, dass diese
letztere „bis zu Ende reiche^. Das ist jedoch nicht der Fall, sondern
es folgen auf hoverde noch ftyt lila — 113^ und gramshap 113b — fin.
Lübben hat sich off*enbar durch die von mir p. 98 näher beschriebenen
grossen Initialen täuschen lassen, wenn er sagt: ;, Der Anfang eines
jeden dieser (fünf) Abschnitte ist auch mit einer grossen Initiale ge-
ziert.'^ Nyt und Gramshap haben nämlich allerdings viel kleinere
Initialen, als die andern llinf Hauptsünden; dies ist jedoch entweder
nur Zufall, oder es sollte das W^erk schnell zu Ende geführt werden
und es mangelte an Zeit, die ganz grossen kunstvollen Arabesken-
Buchstaben auszuführen, oder „Missgunst^ und ;,Zorn^ sollten viel-
leicht als minder schwere Todsünden bezeichnet werden'); ^bis zum
') Gedruckt zu Strassburg 1494. — In meinem Besitz.
') Katholischer Katechismus mit einem Abriss der Religionsgeschichte fiir
die Volksschulen von J. Deharbe. S. J. Nr. 2. Mit Approbation aller Hoch-
wurdigsten H. H. Er/bischöfe und Bischöfe des Königi'eichs Bayern. Regensburg.
Pustet. 1862. Braunsberg, bei J. R. Huge. p. 104.
*) Es kommt nämlich hie und da vor, aass aus der Gesamtzahl der sieben
Todsunden zu besonderen Zwecken einzelne ausgesondert und zusammengestellt
werden, welche als die wichtigsten und schwersten erscheinen. Drei Tiere sind
es, welche Dante (Hölle I. 32 if.) vom Paradiese zurückhalten, ein Panther, ein
Löwe and eine Wölfin. Sie bedeuten hier die drei schlimmsten i^ünden luxuria,
superbia und avaritia, — In den Sammlungen der Altertumsgesellschaft Prussia
zu Königsberg, Pr., befindet sich eine kupferne Schale, wie solche von dem deut-
schen Ritterorden im 13. u. 14. Jahrb. preussischen Täuflingen bei dem Übertritt
zum Christentum als Geschenk gegeben wurden. Auf dem Boden der Schale finden
sich neben bildlichen Darstellungen die Worte: ira, lu^curia, idolatria, invidia.
lio
Ende'' des Werkes reicht die Beschreibung der ^Hoifahrt^ jeden-
falls nicht.
Zn Antxing jeder Hauptsünde wird nun das Wesen derselben
kurz erklärt, dann folgen gewöhnlich, und zwar in ziemlich genauem
Anschluss an Thomas von Aquino, (welcher freilich niemals ge-
nannt WMrd), und damit auch an Gregor, auf den sich der Verftisser
bisweilen ausdrücklich beruft, die ^Manieren oder Specien^ dieser
Sünde, d. h. die einzelnen, besonderen Sünden und Fehler, in welchen
sich die Hauptsünde im einzelnen zu zeigen pHegt, und endlich die
^Remedien^, d. h. die Hülfsmittel, durch welche man hoffen darf,
von der Hauptsünde befreit zu werden.
Die Argumentation wird geführt 1) durch das belehrende Wort
des ^Dichters* selbst, wenn man den Verfasser so nennen darf, 2)
durch Anführungen aus der heiligen Schrift (as wy lesen in scrifture
u. iihnl.), 3) durch Anfühi-ungen aus den Kirchenvätern (lerars), zu
denen jedoch auch de lerer Tullius, mester Seneca u. andere treten.
Diese Anführungen heissen ^reden". 4) durch Gleichnisse (figure), 5)
durch fromme Geschichten und Erzählungen (exempel).
Aus der heiligen Schrift wird der Prediger Salomo am aller-
meisten citiert, wenn ich recht gezählt habe, 119 mal, ferner sehr
häufig die Sprüchwörter Salomonis, Lukas, Matthäus, die 5 Bücher
Mosis, Jesaias, Hiob, Apostel Paulus, ziemlich häufig das Evangelium
Johannis, Jeremias, die Bücher der Könige, die Psalmen, je ein Mal
Habakuk, Maleachi, Josua, Joel, Sacharja, Esther. Gar nicht wird
z. B. citiert der Evangelist Markus ; dass dieses ein Zufall sein sollte,
halte ich gegenüber den 34 Citaten aus Lukas, 30 aus Matthäus, 14
aus Ev. Johannis für ausgeschlossen, den Gnind für diese Nichtberück-
sichtigung des Evangeliums Marci vermag ich jedoch nicht zu erkennen *).
Dass andrerseits der Prediger Salomo w^eitaus am meisten benutzt ist,
am Kande: dolus, odium, peccatum. Der Ordenskünstler betrachtete also die vier
erstgenannten Sünden heidnischen Neubekehrten gegenüber als die wichtigsten und
Hess superbia, avaritia, gultu acedia ganz weg. — Auf einem Bilde des Mautegna,
welches sich im Louvre zu Paris befindet und bezeichnet wird : der Sieg der Weis-
heit über das Laster, jagt Minerva, mit Speer, Schild und Helm bewahrt, die Laster
vor sich her. Die einen, ganz im Vordergrunde, werden in einen Sumpf getrieben,
die andern flüchten im Hintergrunde. Nach meiner Ansicht sind die im Vorder-
gründe befindlichen Laster folgende fünf: Die Trägheit, welche in den Armen
von zwei Weibern fortgetragen wird, der Neid mit einem Hundegesicht und scheelem
Blick, die Unkeuschheit, ein nacktes Weib auf dem Rücken eines Centauren stehend,
die Eitelkeit in Gestalt eines Affen, Habgier und Wucher aneinandergebunden,
erstere ein hageres Weib, letzterer eine gemästete Figur ohne Arme (die also nicht
arbeiten will und kann).
') Auch sonst ist mir die eigentümlich spärliche Benutzung des Markus-
Evangeliums aufgefallen. In dem Index zu der Summa theologiae des Thomas
von Aquino (Antwerpen 1575. Ex officina Christophori Plantini. fol.) nimmt
Matthäus 8 Spalten ein, Johannes 5, Lucas 3 und Marcus nur ^Z« Spalte. Ebenso
auifällig bei Petrus Lombardus Sententiarum libri IV. (Löven. 1552. Ex officina
Bartholomei Gravii.) Aus Matth. werden in diesem Werke 77 Stellen citiert,
Johannes 82, Lucas 28, aus Marcus nur 9. — Dass das Markus -Evangelium das
kürzeste ist, kann diese auffällige Thatsachc doch kaum genügend erklären. —
111
darf bei der lehrhaften Form des ganzen Werkes nicht Wunder nehmen.
Uebrigens sind diese Anfühiningen, wie die aus den Kirchenvätern
und weltlichen Schriftstellern natürlich nicht wörtliche Uebersetzungen,
was ja bei der Versform des Werkes auch nicht möglich gewesen
wäre, sondern es ist nur im allgemeinen der Inhalt der betreffenden
Stelle angegeben. So genaue Wiedergabe, dass man die Originalstelle
sofort erkennt, findet sich sehr selten. So werden z. B. an der Stelle,
w(> gesagt wird, dass Spieler sich gegen alle zehn Gebote versündigen,
die ersten drei Gebote so wiedergegeben:
1. Kies vor my gkeneu vremden god.
2. Nome niet den name gods in ydelhede.
3. Du suis vieren den hilghen dach.
liei den weiteren Geboten verschwindet bereits der Wortlaut. 130»
heisst das achte Gebot: Du ne suis gheen valsch orconAe syn Theghm
dynen evenkerstyn.
Von den Kirchenvätern werden am allermeisten Bernhard,
Augustinus, Gregorius und Hieronymus citiert. Diese erhalten auch
den Ehrentitel min here, während die übrigen sich mit der Bezeich-
nung de lerery een lerer begnügen müssen. Von Gregors Aeusserungeii,
welche der Verfasser benutzt, heisst es bisweilen, sie fänden sich in
emen dialoge oder hynnen jsynre dyaloghen. Gemeint ist Gregors Werk
Dialogorum de vita et miraculis Patrum Italicorum libri IV. — 01h
wird Bernhards hoeck vander godcs minve erwähnt. Vielleicht sind
darunter die berühmten Sermones über das Hohe Lied verstanden.
— 25a findet sich die Quellenangabe St. Auguslyn scryfft in ecne
coUecie. — Hie und da werden noch erwähnt de lerer Ysidorus^ een
lerer Cyprianus, Sunte Denys (St. Dionysius), Sunte Johan Grisostomus
(St. Johannes Chrysostomus), einmal 92l> de miure sunte Augustyn,
Sehr häufig findet man die Einfühningsworte : in vitas (sie) patrUm
lesen u:y^ einmal: int leven der vaders. Gemeint ist des Rufinus
Historia Monachorum sive über de vitis patnim, eine Biographie von
ägyptischen Mönchen der nitrischen Wüste. — Offenbar sind auch
die Acta Sanctonim stark benutzt. — Auffällig ist es mir, dass der
Kirchenvater Ambrosius nur äusserst selten erwähnt wird, in dem
ganzen Werke nur vier Mal. — Unbekannt ist mir die Persönlichkeit,
welche 8a mit den Worten bezeichnet wird : een lerer ^ het Symarus,
Von weltlichen Schriftstellern wird am allermeisten Seneca
angeführt, welcher nach der kirchlichen Sage des Mittelalters mit
dem Apostel Paulus im Briefwechsel gestanden haben soll. Er wird
bezeichnet als de wisc Seneca, Mester Seneca. Ziemlich oft wird femer
Mester Ikdius^ Tullius, de lerer TuUtis angeführt. Zwei Mal 89» und
101a kommt JBoecius vor, der Verfasser der Schrift de consolatione
philosophiae und der berühmten Uebersetzung mit Kommentar zu des
Aristoteles Organon, welche die erste und für lange Zeit die einzige
Grundlage der mittelalterlichen Scholastik wui'de. — Wenn es 114b
heisst de phüosaphus secht dl dare und 80a de philosophe seeht^ so ist
dabei Aristoteles selbst gemeint, welcher für die Scholastik ^der
Philosoph'' xaT I^oj^tiv war, auch z. B. bei Thomas von Aqöino fast
immer nur philosophus genannt wird. — Auf Dichter wird öfters Be-
zug genommen. 112» heisst es:
Oracius doet uns bekeat,
Van gfaenen Tiran so ue is torment,
Merre dan vanden nydighen vonden.
(Horatius epist. I, 2, 58: Invidia Sicuh non invenere tyranni Maius
tormentum). Gleichfalls auf Horaz geht die Stelle auf Bl. 75a zurück,
wenn die Quelle auch nicht ausdrücklich genannt ist:
Men secht in een auctoriteit,
Den nyeii vate blivet langhe
Smack van zynen ersten untfanghe.
(Horatius epist. I. 2, 69 : Quo semel est imbuta recens servabit odorem
Testa diu.) Auch 114b
Hyr up secht een poete vroet,
Gramschap (Zorn) den moet so verblent,
Dat he dat rechte siet noch kent,
ist sicherlich eine Umschreibung des Horazischen Ira furor brevis est.
(Epist. I. 2, 62). — Auf Ovidius wird einige Male Bezug genommen,
u. a. 10a mit Anführung der remedia amoris desselben: Ovidius inder
renxedien der minne. —
Oefters heisst es: in Historien lesen wy, einmal 31» wird ^Alex-
anders Historie^ als Quelle angegeben. Eine aus derselben entnommene
(leschichte wird mitgeteilt werden. —
112^ heisst es: in mester Hughen boeck tvy lesen. Wer dieser
„Meister Hugo^ gewesen, ist zweifelhaft. Jedenfalls war es kein Geist-
licher, wie der Zusatz mester beweist, welchen, dem Sprachgebrauch
des Mittelalters entsprechend, auch im Sündenspiegel nur Nichtgeist-
liche, nämlich Tullius und Seneca, haben. Man könnte an den Laien
„Magister^ Hugo von Trimberg denken, welcher um 1300 den ;,Renner^
dichtete. Dass der Renner oberdeutsch geschrieben ist, brauchte kein
Hindernis zu sein. Auch ein ^simpler clerck*^ konnte wohl imstande
sein, hochdeutsche Schriften zu lesen und bei der ausserordentlichen
Verbreitung und Beliebtheit des Renners ist es sogar kaum anzu-
nehmen, dass ein litterarisch thätiger Geistlicher ihn nicht gekannt
haben sollte. Ausserdem stimmt Inhalt und Tendenz des Renners
mit dem Sündenspiegel im ganzen überein.^)
103a wird 'der naturen boec' erwähnt. Es wird hier ein Exempel
erzählt, dat Jcranen (Kraniche) vader und moder eeren. Sie holen
nämlich, wenn diese im Alter nach Verlust der Federn nicht mehr
aus dem Neste fliegen können, für sie das Futter. Man könnte nun
bei der naturen boec an das um 1350 geschriebene und sehr ver-
breitete ;,Buch der Natur^ des Konrad von Megenberg denken. In
*) Es ist mir leider nicht möglich gewesen, festzustellen, ob die Stelle aus
mester Hughen boeck wirklich aus dem Renner entnommen ist, da die beiden Aus-
gaben des Renners (Frankfurt a/M 1549 und Ausgabe des Bamberger histor. Vereins
1833 — 34) in Königsberg nicht vorhanden sind.
113
(lieser Schrift wird jedoch von dem Krauich nichts derartige» berichtet^
wohl aber etwas Aehnliches von den Störchen: Von dem Storchen.
— so habetit auch diu störchel wider groz trew zuo den fnüetern, wan
als groz zeit die müder verzerent oh den kinden^ als groz zeit verzerent
diu kint oh den müdem und speiscnt si auch. (Pfeifter p. 175.) Der
Verfasser des Sündenspiegels hat also Konrad von Megenberg jeden-
falls, wenn er dessen ^Kuch der Natur^ gemeint hat, nicht genau
citieii; vielleicht hat er sich aber auch an dessen Vorgänger und
Muster Thomas von Cantimpre (Cantinipratensis). cf. Pfeiffers Ein-
leitung) angeschlossen, dessen liber de natura renim in vielen Hand-
schriften verbreitet war.
(lanz zweifelhaft ist mir das 54l> angeführte boek van den stommen
dieren. Es wird hier mahnend darauf hingewiesen, dass sogar stamme
Jteesten Barmherzigkeit üben. Das hier erwähnte Buch wird also irgend
ein „Physiologus** gewesen sein. In den ims erhaltenen deutschen
Physiologi findet sich kein Hinweis auf die ^Barmherzigkeit* der
Tiere. Der Verfasser des Sündenspiegels könnte aber irgend ein
scholastisches Buch ähnliches Inhalts benutzt hal)en, wie denn z. B.
(iraff (Diutisca. III. p. 22) als die Quelle des jüngeren prosaischen
Physiologus eine lateinische Schrift unter dem Titel: Incipiunt dicta
Johannis Crisostomi de naturis bestianim nachgewiesen hat.
Darstellung und Stil im Sündenspiegel sind ziemlich lang-
weilig und trocken, auch die eingestreuten Erzählungen zeigen kaum
grössere Lebendigkeit, als die anderen Partieen.
Der Sündenspiegel unterscheidet sich dadurch nicht zu seinem
Vorteil von Josefs Gedicht, in welchem die eingestreuten Erzählungen
mit volksmässiger Frische vorgetragen sind. Nur zuweilen wird der
Verlasser des Sündenspiegels eifrig und lebendig, z. B. auf Blatt 14 a
in einer grossen Philippika gegen den Tanz, an anderen Stellen in
leidenschaftlichen Angriffen gegen das „Dobbeln", (Würfelspiel). Von
kulturhistorischem Interesse sind nicht wenige Stellen des Gedichts.
Litterarhistorisch interessant sind die Erzählung aus der Alexander-
historie (S. 119) und die aufs merkwürdigste mit Schiller's Gang nach
dem Eisenhammer übereinstimmende längere Erzählung, welche Lübben
Jahrbuch 1878 p. 57 ff. bereits veröffentlicht hat, auch wohl die
eben besprochenen Quellenangaben. Mit der Verskunst des Ver-
fassers ist es nicht zum besten bestellt. Ereilich war der moralisirende
Inhalt ein sehr spröder und in tiiessenden Versen gewiss nicht leicht
zu behandelnder Stoff, aber der Verfasser fühlt es auch selbst, dass
es ihm an der Kunst der Versbildung gebricht. Mit Ernst und Nach-
druck weist er jedoch darauf hin, dass man nicht die Form seiner
Verse kritisiren und tadeln, sondern den Sinn und Inhalt derselben
wohl beherzigen möge.
138b. Alwolde ymaud de rime dornen,
Dat 86 erghent valt to hart.
Den ghcnnen, den se te pinen wart,
Hi«d«fd«aUeh«i Jfthrba«]i. XVII. 8
und ibid.
114
bidt em, dat he se wille bekeräil
Und dat he merke den zin der leren,
Of de mach werdich wesen, dat si
Süchte rime untschulde daer bi.
Menyghe schone auctoriteit
Is bynnen dessen boeke gheseit,
Wes woord daer rinne verändert zyn.
Dichtende duetsch, walsch of latyn
Bi node men versetten moct
De woorde, sal de rym werden goet.
Is de sentencie ciaer beholden,
Elk wise sal den rym untscholden.
Ueberhaupt wirkt der sittliche Ernst, die aufrichtig fromme Gesinnung,
die unerschrockene Freimütigkeit nach oben, wie nach unten, welche
der Verfasser zeigt, sehr wohlthuend. Er scheut sich auch nicht, es
auszusprechen, dass sogar Bischöfe in die Hölle kommen können,
(cf. p. 128.) Von faulen Mönchen, welche die Frömmigkeit nur als Deck-
mantel für ihre Trägheit benutzen wollten, war er kein Freund, er
liest solchen trägen Gesellen tüchtig den Text und lässt einen ver-
ständigen braven Abt zu einem jongelinc, der immer nur beten, aber
nicht ^werken "^ wollte, mit Recht sagen: Wer nicht arbeiten will,
soll auch nicht essen, (cf. p. 125.) Solche Leute, die sich bei ihrem
Eintritt in ein Kloster nur die reichen aussuchen, um daselbst dem
Wohlleben fröhnen zu können, vergleicht er mit Schweinen, die auf
Mästung gesetzt werden und nennt sie unverblümt ^Teufelsbraten'*,
(cf. p. 121.) Es geht ein volkstümlicher, man möchte sagen, „demo-
kratischer" Zug durch manche Stellen des Gedichts. Gewaltthat,
meint der Verfasser, ist zwar allen Menschen verboten, am meisten
aber den Edeln (Adligen) und den Grossen, (cf. p. 120.) In die
Klöster drängt sich zumeist die „Wohlgeborenheit" ; von vier Mönchen
sind inuner drei von groten maghcn abstammend, (cf. p. 121.) 90 a
heisst es: Niemand ist edel um seiner Geburt willen, dessen Thaten
unedel sind; alle Menschen stammen von einem Vater und einer
Mutter, u. s. w. Ein grosser Dichter war der Vei-tasser des Sünden-
spiegels gewiss nicht, aber ein tüchtiger, echt christlich gesinnter
Mann, welcher ohne Nennung seines Namens, ohne auf Anerkennung
bei den Menschen zu rechnen, in Treue und Bescheidenheit das mühe-
volle Werk, das er auch selbst geschrieben (vergl. unten), vollendete,
Gott zu Ehren, seinen Mitmenschen zur sittlichen Besserung. So
lautet denn der Schluss des Werkes:
139a. God heere, up wen ick troost hcghan,
Te dichtene dit grote werck,
Dancke dy, als een simpel clerck,
Dattu woldes ghewerden mien
Te makene Instrument, hy wien
Dyne gracie hevet vuldaen,
Dat de lesers so moeten verstaen
So de sentencie, biddick, heere,
Dat se ju dienen moeten de mere,
115
Und ick diet by der hulpe dyuö
Hebbe ghetrect uut den latine.
Bidde, dat dichten und scriven
My to ghenaden moete bliven,
So dat ick na dit corte leven
Met ju, here, moet zyn verheven,
Uut wen ick begbinsel nam,
Secundum magnam misericordiam tuam.
Dass (lie Dichtung nicht ein deutsches Originalwerk ist, sagt der
Verfasser selbst mit den eben angeführten Worten, er habe diet
ffheirect uut den latine^ also „aus dem Lateinischen gezogen." So
nimmt denn auch Lübben „Ursprung des Werkes aus dem Latei-
nischen*' an. Wenn er jedoch als Grund für diese Behauptung die
vorhin hier p. 114 angeführten Verse heranzieht: Dichtende duetsch^
walsch^ of latyn u. s. w., so ist dies offenbar unzulässig, denn jene
Verse besagen nichts anderes, als dass ein jeder, mag er deutsch,
wälsch oder lateinisch dichten, wenn er eine „Autorität" d. h.
einen beherzigenswerten Ausspruch irgend eines guten Autors an-
lühren will, diesen nicht wörtlich und genau übertragen darf, sondern
ihn so umändern muss, dass er sich in den Reim fügt. Es bleibt also
zur Bezeichnung der Quelle, aus welcher das Gedicht entsprungen ist,
nur das eine Wort des Verfassers übrig ^^hetrect uut den latine^\ Ueber
die Art und Weise des „Ursprungs aus dem Lateinischen" hat sich
Lübben nicht näher geäussert. Wenn er jedoch (Jahrbuch 1878 p. 50)
die auffällig grosse Anzahl der Fremdwörter des Sündenspiegels eben
diesem Urspninge aus dem Lateinischen zuschreibt, so scheint er
doch einen sehr engen Anschluss unseres (Jedichts an das Lateinische
angenommen zu haben. Daran ist meiner Meinung nach jedoch nicht zu
denken. W^enn auch im Mittelalter viel über die peccata mortalia
geredet und geschrieben worden ist, so war das doch alles Prosa,
von einem lateinischen Gedichte über die Todsünden wissen wir nicht
das mindeste. Andrerseits sind die Verse des Sündenspiegels zwar
trocken und nüchtern, machen aber einen durchaus originalen Eindruck.
Der simpel clerck müsste ein Meister allerersten Ranges in der Ueber-
setzungskunst gewesen sein, wenn er viele Tausende von lateinischen
Versen in einer Weise übersetzt haben sollte, dass man auch
nicht eine Spur von Latinismen in ihnen entdecken kann. Somit darf
man nur annehmen, dass er den Stoff und vielleicht die Einteilung
einer oder mehreren lateinischen Vorlagen, welche ihm über dieses
Thema die Scholastik mehrfach bot, entnommen hat, wie dies z. B.
durch Beziehung auf St. Gregorius (Gregor d. Gr.) bei der V^öllerei
ausdrücklich erwähnt wird, die Form des Gedichtes ist ganz sein
eignes W^erk.
Ich habe die Orthographie des Gedichts genau beibehalten,
nur das u ist, wo es nötig war, der besseren Lesbarkeit halber,
durch V wiedergegeben. Aus demselben Grunde habe ich die Inter-
punktion hinzugefiigt« — Eine Schwierigkeit entstand durch den
Strich über den Endkonsonanten bei Infinitiven. Dieses Zeichen
8*
dient sonst nur zur Verdoppelung^ von Konsonanten, z, B. de
stöme fnonick, der stumme Mönch. Lühben hat dieses Zeichen in
seiner Erzählung aus dem Sündenspiogel im Auslaut des Infinitivs
durcli e aufgelöst, er sehreibt also nicht dichtenn, dlcnenn, makenn,
wetenn^ wie man nach dem sonstigen Schreibgebrauch der Handschrift
eigentlich müsste, sondern dichteut^ dieuene^ nmkene, wetene. Diesem
Vorgange unsres Altmeisters bin ich gefolgt, zumal da an einigen
Stellen Infinitivformen auf e (loetcne^ dichtenc^ merkcne) ausgeschrieben
wirklich vorkommen.
In den beiden ersten Hauptteilen habe ich die Disposition nach
dem Inhalt ohne Rücksicht auf die roten Ueberschrift<)n der einzelnen
Abschnitte (cf. p. 98) angegeben, von der dritten Hauptsünde, der
vracheü, an sind die roten Absclmittsüberschriften vcdlstiindig auf-
geführt, damit man auch von der Art der Verwendung dieser Indices
ein Bild gewinne.
Spie^hel der zonden.
1) Gulsichede, gnlsirhcit, gulshcit, {VöllneO^ Tnit.— 3b. — 2) liiixiirie (Un-
keuschheit) 4a -181). — 3) YrsLcheh (Habgier) 18b— G4b. — 4) Trsiecheii (Trägheit)
64b- 85b. — 5) Hoverde (Hoffahrt, Sioh) Snb- lila. — 6) Nyt (Neid, Ahgumi)
lila— 113b. — 7) Gramshap (Zorn) 113b. — Kin.
I. UiilHidiAit. Init.~3b.
5 Specien oder Manieren derselben „beschrieben von St. Gregorius". (cf. p.
115.) 1. Man mag nicht regelmässig geordnete Mahlzeiten leiden. — 2. Leckerei. —
3. Gefrässigkeit. — 4. Wählerisches Aussuchen und „Bereden'' der Speisen, —
5. Gieriges Verschlingen ,yZa heisser^' Speisen.
4 Folgen. 2a. als ,/Jesinde** oder ,f Diener** der Völlerei bezeichnet. —
1. Hoffährtigkeit. — 2. Begehreti von mannigfacher Speise. — 3. Begehren von
Lieblingsspeisen. — 4. Zu viel essen.
8 Ileinedien. 2b. 1 . Gerne Gottes Wort hören. — 2. Van rcdelike dinghcn
belemertbede. (Beschäftigung mit redlichen Dingen.) — 3. Dat cm de menscbe
also vere doe, als be ver eyscbt van clkcr stedo, dacrnicn aeffent de gnlsichede.
— 4. Dass wir ernstlich an die Nähe des Todes denken. — 5. Dat wy solden hi
allen stoiidcn um dat cwigbe wcrscbap (Abendmahl) denken und woe wy alle zyn
genoet daer toe. — 0. Te merkene, dat de exces van gulsbeit inbrenct swerbeit
groet. — 7. An C'hristi Armut gedenken. — 8. De zoete gracie uns heran.
II. Luxurif. 4a— 18b. (6 „Partieen«.)
1. Partie. 4a.
Belehrung über die bösen Dinge der Luxurie, damit wir uns bessern und
die Luxurie hassen lernen. — 1. Angst und Beschwerde. — 2. Lcetschap. —
3. Jt^ine Menge Spötterei^ die wir über uns ergehen Itissen müssen. — 4. Dat
vierde quAet mach di beduden cen stanr in man Tan brande. — 5. Verlust des
guten Nametis.
117
2. Partie. 7b.
Die 5 Manieren oder Specien der Luxurie, „welche Töchter heissen". Als
,,Töchter*^ werden die einzelnen Arten einer Hauptsünde nur hier bezeichnet, in
Jose/s Gedicht und sonst jedoch fast stehend.
I>e eerste wy syinplex keefsdom scriven;
De ander, to untsuverne*) eene magct;
De derde — — —
Is bordom; de vierde is, als een man
Met wiven misdoet, de em gaet an:*)
De vyfte, unkuusche niisdaet,
De tegben der naturen gaet;
Eene seste') manire mach zyn voert,
Die ter unkuuscheit behoert,
Die giricheit vake doet to driven,
Dat« dat untvoren van wiven.
H. Partie. 9b.
8 Veranlassungen (occusoen) zur Luxurie. — 1. Ledicheit (Müssiggang).
— 2. Uehermass cot» Speiseöl. — 3. Der older wiven belcet, de lüde to sammen
driven. Diese alten Weiber werden auch makeliggen (Kuplerinnen) genannt, —
4. Böses Beispiel. — 5. Schone wyfs anschyn. — 6. Viel mit Weibern sprechen. —
7. Dat sevenste is rotten off ledekinnc, te hoerne de ghewagen der mynne, want
sie den brant roren vast. — 8. Als mcn tast menschen unbetemelike. (Unzüchtiges
Betasten). — Hier findet sich die vorhin erwähnte leidenschaftliche Philippika gegen
den Tanz, der also nach der Meinung des Verfassers nur zur Unzucht verfährt.
£lk danss off traets mach beten wel Processie vanden duvel.
4. Partie. 15b.
Remedien gegen die Unkeuschheit. — In der allgemeinen Uebersicht der
6 Partieen gleich zu Anfang der Luxurie werden ^ Betnedien angekündigt, that-
sächlich folgen jedoch nur fünf — 1. Devote bedinghe (demütiges Gebet) zu unsrer
lieben Frau, wie z. B. in Paris, oder zu St. Antonius oder zu St. Christoph. —
2. Ersame belemerthede (ehrbare Beschäftigung). — 3. Dat men heeft an die
liilghe scrifture minne (dass fnan stets an die heilige Schrift denkt). — 4. Almosen
geben ( — ein seltsames Mittel gegen die Unkeuschheit! — ) — 5. Voormaken um
die doot.
5. Partie. 10a.
Weshalb GoU simplex keefsdoom verboten hat. —
1. Keefsdom ist na der lerers scriven
Die undanclicheit van wiven,
Want luttel gemene wyfs wy sien,
Dat sie kinder to dragbene plien.
Daer wert der rechter naturen wet
Mids den keefsdome achter geset.
') Entsäubeni, unrein machen, schänden.
*) Die mit ihm verwandt sind.
*) Obgleich in der Disposition nur fünf angegeben waren.
HS
2. Die Tele archede, die geschien
Vanden wiven ten kindren wert,
Als hem die man is alte greignaert.
3. Mancher Kampf und mancher Streit würde vermieden werden, wenn sich
jeder Mann nur zu einer Frau hielte, Gott hat ja auch zuerst nur einen Mann
und ein Weib gemacht. — 4. Gott hat keefsdom durch 3 ,,Reden^* verboten, a) 7>ie
Menschen sollen nur einen Herrn und einen Gatt haben, — b) Zu ihun, was uns
Gof,t heisst, zu lassen, was ihm leid ist, dar in staet Verdienste groet. — c) Gott
will am meisten geminnet sein.
6. Partie. 16b.
Von denjenigen, welche sagen, dass sie sich der Ltueurie nicht enthalten
können. — 1. Gott legt uns nicht mehr aufy als wir tragen können. — 2. Der
Mensch besitzt freien Willen, den kein Tier hat. Wenn er also sündigt, dann ist
seine Sünde schalcheit boven elke beeste. — 3. Der Mensch sollte sich schämen,
sich von der Sünde, sowie ein Pferd von een vreydel clene (von einem kleinen
Knaben) zwingen zu lassen. — 4. Die unkeuschen Menschen, die sich mit der Un^
möglichkeit, ihre Sünde zu lassen, entschuldigen, handeln so, wie einer, der sein
Haus brennen sieht und noch mehr Feuer dazu thut. — 5. In leiblichen Krank-
heiten nehmen diese Menschen Medizin, aber von geistlichen Medizinen wollen sie
nichts wissen. — 6. Sie sind ebensowenig zu entschuldigen, wie Leute, die ein
ihnen anvertrautes Schloss an den Feind ausliefern und keine Hülfe (also Gebet
und dergl.) nachsuchen. — 7. Sie verdienen ebensowenig Entschuldigung, wie ein
Mann, der aus Lässigkeit nicht das Loch in einem Fasse zustopft, durch das ihm
der Wein ausfliesst. — 8. Manche sagen, das Weib zwinge sie eurLuxttrie; es ist
aber der Teufel, dei* sie mit ihrem eignen WtVen zwingt. — 9. Sie sollten wenigstens
versuchen, sich eine kurze Weile der Sünde zu enthalten, um sich so allmählich
an Besserung zu gewöhnen.
111. Vracheit. 18b-64b. (5 „Partieen«.)
1. Dinghen, de vracheit doen schuwen und ere temptacic doen verdiiwen. —
2. Die temptacie, die der vracheit ane cleven. — 3. Dinghen, die vracheit quekcn
und voeden. — 4. 6 Remedien der vracheit. (Es werden jedoch nachher S genannt/)
— 5. Van der gulscheden, de der vracheit schyn contrare.
1. Partie. 19a.
Vracheit is te verhatene umme vele dinghen. Vracheit is te verbaten unune
de maledixie, de god daer up senden sal. (Es folgen die maledixicn aus Jesaias,
Habakuk, Lukas, Jakobus u. a.) Vracheit sal he verbaten, die merken wille de
grootheit van desser sonde. (Es folgen dafür „Urkunden" aus dem Prediger
Salomo, Hosea u. a.
20a. £ene derdc orconde viudeu wy mede,
De toghct der vraken grote quaethede,
Dats, dat he niet de eeusheit lieft,
Die an zynen schepper cleft
Und in all ander creaturen.
Die schepper wolde der naturen,
Dat alle dinghe gemenc waren.
Also die sonne gheeft er verclaren
119
Int gemene und tvuer*) syn bitte,
Die blomekeu roseu al sonder smitte,
Die bome ock gbeveu er fraut,
Die crude eren roeke ere untuut
Gemene, — — —
Des willen niet de vracken plien.)
Vracke zyu qiiaet in gode, in hemselven, in zynen evenkersten und in de
neder creaturen. — Vracheit is als eene afgoderie, die scrifture toghedet. —
Vracbeit is eene sware geestlike quäle. — Vracheit is eene sware quäle umme
ere geduricheit. — Vracbeit, dats eene unversadelike quäle, dats getogbet. —
Vracbeit bold den menseben in sware scbalkemyen. — Vracbeit beft dri bedecte
strecken (drei verborgene Stricke), menseben mede te vane. — Vracbeit is to
iintsiene {von Vr. ist absu sehen) umme de vele strecken, die see beft. — Vracbeit
is zeer batelic gode, dats getogbet ciaer. — Vracken doen goede grote dorpernye.
— Vracbeit doet grote deere und unrecbt den evenkerstyn. — Vracbeit quest
und deert eren dragbere. — Vracke zyn gbeck in vele saken, dats gbetogbet
claer. — Vier dingben mogbeu unse beeten und niet meer:
— Dat een is in erdscbe goet,
Dats waldaet, de die meuscbe doet;
De andre is de tyd, de wy leven;
Dat derde, dat wy den armen gbeven;
Tvierde, dat is bemelrike. —
Exempel, dat erdscbe besittinghe uns vremde is. — Exempel, dat almoessene
unse is, di wy doer gode gbeven. — Ecrdesscbe besittingbe en is unse niet. —
Exemple togben, uns niet te troestene up erdscbe besittingbe. — Exempel — ? —
(abgeschnitten, cf, p, 97) — Erdscbe besittingbe scbynt gbeven vyflF maniren van
vrucbten.
In duetscbe gbcmeeulic men secbt,
Dat be de rycste is, de levet,
Wien gbenoegbet, dat be bevet. —
Hemelrike macbmen copen met erdscber rycbeide. Kycbeit goet te niete
bi vier dinglieu. — Restoor laten (Arrest legen) up erfinamen is sonde. — Vracke
zyn zere sod unversien in vele saken. — Weelde is als een droom, die scbynt
und niet en is. — Rycbeit der werld doet eren mynre vele quaets. — Erdscbe
rycbeit maect den menscbe cranc in dri dingben.
31a. — Hyr aif memorie
Vindmen in Alexaudersbistorie'j
Do be Darise badde verwonnen
Teenen tyd, und daer was gewonnen
') tvuer ,das Feuer*. So wird sebr oft nach niederländiscber Weise der
neutrale Artikel zum folgenden Worte gezogen, z. B. tserpent, tvierde, tfolc u. a.
*) Diese Alexandergescbicbte babe icb in keiner der von Weismann (Alexander-
Qedicht des 12. Jabrb. vom Pfaffen Lamprecbt. Frankfurt a/M. 1850. 2. Band)
gesammelten Quellen gefunden. Aucb im Alexanderliede selbst findet sie sieb nicbt.
120
So groten roofT, dats gemeenlike
Alexanders schare, di so wert rike,
Daer zyn luden in bequameu
Und eenen nyeu wech an namen.
(2 Verse abgeschnitten.)
Und maecte Alexanders volc onder.
Des badde de hoghe man groot wonder.
Daer gebood die conync rike,
Den rooff te verbernene gemeenlike
Sonder leiten, und he sede,
Eer tfolc gekreech dese rychede,
Met vechtene niement en konde geschadeu.
Mer als sie met ghelde zyn geladen,
Sie syn cranck und swaer becomen.
Daer na so was hem tgoet genomen,
Daden die viandeu eener keer,
Do vochten sie also vaste alse eer. —
Vrackeus lachten der helle, der doot, der zee, den hond, den moll. — Exemple
vandcr oolder wet (aus dem aUen Gesetz, Testament) leren uns verbaten vrachede.
2. Partie. 32b.
Vracheit helft neghen specien in ere, die some lerars dochteren uomen. *j
32b. Woker, roof und tassement, (Gewalithat).
Boesheit vander band werclieden,
Tvyfste is to untfanghene mieden,
De seste specie het simonie,
Die sevenste —
Unwerdelic sacrament untfaen,
De achtste is, vrac te zyne van
Consten, die enych mensche can,
De IXste is, speien um ghelt.
1. Woker.
Woker is te verhatene umme (abgeschnitten), — Woker salmen baten umme
de quaetheit, de daer is. — Woker salmen vlien um ander quaet, datter uut
comt. — Woker salmen schuwen umme vele saken, de daer in luuschen (lauschen,
lauern). — Woker sal elc vlien um de plage, de dar god to scnt. — Woker
bedecken de lüde manichsyns ümme der werlt schaemte.
2. Roof.
Roof salmen schuwen um de sware plaghe, de god up rovers werpen sal. —
Rovers moghen wal verveert zyn van gode umme de mynne, de he heft up de
armen. — Roof is te verhatene umme de sware maledixie — Rovers liden vake
sware und schofierliken doot.
3. Tassement.
Tassement is verboden allen luden, und mest den edelen. — Tasserers
untfanghen drivolt schaden uut eren tassemente. — Tasseren is zeer schofierlick
den edelen und den groten.
*) Die Bezeichnung „Töchter" ist nicht nur bei „some lerars" zu finden, sie
ist vielmehr die gewöhnliche, vgl. p. 117.
121
4. Boesheit vander hand werclieden.
Dachwerkers misdoen vake, verstaet wo. — Taswerc {tvohl rcfsckrüben
für dachwerc) nemers misdoen vake zwarlike, verstaet wo. — Merseners oufeiien
{üben?) achte senden in ere neringhe. — Diefte regnert vake in copenschepe.
5. Mieden nntfanghene.
Untfanghen gifte is grote vrese. — Ghiifte maect ere untfanghers stom
und blint. — Untfanghers van ghiften syn begripelic in dre saken.
6. Simonie.
Symouie doet vake sneven de leeken, dats getoghet.
39 b. — um welk de leeken misdoen in die
Und willent up de geleerde al stecken,
Sal ic daer aif een deel hyr sprecken^
Van dats den leeken mach behoren,
Bi den, alse ic seghede te voren
Binnen der prologhen van desen,
Ick en wil gheen begriper wesen,
Van hem luden, de tlatyn verstaen,
Doen tghenne, dat hem dnnct walgedaen.
Her um dat de leeken plien,
Te snevene dickent in symonien
Und willent den geleerden tyen,
So ne wil ic der niet aif swigheu.
Ic sal van simonye scriven,
Na dat se de leeken bedriven. —
Symonie doen de leeken in vier maniren.
a. De eerste copinghe is um ghelt.
39b. (Niemand verlangt nach Abteien),
Daer maghere moncke in syn gesieu.
De syn kint nu begheven sal,
He so moet to voren weten all,
Wat syne provende staet te zyne,
Beyde van spisen und van wyne.
Dunct en de provende groot genoech,
So is dat cloester wal syn ghenoech.
Also de vleyschouwer up set
Een swyn, um te makene vet,
Daer na men siedet und braet,
Aldus dat kynt te vettene staet
Tes duvels behoef, dat sonder genadeu
In dat heische vuer sal braden.
In dat beduet tkint schone und vet.
Den vader behaghet, so lanc, so beth,
Und dan, so dunct em wal bestet (?)
Tgoet^ dat he an hem hefft gelegt,
Den duvel erst ock een groot troost.
So Vetter vleysch, so vetter roost.
b. Smekers verkrighen dickent beneficien met ere smekerdien. —
c. Kerclike beneücien verkrighen bi bede, is vrese und sonde,
40a. De derde copinghe is met beden;
Des pleghet de wal geburenthede,
Ghaet und soect elke abdie;
Van veir moneken syn de drie
122
Gheboren yan groten maghen,
De. se met ere bede daer jaghen,
Der armer goet all te verteerne.
d. De vierde copinghe wilt Terstaen
Syn, de met Schalken deynste nmme gaen.
Proveade oercrighen met erachte is grote sunde. — Kindereu uiitfaughen
in ordeueu is grote vrese. — Jonghe lade te setten in State is grote vrese. —
Jouck prinche off here is to untsiene zere up aventureu, wo he em bekereu nal.
— Exemple untraden uns, nnsen kinderen last te ghevene. — Jonghe moghen
em niet troesten, up de Tau gode weren vercoren.
7. Unwerdelic sacrament nntfaen.
Sacrament untfaen sonder werdicheit is grote yrese. — Sacram^^nt vanden
altare salmen aldus bereden. — Moneghen nnwerdelike is grote vrese. — Quaet-
beiden drie comen nt uuwerdighen moneghene. — Exemple toghen uns hilghe
weerdicheit te sacramente. — Dat sacrament niet willen untfaen eeus des jaers
is grote vrese. — Moneghen doet den mensche vele profyts. — Christum weder
uutsteken, na dat he untfaen is, is grote vrese. — Keren ten senden na den
uutfake vanden sacramente is grote sende.
8. Vrac te zyne van consten, die enych mensche can.
Dieser Punkt ist trotz der Disposition auf jh 120 von 4em Dictüer
nicht behandelt,
9. Speien um ghelt.
Dobbelen offt um ghelt speien, wat speie het, zy is verboden. — Dobbei-
spel te schuwene leeren uns veir saken. — Speien umme ghelt brinct vake
gramschap toe.
47a. De terlinck (Würfel) is der dobbeler god,
Und se holden al syn gebod;
Se strikeu, dat he em striken heet;
Unt wyst biet, se ghevent gereet;
Vergheve god, dat se den geboden
Weren so underdaen van gode,
Gelyck dat god den devoten liet
Under XXI letteren [das Alphabet) \ dat beduet,
Dat dar alle vroetschap bi is gescreven
Und de gods wille teekine gheven.
Also gelyck helft in zyn toghen
De terlinc XXI oghen, *)
Und bi den vertoghet hi
Den dobbelers, wat zyn wille zy,
Dat he daer verliest off wint,
Bi dat he daer an bekint.
Spelres um ghelt verbreken meest de tien gebode. (/. Gebot: Kies vor
my ghenen vremden god, der Spider Oott ist aber der Würfel, AeJmlichc
Deutuny erfahren dann die anderen Gebote,) — Dobbelen ofF ander spei
soldemen schuwen um vyff quade. — Dobbelers zyn gheck, dat is getoghet bi
achte saken. — Tyd verlies is speien um ghelt, secht sunte Bernard. —
Dobbelen solde meu schuwen um de swaere plaghe, de dar äff is geschict. —
Spei met ghenoechten sien off daer bi sitten is grote sende. — Terlinghen ver-
huren winkel off bret is grote sende.
*) 1+2+-3-I-4+5-H}.
123
3. Partie. 49b.
Yracheit nntfaet occnsoen nt achte saken. — Exempel, dat quelke goed
winneii ter kinder behoeff en bewiset gheoe mynue. (Folgt eine Geschichte
ran einem Wucherer, der nur für seinen Sohn vmclurte und doch mit ihm iM-
samtnen ins hollische Fetter kam,)
4. Partie. 51a.
Vracheit heft achte remedien {obgleich in der Disposition p. 118 nur
(t in Aussieht gestellt umrden!) nmme se to verdriveue — Das 1, Ihmcdium
ist: to dencken der doot. Hier folgt ein höchst sonderbarer Vergleich,
Der Tod, welcher dem Mensclien stets „anklebV^, wird mit dem Schwänze
drr Tiere verglichen, mit welchem s^ie Fliegen, Mücken und dergl, verscfieucJten.
So soll sich auch der Mensch durch das Andenken an den Tod, welcher stets
hinter ihm sitzt, die Habsucht verscheuclien f
51a. Van deser remedien is uns gegeven
Bewys an somighe dieren, de nu leven.
. Yoghelen nnd visschen mede
Mids ere natuerliker sede,
Meryen met eren sterte weren
Vüeghen, die se biten off deren,
Yoghelen, yissche em bestieren
Metten sterte, elk na synre manireu.
So mochte elk mensche, had hys begherte,
Em selven bestniren metten sterte:
Dats de doot, de nyraan en can
Weren, he ne cleefft em an. —
Biken pinen um niet umme dat erdsche goed bi drien saken. — 2. Cristus
armoede leert uns schnwen ghirichede.
52a. De doot yan Cristus und de wonden.
De he untfenc um unse senden,
Hefftet Volk noch in ghedenckenease,
Mer dats der beeren schamenesse.
(D, h, das Volk lässt sieh noch durch das Andenken an u?isren He^rn
Jesus Christus beeinflussen, aber die grossen Herren schämen sich dieses
Gedenkens,)
Armen solden syn zeer verunwert, had se god selven niet angenommen. —
Cristus en bad ny brood, no almoesseu, wo wal dat truwanten seggheu. —
3. Ansieu de unsekerheit van unsen levene is remedie der vracheit. — 4. Dencken
ten arbeide, de rycheit to brenct, is remedie der vracheit. — 5. Ansieu met
herten hemelsche rycheit is remedie theghen de vracheit. — 6. Hope in gode
is grote remedie theghen vracheit. — Almossen und bedinghe syn gracie
vercrighende au gode. Bei diesem Punkte finden wir in utisrer Handschrift
zum ersten Mal den Titel des WerJces:
54a. Ic hebbe voren untbonden,
Dat dit si de SPEGHEL YAN SONDEN.
7. Almoesse is rechte remedie theghen vracheide. — Untfermicheit is uns
bewyst van natnren bi stemmen beesten. cf. p. 112. — Almoessen wederstaet
und lesschet quade begheerten. — Caritate doet erdsche rycheit niet minren. —
Exempel van Bonefacius mflthede. — Caritate doet de rycheit wassen und
meren der werlt. — Almoesse is zeere bequeme gode, unsen lieven here. —
Almoesse Tercrycht, wat se bidt. — Almoessen maken den mensche vele vrende,
de vor gode syn gebeert. — Almoesse wert des menschen t^leman {Fürsprecher)
124
ten lesten gerichte. — C-aritate doet, dat ertsche rycheit helpt, de te qnetsene
pleghet. — Almoesse moet syn ghedaen met eeneii bilden ansichte. — Almoesse
rooet syn ghedaen met vrendeliker sprake. — Untschnlden mach em nymand,
de lefft, alnioessen te doene. — 8. Vander bedinghe. — Bediughe is nuttelick
den mensche, bewyst scriftnre. — Cristns leerde uns selven bedinghe. —
Bedinghe is des hilghen gheestes voghel, wes vloghele s^^n Tasten und alraoessen.
— Bedinghe ghenest des lichainen qnale. — Bedinghe verlenghet den mensche
syn lyff. — Bedinghe verwerft an gode, dat den mensche van noeden is. —
Bidden moet men eendrechtlike und meest in tyden van nooden. — Bidden sulleu
werlike lüde up hilghe daghe und up hochtiden. — Bedinghe sal syn geoefTent
in allen steden. — Bedinghe moet 3371 gemeent met herten. — Bedinghe sal
syn ghedaen in oedmoede und in tränen. — Bidden um tidelick gued is niet
gheorloft sonder bi maniren (aiifiser vnt Mass?) — Bede vanden sonder eu
hoort god niet. — Exempel, dat bedinghe niet en is gehoort, dies unwert is
van gode. — Bede, ghedaen in hinder den evenkerstyn, en hoert god niet.
5. Partie. 63a.
Guffheit salmen schuweu umme de vele deren, de se den mensche doet. —
(rufflieit brenghet to grote bekommerthede. — Guffe zyn gheck, dats in dren
saken wal getoghet.
IV. Tmecheit. 64b— 85b. {4 „Theile''.)
Traecheiden tractaet wart in vier gedeilt.
1. Dat eerste sal uns dingheu leren.
De uns traecheit doen off kereu.
2. Dat ander sal verclaren de ledeu
Und de specien vander traecheden.
3. Dat derde sal to kennen gheven
Remedien, dar se bi wart verdreven.
4. Dat vierde wart een capittel clene
Off twe, und de sullen allene
Van den maken mensioeu,
Diet al sonder bescheide doen,
So wat se te doene bestaen
Und schynt theghen de traecheit gaen.
1. Teil. 65a.
Traecheit is te verhatene um VIII zaken. — 1. Exempel, um to vliene
traecheit (und xivar zuerst von (kr mire = der Ameise, enlnommcn), —
2. Ciistus arbeide um uns und um traecheit off te doene. — 3. Exempel, um
ledicheit {Müssiggang) te schnwene, troest uns Artemus, een hillich vader. —
4. Traecheit to verhatene leert uns de hilghe scriftnre. — Traecheit mishaget
zere gode, dat toghet de hilghe scriftnre. — 5. Traecheit becomt wal den
duvel. — 6. Ledicheit salmen vlien, um dat se doet Verliesen de tyd. —
Traghe untschnlden ere traecheit mids schalker vrese. — 7. Traghe holden em
selven so gebonden, dat se niet guets doen moghen. — 8. Traecheit is zware
ziecheit, wes ziecheit is te ziene in twen zaken.
2. Teil. 68a. (10 Specien der traecheit.)
1. Laeuheit.
Laeuheit doet den mensche vele grote schaden.
2. Verslapentheit der ziele.
Verslapentheit der ziele is seer yreselic. — Exemple, dat werken van
noden is em de eten moet.
12B
69a. Men lest, dat pelgrimage ginck
Vormals een monick. De jongeliock
Teu abt ten bussche quam he na,
De woende ten bergbe van Sjna.
He sacb met groter enisticbede
De monyken alle werken, nnd he zede:
„Wo werct gy dat misvaer altoes?
Maria dat beste deel vercoes." —
Do gaff em de abt een quayer
Und deden gaen inden vergier,
Umme te gebmcken synre gebeden.
Als de dach also was leden,
Dat de sonne daelde neder,
Sach de broder wech und weder,
Off em yement tetene node,
Gebreke pynden vanden brode.
Syns so ne nam nyman waerde,
So dat he quam nten bomgaerde.
Als de doer noot wolde verstaen,
Off de maltyd were gedaen.
Doe antworde de abt wys:
„Du, de gheestlic mensche sys,
Wat node so is Tan spisen di?
Werlike menschen so syn wi.
Und bi node so moeten wie eten.
Hyr umme wy werken, moet gy weten."
Als de broeder verstont dat woort,
Nam he penitencie rechte voort,
Und he lyede synre roisdaet. —
Exenipel noch yanden selven. — Slapen te vele ia zere lasterlick in allen
menschen.
69b. Unbetame eist den kerstyn,
Dat em dat morghen sonnen schyn
Up syn bedde ghevinden can, —
Exempel dat den menyghen slaep heft ghecost zyn lyif. (Es folgt hier
die Geschichte von een priuche, was biet Gysara. Es ist die Erxählunff von
Jael, detn Weibe Hebers, welche Sissera, dem FeUüiaupt7n/i7m der Kannanüpry
wiihrefuJ er schlief, einen Nagel durch den Kopf schlug, Richter. 4,17 ff)
-- Exeuipel, dat slaep Sampsone syne starcheit beuam. — Slapen to untyd is
üeer begripelick nnd quet«telick. — De zeker slapen wille, em is van noedeu
«Irie zaken. (l. Atn Tage sich ah?niihen. 2. Ma\tsig essen und trinken.
3. Seine Sinne flicht „schwer niaclien^^)
70b. Sobre spise und soben sin
Brenghet zueten, sobren slaep in. —
3. Ledicheit.
Ledigbe zyn unprofitelick ter werlt, toghet de ewangelie. — Ledighe
verroekelosen vele groter baten, de zie verkrighen mochten. — Vrucliten achte,
so mach de mensche gaderen nnt zyns selves mont. (1. Qott loben. 2. Mit-
meiUichen trösten, 3. Beten. 4. Beichten. 5. Sein Wort „7nit Mass steuern
nnd lenken^'. 6. Massig essen und trinken, 7. Schichtinghe van predicacien.
8. De hilgbe weder roepinghe.) — Ledighe leveren em selven in de haude van
IM
•
eiren Tianden. — Ledicheit is dicwile zake van yyfr zware zonden {UnkeuschheiK
Diebstatd, Lüge u, s, w,) Ledighen zyn gheck, dat se ere roeste up erdrike
bebben willen. — Ledighe zyn te begripene, dat se niet wercken willen in
tyden van genaden. — Ledicheit, de se scbuwen wille, vorste em van drie dinghen.
4. Loyeringhe.
Loyeringbe van bekeren to gode is zeer anxtlick der zielen. — God
roept den zonder altyd to penitencien. — Bekeren solde elk tydlike nm V zaken.
— Bekeren tydlike brengbet in zcs goede dingbe. — Tvdlike bekeren to
dnecfaden, dats grote, weerde offerande ghedaen. — Offerande is scbnldicb, to
zyne ghedaen metten dnrbaersten, datmen hefft. — Bekeren to gode tydlike
brengt den mensche in hopen ter zelicheit. — Gewoente van zonden heft manich
zwaer verdriet in gebracht. — Gewoente van zonden doet den mensche Lazams
»lachten {Uissi den MenscJisn Lazartis ähnlich sein) in vier sakeu. {Es foUjt
wieder ein sehr sonderbarer Vergleich:
76b. 1. He (Lazams) stanc,
2. He lach under eenen steeu,
3. Hern waren gebonden banden und been,
4. Dat ansichte was ock verdect,
Also sunte Matheus vertrect.
Desse IV syn in hem vouden,
De inde gewoente licht van zonden.)
Oefeninghe van zonden is gelyck verolder {veralteter) ziechede, de qnaet
is te ghenesene. — Exempel, dat gewoente van zonden den mensche zeer
bezwaert. — Zonden vervremden den mensche van gode, so lanck, so meer. —
Rouwe, zericheit nnd grote sorghe theghen den doot hinderen den mensche
dicwile, te denckene um de ziele. — Bitterkeit der penitencien doen den zonder
wedder keren ten zonden. — Anxt sonder noot [sich unnötig ängstig&n, da.'is
man doch auf ewig verUrren sei) belet dicwyl den zonder van bekeerne. —
Quaet is he, de niet bekeert van zonden, in vier deelen. — In vunlen stedeii
langhe bliven^ men spoede dar nnt, hets grote schäme. — Tydlaten liden nnd
niet gheorboort te rechte is grote qnale. — Biechte verversten geschiet in III
manieren. — Biechte verloyert und dicwile vervuult, dats harde vreselick. —
Biechten zelden doet zonden dicwyl vergheten, de noot weren ghesecht. —
Biechte brengbet in vyfif gude dinghen em, de se dicwyl pliet. — Biechte ver-
versten, tot men sterven weent, is grote vrese — Biechte verversten, tot int
eynde vander vastene, is grote vrese.
5. Roekeloosheit.
Roekeloosheit verbaten leren uns V zaken. — Nemsticheit solde elk to
rechte volghen um de untschap, de daer af comt. — Boekeloe.shede helft tweo
remedien.
6. ünvuldonynghe.
{JVird 82a erklärt: werc, daer vulmaectheit an gebrect.) — Uuvuldaen
laten, dat men beghint, bi traecheden, dats grote vrese. — Yuldoen, dat meii
beghint, is zeer priselick, np dattet werck niet en zy zondelick.
7. „Het in latine ignavia".
Van de niet arbeiden willen um de noot. — Armoede verkiesen, um
ledich to zyne und niet willen arbeiden um de noot, is grote vrese.
8. Droefheide.
Droefheit in den dienst gods getogbet, is grote vrese.
129
9. Tedinm yite-yerdriet des ly^es.
Verdriet des lyves in den mensche, dats overgrot« zonde nnd anitlick.
10. Wanhope.
Wanbope is anxtlick boven allen anderen zonden. — Vanden remedien
der wanbopen.
3. Teil. 84a.
Traecbeit befft vele schoonre remedien und sonderlinghe achte. — Dencken
um der bellen pine is grote remedie der traecheit. — Drie dinghe wecken den
jtlapenden haestlike.
4. Teil. 84b.
Alte grote baeste is zeer lasterlick. — Qnade baeste is zeer lasterlick
und grote zonde.
V. lloverdc, hoTerdieheit. 85a — lila. (3 „Partien".)
85b. Dat gescryfte manichsins verclaert,
Dat se is alder zonden konynck.
Men scryft se boven inden rinck*)
Und met ere crone mede (?)
1. Gründe, weshalb fnan Hoffahrt Iiassen soll. — 2. Die Specien der
IJoffahrt — 3. Remedien gegen die HoffahrL
1. Partie. 85b.
1. HoTerde beet konynginne und princbe boven allen anderen zonden um
IV zaken. — 2. Hoverde in een teiken, bi welken de dnvel best kent de zyne.
— 3. Hoverde doet den evenkersten vele pinen in manygber manireu. —
4. Hoverde vemnwert gode den bere.
86b. Up bogbe dagben comen em de wiven
Meest und doeu er hoorne staen^)
Ten boghesten, als se ten toghe gbaen.
Wat holpt, ock vanden maus geswegben,
De ter kerken to kommen plegben,
Dat cleet, daer se mede syn verchiert,
Heft hoverde ungbemaniert.
Devocie wert daer mede ghenomen.
Vele, de simpel ter kerken komen,
Sien met gbenoecbten dat moye abuus
Und vergbeten dat naecte cruns.
5. Hoverde baet god boven allen anderen zonden, dits getogbet bi scriftnreu.
— Exemplen vele, so viuden wy vauder groter wrake, de god geworpen helft
up de boverdighen. — Ansien unse crancbeit, ghevet uns hulpe van hoverden
to wachtene. — 6. Hoverde doet vele quaets em, de se bynnen draecht, orconde
') Dies soll wohl heissen, dass man sie in dem Schema der Todsunden
voran zu stellen pflege. Das ist auch von Gregor an fast ganz regelmässig ge-
schehen, nur unser Dichter bildet eine Ausnahme.
*) „An hohen Kirchenfesten lassen die Weiber ihre Hörner am höchsten
stehen.^ Gemeint sind die auch in Josefs Gedicht von den sieben Todsünden
V. 5323 ff. heftig angegriffenen Kapehome (Kappenhömer), ein in zwei Spitzen
auslaufender Kopfputz der Frauen des 15. Jahrh. Vergl. Schnaase, Geschichte
der bild. Künste. VI. 2. Aufl. p. CO f. B. Schnitze, Die Modenarrheiten. Berlin.
1808. p. 66. Auch Vorrede zu Sebastian Brands Narrenschiff. Ausg. von
Simrock. Berlin. 1872. — Korrespondenzblatt. 1889/90. XTV. Nr. 1. p. 7.
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scrifturen. — Hoverde, se doet den mensche gheck wesen in drie maniren. — =-
7. Hoverde is eene zware qnale und quaet, wedder te ghenesene. — 8. Hoverde
verstac god und nam to zynen dienste ghecke, uueedele, zieke lade. — Cristus
leerde uns oedmoet, als he mensche waert.
2. Partie. 89b
Die Manieren der Hoffahri. — 1. Gheck zyn se, de vian em selven
hebben weuen, dat se besitten. — Arme verou werden is grote zonde, um dar
se niet rike en zyn. — 2. Hoverdighe wenen an gode verdienen, dat he ein
verleeut. — Hoverdighen moghen wal gherk heten, nmme vyff redene ghetoghet. —
Hoverdighe rekent zyne daet groet, de cleyne is vor gode.
91b. Sunte Bernard hyr up seit:
„Gods des heren uutfermherticheit,
Dat is al dat verdienen myn.
Anders en mach gheen verdienen zyn.'^
8. Verwenynghe is harde, grote zonde und unbekendhede. — 4. Ver-
wenynghe pryst ein selven und all er doen. — 5. Verheventheit begheren is
grote vrese. — 6. Herschopie begheren is grote zonde und over gmte vrese.
92b. To dessen scrivet Gregorius:
„Heerschepie is niet gegeven.
Um dat een mensche solde leven
Boven alle andere als een meeste;
Mer boven visch, voghele und beeste
Is des menschen heerschopie gestelt. —
Of god gelike em macte den man,
Waner comt den mensche herschopie dan,
Dat he em hoverdich wille draghenV''
Exeinpel, dattet grote vrese is, herschopie begheren. {Der Prior Uoile-
froot sollte Bischof werden und srhlug es aus. Narh seinetn Tode ersrhiru
r*^ er einem Mönche wul sprach:
— — my is clare
Vertoghet vander drivoldichede,
Had ick ghenomen bischops stede,
Ick hadde gesyn van den getale.
De behoren ter helscher quäle.
7. Hoverdich zyn in ghewaden is zere mispriselick — Moyheyde, de uader
inoyheyde staen (sicf)^ zyn gheck in vyf manieren. — Exeinpel, dat quaei is.
buten schone ghemact und niet bynuen.
94a. Wie lesen dus van eeueu konvnck,
De solde festeren zyne maghen
To eenen van zynen vercorene daghen.
So moy dreef he zyn acoer,
Dat he soire, want und Üoer
Verdecken dede vander zale
Met pellen, purpe und met sindale.
So dat ter tafelen vanden konynck
Een groot philosophus ghinck.
De dit mercte und in las.
Alst vil na gegeten was,
Qnam de mester an eenen hoeste,
Dat hee ummer spien moste,
Und speech den konync int ansichte.
De kuapeu sproughen np gedichte,
Um den mester do doene te doot.
Mer doch de konync dat verboot
Und biet, datment liete staen.
De konync Traghede, wo he ghedaen
Hadde to em wert de dorperbede.
De mester antworde and zede:
„Konync, ick sach, dat ick moste
Spyen Tan bedwaughe des boeste,
So sacb ick in alle de steden
Gebalt met snlker coestelheden,
Ick en waste spien werwaert.
Do Speech ick, konync, in ja wen baert,
Den ick sach Tan dnre spisen bet,
Ick en sacb gheen stede besmet,
Daer ick my zuTeren mochte, konync.^
De konync mercte desse dinck,
Dat de mester waer hadde geseit
Und keerde em ter oedmodicheit. —
Cledere bewiseu ans schaemte der zonden. {Denn Adam war vor dem
Sündenfalle in seiner Schönheit so nackt und bloss mie Sonne und Mond und
die Blumen auf dem Acker,) OTermate Tan kosteten clederen te hebbene is
zeer zondelick. {FrüJier hatte man zur Kleidung nur Tierfelk, Wolle, Hanf
tnid Flachs; seitdem
95a. — Tantmen Tan wormen dat mes,
Dats zide, de noch edelst es
Und nn eist worden algemene,
Gold, silTer, costele stene. — )
Riemen off gordele, met silTcr beslaghen, zyn unbetemelick, den mensche
te biudene mede.
95a. Alle gemene menschen draghen
Ere gordele met siWer beslaghen;
Welk is OTermate sware,
Um dat de bnac een Tual sack es,
Vnalhede in hebbende and mes
Boven allen anderen leden,
Und men doet em meest werdicheden. —
Clederen Tele te hebbene, meer dan men to orborne heft, is zere Treselick.
— Mencfel {FHschoiterfell) verweent and Tremde Terwe is uymand schnldich te
begheme. — Hoeftcledere gheel zyn zere to schawene. — Hooftcleder wit
bekomen gode, and de enghele syn ock wit ghecleet. — Ansichte besmeren
{»ich schminken) off Tremt haer legghen aut hoTet is grote zonde. — Exempel,
dat wyfs ansichte lichte Tanghet den man met ere schoenheit.
96b. Dat zere tootsiene is wyfs schoonheit,
Is ans in exemplen ghelecht,
Dat men Tan Balaam Tint,
Den coninc, dat he hadde een kint,
Van welken seghede zyn medicien,
Dattet blint solde bedien,
Wert dat qaeme zonne te ziene,
Eer dat olt were jaren tiene.
Do biet de coninc Balaam schire
Dat kint slnten in eene dawire,
Nitdtrdtatiohti Jahrbach XVII. 9
/•
Däer gheen gevoel was Tan claerheden.
Als de tien jaren weren leden
Und men dat kint brachte vor oghen,
Ohenc men em menige chierheit toghen,
Qold, silver nnd ander rike dinck;
Und do vraghe de jonghelinck
Van elken dinghe, wo dat biet,
und men heftet em beduet.
Do sach he schone wiven dare,
Und he yraghede, wat dat wäre.
Een heft em in speie gheantwort,
Dattet duvele weren, de rechte vort
Können verleiden elken man.
Alsmen dat kind leyde van dan
Vor zynen vader, den konynck,
So vragbede he den jonghelinck,
Wat dinghen he begherde zeerst
Van al, dat he gesien hadde eerst.
Dat kind gaf antworde ghereet:
„Den dnvel, die de mans verieet."
Des Balaam was zere verbaert
Tote den, dat em was verclaert,
Wat dat kind meende daer mede:
Dat jonghe wyf nnd ere schoonhede. —
Znverheit staet in groter vrese int schone, ghetronwe wyff. — Lelike
wyfs wenen en met tomene schone maken, raer se missen, -r- Tomerie brenghet
to vele' deren, beide wyfs und ock mans. — Toomsel, dat rooft den wiven ere
bediughe, de se doen wenen. — Hoverde helft noch drie ander manieren, sonder
de vorsegheden. (Die eben besprochene KleiderJwffahrt war die 7. Manier,)
Ks folgt also : 8. Werschepe holden, um rike te voedene nnd armen te verghetene
is grote zonde. — 9. Dienlinghen hoverdich zyn (is) zere to misprisene.
98b. — so datmen in vele husen ne weet,
Welk de vrouwe is of de maghet. —
(Im 15, Jahrhundert gescJirieben!)
Untronwe off smekerdie maken na de dienlinghen rike. — 10. Edelheit
van lichame mach nymand sake zyn van verheifene.
99a. — wy alle quemen voreu
Van eenre moder, van eenen vader. — (cf. p. 114.)
Nymand is edel um zyne ghebomisse, wes werke nneedel zyn. — Edele
hebben in em zees teikene van rechter edelheiden. (1. FreiJieit, 2, Datikbarkeit
für effipfangene Wohltliaten, 3. Untvermichede. 4. KühnJieit und Mann-
haftigkeit, 6. Dat se vllen alle schalcheit nnd alle dorperlike zede. 6. Dat he
na groten dinghen staet Und cleyne dinghe varen laet.)
NB. Trotzdem nach der vorhin angegebetien Dis])Offifion, die^tes die
10, und letzte „Manier'' der Hoffahri sein sollte, folgt nun doch
noch eine ganze Reihe von weiteren.
Dwelen, in dat den ghelove to behoort, is groote nnzelichede. — Raden
bi aventnren, um dat gescbiet off geschien sal, is grote vrese. (1. Nach dem
Fluge von eghestren (Elstern) ^ of kreyen. 2. Nach Träunwn, 3. Tage und
Zeiten wählen) — Toverie is verboden van gode, und de daer by werken,
zyn vermaledyt. (Es wird dann bejionders Mitifiezauber und MUchxauber
erwähnt,) — Unwertheit is grote dorpeniye und zware sonde.
m
lOla. Men sal Tier werdichede beden,
Gode, den enghelen, der kerke, den Inden. —
W^rdicheit moet elk doen em Tieren bi recbte. — Werdicheit, so is men
achnldich te doene allen Inden. — Werdicheit moet zyn ghedaen meer den
eenen mensche, dan den anderen. — Eere und werdicheit is men schnldich
Tader nnd moder.
102b. Alzyn ock papen Tan leTene qnaet,
Nochtan uns de te eerene staet,
Um datmen em almechtich kent,
De se tot nns heTet gesent. —
Exempel, dat kranen (Kranwhe) Tader nnd moder eeren. {Die Kraniche
holen für ihre alten Eltern, wenn diese nat^h Verbist der Tedei'n nicht mehr
ans deju NeMe fliegen kömien, Essen) cf. p. 112 f. — Exempel, dat Tader nnd
moder nnwertheit doen nntbeit na wraken. {Der Enkel soll dem übel he-
fiandelten, frierenden Grossvaier einen flassaert, einen alten Flnusrock, bringen.
Er vervxüirt dftvon die Hälfte für seinen Vater, wenn der alt gewai'deti sein
u^ird. Iliedurch wird der böse Sohn bekehrt,) — Tende nntholden off qnalike
betalen is grote zonde. — Tende nntfaen papen, nm dat se daer Toer solden
arbeiten ter zelicheit Tanden gheTer. — Tende moet elk gheTen na zynen State.
— ÜTerhoricheit is eeue zware zonde, unt welker Tele anderen spruten. —
Exempel, dat nnderboricheit hefft grote moghentheit. {Oeschichte ixm einer
SchUinge, die sich von einem Klosterbruder urillig binden Hess.) OTerhoricheit
▼erdryst gode nnt den mensche. — OTerhoricheit hefft nymand in em, sunder
de duTel und de quade mensche. — Underhorich te zyne wyst uns God nnd
zyn enghel. — Hilghe daghen zyn te Tierene met IV zaken, de hyr getoghet
zyn: 1. Dat he zyn ambocht laten moet. 2. Dat he em Tan zonden sal dwaen.
3. Datmen wachten sal Tan zonden upten hilghen dach al. 4. Oeferen goede
gewerken, Want daer nmme gaet men ter kerken. — Vierdach moet zyn
gheorboert met Tier zaken, sal he wal zyn gheTiert. — Feestlike daghe zyn
gheset, umme Tier dinghen te oefenen. — Karitate moet he doen, de wal sal
vieren de festlike daghen. — Feestlike daghen zyn gheordiniert, nm Gode te
biddene. — Verwatenisse moetmen untsien um VI reden. — Ydele glorie leert
nns Christus Tlien nnd andere lerers Tele. — Exempel, dat een hillich Tader
em Tensde (.«?«?/* anstellte) gheck wesende. um to untTÜene ydele glorie. —
Ydele glorie rooft den mensche zyn gheestlike und erdsche goet. — Ydele glorie
is sorowile menschelic und somwile duTelick. — Ypocrisie is eene sware zonde
nnd daer God meest gram up is. — Ypocrisie doomt God boTen allen anderen sonden.
3. Partie. 110b.
HoTerde hefft zees remedien, umme to TerdriTene. — 1. Datmen sal
wandeleu nacht nnd dach metten oedmodighen.
UOb. Historien maken uns des wys.
Dat was een konync to Parys;
Als he at allene maeltyden,
De he zitten an zyne twe zyden
To zynre tafele und thegen em mede
De nnsienste armen Tander stede.
Do waert em geTraecht Tan eenen,
Wat he daer medde mochte meuen,
Dat he de armen so na em track
Und by em sette. — De koninc sprac,
9*
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Een edel ridder hadt em gewyst
Job, nnd das segghende gepryst:
Visenterende dyne ghedane,
Sal ghene zonde dy vallen ane. —
2. Te pensene de unwerdichede des vleyschs.
110b. De licham niet anders en es,
Dan een zack vnl stinckende mes. —
3. Exemplei de uns Christus gaf. — 4. Dencken um dat ordel zwaer,
Dat den hoverdighen sal komen naer. — 5. Merken der werlt keytivicheit. —
6. Te denckene unse ziechede.
VI. Nyt. lila— 113b. (3 „Kapitel«.)
1. Vele leringhen, um to latene Den nyt nud den to verbatene. —
2. Manieren, de ten nyde behoren. — 3. Remedieu.
1. Kapitel. 111b.
Nyt is Bchnldich to zyne gehaet, dats bewyst by neghen zaken. —
Exempel, dat nydighe quaet zyn van inberste. (?)
112a. In eene historie wy lesen,
Dat een konync rike und groot
Eenen nydighen untboot
Und eenen harde ghirigen mede.
To dessen tween de konync zede:
„Overdenct under ju tween,
Wat dat eyscheu sal de een.
Den anderen sal ic de helfte meer gheveu."
Langhe se beyde swighende bleven,
Ere gheen ne wolde eyscben voren
Bynnen so langhe, des hadde toren
De konync und beval also holde
Den nydighen, dat heyschen solde.
Do eysch de nydighe over luut,
Datmen em steke een oghe uut.
Um dat wolde he den anderen sehenden
Und doen met beyden oghen blenden. —
Nyt doet eren dregher vele quaets.
2. Kapitel. 113a.
Nyt helft twe manieren, de hyr ghetoghet syn.
113a. De eene is, als men blyschepe heeft,
Dat een ander misvait of sueeft;
Dat ander, dat he droeft und roisbaert,
Um dat zyn evenkersten wal vaert.
3. Kapitel. 113a.
Nyt helft vier remedien, de hyr ghetoghet zyn.
1. Dencke to den dinghen,
De ghemene bäte in bringhen.
2. Dinghe, de uns helpen moghen
Te hebbeue hroderlike minne.
3. Datmen wachte van te begheerne
Werlike eere und weerdicheit.
4. To dencken up de g^rote schaden,
De nydicheit eren dragher doet.
133
Tu. Gramsehap. 113b— fin. (4 „Kapitel ''.)
1. De verhatiughe desser zonde. — 2. De manieren, de er an cleven. —
3. Sonden^ de nnt der gramschap komeu. — 4. Bemedien.
1. Kapitel. 114a.
Qramschap is te Terhatene umme zeven zaken. — Gramschap mishaghet
gode, und se deert den evenkersten. — Gramschepe verblint des menschen ver-
staudenisse nnd moet. — Gramschap doet der ziele vele quades, dats ghetoghet.
— Gramschap is te Terhatenej se doet den mensche vieryolt quaet. — Exempel,
dat weder wrake zeer is to nntsiene van gode.
2. Kapitel. 116b.
Gramschap is ghedeilt in tween partien van zonden.
3. Kapitel. 116a.
Gramschap heft nnt er sprntende zees ander zonden. (1. Striden. 2. Orloghe.
3. Makeu braut. 4. Boof. 5. Manslacht. 6. Quetsen metter hant.) — Orloghe
salmen vlien nmme achte zaken. — Vrede mind God, dats ghetoghet by vele
scrifturen. — Orloghe salmen schnwen um menych quaet, dat se to brengt. —
Orloghe soldemen schnwen umme dat cleyne profyt, dat daer äff comt. — Vrede
doet cleyne dinghen groot werden. — Brantstor salmen baten um V zaken/ de
daer to zyn. — Brantstoer soldemen schuwen um de plaghe, de er maect. —
Brantstores zullen hebben dubbelen torment. — Exempel, dat gode bequeme is
datmen armen herberghet.
118b. Gregorins doet uns bekint
Van eenen man, de gheme plach
Armen tontfaene. Up eenen dach
Hadde he pelgrime untfaen.
He droch em water, umme te dwaen
Ere banden, met oedmoden.
Under alle, de daer stonden.
Was een man, wen he weende gheven
Hantwater und hets em untbleven,
Umme dat he em umme wende,
En wiste he, waer de gast beiende.
ümme sach he hyr und daer.
He ne vant en niet. Des nachts dar naer,
Do he dachte to desser vremthede,
Sprac god to em und zede:
„Du in de daghen, de leden syn,
Untfenges my in de leden myn,
Her ghisteren, so untfenghes du mie.
In di selven." — Mensche, besie.
Wo groot god, unse beere, weghet,
Datmen den armen te doene pleghet. —
Manslacht is schuldich to zyne geschuwet umme dri saken. — Zonden
viere beten „ropende np gode umme wrake''. (1. Weduwen und wesen versmaden.
2. Uncuuscheit theghen nature. 3. Untholden, dat se den arbeiders gheven
solden, van wien wy hebben den arbeit. 4. Manslacht.)
4. Kapitel. 119b.
Gramschepe hefift drie remedien, daer se by verdreven is. — 1. Sachte te
antworden. — Exempel, dat harde antworde verwect gramschepe. {Geschichte
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von dem zornigen Mönch j dmi milden Abt Madiario und dem Heidenpfaffen.^)
— 2. Zwighet. — 3. Datmeu den viant doghet doet. — Exempel, dattet is
over grote duegt, den viant wal doen. {Geschichte von detn wohlthätigen
Eremiten Theon und den Räubern, welche ihn in seiner Zelle überfallen
wollten}) — Exempel dat zeer gued is, den quaden duegt ghedaen. {Vofi
dem ägijpÜJicJien Eretniten Amon mui den beiden draken; die ihm seine Zelle
vor den Eävhem behüteten?) — Felre dier en ig gheen, dan de tonghe, de
qiiaet is. — Carme sonder gelike wert ten utersten daghe de valschen tonghen.
— Tonghe unbewacht brengt to vele quaets. — Blasphemie is over grote zonde
nnd nanwe yerghenclick. — Exempel, dattet goede kint zinen vader mint.
{Von drei Söhmn wollte einer trotx des weisen Königs Befeld, welcher die
Liebe der Söhne zu prüfen gedachte, nicht nach der Leiche seifies Vaters
schiessen und erhielt für seine kindliche Liebe das ganze Erbe aUeirir.) —
Exempel, dat natnre hefft mer ciaer bekennen.
124a. Men vind Tan konync Salomone
Inden derden boeck der konynghen,^)
Dat twe wiye vor em ghinghen,
De um een kind zeere streden.
De konynck hoorde, dat se zeden
Beyde, dattet kind ere wäre.
Een zweert hiet he brenghen dare,
Dat in twen te deylen he zede,
Und alsment daer to neder lede
Voer, de moder bor dat kint
Und sprac: , Heere, ick wils twint
Ghevet er, ten is myne niet."
De konync do dat kint gheven hiet
Der moder, diet nochtan untzede
Uter rechter moderlichede. —
Miirmurereu theghen (Jode off theghen zyne lere is grote vrese. —
Murmurereu comt dicwile inden mensche. — Murmuracie comt dickent ute
ghiricheden. — Marmureren um ziecheit is grote dulheit, dats getoghet. —
Exempel, dat ziecheit den mensche dickent zelich is. (Der Eremit Johann
beseitigte xwar auf Bitten eines Kranken das kalte Fieber, an dem dieser
litt, meinte aber, der Kranke hätte um Beseitigung gerade dessen gebeten,
was dem^selben am allernötigsten wäre^) — Exempel noch vanden selven.
{Ein Ritter bat einen heiligen Vater um Heilung von Krankheit und Qual.
Als er nun gefragt wurde, wie er denn vor seifier Krankheit gelebt fiätte,
beschrieb e/' sein ftiiheres ritteiliches Leben mit stolzer Freude, Da bat der
heilige Vater den lieben Gott um das, was dem Ritter die Demut verscJvaffcn
könnte, und der Ritter wurde nicht gesund.) — Exempel, dat nymand
murmureren sal um dat weder. {Auf eines Erefniten Gebet, welclier Gemüse
(warmoes) gesät hatte, gab Gott das Wetter, welches dieser tvünschte, aber g»
*) Die Geschichte erinnert au die von Rulinus histor. monach. cp. 2ö
(Patrologiae cursus completus, ed. Migne Paris. 1849. XXI.) erzählte Disputatiou
zwischen dem älteren (ägyptischen) Macarius uud dem haereticus hieracita.
') Dieselbe Geschichte erzählt Rufinus histor. monach. cp. 6.
') Dieselbe Geschichte bei Rufinus histor. monach. cp. 8.
*) I. Könige, cp. 3. Der Verfasser citiert uach der LXX oder Vulgata,
welche die 2 Bücher Samuelis und 2 Bücher der Könige zusammen als 4 Bücher
der Könige durchzählt.
^) Dieselbe Geschichte bei Rufinus bist. mon. cp. 1.
135
w^irhs gar nichts, icährend das Gemüse eines Nachbar - Eremiten, welcher
Gott das Wetter xu bestimmen überlassen hatte, üppig gedieh.) — Uutschuldeu
de zonden Tor gode is grote vrese. — Zonders decken ere niisdaet und nnt-
schulden met V zaken.
127b. De vierde untschulden er yenyn
Van zonden, met dat se edel zyn,
Het, en were gheens ridders doen
Neder to sittene in een sermoen.
Her quetsen und roven er undersateu,
Dat beteemt nn edelen staten,
Doer der, werlt prys hoveren,
Dat goet verdwasen, destruereu,
Und alle untemelike zeden
Untschulden se metter edelheden.
Alle dinck te doene, sonder waldaet,
Dat vermach nu edelen staet. — (cf. p. 114.)
Exempel, dat truwanten und dieven uns leren biechten. — Versweren is
eene sware zonde, dats getoghet. — Zweren is zeer qnaet um VI redene. —
Loghene is men schuldich te hatene um vele redenen. — Orconschap Talsch
draghen {falsch Zeugnis reden) is zeere quaet. — Verradenisse is eene quade
zonde und quetsende. — Smeken is een zondelike gevenschede {Gewohnheit). —
Vloeken es eene sware zonde, meest quetsende, uut wen se comt. — Schofiringhe
segghen den evenkersten is grote zonde. — Striden is een over grote zonde
und schände medde. — Exempel, dat wachten Tan stridene is van groter lone.
( Vom heiligen MacJmrias und den beiden frommen Frauen zweier Brüder,
die cierxig Jahre lang einträchtig mit einander gelebt hatten, und von den
beiden Mönchen, die nicht um einen Stein streiten konnten, obgleich sie es
wollten,) — Schempen is eene grote misdaet, dats getoghet hyr na. — Quaet
raed gbeven is grote zonde. — Twidracht zeyen under menschen is grote zonde.
— Exempel, dat god wrake helft ghesant, up de twidracht zeyen.
NB. Hier folgt nun 133b ff, die Geschichte von dem falschen Höfling,
der von dem „Ziegelmeister'* statt des von ihm verläiimdeten braven
jungen Mannes, welclmn der König eigentlich den Tod zugedacht
hatte, im Ziegelofen verbramit unrd, weil der junge Mann tinter-
wegs noch in eine Kapelle eingetreten war und so erst als der
zweite Bote am Ziegelofen ankam. (Also fast identisch mit
Schiller's Gang fiach dem EisenJiammer. Ldibben hat diese Ge-
schichte Jahrbtuh für niederd. Sprachforschung 1878, p, ^1 ff.
abdrucken lassen.)
Dnbbele tougheu draghen in den mond is grote sonde. — Boem is eene
schaudelike zonde, in wien se is. — Exempel, dat roem den mensche stelt in
grote vrese. {Ein Eremit, der sich seines heiligen Lebens berühmte^ wurde
durch ein Weib in Versuchung und fast zu Falle gebracht.^) — Lachen is
van IV maniren under menschen. — Swighen is dicwyl grote zonde, als spreken
baten mochte. — Tonghe hefift zees remedien, umme te dwinghene. — Exempel,
datmen swighen solde. {Der Abt Agathan trug drei Jahre lang in seinem
Munde einen Stein, utn schweigen zu lernen,) Exempel, dat zwighen gode is
^} Die Geschichte wird bei Rufinus bist, mon., cp. 1, 129 f., ausführlich be-
richtet. S. Johannes Eremita erzählt sie dort zur Warnung einigen ihn besuchenden
Jünglingen. Das Weib war eigentlich ein Dämon, welcher den Nachbar-Eremiten
des heil. Johannes hohnlachend verliess, als er ihn der Versuchung unterliegen sah.
136
bequeme und van groten lone. (Ein RUter trat ins Kloster und steüte sich,
als ob er sttimm wäre. Dies war Gott so angenehm, dass er ihm die Gabe
verlieh, die ent/liehendefi Seelen Sterbender xu sehen. So sah er einst, dass
die Seele eines Ritters von Teufeln xur Hölle geführt ivurde, die eines
Räubers von Engeln in den Himmel) — Zwighen is over grote dueght, dat
bewisen vele lerers. — Daghelixe zonden zyn zeere te schnwene um drie zaken. —
Exempel, dat elk schnldich is te besiene zyns selves zonden und niet eens anders.
Scblass des Werkes:
139a. God beere, up wen ick troost begbau,
Te dichtene dit grote werck,
Dancke dy, als een simpel clerck,
Dattu woldes ghewerden mien,
Te makene instrument, by wieu
Dyne gracie bevet Toldaen,
Dat de iesers so moeten yerstaen
So de sentencie, biddick, bere,
Dat se ja dienen moeten de mere,
Und ick diet by der bulpe dyne
Hebbe gbetrect uut den iatyne.
Bidde, dat dicbten und scriven
My to ghenaden moete bliven,
So dat ick na dit corte ieven
Met ja, bere, moet zyn verbeveu,
Uat wen ick begbinsel nam
Secundam magnam misericordiam taam.
Amen. Nota.
KÖNIGSBERG i./Pr. H. Babucke.
Regenstein, Reinstein, Reinke.
Etwa eine halbe Stunde nördlich von Blankenburg am Harze
erstreckt sich in westöstlicher Richtung der Regenstein. Fr. Hoifmann
sagt in seinen Burgen und Burgfesten des Harzes, wer das Harz-
gebirge besucht habe und nicht auf dem Regenstein gewesen sei, der
sei in Rom gewesen und habe den Papst nicht gesehen; und Alfr.
KirchhofT meint, der Regenstein stelle mit seinen zum Teil in den
lebendigen Fels gehauenen Befestigungen und Gemächern fast ein
verlassenes Harzer Gibraltar dar. *) Es ist nicht zu verwundem, dass
') Die territoriale Zusammenstellung der Provinz Sachsen, S. 6.
137
alljährlich viele Touristen diesen schönen Punkt besuchen, und mancher
mag nach der Bedeutung des Namens fragen. Nun ist zwar schon
vielfach über Herkunft und Bedeutung des Namens Regenstein ge-
handelt, doch erfreut sich von den verschiedenen bis jetzt aufgestellten
Etymologien noch keine allgemeiner Anerkennung. Es scheint daher
nicht überflüssig, über diesen Gegenstand noch einmal eine Unter-
suchung anzustellen.
Die bisherigen Deutungsversuche sind meist von Historikern oder
Altertumsfoi'schem gemacht. Ohne indessen den betr. Herren irgend-
wie zu nahe treten zu wollen, muss doch zugestanden werden, dass
Etymologie zunächst nicht in das Gebiet der Geschichte, sondern in
das Gebiet der Sprachforschung gehört. Es kann deshalb nicht auf-
fällig erscheinen, dass manche unhaltbare und kindliche Ansicht auf-
gestellt ist, aber bedauerlich ist es, dass solche Ansichten noch immer
Glauben tinden und verbreitet werden. Es wird nicht ohne Interesse
sein, die hauptsächlichsten Erklärungen hier zusammenzustellen und
zu besprechen.
Die älteste Deutung des Namens Regenstein scheint sich in der
niedei'sächsischen Chronik, herausgegeben von Caspar Abel in seiner
.Sammlung etlicher noch nicht gedruckten Chroniken' 1732, zu finden.
Daselbst heisst es z. J. 479: Na düssen Stride gingen de Sassen to
Rade, na deme dat yt vor dem Harte wat noch woyste was, unde
geven eynem eddelen Manne, de was strytbar, unde wanede in dem
Torppe to Vcddekenstidde, de heyt Hateboldus, eyne Stidde vor den
Harte to buwende, wur öne dat bet bevelle; so rechte he sick na
örem Bode, unde reyth vor dem Harte here unde fand eynen groten
Steynen-Berch unde sprack, ,düsse Steyn isz gereghent^ darupp schall
myne Woning wesen', unde buwede upp den Steyn eyne Borch, unde
wart gebeten de Grave to Reghensteine.
So erzählt eine um 1540 niedergeschriebene Chronik die Grün-
dung der Burg Regen- oder Reinstein, verlegt dieselbe ins Jahr 479
n. Chr. und giebt eine Erklärung des Namens. ^) Zunächst muss hier
betont werden, dass der Chronist nicht den Namen Reinstein, sondern
in Uebereinstimmung mit gereghent Reghenstein bietet; wie er den
Namen deutet, giebt SteinhoflF nicht an. Es mag hier der Versuch
gewagt werden, die Worte düsse Steyn isz gereghent zu erklären.
Gereghent steht offenbar für gereghenet und könnte herkommen von
regenen = regnen. Die Worte würden dann heissen: 'Dieser Stein
ist geregnet oder beregnet', eine Erklärung, die nach SteinhoflF a. a. 0.
S. 2 wirklich lür möglich gehalten ist. Sie ist sinnlos und selbst
einem mittelalterlichen Chronisten kaum zuzumuten. Auch die Er-
klärung 'gereiheter Stein' scheint auf dem Ausdrucke gereghent bei
unserem Chronisten zu beruhen. Sie ist gleichfalls umnciglich. 'Reihen'
heisst regen^ 'gereihet' gereget. Ausserdem ist nicht einzusehen, dass
der Regenstein deshalb als Wohnstätte geeignet erscheinen konnte.
') R. Steinhoff, Der Regensteiu, S. 1.
138
weil er eine Reihe bildete. Gereghent ist gebildet von einem Zeit-
worte regenen ; ein solches findet sich jedoch weder im heutigen Platt-
deutsch, noch im Mnd., noch im Alt- und Ags. Seelmann bemerkt
mir allerdings : 'Doch ! es lautet regen (=. regenen), Nbf. rogen. Die
Bedeutung 'ragen machen, aufrichten etc/ ist noch im Mhd. und Md.
zu belegen, cf. Lexer, Benecke u. a. Dass das mnd. Wtb. es nicht
belegt, — das ist ja ein erster unvollständiger Versuch — beweist
noch nicht, dass die Bedeutung auf nd. Boden nicht vorkommt, zumal
so nahe der md. Grenze.' Die bei Lexer II, 373 unter dem schwachen
Verb, regen = regen machen, aufrichten bewegen etc. angeführten
Beispiele lassen es mir jedoch noch zweifelhaft, ob gereghent von diesem
Verb, abzuleiten ist. Uebrigens braucht man gereghent nicht not-
wendig als nd. Form zu fassen, es kann md. oder hd. Entlehnung
sein. Nun giebt es aber im Got. ein raginon 'Statthalter sein' und ein
garaginon 'raten.' Zu dieser got. Form lassen sich aus dem Ags.
stellen:^) regnjan, renjan^ instruere; beregnjan, instruere; geregnjan,
gercnjan, ornare ; geren, PI. gerenu, ornamenta ; gerinu^ aedificationes. Zu
dieser Sippe wird auch regenen bei dem Chronisten zu stellen sein,
und gereghent etwa den Sinn haben 'fest gebaut, hoch'. Auch das
mhd. regen mag hierher gehören.
Stübner erklärt in seinen Denkwürdigkeiten des Fürstentums
Blankenburg den Reinstein als Grenzstein. Es fehlt aber an Zeug-
nissen, dass der Regenstein in früherer Zeit eine Grenze gebildet
habe, wie etwa der Rennsteig, früher Rainsteig, auf dem Kamme des
Thüringer Waldes die Grenze zwischen den Franken imd Thüringern
bildete. Andererseits kann regen — nie Grenze bedeutet haben, es
kann mit a. W. keine Nebenform zu rain sein.
Leibrock erklärt in seiner Chronik der Stadt und des Fürsten-
tums Blankenburg Regenstein als 'Reihenstein.' Auf Seite 158 des
ersten Teiles äussert er sich folgendernuissen : „die Bezeichnung Regen-
stein oder Reinstein gehört nicht etwa verschiedenen Zeiträumen an,
sondern findet sich nebeneinander bei allen Grafen. Die Ableitung
des Wortes Reihe, plattdeutsch rege^ erklärt es, dass die Grafen bald
Regenstein, bald Reinstein genannt werden. In der Schriftsprache, in
welcher der sassische Dialekt oft dem lateinischen und später dem
hochdeutschen weichen musste, wird häufiger die Bezeichnung Rein-
stein gewählt, während in der Sprache selbst und in dem Munde des
Volkes fast ausschliesslich die Bezeichnung Regenstein gebraucht zu
sein scheint Leibrocks Chronik hat keinen wissenschaftlichen Wert,
sie ist nur da brauchbar, wo er aus eigener Erinnerung oder Erfahrung
über Dinge berichtet, die heute zum Teil schon nicht mehr bekannt
sind. Wertlos ist auch seine Erklärung von Regenstein und Reinstein.
Ersteres soll die Bezeichnung im Munde des Volkes, letzteres die Be-
zeichnung in der lateinischen und hochdeutschen Schriftsprache sein
und Reihenstein bedeuten. Hiergegen ist zu erwidern:
*j EttmüUer, S. 255.
139
1. Es ist nicht wahr, dass es im Volksmunde Regenstein lautet,
wenn nicht etwa Leibrock unter Volk die hochdeutsch redende
Bevölkeining versteht.
2. Das plattd. rege oder r^c, re, wie es heute um Blankenburg
lautet, heisst im Hochdeutschen Reihe. Demnach müsste es nicht
Reinstein, sondern Reihenstein oder Reihstein lauten, wie wir auch
Reihsemmel sagen.
3. Reihe heisst mhd. rihe. Um 1350 begegnet zuerst in den
Urkunden der Prager Kanzlei Kaiser Karls IV. das nhd. ei statt %.
Bald nach 1400 dringt dieser neue Laut nach Norden vor, aber um
1520 sclirieb Luther noch ncA, dissit^ jensid.^) Wenn nun Reinstein
= Reihenstein sein soll, so müsste es ursprünglich Hhefistein gelautet
haben. Nun begegnet Reinstein aber schon in einer Ilsenburger Ur-
kunde vom Jahre 1297,^ also in einer Zeit, wo ei statt % im Hoch-
deutschen noch nicht üblich war. Eihenstein habe ich überhaupt
nie gelesen.
4. Der Name Regenstein wird heute von der hochdeutsch reden-
den Bevölkerung Blankenburgs und der Umgegend mit langem,
tiefem S gesprochen, in der nd. Mundart lautet er renschtein, also
mit demselben ä- Laute wie im Hd. Bedeutete Regenstein 'Reihen-
stein', so müsste der Name mit langem e gesprochen werden, also
ReJigenstein und nd. renschtein. Denn wie will man es erklären, dass
im Nd. in derselben Mundart die Reihe bald ree, bald r^ gesprochen
sei? Diese Verschiedenheit in der Aussprache ist nicht gleichgiltig.
Ob man ein i oder e spricht, ist nicht Zufall, sondern beruht auf be-
stimmten Sprachgesetzen. Ausnahmen von diesen Gesetzen giebt es
genau genommen nicht, die sog, Ausnahmen beruhen ihrerseits wieder
auf Gesetzen, falls nicht falsche Analogien vorliegen. Curtius gebührt
das Verdienst dargethan zu haben, dass in der Lautwelt eine strengere
Ordnung herrsche, als seine Vorgänger annahmen, und eine festere
Methode für die Etymologie begründet zu haben. „Wenn,^ so sagt
er (Gnindzüge S. 80), ^in der Lautgeschichte wirklich so erhebliche
sporadische Verirrungen und völlig krankhafte unberechenbare Laut-
entstellungen einträten, wie sie von manchen Gelehrten so zuversicht-
lich angenommen werden, so müssten wir in der That auf alles
Etymologisieren verzichten.^ Dies führe ich hier deshalb an, weil mir
gerade in Bezug auf den Regenstein die Behauptung geäussert ist,
dass die Namen wenigstens nicht notwendig den Sprachgesetzen unter-
worfen seien. Auch die Annahme habe ich mehrfach vertreten ge-
funden, wo man es nicht erwarten sollte, dass unsere nd. Mundarten
in ihren Lauten nicht konstant seien, sondern dieselben sehr oft
änderten, heute spräche man so und morgen spräche man so, dass
mithin die nd. Mundarten für die Etymologie wenig brauchbar seien.
Und doch ist gerade das Gegenteil der Fall.
') Franke, Gnindzüge der Schriftsprache Luthers, S. 39.
^ Jacobs, Urkundenbuch des Klosters Ilseuburg, Nr. 154.
140
Die Amiahnie also, dass in Regenstein das nd. rege 'Reihe' stecke,
kann vor der Wissenschaft nicht bestehen. Dennoch scheint sie den
meisten Beifall gefunden zu haben. Ich führe hier an:
Günther, Der Harz, S. 731 : Während nämlich die einen — und das
liegt wohl am nächsten — im Hinblick darauf, dass die Sandsteinfelsen,
welche die Burg tragen, eine lange Reihe bilden, bei dem Namen an das nd.
Rege, d. i. Reihe denken, finden andere darin das altd. ragin, d. h. raten.
Steinhoflf, Der Regenstein, S. 4 : ;,Dcr Name wird abgeleitet
vom gereiheien oder beregneten^ vom reinen weissen oder von Rein- =
Grenzstein, von rein, regin == erhaben, sehr berühmt oder von ragin
= raten; aber obwohl die letzte Erklärung schon durch den Namen
den Regenstein zu einem Versammlungeplatze der alten Deutschen
stempeln würde, so scheint doch die erste, die von Reihe oder Rege,
der Formation des Bergzuges wegen, die einfachste.^ Auch in seiner
1890 erschienenen Geschichte der Grafschaft — bezw. des Fürstentums
Blankenburg, der Grafschaft Regenstein und des Klosters Michaelstein.
S. 2 hält SteinhofiF noch an dieser Ansicht fest.
Meyers Reisebücher, Der Harz, 10. Aufl., S. 76: ;,Die Ableitung
von Rege, Reihe, ist nalieliegend, weil die genannten Sandsteinfelsen
in einer langen Reihe liegen ; jedoch scheint das altd. ragin = raten
diesen Felsen zu einem Versammlungsort der Germanen zu stempeln (?j*
In den angeführten Werken findet sich der Irrtum, das ragin
'raten' heisse, er scheint aus einer gemeinsamen Quelle zu stammen.
Ein altd. Verbum ragin = raten giebt es nicht. Ausserdem scheint
rein^ ragin als Eigenschaftswort gefasst zu sein, während rein, regin,
ragin ein Hauptwort ist. Es ist erklärlich, dass diese Schriften zur
Verbreitung der irrigen Erklärung von Regenstein = Reihenstein nicht
wenig beigetragen haben, sie findet sich nicht blos in und um Blanken-
burg, und nicht etwa blos bei Nichtgermanisten, wie ich zu erfixhren
Gelegenheit genug gehabt habe.
Doch ich wollte nicht nur den Nachweis versuchen, woher der
Name Regensfein entschieden nicht abgeleitet werden darf, sondern
auch, woher er wahrscheinlich abgeleitet werden muss. Das Richtige
hat meines Erachtens Pröhle, der bekannte Sammler der Harzsagen,
bereits im Jahre 1855 ausgesprochen in einem Aufsatze über den
Regenstein, der im Deutschen Museum abgedruckt ist. Derselbe
äusserte sich : ^Im Ahd. heisst ragin, auch ragan, regin Beratschlagung,
Rat. Aus ragin, regin wird rein und so kommt Reinstein von ragin,
rein her, wie davon herkommt Reginhard oder Reinhard, abgekürzt
Reinke. Der Reinstein oder Regenstein ist also ein Raginstein, ein
Stein, auf dem Rat gehalten wird, ein alter Versammlungsstein. ^ Die
Ableitung von ragin scheint mir richtig, die Deutung Versammlungs-
stein unrichtig. Im Got. und Ahd. heisst freilich ragin 'Rat, Meinung' ;
ra^iwoM beraten, lenken; aber im Alts., Ags. und Altnordd. wird regin
als Verstärkung gebraucht. ^) Im Heliand heisst regitMind ganz blind
') Tobler, Ueber die verstärkenden Zusammensetzungen im Deutschen. Die
Deutsch. Mundarten V, S. 23.
141
(durch Schicksalsschluss blind), reginskado Erzräuber, reginthiof Erz-
dieb ; im Ags. regnveard custos strenuus,^ regntheof Erzdieb, regenheard
valde dunis ; im Altnord, reginfiöü montes altissimi, regincliup immensa
profunditas. Ausserdem findet sich im Nord, regin in der Bedeutung
dii, Götter; reginUind wäre also ursprünglich gottesblind, gerade wie
heute noch 'gottes' in 'gottsjämmerlich' und anderen Ausdrücken ge-
braucht wird. Aehnlich wie ragin ist auch irmin in irminsül gebraucht,
das durch columna altissima übersetzt wird. Hieraus schliesse ich,
dass Baginstein oder Regenstein nichts anderes ist als mons altissimus,
'Grosser Stein'. Grimm vermutete Zusammenhang zwischen ragin und
ragen, regen. Wahrscheinlich wird ursprünglich mit Regenstein nur
der Felsen benannt sein, auf dem die Burg steht, denn nur dieser
Teil verdient den Namen Stein, und erst später wird man die ganze
Länge des Höhenzuges darunter verstanden haben. Bei dieser Ge-
legenheit will ich bemerken, dass es nach den Generalstabskarten
auch auf dem Oberharze Regensteinsklippen giebt. Ob diese Benennung
auch im Volksmunde üblich ist, habe ich bis jetzt nicht erfahren
können. Um auf die Worte des Chronisten, düsse steyn ise gereghent^
zurückzukommen, so glaube ich, dass derselbe weiter nichts bedeuten
soll, als was raginstein bedeutet.
Es erübrigt noch einiges zu sagen über das Verhältnis der beiden
Formen Begenstein und Beinstein, die neben einander in der Schrift-
sprache vorkommen. Das beide ein- und dasselbe Wort sind, liegt
auf der Hand, und Pröhle hat Recht, wenn er Reinstein durch Ausfall
des g aus Bagin- oder Beginstein entstehen lässt. Schwerlich richtig
ist Kirchhoffs Auffassung, der Reinstein mit üblicher Erweichung des
g zwischen Vokalen zu i aus Regenstein entstehen lässt. Aber damit
ist die Sache nicht erledigt. In der nd. Mundart um Blankenburg
hcisst der Regenstein allgemein renschtein und nicht reinstein, letztere
Form ist unbekannt. Benschtein ist aus regenstein entstanden, wie
ren (Regen) aus regen^ lin (liegen) aus ligen. Daraus ergiebt sich,
dass Regenstein die nd. Form ist, wie sie sich um Blankenburg ge-
bildet hat und jetzt auch im Hochdeutschen üblich ist. Beinstein ist
für die Blankenburger so zu sagen ein Fremdwort. Der Laut ei an
Stelle von älterem agi ist echt mhd. und md. Daher halte ich Rein-
stein für die hd. oder md. Form. Hiermit stimmt, dass in den Ur-
kunden von Ilsenburg und Halberstadt die älteste und häufigste Form
Regenstein ist. Reinstein kommt in lat. und hd. Urkunden vor, in nd. Ur-
kunden finde ich es zwei Mal in Schmidts Urkundenbuch der Stadt Halber-
stadt 1878—1879, nr. 613 und 863. In der einen Urkunde verbünden
sich die Städte Halberstadt und Aschersleben mit dem Grafen von
Regenstein, in der anderen Bischof Johann und die Städte Halberstadt,
Quedlinburg und Aschersleben mit dem Grafen von Regenstein. An
anderer Stelle habe ich nachgewiesen, dass die nd. Urkunden von
Ilsenburg und Halberstadt stark mit hoch- und mitteldeutschen
Elementen angefüllt sind. Es hat daher gewiss nichts auffälliges,
wenn in jenen beiden Urkunden die hd. Fonn Reinstein erscheint.
142
Das Ergebniss meiner Untersuchung ist kurz folgendes:
!• Die beiden Benennungen Regenstein und Reinstein sind aus
ein und derselben älteren Form raginsiein hervorgegangen.
2. Regenstein ist die ud., Reinstein die hd. oder md. Form.
3. Die Bedeutung ist 'mons altissimus, grosser Stein'.
Auf der Voraussetzung fussend, dass das hd. Heinstein und nd.
Renschtein aus altem raginstein entstanden sind, möchte ich hier die
Frage noch der Lautform JReinke aufwerfen. In der nd. Mundart um
Blankenburg wurde aus ragin ein ren^ aus altem inl. agi ein e und
nicht ei. Wurde auch in anderen Worten aus agi ein e? Nach a
wird in unserer Mundart das g immer wie g in Gott, gut, ganz aus-
gesprochen, nicht wie j^ welche Aussprache sich nach e, t, ei findet.
Nach langem oder gedehntem o wird g^ wenn nicht Umlaut bewirkendes
i folgte, ohne Veränderung des a wie auch in den anderen nnd.
Mundarten ausgestossen, z. B.
kla(e), f. klage, ahd. klaga; mhd. klage; mnd. klage; westfr klegge.
ktän, klagen, Präs. ek Idä, klästj Prät. klaie, ahd. klagon; mhd. klagen,
Prät. kleite; westfr. kleyen,
sä, f. Säge, ahd. saga, sega;
sdn, sägen, Präs. ek sä säst, sät,
mät, f. Magd, got. magaths; ahd. magat, — ged, — gid; mhd. meget, meid;
alts. magcUh; ags. mägedt; mnd. magel; ostfr. mägd, maid, meid; westfr.
fnaagd, meid; nid. maagd, meid, engl, maid; Woeste mäged; Schambach
maget; Dähnert maagd.
mädeborch, Magdeburg.
häputje, f. Hagebutte, ags. haga, hege; ahd. ?Mg.
hänebeuke, f. Hagebuche, Schambach haine — , fiaenebriken. Bisweilen
heinebeuken, doch scheint diese Form hd. Entlehnung zu sein. Yergl.
die vielen Orts- und Flurnamen auf — hagen.
Vor el findet ein Schwund des g in der Mundart um Blanken-
burg nicht statt: Mgel^ m. Hagel, ahd. hagal, hagel; ags. hagal^ —
gd^ — gut, — gel; westfr. hägel.
Umlaut des a in e erscheint
1. im Präs. der str. Verba: draw, tragen, ek dm, drechst,
drecht. — frän^ fragen, ek frä, frechst^ frecht, Prät. frauch,
2. in sein, sagen, ek seie^ sechst^ secht, Prät. se; ndl. seide.
Aus ags., ahd. sagjan wurde segan, seggen. In der Mundart
um Blankenburg wurde g zu j, und dieses j verflüchtigte sich
zu einem i, welches mit dem kurzen e nicht zum Diphthong
ei, sondern zu ei wurde, ähnlich dem e* für t im engrischen
Gebiete. Derselbe Vorgang findet sich noch in ne«fic, neun,
alts. nigun; ekrem^ Ptc. von krin, kriegen. In Hasselfelde
spricht man seun 'sagen' und ekreun^ 'gekriegt'.
In lein, legen. Präs. ek lek^ leckst, leckt. Prät. lackte got.
lagjnn; alts. leggjan; ags. lecgan^ legan; mhd. legen, Prät. legte, lakte, leite.
Der Diphtong ei (ai) an Stelle von agi scheint sich zu finden
in seisse^ f.' Sense' das mit ags. sage 'Säge' verwandt sein wird. Alts.
segisna; ahd. segansa^ seginsa^ segensa, segesna, segisna; mhd. seganse,
segense^ seinse^ sense^ sense; mnd. seise, seisene^ sesse. Es ist aber zu
143
bemerken, dass in diesem Worte ausser dem g noch ein n ausgefallen
ist, und ich möchte annehmen, dass der Ausfall des n die Dehnung
zu ei bewirkt hat, vergl. lüktvarm und lunkwarm (Korrespondenzbl.
XI. 59), üse und unse^ ags. ges für gansi u. a. m. Dieses Beispiel
darf meines Erachtens nicht als Beweis angeführt werden, dass im
Nd. 6t aus agi entstanden sei.
geü^ geil, üppig wachsend. Woeste im westf. Wtb. p. 70: „gail;
wie steil = ahd. Steigal^ so gaü^ gagü^ ags. gagd; alts. gel, lascivus.''
Dazu Jellinghaus im Nd. Jahrbuch IX, p. 68: ^Dies wird bestätigt
durch ravensb. gajel^ geil.^ Von der Richtigkeit dieser Annahme habe
ich mich bis jetzt nicht überzeugen können. Man vergl. ags. gagul
und westf. gägel; ags. hagul^ hagol, und westf. hdgel. Warum steht
nicht auch in diesen Worten ein ai? Ausserdem scheint ravensb.
giijel westf. hägel und gägel lautlich zu entsprechen. Ich halte westf.
gail und ravensb. gc^jel für zwei verschiedene Worte, letzteres ent-
spricht ags. gagol^ ersteres ags. gäl^ alts. gel; vergl. got. gaüjan. ahd.
geiljan^ mhd. geilen, Ags. ä entspricht got. ai, ei in der Mundart
um Blankenburg, und westf. e. Aber neben westf. e kommt auch ai
vor, z. B. ehe und aite, depde und daipde, denst und dainst^ dehn und
mwestf. deücn = dailen^ 'wie wir auch heute oft sagen'. ^)
eidexe, f. lacerta. ahd. egidehsa; mhd. egedehse, eidehse; ags.
ddexe; mnd. egedisse, eigdisse; nnld. haagdis. Die verschiedenartigen
Formen, in denen dieser Name auftritt,*) lassen die Ableitung desselben
noch gänzlich zweifelhaft, und auch für unseren Fall ist nichts daraus
zu gewinnen.
eisichy Angst erregend; et eiset meh^ ich fürchte mich. Got.
agis, Furcht, Angst; ags. ege (ege?), timor, horror; egesa, cgsau;
egesig, eisig; egesltc; egesjan, egsjan; alts. egislic (im Heliand),
eislic (Strassb. Gl.);') ahd. oÄ'l, ekt, eg% aigt; mhd. egeslich, eislich;
eisen; egese^ mc; mwestf. eisciic^ eislic; westf. aisig; aisen; osn. eslik;
götting. — grubh. eisen^ esen^ eisig^ eisige. Hier scheinen wir den
Beweis zu haben, dass auch im Nd. ei (ai) = urspr. agi vorkommt.
Im Ags, ist der Ausfall des g nach kurzem Vokale vor — en und —
el gewöhnlich;*) hier müsste g auch vor es geschwunden sein. Im
Alts, finde ich Schwund des g ausser in eislic noch in gein 'gegen'
und in tnester.^) Was alts. gein anlangt, ahd. gagan^ getgin^ gegin; mhd.
gegen^ gein^ gen; md. kegin^ kein; ags. gcgn^ gen; engl, again; so muss
es au£fallen, dass die heutigen nd. Mundarten kein gein bieten. So
viel ich sehe, haftet in allen Mundarten das g in den Formen für
'gegen', während sonst der Ausfall des g mit der Zeit an Ausdehnung
gewonnen hat. Die Form gein kann daher nichts beweisen. Alts.
mester, lat. tnagister; ags. maegester; maestei'; holl. meester; in Westf.,
0 Woeste, westf. Wtb. p. 49.
*) Die dtsch. Mnd. VI, p. 471—473.
») Galläe, Alts. Gr. § 42.
*) Ettmüller, p. XXVIL
^) Gallee, a. a. 0. 42 und § 123.
144
um Göttingen und um Blankenburg mester; in Pommern mester; in
Ostf. mester; mester; wird sich kaum direkt aus magister, sondern
vielmehr nach ahd. maister gebildet haben, so dass der Ausfall des
g nicht viel besagen will. Somit bleibt nur noch eislic neben egislic
über, und es fragt sich, wie sich beide Formen neben einander ver-
halten. Die einfachste und wahrscheinlich allseitige Billigung findende
Erklärung würde sein, dass eislic die jüngere aus egislic entstandene
Form ist. Hiergegen lässt sich jedoch anführen:
1. Dass im Alts, ausser in dem Fremdworte mester und dem
vennutlich md. gein kein Ausfall des g stattfindet.
2. Dass im Ags. neben egesa die Formen egsan und eisig stehen;
warum nicht eisan oder egsig? Wenn Mexe = agidexe sein soll
(ostfr. Wtb. I, 18), wie verhält sich dann ädexe neben eisig?
3. Dass im Westf. heute noch intervokalisches g haftet, z. B.
regen^ regnen, rogen^ pl^ge, hägel^ seggen, tiegen u. s. w., warum aber
aisig?
4. Um Blankenburg wurde aus ragin ein rew, aber vor Doppel-
konsonanz der Eigennahme Renke mit kurzem e; aus magister aus
demselben Grunde mester; aus agisig^ cgesig hätte also esich werden
müssen.
5. In allen nd. Mundarten erscheint, ausser im Osn., der auf-
fallige Dipthong ei (ai), an dessen Stelle e oder e zu erwarten war.
Ueber die Ableitung von eisich bin ich im Zweifel, neige aber
zu der Ansicht, dass abgesehen vom Holländischen und Westfriesischen
der Lautwandel von agi zu ei (ai) im Nd. nicht erfolgt ist. Die ahd.
Form aigi lässt es nicht unmöglich erscheinen, dass es im Alts, und
Ang. ein ege, das schon EttmüUer zu vermuten schien, gab, und dass
eisig ^ für esig = egesig steht. Nach langem Vokale konnte g wohl
leichter schwinden. Selbstverständlich gehören nicht hierher Formen
mit ei = urspr. ah(i), z. B. Scheinich von Scahiningi oder Scahningi
= Schöningen; schleit von slahan; geit aus ga-it oder vielleicht aus
gahit; meine frühere Ableitung aus ^a^tHst verfehlt;^) eime^ f., Granne
der Gerste, steht wohl für eir^, ahd. agane; mhd. agane^ agen; mnd.
age^ agen; aber got. ahana.
Lübben, mnd. Gr. p. 35/36 und 57, hält ei an Stelle von altem
agi für nd. Auch den Flussnahmen Leine^ älter Lagina ^ führt er an.
Es ist aber zu berücksichtigen, dass die Leine auf md. Gebiete ent-
springt. Seelmann bemerkt mir zwar, dass Flussnamen gewöhnlich
von der Mündung aufwärts wandern, lässt jedoch auch Ausnahmen
von dieser Regel zu. Adam von Bremen erzählt,*) dass die Seeräuber
in die Mündung der Wirraha eingelaufen seien. Wirraha ist aber
md. Form, noch heute heisst der Fluss bei den nd. Anwohnern Weser
mit kurzem e. Adam stammte aus der Markgrafschaft Meissen.
') Ed. Damkuhlcr, Zur Charakteristik des nd. Harzes, S. 21.
») II, c. 74.
145
Wenn Lübben auch Meidehorch anführt, so ist zu erwidern, dass ich
um Blankenburg und in der Börde niemals diese Form gehört habe.
In den Urkunden von Halberstadt ist sie häufig und ich halte sie für
md., gerade so wie die Form neiber 'Nachbar'. Formen wie seilen =
segelen^ altn. sigla; ahd. sigelen kommen natürlich nicht in Betracht,
da hier ein ige statt agi zu Grunde liegt.
Meines Wissens zweifelt niemand daran, dass Reinke eine nd.
Lautform ist, deren erster Bestandteil rein =: ragin^ deren zweiter
Bestandteil die Deminutivendung he sei.^) Nach vorstehender
Untersuchung ergab sich rein als hd. oder md. Form, auch in anderen
nd. Worten musste ei = agi als zweifelhaft erscheinen. Es bliebe
noch zu imtersuchen, ob in den vielen mit ragin gebildeten Eigen-
namen sich nd. ei = agi mit Sicherheit erweisen Hesse. Diese Unter-
suchimg bin ich jetzt nicht imstande anzustellen. Was nun den
Beinhe Vos anlangt, so steht fest, dass die Grundlage des mittel-
alterlichen Tierepos die äsopische Fabel vom kranken Löwen bildete.
Diese kam von Griechenland nach Italien und von hier spätestens im
8. Jahrhundert nach Deutschland. Um 940 wurde sie von einem
Mönche im Kloster Toul einem lat. Epos eingefügt. Um 1100 müssen
die Hauptträger der Fabel, Wolf und Fuchs, in Flandern ihre
deutschen • Namen Isengrim und Reinhard erhalten haben^). Nach
Seelmanns freundlicher Mitteilung sind Formen wie reghen und rein
^Regen", seinen ^segnen^, seit ;,sagt'^, gheleit ^gelegt'^ ganz gewöhnlich
im Flandrischen. Dem entsprechend lautet die niederl. Form Beinaert,
Aus Reinaert hat der nd. Uebersetzer Reinke gemacht. Man könnte
hieraus folgern, dass diese Form im Nd. allgemein üblich gewesen
sein müsse, notwendig scheint es mir gerade nicht. Wir wissen nicht,
wer der nd. Uebersetzer gewesen ist und woher er stammte. Walther
hat nachgewiesen, dass im R. V. Formen vorkommen, die dem
Lübecker Dialekte nicht angehören.®) Meines Erachtens folgert er
mit Recht daraus, dass der Uebersetzer kein Lübecker gewesen ist.
Die Form Reinke braucht also nicht notwendig lübeckisch zu sein.
In den Urk. von Ilsenburg und Halberstadt erscheint in Namen nur
Rein = ragin, ausser in Regenstein. Regen-, ren- erschien uns aber
als die reine nd., rein- als die md. Form. Reinhard, Reiner, Reinehe
scheinen auch in Niederdeutschland beliebte Namen gewesen zu sein,
während die nd. Formen Renke und Menhe (für Meinehe) seltener
erscheinen. Es ist daher nicht auffallig, wenn der Uebersetzer des
R. V. die um 1500 allgemein gekannte md. Form Reinhe statt Renhe
wählte. Vielleicht war man sich des sprachlichen Unterschiedes beider
Formen kaum noch bewust. Oder sind die Träger der mit Rein-
gebildeten Namen aus Mittel- und Oberdeutschland eingewandert?
Bischof Reinhard von Halberstadt (1106 — 23) war wohl kein ge-
') Lübben, Die Tiemamen im Reineke Vos. Oldenburg. Programm 1863.
') Scherer, Geschichte der deutschen Litteratur, S. 260.
") MundartUches im Reinke Yos. Nd. Jahrbuch I, 92 ff.
Ni«d«rd«ntoeheB Jfthrbuoh. ZVn. 10
146
borener Halberstädter; ^) sein Neffe Poppo ist in den Harzgau ein-
gewandert, aber woher? Von Poppos Söhnen heisst der zweite wieder
Reinhard, doch liat das Urkb. von Drübeck 15 neben preposito
Reinhardo auch prepositus Rechenhardus. Die Urkundensprache ist
eben nicht zuverlässig, die mundartlichen Formen der lebenden Sprache
bieten besseren Anhalt.
BLANKENBURG a. H. Ed. Damköhler.
Heinrieh's von Krole^viz Vaterunser
niederdeutsch.
Die nachfolgenden Bruchstücke entstammen demselben Bande,
dem ü. V. Buchwald die in Band 11 der Zeitschrift der (xesellschaft
für Schleswig-Holsteiu-Lauenburgische Geschichte (1881) Seite 364
veröffentlichte Liste des Verlustes in der Schlacht bei Hemmingstedt
entnommen hat, der 1476 in Lübeck gedruckten Scala celi (Hain 9405)
der Universitäts-Bibliothek zu Rostock. An sich von keinem hervor-
ragenden Werte , da sie anstatt des zuerst in ihnen * gesuchten
Originalgedichts sehr bald nur eine mittelmässige Uebersetzung aus
dem Hochdeutschen ergaben, mögen sie doch hier Platz finden,
da sie ein auch im Urtext nur in zwei auf gegenseitige Erzänzung
angew^iesenen Handschriften und ausserdem blos in ganz geringfügigen
Bmchstücken überliefertes Gedicht betreffen, von dessen Uebertragung
ins Niederdeutsche bisher nichts bekannt war. Man könnte sogar
daran denken, das Vorhandensein einer solchen als einen Beleg für
die von Lisch in seiner Ausgabe Heinrich's von Krolewiz (Quedlinburg
und Leipzig 1839) Seite 7/8 aufgestellte Vermutung eines zeitweiligen
Aufenthalts des Dichters am Schweriner Hofe anzusehen. Aus dem
Wortlaut der Uebersetzung, besonders V. 1295, geht hervor, dass der
Schweriner Codex nicht die unmittelbare Vorlage gewesen sein kann,
und das Vorkommen mehrerer Handschriften eines verhältnissmässig
untergeordneten hochdeutschen Dichters in demselben Teile nieder-
deutschen Sprachgebiets, in dem sich vierzig Jahre vorher Herzog
Wilhelm von Lüneburg Hartmanns Gregorius aus dem Hoch-
deutschen ins Lateinische übersetzen Hess, dürfte eine Erklärung
wünschenswert erscheinen lassen. Eine solche ist gegeben, wenn die
Annahme von Lisch, die durch Rumelants Aufenthalt am Hofe des
Grafen Gunzelin III von Schwerin (1228 — 1274; Heinrich von Krolewiz
dichtete sein Vaterunser nach seiner eigenen Angabe in den Jahren
1252 — 1254) eine Stütze erhält, richtig ist; andererseits können auch
Klostergeistliche die Vermittler gewesen sein. Allem Anschein nach
') Schmidt, Zur Genealogie der Grafen von Regenstein und Blankenburg.
Ztschr. des Harz-Vereins f. Gesch. und Alt. XXII, S. 1 — 8.
147
stammt das in . Frage stehende Exemplar der Scala celi, deren Ver-
fasser selbst dem Predigerorden angehört, aus der Bibliothek des
Dominikanerklosters St. Johannis in Rostock. Die (ins Jahr 1256
fallende) Gründung, wenigstens den Hauptanteil an der Bewidmung
dii'ses Klosters nimmt nach einem vom 27. März 1534 datirten
Schreiben an dem Itat der Stadt Rostock die Familie von Bülow,
die dem Bistum Schwerin im 13. und 14. Jahrhundert drei Bischöfe
und zahlreiche Domherren gegeben hat, für sich in Anspruch.
Die erhaltenen Reste der uns hier beschäftigenden Handschrift
})estehen aus drei Streifen, die aus dem Mittelblatt einer Lage ge-
schnitten sind und von denen der obere und der untere je 4, der
mittlere 7 Zeilen Schrift enthalten, während ein vierter Streifen aus
der Mitte des Doppelblattes, 8 Zeilen breit, fehlt. Das Doppelblatt
umfasste sonach auf vier Seiten von 145 mm Höhe und 106 mm
Breite zu je 23 Zeilen die Verse 1292—1384, von denen 1303—1310,
1320-1333, 1349—1356, 1372—1380 fehlen. Das ganze Gedicht
würde also 54 Doppelblätter gefüllt haben. Die Handschrift, wohl
noch der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts entstammend, ist sehr
sauber geschrieben, jeder Vers mit grossem, roth durchstrichenem
Anfangsbuchstaben, der Anfang eines Abschnittes (V. 1312) mit zwei
Zeilen einnehmendem roth gemaltem Initial. Nicht das gleiche Lob
wie der äusseren Form lässt sich der Uebersetzung selbst erteilen,
soweit der kleine Rest ein sicheres Urteil gestattet. Missverständliche
l>bertragungen sind häufig, ohne dass, wie etwa bei V. 1295 (behenden
stiitt lebenden)^ eine andere Lesart der Vorlage zur Erklärung dienen
könnte, so 1294, 1302, 1318 (wete, 1334 richtig ivyse), 1346 dure
statt dirre^ 1348 in iw statt in ir\ V. 1359 weicht nicht nur den
Worten, sondern auch dem Sinne nach gänzlich vom Original ab,
ebenso 1363/64 und 1367, so dass man fast zu dem Schlüsse kommen
nmss, dem Uebersetzer sei selbst das volle Verständnis für seine
Vorlage abgegangen. Das Metrum ist verflacht (V. 1292), einzelne
Verse über Gebühr in die Länge gezogen (1368, 1371), der Reim
lässt zu wünschen übrig.
1292 Johannes ewangeliste de hilghe man
Deme gy doch recht ghetruwet
Vnde sprekt hat got ghebuwet
129Ö En hus van behenden stejnen
Na merket wat wy meynet
Sante Johannes dama ik
Dat is nu wol moghelik
Dat ik na synen worde ghee
1300 Vnde an syne lere see
Wan er he dat myt oghen sach
Vnde des apenbare jach
1311 Vnd myt gode ewichliken lenen
Na höret wat ik meyne
Dyt eddeie ghesteyne
10*
Vnde gripen an den sten
1315 De nammer wert syn ghelik gheseen
Vnde de alsalke schone hat
Dat he vor godes oghen stad
Vnde dat he wete is ghenant
Wo mochte ik iw dat don bekaut
1320 Also myr myn syn ghesaghet
Dat dndet wol eyn reyne maghet
De in hemmelrike was
In des konynghes pallas
Langhe gheordineret vore
1325 Wan sik god myt vrier köre
1334 Se dndet ok wol den wysen
1335 Den in den groten vreysen
Hertoghe Emest vns ghewan
Wan iu der eilende man
In vil groten noden brak
Alsns vns armen gheschach
1340 Dat wy armen weysen
In des dodes vreysen
Weret vorseghelt myt here
Vp dat snnden lenermere
Vnde yo vil na weren dot
1345 In der snlnen groten not
Wart ghebroken dnre steyn
Dar Yt de gotheyt ersehen
Vnde wart in iw ghehandelt
1357 Dat got van vns wendet dan
Syn schone antlat snte
Ghene vns de hoghen mute
1360 Vnde schal myt vlitelikeme sede
Got vor vnse snnde beden
Vnde knndighen vnse wort
Dat see vns bringhen in den ort
Dat vns god mote hir vmme seen
1365 Dat mut dor leue sehen
De he to der vronwen hat
Vnde sik in sine handa tat
Vnde mnt vns myt sinen reyneu danken
Hören in vnse bede wanken
1370 Dauid van der vrouwen sprak
Also he vt godes dogheden dath sach
1381 Vnde ghnldeue cleyde ane han
Vnde dat ok vmme se weren gheleyt
Mennigherhande wnnnicheyt
1384 Danld vns noch mer saghet.
ROSTOCK. Ad. Hofmeister.
149
Zur altsäehsisehen Grammatik.
(Anzeige.)
0. Behagbel und J. H. OaU6e, Altsächsische Grammatik. I. Hälfte, Laut- and
Fiexionslehre, bearb. von J. H. Oall6e. Halle n. Leiden, 1891. 8^ (Sammlang
kurzer Grammatiken germanischer Dialekte VI.)
Seit 1873, in welchem Jahre Heyne^s kleine as. and anfr. Grammatik
erschien, ist eine zusammenfassende Darstellung der as. Sprache nicht wieder
versucht. Zwar ist die Formenlehre in den Paradigmen von Sievers (1874),
Arndt (1874), Roediger (1884) wiederholt zusammengestellt; für die Lautlehre
hat Holtzmann in seiner altdeutschen Grammatik (1870) reiches Material ge-
liefert; Gall6e gab in seiner as. Laut- und Flexionslehre I (1878) für die meisten
der kleineren as. Denkmäler eine Statistik der Laute und Endungen; auch sonst
fehlte es nicht an Einzelbeiträgen zur as. Grammatik in den germanistischen
Zeitschriften; die Namen sind von Althof (1879) grammatisch behandelt. Aber
immer vermisste man schmerzlich eine Behandlung der gesammten Grammatik
auf Grundlage des durch' die Sieverssche Ausgabe so handlich und zuverlässig
hergestellten Textes des Mon. und Gott., sowie des neugefnndenen Prager Frag-
mentes und des nicht unbedeutend vermehrten Glossenschatzes. Denn so ver-
dienstlich Heyne^s Arbeit war, so genügte seine Grammatik eigentlich schon bei
ihrem Erscheinen nicht mehr den Anfordeningen, die man vom Standpuu}£te der
gerade in jener Zeit sich Bahn brechenden sprachwissenschaftlichen Anschauungen
an eine wissenschaftliche Behandlung eines Einzeldialektes stellte, und Paul gab
in seiner Anzeige der Heyneschen Grammatik (Genn. 19, 217 ff.) seinem Tadel
unverholen Ausdruck. So muss denn eine neue Bearbeitung der as. Grammatik,
die unter der Aegide Brauue's und nach dem Vorbilde seiner trefflichen got. und
ahd. Grammatiken erscheint, von allen Germanisten mit Freuden begrüsst werden.
Wie der Titel sagt, haben wir es zunächst nur mit der ersten Hälfte der Gram-
matik, die Laut- und Flexionslehre umfassend, zu thun; die Wortbildung und
S^-ntax in der Bearbeitung von Behaghel soll den zweiten Theil bilden.
Wenn wir, um den Werth der vorliegenden neuen Grammatik zu würdigen,
sie zunächst mit der Heyneschen Vorgängerin vergleichen, so ist der Umfang
zwar ziemlich der gleiche. Trotzdem ist das Gallßesche Werk viel reichhaltiger.
Die altniederdeutschen Psalmen, über deren Laut- und Flexionsverhältnisse wir
ja in Cosijn's Oudned. psalmen eine genaue Statistik besitzen, hat G. mit Hecht
von seiner Arbeit ausgeschlossen, dagegen die beiden Heliandhss. und sämmtliche
kleineren Denkmäler, besonders die Glossensammlungen, viel ausgiebiger heran-
gezogen. Nicht berücksichtigt sind die Eigennamen, was freilich sehr zu be-
daoern ist, aber aus den von G. (S. VI) angeführten Gründen gebilligt werden
kann. Das aus diesen Denkmälern zusammengebrachte Material ist in der ge-
wöhnlichen Reihenfolge der Grammatik behandelt, wobei die got. Grammatik
Braune*s als Muster gedient hat. Jeder Regel sind die Abweichungen in den
einzelnen Denkmälern hinzugefügt. So kommt ein viel reichhaltigeres Material
als bei Heyne in übersichtlicher Form zur Darstellung. Es fragt sich nun, wie
vollständig und zuverlässig dasselbe ist. Hinsichtlich des ersten Punktes kann
man billigerweise keinen andern Maassstab anlegen, als ihn die Absicht des Verf.
uns an die Hand giebt. G. sagt selbst in seinem Vorworte, dass er bei der
Arbeit, aus seinen zu lexicographischen Zwecken angelegten Sammlungen die
150
Yorliegende für Studierende bestimmte kleine Grammatik herzustellen, sich mög-
lichste Beschränkung auferlegt habe. § 61, Anm. erklärt G. freilich, in den
Anmerkungen zu der Decl. und Conj. seien alle Abweichungen verzeichnet. Das
ist aber, wie man sich sehr bald überzeugt, durchaus nicht der Fall. Er hatte
also nicht die Absicht, uns sein vollständiges Material zu geben. Es war das
ja auch durch den nächstliegenden Zweck der „kurzen^ Grammatiken ausgeschlossen.
Mau kann also leider aus den scheinbar noch so genauen Angaben G.'s doch
niemals die erwünschte Sicherheit über eine einzelne Frage der Grammatik ge-
winnen. Hoffentlich ersetzt G. diesen Mangel einer vollständigen Materialsammlung
bald durch die Veröffentlichung seines in Aussicht gestellten Wörterbuches mit
grammatischem Apparate. Müssen wir uns also den Zwecken des Buches gegen-
über mit unseren Wünschen bescheiden, so darf man doch die Ungleichheit der
Behandlung als einen Mangel bezeichnen. Wozu die Ausführlichkeit in den
Angaben über d, d, th (§ 142 ff.), k und c (§ 115), these (§ 244), wenn andere
ungleich wichtigere Capitel der Grammatik ganz kurz oder gar nicht behandelt
werden? Auch sonst konnte m. E., ohne den Umfang des Buches erheblich über
das Gegebene anzuschwellen, den Citaten grössere Vollständigkeit gegeben werden,
oder doch gesagt werden, wo der Verfasser Vollständigkeit der Belege beabsich-
tigte, wo nicht, indem durch zugefügtes „z. B." oder „und öfter'' die Beschränkung
in der Angabe der Belege auf einzelne wichtigere Beispiele hervorgehoben wurde.
Was nützt es, wenn bei einmal vorkommenden Formen ausdrücklich „einmal M"
oder „einmal C (z. B. § 203 skepiun) gesetzt wird, wo auf demselben Räume
die Verszahl Platz gehabt hätte? Bei aller Reichhaltigkeit im Einzelnen vermisst
man ferner mehrere zusammenfassende Capit-el, auf deren Wichtigkeit schon Paul
in der angeführten Recension aufmerksam gemacht hat, wie sie auch z. B. bereits
von Frauck in seiner mnl. Grammatik aufs trefflichste ausgeführt sind. Dahin
rechne ich: Einfluss von Consonanten (r, m, 1, h, w) auf Vocale; Einfluss von
Vocal auf Vocal ; Assimilation der Consonanten ; Metathesis ; Behandlung der aus-
lautenden Stammvocale in der Composition ; Einfluss des ags. auf die Schreibung
in C und M, u. s. w. Durch solche susammen fassende Capitel wären manche
zusammengehörige Erscheinungen, die jetzt zerstreut unter andern Einzel-
erscheinungen sich dem Blicke entziehen, als verwandte zu erkennen und dienten
sich gegenseitig zur Aufklänmg. Ebenso nützlich wären einige §§ gewesen, die
die Eigenthümlichkeiten der einzelnen Heliandhss., die dialektischen Besonderheiten
der einzelnen kleineren Denkmäler zusammenfassend behandelten. Ein vielleicht
zu weit gehender Wunsch für eine as. Grammatik ist, dass der Verf. eine Übersicht
der Formen gegeben hätte, die in den einzelnen Heliandhss. (besonders in M)
nur in bestimmten Abschnitten vorkommen. Für die Geschichte der Hss. ist die
Zusammenstellung der „graphischen Varianten", wie sie uns der Verf. für einige
Erscheinungen in den „Beiträgen'' geliefert hat, unumgänglich noth wendig. — Doch
wie gesagt, über die Zweckmässigkeit des Mehr oder Weniger des Gegebenen
wird jeder nach seinen Interessen eine besondere Ansicht haben, und der Verf.
wird sich damit trösten, dass es doch niemand allen recht machen kann. Wir
wollen deshalb mit dem Gebotenen zufrieden sein, wenn wir nur den einzelnen
Angaben das Lob der Zuverlässigkeit zugestehen könnten! Das ist aber leider
nicht der Fall. Zunächst will ich bemerken, dass schon der mit dem as. ver-
traute Benutzer — wie viel mehr der Studierende — in vielen Fällen im Un-
klaren bleiben muss über das Verhältniss mehrerer neben einander liegenden
Formen. Dies gilt besonders von dem Abschnitte der Flexion. G. giebt häufig
hinter einander eine ganze Reihe von Endungen, ohne dass mau sieht oder erfährt,
welches die am häufigsten vorkommende ist*, natürlich hält man die erste für
die regelmässige oder häufigste, die anderen für weniger häufig, die letzte für
151
die seltenste. Damit stimmen aber nicht tiberall die Thatsachen, so z. B. wenn
im dt. 8g. der schw. Adjektiyflexion die Beihenfolge gegeben wird: göden, -in,
-an, -(yn, oder im dat. pl. der a-decl. : dagum, dagun, dagon. Überall, wo durch
die Nebeueinanderstellung mehrerer Formen der Anschein der Gleichberechtignug
erweckt wird, wäre ein Hinweis anf die Häufigkeit der einzelnen Form erwünscht
gewesen. Bei der Buntheit der aus den verschiedenen Denkmälern zusammen-
kommenden Formen hätte es sich überhaupt empfohlen, im Paradigma nur eine
einzige Form, etwa die des Mon. zu geben, ähnlich wie Braune in seiner ahd.
Gramm, die fränkischen Formen als Beispiele anführt, und alle anderen Neben-
formen in die Anmerkungen zu verweisen, wo dann über den Ort und die Häu-
figkeit des Vorkommens das Nöthige gesagt werden konnte. In anderen Fällen,
wie z. B. in der u-dekl. wäre die Anführung sämmtlicher Belege einfacher und
übersichtlicher gewesen, als die Aufstellung eines doch nur lückenhaften Para-
digmas. Dankenswerth sind die Verzeichnisse der den einzelnen Paradigmen
folgenden Wörter; aber auch hier vermisst man eine Angabe, ob und wie weit
die Listen vollzählig sind. Ebenso ist es mit den den Ausnahmen zugefügten
Belegen. Sind mehrere Zahlen gegeben, so möchte man doch wissen, ob damit
die Belege erschöpft sind, oder in welchem numerischen Verhältnisse sie zur
Regel stehen; bei nur einmal vorkommenden Formen war die Angabe der Stelle
geradezu nothwendig, weil es bei der Beschaffenheit der Hss. nicht einerlei ist,
in welchem Theile des Textes eine Form sich findet. —
Fehlt es schon im Allgemeinen in allen diesen angedeuteten Richtungen
an der wflnschenswerthen Zuverlässigkeit, so tritt im Einzelnen überall eine für
ein wissenschaftliches Hülfsmittel unerlaubte Ungenauigkeit und Fehlerhaftigkeit
in unangenehmster Weise zu tage, die Studierende, deren Einführung in das
Studium des as. sich das Buch doch gerade zum Zwecke setzt, vielfach irre führen
muss. Hier kann ich mit dem Tadel nicht zurückhalten, dass es G. mit seiner
Arbeit nicht streng genug genommen hat, und dass entweder sein Material nicht
zuverlässig ist oder der Verf. bei der Ausarbeitung allzu flüchtig zu Werke
gegangen ist. Da sehr häufig die genaue Anzahl des Vorkommens einer als
Ausnahme besprochenen Form gegeben ist, so glaubt jeder Benutzer hier auf
festestem Grunde zu stehen, wird aber bei einer Nachprüfung einzelner dieser
Zahlen bald den Glauben an die Verlässlichkeit aller verlieren. Die grosse Menge
von Druckfehlern in den as. Wörtern, deren kleinsten Theil die Zusätze und
Verbesserungen am Schlüsse des Buches berichtigen, beweist schon, wie wenig
Sorgfalt auf die Correctur verwandt ist. Selbst der Name eines Gelehrten wie
Madan (S. V) ist dem Druckfehlerteufel anheim gefallen, und als Curiosum mag
erwähnt sein, dass der Verf. sich auf dem Schmutztitel Galle6 und Gallee, auf
dem inneren Titel Gall^e und Gallee schreiben oder drucken lässt. Schlimmer
sind die vielen Fehler in den Verszahlen und den Citaten. Da im Vorworte
mehreren namhaften Gelehrten der Dank für Correcturlesen gespendet wird, so
möchte man gern wissen, bei wem man sich eigentlich vornehmlich zu bedanken
hat, dass nicht noch mehr Fehler stehen geblieben sind. Um diesen herben
Tadel im Einzelnen zu begründen, müsste ich § für § der ganzen Grammatik
durchgehen und alle von mir notirten Fehler augeben. Es würde das aber den
mir zur Verfügung gestellten Raum des Jahrbuches bei weitem überschreiten;
auch liegt es nicht in meiner Absicht, zu allen §§ Nachträge zu liefern, was
soviel hiesse als eine zweite Grammatik schreiben. Sondern ich begnüge mich,
auf die gröbsten Fehler in der Lautlehre und der nominalen Flexion aufmerksam
zu machen. Durch eigne Sammlung über diese Theile der Grammatik bin ich
in der Lage, G.^s Angaben genauer zu controlliren ; ich kann dabei der Kürze
wegen auf eine im Druck abgeschlossene, aus äusseren Gründen aber noch nicht
152
im Bachhandel erschienene Schrift von mir verweisen, „Untersnchnngen zur
Geschichte der altsächsischen Sprache'', wo die Belege meist in lückenloser Voll-
ständigkeit verzeichnet sind, and die ich im Folgenden mit „Unt." anführen
werde. Ich hoffe, dass meine Berichtigungen nicht als rechthaherische Mäkelei
anfgefasst werden, sondern als Hinweis, wo und in welcher Richtung eine 2. Aufl.
verbessert werden muss, Beachtang finden mögen.
§ 3. Bei der Aafzählong der kleineren Dkm. hätte angegeben werden
sollen, wo die nicht bei Heyne abgedrackten Stücke za finden sind. Nicht genannt
sind die Glossen aus St. Peter (Graffs Dint. II und zerstreut bei Steinmeyer-
Sievers). — § 4 Anm. 1. d und b kommen auch ausser den Heliandhss. vor.
— Anm. 2 wäre der Abkürzungsstrich für n und m zu erwähnen gewesen, durch
dessen fehlerhafte Fortlassung sich manche Irrtümer in den Hss. erklären (vgl.
Unt. S. 146). — § 5. Die Doppelschreibung der Vocale ist besonders für das
Chartularium Werthinense charakteristisch. — § 6. y (tyreas C 131), ö und 9
sind vergessen. — § 18. Unerwähnt ist das nicht seltene Eintreten von ae in
C und M an Stelle von a (e) ; § 29 Anm. 1 wird nur ein Beleg aus M für ae
anstatt e angeführt. — § 19 sind germ. 0 und 6 unnöthigerweise in die Anm.
verwiesen. — § 20 Anm. 1. Zu 0 neben a besonders vor n vgl. die Beispiele
Unt. S. 141 f.; fon ist in M nicht „vereinzelt'', sondern (vgl. Jellinek PBB
14, 158) bis 1497 die ausschliesslich gebrauchte Form. Die Angaben über
mohia sind ganz falsch ; mohta kommt in G nicht zweimal, sondern überwiegend
vor, z. B. 164. 672. 646. 738. 849. 1674. 2049. 2301. 2662. 2690. 2778.
2921. 3063. 3198. 3341. 3369. 3613. 3636. 3688. 3816. 4078. 4867. 5229.
5917; muohta 674; ebenso mohiun 813. 2303. 2371. 3582. 3649. 3824. 6067;
mohti 189. 723. 1442. 2322. 2392. 2649. 5278. 5920; Tnohiig 817; mohtin
3929; mohim 5351. 6923, wogegen die Formen mit a ganz zurücktreten. M hat
zweimal mohta 184. 747, einmal mohte 1678, einmal mohiun 148. — Neben
fold konnte noch hagastoldos C 2548 erwähnt und auf das häufige utierold ver-
wiesen werden; auch uvoh G (auu M) 3931 und auoh (auuh M) 4222 neben
uiuih GM 3960, G 5673 verdiente Beachtung. — § 20 Anm. 2. Übergang von
a in e vor r findet sich auch häufig im Hei., z. B. herda C 2390, herdan
G 1091, oharuuerdan C 2391, tuoutierd G 4182, foruv^rdes C 976, forihuuerd
C 4010, geginutierd G 2634, ther M 4578; ea in scealt G 261 und uueard
G 3711. Doch hätten lieber alle Fälle des vor r in den Hss. wechselnden a und e
im Zusammenhange bei r besprochen werden sollen, wo dann auch die Vocale
der Nebensilben herangezogen werden konnten. — § 22. Für Eintritt oder Aus-
bleiben des Umlauts lassen sich schärfere Begeln, als sie G. giebt, aufstellen;
der Einfluss der benachbarten Laute und Lautgruppen, besonders des r und r -|-
Gons. (vgl. § 25) tritt noch in sehr vielen Beispielen zu tage; das nicht umge-
lautete a in sagt, sagid, hahid verdiente Erklärung ebenso wie die Analogie-
bildungen habbien M, habhiu G 933, dragit neben dregit, spanii neben spenit
Nach der Fassung des § 25 glaubt man, dass nur nuarmien 4967 in M ohne
Umlaut sei, aber ebenso verschmähen den Umlaut hmfardi G 1351, umbitJiarbi
M 1728, hunargin M 1089, auuardiad M 1646, avuardien M 1882, auuardean
M 1907, auuardit M 2276, auuardid M 2588, fardio M 3646. — § 22 Anm. 2.
Nicht einmal findet sich uualda in G, sondern ausser 301 auch 714. — In die
Anm. zu § 26 gehören die Formen hiki, stide, -scipi. — In § 27 hätten auch
Formen mit a bei fortgefallenem i, wie bat, lang, laxio, langron, aldro neben
eldirmx Besprechung verdient; die Frage nach dem Umlaut im part. praes. und
im Gerundium ist nicht berührt. — § 29 Anm. 1. uueard C 3711 steht nicht
für uusrdj sondern für uuard. — § 29 Anm. 3. Die paar Beispiele aus G für
153
anregehnftssiges i statt e (vor a der folgenden Silbe): gifa 654, giha 1197,
gthat 1553 und hfiuonda Ö947 genügen nicht, am den Umfang und Grund
dieser Erscheinung klar werden zu lassen. Auch hier machen sich lautliche Ein-
flüsse geltend, nachfolgendes r, vorhergehendes g spielen eine Bolle, z. B.
giuuirtkan 2552, giumrthot 3428 (vgl. auch giriuuan C 3450 mit Umlauts-eyl,
gthono 1543, -gibo 5128, gtban 1471, gihon 1200, gthanne 2328, gtbu 3082,
gilp 1084. 2896, alle aus C; femer givan Freck-H. 484, iegivan Beda 5. —
§ 29 Anm. 5. Bei dem nach k vorkommenden ie statt e, wodurch eine palatale
Aussprache des k bezeichnet wird (vgl. auch gie C 5870. 5895 neben ge), hätte
auf § 116 verwiesen werden sollen. Hier verdiente auch das ie im Artikel
fihiem et<5.) und in der Decl. von these Beachtung. — § 30 a) Anm. 1. Einfluss
von folgendem r beweisen herdos 422, gerstin 2844,- utierkean 1172. 1613.
1533, gemean 148. 1481,' alle in C. — Zu geldet stellt sich sueltid C 4898.
— § 30 b) Anm. 1. C hat neman ausser 3887 noch 1550. 2332. 3284, nemat
1786; auch M kennt nennen 1563, nemun 1550. — § 30 b) Anm. 1. hringian
C 338 ist richtiger schon § 26 Anm. erwähnt; C 4598 hringan ist verschrieben
für hringii 4895 C ; in M heisst es 2059. 2298 hrengean. — § 30 c). gisiaha
(Gl. II, 588, 6) gehört als 1. sg. conj. gar nicht hierher. — Anm. 1. gihu gehört
nicht hierher, sondern zu § 29 Anm. 3. feho (nicht fehu) steht in M auch
1669; an beiden Stellen hat C fihu, sonst wie M stets nur e. — Die Form des
as. Wortes für hospes ist in den Oxf. Gl. uuerd (e fortasse dubium, Madan),
in den Prud. Gl. uiierd und uuird, in C uuird-, M uuerd- 2056. — Anm. 4.
me steht nur zweimal in M 121. 122 gegen häufiges mi; für dies Verhältniss
ist der Ausdruck „ wechseln '^ nicht bezeichnend. Ausserdem gehören die ge-
geschwächteu Formen ec, me nicht hierher, sondern zu § 32. Bei der Wichtigkeit
dieser Begel hätten die Beispiele vollständig gegeben werden sollen. — § 32
Anm. 1. uuehsitafltin gehört nicht in diese Anm., für mehrere der übrigen Bei-
spiele ist der Einfluss des r wieder beachtenswerth. — Anm. 2. era statt iro
kommt einmal C 897 vor, der Ausdruck „wechseln" führt irre; ebenso sind ei
neben it, uue (M 1609) neben uui, ge neben gi, he neben hiy ne neben ni
durchaus die selteneren Formen; hinzuzufügen wären noch es (z. B. C 220)
und met (selten neben mid). — § 33. Bei der Besprechung des Verhältnisses
von t^ zu 0 vermisst man wiederum die Hervorhebung der lautlichen Einflüsse,
von folgendem r und / (tculf C M; fuldu C 4075; fidl, ful; uneruldi öfter
in C; sfnultro 2257, tulgo 2419), von vorhergehendem w (utinon neben uuonon).
Der Wechsel von ^f<^^n^ hogda, hogdun; rukkinas, rokko; thurhwi, tharfta ;
uuord, -uurdi; sculan, scolda; munan, mansia (daneben munste M 2658;
-fnuonstun C 5286 ist Schreibfehler s. Sievers S. 504); furi, fora; 'kiirnid,
hom; -kumi, cofTi verdiente Hervorhebung; auch das u vor n in den Fremd-
wörtern punt, muniia etc. — C hat nicht „einigemale", sondern vorherrschend
gomo ; neben benumana M findet sich C M 151 binomarif C 2990 binornana,
— Anm. 2. Hier hätten die übrigen Beispiele für i statt u fii-ision C 4874,
anduuirdi C 4040, vgl. anduurdi C 930. 1759, miirthi C 2625. 3936, mäii^i C
835, gifrimid 0 43, stkken Crecelius, Coli. 1, S. 11 und für u statt i furin-
C 743, 'Uurdig C 4597 (G. leitet freilich bartiurdig von uuord ab = „offen-
herzig'^), huldi C 5043, femer suiliuuat (suUad M) C 1723 Baum finden sollen,
die für die Frage nach dem Alter des ^/-Umlauts von Bedeutung sind (vgl. Paul,
Germ. 19, 224). — Anm. 3. cunsti C 2651 neben sonstigem Consta, consii.
— Anm. 4. Neben momian auch bimumie C 1869. — Anm. 5. Hinter „findet
sich*' muss „in C eingeschoben werden; in derselben Anm. wird das uo in
gidruog einem kurzen o, das tio von gedruogi einem u gleichgesetzt; eine Er-
klärung kann nur richtig sein, denn es handelt sich nur um die Form gidruogi
154
C 2925 (gidroge M); a statt u in uuarihtio C 1862. — Anm. 7 füge hinzu
uridern 3464 C neben undom C 3418. — § 35. Zu bemerken, dass d nicht
umlautet:" fahit. — § 36. geuuadi steht neben geuuedea 1665 (1605 ist Drckf.)
und giuuedie 4100 nicht nur 1670 (1672 Drckf.), sondern häufiger; weitere
Beispiele sind godsprekea C 567, mercan C 867, berun C 2182, uureka M 3246;
leri (Fr. H.) muss heissen -leH in Ilasleri 157. 504 neben -lare in jE7/w-, Mud&-
lare. — Als Anm. 4 wäre hinzuzusetzen: d aus at/.' s. § 44; ö aus a in
monothlic Str. Gl. 2. — § 37. Das vereinzelte eo in m^oda C 3425 hätte nicht
vor das häufigere ie gestellt werden dürfen; hinzuzufügen her, hir, hier, das
fälschlich § 38 steht. Zu bemerken ist ferner, dass auch C nicht selten e statt
des gewöhnlichen ie giebt, z. B. meda 3413, hM 385. 435, /e// 2391. 3343,
-fei 2394, ^cn^ 2994, hei 579. 728. 729. 3413. 4616, hetun 568, (^mf/cW
2048. 3344, giredi 2987, fe/ 514. — Für i ist anuuülun (auuellun M) C 4073
ein Beispiel. — In der Anm. muss auf § 102 statt auf § 33 Anm., die gar
nicht existirt, verwiesen werden. — § 38. hndo kommt meines Wissens in den
Prud. Gl. nicht vor und ist wohl Verwechslung mit dem vorhergehenden hripo.
— ür gehört wegen ahd. xiari zu § 37. — § 39. Die Beichte hat neben den
3 ö in gisonan, gisonda, don stets ö (blöd, brothar, -dorn, gibotianna, flokanna,
-niodias, mos, suor) ; ebenso steht in der Fr. H. in der Regel 6 ; in Beda neben
godlika, gedbn, Jiodigiy kein o. In den Prud. Gl. neben überwiegendem «o und ö
auch 6 in hodos, nodda, ovarmodigo, nkidmim, sokiady thuerstolon, socneri,
socyiwiga, utbosment Oxf. Gl. meist o, aber niot, ungifuori, nuoe. Über das
für M bemerkenswerthe fru.brean 4017 s. Jellinek, Beitr. 15, 304; sluggun
M 2409 steht vielleicht für sluogun? — Anm. 2. Füge hinzu temig C 2489.
— Hier oder bei u hätte eine Bemerkung über ruomot C 1554 (rumeat M),
C 1688 (romod M), ruomuodun C 3904 (romodun M) Platz finden können. —
§ 40. Füge hinzu: Aus bi -h idan entstand boian C 3264. 4370 (vgl. § 48
Anm. 3). — fisid C 2353 (fusid M). — § 41. Die Entstehung des e in threginn
aus germ. ai ist nicht sicher. — Anm. 1. Füge hinzu: mira C 2627, giflihit
(-fliit^) 1460 (vgl. Germ. 19, 226); siole M 3301. 3353. 3357. 4060. Wegen
des ie in bikieri etc. war auf § 116 zu verweisen. — Anm. 2. hcdag (auch
M 890) und haelago (C 5764) brauchen ihr d nicht ags. Einflnss zu verdanken,
vgl. die Ortsnamen Ilcdogikircari, -un in der Vita Meiuw. 81. 98 (Mon. Germ.
Scr. XI, 126, 20; 127, 50) und Ilalegehuson (Erhard, Reg. Westf. 645; Cod. 65);
zu erwähnen arwndi neben eri; aracs steht auch C 4103. — § 43 Anm. 2.
guoma Ess. Gl. M. 27, 36; fargumon C M 3219 neben gomean (vgl. das vorhin
erwähnte romon neben 7'umean). — § 44. franisco M 2398. — Anm. 2. Hinter
„statt ö" ist einzuschalten „in /ro.« — § 48 Anm. 1. lut M 1782 fliut C),
hidi C 4836. Bemerkenswerth ist, dass P neben einmaligem iu in diurUcaro
nur io kennt: diarlic 961. 1005, diarlico 967, liodi 966, liodio 984. — § 49
Anm. 2. thitid C 4431 (nicht 443) ist Schreibfehler nach dem vorhergehenden
thiu wie ihimlo C 5078. — Das io, ia, i4^, e im praet. der redupl. Verba hätte
ebenso wie das iu, io in friund, fiund gesondert von dem Diphthongen behandelt
werden sollen. Zu verweisen war noch auf das io, eo in knio in § 30 c) Anm. 3
und das ia in tian Ess. Heb. und ahietian Fr. H. — § 56. Über -w und -o
in der «-decl. vgl. Uut. S. 172. — § 57. Über -ß neben -a in der 3. sg. praet.
s. Genaueres Unt, Exe. VIII, ebenso über die Adv. inna und inne etc. — Das
-6 im acc. sg. der st. Adjektiva helagne etc. ist auf M beschränkt, s. Unt. Exe.
VIII. — § 58 1) Anm. Die neben huila vorkommende Form htiil C 5802 ist acc.
— Das Suffix des dat. sg. fem. -u (-o, -a) ist nicht erwähnt. — 2) Neben -a
in der 1. sg. prt. auch -e, s. Unt. Exe. VIII; -a im g. pl. auch vereinzelt im
Subst., 8. Unt. S. 105. - - 3) Die Bemerkung über alo', ala- gehört nicht
155
hierher; ein besonderer § über Behandlung der Stämme als erste Theile der
Composita fehlt leider. — Anm. aldrucmo gehört ins Capitel über die Vocale
der Mittelsilben; statt dessen waren zu erwähnen: guoduo C 3635, scaihuo
C 1113; g. pl. bethuo C 981; Adv. auf -no s. Unt. S. 95. — 4) -o in der
1. sg. praes. s. Unt. 173; -o neben -u im instr. ebendas. — § 59. hugi ist
nicht pl. — § 60. Über das Verhältniss von -e zu -a im dat. sg. der o-decl.
s. Unt. Exe. YIII; -e im npl. der Adj. ist auf M, Oxf., Mers. Gl. und Fr. H.
beschränkt, s. Unt. S. 203 ff.; über -e und -a im Coivj. s. ebeud. S. 210. —
§ 62. Ausserdem zu erwähnen: butan, hotan; quathie. — § 65. Das häufige
-ur im Comparativ hätte nicht Übergangen werden sollen; neben -ing kommt
auch -ung und -ang Tor; Schwächung in ambeht Fr. H. neben ambaht; -in in
silubrin etc. halte ich für kurz, s. Unt. S. 133 Anm. — Hier konnten noch
rikeast, uuestrani, arbid erwähnt werden. — § 66. Der Einfluss von r, l, w,
fiy w auf die Vocale der Umgebung hätte hier betont werden können. — § 68.
In krenkurni ist nicht der Tonverlust Ursache der Vocalveränderung. — § 71.
Hier vermisst man eine Bemerkung über die Assimilation der secundäreu Vocale
an die Vocale der Nachbarsilben, vgl. hvarave, huarahcyti, huarahe, suaraf,
berege, huerehian, huerehai, bilidij humbil, geoponotj tkurufti und dergl. ;
was § 73 über Assimilation gesagt ist, genügt nicht. — § 72. Für enna zähle
ich statt 33 nur 22 Belegstellen, s. Unt. S. 131. — Das Suffix -nm,
'Un, -on des dat. sg. kann nicht als Kürzung des Suffixes -umu gelten, s. Unt.
Exe. II. — § 72 b). Zu der Regel für die Erhaltung des ö im Superlativsuffix
-ost bildet helgost C 5739 doch keine Ausnahme, wohl aber sind helgost C 5739
und helgoda C 4634 Beispiele für die Synkope des a. Zu erwähnen wäre gewesen
die Synkope in den Pronomen mira C 3540, imci'o C M 145. 148. 152, mahtigro
C 2262. Ein adv. sioithro existirt nicht, wahrscheinlich meint Q. den Com-
parativ suidnm C 4390, suithrun C 4876, midron M 5976. — § 72 3). Aber
iungrano C 2171. 4505. 5956, mahtigro C 2262! Hinter , hat meist die Form
-ana" ist einzufügen : „und -?2a* ; letztere Form überwiegt s. Unt., S. 133. —
§ 73. e in gxtnmdene kann nicht als Assimilation des a an e angesehen werden ;
ebenso wenig kann in selhomo, selbumu von Assimilation des c an o die Rede
sein; warum überhaupt nur in seJhomo und nicht in allen dat. masc. der st.
A^'.-decl. ? Übrigens existirt eine Form selbomo weder in C noch M (s. die Bei-
spiele für -omo, -omu, Unt, S. 117.); o in egrohtful ist viel eher dem Einfluss
des hi (cf. drohtin) als dem u der folgenden Silbe zuzuschreiben. Wie schon
gesagt, hätte das Capitel des Assimilation eine viel eingehendere Behandlung
verdient. — § 74. Anm. 1. Der Wechsel von af- und -an gehört nicht in die
Lautlehre. — § 76. Bei ant- hätte noch das neben antthat (antat) vorkommende
uniat C 4857, unthat M 2240 (vgl. unt in untthat M 450. 707. 1219) angeführt
werden können. — § 79. bi- ist auch in M häufiger als be-; „inM nur biüton"
ist falsch; buton M 185. 536. 653. 861 u. ö. — § 81. In M überwiegt gi-
um mehrere Hunderte (gi- über 8C0, ge- über 500 mal); gi- ist besonders im
1. Tausend vorherrschend (etwa 292 gi-, 3 -ge), — kiscakcten ist mir unver-
ständlich. — Weiterhin muss es heissen : Prud. Ol. neben rege1mä.ssigem gl auch
12 mal ge-; Essener Gl. neben durchgängigem gi- einmal ge- in gclico M. 14, 1.
— § 83. erbartmmga steht Ess. Gl. M. 5, 7; M. 10, 38. — § 84. Hier durfte
auch -teh und -tem in zusammengesetzten Zahlwörtern Erwähnung finden. —
§ 85. In dem allgemeinen Capitel über die Consouanten vermisst man zusam-
menfassende Bemerkungen über die Eigenthümlichkeit des C^ott, im Auslaut die
CoDS. häufig zu verdoppeln (vgl. § 152 Anm.), über Assimilation (z. B. sncca,
sinnofi), Metathesis (z. B. verseang, ginurohti, uuurohtion) ; bei der Consonanten-
gemination Ovaren Beispiele und Angaben über den Umfang der Erscheinung
156
erwünscht gewesen. — § 88, Z. 2. Hinter u, uo, 6 füge o ein. Das Citat
für uuurohtion ist falsch, es steht C 3511; 3594 ist die Belegstelle für sin-
hiuuun, — § 89. uu ist geschwunden in net vgl. § 62. — § 90. Zum Schwund
Ton uu nach r ist noch geridin C 4248 ein Beispiel. — § 94. Zu dem Ver-
hältniss von e und i vor o Tgl. Unt., S. 151, wonach im d. pl. der i- und jcu-
decl. in C häufiger -ioriy seltener -eon belegt ist ; e vor u ist selten in M. 2012.
2990. 4490. 4918. 4928. — Auch P kennt die Schreibung gi für j : Oiohannes,
Giordana; vgl. auch noch giuvaro statt iuuuaro in C 1731. — § 95. Der
Satz „j ist meist erhalten, nur in C nach langen Silben einigemal ausgefallen''
wird durch die wirklichen Thatsachen sehr modificirt. In C ist der Ausfall von
j ziemlich häufig und genauere Untersuchung wird hier ohne Zweifel bestimmtere
Neigungen deutlicher hervortreten lassen. Bekannt ist, dass nach r, das vor j
nicht geminirt wird, sich j besonders gut hält ; nach Gutturalen fällt j gern
aus, ferner stets im gen. pl. des part. praes. (s. Unt, S. 108, Anm. **). Aber
auch in M ist der Ausfall von j nicht so selten, wie man nach G.'s einzigem
Belege seggennea 1838 glauben sollte. In brengen 1096. 1928. -dogcn 4890,
liggen 2141, soken 5158, uuirken 1317, giuuirkenne 1589, seggennea 1838 ist
offenbar der vorhergehende Guttural von Bedeutung. — F hat nur einen Beleg
heland 990. — § 97. Über die Schreibung r statt rr in kerro etc. s. Unt.,
S. 30, Anm. — § 98. Vereinfacht wird geminirtes // in -fei, feldi, feldin.
— Zu succan C 3202 füge noch succa 0 822, das vielleicht verschriebene
suncan M 2446 und surikero C 3936. - — § 99. Zu simblun, simbla stellt sich
mmbh C M 3339. — Zu dem dat. pl. auf -w s. Unt., S. 145 und S. 153. —
Über das Verhältniss von -^n und -n im dat. sg. der st. Adj. s. Unt, Exe. II.;
die 1. sg. der 3. schw. Conj. hat niemals -m oder -w, die der 2. nur -n.
C kennt nur hiun, einmal 481 bion, M nur biujyi; C uuaston 2523. 2410.
2506, uimstom 1749, 2557. M nur unu^iom (s. Unt, S. 128). M dorn und
don. — § 102. Vor dem Spiranten s ist n nicht ausgefallen : anst, kunst, consta,
— Anm. ßnden auch M 3873; niund auch M 1293; C hat mehremale auch
-ent in der 3. pl. cf. § 258. — § 104. Anm. 2. auch rum2)husla (Madan Nr. 55).
— § 105 wird fälschlich auf § 105 statt auf § 106 verwiesen. — Eingeschobenes
h in simbla, surnble, — § 107. 0 hat auch einigemale (861. 1513. 1856.
2323) uu statt u in neuuan. — § 111. Das anlautende u statt f findet sich
in M meist nur nach den Präfixen bi- und ge- (1228); ausserdem nur in uiln
5078, enuald 3747. 3767. 3842, enualdes 1068 und Jieouandi 4027; in barleosan
1733 ist b offenbar Schreibfehler. — § 112. Neben craht 0 38 ist thurhßig
C 525 bemerkenswerth. — § 114. 6 in ruob (- 5398; geb M 1522; u in selu
C 78; C 259 liest Sievers nicht lieii, sondern lief. — § 115. Die Bemerkung,
dass in Crist sich meist e finde, widerspricht dem in der Anm. über Krist ge-
sagten. — § 116. Hinzuzufügen: bisiiikean 0 1311, gihuilikies C 2284, .s/^r^-
kenn 1432. 2307, ickean 844. — § 122. Zur palatalen Aussprache des g vor i
vgl. noch imentlion M 863. — § 125. Die Beispiele für mahtina sind nicht
vollständig (s. Unt, Exe. III), der Beleg für craftiiia falsch; es muss heissen 3130.
2986. — Ausgefallen ist g ferner in gifran V 2621. 3347. 3883. — § 126.
sluggun M. 2409 halte ich für Schreibfehler statt sluogun. — § 129. Fehlt zu
hlod (lot V) das Citat 2397. — § 130. Abgefallen ist h auch in nchmanan M
556. — § 131 a). Der Ausfall des h ist häufiger im Heliand, als es nach den
Beispielen bei 0. den Anschein gewinnt. — b) Die Vertretung von ursprüng-
lichem w oder y durch h hätte deutlicher gemacht werden sollen. -- § 133.
In thurh fällt h in 0 ausnahmslos ab. — § 134. „t.s in M saepissime, in C
saepius" Schni eller. — §'139, Anm. 2, gclobistu gehört mit farsachistu, mahtu
zu § 149 ; statt dessen hätten die praet custa, sohia, lesia, boita, geuuarhta,
157
seita erwähnt weiden Bollen. — § 140. Über den Abfall yon d nach n in C
8. ünt, S. 13; in M ist sin 1352 ein Beispiel. — § 153. Hier hätte das ss
in der Decl. von these und im poss. pron. d. 1. pl. (z. B. u^so C 621, ussan
O 2568) nicht übergangen werden sollen. — § 145. Da in § 122 auf die
Eigennamen der Fr. H. Bttcksicht genommen war, hätte auch das z in den Kose-
formen auf 'XO erwähnt werden können. — Auch in der Nominalflexion wäre
ein einleitendes zusammenfassendes Gapitel über die Flexionsendungen im All-
gemeinen, und besonders über das Yerhältniss desselben in den einzelnen
Heliandhss. sehr erwünscht. Dadurch hätt« manche Wiederholung erspart werden
können und die Darstellung wäre übersichtlicher geworden. Auf die Mängel in
der Anordnung der Endungen innerhalb der einzelnen Paradigmen ist schon oben
hingewiesen. — § 157. Über das Yerhältniss Ton -es zu -as, -e zu -a in den
Heliandhss. und Übrigen Denkm. s. Unt., Exe. VTII; über -os, -as, -a, -e ib.,
S. 102 ff. — Vermisst wird eine Bemerkung über die wichtigen flexionslosen
Formen hus, -hem, morgan u. s. w. Anm. 2. -o im Instr. hat auch C, und
M nicht nur 2910 s. Unt, S. 173. — Anm. 5. -^^m ist in M im Ganzen 14 mal,
-om 9 mal zu belegen, s. Unt., S. 153 f. — Über den dat. pl. auf -an in C
sagt G. nichts; ebenso nichts über den g. pl. auf -a. — § 158, Anm. 1. gaflie
ist n. pl. = lat. furciUae (Gl. II, 725, 6). — § 162. Den instr. kirdie weiss
ich nicht zu belegen. — Anm. 1, dukiras (Gl. II, 717, 32) ist pl. — § 166.
Bei eo hätte der in M mehrfach zu belegende dat. sg. eo nicht fehlen dürfen.
— § 168. Im gsg. fehlt die Endung -o, s. Unt., Exe. V. — Anm. 1. Spuren
des flexionslosen nom. s. Unt., Exe. VII. — Anm. 2, cledthe ist n. pl. (Gl. II,
726, 12). — Anm. 3. Über den dat. sg. von thioda s. Unt, Exe. VII. — Anm. 4.
ficbane ist g. sg. — Anm. 5. thiadono kommt im Hei. nicht vor; über den
g. pl. auf '0 und -ono s. Unt., S. 189 ff. — § 170. Im Paradigma fehlt
sundiun für den dat. pl. — Anm. 2. dat. sg. auf -ie kommen nicht vor. —
§ 174. Der dat. sg. seldo ist wahrscheinlich Schreibfehler (s. Sievers); der dat.
pl. lantet treuuon 1016, 2323, treuun nur 291. — thiu ist ^a-stamm. —
§ 175. Anm. 2, C 4312 gehört zu finistriu, — Anm. 3. kopanbandi Fr. H.
553 möchte ich trotz des vorhergehenden gibunt für acc. pl. halten. — Anm. 4.
Der dat. pl. erscheint in eldion {-dun M) 267; -e statt -i hat auch P in dope
961. — § 176. Es hätte erwähnt werden sollen, dass die Wörter auf -nissi
ihren dat. sg. auch nach der Analogie der neutr. ^a-stämme bilden. — § 178.
hugi passt schlecht zum Paradigma, da es im pl. nicht vorkommt. — § 179,
Anm. 1. Dtsg. stida Fr. H. 426. — § 181. Über den dat. pl. skepiun s. Unt.,
S. 124. — § 182. Neben ijourme sollte im dat. sg. wegen uuikti auch tourfni
stehen; im dt. pl. ist die Endung -in die seltenste. — Anm. 1. brande gehört
wegen brandos (Gl. II, 582, 52) nicht zur t-decl. — § 183. eldi gehört als pl.
zu dem § 175, Anm. 2 behandelten eldi. — § 184, Anm. 1. 4182 hat M nicht
tidis, sondern tidio. — Anm. 2. erde ist wahrscheinlich Druckf. für ferde C 2845.
— ferde wie dade C 4860 zeigen die auch sonst noch in C vereinzelt vor-
kommende Schwächung von auslautendem -i zu -e, — gimmlde M 2889 kann
dat. sg. der o-decl. sein. — Anm. 3. uimdiu {-i C) halte ich für den instr.
Fem. — Anm. 5. Hier durfte die Form des acc. pl. dcid (s. Heyne, Glossar)
nicht fehlen. — Anm. 6. Die Zahl 3 für den gpl. auf -o in C. ist ganz falsch ;
ich zähle allein 16 Belege für liudo (leodo). — Anm. 7. Auch im dat. pl. lässt
C zuweilen das i fort, allein 5 mal in liudon, — § 185. Anm. thesan uuidun
uuerold steht 281 und 5629, thesan uuerold alla C 5622; s. darüber Unt.,
S. 34. — Über die Decl. von craft s. Unt, S. 216, über 3071 und 5970 Unt.,
S. 26. — § 186. thionost ist doch wohl wie im ahd. ntr. der o-decl. — § 189.
dat sg. auch -e in friie (- d -) M 2810, fHihe (- d -) M 4210. — § 193 ff.
158
Wegen der n^st&iunie kann ich auf das in meinen ünt. niedergelegte Material
verweisen; einen Theil der Fehler in G.^s Angaben habe ich schon in der Ein-
leitung dazu verbessert. — § 193. Zum nom. sg. fehlt eine Bemerkung über -a;
im gen. sg. ist -en in M nicht überwiegend; auch M hat im dat. sg. -an neben
-on und seltenerem -en; für -ano im g. pl. ist -sagano C 3049 der Beleg;
über das ganz vereinzelte -un im n. pl. sagt G. nichts ; -an kommt im Heliand
nur im u. pl. uuwlogan 0 3816 vor; im acc. pl. kommt im Heliand weder
'Un noch -an vor. — Die in den Anm. gegebenen Belege für g. sg. frohen C
sind bis auf 3022 falsch; an den 3 genannten Stellen steht frohon. — § 195.
Einen ^a-stamm bninnio anzusetzen halte ich für gewagt; hrunnion C 5473
hat wie miekon C 2137, heliihie C 2200, sithie C 5460, uuüiie C 4247
u. a. überflüssiges i. — § 196. Im Paradigma fehlt im g. und d. sg. die
Endung -an. — Anm. 1. Im nom. sg. findet sich -e 22 mal (nicht 'nur einmal^) ;
der g. sg. auf -on findet sich ausser der Freck. H., Ess. H. und Hom. auch in
M. ; der d. sg. ist gerade in den meisten Denkm. (Beichte, Ps.-G., Str., Pmd.
und Oxf. Gl.) -un, — Anm 5. Für den nom. pl. sind die Zahlen wieder falsch :
-on in C zweimal, in M 8 mal; acc. pl. C 1, M 6 (7) mal. — Anm. 4, lothon
ist nicht fem. und steht auch § 194 unter den masc. ; ebenso gehört thrufon
zu einem masc. thrufo, — § 197, gimenOui kommt nicht vor; der acc. gimen-
thon 86B gehört zu einem masc. gimeniho ; aueh die Ansetzung eines weibl.
scatlui, crampa, spada lässt sich nicht rechtfertigen; copa heisst 'Kufe'. —
§ 198, Anm. 2. Warum strengia 'wahrscheinlich schwach war\ ist mir unklar;
der einzige Beleg ausser -strengi ist das vermuthlich verschriebene -strengiu
M 4354. — § 201. Das einmalige uucUdandi C 260 berechtigt nicht, das -i
ins Paradigma zu setzen. — § 207. dat. sg. -en nur ganz vereinzelt (Schreib-
fehler?); -an nur in C. — -omo nur 1 mal {iuuuomo 1573 M), -umo existirt
nicht; -emo nur vereinzelt in C. — Im dat. sg. f. sollte godaru vor godaro
stehen ; dat. pl. -U7n und -om. — Für die kleinen Abweichungen im g. dat. sg.
und g. dt. pl. der Paradigmata von god und helag ist kein Grund vorhanden;
-U7nu kommt nw in M vor; almaJUigen C 476 ist nicht starker dat.; häufiger
als -omo in den kleinen Denkmälern ist der nicht erwähnte Ausgang -atno, —
Anm. 3. Der ganz vereinzelte n. pl. m. haß C 5413 genügt nicht zur Auf-
nahme von god ins Paradigma; ebensogut hätte wegen open M 3078 god für
n. pl. f. angesetzt werden können; „in C öfter a" stimmt nicht mit der That-
sache, dass 7iur einmal ein nom. pl. fnioknie 3846 vorkommt; über den g. pl.
auf -ra sagt G. nichts. — § 209. tnanag geht gerade nicht wie hekig. —
§ 212. Im Paradigma fehlt zum dt. sg. hlithiun. — Anm. 1. -on einigemale
in C und M s. Unt., S. 141 ; das von G. allein angeführte tuiflon M 1896 halte
ich für den Inf. — § 216. Über -a im n. sg. sagt G. nichts; im g. dt. sg. ist
-on die häufigste Endung; für -in könnte nur haftin geltend gemacht werden,
das aber ebensogut starker dt. sein kann (Schreibf. für haftmi). — Im nom.
ntr. ist -e nicht an erster Stelle zu nennen, da es hauptsächlich nur in M vor-
kommt; im acc. nicht god^, da -o nur vereinzelt in C begegnet; im nom. fem.
ist -o (4354 M) zu vereinzelt, um ins Paradigma aufgenommen zu werden; -e/ii
im gen. sg. kommt überhaupt nicht vor. — § 218. n. sg. f. griotandi C 5914;
n. pl. m. und fem. wären die nicht seltenen Formen anf -i zu erwähnen, z. B.
masc. C 5672. 5872. fem. C 5741. 5744. — § 221. 'Die anderen Casus haben
in C meist -un^^ doch nur im fem., und auch hier öfter -on; im masc. gen. -on,
dat. unbelegt, acc. -an und -on, —
In folgendem Verzeichniss von Schreib- oder Druckfehlern stelle ich die
richtigen Formen voran. So muss es z. B. heissen: S. Y Madan stAÜ Madhan;
S. 2, § 3, Anm. 1, Beitr. XH, 356 statt 287. — S. 6, § 12. i für iu 8. § 48
159
Anm. 1 statt Anm. 2. — S. 6, § 12. t aas in % 31, Anm. 3 (giebts nicht!). —
S. 7, § 13. ia aus eo b. % 49, 50 statt 59, 50. — S. 7, § 13. ie = germ. ai
% 41, Anm. 1 statt 2. — S. 7, § 13 tu in mw fehlt die Nr. des §. — S. 11,
§ 30 a) 2. n. 3. imper. sg. streiche *n. 3/ ; gi% statt pf C 1067. — Beitr. IX,
535 ff. .statt 539. — S. 12, § 30 c) »idu statt suia; Anm. 1, sebun statt
söbwn. — Anm. 3. Das Citat Beitr. XTI, 380 ist falsch. — § 31. Das Citat
Beitr. XIII, 120 ist falsch. — S. 13, § 32 : § 241 statt § 242. — § 33 tunga
statt tungo, — S. 15, § 36: Das Citat muss heissen: Beitr. XI, 27. — ivfg steht
2944 statt 2943. — landmegun statt -megin; getmedea steht M 1665 statt
1605; 1672 steht geuuädi M. — S. 16, § 37 aiidraediyi steht C 2252 statt
C 225. — S. 19. § 43, Anm. 2. herohode statt berohode, — § 44. Germ. XXXI
statt XXX. — § 48, teoh steht 3203 statt 3201. — S. 20, § 48, Anm. 1,
kodeon statt leodion, — § 49, Anm. 2, C 4431 statt 443. — 5078 steht
thitido. — S. 22, § 55: -beri statt bere. — § 58, 1) Anm.: C 5802 statt 5803.
— 4) biru statt beru, — S. 23, § 59 : forhti statt fm'Üd, — S. 25, § 69 :
geiiniberd statt getimberid. — S. 26, § 70: 701 suuefne, C suefna, — § 71:
C 3450 giriutian statt gariutmn. — S. 28, § 72. Z. 9 v. unten Jangsammie
statt -a; Z. 8 v. unten C 4527 statt 4427. — S. 29, § 74: afsuobun statt
afswohun] C atistiohun statt answobun. — § 78: Beitr. VI, 208 statt 207.
— S. 30, § 84: C 4663 fullistiu; C 4679 fuUestie, M 4663 fullestiu. —
S. 31, § 86: M 189 steht forseJieu. — S. 32, § 89: wonon statt wönon. —
S. 33, Z. 2 : C 4693 statt 4593. — S. 34, § 95 : ftelend^ro 3558 statt 3559.
— S. 35, § 98: Ödil statt odeL — S. 35, § 99: mft&r (-ur M) 3301 statt
saßer, — S. 35, § 100: unbidcrbi M 5039 statt -bi; sliunio M, sniumo 0
statt sliumo C, sniumo M cf. § 98 Anm. — S. 36, § 103, Anm. 2. C 646
statt 146. — § 104. Wfl])an? statt wajmon. — S. 37, § 106 statt § 105. —
S. 38, § 109 a): Beichte 38 statt 32. — b) frübrean statt frobrean\ fruohro
statt fr6bro\ frofre statt fr6fra\ diuvilo statt dmvido. — c) 1/L stiebanos 688;
streiche „und swefnos'^, füge hinzu siiefna C, suuefne M 701. — S. 39, § 112:
tfiTuHgens statt tkruhtigens, — § 113: affieffian C 4324 statt alieffian. —
S. 41, § 116. Die Verweisung auf § 36 ist falsch; die Citate sind durch man-
gelhafte Interpunktion falsch geworden: tekean steht 844 und 1212, gis])rek^an
164, be^prekean 1703, gisprokean 375. — S. 44, § 127 mohtig C 817 statt
807. — S. 45, § 131 a) zu 1739 M fehlt der Beleg .(/c^eöwi; aslaan steht 1906 -,
sean 2359; 3158 steht giseen. — S. 47, § 136, ensetlian, ensedlion statt
enseüum, ensedlion. — S. 54, § 155: §§ 137, 151 statt §§ 150, 152. —
S. 56, § 158: sceming statt scJieming. — S. 57, § 160: giscapu stAtt giscepu.
— S. 66, § 185, Anm., gikrund M 2476 statt 2477. — § 186 thionost steht
2905. — S. 70, § 197: luthara, lohn soll vielleicht das nnd. Muhre' sein? —
§ 198 leccia statt leeeio] lungandian statt lungandiun, — S. 71, § 201, Anm.
Z. 2 streiche *nom. pl.' — S. 75, § 213: edili statt edeli; awoti ^t^tt soti, —
S. 78, § 220: swotera statt sotera, — § 221, Z. 3 von unten Beitr. IV, 346
statt VI, 346.
DORPAT. W^. Schlüter.
v^* V* iPfi* *^>*""r**
Jahrbuch
des
Yereins fllr niederdentscbe SpracMorscbung.
Jahrgang 1892.
xvm.
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HORDEH und LEIPZIG.
Diedr. Soltau's Verlag.
1893.
1
Druck von Diedr. äoltau in Norden.
Inhalt.
Seite
Karl Ernst Hermann Krause. Von Karl Koppmann 1
Niederdeutsche und niederländische Volksweisen. Von Johannes Bolte 15
I. Das Lied von der hlanen Flagge 15
n. Eine niederländische Melodie des Siebenspmnges 16
m. Pierlala 17
IV. Drinck Liedeken 18
Der Kaland des Pfaffen Konemann. Von K. Euliug 19
Schatrowe im Sachsenspiegel, Lehnrecht IV, 1. Von C. Walther . . . 61
Löven *sich belauben'. Von C. Walther 67
Die Bechtsaufzeichnungen in niederdeutscher Sprache. Von H. Jellinghaus 71
Ein bremisches Pasquill aus dem Jahre 1696. Von J. Fr. Iken . . . 79
Lantstand der Glückstädter Mundart. Von J. Bernhardt 81
Marienklage. Von B. Priebsch 105
Ein viertes Blatt aus dem niedersächsiachen Pfarrherm von Kaienberg. Von
B. Priebsch 111
Zum Crane Bertholds von Holle. Von J. Bolte 114
Rollenhagen über mundartliche Aussprache. Von W. Seelmann . . .120
Niederdeutsche Fibeln des 15. und 16. Jahrhundert«. Von W. Seelmann 124
Zu den Königsberger Pflanzenglossen im Ndd. Jahrbuch XVn, 81 ff. Von
C. Walther 130
Die mittelniederdeutschen langen o. Von W. Seelmann 141
Zur altsächsischen Grammatik. (Anzeige.) Von W. Schlüter . . . . 160
Karl Ernst Hernnann Krause,
Biographische Skizze.
Der Verein für niederdeutsche Sprachforschung hat durch den
Tod seines Vorsitzenden, des Herrn Direktor Dr. Krause, einen schweren
Verlust erlitten. Wie die Mitglieder wünschen werden, über den Studien-
gang und die Lebensgeschichte des verehrten Heimgegangenen Näheres
zu erfahren, so empfindet es der ihm befreundete Studiengenosse als
eine Ehrenpflicht, ihm ein schlichtes, warm und wahr gezeichnetes
biographisches Denkmal zu errichten. Schwer wird mir die Lösung
der Aufgabe dadurch, dass das Wirken Krauses ein sehr vielseitiges
war und teilweise Gebieten angehört, die mir völlig fremd sind, und
dass unter seinen ungemein zahlreichen litterarischen Arbeiten sich
keine Hauptwerke darbieten, die für die Skizzirung seiner Thätigkeit
auf dem betreflPenden Felde zum natürlichen Mittelpunkt dienen könnten.
Dazu kommt, dass ich zwar schon seit dem Jahre 18G6 mit Krause
korrespondirt habe und ihm gleich bei meinem ersten Besuche Rostocks
im Jahre 1869 in Folge der Herzlichkeit, mit der er dem jüngeren
Fachgenossen entgegen kam, näher getreten bin, aber nur die letzten
7^/2 Jahre an einem und demselben Orte mit ihm durchlebt habe.
Andererseits ist mir von seinen Angehörigen ein Material zur Ver-
fügung gestellt worden, das es mir ermöglicht, wenigstens auf die
meisten und wichtigsten Fragen nicht nur überhaupt, sondern bald
mit seinen eigenen Worten, bald unter Anführung urkundlicher Zeug-
nisse antworten zu können. Zu besonderem Danke verpflichtet fühle
ich mich Herrn Ludwig Krause, der mich durch ein sorgfältig
gearbeitetes Verzeichnis sämmtlicher ihm bekannt gewordenen Aufsätze
seines Vaters sehr wesentlich unterstützt hat.
Karl Ernst Hermann Krause wurde 1822 Sept. 10 in der han-
noverschen Stadt Northeim geboren. Der Vater, Louis Krause, war
Offizier jener englisch-deutschen Legion gewesen, die sich nach der
Konvention von Artlenburg (1803 Juli 5) und der Auflösung des ehe-
maligen kurhannoverschen Heeres gebildet hatte, und stand nunmehr
als Rittmeister im hannoverschen 3. Husaren-Regimente zu Northeim.
Bis zu seinem 15. Jahre besuchte Krause das Progymnasium seiner
Vaterstadt und erlernte bei den Lehrern Gödecke, Gieren und Deecke
die Elemente des Lateinischen, des (xriechischen und der Mathematik.
Nied«rd«iiUoh«s Jahrbuch. XVIU. 1
Dann sandte ihn der Vater, der für den ältesten seiner Söhne das
Einschlagen einer wissenschaftlichen Laufbahn wünschte, auf das
Pädagogium zu Ilfeld. Durch den damaligen Rektor Windasch Michaelis
1837 als Alumnus aufgenommen, befleissigte er sich, abgesehen von
den alten Sprachen, insbesondere der Mathematik, die durch den
Konrektor Hagen gelehrt wurde. Als er die Anstalt Ostern 1841 mit
dem Zeugnis der Reife verliess, schrieb Hagen am 25. April an den
Vater; ;,Ihr Sohn ist unter 11 Abiturienten nur noch mit einem Ein-
zigen von den Uebrigen ausgezeichnet worden und es fehlte nur wenig,
dass er den ersten Grad des Zeugnisses bekam. Die ganze geistige
und was noch mehr ist die sittliche Haltung, die er bei manchen
Versuchungen hier standhaft behauptet hat, scheint sichere Bürgschaft
zu gewähren, dass er auch seine Universitätsjahre gut anwendet, und
erregt die froheste Hoffnung fiii- seine Zukunft. — Er hat ein ent-
schiedenes Talent für die Mathematik, und ich habe ihm entschieden
dazu gerathen, diese Wissenschaft auf der Universität weiter zu
studieren, auch hatte er Neigung dazu, und desswegen riet ich, er
solle Philologie studieren, jedoch die Mathematik besonders treiben,
sodass er einst etwa die Stelle eines Mathematikers an einem Gymnasium
oder Realschule einnehmen könnte. Männer von diesem Fache sind
noch immer sehr gesucht, und fast sicher ist darauf zu rechnen, dass
ein solcher zeitig eine ehrenvolle Anstellung finden wird.^
Krause selbst hatte ursprünglich Medizin zu studieren beabsichtigt
und mit Vorliebe auf den Wieterbergen bei Northeim und im Harz
Botanik und Mineralogie getrieben, obwohl ihm niemals Unterricht
in diesen Wissenschaften erteilt worden war. Dem Rate Konrektor
Hagens folgend, Hess er sich jedoch Ostern 1841 auf der Universität
Göttingen als Student der Philologie und Mathematik immatrikuliren.
Aber schon im ersten Semester gab er sich, ohne die Mathematik
zu vernachlässigen, vorzugsweise den philologischen Studien hin. Lehrer
waren ihm unter Andern Mitscherlich, Schneidewin, von Leutsch,
Wieseler und Hermann. Insbesondere waren es die beiden Letzt-
genannten, ^der Kunstkenner des Alterthums Dr. Wieseler'', dessen
philologischer Societät Krause angehörte, und ^der hochgelehrte, dabei
practisch scharfe und mitten im Leben stehende Dr. K. Fr. Hermann^,
denen er für seine geistige Entwickelung am meisten zu verdanken
glaubte, Hermann namentlich sowohl als Leiter des philologischen
Seminars, dessen Mitglied Krause zwei Jahre lang war, wie auch als
alleinigem Direktor des damals zuerst für Philologen und Mathematiker
neubegründeten pädagogischen Seminars , in dessen theoretische
Abtheilung aufgenommen zu werden ihm für sein viertes Studienjahr
vergönnt war. In seinem achten akademischen Semester bestand er
vor der wissenschaftlichen Prüfungskommission zu Göttingen sein
Staatsexamen in Philologie, Geschichte und Geographie, Mathematik.
Ostern 1845 kehrte Krause, da ihm eine Lehrerstelle sich nicht
sogleich darbot und eine Hauslehrerstelle nicht anstand, in die Vater-
stadt heim. Hier erteilte er aushülfsweise für einen krank gewordenen
Lehrer in einer Bürgerklasse des Progymnasiums, welche etwa
00 Schüler zählte, seinen ersten Unterricht. Schon Michaelis desselben
Jahres aber wurde er auf Grund des Ausfalls seines Staatsexamens
zur zweiten Abteilung des pädagogischen Seminars nach Göttingen
zurückberufen, um unter der Leitung des tüchtigen Direktors Dr. August
(ieffei*s praktisch am dortigen Gymnasium zu arbeiten. Statt der vor-
f^eschriebenen zwei Jahre sollte er jedoch hier nur ein halbes Jahr
bleiben. Drei Monate nach Krauses Eintritt hatte nämlich der bis-
herige Konrektor zu Göttingen Gravenhorst das dortige Gymnasium
verlassen, um einer Berufung zum Professor an der Ritterakademie
zu Lüneburg Folge zu leisten, und auf dessen Empfehlung hin wurde
Krause zu Ostern 1846 als Lehrer und Hofmeister (aufsichtführender
Lispicient) an derselben Anstalt angestellt.
Für den damals erst Dreiundzwanzig;jährigen wurde die Zeit
seiner Wirksamkeit in Lüneburg von 1846 — 1850 in mehrfacher Be-
ziehung bedeutungsvoll. Seine Stellung als Hofmeister war nicht
leicht, denn vorschriftsmässig hatte er als solcher eine ins Minutiöse
gehende Aufsicht über die Eleven zu führen und zwar auch über die
Primaner, deren ältester kaum zwei Jahre jünger als er selbst war.
Von den Fächern, in denen er in Göttingen, hauptsächlich in der
realistischen Quarta, unterrichtet, konnte er fiir die Tertia der Ritter-
iikademie Deutsch und Latein beibehalten, statt Geschichte und
(reographie musste er aber neben dem Griechischen auch die Natur-
geschichte übernehmen ; dazu kam Mathematik in der Quarta. Später,
dii Professor Gravenhorst als erster Inspicient eintrat, erhielt Krause
einen Theil des Unterrichts in der Secunda, und als jener 1848 als
Reiehstagsabgeordneter nach Frankfurt ging, musste er einen Theil
v(m dessen Stunden in der Prima übernehmen. — Da die Zahl der
Unterrichtsstunden im Ganzen eine geringe war, so hatte Krause Zeit,
sich wissenschaftlich weiter zu bilden. Die alte Neigung, die ihn
l)enihigt hatte, den naturgeschichtlichen Unterricht zu erteilen, regte
ihn zum Sammeln und Erforschen der Heideflora an. In gleicher
"Weise übten auch die Schätze der Lüneburger Bibliothek ihre An-
ziehungskraft auf ihn aus, und neben der Beschäftigimg mit der
Spezialgeschichte, insbesondere ihrer kulturhistorischen Seite, trat für
ihn das Studium der Muttersprache und vornehmlich des damals noch
so wenig gepflegten Mittelniederdeutschen in den Vordergnmd. — Aber
auch den Einwirkungen der Zeitverhältnisse konnte und wollte Krause
sich nicht entziehen. Als einflussreiches Mitglied des Lüneburgischen
Bürgervereins, dessen Schriftführer er war, und als Mitredakteur eines
oppositionellen Blattes (Vorwärts, Limburger Volkszeitung) trat er
dem liberal, aber specifisch hannoversch gesinnten Ministerium Stüve
gegenüber mit Wort imd Schrift für das Programm liberal und national
ein, an dem er sein ganzes Leben hindurch festgehalten hat. Er war
ein entschiedener Gegner des Socialismus, interessirte sich in Folge
dessen lebhaft für die Arbeitervereine — der zu Lüneburg hatte ihn
1849 zu seinem Präsidenten elf wählt — und war auf das Eifrigste
für die Beschaffung guter Volksbibliotheken thätig, indem er die
Ansicht verfocht, dass die Gewöhnung an eine gediegene Nahrung des
Geistes und die daraus erwachsende nationale Bildung die einzig wirk-
same Waffe in dem Kampf gegen den gerade durch seine Unklarheiten
fanatisirenden Socialismus sei. Durch diese seine Anteilnahme an den
politischen imd socialen Fragen war Krause in Lüneburg in weiten
Kreisen bekannt und geschätzt. ^Jeder Lüneburger^, konnte er im
Juli 1849 an einen seiner Oheime schreiben, der mit seiner politischen
Richtung und insbesondere mit deren Bethätigung in der Oeffentlich-
keit nicht einverstanden war, „Jeder Lüneburger wird Dir meinen
Namen mit Achtung nennen, selbst die Gegner alle, falls sie nicht zu
den „Extremen" gehören."
Als im Jahre 1850 die Ritterakademie zu Lüneburg aufgehoben
wurde, ward Krause, der sich zwei Jahre vorher entschieden gegen
die Zulässigkeit von Pädagogien ausgesprochen hatte (Blätter für das
gesammte Schulwesen des Hannoverschen Landes, 1848), an das Gym-
nasium zu Stade versetzt. Anfangs war er Hauptlehrer der ersten
Realklasse und unterrichtete im Französischen, Lateinischen und
Deutschen, dann der humanistischen Tertia, in der er Deutsch, Lateinisch
und Griechisch lehrte. Ausserdem erteilte er wechselnd in der zweiten
Realklasse und der Quarta Unterricht in Latein, Geschichte, Geographie
und Naturgeschichte, ständig in der Secunda in Latein, Griechisch,
Geschichte und Geographie und wiederholt stellvertretend für den
erkrankten Direktor, Vierteljahrs- oder halbjahrsweise, in der Prima
in Latein, Griechisch, Deutscher Litteratur und Aufsatz. Später rückte
er zum ersten Konrektor auf, war Ordinarius der Tertia und unter-
richtete ständig in der Prima im Deutschen und im Lesen der griechischen
Dichter. Daneben hatte er etwa 6 Jahre lang die Leitung des Turn-
unterrichts und auch die Schulbibliothek stand unter seiner Verwaltung.
— Trotz dieser Vielseitigkeit der Lehrthätigkeit fand Krause Zeit,
die verschiedenartigen Arbeitsfelder, die er sich in Lüneburg aus-
ersehen, mit Energie zu bestellen. Die Kenntnis der Botanik wurde
durch das Studium der Wasser- und Moorpflanzen in der Umgegend
Stades erweitert. In Petermanns Geographischen Mittheilungen äusserte
er sich über den Höhenrauch (1858) und berichtete über Ergebnisse
der damals bei Stade vorgenommenen Bohrungen (1858: Ein neuer
Gypsstock im Nordwestdeutschen Tiefland, 1859: Der Gypsstock bei
Stade; Bohrungen bei Warstade). Von der fortgesetzten Pflege der
Muttersprache und der Beschäftigung mit der deutschen Litteratur
zeugen einestheils die praktischen Zwecken dienende ^Kurze hoch-
deutsche Sprachlehre", die zu Stade 1855 in erster, 1882 in fünfter
Auflage erschien, anderntheils die Beiträge, um deren willen ihn die
Gebrüder Grinmi unter den Sammlern für das deutsche Wörterbuch,
Kosegarten unter den Beihelfem zu seinem Wörterbuch der nieder-
deutschen Sprache aufführten. Der am besten beackerte und ergiebigste
Boden seiner wissenschaftlichen Thätigkeit wurde aber die Geschichte.
5
Neben den älteren Historikern wurden auch Urkunden studiert, ausser
den städtischen diejenigen des Erzstiftes Bremen, die sich damals
noch im Aelteren Kgl. Regierungsarchiv zu Stade befanden ; Denkmal-
Inschiiften wurden entziffert und auch die Altertümer wurden in den
Forschungsbereich hereingezogen. Als Schulprogramm erschienen 1856
die „Beiträge zur Geschichte Stades" (eine Bearbeitung des Stader
Stadterbebuchs von 1286), als Gelegenheitsschrift 1858 ;,Der Stader
Aufruhr wider Andreas Bück 1376'', in der Zeitschrift des historischen
Vereins für Niedersachsen, Jahrgang 1863, der Aufsatz „Zu den
Gräflich Schwerin'schen Besitzungen am linken Eibufer und zur
Topographie und Eintheilung des Alten Landes". Im Jahre 1857 trat
zu Stade der „Verein für Geschichte und Altertümer der Herzog-
thümer Bremen und Verden und des Landes Hadeln" zusammen,
dessen Seele Krause war; gleich zu Anfang zum Schriftführer und
Archivar erwählt, gab er 1863 und 1865 das „Archiv" heraus und
steuerte seinerseits zu demselben eine Reihe grösserer und kleinerer
Arbeiten bei, von denen hier nur die Veröffentlichung eines kultur-
geschichtlich hoch interessanten Buches der Lade des Schlachteramtes
aus dem 14. Jahrh. und die urkundlichen Beiträge zur Geschichte des
Landes Wursten im 16. Jahrh. genannt werden mögen. — Seiner
Neigung, sich an den Fragen des praktischen Lebens zu beteiligen,
bot sich vielfache, bereitwillig ergriffene Gelegenheit. Er war ein
thätiges Mitglied der national-liberalen Partei, schrieb regelmässige
Korrespondenzen für die Weser-Zeitung und war fleissiger Mitarbeiter
wie am Stader Wochenblatt (1857 — 1860, Stader Wochenblatt und
Anzeiger 1860—1861) und am Bremer Sonntagsblatt (1833 — 1839),
so auch an dem von Robert Prutz herausgegebenen Deutschen Museum
(1856 — 1859). Für die Mützeirsche Zeitschrift für das Gymnasial-
wesen schrieb er über die Gehaltsverhältnisse der hannoverschen Lehrer
(Jahrg. 12, 1858; Jahrg. 13, 1859); bei der Umänderung der bis-
herigen von 1840 stammenden Schulgesetze des Stader Gymnasiums
wurde er von der dazu eingesetzten Kommission mit der Redaktion
des neuen Entwurfs beauftragt und in einer Kommission für Erbauung
einer Turnhalle führte er den Vorsitz. Auch dem Vorstande des Handels-
vereins gehörte er als Mitglied an.
Im Jahre 1857 hatte sich Krause um die Direktor- Stelle der
höheren Bürgerschule beworben, die damals in Bremerhaven gegründet
werden sollte; die Verhandlungen hatten sich jedoch zerschlagen, da
die in Betreff der Organisation gemachten Voraussetzungen sich als
unzutreffend erwiesen. In dem zu dieser Bewerbung nachgesuchten,
vom hannoverschen Ober-Schul-KoUegium am 11. Oktober 1857 aus-
gestellten und vom Oberschulrath Dr. Kohlrausch unterzeichneten
Zeugnis heisst es folgendermassen: „Der Konrektor Krause . . hat . . .
während seiner Anstellung zu einem der wirksamsten und praktisch
bewährtesten Schulmänner Unseres Vei'waltungskreises sich ausgebildet.
Seine Brauchbarkeit erstreckt sich über einen grossen Theil der Lehr-
6
gegenstände einer höheren Schule und es kann ihm der Unterricht in
den alten Sprachen, im Deutschen, in Geschichte, Geographie und
Mathematik mit vollem Vertrauen ühertragen werden. — Sein Unter-
richt zeugt von Giündlichkeit des Wissens und von natürlicher Lehr-
gabe, von Lebendigkeit des Geistes und von Gewandtheit des Vor-
trages ; seine Methode beurkundet den denkenden und geül)ten Lehrer.
Zur Handhabung der Disciplin besitzt er die erforderliche Autorität
und es haben ihm auch die zahlreichsten Klassen in dieser Hinsicht
keine Schwierigkeiten gemacht. — Bei der dem Konrektor Krause
innewohnenden Einsicht in den Organismus der Schulen, bei dem Eifer
und der Gewissenhaftigkeit, womit er dem Lehrerberufe lebt, bei der
Festigkeit seines Charakters und den empfehlenden Eigenschaften
seiner Persönlichkeit können Wir nicht zweifeln, dass derselbe eine
höhere Bürgerschule mit Geschick, Energie und glücküchem Erfolge
leiten und als Vorsteher die richtige Stellung zu Mitlehrern, Schülern
und Eltera einnehmen werde." — Wie hoch man Krause in Hannover
als Direktor schätzte, erhellt auch aus dem Umstände, dass der Schul-
rath Schmalfuss sich bemühte, den 1865 nach Rostock Uebergesiedelten
wiederzugewinnen und bei dieser Gelegenheit am 11. September 1868
an ihn schrieb : „Sie gehören zu denjenigen unserer Directoren (lassen
Sie mich Sie noch zu den Unsrigen zählen!), denen ich die Kraft und
die sonst noch erforderlichen Eigenschaften zutraue, um das Andreanum
in Hildesheim, eine der schwierigsten und zahlreichsten Anstalten in
unserm Lande, sicher lenken zu können."
Die Uebersiedelung von Stade nach Rostock wurde dadurch ver-
anlasst, dass der hiesige Rath an den Oberschulrath Dr. Kohlrausch
das Gesuch gerichtet hatte, ihm geeignete Kräfte für die Neubesetzung
des Direktorats der Grossen Stadtschule zu empfehlen, und auf Gnind
der von diesem erhaltenen Auskunft die Berufung an Krause hatte
ergehen lassen. Am 24. April 1805 fand zu Rostock der Austritt
des bisherigen langjährigen Direktors, des Prof. Dr. Gottlob Ludwig
Ernst Bachmann, und die Einführung des neuen Direktors durch den
wortführenden Bürgermeister Dr. Crumbiegel statt. Gleichzeitig trat
auch der Kondirektor Dr. Mahn von der Mitleitung der Schule zurück
und nacli einem halben Jahre wurde der Kondirektor Dr. Busch eben-
falls in den Ruhestand versetzt. Für die (Charakteristik der bisherigen
Verhältnisse der Anstalt, deren Leitung und Neugestaltung Krause
anvertraut worden war, wird die Aniuhmng der lieiden Thatsachen
genügen, dass erstens das sogenannte Disciplinar-Direktorium schon
vor 20 Jahren von Direktor Bachmann abgetreten und Anfangs durch
Kondirektor Dr. Mahn, seit 1846 durch den nunmehr ebenfalls zum
Kondirektor ernannten Dr. Busch verwaltet wurde, und dass zweitens
einer der ersten Schritte des neuen Direktors darin bestand, das bisher
übliche Diktiren abzuschaffen und durch die Einführung von Lelir-
und Uebungsbüchern zu ersetzen. Wollte ich versuchen, die Neu-
gestaltung des höheren Schulwesens in Rostock, die zunächst Krause
verdankt wird, näher darzulegen, so würde ich den Ralimen einer
biographischen Skizze verkennen, die zunächst für die Mitglieder des
Vereins für niederdeutsche Sprachforschung entworfen sein soll. In
aller Kürze kann nur gesagt werden, dass aus der Grossen Stadtschule,
die bei Krauses Antiitt aus 4 Gvmnasial-, 3 Real- und 3 kombinirten
Klassen bestand, zwei von einem gemeinsamen Direktor geleitete
Anstalten, das Gymnasium und das Realgymnasium (bis 1884 Real-
schule I. Ordnung) geworden sind, von denen sich 18()7 die unter
eigenem Direktorat stehende Höhere Bürgerschule abgezweigt hat.
Näheren Aufschluss über die Organisation geben die in den Schul-
programmen abgednickten Lehrpläne, die, da das Schulwesen Rostocks
nicht unter der unmittelbaren Autorität der Grossherzoglichen Regiening
steht, von Krause direkt ausgingen. Wie von massgebender Seite in
Rostock über ihn als Dirigenten und Lehrer geurtheilt wird, mag das
nachfolgende Beglückwünschungsschreiben beurkunden, das am 24. April
1890 Bürgermeister und Rath an ihn richteten.
„Am heutigen Tage, an welchem Sie vor 25 Jahren das Amt
des Directors unserer Grossen Stadtschule übernommen haben, blicken
Sie zurück auf eine reich gesegnete Thätigkeit. Sie haben die Ihnen
anvertrauten beiden grossen Schulanstalten, das Gymnasium und Real-
gymnasium, mit ausserordentlichem Geschick geleitet und auf das
Gedeihlichste verwaltet. Sie haben schwierige Organisationen mit
unermüdlichem Fleisse und grosser Sachkenntnis erfolgreich durch-
geführt, durch Ihre von seltener Begabung, Tüchtigkeit und Pflicht-
treue zeugende Leitung die Zwecke der Anstalten, — der Jugend
Pflanzstätten der wissenschaftlichen Bildung und der Erziehung zu
aufrichtiger Gottesfurcht, sittlichem Wandel, pflichtgetreuer Arbeit
und echter Vaterlandsliebe zu sein, — in vollem Masse erreicht. Als
Lehrer haben Sie durch Ihre pädagogische Erfahnmg und Ihr reiches
Wissen Ihre Schüler wesentlich gefiirdei-t, und durch Ihre Wahrhaftigkeit,
durch Ihren Charakter, durch Ihren regen wissenschaftlichen Sinn und
Ihren Patriotismus auf dieselben vorbildlich gewirkt. — W^ir danken
Ihnen aufrichtig für Ihre treue langjährige Arbeit, die unserem Gemein-
wesen zu grossem Segen gereicht hat, und wünschen, dass Gott Ihnen
rüstige Kraft und Gesundheit noch lange erhalten, dass Glück und
Zufriedenheit Ihre Lebenstage verschönern möge, und Ihnen der Lohn
treuester Pflichterfüllung in der allgemeinen Achtung und Anerkennung
und der dankbaren Liebe Ihrer Schüler stets in reichstem Masse zu
Theil werde !^
Die wissenschaftlichen Arbeiten Krauses während der 27 Jahre
seines Lebens in Rostock gehören — abgesehen von der Natur-
geschichte — der Philologie, insbesondere der niederdeutschen Sprach-
forschung, und der Geschichte an^), und seine Leistungen in diesen
') Ein bibliographischer Beitrag (Petzholdts N. Anzeiger für Bibl. 1879, H. 5
über die erste Ausgabe von Aurogallus^ hebräischer Grammatik) wird von Krause
selbst in der AUgem. Deutschen Biographie 22, S. 793 angeführt.
8
Wissenschaften waren es auch, welche die Universität Rostock ver-
anlassten, ihn bei Gelegenheit der Jubelfeier der Grossen Stadtschule
am 1. Februer 1880 zum Doctor phüosophiae honoris causa zu er-
nennen. Das vornehmste Forschungsgebiet, dem er immer mehr und
mehr seine Arbeitskraft zuwandte, war aber die Geschichte. Wie er
in Stade dem historischen Verein für Niedersachsen (seit 1856 Dez. 31)
angehört und den Stader Verein mitbegründet hatte, so trat er in
Rostock dem Verein für meklenburgische Geschichte und Altertums-
kunde bei (1865 Juli 10) und gehörte zu den Mitstiftem des 1883
gegründeten Vereins für Rostocks Altertümer, dessen stellvertretender
Vorsitzender er bis gegen Ende des Jahres 1891 blieb. Auch befand
sich Krause unter denen, welche 1871 zu Lübeck den Hansischen
Geschichtsverein konstituirten. Zum korrespondirenden Mitgliede
ernannte ihn die Abteilung des Künstlervereins für Bremische Geschichte
und Altertümer (1867), der Harzverein (1879), der Verein für
Hamburgische Geschichte (1882), die Gesellschaft für Geschichte und
Altertumskunde der Ostseeprovinzen zu Riga (1882), der Verein für
Lübeckische Geschichte und Altertumskunde (1890). Zum Ehrenmitglied
erwählt wurde er von der Historischen Gesellschaft zu Berlin (1880),
vom Stader Geschichts- und Altertumsverein (1881) und von der
rügisch - pommerschen Abteilung der Gesellschaft für pommersche
Geschichte und Altertumskunde (1892). Arbeiten Krauses finden sich
in der Zeitschrift des Harz Vereins für Geschichte und Altertumskunde
(Jahrg. 14: Zu den Sangerhausenschen Gütern im Bremischen;
Jahrg. 21: Erasmus Sarcerius), im Stader Archiv (Bd. 3, 5 — 7, 9, 11,
insbesondere die aus den Handschriften herausgegebenen geographischen
Beschreibungen der Herzogtümer Bremen und Verden von Dietrich
von Stade und Georg von Roth und das durch G. J. H. von Bonn
verfertigte Lagerbuch der genannten Herzogtümer), in der Zeitschrift
des historischen Vereins für Niedersachsen (Jahrg. 1867: Hexenprozesse
im Gerichte St. Jürgen, Niederende, 1550 und 1551), im Jahresbericht
des Museumsvereins für das Fürstentum Lüneburg (10 — 13: Zur Ent-
wickelungsgeschichte der Lüneburger Sülze), in der Zeitschrift des
Vereins für Hamb. Geschichte (Bd. 5: Die Handschrift von Mathias
Reder's Hamburgischer Chronik und ein gleichzeitiges historisches
Lied) und in dessen Mitteilungen (1879, 1881, 1890), in der Zeitschrift
der Gesellschaft für Schleswig-, Holstein-, Lauenburgische Geschichte
(Bd. 5: Nachtrag zu den Ditmarschen - Liedern auf die Schlacht von
Hemmingstedt, 1500, und Bd. 11: Zur Ditmarschenschlacht von 1500),
in der Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte und Alter-
tumskunde (Bd. 3 : Ein verschollener Lübecker Festtag) und in dessen
Mitteilungen (1884 — 86, 1888, 1889), in den meklenburgischen Jahr-
büchern (Bd. 47 : Dr. theol. Boger oder Hinricus Flexor, der Begleiter
Herzogs Erich nach Italien 1502 — 1504, und Der Leibarzt Dietrich
Ulsenius), in den Beiträgen zur Geschichte der Stadt Rostock (H. 2:
Empfehlungsbrief des General Gallas für Rostocker Seefahrt nach
Dünkirchen und: Die Jahrzahlvcrse am Südportal der Marienkirche),
9
in den Monatsblättern der Gesellschaft für Pommersche Geschichte
und Altei*tumskunde (Jahrg. 3: Pommern in Rostock; Jahrg. 5: Die
. Glocke ;,Nachtigall^ des alten Rathauses in Anklam; Zum Pommerschen
ürkundenbuche ; Jahrg. 6: Die Pommerschen v. Peutz), in den Mit-
teilungen aus der livländischen Geschichte (Bd. 13: Dr. Heinrich Bogers
Gedicht auf die Promotion des späteren Erzbischofs von Riga Johannes
Blankenveld), in den Sitzungsberichten der Gesellschaft für Geschichte
und Altertumskunde der Ostseeprovinzen Russlands (Jahrg. 1884:
briefliche Notizen, die vom Präsidenten mitgeteilt worden waren),
in den Hansischen Geschichtsblättern (1879: Zwei Lieder Domanns
und: Zu den Seeörtem. Geister, Gitscho = Gedser: 1880 — 1881:
Zu den Bergen'schen Spielen und: Strandvresen ; 1884: Rostock im
Mittelalter; 1885: Die Clironistik Rostocks und: Rostocker historisches
Lied V. J. 1549; 1886: Die Rostocker metallenen Normalscheffel und
das Eichverfahren des Mittelalters und: Stagnum, Das Baltische Meer);
in den Forschungen zur Deutschen Geschichte (Bd. 15: Ida von Els-
thorpe und ihre Sippe; Bd. 18: Die Gründer von Rastede und ihr
Zusammenhang mit Ida von Elsthorpe und dem Oldenburger Grafen-
liause; Bd. 19: Der Chronist Matthias Döring; Dietrich von Niem,
Konrad von Vechta, Konrad von Soltau, Bischöfe von Verden 1395
bis 1407; Bd. 22: Nochmals die Bischöfe von Verden Dietrich von
Niem und Konrad von Soltau) und im Neuen Archiv (Bd. 10: Zu den
Versen im Neuen Archiv IX, 628; Bd. 16: Zu Widukind I, 12.)
Von besonderer Bedeutung für Krauses Arbeitsrichtung wurde
die Mitarbeiterschaft, die er zwei grösseren Unternehmungen, der von
Rancke angeregten Deutschen Biographie und den Jahresberichten der
Geschichtswissenschaft, widmete. Mit lebhaftem Interesse durchmusterte
er die Entwürfe zum Verzeichnis derer, die in die Biographie auf-
genommen werden sollten, und die mit einem ausgebreiteten Wissen
verbundene warme Anhänglichkeit an die Stätten seines Aufenthalts,
Lüneburg, Stade und Rostock, Hessen ihn regelmässig Männer auf-
finden, die seiner Meinung nach auf dieser Deutschen Ehrentafel eben-
falls einen Platz verdient hatten; immer bereit. Hülfe zu leisten, über-
nahm er gern die ihm angetragenen Artikel und bewies in deren
schneller Bearbeitung sein Talent für die Sanmilung der einschlägigen
Nachrichten und eine seltene Energie in der Konception. Aus der
grossen Zahl der von ihm herrührenden Artikel — gegen 400 — sei
nur einer ausdiücklich hervorgehoben, in welchem uns in Anlehnung
an die über Lothar Udo II. von Stade erhaltenen Nachrichten eine
sorgfältig gearbeitete Revision der Genealogie des ganzen Stader
Grafenhauses gegeben worden ist (Bd. 19, S. 257 — 261). Für die
Jahresberichte lieferte er für die Jahre 1878 — 1890 über Schleswig-
Holstein mit Hamburg und Lübeck, Mecklenburg und Pommern (für
die Jahre 1888 — 1890 in zwei Abteilungen: a. Bremen, Hamburg,
Lübeck; b. Schleswig-Holstein, Mecklenburg, Pommern) ein Referat,
das sich durch die Sorgfalt auszeichnet, mit der trotz der Grösse des
Bereichs Alles aufgezählt wird, was irgendwie füi* die Prähistorie und
10
die Geschichte von Interesse ist. Eine Vorarbeit für seinen Jahres-
bericht waren ihm die Besprechungen, die er fiir'ciie Rostocker Zeitung
über neue Erscheinungen auf den Gebieten der mecklenburgischen und
hansischen Geschichte und der niederdeutschen Sprache zu liefern
gewohnt war; in der Regel sind sie knapp gehalten und beschränken
sich auf einen kurzen, häufig von kritischen Bedenken begleiteten und
mit Berichtigungen oder Ergänzungen verbundenen Bericht; zuweilen
aber gehen sie auch ausführlich auf den betreffenden Gegenstand ein
und bewähren neben der umfassenden Kenntnis des Beurtheilers die
Schärfe seines kritischen Blicks.*) Auch eine Reihe selbstständiger
Aufsätze und kleinerer Mitteilungen aus dem Gebiete der Geschichte
und Altertumskunde Rostocks hat Krause in der Rostocker Zeitung
erscheinen lassen; in Separatabdruck ausgegeben wurde der Aufsatz:
Zum dreihundertjährigen Bestehen des Bröcker Stiftes in Rostock
(Rost. Zeitung 1883, Nr. 17, 21, 23).
Die Beschäftigung mit norddeutscher Specialgeschichto führt den
sprachlich irgendwie Veranlagten wohl von selbst auf das Studium
des Mittelniederdeutschen hin. Der philologisch geschulte Krause
ergab sich, während er — abgesehen von der Herausgabe der Ver-
handlungen der 30. Versammlung deutscher Philologen und Schul-
männer zu Rostock, 1876, deren zweiter Präsident er gewesen war, —
auf dem Gebiete der klassischen Philologie nicht schriftstellerisch auf-
trat, der niederdeutschen Sprachforschung um so bereitwilliger, als er
bei dem Wechsel seines Aufenthalts, erst im Göttingischen, dann in
Lüneburg und Stade, endlich in Rostock, durch das praktische Leben
verschiedene Mundarten kennen gelernt, den Wortschatz bereichert
und das Ohr für dialektische Unterschiede geschärft hatte. An Hülfs-
mitteln für die Beschäftigung mit den betreffenden Mundarten boten
sich ihm der Versuch eines bremisch-niedersächsischen Wörterbuchs
und seit 1858 Schombachs Wörterbuch der niederdeutschen Mundart
der Fürstenthümer Göttingen und (iiiibenhagen dar; die erste Ein-
führung in den Wörterschatz des Mittelniederdeutschen wird er dem
Glossar zu Lappenbergs Geschichtsquellen des Erzstiftes und der Stadt
Bremen (1841) zu verdanken haben. Die beiden epochemachenden
Ereignisse in der Geschichte der niederdeutschen Sprachforschung,
das Erscheinen des grundlegenden Mittelniederdeutschen Wörterbuchs
(seit 1872) und die Konstituirung unsers Vereins (1875 zu Hamburg),
wurden von ihm mit lebhaftester Freude begrüsst und wie Lübben
am Schlüsse des Werkes Krause unter denen aufzählt, die ihm Beistand
geleistet, so enthält schon das erste Mitglieder -Verzeichnis des nieder-
') Viele Besprechungen einzelner Erscheinungen auf sprachlichem und histori-
schem Gebiet finden sich ausserdem im Nd. Korrespondenzblatt, in der Deutschen Lit-
teraturzeitung (1884 — 1892), im Literaturblatt f. rom. u. germ. Philologie (1886,
1892), in den Mitteilungen aus d. bist. Litteratur (1889—1891), im Literarischen
Gentralblatt (1891) und in der Deutschen Zeitschrift für Geschichtswissenschaft.
11
deutschen Sprachvereins Krauses Namen. Nach Lübbeiis Tode (1884
März 15) wurde er als dessen Nachfolger zum Vorsitzenden unsers
Vereins erwählt und bis zu seinem Tode hat er ihn wie mit Sach-
kenntnis, Umsicht und Energie, so auch mit warmer Liebe und hin-
gebender Pflichttreue geleitet. Bei der Jahresversammlung füllte er,
wenn einer der in Aussicht genommenen Vorträge hatte ausfallen
müssen, bereitwillig die Lücke aus imd unsere beiden Vereinsorgane,
das Jahrbuch und das Korrespondenzblatt, hatten an ihm einen
fleissigen Mitarbeiter. Die formelle Seite der Sprache zog ihn,
obgleich er auch ihr nie sein Interesse versagte, weniger an, als die
suchliche, mit Geschichte, Litteratur, Kulturgeschichte oder Natur-
geschichte in Verbindung stehende. Seine ersten Arbeiten auf diesem
Gebiet waren in Wolfs Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sitten-
kunde 1855 erschienen (Bd. 2: Helle, Lüneburger Koepenfahrer;
Mantel Gottes; Aus Lüneburger Vocabularien; De Snäkensten; Bd. 3:
Stader und Nordheimer Kinderreime; Zu W. Grimms Bemerkung über
den Wettlauf des Swinegels). Später brachten kürzere Beiträge von
ihm K. Bartsch's Germania (Bd. IG: Kleine Mittheilungen, S. 89 — 98,
S. 303—308; Bd. 22: Zu dem Gratzer Cisiojanus), die Zeitschrift für
deutsches Alterthum und deutsche Litteratur (Zum Leben Jesu;
Bemerkungen zu der Reise von Venedig nach Beirut; Besprechung von:
Jacob, Welche Handelsartikel bezogen die Araber des Mittelalters
aus den nordisch-baltischen Ländern) und die Zeitschrift für deutsche
Philologie (Bd. 12: Mittheilung Zachers von brieflichen Bemerkungen
zu Macer Floridus). Auch ein Artikel in der scheinbar sehr abgelegenen
Zeitschrift für Numismatik gehört hierher (Bd. 15: Die friesische Tuna;
Tahnbir). Wesentlich grösser ist die Zahl der zu unseim Korrespondenz-
blatt beigesteuerten Beiträge, auf die jedoch hier nicht näher ein-
gegangen werden kann. In unserm Jahrbuch erschienen von ihm:
ein Kostocker historisches Lied aus dem Accisestreit von 1566 (1875)
und die Statuten und Gebräuche der ^^Kopmann- unde Schipper-
Bröderschaft^ zu Stade (1878); eine niederdeutsche Predigt des 15.
Jahrhunderts (1876) und mittelniederdeutsche Bruchstücke (1886);
Hans von Ghetelen aus Lübeck (1878); das Caput draconis und die
Kreuzwoche (1877) und Bruchstücke eines mittelniederdeutschen Kalen-
ders (1878); der abschliessende Aufsatz über das Hundekorn (1889);
Bemerkungen zu Schiller - Lübbens mittelniederdeutschem Wörterbuch
(1876) und das mit seltener Fachkenntnis geschriebene erklärende
Wörterverzeichnis der Lüneburger Sülze (nebst Anhang, 1879); endlich
die drei Aufsätze über Quetsche, Zwetsche (1886), Zitelose (1889),
Bohne und Vietzebohne (1890), in denen ein reiches kulturhistorisches
Wissen von der einen und eine genaue naturhistorische Kenntnis von
der andern Seite der Sprachforschung die Hand reichen.
Sowohl dem Verein der Freunde der Naturgeschichte in Mecklen-
burg, wie der Naturforschenden Gesellschaft in Rostock gehorte Krause
als Mitglied an. Im Archiv des erstgenannten Vereins finden sich
12
16 verschiedene Aufsätze von ilim, neun zoologischen, sieben botanischen
Inhalts (1880—1882, 1889—1890).
Endlich ist noch der Arbeiten zu gedenken, welche Krause in
den von ihm 1866 — 1892 herausgegebenen Schulprogrammen — ab-
gesehen von den in ihnen enthaltenen amtlichen Schulnachrichten —
veröffentlichte. Unter ihnen sind diejenigen von 1873 und von 1880
von besonderer Bedeutung: im ersteren, üeber den ersten und zweiten
Theil der Rostocker Chronik, weist er in einer sorgfältigen Unter-
suchung die Abhängigkeit der niederdeutschen Darstellung des Rostocker
Aufstandes gegen König Erich Menved von Dänemark 1310 — 1314
von der Reimchronik des Ernst von Kirchberg und die Geringwerthig-
keit einer Kompilation von Notizen zur Geschichte der wendischen
Städte von 801 — 1485 nach, während er im letzteren, Von der Rostocker
Veide, die werthvolle niederdeutsche Chronik der Rostocker Domfehde
von 1487 — 1491 zum ersten Male veröffentlicht. Aus der fortgesetzten
Beschäftigung mit diesem Studienkreise ist der schon erwähnte Aufsatz
„Die Chronistik Rostocks* hervorgegangen, die erste umfassende
Zusammenstellung und wissenschaftliche Würdigung der historiographi-
schen Arbeiten dieser Stadt; den Abschluss, den er mit der Heraus-
gabe einer von 1559 — 1583 reichenden niederdeutschen Chronik und
deren hochdeutscher Fortsetzung zu machen gedachte, hat er nicht
mehr erreicht. — Auf das ehemalige Dominikanerkloster St. Johannis
zu Rostock, in dessen Räumen früher die grosse Stadtschule unter-
gebracht gewesen war, beziehen sich zwei Beiträge zum Programm
von 1875: ^Aus dem Todtenbuch des St. Johannis-Klosters* und:
„Bruchstück eines Kalendarii des Johannis-Klosters und niederdeutscher
Cisiojanus des Konrad von Gesselen*; ausserdem enthält dasselbe
noch einen dritten Beitrag: „Zur Geschichte der ersten Jahre der
Universität Rostock*. — Litterarhistorischen Inhalts ist das Programm
von 1868: „Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Kirchenlieds*;
„Eine Kinderlehre des 15. Jahrhunderts* findet sich im Programm
von 1873 und „Zwei niederdeutsche Gebete des 15. Jahrhunderts* in
der vom Direktor und Lehrercolleg der Grossen Stadtschule der
30. Philologen -Versammlung gewidmeten Festschrift. — Das Programm
von 1876 brachte den Aufsatz: ,Der angeblich antike Torso Lots Weib
in Doberan, eine mecklenburgische Arbeit*.
Sein reges Interesse für die Fragen des praktischen Lebens
bethätigte Krause durch seinen Beitritt zum Verein für öffentliche
Gesundheitspflege und zum Bezirksverein des Deutschen Vereins gegen
den Missbrauch geistiger Getränke, durch Vorträge in einem Verein
junger Kaufleute, der Union, die ihrer Dankbarkeit gegen ihn durch
seine Ernennung zum Ehrenmitglicde Ausdnick gab (1881), als Mitglied
und Bezirksvorstand des Deutschen Schulvereins zur Unterstützung der
Deutschen im Auslande, als Mitglied des Bezirksvereins der Deutschen
Gesellschaft zur Rettung Schiif brüchiger, als Mitglied und Geschäfts-
13
fuhrer des Zweigvereins und des Landesausscliusses der Kaiser-Wilhelm-
Stiftung für Deutsche Invaliden. Seiner politischen Stellung nach
Mitglied der national-liheralen Partei, sah Krause, durch die mecklen-
burgischen Verhältnisse von der Beteiligung an den Landes-Angelegen-
heiten und durch die Stadtverfassung Rostocks von der Beteiligung
an kommunalen Angelegenheiten ausgeschlossen, sich darauf beschränkt,
seinen Anschauungen schriftlich in Korrespondenzen für die Weser-
zeitung, mündlich im Privatgespräch zum Ausdruck zu geben.
Einer zwanglosen Gesellschaft, die sich allabendlich nach ab-
geschlossener Tagesarbeit und vor dem Nachtessen, lange Jahre hin-
durch ausserhalb der Stadt auf Steinbecks Keller, zusammenfand, um
bei einem Glase Bier der Unterhaltung mit Gleichgesinnten zu pflegen,
gehörte Krause als eins der treuesten und anhänglichsten Mitglieder
an. Am Sonnabend vereinigte sich ein Theil der Gesellschaft mit
Andern zusammen in Danniens Bierlokal, im sogenannten Oberhause.
Ernste Gespräche, bald wissenschaftlicher, bald politischer Natur,
wechselten mit leichterem, von Scherz und Frohsinn getragenem
Geplauder. Fachgelehrte und Männer des praktischen Beinifs, Jüngere
und Aeltere sassen unterschiedslos neben einander und den von aus-
wärts kommenden Gast machten die ganze Art des Verkehrs und das
Entgegenkommen, das er fand, bald heimisch. Aber der Tod riss die
Einen hinweg, der Wechsel des Aufenthaltsortes die Andern, und wenn
es auch an einem Nachwuchs nicht fehlte, so lockerte sich doch das
einigende Band mehr und mehr und die übriggebliebenen Mitglieder
schlössen sich endlich einer andern, loser geknüpften Gesellschaft an,
die in Grafs Bierlokal ihren Stammtisch hat.
Liebe zur Natur und Lust am Laufen führten Krause viel hinaus
in die Umgebung Rostocks in den Stadtpark mit den Cramonstannen,
in die Bamstorfer Anlagen, auf die lieblichen Höhen Kösterbecks, an
die Küste der See bei Doberan und Warnemünde und in die weit-
gedehnte Rostocker Heide. Mit der Pflanzenwelt ringsumher innig
vertraut, der Geschichte, der Altertümer, der mündlichen Ueberliefe-
rungen kundig, war er seinerseits den Förstern und Holzwärtern ebenso
bekannt, wie den Gutspächtern und den Predigern der Kirchdörfer.
Gern Hess er sich bei Ausflügen und Spaziergängen von seiner Familie
begleiten, insbesondere von den Söhnen und einem oder zwei Pensio-
nären, in denen er durch Vorbild und Anleitung unvermerkt gleich-
artige Interessen zu wecken liebte.
Die Abendstunden des Werkeltags waren wie der Nachmittag
der Sonn- und Festtage regelmässig der Familie gewidmet. Mit seiner
Amtswohnung war ein Garten verbunden, den er pachtweise noch etwas
vergrössem konnte; hier konnte man ihn sehen, wie er pflanzte und
pflegte und fröhlich einheimste, wie er seine Hühner auf dem Hofe
futterte, wie er nach dem Schlüsse der Schule, von den Seinen um-
ringt, auf schattigem Rasen behaglich den Nachmittagskaffee einnahm.
In den altmodischen, aber zahlreichen und behaglich eingerichteten
14
Räumen des Wohnhauses genoss er eines glücklichen Familienlebens.
Mit der Gattin, einer Tochter des ehemaligen Stadtsyndikus Dr. Wyneken
in Stade, die nach dem frühen Tode ihrer Schwester, Krauses erster
Gemahlin, dem bisherigen Schwager die Hand gereicht hatte (1857),
mit der Tochter und den drei Söhnen, die sie ihm geschenkt, war er
durch die Bande inniger Liebe und festen Vertrauens verbunden.
Krause war von grosser, kräftiger Gestalt und von strammer,
fast militärischer Haltung; der Kopf war kraftvoll, auch die Gesichts-
züge energisch; aus den Augen leuchteten, wenn sie auch aufblitzen
konnten, Güte und Fröhlichkeit des Herzens. Seine Rede w^ar nie
gefeilt und deshalb selten glatt, hatte aber Kraft, Wärme und Klang,
und wenn er bei Schulfesten in patriotischer Erregung sprach, ent-
zündete er in den Schülern Begeisterung. Bei gemüthlicher Unter-
haltung liebte er Humor und die harmlose Neckerei, auch wenn sie
sich gegen ihn wandte: in der Debatte konnte er sich gehen lassen,
bei der Leitung von Beschlussfassungen war er straff; Widerspnich
konnte er auf allen Gebieten der Diskussion ertragen, in der Ungeduld
über blosse Wiederholungen aber und in der Verlegenheit, in die
ihn ein plötzlich auftauchendes Hindernis versetzte, konnte er
schroff oder polternd werden. Innerhalb des Hauses verschwand diese
mehr äusserliche Herbheit vor seiner natürlichen Herzenswärme und
Heiterkeit des Geistes und wem es vergönnt war, ihn in seinem Ver-
hältnis zu Frau und Kindern oder vertrauten Freunden kennen zu
lernen, der musste ihn lieb gewinnen.
Ein Herzleiden hat die Kraft seines Körpers gebrochen, hat die
Thätigkeit seines Geistes lahmgelegt; am 28. Mai Abends 9^2 Uhr
ist er der liebevollen Pflege der Seinen entrissen worden. Ein Leichen-
gefolge, wie es in Rostock so gross seit langen Jahren nicht gesehen
worden, hat dem Verstorbenen die letzte Ehre erwiesen; eines unver-
gänglichen Gedächtnisses in Hochachtung und Dankbarkeit hat er sich
weit über Rostock hinaus durch sein Wirken gesichert!
ROSTOClv. Karl Koppmann.
15
Niederdeutsehe
und niederländische Volksweisen.
(Mit Musikbeilage).
I. Das Lied von der Manen Flagge.
In einer während des 18. Jahrhunderts angelegten Sammlung
von niederländischen Volksmelodien, die ich vor einigen Jahren in
Amsterdam benutzen durfte^), stiess mir gleich auf der ersten Seite
als Nr. 3 die Weise; De Blauwe vlag die waeit auf, die für die Freunde
des niederdeutschen Volksliedes ein ganz besondres Interesse hat. Aus
der Südermarsch von Ditmarschen nämlich lebte vor fünfzig Jahren
noch unter den Musikanten als ein auf Hochzeiten sehr beliebtes Stück
'de blaue Flagg' fort. Müllenhoff vermochte vom Texte nur den
Anfang zu erlangen, den er in den Sagen, Märchen und Liedern der
Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenhurg 1845 S. XXXVIII
veröffentlichte :
Laet de blaue Flagg' mael weicn,
Laet se driHen, laet se dreien;
Denn dat Schip to See angeit.
Er vermutet darin ein Schiffer- oder Seeräuberlied, von ähnlichem
Inhalt wie das bekannte von Störtebeker, und erwähnt auch eine unter
den Grönlandsfahrern gesungene gemeine Parodie. Die schöne Melodie
des Stückes schickte M. um 1860 an R. von Liliencron, der sie weiter
an F. M. Böhme mitteilte. Dieser hat sie 1880 in seiner Geschichte
des Tanzes in Deutschland 2, 210 Nr. 347 mit einer neuen Harmoni-
sierung abgedruckt.
Unsere Amsterdamer Weise, die ich nebst der ditmarsischen in
der Musikbeilage vorlege, ist, wie mir Herr v. Liliencron schreibt,
gleich jener etwas modernisiert; beide gehen aus D moll statt hypo-
dorisch und dorisch. Die durch den abgerissenen unteren Blattrand
entstandene Lücke lässt sich mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit ergänzen.
Vom Texte habe ich leider weder in niederländischen Sammlungen
noch durch Anfragen bei Kennern des holländischen Liedes wie
Dr. G. Kalff in Amsterdam, F. van Duyse in Gent u. a. eine Spur
ermitteln können. Und doch citiert, wie ich aus den Mitteilungen
des Vereins für hamburgische Geschichte 6, 159, vgl. 16 (1884), ersehe,
noch 1860 C. P. Hansen in seinem Buche 'Der Sylter Friese' 'das
alte allbekannte seemännische Abschiedslied: De blaue Flagg de
') In der Bibliothek der MaaUschappij tot bevordering der toonkunat, Hs. 45.
79 Blätter quer 4^ Die Melodien sind sämtlich einstimmig, vom Texte stehen
jedesmal nur die Anfangs werte da.
16
Weihd\ Ich gebe daher die Hoffnung nicht auf, dass uns noch einmal
ein glücklicher Finder den vollständigen Text beschert. Eine ganz
selbständige Dichtung, der auch eine andre Weise, nämlich die des
alten Landsknechtliedes 'Wir zogen in das Feld' *), untergelegt wurde,
ist K. Koppmanns Lied: 'De blaue Flagge wei't' im Niederdeutschen
Liederbuche, Hamburg 1884 Nr. 64.
[Nachdem diese Blätter schon in die Druckerei gewandert waren,
erhielt ich durch die Güte des Herrn F. van Duyse in Gent noch eine
ältere Amsterdamer Aufzeichnung der Melodie, die im wesentlichen
mit der handschriftlich überlieferten übereinstimmt. Sie steht mit der
Bezeichnung ^En die Blauwe vlag die waeyt\ aber ohne weiteren Text
in der zu Anfang des 18. Jahrhunderts gedruckten Sammlung Oude
cn nieuwe Hollantse Boeren Litics (Amsterdam, Estienne Roger o. J.)
als Nr. 331. Unserm Abdrucke in der Musikbeilage Nr. Ib ist die
erste Strophe eines Liedes aus Het nieuwe vermaekeLijke Thirsis
Minnewit 1, 62 (Amsterdam, bij de Wed. Jacobus van Egmont 1730)
untergelegt, das laut der Überschrift nach der Wijs: 'De blautce
vlag die waeyV gesungen wurde.]
II. Eine niederländische Melodie des Siebensprnnges.
Ueber den weitverbreiteten Volkstanz 'der Siebensprung' hat
F. M. Böhme in seiner verdienstvollen Geschichte des Tanzes in
Deutschland (Leipzig 1886) 1, 155 — 157 Material aus verschiedenen
Gegenden gesammelt und in den Musikbeilagen des 2. Bandes S. 190
Nr. 314 — 317 mehrere Melodien aus Düsseldorf, Meiningen und der
Mark Brandenburg mitgeteilt^). Leider sind ihm die Versionen ganz
entgangen, die A. P. Berggreen in seinem in Deutschland zu wenig
bekannten elfbändigen Sammelwerke Folkesange og Melodier^ fuedre-
landske og frefnmede^ samlede og udsatte for Pianoforte (Kopenhagen
1842 — 1871) veröifentlicht hat, nämlich in Bd. 5, Nr. 148 eine Schweizer
Aufzeichnung nach Kuhn und Wyss, Sammlung von Schweizer Kuh-
reihen imd Volksliedern, 3. Ausgabe, Bern 1818, S. 123, Nr. 1;
femer 1® Nr. 254 — 255 (1869) zwei dänische 'Syvspring* aus Jütland
und Fünen und 6,166 Nr. 52 eine besonders interessante französische,
^Sept sauts' betitelt, die sich in Nouveau recueil de chansons choisies.
A La Haye 1732 6,21 findet^). Auch in der schwedischen Landschaft
Schonen ist nach Berggreens Bericht der Tanz heimisch. Das Eigen-
tümliche dieses Tanzes besteht nach den aus Schwaben, Westfalen
und Dänemark stammenden übereinstimmenden Schilderungen darin,
^) Böhme, Altdeutsches Liederbuch Nr. 420. R. v. Lüieucron, Deutsches
Leben im Volkslied um 1530 Nr. 116.
') Ein Artikel von F. Höft über die mythologische Bedeutung dieses Tanzes
(Am Urdsbrunnen 7, 1. Rendsburg 1888), auf den mich W. Seelmann freundlichst
aufmerksam macht, ist mir augenblicklich nicht zugänglich. Vgl. noch M. Fried-
länder, Hundert deutsche Volkslieder (1886) Nr. 42.
') Das genaue Citat verdanke ich Herrn F. van Duyse. In dem Exemplare
der Königlichen Bibliothek zu Berlin fehlt gerade dieser 6. Band.
17
dass ein Paar siebenmal im Kreise herumtanzt und dass am Schlüsse
jeder Tour der Tänzer eine besondre Bewegung ausfuhrt, indem er
zuerst mit dem rechten, dann mit dem linken Fusse auf die Erde
stampft und sie mit dem rechten und linken Knie und Ellenbogen
und zuletzt mit der Stirn berührt. In Jütland, wo zwei Burschen mit
einander den Siebensprung tanzen, machen beide Tänzer die genannten
Bewegungen. Am Schlüsse der zu jeder Tour wiederholten Liedstrophe,
die natürlich in den verschiedenen Gegenden verschieden lautet, werden
meist die 'Sprünge' gezählt: "s ist einer', "s sind zweie' u. s. w.
Die hier unter Nr. III gegebene Aufzeichnung 'De Zeven Sprong*
fand sich in der Handschrift 34 der Bibliothek der Amsterdamer
Maatschappij tot bevordering der toonkunst, einer um 1770 angelegten
Sammlung von 758 Volksmelodien und Tanzweisen (in Quer 8^ ohne
Texte). Neben manchen Opernarien und Militärmärschen (Nr. 556:
De Brandenburgsche Marsch = Der alte Dessauer) erregen einige
vom Auslande her eingedrungene verbreitete Weisen unser Interesse,
so Nr. 271: God Ues the hing^ 755: Marlbroug [s'en va-t-en guerrej^
38: Broeder Michel of Tryn myn enget = 'Gestern Abend war Vetter
Michel da', bei L. Erk, Liederschatz 1, Nr. 30, und Böhme, Ge-
schichte des Tanzes 2, 159 Nr. 251. Der als Nr. 448 auftretenden
Weise : De Zeven Sprang habe ich den Text untergelegt, den G. Kalff,
Het Lied in de Middeleeuwen, Leiden 1883, S. 536 aus Zwolle mitteilt.
Die eigentlich zu diesem Texte gehörende Melodie wird F. van Duyse
später veröffentlichen und dann auch über ein Lied des sept sauts
berichten, das noch jetzt alljährlich zu Chimay im Hennegau bei einer
Procession gesungen wird.
Als Nr. IV. der Musikbeilage folgt die französische Version als
die älteste aller bekannten Aufzeichnungen. Der Text, von dem ich
nur die beiden ersten Strophen abdnicken lasse, scheint eine junge
Dichtung im galanten Schäferstile zu sein.
in. Pierlala.
Das Lied von Pierlala ist in den Niederlanden seit den Einfällen
der Franzosen unter Ludwig XIV. aufgekommen und öfter umgestaltet
worden. Einen Text von 17 Strophen mit dem Anfange ''Komt hier
al bjf en hoort een kluchV gab J. F. Willems, Oude vlaefnsche Liederen
Gent 1848, Nr. 129; er ist nebst der Melodie wiederholt von F. A. Snel-
laert, Oude en nieuwe Liedjes^ Gent 1852, Nr. 57 = 2. Aufl. 1864,
Nr. 75, und abgekürzt im Niederdeutschen Liederbuch, Hamburg 1884
Nr. 54, ohne die Melodie bei Hoffimann von Fallersleben, Nieder-
ländische Volkslieder * 1856 Nr. 161. Eine auf 24 Strophen ange-
wachsene Fassung mit gleichem Anfange und einer zweiten Melodie
steht bei A. Lootens et J. M. E. Feys, Ghants populaires ßamands.
Bniges 1879 Nr. 87. Sehr ähnlich ist der gleichfalls 24 Strophen
umfassende Text und die Melodie gestaltet im Nederlandsch Liederboeh
uügegeven doar het WiUemS' Fonds (Gent 1891—92) 2, 165 Nr. 81.
Eine vierte Fassung von 10 Strophen und einer neuen Weise finden
18
wir bei E. de Coussemaker, Chants poptUaires des Flamands de
France. Gand 1856 Nr. 93; sie beginnt: *Äls Pierlala nu ruym
twee jaer'. Vgl. noch van Paemel, GcUection flamande de feuUies
vola^Ues Nr. 51 and J. van Vloten, Nederlandsche Baker- en
Kinderrijmen 1874, S. 37. Fragmentarisch ist das Lied auch nach
Deutschland gewandert; vgl. Schmitz, Sitten und Sagen des Eifler
Volkes (1856) 1, 162; eine fünfstrophige Aufzeichnung aus Olden-
burg: 'Pierlala war ein einzger Sohn', die L. Erk, Deutsche Volks-
lieder Bd. 2, Heft 4 — 5 (1844) Nr. 14 veröffentlichte, ist sogar in
studentische Kommersbücher übergegangen, wobei der Held sich zu
einem 'Bierlala' umtaufen lassen musste. Die Erksche Melodie weicht
von den vier niederländischen ab, auch ist die Zeilenzahl der Strophen
von acht auf sechs verringert.
Aelter als die bisher erwähnten Aufzeichnungen ist die in der
Musikbeilage unter Nr. V. aus der oben S. 17 angeführten Amsterdamer
Handschrift 34 Nr. 32 abgedruckte Melodie, die auch in der S. 15
beschriebenen Handschrift 45 auf El. 63b erhalten ist. Sie geht wie
die übrigen im ^/g Takt und ähnelt am meisten der zweiten Weise
bei Lootens und Feys. Den fehlenden Text habe ich nach Willems
hinzugefügt.
lY. Drinck Liedeken.
1. Van waer compt ons den coelen wyn,
En van waer compt ons den coelen wyn,
En van waer dorn daer, en van waer compt ons den coelen wyn?
2. Hy compt van Ceulen ouer den Ryn.
8. Hoe compt die meyt al aen den wyn?
4. Die vrouw' die gheeft de meyt dat ghelt
5. Hoe compt die vrouw' al aen dat ghelt?
6. Den man die gheeft die vrouw' dat ghelt.
7. Hoe compt den man al aen dat ghelt?
8. Den hoer die gheeft den man dat ghelt.
9. Hoe compt den boer al aen dat ghelt?
10. Den boer die saeyt en maeyt dat velt,
En van daer soo cryght den boer dat ghelt,
En den boer en den man en die vrouw'
En die meyt en den wyn en den Ryn,
En van daer compt ons den coelen wyn.
Dieis Lied steht mit der in der Musikbeilage Nr. VI. abgedruckten
Melodie in einer zu Anfang des 18. Jahrhunderts sehr sorgfältig ge-
schriebenen, mit ein- und zweistimmigen Weisen versehenen und mit
grossen Federzeichnungen geschmückten Sammlung von Liebes-, Tanz-
und Trinkliedern in französischer und italienischer, teilweise auch
spanischer und holländischer Sprache, die unter der Bezeichnung
Mscr. Blankenb. 125 — 126 fol. auf der herzoglichen Bibliothek in
Wolfenbüttel liegt, und zwar in Band 125, Bl. 16a. Der ursprüngliche
Besitzer, vielleicht auch Sammler wird durch die Inschrift: ^Je suis
appartenant a Monsieur Charles Cousin' angegeben; daraufkamen die
Bände an den Herzog Ludwig Rudolf von Braunschweig (1671 — 1735),
dessen Ex-libris eingeklebt ist.
BERLIN. Johannes Bolte.
19
Der Kaland des Pfaffen Konemann.
Als Franz Pfeiffer die erste Auflage von Goedekes Grundriss
in der Germania 1857, S. 503 besprach, machte er auf den von
Goedeke ausgelassenen mittelniederdeutschen Kaland des Pfaflfen Kone-
mann aus Dingelstedt am Huy aufmerksam und wünschte dem von
Wilhelm Schatz 1851 nur auszugsweise bekannt gemachten Ge-
dichte, wenn es auch dichterisch völlig wertlos wäre, doch um seines ^
Alters und seiner sprachlichen Bedeutung willen eine vollständige
Ausgabe. Auch Goedeke hat sich dann in der zweiten Bearbeitung
seines Gnindrisses dieses Sprachdenkmals angenommen, indem er,
ähnlich wie Pfeifi'er, S. 478 betonte, dass der aus dem 13. Jahr-
hundert stammende Kaland schon seines Alters und seiner Heimat
wegen längst eine Herausgabe verdient hätte.
Im 23. Jahrgange der Zeitschrift des Harzvereins für Geschichte
und Altertumskunde 1890, erste Hälfte, S. 99 ff. ist nun eine von
dem Archivrat Dr. jur. G. Sello bearbeitete vollständige Ausgabe
(;,Des Pfaften Konemann Gedicht vom Kaland zu Eilenstedt am Huy^)
erschienen, die zum Zweck hat, „tiii* eine Sammlung und Bearbeitung
der Kalandsstatuten einen Beitrag zu liefern^; vergl. a. a. 0. S. 100.
Während Sellos, von Seelmaim im Korrespondenzblatt XV, 61 f. be-
sprochene, Arbeit, die sich durch manche historische Erläuterungen
auszeichnet, den angegebenen Zweck gut ertullen mag, wird mit der
sprachlichen Behandlung dieses nicht unwichtigen Denkmals, das für
den Sprach- und Literaturforscher doch mehr ist als eine Statuten-
sammlung, mancher Philologe nicht ganz einverstanden sein.
Ich glaube in diesen Zeilen zur Kritik des Kalandes etwas bei-
tragen zu können, weil ich eine Handschrift mehr kenne als der Her-
ausgeber und mich länger mit einer Ausgabe des Gedichtes beschäftigt
habe. Eine abschliessende Behandlung des (gegenständes lässt sich
freilich noch nicht bieten; ich werde aber die Frage zu erörtern ver-
suchen, wie das Gedicht nach den mir bis jetzt bekannten Hülfs-
mitteln zu seiner Rekonstiiiktion sich darstellt.
Um meine Bemerkung über Sellos Behandlung des Sprachlichen
zu begründen, greife ich zunächst einige Einzelheiten heraus.
V. 79 des Selloschen Textes, über dessen Ansprüche auf Echtheit später
die Rede sein wird, heisst es:
„Man sal is den gegunnen,
de daz irwerben kunnen
mä sucht unde mit gute,
mit eindraehten mme,
hroderlichen, sunder vare,
de spehen sin uphare;
der sal man wesen ffrieJ*
2*
20
Der vorletzte Vers scheint zu bedeuten: rixosi sint remoti (vergl. H 78),
schliesst sich also inhaltlich an den folgenden an. Das Wort upJutre = uphare =
uphor = bei Seite zeigt die im md. Dialekt von Weinhold, Mhd. Gr.* § 116 be-
zeugte Neigung, o nach a zu öffnen. Vergl. Kaland H 762 vorsack: ok und Wein-
hold, Mhd. Gr.* § 67. [Andere Belege für diesen Wechsel aus dem Gedichte sind:
iaweme 915. iatoem 1026. Der umgekehrte Fall liegt in moeh s= mach 776 vor
(Weinhold S. 82), das von Sello als Schreibfehler angesehen und im Texte ge-
ändert ist.] Der Herausgeber aber bemerkt zu den oben ausgeschriebenen Versen
S. 118: „Spe, Subst., Hohn, Spott; adj, höhnisch, spöttisch. — upJutre weiss ich
nicht zu erklären; darf man an ein Compos. von mnd. hären, schärfen, denken,
sodass zu übersetzen wäre: brüderlich, ohne Hinterlist, welche zur Spott-
sucht (speen sin) aufreizt?"*)
V. 264 kommt das bekannte Wort aelegerede in der md. Form vor: zo der
sele gerade; dazu lautet die Bemerkung des Herausgebers: „gerade, in den Rechts-
quellen bekanntlich: Frauengerät; hier allgemeiner überhaupt Ausstattung."
Dass Wörter wie sich (v. 756) pleonastisch wiederholt werden, lehren Volks-
sprache und volkstümliche Schriftsteller. Vergl. Oldecops Chronik, S. 692 meiner
Ausgabe und Kaland (H) 1203 f. Der Herausgeber entfernt es als ungehörig und
stört den Vers.
Im V. 1025 schreibt Sello dem md. Bearbeiter eine Form zu, die es schwer-
lich gibt, wenn er degeliker als adverbium = „gebührend" erklärt; im folgenden
Verse wird dann ac?Ue als „Verdienst" übersetzt. Die betreffenden Verse lauten in A :
„Ich sprach unde spreke iz recht,
daz got wil wesen recht
nach dode mit geriehle;
des swiveU mü nichte;
allein sin ordd si
alle degeliker bi
ia toeme na siner achte,"
Wahrscheinlich ist nur degelikes zu lesen; r und s wechseln in der unten
von mir wiedergegebenen Handschrift H und in B, wie auch sonst, häufig; und
der Bearbeiter von B ist im Rechte, wenn er die Stelle so wie H bietet:
„Ik hebte hir tovorti ghesecht,
bat God wil wesen recht
Na dussem doede myt gerichte.
Des schulle gy twiveln mit nichte,
Wol doch syn ordel sy
Uns alle daghe by
Jawelkem na syner achte"
Auch Formen wie Kalys 276') = Kalant und goder in völlig ungramma-
tischer Verbindung werden dem Konemann aufgebürdet. Vergl: S. 101 und 102.
Andererseits ändert Sello bezeugte Formen wie 1278 A den cracht in de
cracht; Geschlechtswechsel belegt bei diesem Worte Weinhold S. 309.*)
Wenn dede = qui (v. 404) „De, de'* geschrieben wird, liegt unrichtige Auf-
fassung zu Grunde. Das Nähere lehrt Lübben, Mnd. Gr. S. 113.
V. 355 liest der Herausgeber mir unverständlich „des we will* ec hebben
rad" für „wiUec". Die in den Text gesetzten Apostrophe wie in : „hos* tu'z" oder
„wiP tu" sind mindestens sehr gewagt. Warum wird w = v geändert, v = to be-
Utssen? Vergl. S. 105. Mittelaeutsches est für ist 110 war nicht als Fehler zu
verbessern. Vergl. ir = er 1164, wenn 1166 = 1164 ist.
^) Seelmann schlug a. a. 0. S. 62 vor de spehe sin up hare, Koppmann,
Korrespondenzblatt XV, 93 de spehen sin upkare; des,
^) Seelmann besserte a. a. 0.: An wogetaner wis Man halden sal kalendis,
wogegen Koppmann S. 98 sich aussprach.
') Vergl. das Schwanken bei herde 431 A ; Seelmann S. 62. Koppmann S. 98
Seilos Abdruck lässt ferner feste kritische Grundsätze bei der
Textgestaltung vermissen. Über den Dialekt des ursprünglichen Ge-
dichtes hat sich Sello keine endgültige Ansicht gebildet. S. 102 wird
zunächst ein Beweis versucht, dass die Urschrift rein niederdeutsch
gewesen; aber der Beweis ist einesteils recht unvollständig, andern-
teils wird auch unrichtiges Beweismaterial verwendet, wenn Sello z.
B. di für nur niederdeutsch hält oder die Vertauschung von to und
V für specifisch niederdeutsch ausgibt. Vergl. Weinhold, Mhd. Gr.*
S. 514 und 169. Der Reim goder: moder ist oben schon erwähnt;
ich lese 103 togoder = togader.
;,Dem gegenüber*, fährt nun der Herausgeber fort, ;, stehen aber
wieder rein hochdeutsche Reime, wie nothaft: selscaft 48, paffen:
straffen 74, maee: quaee 314.* Von den aufgeführten Reimen ist
keiner rein hochdeutsch; zum ersten vergl. z. B. Leitzmann, Unter-
suchungen über Berthold von Holle S. 34, zum zweiten Weinhold,
Mhd. Gr. S. 165, zum dritten etwa DW, u. d. Worte Quas.
Die Unsicherheit des Herausgebers inbetreflf des ursprünglichen
Dialektes erhellt besonders aus seinen Schlussworten S. 102: ;,Sodass
man in dem Abschreiber, eine rein niederdeutsche Urform voraus-
gesetzt, zugleich einen teilweisen Umdichter zu sehen hätte. Oder
schrieb Konemann, wie Schatz annimmt (S. 2), in einem aus nieder-
und hochdeutsch gemischten Dialekt (vgl. Wackernagel, Gesch. d. D.
Litteratur, S. 123, 129), welchen der Abschreiber noch mehr hoch-
deutsch färbte.*
Bei solcher Unklarheit hat nun der Herausgeber auch nieder-
deutsches in jenen md. Mischdialekt von A (V. 858) übernommen.
Vergl. die Konjektur 871 Anmerkung.
Erwägt man nun die gleich zu erörternde, von Sello nur un-
vollkommen gelöste Frage nach den Handschriften und Recensionen ^)
des Gedichtes, so wird sich noch mehr zeigen, dass der von ihm ge-
gebene Text in mehr als einer Hinsicht davon entfernt ist, der ur-
sprüngliche Konemanns zu sein.
In seiner originalen Gestalt ist das ohne Zweifel viel abge-
schriebene, auf bestimmtem Gebiete recht verbreitete und in den
Kalandsversammlungen oft benutzte Gedicht noch nicht aufgefunden.
Auch die Handschrift A, Nr. 778 der Kopiarien im Magdeburger
Staatsarchive, die noch im XIH. Jahrhundert entstanden ist und erst
dem Eilenstedter, dann dem Halberstädter Kalande gehörte und von
Schatz imd Sello zu Gininde gelegt wurde, bezeichnet nur gleichsam
eine Station auf dem Wege zum gesuchten Originale. Der Dialekt
der Hs. A erweist sich als der einer mitteldeutschen Überarbeitung
der niederdeutschen Urschrift. Den wesentlich mitteldeutschen Charakter
der Handschrift A hat Sello nicht beachtet. Sello S. 104 ff. Wenn
sich Seelmanns (S. 62) Schluss auf niederrheinische Herkunft einiger
') Die geringfügigen Änderungen, welche von dem Halberstädter Bearbeiter
herrühren und unter A* vermerkt sind, können doch nicht die Annahme einer
selbständigen Recension begründen. Sello S. 103 f.
22
Reime in A bestätigt, möchte ich der zweiten von ihm angedeuteten
Möglichkeit den Vorzug geben, dass mittelfränkische Vorbilder hier
eingewirkt haben.
Die Handschrift B, Nr. 779 im Staatsarchiv zu Magdeburg,
(Sello S. 110 f.) hat den nd. Sprachstand bewahrt. Sie stammt aus
Osterwieck. Auch Sellos dritte Hs. C (Sello S. 111), einst dem Kaland
zu Oschersleben gehörig, ist niederdeutschen Gepräges. Nur 5 von
J. A. Steyer abgedruckte Bruchstücke sind davon erhalten. Vergl.
Seelmann S. 61.
Zu diesem handschriftlichen Materiale füge ich nun eine ^äert^,
niederdeutsche Hs. hinzu. Sie ist, wie Hs. B, neueren Datums, wohl
im vorigen Jahrhundert auf 7 Bogen Papier in Folio 2 spaltig mit
ziemlich grosser Sicherheit deutlich und sauber geschrieben. Der
erste halbe Bogen ist leer gelassen. Die Überschrift lautet: „Der
Homburgische Kaland, ex veteri manuscripto, quod Homburgi in scrinio
ecdesiae asservatur^'' Sie befand sich im Besitz des verdienten Gym-
nasialdirektors Dr. Schmidt zu Halberstadt, welcher mir dieselbe im
Jahre 1888 in liberalster Weise zur Verfügung stellte.
Nach der Überschrift ist sie aus einer alten Hs. im Archiv der
Kirche zu Hornburg geflossen; eine Nachfrage ergab, dass eine Hs.
des Kalandes im dortigen Archiv nicht mehr vorhanden ist, wie mir
Herr Oberpfarrer A. Kaselitz zu Hornburg gefälligst mitteilte.
Das Alter jenes als Quelle erwähnten vetus manuscriptum lässt
sich aus der Beschaffenheit der Abschrift H schliessen. Abgesehen
von dem ganz vereinzelt einmal nachzuweisenden Eindringen neuerer
Orthographie des Abschreibers (vormahnt 640; vgl. aber 655 u. ö.),
bezeugen Fehler wie das Auftreten von t für r, n fiir a und umge-
kehrt, Ä für ^, v für 0, e für r, s für c, n für c, eine Vorlage aus
der Zeit des 14. bis 15. Jahi'hunderts. Der Sprachstand ist jener
der besten Zeit des Mittelniederdeutschen, wie er in jüngeren Hand-
schriften erscheint. Vergl. ow für o 288 und 1194 (Lübben, Mnd.
Gr. S. 25), die massvolle Verwendung der Gemination und des h,
die Erhaltung der charakteristischen alten Fonnen. Damit stimmt
auch die metrische Bescliaffenheit dieser Recension überein; häufig
fehlt die Senkung, was Sello zu verkennen scheint, wenn er S. 104
von einer modernen Umgestaltung des Versmasses in B redet und
hinzufügt: „Zwischen je zwei Hebungen fehlt die Senkung nun nicht
pehr." Vergleiche aber z. B. 1437. 1403. 1433.
Obgleich H derselben Redaktion wie B folgt, hat sie doch auch
B gegenüber selbständigen Wert. Verderbnissen in B gegenüber hat
H die richtige Lesart in folgenden Fällen bewahrt: 101 neyber^ B
neuber. — 210 soket = sotet, B sojset, — 512 So dat he des dmystes
moghe wesen vry (lies quit)^ Edder glieven ome so lange vryst und tyd;
hier hat B von Vers 512 nur die Worte „wwde gwtd**; über das, was
in B unseren Versen 513 bis 515 in H entspricht, lässt Sello uns im
Unklaren. — 643 innichlik, B inniMiken, — 810 dunne^ B dumme
(nach Seilos Schweigen zu schliessen). — 965 älgelike^ B engdiken.
23
Die unmögliche Form dond in B 1194 ist von Sello wohl nur ver-
lesen aus doud. um R = dorch 1284 in B.
Eine fünfte Hs. wäre erhalten nach einem an mich gerichteten
Schreiben des Herrn Geh. Archiv-Rats v. Mülverstedt vom 23. April
1888, in dem es heisst, dass im Magdeburger Staats-Archive „zwei
auf den Kaland zu Osterwieck bezügliche poetische Handschriften
aufbewahrt" würden. Da wird jedoch ein Irrtum vorliegen; Sello
würde die etwa vorhandene Handschrift benutzt haben.
Bevor wir nun die Handschriften ihrem Werte nach ordnen und
die Recensionen des Gedichtes zu bestimmen suchen, ist die Frage
nach dem ursprünglichen Dialekt der Dichtung zu beantworten. Die
Annahme eines mitteldeutschen Charakters der Urschrift stützte sich
auf nichts anderes, als auf die Beschaffenlieit der einzigen Hand-
schrift A, welche, weil sie die älteste der erhaltenen zu sein scheint,
von Schatz und Sello ohne weiteres zu Gininde gelegt ist. Jene An-
nahme ist aber in diesem Falle unzutreffend.
Einen Beweis für den niederdeutschen Charakter der Urschrift
liefern die verhältnismässig zahlreichen Fälle, in denen selbst in der
Handschrift A unverschobenes t allen Änderungsversuchen des mittel-
deutschen Bearbeiters zum Trotz erhalten blieb, mit der dcU: at 514.
deit: weit 851. antht: trinitat 1320. vgl. 1233. sat: bat 1371. grot:
not 1044 = 1100. deste bat: missedat 1185.
Aus sonstigen Formen und dem Sprachgut in A, das allerdings
meist niederdeutsch ist oder das Gepräge der Übersetzung trägt, ist
ein zwingender Beweis deshalb nicht zu entnehmen, weil die betreffen-
den Formen und Wörter möglichei'weise auch mitteldeutsch gebraucht
sind. Für vieles dieser Art steht das fest. Jedenfalls bestätigen aber
Wortformen und Sprachgut den Schluss auf den niederdeutschen
Charakter der Urschrift.
Femer ist die Heimat des Dichters niederdeutsch; das Gedicht
war offenbar für niederdeutsch redende Leute gewöhnlicher Bildung
berechnet.
Sodann stehen der einen mitteldeutschen Bearbeitung drei bis
jetzt bekannt gewordene niederdeutsche gegenüber, wonach das von
Jellinghaus in Pauls Grundriss H 423 über das Handschriftenverhältnis
Bemerkte zu berichtigen ist.
Hören wir auf, dem Dialekte der Handschrift A massgebende
Bedeutung zuzuerkennen, so erweist sich die Fassung von A nur als
eine mitteldeutsche Umarbeitung des ursprünglichen Gedichtes, unter
deren dürftiger Hülle die Züge des echten Gediclites hervorbrechen.
Beispiele, in denen die Unzulänglichkeit und Ungeschicklichkeit der
Bearbeitung besonders hervortreten, sind folgende.
H 288
Nu do%U, also tk giek bidde,
ünde höret nu [diät] dridde,
In welker vrise und wudane hand
Dat men hcMen scfuil den kaland.
= A 272
Nu dutf als ich tu bidde,
unde höret daz dridde,
an wogetaner wie
man holden sat den Kalye,
24
Auch Sello nennt die Form Kalys unerhört, steht aber nicht an.
sie S. 103 dem Konemann zuzuschreiben. Allerdings ist anzunehmen,
dass auch H höchst wahrscheinlich den alten Text schon erweitert
oder sonst modifiziert haben wird. Vergleiche ferner:
= A 861
H 902 le ist nu al vollenbracht,
It is nu aUe vuUenbracht, swas ju was irdacht
AÜe dat tu darvan wart gesacht, dem sundere zo heile.
Dem sunder to heyle. Bus gaff sich gat veile ;
Alsus gaff aick God veyle. 865 al sin geven daz was deine
Unde leyt so grat dorch unse sunde gegen der martir eine,
We were nu, dede konde de he led durch unse sunde.
Laten uth dem gemode Wer were nu, de künde
De gottlike goyde? lasen uz dem muthe
Nu lath dek synen kummer wesen leyt 870 de goddeliken guthe?
Myt gantzer dancknamicheyt. Nu laz dir sinen kumber leit
mit ganzer dancknamicheit.
Vers 865 f. sind offenbar interpoliert und enthalten einen sinn-
losen oder sinnlos ausgedrückten Gedanken, wie ihn der Bearbeiter
von A auch sonst in den Text bringt, z. B. 1011 vergl. unten. Für
den jedenfalls verdorbenen Vers 871 vermutet Sello entweder die
Lesart von H oder: nu ht dir sin den kumber leit; bei dieser Fassung
vermisst man aber das Pronomen possessivum.
Unmittelbar vor der eben besprochenen Stelle gehen folgende
von dem Bearbeiter wieder arg missh'andelten Verse her:
857 Noch so wart ein trostUch wort
do Consummalum est he sprach,
Hey, was gote daran lach.
Nur durch die jüngeren Handschriften werden wir auf das Echte
geführt; in H lauten die entsprechenden Worte:
898 Noch so wart van ome ghehort
Eyn so sanfftmodich word;
He sprack: Consummatum est,
Eya, welk grot goyde daranne ist.
Ebenso ungeschickt und leichtfertig ist die Wiedergabe folgen-
der Stelle:
H 1043 Dat is ores misten iammers slach,
Dat sick dat nummer endet
1045 Unde ok dat se syn ghewendet
Van Goddes angesichte dar,
Dat maket alle ore pyne swar
Unde dat se nummer werden vro.
Des spricket David ok also.
Dafür bietet A:
1006 ir meiste iamers slach,
daz diz sich nimber endet,
unde dcui se sin gependet
1010 goddes angesichtis,
alle pine licht is.
Davit sprikt also.
Der dem letzten entsprechende Reimvers fehlt ganz ; Sello ergänzt
ihn diesmal nicht, oder hat sein Fehlen übersehen.
2&
Schon diese Proben der Textgestaltung in A beweisen, dass die
Handschrift von dem Originale sich zu weit entfernt, um überhaupt,
abgesehen von ihrem Dialekte, als durchweg massgebender Faktor
der Überlieferung anerkannt zu werden. Die entsprechenden Stellen
aus H aber lassen erkennen, dass die Recensionen von A und H
ziemlich weit auseinander gehen. ^) B folgt nun allerdings derselben
Art der Überlieferung wie H; dennoch haben beide Handschriften
verschiedene Vorlagen gehabt. Das letztere ergibt sich schon aus
den oben S. 22 gemachten Zusammenstellungen, durch welche der
selbständige Wert von H zu erläutern war, aber auch aus denjenigen
Stellen, in denen B das Richtige der Handschrift H gegeniiber ver-
tritt: (es werden hier, wie oben, nur die wichtigeren Abweichungen
angeführt) 303 komen dar in B. darin komen H. 573 ist in H der
halbe Vers verloren; B scheint mit A übereinzustimmen, da die An-
merkung über B schweigt. 697. 706 scref A. (B?) scrifft H. Auch
Bemerkungen in B 616 fehlen in H; umgekehrt scheint es bei der
Überschrift vor Vers 448 zu sein.
Die gemeinsame Abstammung von H und B wird durch gemein-
same Fehler ausser Frage gestellt: Vers 6 Sich = Gick. 1442 troff
= trosL Auch die Orthographie ist bis auf die Verwendung von ck,
gh, w im ganzen die nämliche.
Es bleibt sehi* zu bedauern, dass von C nur 5 Bruchstücke er-
halten sind; die Handschrift selbst soll aus dem Magistrats-Archive
von Oschersleben entwendet sein. C nämlich schliesst sich, soweit
die Fragmente ein Urteil gestatten, enger an A, sodass wir wahr-
scheinlich das Verfahren des mitteldeutschen Bearbeiters verfolgen
könnten, wenn C erhalten wäre, was für eine Herstellung des Gedichtes
von grosser Bedeutung sein würde.
Die Lage der Überlieferung würde demnach in folgender Figur
zum Ausdruck kommen.
A A
A C B H
Je freier nun der Bearbeiter von A mit dem ihm vorliegenden
Texte umging, desto wichtiger wird für die Erkenntnis des Ursprüng-
lichen die Überlieferung der Gruppe BH. Während H Sello ganz
fehlte, ist ihm auch inbetreff der Verwendung von B nicht zuzugeben,
dass er ^alle irgend erheblichen Abweichungen von Inhalt und Form
in die Anmerkungen aufgenommen habe^, wie er S. 111 versichert.
Vorausgesetzt, dass B wie sonst mit H übereinstimmt, sind an nicht
wenigen Stellen die erheblichen Abweichungen von B übergangen;
vergl. z. B. A 26—28 mit H 21, 22. A 56, 57 mit H 53, 54. A
495/6 mit H 536/7. A 1012/3 mit H 1048/9.
V Seelmaim erkannte bereits S. 61, dass A dem Schreiber von B (H). nicht
▼orgelegen hat.
26
So schien es in Anbetracht des selbständigen Wertes von H
für die Erkenntnis der Redaktionen des Gedichtes nötig, H unverkürzt
bekannt zu machen. A als Vertreter der Handschriftengruppe AC =
Y und H als Vertreter von BH = Z werden solange neben einander
anerkannt werden müssen, bis ein glücklicher Fund eine Vermittelung
herbeiführt und die Herstellung möglich macht.
Der Hornbnrgische Kaland,
ex veteri Manuseript4>, qnod Hornbnrfi;! in scrinio ecciesiae asservatnr.
Höret leyen, höret papen, [B- 1* Sp. i]
Höret riddere, höret knapen,
De god heflft her gesant
Hir an dussen kalant,
5 Ditt ghedichte unde mere
Gick allen to evner lere,
De leyen doch bisunderen an,
De sick des latines nicht vorstan.
Dut, dat we hier lesen,
10 Dat schal orer aller lectio wesen,
Dat se sick hiran
Der sake rechte vorstan
Unde merken even darby,
Wu de kalant gefunden sy,
15 Unde welkerhande vromen
Daraflf mögen komen,
Unde wume den kalant schulle holden:
Des schal dut gedichte wolden
Unde mannige gude lere geven,
20 We se wil merken even.
Merket alle to juwen vromen,
Wuraff de kalant sy gekomen.
Dusse selschop wart ghefunden
Van sunte Peter in den stunden
25 Siner dage hir bevoren,
Den god darto hadde uterkorcn,
Dat he is ghenant de steyn,
Dar de love al by eyn [Sp. 2]
Genslick is up ghebuwet
30 Unde mit godde vortruwet,
Do de apostelen alle quamen
Myt sunte Petro tosamen
Unde lüde vele, de se larden
6 Sick.
37
Unde alle daghe bekarden
[In actibus apostolonim Capite IV. Multitudinis credentium erat cor iinum et
anima una.]
35 To der leve goddes,
De weren alle eynes modes,
Eynes herten unde eyner sele;
Nemant sprack van synem doile.
Ore gud, grot unde kleyue,
40 Dat was öne allen ghemeyne.
[In actibus apostolorum. Nee quisquam aliquid esse sunm dicebat, sed erant
illorum omnia communia etc.]
Se deilden under sik dat gued
Eynem iowelken na syner nod.
Islikem wart sin gefoeh,
Dat se alle badden gbenocb.
45 Ut dussen darna sproten
Seven unde seventicb andere genoten.
De weren ok goddes jüngeren genant,
Unde worden gbesant in alle lant. [Bl. l^ Sp. l]
Darna van stunden to stunden
50 Worden broderscbop gefunden
Unde mannigerbande leven,
De nocb bute sin gbebleven.
Ut dem sulven bylde twar,
So men sud al opembar,
55 Is de kalant getogen;
Wente de papen niebt enmogen
Alle wesen an stiebten;
De moten ok bericbten
Capellen, kerken unde parren
60 Unde de zele voi*waren.
Des bebben de wysen erbeven
Dusser kalande leven,
Dar men selscbop macb vinden
Unde sick myt der vorbynden,
65 Nicbt dorcb bisscbops gbebodt.
Sunder lutterliken dorcb god.
Nu sut men it vaken gescbeyn,
Dat leyen unde papen overeyn
Sick an einer selscbop vordragen;
70 Dat kan neinande mysbagen,
Wente it macb komen
One an beyden parten to vromen.
Men scbal it allen gunnen,
De dat erwerven kunnen
75 Mit tucbt unde goyde
75 Erst war geschrieben „tucht van de*^; dann sind die beiden leisten
Wörter durchgestrichen und daßr ist „unde^ geschrieben.
28 I
Unde myt eyndrechtem gemoyte,
Broderliken, sunder var,
Sunder spotterye gar.
Merket, dat dusse selschop
80 Unde wunnichlike broderschop
Heflft eyn pawes to Rome,
Den ek Pelagium nome,
Bestediget myt syner gewalt
Unde heflft darto mannichfalt [Sp. 2]
85 Ghegeven fyne lere.
Süss möge gy merken deste mere,
Wu dusse kalant is befredet
Unde van pawesliker walt bestedet.
Doreh wat de kaland ghemaket si.
Nu höret vort, wu sick dat saket,
90 Unde dorch wat de kalant sy geraaket.
He is bedacht to heile
Beyde dem lyve und der zele;
Des lyves heyl lid daran,
Also ik mek vorsynnen kan,
95 Dat sick under stunden
Vrommede lüde frunden,
Dat se werden tniwe brodere,
Recht so se sin van eyner moder.
Dar Salomon, de wyse man,
100 Dussen sproke heflft van gedan:
[Melior est vicinus, qui juxta, quam frater procul.J
Eyn truwe neyber beter is
Wen eyn liflflick broder, dat is wis.
De dar wonet veme.
Dut moghe gy merken gerne.
105 Ik hebbe ghelegen unde hebbe ghedacht
Beyde dach unde nacht
Mit sorchfoldigem gemoyte,
Wat an der werld goyde
Dat alderbeste were.
110 Gued, gewalt unde ere,
Dat vinde ik alle wandelbar:
Synder eyn dinck merke ik dar,
Dat myn syn heflft uterkoren
Vor anderen dingen tovoren,
115 Dat is eyn truwe stede fnind; [Bl- 2* Sp. i]
Dat duncket meck de beste fund.
[Amico fideli nulla est comparatio. Ecclesiastes.]
Wente Salomon de wyse
Heflft an alle synem pryse
Den steden, truwen frunden
29
120 Nu nicht likes gefunden.
[Proverbiorum. Yae soli! si ceciderit, uon habet sublevautem.]
We dem, de alleyne schal syn;
Wente valt he, dat is. syn pyn,
Dat he nemande hefft, de one wedder upheve
Edder jennigerleyen trost gheve.
125 Dat kan eyn truwe frund al vorgoyden:
Wente de is truwe in allen noden.
Dat Bchaltu vort ok darby proven,
Wente de waren vnind kunnen nicht bedroven
Scheideword, toru noch hat,
130 De leve stillet alle dat.
[Proverbiorum. Vir amabilis ad societatem magis amicus erit.]
Eyn tiiiwe frund uterkoren
Is beter wen eyn frund angeboren.
[Nullius boni sine socio jocunda possessio.]
Neyn gud helft vulle goyde,
It ensy denne, dat it foyde
135 Eyn goytlick kumpenye.
Alle valsches frye.
Noch schaltu merken lyse,
Wu hoch Seneca de wise
Lovet unde pryset den steden, truwen frund:
140 Daraff sprickt alsus sin mund: [Sp. 2]
[Amicida rebus humanis omnibus est praeponenda.]
Vor alle de gave der erde
Schal van gantzer werde
De wäre fruntschop stigen.
Des wil ok Julius nicht swighen
[Amicus diu quaeritur, vix invenitur, inventus cum difficultate obsenratur.]
145 Unde secht alsus in synen sproken:
Truwe frunde mot men langhe soyken
Unde men vind se myt swere;
Men schal orer warden sere,
Wanneir se funden syn.
150 Hir van sprickt ok Augustyn:
[lllam legem amicicie justissimam esse arbitror, qua praescribitur, ut non minus
nee plus quisque amicum quam se ipsum diligat.]
De beste e mangk guden frunden
Is: leff hebben to allen stunden
Eyn den anderen so syn liflf
Ane hat unde ane alle kiff
155 Unde ane jennigerleye quad gebere.
Ach, wu leififlick dat were.
Dar men de fruntschop vunde,
Dat vrunt mochte myt frunde
So myt sick sulven kosen.
123 De he. 157 vunde Hs, vinde.
30
160 Gensliken vorholen vor den bösen.
Van sodanen frunde secht uns de man,
Den ik hir vor genomet han:
Alsus schaltu stede frunde merken
Beyde an worden und an werken: [Bl- 2»> Sp. 1]
165 Eyn frund hört den anderen gerne spreken
Unde kan alle syne word to den besten reken;
He hört ok gerne van ome seggen,
It sy an steden edder an wegen;
He sacht ok sulvest van ome gerne,
170 He sy ome na edder verne;
Ok dcncket he siner to aller tyd,
Unde alle syn wille daran 1yd,
Dat he ome syne hulpe do,
It sy kolt, heit, spade edder vro;
175 Ok qweme dat so, und were des uoth.
He ghinge myd ome wel in den doed.
Synen torn wil he bewaren;
Dat is der rechten leve kam.
Ok sut he one bedrovet
180 Unde unmod an ome provet,
He iß darna myt synen seden,
Dat he one bringet wedder to freden.
Synes gheluckes is he gemeyt;
AI syn ungelucke is ome leyt.
185 He lovet ok alle tyd den dach,
In dem he by ome wesen mach;
Wente des is ghevrauwet syn sin.
Van ome wesen, dat bringet ome pyn.
Ok wat eyn vrund levet,
190 De ander alle tyd darna strevet,
Dat he dat sulven in herten ginind
Ok heflPt leff to aller stund.
Wat he batet, dat batet ok ome.
Ok maket he ome bequeme
195 Alle, de he immer mach,
It sy nacht edder dach;
Unde bringhet de in syne fruntschop
Und in lefflike kuntschop.
Ok steyt he darna alle dagbe, [Sp. 2]
200 Dat he ome io behage.
Wat he ome gyfft, dat be wäret he gerne;
Dat kumpt van ome seiden veme.
He deyt ok alle tyd na synem rade,
It sy nacht, dach, vro edder spade.
172 darna. 178 kam = kern; zum Reime a: e vgl 1216/7. 712/3. 674/5.
684;5. 579/80. 359/60. 200 beghage.
31
205 De wise man Isidorus
De sprickt darvan alsus:
[Amicitia est amicorum societas.]
An leve twier herten band
Dat is recht fruntschop genant.
Vruntschop sotet lucke.
210 Ik meyne, se ok Vordrucke
Des ungheluckes gallen.
De enleth ok nicht vallen
Dat suftenbare herte
An mystrostes smerte.
215 An aller rede
Steyt io de fruntschop stede.
De falsche dunckelfrund
De wankelt io to aller stund,
He drecht dat honnich in dem munde,
220 Und drecht doch valsch in herten gründe.
Vor mek maket he syne word gar slicht,
Binder mek is he so quad eyn wicht.
Wol dem to allen stunden,
De eynen truwen Jinind hefft gefunden,
225 Dem he alles gudes mach gheloven
Dat mach men wol by Davitte proven.
[Ecce quam bonum et quam jocundum, habitare fratres in uuum.]
Su wu gued, wu lustichlich, [Bl- 3» Sp. 1]
Dar de truwen broder sammen sick
Und undereynander sick befrundet.
230 Dat uns dat evangelium ok vorkundet:
[Tbl duo vel tres congregati füerint in nomine meo, in medio eorum sum.]
God sprickt: Wu vaken dat gesche,
Wur twene edder dre
Sick in synem namen
Mit rechter leve sammen
235 In allerleye stidde,
Dar wil he io wesen midde.
Nu höret van dem heyle.
De gescheyn mach der zele
Van dusser selschop unde vorplicht.
240 Alle selschop were nicht,
Also ek lese unde prove,
De sick myt godde nicht erhove,
In god unde dorch god.
Höret nu alle sin gebot:
[Hoc est praeceptum meum, ut diligatis invicem, sicut dilexi vos.]
245 Alsus sprickt Johannes breflf:
Hebbet* gick undemander leff,
209 soket. 213 sustenbare. 222 ghe.
32
Also ik gick liebbe gedan.
Alsus schal unse leve stan,
Dat we to godde brochten
250 Gerne, eft* we mochten,
AI unse fnind ghemeyne.
Dat Ion enis nicht cleyne,
Dat god uns darvor wil gheven
Na dussem krancen leven. [Sp. 2]
255 Wertlick leve vorgeyt,
Aller erst denne besteyt
De wäre leve myt lone.
Dat steyt ghescreven schone:
[Ego V08 elegi et posui vos, ut eatis, qui fructum aflferatis et fructus vester maneat.]
Ik hebbe gick uterkoren
260 Ut aller werld tovorn,
Dat gy gan na tucht
Unde bringen der leve frucht,
De ewdch warende sy.
Hir machmen merken by,
265 Wu grot heyl und vrome
Van rechter fruntschop kome.
Van warer finintschop goyte
Wert eyn bedrovet ghemoyte
Irluchtet van aller swere
270 Unde vint dar trost unde lere.
Hir mach ok frund frunde
Secker bichten syne sunde
[Confitemini alterutrum peccata vestra et orate pro invicem, nt Balvemini.]
Unde soyken darto guden rad
Unde helpen sick myt guder dat,
275 Unde moghen gelick den frunden und magen
Eyn des anderen nod und borden dragen.
[Alter alterius onera portate, et sie adimplebitis legem Christi.]
Noch vintme hiir gnade vele
Unde guden trost der zele,
De dusser fruntschop volge mede
280 An almosen unde an bede [Bl- 3^ Sp. ij
Na den doede unde vor.
Wur vint men dat anderswurV
Na dem dode eyn stede frund
Dat is eyn salich fund,
285 De siner zele plecht myt guden werken
An klosteren, clusen und an kerken.
Wu me den kaland holden schal,
Nu dout, also ik gick bidde,
Unde höret nu [dat] dridde,
254 kranneu. 269 Itluchtet 284 satich. .
33
lu welker wise und wiidane band
290 Dat men holden schal den kaland.
»Men schal hebben eynen deken,
(Dat wil ik myt gheloven spreken)
Dusser selschop bequeme,
Wiis, fredesam und anneme,
295 Dede wontliken alle sake
Utrichte unde bestentlick make,
So eynen wisen manne behort;
De ok myt syner brodere viilbord
An dussen kaland neme
300 Alle, de dar to sin bequeme
Unde dusser broderschap werdich sin.
.. De quaden schullen nummer komen darin.
Men schal ok in allen steden
Dussem deken beden
30.') Horsam, tucht und ere.
Noch schal men hebben mere
Ome to hulpe eynen kemerere,
De myt alle synem gebere
Ome bequeme sy
310 Unde wone den broderen myt truwe by,
Unde de ane alle vare
Dusser broderschop gud beware.
Dusse kemerer schal ok dama wesen
Unde late des avendes vigilien lesen, [Sp. 2]
315 Wen des kalandes tyd is ghekomen;
Des mögen de zele nemen vromen.
Under des de kock myt dem werde
Schullen myt orem geverde
Berichten unde bereyden de spyse,
320 Dat de sy an sulker wyse,
Dat der sy ghenoch,
Eynen iowelken sin ghevoch,
Dat or ok sy to mate,
Dem lyve nicht to overate.
325 Dusse kaland schal ok nicht
Mit der taverne hebben plicht.
Jowelk schal drinken synes lyves mate
Unde ga denne syne strate;
Wente overat unde overdranck
330 Maken lyfF unde zele kranck.
Overat an der spyse
Warp Adamme uth dem paradyse
Unde krencket noch hüte manigen man.
302 darinkomen.
NiederdantschaB Jahrbaoh. XVIII.
34
p
Des vinde we bescreven stan
[Non, ut edas, vivas; sed edas, ut vivefe posais.]
335 Men schal eten dorch dat levent;
Dat Uff is dy nicht ghegeven,
Dathu it holdest to dem vrate.
Der doget kröne is de mate.
Sondere we also denet dem büke,
340 Dat he der spyse vele vorsluke,
De mot werden vorstort.
Dat sint des apostelen word:
[Deus et hone et hanc destruet.]
God wil vorstoren de overflodicheyt
Unde alle, de oren willen dar hebben angeleyt.
Van den gherichteB des kalandes. [Bl. 4»- Sp. 1.]
345 Nu wil ek gick segghen,
Wu de werd iuwer schuUe plegen.
De werd schal geven to der not
Gued beir und gud brod
Unde veer gude gerichte,
350 Der enschal he myt nichte
Vorbat overmeren;
Koyken, kese unde beren.
Des ghelick gifft men wol darmede
Na unser broderschap zede.
355 Dat enschullen neyne richte heten noch sin.
Ok enschal nemand wyn
Tho dussem kalande schencken
Unde unsen wilkor krencken:
Id were denne, dat we sende
360 Wyn dem kalande.
Hedde ok de werd sulven wyn,
So geve ik vulbord darin,
Dat he wyn mochte gheven.
Sick mochte anders erheven
365 So kostlick kost unde theer,
Dat eyn den anderen iummer mer
Mit der koste wolde overpralen
Unde myt homode overhalen,
Dat it worde dar
370 Den armen alte swar.
Noch weyt ik eyn leyt,
Dat is de quade drunkenheyt
De sunder twivel daraff wolde komen;
De doch nemande bringet vromen,
348 overslodicheyt.
362 wulbord.
B5
375 Also ok bescreven steyt [Bl. 4»- Sp. 2.]
[ProTerbiorum. Luxuriosa res est vinum, et tumultuosa est ebiretas.}
Wyn uude dnmkenheyt
Mannighe untucht erwecken
Unde alle vorholen dingk updecken;
Twischen den frunden breken se de [sone],
380 De blöden maken se kone.
Hinunme holdet mate
An drinken unde an eten,
Up dat gy moghen frunde wesen.
Merket, wat we mer lesen:
[Melius est, vocare ad olera cum caritate, quam ad vitnlum saginatum cum odio.]
385 Dat is beter und themet wol,
Dat men myt fruntschop geve kol,
Wen dat men braden gheve,
Dar de fruntschop binden bleve.
[Melior est bucella panis cum gaudio, quam domus plena victimis cum jurgio.]
Beter is eyn schive brodes,
390 Dar ik by mach wesen gudes modes,
Wen veer richte edder vive
Mit tome unde myt kyve.
Nu höret dat beste:
De werd schal syne geste
395 Entfangen gar vroliken
Unde bewisen one leiiHiken
Syn vrolike anghesichte;
Dat kan alle syne gerichte
Ane honnich maken zoyte.
400 Dat spreke ik by myner goyte.
Dat sulve leret uns ok meyster Esopus,
De dar van scrifft alsus:
[Emendat conditque cibos clemencia vultus, Convivam satiat rDi jk c i -i
plus dape frontis honor.] I-^*- ^^' ^P- ^J
We syne koste wil vrolik bewaren,
De late alle sorge varen,
405 Dewile de geste by ome syn,
So lovet men sin brod, beir und wyn.
Unde wat he vrolicken hefft ghegeven,
Sunder wen men myt sick sulven sud streven,
De vorluset de koste unde ok de gunst,
410 Unde hedde he ok Salomonis kunst. .
Wettet, he is eyn salich man,
De vrolick sin brod geven kan.
Hirane schuUe gy gyck prisen
Unde iuwen gesten vrolicheyt bewisen
415 Unde plegen orer also,
Dat se de spyse make vro.
Eyn dingk schuUe gy ok beholden,
3*
36
Öat men groter tuchte schal wolclen
Over dem dische myt allen dingen.
420 Men schal nicht ropen unde singen,
Sunder myt groten tuchten eten
Ünde aller untiicht vcjrgetten.
Tho dem dissche schal men lesen
Unde rechte hovesch wesen
425 Unde doch vrolikes modes
Unde spreken alle wat gudes,
Dar beteringhe ane sy.
Ok schal wesen by
Van uns alle achtersprake ;
430 Dat is so quad eyn sake,
Dat alle gude kumpenie
Orer schullen wesen vrie.
Dat scrifft ok sunte Augustin
An dem dissche syn:
[Qnique Bolet dictis absentium rodere vitam, Hunc procul a mcnsa rr». ^i, o « i
cedere posco mea.] ^^^' ^ ' ^P* ^-1
435 Alle, de sick des vliten,
Dat se de lüde byten
Myt achtersprake hinder one her,
De schullen mynen dissche iummer mcr
Unde to allen tyden wesen verne.
440 Dusser lere schuUe gy ok volgen gerne
Unde schullen nemandes ovel denken
Unde syn gude rochte krencken.
Wettet, he is eyn salich man,
De alle dingk to dem besten keren kan,
445 Unde wat one nicht tredet an,
Kan laten by sick hen gan.
Van dem broke der kalandes brodere.
Nu sit ok alle des vormaant,
Dat gy dussen kalant
Nicht vorsumet sunder nod.
450 Sunder we dat freveis modes doit,
Dat schal unse deken
Myt syner ghewalt wreken.
So dat eynander dorch de vare
Dat up eyn ander tyd beware.
455 Noch wettet suuder wan:
Eflft jennich dummer man
Hir wedder wolde kyven
Unde unhorsam bliven,
Den schal me hir uth driven
451 uns.
37
460 Unde uth dussem kalande scriven, [ßl- S*- Sp- 1]
So dat de dar blive van;
Wente we vinden bescreven stan:
[Turpis est omnis pars, quae non congruit suo toti.]
Dat stucke is schentlick,
Dat nicht ghevolget sick
465 Synem gantzem deile.
Wat hulpe, dat ik dat heleV
[Una enim ovis morbida totum gregera corrumpit.]
Eyn eynich schap wandelbar
Bevlecket eynen herde gar,
Dat he wert al unreyne.
470 Sui*e8 deges eyn kleyne
Maket vele deges sur;
Unde eyn kyverne bur,
De kyves vele kan,
De is den synen eyn verlick man,
475 De by ome schullen leven.
Des vinde we bescreven:
[Ejice derisorem, et exibit cum eo jurgium.]
Den kyveren man vordriff,
So endet sick de kyff.
Na dusser lere der wisen
480 Schal men sick alle tyd prysen,
Dat men sodane lüde
An den kalant nicht enfanghe hude,
Sunder dat men se darvan late
Ane jenigerleye mate;
485 Sunder efFt dat also were komen,
Dat se misfanges worden angenomen.
So schal men doch orer nicht lyden.
Sunder wedder äff dem kalande snyden
(So eyn vul ledemat)
490 An rechten truwen, uppe dat, [Sp. 2.]
Dat dat negeste ledemat sunder wan
Ok nicht envule darvan.
Nu höret, effet men eynen man
An den kaland wil entfan,
495 De schal sunder wedderstreven
Eyn halff punt wasses gheven
An de kemery e. ^^'£se lietT^^
Unde eff eyn der kumpanye ^^ of thh ""^k^
Dorch sake wil vorthyen, I UNI^nr^iJ-'^^TY
500 De schal sick alsus vryen: x '. ~~n.
468 herde (grox) scheint nd. wenig bekannt. Geschlechtswechsel, dem zufolge
das Wort Masc. wurde, ist wahrscheinlich. Vgl. Korrespondenzblatt XV, 62. 93.
494 entfanghen.
38
He schal gheven vor dat dingk
Eynen lodighen verdingk
ünde vare an goddes segen.
Weret ok also ghelegen,
505 Dat des kalandes eyn geselle
Van kummers ungevelle
Nicht konde denen dem kaland,
Deme schal men altohand
Bewisen broderlike goyde,
510 Efft he des bidet myt othmode,
So dat he des denystes moghe wesen quit,
Edder gheven ome so lange vryst und tyd,
Dat he sick dartho berede:
Doch mit sodanem underbeschede,
515 Dat synes kummers sware
Si schin unde openbare.
Dar schal men wol up proven
ünde ome denne der tyd erloven.
Wa und wan men to dem Kalande komen schal.
Nu höret mer, wat ick gik sage.
520 An dem kalandes daghe [Bl. 5*. Sp. 1.]
Vro an der morghen stunde
Des kalandes brodere unde frunde
Schullen alle komen;
Dat ensy, dat we worde benomen
525 Van sunderliker merckliken nod,
De to allen tyden mod
Unde in allen saken
Den mynschen unschuldigh maken.
So schal men singen dar
530 Dre missen edder eyn par;
De ersten vor de doden,
De dar noch syn in noden,
De anderen vor de broder
Der barmhertighen moder,
535 Der junckfruwen sunte Marien,
Dat de brodere alle wol dyen
An lyve, ere und an gude,
An der zele unde an alle orem mode.
Wen sick dusse missen erheven,
540 So schullen sick dama streven
De papen, dat se singhen unde lesen
Unde myt oren ruggelen dar wesen
Myt iniger andacht unde anders nicht.
507 den kaland. 511 vry.
39
De leyen schuUen ore plicht
545 Ok dar bringhen to hove,
Dat se to goddes love
Ore beth flytliken spreken.
Neyn broder schal dat breken,
He enbringhe sin opper dar.
550 Na der missen nemet war,
Wa me dat mandat utlecht
Unde den armen de voyte twecht
Na dem beide unses heren,
ünde dat sulve rechte leren
555 Unde ervuUen dat myt der daat.
Do he myt sinen jüngeren ath [Sp. 2.]
Unde twoch one ore voyte,
He sprack one so rechte soyte:
[Si ego dominus et magister lavi vestros pedes,
et V08 debetis alter alterius lavare pedes;
exemplom enim dedi vobis, ut et vos ita faciatis.]
Dut hebbe ick gick to eynen beide ghedan,
560 Uppe dat gy rechte lere nemen darvan
Unde bewysen juwer eyn den anderen othmodicheyt ;
So moghe gy erwerven salicheyt.
Wa meB de almesen bereyden schal.
De wert myt sinen seden
Schal dar de almesen bereyden,
565 Dat dar nicht ane enschele,
Sunder dat der sy so vele,
Alse der kalandes broder is,
Dat iowelk sunder mys
Eynem armen an dem daghe
570 Syne voyte sulven twage
Und ome eyne almese beyde,
De schal [dar sin bereide.]
Wen dat is ghedan,
So schal men to capittel gan
575 Unde berichten unde overspreken
Mit fruntschop sunder wreken,
Wat da to donde sy.
Alle twidracht de sy by.
So schalme denne to dische gan
580 Unde dar schal van oven' an de deken [Bl- 6*- Sp. 1.]
Benedicite unde den segen spreken
Over de sulven spyse,
Unde na der sulven wyse
572 Die Wörter De schal sind wieder durchgestrichen,
680 Wa» hinter „J3n^ folgt, ist eines Klexes wegen nicht bu lesen.
40
Na tem eteu gratias.
585 Men schal ok under des
Vel wolghetogen wesen,
So hir vor is ghelesen,
An worden, an drancke, an spyse
Unde an gotliker wyse.
Wa men don schal, wan eyn kalandes broder sterfft.
590 Nu enhoret dut nicht node,
Wu men don schal an dem dode,
Wen der broder eyn wil sterven.
So schal me dat werven
To den, de men hebben mach,
595 It sy nacht edder dach,
Dat se komen dar
Unde des krancken nemen war
Ome de sacramenta to geven,
Unde wat ome is even
600 To syner lesten hennevart,
Dat de werde wel bewart.
Wen denne sin, dod wert vornomen.
So schuUen se dar hen komen,
De brodere al ghemeyn;
605 Dat schal vorsumen neyn.
Vigilien missen schal men singhen
Unde de graff vullenbringen
Schone na der wonheyt,
So men guden frunden deyt.
610 Unde ein iowelk schal darnach
Wente an den drittegesten dach
Unde vorbat alle dat iar [8p. 2.]
Der sele nemen war.
So me guder vrunde plecht.
615 Ok schalme des vorsumen nicht.
Dar schal eyn iowelk sunder clagen
Eynen hympten weites hendragen,
Dat de kemerer dat late
Backen an guder mate.
620 Dat schal men den armen deilen
To tröste allen crissen seien.
Nu höret ok al openbar:
Des drittigesten schullen nemen war
De brodere al by namen,
625 Dat [se] komen to samen
Unde den drittigesten began,
614 guder doppelt geschrieben.
41
Also se de bigrafft liebben ghedan.
Höret vort, wat ik gyk sage:
An sunte Gallen daghe
63Ü Schal eyn iowelk sunder wedderstreven
Eynen Halberstedeschen schillingk geven
Dusses kalandes kemerere,
Uppe dat he moghe sunder swere
Dem koke sin Ion entrichten.
635 Ok schal myt den sulven plichteu
Ghescheyn unses kokes grafi't,
Wen sin levent eynen ende lieft,
Und« don, also men den anderen broderen deyt,
Also hir vor gescreven steyt.
640 Ok sy gyk broderen alle vormahnt,
Dede gan an dussen kaland, [Bl. 6^- Sp. 1.]
Dat iowelk darna vlite sick
Unde spreke alle daghe gar innichlik
Syn ghebeth vor dusse kumpanye,
645 Uppe dat se wol ghedye
Hir an dussem lyve
Unde iummer mer dort blive
Vri van allen leyden,
Van godde unghescheden.
650 Des help uns allen samen
De almechtighe god! Amen.
Kyn Hunderlick vormannighe.
Eya, leven broder myn,
Gy alle, de ghesammet syn
Hir an dussen kaland,
655 Weset des van mek vormand,
Dat kumpt gick to goyte .
Seyt und provet an iuwe ghemoyte,
Wu vraudenbar dat si,
Dat vrunt vrunde wonet by,
660 Und vrund to vninde kome,
Dat is lust unde vrome.
So men sued to der werlde Iure,
Dar se doch sunder vire
Sick moten draden scheyden
665 Unde ok dicke myt leyden.
Doch is dat sammcnt eyn grod wunne.
Nu merket dat, we dat merken kunne:
[O quam gloriosum est regnum, in quo cum (Christo gaudent omnes sancti.]
Wu ersam unde wu wunnebar
It mot iummer wesen dar.
670 Dar god mit aWv den svnen wunnichlik [^P- 2.]
42
Sick wil vrauwen ewichlick.
Dat IS der gantzen vraude eyn vund,
Dar god alle syne frund
Bringhen wil tosammen.
675 So moghen sick de wol Schemen
Unde troren van schulden,
De dar van goddes hulden
lummer und ewich werden vorstoten
Unde dar ute besloten
680 Vor des hymmelrikes doren,
De dut word moten hören:
[Amen, ameu dico vobis: nescis vos. Vigilate itaque, quia nescitis diem
neque horam.]
„Gad hen," (dat is slicht)
„Ik erkenne iuwer nicht."
Nu waket, leven frunde,
685 Gy enwetten nicht den dach noch de stunde,
Wan god wil komen,
Dat gy werden henghenomen.
Ik Werne gick dorch truwe:
Hoydet iuck vor der naruwe.
690 We ewichliken wert vorloren,
De were bether ungheboren.
Van vorsumen unde vortheen
Is leydes vele gesehen
Unde schut noch alle daghe.
695 Nu höret, wu gik dut behaghe:
[Ecclesiastes : In omnibus operibus tuis memorare novissima tua, et in aetemum
non peccabis.]
Bedencket iuwe lesten stunde, [Bl. 7* Sp. 1]
So do gy nummer sunde.
Vorsynnet gyk in der tyd.
Vel mannich nu dar 1yd
700 In der helle gloyte twar
Van valscher hopeninghe, dat is war.
De wyse unde hilge lerer Augustyn
Is des eyn tuch myn:
[Res est, quae multos occidit, cum dicunt: cras, cras. cras; et subito clauditur
ostium et remanent foris.]
Beyden wente ovemacht
705 Hefft mannighen darto bracht,
Dat he dar uth bleyff.
Sunte Gregorius uns ok scref:
[Gregorius: Quanti ad vesperam sani se aliquid in crastinum putabant acturos,
et tum eadem nocte repentina morte defuncti sunt.]
Mannich hefft wol wesen ghesunt,
Unde dachte in der avent stunt
672 wund. 697 do dy. 707 scriflft.
43
710 Van dussen unde jennen dinghen,
De he wolde vuUenbringen
Des morgens. Ome dat vordarflF;
Wente he in der nacht snelles dodes sterff.
Dorch dussen angest und var
715 Nemet myner leren war:
Soket godde, dewyle mßn one vinden mach;
Wente he is alle tyd darnach,
He wil hir gnedich wesen.
An der erde, so we lesen, [Sp. 2]
[Non enim veni vocare justos, sed peccatores ad penitenciam.]
720 God is nicht mynslick gekomen
Den rechten her to vromen,
Sunder dat he de sunder wil laden
Unde bringhen se to gnaden.
Nu nemet an juwe ghemoyte
725 Goddes ghewalt, wysheyt unde goite.
He mach, he kan, he wil,
Gnadens wert ome nicht to vel.
Des machstu, sunder, wesen vro.
Ezechiel sprickt ok also:
[Nonqnam Toluutatis mee est mors impii et non ut convertatur a via sua mala
et vivat.]
730 Dorch den propheten spricket god:
Ik wil nicht des sunders doed,
Sunder dat he sick bekere.
Noch spricket vort unse here
ünde ropt to uns hemedder:
735 Kere wedder, kere wedder,
Sunamitis, du vel soyte,
Dat ik dy schauwen mote.
Van dussen dinghen, so ik las,
Spricket wol Jsaias:
[Convertimini ad me, et salvi eritis.]
740 Keret gyck to mek van stund,
So werde gy ghesunt.
He spricket ok vort an dusser stede
Dussen na ghescreven sproke mede:
[Nunqaam mnlier potest oblivisci infantem suum, ut non misereatur filio
uteri sui.] [Bl. 7^ Sp. 1]
Wu mochte eyn wifflick wiff
745 Vorgetten ores kyndes, dat or liff
Hefft to der werlde ghebracht.
Doch is se des under tyden umbedacht.
Sunder, du machst dat wetten,
Ik wil dyner nummer mer vorgetten;
750 Wultu anders sulven darto.
715 lerer.
44
Des scriflFt uns simte Bernbart ok also:
[Neu liorruisti conüteiitem latronem, non lacrimantem peccatricem, uou Caiianeam
supplicantem, uon deprehensam in adulterio, non suspirantem publicanum, uec
negantem discipulum.]
He sprickt alsus, bin ik bericlit:
Here, du vorsmadest nicbt
Den scbeker an dem cruce, nocb dat wenen
755 Der sunderynnen Marien Magdalenen,
Nocb Cananeam, de dek nareyp,
Nocb dat wiff, dat nien begrep
An dem uuecbte.
Du nemest ok to eynem knecbte
760 Den publican uude tobier Mattbeum,
Ok dynen apostelen Petrum,
De dyner drie vorsack.
Dyne cruciger nemestu ok
Wedder to dyner gnade scbyn.
7ü5 Darvan sprickt ok sunte Augustyn:
[Sic deus reuni fcstinat absolvere a tormeuto conscieucie, quasi ipsum plus
passio miseri cogat, quam ipsum miserum passio sui.] [Sp. 2]
(xod is stede to der sone bereyt;
Wente be vel lever gnade deyt,
Wen dat be den sunder lete sterven
Unde ewicbliken vorderven.
770 God is vul aller goyde.
Dat merket al an juwem mode:
[Augustinus. Quemcunque nccessitas cogit peccatorem ad penitenciam, uon crimiuis
immensitas, non vite enormitas excludit a venia.]
Wente nu wart so grod sunde,
Nocb so kort de stunde:
God de vorgeve de sunde gar,
775 EflFt de wäre ruwe wonet dar.
Nu merket alle, de bir sint:
Dussen god, den man vint
To den gnaden sus bereyt
Unde to gantzer bannlierticbeyt,
780 Wente be bud dem sunder alle tyd syne gnade,
It si nacbt, dacb, vro edder spade;
Docb lovet be nergen dar by,
[Augustinus. Qui pcnitcnti veniam spondet peccanti, diem crastinum uon promisit.]
Dattu des doedes syst vry
Den alderncgesten dacb.
785 Nemand secker wesen macb.
In aller tyd, na aller stidde [Bl- 8* Sp. i]
Sliket uns de doet io midde;
Wente be nemandes enscbonet.
De ungewernden be lonet.
775 ruwet. 7h:J vry syst. 787 do doet.
45
790 Des steyt ghescreven also
In dem hilghen evangelio:
[Vigilate itaque, quia nescitis, qua hora dominus venturus sit.]
Gy schul len waken to rechten tyden
Unde alle tyd de siinde vormiden,
Uppe dat gy werden rechtferdich ghevunden.
795 Wente gy wetten nicht, to welken stunden
De here uns wert nalen
ünde uns van hire halen.
Sterven is eyn swerlich kifF,
Dar sick zele und liff
800 Mit kummerliken leyden
Van eynander moten scheyden.
[Confectus Jesus in agonia prolixius orabat et factus est sudor ejus tanquam
gutte sanguinis decurrentis in terram.]
God, unse here, sulven leyt
Dorcli dodes angest blodighes sweitt.
De dod is der mynscheyt
805 Van natur eyn gi'oyt greselichey t ;
Unde so gy hebbet vornomen,
Van Sunden is de dod herghekomen.
Weren de sundc nicht gewesen,
So hedde we des doedes wol gheneson.
810 Do de arme dünne zele
To orem groten unheyle
Vorteich des leven goddes,
Synes danckes unde synes bodes,
De moste se mit grotem killen IBI. H* Sp. 2]
815 Unde myt groten wedderwillen
Vorthien des leven Ivves;
Se mach ores wedderkyves
Nicht gheneten de lenghe,
Se moth des lyves dwenghe
820 Rumen myt groter sware.
So blifft dat liff opembare
Liggen also eyn vul as,
Dat vor karsch unde schone was.
Dut scheiden is krefftliken swar.
825 Sunder wert de zele ok dar
Van dem almechtigheu godde gescheyden,
Dat wert eyn leyt vor allen leyden.
So willen dar van stund
De duvele, de worme unde de fnmd
830 Tohant des mynschen erve syn.
Su unde prove, wat al dyn gud und dyn gewin
Dek denne mote vromen;
792 Sy. 822 wul. 829 vorme. Kunde? [: stunde.]
46
Wente sus verne is gekomen
Din ioghet, lust, ghewalt, gued und ere,
835 Nicht wen efft dyn pyne und swere
Deste 8warer daraff werde und sy.
Ach, leve frund, höre my!
Vorsynne doch dek hirane,
Unde lath van valschem wane;
840 Hebbe dyner sulven hoyde.
Des sprickt Bernhardus de gude:
[Caro clamat: Ego deüciam, mundus clamat: Ego decipiam, diabolus: Ego
interficiam.]
Dat Uff sprickt: ik moth vorgan;
De werld lovet valschen wan; [Bl. 8^ Sp. i]
De duvel de wil doeden.
845 Dar umme schaltu dek behoyden.
He is van manniger list;
Des sunte Augustyn myn tuge ist:
[Diabolus modo peccata.aliorum gravia, modo nil esse, quod perpetratum est,
modo misericordem Deum loquitur.]
Nu seght de duvel de sunde swar,
Nu alto licht; so sprickt he dar,
850 God sy barmhertich unde gued;
So bringet he denne in dinen mod,
Du mögest noch langhe leven.
Alsus kan he hindemisse vele gheven.
Hir wedder hör, wattu dost:
855 Denke io, dattu sterven most,
Unde schaff dyne houde
Unde beware dek vor dem ewighen doede.
Nu nym ok an dynem mod
Dynes schippers dod
860 Und synen groten kummer.
Den kan ik vulspreken nummer,
Den van unsen schulden
Cristus, goddes sone, wolde dulden.
Van dusser marter swere
865 Merket sunte Bernhardus lere:
[Vide pauperem Christnm, vagum, sine hospicio, jacentem inter bovem et asinum
in presepio, involutum in vili panniculo.]
Sy an, mynsche, dorch god,
Dussen iammer unde nod,
Cristum, dat klene kyndelyn,
Dat dar lach in der kribbelin; [Bl. 8b Sp. 2]
870 Snode doike was syn deckewand.
He vloch in Egipten land,
Up dem esele he reyt
Dorch syne groten othmodicheyt.
846 Hir is.
47
He stund an dem cnice naket.
875 Dat sick alle dorch uns saket.
God wart ghefanghen und geplaget,
Gegeyselt unde gehalslaget,
Ghebunden unde angespyet,
Beschimpet unde anghestryet,
880 Manigerhande wiis ghehonet
Unde myt scharpen dornen ghekronet.
Hir mach men wol van spreken:
Syn syde wart ome dorchsteken,
Lude ropende he sterflft,
885 Unde so bitterliken uns erwerfft
Synes vaders hulde,
De dorch unse schulde
So langhe was vorloren.
Nu merke duth tovoren,
890 Wu goytliken he sprekende began,
Do he syne pyniger sach bi sick stan:
[Pater ignosce illis, quia nesciunt, quid faciunt.]
Gnade, vader, dusser iammerliken knechte;
Wente se kunnen sick nicht vorsynnen rechte.
Höret, wu sere he vor syne vyende bat,
895 Uppe dat orer mochte werden rad.
Meynstu, dat he nicht ensy
Den frunden noch fruntliker by?
Noch so wart van ome ghehort
Eyn so sanflftmodich word, [Bl. 9* Sp. i]
900 He sprack: Gonsumatum est.
Eya, welk grot goyde daranne ist:
It is nu alle vullenbracht,
Alle dat iu dar van wart gesacht.
Dem sunder to heyle.
905 Alsus gaflf sick god veyle
Unde leyt so grot dorch unse sunde.
We were nu, dede konde,
Laten uth dem gemode
De gottlike goyde?
910 Nu lath dek synen kummer wesen leyt
Myt gantzer dancknamicheyt,
Unde bidde one des tovoren,
Dat syn marter nummer werde verloren
An dek« noch in neyner saken
915 Over dek ga synes bloedes wrake;
Sunder dat he dek behoyde
Vor dem anderen doede,
Därmen ewichliken sterfft
Unde nummer mer fraude erwerfft.
48
920 Nu höret, wat sunte Bernhart
Uns vort hefft ghelart:
[ßemhardus. Vide caput inclinatum ad osculandum, brachia extensa ad
amplexandum, manns perfossas ad largiendum, latus apertum ad diligendum, toriiis
corporis distensionem ad se totum iinpcndcndum.
God is to der gnade bereyt;
Dat merket, wu he steyt
An dem cmtze opembare.
925 Synes beides nemet wäre!
He hefft syn hovet gheneget gar;
Dat betekent uns openbar, [Bl. 9« Sp. 2]
Dat he is bereyt darto,
Dat he uns eynen kus der zone do.
030 Syne hende sin glierechet uth,
Darmidde he uns syne gnade buth.
Smi band do lovet uns vrede;
Syn syde steyt open dorch de rede,
Dat dyn leve unde dancken darin körnen.
935 AI syn liff steyt dek to vromen.
He steyt ok dorch dat ghebunden,
Dat men to allen stunden
One vinde dar bereyde
To des beruwers bede.
940 Vorsume dek liir nicht!
Na dem doede wert na rechte ghericht.
Dat (^od na diissem levendc wil richten na rerlito.
Ik hebbe hir vor ghescreven,
Dat god wil vorgeven
Hir to aller stunde
945 Iowelken syne sunde
Unde wil barmhertich wesen.
Van dem godde we ok lesen
Altehant dar by,
Dat he eyn recht richter sy
950 Na dussem lyve dort.
Nu merket myne word,
Unde wur de sele blyve
Na dussem krancken live;
Dar eyn so kumpt et in leyflF edder leyt,
955 Also dat bescreven steyt:
Nulluni bonuin irremuneratum, uullum malum impunitum. [B. 9^) S. 1]
Wes schal ik hirane schonenV
(iod wäll alle gud vorlonen
linde alle bosheyt pynen.
Dat mot denne erschinen.
960 Wan de sele van henne vert,
954 Dama so kumpt se? B met.
4d
So wert or beschert
Under drey wegen eyn:
De salighen sele den ersten theen,
Unde ore reyse wert ghekart to hymmelrike
90)5 Myt den engelen algelike,
Dar se ewichliken leben.
Darvan vinde we gescreven:
[Beati mortui, qui in domino moriuntnr.]
Salich sin, de dar sin ghestorven,
Unde hebben hir den hymmel erworven
970 Unde dat ewighe levent.
Den anderen wech, merket even,
De sick des vorsumpt,
Dat he nicht van stunt to hymmel kumpt,
Und is doch ruwich gefunden
975 Unde gheloset van den sunden
Vor dem prister in der hiebt,
Doch so enheflft he nicht
De böte vorvullet in dem leven,
De ome vor de sunde was ghegeven.
980 Des mote he dort boiten sure
An dem bitterliken vegevure.
De gude sunte Augustyn
Is des eyn tuch myn:
[Piirgandiis est igne purgatorii, qui in aliud seculnm distulit fractum penitencie.]
Dat vegevur sin kummer ist,
985 De sine böte heflft ghevrist. [Sp. 2]
Weynich edder vele na synon sclmlden
Mot he dort pyne dulden.
Doch de pyne, leve gheselle,
Is sanffter wen de helle;
990 Doch is se swarer, dat is wis.
Wen iennich wertlick pyne is.
Dat vegevur so langhe wäret,
Went dat de sele wert gheklaret
Myt evenwichtiger pyne der schult,
995 Went dat de böte werde vorvult
Van or edder oren frunden, dat is wis.
So hefft de fruntschop bogen prys.
De bösen geyste, so we lesen,
Schullen dar de pyneger wesen;
1000 Doch nicht na orem beghere.
Sunder na der sunde swere.
Nu merket, wu men sclial komen
Der armen sele to vromen
De an dussen noden is!
978 böte nicht vorvullet. 980 boite.
Nl6derd«at8cbe8 J»brbaoh. XVIII.
50
1005 Dat is veirleye wiis:
Mit des bedes jnnicheyt,
Myt alraesen, de men deyt,
Mvt vasteii unde kastven;
Doch so mach alder best ghedyen
1010 De vel hilfi;he misse,
De helpet al gewisse.
Dusses weghes wert doch rad,
Wente sin kumraer io eynen ende had.
Vriind, bv mvnen tniwen,
1015 Vor dem dridden weghe mäcli dek gniwen!
Dat is eyn nod vor aller nod
Und mach wol heten de ander doed:
De wiBch geyt to der helle
Nu höre du, myn geselle: [Bl- l<^>* Sp. l]
Mors peccatorura pcssima.
1020 Dat is: Eyn doed der bösen,
Schalmen dat recte glosen.
Also uns David hefft bericht.
So wart nu so böses nicht.
Se moghen nicht vorswynden,
1025 Se moghen ok iummer mer vinden
Den doed, des se begheren.
\Ve mach one des gewerenV
Sprickt sunte Bernhart.
[Qnis eis det, semel mori, ne in etemiim moriantiirV]
De sproke is doch gantz hart.
1030 Dat se van der quäle
Doch mochten sterven to evnem male,
Unde nicht Ivden iummer mer:
Dat were evn trost orer swere.
Se moten aver ewichliken dulden
1035 Pvne dar na oren schulden.
Hitte, kulde und worme
An des herten storme.
[Mittite eum in tenebras exteriores, ibi erit planotns et Stridor dencium.]
One wert dar ok ghegeven
Düsternisse unde tenenbeven,
1040 Serien, weneu. achtermwe,
Unde ok der duvele gruwe.
[Cruriabnntur die ac nocte et tomientornm fumus ascendet in seculo.]
Dat wäret nacht und dach.
Dat is ores mevsten iammers slach,
Dat sick dat nummer endet,
1045 Unde ok dat se syn ghe wendet
Van goddes angesichte dar; [Sp. 2.]
Dat maket alle ore pyne swar:
Unde dat se nummer werden vro.
51
Des spricket David ok also :
[Quid enim mihi est in celo et a te que volni super terram?]
1050 Wat hulpe mek, dat ik were
In dem hvmmel, iinde doch enbere
Dyner dar, here god?
Eva, frund, to dusser nod
Höret nummer neyn trost;
1055 Se werden nummer mer erlost.
Darvor behoyde uns alder raeyst
De vader unde sone und liilghe geyst!
Eyn vornianinghe van dem iaii/i;esteii daghe.
Ik hebbe liir tovoren ghesecht,
Dat god wil wesen recht
lOGO Na dussem doede myt gerichte.
Des schulle gy twivelen mit nichte,
Wol doch syn ordel sy
Uns alle daghe by
Jawelkem na svner achte.
[Omnis stabimus ante tribunal et reddituri racinnem, prout gessimus sive bonum
sive malum.]
1065 Eyn dingk du doch betrachte,
Dat mach dek lichte wol vronien :
It schal eyn dach komen,
Dat alle de werld ghemeyne,
Man wiff, olt iungk, grot und kleyne,
1070 Schal komen noch vor gherichte
Vor goddes anghesichte, [Bl. 10»>- Sp. 1 .]
Unde rechte rede geven
Dar umme al ore leven.
Dat is de sorchfoldighe dach,
1075 Dar Job langhe vor aflf sprack :
[Quis mihi hnr tribuat, ut in infemo protegas me et absoondas me, donec pertran-
seat furor tuusV]
We gyfft mek, here, dat,
Dat de helle sy myn hudevat.
So langhe went dyn torn vorga
Unde denkest myner denne darnaV
[Dies illa, dies irac, dies calamitatis et miseric, dies magua et amara valde.]
1080 Dat is de dach torns rick,
Dat is eyn dach iammerlick,
Eyn dach bitter und grot,
Ervullet myt angestliker nod.
Wan dusse dach kummet,
1085 So wert dat nicht vorsumet.
Alle ding wert opembar.
Dat vur schal bernen dar
AI umme to, van allen enden.
4*
62
Dar schal de helle senden
1090 Vor myt dem vegevure,
Dem vure dar to sture.
Unde des vures bitte hart
Schal myt ejTier vart
Dat ertrike van aller unvledicheyt fryen
1095 Unde darna vomyen
Water liicht unde erde.
Ok schal des vures ungeverde
Bringhen alle herte
In sorchvoldighe smerte,
1100 De lüde nicht alleyne
Sunder ok de enghele algemeyne. [Sp. 2]
[£runt Signa in solc et luna et stellis, et in terris pressura gentinm pro confusione
sonitus maris.]
Uns segghen, de de schrifft kunnen:
An Sternen, mane unde sunnen
Schalmen grod wunder seyn;
1105 Daninder schal ghescheyn
Grod drangk up der erden
Van waters ungeverde.
It moth sick also behoren,
Dat de lüde moten dorren
1110 Vor angeste unde nod
Des tokomende iammers grot.
De hymmele, so men segget,
Schullen werden beweghet.
[Tnnc videbunt filium hominis venientem in nube cum potestatc magna et majestate.]
So schalmen des mynschen sone
1115 Schauwen dar vel schone
Komen myt groter ghewald
In eyner wölken snel unde bald
Myt den hjTnmelschen scharen,
So he was up gevaren.
[Hie Jhcsus, qni a vobis assumptus est in celum, sie vcuict, quem ad modum
vidistis eum.]
1120 An der mynscheyt goddes, so ik meyn,
Schalmen dar openbar seen
Negele, krönen, crutze unde sper.
Des is de scrifft myn gewer.
So wolden de bösen lüde gerne
1125 Soyken ore houde und beschurnisse verne,
Unde an den berghen de kulen, [Bl- U* ^v- l]
Dar se dat gherichte mochten ynne Vorschulen.
[Ipse dominus in jussn et in voce archangcli in tuba dei descendet de coelo.]
Der basunen schrecken
Schal dar de doden erwecken.
1094 unwlcdicheyt.
53
1130 Nu merket Jeronimus rede.
Dar he uns wernet mede:
rSemper sonat illa vox terribilis iu auribus meis: Surgite mortui, venite ad Judicium!]
Mek dunket stedes, wu dat myne oren
Dussen greseliken lud hören:
Stat up, gy doden, ghat vor gericht,
1135 Unde höret dar juwe schuld und plicht,
Und ghevet antworde vor juwe leven.
Hirvan hofft ok (xregorius ghescreven:
[0 quam anguste eruut tue vie reprobis ! Superius erit judex iratus, iuferius
horridum cahos, a dextris peccata acciisancia, a sinistris infinita demouia!]
0 we, wu rechte grot
Wert denne dar des sunders nod!
1140 He mochte van leyde doven.
Den richter sued he tornich boven;
To der rechteren hand de sunde,
Under sick de affgrunde,
Dar he moth in sincken altohant.
1145 De duvele stan ome to der lincken hand.
Inwendich des herten schult,
Buten sud he de werld vorvult
Myt dem engestliken vure.
Enwechkomen is dar dure, [Sp. 2]
1150 Vorkomen is dar alto swar,
So de richter sulven dar
Dat leste ordel wil vindeü
Unde spreken alsus to synen kinden:
[Venite, benedicti patris mei, possidete regnum vobis paratum a constitucioue mundi.]
Gy benedigeden algelike,
1155 Komet in mynes vaders rike,
Unde entfanget de gotliken ewicheyt,
De gick van anbegynne is bereyt
Unde vrauwet gyck to ewighen tyden!
De quaden moten dussen sproke lyden:
[Discedite a me maledicti iu ignem etemum!]
1160 Dat ander ordel, dat is sui*:
Gat in dat ewighe vur,
Gy vormaledigeden, van my!
Dat ghick iummer werde we
Myt den duvelen an der helle!
1165 Nu merke du, leve gheselle,
Myt wu groten leyden
De quaden moten scheden
Van den hymmelschen scharen.
De rechten denne in dat ewighe levent varen.
1170 Nu merke rechte, wu hir gescreven steyt,
Wat den bösen is bereyt.
1169 waren.
54
Men darff dar nevner tuchenisse,
Noch der vorspreken drochnisse,
Wysheyt, gliewald, adel unde gued
1175 Moghen nicht beweyken des richters mod. [Bl. 11^ Sp. 1^
Dar wert opembar, dat merck,
Danckeii, word unde werck,
Also dat bescreven steyt in den boeken.
Vorsaken edder wynkeltoge soiken
1180 Kan dar nemande vromen.
Alle dyngk inod denne dar vor komen.
[Pugnabit pro eo orbis terrarum coutra inseosatos.]
Alle de werld schal denne rechten
Myt godde wedder de unrechten.
Hymmel, erde, sunne unde maen
1185 SchuUen up eyner bauen stau.
Nacht, dach, de werld al
Stan alle na des sunders val.
[Tuuc cognoscetur dominus justiciam faciens, qui mmc ignoratur misericordiam
querens]
So mod men denne by nod
Bekennen unsen heren god
1190 An synem strenghen gherichte,
De nu myt nichte
An syner bannherticheyt
Bekennen wil unse dorheyt.
Ik vormane gick, doud na goddes rede,
1195 Sendet boden na dem vrede,
Eyr god greseliken kome.
Dat is juwer aller vrome.
Soynet gyck myt ome in der tyd;
Tyghen one vechten is eyn vorloren stryd
1200 Und is gyck vele to swar.
Dar umme nemet juwer houde war.
Eyn vormaninghe van der vraude des hymmels.
Nu, vel leven broder myn,
De hir nu ghesammet syn,
Ik hebbe gyck vorgeleyt [Sp. 2]
1205 Van des doedes bittericheyt,
(Dat mach gyck wol veren)
Van dem dode unses heren,
Van des vagevures plage,
Van dem jungesten daghe,
1210 Dusse mere sin vel swar
Unde sin doch werliken war,
Unde is nod und gud,
1182 vechte. 1194 redde.
55
Dat unse harde iiiod
Hir an der erde dar vorscrecke
1215 Van grotem angeste vel dicke,
Uppe dat we deste bet
Vonnyden vele misscdat.
Nu wil ik gyck des boiten
Und wil myne rede soiten;
1220 Wente na dem suren dat soite
Ghifft vraude unde hochgemoite
Unde vorläget alle leyde.
We se heflft befunden beyde.
De mot mek des bybestan.
1225 Van der soyte heve ik an.
[Absterget deus omnem lacrimam ab oculis eorum, et mors ultra nee erit, ueqiie
luctus, neque clamor,, neque dolor ultra, quae prima abieruut.]
So wil god one affdroghen
De tränen van den ogen,
One kummet denne neyn dot mer,
Ok neynerhande swer,
1230 Noch wenen, noch ropen, noch scryen;
Alle dingk wil god vornyen.
[Que preparavit deus cUligentibus se, fide non capitur, i?pe uou attiugitur, caritate
non apprehenditur, acquiri potest, estimaH non potest.]
Wat god den synen hefft bereyt, |Bl- 12* Sp. l]
Vraude wunne und salichevt,
Des kan nemant vul dencken noch proven
1285 Myt leve, hopeninghe, noch myt dem geloven;
Men mach dat vordenen wol,
Sunder nummer bedencken vul.
[Quis uou desiderat illam pacem, ubi amicus non exit, iuimieus non iutrat?]
We were nu de jenne,
(Nemant, also ik mene)
1240 De des fredes nicht engherede,
Dar men ome des ghewerede,
Dat syner frunde neyn dar ut queme,
Unde dat me syner viende neynen dar in neme?
In dem hymmele is dat also,
1245 Dar men ewichliken mach wesen vro
Myt allen hilghen sunder var.
Des scrifft Augustinus opembar:
[O si, quando videbo gaudium meum, quid desidero. O si saciabor, dum
appanierit gloria ejus!]
Wanner schal mek dat gheschen,
Here, dat ek moghe seyn
1250 Dyne vraude, der ik beghere.
Denne wert opembar din ere.
Myn herte darna schult,
1243 ueyuer. 1246 war. 1262 nar na.
56
Dat it mochte werden ervult
Myt den vrauden dynes rykes.
1255 Denne vint men nicht ghelikes
Hir an dussem levent.
Dar van hefft David ghescreven:
[Letatus sum in his, que dicta sunt [Sp. 2], cum in domum donuni ibimus.]
Ik vrauwe mek vel sere,
Sprack David, der wunnichliken mere,
1260 We schullen in dat huss unses heren gan
Unde schullen gar vroliken stan
To Jherusalem an den wegen;
Dar wert uns sin segen.
[Augustin. Facies domini tarn dulcis est, fratres mei, ut illa visa nichil aliud
possit delectari.]
Eya, leven brodere, wettet datte,
1265 Dat soyte goddes antlate
Is so schone und so dar,
We des eynes mach nemen war.
De kan, noch mach anders nicht begeren,
Unde alles anderen wol enberen.
1270 De hilghe man Gregorius
Scrifft hirvan ok alsus:
[Qui creatoris sui faciem vident, nichil in creaturis agitur, quod videre nou possent.]
De den schipper sulven schauwen,
De moghen sick des vrauwen,
Se seyn an ome algewisse
1275 Alle syne schipnisse;
Ok blifft nicht vorborghen,
Des dorven se nicht sorghen,
Se werden nummer mer beswert,
De myt dussen vrauden werden bewert,
1280 Und vorwynnen al oren kummer
Unde werden salich ewich unde iummer.
EflFt dat ok were mogelick, [Bl. 12b Sp. l]
Dat men umme dat hymmelrick
Unde dorch des hymmelrickes willen
1285 Scholde buwen eyne helle
Unde eyne wyle lyden,
Des scholdemen nicht vormyden,
Uppe dat men mochte to hymmel komen.
Höret mer, dat mach gick vromen:
[Servivit Jacob pro Rachel Septem annis, et videbantur ei dies pauci pro amoris
magnitudine.]
1290 We lesen dat vor war,
Dat Jacob deynde seven iar
Unde leyt sick darna Ionen
Mit Rachel, der vil schonen.
1256 leuch.
57
De tyd en was ome nicht to langk
1295 Dorch de leve, de one twangk.
Daraff sprickt [he] in ewanghelio :
[Simile est regnum celonim homini negociatori quereuti bouas margaritas.]
Dat was eyn kopman bederve,
De vorkoflfte al syn erve,
Do he wolde kopen und qiiiteu
1300 Eyne dure margariten.
Also schuUe >ve ok geven
Umme dat ewighe leven,
Wat we leves iu gewunnen,
Iff dat we rechte sin vorsunnen
1305 Unde willen dat merken even.
David hefft ok darvan ghescreven:
[Melior est dies una in atriis tuis super milia.]
Eyn dach is beter dar
Wen hir mannich dusent iar, [^P- ^^•]
Wen de zele dort
1310 To hymmel wert gevoert.
So wil we or dat toreken,
Alse we de meyster hören spreken,
Dat eyner konigynnen schach,
Do se konige Salomone ansach.
[Regina Saba ingressa Jberusalem cum comitatu magno.]
1315 Van Saba eyn konnigynne,
Ryke gudes und synne,
To Jherusalem se in quam.
Or ghetrecke dat was lovesam;
Se wart entfanghen schone
1320 Van konnighe Salomone.
Do se sach syne werdicheyt
Unde synes buwes czirheyt,
Syner dische spise,
De dener manniger wyse,
1325 Do entfloch or dar under
Or geyst dorch dat wunder.
To Salomone sprack se dar:
Dat is truwen alle war,
Des ik van dek was bericht.
1330 Ik gelovede des doch nicht,
Wente nu dat ik it se.
It was nicht halff ghesaget my,
Nach 1296 fehU ein Vers, den A so toiedergibt: unse berre selbe also.
1315 fif. Warum nach SchaU diese Ausführungen auf Kenntnis von Lamp-
rechU Alexander 68 ff. deuten müssen, weiss ich niclU; bei Brun von Schonebeck
S. 10 f. der Breslauer Handschrift wird die Begegnung der Königin mi SaUnno
ganz ähnlich ertähU.
1325 datond er.
58
Also ik im bevinde.
Salich sin de k^iider,
1335 De dar iummer bi dek sin.
ür levent dat is fvn.
Ik inene dat nevn wunne
Dusse wunne overwynnen kiinne.
*■'
Daraff sprack, so ik las,
1340 De prophete Isaias:
[Tuuc vidcbis- et afflues, et mirabitur et dilatabitur cor tuiim.] [Bl. 13»- Sp. 1.'
Denne schaltu seen,
Wat dar ere schal sehen.
Des mot dek nemen wunder.
Dvn herte mach daruuder
«
1345 Van vrauden sick entsleten
Unde van wollust uttleten.
Des machstu dvck wol vrauwen.
Dar schalmen denne schauwen
Myt klaren ogen dat antlat
1350 Der werdighen hegen trinitat,
Unvordecket unde umbehut;
Dat is dat alder hogeste gud.
Dar wert der sele so wol,
Dat se goddes ghebruken schal
1355 Iummer mer ane verlust,
Myt bernichliker wollust.
God wil ok dar sammen
Myt der sele den Hebammen,
De schal denne werden dar
1360 Unde rechte sunnenvar.
[Fulgebimt justi siciit sol in regiio patris.]
Der sele clarheyt unde schyn
Schal dort sevenvoldich sin ;
De snode lichani hire,
De wert to syner tzire
1365 So snel unde so subtile
Dat he hundert dusent mile
Dorch evnen stalne berch
Unde dorch allerleye hantwerck
Ane hinder unde ane sparen
1370 By eynen ogenblicke kan dorvaren,
Unde van dem hymmel to der erden. [^P- 2.]
He schal ok unlidelich werden,
Dat noch wapen, noch vur,
Unde neynerhande creatur,
1375 Noch dat lichte, noch dat sware,
One mach pyneghen an eynem hare.
Dar kumpt heyl to heyle,
59
Dar wert hevl wol vevle.
Ach, du Huode inyuschelyiK
1380 Wurna wispelt din dumme syiu
Uude wil hir und dar heyl sokenV
Cr
Wultu dek na warem heyle kloiken,
So wende al din gemoite
Na der oversten goite.
1885 Wert deck de, so lieftstu it al,
Unde to den vrauden riken sdial.
Sprek denne: Wes begerestu, niyn sele.
Unde wat wultu, liff, dek to heyle V
Dar schalmen gick geweren,
1390 Alle des gy moghen begereu.
Rikedom, schone, starcke, und wat men wille;
Dat is dar alhedille.
[Proverbium. Mecum enim sunt divitie et glorie et houores.]
By godde is ere unde rike daghe.
Wultu ok anders, wat dat saghe,
1395 Wultu suntheyt edder eyn ewich leven,
Dat wert dek dar al ghegeven.
[lusti autem in perpetuum vivent. Sapieutia.] [Bl. 13^ Sp. 1]
De rechten leven sunder ende,
Or Ion steyt in goddes hende.
Wultu eten, drincken, des is dar sat,
1400 Unde vindest des anders nergen bat.
[Saciabor, dum apparuerit gloria tua. Inebriabuutur ab ubertate domus tue.]
Wen ik schauwe dyne ere.
So werde ik sath, leve here;
An dem huse dyn
Vint men aller vraude schvn.
1405 Wilmen hebben wunnichliken sangk
Edder soyten seyden klang,
Dat is dar al by eyn;
Alle wunne machmen dar seyn.
[In civitate domini sonant jugiter Organa etc.]
An dyner stad, leve here,
1410 Singhen ewich und iummer mere
De hilghen soyte unde lise
AI na orgelen wyse.
De enghelen singhen schone
Dar vor goddes trone.
1415 E}Ti dach is beter dar
Wen hir mannich dusent iar.
So mach de sele, vrauden vul,
Alsus van leve spreken wol:
[Ecce, quod cupivi, iam video, quod speravi, iam teueo, Uli sum iuncta in celis,
quod desideravi in terris.]
1384 overste.
»
Seji;, des ik hebbe begert, [Sp. 2]
1420 Des byn ik nu wol bewert,
So dat niek wol noghet;
Wente ik byn dem togevoget
lu dem hymmele, des ik begerde.
Van gantzem Herten an der erde.
1425 Nu merket, leven frunde,
We alle scrifft dorchgrunde
Van ambeghynne wente her.
Dem is se des evn wer.
Dat den guden nnde vromen
1430 Gotlick ding is toghekomen,
Den quaden is it missegan.
Dar umme, brodere, schalle gy stan
Myt flite na goide
Unde gyk vor bosheyt behoiden;
1435 So macli gyek wol gelinghen
In alle iuwen dinghen,
Beyde hir unde dort.
Nu is ghekomen up den ort
Alhir dut ghedichte.
1440 Gick allen ik beplichte
By broderliker truwe,
Dar ik trost up buwe,
Biddet godde ichteswanne
Vor mek, papen Konemanne,
1445 De dut kranke ghedicht
Dorch iuwe leve hebbe bericht,
Dat ik hir, eer ik sterve,
Goddes hulde ei'werve,
So dat mek dat ewighe levent
1450 Dort mothe werden ghegeven
Unde gick myt mek allen sammen.
Des helpe uns de almechtighe god! Amen.
Deo gratias.
1442 troff.
LINGEN. K. Euling.
61
Sehatrowe
im Sachsenspiegel, Lehnreclit IV, 1.
Bekanntlich ist darüber, ob der Sachsenspiegel in niedersäch-\
sischer oder in obersächsischer Sprache verfasst sei, lange gestritten
worden. Durch Homeyer ist die Frage zu Gunsten des Niedersäch-
sischen mit gewichtigen Gründen entschieden worden. Es sind deren
zwei, die schon Grupen im vorigen Jahrhundert geltend gemacht
hatte, ohne sie jedoch bei der damals mangelhaften Kenntnis der
mittelalterlichen Urkunden und Sprachdenkmäler zu völliger Beweis-
kraft gestalten zu können: 1. dass sowohl der Veranlasser des Werkes
(iraf Hoyer von Falkenstein als auch der Verfasser Eike von Repe-
gowe Niederdeutsche waren und mitten in niederdeutscher Gegend
lebten; und 2. dass die obersächsischen Texte eine Anzahl fehler-
hafter Lesarten aufweisen, welche sich nur als Missverständnisse eines
niederdeutschen Originals erklären lassen. Zu solchen Fehlern rechnete
Homeyer in der Vorrede zu seiner zweiten Ausgabe des Sachsen-
spiegels Ersten Theils oder des Landrechts (1885) S. XXXV auch das
Wort sehatrowe. Er sagt: „Endlich 5) im sächs. Lehnrecht A. 4
soll nach vier sonst sehr guten obers. Texten der Vasall nach (5
Wochen des Reichs Frieden haben unde fchat rotoe Heidelb. [CodexJ,
scaht ruwe Mainz., schaeht rowe Quedlinb., schätz r. Surland, (dem
lat. Text: quietem qaae dicitur pofita muss fat rüge zum Grunde ge-
legen haben); statt dieses wunderlichen: „Schatzruhe" lesen die nie-
ders. Texte und auch der Senckenbergische obers. einfach und ver-
ständlich: unde fai (fcal, fchall) ruwen,^
Als Homeyer nach sieben Jahren (1842) des Sachsenspiegels
Zweiten Theil, Bd. I (Lehnrecht etc.) herausgab, hatte er mittlerweile
eine andere Ansicht gewonnen, S. 119 der Einleitung: „Von den Be-
lägen, welche die Einleitung zum Sachsenspiegel XXXIV f. für einen
niedersächsischen Originaltext giebt, ist freilich der fünfte zu streichen :
s. Lehnr. A. 4 Note 14." Er folgt jetzt dem Giomdsatz der Editions-
kritik, die schwierigere Lesart als die wahrscheinlich originale zu
bevorzugen; und die richtige Deutung des bisher unverständlichen
Ausdrucks hat er aus einem Capitular und einem Edict in den nun-
mehr erschienenen Monumenta Germaniae historica gewonnen, S. 60G
im Glossar: y^Schacht-rowe, wörtlich die Schaftruhe, nach der bekannten
Vertauschung des ch und f, hier die Zeit der Befreiung vom Heer-
dienst, vgl. Cap. Lud. Pii de a. 829 c. 14 (Pertz Leg. I, 352): fcaft-
legi (alias: fcahftlegi^ fcastlegi^ fcatlegi) i. e. armorum depofitio, und
Ed. Piftenfe c. 33 (ib. 497).^ So ist denn von ihm ;,das ursprüng-
liche, wiewohl nur in 5 Hdss. rein erhaltene fchaeM rowe, gegen das
62
vulgäre fal ruwen, welches auch der Gruudtext^ fd. h. der von Homeyer
seiner Ausgabe zu Grunde gelegte Text einer ndrs. Handschrift v. J.
1369] ^aufnimmt, hergestellt worden, weil hier die Vulgata, ohne
Änderung in Rechtsansicht und Sinn, nur einen deutlicheren Ausdruck
statt des alten gewählt hat, nicht ohne dem Verdacht sich auszu-
setzen, die alte Form nicht mehr begriffen zu haben. ^ Die Stelle
lautet also auf S. 148: Ses wehen fal die man dienen fime Herren mit
fines fdves koft^ unde fes wehen vore unde fes wehen na fal he des
rikes vrede hebten unde fchacht rowe, fo dat ime nen fin herre io len-
rechte degedingen ne mach, noch des rikes dienft gebieden. Die An-
merkung dazu hat folgende Fassung: „So, oder fcacht-^ fchafft-,
fcaht-ruwe fd. i. Ruhe vom Lanzendienst, s. Glossar) lesen QvetnOd.
Statt dieser, dem Sinne und den Handschriften nach, ursprünglichsten
Lesart haben missverstehend QurOlehVruy fcluat (fchate) rowe^ QbObMe
sUxt rowe^ Vv undeutlich ob fcat oder ftat r., Qa fachte rouwe; L
quietem quae dicitur pofxta, was ein fat ruwe voraussetzt; QiOurg
VabdefghklmopqstwxGlz verdeutlichend fal ruwen. Cod. Berleburg, reffen,
Z dar binnen ruhe haben; in QdgOnGofema fehlt Ufide /*. r. gänzlicli.^
Man bekommt aus dieser Behandlung des in Rede stehenden
Ausdrucks durch Homeyer recht eine Vorstellung von der Gewissen-
haftigkeit und Gründlichkeit, mit der dieser treffliche Gelehrte bei
seiner Arbeit verfuhr. Nachdem er eingesehen, dass er sich geirrt
hat und dass er die Stelle im Artikel 4 des Lehnrechts nicht mehr
für die niederdeutsche Abfassung des Sachsenspiegels geltend machen
kann, bekennt er seinen Irrtum und begnügt sich nicht mit der
Richtigstellung und der Erklärung der ursprünglichen Lesart,, sondern
er lässt -sich die Mühe nicht verdriessen, alle Varianten zusammen-
zustellen, damit jeder sich selbst ein Urteil bilden könne. Schwerlich
mochte er ahnen, dass jetzt von den Verfechtern eines obersäclisischen
Originals der Spiess umgekehrt werden würde und dass man eben
diese von ihm festgestellte originäre Lesart zu einem Beweismittel
für die behauptete mitteldeutsche oder obersächsische Abfassung des
Rechtsbuches verwenden würde. Das geschah durch 0. Stobbe in
seiner Geschichte der deutschen Rechtscjuellen, Abt. I (1860) S. 314.
Stobbe erklart sich für die obersächsische Abfassung und sucht sie
unter anderm auf folgende Weise zu begründen. Er sagt: ;,Für die
niedersächsische Abfassung wird geltend gemacht: a) dass in einzelnen
Stellen obersächsischer Handschriften die Lesart nur erklärlich wird,
wenn man die Übertragung aus einem missverstandenen niedersä(*h-
sischen Text annimmt. Indessen giebt es auch umgekehrt Fälle, in
denen der Text der niedersächsischen Handschriften oifenbar aus
einer Korruption bei der Übertragung eines obersächsischen Ausdrucks
zu erklären ist,®') (als Nummer der Anmerkung; vgl. nächste Seite,
erste Zeile) und es wird zugegeben, dass in den Texten des
Sachsenspiegels öfter beide Dialekte durch einander gehen. ^^) Die
*) Ich übergehe die iibrige Beweisführimg Stobbc's, da sie mit dem Gegen-
stände dieses Aufsatzes nichts zu thuu hat, und da die von ihm geltend gemachten
68
Anmerkung (>7 lautet: ^^Besonders interessant ist eine Stelle des säch-
sischen Lehnrechts, welches wir als Werk desselben Verfassers hier
mitbenutzen dürfen; statt des obersächsischen Schacht rowe, Lanzen-
ruhe, Ruhe vom Waifendienst, haben die niedersächsischen Texte fal
rtiwen, Homeyer Sachsensp. II, 1 S. 123 und Note 14 zu säclis.
Lehnr. art. 4, vgl. mit Sachsensp. I S. XXXV. ^
Eine wunderliche Art der Beweislührung! Statt einiger der
Fälle, ;,in denen der Text der ndrs. Hdsch. offenbar nur aus einer
Kormption bei der Übertragung zu erklären ist,^ wird blos ein be-
sonders interessanter hervorgehoben und dieser w^ird begründet 1)
aus Homeyer II, 1 (Lehnrecht) S. 123, wo (s. oben) der Fall aber
anders und zwar nicht aus dem Gegensatz der Dialekte, sondern der
Zeiten, in denen verba ut nummi gelten, erklärt wird, und 2) durch
die Note 14 zum Lehnr. Art. 4, wo Homeyer diese seine Auffassung
als die richtige durch die Angabe der Lesarten nadiweist, und 3)
endlich aus der anfänglichen Ansicht Homeyer's vom Jahre 1835,
w^elche er sich auf Grund weniger Handschriften gebildet hatte und
die er eben 1842 in der Ausgabe des Lehnrechts als falsch hatte
fallen lassen. Offenbar beruht also der Beweis Stobbe's allein auf
3) und kann er die in der Note 14 zu Art. 4 des Lehnrechts mit-
geteilten Varianten gar nicht geprüft und nach ndrs. und obers.
Handschriften gesondert haben. Homeyer hatte es daher leicht, in
der dritten Ausgabe des ersten Theils (oder des Landrechtes) 18(11
Stobbe zu widerlegen; S. 16: ^In den Fällen, wo eine ächte Lesart
von einer entstellten geschieden werden kann, finden sich meistens
zwar plattdeutsche und hochdeutsche Formen auf beiden Seiten ziem-
lich gleichmässig. Doch ist einige Male die wahre Lesart, ganz oder
doch nahezu, nur den plattdeutschen Handschriften eigen. ^ Diese
Behauptung wird dann durch Darlegung dreier solcher Missverständ-
nisse in den obersächsischen Handschriften begründet. Vom entgegen-
gesetzten Falle, nämlich Missverständnissen obersächsischer Ausdrücke
in niedersächsischen Handschriften, bringt Homeyer kein Beispiel,
woraus mit Bestimmtheit zu folgern ist, dass es keins giebt, sonst
hätte er es anführen und zur Erhärtung seiner Meinung vom nieder-
deutschen Original widerlegen oder, falls er dies nicht vermochte,
seine Meinung einschränken müssen. Einzig auf das eine von Stobl)e
vorgebrachte Beispiel lässt er sich ein, aber nur um darzuthun, dass
es mit diesem nichts ist: ;,Für den umgekehrten Fall, dass der nieder-
sächsische Text nur aus einer Corruption des obersächsischen zu er-
klären ist, giebt Stobbe RG. I, 314 N. G7 das Beispiel, dass im S.
Lehnr. 4 § 1 statt des obers. fchachtrowe (Lanzenruhe) die ns. Texte
fcd ruwen haben. Allein nach Ssp. II, 1 S. 149 Note 14 begegnet
fal ruwen auch in obersächsischen, andrerseits ,Schachtruhe' aucli in
ns. Hss. Namentlich lesen von den fünf Texten, welche diese ur-
sprüngliche Lesart bewahrten, der ns. Qt fcahtrowe^ der ns. Od fcacht-
Gründe durch Homeyer in der dritten Auflage des Ersten Theils des Sachsenspiegels
(1861) zulänglich widerlegt worden sind.
64
rowCf der gemischte*) Qv fchachtrowe, der os. Qn fcahtruwe^ der or.
Qe fehafftruwe.^
Danach Hesse also das früher von Homever zu Gunsten eines
nddtsch., später von Stobbe für ein obersächs. Original benutzte Bei-
spiel sich weder lür jenes noch dieses geltend machen; es fiele der.
wie es scheint, einzige sprachliche Beweisgnind für die Abfassung
des Sachsenspiegels in obersächsischer Sprache hinweg, während die
Zahl der Gründe für die niederdeutsche Abfassung um einen gemin-
dert würde. Die Sache liegt jedoch ganz anders: grade dieses Bei-
spiel ist ein starkes Glied in der Kette der aus sprachlichen Gründen
hergenommenen Beweisstücke für einen ursprünglich niederdeutechen
Text. Behufs Bewährung dieser Behauptung muss ich einiges über
die Geschichte des Wortes fckaft vorausschicken.
Scaft, wie das altsächsische Wort gelautet haben muss, wird
im Mittelniederdeutschen zu fcacht. Diese Wandelung eines ft zu cht
hat bekanntüch viele Wörter im Niederdeutschen ergriffen (s. Lübben
Mittelniederdeutsche Grammatik S. ßl § 43). Völlig durchgedningen
ist sie bei einigen, während für andere Wörter beide Formen, mit
ft und chtj bis auf den heutigen Tag nebeneinander bestehen. Scacht
oder fchacht zeigt im Mndd. aber noch eine ganz singulare Eigen-
tümlichkeit, dass nämlich die Spirans ch zu einem Hauch, geschrieben
Ä, *) wird und dass auch dieser wegfällt, so dass blos scat geschrieben
wird. Aus der Form fcaht und weil neben scat auch die Schreibungen
ÄCad, sccUh, scaath begegnen, muss man wohl schliessen, dass es in
de;' Aussprache von scat, Gen. scattes (der Schatz) unterschieden
worden ist: es wird mit tonlangem a gesprochen worden sein. Ich
habe bereits 1875 im ersten Jahrgange des Niederdeutschen Jahr-
buches S. 48 auf diese Sprachform aufmerksam gemacht und einige
Belege gegeben, denen ich jetzt noch mehrere hinzufügen kann.
Meine Bemerkung im Jahrbuch galt dem hastile fchat, welches a. a.
0. S. 27 in einem lateinisch-niederdeutschen Glossare aus dem Ende
des 14. oder Anfang des 15. Jhs. erscheint. Ich konnte damals als
weiteren Beleg der Wortform den Ausdruck fca(ch)tfnider anfuhren.
Die Schacht- oder Schaftschneider waren eine Art der Drechsler,
welche in Hamburg (s. Koppmann, Hamburg. Kämmereirechnungen I
S. XLII), in Lübek (s. Wehrmann, Die älteren Lübeckischen Zunft-
rollen S. 201 f. und Lübeckisches Urkundenbuch H S. 768) noch i. J.
^) Die Quedlinburger Hs., von einigen Gelehrten in das 14., von anderen
und auch von Homeyer nach den Schriftzügen noch in das 13. Jh. gesetzt und,
da der ndrs. Codex von 1296, der 1739 dem Mcklenburgischen Justizrat P. F.
Arpe in Hamburg gehörte, nicht mehr aufzufinden und da Homeyer's nds. Codex aus
dem 18. Jh. nur ein Fragment ist, also die älteste erhaltene Hs., was Stobbe fi'ir
die obersächs. Abfassung verwertet. Aber eben die unbeholfen aus Os. und Ns.
gemischte Sprache verrät, dass der Text t'bersetzung ist, und a. a. O. S. 17 weist
Homeyer aus vier Missverständnissen nach, dass seine Vorlage niederdeutsch ge-
wesen sein muss.
') Bereits im 18. Jh. wird die gutturale Spirans in ndd. Hdschrften. durch
ch ausgedrückt, nicht mehr durch h, *
65
1527 und in Wismar (s. Crull in den Jaliibtichern für Meklenb. Ge-
schichte XXIX, 106. Meklenb. ÜB. VIII, S. 596 Nr. 5665) sich nach-
weisen lassen. Im ältesten Hamburgischen Stadterbebuche wird ein
solcher Handwerker einmal (fol. 94, 3. a. 1266 in der Ztschr. f.
Hamb. Geschichte I, 376) scfjchsnidere^)^ einmal aber scatsnidere (fol.
64, 9. a. 1262 S. 362) genannt. Dieselbe Geschäftsbezeichnung finden
wir in den von Koppmann herausgegebenen Kämmereirechnungen der
Stadt Hamburg Bd. I, 84 und 88 (a. 1362 f.) als schatsnidere^ neben
schacJUsnidere S. 83. 180 (1373). 209 (1375). Schatsnidere heissen sie
auch in den von Rüdiger hrsg. Hamburgischen Zunftrollen S. 54 (a. 1375).
Ein nicht seltener Zuname in Norddeutschland ist Schacht, welche
Schreibung im 13. und 14. Jh. mit Schat wechselt. So im Namen
des Kieler Rathmannes Hinrik Scacht, wie er in einer Urkunde v. J.
1286 (Hasse, Schl.-Holst.-Lauenb. Regesten u. Urk. II S. 283 Nr. 695)
heisst, während ihn das Kieler Stadtbuch aus den Jahren 1264 — 89,
hrsg. V. Hasse, stets und zwar zehnmal Seat nennt. Desgleichen ist
der Ritter Marquard Scaht (Hasse Reg. II S. 15 Nr. 38 a. 1253)
oder Scacht^) (S. 113 Nr. 266 a. 1263) identisch mit dem dominus
Marquardus dictus Seat im Kieler Stadtbuch ^ 487. — Im Meklenburg.
Urkundenbuche IX S. 322 Nr. 6131 a. 1341 und S. 366 Nr. 6189 a.
1342 treffen wir auf einen Provisor des H. Geist-Hospitals in Wismar
namens JoJiannes Schacht^ welcher aber (nach einer Anmerkung auf
S. 322) in einem "Register dieses Spitals aus dem 14. Jh. Johannes
Schaath geschrieben wird. — In dem Hoyer Lelinsregister aus dem
13. bis 14. Jh., welches W. von Hodenburg im Hoyer Urkundenbuch Abt. I
Heft IV mitteilt, lesen wir S. 5, 14: in IloUhusen en hus, hadde her
Ludolf Schat; S. 46, 36: her Ludölf Scath hadde en hus to Ilolthusen;
S. 71, 17: her Ludolf Scaht, also denselben Namen in drei verschie-
denen Schreibungen, aber ohne Zweifel mit fast oder gänzlich gleicher
Aussprache.
In der Sächsischen Weltchronik, hrsg. v. Weiland in den Monu-
meiita Germaniae historica, Deutsche Chroniken Bd. II, kommt das
Wort „Schacht" nach Ausweis des Glossars von Strauch wenigstens
dreimal vor. Weiland hat seiner Ausgabe die (iothaer Handschrift
zu Grunde gelegt, weil sie noch dem 13. Jh. angehört und in einem
ndd. Dialekte abgefasst ist, wie ihn der Verfasser der Chronik, wel-
cher in derselben Gegend wie Eike van Repegowe zu Hause war, ge-
sprochen haben wird, und weil dieselbe aus anderem Grunde für ein
()riginalexemplar im weiteren Sinne zu halten ist; s. die Vorrede zur
Ausgabe S. 17 und S. 49 ff. In einer Stelle (S. 151, 31 ff.), welche
^) Möglicherweise steht /co/A/ntVZer« da: c und t sind ja in mittelalterlicher
Schrift schwer zu scheiden. Sonst ist Abfall von t nach ch gleichfalls dem Mndd.
nicht fremd; wegen /c/incA \\^, fchachhölt im Mndd. Wb. Beiläufig sei bemerkt,
dass ich im Hamburger Adressbuch von 1877 alle drei Formen: Schachtschneider,
Schachschneider und Schattschneider vertreten gefunden habe.
*) So ist sicher statt Stäche zu lesen, was Hamburg. Urkundenbuch S. 553
Nr. 671 und danach Hasse bietet. Die falsche Lesung hat veranlasst, dass dieser
Marquard in den Registern irrtümlich in die Familie Scacco, Schacke geraten ist.
Nl«d«rd«ot8ch«fi Jahrbuch XYIII. 5
66
der lioclideatschen Kaiserchronik entlehnt ist, hat die Chronik den
Plaral scheckte und das Kompositum schechteicaU, Hingegen in zwei
originären Abschnitten (S. 84, 20 und 163, 14) schreibt sie schat.
Im ersteren Falle liest auch eine ndrhein. oder mfränk. Hdschr. des
14. Jhs. so; zwei mitteldeutsche Handschriften dagegen des 15. Jhs.
bieten Schacht. Im zweiten Falle liest gleichfalls eine sprachlich ge-
mischte Hdschr. des 16. oder 17. Jhs. schat^ die ndd. Kopenhagener
aus dem 15. Jh. schad, aber die mitteldeutsche Pommersfelder ^) schaft.
Wenn also hierdurch festgestellt ist, dass scat oder schai eine
gut ndd. Form für scJiacht war, und wenn es sogar nicht unwahrscheinlich
ist, dass Eike sich dieser Form bedient habe, so gewinnt das Ver-
hältnis der Lesarten an der in Rede stehenden Stelle des Lehnrechts
ein ganz anderes Aussehen. Nicht missverstanden haben die Schreiber
der ndd. Hsch., welche schatr. bieten, das Wort, sondern sie haben
die ursprüngliche und dem Niederdeutschen ganz verständliche Wortfomi
bewahrt. Schatrowe lesen nun drei ndd. Hss. aus dem 14. Jh.: Ol, Vr und
Vu. Da, wie bereits bemerkt, t und c sich im 14. und 15. Jh. fast nie
unterscheiden lassen, so müssen wir zu diesen Hss. auch rechnen folgende
vier ndd. Hss.: sicher Vv aus dem 15. Jh., von der Homeyer urteilt,
dass man sowohl scat wie stat lesen könne, und höchst wahrscheinlich
die drei Qb v. J. 1342, Me aus dem 14. Jh. und Ob aus dem 15.,
in denen man stat gelesen hat, wo aber offenbar scat zu lesen sein
wird. Weil ferner h den Niederdeutschen im 14. "Jh. nicht mehr ch
ausdrückt, sondern blos die Länge des Vocals bezeichnet, so muss
auch Qt mit scahtrowe hierhergestellt werden, sodass nur eine ndd.
IIs., Od vom J. 1336, die Form scachtrowe gewährt. Wir haben also
statt zweier Hss. neun mit der ursprünglichen, richtigen Lesart scat-
oder scachtrowe.
Prüfen wir jetzt die obersächsischen Hss., so finden wir nur in
Qv (der Quedlinburger Codex aus dem 13. Jh.) scJiachtrowe und in
Qn (aus dem 14. Jh.) scahtruwe. Die IIs. Qe v. J. 1432, welche in
den Consonanten teilweise oberdeutschen Charakter zeigt, hat das
Wort ins Hochdeutsche übersetzt: schafftruwe. Fünf obersächsische
Hss. lesen schatrowe: Qu von 1306 (?), Oh aus dem Anfange und Oe
(:= 2 Hss., Nr. 16 und 86) aus dem Ende des 14. Jhs. und Vy v. J. 1407;
aber es bleibt sehr fraglich, ob die Schreiber den Ausdruck verstanden
haben, solange die Form schat = Schacht für das Obersächsische nicht
nachgewiesen ist; sogar schacht scheint nicht recht obersächsisch zu sein,
sondern schaft für ,hastile' gebräuchlich gewesen zu sein.^) Qr aber
^) Der Schreiber schrieb unmittelbar nach ndd. Vorlage und verstand das
Ndd. gut; 8. Weiland S. 16.
') In der übertragenen Bedeutung „Schacht im Bergwerke^ galt allerdings
auch obersächsisch bereits im Mittelalter fchacht ; das Wort ist aber als technischer
Ausdruck dem Niederdeutschen entlehnt. Jacob Grimm hat diesen Ausdruck frei-
lich für ein ganz anderes Wort als jenes fchacht = fchaft erklärt; allein die
frühere Ansicht, dass fchacht als Schaft und als Bergschacht ein und dasselbe Wort
sei, ist wahrscheinlicher. Dieselbe Begriffsentwickelung finden wir in „Stollen" :
und von dem Einfiuss des Niederdeutschen legen auch sonst noch manche hd.
6?
hat klärlich schat missverstanden, wie die Lesart schater. beweist.
Was endlich die niederländische Lesart sachte rouwe betrifft, so be-
zweifele ich sie einigermassen. Die Lesart lässt auf eine ndd. Vor-
lage nicht mit schat-y sondern mit schachtrowe schliessen; dies konnte
aber ein Niederländer schwerlich missverstehen: das Wort wird ver-
schrieben sein für scachte rouwe. Es bleibt noch die Betrachtung der
Vulgata scal, schal oder sal ruwen^ welche Lesart erst mit der Mitte
des 14. Jhs. aufkommt und im 15. Jh. herrscht. Auch hier ist das
Ergebnis günstig für das Ndd. Es lesen so neun ndd. Hss., nämlich:
Ou, Or, Og, Vb, Vg, Vh, Vm, Vq, Vw, und der Augsburger ndd.
Dnick (Va) v. J. 151 G, hingegen zwölf obersächsische, resp. hoch-
deutsche, als: Qi, Vd, Ve, Vf, Vk, VI, Vo, Vp, Vt, Vx, Gl, Gz und
der Dinick Vs. Auch Codex Berleburg., der resten setzt, ist kein
nddr., und die beiden Ausgaben Zobel's v, J. 1537 imd 1589, welche
umschreiben: dar binnen ruhe haben, sind hdtsche.
Endlich spricht auch für das Ndd., dass die Worte u, s. r. als
unverständlich ausgelassen sind von fünf obersächsischen Handschriften
Qg, Go, Gs, Gm, Ga und vom oberdeutschen Druck v. J. 1495, aber
mir von einer ndd. Handschrift des 15. Jhs. (On); Qd scheint nicht,
wie Homeyer angiebt, ndsächsisch, sondern ndfränkisch zu sein.
Somit ergiebt sich grade das Gegenteil von dem, was Stobbe
behauptet: die einzige Stelle, welche er gegen die Annahme eines ndd.
Originaltextes des Sachsenspiegels glaubte verwenden zu können, liefert
einen besonders gewichtigen und starken Beweisgrund für dieselbe.
Ausdrücke des Bergbaues Zeugnis ab, welche Thatsache bis jetzt noch nicht ge-
nügend gewürdigt zu sein scheint.
HAMBURG. C. W^alther.
Löven ^sieh belauben'.
Im Ndd. Korrespondenzblatt VII (1882), S. 84, ist aus einer
Ebstorfer Handschrift ein geistliches Lied mitgetheilt worden, welches
bcscinnt: love zedcwerbom love, du hoghdovcde holt; ;,nach dem ersten
lovc eingeschaltet: Ze.*
Dasselbe Lied in Münsterländischer Mundart hatte bereits 1854
B. Kölscher in den Niederdeutschen Geistlichen Liedern und Sprüchen
veröffentlicht. Hier lautet aber der Anfang : boven allen cederen bonien
du hoge gelovede holt. Demgemäss hat der Herausgeber des Ebstorfer
Textes geändert: boven allen zedewerbomen.
Noch in einer zweiten Handschrift des Klosters Ebstorf ist das
Lied erhalten und aus dieser mit anderen Liedern im Ndd. Jahrbuch
XV (1889) herausgegeben. Da heissen diese Worte (Nr. IV, S. 10):
lave sederbom^ du hoghelavede holt. Ahnlich fängt das nächste Lied
5*
68
an. (Nr. V, S. 12): mm lave, herftjken^ lave! du fchdt nicht fore
ftan. An beiden Stellen ist offenbar love statt lave zu lesen und in
Nr. IV nacli zederbom das love zu wiederholen. Diefenbach Gloffarium
Latino^Germanicum niediae et iniimae aetatis hat aus einem lat.-mndd.
Glossar : v i g e r e, loven und das Mndd. Wb. aus einem Wolfenbütteler
Vocabular : loven^ blaygen^ gronen^ v i g e r e. Das mndl. loven und das
mhd. louben mit derselben Bedeutung sind bekannt. In Nr. V des
Ebstorfer Liederbuchs ist das Wort metaphorisch gebraucht, grade
wie fore 'verdorrt, dürre'. Es muss angenommen werden, dass diesem
Liedanfang ein anderer zu Grunde liegt, in welchem das Wort im
eigentlichen Sinne vorkam. In der That findet sich bei Böhme, Alt-
deutsches Liederbuch, S. 265 Nr. 175 eine Weise aus einem Singbuch
von L553:
nun laube, Undleinj laube!
nicht länger icha ertrag:
ich h<nb mein lieb verloren,
hat gar ein traurig tag.
Mehr ist nicht überliefert ; aber Böhme weist ein Lied, die Liebesklage
eines Mädchens, in Meinert's Sammlung ^Alte teutsche Volkslieder in
der Mundart des Kuhländchens (1817)^ nach, welches den vollständigen
Text oder doch einen ähnlichen uns erhalten hat und das (S. 131) anhebt :
Ay, laev* aus, Leindle, laev* aus!
ick kons ni lenger dertroen,
ich hör verloren mai Livle,
hör goer an* traurige Tog.
Eine Liederhandschrift des 15. Jhs. bringt die erste Zeile so:
nn lobe linde lobe; Böhme S. 266.
Es wird demnach ein ndd. Volkslied mit dem Anfang nu love^
linde (lindeJcen?)^ love! gegeben haben, welches geistlich zu nu love^
hertken^ love! umgedichtet ward. Ob aucli love s. b, love eine solche
NachahjBung ist? ob nicht vielmehr boven a. jp. 6. die ursprüngliche
Fassung und l. e, b, l. nur, durch jenes Volkslied verursachte, Ent-
stellung ist? Wenn wir die ganze erste Strophe in der Münsterländischen
Fassung lesen, so scheint hieran nicht zu zweifeln.
Boven allen cederen bomen du hoge gelooede hoU,
want du hefst gedragen den oversten vorften ftoU.
Das Holz des Kreuzes wird noch über die als kostbarst gepriesenen
Odern gesetzt, weil an ihm Christus gehangen hat.
Es giebt noch eine vierte, eine Niederländische, Fassung des
(iedichtes, welche Hoffmann von Fallerslebon in den Horae Belgicae,
P. X oder „Niederländische Geistliche Lieder des XV. Jahrhunderts*^
(1854) S. 186, Nr. 94 bekannt gemacht hat:
Ghelovet fijstu cederboom, du hoghe gheloofde hout,
wanttu heveft ghedraghen den edelen vorften ftout
Der zweite Satz begründet hier ebenfalls das im ersten ausgesprochene
Lob; aber das Lob ist anders ausgedrückt, nur allgemein, und nicht
das Epitheton du hoghe gheloofde hout wird durch den folgenden Vers
begründet, sondern das Unternehmen des Dichters, das Lob von neuem
69
zu singen: ghelovet fijstu. Ferner wird das Holz des Kreuzes nicht mit
den Cedern verglichen, sondern es wird selbst als Ceder bezeichnet.
In dieser letzteren Auffassung stimmen zu der ndl. Redaction die
beiden aus Ebstorf:
A. : Lave, zederbom, [love!] du hoghelavede holt,
an dy fo heft ghehenghet de eddele varfle ßolt.
und B. : Love, eedetoerbom, love! du hoghelovede holt,
in dy heft ghehanghet de eddele für sie ßoH.
Dass das so in A. den Vers an den vorhergehenden knüpft, ist
unbestreitbar, vielleicht nur fortschreitend oder relativisch, kaum
ähnlich wie jenes want mit Begründung des Lobes, das aber hier nur
als Epitheton von holt steht, so dass darum so (ja) passender wäre
als ivant^ 'denn' oder 'weil'. B. fügt nach Art des Volksliedes und
der meisten Strophen dieses geistlichen Liedes den neuen Gedanken
einfach nackt an den vorhergehenden.
Ob die Vorstellung des Kreuzes als Cedernholzes mittelalterlich
sonst bezeugt ist? In den Dichtungen vom Holze des Kreuzes (s. Carl
Schröder, Van deme holte des hilligen cinizes 1869, Einleitung und
Anmerkungen zu 261 und 739), wird nur übereinstimmend angegeben,
dass das Kreuz vom Baume der Erkenntnis im Paradiese stamme.
Die mndl. Dichtung und ebenso die ndd. Bearbeitung lassen aus den
drei Samenkemen, welche Seth vom Paradiesesbaum der Erkenntnis
heimbringt, drei Reiser spriessen, Ceder, Cypresse und Palme, die
zu einem Stamme zusammenwachsen. Statt der Palme nennt Aniold
von Imraessen im ^ Sündenfall ^ (hrsg. v. 0. Schönemann, Hannover
1855) den Oelbaum, „und bleibt dadurch in Uebereinstimmung mit
dem Schluss des Gedichtes [vam hilligen cruce], wo 734 ff. berichtet
wird: Der Stamm des Kreuzes sei Cedernholz (nicht ausdrücklich
gesagt, aber ergiebt sich von selbst), das Querholz von der Cypresse
und der beide Balken verbindende Pflock vom Oelbaum gewesen '^
(Schröder a. a. 0., S. 83). Danach gab es auch sonst eine mittel-
alterliche Vorstellung vom Kreuze als Cedernholz. Die Ceder in den
drei Redactionen des Liedes ist also nicht anzufechten; ich werde
gleich zeigen, dass wahrscheinlich auch die Münstersche Redaction
dieselbe Ansicht vertritt.
Ehe ich zu einer Besprechung des love übergehe, möchte ich die
Behauptung aufstellen, dass die Entwickelung des Textes gewesen zu
sein scheint : entweder aus dem Münsterschen in den Niederländischen,
in den Ebstorfischen oder aber umgekehrt. Mir neigt sich die Wage
für die zweite Möglichkeit. Wie sollten die Namen von psstorf wohl
dazu gekonmien sein, den einen oder andern verständlichen und ver-
ständigen Text jener beiden Redaktionen in ihr 'love' zu verwandeln?
bloss aus Liebhaberei für ein Volkslied, in dem auch ein Baum genannt
wird? und um ein damals schon ziemlich obsolet gewordenes Verbum
loven zu conserviren? Auch bestechen jene beiden Texte nur auf den
ersten Blick, weil sie dem Verständnis keine Schwierigkeit machen.
Der schwächere ist der Niederländische, es wäre denn, dass ghelovet
70
fijstu bedeute : belaubt seist du ! grünen sollst du ! Ich bezweifle aber,
dass der Dichter diesen Gedanken so ungeschickt ausgedrückt liätte.
Die Worte können nur verstanden werden als : „gelobt seist du, hoch-
gelobtes Holz.^ Diese Verwendung desselben Particips im prädikativen
und im attributiven Sinne ist nicht poetisch schön, noch überhaupt
als Gedanke zu billigen. Der Satz macht ganz den Eindmck, als
sei hier loven^ loben, an die Stelle eines anderen ursprünglichen
Wortes getreten, das veraltet war. Und dass dieses das nicht gleich,
aber ähnlich lautende loven gewesen sei, dafür lässt sich anführen,
dass derselbe Hergang im Hochdeutschen sicli nachweisen lässt. Böhme
(S. 265) verdankt die erste Strophe von Nun laube^ Lindlein, laube!
dem Umstände, dass die Melodie im 16. Jh. verwendet ward für ein
geistliches Lied des Anfangs: Nun lobet mit gefange den Herrn Got
allefampt. Auch das frören allen cederen bomen etc. der Münsterschen
Redaction sieht nicht aus, als ob der Wortlaut den Urtext gebe.
Das du würde man um der Concinnität willen an der Stelle, wo es
steht, gerne missen. Die Beziehung des Causalsatzes auf ein einzelnes
Wort oder vielmehr auf eine Anrede, statt auf einen ganzen Satz, ist
auch gerade nicht zu loben. Und warum „alle Cederbäume"? Man
erwartete entweder blos „Cederbäume" oder „alle Bäume", d. h. Baum-
sorten. Die Lesart der Handschrift kann wohl nur besagen, dass
auch diesem Verfasser das Kreuz ein Cederstamm gewesen ist und
dass dieses Cederholz mehr als alle anderen Cederbäume gepriesen
werde und werden müsse; das Letztere aber scheint ein matter
Gedanke. Endlich ist in boven noch eine deutliche Spur vom ursprüng-
lichen ähnlich klingenden und graphisch sehr ähnUch aussehenden love
zu erkennen. Der entgegengesetzte Gang, dass man boven allen cederen
bomen in love zederbom love geändert habe, ersclieint mir unglaublich.
Für die Lesart der Ebstorfer Texte lässt sich noch dreierlei an-
führen. Einmal ist bekanntlich der Brauch, weltliche Liederanfänge
zu geistlichen umzugestalten, schon im Mittelalter ein beliebter ge-
wesen. Und hier vermittelte der Cederbaum gar leicht die Entlehnung
aus dem Liede vom Lindenbaum. Zweitens ist das geistliche Lied
im selben Versmass gedichtet wie das weltliche, welches nach Böhme's
Urtheil eine ;, liebliche^ und, dürfen wir wohl liinzufügen, eine darum
beliebte Melodie hatte. Auch das fünfte Lied des Ebstorfer Lieder-
buches : nu love^ hertken, love ist in dem gleichen Versmasse. Drittens
und schliesslich lassen sich die Worte love, cederbom, love aus der
Bildersprache der mittelaltorliclien Mystik rechtfertigen. Der Dichter
denkt sich den Kreuzesstamm wie ein an sich dürres Holz, das durch
die Betrachtung des Leidens Christi und die Aneignung desselben
durch die innige feie in dieser Leben gewinnt, ergrünt und erblüht.
Diesem Gedankengange entspricht der weitere Inhalt des Gedichts. Eine
solche Anschauung und Bildersprache ist auch der protestantischen
Mystik noch lange vertraut geblieben.
HAMBURG. C. W^althep.
71
Die Rechtsaufzeiehnungen in nie-
derdeutscher Sprache.
Gelegentlich der Besprechung der mnd. Literatur in Paul's Grund-
riss der germanischen Philologie habe ich auch die niederdeutsche
Rechtsliteratur gesammelt. Wenn diese Sammlung auch auf Voll-
ständigkeit keinen Anspruch machen kann, so glaube ich doch, dass
sie manchem Leser des Jahrbuches willkommen sein wird. Man
vergleiche übrigens Homeyer, die deutschen Rechtsquellen des
Mittelalters. Berlin 1850, namentlich s. 26—36 und 64—168.
ü. Stobbe, Geschichte der deutschen Rechtsquellen. Braunschweig
1860. E. Th. Gaupp, Deutsche Stadtrechte. Breslau 1852. H. G eng-
ler, Deutsche Stadtrechte des Mittelalters. Erlangen 1852, und
Codex juris municipalis. Erlangen 1878.
1) Der Sachsenspiegel des anhaltischen ScböiTen Eyke van Repgowe, zwischen
1224—35 verfasst.
a) Das Landrecht, hrg. von Homeyer, Berlin 1861, nach der Berliner Hand-
schrift V. J. 1369. — Der Oldenburger Codex v. J. 133G, Land- und Lehnrecht,
hrg. von A. Lübbon 1879.
Alte Drucke: Cöln 1480 folio. — Leipzig 1488 folio, „Dit is de Sassen-
speghel mit dem richtstighe." — Stendal 1483 folio. Mit der Glosse. Vgl. Goetze,
Buch^ckereigeschichte von Magdeburg 1872, s. 38 f. — Cöln 1492 bei Quentel.
— Augsburg 1516 folio, „Sassenspegel mit Leenrechte vnde Richtstige" nebst der
Glosse in der kurzen Form „dorch Sylvanum Othmer bäkprenther." — Heidelberg
1611 folio. Ndd. Text neben dem hochdeutschen.
Von den c. 700 Handschriften des Sachsenspiegels, welche Homeyer S. 2—14
verzeichnet, sind etwa 130 niederdeutsch.
b) Das Lehnrecht und der Richtsteig des Lelinrechtes, hrg. von Homeyer,
Berlin 1842. Dort S. 330-37 Proben aus 8 ndd. Handschriften. — Das Lehnrecht
auch in dem Augsburger Druck des Landrechts v. J. 1516. Unter den 19 Hand-
schriften des Richtsteig d. Lehnrechts (bei Homeyer S. 410—554) sind 6 nieder-
deutsche des 15. Jahrhunderts.
c) Der Ric'htsteig Landrechts, hrg. von Homeyer, Berlin 1857. Von dem
märkischen Ritter Johann von Buch sammt der Glosse zum Landrecht, zwischen
1350 — 90 verfasst, (auch scheveklot, sckedenklot, d. h. achepenclot ^Stütze für die
Schöffen' genahnt).
d) Ueber die (flössen zum Sachsenspiegel vgl. Homeyer IL, 77, Stobbe L,
375 f. und E. Steffenhagen, Die Entwickelung der Landrechtsglosse des Sachsen-
spiegels. Berliner Academie 1881 ff.
Juristisches Wurterbach zar (llosse in der Wolfenbüttel - Helmstedter Hs.
no. 393, 195 Bl., aus dem 15. Jahrhundert.
Über die Abeeedaria, oder slotel zum Sachsenspiegel vgl. Stobbe I.^ 443 f.
Eine Probe bei Dreyer, Über den Sachsenspiegel S. 123. Vgl. Lübben, Mnd.
Grammatik S. 168.
Informatio ex specalo Saxoiiuin, aus dem 16. Jahrhundert, zum Teil ver-
öffentlicht von Homeyer. Berliner Academie 1856, S. 629—74.
72
2) Dat KeyHer recht. Niederdeutsche Handschrift des Sehwabenspie^els
auf der Königlichen Bibliothek in München, 13.— 14. Jahrhundert. 4^, 104 Bl.
Stadreehte, Bnrspraken, Zunftordnim^eii, Polizeiverordnnngeii.
3) üortnunder Statuten and Urteile, hrg. von Frensdorf in den Hansischen
Geschichtsquellen I. Dazu Pick's Monatsschrift für Westdeutschland V., 103 f. —
Spätere Rechte und Ordnungen in der Zeitschrift fiir westfälische Geschichte III.,
292 und 343. — Statutarrecht hrg. von A. Fahne. Köln 1855. S. 28—66 u. 212—246.
4) Oflnabrücker ,,Sate nnd (iewonheden" (1348) hei Lodtmann, Monumenta
Osnahrugensia. Helmstedt 1753. Appendix S. 140 ff. — Osnahrücker (lilde-
urknnden, hrg. von Philippi, Osnahrück 1890.
5) Soest „Dey ande Schrae*^ (um 1350), abgedruckt in Seibertz, Urkundeu-
buch IL, 387—409. Vgl. Wigänd, Archiv für Westfalen IL, 156—165 und 292
bis 301. — Spätere Willknren in der Zeitschrift für westfälische Geschichte XL,
311-333.
5a) Stadtreeht von Coenfeld bei Niesert, Urkundenbuch III, 145-209.
(5) Herforder Keehtsbnch (vor 1400). Abgedruckt bei Wigand, Archiv IL, 7-73.
7) Boeholter Privilegien nnd Statute (15. Jh.), abgednickt bei Wigand,
Archiv III., 1, S. 1-53. Vgl. auch Wigand IL, 4, S. 339—60.
8) Breckerfelder Rechtsbrief (1396). Abgedruckt bei von Steinen, West-
fälische Geschichte 1269—72.
9) Brilon. Statut fiir die Brüderschaft der Kauflente. (1*289). Abgednickt
bei Seibertz, Urkundenbuch L, Nr. 428 (2 Seiten).
10) Stadtreeht von Büren (14. Jh.), bei Wigand, Archiv HL, 3, S. 34-39.
11) Willküren der Stadt Dorsten (15. Jh.). Abgedruckt in der Ztschr. f.
westfälische Geschichte VIL, 172—231.
12) llechtsbrief von Horde, bei Gengier, 198—201.
13) Statute von Höxter (14. Jh.), bei Wigand, Archiv HL, 8. — Ciildebriefe
von Höxter (13.— 15. Jh.), bei Wigand, Beiträge für Geschichte und Rechtsalter-
tümer 1858, S. 135 ff.
14^ Lippstädter Statute, bei Pufendorf, Observationes HL, Appendix 409 — 12.
15) Rechtsbrief von Lünen, bei von Steinen, Westphäl. Geschichte IV.,
237—44. — Statute von Lünen bei Tross, Westphalia, Jahrgang 1825.
16) Willküren von Münster (14.— 15 Jh.), bei P. T. Deiters, die ehel. Güter-
gemeinschaft nach den münsterischen Provinzialrechten. Bonn 1831, S. 117—129.
17) Statute der Bruderschaft U. L. Frauen in Paderborn (1480). Abgedruckt
in der Ztschr. für westfälische Geschichte Bd. 30, S. 162—70.
18) Stadtrechtbnch von Ruthen, bei Seibertz, Urkundenbuch IL, 69—96, und
bei Wigand, Archiv V., 55—76.
19) Mitteilungen aus dem Bürgerbuche von Stadthagen. Abgedruckt Ztschr.
f Schleswig-Holst. Gesch. X., 121—129.
20) Rechtsnrkuuden von Unna. Von Steinen, Westph. Gesch. IL, 1293—1312.
21) Stadtrecht von Werl (v. J. 1324), Seibertz, Urkundenbuch IL, 198-201.
22) Bremen, a) Statute v. J. 1303, bei Gerh. Oelrichs, Vollständige Samm-
lung alter und neuer Gesetzbücher aus Handschriften. Bremen 1771. 4®, S. 1 — 3<)2.
b) Statut des 15. Jh., ebenda S. 303-605. c) Bnrsnrake v. J. 1483, ebenda 647
bis 717. d) und vom Jahre 1450, S. 717—745. Vgl. Lübben, Grammatik 164,
und Pufendorf, Observat. tom. IL, App. no. HL, S. 104— 131. e) „Bischof Baldnin
von Bremens Rechtsbnch (v. J. 1434)*^ ^^^ Spanf^enberg, Beitrag zur Kunde teutscher
Rechtsalterthümer.
73
28) Satzungen der Burgmäimer zu Yechta, bei Lodtmaun, Acta Osnabru-
gensia I., 226-234.
24) Verden a) Dat olde Yerdische Stadt-Bok (v. J. 1380). Abgedruckt bei
Gengier, Deutsche Stadtrechte, Erlangen 1852 und 1867, S. 507—511. b) Statuten
von Verdener Neustadt (v. J. 1416). Abgedruckt bei Pufendorf, Observationes
T. I. App. S. 77—137.
25) a) Statute von Stade (v. J. 1279), hrg. von Grothaus, Göttingen 1766.
4^ Vgl. Scbeller no. 1858. b) Rechte der Wantschnieder tho Stade, bei
J. H. Pratje, die Herzogtümer Bremen u. Verden VI., 134—142. c) der Kopmann
unde Sehipper-Brödersehap. Ndd. Jahrb. 4, 70 ff.
25a) Moringen. Statuten, 15. Jahrh. Zeitschr. f. Rechtsgesch. 7 S. 290.
25b) «öttingen. Statuten 14/15. Jh. Pufendorf, Observ. 3 (1756), 145 ff.
26) Statut von Otterndorf (v. J. 1541). Pufendorf, Observ. IL, 168—184.
27) Das Hannoversche Stadtrecht, hrg. von Grote u. Brunnenberg, Hannover
1646: Statuta S. 284-334. Von Mindescheme rechte S. 359—94. Van allen
ammeten, van tolne unde van vordrevenen Luden S. 451—501. Vgl. auch Archiv
für Niedersachsen, Jahrg. 1844 und 1839 S. 192 ff.
28) Statuten von Hameln (14.~16. Jh.) Abgedruckt bei Meinardus, Urkundeu-
buch von Hameln, Hannover 1887, S. 564-606.
28a) Kechtsdenkniäler der Stadt Münden in der Ztschr. des bist. Vereins
für Niedersachsen 1883, S. 212—239.
29) Braunschwei^er Statuten und Rechtsbriefe (1227—1671), bei Hanselmann,
Urkundenbuch der Stadt Braunschweig I. Braunschweig 1872. 4**. Stadtrecht
v. J. 1532, S. 298—318. Echteding v. J. 1532, S. 826—844. FUerordeninge der
Sudt Brunswik 4 S. 4°. Vgl. Scheller 242.
Vgl. Leibnitz, Scriptores rerum Brunsv. III., 434—482. Spangenberg, Prak-
tische Erörterungen IX., 522—70. H. Gengier, Stadtrechte, S. 36 — 41 ; Bodemann,
Die Es. der Bibliothek zu Hannover, S. 466.
30) Helmstedter Stadtrecht (v. J. 1350). Abgedr. bei J. Th. Lichteusteiu.
Ep. 4 de Diplom. Helmstedt 1748. Vgl. Scheller no. 162.
31) Hildesheini. Statuten (v. J. 1422), bei Pufendorf, Observationes juris univorsi.
Frankfurt 1744—70. 4«. No. XV., S. 287—314. Döbner, Urkundenbuch der Stadt
Ilildesheim. Bd. 1 Nr. 548.
82) Celle. Leges mnnicipales, bei Leibnitz, Script, rer. Brunsvic. III., 483 f.
33) Der Stat üuderstat Statrecht und lofiiche olt herekomme wonheyt,
14.— 15. Jh., bei Wolf, Geschichte von Duderstadt. Göttingen 1803, S. 47—86.
Vgl. Gengier, S. 92—94.
34) Lüneburger Stadtrecht, geschrieben im Jahre 1401, hrg. von Th. Kraut,
Göttingen 1846. 8^. 80 S. (Privilegien, Statute, Schöffensprüche, Bursprake).
85) üoslar. a) Statuten, vor 1359 entstanden, hrg. von 0. Göschen. Berlin
1840. 8^ VgL Leibnitz, Script, rer. Brunsv. HL, 484—535 b) tioslarische (Ram-
me Isberger) Berggesetze. Zuerst bei Leibnitz, Script. IIL, 535—58. Besser von
Schaumann im Vaterländischen Archiv 1841, S. 255-350. c) Urkunden über das
Recht der Gilden zu Gosslar, ebenda S. 24—47.
86) Sehoppenbuch der Stadt Halle aus den Jahren 1365—80. 152 Bl. folio
auf der Bibliothek in Wernigerode. Vgl. Förstemann, die Bibliothek zu Wer-
nigerode, S. 115.
37) Magdeburger Recht, a) „Dat buk wichbelderecht^^ Nach einer Ber-
liner Hs. V. J. 1369, hrg. von A. Daniel, Berlin 1853. b) Magdeburger Hecht. Hs.
Vgl. Lnbben, Mnd. Wörterbuch Bd. I. s. XII. c) Schöffensprüche. Zeitschr. des
Harzvereins 23, S. 171—201.
74
38) Salzwedel, a) Dat Soltwedelsche Recht. 15. Jh., hrg. von Datuieil in
Förstemann's Neuen Mitteilungen aus dem Gehiete der hist.-antiq. Forschungen,
Bd. IV., Heft 1, S. 83-98. Vgl. Gengier 396-407. h) Registram Statttt4>riuii
V. J. 1458 in den Jahresberichten des Altmärkischen Vereins V., 85—117 und
VII., 110-138.
39) Stendalcr iTteilsbach den 14. Jh., hrg. von J. F. Behrend. Berlin 1868.
40) Berliner Stadtbnch v. J. 1397 bei Fidicin, Beiträge zur Geschichte der
Stadt Berlin, Thl. L, S. 10 f. und 77—155. Neue Ausgabe. Berlin 1883.
41) Schleswiffer Stadtrecht nebst dem ndd. Stadtreeht von Flensburg, Apen-
rade und Uadersleben im „Corpus Statutorum Slesvicensium" 1794. 4^^. (Bd. IL
der Ausgabe von 1819). Ältere Drucke: Der Stadt Sleswick Stadtrecht. Sleswick
1534 bei Wolther Brenner. 4°. Wieder abgedruckt Schleswig durch Nicolaus
Wegener 1603. 4^. Ferner Schleswig 1733 bei J. Hollwein. Vgl. J. Bolten in
A. Niemann's Miscellancen IL, 171; Scheller no. 1497.
42) Apenrade. a) Statnt. Auch bei Westphalen IV., 1849, und Dreyer,
Vermischte Abhandlungen III., 1375—1454. b) Apenrader Skraa v. J. 1335. Ab-
gedruckt bei Drever, Vermischte Abhandlungen, Bestock und Wismar 1754 — 62,
S. 1437 ff.
43) Flensbnr^er Stadtreeht (Anfang des 15. Jh.), bei Westphalen, Monumenta
IV., 1817 ff.
44) Friedrichstädter Stadtreeht v. J. 1633, gedruckt in Amsterdam bei Dirk
Peters 1635 (holländisch).
45) Landener Stadtrecht von 1529. Abgedr. bei Michelsen, Dittmarsche
Rechtsquellen 195—230.
46) Rendsbnr^er Stadtrecht. Fragmente. Abgedruckt in der Ztschr. f.
Schleswig-IIolsteniische Geschichte VII., 69—82.
47) Kiel, a) Burspraken des 15. Jh. hrg. von Wetzel in der Ztschr. f.
Schleswig-Holst. Gesch. X., 171—198. b) Ordeninghe nnde Rnlle der Schomaker,
1526, Mitt. der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte VII., 37—43. c) Kalands-
regeln v. J. 1334, bei Westphalen, Mon. Cimbr. III., 557—76.
48) Oldesloer ßnrsprake v. J. 1601. Abgedruckt bei Westphalen III., 263.
49) Hamburg, a) Hanibnrgische Rechtsalterthnmer, hrg. von Lappenberg.
Hamburg 1845. 8°. Stadtrecht v.J. 1270 S. 1-70. Van Schiprechte 75—86.
Stadtrecht v. J. 1292 S. 89-160. Hochzeitsordnnng S. 160—2. Stadtrecht v. J.
1497 S. 165-320. Billwerder Recht S. 323-344.
b) Zunftrollen, hrg. von 0. Rüdiger. Hamburg 1874. 8°. 350 S. (von
1306—1600.)
c) Hand Werkerstatuten. Ztschr. f. Ilamb. Geschichte V., 314 — 26; VI.,
526—92; und ^litteilungen des Vereins für Ilamb. Geschichte VIIL, 130—40.
dj Burspraken v. J. 1594, hrg. von C. I). Anderson, Hamburg 1870. 8**. 80 5?.
e) Fleth-Ordnnng, gedr. 1660. 4°. 8 Bl. Vgl. Serapeum 28, 292.
f) Armenordnung v. J. 1606, bei Staphorst, Kirchengeschichte IV., 650 ff.
g) Lnxnsordnnng für Billworder v. J. 1583. Zeitschrift für Hamburgischc
Geschichte VI., 523—525.
50) Lübeck, a) Das alte lübische Recht, hrg. von Hach, Lübeck, 1839.
S. 246—376 der ndd. Codex v. J. 1294, S. 377—548 der Göttinger Codex, S. 549
bis 589 Stellen aus andern lübisclien Kcchtsbüchern, S. 216 — 228 Zollordnung.
Der Oldeuburger Codex (13. Jh.) bei Christiani, Geschichte der Herzogtümer.
Flensburg 1776, S. 519-51.
Neue Fragmente von Hasse, Ztschr. für Schlesw.-Holst. Geschichte XL,
131—150. Alter Druck v. J. 1509. Rostock, bei Dietz. Vgl. Wiechmann, Meklen-
burg's nds. Literatur L, 24—27. Ein anderer von Joachim Kolle. Hamburg 1586.
4'». Vgl. Gcngler 258—68.
I
75
b) Zanftmeisterrollen des 15. Jh., krg. vou C. Wehrmaim, Lübeck 1864,
S. 157—503. c) Baaerspraehe des 15. Jh., bei Dreyer, Einleitung S. 586 if.
d) Ratsordnung, gedr. Lübeck 1582 durch A. Kroger. Bogen A— D. e) Luxus-
erdnung des 15. Jh. Abgedr. in Ztschr. f. lüb. Gesch. IL, 508—28.
51) Rostocker a) Ratsverordnangen. Meist bei Wiechmann, Meklenburgs
udd. Literatur IL und III. Vgl. auch Arndt, J. Slüter, Lübeck 1832.
b) (leriehtsordninge. Abgedruckt in „Abhandlungen von dem Ursprünge der
Stadt Rostock". 1757. S. 82 f.
c) Zanftrollen. Wolfenbütteler Manuscr. extravag. 96, 5 folio.
d) Über einen liber arbitriornms vgl Meklenb. Urkundenbuch V., S. XIV. ff.
e) Ordinantie van Brutlaehteskosten vnde Kindelberen. Vor 1525 und
von 1567. Abgedr. bei Wiechmann IIL, 107—113, und IL, 59—66.
52) Ordelle Boeck der Stadt Rabel v. J. 1545. Vgl. Lisch in den Meklenb.
Jahrbüchern 32, 149 ff.
53) Schweriner Recht Bei Westphalen, Monum. cuedver. Germ. L, 2019
bis 32. Franck, Altes und Neues Meklenb. IV., S. 55 ff. Vgl. auch Sibrand Juris,
Lubec. Pars. L, Sect. 10 p. 99. Eine Probe bei Gengier 431—34.
54) Wismar a) Biirgersprachen des 16. Jh., bei Burmeister, Bürgersprachen
der Stadt Wismar. Wismar 1840. 4^ S. 89—100. b) Znnftrollen, bei Bur-
meister, Altertümer des Wismarschen Stadtrechts. Hamburg 1838. 8^ S. 45 ff.
55) Greifswald a) Bnrsprake bei Pyl, Pommersche Geschichtsdenkmäler IL
(Ireifswald 1867, S. 80 f. Vgl. Baltische Studien XV., S. 3 ff.
b) Oewerksrollen des 14.-15. Jh. im Anzeiger f. Kunde d. deutschen Vor-
zeit, 1859, Sd. 450-54.
c) Hocnzeitsordnang v. J. 1592. Abgedr. Baltische Studien XV., 184—210.
56) Die Statuten des Dentschen Ordens, herausg. von M. Perlbach. Halle
lö90. (lat, md., ndl. u. mnd. Text.)
57) Dat Rigische Recht, hrg. von G. Oelrichs. Bremen 1778 und 1780
(Bursprake v. J. 1412). Napiersky, Quellen des Rigischen Stadtrechts bis 1673.
Riga 1876.
58) Reval a) Willküren und Bnrspraken 1360—1509. Im Archiv für Livland
1844 IIL, S. 83—93, und bei Bunge, die Quellen des Revaler Stadtrechts L, 238—40.
b) Laxnsordnangen von 1497—1532. Archiv für Livland L, 198—236 und
Beiträge zur Kunde Livlands IIL, Heft 1 (1882).
59) Hapsal. Bischof Jacobs Stadtrecht von 1294 ndd., im Archiv f. Livland,
Bd. IIL, 264—84.
60) Windan. Banersprache. Im Archiv für Livland V., 222—23.
Bäuerliche Rechtsanfzeielinnngen und Landrechte.
61) Westfälische Weisthiimer bei J. Grimm, Weistümer Göttingen 1840—69.
Bd. IIL, S. 31—72, 81—101; 107—125, 145—171, 176—85, 193—208, 212—21.
Bd. VI., 716—22; 725—30 und von Woeste in der Ztschr. für berg. Geschichte IL,
34 — 41 (Bransel und Remlingrade).
62) Xiedersächsische. Grimm IL, 228—79, 311—19. Bd. IV., 665—69»
677—89, 703—08. Vgl. noch Arch. des bist. Ver. f. Niedersachsen, Jahrgang 1854-
63) Statntar- and (jewohnheitsrechte des Herzogthunis Westfalen, hrg. vou
Seibertz. Arnsberg 1839. Seibertz, Landes- und Rechtsgeschichte des Herz. West-
falen. Arnsberg 1845-75.
64) Hofrechte ans Westfalen, bei von Steinen, Westph. Geschichte, Stück VI.»
S. 1561, 85; 1719, 28, 52, 69.
6.5) Mageng^erichtsweisthnm v. J. 1567, bei Meyer, Lippesches Kolonatsrecht
IL, 367 tL
76
66) Delbrücker Laiidreeht bei Wigand, Archiv V., 8 Ö. 221—61.
67) Reckenberger Land- und HaasgenoHsenreclit ebda. 4()9— 24.
68) Beekumer Polizeipnnete v. J. 1535, bei Wigand VI., 270—75.
69) Vom Gaugericht zu Herford, bei Meinders, Tractatus de jadiciis.
Lemgo 1715. 4*^.
70) Osnabriicker Vemgeriehtsordnung (Vemrecbtsbnch). Abgedr. bei Tross,
Urkunden z. Gesch. des Vemgerichts. 1826, 8. 28 — 53. Vgl. Wigand, Femgerichte
554 ff. Lodtmann, Acta Osnabr. L, 90—103.
71) De jure Holzgraviali. Accidunt documenta marcalia, von Lodtmann.
Lemgo 1770.
72) Freekenhorster Höferecht, l'nvollständig. Abgedr. bei Friedlander, das
Kloster Freckenhorst. Münster 1872, S. 187—202.
73) a) OstfriesischeH Landreeht, neb.st dem Deich- und Sielreeht, hrg. von
Wicht, Aurich 1726. 4P. S. 1 — 946. Das Deichrecht auch in der Ostfriesischen
Historie, Aurich 1720. T. IL
b) tierichtsordnung: v. J. 1545. Abgedruckt Ostfries, historie IL, 181 ff.
74) Appingadammer Bauerbrief. Abgedr. Ndd. Jahrbuch VIL, 18—23.
75) Dieckrecht des Stedinger Landes v. J. 1446, bei Oelrichs IL, S. 5b7.
76) Diekreeht der Br^minehen veer (lOhen v. J. 1449, bei Oelrichs 567 und
575 f. Neues Bremisches Deichrecht v. J. 1525, ebda. S. 592 f.
77) Weistiimer für den Bremer Landgeriehtsbezirk, bei Oelrichs, S. 558 ff.
78) Rechtsbestimmnn/^en des Bremer Landgericht« aus dem 15. Jh., bei
Spaugenberg, Beiträge 1824 8. 119—32, und bei Möhlmann, Juristische Zeitung 1843,
Heft 3, S. 9—28 u. 33—47.
79) Des Olden Landes Ordenungh und Hechteböke v. J. 1580, hrg. von Krause
in den Stader Jahrb. 1882, S. 106—172, (auch separat 89 S.)
60) Willkoer der sostein Kadtgevers uth dem Lande tho Wursten 1504.
Hs. auf aer Bibliothek in Hannover. Vgl. Bodemann 580.
81) Recht des stichtes to Hildensen, bei Zepernick, Miscellaneeu zum Lehn-
recht IV., no. 13 (4 Seiten.)
82) Hildesheimer Holtingbuch in der Ztschr. des Harzvereins X., 249 — 86.
83) Holtingsakten von 1489—1681 ebda. XL, 49 ff.
84) Dat Jutische Lowbock. Zuletzt hrg. von Falck, Altona 1819. 4^
XL, VI. u. 222 S. Alte Drucke: Lübeck 1486. 4«. 74 Bl. Mit einer gereimten
Vorrede. Schleswig durch Nie. Wegener 1593. 4®. (Schleswig 1603); Flensburg
1717. 4^
Vgl. Dreyer. Spccimen juris publ. Lubecensis S. 37, und Westphalen IV.,
1780—1876. a) Dispositio des Handbocks von Eckenberger, gedr. 1595, SV« Bogen.
b) Elucubratio aver dat erste und tweede Konig Waldemars Lohbock 1595 (Königl.
Bibl. in Kopenhagen), c) Tordt Degne Erklerung etliker Artikel im Lowbocke,
bei Falck, S. 215—232.
85) Dat Birke Recht, nu in dat Düdesche erst ummegesettet Vor 1603.
Vgl. Falck S. XXXI.
86) Van dem Landkope, gedr. Schleswig vor 1603. Falck a. a. 0.
87) Van Processen etlycker sunderbaren Valien. Schleswig vor 16i>3.
Falck a. a. 0.
88) Van Eiden und Eidleistnngen. Schleswig vor 1603. Falck a. a. O.
89) Gaards Ret edder Hoff-Reeht. Bei Westphalen, Monum. Cimbr. IV.,
1844—51.
77
90) Nordfriesland, a) Statut der 7 Harden v. J. 1426, bei Dreyer, Verm.
Abhandlungen III., 475 flF.; Camerer, Nachrichten 1758 I., 362 if.
b) Landrecnt v. J. 1558. Vgl. Dreyer a. a. 0.
c) Das Landrecht der 4 friesischen Harden Amts Tondern, v. J. 1559, bei
Dreyer IL, 1108-28.
d) Nordstrander Landrecht. Vgl. Michelsen, Kirchengeschichte IV., 53, und
Stemann, Rechtspeschichte IL, 243.
e) Codex juris Prisici borealis v. J. 1426, bei Dreyer, Verm. Abhandl. L,
473. Vgl. Scheller no. 373 und 473.
91) Dat olde Presche Landrecht (Eiderstedt, Everschop und Utholm), gegen
1428 geschrieben, bei Dreyer, Verm. Abhandl. IIL, S. 1457—5108. Vgl. Scheller
no. 315 u. 473. Auch gedr. Hamburg bei N. Wegener 1573,
92) Willkiir der Banerschaft von .Mildstedt v. J. 1571. Abgedr. Ztschr.
fiir Schleswig-Holst. Gesch. VII., 150—60.
93) Swabsteder Bnch. Abgedr. bei Westphalen IV., 3107—3204. (Geht
bisweilen ins Hochdeutsche über).
94) Statuta ruralia praefeetnrae Flensburgensis v. J. 1560. Abgedr. bei
Westphalen IV., 1959 ff.
95) Reehtsaufzeichnnng:en, Dänemark betreffend, bei Westphalen IV.,
1875—1960.
96) Deichrechte, Hegefornieln etc. der Eibmarschen bei Detlefsen, Geschichte
der Eibmarschen 1, 350—407.
97) a) Dithmarscher Landrecht v. J. 1447 bei Michelsen, Sammlung alt-
ditmarsischer Rechtsquellen, Altona 1842, S. 1—85. Alter (verschollener?) Druck
V. J. 1485 folio. Vgl. Falck, Handbuch des Schleswig-IIolsteinschen Privatrechts l.,
228 f. und Viethen, Beschreibung von Dithmarschen 1733, S. 157 ff.
b) Dithmarscher Landrecht v. J. 1539, bei Michelsen, S. 87—177. Gedruckt
liuheck 1539 auf Veranlassung von Wiche Peters. Vgl. Lappenberg, Buchdrucker-
knnst in Hamburg S. 115 f.
c) Deichrechte von Biisum und Ketelsbtittel bei Michelsen 251—260.
d) Spadelandsrecht, ein Statut in Deichsachen v. .1. 1459. Hs. auf der
Kieler Univ.-Bibliothek. Hochdeutsch gedruckt hinter Heimreichs Chronik. Vgl.
Falck 437.
e) Neueres Dithmarscher Landrocht von H. Ranzau und Adam Thraziger
1567. Zuletzt abgedruckt im Corpus Statutorum Provinc. Holsatiae. Ältere Drucke :
Bei H. Giesebert, Periculum Statutorum. Hamburg 1665, 4*>; Gliickstadt 1667, 4^,
und 1711; bei Viethen, Beschr. von Dithmarschen 181 — 90.
98) Dat Holsten Landrecht, so geholden ys im Jahre 1649, hrg. von Leh-
mann, Glückstadt 1735; auch bei Seestern-Pauly, Neumünsterscho Kirchspiels-
gebnäuche, Schleswig 1824.
99) Neumiinstersche Kirchspielsgebränche. Nach einer Hs. des 16.— 17.
Jh., hrg. von T. Seestern-Pauly. Schleswig 1824. 4^, 35 S.
100) Fehmarnsches Landrecht, bei Dreyer, Sammlung IL, 1031- 52.
101) Rechtsspruche des Oberhofs in Lübeck 1401—1598, hrg. von Michelsen,
Altona 1839 (S. 83—349).
102) Billwarder Laudrecht vom Anfang des 15. Jh., bei Lappenberg, Hamb.
Rechtsaltertümer I., 321—344.
103) Des olden Landes Ordenunge und Rechte-Bock v. J. 1517, bei Pufen-
dorf IV., 48—55, und Dreyer, Abhandl. I., 531—44.
104) Meklenbnr^ische Statuten v. J. 1516, abgedr. bei Bärensprung, Samm-
lung von Landesgesetzen, Schwerin 1779, Theil IV., 12—38. Vgl. Wiechmann
I., 36-39.
78
105) Bambergiselie Hals^eriehtsordnnng, gedr. Rostock, o. J., 60 Bl. Vgl.
Wiechmann L, 27—29.
106) Wendiscli-Ragianiselier Landgeb rauch, in der Mitte des 16. Jh. von
Matthaeus von Normaun von Rügen verfasst. Bei Dreyer, Moniim. auecd. Lübeck
1760 I., 229—460 und von Gadebusch, Stralsund 1777.
107) Herzog Barnims Bauerordnnng v. J. 1569, gedr. Stettin 1570. 4^
Abgedr. bei Dähnert. Vgl. A. Höfer in den Baltischen Studien XXI., 148—167.
108) Bauernrecht und (ierichtsordnnng der Alten Mark von 1531, hrg. von
Hiibbe. Berlin 1835. 8^. 92 S.
109) Livländisches Bauernrecht. Vgl. Bunge, Beiträge 33—37.
110) Dan mittlere Livlandische Ritterrecht, verfasst Ende des 14. Jh., bei
Oelrichs, S. 75 ff. Zuerst gedruckt 1537, 4°, o. O.
111) Das Waldemar-Erichsche Lehnrecht für die OeutNchen in Estland.
Abgcdr. bei Ewers, Ritter und Landrecbt des Herzogtums Estben. Dorpat 1821,
S. 46—54.
112) Tytel-Bock. Braunscbweig 1508. 4^. Vgl. Scheller 537.
Seerecht.
113) Das Wisbyer Seerecht. Im 15. Jahrhundert in Norden aus dem lübischen
Rechte und verschiedenen ndl. Sccrechten zusammengestellt. Zuletzt bei Schlytcr,
Corpus juris Sveogottici Tomas VIII. Lund 1853.
Alte Drucke: Kopenhagen 1505; Lübeck 1530; 1538; 1564; 1571 in Ham-
burg bei J. liow, 12°; 1575, 1589 in Hamburg bei J. Low. 8«. „Dyt ys dat
biigcste vndo öldeste waterrecht" . . . tho Wifsbii, 1596 in Lübeck. Vgl. Ztschr.
f. d. Philologie VI., 114; auch im Corpus Statutorum Slosvic. IL, 675 ff.
113a) Rmdener Waterrecht nnde Schiprecht. Ndd. Jahrb. 7, 35-62
114) Dat denische Seerecht, Zuerst Kopenhagen. Dann Rostock 1572. 8^
48 Bl. Vgl. Wiechmann II., 71 ff. und Westphalen IV., 1827—44.
115) Dat Schiprecht vann denn Keders. Wolfcnbüttcler Ilandschr. Vgl.
Scheller no. 139.
116) Krabbe, Tractat von schiffbrüchigen (üiitern. Abgedr. bei Jargow,
Von den Regalien S. 453.
Rechtsphilosophie.
117) J. Oldendorp, Wat hyllick vn recht ys. Rostock 1529. 25 Bl. Vgl.
Wiechmann I., 123—138, und Ztschr. für Ilamburgische Gescbiclite IV., J36 ff.
118) J. Oldendorp, Van radtslagende, wo men gude politie vnd ordenungo
von Stedcn vnd Landen holden mogbc. 1530. 8°. 36 Bl. Vgl. Wiechmann I..
138—142. Neudruck (besorgt von Freybe) Schwerin 1893.
119) Vorklaringe der herkumst van aller Onericheyt, von J. Wohner.
Hamburg 1544. 28 Bl. Vgl. Serapeum 28, 242.
SEGEBERG. H. Jellinghaus.
79
Ein bremisches Pasquill aus dena
Jahre 1696.
An der königlichen Domschule (Athenaeum Regium) zu Bremen ^)
wurde im Jahre 1696 der Subrektor Joh. ('hr. Schulenburg zum
Rektor ernannt, während die Schüler gehofft hatten, dass dem be-
liebteren Conrektor Pohlemann das Amt übertragen würde. Von
Seiten der letzteren fand sich kurz vorher eines Tages (Ende Januar
d. J.) an der Thür der Domkirche ein Pasquill hierüber in nieder-
deutschen Alexandrinern angeschlagen, das aus einem ^^^ Codex des
Stadtrechts^, welchen die Stadt Berlin dem Bremer Archiv geschenkt
hat, im Folgenden mitgeteilt wird. Dasselbe erregte, um es sogleich
zu bemerken, bei der Behörde grossen Zorn. Es erschien am 18.
Februar eine Bekanntmachimg in der Bremer Postzeitung, welche be-
sagte, dass auf hochobrigkeitliche Anordnung das Pasquill zu Stade
durch den Scharfrichter verbrannt sei, dass der Autor, falls er be-
kannt werde, ;,als infam mit Staupenschlag undt Landtssverweisung^
bestraft werden solle, und dass, wer ihn angebe, 200 Thaler Belohnung
erhalte, auch falls er selber ;,impliciret" gewesen, völlig ,,pardonnirt"
und sein Name verschwiegen werden solle. Die Nachsuchung scheint
trotzdem ohne Erfolg geblieben zu sein, da bald hernach eine neue,
noch viel dringendere Verordnung desselben Inhalts in dem Blatte
zu lesen war. Man kann annehmen, dass der Zorn der Jugend sich
gelegt und der etwas vorlaute Verfasser ohne Staupenschlag und
Landesvei'weisung davongekommen ist.
Pasquillus Anonymi Nebulonis in Dominum M. Johannem Schulenbcrg'),
Bremensem, Athenaei Kegii Sub-Hectorcm, postquara ex favore Magnatum dicti
Athenaei Rector eligeretur, cum id munus honorificum Domino Conrcctori Pohle-
manno, optimi Parentis Dr. M. Joh. Pohlemanni Concionatoris filio doctissimo
merito conferendum fuisset, valvis Templi D. Petri An. 1696 sub fine mens. Janu-
arii afiixus.')
Copia der trouwhartigen Warnung*) an Hanss Karsten Schuhlenburg, alse
hc mit luter Gewalt wolde Rektor wehren, darin sine Undöytheit tho dissem Stande
wardt Yöhrgestellet, van den Edlen Musen Söhnen geschreven mit der Fedder.
') In der damals freien Reichsstadt Bremen gehörten die früher erzbischöf-
lichen Besitzungen, nämlich der Dom und eine Reihe von Gebäuden, seit dem
Westfälischen Frieden zum Königreich Schweden und standen unter der Regierung
von Stade (1719 fielen sie dann an Hannover). Weil nun die Stadt Bremen das
reformierte Bekenntnis angenommen, der Dom aber stets lutherisch geblieben war
und die Schweden letztere Konfession begünstigten, so wurde im Gegensatz zu der
reformierten städtischen Hochschule (Gymnasium Illustre) eine gleiche am Dom
gegründet, das Athenaeum Regium, welches von Schülern der weiteren (später
hannoverschen) Umgegend stark besucht wurde.
') Richtiger: Schulenburg. ') Diese lateinische Überschrift scheint von der
Regierung gemacht zu sein.
*) Die niederdeutsche Sprache wurde zu Bremen im 17. und 18. Jahrhundert
noch allgemein gesprochen, aber nur als Umgangssprache; gedruckt kam sie, wie
anderswo, nur noch in derartigen Spottliedern u. s. w. vor.
80
Wat wultu Narre dolin? wiiltu im Rector wehren?
Wiiltu up stelteu gahnV undt grote Dinge körenV
Du weest jo din Gebreck, dat du so scheve geist;
AVat wultu fangen an, wenn du nu baven steistV
5 Du liest jo nichts gelehrt, du kannst man weidig pralen.
Veel Uhlenstackerey up use Taefel mahlen;
Du bist een dummen Hanss in der Philosophie,
Du hest vergeten nichts van der Theologie.
Dit weestu alles wol undt wult doch Rector wehren,
10 Du weest jo sulvest nichts und wult doch andre lehren?
Ick dacht, du schämbst di woll, du bist een Rectors Knecht,
Undt nu de Rector sulvst, dat iss dyn Titul recht.
De Andern, de du heffst wol öhre Schöbe putzet.
De seggen altomal: Ey! seht ins, wo he stutzet;
15 De scheve Schulenburg, de geit nu baven an,
De unss wol 12 mal heft geschenkt wat in de Kan!
Drum Iaht de Iiihren dem, dem se von recht geböhret,
Dem Herren Polemann, den wy thosamen ehret;
So deist du recht undt woll, blifst ock in Freed un Rau,
20 Nimstu dit nicht in acht, schiahn wy dy binihn un blau.
De Disputations, de du heruthgegeven,
Un uth een ander Book doch man hest uthgeschreven.
De Dinge altomahl, de sind nich beters wehrt.
Als dat man se wegbringt un wischt darmit den Stehrt.
25 Du bist een stolten Kehrl, du hest uns altosamen
Verlästert un verschmäht, drum willn wy balde kohnien
Uli danken dy darvöhr mit einer Prügel-Sop,
Ja kloppen willn wy dy up dinen stolten Kop.
Dit alles hebbn wy dy tho euer Warnung schrcven,
30 Darum bedenk et woll, wultu in Freden leven ;
Vor allen Dingen nimm de Rectorschup nich an,
Lallt de Studenten ock hier unverachtet gan.
Doch, schall dat Unglück dy tlio eenen Rector makon,
So willn wy wünschen dy all wat wy könnt upstaken;
35 Wy wünschen dy tho cerst twee Scheet in eener Ilandt,
So blitft de ander rein, dat laht'n wy dy thoni Pandt.
BRExMEN. J. Fr. Iketi.
^1
Lautstand der Glüekstädter
Mundart.
^^^^^^^^^^^^^^^•^t^^^
Die im Folgenden dargestellte Mundart ist das in der Stadt
Glückstadt gesprochene Platt, das ich selbst geläufig spreche. Es ist
nur auf ein kleines Gebiet beschränkt, da die Sprache ausserhalb der
Stadt — die Landbevölkerung wohnt auf zwei Seiten nur etwa je
zwei Minuten, auf der dritten etwa zehn Minuten entfernt — im
Yokalismus und auch sonst ganz bedeutend von der in der Stadt
gesprochenen Sprache abweicht. Da aber zwischen dem Lande und
der Stadt ein reger Verkehr besteht, auch manche Landleute in die
Stadt gezogen sind, so ist doch manchmal — namentlich was den
Wortschatz angeht (auf dem Lande hat sich natürlich mehr Altertüm-
liches erhalten) — schwer zu entscheiden, was der Stadt und was
dem Lande angehört. Ich war daher gezwungen, zuweilen auf die
Sprache der Landbevölkerung Rücksicht zu nehmen.
Die Glückstädter Mundart ist am nächsten der Hamburgischen
verwandt, doch hat sie nicht die breite, den ganzen Stolz und das
Selbstbewusstsein des Hamburgers ausdrückende Aussprache einiger
Vokale. Die Bewohner der umliegenden Städte (Elmshorn, Krempe,
teilweise auch Itzehoe) sprechen "bäurisch", während wir — wenn
wir hochdeutsch sprechen — daselbst, ja sogar in Kiel für Hamburger
gehalten werden. Andererseits hat selbstverständlich unsere Mundart
mit den übrigen holsteinischen und schleswigschen Mundarten vieles
gemein, was sie von andern, z. B. der mecklenburgischen, unterscheidet.
Das gute reine Platt wird bei uns eigentlich nur noch von älteren
Leuten der mittleren Bevölkei-ungsschichten gesprochen; die Sprache
der jüngeren Generation ist schon sehr durch das Hochdeutsche
beeinilusst, und manches gute alte Wort ist ihr, wenn auch nicht
unbekannt, so doch ungeläufig; ja ich meine beobachtet zu haben,
dass manche alten Wörter im Laufe der letzten zwanzig Jahre ausser
Gebrauch gekommen seien.
Ich habe zweierlei vorausgeschickt, erstens eine Beschreibung
der Laute, so weit sie mir möglich war, zweitens verschiedene
Bemerkungen über Lautveränderungen, Beziehungen der Laute zu
einander, Abfall bzw. Ausfall von Lauten u. dgl. m. — Bemerkungen,
welche vielleicht nach systematischer Anordnung erst nach der eigent-
lichen Lautlehre kommen müssten, welche aber, glaube ich, zum
richtigen Verständnis der in der Lautlehre gegebenen Beispiele, wenn
nicht notwendig, so doch nützlich sein werden. Manches Derartige
Nied«rd«utoGh«B Jahrbuch. XVIII. 6
B2
hätte ich noch zu sagen gehabt, ich habe es aber für spater auf-
gespart. — Die phonetischen Verhältnisse liegen in der Gl. Mundart
im allgemeinen einfacli; wo die Laute denen des Bühnendeutsch gleich
sind, habe ich, zuweilen unter Hinweis auf Sievers, Grundzüge der
Phonetik, 3. Auii., Leipzig 1885, auf das Hochdeutsche einfach Bezug
genommen; Erscheinungen, die nicht allgemein verbreitet sind, habe
ich so genau als möglich zu beschreiben gesucht. Bei der Wahl der
Typen habe ich mich durch die Rücksicht auf die in der Druckerei
des Jahrbuches vorhandenen Lettern bestimmen lassen und, so weit
möglich, an Holthausen, Die Soester Mundart, Norden und Leipzig
1886, angeschlossen. (Dass ich dem Studium dieses Buches manches
verdanke, sei hier nebenbei erwähnt.) — Von Beispielen habe ich
meistens nur eine beschränkte Anzahl ausgewählt, und zwar vielfach
solclie, die aus irgend einem Grunde lehrreich sind — man wird z. B.
leicht bemerken, dass ich besonders solche Wörter aufgeführt habe,
• welche sich hinsichtlich des Umlauts vom Hd. unterscheiden — ; an
einigen Stellen, wo es mir nötig schien, liabe ich dagegen alle mir
bekannten Wörter aufgezählt.
§ 1. Die Artikulationsbasis ist die norddeutsche, die Zunge ist
etwas zurückgezogen und verbreitert (Sievers S. 103 Anm. 12). Die
Thätigkcit des ganzen Ansatzrohres ist äusserst nachlässig; auch hei
nicht allzu raschem Sprechen fallen die Konsonanten zwischen zwei
Vokalen und auch sonst entweder ganz aus oder werden bis zur
Unkenntlichkeit verstümmelt. Die Mitteilung von Proben behalte ich
mir vor.
Die Vokale.
§ 2. Die in der Gl. Mundart vorkommenden Vokale sind folgende:
1. (kurz und offen) . . . i
2. (lang und geschlossen) . t
3. (lang und offen) ... 9
4. (knarrend) —
5. (überkurz) 9
1. Die Vokale der ersten Reihe sind kurz und offen, wie z. B.
in nhd. und, lippe; gdd, luitte; hand, Jiatte; gott, stock; mund, musisie;
fföttcr^ stocke; sünde, hütte, — Dass das u wie es in einigen nord-
deutschen Mundarten der Fall sein soll, sich ein wenig nach ü hin-
neige, kann ich nicht bemerken.
2. Die Vokale der zweiten Reihe sind geschlossen, sie kommen
entweder halblang oder lang vor (vgl. Sievers § 28 Anm. S. 187);
halblang sprechen wir sie in nhd. bieten^ rute, gemüt^ lang in nhd.
lieder^ ruhte, müde, — Es könnte vielleicht zweifelhaft sein, ob diese
Vokale nicht als lang und überlang zu bezeichnen wären; ich bin
durch lange Beobachtungen sowie durch Vergleiche mit andern Mund-
arten jedoch zu der Ansicht gekommen, dass sie halblang und lang
sind; die langen Vokale können allerdings unter Umständen überlang
e
a
0
u
0
y
(e)
(ö)
ü
(8)
S
ä
ce
g
a
8
0
• •
a
tt
(ö)
werden, z. B. wenn der fragende Accent darauf liegt: ruhte? rühm? — ^
Die geschlossenen Vokale e, o, ö kommen bei uns nicht vor, vielmehr
sprechen wir (auch im Hd. und in fremden Sprachen) statt ihrer
Diphthonge — ich habe sie deshalb in obiger Uebersicht eingeklammert
— und zwar wird hinter e und ö ein T^), hinter o ein ü gesprochen,
d. h. gegen Ende des Lautes wird der vordere bzw. der hintere Teil
der Zunge ein wenig gehoben. Das T (y) und das ü fallen indes so
wenig ins Gehör, dass ein weniger geübtes Ohr sie überhaupt nicht
vernimmt, weshalb die Laute e, ö, Ö von uns als einfache Laute
empfunden werden; ich habe sie daher durch je ein einziges Zeichnen
bezeichnet. Doch will es mir scheinen, als ob in neuerer Zeit die
diphthongische Natur des e deutlicher hervorträte. Auch ist die
Neigung vorhanden, den Einsatz zum ö mit etwas breiter gezogenem
Munde zu sprechen, jedoch ist diese Neigung bei weitem nicht so stark
wie in Hamburg, wo man mit der Mundstellung des e einsetzt,
geschweige denn wie in westfälischen Mundarten, wo man ein deutliches
e spricht. Ueber die Länge der Laute ö, ö, 8 gilt das über T, ü, y Gesagte,
3. Verlängert man die kurzen offenen Vokale i, w, y, so erhält
man ?, ä, oe. Die Längen von e, o, ö kommen bei uns nicht vor,
sondern sind mit den Längen von t, w, y zusammengefallen. Doch
sind 9, il, OS nicht ganz genau die phonetischen Längen von i, w, y,
sondern unterscheiden sich von letzteren durch eine ein wenig grössere
Lippenöfifnung bzw. -vorstülpung. Das 9 ist dasjenige, welches wir in
nhd. beten^ reden sprechen. Wie dies 9 sich zu e und i verhält, so
verhalten sich & und « zu 0 und u bzw. zu ö und y, — ä und w
kommen im Hd. nicht vor, doch ist das 0? bekannt aus Wörtern wie
Stör^ Plön (Ploen); das & ist noch niedriger (lower) als das a in engl.
wall, saWy etwa gleich dem dänischen aa in laave, raaäe,
4. 5, a, ö, 0 sind knarrende Vokale (Sievers S. 109), im
übrigen sind sie gleich den Vokalen e, a, 0, ö. Sie sind ihrer Natur
nach immer lang, verkürzt werden sie zu e, a, 0, ö. Das Knarren
ist in fast allen Fällen ein Ersatz für r; wir sprechen auch im Hd.
nicht berg, niark^ korh, Icörbe^ sondern hho, twafe, kop, kobj.
5. Es ist Sitte geworden, die "überkurzen'' Vokale durch 9
und a zu bezeichnen; ich schliesse mich diesem Gebrauch an, obwohl
0 in redj k.aum von kurzem offenem », a in uvtcr (tnita) kaum von a
zu unterscheiden ist; in schneller Rede wird dies a häufig ein wenig
nach 0 hin gesprochen. 9 kommt nur selten Imitcr einem Vokal vor,
bildet aber, soweit ich sehe, immer eine Silbe für sich ; a hinter einem
VokaP) kann silbenbildend sein, in schneller Rede verschmilzt es
jedoch in der Regel mit dem vorhergehenden Vokal zu einer Silbe.
Ausserdem haben wir noch das überkurze ü vor der Tonsilbe und das
überkurze ö in der Vorsilbe /o- (hd. vcr-).
') Folgt auf ö ein / oder S, so wird statt i ein y gesprochen, d. h. die
Lippenmndang wird beibehalten.
') Hinter einem Vokal ist es gewöhnlich aus ?*, sonst ans er entstanden.
6*
§ 3. Diphthonge. Ausser den oben erwähnten diphthongischen
Lauten (e, 5, ö) haben wir die drei Diphthonge at, au, ou Einige
behaupten, dass in der norddeutschen Aussprache dieser Diphthonge
(hd. geschrieben et, ai; au;' c«, äu) der zweite Bestandteil kein t, u,
sondern ein e, o sei. Mag nun auch die Zungenhebung nicht ganz so
hoch sein, wie bei einfachem (autophthongem) T und ü, so kann ich
doch trotz aller Anstrengung keinen andern Laut hören als T und ü,
während ich in einigen westfälischen und hannoverschen Mundarten
deutlich ein e und o höre. Ich schreibe also ai^ au, oi, und nicht
ae, ao, oe. In dem Diphthongen ai ist das a ein wenig palatalisiert.
Die Diphthonge kommen lang und überlang vor.
Die Konsonanten.
§ 4. Die Gl. Mundart hat folgende Konsonanten:
stimm- stimm-
haft los
labiale io,h — —
V f -
ä J, s r — t d » l
j (x) —
l X (R)
1. Die Tenues p, t, k sind, wenn sie allein oder mit r, /, i?, tv
verbunden (pr, pl; tr, tw; Jcr, W, Äw, Jcw)^) die Tonsilbe oder ein
Wort beginnen, immer aspiriert; ebenso haben sie am Ende der Wöi*tor
bei genügend deutlicher Aussprache die Aspiration. In den Laut-
verbindungen Äp, st (Anlaut) und p*-, ts, ks; pm, <«, fcg (Auslaut) sind
sie also unaspiriert, desgleichen i und p in den Verbindungen kt, pt
(weckt, eirpt); ebenso entbehren sie sonst im Innern der Wörter die
Aspiration, sei es nun, dass sie vor Vokalen (Inlaut), oder dass sie
— in Zusammensetzungen — vor Konsonanten stehen (Auslaut).
2. Die Medien sind stimmlos. Eine Verwechslung von Tenuis
und Media im Inlaut findet selten statt, da sie sich als Fortis und
Lenis unterscheiden; im Auslaut dagegen fallen t und d zusammen
{b und g werden im Auslaut im Ndd. zu f und x). — Zwischen zwei
Vokalen spricht man statt 6, d, g in der Regel b, d, 5, die ent-
sprechenden Engelaute, doch wechselt die Aussprache bei einem und
demselben Individuum; wirkliche Verschlusslaute werden jedenfalls nur
bei sehr langsamem Sprechen gehört, und wenn die gewöhnlich
gesprochenen Laute auch vielleicht nicht immer wirkliche Reibelaute
sind, so ist der Verschluss doch ein sehr nachlässiger.^) Aus diesem
labiodentale . .
dentale . . .
palatale
volare (gutturale)
s p
1)
m
?
t
d
n
- (t)
r«;
k
9
Q
') Es ist mir neuerdings zweifelhaft geworden, ob in den Verbindungen
pr, pl, tr, kr, M wirklich Aspiration vorliegt und nicht vielmehr hinter dem
Verschlusslaute ein **dem folgenden Konsonanten angepasster" Reibelaut
gesprochen wird.
^) Ein ungeübtes Ohr hält diese Laute für dieselben b, d, g, welche im
Anlaut gesprochen werden, daher auch bei unsern Dialektdichtem die Schreibang
h für das w anderer Mundarten.
85
Grunde und der Einfachheit halber werde ich im Folgenden nur
6, d, g schreiben.
3. Zu den einzelnen Konsonantenreihen ist noch einiges zu
bemerken.
a) labiale, u? ist bilabialer Reibelaut, die Lippen werden bei
der Aussprache dieses Lautes ein wenig vorgestülpt, w kommt nur
hinter andern Konsonanten vor, die zu derselben Silbe gehören, wie
nhd. zwei^ schwer^ quälen; hinter einer Lenis ist es stimmhaft, hinter
einer Fortis ist wenigstens der Einsatz stimmlos.
b) labiodentale, f und v sind labiodentale Reibelaute,
ersterer ist stimmlos, letzterer stinmihaft. — Vor f sprechen wir m
statt «, z. B. vernumft, ftifnf^ und es versteht sich, dass das f genau
genommen bilabial anfängt, der eigentliche Laut aber ist labiodental.
Ebenso wird hinter f m statt n gesprochen, z. B. strafm (strafen) ;
folgt nun aber auf den Nasal wieder ein Dental (wie in den Fremd-
wörtern priSifmtsain, födifmdlan, prüfmtlan = prophezeien, verteidigen,
profitieren), so wird der Lippenverschluss nicht vollständig, man könnte
also versucht sein, von einem labiodentalem m zu sprechen. Daraus
erklärt sich das Fragezeichen in der Nasalreihe der obigen Uebersicht.
Für unser Ohr ist dieser Laut ein wi.
c) dentale. Der s-Laut ist bei uns stimmlos, doch unterscheiden
wir ein sanftes J und ein scharfes s. — Das l ist ein helles (palatales) l.
— Hierher gehört auch das r, es ist ein stimmhaftes, gerolltes
Zungenspitzen-r ; hinter § wird es nicht gerollt.
d) palatale. t und nt werden zuweilen durch nachfolgendes y
])alatali8iert, z. B. sind in antja (Ännchen) alle drei dem j voraus-
gehenden Laute palatalisiert ; da diese Fälle aber selten sind, habe ich
davon abgesehen, besondere Zeichen für palatalisiertes t und nt zu
verwenden.
e) Velare. Es versteht sich von selbst, dass das k in ki, g in
gi und x in ix eine andere Artikulationsstelle haben als das Tc in am,
g in gu und x im ax\ doch liegen beide Artikulationsstellen so weit
nach hinten, dass von einem palatalen Tc^ g und x kaum gesprochen
werden kann; ich habe daher nicht nur zwischen dem h^ g in hi^ gi
und in ä:m, gu keinen Unterschied gemacht, sondern auch für den ix-
Laut dasselbe Zeichen verwendet wie für den aa;-Laut. Dasselbe gilt
von g (;) in hd. sage^ siege. — Ein uvulares r kommt in den unteren
und mittleren Bevölkemngsschichten fast gar nicht vor.
Anm. Stimmhafte Konsonanten werden hinter stimmloser Fortis selbst
stimmlos; doch ist der üebergang zum folgenden Vokal bei nicht allzuschnellem
Sprechen stimmhaft. — Silbenbildende /, 7n, n, i) sind natürlich immer stimmhaft.
Dauer der Laute; Fortis und Lenis.
§ 5. Alle Laute können kurz oder lang sein; bei Verschluss-
lauten kommt die Dauer des Verschlusses in Betracht. Lange Kon-
sonanten kommen in unserer Mundart — bei nicht zu schnellem
Sprechen — in drei Fällen vor. Erstens wenn von zwei aufeinander
m
folgenden Wörtern das zweite mit demselben (oder einem homorgauen)
Laute anfängt, mit dem das vorhergehende aufhöii;, z. B. hd. abbeissen
(mit langem p, denn es ist = op -f- beissen), not thun; auffassen^
aussaufen ^ hirsch schiessen; am markt ^ einnähme. Zweitens werden die
Nasalen tw, n verlängert, wenn (nach Ausfall eines e) ein n dahinter
zu stehen käme, z. II hd. harnen^ ahnen^ von uns gesprochen kämm.
B,nn mit langem Nasal; zugleich ist die Artikulation des Nasals eine
energischere. Drittens werden l und n verlängert, wenn nach Ausfall
eines e auf Konsonant -{- l^ n noch ein Vokal folgt, z. B. hd. eiegelei^
gesprochen ziegUei; dabei ist das erste Z, n silbenbildend, das zweite
konsonantisch.
vj 6. Die Dauer der Vokale ist, wenn diese nicht gerade am
Ende des Wortes oder Stammes stehen, abhängig von der Beschaffen-
heit des folgenden Konsonanten, und zwar ist sie kürzer vor Fortis,
länger vor Lenis. Lenes sind unter allen Umständen ft, d, g^ /, t;
(immer im Inlaut), ferner sind als Lenes anzusehen /*, ^, x^ s, §^),
wenn sie im Auslaut nach Abfall eines e für ursprünglich
inlautende ft, rf, g^ J, 2 stehen ; sonst sind /*, ^, a;, 5, § ebenso wie
j>, k Fortes. Man spricht also*)
vor bd g Jv
vor jp, t, Ä, /", a;, 5, g
und f t X s § am Eude der Wörter
(wenn z=z bdg j i)
kurz . .
i e a 0 u ö y
halblang
T e ö ü Ö y
lang . .
T: e: ö: ü: ö: y:
f)
9 ä 0?
f)
9: ä: (b:
(kurz
e a 0 ö )
j)
V - V V
e a 0 0
lang . .
ai oi au
überlang
ai: oi: au:
Dieser Regel folgen auch die Lautverbindungen am, an^ nij, al
usw. Es ist allerdings schwer zu entscheiden (vgl. Sievers, S. 187
unten), "ob blos der Konsonant lang ist oder auch der Vokal eine
Dehnung erfahren hat"; nach langen Beobachtungen bin ich aber zu
der Ansicht gekommen, dass in unserer Mundart der Vokal an der
Dehnung teihiimmt. Da nun Lautverbindungen wie al usw. phonetisch
als lang anzusehen sind, so werden sie vor Lenis überlang; der Ein-
fachheit halber bezeichne ich die Ueberlänge dadurch, dass ich den
Konsonanten zweimal setze. Wir sprechen also hd. elf (11), aber
ellbj (Elbe).
Anm. 1. Geht ein Verbalstamm auf einen halblangen oder langen Laut
(anch Vokal + m, n, ij, l) aus, so hat er, sobald eine Endung antritt, immer
(auch vor i) den langen bzw. überlangen Laut; ausgenommen sind nur einige
Formen der sog. unregelmässigen Verba.
Anm. 2. Hinter einem halblangen oder langen Vokal hat das /, wenn
es zu derselben Silbe gehört, vor sich noch einen Eigenlaut (je nach der
^) i nur in Fremdwörtern, z. B. frz. courage.
) Diese Regel wird beim Verbum durch Formenausgleichung durchbrochen.
87
BeschaffeDheit des vorbergelieiiden Vokals mehr i oder y); man hört ihu deutlich,
wenn man / ganz allein ausspricht. Dieser Laut entzieht dem vorhergehenden
Vokal etwas von seiner Dauer, sodass z. B. das i in hd. tnel nicht ganz so lang
ist wie in visle; ich würde demgemäss phonetisch schreiben ßl, aber ß:ld.
§ 7. Da die Medien in unserer Mundart immer stimmlos sind,
so werden sie, mit grösserer Energie gesi)rochen, zu (unaspirierten)
Tenues. Dies ist namentlich der Fall in Wörtern, welche früher
geminierte Media hatten; diese ist jetzt zur einfachen (unaspirierten)
Tenuis geworden. Deshalb — und weil man mit den Zeichen p, t^ h
den Begriff der Aspiration verbindet — schreibt man heute in Dialekt-
dichtungen umgekehrt, um im Inlaut eine einfache unaspirierte Tenuis
zu bezeichnen, die entsprechende Media doppelt, auch wenn das Woii:
ursprünglich geminierte Tenuis hatte. Also geschriebenes suubben,
schibber, bodder^ wuddel, nadd^n ist gesprochenes Jüpm, ^ipa, bota^ vutl^
natn (vgl. Jellinghaus, Zur Einteilung der niederdeutschen Mundarten
{5 14 S. 38. — Müllenhoff im Glossar zur Klaus Groths Quickborn
u- d. W. obbe). Ich schreibe in all diesen Phallen nach der Aussprache
und gemäss der oben über inlautende Tenuis aufgestellten Regel ein-
fache Tenuis.
Unbetonte Silben,
55 8. Die Stammsilben der Wörter werden in unserer Mundart
so stark betont, dass die vor und nach der Tonsilbe stehenden Silben
geschwächt, der Vokal derselben sehr häutig — sofern nicht unaus-
sprechbare Lautkomplexe entstehen würden — ganz unterdmckt wird.
1. Nach der Tonsilbe, e am Ende der Wörter — meist aus
andern Vokalen entstanden — und das e der Ableitungssilben und
Infinitive wie -eZ, -et* ist verschwunden: sprih Sprache, Jäi Sache;
gctn giessen; (b:U übel, ^ötl Schüssel, ätn Atem, besn Besen; tt^i nehme^
^t esse; dSL:xs Tages, hn:s (dat. sg. von Aus Haus); dr&:x trocken,
mÖ:t müde, m&t Begegnung. — In der Regel fällt ausser bei Adjektiven
die ganze Silbe -de weg^): ^»9^ Pferde, fülbüan erlauben, zulassen
(mnd. fulborden), namentlich im Präteritum der schwachen Verba:
föl fühlte, hba hörte; ebenso mö:n vermutend (mnd. modende). —
Von den alten P^ndungen -isk, -in bleiben nur die Konsonanten übrig :
spöi^ spöttisch, ironisch, d(}:n^ dänisch, rw§ russisch, hrii Köchin,
f/d:2rf§ (fi&:bif^) Nachbarin: holtn hölzern, golln golden. — Die alte
Endung -i/iy, -inge ist, soweit sie nicht durch die hd, Endung -ung
verdrängt ist, meistens zu -n zusammengeschrumpft: hean Häring,
fvian Nahrung, Verdienst, twi Zehining, Verbrauch, njfcwü/e.i« VAn-
«piartieining, vctan Wetterung (Abzugskanal in der Marsch), Jösn
Sechsling (eine Münze, = H^U Pfennig), penn Pfenning usw. — Die
Endung -nisse erscheint als ns (s) in villns Wildnis, vims Wärme
(mnd. wermenisse, Reuter: warmniss).
^) Dies geschieht, soviel ich weiss, anf dem I^ande immer, in der Stadt
hat man, namentlich beim Nomen, die Neigung, hier und da das d ^a]« i) zu
erhalten; ich habe jedoch hierfür keinerlei Regel erkennen können
88
2. Vor der Tonsilbe, a) Am Anfang des Wortes. In den
Vorsilben ge-, be- (qb-^ Iq-) fallt das 9 noch häufiger aus als im
Hd. (Glück, Gnade), z. B. gnik Genick, Waijij neben (eig. längs, ent-
lang). Von tVi = to fällt zuweilen das tt weg: türex^ trex zurecht,
türyx, tryx zurück; dagegen behält <fi = hd. zer- (z. B. /firlfn zer-
reissen) immer das ü. — In andern Fällen fällt der Vokal entweder
ganz weg, oder es steht überkurzes ö, und zwar hat man auf dem
Lande mehr als in der Stadt die Neigung, den Vokal wegzulassen,
soweit es überhaupt geht, z. B. ittJÖA, i/ö.) Couleur, kidena, ilena
Kalender, prjk Perücke, SttÄr&.'it masc. Schikane; in deutschen Wörtern
JdUeJca Eichkätzchen, lübenT lebendig, vünea wann (wann eher), vielleicht
auch iülölkijgdjix Maske. — Ausnahmen: ein überkurzes ä haben wir
in jyjMn Johann, 2?ä^S0:n Portion, ein überkurzes Y in g\dl:n (g9dl:n)
Gardine.
ß) In der Mitte des Wortes steht ein überkurzes 8, z. B. dryti-
hallf (drytahüUf) drittehalb, kr^Mil Krokodil, pemUli%x (pematUnJ
permittieren (vom Militär entlassen), ebenso in numMax Nachmittag,
H:2>ä{ii)X; Kaveling (mnd. kavelinge).
Assimilation.
§ 9. • Kommt nach Ausfall eines e ein n hinter einen Konsonanten
zu stehn, so assimiliert sich das n demselben, d. h. es bleibt hinter
t, d, 5, J, 8, «, l unverändert, hinter p, ft, /", iw, (v) wird es zu w,
hinter i, </, ät, g zu g. Bei Verschlusslauten wird alsdann der Ver-
schluss nicht gesprengt, sondern während der Verschluss noch fort-
dauert, senkt sich das Gaumensegel (vgl. Sievers § 22,8 S. 160. 161).
— Geht kein Konsonant vorher, dem sich das n assimilieren könnte,
so assimiliert es sich dem Anfangskonsonanten des folgenden Woiles,
also ii) kela (im Keller), atnbltn (anbeissen). Bei schnellem Sprechen
wird sogar m vor k zu ij, z. B. ti^gi = n^:m ik (nehme ich). —
Es versteht sich von selbst, dass in Verbindungen wie mitn besn (mit
dem Besen) nicht unvermittelt von n zu b übergegangen wird, sondern
vor dem b ein m steht, doch fällt nicht dies m, sondern das n ins
Gehör. — Als einzelner Fall ist noch jumfa aus jui^fa anzuführen.
Dass wir vor f auch m sprechen, wurde oben (§ 4,8 b.) schon erwähnt.
§ 10. Medien werden hinter Tenues selbst zu Tenues (natürlich
unaspiriert) ; die davor stehende Tennis ist dann ebenfalls unaspiriert,
vgl. oben § 4,i ; sind beide Konsonanten homorgan, so entsteht eine
lange unaspirierte Tennis.
Ein- nnd Absatz.
§ 11. Der Spiritus Lenis scheint bei uns nicht mehr zu existieren,
da die Wörter in der Regel mit einander verbunden werden. Am
deutlichsten ist die Bindung, wenn das zweite Wort den Hochton
trägt, z. B. gün&mj} (yün&cbmt) guten Abend. Bei der Bindung wird
der Endkonsonant des vorhergehenden Wortes, wenn er aus einer
Lenis entstanden ist, in eine solche zurückverwandelt, z. B. btl:vik =
ltl:f ik bleib' ich, re.'da = reU Ae ritt er.
89
Der Vokalismns.
§ 12. a.
Jetziges a ist gleich früherem
1. kurzem a in geschlossener Silbe.
an an, nian 1. Mann, 2. nur, han kann; Jul soll, tal Zahl; dax
Tag, twax mag, sfora: Schlag ; glas Glas ; af ab, fai/* Spreu ; nat nass,
170^ was, /a^ Fass, dat das; pa^ Pfad, rat Rad, 2/2a^ Blatt, &a^ Bad,
bratn Brodem (Wasserdampf, Atem, Hauch, mnd. bratmen, neben
bradem); jak Sack, pak Pack, dak Dach; Snp Schrank (Schaff), nap
Napf; tarn zahm; va§n waschen, hast Hasel. — fas fest, gas Gast,
las Last, mas Mast, has Hast; flap Maul (mnd. vlabbe), apl Apfel,
/^j?i» Zapfen (Subst. und Verbum), jnpm gaffen, gähnen ; plant PHanze,
lant Land, vant Wand, hant Hand, pant Pfand (dazu hantig vann, pann
Hände, Wände, pfänden); damp Dampf, lamp Lampe; kam Kamm,
lam Lamm, ama Eimer (mnd. amber, ammer); Jnf Saft, kraf Kraft;
ax acht, axta hinter, max Macht, nax Nacht; kallf Kalb, hallf halb;
fhs Flachs, vas Wachs, vasn wachsen, Jas Sachs, hrasn Brachsen,
Brassen (ein Fisch), atl Mistjauche, klatari nass und schmutzig
zugleich (mnd. kladderen, vgl. auch mnd. Jclatte), vatj Molken (mnd.
waddeke), wia<|; Regenwurm (mnd. maddik), kapin zanken (mnd. kabbelen),
Japln etwas in den Mund nehmen, sodass Speichel herausfliesst (mnd.
sabben), tapln langsam gehn.
2. = ar, er vor Fortis.
x) hat hart, swat schwarz, matn Martin, spatin zappeln (mnd.
spailelen), hatl Hartwig; ftaS barsch, iwaä die Marsch.
ß) hat Herz, smatn schmerzen, batl Barthel, kasb^.% Kirsche
fwöi'tlich Kirschbeere), dwas quer (mnd. dwars [mhd. twerhes], dwars,
dwass), gasn Gerste, kasn Christian, kaspl Kirchspiel, basn bersten,
fas First (mnd. varste, verste), tapmtl:n Terpentin, maktennda (Ton
auf der 2. Silbe) Marketender.
3. = ä.
dax Docht (mhd. täht), dax dachte, Jaxtd sachte, (Jax, Jaxs
vielleicht, wohl), jama Jammer (wie im Hd. — Vor wr, wZ, (mn)
scheint wie im Hd. die Kürze beliebt zu sein, z. B. Sommer, sammeln,
zusammen usw., wo urspr. nur ein m stand; vgl. oben ama, unter o
koma^ homa, oma).
A n m. Ueberknrzes 8 s. § 8,a a, ß.
§ 13. ä.
1. ä = ar vor Konsonanten ausser t, s und §.
hida harte (von hat hart); h&k Harke, Rechen, m&k Mark (die
Mark, das Mark); siik stark; wiäfc Markt; fif Farbe, nif Narbe; am
Arm fpauper, bracchium); vim warm; §äp scharf. — Ää hatte (sekun-
däres r aus d). — twäS der Marsch scheint in neuerer Zeit aus dem
Hd. entlehnt zu sein. Wenn Ja.?, die obere Thürschwelle, von frz.
Charge kommt, so steht eben s für inlautende Lenis (vgl. j^ 6).
90
2. i = er (daraus war im Mnd. scliou vielfach ar geworden).
M Kerbe ; stnhm sterben, fixiiihm verderben, vihl Drehriegel (nind.
wervel), h&s Herbst; vin werden ; 7/ä:i; Berg ; sivSik dunkle Wolke, miikj^
merken, /a/rg Ferkel, ISJc Birke, Wc Kirche, v&k Werk, W^erg; sima
Schirmer, Scharmer, v&mm wärmen, bim Bierhefe; v&f Geschäft
(Gewerbe); h&cla Hirt (mnd. herder), hv&da Queder (Kragen, Hosen-
bund); /an necken, zerren, fipin sperren.
§ 14. L
1. ä = altsächs. u oder o in offener Silbe.
a) W^örter, in denen ausschliesslich u vorkommt, sind im As.
sehr selten (vgl. . Behagel u. Gallee, Altsächs. Gramm. § 33, dazu die
Recension von Schlüter, Ndd. Jahrbuch XVH S. 153); hierher gehören
etwa nur die Wörter Jc&:mm kommen, V'd:nn wohnen, fSi-ffl Vogel;
vielleicht auch fkln Fohlen, Füllen, stk:f Feuerkieke (ein kleiner Ofen,
den die Frauen benutzen, um die Füsse darauf zu setzen und zu
wärmen). Diese Feuerkieke scheint jetzt fast ganz aus der Mode
gekommen zu sein, sie kommt in Vossens Idylle ^Der siebzigste
Geburtstag' Vers 56 vor und wird (Ausgewählte Idyllen und Lieder
von J. H. Voss, Leipzig, Reclam S. 120) erklärt: Ein blechernes
Fcuerstübchen für die Füsse. Das W^ort st&.'f, das dem hd. Stube
genau entspriclit, bedeutete früher auch in unserer Gegend "Stube",
vgl. Rist, Das friedejauchzende Deutschland (Deutsche Dichter des
17. Jh., hgg. V. Goedeke und Tittmann. 15 Bd. Dichtungen von
Joh. Rist, Lpzg. 1885, S. 103): Staat dar nicht ecn hupeu Herenhüse,
Amtstaven und der geliken Gebüwe leddig uswV
[i) Beispiele, wo ä = as. o (got. ü) ist: äpm offen, JSipm gesoff'en,
krkpm gekrochen; ä:Aw Ofen, b§i:bm oben, kSi:bni Kofen, alk&:bm
Alkoven, grk:hd grobe (von /yro/' grob) ; klk:f q\\\ grosses (abgespaltenes)
Stück Holz, rk:f Kruste über einer Wunde; kkt Käthe (ein kleines
Haus auf dem Lande), gktn gegossen, //ä^n geflossen; hk:t 1. Bot<?,
2. Dativ von bot Gebot (in der Redensart: zu Gebote stehn), bk:dn
geboten, angeboten; Aä:Ju Strümpfe; Ja/ Sohle, stSUn gestohlen, kU
Kohle; bodrkig^ betrogen, /?ä:(jfij geHogen; /"ä-'-t Vogt; i?ä;mm genommen,
kk'.mm gekommen; hkki] gebrochen, sprkkr^ gesprochen, kn^ci^ Knochen,
kmik Knaack, fcäAij kochen.
Vor r: fölkan verloren, frk^in gefroren, säan geschoren; bkA
Bohrer (mnd. bor), spkan Sporen.
2. ä = ursprüngl. langem ä,
gk:n gehn, stk:n stehn, mk:i\t Mond, mkindax Montag; (7rä:
bald (mnd. drade); rkidn raten, rU rat, gnktt Gnade, dkt die That;
ktn Atem; mkt das Mass, l&tn lassen, ^rkt schräge (mnd. schrät),
strU Strasse; /ci6"Wiä.'n verschmähen; stvka schwer, jka Jahr, Mka khir,
hLi Haar; frkigr^ fragen; tk:x zäh, trkix träge; mUn malen; kibtnt
Abend; blkiln blasen, ä^Aas; Ikp Schaf; ^jpräJk Sprache ; Ä^rä/* Strafe.
— In Fremdwörtern: Jüldkt Soldat, prkt bereit, ikrkt accurat. Dazu
plksta Pliaster, und vielleicht plkts Hafenplatz.
91
3. ä = später, nach Ausfall von A, gedehntem a: stil der Stahl,
slSi:n schlagen, tr&:n Thräne, Suin Aehren.
4. ä = kurzem a in ursprünglich offener Silbe.
ni&ln mahlen', JcU kahl; gr&ibnt graben; lSL:dn laden, ^8,:dn
schaden, ß:dl Sattel; Ää:/*, Aä:6m Hafen (vgl. mhd. diu habe), Äwä;/*
Knabe; d&:x Tage, vEd&x Schmerzen (Wehtage), rlkd&x Reichtum,
v&:gl Nagel, Mk:gr} klagen, ß:gn sägen; &p Affe, ii&rkpm nachäffen,
iripm schaben, kratzen; v&ta Wasser, l&t spät, llU Spross (mnd. lade,
mild, late); ISJci) Tuch, mSJcij machen, rätr) wachen, stSJciQ Stange,
n&Jclt nackt, Ic&kln gackern (mnd. kakelen); h&:n Hahn, mk:mi mahnen,
sw§L:n Schwan, m&:n Mähne, ä:w/ Ente (diese Form ist bei uns
wenig gebräuchlich); S&:mm schämen, üffdähnt unverschämt, /fi/ä.m
zusammen, n&:m Name.
Vor r: f&an fahren, b&a Bär, vLvi währen, dauern, v&an wahren,
hüten, n&an Nahrung, k&a KaVren (mnd. kare), gBvSui gewahr, sp&an
1. Sparren, 2. sparen.
5. ä = kurzem a vor r in geschlossener Silbe.
g&an Garn, Suin Ernte; gSui gar; f&at Fahrt, b&at Bai*t, Skat
Scharte, äat Art, k&at Karte, tsSuU, sSuU zart, miat Marder; ^ilan
Garten, vian pffegen (warten), v&aisfrö Wärterin; mäaScdk Marschalk,
v&aSön warneu; &as Podex, bSuis Barsch (ein Fisch). — Dazu vSuit
Warze und v&at Enterich.
Anm. Es ist häufig schwer zu entscheiden, ob offene oder geschlossene
Silbe zu Grande liegt.
§ 15. e.
1. e = e (got. i) in geschlossener Silbe.
vex Weg; rex recht, slex schlecht, knex Knecht, fcxq fechten;
fd Fell, feit Feld, gelt Geld, gelln gelten. Min schelten, melln melden ;
teil Zelt; helpni helfen; gestan gestern, stvcsta Schwester, ges Hefe
(mhd. jesen, gesen = gären), besn Besen (mnd. bessem, mhd. besme),
vesln wechseln, vesl Wiesel; ern ihm,- Jewp Senf; fö&rekg erschrecken
(in diesem Woi-te sind transitive und intransitive Formen zusammen-
gefallen; es wird auch in der transitiven Bedeutung stark flektiert),
treki) ziehen.
2. e = e (got. ä) in geschlossener Silbe.
hem haben, kemm kämmen, Icma Lämmer, fremtj fretnp fremd,
hentj) 1. Hanf, 2. Hemd; Jei^ sagen, leg legen; strei^q strenge, Znjr)
verlangen, sich sehnen, der^hj denken; blei^kan blinken, er^kl Knöchel
am Fuss; bet Bett, Jetn setzen, pflanzen, netl Nessel, net Netz; gti
Schale, telln zählen, stelln stellen, kdlba Kälber, helftd Hälfte, rf//'Elbe;
brenn brennen, kenn kennen, renn 1. wenden, 2. gewöhnen, enn Ende
mena Männer, lena Länder, fenarl Fähnrich; eks Axt, deki^ decken,
bedecken, JVft Säcke, rekg recken, strekij strecken, ekan Eicheln (auch
die Frucht der Buche; mnd. ackeren); ges Gäste, best» beste; mextl
mächtig; kreßl kräftig, jef Säfte, ^ef sing. Schaft (eines Stiefels).
3. c = urspr. langem ä in JödenJ (Ton auf der L Silbe!) sothan,
so beschaffen (mnd. sodän, sodanich, sodannich), umdenl (Ton auf der
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2. Silbe !) wie beschaffen, wie, auf welche Weise ; jentatl jämmerlich ;
du lets, Ae let du lassest, er lässt. — bodextl bedächtig, gddexnis
Gedächtnis sind vielleicht hochdeutsch.
4. 6 = ci in geschlossener Silbe in einigen Wörtern: enJtU^ entsU
einzeln, rcnll reinlich, rein.
§ 16. 6.
Da das er in geschlossener Silbe zu ar (jetzt ä) geworden ist,
so ist 6 bei uns sehr selten. Es kommt 1. in Fremdwörtern (dazu
rechne ich auch die aus dem Hd. entlehnten), 2. in Wörtern mit
sekundärem r (aus d, dd) vor.
1. fks Vers, p^tl fertig, vUa Wärter u. a. Vielleicht gehört hierher
auch fcfiZ, klk(d)l Kerl, statt dessen man etwa hool erwarten sollte, wie
es auf dem Lande auch wirklich heisst, man vergleiche auch den Eigen-
namen Kecrl; M Herr wurde fiüher auch in unserer Gegend nur mit
einem r geschrieben, also wahrscheinlich A9.1 gesprochen.
2. ßda Feder, /ferfa 1. Leder, 2. die Leiter, Zßrfl ledig, leer, v6da
1. Wetter, 2. wieder, nhi unten (mnd. nedden = hd. nieden, z. B.
in hienieden), m&n mitten, in der Mitte, wiöAiä Tante (mnd. medder,
in der Stadt kaum gebräuchlich; das angehängte § bezeichnet das
Wort noch besonders als Femininum). — In all diesen Wörtern ist
das d kein Verschluss-, sondern ein Reibelaut.
1. ^ = i oder e (got. i) in offener Silbe.
grmm% gegriffen, Tcn^pm gekniffen, Tcn^ Kniffe, dumme Streiche;
Är^-'/zg bekommen, gekriegt, ti^.'^g neun ; k(}h^ geguckt (Part, Perf.
Pass. von i'rt'g), l^ha sicher; Vl^:hn geblieben, h^ihan beben; fr^:t
Friede, gl(}:dn geglitten, b^:dn bitten, swi}:, sm(}:t Schmiede, lif:vSda
Gelenkwasser (Gliedwasser), sn^:t die Schnitte (mnd. snede), &r^:t
Schritte; r^t Riss, spl^ Riss (eig. Spliss, von sptitn spalten), b^tn
gebissen, fösl^tn verschlissen, m^t Nisse, v^tn wissen; sp^n spielen,
1\l viel, l^ln Siele (Pferdegeschirr), st^l Stiel, §9? Scheide, Grenze
{dat S9K es ist ein Unterschied). V(^:x W^ege, J^:^ Segen, l^:gi^
gelegen (Part. Perf. Pass. von Ztgr) liegen); S^p Schiffe, swy^ Peitsche,
sl(^pm schleppen; r^i Woche, br^h^ brechen, st^ii^ stechen, stecken,
p^Un pökeln; h^:bm Himmel, g^:bn% geben, gegeben, 9:6m eben;
b(f:dn gebeten; m^tn messen, ^tn essen, gegessen, l^tn gesessen; b^ka
Becher, st^n stehlen, g^l gelb; /9;J« lesen, v^:n = v^:Jn sein, gewesen;
V^.'tnfn nehmen, $tr^:ml Streifen; Jcn^*/ Krebs (als Krankheit).
Vor r: fr ihr (Dat. sg. fem.) b^ Binie, snii^an schmieren, h^a
her, Sf.i« scheren, entb^an entbehren (vielleicht hd.).
2. 9 = Umlaut von urspr. kurzem a in offener Silbe.
b^ta besser, If^fl Kessel, m^tn Mädchen; l^: legte, J^: sagte, st^:
Stätte, st^ta Städte (pl. v. stat); di^k Decke, b^k Bach; l^pl Löffel,
^^pl Scheffel; ^.JZ Esel, n^:s Nase; h^:n Henne, t^:n Zahn, Zähne;
m-'gl Nagel (am Finger oder Fuss); h^:f Habicht.
Vor r: b^ Beere, m^n nähren, fötf^an verzehren, p^ Pferd,
f^a Fähre, aß^n abtrennen (durch eine dünne Wand).
n
§ 18. 6.
1. e = got. ai,
en ein, fcSn Bein, sten Stein; Jei 1. Seele, 2. Bügel am Eimer
feig. Seil), del Teil, ÄeZ heil, ganz; sne Schnee, re Reh, twe zwei
(hierüber vgl. Ndd. Jahrbuch XVI, S. 95), re weh; let leid, bret breit;
§e.-dn scheiden, Se;< Scheide (des Säbels), spr^:d^k Spreitdecke, Bett-
spreite, ^elvlita Salpetersäure, Scheidewasser; blök bleich, vek weich,
spBk Speiche, teJci^ Zeichen; dex Teig, stQ.'x stieg (Prät. von stl:gi}
steigen), ^:gi} eigen; ^eä Fleisch, Äe§ heiser; J^ Seife, rep Tau;
henäl heimlich, le:m Leim; im:nn meinen, 7e:wn leihen. — Vor r:
6a Ehre, mSa mehr, jöa sehr, ejs erst, cfo e.i5fa der Erste, fein lehren,
lernen, hean wenden, kehren.
2. e = got. tu.
getn giessen, fl6tn fiiessen, Se^n schiessen, födretn verdriessen;
let Lied, bS:dn bieten, ne:dn nieten; Uf lieb, c?e/'Dieb, 5<e/Ä:t«^ Stief-
kind, ief schief; r6:in Riemen; fle:x Fliege; dep tief; de:nn dienen;
Je sie; te:n ziehen, fe Vieh; ob ne-, f?e^ neu hierher gehört, ist zweifel-
haft, da es in andern holsteinischen und allen schleswigschen Mund-
arten nl heisst (vgl. unten Nr. 7) ; über dre drei s. Ndd. Jahrbuch XVI,
S. 95. — fe.% vier, deat Tier, Untier, dean Dinie, bea Bier.
3. e = e (ahd. ia) in Fremdwörtern : spe:gl Spiegel, te.gl Ziegel,
br^f Brief, presta Priester; fB:ba Fieber.
4. e = ursprüngl. langem e (im Prät. der reduplizierenden Verben) :
löt Hess, Äe^ hiess; slep schlief, Zep lief, rep rief. — Dazu me:dn mieten.
5. e = Umlaut von urspr. langem ä.
b9ktce:m bequem, $)e:x nahe, (n6:ga näher), ke:s Käse, gr6:f
Greve (vgl. auch Deichgreve), be.w sich (ver)stellen (eig. sich gebärden),
le:x schwach (eig. niedrig; auch von schlechtem Aussehen, namentlich
des Gesichts), //e:dl schwach (eig. zierlich). — ^e-Ygab, et ass; ne:m
nahm, ie;m kam; ve.% war usw. Im Plur. des Prät. dieser Verben
steht schon im Mnd. e neben ä (vgl. Ndd. Jahrb. XVI, S. 94 ; Lübben,
Mnd. Gramm. § 53.
6. e vor r = e.
gean gern, dwea 1. quer, 2. Handmühle (got. qaimus), m Erde,
eans Ernst, stQan Stern, fean fern, steat Schwanz (Sterz), hdat Herd,
stcaat Schwert, veat 1, wert (Adj. und Subst.), 2. Wirt, ttv^an Zwirn.
— Warum in diesen Wörtern ein anderer Vokal steht als in den
§ 17,1 am Ende aufgeführten, veimag ich nicht zu sagen.
7. e = urspr. langem T am Ende des Wortes oder Stammes.
/re frei, We Kleie (des Korns), de Subst. das Gedeihen, We Blei ;
/re:« freien, r^:n reihen (vorläufig nähen), Je:n seihen, snB:n schneien,
/Ir äfktisten schwere Arbeit verrichten (eig. sich abkasteien) ; bjdrügare
Betrügerei, Betrug, te.'glle Ziegelei.
8. e am Ende einsilbiger Wörter: Äe er, de der.
9. e vor urspr. h (hwV): je:n sehen, gj^e.'fi geschehen; diese
Wörter weichen auch in der Konjugation des Präs. von den übrigen
zu derselben Klasse gehörigen Verben ab. /c Vieh s. unter Nr. 2.
10. e in hd. (?) Wörtern: dej^n\g9 (Hauptton auf der ersten,
Neben ton auf der zweiten Silbe!) derjenige, ge:ffi^ gegen (die nur auf
dem Lande vorkommende Form ^e;^g liat denselben Laut).
§ 19. i.
1. i = urspr. kurzem t in gesehlossener Silbe.
vil will (and. willeo, wili), stil still, spil Spiel, spiün verscbiitten.
^iU Schild, milt l. mild, 2. Milz, JUlba Silber, ilk Iltis; timpm Zipfel,
imm Imme, Biene, stimm Stimme, nimt nimmt; tinn Zinn, Uivt blind,
bhm 1. binden (2. drinnen), finn linden, fivtn Finten, Ausflüchte, klij)i)
klingen, rffrjg handeln, abdingen, dii}stax Dienstag, fiqa Finger, krhß
Bretzel, rfirjfc Ding; /iijr) liegen; §/p Schiff, rip Rippe, krip Krippe:
mit mit, smit Schmied, lit Glied; du dies, it isst, föffit vergisst, Ma
bitter, splita Splitter; likq lecken, snik Schnecke (mnd. snigge), sfprikt
spricht, ik ich, dik dick; Ji/ii sitzen, bitn bitten; g^fjix Gesicht, dix
dicht, nahe; (fif Gift, (ntgifm Abgaben, Steuern), gift giebt; rf/S Tisch,
twi^n zwischen; mis 1. Mist, 2. nass (in dem tautologischen Kompositum
mis}iat mit dem Hauptton auf der ersten Silbe), kis Kiste, garis gewiss.
2. t = urspr. langem t in der 2. und 3. Sg. Präs. der Verba der
«-Klasse : Wi/is, blift bleibst, bleibt, drifs, drift treibst, treibt ; rü reitet,
snit schneidet; krixt kriegt, erhält, stixi steigt; gript greift, knipt kneift;
bit beisst, rit reisst usw. — Dazu lix leicht, fÖlix vielleicht. — In
allen Fällen ist urspr. Doppelkonsonanz vorhanden, wahrscheinlich
auch in vit weiss.
3. i = urspr. kurzem e in geschlossener Silbe, namentlich vor «
und Ä-. (In diesen Fällen kommt schon im Mnd. teilweise i neben e vor.)
♦wiwä Mensch, finsta Fenster, hii}S Hengst, rnjÄ*r| winken, äiijW
Henckel; blik Blech (mnd. .bleck, blick), fdik Gartenbeet (mnd. blek.
blik), lika der Lecker, Laffe, pik Pech, prikln prickeln (mnd. prekelen,
daneben : pricken ; Subst. prekelinge, daneben : prickelingc, Korrespon-
denzblatt XIII 37), kiklrem (Ton auf der 1. Silbe) Zungenband, sfik^
Zündholz, Stricknadel; kitin kitzeln; tillgij Zweig.
4. i ist entstanden aus langem e (=: got. al, in) und meistens
schon im Mnd. vorhanden.
hit heiss (Mt wird auch noch gebraucht, aber seltener), ins
einmal (in der Stadt wenig gebräuchlich), (tvinll zwanzig (as. twentig),
hill heilig (mnd. hillich, in der Stadt wenig gebräuchlich; (da hill'ji^
Allerheiligen in der alten Bauernregel ida hillgi} jit dj vivta opm ^?7/f/ij).
hinakf hiuts^ Äi«S Heinrich, Heinz; lieh das Licht (mnd. lecht. licht,
as. Höht).
§ 20. T.
1. T =: urspr. langem t.
vT/* Weib, Zl/* Leib, Ivf Leibe (Dat. Sg. von ttß; rt:m Leim,
dl:mm Diemen, Heudiemen, vl:m Wiem, Hühnerwicm, hisu'J:mm in
Ohmnacht fallen; pJl pfeilgerade, wiT/ Meile; ;)T;n Pein, Schmerz, rl.-w
Wein, Jl;» sein (esse, suus), äl.wi Schein, fl:n schwächlich (fein); i1:
Ebbe oder Flut (Tide), föstr\:n^ f<jstr\:dn rittlings (nach der Männer
Weise), r\:di\ reiten; r\in reissen, smltn schmeissen, kwV kwitt. ftV
Pleiss, ^t 1. seicht, 2. die Seite, 3. seit; dlk 1. Deich, 2. Teich, tth
j^erade, ghk gleich, spiLi Speiclier; plp Pfeife, shpm 1. schleifen,
2. schlüpfen, grlpm greifen; drls dreist, dlsl Deichsel, föhlstan irre
machen, verwirren, TctlHta Kleister, r\s Reis, T.9 Eis; kr\:x Krieg, fl:x
Foij^e (ficiis), h\x Beichte; via Metalldraht, fla Feier, sp\.i etwa Härchen,
m\ar^m Ameise (tautologisches Kompositum), 1i\a hier; -Zir, ä/v/j/Tx,
sreWl schrecklich, glykll glücklich; danach auch die Wörter auf -«//,
z. B. mcxtl mächtig, sehr, ÄMijarT hungrig; fofl\ fünfzig. (Vgl. Ndd.
Jahrbuch XVI, S. 1)8. 99.) Nach Analogie lA hellfj^ d^:x bei hell-
lichtem Tage.
Anm. 1. In den Verben auf (mlid.) -ieren wechselt I nnd e; in der
Stadt, znmal bei der jüngeren Generation, scheint dnrch Einflnss des Hd. i das
^wohnliche zu sein: i^ogian regieren, hantlan hantieren, halhun barbieren usw.
Ann). 2. Durch Ersatzdehunng ist i schon im Altsächsischen entstanden
in dem Worte ß:f fünf (got. fimf).
2. I = ursprüngl. kurzem i am Ende der WtJrter.
fcl bei; t;T wir, j\ ihr, wl mir, mich, rfl dir dich; n\ nicht,
(dagegen wl; nie, mnd. ni).
§ 21. (h
1. 0 = ursprüngl. kurzem o in geschlossener Silbe.
holi Holz, hölln hfilzern, holin Bolzen, hol hohl, fiitholln aushöhlen,
folk Volk, fdlgi} folgen, oVmJ morsch, holpm geholfen; got Gott, hat
Angebot; slot Schloss (an der Thür); fos Fuchs, os Ochs; kok Koch,
stok Stock, rok Rock, troki^ gezogen, fö^rokq erschrocken, erschreckt;
daxla Tochter, tox Zug, ox ach; hof Hof, grof grob, lof Lob, fttof
Staub; fros Frost, bosn Busen (mnd. bösem, bosme, bossen, as. bosom);
AowT Honig (mnd. honnich); krop Kropf, Aop Kopf, dop kleines Kind,
top Spitze; dona Donner (mnd. doner, donner, donder), jonia Sommer
(auf dem Lande sagt man j'ima ; mnd. sommer, somer, samer). Danach
vielleicht homa Hammer, korna Kammer, stoman stottern (stammeln;
nnid. stameren), onia Eimer, vielleicht ist aber das o nachträglich aus
ä verkürzt, wie man denn in Hamburg hkma, kkma spricht.
2. 0 = ör vor Fortis: jotl Vorteil, otl L^rteil, kot kurz; o)d\
ordentlich; hos Horst (Ortsname), hosn geborsten, hos Brust, ^ost^n
Schornstein; mulvop Maulwurf.
3. 0 = a vor It (1k): JoU Salz, smoU Schmalz, moU Malz; hols
hältst, holt hält, hol hielt; swolk Schwalbe (Deminutivum). — Ausserdem
rot Ratte (schon mnd. rotte neben rat).
4. 0 = fi in Itrox brachte (vgl. Ndd. Jahrbuch XVI, S. 92,9ß : dazu
die Bemerkung auf S. 93), i?o nach.
.5. 0 = ö in kofs, koftf kof kaufst, kauft, gekauft, kaufte; Jar.<f,
Jö.r/, Joz suchst, sucht, gesucht, suchte; lot Iliiss; jedenfalls auch in
fofty fünfte, foftnin fünfzehn, foflT fünfzig (fof fünf findet sich in andern
Mundarten). Ueber hosn siehe oben Nr. 1.
6. 0 =: ursprüngl. kurzem u in den Präteritis holpm halfen, froki^
zogen, fo&roki} erschraken, erschreckten. — Dazu op auf.
M
§ 22. 8.
1. 0 = ursprüngl. or (ur): jox Sorge, stox Storcli, ßx Purcht,
hox Burg ; ßk Forke, bok Rinde, snoky schnarchen ; b&gi) borgen, fnogt)
Morgen; gö/* Schorf; 8Ö5 Georg, bos Bursch, Lehrling; vom Wurm: toi
Streich, Schelmenstück (frz. tort); von geworden, stofßin gestorben,
föclobm verdorben. — Dazu ion Boden (sekundäres r aus d; dann
und wann hört man auch noch bom).
2. ö ^ ursprüngl. ar: kSl^ l^(d)l Karl, ^ohT gar nicht, örfl sehr
(eig. artig), kht Karte, onJidt Arnold. — Wahrscheinlich ist in all
diesen Wörtern zunächst Dehnung des a zu ä eingetreten, welches
dann wieder zu ö verkürzt wurde, wie denn die Formen ghxi gar, kSu^U
Karte, kMl Karl noch bei uns vorkommen (vgl. § 14,6).
S 23. ö,
1. ö = Umlaut von o.
OL) blök Blöcke, siöka Stöcke, rök Röcke; döxtan Töcht<*r; fös
Füchse, kös Festlichkeit, Hochzeit, köstl köstlich, kösta Küster; kop
Köpfe, dop kleine Kinder, oß.-hakröp^ affektiert in der Sprache; holta
Hölzer, mÖla Müller; Mtl Schüssel; t*T jölt wir sollen, Jolln sollen,
rölhi wollen, döxt taugt, v\ könt wir können.
ß) kötns kürzlich, köta kürzer, kös Rinde, Kinste, ßdän weiter
bis zu Ende (mnd, fordan), dö^n dreschen, dö^ Dorsch, fö- vor, ver-.
Y) öl^ 1. das Alter, 2. älter, öl^vi 1. altern, 2. Eltern.
h) alöpt schläft {dröpt trifft).
e) bdmöt begegnet, höt heizt, röpt mft, ^öxt sucht; stöi stösst.
Jöpt läuft, döft tauft, getauft; grötn grösser, (jrötsU grössto, grötj Grösse.
^) öpO'Std oberste, der Vorgesetzte.
2. 0 = älterem e (schon im Mnd. teilweise o, geschrieben o),
OL) vor l: cilltm elf, twöllf zwölf, jöUlmi^ Jölps selbst; smoltn
schmelzen, vÖltan wälzen; Jörti) schreien; hölp Hülfe; liölln bellen, hol
Hölle, Aö/Ts tüchtig, sehr. — Nach l: löän löschen.
fi) in andern Fällen: Jos sechs; frömt, frömp fremd; sicömm
schwimmen; rönn rennen; löt bis. — vrötitp Wermut (mnd. wermode,
wormodc, wormede); fötl Viertel (mnd. verdd),
S 24. 0.
\. 0 =z Umlaut von or {ur): Ijoga Bürger; dop Dorf; (o/* Torf, kof
Körbe, dghm dürfen, vi doft wir dürfen (danach : ik dgf ich darf) ; dos
Durst, fgs Fürst, Im 1. Borste, 2. Bürste; fgdan fordern; stgtn stürzen,
dgtain dreizehn, dgtl dreissig (mnd. dortich); hgtm tränken, Itgn die
Tränke; dgx durch.
2. g = ir in hd. Wörtern: Sgm Schirm, kgx Kirche, A^§ Kirsche,
Äp§ Hirsch, vgt^af Wirtschaft usw.
3. In einzelnen Beispielen: mggi^ mögen, «I mgxt wir mögen; fngn
müssen, ?'T mgt wir müssen. Man sollte nn/':gy, mnin erwarten.
^1
§ 25. ö.
1. Ö ■= got. as. 0, mhd. uo.
stöl Stuhl, pöl Pfütze (Pfuhl), spül Spule, So/ Schule; Äö^ Hut,
wöt Mut, flöt Flut, göt gut, Wö< Blut; wöc/^i Mutter, brüda Bruder,
/ijnyin sputen, röa Ruder; bök Buch, dök Tuch, klök klug; fcö:/* Bove
(Eigenname), spitshöf Spitzbube, ÄöTfn Hufeisen; gonox genug, fo:x
Fuge, slö:x schlug (dazu frö:x fragte); hösn Husten; Wo/m Blume;
dö:n thun; mO^ Moor; ä;ö Kuh, tö zu.
2. 0 = got. aw, mhd. om, 6.
bo:m Baum, p5:m Saum, stö:m Staub, drö:fn Traum, rö:m Rahm,
Sahne; köpm kaufen, löpm laufen, knöp Knopf (Knauf), tuhöpm zu-
sammen (zuhauf); glö:bm glauben, rö:bm rauben; stro Stroh, flö der
Floh; brQt Brot, döt 1. tot, 2. der Tod, röt rot; gröt gross, göi goss,
l)ö:t bot (Prät. von be-dn bieten), äö^ schoss (Prät. von üetn schiessen);
rök Rauch, ök auch; ö:x Auge, flö:x flog, höx hoch; Zö;n Lohn,
§ö:wii schonen, tömbaqk Ladentisch (hoUänd.?); lös los, ö^n Osten,
ösfdn Ostern; löf Laub; wm Mohr, ö.'* Ohr, röa Rohr, Jöä trocken;
/*rö Frau (mnd. vrouwe), dröin drohen (mnd. drouwen).
3. ö = ä in den Prät. stöln stahlen, vöigiQ wogen, brökq brachen,
sprök^ sprachen.
4. ö = urspr. kurzem o (u) vor r:
d^ das Thor, spö(i Spur, oci^kk Ursache; dmn Dorn, köan Korn,
/öi« Turm, höiin 1. Hörn, 2. hörnern, gjböan geboren; vö^n Norden;
mödt Mord, vö(it Wort, (>2i Ort, Ahle, hö:it Brett (Bord), föats sofort,
jnkU Pforte.
5. 0 = a vor Id: ölt alt, äöZ/ kalt, foln Falten, höln halten.
G. ö = an vor s: gös Gans, östxiU Oswald.
7. ö = ursprüngl. langem ü am Ende eines Wortes oder Stammes.
trö treu, tröiu trauen, bö:n bauen, bröiu brauen, vSui&ön warnen,
§ü scheu, gröin grauen. Wo:» Knäuel. Die meisten dieser Wörter
haben schon im Mnd. neben -uw auch -ow.
8. Am Ende einsilbiger Wörter: Jö so, dö dann, da, vö wo
(vielleicht hd. ; anderswo sagt man vä^i wo? wie dSu^ dort), ^ö: ja (als
Verstärkung, namentlich einer Negation).
§ 26. Ö.
1. 8 = Umlaut von got. 6 (mhd. üe),
stdl Stühle; hb\t Hüte, gdmU Gemüt, Wö:rfl blutig; A:ö Kühe;
//iÖ:(7a Brüder; iöfci Bücher, dbka^ rfÖÄ; Tücher; /ö^«Ö:a?^ vergnügt; A:ö:/T
kühl; JÖÄ;r) suchen, töA: Buche, b&tn heizen, ind mbt entgegen; m^'.t
müde, ß\da> Fuder, misfn&:dl missmutig, öZ/mÖ:rfl sanft, sachte; b\ba
Ufer, grb:f Grube, badrb'.ft betrübt; m&x Mühe; Wö:m blühen, gr&in
grün; fd^n fuhren.
2. 5- = Umlaut von got. au (mhd. öm, ö?).
b^im Bäume, ß:mm säumen, drö.m Träume, afröim den Rahm
abnehmen; k&pa Käufer, löpa Läufer, knlSp Knöpfe; glb:bm glauben;
//Ö Flöhe; irö:^ Brote; r^kan räuchern, öW»?äw Beiname (meistens =
Schimpfname); hMd Höhe; c?a:r/ö«Ä Tagelöhner, äö:w schön; /Ö:Jw lösen,
Nitderdeatoohas Jahrbuch XVUI. 7
98
bstl östlich; stbtn stossen; döpm taufen, röp die Raufe, afstripm ab-
streifen; /oiö/' Erlaubnis, Verlaub; dr&:x trocken, 6Ö:^ biegen, beugen;
smbkg schmauchen, rauchen; Jd6:bm spalten, stbibm stäuben, stöibl
staubig. — Vielleicht gehört hierher auch 16: f Löwe (= mnd. lauwe),
wenn es nicht aus dem Hd. entlehnt ist.
3. ö = ursprüngl. kurzem o (u) vor r.
vÖÄ, xfioda Wörter, bMci Oerter, iö^rfl gebürtig, Viada Bretter;
pS^dna Pförtner; spÖAW spüren; Aö^n Homer, föt&cin erzürnen; b&as
Börse (als Versammlungsort).
4. ö = an: g6:s Gänse; vielleicht auch in dat sinb:t es schmeidigt.
§ 27. w.
1. M = ursprüngl. kurzem u in geschlossener Silbe.
um um, dum dumm, brumm brummen, kumm Kumme (irdene oder
porzellanene Schüssel), pump Pumpe, stump stumpf (nicht scharf),
mumln murmeln, Jumpeta (Ton auf dem e!) Sankt Peter = 22. Februar;
munt Mund, vunt wund, hunt Hund, Junn Sonne, tunn Tonne; Juj^k
jung, struT}k Strunk, tui^i} Zunge; gadult Geduld, iula Schulter, bulan
donnern (mnd. bulderen); but stumpf (nicht spitz), nut Nuss (mnd.
nut neben not), put Topf (mnd. put neben pot), mut Schlamm (mnd.
mudde); stupm Baumstumpf (mnd. stubbe); vulf Wolf, vul Wolle,
vulln wollen (aus Wolle), mtd Staub, ful voll; uns uns, kuns Kunst;
lus Lust; luf Luft.
2. ti = urspr. kurzem o in geschlossener Silbe : pul Schopf, Haar-
büschel (mnd. pol), svuta Nasenschleim (mnd. snotte), vul wohl; Jul
sollte, mux mochte, kun konnte, vul wollte; fupm foppen, vus Wurst,
vutl Wurzel (mnd. wortele). — In Fremdwörtern: Juldijt Soldat, vux
Woche, sluspiats Schlossplatz.
3. u verkürzt aus ursprüngl. langem ü oder 6 (teilweise schon im
Mnd.): krupt kriecht, Jupt säuft, snuft schnaubt, iuft schiebt, slut
schliesst, juxt saugt; mut muss, mus musste, vus wuchs, vu& wusch
(danach vusn gewachsen, vusn gewaschen), nux^ gdnux genug, vu wie,
gundäx guten Tag, juxi^ Joachim, Jochen.
4. ti im Prät. und Part. Perf. Pass. einiger urspr. reduplizierender
Verben: ful, fulln fiel, gefallen, /wg, /wgg fing, gefangen, Ai*g, Awijg
hing, geliangen (auch hängte, gehängt), guij ging. — Die Formen mit
u im Prät. finden sich schon im Mnd.
5. tt r= ursprüngl. kurzem a: fun von (vielleicht unter Einfluss
des Hd. ; auf dem Lande sagt man allgemein fan). Die (in der Stadt
selten vorkommende) Endung -äwp -schaft, z. B. Je/Sifp Gesellschaft,
zeigt schon im Mnd. o (as. -scap, -skepi).
6. u nachträglich verkürzt aus ä: unt, untj Ente, muqk Mahncke,
jtikop Jakob, vümädax Nachmittag, brumlb^an Brombeeren (schon mnd,
brummelbere).
Aum. lieber das überkurze ü vergl. § 2,5.
§ 28. y.
1. y = Umlaut von kurzem u in geschlossener Silbe.
dyma dümmer, jyi^ jünger, stryi}k Strünke, pyt Töpfe, vyüf Wölfe,
hffis Künste, mit lysn verlangend (eig. mit Lüsten, mit Verlangen),
lyfm lüften (ein Zimmer). — btß Büsche; byk Böcke, plyk Pflöcke,
plyki} pflücken, dryki} drücken, myk Mücke, fn/ks Beinkleid ; bryx Brücke,
ryx der Rücken, oplyxn (Ton auf der 1 . Silbe) aufheben, lichten (mnd.
luchten), dyastJ tüchtig; bys Büchse, vys Würste, kysn 1. küssen,
2. Kissen, nystan nüstern; kyman kümmern, hympl Haufe (mnd. humpel);
fynn Sünde, dyn dünn, gynn gönnen, kynl kundig, bekannt, änSynn
anstiften, verleiten ; slyi}! Schlingel ; tyfl Pantoffel, Stoffel, dyfa Täuber
(mnd. duffer); drypi Tropfen, knypl Knüppel, Knittel, sfiypln straucheln
(mnd. snubbelen), kryp Krippe (selten, gewöhnlich krip) ; gryt Grütze, pyi
Pfütze, lyt klein, spryt Spritze ; kyl Kälte (mnd. kulde, kuldene neben kolde).
2. y verkürzt aus langem ü (got. iu): gyt giesst, flyt fliesst, byt
bietet, flyoti fliegt, fryst friert, fölyst verliert usw., frynt Freund.
Hierher gehört vielleicht auch drytd dritte.
3. y nachträglich verkürzt aus (b: hyi^ki) Hahn am Fass (eig.
Hähnchen), fymtain, fymil siebzehn, siebzig.
4. y z= e oder i: gystan gestern, op gynt s\t jenseits (auf jener
Seite; he het do byks op gynt Sit st^:hln er hat die Hosen in die
Stiefel gesteckt) ; krympm krimpen, krempen ; dazu Jysta Schwester (selten).
5. 2/ = eo, io: yma immer (mnd. ummer), nyms niemand (mnd.
numment).
G. y =. Umlaut von ü oder 6: tymln taumeln (schon im Mnd.
tummelen neben tumelen), %/? Schaufel (mnd. schuffeie neben schüfele),
Ji//m seufzen (ahd. süfteon, süfton); rys Rost (eisernes Gitterwerk,
mnd. röste.)
§ 29. ce.
1. ö? ist Umlaut von ursprüngl. kurzem u in offener Silbe.
Ja?:« Sohn, h(ß:n der oberste Boden im Hause (eig. Bühne),
driBifin dröhnen; a:W übel, ceiba über; mod Mühle, poel Pfiihl; koeim
Kümmel (cuminum); kroepl Krüppel; vost Nüsse, slostl Schlüssel, koetl
Kot; ta?:pT) die Lügen, Jlr h(»:gi} sich freuen, hop.x Freude, dcß:gj^
taugen, mop:gi^ mögen, ündcß:x schlechte Streiche (eig. Untugenden),
Jtf.-x Sau, fcpigl Zügel, tce:gln zögern; &/ö?ä: Schlund, ;VE^r) jucken, boßhin
klopfen; snoß:bni Schnupfen; rfccjl dumm (wird auch gebraucht von
allem, was man nicht genauer definieren kann), doß:skop Dummkopf.
— f(E.i vor, vorne (as. furi, mit fora vermischt), fceash vorderste,
d(ra 1. Thür, 2. durch, nura mürbe, heran aufheben, baut Bahre, st(r:i
Stör (1. Sturia, ein Fluss, 2. Sturio, ein Fisch).
2. cß ist Umlaut von ursprüngl. kurzem o in offener Silbe.
h(r:f Höfe, groß: bei gröber (Comp, zu grof), hm: hast j oberste,
l(B:1/m loben, J(B:bm sieben (mnd. soven neben seven); Aroj^wa Käthner,
Kossäte, goßt Ausguss, skB:t Schlösser (an der Thür); krcet kleiner Kerl
(eig. Kröte), kroßtl zornig, leicht zum Zorn geneigt; (cß:x (Plur. von
iox) dumme Streiche, foß:x Vögte, ti'or:x Tröge (Plur. von trox); roo:gi^
Rogen (Fischeier) ; (»pm öffnen ; kncßkan knöchern, kmk Küche, korM Köchin.
Anm. Bei manchen Wörtern ist es zweifelhaft, ob der Vokal rr auf altes
u oder o zurückgeht, 1. weil man nicht überall die altsächsischen Fonnen hat
7*
100
tind 2. weil schon im As., vielmehr noch aher im Mnd. der Vokal vieler Wörter
schwankt. (Dies gilt auch von andern Vokalen.) Es scheint, dass wir in
onomatopöischen Wörtern den Vokal (b hevorzugen, z. B. rcetan rasseln, klcet^m
klappern, sncetan schnattern, pkeUin plappern; grcßln schreien. — In iürm:bl
Frevel, toroßsblll frevelhaft (mnd. wrevel, vrevel) scheint die Nachbarschaft des
w den Stammvokal beeinflasst zu haben; ob auch in Jm.'brn (sieben) das u der
letzten Silbe (got. sibnn) auf den Stammvokal eingewirkt habe, erscheint mir
zweifelhaft. — Ganz zweifelhaft ist die Etymologie von gor.i kleines Kind, br(r.:Sl
knrze Pfeife, stoatbrcß:Jlli von schmutziger Gesichtsfarbe.
3. 0? ist Umlaut von ursprüngl. langem d (sehr selten).
oß:s, oßsta Plur. von &s Aas (als Schimpfwort), pcßl Pfähle, n(r:t
Nähte (Plur. von nSit Naht).
4. oß ist Umlaut von ursprüngl. kurzem a.
r(B:t Räder, hkjr:t Blätter, foß:t Fässer; gl(ß:s Gläser, glcp§ß Glaser;
srt^/.'ft schal; vielleicht auch in klccUirl schlecht (vgl. klatcirl).
§ 30. Q.
1. ü = ursprüngl. langem ü.
sWciQ sclilucken, ftrüfaj brauchen, gebrauchen, krnk Kruke, Krug,
luk Fensterladen, Deckel über einer Keller- oder Bodenöffnung, rfüA*ij
tauchen ; kr^pm kriechen, ^Vipm saufen, hvLpm Haufe, glvLpm mit grossen
Augen von unten auf oder von der Seite sehen, glüptox ein 'Zug', den
man unbemerkt thut; snuihm schnauben, ^rnibni schrauben, §ü://m
schieben; f(il fiiul, schmutzig, büln Masc. Beule (Sg.), swvLl schwül,
hüln heulen, Hl Eule (auch Handfeger), mü/ Maul, üüln verstohlen
blicken, schielen, ^nllopm die Schule schwänzen (eig. wohl "sich ver-
stecken"; das Wort §ü:rt geschützt vor dem Winde, welches in andern
Gegenden Holsteins und in Schleswig vorkommt, ist bei uns nicht
gebräuchlich), knl Grube, Grab; h\xs Haus, mns Maus, Ju :Jn sausen,
rfü:Jw^ tausend, ktms Auswuchs, Knorr, füs Faust, püsn pusten, blasen,
prüsn niesen; du:/* Taube, t\X:n Zaun, dü:n 1. trunken, 2. Dune (Daune),
hr\l:n braun; dn:m Daumen, rüim Raum, Schiffsraum, kn:m kaum;
ü^ aus, öntn draussen, ärüfav schaudern, klnt Erdscholle, stntn Semmel,
Weissbrot, äüt eine Art Schiff (Treckschuit) ; l^t laut, brvit Braut, hnt
Haut, krüt Kraut; /ü^rij juch schreien (jauchzen), rü^ rauh; iü^ Bauer,
mm Mauer, dnan dauern (1. Mitleid erregen, 2. währen), jü^ sauer,
§ü*^ 1. Schauer (Regenschauer), 2. überdachter Raum (Scheuer), l\un
lauern, warten, nütüa^ Natur, kn^ Kur, pm pur, rein, tn^i Tour. —
trnf Trumpf, stuf stumpf.
2. ü am Ende einsilbiger Wörter: e/ü du, wü nun, jetzt; jn euch.
§•31. y.
1. y = altem langem ü (entstanden aus im).
dyibl Teufel, rfy/§ deutsch, ly:t Leute, liyt heute, nyttl niedlich, tyr
Zeug, §y:w Scheune, dystd düster, dunkel, dya teuer, s^y^i Steuer, /y^i Feuer.
2. y ist Umlaut von altem langem ü.
rfyÄxin untertauchen, Aypl häuüg, hy:p^ Äy: 5 Häuser, my: 5 Mäuse,
knyis Plur. von knüs, fys Fäuste, pyst'i Löschhorn, tyinn zäunen,
Schwatzen, dy:7nl Däumling (Ueberzug über einen verletzten Finger),
ry:mll geräumig, ytas äusserst, klytn Kloss, Mehlkloss, ly:dn läuten,
101
6ry:dl^aw Bräutigam, Äy/ Häute, Äry: (7a Kräuter, Jy.tö säuerlicli, fAtJaH
natürlich; Xy:wiJ^rt saumselig, ntlysti^n ausklügeln, ausprobieren (eig.
aushorchen), hya Miete, dyijlll schwindlig, ;y> schleclites Getränk
Mauche); fjan führen, aus Fichtenholz. — tryif Trümpfe, tryibm
Trumpf ausspielen.
3. einzeln in fyini zornig, wahrscheinlich = veninsch (giftig).
^ § 32. ai.
1. ai = ursprüngl. äj (äw):
draiin drehen, kraiin krähen, krai: Krähe, Rabe, maiin mähen,
nai:n nähen, Jai:w säen, vaiin wehen;- Ä/a/rn kratzen. — klaiin die
Kleierde ausgraben.
2. ai = ag, eg^ eh,
aiin Grannen an der Aehre ; ai: Ei (ovum) ; aiS hässlich (schrecklich) ;
Jail Segel, ^ailn segeln, pailn peilen; taiin zehn. Ueber diese Wörter
vgl. Ndd. Jahrbuch XVII, S. 136 — 140, wo auch über gail geil und
rai^kj 'Reinke gesprochen wird. haista> Elster. — twaii^ intwai: entzwei;
ai:n streicheln (wobei man ai: sagt).
3. ai in den Verbalformen shxiis^ slaiit schlägst, schlägt, staiis^ staiit
stehst, steht, gaiis^ gaiit gehst, geht, dai:s^ dai:t thust, thut. Hier-
über vergl. ebenfalls Ndd. Jahrbuch XVII, S. 136 ff.
Ausserdem findet sich der Diphthong ai noch in vielen andern
Wörtern, in denen auch schon im Mnd. ei auftritt. Manche davon
sind offenbar hochdeutsch.
§ 33. au,
au = au (ahd. äw), ow, ouw.
blau: blau, grau: grau, gau: schnell, gsnau:^ nau: genau, knapp
(mit ftatia r?0^), batiauit beengt, flau: flau, mau: Aermel, hau:n hauen,
kau:n kauen, drau:n drohen (selten), tödraun (Ton auf der 1. Silbe)
zögern, mit der Ausiührung seines Vorhabens; glau: schlau (nur vom
Gesichtsausdruck), dau: der Tau, tau: das Tau, klau: Klaue, födau:n
verdauen, staicn stauen. — Ä:wati/ Knäuel, krnuln kribbeln, kitzeln. —
rau:n ruhen (selten), bau:n bauen (selten).
§ 34. oi,
1. ot ist Umlaut von au (ow^ aw),
froi:n freuen, froi:t Freude, stroi:n streuen, hoi: Heu, wohl auch
in sloif Schleife.
2. oi = mnd. oi: floitn flöten, sloici Schleier.
3. 0% entstanden aus palatalisiertem o: moii] (guten) Morgen (nur
als Begrüssungsformel) ; poitn Pfoten, hk:mpoitn Hagebutten. — In den
beiden letzten Wörtern hat man sich ursprünglicli hinter dem t ein j
zu denken, welches in einigen Mundarten nocli vorhanden ist.
4. oi entspricht früherem ei in dwoil Wischtuch (der Schifter),
sproi:n spreiten, auseinander breiten; woher foil Aufnahmelappen,
Wischlappen kommt, weiss ich nicht. In swoi:n (dal ^ip swoi:t das
[vor Anker liegende] Schift' dreht sich infolge der veränderten Strömung)
scheint das oi aus äi verkürzt zu sein, holländ. zwaaie^i^ vielleicht ist
es aber auch aus ei entstanden, vgl. Ndd. Jahrbuch XVI, S. 102.
102
§ 35. Die stimmlosen Vokale.
Ueber die stimmlosen Vokale (geschrieben Ä) ist nichts Besonderes
zu bemerken. Im Anlaut ist das h erhalten: hiSt Hut, hunt Hund,
ÄTr hier usw. Wird ein Wort enklitisch gebraucht (steht also das h
nicht mehr im Anlaut), so fällt das h weg: re:rfa = re:^ Äe ritt er,
J^9 = J9: Äe sagte er. Auch sonst fällt das h im Inlaut weg, es sei
denn, dass dem mit h anfangenden Teile des Wortes eine gewisse
Selbständigkeit zukommt, z. B. je:ti sehen, ^d§e:n geschehen, aber
dumhait Dummheit. Hinter p, ^, k scheint es allerdings weniger ein
selbständiger Laut, als vielmehr eine Aspiration des vorhergehenden
Lautes zu sein: göthaü Güte; die Sache ist bei schnellem Sprechen
schwer zu entscheiden.
§ 36. Uebersicht Aber die alten Vokale und ikre Enteprechnngen
in der Gifickstädter Mundart.
Vorbemerkung. Auch in unserer Mundart herrscht das
Bestreben — wie im Hd. — in offener Silbe "langen", in geschlossener
Silbe "kurzen" Vokal zu sprechen. Diese Regel ist aber nicht streng
durchgeführt; wohl sind meistens in offener Silbe die alten "kurzen"
Vokale zu "langen" geworden, die ursprünglich "langen" Vokale jedoch
haben sich auch in geschlossenen Silben bis auf einige Fälle behauptet.
Namentlich die Lautverbindungen ml, mr, sm, kl — früher mel, mer,
sem, kel — teilweise auch sl, tm, dm lieben, obwohl früher durchweg
vor ihnen tbnlanger Vokal stand, in unserer Mundart "kurzen" Vokal
vor sich, z. B. besn Besen, homn Hammer usw. (daher auch die Fortis
s statt der erwarteten Lenis J). Andererseits wird — ausser in einigen
anderen Fällen — in der 2. und 3. Sg. Präs. der starken Verben der
lange Vokal verkürzt; bei schwachen Verben ist eine derartige Ver-
kürzung selten.
Altes: Glückstädter:
kurzes a in geschlossener Silbe . . a § 12,i (Umlaut e § 15,2).
selten w [/ttn = van] §27,5; [durch ä]
§ 27,6 (Umlaut y § 28,s).
oder
vor Id . , .
vor 1 -+- Fortis
ar
ah
an
ag, ah
aiv
in offener Silbe "1
vor r zuweilen /
vor Lenis oder vor
zuweilen [durch ä]
vor Fortis ausser k, p
k.
vor
s (th)
0 J:; 21,1 am Ende.
oi2lj}(U°»laut«§23,xY.)
ä § 14,4 (Umlaut ce § 29,4).
4 § 14,5.
a 8 13,1.
0 § 22,2.
a § 12,» a.
i § 14,8.
ö § 25,8 (Umlaut ö § 26,4).
ai § 32,».
au § 33 (Umlaut oi § 34i).
103
Altes: Glückstädter:
langes d....^ 4§ 14,8 (Umlaut e § 18,6
oder oe § 29,3).
im Prät. einzelner Verben . ö § 25,3.
in geschl. Silbe zuweilen . a § 12,3 (Umlaut e § 15,s).
vereinzelt o § 21,4 (Umlaut ö § 23,iÄ).
äj *. «i § 32,1.
äw AM § 33.
kurzes e in geschlossener Silbe . . 6 § 15,i.8.
(d.h. ^od.e) vor n zuweilen i § 19,8.
sonst einigemale . . . . S/ § 28,«.
oder ö § 23,8 (schon mnd. o,
geschrieben o),
\0T d (dd) 6 § 16,8.
in offener Silbe 1 .... 9 § 17,i.8.
vor r / .... 9 § 17,1.8.
oder e § 18,6.
er selten 6 § 16,i.
vor Lenis oder vor k, p . ä 5^ 13,8.
vor Fortis ausser ä;, p . . a § 12,8ß.
€g^ eh ^^ § 32,8.
langes e (vgl. auch ai und tu) . . e § 18,3.4.
im Prät. einiger urspr. redupl.
Verben ti § 27,4.
[in geschlossener Silbe zu-
weilen i § 19,4.]
kurzes i in geschlossener Silbe . . t § 19,i.
am Ende der Wörter oder
Stämme I § 20,8.
sonst in offener Silbe . . 9 § 17,i.
ir in hd. Wörtern 0 § 24,8.
[i durch Ersatzdehnung in f\:f T § 20,i.]
langes I I § 20,i.
am Ende der Wörter oder
Stämme 6 § 18,?.
im Präs. der Verben der
i-Klasse und sonst, verkürzt i § 19,8.
kurzes 0 in geschlossener Silbe . . 0 § 21,i (Uralauto § 23,ia).
zuweilen w § 27,8 (Umlaut y § 28,i).
in offener Silbe \ . . . . & § 14,i ß (Umlaut cb § 29,2).
vor r j . . . . ä § 14,i ß am Ende.
oder ö J^ 25,4 (Umlaut ö § 26,3).
or vor Lenis oder vor k^ p . ö § 22,i (Umlaut g § 24,i).
or vor Fortis ausser i, p . . 0 § 21,8 (Umlaut ö § 23,iß).
ow aw § 33 (Umlaut oi § 34,i).
ogi, oi oi § 34,8.
langes 0 ö§ 25,i (Umlaut ö § 26,i).
104
Altes: Glückstädter:
verkürzt o § 21,6 (Umlaut ö § 23,i c).
oder u § 27,s (Umlaut y § 28,6).
kurzes u in geschlossener Silbe . . m § 27,i (Umlaut y § 28,i).
zuweilen (durch Formenaus-
gleichung) 0 § 21,6 (Umlaut ö § 23,i x).
am Ende der Wörter. . . ü § 30,2.
sonst in offener Silbe . . ä § 14,i a (Umlaut a? § 29,i).
[durch Ersatzdehnung . . ü § 30,i am Ende (Umlaut y
§ 31,«).]
langes ü ü§ 30,i (Umlaut y § 3 1 ,2).
am Ende der Wörter oder
Stämme ö § 25,?.
verkürzt (bei starken Verben) u § 27,3 (Umlaut y § 28,6).
(got.) ai (vgl. e) e § 18,i.
vereinzelt c § 15,4.
oder i § 19,4.
(got.) au ö § 25,2 (Umlaut Ö § 26,2).
(got.) iu (mhd. ie) e § 18,2.
(mhd. iu) y § 31,i.
verkürzt (in Verbalformen) . y § 28,2.
[ei vielleicht vereinzelt . . . öi § 34,4.]
(mnd.) oi oi § 34,2.
Zusatz. Vor etwa 50 Jahren war der Vokalismus ein etwas
anderer; man sprach nämlich statt y, y, os (letzte senkrechte Reihe
der Uebersicht in § 2) i, T, ^ (1. Reihe), z. B. grit = gryt Gnitze, ml.s
= my\s Mäuse, k^k = hxk Küche usw. Ebenso sprach man statt Ö
(vorletzte Reihe) e (zweite Reihe), z. B. grQ:n = grb\n grün; ob
man aber auch e, 6 statt ö, 0 sprach — wie man nach der Analogie
annehmen muss — , habe ich nicht genau ermitteln können; grosseu-
teils scheint es so gewesen zu sein, doch ist es wahrscheinlich, dass
man damals in gewissen Fällen auch ö sprach. Die Leute, die so
sprachen, (mag auch der eine oder andere noch leben) sind jetzt
ausgestorben.
SOLINGEN. J. Bernhardt.
105
Marienklage.
Dit^) is unser leiuen vrouwen claglie tho dude dei sei hadde do
uiise leiue here ihesus cristus ghecruceget wart*).
A. Na moghe ir [alle] gerne hören saghen
Van der iemerliken claghen
Dei maria hadde und leid,
Do sei sach dat bister gescheit*)
5 Van Jesus seile und liue.
Id was wunder^ dat sei to line
Mochte bliven einighe stund,
So sere was ere herte ghewnnd.
Sei sprach: 'o wi und o wach,
10 Dit is dei iemerlikste^) dagh
Den iu moder mohte liden.
Wat sal mi nu dat lenen?'
Se ensprach nu ungednltich^) word
Sei klagede den iamerliken mord
15 Den dei Juden hadden ghedaen.
Sei sprach: 'war sal ich arme gaen?
A mich, wu is mir gescheit!
Ich enekan mir helpen nied.
Alle moderlike herte
20 Ene leden nu so grote smerte
So ich arme moder lide
In dessen iamerliken tiden.
Herte leiue kind, wo hebbe ich di verloren,
Dat du mi weres so uterkoren
25 To steruene vor dei werlde al*).
— Och ich ene wed nicht wat ik sal. —
Din dot dei sundere hat verlost.
Wo bin ich arme wiff so unghetrost
Dat mi betere were dei bittere dot
30 Dan to lidene disse nod.
Och wat bin ich wat sal ich don?
Ich enekan gerasten noch geruwen^).
Nu moder leit so groten rouwen
Dan ich arme vrouwe.
') In Bezug auf die Schreibung ist zu bemerken, dass an Stelle des häufig
aber doch ganz willkürlich stehenden ,,y'' durchgängig ^i^ gesetzt, die wenig zahl-
reichen Abkürzungen aufgelöst und die Interpunktion eingeführt wurde; wo aus
anderen Rücksichten eine Aenderung im Texte notwendig schien, geben die Noten
Äufschluss. ') in roter Schrift. ■) subst. = Scheidung. *) hs. iemerlike. *) hs.
ungedult. *j hs. werld alle. ') derselbe Reim Veldeke, Kn. 8971, S. I. 2969.
106
35 Mir ig so hertelike wee
Mochte ich steraen ich enegerde nicht me').
Och herte leiae kind miii,
Wo lesta nu dei leiae moder din
So ungetrost vol iamerheide!
40 Nn moder ene geschach so leide
Also is gescheit mi armen wine.
Ich enemach nicht blinen to line.*
Do mochte marien herte to riten
Vnd in dnsent stncken to spliten
45 Van der iamerliken smerte
Gench er ein swerd dor er herte.
Nn was der leine Jhesns dot
Nn hord wo grote not
Dat maria dei maghet dreff.
60 Wo sei opsprank vnde greif
An dat cmce na sime line.
Dar bestont sei wnnder') to drinen
Wand sei in roven") nicht enmochte.
Do yel sei nider nnde sochtede
55 Vnd ward van horten so kranch
Dat sei np dei erden sanch.
Sei sprach: ^och, ich ene kan nicht me.
Nn moder ene word so wee
Noch ene leit so grote noed.
60 Alhir mot ich bliuen doet/
Sei kerde sich nmme to den Juden.
Se sprach: 'wolte mi to eme doden,
Jesum mine leine kint;
Och, wo sit ir van horten al so blind V
65 Sei klagede so iemerlike
Dat nei moder ene ward er gelike.
^Seghet ir valsche iodesche deit,
Erbarmet in min iamer neit
Den ich nu sei und lide
70 In so iemerliken tiden?'
Sei sprak: 'o wi ond o wach,
Leine kint mochte ich noch
Bi dir sin also ich hau ghedaen
Dammme wolde ich mich laten slaen.
75 Och mochte ich dat erwemen
Dat ich bi dir mochte stemen,
So en wolde ich nicht mer klaghen
Den groten rouwen den ich draghen.*
Do leid maria ere hande hangen
80 Vnd schrei dat er dei wanghen
Worden van den treuen roed.
Nu mensche Ternam dei noed
Noch den iamer den sei dreff
^) hs. mer; ebenso V. 57. ') D. 188 groiz iamer; wunder in der Bedeut
^seltsame, schreckliche Dinge'? ') hs. rovnen. D. 189 foeren.
107
Vnd wo iemerliken dat sei greif
85 An ere herte nnde sprach:
'0 wi 0 we und o wach!
AI den iamer, den in moder leid,
Off dat leide^) van leine er gescheit,
Del ene mach den iamer nicht gheliden
}
D.
94—117
B. Dei mi to einer moder haet erkoren*.
Do wrank sei ere hande tosamen and sprach:
*0 wi 0 we nnd o wach")!
Ich sei min kint hir hanghen dot'
5 Van ronwen mochte sei 8chrien blöd.
Sei sprach: 'och na entrostet mi neiman[t].'
Do quam ere neve snnte Johan
Vnde horde disse wort
Vnd her genk do to marien vord
10 Hei sprach: 'maria dat saghe ich dir
Dat dn bist benolen mir.'
Hei nam sei in sine arme
Vnd bestont sochten nnde karmen.
Hei sprak: 'war is min') moet
15 Der*) iamers ene ward na besocht?
Och Jesus, wo bistu uns so hard
An desser lesten henevard!*
Do nmme venk hei marien ande sprach:
'0 we mir armen und o wach!
20 Dat ich dit alhir moet sein
Des mot min herte van mir vlein.
Ich wel yil leiuer stemen
Dan wi beide verderaen.
Maria uns is onele gescheit,
25 Ich ene kan di gehelpen neit'
Do sach maria Jhesns an
Mit manighen heten trän.
'Herte leine kint ich bidde di>)
Dei di droch*) snnder we,
30 Wammme hasta mi beghenen?
Ich ene mach nicht langher leuen.'
Wei den Jamer sach dei moste .weinen')
Wer geleghet sin herte van steinen.
Johannes was so sere vorsaghet
35 Doch hoppede hei op dei maghet
Wante sei eme benolen was.
Eme Word wers nnd nicht bas.
Do wände eme dat herte breken
Wante eme Yorghenk[dar] dat spreken.
') Hs. leyff van leyue. ') hs. Do to sameu Sey sprach o wach
o wy ün 0 we. *) hs. syn. *) hs. des. ') so die hs. ; vielleicht besser mit D.
bin de. *) hs. dorch ungeboren. ') hs. schreyen: steynen.
108
40 Van deme iamere den hei dar sach
Leit hei grot angemach.
Dar waren bi drei ander marien
Dei ene künden des nicht vertighen,
Schriens und jamers, wante sei saghen
45 Wo maria und Johannes laghen
Vmmevluhten mit eren armen.
Dat mochte nns allen wol erbarmen.
Nu was dei menscheit an ihesnm erstomen
Dei uns van der helle haet erworuen.
50 Wante sin menqchelike doet
Verloste uns van der helscher nod.
Do dit allet was gescheit
Do ene wolden dei Juden staden neit
Dat ihesus und dei twe mordere man
55 An deme cruce bleuen haen
— Wante et was ere pasche auend — .
Do quamen sei to sament')
Und ghengen in piiatus hus
Und spreken to eme aldus:
60 'Disse drei man sint vorscheden.
Wi ene moghen nicht langher beiden.
Men sal sei don her aue
Vnd bestaden sei to graue.^
Do piiatus horde disse rede,
65 Nu hört wat hei do') dedde:
Hei yIo achterwart in einen grauen
Vnd snet sine kellen schier aue').
Dit ene wiste nochtand nei man
Dat dit piiatus hadde ghedaen.
70 Do quamen dei Juden ghegaen
Vnd säen dei drei doden haen.
Sei breken den morderen ere been /
Wante ere ene leuede ghein.
Do sei to Jhesum quamen^)
75 Vnd ok dat vernamen
Dat Jhesus verscheiden was,
Do wart eme ein ritter gehas
Dei dede eme . . . '. . .
D. 50—54,
193—214
C. leiue kint ut goet
Do hei sins hertzen (so!) minne ut vloet.
Qhedenke an dei quäle diu
Vndegeff uns helpe schin.
5 Verdreff van uns der seilen dot
Vnd helpe nns ut aller noed.
') hs. tosamen synd. ') nicht in der hs. ') vgl. Z. f. d. A. 17, 154. ndd.
Pilatus legd : Do dit Pilatus vomam hee grep sin egene mest unde snet sik sulven
den hals entweig unde starf .... Doch hier Pilatus als Gefangener in Rom!
*) hs. quame to Jhesum.
Vnse uod si di bekant
Helpe ans ute der sunde bant.
Snnderlike yroawe bidde icb dicb
10 Dat du willest boreu micb
Vnd willes ene genedich sin
Dei dar lesen dit bokelin,
Oftedei it boren lesen
Den saltu yrouwe gbenedicb wesen.
15 Du Salt sei bescbermen und behoden
Vor den bösen belschen noden.
Make vronwe ere ende gud
Dat ere seile si bebod
Vur den belscben vianden
20 Vnd bebodet ere li£f wor (so!) scbanden.
Vnd belp en dat sei alle bir to komen
Vorstehender hs. Text der bei 'Schade, Geistliche Gedichte des
XIV. u. XV. Jhd. vom Niederrhein', S. 214 — 21 nach einem Kölner
Drucke v. J. 1513 bereits gedruckten Marienklage ist einem Ms. des
British Museums, Sloane NrL. 2601 Pp. XV. Jhd. 12™° entnommen,
wo er die Bl. 29»>— SS'»- füllt^).
Vor dem Schade'schen zeichnet er sich nicht etwa durch Reich-
haltigkeit an originellen Zusätzen aus — dafür kommen nur die
V. A. 31 f. B. 14 f., 64 — 69 in Betracht — ja da er uns in Folge
des Fehlens einiger Blätter leider nur fragmentarisch überliefert ist,
bedürfen wir vielmehr des Druckes (D) zu seiner Ergänzung; aber
die „stark verwilderte Gestalt*' der Überlieferung in D. tritt uns in
der hs. Fassung weniger schroff entgegen, das hohe Alter des Originales
scheint lebhafter hindurch, vor allem jedoch gewährt sie uns jene
logische Aneinanderreihung der Gedanken und Facta, wie sie ent-
schieden das Original geboten^ die spät gedruckte Überlieferung aber
völlig durcheinander geworfen hat. Dies zusammengenommen mag
den Wiederabdruck des Gedichtes rechtfertigen, das ein Kenner dieses
einst hochgepflegten Zweiges der Poesie ;,naiv und empfindungsvoll
wie die meisten der niederrh. geistlichen Dichtungen"*) nennt.
Wenden wir uns zunächst kurz dem letzterwähnten Punkte, dem
AuQbau unseres Gedichtes zu.
Den ersten grösseren Abschnitt (a) können wir von A. 1 — 46
rechnen und ihn abgesehen von der Einleitung V. 1 — 8 als Klage
Mariens unter dem Kreuze, während das Leben Jesu noch nicht ent-
flohen ist, bezeichnen. Es folgt (ß) A. 47—89 + Lücke (= D. 94
bis 117) -H B. 1 — 5 erneute Klage Mariens um den nun toden Sohn,
Y) B. 6 — 47 Marias und Johannes Wechselrede und Klage, in welche
die „drei anderen marien" einstimmen. Nun S) ein Scenenwechsel.
B. 48 — 69 die Juden bitten Pilatus, die Körper Jesu und der beiden
') Im Cataloge nur: „Prayers in Dutch"; genauere Beschreibung u. Inhalts-
angabe des Ms. werde ich an anderer Stelle bringen. ') Schönbach, Marienklagen
1«74, S. 47.
110
Schacher vom Kreuze nehmen zu dürfen. Pilatus-Episode, e) B. 70
bis 78 •+- dem grössten Teil der Verse, die das nun fehlende Blatt
füllten (= D. 50 — 54, 193 — 210) anfangs wieder unter dem Kreuze:
Longinus-Episode ; dann Grablegung, die freilich in unserer Hs. ganz
verloren gegangen, aber aus D. sicher zu ergänzen ist. Endlich
7)) die Bitte des Dichters um Jesu und Mariens Hilfe, von der uns die
V. C. 1 — 21 erhalten sind.
Gewiss eine völlig logische, durchsichtige Gliederung; nicht so
in D. Hier ist vielmehr o (doch fehlt wie oben angedeutet die
Pilatusscene überhaupt), die Longinus-Episode von e, der grösste Teil
von ß und endlich das ganze y zwischen a geraten, das so in zwei
Teile V. 1 — 28 und V. 166 — 82 gespalten wird; dann erst folgt der
Anfang von ß (V. 183 — 92), der zweite Teil von e und r^.
Mit dem Original gegen D. hat unsere Fassung sicher auch das
gemein, dass die V. B. 18 — 25 Johannes in den Mund gelegt werden:
freilich in der Form, in welcher sie in D. erscheinen, gehören sie
Marien an (vgl. bes. D. V. 135 f.), passen aber schlecht genug in
diesen Zusammenhang.
Dasselbe Verhältnis zum Original wird wohl auch der Pilatus-
Episode einzuräumen sein; wenigstens sehe ich keinen genügenden
Grund dafür, dass dieser naive Zug der Volksüberlieferung eine jüngere
Interpolation sein sollte.
Schade nennt vorliegende Marienklage ein „niederrheinisches"
Gedicht und führt (S. 206) zur Erhärtung seiner Ansicht eine Reihe
charakteristischer Reime an, darunter mehrere „ungenaue" als Beweis
für das hohe Alter des Stückes.
Nun alle diese Reime, soweit sie nicht in eine der Lücken fallen,
finden sich in unserem Texte wieder, ja sie lassen sich noch durch
einige bezeichnende, wie liden : leuen (1. liuen) A. 11, don : gern wen
(1. doen : geroen) A. 31, moet : besocht B. 14, di : we B. 28, endlich
mit -t- n, lide : tiden A. 21 und 69, rouwen : vrouwe A. 34, arme :
karmen B. 12, grauen : aue B. 66, vermehren.
Zudem zeigen die Reime was : bas (mhd. baz) B. 36 f. und
was : gehas B. 76 wie auch die Schreibung „hertzen" C. 2, „der''
(Artikel) A 47 und die mehimals auftretenden Pronominalformen „mir,
dir, ir", dass hinter der sonst rein ndd. Sprache unseres Fragments
eine Vorlage stecken wird, deren Lokalisirung man sich — nun beide
Punkte zusamniengefasst — ganz gut am Niederrhein denken könnte.
Mit dieser Annahme verträgt sich auch vollständig der Versbau
des Londoner Textes. Zweisilbige Fasse finden wir weitaus in der
Überzahl ; doch daneben häufig genug drei- und viersilbige. In diesem
Falle wird die Senkung gebildet durch: Bildgslb. -f- Bildgslb. (z. B.
V. A. 7, 67 etc.) oder Bildgslb. + Partikel, Pronom. Präposit. Conj.
Hilfsverb, etc. (z. B. V. A. 4, 14, 36 ; B. 5, 34 etc.), Posscssivpron.
(z. B. B. 67) und endlich durch einsilbige Wörtchen. (z. B. A. 31,
38, B. 54 etc).
Die Zahl der Hebungen im einzelnen Verse überschreitet in
111
keinem Falle 4 bei klgd. Ausgange und sinkt ebensowenig unter das
gewöhnliche Maass.
Wir können daher wohl annehmen, dass unsere Fassung auch
im Versbau nicht weit vom Originale abstehen wird, ein letzter Punkt,
worin sie vorteilhaft von D. absticht.
LONDON. R. Priebsch.
Ein viertes Blatt ans dem niedersächsischen
Pfarrherm von Kaienberg.
Zu den von W. Mantels im Jhb. I, S. 66—71 und II, 145—48
mitgeteilten drei Blättern aus dieser Schwankdichtung sei im Folgenden
ein viertes hinzugefügt, das im Brit. Mus. aufbewahrt wird. Ein Gross-
folioband nämlich mit dem Titel „Fragmenta Vetusta" enthält eine
stattliche Anzahl lat. engl, und weniger deutscher Bruchstücke alter Drucke
und fliegender Blätter (auf einem solchen z. B. „Maria zart von edler
art", Wackernagel, K L II, 1036) und darunter auch mit der Marke
C 18 -J5 versehen, 2 Bl. aus dem Pf. v. K. Das zweite derselben ist
wie das eine Veesenmeyersche identisch mit dem a. a. 0. abgedruckten
zweiten Blatte der Lübecker Bruchstücke (N), während das erste uns
den grösseren Teil des Schwankes „wie die Bauern das Chor decken'^
überliefert und im Texte gerade da aufhört, wo N I einsetzt.
Das gleiche Format der Blätter (oktav) in N und L (Londoner
Frgmt.), die gleiche Zeilenzahl der Seite (33) und endlich der wichtige
Umstand, dass, wie oben erwähnt, N II und L II sich vollständig
decken, lässt wohl auch ohne Vergleichung der Typen den Schluss
ziehen, dass wir wiederum Frgmt. eines Druckes aus der nämlichen
Lübecker Werkstätte vor uns haben, leider wiederum nur Frgmt. —
Erwähnung verdient auch Folgendes: L I zeigt rechts unten den Buch-
staben B. Dies weist natürlich auf eine Lagenbezeichnung hin. Da
sich bei L II davon keine Spur findet, so scheint das darauf hin-
zudeuten, dass sich der Drucker begnügte, nur das jeweilig 1. Blatt
einer Lage durch den fortlaufenden Buchstaben des Alphabets zu
markieren.*) Das Lond. Frgmt. besteht nun aus einem Doppelblatt.
Gesetzt die vollständige Lage enthielt deren zwei (Bi — Biiij), so ist
erhalten : B i und B iiij in L, B ij in N (direkter Anschluss des Textes,
s. oben), Biij (also ein Blatt) aber verloren gegangen. Dies würde
vollständig zu Edw. Schröders Ausfühnmgen (Jhb. XIII, S. 129 S,)
gegen Mantels Annahme stimmen.
') Dass ein solches Zeichen in den a. a. 0. veröffentlichten Bl. fehlt,
bestätigt eben diese Ansicht; sie waren zufallig nie erste Bl. einer Lage.
112
Es erübrigt nur nocli, den Text von L I abzudrucken. Daraus
wird hervorgehen, dass auch hier der ndd. Bearbeiter seiner hoch-
deutschen Fassung, die in dieser Partie gewiss höchstens in Kleinig-
keiten von dem Hambg. Drucke abweichen könnte, treu und gewissenhaft
gefolgt ist, nur etwa dort ändernd, wo es sein Dialekt heischte.
L I*) a. Wente he dat kerkhaes decken moet,
lüde wy winen em kamen vor
Vnde snelliken decken dat koer,
So he vns de kdre heft ghegheven.
My danket yk hebbe ynw gheraden euen.*
Se spreken: „da hefst vns gheraden recht^
Vnde lacheden: / „wy doen alze da hefst gesecht/
Se senden tome kerkheren ere denres') do
Vnde leten em seggen alzo:
Se wolden dat koer na siner wal
Bereyden vnde decken laten oaeral.
De kerkhere sprak: „dat benelt roy wol,
Hyma yk my rychten schal,
Up dat dat gades hnes ghetzyret werde
Vnde de kerke werde ghedecket mede.^ (so!)
De baren hasteden sere mit dem koer,
Vp dat se qaemen deme kerckheren tovoer
Mit des kores nygen dake.
De kerkhere yortroech do sine sake
Myt dem decken mennige wekeu.
„Oy hebben so nicht gesecht' / de baren spreken.
„Des schale gy yaw yammer schämen.
Yd en schal my') nicht doen yramen.'^
Den kerckheren wart do vertornet sin moet.
He sprak: „yd en danket yaw nicht gud,
Dat yk drdghe stae to köre al byr;
Na decket snlaen to de gathe schyr,
Dar dorch gy werden beregent.''
Eyn yewelker sik do ghesegende.
De baren spreken do al wi0:
Eyn Beißen man de kerkhere is.
He spnüi: „ghesegent ynw dar vor!
Tk stae al drdghe in disem köre
b. Vor reghen vnde ok vor winde.
Vorsorget ynwen orth myn leneu kynde,
Wylle gy anders nicht ym nathen staen;
Nicht bethers yk yaw raden kan.''
He leth sik nicht vorschrecken,
De baren mosten de kerken decken,
Wolden se anders nicht werden nath
Vnde weren se ghewest noch so qaad.
*) S. V. d. Hag. Narrenbuch S. 280(unt) — 82. Interpunction ist im Abdrucke
eingeführt, ebenso grosse Buchstaben zu Anfang der Zeile durchgehend gesetzt
') s. Narrenb. a. a. 0. Sandten des Richters Kidam ihm zu. ') 1. yuw.
IIB
// Hyr kampt de kerckhere
ynde medet arbeydes lüde
Tymme^) loen.
(HolxschnitU) •)
Eynes daghes do wolde he gaen
Vnde meeden arbeyden lüde ymme dat loen.
He qaam dar hen an de meede stad
Eyn yewelker ene vmme arbeyd bad.
Menniger was em do bereyt.
He wysede se henne to der arbeyt.
He benol en do dat arbeyt
(Fortsetzung NI.)
OXFORD. R. Priebseh.
^) l. ymme. *) Derselbe wie im Ilambg. Ex. zu diesem Schwanke, so weit
ich wenigstens aas Mantels Beschreibg. (a. a. 0.) urteilen kann.
Ni«d«rd«iitooh«B Jahrbuch. XVIU. 8
114
\
Zum Crane Bertholds von Holle.
Dass das in den Jahren 1250 — 1260 entstandene romantische
Epos Crane ^) des hildesheimischen Ritters Berthold von Holle lange
Zeit in Norddeutschland verbreitet und beliebt blieb, bezeugt die That-
sache, dass die Pommersfelder Handschrift, durch die uns etwa vier
Fünftel des ganzen Gedichtes überliefert sind, im Jahre 1470 geschrieben
wurde und dass 1444 in Lübeck ein Fastnachtspiel ^kran^ valke vnde stare'
aufgeführt wurde, dessen Stoff, wie Walther in diesem Jahrbuche C,
29 f. nachgewiesen hat, aus demselben Werke entlehnt ist. In etwa
dieselbe Zeit wie die Pommersfelder Abschrift fällt eine Prosabe-
arbeitung des Bertholdschen Gedichtes, die ich kürzlich in der Hand-
schrift 26G7 der Darmstädter Hofbibliothek entdeckte.
Diese von A. v. Keller (Altdeutsche Handschriften 1890 S. 148
Nr. 67) und Roth (Germania 32, 344) nur oberflächlich untersuchte
und beschriebene Handschrift besteht aus zwei fragmentarisch erhaltenen
Teilen, die von zwei verschiedenen Schreibern und auf verschiedenen
Papiersorten (Wasserzeichen beim 1. Teil eine Wage, beim 2. ein p)
geschrieben sind:
1) Ein 'boich vain dem kristen gelanfe vnd leaeii\ aach lateinisch als
^Tabula tidei vite Christiane* bezeichnet, in 64 Kapiteln, die zu ffinf Tractatns
znsammengeordnet sind. Kapitel 42 enthält ein Gedicht 'die mynnen jadii' ; alles
andere ist Prosa, und zwar in kölnischer Mundart. Vor jedem Kapitel steht eine
sorgföltig geroalte, mit mehreren Figuren gezierte Initiale. 4 Blätter Register
and Bl. II — CCCL in 4"; das erste Blatt des Textes and eins oder mehrere
am Schiasse fehlen. Anf Bi. la des Registers hat eine Hand des 16. Jahr-
hunderts geschrieben : 'Lh/t boych hoyrt to smedem [?] vnd js to houen geleipti
jm jayr anno xxxviij haben ichs wiyd&r geholt R hJ
2) 12 Blätter in gleichem Format, von einer wenig späteren Hand des 15.
Jahrhunderts beschrieben, neuerdings in falscher Reihenfolge eingebunden und als
Bl. 351—362 signiert. Sie enthalten: a) Bl. 351, 361, 353—360 den vom
verstümmelten Prosaroman von Crane; von dem verlorenen Blatte, das vor 351
stand, ist ein dreieckiger Fetzen irrtümlich auf eine Lücke von 351 aufgeklebt.
Jede Seite enthält 33—37 Zeilen. — b) Bl. 352, das mit Bl. 361 zusammenhängt,
den Anfang eines Gedichtes Der hoe/uen orden, das ich binnen kurzem heraus-
geben werde. — c) Bl. 362a den Schluss eines Gedichts über das Würfelspiel.
— d) Bl. 362b den Anfang eines in den Jahren 1460—1470 zu Köln ent-
standenen Gedichtes 'i:an den soll boeue7i\ Alle diese Stücke zeigen gleichfalls
den kölnischen Dialekt.
Der Prosaroman gewinnt nun dadurch ein besonderes Interesse
für uns, dass er uns, obwohl unvollständig überliefert, in den Stand
setzt, den in der Pommersfelder Handschrift des Gedichtes fehlenden
') Herausgegeben von K. Bartsch, Berthold von Holle. Nürnberg 1858,
S. 17—188 (4919 Verse).
115
und nur teilweise durch zwei Fragmente einer älteren Handschrift
bekannten Anfang der Handlung genauer, als es bisher möglich war,
zu rekonstruieren und auch eine spätre Lücke einigermassen auszufüllen.
FreiUch muss man dabei berücksichtigen, dass wir es keineswegs mit
einer getreuen Umschrift des Epos, sondern mit einer freien und
mehrfach kürzenden Nacherzählung zu thun haben, die namentlich die
Personennamen fast vollständig streicht. Bei Berthold heisst der Held,
der als zwölfjähriger Knabe seine Heimat verlässt und mit zwei gleich-
gesinnten abenteuernden Prinzen, Agorlin von Oesterreich und Agorlot
von Baiern, an den Hof des deutschen Kaisers kommt und die Liebe
der Kaiserstochter Acheloyde gewinnt, Gayol, Sohn des Königs Dassir
von Ungarn; im kölnischen Romane wird er Angerlant genannt
und ist der Sohn des Königs von Böhmen, während die Prinzen aus
Oesterreich und Baiem sowohl wie die Tochter des Kaisers von Rom
namenlos bleiben. Ebensowenig wird Achute, die Vertraute Acheloydes,
und der Marschall Assundin, der nach dem Tode des ungarischen
Königs die Herrschaft übernimmt, im Prosaromane namentlich bezeichnet.
Aus den beiden nachfolgenden Stücken, die ich aus dem letzteren
Werke auswähle, wird man ziemlich deutlich den Stil des Erzählers
und sein Verhältnis zu seiner Quelle erkennen können. Aus dem
ersten Bruchstücke, das in die Lücke zwischen V. 137 und 138 des
Gedichts zu setzen ist, ergiebt sich, dass Bartsch irrte, als er in seiner
Ausgabe Bertholds S. XXV f. die Verleihung der Vogelnamen an die
drei ihre Abstammung sorgfältig verhehlenden Prinzen allein aus einem
Gespräche zwischen Acheloyde und Achute hervorgehen Hess und dem-
gemäss die in der Zeitsclirift für deutsches Altertum 1, 74 abgedruckten
Versreste ergänzte. Femer ersehen wir, dass der Krieg vom Kaiser
lediglich in der Absicht begonnen wird, auf die vom Ritter vor-
geschlagene Weise das Herz seiner Tochter zu erforschen.
L
Wie die Kaiserstocbter den drei Jünglingen Vogelnamen gab, nnd wie ihr der
alte Ritter falsche BotMchaft brachte.
wat bey
ere lieff, lud
en off voeren, As sij
vaeren, doe wurden sij groiss
5 keyser hatte bij yem eyne scho
ie hey vysser maissen lieff hatte, in
yn jonckheren sijner doichter zo plegen, ind ye
[Lücke von etwa 80 ZeilenJ
m •
SU
mb van den
10 jonffer dede ye
hoeff des keysers doi
den jongelinck also lieff hed
nde zo brechen, ind dat sij stelte
oicht, dat sij den jongelinck moicht sp
8* ^ i
m
16 [361a] den heymlich zo yre komen, dat sijne gesellen noch nyemant des
gewar enwurde. Dit bestalt die dienstjonffer, wie sij moicbte, dat der jonge-
linck bij des keisers doichter qwam. Doe sprach sij mit yem ind bey mit
yre; ind wat reden sij badden off wair van, des enweiss ich nyet, want ich
dair bij enwas.
20 Der keyser beuall den seinen dryn jonckheren ind onch den anderen
joufferen, dat sij bij sijner doichter weren ind machden sich ynder anderen
vrolich ind sich ergetzden samen. Also daden sij des keysers gebott ind
waeren altzijt mit sijner doichter vrolich.
Idt geschach dar na zo eynre zijt, dat sij bij enanderen saissen ind
25 sunerliche vntreitnisse yrre eyn deme anderen sacbten ind up ganen. Also
hoiif die jonffer, des keysers doichter, an ind gaff deme eyme jongelinge
yan den dryn zo raden, ind der seine was des hertzongen son van Oesterich.
ind sprach: ^Walhyn, du salt eyn vogeli sijn na dyme wonschen; nn sage
np, wat Yogels wenidstu dan alre lieffste sijn?' Hey antworde ind sprach:
30 'Seulde ich eyn vogeli sijn, so wenlde ich sijn eyn starre' (dat is eyne sprae).
Sij sprach: 'Warvmb wenlstu eyn starre sijn?' Hey sprach: *Were ich eine
starre, so vermeirde ich myn gesleicht, dan wurden myner maige vill ind
gewnnne vill geselschaff. Dar vmb weulde ich eyne starre s^n.' S^ sprach :
'Starre saltu heischen.'
35 Sij vraigde den anderen, der was des hertzongen son van Beyeren, ind
sprach : 'Du saltz onch eyn vogeli sijn na dyme wonschen. Laiss mich ver-
stain, wat vogels wenlstu sijn?' Hey sprach: 'Seulde ich dan eyn vogeli
sijn, so weulde ich sijn eyn valck.' Doe sprach sij: 'War vmb weuldstn
eyn valck sijn?' Hey sprach: *So wanne as vrauwen ind jonfferen in deme
40 velde reden off voereu, so wenlde ich alle dat wilde, d[at ich kri]jgen moichte,
vangen ind vort boeuen yn v[ liegen ind laissen] dat wilt dan vallen, np dat
sich h[erren ind vranwen da] mit ergetzden ind vrolich mac [hden.' Sij sprach :
'Valk sal]tn heischen.'
Doe vraigde sij [den dirden, der was des ko]nyncks son van Bee[men, ind
45 sprach: . . . .] senldz sijn [351b] na dijnem wonschen, sage mir doch, wat vogels
weuldstn sijn ?' Hey antwerde yre ind sprach : 'Seulde ich dan eyn vogeli syn,
so weulde ich eyn kraen sijn.' Sij sprach: Warvmb wenlstu eyn kraen syn?'
Hey sprach: 'Vmb dat mir geyn wort, des ich haill hanen seulde off onch
vngeburlich zo sagen were, vyss mynem langen halss bis an mynen mont
50 yedt komen seulde, ee dan ich wall beraden were dat zo sagen, da mit off
yemans anders yedt belancks an lege.' Doe sprach die jonffer : 'Craen saltn
heischen.' Ind achter der zijt hieschen sij alle drij, der e3'nre Starre, der
ander Valck ind der dirde Craen').
Idt geueill dar na zo eynre zijt, dat eyn ritter van des keysers dieneren
55 qwam up die kamer des keysers doichter ind sach, wat vrenden des keysers
doichter ind yre dienst jonfferen mit den dryn jongelinck hatten. Dit wart
yn moeden ind sere verdriessen, dat hey mit ind gel^jch den anderen nyet
van den jonfferen vur gezoigen ind lieff gehadt wart gelijch den anderen,
noch man yn nyet da so gerne enhatte as die drij vreymde jonckheren. Ind
BO gienck hyn zo deme keyser ind sprach: 'Gnediger herre, hoirt mich eyn
wort!' Der keyser sprach: 'Sage up!' Hey sprach: 'Lieue herre, ich byn
*) Vgl. Berthold von Holle, Crane V. 147 f.: 'De drö wurden alzohant
Valkc, Stare und ('rano genant, YiT andern namen man vorgat.' Ein darauf
folgendes Gespräch der Kaiserstochter mit ihrer Vertrauten Achute ist im Prosa-
romanc ausgelassen. Der folgende Abschnitt füllt die Lücke zwischen V. 183 und
184 aus.
117
vire gnaden geswoeren rait ind diener. Nii moiss ich ach etzwat sagen
ind bidden vre gnaden, dat int best willen verstain. Vre doichter na alle
mynen synnen so halt sij der jongelinck eynen van hertzeu liefif, mar wilch
65 dat sy, des enweiss ich nyet.^ Der keyser sprach: ^Des engeleunen ich
nyet. Ich halden myne doichter vill zo wijse dar zo. Alsnlchs wesens
erlaissen ich sij wall.' Der ritter sprach: 'Vre gnaden mögen mir des
gentzlichen gelennen; want ich des also vill gesien ind gemirckt hain, dat
idt sich also ind nyet anders yynden sali, ind yr sult myne wort wairhafftich
70 Tynden. Ind wilt yr den gantzen gront yernemen, wer idt sij, so volget
myns raitz!* Der keyser sprach: *Wie?' D[er ritter] sprach: *Yr sult vrem
naber, deme hertzongen % ynt[sagen ind wjerden sijn vyant ind trecken yyss
zo yelde in[d befeien, dat] ych alle yre dierer yolgen, dan so neyn [ o]uch
alle drij. Asdan will ich w[ ] zo yernemen, so wilch id[t sij
75 ]ch mir genoegt des re[ doichjter zo maill liefif [361a] ind
hedde die wairheit ouch gerne dair yan gewist.
Der keyser gienck zo ind yntsacht syme näheren, deme hertzongen,
iud wart sijn yyant ind schreifiT yem, up eynen bescheiden dach mit yem
zo strijden, ind machde sich dar zo bereit mit alle syme yolck, nochdan dat
80 der hertzouch dem keyser nyet misdain enhadde, anders dan des ritters rait
ind zobrengen was. Doe sij alsus yyss zoigeu waeren, doe qwam der ritter
zo deme keyser ind sprach: 'Herre, idt is na zijt; ich-) will heym rijden
zo myner jonfiferen ind sagen, wir hanen eynen strijt gehadt, mar doch
geyneu groissen schaden geleden, dat yire gnaden eynich trefiflich hyndemiss
85 sij, dan Starre, eyn yan den dryn gesellen, sij doit blenen. Is dan sach^
dat der der reicht schuldige is, dat will ich zerstunt an yrme gelaiss wall
mircken.' Der keyser sprach: 'Doe yem also ind brenge mir wairafftige
boitschaff dair yan!' Der ritter reit hyn zo der burch, da die jonffer up
was. Ind as die jonfifer ind yort dat huyssgesynde dat yernamen, doe qwamen
90 sij haistlichen zo dem ritter ind yraigden yn ymb nuw mere. Der ritter
sprach: 'Myn herre halt eynen strijt gehadt mit deme hertzongen, mar wir
enhain geynen groissen schaden gehadt, dair eynich yerlanck an sij, dan
Sterre is doit gebleuen.* Doe yraigde die jonffer: 'Is Starre doit?' Der
ritter sprach : 'Jae.' Doe schre sij sere ind was ynmodich. Der ritter sach
95 sij an, ind balde dar na nam hey yrloff yan yre ind gesainde sij ind reit
wederymb in dat her zo dem keyser. Der sprach: 'Wat is der meren?'
Hey sprach: 'Ich dede myner jonfferen diese boitschaff, aen ich sach wall,
dat hey der ghene nyet en was, den sij lieff hadde.'
Des anderen') dags qwam der ritter wedervmb ind sprach zo der
100 jonfferen ind dem anderen ingesynde: 'Myn herre hait auer gestreden. Wir
hain nu yill youlcks yerloireu ind ouch etlige trefflige man ind myns herren
diener.' Die jonffrauwe yraigde: 'Wer sijnt die?' Hey sprach: 'Vr diener
Valck is mit doit bleuen.' Die jonffrauwe schree ind was sere bedroift,
mar hey proiffde wall, dat idt noch der lieffste nyet enwas. Doe reit hey
105 wederymb zo deme keyser iud sprach: 'Ich hain myner jonfferen gesacht,
Valck sij doit bleuen. Sij schre ind was bedroefft ; aen ich hain wall gemirckt,
[361b] dat hey der lieffste nyet en is.' Der keyser sprach: 'Bijt morgen yroe
weder ind brenge mir den reichten gront!'
Der ritter hatte dieser Sachen groissen ylijss ind reit des dirden dags heym
^) Bei Berthold V. 379 und 389 ist der Angegriffene ein ungenannter Graf.
') Hier setzt die Pommersfelder Handschrift des Crane (V. 184) ein.
') Bei Berthold V. 215 bleibt der Ritter bis zum 7. Tage beim Kaiser.
118
110 zo der jonfferen ind sachte yre die mere van yrs yaders wegen, dem keyser, wie
aner eyn groiss strijt laschen yem ind dem hertzongen geweist were ind syme
herren were vill vonlcks erslagen, dair vnder dat Craen yre diener ouch doit were |
bleuen. Doe dat die jonffer boirde, doe wart sij so sere yerstoirt, dat sij
geschrijen noch eyn wort nyet gesprechen knnde. Dat sach yre ouerste
115 jonffer, die die sachen onch wall wist ind wall knndich was, ind voer zo
ind drnckde der jonfferen eyn wijss hermelyn doit, dat sij in yrem boesen
hadde'). Ind doe dat hermelyn doit was, dair entaschen wart sich die
jonffer versynnen ind gebeirde enxstlichen ind wart doe so wall schryen, as
sij yrste gedain hadde. Doe sprach die dienst jonffer zo yrre jonfferen, as
120 menche noch der andern wall hilpt, as idt noit deit: *Sich, gaet hertze,
sijt yr nyet wijser, dat yr vmb eyn cleyn hermelijn, alsalch vnnutz dier,
also gebeirt ind schrijet also sere ! Dar vmb laist äff van snlcher geckheit !'
Doe dat der ritter sach, doe keirde hey vmb ind reit balde zo dem keyser
ind sprach: 'An diesen Sachen endunckt mich nyet s\jn. Ich bracht myner
125 jonfferen diese boitschaff, wie Eraen doit ind erslagen were. Sij enbedde
sich dar ymb nyet gewant ; dan yre dienstjonffer, die yrre wardet, steis \Te
eyn hermelijn doit. Dar ymb wart sij also sere bedroefft ind schre zo maill
sere, ymb want dat dier doit was; mar ymb die mere, ich yre sachte, dair
an enkeirde sij sich nyet.'
130 Die jonffer') wart yan yerneirniss also kranck, wie wale idt die
dienst jonffer also yermachde^ dat is der ritter nyet en mirckde, dat sij zo
bedde gienck lijgen. Ind sij wart alle noch krancker, also dat man dem
keyser boiden sante ind yem yntboide, wonlde hey s\jue dochter leaendich
sien, dat hey dan balde heym qweme; want sij zo maill sere kranck were.
135 Der keyser hatte die doichter zo maill sere iieff ind bereide sich mit s^nen
frnnden ind sprach: 'Wat [353a] radet yr na? Ich doin deme hertzongen
gewalt ind ynrecht; ich byn sijn yyant worden ind hain yem s^jns yolcks
yast erslaigen ind yeme s^ne lant yerhert ind yerbrant ind geronfft, ind
hey enhait mir nyet missdain. Ich hain anxst, got wille mich dar ymb
140 straiffen ind plagen ind myne lieue doichter snlle mir äff Sternen. Mich
dunckt guet sijn, dat wir diesen kriech laissen bestain eyn halff jair; dar
entaschen snllen wir yns wall besynnen. Wir willen ymber heym rijden
ind myne lieae doichter besien, die zo maill sere kranck is.*
IL
Wie Crane naeli Böhmen heimzog.
[354b] . . . der eyn zoich in Oesterrisch, daer sijn yader eyn hertzonch was^
der ander in Beyeren, dair sijn yader eyn hertzonch was, der dirde in
Beemen^ dair sijn yader ein konynck geweist hadde ind hey dar na selff
wart, ind nyemant yan yn wiste, wer der ander were^). Doe Eraen in
5 Beemen qwam, doe zoich hey in des konyncks hoff ind yraigde na des
konyncks marschalck ind qwam an den marschalck ind groete yn honelich
A
') Bei Berthold V. 302 klagt Acheloyde laut : 'Owe mtnes herzen drüt !' und
drückt zugleich unabsichtlich ein Hermelin, das sie auf ihrer Brust trägt, (vgl. zu
dieser Liebhaberei Alwin Schultz, Das höfische Leben ' 1, 450) tot. Ihrer Gespielin
Achute teilt sie erst nach dem Weggehen des Kitters mit, was geschehen.
«) Entspricht V. 331 bei Berthold.
') Hier beginnt bei Berthold die Lücke zwischen V. 666 und 667. In der
Prosafassung fehlt die Einkehr des Helden bei dem Wirte, der ihm den Tod des
Königs und die Wahl des Marschalls Assundin zu seinem Nachfolger berichtet.
119
ind sprach: 'Liene her marschalck, ich wealde gerne myme herren dem
konynck dienen; ich bidden vch, wilt des an yem versoicken!* Der mar-
schalck dede, as yn Eraen batt, ind halp yem zo deme konynck. Eraen
10 was eyn schein ind sere werdelich man, ind was der koninc mit dryn
perden Oi dae hey vnr den konynck qwam. Doe vraigde yn der konynck, wan
hey were. Kraen nante sich van verrem lande^), dair van hey geboeren were,
np dat nyeman np yn deichte ; want man hadde yn alle lant vyss w^den ind
sijden dein soicken. Ind also nam yn de^ konynck zo dienst. Ind as der
15 konynck dat wesen van Kraen vernam ind verstoinde, dat hey eyn ver-
stendich ind veraaren man was van strijden, veichten ind anderem ritter
speie ind was besnnder dienstafftich ind hoesch yntgain yederman ind knnde
oQch jagen, beissen ind houyren, ind yort alre leye man spill was yem
knndlch me dan anderen. Darvmb krich yn der konynck zo maill sere lieff
20 ind vermoicht yn wall besnnder vur den anderen. Ind wanne der konynck
selff vyss reit int feit, idt were zo jagen, zo beissen off anders zo doin,
wes yem geliefft. so nam hey altzyt Eraen mit yem, ind meiste der nyeste
by yem sijn.
BERLIN. J. Bolte.
') Vgl. Berthold V. 709: *Den fand her üf der beide breit, D4 her mit
stnen banden reit.'
') Vielleicht eine Umschreibung seines wahren Namens Angerlant.
120
Rollenhagen über mundartliche
Aussprache.
Die Nachrichten und Zeugnisse, die aus Schriftstellern des 15.
und 16. Jahrhunderts über die mundartliche Verschiedenheit der Aus-
sprache bisher beigebracht wurden, sind weder zahlreich noch sehr
ergiebig. Es wird willkommen sein, wenn sie um zwei Ausiührungen
vermehrt werden, die sich in den Schriften Georg Rollenhagens, des
Dichters des Froschmeuselers finden. Seine Nachrichten sind um so
wichtiger, als sie auch die niederdeutsche Mundart mit betreflfen, die
aus anderen Schriftstellern gesammelten Stellen beziehen sich nämlich
fast ausschliesslich auf das hoch- oder mitteldeutsche Gebiet.
Georg Rollenhagen, der 1542 in Bernau bei Berlin geboren ist,
hat seine Jugend in seiner Vaterstadt und in Prenzlau verlebt, einige
Jahre hat er dann in Wittenberg, kurze Zeit in Mansfeld, zwei Jahre
in Halberstadt zugebracht. Die übrige Zeit seines Lebens bis zu
seinem 1609 erfolgten Tode ist er in Magdeburg an dem von vielen
auswärtigen Schülern besuchten Gymnasium thätig gewesen. Seine
Nachrichten gründen sich also ohne Zweifel auf eigene Wahrnehmungen.
Eine derselben findet sich in seiner Paedia^ einer Art Gymnasial-
pädagogik, die zwar erst i. J. 1619 aus seinem Nachlasse veröffentlicht
ist, aber wahrscheinlich schon Jahrzehnte vorher abgefasst war. Nach-
weisbar ist wenigstens, dass die als Anhang und Ergänzung der Paedia
mit herausgegebene Comniofiefadio de studm von ihm bereits 1571
seinen Schülern dictirt worden war. In dem Abschnitte De pronunciatione
(pag. 2 sq.) sagt er:
Primus itaque circa infantem labor fit, ut pronunciare fcrmonem
Vemaculum difcat, plene, diserte, ac polite; ne quid haesitet aut
mutet in literis difficilioribus 6r, L, iJ, S. Nee craeffius et agrestius
efferat vocales A et E^ quam munditia et elegantia, imo veritas
Orationis civilis, patitur. Solet enim Mifnica Gens Guvenis^ Gudicium^
Gufticia^ pro Juvenis^ Judicium^ Jufticia: item, Jaudium, Jotthi^ pro
Gaudium^ Gotthi, ut et Bader, Boffum pro Pater^ Poffum^ quafi
affectato cum ornatu, ineptiffime dicere. Sic, qui maritimis Saxonibus
viciniores funt, ex litera C qua) tamen vicem K latinis prsestat, S\
ex E diphthongum JE proferunt, aut vocalem -4, prsecipue ante
R. Denique literam A in JO^) convertunt, fimile propemodum illi,
quod Ebrsei Camez*) vocant, ut Dofcere, Varbum, Omotnus: pro Docere,
^) JO ist wohl Druckfehler für (). Die Beobachtung Rollenhagens über die
Aussprache des langen a ist für die ganze Seekante einschliesslich Holsteins zu-
treffend. *) Das hebräische Vokalzeichen Camez wird bald a bald (als Camez
chatif) V gelesen.
121
Verbum, Amamus. Sicut Itali et Galli, defipere ajunt, pro decipere.
Qusß omnia diligentius cavenda erunt.
Die andere Ausführung findet sich in dem ABEGEDARJUM
MAGD^BÜEGENSE anno Christi MDCIII. Magdcebutgi, apud
Ambrosium Kirchnerum (5 Bogen kl. 8^). Dieses Buch war bisher
wie den übrigen, die über Rollenhagens litterarische Wirksamkeit
geschrieben haben, so auch mir, als ich für die 'Allgemeine Deutsche
Biographie' dasselbe that, unbekannt. Als Verfasser hat sich Rollen-
hagen zwar nicht auf dem Titel, wohl aber unter der Widmung
genannt, die an die Söhne des Christoph von Dorstad, Erbherrn in
Eimersleben gerichtet ist.
Das Abecedarium ist eine Lesetibel zur Pklernung der lateinischen
und nebenbei auch deutschen Druckschrift. Zur leichteren Einprägung
der lateinischen Buchstabenformen und ihrer Laute dienen Bildchen
von Gegenständen, deren Gestalt der Form der Buchstaben ungefähr
entspricht. Jedem Bildchen ist ein Wort in hoch- und meist auch
niederdeutscher Sprache zur Erklärung beigefügt.
a : Affenkopf Apenkop. — e Eichel Ecker. — i Igel Ile. — o Auge Oge.
— u Eule Vle. — h Haken. — / Elle. — m Emse Ernte. — n Ente. —
r Erbse. — s Feneresse Esse. — b Bein vom Affen Beeu vam Apen. —
p Peitsche Pitzke. — w Welle Wiege. — c Ziegenhorn Zegenhorn Zelle. —
^ Katze. — q Quappe. — d Diegel Degel Degen. — t Töhn [*Zehe'] Teppich-
nagel. — f Efchen Efken. — g Geige Giege. — x Axe Exe Crucifix. —
^ Zettel Zedel.
Hierauf folgen Buchstabenverbindungen, Silben u. a. Untcrrichts-
stoflF für Leseübungen, endlich einige lateinische Paradigmata. Den
Schluss bildet die nachfolgende Anweisung. Es sei gestattet, auch
den rein pädagogischen Anfang derselben hier mitzuteilen.
[Bl. 35] An die Teutsche Kinder Leermeister bericht. Gleich
wie man die Ebreische buchstaben also zum ersten gewiß vnd leicht
kennen vnnd lesen lernet, wenn man jhres nahmens bedeutung ver-
stehet. Also sol man hie mit den Kindern kindisch vmbgehen, vnd
zu erst nur einen entzelen Buchstaben fürgeben, vnd sonderlich
daheim bey den Eltern mit Kreyden auff ein Bretlein oder Tisch
ffirmahlen, vnd sagen, warumb er den nahmen also habe.
Alss das a habe erst einen kopff wie ein Circkel. Also, o vnd
daran ein klein Hälßlein, also /. Wenn das an einander gesetzet
wird, also a*) so werd es ein a. Vnd sey also genant, das es ein
Kopff sey, dem Affen abgehawen, als er die Buchstaben nicht lernen
wolte. Denn mit solchen Fabelwerck mus man die lieben Kinder
dabey bringen.
Damach soll man mit den andern vnnd dritten Buchstab, etc.
auch also thun, biß das Kind sie alle nennen, mahlen, vnd des
') So das Original, Rollenhagen meinte wohl o/.
122
Bildes bedeutung kurtzweilich erzellen kan. Dazu denn beyde
Sächsische vnd Meischnische namen zu den Bildern gesatzt sein.
Es gehet aber mit etlichen Nahmen in andern Sprachen etwas
schwer zu. Alß Hirudo ist Sachsisch eine JhU, yüd reimet sich
fein auff das «7. Sonst ein Jgel, das auch vom SchweinJgel ver-
standen wird.
Das Y nennen bißdaher die Sachsen ein «i, vnd brauchens
doch im lesen [Bl. 36J für kein & Gallicum. Darumb soll maus
ein % nennen, wie mans lieset.
Oculus ist Sachsisch ein Oge^ reimet sich wol zum 0. Aber
Auge ist weyter dauon.
Das Caput Bubonis thut es bey denen, die jhn Vle vnd Vhu
nennen. Aber nicht mit der Eule vnd Schufsauß zum F.
Zum N haben wir kein bessers, denn die Ente finden können.
Weil sie niedrig ist, vnd das heupt vornan stutzt.
Zum S soll man des Rauchs krSmme aus der FewrEse reymen.
Capra ist auff Sachsisch eine Cege. Darumb gibt das Ziegen-
horn das C, sonst muß es des Einsiedlers CeUa andeuten.
Wer bequehmer Bilder erdencken kan, versuche vnnd gebraucli«
seinen fleiss. Denn das Goropii^) Schlang für ein S, die Sandvhr
für ein H^ ein auffgethan Buch für ein F, vnd dergleichen Weiß-
heit, die man in seinen wunderbahren Hieroglyphicis lesen mag,
wil zu vnsern vornehmen nicht dienen.
Man soll aber die jungen Kinder nicht auff ein ander Bild
weysen, ehe sie des ersten vnterscheides silben alle buchstabiren,
vnd hernach ohne anstoß lesen können.
Die Sylben aber, Wort vnd Namen, sind nicht allein auff das
lesen, sondern auff den rechten vnterscheid vnnd laut der Buch-
staben gemeinet, der bey etlichen Sachsen leicht, aber bey andern
Volckern in etlichen Buchstaben sehr schwer, oder auch wol vn-
müglich ist.
Denn wenn die Franken sollen ein G für dem R im Latein
außreden, so [Bl. 37] sprechen sie ein JST, alß Kratia Kramatica
KrtBce, Im Teutschen verkehren sie das K in ein G, also, das sie
für Klocken, Klucke^ Kutscher, KhrÜingTc^ Kuckuck, sagen Glock,
Glucke^ Gutscher, Görtlivg^ Guckuck. Sie ziehen auch alzeit den
folgenden consonantem zum vorgehenden vocale. Vnd machen damit
offt einen entzeln buchstab duppelt. Als Philofsophus, GratnmaUica,
Echcho^ S. Fetter, Patter^ Patter Noster.
Die Meischner aber haben in jhrer Sprach gantz vnd gar kein
G, sondern wo sie es geschrieben finden lesen sie dafür ein J. Füi*
Gott giebt gute gaben^ lesen sie, Jott Jiebbet Jute Jaben. Für sagen^
tragen, hagen, klagen, Magt, sprechen sie, Saien, Traten^ Hain^ Klain,
Maid. Im Latein halten sie bisweilen das wiederspiel, setzen für
') Hieroglyphica Joa. Goropii Becani (enthalten in: Opera Joa. Goropii
Becani hactenus in lucem non edita. Antverpiae 1580 fol.) pag. 280 ^Latinorum s
vcl duos serpentes caudis connexos, vel vnum polest referre etc.
123
ein J das G. Vt Deus est Gustus, Apud iUum Gtulicem nulla est
Gusticia. Et contra: Ungua iustat omnia. Für dreyen Garen war
Gunker Gokim noch ein gunger GunJcer. Darnach halten sie einen
geringen oder keynen vnterscheid vnter 6, p, w. Item d vnnd t^
sagen, das eine sey ein hart, das ander ein weich p oder t. Dar-
umb schreiben sie Bader für Pater^ Pawer für Bawr^ Bolle für
Wolle. Vnd beten: Ne nos iniucas in dendateionem. Item: Dua
est Bodentjsfia.
Die Sachsen nennen auch das W vnrecht, uhu^ oder duppelt
V, Man sol es für einen Consonantem lesen, und We nennen.
Die Westfalen reden o vnd e vnd tz für ein s. Vnd sagen
für wie sitetu also, wie sißtu: es gilt ein gantz^ also, es gut ein
ganß. Seh können sie gar nicht außsprechen, gleich wie die
Ephraimiter nicht konten Schiholeth sagen, sondern [Bl. 37] sprachen
Sibdeth. Also lesen die Galli: Regina^ Recina, Rczina, all? wir
lesen Resina.
Etliche Sachsen lesen für das S ein Z, als Zinnen^ Zalme^
Zamwel, Zoffe^ für Simon^ Salome^ Samuel^ Sophia,
Quidam Brunfuicensis & Hildefiensis ditionis, omnes vocales
transformant in diphthongos & iiiftice pronunciant. Aie^ beye, ceie^
deie, eie, &c. Paateer noosteer^ qui ees in feelis^ Recx^ Voox, amaa-
miMy Teerra, eerde, peerde^ fweerde. Item: Ihfnenas vabefcam^).
Aramus. Et qui hoc reprsehendit, plane blafphsemus fcurra effe
putatur.
Quod fuum cuique pulchrum est.
Quidam ita ftudiese abftinent, ne C abs T diuellant, vt Italorum
more pronuncient Santus cuntator.
Solche angeborne Idiomata vnd eigene sonderliche arth der
Nationen vnd lender muss der Leermeister sein vnd bleiben lassen,
wie er sie findet.
Die Nachrichten Rollenhagens bezeugen, dass in gewissen Gebieten
Deutschlands bereits vor dreihundert Jahren dieselben mundartlichen
Besonderheiten der Aussprache zu beobachten waren, die noch heute
daselbst begegnen. Was er über den Unterschied zwischen städtischer
und bäurischer Aussprache und besonders über die diphthongische oder
circumflectirende Aussprache ursprünglich einfacher langer Vokale
sowie den Eintritt mehr oflfener an Stelle weniger offener Laute
berichtet, wird im Zusammenhange einer ausführlichen Untersuchung
zu verwerten sein.
BERLIN. W^. Seelmann.
^) Druckfehler für Damenos vabcscom?
124
Niederdeutsehe Fibeln
des 15. und 16. Jahrhunderts.
Abgesehen von blos tabellarischen Unterrichtsmitteln sind mir
nur zwei ältere Lehrbücher, richtig niederdeutsch zu lesen und zu
schreiben, bekannt geworden, eins v. J. 1532, das andere v. J. 1633.
Schon der Nachweis ihrer Existenz ist nicht ohne Interesse^), im
Uebrigen ist aus ihnen leider nicht viel zur Vermehrung unserer
Kenntnisse zu gewinnen.
Das wertvollere ist das jüngere Buch, das sich im Besitze der
Hamburger Stadtbibliothek befindet, zusammengebunden mit einer hoch-
deutschen *Fibel oder Nahmenbuch' (Gedruckt zu Hamborch 1632.
12 Bl. kl. 8®). Es wurde also damals, woran auch sonst nicht zu
zweifeln wäre, in Hamburg auch hochdeutsch unterrichtet.
Der Verfasser des niederdeutschen Lehrbuches, Heino Lambeck,
gebraucht die Schriftzeichen 5 und fi zur Bezeichnung der Umlaute.
In vielen älteren Drucken dient das übergesetzte e bekanntlich nur
zur Angabe, dass der Vokal lang ist. Eigentümlich ist, dass er,
abgesehen von Druckfehlern, die er ausdrücklich bittet entschuldigen
zu wollen, regelmässig durch besondere Zeichen die langen offenen e
von den geschlossenen langen e unterscheidet. Als Zeichen für das
offene e dienen ihm zwei darüber gesetzte Punkte oder damit voll-
ständig gleichwertig ein dem griechischen Circumflex ähnliches
Zeichen. Die so bei ihm bezeichneten e sind in den nachfolgenden
Auszügen durch 5 wiedergegeben. Uebrigens entschuldigt er zu Schluss,
dass öfter durch Druckversehen einfaches e gesetzt sei. Ausserdem
findet sich dafür I.
[Titel:] D&eöfdje ®rtt?ograpI^ia. Cefuro: De VOSvbe vnb Xlamen
gnmbiydl Soccf ftauercn, rcd^t Cffcti vub Sdtvynen. TXlyncn Iceuen Difcipulis,
ocf allen anfangettöeti €efe: vnbe 5d]rvfffd|6leni; tbo einer rid]ttgcu
Dnöeru>YJingc, opt forte^e geftelleö vnb tl^om atiöern maljl in Drucf
gegeuen, VSvdi Heinonem Cambffen; öSrgecn vnb Dor6röenöem Sdjryff :
4 9
vnb Äef enmeiftern bev Kercf eti 5t. 3acobi in fjamborg. ^ y y "ß"» ®^'
öc&rfeö üio fjamborg, in Dorleggingc öes Auctoris. MDCXXXIII.
(7 Bogen kl. 8.)
[S. 1] DSrrföe an ^en (ßunfKgen €{fer. (ßOnftige leeue Cffer,
öcroyle xd offt vnb vaten, nidit allein an Knaben vnb Vflaqbten t>on ^2. ^3.
on^e mel^r 3af^ren, funöern ocf an ZHannern vnb S^onwen, Dornat^mlyfen
») Vgl. Edw. Schröder Gott. Gel. Anz. 188«, S. 279.
i26
an ben: ie by Sd^oeloorberucm, ^fimp: x>nb Stfimplern, ^ufdicrn vnb
B5nt)afcn, £}ucS: onb Suöelcrn, in onoröcntlvf^n Dficöfdicn tDincfd: onöe
Klipfcfjotcn gegotin, vnbe afyw Straffe vnbe 3urcöc, aUerley £;acfema^,
ocf iia 5cr Carue onb <ßcu;>at{ni)cit C^fen getct^ret, ü^te onbe grott^e TXlangeie,
bes tociivcn Socfflaucrcn, onbc tl^ofamcii I(feit bcr Sylben gcfunben, vub
nodt bagelvcf bcfinöe, ocf fo gar groff vnb gan^ Q)qcu\dtyniyten, bat xd
my pafi entfette 6cf&(utgcn aUt^yr tt^o melöcii, bodi eins tt}oge6cticf en : n>o
manmgmal{( I^ebbc icf van onSerfdiei&cntlvfcTi [S. 2] mann: t?nö j^utDcn
perfol^ncn Hagcnb gcIjSrt: 3cf fan n>oI Ijfcn t?nöc fd^rvucn, auerjl icf fan
Öe i3occff]tauc (öarmit irf erc egeti ID5röe gcbrufc) nictjt rcctjt tlioliopc
bringen!
Der ©rfafen Ijaluen, vrxbe fulrfen öagelvcf ü5rgefaDen ZHangelen, in
etn>e5 vSxtliobnwen, Ijebbe xd mynen leeuen anfangenben £jfe : vnbe 5ci]rYff-
idtSlevrXf ocf allen, 5e in erer 35gen& Iffen tljo lef^ren Dorfumet, ebbet ocf
nid?t grunWycf Soecfjlaueren vixb rectjt £gfen gelef^ret liebten, tiio nutte t?nö
gube, jegentperbiges Soerf vpt forte: onö eintfol&igejie, in etlyfe ipeinig
Beguten pn5 gemeinen €jempeln, be fe jle&es in geöäcfitniffe bet^olöen
fSnnen, p5rferöiget pnöe vp ant^oföent pnb begeljren guöer [S. 3J 5rw»ö^»
porm 3al^r pngefeljr in Drucf gegeuen . . . Dewyle auerf! be £xemplaria alle
miteinanber diftraheret, pn5e porfSfft, t?ebbe icf öat (Exemplar ipeööer por my
genol^men, pnö öar yM n5big getpefen, mercflycf en pormel^ret pnöe gebetert ....
S. 5 — 32 Alphabete (v vor u) in Antiqua, Cursive sowie in
Frakturschrift, Buchstabir- und Leseübungen.
S. 33 ff. 5oIgen&e ^6. Hegulen, mSt^ten im Soecfjlaueren pnö tljo«
famen Iffen öer Sylben mit ffyte in adjt genat^men tperöen.
^. IDenn im tDoröe tCtpe Stumboecfjlaue by einander ^afyix, fo
tperben 6ef&(uigen gebeitleb, vxxb be ein tt^o 5er £rften, pn5 be folgende
tl^o 5er anbern Sylben genaf^men : Hiööer, 2t55er, tDille tper5en alfo Soecf «
flauere^: Hi5 5er, 215 5er; ipil le, alfo ocf 5^55er, Sd^nigge, (Cuffel . . .
2. Steit im tt>or5e ein Stumboecfftaff, ttpifct^en (Etpeen €ue5boecf«
flauen, fo n>er5 5e Stumboecfflaff tl^o 5er an5ern Sylben genat^men, 5er«
Ijaluen n>er5en 5iffe tt>5r5e : 2t5am, ^bel, I?a5er. 2tlfo recl]t Soecf jiauere5 :
il bam 71 bei Va 5er, pn5 nicfjt ^5 am 2Ib el Vab er . . .
Sy 5yffer Begul ys mit flyte in actjt tljonff^men: Dat men n?o ferne
iö mSgelycf, neen Sytbe alfo €n5e pn5 befctjlute, 5at 5e negePfolgen5e mit
einen Cue5boecfftaff n)e55er anfange: CDente 5at lu5et liatb vnbe gifft o^
ein tjar5 £{fen5.^)
3. 2Tlit 5en Stumboecfflauen, 5armit men 5e €rfle Sylbe eines
lDor5es anfange5, mad? men im IDor5e, od wol ein Sylbe beginnen. 3"
5iffen ID5r5en : Sterue, (Efjrijlus, Sct^epper, Scfjlange, iper5 5e <£rfte Sylbe
mit f!, dl, \dt, fd^l, angefangen, 5ariimme mag men im tOor5e, mit fulcfen
pn5 5ergelyfen Soerfflauen, ocf ipol ein Sylbe tl^o Soerfftaueren beginnen,
5arumme iper5en 5iffe tt>5r5e : (5eftoruen, ^voxd\ext, <ßefci]apeti, (5efci)lagen,
alfo red^t Soecf jlauere5 : (ße jlor uen, € n>i d^eit, (ße fd^a pen, <ße fd?ta gen.
^) Beispiele sind nicht beigefügt. Gemeint scheinen Wörter wie ni(g)e,
vri(g)e, ge(e)Un.
IM
3tem: preejlcr, (CrSfler, pfiper, [Bl. 35] fyxlxdtÄt, Kad^elauc, 3ud?c,
/^. ®n tÖorb, 5at pan (Eu>ccn tt>Sr5cn ttjofamen qe\eüeb, motli mcn
al\o Soccfjlauercn, &at nccti p5rftanMtcf öei^I tt)orft)ten pii& pnpSrflatiMycf
gcmafeb voetbe, bavixmme werben öiffc It)5r6e: ©gentrop, Qacrbanö red>t
y occfftauercö, © gen trojl, ^acr banö, on5c md]t : Ogcnt rofl . . .
5. Wenn be v vor einen £ucöboccf(laff jlcyt, fo wevb l^e alfe ein f
gcbru^eb: Vabev, Veet, Vyvbag . .
6. De c oor einem a, o, u, I, vnb t wevb alfe ein f PtE^gefprafen :
Caspar, Cornelius ...
7. tt>enn auerft be c. por einem e eööer i fteit, fo wevb tje a!fe
ein 3 öoecfflauereö: CecHia, €ucia . . .
8. Wenn vSt ebbet miööen im Wovbe, be t Por einem i ^eyt, vnb
negefl bem i ein anöer Cue&boecfjlaff folget, fo toerö be t alfe ein c
gebrufe^: pontius, (5ratias, ^bfolution . . .
9. d] wevb alfe ein gelinöe g Ptl^gefprafen : C(^riftus, Ct^riftian,
Qerlidjeit . . .
1^0. pii wevb alfe ein gelinge f geljfen: propE^ete, pE^arifeer . .
\\, Ülotli men be a vnb a e, o vnb 6, u vnb n, redjt pnöerfd^eeben
letf ren :
^ane C^^ne. Paber D^ber.
£euen ifuen. lUcge R^f^e.
Bot^me B6t)me. Dohen D62>en.
Kule Kule. l7ule ^ule.
\2, De babbelten Soecfftaue red^t tt)o gebrufen:
Kber 2Ibber. Sd^ale SöuaUe.
Hofe Hoffe. wife roiffe.
Htber Hibber. fiipe fuppe.
IDile W'iüe, fopcn foppen.
\ö. TXiotl] be pn&erfd^eeö bes V vnb W woi in ad\t genal^men tperöen :
Paget maget. polare wa^ve,
Pebber mebber. palle maOe.
P^ber w^ber. ven wen,
H. lITotl^ men öen €nö: e55er lejlen Soecfflaff einer Svlben woi
in ad\t njl^men, vnbe beöenrfen: €fft i^ ein Stum e6öer Cue6boecfjlaff ys.
Sium. £uebb. Stum. £11 ebb.
fd^ulte fd^Iute. <&arue <&raue.
Karme Frame. Sd^tnber Sc^ntber.
Kercfc Krccfe. Käme Krane.
^D. De Körten pn& Catigeti £ue6boecf jtaue red]t tljogebnif en, ZHercf e :
lüenn ein Cueöboecfftaff ppm €tiöe in einer Sylben (levt, fo tpert E^e lang
öoecf jlauereö : (ßaöes, Sabe, Sd^aöen. be, Eje, tLwe, liöe, 5d)ine. 2luerft
in öer Sy^ben, tperö ein Cueöboerfftaff pp örverley 2lrtlj porlange^. €rft«
[\fen: Wenn I^e (Croe maE|I gefetteö, fo tperö I^e lang PtE|gefpraf en :
Stal ftaal. mar maar.
Blecf Dieecf. beft beeß.
IPin »Y«» P^^i* P^Y*«
f^op t^oop. lod loocf.
3ul buul. t{ur fyxnv»
127
(Cliom anbem, wexb ein Cucbbocdftaff lang viiiQe\ptafen, wenn ein
c barby fievt.
tTTaii znaen. Sc^ap fd^aep.
Bil bte(. ftu fien.
Hocf roecf. foef foecf.
^ur t^uer. bur buer.
(Ct^om örfiöben n>erb citi Cuebboecfflaff Dorlangcb, mit bvfettinge eines t) :
2ln al^n. lam lat^m.
(Er cl^r. ler lel^r.
Ktn ftl^n. mtl mtt^I.
Don bobn. fom fot^m.
Vt pf^r. tun tt^un.
Weide 2Jrtlj einem y^ern l^\Twan beleeueb tI)o gebrufen, ftevt em frye.
^6. CnMyrf, motlj men im anfange ficf beflytigen; £uöe, langfam,
porftanö: on&e onöerfd^eeMyfen tl^o £{fen, nidjt ein Sylbe oeel ipeiniger
ein Woxb oorby fd?Iaen: De lefte Sylbe rein vtii\pvaten, by einem Pirgnl
fS. 40J Punct eböer (Eeefen (alfo HoiPpfben öer Sdjrifft) opl^otöen, firf
be5encfen toat men Hjl ebbet gelffen trefft. ®cf fd^al men im £{fen bat
Stote: vwb Stamerenb mybeti, neen IPorö; Sylbe ebber öoecfftajf onn&big
Cipeemat^I £?fen, onb an ber lejten Sylben neen e ebber 5, mit einem lang
lubenbem Sd^wanfee jlicf en ebber (gangen, ocf viii bem Cffen neen Singenb maf en.
5. 40 fF. sind Personennamen, Tauf- und Zunamen, Ortsnamen
(darunter pameren, Horwjgen; ZTlffelnborg, ^olpeen, 5d?otpenborg,
lPanbe5b(cf) Namen der ämpter vnb D&twanten (dabei : Stecffoaber, Steeff •
följn, ^ecrbe, Koljl|erbe, Sd^aepl^eerbe, fjerbergercr, tDfuer, (Ceyelmeifter),
Hat^men ber (ßelfbe bes Cyues (z. II Secl, (ßSrgel, Cud^trot^r, Bregen,
(!) örfgenpanne, IDeruel, Sdilaep, DorB^oueb, ©genbrane, ^efyxe, (ßagel,
Kinne, (ßnirf, (ßolbfinger, Kleenftnger, Cud^taber, ^loetaber, ZTlUte, 5d?meer,
€ncfel, tCiioen), Haljmen ber Stucfe bes ^ue§gerabes (z. B. Snll, poft,
(5rinbe(, DSrnfee, Ooetfdjemel, 85ne, Sobbem, Cfgel, öffer, (ßeeter, piumme,
Itluelberc, £t{ri{lanien, Dobefale, (ßlSycnbefale, Drjuet, 5eue, pumpet,
pufler, EDeyer, Itefeboecf, 5d)(5yer) usw.
[S. 66] 5. Den runben o gebrufcb men v$v in ben It)5rben, auerft
ben apen u in ebber am (£nbe ber ID5rbe: pub, cor, pan, ons. 3efum,
begrauen, auer.
6. De y tperb in pnb am ^nbe ber buebfctien IP5rbe alfe ein lang
i gebrufcb, pnb nxd\t vSt in ben tDirben gefetteb : byn, myn, Ityb, voy, my, gy.
7. ZHotli men ben a vnb a, 0 pnb 5, u pnb fi jlytig in ad?t nef^men :
t>nb neen a por einen a, neen 0 por einen 5, pnb neeit u por einen ix
fetten ebber gebrufen . . .
[S. 67] Od motlj men neen Soecfftaff in einem IDorbe auerffobigen
fetten: (Dd nxdtt n. n, by einanber in (Einer Sylben gebrufen, auerft biffe
beyben lüSrbe : wenn, benn, fo be (Cyb pnb ®rfaf e eines binges erforbern,
m5gen wol mit nn gefahrenen werben . .
[S. 70] 3m 2i$ben pnb Sdjryuen tperben pafe (Cwe Sylben ebber
lD5rbe tt)ofamen gemengeb, pnb pp einmaE)! ptl^gefprafen : barumme fd)a(
12»
mcn fo oeel mSgrfvcf pcf bcr forte beflytigen; »erb öerF^aluen red^t gcrföct
DUO gcfd^rfucn, por:
3n bat £Juc§ 3nt £}ue§.
tt}o ber C)uer tt^or ^ner.
in bem XOe^e im IVe^t.
ll^ngeb [{ingb.
ntc^tes iiid^ts.
gefd^Iagen ^fd^Iagn.
an bat Cr&ge ^et^ingeb ant <£r&6 gt^ängb.
t(f bin gefamen tcf bin famen.
f{e f|eft geg(uen f{e trefft gfuen.
Eine mehr als hundert Jahre ältere Anweisung lesen zu lernen
bietet ein kleiner aus nur vier Blättern in 16^ bestehender Druck
V. J. 1532. (Königl. Bibliothek Berlin Yd 7822.) Der Dniekort
ist nicht angegeben, doch muss der Verfasser Marcus Schulte nach
Ausweis seiner Sprache (wol 'wer', a für o in Gade usw.) in einer
Stadt des Küstengebietes gelebt haben. Viel Belehrung lässt sich aus
ihm nicht gewinnen. Es mögen die nachfolgenden Auszüge genügen.
[Bl. la Titel:] Dorflartngc | ber anroifinge, nimlicf \ bes a b c
mit ftguren, fampt einer for« | te v&vxebe, öord^ ITlarcum Sd^ulte. I
ZIT. X). XXkxi, 3ar | ^i^ureiicseöels woröt. | 2lUerIeYe minfd)en \\nt tbor
lere geredet. | (DU, juncf, man, frun>e t?nöe fned^t | Darumme öy"^ o^^»
tt)o my ^o feren | IPo 5u mult baföe üaten t>nde (eren | De e^bel fünft
fc^riuen Pn&e lefen | . . . (Es folgen noch drei deutsche und zwei
lateinische Verse.)
[Bl. Ib: Vorwort] . . . 3cf t^ebbe in fortuorgangen öagen frfintlifc
lefer, eine antoiftnge, n5m(icF 5at a b c mit figuren, etlifen gu5en gefeHen
na erem begel^r, in egener perfonen bat mit tljo öenen, breuestiDtfe ym
bvnd taten ptt)gt^an, Detx>tle ben bev breue vwbc tsebet fo Pete gemor^en
fytit, bat fe peUtd^te ocf in anöer lanM vnbe fleöe mSdjten geu5ret pil
gebrad)t weröen, byn icf pororfafet tpor&en, eine (utteringe pnbe porftaringc
öer ann:)iftnge (pp Sat flcf nemant öer ö&ncfett|eit tl|o beflagen itebbc) boxdt
einen biörucf ocf taten ptt^gl^an.
[Bl. 2a] Dorftartnge &er boecfflauen pnöe filben figuren rtmesipife
poruatet.
Tlpe ein öert bem minfdjen euen.
öene (Et^rifti am Kriifee fynt tjeel gebleuen.
(Esegen Caban tperen feer frud)tbar.
Degel öoet offer tt?o fafen gar.
(£gel am liue fcarp borjlen öred^t.
(Effet ym Printer tljo famen Ied)t.
(Seren (Etjrifhis rod I^a^^e nid?t
ffamer öes fmeöes afgo&e toridjt
3f^r öordifneöen I^efft 2^\epii& fjerte
Kate pp öen ffin^er pallen mit fmerte
£nen land grSte, fettet ficf tt^o nemant
129
Cmmcr toaters ein man ^rcd)t in öer l^anM
fngel ein habe van (Sa^e Dt{^gefan^t
®re tpert t)oren pn^e nidit ©orftan
Pefe onöe ftaff Oacobs v'" 3orban
Kule ^erculis, (El^iron mafeöe voadev
fBl. 3aJ firtoet öygen rool op warmem acfer
Sspen hiebet regen ftrf aItY^t
(Cegel tljo mafen öe&e (ßaöes oolcf Ylyt
Dien mert me B|5ren in Sabilon
<£^e an ^en boem geled^t ys fd7on
®ge llTofi ane Dufterl^eit on&e flecfen
S^te vnbe iia\en öe bene be^ecfen.
In derselben Art sind auch die Buchstabenverbindungen ba, ka,
da usw. je durch einen Vers erläutert. Bl. 3b 4 folgen 20 Regeln,
wie man die Anweisung verstehen und gebrauchen soll, z. B.
IL 2TIancf &en ^re vnbe trointid^ boecfftauen, lüeröen etlife lue&t-
boecfftauen, x>nbe öe anöern mitlu^en&e boecfftaue genomet.
VII. De namen öer fSften figuren Ijitt) effel, onbe ys ein liodi &u&efd?
wovbi, bat w\ faffen nomen eppel, wente feine anöer figure ys tl^o mnöen,
öer namc bat f fo bequemelicf antefen mod]te.
VIII. Vp be jilbe ia ys öe figure nagebleuen, ioöodj yn bei or&e»
ninge öer rymen angetefet, bovdi bat wovbt iager (! Der gemeinte Vers
lautet: 3ager geweibxd}, was TXemvob vot (ßo^t.)
XI. IDen bn be erfte filbe bes mames ehier juu>elfen figuren allene,
bat ys bat vootbt I^alff nomeft, fo I^effftu ben boecfftaff eböer plbe einer
juit>elfen figuren otl) gefprafen, alfe ape, baue, Ijalff, a b bage, fale,
Mff/ ba ca.
BKKWN. W. Seelmann.
Ki«derdeutsch«8 Jahrbuch XVIU. 9
130
Zu de s
Königsberger Pfh
im Ndd. Jahrbuch X
Das im Jahrbuch XVII mitgeteilte «j
namen ist zwar kknn an Umfang, aber di -^ b s.- r« • e« ^ i • » « - . in.
keiten und seinen Wortschatz höchst 1 | w« ^i llläl?' »II?!?!!
geber hat bereits aus zwei Besitznotizen ^|.f aSlo S!;?!! aTslS?! m
Schrift, welche diese Glossen enthält, fPl ig 13 |h fj J^M §
Besonderheiten der Verdeutschungen n « 1 11^''" '^1 5 Jt ?fl*^^^- K
Handschrift aus dem nordwestlichen Den S^&a^g'fli^-I hiÜ|?l ^
vom Niederrhein; wie jedoch im folgen ol^i^rlfff^S '«'gl'?';»
die Heimat des Urhebers der Glossen noc 1 5^1 iS^ »3 •!: EÜlSj«: h
Maas und Sclielde zu suchen, so dass wi
niederländischer Sprache aus der Zeit de^
altfränkischen Standpunkt in den der n
spräche sehen dürfen. Daher erklärt sicl
Wert für die Sprachgeschichte, der d
hundert, Wörtern eignet.
Der (Miarakter der Glossen ist rein ^^ ^ •► ' ff**! 0 --"••<
hochdeutscher Lautverhältnisse. Aus e J||« ^lllU « l\ \
haben einige Wörter noch volle Vocale ft-f | SHs-i ? tl L
wie z. B. merha 10, yfopo 53, maäalhom U^l lUlU / |; g^
die Mehrzahl solche Vokale zu e abgescluN g;||5 •If^l % j.* 5:
tümlich mutet an die Unterbleibung der l^^n F* r|Ä# I /? ^t
in offener Silbe an den Wcirtern clithc jf|| | |%o* [ K U
derselben wirklich kurz ist. — Hohes A p?f | ^ ff|| | I; . f
(jh statt g erscheint. Hl^ t ^^53 ^ U It
Altes ih ist schon zu d geworde qjg-J | f^J^ $ fS- a&
flcdorn 57; nur ein th findet sich in cli ^ ..........
Wort dem ags. dithe (nach Sievers in doi i'icitragen zur Gesch. der
Deutsch. Sprache und Litteratur von Paul und Braune IX, 247 wahr-
scheinlich mit kurzem Vokal) merkwürdig gleich sieht. Mndl. und
noch westflämisch heisst diese Pflanze clessc, clisse, seeländisch (nach
Kilianus Duftlaeus) kl Ute, und nndl. gelten Bis und klit. Ueber die
Lautung dieses clitke, und ob es dem Misse oder dem iZr^^e entsj)riclit
oder eine dritte selbständige Form darstellt, wage ich keine Ver-
j^utung. — Erdbeirhlat 42 hat am Ende bereits nach mndl. Aus-
lautsregel t statt d, während rid H, erd- 41 f., mdquid GG noch die
Media zeigen. — h und c wechseln in der Schrift, wie auch in der
des späteren Mittelalters; aber dmmin 30 mit c vor i ist sehr auf-
H
a
181
fällig, da man nach miidl. comijn^ nndl. komijn doch die Aussprache
kimmin annehmen muss. Auch das doppelte m befremdet. Sollte
etwa cumini zu lesen sein? Im Auslaut wird stets c gebraucht: loc
5. 11 etc. — Sc steht noch fest, an-, in- und auslautend, auch vor c:
scelworte 19, fcafbife 24, lisc 50, lovefca 70, colfcot 11, Im Adjektiv-
suffix -esc kann c schon abfallen: Romef col 16. — Das tonlose alte
f beginnt dem tönenden e im Inlaut zu weichen: neben zweimaligem
bife 17. 24, neben yfopo 53, [h]afelnote 5(5, mufeke 74 ist be£fe 25
und zweimal biee 54. 91 geschrieben. — Anlautendes h findet sich in
hundehlome 33, es fehlt in anep 23, afelnote 50 und in erfminte 79,
fälschlich steht es in mushore 84. Diese Unsicherheit im Gebrauche
eines h im Anlaut ist ja bei altdeutschen Schreibern nicht so ganz
selten anzutroflfen, war aber wohl nirgends mehr zu Hause, als in
solchen niederfränkischen Gegenden, wo man kein h mehr sprach;
w^ie man denn annocli heutzutage fs. Jellinghaus, die Niederländischen
Volksmundarten S. 113 {$ ^>7) in Seeland, in Flandern und im süd-
westlichen Brabant den Hauchlaut gar nicht kennt, wenngleich man
den Buchstaben richtig in der Schrift zu setzen in der Schule lernt.
Dass die Pfianzenglossen aus jenem westlichsten Gebiete deutscher
Zunge stammen, werden wir nachher durch andere lautliche und
lexikalische Erscheinungen bestätigt finden.
Was der Herausgeber über die Nichtbezeichnung des Nasals in
hife, bisßj in madalhom 55 und mecapT 94 sagt und daraus folgert,
scheint auf Missverständniss zu beruhen. Der Nasal n konnte im As.
ausfallen vor 5, (! und /"; in madcd müsste er aber vor d und in
mrcop^), da dies Wort aus me und cop zusammengesetzt ist, am Ende
des Bestimmungswortes abgefallen sein. Uebrigens sind in obiger
Liste vergessen beze 25 und gigeberre 4(). Es kann nun gar keinem
Zweifel unterliegen, dass in madalhom und gigeberre der das n bedeutende
wagerechte Strich bloss verselientlich unterblieben ist, da alle germa-
nischen Dialekte in den beiden Wörtern ein n haben. Mit hize^ beze und
tnrcop hat es aber eine ganz andere Bewandtniss, wie sich ergeben wird.
In den Vokalverhältnissen begegnet mehreres, was auf den ersten
Blick dem mndl. Vokalismus zu widersprechen scheint. Für bivot 2
erwartete man hivoet, für hundeblome 33 hondehloeme^ für ribbe 62 rebbe^
für minte 79 mente. Allein da die Vokale, welche hier die Glossen
bieten, nur einem älteren Sprachzustand angehören*), so lassen sich
jene Wortformen niclit als dem niederfränkischen Lautsystem wider-
sprechend bezeichnen. Für (erfe)minte reicht allerdings dieser Grund
nicht aus, da es nicht aus jy-ivO/;, sondern aus lat. menta entlehnt ist
und ndl. stets mente geheissen hat. Eigen ist auch, dass mndl. ie
durchweg als i erscheint: rid 8, viermal bife 17. 24 oder bize 54. 91,
^) Ich schreibe hinfort statt mecopl so, da ich gleich dem Herausgeber mit
dieser Form nichts anzufangen weiss, dieselbe aber sicher ein mecop voraussetzen
lässt. ') Noch im 12. Jh. findet sich meist -dune statt -donk in Ortsnamen; auch
die Schreibung op. für altes 6 scheint erst gegen 12(X) aufzukommen ; bivot ist ferner
aus bibot hervorgegangen, dessen ö aus au verdichtet ist.
9*
132
melquid 66. Nur einmal steht die mehr sächsische Form beee 25
statt biee. Lisc 50 ist zweifelhaft, da heide Formen, die mit ie und
die mit i gut niederländisrli sind. Mire 47, dem ein sächsisches mire
entspricht, hat langes i und die spätere Form miere ist zu beurteilen
wie gier (Geier), gierich (gierig), miere (Ameise), spiere (Spitze), S2)ie'
. ring (der Fisch), vieren (feiern) statt ursprünglichem .^^fir u. s. w. ; s. Franck,
Etymologisch Woordenhoek. Das i jener oben genannten drei Wörter
steht dagegen für älteres iV, und soh^hes i für ie ist, wie die
Namen in Urkunden darthun, im 11. und 12. Jh. gar nicht ungewöhnlich
gewesen, in Namen, wie z. B. Thiderik^ schon viel früher. Man scheint
sich danach erst im 13. Jh., bei der Ausbildung der mndl. Litteratur,
wieder auf den alten Unterschied von i und ie besonnen zu haben;
aber die Aussprache wird, wenngleich die beiden Vokale selten mit
einander reimen, doch wohl die gleiche eines langen i gewesen sein.
Was den Umlaut betrifft, so finden wir e für a in daunetcla 83
und im Fremdwort kervele 32, ei in eräbeire 41, erdbeirblat 42. Solches
ei für e findet sich in ndl. Dialekten, besonders vor r nicht selten:
dass es in Handschriften aus Flandern und den angrenzenden Gegenden
häufig vorkomme, bemerkt Franck, Mittelniederländische Grammatik
§ 80. — Dass ä im Ndl. nicht umgelautet wird, ist bekannt. ^Doch
finden sich nicht selten auch Spuren des Umlautes und zwar wie im
Md.^ (und im Ndsächs.) „als e^ diese Erscheinung gehört besonders
dem Limburgischen und Brabantischen an" ; Franck, (}r. § 39. Danach
liegt am nächsten, das e in mecop 94 als durch den vokalisierten
Guttural bewirkten Umlaut des ä anzusehen; denn ahd. mago und
mhd. mage werden allgemein mit ä angenommen, als dem griech. [xr^xcov
und dorisch. |7.äxo>v entsprechend. Osthofi' hält gar mägo für ein vor der
ersten Lautverschiebung übermitteltes Fremdwort ; s. Beiträge zur Gesch.
der Deutsch. Sprache und Literatur, hrsg. v. Paul und Braune, VIII, 261.
Wackernagel ist der einzige, welcher den Stammvokal bestimmt für
kurz erklärt: „wa^e, mahe^ ahd. mago, schon mhd. mein, mon, zsgz.
aus mahan''^ sagt er in seinem Altdeutsch. Handwörterbuch S. 188.
Lexer, Mhd. Handwb. I, 2005, macht für die Kürze des Vokals mit
Grund geltend, dass elsässiscli der Mohnsame mageföme und magefot
heisst und nicht mögeföme^ mögrföt. Vielleicht lässt sich auch nndl.
mankop neben maankop daher erklären. Also ist mago^ mage zu schreiben
und die Länge des Vokals ist erst in man durch Contraction von mahan
zu m«aw, man entstanden. Demnach wird auch in mecop kein Umlaut
e von d zu erblicken sein, sondern 6 -Umlaut aus 8. Dafür zeugt
nämlich auch, dass nach De Bo, Westvlaamsch Idioticon, meekop ^met
zware ee^ gesprochen wird, also mit franz. e wie in pere oder ai wie
in elmire (S. G78 und 280). — Unter denjenigen Glossen, in welchen
Umhiut des a nicht stattgefunden hat, ist radic 95 zu bemerken.
Hd. ist ratih überliefert, aber ndsächs. kennen wir nur rcrftfe, und
im Ndl. ist das W^ort schon im Mittelalter durch radijs verdrängt
worden. Dieses radic ist meines Wissens der erste Beleg einer für
rcdik vorauszusetzenden älteren unumgelauteten Form.
133
Prüfen wir mm den Wortjüjehalt der Olossen, so ist zunächst
gegen den Herausgeber einzuwenden, dass er eine Anzahl Ausdrücke
als sonst nnl)elegbar mit einem Stern versehen hat, die auch sonst
vorkommen, dagegen bei anderen den Stern zu setzen unterlassen hat,
von denen ich wenigstens keine Spur habe finden können imd ver-
muten möchte, dass sie nicht nachgewiesen sind. Zu jenen rechne
ich z. J3. kuJcucJcesloc 5, davere 27, hwndeUome 33, paftanaca 35, papla 75.
zu diesen ceuescion fcuifun 36, moyfika 74. Cuccucfilooe haben die
(iloffae Trevir. in Hoffmann's Hör. Belg. VII oder l)ei Diefenbach
(j|. 10() für cucumer\ hd. weist Diefenbach das Wort aus drei Glossaren
nach als Uebersctzung von alleluia, also wie in den Königsberger
(ilossen; imd für acetofa bietet cuccuheslof das ndd. Gl. 22 bei Diefen-
bach, mit der häufigen Vertauschung von löf und 16c, Hunde- (oder
hundes-) blome ist auch sonst belegbar, freilich nicht als Glosse von
caniamiUa, sondern von amarisca Ztsch. f. Deutsche Phil. IX, 198,
amarusta bei Diefenbach; aber im Garden der Suntheit wird (nach
dem Mndd. Wb.) hundehlome docli wenigstens für die Hundskamille
gebraucht im Gegensätze zur lamellenhlonie^ der echten Kamille. Aller-
dings fällt bei mehreren Glossen auf, dass der lateinische Ausdruck
anders glossiert wird, als in den meisten Vocabularien des späteren
Mittelalters und dass diese das in den Königsberger Glossen verwandte
deutsche Wort zu einem verschiedenen lateinischen Pflanzennamen
bringen, eine Erscheinung, deren Verfolgung durch die Glossen eine
behufs einer Geschichte der Botanik wichtige Aufgabe für einen botanik-
kundigen Philologen oder einen sprachkundigen Botaniker wäre. Aber
diese Abweichung zwischen älterer und jüngerer Nomenclatur scheint
der Herausgeber bei dem Zeichen des Sternes nicht im Auge gehabt
zu haben, wie z. B. daticus paftanaca 35 zeigt, denn Nr. 74 bei Diefen-
bach giebt daucus paßernag; oder malva papla 75, wie ahd. papula,
as. pappila, wie die Glossen bei Diefenbach s. v. malva, und Corn.
Kilianus Dufflaeus unter pappel beweisen. Diese Pflanze heisst west-
Hämisch noch päppele oder pappel.
Zahlreich, wie überhaupt im botanischen Sprachschatz des
Deutschen, sind auch unter diesen Glossen die dem Lateinischen ent-
lehnten Wörter. F^ine solcher Glossen, glaube ich, lässt sich durch
eine wenig andere Lesung richtig stellen, das wunderliche ceuescion
seuifon 36. Beide Wörter sind unbesternt geblieben, doch bezweifle
ich einigermassen, dass sie sich sonst werden belegen lassen. Ich
vermute, dass cenescion und etw^a fcinfun oder fincfun oder fenifun
zu lesen ist; vgl. finkfoen, fingfoen^ kruiskruid, fr. fenegon, lat. fenecio
bei De Bo, Westvlaamsch Idioticon, und finkfioen im Aardenburger
Dialekt (Noord en Zuid II, 321). Die Endung des Wortes zeugt dafür,
dass es nicht direct aus dem Lateinischen, sondern aus dem Romanischen
entlehnt ist. Ebenso steht es mit ce2)e uniun 22, zu dem der Heraus-
geber oinjun aus dem Gloff. Bernenfe oder Dief. Nr. 99 vergleicht.
Franck giebt zum nndl. ajuin die mndl. Formen aiuun, oiuun^ oniuun,
aioen^ die nfläm. ajoen^ anjoen. Das uniun kommt noch sehr dem lat.
134
unio nahe, inuss aber, so gut wie engl, onion^ wegen der Endung aus
afrz. ognon stammen. Porrum poret 86 entspricht nicht dem franz.
poireau, porreau, sondern einem pore, statt dessen aber pwee gilt,
it. parrata ; engl, porret stimmt zum poret der Glossen. Als westtiäm.
giebt De Bo poret^ parety pret neben porei, prei an. PetroßUnum
perfeie 87, jetzt westfläm. perfelle^ ist das franz. persil, Salvea folge 1)8,
früher westfläm. failge, jetzt feldje^ kommt mit franz. fange überein.
Libiscus lovesca 70 : franz. liveche, leveffe, ndl. bei Kil. Dufflaeus levefche,
livefche^ bei De Bo lavaf(se)y auch nndl. lavas neben luhbeftok, in
Brabant nach Nemnich's Polyglotten-Lexikon der Naturgeschichte lavetfe.
Gleichfalls ein Fremdwort ist bove^'ella 63, doch scheint es nicht
dem Französischen entlehnt zu sein, welches dafür coquerct hat, nach
Nemnich auch coquerelle, dessen Endung zum deutschen Worte stimmt.
In den übrigen romanischen und in den slavischen Sprachen weichen
die Ausdrücke für diese Pflanze völlig ab, nur das Tschechische hat
hohorelka. Bei Diefenbach sind hd. boborell, boberell und ndd. boberelle
unter boborella, dann nhd. boberellen, boborellen unter halicacabum und
im Nov. Gioff. alkekengi = boberellen aus dem Hortus Sanitatis ver-
zeichnet. Nemnich hat unter Phyfalis alkekengi ausser boberellen auch
bocJcerellen, was eigen an coquerelle anklingt. Im Nndl. scheint kein
baverelle vorzukommen. Die Identificierung von boverella mit labrusca
im Königsberger Glossar beruht wohl nur darauf, dass beide Pflanzen
Beeren tragen.
In Erwägung der ans Französische mahnenden Pflanzennamen
erscheint baia 15 als Uebersetzung von bacca luibedenklich, obschon
der Herausgeber unschlüssig ist, ob er nicht beira lesen soll. Es
lässt sich für französischen Ursprung das ai geltend machen. Ein
beia würde dagegen als deutsch angesprochen werden müssen; denn
im Friesischen findet sich ein solches Wort für „Beere": westfries.
bey, f. in Epkema's Woordenboek op de Gedichten van Gijsbert Japicx;
ostfries. beye in Cadovius-MüUer's Memoriale linguae Frificae, hi*sg.
V. L. Kükelhan, S. 34, und bee bei Stürenburg, Ostfr. Wb., S. 12. 1*25
und 349, und bei ten Doornkaat Koolman, Wb. der Ostfries. Mundart
I, 134; ditmars. beie in Ziegler's Idioticon Ditmarficum (in Richey's
Idiot. Hamburgenfe, 2. Aufl. S. 406) ; nordfries. bei bei Johansen, Die
Ndfrs. Sprache nach der Föhringer und Amrumer Mundart S. 100;
und bäi bei Bendsen, Die Ndfrs. Sprache nach der Mohringer Mundart
S. 131. An der Deutschheit dieses friesischen Wortes ist wohl nicht
zu zweifeln; allein ob wir es in jenem baia finden dürfen, unterliefet
dem oben geäusserten Bedenken. Und dass franz. baie oder baye nicht
etwa aus dem benachbarten Friesischen entlehnt ist, das lehren span.
baya^ port. baga und die lat. Nebenform von bacca : baca^ aus welcher
nach Diez, Grammatik der Roman. Sprachen, 4. Aufl., I S. 257 die
romanischen Wörter sich regelrecht entwickelt haben. Ob das franz.
baie im nndl. bei steckt, das nur in Zusammensetzungen wie aardbei
(Erdbeere) gebräuchlich ist, dünkt mich sehr fraglich, einmal wegen
dieses eingeschränkten Gebrauches und dann weil das Wort bei im
135
Südndl. nicht vorzukommen scheint. Kilianus Dufflaeus hat im
Etymologicum (Ed. 3, 1599, Antwerp.) haeye und heije als fläm., holL,
Ines. = hefie^ acinus, giebt aber keine Zusammensetzungen damit,
sondern nur solche mit hefie. Der Kilianus Auctus von Potter (Amster-
dam 1G42) hat die Artikel haq/e und beye beseitigt! Und De Bo,
Westvlaamsch Idioticon (1873) kennt nur noch be/se für nordndl. bejsie,
hes oder -bei. Somit werden die 6et-Zusammensetzungen im NndL aus
den friesischen Dialekten von Nordniederland stammen. Was die
Herkunft des Aardenburger Ausdrucks beijor^ f. für kruisbes, Stachel-
beere (Noord en Zuid II, 312) betrifft, so möchte eher berie (vgl. erd-
beire im Königsberger Glossar) darin zu suchen sein, als baie oder
hie; im Mndl. bestand bere neben bese und Kilianus kennt es noch
als beere und beyre, wenn auch nicht mehr als gemeinndl.
Unter den deutschen Pflanzennamen der Glossen sind einige, die
eine Besprechung verdienen. Afidula furcle 6 stimmt zu ndl. eurhel^
mndl. furkel^ fuyrkel, einem wegen seiner Bildung bisher schwierigen
Worte. Für Sauerampfer finden sich sonst die in ihren Suffixen ganz
verständlichen Bildungen füre, füreke oder fürJce und füring. Dagegen
wäre ein furkele mit k- und mit Z-Suffix höchst auffallend. Die Königs-
berger Glosse scheint mir das Bätsei zu lösen: surkel ist aus zuur-kle
entstanden und entspricht genau dem hd. fauerklee. Man wird ein-
wenden, dass für kle im Ndd. klever oder kldver gelte. Diese ver-
breitete Ansicht ist aber falsch. Das Nddtsche besitzt sowohl die
einsilbige wie die zweisilbige Form. In Diefenbach's Glossarien
begegnet uns aus ndd. Quellen: cliton, herba^ cle 47. 85; mellüotum,
cle 24 ; trifolium „nd. cle'\ cleblat 97 (ndrhn.) u. de, drebledere 38. Das
ndd. Colmarer Pflanzenglossar im neunten Bande der Ztschr. f. Deutsche
Piniol, bietet S. 201 No. 230 cliton cley und S. 206 No. 570 pifgajnus
cley, Kilianus Dufiiaeus giebt klee als Synonym von klaver nicht bloss
für das Deutsche, d. i. das Hd., sondern auch als sächsisch und
sicambrisch, d. i. nach seiner Erklärung in der Vorrede soviel als
geldrisch, clevisch und jülichisch. Im Valentin und Namelos kommt
das Wort an zwei Stellen vor, in Seelmann's Ausgabe 947: dat Hot
den gronen kle bevlöt nach der Stockholmer Hdschr. (de), während die
Hamburger liest: dat dat blot dor den clever vlot; und 1G29 im Reim,
also unanfechtbar : de roß'e rorden dar den kle (in beiden Hdschr. : de
rofe, d. h. das im Kampf vergossene Blut, rorde dar den cle). Ebenso
im Reim: her Salomon wand den aloe in deffen Crantz myt grünem klee ;
Marien Rosenkranz 235 im Ndd. Jb. VI S. 107. Desgleichen hat
auch H. van Veldeke kle im Reim; in Ettmüller's Ausg. S. 5 oder in
Minnesangs Frühling S. 58. Klee dauert auch noch, so nach Scham-
bach im Göttingschen als klei^ während im Grubenhagenschen Tdever
oder kleber herrsche ; nach Woeste im Westfälischen neben klaver auch
kle. kleblaume usw., im Paderbornischen klegg.^) Diese Formen Mei
*) Die von Frisch Wb. I, 522c und danach von Hildebrand im Grimm'schen
AVb. V, 1059 beigebrachte Stelle aus Hamelmaun's Oldenb. Chronik enthält nicht
kley statt kUe, sondern meint kley die Erdart, den Schlamm der Gräben.
136
und Megg beweisen, dass an keine Entlehnung aus dem Hd. zu denken
ist. Die Glosse furde und Veldeke's Ide bezeugen, dass auch im
Andl. Me neben kläver bestanden hat. Wenn nndl. eurkvl ein Feminin
ist, während Tde ein Masculin, so mag das daher rühren, dass furche^
ein Feminin, das nicht mehr als Compositum fur-kle, sondern als
Simplex furhele aufgefasste Wort beeinflusst hat. Umgekehrt ist das
ndsächs. klever, kläver jetzt masculin, während es ursprünglich feminin
gewesen sein muss, wie aus dem ags. Feminin clafer oder clrrfre
(Plural clmfrä) und aus dem nndl. Feminin kläver gefolgert werden
darf; hier wird der Umstand, dass die meisten Substantive auf -er
Masculina sind, die Abweichung hervorgerufen haben. Dass sie bereits
im Mittelalter stattgefunden hat, lehrt das dar den clever der Ham-
burger Hdschr. des Valentin und Namelos. Doch galt damals auch
noch das Feminin: dat dot ok yferhart unde claveren^ heisst es im
Gothaer Arzneibuche Fol. 171a. Dies claveren^) kann nur Plural eines
schwachen Feminins clavere sein, und dieselbe Form im Sg. finden wir
in den Königsberger Glossen: cüifus clavere 27. Aber nicht nur der
Beleg der vollen Form ist bei dieser Glosse bemerkenswert, sondern
das Wort ist an sich ein wichtiges Zeugnis, weil kläver sich bisher
nicht im Mndl. hat finden lassen, sondern erst im älteren Nndl.
(s. Franck, Etym. Wb. Sp. 453). Franck hält das Wort für aus dem
Friesischen stammend. Hier jedoch bietet es uns ein Sprachdenkmal,
welches nicht friesisch genannt werden kann; und dasselbe Wort ist
auch heutzutage noch gut südndl., gilt daneben in mehreren eigentüm-
lichen Zusammensetzungen für verscliiedene Pflanzen, hat selbst eine
Suffixbildung klaverij (Kleefeld) veranlasst. Der Vocal ist allerdings
gleich vielen afrs. ä aus ai hervorgegangen, allein darum möchte ich
clavere noch nicht für ein friesisches Wort halten, sowenig wie nds.
kläver oder die md. Form clabir in Eberhard's van Cersne Minneregel
4298. Es rührt aus einer früheren Lautenwiclcelung fränkischer und
sächsischer Dialekte her, welche seit der Ausbildung der mndl. und
der mndd. Schriftsprache nur von den Friesen und einigen ihnen
benachbarten Teilen jener beiden Volksstämme festgehalten worden
ist; vgl. Hansische Geschichtsblätter, Jgg. 1873 S. 163 ff'. Die alter-
tümliche Bildung dieses W^ortes mochte um so leichter unverändert
dauern, wenn der Zusammenhang mit kU dem Bewusstsein entschwunden
war. Mit diesem Synonym wird es aber zusammenhängen als ein mit
ihm componiertes Wort; s. Kluge, Pitymol. Wb. unter „Klee". Bei
der Aehnlichheit der Kleeblüte mit einer „Beere" liegt nahe, dies
Wort in dem zweiten Teile von clavere zu sehen und den Ausdnick
als ursprüngliche Bezeichnung der Blüte und nicht der Pflanze zu
fassen. Nun ist freilich got. 6a/?, ahd. beri und meist auch mhd. bcr
ein Neutrum, wahrscheinlich auch das as. winberi (Plur.) Aber im
Mndd. scheint ein schwaches Feminin bere allein gebräuchlich zu sein ;
*) Wenn ich van Dale (Nieuw Woordenboek der Nederlandsche Taal 1874)
recht verstehe, gilt nndl. Plur. kläver en speciell vom rolklaver^ Schotenklee, Iotas L.
137
höchstens könnton einif^e Glossen, wie hrummeUfpr, liejßdelheyr, morfjer
als Neutra zu fassen sein. Vermutlich ist aueh das erdbeire 41 feminin,
(las folgende erdbeirUat würde nicht dagegen sprechen. Auch das ags.
herie berige^ woher engl, herry, ist ein schwaches Feminin. Ob sich
aber in der Entwickelung vom Ntr. zum schwachen Fem. eine Mittel-
stufe eines starken Fem. und die Verwendung desselben zur Bildung des
in Rede stehenden Compositums denken lässt, wie ich glauben möchte,
oder ob nicht, das müssen des Altdeutschen Kundigere entscheiden.
Eigentümlich wäre in (llosse 20 carim mure, falls carica als der
altlat. Ausdruck für getrocknete Feige zu fassen ist, die Vertretung
der Feige durch die Maulbeere. Am nächsten liegt sonst noch dem
Laut nach das mndl. mure, nndl. muur und murik, frz. mouron, und
indertat findet sich bei Diefenbach cariciim zweimal durch den Namen
einer Blume, aber einer anderen, nämlich golfwurcZy glossiert.
Biblus hife 17, cirpus heze 25, iunctts biee 54, pitpirus bize ül.
Die latein. Wörter verbürgen, dass viermal derselbe PHanzenname
{^(»meint ist, das nndl. biege oder hies. In Norddeutschland kommen
beide Fonnen Mfe und befe (beife) vor, gleichbedeutig und nur nach
dem Dialekt verschieden. Dasselbe Verhältnis wird in diesen (flössen
stattfinden. Für carix 24 wird die Zusammensetzung fcafbifc als
(flössen gegeben, ein sonst bis jetzt nicht nachweisbarer Ausdruck,
aber ohne Zweifel ein Synonym des nndl. fchanfgras und fchaafstroo^
engl, fhavpgrafs. ndd. fchafrufch und fchafrifch^ bei Gherard van der
Schueren (Theutonista) fchafriet, lat. equifetum, hd. Schaftheu und
Schachtelhalm, Pflanzen die zum Schaben behufs Reinigung von
(»efässen und Polierens von Gegenständen verwendet werden.
Edera drefva 88 und erucus walric 3^ sind zwei Glossen, welche
wieder die Herkunft des Verzeichnisses bestimmen helfen. Es ist mir
wenigstens nicht möglich g(*wesen, sie irgendwo anders aufzufinden,
als in De Bo's Westvlaamsch Idioticon: dreefetn, m. glechonia hedera-
cca L., fr. lierre terreftre, herbe de St. Jean, rondeleUcy terrete; und
tcalderik, wolderik, m. raphanus raphaniftrum L., fr. ravenelle.
Fungus banet 44. Die Anmerkung des Herausgebers, dass fungus
im Mittellateinischen auch die Bedeutung von vetus pannus habe, trägt
nichts zur Erläutenmg bei. Man denkt zunächst an lat. boletus, frz.
bolet, ags. bulut, bolot, ahd. buliz, mhd. bülee; allein daraus kann es
schwerlich entstellt sein. Am nächsten kommt das Wort dem altsächs.
banut, fomes, Zunder; ja, es muss dasselbe Wort sein, denn der
Schwamm, welcher an Bäumen wächst, diente wohl von jeher, wie
noch heute, als Zündstoff. Interessant ist das Ablautsverhältnis, in
welchem banut, banet zu as. binut (in Ortsnamen, ausserdem das Adj.
binittn, scirpeus), ags. beonet, engl. nndl. nndd. bent, ahd. binuz, mlul.
bincjg, binz, nhd. binfe stellt. Dementsprechend wird eine Begrift's-
v(»rbindung obgewaltet haben: vielleicht gab die Verwendung des
Markes der Halme der (Gattung juncus zu Dochten in den Lampen
Anlass zu der Benennung; biese, bese möchte dagegen vielleicht sich
mit scirpus decken.
138
Jusquiamum Mne 52. Ebenso bei Diefenbach : jusquiamum, nd.
hclne in den Sumerlaten, und caniculata, nd. belne Sumerl. VII; ags.
helonae, heolone =. fymphoniaca^ laterculum. Bosworth giebt als ags.
hclene^ heolone, belune. Kluge, Etym. \Vb., unter 'Bilse', hat ags. beolene
und setzt als gemeingermanische Grundform hrluva an. Dieser Aus-
dnick scheint früh anderen Ableitungen aus derselben Wurzel gewichen
zu sein: Franck, Etymologisch Woordenboek Sp. 102, giebt als nmdl.
heize und beeide an, nndl. herrscht die erstere dieser beiden Bildungen
im Compositum bihetikruid. Im Mndd. gilt, neben bilfe und bilre
(vgl. Dähnert, Wb. der Pommersch. und Rüg. Ma. : hillerkruud)^ vor-
nehmlich die Form büle^ zu der wohl das ags. hen- oder henneMle
(engl, henbane^ also Hennengift ^); nach Bosworth auch noch henbell)
zu stellen ist. Ob dies besondere Bildungen sind oder ob belnCy bilne
zu hclle^ bille assimiliert ist?
Lactarides melquid 6(). Das deutsche Wort ist sicher in melc-
wid zu zerlegen. De Bo: mclhvied^ ntr., hetzelfde als niclkdiftel, dui-
diftel, konijnekruid^ fonchus L., fr. laitron; fotnmigen geven deeen naam
aan de moHifalade^ fr. pissenlit (leontodon taraxacum). In letzterem
Sinne ist melkwiet^ ntr., in Aardenburg im Gebrauch = nndl. paarde-
bloem; s. Noord en Zuid II, 312. 318. Van Dale, Nieuw Woordenboek
der Ndl. Taal, hat als dialektisch ^^mellewijt (melkwied)^ ntr. melkdistel.*'
Engl, milkweed bedeutet Wolfsmilch, euphorbia. Alle drei Püanzeu
sind durch ihren milchartigen Saft ausgezeichnet. Wid ist = as. toiodj
ags. weod. Unkraut. Nicht dieses Wort, sondern widu (Holz, Baum,
Wald) scheint in ligustrtini widebinde 69 enthalten zu sein. Dafür
spricht nicht nur, dass ndd. das Wort stets wedewinde und nie wcedc-
oder weide- und u:i(e)dewinde heisst, sondern vor allem dass es ndl.
gleichlulls wedewinde (nicht wiede- oder icicdivindc) lautet und ags.
wudubind, touduwindc^ im Catholicon Anglicum v. J. 1483 wodde byude
(terebintus), engl, iioodhind^ woodbine, also die Pflanze, welche den
Wald bindet oder den Baum umwindet; s. Regel, Das mndd. Gothaer
Arzneibuch im Gothaer Progr. 1873 S. 23. In widebinde wäre dem-
nach die mndd. und mndl. Brechung des Vokals, die in afelnotc,
wrga(breda)^ (ften)hrcca bereits stattgefunden hat, noch nicht ein-
getreten. Die Verwendung von binde statt winde zeigt ausser dem
Ags. und Engl, nur die Königsberger Glosse, doch bewahrt die ndl.
Volkssprache nach van Dale's Angabe ein Ueberbleibsel davon in
binde für akkerwinde; so auch speciell das Flämische, nach De Bo
unter „bowinde^).*' Wenn das von Bosworth auch gegebene ags.
tceodbinde gute Begründung hätte, so Hesse sich, angesichts der Eigen-
tümlichkeit der Königsberger Glossen ie durch i auszudrücken, für
widebinde auch an eine Zusammensetzung mit wiod denken; im Eng-
lischen besteht ein umgekehrtes Compositum bindweed für 'Winde'.
') Den gegenteiligen Sinn hat mndd. hennebilf engl, henbü, Hühuerbiss^
morsus gallinae. ^) Nemnich giebt für convolvulus arveusis auch den dtscfa. N.
bedewinde; das könnte aus wedebinde entstellt sein. Woher aber fläm. b<h oder
bawinde ?
139
Für die Deutung von udd. ndl. wcdrtcinflc, au. viivindiV, engl, wlth-
teind, tcithiwind könnte etwa gar ndd. ndl. tvede^ an. t/d, ags. vidde,
Uand, Fessel, herangezogen werden ; ob für widehindc, scheint zweitel-
luift, da die Bildung tautologisch wäre; freilich giebt Bosworth auch
ein, zwar durch den Kompositionsvokal bedenkliches, ags. tvcodobend
liw und engl, withebivd, ebenso Benson weodohend, convolvulus.
Schwierig ist die Glosse moyfika mufeke 74, wegen des lat. Wortes,
das sonst nicht vorzukommen und fast erst aus dem Deutschen gemacht
zu sein scheint. Mttfica wufeke der ndl. Gloff. Bernenfes (Dief. No. Du,
Hoffniann Hör. Belg. VII No. 1) meint trotz des Mndd. Wbs. offenbar
dasselbe. Spätere ndd. Glossare (s. Mndd. \Vb. und Ztschr. f. Dtsch.
Philol. IX S. 205 No. 4G8 und 479) haben mufeJce als Verdeutschung
von meUilotum und menta. Mit dem altndl. Worte ist sicher nicht
das Mäuseöhrchen, mndd. mufekenore^ gemeint, da dieses als püofella
mushore hier Z. 84 sich findet, noch auch Moos, ndd. ndl. »mos, da
72 muscus mos steht und der Vokal qualitativ und quantitativ ab-
weicht, wenn, woran nicht zu zweifeln, das mndd. mufeke dasselbe
Wort ist wie das andl. Der letztere Grund spricht auch gegen möfeke
(Waldmeister (s. Mndd. Wb.), hamb. mbfchen (ö spr. ä mit Umlaut),
Ih4 Jellinghaus (Westfäl. Gramm.) müefk. Zu langem Vokal würde
stimmen Woeste's (Wb. der Westf. Ma.) rükeinüfeken für Waldmeister ;
icli möchte aber vermuten, dass rukemüefeken zu schreiben ist, denn
diese neueren Wortformen für asperula odorata scheinen nur Deminutiva
von mos, Moos, zu sein. Ob schwed. myska und (nach Nemnich) dän.
myfikc myske ebenso gebildet sind oder ob sie dem Glossennamen
mufeke (mit ü) entsprechen, weiss ich nicht zu sagen.
Metitriaftrum vrfminte 71), eine höchst merkwürdige Glosse.
Berücksichtigt man, dass die Mehrzahl der Glossare menthaftrum als
., Rossmünze" fassen, so liegt der Schluss nahe, dass auch in erfminte
und in den beiden vom Herausgeber aus Diefenbach angezogenen
Glossen herfemyncze (No. 20) und hierfchfmoite (No. 11) das Bestim-
mungswort den Begriff von Boss oder Pferd enthalten dürfte; vgl.
auch ags. horsmint^ ^'iigl- horfemwt. As. hers statt Jiors oder (im
Ileliand) hros ist aus dem Segen gegen die „fpurihelti" bekannt.
Müllenhoff (in den Denkmälern Dtsch. Poesie und Prosa) möchte es
freilich als verschrieben ansehen, nicht als dialektisch, wie es im
Friesischen vorkommt. Mir scheinen die obigen drei Glossen gegen
seine Meinung zu zeugen. No. 20 bei Diefenbach hat auch in anderen
Glossen ein ndl. Glossar ausgeschrieben; in No. 11, welches Glossar
ndrh. oder ndl. ist, erscheint das Wort schon unverstanden und ent-
st<»llt. Uebrigens lässt sich auch aus norddeutschen Ortsnamen nach-
weisen, dass neben hors und fem. horfe dialektisch noch die Formen
mit e und a im Mittelalter gegolten haben. Fürs Flämische bezeugt
dasselbe die mundartliche Aussprache affekot imd effekot tlir oß^e- oder
orfekot = roffe- oder peerdekot, Ilossmühle; s. De Bo S. 803 f.
Madiger cölfcot 11, Madiger ist entstellt aus maguder, dass.
lat. magudaris. Das Wort wird sonst als kolftrunk und kolftok glossiert,
140
doch geben auch zwei ndd. Glossare bei Diefenbach colfcot und kcifcof,
wo kolfcot zu lesen ist. Das Wort wird ein Neutrum sein, es stimmt
in seiner Bildung zu ütfcot germen (Ndd. Jb. I S. 26b) und in seiner
Bedeutung zu kölfprute^ Kohlschössling (Jlndd. Wb.).
Nepitn cfauftetda 83 ; in der Note dazu : „1. dawiettla (V)". Nettla
oder vielleicht netela wird indertat zu lesen sein: denn daunetda
giebt keinen Sinn, wohl aber wird die nepeta oder Katzenminze auch
zu den Nesseln vom Volke gerechnet, wie die Namen Katzen-, Stein-,
Mariennessel bei Nemnich bekunden ; somit ist nicht auffallend, dass
nepeta hier ein ähnliches lippenblütiges Gewächs, welches dem Volke
gleichfalls als eine Nesselart gilt, vertritt, nämlich entweder die Taub-
nessel, lamium, oder glaublicher die Taubnessel, galeopfis. 'Taub'
kann jedoch nicht in dam- stecken, das müsste dof- heissen; man muss
dan- lesen. De Bo: daimctel^ dannittel^ m. (für neteh nettel^ nittel
giebt er m. und f. an; im Gemein-Nndl. ist netd noch ausschliesslich f.).
galeopsis tetrahit; ebenso ten Doornkaat Koolman; Bremer Wb. III,
236: danncttely auch dove vettcl, taube Nessel, urtica iners, galeopsis;
Nemnich hat dannettel tiir lamium album; nach Grimm's Wb. ist
tannnelfel galeopsis ladanum.
Pulegium album böge 93. Diese Glosse hat mir am meisten zu
schaffen gemacht, ohne dass sich ein auch nur einigermassen befrie-
digendes Resultat ergeben hätte. Falls ein w-Strich, wie in gigcberrc
und madalbom^ versehentlich unterblieben wäre, so Hesse sich etwa an
den Pflanzennamen bunge denken: lulbus bungo Graflf Ahd. Sprach-
schatz III, 131, bolluya herba bungen und buga herba bunghen^ beide
aus Sumerlaten V bei Diefenbach. Das Wort ist als Simplex jetzt
erloschen, dauert aber in einem Compositum bachbunge^ bekcbunge lür
die Pflanze veronica beccabunga. Inwiefern diese Vermutung soweit
stichhält, dass solches bonge als Uebersetzung von pulegium album
denkbar ist, mögen Botaniker entscheiden.
HAMBURG. C. Walther.
141
Die mittelniederdeutschen langen o.
Mit dem Buchstaben o haben die Schreiber mnd. Denkmäler
und Urkunden Laute sehr verscliiedener Herkunft und Geltung wieder-
tregeben. Sieht man von dem kurzen und dem tonlangen o, sowie
von dem im Küstengebiet durch Senkung aus a in späterer Zeit
(entstandenem o ab, so sind vornehmlich dreierlei durch ihren Ursprung,
durch die ihnen in den anderen germanischen Spradien entsprechenden
Vocale sowie durch ihre spätere Phitwicklung sich unterscheidende
lange 6 von einander zu trennen.
'r^
6^ ist aus altem (germanischem) o entstanden und entspricht
gotischem o, ahd. und mhd. uo (umgelautet t/>). Beispiele: mot 'Mut'
(got. moths^ ahd. mhd. muot); vote 'Füsse' (got. f 6t jus, ahd. v^wzi,
mhd. vüeee),
0* ist aus altem au entstanden und entspricht got. aw, ahd. mhd.
ou (umgelautet öu) bzw. vor h oder Dentalen ö (umgel. oe), Beispiele :
'>/<? 'Auge' (got. au^o, ahd. ouga, mhd. ouge) ; Iwvet 'Haupt (ahd. hoüint,
mild, kouhet, höubet); lös 'frei, ledig' (got. laus^ ahd. mhd. los); Ime*
'böse' fahd. hds% mhd. hoese).
6' oder anomale 6 nenne ich die in gewissen mnd. Wörtern
auftretenden, nicht altem ö oder au entsprechenden, sondern meist
aus altem a oder ä hervorgegangenen mnd. ö. Bisher sind diese 6
nicht als besondere Klasse aufgefasst, sondern sie sind in den Lokal-
grammatiken meist mit o^ zusammengeworfen. Dagegen ist zu bemerken,
dass nach einem Ergebnisse dieser Untersuchung, welches hier vorweg
schon angeführt werde, die 6^ in den verschiedenen nd. Mundarten
ein verschiedenes Verhalten zeigen. In einem (iebiete fliessen die 6*
mit o^, in andern (lebieten mit (V zusammen, ein Dichter reimt die
o' nur mit 6^, ein anderer nur mit 6^. Dass sie späteren Ursprungs
als 6^ und 6* sind, scheint auch daraus hervorzugehen, dass Neben-
formen mit altem a hin und wieder sich erhalten haben. Die
hier folgende Zusammenstellung umfasst die Wörter mit ö^, welche
in den Reimen der in die Untersuchung gezogenen Dichtungen begegnen,
und ausserdem noch einige W^örter zweifelhafter Herkunft. Die den
mundartlichen Formen mit einem Kolon beigefügten Buchstaben geben
an, mit welchem alten Laute die 6^ in dem betreftenden Worte
zusammengeäossen sind. Die Regel, dass scheinbare neuniederdeutsche
Entsprechungen germanischer 6 und au nicht auf diese zurückzuführen
sind, wenn sich bei der Vergleichung von Formen verschiedener Mund-
tl42
arten Widersprüche ergeben, dürfte nur dann Im Stiche lassen, wenn
mundartliche Grenzgebiete, in denen Vermischungen stattgefunden
haben, in Betracht kommen. Ferner ist für das neunicderdeutsclie
zu beachten, dass in manchen Mundarten Ausgleiche zwischen den
Vokalen der Präterita verschiedener Ablautsreihen stattgefunden
haben. Im mittelniederdeutschen ist das nach Ausweis der bis jetzt
untersuchten Dichtungen noch nicht der Fall. Die Ursache, welche
auf die Entstehung eines 6* von Einttuss war, ist nicht in jedem Falle
klar. Die Mehrzahl der Fälle scheint sich aus der durch u oder w
bewirkten Labialisirung eines alten a oder ä zu erklären, einige anden»
durch Nasalwirkung. Es schien zu genügen, die neundd. Formen nur
aus einigen Mundarten zu verzeichnen, und es ist hier darauf ver-
zichtet worden, die auf mittel- und niederfränkisches Gebiet hinüber-
greifende Erscheinung ausserhalb des Niederdeutschen zu verfolgen.
vrO 'froh' (as. flect. fraha\ abd. frao, frö, 11. fraxv(r\ mhd. iroj fl. vrours,
rrouwes'j germ. *frawo-). In Münster frö : o\ weshalb Kaumann (Entwurf der
Mttusterscben Ma. 1884 § 36) denVocal von germ 6 ableitet. In Soest frro : ü-,
so dass Holthausen (Soester Ma. § 76) den Vocal auf germ. au zariickführt.
In Ravensberg fräu : 6* und darum nach Jellinghaus (Westf. Gramm. § 59)
aus germ. au. In der Grafschaft Mark (Fromraanns Ma. 5 s. 64 n. 61) fräu : (r:
in Iserlohn frehi : 6* (Zeitschr. f. vgl. Spr. Bd: 2). Im Sauerland (Humpert,
Dialekt im Hönnethale 1876 sp. 27) frhi : 6». In Paderborn frrr : o* (Winkler,
Idiotikon 1 s. 231); in Lippe frau : 6^ (Hoifraann, Vokale der Lippischen Ma.
1887 S. 58); im Göttingenschen (Schambach Wtch) frd : ö*; in Hildesheira bei
, Braunschweig (Bierwirth, Vocale der Ma. von Meinersen 1890 § 198; Heibe}',
Ma. von Börssum 1891) und im Ftirstent. Halberstadt irö : 6^ Bei Pseudo-
Gerhard und Everhard von Wampen im Heime zu (V, in Groningens Schicht-
speel und der Gandersheiraer Chronik zu 6* und 6'.'
rd *roh' (abd. rö, flect. rnwes] as. hrd; ags. hrf'aw\ mnl. rau und ro ; ndl.
ranuw\ nord. hrdv, germ. ^hratvo-) Münster 7'aw : 6*; Ravensberg räu : Tr;
Göttingen m : ö*; Braunschweig ro : ö*.
strd 'Stroh' (abd. ab-do, stro\ afr. strP.\ mnl. siro\ ags. slrcaw; gorm. *s'tr(ftro-)
Osnabrück, Münster stj-au : 6*; Soest strio : ö*; Iserlohn slrehi : «V; Ravens-
berg slräu : 6^ ; Lippe sträu : 6* ; Qöttingen .strd : ö^ ; Braunschweig, Halber-
stadt .slrö : 6*.
spdk 'Spuk' (fehlt abd. mhd.; ndl. sfpook; schwed. siföke-, norweg. spjok\ dän.
.sjföge 'spuken, scherzen'; germ. *.s]}a'ku'?) Mnd. Nbf. .9])?}k:o^; Osnabrück
fquf'ken, .^yooksei : o*; Münster spöüken : ö*; Soest sprok : u*; Iserlohn
s})^ik^ : 6*; L\^i}e .^fpoikeding : 6*; Meinersen .<7?a?//: : ö*; Mülheim a. R. .^ipukr : A'.
Der Koker reimt mit 6\ (Mecklenb. .spijökcn 'scherzen' vgl. zu dän. apöge)
krdn 'Kranich' (engl, krau, ndl. krann). Mnd. Nbf. krdn. Osnabrück, Münster
krdne] Ravensberg kreonn : 6*; Göttingen krdneke\ Meinersen kreune : 6*;
Altmark krön] Mecklenburg-Strelitz kraun : 6* und krön : 6* (?).
kröinc 'Krume' (ags. crume, ndl. kruim). Osnabrück hramcn : ö*; Iserlohn
hriiime : (V; Ravensberg kreoim : 6*; Hildesheim, Göttingen kraume : o";
Börssum und Meinersen kraume : o*; vgl. Soest h'ipml (: tl. ö < u nach
Holthausen § 66).
tdn 'Zehe' (abd. ^f'ha, xc ; thüring. zP.we s. Kluge ; afr. tnne ; ags. Id ; nord. /•>,
ndl. lern) germ. *taihwon) Mnd. Nbf. ir, Ihi, tPwc. Osnabrück lein (bei
Lyra plur. Haue); Ravensberg tuin, tailicn] Soest ieuwe : e.
m
g^ 'Gans^ (ahd. gans). Mud. Nbf. gafis] Münster uud Osnabrück gatis : 6*;
Soest geos : 6'; Iserlohn, Sauerland g^us : 6', plur: gHse : 6*; Bavensberg
gäus : o^; Göttingen gas : ö^; Braunschweig, Halberstadt gans : 6^; andere nd.
Formen verzeichnet Wrede, Anz. f. d. Alt. 18, 407. Ps.-Gerhard reimt damit
ö^ Bote 6\
stdt 'stand'. 6 hier aus westg. ö (vgl. got. prät. stoth, afränk. sitiod) abzuleiten,
liegt nahe. Doch wird man eine mnd. Form mit ö' anzunehmen haben, die
sich aus dem Prät. stand, siond (mnd. Formen s. mnd. Wtb. 4, 359) ent-
wickelte, denn stot reimt bei Ps.-Gerh. mit ö*, im Schichtspiel mit ö^ Die
heutige Ma. bietet meist stunt mit u, das aus dem Plural in den Sings
gedrungen ist.
tdn 'Zahn' (ahd. xan, xnnd\ as. flect. tandow, afr. tCdh, vgl. Siebs 1, 95; ag^.
tödh\ got. iunihus\ nord. timiij plur. ienn\ germ. *tanth-). Mnd. Nbf. tand,
tan, plur. tande, tane, tene. Osnabrück iant^ pl. teinne\ Münster taut]
üüttingen if^'n] Altmark Uen.
spdn 'Spahn* (ahd. sjMtn] afr. spÖHf s. Siebs, Gesch. d. engl.-fries. Spr. 1, 232;
ags. spön\ mnl. spasn\ nord. s])i)nn; vgl. mhd. mnd. spat *Splitter\ ndl. spint
*Spliut'; germ. *spanth'? sjumu- ?). Osnabrück spannt : a ; Anrieh spannd\ Soest
sp\yn^ plur. spcßnc : mnd. ä bzw. e (Holthausen § 70) ; Raveusberg späun : 6*, sphi ;
Lippe spaun : ö*; Göttingen span^ plur. spöane : a; Meiuersen, Börssum spann : u'.
wdneii 'wÄhnen, glauben' (as. wänian, ags. wrnan^ fr. whm). Mnd. Nbf: ivdnen^
irnnen,
sd *8o' (as. ahd. so; ndl. zoo; got. sum *so'; ags. sird] got. swc ^wie). Münster
so : 6*; Osnabrück sau : 6'^; Soest sro : 6*; Iserlohn seHu : 6'; Sauerland
Äaw : 6*; Dortmund sän : 6*; Raveusberg sän : 6®; Göttingen sau : 6*; an der
Recknitz so : Ci^\ Meiuersen, Börssum, Halberstadt sau : 6^ Ps.-Gerhard reimt
so nur mit 6* = 6*, Bote und das Schichtspiel mit 6^ und ö*.
wd 'wie' (as. hwöj ags, hu, germ. *hwa\ vgl. got. hwv). Mnd. Nbf. wCi. Osnabrück
(Lyra s. 37) wo : 6^; Münster ?/v?; Soest win : ft; Göttingen wo : ö'*; Börssum
und Meiuersen wo : 6*.
dö 'damals' (Heliand tliö, thuo ; ags. frs. tM) Iserlohn doa : ä ; Soest dvo : 6* ;
Osnabrück dein : k oder 6* ; Meiuersen und Börssum dö \ ö* ; Pseudo-Gerhard :
n* und 6^
jd 'ja, durchaus' (as. ja, ags. gea, afr. ge, vgl. got. ja, jai). Mnd. Nbf. jn.
Osnabrück jan : o* ; Münster jau : o* ; Soest jio : 6'.
[trdren (ahd. ti-uren; ags. dreorig 'traurig'; ndl. ireureyi). Mnd. Nbf. irfnrn. Das
nd. Wort scheint aus dem Hochdeutscheu entlehnt. Osnabrück trör, tn/ren : 6*,
sonst meist trüren. Der Koker reimt : o\]
[wdeh 'wog', Prset. von v;egpM anstatt des nicht belegten ivachf hat ein ö, das
schon sehr früh die Qualität von o* angenommen haben muss. Wenigstens
scheint es nach Ausweis der Reime und der heutigen Mundart nirgend mit u'
zusammengeflossen zu sein. Es ist deshalb auch in dieser Untersuchung überall
mit 6* angesetzt. — Wenn in demselben Dorfe Ahnsen bei Meiuersen ivfich
und wauch neben einander in Gebrauch sind, so dürfte das erstere hoch-
deutsch sein.]
fbevdl 'befahl', PrsRt. von bevelfhjen, begegnet im Reim in Stephans Schachbuche,
ohne dass sich die Qualität des ö bestimmen lässt]
0 in Lehn- und Fromdwötern romanischen Ursprungs zeigt ein
durch Zeit oder Ort der Uehernahme bedingtes Verhalten. In sehr
alten Lehnwörtern wie in schale 'Schule' (ahd. scuola, ndid. sehuoh)^
pröven 'prüfen', ist es vollständig mit 6^ zusammengefallen und braucht
m
ron ihm niolit gesondert zu werden. In Lehnwörtern jüngeren Alters
hat es wie 6* in verscliiedenen Gegenden verscliiedene Geltung, indem
es wie dieses an einer Stelle mit 6^ zusammenfällt und mit diesem
reimt, während es anderswo als (V aufgefiisst ist und mit o^ reimt.
Beispiele und Belege werden die Ileimuntersuchungen bieten.
rdse 'Rose'. Osnabrück rase : 6*; Münster rau^e : ö*; Soest rfose : ö*; Ravens-
berg reose : 6*; Fürstent. Göttingen rause : 6*, Öfters auch rose : ö*; Braun-
schweigisch rose : o*, 7'ause : 6\
kröne 'Krone'. Osnabrück, Münster kröne : 6^; Dortmund h'äune : o'; Sanerland
Mune : 6*; Ravensberg kreone : 6^; Hildeslieim krofie : ö*.
Wenn die mit demselben Schriftzeichen von den mnd. Sehreil)ern
wiedergegebenen 6^ und 6^ in ganz Niederdeutseldand in mnd. Zeit
genau dieselbe Aussprache gehabt hätten, würde die notwendige Folge
gewesen sein, dass beide o in ihrer Weiterentwicklung in späterer
Zeit denselben Weg gegangen wären. Das ist aber wenigstens nicht
ül)erall der Fall gewesen. Vielmehr zeigt sich, dass die heutige nd.
Mundart auf einem grossen Teile ihres (Gebietes (V und Cr derartig
scheidet, dass aus jenem andere Laute als aus diesem sich entwickelt
haben. Die möglichen Typen, die sich ergeben, zeigt folgende Tabelle.
Miiielniedei'deidsch . . 6* ö' 6* so
Gotisch V. WeMgerm, . ö au swa
r Münster 6 an sau
I. \ Braun^clnrcig .... au 6 sau
l Sauerland au au säu
II. Kurdseeküste 6 6 so
Die vorstehende Tabelle gibt nur schematisch die Haupttypen.
Eine genauere llebersicht mit Berücksichtigung der Umlaute wird erst
nötig sein, wenn die Untersuchung sich der Ermittelung der phone-
tischen Werte der mnd. Laute und der Umlautfrage zuwendet.
Es sind zwei Gebiete zu untersclieiden. I.) Das monophthongische
(iebiet, in dessen heutiger Mundart (V und 6* in einen Laut (abg(»sehen
von dem dazu gehörigen Umlaute) zusanmiengeflossen sind. IL) Das
diphthongische Gebiet, in welchem (V und 6^ sich getrennt entwickelt
haben. Die Bezeichnung mono- und diphthongiscli ist übrigens für
die betreffenden Gebiete nicht blos in Bezug auf die aus 6 entwickelten
Vokale, sondern auch noch in Hinsiclit auf andere Vokale zutreffend.
In Hinblick auf den seit Jahren in Aussicht gestellten Wenkerschen
Sprachatlas, von dem die genauesten (irenzangaben zu erwarten sind,
habe ich geglaubt auf eingeliendere Feststellungen verzichten und mich
mit einer vorläufigen ungefähren Uebersicht des Umfanges beider
Gebiete, wie sie sich aus gedruckten Sprachproben und einigen eigenen
Erinnerungen ergab, hier begnügen zu düi-fen.
Das m o n 0 p h t h o n g i s c h e Gebiet erstreckt sich über die
ganze Küste der Nordsee und des westlichen Teiles der Ostset»
bis in Vorpommern (Seestädte) hinein, wo es mit dem diph-
thongischen Gebiete zusammentrifft. Es gehören ihm an — ganz
oder doch zum grössten Teile — das ostfriesische Platt (ausser um
145
Leer und Emden, sowie im Süden), Grosslierzogtum Oldenburg,
Bremen und sein Gebiet, der nördliche Teil der Provinz Hannover,
Hamburg und sein Gebiet, Schleswig-Holstein, Fürstentum Eutin,
Stadt und Land Lübeck, der nordöstliche Teil des Herzogturas
Lauenburg, das mecklenburgische Küstenland und das südwestliche
Mecklenburg. (Das Gebiet der Reknitz und Peene, auch Staven-
liagen, dessen Älundart Fritz Reuter schreibt, ist diphthongisch, Neu
Brandenburg, sein Wohnort, monophthongisch), Mecklenburg-Strelitz,
die Insel Rügen und der nördliche Teil von Vorpommern (Wolgast
ist bereits diphthongisch). — Ausserdem sind monophthongisch das
westliche Münsterland, die Gegend von Werden, die linke und rechte
Oderseite bei Stettin und Teile von Hinterpommern, der Provinz Bran-
denburg und der Altmark.
Das diphthongische Gebiet umfasst das südlich des monoph-
thongischen Gebietes gelegene niederdeutsche Binnenland. Es gehört ihm
fast ganz Westfalen nebst dem benachbarten Gebiet von Osnabrück
au, ferner das ganze wifc-Gebiet, der südliche Teil der Altmark, der
südöstliche Teil von Mecklenburg - Schwerin, Teile von Vorpommern,
die Inseln Usedom und Wollin sowie die hinterpommersche Küste.
Die getrennte Entwicklung des 6^ und 6^ auf einem ausgedehnten
Gebiete beweist an und für sich schon, dass mindestens innerhalb der
(ireuzon dieses Bezirks beide 6 in mnd. Zeit verschieden gelautet
haben. Heute ist die Lautverschiedenheit — ausser im Sauerlande
— meist sehr gross, ob sie im Mittelalter eben so gross war oder
sich auf geringere Klangunterschiede beschränkte, bedarf ebenso der
Untersuchung wie die Frage, ob der Zusammenfall beider ö in dem
monophthongischen Gebiete ein Ergebnis der neuniederdeutschen
Sprachentwicklung ist oder ob er schon für die mnd. Zeit anzunehmen
ist. Zur Entscheidung würden alte Zeugnisse aufzuspüren, orthographische
(irundsätze alter Schreiber festzustellen, die Reime alter Dichter zu
untersuchen sein.
Anm. Von den bisherigen Beobachtungen über die mnd. Orthographie
ist für die Entscheidung der Frage, ob mnd. Schreiber mitunter die beiden 0
geschieden haben, nur die eine verwertbar, dass 6^ hänfig darch Uy dagegen o^
nur ausnahmsweis mit ihm wiedergegeben wird (Beispiele giebt Tümpel in Paul-
Braune's Beitr. 7 s. ÖO, Nerger § 43). Dieses n, das sich ohne örtliche Be-
schränkung vereinzelt bereits im 13. Jahrb. findet, tritt häufiger erst in späterer
Zeit im Küstengebiete auf. Der Buchstabe u bezeichnet in diesen Fällen nicht
den Laut unseres ü (ausser vielleicht an der mittelfränkischen Grenze), sondern
ein geschlossenes ^, mitunter auch einen ?«-haltigen Diphthong. Von den für
mnd. u hin und wieder begegnenden Schreibungen oß, oij oy, ou kommt jede
sowohl in Wörtern mit 6* als mit 6^ vor, doch hoffe ich im weiteren Verläufe
der Untersuchung mnd. Schriftstücke nachweisen zu können, in denen die Schreiber
nach einer festen Begel verfahren sind.
Die Untersuchung soll zunächst ermitteln, ob aus den Reimen
mnd. Dichter für die Entscheidung jener Fragen sich Ergebnisse
^a'winnen lassen. Untersuchungen dieser Art fehlen bisher, und wenn
Nerger, Schröder und Lübben mit ihrer Behauptung Recht haben,
Niederdeutsches Jehrbuoh. XVUI. 10
146
dass die mnd. Dichter die 6 verschiedener Herkunft anstandslos mit-
einander reimen, würde man allerdings auf Ergebnisse nicht zu rechnen
haben. Die nachfolgenden Zusammenstellungen werden jedoch erweisen,
dass es mittelniederdeutsche Dichter giebt, welche mit der peinlichsten
Strenge die verschiedenen 6 auseinander halten.
Die Umlautfrage wird eine besondere Untersuchung erfordern.
Die nachfolgenden Zusammenstellungen der Reime nehmen zunächst
keine Rücksicht auf sie. Auch ist ausser im Worte gut stets 6 gedruckt,
auch wo die Handschriften oe, oo, u usw. bieten. In die Untersuchung,
die aus Vorarbeiten zu einer neuen Ausgabe des Pseudo-Gerhard von
Minden erwachsen ist, sind zunächst ausser ihm nur solche Dichter
gezogen, deren Heimat bekannt ist. Soester Denkmäler hätte ich
wegen der vorzüglichen Hilfe, die Holthausens 'Soester Mundart'
geboten hätte, gern herangezogen, es ergab sich aber leider, dass
weder der Soester Daniel noch eins der Gedichte von der Soestor
Fehde von einem Soester verfasst sind.
Das mnd. gut 'gut' ist stets mit ü gedruckt, auch in den seltenen Fällen,
wo die handschriftliche Ueherlieferung got hietet. In Bezug auf dieses Wort
hat man bisher angenommen, dass die mnd. Aussprache zwar got forderte, dass
die Schreiber aber, um es von gotj god 'Gott' auseinanderzuhalten, die Schreibung
gtity gud bevorzugten. Wo die heutige Mundart einen altem ü entsprechenden
Inlaut bietet, erklärte man diesen aus neuhochdeutschem Einflüsse. Es ergiebt
sich jetzt, dass bereits in mittelalterlicher Zeit in gewissen Gebieten (wie in
Braunschweig) das Wort mit langem u gesprochen wurde, vgl. S. 154. Auf
dem weitaus grösseren Gebiete herrschte dagegen die Aussprache got.
Pseudo-Gerhard von Minden.
Die Heimat des Dichters ist unbekannt. Festgestellt ist nur,
dass er nicht aus Minden, sondern aus einem westlicher gelegenen
Teile Westfalens stammt. Die Regeln, nach denen er die verschiedenen
6 miteinander reimt und nicht reimt, entsprechen annähernd den
Eigentümlichkeiten, welche in Bezug auf diese die Münstersche und
Osnabrücksche Mundart aufweisen.
d* : d*. ö* : d* *M geschlossener Silbe.
döt Hfmt' : höt 'Busse' 27, 11. 87, 120. brGt : bot 4, 5.
— : glöt 39, 37. — : dot 'tot' 4, 49.
— : gut 10, 9. 16, 77. 20, 33. — : not 4, 1. 9, 15. 39, 15. 62, 11.
27, 47. 30, 3. 39, 89. 23. 71, 67.
42, 31. 43, 19. 48, 24. — : vordröt 29, 33.
52, 33. 55. 64, 3. 65, dot Uof : blot 9, 27. 54, 28. 87, 100.
130. 78, 13. 80, 31. 89, 29.
100, 147. 101,59. 312. — : genot 2, 11. 94, 27.
— : mot 'Mur 23, 67. 41, 39. — : gebot 23, 33.
72, 7, 91, 39. 101, 302. — : grot 8, 51. 11, 33. 14, 24.
— : mot '7nuss' 11, 15. 18, 29. 15, 27. 20, 5. 93, 13.
29, 103. 101, 256.
— : stöt 'Gehege' 61, 25, — : not 29, 107. 39, 57. 40, 33.
— : vlot 2, 29. 47, 39. 49, 176. 50, 11.
gut : bot 10, 40. 23, 69. 63, 7. 101, 111.
147
^t.möt 'Muf 10, 39. 27, 13. 87.
131. 29, 38. 30, 49.
49, 140. 87, 118. 100, 33.
— : mot 'muss' 3. 136. 9, 35. 47,
59. 80, 11. 81, 29.
92, 27. 100, 57.
— : vlöt 5, 11.
— : vöt 24, 25. 41. 55, 67. 61, 23.
98, 23.
Tot : bot 24, 21.
— : dorewüt 'diircMrmig' 59, 37.
— : möt 'MuV 39, 91.
— : vlöt 'Fluf 3, 92.
Tlok : dok : bök 49, 19.
dröch 'biig' : genöcb 10, 24. 29. 26, 5.
71, 48. 84, 17.
— : slöch 10, 76. 50, 6. 59, 35.
73,11. 92,71. 101,222.
— : (ge)v6cb 9, 1. 49, 178.
93, 81.
gendch : dw5cb 34, 5.
— : plüch 87, 8. 93.
— : (nn)gevoch 2, 63. 10, 118.
15, 53. 27, 35. 105.
40, 53. 45, 17. 50, 13.
55, 21. 60, 48. 78, 9.
92, 5. 93, 3. 100, 107.
101, 105.
nrwih 'genug' : gedröch Hrug' 103, 77.
slöch : nngevöch 18, 13.
wuch 'wog' : genöcb 3, 19. 92, 69.
— : angevöcb 84, 19,
behof : begröf 54, 10.
dön : hon 'Huhn' 2, 19. 11, 11. 58,
27. 81, 43. 101, 170.
d* : d* im Auslaut,
du Hhue: : kö 101, 168.
— : tö 8, 23. 27, 93. 49, 42.
135. 55, 41. 65. 67, 43.
— : vrö 'früh' 36, 33. 100, 53.
101, 238.
tö : kö 6, 3. 11. 56, 33.
— : schö 101, 240.
— : vrö 'früh' 3, 61. 21, 31. 36, 39.
43, 4. 46, 31. 53, 67.
74, 39. 91, 21. 102, 13.
4^* : d* in offe^iei' Silbe,
broder : möder 95, 17. 101, 27.
gfide : möde 8, 19. 16, 69. — güdes :
mödes 17, 19.
— : armöde 10, 114.
gröt : bot 2, 9. 18, 43. 29, 7. 41, 35.
53, 75. 57, 1. 102, 54.
— : genöt 56, 53. 65, 106. 87, 102.
88, 3.
— : not 3, 9. 8, 29. 9, 25. 10, 78.
16, 23. 22, 27. 33, 21.
53, 97. 58, 65. 59, 57.
62, 1. 81, 7. 89, 31.
92, 41. 79. 101, 87.
— : rot 6, 23.
— : vlöt 'floss' 29, 43. 75, 4. 83,
19. 92, 3.
— : vordröt 75, 11. 86, 5.
not : blöt 11, 35. 55, 103. 86, 3.
— : bot 16, 47. 20, 3. 55, 93. 92, 37.
— : 8töt 'Stoss' 6, 25.
— : vordröt 53, 77.
genöt : bot 65, 116.
stöt 'Stoss' : bot 88, 3.
vordröt : bot 87, 35.
höp : kröp 49, 3.
vorkös : vorlös 103, 11.
— : vredelös 54, 38.
gelöst : misse tröst 53, 91.
— : getrost 16, 59. 27, 149.
töch : loch 65, 88.
— : vlöch 58, 3.
vlöch : bedröch 50, 19.
d- : Ä*^ im Auslaut,
vlö : hö 'hoch' 20, 25.
ö* : ö^* iri offener Silbe,
bröde : nöde 91, 11.
dögen:ögen37,35. 100,153. 102,153.
tögen : gedrögen 3, 74.
— : bögen 65, 14.
10*
148
güden : vormöden 102, 172.
vorgöden : dtmöden 88, 67.
hdde : möde 31, 36. 47, 39.
höden : vöden 39, 13. — vodet : hödet
34, 17. 103, 3.
mode : sc5de 34, 8.
möden : vöden 7, 37.
möget 'bemüht' : blöget 'blühf 49, 44.
genögen : gevögen 79, 17. 33, 51.
eraöget : erböget {mhd. erbüeget) 75, 29.
slögen : (uii)gevogen 15, 29. 102, 63.
vöte : böte 23, 19. 55. 75. 72, 3.
101, 43.
— : möte 59, 13.
— : Böte 85, 23.
Voten : nntmöten 15, 21.
söte : möte 'müsse' 36, 62. 40, 31.
47, 33.
— : möte 'begegne,' 79, 3.
böken : söken 33, 11. 102, 36.
koken : beklöken 91, 29.
röken : söken 10, 25. 62, 13. —
röket : söket 55, 33.
pröven : öven 25, 45. 36, 83. 94, 95.
— prövet : ovet 98, 37.
behöve : dröve 92, 45.
— : gröve 56, 27. 49.
dröven : gröven 71, 35.
numen : römen 35, 27.
— : vordömen 4, 13. 102, 135.
145. — genomet : vor-
dömet 18, 39. 100, 63.
102, 63.
genomet : geblömet Vorw. 69.
berömen : verdömen 30, 55. 73, 9.
— berömet : vordömet
Vorw. 71. 73, 17.
vordömet : wlömet 2, 23.
rören : vören 3, 96. 49, 58. — be-
rörest : vörest 66, 39.
ö* : ö {tojilang, aus o).
(ohfw Beleg.)
d* : ö {tonlang j aus u).
tö : vo {'FücJisin', got. faüha) 11, 13.
genöch : toch {vgl, hsl. tuge 24, 10,
mM. zuc) 18, 11.
nöten : gröten 64, 70. 66, 47.
genöten : vorstöten 64, 60. 87, 110.
löse : böse 94, 33. — lösen : bösen
32, 51. 58, 67.
Ösen : nösen : gelösen : bösen 16, 39 — 42.
löven : beröven 36, 25.
— : döven 101, 161.
löne : schöne "Schonung' 31, 9 ; : schöne
'Schönimf 79, 10; ge-
lönet : schönet 32, 9.
— : söne 98, 81.
lönen : bönen 8, 31.
lönet : honet 76, 33.
dören : ören 93, 37. 83. 95, 11.
(ge)döret : höret 36, 73. 94, 53.
d* : ö {tonlang, aus o).
döne : nngewone 61, 77.
gelösen : hosen 92, 29.
5* : ö {tofilang, aus vi),
(ohfie Beleg.)
d« : 0-
blöt : spoi 87, 73.
vlöch : doch 41, 37.
149
5^:0.
döt Hktä' : dut 'dieses' 101, 66,
— : geschut 100, 67.
(ohne Beleg.)
(ohne Beleg.)
6» : 6".
8t6t : gröt 90, 61.
wöne {ahd. w&oju) : döne 46, 25. 85, 45.
gös : gevrös 54, 40.
do 'da' : vl6 'floh' 12, 23. 49, 206. 50, 7.
vr6 Y^oÄ' : hö 27, 67. 53, 49.
— : tö 'zog' 23, 23. 61, 67.
— : vlö 'floh' 72, 25.
w6 'ivie' : hÖ 12, 13.
6» : d«.
d6 'da' : b6 25, 49. 65, 49. 101.
— : Btrö 72, 27.
— : vt6 'froh' 10, 54. 20, 27.
23, 29. 25, 51. 40, 23.
39. 61, 49. 86, 61.
Bö : vr6 47, 55. 98, 9.
Lehn Worte: d'.
kröne : löne 103, 19.
— : döne 'modus' 103, 73.
(döne : wöne s. bei o* : ö*.)
( — : ongewone s, bei d' ; ö.^
gröt : döt 'ihuf {lies bot?, vgl. Anm. 2,) 24, 47.
Anmerkung 1. In die ZnsammenBtellung der Reime sind keine durch
coigectnrelle Bessemngen gewonnenen Belege aufgenommen. Es würden nur drei
Stellen in Betracht kommen, nämlich genoch : geroch 2, 21; vlot : Iiot 3, 102;
fach *zog' : loch *zog\ von denen nur die erste, wenn die bisherige Deutung
haltbar wäre, den regelwidrigen Reim ö* : ö^ ergeben würde. Es ist deshalb
geboten, diese Stelle hier zu erörtern und zu bessern. Sie findet sich in der
Fabel vom Wolf und Lamm am Bache. Der Wolf sucht einen Grund, um das
Lamm, angeblich wegen einer ihn beleidigenden Handlungi zu strafen und zu töten.
2y 21 De vndf sprak: 'Dai is schult genoch
Van di, dal dm drank mi geroch,
De mit di moste sm verdomet;
Dut vlet drovet utide wlomet,
Dai ik is drinken nicht en mach.
Wenn v. 22 die Form mi geroch richtig wäre, so könnte man geroch nur
als Prät. von rüken 'riechen' deuten und müsste das folgende, wie oben geschehen
ist, interpungieren, d. h. es müssten die Yerba dr&ven und wlmnen intransitiv
hier angewendet sein. Gegen diese Deutung spricht, dass bei Ps.-Gerhard das Prät.
von rükan nicht roch, sondern rok lauten müsste, ferner dass dr^rni und widmen
150
(^trüben\ Uehmig machen') stets transitiven Sinn haben. Die Stelle wird sofort
klar, wenn man annimmt, dass der Schreiber einen einzigen Buchstaben, ein r
für V, nämlich mi geroch für ungeroch verlesen hat {nn und mi können
paläographisch gleich seitr). Die Stelle erfordert dann folgende Wiedergabe:
De wxilf sprak : 'Dat is schult genoch
Van diy dat <Un drank ungevoch,
De mit di moste sin verdünnet,
Dut vlet drovet unde wlomet,
Dat ik u drinkeyi nicht en mach,
'Dass dein ungestttmer Trank das Wasser trübt und lehmig macht' (vgl.
auch die Stelle mnd. Wtb. V S. 756 de rit&nde totUve, den dat unschuldige
lam dat water vlomet). So wird auch die Antwort des Lammes treffend, welches
erwidert, dass es unterhalb des Wolfes stehe und von diesem die Strömung erst
zu ihm komme.
Anm. 2. Die einzige Stelle, welche den Beim 6^ : ö' aufweist, Fab. 24, 47
lautet Wcnt dat i^ wis, dat he geunnne To aller ttt Ion mate grot, We jo
den bösen denst döt *wer bösen Leuten einen Dienst erweist'. Der Wortlaut
bietet zwar in Bezug auf Sinn und Grammatik nicht den geringsten Anlass, ihn
für verderbt zu erklären, nichts desto weniger wird man aber angesichts der
Thatsache, dass dieser Beim die einzige Ausnahme von der sonst von dem Dichter
geübten Strenge wäre, ihn nicht dem Dichter, sondern dem Schreiber zuschreiben
müssen, wenn das Versehen desselben sich leicht erklären würde. Das ist in
der That der Fall, wenn man annimmt, der Dichter habe nicht denst döt, sondern
denst bot geschrieben. Die Verbindung denst beden ist tadellos, vgl. Beinke
Vos 6796 sinen denst he ene wedder bot, aber häufiger findet sich denst ddn.
Der Schreiber hat also die üblichere Bedensart eingesetzt.
Anm. 3. In die obige Zusammenstellung der ö aufweisenden Beime sind
die Wörter, welche ö vor rd, rt bieten, nicht aufgenommen, weil die in wohl
allen neuniederdeutschen Mundarten l)egegnend6 Thatsache, dass Dauer und Klang
der Vokale durch nachfolgendes r + Consonant, oft sogar durch r allein, beein*
flusst werden, auch für das mittelnd. auf Aehnliches schliessen lässt. Die in
Betracht kommenden Beime seien hier besonders zusammengestellt. Es ergiebt
sich aus ihnen, dass kurzes o vor rd, rt bei Pseudo-Gerfaard Verlängerung er-
fahren hat und 6^ im Klange dem 6* vor rd, rt ähnlich geworden ist.
ö* : ö* — rörde : vörde 49, 234.
6^ : 0 — untvört : gesport 61, 59. — rörde : worde 42, 9.
o* : 0* — gevört : gehört 91, 73.
o' : 0 — gehört : wort 2, 31. 29, 97. 39, 77. 40, 25. 55, 55. 57, 53.
58, 29. 78, 5. 80, 55. 94, 45. 100, 125. 101, 272. 103, 65.
— hörde : worde 37, 27. 44, 11. — horden : worden 49, 240. 51, 23.
— hörde : isenborde 13, 27. — gehört : isenbort 46, 17. — hörde :
Arforde 87, 11.
Anm. 4. o a7iceps entsteht bei Pseudo-Gerhard aus ö^, wenn im rartic.
Praeter, -odet zu -ot verkürzt wird. Es findet sich in folgenden Beimen:
behot 'behütet' : döt 68, 25,
— „ : gut 60, 9,
— „ : not 74, 56.
gebot 'gebü^sf : möt 'Muf 60, 7.
gevot 'genährV : Got 39, 11.
151
Die heutigen Ma. (vgl. Höfer, Zeitscbr. f. d. Wissenscbaft der Sprache 1,
s. 390; Nerger § 218, 4; Jellinghaus § 253; Kaamann § 36; Holthansen § 347;
Hoffmann § 28, 3; W. Schlüter, Glossar zu Meister Stephan S. III f.) weisen
im Particip Prät. wie Indic. Präter. fast ausnahmslos kurzes o auf. (Letzteres
ist bei Ps.-Gerhard auch fttr das Präter. in dem Eeime 39, 49 hotte : enimotte,
Hs. entmote anzunehmen.) Dasselbe ist der Fall in der Mundart von Hamburg.
Ich verdanke der Freundlichkeit Dr. C. Walthers die nachfolgende Auskunft:
'Die Verben mit ö und oi verkürzen durchweg den Vokal zu ö oder o, sowohl
die mit t- als die mit c^-Ausgang, so z. B. flöten (stossen): Jie ftött oder fiott,
Iie heil ftött oder fiott ; hloiden (bluten) : he hlött oder hhtt, he lieft hlött
oder hlott. Ebenso gehen groiten (wenn man nicht schon hd. grüssen gebraucht),
moiten (treffen), boiten (büssen, heizen), hroiden (brüten). Von hoid&n (hüten)
sind meines Wissens beide, Kurz- und Langform, in Gebrauch: he Jiött und he
Jtoid, und ebenso im Particip ; doch wird man jeuer mehr bei Bauern und älteren
Städtern begegnen, dieser mehr in der Stadt und bei jüngeren Leuten.'
Ergebnis. 1) Der Dichter hat mit grösster Strenge — stimmt
man der in Anmerkung 2 begründeten Annahme zu, ausnalinislos —
die Regel durchgeführt, dass 6^ nur mit <5^, 6^ nur mit 6^ oder ö^, ö^
nur mit ö' oder o^ reimt. Es folgt daraus, dass in seiner Mundai-t 6^
und 6* deutlich von einander durch verschiedene Aussprache geschieden,
6^ und 6^ dagegen phonetisch zusammengeflossen waren. — 2) Die
Strenge, die der Dichter darin beweist, dass er 6^ und 6^ auseinander
hält, rechtfertigt die Folgerung, dass seine Reime zwischen langem 6
und tonlangem oder kurzem o durch gewisse phonetische Aehnlichkeiten
zwischen diesen Lauten zu erklären und zu entschuldigen sind. Die
Zahl dieser Reime ist nur klein, immerhin aber ist sicher nicht ohne
Grund und beachtungswert, dass 6^ nur mit kurzem u oder geschlossenem
kurzem o, 6* nur mit offenem o gereimt ist.
Botes Radbnch und Koker.
Das Buch van vehme rade (mnd. rat ist hier doppelsinnig, es
bedeutet sowohl *Rad' als 'Rat') ist nach einem Lübecker Drucke aus
dem letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts von Herman Brandes im
Nd. Jahrb. XVI S. 8 fif. veröffentlicht worden. Der Findigkeit des
Herausgebers ist der wertvolle Nachweis gelungen, dass der Braun-
schweiger Zollschreiber Hermen Bote der Verfasser gewesen ist.
Bote stammte aus einer Braunschweiger Familie, die aus seinem
Gedichte sich ergebenden sprachlichen Beobachtungen sind also einer-
seits durch die braunschweigische Mundart zu erläutern, anderseits
für die Kenntnis ihrer Eigentümlichkeiten zu Botes Zeit verwertbar.
A n m. Brandes sagt S. 8 'die Drucklegung ist wohl in den ersten Jahren
des 16. Jahrb. erfolgt, doch noch vor 1504. Aus welchem Grunde Kiuderling
den Druck in das Jahr 1509 setzt, weiss ich nicht'. Hierzu sei bemerkt,
dass der Druck noch vor das Ende des 16. Jahrb. zu setzen ist, weil sich in
ihm Holzschnitte des Lübecker Unbekannten (Matth. Brandis) finden, dessen
Thätigkeit sich für Lübeck nur bis z. J. 1498 nachweisen lässt, es müsste denn
sein, dass ein noch älterer Druck existirt hat, dessen Holzstöcke in Lübeck ver-
blieben waren. Einderüng hatte keinesfalls den von Brandes benutzten Druck
152
im Ange, sondern einen späteren Abdruck ^Ghedrucket v^ide vuUcndiget in der
keyserlyken siadt L^ibeck. dorch de kunst Steffani Anvdes, wonaftich in der
vksckhomver Straten. In deni yare mises heren M, ccccc, nnde JX/ (8 Bog. 4**
mit Holzschnitten.) Beschreibung und Auszüge bei v. Seelen, Nachricht von dem
Ursprünge der Buchdruckerei in Lübeck (1740) S. 176—183.
Bote achtete ebenso wenig wie andere Zeitgenossen auf gleich-
massigen Versbau, seine Reimbindungen sind dagegen verhältnismässig
gut. In den ungefähr 1400 Versen, welche die 11 Abteilungen seines
Buches bieten, kommen für unsere Zwecke folgende Reime in Betracht :
6* : d^
5« : d«.
m6t : h6t II, 111.
gröt : bröt H, 127.
— : döt IV, 69. V, 111.
— : stöt 'Sioss' m, 21.
— : v6t IV, 19.
— : not XI, 25.
vöch : plöch VIII, 13.
not : bröt V, 155.
ungey6ch : noch 111, 59.
— : stöt 'Stoss' V, 61.
dön : hön VUI, 6.
ström : böm II, 17.
vrö : tö VllI, 85.
döre : öre X, 31. 43.
behöden : vöden VI, 89.
: röre VI, 67.
böken : clöken V, 67.
dören : dören X^ 23.
pröven : behöven 11, 5.
hören : verstören VII, 14.
boten : vöten XI, 53.
löven : beröven IV, 121.
tö : BÖ 4, 135. V, 43. VI, 35.
d^
0.
gtLt : ü, Ö^
gut : krüt VI, 13.
— : üt m, 87. V, 33.
— : overlüt VH, 41.
— : döt IV, 161.
güde : höde V, 167.
VI, 51.
löpen : open X, 11.
hören : boren VII, 80 (vgl. HI, 47).
versöre : more (modere 'Moder*) I, 69.
lözet : krozet (vgl altmärk, kräösen)
XI, 177.
Wie C. Walther im Nd. Jahrb. 16 Si 107 Anm. vermutungs-
weise ausgesprochen und später in einem Vortrage auf der Jahres-
versammlung des niederdeutschen Vereines in Braunschweig 181)2 dar-
gelegt hat, ist Bote der Verfasser noch einer andern Dichtung,
nämlich des in Hackmanns Ausgabe des Reineke Vos (VVolfenl)üttel
1711) S. 301—380 abgedruckten Koker (c. 2240 Verse). Diese
eigenartige Dichtung (vgl. Walther, Nd. Korresp.-Bl. VI S. ()7 ff.) ist
für Reimuntersuclumgen deshalb besonders wertvoll, weil gerade im
Reime verhältnismässig seltene Worte erscheinen.
0* : d*.
blöt : vöt Seite 335.
bot : armöt 322.
— : möt 344.
brök : bök 337.
krös : mos 349.
kr^ch : slöch 354.
bröt
döt
rök
löp
0» : h\
: döt 340.
; gröt 376.
; not 318. 347.
gröt 314.
lök 354.
höp 315. 374.
153
U)
schö
blöde :
blöden
hode :
geu6ch : w6cb 332.
pol : stöl 349.
— : wöl 319.
ko 340.
schö 308. 343.
vrö 'früh' 303.
vrö '/rw/i' 309.
böde 354.
: vorgoden 355.
heymöde 321.
— : mode 354.
— : vöden 350. 352.
gevödet : vermodet 365.
genögen : krögen 325.
genüget : geplöget 306.
söteu (dr. juten) : möten 340.
Töten : böten 349.
koke 328.
yorsöke 355.
vlöken 363.
boken 308.
schöpen 357.
bedrövet 302. 303.
bedröven 375.
tövende : övende 345.
kölet : wolet 314.
gekölet : spölet 341.
nömen : verdomen 323.
hone : sone 351.
döke :
•
koken
söken
köpen
prövet
röven
böm : töm 318.
Ion : bon 358.
dör : rör 352.
vlö : unvrö (= unvrowe)' 373,
benödet : dödet 358.
öge : böge 352.
— : löge 'Lauge' 373.
geöget : gesöget 319.
bögen : drögen 319.
höger : dröger 344.
stöten : vorblöten 'eniblössen' 327.
dope : löper 341.
köpe : höpe 309. 318.
lösen : ösen 375.
dövet : bövet 372.
hövet : stövet 369.
löveu : schöven 346.
böme : töme 358.
— : ströme 340.
döne : löne 321.
dören : ören 367.
6' > Ü : ü,
gut : brüt 334. 377.
— : krüt 317.
— : üt 304. 325. 348.
güde(8) : krüde(8) 332. 350.
d* etc. : d*.
göse 'Gänse' : möse 306. '
krön 'Kranicli : dön 342.
krömen 'Krumen : blömen 351.
spök Spuk : brök 378.
stode 'stände' : möde 369.
krönen krönen : vorsönen 319.
Körne : blöme 361.
tröre Hraure' : möre 321.
rö : strö 311.
Ä' : 6».
d» : 62.
(Ohne Beleg.)
o' : ö?
tönen 'Zehen' : bonen 'Böden ?' 339.
ö' : 0.
belönet : wonet 310.
lönen : wonen 358.
ögen : regenbogen 358.
söget : ungeroget 362.
rövet : ovet 'Obst' 366.
154
Anmerkung. Die Reime mit dnrch r verlängertem oder vor t, das aus
'det entstanden ist, verkürztem o sind nicht verzeichnet und mögen hier folgen.
Im Badbuche finden sich die Reime hört : hart **gebührt' lU, 47 ; hehoi ^behütet' :
hol 'Gebot' II, 59. Im Koker or : vor 367, böser : moser (entstanden ans
morser, vgl. mäuser in Mecklenburg), kunior : spikerbof' 'Bohrer' 378, rer-
siorde : orde 373; blot 'blutet' : stot 'stösst' 337, kot 'hütet' : r€7'bot 'verboten' 331.
Ergebnisse. Bote hat, sobald er lange 6 miteinander bindet,
mit ausnahmsloser Strenge 6^ nur mit 6^ oder 6^ gereimt, ebenso ö^
nur mit 6^. Die verhältnismässig grosse Anzahl Reime zwischen o^
und tonlangem o erklären sich dadurch, dass in der Braunschweigischen
Mundart heute mnd. 6^ und tonl. o zusammengeflossen sind. Die
Reimstrenge Botes, der gut mit 6^ und auch mit ü reimt, erweist,
dass das Wort schon zu seiner Zeit mit langem u gesprochen wurde.
Dazu stimmt die heutige Mimdart (vgl. in Börssum: blaom^ 'Blume\
aber g&ut 'gut' wie br&ut 'Braut'; in Meinersen: blaome 'Blume', aber
gut 'gut' wie krüt 'Kraut' ; Halberstadt hlaume 'Blume', aber gut wie
brüt^ krüt).
Das Brannschweiger Sehiehtspiel.
Zur Vergleiclmng mit Botes Reimgebrauch bietet Gelegenheit
das von seinem Landsmanne und Zeitgenossen Rainer Groningen
i. J. 149'2 verfasste und von Hänselmann in den 'Chroniken der
deutschen Städte' Bd. 16 S. 101 ff. nach der vermutlich von dem
Verfasser selbst angefertigten Handschrift herausgegebene Schichtsped
to Brunswick. Der Verfasser ringt sehr mit Stil und Reim, und um
letzteren zu erhalten, verwendet er in vereinzelten Fällen hochdeutsche
{üs statt üt 2203. 3683. 3749) imd wohl auch niederdeutsche un-
braunschweigische Formen. ' Sieht man von solchen vereinzelten Fällen
ab, so lässt sein Reimgebrauch ihn als Landsmann Herman Botes
deutlich erkennen, wie die nachfolgende Uebersicht der in seinem
umfangreichen c. 5000 Verse enthaltenden Gedicht begegnenden Reime
zeigen wird. Der Kürze wegen sind eine Anzahl reiner Reime zwischen
6^ : 6^ und 6^ : 6*, deren Verzeichnung ohne Interesse schien, nur
gezählt.
35 Reime. 45 Keime.
6 : tonl. 0. ti^ : tl. o.
3 Reime: 1513. 1648. 1794. 9 IMme: 336. 510. 576. 823. 2020.
3000. 3407. 3920, 4480.
d* : 0. 6* : o.
don : son (f. sone 'Sohn'} 1406. h6n : son 2398; Ion : son 1694.
(— : kyrieleyson 3628.) not : bot 880; verdrot : bot 134.
^t : 5*, ü. 6' : d«.
gut : 16t 4534, ; m6t 3570. beh6ve(de)n : r6ve(de)n 3946. 4404.
güde : m6de 738. 2508. 2968. 4402. beropen : köpen 438.
— : lüde 584.
gut : üt 1976. 4420. 4786.
d : 6K
155
6» : dS d». Lehnwort : d*.
jö : do 4728; : ßtrö 4190; to 4482. rosen : mösen 1778.
so : do 366. 990; : j6 3544. 3936. kyrieleyson : d6n 3628.
— : t6 169. 318. 466. 506. 976. 2746.
— : vr6 'froh' 2192. liehnwort : 6».
vrd 'froh' : to 516. patrön : Ion 2846.
— : dö 616. 994. 1086. 1630. 1684. patronen : Ionen 4934.
2662. 4092. 4272.
sp6k(e) : dök(e) 3277. 3301.
stöt 'statid' : wolgemöt 1528. flöch (f, vlech) : noch 974.
Gandersheimer Reimchronik.
Die 1216 von dem Pfaffen Eberhard verfasste Reimchronik
von Gandersheim (Herausg. von L. Weiland in den 'Deutschen Chroniken
des Mittelalters, Bd. 2, Hannover 1877, S. 397 ff.) verdient wegen
ihres Alters Beachtung, obwohl der in einer Handschrift des 16. Jahrh.
erhaltene Text leider von jüngerer Hand überarbeitet scheint und
mannigfach verderbt ist. In 1950 Versen findet sich 6^ : 6^ (gut stets
mit 6^) über 40, ö* : 6^ acht mal gereimt, ungerechnet die folgenden Fälle :
o» : o», — vrö : b6 716; : dö 1578; also : dö 362.
o» : ö>. — 86 : tö 77. 121. 460; dö : tö 836. 870. 1228. 1606.
Fremdworte: 6\ — Röme : döme 69. 342. 814. 1928; Saloraön : dön 324;
: ö» — also : caelo 996; : caro 1634; : suo 1034. — : ö* — krönen : lönen 223.
o» : o" — töch 'xog' : genöch 1127; döde : möde 1797; (overmöd : död 'toV
oder Hhut?' 384).
ü' : o — not : mot(et) 768.
Sonstiges. — s&gen 'sahen' : erwögen (st, erwägen 'erwogen^ 1116; leit 'Hess'
: noit 'Not' 1441; — hertöge : bögen 474.
Verglichen mit den Braunschweiger Dichtern zeigt die Ganders-
heimer Reimchronik folgende Abweichungen : gut ist nie mit ü gereimt ;
krönest 'krönen' reimt mit ö^; abgesehen von einem einzigen durch
Synkope entstandenem o (V. 768 not : mot) ist in der Reimchronik
langes ö nie mit tonlangem und nie mit kurzem o gereimt; hertoge
hat in der zweiten Silbe noch unverkürztes o.
Everhard von Wampen.
Everhard von Wampen, der einem pommerschen Adelsgeschlechte
entstammte, hat i. J. 1325 einen vier Bücher mit ca. 2500 Versen
umfassenden 'Spiegel der Natur' gedichtet und dem schwedischen
Könige Magnus Erichson, an dessen Hofe er damals lebte, gewidmet.^)
Das erste und vierte Buch seiner Dichtung sind im Nd. Jahrb. X,
S. 119 — 131, XI, 118 — 125 vollständig, die übrigen im Auszuge mit-
geteilt. Obwohl er auf gute Reime und Verse nicht ängstlich bedacht
war — er entschuldigt das unter Berufung auf einen Meister Vrouwenlof
*) Vermutlich ist es derselbe Magister Evert von Wampen, den Crull als
Zeugen in einer 1330 in Stralsund ausgefertigten Urkunde nachweist. Vgl. Ndd.
Korresp.-Bl. X, S. 18.
156
mit dessen Worten ^beter ein rim wen ein sin verloren\ — hält er
doch im Allgemeinen in seinen Reimen die verschiedenen 6 auseinander.
Es lässt sich hieraus schliessen, dass er aus dem diphthongischen
Teile Pommerns stammt. In Ermangelung eines andern und bessern
mnd. Dichters dieser Mundart mögen seine Reimbindungen untersucht
werden.
blot 'bloss r. : not Prol. 86.
h6pe : löpe I, 11.
: not I, 167. 177. 306. H, 71.
not n, 75. Bl. 159.
— : köp IV, 55.
böse : löse 11, 85.
viöt : not IV, 69.
grot
16p
6» : t^K
ovet : (ge)pr6vet Prol. 76. IV, 43.
dröve : pröven I, 276.
noch : gevöch I, 45. II, 83.
gröt 'Grass' : möt I, 57.
Böken : vldken I, 412.
blÖt : döt n, 79.
tö : d6 IV, 29.
gut : dot I, 200.
— : blöt II, 81. 89.
— : möt I, 103. 261. 370.
d» : tonl. ö (?). • d" : tonl. ö.
gevöge : droge Prol. 40. I, 23. 247. böme : some Bl. 162.
höret : cöret (? Es, tornet) I, 322.
d' : Fremdworte : 6".
also : consnetudö I, 97.
tröne : schöne I, 107.
jö : complexclö I, 222.
vrö : strö I, 282. IV, 61.
also : jö Bl. 161.
blöt : not IV, 8 (vgl. Prol. 86).
schöp : löp I, 1. U, 65.
Anmerkung. Mnd. droge mnss in zweifacher Form und Aussprache
vorhanden gewesen sein, als droge mit o^ und als droge mit tonlangem o. Die
heutigen Mundarten erlauben einen Rückschluss nur, wo altes ö^ und tonlanges
0 später nicht zusammengefallen sind. Die verbreitetste Form scheint dröge
gewesen zu sein. Für droge lässt sich Ravensbergisches drüge (neben drüüge,
Jellinghaus S. 123), drügen, drilgeldeok, Münstersches drüge, drügeldok sowie
Osnabrücksches drägt 'getrocknet' neben dränge, (Lyra s. 34) anführen, lieber
dröge mit ö' vgl. Holthausen, Soester Ma. § 77.
Ergebnis. Es ist oben bereits bemerkt, dass Everhard, trotzdem
er kein guter Reimer ist, doch 6^ und 6^ (abgesehen von wenigen
Ausnahmen) nicht miteinander bindet. Beachtung verdient, dass er
6^ und entlehntes 6 nur mit 6^ imd 6^ bindet, gerade wie das bei
Pseudo-Gerhard der Fall war.
Stephans Hchachbnch.
Das von W. Schlüter in den 'Verhandlungen der gelehrten
Esthnischen Gesellschaft Bd. XF (Sonderausgabe Norden 1883) zu
neuem Abdruck gebrachte Werk 'Schackspeel to dude' ist eine um-
U1
fangreiche Dichtung von 5886 gut gebauten und im Allgemeinen gut
gereimten Versen, welche dem Dörptschen Bischof Johannes von Fif-
husen, der 1375 gestorben ist, sein Untergebener, der Schulmeister
Stephan, gewidmet hat. Dieselbe muss also noch im 14. Jahrhundert
und zw^ar in Li vi and verfasst sein. Die Sprache der Städte Liv-
und Esthlands war nach Ausweis ihrer Urkunden und Stadtbücher
in älterer Zeit das Niederdeutsche. Bis zum Ende des vorigen Jahr-
hunderts soll noch im häuslichen Verkehr vielfach plattdeutsch ge-
sprochen sein, heute ist die plattdeutsche Mundart in den russischen
Ostseeprovinzen vollständig erstorben, und es lassen sich keine Sprach-
proben heutiger Mundart mehr beibringen, aus denen auf die Eigen-
tümlichkeiten der mittelniederdeutschen Volkssprache der deutschen
Bevölkerung jener Städte geschlossen werden könnte. Von älteren
nicht mehr der Periode der mnd. Schriftsprache angehörenden nieder-
deutschen Sprachproben ist mir, abgesehen von den wenigen in den
'Bunten Bildern von Papst Bd. 2' mitgeteilten Heimen, nur das
in F. K. Gadebusch's Livländischer Bibliothek Th. 2 (Riga 1777)
S. 239 — 245 abgedruckte Gedicht des Obersten der livländischen
Adelsfahne Gustav v. Mengden's (geb. 1625, gest. 1688) bekannt.
Wenn nach der Rechtschreibung der erhaltenen Niederschrift geurteilt
werden darf, in welcher die altem 6^ und altem 6^ entsprechenden
Laute unterschiedslos mit o oder o wiedergegeben sind, so muss ent-
weder das livländische Platt im 17. Jahrh. monophthongisch gewesen
sein oder es konnten beide Läute sich im Klange nicht sehr unter-
schieden haben.
Zu dem letzteren Schlüsse führen in Bezug auf die Sprache des
14. Jahrhunderts die Reimbindungen Stephans.
Die Reime zwischen 6^ : 6^ und 6^ : o^, die sich in je tausend
Versen von Stephans Dichtung finden, sind nur gezählt. Zur Ver-
gleichung ist daneben die Zahl der Reime zwischen o^ und tV angemerkt.
Ve7's
6»
: 5».
d» : 5^
d' : 0^
1— 1000
11
Eeime
8 R
5 R
1001—2000
24
n
6 «
6 »
2001—3000
23
1)
12 „
2 «
8001—4000
21
it
18 «
1 .
4001 5000
16
j)
11 »
2 «
5001—5886
11
»
8 .
2 „
1-^5886
106
Reime
63 /?.
18 R,
5* : 5^
möt : grdt 275.
v6ren : voratoren 491.
don : Ion 553. 1475. 1571. 1865.
behof : röf 597.
pröven : gelöven 793. 2732.
soke : rOke 1071.
blöde : ndde 1269.
gut : bröt 1411.
behövet : tolövet 2902.
gut : ddt 3681.
158
mdde : sndde 4498.
geovet : hoyet 4572.
böden : nöden 5712.
döt : gröt 5764.
d' etc. : 6\
(un)vrö : to 167. 1561. 3460. 4334.
als6 : t6 227. 2941. 4180. 5488.
döue : kone 1776. 4618.
schöle : stole 373.
Rome : blome 1189.
pryöre : v6re 4855.
dön : GrifÖn 4214.
lat, -0 : 6* fohfie Beispiel).
bevul : stöl 5635.
d» etc.
döne : sone 839.
köre : dore 1976.
0.
0.
hören
nöde
ören :
köpe
d" etc. : d*.
tröne : löne 2715.
persöne : böne 5430.
pryöre : döre 4838.
also': hö 465.
kröne : schöne 671. 813. 833.
Polypönen : schönen 1785.
laL -0 : ö* 98. 352. 375. 631.
d' etc. : d' etc.
(un)vrö : dö 1503.
— : also 251. 319. 4538.
kröne : tröne 1549.
— : Neröne 2031.
lat. -0 : ö' (Cato : also w. a.) 637. 1708.
2186. 2283. 3017. 4109.
Tolöse : glöse 4274.
d* : ö, ör.
geplöget : doget 1399.
swör : vor 1045.
slögeu : vlogen 1849.
behöyet : lovet 2901.
rörede : borede 2933.
gevoge : möge 5206.
höde : bode 5564.
nnvorsöken : gesproken 5680.
0* : 0.
behöf : lof 5728.
Ergebnis. Nach Ausweis der dem Reim Verzeichnisse voran-
gestellten Übersicht hat Stephan in dem ersten Tausend seiner Verse
19 mal homogene, 5 mal heterogene 6 miteinander gebunden, es
würden also 21 Procent der betreffenden Reime unrein sein, wenn in
seiner Mundart die heterogenen 6 durch verschiedene Aussprache
auseinander gehalten wurden. Angesichts der Thatsache, dass seine
Reime — von der Rechtschreibung des sein Gedicht überliefernden
Lübecker Druckes aus dem letzten Jahrzehnt des 15. Jahrb. muss
man freilich absehen — im Allgemeinen nicht ohne Sorgfalt sind,
könnte man geneigt sein aus jenem Zahlenverhältnis zu folgern, dass
in Stephans Mundart beide ö bereits in einen Laut zusammengeflossen
seien. Als üegengiomd Hesse sich der höhere Procentsatz der übrigen
Reime allerdings nicht verwerten, denn auch bei Dichtern, in deren
Mundart 6^ imd 6^ zusammenfallen, könnte man nicht erwarten je
ein Drittel Reime zwischen 6^ und 6\ zwischen 6^ und ö* und zwischen
6^ und 6^, also je 33 Procent anzutreffen. Das Verhältnis wird in
: boren 369.
gode 485.
boren 687.
hope 3061.
beröven : boven 4024.
dödes : godes 4820.
hören : tovoren 4828.
169
der Regel sehr zu Gunsten der Reime mit homogenem 6 verschoben
sein, erstens weil die Anzahl der Reimwörter mit (V grösser ist,
zweitens weil der Reimvorrat jedes Dichters durch die ihm bekannten
älteren Dichtungen beeiniiusst und bereichert wird und somit den
Dichtern monophthongischer Mundart aus Dichtwerken diphthongischen
Gebietes Reimbindungen mit homogenem 6 zugeflossen sein müssen,
um so eher, als gerade die ältesten Vorbilder, auch die hochdeutschen,
beide 6 in den Reimen schieden. Gegen die Annahme, dass in Stephans
Mundart beide 6 zusammengefallen waren, spricht aber das Verhältnis,
welches die späteren Teile seines Werkes aufweisen. Das zweite
Tausend Verse bietet nur 17, die folgenden Tausende nur 5 bzw. 2,
7 und 9 Procent Reime mit heterogenem 6. Man wird hieraus nur
folgern können, dass in seiner Mundart beide o zwar im Klange ein-
ander nahe standen und einen erträglichen Reim, aber keinen reinen
Reim miteinander bildeten, weshalb Stephan, dessen Gewantheit im
Reimen mit dem Fortgange seines Werkes wuchs, jene Reimbindungen
mehr und mehr vennied.
Holsteinsche Reimchronik.
Die 'Deutsche Chroniken' Bd. 2 (1877) S. 615 ff. abgedruckte
Reimchronik ist, wie L. Weiland in dem Vorworte nachweist, zwischen
1381 und 1483 in Hamburg, also in einem heute der monophthongischen
Mundart zugehörenden Gelnete vcrfasst worden. Die erhaltenen 651
Verse bieten ausser Reimen (2 mal 6^ : 6^ v. 19, 507; 8 mal 6^ : o*
V. 61. 119. 147. 227. 425. 509. 624. 642), deren besondere Verzeichnung
zwecklos ist, folgende Bindungen:
dön : 16n 272; brök : Ok 453.
also : jö 603.
ü^ Itzehö : do 469.
— : tö 1227; dorste : vorwöste 193.
gröt : gebot 87.
d6ne ^modns' : sone 145.
Lässt man die Reime mit dem Eigennamen Itzcho ausser
Rechnung, so ist 11 mal homogenes, 2 mal heterogenes 6 im Reime
gebunden. Es ergiebt sich also ein ähnUches Verliältnis und somit
dieselbe Folgerung wie bei Meister Stephans Schachbuche.
ö' :
Ö'
Ö» :
Ö«
Ö' :
Ö'
•
0^
Ö»:
0
ö :
ö
Die bisherigen Ergebnisse lassen es nicht mehr zweifelhaft er-
scheinen, dass die heterogenen ö von vielen älteren mnd. Dichtern mit
grösserer oder geringerer Strenge im Reime auseinander gehalten sind,
und die grössere Strenge bei den Dichtern anzutreffen ist, deren
Heimat heute dem diphthongischen Gebiete angehört. Einige sich
anknüpfende Fragen müssen der Fortsetzung dieser Untersuchung vor-
behalten bleiben.
BERLIN. W. Seelmann.
m
Zur altsäehsisehen Grammatik.
(Anzeige.)
M. Roedi^r, Paradigmata zur altsächsischen Grammatik. 2. neu bearbeitete
Auflage. Berlin, 1893. —
Die erste Auflage von Roedigers Paradigmen erschien 1883; nach einem
Zeiträume von zehn Jahren liegt jetzt die zweite vor. An Umfang ist das gerade
einen Druckbogen umfassende Heftchen nicht sehr gewachsen, die Neabearbeitung
zeigt sich ausser einigen Abweichungen in der Anordnung hauptsächlich in durch-
gehender Verbesserung der Einzelangaben, indem kaum ein einziges Paradigma
unverändert geblieben ist. Als besonders wichtige Besserung ist zu erwähnen,
dass das Paradigma wini, das in der ersten Auflage merkwürdigerweise noch
zur ^'a-declination gestellt war, jetzt seinen richtigen Platz bei der /-decl. ge-
funden hat; auch die schwache Decl. der Subst. und Adj. erfreut sich endlich
einer berichtigten Gestaltung. Die vielfachen Besserungen und Vervollständigungen
im einzeln aufzuzählen hat keinen Sinn; als kurzes, übersichtliches, und doch
das ganze Gerüst der Formenlehre enthaltendes Hülfsmittel für die Studirendeu
können K.'s Paradigmata nur empfohlen werden. Selbstverständlich muss zu einer
ausführlicheren Darstellung der Grammatik greifen, wer sich genauere Auskunft
über irgend einen fraglichen Punkt verschaffen will, da es im Wesen solcher
Paradigmata liegt, häufig nur die Möglichkeit der Existenz einer gewissen Endung
anzudeuten, nicht aber deren wirkliches Vorhandensein zu behaupten. So wird
natürlich niemand verlangen, dass z. B. von dag alle angesetzten Formen wirklich
vorkommen, geschweige denn von toini oder meni. Es fragt sich aber doch, ob
es überhaupt nicht besser wäre, bei den reichlicher belegten Declinationsklassen
nur die Endungen anzugeben, wie es Schmeller in seiner Synopis grammatica
gethan hat, bei den selteneren Classen aber, z. B. bei der u- oder consonantischen
Decl., alle vorkommenden Formen, deren gar nicht so viele sind, aufzuführen.
Was an Übersichtlichkeit dadurch vielleicht verloren ginge, würde an Sicherheit
und Unzweideutigkeit gewonnen. In dieser Richtung könnten meiner Meinung
nach überhaupt die Paradigmata noch bedeutend verbessert werden. R. giebt in
einer Vorbemerkung an, dass die Formen möglichst nach der Zahl der Belege
geordnet seien und dabei der Mon. des Heliand den Vorzug erhalten habe; dass
dagegen schwach belegte Formen, sofern sie nicht von historischem Werte seien,
fehlen. Man könnte über diese Bevorzugung der Münchener Hs. rechten; denn
obwohl ihre Sprache den meisten der kleineren Denkmäler näher steht und
sozusagen sächsischer ist als die einem Grenzgebiet Sachsens angehörige Mundart
des Gott., so ist sie doch viel ungleichmässiger und zeigt besonders im ersten
Drittel des Textes Spuren eines von der Sprache des Restes stark abweichenden
Dialektes.
Wir haben also im Allgemeinen die von R. angeführten, hinter einander
stehenden Endungen der einzelnen Conjugations- und Declinationsformen als
Belege für den im Vocalismus vielfach schwankenden Sprachzustand des Mon. zu
halten. Doch hat R. auch einzelne dem Cott. oder andern Denkmälern eigen-
tümliche Formen angeführt, ohne sie als solche kenntlich zu machen. Daraus
entsteht nun leider häufig die Unsicherheit, was als Variante des M, was als
eigentümlich für 0, was endlich etwa als vom Gebrauche des Heliand abweichende
Form eines der kleineren Denkmäler zu gelten hat. Das ist sehr zu bedauern,
161
besonders da, wie ich meine, mit leichter Mühe durch Setzung verschiedener
Interpunktionszeichen, durch Klammern oder durch Abwechslung im Druck eine
zuverlässige Kennzeichnung der einzelnen Formen nach ihrer Herkunft zu er-
möglichen gewesen wäre. Die Klammem wendet R einige male an, aber in
verschiedener Bedeutung; ebenso den Cursivdruck beim Verbum subst. und beim
Pronomen nur um die zu ednem Paradigma vereinigten, ursprünglich verschiedenen
Stämme zu sondern.
Wenn ich nun zum Einzelnen mich wendend hie und da die Angaben R.*8
zu vervollständigen oder einige Versehen zu berichtigen mir erlaube, so möchte
ich dadurch die Brauchbarkeit und Zuverlässigkeit des R.^schen Werkchens nicht
in Frage gestellt sehen, sondern nur auf Grundlage umfassender Materialsamm-
Inngen eine kleine Beisteuer zu einer im Interesse der altsächsischen Studien
bald zu erwartenden dritten Auflage geben.
S. 3. Starke Conjugation. Das im praet. pl. neben -un verzeichnete -on
ist für M nur zweimal als Endung der 2. pl. (1447. 1684) belegt; sollte -on
(las 21malige Vorkommen dieser Endung in C bezeichnen, so hätte ebensogut
die Plnralendung -ent in C Erwähnung verdient.
S. 4. III. Klasse. — Statt wellan, das im Heliand nicht vorkommt, hätt>e
etwa ivi'rran als Beleg für den Stammausgang auf Doppelliqnida genannt werden
können. — nenian durfte nicht als Paradigma stehen, da es gegenüber dem
regelmässigen niman CM 1623. 1648. 1788. 3322. 4264. 4578. C 1563. 5367.
5447. (-en M) 3204. 3307. M 2332. 3778. 3887. nimen 3284. 3860 die seltenere
Form ist: 1550. C 2332. 3284. 3778. 3887. nemen M 1563; auch die vor-
kommenden Personen des Praesens haben in M stets i: 1786. 2288. 2606. C
2571; nur C hat einmal 1786 nemat. Ebenso steht in M dem ppp. hinoman
151 die Form benumane (binmnana C) 2990 gegenüber.
S. 5. Die Hinzufügung des auf C beschränkten tw im praet. der IV.
Klasse verlangte consequenterwei.«e das gleiche Verfahren in Klasse V, 5 bei
hropan, im Praeteritopr. moi (S. 8), bei hro^er (S. 10) und wäre deshalb besser
weggeblieben.
Klasse IV, 2. Im Praet. gebührt ia der Vorrang vor io wegen ffriat
((friot C) 4071; ob der inf. *grdtan anzusetzen sei, ist mir wegen griotand
V> 4724 (vgl. ags. greotan) fraglich.
Klasse V, 1. Das praet. sg. zu hlopan u. s. w. ist nicht belegt. —
V, 2. ie im praet. hätte als fast ausschliessliche Eigentümlichkeit des C be-
zeichnet werden sollen, M hat nur an 3 Stellen (122. 123. 345) ie, — Zu V, 3
ist zu bemerken, dass M in allen Verben dieser Klasse ausnahmslos e hat, aber
auch C kennt in fcUlan nur e, in hcUdan, waldan nur je einmal ie (130. 344),
in wallan einmal ein wohl fehlerhaftes i (4073), und selbst in faJian und gangan
häufiger e als ie. Es ist bemerkenswert, dass von den 21 (8 -|- 13) Belegen
für ie in diesen beiden Verben 11 dem ersten Tausend, 6 den 3 ersten Hunderten
des 2. Tausends angehören. — In V, 4 kommt das ie wiederum nur dem C zu;
sollte also hier die Abweichung von M hervorgehoben werden, so durfte unter
V, 5 das für io (selten eo 3561. 3570; 5004) des M eintretende ie (wiep 5004.
hriep 2947. 3364) und eo (hrtop 4096. 5481. 5633. 5653. hrex/ptin 3645. 3651.
3656. 4860. 5827. hreopin 3568) des C nicht fehlen. .
S. 6. VI. Klasse, hiun ist auf C beschränkt; im praet. pl. fehlt die
Angabe von warun. — Neben williu, welliu (nur in C) hätte die auch in M
begegnende und 998 in CMP gemeinsam überlieferte Form willio nicht unerwähnt
bleiben sollen; für die 2. sg. ist wil (nur C 5158) doch wohl nur Schreib-
versehen; in 3. sg. muss die Reihenfolge lauten: wili. wil, wilit (C 1685);
im praet. fehlt 2. sg. weldes (-as C) 821; pl. weldun (woldun C); die 3. sg.
Niederdeutsches Jahrbnch. XVIII. XI
162
heisst in M überwiegend weide, niemals wolda, — Bei duan ist die Reihenfolge
der Belege zu Gunsten der Formen mit ö mehrfach falsch angesetzt; in 1. sg.
ist zwar gidoii die am häufigsten (2325. 2758. 4644) in M anzntreifende Form;
daniy duom sind je 2 mal vertreten, duon auf 0 beschränkt; aber 2. %^. duos
ist 2 mal (1549. 4093), dos nur 3564 in M zu finden; auch in 3. sg. überwiegt
in M uo : duot (-d) 16 mal; doi (-d) 8 mal, doit (5188); für den pl. ist zu
ordnen: dot, duat, duot; pl. imp. doan (duan, duaian C); conj. 3. sg. doe
1535. 1536. dua 1695. dtme 2448; im pl. war dican als nur in C (1473. 2562)
belegte Form ans Ende der Beihe zu stellen; prt. 1. sg. nicht belegt; 2. sg.
dedos C 5637 gehört hinter dadi CM 322; 3. sg. dede, deda; pl. dadun ist in
M die häufigere (2649. 3648. 3663. 4409. 4439), dedun die seltenere (483.
2804. 3886) Form; übrigens zeigt auch C grössere Vorliebe für dadim (2238.
2649. 3663. 3886. 4409. 5560. 5889; dedun 483. 2804. 3648. 4439. ♦5495.
5498); praet. conj. dadi (2 mal), dedi (1 mal); pl. dedin (2), -dadin (1 mal C);
im inf. hat M folgende Reihenfolge: duan 972. 3258. 3847; doan 5029. 4909;
doen 4940; den 1048; duan ist nur in C vorhanden 3258. 5576; auch P 972
hat duan; im ppp. überwiegt in M giduafi (7 mal), das auch für C die einzige
Form ist; daneben in M gidoen 5108. 5115 und andou 1798. — M hat öfter
ftad als fted; stes ist nur in C belegt.
S. 7. Schwache Conjugation. I. Klasse. Die Nebenform der 1. sg. pr.
auf -0 ist nur für seggian belegt. — opt. neben -ie auch -ea. — praet. neride,
nerida, — Für das praet. von sendicn ist in M nur senda 1042 belegt (sanda
C; ausserdem senda C 5296); aber im Ganzen überwiegen in allen schwachen
Verben in M die Formen auf -e, so dass im Paradigma der Form ^sende die
erste Stelle gebührt hätte. Der einzige Beleg für den Plural lautet sendun C
5315. — Da von salhon nur der inf. belegt ist, eignet es sich weniger gut zum
Paradigma als etwa thiofiofi oder noch besser Diolon, von welchem auch für die
Nebenformen mit i die meisten Belege vorkommen. Für den opt. auf -adi weiss
ich keine Belegstelle; das praet. sollte salhode heissen.
III. Klasse. Die Formen mit i gehören alle bis auf sagis (3019) nnr dem
Cott. u. den ihm im Dialekt verwandten Glossen an.
S. 8. Praeteritopraesentia. Für das praet. wäre richtiger als vorwiegend
in M die Form auf -e anzuführen gewesen: wisse, gidorßc, dorfU (3208), far-
munsie, moste, mähte; dagegen siud für ehia (841. 850), Consta (208. 225.
1032) und scolda (17 mal) die Belege häufiger als für ehte (2159), conste (3544)
und scolde (10 mal), was sich aber daraus erklärt, dass diese Formen auf -a
alle den ersten zwölfliundert Versen des Heiland augehören, in denen überhaupt
in M die Endung -a überwiegt. Hieran reihen sich auch die einzigen Belege
für 1. sg. niosta 559 und scolda 823. Das nur einmal belegte afrmsta (1043)
bestätigt diese Regel. — formonsta gehört nnr C (2658) an; für mohia und
mohte in M sind 184. 747; 1678 die einzigen Fälle. Neben witan verdiente
der inf. witun Beachtung. — Die Gesammtzahl der Praeteritopraes. ist um eins
zn gross, da der Setzer von 2 auf 4 gesprungen ist.
S. 8. Starke Decl. Einen Vocativ sg. anzusetzen erscheint mir unnötig.
— Die Endung -a im n. acc. pl. m. hätte als nur den jüngsten Denkmälern
angehörig gekennzeichnet werden sollen; da dem seltenen -as des n. acc. pl. ein
Platz gegönnt wurde, durfte auch -an (C) im dat pl. nicht fehlen und ebenso-
wenig das -um desselben Casus im Ntr.. dem doch gewiss ,hi8torischer Wert'
nicht abzusprechen ist. — Neben -u im instr. verdient -o Beachtung.
S. 9. Bei der ^a-decl. empföhle sich die Angabe des ganzen Wortes durch
alle Casus, weil durch die blosse Setzung der Endung die volle Form sich nicht
klar genug ergiebt. Im gen. sg. müsste es heissen: hirdies, hirdens ; dat. sg.
163
hirdea, kirdia, hirda, hirdie; heddies, beddeas; ricies, riceas, rices ; ricea,
ride; Hke nnr in C. — instr. wie in der a-decl. — n. pl. -as nur 2 Belege:
für acc. pl. gar keiner. — Von heri nur n. pl. -hm belegt. — Neben acc. pl.
yicttin M 1186 in MC auch netti 1178. 1155. C. 1186. — rethi (nur Prud. Gl.)
wäre besser fortgeblieben. — Da von sibhia nur d. pl. vorkommt, auch sonst
nur wenig Belege von Wörtern nach diesem Paradigma sich finden, wäre es
besser unter Aufzählung der hierhergehOrigen Wörter auf die Declination der
^^-stämme zu verweisen, von denen sie ja principiell nicht abweichen. — Neben
dem acc. woßunnm hat M 2695 wostimnie und im dat. nur (5 mal) woftunni;
'ia (3), -iu (2) gehören dem Cott. an.
II. Starke Declination. A. gast. g. sg. -as konnte wegbleiben, da tiras
(tf/reas C) 131 kein vollgültiger Beleg ist; ebenso entspricht für den dat. -a, -e
nicht den thatsächlich überlieferten Formen. — Im dat. pl. treten in M die
Endungen -eon, 'ion, die in C herrschen, ganz gegen -tun (-eun 4 mal) zurück,
für -un lässt sich nur hetteandun 2281 neben hetiendiun 5224 anführen;
iraknin ist nur für C bezeugt.
Zum Paradigma lüini ist zu bemerken, dass für den g. sg. überhaupt im
Hei. keine Belege zu finden sind ausser 7n€t€s C 1224, 7nates M 1054. 1224;
wo der gen. von scepi steht, ist das Genus fraglich. — Im Dativ ist i die
häufigste Endung in M (hugi s. o.; meti 2833; seli 711. 3338; -quidi 3873);
seltner -ea (hugea 2997. 5147. 5183); -e wird nur von C gewährt neben dem
häufigen -ie,
B. Neutra. Von meiii (1722) ist nur der acc. sg. überliefert; ausser
dem nom. urlagi f-logi C) 4323 nur noch der gen. orlegas f-lagi^es C) 3697,
kein Plural; sonst könnte man nur noch den vereinzelten g. pl. aldarlagio (-lago
M) 3882 hierherziehen.
C. Feminina auf -ini. Der Ansatz -iu für den nom. sg. beruht nur auf
der vermutlich falschen Lesart in M vieginftrengiu (-i C) und wäre besser weg-
geblieben oder in Klammern hinter -ia gesetzt.
S. 10. III. i^-declination. Im n. sg. ist -o Endung in C und musste
dann folgerichtig auch im acc. stehen. Ich habe schon bemerkt, dass für die
7i-decl. eine AufiTührung aller einzelnen Formen die Übersicht über das wirklich
Vorhandene deutlicher gemacht haben würde. Im n. acc sg. n. hat M gerade
nur feho (1548. 1637. 1669. 2501); im gen. fehas (390. 1186); mid fehe f-o
M) kann man für dat. oder instr. ansprechen, sonstige Formen sind nicht vor-
handen, der pl. fio ist mir unbekannt. — Als n. pl. ist in M und C nur hetidi
3526 belegt, im acc. nur hendi, mit Ausnahme von M 4917 haridi; dat. sg.
liendi nur C 2989.
Consonantische Stämme, man: d. sg. man ist iu H nur einmal (1757)
zu finden, sonst nur manne; C hat öfter man als manne; mmma kommt in
beiden Hss. überhaupt nicht vor, sondern nur in den kl. Dkm. — Als dat. pl.
ist mannum viermal in M belegt.
Verwandtschaftsbezeichnungen. Auch in M ist die gewöhnliche Endung
-er; dohter (3), dohtar (1); bivder, -broder, broder- (8), brodar, ge- (4); fcuJ^
(28), -foulet* (5); fadar (5); gesttest 4108 ist unklar; nur modur ist häufiger
(15) als moder (8), was mit der schon erwähnten Vorliebe des ersten Tausends
von M, in dem modar 14 mal vorkommt, für flexivisches a zusammenhängt.
IV. Schwache Declination. Neutr. gen. sg. nicht belegt; im nom. sg. fem.
überwiegt die Endung -e ; die für M charakteristische Endung -an in den obliquen
Casus des sg. fem. hätte ebensogut Berücksichtigung verdient als im masc.
S. 11. Pronomina. Neben iinu haben M und C auch imo; dagegen
kommen im n. pl. m. neben sie für M die vereinzelten seu, sia nicht in Betracht ;
11*
164
sie herrschen in C, doch ist sin viel häufiger als sea.' — Im nom. sg. 1 ist »iu
in beiden Hss. so sehr die Regel, dass die höchst seltenen sea 334, sia 337.
505 in C keiner Erwähnung bednrften. — Im acc. sg. hat M sie; sia, selten
sea ist C eigentümlich. — Ebenso n. acc. pl. M sie, C sia. — Da neben is im
gen. sg. m. and ntr. auch es erwähnt ist, durfte auch im nom. acc. sg. ntr.
neben it das entsprechende et nicht fehlen. — Im n. acc. pl. n. stellt C dem
von M allein gebotenen siu dreimal sia (1722. 3605. 3607) und einmal sea
(1429) gegenüber.
Bei den Possessiven hätte vielleicht durch Eiuklammerung auf die Neben-
formen use, iuwe hingewiesen werden können.
Demonstrativa. dt. sg. in M ist tliemo nur einmal (2046) belegt, gehört
also ans Ende der Reihe und muss beim ntr. gestrichen werden ; in ( • ist themo
zwar häufiger, aber doch Ausnahme gegenüber dem regelmässigen ihem, —
acc. sg. m. thana ist häufiger als thena, — n. acc. pl. thia ist als Hauptform
für C von den übrigen Formen abzusondern. — g. sg. f. i}ie:ra ist häufiger als
thero ; im dat. sg. f. kommt auch ihera vor. — acc. sg. f. in M neben thea
auch die seltenen thie und the; thia nur in ('. — n. pl. fem. M: thea, thia,
thie, 0: thia, tha, — Im nom. acc. pl. ntr. ist die regelmässige Form ihiu ((IM
392. 415, 458. 648. 778. 1035. 1070. 1178. 1992. C 26. 47. 4713. (that M)
657; M (thu C) 367. (that C) 4644; ausserdem entspricht dem thiu des M
einigemale in C thia, wo es als fem. aufgefasst werden kann 235. 358; als
Relativum fungirt thia C 1425. 4644. 4713, tha C 657. thea M 1178. 1993.
Die von R. gegebene Reihenfolge ist also nicht richtig und the ganz zu streichen.
S. 12. Die Reihenfolge für M ist: the.stmjw, Ütejutin, thrsun, thesmn
1696, the»9on ntr. 1337; 0 kennt nur thejion; im d. pl. tlieson nur in C. —
Als gen. sg. f. von seif ist zufällig nur selba)^ 2988 in M belegt
(selharo C).
S. 13. Adjectiva. Dat. sg. m. -on hauptsächlich nur in C; -emo und
-anio sind für die kl. Dkm. bemerkenswert. — Im acc. sg. m. ist die Anwendung
der Endungen -an (-en) oder -na f-ana, -afw, -ene, -rie) von der Beschaffenheit
des Wortstammes abhängig. — Im g, pl. ist in M -aro, -oro, -n-o die Reihen-
folge; im d. pl. ist 'Om noch häufiger als -um, verdiente also dieselbe Berück-
sichtigung. — Im d. sg. f. ist das ,usw.' nicht verständlich, genau genommen
inüsste für M die Reihenfolge aufgestellt werden: -aru, -am, -ero, -oro, -eru,
-nrff, -ara, wofür es genügen würde anzusetzen: -ro, -ru; C bevorzugt dagegen
die Endung -ero. — Im n. pl. fem. ist im Gegensatz zum masc. -a auch in M wie
in 0 die Regel und im acc. kommt e Überhaupt als Endung in M nicht vor; eine
Endung -ß für den n. acc. pl. ntr. ist mir nicht bekannt ; -a vorherrschend nur in C. —
Schwache Declination. g. sg. f. ist -an in M häufiger als -un; für die
verschiedenen Formen im gen. dat. sg. ntr. fehlt es an Belegen.
S. 15. Die in der 2. Auflage an den Schluss gestellte Tabelle der Laut-
verschiebungen würde m. E. von grösserem Nutzen sein, wenn der Unterschied
zwischen An-, In- und Auslaut deutlicher hervorträte oder das starre Schema
durch je ein Beispiel lebendiger gemacht wäre.
DORPAT. W. Schlüter.
Berichtignnj^en.
Jahrb. XVII. s. 75 v. 271 lies Slaplik.
„ „ 8. 79 zu V. 107 lieH Unklar ist v. 105.
„ XVIII. 8. 120 zeile 1 v. u. lies chatuph) o.
« ^ s. 124 „ 2 v. 0. lies 17. statt 15.
Musik - Beilage
(zu S. 15).
la. De blauwe vlag die waeit
^^
k.
'^^:j^^^^^^:mj^
1f 1f *
fff^^F^ff^^gg^^-p^fN^^f^ggH
Ib. En die blauwe ylag die waeyt
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t
^^^=i
1
[Ziet eens aen dit hei -der glas, Dat myn al - tyd komt van pas! Ziet het
I£g"ipf^^^3S^1Mf^
bran - den en - de bla - ken, Ziet het schit-te - ren voor't oog! Die het
^^
g^ilF=;
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M-*-
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niet en kan ver • ma - ken, la eeu bloe<l zee - dig en droog.]
IL Ditmarsisclier Tanz.
f f»f
i=r-=
|:
t
^
Latde blau - e Flagg mal wei-en, Lat se drillen, lat se drei-cn ; Denn dat
0 Dieser Takt und der' folgende lauten in der Handschrift:
Die mit * bezeichneten Noten sind nur teilweise erhalten und von Herrn R. von IJlien-
cron ergänzt.
1 1
/ dim. mf p fi ^ ^ p
f dim.
^^IZlirrj
Schip to See an-geit
3::=:i:
Fl
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1^
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^
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i -Tl ! I
§E
III. De Zeyensprong.
[Ei, wie kan de ze-vensprong, Ei, wie kan se dan - sen ? Is der dan geen
^
WT
T
:p=i=5r
I
t
=t^
i^^M
ee-ne man, Die de ze -yensproDgenkan?Datee-ne etc.]
Da capo
IT. Les sept sauts.
^-±
g^ö^gi^^^^
V— V
fcS
1. Ton armant, Phi-lis, ne me plait gu-ere, 11 vante tous tes momdres defauts,
2. Pour le mien, il est bon ä la oan - se, Aus - si sou-vent je le fais danaer,
Mais il n'a que du ca-quet, U se-roit la d'avoir fait Un saut.
Et Sans s'en em-barras - ser, II me fait pour commen- cer Un saut, deux sauts.
(8 Couplets.)
T. Plerlala.
is=E:iS
^a^=^5^^^i
[Komt hier r1 by en hoort een kluclit, Ick zinj? van Pier - la la. Eon
i
ht
^^^
3=«T:J?=r»r:j=
^sfeiiä^^^
\ drollig ventjen toI genucht, De vreugd van zijn pa - pa. Wat in zi^jn le-ven
I=p:
^^^
is geschied, Dat zult gy hooren in dit lied; *tl8 al vanPieivla-la, sa sa, 'tis
[#-f±r^^^^
al van Pier-la - la.j
TL Drinck-Liedeken.
w
iT-rtrrr
Van waor compt ons den coe - len wyn, En van waer compt ons den coe - len wyn,
^m
t
^g^^^^Bi^Bg^
£n van waer dorn daer, en van waer compt ons
den coe - len wyn?
•<8Q8)
Jahrbuch
des
Vereins (fir niederdeutsche SpracliforsGliung.
Jahrgang 1893.
XIX.
OSE
NORDEH und LEIPZIG.
Diedr. Soltau's Verlag.
1894.
Druck Ton Diedr. Soltftu in Norden.
Inhalt.
6«IU
Zar Geschichte des Volksbuches vom Ealenspiegel. Von Ch. Walt her 1
EaleaspiegeVs Vorname 4
Eulenspiegers Znaame 6
Die übrigen Personennamen L4
Die Ortsnamen 14
Die Sprache der Strassbnrger Ausgaben und die niederdeutschen Spuren
darin 18 v
Missverständnisse der niederdeutschen Vorlage 34 \
Wortspiele und Witsreden 42
Beimverse 45
Die Localisierung der Historien 49
Die Grabschrift ülenspiegers 62
Die ältesten Drucke 67
Die mittelniederländische Paraphrase des Hohenliedes. Von Edw. Schröder 80
Warnung vor dem Würfelspiel. Von J. Bolte 90 '
Zu mittelniederdeutschen Dichtern. Von R. Sprenger. . 94
Zu Gerhard von Minden 94
Zu Konemann ' 102
Zur Marienklage 104
Zum Sündenfall 107
Zu Valentin und Namelös 108
Zu mittelniederdeutschen Gedichten. Von E. DamkOhler 109 ^
Zu Botes Boek yan veleme rade 109
Zu Gerhard yon Minden 111
Der Verfasser der jüngeren Glosse zum Beinke Vos. Von Ad. Hofmeister 113
Niederdeutsche Hochzeitsgedichte des 17. und 18. Jahrh. aus Pommern. Von
K. Adam 122
Mittelniederdeutsche Margareten-Passion. Von P. Graffunder .... 131
Zum Anseimus. Von P. Graffunder 165
Ein Spottgedicht auf die Kölner Advokaten. Von J. Bolte 163
Trinkerorden. Von J. Bolte 167
Zur Geschichte des Volksbuches
vonn Eulenspiegel.
Lappenberg's Ausgabe des Strassbiirger Ulenspiegel vom Jahre
1519^) hat zur Untersuchung über das Volksbuch dieses Titels nicht
nur den Grund gelegt, sondern auch betreffs der Bibliographie, des
Quellennachweises, der Vergleichung ähnlicher Bücher, der Emendation
und Interpretation, kurz fast in jeder Hinsicht die Forschung mit
bewunderungswertem Scharfsinn, Wissen und Fleiss gleich soweit ge-
fördert, dass einem Nachfolger bei dem vor vierzig Jahren vorliegenden
Material wenig zu thun überblieb. Seitdem ist aber eine ältere Strass-
burger Ausgabe, aus dem Jahre 1515, entdeckt und veröffentlicht
worden.^) Ausserdem zeigt Lappenberg's Ausgabe doch den Mangel,
dass zwei Hauptfragen nicht genügend von ihm in Betracht gezogen
sind: das Verhältnis der ältesten erhaltenen Ausgaben einmal zu
einander und zweitens zu einer nicht auf uns gekommenen, aber zu
vermutenden niederdeutschen Urfassung des Buches. Ursache dieses
Mangels war Lappenberg's Meinung, dass Murner der Verfasser des
Ulenspiegel sei. Dieser Strassburgische Gelehrte habe die Schrift
nicht etwa aus dem Niederdeutschen übersetzt, sondern selbständig
abgefasst, und die witzige und launige Darstellung, sowie die gewandte
Diction stamme nicht aus einer niederdeutschen Vorlage, sondern sei
Murner's, des bedeutenden Schriftstellers, deutlich erkennbares Eigen-
tum. Das niederdeutsche Original habe sich nur auf einen kleinen
Teil des Murner'schen Buches beschränkt, nämlich die Erzählungen
von der Jugend und den letzten Tagen UlenspiegePs und die Hand-
werkerschwänke ; auch sei nicht sehr wahrscheinlich, dass diese erste
Sammlung je gedruckt worden wäre. Bisweilen fühlt er sich sogar
geneigt, selbst jede handschriftliche Grundlage zu leugnen: Murner
habe den Kern der Historien auf seiner Jugendreise durch Nord-
deutschland gesammelt, etwa in der Herberge zum wilden Mann in
Braunschweig, die im Volksbuche erwähnt wird; die Mehrzahl der
Geschichten habe er jedoch aus anderen Büchern entlehnt, was
*) Dr. Thomas Murners Ulenspiegel. Hrsg. von J. M. Lappenberg. Leipzig, 1854.
') von Hermann Knust in (Braune^s) Neudrucken deutscher Litteraturwerke
des XVL und XVIL Jahrhunderts, Nr. 55 und 56 : Till Eulenspiegel. Abdruck der
Ausgabe vom Jahre 1515. Halle, 1884.
Niederdeutsches Jahrbuch XIX. 1
2
Lappenberg auf Grand einer erstaunlichen Belesenheit nachzuweisen
sich bemüht.
Ausser auf innere Gründe für Murner's Urheberschaft berief sich
Lappenberg besonders auf das Zeugnis einer um 1521 erschienenen
Schrift^): dann er (Murner) hat es vor uvl bewert , besunder da er . , .
der weit zu schöner andacht und underweisunrj herfür gebracht hat die
hoch ergründten leer, mit namen die Narrenbschwerung, die Schelmen-
eunftf der Grit Miller in Jartug, auch den Ülenspicgd und andre schöne
buchte mer. Das Zeugnis mag ganz richtig sein; dennoch zwingen
die Worte uns nicht, Murner mehr Anrecht auf den ülenspiegel ein-
zuräumen als das eines Uebersetzers eines anonymen Werkes. Dass
er zu dem Volksbuche in einem andern Verhältnisse gestanden hat,
als zu den vorhergenannten Schriften, welche sicher und ganz Pro-
dukte seines Geistes waren, scheint der Verfasser des Dialogs durch
die Anfügung mit ^auch** andeuten zu wollen.
Lappenberg handelte in solcher Ueberzeugung ganz folgerichtig,
wenn er gar nicht versuchte, aus den ältesten Ausgaben, der Strass-
burger, der Kruffter'schen, der Antwerpener, der Cölner, der Erfurter,
der Augsburger, einen Text mit Anwendung philologischer Kritik her-
zustellen, sondern einfach den Strassburger Druck von 1519, der ihm
für die Originalausgabe Murner's galt, wiedergab mit scharfsinniger
Verbesserung der zahlreichen Druckfehler aus eigener Konjektur oder
aus den übrigen älteren Ausgaben. Seine Ansicht ist aber nicht
durchgedrungen, weil eine genauere Betrachtung des Eulenspiegelbuches
und eine Vergleichung der verschiedenen alten Ausgaben sie als un-
haltbar erkennen liess. Gewichtige Bedenken gegen die Strassburger
Originalität des Buches hat Karl Gödeke aus niederdeutschen im
Strassburger Text stehen gebliebenen Ausdrücken und aus Missver-
ständnissen geschöpft, die sich nur aus einer niederdeutschen Vorlage
erklären lassen, zuerst im Weimarischen Jahrbuch Bd. IV (1856) S.
15, wiederholt in seinem Grundriss zur Geschichte der Deutschen
Dichtung Bd. I (2. Ausg. 1862) S. 117 und weiter ausgeführt im
Archiv für Litteraturgeschichte Bd. IX (1881) S. 3. Lappenberg hatte
bereits solche Spuren des Niederdeutschen in Worten und Wortspielen
und in den Namen vermerkt, jedoch nicht zur Erkenntnis der Sachlage
verwertet, weil ihn seine einmal gefasste Vorstellung von Murner's
Urheberschaft verblendete. Dagegen will Gödeke demselben die Autor-
schaft nur eingeräumt wissen, wenn damit eine ältere niederdeutsche
Redaktion nicht ausgeschlossen sein solle, welche Murner in einem
Drucke vorgelegen haben müsse; doch dürfe jene Stelle aus dem
„Dialog" kaum auf eine blosse Uebersetzung des Buches aus dem
Niederdeutschen ins Hochdeutsche gedeutet werden.
Niemand hat für die Forschung über die Urgeschichte unseres
Volksbuches mehr geleistet, als Wilhelm Scherer in seiner Schrift
') Ain schöner DialoRus zwischen aim pfarrer und aim schulthaisz, abgedruckt
bei 0. Schade, Satiren und Pasquille aus der Reformationszeit. Hannover, 1863.
Bd IL S. 153.
„Anfänge des Deutsclien Prosaromans", Strassburg 1877. Er bat zun!
ersten Male in kritischer Weise die ältesten bekannten Drucke mit
einander verglichen und ihr Verhältnis zu einander und zu unbekannten
Vordrucken zu bestimmen gesucht und dadurch die Untersuchung in
die richtige Bahn gelenkt und einer kritischen Ausgabe vorgearbeitet.
Hierbei stellte er die Selbständigkeit der Cölner Ausgabe vom Jahre
1539 und damit ihre Gleichwertigkeit mit den ältesten Strassburger
Drucken fest und sicherte somit ihren beiden Angaben volle Glaub-
würdigkeit, erstens dass das Buch aus Sächsischer Sprache verdol-
metscht sei (was die früheren Ausgaben verschweigen) und zweitens dass
es 1483 abgefasst sei (während die Strassburger Ausgaben das Jahr
1500 angeben). Abgeschlossen hat Scherer seine Untersuchung nicht,
die er nur gelegentlich einer Recension von F. Bobertag's Geschichte
des Romans anstellte. Bezüglich der erst 1868 aufgetauchten Strass-
burger Ausgabe von 1515, der Erfurter von 1532 und der Cölner von
1539 konnte er sie nur auf Grund von Mitteilungen Anderer über
diese ihm nicht zugänglichen Drucke führen; desgleichen war ihm die
Benutzung des Antwerpener Druckes nur soweit möglich, als Lappen-
berg in seiner allerdings ziemlich ausführlichen Beschreibung daraus
und darüber mitgeteilt hatte. Der Strassburger Druck von 1515 ist
seitdem durch Knust zugänglich gemacht worden; der Abdruck der
übrigen in Betracht kommenden steht noch aus. Ehe das geschehen
ist, dürfen wir wohl keine kritische Herausgabe des Volksbuches er-
warten. In Betreff solcher hoffentlich erfolgenden und zumal von der
Antwerpener Ausgabe wünschenswerten Neudrucke möchte ich die Bitte
aussprechen, dass man die alten Drucke mit Haut und Haar gebe,
mit allen sprachlichen und orthographischen Unregelmässigkeiten und
selbst allen Druckfehlern, den Antwerpener womöglich in photolitho-
graphischer Nachbildung, wie es mit dem Kruffter'schen geschehen ist^)
und wie es auch mit den beiden Strassburgischen von 1515 und 1519
eigentlich hätte geschehen müssen. Nur so kann man sicher sein,
dass keine für die Geschichte des Litteraturdenkmals verwertbare
Besonderheit beseitigt oder doch verwischt wird, oder zum mindesten
verborgen bleibt.
Mittlerweile lässt sich, da die beiden ältesten Strassburger Drucke
wieder herausgegeben sind, doch schon an der Sprache derselben
prüfen, wie weit die Behauptung von der Selbständigkeit der Strass-
burger Redaktion und ihrer Unabhängigkeit von einer niederdeutschen
Vorlage begründet ist. Ich hatte das nach Gödeke's Vorgang an der
Ausgabe von 1515, als sie mir im Neudruck bekannt ward, versucht
und war zu dem Urteil gekommen, dass sie im grössten Teile nichts
als eine ziemlich liederliche Uebertragung aus dem Niederdeutschen
sei. Nachträglich lernte ich durch den Nachweis eines Freundes die
Abhandlung von Scherer kennen, wo ich fand, dass dieser, obschon
er die sprachliche Seite minder berücksichtigt hat, sich für dieselbe
*) Tyel Ulenspiegel. Nach dem Druck des Servals Kruffter photolithographisch
nachgebüdet. Berlin, A. Asher & Co. 18G5.
1*
Auffassung zu entscheiden geneigt ist. Seine Worte (auf S. 33) sind:
^Die Notiz von 1521 über Mumer's Autorschaft (Lappenberg S. 385)
wird nicht völlig grundlos und zunächst an der Strassburger Ausgabe
von 1515 zu prüfen sein: er hat im selben Jahr bei Grieninger^ [dem
Drucker des ülenspiegels von 1515 und 1519J ;,den verdeutschten
Virgil, im Jahre vorher die Badenfahrt erscheinen lassen. — Mehr
als die nach seiner Weise oberflächliche Uebertragung ins Hochdeutsche
hat er wohl nicht geleistet. '^
Dieses Urteil ermunterte mich, die Notizen meiner Untersuchung,
welche eben in der von Scherer geforderten Hinsicht angestellt war,
in einer zusammenb äugenden DarsteUung auszuführen. Noch während
dieser Arbeit erging an mich die Aufforderung von Seiten des Nieder-
deutschen Sprachvereins, meine Resultate auf der Pfingst Versammlung
zu Lüneburg im J. 1889 vorzutragen. So musste ich meine Abhand-
lung fürs erste liegen lassen und versuchen, den Gegenstand in Form
eines Vortrages zu behandeln. Dieser ist dann bei jener Gelegenheit
gehalten worden. Nachdem mic^h darauf andei'c Arbeiten von der
Aufgabe für mehrere Jahre abgezogen haben, bin ich letztlich zu ihr
zurückgekehrt und lege nun hier meine Untersuchung in der zuerst
beabsichtigten Gestalt vor.
Voraus bemerke ich, dass meine Darstellung möglichst so ge-
halten ist, dass Lappenberg's etwas teure Ausgabe dem Leser nicht
unumgänglich zur Hand zu sein braucht. Den kleinen Neudruck der
Strassburger Ausgabe von Knust wird man dagegen nicht wohl ent-
behren können. Als Siglen für die Titel der ältesten Ausgaben des
Eulenspiegel sind die Anfangsbuchstaben der Druckorte, nötigenfalls
mit Hinzufügung des Jahres, und in einem Falle der Anfangsbuchstabe
des Namens des Druckers gewählt. Demnach ist unter S zu verstehen
eine Strassburger, K die Kruffter'sche, A die Antwerpener (Michiel
van Hoochstraten, ohne Jahr), E eine Erfurter von 1532 u. s. w. und
C die Cölner Ausgabe von 1539. Die beiden Strassburger von 1515
und 1519 habe ich gleichfalls lieber durch Zusatz der Jahreszahl
unterscheiden wollen, als durch ein einfacheres Zeichen, weil jene
Bezeichnung auch brauchbar bleibt, falls einmal ein früherer Druck
aufgefunden würde.
Eulen.spiegers Vorname.
Der Vorname Eulenspiegers lautet im Titel des Romans bei S
1515 Dyl, bei S 1519 Dd. Gödeke, Gnmdriss I S. 117 hat gemeint,
diese Form deute auf einen niederdeutschen Originaldruck, oder mit
anderen Worten, sei aus diesem herübergenommen worden. Grade
das Gegenteil ist der Fall: DyU DU oder, hochdeutscher geschrieben,
Diel ist die recht hochdeutsche Gestalt des Namens. Nach Art
schlechter Uebersetzer hat der Strassburger Bearbeiter anfänglich
den Namen in seine Mundart umgesetzt, in der Folge aber mehrfach
die Form des Originals aus Flüchtigkeit beibehalten, was ihm um so
leichter zustossen musste, da er auch sonst zufolge seines Dialektes
anlautendes t und d nicht scharf zu sondern vermochte. So zeigt
S 1515 in der Vorrede Dyl und Thyl, Historie 1 Thiel und Dyl, Hi.
2 und 5 Thü, Hi. 3 Tyl; S 1519 schwankt gleichfalls: Vorr. Thyl
und Dyl, Hi, 1 Dil und Thyl, Hi. 2 Thyl Hi. 3 Tyl, Hi. 5 Dil Im
ndd. Original wird Thyle und Thihf vielleicht daneben Tyle und Tile
gestanden haben.
Der Name darf nicht, wie Lappenberg S. 227 ihn fassen will,
als Küi'zung von Tileman angesehen werden, sondern dieser ist eine
erweiterte Kosebildung aus jenem. Tile ist hervorgegangen aus alt-
sächsischem Thiadilo^ das ein Deminutiv ist von Thiado, dem Hypo-
koristikon oder der Koseform eines jeden mit thiad (Volk) beginnenden
männlichen Vollnamens. Das as. th geht regelmässig in dh und dann
im Mnd. in d über. Ausnahme von dieser Regel machen im Anlaut
nur wenige Wörter, dagegen manche Namen, z. B. die Ortsnamen
auf torp statt dorp und einige Koseformen der mit thiad, thavik u. s. w.
anfangenden Vollnamen. Zu dieser letzteren Klasse gehört Tilo, welche
aus Tiadilo (Tiedelo. Tidelo) verkürzte Form vielleicht bereits in dem
Namen Tüo in der Heberolle des westfälischen Klosters Freckenhorst
um ca, 1000 vorliegt. Für Tile ward dann nach der Orthographie
des späteren Mittelalters auch Tyle, Thüe, Thyle geschrieben, ohne
dass damit eine veränderte Aussprache gemeint war, Dass der Name
z. B. den Vollnamen Thiderik vertreten konnte, hat das Mnd. Wörter-
buch IV, 543 urkundlich nachgewiesen. Hier noch zwei weitere Belege
für die Verwendung des Namens: 1288 und 1290 wird ein Thideco
de Hamelen auch Thileco genannt, Ztschr. f. Hamburg. Geschichte VI,
506 und 514; TiletnannuSj alias Titke Krön, Staphorst Hambg. Kirchen-
Gesch. I, 2, 545 = Tinifm [d. i. Thiadmar], alias Teleman [= Tile-
man], al. Titke Crone, das. I, 3, 606.
Bestätigt wird die Behauptung, dass der Name des Helden im
ndd. Original mit T angelautet haben muss, durch K's Schreibungen
Tyel, Thiel, Tiel. Da diese Ausgabe im Cölner Dialekt abgefasst ist,
so ist die Namensform erklärlich. Denn solche mit t statt mit d =
ad. th anlautenden Kosenamen sind in Mitteldeutschland nicht so selten.
Nach den östlichen Landscliaften werden sie durch niederdeutsche
Kolonisten gebracht sein; daher stammt wohl der hier besonders
häufige Zuname Thilo. Weitere Importierung fand später statt. So
war der in Mitteldeutschland lebende und mitteldeutsch schreibende
Verfasser der Limburger Chronik Tileman von Elhen ein Niederdeutscher,
aus Wolfshagen im sächsischen Hessen gebürtig. In den nördlichen
Teilen Mitteldeutschlands, nämlich von Rlieinland, Hessen und Thüringen,
wo die Volkssprache bis in die mhd. Periode hinein allem Anschein
nach niederdeutsch geblieben war, werden sich solche Namensformen
aus dem früheren Sprachzustande gehalten haben. Und zu diesen
Gegenden darf man auch Cöln rechnen. Die Verkürzung des zwei-
silbigen Namens zu einem einsilbigen, wie K sie zeigt, wird der Dialekt
mit dem Oberdeutschen gemeinsam haben. U,nd dasselbe ist im Nieder-
6
ländischen der Fall: A hat TJiieU)^ die ndl. Ausgaben des 17. Jhs.
Thyl und Thijl^ während die aus dem flämischen Texte übertragenen
französischen Drucke Tiel bevorzugen. Unter den deutschen Ausgaben
bestrebt sich C hoclideutscher Schriftsprache und wählt daher Dyll
und Dyl^ desgleichen Cöln 1554 und Augsburg 1540. Bemerkenswert
ist, dass dagegen Strassburg 1539, 1543 und 1551 Tyll schreiben;
ob sie sich nur dieser Form bedienen? Der Frankfurter Druck 1545
hält noch an Dyll fest, der von ca. 1557 — 63 hat wieder Tyly die
Fischart'sche gereimte Bearbeitung Thyll, Seitdem dringen die
Schreibungen Till und Tyll durch und damit eine Form, die weder
hd., noch nd. genannt werden kann. Denn im Nd. wird der gemeinte
Name mit langem Vokal gesprochen und, wenigstens zur Zeit der
Entstehung des Eulenspiegelbuches, durchweg zweisilbig als Tue.
Wahrscheinlich verdankt man die Entstellung zu DiU und Tül nicht
einer denkbaren Vertauschung mit einem Hypokoristikon von Dieileib
(Thiadlef)^ sondern allein der verwilderten Orthographie des 16. Jhs.
Nicht unmöglich ist aber, dass diese Schreibung befestigt ward durch
Anknüpfung an ein Appellativ tül oder dül^ welches Narr bedeutet
zu haben scheint; s. Lübben in der Ztschr. für Deutsche Philologie
III, 330, und vgl. Rochholz das. S. 341. Der Schrift ist dann die Aus-
sprache gefolgt: man spricht allgemein Tül jetzt mit verkürztem Vokal.
Fischart im Gargan tua Kap. 10 behauptet, wie Lappenberg S.
227 erwähnt, dass in Lübeck Till der gewöhnlichste Vorname sei.
Das ist ein Irrtum. In Lübeck, Hamburg, in ganz Nordeibingen, des-
gleichen in Stade und Lüneburg, überhaupt in den norddeutschen
Küstenländern ist der Name Tylc selten und ursprünglich nicht heimisch.
Hingegen ist er im niederdeutschen Binnenland recht zuhause und
wohl nirgends mehr, als in Ostfalen, wo der Eulenspiegelroman seinen
Helden zur Welt kommen lässt. Dort wird auch das Buch zuerst
verfasst sein. Scherer S. 33 denkt an Hildesheim. Aber Braunschweig
hat mehr Anspruch, wie ich im folgenden nachweisen werde. Wie
verbreitet der Name Tyle in dieser Stadt war, zeigen die von Hänsel-
mann herausgegebenen Braunschweigischen Chroniken.
EuleiispiegeFs Zuname.
Schade, Satiren und Pasquille aus der Reformationszeit II, 338,
hat Lappenberg zum Vorwurf gemacht, dass er in seiner Ausgabe
sich der Form Ulenspiegel bedient habe; er hätte, dem Strassburger
Dialekt gemäss, Ulenspiegel schreiben müssen; ule ohne Umlaut sei
niederdeutsch. Er selbst hat denn auch im „Dialogus zwischen aim
Pfarrer und aim Schulthaiss^, nach Vorgang des von ihm seinem Ab-
drucke zu Giiinde gelegten Druckes (A), Ulenspiegel statt des Ulen-
spiegel der andern Drucke gesetzt; ja, er meint, er hätte das auch
thun müssen, wenn A das ü nicht gäbe. Dabei hat er nur übersehen.
*) Diese und die folgenden Angaben beruhen auf Lappenberg's Verzeichnis
der Ausgaben vom Ulenspiegel.
dass der Dialekt jenes Dialoges, den gleich die ersten drei Zeilen in
hreueht ir, neuwer mär und euch kund thun, nicht Ülenspiegel^ sondern
Eidetkipiegel verlangt. Man könnte sich die Forderung Schade's für
den Titel von Lappenberg's Ausgabe allenfalls insofern gefallen lassen,
als Lappenberg den Strassburger Murner für den Verfasser hält.
Falls er aber, wie es scheint, diese Form auch für einen sog. ge-
reinigten Textabdruck des Buches beansprucht, so hiesse das der
Strassburger Bearbeitung eine Wortform aufzwängen; denn beide
Strassburger Ausgaben, sowohl die von 1515 wie die von 1519, schreiben
Vlen- oder Vlnspiegel^ die von 1515 sehr* oft auch Ulfejnspiegel und
vl(e)n$pieg€l. Sicherlich schwankt S 1519 zwischen diesen drei Schrei-
bungen wie S 1515; wenigstens zeigt das Facsimile des Titels bei
Lappenberg Ulenspiegel, abweichend vom Vlenspiegel in S 1515.
Lappenberg war also, da er einheitliche Schreibung und zwar stets
mit grossem Buchstaben durchführen wollte, verpflichtet, die häufigste
des Druckes, Vlenspiegel, zu wählen, und berechtigt, im Titel seiner
Ausgabe Ulenspiegel zu setzen.
Wie der Strassburger Bearbeiter den Namen aussprach, lässt
sich aus jenen drei Schreibungen nicht ersehen, weil man die Typen
V und V und vermutlich auch U nicht mit Umlautszeichen zu versehen
pflegte, diese Lettern also sowohl zur Bezeichnung von 27, u als auch
von t/*, ü im Anlaut dienen mussten. Aber eine andere Eigentüm-
lichkeit der Orthographie von S 1515 kann die Frage lösen. Die
Grieninger'sche Buchdruckerei war im Besitz der Type ü und verwendet
sie im Anlaut der Wörter, nur nicht konsequent immer wo sie am
Platz gewesen wäre. Sie hat z. B. stets vbel statt übel und stets vch
statt üeh neben häufigerem euch. Dagegen finden wir nie vwer, son-
dern üt€er oder meistens euwerj bisweilen ewer. Auch vber steht durch ;
nur einmal, Hi. 63 ist mir über aufgefallen und zwar in beiden Aus-
gaben, bei Lappenberg auf S. 91, bei Knust auf S. 96. Hi. 17 und
72 (zweimal) lesen wir die ürten (Zeche), 55 und 77 die ürtin, 80
die vrten. Der Setzer der Officin wechselt also, mit Ausnahme von
vÄei und vchj zwischen v und ü und gebraucht, oflFenbar wegen des
folgenden «?, die Schreibung üwer ausschliesslich. Da er nun vlen-
spiegel mit kleinem Anfangsbuchstaben unzählige Mal gesetzt hat,
müsste befremden, dass er, wenn man in Strassburg den Namen mit
Umlaut gesprochen hätte, sich nie der Form ulenspiegel bedient hat.
Was aber den Ausschlag giebt, ist folgendes. Das im Namen ent-
haltene Wort „Eule^ erscheint mehrfach, Hi. 19 als üle und siebenmal
als eulcj 40 als U und üle (S 1515, beide Male ^le S 1519) und 95
zweimal etd. In 40 und 95 besteht Bezug zwischen dem Vogel und
dem Namen Eulenspiegel ; hier wäre doch an der Statt gewesen, diese
Beziehung durch die Schreibung ulenspiegel oder gar Eulenspiegel zur
Geltung zu bringen; allein an beiden Stellen finden wir nur Vlenspiegel
und vlenspiegel gedruckt. Daraus darf man mit Sicherheit schliessen,
dass in Strassburg Ulenspiegel gesprochen worden ist und nicht Dien-
Spiegel. Der Name muss schon vor der hochdeutschen Bearbeitung
8
des Volksbuches in Strassburg in seiner niederdentschen Fonn fest-
gestanden haben und verbreitet gewesen sein. So ergiebt sich mit Not-
wendigkeit der Schlnss, dass Mumer oder wer der Bearbeiter gewesen
ist nicht Verfasser des Volksbaches sein kann, ja dass ihm nicht ein-
mal eine niederdentsche Handschrift vorgelegen hat, sondern dass er
nur einen durch Deutschland verbreiteten niederdeutschen Druck über-
setzt und mehr oder minder zurecht gestutzt hat. Die Aendemng
von speigd zu Spiegel ist aber nicht auffallender, als das allgemein
übliche Verfahren mit zusammengesetzten niederdeutschen Ortsnamen,
in denen der erste Bestandteil gemeiniglich unangetastet bleibt, während
der zweite, wie z. E. dorp, horche holt, molen, in hochdeutschen Laut-
stand umgesetzt 'wird. Wenn nicht der Druckfehler in S 1515 so viele
wären und zumal solche im Namen Vlenspiegel (VlenspUgel, Vlenspid^
Vlenaplgel, Vhmspiedel u. s. w., s. Knust S. V ff.), so könnte man
meinen, dass in einem einmaligen Vlenspeigel, Hi. 20 (bei Knust S.
30) noch eine weitere Spur des nd. Originals sich erkennen Hesse.
Kruffter, dem eine Strassburger Ausgabe vorgelegen hat, beginnt
mit der Schreibung Vlenspiegelj wofür er später auch Vletispyegel
setzt, doch wechselt er bald mit der seinem Dialekt gemässen Form
VUnspegel ab, die ihm allmählich die geläufigste wird. Recht häufig
kürzt er den Namen zu Vlenspe. und ebenso oft zu Vlensp, ab.
Auch Vlenspie, findet sich. Er giebt dem Namen bald einen grossen,
bald einen kleinen Anfangsbuchstaben. C 1539 hat ebenfalls Vln-
Spiegel und Vlnspegel; die hochdeutschen Ausgaben haben Vl(e)nspiegel,
bis dann die von Lappenberg zwischen 1557 und 1563 gestellte Frank-
furter Ausgabe zuerst die völlige Uebersetzung des Namens zu Eulen-
Spiegel vornimmt (s. Lappenberg S. 183), welche Form seitdem die
in den hochdeutschen Texten herrschende bleibt.
Was bedeutet der NameV Das Volksbuch selbst erklärt ihn
als aus ^Eule^ und ;, Spiegel^ zusammengesetzt, indem es berichtet
(S Hi. 40), Eulenspiegel habe die Gewohnheit gehabt, an solchen
Orten, wo er als ein Unbekannter eine Büberei verübt hatte, mit
Kreide oder Kohle eine Eule und einen Spiegel über die Thür zu
malen und lateinisch darüber zu schreiben Hie fuit, und wenn es (S
Hi. 95) auf seinem Grabstein eine Eule, die einen Spiegel in den
Klauen hält, ausgemeisselt werden lässt. Dadurch wissen wir aber
noch nichts über die Bedeutung des Namens; wir erfahren nur, dass
der Dichter des Volksbuches ihn als aus ;,Eule^ und ^Spiegel" zu-
sammen gesetzt ansah und dem Tile ein so redendes Wappen verlieh.
Es fragt sich weiter, ob der Dichter seinem Helden diesen absonder-
lichen Namen gegeben hat oder ob er ihm denselben von seinen Zeit-
genossen hat beilegen lassen, um damit die Schalksnatur oder wie
man nun seine Wesensart auffasste zu bezeichnen. Für die eine wie
die andere Möglichkeit vermisst man jede Andeutung im Buche. Viel-
mehr trägt nach Hi. 1 bereits sein Vater Claus denselben Zunamen.
Dazu kommt noch die Thatsache, dass es wirklich und selbst, ehe
das Volksbuch geschrieben ward, Menschen gegeben hat, die den
Namen als bürgerlichen Zunamen führten. Weil das unbekannt war,
konnte im Hannoverschen Magazin 1812 St. 46 ff, die vermeintliche
Nichtexistenz eines solchen Geschlechtsnamens als hauptsächlichster
Grund gegen die historische Existenz eines T. Eulenspiegel verwertet
werden. Hiergegen erklärte sich Bhimenbach in Spiel's Vaterland.
Archiv 1820 Nr. 21 oder Th. H, 218 und ihm schloss sich Spangen-
berg, Beschreibung der Stadt Celle (1826) S. 298 Not. 2 an, weil in
mehreren Dortmunder Urkunden des fünfzehnten Jahrhunderts dieser
Zuname vorkomme. Nach Lappenberg S. 341 erscheint er als Bei-
name in einer angesehenen Soester Familie: 1473 und 1482 Johannes
van Lünen, genannt Ulenspeigell^ Anwalt der Stadt Soest, und 1482
Arnd van Lünen, genannt Ulenspeygell^ Vorsprache beim Soester Frei-
stuhl des Fehmgerichts. Hier ist der Name jedoch nur Beiname,
durch den, wie Lappenberg vermutet, jener Johann von einem anderen
Soester, Johann van Lünen, genannt van der Borcke, unterschieden
ward. Da aber ein zweiter van Lünen, Arnd, denselben Beinamen
führt, so muss mit Lappenberg geschlossen werden, dass der Name
damals schon einem ganzen Zweige der Familie eignete. Sein Vor-
kommen als Beiname scheint am natürlichsten sich daraus zu erklären,
dass bereits vor der Drucklegung der Eulenspiegelgeschichten diese
im Volke unter dem Namen des Ulenspeigel umliefen. Auf einen ver-
schmitzten Advokaten konnte der Name leicht übertragen werden; s.
Lappenberg S. 343. Der Verfasser des Volksbuches hat also den
Namen nicht erfunden. Für den Nachweis einer Familie Ulenspeigel
und für die Beantwortung der oben aufgeworfenen Frage nach dem
ursprünglichen Sinn des Namens lassen sich aber die beiden Soester
Zeugnisse nicht verwenden.
Anders steht es um andere Ulenspeigels. Nach den Stadtrech-
nungen von Hannover bezahlte der dortige Rat 1481 einem Hans
Uüenspeigel van dem Osterwolde (südlich von Hannover) 11 0 für ein
Fuder Kohlen; s. Histor. Ztschr. für Niedersachsen 1871 S. 215. In
einer Musterrolle der Stadt Braunschweig vom Jahre 1547 wird ein
Soldat Hans Ulenspeigel aufgeführt; s. Lappenberg S. 343. Könnte
auch etwa betreffs dieser beiden Leute noch ein Zweifel aufkommen,
ob sie ihren Zunamen unabhängig vom Schalksnarren führten oder
nicht, so schwindet jedes Bedenken einer dritten Person gegenüber,
die bereits in der ersten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts unter
diesem Namen urkundlich vorkommt. Die betreffende und eine zweite,
sie gleichfalls nennende, Stelle sind von Lappenberg S. 342 f. abge-
druckt worden. Sie betreffen eine mulier Ulennpeygel, durch die 1337
jemand vor dem Fehmgericht in Braunschweig wegen einer gegen sie
verübten Unrechtfertigkeit belangt ward, und eine offenbar mit jener
identische Frau de Vlenspeyghelsche, bezüglich derer 1355 im Braun-
schweigischen Deghedingheboke protokolliert ward, dass sie eine Viertel
Mark Zins in einem dortigen Hause besitze. Lappenberg schliesst
gewiss mit Recht aus beiden Stellen, dass sie, weil sie ohne Vornamen
und ohne d«as Prädikat ^^domina'' oder „vrowe^ angeführt werde, den
10
unteren Ständen angehört habe, und dass sie 1355, weil nicht ihr
Mann als Besitzer der Hausrente angegeben werde, Witwe gewesen sei.
Es steht demnach fest, dass ein Geschlechtsname Ulenspeighel
in Brannschweig wenigstens anderthalb Jahrhunderte vor dem Er-
scheinen des Eulenspiegelbuches vorkommt, und dass er sich gleichfalls
etwas früher als dieses im Calenbergischen findet. Der Name wird
folglich vielleicht gebildet und gegeben worden sein ohne alle Beziehung
auf einen solchen Charakter, wie ihn der Held des Volksbuches oflFen-
bart. Jedenfalls muss bei Untersuchung seiner Bedeutung jegliche
Rücksicht auf den litterarhistorischen Eulenspiegel unterbleiben, wenn-
gleich bei Erwägung der Möglichkeiten des zu Gninde liegenden Sinnes
man zunächst auf dieselbe Ableitung aus ule, Eule, und speigel,
Spiegel, raten muss. Das that auch Lappenberg. Wenn er aber
wähnt, „die Bedeutung des Spiegels ist hier in der im Mittelalter
gebräuchlichen zu nehmen, in der eines Lehrbuches oder Vorbildes, '^
und nun zum Vergleich eine Anzahl mittelalterlicher mit Spiegel,
spegel, speculum, miroir, mirror gebildeter Büchertitel anzieht, so hat
er sich von vorn herein durch Hinschielen auf solche Titel den
Blick getrübt. Denn nicht das Buch führt den Namen Eulenspiegel,
sondern der Held desselben. Auf ihn und nicht das Buch bezieht
Lappenberg inconsecjuent auch den ersten Bestandteil des Namens,
ohne zur Gewissheit zu gelangen „über den Charakter, welcher durch
die Eule ausgedrückt werden soll, als deren Vorbild unser Bauemsohn
Till erscheint." Mich dünkt die ganze Erklärung unklar, widerspruchs-
voll und darum unbefriedigend. Heisst hier „SpiegeP Lehrbuch oder
Vorbild, Muster, so verlangt man als Bestimmungswort entweder eine
Angabe dessen, dem das Buch als Belehrung dienen und dem ein
Vorbild gegeben werden soll (vgl. Laien-, Sachsenspiegel), oder einen
abstrakten Ausdruck, der bezeichnet, was gelehrt und in vollkommener
Darstellung als Muster aufgestellt werden soll (vgl. Beicht-, Ehren-
spiegel). Die von Lappenberg verglichenen Titel Handspiegel und
Augenspiegel (= Brille) stellen gar nur Bezeichnungen zweier Arten
wirklicher Spiegel dar in metaphorischer Anwendung. In keine dieser
drei Arten der Büchertitel passt „Eulenspiegel" als Benennung eines
Buches, noch speciell unseres Volksbuches; höchstens in die erste
Klasse, wenn man „Eule" als bildliche Bezeichnung eines dummen,
gedankenlosen Menschen fassen will, der durch die Lektüre der Eulen-
spiegeleien zur Wcltklugheit und Überlegsamen Vorsicht bei seinen
Reden und Handlungen angeleitet werden soll. Diese figürliche Be-
deutung von „Eule" lässt sich aber für das Mittelalter nicht nach-
weisen und auch noch heute verbinden wir mit der Eule nicht eine
derartige Vorstellung. Wenn Cornelius Kilianus DufHaeus gegen das
Ende des 16. Jhs. in seinem Etymologicum Teutonicae Linguae an-
giebt, niederländisch wl bedeute metaphorisch einen homo stolidus et
improbus, Dummkopf oder Schurken, so sind diese Bedeutungen sicher
auf Rechnung des Volksbuches vom Eulenspiegel zu setzen. So er-
giebt sich also gleichfalls auf diese Weise, durch konsequente Ver-
11
folgung der Lappenberg'schen Hypothese bis zu Ende, die Ungereimt-
heit, den Namen Eulenspiegel als erläuternde Bezeichnung des Buches
aufzufassen.
Das hat auch Lappenberg eingesehen, davon zeugen seine oben
angeführten Worte über das Bestimmungswort „Eule" im Namen.
Hier war er, falls überhaupt die Deutung aus „Eule" und „Spiegel"
die richtige ist, auf dem Wege zur Lösung der Frage. Nur verbaut
er diesen selbst sich wieder, indem er an der Bedeutung „Vorbild"
für „Spiegel" haften bleibt und zweitens nur an „moralische Eigen-
schaften" der Eule denkt. Die Menschen des 14. Jahrhunderts hatten
aber gewiss eher für leibliche Besonderheiten eine Auffassungsgabe,
als für seelische. Eine der auffallendsten Eigentümlichkeiten der Eule
ist eine körperliche Eigenschaft, ihre Lichtscheue, dass sie das Sonnen-
licht nicht gut vertragen kann; für die Beobachtung derselben und
deren metaphorische Verwendung auf das menschliche Auge lassen
sich mehr als eine Stelle aus mittelalterlichen Schriftstellern beibringen.
Andererseits zeichnet sich die Eule vor den übrigen Vögeln durch ihr
scharfes Gesicht bei Nachtzeit aus. Und „Spiegel" wird nicht nur
im Sinne von ,, Vorbild" gebraucht, sondern heisst in noch eher ent-
wickelter Begriffserweitenmg soviel als „Abbild, Ebenbild". Es Hesse
sich wohl denken, dass man einen mit blöden Augen behafteten
Menschen oder auch einen, der nachts besser als andere zu sehen
vermochte, einen Spiegel der Eule nannte; kommt doch „Spiegel" als
Anrede und Bezeichnung für Menschen mit Bezug auf irgendeine
Eigenschaft häufig bei mittelalterlichen Dichtern vor. Einwenden
lässt sich dagegen freilich, dass Beinamen oder Geschlechtsnamen,
welche mit „Spiegel" endigen, sich weiter nicht nachweisen lassen
(Lappenberg S. 344). Vielleicht darf man auch betonen, dass „Eule"
allein genügt oder „Eulenauge" näher gelegen hätte. Den Namen
Ute führt L369 ein Bürger in Hannover (Histor. Ztschr. für Nieder-
sachsen 1870 S. 58), 1433 ein Lübek er Schmied (Lüb. U.-B. VH S. 507);
ülenoge heisst 1474 ein Söldner in der Schleswig-Holstein-Lauenb.
• Urkimdensammlung I V, S. 523; und davon, dase er selbst nachts gut
zielen konnte, mag ein Söldner Ulenschutte seinen Beinamen erhalten
haben (Hoyer U.-B. L S. 224 a. 1408). Gegen diese Einwände darf
man aber geltend machen, dass, nachdem seit dem Anfange des
13. Jhs. es Mode geworden war, einerseits alles Vorzügliche, anderer-
seits Bücher „Spiegel" zu nennen^), es nahe genug lag, diese Bezeich-
nung auch einmal auf einen hervorstechend Blöd- oder Kurzsichtigen
scherzhaft oder, wie ich eher glaube, auf einen auch bei Nacht scharf-
sichtigen, wachsamen und darum im Kriege besonders brauchbaren
Mann*) auszeichnend anzuwenden. In diesem Sinne hätte ich auch
?
Ebenso schuf man Blumennamen, wie „Frauenspiegel^ und „Pfauenspiegel''.
Die Stadt und Burg Peine ward in der Hildesheimer Stiftsfehde durchweg
Ule genannt, auch Ulenneft; nach Lappenberg S. 2B7, weil über ihrem Tor eine
Eule als Symbol der Wachsamkeit angebracht war. Wichtig für die Deutung des
Namens Ulen/peigel ist die Stelle im Koker S. 305: toe da mit der ulen lUhflöge,
de fcholde des nacktes vele vorfpeyen.
12
gegen die Bedeutung , »Vorbild, Muster, Krone*' für „Spiegel" nichts
einzuwenden. Weiter spricht tür eine solche Auffassung des Namens«
dass sich bei einer von der Beschaffenheit der Augen hergenommeneu
Benennung der Vergleich mit einem Spiegel leicht gab, und dass,
falls ich Recht habe den Namen als eine allerdings scherzhafte, doch
ehrende Bezeichnung eines Glaukos oder Noctua (vgl. Q. Caedicius
Noctua) zu verstehen, ebenso leicht bei der Namengebung das ähnlich
klingende /}?r</cr,//>fi^er (Späher) wortspielend mitgewirkt haben kann*).
In diesem Falle hätten wir fenier eine Erklärung für die Tatsache
gefunden, dass sich kein anderer mit „Spiegel" gebildeter Personen-
name nachweisen lässt. Als jene Spicgelmanie dann abgenommen
hatte, musste den Leuten der absonderlich gebildete Geschlechtsname
wunderlich vorkommen. So würde verständlich, weshalb Sage und
Dichtung sich grade dieses singulären und rätselhaft gewordenen
Namens bemächtigt haben, um an ihn die Schwanke einer ganz eigen-
artigen Menschennatur zu knüpfen; vorausgesetzt, dass nicht indertat
ein Mann Ulenfpeigel einmal gelebt hat, der seinem absonderlichen
Namen zu Ehren auch wunderliche Streiche verübte. Doch ist diese
Frage für die Deutung des Namens ganz ohne Gewicht.
Ich füge hier noch die Besprechung zweier anderen Ableitungen
an, bloss um sie zurückzuweisen. Zunächst muss ich bekennen, dass
ich noch 1889 in Lüneburg einer abweichenden Etymologie des Namens
das Wort geredet habe. Ausgehend von der bei Alberus sich findenden
Form Aulnfpiegel statt Eulenfpiegel (s. Grimm, Deutsch. Wb.) und
der 1481 vorkommenden Schreibung üllenfpeigel^ suchte ich im ersten
Teile ein anderes ule^ Topf, welches noch im Westfälischen einen Kiiig
(mit dickem Halse) bedeutet und das bereits ahd. und and. als ula
belegbar ist, entsprechend und entlehnt dem lateinischen dla. Das
Woi-t war besonders im westlichen Deutschland zuhause, mhd. ti/c,
später aul (s. Grimm, Deutsch. Wb.), und davon heisst dort noch der
Töpfer, besonders der Krugbäcker, Äidncr, Etdner^ Etder^ Ulner,
Uller oder Uller^ was auf eine doppelte Form mit langem und mit
kurzem Vocal schliessen lässt. Der in den Nürnberger Chroniken
des 15. Jhs. begegnende Zuname Eiclnfmid und der 1259 in Lübek
(Lüb. Üb. II S. 24) genannte Ulenbeckere möchten dasselbe bedeuten.
*) Wie völlig man das Fremdwort fpeculum sich angeeignet und seines
Ursprungs vergessen hatte, zeigen Verwendungen, wie folgende: fo lat one (Jesus)
uns begraven na unfern wone (Sitte), fo ne derf (braucht) he nicht to fpeigel ftan
deny de dar vor henne (vorüber) gan; Marienklage, hrsg. v. Schönemann, Z. 305.
fin (des Bischofs) hovet vorden fe (die Wenden) van ftade to ftade ooer al Wened-
lant to fpotte unde to fpeigele; Sachs. Weltchronik, hrsg. v. Weiland, S. 171, 18.
der werlt ein fchimpf fpot und fpegel werden ; Daniel von Soest, hrsg. v. Jostes,
S. 239, 280. Das Mnd. Wb. fasst das Wort an diesen Stellen gleich „Ansehu,
Schauspiel" ; Strauch im Glossar zur Weltchronik setzt fragend „Hohn, Spott" und
vergleicht mnd. fpei, fpee (spöttisch, höhnisch). Indertat giebt die Chronik der
Nortclvischen Sassen, hrsg. v. Lappenberg, S. 37 die zweite Stelle wieder durch to
fchimpe unde to hone. Entschieden haben fpeien (spähen) und fpei, welches aus
as. fpaht (klug, scharfsinnig) ist, die Bedeutungsentwickelung von fpeigel beeinflusst.
— Ueber persönliche Concreta auf -el vgl. Kluge, Nominale Stammbildungslehre S. 11.
13
Da nun eine bekannte Erscheinung ist, dass Handwerker im Mittelalter
ihre Namen wie von ihrem Handwerksgerät so auch von den Gegen-
ständen oder Erzeugnissen ihrer Gewerbstätigkeit zu entlehnen pflegten *),
so meinte ich auch Ulenfpeigel auf diese Weise erklären zu können,
indem ich es als Ausdruck für eine Art glasierter tönerner Spiegel,
etwa für geringere Leute bestimmt, nahm. Allein die Erwägung, dass
wir weder von solchen Spiegeln wissen, noch das Wort sich in dieser
Bedeutung irgendwie belegen lässt, liess mich die Unhaltbarkeit meiner
Conjectur einsehen.
Eine andere Ableitung des Namens Eulenspiegel ist noch nicht
bestimmt behauptet worden, aber leicht möchte das geschehen auf
eine Aeusserung von Ernst Förstemann hin, in seinen Deutschen Orts-
namen (1863) S. 91 : „Auch ein fremdes Wort muss hier seine Stelle
finden, das latein. fpectda. Die vollere deutsche Form fpiegel findet
sich noch in mehreren Oertern Namens Spiegel ; ob die Mühle Eulvn-
fpiegel bei Clausthal noch das Wort unmittelbar oder schon den
bekannten Personennamen enthält, kann ich nicht entscheiden." Auch
in seinem Namenbuch II (2. Aufl. 1872) Sp. 1362 vertritt er noch
die Anschauung, dass Spiegel in Ortsnamen aus lateinischem fptcuht
sei und verweist dafür auf K. Roth, Kleine Beiträge zur Sprach-,
(leschichts- und Ortsforschung I (1850) S. 223, welcher also wohl zuerst
diese Meinung aufgestellt hat. Ob in süd- und Rheindeutschen Orts-
namen „Spiegel" bisweilen auf lateinisch fpecula zurückgeht, weiss ich
nicht; in norddeutschen gewiss nicht, denn ein Appellativ fpiegel oder
fpegely das aus lateinischem fpectda stammte und dessen Bedeutung
hätte, hat es nie gegeben. Es wäre ja recht schön und man wäre
aller Quälerei mit dem Namen Eulenspiegel überhoben, wenn nach
dieser Ableitung Ulenspegel einen Wartturm, den Lieblingsaufenthalt
der Eulen, bedeuten könnte. Man könnte schliesslich selbst auf den
Einfall kommen, der Eulenspiegelturm in Bernburg (S. H. 22, vgl.
Lappenberg S. 241) verdanke nicht dem Schalksüarren seine Benennung,
sondern der Name des Turmes habe umgekehrt veranlasst, dass Tile
zum zeitweiligen Kurwächter und Turmbläser des Grafen von Anhalt
gemacht worden sei, wenn man nicht gar den Namen des Schalkes,
nicht von irgend einer gleichnamigen Burg, sondern eben von diesem
Turm ableiten wollte. Es mag überflüssig erscheinen, dass ich solche
Träume vorbringe. Aber Förstemann's Ausspruch nötigte mich dazu,
da in ihm liegt, dass er sich den Namen Eulenspiegel durch fpecula
erklärt, obschon er das für den des Helden des Volksbuches nicht
ausspricht. Kann man aber glauben, dass ein so seltener Name
zweierlei Ursj)rung anzunehmen zulässt? Schliesslich bemerke ich,
dass meines Wissens jene Harzer Mühle bei Zellerfeld nicht Eulen-
spiegel, sondern Eulenspiegler Mühle heisst, also möglicherweise ein
weiteres Zeugniss für den Familiennamen fiulenspiegel liefert; es kann
aber auch eine ganz neue vom nahen Spiegelberg und Spiegeltal ent-
lehnte Namensschöpfung sein.
*) Vgl. Mittheilungen des Vereins für Hamburg. Geschichte I, 93 f.
u
Die übrigen Personennamen.
Ausser den Namen des Helden der (ieschichte kommen in mehreren
noch solche anderer Personen vor. Aus den meisten derselben lässt
sich zu Gunsten ursprünglich niederdeutscher Gestalt nichts entnehmen.
Höchstens kann man, da die Hi. 1. 33. 58 und 64 aus anderen Gründen
sich als bereits einem ndd. Text angehörig ergeben, vermuten, dass
in der Schreibung Pfaffenmeyer (S 1519, Pfaffenmeier S 1515j nocli
eine Spur vom Namen des urkundlich nachweisbaren Arnold Papcn-
mei/er zu erkennen sei, dass Künigine S 1515, Küngine S 1519 (Kiiut-
gund K) ein ndd. Kunneke oder Koneke wiedergiebt, dass Lamhrrchf
45 S 1515 vom Strassburger Bearbeiter vorgefunden ist statt des
mehr oberdeutschen Lamprecht S 1519. Bartholomeus 64 mag im
nd. Druck gestanden haben, aber keineswegs Doli; vielleicht Tliole
oder Thol. Die übliche nd. Abkürzung ist sonst Mewes.
Mehr Anlass zu Folgerungen bieten die Namen der Eltern Eulen-
spiegel's. Claus Hi. 1, 2 scheint keine oberdeutsche Kürzung von
Nicolaus zu sein; im nd. Text stand wohl Clawes. Der Name der
Mutter lässt sich nur aus dem Nd. erklären. Ich sage, der Name
und nicht die Namen; denn Ann Wibcken kann sie unmöglich gelieisseii
liaben. Ein doppelter Vorname ist im 15. Jhdt. unerhört; Lappenberg
S. 227 hat bereits bemerkt: Anna Wibcke sei darum auffallend, es
sei denn, dass wir Wibcken für ihrer Mutter oder ihres Vaters Namen
halten wollten. A, dem eine ndd. Ausgabe zu Gebote stand, was
schon allein aus dem einen richtigen Namen Buddenftede statt des
Buden fielen bei S (Hi. 11 und 12) und bei K geschlossen werden
muss, anderer Gründe hier vorerst zu geschweigen, A hat blos WyMce.
Das ist ganz gewöhnliche verkleinernde Koseform der Frauennamen
Wichherg und Wichborg^ welche der Uebersetzer, weil sie in Ober-
deutschland unbekannt ist, durch einen allerorts üblichen Namen er-
setzte, zugleich das Wibeke durch Veränderung in den Genetiv Wib-
ckin als Zunamen in dem von Lappenberg angedeuteten Sinne ver-
wendend. Auch der Zuname des Heinrich Hamenftede Hi. 64 zeigt
niederdeutsches Gepräge, statt hd. Hamen ftete; vgl. Buden ftetcn 11
und 12, Nigenftetten 30.
Die Ortsnamen.
Eine weit ergiebigere Ausbeute gewähren die zahlreichen Orts-
namen, weil der Strassburger Bearbeiter es nur zu oft bequemer ge-
funden hat, sie zu lassen wie er sie vorfand, als sie zu übersetzen. Selbst
in Oberdeutschland sicher bekannte und in hochdeutscher Form üb-
liche behandelt er so: Denmarck 23 (Denmarckt S 1519), Quedlinburg
36, Detmerfchcn 73, Wtdffenbütel 38. Das wichtigste solcher Beispiele
ist Ader, der Fluss Oder, in Franckfurd an der Adern (Francfurt
andre Adern 1519) 85. Dies ist nämlich die spätmnd. Gestalt jenes
Flussnamens, mit Uebergang des kurzen o in offener Silbe zu a. Da
nun aber diese Lautentwickelung von den Ostfalen, also den Braun-
schweigern und Ilildesheimern nicht mitgemacht worden ist, und da
15
doch alles dafür spricht, dass das Eulenspiegelbuch in dieser Land-
schaft entstanden ist, so werden wir genötigt anzunehmen, dass die
Hi. 85 aus einer, ausserhalb Ostfalens gedruckten, Ausgabe stammt.
Auch dann wird häufig die nd. Form in S gelassen, wenn es
sich um kleinere Ortschaften handelt und wo die Bedeutung des Namens
erkennbar ist: Nigeftetten (K ändert Ncwfteden) 30, Rofendal 16,
Oldenburg 88, Mollen 89. 90. 93, sogar Koldingen 16 ist beibehalten,
wo doch das daran geknüpfte Wortspiel ein Kaltingen erfordert hätte;
K setzt dagegen verständig Kaldingen^ entsprechend seinem Cölnischen
Dialekte. Ofterling 34 wird schwerlich dem Oberdeutschen ein ge-
läufiger Ausdruck für Ostfale gewesen sein. Hannover mochte in
Süddeutschland hinreichend bekannt sein und sein Name ward jeden-
falls nicht verstanden; so hat es nichts auffälliges, dass S 1515 ihn
(in Hi. 71) unverändert lässt als Hanouer oder ihn (Hi. 69) mit w
schreibt Hanotcer, welche Form S 1519 auch in Hi. 71 bietet. Ein
einmaliges Honower in Hi. 69 bei beiden S kann Druckfehler sein.
Auffallender ist, dass in Ampleuen (S 1519, 1515 daneben Amplenen) 1,
in Äfcherleue 52 und gar in Ißleuefi 78 das v nicht durch b ersetzt
ist. Der am häufigsten begegnende Name Braunschweig (Titel. Hi.
11. 18. 19. 38. 45. 56. 88) wird von S 1515 mehrfach, so gleich im
Titel, gut niederdeutsch Brunßwick genannt, öfter Brunfchwick^ in
II Brunfehuiek, 56 Brunfchtvig und Brunfchtvigkj 45 einmal Bron-
fckioick. S 1519 kennt nur noch Brunfchwick^ Brunfchwik und Brun-
fchwig. Das Adjektiv heisst bei beiden S in der Vorrede Brun-
fchwigifch, also einigermassen hochdeutsch zurechtgemacht, statt mnd.
Brunswikefch^ mhd. Brunswichefch. Ein ähnliches Schwanken gewahrt
man in der Behandlung von Magdeburg: Magdburg (S 1519 Megdhurg)
1, Megdburg 2. 14. 15, Medburg (S 1519 Maigdfwrg) 11; doch schwankte
der Name gleichfalls im Mnd. zwischen Magde-^ Megde-^ Mede- und
Mcidchorck; letztere Form verrät sich in Maigdborg, Die jüngere mnd.
Form für Go$lar war Gosler. S 1515 hat beide, Goßlar und Goßler,
Hi. 64, S 1519 nur noch Goßlar, Hildeß-, Ilildesheim steht Hi. KL
37, dagegen Hildcshem (S 1519, in S 1515 verdruckt Mildeßheim) in
64; in 37 ein Dorf Egelßheim. Aber die Schreibung heim ist ebenso
gut nd., wie hem; allein letztere ist nicht hd. In Hi. 68 ist die
ndd. Form Wenden (statt hd. Winden^ Slavi) stehen geblieben, während
Hi. 50 das Adjektiv richtig hd. Windifch lautet. Nicht selten wird
Sachfen und Sachfenland im Eulenspiegelbuche erwähnt. In S wird
so oder Sachßen, Sachffen geschrieben. Saffenland Hi. 50 in S 1519
wird indirekt einem nd. Urtext entflossen sein, da S 1519 nicht
auf S 1515 zurückgeht, sondern, wie Scherer (Die Anfänge des Deutschen
Prosaromans S. 83) nachgewiesen hat, beide auf einen älteren hd.
Druck, auf dessen Rechnung demnach die Flüchtigkeit zu setzen ist,
welche S 1515 gebessert hat.
In Hi. 15 wird ein Ort, der dem Erzbischof von Magdeburg zur
Residenz dient, zuerst Greuenftein genannt, nachher von S 1515
Genenckenftein, von S 1519 Geuenckenflein. K und sämtliche übrigen
16
deutschen Texte haben den Widerspruch zu bessern gesucht, indem
sie Greuenftein auch an der zweiten Stelle setzten; s. Lappenberg S.
23G. Nach Läpp. S. 158 fehlt die Benennung des Schlosses in A;
nach S. 236 hat aber A, sowie die älteren ^französischen Texte^ nur
die Erwähnung des Grevensteins zu Anfang der Geschichte unterlassen,
dagegen zeigen sie an der späteren Stelle die ;, verstümmelten*^ Namen
Geneßeyt, Genequefteitiy Getiequeftein, Welche Angabe betreffs A richtig,
lässt sich nicht entscheiden, so lange A nicht neu herausgegeben ist.
Jedenfalls kann keine der beiden letzten Formen durch A gebraucht
worden sein. Angenommen, dass die Angabe Lappenberg's auf S.
286 richtig sei, so muss in A Genefteyt sicli finden, anderenfalls ge-
hören alle drei Formen den französischen Texten an. Mag das eine
oder das andere sein, es ergiebt sich immerhin daraus, dass die
französischen Ausgaben nicht eine blosse Uebersetzung von A sein
können; und die Lesarten Gencqueftein und GeiAequeftein vindicieren ihnen
eine wichtige Stellung unter denjenigen Drucken, aus denen man suchen
muss eine Vorstellung von dem ursprünglichen Eulenspiegelbuche zu
gewinnen; denn sie weisen auf eine uns unbekannte gute Quelle.
Die Burg nämlich, die gemeint ist, hat Lappenberg richtig als Giln-
chenftein erkannt. Ihr eigentlicher nd. Name ist Gevekenftein, woraus
sich sowohl Geuencketiftein als auch Geucqtieftein leicht erklären.
Genmckefiftein und Genequeftein sind nur Druckfehler. Es fragt sich,
auf welche Weise das irrige Grevenftein in S und die übrigen deutschen
Texte gelangt sein mag. Mir ist eine Vermutung gekommen durch
die von Janicke herausgegebene Magdeburger Schöppenchronik. Dort
wird das Schloss öfter Geveketiftein genannt, aber einmal S. 64, 20
bloss to dem Steine, Wenn das an jener ersten Stelle gestanden hätte?
Der Druck, der diese Bezeichnung enthielt, würde danach aus einer
Stadt hervorgegangen sein, in welcher man sehr gut wusste, was
darunter zu verstehen sei. Man denkt zunächst an Magdeburg ; doch
könnte, da schon der Verfasser sich der Bezeichnung bedient haben
muss, auch eine andere Stadt als Druckort in Betracht kommen können,
nur ist anzunehmen, dass die Drucklegung unter den Augen des Ver-
fassers geschah. Die Aenderung Grevevftein setzt aber einen neuen
Druck, einen Nachdruck in irgend einer anderen Stadt, voraus, der
wahrscheinlich zugleich eine Bearbeitung darstellte. Das allgemeine,
unverständliche Stein ward durch einen bestimmten auf Stein endenden
Namen verständlicht; man vergass aber nachher das folgende Geveken-
ftcin demgemäss zu ändern oder übersah, dass dasselbe Schloss ge-
meint sei. Es giebt einen Ort Grevenstein in der Diemelgegend; viel-
leicht gab es noch mehrere. Auf jeden Fall aber war der Bearbeiter
ein Niederdeutscher, denn der gewählte Name bezeugt es. Folgerung
für S wäre schliesslich, dass ihm ein nd. Nachdruck des Volksbuches
zu Grunde liegt: er hat beide Namen, Grevenftein und Gevenckenftcin,
letzteren freilich entstellt, in ndd. Gestalt beibehalten.
Ob sich aus Eller 26 statt Aller (der Fluss, an dem Celle liegt)
etwas bezüglich des von S benutzten Druckes schliessen lässt, weiss
1^
ich nicht anzugehen. Im 11. Jhdt gilt Aelcra, Elrrn; oh EUtr im
15. Jhdt? Die Stadt und das daneben liegende Dorf Uelzen unter-
scheidet S als Olteen, Oißen Hi. 68 und Vifen Hi. 20. Ist in den
beiden ersten Formen nicht ein Versehen oder eine Willkür anzu-
nehmen, so bleibt nur der Schluss, dass entweder S zwei verschiedene
nd. Drucke zu Gebote standen oder dass der eine Druck, den er
übertrug, schon die Spuren zweier Redaktionen zeigte. Hingegen fasse
ich einmaliges Pt/ßenhrug neben zweimaligem Ryßevlmrg und einmaligem
Ryeßenhurg in Hi. 38 S 1515 nur als Druckfehler auf. S 1519 hat
stets Byßcnhmg; K dreimal Byßcnhurch und einmal, was wohl Ueber-
setzung sein soll, Krßenhurch; aber A Rifenl/rug und der zweite
französische Text (von Lotrian) Rilfenftrug; s. Lappenberg S. 252.
Dies letzte kommt dem zu Grunde liegenden Namen noch näher als
die Lesart von A, denn, wie Lappenberg nachgewiesen hat, ist Kiffen-
hviigge gemeint. Es erhellt auch hier wieder die Wichtigkeit der
flämischen und der französischen Drucke. Im nd. Druck wird Riffen-
brugge verdruckt gewesen sein. Leider lassen uns jene Ausgaben im
Stich in Bezug auf Brenburg 49, weil sie die Erzählung ausgelassen
haben. K bessert Brandenlmrch, was Lappenberg gutheisst. K, der
S vor sich hatte und durchweg verständig übersetzt, mag zu dieser
Emendation durch die Nennung des Orts zwischen Berlin und Rostock
(Hi. 48 und 50) geführt sein. Ich mutmasse, dass Bernißurg zu lesen
ist. Aehnlich hat S 1519 in Hi. 70 und 72 Beirnrn statt des richtigen
Bremen, welches S 1515 herstellt; doch Imt S 1519 selbst Bremer
marckt in Hi. 72 und Bremen Hi. 87. Nach meiner Ansicht schloss
sich ursprünglich Hi. 49 an Hi. 22 an, und das Hi. 22 nicht genannte
Schloss des Grafen von Anhalt, das nach Lappenberg S. 241 nur
Bernburg sein kann, und der Markt zu Bernburg in Hi. 49 stehen
in Beziehung zu einander.
Am meisten befremdet, dass nicht nur die norddeutschen Orts-
namen in S niederdeutsche Lautung zeigen, sondern auch einige mittel-
deutsche, die dem Strassburger doch in hochdeutscher Gestalt geläufig
sein mussten. Während er nd. Namen auf Ford übersetzt und also
Stasfurt 6. 83, Quer fürt 15 und Franchfurd (S 1515, Francfurt S
1519) 85 für die Stadt an der Oder schreibt, finden wir Hi. 60 Erd-^
ford, Ertford (S 1515, bloss Ertford S 1519), 29 Ertfort, 2 X Ertford.
2 X Erdifurt (S 1515, hier führt S 1519 Erffurt — einmal Erdfurd
— durch), dagegen 61 Erdfurt in beiden Drucken. Ebenso steht es
um Frankfurt am Mayn: Hi. 35 Franckford an dem Mein. Frauckfiird
an dem Meyn in S 1515, während S 1519 beidemal verhochdeutscht
Frankfurt an dem Mein; in Hi. 63 haben beide Drucke zweimal Franck-
furd und einmal Franckford. In derselben Historie lesen wir ferner
Wedernu statt Wctertiu, Wetterau, Ob das Schwanken zwischen
Behemen (so S 1515 in Hi. 28 dreimal, S 1519 einmal) und Bohemen
(S 1519 zweimal in Hi. 28, und beide Ausgaben Bohemer wald in
Hi. 62) gleichfalls hierher zu rechnen istV Mnd. ist stets Behemen
und später contrahiert Beinen üblich, wogegen um 1500 im Hd.
KiederdenUches Jahrbuch. XIX. y^^^^^ '^ ^^^^^^ 2
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ziemlich allgemein Bohemen galt. S kann hier die alte Form unab-
hängig von seiner Vorlage bewahrt haben; sonst würde ihm in Hi. 28
und 29 wohl auch einmal ein Prag entschlüpft sein statt Brag^ wie
beide Drucke stets schreiben, und Wicklef statt WicJclieb in Ili. 28
stehen. Dieselbe Historie und die vorhergehende 27. ge))rauchen für
Marburg in Hessen die Form Marckburg, Ich weiss nicht, ob dieselbe
auch hd. üblicli war. Als mud. lässt sie sich nachweisen. Die Magde-
burger Schöppenchronik schreibt S. 208, 12 und 275, 5 Marthorch^
aber an letzterer Stelle bietet eine alte Handschrift Markborch, In
der von Weiland herausgege])enen Sächsischen Weltchronik hat die
Gothaer Handschrift S. 241), 28 Marborch^ jedoch ebenvorher S. 249,
3 Marthborch und eine Wolfenbütteler, deren „Schreiber augenschein-
lich bemüht war hochdeutsch zu schreiben, aber nicht recht aus seinem
Nd. herausgekommen ist^, Marthirch, Vielleicht ist statt Martb. und
Marthb», da c und t in mittelalterlicher Schrift sich sehr ähneln,
Marcb. unA Marchb. zu lesen; denn der Name der Stadt enthält wahr-
scheinlich das Appellativ marah^ marh, Pferd. Verwechslung mit einem
andern gleichbedeutenden Worte mark^ Streitross, lag nahe, oder auch
lässt sich denken, dass die Niederdeutschen ein ndid. Marchburg fälsch-
lich auf andere Wörter niark und marke bezogen und in Markborch
übersetzt haben.
Es ist aber noch eine zweite Erklärung für diese scheinbar nd.
Formen in (ieschichten, die nicht in Niederdeutschland spielen, möglich.
Sie finden sich namentlich in solchen Historien, welche nicht zum
ersten Bestand des Volksbuclies gehört haben dürften, vor allem die
dem Amis entlehnten 27. 28. 21). Diese und wohl überhaupt die
meisten in Mitteldeutschland localisierten Erzählungen könnten ihren
Ursprung einem in diesem Teile Deutschlands lebenden Verfasser ver-
danken. In den mehrsten tritt Eulenspiegel ganz abweichend von
den übrigen Erzählungen als feiner Mann und als üolehrter auf. In
H. 29 findet sich dazu ein scharfer Ausfall gegen die Erfurter Universität.
Da nun die zuletzt besprochenen Namensformen ebenso gut md., wie
nd. sein können und da wir seit '1532 eine Anzahl Plrfarter Ausgaben
vom Volksbuche kennen, so mcichte ich glauben, dass es eine schon
bald nach dem nd. Urdriu^k herausgekommenci Erfurter Bearbeitung
gegeben hat, der wir jene Vermehrung mit mitteldeatschen Schwänken
zuzuschreiben haben. Dass einige derselben, wie sich zeigen wird,
Wortformen dem Bear))eitor von S dargeboten haben, die sicher nd.
sind, kann nicht dagegen sprechen. Wannn sollte ein vermehrter md.
Eulenspiegel nicht alsbald ins Nd. übertragen worden sein, vielleicht
eben so Hüchtig, wie S, mit Mengung hd. und nd. Namensformen V
Eine solche nd. Ausgabe köimte dem Strass))urger für seine Redaction
vorgelegen haben.
Die Sprache der Strassbnrger Ausgaben nnd die niederdentschen
Spuren darin.
Die Untersuchung wird einigermassen erschwert durch zwei
Umstände. Einmal sind beide Ausgaben, die von 1515 und die von
19
1519, sehr flüchtig gedruckt. Zweitens befand sich die Schriftsprache
des Elsasses um die ersten Jahrzehnte des 15. Jhdts in einem Ucber-
gange aus dem, seit dem 14. Jhdt stark vom heimischen Dialekt
heeinÜussten Mittelhochdeutschen in die neuhochdeutj^che Schriftsprache.
Die alten langen i, u und li, welche das Mhd. mit dem Mnd. gemein-
sam hatte, waren z. B. noch nicht völlig den nhd. ei, au und eu ge-
wichen; ebensowenig das alte ou dem au. Die süddeutsche Aussprache
gewährte oft für die Stummlaute keine sichere Handhabe, wanu der
sog. harte, wann der weiche Laut zu schreiben war. Im Ulenspiegel
aber tritt die Unsicherheit in den Wortfonnen g.anz besonders schlimm
auf. Manche derartige Unregelmässigkeiten würden eine Erklärung
aus dem Nd. zulassen; allein ebenso wohl können sie dem Elsässischen
Dialekte entstammen oder Druckfehler sein.
Von einigen solcher Doppelformen ist schon oben bei Besprechung
des Namens Uletifpiegel die Ilede gewesen. Andere sind z. B. folgende.
Gleich in der ersten Historie lesen wir nacheinander ganz regellos:
gedöfft^ douffgötel, der tauff\ tauffpfetter, geteufft, tauffgöttel^ die töffe
(zweimal), geteuff'i, der tauff. Ili. 31 steht haubt, 32 ho2)t; 35 kauff-
imi», 30 kouffman, 78 kauflüt, koflüt, kouflüL Für ^zeigen^ gebraucht
S 1515 zeugen (= mhd. eöugen) 4. 10. 27. 09 (verdruckt aügen 87),
wofür S 1519 Hi. 10. 09 und 87 zeigen bessert; beide schreiben Hi. 2
zögcn^ entsprechend dem nd. tagen; Ili. 00 haben beide zeugen und
zeigen. Buer^ huren und batier^ bauren wechseln z. B. Hi. 13. 44,
fuw und faw 94. Für ^teuer'' finden wir folgende Varianten: detu^r
23. 40, düer und verdruckt dürre 52, thür 40. 57, thüer 05, thüre 79;
für ;,Türe^ thier und thür 40, thüre und düre 53; für „nähen'' neyen,
neigen, negen 43. 48, für „säen^ fehen^ f^^n, feyen 73. Durchweg
wird meifter und hüner geschrieben, aber 27 mefter^ 11 höner; sonst
stets heilig^ aber heilig 51, heiig 90, wo beidemal S 1519 heilig bessert;
helithomb 32, wo S 1519 heüthumb, wie auch S 1515 in Hi. 31 hat.
Die labialen und gutturalen Stummlaute stehen fest; höchstens kann
man als Abweichung den Fremdnamen Bummern 31 anführen, breiß
statt preis 24 und einmaliges pabft in S 1515 neben babft 34. Bei
hUgelj Kapuze, 30 statt gugel möchte man an Einfluss des nd. kagel
glauben. Wie zwei der obigen Beispiele gezeigt haben, kann S d
und t im Anlaut nicht aus einander halten. Während einige Wörter
freilich stets richtig t haben, andere stets richtig oder unrichtig d,
herrscht Willkür z. B. bei thor, Narr, 14. 27, thorheit 24, dor 15. 57.
77, dorrery 04, bedoren 18. 57. Difch und infch kommen neben einander
vor in Hi, 18; tach 21 und dach 51; betreiffen 11, er bedrofft 72;
thüre^ düre 53, thier^ thür 40. Am meisten sind mit mhd. t anlautende
Wörter diesem Schwanken ausgesetzt, was sich aus der Elsässischen
Aussprache, die hier auf der nd. Lautstufe beharrt hatte, leicht ver-
stehen lässt. Doch finden sich auch einige Beispiele, in denen t neben
richtigem d für altdeutsches th erscheint, so in treck 15. 24 etc. neben
dreck 20. 52 etc. trengen 31. 40. 41, tile 32 {thüe S 1519) neben
diele 94 (dile S 1519). Das Fremdwort „Tonne" wird zu thunn^
thunne 12, dünn 04, dunne^ donne^ dune 40. Langes a geht im EI-
2*
20
sässisclien in o über: S bedient sieb nun bald des bd., bald des hei-
matlichen Vokals, z. B. gan^ gehen, 51, gan 52; im nd. Lehnwort
wapen und wopen 63, wo S 1519 an zweiter Stelle toapfen ändert,
toappen 40.
Diese Beispiele reichen wohl aus, um zu zeigen, wie ungleich-
massig die Sprache in S ist, recht wie es Uebersetzungen jener Zeit
aus einem nah verwandten Dialekte eigen zu sein pflegt, mahnen
aber zugleich, vorsichtig zu sein, eine abweichende Form ohne weiteres
aus einem nd. Texte herzuleiten. Vielleicht habe ich die Klippe in
meinem folgenden Versuche, die nd. Bestandteile von S darzulegen,
nicht immer gemieden. Doch habe ich mich wenigstens bemüht, zu-
verlässige Kennzeichen für einen richtigen Kurs zu gewinnen. Solche
sind 1. Verwendung von Ausdrücken, die nicht der hd., sondern der
nd. Sprache angehören; 2. Umschreibung eines Begriffes durch Wechsel
im Ausdruck, besonders eine durch oder verknüpfte doppelte Benennung,
wobei sich meist die eine als nd. herausstellt, bisweilen die beiden
hd. Wörter ein drittes, nd., vertreten; 3. augenscheinlicher ndd.
Lautstand von, beiden Dialekten gemeinsamen, Wörtern, oder ndd.
Wortbildung, oder Abweichung in der Bedeutung vom Hd.; 4. Unklar-
heiten, welche sich aus Missverständnis eines nd. Textes durch den
Uebersetzer erklären und so beseitigen lassen.
Eine besondere Besprechung erfordern zum Schlüsse diejenigen
Partien des Buches, in welchen durch S Wortspiele und Reime des
Urtextes ganz oder teilweise beseitigt worden sind.
Hi. 1 ist hadmüme dag ndd. bademomc oder -möme, die Hebamme.
Oberdeutsch ist das Wort unbekannt. Vorher steht dafür die iauff-
götiel^ die göttel^ d. h. die Patin. Entweder ist anzunehmen, dass die
Hebanmie mit bei Eulenspiegel zu Gevatter stand, oder wahrschein-
licher war es Brauch, dass sie das Kind zur Taufe trug. Dass ihr
auch die Bezeichnung götd beigelegt wird von S, scheint aus der
üeberschrift wer fein douffgötd waren zu stammen. Es wird aber
nur ein Gevatter mit Namen genannt, Thyl von Utzen. In 5 und 6
begegnet auch das einfache Wort müm für Mutter, was gleichfalls
nd. ist, aber nicht hd., wo ^Muhme^ fernere weibliche Anverwandte
bezeichnet. — Hi. 20 holt Eulenspiegel ein reff von einem dieh vom
Galgen, und Hi. 47 wird das Gerippe des im Bier versottenen Hundes
das reff genannt. Das Hd. hat ein Wort reff^ Traggestell, meines
Erachtens ein ganz anderes Wort als das im Eulenspiegel verwendete,
welches (ref, rif\ flect. reves) dem Nd. eigentümlich zukommt und
im Hd. nicht vorkommt.
Wie bei Murner, ist in S dannocht 27 oder dennoeht 27. 67 die
gewöhnliche Form für mhd. dannoch, dennoch. Die 2 (zweimal). 14.
27 begegnende umgekehrte Zusammensetzung nochdan im selben Sinne
ist nd. — Schmicke ist kein oberdeutsches Wort. In Holstein,
Bremen, Ostfriesland nennt man fmicke das Knallende der Peitsche,
im Niederrheinischen die Peitsche selbst, in Westfalen eine Rute oder
Gerte, und diese letztere Bedeutung wird das Wort in Hi. 7 haben.
21
— Dass tienep und fenep die sächsischen Formen für hd. Hanf und
Senf sind, wird Hi. 10 ausdrücklich gesagt. — In Hi. 15 schwatzt
Eulenspiegel dem Gelehrten vor, auf welche Weise er dessen Krank-
heit erkennen wolle, damit er ihn heilen könne. Der doctar ließ im
(sich) fagen, vnd meint aller wars. Aus dem Hd. lässt sich aller tcars
nicht belegen. Aus dem Nd. lässt diese Lesung sich freilich gleich-
falls nicht belegen, wohl aber alwars ganz wahr, a. meinen fest glauben ;
s. Mnd. Wb. K kannte die Redensart: vnd der doctor meint all wairs;
S auch wohl, obschon er sie ummodelt, aber für seine Leser hielt er
es doch erspriesslich hinzuzusetzen: vnd meint nit anders dann was
im Vlenfpiegel fagt, es wer war, — Hi. 16 giebt S 1519 des kinds
kackftülin statt des kindßftüUn von S 1515 und stellt damit die für
den Zusammenhang notwendige Lesart wieder her. Das Zeitwort tritt
nach dem Grimm'schen Wörterbuch im Hd. zuerst seit dem 16. Jhdt.
auf, so bei Luther; Diefenbach unter cacare im Glossarium Latino-
Germ. bringt es aus einem (um 1500?) gedruckten Vocabularius ex
quo bei, der nach seinem Urteil die deutschen Glossen aus dem Ndd.
übersetzt oder einfach herübergenommen hat. Dagegen lässt sich
mnd. nicht nur das Yerbum aus dem Koker, sondern auch das ab-
geleitete Substantiv kacke für cenum bereits aus einem Vocabular vom
J. 1429 belegen. Der Strassburger Lexikograph Dasypodius kennt
im 16. Jhdt. Verb und Ableitungen noch nicht. Die oberdeutschen
Dialekte besitzen es jetzt, aber mit anlautendem g^ was es als im-
portiertes Sprachgut kundtut. — In derselben Historie wird die Be-
satzung von Peine spöttisch als nackende banckre/fen von der bürg be-
zeichnet. Schon die Gestalt des Wortes bankrefe verrät die nd. Her-
kunft. Das Loccumer Glossar vom J. 1467 übersetzt es durch para-
fitus; es ist „einer der immer auf der Bank liegt, fauler Schlingel",
wie das Mnd. Wb. richtig erklärt. Doch hatte das Wort, wie aus
einem Meissnischen Schriftstück vom J. 1553, das im Grimmas Wb.
unter „Bankriefe'' im Auszug mitgeteilt wird, hervorgeht, noch eine
specielle Bedeutung: so hiessen diejenigen Adelichen, welche keinen
Ritterdienst im Felde, sondern nur Burgwacht zu leisten hatten.
Hi. 20: Vieri fpeigel fprach, fo (ein fchalck) würd ich vaken (S
1519, verdruckt vaklen S 1515) geheiffen. Es ist vaken ein nd. Wort
für ^oft''. Da es gerne allitterierend mit vele zusammen gebraucht
wird, so möchte dies vaken unde vele auch hinter dem oft vnd vil 19 (S
1519, bloss offt S 1515) zu vermuten sein. Ob aber in Hi. 22 alfo
ward Vlenfpiegel vff dem thurn varten vergeffen statt varten vaken zu
lesen sei, ist fraglich. K hat freilich dafür das synonyme dick; das
wird aber Konjektur sein. Und varten kann durch Druckfehler für
warten, ein Synonym von thurn, stehen und ein vnd ebenso lässlich
ausgefallen sein. In S 1519 fehlt varten.
In Hi. 23 treffen wir mehrmals das Wort hüffchhg für den Huf-
eisenbeschlag des Pferdes. In diesem Sinne kommt huofflac mhd.
nicht vor, vielmehr nur in dem von „Hufspur'', wie ja ^^Hufschlag"
auch noch im Nhd. gebraucht wird, dagegen in jener Bedeutung
n
„Hufbeschlag". Ein hd. hufffchlagk = fufferratio bringt das Hoch-
und Niederdeutsche Wb. von Diefenbach und Wülcker, aber aus
Thüringischer Gegend und aus dem J. 1523, Hofflach in dieser Be-
deutung iässt sich dagegen aus mnd. Quellen des 14. und 15. Jhdts
sehr häufig belegen; auch sagte man bereits im 13. Jhdt. hofflagher^
hofflegher für hoffmid^ während das Mhd. nur huoffmit kennt. Der
Nachweis, dass Hi. 23 sich in der nd. Vorlage von S vorgefunden
hat, ist deshalb wichtig, weil diese Erzählung zu denen gehört, von
denen die vermehrte Vorrede in S behauptet, sie seien den beiden
Schwankbüchem vom Pfaffen Amis und vom Pfaffen vom Kaienberg
entnommen. Hi. 23 soll beiiihen auf dem Schwank in letzterem Buche
Z. 1351 — 1556, wonach der Kalenberger, in gleicher Weise eine Rede
seines Fürsten missbrauchend, seine zerrissenen Sclmhe mit Silberriestern
flicken und mit Silbernägeln zwecken Iässt. Der Witz wird viel älter
sein, als die ungefähr gleichzeitigen Schwänkesammlungen vom Eulen-
spiegel und vom Kalenberger, und jede der beiden hat ihn selbständig
gestaltet und erzählt.
Hi. 28: er tobt nit lang. Schon Lappenberg hat das ndd. Wort,
das darin steckt, erkannt: es ist toven^ toiven^ töven 'zaudern, warten'.
— Hi. 35 Iässt S 1519 den angeführten Juden sagen: wir feind von
dem gohen betrogen. Lappenberg S. 250: „Gohe, mhA. gouch, jüdischer
Ausdruck für den Christen." Wenn der Dativ Sing, gohen auch aus
dem hebräischen Plural gojifn entstellt sein könnte, so ist doch gotich
ein ganz anderes und deutsches Wort, das stark flektiert, Kukuk und
übertragen Narr bedeutet. S 1515 und die übrigen deutschen Aus-
gaben lesen gecken, Falls dies die richtige Lesart ist, wäre es wieder-
um ein Beispiel nd. Sprachgebrauchs; denn gecke^ geck ist kein ober-
deutsches Wort.
Hi. 51 heisst der dritte Tag der Woche in S 1519 dienftag^ in
S 1515 verdruckt deinfttag. Die alemannische Bezeichnung ist eist<iig
oder, was Dasypodius, der Strassburger Lexikograph des 16. Jhdts.,
allein für ^dies Martis^ kennt, sinstag. In Mitteldeutschland war da-
mals allerdings schon der nd. Ausdruck eingedrungen, und so mochte
er dem Redaktor von S bekannt sein; er hätte ihn jedoch sicher
nicht verwendet, wenn er selbständig mit dem Stoffe geschaltet, wenn
er eben nicht übersetzt hätte: er behielt den Ausdruck einer Vorlage
bei. Ob er auch sich der nd. Wörter prajfen (richtiger braffen) 67,
klumpen 75. 76, zu pas 85 ohne eine solche bedient hätte, lasse ich
dahin gestellt sein, da ich nicht weiss, wie weit dieselben zu Ende
des 15. Jhdts in Oberdeutschland eingebürgert waren.
Noch einige andere Ausdrücke sind mii* aufgefallen, die wenigstens
nicht Elsässisch zu sein scheinen, wenngleich sie ausser im Nd. sich
auch im Md. und im Od. finden; doch da ich darüber nicht zur
Klarheit gelangen konnte, so übergehe ich dieselben. Erschöpfend
kann und soll meine Untersuchung nicht sein.
Mehrfach hat der Bearbeiter von S zwei Wörter iiir dieselbe
Sache. Entweder erklärt er selbst das eine durch das andere, oder
23
er wechselt mit beiden. Meistens lässt sich eins als nd. nachweisen;
in einigen Fällen sind beide hd., dann befand er sich offenbar in
Verlegenheit, wie er am passendsten übersetzen sollte. „Schock" als
Bezeichnung einer bestimmten Menge ist im Oberdeutschen nicht ge-
bräuchlich. Darum wird es Hi. 4 erklärt: ewei fchock das ift zwei-
mal 60; später wird es als schon bekannt vorausgesetzt: ein fchock
hüner 67 und fünff 100 alter fchock 29. Bei letzterem Ausdruck konnte
eine Deutung auch dämm gespart werden, weil er im gewerbe- und
handeltreibenden Strassburg nicht unbekannt sein mochte, wenngleich
diese Münze dort nicht geprägt ward. Es sind 500 alter Schock-
groschen oder gar 500 Schock alter Groschen^) gemeint, lieber diese
Münze und Rechnung s. Frisch, Teutsch-Latein. Wb. II, 218. Sie
galt vornehmlich in Magdeburg, Meissen und Böhmen.
Das wekebrot oder weekhrot^)^ bestehend in Brotschnitten, die
iu Fleischbrühe oder Fettsalse aufgeweicht sind, erfährt in Hi. 7 und
8 folgende erläuternde Umschreibungen: das weckbrot oder das feniel-
brot^ ein fuppen oder hrei das heiffet das weckhrott in deni land, die
fuppen oder das weckbrot, das weckbrot oder die meteelfuppen, feißte
fuppe. Die erste Umschreibung, femelbrot, gehört der Ueberschrift
an; sie deutet weckbrot als wecke^ eine Art Semmel. Da dieser Irrtum
einem Niederdeutschen (nd. week, weich; wegge, Wecke) unmöglich
zuzuschreiben ist, wird so die Ueberschrift nicht in einem nd. Texte
gestanden haben. — Hi. 10 wird der Adeliche, der fich on herrendienft
vß dem fattel ernert, Junker genannt, einmal jedoch der hoffman oder
Junker. Hoveman galt im Mnd. sowohl für einen adelichen Gutsbesitzer,
als auch hatte es, weil sich viele derselben auf Buschklepperei legten,
die Nebenbedeutung von Strauchritter. — Das nd. ruter, rüter bedeutet
fatelles, ftipendiarius, armiger, curienfis, decurio nach den Glossierungen
des Mittelalters. In Hi. 25 ist es beibehalten: der hertisog mit feinen
rütern; in Hi. 15 wird des bifchoffs hoff ge find auch bezeichnet als
die ritter vnd das hoffgefind, die hoflüt (S 1515, die reiter vnd hoflüt
S 1519; so auch nachher beide Drucke), die rüter» Vermutlich gehen
ritter und reiter auf ein rüter im Urtext zurück. — Thor oder nar
14. 15. Narre ist, wie ja aus Brant imd Mumer zu ersehen, der
gebräuchlichere Ausdruck in Strassburg; es ist ein oberdeutsches Wort,
wohingegen im Mnd., neben geck, dore galt. S wechselt beständig
mit beiden Ausdrücken „Thor" und „Narr", doch hat letzterer die
Ueberhand.
Der Bäcker heisst oberdeutsch becke, brotbecke; in Strassburg
laut Dasypodius' Wörterbuchs beck, brotbacher, Becker ist dagegen
md. und nd. Bildung. In Hi. 6. 19 und 20 wird bald becke, beck,
bald becker, in diesem Falle aber meistens erläuternd brotbecker gesetzt.
— In der letzten dieser drei Erzählungen verklagt der Bäcker seinen
Knecht, der den Galgen bestohlen hat, beim burgermeister. So wird
*) negerUein dufent fchock older groffen ; Grautoff, ChronUc des Detmar II,
549. *) Vgl. Koker S. 329: eyn gudt wekebrot in der fchottelen, dar mach dlleman
na taften.
24
dieser Beamte stets (viermal) in S 1519 genannt, während S 1515
einmal schreibt der ammcisUr oder burgermeister. Scherer S. 80
bemerkt, das verrate den Strassburger. Gewiss, denn „Ammeister**
ist in Strassburg die Bezeichnung für den „Bürgermeister". Wäre S
ein Originalwerk eines Strassburgers, so würde gewiss nur vom
Ammeister und nicht vom Bürgermeister in Hi. 20 die Rede sein. —
Umgekehrt setzt S 1519 in derselben Historie statt fein deich ligt in
der mülten von S 1515: fein deik liegt in der mülten oder im drog.
Molde ist im Mnd. ganz üblich; dagegen ist mtilte, mulde nach dem
Grimm'schen Wb. im Hd. erst im 15. Jhdt. aufgekommen, Dasypodius
kennt es noch nicht.
In Hi. 26 wird die Kippkarre fiürtekarch (fturtzkarch S 1519)
und fchütkare (fchüttkarre S 1519) genannt. Schütkarre belegt Lexer's
Mhd. Handwörterbuch aus einer Nürnberger Sprachquelle, das andere
Wort verzeichnet er nicht. Umgekehrt fehlt jenes im Nd., während
ftorteJcarre oft begegnet. — Das oberd. Wort für Gelage ist ürte^ das
ndd. gelach oder lach. Dass letztere Wörter dem Redactor von S
nicht geläufig waren, zeigen die Zusammensetzung malgelach 33, die Ent-
stellungen geloch 72. 82 und, nebst Paraphrase, gelagt oder iirtin 55.
Gelach steht 66; aber die richtige hd. Form wäre gelag gewesen. Im
Sinne von „Zeche" bedient sich S stets des oberd. Ausdrucks ürte^
so 17. 72 (zweimal). 80; einmal auch für „Gelage" in Hi. 77, welche
Historie jedoch schwerlich im ndd. Eulenspiegel gestanden hat, wie
sie denn auch in K und A fehlt. — Quad oder böß 38 spricht für
sich selbst; es wird niemand einfallen, den ersteren Ausdruck für
oberd. zu halten. — Kuntor ist im Mnd. „ein allgemeiner Name für
Schreibtische, Schreibpulte und Schränke mancherlei Art" (Wehrmann,
Die älteren Lübeckischen Zunftrollen S. 512). Im Mhd. kommt dies
Fremdwort gar nicht vor, während im Mnd. es so gang und gäbe
war, dass kuntormaker ein Ausdruck für Tischler ward. In Hi. 62
sagt der Tischler zu Eulenspiegel : bring die fier bretter vff das kontor
vff das gnauwtft eüfamen in den leim; und nachher werden diese
Bretter die krufen tifch- ode^- kontorbretter genannt. Statt fchreiner
wird im Original auch wohl kuntormaker gestanden haben. — Oben
habe ich unentschieden gelassen, ob nd. Einfluss in den so sehr
variierenden Formen für „Taufe, taufen" in Hi. 1 anzunehmen sei.
Wenigstens, dass der tauff und die töffe neben einander vorkommen,
möchte ich jedoch aus einer nd. Vorlage ableiten. Dasypodius kennt
zwar tauff en und teuffen, aber als Substantiv nur der tauff, wie denn
auch diese Bildung im älteren Hd. die gewöhnlichere ist. Im Nd.
dagegen herrscht das Feminin dope. — Zwischen zwei Bildungen aus
demselben Stamme schwankt S auch in Hi. 73, nämlich zwischen der
fot und der fomen. Dasypodius giebt w^iederum nur eine Form, fanmi
oder fomen. Auch habe ich nicht finden können, dass fat^ fot bei
Strassburger Schriftstellern vorkomme. Und dass dem Bearbeiter von
S das Wort fremd war, geht aus dem falschen Genus hervor, das er
ihm, wohl durch famcn veranlasst, erteilt hat.
25
•
Hi. 86 teilt mit anderen Historien die Eigentümlichkeit, dass
Ueberschrift und Inhalt von einander abweichen. Nach der Angabe
der Ueberschrift ass ein Holländer UlenspeigePs gebratene Aepfel, in
welche dieser fa/fanien (S 1515, faffonien S 1519) getan hatte, vß der
kachelen. In der Erzählung aber bringt E. einen massig^) gebratenen
Apfel auf den Tisch, nachdem er den vol fliegen oder mucken gestossen
hatte. Nachher werden bloss mucken erwähnt. Halten wir uns an
diese Darstellung in der Erzählung selbst, so muss der Verfasser von
S in seiner nd. Vorlage fleigen gefunden haben. Für das Tier aber,
welches wir nhd. Fliege nennen, ist oberd. mucke der gebräuchlichere
Ausdruck. Daher wird das erste Mal fliege durch mucke verdeutlicht,
das zweite Mal aber nur das heimische Wort gebraucht. Derjenige,
welcher die Inhaltsangaben hinzufügte, was zugleich mit der Gliederung
des anfänglich als ein Ganzes fortlaufenden Romans durch Auflösung
In Historien stattgefunden haben muss, dieser Urheber sovieler Rätsel
im Eulenspiegelbuch, muss Anstoss genommen oder falsch verstanden
haben, dass der Holländer sich aus Ekel brach; er ersetzte die Fliegen
durch ein Brechmittel. Sa/fonie ist nämlich die Pflanze und Medicin
helleborus, Nieswurz. Die gewöhnliche Form ist allerdings fchaffonie^
fchaffÖnie; doch bietet fafföfiye z. B. auch Luther's Uthlegginge der
Evangelien van Paschen an wente up den Advent, Wittemberch 1529,
Bl. 363*. Der Name, welcher auch als fchamffonie vorkommt, scheint
aus fcammonia entstellt zu sein. Diese wird mnd. glossiert durch
fcamponie^ fcammonie^ mhd. fchampJionie. Schaffonüy faffanie ist aber
hd. nicht nachweisbar. Die gemeinsame purgierende Wirkung beider
Pflanzen, des helleborus und des Purgierkrauts oder convolvulus
scammonia, wird veranlasst haben, dass der Name dieser auf jene
übertragen ward. Die kachel in der Ueberschrift muss man wohl als
massige Abweichung des Ausdrucks vom teller der Historie milder
beurteilen, als jenes Vertauschen der Fliegen mit einer Meditin.
Allein, dass ich dem Anfertiger des Titels nicht zu sehr Unrecht tue :
es liesse sich auch denken, dass er sich keine weitere Freiheit
genommen habe, als bloss zwei Pflanzen, beziehentlich Arzneien zu
vertauschen, und dass in den Fliegen und Mücken des Textes sich
eine starke Entstellung berge. Der Beifuss, artemifia vulgaris, heisst
nd. ^unter anderm auch muggert, müggerik (angels. mugwyrt, artemifia,
mater herba; engl, mugwort^ artemifia vulgaris und in Yorkshire arte-
mifia abfinthium). Das vielleicht seltene Wort wenigstens in der
Ueberschrift durch eins ähnlicher Bedeutung zu erläutern mochte einem
Herausgeber 'einer jüngeren nd. Bearbeitung des Buches erspriesslich
erscheinen. S lißss dies Wort unangetastet, kam durch muggert aber
zu der Aenderung mucken, die er durch das gemeindeutsche Wort
fliege näher bestimmte. Ich weiss recht wohl, dass man gegen diese
zweite Erklärung berechtigte Bedenken hegen darf; doch halte ich
') Statt mäßlichen \%t müßUchen wohl verdruckt; einen zu Mus gebratenen
Apfel kann man nicht schälen.
26
di^'selbe nicht für iiniiiöglicli. Aus A Hesse sich niöfijlicherweise Ent-
scheidung holen. E hat mückenireks statt des zweiten mucken.
Die Anstellung, welche Eulenspiegel nach Hi. 11 bis 13 in Buden-
steten überkam, wird dreifach b€»zeichnet, durch meßner oder figrift^
dann abwechselnd durch meßner oder durch figrift, dazwischen aber
durch kuftar (in S 1515 zu irti//?^ verdruckt) und cii5^or. Ausserdem
bedient sich S 1519 einer vierten Bezeichnung: tlas fie V. für ein
glöckner annamen^ wo S 1515 bloss das fie V. annamen hat. Dasy-
podius bietet figrift^ meßner, glöckner, aber kein cuftor oder küßer.
I)ies ist im Mnd. (kofter) der verbreitetste Ausdruck, daneben bestehen
klockener und in den binnenländischen Gegenden vornehmlich apper-
fnan^ offerman, d. h. dcT dem Priester beim Messopfer zu assistieren
hat, ein in Süddeutschland unbekanntes Wort. Das aus dem Latei-
nischen cuftos verständliche und, wenngleich nicht in Strassburg, doch
sonst in Süddeutschland nicht ungebräuchliche ,, Küster" behielt der
Uebersetzer bei, in Uebertragung von opperman bediente er sich
beliebig bald des einen, bald des anderen hd. Synonyms dafür. —
Ebenso scheint hoffen oder düppen 10 auf ein im Oberd. nicht vor-
kommendes Wort zu weisen, mutmasslich pot^ das auch in Hi. 87 für
hafen gestanden haben wird. — Der Wechsel zwischen karch und karre
Hi. 6. 2H. 46 (in S 1519). 64. 88 und zwischen kante und kanne 57.
92 beruht auch wohl darauf, dass S Uebersetzung ist.
S 1515 imd S 1519 haben unabhängig von einander einen älteren
Druck (SV) des Eulenspiegels benutzt; s. Scherer S. 83. Das wird
bestätigt durch die Verschiedenheit des Ausdrucks an manchen Stellen;
und zugleich bestätigen diese Abweichungen, dass S nur Vebersetzung
ist; ja, ehiigemal hat bald S 1515, bald S 1519 eine nd. Bitdung
beibehalten.
Alfo niuft der pfaff Ulenfpiegel vber feinen tvillen vrlaub geben^ 1 1 ;
für rfcer setzt S 1519 funder. Das kann zwar Ersatz eines veralteten
Ausdrucks durch einen üblicheren sein; denn über kommt im Mlul.
für „gegen, wider" vor. In einem Sprachdenkmal jedoch, in welchem
sich schon so viele Reste ndd. Sprachgebrauchs haben nachweisen
lassen, ist man eher geneigt an zwiefache Uebertragung eines fremden
Wortes zu denken: boven war im Mnd. in jener Bedeutung recht üblich.
— In Hi. 12 gilt die Wette zwischen dem Pfaffen und Eulenspiegel
eine thunne biers; in der Ueberschrift der Historie gebraucht S 1515
dafür ein bierthunnen^ was S 1519 bessert. W^ahrscheinlich war diese
Ausdrucksweise in Süddeutschland unüblich, wie sie ja^auch misver-
ständlich ist. Im Mnd. bedeutet aber beeriunne, pikvat, ftaalvat usw.
nicht nur ein für solche Gegenstände bestimmtes, sondern auch ein
damit gefülltes Gemäss. Da bierthunve hier, saffonie 86 in der Ueber-
schrift steht, so folgt daraus, dass die Ueberschriften schon von einem
nd. Redaktor herrühren.
Hi. 13 (Osterspiel in Budensteten): da ward sie (die pfaff etikeUer in)
gifftig auff V,, vnd fprang vß dem grab, vnd meint fie wolt ym in das
antut fallen mit den füsten, so S 1515, dagegen S 1519: giftig zornig.
27
Giftig in bildlicher Verwendung für „erbost, zornig" läsöt sich weder
iiihd., noch mnd. nachweisen. Vorgiftich im Sinne von „boshaft"
begegnet dreimal in den von Hänselmann hrsg. Braunschweigischen
Chroniken II, 399. 460. 4()G. Eyn vorgyfftich hatcfch tcyff steht im
Schip van Narragonien 4293; wie Brant im hd. Original hat, kann
ich, weil mir die Zarncke'sche Ausga])e nicht zur Hand ist, nicht an-
geben; wahrscheinlich vergiftig, da dies im figürlichen Sinne noch ein-
mal von Lexer im Mhd. Handwörterbuch belegt wird. Sollte das auch
hier die ursprüngliche Lesart sein? warum aber dann die Aenderung?
und warum der Zusatz in S 1519, der giftig zum Adverb macht?
Grade diese Lesart bin ich geneigt als die ursprünglichere zu be-
trachten und auf ein nd. gichtich tornefch, d. h. „offenkundig zornig"
oder „gewaltig*) z." zurückzuführen.
Die Hi. 22 ist besonders reich an Varianten. Eine, varten in
S 1515, welches Wort S 1519 weglässt, ist schon })esprochen. —
V. fach durch das fenfter^ S 1519 gucket. Letztere Lesart giebt das
bezeichnendere und hier passendere Wort. Es fehlte dem Ahd. und
war auch im Mhd. selten ; im Nd. dagegen ist das starke Verb hiketh
ein sehr gewöhnliches Woi*t. An unserer Stelle wird ein TceeTc eines
nd. Textes dem gucket zu Grunde liegen. — V, r&fft wider herab: vor
effens fo rüff ich oder thuns nit gern. Hier hat S 1519 vor effen fa
(lies so) ruf ich oder dam nit gern, was, im Gegensatz zu der Lesung
von S 1515, einen guten Sinn giebt und in Betreff von vor effens auch
besser hd. ist. Vor elendes kann ich aus dem Mnd. nicht belegen,
wohl aber auf analoge Fälle des nd. Brauches präpositioneller Ad-
verbien, die auf ^s ausgehen, hinweisen: s. laibben, Mnd. Gramm. § 86.
Ob danis das Richtige ist oder ob nur scharfsinnige Konjektur von
S 1519? K., der S 1515 benutzt hat, lässt das unverständliche thuns
weg: vür effens roiffen ich niet gern. Man hätte eher blas erwartet,
als dane. Wie, wenn tut im Original gestanden hätte? Das konnte
leicht für „(ich) tue es" genommen werden, wenigstens von einem
so flüchtig arbeitenden Schriftsteller, wie der Redaktor von S sich
beständig offenbart. Tuten, ins Hörn stossen, lässt sich oberdeutsch
schwerlich aus dem Mittelalter nachweisen, wohl aber mitteldeutsch
und niederdeutsch. — Der Graf eilt mit seinen Mannen den Feinden,
die ihm die Kühe geraubt hatten, nach vnd holt auch ein huffen fpecks
vff finen finden^ vnd hiiwen sn mitt fieden vnd brieten^ S 1515. Man
fragt sich, wanim der Graf Speck genommen hat und nicht lieber
seine Kühe, und woher den Speck? aus den Provianttaschen der Feinde?
K, der durchweg mit Ueberlegung verfährt, sucht zu bessern: hoild
auch do ein houff vetter feto vp fyn viand, vnd flogen do eo herd mit
fyten fpecks vnd brieden, S 1519 hat die richtige Lesart: holt auch
ein hufen quecks vf feinen fynden, vnd da hiiwen fie £^u ftücken vnd
brieten. Queck, quick, im Genitiv quekes^ ist ein bekannter Ausdruck
*) In KaDtzow's Chronik von Pommern, hrsg. v. Böhmer» 8. 7. 46. 59 wird
gichtich, jichtig als Adverb des Grades zu Zeitwörtern gesetzt, ungefähr übersetz-
bar: „gewaltig, heftig, sehr".
28
des Nd. für Vieh, speziell für Rindvieh. Es gelaog dem Grafen also,
einen Teil des Raubes dem Feind wieder abzujagen. Nach der An-
strengung des Zuges und Kampfes lässt er dann das Mittagsmahl zu-
richten. Hier hat S 1515 die ursprüngliche Lesart bewahrt. Töhouwen
ist nämlich der technische Ausdruck der Schlachter und Köche sowohl
für das Schlachten, als auch besonders für das Zurechthauen des
Fleisches zum Kochen oder Braten. Vgl. Ztschr. des Vereins für
Hambg. Geschichte V, 114: eyn Wofc, dar me uppe thohouwet in der
koken. Der Schluss des Satzes wird im Nd. gewesen sein : unde foden
unde hreeden^ sotten und brieten. — Nun heisst es weiter : V, gedacht
vff dem thurn, wie er auch etwas von der brut mbcht bringen^ vnd natn
acht der Zeit, tvan es effens eeit wolt fein; für brid liest S 1519 heüd.
Danach -muss man annehmen, dass der Graf von seinen wiedererbeuteten
Rindern sogleich eins oder mehrere hat schlachten lassen. Das giebt
einen guten Sinn, denn es scheint erklärlich, dass er seinen Leuten
zum Lohn diesmal frisches Fleisch zum besten gegeben habe. Das
Wort „Beute" findet sich noch in Hi. 87: F. fprnch^ von differ biit
gehört mir das (S 1519: die) halb. Es ist das nd. büte^ das zunächst
ins Mitteid., dann auch ins überd. eindrang. Sein Vorkonunen im
Strassburger Eulenspiegel scheint das frühste Beispiel in oberd. Sprach-
quellen zu sein. K hat das brut von S 1515 durch (van der) bruit
wiedergegeben, was wohl soviel wie broid, brot. engl, broth^ mlat.
brodium^ die Brühe, sein soll; vgl. broeye, brue, bruwet^ bruwe im ndl.
Etymologicou des Kilianus Dufflaeus. Ich halte diese Lesart nur für
eine Konjektur von K, die er auf Grund der Lesart brtä in S 1515
gemacht hat.
Hi. 25: er fchnit im (dem pferd) bald den baiAch vff; refch S 1519.
Nd. vufte? — Hi. 37: die kellerin hnb an /m Mgen^ vnd fpüwet vber
dm tisch; jsn bycken S 1519. Lappenberg wollte brecken lesen; aber
A. v. Keller nimmt es wohl mit Fug für das schwäbische backen^
husten; vgl. Grimm's Dtsch. Wb. unter bicken und bexen^ trocken
husten, hüsteln. Was unter hd. balgen zu verstehen sei, lehrt Fischart's
gereimte Bearbeitung: die kellerin hub an eu bälgen : gang mit dein
tviirften an den galgen! (s. Grimm's Wb. unter ;, balgen^.) Allein hier
handelt es sich weder um schelten, noch husten ; es wird ein Ausdruck
verlangt, der übelwerden, würgen bezeichnet. Das tut das nd. tcalgen
und die Ableitung walgeren. Das Hd. hat dagegen dem Worte xvalgen
die ursprüngliche Bedeutung ^sich wälzen, rollen^ bewahrt. S 1515
suchte sich zu helfen, indem er von balg^ venter, ein neues Zeitwort
fabricierte. — Hi. 38: da wart er ir beide ledig; quü S 1519. Hier
möchte letzterer Druck das nd. Wort bewahrt haben. Quit ist freilich
sonst ebenso gut hd. Aehnlich steht es um gükelfpil 31 in S 1515, wofür
S 1519 narry bietet. Gükelfpil wird verdruckt sein statt gökelspil.
Hi. 48 sieht gauckelfpil, 2 geuclcerei und in S 1519 göcMerei^ 23 gauck-
lerei. So ist auch goukelfpel im Mhd. belegbar. Ndd. Form ist gokeU
fpel; aber narxy kann nicht im nd. Text gestanden haben. — Hi.
46: der meifter mit den gefellen liefen V. £vl fxichen vnd in evi beheben
2d
vmb den fchaden ; in eu, behalten S 1519. Das entsprccliende nd. Wort
wäre beherden, bclutrdrn, festnehmen. — Hi. 50: da umrden die fchneider
zornig vff in; ganz hos S 1519. Stand im Ndd. quat oder crre, 'crv?
— Hi. 52: du ftinckft fo vbel alß dreck; der kürßner fagt: fchmackftu
das nit gern? rcuchftu S 1519. Im Elsässischen bedeutet riechen
einen Geruch von sich geben; dasselbe kann auch fcbmacken und
fchmccken heissen, daneben aber einen Geruch empfinden oder wahr-
nehmen; und das ist hier gemeint. Im Nd. hat aber ruken^ rükvn
diese wie jene Bedeutung. S 1519 hat also einen nd. Ausdruck bei-
behalten, was in diesem Falle nahe genug lag, von S 1515 aber nicht
gebilligt ward. — In der Hi. 67 hat S 1515 hcngft, S 1519 gaul. Im
Ndd. wird dafür pagc gestanden haben. — Hi. 78 : das fpil wil iete
gut werden^ S 1519 hüt; ndd. jutto? — Hi. 78: ein graußlich thier
ftat bei dem feür^ wo S 1519 ein graußlich eistlich thier hat. Eistlich
ist von Lappenberg richtig für eislich, egeslich genommen, graußlich
als griuslich. Beide Wörter bedeuten dasselbe. Im ndd. Texte mag
grefelik gestanden haben, welches zwar im nhd. gräßlich fortlebt, aber
nicht im Mhd. existierte, und eisk^ die einem Strassburger unverständ-
liche Kontraktion von eislik. In es was graußlichen kalt 71 kann
grefeliken übersetzt sein, dagegen in da ward er grüßlich bekümret 53
wird ^Yaer grofliken (sehr) stecken, — Auch einem entstellten und darum
wohl von S 1519 weggelassenen Adverb in Hi. 80, der u:irt fpravh
fenUich das er das gelt geb, wird ein nd. Wort zu Grunde liegen.
Nahe liegt, auf einen Dnickfehler für fienllich, frhitUch zu raten;
warum machte aber S 1519 nicht diese leichte Konjektur? und warum
half sich K durch ftdtz? Man darf vielleicht viiifeliken^ gevenfetlikc
(heuchlerisch, in Verstellung) mutmassen? — Von dem Hund, den
EulenspiegePs Wirtin so lieb hatte, dass sie ihn immer auf den Schoss
nahm und dass sie ihm von ihrem Essen stets etwas abgab, heisst es
in Hi. 82: da het die toirtitt ein eöttigs hündlin^ den [!] het fie. ymits
lieb; S 1519 giebt ein anderes Adjectiv an, zöriK Dies Wort scheint
mir Keller in Pfeiffer's Germania XII, 98 richtig als zart, schwäbisch
zert, bestimmt zu haben. Zottig heisst aber ;, zottig", was als Epitheton
des Hundes ganz überflüssig ist. Es wird ein Ausdruck verlangt, der
ihn als zierliches, zartes Schosshündchen charakterisiert. Ndd. tept-
hund oder teppcthund, der auf dem Teppich liegt (den men mer dor
luft helt^ wie die Glosse zum Sachsenspiegel III, 47 das Wort erklärt ;
s. Homeyer SSpgl. I, S. 343), würde passen und ebenso das Adjectiv
tertel^ tartlik. Wenn ein tertel ioppethund'^) im Original gestanden
hätte, so würden sich beide Strassburger Uebersetzungen verstehen
lassen, da S 1515 an top, toppen gedaclit haben könnte.
Viel Mühe hat die Schelte des von Eulenspiegel auf dem Toten-
bette betrogenen Geistlichen in Hi. 92 gemacht: o wie ein vorteiliger
fchalckbiftdu; vortreilger S 1519. Lappenberg will lesen: vorcterliger,
Keller, Germ. XII, 99, meint, vortheilig^ vörtelig heisse noch jetzt
*) toppet ist Nebenform von teppet; s. Mnd. Wb.
30
^pfiffig, betrügerisch, eigennützig^. Scherer S. 83 konjiciert vordeiHer,
vordelder^ ^es steht vor fchalk in einem Ausbruch grimmigsten Aergers
über Eulenspiegels unflätigste Unfläterei'^. Ich glaube, vorchtelik hätte
S wohl zu übersetzen vermögen; um Eigennutz war es Eulenspiegel
hier nicht zu tun; und verteilen = verdammen, verfluchen, ist zwar
mhd., aber nicht mnd. Wie erklärte sich in dieser letzten Exegese
dann vor statt ver? Es wird einfach vordretlik, vordreiilik dagestandon
haben, das im Mndd. ausser ^^verdriesslich, lästig^ auch die Bedeutung
von ^ frech, unverschämt" — protervus, importunus sagen die (tIosscii
— entwickelt hatte. Nun hätte sicher der Uebersetzer dies Wort
gleichfalls verstehen müssen; wie aber, wenn vordreüik verdruckt war?
Im Nhd. gebrauchen wir „ja*' gerne „als (Jonjunction oder Adverl)
eng in den Satzverband eingefügt" ((himnVs Wb.). Das stammt aus
dem Nd., wo dafür jo steht; was nicht die Bejahungspartikel, sondern
das Zeitadverb ;,je" ist, nur in weiter entwickelter Bedeutung von
„immerhin, dann, nun, allerdings, gewiss, jedenfalls, doch". Der Nie-
derländer, der das einfache io, ie aufgegeben hat, bedient sich dafür
dei' Zusammensetzung immers mit der gleichen Begrifl*sentwickelung.
Dass Mischung mit dem, den Satz einleitenden ,Ja" stattgefunden
habe, leugne ich nicht. Aber eigentlich hd. ist jene Verwendung von
,ja" nicht; vielmehr gebraucht das Mhd. grade so, wie das Mndd.
jOf die eutsprechendo Partikel ie. Erst Luther, der mit je und ja
abwechselt, hat die; Form ja statt jo oder je in die nhd. Sprache ein-
geführt. Vorgearbeitet hat ihm S: Als ir dan gefprochen hon, ich
fall es ia fo gut effcn vnd trincken als ir, 1 1 ; das hab ich ia aJ/'o ver-
ftanden^ 33; en Utft ward V. ia kranck^ 38; du bist ein betrogner
fchalckj wa du ia harkummest^ G4. In Ili. 38 mag vielleicht yo krenker
im nd. Text gestanden haben. Beweisend ist die Stelle in Hi. 10:
er gedfjcht, mein Juncker hrt mich jo gheiffen, weil S 1519 hier alfo
geheiffen ändert. In Ili. 73 hat dagegen S 1519 yc, während S 1515:
da es nun nit anders macht fein. Für nun in ir fagten nun 15 wird
im Nd. aucli yo gestanden haben.
Besprechung erfordert schliesslich noch der nicht immer über-
ehistimmende Gebrauch von niergen^ nirgen und nienen, niencr in
beiden Drucken. Jeues ist eine nd. (nergen) und mitteld. Bildung,
der im Oberd. diese beiden entsprechen; doch ist niergen bereits im
Mittelalter in die süddeutsche Sprache ziemlich eingedrungen, so dass
es nicht grade Wunder nehmen würde, wenn wir ihm um 1500 in
einem Strassburger Buche begegneten. In Murner's Schriften *) ist sie
mir nicht aufgefallen; vielmehr hat er niendert und für „irgend''
yendert. Ob Sebastian Brant sich des niergen bedient, weiss ich nicht.
Im Eulenspiegel überwiegt niergen über die oberdeutschen Wörter,
was schon auflallig ist. So : er het doch noch nirgen kein fenep gefehen,
10; fo dunkt mich niergen kein beffer hüffchlag fein dan von filber
vnd von golt^ 23, Zusatz (V) von S 1519; V, fand niergen feißte in dem
*) Ich kenne allerdings nur seine Schelmenzunft und den Imtherlschen Narren.
fchajuchy 44 ; da fand ich niergen feißte, 44 ; V, verdient niergen (merngen
Ö 1519) groffen dank^ 47; Ican ich dan niergen danck verdienen? 51;
V. ließ niergen guten geruff hinder im, 54 ; der gerwrr hivtvt fich niergen
füry 50 ; er dorfft fie niergen verkouffen, HH. Daneben stossen wir auf
die im Nd. beliebte (ncrgcns), aber damals schwerlich schon ins
Oberd. aufgenommene Nebenform niergens: der koch gedacht nirgens
(nicrgens S 1511)) an, 10; ich kau niergens arheit überkumen, (J3. Ferner
finden wir dreimal di(» oberd. liildung immer nur in einem der beiden
Drucke: folich brot ist mir niergen (niner S 1519) zu nut/s^ 19; er
tvolt nienen (niergen S 151!>) bleiben^ wa kinder tveren^ 21; noch kan
ich niergen (nieneii S 1519) danck verdienen ^ 04. Im letzten Falle
Uißst sicli nienen aber auch anders verstehen, nemlieh als misverstanden
aus ndd. neneit^ ninen dank, keinen Dank. Angesidits der Tatsache,
dass nur zweimal im Anfang von je einem Dmcke versucht ist, an-
stelle der nd. Wortbildung die hd. einzusetzen (lli. 19. 21), scheint
mir diese Erklärung die plausiblere zu sein, l-nd so verstehe ich
auch das gemeinsame nienen beider Ausgaben in: fo het ich nienen
ander feißfe^ wan feefifchfchmalte^ 44; noch kan ich nienen danck ver-
dienen^ 47. 04, als Tebersetzungen von nd. neen (nin) ander vet und
netien (ninen) dank. Eine Form niener für „keiner" ist aber dem Hd.
fpemd; im Eulenspiegel sticht dafür sonst kein, z. B. 10. 22. 23. Der
Uebersetzer behielt die Form nienen nur bei, weil er sie sich als
„nirgends" deuten konnte.
Von solchen Wörtern, welche beiden Dialekten, dem oberd. und
dem ndd„ gemeinsam sind, kommen einige wenige in Kedeutungen vor,
die dem od. Worte abgehn, wohl aber dem nd. eignen. Dahin rechne
ich vor allem die bün^ Bühne, das dem nd. Masculin bön entspricht.
Das hd. Wort bedeutet den Fussboden, auch den erhöhten oder das
Podium, und Decke eines Gtanaches, das nd. aber ausserdem ein
oberes Stockwerk, einen Söller, besonders den Boden unter dem Dache,
wogegen im Nd. bön nie für Fussboden stehen kann. In dem aus-
schliesslich nd. Sinne wird das Wort in S gebraucht, so Hi. 3. 39.
53. 02. K, dessen Mundart gleich wie S das Wort in diesem Sinne
abging, pflegt es deshalb zu umschreiben, so Hi. 39 (K 33) von der
büne durch van l}0ven^ nachher durch füller; 53 und (»2 durch leuue
(Laube). Nur eine Stelle, bis an die bün 51, erlaubt die Auffassung
in der Bedeutung „Zimmerdecke^; ndd. würde freilich hier gleich-
falls gesagt werden bet an den bön. K setzt auch hier süller dafür.
Leber fi?üm und euluxuiven ist bereits oben gehandelt.
Die Hi. 00 erzählt, wie Ulenfpiegel und ein pfeiffentrei(g)er oder
pfei/fenmacher in Lüneburg sich gegenseitig zum Narren haben. Kein
oberd., ja nicht einmal ein mitteld. Leser des Strassburger Eulenfpiegel
kann nach dem Sprachgebrauch seines Landes unter dem Pfeifendreher
etwas anderes verstanden haben, als den Verfertiger von Blasinstru-
menten. Gemeint ist jedoch der Hersteller von Wasserleitungsröhren
aus Baumstämmen ; davon, dass er die pipe oder Brunnenröhre durch
Ausdrehen des Markes und eines Teiles des Kernholzes herstellt,
liat er seinen Namen. Lappenberg S. 267 ist freilich anderer Meinung:
„aus dem wandernden Pfeifer, dem Landläufer, der mit dem lotterholz
umhergelaufen, musste wohl, wenn er sich häuslich einrichten sollte,
ein Pfeifendreher werden.'' Und allerdings kann ich auch das Wort
pipendrcycr sowenig, wie den Ausdruck pipen dr^yen nachweisen. Die
Hannoverschen Stadtrechnungen (Ztschr. des histor. Vereins für Nieder-
sachsen 1871 S. 162 ff.) hal)en inpen boren. Doch beweist die Hi. 6(>,
dass man auch pipcn drvyvn gesagt hat; denn die Grcisse der Pfeife
oder Röhre kann den Gcbrauc^h des einen oder anderen Zeitworts im
Ausdruck nicht bestimmt haben, es sei denn, dass sich drryfm auf
das Drechseln der äusserlichen Form der Pfeife bezieht. Dazu zwingt
aber nichts, weil auch bei der Blaspfeife das Ausdrehen des Innern
die hauptsächlichste Arbeit ist. Die Worte vnd der tvas ein lanffartr
yewefen, vnd was mit dem lotterholtz vmhgdoff'en scheinen ein Einschiebsel
des Strassburgers zu sein, welches das Wort ;, Pfeifendreher*' erläutern
und begründen soll. Dass die Geschichte nach Local, nach Sprache
(gelach) und nach Localfärbung (ßor) ursprünglich nd. ist, das lässt
sich nicht wohl anfechten. Nun ist aber lodderhoU (Narrenpritsche)
mnd. nur in dem aus dem Hd. übersetzten Bovenorden nachweisbar,
und lantfarer, das zwar einen Landstreicher bezeichnen kann, hatte
im Mndcl. die bestimmte Bedeutung von „Kaufmann, der über Land
zieht*' entwickelt.
Ob notlich (2 u. 4) zu der Bedeutung von „wunderlich, possier-
lich", samt dem abgeleiteten Substantiv notlicheit (21), und rtck (53)
zu der von „Querlatte auf zwei Trägern in der Hausmauer zum
Daraufhängen von Zeug, Fellen u. dgl." selbständig im Oberd. gelangt
sind, ohne Einfluss des Ndd., war mir bis jetzt zu entscheiden unmöglich.
Hie und da weist S anstelle rein hochdeutscher Form eine völlig
oder teilweise niederdeutsche auf. Solche Wörter liefern den durch-
schlagenden Beweis, dass S nur üebersetzung, nicht Originalwerk sein
kann : diese Spuren ndtscher Lautstufe müssen durch Flüchtigkeit aus
der Vorlage in den hd. iVxt gelangt sein. Zunächst sei hier an das
bereits von Goedeke für die Behauptung eines nd. Druckes unseres
Volksbuches verwertete Lexulnander in Hi. 35 erinnert. S 1519 hat
es zu Levuluonder^ E zu Lcxuluonder entstellt; aber K hat die richtige
nd. Form Lexuloander in S 1515 verstanden und in seine Mundart
als Leckfelffauder übertragen. Andere Beispiele sind fchel (schielend)
30 statt fchfieh, fchilch; het 45 statt hieß; faftnacht 55 statt fasfinchf ;
für gebens 72, eine buchstäbliche Wiedergabe des ndd. vorgevens^ vor-
geves^ statt vergebens; znstrawen 94, ebenso genau dem nd. toftrowen
nachgebildet, statt eerftrawen; und her f holte in S 1519 statt des rein
hd. kerbholz in S 1515, Hi. 89.
Die Zugbrücke hcisst in Hi. 38 tcghebrücke, also sogar mit nd.
gh für g. Man möchte es für einen Druckfehler statt toghebrucke
halten, wenn es sich nicht in beiden Strassburger Ausgaben fände und
wenn nicht auch K techbrücke gelassen hätte. Dieser scheint es als
„Ziehbrücke" zu verstehen. Mhd. ist aber weder zieh-j noch zuc-.
u
jgugehriiche nacliweisbar^), sondorn das Wort ist eine Bildung, die sich
nur im Nd. (tofßhc-^ tochhniggc) und im Md. (zogehrücke) findet; das
nhd. Zugbrücke kommt erst im 17. Jhdt auf. Daher war toghebrugge
und gar teghebrugge, falls so im ndd. Text verdruckt stand, dem
Strassl)urger wohl nicht ganz khir und ward von ihm, nur teilwcMse
ül)erset7.t, belassen. — Unter den Schmiedegeräten wird in Hi, 40 ein
fcürfpct erwähnt. Das scheint auf ein nd. vhrfpet zurückzuweisen
und würde mhd. wohl viurf^nz hinten müssen. Der Ausdnick wird aber
in Oberdeutschland nicht gangbar gewesen sein (man mochte viurifen
sagen) und ist darum in halbnd. (festalt stehen geblieben. — Zwei
vaß Eimbcckß bierß, 64, sollte hd. heissen: z. v, Eimbcckfchos bierß.
Dekanntlich geht das Suffix -isc(hj, -efcfh) im Mndd. besonders in viel-
gebrauchten Ortsadjectiven gerne in -es^ -s über^). Für Eimbckfes^
Eimkefcs beirs im Genetiv lag die Kürzung Eimbeks, Eimkes nahe. Im
Oberdeutschen war diese Verlautung von fch zu s unbekannt.
^Keifen" ist zwar nlid., aber mhd. sagte man kiben. Die nhd.
Form stammt aus dem nd. kiven^ das früh ins Md. eingedrungen ist.
Dass S sein kiffcn 9 nicht etwa gebraucht hat, weil die nd. Form
])ereits in Strassburg eingebürgert war, erhellt aus der Verwirrung
des Satzes: vnd giengen alfo zancken mit dem ftock für an zu kiffcn^
vnder einander, Zancken ist das hd. Synonym für kiffen, wie denn
auch fortgefahren wird: nit lang darnach da fie am großen zancken
waren. Vielleicht hat es gelautet: unde gingen alfo mit dem ftockc
rordan, to (Di-uckfehler für fo? jo?) kivcnde under enander. — Port,
portner 89 müssten hd. pfort, pfortner lauten. Doch finde ich bei
(loedeke, Scliwänke des sechzehnten Jalirhunderts S. 58, dass auch
J. Frey in der (Jartengesellschaft 120 sich der Form parte bedient.
Das Lateinische mag Dopj)elformen liaben l)cstehen lassen. Aber
rappen 20 (zweimal) mochte dem rapnn eines nd. Textes ent-
süimmen; wenigstens heisst das Verb mhd. raffen. — Verdächtig ist:
die magt fprach. ich tvciß nit wet den teuffei wir thün, 47. S löli)
hat wvi (= wieV), K aber ivat, und das miu-hte auch wohl im Urtext ge-
standen haben. — Ob einmaliges pahft 34 in S 1515 neben der sonst
stets und oft gebrauchten Form babft, die ja auch überhaupt im Mhd.
durchsteht, ob ebenfalls vereinzeltes vmmer 27 in S 1515 statt sonstigem
ymcr, ymmer und ob das in beiden Drucken in Hi. 2 stehende nemen
für nieman^ niemans Ilt^ste der nd. VorInge» oder blosst» Druckfehler
seien, ist schwer zu entscheiden. Zu der ersteren Gattung von Fehlern
scheint aber zu gehören as oh 38 in S 1515, weil S 1511) wie als ob
bessert. As für a//e, als lässt sich nicht ganz selten bereits seit dem
Ende des 14. Jhdts im Mnd. nachweisen.
^) Man hatte dafür flage-j valbrücke (mnd. flach-, vallehrugge).
') Physiologisch erklärlich, weil man fch wie gricch. ay spracli ; im Nieder-
ländischen ist dieselbe Erscheinung.
Niederdeutsches Jahrbuch. XIX. 3
u
iHissverstandnisse der niederdeutschen Vorlage.
Wie schon an einigen Beispielen gezeigt worden ist, lassen sidi
gar manche im hochdeutsclien Text von S schwierigen Stellen aus
einer nd. Vorlage erklären; Unverständlichkeiten vermögen durch
Zurückflihrung in ndd. Ausdrucksweise ))eseitigt zu werden. So möclite
gleich in der Vorrede in dem Satze für folich mein müe vnd arbeit
wollten fie mir cer guuft hoch erbieten das eer nicht das Suhstantiv
„Ehre^ vorstellen, man müsste denn annehmen, dass vnd ausgefallen
sei. Aher Ehrerweisung hahen dem Verfasser seine Freunde schwerlirh
versprochen, noch weniger würde er gewagt hahen, das dem Publikum
mitzuteilen, gleichsam als rechne er darauf. Eer muss die aus einem
nd. Texte stehen gebliebene nd. Form des hd. Pronomens ir sein.
— In der ersten Historie hat schon Lappenberg apt z\i funten richtig
gedeutet als apt £U. fant ligidien. So hätte S schreiben müssen, wenn
er den nd. Text verstanden hätte; denn funte^ funt ist nd., fa%it
aber hd. S selbst hat fant an vielen Stellen, z. B. 5. 6. 18. 19.
Wie die Unform funten entstanden sei, ist schwer zu begreifen. In
Braimschweig sagte man ausser funte Egidien aucli funte Ylien; aber
keine dieser beiden Namensformen führt auf funten, es müsste denn
im Ndd. der Heiligenname abgekürzt durch y angedeutet gewesen sein.
Das mochte S nicht verstehen und er half sich, indem er funte zu
einem Ortsnamen mit der häufigen Endung auf -en umstempelte. —
Vnd tvegt der windt darzü faur (1519 fuer) 18. Dass der Wind
sauer wehe, ist eine wunderliche Auffassung; deshalb ändert E 1532
ftarck. Offenbar war dem Verfertiger von S das nd. Adjectiv foor
nicht bekannt, das ^trocken, dürre^ bedeutet und als Epitheton eines
im Sommer ausdörrenden, im Winter bis ins Mark kältenden Ostwindes
dient. — Da kaufft er growen vnd roten aendel 35. S hat graw in
H. 21, dürfte aber, da langes a in seinem Dialekte zu o geworden ist,
grow gebraucht haben. Allein grau ist nicht grade eine ausgezeich-
nete Farbe; und das Mittelalter liebte lebhafte Farben. Es wird
groine^ grün, zu groiv- entstellt sein. — AUesdings waren die leütt
etwan nit fo fchalckhafftig als ietz, 3G. Das etwan (ehemals) steht an
falscher Stelle; der Gegensatz zu ;,jetzt" verlangt, dass es zu Anfang
des Satzes stehe, an der Stelle von allesdinges^ das höchst überflüssig
erscheint. Es ist ersicthtlich aus oldinges (ehemals) verderbt: die um-
deutende Aenderung machte dann allerdings den Einschub einer Z<Mt-
partikel an anderer Stelle notwendig. — In derselben Geschichte lässt
S 1515 die Bauerfrau stammelnd sagen: ich z\x hoff hei apt oder ap-
tiffcn nit eü fchaffen haben teil. S 1519 hat diese Lesart gekannt;
denn, mit Sclionung der Ueberlieferung, renkt er den Satz zurecht:
ich hoff bei dym apt oder ejdisfin nichs eü fchaffen ee haben. Ich ver-
mute, dass zu (irunde liegt : ik en heff by abbet edder eljbedifchen nichtes
to fchnffende oder to doende, Dass der Urtext, wenn auch in be-
schränktem Masse, noch die Negationspartikel en verwendete, ergiebt
sich aus drei Stellen: ich en iß fein nit 10, fi en hct anders keinen
glauben 34 (S 1515) und ich en "ken fein nit 84 (S 1519). Beide
Drucke werden sie wohl noch an mehr Stellen beseitigt haben. Der
erste Druck S, der uns nicht erhalten ist, wird en heff zu en hoff
verlesen und das als in hof verstanden und moderner durch zu hoff
gegeben haben. Vgl. S. 38 (Hi. 69).
Mit welchem Leichtsinn S gefertigt ist, macht ein Versehen in
Hi. 37 klar. Es wird dort die Unterscheidung gemacht zwischen der
Messe, die früh am Morgen gehalten wird, und zwischen der auf den
Vonnittag fallenden. Jene heisst Frühmesse, diese Hohe- oder Frohn-
messe. Von S und zwar in beiden Dnicken dreimal wird jene die
fronmeß genannt (diese richtig die hohemeß). Die einzige Erklärung
für diese starke (Gedankenlosigkeit finde ich in einer nd. Vorlage, in
der vroumiffe stand, was der Uebersetzer als vronmiffe verlas. K
giebt richtig die frücmiß und die honiiß. — Ein augenscheinlicher
Fehler liegt auch vor in: er wolt fich feins tcaffers etitplöffcn, 39.
EntpVöffen kann nur bedeuten „entblössen oder berauben^, aber nicht
^entlasten, entledigen, befreien*^. Sicher weiss ich die Stelle nicht zu
emendieren, doch vermute ich, dass das nd. loffen (entloffen?) dadurch
wiedergegeben werden sollte. — Vor Wysemar kam U., 41 ; die Ge-
schichte scheint aber in Wismar zu spielen. Wismar wird im Mnd.,
wie im Meklenburgischen noch jetzt, meist mit dem bestimmten Artikel
versehen. Stand etwa in der Vorlage von S vor W. statt tor W.
verdnickt? oder hielt S for W. für Druckfehler, den er meinte bessern
zu müssen? Die Stadt kommt sonst noch im Eulenspiegel vor; S hat
zu Wißmar 46. 50. 65, wo S 1519 einmal: in der ganzen ftadt Wißmar.
In dieser Hi. 41 begegnet noch ein auffälliger Ausdruck, der ohne
Zweifel auf einem Misverständnisse beruht. Als Ulenspiegel vor die
Schmiede ritt, da kam die fraw vnd magt kvL für das huß vff ein dielen,
S 1519 lässt ftä weg und hat die Form thielen, sonst ebenso. Man
muss also verstehen, die Frauen hätten sich auf ein Brett gestellt,
das vor dem Hause lag oder angebracht war. Der Grund, weshalb
sie diese ungewöhnliche Stellung wählten, wird nicht angegeben.
„Kommen auf ein Brett^ ist ein höchst ungeschickter Ausdruck, wes-
lialb K verkürzend bessert: quam die fraw vnd magt vur ynt huiß.
Das ist die passende Situation. Im Original muss gestanden haben:
vor up de delen^ nach vorne auf die Hausdiele. S verwechselte also
zwei verschiedene Wörter dele^ Diele, Brett, welches auch hd. ist und
von ihm selbst Hi. 32 und 94 gebraucht wird, und dele, Hausflur.
In Hi. 43 sagt der Schuhmacher, Ulenspiegel solle gross und
klein zuschneiden, wie der fchweinhii't aus dem Dorf treibe. Dieser
schneidet zu und macht aus dem Leder Scihweine, Ochsen, Kälber,
Schaf, Geisböcke und allerlei Vieh. Warum nicht bloss Schweine?
weil fueen^ fwene, fwener überhaupt „Hirte^ bedeutet, was S nicht
gewusst zu haben scheint. Ein zweiter Fehler steht in derselben
Erzählung, wenn es heisst: fein meiftcr zürnte mit dem vßgon. Der
Sinn muss sein, wie K bessert, füimde oder, wie Lappenberg lesen
will, zögerte. Ein hd. zürnen mit dieser Notion existiert nicht. Schon
3*
u
mnd. und noch nd. gebräuchlich ist tarnen^ im Laufen aufhalten,
hemmen; doch scheint es nur mit dem Accusativ, nicht mit einer
Präposition constniiert zu werden. Nichtsdestoweniger kann es hier
vorliegen: vielleicht kommt die Präposition auf Rechnung des Ueher-
setzers. Ks Hesse sich auch denken, dass im Original, da bekanntlich
im Mnd. z gleichwertig« mit .9 wechselt, eumede^ jsüede gedruckt gewesen
wäre und (hiss S das zu surncdc verlesen liätte. An toive.de, wartete,
darf auch geda(;ht werden, da statt v in mittelalterlicher Schrift in-
lautend u gesetzt ward und u und n leicht zu verwechseln sind, in
diesem Falle zumal, wenn zufällig torucdc verdruckt war. — In Hi. 51
ist Uleuspiegel Wollenwelxa'geselle. Als solcher muss er mit dein
Wollbogen, (^ner zwei Meter langen gekrümmten Stange, deren Enden
durch eine dazwischen gespannte Darmsaite verbunden sind, die Wolle
schlagen, damit sie aufgelockert und gesäubert wird. Diese Verrichtung
wird mehrmal durch „Schlagen" ausgedrückt. Aber einmal, gleich
das erste Mal, heisst es: er bcgund z\i fchnieren vnd fchlag tvollen. Lap-
penberg hat mit fchnieren nichts anzufangen gewusst. „Schnüren*'
kaim es nicht sein; denn die Wolle musste, um erfolgreich so behandelt
zu werden, eher gelockert als zusammengeschnürt werden. S, vielleicht
unkundig der geschilderten Behandlung der Wolle, mag es allerdings so
verstanden und darum dies Wort anstelle eines anderen vorgefundenen
gesetzt haben, das "ihm rätselhaft war. Ich glaube, dass aus einer
Stelle von Herman Bote's Schichtbok in den von Ilänselmann e<lierten
Braunschweigischen ('hroniken sich das Rätsel lösen lässt. Dort heisst
es (II, 330, 31) von den Strassenaufzügen, dem fchoduvellopen der
aufständisdien Gcwerke, unter denen sich die „Lakenmaker*' befanden:
fe danfeden in den lakenge fpannen vnde fnarden myt den wulbogen. Das
wird der technisclie Ausdruck gewesen sein. Die fnare oder das fnar
ist die Darmsaite; und fnaren wird also die Hantierung und das
damit verbundene (ieräuscli des Wolleschlagcuis mittels des Wollbogens
genannt worden sein. Snar und fnaren sind nicht hd., was durch die
Entstellung zu fchnieren bestätigt wird.
Wer das Eulenspiegelbuch kennt, weiss, dass manche Schwanke
und Witze in ihm nicht grade sauber sind, sondern nacli Mist riechen.
Diese Liebhaberei für Koprologie ist ihm jedoch nicht allein eigen;
alle älteren Schwankbücher zeigen dasselbe Behagen an dergleichen.
Zu der Besprechung einer solchen schmutzigen Oesehichte zwingt S,
weil er sie völlig verwirrt und zugleich das Wortspiel, um das es sich
dabei handc^lt, vernichtet hat. Ich hehandele diesen Fall schon hier
und nicht im folgenden Kapitel, wo die durch die Strassburger Bear-
beitung verloren gegangenen Wortspiele durchgegangen werden sollen,
weil an d(T fraglichen Stelle noch mehr der ursprünglichen Darstellung
von S misverstanden, entstellt und daher unverständlich geworden ist.
Es ist die schon angeführte Ili. 51, in welcher Eulenspiegel einen
Fluch seines Meisters absichtlich wörtlich nehmend, die hurd, das Ge-
flecht zur Aufbewahrung der Wolle, in der Stube verunreinigt hat. Der
wüllenwcbcr fprach: nim den treck vnd trag in an ein ort^ da in nientans
37
haben wil. V. nimpt den treck vf einem (S 1511) einen) ftein, mid treit
den (S 1519 in) in die fpeißJcammer. Der Wollenweber will ihn dort
nicht haben. Eulenspiegel antwortet, das wisse er wohl; aber er
handele nach seinem Befehl. Der wüllinweber wart zornig, vnd lieff
zu dem ftall, vnd wdt U, mit dem fcheit an den (S 1519 dem fchyt
zu dem) kopff werffen. Da gieng U. zum hauß vß. Der wüllinweber
wolt das höltz endlich (schnell) ergreiffen^ vnd befudelt die finger all zumal,
da ließe er den treck fallen, vnd lief zu dem brunnen. Es ist leicht
einzusehen, dass das Geheiss des Meisters so doppelsinnig gelautet
haben muss, dass U. es zu Auslührung seiner Schalkerei benutzen
konnte. Wenn etwa stünde: trag in da enweg, so wäre dazu ge-
holfen: zweifache Beziehung des folgenden relativen da (wo), einmal
auf die Stube (da) und andererseits auf einen beliebigen anderen Ort
(enweg) würde dadurch mögHch. Allein, warum sollte S so leicht
verständliche Worte geändert haben? Der Fehler muss anderswo
stecken. Man lese nd. : bring em(e) over ord, wurem(e) neimandes
behovet. Over ord bringen heisst „bei Seite schaffen'^; ivure, tvore ist
Nebenform von wur, wor (wo ; s. z. B. Hänselmann, Brnschwg. Chron.
I, (JO, 13. Hänselmann, Brnschwg. Beispiele Nr. 34); me statt men
(man) ist die bekannte Inclinationsform, die bei dem mit S gleich-
zeitigen Braunschweiger Herman Bote sogar gerne zu blossem m
abgekniffen wird^) (z. B. Brnschwg. Chron. H, 320, 5 ff. fcholdem,
sollte man; 373, 17 moftem, musste mau; 347, 27 wüstem, wusste
man; 411, 4 wanem, als man); ein wurem, worem wäre also erst recht
misverständlich gewesen; „Behuf" und „behufen" (= bedürfen) sind keine
hd. Wörter, behoven musste demnach umschrieben werden. Der Ein-
tritt der Dativform em(e) für den Accusativ en(e) ist gegen Ausgang
des 15. Jhdts. bereits nicht selten; und ebenso bietet der Nominativ
neimandes statt neimand, neiman nichts auffälliges. Der Euphemismus
des Meisters in der Bezeichnung des Ortes, wohin er U. weist, ist
hinreichend verständli(!li. Den Schluss der Geschichte wird man ver-
stehen, wenn man sowohl für ftein als auch für ftall liest nd. ftellekloot
und wenn man die Lesart von S 1519 fchyt als nd. Synonym von
dreck fasst, was schon der bestimmte Artikel vor diesem Substantiv
verlangt. Stellklotz ist ein Holzklotz, dessen sich der Tuchweber
bedient zum Ausspannen des Tuches auf dem Tuchrahmen (ftellerame) ;
s. Campe's Deutsches Wörterbuch.
Nachdem U. vom Taschenmacher sic^h drei Taschen nacheinander
hat machen lassen, wobei er ihm auf die dritte zwei Gulden Handgeld
gegeben hatte, schiesst er schliesslich auch diese auf, si)rechend : hastu
guten kauff, den magftu behalten, 59. „Gutes Kaufes" heisst billig
(nd. godes oder gudes kopes) und steht so in Hi. G5. Hier muss
aber ganz etwas anderes gemeint sein, nemlich Godeskop, Gotteskauf,
(lottesgeld, eben das Handgeld, das U. ihm, Grossmütigkeit heuchelnd,
') im Nnd. gar zu n verdünnt wird und sich dann mit een^ einer = man,
mengt. Daher das häufige hd. einer für „man*^ in Norddeutschland.
38
lassen will. Auch diese Historie läuft auf einen Wortwitz hinaus,
den ich gleich hier mitnehmen will. ü. kann keine Tasche kriegen,
die ihm gross genug wäre. Endlich giebt er den Grund an : dife defcJh
die ir mir gemacht haben, das feind ledige defchen^ die feind mir nit
fhüte^ ich muß vil defchen hahen^ ich Jcünd anders zu den lüten nit kummen.
Er wolle eine Tasche, in der stets zwei Pfennige blieben, wenn er
einen herausnähme, so dass er nimmer ohne Geld wäre und nie auf
den Boden der Tasche greifen könnte. Vil kann nicht richtig sein.
Man denkt zunächst an den Gegensatz von ledig oder leer, an „voll*^.
Aber sollte S vulle tafchen haben misverstehen können? Mit vü muss
ein anderes, ungewöhnlicheres Wort wiedergegeben sein. Ich vermute
rive^ was ;, freigebig, reichlich, ergiebig^ bedeutet, aber auch „gehörig,
hinreichend, ausgedehnt^ heissen kann, weshalb er vorher immer
grössere Taschen gefordert hat. Das Gegenteil beider Bedeutungen
muss in ledig ausgedrückt sein; dies Wort wird aber nur dem einen
Begriffe gerecht. So muss auch für dieses ein anderes Beiwort da
gestanden haben; nur weiss ich annoch nicht, welches.
Die schönen Kontorbretter, von denen schon die Rede gewesen
ist, durchbohrt U. an drei oder vier Enden vnä fchlug fie in bretblöcher
vnd verkydelt (verkeilte) die zu f amen, 62. S 1519 und K haben bret-
löcher. Beides giebt keinen Sinn, aber S 1515 leitet wenigstens auf
den richtigen nd. Ausdruck; vgl.: de eadelere fcolen ere zaddbome
vaße mit pluggen (Pflöcken) an den lym ßaan, verlangt die Hamburger
Sattlcrrolle ; s. Rüdiger, Die Hamburg. Zunftrollen S. 91, 11. — Als
der Hildesheimer Kaufmann (Hi. 64) U., seinem Kutscher, befohlen
hat, vorwärts zu fahren und sich nicht umzusehen, zach U,-den nagel
vß dem landtvagen und fuhr mit dem Vordergestell weg, während das
Hintergestell stehen blieb. Die Herstellung der richtigen Lesart hat
schon K vorgenommen, er schreibt lengwagen. Nd. heisst es lank-
wagen^ was die Glossaro erklären: longale, medianus, lignum curiiis
tusfchen die achterfte rad vnd die vorderfte. Es heisst noch heute
so, auch langboom, langtvede, mhd. lancwit, — Der Bader in Hannover,
dem U. erst nach dem Munde gesprochen, dann aber die Badstube
verunreinigt hatte, spricht: nun fy ich wol, das die tvort vnd werck
nit alle gleich feint; dein wort waren mir angenem, aber deine werck
fein mir nit taulich (S 1519 da gleich), wan dein wort waren fat, aber
deine werck ftincken vbel, 69. Schon die Differenz zwischen den beiden
Drucken an der einen Stelle beweist, dass da ein Wort des Originals
nicht richtig aufgefasst ist. Dogelik, tauglich, passend, muss in diesem
gestanden liaben. Sat kann gleichfalls nicht richtig sein. Entweder
ist es aus fachte oder aus foite entstellt. Wenn U. dann antwortet:
ist das nit ein huß der rcinikeit? ich het hinnen mer hehilff dan vffen,
ich wer fünft nit harin kumen ; so braucht man, um den zweiten Satz
herzustellen, nicht, wie Knust vorschlägt, ich glaubt einzufügen; es
wird wohl die Negation en vor het weggelassen und fünft dafür ein-
geflickt sein. Endlich wird der Bader zornig: fo dan hie pflegt man
vff dem fcheißhuß ab zereinigen. Für fo dan hie lese man das nd.
fodanich, sothanes, dergleichen.
39
In Hi. 71 heischt der Wirt von den zwölf Blinden für Kost und
Wohnung Bezahlung. Jeder meint, ein andrer von ihnen habe das
üeld dazu von U. empfangen, bis sich herausstellt, dass keiner etwas
erhalten hat. Die blinden fugten vnd kratzen (S 1519 kratzten) die
köpff, wan fie waren betrogen. Es muss fachten, seufzten, gelesen
werden. Weiterhin heisst es: das fölleftu teglich wol befinden. Dieser
Ausdruck teglich = heute kehrt wieder in Hi. 81, wo mit dem Gegen-
satz morn hinweg und teglich hinweg gespielt wird. „Täglich^ heisst
stets quotidie, aber, soviel mir bekannt, nie hodie. Das heisst viel-
mehr mhd. tagelanc, talanc, welches Wort jedoch um 1500 schon obfolet
gewesen zu sein scheint. Ich möchte auch einigen Zweifel hegen,
dass morn damals noch obrd. für morgen üblich gewesen sei. Doch
weiss ich es nicht bestimmt. Jedenfalls sind aber im 16. Jhdt. dalling^
daling und morne, morn noch gut nd. Wörter; und daher wird S
dieselben haben, das eine freilich in Entstellung oder vielmehr dui'ch
ein ähnlich lautendes mit anderer Bedeutung ersetzt. — Hi. 74 will
der Meister U. wegen des verübten Schadens nicht gleich gehen lassen,
wann er dorfft fein, vnd gedacht: wan ich das mein beffern kan^ fo wü
ich das wd mit im finden^ vnd im das abrechen an feinem Ion, Ich
möchte glauben, dass men (nur) einen bessern Sinn gäbe, als mein.
Das Gleiche meine ich von vufte statt vafte in U.'s Gedankenrede
(Hi. 76): wil fie faft kummen^ fo würt nit lang hie etwas bleiben. Auch
scheint gerecht aus gereed (fertig, bereit) entstellt in: ee die koß gerecht
ward, 80 ; und das ward feiner mutet kunt gethon, das er kranck was, die
was bald gerecht vnd kam zu im, 90. Endlich würde sich der be-
fremdliche Ausdruck geben mir (dem Priester) fdich gelt, ich weit das
beftellen, das ir fallen in eer gots kumen 92 leicht verbessern lassen,
wenn man annehmen dürfte, dass im Original zu lesen gewesen wäre :
dat it fchde in Godes ere kamen,
Reich an Misverständnissen, worauf Goedeke aufmerksam gemacht
hat, ist Hi. 78. Kautleute entschuldigen sich bei ihrem Gastwirt in
Eisleben, dass sie so spät kämen, damit, dass ihnen ein Wolf viel
Leids gethan habe: der bekam vns alfo in de müt (S 1519 in dem
mut), das wir vnß mit im fchlagen müftcn. K ändert: tzo gemüet.
Er wird es folglich recht verstanden haben, denn dat gemote ist das-
selbe, was de mote, moite. In oder an de moite körnen heisst aber
auf ndd. „zur Begegnung kommen, begegnen, aufstossen". Der Wirt
prahlt: wan im ^ wölff im moß bekemen (K: gemüeten, also wieder
richtig verstanden), die wolt er fchlagen. Hier sucht S also sich das
Fremdwort durch mos, Moor, verständlich zu machen. Zum Abschied
höhnt er die Kaufleute: fehen m, das vch kein ivolff in der wißen (S 1519
wifen) bekum, S variiert also hier, wie es scheint, und nachher noch
einmal mit dem Ausdruck, indem er „Wiese^ statt „Moos^ setzt; das
war dem vorsichtigen Kruffter doch bedenklich, er hilft sich beidemale
mit alfo. Doch will ich nicht unterlassen zu erwähnen, dass im Süden
von P^isleben, in welcher Richtung die nach Nürnberg ziehenden Kauf-
leute ihre Reise fortsetzen, ein Plateau liegt, die sog. Wüste. Mög-
licherweise mag demnach S seine ^Wiese*^ daraus gemacht haben.
40
Während der Zeit, dass die KauHeute unterwegs sind, da reit IT. vff
die hart vnd fielt den tcöl/f'en. Die Ortsbezeichnung l'asst Keller iu
Pfeiffer's Germania XII, \)\) als Wald. Dass S das gemeint hat, daran
ist nicht zu zweifeln, weil er das Wort mit weiblichem Artikel ge-
brauclit. So verstand seine Worte auch K, der dafür hat in den tcalt.
Eine ganz andere Sache ist es aber, w^nn Keller behauptet, an den
Harz sei gar nicht zu denken. Im Gegenteil. Im Ostfalischcn, w«
wir die Abfassung des Volksbuches und speciel dieser Geschichte 78
suchen müssen, und im Südsächsischen ^) oder Mansfeldischen, wo die
Geschichte spielt, bestand aber, soweit die Sprachdenkmäler Zeugnis
ablegen, kein Appellativ Imrt mehr. Es miLss als Eigenname gefasst
werden, und da bietet sich kein anderer dar, als der des Harzes,
nd. des Hartes. U. hatte nicht allein Zeit genug, bis die Kaufleute
von Nürnberg zurückkamen ; er hatte auch mehr Aussicht auf einen
Fang im Harzgebirge; und endlich zwang ihn die Ueberlegung, etwas
in die Ferne zu ziclien: ein im Mansfeldischen erbeuteter Wolf hätte
leicht dem Wirt zur Kunde kommen und sein schlauer Plan, den Wirt
mit dem toten als einem lebenden Wolf zu schrecken, dadurch vereitelt
werden können. U. packt den Wolf in den vndern fach (S 1519
vnderfack^ K in einen fach) vnd reit wider gen Ißleuen, Man lese
einfach vuder- oder voderfack^ Futtersack, so ist die Darstellung klar.
Zum Schluss schämt sich der Wirt, das in ein tod wölff vnd alle fein
gefind (S 1519 alle gofind) verfürt (K verjagt) het, Audi ohne Kruffter's
einsichtige Aenderung lässt sich verfürt ohne Schwierigkeit auf das
nd. vorveert^ erschreckt, zurückführen. Alle fein gefind und alle gefind
ist ebensowenig hd. ; es müsste nl fein gefind oder alles fein g, und
alles g, heissen. Als üwer gefind hat S 1515 eben vorher, wo S 1519
gleichfalls alle euwere gefind^ was doppelt falsch ist, denn es giebt nur
ein starkes Collectivueutrum das gefinde^ das ohne Plural ist, und ein
schwaches Masculin der gefinde, Dienstbote. Oifenbar geht die Lesart
von S 1519 auf das nd. Neutrum alle juive gefinde zurück. Im Ndd.
kann nemlich vor Artikel, Pronomina und Adjectiven die Form alle
ebenso gut stehen wie a?, ja ist fast häufiger, und zwar ohne Rücksicht
auf Genus, Niunerus und Casus.
In Hi. 87 schlägt eine Töi)fersfrau auf dem Markte zu Bremen,
weil U. ihren Kram vorher bezahlt hat, auf seinen Wink alle ihre
Töpfe entzwei. Der Erzbischof, der von U. die einfache Lösung dieses
Zaubers erfahren hat, benutzt das, um seine Ministerialen zu schröpfen.
Sie müssen ihm jeder einen fetten Ochsen verehren, ehe er ihre Neu-
gierde, wie U. das zuwege gebracht habe, stillt. Als sie erfahren,
wie das zugegangen sei, reut sie ihre Torheit, soviel für diese Auf-
klärung geopiert zu haben: funder fie miegt (bekümmerte) nit fo fer
in dem, dann (als vielmehr) das fie fo groß doren weren, das fie ir
ochfen für die kunft hctten geben, vnd was ein foliche wackelig. Lap-
*) im Eulciispiejrel freilich wird diese Gegend Ili. 30 und 78 ftilscliUch zu
Thüringen gerechnet, weil die Einwohner im 15. Jhdt mitteldeutsche Sprache an-
genommen hatten.
41
penberg koiijiciert wanl'lüi)v^ Knust ivankeUihf. Allein weder werden
die Diener sich erkühnt haben, den Bischof der Lüge zu zeihen, noch
war es überhaupt eine Lüge, was er ihnen gesagt hatte. Icli habe
früher an tvimpeltöge, wispeltöge, Flause, Rank, gedacht; aber eine
andere Emendation liegt nälier: entweder feldt fache und für wackeliff
ist nd. mackiiik (einfach, leiclit) zu lesen: utide was (doch) fulk
mackelike fake; oder noch einfacher: unde was fo tnackelich^ da das
Suffix lik um 1500 auch schon in der erleichterten Foim lieh ge-
bräuclilich war.
In Hi. 1)3 macht U. sein Testament: vnd an fier wachen falten
fy c'mhellich die fchon kift, die er inen anzeigt mit kofilichen fchlüffelen
tvol bewart, vnd fie tver noch vff zu fchließen, das ien das darin wer,
mit einander teilen, vnd ete, Lappenberg möchte lesen: wa [besser
wäre wan, dennj fie wer noch su, vfffchließen. Dass die Kiste zu war,
werden sie wolil gesehen haben, als U. sie ihnen zeigte : wozu brauchte
er das noch ausdrücklich ins Testament zu setzen? Ich möchte eher
annehmen, dass Ö mit nd. wecr = weder (weder) nicht hat fertig
werden können. Man h^se nd. : unde an vcir weken fcholden fe ein-
d recht liken de fchonefn?] keften, de he one antogede mit koftcl(ik)en
flöteten, wol bewaren unde fe wecr uppe noch to ßuten etc., d. h. sich
überall nichts mit den Schlössern zu schaften machen.
Betreffs einer Stelle bin ich nicht zu sicherem Resultat gekommen,
ob ein nd. Wort noch zu erkennen ist. Nachdem U. die Senfkruke
aus dem Keller geholt hat, richtet der Koch in faß fchüffelin den
fenffan vnd fchickt (S löl!) setzt hinzu: das) zu tifch, 10. Lappenberg
will das für faß lesen. Aber es hätte dem oder vielmehr einem heissen
müssen. K hat das fragliche Wort als Druckfehler für sechs genommen:
in .fvß dobbelletger. Schwerlich richtig; denn die Zahl der Schüsseln
ist ganz gleichgültig, weshalb auch nicht die Zahl der Personen, die
dem Gastmale beiwohnten, angegeben ist. Sollte faß etwa ein stehen
gebliebenes Fragment von faifcerken, dem Deminutiv von falfeer, Brüh-
schüssel, Sauciere, sein? Das Deminutiv bezeichnete vornehmlich
Essignapf, Senfschüssel. Schüß'elin wäre dann Zusatz des Strassburgers.
Lappenberg hat noch ein Misverständnis eines ndd. Ausdruckes
in Hi. 4G gefunden, was ich nicht zugeben kann: kalck oder, nach
S 1511), kalch soll aus talg verderbt sein. Aber U. verkauft dem
Schuhmacher nach der Darstellung sechs Tonnen Kalk und sechs
Tonnen koken fchnaltz. Und Kalk wird indertat zur Bereitung nicht
bloss der Pelze (vgl. Hi. 52, 53), sondern auch des Sdmhleders (vgl.
gekalket ledder in der Hamburger Schuhmacherrolle a. 1434, bei Rüdiger
S. 280) gebraucht. Im Mittelalter, wo die Schuster selbst ihr Leder
zu gerben pflegten, l)edurften sie sicher des Kalkes. Koken fchmaltz
lässt eine doppelte Erkläioing zu. PiUt weder kann es „ Küchenschmalz ^
heissen (so hat K es aufgefasst), oder hök ist oberdeutsche Form für
keck oder queck im Sinne von ^Hüssig". Letzteres ist anzunehmen;
denn Küchenschmalz wäre eine ungeschickte, ist auch sonst eine un-
belegbare Wortbildung; und jedenfalls kann im Nd. nicht kökenfmolt
42
gestanden haben, da es in dieser Spruehe zur Bezeidinung der ver-
schiedenen Fettarten genug Ausdrücke gab, wie trän, talch, fmer^ vet.
Das erste Wort wird, weil obrd. unbekannt, in Hi.' 44 durch ßfch-
feißte, fifchfchmaltß, feeftfchfchmalte umschrie])en. Karrenfalbe 64, bei
K karrenfmer, ist tcagensmer. Bei Tcöh fchmalte hat man die Wahl
zwischen Talg und Schmer ; doch spricht das Adjectiv für das letztere.
So hat auch K sein hücheiifnialtz verstanden, denn in der Ueberschrift
der Historie setzt er zu dem kalk von S noch fmer hinzu. Offenbar
hat Lappenberg die Nicjhterwähnung des Schmeres im Titel zu seiner
Konjektur bewogen; allein es hat sich schon oben gezeigt, dass auf
diese Inhaltsangaben der Historien nicht allzuviel Gewicht zu legen ist.
Wortspiele und Witzreden.
Ein ganz besonders wichtiges Moment iiir die Frage, ob das
Volksbuch ursprünglich nd. war, muss man in den Wortwitzen des-
selben erkennen. Die meisten der Schwanke laufen auf Wortklauberei
hinaus. Eine Anzahl derselben haben ihre Spitze und damit ilire
Verständlichkeit bei der Uebertragung ins Hd. eingebüsst. Seit bald
vierhundert Jahren behilft sich die Welt mit dem Dichtwerk, welches,
wie in dem Masse nur wenig andere, auf l)opi)elsinn des Ausdrucks
und auf Wortspielen beruht, in einer Redaction, welche manchen
Historien jillen Witz geraubt hat. Das hat mit bewirkt, dass der
Held des Romans dann nicht in der Gestalt erscheint, wie ihn der
Verfasser sich gedacht hat, nemlich nicht als kurzweiliger, sinnreicher
Schalk, dem ein Witz und Wortspiel über alles geht, dem derlei
Scherze so nötig sind wie dem Fisch das Wasser, sodass er sich ihrer
selbst angesichts des Todes nicht zu enthalten vermag, sondern dass
er vielmehr bald als unverschämter Hanswurst, bald als schadenfroher
Schurke, der ohne alle Veranlassung seine Mitmenschen peinigt, sich
darstellt. Simrock's Neubearbeitung hat in dieser Beziehung nichts
geändert. Wie er nicht selten die offenbarsten Verderbnisse von S,
von denen oben gehandelt worden ist, beibehalten hat, so hat er des-
gleichen die ursprüngliche Pointe, wo sie verloren g(»gangen war, nicht
wiederhergestellt. Freilich war das auch in den meisten Fällen in
hd. Sprache gar nicht möglich, weil der Witz sich im Gleichklang
nd. Wörter barg. In der Mehrzahl der Erzählungen liegt allerdings
die Doppelsinnigkeit klar zutage. In anderen lässt sie sich mit einiger
Aufmerksamkeit leicht entdecken, wie dass Hi. 1 ;, taufen*', Hi. 30
^waschen^^, Hi. (U) ^mit sich nehmen^ in zwiefacher Bedeutung ge-
braucht wird. Dann bleiben aber immer noch manche Witze und
Schwanke, die allein aus dem Nd. zu verstehen sind. Von denselben
sind ein paar bereits besprochen.
Ein solches Wortspiel hat sich der Verfasser selbst erlaubt, wenn
er von ü. in Hi. 4 sagt, er habe, weil er die Rache der angeführten
Bauern fürchten musste, zu Haus bei seiner Mutter gesessen und
Helmstedtische Schuhe geflickt. Dass damit ausgedrückt sein soll, er
sei für einen Helmstedtcr SchuhHicker beschäftigt gewesen, braucht
niemand Lappenberg zu glauben. Wie hätte ihn denn (Hi. 5) die
43
Mutter strafen dürfen, dass er kein Handwerk lernen wollte. Nein,
die Redensart gehört zu den scherzhaften Umschreibungen eines Zeit-
worts durch einen ähnlich lautenden Ortsnamen, wie man z. B. einen,
der gerne nimmt, aus Nemerow, einen zudringlichen Menschen aus
Anklam gebürtig sein lässt. Wackernagel nennt diese Sprachwendungen
geographische Allegorik. Ueber sprichwörtliche Redeweisen dieser Art
hat Latendorf mehrfach gehandelt. Die in Rede stehende wird be-
deuten „sich hehlen, sich zu Haus halten, sich verstecken^. Der
AusdiTick kann nur in der Nachbarschaft von Helmstedt entstanden
und allgemein verständlich gewesen sein. In Strassburg ist er sicher
so wenig üblich gewesen, als der Name der massig grossen Stadt und
der Ruf ihres Hauptgewerbes, nach welchem eine Kapelle die Schuster-
kirche hiess, dahin gedningen sein werden.
In der Hi. 20 schlägt U. dem Bäcker, dessen Mehl er auf den
Hof gesichtet und so die Zeit des Teigmachens verpasst hat, vor, den
fertigen Teig aus des Nachbars Haus zu holen und dafür das eigene
Mehl hinzutragen. Der Meister gerät über diesen Vorschlag in be-
rechtigten Zorn: du will den tüffd holen, gang an galgen vnd hol dieb
haryn (S 1519 gang du fchalk an galgen, vnd hol dieb hur ein, vfid laß
mir des nachburen deik ligen). Dass der Meister im gerechten Unwillen
den, ihm solches zumutenden Gesellen an den Galgen wünscht, ist
natürlich. Aber warum setzt er die Worte hol dieb hinzu? die noch
dazu für das Andengalgengehen einen ganz anderen als den gewöhn-
lichen bedingen. Warum sagt er nicht: diebe oder einen Dieb? Die
Antwort wird sich jeder selbst geben, wenn er an den ähnlichen Klang
von deech und derf oder deich und deif denkt. Der Bäcker muss
deech oder deich gesagt haben, was U., weil man vom Galgen keinen
Teig holen kann, sich stellend, als sei der Ausruf des Herrn kein
Fluch, sondern ein Befehl, auf das deutet, was sich vom Galgen einzig
bringen lässt. In jedem anderen deutschen Dialekt wären das für die
Situation so passende Wortspiel und der sich daran knüpfende Schwank
unmöglich gewesen. Selbst Kruflfter wäre das nicht mit deich und
dief geglückt; aber eine Ahnung scheint er gehabt zu haben, nemlich
dass der Fluch eben Fluch sein müsse; er kürzt darum: wiltu den
duvel holen? ganck an galgen vnd hoil dieff!
Als U. in Hi. 31) den Rostocker Schmied gereizt hat, spricht
der im Aerger ähnlich: gang mir dobcn vß dem (S 1519 meinem) huß,
du verzweifelter fchalck; worauf U. über den Boden und das aufge-
brochene Dach das Haus verlässt. Dohen ist zusammengezogen aus
da oben. Unmöglich können das die Worte des Meisters gewesen sein.
K sieht das ein und hilft taliter qualiter: ganck up dat huiß! was
einen Fluch vorstellen soll. Es handelt sich aber um ein Spiel mit
boven (mit kurzem o: oben) und boven (mit langem o: Buben). Im
Zusammenhange stand ^Buben" etwa so: Der Meister ward zornig
und sprach zu ihm, dass er das Bett w^ieder hin trüge, wo er es ge-
nommen hätte, und sprach fürder zu ihm in liastigem Mute: und dann
mit dir Buben aus dem Haus ! du verzweifelter Schalk !
In Hi. 47 nimmt U. statt des Hopfens den Hund des Brauers,
44
weil der II und Hopf \uess, zur Maisehe und siedet ihn zu Tode. Hier
erseheint der Name bloss deshalb gesehaften, damit der Schwank
möfjich werde. Ein solcher Witz ist schal und ohne Salz. Ganx
anders aber, wenn der Sprachgebrauch durch Paronoraasie einen Witz
vorbereitet hat; wird der dann in die Tat umgesetzt, so ist ein er-
götzlicher Sehwank fertig. Und ein solcher Fall liegt in dieser F^r-
zählung hinter der Darstellung in S verborgen. Im Braunschweigiscben
Dialekte gab es ein Synonym von hoppe^ Hopfen, nemlich ein schwaches
Feminin rörfe, worauf Hänselmann im 2. Bde. seiner Braunschweig.
Chroniken im Glossar zuerst aufmerksam gemacht hat. Man vgl. die
Stellen dasell)st und ferner bei Ilänselmann, Braunsclnv. ÜB. I, S.
Hl) f. 02. 135. Ib4. Ks scheint der Ausdruck auf den Zapfenhoj)fen,
lupidus femina, und seine Frucht beschränkt gewesen zu sein. Viel-
leicht beruht der hd. botanische Name „Läufer^ auf derselben Vor-
stellung und mag das nd. Wort dasselbe sein, w^as als schwaclies
Masculin rode (Rüde), ein Synonym von „Hund", allgemein ver-
breitet und üblich ist. Diese Hi. 47 zeugt durch das Wortspiel un-
widersprechlich für den Braunscliweigischen Ursprung des Volksbuches.
Wenn U. dem Hildesheimer Kaufmann in Hi. 64, der ihn auf
dem Felde liegend traf, auf die Frage, was er wäre, mit verdechter
fchalchheit viid kliif/lichen antwurt, er wer ein kuchcnhmb vnd het keinen
dievfi^ so ist nicht einzusehen, wie in diesem Bescheide die Schalkheit
und Klugheit U.'s sich kundgiebt. Freilich hat ^ Küchenbube'' auch
die Nebenbedeutung von „Schmarotzer'^. Als solcher erweist sich
aber U. in der Historie nicht. Nehmen wir an, dass er mit neuer
Wortlnidung kokdhnecht oder 'hmpe sagte und damit einen (iaukler,
Possenreisser meinte, während der Kaufmann dies als das gewiihnliche
Wort kokel- oder kbke7iknecht (Koch- oder Küchenknecht) verstand,
so ist die Schalkheit klar. Dass U., dann nach seinem Namen gefragt,
grade Bartholomäus wählt, mag auch noch einen anderen (iiiind
lui))en, als den auf der Hand liegenden und im Buche durch die
syllabierende Schreibung liartho . lo . me . us angedeuteten, den Kauf-
mann durch einen recht langen ausländischen Namen zu äffen; es ist
mir aber nicht gelungen, den Grund und die Anspielung zu entdecken.
Lappenberg wundert sich, weslialb Hi. 07 ins Volksbuch ge-
kommen sei, da hier U. der Gefoppte ist und nicht, wie sonst, der
Hänselnde. Die Ursaclie gab dem mit Worten gar zu gerne spielenden
Verfasser ein Ausdruck, der zweierlei Bedeutungen hatte. Diese Vor-
liebe für Wortspiele hat ihn hier sogar dazu geführt, ausnahmsweise
eine obscoene (ieschichte aufzunehmen, was man freilich aus S nicht
erkennen kann, da die Ueliersetzung defch (Tasche) die Zote und den
Witz beseitigt hat. Im Urtext muss rantze, ranße gestanden haben
odcT das davon abgeleitete rantsel, rentzel. Beide Wörter bedeuten
nicht nur Tasche, scmdern auch vulva: vgl. Germania XXL 65, \),
Sowohl das einfache Ap])ellativ als auch die Zusammensetzung mit
dem Adjectiv sind nicht ganz selten als Namen von Wirtshäusern auf
dem Lande.
45
Hi. 69 schildert einen närrischen Bader, der nicht leiden konnte,
dass man seine Badstube so nannte, sondern der wollte, man sollte
Ueinhaus, Haus der Reinigung oder Reinlichkeit sagen, trau der ftouh
Ist in der fonnen, vnä ift auch in der erden^ i7i der eschen (Asche) vnd
in dem fand. Lapponberg meint, diese Bemerkung sei unverständlich ;
vermutlich sei eine vorhergehende Zeile weggefallen, obschon die Stelle
ebenso in den übrigen älteren Ausgaben laute; neuere hätten sie
zweckmässig weggelassen, und, füge ich hinzu, haben damit den,
fn^ilich in S, weil im Hd. nicht wieder zu gebenden, bereits ver-
dunkelten Wortwitz beseitigt, aus dem die ganze Erzählung geflossen
ist. Nicht unmöglich ist, dass wirklich einmal ein Bader in Hannover
oder sonstwo gelebt hat, der jene Grille gefasst hatte; denn die nd.
Wörter stove^ fmdftovc und erst recht ftofhuSj wie die Badstube in den
Cioslarer Statuten heisst, konnten sehr gut einem eitlen Badstübner
als Scheingrund dienen für seinen Wunsch, sein Gewerbe und seine
Werkstatt mit prunkvollerem Namen zu belegen. Ein hd. Bader hätte
auf die Ableitung jener W^irter von ftauh nicht geraten können. Im Ndd.
heisst Staub aber ftof (im Genitiv ftoves). So wird durch Rücküber-
setzung die Erzählung erst verständlich, und der Annahme einer Lücke
bedarf es nicht.
Als U. auf den Tod liegt (Hi. 00), reist seine Mutter zu ihm.
Sie spricht: Mein lieber ftm, wa hißu Icranck? IL fpraeh: liehe niufcr,
hie zwüfehen der leisten vnd der wand. Ach! Jieher fun^ fprich mir
noch zu ein [ues wort. U. fpraeh: liehe müter^ honirj das ist ein fiiß
Irut. In welcher Weise U. den Ausdruck „süsses Wort" absichtlich
fiilsch versteht, ist deutlich, und an diesem Witz könnte man sich
genügen lassen. Ich meine aber, dass, wie die erste Antwort' auf die
Frage, wenngleich nicht völlig reimt, so auch das der Fall gewesen
sei mit der zweiten Frage und Antwort. Die Herstellung ist durch
Einsetzung des Synonyms von Kraut in ndd. Gestalt leicht bewerk-
stelligt: wort (Würz, Gewürz). Zugleich haben wir dann ein Wortspiel
mit Word und wort. Von den beiden folgenden Entgegnungen fl.'s
nuichte ich ebenfalls mutmassen, dass sie in Reimen waren oder Wort-
spiele enthielten; nur weiss ich aus der Ueberlieferung von S nichts
sicheres zu gewinnen.
Reimverse.
Die Hi. 90 hat uns mit einer anderen Eigentümlichkeit des
Volksbuches bekannt gemacht, dass nendich sich gereimte Verse in
ihm linden. Bei der Hi. 41 ist das längst erkannt und Lappenberg
hat auch drei der vier Reden U.'s in dieser Geschichte als Verse
drucken lassen. Der vierte Reimspruch ist in dem Masse durch S
verändert, dass seine Wiederherstellung unmöglich scheint. Der dritte
ist intact geblieben. Er ist vielleicht entlehnt, doch habe ich ihn an
den Stellen der mhd. Litteratur, in denen sonst dieselbe Redensart
nicht vifch um an den grat, d. h. nicht vollkommen, vorkommt, nicht
finden können. Aus dem Hd. muss er stammen, da mnd. die Gräte
46
grade (fem.) heisst und nicht, wie im Mhd. der gral, Uebrigens ist
die bezügliche Redensart auch mnd. : he en is nicht vifch uppe de
graden; (Wehrmann) Lübeck. ÜB. IX S. 021. Die beiden ersten
Sprüche lassen sich leicht wieder herstellen. Der erste würde nd. lauten :
loan gy hebhen yfern unde kol
unde wind in dem balge hol,
fo k^ne gy fmyden tool.
Kol als CoUectiv ist ganz f^ewöhnlich im Mnd.; und das näch-
gesetzte Adjectiv in der zweiten Zeile nuiss i'cgelrecht unflectiert
bleiben. In dem zweiten ist das, im Mndd. ganz gewöhnliche kunipau
für gefcl einzusetzen. S war das Wort ungeläufig, wie man aus dem
Schwanken der beiden Drucke zwischen cumpamen, companie^}, com-
patiion, Company in Hi. 27. 39. 64 merkt. Lappenberg hält dafür,
dass diese vier Sprüche durch ihre Obertlächlichkeit komisch werden.
Aber es werden zum Teil Zoten darin enthalten sein, was beim vierten
deutlich genug ist. Haupt hat auch den zweiten als im Liedersaal
von Lassberg III, 205 so verwendet nachgewiesen; s. seine Ztschr.
XV, 266.
An die gereimte Grabschrift U.'s erinnere ich hier bloss. Aber
auch sonst kommen hie und da Reimverse vor. Der Verfasser scheint
gerne Reden so eingekleidet zu haben. Manche liegen in S noch er-
kennbar vor; so z. B. in der Rede des Landgrafen am Schluss von
Hi. 27 : Nun fehen wir wol^ das wir betrogen feint ^ vnd mit Uleufpiegcl
hon ich mich nie bcJcümcrn wollen, nochdan ist er eu vns kumcn ; dorh
die zwei hundert gülden wollen wir tcol verdulden y fo er dennocht fin
fchalck mus bleiben, vnd muß darumb vnfer fürftcnthom meiden, Ndd.
könnte en gelautet haben:
Nu feie wy dat wol in,
d(U \mf hedrogen fyn.
Mit IJlenfpcigel wolde ik my in\ beiceren^
nochdan dede he to uns keren;
doch de twee hundert gülden
Wille wy wol verdulden,
fo he dannoch ein fchalk mot bliven
unde darumme unfen vorftendom miden.
Ein altes Sprichwort in Reim ist verwendet Hi. 34:
Gang geen Born f rummer man;
kum herwider nequam.
(vgl. Dat nye schip van Narragonien, hrsg. v. C. Schröder, 4453.)
Hi. 59: aber die groffe defch, die ich meine (S 1519 meint),
(das iß dife defch nit, ich iüil ir auch nit,)
fie ist noch rw c/ciw,
WO die alte volle Form deine einzusetzen ist.
In lli. 69 spricht U. heim Eintritt in die Badstube:
Oot grüß vch, her vnd euwer husgefind (S 1515 verdruckt
husgefeind)
vnd alle die ich in difem reinhuß find.
47
In Hi. 92 sagt der schmählich betrogene Pfaffe: hetrugftu mich
in deinem Ictften c«d, da du in deinem todbet leiste
fo dürffen die ginnen nicht klagen^
die du betrogen haß in deinen jungen tagen.
Hier werden auch die beiden ersten Sätze ein Reimpaar gebildet haben.
Und als unreinen Reim oder als Assonanz kann man auch die Schluss-
rede des Priesters ftissen:
du biß ein fchalck ob allen fchelcken vßgelefen ;
kanft (1. konteft) du dich von (1. vor) Lilhick von dem galgen
reden,
du antwurft auch wol mir wider.
Andere Reime lassen sich herstellen, wenn man ins Nd. zurück-
übersetzt. So Hi. 18: 0 Halber [tat ^ Halber [tat, der nam roti (S 1519
mit) der dan^), dein bicr vnd koft fchmeeld wol, aber dein pfening-
ferkel feind von fiiwleder gemacht, wo ich im Original vermuten
möchte :
0 Halberftadt, Halberftadt,
den namen mit der dat^) ;
wente dyn beir unde koft wol fmaket,
inen dyne hygordel finl van fuledder gemaket.
YÄw Reim liegt auch in der Frage des Bäckers vor in Hi. 19:
wat pUcht vie to bakken ?
ulen edder meerkatten?
Gereimt mögen ferner die Worte gewesen sein, welche in Hi. 43
U. seinem Meister auf dessen ironische Bemerkung du thüft alles
was ich dich heiß^ antwortet : Welcher thut das man in heißt, der würt
nit gefchlagen, was anders miiglich zuthun ist; wenigstens geben deit
und heit einen Reim, das folgende kann stark geändert sein.
In den Schlussreden von Hi. 45 scheinen mehrfache Verse zu
stecken, aber es ist schwierig, sie herzustellen. Nur in den Worten
des Schmiedes treten sie deutlicher hervor : ich hon alliveg gehört, wer
mit fchalckslüten beladen iß, der fol den fchlupff abfchneiden, vnd fie
laffen gon; het ich das auch gethon, fo weren mein fenfter wol gante
hliben (ergänze: fton? oder vielmehr nd, ftan). Man vergleiche Koker
S. 820:
we da vorladen is myt fchelken,
de mach fyne flippen affnyden
lind lofe und flyte fc to tydcn
und late fe dem hufe uthglyden.
und Haupt's Zeitschr. V, 409:
de dar is mit eneme herenfone (Bankert, Schurke) vorladen,
de fnyde af de flippen und lopc van eme drade.
*) rfä S 1519. L. dat (tat), dan; dat ist versehentlich ausgefallen. Man
sehe die ergötzlichen Entstellungen, welche dieser Druckfehler in den späteren hd.
Ausgaben veranlasst hat, bei Lappenberg S. 24.
') vgl. der (1. den?) namen mit der daet ; Rerckmanns (richtiger Berchmanns)
Stralsund. Chronik, hrsg. v. Mohnike u. Zober, S, 47.
4S
Mhd. ßupf heisst Strick, Riemen; mnd. flippe RockscKoss, Rock-
zipfel. Dass dies letztere besser passt, ^vird jeder zugeben. AVit-
verl)reitet nd. die Redensart war de oder den ßippen affniden in dem
Sinne, wenn man mit Bul)en zu tun habe, lieber einen geringen Schadin
hiiizunebmen, als sieh mit ihnen in Streit einzulassen, zeigen ans^iT
d(Mi beiden ol)en angeführten poetisclien Belegen mehrere prosaische
im iMnd. \Vb.
In Hi. 52 bemängelt U. den (ieruch des zu nähenden Pelzi'^:
pfy, pfy, bistu fo weiß als hreyden vnd ftinckft fo viel als dreck. Man
wandle kreiden in die nd. Form kryt und setze für dreck ein auf
kryt reimendes Synonym, so ist der ursprüngliche Reim hergestellt.
Dass in Ili. 91 Reimverse gewesen sein müssen, geht schon aus
dem einen erhaltenen hervor, in den Worten U.'s: wan ich fah da.s
ein man vff der ßra/fen gieng, vnd dem der rock lang vnder dem mantcl
vß hing; und in der Darlegung der zweiten Reue U.'s könnten dir
Reime gaendc : tande^ ßaende vorgekommen sein; allein die Her-
stellung hat S so erschwert, dass man wohl auf sie verzichten mu^s.
feinen Versuch will ich noch anstellen, den Reim herzustelliui in
der 5. Historie, mit der sprichwcirtlichen Rede, die U. dem Wunsdi
seiner Mutter, ein Handwerk zu lernen, entgegenstellt. Er sa^'t:
liehe muter ^ waeu ßch einer begibt, das wilrt im fein lebtag gnxig. \h\<
ist ein bekannter Spruch. Der Koker drückt ihn S. BOG so au^:
v)e flytygen worna ringet^ de kricht des wol cyn grot ß ticke; und S. o*>2:
wor fick eyn yderman to holt, des wart öme fyne Icvednge gcnoch. Johann
Renner in den Livländischen Historien, hrsg. von Hausmann un<l Höhl-
baum, S. 107 variiert den ersten Ausspruch des Kokers so: de kra/m
darna ohre rechte lon^ dan dar einer na ringet^ dat plccht cm gemeinlit'h
to bejegenen. Aber passt dieser Gedanke zu U.'s Sinnesart? Er will
ja el)en nach nichts ringen, sich zu keinem Handwerk bege])en : er
will es auf gut Glück ankommen lassen. Darum glaube ich, dass S
aus Misverständniss eines Ausdruckes jenen allverbreiteten Satz anstc^llc
des von U. gesprochenen eingeschmuggelt hat. Dessen Rede mn^s
vielmehr gelautet lial)en: loor een men (nur) to doch (taugt), des tvml
em fyn levedage enoch.
Vielleicht liegen auch Verse zu Grunde den Reden in Hi. i'A:
kum ich in das huß vit wider, fo bin ich doch hie gewcßen; und Ili.
83: V. fagt: ich bin es; ade, ich far dahin. Selbst (Hi. (JO) die Worte
U.'s: ift Vlenfpiegel in difer gassen nit gefeffen, fo weiß ich vit in uns
ftruffen er jitgt, könnt(^n, obschon sehr unvollkommen, doch reimm:
is Ulenfpelgel in differ ftraten nicht, fo en weit ik nicht wor he fiit.
Bereits erwähnt ist, dass eine Anzahl in Mitteldeutschland
spielender Historien aus einer md. Bearbeitung des Buches staninicn
möchten. Deshalb will ich auch zwei Beispiele von Reimen, welche
in solchen Erzählungen begegnen, besonders und zusammen behandeln.
Als U. in Erfurt einen Esel in die Lehre nehmen soll, überlegt er:
vnfer ift drei, ftirbt der rector, fo lig ich frei; ftirb dann ich, wer teil
mich manen; ftirbt dann mein discipel, fo bin ich aber Icdig^ Hi. :2!».
41»
Wenn wir im Original des Eulenspiegel ein in Hamburg oder Lübeck
entstandenes Werk erkennen dürften, so Hessen sich die Verse leicht
einrichten; denn in jenem Dialekte hat langes i im Auslaut sich im
Laufe des Mittelalters in ig zerlegt, das i ward dann behandelt wie
jedes andere kurze i in offener Silbe, d. h. es ward zu e; ^ oder ej
verschmolz endlich zu ei. So finden wir erst frig^ brig (Brei) u. s. w.
und schliesslich /Vey, 6rcy, in neuerer Sprache gar free^ bree für altes
frif bri. So würden die Verse etwa lauten:
unfer is drei (dree):
ftarft de rector, fo bin ik frei (free);
ftarve dann ik, tool wil mik manen?
fiarfi myn discipel, fo bin ik des ok ane.
Ebenso andererseits würden im Brandenburgischen dry und fry einen
guten Reim geben. Anders im Braunschweigischen, wo man um 1500
drei^ dree, aber fry sprach. Darum, weil ich glaube, dass der Eulen-
spiegel in Braunschweig gedichtet ist, aber in Thüringen Erweiterungen
erfahren hat, möchte ich annehmen, dass diese Verse ursprünglich md.
oder hd. gewesen sind. Man kann dann sogar meinen, den thüringischen
apocopierten Infinitiv mane einsetzen zu dürfen, wodurch ein besserer
Reim hergestellt würde, oder dass gereimt sei: ßirb ich danne^ wer
wil mich mane, in welchem Falle der dritte Reim zu suchen wäre. —
Auch in der gleichfalls zu Erfurt spielenden Hi. 61 wird gereimt
gewesen sein: wduff^ her feckel (S 1519 beutel)^ vnd bezal die leut;
wie gefeit dir das? fchmeckt dir das nit?
Die Loealisiernnf^ der Historien.^)*
Die Prüfung der Sprache im Ulenspiegel hat zu dem Ergebniss
einer solchen Menge nd. Sprachgutes geführt, dass die Annahme einer
selbständigen Bearbeitung, geschweige einer originären Schöpfung des
Romans durch einen Strassburger und überhaupt durch einen Süd-
deutschen hinfällig wird. Das Resultat wird bestätigt durch die
Localisierung der Historien. Einige wenige werden zwar sogar ausser-
halb Deutschlands verlegt, nach Dänemark, Polen, Rom und zweifel-
haft nach Paris. Aber nicht eine einzige spielt in Süddeutschland,
keine am Oberrhein oder gar in Strassburg. Frankfurt am Main,
Bamberg und Prag ergeben die südliche Grenzlinie für den Schauplatz
in Deutschland. In dem Raum zwischen dieser Linie und den beiden
nördlichen Meeren Deutschlands tritt nun aber ein Gebiet als dem
Verfasser ganz besonders vertraut hervor, welches ungefähr umschrieben
wird von Aller, Leine, Harz, Unstrut, Saale und Elbe. Hier in Sachsen,
und zwar im Braunschweigischen, wird der Held geboren ; hier verübt
er fast die Hälfte aller seiner Streiche, zum nicht geringen Teil in
wenig bekannten Ortschaften und Dörfern; hier, zumal im Ostfälischen,
sind die Schilderungen der Gegend am eingehendsten und umständ-
^) In diesem Abschnitt stütze ich mich vor aUem auf Lappenberg^s aus-
gezeichnete Forschungen.
Nied«rdeatsoh«s Jahrbiioh. XIX. 4
50
liebsten und mit Details ausgestattet, welche die intimste Bekannt-
schaft des Verfassers mit Local, Einrichtungen, Sitte und Persönlich-
keiten verraten. Zu diesem Gebiet kommt dann noch einerseits zwischen
Weser und Leine ein Strich Landes, in dem Eimbek und Oldendorf M
liegen, andererseits das Ilmenau-Tal mit Lüneburg, Uelzen, Gerdau
Und Ebstorf, beides Weifisches Gebiet, wie das Braunschweigische
und das Cellisch-Hannoversche. Es wird nicht von ungefähr sein,
dass Ulenspiegel in der Nähe der Stadt Braunschweig geboren sein
soll und dass in den Lüneburg-Braunschweigischen Landen and in
dem dazwischen liegenden Bistum Hildesheim so manche Historien
localisiert sind, die sich durch vielfache Ortskenntniss und Anspie-
lungen auszeichnen: das Volksbuch muss hier entstanden sein.
Wie genau der Erzähler in diesen Landschaften Bescheid weiss,
zeigen die bezüglichen Historien überall. Nicht bloss die Dörfer und
ihre Lage kennt er; auch kleinere Flüsse und Waldgebirge, wie die
Gerdau und den Elm oder Melm. .Wenn U. in Hi. 16 von Rofendal
über Peine gen Celle reitet und dennoch in Peine den Burgleuten
scherzend Coldingen an der Leine als seinen Ausreiseplatz angiebt,
so entspricht das alles genau der geographischen Lage der Orte.
Von der Schuhmacher zu Helmstedt Bedeutung für das Gewerbewesen
dieser Stadt ist oben schon die Rede gewesen. Den Goslarer Geist-
lichen Heinrich Hamenstede der Hi. 64 hat Lappenberg mit Hülfe
LüntzeFs aus dem Jahre 1496 nachzuweisen vermocht; desgleichen
den Arnold Papenmeyer, Abt zu St. Aegidien in Braunschweig, dessen
in Hi. 1 Erwähnung geschieht. Papenmeyer starb, wie Lappenberj?
richtig angiebt, ha Jahre 1510. Wann er zu seiner Würde gelangt
sei, ist nicht überliefert; sein Vorgänger Johannes Stange lebte noch
1489, s. Dürre, Geschichte der St. Braunschweig im Mittelalter S.
508. Als der Rat der Stadt im März 1502 die Accise auf Korn er-
höhte, wollte er die Satzung für seine Mühle zu St. Aegidien nicht
anerkennen und processierte mit dem Rate, verklagte ihn beim Herzog
und wollte ihn gar schliesslich in den Bann bringen, bis ihn jählings
am 25. April 1510 der Tod übereilte. Er war ein geborner Braun-
schweiger, Sohn eines Bürgers aus der Altenwiek. Weiteres über ihn
s. bei Hänsehnann, Braunschw. Chroniken H, 406 f. und 544 ff. Diese
Daten sind wichtig für die niederdeutsche Ausgabe des Volksbuches,
deren S sich bedient hat zur Uebertragung insHd.; denn nach 1502
wäre ihm gewiss nicht das ehrende Prädicat wirdig gegeben worden,
wenn der Verfasser ihn zu nennen überhaupt noch für passend ge-
halten hätte. Die Zeit vor 1502 stimmt aber auch mit der Angabe
der Vorrede, wonach die Abfassung des Buches ins Jahr 1500 fallt.
Daran dass der Abt wirklich, wie Hi. 1 berichtet, damals im Besitz
der Kirche und dos Dorfes zu Ampleven gewesen ist, hege ich keinen
Zweifel, obschon es sich nicht nachweisen lässt. Sind doch die übrigen
*) Ili. 88, wo der Name aber in Oldenburg verderbt ist. An Lappenberg^s
'Annahme, dass eins der Oldendorf genannten, bei £imbek gelegenen Dörfer ge-
meint sei, ist nicht zu zweifeln.
Nachrichten über die Geschichte Ton Ampleven, däss os aiifängtich
den von Utzen gehört habe und hernach wegen deren Räubereien
von den Magdeburgiern und ihren Bundesgenossen zerstört sei, ur-
kundlich richtig. Da der Rat von Braunschweig im Jahr 1433 die
Burgstätte mit allen Zubehörungen samt dem Patronat der Dorf kirche
vom Braunschweiger Herzog gekauft hatte (Dürre S. 364), so wird
Arnd Papenmeyer durch den später von ihm so angefeindeten Rat
in den zeitweiligen Besitz gekommen sein.
In dieser ersten Historie wird als Braunschweiger Sitte erwähnt,
dcis man die kinder nach der töffe in das bierhvß tregt, vnd find frclich
vnd vertrincken die kinder alfo^ das mag dann des kinds vatter hezcdn.
Dieser Brauch war allgemein norddeutsch. Daher rührt das nd.
Wort kindelbeer für Kindtaufsschmaus, das vom Mnd. Wb. aus ver-
schiedenen Gegenden belegt wird; dass Braunschweig darunter fehlt,
ist sicher nur Zufall. In Ditmarschen verlangen nach der Reformation
(ca. 1540 — 50) die Geistlichen, dass die Kindelbiere frei gegeben
werden möchten. Es gehe der Zwang des Kindelbiers so weit, dass
die gaden (vgl. S: douffgötel)^ naber fchen unde de van der drankfchop
(Trinkgelage, Fest) wegen, darto vorplichtety willen dat ungedofte kind
to der dope nicht vören, fe hebten denne vorfekeringe efte borgen vor
dat kindelbeer; s. Noocorus, Chronik des Landes Dithmarschen, hrsg.
von Dahlmann II, 147. Man wird den Vorgang genannt haben ^das
Kind vertrinken", grade wie man noch jetzt nach einer Beerdigung
;,das Fell oder die Haut versäuft".
Mit der Stadt Braunschweig ist der Verfasser offenbar gut be-
kannt. In der Historie 19 kommt Ulenspiegel zu der Bäckerstube,
in deren Nähe ein Bäcker wohnt, welcher U. in sein Haus ruft und
ihn fragt, was für ein Geselle (Handwerksmann, S 1519) er wäre,
worauf dieser antwortet, er sei ein Bäckerknecht, d. h. Bäckergeselle.
K giebt beckerftube durch beckergaff el wieder; er fasste jenen Ausdruck
in S demnach als Gildehaus oder. Innungsherberge der Bäcker auf,
und so mag auch S ihn wohl verstanden haben, denn in Strassburg
sagte man dafür eben ftube. Ein solches Haus kann aber nicht ge-
meint sein, weil ein auf der Bäckerherberge zuwandernder Geselle
nicht erst nach seinem Handwerk gefragt zu werden brauchte. Und
ftove hat im Mnd. beinahe ausschliesslich den Sinn von Badstube.
Aber von einem beckerftoven, einer nach den Bäckern genannten Bad-
stube, in Braunschweig wird sonst nichts berichtet. Zunächst möchte
man vermuten, dass bi^ckerftove aus fteker-^ fteckerftove entstellt sei.
Aber diese Badstube lag ziemlich weit entfernt von der Stelle, an
welcher die spätere Localtradition das Haus des Bäckers suchte, vom
Bäckerklint. An dem Platze, der diesen Namen führt, liegt ein Haus,
das bei einem Neubau zu Anfang des 17. Jhdts mit einem Standbilde
Eulenspiegel's versehen worden ist, weil er hier als Bäckergeselle ge-
arbeitet haben soll; s. Steinacker, Führer durch Braunschweig S. 72.
Vielleicht ist sein Bild damals nur erneuert worden. Jedenfalls ist
die Uebcrlieferung glaubwürdig, insofern die dem Bäckerklint sehr
4*
52
naKe gelegene, ohne besonderen Namen nachweisbare Badstabe am
Petri-Tore füglich so geheissen haben kann. Möglicherweise mag
sogar im nd. Ulenspiegel der Bäckerklint genannt, der Name aber
von S unterdrückt worden sein, da er denselben sicher nicht verstand ;
ist doch Mint (lat. clivus, Anhöhe, Hügel) schon im Mnd. so veraltet,
dass es nur noch in Ortsbezeichnungen begegnet. Nachdem U. von
seinem Meister den Abschied bekommen hat, kehrt er in die Herberge
zum wilden Mann ein. So hiess früher ein Haus in der, vom Bäcker-
klint nach dem Altstadtmarkt führenden Breitenstrasse, ;,ob schon
im Mittelalter, ist unerwiesen^ (Dürre S. 697; vgl. Ribbentrop, Be-
schreibung der Stadt Braunschweig I, 90), wenn wir nicht das Zeugnis
unseres Volksbuches dafiir gelten lassen wollen. Am andern Tage,
welcher der St. Nicolaus-Abend war, ging U. bei der Kirche stehen
und verkaufte seine gebackenen Eulen und Meerkatzen; an wen, da^
sagt uns der Tag. Wenngleich nämlich die Schüler der St. Blasius-
Stiftsschule seit 1407 sich am 5. December, dem Vorabend des Nico-
laus-Festes, keinen Kinderbischof mehr wählen durften (Dürre S. 567),
so wird" doch eine Feier zum Andenken an diesen Patron der Schulen
fortbestanden haben. Am 6. December ward ihm zu Ehren nach wie
vor ein feierlicher Gottesdienst in der Stiftskirche gehalten (Dürre
S. 401), das Vorfest am 5. vielleicht in der St. Nicolaus-Kirche; denn
dahin läuft der Bäcker, um sich an U. seines Schadens zu erholen,
während vorher die Kirche, bei der U. ausstand, nicht genannt wird.
Die Nicolaus-Kirche war nur eine kleine Kapelle. Doch scheint ihre
Nennung nicht etwa erst durch S in den Text gekommen zu sein;
und der Verfasser wird sie nicht nur wegen des Heiligen gewählt
haben. Sie lag nämlich am Damme, einer hauptsächlichsten Ver-
kehrsstrasse, und in beträchtlicher Entfernung vom Bäckerklint, sodass
sowohl der rasche Absatz der Backwaare als auch dass den Bäcker
die Kunde davon zu spät erreichte, geschickt motiviert erscheinen.
Nicht minder verrät der Verfasser seine Ortskenntniss in den
übrigen Braunschweigischen Geschichten. Den Stiefelmacher der Hi,
45 lässt er auf dem Kohlmarkt wohnen; gewiss nicht ohne Grund,
denn die nach den Schustern benannte Schostrate zweigt vom Kohl-
markt ab. — In Hi. 56 reist U. von Leipzig nach Braunschweig und
kommt zu einem Gerber auf dem Damme. An dieser Strasse wohnten
vornehmlich Gerber, sodass sie auch der Gerberdamm hiess (Dürre
S. 703). Und wer von Leipzig, von Südosten kam, betrat die Stadt
nicht weit vom Damme. — Auch der in Hi. 55 den Leipziger Kürschnern
gespielte Streich, ihnen eine in ein Hasenfell genähte Katze als einen
Hasen zu verkaufen, weist nach Braunschweig. Die Geschichte ist,
wenig anders, wirklich in dieser Stadt geschehen, wo 1446 ein städtischer
Büchsenschütze Ernst Bock die Pelzer auf diese Weise narrte und
ärgerte; s. Hänselmann, Braunschw, Chron. II, 340.
Kissenbrügge lag nach Hi. 38 im Asseburger Gericht, das Ge-
richt gehörte dem Rate von Braunschweig. Das ist ganz richtig, und
nicht minder, dass U. den Pfarrer beim Bischöfe von Halberstadt
53
verklagen will ; denn Kissenbrügge lag in dessen Sprengel. — Hildes-
heim ist dem Verfasser gleichfalls nicht fremd. Er kennt das Dorf
Hohen-Eggelsen bei der Stadt, Hi. 37; und in dieser macht er einen
„ Heumarkt ^ namhaft, Hi. 64. Einen Markt dieses Namens kann ich
in Hildesheim nicht nachweisen, ein Neustädter Markt wird kaum durch
Druckfehler in S zum Heumarkt geworden sein. Uebrigens muss
die Stelle in der Historie auch sonst verderbt sein; denn wenn es
heisst recht in der ftraffen^ als man von dem hetvmarJU wü gon^ toont
ein reicher Jcouffman^ der gieng vff ein zeit vor dem felben thor fpacieren^
vnd wdt vff feinen garten gon,' so giebt das keine genügende Orts-
bestimmung, da doch von jedem Marktplatz und so auch von jenem
Markt in Hildesheim mehrere Strassen ausgehen. Es ist also aus-
gefallen die Angabe, wohin jene Strasse geführt habe, und weil es
nachher heisst, dass er ;,vor dem selben Tor^ spazieren wollte, so
muss vorher ein Tor genannt sein. Vermutlich klang der Name des-
selben dem Strassburger so sonde^-bar, dass er ihn als zugleich für
den Hergang unerheblich unterdrückt hat, unbekünmiert darum dass
auf dieses Tor nachher Bezug genommen wird. Nach den Proben,
die uns seine Bearbeitung bereits geliefert hat, ist dem Bearbeiter
eine solche Willkür und Geda^kenlosigkeit wohl zuzutrauen. Bei
einem selbständigen VerTasser wäre das aber ein unverzeihliches und
unglaubliches Versehen.
Von Büddenstedt wird in Hi. 11 gesagt, es sei ein Kirchdorf
im Lande Braunschweig, gehöre aber in kirchlicher Hinsicht zum
Stift Magdeburg. Die erstere Angabe stimmt noch heute. Ob das
Dorf in der Diöcese Magdeburg lag, ist nicht bekannt, weil das
Kirchenverzeichniss des nordwestlichsten Archidiaconats des Erzbis-
tums nicht überliefert ist. Da Büddenstedt jedoch zwischen den Halber-
städtischen Kirchen Scheningen und Helmstedt gelegen ist, an denen
die Grenze des Magdeburger Bistums hart vorbeilief, da femer Har-
beke, gleich nordöstlich bei Büddenstedt, Magdeburgisch war und da
endlich Büddenstedt nicht unter den Kirchen des Halberstädter Bis-
tums aufgeführt wird, so darf man die Angabe über die kirchliche
Zugehörigkeit des Dorfes zu Magdeburg für zuverlässig halten; und
Böttger hätte seine „Gau- und Diöcesan-Grenzen Norddeutschlands^
in Betreff dieses Kirchdorfes aus dem Ulenspiegel als gut historischer
Quelle vervollständigen können.
Dass der Verfasser das seit der ersten Hälfte des 15. Jhs. be-
rühmt gewordene Bier der Stadt Eimbek kennt, weshalb er Ulenspiegel
hier seine Schalkheit an einem Brauer üben lässt (Hi. 47) und in
einer anderen Historie (64) dies Bier nennt, zeugt noch von keiner
sonderlichen Kenntniss der Stadt. Wenn er aber in geschickter Weise
durch Erwähnung eines Turniers motiviert, weshalb ein Bauer aus
dem benachbarten Oldendorf mit einer Ladung Pflaumen nach Eimbek
gefahren sei (Hi. 88), so verrät er schon mehr Vertrautheit mit den
örtlichen und historischen Verhältnissen der Stadt. Denn ein Turnier
ist in Eimbek 1471, allerdings nicht im Sommer, wie die Historie
54
angiebt, sondern im October gehalten worden. Lappenberg (S. 28 1>
kannte nur ein solches aus dem Jahre 1322, bemerkte aber mit Recht,
dasselbe könne nicht gemeint sein, weil nach den Worten unseres
Textes (die fürßen von ßrunfchunck) da^lal8 mehrere Fürsten von
Braunschweig mit einander über Grubenhagen regiert haben müssten.
Das war der Fall 1471, als sich der eine derselben, Albrecht III.,
mit Elisabeth von Waldeck vermählte, zur Feier welcher Hochzeit
das Ritterspiel mehrere Tage lang auf dem Tiedexer Anger vor Eimbek
angestellt ward; s. Rehtmeier, Braunschlveig-Lüneburgische Chroniiti
S. 563 ; Havemann, Geschichte der Lande Braunschweig und Lüneburg
I, 721; Harland, Geschichte der Stadt Einbeck I, 265 f. und Conrad
Bothe's Cronecken der Saffen, z. J. 1475 (Leibnitii Scriptores Brunsvic.
III, 416).
Solche die Oertlichkeit der Historien charakterisierenden Züge
weisen so ziemlich alle diejenigen Erzähhmgen auf, welche in dem
oben umschriebenen Gebiete spielen : die Burg zu Celle vor der Aller
Hi. 26, dabei eine Brücke; der Damm zu Wolfenbüttel mit der Zug-
brücke Hi.* 38. Die Badstube vor dem Leinetor in Hannover Hi. (>9:
es ist der seit dem 14. Jh. nachweisbare Leinestoven auf dem Otten-
werder zwischen dem äusseren und inneren !teinetor, s. Grupen, Ori-
gines et antiquitates Hanoverenfes S. 374 und Ztschr. des histor.
Vereins für Niedersachsen 1871 S. 131. Dagegen ermangelt Hi. 71
jeder Localfärbung, so dass die Geschichte nur durch die Nennung
von Hannover an diese Stadt geknüpft ist; sogar der Name des Wirts-
hauses wird umgangen: „gond wider in die ftat^ *da hum ich vß der
herberg reiten,^ vnd endeckt inen dask hus. K dagegen: „gaü weder
in die ftat in die herberg teom gülden leuen^ da komen idk vßryden,^
Ob er das einer nd. Ausgabe entnommen hat? Der goldene Löwe
passt gut: er ist sowohl das Weifische Wappenbild, als auch im
Hannoverschen Stadtwappen befindlich.' Das erregt aber grade den
Verdacht, dass der Wirtshausname nur ein Zusatz von K sei, zumal
da (Lappenberg S. 271) auch A wie S das Haus ohne Namen lässt
und da E, statt dieses zu nennen, die Blinden zum Hansen Fritz in
die Herberge schickt. War aber* die Herberge im nd. Texte unbe-
nannt geblieben, so dürfte die Historie als eine dem ersten Druck
des Buches fremde anzusehen sein; denn es wäre unwalu'scheinlich,
dass der Verfasser, welcher die Lage des Leinestoven wusste, nicht
auch ein Wirtshaus in Hannover hätte nennen können oder, wenn er
es konnte, die Nennung gegen seine Gewohnheit (vgl. Hi. 19. 29. 46)
unterlassen hätte.
Auch die Lüneburger Heide ist dem Verfasser vertraut. Er
unterscheidet, wie es scheint, Uelzen ^das Dorf^ (Hi. 20) von der
Stadt Uelzen, wo der Jahrmarkt abgehalten wird, da dann viel Wenden
(aus dem nahen Wendlande) und ander Landvolk hinkommt (Hi. 68).
Von Gerdau weiss er, dass es ein Kirchdorf ist und am Wasser
Gerdau liegt; desgleichen kennt er das eine kleine Meile davon ent-
fernte Ebstorf als Nonnenkloster, dem ein Propst vorsteht (Hi. 67),
55
während dem Mönchskloster Mariental ein Abt vorgesetzt ist (Hi. 89).
Alle diese Angaben entsprachen der Wirklichkeit.
Weiter nach Norden und Nordosten beschränkt sich die Orts-
kunde des Verfassers auf einige grössere Städte, so z. B. Bremen.
Dass er die -Milchweiber (Hi. 70) und die Topfhändlerinnen (Hi. 87)
auf dem Markte ihre Waare feilhalten lässt, darauf ist wenig Gewicht
zu legen. Dagegen verdient Beachtung, dass er den Bischof auf das
Rathaus gehen lässt, um das Gebahren der von Ulenspiegel bestochenen
Häfnerin zu beobachten; denn das Rathaus lag seit 1410 am Markte,
während der nicht weit davon abgelegene Palast des Bischofs keinen
Ueberblick über den Platz gewährte. In dem scherzlustigenErzbischof
wird nicht, mit Lappenberg S. 280, Burchard Grelle 1327 — 1344 zu
sehen sein, sondern es scheint „der sehr beliebte und friedfertige^
Gerhard III. von Hoya 1442 — 1463 gemeint; s. Miesegaes, Geschichte
von Bremen III, 192. In Hi. 73 wird sowohl der Name der Stadt
an der Weser verschwiegen, wo U. Steine säet, als auch derjenige
der zehn Meilen davon entfernten Stadt, von wo U. nach Ditmarschen
fahren will, woselbst aber der Sack mit den Steinen liegen bleibt.
Lappenberg heisst das eine zarte Rücksicht (S. 274); allein, da er
selbst zugiebt, dass jene Angaben keine andere Deutung als auf
Bremen und Stade zulassen, so ist von Rücksichtnahme gegen beide
Städte wenig zu spüren, höchstens gegen die letztere. Denn die Bos-
heit war schwerlich gegen Stade gerichtet, eher gegen Hamburg, das
freilich ein paar Meilen weiter abliegt; aber die zehn Meilen könnten
eine abgerundete Zahl vorstellen. Der Erzähler, so darf man vielleicht
vermuten, hatte bei früherer Anwesenheit in beiden Städten Unan-
genehmes erfahren, worüber er hier so seinen Groll äusserte.^) Mit
den Bremischen Kaufleuten lässt er auch in Hi. 72 Ulenspiegel höchst
despectierlich verfahren. Aus Stade wird Hi. 44 eine harmlose Ge-
schichte erzählt, in welcher die Ei^wähnung des Trans als Localschil-
derung nur in weiterem Umfange gefasst werden kann und die Schalk-
heit UlenspiegePs nicht einen Stader Bürger, sondern einen Bauern
heimsucht.
In Hamburg (Hi. 74) hat der Verfasser Kenntniss vom Hopfen-
markt und dass an demselben ein Barbier wohnte in einem Hause
^) Lappenberg S. 274: „Dieser Schwank ist bei einem späteren Anlasse der
Heimath Ulenspiegels näher gebracht, nämlich nach der Stadt Braunschweig, unter
deren Bürger Tyll den Ungehorsam gegen ihren Landesherren ausgesäet haben
soll," in einem Liede (vom J. 1606) von Tuen Eulenfpiegeln, wie derfelbe in Braun-
fchtoeig die höfe vnnüUe hcUs/tarrige Bürger anfänglich gefeiet. — Eine alte Ver-
wendung der Redensart s. bei Hänselmann, Braunschwg, Chron. II, 256, 21 (a.
1491): dar me hen na Aken gheyt, viüichte is der fchelke dar ok befeyt, — Unab-
hängig von der Redensart und der Geschichte des Volksbuches scheint ein anderer
sprichwörtlicher Ausdruck entstanden zu sein, den Dähnert, Wörterbuch der Pom-
mersch. und Rügisch. Mundart, S. 503 verzeichnet: de is mit Ulen-Saad befeijt,
er ist zu einer unglücklichen Zeit geboren, alles läuft unglücklich für ihn. Hier
liegt wohl die Vorstellung von der Eule als Unglück verkündendem Vogel zu
Grunde; vgl. Grimm, Mythologie, 2. Ausg. S. 1088.
56
mit hohen Fenstern; auf Beobachtung deutet auch, dass Ulenspicgel
die Stadt zu Schilf verlässt. Aus den Hamburgischen Kämmerei-
Rechnungen, hrsg. von Koppmann, geht hervor, dass im 16. Jbdt ein
Haus des Rates am Hopfenmarkt nacheinander von wenigstens zwei
Barbieren bewohnt gewesen ist (1511 — 1516 de mefter Petersfche.
also die Witwe eines Barbiers, Bd. V, 89, 12; 1533 S. Peter Möring,
S. 487, 11, vgl. mit den Hamburgischen Zunftrollen, hrsg. v. Rüdiger,
S. 14. 17). Für das 15. Jhdt entgehen uns freilich sichere Zeugnisse.
Die hohen Fenster im hohen Erdgeschoss sind eine Eigentümlichkeit
der mittelalterlichen Giebelhäuser in Hamburg. — Das H. Geist-
Hospital in Mölln (Hi. 90) hat existiert; s. Lappenberg S. 287. Von
Beginen (Hi. 91 und 94) ist nichts überliefert. Vielleicht sind die
weiblichen Insassen des Spitals damit gemeint.
Die Geschichte der Hi. 57 und 58 ist an den schon im Mittel-
alter berühmten Lübeker Rathskeller und an das bekanntlich scharfe
Lübische Recht geknüpft. Der Weinzäpfer wird Lambrecht genannt.
Nach Lappenberg S. 260 lässt sich derselbe nicht als historisch nach-
weisen, was Herr Staatsarchivar Dr. Hasse auf meine Anfrage gütigst
bestätigte. Falls unter „Weinzepfer^ nicht, wie Lappenberg es ver-
stehen möchte, der Herrenschenke oder Kellerhauptmann zu verstehen
ist, sondern was das Wort besagt, ein untergeordneter Beamter, so
wird wohl niemals sich nachweisen lassen, ob der Verfasser des Volks-
buches den Namen Lambrecht einer wirklichen Persönlichkeit entlehnt
oder willkürlich gewählt hat. In letzterem Falle zeugt der Name
jedenfalls von guter Beobachtung. Die Lübeker (und auch die Ham-
burger) Herrenschenken nemlich, so weit sie bekannt sind, pflegten,
nach ihren Namen zu schliessen, aus dem westlichen Deutschland ge-
kommen zu sein, was sich ja ganz leicht erklärt. So selten nun der
Name Lambrecht oder Lambert nördlich der Elbe sich findet, so
häufig ist er grade in jenen westlichen Gegenden. Im Jahre 1583
z. B. hiess der Lübeker Herrenschenke Lambert von Sitterdt (Sittard
im Niederländischen Limburg) ; s. Wehrmann, Der Lübeckische B^ths-
weinkeller, in der Ztschr. für Lüb. Gesch. II, 81. — An der Wert-
angabe des von Ulenspiegel umsonst gekauften Weines, bei S 10
Pfennig, bei K 12 Pf., bei E 40 Pf. (Lappenberg S. 159) hat Lappen-
berg S. 261 auszusetzen, dass diese Summen nicht den Wert erreichen,
auf dessen Diebstahl der Sachsenspiegel und das alte Lübeker Statut
die Strafe des Galgens setzen. Man darf aber einen so genauen
Massstab nicht anlegen. Wichtiger erscheint die Angabe von A: 10
Witten (Lappenberg S. 159), wozu die 40 Pf. in E stimmen. Diese
Münzbenennung zeugt wieder von der guten Vorlage der Antwerpener
Uebersetzung ; denn der Witte (= 4 Pf.) ist eine echt Lübekische
Münze. Es kommen viele Geldangaben im Eulenspiegel vor. Grössere
Summen werden durchweg nach dem Gulden, der durch ganz Deutsch-
land verbreiteten Münzsorte, berechnet; Ausnahme wird gemacht mit
Erfurt (Hi. 29), wo nach Schocken alter Groschen gerechnet wird.
Desgleichen wird im Auslande die dort geltende Münzsorte gewählt.
67
in Dänemark Dänische Mark (Hi. 23), in Polen Gulden (Ili. 24), in
Rom Ducaten (Hi. 34). Betreffs des Kleingeldes wird ebenfalls ab-
gewechselt je nach dem am Orte geltenden Münzfuss: in Halberstadt,
Hildesheim Schillinge (Hi. 18. 64), Celle Schillinge Pfennige (Hi. 26),
Bamberg Pfennige (Hi. 33), Quedlinburg Stephansgroschen (Hi. 36),
Leipzig Silbergroschen (Hi. 55), Cöln Cölnische Weisspfennige (Hi. 80).
So wird auch die Rechnung nach Witten zu Lübek in Hi. 57 aus
dem nd. Original stammen. — Zur Leistung der von Ülenspiegei
unter dem Galgen ausgesprochenen Bitte (Hi. 58) werden die Keller-
beamten nacheinander von ihm gefordert: das dann der weinzepffer
ivoU kummen all morgen 3 tag la^ig^ der fchenck eu dem erften^ der
greiben fchinder darnach. Das kann unmöglich richtig sein. Mit
greibenfchinder hat noch niemand etwas anzufangen gewusst. Ji hält
sich an fchinder^ beseitigt den Schenken und macht sich den Text
willkürlich, aber sehr verständig folgendermassen zurecht: dat dan
der tcynjBepper will körnen 3 morgen na einander, der richterbode vnd
fchelmenfchinder darnae^ vnd dieffhencker ; alles offenbar Konjektur
auf Grund der Lesart von S. Anders hilft sich A (Lappenberg S.
159): U. verlangt den ganzen Rat und den Bürgermeister zuerst.
Simrock lässt ihn samt dem Schenken einfach weg. Lappenberg S.
446 leitet greibe von mhd. griebe^ ausgeschmolzenes Speck, Excremente;
er meint also das Geschäft, das sonst durch racker ausgedrückt ward.
Aber wie kommt der unter die Weinkellerbeamten? Auch lässt sich
das angenommene Compositum nirgends sonst nachweisen. Hier muss
ein Verderbniss vorliegen, welches daher entsprang, dass ein lieber-
setzer den nd. Text nicht verstand und die Lübischen Verhältnisse
nicht kannte. Wehrmann teilt im angeführten Aufsatz (Ztschr. für
Lüb. Gesch. H, 79 f.) den Inhalt einer Aufzeichnung vom J. 1504
mit, die vom damaligen Kellerhauptmann herrührt und deren Gegen-
stand eine Darstellung der Verfassung und Verwaltung des Weinkellers
bildet. Danach standen unter dem Herrenschenken als Personal des
Kellers vier sog. Gesellen, nemlich ein Bänder fbender?] oder Binder,
ein Schreiber und zwei Zapfer; weiter zwei Kohlgreven*), denen ins-
besondere die Heizung und Reinigung des Kellers oblag, und zu
fernerweitigen Dienstleistungen noch vier Bediente, welche Sclaven
oder Schlaven [ßaven ?] genannt wurden. £imge dieser Beamten zählt
Ülenspiegei auf. Der Zapfer und Schenke sind von S belassen. In
der greiben wird man den Plural de greven oder kolgreven erkennen
dürfen. Auf völlige Wiederherstellung des ursprünglichen Textes muss
wohl verzichtet werden; denn es lässt sich mehr als eine Art der
Entstellung des Uebrigen denken.
Gehen wir weiter nach Osten, so finden wir von Wismar in Hi.
65 angegeben seine Lage an der See, in Hi. 46 einen Gasthof zum
') d. h. Kohlengrafen. Das nd. greve wird bekanntlich nicht nur zur Be-
zeichnung einer hohen Würde, sondern auch für geringere Aemter verwendet:
greve bedeutete in einigen Gegenden „Bauervogt, Schulze", hogreve „Amtmann,
AmtsYOgf^ \ fpelegreve heisst „das Haupt der Spielleute".
58
gülden Sternen namhaft gemacht, während 41 und 43 nichts topo-
graphisches erwähnen. Herr Dr. F. Crull in Wismar hat die Grüte
gehabt, mir über den Wirtshausnamen zu schreiben, dass derselbe
sich nicht nachweisen lasse, was freilich seine Nichtexistenz nicht
bedinge; denn die Wismarer Stadtbücher seien mit Ausnahme der
ältesten untergegangen. Aus dem J. 1538 bat Herr Dr. Crull sich
in seinen Aufzeichnungen von Häusemamen ein goldenes Hom notiert.
Da S, wie wir gleich sehen werden, in Erfurt einen nachweisbaren
Hausnamen corrumpiert hat, so könnte er hier ähnlich verfahren und
einen verbreiteteren Namen an die Stelle des seltenen gesetzt haben.
Von Wismar an geht dem Verfasser die Localkenntniss aus.
Wenn Murner wirklich der Verfasser des Volksbuches sein sollte,
oder auch nur als Bearbeiter selbständig mit dem Stoflf geschaltet
hätte, so wäre das in Bezug auf Rostock ganz unbegreiflich, da er
als Student sich in dieser Universität aufgehalten hat (Lappenberg S.
389). Aber in allen Historien, die zu Rostock oder in dessen Nähe
passieren (39. 40. 50. 81), begegnet nichts, was darauf schliessen
Hesse , dass der Verfasser dort gewesen wäre. Ebenso gebricht auch
allen anderen Erzählungen, die in den Osten verlegt sind, jede auf
Anschauung des Verfassers beruhende Localschilderung, so in Pommern
Hi. 31, in Berlin Hi. 43. 54, in Frankfurt an der Oder Hi. 85, in
Polen Hi. 24; desgleichen im Norden in Dänemark Hi. 23. Nicht ein-
mal die Residenzstädte werden in den letzten beiden Historien genannt.
Doch lassen sich vielleicht die historischen Angaben der beiden zuletzt
genannten Erzählungen für die Geschichte des Volksbuches verwerten.
Wenn nemlich Hi. 23 gesagt wird, Ulenspiegel sei bei dem Könige
von Dänemark bis an dessen Tod geblieben, so darf wohl daran er-
innert werden, dass Christian I 1481 starb und dass nach C 1539
das Volksbuch 1483 abgefasst ist: beide Daten möchten wohl in
Beziehung zu einander stehen. Auch vom König Casimir von Polen
wird in Hi. 24 als von einem bereits Verstorbenen gesprochen.
Lappenberg S, 243 sucht in diesem Könige Casimir den Dritten
(1333 — 70). Ich denke, Casimir IV, welcher 1492 starb, hat als
Zeitgenosse mehr Wahrscheinlichkeit für sich. Ist dies aber der
Fall, dann muss Hi. 24 erst durch eine jüngere Bearbeitung dem ur-
sprünglichen Bestände des Buches hinzugefugt sein.
Auch nach Stendal scheint den Verfasser sein Lebenslauf nicht
geführt zu haben, denn Hi. 51 ist so gehalten, dass sie ebenso gut
in eine andere Stadt hätte verlegt werden können. Anders wird das,
wenn wir Ulenspiegel südlich ins Magdeburgische und zumal ins
Halberstädtische begleiten. Hier ist der Verfasser wieder, wenngleich
nicht völlig, doch ziemlich daheim, wie er das sinnig in Hi. 2 durch
die Herkunft der Mutter seines Helden aus dem Saallande andeutet.
Zwar erfahren wir den Namen des Fleckens nicht, in den die Eltern
von Knetlingen einwanderten, aber doch dass er an der Saale lag
(Hi. 3) und in der Nähe von Stasfurt (Hi. 6); ebensowenig, wie das
Dorf bei Stasfurt hiess, wo Ulenspiegel den Himd schund (Hi. 82 und
59
83). Ganz so genau, wie im Braunschweig-Lüneburgischen sind also
die Angaben nicht, wie denn auch in Magdeburg (Hi. 14) nur das
Rathaus erwähnt wird; doch zeugt eben, wie es in der Geschichte
verwendet wird, dass der Verfasser in der Stadt Bescheid wussts.
Ulenspiegel will nemlich von der Laube des Rathauses fliegen. In
den meisten norddeutscheir Städten wäre ihm das zu versuchen un-
möglich gewesen, weil* die Rathauslaube * einen Raum im Gebäude
ausmachte. In Magdeburg dagegen, wie aus der Schöppenchronik
hervorgeht, bildete die Laube eine Art Altan auf Säulen am Rathause.
Vom Gevekenstein ist schon die Rede gewesen. Der Erzbischof wird
Bruno von Querfurt genannt. Zwei Mitglieder äieser adelichen Familie
haben das Erzbistum innegehabt, jedoch kein Bruno, sondern Conrad
von 1134—1142 und Albert von 1383 bis 1403. Doch ist die Wahl
des Vornamens erklärlich, weil er in der Familie vorkam und weil
der letzte des Geschlechtes, mit dem dasselbe 1491 ausstarb (Schöppen-
chronik S. 418), so hiess. Von der Burg und Stadt Bernburg des
Grafen von Anhalt (Hi. 22 und 49) wird nichts specielles gemeldet.
Aber in Halberstadt (Hi. 18) muss der Verfasser gewesen sein; denn
einmal nennt er den Dom zu St. Stephan. Niemann, Die Stadt Halber-
stadt, 1824 meldet freilich nicht, wem der Dom geweiht war, wohl
aber die von Weiland herausgegebene Sächsische Weltchronik S. 215, 8:
Stephanus war der Schutzpatron des Bistums Halberstadt. Ferner
weiss der Verfasser, dass man zum Domhof hinauf gehen muss; der
Halberstädter Domplatz liegt indertat auf einer Anhöhe, die aus der
Ebene der ihn umgebenden Stadt emporragt. Auch in Quedlinburg
zeigt er sich orientiert (Hi. 36). Er nennt das Burgtor, weiss, dass
daselbst ein Stift unter einer Aebtissin vorhanden und dass, weil die
Stadt zum Halberstädter Bistum gehörte, dar Stephansgrosclien die
gangbare Münze ist.
Von hier an nach Südosten nimmt seine Localkenntniss allmäh-
lich ab. Die Historie (52) aus Aschersleben ist farblos. Der Wirt
in Eisleben (Hi. 78) ist aber so charakteristisch gezeichnet, dass man
eine Schilderung nach dem Leben anzunehmen geneigt wird. Auch
hat die Erzählung sonst noch einige bereits besprochene Züge, die
einen zeitweiligen Aufenthalt des Verfassers in Eisleben und im Mans-
feldischen vermuten lassen. Bei Sangershausen wird gar ein Dorf
Nienstedten namhaft gemacht (Hi. 31). Die Leipziger und die Dres-
dener Geschichte (Hi. 55 und 62) könnten ohne Eintrag derselben
auch anderswohin verlegt worden sein. Dass jene eigentlich nach
Braunschweig gehört, habe ich bereits bemerkt. Dass sie dieser Stadt
nicht angeeignet wird, darf wohl als ein Zeugniss für den Braun-
schweigischen Ursprung des Volksbuches gefasst werden; denn der
gleiche, im J. 1446 aufrührerischen Braunschweiger Bürgern gespielte
Streich hatte grosse Erbitterung hervorgerufen und war gewiss 1483
noch unvergessen. Um die Lage Dresdens vor dem Böhmerwald
(Erzgebirge) und an der Elbe zu wissen, brauchte man auch im 15.
Jh. nicht erst dahin zu reisen. — Auch die Cölner Erzählungen (Hi.
60
71) und 80) und die Antwerpener (Ili. 86) weisen nichts eigentümliches
auf, als was man durch Uüchcr oder mündlichen Bericht wissen konnte,
wie dass man in üöln nrich Cölnischen Weisspfennigen rechnete und
dass nach Antwerpen auch holländische Kaufleute zu kommen pflegten.
Es fällt auf, dass nach Süden hin die Geschichten wieder mehr
Staffage bringen, teils topographische, teils historische. Nicht alle;
die Erfurter (Hi. 60 und 61) und noch mehr die Nürnberger (Hi. 77)
sind allgemein gehalten und werden darum vielleicht für jüngere Zu>
Sätze zu halten sein, wenigstens Hi. 77, die auch aller nd. sprach-
lichen Spuren bar ist. Dagegen zeichnen sich diejenigen Erzählungen,
welche nach Andeutung* der Vorrede und nach Lappenberg' s Ermittelung
aus dem Schwankbuche vom Pfaffen Amis stammen, durch Detailmalerei
aus. In Nürnberg (Hi. 17) wird das neue Spital erwähnt, woselbst
der heilige Sper Christi mit anderen merklichen Stücken sich befindet.
Seit 1424 wurden die Reichs-Kleinodien und -Reliquien in der Kirche
des H. Geists oder Neuen Spitals zu Nürnberg aufbewahrt. Unter
den letzteren befand sich auch das fper gotes, wie es in der Ueber-
trags-Urkunde des Kaisers Sigmund heisst, lancea qua fervatoris in
cruce pendentis latus fuit perfoffum; s. Wagenfeil, De Civitate Nori-
bergenfi p. 223 fqu. und von Murr, Beschreibung der Merkwürdigkeiten
in Nürnberg S. 195 ff. Mit der Hessischen Residenzstadt Marburg
(Hi. 27) scheint der Verfasser nicht aus Anschauung bekannt gewesen
zu sein; aber von der Abstammung und Genealogie der Hessischen
Fürsten offenbart er teils richtige, grösstenteils jedoch fabulose
Kenntnisse. Gelegentlich der Disputation in Prag (Hi. 28) weiss er
von Wickliffe, Johann Huss und den Hussiten zu erzählen und moti-
viert die schnelle Abreise Ulenspiegers durch einen Charakterzug der
dortigen Universitätslelyer oder der Prager Bevölkerung. Auf die
Mitglieder der Erfurter Universität (Hi. 29) erlaubt er sich einen
spöttischen Ausfall. Auch kennt er ein Wirtshaus eum Tomen^ was
K als eom Thoirn (zum Turm) fasat, damit zugleich einen Sprachfehler
bessernd; denn der Dativ „^orweW* vom stark flectierenden torn oder
hd. turn ist unmöglich. Dem Strassburger ist aber hier wohl ganz
wie in Hi. 1 bei funte yflienj der Lesefehler passiert, ein y für ein
n anzusehen : es wird torney gestanden haben. Die Erfurter Ausgaben
benennen die Herberge mit dem Synonym ztim Thornier; s. Lappenberg
S. 246. In der letzten Amis-Geschichte, die nach Pommern verlegt
ist (Hi. 31), findet sich nichts locales; dass die Pommerschen Priester
sich mehr an das Saufen, als das Predigen hielten, wird der Verfasser
wohl vom Hörensagen gehabt haben.
Zu solchen in südlicheren Städten, woselbst der Verfasser mehr
oder minder Bescheid weiss, localisierten Historien sind ferner zu
rechnen die Nürnberger Hl. 32, die Bamberger 33, die beiden Frank-
furter 35 und 63 und die Römische 34.
In Nürnberg sah Ulenspiegel die Scharwächter im Harnisch
nachts in einem grossen Kasten unter dem Rathause schlafen. Er
hatte da zu Nürnberg Weg und Steg wohl gelernt und sonderlich
den Steg bemerkt, der zwischen dem Saumarkt und de (den 1519)
hüselin liegt, wo des Nachts bos über wandeln ist. Darauf baut er
einen Plan. Er bricht in einer Nacht aus dem Steg drei Dielen oder
Bohlen heraus, reizt dann die Wächter im Rathause durch Lärmen
zu seiner Verfolgimg und lockt sie zu jenem Stege, über dessen Lücke
er sich hinweghilft, während die Häscher in die Pegnitz fallen und
sich noch obendrein wegen der Scbmalheit der Lücke die Gliedmassen
verletzen. Von wem diese Darstellung herrührt, der muss in Nürnberg
allerdings Weg und Steg gewusst haben, muss die Stadt aus eigener
Anschauung gründlich gekannt haben; denn alle Angaben treffen aufs
genaueste mit dem übereiir, was wir von der damaligen Beschaffenheit
Nürnbergs wissen. Ueber die Geschichte des Nürnberger Rathauses
hat E. Mummenhoff in den ^Mitteilungen des Vereins fiir Geschichte
der Stadt Nürnberg« Heft V, 1884, S. 137 ff. gründliche Forschungen
angestellt, die er dann vervoliständigt und in dem ausgezeichneten
Buche ^Das Rathaus in Nürnberg*' 1891 abgeschlossen veröffentlicht
hat. In beiden Arbeiten giebt er eine Ansicht der alten Fassade
vor dem Neubau nach einer Handzeichnung v. J. 1614. Da findet sich
an dem Teile des Gebäudes, der an der Südostseite und nach dem
Saumarkt hin liegt, ein Schutzdach über einer Bank, die als ^Schützen-
banck*' bezeichnet ist. Auf S. 30 seines ;, Rathauses^ erteilt Mummen-
hoff darüber Auskunft. Die städtische Polizeiwache führte den Namen
der ^Schützen«. „Im Beginne des 16. Jhdts war ihnen ein Lokal,
wohl ein Gewölbe 'unterm Rathause\ auf dessen Südseite eingeräumt,
wo ja später bekanntlich das sogenannte Schützengewölbe sich befand.^
;yl538 bestand die Wache aus sechs Mann.^ Entweder ist dies Ge-
wölbe mit „dem grossen Kasten^ in Hi. 32 gemeint, oder aber das
Volksbuch schildert einen früheren Zustand, da etwa anstatt des Ge-
wölbes und wohl an der Stelle der Bank eine den nötigen Schutz
gegen Unbill der Witterung gewährende Bude für die Schützen am
Rathause angebracht war. Betrachtet man ferner den historischen
Plan von Nürnberg, der dem fünften Hefte der „Mitteilungen*' bei-
gegeben ist, so findet man den Saumarkt in dem späteren Trödelmarkt
auf einer Pegnitz-Insel wieder. Von ihm fuhrt der sog. Henkerssteg
beim Unschlitthause vorbei auf einen Platz, welcher den Namen beim
Hieferle führte. Wie M. Bach in den „Mitteilungen^ V, 59 sagt,
kommt diese Bezeichnung beim Uießerle schon 1397 vor; dagegen sei
das Unschlitthaus, nach welchem der Platz heute Unschlittplatz oder
-markt heisst, erst 1490 gebaut. Die Form des Namens in S ist
demnach eine umdeutende Entstellung.
In Bamberg ist der Name der Wirtin Künigine trefflich gewählt.
Bamberg war die Lieblingsstadt Kaiser Heinrichs des Heiligen und
seiner gleichfalls im J. 1200 canonisierten Gemahlin Kunigunde, von
welchen auch der Dom dieser Stadt herrührt. Der Name Kunigunde
wird also sicher in Bamberg beliebt und häufig gewesen sein.
Aus Frankfurt am Main ist von dem Verfasser die Messe, der
Römer und die Judengemeinde zum Aufbau einer Erzählung verwendet.
«2
•
Eine zweite kmipft er an die Bedeutung der Stadt als Ort der Kaiser-
wahl. Aus der Umgegend ist ihm die Wetterau und die Stadt Frid-
berg bekannt. Ausserdem entwickelt er historische Kenntnisse, die
aber sehr verwirrt sind. Lappenberg hat sie nach ihrem Werte ge-
würdigt, s. S. 263. Wenn er jedoch die Vermutung äussert, dass
Supplenburg aus Lützlenburg entstanden sei, so kann ich ihm nicht
beipflichten, stimme vielmehr seiner eben vorher kundgegebenen ver-
ständigen Bemerkung zu, es erkläre sich leicht, wie ein niedersächsischer
Erzähler den Namen des der Heimat seines Helden benachbarten
Supplenburg in den Text — sagen wir richtiger, in seine eigene Er-
zählung — brachte.
Dass in Hi. 34 zu Rom der dortigen Währung gemäss Ulen-
spiegel's Wirtin nach Ducaten rechnet, ist schon erwähnt. Bedeutender
ist die Kenntniss, dass der Papst monatlich einmal in der Kapelle,
die da heisst Hierusalem zu St. Johanns Latronnen Messe lesen muss.
Die Basilica St. Johannis im Lateran, eine der sieben Hauptkircheu
Roms, quae prima orbis ecclefiä dicitur (Aeneas Sylvius, Hiftoria
Friderici HL Imperatoris), war ^die eigentliche bischöfliche Kirche
des Papstes, von der er nach seiner Krönung feierlich Besitz uimmf^
(Daniel, Handbuch der üeographie H, 258); und der Hochaltar heisst.
wie mir Herr Professor von Pflugk-Harttung mitteilt, noch altare
papale. Somit mag es mit der monatlichen Messe des Papstes in
dieser Kirche seine Richtigkeit haben, obschon ich darüber, sowio
über die Kapelle Jerusalem in der Kirche nichts habe sonstwo finden
können. Nacli Zeiller, Itinerarium Italiae, S. 14G liegt noch eine
Kirche, die H. Kreuzkirche ;,in Jerusalem genant^ auf demselben
Mons Caelius oder Lateranenlis, die aber schwerlich gemeint sein kann,
da sie eine ziemliche Strecke von der St. Johannis Kirche entfernt
und selbst eine der sieben Hauptkirchen ist.
Von den besprochenen Erzählungen verraten die Marburger (27),
die Prager (28), die Bamberger (33), die Römische (34), die l)eiden
Frankfurter (35. G3) durch stehen gebliebene nd. Sprachbrocken, 03
auch durch die Nennung des Grafen von Supplenburg ihre Herkunft
aus einem nd. Texte. Hingegen habe ich für solche Herkunft der
drei Nürnberger (17. 32. 77) und der drei Erfurter (29. 60. ül) bis
jetzt in der Sprache keine Beweisgründe zu finden vermocht, als
höchstens für 29 und 00 die Namensform Ertford, Bemerkenswert
ist dabei, dass von den fünf Amis-Geschichten S zwei (27. 28) sicher
und eine (29) vielleicht einer nd. Vorlage entnommen hat, während
es von zweien (17 und der Pommerschen 31) ungewiss bleibt. Da-
gegen darf man von Ueiden Historien (14. 23), welche dem Kalen-
berger entnommen sein sollen, bestimmt behaupten, dass sie nicht
nur aus einem nd. Text herstammen, sondern dass sie auch unab-
hängig vom Kalcnberger erzählt sind.
Die Grabschrift Ulenspiegers.
Die Historien 93 — 90 enthalten auffällige Widersprüche. Hi. 94,
wo ü. auf dem Bauche liegend, und Hi. 95, wo er aufrecht begraben
63
•
wird, schliessen einander aus. Beide hinken hinter Hi. 93 her, da
U. hier nicht bloss bestattet wird, sondern nach vier Wochen wieder
ausgegraben werden soll; auch wird hier keiner zufällig ungewöhn-
lichen Bestattungsweise Erwähnung getan. Scherer (S. 32) hat des-
halb gemeint, mit den Schlussworten dieser 93. Historie könnte das
Buch in seinem ersten Entwurf sehr wohl geschlossen haben: alfo
belib er ligen in feinem grab vnd im tcard en gdechtniß ein ftein vff
fein grab gfeizt^ als man noch ficht. Dass A die Hi. 93 und 94 als
Ein Kapitel giebt, brauchte solcher Annahme nicht entgegenzustehen.
Aber es Hesse sich mit gleichem Fug annehmen, dass Hi. 95 den
ursprünglichen Schluss gemacht habe, weil Hi. 93 eine Beschreibung
des Grabsteines vermissen lässt, dass also Hi. 93 und 94 eingeschoben
seien. Oder soll man diese im Epitaphium der Hi. 96 sehen? Da-
gegen muss wieder eingewandt werden, dass nach Hi. 93 U. in Mölln
gestorben und beerdigt ist, Hi. 96 aber sein Grab nach Lüneburg
verlegt. Diese Angabe passt jedoch ebensowenig zu Hi. 95, weil
nicht nur aus 93 und 94, sondern auch aus 89 — 92 mit Notwendigkeit
Mölln als Ort von Ulenspiegel's Ableben hervorgeht. Den Anstoss
suchte Scherer (S. 33) zu beseitigen, indem er behauptete, die ganze
Hi. 96 sei offenbar nur durch eine fälschlich als Ueberschrift auf-
gefasste Bandbemerkung zu dem Schluss von 95 entstanden. Dadurch
wird aber nicht erklärt, wie der Name Lüneburg an den Rand ge-
kommen ist. Die Annahme der Interpolation reicht für die Entstehung
solcher Ungereimtheit und Widersinnigkeit, wie Hi. 93 — 96 sie un-
verhüllt selbst dem gedankenlosesten Leser darbieten, nicht aus.
Einem Interpolator musste nahe liegen, dem Widerspruch seiner Leser
durch die einfache Berufung auf verschiedene Tradition zu begegnen.
Alle vier Historien (93 — 96) müssen als Eigentum des Autors gelten,
während allerdings zweifelhaft bleibt, ob er sie sämtlich schon der
ersten Ausgabe von 1483 einverleibt hatte. Für ihre Echtheit spriclit,
dass sie sich mit Ausnahme von 96 in allen alten Drucken Andeu
und 96 wenigstens in S, K und C. Die Erzählung von einer drei-
maligen verschiedenartigen Beerdigung und einem zweifachen Grabe
darf als beabsichtigte Neckerei und Schalklieit des Verfassers auf-
gefasst werden: wie der Held seines Romans mit den Zeitgenossen
Spass getrieben hatte, so erlaubt der Autor sich zu guter Letzte
einen Scherz mit dem Leichnam desselben und zugleich mit seinem
Publicum. Das scheint die einfachste und darum wahrscheinlichste
Erklärung zu sein.
Zwei der ergötzlichen Geschichten 93 — 95 zu streichen, dazu
konnten die nachfolgenden Herausgeber sich nicht verstehen; lag doch
auch der Witz der dreifachen Bestattung greifbar genug. Hi. 96
aber wird der Kritik als unnötige und irrtümliche Wiederholung des
Schlusses von 95 vorgekommen und deshalb späterhin gestrichen sein.
Allein die Uebereinstimmung von S, K und C 1539^) verbürgen ihre
^) Aach m dem Augsburger Druck 1540? wie wenigstens Lappenberg S.
335 angiebt, wo er aber K ausgelassen hat. Im Gegensatze dazu nennt er S. 289
ausser S noch K, 0 und £, während er doch S. 335 behauptet, £ erwähne aus-
e4
•
Echtheit, nicht als besondere Historie, aber nach ihrem Inhalt und
als Schluss von Hi. 95; und C scheint die ursprüngliche Lesart am
treuesten überliefert zu haben. Um das zu erweisen, müssen zunächst
die verschiedenen Lesungen der Drucke neben einander gestellt werden.
Uebereinstimmend, nur im Dialekt verschieden erzählen alle drei (S
95, K 79, C 100), dass ein Stein auf das Grab gesetzt sei und dass
man vff das halbteil (in der Mitte? auf der einen Hälfte?) desselben
eine Eule und einen Spiegel, welchen die Eule in den Klauen hatte,
gehauen und oben an den Stein geschrieben habe: Difen ßein fcl
nieman erhaben. Hie ftat Vlettfpiegel begraben. S fügt noch an: Anno
domini M. CCC. L. iar^ wofür K die unerhebliche Aenderung hat:
Im. M. CCC. L. Jair^ während in C die Jahrzahl fehlt. Nun folgt
in S : Die XC VI histori fagt wie Vlenfpiegels Epithaphium vnnd
vbergefchrifft eu. Lünefiburg vff feinem grab gehowen ßot.
Epithaphium.
Diffen ßein fol niemans erhaben (S 1519 erheben).
Vlenfpiegel ßat hie begraben.
Dann ein Holzschnitt : Eine Eule hält einen Spiegel mit acht Facetten
in ihren Klauen oder steht vielmehr auf demselben (s. Lappenberg
S. 138.) In der Ueberschrift diflferiert K nicht; einzige Abweichung;
ist, dass er gleich mit Wie beginnt, da er die Zählung der „Capitel"
oder „Historyen" schon im Anfange seines Druckes bald aufgegeben
hatte. Etwas anders lautet aber das
Epitaphium.
Defen ßein fai nyemanta erhauen^
Vlenfpiegel fteit da vprecht begrauen.
Eine Darstellung des Grabsteinbildes fehlt.
C dagegen lässt auf die erste Grabschrift als Schluss seiner
100. Historie folgen:
Vnd dife übergefchrifß ftat eu Lünenburg aujf feynem grab inn
ein Stein gehawen. Im Jar als man ealt nach Christi Gelnirt Dufent
drey Hundert vnd Funffeig.
* *
Epitaphium.
Difen Steyn foll niemandts erhaben.
Vlenfpiegel ftadt da au/frecht begiaben.
Aus dieser Fassung wird die Bedeutung des Epitaphiums klar
und lässt sich die Entstehung der 96. Historie in S erkennen. Wie
man sonst wohl „Ende" zum Abschluss eines Buches zu setzen pflegte,
steht hier die Grabschrift, die vorher wie in S so auch im Original
fortlaufend gleich Prosa gedruckt gewesen sein mag, noch einmal in
Versdruck und vermutlich zugleich als Ueber- oder Unterschrift eines
ähnlichen Holzschnittes, wie S ihn zeigt. Der eigentliche Schluss der
Erzählung ist so zweideutig gehalten, dass man sich vorzustellen
vermag, inwiefern S — oder war es der nd. Nachdrucker? — durch
drücklich, dass der Leichenstein zu Mölln sei. Seine Bibliographie von E und A
S. 168 und S. 173 schweigt über diesen Punkt.
65
Umstellung der Jahreszahl und Beziehung des Epitaphiums auf die
Lüneburger Ueberschrift glauben durfte die verzwickten Sätze ent-
wirren zu müssen und entwirrt zu haben. Der erste Satz erlaubt
nemlich, „diese Ueberschrift" sowohl auf das Vorhergehende als auf
das Folgende zu beziehen. Im ersteren Falle wäre Ulenspiegel etwa
als in Mölln gestorben und in Lüneburg bestattet zu denken; die
Jahresangabe Hesse sich aber von der Ilandlung des Einhauens der
Inschrift verstehen. Im letzteren Falle hätten wir zwei Gräber, eins
zu Mölln mit den Versen auf dem Leichenstein und eins in Lüneburg
mit der Angabe des Jahres. Die Zweideutigkeit wird kein Zufall,
sondern vom Verfasser beabsichtigt sein, wie nicht weniger die Varia-
tion der Grabschrift im Epitaphium, die wohl die Confusion noch
steigern und dem Leser den irrtümlichen Schluss nahe legen sollte,
Jahreszahl und Epitaph zu verbinden und als Inschrift des Lüneburger
Steines im Gegensatz zum Möllner zu betrachten. Ob das „aufrecht"
erst später der zweiten Grabschrift eingefügt ist, oder ob der Schöpfer
der „96. Historie" die beiden Inschriften durch Streichung des Wortes
möglichst gleich machen wollte, ist schwer zu sagen.
Wenn diese Auifassung der Stelle im Text von C richtig ist,
so Hesse sich folgern, mit Sicherheit dass in Mölln vor dem Erscheinen
des Volksbuches kein Grabstein EulenspiegePs existierte, mit Wahr-
scheinlichkeit dass ebensowenig eine Tradition von seinem Ableben
in dieser Stadt vorhanden war, und als Möglichkeit dass die Ver-
teilung des Schicksals, den Leichnam des Schalkes auf dem Kirchhofe
zu bewahren, auf zwei Städte erst in einer neuen Auflage geschah,
wer weiss ob nicht deshalb weil die Möllner von dem ihnen in der
ersten Ausgabe zugeteilten Loose, des Schalksnarren Namen mit dem
ihrer Stadt aufs engste verbunden zu sehen und als Hüter seines
Leichnams zu gelten, sich nicht recht erbaut gezeigt hatten und sich
erst gewöhnen mussten, eine solche Besonderlieit als Vorzug zu betrachten.
Letztere Vermutung, dass S, K und C nicht die ursprüngliche Fassung
des Ausganges der letzten Historie geben, findet Bestätigung in der
Gestalt einer anderen Grabschrift, welche uns durch E erhalten ist.
Epitaphium.
Dirfen ftein fol niemandts erhaben.
Ulenfpiegel lehent hie begraben.
Leider verschweigt Lappenberg (S. 1G3) die Schlussworte der vorher-
gehenden Grabgeschichte, so dass man nicht weiss, ob in dieser die
Inschrift ähnlich oder gleich abgefasst ist oder ob sie zu der scmst
überlieferten stimmt. Dass das Epitaph nicht von E herrührt, sondern
auf einen nd. Originaldruck zurückgeht, dafür steht A als Gewährs-
mann ein, welcher sein letztes Kapitel folgendermassen schliesst:
Aldiis litten fi vlefpiegd recht int graf ftaen ende fi decten dat graf
ende leyden daer op eenen fteen^ daer op gehouwen was een wie hebbende
een fpiegel onder zyn clauwen alfo hier na geßgureert ftcen (ist fteen
zu streichen?) ftaet, ende op den fteen ftont gehouwen met gefcrifte.
Defen [ftreit] j\d nyemant verhouwen. Hier lect vlefpieghel begrauen.
Niederdeatsches Jahrbuch. XIX. 5
66
^jffi^^'^^^f ^^^ Holzschnitt in oblonger Einfassung, ein runder Spieg»^!
in einem Rahmen mit acht Facetten. Auf demselben sitzt eine Kult
mit den Klauen ihn ergreifend. Eine Inschrift ist nicht vorhanden.*
(Lappenberg S. 158.) Abweichend von S wird der Stein aufs Gnil«
gelegt^); bei der Beschreibung wird auf den Holzschnitt verwi<*st'n.
der offenbar dem in S ähnlich sah; die Jahreszahl und das Kpit;iph
fehlen. Verhouwen ist ein Notbehelf des Antwerpeners, dessen Mund-
art für „erheben" keine Nebenform verhaven, sondern nur verhrffai
gestattete; der auf Kosten einer genauen Uebersetzung gerettete Kt^ini
ist freilich doch nur schlecht ausgefallen. Mit S stimmt überein,
dass die Verse nicht abgesetzt sind. Aus E geht hervor, dass leet
Druckfehler ist für leefit: der n-Strich über den Vocalen ist ver-
sehentlich unterblieben. Aus der verschiedenen Wortfolge im zweiten
Verse bei A und E, welche Abweichung in der zweimaligen Angaht^
der anderen Grabschrift bei S u. s. w. wiederkehrt, lässt sich schliessen,
dass A das Epitaph unterdrückt hat. Beide, A und E, wissen nicht>
von einem Lüneburger Grabe und Steine. Es ergiebt sich demnach,
dass es einen nd. Druck gegeben hat, in welchem nur von Mölln di«'
Rede war und die Grabschrift Hyr leent U., das Epitaph U, leent hyr
lautete. Dieser Druck muss ein Originaldruck des Verfassers uml
wird die erste Ausgabe gewesen sein.
Dieselbe Lesart bietet der zu Mölln vorhandene Grabstein:
allerdings nicht in der von Lappenberg seiner Ausgabe beigegebenen
Nachbildung. Der Stein hat durch Behauen der Längskanten gelitten,
so dass manche Buchstaben ganz oder teilweise verloren gegangen
sind. In Lappenberg's Copie sind die viUlig zerstörten Buchstaben
weggelassen, die tmdeutlich gewordenen von den sicher lesbaren durcl:
schwächere Schrafherung unterschieden. Allein er hat nicht überall
richtig gelesen; so auch das Wort nicht, um das es sich hier handelt.
Es steht am Rande rechterhand und ist nicht vollständig erhalten.
Lappenberg giebt li als lesbar, gt als schwach erkennbar an. Dagegen
habe ich, als zu Pfingsten 1889 der Hansische und der Niederdeutsehe
Verein ihre Lüneburger Sitzung mit einem Ausfluge nach Mölln be-
schlossen, ein unverkennbares le gelesen, was sofort von anderen Be-
schauern bestätigt ward. Auch der kleine Lichtdruck, welchen ein
Möllner Photograph bei jener Gelegenheit zu Kauf anstellte, und die
schöne grosse Aufnahme, welche damals Herr Hofphotograph F.
Albert Schwartz in Berlin veranstaltete und von der mir durch dessen
Güte ein Exemplar vorliegt, zeigen deutlich dieselbe Lesart; von gi
ist aber keine Spur. Die Ergänzung ist leicht und sicher. Die dia-
lektische Form lecht für licht (liegt) ist überhaupt selten und in der
Zeit, welcher Bild und Inschrift angehören, nicht mehr gebräuchlich:
leit würde ,legt' bedeuten. So bleibt nur der Schluss, dass lent oder
leent (das n möglicherweise durch einen Strich über dem Vocal oder
*) nicht hier (95), aber Hi. 93, wo S ebenfalls von einer Steinsetzung redet,
spricbt K von einer Steinlegung: vnd lachten einen ftein darvp jm so gedechtnys.
67
den Vocalen atisgedrückt) gemeisselt stand. Unter den älteren Copisteü
der Grabschrift sind zwei zu nennen, welche diese Lesung noch völlig
vorfanden, nur entstellen sie dieselbe zu lehnent, welche Form als
sprachwidrig unmöglich ist und für welche der Raum an der Stelle
des Steines gar nicht ausreicht: Molander, Der mit denen Seltenheiten
dieser unter-irrdi sehen Welt beschäfftigte Parnassus, Hamburg 1698,
S. 109^) und P. L. Berckenmeyer, Der getreue Antiquarius, Hamburg
1708, S. 208. Aber auch die älteste Nachricht über den Möllner
Stein, die des Wismar'schen Stadtsecretärs Magister Johan Höppner
aus dem Jahre 15rJ6, welche Dr. F. Crull aufgefunden und in den
Meklenburger Jahrbüchern XXXIII (1868), S. 95 mitgeteilt hat, ver-
rät, obschon er die Inschrift nach der Vulgata angiebt, durch die
einleitenden Worte, was er wirklich gelesen hat: darfiilveft leint Ulen-
fpegels fteen, darup de tall MCCCL^); wider gefchreven dar up: Hier
fteit ülenfpegel bografen etc.
Als ein mit A und E 1532 gleichwertiges Zeugniss für einen
nd. Druck darf der Möllner Stein jedoch nicht angesehen werden;
vielmehr wird man annehmen dürfen, dass bei seiner Herstellung E
als Vorlage gedient hat; denn Lappenberg (S. 882) bemerkt, dass
die Darstellung Ulenspiegers auf dem Grabsteine sehr derjenigen in
den Erfurter Ausgaben 1532 flgd. gleiche. Da die Sprachformen der
Möllner Inschrift ungefähr in das zweite Viertel des 16. Jhs weisen,
so lässt sich von Seiten der Zeitrechnung nichts gegen solche Ent-
lehnung von Bild und Grabschrift aus E einwenden. Selbst der Grund
derselben würde klar, falls der Erfurter Druck es gewesen wäre,
welcher zuerst den Anspruch Mölln's durch Beseitigimg von Lüneburg's
Namen wieder in sein altes Recht einsetzte und für immer feststellte.
Lappenberg's Angaben in Bezug auf diese Frage, S. 289 und S. 835,
widersprechen sich. Ohne Zweifel aber ist .das noch vorhandene
Grabdenkmal dasselbe, von dem alle Reisenden seit 1536 berichten,
und nach meiner Ansicht auch das erste und einzige, welches die
Möllner ihrem durch die wiederholten Auflagen des Volksbuches
mittlerweile weltberühmt gewordenen „alten Herrn" gewidmet haben.
Die ältesten Drucke.
S 1515 ist der älteste von den ims erhaltenen Drucken der hd.
Bearbeitung. S 1519 stellt sich im ganzen als eine neue Auflage von
S 1515 dar: beide sind aus derselben Buchdruckerei hervorgegangen
und stimmen in Titel, Einrichtung, Inlialt und meistens auch im
Wortlaut überein. Der jüngere Druck hat den älteren Text verbessern
sollen. Unter den von Knust S. VIII aufgezählten Ergänzungen von
Lücken des älteren Druckes durch S 1519 und unter den bereits oben
besprochenen richtigeren Lesarten, welche letzterer vor jenem voraus
*) Lappenberg (S. 327 ff.) war dieser Bericht nur aus einer jüngeren hand-
scbriftlichen Chronik bekannt, die ihn fast wörtlich aufgenommen hatte.
«) Der Stein hat 1350.
5*
68
hat, finden sich mehrere, welche S 1519 nur einer zweiten Vorlage
verdanken konnte. Noch entschiedener wird dieselbe dadurch bezeugt,
dass S 1519 falsche Namensformen von S 1515 durch die richtigen
ersetzt, z. B.: Meinte Hi. 1 (1515 Melbc); Stasfurt 6 (Stafuri);
GeuenckeAvftein 15 (Genenchenßein); Hildtsheni 64 (Müdeßheim).
Ebenso hat S 1519 in Ili. 1 correct: Thyl von Vt^ef}, der hurgher ru
Ampleu^n statt der Entstellung in S 1515: Dyl von^ der burger rü
Amplenen. Die folgenden deutschen Ausgaben zeigen in diesen Namen
durchweg dieselben Fehler wie S 1515 oder entstellen noch mehr.
Derartige Vorzüge des Textes von S 1519 verlangen unabweislich die
Annahme, dass dem Hersteller desselben ausser S 1515 noch ein
anderer Text vorgelegen habe, nach welchem er zu bessern vermochte.
War derselbe handschriftlich oder ein Druck? in hochdeutscher oder
niederdeutscher Sprache? Knust (S. XII) lässt die Fragen unent-
schieden: man werde fast zu der Annahme gedrängt, dass beiden S
dieselbe, sei es gedruckte, sei es schriftliche, Vorlage zu Gebote ge-
standen habe. Es wird jedoch sicher ein Druck gewesen sein. Wenn
die Vorlage eine nd. war, so muss man das aus dem Umstände
schliessen, dass S und A unabhängig von einander ein nd. Original
tibersetzt haben: undenkbar ist dabei die Annahme handschriftlicher
Vorlagen. Sollte sich S 1519 aber einer handschriftlichen hd. Re-
daction bedient haben, so müsste diese das Manuscript gewesen sein,
welches in S 1515 ungenügend zum Abdruck gekommen war: nun
ist aber unglaublich, dass jenes Manuscript nach dem Abdrucke Jahre
lang aufbewahrt geblieben wäre; und selbst, wenn man das als mög-
liche Ausnahme zugeben wollte, so würde doch ein solches Zurück-
greifen auf das Manuscript behufs Herstellung einer verbesserten
Auflage, weil dem üblichen Verfahren jener Zeit nicht entsprechend,
ebensowenig Glauben, verdienen.
Einen positiven Beweisgrund für die Existenz eines älteren hd,
Druckes, aus dem S 1515 geflossen sei und den S 1519 wieder benutzt
habe, hat Scherer (S. 83) in dem Druckfehler der letzteren Ausgabe
in Ili. IG gefunden: rechte hetverte artsvifchrn hei man statt artsni
fcheuhet fnan (S 1515 arteny fchücht man). Ob seine Schlussfolgerung
zwingend ist, lasse ich dahin gestellt sein. Da jedoch ausgeschlossen
erscheint, dass S 1519 auf eine hd. Handschrift zurückgegriffen habe,
und da auch eine Verbesserung nach einem nd. Druck wenig Wahr-
scheinlichkeit hat, so stehe ich nicht an, ihm beizupflichten. Auf
diese Weise lassen sich auch die Lücken in S 1515, welche dadurch
entstanden, dass der Setzer von einem Wort versehentlich auf eine
Wiederholung desselben überging oder eine Zeile ausliess, am ein-
fachsten erklären. Dergleichen Versehen begegnen eher bei einem
Nachdruck, als beim Satz nach einem Manuscript; und auf Grund
eines nd. Textes würde S 1519 schwerlich so, wie er es tut, gebessert
haben. Scherer bemerkt weiter, der ältere Druck oder die gemein-
same Quelle für beide S könne gleichfalls in Strassburg entstanden
sein. Wenn wir jener alten Angabe, dass der hd. Ulenspiegel von
69
Miirner herrühre, Glauben schenken wollen, — und da das Zeugniss
unverdächtig ist, so ist kein Grund an der Richtigkeit zu zweifeln,
— dann wird man indertat auf Strassburg und selbst auf dieselbe
Buchdruckerei Grieninger's am ehesten schliessen dürfen. Ein solcher
Druck S möchte für die erste Ausgabe der Murner'schen Bearbeitung
zu halten und ungefähr in die ersten Jahre des 16. Jhs zu setzen
sein, zufolge einer Beobachtung Zarncke's (Haupt's Zeitschrift für
Deutsch. Alterthum IX, 382), dass, während Nachdrucke ohne Aus-
nahme gleich nach dem Erscheinen des Originaldnickes folgen, die
spätere Wiederauflage in den meisten Fällen von der berechtigten
Verlagsbuchhandlung ausgehe. Eine so frühe Ansetzung von S em-
pfiehlt sich weiter durch die Erwägung, dass die Uebersetzung sich
damit als eine Jugendarbeit des 1475 gebornen Murner am füglichsten
herausstellen würde.
Weiter zurück als in den Anfang des 16. Jhs lässt S sich nicht
datieren. Eine Heidelberger Universitätsrede nemlich, das Quodlibet
de fide concubinarum des Paulus Olearius, enthält eine Anspielung
auf den komischen Verlauf einer dramatischen Darstellung der Auf-
erstehung in der Ostemacht; s. Zarncke, Die deutschen Universitäten
im Mittelalter I, 96, 20: et in nocte pafchali: wen fuchen ir hie^ ir be-
fchlepten frowen? ein alte hur mit einem ouge, et mox refponfum est
,won eft hic\ Offenbar ist dieselbe Geschichte gemeint, die im Ulen-
spiegel Hi. 13 erzählt wird. Aus S kann jedoch Olearius nicht citiert
haben; denn hier lautet die Stelle abweichend: wen fachen ir hie?
wir fnchen eine alte eineugige pfaffenhvir. Die Heidelberger Scherzrede
ist ohne Datum; aus zwei Daten aber, die in derselben vorkommen,
geht hervor (Zarncke S. 244), dass sie zwischen dem Ende von
Februar 1499 und dem Ende von August 1501 gehalten worden ist.
Damals wird S kaum schon vorhanden gewesen sein, weil sonst Olearius
wohl nach dieser Uebersetzung des Volksbuches citiert haben würde.
Nun mag die Erzählung ein alter Schwank sein, der in Süddeutsch-
land so gut wie in Norddeutschland umlief; und aus einer anderen
litterarischen Fassung oder aus dem Volksmunde könnte Olearius ihn
geschöpft haben. Vielleicht hat eine solche Erwägung Zarncke be-
stimmt, einen Hinweis auf den Ulenspiegel zu unterlassen. Knust (S.
Xni) sieht in den betreffenden Worten des Quodlibet ein Zeugniss
von der frühen Verbreitung des Volksbuches in Süddeutschland.
Seine Auffassung lässt sich stützen durch das Adjectiv befchlept. Im
Deutschen Wörterbuch hat Jacob Grimm dasselbe ausserdem aus
einigen Schriftstellen der zweiten Hälfte des 16. Jhs belegt und zwar
in den Bedeutungen von ;,beschleift, durch den Koth geschleppt, be-
sudelt*', welche doch für die obige Stelle wenig passen. Man erwartet
vielmehr ein Wort etwa des Sinnes ;,im Trauerge wände, trauernd,
betrübt^. Auf ein solches Wort führt nun das Niederdeutsche. Der
Ditmarsche Chronist Neocorus aus dem Anfange des 17. Jhs (hrsg.
von Dahlmann, I, 160) berichtet von einer Tracht der Frauen bei
der Leichenfolge, die darin bestand, dass sie den Hoiken oder Mantel
70
anders als sonst antaten: fe hengen en umme den hals unde flippen
en umme dat hövet. Die Sitte wird noch aus dem vorigen Jahrhundert
bezeugt durch Ziegler im Idioticon Ditmarsicum (bei Richey, Idioticon
Hamburgense, 1755, S. 423): den Hettken flippen, flippte Fruwens.
Das Mnd. Wörterbuch verzeichnet flip-, flepehoike, einmal mit dem
Attribut fwart; vielleicht sind im Mittelalter Hoiken von besonderem
Schnitt für jenen Zweck im Gebrauch gewesen. Man darf vermuten,
dass ein Particip ge-^ leflipt, -fiept von solcher Tracht gebraucht
ward, und folgern, dass die Stelle des Quodlibet aus einem nd. Druck
des Volksbuches genommen ist. Somit gewinnt wiederum die auf die
Namensform ^UlenfpiegeP gegründete Behauptung, dass das Origimil
bereits vor der Uebertragung Murner's geraume Zeit in Oberdeutsch-
land verbreitet gewesen sein müsse, durch das Citat des Olearius
eine Bestätigung. Vielleicht mag diese Anführung gar Murner Aulass
gegeben haben, sich mit dem Ulenspiegel zu beschäftigen.
Dass es eine zweite, frühere oder etwa gleichzeitige, oberdeutsche
Uebersetzung neben S gegeben habe, eine solche Annahme entbehrt
aller Wahrscheinlichkeit; davon findet sich auch keine Spur und
keine lieber lieferung. Der Erfurter Druck, den Lappenberg S. ir».j
zwischen 1533 und 1537 ansetzt und der im erhaltenen Exemplare
am Ende verstümmelt ist, hat zwar in handschriftlicher Ergänzung
(^vermuthlich im 17. Jahrhundert geschrieben*^) den Kolophon: Ge-
druckt jsue Augspurg durch Simon Gymell^ fo aus der alten Sexifchen
fprach in gute Teutfche fprach gebracht worden Im 1498 Jahr; aber
abgesehen von anderen Bedenken, aus welchen Lappenberg die ganze
Ergänzung für Fälschung hält, so kann diese Notiz allein deshalb
schon nicht für echt gelten, weil sich kein Buchdrucker dieses Namens
in Augsburg nachweisen lässt. Oben habe ich die Möglichkeit an-
gedeutet, dass es jedoch eine frühe mitteldeutsche Bearbeitung ge-
geben habe. Allein äussere Zeugnisse werden auch hierfür vei-misst.
Die älteste Erwähnung des Volksbuches, in einem Quodlibet de
generibus ebrioforum, das der Universität Erfurt angehört und in
das Ende des Septembers 1515 (circa autumnale aequinoctium) fallt,
kann nicht mit Sicherheit dafür geltend gemacht werden. Es werden
in dieser Rede Vletifpiegel, Klynßor, Pfarrer vom Kaienberg etc, an-
geführt (Zarncke a. a. 0. S. 126, 10). Man kann aus der Stelle
entnehmen, dass das Buch bereits allbekannt war; aber welcher Art
die Ausgabe gewesen ist, die der Verfasser im Sinne hatte, geht nicht
daraus hervor. Höchstens lässt sich aus dem Datum schliessen, dass
es nicht S 1515 war; denn diese Ausgabe ward erst an St. Adolfs
Tag, d. h. am 29. August dieses Jahres vollendet. Der Verfasser
des Quodlibet müssto also, wenn man auf die zu S stimmende Form
des Namens Gewicht legen will, jene vermutete frühere S-Ausgabc
benutzt haben. Allein diese Uebereinstimmung ist nicht zu betonen,
weil einem Thüringer sicher noch eher als einem Strassburger das
nd. IJlenfpeighel ohne weiteres zu Ulenfpiegel ward. Der Verfasser
kann demnach ebensogut einen nd. oder einen md. Druck gekannt
71
haben. Die Stelle bleibt somit für die Frage nach den ältesten
Drucken unbrauchbar.
Wir kommen zu der Untersuchung, wie viele nd. Ausgaben
existiert haben dürften. Mindestens zwei scheinen verbürgt zu sein
durch die Vorrede von C 1539, desselben Druckes welcher im Titel
zuerst die Kunde bringt, dass das Buch newlich auß Sachfifcher fprach
vff TetUfch verdolmetfcht sei. Die Vorrede beginnt: Als man zalt nach
der gehurt Chrifti M.CCCCLXXXIII., bin ich durch etliche per fönen
{jebetteti worden^ diefe historien vnd gefchichten zu famen bringen vnd
befchreiben. Diese Zeitangabe 1483 hat schon Lappenberg (S. 225
und 347) in Verbindung gebracht mit der Zeitbestimmung in Hi. 1,
Ampleven sei vor etwa fünfzig Jahren zerstört worden. Das geschah
iiber 1425. L. bemerkt auch, dass die abweichende Bestimmung in
K ;,bei 00 Jahren" noch besser stimme; er hat aber die Daten nicht
ausgebeutet, vielleicht weil sie zu Murner's Autorschaft nicht passten.
Erst Scherer (S. 31 f.) hat dieselben nach Gebühr gewürdigt. Die Ab-
fassung im Jahre 1483 erklärt er mit Grund für gut beglaubigt.
Die Zahl 60 hält er als die weniger abgerundete für die ursprüng-
liche Lesart.
Dieselbe Vorrede, wie in C 1539, finden wir in S 1515 und
S 1519, nur dass diese mehrfach den Text durch Einfügung von
Wörtern und Sätzen, die aber zu dem Inhalt nichts neues tun, er-
weitert haben. Ferner haben beide S die Jahrzahl 1500 statt 1483.
Es scheint also, dass C einen anderen nd. Text, als S vorlag, hat
benutzen können. Die etwas kürzere Vorrede von C wird auf diesen
Druck zurückgehen; fraglich würde jedoch sein, ob der Schluss schon
in seiner nd. Vorlage gestanden habe: myt ßulegung etlicher Fabulen
des Pfaff Amis, mid des Pfaffen votn Kaienberg. Dieselben Worte
schliessen auch die Vorrede in S. Scherer (S. 32) behauptet, das
sei augenscheinliche Interpolation. Gewiss, denn der vorhergehende
Satz, dass der Verfasser damit seine Vorrede enden und den Anfang
machen wolle mit Ulenspiegels Geburt, lässt gar nicht daran zweifeln.
Wenn Scherer dann aber daraus folgert, dass die Geschichten, welche
aus dem Amis (Hi. 17. 27—29. 31) und Kalenberger (Hi. 14. 23)
stammen, nicht von dem Verfasser der Vorrede und ersten Aufzeichner
der Historien vom Ulenspiegel herrühren, so kann ich dem nicht zu-
stimmen. Ob sie alle bereits im ersten Entwurf des Buches sich
vorgefunden haben, das lässt sich nicht entscheiden. Dass sie,
wenigstens zum Teil, aber in einer neuen Auflage des Originals ent-
halten gewesen sind, ergiebt sich zuverlässig aus den Spuren ursprüng-
lich nd. Abfassung von Hi. 14. 23. 27. 28, als wahrscheinlich aus
der Aufnahme von Hi, 17 und 31 in A, so dass höchstens über Hi.
29 Zweifel sein kann. Da nun die beiden Hi. 14 und 23 nur zweien
Kalenberger-Schwänken ähnlich, aber nicht gleich sind, so lässt sich
der Zusatz der Vorrede nicht als ein Geständniss eines nd. Verfassers,
dass er die sieben Erzählungen entlehnt habe, betrachten, sondern
der Zusatz muss von einem späteren Bearbeiter herrühren, wahr-
72
scheinlich einem hd., dem die Aehnlichkeit oder Uebereinstimmuiig
dieser Historien mit den entsprechenden des Pfaffen Amis und de>
Kalenbergers auffiel und der dies auszusprechen mit Rücksicht auf
seine oberdeutschen Leser für nötig erachtete. Der Zusatz ist dem-
nach wohl auf Rechnung des Verfertigers von S zu setzen, und (.'
wird den Schluss aus S geborgt haben.
Wie steht es nun aber um die Jahreszahl 1500, welche S an-
stelle von 1483 giebt und die weder mit den 50 noch mit den fJ"
Jahren der Hi. 1 sich reimt? Der erste Verfasser des Buches, wenn
man ihm auch die Gedankenlosigkeit zutrauen wollte, bei einer Neu-
datierung seines Buches eine Umrechnung der Zeitangabe in Hi. 1
zu unterlassen, kann doch unmöglich die Aufforderung seiner Freunde
und die Abfassung seines Werkes einmal ins Jahr 1483 und ein ander
Mal ins Jahr 1500 verlegt haben: von ihm lührt die Aenderuug ge-
wiss nicht her; vielmehr muss sie aus einem nd. Nachdrucke stammen
oder dem Strassburger Uebersetzer zur Last fallen. Auf jeden Fall
beweist aber die Ersetzung der ursprünglichen Datierung durch die
neue, dass es einen nd. Druck vom Jahre 1500 gegeben hat. Wenn
derselbe ein unrechtmässiger Nachdruck war, so mag der Veranstalter
desselben die Jahreszahl in der Vorrede umgeschrieben haben, sei e^
aus Misverständniss des Anfangssatzes, sei es — und das möchte
eher der Fall gewesen sein — um dem Buche das vortheilhaftere
Aussehen eines neuen Productes zu verleihen. Es lässt sich aber auch
denken, dass der Bearbeiter von S die Aenderung aus jenem oder
absichtlich aus diesem Grunde vorgenommen hat. Die nd. Ausgabe
wird in diesem Falle die Jahreszahl 1500 des Druckes, wie damals
üblich, am Schlüsse enthalten haben. Dass die Zahl 1500 nicht das
Jahr der od. Bearbeitung angab, darauf brauchte dem Bearbeiter S
nichts anzukommen, da doch jeder Leser merken musste, dass er nur
eine Uebersetzung vor sich hatte, und da, wie bereits gezeigt ist
S wahrscheinlich bald nach 1500 herausgekommen sein wird. Die
Hauptsache war, dass durch Aufnahme von 1500 in die Vorrede das
Werk als neu erschien. Ich bin geneigt anzunehmen, dass die Aen-
derung der Jafireszahl mit Absicht von Murner (S) geschehen ist.
Nicht allein die Jahreszahl 1500 in S spricht zu Gunsten einer
erneuten Auflage des nd. Originals; dafür lässt sich ausserdem jener
Anfang der Vorrede in C geltend machen. Die Redensart „als man
zählte" mit folgendem Perfect wird nicht selten am Schluss von alten
Drucken gebraucht, um die Zeit der Vollendung derselben anzugeben.
So angemessen eine solclie Ausdrucksweise am Ende der Bücher ver-
wendet erscheint, so unpassend muss man sie an der Stelle jener
Vorrede angebraclit halten, falls mit der Zeitangabe das Jahr gemeint
sein soll, in welchem der Druck, zu dem die Vorrede gehört, ans
Licht trat. Vielmehr muss die Jahreszahl 1483 auf eine frühere, die
erste Ausgabe des Buches hinweisen, wenn der Verfasser sich richtig
ausgedrückt haben soll. Diese wird also entweder gar keine oder
doch eine andere Vorrede gehabt haben. Für die erstere Möglichkeit
73
lässt sich der Mangel einer Vorrede in K nicht verwerten, weil K
offenbar eine jüngere vermehrte Ausgabe gekannt und benutzt hat.
Wohl aber spricht für die zweite Hypothese der Umstand, dass A
eine kurze, von der in S und C abweichende Vorrede bietet. Sie
hat nach Lappenberg S. 154 folgenden Wortlaut:
„Om die bede van fommighe vrienden, ben [1. den] ick be [I. de]
fcriueer des boecx niet weder feghen en dorfte, fo hab [I. hebVJ ick
ghecopuleert fommighe rcene [? 1. fcone? die Pariser Üebersetzung
von 1532: plaifantes, Lappenberg S. 161] boeuerien, die Thiel Vle-
fpieghel beclreuen heft in fyn leuen, ende fterf alsmen fchreef M.CCCL.
Nv begheer ick nochtans veronfculdicht te fine voor gheeftelijck ende
weerlijk, voor hoghe ende leege, dat mi niemant te feer hier in wil
ftraffen noch hem feinen daer in verftoren, want ick dat niet en
maecte, datter godes dienft by vermindert ende verloren foude fijn,
noch oock datmen fcalcheyt foude foecken, maer om des menfchen finnen
daer mede te verlichten ende te vernieuwen, ende ooc om dat die
fimpel flechte menfchen voor der gelijcker boeuerijen hem fouden
moglien wachten, offe [1. of fe?] hem Heden voor ooghen quamen.
Het is oock beter te hooren ende te lefen, datmen lachtet [1. lachet?]
ende gheen fonde en doet, dan datmen fonde dede ende datmen
weende ende fcreyde."
Dieses knappe Vorwort enthält lauter solche Gedanken, die aus-
zusprechen und damit seinem Buche eine Schutzrede und Empfehlung
mitzugeben der Autor eines sogearteten Werkes für erspriesslich und
erforderlich halten konnte. Die Aehnlichkeit des Gedankenganges in
dieser und der Vorrede, welche C und S zeigen, fällt sofort auf.
Dass hier aber von Bübereien gesprochen und der Held des Romans
schlechter gemacht wird, als in der späteren Vorrede und als er, wie
ich zu zeigen versucht habe, nach der Auffassung und Darstellung
des Verfassers wirklich zu betrachten ist, das ist ein erklärlicher
Kunstgriff. Als die Befürchtung wegen der ablehnenden Haltung des
Publicums sich als eitel ausgewiesen hatte, modificiert darum der
Verfasser wie sein ganzes Vorwort so auch derartige absprechende
Ausdrücke. Während die Besorgniss, sittlichen Anstoss zu erregen,
hinfällig geworden war, scheint man in der auf echt poetischem Ge-
fühl beruhenden Individualisierung der Geschichten, der Anlehnung
an bestimmte Orte und Menschenclassen, ja an einzelne gekennzeich-
nete Menschen, Anzüglichkeiten und Sticheleien gesucht zu haben.
Daher in C und S die Abwehr des Verdachtes, als habe er Leute
ärgern und ihren guten Namen angreifen wollen. Zum Schluss fügt
er noch eine Entschuldigung seiner Schreibart hinzu, die gleichfalls
getadelt worden sein mag. Die Veranlassung, sowie der Zweck des
Buches und die bescheidene Vorstellung von dem relativen Wert seiner
Leistung ist in beiden Vorreden ziemlich gleich ausgedrückt. Es er-
scheint auch viel glaublicher, dass die Vorrede in CS durch den Autor
selbst aus der in A umgestaltet ist, als dass A jene in diese verkürzt
oder gar selbständig verfasst habe. Kurz, ich sehe die Vorrede von
74
A für echt und ursprÜDglich an. Eine Bestätigung liefert die Vorrede
der Frankfurter Ausgabe 1545, welche ungefähr von gleichem Umfange
mit der von A ist. Sie scheint aus den drei verschiedenen Vorreden
von A, C und E hergerichtet zu sein. Mit C teilt sie die Jabrzahl
1483, mit A: dass man nicht Bosheit aus dem Buche lernen solle,
sondern wie man sich vor listigen Menschen hüten könne.
Es hat also mindestens zwei nd. Originalausgaben des Volks-
buches gegeben, d. h. beide vom Verfasser herrührend: eine von 1483
mit der durch A überlieferten Vorrede und eine undatierbare mit
dem neuen Vorwort. Die letztere ist ohne Zweifel eine vermehrte
Auflage gewesen: erst sie kann die Erwähnung des Abtes Papcnmeyer
und die Erzählung vom König Casimir IV von Polen enthalten haben.
Sie muss also nach 1492 herausgekommen sein, wenn diese Historie
auf den ursprünglichen Verfasser zurückgeht; nach 1490 jedenfalls,
da die Einfügung des Abtes nur durch denselben Verfasser, einen
Braunschweiger, geschehen sein kann. Vermutlich gehört aber die
zweite Ausgabe erst ins Ende des Jahrhunderts. Ihr wird bald ein
nd. Nachdruck gefolgt sein, eben der Druck von 1500, dessen Ver-
anstalter wieder den Bestand vermehrte, eingedenk der Bitte des
Verfassers in der neuen Vorrede: vnd hü hiemit cynen yegklichen^ tco
mein fchrifft von Vlnfpiegel eu lang oder zu hurte fey, das er das
beffer^ auff das ich nit vndanck verdiene (C 1539, bei Lappenberg S.
171). Der Nachdrucker hat aber seine redactionelle Tätigkeit nicht
auf Zusätze beschränkt. Einzig ihm und nicht dem Autor müssen
die Aendeiningen zugeschrieben werden, durch welche der Text so
gestaltet und teilweise so entstellt ward, wie wir ihn durch die Ueber-
setzung von S kennen lernen. Es erscheint ausgemacht, dass S keinen
nd. Originaldruck, sondern nur den nd. Nachdruck übersetzt hat.
Auf Rechnung des Nachdruckers sind zu setzen die Verwirrung in
der Reihenfolge der Schwanke, die neuen üeberschriften, die Zerlegung
von sechs Geschichten in je zwei und wohl auch die Zählung der
„Historien".
Abgesehen von der Jugendgeschichte und dem Ende Ulenspiegefs
sind die Erzählungen mit Vorliebe gruppenweise geordnet, nach dem
Stande und Berufe derjenigen, an denen U, sehie Possen verübt, und
nach dem Charakter, in welchem er als Handwerker, als Gelehrter,
als Reisender u. s. w. auftritt. Dass diese Gliederung nach gewissen
Gattungen nicht ursprünglich vorhanden gewesen sein kann, ist längst
erkannt worden. Sie ist weder völlig durchgeführt, noch stimmen A
und C immer zu S. Und manche Historien verraten niur zu deutlich,
dass sie an falscher Stelle stchn. Knust (S. XIII f ) hat einige Bei-
spiele hervorgehoben. Die Liste sämtlicher erkennbaren Fälle einer
willkürlichen und gedankenlosen Ordnung der Historien fällt aber
weit reichhaltiger aus; ihre Mitteilung ist hier jedoch unnötig; auch
kann jeder aufmerksame Leser sie sich leichtlich aus S zusammenlesen.
Aus der durch Umstellungen und Interpolationen verwirrten Reihen-
folge der Historien schimmert noch erkennbar eine andere Anordnung
75
durch, die geographische. Sie wird die ursprüngliche gewesen sein,
indem der Verfasser sich seinen Helden als einen Landfahrer dachte,
dessen Leben er in fortlaufender Erzählung eines Romanes behandelte.
Doch scheint er selbst seine Anordnung schon in der Wiederauflage
seines Werkes durch eingeschobene Geschichten durchbrochen zu haben.
Vielleicht sind erst dadurch die üeberschriften — es können auch
bloss Paragraphen oder Inhaltsangaben am Rande gewesen sein —
nötig geworden. Sie waren kürzer als diejenigen in S, und wahr-
scheinlich waren sie noch nicht beziffert.
Den Einblick in diese ursprüngliche Anlage und die nächst-
folgende Entwickelung des Volksbuches gewährt uns abermals der
Antwerpener Druck. Hier finden wir die 46 Abschnitte oder Kapitel
noch ungezählt und die Üeberschriften kürzer und oft abweichend
von denen in S. Zu je einer Geschichte sind zusammengefasst, was
S zerlegt in Hi. 3 und 4 (Hoe Vlefpiegel int water viel van der coor-
denjj 9 und 10 (hoe V, gvftolen wert in eenen biekorf)^ 12 und 13
(hoe V. te Bodden ftede cofter wert)^ 57 und 58 (hoe V, te Lubeke den
wijntapper hedroech)^ 90 und 91 (hoe V, te Mollen cranck wertf ende
hoe hi den apoteker in fijn bu/fchen fcheet ende hoe hi in den heyligen
gheeß ghedraghen wert)^ 93 und 94 (hoe V. fijn teftament maecte).
Die Vereinigung von Hi. 9 und 10 ist auffällig; allein grade dieser
Fall gewährleistet, dass A nicht eine Zusammenschweissung von je zwei
Geschichten vorgenommen, sondern dass er es so in seiner Quelle
gefunden hat. Die Kapitelbezeichnung kann im Original bei 10 und
ebenso wohl bei 94 zufällig unterblieben sein, was zumal erklärlich
wäre, wenn die Inhaltsbezeichnungen am Rande des Textes standen.
Schon mehrfach bot sich Gelegenheit, auf gute Lesarten von A
hinzuweisen, welche seine Unabhängigkeit von S dartun. Als be-
achtenswerte Abweichungen sind noch zu bemerken, dass er schon in
der Hundefellgeschichte (S 82) Stasfurt nennt, nicht erst in der von
U. auf dem Rade; dass der Rabbi (S 35) Akipha (^ Akiba) heisst;
dass nicht allein die Eselsunterweisung zu Erfurt (S 29) fehlt, sondern
auch in der vorhergehenden Geschichte die Schlussangabe, dass Ulen-
spiegel nach Erfurt gegangen sei; endlich dass der Milchkauf in
Bremen, der in S (Hi. 70) zwischen zwei hannoversche Vorgänge ein-
geschoben und ungeschickt von (der bei A vermissten) Hi. 72 oder
von 87 getrennt steht, auf diese letztere folgt. Die letzten beiden
Verschiedenheiten können freilich eben sowohl von A herrühren, als
auf seine Vorlage zurückgehen; denn es lässt sich nicht verkennen,
dass er eine gewisse redactionelle Tätigkeit bei seiner Uebersetzung
geübt hat. So hat er in seinen 46 oder, nach der Zählung von S,
52 Geschichten nicht alles wiedergegeben, was ihm zu Gebote stand,
sondern ausgewählt; das ersieht man daraus, dass er (Läpp. S. 159) Ulen-
spiegel von Nürnberg, wie bei S, nach Bamberg wandern lässt, ob-
gleich die Nürnberger Geschichte bei ihm fehlt. Wenn ihm auch
hier eine Nachlässigkeit in der Redaction begegnet ist, so könnte er
doch in jenem Falle der Erfurter Geschichte (S 29) vorsichtiger ver-
76
fahren sein und den vorhergehenden Hinweis auf dieselbe ausgemerzt
haben. Aus den Bedenken jedoch, die ich gegen diese Amis-Historie
als einen ursprünglichen Bestandteil des Buches vorgebracht halie,
bin ich eher geneigt, das Fehlen derselben in A als eine Bestätigung
meiner Ansicht anzusehen. Ein Act willkürlicher Wahl möchte sodann
in der Mitteilung der ursprünglichen Vorrede zu erkennen sein, wenn
anders meine Vermutung, dass die in Polen spielende Geschichte (S
24) an den 1492 gestorbenen König Casimir IV geknüpft ist, Grund
hat; denn, da A dieselbe bringt, muss ihm der vermehrte Original-
druck mit der neuen Vorrede ausser dem Urdruck zur Verfügung
gestanden haben, was aber auch an sich nicht unwahrscheinlich ist,
und ausserdem lässt sich für einen andern Uebersetzer, Kruffter, eine
solche Benutzung von mehr als einer Vorlage nachweisen. Lappen-
berg setzt A zwischen 1520 und 1530, während Grässe ihn 1495 er-
schienen sein lässt. Grässe's Annahme scheint allerdings, wie Lappen-
berg behauptet, ohne Grund zu sein. Nichtsdestoweniger möchte ich
glauben, dass seine Zeitbestimmung dem Editionsjahr näher kommt,
als Lappenberg's Annahme es tut. Dass A auf jeden Fall vor K
herausgekommen ist, werde ich noch dartun. Ein zulängliches Urteil
über A wird sich erst dann gewinnen lassen, wenn dieser Druck durch
Reproduction völlig ausnutzbar gemacht worden ist, was er in hohem
Masse verdient als eine wichtige Quelle für die Geschichte des Eulen-
spiegelbuches.
Kruffter oder, wer diesem Buchdrucker den Text hergerichtet
hat, verfährt gleich A eklektisch. Er hat mehr als seine achtzig
Geschichten gekannt, so die Seiltanzgeschichten (S 3 und 4), was
aus dem Schluss seines zweiten „Capitels*' und dem Anfang seiner dritten
„History" hervorgeht, ebenso die Hundefellgeschichte (S 82), was die
beibehaltene Historie von Ulenspiegel auf dem Rade (S 83) ergiebt.
Die beiden Schwanke, die in Pommern und in Nürnberg spielen (S 31
und 32), hat er umgestellt und lässt U. gleichwohl aus Pommern nach
Nürnberg kommen wie in S: er hat also anfänglich die Nürnberger
Geschichte überschlagen wollen, holte sie aber nach.
Als hauptsächlichste Grundlage seines Druckes hat K einen S
benutzt. Das lässt sich schon aus seiner Sprache schliessen, die liie
und da oberdeutschen Einttuss verrät. Das beweist ferner die häufige
wörtliche Uebereinstimmung mit S; recht deutlich wird das in Hi. 10,
wo S um des Wortspieles willen die nd. Wortformen henq^ und fenep
beibehalten und sie erklärt hat: so heisse Hanf und Senf in Sachsen.
K hat seine mundartlichen henff und fenff gebraucht, weil sie das
Wortspiel bestehen lassen; trotzdem behält er einmal aus S bei:
fenep^ als up die faß'etifche fpraech. Von den beiden S hat K den
Druck von 1515 gebraucht. Wo in S 1519 Lücken sind, durch welche
der Zusammenhang gestört wird (s. Knust S. VIII), da stimmt K
immer mit S 1515 überein. Pibenfalls, wo beide S im Ausdruck
diflferieren, steht K auf der Seite von S 1515, selbst in Fehlern, z.
B. Mclbe^ Amplenen^ Mildeßheim^ das er zu Mideßheim verdruckt; fo
ßogen fy vck eo doid^ feto (S 1515 fpeck), bruid (Hi. 22); Jcyuen (S
1515 balgen^ Hi. 37). In manchen Fällen freilich bleibt unklar, welches
Druckes K sich bedient hat, weil er sichtlich bestrebt ist, einen ver-
ständlichen Text zu liefern. So hat er fast sämtliche Misverständnisse,
die oben besprochen worden sind, in wohlüberlegter Weise gebessert
oder, wenn ihm das nicht gelingen wollte, die Stelle gekürzt. Die
von S zerstörten Wortwitze werden auch bei K vermisst, wie es nicht
anders sein konnte. Nur das Wortspiel mit Koldingen und dem
Winter glückte ihm durch Umsetzung des Namens in seinen Dialekt
(Kaidingen) wiederherzustellen, Hi. 16. Wie verständig er. verfährt,
soweit durch Nachdenken eine Stelle emendiert werden kann, zeigt Hi.
1, wo er für Dyl von der burger j&u Amplencn bei S 1515 conjiciert:
Thiel twM der burch Amplenen gcfiant. Die richtige Lesart Dyl voti
Vteen der burgher m Ampleuen und somit S 1519 kannte' er demnach
nicht. Doch scheint ihm während seiner Bearbeitung oder seines
Druckes diese Ausgabe noch zugänglich geworden zu sein. Es finden
sich mehrere Stellen, an denen er zu derselben mehr stimmt als zu
S 1515, so in Hi. 16 und 89. Allein das kann auch Zufall sein.
Wenn er aber in Hi. 16 statt des kindes ßiielgin das zum Yerständniss
notwendige Compositum und in Hi. 62 bretlöcker übereinstimmend mit
S 1519 giebt, so kann das nicht auf blosser Conjectur beruhen. Es
hat nun aber keineswegs etwas auffälliges, wenn K auch S 1519 be-
nutzt hätte. Servais Kiniffter lässt sich als Druckes bis 1519 in Basel,
seit 1520 in Cöln nachweisen (Lappenberg S. 149). Dass sein Ulen-
spiegel in die Zeit seines Cölner Aufenthaltes fallen muss, verbürgt
sein Dialekt. In Basel wird er S 1515 kennen gelernt haben. Zur
Zeit oder bald nach seiner Heimkehr in die Heimat erschien S 1519,
den er dann wenigstens noch bei seiner teilweise oder ganz vollendeten
Arbeit an einigen schwierigen Stellen zu Rate zog. Lappenberg stellt
K zwischen 1520 und 1530. Nachdem sich seit Auffindung von S
1515 dieser Druck als seine Vorlage hat feststellen lassen, darf man
K ungefähr um 1520 ansetzen.
S ist nicht die einzige Redaction gewesen, die K zu Gebote
gestanden hat. Er weicht in Zahlenangaben von S ab in Hi. 29. 33.
57. 66. 87. Meist scheinen diese Abweichungen seine eigene Correctur
zu sein. Aber die 60 Jahre in Hi. 1 statt der 50 von S lassen sich
so nicht erklären; da er die Vorrede unterdrückte, brauchte er die
Rechnung nicht zu verbessern: hier muss ihm die richtigere Zahl aus
einem anderen Druck geworden sein. Ferner liefert er drei Er-
zählungen, die S nicht kennt: I von den altklugen Antworten, welche
U. als Kind einem reisigen Manne gegeben; II wie er als Rosstäuscher
jemand mit einem stätigen Pferd betrog, das nicht über die Bäume
d. h. über die Balkenlage einer Brücke ging; III wie er als Oberhirte
des Herzogs von Braunschweig dies Amt mit besonderer Schlauheit
zu seinem Vorteile ausbeutete. I geht allen hd. Drucken mit Aus-
nahme des Augsburgers von 1540 ab, findet sich aber in A und der
daraus geflossenen französischen und englischen Uebersetzung; um-
n
gekehrt steht es um die Verbreitung von II und III. K hat also
zwei verschiedene Quellen zur Ergcänzung von S benutzt. Die erste
Hälfte von I ist durch Lappenberg S. 291 als schon im älteren Ge-
dichte von Salomon und Markolf vorkommend nachgewiesen, welche
Dichtung nach Schaumberg's Erweis in Paul und Braime's Beitrilf^en
z. Gesch. der dtsch. Spr. u. Lit. II, 19 am Niederrhein entstanden ist.
Es mochte dem Cölner um so näher liegen, diese recht Eulenspie-
gelschen Wortklaubereien aufzunehmen, als ihm nicht entgehen kannte,
dasß der Verfasser des Ulenspiegel bereits einen anderen Schwank,
den vom Bienenkorb (S 9), daher entlehnt habe; vgl. Eschenbur^.
Denkmäler altdeutscher Dichtkunst S. 169. Dennoch dürfen wir K
die Vermehrung des Volksbuches durch I nicht zuschreiben. Schon
dass er die Erzählung zwischen sein Capitel 1 und Capitel 2 ohne
Zählung eingeschoben hat, widerspricht solcher Annahme. Er hat
sie denn auch aus A genommen. Dass er zuerst roß und 66/e, nach-
her dafür pert und quat gebraucht, lässt schliessen, dass er peert und
quaet von A vor sich hatte; keinen Zweifel aber lässt der Umstand,
dass er, dessen Dialekte fachte (sagte) gemäss war, in dieser Historie
einmal das ndl. feyde beibehalten hat. Es bestätigt sich also, das>
A älter ist als K. Ob A die Geschichte hinzugethan hat? oder ob
er sie in seiner nd. Vorlage vorgefunden hat? Es giebt einen un-
datierten nd. Druck Marcolphus mit l'ynem wive (s. Eschenbnrg S. 178).
Doch glaube ich nicht an eine Entlehnung jener beiden Historien au>
dem Markolf. Beide werden altes Fabelgut sein; und die zweite Hälft**
der Erzählung vom klugen Kinde findet sich gar nicht im Markidf.
— Auch in Historien, welche K mit S gemeinsam hat, weicht er bis-
weilen nicht unerheblich von S ab, z. B. in Hi. 13. 14. 15. 39. Gl.
Die erste, der Osterschwank, kommt fast wörtlich mit dem englischen
Texte überein (vgl. Percy, Reliques of ancient P^nglif h poetry ; London,
1839; p. 133) und K hat also seine Fassung wohl gleichfalls aus A
entlehnt.
Schwieriger ist über II und III zu klaren Ergebnissen zu ge-
langen. Zwar soviel ergiebt sich mit ziemlicher Gewissheit, dass S
dieselben sowenig wie I gekannt hat, weil seine schriftstellerischo
Manier durchaus nicht den Eindruck von wählerischer Enthaltsamkeit
macht. Haben sie gleich nicht in seiner Vorlage gestanden, so könnten
sie doch schon gedruckt gewesen sein. Nicht ausser Acht gelassen
werden darf, dass E und C an der Stelle des Einschubs von II und III
(zwischen Hi. 88 und 89 bei S) noch zwei Historien eingeschaltot
haben: IV wie U. in Hildesheim ein Pferd nur halb bezahlt, weil er
die andere Hälfte schuldig bleiben will, und V wie er zu Erfurt
Schuhe ohne Bezahlung kauft, indem er, als Dieb verfolgt, mittels
der zweideutigen Behauptung entkommt, es handele sich um einen
Wettlauf um ein Paar Schuhe. Die Reihenfolge in EC ist: II, IV,
III, V. Sie können gleichzeitig eingeschaltet sein, so dass K zwei
Historien unterdrückt hätte. Hi. II und IV gehören nach der Materie
zu der von A und K nicht gegebenen Wismarer Rosshandelgeschichte
79
(Hi. 65). Hi. V hat merkliche Aehnlichkeit mit Hi. 60 und 61: alle
drei gehen in Erfurt vor sieh, in allen wird U. zum Kauf aufgefordert
und verschaflft sich die Waare durch schlaue Rede ohne Geld. Hi.
III und IV geben dagegen nd. Gebiet als Schauplatz an. Der Herzog
von Braunschweig in Hi. III, welcher Viehzucht betreibt und dessen
Amtleute alle reich werden, erinnert an die Schilderung eines histo-
rischen Braunschweiger F'ürsten in der nd. Weltchronik, welche unter
dem Namen der Hetlingischen geht und von der Caspar Abel in seiner
Sammlung etlicher Chroniken (1732) Auszüge veröffentlicht hat, S.
217: hertog Hinrick (1431 — 1473) wart genomet de fredefame; he
wart eyn rike fürfte van queke, alfe fchapen; . . . alle fine borge
hadde he fry, de weren nicht vorpendet, men dar hadde he vogede
uppe, fo dat fin laut unde lüde, borge unde ftede in groter nering
feten. In Bezug auf die Sprache kann man die Fragen aufwerfen,
betreffs II, ob das sowohl nd. wie Cöln. lack (Fehler) in K für die
echte Lesart zu halten sei oder ob es mit höfer tuck in EC auf einen
dritten Ausdruck, etwa nd. nucke, als den ursprünglichen schliessen
lasse; für III, ob fehe (Vieh) in K, wofür er eben vorher fye und in
Cap. 36 (Hi. 43 in S) fyeg braucht, als Cölnische Nebenform oder
als Rest einer nd. Vorlage angesehen werden dürfe. Eins scheint
unzweifelhaft, dass aller vier Historien Aufnahme in das Volksbuch vor
ca. 1520 geschah. Vier weitere Historien dagegen (U. zu Berlin als
Büttel, als (jlöckner, als Bauerknecht, auf der hohen Schule zu Paris),
welche E und C mehr als alle früheren Ausgaben bieten, sind offen-
bar erst später hinzugekommen und rühren keinesfalls aus einem nd.
Druck her. Von andern Gründen abgesehen, werden sie als jüngster
Zusatz schon durch ihre höchst ungeschickte Einflickung zwischen
die beiden Testamentsgeschichten (S 92 und 93) erwiesen.
Die vorliegende Untersuchung soll in keinem Versuch enden,
den ersten Entwurf des Volksbuches auszukernen, noch die Inter-
polationen nach Herkunft und Zeitfolge zu sondern. Bei dem jetzt
noch so unvollstiindigen Material hat ein solches Unternehmen keine
Aussicht auf endgültige Resultate; vielleicht aber selbst dann nicht,
wenn A, E, C und Augsb. in Neudrucken vorliegen werden. Desgleichen sehe
ich davon ab, die Frage nach dem mutmasslichen Verfasser zu er-
örtern. Bei Gelegenheit der Versammlung des Niederdeutschen Sprach-
vereins zu Braunschweig um Pfingsten 1892 habe ich in einem Vor-
trage versucht, den Brauuschweigcr Härmen oder Herman Bote^) als
wahrscheinlichen Urheber des Volksbuches nachzuweisen, für den ich
zugleich den Koker und verschiedene historische Gedichte in Anspruch
nahm. Es erscheint praktischer, die Untersuchung als Ganzes zum
Druck zu bringen und darum auf eine Mitteilung des Abschnittes
über den Eulenspiegel hier zu verzichten.
HAMBURG. C. Walther.
*) 8. über ihn Hänselmann in: Die Chroniken der deutschen Städte. Bd.
XVI (Braunschweig Bd. II); und Brandes im Nd. Jahrbuch XVI, S. 1.
80
Die mittelniederländisehe
Paraphrase des Hohenliedes.
Im vorigen Jahre teilte mir einer meiner Zuhörer, Herr L. Seher
aus Wetzlar, gelegentlich mit, dass im dortigen Archiv Fragmente
eines 'niederdeutschen Werkes von geistlichem Charakter' aufgetaucht
seien. Ein anderer junger Wetzlarer, Herr Dr. Rieh. Wünsch, ver-
schaffte mir später abschriftlich Proben, aus denen ich die Zuge-
hörigkeit der neugefundenen Pergamentblätter leicht bestimmen konnte,
und daraufhin forderte mich Herr Archivrat Dr. Veltman, der die
Blätter nach und nach von alten Reichskammergerichtsacten losgehest
hatte, in liebenswürdiger Weise auf, statt seiner öffentlich über den
Fund zu berichten.
Es handelt sich um neue, umfangreiche Bruchstücke der mittel-
niederländischeu poetischen Paraphrase des Hohenliedes, von der
1862 Holfmann von Fallersieben, Horae Belgicae XH, 16 — 27 erstmals
Proben veröffentlichte (vgl. auch L. Petit, Bibliographie der mnl. taal-
en letterkunde Nr. 506), deren Existenz aber gleichwohl dem neuesten
Bearbeiter der niederländischen Litteraturgeschichte, Jan te Winkel,
gänzlich entgangen zu sein scheint.
Im Jahre iHiil übergab P. Wigand der Kgl. Bibliothek zu
Berlin 44 ganze und das obere Drittel eines 45. Pergamentblattes,
die er Acten des Wetzlarer Archivs entnommen hatte. Es waren
Teile einer schönen Pergamenths. des 14. Jahrhunderts, die spätestens
im Jahre 1589 in Speier zerschnitten und zu Umschlägen und Zwischen-
lagen von Acten verschiedenster Herkunft verwendet worden war.
H. V. F., der sich zufällig von einem der Berliner Blätter notiert
hatte 'Manderschcd'Blankenhcim contra Printt\ folgerte daraus nach-
träglich, die Hs. müsse aus der alten Bibliothek von Blankenheini
stammen. Vor den Blättern selbst, welche mehr als ein Dutzend
verschiedene Aufschriften bieten, kann diese Vermutung nicht auf-
kommen: neben vorwiegend rheinischen Namen begegnen hier auch
oberdeutsche, wie ^Vilach ca. Oherticloßer\ und gemeinsam ist allen,
soweit sie überhaupt bezeichnet sind, nur das 'PraesfentatutnJ Spirae . . . .*
mit einem Datum aus den Jahren 1589 bis 1592.*) Man wird also
den Rest der Hs. nicht unter Manderscheidschen Archivalien, sondern
lediglich unter den Acten des Reichskammergerichts suchen müssen,
die aber leider nicht mehr vollständig in Wetzlar vereinigt sind.
Die Berliner Hs. Ms. germ. fol. 613 (B) enthält die Blätter der
altern Fundreihe in einer Anordnung, die nicht ohne Mitwirken des
') spätere Zahlen beziehen sich auf ein ^repraesentatum^ auf eine abermalige
Vorlegung der Acten.
Buchbinders zu stände gekommen scheint; die neu aufgetauchten Blattei*
(W) habe ich mit Bleistift selbst numeriert: es sind ihrer 27 (25
einzelne und ein erhaltenes Doppelblatt: 10-11), worunter 3 einem
(doppelten) Register angehören. Wir haben also 7lVs Blätter, davon
08 Vs Blätter mit Text. Auf die zweispaltig beschriebene Seite kommen
40 -h 40 Zeilen; nach Abzug des Raumes, den die lateinischen Text-
einschaltungen und die deutschen (nl.) Kapitelüberschriften — beide in
roter Schrift — in Anspruch nehmen, entfallen auf das Blatt im
Durchschnitt 150 Verse. Ziehen wir davon auch ab, was durch Weg-
schaben usw. unleserlich geworden ist, so bleiben noch immer etwas
über 10,000 Verse. Es lässt sich — wie, ergibt sich unten — be-
rechnen, dass zwei Dritteile des Codex erhalten, ein Drittel aber (ca.
34 — 38 Blätter) verloren oder doch noch nicht wieder aufgefunden
ist: die Dichtung dürfte vollständig 15 — IGOOO Verse umfasst haben,
also eines der umfangreichsten geistlichen Reimwerke der mittelnieder-
ländischen Litteratur gewesen sein.
Ich gebe zunächst meine gesicherte Anordnung der Fragmente,
wobei ein + unmittelbaren Anschluss von seither getrenntem bedeutet,
die Striche andeutungsweise die fehlenden Blätter markieren.
Wl— W2. 3 — Bl. 2 W4. 5 — B3. 4. 5-hB
35 -(« B 6 — B 7a. 7b. 8. 9 — B 10. 11 B 12 — W 6 -h
B 13. 14 B 15. 16 -h W 7 — W 8. 9. 10. 11. 12. 13 —
W 14 4- B 17 -h W 15. 16 W 17 -h B 18 — B 19. 20. 21
B 22. 23. 24 — B 25 B 43 — B 28. 29. 30. 31. 32.
33. 34 B 36 -h W 18 + B 37. 38. 39. 40 -J- W 19 + B
41 _ W 20 W 21 — W 22. 23 W 24 — W 25.
26 — B 42 -h B 27 + B 26 + B 44 W 27
Um die Blätter anzuordnen und den Umfang des vermissten an-
nähernd zu bestimmen, haben wir einen doppelten oder gar dreifachen
Anhalt. Der lateinische Text des Hohenliedes ist nämlich für die
Paraphrase in 150 Sätze zerlegt — die Zahl schwerlich absichtslos
— und über diese (schwarz numerierten) Textsätze besitzen wir oben-
drein auf W 1 — 2 ein freilich unvollständiges Register; der In-
halt der Paraphrase aber erscheint in eine grosse Anzahl mit roten
Zahlen versehener und durch deutsche Ueberschriften und Stichworte
angekündigter Kapitel gegliedert: auf W 27, am Schluss unserer
Ueberlieferung stehen wir bei Satz 145 des lateinischen Textes und
bei Kap. 230 der deutschen Paraphrase, es können also etwa 5 — 8
deutsche Kapitel ausgefallen sein. Das auf W 2. 3 erhaltene Register
reicht nur bis Kap. 181.
Das ganze war in Bücher eingeteilt, deren Eingang eine grössere
blau-rote Initiale markierte. Aber wie die einzelnen Kapitel, so sind
auch die Bücher von sehr verscliiedenem Umfange. Erhalten ist uns
der Eingang von Buch I (das sich aber nicht als solches einführt)
auf B 1, der von Buch III auf W 22, der von Buch IV auf W 25:
danach entfielen auf Buch I 137 Kapitel, 46 Textsätze, auf Buch II
65 Kapitel, 60 Textsätze, auf Buch III dagegen nur 11 Kapitel, 21
Niederdeatachea Jahrbuch. XIX. 6
82
Textsätze. Man sieht: auch das Verhältnis der Textsätze zu den
deutschen Kapiteln ist nach Zahl und Umfang ein sehr verschiedenes.
— Bei der Beliebtheit der Fünfzahl darf immerhin die Vermutung
geäussert werden, dass in eine der grössern Lücken des letzten Teils
noch der Eingang eines V Buches fiel.
Von der Art, wie sich die lateinischen Textworte mit den deutschen
Kapitelüberschriften kreuzen, könnte nur der Abdruck von umfang-
reichen Proben einen deutliclien Begriff geben. Ich biete hier zunächst
das deutsche Inhaltsverzeichnis, soweit es sich auf W 2. 3 vorfindet
und ergänze es dann durch die darüber hinaus erhaltenen Kapitel-
überschriften. Damit verbinde ich eine Uebersicht über den gegen-
wärtigen Bestand in der Weise, dass ich die Zahlen der vollständig
fehlenden Kapitel in Doppelklammern einschliesse, fehlenden Anfan
mit einer vorangestellten, fehlenden Schluss. mit einer nachgesetzten
eckigen Klammer anzeige. Ueber den Umfang des Fehlenden ist da-
mit natürlich nichts ausgesagt und lässt sich auch nur in seltenen
Fällen eine bestimmtere Vermutung äussern.
Im Register wie in den nachfolgenden Proben habe ich die
sichern Abkürzungen stillschweigend aufgelöst, im übrigen aber die
Orthographie durchaus bewahrt. Interpunction habe ich reichlich
hinzugefügt, zu ändern überall wo ich Anstoss fand, dazu fühle ich
mich in Sprache und Stil des Dichters nicht sicher genug.
JULler beghinnet die tafel in duutsch uan caiitica canticorum. in den eersten W f. 2«
I Hoe dat god alle dmc maecte ende Lucifcr viel. (B 1)
II Hoe die menfche viel. (B 2)
III] Hoe gods minne an den mensche bleef ende makede vrede tot Marien. (B 2)
IV] Wäir om die menfche is uerloft ende nict die duuel.
V] Hoe die foene toe quam.
VI Wair om dit boec is ghescreuen. (W 4)
VII Een ander fprake uan niinnen. (W 4)
Vin Hoe Salemoen dit boec makede. (W 4. 5)
IX Van den drien wanden (1. vianden) der doget. (W 5)
XJ Hoe dit boec gheheten is. (W 5)
[XI] Der bruut woirde uan der ontfanghenisse gods.
[XII Een gheliken in der glofen. (6 3)
XIH Hoe god an der menlcheit quam. (B 3)
XIV Van drier hande personen die hier tegader spreken uan der bmlocht. (B 3. 4)
XV Van drien pointen der minnen. (B 4. 5)
XVI Van drien vreden die Adam brac. (B 5)
XVH Wie wairdich is gode te cussen. (B 5)
XVIII Van drien cussen. (B 5. 35)
XIX Een vraghen in der glosen. (B 35)
XX Hoe die bruut ontsculdighet hare boutheit. (B 35. 6)
XXI] Van des brudegoms borsten. (B 6)
[XXII] Van den leden der heiligher kerstenhede.
[XXIII Van den faluen der falicheit. (B 7*)
XXIIII ») Hoe die name Jesus is oly. (B 7» b. 8)
XXV Wair om die maghede den brudegom minnen. (B 8)
XXVI Sinte Barnaerds woorde. (B 8)
*) im Text verschrieben XXVII.
83
XXVIl
XXVIII
xxixj
[XXX]
IXXXI]
[XXXII
XXXIII
XXXIIII
XXXV
XXXVIJ
[XXXVII]
XXXVIII]
XXXIX
XL]
[XLI]
[XLIl
XLIII
XLIIII
XLV
XLVI
XLVII
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[XLIX]
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LXIX
LXX
LXXl
LXXII
LXXIII
LXXIIII
LXXV
LXXVI
LXXVII
LXXVIII
LXXIX]
[LXXX]
[LXXXI
LXXXII
LXXXIII
(W 6 B 13)
Hoe die bruut na gode begbeert te climmen. (B 8. 9)
Van Finte Augustin. (B 9) f. 2d
£en uragben ende een antwoorde. (B 9)
Ecbter uan vier faluen.
£ne clairnisse der glosen.
Hoe die bruut gbeleit wart in den kelren gods. (B 10)
Van den kelren wat fi fijn. (B 10)
Noch uan drien kelren. (B 10. 11)
Van drien ghesinden gods. (B 11)
Hoe die ouerste al den last dragben. (B 11)
Wair bi die prelaten verduldicb füllen fyn.
Van den quaden die die kerke verdrucken.
Hoe goods gracie is moeder alre creaturen. (B 12)
Een ander glose. (B 12)
Van den prelaten.
Van enen vragben. (W 6)
Van gods wijngaerde. (W 6)
Van den goeden wijngaerdes boeder. (W 6)
Hier is ondersceit van des wijngaerts hoedere.
Vyf pointen uan gbewairre minnen. (B 13)
Hoe die bruut wil weten wair god rust. (B 13. 14)
Een ander glose van den seinen. (B 14)
Hoe die brudegom der. bruut antwoort.
Wat wi beboeuen tot der falicbeit.
Hoe die brudegom der bruut troost. (B 15)
Van den gauen des brudegoms. (B 15)
Van des duuels wagbene. (B 15. 16)
Wair bi men die bruut kent. (B 16)
Van goeden werken ende bequame. (B 16 W 7)
Van der bruut hals ende hair zierbeit. (W 7)
Van den rechten gheloue. (W 7)
Ene iammerlike claghe. (W 7) f. 3»
Van der bruut verduldicbede.
Drie duechden der bruut.
Van tween manieren der ootmoedicbeit. (W 8)
Van rechter ootmoedicbeit. (W 8)
Van verduldicheit. (W 8)
Van den risen des dogen gods. (W 8. 9)
Noch uan der passien risekijn ende van den seuen tiden. (W 9)
Hier wert die bruut gbetroest om dat hair lief bi hair is mit minnen.
(W 9. 10)
Van der duuen dat Christus is. (W 10)
Een ander gloze. (W 10)
Een ander glose. (W 10)
Hoe die brudegom die bruut prijst; dit lof is der eerster bruut, die
van Adame is eerst comeu ende heet die eerste kerke. (W 10. 11)
Van der duuen nature. (W 11)
11)
12)
(W
11.
(W 12. 13)
(W 13)
(W 13)
Noch twee ogen der bruut.
Hoe men god hier siet. (W
Echt een vragheo. (W 12)
Hoe men hier op antwoort.
Hoe die bruut te vreden is.
Echt uan der bruut bedde.
Van der minnen huse. (W 13)
Van den rechten gods huse. (W 13)
Een ander glose.
Van seuen bloemen. (W 14)
Hoe die brudegom leert die bruut ootmoedich te sine. (W 14)
Een ander suete lere van drien bloemen. (W 14)
6*
84
Lxxxnii
LXXXV
LXXXVI
LXXXVII
LXXXVIII
LXXXIX
XC
XCI
XCII
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[XCIIII]
[XCV]
[XCVl]
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XCIX
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CII]
[CHI]
[Clin]
[CV
CVI
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CVIII
CIX
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CXI
CXII
CXIII
CXIIII
CXV
CXVI
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CXVIII]
[CXIX]
'CXX]
CXXl]
CXXII]
CXXIII]
CXXIIII
CXXV
CXXVI
CXXVII
CXXVIII
CXXIX
CXXX
CXXXI
CXXXII
CXXXIII
CXXXIIII
CXXXV
CXXXVI
[CXXXVII]
cxxxvni]
CXXXIX
Van der lelien nature. (W 14 B 17)
Hoe die bradegom die braut pr^st. (B 17)
Lof der bruut des brudegoms. (B 17 W 15)
Hoe die bruut hair belouet uan den brudegom. (W 15)
Die glose. (W 15)
Een ander glose. (W 15)
Van caritaten. (W 15. 16)
Wat men minnen sal. (W 16)
Hoe die bruut doget begheert. (W 16)
Hoe gheloue fonder werke niet enis. (W 16)
Van tween banden gods.
Van der bruut rüsten.
Van tween campen.
Des rees nature. (W 17)
Des harten nature. (W 17)
Hoe die bruut den maghen antwoort. (W 17 B 18)
Van drien berghen. (B 18)
Een merkelic woort uan gods springhen. (B 18)
Van tween pointen in Christo. (B 18)
Hoe na ons Christus is in naturen.
Van vijf wanden.^)
Echt uan vier wanden.*) (B 19)
Van gods werken. (B 19)
Van hinder der ghelouen. (B 19)
Van den winter. (B 19. 20)
Van den reghen. (B 20)
Van der bequameliker tijt. (B 20)
Van vijf pointen der salicheit. (B 20)
Teerfte point. (B 20)
Tander point. (B 20)
Terde point. (B 20)
Hoe Christus onse broeder is. (B 20. 21)
Van der blijscap tijt. (B 21)
Van der tortelduuen manieren.
Dat vierde point. (B 21)
Dat vijfte point der salicheit.
Vier pointen in penitencien.
Wair salicheit in leghet enter bruut drie namen.
Wat die predicair sal sijn.
Wair die sal wonen.
Van des wijngaei-ts hoeder. (B 22)
Twee pointen. (B 22)
Hoe die goede predicacrs gode behaghen.
Van drien wijngaerden. (B 22)
Van gheveinl'de kerstene. (B 22)
Van ualschen begheuen luden. (B 22.
Van den vossen. (B 23)
Van drien fcalken fonden. (B 2.3)
Van rechter minnen fede. (B 23)
Drie pointen die die woorde benemen. (B 23. 24)
Drie pointen van rechter minnen. (B 24)
Noch uan der lelien. (B 24)
Welc rechte lelien voir gode sijn. (B 24)
Hoe die bruut hair [lief weder roept.]') (B 24)
Hier beghint dat ander boec.
Een voirfproke des anders boecs. (B 25)
f. 3»»
(B 21)
(B 22)
f. 3c
23)
*) wohl vianden wie bei IX. •) desgl.
') hier ist nur der Anfang der Ueberachrift erhalten, vom Texte gar nichts.
85
Hoe die kerstenheit is ghedeelt. (B 25)
Van der bruut bedde. (B 25)
Hoe wi ter kerstenheit sijn comen. (B 25)
Hoe men foeken fal ende vinden.
Een ghelike.
Hoe besweert die brudegom die dochtren. «
Hoe twee brude in gode vergadert sgn.
Wat der eerster bruut uerwondert. (B 43)
Hoe die heidenscap an gode quam. (B 43)
Hoe die eerste bruut vraghet van der ander. (B 43)
Van ses pointen der salicheit. (B 43)
Een ander glose. (B 43)
Hoe die bruut mitten brudegom werscapt.
Noch uan den seinen van Salemoens huse die sierheit. (B 28)
Hoe die bruut den brudegom w|jst den dochtren. (B 28)
Noch van den feinen. (B 29)
Hoe die brudegom die bruut prijst. (B 29. 30)
Noch ene glose. (B 30. 31. 32)
Hoe die brudegom soeket sine vriende. (B 32) f. 3d
Hoe hi die bruut prijst in hären leden. (B 32. 33)
Hoe die brudegom der kerken voirseit hare viande. (B 38)
Wat beduut drieweruen comen. (B 33. 34)
Hoe die brudegom troest die bruut ten stride. (B 34)
Van der bruut leden. (B 34)
Hoe rtarc die bruut is te uechten. (B 34)
Hoe die bruut wederstaet der quader scaren ende uerwint.
Wat bloemen in der kerken houe wassen.
Van der kerstenheit fonteine.
Van den blomen des houes.
Van den bloemen die in der kerken paradyse wassen. (B 36)
Van tween bomen sonderlinghe. (B 36)
Van der bruut houe ende wat hair let (B 36 W 18)
Hoe die bruut nv moet den brudegom. (W 18)
Hoe die brudegom lieflike der bruut antwoort. (W 18 B 37)
Hoe die brudegom yint in der bruut hof al sinen wille. (B 37)
Van den tiden des vreden in der kerken. (B 37. 38)
Hoe men nv van gode slaept. (B 38)
Hoe die bruut ghairne bleue mit rüsten in gode. (B 38. 39)
Hoe node die bruut hair beslet mitter werelt. (B 39)
Hoe die brudegom die bruut wel minnentlike dwinghet te prediken.
(B 39)
Hoe die lerair werden ghetroest in wederstoot. (B 89. 40)
Hoe die bruut gehoirsaem is^) [hären lieue]. (B 40 W 19)
Hoe die bruut hair lief soect. (W 19)
Hoe die bruut die dochtren besweert. (W 19 B 41)
CLXXXIIII Hoe die dochtren uraghen. (B 41)
CLXXXV] Hair lief wijst den dochtren. (B 41)
[CLXXXVI (W 20)
CLXXXVII Dit is der bruut antworde ten dochtren. (W 20)
CLXXXVI II Hoe die minne dicken die woorde breket. (W 20)
CLXXXIX] Hoe vier brude vergadert fijn in ene minne gods in rechter ghelouen.
(W 20)
CXC-CXCVI]
CXCVII (W 21)
3XCVin Die derde graet. (W 21)
CXCIX Der bruut lof. (W 21)
CC] Hoe die dochtren nv die bruut prifen. (W 21)
CXL
CXLI
CXLII]
CXLIil]
CXLini]
CXLV]
CXL VI]
CXLVII
ftXLVHI
CXLIX
CL
CLI]
[CLIIl
CLin
:;liiii
CLV
clvi
CLvn
cLVin
CLIX
CLX
CLXI
CLXII
CLXIII
CLXini]
CLXV]
CLXVI]
CLXVIl]
CLXVIII]
CLXIX
CLXX
CLXXI
CLXXII
cLxxm
CLXXini
CLXXV
CLXXVI
CLXxvn
CLXXVIII
CLXXIX
CLXXX
CLXXXI
CLXXXII
CLXXXHI
^) hier bricht das Verzeichnis selbst ab.
86
rcci]
[CCII (W 22)
CCIII Hier beghint die derde boec. (W 22)
CCIIII Die text uan der lettren. (W 22. 23)
CCV] Hoe finlicheit bedrieghet. (W 23)
[CCYI-CCXII] felüen bis auf ein BlaU, das mitten in ein deutsches Kapitel faUt.
(W 24)
[CCXm (W 25)
CCXIIII Hier begbint dat vierde boec. (W 25. 26)
CCXV Hoe die bniut uut gaet ende wint die beiden te gode. (W 26).
CCXYI] Hoe die fanamite brengbet voor den bnidegom mandragora uan der
beidenscap. (W 26)
[ccxvni , . . .
[CCXVIII (B 42)
GCXIX Hoe die bruat den brudegom bout ende mit hair leet. (B 42)
CCXX Hoe men te gode climmet mit minnen. (B 42. 27)
CCXXI Hoe die braut rust na der vergaderingbe hairs lieuen. (B 27. 26)
CCXXn Hoe der fynagogen uerwondert van der groter hoocbeit der bruut
mandragora. (B 26)
GCXXni Die brudegom die bruut waimt uan ualle. (B 26. 44)
CCXXHIP) Van der minnen starcheit. (B 44)
CCXXV] Den lof der wäre minnen. (B 44)
[CCXXVI-CCXXVII]
[CCXXVHI (W 27)
CCXXIX Wat die bruut sal doen. (W 27)
CCXXX] Hoe die bruut antwoort. (W 27)
[CCXXXI bis ScMuss ßöchstens CCXL) feMenJ,
Wer die stattliche Reihe der Commentatoren des Hohenliedes
überblickt, die Pitra im Spicilegium Solesmense III 167 f. verzeichnet,
wird mich entschuldigen, dass ich die eigentliche Quelle unseres Autors
nicht aufgefunden habe. Die Einteilung des Grundtextes in 150 Sätze
mag solchen, denen eine grössere Bibliothek zugänglich ist, einen
Wegweiser abgeben. Eine Selbständigkeit, wie wir sie z. B. dem Magde-
burger Konstabier Bruno von Schönebeck immerhin zuschreiben müssen,
scheint sich unser Autor selbst abzusprechen (Probe IIa V. 66 flf.).
Dass er dem geistlichen Stande angehörte imd in erster Linie für
Geistliche schrieb, beweisen zahlreiche Stellen, dass er ein Ordens-
bruder war, machen gewisse Ausführungen, wie in Probe III (V. 55 ff.)
und dem was ihr in der Hs. folgt, wahrscheinlich. Unter den wenigen
Citaten fällt besonders der heilige Bernhard auf, dessen Predigten
über das Hohelied eine ganze Reihe von späteren Commentatoren,
so besonders den hl. Bonaventura, befruchtet haben. Die Beliebtheit
dieses Gegenstandes in der litterarischen Tätigkeit der Gistercienser
bezeugt Pitras Verzeichnis, der aao. 13 Mitglieder des Ordens aufzählt.
Täusche ich mich, wenn ich in den Kapitelüberschriften CLXVI bis
CLXIX, wo von dem Hof der Kirche mit seinen Blumen, von der
'fonteine' und dem 'paradys' der Kirche die Rede ist, die Anlage
') Die Zahl fehlt; am Schluss von B 26 geht ein weiteres Rubrum (oder
der Anfang eines solchen?) voraus: *Hoe die bruut fal gods gedenken' — kommt
diesem die Zahl CCXXIIII zu, so ist eben ein Kapitel bei der Zählung ganz
ausgefallen.
.87
eines Cistercienserklosters — man denke z. B. an Maulbronn —
durchschimmern sehe?
Zwei Proben aus den neugefundenen Wetzlarer Blättern schicke
ich den Eingang des Werkes aus B 1 voraus. Unsere holländischen
Kollegen werden hoffentlich bald für eine vollständige Publication
des erhaltenen in der Bibliotheek van Middelnederlandsche letterkunde
Sorge tragen. So gering der poetische Wert des Reimwerks ist, für
die Geistesgeschichte der Niederlande ist es als Ganzes keineswegs
ohne Interesse, und ein besserer Kenner der Kulturzustände jener
Landschaften wird ihm gewiss auch noch mehr interessantes Detail
abgewinnen, als mir bei flüchtiger Lectüi*e aufgestossen ist.
I.
B f. 1» Hier beghinnen die boeJcen
die gheheten fijn cantica canticorum.
God here almachtich wijs ende goet,
Alles goedes vte vioeiende nloet,
Want alre diiic biftu beghin,
Mer beghin ginc di nye in;
Du waers ye dattu nv bift,
AI ende heuet di ooc gbemifti
Nochtan biftu fonder mifwende
Alre dinc beghin ende ende.
Want in dijnre godliker cracht
Heueftu alle dinc ghewracht,
In wijfheit voegheftu alle dinc,
Wat ye wefen ane vinc icsw,
IL
Wf. 4c Jjoe fdlomoen dit boec
makede, VIIL
Salemon de wife man
Sach drie hoghe pointen an,
Dair alle doghet in wart ghefaet
Ende gheuoeghet na rechte ftaet:
6 Data wijfheit macht ende goetheit;
In defen drien leghet falicheit,
Bi defen drien wart gheroert
Die fiele ende ter doghet gheuoert.
4d Wijsheit doet die doghet beghinnen,
10 Macht uolnoert n wel mit finnen,
Goetheit hout die doghet gheftade
Ende bequame in gods ghenade.
Wij«heit ons ghelouen doet,
Macht ghenet in der hopen fpoet,
15 Goetheit nolmaect al in minnen
Ende uollent dat wi beghinnen.
Defe drie pointen sijn op drie ftaet
Gheuoeghet, dair die menfche in gaet
Tallen ^inghen die hi doet,
20 Sijn si quaet of fijn fi goet:
Dats in beghinnen ende in voortvaren
Ende in uoleinden fonder fparen.
Want wijs gheloue behoeft den
ghenen,
Die goet beghinnen ende gode menen,
25 Sterke hope hebben moet,
So wie uoortuaren fal in fpoet,
In ftadicheit mit caritaten
Moet hem elkermallijc zaten,
Die uolmaect fal f^n te gode
30 Ende vafte bliuen bin ßm ghebode.
Salemon, die dit al proeuede
Ende wat ter falicheit behoeuede,
Makede ons mit wijsheit groot
Drie boeke, dair hi in befloot
35 Die leringhe uan elken ftaet
Ende gheuet telken ganfen raet.
Cl Deerfte boec prouerbia heet:
Dat bediet bifpele ghereet,
Want he in den boeken leert
40 Elkermallic, die hem keert
Ter doghet, hoe hi die beghinne
Ende mit wijsheit vaft ghewinne.
In bifpele hi die wijsheit leert, .
Ghi die kinder toe keert:
45 Niet die kinder fijn uan ioghet,
Mer uan wijsheit ende uan doghet,
Als hi feine dair in feghet:
Eint, der wijsheit wech die leghet
5» Voordi, dien fal ic di tonen,
50 Hoorftu mi al fonder honen,
Enten weghe der rechticheit
Sa] ic di leiden wel ghereit.
Cl Tander boec dat falemoen
Makede uan wijsliken doen
55 Dats ghemaket ende befcrenen,
Hoemen ydelheit fal begheuen,
88
Ende wat die werelt ons toonti
Want fi ten leften qnalike loont,
Ende datmen vromelike fal Taren
60 Mit falicheit al fonder fparen.
Ecclefiaftes heet dit boec;
Die fijnre woordeu heuet roec,
Hi vint ten eerften in Hjn beghin,
Want rine lere ons bringhet in:
65 Tdelheit der ydelheit,
Spreket hi, ende al ift ydelheit.
Dat dnut der werelt goom,
Is al ydelheit ende droem,
Die werelt heuet anders uiet
70 Wan ydelheit ende al uerdriet.
Des falmen 11 billic verfmaden
Ende honden an der gods ghenaden,
Als hi in den einde bei'luut
Van den boeke, dair biet gaet wt,
75 Dat god ten oirdel al fal bringhen
Dat wi an ons hier verhinghen,
Kt uan duechden of uau fonden,
Dat wert dair gheloont ten ftonden.
Cl Hi makede ooc dat derde boec:
80 Wie te kennen heuet roec,
Weten wille wat het leert,
He is ter falicheit ghekeert.
Des boecs lere is alfo goet:
So wie dair an keert fincn moet,
85 Dat hi die lere dair of wil fmaken,
Hi vint dair^) in die hoghefte faken,
Die den meufche moghen tien
Te gode ende alle dinc te rechte zien.
5b Cantica canticorum
90 Heet dit boec allene dair') om/
Dat uan bruutliker miunen
Spreket ende hoemen gode fal kinnen.
IIa (anscMiessend).
W f. 6*» Van den drien vianden *)
der doget. IX.
|it boec heb ic an ghenomen
Te dichten, hier bin ic toe comeu,
Om dat ic minne gherechte minne,
Ende om die rechte coninghinne,
5 Maria die fuete bruut,
Die ons brochte den faligen druut,
Die uoir ons allen manlijc vacht,
Dair hi uerwan des duuels cracht.
Mer drie uianden ontfie ic zere,
D'
10 Die alle man nemen hair ere,
Die nidich sijn, dwaes, ende yerkeren
AI datmen ter doghet mach leren.
Die nidighe benijt alle doghet,
Hine wert nemmerme verhoghet
15 Van weldaet, als hijt vernemet,
Dat den goeden wel betemet.
Die dwaes enachtets niet
Wat hi hoirt of wat hi ziet,
Dair falicheit of ere an leghet.
20 Wert hem wijsheit voer gefeghet,
Dat is hem anders niet dan spod.
Voir sulke lüde behoede mi god.
Mer wairlijc ic moet emmer lien
Ende in wairhelt mi fo vrien,
25 Dat ic niement wille fparen,
Want wairheit fal altoes voluaren
Dair fi ter falicheit tiet.
Der quader wairheit maket verdriet.
Ic fpreke mit Salemoen ouer al:
30 Der dwaes is ongetallic ghetal.
Mer die nv willen wefen wijs
Enter werelt h ebben prijs
Van wijsheit, der fijn vele bedroghen,
Bechte wijsheit is hem ontuloghen.
35 Die nu fet Ilnen zoec
f. 5° An wairlike wijsheit, die heet cloec.
Mer fi is mit loosheit ghemanct,
Want cloecheit menighe doget cranct
Loes ende ualfch heet men nu cloecke
40 Ende tiet fi ter wijsheit boeke,
Dair fi nie in worden ghefcreuen,
Want die cloekelike dns leuen.
Dat Iijn die die plumen ftriken
Ende der ualfcheit emmer wiken;
45 Ende als die heren doen onghenoech,
So uolghen fi der quaetheit ploech
Ende fpreken: die heren hebben recht
Ende maken dus der wairheit plecht.
Defe dwaes ontfie ic fere,
50 Dair uore behoede mi god here.
Die yerkeren mit baren anghen,
Die gheliken wel der flanghen,
Die Yeven ende Adam verriet.
Want als die quade doghet ßet
55 Ende hoort dat hem niet becoomt,
Alle doghet hi dan verdoomt
Ende dat goede maect hi quaet.
God hoede mi voir ßjn baraet.
Mer is iemen, die hier vernemet
*) hs. d'. *) hs. d'. •) ha. wanden.
89
60 Dat der wairheit niet ghetemet,
He comes teghen mi te kine:
Ic antwoorde in minen liae.
Heuet hi recht, ic wil hem Tolghen,
E ii dair om niet fijn verbolghen.
65 Mer op ene dinc ic mi verlate:
Ic wil gaen die ghemene ftrate,
Die die heilighe lerers ghinghen,
Doe ß bedieden defe dingben.
Vnt baren monde wil ic dicbten,
70 Dair na di glofe mi berichten.
Dair om bidic al den gbenen,
Die gode mit rechter minne menen,
Dat fi Toer mi minnentlike
Bidden, dat ic falichlike
75 Begkinnen moet ende yoortnaren,
f.5<iEnten einde fo bewaren,
Dat^) ic8 te goeden einde come,
Gode teren ende dien ter vrome
Allen diet fallen boren lefen.
80 Qods gbeeft moete mi bi wesen,
Die mine ünne fo berichte,
Dat ic fonder fonde dichte
Ende noleinde fonder fcame.
Dair om beghin ic in gods name.
IIL
W f. 13» Hoe die bruut te vreden is.
LXXVL
|Ie bmnt is nv te rüsten comen,
Want fi lieflijc beeft vernomen,
Trooft aan baren lieue ende ere,
Want bife henet gheprifet zere.
5 Dair') om fpreect fi minnentlike
Tbaren lieue ende fuetelike:
(I Bloeiende is onfe beddekijn,
Onfer hufenfparre fijn
Van cedar, ende nancipres die wormen.
Leciulus nofter floridus, tigna
domorum noftrarum ccdrina, laquea-
ria noftra cypreffina. XXVI.
10 (I Hier merket alle der gods hnfe
Yormen.
Defe woorden fijn merkelike
Ende nan foeten geefte rike.
Na die braut uan liden luft
Ontfanghen beeft ende grote ruft,
15 Van hären lieue heuet trooft,
D'
Des wanic fijn te male verlooft
Van arbeit ende uan alre pine,
Des gheert fi mit hair te Hne
Hair lief ende op hair bedde te ruften
20 In fueteu minnentliken lüften.
(I Des fpreect ß: onfe beddekijn is
Bloeiende, foete lief, ghewis
Na der heiligher kerken ftaet.
Menigerande fonder baraet
25 Heeft die bruut hair woirde opheuen,
Want fi dair na hier moet leuen.
Als fi liden heeft of doghen,
Moet fi die woirde dair') na togben,
Ende als fi pais heeft ende vrede,
30 Spreect fi dair na die woort mede.
Hier bouen in des lidens tijt
Sprac fi, dat ß forgen quijt
Wilde fijn ende in verduldicbeit,
Oetmoedelike hair dair toe reit.
35 Ende alft liden is uergaen 13 ^
Ende ß urede heuet ontfaen,
So fpreect [fi] nan der lieuer ruft,
Die hair in gode altoes luft.
Want hair urede niet lange mach ßjn,
40 Des fpreket fi: onfe beddekijn,
Want leider duren mach onlangbe
Der kerftenheit rufte uan bedwanghe
Den houaerdigben enten quaden,
Dair die kerke mede is verladen.
45 Des heet wel een beddek^n,
Want cort ende onlanghe mach ßjn.
Echt uan der bruut bedde, LXX VIL
Hier moeten wi na den gheefte
proeuen.
Die wi ter gheeftelicbeit behoeuen,
Ende dat wi dit begripen moghen,
50 Salic gheeftelike v toghen,
Wat dit beddekijn ons beduut,
Dair op ruften wil die bruut,
Dat niet enis hair doch allene,
Mer mitten brndegom gemene.
55 (I Dit bedde is wel een gheeftelic
leuen,
Dat in oirden is begbeuen,
Dair^) men in ruft uan wereltsorgben,
Ende dair die goede ßjn in verborghen
Voir menighe wereltlike faken,
60 Die werringhe ende onminne maken.
Dit beddekijn is bloiende ende rene,
») hs. Dats. ») hs. d\ ») hs, d\ *) hs. D'.
90
In goeden lenen ende ghemene:
Van der regule ende ghesette,
Die Terhoeden der fonden fmette.
65 Defe rnken nterniaten wale
Van goeden broederen fonder hale,
Die exempel fijn nan goeden lenen,
Ende Tan fuftren, die ooc dat ghenen
Om gode ende doir die lade mede,
70 Die goetwillich fijn mit vrede.
Ende want der oirden Tele Hjn,
Want doet die brnnt thant wel fcijn
Ende fpreect: onfer hnfen fparen
Sijn uan cedarbome twaren, f. 13c
75 Entie worme nan cipres.
Verftaet mit minnen defe les:
Van der minnen hufe, LXXVIIL
Defe hnfe fijn alle conuente,
Die ghefparret fijn omtreute
Van naften fparren, die fijn uan cedar,
80 So dat fi iegen wint noch weder
Der coringhe iet winnen mach mit
ftormen.
Dit fijn prelaten, der doget Tonnen,
Die füllen wefen tallen Tren
Alna des cederbooms naturen.
85 Die ceder is hart ende ruket wale:
Das fal fijn bi wäre tale
Die ouerfte, diet conaent berecht.
MARBURG i. H.
Hi fal ftarc fijn int ghenecbt
Des dunels ende der werelt mede,
90 Hi fal ruken nan goeden zede
Ende aan ontfermicheit altoes.
In wairheit fal hi niet fijn loes.
Die cederboom Terrot ooc niet:
Entie prelate, wat he fiet
96 Of Tememet, dat fal hi liden
Ende hardicheit altoes miden
Tieghen finen onderdaen.
Dat gommin, dat men uat ßet gaen
Vten cedar, dats wel goet
100 Ende nattelic te menigher fpoet:
Het maket fieke lüde ghefont.
Das fal douerste in alre ftont:
Die cranke troesten ende ghenefen.
Ceder s gomme, als wi lefen,
105 Verdrinet mit finen roke ferpenten.
Das fal die ouerfte in finen connenten
Mit goeden exemplen ende mit lere
Den uiant Terdriuen Tere.
Die Tlieghen Tlien ooc Tan der lacht
110 Des ceders: dus fal ooc mit tacht
Des onerften lere al Teriaghen
Ghedanke, die die fielen bedragen
f. 13<) Mit Tulen wille ende qnaden begare,
Dair^) die fiele of heuet dare.
115 Die berechter moeten f^jn
Billic fparren nan cedrijn.
Edward Sehr öder.
"Warnung vor denn W^ürfelspiel.
Die nachfolgenden, in der im Jahrbuch 18, 114 angeführten
Darmstädter Handschrift enthaltenen Verse sind der Schluss eines
in Köln während des 15. Jahrhunderts entstandenen Gedichtes, das
die Verderblichkeit des Würfelspieles schilderte. Da die über dies
Thema handelnden Dichtungen meines Wissens noch nicht zusammen-
gestellt worden sind, führe ich kurz an, was mir gerade zur Hand ist.
Eine mehrfach dem Vergil zugeschriebene Warnung vor dem
Spiele in lateinischen Hexametern stellt in den Carmina Burana S. 248 ;
ebenda^) eine launige Spielermesse (officium lusorum). Aus dem Ende
«) Vgl. F. Novati, Studi critici e letterari 1889 s. 187. 289.
91
des 13. Jahrhunderts stammt die lebendige Schilderung des Erfurter
Kneipenlebens, die Nicolaus de Bibera in seinem Carmen satiricum V.
1889 S. (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen 1, 2, 102. 1870)
entwirft; ein Spieler verflucht V. 1929 die Würfel:
Alter taxillos rapit et sie arguit illos
Dicens: 0 lade, ego qaod sie ambulo nude.
Hoc tu fecisti . . .
Auch Eeinmar von Zweter (HMS 2, 196. Roethe, Die Gedichte R.
von Z. 1887 S. 466, Nr. 109 und Anm. S. 599) eifert gegen diese
Erfindung des Teufels, und Konrad von Haslau hält dem Jüngling
(V. 29Ö — 452, Zs. f. d. Altert. 8, 559; auch besonders in den* Alt-
deutschen Blättern 1, 63) die Nachteile des Spieles vor. Heinrich
Teichner wirft in einem Spruchgedicht ('Einer pat, ich tat im schein.'
Berliner Ms. germ. qu. 361, 138) die Frage auf, ob ein Spieler oder
ein Stehler besser sei, und beantwortet sie zu Ungunsten des ersteren;
in einem anderen Spruche ('Maniger gicht mit rechtem spiP. Wiener
Cod. 2901, 122b. Berliner Ms. germ. fol. 564, 113 und Ms. germ. qu.
361, 175; wenig verändert in dem Bruchstücke 'Der Würfel' in Lass-
bergs Liedersal 3, 229 Nr. 203) wünscht er dem Würfel, dass * er
blind wäre:
Wann manger von im duldet
Hanger, frost und armut.
Der Würfel lasterlichen tut,
Er schaffet, das man swert
Und daby got entert:
Der Würfel machet buhen vil.
Aehnlich klagt Peter Suchenwirt im Liederbuche der Hätzlerin S. 203
ed. Haltaus:
Ach Würffels spil, du schnödes ampt,
Wcllich edels hertz sich dein nit schambt,
Das hatt nit cluger synne
Er machet leut an witzen plind;
Yil maniges pidermannes chind
Lert er zu puben werden.
und giebt auch eine geistliche Deutung der Zahlen eins bis zwölf,
die man mit zwei Würfeln erhalten kann ^). Eine ähnliche Moralisation
der achtzehn mit drei Würfeln möglichen Würfe, die auf achtzehn
Sünden hinweisen sollen, finden wir in einer lateinischen Predigt des
Johannes Horolt (Discipulus D?) und daraus entlehnt in dem 1432
zu Strassburg von Meister Ingold abgefiissten Traktate vom goldenen
Spiele (ed. E. Schröder 1882 S. 52—61 'Das Schantzen'). Daran
reiht Ingold die aus den Gesta Romanorum c. 170 bekannte Geschichte
*) Vgl. dazu Hugo von Trimhergs Renner V. 11406: *Von zinken, quater,
esse sitzt manger in kumhers esse' und die Friamel in Eschenburgs Denkmälern
1799 ö. 415: *Von dem zinken, quater und es\ Wartburgkrieg 105 f. Wacker-
nagel, Kleinere Schriften 1, 122. E. Schröder zu Ingold S. XXI. XXVII. Crei-
zenach, Geschichte des neueren Dramas 1, 197. Guarinoni, Grewel der Verwüstung
1610 S. 1258.
92
von St. Bernhard, der mit einem ihm begegnenden 'nackten Buben'
würfelt; der Spieler setzt seine Seele gegen das Pferd des Heiligen,
verliert und muss ihm ins Kloster folgen. Nicht gesehen habe ich
die Sprüche vom hasart^) im Heidelberger Cod. germ. 312, Bl. 76a-b,
des Schmiehers Spnich vom Spiel: ^Ainer fraget mich der märe, ob
spiel vast sund wäre' in der Weimarer Handschrift 145, 8^, Bl. 31a
(Wendeler, Wagners Archiv 1, 432) und das Gedicht '0 mensch, wiltu
selig werden im himel und auff erden' auf dem bei Goedeke, Grund-
risse 1, 396 Nr. 32 angeführten Folioblatte; ebensowenig den in einer
Leipziger Handschrift erhaltenen Spruch vom Spieler: *Bekente ein
rechter topelere, waz an spile untugende were' (v. d. Hagen-Büschiiig.
Grundriss 1812 S. 404). Auch Hans Folz eifert in einem in Kellers
Fastnachtspielen 3, 1288 abgedruckten Spruche wider das lästerliche
Fluchen, die abergläubischen Bräuche und die Bauernfängerei der
Lotter, Spieler und Riffianer. Conrad Celtes schildert in einem latei-
nischen Epigramme (2, 18 ed. Hartfelder 1881) die leidenschaftlichen
Verwünschungen, die am Spieltische zu hören sind. Ein 1489 zu
Bamberg gedrucktes Gedicht 'Wie der würffei auff ist kumen' (4 Bl.
4°. Berlin Yg 5371) erzählt nach Caesarius von Heisterbach oder
Nicolaus von Lyra, wie der Würfel einst durch einen römischen Senator
mit Hilfe des Teufels erfunden wurde, und deutet die sechs Felder
des W^ürfels auf ähnliche Weise wie Suchenwirt. Ohne satirische
Tendenz schildert der Meissner in einem fünfzehnstrophigen Liede
das Kartenspiel Karnoffelin (Fichards Archiv 3, 293). Brant spricht
es dagegen im Narrenschiff 1494 Cap. 77 geradezu aus, dass 'die
spyeler sint des tüfels k)Tid', citiert das obenerwähnte pseudovergilische
Gedicht de ludo und rügt unter anderm,
Das pfaffen, adel, barger, frummen
Setzen an köppels knaben sich,
Die inn nit sint an eren glich.
Bei Johann von Schwarzenberg (Der Teütsch Cicero 1534, Bl. 146b)
fleht der Spieler:
0 Glück, hilft' mir durch würffels fal;
Sonst kumm ich inn der buben zal.
Die schon 1489 bearbeitete Erzählung von der Erfindung des Würfel-
spieles stellte dreissig Jahre später der elsässische Dichter Bernhard
Klingler nochmals dar (Wie man sich hüten sol vor dem spiel. Strass-
burg 1520, abgedruckt bei Goedeke, Gengenbach 185G S. 373. 521).
Ein dreizehnstrophiges Lied 4n des Schyllers done', Jas eine in Bingen
vorgefallene Bauernfängergeschichte erzählt, ist um dieselbe Zeit ge-
druckt: 'EYn Neüwe Gedicht, Wie die Lantbescheisser, Zwjecker.
Orenbeysser, Bleer, Meinster, Heyligman, vnd Störck, Die Freyen vnd
Voperten Betrygen' (6 Bl. 4^ Berlin Yd 8382). P. Gengenbach,
*) Bartsch, Die altdeutschen Hss. der Universitätsbibl. in Heidelberg 18vs7
S. 60 (Nr. 147) teilt die Titel mit einem Lesefehler (hafart für hasati) mit: *Von
den di durch hasart gestraulft sein worden^ und ^Yon den Übeln di von hasart ku]nmen\
n
t)er welsch Fluss lieferte eine Darstellung der französisch-italienisclien
Kriege unter der Form eines Kartenspieles, abgedruckt bei Goedeke,
Gengenbacli S. 3. Zwei JLieder aus G. Forsters Teutschen Liedlein
1539 Nr. 115 'Gut ding muß haben weil' und Nr. 89 'Des spielens ich
gar kein glück nit han' stehen ebenda S. 384 f. und bei Böhme, Alt-
deutsches Liederbuch Nr. 487. Eine beliebte Form der Satire nutzt
1557 Eustachius Schildo in seinem 'Spilteufel. Ein gemein Ausschreiben
von der Spiler Brüderschafft vnd Orden, sampt jren Stiflftern, guten
wcrcken vnd Ablas' (Frankfurt a. 0. 4°; vgl. Roethe, Allgem. d.
Biogr. 31, 209), während ein unter dem. Pseudonym P. Arorites zu
Ferremont sich bergender spätrer Dichter, der vielleicht mit Peter
Schumann (Hypodemander) von Eisenberg identisch ist, (Der Spieler Abc
vnd Namen büchlein. o. 0. 1584. 8^ Berlin Yh 4801) die Nachteile des
?ipieh: Amissiotemporis, Blasphemm^ Coutumelia etc. nach dem Alphabet
aufzählt und eine Parodie des Katechismus, betitelt 'Des Teuffels
zehen gebot', giebt; angehängt sind noch drei Spielerlieder: 'Ich bin
der armen Frawen Son', 'Wie mag es in der Karten sein', 'Mein Fraw
Hildgard gar offt mein wart'. Ein öder Dramatiker aus dem Ende
des IG. Jahrhunderts, Thomas Birck, personifizierte 1590 in seiner
(Jomoedia von den Gottsvergessnen Doppelspilern Würfel und Karten,
die teils in Begleitung des Teufels zu argem Leben ermuntern, teils
in Begleitung des weisen Syrach gute Lehren geben. Diese vermittelnde
Ansicht, dass nicht jedes Karten- und Würfelspiel, sondern nur das
Uebermass und der Betrug schädlich und verwerflich sei, scheint Birck
jius der Abhandlung des Erfurter Juristen Heinrich Knaust De ludo
(1574; deutsch: Gegen und wider die Spitzbuben. Erffurdt 1575. 8®)
geschöpft zu haben. Dagegen erklärt ein ungenannter Meistersänger
in drei am 19. — 20. Oktober 1598 gedichteten Liedern das Spiel
kurzweg für eine Firfindung des Teufels (Hans Müllers Meistergesang-
buch V. J. 1G17, Bl. 459b = Erlanger Mscr. 10(>8).
Andres findet man bei Alwin Schultz, Das höfische Leben^ 1, 531
und Deutsches Leben im 14. und 15. Jahrhundert 1892 S. 512. J.
Meier, Zs. f. d. Philol. 24, 555. Edw. Schröder a. a. 0. Schuster,
Das Spiel im deutschen Recht (1878). Osborn, Die Teufellitteratur des
16. Jahrb. 1893 S. 81. Böhme, Ad. Liederbuch S. 602. 768. Einen
englischen Prosadialog aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts hat 0.
Halliwell 1850 (Percy Society 29, 3) neu herausgegeben: 'A manifest
dotection of the moste vyle and detestable vse of Diccplay, and other
practises lyke the same' etc.
[362«, i] Want der wurffell is so starck,
Hadz du hundert duysent marck
In dnysent sloss beslossen,
Ich dein sij dich her vyss trossen.
5 Dat sain ich dir in wairheit:
Dir enblijfft des hairs ymme erse nyet.
Woültn mir volgen zo alre zijt,
y. 7 Vor zijt steht das später aasgestrichene Wort stont.
u
So saUu all des dijneu werden qwijt.
Hedz da Arnoldz gaet Tan dem Plaisen,
10 Dat weren allit vijs vasen;
Qelenffd da den dobel steynen,
Dir enblyfft der haller geyneu.
Wir willen dit laissen drjjnen,
Bij deme wijne willen wir blijaen.
15 Dit sijnt alle gaede geselleni
Balder dragen sij sackdoicli dan sijden pellen.
BERLIN. • Johannes Bolte.
Zu mittelniederdeutschen Dichtern.
Zu Gerhard von Minden.
Fab. 6, 1 lies:
Ein louwe wolde jagen varcfi;
went het allene nicht bewaren
ne künde, do nam he darto
den hokj den weder unde de ko
unde treckede mit on in den wolt,
dar lie des tvildes wiste entholt.
Gegen V. 6 ist zweierlei za erinnern. Znnächst ist die Stellang des Verbams
zwischen entholt and den dazu gehörigen Genetiv wildes anffällig. Dann ist
auch enihoU in der Bedeatang 'Anfenthalt' bei Gerhard nicht weiter belegt, da-
gegen gebraucht er mehrmals holt in dieser Bedeutung (s. d. Wortl.) Ich yer-
mute deshalb, dass V. 6 ursprünglich gelautet hat:
dar Jiebbet de wilde wist efide holt,
„Da hat das Wild Nahrung und Wohnung.'' udlde (hdsl. Lesart) ist Plural tod
dat wilL vgl. 93, Si Do he des geplach mank den wilden nvan7ngen darh.
üeber das st. f. wist siehe Mhd. Wb. III, 770b, Lexer III, 946.
6, 13. De lonwe on (den Hirsch) nt dem dike bi'aMe.
na sinem rechte he do om wrachte.
recht ist hier „der Inbegriff der Befugnisse nach dem Stande, Standesrecht'' s.
Mnd. Wb. 3, 43 lo und vergl. Fab. 16, 31 De loive ein deil na sinem rechte,
do Jie gehörde dut gebreehte, lep lie unde ivolde de hunde biten unde mit ge-
walt de jaget sliten. In V. 27 ist Seelmanns Aenderung des hdsl. do he in de
ko durch den Zusammenhang geboten; vgl. dagegen Damköhler a. a. 0. S. 141.
9 Arnold van dem Plaisen ist ein Mitglied der reichen Kölner Familie
'von dem Palais', ^de Palacio'. £ia Arnoldus de Palacio errichtete 1358 einen
Altar in der Kirche S. Maria im Kapitol und baute 1863 sein Haus zum Lombard
zu einem Nonnenkonvente aus. Finnen, Geschichte der Stadt Köln 3, 796 f. 823.
Mitteilungen aus dem Stadtarchiv von Köln 7, 24. 12, 30.
95
7, 13 lese ich jetzt:
De mse man sprak dusse mere,
dat it der stmnen wille were,
dorch öknisse dat Jie wolde nenien
ein echte wif
df/rch öknisse *um Ausbreitung seines Geschlechtes willen*; vgl. dorch üknisae
der kerstenfieide, Mnd. Wb. 3, 422.
11, 37. 'Her vos, gi schultet dat vur iobreken/
sprak de am, Hk wil mit eden spreken,
dat ik juwe welp sunt hir neder
ju to bringende geve weder J
Zu lesen ist: tobringende 'zubringend'.
16, 27. Dama sint na unmennigen dagen
begunde des landes h-ere Jagen
7nit loilde, sine hunde lepen,
de jegere scrigeden unde repen.
tvilde kann nicht richtig sein Ich vermute, dass es ans hilde „eilig'' entstellt
ist und schreibe:
Dama sint na umnenigen dagen
begunde . des landes here jagen,
vel hilde sine hunde lepen,
de jegere scrigeden unde repen.
18, 11. Ein konnink wart on gröt genoch
wol sticht an art unde ane loch,
V. 12 hat Damköhler S. 141 das hdsl. aJie ast unde ane loch 'ohne Ast und
Zweig' hergestellt. Es ist noch wol in vul (dient zur Verstärkung des adj.
sticht) zu ändern.
23, 31. Dama begunde an tomen dagen
de konnink den sulven lowen jagen.
tarnen hat E. Breul, Jahrb. XV, 78 gut in corten gebessert; unnötig ist aber
seine Aenderung von an in na vgl. 52, 39 an körten jaren.
23, 46. He was so stark, dat he se brachte,
dat se ne dorsten den man berinen.
Zu streichen ist se vor brachte, Ueher bringen = 'bewirken, vollbringen' s.
Haupt zu Erec 9503 und die Mhd. Wörterbücher.
23, 57. De konnink vmiech do up de veide
unde Ict de vangenen ledich beide,
den truwen lewen unde den man,
des lie lof van der tverlde gewan.
Statt vortrch hat die Hds. verste, und dies scheint richtig, versten ist 'fristen,
crastinare, induciare'. Auch die hdsl. Form vangen ist nicht zu beanstanden.
Ich lese und interpungiere :
De konnink verste do de veide
unde let de iKingen ledich, beide
den trwwen lowen unde den, man.
21, 33. de undult unde de grote unroutüe,
de umme on dref de vrouwe
Die Hds. hat grote, d i. groten, und es ist kein Grnnd, die schwache Form
des Adjectiys hier zu beanstanden.
27, 65. Ein kastH van detn dorpe lach,
van in der Bedeutung 'abseits von' ist nicht weiter belegt. Es entspricht dem
Zusammenhange, wenn wir an = „in" (vgl. Mnd. Wb. u. d. W.) schreiben.
27, 133. went ik h^bbe enen rat bedacht,
de warliken wert vullenbracht
mit juwer hulpe an dusser nacht,
darane Ut juwer ruwe macht.
21, 136 ist unverständlich. Ich setze nach V. 135 Punkt statt des Eommas
und schreibe V. 136: darutnme tatet juwer i'uwech acht „Darum lasst ab von
eurem traurigen Benehmen''. Besonders der Schluss dieser Fabel scheint sehr
entstellt. Ich möchte V. 173 ii. folgendermassen lesen:
Disse m>ere men bescreven vint:
De blixem is lichter denne de umU.
dal ein mere unde vel lichter s^i
den de blixem, dat steit dar bi:
Vrouwen dat lichter sere ,
shi vele den blixem utule mere.
mere unde vel (vergl. nenhochd. „viel mehr") dient zur Verstärkung des Com-
parativs, wie sonst vel allein; auch in V. 178 gehören vele und /n^c zusammen.
Es ist zu übersetzen: „Folgendes findet man geschrieben: Der Blitz ist leichter
als der Wind. Dass eins noch viel leichter sei als der Blitz, das steht dabei:
die Handlungen der Frauen sind noch yiel leichter (leichtsinniger) als der Blitz."
Die Pointe beruht in dem Spiel mit den verschiedenen Bedeutungen des Wortes licht.
40, 6. Ein jowelk der, dat se bekande
unde was van vreveslikem sedCj
dor spot begundet loven fnede.
was van fehlt in der Hds.; es genügt vafi zu ergänzen.
40, 15 ff. interpungiere ich:
He sprak: ^It is also behaget:
dat it Jiedde enen krummen zaget,
dat it gcjichapen wcre afie twifel
als ein junk vorschapen duvel.
dat in V. 16 ist „gesetzt dass, wenn''.
40, 29 ff. schreibe ich:
^Dit kint is, vniwe apinne,
so veme alse ik mi vorsinne,
fer unde schone unde also sote:
ik bidde glk, dat ik it mote
dorch leve küssen vor den muntJ
40, 56 ff. Werne trxnve is unde wdrJieit mede,
künde unde ötmodicheit mit spinne,
ik wone, lof de wol gewinne
van Qode unde al der werlt gemeyie.
Statt künde hat die Hds. gomle; zu lesen ist gode 'Güte'.
1
Ö7
Nach 43, 9 ist Punkt statt des Kommas zu setzen und zu lesen:
des hUf Sin gerunge verliolen
urule umnie ein ander pert sm wille.
Der Zusammenhang ist folgender: Nun nachdem ihm sein Pferd gestohlen war,
vernahm man nichts mehr von seiner Bitte nnd seinem Wunsche nach einem
zweiten Pferde. Er hat Gott nur noch, dass er ihm das besessene wiedergebe.
45, 5 ist es nicht geboten daran mit Damköhler in Darna zu ändern.
Folgende Interpunktion von V. 1 ff. löst alle Schwierigkeit:
Ein vos gink, do de mane scJiein,
des nacktes up ein veÜ, dar ein
de]7 pol bi sinem wege lach,
dar he des nuifien scliemen sach
daran, mne dnMe an sinem gebere,
dat it ein scJidpkese were.
dar ist relat.-temporal = als, da.
47, 62. 6k komet jegere al her geslrelcet
mit windeyi, jyanc?e?i unde mit hundsn,
ik sach, dat se tivene hasen vmndsn,
ds on entlopen nicht ne künden,
de Jiebhet se jutto upgehnnden,
nu orei' reit se here jaget.
Obgleich pande im Mnd. Wb. VI, 232 als bei der Hasenjagd gebranchte Geräte
nachgewiesen sind, so kann hier das Wort dem Zusammenhange nach nicht richtig
überliefert sein. Da ferner U2)gebunden losgebunden' nur auf die Hunde gehen
kann, so erweisen sich die auch schon formell anstössigen Verse 64, 65 als
späterer Znsatz. Ich lese:
ük komet jeg&re al lier gestreket
mit winden, brocken muh mit hunden,
de hebbet se jutto up gebumlen,
nu oirr velt se Jiere jaget.
Nebeneinander erscheinen auch sonst: wyrule und Jiasshunde und bracken, s.
Mnd. Wb. I, 412. nu fasse ich cansal = da.
49, 159 ff. le^'e und interpungiere ich:
De wevele quamen her gevaren
mit simimen in den strtt 7uit macht
wol baren der erden. Ene mannclaft
dar mosten de dere bUren under.
Statt stimmen hat die Hds. s^inyien. Dass summen in der Bedeutung von
tinnire im Mnd. Wb. fehlt, ist wohl Zufall.
49, 189. De vedere, dar man mede scref,
de was vorgeten in dem hrede.
Eine Aenderung der hdHl. Lesart (vgl. Damköhler S. 142) ist nicht geboten.
was t>orgeten = „war vergessen"; der Schreiber hatte sie stecken lassen. Nach
V. 153 hatte das Brett am Ende ein Loch, das dazu diente, die Feder hinein-
zustecken.
Niederdentsches Jahrbuch. XIX. 7
98
52, 8 ff. lese ich:
Went older karde urüaiiges varei
des hundes, des mot mne afgan
al wol dat spisen sunder wan
phge on sin here an aüen stucken.
D. b. : „Weil das Alter den Hand bald gefährdet, deshalb mnss ihm das Essen
beschwerlich werden, wenn ihn auch sein Herr in jeder Beziehung pflegt.' Der
Dichter nimmt auf die bekannte Erfahrung Bezug, dass das Leben des Hundes
nur kurz ist.
Nach V. 31 hat Damköhler mit Recht Punkt statt des Kommas gesetzt,
aber auch in den folgenden Versen ist die Interpunction, und zwar folgender-
massen, zu ändern:
do (damals, in meiner Jugend) gi mi hi ju slapen leieti
unde tvaren mi so rechte gut
unde mi nu so gröt ovel döt.
dat mach ju an den eren kranken,
54, 1. Ein raven dut enen pawen vant,
Do dachte he darna tohant
mit sinne unde mit gudem unllen,
dat he den pawen wolde mllen
unde wolde sin vlesch eten sdn,
algader umme stnen rugge hän,
Damköhler will statt algader = „durchaus" de vederen lesen. Allein die hdsl.
Lesart ist nicht zu beanstanden, denn rugge bezeichnet das abgezogene Fell
eines Tieres samt den Haren oder Federn, s. Mnd. Wb. 3, 523. umme ist mit
hhi zu verbinden.
55, 1. De lowe, Jconnink unde here
der dere, toart der unlen sere.
In V. 2 ist das Komma und das der vor udlen zu streichen. Letzteres in der
Bedeutung „einst'' auch 13, 11; 61, 1.
55, 7. De quamen al up enen daeh,
dar he an sinem denne lach,
dut dicke umme van dorne was,
dnrhinnen hlomen unde gras.
Damköhlers Verteidigung der hdsl. Lesart yon V. 9 hat mich nicht fiberzeugt.
Ich lese: dar ein dicke umme van dornen was „um das ein Dickicht von Dorn-
büschen war", ein Inisch van dornen 86, 23.
55, 133 f. lese ich:
Vil mannich sulven daran veüet,
dat Iie to vaUe enen anderen stellet.
„Mancher fällt selbst in das, was er einem andern zum Falle aufgestellt hat.^
Das bekannte Sprichwort nach Prov. 26, 27 Qui fodet foveam, incidet in eam.
daran nach bekanntem mnd. Gebrauche für darin.
58, 10. went Jie lieft hares wol de vuUen.
Es ist den imllen zu lesen, da vulle in schwacher Form nur als mascul. belegt
ist, vgl. Mnd. Wb. 5, 554.
65, 109 lese ich:
dat ome to leM quam, ovele 7nede.
„Das bekam ihm zuletzt Übel." Damköhlers Aendernng hat mich nicht Überzeugt.
d9
69, 17 interputtgiere ich:
Do ledede he on bi ene want,
dar he do uppe gemalet vant,
dat Sampso7i deni lowen uphrak
den munt. de man
Fab. 71 beginnt der Dichter mit einer Einleitung über die Eigenschaften
des Panthers, bricht dann aber mit V. 32 — up dat de rede körte?' blive —
ab, um etwas von einem dieser Tiere zu erzählen. Hieraas ergibt sich, dass
Seelmanu richtig liest : der dere eifi wilen (Hds. enwilen) hegutide sere de^
naehtes ilen to velde „eins dieser Tiere lief des Nachts eiligst aufs Feld''.
Damköhlers Erklärung hat mich schon deshalb nicht überzeugt, weil das unserem
„bisweilen" entsprechende enwilen nicht in den Zusammenhang passt.
V. B6 könnte man versucht sein, das hdsl. sinem vrunde in sinen vrumlen
zu ändern; allein der Sing, vrunt bezeichnet auch die Verwandtschaft, s. Mnd.
Wb. 5, 546.
72, 4 ist böte, wie auch Fab. 24, 31, nicht, wie die Wortlese angibt =
Heilung, sondern = Arzenei; siehe die Stelle aus dem Vok. Eugelh. im Mnd.
Wb. I, 404 : arcedige aut böte, aut hulpe, lyiedicina, 7n£dela, reniediurn. Deistu
di jenige böte? „Wendest du irgend eine Arzenei au?"
72, 24. me scluü ju selten van den luden erklärt, weshalb der Wolf
so rasch flieht. Der Esel erzählt, der Fuchs habe ihn für aussätzig erklärt.
72, 29 if. lese und interpungiere ich:
So wanne valscJies vul valsch man
bedregen anders nicJd tie kan,
let de truwe den sek an,
}ie is ivts, de dat merken kan.
Ich fasse also V. 31 als Bedingungssatz.
74, 6 bedeutet touw nicht, wie die Wortlese erklärt, „Tau, Garn'', sondern
ist = mhd. qexonwe, womit jedes Gerät oder Werkzeug bezeichnet wird; s.
Mnd. Wb. 4,' 595.
74, 13 f. Set, wo he kneit, wo Jie sik meit,
wo he uns al de wege streit.
Statt al de wege ist zu lesen: alderwegen „überall"; vgl. Reineke Vos 4963,
sowie Schambach S. 7, Woestes WestÄl. Wb. S. 5. — streit von streigen
'Futter streuen'.
74, 29. AI surogede is ök de man,
dat he nicht wol gesein ne kan.
surogede erklärt Damköhler als „trieföugig", das Mnd. Wb. als „schielend".
Seelmann erklärt es durch „boshaft blickend". Letztere Bedeutung verlangt der
Zusammenhang. Zur Erklärung dient der Umstand, dass dem Schielenden nach
dem Volksglauben „der böse Blick" zugeschrieben wird. Vgl. Adolf Wuttke,
Der deutsche Volksaberglanbe der Gegenwart, 2. Ausg. § 220.
74, 41 ff. de jungen na der jungen sede
wolden da den hert besein.
Für liei't ist das hdsl. umrtj welches im Mnd. oft == Mann im allgemeinen ist,
wiederherzustellen. Die jungen Vögel wollten den Vogelsteller näher betrachten.
81, 14 lies: Dave het ök ir aller sede. Vgl. 56, 29 Duve is it al, des
du di gener est.
1*
100
81, 17 f. lese ich:
Ok sclialtu proven min beste daran,
dal di neiji hunt gemimien kan
9 Aach sollst da mir dadarch Vorteil schaffen, dass dich kein Haud bezwingen
kann.'' Die Erklärung geben die folgenden Verse.
81, 43 f. ist zn lesen:
De vndf sprak : Wal mach ik dön ?
Ute ik varen dai schäp, were it ein hon.
D. h. : Der Wolf sprach: „Was kann ich than? Liesse ich das Schaf fahren
es wäre ein Schimpf!" V. 45 lese ich:
De husch is uns nicht so vere.
Die Aenderang ist geboten, da der Wolf nur durch den Hinweis auf die Nähe
des Waldes seine Hoffnung, das Schaf davon zu bringen, begründen kann.
82, 37 verrät sich schon durch den ungeschickten Reim als späterer
Einschnb. V. 36 ff. lese ich:
StoUem papen knecht im/n dikhr art,
Jie ne kan singen edder lesen,
nochtan gelik wil Jie om wesen*
D. h.: „Ein Knecht aus niedrigem Stamm will, wenn er auch nicht singen oder
lesen kann, einem stattlichen Pfaffen gleich sein.'' Vgl. Fab. 94, 101 ff. Su.^-
is mannich drogenafiieh man, de nu gut fundament ne wan van jnipheit
unde leit sek an, dat Jie wil ein mei^ier wesen, de nichtes nicht kan lesen
noch der böke verstän,
83, 1 ff. lese ich:
De Jiasen klageden oi^ersere, se wömlen, se woldcn de were bestdn,
dat ore siechte so blöde were ök uni it one scJwlde irgdn.
beneden alderhande dere, Dat sj/reken se alle itt enem munde,
des were one de Uf so unmere, ToJiant sagen se dar hunde
dat se sek wolden drenke^i, wide jrgcre komen al mit winden:
al scJwlden se ore siechte krenken. tohayit leten se sek xa^ jagen wnde bhiden
tinde begaven sek der were
Es ist zu übersetzen: „Die Hasen klagten gar sehr, dass ihr Geschlecht unter
allen Tieren so feige wäre. Deshalb wäre ihnen das Leben so verhasst, dass
sie sich ertränken wollten, und sollten sie dadurch (durch den schimpflichen
Selbstmord) ihr Geschlecht kränken. Sie meinten, sie wollten sich von nun an
zur Wehre setzen, wie es ihnen auch ergehen sollte. So sprachen sie alle wie
aus einem Munde. Alsbald sahen sie da Hunde und Jäger mit Windhunden
kommen, und sofort verliessen sie sich auf Laufen und Springen und unterliessen
es, sich zur Wehre zu setzen." binden erkläre ich = altfr. Imtulir, engl, to
boimd, springen; es ist wahrscheinlich ein aus Frankreich überlieferter Jäger-
ausdruck.
83, 34 ff. lese ich:
We leveyi echt 7ia unser art:
so dnchtich hase noch 7m gevmrt,
den da eisten hunt gerink,
dat it mne wol dama gegink.
Das hdsl. eipien in V. 36, der bekannte niederdeutsche Accusativ für den
Nominativ (siehe Lübben, Mittelniederd. Gramm. S. 104), ist um so weniger zu
bezweifeln, als es von dem Schreiber nicht verstanden wurde und ihn zu weiterer
Entstellung des Verses veranlasste.
101
86, 49. Dat do ek dor de rede,
dat ek se werme unde de bede
mit nihiem dteniy de mi heit
ein del van deme live geit.
Es ist zu lesen: Dat ek werme de lede. lei ist = Fingerglied, vgl. die Stelle
aus den Goslarer Stat. 31, 22 welk wunde nagheles dep in unde ledes lang
im Mnd. Wb. 2, 704.
86, 65 ff. lese ich:
Ein klene was it ome to heit,
darumme he des nicht enleit,
he hlcs durin mit sinem ninnde,
icht he des icht gekolen künde.
Ein klene 'ein wenig' statt des hdsl. Vil kloie verlangt der Zusammenhang;
leit statt beit ist schon von Damköhler richtig gebessert. „Da ihm der Trank
ein wenig zu heiss war, unterliess er nicht, ihn durch Hineinblasen zu kühlen."
86, 87 ff. lese und interpungiere ich:
De valschen lüde sint vil rechte de döt dat sulven vür der leve kolden
gemarkel bi dem bloten knechte, unde wil dar vor de veide holden,
de dreget honnich in dem vumde des ^ja^ mot 7ne vorstdn vor 'tiein\
nnde galten in des herien gründe. De des doch nicht willen gein,
trc hüte to der kulde menget der hebbe ik leider vel gesein;
ufide linder vnnide artige brenget, des mote one lede schein.
Nach Fab. 92, 83 setze ich Punkt statt des Kommas und lese V. 84 f.:
icht ek gä nicht käme weder,
so seit sidven an jitwen vroineyi,
dat gi bi tiden van hinnen kernen,
Dat is ju gilt , , ,
gd fasse ich als adv. = schnell, nicht als Form vom Verb. gdn.
93, 27 ff. lese ich:
Do de esel lochte
to wolde wat lie mochte,
mit dem lüde vorjage?i
de dere dede he unde vorxagen,
rorhte ist = rogcde (rngedc) brüllte. Als der Esel im Walde so laut er ver-
mochte brüllte, machte er durch den Laut die Tiere erschrecken und verzagen.
vorjagen 'erschrecken' (vgl. V. 77 vorjagen unde voiTcren) fehlt im Mnd. Wb.
Dagegen halte ich die Einschiebung von mere in V. 60 für nicht geboten.
93, 70 ff. sin here des lowcn hüt
tut enem esele an
unde maket enen ammechtman
enen bur van older art,
dede gut, wis, tnave nu ne wart
Statt older verlangt der Zusammenhang dilder, vgl. knecht van dilder art 82, 36.
94, 95 interpungiere ich:
Di dem poggen mach men jrroven,
de mennige kutist ivilten oven.
102
der se kunnen nicht ein hdr.
ek srpreke dat vor war:
we se lerde vertich jdr,
dat Jie nicht so vele kan,
nicht so vele mit der bekannten Fingerbewegiing 'nicht so viel, d. h. gar nichts".
„Ich sage dies fürwahr: Wenn einer sie vierzig Jahre in die Lehre nähme, er
wird nichts (bei ihnen) ausrichten.''
101, 143 lese ich:
Do sprak de wulf: ^Vil leve knecht,
dat dunket mi werlikcn unrecht,
dat di ds dat dunket hose,
dat du hefst hönre, ende, gose
oMus vordomet in der horde,
so rechte nu nicht worde!
,,Dass du den Bauern ihre Hühner, £nten und Gänse stählest — nichts geschah
jemals mit solchem Hechte.^ Die Begründung folgt in den nächsten Versen
103, 23 ff. interpungiere ich:
Do se dut van ome gesagen
men kos on to kontiinge na siner bede
— dorch sin golt dat tne gerne dede —
unde wart daraf ein mogent here,
al (obgleich) stn gnt al duve were.
V. 26 ist Jie zu ergänzen.
103, 101 f. lese ich:
Oode levet de ivärJieit ane twivel,
de logene hoget jo den duvel.
„Gott ist die Wahrheit lieb, die Lüge erfreut den Teufel."
Zu Konemann.
K. Eoppmann hat im Korrespondenzbl. XVII S. 18 ff. nuwiederleglich
dargethan, dass die Eilenstedter Hds. des Kaland ein nur gelegentlich durch
Nachlässigkeit entstelltes treues Bild der Kouemannschen Dichtung wiederspiegelt,
während der Urheber der Kecension BH seine Vorlage plaumässig umgemodelt
hat. Wirklich unverständlich scheint ihm die Stelle
A 871 : Nu laz dir sinen kuniber leit
mit ganzer dancknamicheit
gegenüber BH 910: Nu lath dek synen kumtner wesen legt
Myt gantxer danknamicheit.
Koppmann meint also, wie auch schon Sello und Euling annahmen, dass hier in
A weisen durch die Nachlässigkeit des Schreibers ausgefallen sei. Nun wird aber
im Ahd. und Mhd. nach lassen, wenn ein Adjektiv mit sein oder wesen und
dem Dativ der Person folgt, das Verb, subst. gern unterdrückt; eine Erscheinung,
die iu J. Grimms Gramm. 4. Teil S. 133 mit Stellen belegt ist. Es ist demnach
nicht zu bezweifeln, dass auch hier die Lesart von A die ursprüngliche und
ivesen in BH erst später eingesetzt ist, worauf auch die ungebührliche Länge
des Verses schliessen lässt. Auch für die V. 1007 ff. lässt sich die Ursprüng-
lichkeit der Lesart von A erweisen. Man vergleiche:
103
A 1007 (it is) ir meiste jamers slach, mit H 1043 Dat is ores meysten Jammers slach,
daz dix sich nimher endet Dat sik dat niimmer endet
unde daz se sin gependet Unde ok dat se syn gfiewetidet
goddes angesichies. Van Goddes angesichte dar,
Mhd. phenden, niederrhein. z. B. im Earlmeinet p&nden mit Genet. (s. Lexer II,
236) ist = „jemand eines Dinges berauben''. Dieselbe Bedeutung hat auch
niederd. panden (s. Mnd. Wb. VI, 232). Die alte Anschauung, dass das Aus-
geschlossensein vom Anschauen Gottes, der höchsten Freude der Seligen, die
grösste Strafe der Verdammten ist, wird danach in A klar ausgedrückt, während
der Bearbeiter von BH das ihm unverständliche gependet in ghewendet entstellt hat.
Zu Eulings Text bemerke ich noch folgendes:
V. 121. We dem, de alleyne schal syn;
Wente valt he, dat is syn pyn,
Dat he nemmide hefftt de one weddcr upJteve,
Statt Dat in V. 123 hat die Hds. De ; zu lesen ist Do = wenn, weil {do statt
de V. 787). Hinter Wente V. 122 ist Komma zu setzen.
V. 463. Dat stucke is schentlik,
Dat nicht gevolget sick
Synem gantzetn deile.
Nach dem lat. Texte: Turpis est omnis pars, quae non congruit suo toti
möchte man vermuten, dass gevoiget seck 'fügt sich' zu schreiben sei. Allein
da auch in A V. 427 gevelleget sich überliefert ist, so ist die hdsl. Lesart nicht
zu beanstanden. Das im Mhd. Wb. nicht belegte sich gevellegen gehört zu dem
Adj. gevdlec, aptus (Lexer I, 959). Auch im Mnd. Wb. ist s^ik gevolgen =
congruere nicht beleg^.
V. 486. misfanges 'aus Irrtum, Versehen' fehlt im Mnd. Wb.
V. B04. Weret ok also ghelegen, Dems schal men altohand
Dat des kalandes eyn gesdle Bemisen brodcrlike goyde,
Van kummers ungerelle Efft he des hiddet myt othmodc,
Nicht konde denen dem kaland, So dat Jie des denystes moghe wesen quit.
In V. 507 hat der Herausgeber das hdsl. d^n in dem geändert; allein der
Accusat. ist richtig, denn denen ist hier transit. und hat die Bedeutung „als
Pflicht geben, leisten" ; den kaland denen ist also = den pfiichtmässigen Ealand-
schmaus geben. Vgl. das Deutsche Wörterb. unter dienen 7, und Mnd. Wb. I,
503; besonders die dort angeführte Stelle aus Westphalen, Monum. ined. 3, 561:
ok schallen de jeyuien, de unse (Plur. oder unsen zu lesen?) kaland denen,
houwen loten twelf gude stucke vlesches. Ebenda ist aus Oldenburger Urkunden
belegt: den loyen (Amtschmaus der Goldschmiede) doien „ausrichten".
V. 529 ff. (vgl. A. 486 ff. mit Sellos Bern.) interpungiere ich:
So sdial men singen dar
Dre missen edder eyn par
(De ersten vor de doden,
De dar noch syn in noden,
De andern vor de broder)
Der barmhertighen moder
Der juncfruiven Sunte Marien . . .
D. h.: Es sollen zwei oder drei Messen zu Ehren der Jungfrau Maria gesungen
werden: die erste für die armen Seelen im Fegefeuer, die andern für die (noch
104
lebenden) Brüder, de andern kann als schwache Form des Singular oder als
Plural gefasst werden, je nachdem es auf dre oder eyn par bezogen wird.
V. 607 ist graß „Begräbniss" zu lesen; vgl. 636 und 627 bigrafft.
V. 682 lies: fieseio statt 7ieseia.
y. 744 lese ich:
Wu mochte egn wifflick vnff
Vorgetten ores kindeSj dat or Uff
Hefft to der werlde gfiebracht.
Doch is it des under tyden wfibeducfiL
Sunder, du machst dat wetten,
Ik wil dtjner nummcr nier iwgeften;
Doch in V. 747 ist relat. = „wenn auch", eine Bedeutung, die im Mnd. Wb.
nicht, wohl aber bei Lexer belegt ist. ei?ies unbedacht sin „nicht an jemand
denken"; im Mnd. Wb. ist nur verzeichnet: unhedaM = unverdächtig.
V. 951. Nu merket myne word,
Unde wur de sele hhjve
Na dussem krancken live;
Dar eyn so kumjH et in ley ff edder leyt . . .
Der in A nicht überlieferte Vers ist unzweifelhaft entstellt. Euliug vermutet:
Darna so kwnpt se in ley ff edder leyt. Ich schreibe: Darna so kummel ir
ley ff edder leyt. Auf kummet = geschieht (s. Lexer I, 1669, Z. 7 v. n.) führt
auch die Lesart von B kump met; siehe Sellos Bern, zu V. 931 — 39.
V. 1188. So mod meyi denne by nod
Bekennen unscn heren yod,
An synem sfrengJien gherichte.
De nu myt JiiMe
An syner barmhertirheyt
Bekennen wil unse dorheyt.
Statt De in V. 1191 ist Den zu lesen, wie auch B hat (vgl. Sello zu 1157a).
V. 1194. Die hdsl. Lesart redde ist im Mnd. Wb. 3, 440 aus einer
Oldenburger Urk. vom J. 1512 belegt.
V. 1283. Dat men U7nme dat hymmelrick
Unde dorch des hymnielrickes willen
Scholde buicen eyne helle
Unde eyne wyle lyden.
V. 1285 ist eyne Schreibfehler, dadurch veranlasst, dass das Auge des Schreibers
auf das eyne der folgenden Zeile abirrte. Ueber das richtige biiiven de helle,
buiren = bewohnen, s. das Mnd. und die Mhd. Wbb., sowie J. Grimm, Kleine
Schriften 4, 234. Der Ausdruck begegnet in Wackernagels Altd. Predigten 7,
25, Ulrichs Wilh. 146 b, Diemers Ged. des 11. u. 12. Jahrb. 372, 24 u. öfter.
1393. rikedaghe ist nach A 1365 als Composit = „Beichtum'^ zu fassen.
Zur Marienklage
(her. von Schönemann als Anhang zum Sündenfall).
V. 38. Wat is, dat dar hanget an dem. böm?
Wer isset, ein mynsche edder ein wortn ?
It imndet sik unde drivet groten storm.
Die Stelle ist nachzutragen in der Bemerkung Schröders z. Redentin. Spiel V. 423 f.
105
V. 52 ff. interpnngiere ich:
Wat 7nunt von leide ju geajrrachj
Dat is allet gar ein %vint
Vor dat dusse leide sint,
'Was je ein Mnnd von Leiden erzählte, das ist alles nichts yor diesem Leide/
Vgl. noch gebräuchliche anch in die hochdeutsche Umgangssprache eingedrungene
Umschreibungen wie: 'Was mein Bruder ist (= mein Bruder) hat mir gesagt/
Nach 57 ist weiter ein Komma st. des Punktes zu setzen, dat in V. 55 ist
= 'gesetzt dass', vgl. die im Jahrb. XVI, 139 angeführte Stelle ans dem Helm-
sted ter Theophilus 737 ff.
80 f. ist wahrscheinlich zu lesen: wente we eine Den kummer enkunnen
nicht half ndlen klagen,
V. 63 ist zu lesen: Marie, sunde vrie, ebenso V. 70 wie : Marie.
V. 95. se doch an de brüste min, Dar ?nede ik dg gewydet hdn. Zu
lesen ist gevogdet. Vgl. Sündenf. 2985 Or kint or an den (Hds. der) brtisten
UL Dat vaidet se wol mich oren lasten Mit der melk orer brüsten,
V. 144 ist zu lesen: Bc bevele dg de moder mm; vgl. 140. Die Hds.
hat der moder.
147. Her meist er, vor wat ik iu sagen iville. Es ist zu lesen: Her
m, vor war ik iu sagen wille.
V. 195 ist zu lesen: Eft iuwerlde alsoddn pm
Eineme deve worde an gelacht (Hds. gedacht) : bracht
'Ob jemals einem Diebe solche Pein angethan wurde'. Die Form angelacht statt
angelelecht ist im Mnd. Wh. I, 96 aus dem Ulensjfegel belegt. V. 202 lies:
iuwerlde 'irgendwo'.
V. 231 lies: Wen ik den se vor niik döt up des brüsten ik untslcp,
V. 252 f. lese ich: Dat ik mik arm Petrus
Nu al sulven han gedoret aldns.
Nach V. 266 scheint nur ein Vers zu fehlen.
V. 268 ff. Ik gd, ik slape, ik wake,
So bedorf ik wol, dat ik mg bedecke
Undf mm hefi'te van sunden rlecke,
Ofte ik arme maria ^nagdalena wantcgstich werden
Van sunde wegen hir np werden.
Dass wantcgstich verschrieben ist, hat schon Höfer, Germ. XV, 76 erkannt, der
dafür wantröstich 'trostlos' vermutet. Aber dies scheint mir wenig in den Zu-
sammenhang zu passen, ganz abgesehen davon, dass dieses allerdings ganz richtig
gebildete Compositum nicht weiter zu belegen ist. Schöuemanns Text ist un-
verständlich und folgendermassen herzustellen:
Ik gd, ik sldpe, ik wake,
so bedorf ik wol, dat ik mg bedecke
unde min Iierte van sunden vlecke.
Ofte ik arme M. M. ivansedich berde
van sunde ivegefi hir up erden.
vlecke gehört zu vlicken, sonst vlieiiy vligen 'in Ordnung bringen' Mnd. Wb. 5,
273. V. 271 ist zu übersetzen: 'Oft benahm ich mich unsittlich.'
106
274 if. lese ich: Des wart my van godes wegen
ein tröstelik hulpe her gesant,
den my der boxen joden kafit
hebtet jamerliken benotnen.
hulpe. 8w. in = Helfer.
316. Van dt unsia my trovicheit 'Deshalb höre mir auf za tranem!'
unstan hier wie entstan Zeno 1591 Xu wil ik troren entstan.
317. Oedult was dich io bereit.
Des hestu nu vorgeten gar,
Undult is dy nu worden war,
y. 319 wird im Mnd. Wb. 5, 41 übersetzt: 'Ungeduld ist dir nun zur Wahrheit,
Wirklichkeit geworden.' Es lässt sich aber für die Länge des ä in gar kein
Beispiel ans unserem Gedichte erbringen. Auch hier ist gar anzusetzen und
der folgende Vers folgendermassen zu schreiben:
Undult is dyn nu worden war.
„Ungeduld ist deiner nun gewahr geworden; hat dich nun ergriffen.''
322. Unde Idt one ufis begraven nach usem sede,
Unde wes dar sulven msde,
So endarf he nicht to gisel stän,
Den, de dar vor henne gdn.
Während V. 340 td gisel stän richtig ist, wird es hier nach V. 306 in: to
Speigel stau 'zum Ansehn, Schauspiel dienen' zu ändern sein.
360 am Schluss ist im Heime zu stunde wahrscheinlich lidunde zu ergänzen.
374 f. lese ich: Wolde god dat hir ein ungcdult
Des dodes my yunde eine schult.
'Wollte Gott, dass Missgunst eine todeswürdige Sünde au mir fönde.'
V. 384 f. ist zu lesen: De my dicke vroide gaf,
de licht hier vor my an ein graf.
an = nhd. in.
V. 395 ist zu lesen: Wat wil ik vil anjie aue gdn?
'Was werde ich arme beginnen?' angnn = „anfangen" wird noch in der Göt-
tinger Mundart gebraucht, vgl. Schambach S. 10. Vgl. auch Zeno 102. Wat
schal ik nu ane gdn?
V. 415 lies: Owe der iamerliken scJieide!
Kum, döt, unde nim uns beide!
Vgl. V. 440. Döty kiim, nym uns beide,
419 ist im Reime: begraven st. begnaden vielleicht das gleichbedeutende
begaven einzusetzen.
V. 424 f. lese ich: De werlt en künde anders nicht getiesen,
Wan der iammerliken vart
„Die Welt konnte nicht anders gerettet werden als durch Christi Höllenfahrt"
V. 453 lies: Latet gik vorbarmen,
Dat ik an dussem live
So grote ruwe drive,
ruwe driven = .bekümmert sein."
107
Zum Sflndenfall.
Zu meinen früheren Bemerkungen im Jahrb. XIV, 148 ff. und XYI, 116
ff. trage ich noch folgendes nach:
Y. 1456 lese ich: Hör sethf wat dat kleine hint inende
Dat dar uppe deme home sat unde wefvde,
De dar vordroget stot,
Des wil ik dy nu niaken vrot.
Die Hds. hat V. 1458 vor droge, was Damköhler im Jahrb. XV, 81 verteidigt.
Schönemanns Verbessemng wird aber gestützt durch die Parallelstelle im Gedichte
Vam Holte des Hilligen Crnces V. 184 : he vragede enie altohant, wat dal kleine
kint mende dat uppe deine boine lack unde wende, de dar so grot vordorret stunt.
V. 1470. De missedat scal dat kint wedderropen.
V. d. Holte d. H. C. V. 199 heisst es: dat mot dat kint wedder kojyen, und
dies scheint die richtige Lesart, da ein Widerruf der Missethat nicht genügt,
sondern nach germanischer Rechtsanschauung nur eine Busse, Entschädigung.
Vgl. mhd. underkoufen, Lexer III, 841.
V. 1507. Dar hi mach me den vader nomen. Die hdsl. Lesart wird
bestätigt durch V. d. Holte V. 245 dar hi ik den vader nome.
V. 1541. Aver ik segge, dat ik sack
Midden in detne paradise ein hörne springen,
Dar veer grote waier ut gingen.
Dat erste dat is physon genant,
Dat vlut in emmdat dat lant.
Schönemann vermutet im Wörterb. z. Sündenfall unter eimnelant „England".
Er begründete seine Vermutung wahrscheinlich auf das den gleichen Stoff be-
handelnde Stück im Hartebok der Flandrerfahrer, wo es heisst: De erste is
Phison ghenant, de lopet umme den trent Engelant, Allein die Unrichtigkeit
dieser Lesart ergibt schon der Znsammenhang; in der Hamburger Hds. des Ge-
dichtes vom Holze des heiligen Kreuzes [s. Niederd. Jahrb. II (1876), S. 90]
lesen wir: de erste is Phison ghennnt, de lopet al ummentrcnt dat lant dat
dar het Enbat, Danach scheint mir in emmelat der Name einer asiatischen
Landschaft verborgen zu sein. Nicht zu erklären wusste sich ihn offenbar
auch der Schreiber einer hannoverschen Miscellan.-Hdschr. (angeführt im Mnd.
Wb. I, 637), wo es heisst: Dat ene water is glienant Phison und dat water
overgeit al dat einUint,
V. 1546. Dai ander dat ik inene
Hetet geon ttnde en is nicht kleine,
Unde vlut in ethiopien
Nar de s^warten lüde lien.
Statt Nar hat die Hds. Dar und dafür will Damköhler Jahrb. XV, 82 Dor lesen ;
da jedoch auch dar =- „durch*' belegt ist, so ist kein Grund zur Aenderung.
V. 1551. Unde lopt in lant van as^ia.
Zu lesen ist int lant, vgl. V. d. Holte V. 152; Damköhler schreibt in dat lant.
V. 1522. Hir umme so mach me merken V. d. H. des geükes mach men merken
Den hilgen geist in sinen 268. den hilligen geist an sinen
wei'ken, werken,
De sine gave gevct tware de sine gndde hlr ufide dar
Hemelik unde openhare hemelik unde dpenhur
So mennich utesprct, so mannichvolt üt spret
Dar me nein tal af wct. dat men nenen tal dar van wet.
108
Beide Stellen hängen unzweifelhaft von einander ab. Da nun das Heilitre Kreuz
das ältere Gedicht ist (s. Schröders Einl. zu seiner Ausg.), so wird uiesjyret =
„er breitet aus" sein, und gcirt nur eine Art Dittographie von f/ave. Ich lese
jetzt: Hir unwie so mach vie merlcen Den liihjen gcist in siucn werken.
De sine gare tivare Ilemelik nnde opcnhare so mennichcoÜ utcspret, Dal
Die nein tal af wet.
V. 3829. Nu Sil ivilkomen, min lere tnd,
Joachim, gy setten niy lange ut.
Ich lese: gy seien mi lange ui „ihr bliebt mir lange aus''. ^7/ ist Dat. ethicus.
Ueber sitten = *8ich aufhalten, sein und bleiben' vgl. Mnd. Wb. 4, 218. Anders
erklärt Daniköhler, Jahrb. XV, S. 83.
Zu Valeutin und Namelös.
V. 1245 ist sart statt scart zu lesen, vgl. V. 1824, 1970.
V. 1369. 'mcn schal hir lesten nicht to spade,
dat jene twe, de tncchtich s}n,
iverden bracht i?i dodes pin\
Im Mnd. Wb. II, 672 wird, nur nach dieser Stelle, ein schw. Verb, lesten =
„säumen, zögern" angenommen, da in der Hamburger Hds. die entsprechende
Stelle lautet: vmn schal hir nicht hrgden to spade; allein es hindert nichts,
hier lesten j leiMen in der Bedeutung 'ausführen, vollbringen* zu fassen, nicht
to spade d. i. ^nicht zu langsam, sofort'.
1427 und 2069 ist das in beiden Hss. überlieferte megsterscaft (s. Anm.
zu 1426) nicht zu ändern.
V. 1625 ff. lese und interpungiere ich:
Valentin quam %ip sin ros:
bi eme oh stot Kamelös
linde Blandemer, de upsprungen.
de konink mit sinen jungen
de rosse rorden dar den klr,
to der were setteden sik de drc.
So entsprechen die Verse der schwedischen Uebersetzung: Tha spi'ang Volant in
pa siyi hicst, och Xantpnlos gik s(n uar hoiiom, och Blandanuer tok sin
skiold for sik; och koninigot och haus man threngcdr til, och the iij SfitUf
sik til wernr. Von hdsl. Lesarten habe ich geämlert: V. 1628 do in de, V.
1629 dingen m jungen, der junge s. Lexer 1, 14J)S) bedeutet, wie noch jetzt
im Niederd. Jung 'junger Mann'. Statt de rosse ^) rorden, wie schon Seelmann
verbesserte, haben beide Hdss. de rose rorde; Walther im Jahrb. XVIII, S. 135
fasst rose als „das im Kampfe geflossene Blut". V. 1629 ist dar = durch;
8. Mnd. Wb. I, 544. — upspringen V. 1627 heisst 'sich in kampfbereite Stellung
setzen', vgl. V. 477, 709, 2412. dat ros raren = 'das Pferd in Bewegung
setzen', vgl. V. 933, 1282 und Lohengrin her. v. Rückert swenn si durch tjosi
diu ors xesamne ruo7ien (s. Lexer unter ^rüerc7i).
V. 1835. se levct mi bovcn alle wlf,
se achtet nicht up mi ein kcitif,
ein keitif „ein Schelm" ist dem Zusammenhange nach nicht wahrscheinlich. H
*) Vielleicht ist der unflectierte Plural de ros (vele ros unde perde Mnd.
Wb. III, 508) zu setzen.
109
■
hat uj) myn hedriff, und dies führt auf die Yerrantung, dass es nrsprünglich
gelautet hat: se achtet nicht iip minen klf.
Ich nehme an, dass A'//* hier, wie mhd. k^p (Lexer I, 1578) die Bedeutung
„leidenschaftliches Strehen** hat, also das eifrige Miunewerbeu des Riesen be-
zeichnet. In der gewöhnlichen Bedeutung steht klf ebenfalls im Reime auf w%f2bl^,
V. 2043. de en rvas mälcet wol dun.
Ich lese mit der Hs,: en wa^ junkes wol to dön, „Sie waren der Ruhe wohl
bedürftig." Vergl. die Stelle aus Grimms Weisttimem 3, 182 ^dai di geene, die,
dar in gewncrt sein to dnstwaer, moegen liauwen, ives sie tho doen liehhen
eres heeides (für ihren Herd nötig haben) in vuringe, und andere im Mnd. Wb.
I, 539, sowie die neuhochdeutsche Redensart „es ist mir darum zu thun".
V. 2251. Magros de rese ließ se vayigen sat
dwch sinen tom in sin bat,
Pass bat hier und 2400 „Wäscherei" bedeute, ist nicht zu belegen; es ist viel-
mehr eine Umschreibung für „Gefängniss", vgl. Mnd. Wb. I, 158, Grimms
Wörterb. unter Bad 3 und 4.
V. 2414 vermute ich statt de7i segehaft: den segevacht „den Sieg" (: stach),
V. 2560 streiche ich was, das auch H nicht hat und erkläre kste als
Adverb. = zuletzt.
NORTIIEIM. R. Sprenger.
Zu mnd. Gedichten.
Zii Botes Boek van velenie rade.
(Nd. Jahrb. XVI, 1 ff.)
I, 9 ff. ist zu interpnngieren:
Wente wo boxe, wo rrdsch nnde (piacl
Mank den laden is ngt unde haet,
l)at ivet nema)it unde rerht rorstvit
Wen de jenne^ de mit egiieyn nmniegcit;
21 ff. lese ich folgeudermassen :
Ngt unde fiat de maket alle twidraeht
I'nde benimpt den weldighen ei'e walt unde macht,
(JUrumme werfet voersichtich orerall)
De land U7ide lüde regeren scal,
V. 22 fasse ich ere als Pron. i)oss., da Ehre meist eere geschrieben ist. In V.
23 werden die weldighen angeredet. De in V. 24 bezieht sich auf walt umle
macht in V. 22. Vergl. V. 3/4.
II, 21. Seet to, dat to dem rade nicht Jcame qnnei broekelik holt!
Das Adj. broekelik ist nicht erklärt. Der Herausg. hält es offenbar für bröklieh,
das im mnd. Wb. — hrokhaftich, 1. ermangelnd, 2. straffällig erklärt wird.
Beide Bedeutungen passen hier nicht, die richtige ist vielmehr 'anbrüchig'; also
Holz, das nicht eckervast ist, sondern bereits in Fäulnis überzugehen beginnt.
110
51 fif. ändere ich so:
Wes eyn vrunt der hiüigheti kerkm
AI na sunte Peters werken
Unde denie tvrevel unde stolt,
De synen geystliken staet nicht holt!
III, 8 ff. ist zu interpungieren:
Oy eddelen koer forsten, dencket hiran,
Wen dat romesche rike vorstorven were,
Gy ertxbisschoppe Kollert, Mentz unde Trere,
De hochwerdighe konninck, to Bemen ghenant,
De paltxgreve unde hertiglie to Sasserümt
Unde de kocJighebaren marchgreve to Brufidenborch,
(De synt alle erlu^chtet mit dogheden dorch):
Slaet dat kanirad tohope vast unde dicht,
y, 70. Hinter grunth ist statt des Punktes ein Komma zu setzen.
103. Eyn iewdk rapet in sytien sack,
Dyi maket juw alle den quack.
Der Herausg. übersetzt quack mit 'unnützes Gerede' von qtiackelen und beruft
sich auf westf. kwack 'Schnattern der Enten' etc. und ndl. kuKbk 'Geschichte,
Erzählung'. Diese Bedeutung scheint mir hier sinnlos. Ich halte quoick für
ein anderes Wort. In der Eattenstedter Mundart bedeutet kwack, m., so viel
wie dauernder Schaden, Krankheit, Leiden, z. B. disen winter het fiei stnen
kivack ekrein, diesen Winter hat er genug bekommen. Dazu gehört das Adj.
kivackich, schwächlich, leicht erkältlich, nicht widerstandsfähig. Vergl. Dähnert :
quack*, im figürlichen Sinne wird es auch von Kindern gebraucht, welche nicht
die Kraft haben, sich aufrecht zu erhalten, sondern zusammensinken, dat jäor
Mngt ass*n quack, Adj. quackig, Ostfr. Wtb. 11, 427: kwakke, kwak, ein
unfester, weichlicher, schwächlicher, oft kränkelnder Mensch etc. Vielleicht ge-
hört hierher auch quaJckebrook, ein weichlicher, kränklicher Mensch, der gleich
bei den ersten Schmerzen ächzt und schreit; Br. Wtb. III, 392. kwack stelle
ich nicht zu mnd. quackelen 'schwatzen', sondern zu und. kwacken, 'nach einem
heftigen Fall oder Wurf einen lauten, hellen Schall verursachen'. Demnach be-
deutet quack zunächst Schlag, Fall, dann die Folgen des Schlages. Das passt
für unsere Stelle: 'ein jeder scharrt in seinen Sack, das bringt euch allen
den Schaden'.
130/1 ändere ich also:
So werde gy vor uprichtighe manne angheseen,
Eere unde rechte juw denne vallet by,
deme für denne bietet der Druck auch in VI, 36.
VI, 53 ff. interpungiere ich folgendermassen :
Gy weldighen, gy scJwlet dat staden nicht,
Dat unvomufft schal sitten in gherichi,
Wente de deit nenen warnen.
De unvomufft unde umvetenJieit let kamen
To grade, dar dat sik nicht enboert,
Nicht gudes wert dar ghespoert.
De geystliken unde werldUken kamen dannn to nickte.
Woer unwetenheit unde unvomufft holt dat rieJde,
Unde syd rad in hogliem grade tverd,
Dar is de cristenlmd seer mede beswerd.
111
106 if. So machstu hy dynem arbcide blyven,
Dat sy slackten, smeden, glieten, sticken, negfien,
Backen, hrouwen, hcniwen, sniden unde dreghen,
Dat »y, wat id vor eyn ammet »y,
Dar rode he over unde blyve darby,
Unde bespeghele dy an dessem plochrade,
In y. 110 ist die 3. Person störend, die nur auf V. 104 nnd 105 bezogen
werden kann. Ich vermute, dass hinter V. 108 ein Komma zu setzen und V.
110 zu lesen ist: dar rade (du) over unde blyff darby. Der Ausdruck ammei
ist auch für die V. 107/8 aufgezählten Beschäftigungen zulässig. Mnd. Wb. I, 67.
VII, 86. Ihfn vraem wiff der eere unde doghet tolet
Vorware se wal eyn poUererrad het.
In V. 86 ist mir tolet unklar. Der Reim auf het == Mt scheint ein langes e
zu fordern. Darum vermute ich einen Druckfehler für klet = klet = kledei
'kleidet, ziert'. Konstruktion mit dem Dat. und Bedeutung sind zwar im mnd.
Wb. nicht belegt, aber dem heutigen Niederdeutsch gewöhnlich. Der Relativsatz
der — klei ist in Kommata zu setzen.
Vm, 19 lese ich:
Dat dacht nicht nien to spolen unde to spinnen,
Alle de lichivorich arbeit to beghinnen,
Beghinnen hat hier die nnd. Bedeutung *thun, verrichten\
55. Se synt Jieit vort höret, siede ju>ch unde wach
Unde dencken nicht, wat dama kamen mach.
Der Herausg. übersetzt juch mit 'betriebsam, thätig\ Ich stelle es zn mnd.
jucliei 'Lebemann', jucliefi ^schreien', nnd. juclieen 'ausgelassen, heiter sein mit
Gesang und Tanz' (Kattenstedt a. Harz), und übersetze es 'ausgelassen'.
Zu Gerhard von Minden.
Fab. 100, 37. De konnink sprak: So saget mi,
wat juwer beider aminecht si,
darto juwe kunst U7ide wo gi heten,
darto möge gi mm g&nelen,
wente na der ktinst scfial nie jo geven.
Statt darto in Y. 40, das keinen passenden Sinn g^ebt und wahrscheinlich aus
der vorhergehenden Zeile hierher geraten ist, lese ich dama,
73. Do sprak de konnink: 'Dat is gewis,
dat juwe kunst nicht selseii is
an alle mhiefni rike;
mit beider kunst wol juwe gelike
vü node doch wolden des gein,
wo vele der wert von mi gesein.
Da V. 47 Oirelin sagt: uyide en lernt nicht eiti nun gelike mit giriclieit in
al detn rike, so ist V. 74 nicht auffällig und statt dessen recht zu lesen. Die
V. 76 — 78 besagen dann, dass ihresgleichen im Reiche überhaupt nicht gefunden
werden. Das Semikolon hinter V. 75 könnte auch hinter V. 74 gesetzt werden.
Statt wolden in V. 77 lese ich wolde me.
112
Pab. 101, 148 lese ich Wo rechte statt So rechte ik ju icht wartk,
171. Wat niaclhstu on dar schaden ane dön?
Kuvistu daraf, du deist unrechte,
wente des gqdogen lieft al dm siechte.
Statt des hs. vü recJde hat der Herausg. unrechte gesetzt, yermutlich weil er
kunistu daraf in dem Sinne nahm 'kommst du davon ab, hQrst da auf, ihnen
Schaden zu thnn. Diese Bedeutung ist nicht belegt. Das hs. vil reefite halte
ich für richtig und übersetze 'kommst du mit dem Leben davon'. Vergl. mnd.
Wb. af kamen mit einem Gen. = von etwas loskommen, z. B. der pkigh^ afkometi.
179. Nernan so guden köp ne gaf
dem umme ein Jiön vel unde lif;
Hinter Ji&n ist ein Komma zu setzen, i'el unde lif ist Apposition zu kop.
Fab. 102, 76. so wert he is unds ök ju gewas
sin holt allen luden hehande,
dat is ivitlik in dem lande.
Y. 76 ist so sinnlos; statt dessen ist wo zu lesen. Vergl. Fab. 101, 148.
95 flf. ist vom bramber, bräm die Rede ; die Wortlese erklärt : 'ein Strauch
(Pfriemen, spartium scop. L.?), doch schwerlich der Brombeerstrauch'. Der Nd.
Aesopus hat V. 36 de gele brdm und HofFmann erklärt es offenbar richtig als
spartium scoparium. Im Schottischen heisst diese Pflanze hroom, spr. hrüm,
Sie ist auch an unserer Stelle gemeint. Mnd. breme, branie, brumnie, Bubus
und Scoparium. b7'ä)n statt brdmber zu schreiben, wie Sprenger, Progr. Nort-
heim 1879, will, scheint nicht notwendig. Am Harz sagt man heute allgemein
bi^arribere oder brambranke, das aus braniberranke zusammengezogen sein wird,
statt hrttfn.
Fab. 103, 45 flf. De jene de dar dröch dat swert,
de was al der werlde unwert,
wente he nicht wemie loge^ne sj/rak,
de andere dar nicht ne brak,
wente he gerne spreken wolde
de wdriieit, wat dat Jcosten scholde.
Sprenger fasst de wdrheit in V. 60 als Objekt zu brak und fügt hinter he in
V. 49 ein se ein. Folgerichtig ändert er auch dar in dar, Nd. Jahrb. IV, 104
und Germania XXXIY, 430. Diese Aenderungen scheinen unnötig. Die V.
46/47 und 48/49 stehen sich gegenüber: Der eine war ein Taugenichts, weil
er nur Lügen vorbrachte; der andere ward nicht straflTällig (verbrach nichts),
weil er die Wahrheit liebte. Zu brcken 'verbrechen, straffällig sein' s. mnd.
Wb. I, 419: vortjner scal nenian vor den anderen beieren, mcn we xe (wer
da) dar brekt, de scal vor syk sulven beteren,
BLANKENBURG a/IL Ed. Damköhler.
113
Der Verfasser der jüngeren Glosse
zunn Reinke Vos.
Beinahe könnte es Wasser ins Meer tragen heissen, wenn ich es
unternehme, noch einmal die so oft und so gründlich behandelte Frage
nach dem Verfasser der jüngeren Glosse des ßeinke Vos zum Gegen-
stande der Untersuchung zu machen, zumal nachdem Brandes in seiner
trefflichen Ausgabe^) alles Einschlägige aufs Umsichtigste erwogen und
den derzeitigen Stand unseres Wissens aufs Klarste dargelegt hat.
Gerade diese Zusammenstellung war es aber, die mich in der Ueber-
zeugung bestärkte, dass das Festhalten an der durch Rollenhagen
formulierten Ueberlieferung nur im Kreise herumführe und dass auf
diesem Wege nicht weiter zu kommen sei. So möchte ich denn meine
schon in einer Besprechung der Brandesschen Ausgabe^) in Kürze
angedeutete Ansicht näher begründen.
Bei dem ausserordentlichen Beifall und Einfluss, den sich der
alte Reinke Vos im neuen Gewände so überraschend erworben hatte
— von 1539 bis 1595, dem Erscheinungsjahr von Rollenhagens Frosch-
meuseler, sind nicht weniger als 8 niederdeutsche, 17 hochdeutsche,
5 lateinische und eine dänische Ausgabe erschienen^) — und bei der
unverkennbaren Sorgfalt, mit welcher der Bearbeiter seine Anonymität
bewahrte, konnte es nicht ausbleiben, dass schon frühzeitig die Frage
nach der Person des Urhebers der Glosse die literarischen Kreise
beschäftigte. Aus dem Werke selbst geht nur hervor, dass der Ver-
fasser ein Mann war von ausserordentlicher Belesenheit und aus-
gedehnter Sprachkenntniss, von reicher Lebenserfahrung und scharfem
Blick für die offenbaren und verborgenen Schäden in Staat und Kirche,
im öffentlichen und Privatleben, erfüllt von dem ernsten Bestreben,
nach Möglichkeit zur Belehrung und Veredelung seiner Zeitgenossen
beizutragen, indem er frei von Menschenfurcht allen Ständen ohne
Unterschied ihr ungeschmeicheltes Abbild vor Augen hielt. Das ist
aber auch alles, was sich daraus entnehmen lässt und Bieling*) geht
offenbar zu weit, wenn er aus den freimüthigen Aeusserungen gegen
den geistlichen Stand den Schluss zieht, der Verfasser könne kein
Geistlicher sein, sondern müsse dem Laienstande angehören. Hab-
sucht, Wucher und Unkeuschheit der Pfaffen, Cöiibat, Ablass, Mönchs-
*) Die jüngere Glosse zum Reiuke de Vos, herausgegeben von Herrn.
Brandes. Halle a. S. 1891. S. I— XX. *) Deutsche Litteraturzeitung 1892,
Nr. 13, Sp. 435—437. ') Reinke de vos. Herausgegeben von Friedr. Prien,
Halle 1887. S. XXIX— LXHI. *) AI. Bieling, Die Reineke - Fuchs - Glosse in
ihrer Entstehung und Entwickelung. Berlin 1884. 4^. S. 14 und 15.
Niederdeatsohes Jahrbnoh. XIX. Q
114
thum geisselt er mit den schärfsten Worten, aber nicht um ein Haar
schärfer als die Reformatoren selbst und alle evangelischen Prediger
es thaten, und wenn er dann davon spricht, dass die Diener des
Wortes uns weiden sollen mit dem göttlichen Wort und gutem Beispiel,
so tritt er damit nicht für seine Person in Gegensatz zur Geistlichkeit,
sondern versetzt sich nur in lebhaft - lehrhafter Weise unter die Zahl
derer, für die sein Werk hauptsächlicli bestimmt ist, in die evangelische
Gemeinde. Alles dies giebt noch nicht den geringsten Anhalt für die
Person des Verfassers; das einzige, was dafür von Wichtigkeit sein
könnte, das Versprechen „dath Bock Plutarchi van dem Gemeinen
besten in Sassyscher sprake" dem günstigen Leser „tho nütte uppet
baldeste" auch zu verfertigen^) ist uneingelöst geblieben. Auch von
ihm galt offenbar, was er vom Dichter des Reinke sagt^) „dat de
Poeta orsake hedde dat yenne uththospreken, so he ym gemöte bedacht,
averst befaringe und forchte halvon under syner persone nicht apen-
baren dorffte.'^ Dass der Verfasser unter einer Nothwendigkeit steht,
die ihm nicht nur die Verschweigung seines Namens, sondern auch
gewisse Beschränkungen in der Wahl seiner Vorlagen auferlegt, liegt
klar auf der Hand. Jedem muss bei einem Manne, der so entschieden
auf der Seite der Reformation steht, dass ihm „evangelisch" und
„christlich" als gleichbedeutend gilt^), das gänzliche, nur durch vor-
sichtige Ueberlegung zu erklärende Fehlen Luthers, Melanchthons,
Bugenhagens und der anderen hervorragenden Reformatoren unter den
benutzten Schriftstellern auffallen und ich vermag dabei nur auf die
analoge Erscheinung hinzuweisen, dass im selben Jahre 1539 bei
demselben Drucker ein für „de Olden vnnd bedageden lüde" in grober
Schrift gednicktes Neues Testament in niederdeutscher Sprache erschien,
von dem es zwei sonst identische Ausgaben giebt; die eine sagt auf
dem Titelblatt „dorch D. Martinum Luther mit vlyte vordüdeschet'\
wälirend die andere statt dessen setzt „na dem Grekeschen recht
gründtHck vordüdeschet".*) In beiden Fällen besorgte also der Drucker
und Verleger, durch allzuoffene Ilervorkehrung des lutherischen Stand-
punktes die Absatzfähigkeit seiner Artikel zu beeinträchtigen.
Es ist geradezu undenkbar, dass bei dem beispiellosen Erfolg
des Werkes nicht doch auch Andere Kunde von der Person des Ver-
fassers bekommen hätten, aber bewundernswert ist es, dass trotzdem
die Festhaltung der Anonymität mit Erfolg durchgeführt werden konnte.
Der Verfasser der schon im Jahre L544 in Frankfurt a. M, er-
scheinenden hochdeutschen Uebersetzung resp. Bearbeitung nennt den
„Sechsischen Glossator" seinen „besondern bekandten Freundt", da
er sich aber gleichfalls in Dunkelheit hüllt, ist auch dieser Hinweis
zur Feststellung des Verftissers seiner Vorlage nicht zu verwenden.
300 Jahre lang hat man allgemein Michael Beuther, geb. 1522, 1546
*) Brandes, Glosse S. 235, 39 ff. ') Ebenda S. 234, 10 ff. ») Ebenda S. 132,
120 ff. 134, 178 f. — BielinjT S. 11. *) C. M. Wie ch mann, Meklenburgs alt-
niedersächsische Literatur I, ^Schwerin 1864, S. 178 ff.
Professor der Geschichte zu Greifswald, 1565 y.\x Strassburg, gest.
1587, für den Bearbeiter gehalten, bis Prien 1887 den Nachweis führte,
dass der einzige Gewährsmann dafür. Hartmann Schopper, ßeuthers
Namen nur als Vermuthung ausspricht, innere Gründe aber diese Ver-
muthung als wenig glaubhaft erscheinen lassen^). Erasmus Alberus,
der 1550 erklärt, er habe noch nie kein feiner noch meisterlicher
Gedicht gelesen als das Buch von Reinicken, womit er wie alle Zeit-
genossen die mit der jüngeren Glosse versehene Bearbeitung meint,
durch die die älteren Dinicke vollkommen in Vergessenheit gerathen
waren, weiss auch nichts mehr zu sagen, als dass desselben Buchs
Meister ein Sachs gewesen sei, „ein hoch verstendiger weiser Mann,
ein Ehr aller Sachsen"^), und dazu genügte die als sicher voraus-
zusetzende Bekanntschaft mit der Vorrede des hochdeutschen Bearbeiters.
Sechsundfunfzig Jahre waren vergangen, in dreissig Ausgaben
war der Reinke verbreitet und in alle Schichten des Volkes gedrungen,
und noch war der Schleier nicht gelüftet, der über seiner Entstehung
lag — da trat 1595 Georg Rollenhagen mit seinem stark vom Reinke
Vos beeinflussten ^) Froschmeuseler auf und berichtete haarklein, was
es damit für eine Bewandtniss habe. Ein gelehrter scharfsinniger
weltweiser Sachse mit Namen Nicolaus Bau mann „beim vrsprung
des Weserstroms bürtig" habe unter dem Namen Reinicken Fuchses
das ganze politische Hofregiment und das Romische Papstthum nach
seinen eigenen als Rat und Sekretär am Jülichschen Hofe gemachten
schlimmen Erfahrungen weislich beschrieben und nachdem er in die
Dienste des Herzogs Magnus von Mecklenburg getreten, dem Rostocker
Buchdrucker Ludwig Dietz übergeben. Dieser, ein Oberländer von
Speyer und selbst ein guter Reimer, habe alsdann die Glosse aus
anderen Reimbüchern dazugesetzt und das Buch so im Jahre 1522
erscheinen lassen, aber nicht unter dem Namen des Verfassers, sondern
als wenn es zuvor „ein altes Welsch und Frantzösisch Buch gewesen".
Gleichsam zur Beglaubigung seiner Erzählung fügt Rollenhagen noch
hinzu, dass Baumann in der St. Jakobikirche zu Rostock seine letzte
Ruhestätte gefunden habe und theilt den Wortlaut des ihm im April
152G von der hinterbliebenen Wittwe gestifteten Epitaphs mit eigener
deutscher Uebersetzung mit*). Dass sich Rollenhagen diesen Wahres
und Falsches in wunderbarer Weise durcheinandermengenden Bericht
nicht aus den Fingern gesögen haben kann, ist klar, ebenso dass ihm
die Grundlagen dazu nirgends anders her als aus Rostock zugegangen
sein können, imd da kann nur der poeta laureatus Peter Lindeberg
in Frage kommen, der ebenso wie Rollenhagen dem grossen Kreise
von Gelehrten angehörte, der in Heinrich Rantzau, dem prorex
Cimbriae, seinen Mäcen und Mittelpunkt fand. Lindeberg starb am
*) Friedr. Prien, Ueber die hochdeutsche Reinke-Uebersetzung vom Jahre
1544. Neumünster 1887. 40. S. 10 ff. ^) Brandes S. XV, Anm, 1. •) Jahrbuch
d. V. f. nicderd. Sprachf. XIV (1888), 1. (Brandes.) *) Rollenhagens Bericht ist
vielfach abgedruckt ; nach der ersten, ausführlichsten Fassung bei Brandes 8. XI/XII.
8*
116
16. Juli 1596, als der Druck seines Chronicon Rostochiense ungefähr
bis zur Hälfte fortgeschritten war. Der Rest wurde dann im Auftrage
der Erben von Mag. Nik. Peträus ohne jede Aenderung des vorliegenden
Manuscripts herausgegeben und das Ganze erschien im September
desselben Jahres. Auf der vorletzten Seite finden sich die Zeilen, die
zur Kontrolierung Rollenhagens von hohem Werthe sind. Es heisst
da in der Beschreibung der Universität: „Diesem (Nikolaus Marschalk)
folgte Nikolaus Bau mann, der (nachdem er eine Zeit lang am
Jülichschen Hofe als Rath gelebt hatte und schliesslich bei dem Fürsten
verläumdet worden war, so dass er genöthigt war, mit Gefahr seines
Lebens zu Herzog Magnus von Mecklenburg, dessen Sekretär er später
wurde, zu flüchten) auf Giiind seiner eigenen Erfahrungen die Ränke
des Fuchses in deutschen Versen scharfsinnig und kunstvoll geschildert
und in Rostock, wo er nach vollbrachtem Lebenslauf in der St. Jakobi-
kirche beerdigt ist, in Druck gegeben hat." In diesen schlichten Worten
haben wir die Quelle von Rollenhagens weitausgesponnenem Bericht
zu suchen; entweder direkt auf Grund persönlicher Bekanntschaft oder
durch Vermittelung Rantzaus hat Rollenhagen dort angefragt, wo
voraussichtlich am ersten noch eine Kunde vorhanden sein konnte, in
Rostock, und Lindeberg, der anscheinend sich vorher mit dieser Frage
nicht beschäftigt hatte, zieht nach Möglichkeit Erkimdigungen ein,
was ihm nicht allzu schwer werden konnte, denn Stephan Möllemann,
dessen Druckerei er selbst benutzte, war mit Ludwig Dietz' hinter-
lassener Wittwe verheirathet. Dass vorher derartige planmässige
Nachforschungen nicht angestellt sein werden, dafür glaube ich die
von Möllemann gedruckte Reinke - Ausgabe von 1592 als Beweis an-
führen zu dürfen, der zwar der Verleger Laurenz Albrecht eine besondere
Vorrede mit auf den Weg giebt, aber mit keiner Silbe auf eine Bekannt-
schaft mit dem Verfasser und dem Glossator hindeutet^). Was Linde-
berg zugetragen wurde, theilte er Rollenhagen mit ; was er selbst
davon für feststehend erachtete, fügte er seiner Chronik einstweilen
da ein, wo es ihm noch am besten hinzupassen schien, nämlich bei
dem nächsten Vorgesetzten des Sekretärs Nik. Baumann, dem Rath
Nik. Marschalk, und so blieb, da die letzte bessernde Hand fehlte.
Baumann mitten unter den Universitäts-Professoren als ihres gleichen
stehen, trotzdem er in Wirklichkeit nicht einmal einen akademischen
Grad besessen hatte. Rollenhagens Bericht ist von Zarncke*) zur
Genüge zerpflückt worden, sodass wir hier, zumal es sich für uns
nicht um den Verfasser des Reinke, sondern um den der Glosse von
1539 handelt, nicht weiter darauf einzugehen brauchen. Es mag nur
bemerkt werden, dass von allem, was Rollenhagen über den sonst
nirgends besonders hervortretenden Baumann, dessen Andenken nur
zufällig durch das vielleicht an auflfallender Stelle angebrachte, bis
ins vorige Jahrhundert noch vorhandene Epitaphium^) etwas frischer
0 Wiechmann III, S. 165-167. — Prien, Reinke S. XXXVI. >) Zeitschrift
für deutsches Alterthum IX, 377 ff. ') (Mantzel) Bützowsche Ruhestunden XX
(1765), 85.
117
geblieben sein mag, nichts von Bestand bleibt, als dass er Sekretär
der Mecklenburgischen Herzoge (aber weder des schon 1503 ver-
storbenen, noch des späteren erst 1509 geborenen Magnus) war, 1526
in der St. Jakobikirche zu Rostock beerdigt wurde und nicht aus
Rostock stammte. Selbst die Angabe seiner Herkunft vom Ursprung
des Weserstroms lässt sich darauf zurückführen, dass sein Bruder und
Erbe in Eisenach seinen Wohnsitz hatte ^). Dass Baumann den bisher
noch durchaus in der Luft schwebenden und nur auf Rollenhagen
beruhenden Druck von 1522 veranlasst habe, ist bei dem feindseligen
Verhältniss, in dem Dietz zu ihm stand und das Ende 1520 selbst
das Einschreiten des Landesherren und des Rathes erforderlich machte*),
von vornherein abzuweisen.
Trotz des schwankenden Grundes, auf dem also die einzige aus-
luhrlichere Nachricht über die Entstehung des Rostocker Reinke steht,
dürfen wir doch den durch sie gegebenen Hinweis nicht unbeachtet
lassen, sondern müssen untersuchen, ob sich das, was uns über Ludwig
Dietz' Leben und Wirken anderweitig bekannt ist, mit Rollenhagens
von Dr. Brandes wieder zu Ehren gebrachtem Bericht vereinigen lässt.
Da stossen wir schon beim ersten Schritte an: Das einzige, was uns
mit Sicherheit über die Person des Glossators berichtet wird, ist, dass
er ein Sachse war, und man mag nun den Ausdruck „Sasse" so weit
fassen wie irgend möglich, der Oberländer aus Speyer, mag er auch
in Niederdeutschland noch so heimisch geworden sein, hat ebensowenig
Anspruch darauf wie der Thüringer von der Werra. Die hervorragende
Tüchtigkeit des Buchdruckers Dietz in allem, was seine Kunst betrifft,
findet überall die wohlverdiente Anerkennung; wo es Aufgaben gilt,
die aussergewöhnliche Anforderungen an die Leistungsfähigkeit des
Typographen stellen, die Lübecker Bibel von 1533/34, die Kopenhagener
Bibel von 1550, werden seine Pressen in Anspruch genommen. Früh-
zeitig macht er seine Druckerei dem Reformationsgedanken dienstbar,
wenngleich er dabei als Geschäftsmann vorurtheilsfrei genug ist, sie
auch jeder anderen Richtung zur Verfügung zu stellen, mag diese nun
päpstlich, zwinglianisch oder wiedertäuferisch sein. Wie alle seine
Berufsgenossen jener Zeit ist er gleichzeitig in ausgedehnter Weise
als Verleger thätig, behält die verschiedenen Strömungen im geistigen
und politischen Leben ebenso scharf im Auge wie die praktischen
Anforderungen des Tages und ist eifrig bestrebt, allen Bedürfnissen
und Wünschen nach Möglichkeit entgegen zu kommen, sei es durch
Nachdruck hier nur schwer erreichbarer Schriften (verschiedene im
Original nicht mehr bekannte Schriften, so das erste niederdeutsche^)
und das erste dänische Gesangbuch, sind nur in Dietz'schen, unmittelbar
nach dem Erscheinen veranstalteten Nachdrucken auf uns gekommen*),
sei es durch Uebersetzung, aber auch durch Originalwerke, zu deren
0 Lisch, Jahrbb. d. Vereins f. meklenb. Geschichte IV (1839), 194.
«) Jahrbb. d. V. f. mekl. Gesch. LIV (1889), 208/9. ») Bachmann, Geschichte des
evang. Kirchengesangs in Mecklenburg, Rostock 1881, S. 22—37. — Wiechmann III,
S. 117—121. *) Jahrbb. d. V. f. mekl. Gesch. LIV, S. 212.
118
Ausführung er den Anstoss gab. Die geeigneten Kräfte zu finden,
die gern bereit waren, durch ihre Mitarbeit die Wissenschaft und die
Sache der Reformation zu fördern, konnte ihm in der blühenden
Universitäts- und Hansestadt mit ihren weitreichenden Verbindungen
nicht schwer fallen, und gar mancher unter den so geworbenen Mit-
arbeitern mag aus verschiedenen Gründen vorgezogen haben, ungenannt
zu bleiben und dem Drucker -Verleger die Vertretung zu überlassen.
Dass Dietz selbst litterarisch thcätig gewesen sei, dass er Gedichte
verfasst oder Bücher geschrieben habe, davon wissen seine Zeitgenossen
nichts zu melden, selbst David Chyträus, der bei Gelegenheit der
Beerdigung des am 19. Januar 15G0 im Alter von 70 Jahren ver-
storbenen Curt Dietz dem nur vier Monate früher entschlafenen älteren
Bruder einen glänzenden Nachruf widmet und keins seiner Verdienste,
keinen seiner Vorzüge unterdrückt, macht auch nicht die leiseste
Anspielung darauf, dass er je selbstthätig zur Bereichenmg der Litteratur
beigetragen habe^). Aber er sagt es uns ja selbst und die Bücher,
als deren Verfasser er sich bekennt, sind noch vorhanden, wird man
mir einwenden. Allerdings giebt es einzelne derartige Andeutungen
in den Dietzischen Drucken, doch verlieren dieselben bei näherer
Betrachtung sehr viel von der ihnen namentlich durch Wiechmann
zugeschriebenen Beweiskraft. Gleich im allerersten Werke, womit der
vorher nur als Diener und Bevollmächtigter des Rostocker Raths-
sekretärs und Buchdruckereibesitzers Hermann Barckhusen genannt«*)
Ludwig Dietz selbst als Dnicker an die OefTentlichkeit tritt, der
Editio princeps des Lübischen Rechts, findet sich die Erklärung, dass
er, der Drucker, um einem allgemein gefühlten Bedürfnisse entgegen-
zukommen, eine grosse Anzahl von Handschriften geprüft und diejenige
davon, die ihm als die Beste erschienen sei. abgedruckt habe*). Diese
Erklärung ist fast überall mit dem ausgesprochensten Misstrauen auf-
genommen worden und es ist in der That scliwer glaubhaft, dass der
höchstens 25jährige Pfälzer, der vielleicht seit drei Jahren als Werk-
fuhrer Barckhusens in Rostock wohnhaft war, eine solche Arbeit aus
eigener Initiative und ohne rechtsverständigen Beirath unternommen
haben sollte und wir kcinnen wohl annehmen, dass unter den „guten
Gönnern und Freunden", die die Ausführung betrieben und unter-
stützten, Hermann Barckhusen der erste und einflussreichste war.
Immerhin mag zuzugeben sein, dass der Antheil Dietzens ein so
beträchtlicher war, dass er sich ohne Ueberhebung als Herausgeber
bezeichnen konnte.
Der nächste Hinweis auf eigene persönliche Betheiligung an einem
seiner Drucke wird in dem 1526 gedruckten Auszug aus der Preussischen
Landesordnung*) gefunden, in dessen Schlusss(;hrift es heisst: „Uth
Hochdudescker jnn Neddersassescke sprake ged nicket dorch Ludwich
*) Scripta in Academia Rostochiensi publice proposita ab anno 1560 . . .
ad initium amii 1567, Rostochii 1567, fol. 11/12. «) Jahrbb. d. V. f. mekl. Gesch. IV, 70.
») Kbenda IV, S. 75. 81—84. ia.5. — Wiechmann I, 24-^27. *) Wiechmann I, 105— KftK
119
Dietz". Der so nicht wieder vorkommende Wortlaut erlaubt, das muss
man zugeben, die Deutung, dass Drucker und Uebersetzer eine Person
seien, aber er zwingt nicht dazu und innere Gründe nöthigen uns, einen
anderen Uebersetzer anzunehmen. Die Vorrede kann ihrem ganzen
Stil und Gedankengang nach nicht wohl von Dietz herrühren und im
Text zeigen sich sprachliche Eigenthümlichkeiten, die von denen aller
übrigen p]rzeugnisse der Dietzischen Pressen abweichen. Am auf-
fälligsten ist, dass in der ganzen 16 Seiten 4^ umfassenden Schrift
die Ableitungssilbe -isch ausnahmslos -isck geschrieben wird, also
evangelisck, hönscke worde, Colmiscke buren, hochdudesck, nedder-
sassesck und dem entsprechend auch minscken; ähnliches zeigen von
sämmtlichen Dietzischen Dnicken nur die in demselben Jahre erschienenen
„Twe Artikel Virich Zwinglij ^)", für deren Uebersetzer der Wismarsche
Prediger Heinrich Never gilt, doch ist auch da nicht minscke, sondern
minsche gebräuchlich, während in allen übrigen Schriften -isch weitaus
das -isck überwiegt.
Ganz klar und unanfechtbar erscheint die Uebersetzerthätigkeit
Dietzens bezeugt in der Ausgabe von Sebastian Francks Schrift „Van
dem gruweliken laster der Drunckenheit" aus dem Jahre 1542*), wo
es in der „Der Drucker wünschet dem Leser Gnad, Frede vnd erkant-
nüsse Gades, durch Christum vnsen Heylandt, Amen" überschriebenen
Vorrede heisst: Dewile averst solcke Böchlin vast vorkamen, ock der
spracke halven dem gemeynen Man unvorstendich, byn ick van etlyken
myner günstigen Heren und guden fründen thom mehrerm mal früntlich
ersocht unde angelanget, dat ytzt gedacht Christlick Böchlin in
Sassischer Sprake wedder in den Druck stellen mochte .... Hebbe
also ... na vormöge mit hülpe etlyker guden Fründe dyt Böchlin
in düsse Sassische sprake vorfertiget und in den Druck gebracht."
Die Worte erinnern unwillkürlich an die Vorrede zum Lübischen Recht;
auch dort spielen „gute Gönner und Freunde" hinein, die bei der
Ausführung mitgewirkt haben, ohne dass ihr Antheil näher bezeichnet
wird. Besonders ist es aber eine Wendung, die sich an der einzigen
Stelle der Reinke-Vos- Glosse, wo der Autor von sich selbst spricht,
wörtlich wiederfindet, nämlich „in Sassische sprake vorferdygen". Ent-
weder hat der Verfasser der Vorrede von 1542 diese ungewöhnliche
Redensart aus dem Schluss des Reinke von 1539 entlehnt, oder es
ist beidemal derselbe, der den gleichen Ausdruck gebraucht. Das
Letztere angenommen, wie Wiechmann imd Brandes thun — wer ist
dann aber der Uebersetzer der zuletzt besprochenen Schrift? Ist es
wirklich so zweifellos Dietz selbst? Zu dieser Frage berechtigt uns
die erst vor fünf Jahren wieder zum Vorschein gekommene nieder-
deutsche Uebersetzung des Biblischen Betbüchleins von Otto Brunfels')
„in der laveliken stadt Rozstock by Ludowich Dietz gedrücket, ym
jar 1530, am 10. daghe Januarii," in deren Vorrede der Drucker dem
>) Ebenda I, 102—104. ») Ebenda I, 187—189. ») Ebenda I, 144/45. —
Jahrbb. d. V. f. meklenb. Gesch. LIV, 214.
120
christlichen Leser Gottes Gnade durch Christum wünscht und erklärt,
er habe das vorliegende Gebetbuch für überaus nützlich und heilsam
befunden und darum dem Christlichen Leser zur Erbauung dargeboten.
Das spricht genau so klar für Dietz als Urheber der Uebersetzung,
wie die Worte in Francks Warnung vor der Trunkenheit, aber schlagen
wir das Ende 1528 bei Hans Schott in Strassburg mit sechsjährigem
Privileg gegen Nachdruck erschienene Original nach, so w^erden wir
durch die Wahrnehmung überrascht, dass daselbst „Hans Schott
Trucker" Wort für Wort das gleiche sagt, was Dietz durch einfache
Weglassung des Namens für sich in Anspruch nimmt. Bei solchem
Verfahren hört jede Möglichkeit einer Sonderung eigenen und fremden
Antheils auf und Dietz darf sich nicht beklagen, wenn man nach dem
Sprichwort „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht" noch andere
Beweise verlangt als seine Worte. Natürlich hören damit auch die
der Preussischen Landesordnung und Franck voraufgeschickten Verse
auf als vollgültige Beweise zu dienen für Dietz's von Rollenhagen
gerühmte Geschicklichkeit im Reimen, die offenbar erst aus der Glosse
hergeleitet ist. Aber selbst zugestanden, dass Dietz von der ihm
nicht abzusprechenden Befähigung zu eigener litterarischer Thätigkeit
auch Gebrauch gemacht hat, so besteht doch zwischen der Thätigkeit
eines Uebersetzers nnd der des Verfassers der Glosse, deren plan-
mässig einheitliche Anlage ihr den vollen Eindruck einer Originalarbeit
verleiht^), ein himmelweiter Unterschied. Wir müssen also, wollen wir
uns nicht mit einem Anonymus begnügen, den Verfasser anderswo
suchen und naturgemäss unter der Zahl der Männer, deren litterarische
Beziehungen zu Dietz eines weiteren Nachweises nicht erst bedürfen.
Es sind deren nicht viel, trotz der recht beträchtlichen Zahl von
Druckwerken, allerdings meist geringeren Umfanges, die von 1520 bis
1560 aus seinen Pressen hervorgingen; unter den Gliedern der Universität
und der Rostocker Geistlichkeit befindet sich um 1538/39 keiner, an
den gedacht werden könnte. Der Lübecker Syndikus Johann Olden-
dorp, dem die Befähigung dazu allerdings ein jeder zugestehen muss,
hatte zu jener Zeit schwerlich Lust und Müsse zu einer derartigen
Arbeit, auch wohl selbst zu viel von Reinkes Natur in sich („ein klen
Menneken, men grot in der Schalkheit" charakterisiert ihn ein Zeit-
genosse) und von den übrigen hat keiner grösseren Anspruch auf
Berücksichtigung als Johannes Freder der Aeltere*). Am 29. August
1510 in Köslin geboren, bezog er schon 1524 die Universität Witten-
berg, wo er mehrere Jahre hindurch Luthers Hausgenosse war. Drei-
zehn Jahre weilte er hier, lernend und lehrend, bis er 1537 als
Conrector an das Johanneum zu Hamburg berufen wurde. Diese
Stellung vertauschte er 1540 mit der des zweiten Lectors am Dom,
die er bis 1547 bekleidete. Zu Anfang des Jahres 1543 steht er
nachweislich mit Dietz in Verbindung und zwar lässt die Art, wie er
^) Brandes S. XXI. *) Ueber ihn : (M o h n i k e) Johannes Frederus. I— III.
Stralsund 1837. 4^.
121
sich darüber ausspricht, klar durchblicken, dass er vorher schon
mit dem Buchdrucker näher bekannt war. Es ist sein Buch „LofF
unde Unschuld der Frouwen", was er Dietz übersendet^), welches sich
besonders gegen Sebastian Franck wendet und eine genaue Bekannt-
schaft mit den Schriften dieses in der Glosse häufig benutzten Autors
bekundet. Es liegt daher die Vermuthung nahe, dass Freder auch
der nicht genannte Uebersetzer von Francks „Laster der Trunkenheit"
von 1542 ist, für den bisher Dietz galt, und von da zu der Glosse
von 1539 ist der Uebergang schon vorhin angedeutet. Auch mit den
Schriften von Johann Brenz, die gleichfalls in der Glosse verwerthet
sind, ist Freder sehr vertraut und überträgt mehrfach Abschnitte
daraus ins Niederdeutsche, die ebenfalls bei Dietz erscheinen^). Ueber-
haupt stimmt die ganze schriftstellerische Thätigkeit Freders, wie sie
Mohnike im zweiten Theile seiner Monographie schildert, vollständig
zu unserer Annahme, Eigene, von ihm selbst verfasste Schriften
kennen wir sehr wenig, ausser seinen Rechtfertigungsschriften betreffend
die Ordination und den Streitschriften gegen Knipstro nur drei, eine
in lateinischer, zwei in niederdeutscher Sprache und von letzteren
richtet sich die eine^) gegen Seb. Franck, während die andere an ihn
anknüpft*). Ausserdem rühren noch IG geistliche Lieder in nieder-
deutscher Sprache von ihm her ^) ; alle die übrigen ziemlich zahlreichen
Schriften, die seinen Namen tragen, sind Uebersetzungen aus dem
Deutschen ins Lateinische oder aus dem Lateinischen und Hochdeutschen
ins Niederdeutsche und gerade bei den letzten stellt er mit Vorliebe
die Aussprüche mehrerer Verfasser über ein bestimmtes Thema zu
einem Büchlein zusammen, so von Hieronvmus Weller und Johann
Brenz über das Abendmahl®) und von Bugenhagen, Luther, Brenz und
Veit Dietrich über die Sonntagsheiligung'), ganz entsprechend der
compilatorischen Arbeitsweise des Glossators. Da er in so jugend-
lichem Alter schon die Heimath verlassen hatte, kann es kaum auf-
fallen, dass ihm die an sich ja ohnehin nicht reiche niederdeutsche
Litteratur fremd geworden war; weit auifälliger würde das Fehlen
aller niederdeutschen Quellen ausser dem Narrenschifi' und dem Henselin
sein, wenn Dietz der Verfasser der Glosse wäre, aus dessen Druckerei
nicht wenig Schriften hervorgegangen sind, die sich wohl dazu eigneten,
mit herangezogen zu werden, wie z. B. Aeneas Sylvius, Van Frouwe
Glück unde van allen Stenden der Werldt von 1520 oder des Stral-
sunders Johannes Crützeberch Bericht und Unterweisung von 1526®).
Daher trage ich kein Bedenken, als den Verfasser der Rostocker Glosse
aufzustellen Johannes Freder, den ersten evangelischen Superintendenten
von Stralsund.
ROSTOCK. Ad. Hofmeister.
>) Wiechmann I, 200—202. «) Ebenda II, 18. 19. III, 153. ») Ebenda II, 14.
*) Ebenda I, 200. *) Mobnike II, 45 zäblt deren 13 auf, drei andere bej Wiecb-
mann III, 153. •) Wiechmann II, 19. ') Ebenda III, 159. «) Ebenda I, 59/60. 92.
95. II, 14. III, 195.
122
Niederdeutsehe Hoehzeitsgediehte
des 17. und 18. Jahrh. aus Pommern.
Seit etwa 12 Jahren birgt die Universitäts-Bibliothek zu Greifs-
wald in ihren Räumen die ursprünglich 41 Bände umfassende, neuerdings
auf 152 Bände erweiterte und 'Vitae Pomeranoram' genannte Sammlung
des am 20. Juni 1786 verstorbenen Tribunalpräsidenten zu Wismar
Augustin von Balthasar (vgl. Pyl, Pomm. Gesch.-Denkra. V. S. 110).
Hiervon enthalten die Bände 1 bis 108 eine grössere Zahl von nieder-
deutschen gedruckten Hochzeitsscherzen und zwar nach Ausscheidung
von etwa 6 holländischen Gedichten gegen 36 plattdeutsche in zumeist
ortsheimischen Mundarten. Ist auch die Ausbeute an seltenen oder
unbekannten Wortformen gering, so finden sich doch darin mehrere
den Sprachforscher wie den sittengeschichtlichen Sammler anregende
Redensarten. Vor Allem aber legen die lebensfrohen und vielfach
grobsinnlichen Dichtungen ein beredtes Zeugnis ab für die unversiegbare
Frische des deutschen Volkshumors, hier besonders in den Kreisen
altstädtischer Patrizier - Familien, pommerscher Universitätslehrer,
Studenten und Pastoren.
Kaum hatte der Rest der kaiserlichen Truppen am 16. Juni 1631
das Land geräumt, da erwachte wieder die Freude an den schon im
16. Jahrhunderte üblichen gedruckten Hochzeits - Carminibus, welche
meist aus Kollektiv-Dichtungen von je 2 bis 10 Verfassern bestanden.
Man wählte fortan aber nicht mehr ausschliesslich, wie bisher, die
lateinische Sprache, sondern halb etwa diese, halb die hochdeutsche:
dann hängte sich hie und da ein plattdeutscher Schwank an die Lieder-
sammlung an, bis schliesslich das liatein um die Mitte des 17. Jahr-
hunderts fast ganz verdrängt war.
Der im 17. Jahrhunderte besonders rege Verkehr mit den freien
Staaten der Niederlande zeitigte in den Seestädten Stralsund, Greifs-
wald imd Wolgast holländische Glückwünsche in gebundener Rede.
Um das Jahr 1700 hörten die lustigen Scherze plötzlich ganz
auf, zweifellos im Zusammenhange mit der in Vorpommern Ausgangs
des 17. Jahrhunderts herrschenden orthodoxen Theologie, welche
namentlich in den Jahren 1701 bis 1712 von dem Generalsuperinten-
denten Joh. Fr. Mayer auf das Rücksichtsloseste behauptet wurde.
Vollends aber war der von Mayer bekämpfte Pietismus lebensfrohen
Liedern abhold. So geschah es, dass die hochzeitlicheti Glückwünsche
123
in der Sammlung der 'Vitae Pomeranorum' bis zum Jahre 1728 ganz
ruhten und dass der erste und letzte plattdeutsche Scherz seit 1698
erst im Jahre 1735 gedruckt wurde.
Nachstehend erfolgt ein Verzeichnis der in oben genannten
Bänden befindlichen plattdeutschen Scherze derart, dass der Familien-
name des Bräutigams in alphabetischer Folge als Richtsteig gilt.
Fehlt irgendwo die Angabe des Formates, so ist Quart -Format zu
verstehen.
1) AlTert, Nikol., Pastor zu Kenz bei Barth, VorpommerD ; nxor : Barbara Regina
Merzahn, verw. Krüger, d. 1. XII. 1690. Anonymes plattd. Gedicht von
7 Strophen in: „Glückwünschender Zarnff ..." beginnt: „Ey it is doch
liedend wacker / Prester up dem Lande syn.* Gedruckt: GreifiFswald (1690).
[Vitae Pom. Vol. 68.]
2) Bahde, Ernst, Pastor zu Bakow bei Grimmen, Vorpommern; ux. : Eathar.
Sophia Plötz seit 1691. — Kollektiv-Glückwunsch; am Schluss der Samm-
lung wird dem „Sindicus to Rakow'' ein niederd. Gedicht in den Mund
gelegt. Greiffswald 1691. [V. P. Vol. 1. (Nr. 25.)]
3) Boemer, Job. Christoph, Apotheker zu Greifswald; ux. : Benigna Mauss,
Wittwe d. Apoth. Gadebusch ebend., am 6. V. 1663. — Enthält im
Anschluss au lateiu. Gedichte plattdeutsch: a) ein Zwiegespräch zwischen
zwei Rüpeln: dem Pracher-Vogt Herrn Hans Klien und Klags Hagel-
bargen, Sänger in der langen Rege (Lauge Reihe eine Vorstadtstrasse),
b) einen Freudengesang in schwungvollen daktylischen Reimen, c) eine
Zugabe des Kloster -Vaders, besteh, aus einem überaus derben, aber schönen
Gedichte. Gryphiswaldiae (1663). — [V. P. Vol. 4. (Nr. 33.)]
4) Boetticher, Job., Past. zu Voelschow bei Jarmen, Vorpommern ; ux. : Christina
Glant 27. VII. 1685. — Titel: „Schart -Gedicht up den Ehren-Dag . . .
Johannis Böttchers . . . Upgesett van enen stern goden Fründe. Gedrückt
in dissem Jahr.* (s. 1. 1685.)
Dies Gedicht hat ein Vorbild gehabt in dem von K. E. H. Krause
veröffentlichten Rostocker Sclierzgedicht von 1650 auf einen Namenstag
(Korresp-Bl. d. Vereins Jahrg. 1886 S. 49 — 51); es ahmt die ersten lat.-
plattd. Doppelzeilen dieses Vorbildes fast wörtlich nach, geht dann aber
sehr glücklich seine eigenen Wege, sodass der Inhalt keine Nachahmung
bildet. [V. P. Vol. 71.]
5) Brunst, Job., Praepositus u. Past. zu Poseritz a. Rügen ; ux. : Margar. Bolten
11. X. 1687. — Innerhalb des Kollektiv-Titels /Paedae ardentes in Nnptiis
.... Brunst! . . . Gryphiswaldiae" s. a. wird scherzhaft dem „Cantor
tho Poseritz" zugeschrieben ein „Hochtydlick Radel-Leed im Thon: Hans
de fleug an to grienen, als he syn Greite sach". Das Lied enthält ein
Rätsel, dessen Lösung: Brunst und Bolzen, später vereint im Plätteisen
als Brautbett. [V. P. Vol. 4» u. Vol. 72]
6a) Bünsow, Christoph, Patrizier zu Greifswald ; ux. : Regina Engelbrecht den
19. II. 1656. „Hertzliche Glückwünschungen" (3 Bogen in 4*^) worunter
2 plattd. Gedichte: a) 12 Strophen in ostpreuss. Mundart, „Geschreven
van Haselio Windsprung ut Thoren." — b) Titel: Een eentfoldiget . . .
Recept dem Hart - Allerlevesten Jungfern - Timmer tho nütte in disse nye
Forme gegaten." Greiffswald (1656). [V. P. Vol. 73.]
124
6b) Dieselben Brautleute: Ein Bogen in 4**. Titelbl.: „Fruwen-Kolta. Erste Deel,
Tom ersten mal uppelegt un övergeveu bi der Koste der dögentsahmen
Brut -Lüde Hern Stoffer Bünsowen vn J. Eeginke Engelbrecbts im Jahr
1656. Recht im bilgen Fastelafeu van enem godeu Fründe apenbahret
unne thom Drück befördert." Dialog zw. „Geske*' und „ Talke*, (s. L)
[V. P. Vol. 73.]
7) Biinsow (Kaspar), Patrizier zu Greifswald; ux. : Anna S^hwartz den 14. X.
1662. In ,, Hochzeitlicher Ehren -Dienst'' enthalten die Abstattung- e.
Ehren-Trunkes in vorpomm. Plattd. Greiffswald (1662). [V. P. Vol. 73.]
8) Biinsow (Samuel), Past. Neuenkirchen bei Greifsw. ; ux. : Katharina Wendt
d. 11. IV. 1665. U. a. zwei plattd, Gedichte. Greiffswald (1665). [V. F.
Vol. ö Nr. 10]
Für die Zeit charakteristisch: Sam. B., der Spross einer der ältesten
und vornehmsteu städtischen Familien endigte bereits nach drei Jahren
(1668) in bitterster Armuth (Biederstedt's Beyträge z. Gesch. d. Kirchen,
1818, Th. IL S. 90).
9) Eppeii (Melchior), Past. zu Gross Luckow, Kreis Prenzlau; ux. : Dorotb.
Sternhagen i. J. 1689. — An der Glückwunsch-Sammlung betheiligen sich
fünf hervorragende Universitätslehrer; zum Schluss steht ein anonym,
plattd. Gedicht von vierzehn Strophen mit dem Kehr-Reiro : „Denn Kosten-
un Gillen- uu Gastgebahds-Dag Ick alle mien Levdag Tcrsühmen uich
mag.« Greiffswald (1689). [V. P. Vol. 77.]
10) Flesch (Otto Ernst), Laken-Händler zu Greifsw.; ux. : Anna Ilsabe V($Isehow
den 18. IX. 1695. ü. a. ein plattd. Doppel-Gedicht. Greiffswald (1695).
[V. P. Vol. 79.]
11) Gerdes (Georg), Pastor zu Wusterhusen bei Wolgast; ux. : Margar. Caden
den 4. V. 1664. Inhalt u. a. ein langes plattd. Gedicht üb. den Floh:
„En Radeis vp den Brudt-Disch by der Braden tor Stippe vörtosetten.*
Gryphiswaldiae (1664). [V. P. Vol. 13.]
12) Hartwig (Friedr.); ux.: Anna Pöppelow 1656. Titel: „Ein eintfoldich Platt
Pamersch Gedicht vp den Hochtydtliken Ehren-Dach Hern Fredrick Hart-
wigen vnde dessen HartAllerleevesten Jumffer Annen Pöppelowen wol-
menende van enem godeu Fründe upgerichtet unde thom Druck beföddert
im Jahr 1656 des 2. Harfstmahnds. — Vnde up de Hochtydt in Anklam
översaudt." Inhalt massig. Zwei Blätter in 4°. s. 1. und a. [V. P.
Vol. 15 Nr. 22.]
13) Helwig I. (Christoph), seit 1667 Prof. med. und Stadtarzt zu Greifswald;
ux. : Anna Regina Henne, Tochter d. Prof. med. Job. Heune, den 15. X.
1667. Titel: „Stippelisse bye de Brade üb Hern Doct. Christoff Helwigs
unne Juufer Anna Regina Huninn Hochtieddach. Gedruckt tho Nullibi
dorch Niemand im Jahr un am Dage as idt was." Zwei Blätter 4^
[V. P. Vol. 17.]
14) Hoppe (Mich.), Kaufm. zu Wolgast; ux. : Anna Schnitze aus Wismar den
4. ni. 1644. — Die Sammlung „Epithalamia in Festivitatem Nuptiarum . . .*
enthält zwei plattd. Scherze: a) „ Sonnet ''j beginnend: „Nu Junfer Anne,
nu! gy möten mau toflyen; b) titellos. Scherz, beginnend: „Idt iss in der
Fastlavend Weken, Dar sick de Lüde plegn affsteken.'' Gryphiswaldiae
1644. [V. P. Vol. 84.]
15) Jo^l y. Örnstedt (Phil. Joach.), Kgl. Schwed. Regier.-Rath ; ux. n. : Brig^itte
y. Sparfeldt i. J. 1664. — Tttel: „Öy ergeh leyene Nege up de Blecke
125
^v
Koste Hn. Philip Jochim Joel van Öhrnstedt nnde Jnng^f. Brigitten
y. Sparrfeld van ntten npgegahten dorch Peter Harm, hochhetrugten Ql&ser-
wachter hy disser Eöst, süst wolbestelteu Holm - Schipper/ Ein Blatt
schmal Fol. s. 1. und a. [V. P. Vol. 27.]
16) Kroekislns (Balthas.), Past. z. H. Geist, seit 7. IL 1670 Pastor bei St. Marien
zu Stralsund; ux. : Christine Maria Sehoner 12. XL 1660. — In der Samm-
lung „Bona Verba Taedis . . . Dni B. Krockisii ..." Ein plattd. Qedicht
von „C. H. H. S. P." Stralsuudi den 12. Nov. 1660. [V. P. Vol. 22.]
17) Ktthtz (Daniel), Pastor; ux. : Anna Schaar den 3. VIL 1693 zu Wrietzen
an der Alten Oder, Titel: „Dat leve Leves - Schaarwarck der Buhren uu
aller Lüde up der fröliken Pie8ter-K(53te (Tit.) Herrn Daniel Kühtzen un
(Tit.) Ihr. Anneke Schaaren, de den 3. Julii des 1693. Jahrs tho Wrezen
an der Ajer geholden word, mit eenfoldiger Pahmerischer Buhr-Sprake
vörgedragen van Zippe 1-Tewes Naber, de wol wet wo he sit." (Oder-
ländisches Plattd.) Zwei Blätter in 4°. s. L (1693). [V. P. Vol. 86.]
18) Lange (NikoL), Pastor zu Bauer bei Lassahn; ux. : Anna Sophie Blanck den
26. IL 1691. — In dem Sammelhefte (ein Bogen 4*), betitelt: „Glück-
wttnschender Zuruff" findet sich ein längerer plattdeutscher Schwank, worin
einige sprachlich merkwürdige Ausdrücke, z. B. : „Man sümmer allen kranckt :
ick bau wol gantz verdwalet" u. a. Greiffswald (1691). [V. P. Vol. 87.]
19) Nevellng (Martin), „Herr**; ux. : Regina Sehwellengräbel i. J. 1661. —
Titel: „Der Stattinschken Jnngferkens Köste-Schincke, geapicket mit ullen
terretenen Liefländischen Scholappen; Süst ut Nergeud-Laud den tweeu
lewen Brut-Lüden Herrn Martin Newveling un Jungfer Regina Schwellen-
gräbels tho sonderlicken Ehren van eren kenmahls gewesenen Keller-Kock
upgesadent ewergeschicket . . . van enen ullen Cordewanischen Flöhen-
Griper.' Zwei Blätter 4^ s. 1. 1661. [V. P. Vol. 27.]
Beide Brautleute entstammten altangesehenen stettin'schen Familien
(15. Jhdt. f.). Den Schluss des derben Scherzes bildet das Wiegenlied:
„Jussle Pussle, schlap myn Kinken, Vnsre Magd gaf hüt' er Münken
In eu Winckel unsren Knecht: Jnssle Pussle dat iss recht. ^
20) y. Örnstedt s. Nr. 15: Joel v. Önistedt, den Urenkel des Prof. med. Franz
Jo61 L, eines Hanptgegners des Paracelsisten Thunieysser.
21) Plaster (Samuel), Past. z. Wartenberg u. Belitz, Kreis Pytitz; ux. : Dorothea
verw. Starcke, geb. Böhm, Wittwe des Amtsvorgängers. In dem Sammel-
hefte u. A. ein unbetiteltes plattdeutsches Gedicht, unterschrieben: „So
schref mit dem dreytünnigen Knefelstaken Schulten Bisitter vam negsten
Dörp.« Stetini s. a. (2. Hälfte 17. Jhdts.). [V. P. Vol. 95.]
22) Saalbaeh (Chrn.). — In „Ehren -Bezeigung Herrn M. Christiane Saalbach,
P. P. der löbl. Philosophischen FacuUät Decano, und der Königl. Universität
Greiffswald jetzigem Rectori Magnifico, und der . . Jungf. Evae Lucretiae
Greiggin, als dieselbe den 4. Decembr. 1683 ehelich verknüpffet wurden.
Abgestattet von Nachgesetzten*' (seil. J. H. von Greiggenschield, C. Eich-
mann und Pseudonym (plattd.) „Spinäus Raderus") ist enthalten ,Een kort
Rätzel an dat söte Junffer-Volck** (Auflösung?), s. 1. s. a. [V. P. Vol. 13
Nr. 33 (s. V.: Greigg).]
23a) Seherenberg (Peter), Kaufm. zu Alt Stettin; ux. : Doroth. Held am 13. IL
1665. — In , Hochzeitliche Ehreugedichte auf" pp. Unter vier Scherzen
zwei niederdeutsche verschiedener Mundart. Alten Stettin (1665).
[V. P. Vol. 100.]
126
23b) Dieselben Brautleute, besondere Druckächrift, zwei Bl. in 4*^: , Kosten-
InföUe, welcke ick all vär dre Wäkeu, as ick met de Bollinsche Post ver-
reiset was, un met den vehlen Schiedden wedder qvau), gekregeu, uu dat
di de Doht hall, ball vergeten had\ wau ick sillkes au enen goden Ohrt
nicb had verteilen hört, Nu öferst sind se den leven . . . Hochtied-Lüden
tho goder Starcknng upgesettet. Vn dat gibt glickwol waten roägen, van
wehm dit iss gekahmen, wull ickt ju woU seggen, want nich sobn umpQnt
Wedder wer; doch wat frag ich dania, ick bin nich uth dem nhrolleu
Jagdüfelscben Geschlecht." Auf drei Seiten wird nun die Brautuacht mit
einem lustigen Kriege oder Duell verglichen, s. 1. s. a. [V. P. Vol. 100.]
24) Stegemann, ux.: UiUieli den 20. X. 1735. — Titel: „Ass Herrn Steegmann
siene Brut / wurd vam Prester angetrut, / wünschde Glück to diessem
Fest / Euer van de Hochtieds-Gäst. Hier tom Sund wurd dit geschickt,
Un da is et ook gedrückt. / Den 20sten in Wien-Mand 1735." (,tom
Sund** 1736.) Zwei Bl. fol. [V. P. Vol. 37 Nr. 30.]
25) üeeker, Johann, Bürgermeister v. Stettin, ♦ 2. IL 1634, f 21. I. 1703,
erzogen im Collegium Jagteuffelianum, einer Stiftung des i. J. 1412 gest.
Bürgerm. Otto Jageteuffel. Auf Letzteren spielt zweifellos der Anonymus
in dem unter Nr. 23 b wiedergegebenen Titel an! — Scherz - Rätsel auf
Uecker's Verlobung im J. 1666, zwei Bl. in 4°: „Kasten Suerbroks Bliuue-
Koh: dat iss vp Dütsch en kleen lustig Tietverdrieff vär datt sävenkloke,
Hemmelhoch wiessnäsige un schnippisch-püntlicke JumfTern-Tüch, so sick
up Hu. Johann Vkers un Fr. Margareta Stubben, Seel. David Schönings
nagelatene Widwe hochtiedtlichen Bradendach herrnth breiden warn, äver-
schickt vam Baven gedachten. ** Lösung des Rätsels: der Flach.««, s. 1.
s. a. [V. P. Vol. 39]
26) Völschow, Moritz, Patrizier zu Greifsw. ; ux. : Elisab. Meehow 5. VII. 1647.
— Kollektiv -Gedichte, darunter zum Schluss ein sangbares holländisches
„Bruylofs Liedt op syn eegen Wise" und ein Scherz in vorpommerscher
Mundart mit dem Nachsatz: „Vp der Galleyen gemaket van Ty eschen, der
Schipperschen vam Stralsuun." Greyffswald 1647. [V. P. Vol. 107.]
27) Yolz, Friedr., Hofgerichts - Advokat zu Stargard; ux. : Anna Marie Mollen
Tochter des Bürgermeisters M. zu Greifenberg, den 13. X. 1673. — In
„Thalassus hymeneus Festivitati Nuptiarum ..." pseudonym unter , Görries
van Tunnenbuhr" ein plattd. Rätsel (Lösung: Mörser des Stadt-Apothekers
zu G.), scheinbar im Dialekt von Greifenberg. Stargardiae (1673). [V. P.Vol. 39..
28) Wagner, Job. Chph., Magist. Philos. ; ux. : Anna Gabriel, Witwe des Hofger-
Adv. Johann Fabiicliis, den 21. IV. 1662. — In „Hochzeitl. Glückwünsche"
enthalten: „Jädens Fiendes Radeis Schrifftken thor Braden - Stippe den
Jungferkens by dijer Brut-lach upge^^ateu un iugedahn van Hansen des
Radelstückgens Halfbroder'' (Rätsel in gebundener Rede). Alten Stettiu
(1662). [V. P. Vol. 108.]
29) Wendt, Matthäus, J. U. D. ; ux. : Soph. Kathar. Meyer. Vermählt zu Starganl
15. XL 1670. — In „Hochzeitl. GlückwüuschuDgen" ein plattd. Rftusel
(über den Krebs) u. d. T. : „Ehn verdecket Etend vor dat leefleke Fruwen-
Timmer^ Am Schluss: „Thogericht van Jim Kaker". Alten Stettin (1670).
[V. P. Vol. 108.]
30) Westphal, Peter, Magister und Rektor der Greifswalder Stadtschule; ux. :
Anna Margar. Brunst den 12. VII. 1698. — „Lust- nun Schertz-Ode van
dei verdreitlike Schaul - Arbeit. Sülkes hefft in Bronsewieker Sprake nt
127
recht oprichtigen diUsken Harten npsetten wollen dei da hett: Ick lefde
leiver im Bronsewiekskeu Holte." Eine lauge nnd gute Ode in Braan-
schweig'scher Mundart. — Vgl. Lehmann, Gesch. d. Gymnas. zu Gr. 82 — 86.
Ein Blatt gross 2^ GreifiFswald (1698). [V. P. Vol 40.]
31) WItton (Joh.), Fast, zu Crummin auf Usedom; nx. : Burbara Clese den I. IX.
Iö96, Tochter des (1680 t) Stadtrichters Pet. Ciese zu Anklam. In „wol-
gemeinte Gedancken pp.'' ein sehr gewandtes, sprachlich ziemlich modernes
plattd. Poem aus der Feder des Bruders der Braut: P(aul) C(iese), L. L.
Stud. — Der Dichter, geb. 26. März 1670, starb als Advokat zu Rostock
d. 3. Dez. 1746; er schrieb namentlich das Manuale exceptionum foreusium
(zwei Auflagen) und (1699) eine summarische Relation, was in Pommern
sich von 1024 bis 1637 jährlich zugetragen hat. Zwei Blätter in Folio.
Alten Stettin (1696). [V. P. Vol. 40.]
Aus Nr. 6.
Glückwunsch an Herrn Christo fter Bünsow und Jungfer
Regina Engelbrecht zu Greifswald auf „dero hochzeitlichen Ehren-Tag
den 19. Febr. 1656":
Stulto quoties delectari volo, me video. Seneca.
1. Alss eck op dem Bedd* noch schlepe, 2. Kum alss he nii dat vorsede,
Mi eu goder Fründ tho repe:
Broder, ey du most opstahn
On met mi thor Kesting gähn!
3. Solcke Lüde möten stutzen,
Tho gefallen seck utputzeu:
Opgesettet Haar on Bart
Mot syn na FrantzOscher Art.
6. Schall eck mi nich Ansehn maken ?
Stahuen mi doch wol de Saken :
Min Hembd wi en Wagen-Rad
Hängt vor ut bet en dat Fat.
7. Wat schall minen Schoen schaden ?
Voren syn se wie en Spaden
On et mangelt nich gar vehl,
Dat se syn dreverdel Ebll.
9. Wat schall eck mi nu bedreven?
3Ianchet Macken werd mi leven;
Doch de nich es rick on fyn,
Schall my nich gewassen syn.
11. Jungfern syn bahld tho vexeren,
Laten lichtlich seck verföhren,
Dencken : wie dat Haar en Perdt,
DatdatKled den Mann magktwerth.
Eck de Nestlen-Brock anlede,
Dacht: du scbalt wat mehrers syn,
Gähnen nich wie andre Schwiti.
4. De Geroch ock nii erfrewet,
Wenn met Polver wit bestrewet
Es dat angel echte Haar,
Dat erst enes Dewes war.
6. Wenn eck man gab op der Straten,
Hör eck, dat de Lüde prateii:
Op dem Fod de Kappen stabn
Runder alss de Hoif vam Mahn.
8. Darmet kan eck mi wol beckeu
On thom Reverentzen Schecken;
Jeder secht: eck dantz so wyss
Wie de Krehg op blanckem Yss.
10. Wer met Sammet kommt opstiegen,
Kau en ricket Macken kriegen:
Denn de schöne Ogen-Weyd
Macht den Mädkens Lost on Freyd.
12. Ey so well eck nich verzagen,
Well drob fresch benennen wagen:
Eck wet dat gewiss, en Brut
Werd mi dardorch noch vertrat.
In Eyl in den kalten Hunds -Tagen geschreven van Haselio Windsprung
ut Thoren."
128
Aus Nr. 17.
„Dat leve Leves-Schaarwarck der Buhreii un aller Lüde up der fröliken
Prester-Köste (Tit.) Herrn Daniel Kühtzen un (Tit.) Jfr. Anneke
Schaaren, den 3. Julii des 1693. Jahrs tho Wrezen an der Ajer (!)
geholden word, mit eenfoldiger Pahmerisclier Buhr-Sprake vörgedragon
van Zippel-Tewes Naber, de wol wet wo he hit:
Et schaarwarckt sick jo so tho dissen unsen Tyden;
Men will nun ock darmit uns arme Buhren bruden:
Wann wi den gantzen Dag tho Hafe-Deenst gegaho,
So will de Scharwarcks-Deenst doch ock noch syn gedahn.
De Juncker schenckt uns nist by levendigem Lyve:
Un schaarwarckt dan de Buhr by sinem eegnen Wyve,
So nimmt de Juncker flucks dat Balg thom Underdahn,
Dat enem up de Wyss dat Schaarwarck mücht vergahn.
Mien Naber Zippel-Tews hefft Föffthein leve Bälge
In sinem Kaken gähn: De Juncker (den Gott delge)
Kam eens van achter tho un wull' de Bälge sehn :
Dar beefde minem Tews de Kop un Hand un Been;
He wüst' nich, wat he schull in sülker Hast bedriwen:
He nam der Bälge Fyff un stülpt se unnert Kufen ;
Fyff andre kröpen all in dat Back-Afen-Loch
Un Fyfe stuniien dar för unsem Juncker noch.
De sede: „Tewes, sind dat alle dine Kinner?
Bekenne mi man recht: heffstu nich mehr noch nimmer
As disse Fyff alleen?" He krabbd' sick in den Kop
Un dacht' : wat schaltu dohn, du arme Dudendop ?
„Ja, Juncker,^ (sede he,) „ick kan se so nich räken,
Der mägen hier un dar noch wol so welke steken:"
He seed', de Juncker schull in den Back-Afen sehn;
Dar burrden Fyff heruth recht ass de jungen Spreen.
Dun bährd' he 't Kufen up; dar schurrden ock de Fyfve
Ass een llaphöner-Volck dicht weg by sinem Lyve.
„Nu," (seed' de Juncker,) „nu: wer sone Mandel het,
De heffst mi doch (Gott loff) mien Dürp noch wol bcsett!"
„Ja, Juncker," (sede Tews,) „ick mut juw Hker seggen:
Gl muten mi jo nich thom quaden dat uthleggen,
Dat ick veel Kinner hcbb'; se sind so uth gestaakt
Un allthomietzsche mahl by Schaarwarcks-Tydt gemaakt.
An Juwem Hafe-Deenst iss nist darby versümet:
Et hefft sick jiimmer so getlaschct un gerimet,
Dat, wan ick kam tho Huuss un et Fier-Avend wass,
Ick dan un wan noch steeg mit Modern up den Tass.
Wo darvan jümmcr nu de Gören sin gekamen,
So kan ick nich darför; Juw hebb' ick nist genamen
Tho miner Lenden-Sterck ; by mi iss alles goot,
Wan ick man hebben kan dat leve Keess un Brodt."
„Ne" (seed' de Juncker,) „ne, so böss ist nich gemenet;
bat du veel Kinner heffst, dar is mi mit gedenet:
So mannig Dochter, Sühn, so mannig Uuderdahn;
Ick wull, se hedden all' so veel ass du Cumpahn."
Dun dacht ick: groote SüUck! Schall men de Kinner maken
Tho unscs Junckers Deenst, un doch ook plügen, haken,
Un bringen't Schaarwarck ook un Scheerwcrck int geschick:
So huir dat mit der Tydt en ander uth, nich ick.
De Lüde in der Stadt de hebben bet're Dage,
De weten jo wol nich van unser Buhren-Plage :
m
De könen Koste dohn, scharrwarcken jümmer hen,
Wol iss de Se un de ook ere Kinner kenn?
De Presters allerdegs de känent ook nich laten,
Un wan men eu ock schüir dat Unuss för enen Katen:
Dat Schaarwerck steckt en doch ock jümmer in dem Kop
Wann reets de Kop studeert doch prekelt Leev im Krop.
Ick was nu in Berlin tho Marckt mit unsem Vajer,
Dar seden mi de Lud' : tho Wrezen an der Ajer
Dar war en Prester-Mann, de heet Herr Daniel,
De hedde hier gekoift en schmuck Jung Jumfern-Fell.
Ick froog: „Wo hith de BruthV" Se seden: „Anna Scharen";
.ta, ja, (dacht ick,) mien Kind, gi warrent wol erfahren,
Wat dat för Schaarwarck geeff; men kant tho Wrezen oock,
De Presters weten dar oock Raht für Rock un Brook.
Hört, Jumfer Anneke, juw Nähme wart gelesen
Van hinnen ass van förn; lath Juw nich bange wesen:
Dat Scharwarck gifft sick wol ; want hefft juw Mann studeert
So deit he wol so veel, dat he de Kunst Juw lehrt.
Un gi, Herr Daniel, denekt, dat dit leve Kindken
Veel Zucker heift geschmeckt mit sinem Zucker-Mündken
Fort van der Kindheit an; un so denekt ook darby,
Wo zucker-söth dat Hart in erem Lyve sy.
Schaarwarcket wol, Herr Kühtz, mit Jumfer Annke Scharen,
De Leve trute Gott de wuUe Juw bewahren
För't Buhrcn - Scharen -Warck; He geve Juw en Schaar
Mit Lyff un oock mit Seel na een Dre Vardel Jahr!
Aus Nr. 22.
Aus : „Ehren-Bezeigung Herrn M. Christiano Saalbacli, P. P. der Löbl.
Philosophischen Facultät Decano, und der Königl. Universität Greiffs-
wald jetzigem Rectori Magnifico, und der Wohl-Edlen Jungfer Jungf.
Evae Greiggin, als dieselbe den 4. Decembr. 1683 ehelich verknüpffet
wurden'' :
„Een kort Rätzel an dat söte Junifer-Volck."
Kuhm was ick hüden frü uth minen Posen krapen,
Da quam för mick een Ding sehr kruhs und bund gesckapen,
Dat hadd nich Kopp nich Hand, dat was nich Mann nich Wieff,
Doch lyckvol düchte my, et hädde recht een LiefF.
Mick ahnd', et sehd to my: Ick schul! by diäser Koste
Mick dner nemen an und spreken doch dat beste
By disser Brüht, wiel Se Em vertyds leef gehat,
Dat Se Em künfftig ock mitdeelde eene Gnad.
So möcht de olle Leef by Ehr nich rustern laten
ün nemen em ock mit in Eeren nyen Katen,
He wull van Harten gern alltyd na Eerem Sinn
Bedriven dat alleen, wat Eer kehm to Gewinn.
Darto wull he ock gehrn vergeten und vergewen,
Wat Se för Hartcleed Em hedde togedrcwen
Wo Se Em angespygt, byr Nase ümgekeert,
De Haare uthgeröpt un trefflick sehr vexeert.
Se schull man för de Küll Em eene Mütze gefen,
Wat süss sien Lieff bedürffd' an Unnerhold to lefen,
Dat wehr een schlichter Drunck, darto een dünne Reep,
Dat spand' he ümhet Lieff un so tor Arbeet greep.
Drum, Junffer Brut, wyl gy juw immer öffer Armen
Nlederdentsches Jahrbuch. XIX. Q
m
Un de Nohtliedende noch pleget to vorbannen,
So stelVt ju nu ock so by mynem Bidden an,
Dat man ju nah als för noch beeter lawen kan.
Jjaht 't dissen ollen Knecht noch länger by ju lewen,
Gy därifen Em jo nich veel Lohn noch Freeten gewen!
Ick hape wo he ju man wedder ward bekand,
So gryp gy recht nach Em mit süt un lefer Hand. —
Ju andern Junffern-Volck bidd ick uht Harten-Grundc,
Dat Gv dit raden wulVt un denn mit söten Munde
Myn Bidden drifct fort, wyl gy recht hebbt gelehrt.
Wo eener bidden skall, süst ward ick ganz verstört.
Den beeden Bruth-Lüdden to Eren lebt dit uhtlopen
Spinäus Raderus.*'
GREIFSWALD. Karl Adam.
1B1
Mittelniederdeutsche Margareten-
Passion.
In der Bibliothek des Domes zu Fürstenwalde, wo von 1385
an der Sitz eines Erzbischofs war, fanden sich in dem Umschlag eines
Buches zu Deckelpappe zusammengeklebt achtzehn Blätter in Oktav,
deren Inhalt mittelniederdeutsche Bruchstücke teils in Versen, teils
in Prosa sind. Derselbe Einband umfasst zwei Werke:
1) Der Ordinanden Examen wie es kii Wittenberg gehalten wird n. s. w.
Geschrieben durch Herrn Philipp. Melan. — Gedruckt zu Leipzig durch Jacobuni
ßerwaldt.
2) Die Heupt- Artikel Christlicher Lere Frageweise gestellet durch Jolran.
Spangenberg u. s. w. Wittenberg 1501. — Gedruckt zu Wittemberg durch Veit
Creutzer.
Die erste handschriftliche Einzeichnung ist datiert vom 24. Dc-
cember 1573; leider ist aber die Namensunterschrift nicht mehr zu
entziffern. Das Wasserzeichen, das den Blättern der Handschrift ein-
geprägt ist, stellt einen gotischen Bogen dar, der ein Kreuz umschliesst
und oben in eine Kreuzblume ausläuft. Einige andere Papierblätter,
welche ausserdem noch zum Bekleben der Deckel verwendet wurden,
haben als W^asserzeichen das kursächsische Wappen. Die in der
Handschrift enthaltenen Bruchstücke sind:
1) 335 Verse einer Margareten-Passion;
2) 378 Verse eines Anseimus, entsprechend dem V. 45 bis 424
des von Lübben herausgegebenen Anseimus (Zeno etc. Ancelmus, vom
Leiden Christi. 3, Aufl. Norden 1885);
3) der Anfang von „Buschmans Mirakel" Cp. 1 — 3 bis zu
den Worten: „vnde wolde em mer vraghen^^ vgl. W. Seelmann Ndd.
Jahrb. G, 32 ff.
Da der Dialekt des Prosastückes mit den Versen genau überein-
stimmt, so muss man annehmen, dass dies der Dialekt des Schreibers
oder dessen war, der die Sammlung veranstaltete. Seine Sprache ist
im wesentlichen frei von Umlaut und steht in dieser Hinsicht etwa
auf derselben Stufe wie der Reineke Vos. Allerdings stehen über (^m
u oft die Striche, welche bei uns jetzt das ü bezeichnen; aber diese
Striche sind in damaliger Zeit, wie Lübben nachgewiesen hat (Zeno
S. XVII und Ndd. Jahrb. 4, 41 ff.), nur diakritische Zeichen, welche
n und u scheiden sollen, und finden sich auch in lateinischen Hand- .
Schriften. Dazu stimmt, dass in unserer Handschrift auch düüe und
ihthir geschrieben wird, wo n für ein v stellt. Auch der Umlaut von
9*
132
0 erscWeint garnicht. Einmal freilich liest man äuer Marg. 477, wo
aber die Striche von zweiter Hand hinzugesetzt sind; ursprünglich
stand auer da, was noch sehr oft vorkommt. Sicherlich wird der
Umlaut nicht bezeichnet durch ein dem o nachgesetztes e. Aber auch
Schröders Ansicht (Reineke Vos S. XVII), dass dieses e die Vokallängc
bezeichne, kann nicht als allgemeines Gesetz hingestellt werden. Für
westdeutsche Handschriften mag die Regel gelten, da dort nieder-
ländische Schreibung angenommen wurde. Aber in ostdeutschen Hand-
schriften bezeichnet dieses e sicher einen gesprochenen Laut. Neben
kryech findet sich „fyit Zeit^ (Frankfurt. Cod. dip. Brand. XX, S. 20S),
neben raet auch rait (Hamburg. Cod. dip. Lubec. V Nr. 202). Diese
Form entspricht genau dem niederrheinischen Dialekte, in dem doch
auch die Diphthongierung ursprünglich durch Nachschlag eines Vokals
entstanden ist. Zur Gewissheit aber wird diese Ansicht, dass jenes
e wirklich gesprochen wurde, durch einige Beispiele erhoben, in denen
zwischen das nachgeschlagene e und den vorhergehenden Vokal ein h
gesetzt ist: ohen = oen eis (Salzwedel C. D. B. XIV, 636), ohetien
(ebfenda Nr. 642), oheme (Nr. 660), dohem *Dom' (Nr. 685). In der
Mark also war sicherlich dieses e nicht ein orthographisches Zeichen,
sondern ein gesprochener Laut, den man noch jetzt in der Sprache
hören kann.
Wichtig für die Bestimmung der Zeit, in der die Fürstenwalder
Handschrift entstand, ist ferner der Umstand, dass hier schon durchweg
ein betontes, in offener Sin)e stehendes kurzes o zu a geworden ist<
vorlaren (Marg. 80) und alle ähnlichen Participia, lauede lobte (M.
253), dagegen loitcn glauben (Ans. 20), grsaleth (Busman), gades (M.
249), gade (M. 97), gaden (M. 105) u. s. w., nur goden (M. 64) und
affgoede (M. 27 u. 87); bade (Gebote (M. 297), baden *Butte' (M. 359),
vagel (M. 55), vrame (M. 272), graue 'grobe' (Ans. 155), apen CM.
252) u. s. w., dauendich (M. 350), auer (M. 269) u. s. w. In diesen
Worten ist eine Lautwandlung wirksam, welche sich bekanntlich im
Laufe des 15. Jhdts. über das ganze (iebiet des Niederdeutschen ver-
breitet hat mit Aussc^hluss des Südens. Natürlich konnte dieses a
auch innerhalb des Gel)ietes, in dem es herrscht, nur so weit das
ursprüngliche o verdrängen, als dieses nicht schon zu ö geworden war.
Die Ausbreitung des a zeigen sehr übersichtlich schon die hierher-
gehörigen Ortsnamen: Wigersrade in Holstein: Wigersrode (Cod. diji.
Lubec. V, 524. 1415), Steinrade bei Lübeck: Stenrode (ebd. V, 277.
1409), Dakendorf bei Lübeck: Dokemdorpe (ebd. VI, 801. 1418) n.
nakendxnppc (VIII, 399. 1447), Gadebusch in Mecklenburg: Godelms
(ebd. V, 653. 1408), Bergrade bei Lauenburg: Berkrode (ebd. VI, 67.
RfS), Radt in Westfalen: Rode vor dem uolde (ebd. VI, 534) und
Royde vuv dem walde (Lacomblet Urkundenbuch IV, 127. 1423), Gräf-
rath bei Elberfeld: Greucroide (ebd. IV, 40. 1403), Wickrath bei
Kheydt: Wyckerode (ebd. III, 95. 1310), Anrath bei M.-Gladbach :
Anrode (el)d. IV, 628. 1161), Herzogenrath bei Aachen: Hertogenrodc
(ebd. IV, 548. 1544). Gerade diese Namen auf rode sind in dieser
133
Frage sehr lehrreich, wenn man sie mit däuischom IJUleröd, mit
schwedischem Mellerud und mit den Harzischen Orten aul* rode ver-
gleicht. An den äussersten Vorbergen des Harzes also und an den
Wesergebirgen ist die Bewegung zum Stillstand gekommen; sie er--
scheint auch in dem nördlichen Teil der Rheinprovinz, während das
eigentliche Westfalen davon frei blieb. Damit stimmen die Urkunden
vollkommen überein; Braunschweig (ÜB her. von Hänselmann- 1872),
W^ernigerode (ÜB her. von E. Jacobs 1891), üöttingen (ÜB her. von
G. Schmidt 1863 u. 68) kennen das a an Stelle des o nicht; einige
Beispiele bleiben so vereinzelt, dass sie die Hegel nicht umstossen.
Ursprünglich betraf diese Assimilation aber nur diejenigen o, welche
aus kurzem u durch folgendes a oder 6 umgelautet waren. Ob bislatenun
der Merseburger Glossen hierherzuziehen ist, muss bezweifelt werden,
da es von der hier besprochenen Lautbewegung um 300 Jahre ge-
schieden ist (Heyne, Kleinere altniederdeutsche Denkmäler Paderborn
1877 S. 97). Das älteste mir aufgefallene Beispiel ist gades in einer
urschriftlichen Urkunde Waidemars, die zu Spandau 1318 gegeben ist
(Cod. dip. Brandenb. XXIII, 16); dann ayentKH', vramen in*Salzwedel
(C. D. B. XIV, 223. 1373). Doch bleiben diese Formen noch lange
vereinzelt. In Salzwedel werden die Beispiele häutiger 1427 (Nr. 312),
und um 1444 (Nr. 341) ist die Lautwandlung dort ganz durchgeführt
(tq)€iibar, yade^ laue^ auer, frameriy hovalen, toJcamendeHj kameti, vth-
ganamen) und um dieselbe Zeit auch in Stendal (C. D. B. XV, 315.
1439). Die Altmark scheint also mit der helleren Aussprache des o
den Anfang gemacht zu haben. In Lübeck tritt dieselbe viel später
auf; die Ratsurkunden um 1450 kennen sie nicht, ebensowenig das
ganze nördliche Gebiet des Niederdeutschen, das man aus dem Cod.
dipl. Lubecensis gut übersehen kann. Das Zeitwort halen darf nicht
dagegen geltend gemacht werden, weil darin das a ursprünglich ist,
ebenso nicht das Participium bevalen, da schon das Präsens bekanntlich
häufig ein a hat. Die Aussprache des Volkes scheint allerdings auch
in Lübeck um 1450 heller gewesen zu sein. So erklärt es sich, dass
der Lübische Syndikus Arnold van Bremen in einem Privatbriefe schon
öfter a statt o setzt 1447 (C. D. L. VIII, 454). Unter den 17 aus
Bremen und Oklenburg stammenden Gedichten, die Lübben heraus-
gegeben hat (Mittelniederd. Ged. Oldenburg 18()8), hat nur das vierte
einige Beispiele des a, die übrigen kein einziges. Ziemlich häufig hat
dann a statt o das Redentiner Osterspiel, das 1464 entstanden ist,
dessen Handschrift aber nicht vom Dichter selber herrührt. Auch das
Lübecker Passional von 1492 zeigt schon Vorliebe für «; und ganz
durchgeführt ist die Lauttrübung in der Lübecker Bibel von 1494.
Es ist zwar bedenklich, aus alten Drucken über die Sprache der
Druckorte Schlüsse zu ziehen. Aber die Lübecker Bibel stimmt in
dieser Hinsicht genau zu den Urkunden, die ungefähr aus derselben
Zeit stammen. Die aus dem Lübecker Wettebuche von 1527 mitge-
teilten Urkunden (C. D. L. II, 1 S. 354 u. 355) haben alle Beispiele
des betreffenden o zu a verwandelt: bauen, angenamen, auertryt; ebenso
134
die in dem Coi)iarius von 1530 enthaltenen Urkunden (C. D. L. IK
1 S. VIII u, IX): vaget (dreimal), gadeahuses^ auereynkamen. Die
Bibel scheint also in der That im Lübecker Dialekt geschrieben zu sein.
In dem Ostfriesischen Urkundenbuche (her. von Friedländer
Emden 1878) linde ich in Originalen bis 1400 kein a für jenes o;
unter den Urkunden des Jahres 1400 verliert sich das einzige hauen
(N. 172. 25. Mai Jever) ganz und gar. Auch im Jahre 1450 lese ich
nur das einzige apenhar (Nr. 622. 24. Jan. Die Häuptlinge); denn die
Abschriften 632 und 634 koimen nicht massgebend sein. Sogar noch
1490 ist a nicht zu häufig: Nr. 1264 auer^ Gades^ prauest, ghebaren
neben gheboren; denn es erscheint ausser in der Abschrift 1273 nur o.
Erst in den Urkunden von 1500 ist a statt o überwiegend in der
Sprache 'des Volkes: Nr. 1667 (Testament des Barnecate) apenhar^
apenen^ Gades (dreimal), Gade, vramen^ vthgenamen^ aver^ bauen^ baren^
während in anderen Urkunden noch immer beides neben einander
hergeht. Ostfriesland scheint also noch etwas später als Lübeck sich
der Lautwandlung angeschlossen zu haben.
Abgesehen von den oben zusammengestellten Beispielen enthält
aber die Fürstenwalder Hs. einige ähnliche Formen, wie man sie um
1500 nur in der Altmark findet, nicht in den nördlichen Gebieten.
Durch falsche Analogie, nicht durch Wirkung eines folgenden a oder o,
ist sane zu erklären, das neunmal neben sone vorkommt; damit ver-
gleiche man sauen = souen (Tangermünde C. D. B. X, 133. 1476).
Für gebade (Marg. 26) finde ich allerdings kein entsprechendes Ifci-
spiel, ebensowenig für jageth (Marg. 91), das in Lübeck nur jaget und
später jögct lautet. Aber se Scalen (Marg. 101) klang ebenso in der
Altmark: schdewy (Tangermünde C. D. B. X, 133. 1476), se schahti
(Stendal XV, 535. 1511). Neben dar vare (Ans. 173), var (Marg.
101), vartiden (Busm.) stelle man varunde nha (Brandenburg IX, 274.
1472), vorsichtigen (Salzwedel XIV, 353. 1445), varstendere (Üambeck
XIV, 381. 1457), varscreuen (Stendal XV, 494. 1497). Ebenso wie
tarne (Marg. 350) ist gebildet karnepechte (Stendal XV, 537. 1511).
Wie in den letztgenannten Beispielen das r wohl den Uebergang
von 0 zu a veranlasste, so wahrscheinlich auch in ittir, wie man
durchweg in der Fürstenwalder Hs. liest. Allerdings ist war auch die
ursprüngliche Form; später aber ging auf dem ganzen Gebiete des
Niederdeutschen um 1300 in dem Worte das a in o über. Hamburg,
Lübeck, Bremen, Mecklenburg haben auch um 1500 noch war (Nerger.
(irrammatik. iii 42). Auch die Altmark hatte zuerst war aufgenommen
(Stendal XV, 172. 1346. Salzwedel XIV, 248. 1388), später aber
erringt war die Herrschaft (Stendal Nr, 261, 1409. Nr. 319, 1440.
Nr. 349, 1460. Nr. 486, 1499. Tangermünde Nr. 133, 1476. Nr.
141, 1487). In dem südlichen üel)iete des Niederdeutschen wurde da-
gegen war schon früh in wur verwandelt. In den Wernigeroder Ur-
kunden hat iDur schon um 1350 das Uebergewicht. Gerade dieses
Adverbium in seiner Form war weist also sehr klar darauf hin,
dass die Altmark die Heimat der Fürstenwalder Handschrift ist.
135
Zu demselben Ergebnisse führt uns die Betrachtung der persön-
lichen Fürwörter, unter denen neben häufigem emCy ene, ere auch
Formen mit o in den Fürstenwalder Binichstücken erscheinen. Es
kommen folgende vor: oer Marg. 63, 817, 333, 358, 387; or Ans. 44,
oere 98, oerer 59, oeren 97. Im Arnt Busmann findet sich kein Bei-
spiel. In diesen Formen ist eine Lauttrül)ung wirksam, welche für
die Zeitbestimnmng vieler niederdeutsc^her Dichtungen wichtig ist. Der
Sachsenspiegel hatte in jenen Fürwörtern imr i; ich lese diese Formen
ausschliesslich auf einem handschriftlichen Pergamentblatte des Sach-
senspiegels, welches Umschlag eines aus Zerbst stammenden Buches
war (Die üantze Lehr vom Tod und Absterben der Menschen durch
Mosen Pfiacher. Zerbst 1597. 8®). Dasselbe scheint daher noch
dem 13. Jahrh. anzugehören; denn die Oldenburger Handschrift von
133G, nach welcher Lübben den Sachsenspiegel herausgab, giebt schon
fast ganz dem e den Vorzug. In Braunscliweig hat das Ottonische
Stadtrecht von 1227 (Braunschw. ÜB her. von Hänselmami) noch vor-
wiegend die Formen mit i, neben sehr seltenem c; in der Fassung
des Hechtes von 1265 ist dagegen das Verhältnis umgekehrt, während
das imi 1300 geschriebene Recht der Neustadt (Nr. 16) nur das e
kennt. Die Vehmgerichtsordnung, die nicht vor 1342 geschrieben ist
(Nr. 21), bevorzugt o sehr entschieden, und von 1367 an (Nr. 46)
hat das o fast die Alleinherrschaft in jenen Fürwörtern erlangt.
Ungefähr um dieselbe Zeit hat die Sprache von Wernigerode das o
aufgenommen (U'B her. von E. Jacobs Nr. 106. 1351), wenn auch ein
langes Schwanken stattfand. In Göttingen aber kennen schon die
ältesten niederdeutschen Urkunden um 1300 nur das o in den be-
treflfenden Fürwörtern. In die Altmark ist diese Lautverdumpfung
später eingedrungen. Die ältesten Urkunden von Stendal, die häufiger
0 statt e haben, gehören ins Jahr 1410 (C. D. B. XV, 262) und 1425
(XV, 276); aber erst um 1450 erhält das o entschieden den Vorrang.
In Salzwedel liat zuerst eine Urkunde von 1444 (C. I). B. XIV, 349)
öfter 0, welches aber erst im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts
durchdringt. Also ist, wie man sieht, die Bewegung von Süden nach
Norden fortgeschritten. Sie ist auch wohl bis an die Grenze von
Mecklenburg gedrungen, aber Lübeck, Hamburg, Bremen sind um 1 500
davon frei, wie das Redentiner Spiel, die Lübecker Bibel, das Passional,
die Lübbenschen mittelniederdeutschen Gedichte erweisen.
Wendet man diese Betrachtung auf die Fürstenwalder Handschrift
an, so passt also der Wechsel zwischen o und e in den Fürwörtern
sehr gut zu der Sprache, wie sie im nördlichen Teile der Altmark um
1490 gesprochen wurde. Wer zur Vergleichung heranzieht etwa eine
Urkunde aus Stendal XV, 510 von 1502 oder aus Tangermünde XV,
565 von 1516, dem muss die Aehnlichkeit der Sprache sofort auffallen,
so dass er an jenem Schlüsse nicht mehr zweifeln wird.
Das Bruchstück einer Margareten-Passion, welches die Fürsten-
walder Handschrift enthält, gehört zu denjenigen dichterischen Bear-
136
beitungen dieser Legende, die aus der in Mombritius äanctiiariiuu
zuerst gedruckten Lebensbeschreibung der Heiligen hervorgegangen
sind. Da aber über diese und über Margaretenlegenden überhaupt
F. Vogt (Beiträge zur Gesch. d. deutschen Sprache 1, 263 ff.) eine
genaue Untersuchung angestellt hat, so genügt es, auf ihn zu ver-
weisen. Unter den von ihm behandelten und bisher veröffentlichten
Margareten-Dichtungen ist keine der Fürstenwalder Fassung gleich,
auch nicht die mitteldeutsche Passion, von der K. Stejskal eine kri-
tische Ausgabe veranstaltet hat (Buchelin der heiligen Marg. Wien
1880); ebensowenig eine niederländische nach Mombritius gearbeitete
Passion, welche v. Bahder in einer Kopenhagener Handschrift gefunden
hat (Germania 19, S. 289 ff.). Dass V. 585 der von Bartsch bekannt
gemachten Margaretenmarter in swelichem huse min tnarter si mit
V. 429 unserer Dichtung in welkem huse mine martel is übereinstimmt,
ist allerdings auffällig; denn Mombritius sagt: Adhuc peto domine,
ut qui . . . scripserit passionem meam vel qui de stio labore comparaverit
codicem passionis meae . . ., in domo illius non nasccUur infans dattdus
aut caecus vel mutus. Aber Entlehnung darf man doch wohl nicht
annehmen; denn gleich das Folgende V. 434 stum, doff vnde Uini ibt
genauer nach Mombr. gearbeitet als Bartsch V. 291 behüet sie vor
solchem chmde^ da man missetvende ane vinde. Und dies Yerhältnib
kehrt noch öfter wieder.
Dagegen ist mit unserer Fassung identisch eine Margareten-
Passion einer Oldenburger Hs., aus der Lübben im Wörterbuch s. v.
maisch V. 106, 107, 245, 24(] mitteilt. Beide Handschriften sind un-
vollständig; in der Fürstenwalder fehlt V. 1 — 24 und 111 — 141, in
der Oldenburger der Schluss von V. 366 (449) an. Da sie sich aber
gegenseitig ergänzen, so ist es doch möglich, die Dichtung vollständig
zu geben. Die Oldenburger Hs. (Mscr. Oldenb. spec. Sibelshausen I)
besteht aus 25 Papierblättern in 8®. Blatt 1 hat die Aufschrift:
Tyarick tansen hört desse passien^ darunter: Sancta margareta ora pro
nobis. Auf Blatt 2 steht: Dyt Icalendeer hört tiarick tho Sibelsshusen
we dat vynt de doet hem wedder vmme gades wyl etc. Darunter : dominc
libera animam meam a labiis iviquorum. Blatt 3 — 13 enthalten ein
Kalendarium, Blatt 14 — 20 ohne Ueberschrift die Margareten-Passion.
Darauf folgt auf Blatt 21 — 23 ein Gedicht Van den seuen bedrouenissen
vnses heren^ am Anfang und Ende unvollständig, entsprechend dem
V. 21 — 91 von Nr. XVII der Mittelniedd. Ged. hersg. von Lübben.
Den Titel darf man wohl ergänzen aus der Ueberschrift einzelner
Teile, z. B, ^Dc ander bedrouenisse etc.* Blatt 24 u. 25 trugen
kurze Notizen über Sterbefälle, die wohl in der Familie des Besitzers
vorgekommen waren; die Namen sind aber nicht mehr zu lesen. Da
die Hs. an einigen Stellen schadhaft geworden ist, so ist es notwendig,
dort zur Ergänzung eine früher von einem Oldenburger Registratur
angefertigte Abschrift heranzuziehen.
Zu diesen beiden Handschriften, die mit F und 0 (Abschrift o)
bezeichnet werden mögen, tritt nun hinzu als dritter Zeuge ein Mag-
137
deburger Druck von 1500 mit dem Titel: Hyr begynnet dat leuent vnde
passie Sunte Marghareten, dat Theotinus mit tiyte beschreuen hefft^
herausgegeben von Ph. Wegener (Drei mnd. Gedichte des 15. Jahrh.
Programm. Magdeburg 1878). Der Verfasser sagt nämlich selber, dass
er mehrere verschiedene Dichtungen benutzt habe in V. 871/2 Desse
passie is vt velen tosamende genomen Sunte Margareten to laue vnde
vns to vromen. So hat denn schon Wegener die Verse angegeben,
die der Magdeburger Dichter aus Bartschs Margaretenmarter und aus
der niederrheinischen Passion bei Schade (Geistl. Ged. vom Nieder-
rhein, Hannover 1854) entlehnt hat. Als dritte Quelle hat er aber
noch unsere in F und 0 erhaltene Dichtung benutzt und etwa 150
Verse daraus hergenommen, und zwar nicht blos einzelne Zeilen,
sondern sogar längere Abschnitte, z. B. V. 96 — 103 = M 184 — 191,
155—167 = M 258—270, 183—188 = M 284—289, 197—214 =
M 300—317, 369—374 = M 615—620, 410—417 = M 675—682.
Da nun der Magdeburger Verfasser begreiHicher Weise im Jahre 1500
eine bessere Vorlage haben konnte als wir, so wird niemand zaudern,
aus Stellen, die er wörtlich übernommen hat, gute Lesarten zurück-
zuführen; solche sind V. 22 ammen, 72 Margarefa sprach fehlt, 131
mync wunden^ 155 tauet, 184 dyw, 203/4 trad : bathj 206 sahen, 208
man, 209/10 segen : vnderwegen, 216 wcUer vnde, 214 vyant, 224 geuen,
226 Darvan wart so vuel eyn, 238 Vnde nene sericheit, Schluss 0 325
sinnen. Auch die ausgefallenen Verse 168, 207 und Schluss 0 378
wird jeder nach M ergänzen. Nur darf man nicht vergessen, dass
die Form der Worte dem Magdeburger Dialekt entspricht und auch
der Satzbau vielleicht ein wenig geändert ist.
Was das Verhältnis der beiden Handschriften F und 0 anbetriflFt,
so sieht man auf den ersten Blick, dass der Zustand der P^rzählung
in 0 sehr trümmerhaft ist. Es kommen Wiederholungen derselben
Verse vor: V. 173—178 stehen auch nach V. 40, 125/6 = Schluss
0 332/3, Schluss 0 312/3 = 322/3. An falsche Stelle sind geraten
V. 215, 216 und V. 288—291. Dann ist der Text, abgesehen von
starker Verderbnis einzelner Worte, auch noch durch zahlreiche
Lücken entstellt. Ausgefallen ist V. 252. Für die ebenfalls allein in
F erhaltenen Verse 26, 27 sprechen die Worte des Mombritius: Veniebat
autem (Oliberius) persequi Christianos et deos vanos multos suadebat
adorare; für V. 58, 59 die Worte adiuva me et sana me, domine,^ ne
me derelinquas in manibus impiorum. Die V. 260 — 274 sind we-
nigstens zum Teil geschützt durch: et cum dormierint, venia super cos
et cxcito illos a somno . , . et quos non possum movere de somno, facto
in somnio peccare; dagegen sind V. 265 — 268 nicht gesichert und
müssen vielleicht als Zusatz von F gelten. Vorbild für V. 283 — 285
war : quis vobis praecepit in sancta opera insidiari. Daemon dixit : Die
mihi Margareta, unde vita tua . . . rrf quomodo in gressus est Christus
in te. Mit V. 304, 305 vergleiche man: Altera die jutssü praefectus
bcatam Margaretam adduci und M 557 Dar na se oene nicht mer
eiisach. Allerdings haben V. 80, 81 in Mombritius nicht ihre Vorlage,
138
aber da M 136, 137 Sc sprach: des moten se ewych verloren syn Vmle
lyden in der helle grote pyn, ganz ähnlich sind, so müssen sie doch
als echt gelten. Am meisten durch Verderbnis entstellt sind die
letzten 100 Verse in 0, so dass es notwendig war, sie besonders
drucken zu lassen, um eine klare Anschauung davon zu geben.
Andrerseits ist auch die Hs. F, die sonst einen lesbareren Test
bietet, von Lücken nicht frei. V. 74 ist allein in 0 erhalten, und
auch zu V. 326 giebt wenigstens Schluss 0 V. 816 De de werld ghdaset
hat den passenden Reim. Ueberhaupt scheint der Schreiber oder Ver-
fasser von F sich gegen Ende mehr Freiheiten genommen zu haben.
Denn der Schluss von 0 hat mehrere gute Verse, deren Echtheit
durch die Uebereinstimmung mit M erwiesen ist, während F sie ent-
weder garnicht hat oder in anderem Wortlaut; es sind Schluss (.)
V. 324, 325 = M 599, 600; 350 = M 631; 378 = M 683, r.84.
Vielleicht war also auch die Vorlage, aus der F hervorging, ähnlich
wie 0 gegen Ende schadhaft, so dass der Schreiber eigene Dichtungs-
versuche machte. Das wenigstens kann nicht bezweifelt werden, dass
V. 337 — 356, die 0 nicht kennt, ein späterer Zusatz sind. Während
sonst die Reime unserer Passion so genau oder ungenau sind, wie iu
anderen niederdeutschen Dichtungen jener Zeit, zeigt darin der ge-
nannte Teil eine unglaubliche Nachlässigkeit; gebunden sind sach :
sprach^ vthsperren : thoscharen^ haken : makeden, hamel : ghetagcfi,
fiycht : dyck, dath : tvarth etc. Während femer alle übrigen Teile
der Passion Wort für Wort nach Mombritius gearbeitet sind, ist jener
Abschnitt aus der vita Rebdorfiensis (Acta Sanctorum Julii tom. V
S. 33 ft.) oder einer ähnlichen Legendenform hervorgegangen. Bei
Mombritius wird sie nur mit scharfen Ruten gepeitscht, es heisst:
Tunc praefectus iratiis jussit eam in aere suspendi et cum virgttlis
acerbissimis carnes eius disrumpi, ganz abgesehen davon, dass diese
Worte schon Vorlage für V. 167 — 200 waren. Von einem Galgen
dagegen spricht die vita Rebdorfiensis iu folgender Weise: Tftnc
pracscs iussit Christi Märtyrern in eculeo suspendi atque sacratissinios
eins arius acutissimis ungulis laniare (a. a. 0. S. 37c). Auch Jacobus
a Voragine spricht ähnlich von einem equuleus (Graesse I, 401) und
schon Rhabanus Maurus: Oliberius . . in equulco suspensam ungulis
acerbissimis iussit carnes eins lacerare (opp. Colon. 1626 fol. VI, 190).
Noch grausamer ist die Marter bei Surius, der sagt: Is . . . ferrei^
eam hm'uns conclusam et clavis affixam juhet ferreis caedi fuscinis
(Historiae seu vitae Sanctorum. Aug. Taur. 1877. VII, 386). Man
sieht, die Erzählung einer solchen Marter, welche einer Hexenfolterung
sehr ähnlich ist, war auch das Vorbild für den betreffenden Abschnitt
iu F, den man daher als unecht betrachten muss.
Vielleicht darf man auch die weitere Eigentümlichkeit, das5> F
einen doppelten Schluss hat, dem letzten Schreiber in die Schuhe
schieben. Den Versen 481 — 490, welche eine Apostrophe an die Ge-
meinde enthalten, entspricht nichts bei Mombritius; derselbe geht
vielmehr gleich von der Heilung der Siechen zur Bestattung der
139
m
Margareta über. Nun bat aber jener erste Scbluss von F inbaltlieh
eine gewisse Aebnlicbkeit mit dem Schlüsse der niederrheiniscben
Margareta bei Schade. Man vergleiche V. 481 Nu byddet ock alghe-
meyne mit Schade V. 428 Nu laiet uns bidden algemeine, wenn auch
sonst die übrigen Reime nicht gleich sind. Nur bilden bei Schade
die Verse 428 ff. auch wirklich den Schluss und folgen der Bestattung.
Da nun in F der genannte Abschnitt der Bestattung vorhergeht, so
wird die Beziehung des Verses 491 Do du Theodosius vornam fast
unmöglich; denn dit kann nur auf den Tod der Margareta bezogen
werden. Ausserdem muss die Aehnlichkeit von V. 489 mit V. 502
auffallen. Man wird daher zu der Vermutung gedrängt, dass auch
V. 481 — 490 der niederdeutschen Dichtung nicht ursprünglich an-
gehört haben.
Beiläufig mag noch auf einige Unterschiede des Dialekts von F
und 0 aufmerksam gemacht werden. Die Hs. 0 neigt dazu, ein am
Ende nach unbetontem e stehendes n, besonders im dat. plur., abzu-
werfen: V. 7 hillige, 23 euenolde, 32 ghesellc, 57 hwfde, 64 gade, 105
myne gade, 120 dorne, 128 bende, 155 aUeweldighe, 166 lose, 191 an-
hede, 290 hohe, Schluss 0 345 ere vote; in F findet sich nur ein Beispiel
V.42 vordcrve. Umgekehrt lautet das Fürwort „man*' in F häufig
tne, in 0 nur men. Das persönliche Fürwort der 3. Pers. hat in F
oft die Formen mit o (s. o.), während 0 nur die Formen mit e kennt.
Allerdings hat die Abschrift o Schluss 0 385 ome, aber in 0 steht
• eme. Demgemäss erscheint die Vorsilbe be- auch niemals als bo-, wie
häufig in F, sondern hat in 0 oft die Form 6y-. Das Zeitwort
„haben'' erscheint in F immer in den Formen „du hest, he hct^, in
• 0 nur als „heffst, heUest und hefft". Die sonst mit sl anlautenden
Worte haben in 0 durchweg den Anlaut sd: sclaen 110, 143, Schluss
0 353, 356, 393,- sdach Schluss 0 384, sdaghe 133, idanghe 222,
voersdaent 232. Die Präposition „mit" kennt () nur mit i, F nur mit
e; nur einmal Anselm. 70 (= Lübben 114) steht myd. Die Partikel
$ucht wirft in F oft das t ab, was in 0 nicht vorkommt. Die Par-
tikel do, welche 0 allein anwendet, heisst in F oft don und done.
. Die Verstärkung der Negation ist in 0 manchmal zu t^yn gedehnt,
während F dieselbe meistens fortlässt.
Die Frage endlich, in welcher Sprache die Urschrift unserer
Passion verfasst war, lässt sich mit Bestimmtheit aus den Reimen
entscheiden. Dabei aber muss man wohl beachten, dass niederdeutsche
Dichter in den Reimen überhaupt nicht die Genauigkeit hochdeutscher
Dichtungen erstrebt haben. Ungenauigkeiten des Reims, wie sie im
Reineke Vos oder im Redentiner Spiel gestattet sind, darf man in
allen ähnlichen Dichtungen erwarten. Dann darf man nicht vergessen,
dass jene niederdeutschen Dichter, die doch meist Gelehrte waren,
auch die hochdeutsche Sprache kannten und auch wohl ein hoch-
deutsches Wort gebrauchten, besonders wenn die Reimnot da/u zwang.
Wenn wir daher in unserer Passion das Zeitwort „sagen" in hoch-
deutscher Form antreffen V. 2, 247, 352, 499 (: maghci), oder ebenso
140
das Zeitwort ^habeii*' V. 405 hun (: f/hedttn), Schluss 0 V. 3113 hat
(: raei)^ so darf man daraus noch nicht einen weitgehenden Schlu<s
ziehen. Auf ist, welches V. 429 mit Crist reirat, grosses Gewicht zu
legen, wäre unriclitig, da ein am Ende stehendes t öfter nicht beachtet
wird; auch lauten in 0 die Verse anders. Ebenso unsicher ist es.
ob der ursprüngliche Dichter sprach oder sprach sagte: V. 172 u.
31(j: vnghenutck, V. 317: am/hesach^ aber die Verse fehlen in 0, V. 437:
slach^ aber 0 hat andere Keime vuUenhracht : slach. Dass ausserdem
noch die Form sprach dreimal in dem Abschnitte von F sich findet.
der als Zusatz erkannt ist, beweist natürlich nichts. Es kommt also
sprach nur in F, nicht in () vor. Aus solchen einzelnen hochdeutsclieu
Ileinmorten darf man also nicht schliessen, dass die Vorlage von F
üiid () hochdeutsch gewesen sei. Entscheidend in dieser Frage ist
vielmehr die Mehrzahl der Reime. Von diesen sprechen gegen rahd.
und md. Urschrift: V. 15 haet : bat^ 72 hete : margaretc, 134 vloet :
roet, 186 Init : trat, 188 vloet : hloct, 251 sath : stat, 36D grat : roth,
385 hat : stat (t : z). Ebenso ist allein dem Niederdeutschen eigen-
tümlich, dass ursprüngliches iu unter bestimmten Bedingungen zu c
zusammengezogen wird: V. 137 i^eten : margareten^ 105 knSn : sehen,
Ibü afftcen : been, 208 vorlesefi : wesen, wenn auch dies letzte Beispiel
unsicher ist, da der Reim tvesen aus M ergänzt ist, und der Vei-s
überhaupt nicht heil ist. In allen jenen Fällen hat das Niederländische
und Niederrheinische ie; das Mitteldeutsche zieht diesen Laut, dann
noch zu t zusammen, an dessen Stelle nur sehr selten e auftritt (vgl.'
R. Bechstein, Zu der thüring. Chronik v. Joh. Rothe, Germania 4.
S. 477). (iegen die ebengenannten Dialekte spricht ferner das Prä-
teritum nenn V. 469 (: ercv); denn dieser Jonismus ist nur einigerf
Gebieten des Niedersächsischen eigen. Auch die ungenauen Reime
kne : wy V. 31)3 würden in den bezeichneten Dialekten, das Nieder-
ländische ausgenommen, ganz zerstört werden. Endlich ist hoch-
deutscher Ursprung noch ausgeschlossen durch V. 74 louest : prottesi
(uo : o und ou : o), 249 sehen : ghesen, 402 dele : sele (ei : e), 284
darmede : bede^ 316 vele : seien (i : e), 60 ghehort : vort, 396 schone:
kröne (o : ö). Daraus ergiebt sich, dass die urschriftliche Vorlage,
auf welche F und 0 zurückgehen, von einem niederdeutschen Dichter
in der Sprache seiner Heimat geschrieben war. Darin, liegt auch der
Wert dieser kleineu Dichtung; denn bisher war keine ursprünglich
niederdeutsche Margareten-Passion bekannt gemacht worden.
Was die Behandlung des nun folgenden Textes anlangt, so ist
noch zu bemerken, dass die Interpunktion hinzugefügt ist; auch
haben die Eigennamen grosse Anfangsbuchstaben erhalten. Wo nur
eine Handschrift vorhanden ist, da ist sie genau zum Abdruck ge-
bracht, wo beide zu vergleichen waren, sind die orthographischen
Abweichungen nicht angemerkt.
141
argareta de vil hillighe maghet
De was Theodocius dochter als vns de scrifft saghet.
He was der hevden en houetmaii;
De affgade bedede he an.
5 He enliadde anders nyn kynt
Men dat sulue dochterlyn.
Des so voerwuHe des hillige gheystes schyn.
Thohant do dat kynt wort ghebaren,
Do wort eme eyn amme al vthvoerkarcn.
10 De amme hadde leff dat kynt.
Des zo starfF des kyndes moder syn.
De amme nam erer beter waer,
Wente dat kynt was schoen vnde klaer.
Jhesiim Cristum yt ane bat,
15 Daer vmme was eer de vader haet.
Se was van vyffteyn yaren oelt,
Vnde se hoerde zo mennighenvoelt,
Dat men se alle van deme lyue dede.
De Jhesum Cristum ane bede.
20 Se gaff syck gade an syn ghewalt,
Daervmme leet se so mennighenvoelt.
Der ammen schaep se hoden scholde,
Margareta myt* eren euenoelde.
Eynes daghes dat gheschach,
25 Dath Olibrius tho redende plach,
Dath he den eristenluden dat ghebado,
Dath se anbededen syne affgoede.
War he enen cristenmynschen yanth,
Snelliken he ene vinck vnde banth.
80 He wart sunte Marj^areten ghewar,
Dar se hudde der lemmer schar.
He sprack tho synen seilen:
;,Halet my de maghet snelle;
Is se vri, ick neme se tho wiiie,
35 Is se des nich, ick medo se to mynen lyue.
Se scal wesen myn eyghen wyff,
Wente se het so wunnichlicken lyff.^
De kneclite grepen se met der verde;
Do kuelde sick Margareta vp de erde
1—24 f. F. — 7 verderbt. — 9 al/ M. — 12 erer des kyndes 0. — 17
mcnnighen groten voelt 0. — 20 gade 0. gude o. — 22 ammen M. lammercn 0.
— 25 einige Verse scheinen zu fehlen, de richter Olibrius tho rydcnde 0. — 26,
27 /. 0. — 28 Althohant waer eyn kristen vant 0. — 29 Snelle 0. — 30 enwort 0,
Margareta vntwaer 0. — 31 hod'de der lammcren O. — 32 gheselle 0. — 35 nicht
methe 0. nicht mothe o. — 36 eyhen F. aldericueste 0, s. u. V. 115. — 37 Wente
f. F, hefft 0, wunnichlick eyn F. menniohlyken 0. — 38 an myt werde 0. — 39
knede sick O, vppe 0.
.. 1
142
40 Vnde sprack: ^wes my gnedich, leue got myn,
Entfarme dy vnde lat my dyn arme maget syn;
Lat my nych vorderve met den bösen
Vnde van dessen blutsculdigen luden my lose.
Here Jliesus Crist, lath nu tho desser stuntli
45 Dyn loff konliken gan vth mjTien munth.
Help my, dath myn loue nich werde vormynret,
Vntle myne szele nicht werde ghehindreth.
Behold de kusheyt an mynen hoie,
Dath myn maghetscop reyne blyue,
50 Dat myn syn sick vor des dmiels bosheyt nycht vorvere.
Sende my den hylchen gest, dath he my len»,
Dat ick moghe den richter wedderstan
Vnde synen bösen rath vorsman.
Ick byn so eyn scap dat manck de wulue gath,
55 Vnde so eyn vagel, de vnder deme nette stat,
Vnde so eyn vysk, de an der angel hanghet,
Vnde so eyn re, dat me met den szelen vanget.
Help my godt dorch dynes dodes ende
Van desser bösen lüde hende.'^
00 Don de knechte, dath hadden ghehort,
Se qwemen wedder tho den richter vort;
Se spreken: ^here, se ys dy nycht beqweme,
Dyn both, dath ys oer gar vngheneme.
De mynsche denet vnsen goden nicht."
()5 Thohant vorwandelde Olibrius anghesicht,
Don me de mageth tho em brochte.
He sprack: ;jl>ystu van vrien siechte V*
Se sprack: ;,here, wo iw dat l)ehaghet.
Ick l)yn Cristus arme denstmageth."
70 De richter sprack: ;,wat ys ivwe name,
Sagetli my dath an sunder schäme."
„Ick saghe dy wol, wo ick bete,
Myn name heth Margarete."
„Saghe my an, welken got du louest."
75 „Vortmeer, eflfte du dat prouest,
Sprekc ick al sunder vrist,
40 Se sprack here myn herte is tho dy ghekert 0, ■ dann folgen die Verse
173—178 auch hier. — 45 konliken /. M. — 40 dyn loff M, fides moa MombrittH*.
— 52 moghe F. mach M /. 0. — 52, 53 wedderstaen : vorsmacn M, vorsmaen :
wedderstaeu 0. stan wedder : vorsman sedder F. — 54 manck den wnluea O M.
— 55 vogel 0 M. — 56 yn dem anghele O. — 57 men myt den hunde 0. — 5t<,
59 /. 0 M. — 60 do 0. voerhoert 0. — 61 den F, deme 0. — 62—64 Se spreken :
her richter.se endenet 0. — 64 gade 0. — 65 Althohant vorwandelde zyck O. —
66 Do men eme de 0, tho em /. ü. — ()8 Margareta sprack wo yt dy byhaghet
0. — 69 Ick byn vrv vnde (), vry vnde /. F M. — 70 wo het dvn name 0. —
71 dath /. 0, an F. al 0. — 72 Margareta sprack F 0 /. M. iw^F, dy O. wol
wo ick hete nach 0, F schadhaft — 73 de het 0. — 74, 75 in unvgekehrter Feige
(), 74 /. F. — 75, 76 Margareta sprack effte du dat prouest Ick wyl dy sagben
wölken god ick dene Vnde ick spreke sunder vrist F. — 76 Margareta sprack al 0.
143
Ick ambede den almechtigen Jhesum CriRt.
Ick byn met Cristus name bevangen,
Den de ioden han an eyn cruce bangen;
80 Des synt se ewychlyken vorlaren,
Se weren beter vnghebaren/^
De richter tornede sick vil sere,
He let se werpen in enen kerkenere,
Wente dat he id bedachte,
85 Wo he ere reynicheit nemen mochte.
Dar na qwam he to Antiochia an der stat.
Dar he syne stumme aflFgodc ambat.
Don sath he vor svnen sale:
Snelliken let he se vor sick halon
90 Vnde sprack: ;,iunckfrowe, dencke an dyne doget,
Vnde an dyne kyntlike yoghet.
Do noch, wath ick wyl!
Ick wyl dy gheven gudes vyl;
Isset, datli ick an dy vynde,
95 Du schalt wesen baven all myn ghesynde.*^
Margareta sprack althohant:
;,Gade ys myne reynicheyt wol bekant;
Du mögest my sullcen rat nych gheven,
Dat ick buten der reynicheit wyl leven.
100 Ick hebbe my Jhesu Cristo bevalen,
Dar var alle dementen beuen Scalen
Deme alle creatura ys vnderdan;
Syn ryke schal ane ende stan.*
De richter sprack: ^dith schal sehen,
105 Wultu nich tho vnsen gaden knen,
Werestu noch enes so maisch,
Myn swert snyt dorch dynen hals.
Dynen licham werpe ick an dat vur,
Wente du byst altho vnghehur.
110 Deystu auer mynen rath
Vppe dat myn got nicht werde voersmaet,
Vnde dat du myt al dynen synne
77 anbede 0. den almechtigen /. 0, — 78 myt 0. byvanghen 0. — 79 De
daer an dat cruce vort ghehanghen 0. — 80, 81 /. 0. — 82 vortornyde 0. vil
/. O. — 88 auer werpen al yn den 0. — 84 Wente so langhe dat he sick 0. —
85 Wo 0. Met wolker bosheit F, bynemen (). — 86 tho Anthiochien yn de 0. —
87 syne stumme vnde dode F. synen stummen aifgade anebat 0. — 88 De richter
sat 0. — 89 Vnde leet sunte Margareta 0. — 90 He sprack 0. — 91 iageth F.
— 92 Vnde do allent dat 0. — 93 vyl F. tho wul 0. — 94 Is dat alzo ick an dy
wynne 0. — 95 all myn ghesynde F. movghe synne 0. — 97 Got de ys myn Ö.
— 98 Du enkanst 0. nicht 0. al sulken F.' — 99 wyl F. mach 0. — 100 Ick'haen
my Jhesum byvalen 0. — 101 Daer voer alle elementer 0, scholen 0. — 102 De
alle dynck is 0, creature synt M. — 103 ryke 0. loff vnde ere F M, sunder ende
stan M. nine ende haen 0. — 104 yt 0. — 105 dy nicht tho myne gade 0. —
106 Ock werest 0, enes /. F. — 107 snvt dv 0. gevt F. — 108 Dvn vlesk schatme
werpen al yn dat vuer 0. — 109 altho'F. al 0. — 111—241 /. F.
144
Wedder kerest tho mynen wynne:
Margareta, ick loue dy dat vppe myn liif,
115 Du schalt wesen myn alderleueste wiff.*'
Margareta sprack: ;,ick liebbe myn liflF to gade geueii,
Wente Cristus leet vor my den doet,
Daer vmme lide ick alle noet.^
Do leet he se grypen an
120 Vnde leet ze myt scharpen dorne sdaen.
Do sa(*li se vppe tho hemmel wert
Vnde sprack: ;,here, myn herte is tho dy ghekeert;
Help, here, dat ick myt dy blyue
Vnde dat de viant neen spot myt my dryue.*'
125 [Margareta sach vppe tho hemmelrike
Vnde se bat got ynnichlykcj
Voerbarme, Jhesum Cristum, dy
Vnde lose my van dessen bende
Vnde van desser bösen lüde hende.
130 Sende my dynen engel hyrnedder,
De myne wunden sachte wedder.*^
Want se rSp tho gade sere.
Des worden ere der sclaghe mere.
Dat bloet van eren lyue vloet;
135 Mannich wenede syn oghen roet.
De knechte repen tho Margareten:
„Loue noch, des mochstu neten.^
Dat bloet van eren lyue ran,
Dat byclaghede beide vrowen vnde man;
140 Se spreken: „Margareta, yt is vns leyt,
Dat wy dy seen ane deyt
Naket aldus voer vns stacn
Vnde dyn licham so sere thosdaen,
Och wo schone verwe ys an dy vorloren
145 Vmme den louen, den du haddest koren.
De richter vil tornich vppe dy werde,
Myt schände wil he dy bringen van der eerde.
So moghestu ynmer bliuen sunt.^
Do sprack Margareta drade:
150 „Swyghet myt uven bösen rade
Beyde vrowen vnde man,
Ghy moghet wol van henne ghaen.
Dodet he den licham myn,
Des so schal de sele an vrowden syn.
116 ein Vers felüt; vieU. myn leuent To gade . . . geuen. — 121 vort O. —
124 mine viande nenon spot M. — 125—127 /. M; vgl. Schluss 0 v, 322, 323. —
131 mvne wunden M. my vrowde 0. — 133 I)e8 M. der 0, der M. de 0. — 1:^5
weinede M. wenet 0. — 136 De boddelc M. — 137 Lloue O. — 148 ein V. fehlt.
l55 Mer lauet den alleweldighe got
Vnde voervullet syn ghebot,
So wort iw de hemmel vppe ghedaen,
De yo langhe hefFt thoghestaen.
Ick wil nicht doen na iwer lere,
IGO Wente iwe gade synt van kopper vnde ere.
Wente dat leuent ys eyn wynt.
Richter, du bist der syne blynt;
Du bist eyn huut ane schemede,
Dat du myn iunghen lifF hefFst tho nemende.
165 Cristus wil myn hulper syn,
Vnde lose my van den henden dyn.^
Vyl tornich do de richter woert,
Wente an oer wart nine marter ghespart;
He leet Sr dat vel affteen,
170 Dat men sach ere de blote been.
Margareta sach vppe vnde sprack:
;,De8se hunde doet my groet vnghemack;
Help my here drade
Vnde Sterke my myt dyner ghenade.
175 Wes my ghenadich vppe desser erde,
Help my, dat ick ghetwydet werde.
Sende my dynen enghel hyrnedder,
Dat ick mynen syn van den richter kere wedder.
Laet my, leue here, ock byscheen
180 Dat ick mynen vyant mothe seen,
Vnde ick myt mynen synnen
Ene mothe vorwynnen;
Dat ick dat moghe bewysen,
Waervmme dyn name sta tho prisen."
185 De ene knecht na den anderen trat;
Se sloghen se sere vnde bat.
De richter mochte nicht anseen dat bloet,
Dat van eren lyue vloet.
He sprack: „wo langhe wultu karmen,
190 Wultu dyn iunghe lifF nich vorbarmen
Vnde anbede vnsen affgot,
Edder du schalt steruen den doet.
Myn swert bynemet dy dat leuent dyn,
Wultu my nicht hoersaem eynsyn.^
195 Margareta sprack al vnvoerveret:
155 louet an M bauen 0. — 157 iw M eme 0. — 160 Wente /. M. — 161
Wente /. M. — 162 Du richter 0 Richter M, der sune blynt 0 des duuels kynt
M. — 164 Du best min lyff nv wol to nemende M. — 167 voert 0. — 168 ergänzt
nach M /. 0. — 169 Vnde be 0. — 184 dinen namen M myn name 0. — 189
karmen «</i. Reineke Voa 2537 etc. berman 0. — 191 affgade 0. — 193, 194 in
umgekehrter Folge M. — 194 Vnde wultu 0 Wente wultu M.
Miederdeutsches Jahrbaoh. XIX. ]^0
146
^De duuel heuet dy dat gheleret,
Byschone ick den licham myn,
So mothe myn sele vorlaren syn.
Daervmme laet ick minen licham slaen,
200 Dat ick de kröne van gade wil entfaen.^
De richter wort voertornighet sere,
He leet se aiier werpen yn den kerkenere.
Do se yn den kerkenere trad,
Se zeghende sick vnde den heren bath:
205 „0 here, daer alle wyesheyt ane stad,
Tho dy alle croatuere soken raet,
Du beschermest wedewen unde wesen,
An dy so enkan nyn man vorlesen.
Ghyff my, here, dynen seghen,
210 Myn vader leet my dorch dy vnderwegen.
0 sote name Jhesum Crist,
Wente du en recht richter bist,
OfFte dat iummer mochte scheen.
So laet my mynen vyant seen."
215 De amme sach ane ere noet,
Se gaff ere water vnde brot.
Althohant do se dat bat,
Eyn drake al vthe dem wynkel trat.
He was grwuelicker bere,
220 He makede stanck al yn den kerkenere.
Vurich was eme syn haer vnde wanghe,
Vnme syn hals lach eyn scianghe.
Syne tenen weren eme yserin;
Syne oghen gheuen vlammen schyn.
225 Vth syner nesen ghynck eyn roeck,
Darvan wart so vuel eyn smoeck.
He hadde eyn swert an syner haut,
Dat was vurich alzo eyn brant.
Do wort dat yn den kerkenere alzo lecht,
230 Do wort sunte Margareta vorscricht.
Vppe dede he synen munt althohant,
Margareta he vil schiere voersdaent.
Dat cruce, dat se vor sick hadde ghedaen,
Do se yn den kerkenere w^as gheghan.
199 minen licham slaen M thosclacn den licham myn 0. — 200 Nach M,
Daervmme wil ick vntfangen de crone fyn 0. — 202 al yn den 0 in eynen M. —
203, 204 trad : vnde do den heren hath M quam : vnde sprack 0. — 205 stad M
Bteyt 0. — 206 soken M sulken 0. — 207 Nach M, /. 0. — 208 nyn mach vor-
lesen 0 neen man nicht genesen M. — 209 godlikeu sogen M segheningc O. —
210 Nach M, Wente dyn vader leet my vnder synen willen vanghen 0. — 211
name 0 here M. — 214 vyant M vrunt 0. — 215, 216 stehen in 0 nach 210. 210
water vnde M vader dat 0. — 219 grwuelick 0. — 223 yseren 0. — 224 geuen M
weren em wul 0, schyn M syn 0. — - 226 Nach M, Beyde vuer roeck vnde smoeck O.
147
235 Dat wos yn des draken munde;
He thoreet an der suluen stunde.
Margareta de vth ghynck
Vnde nene sericheit äff eme vntfynck.
Do sach ze yn der anderen syden staen
240 Eyn kole swart man,
Deme weren syne hande bunden alzo eyn deue.
Done wart Margareta van herten leue;
Se nam gade gude tho werden
Vnde warp ene by den baren to der erden.
245 Done wart se kone vnde malsk
Vnde sette eren votb vppe synen bals.
Se sprack: ;pber duuel, ghy vindet dat ghy saghet,
Ick byn Cristus arme magbet.^
Done wart dat gades cruce gbesen,
250 Dat lecbt al auer deme kerkenere scbeen.
Do sprack de duue, de vp den cruce satb:
;, Margareta, des paradises porte dy apen stat.^
Do lauede se den alweldigen Crist
Vnde sprack: „seggbe my, we du byst.^
255 He sprack: ;,vil eddele maget reyne,
Nym van my dynen votb kleyne,
So wyl ick dy sagbeu vnsen ratb,
Vnde Warna alle vnse werck statb:
Belsebukes schare byn ick en bouetman,
260 De guden werck ick vorstoten bogban.
Nu betb dy gbebulpen Crist,
Dattu best vorwunnen myneu lyst.
Ick bebbe vele bosbeyt gbedan
Vnde gade ghenamen wyff vnde man,
265 Leygen vnde papen
Ridder vnde knapen.
Vil mennicb stolt wif bebbe ick gbebalet
Dartbo mennigbe stolte magbet.
Ick motb des nu gben auer al:
270 Der lüde ys nen tal,
235 W08 f, 0, crux crevit Mombrüius. — 238 Vnde nene sericheit M Ynseriget
de se 0, oem M ene 0. — 242 Do wort sunte Margareta 0, leue 0 vro F. — 243
gude tho werden F verderbt, tho hulpe althohant 0. — 244 myt den hären M by
den handen 0, per capilos Mombr. — 245 Do wort 0, mals 0. — 246 trat den
duuel myt den voten vppe den 0. — 247 du duuel, du envindest nicht, wat du
lägest 0. — 248 byn vri vnde cristus arme denstmaghet 0. — 249 Do wort doer
gades ere 0. — 250 Dat dar so luchtede an den kerkener schyn F, ouer den ker-
kener M. — 251 Do de *duue vppe deme 0 Do sprack de genno F. — 252 /. 0.
— 253 enlouede 0, se 0 Margareta F. — 254 to den duuel saghe F segge M,
my viant 0. — 255 Do sprack de duuel F, vil /. 0, eddel junfrowe 0. — 256
Nv nemet van my eyn kleyne 0. — 257 Ick wyl iw saghen al 0. — 258 waerna
al vnsen willen 0. - 259 byn 0 was F. — 260—274 /. 0. — 267 viell eijaghet.
10*
m
De ick met vnloven an de helle hebbe bracht.
AIsus hebbe ick vp mynes heren vrame ghedacht
Ick de(r) ock nicht entleth,
Wer de raynsche wakede effte slep.
275 Wo dicke ick darvp dachte,
Wo ick ene to den sunden brachte.
Dat sy huden vnde iummermer gheklaget:
Ick byn vorwunnen van ener maghet.
Margareta, id doth niy doch we,
280 Dat dyn vader vnde moder
Hebben ghewesen vnse seilen;
Dy enkan ick nich ghevellen.^
Margareta sprack: ^we het dy de rechticheit geuen?^
De duuel sprack: ;,nu saghe my erst, wo ys dyn leuent
285 Vnde wo ys Cristus an dy ghebleven.^
Margareta sprack: „ick segghe dy nycht,
Du bist des vnwerdich, böse wycht.*
Don sprack de duuel snelle:
„Satanas ys vnse koninck in der helle.
290 Nu machstu wol in den boken lesen,
Wat vnse siechte moghe wesen.
Ick derre nich met dy spreken mere;
Ick se Jhesum by dy, den vnichte ick sere.
Doch so bidde ick dy, maget reyne,
295 Dat ick muchte met dy spreken eyn kleyne.
Margareta, ick beswere dy by Gade
Vnde by all syne bade,
Dattu my wysest an de stade,
Dar ick den luden moghe schaden.^
300 Do sprack Margareta: „du duuel swich,
Vnde lath dynen bösen krich.
Vare van my met der verde. *^
Thohant vorslanck ene de erde,
Dat me ene nych mer ansach.
305 Des anderen daghes dat ghescach,
273 vieü, My de . . . entlep. — 275 Vyl dick 0, darvp f, 0. — 276 Wo ick
ere reynicheit bynemen mochte 0 vgl, V, 85. — 277 Nv sc dat hüte vnde morghen
0. — 278 Dat ick 0, van eyn kleyne maghet 0. — 279 De duuel sprack dat deyt
my we 0. — 280 Dat F Wente 0 ; vielL ^r nach moder eu ergangen. — 281 myn
ghesellen 0. — 282 Vnde dy 0, nicht vyllen 0. — 283-285 /. 0. 283 ghewesen
F. — 284 ein Vers fehiL — 286 yt amma (l. ick arme) zage dy dat nicht O. —
287 Vnde du enbist nicht werdich du 0. — 288—291 in 0 nach V, 278. 288 De
vyant sprack snelle 0. — 289 Tho lucifer syn gheselle 0. — 290 dat an den
boke 0. — 291 Wo vele siechte vnser moghen 0, wesen /. 0. — 292 Do sprack
he ick endore nicht myt 0, — 294 Ick bidde dy eddele iuncfrowe 0. — 295 myt
dy mothe spreken 0. — 296 byswere 0. — 297 alle syn ghebade 0, — 298 stede
F, Dat du my settest yn der stat 0. — 299 schaden moghe F, Daer ick den kristen
nicht schaden vnde mach O. — 300 Margareta sprack 0. — 301 late 0. — 302
Vnde waer 0, mitter O. — 303 AI thohant vorklundede sick de erde 0. — 304, 305/. O.
14»
Dat Olibrius sat vor den sale
Vnde leth Margareten vor sick halen
Don se vth den kerkener ginck
Vnde scholde treden vor dat dinck,
310 Dat cruce sluch se vor sick;
Se sprack: ;,here beware mick
An der zele vnde an den liue
Vnde lath my ewych by dy blyuen.^
Don wolden de lüde alle seen,
315 Wat Margareten scholde sehen.
Don de richter se anghesach,
Vyl gutlyken he tho oer sprack:
„Margareta, do noch myn gheboth
Vnde bede an mynen godt,
320 Vnde do den wyllen myn;
Myn rychte gheyt anders auer dy.^
Margareta de sprack dar wedder:
„De rede wyl wy leggen nedder,
Vnde beden Jhesum Cristum an,
325 Dem alle dinck synt vnderdan,
So mach dyner werden vyl gut rath.
Deystu des nych tho desser stunt,
Du werst ghesenket in der hellen grünt. ^
Olibrius vyl tornich wart;
330 He let de maget met der vart
Vil sere hoch vphenghen
Vnde bemende lampen brenghen
Vnde leth oer lyflf entfengen auer all.
Don sprack de maget in der qwall:
335 „Ick laue dy, here Jhesus Crist,
Wente du myn troster byst.^
Don dit Olibrius sach,
Tho den knechten he don sprack:
„Ghy scolen se in den galgen vthsperren
340 Vnde er lyfF tlioschoren
Met krowelen vnde jnet haken. ^
De knechte dat vil snelle makeden.
Se wart ghesperret so eyn hamel;
Dat vlesk van eren liue wart ghetagen,
345 Dat me ere ghebente sach.
Margareta, de reyne sprack:
„Crist here, vorgeth myner nycht,
Dit wyl ick lyden dorch dyck.^
Don Olibrius horde dath,
306 De richter sat vor synen 0. — 307 Vnde he leet sunte Margareta 0.
308 Schhus von 0 8. u. — 326 ein Vera fehU.
150
350 Van tarne he don dauendich wart
Vnde spracjc mer tho der maghet:
;,Ick hebbe dy voer ghesaget,
Dattu dedest mynen wyllen,
So dorflfte ick dy nich laten villen.^
355 Margareta sprack: ^swich, du dauendighe bunt,
Cristus, myn here, maket my wol ghesimf
De richter dauendich wart in synen synne
Vnde leth oer hende vnde vote bynden
Vnde leth se werpen in ene baden groth,
360 De van water auer vloth.
Margareta her tho hemmel sach,
Vyl ynnichliken dath bede sprack:
^Gfot here, lose myne bende,
Ick oppere my in dyne hende.
365 Here vader, Jhesus Crist,
Wente du alles dinges mechtich byst,
Lat dit water myne dope syn,
Vor alle de missedat myn.^
Thohant wart eyne ertbevinghe grot;
370 Ene duue brachte ene crone roth
Van golde lutter vnde dar
Vnde settede se vp Margareten har.
Don wart se los van den benden,
Beyde an voten vnde an henden.
375 En stemme tho Margareten sprack:
„Du best gheleden grot vnghemack,
Du schalt kamen yn myn ryke,
Dat ys dy boreyt ewichliken.*'
In desser stunden, alzo nu ys boscheyden,
380 Worden bekert vyflf dusent heyden,
De de cristenheyt entfengen
Vnde tho deme dode gingen.
Thohant let de richter ane wan
En alle de houede afFslan.
385 Nochten enlet he io nich syne(n) haet
He sprack: „trecket de touerersch vthe der stat,
Men scal oer dat houet affslan."
Don sprack Malchus, eyn iungerman,
Den was se bevalen vnde vnderdan.
390 Se kuelde sick nedder vp dat gras;
Cristus, vnse here, by oer was.
Malchus vel nedder vp syne kne,
363 Dattu] Vnde F. — 385 haet : vthe der stat ergänzt nach 0 M,
F schadhaft, — 889 vnde vnderdan] vndedan F. VieU. nach M 657—660 tu er-
ganzen Kne nedder vp desseme plan.
151
He sprack: ;,Margareta, vorbarme dy auer my
Huden, des bidde ick dick.
395. Cristus steyt by dy, dat se ick,
Met synen enghelen schone.
In syner hant het he ene crone;
De schal dy vminer syn boreyt.
Seal ick dy slan, dat ys my leyt.^
400 Margareta sprack: „sustu by my stan Crist,
So geflf my ene wyle vrist,
Dat ick myn bet met der cristenheyt dele
Vnde bevele gade myne sele.^
Malchus sprack: ;,ick geue dy dult;
405 Bidde wo langhe dattu wult.^
Margareta, de wart don vro,
Ere beth sprack se don:
;,(Here Jhesus) Crist, gades kint,
(Alle dinck) dorch dy ghemaket sint,
410 (Here), se an myne noth,
Dorch dy lide ick den bitteren dodt.
Twide my, eflfte dath mach wesen.
Alle de dit bock myner marter lesen.
Edder de dit hören met trvwen,
415 Dat du ene genest wäre rrwe;
Vnde we mynen namen ereth
Vnde sick tho mynen denste kereth,
Dattu ene tho allen stunden
Vorgeuest alle sine sunde.
420 Isset dat ock iemant vor gherichte
Wert ghevoret van vmplichte
Vnde denket an den namen myn.
Sin vorloser schaltu syn.
We ock bvwet eyn gades hus
425 In myne ere edder ene klus,
Dattu eme willest gheven
Dat Ion in dat ewighe leuent.
Ick bidde dy, leue here Jhesus Crist,
In welken huse myne martel ys,
430 Dat dar neyn mynsche gheqwalet werde
Van den ouelen gheste.
Ock bidde ick dy aldermeyst,
Wert dar inghebaren eyn kint,
Dath id nych werde stum, doff vnde blint;
435 Ock vorlige der moder ere ghesunt.
Des twide my tho desser stunt.^
408 das Eingeklammert ergänzt, F schadhaft, — 413 de] dee F. — 430
irAri^A vnrniivRt
viell, werde vorquyst
152
Don se dit betli ghesprach,
Don wart dar ghehort eyn donreslach,
Vnde gades stemme dar mede.
440 He sprack: ;,Margareta, dyne bede,
Der schaltu al ghetweden syn.
Ick wyl se nemen an de hulde myn
Vnde wyl se losen vth aller noth
Vnde wyl se boschermen vor den doth.
445 Kum nu tho my, de ewighe kröne,
De wyl ick dy glieven tho lone.^
Don sprack Margareta den knechte tho:
,Dat dy bevalen ys, dat do.
Nu machstu my myn houet affslan,
450 Got wyl my in syn ryke entfan.^
De knecht sprack: ;,soolde ick iummer ghenesen,
Dynes dodes wyl ick vnschuldich wesen.*'
Se sprack: „sleystu my nycht,
Du schalt met my neue plycht
455 In deme hemmelrike han.
Wattu my deyst, dat hestu nych ghedau.
Du deyst des rychters both;
Du schalt liden neue noth.*'
Malchus kuelde sick,
460 He sprack: „Margareta, bidde vor mick,
Dat my goth mote vorgheven,
Dat ick dy beneme dyn leuent.^
Don helt se vp ere hende
Vnde sprack: „here, vorgeflf em al syne sunde."
465 Met vruchten sluch he enen slach,
Margareten ere eddel houet äff.
Don starff Malchus tho den suluen tyden
Vnde vel nedder tho erer vorderen syden.
Don se beyde doth weren,
470 Dar qwemen met groten eren
De engel vnde nemen ere seien.
Done schegen dar tcyken vele.
Lamen, blinden tho der stunth
Vnde alle krancken worden ghesunt.
475 De met den duuel weren behafft,
De worden gheloset van syner krafft.
Tho den male auer hoff
Sunghen de engel gades loff
Vnde vurden de szele vroliken
480 In dat ewyghe ryke.
437 hadde vuUeobracht 0. — 445 de] du F. — 459 Am Bande eine un-
lesbare Bemerkung. — 466 Dat oer dat houet v^ der erden lach M. — 476 syner] erer F.
153
Nu byddet ock alghemeyne
Margareten, de maget reyue,
Dat se vns helpc vth aller noth
Dorcli eren hilghen doth
485 Vnde dorch erer martel ere,
Dat Cristus, vnse leue here,
Dorch eren wylle mothe vns gheven
Na dessen leuende dat ewighe leuent.
Dat gesche vns allen samen.
490 In gades namen amen.
Do dit Theodosius voniam,
He heymeliken tho den lycham qwam.
He nam ene vp van der erden
Vnde lede ene vil werde
495 In eynen marmelynen schryn.
He screff ock dit bokelyn
Van der martel vnde pyn
Der reynen iunckfrowen vnde maget,
Van der dit bück het ghesaghet.
500 Van den het he tho lone ghenamen
Vnde ys in dat hemmelrike kamen.
Dat vns dat altomalc ghesche,
Des helpe vns der namen dre.
Hir het sunte Margareten passio (ende);
505 Got mote vns syne warheit (senden).
Schlms von 0 = V, 308—449.
308 Do se vtbe deme kerkenere gynck,
Se zeghende sick vnde ghynck vortan.
310 De lade wolden alle seen,
Wat snnte Margareta scbolde byscheen.
De richter sprack: „Margareta, do noch myn ghebot
Vnde anbede an mynen got.''
Se sprack althohant al sunder vrist:
315 j,Ick anbede Jhesum Crist,
De de werld gbeloset hefft
Van den bösen duuel raet/
Vnde myt barnende lampen den wat se snelle to sick.
Dat se brenden eren licham.
320 Se sprack: „here, hyrtho byn ick byreyt;
Laet nv an my vorbernen alle boesheit/
De richter sprack: „do noch myn ghebot,
Vnde anbede an mynen got."
„Dyn duuel kan my nicht voerwynnen,
491 Theotinas M. — 500 van den verderbt, ghenamen tho lone F. — 504
Die letzten beiden Verse eingerückt.
154
325 Dat ick wil doen na dynen willen.
Wo dn bist, so bliff;
Got de bywaere myn sele vnde myn liff.*^
Me bant ere bände vnde ere vote alzoTort
He leet se werpen ane eynne bodene gröt,
330 De van beten water vth vloet,
Dar mannicb ane vurdemede.
Se sacb yppe tbo bemmelrike
Vnde se bat got ynnicbliken:
„Lose myne bende,
336 Ick byvele my, here, an dyne hende.
Here vader, Jliesnm Grist,
Wente du alle dynck weldich bist,
Laet dyt water myn dope syn
Voer alle mysdaet gbe myn."
340 Thobant wart daer eyn ertbenynghe gr5t.
Daer brochte eyn duue eyn crone roet
Van golde latter vnde claer,
Se sette se Margareta yppe ere haer.
Tbobant wart se loes van den benden
345 Beyde van ere vote vnde benden.
Do sprack eyn stempne yn vroliker stalt,
Dat dy got bywaret an desser stunt.
Alzo ick nv byscbeyden kan,
Vorden daer louedich yyff dusent man
350 Ane megeden ynde vrowen,
De alle ere snnde rwaen.
Thobant leet se de richter yppebaeu
Vnde wolde ere laten dat bouet affsclaen.
Noch leet he nicht syn haet;
355 He leet ze trecken ythe der stat,
Vnde leet eer dat honet affsclaen.
Do sprack Malchins, eyn inngher man:
„Sterke den als, Margareta, vnde yorbarme dy aner my;
Ick se Jbesnm myt synen enghelen wanderen by dy.*
360 „Vyl leue yrunt, sustu by my Crist,
So ghyff my eyne wyle vrist,
Dat ick iw den cristendoem dele
Vnde beyele gade myne sele."
Malchins' sprack: „ick gene dy dnlt,
365 Bidde, wolanghe du suluen wult."
Do begbunde ze tbo spreken ere bet:
„Here got, de du alle dynck heuest ghemaket,
Hemmel vnde erde ynde alle dynck
Beyde water, yuer vnde wynt,
370 Dencke, here, an myne noet;
Dore dy lyde ick den bitteren doet.
Twyde my, offte dat mochte wesen,
Alle de dyt bock lesen
325 Dat ick volge dynen bösen sinnen M. — 348 ick 0 eck o. — 358 vieU.
strecke den hals; extende cervicem Mombrü,
155
Edder anhören myt tmwen,
37Ö Dat du ghenest erer snnde ruwen.
Vnde we mynen namen eret
Edder sick tho mynen denst keret
Myt offer edder myt ienigher plicht,
Vnde bnwet an mynen eren eyn gades hues
380 Edder eyn gheystlick klns,
Dat du an der snluen stünde
Vorghenest eme alle syne snnde.
Dat du eme dat vorschaldedest,
Vnde myt deme hilligen geyste yorwulledest.
385 Stande ock eme tho plichte
(Vo)r enen scharpen gherichte
(It da)t daen kencket myn,
(Dat) du den synen vorstander syn.
(Welck) yrowe hefft yn eren hnse desse passien,
390 (Do en)wart nyn kynt ghebaren,
(Stnm), doeffy lam edder blynt.
(Ock) nyne vrowen sternet yn der beert, ,
(Ick en)kame er tho hnlpe yn der noet.
(Des) twyde my, here, dorch dynen bitteren doet.'
39Ö Do se ere bet hadde wuUenbracht,
Do wort dar höret eyn donnersclach
Vnde gades stempne daer mede
De stempne sprack: „Margareta, dynes bedes,
Schaltn enttwidet syn.
400 £ym nv yn dat rike myn;
Kvm nv hyr tho my,
Ny schaltn vntfanghen de crone fyn.'^
Margareta sprack deme knechte tho,
„Wat dy gheheten ys, dat do;
406 Ny machsta affsclaen dat honet myn,
Zum Anseimus.
Das Gedicht, welches durch einen Dialog zwischen dem heiligen
Anselm und der Maria die Leidensgeschichte des Heilandes darstellt,
ist uns in einer niederdeutschen und niederrheinischen Fassung erhalten.
Die erstere, von Lübben nach einer aus Braunschweig stammenden
Handschrift (B) 1869 veröffentlicht, erhält durch das Fürstenwalder
Bruchstück (F) s. o. S. 131 einen Vertreter, dessen Dialekt noch
grössere Reinheit zeigt. Dazu kommt ein Lübecker Druck von 1521
her. von Ch. Walther (= L, St. Anselmi Frage etc. Norden 1890).
Mit dem niederrh. Anseimus aber, den Schade (Geistliche Gedichte
S. 248 flf.) aus einem Kölner Druck von 1514 (C) herausgab, muss
man einen zweiten wohl etwas älteren Kölner Druck vergleichen, der
in der Königlichen Bibliothek zu Berlin vorhanden ist (c).
378 Mit offer almissen edder lichte Edder mit yeniger hande plichte M. —
385 eme 0 omo o. — 386 Das Eingeklammerte nach o ergänztf 0 ßchadhaft
156
Der Titel lautet: Sent Äusdimis tirage ixo Marien van der pa^ssk
uns lieven heren ihesu christi. Darunter ein Holzschnitt, welcher Maria mit
dem Kinde sitzend darstellt, (o. 0. u. f.) gr. 8. — Bl. Ib beginnt das Ge-
dicht. Bl. 20 a trägt das Bild eines Mönches, dessen linke Hand erhoben ist,
während die rechte anscheinend ein Bach hält. Anf Bl. 20 b sieht man das
Kölner Wappen mit den drei Kronen im oberen Felde, gehalten von einem
Adler und einem Löwen. Das Papier hat als Wasserzeichen ein q, ans dem
oben ein Stern hervorragt, (vgl. Götze, Ältere Gesch. der Buchdmckerkanst
zu Magdeburg. 1, S. 20).
G und c sind untereinander nahe verwandt. Gemeinsam ist ihnen beiden
die häufig eingestreute Moral, welche in schleppender Weise den Gang des
Gespräches unterbricht (vgl. Schade S. 240). Nur C 173—6, 377/8, 647/8
fehlen in c. Noch häufiger sind Cc entstellt durch die HinzufOgung des
Namens des Anseimus, G 109 etc. 28 mal, der Maria C 655, 669, 729, 1131,
des Judas 234, wo meistens schon die Verslänge Verdacht erregt. Ebenso
ist der Schluss C 1235—42, der nur eine Ausführung der bekannten Elaaania
ist, den beiden Kölner Drucken eigentümlich. Schon in der Vorlage derselben
war durch Zufall eine Lücke nach G 472 entstanden, indem der Schreiber
von B 465 owe herte leve sone hinüberglitt zu 472 owe herte leve kini.
Dagegen scheint absichtlich nach G 1199 fortgelassen zu sein B 1166 — 1222,
so dass in Gc die Grablegung garnicht erzählt wird. Endlich stimmt C mit
c, abgesehen von vielen Lesarten, auch darin überein, dass häufig sechs oder
vier Verse zu geringerem Umfange zusammengezogen sind z. B. B 97 — 102
= Cc 91/2, B 121—24 = Gc 109/110, B 427—32 = Gc 433—36 und öfter.
Aber die übergrosse Länge der Verse verrät auch hier sehr deutlich, was die
ursprüngliche Form ist
Trotz dieser nahen Verwandtschaft, die unter den Kölner Drucken be-
steht, ist aber doch keiner von beiden aus dem anderen geflossen. Abgesekea
davon, dass c, wie oben bemerkt, doch wenigstens an einigen Stellen noch
von der Moral frei geblieben ist, hat er auch einige Lesarten, die durch ihre
Übereinstimmung mit BFL sich als ursprünglich erweisen. Unverständlich ist
allerdings, was c hat, wie dat eirst quam txo spränge anstatt G 75 toie dat
xo dem eirsien is ergangen; aber wer die Lesart von F (= B 79 und L 81)
wo qtiam dat irst iho pranghe damit vergleicht, kann keinen Augenblick
zweifeln, wer geändert hat. Auch mit dem Verse Mj/n mont ennioichie niei
sprechen stimmt c genau zu B (FL) 320, während G 320 lautet of icht mit
einte swerde were doirstechen. Statt der verderbten Lesart C 1102 so hail
ir alle ingesinde hat c das Richtige soe fiaint yr gedoedet aU syn gesyndt,
ähnlich wie BL. Auch die nichtssagenden Zusätze G 49, 56, 343 fehlen in
c wie in den niederdeutschen Zeugen.
Einige andere beachtenswerte Lesarten von c sind folgende: G 90
blewen G, fehlt in BFcL. 99 ein iewelk sprack BFL sie sprechen alle c.
f. G. 208 jammerliken BF soe jemerlichen c mit einem schentlichen doit C.
241 min lief kint C, f, BFcL. 287 sin morder und G, /*. BFc. 357 he sprack
BFL do sprach hie c Jesus antwoirde G. 384 lange C, /*. BFcL. 567 tins
BL tzins c, f, G. 906 ere BL erue c rieb G. 941 stich B stige L stiege c
koroe G. 908 vot B vödet L gevoit c genoit G. 993 ducke G, f, BcL.
1066 doeden BL doede c, f, G. 1128 alrede BL all bereit c so balde G.
1138 toch BL tzoich c treckt G.
Andrerseits finden sich aber auch in c kleinere Zusätze, von denen G
rein blieb. Vor allen hat c mehrere Verse, die BG beide enthalten, fortge-
lassen; was meistens dann geschah, wenn das niederrh. Idiom mit dem nd.
15?
b Streit lag: 511/2, 519/20, 621/2, 767/9, 887/8, 873/4, 1017/8, 1212 H
1214 fehlen in c. Daraus folgt, dass auch C nicht aus c hervorgegangen ist.
Jedenfalls aber wird, wenn eine neue Ausgabe der Scbadescheu Gedichte ver-
anstaltet werden sollte, dazu c herangezogen werden müssen.
Eine noch nähere Verwandtschaft als unter den Kölner Drucken
besteht unter den beiden niedersächs. Handschriften. Dass in F die
Verse B 62, 352, 410 ausgefallen sind und nach B 57 einer hinzu-
gefügt wird, ändert daran nichts; denn sonst entsprechen sich Zeile
für Zeile und Reim für Reim. Es ist sogar der gleiche Fehler in
beide eingedrungen B 73 egheno. statt cneghe^ was aus einich Cc und
ynnige L sich ergiebt; denn Gott ist der Maria einziger Trost, einen
eigenen Trost giebt es nicht. Der Zusatz gi heren B 131 (= F) ist
in CcL nicht eingedrungen. Die Lücke, die in B nach V. 1151 da-
durch entstand, dass C 1180 — 84 durch Übergleiten des Auges fort-
fielen, würden wir vielleicht auch in F finden, wenn die Handschrift
so weit reichte; L allerdings blieb davon unberührt.
Aber einige Male hat F in Übereinstimmung mit Cc das Richtige
bewahrt, wo B verderbt ist. Nur durch eine Glosse ist wohl B 143
undertunschmschfydefi entstanden, während FCcL underscheyden haben.
Ebenso muss mit FCcL marter gelesen werden statt B 172 pine^ das
aus dem vorhergehenden Verse eingedrungen ist. In V. B 99 Wer
stoghen se de hauede nedder spricht die Lesart von FL de oghcn zu
sehr für sich selber; denn das Haupt schlägt man nicht nieder. In
dem unverständlichen Verse B 296 hedde ik siner nicht geweten liest
F ebenso sinnwidrig synen doth statt siner nicht, aber das steht der
Lesart von Cc sin groiee not doch näher; das Richtige ist natürlich
sine not. Nicht weniger dunkel ist B 196 darumme so scdt an
dem rechte; dafür hat F d. s. schaltu prwen rechte ähnlich wie Cc.
Die überflüssigen Zusätze BL 108 rechten 273 to hidpe BL kennen
FCc nicht. Die richtige Versfolge B 378, 377 ist in FCcL nicht gestört.
Da also der Handschrift F trotz ihres jungen Alters selbständiger
Wert zuzuerkennen ist, so darf man auch einige gute Lesarten zurück-
führen, wenn sie auch nur durch diesen Zeugen beglaubigt sind. Der
Vers nu is al vnse trost vorlaren ist viel kraftvoller als B 306 Maria
nu is it al vorloren^ wofür auch LCc stimmen; die Hinzufügung des
Namens war wohl Ursache der Kürzung. Ganz ebenso verhält es
sich mit dem Verse Och dedc dy des noth, wo B 115 und L ein spreke
ik Cc ein sprechen ich einschieben. Der Vers dnih he nicht van iw
enscheydc wird durch Anwendung des Hülfsverbunis moghe B 150 u.
('CL nur matter. Die eigenartige Losart burelmcht ist aus snode knecht
B 364 und Cc und L hocze tvycht kaum zu erklären. Überhaupt ent-
spricht dieselbe mehr der mittelalterlichen Dichtungsweise, die alle
Verhältnisse nach heimatlichem Vorbilde umgestaltet. So sitzt Maria
auf einem Stuhle B 295. Christus wird zur Erde bestattet und der
Stein darüber gelegt B 1210, so dass Maria auf seinem Grabe sitzen
kann B 1225.
Auch der Lübecker Druck von 1521 steht Vers für Vers zu B.
158
Darin, dass wir die Verse B 177—218, 257 u. 260, 295—296, 731
bis 769 nicht in L wiederfinden, darf man wohl die Absicht des letzten
Herausgebers sehen; dagegen sind wahrscheinlich durch Zufall aus-
gefallen B 370—372, 1227 u. 1228. Andrerseits ist aber L von der
Lücke in B nach V. 1151 nicht berührt worden, sondern L 1055 bis
1061 entsprechen den Versen C 1180 — 1186; es kann also L nicht
aus B herstammen. Das ergiebt sich auch aus vielen LesaHen, be-
sonders aus ynnige für yenige, wo B 73 in Übereinstimmung mit F
das falsche eghene hat. Wenn hier und da in L die Reime geändert
sind wie z. B. B 57, 121, 363, 397 etc., so sieht man bei der Ver-
gleichung sehr bald, dass BF das Ursprüngliche haben. Nur die Reime
B 847 in L stoet : bloet werden verteidigt durch die Altertümlichkeit
der Form; auch die Reime kinde : swinde B 439 wird man wegen
der Übereinstimmung mit Cc der Lesart von B vorziehen, überhaupt
neigt L in einzelnen Lesarten zu Cc hin; einmal, das ist sehr be-
achtenswert, findet sich in L 798 — 801 die Moral Cc 911 — 914, nur
in reinerer Form. Dadui*ch wird man zu der Vermutung gedrängt,
dass es schon eine niederdeutsche Handschrift des Anseimus gab, in
der die Moral der Erzählung eingestreut war.
Aus diesen bisher behandelten Lesarten ergiebt sich leicht, welche^;
Verhältnis unter den Handschriften besteht. Je zwei, nahe unter sich
verwandt aber selbständig, stehen den beiden anderen schroff gegen-
über. Die Fassung L aber nimmt eine Mittelstellung ein. Wenn
man daher mit x die Urschrift, mit y die Vorlage der niedersächsischen
Handschriften, mit z die Vorlage der niederrheinischen Drucke be-
zeichnet, so hat der Stanmibaum folgende Form, in der die Entfernung
nach rechts zugleich den Abstand von der Urschrift andeuten soll:
B F L c C
Ob die Urschrift niederdeutsch oder niederrheinisch war, darüber
sind die oben genannten Herausgeber nicht einig. Lübben hält ('
für eine t Übersetzung aus B, ohne einen Beweis zu erbringen. Schade
sucht durch eine Betrachtung der Reime darzuthun, dass ein niederrh.
Dichter der Verfasser war. Aber fast alle Sprachformen, die er lÜr
niederrh. Ursprung geltend macht, sind zugleich niedersächsisch.
Formen, in denen beide Idiome mit einander streiten, hat er fast
garniclit betrachtet. Er hat also zwar bewiesen, dass der Anseimus
nicht hochdeutsch war, aber jene andere Frage hat er nicht entschieden.
Von vorn herein muss schon der Umstand ein wenig günstiges
Vorurteil für Cc erwecken, dass in ihnen so viele seltene und alter-
tümliche Worte beseitigt sind. So wird klenliken B 193 durch van
159
hinde ersetzt, mit mychelikeme grale 628 durch mit eime gemeinen schale
icaden 244 durch getreuen, vreschet 1241 durch totsten nu, rügende
710 durch gelaufen (= L lopcn). In vor magh't B 414 scheint dem
niederrh. Dichter, ebenso wie der Lübecker Redaktor, die Bedeutung
der Anrede vor nicht mehr khxr gewesen zu sein, so dass er sie lieber
unterdrückte. Um mit höre B 71)0 zu vermeiden, sind die Reime ge-
ändert cruize : iiudfre G 801; aber der Tiefton auf der Reimsilbe
muss Bedenken erregen, wie auch die Uneinigkeit der Zeugen; denn
c hat Doe tcorpen yn die kinder vp der straisse. In derselben Weise
ist vorwoten B 1094 umgangen; aber wegen der Länge des Verses C
1122 sin moder is swairlich dairumh bedragen kann die Entscheidung
nicht zweifelhaft sein, zumal die Kraft des nd. Ausdruckes vollständig
zerstört wird. Auch L hat allerdings vorwoten^ aber in anderer Weise
umgangen. Durch ein sehr beachtenswertes Missverständnis ist Cc
82 durch irre cdre goit entstanden aus B 86 (sin blöt), dat he sedder
vor vns gbt (= FL). Der niederrh. Dichter erkannte in got (oder godt
F), wegen der falschen Schreibung nicht die Verbalform 'vergoss',
sondern glaubte ein Adjektivums vor sich zu haben, das dann eine
Änderung notwendig machte. Die Fassung der niedersächs. Dichtung
ist also zweifellos für ihn Voraussetzung.
Dazu treten dann aus den Reimworten eine beträchtliche Zahl
von Formen hinzu, welche dem Niedersächs. im Gegensatz zum Nie-
derrh. eigentümlich sind. Der alte Diphthong iu wird im Ndrh. zu
ü oder ie, im Ndss. zu ü oder c, von denen das letztere auch in ei
übergehen kann. Schade selbst (S. 7) bezeichnet opjsin (: ovddederin)
Doroth. 229 als echt niederrh. Ferner vergleiche man Margar. 290
h%0e}i :'giezen; aus einem niederrh. Kato, vorhanden in der Königlichen
Bibliothek zu Berlin (Catho teo duytschen . Impressum Colonie apud
lyskirchen^ um 1500) S. 12b dyet : niet, S. 6b besynnen : dyenen; Cres-
centia (Schade, Berlin 1853) 145,2 ich gebute, Ißßfi virkisen : virlisen^
194,5 genizen : scizen. Für den Anseimus ist nun aber aus den Reimen
ersichtlich, dass der ursprüngliche Verfasser ie zu e zusammenzog:
B 677 u. 1252 neten : heten (geniezen : heizen); B 309 neyn : teyn
(ghein : zien), während beyn : teyn B 827 u. 1062 von C geändert
sind; B 313 deif : bleif (dief : bleif); B 473 dreif : deif; B 1081
breif : dreif (brief : dreif); B 573 teken : sekcn finden wir nicht in C
wieder, aber die ungeheuerlichen Verse 577/8 müssen verdächtig er-
scheinen; B 857 wesen : grescn hat C nur durch Hinzufügung des
leeren Verses 874 ich sagen dir dat zxtaren zu vermeiden gewusst.
Sonst beachte man noch B 37 u. 161 kne : ue, 167 bereit : deit (=
deot 'Volk'), 175 untvlein : schein^ 849 vleten : geten^ Formen, die C
meist umgangen hat.
Ebenso ist dem Niederrh. fremd das e im Präteritum der Verba
der zweiten Ablautsreihe: Kathar, 402 ansagen : crslagen; Margar. 91
däden : ungenaden; Anselm. C 731 däden : beraden; 873 waren ; ewaren;
Crescentia 127,5 gesägen, 41,2 täte. Daher widerspricht Anselm. B
895 = C 919 geven : screven dem niederrh, Idiom. Allerdings ist
ISO
dieser lomsmus im Anselm durchaus nicht durchgeführt: B 703 tcären :
gevaren^ 572 dagen : sägen; sogar im Conjunct 1055 ghäue : graue^
647 wäre : Järe vgl. 1045 jär : openbar. Beachtenswert ist, dass L
jenes a V. 703 und 572 vermieden hat. Nur das praet. von don hat
immer e. Ganz dasselbe Verhältnis zeigt die Göttinger Mundart:
aus dem Urkundenbuch (Hannover 1868) habe ich folgende Formen
angemerkt: I Nr. 115 se bräkcfi; 226 tce versäghen; 227 tce säghcn;
306 we spräken; 127, 131, IS^ toären; 252, 277 teeren; 163, 350 wc
deden II, 351 we stehen. In der Nähe des Harzes ist also vermutlich
der Anselm entstanden.
Endlich stelle ich noch einige einzelne Formen zusammen, die
daa oben über die Heimat des Anseimus ausgesprochene Urteil be-
stätigen. Die niederrh. Negation hat ausschliesslich die Form nief
oder nit^ Barbara 300 nid : antlit^ Ursula 188: Ut, Marienklagc 1!>
u. 29: geschiet etc. Schade selbst bezeichnet (S. 110) nicht Barbara
61 u. 159 als hochdeutsch. Die Form nicht wird für den Anseimus
bewiesen aus B 33. 844. 982 nicht : bericht; für B 748 hat C 761
allerdings niet : gescheit. Das beweist aber nichts; denn es könnte
nd. auch geschieht statt geschut heissen, vgl. die Braunschweiger
Wächterordnung von 1563 (Urkundenbuch S. 377): Bewart iuwc fucr
u%\d licht Dat nefnande schade geschieht.
Ausser allem Zweifel steht es auch, dass der Verfasser des
Anseimus die nd. Formen der persönlichen Fürwörter wählte: wii : si
B 174, 209, 604, 793; mi : In B 390, 255; di : si B 599, 901.
Nicht in Betracht kann kommen C 1099 mir : sper; denn B 1077
(= L) hat mere : spere^ mere aber musste umgangen werden, da es
niederrh. me lautet. Zweifelhaft könnte allerdings sein B 593 mir :
hir^ L hyr : my; aber dem Ausdrucke der Bibel entspricht mehr die
Lesart von Cc mich : (were van hinne min) rieh. Die Reime haben
also wahrscheinlich ursprünglich rik : mik gelautet.
Weiter ist echt niedersächsisch die 3. pers. plur dat (: not) B
796 (= L), welche niederrh. dont oder doint lauten würde; daher
schrieb Cc die mir smaicheit doint und den doit (V. 808), wo der Zu-
satz leicht erkennbar ist. Grössere Schwierigkeiten machte die alte
Form 5/o^^stand^ (: hlot) B 208; al)er dass der niederrh. Dichter
auch den Vers dat vor ome an der erden stot vor Augen hatte, zeigen
die von ihm zugesetzten Verse C 199/200 in einem gardcn dat geschach
vp der erden dar he lach. Die alte Form hat L im Reim auch V.
754 (:== B 847) erhalten: Jiy deme cruce dat ick sioct : Hott; und
da mit dem Wortlaut jenes Verses Cc übereinstimmen, so wird er
wohl der Lesart von B vorzuziehen sein.
Als schwaches Verbum erscheint „stossen" allein im Nd., so
dass die Reime B 459 tostod : behlot (zerstossen; beblutet) nur in
diesem Idiom möglich waren, zumal auch die Zusammenziehung der
Endung, die noch ausserdem notwendig war, nur hier vorkommt (Nerger
a. a. 0. § 110). Das Niederrh. braucht das genannte Verbum nur
mit starken Formen: Margar. 203 gestoizcn : gcnoistn. Daher schrieb
161
G 467 zostoieen : mit bloide bevloizen; aber die wortreiche Unischreibung
wird schwerlich jemand als ursprünglich betrachten.
Mit dem niederrh. Dialekte streiten dann die Reime gesecht :
knecht B 363 und seghe : weghe B 233; derselbe giebt nämlich in
dem Verbum ;,sagen" dem a den Vorzug: Margar. 57 gesacht : macht
vgl. Ursula 251 gelacht (gelegt) : nacht. Auch Schade selber spricht
sich dafür aus (S. 77 u. 241). Umgekehrt kommt das Verbum ;,be-
fehlen^ nur im Niedersächs. auch mit a vor, während das Niederrh.
darin nur e hat: Marg. 119 bevelen : quelen u. Catho S. 9a quellen :
gesvlle. Daher veranlassten die Reime hevale : dale B 1034 folgenden
ungeheuerlichen Vers ind sprach vader, ich bevelen dir zomdle C 1056.
Ähnlich steht es mit h'aghen (: sJagen) B 712, ein Wort, das auch
in der Form breghen selten ist. Der Teuthonista hat es überhaupt
nicht, und Kilian hat „breghe I breghen, Sax. Sigamb. Cerebrum*'.
So ist es denn nicht zu verwundern, dass C 724 die Reime wangen :
Stangen vorzog. Aber es wird uns auch zugemutet zu glauben, dass
die Dornenkrone dem Heilande auf die Wangen gedrückt sei, nicht
auf Stirn imd Hinterhaupt.
Aus den vorgeführten Sprachformen darf man folgern, dass die
Urschrift des Anseimus, wie es Lübbens Ansicht ist, in niedersächs.
Landen entstanden ist. Es ist vielleicht sogar möglich, den Ort noch
näher zu umgrenzen. Aus den Reimworten sS : e B 731 u. sS : to&
B 248 folgt, dass das Fürwort we 'wir' lautete. Diese Form findet
sich schon sehr früh in der Gegend des Harzes, in Braunschweig
(Urkundenb. Nr. 2 § 60. 1227), Wernigerode (Nr. 69. 1323), Göttingen
(Nr. 53. 1303). Um dieselbe Zeit hat der märkische Dialekt noch
tvye und • das nördliche Gebiet wy (Nerger § 144). Das Fürwort os
B 873 statt üs ist freilich nicht durch den Reim gesichert, aber man
darf es vielleicht doch zur Schlussfolgerung verwenden; gerade die
genannte Gegend verwandelte darin das u zu o, Wernigerode (Nr. 72.
1324), Braunschweig (Nr. 46. 1367), Göttingen (Nr. 74. 1318).
Jedenfalls scheint die Vermutung berechtigt, dass am Nordharze die
Heimat des Anseimus ist, und also die Braunschweiger Handschrift,
die älteste von allen, wenn sie auch nicht ganz frei von hochdeutschen
Sprachformen ist, dennoch am nächsten dem Ursprungsorte ent-
standen ist.
In der hier nun folgenden Übersicht der Lesarten von F sind
die rein orthographischen und ganz unwichtigen Abweichungen über-
gangen; nur wo es die Deutlichkeit erforderte, sind zur Vergleichung
die Lesarten von BCcL herangezogen.
45 wo etc. statt wu. sy tho deme dode ghokamen. 46 wente etc. hane
Vornamen. 47 em etc. statt ome u. oue. martel. beschach. 48 dath du nach.
49 Stede byst by em ghewesen. 50 So de. hebben etc. boschrewen. 51 AUent
dath se hebben gheseen. 52 Men. en /. etc. auer en. 53 hebben etc. statt hebbet.
54 wet. neynen. Nach hl Beyde groth vndecleyn F, /. BCcL. 58 Men. leue /.
59 wil BL wolde F woilde Cc. 61 vü BL szo F soe Cc. 62 /. 63 de BL dat
F die Cc. achaltu etc. statt der Formen mit o. 64 or al B en allen F al Cc my
oek L. 65 scal. dl /. grote. 66 Darvan. leth. 67 one IT m Cc ene. L mynen
NiederdeutsoheB Jabrbach. XIX. H
162
sane F. 68 se em vphenghen. 69 dat BCcL ock id F. 70 moste darvan B moiste
daevan Cc wolde my F scholde ray L. 71 met etc. statt mit. aughesach. 72 wan
B mer FCc doch L. ik /. trurcn. 78 eghenc B eyghene F cinich Cc yimige L.
74 vri B, /. FCcL. het irloset. 75 di /. gheii. 76 hebbe gheseen. 77 irst.
78 bidde /. 79 dath irst. to den prangen B tho praughe FL tzo spränge c is
ergangen C. 80 sane. ghehangcn. 81 wath. 82 scach. den u so oft statt dem.
donredaghe. 88 sath. 81 lepliken dat B leeflikcn dat L de IcfHiken F inde lief-
lich C und lyffelichen c. he /. 85 ou /. vlesk. bluth. SG sze godt. 87 ok B
noch FL /. Cc. guthe. 88 em alle or votlie. 90 bogiinde. thoklaghen. 92 met
vns an der schar. 93-98 zerstört. 99 wer/, oghen FL houede B. 101 don
etc. statt do. desse etc. statt disse. 102 cm. 103 ocrer. 104 vorghan. 105 alzo.
106 gades bniste. entslapen. 108 segghe. rechten BL /. FCc. 109 vns weseu
boricht. 110 nicht. 111 meister BL Icue m. F here m. Cc. 112 wet dat wol dat.
118 Nummer mer edder nu wil ick. 114 myd dy my. 115 Ock dede dy des noth.
116 wolde med dy ghan an. 117 he en vorsakedc. 122 vil sere. 123 vorwart.
124 miner drie. 125 er de haue krcget. 120 best mv nv. 128 war etc. statt wor.
129 de /. 130 den ioden vorsten. 132 iv f. 134 Dar sint ghy lange na bestau.
135 heren BL mcyster (meister) FCc. 136 mit/. i:>7 druttich pennyghe in. l:»s
schollen etc. statt der Formen mit u. bokant. 139 vnsc B myn (min) FCcL. 141
ghelick an oeren gheberen. 142 können elc. statt der Formen mit u. 143 oere.
twischen / FCcL. 144 so f. FCcL. darna /. 145 wentc ick en. 146 an der
sulven B to der sulucn L zo der selver Cc tho desscr F. 149 ene. 150 Dath
he nicht van iw enscheyde. 151 do ghcbleven. 152 dath. 153 sane etc. in den.
154 heit /. warde 155 van iv BL van uch Cc nu F. 158 an BL in FCc. ir>o
sinen. 161 szo rechte lede. 162 an de B vp syne (sine) FCcL. 165 ben. wentc
an. 167 huden etc. 168 joddoschen dcit B snoden iodischeyt F snoder joctscheit
c boeser joedscheit C quaden yödescheyt L. 169 dick. 170 dyne hulde. 171 vocr,
172 ik de pine B my de martcr F de marter L der raartilien C der groisser mar-
telien c. 173 Dat mach syn wo dath sy. 174 gesche B de schal sehen F schal
scheen L sal geschien Cc. 175 entvlcn. 176 gebcdest BL wylt F woult Cc. 177
borycht. 178 wer /. edder nycht. 179 antwcrdede. orae /. FCc. 180 den hemmel
her. 181 he. stedc. 182 marter B pyne F piuen Cc. 183 vader. wil etc. statt
wel. 184 menschen, vt der B vth aller F uiz alre Cc. 186 em was. 187 dath
he dath vruchte 188 sint dath. 190 dorch etc. statt dor. 191 heth vmme. 192
moder etc. eync. 193 Se hath ene klcnliken vp ghetaghcn. 194 iunckfrowelike.
het. 196 an dem B proven F procven C myrken c. 197 werdet eddele lüde.
198 vole wers. 199 wen graue, dath ys. 200 vruchtede he. 202 saken. 2^4
den doth vorghevruchtet. 206 synen schonen. 20S stunt. 210 drudde. 212 alle.
214 synen. boreyth. 215 on f. 216 ianimerlik em. 217 dar vare was. 219 dath.
221 leth M. so oft statt der Formen mit ei. synen. 223 sine BL sin Cc de F.
224 erer en. vp der. 225 scapen u. so öfter ohne die Vorsilbe ge. 226 groten.
227 em tho. 228 ineghe / FL. 229 alzo. 230 seit / kummct hir here. 231
den. nen. 235 der orkunde B der stunde FL einer stunden Cc. 236 minen BL
min Cc dynen F. 238 lopen. 239 reclite szo. dauendich. 240 vnde kussede cue.
241 grute. 242 dath moth. 243 sus. 216 wen. 247 den /. 248 it B datli F.
SV. 249 Twige B twye L drie F zo dem mail (\ f. c. 251 vat B tastet F gripct
L. 253 do /. 254 ene. 255 borichte. 256 de BL die Cc syne F. al /. 251»
bleflf. 260 alle. 261 stunt dar. vthghcsceydet. 263 dat sulfftc brachte hy hervoer,
264 hew. sin ore Bli dath oer F dat oir C syn oir c. 26() ene sunt, sprack,
267 peter desse sulffte. 268 steck, dyne schoyde. 269 darmede wyllen. 270 dar
doth van. 271 wunste des B meinestu Cc Meynstu L dat wetestu wol F. 272
vole beth erneren. 273 to hulpc /. lüde. 274^ saude. 275 wol /. der eugeleu
schar. 276 weren B werden F sin C hclflfen c helpen L. 27S alsus. 279 borycht
280 was don dar. 281 sin B siner L synes F vil uae C bynae c. 282 miner /.
283 dar was. 284 dar vmme B dar F. dar BL donc F. 285 wes haddcstu dos.
286 muchte. 287 also. 289 dath. 292 syncs. leider / 293 war etc, statt wur.
künde. 294 wo node dath ick eyue. 29(5 sinor nicht B synen doth F sin groize
noit Cc. 297/8 Ma^ia wcstestu dar nicht van Wo Icth he dy dath vorstan.
299 höre nv BL nu höre Ancelme F Anselme nu höre Cc. 300 Wo drade dath
163
me dy dath both. 301 herc. 302 rechte /. 303 de /. rep. 305 wy worden ife.
306 Maria /. it al B dat alle L it allct Cc alle iinse trost F. 308 den konningh
B dyn (din) kint rd. diu lieflf kynt c. 309 weth. 310 then. 311 nych. 313 met
cm. " also B so F. deff. 314 weten. dat /. 315 icht B don nycht F do nicht L
doe iet Cc. 317 machstii. wol /. 318 wer B effte FL of Cc. nycht. 319 wolde
BIj woulde Cc mochte F. 320 nicht raer BL my nich F niet c, C interpoliert.
321 Ick kuude noch hören edder scen. 322 My wolden nych dragen myne been.
323 wcren vuUenkomen B wcrcn viillenbracht F worden oek vullenbracht L quamen
Valien C quamen myr in vallen c. 324 hern f. 325 nach den olden szeden. 326
nam myn kint. 327 unde B\j don F doe Cc. in de kerke. 328 dar vrome vingh
B entfingk FL entfeink (enfcinck) Cc. 329 sine arme B sine armen L den armen
F. sprack. 331 van smertc. 333 done. 336 in. 337 one B dar F. 338 tho em.
342 an den suluen stunden. 343 quemen. 344 vorneraen. wy etc. statt we.
344a borichte. 345 id B dit Cc dat Ti he F. 349 weten. 351 ghebrocht. 352/.
354 ok /. 355 wat /. vraglien. 356 Ick kan iw apenbare saghen. 357 stille.
358 de hebben mennich van my ghehorth. 359 Se weten dat is /. 360 scolen
B sollen Cc möghen FL. 361 wolde B wyl (wil) BCcL. 362 icht BL iet Cc ock
F. 363 si BCc se F. 364 suode (snoede) kneclit BCc boze wycht L bureknecht
F. 365 he. min kint BL mineu son Cc mynen sane F. an sin BL an ein ('c
by dath F. 366 wath bystu cyn dul dore. 367 so. 370 iungherman. 371 ouel
di B hir ouel F ie ([ualich Cc. 372 hestu. mir B my wol F. 373 ef. arges B
ouel (oevel) F('c. 374 scoldestu my so sere slan. 375 segghe. 376 dar mere B
em mer tho leyde F em nu meer to leyde L eme me zo leide Cc. 377, 378 in
umgekehrter Folge in FCcL. 377 nemen. dock. 378 unde B se FL si Cc. 379
ome /. 380 wente. 381 nicht BL ny F. 382 Se gheven em mennyghen harden
slach. 38:» welke tid B zo ietlichcr zit as C wen FL als c. 384 spreken cm tho.
3h5 effte. prophete byst. 38() van wene dath. 387 vele. 388 nidich B ere L
cyn swinde F ein ungclich Cc. 390 dat /. 391 nv B my FL, /. Cc. klaghe.
392 wu B wo L so F alzo Cc. saghe. 395 doer. 397 Mariam magdalenen. 399
owe wer ik B o wcre ick L och we ys F owe is Jhesus Cc. 400 leue frowe kony-
ginne. 401 ghat B hol FL loch (locch) Cc. 402 dar lepe wy tho. 403 alle de.
404 me. 405 sincn iuugheren ghesiude. 406 jenian B neman C nyeman c nemant
L ennych F. 407 yniic. 408 pctrum. sick. 409 petrum. 410 /. 411 de. 412
mit ome B wol bv em L met em er F mit Jhesus Cc. 413 van ome B he FL
])cter Cc. vortzagliet. 414 llc B Vnde FL. 415 to dem vure B bi dat vuir Cc
l)y dat vure L vocr de dore F. 416 Tho handes qwam dar en. 417 Se. de
sulffte. 418 dar io nich. 419 druddon. grutte se en. 420 swur. nv BL nie Cc
nych met ogen F. 422 cnc vorsakede. 423 van /. petrus dat. 424 sane ene
don ansacli. Mit 424 l)rieht F ab.
FÜRSTENWALDE. P. Graffunder.
Ein Spottgedicht auf die Kölner
Advokaten.
Dio im Jalirbncho 18, 114 boschrieluMie Darmstüdter Handschrift,
in (lor uns dio älteste Fassnni^ dos l?nl)onordons ül)orliofort ist, ent-
hillt .'iiioh (»in in Köln ontstandonos satirisohos Godioht, dosson Titel
'tYin (hii Süllhonuii' ()fl'oid)ar auf Jone Soliilderung der betrügerischen
Landstreicher Bezug nimmt, um sie mit den Trocuratoren des geist-
11*
164
liehen Gerichts zu vergleichen. Unverhohlen spricht der wohl unter
den niedren Bürgern Kölns zu suchende Verfasser seinen Hass gegen
die nach den ilim unverständlichen lateinischen Gesetzen und Formen
verhandelnden Rechtsgelehrten, die fortwährend Geld und Geschenke
von ihren Clienten verlangen, aus und nennt sie sogar einzeln bei
Namen ^). Hierdurch liefert er uns die Möglichkeit, die Abfassungs-
zeit genauer festzustellen. Da der in Vers 40 und 53 erwähnte Gis-
bert Spull 1474 starb, muss das Gedicht vor diesem Zeitpunkte ent-
standen sein; die übrigen Namen machen es wahrscheinlich, dass es
dem Decennium 1460 — 1470 angehört. Leider bricht die Handschrift
mitten in der Erzählung ab.
Verwandten Inhalt hat ein im Berliner Mscr. germ. fol. 564,
Bl. 276a unter den Sprüchen Heinrich Teichners überliefertes Gedicht
des Baiem Heinrich Kaufringer, das nebst acht andern Sprüchen
derselben Handschrift dem Herausgeber von Kaufringers Gedichten,
Karl Euling (Tübingen 1888. — Progr. Lingen 1892), unbekannt ge-
blieben ist. Es führt den Titel 'Von den vorsprechen' und beginnt:
Ain böser sitt ist auffgestanden
In Payren vnd in andern landen,
Das man die uorsprechen myetten sol;
Das geuellt mir nit gar wol.
Als Beispiel für die Bestechlichkeit der Advokaten erzählt Kaufringer
eine Geschichte von einem Schuster, der dem Fürsprech ein Paar
bockslederne Stiefel schenkt, aber trotzdem seinen Process verliert,
weil sein Gegner, der Kürschner, jenem einen Fuchspelz gebracht hat.
'Der fuchs der hatt den bock gaß\ erwidert der Advokat dem klagenden
Schuster. Aehnliches berichten Pauli, Schimpf und Ernst Nr. 125.
128 mid Kirchhof, Wendunmut 1, 12G. Dass gerade in Baiern und
Würtemberg ein grosses Misstrauen gegen die seit dem Ende des 14.
Jahrhunderts auftauchenden Rechtskonsulenten herrschte, wissen wir
auch aus andern Quellen^). Anschaulich und öfter an unser Gedicht
erinnernd schildert der Oppenheimer Drucker Jakob KöbeP) 1511
die erbitterten Klagen der Bauern über die habgierigen und in un-
verständlichem Latein verhandelnden Procuratoren, denen er in einer
Dorf schenke zugehört hat:
Ee ich dann den oifecal geschweige
Und was ich im fruntschafft erzeige
Und ich im die hend vol stopff,
So spot er doch mein in seinem kröpft*.
*) Herr Dr. Hermann Keusscn hatte die Freundlichkeit, mir die weiter unten
angefiihrten biographischen Daten über die im Gedichte erwähnten Juristen aus
der von ihm herausgegebenen Köhier TTniversitätsmatrikel zur Verfügung zu stellen,
wofür ich ihm auch an dieser Stelle den vcrbindliclistcn Dank sage.
*) Stobbe, Geschichte der deutschen Ilechtsquellen 2, 50. 1)5 (1864). Stintziug,
Geschichte der populären Littcratur des röm. kanonischen Hechts in Deutschland
1867 S. XXni. XXXI.
') Uir in man von der fledcrmuß list Und was der Procuramus ist. Oppen-
heym 1511. 8°; abgedruckt bei Weiler, Dichtungen des 16. Jahrhunderts 1874 S. 4.
166
Ich gib im hüner, butter, ayer da mit,
So begint er zu sprechen: 'Das ist die recht sit;
Nym einen Procuramus do,
Dem schenck auch also!'
Der bgint dann zu plecken und plärren
Und schreibt mich ein vor eyn narren . . .
Wie eine solche Verhandlung vor dem Official verlief, ist aus
dem lustigen Fastnachtspiele vom Eheprocesse des Bauern Rumpolt
und der Bauerndirne Mareth^) zu ersehen, in welchem allerdings der
liiebeshandel der Genannten und nicht die Bestechlichkeit der lateinisch
verhandelnden Gerichtspersonen den Brennpunkt des Interesses bildet.
Dagegen nimmt in dem Pfarrkircher Passionsspiele*) unter den von
den Teufeln in die Hölle geschleppten Vertretern einzelner Stände
ein Vorsprech die erste Stelle ein, der das Gerade krumm und das
Krumme gerade zu machen pflegte. In einem Meisterliede des Hans
Sachs ^) wird ein Jurist als Bauernschinder, in Waldis' Aesop 4, 38
ein Fürsprech als Zungendrescher, in Paulis Schimpf und Ernst Nr.
117 als Höllenkind verhöhnt. Und so eifern auch die Sittenschildrer,
wie Rodericus Zamorensis*), Jodocus Gallus*^), Seh. Brant®), Thomas
Mumer'), häufig gegen die Betrügereien der unredlichen Sachwalter.
Einiges andre Material über dies Thema hat W. Kawerau in
in der Vierteljahrsschrift für Litteraturgeschichte 6, 27 — 34 gesammelt.
[ß^^^, i] Dit is van den sali boenen.
So wer in den sali wilt gain dyngen,
Deme raden ich in sijner mauwen zo brengen
Eyoen bndell harde swair.
Want yrst as hey is komen dair,
5 So moistn den richter zo vrnnde machen,
Dem brenge capnyne, hoinre, ander Sachen.
Deistu des nyet, ich will dich weren,
Wonltu yem die hant nyet smeren,
Dijne sach wirt dir verioiren,
10 Weirstu van konynck Arthur geboeren;
Dat enhilpt dir mit allen nyet,
') Keller, Fastnachtspiele 2, 987. Nachlese S. 246. Sterzinger Spiele hsg.
von 0. Zingerle 1,- 1 und 114 (1886).
■) Wackerneil, Die ältesten Passionsspiele in Tirol 1887 S. 100.
«) Dichtungen hsg. von Goedeke 1, 201 (1870).
*) Spiegel des menschlichen Lebens, übers, von H. Steynhuwel o. J. Bl.
XXXviijft 1, 17—18. Auf Bl. XXXXV» eine Stelle aus H. v. Trimbergs Renner
iiber die Judisten.
°) Mensa philosophica. Coloniae 1508 Bl. 36a. 43a *de advocatis^ (zuerst 1489).
•) Narrenschiff 71: *Zancken und zu gericht gan'.
^) Narrenbeschwörung 21 *Ein loch durch einen brief reden'; 23 *Die federn
spitzen'. Schelmenzunft 2 *Ein loch durch einen brief reden'. — Vgl. noch das
Fastnachtspiel von Claus Bur V. 425 und Frischlins lateinische Susanna 11, 5.
y. 1 sali = Curia, das geistliche Gericht des £rzbischofs. — 12 Dieselbe
Redensart steht auch im Fragmente vom Würfelspiel V. 6 (oben S. 93). — 23plucken-
nyerre, wie unten V. 37 plucketoir von plucken (rupfen, seines Geldes berauben)
mit Anlehnung an Procurator gebildet.
166
Hey en liest dir des hairs am arse nyet.
Alsdaun committiert hey die sachen
Eyme «duocait, der wirt dich rächen,
15 Der reickt dir dar sijne haut.
Haistu geyn gelt ader ander paut,
So en histu yem liefF noch wert,
Hey spricht: 'VerkoufF koe oflF dyn pertl'
lud wijst dich in des procuratoirs hnyss.
20 Der macht dich noch me confuy^s,
Der gifft dir dijne sache gewonnen.
Mar as des schrijnens is beguunen
Ind die pluckennyerre sijn gekoereu,
So ist bewijien oner halff verloireu.
25 Want dan moiss man in den budel gain.
Yrre wort en kan man nyet verstain;
Want wat sij sprechen, datz latijn.
Idt dunckt mich allit eyne lose geselschaif sijn.
All schrijnen sij nyet eyns vyngers lanck,
30 Sy wilient geioint hain zo groissem danck,
Sij sagener [?] maich noch h dar
[Lücke von etwa fÜ7if Versen, J
[B62b, 2] Id sij der plucketoir off aduocait,
Sij soecken menchen losen rait.
Idt sij Segener, Myelenheym ader Back,
40 Valentijn, Spull, Berck ader Peffersack,
Dise gesellen sijnt altzijt in der wer;
So wa die Sachen komen her,
Die heischen vns zom segeler gain.
Sijn clerck wirt vns den kappes slaiu,
45 He heischt vns gülden ader croneu,
Dair mit moissen wir yem Ionen.
Och got, weulds du sij eyns castijen!
Sij enlaissen vns nyet gedijen,
Dat wir armen yedt behalden;
50 Des moess yrre der dunell walden.
Ich qwam eyns up eyne platz gega[in],
Peffersack, Berck ind Valentijn /varit ich dair] stain
Ind Gijssbert Spull, yren gesellen;
B9 Adolf Segen er war 1476 Procurator curiac, 1481 Advocatus curiar
(Matrikel Nachtr. 170); Johann de Melcnheym 1440 Procurator curiae Colonienj«i>
(Matrikel 205, 68); Walter Back 1455 Advocatus curiae, 1459 Ofticial, starb 14(>^
(Matr. 178, 35); Martin Back 1460—1476 Procurator (Matr. 178, 36). — 40 Wil-
helm Valentin i de Bredc war 1439 Baccalaurcus in dccretis, 1455—1460 Pro-
curator curiae (Matr. 174, 32); Gisbert Spul 1451—1466 Procurator (Matr. 113.
29), starb 1474; Theodoricus de Berka 1455-1459 Procurator iiscalis (Matr. 201»,
47); Johann Pepersack 1460 — 1471 Kotar, 1468 Procurator Iiscalis. — 43 scgcler
ist der erzbischöfliche Siegeler, der die Gerichtsgebühren erhob ; damals bekleidete
Swederus" de Thoer diesen Poston, und zwar schon seit 1444 (Matr. 138, 10. Au.«^-
gabe 1, 198). — 44 vgl. N. Manuel hsg. von Baechtold 1878 S. 60 'Wir müessend
üch den kabis bcschnidcu' und S. 302 'Dcu kabis dir mit trüwen brupft'. — 52
Der Ausfall der von mir eingeschobenen Worte ist iu der Handschrift nicht angedeutet.
167
Van den sali ich nch eyne bürde erzellen.
55 Die spraicheu zo samen latijO)
Ich dacht: 'Och got, wat mach dat siju!^
Ich hatte mit eyme get zo doin,
Ich was 3^em schuidich vmbtryut eyn cro[iu],
Die hey mir qwalich hatte äff verdient.
60 Ich waiude, dat die ander weren myn vr[unt],
Dat sij mir van yem helpen seulden.
Ich geloeffde den, wat sij hauen weulden,
Yecklichs wijne eyn guet stuck v[as]
Vau dem besten mir gewaessen wa[s],
65 Dat sij dat beste darin seulden sain.
Dair mit gienck ich bij sijden stain,
Off ich yedt van yn hadde gehoirt.
[Mit] deme sprach der .... dat [voirt]
BERLIN. Johannes Bolte.
Trinkerorden.
De xviij. egendome der dreiickers.
Hort tlio, yiinck, oldt, frauw viul mtiii,
Der (Irencker ordeu hyr sick heuet an.
Ein yiiwelck dreneker raerck gar euen,
Wer he in dessem orden mede sta gesehreiien.
.") Drey süsse sint der dunen dreneker wereke
Na desser seliritt't; ein vwliek hefft svne mereke.
De erste wys vnd van altho seliarper witte.
De ander röniet, wo he groth gudt hesitte,
De iij. süpt vnd frett vp allent, wat lie krieht,
10 De iiij. Uieht, wasschet vnde nieht vorswicht,
De V. ein esel, de wil l)olsc]ioppie pk^gen.
De vj. kyfft, em diinckt, he sy en all auerlegen,
De vij. wil dar all syn gudt vorköpen.
De viij. ein rüwer, siek hy den harn wil röpen,
15 De ix. wert vnhöueseh mit worden gefunden,
De X. swert hy gade vnd synen wunden,
De xj. ein ape, wil schrien vnd syn hehend,
De xij. geit vnde strampelt an de wend,
De xiij. slept vnd smift't na egels ardt,
20 De xiiij. röpt Olriek vnd wiseht dcMi hardt,
De XV. sitt vnd kau ehi wordt nieht spreken,
De xvj. wil gieß vnd kniß thohreken,
168
De xvij. singt vnd lett sine kelen klingen,
Den xviij. kan de düster nicht to bedde bringen.
25 Hirby merckt vnd auerlest disses ordens spil!
Welcker sick hinian entschuldigen wil
Vnd nicht wil syn im orden mit pralen,
De schal dat gantze lach betalenJ
Aus einem Liederdrucke des 16. Jahrhunderts: Veer schöne
le I de, Vam Slömer. Dat ander, Ve- | nite gy leuen Gesellen ane
sorgen. | Dat drüdde, Van söueu Stalbrö- | dern. Dat veerde, Van
den achtein | eigendömmen der Drenc- | kers. | Dat is ein Narr in
Lyff vnd blodt, | De einem armen Minschen vnrecht doth. Q | Ick
wil freten, supen vnd störten, | Minnern myn gudt vnd leuendt körten. |
4 Bl. S^ o. 0. und J. (Berlin Yd 9509). — Das erste Lied steht
hochdeutsch bei Böhme, Altdeutsches Liederbuch Nr. 358 = Uhland,
Volkslieder Nr. 213; das dritte bei Böhme Nr. 422 = Uhland Nr. 198.
Zehn Arten von Trinkern schildert ein Gedicht des 14. Jahrli.
'de ebriosis et vinosis', das die Brüder Grimm in den Altdeutschen
Wäldern 2, 188 aus dem Gothaer Cod. chart. A 210 abgedruckt haben.
BERLIN. Johannes Bolte.
JahrMch
des
Vereins fllr niederdeotsche SpracMorschong.
Jahrgang 1894.
XX.
HORDEN nnd LEIPZIG.
Diedr. Soltau's Verlag.
1895.
Druck von Dieclr. Soltau in Norden.
Inhalt
Seite
Die Glückstädter Mundart. Zweiter Teil. Von J. Bernhardt. . . . 1
Die Präpositionen und präpositionalen Adverbien in der Mecklenburger
Mundart. Von K. Wossidlo 40
Zur Geschichte der Pommerischen Kanzleisprache im 16. Jahrhundert. Von
Willy Scheel 57
Einleitung 57
Material und Methode 58
Die Kanzlei und ihre Beamten 61
Die Korrespondenz der herzoglichen Kanzlei 65
Die Sprache der herzoglichen Kanzlei 66
Die Sprache der Katskanzlei 71
Schluss 76
Die Bielefelder Urkundensprache. Von H. Tümpel 78
Zu John Brinckmanus Erzählungen. Von B. Sprenger 89
Die alten Kalenbergdrucke und Uebersetzungen. Von Wilhelm Koppen 92
Wert der Drucke für die Textkritik 92
Der herstellbare hochdeutsche Text des Kalenbergers 99
Der niederländische Text 101
Die englische Uebersetzuug 105
Zu den altsächsischen Bibelbruchstücken. Von W. Schlüter 106
Physiognomische Lehren. Von AlwinLonke 122
Ueber die mecklenburgisch-plattdeutsche Mundart in Bemerkungen zu Richey's
Dialectologia Haraburgensis von J. Ch. F. Dietz 12Ji
Der Wegekörter von 1592. Von J. Bolte 132
Van einem köninge, Bonhasen, Besen, Einhorne vnd wilden Swyne . 135
Ein Fabel van einem Arsten 138
Verzeichnis der Mitarbeiter und ihrer Beiträge in Bd. I-XX 139
Übersicht der in Bd. I-XX abgedruckten nd. und ndl. Texte 145
Eegister zu den Bänden I-XX 149
Die Glüekstädter Mundart
Zweiter Teil.
(Vergl. Nd. Jahrb. XVIII, 81 ff)
Der Koiisonantisinns.
§ 37. Über den Lautwert der Konsonanten ist das Nötige
schon Nd. Jahrb. XVIII., 84 fF. gesagt, ich muss hier aber noch
einmal darauf zurückkommen, um zu einigen gegenteiligen Äusserungen,
die inzwischen gemacht sind, Stellung zu nehmen.
1. In § 4,1 heisst es: „Die Tenues ;>, t^ k sind, wenn sie
allein oder mit r, l, n, w verbunden ... die Tonsilbe oder ein Wort
beginnen, immer aspiriert." Also haben z. B. in kantö.% Kontor,
krakeln krakeelen, /)ti'l Partie, Partei, prampöln schimpfen jedesmal
die beiden ersten Silben aspirierte Tennis (natürlich ist die Aspiration
der die Tonsilbe beginnenden Tennis die stärkere); ebenso ist in
(Jgtain dreizehn, föafain vierzehn usw. das t aspiriert, weil tai:n ein
selbständiges Wort ist. Dagegen ist in krtiklüdil Krokodil, lüiümü/l;/'
Lokomotive das k der zweiten Silbe unaspiriert^), ebenso das t in
dotl dreissig, fofll fünfzig usw., weil -^l, -tlx kein selbständiges Wort
ist; in kivid quoll ist das A' aspiriert, in kvul = ik vul ich wollte
unaspiriert. Demgemäss sprechen wir in Wörtern wie vinta Winter,
munta munter, Imuto bunte, mantl Mantel unaspiriertes ^, unterscheiden
aber z. B. sehr deutlich hd. Üherwinder von ührrwwterv. (Vgl.
Korr.-Bl. XVI., 94 nr. 9.) Dasselbe gilt von vS.ta 'Wasser' (Korr.-
Bl. XVII. 32 nr. Iß). Vgl. auch unten 3 und Bremer, Phonetik
§ 177 Anm. 2.
2. Weiter heisst es (§ 4,2), die Medien seien stimmlos. Dies
bezieht sich zunächst auf das Fehlen des Blählautes. Nun sehe ich
aber aus Bremer ^ HS Anm. 2, dass in der norddeutschen Aussprache
im Anlaut 6, rf, g überhaupt ohne Blählaut gesprochen werden und
dass ;,die Stimme erst im Moment der Explosion, während des vorher-
gehenden Verschlusses aber noch nicht in Wirksamkeit tritt" (§ 17(5).
FjS mag sein, dass es in meiner Mundart auch so ist, d. h. dass die
Medien doch ^zur Hälfte^ stimmhaft sind; ich habe es jedoch nicht
bemerken können und meine, dass die Stimme erst bei der Aussprache
des folgenden Vokals (oder Z, r usw.) in Wirksamkeit tritt. In dieser
*) Im Ild. sprechen wir bei sorgfältigerer Aussprache auch in nebentoniger
Silbe im Innern der Wörter aspirierte Tennis: lokhomothive, khrokhodiL
Niederdeutsohes J&hrbnch. XX.
Ansicht bestärkt mich der Umstand, dass bei schärferer Artikulation
— in emphatischer Rede — statt der Media geradezu (unaspirierte)
Tennis gesprochen wird. In den Aufzeichnungen, die Abbe Rousselot
mit seinem Apparat in Greifswald gemacht hat und die Prof. ReiiTer-
scheid auf der Versammlung in Köln vorzeigte, ist das b eines Ham-
burgers, obwohl es zwischen stimmhaften Lauten steht (em bani)^
stimmlos, vorausgesetzt, dass die Abgrenzung der einzelnen Laute auf
der kontinuierlichen Linie richtig ist, was ich nicht kontrollieren kann.
3. Auch in neben- oder untoniger Silbe unterscheidet sich eine
Tennis von einer Media (doch vgl. unten 4) durch ihre schärfere
Artikulation (durch die Geschwindigkeit des Ein- und Absatzes, Bremer
§ 84. 85), ausserdem ist die Quantität des vorhergehenden Vokals
(§ 6) eine andere*), ein Unterschied, der den mittel- und süddeutschen
Mundarten fremd zu sein scheint^): hd. llta Liter, ll:da Lieder; r^ip
Räte, r^:d9 Rede; laitn leiten, lai:dn^) leiden; boüa Beute, gdlboudg
Gebäude; entd Ente, enndd Ende.
4. Das unter Nr. 2 über anlautende Media Gesagte gilt über-
haupt für Media vor betontem Vokal: hd. gdbltn gebieten, bedinn
bedienen, gdg^:hm gegeben usw. In nebentoniger Silbe im Innern einer
Taktgruppe scheint dagegen häufig ein stimmhafter Reibelaut ge-
sprochen zu werden: hd. dih9f^:h die Befehle; ll:ha lieber, y:bZ übel,
ll:da Lieder, ll:^^ Hege, ß:7;l Vogel, for^-jugi Bewegung, ^fcilp Erfolge
usw. (Wir sprechen niemals, wie es wohl in mitteldeutschen Mund-
arten geschieht, ßxl, erfolja^ hdv^:jui}k o. dgl.) Es ist in diesen Fällen,
wie schon § 4,8 hervorgehoben ist, vielfach sehr schwer zu ent-
scheiden, wo der Verschlusslaut aufhört und der Reibelaut anfangt;
h^ d, g in den Verbindungen fem, dn, ^g sind sicher Verschlusslaute (§ 9).
Im übrigen bemerke ich, dass ich, soweit es ging, vermieden
habe, bekannten Lauten und Wörtern ein fremdartiges Aussehen zu
geben (z. B. für aspirierte Tennis jjä, /ä, kh zu schreiben), vielmehr
bestrebt gewesen bin, mich möglichst eng an die hergebrachte Ortho-
graphie anzuschliessen.
§ 38. eieitlante.
Gleitlaute als solche werden in der Regel nicht bezeichnet, sie
können sich aber unter Umständen zu vollen Lauten entwickeln, sowie
umgekehrt volle Laute zu Gleitlauten herabsinken können.
') Auch im Auslaut ist die Artikulation der Konsonanten nach kurzem
(halblangem) Yokal energischer als nach langem (überlangem), also in bot Boot
energischer als in bö:t Bude, vgl. hd. braut die Braut und brauet er braut (= brauet).
*) Daher wohl die verhältnismässig zahlreichen Reime, wie geraten : verladen,
reiten : leiden, Kante : Lande, in denen nach unserer Aussprache und fiir unser Ohr
Bremer ^ _-., -- „ — , — „
ist die Engenbildung des i und ü etwas grösser, d. h. das das i und ü begleitende
Reibungsgeräusch (Bremer § 50 u. 66) ist etwas stärker als bei den Diphthongen,
die ich als lang bezeichnet habe.
1. Gleitlaute zwischen Konsonanten.
a) Zwischen m und t steht der Gleitlaut p ; wird in nachlässiger
Aussprache oder bei Konsonantenhäufung das t weggelassen, so
erscheint ein volles p. So entstehen Formen wie Äö lump er kommt,
nimp nimmt, Jempil sämtlich, mitsamps mitsamt, hemp Hemd, fremp,
frömp fremd, ^öwärnj} guten Abend, (atnp Amt), himpm Himten (ein
Hohlmass). Ähnlich ist auch wohl das p in imp Heimchen zu erklären.
— Ebenso wie p an die Stelle von t tritt, erscheint k statt t hinter g :
Äar)r)fc Ärtts = Äagg^ kr\is hängt kraus, wi'gig = nii^tn neunten.
b) Vor l schiebt sich zuweilen ein d ein (vgl. § 16,i; 22,«):
ÄöÄ Kerl, Mdl, kMl Karl, p^dl Perle, midlblöm Marienblümchen
(Bellis perennis), seltener ein t: noetln neben, noeln zögern (dän. n0le.)
Jlbenso ist das d in handl Handel nur Gleitlaut.
c) Wie sich schon in den ältesten Zeiten zwischen s und r ein t
entwickelt hat (z. B. in *$toestr Schwester), so findet bei uns cßsta (Plur.
von ks Aas, als Schimpfwort), ktlstrullok Loch für den Luftzug in
altmodischen Feuerherden (vgl. frz. casserolle); vielleicht gehört
hierher auch ßstrvn rittlings.
d) Zu bemerken ist noch der Gleitlaut zwischen labialem oder
gutturalem Verschlusslaut und n: ip^nna (dreisilbig) offene, ^:hnin9
ebene, ö:^i)Ha eigne, rceiy^^na Rogener (ein Fisch mit Rogen), vgl. § 5.
2. Gleitlaute zwischen Vokalen.
a) Ein voller Laut hat sich aus einem Gleitlaut vor starkbetonter
Silbe entwickelt in /tlül.p Luise, pr\llt^ant Proviant (über das h vgl.
55 50,2, über das ä § 8,2fi), vor nebentoniger Silbe in janvivka
Januar (doch betonen einige die letzte Silbe), fe:hnv3ia (ohne r hinter b)
Februar. Man hört nebeneinander trUn§La und tritnvSiA Trottoir, splöm
und spljö:n Spion. So erklärt sich auch wohl die Form äZe?e Aloe
(der eingetrocknete Saft). Vielleicht ist auch als Gleitlaut zu erklären
das g (wohl aus j) in flyllVn Violine (§ 56,3). Ausser den ange-
führten Wörtern wird sich aus unserer Mundart kaum noch ein
Beispiel eines Gleitlautes dieser Art beibringen lassen.
b) Umgekehrt ist zum Gleitlaut herabgesunken das v in Aöljn
Hufeisen, genauer: äü(üm;>IJ«, das j in der Beteuerungsformel damlä,
damiXi aus dam\ jk (ver)damme mich ja!
§ 39. Ans- und Abfall von Konsonanten.
1. In Zusammensetzungen oder wenn Wörter so nahe aneinander
gerückt werden, dass sie als eins anzusehen sind, fällt, auch wenn
nur zwei Konsonanten zusammentreffen, oft der erste (zuweilen auch
beide) aus: hanndök Handtuch, kifmdöp Kindtaufe, spre:d^k Spreitdecke,
Bettspreite, pladyt^ plattdeutsch, hedat = het dat hat das, das = dal
is das ist, dav\ = dat v\ dass wir, ly\ (y ein wenig nasaliert) = Jyni
j\ seid ihr; vov\ (völ) = völt vT wollen wir, lak = Jal ik soll ich;
fl:vQ Leibweh, ärI.7^üÄ: Schreibheft, av&ts nach der Seite hin, abstehend,
1*
eig. abwärts^), stclhkgi^ Schwibbogen, haljmt halbpart, iryhön Kriech-
bohne (niedrige Gartenbohne); daml verdamme mich, gim\ = gif wT
gieb mir ; g^h = g^:f ik geb' ich, Ulk = bll:f ik bleib' ich, kr\k =
krVx ik bekomm' ich, kr\: (mit zweigipfligem i) == krV.xt v\ oder
kr\:xt jl bekommen wir, bekommt ihr ; limb^x Lindberg (Personen-
name), tg^ kfm türkische Bohnen (eig. Erbsen), bofir^k Buchfink, rürlp
Reif, eig. rauher Reif (pruina) = rnxrlp. Vielleicht gehören hierher
auch höjapm gähnen, sWMt das Gewicht an der Uhr, welches das
Schlagwerk in Bewegung setzt, sl&viki}, sMinkr^ Rockschcisse (?) [nur
in der Redensart AT da slViviki} krVgi} ergreifen, erwischenj. Neben
hödyt^ hochdeutsch sagt man gewönlicher höxtytS, neben dn kris du
bekommst, vT krU wir bekommen auch dvL krixs, vi krVxt,
2. Dass Medien vor den entsprechenden Nasalen ganz unter-
drückt werden, ist selten ; ich kenne nur folgende Fälle : hemm haben,
^cß:muntwintl usw. siebenundzwanzig, Jymtain siebzehn, fyfntl siebzig
(aus J«;im, vgl. § 28,3); Kijij liegen, fegg legen, Jei)ij sagen, n^viun-
ttvintl usw. neunundzwanzig, nirjtain neunzehn, mi}t\ neunzig (aus
n^:g^). In schneller Rede sagt man statt L'hmt Abend ämp, d. h. das
b wird unterdrükt, dadurch verliert das m seine silbenbildeude Kraft,
wird Konsonant, und jetzt wird der Gleitlaut zwischen m und /
deutlicher, ja er wird nach Abfall des t zum vollen Kousonant<^n
(§ 38,i). Statt al^:m allmählich schreiben Klaus Groth und Johann
Meyer dllebenf d. i. al^:hm. Interessant ist auch das Wort örgi^Wk
Augenblick. Diese Form hört man fast nie, sondern meistens o:binlik,
o:bm(b)lik. Ich erkläre mir diese Veränderung folgendermassen: aus
ö:gvf)lik wurde zunächst öi^Uik^ dann omhlik (vgl. jumfa aus juijfa
Jungfer) oder öm(b)lik (indem das b Gleitlaut wurde; diese Form
hört man auch oft), endlich dreisilbig o:bmUk^). Ähnlich sagt man
e:«ZT statt e:g^ll eigentlich.
3. Hinter Nasalen fallen im Inlaut die entsprechenden Medien
stets weg, im Auslaut b immer, rf, g nur beim Verbum (durch Formen-
ausgleichung); dasselbe gilt von d hinter l: slim, slimo^ slimm schlimm,
schlimme, schlimmen, Inm^ Irma Lamm, Lämmer, oma Eimer, luma
(auch numa^ angelehnt an das bekanntere ^Nummer*') Lombard,
Pfandhaus, blint, hlina, blinn blind, bHnde, blinden, kint, kina Kind,
Kinder, anasn Andersen (Personenname) ; öW, ö;fo, öln alt, alte, alten.
bilt, bila Bild, Bilder, ola L älter, 2. das Alter, köla kälter. inijÄ*,
lai]9, foiijij lang, lange, langen, digft, dii^ci Ding, Dinge, agZ Angel,
Stachel, ag.9 Angst. — funn fand, Jttijrj sang gebildet, wie auch der
Vokal beweist, nach funn fanden, Jmqi) sangen.
*) Vgl. Ihm schwärmen ahwärts immer die Gedanken Nach seines Vaters
Hallen usw. Goethe, Iphigenic I. 1.
*) Dass sich vor m ein h entwickelt, kommt auch sonst, wenn auch nur
vereinzelt, vor, z. B. hört man zuweilen kce.hm statt l-a-.m Kümmel; vielleicht ist
so auch die Form löi-Jm Kiemen (der Fische) zu erklären. Der hier und da gehörte
Singular Sanc^ä/ Gendarm lässt sich nur aus der Aussprache des Plur. landiJm
erklären.
In himmh^a Himbeere bleibt b hinter »w, weil 69;! ein selbständiges
Wort ist. Über das d in handl Handel vgl. § 38,i.
4. Unsere Mundart ist Konsonantenhäufungen am Ende der
Wörter abgeneigt. Stammhaftes t (auch das t in Ableitungen) hinter
f, 5, Xf k fallt stets weg, wenn es nicht durch folgenden Vokal ge-
schützt ist: luf Luft, duf 1. Duft, 2. matt (von Farben, Gegensatz
blai^k), hef Heft, Stiel, lcr^:f Krebs (als Krankheit), gif Gift, ä/* Erbse;
fas fest, bos Brust; ax acht, lix 1. leicht, 2. Licht; 1/^Jc Kedit, asirak
Extrakt, Essenz, mik Markt, buk (bezeichnet das Gefühl der Spannung,
das man im Bauche hat, wenn man zuviel gegessen hat; mnd. büket
dickbäuchig), fyfm seufzen, ütgifm Abgaben, Steuern, ä/m Erbsen;
hösn Husten, letsn letzten, gasin (mnd. garstelen) Brot mit einem
Firnis überziehen; lyxi} leuchten, minaxi} gering achtend, gering-
schätzig. Aber vltlöftl weitläufig, luftl kühl, dufta matte, hefta Hefte,
giftl giftig; fasta fester, best» beste, letst» letzte; axta hinter, slaxta
Schlachter, Metzger, tiyxtan nüchtern, lixta 1. leichter, 2. Lichter,
Kerzen. Ebenso erhält sich das t in tuxthns Zuchthaus, meistens auch
in lusthüs Laube, dagegen fehlt es in hasiJmt eine Arbeit, z. B. eine
Reparatur, die sofort gemacht werden muss. — Das t der Flexion
erhält sich, meistens sogar auch in nachlässigerer Sprache: koft (er)
kauft, gekauft, Mft schiebt; l^ist liest, gelesen, vest gewesen; laxt
lacht, gelacht, gotaxt gestaltet; mkkt merkt, gemerkt.
k fällt ab in h^:f Habicht, lemp Lembcke (Personenname).
Vereinzelte Fälle werden bei den einzelnen Konsonanten auf-
geführt werden.
§ 40. Hinznfugnng von Konsonanten.
L Selten wird ein Konsonant vorgeschlagen. Der letzte Laut
des Artikels ist zum folgenden Worte gezogen in nhkilni,:m Beiname,
Spitzname (neben ÖÄ'Zwä.m), mkas anus (neben äa5), vgl. Grimm, Gr.
P, S. 536. — Das t in dem veraltenden Worte taa^t\ achtzig ist
wohl alt, vgl. as. antahtoda, mnd. tachentich.
2. Einschub eines Konsonanten weisen manche Fremdwörter
auf, und zwar ist der eingeschobene Konsonant meistens ein Nasal
(wie schon im Ahd. und auch im Engl.), hinter t einigemale ein r
(vgl. frz. tresor): a) prXifmtsavn prophezeien, prtifmtlan profitieren;
dipmtSit Deputat, zuerteilte Portion, dipmtlat» bogas deputierte, d. h.
in den Stadtrat gewählte Bürger, kumpkibl capable, fölisndlan ver-
licitieren, fisntUn durchsuchen, visitieren, disntlan desertieren, pusntxxa
Positui', Statur, pasnSlA Passagier; kunjoiüan kujonieren, niederträchtig
behandeln, rui^dtilan iniinieren, bai}dnet Bajonett. Alt ist dagegen das
n in munsta Muster, munstan einen Vertrag als Matrose abschliessen,
in lanthn Laterne und in ixna Erker (mnd. arkener; über das x vgl.
§ 57,4). — b) trtimult Tumult, öpstriXn&t^ aufsässig, zornig.
3. Von Anhängung eines Konsonanten seien hier folgende Fälle
erwähnt: a) Bei den schwachen maskulinischen Substantiven ist in
der Regel der Nasal aus den übrigen Kasus in den Nominativ ein-
gedrungen, z. B. kntUn Knoten, lapm Lappen, taki^ Zacken (mnd.
knutte, läppe, tacke). Dasselbe gilt für die schwache Flexion der
Adjektiva: g go:dn kMl ein guter Kerl (vgl. § 74,i; 76,i). Ähnlich
verhält es sich wohl mit dem n in gasn (mascul.) Gerste, hk:ban
Hafer (vetn Weizen) ; diese I*ormen sind offenbar nach Analogie von
roki) Roggen usw. entstanden, vgl. § 74,i. — b) An viele Adverbien
(Präpositionen) wird ein s gehängt: foats sofort (foat weiter), gtiks
(auch ghk) sogleich, atjys adieu, nSuns nirgends, Q:nav^:g^s (Ton auf
der 1. Silbe) irgendwo, anav^:gijs anderswo, unav^:gijS (Ton auf der
letzten Silbe) unterwegs, alav^:gi^s (Betonung schwankend) überall,
st&ts anstatt, niitsamps mitsamt, drVbtns geradeswegs, kotns vor kurzem,
;ixg5 irgend, Wö^^ (auch blöt^ blüs) nur, bloss, bltlts frühzeitig, apslüls
durchaus, §L:bas aber (gewöhnlich L'ba) usw. Das s in nyms niemand
ist weit verbreitet, auch in den süddeutschen Mundarten, und reicht
ins 14. Jh. zurück (Grimms Wb.) — c) Ein t wird bisweilen an
Wörter auf -er gehängt: mellgat Melcher, blaixat Bleicher (Personen-
name), vgl. Blüchert bei Fritz Reuter, d^at Tier, Untier (dies t bleibt
auch im Plural : deata). Zu ap anat hant (zu zweien) vgl. hd. andert-
halb u. ä. Von älteren Leuten hört man manchmal k:hmt statt
Lbm Ofen.
Vereinzelte Fälle werden bei den einzelnen Konsonanten auf-
geführt werden.
§ 41. Vertanschimg von Konsonanten.
1. Media statt Tenuis findet sich in einigen Fremdwörtern:
brWhlan probieren, k^lbüts unförmliche Kopfbedeckung der Frauen,
rüiü:s Kapuse, str^XbSitsn Strapazen; m^idrats Matratze, mandlarutjfc
Soldatenkleidung, Äürf^/S Kartätsche (auch Kardätsche, Pferdestriegel) ;
ebenso 6ore Porree. Umgekehrt lampar\ Lambris (Bekleidung der
unteren Zimmerwand), ptlrfö Batardeau (Bär, Vorrichtung zum Stauen
des Wassers; einer der aus der Zeit, wo Glückstadt noch Festung
war, vorhandenen Burggräben führt diesen Namen), pematlka Perpen-
dikel. Vgl. Wilmanns, Deutsche Grammatik, I § 78. — In deutschen
Wörtern findet sich (abgesehen von den unter 2 angeführten Bei-
spielen) niemals Media statt Tenuis, ausgenommen vielleicht in dem
Worte h^:d9v\kj^ (ein Gebäck, welches Fassnacht gegessen wird), wenn
es nämlich = heisse Wecken^) ist ; andere erklären es als Heidenwecken.
2. Fortis statt I^enis haben wir vielfach (aber nicht immer)
vor den Ableitungssilben -cm, -rf, -er (vgl. § 36 Vorbemerkung, Wil-
manns § 84): besn Besen, bosn Busen; hanlnost Haselnüsse, inasln
Masern, ktvasln dummes Zeug reden, vesl Wiesel. (In diesen Wörtern
findet sich schon im Mnd. vielfach ss). &tn Atem, bratn Brodem;
*) In Reuters Dörchläuchting Kap. 7 kommt wiederholt die Form Heüv>ecken(^)
vor. Vgl. J. Mestorf, Backwerk in Schleswig-Holstein (Die Heimat, Monatsschrift
des Vereins znr Pflege der Natur- und Landeskunde in Schleswig-Holstein. Jahrg. II
Kiel 1892 S. 97 ff., namentl. S. 100 u. 104.)
fotl Vorteil, otl Urteil, fötl (auch fitV) viertel; swVn^ld (aber auch
swVn^gl) Schweinigel, als Schimpfwort*). Statt der auf dem Lande
und von älteren Leuten auch in der Stadt gebrauchten Formen fk:d(t
Vater, mö:da Mutter sagen die jüngeren /b^^, muta^ Formen, die unter
dem Einfiuss des Hd. entstanden sein können, aber nicht müssen.
Hierher ist auch pakllvnn Pfau zu rechnen, wenn es überhaupt unserer
Mandart angehört, ebenso Wörter wie tripUlan tribulieren u. a., vgl.
§ 49,2. — Es finden sich aber auch Formen mit Lenis, wie ^:Jl Esel,
f&:dn Faden u. a. Bei andern Wörtern schwankt der Gebrauch:
man hört iy.'JZ Kreisel, Wirbel auf dem Kopfe, in letzterer Bedeutung
aber auch kysl, ebenso /ry.JZn und kysln sich wie ein Kreisel drehen;
ältere Leute sagen noch by:dl statt bytl Beutel, gleichmässig gebräuch-
lich scheinen wä.rf/ und n&tl zu sein (in dem Lübecker Schulvokabular
vom Jahre 1511 — Jahrb. XVI S. 112 — findet sich schon t in
kfiöpedenatel^ heute knQ^pn&tl Stecknadel), wohingegen, soweit ich sehe,
kandl:dl vergnügt nur mit d vorkommt. — Das t in tweto zweite kann
ich nicht erklären, in symto siebente, «ijg/a neunte erklärt es sich
durch den Gleitlaut p oder k (§ 38,1»), was wiederum bei tainta
zehnte nicht zutriflft ; in dryta dritte liegt Doppelkonsonanz zu Grunde
(§ 53,8) und in fofte fünfte, Jösta sechste usw. geht Fortis vorher.
3. Der Wechsel von l und r ist nicht sehr häufig, a) l statt r
steht in galstarl ranzig (besonders vom Speck), balblan (auch bsJfTan)
barbieren, opslflan observieren, beobachten, cllgkan Irrgarten (so wurde
früher der Glückstädter Stadtpark genannt), k^nallnfk\gl Kanarien-
vogel, prampeln schimpfen (mnd. pramperen), fömulU^ mulSl vermorscht,
morsch, folk Forke {misfolk Mistgabel), mWlolka Mazurka, während in
dui]kl dunkel (mnd. dunker), söfem es nicht hd. ist, nur eine andere
Ableitungssilbe vorliegt. — b) Auf Vokal -j- r statt Vokal -+- l gehen
die knarrenden Vokale in vok (auch v^k) einige (eig. welche) und
JöAv solche zurück.
4. Wechsel zwischen den verschiedenen Medien oder ihren
Vertretern, a) g für d hört man zuweilen in dem Worte twÄÖ.'^jg =
inhb:dn (Ton auf der 1. Silbe) das Haus behüten, dementsprechend
zuweilen k^:x für k^:t Kette. — b) Auf den Wechsel von g und b
geht die Form drax Trab zurück in der Redensart opm drax ^rigg
auf den Trab bringen, fortjagen, ebenso der Dativ in driix im Trabe,
laufend. — c) Statt g habe ich nur b gehört in dem im Aussterben
begriffenen Worte g&:bl Zahnfleisch und in höxdrL'bmt hochtrabend,
stolz (mnd. hochdragende), wenn diese Form nicht etwa geradezu
hd. ist (was ich anzunehmen geneigt bin, da sonst die ganze Silbe
'de geschwunden sein müsste, vgl. § 8,i. 54,3).
§ 42. Die Nasale.
1. Dass von der Endung -ing häufig nur der Nasal übrig ge-
blieben ist, wurde bereits § 8,i erwähnt; als weitere Beispiele seien
0 Den Igel nennen wir staxlswln Stachelschwein.
8
genannt r^Jcj^ Rechnung (vgl. auch Nr. 6 c), Ay.Jn Behausung, Obdach^
hüss&ki^ Haussuchung, fyan Feuerung, Brennmaterial, rdg\an Regierung.
v(^n Wehling (Personenname), fokbln Erkältung (Verkühlung). Er-
halten ist die Endung in H.'teZ/ijÄ Kaveling, wohl weil sie den Nebenton
trägt, mit dem Stamme verschmolzen ist sie in ?yi)Ä Sperling (mnd.
lunink); hier ist das h vielleicht deshalb erhalten, weil das n der
Endung mit dem des Stammes zusammenfiel (vgl. was § 54,8 über
die Wörter gynnt und folaj}i}t gesagt ist), was allerdings auch bei
penn Pfennig geschehen ist, ohne dass das k geblieben wäre. Ferner
haben wir -njfc noch in SiZigfe (ein Hamburger Schilling = 7^k Pfennig),
rfre;Z«r)i Dreiling (V* Schilling), während statt Jörftgfc Sechsling (V2 Schil-
ling) gewöhnlicher ^ösn gesagt wurde*), mcsir^k Messing ist offenbar
hd., auf dem Lande sagt man mi^n.
2. Hinzugefügt ist ein Nasal in hympl Haufe, timpm Zipfel
(in beiden Wörtern ist der Einschub alt und weit verbreitet);
e:nav^:gr^s irgendwo, alav(}:giQS überall, anav^:gi^s anderswo, unavi*:gi^
unterwegs, jiom^s auf irgend eine Weise, allns alles; ttiMlan zuwider,
fun(n&)axtan von (nach) hinten, fun(n&)fcean von (nach) vorne (hinten
heisst axtaj vorne foea).
3. Der Ausfall des Nasals ist alt in den Wörtern gös Gans;
brox, hroxt brachte, gebracht, dax^ daxt dachte, gedacht, dyXy dyxt
däuchte, gedäucht, däucht, jaxt9 sachte, jaxs vielleicht; Jy:rf» Süden;
fi:f fünf, trüf Trumpf und vielleicht in einigen andern. In hosten
Schornstein ist wohl nie ein n vorhanden gewesen.
Zu den einzelnen Nasalen ist folgendes zu bemerken.
4. n für m findet sich in kVn Keim, kT:nn keimen (schon sehr
früh; ebenso ist n in nykij Mucken, üble Angewohnheiten schon alt),
durch Assimilation in krantsf&gl Krammetsvogel (die Form ist mit
dem Tier vielleicht von auswärts — Itzehoe? — zu uns gekommen),
ausserdem in Ableitungs- und Flexionssilben : §itn Atem, bratn Brodem,
f§i:dn Faden, bon Boden, bcsn Besen, bosn Busen; ntn aus dem, fcl
lytn bei kleinem (d. i. allmählich) usw. — n verschwindet häufig in
einem vorhergehenden Nasal: dü:m =z dvL:mm Daumen, Aä:n Hahn
(Nom. und Akkus., vgl. § 74,i). Vgl. § 58.
5. Von den durch Assimilation aus n entstandenen m (§ 9)
ist namentlich das m vor f zu bemerken (§ 4,8^0 : kumfl^ö:n Konfusion,
fernumß^ fümf; in jumfa entspricht das m einem g, ebenso in nims
nirgends; weshalb in dem letzten Worte m eingetreten ist, weiss ich
nicht. In nachlässiger Aussprache sagt man wohl m^: (auch q^:) statt
;/V: nein.
6. g. a) ij steht in französischen Wörtern und solchen, die
dafür gehalten werden, an Stelle der Nasalierung eines Vokals : fötsui}
Fagon, sar^fösuij sans fa(^0D, Subst., etwa: ein phlegmatischer Mensch,
*) Diese drei Wörter kommen heute nur noch in gewissen Redensarten vor
oder wenn man von Zeiten vor P^inführung der Reichswährung spricht. Schilling
ist auch Personenname. Auf dem liande sagte man siai^k, driai^k.
/bflSwi) Fanchon (eine Art Tuch zum Bedecken des Kopfes), lufbalui}
Luftballon, mümai) Augenblick, faiiuij Phaeton (leichter Wagen);
manche sprechen auch tehfoi} Telephon, ver^tll Ventil.^)
b) g ist aus g entstanden vor n in Wörtern wie ai^nas Agnes,
tnar^net Magnet, Jir)«ä? Signal (auch Jig^wäZ)* Vielleicht erklären sich
hierdurch auch die Formen haipnet Bajonett, rwg^wlan ruinieren (§ 40,2).
Formen wie ai}fi9$, mar^vet^ Jir^nSil sind offenbar auf mündlichem Wege
von auswärts zu uns gekommen, dagegen scheint es mir, dass das
Wort hjkünltö inkognito durch die Zeitungen bekannt geworden ist
und daher das Wortbild so gut oder so schlecht ausgesprochen wird,
wie es eben geht. (Man vgl. hierzu önlbus Omnibus).
c) r) fällt in der Regel in dem Verbum r^ky aus: r^A rechne,
rechnete, r^t rechnet, gerechnet. Bei teki^ zeichnen ist dieser Ausfall
selten, bei andern ähnlichen Verben (r^.'gi^ regnen, J(}:gi} segnen) kommt
er nie vor. Dass in den Infinitiven und in dem Substantiv r^Jcr^
Rechnung nur ein einziges g steht, erklärt sich aus dem Umstände,
dass es in nichtstarktonigen Silben keine langen Konsonanten giebt
(vgl. § 58).
§ 43. r.
1. r erhält sich im Inlaut vor einem Vokal (dazu gehören auch
die Fälle, wenn es hinübergezogen wird): huj^arJ hungrig, gcearJ kindisch,
sw&ard schwere, leara Lehrer. In diesen Fällen ist das a vor r sehr
flüchtig und bildet keine Silbe, auch nicht in hui^ari. Ebenso mTarem
Ameise, dSiarufn darum, vtltttw wanim, axtarceiha hintenüber, förüi
voraus, föraftT. (selten vöraftt) wahrhaftig 1 [als ob die Vorsilbe fö-
darin steckte]; auch mit Aphäresis rum herum, rin herein, hinein,
rüt heraus, hinaus, runa herunter, hinunter usw. Man hört neben-
einander ßauntwintJ und ßarunttointl usw. vierundzwanzig usw., loararin
und learain Lehrerin.
2. r (-er) wird zu a im Auslaut hinter geschlossenen Vokalen
und hinter Konsonanten: Aöan hören (Hörner), sw&a schwer, mna
Mauer, draia Drechsler, höan Hörn, moea mürbe, 6:ba Ufer, öla älter
usw.; dazu n styia dre ein Stück oder di'ei, etwa drei Stück, n daxa
f\:f etwa fünf Tage, mika tai:n etwa zehn Mark usw.*)
3. r (rr) wird sozusagen in den vorhergehenden Vokal verlegt
in Wörtern wie äajj scharf, tgf Torf, hns Herbst, ^ot Schürze, dos
Durst, bgs Bürste (Borste) hok Borke, kgf Körbe, limtlan etwa: laut
schreien (scheint aus lim Lärm und lamentieren vermischt zu sein),
Wän laut weinen usw. Vgl. die knarrenden Vokale § 13, 16, 22, 24.
*) Andere Wörter werden wie im Hd. mit n gesprochen: baifjö:n Bataillon,
gimsöcn Garnison, pei^l^ö.-n Pension; antre Eintrittsgeld, kuntant 1. gesund (eig.
zufrieden), 2. bar (comptant), kantöa Comptoir.
') Hinter einem mit -er schliessenden Worte verschwindet dies so zusammen-
geschrumpfte *oder' gänzlich: n dL'la taim etwa zehn Thaler (vgl. ein Thaler
achtzig, Minna v. Barnh. III 7).
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4. r fällt in der Regel ganz aus in starkbetonten Silben Tor
Fortis ausser p und t, in nicht starkbetonten Silben auch vor p, k
und Lenis: swat schwarz, hat Herz, kot kurz, ^sten Schornstein, döns
Stube (auf dem Lande); mulvop Maulwurf, maklenncLi Marketender*),
tapmtVn Terpentin, b^hlan barbieren usw. (vgl. {^ 12,«; 21,«; 23,iß; § 8).
mö:Ja Mörser (auch mgja) kommt schon im Mud. ohne r vor. Statt
kwMa^ kwida Kragen, Hosenbund heisst es gewöhnlich ktc^:da.
5. r ist manchmal, aber nicht so oft wie in andern Mundarten,
aus rf, dd entstanden; dies r wird ebenso behandelt wie ursprüng-
liches r unter Nr. 3: Aä hatte, ßdi Feder, bon Boden, Jo seit (mnd.
sodder; in der Stadt selten) usw.
6. Metathesis des r linden wir in vrömp Wennut, fryxgdxk^)
Früchtenicht (Personenname), wohl auch in kry:s wählerisch, namentlich
im Essen; doiain dreizehn, dotl dreissig, bgn Tränke; bos Brust, kos
Brotrinde, kasn Christian, dö§n dreschen (knarrender Vokal oder
Schwund des r nach Nr. 3 und 4).
§ 44. l
1. l int ausgefallen in as als, Jas sollst. Jus solltest, vis willst,
vus wolltest. In vüem Wilhelm, vUemVna Wilhelmine, fiXnel Flanell
in nichtstarkbetonter Silbe, weil die stärker betonte Silbe ebenfalk
ein l enthält. Wahrscheinlich ist l auch in haista Elster ausgefallen :
schon as. kommt ägastria vor, ahd. ägalastra. — Eingeschoben ist l
in al^Adlsta Alabaster (als Kügelchen zum Spielen), in öltm&:dl sanft,
sachte, langsam, offenbar in Anlehnung an ölt alt, da das frühere
odmodich nicht mehr verstanden wurde.
2. Noch sei erwähnt das Z, welches zur Verbindung zweier
W^örter in Zusammensetzungen dient (vgl. hd. Wendrftreppe, Wünschrf-
rute u. a.) : vitlktoas (auch vitkwas) Quast, grosser Pinsel zum Tünchen
der Wände, brundbi^an Brombeeren, vasldö:m die Schmerzen in den
Knieen während des Entwicklungsalters, eig. Wachstum, stiklgrim
Stichling (ein Fisch), bindlböm der Baum, der auf ein Fuder Heu oder
Stroh gelegt wird, um das Ganze festzuhelten; hierher gehört auch
wohl midlhlö:m Marienblümchen (Bellis perennis), vendlßkg (selten)
ein Ferkel, welches entwöhnt ist und daher schon verkauft werden kann.
Vgl. Korrespondenzbl. XVI 70. Dagegen ist f&:glbunt Vagabund, eig.
;, Vogel bunt*' offenbar durch Volksetymologie entstanden.
3. Für d steht l in mihtsVn Medizin, SeZväia Scheidewasser,
Salpetersäure, für n vielleicht in nSJclt nackt (gewöhnlich nSM); bciijd
=: bontjd Bonbon. Umgekehrt steht n für l in knaut Knäuel, während
in klö:n Knäuel das urspr. l erhalten geblieben ist.
') Dies Wort ist in § 12,« irrtümlicher Weise unter ^ statt unter a aufgeführt.
') Das Wort fgxx^ fürchten ist hei uns sehr selten und wird gewöhnlieh durch
&(iqQ f\:n bange sein (persönlich konstruiert ik hyn öaqq) ersetzt.
11
§ 45. J, s.
1. Sanfteres J (§ 4,3*') sprechen wir im Anlaut vor Vokalen:
Jant Sand, Jöa trocken, dürr, ^ölps selbst usw., im Inlaut a) zwischen
zwei Vokalen, wenn der vorhergehende Vokal lang ist: Zl.p Elise,
vi: ja Zeiger, Äy.Ja Häuser, dl;jl eigensinnig, widerspenstig, b) nach
langem Vokal, sofern der folgende Konsonant es gestattet: rl.-Jn
zeigen, 6e:Jn Binsen, (?y:JWl schwindlig, ^:jl Esel, doch vgl. Nr. 2 d,
c) nach den Lautverbindungen Vokal -f- m usw., wenn sie überlang
sind: alljn Alsen; ebenso Incijn schnell gehen.
Das J ist ausgefallen in v^.n = v^:jn sein, gewesen, häufig wird
es weggelassen in gann = gannjn ganzen.
2. Das schärfere s steht im Anlaut vor Konsonanten (p^ t^ Z,
fn, w, to)i sp^ln spielen, strMö Schlittschuh, slim schlimm, smit
Schmied, snVdn schneiden, swat schwarz.^) Im Inlaut steht s: a) wenn
es aus SS entstanden ist: kysn küssen, Kissen, b) vor Tenuis, auch
wenn sie nicht mehr vorhanden ist: fastd feste, hösn Husten, muskus
Moschus (als Odeur), haspl Haspel, c) hinter Tenuis, auch wenn sie
nicht mehr vorhanden ist: osn Ochsen, osl grob (ochsig), fosl rötlich
(fuchsig), kaspl Kirchspiel, d) vielfach vor den Ableitungssilben (vgl.
55 41,2): nusUl unsauber, hdnyslt betäubt, fönyslt etwa: verstrickt (vgl.
Schlangengenüssel bei Goethe, Zahme Xenien II); hierher kann man
auch Wörter wie rislflat entschlossen (resolviert), risnrilan raisonnieren
u. ä. rechnen.
Wie im Auslaut das s natürlich immer scharf ist, so auch, wenn
es hinübergezogen wird vor Vokalen: s&:bfns des Abends; ebenso in
den Femininis von Personennamen: do nehnsn Fem. von nehns Neuhaus.
3. s wird durch nachfolgendes s oder t geschützt in du frys,
Aö fryd dich, ihn friert, du fölys, Äe fölyst du verlierst, er verliert,
ges Hefe.
4. s wird von folgendem §, wenn es zu demselben Worte gehört,
verschlungen : rwä russisch, frantsM französisch, potügl:^ portugiesisch.
Es steht statt S in dem Schifferausdruck eißsman Engländer (auch
= englisches Schifl). Schliesst ein Wort mit s und beginnt das
folgende mit §, so entsteht ein langes §, vgl. § 46,4.
5. Das s und e (c) in fremden Wörtern, namentlich im Anlaut,
wird verschieden behandelt, man hört tsux, siuc Zug, Eisenbahnzug,
Jas Zarge, tsipl, sipl, l'ipl Zwiebel, tsl:x^ Jr.\r Ziege, litan zittern, tsem-
pM Sympathie (sympathetisches Heilmittel), j(i:bajkt Zitwersamen,
tstJca^ juJca Zucker, Jup^ sup Suppe, grümatsn Grimassen, ]cunJ9^o:n
Konzession, intrajlan interessieren usw. Die Jüngeren bringen die
dem Hd. am nächsten kommende Form mit aus der Schule, die älteren
Leute und die Landbewohner bedienen sich selten des dem Ndd.
fremden Lautes ^e^, oder aber sie gebrauchen ihn an falscher Stelle.
Wir wird immer zu ns O^J): dans Tanz, krans Kranz, stvans Schwanz,
') Leute, die etwas feiner sprechen wollen, fangen an vor l, m, n, to statt 8
§ zu sprechen: ülim, hnit, »ni:dn, Iwat,
12
glans Glans, glensn glänzen, gans ganz, flektiert, ganvjj, ganajn; ebenso
pels Pelz.
6- J» * geben zuweilen auf frz. 2 zurück, namentlicb dann, wenn
nocb ein i (aucb j) in dem Worte vorkommt; sÖ5 Georg, /«J/iyöa
Ingenieur, löpment ein kleines Zimmer; in §tlja«i5 Sergeant sind die
beiden Ziscblaute umgestellt.
7. Erwälint sei noch das s in Zusammensetzungen, z. B. stunnstlt
Zeitraum einer Stunde u. dgl. Ob und wann hier ein Genitiv vorliegt,
ist schwer zu entscheiden, vgl. § 75,1.
§ 46. S.
1. § in deutschen sowohl wie in fremden Wörtern ist entstanden
aus sJc^ auch wenn s und k ursprünglich nicht zusammengehörten:
§Ö;n schön, ireJctl schrecklich, ^rlbent Skribent, Schreiber; <i§ Asche,
/?g Fisch, waiflfi Näherin, fiLbi^ Nachbarin, lari/S Hänfling, stlgllitä
(Ton auf der letzten Silbe) Stieglitz, mHä&tn nut Muskatnuss, e/Sop
Elskop (Ortsname), Ayfiw Kerngehäuse der Apfel, Zl§, ll^n Lieschen,
^eSn Gesche (weibl. Vorname), mÖSw Waldmeister; manche sprechen
auch das hd. Wort ^bischen'' 6tSn, hßn. Hierher gehört auch wohl
neSLirl neugierig, aus we^plarl, wesilarl. — sk findet sich nur in
mtAskus Moschus und in muskant Musikant; in dem letzten Wort sind
offenbar erst in neuerer Zeit s und k nach Ausfall des i aneinander
gerückt. — Zuweilen erscheint ä da, wo im Hd. js^, tz steht: ÄttiS
Ilinz, götlk Götz, müä, wIS Miez (Kosename für die Katze), 6ä&M/§
Barbuz, Barbier; ähnlich strv& Blumenstrauss, /o§ forsch (von frz.
force). In fran^hrüt Franzbrot, Semmel (vgl. den auf S. 6 Anni.
zitierten Aufsatz von J. Mestorf), liegt wohl ebenso wie in fransn
gkan Franscher Garten (ein Lokal in Glückstadt) imd fran&n bratnvTn
Franzbranntwein eine Adjektivbildung auf -S vor.
2. § in Fremdwörtern = ä, 2 (geschrieben scÄ, ch, g, j): kau^}
koscher, wliSttfcg meschugge, Sapas Sabbath*), falä falsch; wüSrtwi
schlecht (vom Aussehen, namentlich der Kleidung), Ärürä:S Mut, ytL'ä
Etage, ZüSl Wohnung, Zü§Tan wohnen (als Chambregamist), Sös Georg,
^\ijant Sergeant (mit Umstelhmg der Zischlaute); SünäZ Journal;
§jml Chemie, §eml§ chemisch, §I:wä China; in bu^bö:m Buchsbaum
liegt offenbar volksetymologische Entstellung vor.
3. S = sj, stj in lateinischen Wörtern: A*ümTäö:n Kommission,
ktimfVkö:n Konfusion, prilfd^^m Profession, iwwpSö.-n Konzession ; kri^n
Christian, mtxle^ Beschwerde. Lateinisches tj wird hinter Konsonanten
zu S, hinter Vokalen zu tö: aÄ:§ö:M Auktion ; Äaw^Sö.n Kaution, mö/sö;«
körperliche Bewegung und in vielen Wörtern auf -at^ö:n. Hierher
gehört auch spUhi Speciesthaler (alter dänischer Doppelthaler = 4V2
') Obwohl kurz nach der Gründung Glückstadts (1617) sich daselbst sehr
viel Juden ansiedelten, so dass ein Zeitgenosse berichtet: ^urd) bie ^ubcn Nation
ift Glückstadt im anfange am mciftcn in 5rn)ct)cn S^ommen (vgl. Detlefsen, Geschichte
der holsteinischen Eibmarschen, Bd. II S. 189 f.), so finden sich bei uns heute
doch nicht mehr hebräische Wörter als auch in andern deutschen Mundarten.
13
Mk.) Ob Jclat^ (kafdklai^ Kaffeef^osellschaft) von collatio kommt, weiss
ich nicht [Reuter hat klatsch und Mais und erklärt selbst, es komme
von collatio, kanTdat^ Erntefest. Läuschen un Rimels II C3], jedenfalls
ist aber ^Klatsch*^ Medisance und ^klatschen* medisieren hinein-
gemischt. Ganz verstümmelt ist leks (mascul.) aus lectio die häus-
liche Arbeit der Schüler, besonders das auswendig zu Lernende.
4. Eine Art von ä entsteht bei schnellerem Sprechen, wenn
s und j zusammentreffen: vet^k = vUs jk weisst ja, aäü = as jü wie
euch. Dies § hat keine so grosse Lippenvorstülpung wie das eigentliche
ä, auch ist die Artikulation der Zunge eine andere (vgl. Bremer § 71,
72). Schliesst ein Wort mit s und beginnt das folgende mit §, so
entsteht ein langes §, z. B. da^entti = dat is ^entlT es ist schändlich
(vgl. § 45,4).
§ 47. ;.
1. j = altem j (i) im Anlaut: jk ja, jaxtan wild und mit
Geschrei umherlaufen, einander nachlaufen, jüa Euter (der Kühe;
mnd. jeder, jüdder), jol eine Art Boot, juj^h jung, jceki^ jucken, .;^.*ww
das Gesicht verziehen (mnd. Janen, jenen) usw. Die Wörter ,;^m (jem,
J9m) ihnen, jyma(s) immer kommen in der Stadt selten vor.
2. Früherem g entspricht j in jrx Gicht (mnd. gicht, jecht),
Jon Jürgen, (Jeorg, vielleicht in jalpm kindlich übermütig, albern sein
(wenn es mit gelp zusammenhängt); japm gaffen (höjapm gähnen)
kann auf gapen oder japen, j.appen zurückgehen. Der Name jaspa
Jasper gehört unserer Mundart wohl nicht an. Das Wort jü^ welches
eigentlich einen jungen Ochsen bedeuten soll (das Fem. dazu heisst
kw(f:n)^ ist wohl dasselbe wie das anderswo vorkommende git^)] die
angegebene Bedeutung ist aber wohl kaum richtig, da das Wort bei
uns heute nur — im Scherz — auf junge Mädchen angewendet wird :
oU jit\ vgl. Korrespondenzbl. XVII 14. — Französischem 2 entspricht
; in franjan Fransen.
3. Aus i ist nach Konsonanten in Fremdwörtern manchmal j
geworden: spanja Spanjer (Familienname), spanjöda Spanier, fämilJB
Familie, ripljö:n Rebellion; an Stelle der Mouillierung des l steht es
in papljui} Pavillon, haüjö:n Bataillon. — Im Auslaut nach Konsonanten
fällt das^ (die Mouillirung) weg: hall Balje, Waschbütte, tralln Traillen,
(litterwerk, p^ltrtd Patrouille, dazu patrVJlan patrouillieren. — Hinter
einem Vokal hat sich das j nach Abfall eines e vokalisiert in ÄöT Koje,
wöT bequem, schön (holländ.)
4. Dass das j die ihm vorangehenden Laute bisweilen palata-
lisiert, wurde § 4,3 erwähnt; besonders ist dies in Deminutivbildungen
auf -tp^) der Fall: doentjj Schnurre, Erzählung (holl. deuntje), antJ9
') Vielleicht auch nicht. Jellinghaus, Zur Einteilung der ndd. Mundarten
S. 56 fährt aus dem Jahre 1797 das Wort jelt = junges Rind als in der Kremper
Marsch vorkommend an.
^) Hier liegt vielleicht k zu Gninde, vgl. Tiübben, Mnd. Grammatik § 41 S. 59;
dies j, tj ist aber wohl kaum auf holsteinischem Boden entstanden, sondern von
auswärts (Holland?) zu uns gekommen.
14
Ännchen, otJ9 Otto, diij^f Dietrich, etja Eduard, fentjd Geck (Fäntchen),
ktjdhktp Storch (in der Kindersprachc), vuiJB Schwein (in der Kinder-
spräche), aber auch in einigen Wörtern, die ursprünglich k hatten:
vatj Käsewasser, Molken (mnd. waddeke), matj, mait Regenwurm
(raeddik, meddeke), matJ9shQxrivfc Matjeshering (madikesherink), pytja
Töpfer (potker, putker), kaJcalatp Schabe (ein Insekt: Blatta), lyt klein
(luttik), flektiert lyt9 oder lytp^ (auf dem Lande auch lüj). In diesen
Fällen ist das j im Inlaut ein selbständiger Laut, im Auslaut soll es
nur die Palatalisierung des vorhergehenden t ausdrücken. Wie bei
lyt unterbleibt die Palatalisierung in verschiedenen Eigennamen häufig
ganz : löt Ledtje, Lödtje, lyt Lüdtje, lytns Lütjeus, tltns Tietjens,
Tietgens, rktns Rathjens. (Ältere Leute palatalisieren noch meistens
sowohl das t als auch den vorhergehenden Vokal, was man so be-
zeichnen könnte: rSijtns.) Vielleicht erklären sich hiemach auch die
Formen m^tn Mädchen statt m^tki^ (anderswo sagt man m?Ä;g), grötn
üretchen, Intn Ludwig, pöpm Baby (Püppchen), vT/m Weibchen (eines
Vogels), et9 (mit t\ vgl. oben) Eduard, mlta Mariechen (selten iwTÄrrj:
dagegen kenne ich rnlka auch als Abkürzung von Emil), flt9 Sophie
(seltener = Friedrich).
Auf dem Lande ist die Palatalisierung viel häufiger als in der
Stadt: jfijtn Milchsatte, klyjtn Kloss, Mehlkloss, trüjt Trude, d. i. ein-
fältiges Frauenzimmer u. a.
S 48. w.
Der bilabiale Reibelaut w^) kommt nur hinter Konsonanten vor,
die zu derselben Silbe gehören (§ 4,3») : dwca quer, kwansvVs (hcants-
?;T;s^zum Schein, ktvul quoll, sw§ia schwer, twe zwei. Dagegen kvul
= ik vul (k unaspiriert) ich wollte. — In dem Eigennamen wikicif
Marquardt ist das A, das ursprünglich zur ersten Silbe gehörte, zur
zweiten gezogen, daher ist es aspiriert, und es steht tv statt des
erwarteten v dahinter. — Vokalisiert oder mit dem folgenden Vokal
verschmolzen hat sich das w schon früh (wie im Hd.) in kL-rnm
kommen, gekommen, kumt (er) kommt, kLmt (wir) kommen, während
es in ke:m kam ganz ausgefallen ist; die Formen quam^ queme finden
sich in unserer Gegend noch im 17. Jh. (1676).
§ 49. p.
1. jp = alten p (pp): pax Pacht, pans Pansen, Wanst, ptLr
schlechtes Bett. du7npl dumpfig, ntröpa Ausrufer, rlp9 reife, fipm
sickern ; lapm Lappen, knupm Knospe, dep tief, §äp Schaf, tilp genau
(vom Hören und Sehen), v^ps Wespe (s imd p der bequemeren Aus-
sprache wegen umgestellt, Grimm, Gr. P S. 525. 566. Wilmanns {5 95.)
^) Es unterscheidet sich von b dadurch, dass die Lippen hei der Aassprache
des w ein wenig mehr vorgestülpt werden als hei der Aussprache des \), während
hei dem süd- und mitteldeutschen bilabialen to die Lippen nicht vorgestülpt werden.
15
2. p = bb : flap Maul, irupm schrubben, Jcnupm Erhöhung (auf
der Haut, am Baumstamm usw., mnd. knobbe), Jcapln zanken, snypln
straucheln, grapln schnell greifen, tasten, lapln etwas in den Mund
nehmen, so dass Speichel herausfliesst, tapln langsam gehen, (danach
die neueren Bildungen snapllKin schnabulieren, schmausen tripltlan
tribulieren, quälen, ripljö:n Rebellion, papljui} Pavillon, vgl. auch § 41,2),
krip, Jcryp Krippe, rip Rippe, Jipat Sibbert (Personenname), dipan Dib-
bern (Personenname), slupctn schlürfend essen oder trinken. — Zuweilen
finden sich schon im Mnd. Wörter von gleicher oder ähnlicher Be-
deutung mit pp und hb nebeneinander, z. B. die oben angeführten
knoppe, knuppe, knobbe.
§ 50. 6.
1. 6 = altem b. Im Anlaut: b^h Bach*), bSJc Zeichen, nament-
lich für die Schifffahrt, blot Blut, brak salzig (vom Wasser, also : mit
Meerwasser vermischt). — Im Inlaut in Fremdwörtern: wö.M nobel,
p^M Pöbel.
2. b im Inlaut = altem v (got. 6, as. b): v\:ba Weiber, ö.7>m
üben, 'ky:bm Kübel, bk:bm oben, ceSl übel, Äü;W Hobel, vihl Drehriegel,
hallbd halbe, hellba Kälber, strvi:b9 von striÄf rauh (vgl. hd. straubig,
sträuben), ^:ba Ewer (eine Art Schiflf), We.'&i Klee (auch Treff im
Kartenspiel), ^:bcis Ewers (Personenname), han^:bci Hannover, v^.bls
Wevelsfleth (ein Dorf), si^:bn Steven (am Schiflf), Ö.-Jä Ufer, Vba Eifer,
5/T:fc steife, siVbm (Wäsche) stärken. f\:bni Plur. von f\:f fünf. Iii
Fremdwörtern: st^:bl Stiefel, puUba Pulver, piö:ba armselig (auch von
schlechtem Gesundheitszustande), Ääfare Havarie, prülä/aw^ Proviant,
lirh:b9 brave.
3. Verschwunden, zunächst wohl assimiliert, ist b in Aä hatte,
hat gehabt.
§ 51. t?,
1. t; = altem w; es kommt fast nur im Anlaut vor: ve:dn
jäten, vtd wohl, wollte usw. Auch vor r hat es sich vielfach erhalten ;
die mir (ausser Eigennamen) bekannten Wörter mit anlautendem vr
sind folgende: vrah Wrak, ^ü vrah etwa: zum Verdruss, vrant\ mür-
risch, verdriesslich (besonders von kleinen Kindern, wenn ihnen nicht
ganz wohl ist), vras unruhiger Mensch, der leicht Streit anfängt,
vrikln hin- und herbewegen (um etwas herauszuziehen), vriki^ ein
Ruder am hinteren Ende des Bootes im Wasser hin- und herbewegen,
um das Boot vorwärts zu treiben, mgg ringen (Wäsche ausringen;
die Wringmaschine ist auch ins Hd. übergegangen), vris Fusswurzel
(Wrist ist auch ein Ort in Holstein), vruki^ etwa: nörgeln, dazu das
Adjektiv vruM, Ausserdem tra.-W Frevel, Adj. vrce:Ul\ (mnd. sehr
häufig wrevel neben vrevel), vrömp Wermut, mit Metathesis des r.
^) Diese Form geht wahrscheinlich auf hihi zurück, nicht, wie § 17,t an-
gegeben ist, auf ein Wort mit dem Stammvokal a, sie gehört also unter § 17,i.
16
In andern Wörtern ist das to (v) geschwunden: rav/^n sich hin- und
her wälzen u. a., wieder andere ursprünglich mit wr anlautende Wörter
kommen in unserer Mundart nicht vor, ebenso keine Wörter mit an-
lautendem wl,
2. Im Innern des Wortes findet sich v nur in lC[:^t Kiebitz,
e;rTic ewig (in beiden Fällen folgt ein voller Vokal) und in dem wahr-
scheinlich friesischen Worte leva Maikäfer, wofür ich auch J9.'&* gehört
zu haben meine. Anders verhält es sich mit sliSviki^ (vgl. § 39,i), da
hier das «? vor stark betontem Vokal steht.
3. Abfall eines alten w liegt vor nach l und r: g^ gelb, pcpl
Pfühl, kiJ, kahl, m^ Mehl, swclk Schwalbe (Deminutiv zu ^swid) ;
mceci' mürbe, sm^n schmieren u. a. (doch vgl. § 52,3b). Auch in
v^itman Witwer, vf^Ufrö Witwe, hatl Hartwig ist w weggefallen, ebenso
in JclSiS Klaus, tes Thies (Matthias). — Nach ä hat sich tv gewöhnlich
vokalisiert: Uau: blau, grau: grau, klau: Klaue.
§ 52. f.
1. f im An- und Auslaut = altem f (as. f, mnd. im Anlaut
gewöhnlich v geschrieben): fya Feuer, föa vier, fc^^^ vorne, /re frei,
fle-'gi^ fliegen; hof Hof, stef- Stief(vater usw.), stlf steif, llf Leib, halJf
halb usw.
2. f im Inlaut (nach langen Vokalen selten) ist meistens = ff:
fitrhfm strafen, tkß Tafel; hjfl Schaufel, tyfl Pantoffel, Stoffel (d. i.
einfältiger Mensch).
3. a) f = altem inlautenden ??, wenn es in den Auslaut tritt
(also auch vor s und t der Flexion) : l\:f Dat. sg. von tlf Leib, rfe./
Plur. von rfe/" Dieb, 6re./ Plur. von Are/* Brief, tif Hündin (auch /c;/
als Schimpfwort) J*/" Sieb; h.ft übt, hadrh:ft betrübt, iQ.ft wartet, ^nft
schiebt, ä/X erbt. — h) f \m Auslaut = altem w (fremdem v) in ßf
Farbe, f?ä/* Narbe, if Erbse (Plur. /äftm, mhm^ ä/^)» l^:f Löwe; ferii/,
}>rof brav afkkt Advokat; manchmal auch im Anlaut, z. B. rislflM
entschlossen.
4. f =z p in drei (vier) Formen von kopm und döpm: kofs
kaufst, kauftest, koft L (er) kauft, 2. gekauft, kof kaufte; döfs^ döft,
döf taufst, tauftest, tauft, getauft, taufte; ebenso in ?'IÄö/VI weitläufig.
Woher das f in §e/ Schärpe (engl, scarf, dän. skjjerf) kommt, weiss
ich nicht.
5. Weggefallen ist f (v) in kk Kerbe (mnd. kervc), Ms Herbst,
h&t barfuss, hes hast, het hat.
6. f ^= pf im Anlaut hochdeutscher Wörter: flix Pflicht, faifm
pfeifen usw.
§ 53. t.
l, t -=. altem t (tt) : ^o zu, tai:n zehn, tall Zahl, apiok Apotheke.
vktci Wasser, 9rt Essig, rl/n reissen, §e^M schiessen, sUetl Schlüssel,
boltn Bolzen, smöltn schmelzen, vintci Winter. Je/« setzen, /rtn sitzen.
17
vetn wetzen, netl Nessel*) äS/Z Schüssel, dat das, fat Fass, r^t riss,
Je^ sass, mit (fem.) Mass, hat Herz.
2. ^ =: altem c/d im Inlaut, d im Auslaut: äy^n schütten, petn
treten, petlx Mark (in Pflany.eu), vetn wetten, sinutlll sudelig, rötö.x
Kotauge (ein Fisch, mnd. roddöge), tytdn binden, verschlingen (einen
Faden, Strick), dotu Dotter (vgl. auch § 41,2); re:/ ritt, got gut, möt
Mut, t\t Zeit.
3. Eingeschoben ist t in o.xbrkin Augenbrauen (mnd. ogebrän) ;
m\:ntv^:gi^ meinetwegen, ^^inti^sgi} ihretwegen u. dgl.
4. Ausgefallen ist t wahrscheinlich in slüviki^ (§ 51,8); in mes
Messer, besto beste; Aawä Handschuh, ü/§ die Alte, öZmö/s altmodisch
(hier aus d entstanden) ; die Formen ölsto älteste, Jcolst» kälteste können
auch anders erklärt werden, vgl. § 39,8.
§ 54. d.
1. d = altem d (th) im An- und Inlaut: dwa durch, rfigfc Ding,
dei^kiQ denken, dwii}i) zwingen, dwiia^ quer; d&i herunter, hinunter, dcea
Thür, dü.n thuu, drV/mi treiben. M^:dii' Kleider, ß,:dn Faden; €e:b(ifl6:dl
überflüssig, Jl:d9 niedrige, vl:da> weiter, rVda Reiter, Wö;tfT blutig, blö:dn
bluten, gö:dn guten.
2. In vielen Mundarten fällt d zwischen zwei Vokalen aus.
Dies kommt bei uns zwar nicht vor, scheint aber früher in einem
Falle vorgekommen zu sein ; in Wörtern nämlich, in denen ursprünglich
die Silbe -de oder -den auf einen langen Vokal folgte, unterdrücken
die Landbewohner — und hier und da geschieht es auch in der
Stadt — das d und lassen statt des e ein T hören, z. B. krytsrol
Quadratrute, Icxilnsii Kudensee, wä räl allmählich (mnd. narade), golu^)
guten. Formen wie goic7i kommen auch z. B. bei Rist vor. Soweit
ich sehe, werden diese Formen neuerdings auch auf dem Lande von
den Formen mit d (t) allmählich verdrängt. Woher das T kommt,
weiss ich nicht.
3. Dass die ganze Silbe -de vielfach ab- oder ausfällt, wurde
in § 8,1 bereits gesagt^); es geschieht auch in Zusammensetzungen,
z. B. l(}:v&fii (lelenkwasser, sw^.If« Schmiedeeisen, rL'mSJc^ Rademacher.
Sie erhält sich indes in den abstrakten Substantiven, welche eine
Dimension oder etwas Verwandtes bezeichnen: lei^i)d9 Länge, häxtd
Höhe*), depta Tiefe, dikta Dicke, ne:xt9 Nähe; vVdo Weite, bre:do
') dannetl eine nesselähnliche Pflanze mit gelben Blüten (Galeopsis); davon
heisst eine Strasse in Glnckstadt danneÜstrU Danneddelstrasse (über die Schreibung
mit dd vgl. § 7).
') Die Form gxit statt gbt hört man nur noch von älteren Leuten, ebenso
scheint sie auf dem Lande gänzlich ungebräuchlich zu sein.
') Das d von im und erhält sich (da es hinübergezogen wird) in den beiden
Redensarten um un dum um und um, ringsherum, op un dop von unten bis oben,
z. ß. d9 filina is op un dop hka v\t der ('ylinder ist in seiner ganzen Hohe gleich-
massig weit,
*) hM9 ist eine bestimmte (gemessene) Höhe, dagegen in9 hZx in die Höhe
= aufwärts, hinauf.
MiedardentBchea Jahrbuch. XX« 2
18
Breite. — Auch das Partie, präs., wenn es nicht flektiert ist, verliert
sein 'd9 : ÄäÄij vijA kochendes Wasser, mo:n vermutend usw., doch
erhält sich das d in gynnt gönnend, ßlai^i^t verlangend, wahrsclieinlidi
deshalb, weil hier das n der Endung mit dem des Stammes zusammen-
fiel (vgl. § 42,1 lyv/c). Abgefallen ist dagegen die Endung wieder
in tökum zukünftig, kommend {t^kum jiA nächstes Jahr) trotz des
vorhergehenden Nasals (mnd. tokamende), wohl weil die erste Silbe
den Starkton trägt. — Ob in den Wörtern, in denen auf de ein r
folgte, wie rcx? Steuerruder, bai^vant Beiderwand (aus Wolle imd Leinen
gewebter StoflF) de oder d ausgefallen ist, lässt sich schwer entscheiden,
ist auch gleichgültig, da das Ergebnis in beiden Fällen das gleiche
sein muss; vielleicht gehören diese Formen nicht einmal der Stadt
an, sondern sind vom Lande hereingebracht (wie denn die meisten
Schiffer — Fluss- und Seeschiffer — aus der Landbevölkerung her-
vorgehen). Ebenso ist mir zweifelhaft, ob die Formen dlak JDivk.
Dietrich, dliiks^ Diercks, dla^ka Dietrich (als Instrument zum ÖflTnen
von Schlössern), desgleichen ß-ba^Sit Zitwersamen unserer Stadt an-
gehören.
§ 55. k.
1. k = altem k (q; kk, geschrieben ck): kSit Käthe, Ä'e:« kein,
kint Kind, kl^t Kleid, iwl^^m kneifen, krlt Kreide, kriiß Bretzel, iirl.-w«
kränkeln, v^ko weiclie, ^(^hi sicher, tekjj Zeichen, zeichnen; /aÄij Zacken,
ekan Eicheln, ba^ikij thun, verrichten. §yk Seuche (nur von Tieren).
lik l. gerade, 2. Leiche, v^k weich, melk Milch, vik L Werk, 2. W^erg,
Jä/c Sarg.
2. k = altem gg (doch vgl. § 57,2): myk Mücke, snik Schnecke,
pok Frosch, ek Ecke, slaki^ Schlacken, knakr^ dickes Stück (Brot.
Fleisch, IIolz usw.), brik Brigg, ste.mbryka Pflasterer, baka Bagger.
bV.leka Beileger (Ofen, welcher von der Küche aus geheizt wird), roh)
Roggen, fwtlSwAri) meschugge, ^eka Gewährsmann (der etwas gesagt hat),
vT lekt^ lekt^ llkt wir sagen, legen, liegen. — Zuweilen liegen schon
im Mnd. Doppelformen mit ck und gg vor, z. B. tacke und tagge Zacken.
3. k = g im Auslaut nach g beim Nomen: Zaijfc lang, rfiijt
Ding. Vgl. § 39,3.
4. k = ch in tälk Talg (neben tälTx; mnd. talch, tallich); in
niks nichts ist es = cht,
5. Eingeschoben ist k (schon im Mnd.) in fiktrJöl (auch mit
Ilinzufügung von öl : fiktrltUSl) Schwefelsäure, fiktrll Kupfervitriol.
6. Ausfall des k haben wir in spitSJcl Spektakel, Lärm, kcuqii
Kirchspiel (aber kikmisn Kirmes, Jahrmarkt); der Ausfall in JViZ soll
ist sehr alt^), in slLf Sklave ist wohl nie ein k vorhanden gewesen.
Über die Palatalisierung des k vgl. unter ; ($5 47,4) und x (§ 57,7).
') Auf dem Lande sagt man übrigens §a/, und der Anlaut dieses Wortes ist
vielleicht das sicherste Unterscheidungsmerkmal der städtischen und der ländlichen
Sprache.
19
§ 56. g.
1. flf == altem g im An- und Inlaut: gkan Garn, Garten, gina
Gärtner, gana Gänserich, g^:bm geben, gif Gift, glöihm glauben, grcdn
schreien, grvubm Graupen. rvngB rauhe, ro.gd rohe, h^iga höher, n^:ga
näher, trk:gi^ trägen, hoecgi^ (sich) freuen, Je;^ sahen, t\y:g\^ zogen,
tk:gi^ gezogen, ^:g^ eggen (zu ^:x Egge, mnd. egede; mnd. egen,
eggen = nhd. eggen), tcßigln zögern. — Im Anlaut ist g vor n sehr
beliebt, es heisst nicht nur gnhn knurren, murren (mnd. gnarren),
gn^tan knattern (mnd. gneteren, kneteren), gnatarl zornig, aufgebracht
(vgl. mnd. gnitterich), sondern auch gna^n^ gng§n knirschen (mnd.
knarsen, knirsen), gnui Knorpel (vgl. mnd. knoster), gnyfln knuffen,
gnhi knarren, gnapln knappem, nagen, gn\:8gnk:8 ein mürrischer,
immer nörgelnder Mensch (im Bergischen heisst es knaspita Knurr-
peter), gn^:gln nörgeln, seinen Verdruss äussern.
2. g steht vor einem Vokal für ch in mellgat Melcher, tslgmn
Cichorien; einige sagen auch g9m\ Chemie.
3. g statt ; ist selten: ges Hefe, g^^n gären haben schon früh
g erhalten, ebenso gynt dort in der Ferne, op gynt $U jenseits (mnd.
gunsit). Vielleicht ist g aus ; als Gleitlaut entstanden in flgllVn
Violine (§ 88,2); auch weist wohl die Form ftü«/(ir)ij Kastanie auf ein
aus j entstandenes g hin. Ebenso steht g vielleicht statt j in t&:g9
zähe (mnd. täie; vgl. § 57,5).
4. Bei den Adjektiven und Zahlwörtern auf -ig (-ich) ist in den
unflektierten Formen das g meistens weggefallen: ifiA leer, ledig,
foftl. fünfzig, selten wird es (als x) beibehalten : IMix, foftix. Werden
diese Wörter flektiert, so spricht man vor n (i)) das g (nach Mass-
gabe des § 9): /f^ft//r), W9 foftlgi^^ vor Vokalen zuweilen ein 5: lüdlp^
doch ist dieser Laut in der Regel so flüchtig, (manchmal ist er über-
haupt nicht zu vernehmen: /örfl-/), dass man seine Artikulationsstelle
nicht sicher angeben kann; sie scheint ziemlich weit nach vorne,
etwa bei der des y, zu liegen.
5. Ganz verschwunden ist g in den Präterita J9; sagte, l^: legte,
auch wohl in rfe (masc.) das Gedeihen (mnd. dege). — Über g in den
Lautverbindungen ag, eg — Jai7 Segel, mavnat Meinert, hai.döan Hei-
dorn (Personennamen) — usw. vgl. § 32,2.
§ 57. X.
1. X = altem x (nur im In- und Auslaut): laxr^ lachen, hröxln
(kryxlriy knyxln) hüsteln (mnd. krochen), pulvhcl Kopfweide (Salix
fragilis ; mnd. wichele ; ptd = Schopf), koxl Kachel, axln essen (hebr.),
§ax Stange, strymp^x das Bein am Strumpf (mnd. schacht, schecht;
doch vgl. Nr. G), gotaxt gestaltet, tallx Talg, höx hoch, tr&:x träge,
rQrc rauh, ndtx nahe, jB:x sah, tö:x zog (vgl. auch unter Nr. 3).
2. X = gg (seltener, vgl. § 55,«): biyx Brücke, ryx Rücken,
tryx zurück, flax Flagge, flaxi^ flaggen, fx Tuchecke (Plur. exij), 5/e;iw-
bryxi^ pflastern, smuxln schmuggeln, Jrx, lexs, jrxt sage, sagst, sagt,
2*
20
gesagt, lex usw. lege, lir (tlx) usw. Hege. Hierher gehört auch viel-
leicht strixg stricken, lex Falte in einem Frauenkleide.
3. X = g^ wenn es in den Auslaut tritt (also auch vor .? und /
der Flexion) : drö:x trocken, ^:x Egge, re:x Reihe, ve:x Wiege, Jä?:ir
Sau, hoßix Freude, ß:x Vogt, dL'x Tage, d&rxs Tags, hdxtd Höhe (mnd.
hügede), ne:xst9 nächste, r&:xt regt, liihrt, badryxt betrügt, vixt wägt,
wiegt. — hrox^ hroxt brachte, gebracht.
4. a: = Ä in lönos suchst, ^öxt (er) sucht, gesucht, lox suchte
(auch loxs^ loxt^ Jox) ; dax^ daxt dachte, gedacht, dyxt^ dyx (dyxt^ dys)
däucht, däuchte. In ikxna Erker (mnd. arkener) steht x wohl zur Er-
leichterung der Aussprache; stox Storch ist jedenfalls hd.
5. x ist vielleicht aus ; (i) entstanden (vgl. § 56,8) in f»8;r
Mühe (mnd. moie, moige, möge), tk:x zäh (mnd. tä, taie).
6. a; für /* vor t (schon im Mnd.) ist bei uns selten : axta hinter,
lyxj^ heben, lüften, äeia;, Sftr Schaft, ex echt, laxtd sachte (die beiden
letzten sind auch ins Hd. übergegangen), Jirg durchsieben (Mehl),
davon ^tsix eine Brotart (vgl. die Anm. auf S. 6 zu § 41).
7. Die Adjektive auf -Wc ;,erweichen'' (wohl nach Analogie der
Adj. auf -ig) ihr k im Auslaut zu x^ im Inlaut zu g und weisen genau
dieselben Formen auf wie die Adj. auf -ig (vgl. § 56,4), also: nyttijr
niedlich, nytll^ ^y^^^Qi fiytll^9, nyttla. Das gleiche Schicksal hat das
Je in petlx Mark (in Pflanzen), retlx Rettig, ^T Essig gehabt. Die
Form JXc sich ist hd. (ganz alte Leute sagen Jik). Zu dieser ganzen
Erscheinung vgl. Ndd. Jahrb. XVI S. 94. 98. 99.
8. a; fällt häufig ab in doea durch (neben dox)^ no noch (neben
nox). Sehr früh ist es schon geschwunden in So Schuh, wä, wü nach,
§e/w schielen, baf^n befehlen, fiki Furche, fyan fohren, aus Fichtenholz,
sfKfü Schlinge, erßltret Engelbrecht (Personenname), hnex rupat Knecht
Ruprecht; ebenso vor s: fias Flachs, Jas Sass (Personenname), vas
Wachs, vasn wachsen, brasn Brassen, Brachsep (ein Fisch), veshi
wechseln, dresla Drexler (Personenname), os Ochs, fos Fuchs, Jos sechs,
l}ys Büchse, dlsl Deichsel. Die hd. Formen haben wir in viks Wichse,
lahf Lachs, aJcslklapm Achselklappen, jaksn Sachsen, Jaks Sachse, luks
Luchs, daks Dachs, gdveks Gewächs.
§. 58. Anhang: Konsonanten in unbetonten Silben.
Wie in neben- und unbetonten Silben Verkürzungen aller Art
eintreten, so giebt es in ihnen auch keine langen Konsonanten. Also
heisst höan nicht nur Hörn, sondern auch hörnern (hürnen), ebenso
hin Atem, atmen, fe^e;^ begegne, begegnete, begegnen, begegneten.
r^Ä-i) L rechnen, 2. Rechnung, <eÄg zeichnen, r^/^i) regnen; fiMnkk:m
vollkommen (mnd. vullenkomen), tokum zukünftig, kommend (mnd.
tokomende), kandl:dl vergnügt (nicht kannd\:dl) usw. So erklärt sich
das scheinbare Fehlen des Artikels in Verbindungen wie op dak (ge-
nauer qi^tak) statt opt dak auf dem Dache, in hü:s = inn hn:8 im
Hause; ebenso im Satzzusammenhange: gifemltetn •= gif em w befn
gieb ihm ein bischen.
21
§ 59. Übersicht ttber die Konsonanten.
Hier sind nur die Hauptsachen aufgeführt.
Altes (fremdes): Glückstädter:
b im Anlaut 6 § 5Ö,i. [
fallt weg nach (voi:) w . . . — § 39,»". a.
bb jp § 49,«.
ch « § 57,1.1
fallt weg — § 57,8.
in den Adjektiven auf -ich (-ig) § 56,4.
d im Anlaut d % 54,i.
im Auslaut (ausser beim Yerbum) t % 53,s.
vor den Ableitungssilben -em, -el, -er vielfach .... ^ § 41,8.
fällt weg im Inlaut nach n und l . . — § 39,«.
dd meistens t % 53,s.
zuweilen (V) § 43,6.
de fällt vielfach weg — § 8,i. 54,2. ».
/und # .... / § 52,1. «.
(oder v) fällt weg .....—§ 52,».
g im An- und Inlaut ^ § 56,i.
im Anlaut selten j % 47,s.
in französ. Worten^ S § 46,«.
vor n in Fremdwörtern gewöhnlich q § 42,6 b.
im Auslaut gewöhnlich x % 57,s.
„ „ nach q beim Nomen ib § 39,8. 55,s«
fällt weg nach (vor) q — § 39,s. ».
„ „ in der Endung -ig (-ich) — § 56,4.
gg meistens k % 55,s.
seltener x % 57,s.
h nur im Anlaut Ä § 35.
faUt weg (vgl. auch ch) — § 35. (67,8).
i (0 i § 47,1. 8.
selten \ g % 56,8. 38,».
oder im Auslaut / x ^ 57,5.
fällt weg — § 47,8. 4.
*, gr, c* d. i. ** k % 65,1.
einigemale vor «, t x % 67,4.
palatalisiert ") <; § 47,4.
oder fällt weg V — § 47,4. 57,7.
oder J X % 57,?.
l (U) gewöhnlich l (§ 44), selten r § 41,8 b.
m in bestimmten Fällen n § 42,4.
Nasale (m, n, q) untereinander vertauscht § 4,8 b ; 9 ; 42,4. 8.
hinzugefügt § 40; 42,s.
ausgefallen — § 42,8.
Nasalierung in französ. Wörtern q § 42,6 a.
Pf PP P § 49,1.
in einigen Fremdwörtern , . . 6 § 41,i.
vor 8, t zuweilen / § 52,4.
pf im Anlaut hochdeutscher Wörter / § 52,6.
q siehe k.
r im Anlaut, im Inlaut vor Vokalen r § 43,i.
vor Fortis fällt meistens weg — § 43,4.
umgesteUt § 43,6.
Vokal -h r (rr) Vokal -f- a § 43,».
od. knarr. Vok. §|43,8.
er nach Kons, und geschloss. Vokalen » . a § 43,s.
22
Altes (fremdes): Glückstädter:
8 fs% 45,1-«.
in fremden Wörtern /> »» te § 45,».
angehängt 0 | 40,8b.
88 (vgl. auch § 41,s) 8 I 45,sa.
oUff 0C//# ••••••.•.•••••••■•••Oji 4v«li ••
Vf 8tj S § 46,3. (4).
i, U t % 53,1.
in einigen Fremdwörtern d % 41,i.
hinter /, 8, x, k föllt weg — § 39,«.
th = d.
(;' in lat. Wörtern nach Konson ^ \ s j<:
„ Vokalen <g / « *^'"-
V im Anlaut = /.
im Inlaut 6 § 50,3.
wenn es in den Auslaut tritt / § 52,s.
fällt weg — § 52,5.
w (u) nach Kons, in derselben Silbe fo § 48.
nach ä u§ 51,s.
( sonst 0 § 51,1. s.
\ im Auslaut / § 52,« b.
fällt zuweilen ab im Anlaut vor r — § 51,i.
fällt weg nach Kons. u. lang. Vok — § 51,3.
s in Fremdwörtern te> «» / § 4:5,5.
Gleitlaute § 38.
Konsonanten ausgefallen § 39,i.8. — 6 § 50,8. — </ § 56,5. — k % 55,e. — 2 § 44,i.
— Nasal § 42,8. — / § 45,i. — i § 53,«.
abgefallen § 39, s. «.
vorgeschlagen § 40,i.
eingeschoben § 40,i. — k % 55,8. — l § 44,i. — Nasal § 42,s. —
t § 53,8.
angehängt § 40,8. — Nasal § 42,8.
vertauscht § 41,i. — d > l % 44,8.
Konjugation.
§ 60. Allgemeines.
1. Das Verbum hat in unserer Mundart keinen Konjunktiv und
kein Participium Präs.; nur in einigen erstarrten Wendungen haben
diese Formen sich erhalten.
a) Konjunktiv, ik v^:s ich sei, in Beteuerungsformeln, z. B. ik
v^:s föflnxt^ ven .... ich sei verflucht, wenn . , . ,^ got g^f Gott gebe,
gewöhnlich zui* Konjunktion herabgesunken in der Bedeutung „wenn
auch^^), gnk:t dl got Gott sei dir gnädig (eine Drohimg = dir wird
es schlecht ergehen). Ein Konjunktiv ist auch anzunehmen in Wen-
dungen wie nü klTc mkl ^:na an nun sehe einmal einer an. Ob die
Formen geif gab usw. (V. Klasse § 65) als Konjunktive erklärt werden
oder nicht, ist ohne Belang, da sie als Judikative gebraucht und
empfunden werden; überhaupt haben nur diejenigen ein Gefühl für
den Konjunktiv, denen es in der Schule anerzogen wird.
1) Vgl. Grimms Wb. IV 1,1 Spalte 1708 Nr. 20.
23
b) Von den erhaltenen Part. Präs. werden einige mit bestimmten
Substantiven verbunden attributiv gebraucht, während andere nur
prädikativisch vorkommen: a) hilcij (sprii^i^k&h}) vä/a, lopm, oplöpm^
aflöpm v&ta kochendes (springendkochendes) Wasser, fliessendes, auf-,
ablaufendes Wasser, cb löpmdB föt^ rö:t der laufende Fuss, die laufende
Rute, neimelki} kb: frisch milchende Kühe, optn Aagg h&a um ein Haar
(wörtl. auf ein hangendes Haar), tökum twic, j&a usw. künftige Woche,
künftiges Jahr, fle:giQdj hits fliegende Hitze; rl:dncb atalarl reitende
Artillerie und raic^nda ly:t reisende Leute sind vielleicht dem Hd. nach-
gebildet. — fi) gynnt gönnend, /Siagg^ verlangend, fnö:n vermutend^),
vSiki} wachend (verstärkt hdv&k^), tryxholn zurückhaltend, schüchtern,
minaxij geringschätzig ; bei fög^tn vergesslich ist die Sache zweifelhaft.
— Dazu sprig^lübenl springend lebendig (namentlich von Fischen),
rUnt afg&:n^ vexgii:n reissend abgehen; hierher gehört auch wohl Sltn
ai^s, propm fül vollgepfropft, drVbms geradeswegs und das Adjektiv
glÖ:nlx glühend (mit angehängtem -ix, vgl. Zeitschr. f. d. deutsch.
Unterricht VII 632 f.). — Vielleicht findet sich noch das eine oder
das andere Participium, welches mir entgangen ist; früher scheinen
noch andere in Gebrauch gewesen zu sein, z. B. snn:bm schnaubend,
kii}kq hinkend mit folgendem Personennamen. Ausserdem liegt ein
Participium vor in Redewendungen wie dat vU r^:gy es fängt an zu
regnen usw., Ae blQ:f Jitn er blieb sitzen usw.
2. a) Die Endungen sind bis auf die des Part. Perf. Pass. für
die starke und die schwache Konjugation gleich.
Ind. Präs. Präterit. Imperat.
Sg. Plur. Sg. PL Sg. PI.
1. —
Inf. -n (-my -ij^.
Part, stark -n (-m^ -j^);
schwach -t.
2. '8 y 't 'S
3. 't
Der substantivierte Infinitiv hat in der Stadt nie oder doch nur
sehr selten ein -t: dat snakg das Plaudern usw.
b) Der Stammvokal ist im Sg. und Plur. des Präteritums auch
bei den starken Verben stets gleich; der Stammvokal der 1. Pers.
Sg. Präs. ist immer gleich dem des Plurals, während die 2. und 3. Sg.
häufig einen andern Stammvokal haben. Ich werde bei der Aufzählung
der einzelnen Klassen jedesmal Inf., 3. Sg. Präs., 2. Sg. Imperat.;
1. Sg. Präter. und das Part. Perf. Pass. vorausschicken.
c) Das Part. Perf. Pass. hat nicht die Vorsilbe g9] selbst wenn
es als Adjektiv gebraucht wird, fehlt häufig (auf dem Lande häufiger
als in der Stadt) diese Silbe, wie denn überhaupt Participien mit der
Vorsilbe ga in dem (nicht immer gerechtfertigten) Verdacht stehen,
') Zu vat hys mö.n was meinst du, dat vea t^ n\ mo:n das dachte ich nicht
usw. (diese Ausdrucksweise ist übrigens in der Stadt seltener als auf dem Lande)
vgl. Emilia Galotti II 7 : Ich war Sie in dem Vorzimmer nicht vermutend. Ähnlich
Don Carlos V 10: Ich war mir's nicht mehr vermutend; IV 10: Solcher Ergeben-
heit war ich mir .... nicht vermutend.
24
entweder hd. zu sein oder doch unter dem Einfluss des Hd. entstanden
zu sein.
d) Stammhaftes s fällt mit s der Endung zusammen (hinter s
verschwindet das s), stammhaftes d und t mit t der Endung, stamm-
haftes m, n, j} mit n der Endung (nach § 5 und § 58). t nach einem
Konsonanten kann in schneller Rede, wenn das folgende Wort kon-
sonantisch anlautet, wegfallen, vgl. § 39,i.
3. Die 3. Pers. Plur. hat, wenn sie als Anrede gebraucht wird,
gewöhnlich die hd. Endung -w, und zwar im Imperativ häufiger als
im Indikativ : p g&:t oder gL'n Sie gehen, gL'n p gehen Sie ! häufiger
als g&:t Ja; das -n gewinnt immer mehr die Oberhand. Ob in Rede-
wendungen wie btl:f p man [itn bleiben Sie nur sitzen Imperativ
(statt blvft) oder Konjunktiv vorliegt, ist wohl nicht zu entscheiden.
Ich möchte das erstere annehmen, da bei uns die Anreden Äe Er und
Je Sie (als Singul.) in der Stadt durchaus ungebräuchlich sind ; selbst
auf dem Lande ist die Sitte, dass der Knecht den Herrn mit Ae, die
Frau mit Je anredet, stark im Schwinden begriffen. Merkwürdig ist
jedoch, dass, wie ich meine. Formen wie blvf Ja nur an weibliche
Personen gerichtet gebraucht werden.
Starke Konjugation.
§ 61. I. Klasse.
klki^^ kikt^ kik; Jcek; ki^g.
Hierher gehören: Uvbrn bleiben, drl:bm treiben, rVbtn reiben,
§rT:6m schreiben ; grlpm greifen, ktilpm kneifen, stlpm schleifen (schär-
fen). gti:dn gleiten, Ivdn leiden, rVdn reiten, snlidn schneiden, strV.dn
streiten; bitn beissen, rUn reissen, stltn schleissen, smltn schmeissen,
sptUn spalten (selten), §T^n. krVgi} bekommen, mVgg mingere, stl:gj}
steigen, swVgij schweigen ; klkg schauen, sllkij schleichen, strJkg streichen.
f6l^:dn vergangen (selten). i?lÄ;g weichen ist sehr wenig gebräuch-
lich, es wird aber, soweit ich sehe, schwach flektiert; fogllki} ver-
gleichen hat in der 2. und 3. Sg. gewöhnlich L
§ 62. n. Klasse.
1. l^:gii^ lyoct^ le-'x; lö:x; Wgg.
2. krüpm, krupt^ krnp; krop; krkpm.
1. he:dn bieten; födretn verdriessen, fletn fliessen, gctn giesseu,
gjHctn geniessen, Setn schiessen. dre:gri verlassen (sich auf etw.),
b^dre:gi} betrügen, fle-gi} fliegen, /e;^j lügen. t^:n (tö:x^ tL'gii) ziehen
(selten), fr^n frieren, fölOan verlieren.
2. sn\x:bm schnauben, ^rivbm schrauben, iTvbni schieben; ifcrupm
kriechen, Jvipm saufen, slütn schliessen. Jü.'^m saugen; slvJcq schlucken.
— stj:bm stieben, stauben (dat styft), ryÄij riechen (he rykt).
Zu iö:a?, b&:gi^ fehlt das Präs. und wird durch Jö:^ biegen,
beugen ersetzt. — frmn und fölean behalten in der 2. und 3. Sg.
25
Indik. ihr ursprüngliches s : frpst, fÖlyst (§ 45,3) ; Imperat. ßlea, —
slükxj bildet auch schwache Formen.
§ 63. m. Klasse.
1. driifihg, drii^kt^ driijk; drur^k; c7rtti|%Q.
2. a) geän, 6dÜ, ieU; hiü; Sulln,
b) helpm, hdpt, hdp; hdp; hcipm.
1. binn binden, finn finden, föswinn verschwinden, vinn winden;
linn sinnen, spinn spinnen, (g9)vinn gewinnen, fövinn verwinden, ver-
schmerzen, digg dingen, handeln, drii}j} dringen, dwii^i} zwingen,
Wigg klingen, fl'aKgg gelingen, Jtgg singen, sli^ri schlingen, spring
springen, swii^i} schwingen, mgg wringen, ausringen; drii^ki^ trinken,
stiijhj stinken, opgodunnjn aufgedunsen (hd?).
Von dem Simplex Jinn ist das Part. Perf. Pass. ungebräuchlich.
Von irigg kommt nur das Präsens vor; Präter. und Part. Perf. Pass.
sind schwach (brox, broxt).
2. a) gelln gelten, Selln schelten; hdidumm beklommen, kwilln
quellen, siüüln schwellen.
Von gelln heisst die 3. Sg. gelt (nicht gellt) Imperat. ßgelt (hd.
Einfluss?). kioilln und stoittn haben im ganzen Präs. i.
2. b) helpm helfen; /Söreig erschrecken (intransitiv und transitiv),
treki^ ziehen, födibm verderben, stibm sterben; vin werden. M^fg
bergen, iSvobm erwerben, basn bersten.
Von iägrg, iv&bm^ basn fehlt das Präteritum, von bisn ausserdem
die 1. und 2. Sg. Präs. und der Imperativ ; bisn ist überhaupt wenig
gebräuchlich, Sva6m wohl hd.
melkj^ melken, flexr^ flechten, snuJltn schmelzen sind schwach, docli
linden sich zuweilen die Part. Perf. Pass. pidki^, floxi^, und auch
smöltn ist wohl starkes Part. Perf. Pass. in Ausdrücken wie m punt
smÖltn We ein Pfund geschmolzenes Blei.
§ 64. IV. Klasse.
1. Äpr^lg, sprikt^ spr^; sprdk; spriJcij,
2. n^:mmj nimt^ nim; ne:m; ni:mm.
1. dri):gi^ tragen, v^:gi^ wägen; br^kg brechen, spr^kg sprechen.
— Sv^n scheren bildet die 3. Sg. Präs. 6^at; ich weiss nicht, ob das
Imperfekt von diesem Worte bei uns vorkommt.^) Auch st^ln stehlen,
fo/9Zn befehlen, entßln empfehlen bilden st^lt^ bdf^lt^ entf^t — Von
gjb^an gebären kommt nur das Part. Perf. Pass. vor, ältere Leute
sagen gdbkan^ mii- ist nur gdböan geläufig.
2. n^imm nehmen ; dazu kk:mm kommen : kumt^ kum ; ke.m, kL-mm.
') Hier sei beiläufig bemerkt, dass das Imperfekt überhaupt vielfach Eiubusse
erlitten hat durch die Umschreibung mit dö:n thun; auch wird imNdd. häufig das
Perfekt gebraucht, wo der Hochdeutsche das Imperfektum setzt. Das Genauere
darüber gehört in die Syntax.
26
§ 65. V. Klasse.
9<w, ü, ^t; et; (}tn,
^tn essen (fr^tn fressen), fög()tn vergessen; tr<^:dn treten, si^kij
stechen, stecken. — g^:bm hat im Imperat. gif. — m^tn messen ist
nur im Präs. stark, dann und wann hört man auch noch einmal das
starke Part. m^tn. — l^:Jn lesen wird von jüngeren Leuten schwach
konjugiert, ältere Leute sagen noch Ie:s, Z^.Jw ; dagegen entsinne ich
mich nicht, in der 3. Sg. Präs. jemals list gehört zu haben. — Statt
v^:^n sein sagen wir gewöhnlich v^:n ; es ist im Indikativ Präs. unge-
bräuchlich, bildet aber das Präterit. ve.i, Part. Perf. Pass. v^:n (daneben
vest)^ die 1. Sg. Konj. Präs. ik v^:s (vgl. J5 60,ia) und den Imperat.
Verba mit urspiünglicher Erweiterung des Präs. durch j sind
^*ün sitzen, bitn bitten, Kijr) liegen. Sie bilden jit sitzt, Jrt sitze;
/e^, J^tn usw. Zigg hat im Plur. Ind. Präs. und im Imperativ den
Stammvokal 1: likt, llx (selten lix)^ ebenso gewöhnlich ik llx.
Endlich gehören hierher Je;n sehen und ga^e-n geschehen. Sie
bilden Jy5, Jyxs siehst, Jy^, fyxt sieht, vT Je^ wir sehen, Jy sieh ! (mehr
Interjektion), Je sieh ! Je.vr sah, Je.'^g sahen (auch Je:, Je.'w) ; Je:«
gesehen, ga^yt geschieht, ^^äe:^ geschehen (3. Plur. Ind. Präs.) ; g^Sc:
geschah; gaSe:n geschehen (Part. Perf. Pass.)
ij 66. VL Klasse.
1. va^n, va^t^ m&; vuS; vu^n,
2. sWgr^y — $1&:; 8lö:x^ slkgii.
1. vasn wachsen, vaSn waschen.
2. slLgTj bildet das Präs. ik slL' (slk:x) ich schlage, slaiU
schlägt, vi slkt (slL'xt) wir schlagen, Imperat. slk: (seltener slli'x). —
Von swöan schwören, opMihm aullieben (d. i. beseitigen) ist nur das
Part. Perf. Pass. stark: swkan^ ophL'btn^ alles übrige schwach. —
Hierher gehört auch das Imperfekt stutin stand von stLn.
Hinzu kommt noch das Imperfekt frö:x fragte, das wir aus-
schliesslich gebrauchen.
§ 67. Ursprüngl. reduplizierende Verba.
1. Iktn lassen, let^ ISit; löt; l'itn.
2. slipm schlafen, slö]i)t» slkp; slGp;slXpm. Ebenso konjugieren
wir drSipm treffen.
3. lüpm laufen, löpt^ löp; l^p; löpni, röpni inifen.
4. kein heissen (genannt werden), hat (Imperat. fehlt); Äe^; hoin.
In der Bedeutimg befehlen ist es nur im (substantivierten) Infin. (nt
e.7/g hctn aus eignem Antrieb) und im Part. Perf. Pass. gebräuchlich.
5. falln fallen, fallt, fall; füll; ftdln. /agg fangen, Aoijg hangen,
hängen, gur^r^ ging (das adjektivisch gebrauchte Part, fogar^i} vergangen
ist wohl hd.) — höhl halten flektiert Ind. Präs. Sg. 1. Äö? 3. holt,
Plur. holt; Präterit. holt (selten hel)\ Part. höln. — Ausserdem ist
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vielleicht joUn gezalzen (adjektivisch gebraucht) als starkes Part.
Perf. Pass. anzusehen; es kann aber auch die schwach flektierte Form
des Adjektivs JöU salzig sein.
Schwache Konjugation.
§ 68. Bei den meisten Verben bleibt der Stammvokal und der
letzte Stammkonsonant in allen Formen unverändert, z. B. hb:dn hüten,
Äö Aö:^ er hütet, hütete; nenn nennen, nannte, nennt genannt, kenn
kennen, kannte, kennt gekannt usw. Ausgenommen sind nur folgende
Verben, bei denen die Endungen von alters her unmittelbar an den
Stamm traten (daher auch die Verwandlung von p, k in /*, x): motu
aufhalten (etwas in Bewegung Begriffenes; bambtn begegnen. Beide
Wörter sind in der Stadt ziemlich selten und nicht in allen Formen
gebräuchlich), bötn einheizen, stbtn stossen ; hl6:dn bluten, köpm kaufen,
d6pm taufen. JÖÄg suchen. Sie bilden also z. B.
Präs. Sg. Äöp, koß; Plur. kopt. Imperat. kop. — Part. koft.
„ „ UM, Uöt; „ blb:t. „ stbt. blöt,
Präterit. Sg. kof; „ kofm.
y, „ Uöt; „ Uötn.
Hierzu kommen mit j,Rückumlaut^ im Präter. und Part. Perf.
Pass. dei^kr^ denken {dax dachte, daxt gedacht), 6rtr)g bringen (brox,
broxi; vgl. § 63). — Bei fÖÄg suchen sind in den in Betracht kom-
menden Formen beide Vokale gebräuchlich: ^öxt^ Joxt.
§ 69. Folgende Verba, welche früher stark waren, sind (teilweise
schon im Mnd.) in die schwache Konjugation übergetreten:
I. Sl:nn scheinen, kVnn keimen, amprVjn anpreisen, plpm pfeifen ;
opre:n aufreihen, inre:n vorläufig nähen, sp&:n speien, spucken, §fe;M
schreien. — Zweifelhaft ist mir rlfeg weichen (ütvTkg ausweichen).
IL brö:n brauen. Über b6:grj vgl. § 62.
III. rföSw dreschen, swömm schwimmen. Über tWgg vgl. § 63
und 68 am Ende.
IV. —
V. b9V^:gg bewegen, pl^.:gr^ pflegen (fovere; ich pflege zu thun
— soleo — heisst ik plex; Imperf. plex^ Inf. und Part. Perf. kommen
kaum vor), kn^.dn kneten, v^:bm weben.
VI. bakg backen, l&:dn laden, vL'dn waten, grLbtn graben,
mSi:ln malen, f&an fahren.
VII. rSi:dn raten, brL'dn braten, Wä:Jw blasen; Sc:dw scheiden;
föln falten (selten).
§ 70. ^Unregelmässige*' Verba.
1. Jt;n sein, byn ([yn), bys, is ; fynt (bynt). Imperat. /T:, Jl^.
Alles übrige von wjn (J^ 65). Die eingeklammerten Formen gehören
mehr dem Lande an. — Das Perf. usw. wird wiederum mit Jl:n ge-
bildet: ik byn v^.n, doch lautet der Inf. Perf. oft vest hemm.
28
2. 2. dö:n thun. (?ö;, (lai:8, daist; döl, Präterit. d^i; Imperat.
dö;, döt. Part. d&:n.
3. 5^ä:n stehen, ^&:n gehen, ^ä.*, ^ai:^, ^a«:^; ^ä/. Imperat.
g&:^ gSd. Part. ^fä:«. Die Präterita stunn^ ^ugg § 66. 67.
4. hemm haben, hef^ hes, het; höpt (auch hept). Imperat. hef,
höpt. Präterit Ää, Part. hat.
§ 71. Präterito-präsentia und voUn.
Alle ausser gynn ohne Imperativ.
1. v^n wissen, t^e^, vets, vet; v^t. Präterit. vus^ Part, vust
(selten v^n),
2. d(B:gg taugen. d€s:x, döxs, döxt; d(ß:xt. Präterit. döx (Plur.
döxi^^ Part. döxt.
3. gynn gönnen, gynn, gynns^ gynnt; gynnt. Imperat. gyfm.
Part. Präs. gynnt (§ 60,i b). Präterit. gynn, Part. Perf. Pass. gynnt.
(Dies Verbum wird häufig umschrieben durch ik byn gynnt ich bin
gönnend.)
4. könn können, kan, kans, kan ; kötU. Präterit. hm, Part. kunt.
5. dgbm dürfen, dgf^ dgfs, dgft; dgft. Präterit. (/©/"(Plur. dgfm
und dgbm)^ Part. dgft. — Dies Wort kommt auch (aber sehr selten)
in der Bedeutung ;, wagen ^ vor, was eigentlich dgn heissen müsste.
6. Joßn sollen. Jal^ Ja«, jal; JÖU. Präterit. JwZ, jus,Std; JuUn.
Part. Jult,
7. ^<?</9 (ntos:gi}) mögen, max, maxs, max; mgxt (m(e:xt).
Präterit. mux (Plur. wtwarr)), Part. muxt.
8. mon müssen, mut^ mus, mut; mgt (mceit). Präterit. mus^
Part. must.
9. vSlln wollen. Sg. 1. 3. ml, 2. vis oder vult; PL vSU.
Präterit. vul^ vus, vtd; vuUn. Part. vult.
Anm. Auch hinter Infinitiven haben die Part. Perf. dieser Verba
die oben angeführten Formen, z. B. his m\ man fri:gi^ kunt (du)
hättest mich nur fragen können.
Deklination.
§ 72. Allgemeines.
Eine Deklination giebt es in unserer Mundart kaum noch. Man
kann also auch genau genommen nicht von einer starken und einer
schwachen Deklination reden, sondern nur von Wörtern, welche
ursprünglich der starken oder der schwachen Deklination angehört
haben, und in diesem Sinne sind die iinten gebrauchten Ausdrücke
starke und schwache Deklination zu verstehen.
Genitiv und Dativ sind als lebendige Kasus nicht mehr vor-
handen, sondern fristen nur in gewissen erstarrten Redensarten ein
kümmerliches Dasein. Der Dativ ist dem Akkusativ gleich geworden.
Der Genitivus possessivus (subjectivus) wird umschrieben, und zwar
29
in der Regel bei lebenden Wesen durch das Possessivpronomen mit
vorgehendem Akkus, (d. i. Dativ) : den juq Jim bök des Knaben Buch,
Jtn fata Jim brö:da Jl»w bai:dn hy:s die beiden Häuser des Bruders
seines Vaters, da bm, den Jt» hüs af brennt is der Bauer, dessen Haus
abgebrannt ist usw., bei leblosen Wesen durch fun von: da finstan
fiin dat hns die Fenster des Hauses. Der Genitivus partitivus wird
(wie auch grossenteils im Hd.) durch fun umschrieben. In andern
Fällen ist der Genitivus durch den Akkus, ersetzt: ful vSda voll
Wasser(s), A6 is dat nl mal er ist dessen nicht würdig. Das Nähere
hierüber gehört in die Syntax.
Überreste des Gen. und Dat. a. § 75.
§ 73. Starke Deklination (Pluralbildung).
1. Der Plural ist dem Sing, gleich, d. h. er ist jetzt ohne
P^ndung. — a) Maskul. /is Fisch, äZ Aal, byt Butt (ein Fisch), dön
Dorsch, h^k Hecht, t^:n Zahn, äo Schuh, stQ:n Stein. — b) Neutr.
äkp Schaf, swVn Schwein.
2. Der Stammvokal wird im Plural gedehnt, wenn er ursprüng-
lich in offener Silbe stand; nachträglich fiel die Endung -e (-de) ab.
— a) Maskul. bref, bre:f Brief, rfe/", rfc./ Dieb, vex, v(^.:x Weg, dax^
dL'x Tag, äri^, ^r(}:t Schritt; vint, vinn Wind, hunt, hunn Hund,
frynt^ frynn Freund. — b) Neutr. §£/?, g^p Schiff; p^y p^ Pferd. —
c) Fem. hant, kann Hand, vant^ vann Wand (Abfall des -de § 8,i ; 54,8).
3. Umlaut (-e abgefallen); der Stammvokal wird im Plural
gedehnt, wenn er in ursprüngl. offener Silbe vor Lenis stand. —
a) Maskul. p&l^ pcel Pfahl, gas^ ges Gast, slax^ sl(}:x Schlag, hof, h(p:f
Hof, trox, trce:x Trog, tox^ tns.x lustiger, dummer Streich, rfrä^, droe:t
Draht, fot, ßt Fuss, stöl, st6l Stuhl, //ö, /?Ö Floh, tö:n, t(S:n Zehe,
spö;w, sp&:n Spahn, Wo/c, Llök Block, kop^ köp Kopf, dop, döp kleines
Kind, buk^ byk Bock. — b) Neutr. blat, blopit Blatt, rat, rce:t Rad — danach
fat^ f(e:t (statt ffpt) Fass, slot, slce:t Schloss (an der Thür) — Ivröt,
fjTÜ.'t Brot, bot, bi^:t Boot, plunt abgerissenes Stück Leinen, jüynn
Lumpen, schlechte Kleidung. — c) Fem. nut^ ncet Nuss, «ä^, nceit
Nat, Äo, kiS Kuh, Züs, lyis Laus, wil.<?, my:s Maus, äü/, hy.t^) Haut,
^0.9, gh:s Gans, kuns, kyns Kunst.
Doppelformen s. unter 4.
4. Endung -a, mit Umlaut, wenn möglich ; Dehnung des Stamm-
vokals wie unter Nr. 3. — a) Mask. mau^ mcna Mann, gais, gaista
Geist (hd?), runt, rena Rand, öat, ^ata Ort, Ahle, rföfc, ddka Tuch,
stok, stöka Stock, bant, bena Band (1. Strick, Schnur, 2. Band eines
Druckwerkes). — b) Neutr. lam, lema Lamm, äyi/Z/*, kelUni Kall), ni:,
aia Ei, lok, löka Loch, kernt (h(*mp), hnvmda Ilemd, hrt, //r^.-rfa Brett,
bok^ böka Buch, gojix, g,)Jixta Gesicht, Äiw/, kina Kind, We/, klB:da
') § 31,2 (Seite 101 Zeile 1) steht fälschlich ^y(.
30
Kleid, holt^ holta Holz, hb:na Hühner (ohne Sg.). — c) Fem. stat, st^
Stadt (halb hd.)
Mehrere Wörter haben Doppelformen, indem sie bald die Endung
a annehmen, bald nicht. Hierher gehören: töm, vom, vgma Wurm,
Aöan, Aöan, hgna Hörn, vöat, t7Öa, vbata^ vgta Wort, blatj Uced^ hl^:da})
Blatt, ÄÜ5, Äy:s, Ay:Ja Haus, glas^ gloß.s^ gl^'^ci Glas. — Einige dieser
Formen, wie z. B. hona, vota sind offenbar hd.
5. Endung -n. — a) Mask. d/ö, di§« Tisch, pol, pöln Pfütze,
vHat, vmtn Wirt, apl^ apln Apfel, «/^/M, st^Mn Stiefel, katityfl, hantyfln
Kartoffel. — b) Neutr. Sop, Mpm Schrank, äah, ddki^ Dach, bet^ hein
Bett, styh, styhf) Stück, finsta^ finstan Fenster, j&a, j&an Jahr, §öU,
^ötln Schüssel, fwÖ.Wn Möbel (ohne Sg.) — c) Fem. (vgl. § 74,3) mas,
masn der Mast. — doxfa>^ däxtan Tochter.
6. Die Endung -5 haben namentlich die Wörter auf -el, -en
(-em), -er. — a) Mask. f&:gli f&:gls Vogel, n§L:gl, nk:gls Nagel, 9.J/,
9;JZc9 Esel, f»!)?, evjl^s Engel, slwil, sUMs Schlüssel, kroppl, krcepls Krüppel,
hH, kUs Kerl ; i'd'^ij, vLgj^s Wagen, h&:f»m^ hL'bnis^ Glashäfen (Gefasse
von cylindrischer Form), ä:6m, L'bms Ofen, L'bmt, &:bnis Abend ; /txifi,
töans Turm, fksdn, fL'dns Faden; svVdci, snVdas Schneider, t?9;irt, v^.-fnis
Weber usw. sm:n, S(E:ns Sohn. Zu mes Messer bildet man den Plural
mesas von dem hd. mesa, welches auch im Sg. neben mes gebraucht
wird. — b) Neutr. spii:gl, spG.gls Spiegel, cwn, enns Ende.
Bei manchen Wörtern schwankt der Gebrauch.
§ 74. Schwache Deklination.
1. Maskulina. Das n der obliquen Kasus ist (wie im Hd.)
sehr häufig in den Nom. eingedrungen : ftä:^ij Bogen, hcdki} Balken,
halln Ballen (am Fuss; Warenballen), l)rk:dn Braten, drgpm Tropfen,
gollgi^ Galgen, g§i:an Garten, grLbm Graben, hopm Hopfen, hösn Husten.
knjmi Kar[)fen, kas^i Kasten, ktvXkij Knochen, kollbm Kolbon, /löfci) Kuchen,
krL-gii Kragen, mLgi^ Magen (aber auch niLx Femin.), nnki^ Nacken
(auch nak Fcmin.), plaki} Fleck (Schmutzfleck, das Schwarze in der
Scheibe), posn Pfosten, rokij Roggen, Sä.d« Schaden, äiijtg Schinken,
s^:dn Schlitten, snm.bni Schnupfen, stöan Stern, tapni Zapfen. — Dazu
die ursprüngl. starken Wörter ^atn Schatten, vetn Weizen, lesn Leisten.
Vgl. § 40,3.
Andere Wörter werfen das -e des Nom. ab: Ää:n Hahn, swL'n
Schwan, wä:m Name, rfü-n» Daumen, rii:m Riemen (l^.w Besen); glösf
(ilaube, hLs Hase, A6 Herr, mink Mensch, vil Wille, sL't schade!
(d(U is §ä;^ es ist schade). Diese bilden, soweit sie nicht auf einen
Nasal endigen (vgl. § 42,4), den Akkus, auf -w: glo:bm, M:Jw, A6n,
*) Man hört auch bl(p:da, bl(^:t, dagegen scheint ropula, r^.i Räder ebensowenig
beliebt zu sein wie gl(p:fa Gläser.
') 8tyl"Q sind wirkliche Stücke (Teile, z. B. auch Scherben), styka sind Stucke
als Ganzes (z. B. Lesestiick) ; bei Zahlangaben sagt man auch atyk, z. B. f\:f atyk
wie fvf föt u. dgl.
Bl
min^fif villn. Dies -n zeigt sich auch im Nom., wenn ein schwach
flektiertes Adjektiv oder der unbestimmte Artikel vorhergeht : n jui^rj
minsn ein junger Mensch (vgl. § 76,i.)
Zweifelhaft ist mir der Akkus, von bm Bauer, ip Affe, bLt Bote,
idhfant Elefant; es scheint, als ob Formen mit und ohne -n neben
einander vorkommen. Sicher ohne Endung im Akkus, sind rip Reif
(pruina), Juld&t Soldat, musltant Musikant.
Der Plural wird verschieden gebildet.
a) Die Wörter ohne Nasal im Nom. Sg. haben im Plur. die
Endung -n: hk\ln^ miv&n, hm; äpw, iüan, ebfantn, ^uld&tn,
b) Die Wörter mit Nasal im Nom. Sg. haben teils gar kein
Pluralzeichen, teils -5; manche Wörter schwanken. — a) balln^ ii^pm^
/iTwäfcr), Ä:ÖÄ;i). — ji) hrk:dns^ gkanSy kasns, Jcrkgi}S^ plaki^s^ stmns; sw&:nfi,
nkims^ reims.
2. Neutra. Im Nom. Akk. Sg. keine Endung, im Plur. -w:
hat Herz, ö:x Auge, öa Ohr, wiwä Mensch. Plur. oigr^, öan (hatn Ca^ur
im Kartenspiel gilt als Singular und bildet den Plural hatns),
3. Feminina. Der Sing, hat keine Endung, der Plural die
Endung -n : 69a, h^an Birne (auch Beere), du:/*, dü:hm Taube, kat^ hatn
Katze, ÄäÄ, kSJci) (kox, konjl) Kirche, kLi^ Man Karren, klok^ Moki^
Glocke, Uhr, netl^ netln Nessel, po:it^ pöatn Pforte, ro:s, rö:Jw Rose,
§1:/*, Slihm Scheibe, ü/, üln Eule. Bei den auf einen Nasal endigenden
Wörtern kommt das -w weniger zur Geltung: blöim, Plur. hlryjnm
oder blöim Blume, ebenso spinn Spinne, Zwgg Lunge usw.
Hierher gehören auch viele ursprünglich starke Feminina, z. B.
mll, mlln Meile, eft, eAjg Eiche, rip, ripm Rippe, JäA, JdAi) Sache, spnU,
spr&ki} Sprache, Jöj^, Jö^g Sorge, söZ, göZ« Schule, dcra, dman Thür,
/ä/*, ßhm Farbe, frk::r, frkgij Frage, Wä/, klk'Jmi dickes Stück ge-
spaltenen Holzes, mkt^ mktn Mass, mm^ mmn Mauer, klau:^ Jdaum
Klaue, krai:^ krai.n Krähe, ütgifm Abgaben (ohne Sg,), tlt^ tT:dn Zeit,
(Äat?§, hatten Handschuh). — Ursprünglich stammhaftes n ist im Sg.
abgefallen in k(}:t Kette, kirk Küche, mal Mühle, r9:^ Rode, Plur.
Ä:9:rf«, Äv/'^, mo'ln^ ix.dn; hk:f Hafen (portus) bildet den Plur. MvJmis
(vgl. die folg. Anm. 1); auch völk Wolke hat ein n verloren und ist
Femin. geworden.
Ein -s im Plur. haben /S:n, fk\ns Fahne, /rö, frö:ns Frau.
Anm. 1. Hier können nicht alle Wörter aufgezählt werden,
welche aus der einen Deklination in die andere übergetreten sind
(manche schwanken schon seit alter Zeit) oder welche ihr Geschlecht
gewechselt haben. Einige Wörter haben doppelte Formen und dop-
peltes Geschlecht, z. B. mLx Fem., w/i\:^g Mask. Magen, Aä:/ Fem.,
hk:bm Mask. Hafen, naki^ Mask., nah Fem. Nacken.
Anm. 2. Von vielen Wörtern — abgesehen von denen, wo es
der Natur der Sache nach ausgeschlossen ist — kommt bei uns kein
Plural vor, von andern habe ich nie den Sing, gehört, z. B. ^u]mi
Schuppen (eines Fisches), sp&an 1. Sporen, 2. Sparren, so^aw Scherben
u. a.; zu gBdaijkg Gedanken kenne ich nur den hd. Sing, gr^dar^ka.
32
§ 75. Clenitiv und Dativ.
<
1. Sehen wir von Zusammensetzungen (wie Jdnnskina Kindes-
kinder, ;Aa5/W*) Jahreszeit, Aä:Jw6rä:dn Hasenbraten, in denen vielleicht
ein Genitiv stekt) ah, so kommt bei uns der Genitiv noch in zwei
P'ällen vor: a) als Genit. partit. von Adjektiven nach niks^ vat u. dgl. :
niks göidds nichts Gutes, vat öls etwas altes, vat gift n^s was giehts
Neues? usw. b) adverbial von gewissen Wörtern: di.:xs tags (naws
nachts), Jyn&nis Sonnabends usw. Äe i.9 hütn böks er trägt keine Ver-
antwortung. — Einzelne erstarrte Reste des Gen. von Adjektiven
findet man in alalai: allerlei, alahant allerhand; do cdagrötst9, alabest9
usw. der allergrösste, allerbeste.
2. Dativ Sing, a) Wörter, die selbst flektiert sind: hl dkijr
bei Tage, fönd&ix heute, in dr&'jc (drSiif) im Trabe, in fulln drk:x in
schnellem Laufe, ii) paijij im Gange, in Betrieb, fti ^arjr), aij ^^ijij, Äe
is vM(i i\x flfarjr) er ist von einer Krankheit wieder aufgestanden, ik
jkil:w rfib wl mit t\x parjij etwa: es (die Arbeit, das Spiel o. dgl.) will
mir nicht gelingen, Ae is oij ^ciijg er treibt seine Witze, Spässc, Toll-
heiten, ^ü bSi\t stkin zu Gebote stehn, <ü pi^a zu Pferde, in (inu) hü:s
im Hause (über das scheinbare Fehlen des Artikels vgl. § 58), ü/w
hü:s aus dem Hause, bxitn hn:s ausserhalb des Hauses, bin hn:s beim
Hause, J? is bin hiiis sie ist zu Hause, d. h. sie hat keine Stellung
bei fremden Leuten, sogar daxi^ hn:s durchs Haus, in hemm im Hemde,
opm lann auf dem Lande, fun lann^) vom Lande, in lann im Lande,
ntn lann aus dem Lande, in tl:f im Leibe, optn (ce'.ban) h:f auf dem
Leibe (z. B. Äe hct niks (r'.Uin lJ:f = er hat schlechte, dürftige, un-
genügende Kleidung an), fun l\:f hry.ln vom Leibe halten, /le is göt
iö v(^:x er ist gut zuwege, es geht ihm gut, ik f*yn Jü slex (nl got)
t\l niö:t es ist mir schlimm, übel (zu Mute), in stann im Stande, in
gutem Zustande, iJlfr^idn zufrieden, in fr^.dn, unfr^idn in Frieden,
Unfrieden, fun hatn von Herzen, /ü hatn zu Herzen; opm feUn auf
dem Felde, Ae is ann (bin) iolln er ist im Zollfach, am Zollamt an-
gestellt, ameno am Ende (= vielleicht) ist wohl hd., ebenso ü/w grutm
aus dem Grunde, gründlich, Tit disn grunn aus diesem Grunde {gnttit
fundus ist im Ndd. Femininum). — b) Wörter, die nicht selbst flektiert
sind: bixtn dö.i ausserhalb der Stadt (des Thores), rntn (vitn) dCu
zur Stadt hinaus, im wTij gannjn l^ibm in meinem ganzen Leben, an
If^ilmi am Leben, niitn grötsn fögnbigj} mit dem grössten Vergnügen.
tun immkki} zum Einmachen, tur^ k^igln zum Kegeln, f«g glykt} zum
Glück (ist glykij Infinitiv oder Substantiv?) usw. — c) Adjektiva: in
natn, in dr&:gi) im Nassen, im Trocknen, d. h. bei nassem, trocknem
Wetter, Ae het sin ^ip opm drö:^ij er hat sein Schiff" ins Trockne
') In n jMr tu Zeitraum eines Jahres ist Jitas wohl Genitiv (vgl. n haJlf mi
v^.-.rs eine halbe Meile Weges), man sagt aber auch n stunns i\t etwa eine Stunde,
n a.r dLxs tU etwa acht Tage (vgl. § 45,?).
') Gegensatz: in der Stadt, aus der Stadt; aber /? fynt opt lant sie sind
auf dem Acker, f» k^mt funi lant sie kommen vom Acker.
33
gebracht, M lytn bei kleinem, allmählich, Ae is tun axiasn ki.:m er ist
in seinen Vermögensverhältnissen zurückgegangen, hat sein Vermögen
verloren ; im Uinn mit geschlossenen Augen, in dystcin in der Dunkel-
heit, mit (fö) ah gdvalt mit aller Gewalt, hans fun g:wÄ llii Hans
von einer Leier, d. i. ein Mensch, welcher immer nur ein und das-
selbe vorzubringen weiss, in e:t?Ä ^ü^ in einer Tour, ununterbrochen.
3. Dativ Plur. a) in Ääan in Haaren, d. h. ohne Kopfbedeckung,
^ti hrefm hkimm zu Kräften kommen (nach überstandener Krankheit),
t\i ßin am Fussende des Bettes, mit f&tn petn mit Füssen treten (in
übertragener Bedeutung ; sonst heist es mitd /Ö^), Ae het vat unan fiStn
er hat Subsistenzmittel, A6 stai:t op stvaoi:^ fütn er lebt in bedrängten
Vermögensverhältnissen, mit lysn mit Verlangen. — b) in oln tvdn
in alten Zeiten, im mlg kintllgr^ jian als ich noch ein Kind war,
p brii}j}t ean man allns unan kann nt etwa : sie verplämpert das Ver-
mögen ihres Mannes ohne dessen Vorwissen; fö dlln dtgi) vor allen
Dingen ist wohl hd. — Bei andern Redensarten kann man nicht mit
Sicherheit entscheiden, ob die Substantivformen Dat. oder Akk. sind,
z. B. hJ naxtVdn bei Nachtzeit, fö j&an vor Jahren, ttl jian bejahrt,
da die Nom. und Akkus, ebenfalls tVdn, j&an heissen. Beiläufig sei
hier erwähnt, dass man in der Redensart dat synt j&an A^a es ist
Jahre her zur Bezeichnung einer sehr langen Dauer sich der Form
j&aren (mit dem Hauptton auf der Endsilbe) bedient.
§ 76. Das Adjektiv.
Die meisten Adjektive behalten ihren Stammvokal durch alle Formen
unverändert : tam^ tamo zahm, zahme, small^ smah schmal, schmale usw.
Nur die Adjektive auf f = h, t = d und x = g lassen eine Dehnung
des Stammvokals in offener Silbe eintreten: grof gr&Ma grob, grobe,
göt^ g{):do gut, gute (hat, h&d) hart, harte), Aöa;, ho:g9 hoch, hohe.
1. Die starke Flexion des Adjektivs zeigt folgende Endungen:
Sg. Mask. Fem. Neutr. Plur.
Nom. l'd] '9 [-^5] -9
Akk. (Dat.) -n -a [-95j -9
Gen. -95, 'S
Der Nom. Sg. Mask. hat nur selten die Endung -9, z. B. go:d9
v\:n is dya guter Wein ist teuer. Gewöhnlich ist, auch wenn kein
anderes Wort vorhergeht, das -« des Akkus, (oder der schwachen
Dekl.) in den Nom. gedrungen; dies ist immer der Fall nach dem
unbestimmten Artikel und wenn das Adjektiv hinter dem Verbum steht:
r) grötn kU ein grosser Kerl, da^ gö:dn vl:n das ist guter Wein, göt
iea is h^ta as sIcxiq vl:n gutes Bier ist besser als schlechter Wein.
Das Neutrum hat im Nom. Akk. Sg. eigentlich keine Endung,
doch hängt man sehr häufig die hd. Endung -9S an. Von ana ander
hört man zuweilen das Neutrum anat.
Der Plural hat zuweilen keine Endung, nämlich dann, wenn das
Adjektiv mit dem Substantiv zu einem Begriff verschmolzen ist: gröt
ly:t kina vornehmer Leute Kinder.
Niederdeatsches jAhrbnch. XX. B
u
2. Geht der bestimmte Artikel dem Adjektiv voran, so nimmt es im
Nom. Sing, aller drei Geschlechter sowie im Akkus. Sing. Fem. und Neutr.
die Endung -9, in allen übrigen Formen die Endung -n an: d» gröta
hunt der grosse Hund, Akk. dei} grötn hunt, dd grVj^ hat die graue
Katze, dat rü:d9 hiis das rote Haus. Selten fehlt die Endung -9:
dB öl khl der alte Kerl, dat öl minS das alte Mensch; in diesen und
ähnlichen Fällen hat (Ht nicht seine eigentliche Bedeutung, sondern
bezeichnet etwas Wegwerfendes, Abfälliges, Unbequemes. In do öl
der Alte ist öl Substantiv, ähnlich da e:n der eine, (fo ana der andere.
d9 unas der unterste u. dgl. ; in da gröt jug der grosse Junge sind
beide Wörter zu einem Begriff verschmolzen (s. oben).
Der Vokativ wird gewöhnlich durch ein Fürwort unterstützt:
du grötd taps grosser Taps, mig göidd man mein Guter (auch ironisch),
jl dumm jtii^i^s ihr dummen Jungen. Über grot jui^ s. oben.
Überreste des Gen. und Dat. von Adjektiven sind in § 75 aufgefiihrt.
Anm. 1. Das Adjektiv ne- nimmt, wenn es nicht flektiert wird,
ein t an: dd höt is net der Hut ist neu, n net hüs ein neues Haus.
Anm. 2. Wie Adjektiva werden die Adverbien tö zu und bit
barfuss behandelt : da töa doea die verschlossene Thür, dd lAdn föt die
unbekleideten Füsse ; ich habe auch bidn kop Kopf ohne Haare gehört.
Anm. 3. In emphatischer Rede erhält sich das e der Endung
-eti, z. B. Jun turnen jui} so ein dummer Junge.
§ 77. Kamparation.
Der Komparativ hat die Endung -o, flektiert -an; er kommt
kaum hinter dem bestimmten Artikel vor, sondern wird in diesem
Falle meistens durch den Superl., auch wohl durch den Positiv ersetzt.
Der Superlativ hat die Endung -std, -sn: smallstd schmälste, smaUsn
schmälsten.
Der Umlaut tritt nicht so häufig ein wie im Hd.
Verkürzung des Stammvokals haben wir bei grötj gröta^ grötsts
gross, ölt, cHa, Slstd alt, költj kola, kclstd kalt. Man vgl. die Substantiva
grötd Grösse und ö^ Alter und § 41,9 (schärfender Einfluss des Suffixes).
"Unregelmässige" Komparation: göt^ b^ta, bestd gut, /9Z, wm,
maisto (measta) viel; e.i eher, easto erste; foß.%$ta vorderste, bos:bastJ
oberste, öpastd Vorgesetzter, unastd unterste, axlasta hinterste, letsta
letzte, ytastd äusserste (in übertragener Bedeutung ; doch auch ap ytas
kant auf der äusseren Kante, näml. des Schlittschuhs) ; mitist» mittlere,
üntsTxstd einzige.
§ 78. Das Prouomen.
1. Persönliche Fürwörter.
Sg. N. ik, 'k. du, — . Ae, A^, -9 ; Je, p, -s; dat, -t. Refl.
D. A. m\ dl cw, -n Je, J9, -5, 9a dat, -t Jlx, JT.
V ^ '
Plur. N. üT, -T /I, -T Je, jj, -s
D. A. uns ja Je, Jj, -5, 9^ Jtt, JT.
u
über px vgl. § 57,?. — Ist du enklitisch nachgestellt, so ver-
schwindet es ganz; hes = hast du, kans = kannst du usw. Aber
auch sonst wird du zuweilen ganz weggelassen. — Je ist Akkus., ^a
ist eigentlich Dativ; doch wird 9a im Sing, fast ausschliesslich, im
Plur. häufig auch als Akk. gebraucht 1) wenn daneben kein Dativ-
objekt vorhanden ist und 2) nach Präpositionen. Je und 9a gelten
auch als Anrede, doch bedienen sich viele statt dessen sowohl für
den Dativ als auch für den Akk. der hd. Form T:nn. Als Dat. Akk.
Plur. der 3. Person gebrauchen einige, wenn von Personen die Rede
ist, jytn, j^m,
2. Possessiva.
ml:«, dl:n, /I:w, 9a; mwä, ^u, 9a. Davon entbehren wl:w, dl:f?,
Xl:n gänzlich der Deklination, 9^, uns^ jn bilden den Akk. Sg. M£|,sk.
9aw, unnfn^ ;un, ausserdem bildet uns noch die Formen auf -e: nnnja,
wofür aber im Sing, häufig uns steht.
3 . Demonstrati va.
a) Sg. Mask. Fem. Neutr. Plur.
N. de [cl9]^ de /da»/, dat; de [da],
D. A. denn [denj^ de /&/, dat; de [ddj.
Die in eckigen Klammem stehenden Formen dienen als Artikel
und als Relativpronomen ; das Neutrum des Relativs heisst gewöhnlich
fxit. Hinter den meisten Präpositionen wird der Artikel noch weiter
verkürzt, sodass nur die Formen -», -n, -t übrig bleiben, von denen
wiederum -n und -t infolge von Konsonantenhäufung vielfach gänzlich
verschwinden (§ 58). — Ist das Relativ von einer Präposition abhängig,
so heisst es stets rö, tu. Der Genitiv des Relativs wird durch Um-
schreibung gebildet: den fl;fi, de 9a oder rü . . . . fun (§ 72).
b) Sg. Mask. Fem. Neutr. Plur.
N. dis9 disd du dis9.
D. A. disn disa du disd.
Man hört auch y statt i in der Stammsilbe: dysd^ dyt,
4. Interrogativa.
Maskul. N. D. A. w, Neutr. N. A. vat. Eine Verstärkung von
vo ist vok^:n (Ton auf der letzten Silbe), dies wird wiederum verkürzt
zu Ä:e:M*). Zu bemerken sind Konstruktionen wie vo h&at den rigfe ^ö
wem gehört der Ring? — vat wird in Ausrufen gebraucht in den
Bedeutungen "wie" und "was für": vat fai:n wie schön! vat n fai:n
hüs was für ein schönes Haus ! Auch mit folgendem Gen. part. vat
vBan d&a n min^n welch grosse Menge Menschen war da! Dagegen
entspricht vat fö nicht nur dem hd. interrogativen "was für", sondern
auch dem Fragewort "wer" und dem adjektivischen Fragewort "welcher" :
vat vm dat fö n Mn wer war der Herr? vat vea dat fö e:n wer war
das? vat fö n numa hes du welche Nummer hast d\x? vat = "welches"
zur Bezeichnung einer unbestimmten Menge, z. B. Wenn du kein Geld
hast, will ich dir welches geben; ebenso n daxa vat einige Tage
') Vgl, vö, vnn^:m, ti^:m wo? vüitea, wea wann (eher)?
3*
36
(§ 43,2). — Hängt das Interrogativ von einer Präposition ab, so
heisst es stets rö, vü.
5. Der unbestimmte Artikel (sowie das adjektivische Indefinitum)
heisst in allen Formen t?, ist er etwas betont, so sagt man auch wohl et?.
e:n irgend einer (Substantiv), vok, vokd einige, wcwle;n mancher
(manch einer, substantivisch), mai^xa (subst.) ist wohl hd., ebenso
wie das adjektivische mai^xo (Mask. u. Fem.) mai^xas (Neutr.); /tön
e:n (Mm wiwä, Mina) niemand; man man (enklitisch n d. i. e:n).
Dat. u. Akk. e:n ; ddjöUbo (da nemtlxj) derselbe (idem) ; dejemg^ der-
jenige; dis9 un JQind dieser und jener (nur in dieser Verbindung kommt
;e:nd vor); Hb e:n, dd ana der eine, der andere (dB e:n9, dB aiiaro);
JG:da^ ;eĻe;n jeder (substantivisch), je:d9 (Mask. u. Fem.), ie:djsi
(Neutr.) jeder (adjektivisch) ; allns alles, niks nichts (verstärkt niks wl).
— "Einander" wird verschieden ausgedrückt: ntn e:«, fun c;>t, il^«
ana^ e:m bin ai?a, e;m mitn ana usw.
§ 79. Das Zahlwort.
1. Grundzahlen: 1 e:n, 2 twe:^ 3 dtre:, 4 /ai, 5 flif, G Jos,
7 J(B:bm^ 8 ax, 9 n^:gi}, 10 toi:n, 11 ollbm^ 12 twöllf^ \S dotain^ 14
ßatain^ 15 foftain, 16 Jöstoin, 17 Jymtain (J(B:bmtain), 18 axtainy 19
nirj^ain (n^:gntainX 20 twintlj 21 e:wttn^ii;iti/I, 27 Ja:»ittn^ii7iw/T, 28
axuntwintl, 29 w^/gun^witirt, 30 (fort, 40 /"earfl, 50 /b/ifl, 60 JosH, 70
Jymrt (J(e:bmtl)^ 80 aa:/T (toa;i)tt^, 88 axunaxiX (axuntaxi)tl)^ 90 «/ij/l
(n^:gntl), 100 Aiiwa^ 1000 (7ü:Jw<i), 1 000 000 miZyö.n. In der Kinder-
sprache ist aus Quadrillion h%akmüjo:n geworden.
Von den Grundzahlen bildet man auch einen Plural, und zwar
nehmen die auf n endigenden (ausser 5:w) ein s an, die übrigen ein n,
also: twQin^ fean^ flihm^ Joe:bms usw., ina twintTgr^ usw.
2. • Ordnungszahlen: 1. do öastB, 2. twetB^ 3. drylB, 4. füadj,
5. foftB, 6. JöstB^ 7. Jym^a (joe:bmt9), 8. aa:^a, 9. wiij/» (^^'g^to)^ 10.
taimtd^ 11. öllbmtB^ öVfta, 12. tivöllftd^ 13. dotainstd usw., von hier ab
immer mit -5^^.
3. Distributiva werden durch die Präposition il gebildet: p
jttrjr) /ert tl /ea es gingen je vier in einer Reihe, fö ä man für
jeden einzelnen.
§ 80. Präpositionen.
af von (selten, z. B. dka vet ik niks af davon weiss ich nichts),
an an, axta hinter, bLbm oberhalb, über, bl bei, während, hinn inner-
halb (drinnen), War)i) neben, bntn ausserhalb (draussen), dox^ dcß.i, durch.
fö für, vor, fun von, pe:flfg gegen, in in, binnen, innerhalb, lavfi entlang,
ma\]k zwischen, mit mit, vermittelst, mitsamps mitsamt, w&, wü nach,
nächst, op auf, €e:ba über, gegenüber, oberhalb, fit (Jo) seit, .<f/ä^5
anstatt, tö zu, ^ii^tsw zwischen, um um, wwa unter, unterhalb, ü^ aus.
ausserhalb, ü^^ ausser, v(^:gi) wegen. — Ild. sind ö:n9 ohne, irois trotz.
*) Man hört auch, aber nie von Jüngeren, dö-fnl; woher die Form kommt,
weiss ich nicht.
37
Zusammengesetzt: op diss\t diesseits, op ana Jl/ jenseits; um . . .
^9-^Bi ß ' • • ^'9*/7iJi ^^ • • • hallhm^ fun , . . af.
Weniger Präpositionen als vielmehr Adverbien sind die nach-
gestellten wie : entg&.gr^ entgegen (hd. V), itiv^dan zuwider, fta/o zuvor u. a.
Alle Präpositionen regieren den Akkusativ, doch werden einige
unter Umständen mit andern Kasus verbunden. Man kann sagen,
dass die zusammengesetzten um . . . v^:gT^, fö... V(}:gx}^ um . . , hallhn
den Genitiv regieren, denn es heisst: fö mVnt v^:gi^ meinetwegen,
meinethalben, fö dlint^ ^:nt, (}ant^ unnjnt, jü:n vi}:gT} ; um mVnt hallbm
usw. um meinetwillen, um fata ^vt hallbm^ um muta ^nt hallbm, um
do kina (fant hallbm (der Kinder wegen) usw.
Über den Dativ nach Präpositionen vgl. § 75,2.8. Auch hinter
(zwischen) zusammengesetzten Präpositionen steht der Dativ in Fällen,
die den in i^ 75 aufgeführten ähnlich sind, z. B. tun Aü:5 rü^ zum
Hause hinaus (auch bloss rvitn Aü:«), tun hn:s n«, rin hü:s, tun döa rnt
zum Thore hinaus usw.
§ 81. Konjunktioneo.
Die Konjunktionen sind vielfach dem Hd. entlehnt oder doch
nach dem Hd. gebildet; die jetzige ndd. Sprache der Ungebildeten
zieht sehr häufig der Hypotaxe die Parataxe vor und schiebt dann
überhaupt keine Konjunktion ein.
un und, ä:ba aber, ö:da oder, entv^ida . . . ö.da entweder . . •
oder, nemh nämlich, aZiJö also, op ob (auf dem Lande vat), as als,
ven wenn, Jtlftatt (Jtl drSn) as, JuvT sobald als, in dQ (d») tU dat wäh-
rend, Jl^ rfe (dd) tu dat seit, Jtt ?ai)g as so lange als, bot bis, oa ehe,
bevor, vail weil, dat dass, sodass, d\amit (dat) damit, opgllk obgleich,
indessen, ven ö/c wenn auch, got g^:f wenn auch, /ü . . . /ü (desto) je
. . . desto, all as ']q nachdem usw.
Sprachproben.
A. Wiegenlieder. B. Kinderreime.
1. ai:jo vTvl: 1. ä: be: ab
min triino slöpt bl ml: int brötSap
nc;: vT völt dat anAs mäkg T: en in
trlrno Jal in ai:jo släpm. is niks mcA däArin.
2. shlp kintkon släp 2. ä: be: tse:
dln fatA is n Säp da kat da löpt in sne:
dim nmtA is n damltrl:n da kätA axtA h9A
ga>A lät dat blän Jl:n. mit n gröt styk 8m9A.
A. 1 ,j. slöpt h\ sprich slöpi oder slöppi (p unaspiriert !). — 1,3. völt dat sprich vöUat. —
1,4. fal in sprich falin. (In allen ähnlichen Fällen tritt die Bindung ein ;
dies ist im folgenden nicht besonders angemerkt).
2,3. In din fata kommt das n kaum zur Geltung, so dass fast nur ein nasa-
liertes 1 übrig bleibt. — 2,«. l^t dat bim sprich ISdat blin oder IKtapplin,
13. 1,1. ab sprich ap, — 1,«. auch: darin,
2,3. kat de sprich kat9.
38
3. aT:jo ptllaiyo
vat raslt int strö
dat synt da lytn myis
da höpt ja ken gö.
da SöstA het 15dA
ken lesn däAtö.
4. ai:jo pülaiijo da vintA vul kä:mm
ha da 5l man da lytja deAn
man nä:mm
Ja käk em deg köl, Ja rÖA em
da gryt
vti v6a den oln man da lytja
deAn vul nyt.
5. ätjabätja ö:dA
brig ml n lytn brö:dA
ätjabätja esU
brig ml n lyta swestA
lex sa man ig gäAn
ik vill Ja vul föväAn.
6. snikghüs
krüp üt dln hüs
st^k ala feA fif ügAn üt
ven du dat nl dai:s
den slä ik dln hüs intwai:
7. r^igg r9:gg ruS
da kO:nlx fäAt im bug
lät den r^rgg (B:bAgä:n
un da le:ba Junn vö kä:mm.
8. bü:kö fun hallbAstat
kum un brig mim pöpm vat
vat sal ik mim pöpm dem brigg
äö mit gollna rigg
[§o mit gollna knöpm
dat pöpm kan dansn un löpm].
C. Rätsel.
1. rürga rü:ga rip
vtt g9l is dl da pTp
vti swat is dl da Jak
rä:t mal vat is dat.
2. bütn blagk um binn blagk
is dox fli§ um blöt magk.
3. öl dik mttgret
het feATuntwintl föt
feA flygkg un ö:n steAt
rä:t mal vat is dat fö n deAt.
4. twe:be:n Jet op dre:be:n dä\bl
le:x 6:mbe:n dö kS:m leAbern
ne:m S:mbe:n k€:m twe:be:ii
ne:m drö:be:n smet feAbein
dat he e:mbe:n falln let.
Auflösungen : 1. Gelbe Wurzel (Möhre).
2. Fingerhut. 3. Windmühle. 4. Zwei-
bein = ein Schuster, Dreibein == sein
Schemel (Bock), Einhein = ein Knochen,
Vierbein ss ein Hund.
D. Zungenübungen.
1. snIrdA snöA Jin SeA snit §ap
§ap snit snT:dA snöA JIn äeA.
2. ik st^k mig kop ig kopAn put
ijg kopAn put st^k ik mIg kop
un stroi: dÄA Jolt um p^pA op.
3. e:m butl bcA, twe: butl bcA
dre: butl butl butl butl bcA
fcA butl beA, ft:f butl beA
Jos butl butl butl butl beA usw.
B. S^, synt tb sprich 8ynt9, — 8,4. Jiöpt jk sprich höpivi. — 8,«. auch dato.
4,t. dean man sprich deamman, — 4,8. r5A em auch r^rem, — 4,4. ölti man
sprich ölmman,
6,s. M ik fast wie sl^ik.
7,8. l&t den sprich Uien,
8,8. oder pöpki^ oder ein beliebiger Name.
C. 1,4. rL't auch rL\
4,1. d&abl auch: d<>6i. — 4,5. dat he sprich dat9.
39
E. Volksreime,
1. ik sit un derjk
un tap un §er)k
ven dat sü ke:m
dat he ml ne:m
un he is n timAman.
2. til bet tli bet
vo n lesn het
vo ke:nn het
mut ök ttl bet.
F. Neckreime auf Vornamen.*)
1. jähan span an
dre katn föran
dre my:s förop
der) gai:t dat ii) galop.
2. ]äkop Jet n käk op
et n hlA op Jet n däA op
et n bä:bm opm krempA töAnop.
3. matn
löpt mit all do swatn katn
dcBA dd latn.
G. Hochdeutsch.
dö mögg kä:m; es äoixtn^) Jaina trite
d9n*) lai:Jn §lä:f, d6 mix') galint umfirjk,
das Tx, evaxt, aus mainA stilln hyta
d9n bßx*) hinauf mit fri§A Jerla gigk ;
Ix froiita mix bai ainam*) je:dn Srita
de noian blürma®), dl fol tropfn"^) higk;
d6 juija tax 6höp six mit entsykij,
unt al9s vä ökwikt, mix tsü ökwiki).
SOLINGEN.
J. Bernhardt.
E. 2,2. lesn Leisten ist offenbar entstellt aus lefsn Liebsten.
*) Ich gebe hier nur einige Neckreime, und zwar solche, die im Korr.-Bl.
XII 69, XIII 50 nicht aufgeführt sind.
F. 1,4 sprich dej^gautatij^Uap.
2,s. hia op, dSuA op auch hlarop, däarop.
3,s. löpt mü sprich löp mit
6. Nachlässiger: ^) e&loioctn oder elotxtn, ') das ^ sehr flüchtig, aber doch
nicht = 9. *) demix, *) d^mb6x, das ^ wie unter 2. *) aimm, •) fast denoitnblü.-m».
') tropfm.
40
Die Präpositionen nnd präpositionalen Adverbien in der
Medlenbnrjer Mondart
Der Gebrauch der Präpositionen in der heimischen Mundart
weist starke Besonderheiten auf, die von der Kraft der Sprache unseres
Volkes beredtes Zeugnis geben.
Die Aufgabe, ^esen Stoff in möglichst ausgiebiger Weise zur
Darstellung zu bringen, erschien um so verlockender, als, soweit ich
sehe, eine umfassendere Stoffsammlung auf Grund einer anderen
niederdeutschen Mundart bisher nicht versucht worden ist. Natürlich
kann auch ich nur einen geringen Bruchteil des wirklichen Spracb-
bestandes geben ; jedes längere Gespräch mit Leuten, die einer reinen
Sprache mächtig sind, bringt neuen Zuwachs.
Als Vorarbeit konnte die kurze Zusammenstellung in der Gram-
matik von Mussäus (S. 79 — 84) benutzt werden. Die Dialectlitte-
ratur ist eingehend zu Rate gezogen.^)
Alle Wendungen, bei denen eine Quellenangabe fehlt, entstammen
dem Volksmunde und sind nahezu ausnahmslos von mir selbst seit
1884 in den verschiedensten Gegenden des Schweriner und Strelitzer
Landes gesammelt worden.
Die Herkunftsorte der einzelnen Stücke anzugeben, erschien für
die Zwecke der Arbeit nicht erforderlich und damit glaubte ich denn
auch von einer Darstellung der lautlichen Unterschiede der Einzel-
Mundarten unseres Landes absehen zu sollen.
') Verzeichnis der häufiger angeführten Werke : Bartsch, Sagen, märchen und
gebrauche aus Mecklenburg. I. IL Wien 1879/80. — Brinckman, Kasper Ohm un
ik. Rostock 1868 ; Vagel Grip. Güstrow 1859 ; Peter Lurenz bi Abukir. Rostock
1868; Uns Herrgott up reisen, ebd. 1870; Voss un swinegel, ebd. 1877; Uöger
up, Mottje Spinkus un de pelz, de generalreder, ebd. 1886. — Derboeck, Spledder
un spöhn I. II. Berlin, Drewitz o. J. — Dolberg, Eine Küstenwanderung von der
Waruow bis Wustrow. Ribnitz 1885. — Nie. Gryse, Leien Bibel. Rostock 1604. —
Wilh. Heyse, Punschendörp, Neubrandenburg 1861 ; Frische Kamiten ut Krischau
Schulten sin Muskist. Berlin o. J. — Laur. Niederdeutsche Scherzgedichte von
Job. Lauremberg ed. Braune. Halle 1879. — Löper, Acker, Wischen un veih.
Berlin 1886. — Mantzel, Bützowsche Ruhestunden. 26 The. Bützow 1761—67. —
Mi (Sibeth) Wörterbuch der Mecklenburgisch- Vorpommerschen Mundart Leipzig
1876. — Müller und Friese, Feldblaumen. Norden 1889. — Muss, J. Mussaeus,
Versuch einer pld. Sprachlehre mit besond. berücksicht. der meckl. mundart. Neu-
strelitz 1829. — Baupach, de linguae saxouiae inferioris neglectu atque contemtu
iniusto. Rostock 1704. — Hans Beinholä, De schatzgrawer un sin kind. Neu-
brandenburg 1804. — Carl Reinhold, De holtrevolutschon to Holteck. Wittenberg
1861. — Beuter, Werke, Volksausgabe in 7 Bänden. Wismar 1885. — Schlu,
Isaac ed. Freybe. Norden 1892. — Schröder, As 't de Garw givt, Güstrow 1880.
— Gildemeister, Jochen Frank. Rostock 1895. — Stülfried, De Wilhelmshäger
Kösterlüd I. IL Rostock 1887. 88; Ut Sloss un Käthen. Leipzig 1890; Biweglang.
Rostock 1895. — Wagtsmügott, Dörpgeschichten I. II. Stavenhagen, o. J. ; ^ning
un Mariken, ebd. ; Söss pld. Geschichten von den ollen Badmaker Martin, ebd. 1878.
41
aehter. be is so'u beten acbter sik 'geistig heschränkt\ — tein wagens
het he acbter (die Lokomotive der Eisenhalm). — de en por gröscben achter
sik harr. Betiter V 25. — he is ümmer kort achter 'ohne Geld, iji Nahnings-
sorgen*. — ik bün dor acbter to, dat wi de schap afschaffen 'suelie es durch-
zusetzen'. — de (bunn) süud dor slimm achter to ^hinter den Mäusen her\ —
to achter kamen: to hinner kamen 'in Abnahme geraten'. — de het achter
Bnssland rin noch twe göder. — dor harren wi enen knecht acbter Rostock her. —
achter de scbol lopen 'schwänzen'. Derboeck I. 9. — acbter öwerwind gabn. —
(Adjectiviscb:) up de achter Station. Derboeck I 27. — dat süU em för
acbter tid ne wamnng sin. Derboeck I 141. — dat geibt achterlicb (Gegensatz
zu furtlich.) — hennacbtem. Mantzel 15, 40. — mi is so to mot, as wenn
ik yon achtem to behext bün. — achtema löppt dünnbier Schiller II 4. —
ein schrit lanck achtemtb Laur. 11 770. — achtemt! 'ganz und gar nicht'. —
achterüml ebenso, Muss. 83. — be wahnt achterüm. — acbteröwer! ivie
aehiertit, — dat is acbteröwer 'verloren'. — acbter ihrgistern! — achterkänen
'unederkäuen'. Brinckman Grip. — acbterrügge 'hinterrücks'. Gryse III D la.
— de leg achterwarts den krog. Stiüfried Ut sloss 12. — achterwarts adverbial
Müller-Friese 44. — be böUt sik in de achterkant 'hn Hintergrunde'. — dat
is *n achterwischigen 'einer au^ der Gegend hinter den grossen Wiesen her*.
af. ik bün von af 'bin frei davon'. Muss. 81. — ik kann nix af
'nichts vertragen'. — be kann dat nicb af 'kann das nicht durchhalten'. —
de spaden kann dat nicb af. — dat mag dat nicb af 'das tcirß das GescMft
nicht ab', — ne, dat is af 'das ist vorbei'. — de weit dor nix af. — mag dor
ken wurt af ? mllst du nicht das Schweigen aufgeben'. — de bodder will nicb
af. Stillfried, Biweglang 79. — bet be dorvon af möt. Brinckman Herrgott
170. — dor kannst du up af, dor känen Se säker up af 'das können Sie sieJier
glauben'. — dor von af 'davon abgesehen'. — dor is dat enn von af. — he
hUrt dat all mit af. Brinckinan E. 0. 226 Herrgott 229. -— he borkt dat mit
af. — de slapen ihrst god af. — de het sik afvertellt 'weiss nichts mehr zu
erzählen'. — wi bebben affodert 'sind fertig mit dem Futtern'. — ik bef mi
wol afkeken 'versehen, geirrt'. — be wahnt uppe afkant 'entlegen'. — von wid
af bürt be dat ropen. — sidaf 'abseits' Reinhard Harwstblomen 2. Brinckman
Herrgott 169. 205. — afsid ib. 160. — (raf. raffer:) be giwwt sik to wid
raf. — ik bün all viertig johr ra£fer west 'von der Insel Pocl fort gewesen'.
— rafferriten. Gildem. Frank 241, rafferstoten, ib. 210.
ahn. an de bakens wir alles holt ahn de well an dat hakiseu '7nit Aus-
nähme' . . . Löiyer 42. — ahn mit de pird. Löpei' 151. — ahn von ehr
mudder. ib. 181. vgl. 23. — be is 'n abnwat 'hoyno impotens'. Mantxd 2, 3. —
he is so ahnwattig 'kraftlos'. — de koh is so ahnfleischig *mager'. — ahne bloi
nnd ahne huschen vgl. Gloede Korr.-bl. XVII 55. — de snnppen is nicb abnig
to warden. — dat bün ik abnig 'verlustig'.
an. de is wol an. de is god an. Muss. 80. — de is god bi em an west.
wenn he mit de dOschers god an wir. Löper 151. — dor is be god mit an
west. — ik wuU den jung an 'wollte ihn s}/reehen'. — be möt an 'er kann
nicht umhin' Muss. 80. — willen Se to land an? be geibt to land an. —
an denn to bas an. as be to bas an güng. Wagtsnütgott, Anning 12. —
ik müsst to lager an. — ik bef dat sehn, dat be to em an gabn ded. — de
seeband güng glik to bodden an. — he is klewan, — strewan, — stroman, —
he is nich god koppan 'bei Laune', — he geibt kojean. Brinkrfian, Ldcrcnz 20.
42
— he müsst lageran. — he kann dat nich anwarden ^sich flieht daran gewöhtien'.
se is dat riw anworden. — seiht jng man 'n bäten an em yör. — dat fehlt an
em ^er wird vermissV. — hol! nich up doran ^höre nicJii auf damit\ — se
seten dicht an dicht. — all willen se dicht an dicht bi vaddiug sitten. WeUner
wat sik dat volk yertellt 3. — mit de dirn is dat all föte an föte. — se is ne
swester an em. de is swager an em. de is brnt an em. — dor wir he fründ
an 'mit dem war er verwandt', auch: he frünnt an mi. — dat is cämmereigod
an Pärchen. — ik hebbe kene kennts an em. Mctntxel Bütz. rnh. 15 no. 46. —
man god, dat de dirn an 'n kirl is. — an de forst kost dat nix. — he sfiU
Ünnersöken, wat de (smuck) an würden wir. Kreuix^yr mekl. gerichtsztg. 1887.
pag. 2. wi holen em gor nich an wirt 'für wertvoW. — dat (veih) höUt sik
bäter an ^n liw. Löper 156. — de is noch gor nich an de kried 'fioch gar nicht
angeschrieben^ — de is god an dagen 'gut bei Sache', — de is nich omlich
an de pinn 'bei schlechter Laune\ — wenn se 'n bäten bäter an *n pris wiren.
de ort is timmer god an^n pris. — wo de Ittd nich so ann globen sünd. —
dat is all nich mihr so an de weit — he süll mi an den globen helpen. —
de will em wedder an sinen deinst verhelpen. — o kond ick wedderfim an myn
junckdohm geraden. Laur. I 311. — dat yck nn an eyne snke velle. Böheler
fasin, p. 66 y. 84. — he is min lewdag noch nich an mi kamen 'hat den
Beischlaf mit mir nicht geühf, — he künn nich wedder an hus kamen, hat
geht 't an *t hns. ygl. Brinckman Kasper Ohm 288. de is nich an hos. dat
se gor nich ens an^t hns schriwwt. — ik btin noch gor nich an de strat west. —
yon .... nix an Simon to seggen. Brinckman höger np 154. — an
Lowise knnn se yon ehren fnnd nix nich seggen. Betiter VI. 375. — he mellt
dat an'n amtsyerwalter. — so yermellt he denn an den kämmerling. Brinckman
höger np 48. — ik harr kenen, an den ik mi afklagen künn 'dem idi mein
Leid klagen konnte*, — de deuwel kann andacht an ne red hebben. Beuter
VII 291. — he bmmmt an sik. — dat seggt he so an sik. — he denkt so an
sik. dat harr he so an sik dacht. — Die Deminutiyform anning finde ich bei
Gildem, 230. wat kickt dat ein'n so sänting anning. — denn nödig ik mi
Panlen an. — wnrt em mal an. — so bi'n anschummem 'beim Anbrechen dfr
Dämmerung', — anjetzt. — anstäden. — de anaust 'der Beginn der Ernte\ —
anöwer, anbarg 'Anhöhe'. Mi s. v.
baben» he hakt drei toll haben Stoppel. — den (snaps) kann mau haben
'n döst drinken. — se krigt noch schell haben ehren goden willen. — haben
herzen hen roren. dat is so haben harten seggt. — de frag, de ik haben dit
capitel schreben hef. Löper 158. — de is na haben gähn von Verstorbencfu —
ik gab glik na haben 'an die höheren Stellen'. — he is enen haben kamen
vom Schüler. — ach so, Se willen, dat (die alten sagen und reime) sali nu
wedder na haben kamen. — he snackt yon bähen dal. — dor geht dat yon
haben dal. — yon haben hendal Wagtsmitgott söss pld. gesch. 96. — he gift
dat babenin. Mtiss. 80. — he het de babenhand. — bäbelwarts. Mi s. v. —
he is de bäbelst
bet« het de tid hen. — het des tid her. — het so lang her Wagtsmitgott
Anning 88. — bet utgemakte sak. Beuter I 349. — het de letzt stunn Beuler
IV 258. — bet dorto. Brinckman Ohm 269. Stillfried W. K n 257. —
bet herto. Stülfrkd W. K. H 77. 157. 185. 249. — bet hero. — bet hierento.
Beuter IH. 63. — bet hierto. Stillfried W. K. I. 322.
bl. bi markttiden. — bi harwsttideu. Stillfried W. K. 11 6. 193. —
bi harwsttid. Gildem, 76. — bi sommerstiden. — bi abendtiden. — dat wir
43
bi Hahnen tiden ^zu Zeiten des 71ieatcrgrafeti\ — bi den sin wahnstid hebben
se in freden lewt. — undank is de weit lohn, de weit lohnt bi johrstid nich
beter. — bi tids ^reehtxeüig', — dat is bi sommerdag west. — bi winterdag.
— bi avendt und bi morgen. Laur. beschluht 66. — biünner 'bisweilen'. —
bi schnern 'xeitweise\ — bi tnrwis. Wagtsmitgott, Anning 10. 37. — bi Wih-
nachten nt. — bi Wihnachten umher. — bi nagen fimher. — bi hento elben.
wenn dat harr bi regen bieben. — bi leben süht se beter np (cds auf
dem Bilde), — ein bi ein 'einzeln'. (Mi.) — se fallen ein bi ein. Brinchrnan
Grip 194. — drei bi drei up enen sack. Siillfried W. K. II 111. — dor gähn
se por bi por spazieren (so auch Laur. 11 340). — dat is ritz bi ritz un slatz
bi slatz von zerrissener Kleidung. — höhn bi höhn. Beuter I 233. — by kisten
vul. Laur, II 661. — by hupen. Gryse n G la, 11 K la, I Cc la. Laur.
n 660. — wi döschen dat bi fackwis ut. — bi schichtenwis. — nu kamen se
bi hümpelwis. — ik hef dat bi pundwis yerkö£ft. — de warden bi stttckwis ver-
köfft. — dor sttnd se bi dusendwis. — se müssten all bi enwis röwer 'einzeln*.
— bi städwis 'stellenweise'.
he is bi 'dabei'. Muss. 80. dor wir he mal mit bi 'da JuUte er auch
noch mitzusprechen'. — de denstdims sünd htttigen dags nich to kennen von
de eddellttd, blos bi de sprak. — den kennt he bi de feddern. — ik seih dat bi
dat geld 'am Gelde'. — he weit dat bi sik sülm. — dat weit ik bi de Inft
'ob es regnen vnrd'. — ik weit dat bi de brak. — wo weit de oss dat bi. —
dorbi (am oktanten) weiten se dat. — dor is ken rath bi. — dor is ken twifel
bi. — dor wir gor ken fragen bi. Löper 152. — dor httrt en scharp seiss bi.
— de hürt bi de höhner von einem Menschen mit kurxsn Beinen. — dor geiht
't man dicht bi 'geht es nur armselig her'. — dat geiht ümmer bäter bi 'vor-
wärts'. — he het den brunen bi nahmen 'als Ilandpferd gespannt'. — de vörbi-
mähr 'das Pferd, das vorne rechts gehf. — de geiht hinnenbi 'als Handpferd'.
— vgl. hinnenüm. — willn 'n bäten bi wesen 'uns daranmacJien, z, B. ans
Kartenspiel'. — dat de säg dat letztemal bi west is 'heim Eber'. Löper
185. — wi hebben se nülich bi bröcht: zum Bollen, sünd all ihrensaken, wenn
de koh bi'n bullen bröcht ward. — enen bi de kusel nehmen : einen Priem. —
de hund sali bi de ked. — willn Se bi den lihrer? 'den Lehrer bestichen'. —
ik hef all ümmer bi Se wullt. Heyse, kamiten 1. — ik will nich bi de kinner
gähn 'mich als Kindermädchen vertnieten'. — wo kümmst bi den deuwel! —
by dat Unglück kamen. Gryse L. B. III B 2 b. — bi gewalt kamen. Mi s. t.
bi. — wenn Se bi em kamen. — dor kümmt de wulf bi em un fröggt ... —
se schwigt, bet se bi lüden kümmt. Mantzel 20 no. 21. — he biddt bi den
könig. — dat schipp bi de wind leggen vgl. Brincknmn, höger up 167, 212.
de is nich recht bi sik 'schwaclmnnig, auch = krank', büst wol nich
bi di 'Jiast wohl kein Geld'. — de is god bi sak 'um)JU genährly auch wohl-
habend', ebenso : de is god bi schick. — he wir nich recht bi gröschen 'schwach-
sinnig'. — de is beter bi kopps as ik. — he güng so bi^n stock als Bettler.
de by den stocken gähn van grotem older. Gryse L. B. I N 4a. — de gähn
mi bi hut un hör nix an. — em föllt dat jo bi tein mil wegs nich in, dat . . .
Brinckman, höger up 143. — bi en viertelwegs ib. 122. — dat hängt
blos noch bi graden tohop von einem alten Hause. — wenn man maidag den
weiten bi de lücht söken möt. — he harr jo bi de brill weigen müsst.
alles wat bi un nah wir. Stillfried pld. sünndagsbladd 1890. 94. —
biher. dat is 'n biherlöper 'flüchtiger Arbeiter'. — binebenher. — bihen. Muss. 80.
— bian. (Mitss. 80. Mi s. v.) bian von den wagenslag. Derboeck 11 224. —
de het ^n lütten bian vom Schwachsinnigen. — lütt bummel bian zum Kinde.
— bi de mag to äten 'über den Appetit hinaus'. — dat is bito fallen, he schütt
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bito. by thü dor kann man am besten drapen. Laur, Jhb. III 100. — flüstert
80 biwegs verluren. Gildem, 179. — vgl. biweglaug, bihuselang. s. lang. —
de het son bifällen ^Einfälle', — bybröke ' Nebciisirafcn . Ocmckc bei Wiech-
mann II 94. — de bidörper ' Nachbar döi'fer\ — bygelouen. Gryse I 0 2b.
biunen. gab binnen. — stek dat geld binnen Hn die Tasche, — dat het
he all binnen hablt, voni Seeräuber 'ans Land gehoU\ — haben binnen kamen.
Brinckman Ohm 11. — binnen lauds. Muss, 80. binnen uude baten landes.
Gryse 0 2a. binnen lands möt de kaptain sik vörsehn. — binnen felds is he
noch to bruken. — binnen hüt un morgen. JÜIuss. 80. — binnen klock ein süll
dat farig sin. — de koh geiht einen monat binnen johr 'elf Monate\ — de is
binnen an baten glasürt. — de bibelsch geschieht kennt he binnen an baten.
Stillfried W. K. I 42. — binnenklok 'überklug\ — binnen vergnögt. lieuter V 214.
baten, de het baten Hamborg deint. — de geiht mi ümmer baten weg
(Weg), — führ baten de trad. de weg güng baten de trad to. — as se baten
den dar kernen. Betiter V 173. — gistern hebben wi em noch baten bedd ut-
trocken. — baten hasch is god reden. — dat is baten minen dummen verstann.
3[uss. 80. — dat het he baten kopp lihrt. — dat is ganz baten tids 'ausser-
gewöhnlich'. — früher würd blos inn frühjohr an harwst heiratht, na geht dat
butstids. — se lopen baten tids 'planlos ins Freic\ — he folirt baten lands.
— dat is bateu bards segelt 'verloren'. — dat weit ik all buten boks. Rein-
hold, de holtrevolutschon 22. — dat weit ik von baten bok. — he weit sin lex
von bateu to. — hebben Se dat ut*n bok? ne von butcu to. — de sttnd ganz
baten vor 'stehen im Ansehen weit vor den anderen'. — ut un bat schön.
Muss. 80. — de rechts butenat löppt, dor seggen wi, de geht np 'n bullensädel.
— dat butenst end. Müller-Friese 41. — butenwendig. Gildem. 21. — bnt-
warts. Ikuter IV 275, V 398, VII 233. — de butendurschen 'die Bewohner
der Vorstädte', {Muss. 80.) — de butenlüd. Manlael VI 59. — de swälk is
früher 'n baten vagel west. — dat buteuweseu 'die Änssenwirtschaft\ Mi s. v.
— butenarbeit. Wagtsmitgott, Anning 3. — butenaben 'Ofen, der von der
Küche aus geheizt wird'.
dal. de (miether) wahnt nix dal. — hebben wi den robber dal? beim
Whist, ,xu Ende gespielt'. — he lep stratup stratdal. C. Reinhold, de holt-
revolutschon 31. — se besehn Berlin sik up an dal. Ileyse, kamiten 19. —
he het de mätens up an dal fragt. — up un dale setten 'beklatschen'. Gryse
I 0 2b. — dal kamen 'gebären'. — dor kann man sik dal argern. — sik dod
an dal lopen, arbeiten u. s. w. — de führt alles dod an dal. — de joggt alles
um an dal. — de kümmt wol bi uns dal vom Hochmütigen. Mantxel 14, 35,
— he gift sik so anner dal 'erniedrigt sich'. — sik dal geben 'sieh xufrieden
geben, sich beruhigen'. (Mi.) — den annern winter känen Se sik mit dissen
aben nich wedder mit dalgeben. — dat regent ümmer liek dal. — dor leg he
kopp dal. — hendalen. — he wasst dalwarts as de kohstart. — dalbarg neben bargdal.
dtfreh. de landlüd känen hüt nich dörch. — he kann dor nich mit dörch
'flieht damit auskommend — johren dörch. — dor blew he johrenlang dörch.
— henner fiwen dörch 'nach fünf Uhr'. — wat is de klock ? tein minuten dörch
tein 'nach zehn Uhr'. — dat geht nich anners dörch de grote tall. — dat het
se dörch angst dahn. — A : dat litt he nich. B : wodörch nich ? 'waimni nicht ?'
— sik dörch den döst drinken. — dat he dörch den dost kern. Kretitier, nickl.
Gerichtsxeitung 1888. 12. — edder kumstu dorch den smack. Oemeke bei Wiech-
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mann 2, 92. — fretsack, ausbund is he dörch 'n barg ^durch und durch\ —
ik bün ganz mit dörch ^eimiidet'. — he is all ganz dörchhen vorn Säufer.
Manixel 15, 30. Siillß'ied, Ut sloss 207. — he lest sik rein dörchhen. — was
se (die kalotte) dörchhen besudelt. Lau7\ II 694. — de is dörchweg ^nicht
ganz bei Sinnen'. — he geiht furtsen dörchweg vorn Ungestümen. — de kümmt
hier so blos dörchher 'ab mid zu\ — dörchut un dörchüm 'durchaus', Muss. 82.
— dör. Muss. 82. So noch heute : dat güng ne fine fohrt dör. se wiren
dorvör, se müssteu ok dör. WagtmnitgoU, Dörpgesch. II 10. — dörcher.
Qildem. 101. vgl. hendörchen, hendörcher, s. hen.
gegen, gegen is he ümmer. Mu^s. 83. — ik mag dor nich gegen
^darange}ie7i\ — dat is mi entgegen 'unangenehm'. — de säd, se wallen
all dor gegen starben, dat he nix dahn harr '.sie .seien alle von seltner
Unschuld fest überxsugt\ — ik hef 'n herzensolo gegen drei 'ohne drei Buhen.
— gegen den tusch ik noch lang nich. — as se gegen de Qürlitzer kirch kemen.
Ileuter VI 229. — de sitt gegen mi 'neben mir\ Muss. 83. — de wahnt gegen
em. — se het gestahn gegen den schandoren 'dern Gensdarm'. — he möt afbed dohn
gegen den tunkönig. — beklaget sik gegen ehr. Orijse II L 3b. — gegendess
'unterdessen'. — dor küun man gor nich gegen hen kamen '7iicht mitkomvieti',
bei einem scharfen Ritt. — von gegen to. Löper 130. — gegen vör'n johr.
— Reuter un köster Snhr wiren oft gegensidig 'im Streit'. — en buer künn
em dat gegendeil maken 'war ihm gewarJisen'.
gJSL gttiit 'hinten, jenseits', he wahnt dor ganz göt. — dor göten,
gOnten. — dor günnern. — günnerthen. Baif^ach 61. — dor güut bi den see.
Drhwkman, höger up . . . 9. — dor günt den see 'jenseits'. Drinckman,
vagel grip 129. — dor günt de boeken. ib. 172. — iünt. {Muss. 82.) jünt
de bäk. — Vgl. 7ioch up jensids. Stillfried W. K. II 9. — up jensid den see.
halben, d erohalber. — dererhalben. — dorümhalben, Löper 92. — dor-
vonhalben. — von deshalb. — dat deiht he vorn schimps halben nich. — wegen
umstand halber. — tim weitenhalbent dor is ken frag von. — betreckens halber
kann dat gähn. — wenn dat noch so nothalben gähn deiht.
hen. de is hen rute fallen. — he hürt hen Ithaka to hus. Neun pld.
Gütterge.spr. 31. — dor hebben se *t nich vor hen 'für den Preis können sie
sich kein Haus bau-en lassen'. — dor regent *t wedder hen. — bums lag he
hen im Ilätsel vom Talg-Licht. — de (fru) krigt se ümmer hen 'ihre Männer
xu Tode\ — he is hen 'totj bankerott'. Mi s. v. — du btist wol hen 'Imst
das Spiel u)ohl verloren'. — nu is man doröwer hen 'man hat kein Interesse
mehr daran'. — gegen frühjohr hen. — he jog dat dörp hento. Stillfried W.
K. I 32. — den aunern dag gegen morgens hento klock tein. Beuter V 272.
— bet hento Moskau. Reuter II 415. — bet dortohen. Still fried, Ut sloss 55.
— de klock ward hen tein. — henter klock acht, henter tein. — dat dÖrp liggt
henter N. Mantxel 3, 40. — bi henter elben. — henner fiwendörch. — he seggt
em dat vörhen 'voi'her^. — gewöhnlichhen. — hen un wenn 'hin und wieder,
mitunter , — gemeinhen 'meisV. — dat se gradhen vergiftig sünd. Löper
182. — he blew ümmerhen ehr fründ. Wagtsmitgotty Gesch. 90. —
hendörchen. Renter II 291. Vgl. mankheudörch. — de het sin plücken
hendörchbröcht. — en hendörcherbringer, Stillfricd W. K. I 302. —
hendörcher. Reuter I 334. Gildem. 50. — hendalen vgl. dal. — näwer. gab
mal ilen näwer. Auch bei Reuter V 324. — heninner, heuunner, henuppen, so
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aiich hei Heyse, kamiten 113. — nnppen gähn. — nnp. Heyse, kamiten 3. —
nuten, ib. 155. — Ueber hen mit dem Infinitiv vgl, Korr. -El, XVII 6L
her. all de schuern möten wi ihrst her hebben. — her mttssten se *ker-
Jialten rmissien die. Pferde!. Vgl. Oildem. 93. — sin tid un stund is her west.
— wenn de johren her sünd. — dat is vor lange j obren her. — so laug her is
dat so west 'bisher^. — ümmerher. dat is all ömmerher so west, auch bei
Beuter I 304. — her künn se jo noch ümmer wedder. Still fried W. K. II 137.
— von snack her weit ik dat ^von Hörensagen^ — ik bün bi Woren her to
hus. — ümlangsher 'rings Jierum*. Mantzel 15 no. 80. — bäter gift dat hier
Umlands her nich. — Vgl. twischenher, sörreher, dörchher, bet herto. — dat is
all so hen as her. he kann nich mihr her un hen. Oildem. 133. — he tröggt
ehr, wo hen un her dat se httrt. dat helpt all nich hen un her. dat is *n hen
unherbroder. — dat möt doch ^n hemehment hebben *eine Ursache'.
hinner. to hinner gähn, to hinner kamen 'verderben, sterben'. — ik hef em
hinnenttm spannt 'ah Handpferd'. Vgl. hinnenbi s. bi. — dor mOten wi hinnerut sin
'das müssen wir xu erreichen stichen'. — dat is wol hinnensus 'letztes Qebräu'.
In. he was nich in 'nicht zu Hause'. (Mass, 80.) — se het em
in hahlt 'au^ dem Kruge nach Hause gelioW. — wi sünd in einen dag
geburen. — wenn nu nich, morm in'n dag sweit kern. Brinckman, hOger np 56.
— ik möt in de tid weggahn, süss ward ik natt. — wenn man in de tid
uppasst 'rechtzeitig'. — in *n körten wir 't all mit em. — in 't ihrst. — in de
ihrst ^anfangs'. (Mi s. v.) — in ein twei drei. Wagtsmitgott, Anning 61. —
indem 'indessen'. {Mi s. v.) — in tiden 'zu Zeiten, bisweilen'. — dat wir
in'n pingsten. — ik arbeit dor all in't auner johr 'länger als ein Jahr'. —
he stammt in de Gadebuscher gegend her. — de krummstart is in de köh. —
in^n rump is se (de koh) wenig. — in de läng het de rogg noch wat dahn. —
sik in de bein maken. sünd din röben ornlich in de bein kamen. — he will se
in'n grngent maken. — em wir in de kund kamen, dat ... — as wi uns nu
bi lütten in de kund kemen. — ik wuU Se in rath nehmen. — in pand ver-
setten. Laur. IV 394. — in die Instrumente gesungen. Scfdu 7. — unde kan
ock smucke loysen mit in singen. Schlu 82, 16. — dat hef ik in blinne wis
dahn. — vergnögt in sinen gott sin, so auch Wagtsmitgott, Dörpgesch. I 41.
— dor kennen se sik rin. — dor het he ken schuld in. dor best du jo schuld
in. — ik bün in de meinung, so auch Beuter IV 258. — dat Triddelfite in
leiw to Lowisen wir. Reuter VI 374. — wenn dat kurn slicht in*n pris is,
Löper 173. — dat is em noch inn unkloren. dat wir em nich in'n kloren. —
dor bün ik viellicht verkihrt in 'darin irre ich mich vielleicht'. — denn würd
em dat wenigstens in de kost nich so düer. Stillfried W. K. I 25. — he harr
noch ein in'n handel. — se setten sik fast in't spill. — he stürw in de massein.
— ik haust in dat amt. Beuter II 294, vgl. III 230. — ick dachte in my
sülvest. Laur. IV 189. — he lüggt in sinen geldbüdel. — jeder redt in sin
eigen nohrung. — he was en gewaltigen redner in den herrn. Brinckmany Uns
Herrgott 200. — dat kind is infrahm, inklok 'durch und durch', Muss. 80.
— stadtin. Brinckman, Höger up 13. 42. 150. Schröder 168. — feldin.
Beuier VII 159. Auch: to feld in. — de voss, de lockin müsst. Brinckman,
Kasper Ohm 135. — holtin. Brinckmari, Voss 21. — nurdenin. — buschin.
— dörpin. Biinchnan, Qrip 112, Uns Herrgott 188. 238. — dOrpherin.
Beutel- IV 31. — husch herin. Beutet' I 268. — de het leg inlegen 'ist emslHck
kraiik gewesen'. — he het in Wismar husin legen. — januae ingressus passim
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vocant hasin et exitus hasat. Mantxd 9, 46. — dor liggt to väl in nn an
'daran liegt zu vid\ — dat sali dl nog inwarden 'es soll dir klar werden',
Mi 8. V. — ik hef de inhand 'muss das Haus hewacJien'.
lang, se krigen de reih lang släg. — he geht lang den dörp. — de het
sik dat lang de best gaten. — beter längs de arm as dörch de darm. — längs
dat water. Mtiss. 83. — laugsids dat pird. — winterlang 'den Winter über',
— mit N. wir sacht lang to kamen 'auszukommen', StiUfried W. K. I 279
II 9. — de is so bi lang lopen von einefu schlechten Malier. — blang bi. —
blangs. — blangs an de schün. — bi weg lang. — bi haselanck dragen. Qryse
L. B. I 0 2, I Q 3b, II B 4a| III D la. — an de seekant lanker, Brinchmati,
Uns Herrgott 11. — henlanke. Still fried, Biweglang 84. — henlanken. — ent-
lanken öfter bei Beuter, — verlanken. Ileyse, kamiteu 162. verlangst. lauter
1 339. verlaugs. Heuler II 315. verlängs. lieinhold, Schatzgrftwer 60. —
vörlang, seggt de kreih. — link un lank den wagen, linkelank dat dörp. linke-
lank de scheeden. Schröder 154. linkelank den disch. Still fried, Biweglang 81.
— Schutt länglang up de ird. Müller- I^Viese 27. längelang. Wagtsmitgott,
Dörpgescb. II 105. — plög 'n bäten lieklang 'gerade', — de süht nt, as wenn
se orslangs dörch *n tun krapen is.
mank. he is mank holt. — he wir mirren mank an st. — dor sttnd se
ümmer dttller mank beim Kartoffel- Aufnehmen, — ik bün dor all gistern mank
west beim Kirscfienpflückefi. — dor is arbeit mank. — is dor ken handel mank ?
— mank nns mank is ener mank, de nich mank uns mank hürt. — mankhen-
dörch, mankedörch räumlich und zeitlich, — mankdörchen. Eeinliold, Dokta-
medicus 18. — mankher. Reinliold, Holtrevolutschön XII. — mankntbliben.
Mantzel 2 no. 55. — manckgoet 'Zinn mit Blei vermengt'. Vgl, Mantxel 21, 14.
mankmos. — mankkakt äten.
midden. ümmer so midden de jungens, passt sik denn dat. Latendorf,
Frommanns Mundarten II, 223. — dat platzt midden von ein. — middwarts.
so recht middwarts in Meckelborg. Beuter II 387. middenwarts. Mi s. v. —
middels, middelst, adverbial 'mittlerweile'. — dat geld ward middelst knapp. —
dünn middels kümmt de anner wedder dal.
mit. mit *n ihrsten 'nciclistens', — mit de ihrsteu, mit de negsten dagen.
mit *n negsten sUnndag. — de brügg breckt mit negsten uns tosam. — in de
negste woch mit den letzten. Beuter IV 212. — mit abend un all oft im
YolksmundSy bei Beuter III 381. — 's morrns mit dagwarden. Neun pld,
Q Otter gespräcJie 29. — mit acht mond olt 'im Alter von acht Monaten'. Löper
185. — mitdes 'unterdessen', oft bei Brinckman. Auch mittedess. — He
kem mit dissen all angahn. — mit eins ^plötzlich', Mass, 81, öfter bei Löper,
— middewils. mitwilen. Mi s. v. — ik ward mitdegang olt, atu^h mürregang. —
mitto, mittomal 'zuweilen', Muss. 58. metow. Mantzel 3 uo. 57. mättho. Baupach 62.
wi möten ümmer den tidgeist mit gähn '7nit der Zeit vorwärts schreiten'.
— em is dat mit 'er ist damit zufrieden, damit einverstanden', so auch bei
Beuter IV 146, V 53. Stillfried W. K. I 350, II 81. Heyse, Kamiten 61. —
mi sali 't mit wesen. {Mi s. v. mit.) — em ward 't noch mit warden. Mi. —
enen wat mit dohn *cä ihm begreiflich machen, es ihm eintränken'. Mi s. v.
— de (lüs) sünd nich mit god 'sind angeJiext', du büst jo so lang mit god west.
wenn he mit god wir. mit goden lett Durchlauchten mi nich gähn. Beuter V 51.
mit goden kam ik wider, ik kenn min göder (meine Pferde), — du büst wol
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mit lüsteii. — he was mit höfliclikeit. Reuter Hl 140. er war stets mit manier.
Beuter III 186, VII 388. he is sihr mit nerven. Beuter 11 252. Vgl. HI 430,
VI 36, V 270. de is nich iin mit släg. Beuter III 139. he harr mit giz den
wohren denwel seihn. Beider II 113. die art ist bloss mit bibel an gesangbfichem.
Beuter VII 117. — he harr dat mit verteilen. Stiüftied W. K. H 217 und
ähnlich oft, — kreg 't mit nerven. Stillfried, Biweglang 102. Beuter V 389
mit äugsten m 157. — de sünd de fmchtborsten mit farken. Löper 184. de
engländer sünd nns mit swin öwer. Löper 184.
dat is mit vull man. — de herr wir dor mit pird *xu Pferde^. — ik wir
mit vier kinner stark. — mit twölf mann hoch. — ik blöd jo mit 'n meisten.
Ileyse, Kamiten 122. — mit all nich 'keineswegs^ Muss. 81. — dat swart«
meer, wat den namen mit de daht het 'mit Bechf, Beuter V 385. — als se
sick ein mahl bögede mit der hast. Laur, U 110. — mit gewaltsame wis. —
dat het he ok man mit bedregen kregen. Qhede, Eorr.-Bl. 16, 36. — mit freden.
Schlu p. 10, 24. — denn laten ehr de köh, de liegen mit freden. — ]at
mi mit freden. Wagtstnitgott, Anning 2, Söss pld. gesch. 61. — mit freden
gähn laten. Söss pld. gesch. 92. — äten Se Ehr frühstttck mit freden. — wat
du di dor wanner wat mit weist. Brinckman, H5ger np 108. — nn stLnd wi
doch väl lindert mit afgaben. — he öwt sik mit lopen an springen. LÖper 164.
— se möten mit foder god nppasst warden. LÖper 185. — de möten mit holt
un stein rath schaffen. Beuter V 5. — dor gewünn he mit 'den Prore^s's
gewcmn er\ — dann gttng dat mit grot wnnnern los. Beuter H 407. — se
laben em (den lehrer) all mit de kinner 'seine Art, mit den Kindern umxugeJien.
— he was mit jeden. Beuter III 128. — so einfach nn so mit den Ifttten
mann. Brincicnmn, Uns Herrgott 79. — s9ss kinner hef ik mit min fm hatt
dor (mit der zweiten Fran) het he en frölen mit. — mit den will ken frigen.
Vgl, Heyse, Kamiten 41. — ik will mi mit ehr scheiden laten, auch bei Zander,
Baute biller 174. mit sin frn het he sik at *n auner geben. — diss slag kümmt
na ganz mit weiten 'unrd ganz mit Weizen besäet', — spott man nich mit de
botter, da kannst se noch to äten krigen. — he schellt mit em, he het schallen
mit mi. dor is ^n mann west, de het mit gott schallen, he schttll mit de
wakfrn. Quitxow, meckelb. gesch. II 134. — he kennt sik mit em. — he
schmoecket mit taback. Laur, II 476. — min mitbroder. sin mitgesellen.
Beider IV 133. sin mitcoUeg.
na« he is dor slimm na. — he is na sik 'Jiahsüchtig', — he het dat na
pandwis verköfft. — dat gelt na nix. — na fahlen na is dat grot nog. — na
dit hea licken se (de köh) de dal na. — na angaw na is he twintig johr olt.
— dorna wir dat ledder hier öwer to dick 'dazu rvar er zu dumni, — de
alle dorna töfden. Laur, III 315. — de stammt na Woren. — de klock is
na hento achten. — na hef ik dor nix von hürt 'fiacMier', — na mal ens betto
's-päter einmaV, — näherer. — dennahsten. Beuter III 122. — hennahsten.
Slillfried W. K. II 203. — führ na di rüm 'lifiLs', — hott 'rechts', nask 'Ihiks'
im Südivesten des iMtides, — dat nasch pird 'da.s Sattelpferd\ — denn gew
dat nageld 'Nachzahlung'. — najagd 'das Mahl nach der Jagd\
negst. he is negst mi de grötst. Mu^s, 81.
neben, wotoneben 'wo\ Mi s. v. Brinckman, Kasper Ohm 180, Hoger
np 103, Peter Larenz'>42. woneben. Mi s. v. wonew. — wenn dre (pird)
vörnew gahu. — he wahnt new de kirch. — ik wir newst em dor. Muss, 81.
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nejlden. neren. dat sackt glik nerendal. *— nedden, mich nedder. Mi s. v. -^
nedderwarts. Mi s. v. — he wahnt up 'n neddelsten end. — dat süDd de neddelsten.
9wer, as se öwer namiddag nt sine dör gnng. Beuter Y 145. öwer
namdag. öwerehmdag. — öwerdag. Derboeck II 69. dagöwer. Schroeder 202.
— anstöwer 'während der B}mte\ harwstöwers. harwstöwer. festöwers. —
anerlanck 'mitunter', oft hei Qryse. — he is, he ward em öwer. grossmndder
ward de weg 5 wer. — lat di nich öwer gähn, de kamen ehr hald öwer. —
he het nix öwer 'übrig\ {Mv^s, 81.) dor is nix bi öwer. — he het wat ver-
öwert 'erübrigt'. — in fiw dag möt 'n pund toback röwer sin 'verbratieht sein'.
— wenn ik man ihrst röwer wir 'tot wäre'. — he het dor 'n verbott öwer
kregen. — öwer den besök känen wi npstnnns nich sin. Beuter V 160. he
mag öwer nix sin 'ist völlig theilnahmslos'. — de (brat) geiht öwert dörp von
einer Ällmannshure. dat ihrst kind hürt öwer 't dörp. wi hebben torf öwer
't dörp, de ward öwer 't dörp backt. — dat de haken öwer beid händ geht.
Löper 40. lat den hingst ens öwer de anner band gähn. — wenn wi hüt abend
öwer dat klewerjass sitten. Brinckman, Kasper Ohm 84. bi disch öwer de
swinsbrad sitten. Brinckman, Höger np 34. öwer disch sitten. ib. 36. Vgl.
Qryse II J 2b syn Gappelani den he dagelikes aner synen disch spysede. Vgl.
II T 2b, I D 2b. — he kann nich mihr öwer end kamen vom Kranken, he is
all wedder öwer end. — maskanten, blast mal ens öwer de tafel. — he röppt
öwer mi 'nach mir', worum heft Ji nich öwer mi ropen? wenn de mhrsparling
öwer natt- röppt 'fMch nassem Wetter ruft\ wenn se öwer ^n namen ropen warden
'hei ihrem Namen'. — öwer wat dnern, awcÄ hei Still fried, W. K. II 85. Löper 1 7. 109.
wo dat in de weit bnnt Swereck geiht. Beuter III 384. — he satt schrat-
öwer von Beuter VII 370. — tensöwer. — dwasfeldöwer. — aner dwer
un dwas. Qryse I L 2a, I Q Ib, II F 2b. krtiz öwer quer. Löper 86. he
antwortede em öwerdwas. Mantxel 9 no. 22. — öwer nn öwer vnll, öwer nn
döwer. dat sali öwer nn döwer driben. — allöwer so witt. Brinckman, Grip
204. — dat swin het dat für Öwer nn ganz. — mi prickelt dat öwerher. he
het öwerherig weihdag. Auch: dor kümmt öwist her 'n bäten. — koppöwer.
du sasst öwerkopp wegkamen. Mantxel 25 no. 64. — öwerors 'rücklings'.
{Mass. 81.) Dan7i auch ebenso wie öwer kopp un nors 'über Hals und Kopf.
— rüggöwer schütt. Beuter I 314. rttggöwer! Ahfertigutig. Mtiss. 11. —
dat unkrnt kem öwerdull. Oildem. 149. — öwerful. — dat is nich öwerdür.
— öwernog. Heyse, Eamiten 119. — nich öwerschrag nich öwerväl. Brinck-
man, Grip 184. — öweröllert bün ik nich. — öwermaten girn. Derboeck II
252. öwermaten breit. Löper 168. — he is min öwermann 'ist mir über-
legen'. Mofiatsschriß von und für Mecldeyiburg 1796. 271; so noch Iieute. —
he het em öwer lagen 'ihn im Lügen übertrofferi'. — dor is 'n öwersteg. —
in 't üwerschur gähn 'vor schlechtem Wetter Schutz su/iJwn'. — ik will di ken
öwerlast wedder dohn 'werde dich mit meinem Besuche niM uneder heiästigen'.
öwerlast au£h hei Laur. II 374.
samt, he samt all sin frünn. Muss. 81. samst. Brinckman, Vagel
grip 82. mitsamt. Mi s. v. Adverbial 'alle miteina^ider'. Derhoeck II 179.
mitsamst ehr frugens. Brinckman, Voss 2.
sonner 'ohne', sonner noth 'ohne Noth\ Mi s. v, sonner. sonner dank
'ohfie Lohn'. Mi s. v. dank.
i
sörre 'seit\ sörre, dat he ... . Beuter V 43. *— sörredem, auch hei
Beuter II 49. — sörredess. — sörreher. Beuter II 406.
Niederdeatsohes J»hrbaoh.
60
8lKt8 *^ate. (Mi 8. T.)
to. he kickt nt to finsterladen i)om Oefang^nen, -^ nt ^n toemmei* snpen,
d. h. aus einem Ei, in einem Sympathie- Mittel — vör'n kopp em slalin so os
ne koh? dat is em denn doch ok so to! Stillfried, Biweglang 102. — dat is
to *n kirl 'ungewöhnlicher, unanständiger Mensch'. Mi s. v. kirl. — he harr
dor to *n groten last to.
ik harr ^n sweren drom to nacht. Schröder 95. wenn sommers to nacht
alle dören dicht to sttnd. Löper 156. — to frtthjohr 'im Frühjahr'. — to johr
'voriges Jahr\ — ik ward ok all to johren. — to gewöhnlich kann man dat
nich krigen. — to dennmalen. to dunnmalen. Realiter IV 228. 292, VII 237.
— tokamen woch, toknmm woch 'in der kommenden Worhe\ — na Lübeck
hehben se to wnllt. — se kann ok nich to ahu sprütten 'nicht fertig 'u>erdeti\
— nix is mi leger to as dat snpen. — ik bün dor nich recht öwer to. — he
is fründ to mi. wir 'n tragen fründ to mi. Beuter IV 270. — de vaterleben
to Heimann was. Brinckman, Höger up 146. — he würd dor vörmnnd to. —
oH mann is licht to 'um ihn ist es leicht gescheiten^ — wenn dat to noch *n
beten grot is 'noch dazu, wenn . . / — dar is he tho gewendt Latir. IV 665.
— wenn man sik to ne frisch gewöhnen sali. — se is gänzlich to em gewöhnt
west. — dor wiren se to verdächtig. — dor is ken andenken to. — dorto hef
ik ken gedanken hatt Reuter IV 49; ebenso Stillfried W. K. I 225. wi
hebben jo gor ken gedanken hatt to den hnnd. — wat denken de Ifld to di.
Zander, Bunte biller 72. — un denk to Jochen. Öildem. 91. — dor hef ik
ken ahnnng to hatt. — he harr se all drei to dod. — wat to'n dod is, dor
känen de dokters ok nich helpen. — he is tom starben 'dem Sterben na}ie\ —
wenn dat ton glücken geiht 'glücklich abläuft'. — dat licht is tom ntgahn. —
wenn 't ihrst to 'n verrotten geiht.
to diss gegend kamen wol ken mihr, de sonne ollen würd hahlen. —
wennihr geht de omnibus to Rostock? — he is to pol follen ^ertrunken'. — de
is to water ingahn. — dor lep he all wedder to Stadt in. — de möt ik to
water smiten. — de sitnn geiht to samp. — nn kämm denn alles to bein nn to
dören. Rmter III 371. Vgl. III 93. — to dämm kamen. Za?ider 38. 72.
ik han di, dat de spleddern to dämm liegen. — to stormeshaven binnen lopen
sin. DoWerg 201. — de harr to middel legen 'in der Mitte\ — denn möt man
sik to str&w henstellen. — dat möt ik mi to uhren wrucken laten 'vorluüim
lassen'. — he krttppt to henlager. — de het *n Itttten to husch sitten ix>m
Schwachsinnigen. — dat mttsst apenbor to dag breken. Eeuter III 387. de
wohrheit schütt Ummer to dag. — de rogg kem to timmer. de kttll drängt to
timmer. — de bahn kreiht to wiemen. — ik will noch mal to feld kiken. —
de gös sttnd to schaden gähn. — dat sali to blot helpen. — ik kann vor tein
nich to tüg kamen. Vgl. LÖper 61. — dat (tüg) kümmt jo sin dag nich to
tun. — den kem ik leg to mat. — de will sik ordentlich to kopp sehn 'vor-
sehen'. Reuter V 16. — passen as wenn s' uns to liw makt wiren. Quitxow,
Meckelb. Gesch. II 209. de (sauce) möt dat to liw driben. — as se em to uhren
stöhnte. Wagtsmitgott, Söss gesch. 31. — de liggt einen ümmer to hals, to
liw. — dat will sik nich to weder setten 'festes Wetter werden'. — he let 'n
grotes deil land to koppel nn weid liggen. Löper 159. — to acker is dat nich.
Löper 17. — den best du god to gast nahmen (beden) 'tüchtig mitgenommen.
— ik hef dat eten to füer kregen. — he het den brunen to sadel spannt. —
se lacht to ehren mann 'über ifin. öildem. 236. — dat losament to storm
lopen. Schlu 81, 2. — ik wull em noch to wurd. — de kamen jug noch
oft to bäd. Schröder 19. — he will blos wat to pris wisen. de wisch ward
de liamel to pris j^eben. Löper 126. — dat het se to tilgen geben ^eidlich
hexeugV, — wenn ik 'n glas hier to borg krigen kann, tho borge deith. Qryse
I Aa 4b. — de hebben dat so to de mod. — be barr dat so to*n wart. — he
gift dat up to^n rätsei. — to schick maken. — to rank maken. Derboeck II
137. — denn is de kräkeli to gang. Derboeck II 26. — he wir ümmer to
brach ^stand wegen Holzfrevels angeschrieben'. — nicht tho dancke betalet syn.
Gryse I Ff 4a. — thodegen Hüchtig'. Raupach 63, und noch heute, — de
wind künimt to gnnsten ^günstig', — he sali dat (geld) man to goden anwenden.
— he harr dat to sinn hatt. Derboeck I 18ö. — ik hef vier mark yerdeint to
äten un drinken ^ausser freier Kost\
weg krigen deht man dat dormit to *n ibrsten 'am sichersten', dat is
tom gesnnnsten. he möt dat ton besten weiten, dat is tom besten u, s. w,
tom höchsten sünd dat twintig. wer toletzt lacht, de to best lacht. Mrmenich
III 73 no. 100. as ik tom wenigsten sehn hef. so säd he tom wenigsten.
Brincknmn, Höger np 51. — toläng 'xuleizV, Dolberg 137. 140. toläng nn
toletzt. toendlich an toletzt. toend an toletzt. — tens dat dörp, tens den fbten
u. 8, w, vgl, Mass, 82. Au^h tinst. tinst de hock is dat noch natt. — de
brun slög na lud to. — Vgl, von achtem to, von baten to u, ä, — vor middag
to. Brinckman, Högernp 145. — vörmormto, vermorrnto, oft auch bei Reuter,
— ihrstlichto. — dat sali noch ebento grot nog sin. — knappto. — liekto. sin
nahwersch liekto. Reuter V 70. — negerto. Brinckman, Uns herrgott 239,
Kasper Ohm 192. 259. 271. 317. — lieber to beim Infinitiv vgl, Korr,-Bl.
XV] I 61. — mit dat en hemd gähn se ttmmer mit to. — de het em menntg
stück brod togünnt. — de rogg stnmpt to 'stirbt ab', — de sälen dnll totachten.
— de stammt to na Woren. — de kihren bi N. to. — toslapen 'einschlafen'.
barg to! 'nimm dich in Acht', in der Schiffersprache. — de het liker ttmmer
noch tostttttnng 'Unterstützung',
twischen. tUsehen. tfisken. twischenher. Löper 134. — tUschenhttschen,
aueh wohl blas tttsch genannt. Vgl. Reuter I 135. Mass. 82. dat tuschen.
— de swart is nich tuschen ans west 'kirchlich getraut sind wir nicht'. —
de ttmmer tttschensnack maken.
Um. wohr di ttm 'geh aiis dem Wege', gab mal tim 'bei Seite', — wo
sali de dor mit rttm 'damit auskommen', — he het väl ttm em hoUen. — he
het väl ttm ehr dahn 'für sie', — he is ttm bidden gahu. se hebben ttm't geld
graben gähn. — dor is ken fragen ttm. Löper 160. — dat is halw ttm halw
^haU) Oiciwrien, halb Kaffee', — slichtttm taschen 'ohne dass der Eine etwas
zugiebV, Auch slicht ttm slicht, bor ttm bor taschen — as dat (der baner-
acker) noch stttck ttm stttck wir. — dat is all slttck ttm stttck 'das Korn ist
ungleichmässig vom Frost befallen'. — löppt an springt na rand ttm rand.
Iley.'ie, Pansch. 25. — ammeschicht 'eins ums andere, Raupach 63. — ftra-
harts, ttmhatz 'abwechselnd', — ttm vergews. — lat 't aflF am myner bede 'um
meiner Bitte willen', Oemeke, bei Wiechmann II 96. — dat se ttm andüchtig-
keit dor wegkamen wir. Stillfried W. K. I 334. — he kann em nich ttm 't
leben krigen. — reden S^ sik nich ttm den hals. Reuter III 331.
wenn dat abends ttm twölf kamen is 'wenn es zwölf Uhr geworden ist'.
— ttmtid 'nach einer Weile, fnit der Zeit', Derboeck I 46 213. — ttm dat
dat 'damit', — ttm des dat 'daiu/m, weil', Bi^ncJcman, Voss an swinegel 4.
— he lep mi ttm an ttm. Muss, 83. sttss harren wi se ttm an ttm ftthrt
Brinckman, Kasper Ohm 116. — as 't ttm an dum kern, wiren *t lägen. Loten-
dorf, Frommanns Mundarten II 225. he löppt se noch ttm an dttm. — dörchat
4*
S2
Uli iftrchüm s. ihtah. — se hebben ebr so y&l um nn an dabn. de bet «> waü
ttm Uli an sik. Reuter YII 2. — dat kümmt so wid rüm oder vor in der
Erxählung, 'es kommt dahin . . / — de ward ttmherBpiest von einem Dorf-
armen. — de hebben dor rundum stahlen an bandit't. ik hef väl mndflm arbeitet.
— dat hangt annersüm. willn man wedder annersttm. lieuter V 2. annersüm
wirtschaften. Reuter VI 221. Vgl Derhoeck II 237. 246. — achter de fimeck.
— kmmmüm, ein Gebäck in UaUrmofidform,
flniier. ünner de döp 'während der Taufe', — ttnner de tid kann de weiten
jo noch inn pris stigen. — nndertiden. Schlu p. 86, 10. — nnnerwilen,
au/th hei Derhoeck II 244. — ttnnerlang 'inzwischen', — bitinner 'hisumlen\
— dor steiht noch väl rogg bnten mitnnner 'stellenwei-se\ — drei dag ttnnerrad
'ununterbrochen', — underrad. Ma^it'id 15 no. 81. — de wabnt finner 'n
eddelmann 'steht in .meinem Dienste'. — de pird stünnen ünner 't geschirr. —
wenn de pird ttnner krftften sünd. — den hebben se ttnner drög bröcht r<m
einem gefänglich Eingexogenen, — ik kann em nich unner 'e kund kamen. —
nn kern de sak ik ttnner knnd. Heyse, Punsch. 39. — dor geiht alles nnner
un öwer. Mu^s. 81. — dat sackt na ttnnerwarts dal. — dat de riken alles
herunner gewen möten 'hergehen müssen, Wagtsmitgoit, Anning 13. — he
het dat ttnnelst na haben kregen. — dat lat ünnerwegeut! 'das lass sein!^
up. np middag wttrd he hier sin. — up hoch abend dnrt dat nich. —
up wihnachten mttssten se sik na ne anner ttmseihn. — np desen dag. Sttüfried
W. K. I 53. — up enen goden dag. — je höger up 'n dag, je mihr Iftd. —
de gast, de so tidig kamen, reisen up 'n dag wedder af. dat (der Regen) kfimnit
up 'n dag. — dat was np 'n pingsten. Vgl, di4t Schnurre: wonp wisst du denn
heirathen? np pingsten. — auf den harwst. Reuter YII 264. — as dat nppe
nacht kttmmt. — nppe nacht kttmmt em dat hosen an. — as dat so uppe tid
wir. as dat so uppe tid kttmmt, dat ... — up 'n frtthjohr. — np ftühstttcken-
tid. — uppe woch. — up welckere stunde. Grijse III H 4a. — upjetzt, npstäds,
upstädwis, upstnnds. — uppe letzt, np 't letzt, bet np de letzt. Mi s. y. 1.
— up 't kttnftig. Heyse, Kamiten 126. — dat was man so np de ihrst. —
ik nehm so väl mit, dat ik up 'n dag nog hef. — wo oft kttmmt dat np 't johr.
— up einschen. Briticknian, Höger np 21.
dat is up *n körten 'kurz zu erzählen', — dat is nich up 'n besten. —
dat is ^n stttck up 'n goden yerfat. — he is noch up den globen. — as dat
(der Baneracker) noch np stttck wir. — wenn de so recht np sin fett wir. bttt
is he np sin jttstement, np 'n sticken, np sinen termus, up sin tempo, up sinen
törn, up sinen groschen etc, — du bttst httt nich uppe däg. de is nich np sin
däg. — is he wedder up ort. Stillfried , Biweglang 121. — ik denk, dat is
nich up de ort 'iM nicht richtig mit dir', — he is up schick. StiUfried,
Biweglang 122. 138. — up söss spält dat scharper 'zu see)isen\ — so seggen
wi up 't ländlich. — np oll wttrd eigentlich — seggt. — up degliken. — np
wesselwis. — dat wir denn ok noch so up de bäd 'nur den Bitten zu verdankest .
— dat wir kort up ^n topass. — dat wir up 'n naueu togg, dat de nich öwem
horz gttng. — up 'n trent, umtrent 'ungefähr. Raupach 63. — dat is man
so up de ihrste fohrt. — wi willn up 'n wurt handeln 'ohne langes Feüschen\
— dat is uppe kraft betahlt 'tJieuer genug', — dat sttnd uppe kraft tein pund
'höchstens*, — mihr kann ik nppe kraft nich geben. StiUfried, Biweglang 99.
— ihrst wir ik sihr up *n dmnk. — he wir gefährlich up ehr 'toar hart gegcft
sie', — he is so up sik 'selbstsüchtig', — nppe kirch is se gefährlich up */wr
die Kirche sorgt sie sehr', — he wir wat up dat geld. Müüer-Friese 182. —
53
min fru is dor rergnögt up. — dor ward man stedsch np. — he is dor krüdsch
up worden. — de swestern sünd dor abgeneigt np. — de is dor afgünsdg ap
west. — wenn du np föftig penning eigen büst. — dor bün ik np gewennt. —
de is god nppe tncht. — ik bün dor länfig np. — he is künnig np lud. —
dor möten Se lud na fragen, de dor klöker np sfind. — he is wol klok np sine
böker. Eeuter H 33. — np schelmenstücken is he klok nog. Beutet' Y 267.
— dor warst dn wol lindernng np krigen. — wat best dn dor vor *n pris np? —
dor wir n strengen verbott np. — de harr np nns gor ken ahnnng. — ik harr
dor ken ahnnng np. — se möt np mi wehren ^mick pflegen', — ein plappert
np *n annem na. — de (koh) is np ^n bnllen markt. — de slacht nich np vadder
oder mndder. — se is np ehren dummen kopp so losgahn. — de oberst het se
np ^ne suchte nrsak anfallen. — se will dat nppe tid slahn. — he harr dat geld
enen marketender nppe band geben. — se het ehr lütt kind np 'n titt geben
*ausgethan\ — he is dor np scholen gähn. — de jäger ward np straf treckt —
he wnll mi up *n annern globen helpen. — he will 'n bäten uppe Inst führen.
— wenn ik nich nppe Incht kamen harr. — dat is blos, dat se uppe luft sünd.
— np de gegend rümmer. — dor sünd so yäl duben up de gegend. — wat se
all np de ganze gegend weiten. — denn sünd wi np *t rein. BrinckmaUj
Höger np 114. — wenn de sak up *n kloren kümmt. — de hackeis wir np en'n.
Derboeck I 152. — de np den hof np döschen güngen. Still fried W. K. II 210.
— wenn de offizier np den deinst geiht. Brinckman, Kasper Ohm 302. —
de geiht np de om ^auf EmtearheiV. — de früh morgens up waschen gnng.
Miiüer-Friese 88. — dat geiht np düwelhahl, up düwel kumm rut u. s, w, —
dor geiht dat up 'n graps *da loird man übervorteiW. — dat alles steit np
myneu sahn. Seidu 21, 9. — dat steiht up de tokunft. Reuter V 386. — up
*n paster (afkaten etc.) studieren, Uhren cdlgernein, — he denkt blos np ^t geld.
— np enen dämeln Hhn zurechtsetzen'. Mi s. v. daemeln. — denn is nix np
em to weiten. Wagtsmitgott, Dörpgesch. I 78. — de (hirsch) lacht up all de
köterie. Reuter II 291. — en (gos) is np vierteln pund bieben. — wenn de
Winter so scheidt np 'n frtthjohr. — de (schap) schichten up den tweiten tän. —
he fördert em mp np 'n sabel 'zum Zweikampf. — denn friet dor ^n anner np
"heiratet ein anderer in die Bauern- Stelle\ — dat is jo lütt np lütt.
se is np nn dnp gliek dick 'von ungeschickter Figur'. (Mass. 81.) up
un dnp blitzenblank. Neun pld. Oöttergespr. 8. — de het mi god up nn an-
nahmen. — de ganze np nn anputz. Reuter VI 366. — de wind is np nn af.
— de koh deckt den disch np nn to. — np und umme werpen. Qryse I C 3b. —
he kümmt nich up oder höger. — knall un fall is np un fürt he west. Brinckman,
Vagel Grip 191. — vor tein johr bün ik toletzt rnpperwest auf die Insel Poel.
— gradup. lieknp. dor geiht dat gradnp na N. wi willn gradnp tuschen
'ohne dass einer etwas dazu giebt'. — de het sin vnllup arbeit. — he kann
dat nich np krigen 'den Sinn der Rede nicht verstehen'. — de (goUen weig)
schient so np 'kommt zum Vorscliein'. — de finster sttnd npfroren 'ztigefroren'.
— dat kann ik nich npnennen.
nt, he is nt 'nicht zu Hause'. (Muss. 80.) — he is väl nthüsig. —
dat is 'n ntheimschen. — de is god nt 'gut daran'. — mit de pird kann ik mit
jeden nt. — dor kannst du mit nt. — de seggt nix ut sik 'gesteht nichts'. —
dat hef ik ut 'n kopp lihrt. — ik verstah mi dor nich nt. — ik kam eben ut
't feld rut. — dat god is von 'n könig ut bewirtschaft. — de köfft dat knm
von de häw ut — dat nest is ut de gmnd ntbrennt. — dat brod is ut saft nn
kraft backt. — he is nt de armkass begraben 'auf deren Kosten'. — dat mag
wol so von gott rut wesen. — von ihrst nt 'von Anfang an\ — ach, Se söken
54
oll wttrd Yon früher rat. — nn so bet to end nt. — fahrmann is he at 'n
ihrsten end. — um de adventen at. Brinckman, Kasper Ohm 11. — um Micheli
at u. ä. oft bei Reuter und Stillfried, um Wihnacht uten. Wagtsmiigott,
Dörpgesch. II 99, vgl, II 26 und Söss gesch. 74. — ja, de tideu at wir dat
'xu den Zeiten, datnals\ — se harr dat nich at legen dahn, ne at goden.
Stillfried W. K. II 66, I 163. — dat deiht he at freaden 'gern'. — dat hef
ik at mi sülm dahn 'au^ eigenem Antriebe'. — wenn dor wat twischen atfehlt.
fiw johr at an in. Beuter II 402. — na ist at an at mit em. Mi s. ▼.
as se nich mihr at an dat wüsst. Derboeck II 289, vgl, II 262. — at an dnt.
Lessen, Hellenia Vers 317. 6. — dat wohrt acht dag at an dat. — at an bat
schon 'durchweg 8chön\ Muss, 80. — gähn Se man liek at 'gerade atcs', he
het alles liekat makt 'alle Schulden bezahlt'. — batenat. Mi s. v. — Vgl.
achterat. hinnerat. mankut. — de geht trüggat, dwasat. — dor sali dat na
at sin 'dahin soll es zielen', — vörat 'besonders', aach oft bei Brinckman nnd
Löper, — dat is wat atbenahms 'etwas aussergewöhnlich gutes', — ater de
massen kolt. Löper 108. — he wir aterw&rts. — aterwis 'aussergewöhnlich'.
— geld tltert he nich. Mantzel, Btttz. rnh. 8 no. 99. So noch heute. — dat
stimmt vallnt. — ik hef vallat min arbeit dahn. — at? dat het sik wat to uten.
Reinhold, Holtreyolatschon 34. — ik hef min dracht atschell weg. — de köh
krigen na atweid 'frische Weide'. — he höll sin schol at 'zu Ende'. RetUer
V 109. — de het sik atbrakt vorn Sympathie^Kundigen : 'vermag nichts mefir'.
— dat ttig is all so atgeblasst. — he sali atbichten. — de warden anners at-
nennt. — se willen dat nich atvertellen 'erzählen', — de saal wir atkränxt.
von. Tan« vanabend 'heute Abend', dit sali yenabend noch farig. van-
nacht 'vergangene Nachf. — von langen johren harr dat in de ird leg^o. —
dat hef ik von langen johren all dahn. — de is ihrst von Wihnachten olt. —
von in 'n harwst her. — von in *n wochenstand her. — von vor dfta an dag.
Brincknian, Uns herrgott 230.. — von de tid in is ^t anners worden. — von
lütt af her. von lütt ap her. von je at her. dat het se von ehr madder rat.
von ihrst nt. von jang at. von Martini at bet fastelabend. Brinckman, Uns
herrgott 194. von je at ao. von kind af an. von don af an. Wagismitgott.
Anning 69. von na af an. von lütt ap an. von ihrst af an. von vom
af an. Löper 186. Wagtsniitgott, Anning 43. von farts an. von fnrts
ap an. Mi. von hannert dahler af an. — de verköfft sin karn von 'n hof to.
Vgl. von achtern to, von baten to. — dat (geld) steiht von v5m rin. — se sünd
von fim gähn.
dat wir von landsgesetz. — dat weit ik von so. dat weit ik von allein,
dat blot driwwt von allein. — Se kennen dat jo von *n ihrsten 'am besten'. —
dor kann man von tofreden sin. dor bün ik nich von tofreden. Auch: dor bün
ik friedlich von. — de matros het dor ken Interesse von. — denn hebben de
ollen mihr roh von ehr. Löper 180. — he harr dat so von de mod. dat is
dor so von de mod. dat harren de ollen so von 'n glow. — dat se so von lägen
wir, kann'k nich seggen 'lügenhaft', de sünd hellsch von ihr. de baer is so
dägt von angst, da büst wol nich god von lan. ik bün stiw von nors. — dat
is von pass, von schick. — dat wir de dirn ok nich von *n legen. Stillfried,
Pld. sünndagsblatt 1890. 74; vgl Ut sloss 110. Biweglang 118. — ik nehm
mi *n bäten brod mit, dat ik van anner wegens ok wat harr. — ik waste nicht
van angst, wo ik henne scheide. Schlu 69, 16. de se van angst van
sick smeth. ib. 11, 13. van wellichheit. ib. 84, 16. van smerte.
ib. 66, 21. van freaden springen, ib. 16, 16. de stinkt von falheit
dörch de rippen. dat is blot von wäldag. — wovon nich? 'wesfialb mW*/'.
55
Vgl, dorvonhalben und von deshalb, s, halben. — von *t leben wir he jo doch
west *des Lebens verhistig\ — ey lener, hör up van dynem brummen. Schlu
26, 16. — dat is mi wedder von afhannen kamen, van affhenden kamen.
Gryse L. B. I T 4a. — von sinentwegen etc. Vgl. wegen. — he wahnt in dat
dittdd von *t letzt hus.
dor wir jo väl seggen von. — dor weit ik nix van. — he fröggt ehr,
woan nn wovan. — he weit nich an orer van. — je ihrer ran, je ihrer van. —
dat is vonein, vanein gähn * auseinander^, so auch bei Brinckman, Höger up
65. 72. — en goden slag von kirl. en släks von jungen, en talps von bengel.
sin lapps von sahn, ne nuss von en mann, de dausend vqn bengel u. ä, oft
im Volksmunde und auch bei Reuter, StiUfried, Brinckman u. a, de ekels
von ümknUppeldök. Beuter VI 77. son wor von wagen, de lütte kamickel
von franzos. Brinckman, Kasper Ohm 294 u. s. w, de tölen von hund. en
verfluchten hund von pird, säd de jung, dor harr he uppe katt reden u. s, w,
vlJr 'vor^, ^für*, dat is all vor de oll weit her. — vor ne tid lang. —
vor dem as wi wegreisen deden 'bevor^, — vördess dat. — vor dessen. — vor
abend ^heute Abend\ Brinckman, Herrgott 184. vördag, verdag ^}ieute\ dat
ward mistig weder vOr dagen. in de vörvergangen woch. — thovörn * früher*,
Laur. II 169. 486. — he is vor in de föftigen 'Anfang der fünfziger Jahre',
— de is dor duU vor west 'schwerkrank gewesen'. — de het drei johr vör'n
dokter . legen. — wenn se nich vor schütz stahn 'geschützt stehen', — vor wyndt
nn wage dryuen laten. Oryse I, la. wenn dat (holt) vor wind liggt. — de
wind steiht vor mm (wenn he to gunsten is). — denn kttmmt en wnrt vor dat
anner. — ik hef em vor de döp hollen 'über die Taufe'. — vor respect to seggen.
— de kennt eckern vor bokmast. — de kennt nich koh vör'n kalw. — vor em
gähn se nich 'wenn er fährt, wollen die Pferde nicht ziehen', — vor den (hund)
httren uns (köh) god up. — Lübbendörp liggt vOr Lttbtheen öwer. — de vor Se
öwer seet. — dor kann ik nich vor striden. — dor stür ik ttmmer vor. — dor
weigert he sik vor. — dor pass ik vor. — wat ik vor den jung dohn kann
'soweit mir die Sorge um den Jungen Freiheit lässt', — nu steiht uns spann
pird vor 'n kropp in ^n stall. Brinckman, Grip 107. — mak den tun so, dat
*t vor de höhner dicht is. — ik mtlsst vor ^t wild wachten.
he Süll fot vor fot führen 'langsam'. — dat geiht fdrfötsch weg. —
wenn de annern vörto gähn, soans is Bedefin 'n beten vörto 'in dieser Beziehung
ist Bedefin etwas den Nacfibardärfem voraus'. — de liggt so vörto. — fot em
vörto 'kam ihm zuvor'. Beuter II 431. — denn kümmt mihr hervöre 'ans
Licht'. — gab bet vörs. he kümmt nich trügg, nich vörs. — wenn dat to 'n
vorwärts geiht 'zum Angriff. — de vörfru 'seine erste Frau',
de sehg narrns vor ut. — dat is vor gor nix. — dat hülp vor nix.
— vor mi steiht se hier bet öwermorgen. Beuter II 87. Vgl, Derboeck I 59.
— vor min ansichten wir dat bäter so. — späl mal ut vor de harten 'gegen
einen Coeur-Solo'. — dat nehmen Se mi nich vor unäwel. — o nich vor äwel.
Reuter I 221. — de let sik nich vor narren brnken, vorn narren hebben. —
arbeiten Se noch? ja, öwer nich vor zwang. — dat hus vör'n kathen schellen.
— den süss de lud vor kuhnhahn schellen. Beider IV 64. Vgl, Stillfried W.
K. I 260. — „wohrt* seggen wi vor platt, vor uns* 'in unserer Spraclie', —
he wüsst vor ganz gewiss. Stillfried W. K. II 5. — vor fast behaupten.
Stillfried W. K. I 2. Vgl. 256. — schiessen vor wrack aus. Beuter III 414.
— vor bog geld spälen wi nich. — ik bün vor stttermann führt. — se gähn
vor junge lud na de kirch 'd. h. am Sonntage nach der Hochzeit'. Lateruiorf,
Zu Laurembergs Scherzgedichten 16. — de geiht ok vor fasel mit, scherzend
56
vom Wohlbeleibten. — de gören lopen vor wild an waost. — de let se vor
wild upwassen. — de lopen vor ballast mit. — dor liggt se v5r dod. — as se
em vor dod up den hof bröchten. Siillfried W. K. I 62. — vor ttmsfinst is
dat nich, so auch Reuter VI 42, Still fried W. K. I 123. — de köpen ok vSt
schuld, he nimmt dat vor schuld 'ohne zu bezahlen'. — dat het he vor ann
kregen 'gestohlen', nehmen Se mi vor arm mit, so auch Kreutzer, 3£eykL
gerichtsxtg. 1888 no. 3. vor nass ebenso. — he würd vor bull en enningf mit-
gahn. Derboeck II 63. — de postillon het mi vor bück mitnahmen. — ik hef
dat vor old köflFt, auch bei Stillfried W. K. I 187. — süll vor ganz biiwen
bi . . Stillfried W. E. II 212, Ut sloss un kathen 140. — dat he v5r fast
dorblew. Stillfried W. E. U 140. — ik btin vor standfast bi em 'stehe in
fest&m Dienst bei ihm'. — vor gang is dat nich 'immer ist es nicht so\ —
dat geiht hüt ümmer vor duU. verdull hat Beuter III 47. — sloeg vor blind
un dull. Brinekman, Grip 65; vgl. Heyse, Punsch. 80. — ümmer vor gewalt.
ik hür dat bautzen vor gewalt. Reuter II 106; vgl. II 290. — ik hef vor
lebensgewalt anfatH. — wi hebben arbeitet vor 't stÖrken. — ik mfisst dat vor
god dohn. Brincktnan, Easper Ohm 270. 294. 296. 349. — A: ritt em de mort?
B: vor god ritt em de mort 'sicherlich'. — ik krig *t vor god. Gildem. 209.
— vördwer, vördwass, v5rdwiss un vördwass, vörquass. verquass. Heyse, Punsch.
144. verkrüz un verdwass. Reuter V 144.
während, in de während tid 'während dessen'.
wedder. wenn dat din ihr toweddem is. Brinckman, Höger up 115. —
he is mi toweddem. {Muss. 83.) — mi wir nie wat toweddem kamen 'nie ein
Gespetist begegnet'. — enen wat towedder leggen. — he leggt sik jümmßr to-
wedder. Muss. 83. — he möt jo all wedder wesen 'wieder zurück seifi^.
weg. in einssen weg. — de is in de leiw weg. — wat is di weg.
Reuter II 428. — dor is em nix bi weg. — btist weg 'hast du das Spid ver-
loren?' — Erer ys nicht einer, de my schal wech supen. Schlu 78, 18. —
N. güng dat öwerweg nix an. Derboeck I 193.
wegen, dat is von wegen! Mi. — von minentwegen, von sinentwegen.
— vor minentwegen. Brificknian, Ohm 229. vor se ehrentwegen. Brificknian,
Höger up 236. — von gottswegt. Brinckman, Herrgott 207. — van wegen
dat geld. Muss. 83. — von wegen mit dat stroh. — von wegen ik will dor
roggen upseigen. — ik hef dor *n lock in makt von wegen *n bäten luft schöpfen.
— wegen umstand halber. — deswegens. — dessentwegen. Reuter V 67. 153.
— dortim wegen. Still fried W. E. II 123, Sloss 9.
wllen 'während', wilen de ganze tid. Reuter IV 298. — wilen dessen.
Reuter VI 57. — wildessen und wildess häufig, auch bei Reuter, Stillfried und
Löper. wildess dat .... — wiltdess bei Dolberg 34. — wilt möt de jung na
hus lopen 'während dessen'.
WAREN. R. ^VossidlO.
57
Zur Gescliiclite
der PomiDeriscIien Kanzleisprache im 16. Jahrhundert.
Einleitung. *)
Wenn wir heute hinaustreten auf die Strassen von Stettin, so
hören wir zwei Sprachen reden : hochdeutsch und plattdeutsch *). Dem
war nicht zu allen Zeiten so. Vor vier Jahrhunderten noch, da redete
in Stettin der Fürst am Hofe, der Beamte in der Kanzlei, der Arbeiter
am Hafen, der Bürger in seiner Werkstatt nur niederdeutsch. Erst
im 16. Jahrhundert, als in ganz Deutschland jene gewaltige Umwälzung
auch auf sprachlichem Gebiete stattfand, da drang das Hochdeutsche
wie in schwerem Kampfe vor und eroberte sich Schritt für Schritt
eine Position nach der anderen'), zuerst die Sprache der Kanzlei,
dann die des Gerichtes, des Verkehrs am Hofe, der Kirche und Schule*)
und dann auch allmählich die Sprache der Gebildeten, aller derer,
wie Hildebrandt sagt, die in weitere Berührungen kamen, während die
in engeren Schranken befindlichen ja heute noch in Stettin, wie überall
den Dialekt sprechen.
Dies allmähliche Eindringen der nhd. Schriftsprache in Stettin
als den Hauptort Pommerns soll uns in den nachfolgenden Unter-
suchungen beschäftigen und zwar zuerst nur für die Sprache der
Kanzlei^), als ersten Teil jenes grossen Werdeprozesses; denn sie hat
ja den eigentlichen Gi-undstock für unsere hd. Schriftsprache geboten •).
Wie bekannt, hat die kaiserliche Kanzlei Karls IV. den Anstoss dazu
gegeben. Ihre Sprache hat nach Nord- und Südwesten vordringend
eine Kanzlei nach der andern erobert, indem sie jeder je nach deren
ursprünglichen Beschaifenheit einen Teil ihrer eigenen Sprache und
Eigentümlichkeit aufdrängte. Auch dies ist natürlich kein einheitlicher
Vorgang gewesen ; Stadt für Stadt lässt er sich verfolgen, bis endlich
nach langer, langer Zeit nicht ohne gewaltige Beihülfe von anderer
*) Abkürzungen: St.'Ä,-SL = Kgl. Staatsarchiv zu Stettin. M.-Ä.-St, =
Urkunden, die vom Magistrat aufbewahrt werden. St.-Ä,'St, ReperL d. dep. AH. =
Dem Kgl. Staatsarchiv überwiesene TeUe des ehemaligen Stadtarchivs von Stettin.
G. /. pomm, Gesch, SL = Archiv der Gesellschaft für pommersche Geschichte zu
Stettin. ') J. Hildebrandt, Bilder aus Stettin vom Anfange des 16. Jahrhunderts.
1857. S. 48 ff. ') Vgl. im allgemeinen die Uebersicht über die Litteratur bei
Behaghel in Pauls Grundriss der germanischen Philologie I (3) 548—44 ; dazu jetzt
0. Weise, Unsere Muttersprache, ihr Werden und ihr Wesen (1895) S. 15—36.
*) Burdach, Vom Mittelalter zur Reformation 1 (1893) S. XI— XIII. ») In der
späteren Entwicklung (seit 1532) musste auch Wolgast hinzugenommeu werden;
vgl. S. 68 ff, *) Scheel, Jaspar von Gennep und die Entwicklung der nhd. Schrift-
sprache in Köln (Westdeutsche Zs. f. Gesch. und Kunst Ergänznngsheft 8) S. 1—3.
58
Seite, vom Buchdruck her, ganz Deutschhmd hier zum erstenmal geeint
wird unter einer einzigen, allen Gebildeten verständlichen Schriftsprache.
Im Beginne des 16. Jahrh. nun schrieb und sprach man, wie
schon gesagt, in Stettin nur Dialekt. Gerade wie die Schweiz weit
unten im Süden des Reiches, war hoch oben im Norden Niederdeutsch-
land die flochburg der alten Sprache geworden, während süd- und
mitteldeutsche Kanzleien eine Kompromissprache entwickelt hatten,
die man mit dem Namen 'gemeines Deutsch' zu bezeichnen pflegt.
Durch den Verkehr mit dem mittleren und südlichen Deutsch-
land beeinflusst neigt sich jedoch nun auch die Kanzleisprache
Pommerns dem allgemeinen Zuge der Zeit folgend einer hd. Sprache zu.
Ein gewaltiger Uebergang. Hatten hoch- und mitteldeutsche
Kanzleien so manchen durchgreifenden Unterschied der neu ein-
dringenden Sprache zum Opfer bringen müssen, — ich erinnere uur
an die Einführung der neuen Diphthonge — , so schied Niederdeutsch-
land und Stettin von den südlicheren, ja selbst von der eng benach-
barten brandenburgischen Kanzlei des 16. Jahrh. noch ein Merkmal, wie
es grösser nicht gedacht werden kann, die hd. Lautverschiebung. Und
gerade hierin liegt ein durchgreifender Unterschied von der Einführung
nhd. Schriftsprache in südlichere Kanzleien. Es ist eine vollständig
andere Sprache, die eindringt ; nur so lässt sich die scharfe Trennung
von hd. und ndd. Urkunden erklären, sowie auch das fast gänzliche
Fehlen sogenannter Mischurkunden, die wie z. B. in Köln ^) jahrelang
altes und neues Sprachgut neben einander zeigen, vollständig ver-
ständlich ist.
Die Volkssprache hält natürlich noch weit länger am alten fest.
Sehr nett ist die Erzählung Sastrows von dem Empfang Herzog
Philipps I. von Pommern -Wolgast i. J. 1539 durch den Bürgermeister
ChristoflF Lorber in Stralsund, der den Fürsten in ndd. Sprache will-
kommen hiess, was noch lange mit den Anfangsworten der Rede ,,6ry
Philipps van Gades gnaden ..." als Spott- und Scherzwort in der
fürstlichen Kanzlei umging, als man schon längst ndd. zu schreiben
aufgehört hatte*).
Material und Methode.
Das uns zu Gebote stehende Material ist verhältnismässig
umfangreich; aber es leidet, besonders was die Stadt Stettin angeht^
an einem Gebrechen: es ist nicht ohne Unterbrechungen und Lücken
überliefert. Von den beiden in Betracht kommenden Kanzleien, der
herzoglichen und der städtischen hat die ersterc fortlaufende Ueber-
Heferung. Die reichen Schätze des Kgl, Staatsarchivs zu Stettin bieten
für eine Darstellung der Verkehrssprache der Kanzlei nach aussen')
für jedes Jahr eine ganze Reihe von Belegen und Urkunden in ihrem
») Vgl. Verf., a. a. 0. S. 20. 25 ff. *) Grote, Barthol. Sastrow (1860) S. 408.
') Betreffs Scheidung der Kanzleien unter sich vgl. Verf., a. a. 0. S. 17 und unten
S. 60 ; über den Einfluss, den die jeweilige Kanzleisprache des Empfängers auf die
ausstellende Kanzlei ausübt, vgl. Verf., a. a. 0. S. 17. 24 — 25.
59
wohlgeordneten Urkundenarchive; auch Kopienbücher, Willebriefe und
ähnliche Verwaltungsakten in Kopiarien lassen uns die Sprache der
inneren Kanzleiverwaltung, die nicht unmittelbar für den Verkehr
nach aussen bestimmt und von ihm beeinflusst war, recht gut erkennen.
Schlechter ist es dagegen mit den Archivalien der Stadt Stettin
bestellt. Urkunden der Stadt selbst sind fast gar nicht vorhanden,
Kopienbücher von gleichzeitiger Niederschrift ebenfalls nicht. So steht
es um die UeberUeferung leider gerade für die Zeit, in der die grosse
sprachliche Umwälzung vor sich geht. Nur Schreinsbüchern ähnliche
Verlassungen und Schenkungen aus dem Anfange des Jahrhunderts
lassen uns wenigstens konstatieren, dass damals noch nicht hd.
geschrieben wurde. Allein einzelne kleinere Büchlein, in denen die
Gerichtsverhandlungen skizziert wurden, bieten treffliches Material;
dann fliesst erst in den sechziger Jahren die Ueberlieferung breiter.
Der Grund für diesen Mangel ist die Zerstückelung des Ratsarchives.
Der Magistrat verwahrt im Rathaus nur wenige Urkunden in einem
einzigen Schränkchen, einiges ist auch beim Staatsarchiv deponiert,
das darüber einen eigenen Katalog führt*); das übrige ist in den
siebziger Jahren beim Antiquar veräussert worden.
Es ist hier freilich nicht der Platz, die Methodik einer Betrach-
tung nhd. Schriftsprache zu geben, doch sollen einige methodische
Hauptpunkte festgestellt werden, ehe wir beginnen, das oben geschilderte
Material zu verwerten.
Fünf Hauptpunkte sind es, die sich bei der Darstellung der
schriftsprachlichen Entwicklung einer Stadt oder einer Landschaft
ergeben; die beiden ersten finden sich bereits in den Brandstetterschen
Untersuchungen*), wir brauchen sie daher hier nur zu wiederholen.
1. Original und Kopie sind streng zu scheiden ; selbst Abschriften
aus der gleichen Zeit sind nur mit der äussersten Vorsicht zu
benutzen, da ja an eine vollständige Uebereinstimmung zwischen
Original und Kopie für die in Frage kommende Zeit nicht im ent-
ferntesten gedacht werden kann.
2. Es ist sehr wichtig, die Schreiber der betreifenden Mss.
auf Grund der Schriftzüge oder sonstiger Anhaltspunkte zu eruieren,
falls sie sich nicht nennen, um die Bildung der betreffenden Personen
in Betracht zu ziehen.
Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, und damit kommen wir
zu etwas neuem, dass die Einschränkung Brandstetters, die zur Ver-
wendung kommenden Urkunden müssten in Luzern geschrieben sein
und zugleich Luzernische Verhältnisse behandeln, nur für den ersten
Teil aufrecht zu erhalten ist. Wie steht es denn um Urkunden, die
in den Luzernischen Kanzleien verfasst sind, aber z. B. Baseler Ver-
^) Repertorium der deponierten Akten der Stadt Stettin im St.-A.-St. ; die
Urkunden im Rathaus sind citiert als M.-A.-St.
') R. Brandstetter, Die Reception der nhd. Schriftsprache in Stadt und Land-
schaft Luzern S. 8—9; Derselbe im Geschichtsfreund der fünf Orte 47 (1892)
S. 231-34; 245—46.
60
hältnisse betrefifenV Freilich die Korrespondenz Luzems mag keine
allzugroBse Bedeutung gehabt haben; ein Verkehr nach aussen, mit
anderen Kantonen oder ins Reich hinaus muss aber doch vorhanden
gewesen sein. In diesen nach aussen gehenden Urkunden ist es aller-
dings schwerer, den Schreiber des einzelnen Ms. festzustellen, da die
Verfertiger solcher offizieller Schriften sich fast nie zu nennen pflegen.
Diese auch über die engsten Grenzen der Stadt und Landschaft hin-
ausreichende Korrespondenz führt uns jedoch zu einer Scheidung in
der Kanzleisprache selbst. Diese Sprache des Verkehrs ins Reich
hinaus steht als gleichberechtigter Faktor neben der im Innern der
Landschaft üblichen, muss aber durchaus davon geschieden werden.
Ja wir können noch weiter gehn und einen dritten noch engeren Ring
ziehen. Von der Sprache, die im Verkehr zwischen Stadt und Land-
schaft angewandt wird, scheidet sich nun noch die im inneren Ver-
waltungsdienst übliche, ich meine z. B. die Sprache, in der Schreins-
bücher, Turmbücher etc. und Kopien von Akten geschrieben werden,
Bücher also, die nicht aus den Kanzleizimmern selbst herauskommen
und nur für den Gebrauch der Kanzlei bestimmt sind. Brandstetter
hat nur die Sprache des zweiten und dritten Ringes behandelt, den
ersten äussersten aber, die Verkehrssprache über die landschaftlichen
Grenzen hinaus ausser Acht gelassen^). Trotzdem Hessen sich vielleicht
aus einer Vergleichung und Anknüpfung der Luzernischen Kanzlei-
sprache an auswärtiges noch recht interessante Resultate erzielen
und die Einflüsse erkennen, die die Luzerner veranlasst haben, ihren
heimatlichen Dialekt in diesen Schriftstücken zu vergessen*). Denn
nicht inneres Bedürfnis treibt die Kanzleien dazu, die Sprache der
Heimat aufzugeben : ohne äusseren Anstoss hätten die Kanzlisten von
Luzern wie die Secretarii von Stettin noch lange den Dialekt geschrieben.
Die neu eindringende Schriftsprache ist eine Verkehrssprache und
eine Geschichte derselben muss auch eine Geschichte des Kanzlei-
verkehrs enthalten. Aus ihr resultieren dann noch zwei andere Dinge :
die Wichtigkeit der Sprache des Adi*essaten und ihr Einfluss auf die
ausstellende Kanzlei und die Wichtigkeit der einlaufenden Korre-
spondenz, die den Empfänger zur Nachahmung der darin angewendeten
Sprache anreizt.
Drei neue Punkte sind also:
L Teilung der Kanzleisprache in drei Ringe:
a) Sprache des Verkehrs über die landschaftlichen Grenzen
hinaus,
b) Sprache im Verkehr der Landschaft selbst,
c) Sprache im inneren Verwaltungsdienst der Kanzlei.
2. Wirkung der Sprache des Adressaten auf den Aussteller beim
Abfassen der Urkunde.
3. Einfluss der einlaufenden Korrespondenz.
^) Brandstetter im Geschichtsfreund 47, S. 232 unten. ') Dieselbe Anknüpfung
an die Entwicklung der Kanzleisprache im Reich fordert, wie ich nachträglich sehe,
auch Fr. Kauffmann in seiner Recension der Brandstetterschen Schriften im Anz.
f. indogerm. Sprach- und Altertumskunde 4 (1894) S. 69 £
Ol
Die Kanzlei und ihre Beamten.
Soll die Geschichte der schriftsprachlichen Entwicklung einer
Kanzlei eine Geschichte des Kanzleiverkehrs enthalten, so muss sie
sich auch mit den Leuten beschäftigen, die diesen Verkehr bewerk-
stelligen, den Kanzleibeamten. Wir haben schon oben bemerkt, dass
bei den offiziellen Urkunden selten der Schreiber persönlich zu fassen
ist, bei den Akten der inneren Kanzleiverwaltung wird man ihn öfter
genannt finden. Als ein Ersatz kann es angesehen werden, wenn wir
wenigstens über die Kanzleibeamten im Allgemeinen etwas erfahren,
die ja doch in der Kanzlei sassen und Briefe und Urkunden abzu-
kopieren erhielten; ihre Stellung in der Kanzlei, ihre Bildung*) zu
schildern, führt uns in die Geheimwerkstätte der Schriftsprache ein:
denn darüber dürfen wir nicht im Zweifel sein, überall ist die Schrift-
sprache zuerst am grünen Tische gemacht worden und von dort aus
in die Kreise des Hofes, des Adels, des Gerichtes, der Kirche, Schule
und endlich des gemeinen Lebens übergegangen*). Geschichte der
Schriftsprache ist auch Geschichte der Kultur, der Bildung, und des-
halb dürfen auch die Leute, die zuerst diese neue Sprache eingeführt
haben, unser vollstes Interesse beanspioichen.
So wollen wir im Folgenden wenigstens die oberen Beamten der
herzoglichen Kanzlei Stettins zusammenstellen, — die städtischen
sollen an anderer Stelle behandelt werden*), um zu sehen, was denn
damals für Leute in den Kanzleien gesessen haben.
Im 16. Jahrh. war es auch in Pommern Sitte geworden, junge
Leute besserer Herkunft auf die Universitäten zu schicken; wir finden
unter den Studenten damaliger Zeit viele Namen, die wir nachher in
Amt und Würden bei der Kanzlei wiedersehen. Allein schon die
Wittenberger Matrikel bietet viele Pommerische Namen, wie Eberstein,
Schwerin, Citzewitz, Borck, Kleist u. a.*). Dadurch wurde nicht nur
Interesse an wissenschaftlicher Bildung in diese Kreise hineingetragen,
sondern die jungen Leute kamen auch in persönliche Berührungen mit
der Reformation und den Bestrebungen Mitteldeutschlands auch sprach-
licher Art, was gewiss seinen Einfluss nicht verfehlt hat.
Die Kanzlei Bogislavs — wir betrachten sie ungefähr vom
Anfange des Jahrhunderts ab, — zählt folgende Mitglieder*): P. TetzeK.
L50G— 13, Peter Houesche S. 1506-18 (1518 Notarius genannt),
Dr. jur. Valentin Stoientin S. 1508 — 17, Konrad Krempzow S. 1511,
Andreas Jan S. 151G, PribislaflF Kiest S. 1516—17 (1517 Kantzler-
1) Vgl. Burdach, a. a. 0. S. 42 ff. (im allgemeinen auch S. XII -XIII).
*) Burdach, a. a. 0. S. XIII. •) S. S. 71 ff. *) M. Wehrmann, Aus Pommerns Vergangen-
heit (1891) S. 88. ^ Bei Aufstellung der Zahlen für die einzelnen Mitglieder ist
u. a. auch Dähnerts Rügisches und Pommersch6s Urkundenbuch neben den Original-
urkunden benutzt. — K. bedeutet Kanzler, S. Secretarius; die übrigen Abkürzungen
sind an sich verständlich. Vgl. über das Personal der benachbarten branden-
burgischen Kanzlei L. Lewinski, Die brandenburgischc Kanzlei . . . (Strassb. Diss.
1893) S. 58. 59.
62
öcriuer), Balthasar Seckel K. 1516 — 27 (1527 Lic), Laur. Kleyst
S. 1519—27, Nie. Brun K. 1521—35 (1521 Rentmstr.), Fr. Dhene
1521 — 27 S., 1527 K. — Dazu haben wohl auch Jost von Dewitz,
Erasmus von Manteuffel und Jacob Wobeser in der Kanzlei wenigstens
zeitweilig gearbeitet.
Von den genannten haben erst wenig studiert: Dewitz ist in
Greifswald 1515, Wobeser in Greifswald 1505 und in Wittenberg
1518; Brun ist 1496, Pribislaflf Kiest 1486 und Manteuffel 1494 in
Greifswald immatrikuliert gewesen.
Zu dieser Zeit ist ja auch Greifswald noch vollständig ndd. ; nur
Wobeser also, der sich auch mit seinem jungen Herren Barnim eine
Zeit lang in Wittenberg aufhielt, ist md. Einflüsse ausgesetzt gewesen.
Freilich ist ja auch in den Urkunden dieser Zeit noch kein Eindringen
neuer Sprache zu spüren*).
Wie Barnim ist auch Georg, der mit ihm nach Bogislavs Tode
die Regierung übernahm, in Mittel- und Oberdeutschland gewesen.
Georg hatte eine Zeit lang in Leipzig studiert (ungef. 1510), war am
Hofe Georgs von Sachsen erzogen worden*); er war ein Schüler Eras-
mus ManteuflFels gewesen.
Barnim hatte in Wittenberg studiert'), wie schon erwähnt ist.
Trotzdem hatte dieser Aufenthalt auf beide Herzöge verschiedenartig
gewirkt. Georg war der Reformation feindlich gesinnt und stand auch
ihrer Sprache ablehnend gegenüber, ebenso wie sein Lehrer Manteuffel :
ihm gegenüber Barnim, der zwar durchaus nicht auf Seiten Luthers
stand, wenigstens niemals offen für ihn eingetreten ist, auf den aber
Luther persönlich gewaltig gewirkt haben muss, da er Zeuge seiner
ersten Predigten und seiner Disputation mit Eck war*).
Als Jürgen und Barnim ihre Regierung antraten, waren folgende
Leute nach Kantzow^) ihre Räte: Er Degener Buggenhagen Ridder,
Viuigentz van Eickstede, Baltzar Seckel olde Cantzler, Doctor Valentin
Stoyentin, ein sehr vornheme, beder vnd gelert Man, Jost van Dewitz,
nicht ein geringer Man, Rudinger Massow Marschalk, Er Nicolaus
Brun, Jacob Wobeser Cantzler, Zabel vam Wolde, Doctor Eickstede,
Bartholomeus Schwaue Vicedominus, ane de andern byrede.
Davon gehören Seckel, Stoientin, Dewitz, Brun, Wobeser, Eick-
stede (und Schwabe) der Kanzlei an.
Das Kanzleipersonal Georgs imd Barnims ist also folgendes:
Hans Steenbach S. 1524, Johannes Olde S. 1524, Jacob Wobeser K.
1524—27, Jacob Wis K. 1524, Benedict Klock S. 1524, Vivigentz
V. Eickstede K. seit 1526, Niclas von Klemptzen S. 1531 — 47. (1535
Lantrentmstr.) Dazu kommen aus Bogislavs Zeiten übernommen noch
Laur. Kleyst, Brun, Dhene und Seckel. Von diesen haben nur die
») Vgl. S. 67. ») Barthold, Gesch. v. Rügen und Pommem 4, 2 S. 83.
?) V. Med«m, Die Universitatsjahre der Herzoge £rnst Ludwig und Barnim v.
Pommem S. 6; Wehrmann, a. a. 0. S. 88; Alb. acad. Viteberg. ed. Forstemann
S. 80. *) Wehrmann S. 88, *) Kantzow, Chronik von Pommem hsg. v. Böhmer S. 163.
63
bereits oben angeführten studiert; neue kommen nicht hinzu. Hierzu
stimmt ja auch die sprachliche Entwicklung vollkommen^).
Im Jahre 1531 stirbt Georg, und Barnim teilt sich mit Philipp,
dem Sohne Georgs in das Land. Sie teilten, wie Kantzow erzählt*),
Bede, Canteler, hofgesynde, hämisch, geschulte, artelerie, vnd husgerat.
Von Barnims Kanzlisten sind folgende belegt*): Bartholomeus Swaue
K. 1537, Valentin Pritze Vice-K. 1544, Dr. jur. Jac. Phil. Oseler
Vice-K. und K. 1546, Dr. Joh. Falck K. 1547—48, Georg Ramell S.
und Protonotarius 1560, Laur. Otto K. 1558 — 69, Johannes Schacht
S. 1560 — 63, Michel Somnitz S. 1569. Von ihnen studierten fast alle:
Schacht, Schwabe, Laur. Otto, Val. Pritze und Barnim selbst; dazu
kommen natürlich die Drr. Oseler und Falck. Schacht ist in Greifs-
wald 1525, Pritze 1524 belegt, dort sind 1544 Schwabe, 1560 Otto
als Drr. erwähnt.
Aus Philipps Kanzlei haben wir für die ersten Jahre nicht viel
Notizen; erst mit den vierziger Jahren mehren sich die Namen der
Kanzlisten; es ist dies freilich eine Zeit, in der die sprachliche Ent-
wicklung schon abgeschlossen ist.
Wir kennen: Thomas Kantzow S. 1533 — 37, Erasmus Husen S.
1541— 67, Jochim RustS. 1541—46, Dr. Baltzer vom Wolde K. 1544—49,
Johannes Rust S. 1544, George Leuchsener S. 1547, Jacob Citzewitz
K. 1549 — 56, Christof Labbun S. 1551 — 56, Laurentius Dionysii S.
1555—56, Heinrich Oldenkercke S. 1551 — 64, Valentin v. Eickstedt S.
(seit 1560 K.) 1556—73, Joachim Berckhane S. 1558—73. Aus früherer
Zeit kommen dazu Nicol. Brun und Nicol. v. Klemptzen.
Davon werden in den Matrikeln erwähnt: B. v. Wolde, Greifs-
wald 1524, Kantzow (und Gottschalck) Wittenberg 1538, [Rust in
Greifswald 1545J, Berckhane in Frankfurt 1553, Husen in Greifswald
1539, cbendort 1539 Labbun, 1541 Eickstedt (auch in Frankfurt 1548),
Oldenkercke 1545. Bei Schenkungen werden erwähnt Schwerin 1547,
Citzewitz 1547, vom Wolde 1547 — alle in Greifswald; Dionysii ausserdem
1545 als Baccalaureus artium.
Nicol. V. Klemptzen*) und Kantzow*^) haben wir auch schon früher
kennen gelernt. Beide sind ja, ebenso wie der nachmalig berühmte
Valentin von Eickstedt®) Vertreter der pommcrischen Geschichts-
schreibung gewesen; alle drei waren also durchaus gebildete Leute;
dass trotzdem freilich in der ersten Zeit ihrer Wirksamkeit in der
Kanzlei ndd. Sprache herrschte, zeigt ausser den Urkunden die Chronik
Kantzows, die ja bekanntlich erst später, man weiss nicht, ob infolge
oder vor dem Wittenbergischen Aufenthalte ins hd. umgeschrieben
worden ist.
In den vierziger Jahren wurde es immer mehr Mode, die jungen
Kanzleibeamten einige Zeit lang vom Dienst zu dispensieren und auf
die Universität zu schicken. Der spätere Stralsunder Bürgermeister
') Vgl. S. 67. ») Kantzow lisg. v. Böhmer S. 200. 'j Vgl, auch Kantzow hsg.
V. Böhmer S. 183. *) Allg. Dtsche Biogr. 16, 155; Kantzow hsg. v. Böhmer S. 74 ff.
») Allg. Dtsche Biogr. ; vgl. Kantzow hsg. v. Böhmer S. 34 ff. ") Balt Stud. 3.
u
Nicol. SastroW bat uns In seiner Lebensgeschichte ^) eine hübsche
Schilderung gegeben, wie es zur damaligen Zeit in der Wolgaster
Kanzlei zuging, der er selbst eine Zeit lang angehört hat. Er nennt
die Herren, die zar Zeit seines Eintrittes im Amte waren (154(t):
Citzewitz, Husen, Rust, Gottschalck, Dionysii, Labbun, Altenkircfa
(Oldenkercke), Eickstedt und er selbst. Er erwähnt ausdrücklich, dass
Eickstedt nach Greifswald und Wittenberg geschickt wird, um dort
noch ein weniges zu studieren.
Dass in dieser Zeit der Dialekt nicht mehr blühen konnte, sondern
in der Kanzlei dem gemeinen Deutsch weichen musste, liegt auf der Hand.
Die jungen Herzöge endlich, die selbst erst in Greifswald, dann
in Wittenberg *) studiert haben, ändern daran nichts mehr').
Sie übernehmen zum grossen Teil noch die Kanzleibeamten
Barnims und auch Philipps : Eickstedt, Oldenkercke, Husen, Berckhane.
Schacht, Ramell und Sastrow.
Neu kommen hinzu: Lorentz Sommitz S. 1560, Andreas Borck
K. 1563, Henning vom Wolde S. 1503, Christian Küssow S. 1564.
Otto von Rammin S. 1563, Joachim Hagemeister S. 1558 — 69, Michael
Woitke S. 1573, Melchior Normann S. 1573, P. Klemptze S. und
Protonotarius 1573 — 75, Jacob Kleist K. 1575, Job. Hechler S.
1573—75, C. Funk S. 1575, Simon Vischer S. 1575.
Auch von diesen lassen sich eine ganze Reihe Studierter nach-
weisen: so Hagemeister, Greifswald 1561 — 63, Henning v. Wolde.
Greifswald 1541, Johannes (!) Hagemeister, Greifswald 1556 — .'j^,
Jacob Kleyst, Frankfurt 1560, ebendort Küssow 1548, Normann 15<i0.
Wir sehen also aus diesen Aufstellungen, dass in der Pomraerschon
Kanzlei keineswegs Leute sitzen, die niemals aus den Mauern Stettins
oder Wolgasts herausgekommen sind, es sind vielmehr zum grossen
Teil akademisch gebildete Leute, bei denen schon der häufig vor-
kommenden Rechtsfragen wegen z. B. juristische Vorkenntnisse er-
wünscht, ja oft durchaus nötig waren*).
Ueberlegen wir uns nun, wieviel tausend Fäden sich so durch
das Studieren der Einzelnen in Wittenberg, Frankfurt a. 0., ja selbst
Rostock und Greifswald hinausspinnen aus dem engeren Pommcrlando,
vergessen wir ferner nicht die Teilnahme der Fürsten an den grosson
Reichstagen jener Zeit, allgemein gesagt, also die politische Stellung
Pommerns und seiner Herzöge, so müssen wir zugestehen: Pommern
lag eigentlich gar nicht so abgelegen von aller Welt, wie man immer
anzunehmen geneigt ist; es hatte nicht allein durch den Hände K
sondern auch politisch und kulturell einen ziemlich innigen Verkehr
mit Mitteldeutschland und dem Reiche überhaupt.
') Barth. Sastrowen Herkommen, Geburt vnd Lauff seines gäntzen Lebens . . .
hsg. v. Mohnike 2, S. 4—6. Vgl. Kantzow hsg. v. Kosegarten 1, S. IV. •) Vgl.
Medem a. a. 0. S. 8. 11. ') Vgl. unten S. 70. *) L, Lewinski a. a. 0. S. 57,
65
Die Korrespondenz der herzogliehen Kanzlei
von aussen.
Greifbare Beweise für lebhaften brieflichen Verkehr von aussen
liegen nun in den im St.-A.-St. aufbewahrten Korrespondenzen vor,
sowohl in den Briefschaften aus dem engeren Pommerlande, wie in
denen aus dem ganzen Reiche. Besonders in letzteren sehen wir mit
jedem einzelnen Briefe obd., resp. md. Einfluss nach Norden kommen
und die Herrschaft des Dialektes erschüttern. Es wird daher am
übersichtlichsten sein, wenn wir die ganze im St.-A.-St. ruhende Korre-
spondenz in einer Tabelle vorfuhren. Adressat ist immer der betr.
Herzog, wenn nichts anderes angegeben ist. ^)
1. Eingänge aus dem Reiche.
1508 Kaiser
„ ü. Rat V. Nürnberg
„ Herzöge v. Mecklenburg
1510 Rat V. Lübeck . . .
„ Herzöge v. Mecklenburg
1516 Christ, v. Dänemark .
1521 Stadt Kiel
„ „ Lübeck . . .
1522 Rat V. Nürnberg . .
n rt n n
1523 ö. „ „ „
1524 Friedrieb v. Sachsen
1525 Rat V. Nürnberg .
1526 1) n n
152G Rat V. Magdeburg .
1531 Joachim von Brandenburg
1535 Rat V. Lübeck . . .
„ Ernst V. Braunschweig
1536 Johann Friedrich v. Sachsen hd.
„ u. Joachim v. Brandenburg . hd.
1537 „ „
1538 „ „
1541 ö. Kaiser
1541 Joachim v. Brandenburg
1543 Christian v. Dänemark
hd.
hd.
hd.
ndd.
hd.
ndd.
ndd.
ndd.
hd.
hd.
hd.
hd.
hd.
hd.
ndd.
hd.
ndd.
hd.
hd.
hd.
hd.
hd.
ndd.
hd.
1544 Kaiser hd.
1545 Joachim v. Brandenburg. . hd.
1545 Ernst, Graf zu Schaumburg,
(köln. Kanzlei) .... hd.
1545 Adolf, Koadjutor v. Köln,
(köln. Kanzlei) .... hd.
1546 Joachim v. Brandenburg . . hd.
1546 Johann Friedrich v. Sachsen
(kais. Kanzlei) . . . . hd.
1547 ö. Joachim v. Brandenburg . hd.
„ Ernst, Herzog v.Braunschweig hd.
1548 Joachim v. Brandenburg. . hd.
1549 Braunschweiger Herzöge. . hd.
„ Kaiser hd.
1550 } »^^^^^i*^^ ^' Brandenburg . hd.
IS } Kaiser hd.
1555 YolradtundCarlzuMansfeldt hd.
1556 ö. Kaiser hd.
1558 „ hd.
1559 ö. „ hd.
1560 Vertrag zu Odense. . . . hd.
(Lübeck und Fricdr. v. Dänemark)
1571 Lübeck (Rat) hd.
1544 Joachim v. Brandenburg
Was wir aus dieser Tabelle lernen, ist ein Doppeltes: erstlich
ist es natürlich klar, dass die erdrückende Mehrheit der von Süden
her einlaufenden Urkunden, Quittancen, Schreiben hd. abgefasst ist.
Nicht der Kaiser allein schreibt, wie ja natürlich, in seinen offiziellen
Urkunden an die Stettiner Herzöge jenes Hd., das wir eben als Deutsch
der kaiserlichen Kanzlei zu bezeichnen pflegen, auch Nürnberg hat in
seinen zierlichen Quittungsbriefchen (vgl. 1508. 22. 23. 25. 26.) eine
der kaiserlichen recht ähnliche Kanzleisprache angenommen. Selbst
aus mitteldeutschem und sogar ndd. Gebiet, aus den Kanzleien von
Sachsen, Brandenburg und selbst Mecklenburg (1508!), sowie Braun-
schweig kommen nur in dem sogen, 'gemeinen Deutsch' ausgefertigte
^) ü. bedeutet mehrere Urkunden desselben Jahres.
Kiederdeutsches Jahrbuch. XX. 5
Briefschaften, das natürlich bei den einzelnen nun wieder hinsichtlich
des Einflusses der kaiserlichen Kanzlei und der Sprache der umgebenden
Kanzleien von Höfen oder Städten differenziert ist. So sehen wir
charakteristisch die kölnische Kanzlei hervortreten (1545).
Direkt ndd. Briefschaften kommen von Süden her nur aus Magde-
burg; der Norden hatte ja selbst eine Art ndd. Schriftsprache ent-
wickelt: so schreiben Kiel und Lübeck lange Zeit ndd., bis der Einflusj>
des Südens sich auch bis hierher erstreckt: eine 1571 aus Lübeck
datierte vollständig hd. Urkunde besiegelt die Verdrängung jener ndd.
Schriftsprache. ,
2. Eingänge aas Pommern selbst (Aaswahl).
1501 Jurge Berndt Moltzan . . ndd 1536 Henning Nairmann, ? . . . ndd.
1510 Diderick Lanckow .... ndd. 1543 Alex, und Dinniges v. d. Osten hd.
1511 Degener Buggenhagen . . ndd. an Eberstein (ndd. Datum)
1524 Gerth Nijgenkerken, Wolgast ndd. 1543 Michel Pipke schwört ür-
1532 Erasmus Manteufel, Bischof fehde, Stralsund .... ndd.
z. Cammin ndd. 1546 Ewald und Fentz Blücher
1533 HcrzoginMargarete antwortet hd. auf Daberkow .... ndd
1535 Hans Scharmer, Wolgast . ndd. „ Ulrich v. Schwerin, Wolgast hd.
1535 Klaus Dracke, Wolgast . . ndd. 1549 Hans Whogenn, Stettin . . ndd.
1535 Joachim v. Eickstede, Greifs- 1553 WoliF Borck, Stettin ... hd.
wald ndd. 1553 „ „ . . . hd.
1536 Jacob Krap, Wolgast . . . ndd. 1553 „ ? . . . hd.
Ueber diese Eingänge ans Pommern selbst können wir schneller
hinweggehn. Die Schriftsprache der Landschaft richtet sich natürlich
nach der des Hauptortes, resp. der seiner Kanzlei. So haben wir mit
Ausnahme eines Antwortschreibens der Herzogin Margarete (1533 lid.),
in der Korrespondenz pommerischer Edler mit der herzoglichen
Kanzlei nur ndd. bis 1543, was ja der unten zu schildernden Ent-
wicklung der herzoglichen Kanzleisprache durchaus entsprechen wird,
wenn wir beachten, dass sehr viele Briefe der 30 er und 40 er Jahre
aus Wolgast datiert sind. Vereinzelte ndd. Briefe bis 1549 sind sehr
wohl erklärlich, besonders wenn wir die Aussteller einmal auf ihre
Bildung hin ansehen. Merkwürdig bleibt der ndd. Brief der Blücher
von Daberkow 154G^). Auch die Folgezeit mag noch diesen odc*r
jenen ndd. Brief gebracht haben, die Herrschaft des Dialektes ist aber
in den 40er Jahren gebrochen.
Die Sprache der herzogliehen Kanzlei.
Die herzogliche Kanzleisprache im Anfange des Jahrhunderts
bietet keine grossen Schwierigkeiten dar; in der Folgezeit treten uns
schon deshalb recht verwickelte Verhältnisse entgegen, weil die Herr-
schaft 1532 durch Erbvertrag zwischen Barnim und Philipp geteilt
wird, und wir so zwei Kanzleien mit verschiedenem Ausstellungsort
und getrenntem Bcamtenpersonal zu behandeln haben.
Der Anfang des Jahrhunderts zeigt in Bogislavs Kanzlei voll-
ständig den Dialekt. Das singulare To wetenn sey aus dem Jahre 1503^)
ist zwar sehr merkwürdig, fiillt jedoch so vollständig aus dem Rahmen
») Vgl. S. 69. ») M.-A.-St. 201.
67
der Entwicklung heraus, dass wir es als zufallig bei Seite lassen
können. Rein ndd. Charakter zeigen abgesehen von einer gewissen
Vorliebe für -cÄ im Auslaut (hinderlich^ schedelich gegenüber sonstigem
h in orkontlick)^) die Urkunden bis 1523^).
Hd. abgefasste Urkunden haben ihre Sprache immer nur einer
bestimmten Veranlassung zu verdanken; so ist die hd. Urkunde 1508')
an den Braunschweiger Hof gerichtet, also schon des Empfängers
wegen hd. 1521 ist der Herzog ins Reich gereist und hat teilgenommen
an den bewegten Tagen jener Zeit; aus Worms ist eine Urkunde*)
an Herrmann v. d. Malspurg datiert, und es ist gewiss natürlich, dass
in dieser ganz fremden hd. Umgebung, auch wenn sich vielleicht ndd.
Schreiber im Gefolge des Herzogs befunden haben, besonders da der
Brief an einen Nichtndd. gerichtet ist, hd. Sprache zur Anwendung
kommt. Wie jedoch eine vollständig hd. abgefasste Bestallung^) des
Lutke Han zum Vogt von Uckermünde zu erklären ist, bleibt unklar.
Auf den Kanzleigebrauch hat dies keinerlei Einwirkung gehabt.
Der Regierungsantritt Georgs und Barnims (1523) ändert nichts
an ihrer Kanzleisprache. Die ganze Reihe der von ihnen ausgestellten
Urkunden ist ndd.®) Charakteristisch sind auch jetzt schon die h
nach Konsonanten, also gleichsam eine erste Schicht, die sich später
mit der aus Süden kommenden vereinigt, ebenso die Konsonanten-
dopplung und die Vorliebe für -ch statt rein ndd. -Ä im Auslaut. Eine
Ausnahme macht nur eine einzige Urkunde'): Georg und Barnim
senden Jost von Dewitz an Philipp v. Braunschweig und Albrecht zu
Mansfeldt nach Halberstadt. Sie ist hd. dem alten Grundsatze der
Kanzlei zufolge, dem auswärtigen Empfänger das Lesen möglichst zu
erleichtern.
Im Jahre 1531 stirbt Herzog Georg und die Herrschaft geht
auf Barnim und Philipp über, die jedoch nicht zusammen regieren,
sondern das Land durch Erbvertrag teilen und zwar so, dass Barnim
Stettin, Philipp Wolgast erhält.
Mit der neuen Regieining scheint eine neue Zeit heraufzuziehen.
Gleich die erste Urkunde, die uns begegnet, ist vollständig hd. und
leitet die selten unterbrochene Reihe der hd. Urkunden ein. Und das
wichtige an diesem Wechsel ist, dass nun nicht mehr bloss Urkunden
an Auswärtige, wie wir dies früher sporadisch sahen, in hd. Sprache
abgefasst werden; man beginnt jetzt vielmehr auch das, was Pommern
selbst angeht, nicht mehr in der Landessprache zu Urkunden. Damit
ist der grosse Schritt vorw^ärts gethftn, und der grosse Riss mit der
Vergangenheit geschehen ; der Dialektvokalismus nicht nur, nein auch
die alten unverschobenen Konsonanten sind verschwunden, wir finden
») M.-A.-St. 202. *) M.-A.-St. 204 (1509); St.-A.-St. Duc. 426. 428. 429. 433a
430(1511); M.-A.-St. 205(1511); St.-A.-St. Duc. 480 (1521); 485(1522), 486 (1522)
»> St.-A.-St. Duc. 418. *) St.-A.-St. Duc. 474. *) St.-A.-St. Duc. 487 (1522)
•) St.-A.-St. Duc. 495. 496. 498. 501—503 (1524); 504. 505 (1525); 508. 513 (1526)
512. 515—16 (1527); M.-A.-St. 209. 210 (1529); St.-A.-St. Duc. 544. 547. 549 (1531);
553 (1532). 'j St.-A.-St. Duc. 511 (1526).
5*
68
in den Urkunden vollständig die Sprache der 'sächsisch-branden-
burgischen Kanzlei ohne eine Spur Andenken an ndd. Erbe.
Interessant ist es nun zu beobachten, ob Barnim oder Philipp
mehr für die neue Sprache inkliniert, oder ob sie sie beide gleichmässig
angenommen haben. Die Urkunden lassen uns dies deutlich erkennen
und zwar lehren sie uns, dass Barnim der fuhrende ist, Philipp
dagegen weit mehr an der Mundart hängt, trotzdem er ja bekanntlich
in Heidelberg am Hofe seines Oheims ausgebildet worden ist: ein
Zeichen also, dass der Erziehungsort des betr. Fürsten keineswegs
immer eine tiefere Wirkung hinterlassen hat; war ja doch auch Geor?
in Sachsen erzogen und in den Regierungskünsten unterwiesen woixien.
ohne dass dies auf die Sprache seiner Kanzlei und seines Hofes irgend
einen Einfluss gehabt hätte. Ja auch der Umstand, dass seine Braut
und nachmalige Frau, ebenso wie die seines Neffen Philipp eine
sächsische Prinzessin war, ist von keinerlei Bedeutung gewesen. Auch
die Reformation an sich hat in sprachlicher Hinsicht keinen direkten
Einfluss auf Pommern ausgeübt. Schon 1523 kam Paulus a Rhoda
nach Stettin, dort Luthers Lehre und damit seine Schriften zu ver-
breiten. Der Anstoss zur Sprachänderung ist also anderswo zu suchen:
einesteils hat die massenhafte Korrespondenz mit dem Reiche auch
Stettin in den allgemeinen Zug der Zeit hineingerissen, andersteils
haben die Kanzleibeamten infolge ihrer höheren Bildung die Umwand-
lung begünstigt und beschleunigt. Gehen wir nun zur Betrachtunir
des Einzelnen. Wir haben die Urkunden aus der Zeit 1532 — 60 (dem
Todesjahre Philipps) in drei Rubriken zu teilen. Erstlich stellen
Barnim und Philipp jeder für sich Urkunden aus (a, b), zweitens
Urkunden beide zusammen (c), drittens urkundet einer für alle beide (d ).
a. Urkunden Barnims.
Von zwanzig Urkunden Barnims sind nur drei ndd. ; der Ueber-
gang ist also recht schnell vollzogen. Die hd. Sprache der erston
Urkunde ^) kann uns nicht w^undern. Sie betrifft das Leibgedinge der
Braunschweigischen Prinzessin Anna, der Gemahlin Barnims zu Loitz
(1532), und da der verschwägerte Hof von Braunschweig sicher eben-
falls davon Kenntnis zu nehmen hatte, wandte man die dort übliche
Verkehrssprache an. Daneben geht dann freilich aus demselben Jahre
eine ndd. Urkunde an Lorentz Kleist^), die allerdings in Wolgast aus-
gestellt ist, wo man ja zu dieser Zeit noch mehr lokalen Traditionen
folgte. 1534 bringt uns wieder eine hd. Urkunde^) an Georg v. Eber-
stein, jenen Gelehrten, der sich freilich seines nicht ganz lauteren
('harakters wegen gerade keinen guten Namen in der Geschichte seines
Landes hinterlassen hat. Auch die nächste Urkunde*), ein Schein fiir
Moritz Damitz, das Heiratsgeld für Frau Anna zu empfangen, rührt
wieder an auswärtige Verhältnisse, ist also schon deswegen hd. ab-
gefasst. Ob der Lehnsbrief an Pribislaflf Kleist^) (1541) wirklich ndd.
») St.-A.-St. Duc. 554. ») St.-A.-St. Duc. 552. ») St.-A.-St. Duc. 557.
*) St.-A.-St. Duc. 5G2 (1535). •*) St.-A.-St. Duc. 593.
69
im Original war, lässt sich nicht sehen. Wir haben nur eine Kopie
davon, in der das einmalige scynen stutzig machen kann.
Wenn aber 1541 in der Ernennungsurkunde^) des Wolf Borck
zu Labes zum Hofmarschall Barnims Kanzlei ganz hd. schreibt, dann
können wir annehmen, dass mit diesem Zeitpunkte die Herrschaft des
Dialektes abgeschlossen ist; nun wird auch in der nicht über die
Grenzen Pommerns hinausgehenden Korrespondenz hd. geschrieben.
Bis 1563 haben wir davon nur eine einzige Ausnahme. 1548 ist der
Lehnbrief an die Herren von Zarten^) ndd. ausgefertigt, eine Urkunde,
die ihrem ganzen Aeussern nach darauf hindeutet, dass sie vielleicht
schon bis auf die Unterschrift fertig mitgebracht worden und nur in
der Kanzlei unterfertigt worden ist. Sämtliche übrigen Urkunden,
die sogar ganz interne Angelegenheiten wie Reservierung eines Raumes
am Mühlenthor zu einem Lusthaus, Bestrafung des Ritters Matzke
Borck u. a. behandeln, sind hd. abgefasst*).
b. Philipps Urkunden.
Betrachten wir dagegen die Reihe der Urkunden, die Philipp
allein ausgestellt hat, so finden wir merkwürdig viel ndd.
1533 ist der Entwurf zur Urkunde über das Leibgedinge der
Frau Margarete, Herzog Jürgens Wlttwe*), ndd., während allerdings
die offiziell ausgefertigte Urkunde^) hd. Sprache zeigt. Urkunden der
folgenden Jahre, die an pommerische Adressaten gerichtet sind, sind
durchgängig ndd.®).
In sehr charakteristischer Weise sehen wir nun ganz klar den
Einfluss, den die Kanzlei Barnims ausübt. 1541 fand der endgültige
Teilungsvertrag statt'). Er ist von Philipp ausgestellt, die Urkunde
jedoch in Stettin geschrieben und ausgefertigt, die Sprache ist also
nicht ndd., sondern hd.
Vorerst ist dieser Einfluss jedoch noch nicht durchgehend. Eine
in Wolgast ausgestellte Urkunde®) Philipps an Jost von Dewitz (1541)
ist ndd., zeigt freilich Formen wie wetentlich. Auch das folgende
Jahr^) hat Formen wie tho gebenn, 1543 beginnt die Reihe der hd.
Urkunden^®).
Wir sind nun in die oben geschilderte Zeit gekommen, wo Leute
wie Rust und Genossen in der Wolgastischen Kanzlei sassen, die alle
auf den Universitäten gebildet dort schon auf den Gebrauch einer
gemeinen Sprache hingewiesen waren und dies auch dann in die Kanzlei
ihrer Heimat mitgebracht haben.
») 5t.-A.-St. Duc. 592. ») St.-A,-St. Duc. 619. ») St.-A.-St. Duc. 596 (1542);
604a. 605a (1544); 613 (1547); 625. 626 (1551); M.-A.-St. 227. 228 (1552); St.-A.-St.
Duc. 630 (1553); 633. 634 (1558); 638 (1560); 640 (1563). *) St.-A.-St. Duc. 555
(Konzept). *) St.-A.-St. Duc. 555a. «) St.-A.-St. Duc. 560. 563. 564 (1535) ; 575
(1537); 588 (1540). ') St.-A.-St. Duc. 594a. ») St.-A.St. Duc. 594. ») St.-A.-St.
Duc 598. »<>) St.-A.-St. Duc. 602 (1543); 606 (1545); 609 (1546); 620 (1549);
625a (1551); 631 (1555); 635 (1559).
70
c. Barnim and Philipp Urkunden zusammen.
Ebenso wie bei den von jedem einzeln ausgefertigten Urkunden
geben auch bei denen, die beide zusammen ausstellen, die in Stettin
geschriebenen — nur zwei datieren aus Wolgast und Wollin — in
der Entwicklung den Ton an: Von dreizehn Urkunden sind drei ndd.,
die anderen zehn alle hd. und zwar verteilen sich die ndd. folgender-
massen: 1536 beurkunden Barnim und Philipp*) das Leibgedinge der
Margarete v. d. Schulenburch, Hans Voss' thom Lindenberg Wittwe
ndd. Die beiden anderen Urkunden sind merkwürdigerweise an die
Stadt Stettin gerichtet«) (1540).
Die übrigen hd. Urkunden zeigen den gewöhnlichen Typus'):
davon behandeln nur zwei nicht -pommerische Verhältnisse. Die
Urkunden, die noch zu erwähnen sind (d), lassen ihrer geringen Anzahl
wegen kein sicheres Urteil zu. Urkunden, die Barnim ausstellt, in
denen er aber Philipp auch nennt, haben uns zwei vorgelegen*); davon
ist eine hd., die andere ndd. Umgekehrt : Urkunden Philipps zugleich
für Barnim sind vier ndd.^), von denen zwei aus Wolgast, die dritte
unsicher datiert ist, eine hd.®), ein Rezess zwischen den Herzögen
und der Stadt Stettin ist in Stettin ausgestellt, also hd.! (1535). Wir
sehen also jedenfalls auch hier Barnims Kanzlei und ihren Eintius>
durchschimmern; die Adressaten sind sämtlich Pommern.
Im Jahre 15G0 stirbt Philipp; Barnim übernimmt für dessen
fünf Söhne unter Beibehaltung eines Kollegiums die Regierung. Diese
jungen Herzöge, die sehr gebildet waren und noch nach 1560 weite
Reisen durch ganz Deutschland gemacht haben''), sind natürlich draussen
im Reich so beeinflusst worden, dass sie gar nicht daran denken, etwa
pommerische Sprache in ihrer Kanzlei wieder zu Ehren zu bringen.
Auch in den Urkunden, die sie bis zur Abdankung des alten Barnim
für Wolgast allein ausstellen (1569), bedienen sie sich durchaus
hd. Sprache®). In diesem ganzen Zeitraum begegnet nur eine ganz
geringe Zahl ndd. Urkunden. Bedeutsam ist die vereinzelte Urkunde
Kasimirs^) von 1575 vielleicht alten Traditionen der bischöflichen
Kanzlei Erasmus Manteuffels folgend.
In den Kopiaren und Brief büchern der herzoglichen Kanzlei, in die
sowohl ausgehende, wie einlaufende Briefschaften, Urkunden, Willebriefe
etc. notiert wurden, die also die Akten der inneren Verwaltung
für die herzogliche Kanzlei repräsentieren, lässt sich die fortschreitende
Entwicklung in der gleichen Weise verfolgen, wie an den Urkunden,
die dazu bestimmt waren, an die Oeffentlichkeit zu treten. Freilich
müssen wir hier noch mehr als bei jenen mit dem Abschreiber rechnen.
») St.-A.-St. Duc. 570. ») M.-A.-St. 216. 217. ^) St.-A.-St. Duc. 552a (1532);
571 (1536); 572 (1537); 677 (1538); 583 (1540); 594 d. e (1541); 622 f. (1549);
M.-A.-St. 232 (1557); St.-A.-St. 638 f. (15601 *) St.-A.-St. Duc. 579 (1538); 590
(1541). ») St.-A.-St. Duc. 5.58 (1534); 584. 587. 589 (1540). •) M.-A.-St 213 (1535).
') Vgl. S. 64. «) St.-A.-St. Duc. 638 d, e. (1560); 638 g. 640 c. 641 (1563):
M-A.-St. 241 (1566); 245 [246. 247] (1569). •) St.-A.-St. Duc. 679.
71
und wenn schon die Kopie an sich kein ganz ähnliches Bild des
abgeschriebenen Schriftstückes in jener Zeit darbietet, wird dies um
so weniger bei den Abschriften, die nur für Kopienbücher bestimmt
waren, der Fall gewesen sein.
So haben wir in der That Abschriften, bei denen der Kopist
sicherlich Orthographie und Lautgebung auf eigene Faust eingeführt
hat; leider lässt es sich in dem einzelnen Falle nicht nachweisen, da
die Originale nicht dazu vorhanden sind. In dem Kopiar von Adels-
sachen (St.-A.-St. Mss. II 9a) S. 51 ist ein Gnadenlehen für Lutke
Han 1531 (Stettin) abkopiert, in dem sich neben ndd. Formen wie
tho, furstlike, hußstede sogar überwiegend hd. Lautgebung findet. Wir
dürfen zweifeln, ob das Original hd. oder ndd. war. War es in der
That hd., so wäre es die erste hd. Urkunde, die pommerische Ver-
hältnisse berührt, fiele also noch weit vor die erste derartige Original-
urkunde; war es ndd., so schmiegt es sich genau den Resultaten an,
die wir von anderer Seite her gewonnen, wie überhaupt die aus diesen
Kopiarien sich ergebenden Resultate durchaus zu der aus den Original-
urkunden gewonnenen Entwicklung stimmen; es wird nicht auffällig
erscheinen, dass sich der Dialekt allerdings hier etwas länger hält.
Als Beispiele mögen folgende Stichproben dienen:
Kopiar Mss. II 9a.
S. 114. Leibgedinge f. Hinrik Rusches Wwe. Georg Barnim 1524 ndd.
„ 58. Gnadenbrief für Lutke Han „ „ 1525 ndd.
„ 116. Leibged. f. Frau Kurt Fleming zu
Trebenow „ „ 1526 ndd.
„ 17b. Gnadenbrief für Herrn v. Eickstede „ „ 1527 ndd.
„ 109. Leibged. f. Frau Magdal. Lortzen Philipp 1533 ndd.
„ 54b. Gnadenlehen f. Klaus und Moritz
Damitz Barnim u. Philipp 1535 hd. (Stettin.)
„ 113. Leibged. f. Katherine V. Günthersberg Philipp 1542 ndd.
„ 117. Leibged. f. Frau Reimer Voss Wwe. „ 1543 ndd.
„ 60. Gnadenbrief für Herrn Nikol. v.
Klemptzen „ 1543 hd. (Wolgast.)
„ 62. Gnadenbrief für denselben „ 1543 hd. „
„ 120. Begnadung Hans Bantzows „ 1544 hd.
„ 121. Erbgedingesbrief für Frau Marg.
Eisholz „ 1544 hd.
Kopiar Mss. II 9b.
S. 123. Urk. für Ewald, Fentz und Tönniges
V. Blücher „ 1546 hd.
„ 131. ürk. für Ewald v. Blücher „ 1547 hd.
Die Sprache der Ratskanzlei.
Die Korrespondenz der Stadt Stettin, zu der wir uns nun wenden
wollen, ist natürlich weit mehr auf die Stadt und Landschaft selbst
beschränkt, als die der Herzöge. Der Verkehr der Stadt mit ihren
Bürgern und den angrenzenden kleinen Städtchen und Dörfern, die
z. T. unter direkter Oberhoheit und Gerichtsbarkeit der Stadt Stettin
stehen, ist trotz der für die Geschichte der Stadtkanzlei sonst un-
72
günstigen Ueberlieferung ^) noch recht klar zu übersehen und zu ver-
folgen. Die an die Stadt gerichteten Urkunden, Briefe u. ä. sind
jedoch leider nicht sehr zahlreich, so dass wir sie mit den von der
Stadt selbst ausgestellten zusammen behandeln wollen.
Gleich die erste Urkunde, auf die w^ir stossen, giebt uns zu
denken auf. ^ Es ist der Vertrag des Bürgermeisters Jacob BLogen-
holtz mit Bogislav X. um Schossfreiheit vom Jahre 1516. Die Sprache
ist ndd; doch hat sich ein £fu eingeschlichen, das nicht leicht zu er-
klären ist; auch Formen wie nemlich zeigen wohl nicht mehr rein
ndd. Gewand. Im Gegensatze dazu beurkundet 1528 Stephanus, der
Prior von St. Jacobi zu Stettin verkaufte Renten*) in reinem Ndd.,
das weder in Lautgebung noch Wortwahl hd. Einfluss verrät.
Bis 1534 schweigt die Ueberlieferung. 1534 bringt uns jedocli
zwei Urkunden Stettiner Bürger für den Rat, die aber in der Rats-
kanzlei selbst ausgestellt sind und deshalb ebenfalls für ihre Sprache
in Betracht kommen. Die Wittwe Glinden und Genossen*) schreiben
ndd., jedoch mit eingestreuten Formen, wie haben und tag. Anderer-
seits schreibt in demselben Jahre Joh. Buchower, Prior an St. Jacobi;
nicht nur vollständig hd., sondern kleidet auch ndd. Ausdrücke wiu
hovestol in ein lautlich entsprechendes Gewand : haubstull ^).
Das ist aber in dieser Zeit noch eine Ausnahme; denn zwei
Jahre später (1536) lesen wir eine offizielle Urkunde®) in vollständig
ndd. Sprache: die Abgeordneten der pommerschen Städte erteilen
Bürgermeister und Rat von Stralsund, Stettin, Greifswald, Stargardt
Vollmacht wegen Erneuerung der Erbverträge mit Brandenburg. Im
ganzen Bereich der Städte von Pommern schreibt man also ndd. und
zwar ganz reines ndd., trotzdem die Urkunde an den Brandenburger
gerichtet ist, dessen Kanzlei zu dieser Zeit schon hd. schrieb, be-
einflusst durch die Nähe und den Verkehr mit den sächsischen Herzögen.
Es ist dies ein Zeichen, dass hier in Pommern nicht eigentlich der
Stadtdialekt, freilich nur in den offiziellen Urkunden, durch die hd.
Kanzleisprache verdrängt wird, sondern eine ndd. Schriftsprache durch
eine hd. bekämpft wird. — Für Stettin kommt diese Urkunde deshalb
in Betracht, weil sie dort ausgestellt ist.
Die folgenden Jahre bringen uns wechselnd hd. und ndd. Sprache.
An die Herzöge, deren Kanzlei ja schon weiter vorgeschritten war,
schreibt der Rat von Stettin') in sehr leidlichem hd., sogar mit der
Tendenz, die Konsonanten zu häufen: mitteU, apgethann, sowie ein A
wie auch früher im Dialekt ®), Konsonanten hinzuzufügen : müh^ ap-
gethann. Doch fällt diese Nötigung, sich die Sprache der vorgesetzten
Kanzlei zum Muster zu nehmen, fort, wenn der Rat dem Bürgermeister
Braun und dem Bürger Henning v. Usedom verkaufte Renten be-
urkundet®) (1541), freilich auch schon mit Formen wie tag^ nicht
») S. S. 59. 2) M.-A.-St. 20G. ^) M.-A.-St. 208. *) M.-A.-St. 212. *) M.-A.-St.
211. «) M.-A.-St. 214. ') M.-A.-St. 218 (1540). «) Vgl. S. 67. ») M.-A.-St. 219.
73
dagh oder dergl. Auch sehen wir zuerst den Einfluss auf die Kon-
sonanten, nicht die Vokale ^).
Dies Nebeneinander von hd. und ndd. Urkunden finden wir die
vierziger und fünfziger Jahre hindurch.
Gleich das nächste Jahr (1542) bringt uns einen hd. Kaufbrief
Lorentz Borcharts über die Bergmühle ^) und eine ndd. Kaufverschrei-
bung des Eggert Wüstneyen an Diederich Hademer').
Jene ndd. Schriftsprache, die ganz Ndd. zu umspannen scheint,
zeigt sich auch 1543 in einem Brief der Richter und Schoppen von
Stettin an die Stadt Lübeck*).
Die herzogliche Kanzlei hatte schon Anfangs der dreissiger Jahre
aus mannigfachen Gründen schnellere Fortschritte gemacht; Ende der
vierziger Jahre scheint dies auch auf die Kanzleien der benachbarten
kleinen Städte übertragen worden zu sein. Im Jahre 1548*) ver-
gleicht sich der Rat von Alt-Damm mit Stettin über Grenzen in der
Kiefheide in vollständig hd. Sprache. Dabei ist nun freilich nicht zu
vergessen, dass der Aussteller Petrus Hundertmark von Behstlicher
gewaldt offenbar notarius ist, also ein gebildeter Mann, der sicher schon
über die Mauern des kleinen Pommernstädtchens hinausgekommen war;
als Zeuge fungiert Dr. Melchior Wins, Syndikus von Alten-Stettin,
dessen Rolle in der Geschichte der Stettiner Ratssprache uns noch
beschäftigen soll.
Hd. ist auch femer ein Vertrag des Rates (1549) mit dem Mark-
grafen Johann v. Brandenburg wegen der Cüstriner Brücke ®) ; was ja
indessen nicht wunderbar ist, da die fürstliche Kanzlei in Branden-
burg längst hd. schrieb.
Eine interessante Urkunde des Kampfes zwischen neuer und alter
Sprache ist der Kaufbrief über die Popplion-Mühle ') (1550), den der
schon genannte Lorentz Borchartt (!) vor den Schöffen des Dörfchens
Wussow ausstellt. Die gut geschriebene, vollständig Kanzleiursprung
verratende Urkunde — die Stettiner hatten sich wohl einen Schreiber
mit herausgenommen — beginnt hd. mit der geläufigen Phrase: Vor
yedermenniglichen wes Stands geistlichs vnd tceltlichs dieselbigen sein
mugen . . .; dann folgt aber rein ndd. Text beginnend mit den Worten:
bekenne ick . . ., welcher zeigt, wie wir auch nachher noch in dem Notiz-
büchlein der Gerichtsherren®) sehen werden, dass derartige Unter-
suchungen damals noch durchaus ndd. geführt worden sind.
Für den Verkehr der Ratskanzlei innerhalb Stettins selbst be-
diente man sich auch noch in den folgenden Jahren des Dialektes.
So zeigt sowohl der Vertrag der Gewandschneider mit den
Schoppen^) (1552), wie der Kaufbrief des Rates über die Kuckucks-
') Vgl. Martin, Anz. f. Dtsch. Alt. 20 (4) S. 401. In Stettin allerdings besteht
ein derartiges Nebeneinander nur selten. ') M.-A.-St. 221. ') M.-A.-St. 220.
*) M.-A.-St. 222. ») M.-A.-St. 224. •) M.-A.-St. 225. ^ M.-A.-St. 226. »j S. S. 76.
») M.-A.-St. 229.
74
mühle^) (1552) ndd. Sprache: Formen wie rechtliche und vestiglichen
fallen allerdings aus diesem Rahmen heraus.
Nun schweigt die Ueberlieferung wieder einige Jahre, nämlich
bis 1558; da zeigt sich aber hd. Sprache.
Freilich lesen wir in dem Kaufbrief des Barth. Halle über einen
Anteil an dem Dorfe Messenthin ^) in sonst vollständig dialektfreier
Sprache die Formen gepluget V7md vngepluget, doch ist hier nicht
einmal der Schreiber der Urkunde verantwortlich zu machen, der etwa
vom Konzept aufsehend statt des vorgeschriebenen hd. einen ilim
natürlich viel geläufigeren ndd. Ausdruck gesetzt haben könnte');
hier haben wir es mit einem formelhaften juristischen Ausdrucke zu
thun, an dem man nicht zu rühren wagte. Solche technischen Aus-
drücke finden wir noch 1571*) gewahrt: vagedinge, hoppenstacken f
1560 haben wir eine sehr interessante Urkunde des Secretarius
Seb. Mum, der uns nachher noch weiter beschäftigen soll: es ist
eine Vormundschaftssacho der Frau Anna Sachse in vollständig lid.
Sprache; doch unterschreiben die Zeugen, alles Stettiner Ratmannen
und Bürger, teils hd., teils im heimatlichen Dialekte und zwar von
7 Zeugen 4 hd., 3 ndd.; selbst der gestrenge Herr Peter Kavemann
beginnt noch: Ick peter kauemann dat de vor geschreuinge testererinn
anna sasseenn peter hellenn toitwe jnn meiner (!) vnnd der himebenn
ge^ckreuenn tugenn gegennwerdicheit solche er vorgeschreuenn testamennth
mit gutter vor nofft hefft vth gesprackenn vnnd vor ordenth be-
kenne ick ^).
In den sechziger und siebziger Jahren fängt die Ueberlieferung
nun an, etwas reichlicher zu fliessen. Es ist eine ganze Reihe von
Kaufbriefen, Quittungen und Privatbriefen erhalten, von denen kein
einziger mehr ndd. Sprache zeigt. Sogar die Briefe an einzelne Bürger
über Korn, Schiffahrt u. ä. sind hd. abgefasst. Die Sprache, die die
Urkunden dieser Jahre zeigen, ist merkwürdiger Weise eine fast ängst-
lich zu nennende Nachahmung der kaiserlichen, also einer süddeutschen,
nicht der md, Kanzlei. Ndd. Spuren sind äusserst selten: sollten
schepffcl und schipffer noch Kompromisformen sein?
Aus dem Jahre 1560 ist der Kaufbrief Peter Wussows über
Kornpacht in Pommerensdorf hd. ®), ebenso 1564 der Vertrag deb
Rates mit Gregor Pruckmann wegen Kornscliiffens^). Sehr auffällig
ist die Häufung von Konsonanten: vnnhaü^ vonn, annderenn, baidenn,
thailenn^ ebenso das höchst merkwürdige Eindringen von ai (= mhd. et),
beides charakteristisch für die kaiserliche Kanzleisprache: vnnhail,
ein thail, baidenn, thailenn.
Dasselbe Aussehen zeigt noch fünf Jahre später (1569) eine Ur-
kunde von Bürgermeister und Rat, zu der das Konzept erhalten ist ®) :
darin stehen merkwürdiger Weise bei Weitem nicht soviel ai; der
») M.-A.-St. 230. ») M..A.-St. 233. ») Vgl. z, B. M.-A.-St. 248. *) M.-A.-St
254. ö) Ges. f. pomm. G. St. Ms. la 8 fol. Nr. 9. •) M.-A.-St. 235. ^ M.-A.-St,
238. 8) M.-A.-St. 248.
r
75
Schreiber ist also wohl angewiesen worden, in der öffentlichen Ur-
kunde selbst ai (für mhd. ei) zu setzen; dass er aber trotzdem in
den Dialekt zurückfällt, indem er statt des ihm vorgeschriebenen
verpflichten ein vorplichten einsetzt, giebt der ganzen Urkunde ein für
Stettin ungewohntes, buntscheckiges Aussehen.
Woher nun diese Neigung stammt, die obd. Diphthonge einzu-
führen, ist ganz und gar nicht zu erkennen. Es scheint diese Mode-
sache, wie man eine solche für ndd. Gebiet ja unerhörte Schreibung
wohl nennen könnte, sogar weitere Verbreitung gehabt zu haben. In
den Akten z. B., die den sog. Odenseischen Vertrag betreffen ^), finden
sich Briefe aus Lübeck, die dieselben ai zeigen.
Daneben gehen Urkunden^) in fast dialektlosem Hd., in denen
z. T. sogar innerstettinische Angelegenheiten behandelt werden, das
beste Zeichen, dass nun die Herrschaft des Dialektes vorbei ist.
Ungefähr um dieselbe Zeit hat Pommern im grossen und ganzen
das Hd. als Kanzleisprache adoptiert. Wir können dies aus zwei
Urkunden^) der Jahre 1569 und 1571 schliessen, wo Bürgermeister
und Rat der Städte Stralsund, Stettin, Greifswald, Stargard und
Anclam für die jungen Herzöge Johann Friedrich, Bogislav, Ernst
Ludwig, Barnim und Kasimir eine Bürgschaft über 31000 und 25000
Thaler übernehmen: beide sind hd.
Und so bleibt es nun auch in der Folgezeit *). Zwar finden sich
immer noch Unterschriften im Dialekt^), aber direkt ndd. Urkunden
kommen nicht mehr vor; die Sprache bleibt hd., zeigt freilich noch
eine Zeit lang die grösstmöglichste Regellosigkeit im Schreiben der
Doppelkonsonanz, auch das ai kommt periodisch noch vor. Als Bei-
spiel möge die Vollmacht der Alterleute®) von 1571 dienen: Wyr die
verordennten allterleutte des Jcauffmannes mind aller gewerken mitt-
sambtt der gannteenn gemeinhaitt dieser fürstligenn stadtt Alltenn
Stettinn beJcennenn ....
Das ausgehende Jahrhundert lässt jedoch auch diese vorüber-
gehenden Eigentümlichkeiten bald verschwinden.
Bei der Beschreibung der Sprache der inneren Kanzlei Verwal-
tung müssen wir trotz des auf den ersten Blick recht reichen Materiales
sehr vorsichtig in der Auswahl sein. Denn weder das sog. Stadt-
buch') mit Eintragungen seit 1243, noch das Matrikelbuch von Stettin®)
sind für unsere Zwecke zu gebrauchen, da beides erst spätere Ab-
schriften sind. Erst ein dritter dicker Band, der Stettiner Rats-
aufzeichnungen ^), Verlassungen, Erbschaftsverträge u. a. enthält, also
die Rolle der Schreinsbücher anderer Städte vertritt, kann uns ein
Bild der gleichzeitigen Sprachentwicklung geben. Die Aufzeichnungen
gehen von 1495 freilich nur bis 1523, lassen jedoch in dieser ganzen
») M.-A.-St. 234 (Jahr 15()0). ») M.-A.-St. 239 (1566), 231 (1566), 240 (1566).
») M.-A.-St. 244. 253. *) M.-A.-St. 254 (1571). »; M.-A.-St. 256 (1571 \ •) M.-A.-St.
255. '') St.-A.-St. : Repos. d. depon. Akten d. Stadt St. Tit. I, sect. 1, Nr. la.
®) M.-A.-St. 237; gleichzeitige und spätere Abschriften sind gesammelt in St.-A.-St.:
Repos. d. depon. Akten Tit. I, sect. 1, Nr. 1. •) St.-A.-St. a. a. 0. Tit. I, sect. 1, Nr. Ib.
76
Zeit, selbst am Ende kein Eindringen von Neuerungen irgendwie
spüren. Noch 1523 lesen wir folgende Eintragung: Iteni hans Bardeke
vorlet merten myddenwolt vnnd annen szyner hußfrowen eyn huß jn der
bredenstrate tusschen hans engelkens vnnd rochows hußern jnne belegen
mytt aller tobehoringe szo als he dat vorhenn beseten hefft . . .
Dieselbe Sprache finden wir in einem Band geistlicher Ver-
lassungen ^) gleichzeitiger Niederschrift.
Nun kommen wir zu einem Kopienbuch gleichzeitiger Abschrift,
dessen Schreiber wir kennen: es ist der schon mehrfach erwähnte
Sebastian Mum. Leider sind in diesem Kopial der Stettinischen
Privilegien^) nur wenig deutsche Stücke enthalten; uns interessiert
ein Kaufbrief Albrecht Glindes über Messenthin aus dem Jahre 1534,
wo wir in vollständig ndd. Text Formen wie haben lesen'); ein Kauf-
brief Barthelt Hallens von 1558 ist dagegen ganz hd.*)
Sebastian Mum treffen wir noch in zwei weiteren Bänden als
Schreiber. Erstens im Eigenthums Buch^), Voigding und BaurBuch . . .
verfertiget durch den Ober Secretarium Sebastian Mum in Ao, 1540.
Die Eintragungen beginnen 1540 teils von Mum, teils von andern
Stadtschreibern herrührend, alle schreiben jedoch wohl unter dem
Eindrucke von Mums Sprache ein sehr gutes Hd., was in einem der-
artigen Buch um so auffälliger ist, als ja doch die Verhandlungen
mit den Delinquenten sicher ndd. geführt worden sind. Dass aber ein
gewisser Kanzleibrauch ausgebildet war, bezeugt der Umstand, dass
sich die Sprache der übrigen Schreiber, z. B. eines Petrus Hundert-
mark in keiner Weise von der Mums unterscheidet. Als Probe diene
eine Eintragung auf S. 2 (Pölitz, 1547 am Tage Petri und Pauli i:
Hans Albreckt schrader vnd Merten hoppener hattenn sich jm stadt
heller mit einander geraufft; dafür soll jrer jeder 1 gülden straff geben ....
Ganz genau die verschiedenen Schreiberhände zu scheiden, ver-
mögen wir in einem kleinen, schmalen Büchlein Rcgistere der Vaigd-
dinge . . . ®) Auf der Innenseite stehen die drei Besitzer und Schreiber
verzeichnet: M. Winss D. 154G, Sebastian Mhum 1546, Helias
Schlecker 1564.
Das Buch beginnt mit Eintragungen, die nicht von Mums be-
kannter Hand, also wohl von seinem Vorgänger Wins herrühren; sie
sind ndd. Mit Mums Handschrift beginnt auch (mit einigen Aus-
nahmen allerdings auf S. 8 b) hd. Sprache vorzuherrschen. Was nach
1564 eingetragen ist, also wohl Schlecker zugehört, ist hd.
Sehluss.
Fassen wir zum Sehluss die Resultate noch einmal übersichtlich
zusammen: Das 15. Jahrhundert bewahrte auf allen Gebieten das Ndd.
Im Beginne des 16. Jahrhunderts zeigen sich zuerst in der Kanzlei
1) a. a. 0. Tit. II, sect. 1, Nr. 1, vol. 2, Bl. 159. *) a. a. 0. Tit. I, sect. 1.
Nr. 2. ») Bl. 175 f. *) Bl. 171. ») St.-A.-St. : Rep. d. dep. Akt. Tit. XIU, Gen^
Nr. 1. «) a. a. 0. Tit. XIII, Gen. Nr. 2.
77
der Herzöge erste Spuren eines Einflusses hd. Sprache und zwar in
den Urkunden an auswärtige hd. Adressaten. Ein Umschwung tritt
in der Kanzlei Barnims ein, als er nach Georgs Tode 1531 die Herr-
schaft mit seinem Neffen Philipp geteilt hatte. Philipps Kanzlei zu
Wolgast bleibt noch etwas zurück: hier beginnt man erst seit c. 1543,
dort schon seit 1534 auch Pommerische Verhältnisse in hd. Sprache
zu beurkunden; ndd. zeigt sich sporadisch noch bis in die 70er
Jahre hinein. Die Sprache in den inneren Verwaltungsakten hält
ungefähr mit dieser Entwicklung Schritt.
Die Stadtkanzlei in Stettin wird dadurch Anfang der 40er
Jahre beeinflusst, wo Leute wäe Sebastian Mum im Regiment und
der Kanzlei sassen. In der Mitte der 60er Jahre ist die Entwicklung
in allen Teilen der Stadtkanzlei als vollendet zu bezeichnen ; das Ndd.
hat dem Hd. weichen müssen.
BERLIN. Willy Scheel.
78
Die Bielefelder Urkundenspraehe
Vortrag,
gehalten zu Bielefeld am 5. Juni 1895 in der Sitzung des Vereins
für niederdeutsche Sprachforschung.
Neuerdings ist der Wert der Urkunden für sprachliche Zwcoko
mitunter bestritten oder herabgesetzt worden. Demgegenüber stelle
ich den Satz auf: Es bilden die Urkunden eine der wichtigsten Quellen
zur Aufhellung der Sprachgeschichte. Vor unserer sonstigen schrift-
lichen Ueberlieferung haben sie den Ungeheuern Vorzug, örtlich untl
zeitlicli genau bestimmt zu sein. Was das bedeutet, braucht gegen-
über der Mühe, die die Lokalisierung und Datierung sonst oft macht,
nur ausgesprochen zu werden. Freilich muss man die Urkunden zu
benutzen verstehen. Denn ohne weiteres muss zugegeben werden, dass
man nicht von ihnen unmittelbar auf die Volkssprache ihrer Heimat
und Zeit schliessen darf.
Bedeutung und Eigenart dieser Sprachdenkmäler möchte ich nun
an den deutschen Urkunden Bielefelds erläutern.
Die erste deutsche, leider nur in neuerer Abschrift erhaltene
Bielefelder Urkunde ist von 1302. Aus der ersten Hälfte des
14. Jahrhunderts standen mir dann nur noch vier, nämlich zwei von
1338, eine von 1348 und eine von 1350 zur Verfügung. Sie betreffen
sämtlich die Neustädter Kirche und sind mit den übrigen zahlreichen
Urkunden derselben dem Staatsarchiv zu Münster überwiesen worden.
Zum Teil sind sie im Urkundenbuch der Stadt Bielefeld^) abgedruckt,
das aber vorläufig leider nur bis 1346 reicht, zum Teil lagen sie mir
in Abschriften vor, die mir der Herausgeber des genannten Werke>
gütigst überlassen hatte. Alle späteren von mir benutzten Urkunden
gehören dem hiesigen städtischen Archiv an und wurden im Original
eingesehen, doch haben mir auch hierbei eine Anzahl von Abschriften
des Herrn Dr. Reese gute Dienste gethan. Durch die Notwendigkeit,
mich an die Originale zu halten, ist mir übrigens klar geworden, dass
man sich, um einen genauen Einblick in das Wesen und die Ent-
wicklung der Urkundensprache zu thun, auch um die Schreiber und
Schreibschulen wird bekümmern müssen; ich selbst habe die ver-
schiedenen Hände allerdings auch nur gelegentlich verfolgt. — Je weiter
wir in der Zeit vorschreiten, um so massenhafter wird das Material,
um im 16. Jahrhundert mit etwa 200 Stück den Höhepunkt zu
erreichen. Durch die Hände sind mir bis 1625 alle hier vorhandenen
*) Im 9. Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravcnsberg,
herausgegeben von R. Reese. 1894.
79
Urkunden gegangen, doch habe ich mich für genauere Ausnutzung von
1490 an mit Stichproben begnügt. Aus der zweiten Hälfte des
14. Jahrhunderts habe ich etwa zehn, aus dem 15. Jahrhundert einige
zwanzig und aus dem 16. einige dreissig Stück verwertet. Ausser der
ersten von 1302 sind alle Originale. Um sicher zu gehen, dass sie
wirklich von Bielefeldern herrühren, habe ich nach Möglichkeit nur
solche herangezogen, in denen ausschliesslich Bewohner der Stadt
miteinander verhandeln. Fast nur in den frühesten kommen auch
Leute aus der Umgegend vor, was vielleicht manche Eigentümlichkeit
erklärt.
Ganz ausgeschlossen wurden die landesherrlichen Urkunden, auch
solche, bei denen Landesherr und Stadt beteiligt sind. Nur bis 1346
entstammen die Landesherren demselben Sprachgebiet, mit Aussterben
der Ravensberger Grafen fällt Bielefeld an die Herzöge von Jülich
und Berg — also ein fränkisches Geschlecht, und 1511 erbt das Ganze
der Herzog von Cleve, also gleichfalls ein Rheinländer. Ich bemerke
übrigens im Voraus, dass sich eine Beeinflussung der Bielefelder
lokalen Urkunden durch die fürstliche Kanzlei nicht sicher nach-
weisen lässt.
Sehen wir von einigen Urkunden aus dem Jahre 1555 ab, in
denen der Rentmeister zum Sparenberge, also ein nichtstädtischer
Beamter, vorkommt, so tritt die nhd. Schriftsprache zuerst in den 60er
Jahren des 16. Jahrhunderts auf. Aber noch nicht sofort rein, viel-
mehr bleiben anfangs starke nd. Reste. Und zwar leistet der nd.
Konsonantismus zäheren Widerstand als der Vokalismus, in der Art,
dass vielfach die Konsonanten auch in solchen Urkunden unverschoben
bleiben, deren Vokale schon überwiegend nhd. sind. Neben den
Urkunden, die starke Beeinflussung durch das Nhd. zeigen, kommen
übrigens bis 1575 ungefähr ebensoviel vorherrschend nd. vor. Nach
1575 begegnet Gebrauch des Nd. nur noch vereinzelt und zwar zum
letzten Mal 1589. Das Hd. brauchte hier also mehrere Jahrzehnte,
um zur Alleinherrschaft zu gelangen. Hd., wenn auch mit mannig-
fachen nd. Anklängen, sind auch die Bielefelder Rats Verhandlungen
von 1586 — 1628*), aus denen ich eine Reihe schwieriger Stellen im
Korrespondenzblatt des Vereins für nd. Sprachforschung^) zur Sprache
gebracht habe. Sie sowohl wie unsere Urkunden würden dem, der die
Geschichte des Kampfes der nhd. Schriftsprache mit dem Nd. schreiben
wollte, eine wertvolle Quelle sein.
Jostes meint einmal^), wie bei Soest werde es sich im allgemeinen
zeigen, dass gerade die altgläubige Geistlichkeit zuerst und die
protestantischen Städte zuletzt den Dialekt aufgeben. Hier könnten
demnach kaum konfessionelle Gründe für und gegen gewirkt haben.
Auf den ersten Blick scheint es so, als spräche auch bei der
protestantischen Stadt Bielefeld das späte Auftreten des Hd. in ihrer
^) 8. Jahresbericht des Ilistor. Vereins für die Grafschaft Ravensberg 1891.
") 15, 53 f. vergl. 16, 10 f. •) Daniel von Soest S. 393. Anm. 2.
u
Urkundenspraclie für diese Behauptung. Aber bei ihr ist zu berück-
sichtigen, dass hier auch die Reformation erst spät (seit 1541) Eingang
fand und sich dann erst allmählich und nicht ungestört durchsetzte ^ ).
Hier fallen also Einführung der Reformation und der nhd. Schrift-
sprache nicht zu weit auseinander, und erstere könnte bei ihren
mannigfachen Beziehungen zum Hochdeutschen (man denke nur an
das hd. Kirchenlied, das nun auch in Bielefelds Kirchen erklang)^)
doch hier den Umschwung in der Urkundensprache mit befordert
haben, wenn ich auch keineswegs den Hauptgrund darin sehe. Der
Wechsel würde über kurz oder lang auch dann eingetreten sein, wenn
Bielefeld katholisch geblieben wäre.
Der genaue Zeitpunkt des Eintritts des Hd. hängt gewiss oft
von Zufälligkeiten ab. Die spät-nd. Bielefelder Urkunden rühren
grossenteils von derselben Hand; mit ihr verschwindet die nd. Sprache
aus dem Aktenmaterial. Wäre nun der betreflFende Schreiber zufällig
früher verstorben oder sonst in Unthätigkeit getreten, so würde sich
das Bild für uns vöüig verschieben.
Zunächst fassen wir die Zeit ins Auge, in der hd. Urkunden
noch ganz fehlen, also die 250 Jahre von 1300 — 1550, um dann noch
einen kurzen Blick auf die Periode zu werfen, in der das Nd. vor
dem Hd. zurückweicht.
Zuerst soll die Stellung der Bielefelder Urkundensprache innerhalb
des Schriftnd. überhaupt, dann das Verhältnis zu dem gesprochenen
Laut erörtert werden.
Wenn wir nichts über die Heimat unserer Urkunden wüssten,
so könnten wir doch aus der Sprache auf die ungefähre Herkunft
schliessen. Bekanntlich haben die meisten Erscheinungen der ge-
sprochenen Sprache ihr besonderes Gebiet ; nicht gar oft decken sich
zwei Grenzen. Wer noch daran gezweifelt hat, den wird überzeugt
haben, was über den grossartigen Wenkerschen Sprachatlas bekannt
geworden ist. Ebenso ist es mit den Verschiedenheiten der geschrie-
benen Sprache. Immerhin haben oft mehrere Spracherscheinungen
wenn nicht die Peripherie, so doch den Mittelpunkt gemeinsam, und
danach können wir ein grösseres Gebiet in dialektische Landschaften
scheiden. Einzelne Eigentümlichkeiten können dann freilich eine
Gegend enger mit einer anderen verbinden, von der wir sie bei der
vorgenommenen Gruppierung getrennt haben. Mit diesem Vorbehalte
möchte ich das Schriftmnd. in vier Ginippen teilen, wobei ich übrigens
bemerke, dass ich den Nordwesten, Ostfriesland und Nachbarschaft,
als mir unbekannt ausschliesse. Im wesentlichen bildet der Norden,
also die Wasserkante, eine Einheit. Dagegen der Süden zerfällt in
drei Gebiete, Westfalen, ungefähr im Umfang der heutigen Provinz,
das Gebiet zwischen Oberweser und Mittelelbe und die Mark Branden-
burg nebst Nachbarschaft.
^) Goebel, 2. Jahresbericht des Hist. Vereins für Ravensberg 1878 S. 50 ff.
») a. a. 0. S. 55. 72.
81
Die beiden letzten Landschaften würden nun, wenn wir den
Ursprung unserer Urkunden nach ihrem Dialekt bestimmen wollten,
sofort ausscheiden.
Der Mark Brandenburg sind viele Formen und Laute mit dem
Hd. gemein: ü (z. B. brudcr^ tu) für o, % (z. B. die, hrif) für e, % in
unbetonter Silbe (z. B. unsis) für ^, oder für eder^ von für mn, het
für heft; ausserdem fehlt der Plural des Präsens auf -et Unsere
Urkunden bieten dagegen ö, ^, e, cdcTy van^ heft und viele -e^, und sie
L348, Zielten 1461, stichtis, unsis 1348, «w^ir 1451, oder 1338 (Urkbuch
der Stadt Bielefeld L Nr. 160 und 162) sind Ausnahmen.
Das Gebiet zwischen Oberweser und Mittelelbe aber wird gekenn-
zeichnet durch ek, mik^ ome, ore, os für ik^ mi^ eme^ er, W5, — wieder
lauter Formen, die bis auf eine Anzahl ore, von denen unten gesprochen
werden wird, ganz und gar fehlen.
So kämen also die Wasserkante und Westfalen in Betracht.
Wenn man zwischen diesen beiden Gebieten die Wahl hat, würde man
sich für Westfalen entscheiden. Charakteristisch für dieses ist nämlich
Erhaltung des n in uns und den abgeleiteten Formen ; in den Urkunden
steht ebenso nur ausnahmsweise 1338 (Nr. 160) use neben uns^ unsen^
unser und 1355 user neben uns. Auch Stades als Gen. von stat findet
sich ausser in Lübeck und dem Nordosten fast nur im Westen. In
Bielefeld aber ist es ausserordentlich häufig: bis 1400 wechselnd der^
des Stades^ seitdem fast nur des Stades,
der nienstaddes 1302. der olden Stades 1371. van des Stades wegen
1380. der olden Stades 1392. unses Stades 1399. der Stades 1422.
unses Stades 1442. 1483. 1510. 1536. 1539.
Selbst in den Ratsverhandlungen spukt jenes Stades nach. Es
heisst zwar stets der Stadt, aber in Zusammensetzungen die drie stadts-
knechte 1595, Stadtsdiener 1602, stadtsdiener-eyd 1621 neben stadt-
Schreiber 1591, stadtdiener 1621 u. s. w. Zu Westfalen passt femer
die Seltenheit des Uebergangs von o zu a in offener Silbe in Fällen
wie apen für open, und auch ew, ende für un, unde 1338 (Nr. 160 und
162) weisen auf dieselbe Landschaft.
Ja innerhalb Westfalens können wir die Herkunft der Urkunden
noch genauer bestimmen. Auf den Osten werden wir nämlich geführt
durch Vorkommen von schal, scholen neben sal, solen. Zuerst über-
wiegen wohl sogar die Formen mit sc, seh.
schölle wi 1302. scolent 1338 Nr. 160. scole wy, zal 1338 Nr. 163.
scolden 1355. scoldc 1380. solen 1390. schal, scholen 1405. schal
1420. sollen, sali 1445. scholen, schall, sollen 1489. scholde 1497.
sali 1506. schollen 1512. sali 1517. schal, schollen, sal, sollen 1520.
schall, schollen, sollen 1528. schall, sal 1555.
Im Herzen Westfalens gilt nur sal, solen. — Auf den Norden
aber weist vp. Im Süden, wenigstens in den Dortmunder Urkunden,
soweit ich sie nach RübeP) kontrollieren kann, herrscht op. Dies
*) K. Rubel, Dortmunder Urkundenbuch Band I und II. (bis 1400 reichend).
NiedordeutBches Jahrbuch. XX. Q
82
steht z. B. 1320, 1342, 1361, 1373, 1382, 1396, 1400, und up 13s7
ist Ausnahme^).
Schwieriger ist die zweite Frage, die neuerdings öfters aufgeworfen
worden ist: Wie verhalten sich Urkundensprache und wirkliche Volks-
sprache zu einander?
Indem ich ihr näher trete, hole ich nach, was der verdiente
Bearbeiter der heutigen Ravensberger Mundart, Jellinghaus^), für
seine Person ausdnicklich ablehnt. Um zunächst meine Stellung xu
dieser Frage im allgemeinen anzugeben : auf Gnmd eines umfassenden
Materials nicht bloss von Urkunden, sondern auch zahlreichen andertii
namentlich Prosadenkmälern bin ich zu der Ansicht gekommen un<l
hoffe noch Gelegenheit zu finden, sie in einem grösseren Zusammen-
hang darzulegen, dass es im Mnd. eine durchgeführte, über den Mun<l-
arten stehende Schriftsprache noch nicht gab, wohl aber Ansätze zu
einer solchen, und die Entwicklung würde weiter gegangen sein, wenn
nicbt das Aufkommen der nhd. Schriftsprache sie unterbrochen hütti'.
Zu dieser Ansicht hat mich die Beobachtung geführt, dass einerseit«*
vielfach die noch heute geltenden mundartlichen Eigentümlichkeitt^n
auch in den mnd. Denkmälern hervortreten, dass aber anderseits
ebenso oft nachweislich die mnd. Schrift den gesprochenen Laut nirlu
wiedergiebt. Dies sonst gewonnene Ergebnis haben mir die BielefeUUi
Urkunden bestätigt.
Um festen Boden unter den Füssen zu gewinnen, seien ziinäeh>:
einige ganz sichere Beispiele sowohl für die Uebereinstimmung dei
Urkunden mit der Mundart als für ihre Abweichungen von derselhtii
angeführt.
Zunächst also Uebereinstimmungen ! Ich hob oben (Seit^* M >
eine Reihe von Eigentümlichkeiten des Mnd. zwischen Oberweser und
Mittelelbe hervor; diese sämtlich erweisen ihren Ursprung aus dw
Volkssprache dadurch, dass sie noch heute ungefähr innerhalb d(M-
selben Grenzen vorhanden sind. Sie reichen zum Teil bis ganz in die
Nabe von Bielefeld — so wird Detmold noch als ccfc-Ort') angegeben — .
aber bis Bielefeld selbst erstreckt sich keine, und dementsprecheinl
finden sie sich auch nicht in den Urkunden. Wenn dann im Ge«2cen-
satz zu den Dortmunder Urkunden die Bielefelder up haben, so stimmt
auch dieser Unterschied zu den heutigen Mundarten*). Was schliesslii-h
den Wedisel von sal^ solen und schale scholen betriff't, so galten houtt'
in der Umgegend von Bielefeld, wie ich mich durch Umfragen hi\
Schülern überzeugt habe, die .9-Formen, aber schon aus Minden iiinl
Exter bei Vlotho wird seh bezeugt. So erklärt es sich vielleicht, da^-^
Jellinghaus^) beiderlei Formen als ravensbergisch angiebt. Ni(*lit>
steht also der Annahme im Wege, dass im Mittelalter auch in Biele-
feld neben eindringendem s noch seh gesprochen wurde.
>) a. a. 0. I. Nr. 885. 508. 760. 11. Nr. 38. 127. 9G2. 1038. 194. *) Wosf-
fälischo Grammatik S. 3. ^) Wrcdc, Anzeiger für deutsches Alterthum 18, 8(»s.
♦) a. a. ü. 21, 159. 161. '•) ^ 168, 259, S. 114.
83
Nun einige Abweichungen! Es sind das dieselben, die schon
Jostes in seinem schönen Aufsatz : Schriftsprache und Volksdialekte *)
hervorhob, um für das Mittelwestfälische das Vorhandensein einer
Schriftsprache zu beweisen.
Das heutige Westfälisch hat in uns und den abgeleiteten Formen
durchaus Ausfall, das Mittelwestfälische einschliesslich der Bielefelder
Urkunden, wie wir (S. 81) sahen, ebenso durchgehends Erhaltung des n.
Ersteres wird aber als das Ursprüngliche erwiesen durch das Alt-
sächsische, wo die Formen mit n ganz unbekannt sind. Und zum
Teil stammen die altsächsischen Denkmäler doch sicher aus West-
falen. Die Freckenhorster Heberolle kommt hier für uns freilich nicht
in Betracht, da sie die betreffenden Formen nicht bietet. Um so
häufiger sind sie im Heliand, dessen westfälische Herkunft, wenn auch
bestritten, doch immer noch wahrscheinlich ist. Und ganz beweisend
sind die Essener Stücke; selbst in diesen Denkmälern, die aus der
Nähe der niederfränkischen Grenze stammen, herrscht Ausfall ^). Diese n
zeigen in analogen Fällen auch die von Althof'^) behandelten west-
fälischen Namen. Hier möchte ich die Frage aufwerfen, ob eine eigen-
tümliche Schreibweise mehrerer Bielefelder Urkunden vielleicht damit
zusammenhängt, dass das n blosser Schreibgebrauch ist. Es wird u
bekanntlich von n vielfach so unterschieden, dass über u diakritische
Zeichen gemacht werden. Nun finden sich aber mehrfach z. B. 1385
diese auch über n in unse usw. Ist hier blosse Nachlässigkeit der
Schreiber anzunehmen, oder regt sich das Sprachbewusstsein unwillkür-
lich gegen die angelernte Rechtschreibung?
Während diese Abweichung von der Mundart in Westfalen von
Anfang der mnd. Zeit an besteht (später setzt sie sich übrigens im
ganzen Bereiche des Mnd. durch), so gelangt eine andere, die nicht
auf Westfalen beschränkt ist, erst allmählich zur Herrschaft, die
Endung -en im Plur. praes. statt -et. Heute herrscht durchaus in
Westfalen -(e)t und wird als uralt erwiesen durch das Altsächs., das
im Plur. ind. praes. ausschliesslich ad kennt. Für Westfalen kommt
hier ausser den oben bei us genannten Quellen auch die Frecken-
horster Heberolle in Betracht. Die Bielefelder Urkunden bevorzugen
im 14. Jahrhundert -H, 1400 — 1450 herrscht Wechsel, dann überwiegt
'tu. Ganz verschwindet übrigens -et nie. Es mögen hier einige Belege
aus späten Urkunden stehen :
wvlt, werdet 1489. blyvet 1491. hebbet, wylt 1496. wonet, uthfordert
1499. hebbet 1511. wilt 1520. hebbet 1539.
Die Praeteritopraesentia haben in den Bielefelder Urkunden -en,
nur ausnahmsweise steht moghet 1355, Tconth, solt 1549. Immerhin
deuten diese Formen darauf hin, dass der ravensbergischen Volks-
sprache des Mittelalters auch bei diesen Verben die Endung -(e)t
bereits bekannt war, die heutzutage bei ihnen allein herrscht*).
*) Nd. Jahrbuch 11, 85. *) Heyne, Glossar zu den Kleineren altnd. Denk-
mälern 2. Aufl. S. 196. ') Grammatik altsächs. Eigennamen in westf. Urk. des 9.
bis 11. Jahrhunderts § 117, 118. *) Jellinghaus § 259.
6*
n
84
Anderswo findet sie sich in diesem Fall seit etwa 1350. — Sonst
begegnet -en zuerst in Nebensätzen:
dat wy hebben 1338. Nr. 163. Aehnlich 1371. 1391. zee enhebben ISa'-.
Nr. 163,
während allerdings in anderen frühen Urkunden im gleichen Fall schoii
-et steht:
dat wi hebbet 1302. dat wy lovet 1338. Nr. 163. dat wy hebbet 13^5.
dat wy willet 1390.
Haben wir es vielleicht bei jenen -en mit Fortdauer des Konjunktiv
zu thun, dem ja im Altsächsischen die Endung -en zukommt? Wor
in den anderen -en keine bloss orthographische Eigentümlichkeit sehen
will, könnte sie so deuten, dass sie aus dem Konjunktiv, dessen
Bedeutung allmählich dem Sprachbewusstsein abhanden kam, in den
Indikativ gedrungen wären und beide Endungen eine Zeitlang aucli
in der gesprochenen Sprache nebeneinander bestanden hätten, bis '(ejf
in dieser zur Alleinherrschaft gelangte. Damit wäre aber nicht erklärt,
warum in der Schrift grade -en je länger je mehr überwiegt und
schliesslich wenn nicht in unsern Bielefelder Urkunden so doch anderswo
oft obsiegt, wo heute die Mundart noch '(€)t hat.
Es steht also fest, dass die Schrift der wirklichen Volksspraclu'
nicht überall entsprach. Von diesen zweifellosen Fällen wenden wir
uns zu der schwierigen Frage, wie weit der eigentümliche westfälisrlu-
Vokalismus schon im Mittelalter vorhanden war.
Wir fangen mit dem Diphthong ie an. An dessen Stelle st(»ht
altsächsisch einmal kurzes i; z. B. heutiges fiele ist altsächsisch filu,
tielen = tüian^ sieker = sikor. Dies % herrscht auch in den west-
fälischen Namen des 9. bis 11. Jahrhunderts. Althof führt nur wenijjo
e z. B. Fretherich gegenüber zahlreichen i in demselben Namen aiiM.
Für die folgende Zeit, für die in Westfalen bis etwa 1300 gleichfalls
fast nur deutsche Wörter in lateinischen Denkmälern zur Verfügung
stehen, bin ich auf vereinzelte Beobachtung angewiesen. Entnommen
habe ich sie dem 4. von Darpe besorgten Band des Codex traditionuni
Westfalicarum, weil er in musterhafter Behandlung Denkmäler enthält,
die ganz aus der Nähe Bielefelds, aus Herford, stammen*). Ich haln«
hieraus die Formen für das Dorf Brackwede bei Bielefeld, heute im
Volksmund Brokwie, zusammengestellt. Die Heberolle des 12. Jahr-
hunderts hat Brequide^), die des 13. Bracwide^)^ doch bietet eine Hs.
derselben schon Bracwcde^ und letztere Form herrscht im 14. Jalir-
hundert und später ausnahmslos. Ferner steht in den Zusätzen zur
Heberolle des 12. Jahrhunderts niderval^)^ im Nachtrag zu dem
summarischen Register von einer Hand anscheinend des 13. Jahrhunderts **•)
fiitherval, in der Heberolle des 13. Jahrhunderts aber schon negeti-
ogen'^) (negen heute fliegen). — Heutiges ie geht aber teilweis auch
auf altsächs. Umlauts-e zurück, z. B. bieke auf beki, kietel auf ketiL
*) § 80, 147. *) Einkünfte- und Lchns-Re^ister der Fürstabtei Herford sowie
die Heberollen des Stifts auf dem Berpje bei Herford. *) a. a. S. S. 32. *) S. 70.
»j S. 51. «) S. 02, vrgl. S. 10, 5G a. '} S. 84.
85
An dessen Stelle tritt schon in der Hs. M der Freckenhorster Hebe-
rolle gern i^), ebenso bieten die westfälischen Namen des 9. bis 11.
Jahrhunderts oft -biki neben -bekP). In der Heberolle des 12. Jahr-
hunderts überwiegt -biJce, -biki^ in der des 13. gilt aber schon -beke.
Z. B. heisst es dort Bernehike^ hier Bernebeke (jetzt Bermbeck im
Kreis Herford). Diesen Namen habe ich auch in den späteren Her-
forder Denkmälern verfolgt, er hat auch da stets c. Den gleichen
Unterschied habe ich beobachtet, wenn biki^ beke den Hauptton trägt.
Jene Form herrscht in den älteren Denkmälern, vrgl. Bikehusen in
einer Paderborner Urkunde von 1151^), Bychethorp, Bykeseten^) in
der Herforder Heberolle des 12. Jahrhunderts, diese in den jüngeren:
die Heberolle des 13. Jahrhunders bietet zwar noch Wechsel, vrgl.
Bekeseten neben Bikeseten^)^ später aber habe ich i in dieser Stellung
nur vereinzelt beobachtet.
In beiden Fällen verschwindet also i im Laufe des 13. Jahr-
hunderts in der Schrift, und auch die Bielefelder Urkunden zeigen
kaum eine Spur; widerkopen 1302 und vor der nideren porten 1480
sind vereinzelt. Und doch möchte ich auch hier mit Jostes u. a. an-
nehmen, dass die Verdrängung des i durch e nur der Schriftsprache
angehört. Wenn bis zum 13. Jahrhundert ein i geschrieben wird und
der i-Laut heute noch im Diphthong überwiegt, so ist zu vermuten,
dass er auch in der Zwischenzeit nicht verschwunden ist. Bestärkt
werden wir in dieser Annahme, wenn wir sehen, dass an anderen
Orten grade Westfalens selbst noch im 14. Jahrhundert % nicht selten
geschrieben wird. So namentlich in den Dortmunder Urkunden des
14. Jahrhunderts, gegen dessen Ausgang es allerdings zurücktritt. So
heisst es dort:
ghesikert, ghescrivenen 1349. witet 1352. wider 1362. myde 1396').
Für das 15. Jahrhundert versagt leider bis jetzt das trefiFliche
Rübelsche Urkundenbuch ; in den mangelhaften Abdrücken Fahnes
habe ich i kaum gefunden. Ich vermute also, dass sich der heutige
Diphthong ie unmittelbar aus kurzem i entwickelt hat; wann dies
allerdings geschehen sei, darüber geben die Quellen keine Auskunft.
Zweifelhaft bin ich in zwei anderen Fällen. Wenn auch, wie
wir oben (S. 81) sahen, unsere Urkunden meist in offener Silbe o
behalten, so begegnen doch einige a.
apenbar 1489. avergegeven 1512. tegelaven (Zicgelofen) 1517. appenbar,
apenbaren, baveu, gekaren (^gekoren'), geswaren 1520. vulIentageD,
baven 1549.
Sehr häutig ist dieser Uebergang im späteren Mnd. da, wo noch
heute ein dem langen a ähnlicher Laut gesprochen wird, während er
zwischen Oberweser und Mittelelbe, wo heute ö gilt, und in Westfalen,
wo wa herrscht, im allgemeinen fehlt. Bei den a unserer Urkunden
können wir nun entweder annehmen, dass sie in ungenauer Weise
0 Jellinek, Paul-Braune Beiträge XV, 302. '-») Althof, § 136. 137. ») Codex
trad. Westf. IV, S. 8. *) S. 28. 35. *) S. 63. 81 und S. 63a. •) K. Rubel, Dort-
munder Urkundenbuch I, Nr. 651. 694. 771. II, Nr. 962.
86
das ua der Aussprache wiedergeben sollen, oder wir müssen in ihnen
ausschliesslich ein Stück Schriftsprache sehen.
Zweitens: 1338. Nr. 160, 1348 und dann wiederholt nach 1497
steht für ihre^ ihrer u. s. w. ore, orer u. s. w., während die ent-
sprechenden Nebenformen mit o bei eme^ en, enne fehlten. Heute
heisst es war, üare, aber am, an, en^). Vielleicht weist jene Ver-
schiedenheit in der mnd. Schreibweise auf einen ähnlichen Unterschied
auch in der mnd. Aussprache Ravensbergs hin. Jellinghaus*) will in
einer Urkunde von 1400 uerem, in einer von c. 1500 tarem gelesen
haben. Wo finden sich diese? Das uren^ das er aus einer Urkunde
des Landesherrn von Ravensberg vom Jahre 1362 anführt^), zieht
jedesfalls nicht, da in jeuer Zeit Ravensberg schon mit Jülich und
Berg vereinigt w^ar (vrgl. darin vorkommende Formen wie: toyr^ i«d, hain).
Was den Konsonantismus anbetrifft, so möchte ich die Assimilation
des d an vorhergehendes n zur Sprache bringen. Heute ist sie durch-
geführt, in unseren Urkunden fehlt sie fast ganz. Nur 1348 kommt
orhunne vor. Ich habe diese Urkunde nicht selbst eingesehen, aher
durch besondere Anfrage festgestellt, dass gar nicht anders gelesen
werden kann. Trotzdem würde ich auf dies vereinzelte Vorkommen
nichts geben, wenn nicht sonst gesicherte analoge Fälle aus ähnlich
früher Zeit begegneten. Dieselbe Form findet sich 1346*) in einer
Originalurkunde des letzten Grafen aus dem Hause Ravensberg zu
Gunsten einer Bielefelderin, die also vielleicht auch in Bielefeld aus-
gestellt, von mir aber als nicht städtisch beiseite gelassen worden ist.
Auch hier ist die Richtigkeit der Lesung gesichert. Dann steht in
einer Freckenhorster Originalurkunde von 1343 ghesynne^). Eine
ganze Reihe von Fällen findet sich ausserhalb Westfalens besonders
in Bremer Originalurkunden^).
ghelle {= ghelde) 1371. de ole dyck, velle (= velde), holen (= holden)
1374. velle, lanne, tennest (= tendest) 1375. de ellere 1378. (Vrgl.
panne 1333. manne 1360 in den Bremer Schedungen^).
In den späteren Bremern Denkmälern verschwindet die Assimilation
wieder. In der Nichtwiedergabe derselben sehe ich hier wie in West-
falen eine Abweichung der Schrift von der Aussprache.
Worauf beruhen nun derartige Abweichungen? Sehen wir von
der Schwierigkeit ab, die manche Laute wie etwa die westfälischen
Diphthonge jedem bereiten müssen, der sie schriftlich wiedergeben
will, so ist einmal vor allem auf die orthographische Tradition hin-
zuweisen. Es gab schon im Mittelalter eine feste Rechtschreibung,
von der man nicht abwich, wenn sich auch der Laut änderte. Ein
*) Jellinghaus § 212. 213. *) § 87. ») Nd. Korrespondenzblatt 11, 3, wo
das Citat aus Lamey S. 136 in S. 123 zu berichtigen ist. *) Urkundenbuch der
Stadt Bielefeld I, Nr. 182. ') Codex traditionum Westfalicarum I, S. 183 unten.
•) Bremisches Urkundenbuch II, Nr. 406. 463. 469. 540. ') Oelrichs, Sammlunpr
alter und neuer Gesetzbücher der Stadt Bremen.
87
schlagendes Beispiel bietet die obengenannte Schreibung nd statt ww.
Für die Urkundenschreiber lag es doppelt nahe, sich der über-
kommenen Orthographie weiter zu bedienen, weil sie oft nach be-
stimmten Formularen schrieben. Anders würde es sich nicht erklären
lassen, warum bestimmte Formen immer an derselben Stelle wieder-
kehren, während sie in derselben Urkunde in anderem Zusammenhang
anders lauten. Ich habe dies bei der Pluralendung -et beobachtet.
In vielen Urkunden steht sie nur in der Wendung : se hebbet de genade^
diU se mögen, z. B. 1442, 1483, 1510, 1539. Auch Jostes ^) macht
auf den Einfluss der Formelbücher aufmerksam.
Aber nicht alle Abweichungen erklären sich durch traditionelle
Orthographie. Die Schrift zeigt vielfach Laute und Formen, die über-
haupt nie der betreffenden Mundart angehört haben. Man hat in
Westfalen nie uvs für «5, nie e für * in Fällen wie vele = vieln
gesagt. Hier haben wir Einwirkung aus der Fremde anzunehmen.
Und zwar kann entweder ein anderer Dialekt desselben Sprachtypus
(hier also des Niedersächsischen) oder eine andere Spracheinheit den
EinHuss ausüben. Letztere Möglichkeit lag grade in Westfalen nahe,
weil es auf zwei Seiten an andere deutsche Stämme stösst. Vom
Rhein her, also vom Mittel- und Niederfränkischen, bezw. Nieder-
ländischen, und vom Süden her, also vom Mitteldeutschen, konnten
fremde Schreibungen eindringen. Woher die Neuerungen stammen,
wird sich oft nicht entscheiden lassen. So kann das n in uns und
der unsächsische Plur. praes. auf -en vom Süden und Westen her ein-
gedrungen sein : sowohl dem südlichen als dem westlichen Sprach-
gebiet kommen diese Eigentümlichkeiten zu. Bei e statt i könnte
auch Beeinflussung durch die anderen niedersächsischen Mundarten
vorliegen, denn dem grössten Teil Niedersachsens kommt die Senkung
von i zu c wirklich zu. Joste ^) denkt für Westfalen vorzugsweise an
westlichen Einttuss, und er wird darin Recht haben.
Zum Schluss werfen wir noch einen Blick auf die Zeit von 1550
bis 1589, in der sich hd. Einflüsse stark geltend machen.
Jetzt dringen nhd. Formen mit Macht auch in solche Urkunden,
deren Gesamttypus unverkennbar nd. ist. Das Nd. zeigt im grossen
und ganzen keine Weiterentwicklung. Offenbar stehen die Schreiber
auch jetzt noch unter dem Bann der mittelalterlichen Rechtschreibung,
wenn auch manche seltsame Schreibweise die einreissende Unsicher-
heit beweist. Bemerkenswert sind zwei Urkunden von 1555. Ge-
schriel)en hat sie ein Bürger, namens Cock. Es ist begreiHich, dass
er nicht so von der Tradition beherrscht wird wie die berufsmässigen
Urkundenschreiber. Bei ihm briclit die Mundart durch. Schon alt-
sächsisch wechselt namentlich in der Freckenhorster Rolle 6 = got.
au mit a, vgl. nrano^ vischhapa. Ebenso schreibt Cock : vorkapes^ vor-
kape^ vorkafft neben vorkopes^ wederkopen^ aber 6 = hd. uo giebt er
») Nd. Jahrbuch 11, 86, 88. *) a. a. 0. S. 88.
88
mit 0 wieder, z. B. goderen^ to^ modes (vorkafi lese ich übrigens auch
schon in einer Urkunde von 1528). Diese verschiedene Schreibweise
beruht jedenfalls auf Verschiedenheit der Aussprache. Doch nähern
sich heutzutage grade in der Bielefelder Gegend die beiden ö, die
man sonst im Ravensbergischen als eo = hd. uo und äu = got. au
unterscheidet, als au, ou^ 6 auf der einen und au auf der anderen
Seite ^). Eine andere Schreibweise in den Urkunden Cocks macht mich
geradezu stutzig, ob er überhaupt den ravensbergischen Dialekt wieder-
giebt. Ravensbergisch heisst es nämlich früwwe^ frübbe und nur bis-
weilen frugge^ wobei Jellinghaus ^) ausdrücklich bemerkt, dass das
paderbomische gg = ww nicht beliebt sei. So haben auch unsere
Urkunden stets frouwe^ aber Cock schreibt husfroggen. Nicht-ravens-
bergisch ist bei ihm auch vor myck (acc.) neben vor my (acc).
van my. — Zwei Urkunden von 1585 und 1586, beide von der
Hand des Stadtschreibers Johannes Anthonii, die schon starke Be-
einflussung durch das Hd. zeigen, bieten eine andere Form, die ich
für mundartlich halte: das Part, gieben. Als Infinitiv findet sich die
gleiche Form in dem ersten, von demselben Beamten geschriebenen
Teil der Bielefelder Ratsverhandlungen, während die späteren, von
anderen verfassten Teile geben bieten. Die heutige Mundart hat gibeti^
gieben. Auch hier halte ich das i für uralt. Schon im Altsächs.
(Bedas Homilie, Freckenhorster Rolle) findet sich gegivan^ givan, und
in Dortmunder Urkunden von 1342 und 1352^) steht gheghyven, gyven.
Derartige mundartliche Schreibungen sind aber auch in den
späten Urkunden selten, und grade diese Denkmäler, die aus einer
Zeit stanunen, in der das Nd. als geschriebene Sprache schon in
den letzten Zügen lag, beweisen, wie fest die traditionelle Recht-
schreibung sass.
Fassen wir die zahlreichen Fälle zusammen, wo wir Eigen-
tümlichkeiten des heutigen Platt schon in frühe Zeit verlegen mussten,
so werden wir zwar nicht so weit gehen, die westfälische Mundart
schon bei Hermann dem Cherusker vorauszusetzen, wie Fürst Bismarck
neulich beim Empfang der Westfalen gethan hat. Aber wenn er
hinzusetzte: Ich wüsste nicht, woraus man schliessen könnte, dass
der westfälische Dialekt damals anders gelautet hätte wie heute in
Paderborn und dem Teutoburger Walde — so können wir auf einen
grossen Teil des Mittelalters diesen Ausspruch mit Recht anwenden.
Wenigstens die Keime der heutigen Aussprache gehen schon in frühe
Zeit zurück.
Es scheint das gegen die Wertschätzung zu sprechen, die ich
am Eingang meines Vortrages den Urkunden zu teil werden Hess :
denn in ihnen treten diese Eigentümlichkeiten vielfach grade sehr
zurück. Aber naturgemäss habe ich mehr die Fälle hervorgehoben.
1) Jellinghaus ^ 56, 57, 70. «) § 163, 169. ») K. Rubel, Dortmunder Ur-
kundenbuch I, Nr. 567, 694.
89
wo bei ihrer Benutzung Schwierigkeiten vorliegen, als die, wo sie ohne
weiteres als Erkenntnisquelle dienen können. Und sodann teilen sie
im Prinzip diese Schwierigkeiten mit den anderen Aufzeichnungen des
Mittelalters. Im Prinzip — sage ich, denn im einzelnen bestehen
sicher zwischen den verschiedenen Arten von Denkmälern noch grosse
Unterschiede in dem Grade der Treue, mit dem sie die wirkliche
Volkssprache wiedergeben. Aber ein reines Bild derselben liefert von
allen mnd. Aufzeichnungen vielleicht keine einzige.
BIELEFELD. H. Tümpel.
Zu
John Brinekmanns Erzählungen.
Erfreulicherweise finden die köstlichen Erzählungen John Brinek-
manns nun auch in weiteren Kreisen die ihnen gebührende An-
erkennung, wozu unzweifelhaft die in Wilh. Werthers Verlage in
Rostock erschienenen schön gedruckten und ausgestatteten Ausgaben
(John Brinekmanns Ausgewählte Plattdeutsche Erzählungen, 1. Bd.
Kasperohm un ick, 5. Aufl. 1894; 2. Bd. Kleinere Erzählungen,
3. Aufl. 1895) viel beigetragen haben. Leider verdienen die in diesen
Bänden mit Rücksicht auf die des Niederdeutschen weniger kundigen
Leser gegebenen Erklärungen unter dem Texte nicht dasselbe Lob.
Gerade bei schweren und seltenen Ausdrücken wird eine solche hin
und wieder vermisst, öfter hat sich auch der Herausgeber mit einer
einfachen Umschreibung des niederdeutschen Wortes ins Hochdeutsche
begnügt, an anderen Stellen ist eine geradezu falsche Erklärung ge-
geben. Ich möchte hier in Rücksicht auf eine neue Auflage einiges
derartige berichtigen.
Bd. I, S. 24, Z. 12 bedurfte Pulpet (Pult), das engl, pulplt, einer Er-
klärung; es findet sich nochmals S. 310, Z. 4 in der bei Webster als dritte
verzeichneten Bedeutung. — S. 13, A. 2 bezeichnet Speegel jedenfalls nicht wie
die Anmerkung angiebt den 'Rücken', sondern einen tiefer liegenden Teil des
menschlichen Körpers. S. 16, A. 4 wird durch die Uebersetzung von Paribrassen
durch „Perlbrachsen'' niemand gedient sein. Gemeint ist unzweifelhaft eine Art
des bekannten, hochd. Bleie (Sparus. Lum.) genannten Fisches. — S. 33, A. 6
mischt ist mehr unser „geknufft" als „gehauen''. — S. 64, 3 bezeichnet rügen,
das in der Anmerkung durch 'rauhen' übersetzt wird, das Abschülfern der Haut
90
nach Masern, Friesel und ähnlichen Krankheiten. — S. 62, A. 1 i^t masig (es
ist von Käse die Bede) falsch darch madig übersetzt. Dies Wort, das ich
übrigens in den mir zugänglichen niederdeutschen Wörterbüchern vergeblich ge-
sucht habe, gehört zu mase, Fleck, i.st also = fleckig, faulig; vgl. mbd. i/ifLs{r
(Lexer I, 2056). — Wenn S. 98, A. ö durchsükt durch „durchgeseacht' um-
schrieben wird, so ist dies nicht einmal ein hochdeutscher Ausdruck; aükeu be-
zeichnet hier treffend den Zustand, der sich bei den ersten Kauchversucheu
Nichterwachsener einzustellen pflegt. — S. 219, Z. 2 bedurfte Balge = *Wasch-
fass' einer Erklärung. — S. 247, A. 5 ist Palankin durch 'Baldachin' erklärt
Letzteres bekanntlich aus Bald^cco, der ital. Form des arab. Bagdad, herzu-
leitende Wort hat aber mit dem ersteren nichts zu thun. Man vergleiche die Er-
klärung in Websters Complete EnglishDictiouory: „Palanqiiin, Pakinkecn(Fg.\\.FT.
palanquin, Javan. pdlangki, 0. Javan. palangkan, palaki, Hind. pelaki). A covered
carriage used in ludia, China etc., borne on the Shoulders of men, and in which
a Single person is conveyed from place to place." — S. 251, A. 3 ist ivan.schajtf n
durch „abgenutzt", wie Bd. II, S. 168, 3 ivantschapcn durch „gebrechlich* über-
setzt (vgl. auch S. 286, Z. 5). Es ist aber vielmehr = hässlich (s. Mnil. Wb
u. d. W.). — Schliesslich möchte ich noch die Vermutung aussprechen, dass das
S. 17, A. 1 durch höltern Redder (Ritter) erklärte Spiel Ilöltendraetick mit
draetic = dreissig zusammenhängt. Die in der Anmerkung gegebene Erklärung
halte ich nicht für richtig. Vielleicht giebt ein Landsmann des Dichters darüber
Auskunft.
Bd. II, S. 217, A. 1 durfte Krickahnt nicht einfach durch „Ente' über-
setzt werden, sondern es musste bemerkt werden, dass eine besondere Art vun
wilden Euten damit gemeint ist. Auch wird einem Hochdeutschen kaum damit
gedient sein, wenn ebd. A. 7 Brokfi^cher einfach durch „Bruchfischer" übersetzt
wird. Falsch wird S. 221, A. 2 Schimann durch „Seemann" übersetzt, wobei
der Verfasser der Anmerkungen wohl an engl, seaman (spr. ssimän) gedacht hat.
Schiemann, ScMmmann (auch noch als Familienname vorkommend) ist vielmehr
ein altes niederd. Wort und bezeichnet einen Bootsmann oder Schiffszimmermann ;
8. Mnd. Wb. IV, 93. — S. 229, A. 2 wird stoben un flagcn durch 'abgeblieben'
übersetzt. Liegt hier ein Druckfehler oder ein Provinziallismus für 'geblieben' vur'^
— Ebd. A. 4 war es jedenfalls besser den Sinn der Redensart ^dor het tvcddir
ne Uhl scten' zu erklären, als nur das bekannte Uhi durch „Eule" zu über-
setzen. — S. 233, A. 2 war das aus dem Schwedischen herübergenommene T<di-
hood besser durch 'Zollamt' als durch 'Zollbude' zu erklären. — Zu S. 267, A. 4
ist zu bemerken, dass Ikcperöllst nicht durch 'Seilermeister' zu übersetzen ist,
sondern den Aeltesten der Seilerzunft bezeichnet. — Zu S. 272, Z. 6 wird eine
Anmerkung zu ,,Oewett'^ vermisst, ein Ausdruck der auch nicht jedem Nieder-
deutschen ohne Weiteres klar sein wird. Gemeint ist wohl das Mnd. wedde =
Polizeigericht (s. Mnd. Wb. V, 622) und geiveddc, ebd. II, 99. — Einer Er-
klärung bedürfen auch noch lenTfi auf S. 285 und 292 (das Verb, lentseyi ist
S. 289, A. 2 erklärt), sowie der Münzname Biesteber gers. — Völlig falsch er-
klärt ist folgende Stelle aus der Erzählung Peter Lureni hi Abukir (Bd. II,
S. 310): Seen Se, Herr Block! ahn de horizontale Peilung und den »iil)marinrii
Pegel iiadd de Slacht hi Abukir in desen Leiren nich von den Engelsmaym
gewunnen tvarden künnt, un wir ick nich to rechtet' Tid darawer lookame^t,
denn hadd de Engehniann dar ok so scker mit ne lange NäC von af trecken
müfsi, OS de Dan vor Gadebuschy ore mu ersten he hadd ok so vel Släg^ kregen.
dat de gesammten britischen Eilanden sick dorup kadden gichten laten künnt.
Was der Herausgeber sich dabei gedacht hat, wenn er gichten durch 'die Gicht
vertreiben' erklärt, ist schwer erfindlich. Die richtige Erklärung ergiebt sich
91
aus dem 19. Kapitel von Fritz Beuters Keis' nah Belligen, wo 'oll Witt' vor dem
Burmeister erklärt:
„Ick gab na 'n Dokter hen un lat mi gichten;
Uu ick verlang up alle Fälle
So ^n dortig Daler Smerzensgelle."
Zu dieser Stelle wird in der Volksausgabe der Sämmtlicben Werke Bd. 3,
S. 77 ick lat mi gwhten richtig erklärt: „ich lasse mich ärztlich besichtigen
(zwecks Erlangung eines Befundscheins). " Weitere Auskunft Über das sw. v.
gichten in dieser Bedeutung giebt das Mud. Wb. II, 107. Der Sinn der obigen
Stelle ist also: „Die Engländer hätten dann so viel Schläge bekommen, dass ganz
England sich hätte darüber können den Befundschein ausstellen lassen. '^
Interessant ist es zu bemerken, dass die sprichwörtliche Redensart auf
S. 348: „gegen ho 'n Backaben lett »ick nich good hojahne7i," sich schon in
den von Hoffmann von Fallerslebeu, Berlin 1870 herausgegebenen Sprichwörtern
des Tunuicius (v. J. 1514) in folgender Fassung findet: Ile moet wgdc gapen,
die tegcn den oren ivyl gapen. Uebrigens ist die Redensart „Jahnen wie ein
Backofen" auch sonst noch in Norddeutschland gebräuchlich.
NORTHEIM. R. Sprenger.
92
Die alten Kalenbergdrueke und
Uebersetzungen.
Die Anregung zu der nachfolgenden kleinen Arbeit verdanke ich
Herrn Professor Edward Schröder, der mich auch mit bibliographischen
Notizen und anderen Hinweisen unterstützt hat. Mir lagen im Original
folgende Drucke vor: Augsburg, ca. 1470 (A, I), Nürnberg, ca. 141)0
(K), Heidelberg 1490 (H.), Frankfurt 1550 (F.), Augsburg 1602
(A, II), 0. 0. 1611, 0. 0. 1620 XI und XII), von den vier vor-
handenen Bruchstücken der niederdeutschen Uebersetzung, Lübeck
(L,) die zwei in Berlin vorhandenen, der holländische Druck, Amster-
dam 1613 (Ad.), ausserdem die Abschrift eines Druckes in der Valentin
Holischen Liederhandschrift (V.-H.)^ abgeschlossen den 18. April 152(),
die Ausgaben von N. durch Bobertag, Kürschner N. B. 11, von XH
durch von der Hagen, Narrenbuch (vielfach eigenmächtig geändert)
von L. durch Mantels und Priebsch (Jahrb. 1875, 1876, 1892), von
der englischen Uebersetzung (E.)^ erschienen wahrscheinlich Antwerpen
ca. 1510, durch Schröder (Jahrb. 1887), schliesslich der Ebelingsche
Text, Berlin, Lustenöder 1890 (angeblich von 1500). Andere alte
Texte sind bisher nicht bekannt, und Herr Dr. Karl Schorbach, der
demnächst A. I und H. neu drucken wird, teilte mir noch am
26. Dezember 1894 freundlichst mit, dass er keine andern, als die
mir bekannten Ausgaben gefunden habe trotz Anfrage bei 70 Bibliotheken.
Ueber A. I und Ad. handelt kurz der Finder K. Meyer, Saniuil.
bibl.-wiss. Arbeiten Heft 6 (1894), H. bibliographisch beschrieben von
Ad. Schmidt, Centralbl. f. Bibliothekswesen 10, 433 ff., cf. dazu noch
Edw. Schröder, Korresp. XVII. 75.
Ich citiere die Verse stets nach N. ed. Bobertag.
I. Wert der Drucke für die Textkritik.
a. Unwert von E. (Ad.) Unzweifelhaft nachgewiesen ist von
Schröder und Meyer, dass L. im Anfang des 16. Jahrhunderts zu
einer niederländischen Prosafassung umgearbeitet wurde, auf der E.
beruht und von der Ad. ein Naclidruck ist. Dieser Nachdruck war
ein sehr genauer. Ganz zweifellose — aber auch unabsichtliche —
Veränderung der Vorlage liegt nur an einer Stelle vor. In der
Geschichte vom Chordecken sind durch Flüchtigkeit mehrere Sätze
fortgelassen. Wie im Englischen (cf. Schröder a. a. 0. 131. Anm.),
wurde wohl das häufige Vorkommen des Wortes Chor verhängnisvoll.
93
Auf Aldus koesen die beeren dat Choer, wohl der einzige Satz, dessen
Uebersetzung an dieser Stelle in E. ausgefallen ist (die Beratung der
Bauern weder in Ad. noch E.), folgt gleich maer die Pastoor en tvas
niet haastich om fyn deel te decken. Die in E. vorhandene Botschaft
der Bauern an den Pfarrer muss in dem alten niederländischen Druck
enthalten gewesen sein. Eine Aenderung des Nachdrucks wird wohl
noch vorliegen entspr. N. 875 fuft mSifc ir ewig fein verwiegen. Ad.
of gy enftdt de Ten nacht van niy gheen vriendtfchap gecryghen. E, 138.
14 f. or ellys from hena forth I wyll shewe you no point oflove tchylst
I leve. Ausserdem vielleicht an der Stelle N. 440 ff., wo in E. 133.
34 f., wie in N., der mit den Flügeln schlagende Pfarrer mit einem
Engel verglichen wird, und N. 759, wo in E. 13G. 40 f., wie in N.,
bei dem wunderlichen Versuch des Bischofs, sich von seinem Augen-
übel zu befreien, auf den Rat des Pfarrers zurückgewiesen wird.
Das sind aber auch die einzigen Stellen, an denen die Genauig-
keit des Abdrucks mit einigem Grunde bezweifelt werden kann. Ich
gebrauche im folgenden der Kürze halber Ad. auch als Bezeichnung
des niederl. Drucks aus dem XVI. Jahrhundert.
Von E. steht also von vornherein fest, dass es abgesehen von
den vier obengenannten Stellen überhaupt keinen Wert für die Kritik
des hochdeutschen Textes haben kann. Ad. ist wichtig, insofern L.
fragmentarisch ist.
b. Unwert von XII. Unter den hochdeutschen Drucken ist nur
einer ein direkter Nachdruck eines andern. XII ist nur eine Neu-
auflage von XI, aus derselben Druckerei, in Format, Papier, Lettern,
ja in jeder Zeile mit XI übereinstimmend. So ist ihnen denn auch
ausser der Fortlassung der letzten 24 Verse, des Nachworts, nicht
nur eine grosse Auslassung mitten im Zusammenhang gemeinsam,
509 — 632 — es fehlte offenbar gerade ein Blatt in der Vorlage von XI,
die in Format und Druck genau mit A. II (dort das Blatt mit C be-
zeichnet) übereingestimmt haben muss — ; auch in den sinnlosesten
Druckfehlern folgt XII im allgemeinen XL Nur an einigen wenigen
Stellen nahm XII selbständige Aenderungen vor. z. B. 2027 in dem
nassen statt in den gasscn oder merzte einen Druckfehler von XI
wieder aus. z. B. 238, das alte fcelin für XI flehn.
Für die Textkritik ist XII also völlig wertlos.
Für alle übrigen deutschen Drucke und V.-H. ist direkter
Zusammenhang ausgeschlossen.
c. A. I — jüngere Drucke. Alle späteren deutschen Texte bilden
gegenüber A. I (um 1470) eine Gruppe. Allerdings hat die Gruppe
in den ca. 300 Versen, die wir von A. I besitzen, keinen offenbaren
Fehler. Gemeinsame Lesarten 1747, 1800, 1822 (in dem Ctall^ A. I
in dem pfarhof), 1871 (allefamt, A. I alle), 1908 (fie da, A. I fie
allain), 1964 (Als gut ift maisterfchaft, A. I das ift meifterfchaft).
Mfin darf wohl sagen, die Lesarten von A. I drücken am einfachsten
94
aus, was gesagt werden sollte, durch die Lesarten der späteren Texto
wird der Vers geglättet. Doch sclton in Anbetracht der zeitlichtMi
Verhältnisse müssen wir annehmen, dass ein Druck, dem A. I zu
(jrunde lag, der Ausgangspunkt für die weitere Entwickelung de>
Textes wurde. Der eine gemeinsame Fehler von A. I, N., H. 1744
ich weiss statt ich weiss nicht kann sehr wohl erst von der Grund-
lage der übrigen Drucke gebessert sein.
d. Gruppe N., H. Im nahen Zusammenhange stehen N. und H.
(lemeinsame offenbare Fehler finden sich in N. und H. an folgenden
Stellen, die ich vollständig mitteile, damit jeder, der sich im Besitz
des Bobertagschen Textes befindet, diese Verse verbessern kann.
Voran stehen die Verse, die auch in A. I erhalten sind.
1799. Sy truncken do wol dy lialbe nacht A. I; tnmcken wol V.-H., F..
XI, XII; (inincken bis zu Mitternacht A. II); do vx)l Juilbe N., H.
1925. Er fprach es ift des teufeis fchetitz A. I, V.-H., F., XI, XII; T'fi'i
(prach A. II; fprach ift N. ; fprach ift da.'i des H.
1947. Der richter und dy gantx gemain A. I, V.-H., F., XI, XU; tind rih
gantx N., H. (Samj)t dem Richter und gayitten Gniein A. II).
415. Der Mefner wolt dein Unluft wehren A. II; wolt den unlufl V.-H .
F., XI, XII; wolt unluft H.; wolt fich ufiluft N.
417. Dax da nit fchm^icken unird die jyfarr V.-H.; fchmeckemlt F.; .1///'
das nicht fchmeckendt A. II, XI, XII; das do gesehmccht nit N., H.
95H. Das der p fairer on riyderklayd V.-H, F., A. II; ohn Niderkleid thr
Pfarrh^rr XI, XII; pfarrer ain nydei'klail N. ; mit cim H.
1047. Ich forgi ir hiclts für übel mir V.-H., F., A. II, XI, XII; hi^ix X :
liertx H.
1356. Mit gutten flecken und groffenV.-B..^ F., XI, XII; uyid auch groffm
A. II; flecken do von groffen N., H.
1558. Der hertxog den truehfcffen batt V.-H., F., A. II, XI, XII; den Imnn:
fetten N.; den betrug sehen H.
2059. Dann er daz allx verderben thuit V.-H., F., XI, XII; Wa;nn das t
alls A 11; das er es all-s N., H. *)
Ausserdom stimmen N. und H. gegenüber allen anderen Drucken
in den folgenden Versen übercin. OH, 177, 274, 293, 310, 313, >M4,
327, 041, 754, 703, 705, 884, 81)3, 1100, 1181, 1210, 1414, 141!».
1523, 1551, 1593, 1G51, 1719, 2122. Es Hessen sich bei genauem
Nachsuchen wohl noch ein paar derartige Stellen mehr auffinden.
Es kam mir hier — und das gilt auch für die weiteren Ausführungen —
nur darauf an, genügendes Beweismaterial für meine Resultate an-
zuführen. Inwieweit an diesen Stellen N. und IL spätere Umbildun<;cii
(grösstenteils übrigens ganz unbedeutende) des ursprünglichen Textes
enthalten, wie weit sie dagegen nur das Alte beibehalten haben, liisst
sich deshalb nicht entscheiden, weil gemeinsame Fehler — allerdings
sehr wenig zaldreich — aller übrigen Drucke beweisen, dass sie auf
eine Grundhige zurückgehn.
») Nur Lcsofehlcr von Bobcrtag sind 3^12 [hat], 478 fchur statt schixf, 142!>
thttt statt thar, 1559 da statt das, 2004 ir statt ich.
95
e. Gpüppe L., V.-H., F., A. H, XL
327. des vnirden fie vom pfai-rer gefpeift B., V.-H., F., A. II, XI, XII; ge-
preift N., H.
923. der hifchof da 7iit fprechen kan V.-H., F., A. II, XI, XII; daer en
fal de Bifchop nz tegen fegghen Ad. ; do ividei- fprecJien N., H.
Wohl auch so in 477, wo F. selbständig auf den richtigen Text
zurückkam.
das ein im dankt y dus ander nit N., H., F.
ein im dacht A. II, ein gedacht V.-H., difs einem doch XI, XII ; Ad. über-
setzt den Vers nicht, sagt gleich d'een seyde Öodt gJieve Jieni dis ritte
= 478.
Von allen diesen Drucken steht L. (Ad.) der Grundfassung näher,
als die andern, welche wieder eine Gruppe bilden.
f. Gruppe V.-H., F., A. If, XI. Fehler der Gruppe: 283. 344.
Lesarten 258, 324, 349, 741, 745, 748. Hier stimmt L. mit N. und
IL Aus Ad. zu erschliessen, dass die Gruppe V.-H., F., A. II, XI,
(XII) auch sicher allein stand in den Versen 1834, 192G, 2095. Es
ist kein Grund anzunehmen, dass auch in L. die Fehler der Gruppe
in folgenden Versen vorhanden waren: 249, 547, 581, 989, 1442,
1727, 2127. Als Beleg gebe ich die beiden obengenannten Verse
283 und 344.
283. dar durch ir do beregent N. fe.s dan regnet H.) ; gy werden beregent
L. ; daz ir an mir da begere^it V.-H. ; an mich thut begeren F. ; ir dann
an mich da begeret A. II, XI, XII.
344. fie ftunderi an einen and/iren ian N. H. ; ya^n L. ; an ein andern
an V.-H, ain ander bahn F. ; auff ein anders an A II, XI, XII.
Von der Untergruppe sondern sich als naheverwandt und der
Grundfassung fernerstehend deutlich ab A. II und XI (XII).
«
g. Gruppe A. II, XI. Gemeinsame Fehler 95, 305 f. (Erweite-
rung um zwei Verse), 534, 561, 040, 775, 954, 1403, 1514, 2138.
Hierzu kommen noch Lesarten, bezl. veränderte Wortformen 102,
281, 730, 708, 1000, 1125, 1150, 1221, 1272, 1315, 1043, 1080,
1708, 1780, 2088, 2151. Als Beispiel gebe ich
534. Nur nmb die halb und nit in plnrali N., H., V.-H., F.; Nur umb die
fragt ich nicht in plnrali A. 11; Ihnb die frag ich XI, XII.
Zu vergleichen auch die oben schon angeführten Verse 417 und 344.
h. V.-H. nnd F. V.-H. und F. können sehr wohl von demselben
Druck abgeschrieben bezl. gedruckt sein.
Allerdings hat V.-H. an drei Stellen, in Vers 908, 1015 und
1187 die alte richtige Lesart, wo F. mit den späteren Drucken einen
gemeinsamen Fehler hat. (908 rath für räch, 1015 fich für fie, 1187
thut eucrn für thu euer,) Doch hat hier V.-H. wohl auf das Richtige
zurückgeraten, wie für F. in Bezug auf Vers 477 anzunehmen war.
96
i. Stammbaum.
A. I
Es sind mindestens fünf Kalenbergdrucke verloren gegangen, von
denen uns kein Exemplar erhalten oder bisher bekannt ist.
Eine Vergleichung der Bilder- bezgl. Kapitelüberschriften (ausser
in V.-H., wie natürlich, fehlen die Holzschnitte in XI und XII) und
der Holzschnitte selbst bestätigt diesen Stammbaum durchaus. Dass
die Vermutung von Ad. Schmidt (a. a. 0.), dass die Holzschnitte von
N. und H. in direkter Beziehung ständen, nicht zutrifft, geht daraus
zur Genüge hervor, dass nur H. mit den übrigen Kalenbergdmckon
in der Darstellung des waschenden Pfarrers, nur N. mit ihnen in der
Doppeldarstellung des geschlagenen Thorhüters und Studenten über-
einstimmt. Weitere Beschreibungen unterdrücke ich als überflü^sig
und gebe nur für das Verhältnis der Bilderüberschriften ein Beispiel.
Ilie kumpi de pfarrer geritten mit feinem rofs auff dem miftmagen m de^s
fürfien fal N., H.
feinem j^fc^'tt cm ff dem niiftwagen in des fürsien fcd gen Wien V.-H., F.
Pfatrer mif einem Miftwagen gen Wien gei'itten und gcfaren A. II.
gefi Wien gefahren und geritten XI, XII.
Die Stellen, an denen sich uftter zwei oder mehr Drucken Ucber-
einstimmung zeigt, die durch obigen Stammbaum nicht erklärt wird,
lassen in ihrer Vereinzelung nur die Erklärung zu, dass hier der
Zufall spielte. Die zwei Stellen, die in dieser Hinsicht zuerst autfalliii
scheinen, teile ich mit. Im übrigen handelt es sich um leicht er-
klärliche Kleinigkeiten.
411. Ich hob erst nä/'hten linfen gassY.-U.^ N., F., A. IL Die Lifisen die
ich nmhten afs H., XI, XII.
1643. das will ich thun V.-H., N., F. ; das soll fein H. ; nun das foll fein
Reimwort klein cf. 103) A. II, XI, XII.
Der Grund, weshalb einzelne Drucke an diesen Stellen änderton,
liegt nahe. Zufällig wurden selbständig hier von zwei Druckern die-
selben, allerdings nicht fernliegenden, Aenderungen vorgenommen.
Der oben mitgeteilte Stammbaum wird dadurch nicht im geringsten
zweifelhaft.
k. Der Ebelingsche Text. Dass K. Meyer über das Verhältnis
der Drucke nicht klar wurde (cf. a. a. 0.) lag erstens natürlich daran,
97
dass ihm zu geringes Material zu Gebote stand (es fehlten V.-H.,
H., A. II, XI), zweitens aber auch wohl daran, dass er den Text
Ebelings, angeblich nach einem Druck von 1500, als gleichwertig
berücksichtigte. Eine solche Behandlung kann aber der Herausgeber
für seinen Text nicht beanspruchen. (Vrgl. die Kritik Strauchs
Jahresber. für neuere Litt. 1890.) Dieser wunderliche Ealenbergtext,
der nach dem Herausgeber früher im Besitz des verstorbenen Buch-
händlers Werl in Leipzig war und nun nach England, man weiss nicht
an wen, verkauft ist, passt in die im übrigen völlig klare Text-
entwickelung gar nicht hinein. Hinter 636 (= N. 634) hat der Text
eine überschüssige Zeile, mit den beiden vorigen reimend, ebenso
hinter 2127 (2124), was in den vorliegenden Kalenbergdrucken nirgends
vorkommt. Von den drei Versen 634 — 637
[ich will]
1. Euch euer Pfarre nimmer lan.
2. Seit ich das Spiel gewonnen han,
3. Will ich noch weiter setzen dran,
sind 1 und 2 der alte Text (auch in N.), in XI und XII finden sich
2 und 3. Hier setzt nämlich X nach der Lücke von 34 Zeilen wieder
ein (cf. oben). 1 wurde als unvollständig fortgelassen, Zeile 3 ist ein
nicht gerade glücklicher Notbehelf von X. Diese Stelle findet sich
gerade mitten in dem Abschnitt des Ebelingschen Textes, der, wie der
Herausgeber (Einl. Seite 15 Anm.) sagt, in dem Druck von 1500
fehlte. Hier liegt also ein beabsichtigtes Zusammenarbeiten des Textes
von N. und X vor. Ebenso in diesem Abschnitt (495 — 668) V. 547,
641 = N.; 581 == X.
Der übrige Teil des Textes, der also aus dem Druck von 1500
stammen soll, stimmt mit dem Text von XII (vom Jahre 1620), der
nur ein Abdruck von XI (1611) mit ganz geringen Aenderungen ist
(cf. oben), nicht nur in den der Gruppe A. II, XI, XII angehörenden
Ijcsarten 305 ff.*), 1813 und in Lesarten und Fehlern (auch Druck-
fehlern), die nur XI und XII gemein sind (1780, 1829 f., 1920, 2027
fieder), sondern sogar in ganz singulärer Lesart von XII (2027 in dem
nassen^ cf. oben). Ausserdem sind einige Konjekturen von der Hagens
aufgenommen ohne Hinweis (525, 1742, 2010). Andererseits enthält
der Text singulare Lesarten und Fehler von N. (121 f. Keimpaar
eir — mir st. ipart — fart, 332 ee st. me, 1192 donü st. domit) und
sogar einen Lesefehler von Bobertag (2004 cf. oben). Solange man
diesen alten Druck nicht selbst sehen kann, darf man ihn nicht
berücksichtigen.
1. Arbeitsweise der Drneker, bezgl. Absehreiber des hochdentsehen
Textes. N., V.-H., F., XI, XII hielten sich im ganzen, abgesehen von
der oben schon erwähnten Auslassung der 24 letzten Verse in XI
(XII), sehr genau an den ihnen vorliegenden Text. V.-H. hat aller-
. *) Hier wieder die Verszahl nach N. citiert.
Niederdeatsohes JAhrbuch. XX.
dings einige — unabsichtliche — Aenderungen mehr, wie es bei einem
Abschreiber natürlich ist.
Die Aenderungen in H. sind, wenn auch immer noch unbedeutend,
doch zahlreicher und etwas weitergehend (34. 239 f. etc., Auslassungen
gegen den Schluss) als die der genannten Drucke. A. II hat nur ganz
unbedeutende, den Sinn nicht berührende Aenderungen, di« aber auch
in beinahe jeder Zeile.
m. Arbeitsweise der Uebersetzer. (L. und Ad.) Was bei der
so sehr fragmentarischen Gestalt der niederdeutschen Uebersetzung
über die Arbeitsweise des Verfassers festgestellt werden kann, ist von
Mantels und Schröder (a. a. 0.) gesagt. Im allgemeinen hält sich
der Üebersetzer sklavisch genau an seine Vorlage. Er scheut sich
nicht einmal, wo er etwas missverstanden hat, völlig Sinnloses in
seinen Text aufzunehmen. Andererseits versuchte er sich doch auch
zweimal im selbständigen ^Dichten^, zuerst in Bezug auf die etwas
anrüchige Linsengeschichte. Hier war ihm eine Fassung bekannt, die
ihm besser gefiel, als die hochdeutsche. Ob sie schon vorher mit dem
Kalenberger in Beziehung gesetzt war, oder nicht, ist natürlich nicht
zu entscheiden. Ausserdem fugte der üebersetzer bei der Ankunft des
Pfarrers am bischöflichen Hofe einige Verse hinzu, die gewiss sein
Eigentum sind. Dass der niederdeutsche Üebersetzer sonst nichts
Selbständiges hatte, das nennenswert wäre, ging schon aus E., geht
jetzt noch klarer aus Ad. und der Uebereinstimmung dieser Fassungen
mit dem hochdeutschen Text hervor. Aber gerade wegen des im
allgemeinen engen Anschlusses des niederdeutschen Textes an seine
hochdeutsche Vorlage wäre er, wenn vollständig, bei seiner Stellung
innerhalb des Stammbaums für die Textkritik sehr wichtig; wobei
allerdings zu bemerken ist, dass bei der grossen Uebereinstimmung
von z. B. N. und F. der Textkritik sehr wichtige Fragen überhaupt
nicht zu entscheiden bleiben. (Zur thatsächlichen Verwendung von L.
für die Textkritik cf. oben Abschnitt f.)
Auf Ad. und die Arbeitsweise seines Verfassers gehe ich noch
weiter unten ein. Hier, wo es sich um den Wert für die Textkritik
handelt, bemerke ich nur: Die Uebersetzung nahm allerdings das im
niederdeutschen Text Gebotene meist fast wörtlich hinüber, sodass
noch an einigen Stelten die deutschen Reimworte durchblicken, aber
die Uebertragung aus einer Sprache in die andere verwischt hier, wo
es sich in der Textkritik um Kleinigkeiten handelt, doch soviel, dass
ich nur drei Stellen angeben konnte, wo Ad. zur Herstellung des aus
A. I geflossenen Textes massgebend sein konnte (cf. oben). Da aber
A. I selbst an zweien davon erhalten ist, so schwindet die Bedeutung
von Ad. für die hochdeutsche Textkritik fast gänzlich.
n. Schlussresultat fBr die Textkritik. Ausser in den gegen 300
Versen, die in A. I erhalten sind, ist einem kritischen Texte N. als
der treuere der beiden nach A. I ältesten Drucke zu Grunde zu legen,
da die hochdeutsche Vorlage von L., die offenbar (cf. oben) fehler-
freier war, als N. (H.), uns nicht vorliegt. Die Vorlage von F. (V.-H.)
enthielt schon etwa eine gleiche Anzahl Fehler, wie die Vorlage von
N. (H.). Selbstverständlich wäre aber in N. aufzunehmen, was sich
in Anbetracht des nachgewiesenen Verhältnisses der Drucke als
ursprünglicher, als der Text von N. erweist. Vers 654 — 735 (in N.
ausgerissen) sind wohl besser mit Zugrundelegung von F. (V.-H.)
wiederherzustellen, als auf Grund von H. Ob aber ein dringendes
Bedürfnis für einen solchen kritischen Text vorliegt, ist wohl sehr
zweifelhaft, besonders da mit Hülfe der obengemachten Mitteilungen
jeder den Text von N. in der Bobertagschen Ausgabe in den meisten
wichtigen Punkten säubern kann, da die anderweitige Ueberlieferung
dazu eine sichere Handhabe bietet. Die paar Stellen, die ausser
denen, die schon ohnedies eine Stelle in den obigen Ausführungen
gefunden haben, noch nennenswert sind, gebe ich hier: Es ist zu setzen
51 ufigeheur st. geheur, 279. das im ereürnet gante der mut. 496. ich
st. er. 497. den st. der. 519. den st. der [drei], 766. [neun]. Kon-
jektur nötig : 753. fchleichent? aus fchleicMiehen, das auch die Grund-
lage des fchlechtlichen der andern Drucke sein kann. Ursprünglich
vielleicht fleidichen (fleischlichen), cf. Lexer. H. dem Sinne entsprechend
hat frischlichen.
IL Der herstellbare hochdeutsche Text des
Kalenbergers.
Der kritische hochdeutsche Text des Kalenbergers, der auf die
oben angegebene Weise gewonnen wird, ist sicher von dem Text, wie
er in A. I vollständig vorlag, nur sehr wenig verschieden. Zu diesem
Urteil berechtigen uns die von A. I erhaltenen Verse. Es liegt meiner
Ansicht nach auch durchaus kein zwingender Grund vor, anzunehmen,
dass das Werk Philipp Frankfurters jemals wesentlich anders gewesen
ist, als der herstellbare Text. Sicher hat in der ursprünglichen
(mündlichen) Erzählung vom Kalenberger der Herzog den Pfaflfen auf-
gefordert, in seiner besten Hofweise zu kommen, woraufhin er auf dem
Mistwagen kommt (cf. Schröder, Jahrb. XHI, 150), — der englische
Uebersetzer kam beim Durchdenken des Stoffes von selbst auf diese
Aufforderung zurück ; ebenso sicher wird der Bischof dem Kalenberger
ursprünglich eine Aufforderung ^^gahens zu ihm zu reiten^ (in dieser
oder ähnlicher Form) geschickt haben, woraufhin dann der Pfarrer
halb geht, halb reitet ; aber beides wird in Frankfurters Text nie ge-
standen haben. Die Form ist durch den ganzen Text hindurch über-
all gleich ungeschickt, und wenn auch inhaltlich der Verfasser die
meist trefflichen, wenn auch zum Teil etwas derben Schwanke in der
Hauptsache garnicht schlecht wiedergiebt — ich erinnere nur an die
Stellen, wo lateinische Worte eingemischt sind — so hatte er doch
wohl nicht Ueberlegung oder Scharfsinn genug, eine unvollständige
Ueberlieferung, wie sie in diesen beiden Fällen gewiss vorlag, zu er-
100
ganzen. Was er wusste, gab er nach Art der Volksballaden springend,
ohne Einleitungen, mehr in Gesprächen, als eigentlicher Erzählung.
Er wusste, das Publikum, für das er reimte, kannte die Schwanke
schon, die ihm selbst gewiss aus mündlicher Tradition gekommen
waren, wenn er auch scheinbar auf schriftliche Quellen Bezug nimmt
(2159 f.). Daher genügt mangelhafte Anknüpfung (hinter 251 und
1357) und sogar äusserste Kürze im Schwank selbst (713). Das enge
Zusammenrücken der Schwanke bringt an einer Stelle den Verfasser
dazu, einen inneren Zusammenhang zweier Züge anzudeuten, die ur-
spininglich zweifellos jeder selbständig (oder mindestens anders ver-
knüpft) waren. (Die wunderliche Art der Ankunft des Pfarrers am
bischöflichen Hofe und die Heilung der Blindheit des Bischofs.) An
anderer Stelle erscheint als selbständig, was in engem Zusammenhang
mit den vorigen und folgenden steht: das schamlose Waschen des
Pfarrers am Bach, das nur ein Mittel ist, sich die junge ;,Kellnerin
zu lösen,*' wie hier der Drucker von H. durch eine Aenderung in
seinen Text richtig hineinbringt. Es sind also auch noch inhaltliche
Unebenheiten genug im dem herstellbaren Text vorhanden, die aber
dem wohl auch auf mangelhafte Ueberlieferung angewiesenen Reimer
zur Last fallen werden. Offenbare Fehler des Textes finden sich
ausser dem oben angeführten Fehler von A. I 1744 noch in 1230 und
1478 ; an beiden Stellen gewiss Versehen des aus A. I hervorgegangeneu
Druckes oder von A. I selbst, dem ja sogar auch^noch ein anderer
Druck vorangegangen sein könnte. Beide Stellen sind von Bobertiij»
— gewiss richtig — conjiciert. Den Fehler 1890 (auch A. I) auf den
K. Meyer hinweist, nit unverholen statt nit verholen traue ich al^
eine Gedankenflüchtigkeit dem Verfasser selbst zu. Zu conjiciereo
gewiss 825, auf fehlerhafter in V.-H. erhaltener Fassung beruhend:
wohl tvar kein kunder mit A. U, XI, XII herzustellen. 479? So einen
statt £fu einem. Möglicherweise ist noch hier oder da in einer der
mir sonst nicht bekannten Phrasen ein Fehler vorhanden. Aber wirk-
liche Unklarheit im Zusammenhang ist höchstens an zwei Stellen vor-
handen. 1) In der Doppellösung, die der alte Pfarrer auf die letzto
Rätselfrage des Kalenbergers giebt (569—573). Er will wohl die
garnicht schlechte Lösung geben: Ich habe jetzt Mangel, was ich
vorher nicht gehabt habe etc. {Ich han 558 ist unter allen Um-
ständen als ich habe gehabt aufzufassen). An diese Lösung, die ent-
schieden besser ist, als die geschraubte Lösung, mit der der Kalen-
berger herauskommt, knüpft sich durch erklärliche Gedankenassociation
die Lösung, das ewige Leben, aber nicht das irdische haben, die sich
aber nicht durch das ganze Rätsel durchführen lässt. Die unleugbare
Schwierigkeit, diese Gedanken auszudrücken und die erwiesene l'n-
geschicklichkeit des Reimers sind vielleicht schon eine' genügende
p]rklärung für die Verse 5()9 — 573. Es bleiben nur öoch die Verse
025, G2(), die in den Zusammenhang nicht hinein passen, wenn man
sie wie Bobertag auffasst. Sollte mit Rausch das sobenannte Karten-
spiel, mit Tausch die belr. Karte oder der Würfelspiel wurf gemeint
161 V ^
sein? Es wären dann zwei Spielvorschläge, über die gleich weg-
gegangen wird. Kommt aber Tausch etwa auch als Name eines be-
stimmten Würfelspiels vor, so wären wohl mit F. die Reimwörter um-
zustellen und ein Rausch als ein Anlaufe ein ^iel zu nehmen, was
entschieden die befriedigendste Lösung wäre, da Brett und Würfel sehr
wohl zusammen gebraucht werden konnten. Jedenfalls geht aus dem
Gesagten wohl hervor, dass der herstellbare Kalenbergtext keineswegs
als ein in hohem Masse verderbter zu betrachten ist und dass Philipp
Frankfurter ihn ungefähr so gereimt haben kann. Eine sehr lange
Zeit hat ja auch zwischen der Abfassung und dem Druck nicht gelegen.
Herr Prof. Schröder hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass Vers
7 bis 9 doch nur als Hinweis auf eine deutsche Rhetorik zu verstehen
und dass eine solche vor Mitte des 15. Jahrhunderts nicht nach-
gewiesen und nicht anzunehmen ist. (cf. H. Zs. 37, 26 ff.)
ni. Der niederländische Text.
Der Amsterdamer Di*uck von 1613 ist (cf. oben) ein so gut wie
genauer Abdruck des niederländischen Prosatextes aus dem Anfang
des 16. Jahrhunderts. Dieser war wahrscheinlich zu Antwerpen ge-
deckt (cf. Schröder a. a. 0.). Ob die Sprache von Ad. dies bestätigt,
wird ein des Holländischen und Flämischen Kundiger aus den nach-
folgenden Textproben von Ad. leicht erkennen. Ad. scheint mir hier
eine besondere Beachtung zu verdienen, erstens als direkter Ausfluss
der zum weitaus grössten Teil verlorenen niederdeutschen Uebersetzung
und auch als Erzeugnis der nahverwandten niederländischen Litteratur,
die in diesem Jahrbuch vielfach ihrer selbst willen in den Kreis der
Forschung gezogen wird.
Ad. ist, natürlich vom hochdeutschen Grundtext ausgehend, die
weitaus selbständigste der vorhandenen Kalenbergfassungen.
Ausgelassen ist an längeren oder wichtigeren Stellen:
1) die Einleitnng, in der der Dichter von sich selbst spricht (1 — 31), ebenso
die Nachrede (2167—2180);
2) die ganze Geschichte von den Hauern (296 — 398);
3) die Lösnngsversnche des alten Pfarrers auf die letzte Bätselfrage des Eal.
(569—573) ;
4) der Witz des Eal. beim Znsammentreffen mit dem Bischof (736 f.);
5) der Witz des Eal. beim Znsammentreffen mit dem Weihbischof (810
bis 816);
6) das Trinken der Herzogin mit dem Ealenberger (1096 — 1124).
7) der Schwank mit dem Hackbrett (1218—1240) ;
8) der Scherz des Herzogs (dn willst die Hosen auch wohl flicken lassen
1451 f.);
9) der Witz des Eal. von den Schlehen (1462—1475);
10) das Uebersehen der Herzogin durch den Eal. (1732—1749).
Das Fortlassen von 1. war selbstverständlich; 4 5 und 7 im
Niederländischen naturgemäss wohl nicht wiederzugeben, 3 gewiss über-
haupt nicht verstanden; 6, 9 und 10 waren dem Uebersetzer wohl zu
102
witzlos; 8 übersah er vielleich einfach, aufiallig nur die Fortlassung
von 2. Die Situation des zu Berg und zu Thal Hauens (hier durch
die schlechten Holzschnitte keineswegs klarer gemacht) mochte ihm
nicht deutlich sein. Damit fiel allerdings aueh die vorzügliche Ge-
schichte fort vom Raben als Feierabendverkündiger.
Ausserdem manche kleine Auslassungen, Kürzungen und Aende-
mngen.
Ein systematisches Vorgehen des Uebersetzers, wie es aus den
angeführten Auslassungen hervorgeht, tritt auch in den Zusätzen zu
Tage. Die Situation wird durch sie geklärt, oder, wo nötig, über-
haupt erst gegeben.
Dies letztere ist der Fall am Anfang der Geschichte vom Chor-
decken : Als hy nu een tijt de Kercke ghedient had / Co fach hy dai de
Kercke vermUen tvas I fo dat m^ niet drooghe daer in flaen en conde /
fo fprac hy: etc. (N. 242 ff.) und beim Besuch der Herzogin beim
Pfarrer: Hier nae ginck de Hertoginne by den Beert aent vyer efide
befach wat de Kerckheere feien coekte / ende Cy vandt alle paiten ydel
etc. (N. 1063 ff.). Die Situation wird geklärt in Bezug auf den Kai.
und seine beiden zwanzigjährigen Schaffnerinnen durch den, allerdings
ungeschickt eingeschobenen Zusatz : ende alffer yemandt quam foo gifidi
hy fe verberghen / ende dede ßjn dingen Cdfs / op dat hem de BirCchcp
niet en foude quellen (zwischen N. 1044 und 1045). Gleichwertige
kleine Zusätze hat Ad. in der Verhandlung der Bauern mit dem Pfarrer
über das Kirchendecken und an zwei Stellen, wo Ad. einmal eine ver-
derbte (N. 923 cf. oben) und einmal eine von L. selbständig zugesetzte
unklare Fassung vorlag (Ankunft des Kai. am bischöflichen Hofe).
Durch eine Aenderung brachte er die oben besprochene Stelle
625 f. in Ordnung: ende nae den eten liet die van kalenberch cornen
een verkeerbert ende Ceyde tot den Ouden : laet ans fpelen waeromme dai
gy wilt, Neen / Ceyde die oude I ick en fal niet fpelen maer wüdy
anders avontuealijck (f) eijn: Ick ntangele niet (gedruckt met): kerdi
om kerck / g^y de mijne / ende die u is mijne etc. (also des Kai. Vor-
schlag zum Spiel abgelehnt, statt dessen wirklicher Tausch). Die
übrigen Zusätze, die vielleicht noch eine Anfuhrung verdienten, ich
zähle deren acht, geben Reflexionen der handelnden Personen und an
einer Stelle des Uebersetzers selbst. Auf diese Weise entstand in Ad.
ein Kalenbergtext, der viel einfacher und klarer ist, als die zu Grunde
liegende hochdeutsche Reimfassung.
Allerdings wurden nicht alle Mängel derselben beseitigt. So
blieb der Schwank vom Schuhflicken noch ohne den wünschenswerten
einleitenden Satz und wurde auch des Fürsten Aufforderung an den
Kai., in seiner besten Hofweise zu kommen, vom niederländischen
Uebersetzer noch nicht neu gefunden. An zwei Stellen, wo er, wie
schon erwähnt, bessernde Zusätze machte (in der Unterhandlung
bezügl. des Chordeckens und bei der Ankunft des Pfarrers beim
Bischof), lässt der Text immer noch zu wünschen übrig. Auch Ad.
eigene Verderbnisse fehlen nicht ganz. N. 738 ist als Wort des Kai.
103
genommen, nachdem der Witz, auf den der Vers sich bezieht, ganz
fortgefallen ist, und noch ein paar andere Kleinigkeiten (ich zähle
drei solche Stellen, zu denen auch die mehrfach erwähnte letzte
Rätselfrage des Kai. gehört, deren ohnehin mangelhafte Fassung hier
noch unklarer erscheint), die aber sehr wohl schon L. zur Last fallen
können. Im ganzen kann das Schlussurteil über die niederländische
Prosafassung nicht zweifelhaft sein. Sie ist in Bezug auf die lieber-
einstimmung von Inhalt und Form nicht nur ein Fortschritt gegenüber
der hochdeutschen Keimerei, sondern auch für sich betrachtet ein acht-
bares Litteraturdenkmal. Zum Beweise dessen und zugleich als Ergänzung
der in diesem Jahrbuch (1887) erschienenen, am Anfang unvollständigen
englischen Uebersetzung eben dieses niederländischen Textes drucke ich
hier den Anfang von Ad. (die Fischkaufgeschichte) ab. Bei meiner geringen
Kenntnis des Niederländischen wage ich keinerlei Textänderungen.
Nach einem gereimten Prolog von elf Zeilen.
Hier begint die materie des Boecx
Hoe een Clerck eenen grooten Visch cochte, om dien te schencken den
Hertoghe van Oostenrijck.
In die oude Chron^cken der Hertoghen van Oosterijc vinden wy beschreven,
dat in den t\jden van den denchdei^cken Prince ende Hertoghe Otto van Oostryck /
woonde in die machtige sta^t van Weenen een Borgher r^'ck ende machtich van
ghoede / ende een Raedtfheere van der felver Stadt / Die eenen armen Clerck
om Gods wille hielt in f^'n huys die ter fcholen ginck / ende leerde feer neer-
stelijc / op dat hy namaels foude mögen comen tot den Priesterlljcke ftaet /
welcke Clerck feer cioeck was van ßnnen / ende fnbtyl van verstände / alft
blijcken faL Soo ghevielt op eenen t^jt dat hy ginck met ßjnen Heerfchap ter
vifchmerckt / daer hy veel volcx fach ftaen aen een vifvanck / fo liep de Clerck
daer oock / om te beßen watter te doen was / fo lach daer een grooten Visch /
dat defgelijcx niet meer gesien en was / in de ftadt van Weenen / ende de
Visch was soo groot van gelde / dat hem uiemandt coopen en wilde / om dat
de Vifcher daer mede fo coftelijck was. So peyfde die Clerck in ^jnen Anne /
ViB wonderlijck waer m^n avontuere geleghen is / ic fal defen vifch coopen /
om te befchencken daer mede den Hertoge, den denchdeiycken Prince / can ick
gelt ghecrygen. Aldus is de Clerck te hnys gegaen tot fynen Heere / fegghende :
Ic bidde u lieue beere / dat ghy myn wilt leenen
A2.
leenen alfoo veel gelts dat ick hem coope den ghrooten Visch die hier te merckt
comen is / ic foude hem schencken onfen Hertoge / op avontnere oft my de
Visch mijn gelnck in brochte / ende de Raedtfheere dede den Clerck alfo veel
gelts dat hy den Visch cochte / ende dedefe (!) brengen in fyns beeren hnys.
Doe feyde de Clerck: mijn lieve beere / ghy moet myn leenen cleederen / als
een Tabbaert / een wambays / eenen mantel een paer niewe fchoenen / dz ic fo
eerlijc voor den Hertoghe comen mach / ickt falt weder tegen n verdienen als
ic can. Ende die Baedtfheere dede alle dingen die de Clerck op hem begheerde.
Hoe de ftudent quam voor des Hertogen poorte, daer hy den poortier
gheloven moefte, hem mede te deylen die vvederghave des Hertoghen
d'vvelck hy dede.
Ais hem de Clerck nn eerlycken gecleedt hadde / foo ginck by na der
Horcht / ende de dragbers volghden hem. Ende als de Clerc aen de bmgghe
104
qnam / foo betaelde hy de dragers / ende uam felven den Visch ende ghinck
op de Borcht tot voor des Hertoghen Säle daer hy clopte aen de poorte. Doe
quam de doorwachter / en feyde: vriet / wat begeerdy (ende hy fach hem den
grooten visch hebben). De Clerck feyde: ick fonde geeme den Hertoghe fpreken.
Neen, feyde de doorwachter / ghy en fult daer foo niet in / gy en fnlt my eerst
geloven by uwer waerheyt fo wat u den Hertoghe gheven fal dat ghy dat met
my deylen fnlt / woerom de Clerck ghram wert / maer hy en condet niet ghe-
beteren / das moefte hy den doorwachter geloven by fynen eede ende fgner Man
warheyt dat hy hebben wilde.
Hoe de Clerck fchenckte den Vifch den Hertoghe Ende hoe de Clerck
met die ftocken gheflaghen wert.
Als de Clerck den doorwachter die gelofte gedaen had / foo wert hy in
ghelaten / ende qnam in der Sälen daer de Hertoge was met fijnen Heeren /
dien hy den Vifch fchanck / en de Hertoghe nam hem in grooter weerden
/ en feyde : Mijn goede vriendt / fegt my wat n begeeren is / ic falt doen nae
mijner macht. Doe feyde de Clerc / Genadighe Prince / ick en begheer na ter
tijdt anders niet / dan dat ghy twee van nwe dienaers laet comen / ende laet
my binden banden ende voeten / ende dat fe my dan wel flaen met ftocken.
De Hertoghe feyde : dat en fal ic niet doen / want dat waer een groote fchande
van my / ende een yegelijck fonde my des oneere achter my fpreken die dat
fonden hooren fegghen / want gy ons eerweerdichz ende dencht bewefen hebt ,'
waerom ons dit dnnckt zijn een wonderlijke bede. Doen feyde de Clerck: will
doch mijn bede volbrenghen / ten fal u doch niet costen landt oft lieden. Als
de Hertoge hoorde dat hy dat ymmer begeerde / fo ontboodt hy twee van fijnen
knechten die den Clerck bonden banden ende voeten / ende floegen he over al
f\jn lijf met stocken. Als de Clerck aldns gheflagen was / foo feyde de Hertoghe :
Nu feght ons ghy jonghe man hier af n meyninghe. De Clerck feyde : genadige
beere / als ick voor u poorte qnam met defen Vifch / ende nwe genade geeme
gefproken hadde / fo en wilde my n doorwachter niet in laten / ick en moefte
hem geloven by mgneu eede / ick fonde hem gheven die helft van myner giften /
dat my nwe ghenade gönnen fonde: hlerö op dat ic mijneu eedt nijten mach '
fo begeer ick van nwe ghenaden / dat ghy nweu Doorwachter voorft. datel^jck (laet)
laet comen / ende gheeft hem die helft van mijder (1) gaven / jae al heeft hy
meer dan ick / ende de meefte helft / ick en fal niet ghram daerom zijn / noch
kijven. Doen werdt de Hertoghe lachende / ende dat beviel hem feer wel .'
ende hy dede voor hem comen den doorwachter / ende feyde: Wie heeft n foo
ftont gemaeckt / ghy valfche Man / dat ghy de lieden fchatten fönt die my
geerne fpraken? waer af de doorwachter ontverwede in ^jn aengeücht van fchaemten
forghende dat hem de Hertoghe fonde doen dooden / ende hy badt om genade /
feggende dat hy't in fchimpen en boerden gedaen hadde. Doe feyde de Hertoghe :
ghy fnlt nwen loon hebben / ende half defe ghiften die defe jonghe Man heeft
gehadt. Ende den doorwachter worden banden en voeten ghebonden / ende
werdt feer gheflagen dat hy^t wel acht daghen lanck gevoelde / ende wat hy
riep ofte claechde / ten halp hem nz / hy moefte de helft van der ghiften met
hem draghen. Ende als dit aldus ghedaen was / foo feyde de Hertoghe tot den
Clerck: Qhy jonghe man / wat is nwe hanteringhe? De Clerck feyde: Ghenadig^he
beer / ick ben een arm fcholier / ick foude geem Prijster ^jn / maer myn goet
is te cleyue / dns foo bidde ic nwer genaden / dat ghy my doch wilt helpen
tot defen ftaet / ick fal nacht ende dach voor n bidden. Doe feyde de Hertoghe :
de eerfte Kercke / oft beneficie oft proeven die myn fal bevallen te gheven /
105
die fal a z^n. Ende als dit de Hertuge nuch fprack qaamen daer twee eerbaer
mannen tot den Hertoghe / die hem tijdinge brochten dat de Kerckheere v. K.
gestorven was / ende dat henlieden eenen anderen vau noode was. Doe fprack
de Hertoghe tot den Clerck: Na gaet / ende regeert n wel / ick geve n die
Kercke / bewaert n feele en nwer onderfaten fielen. Dies de Clerck blijde was /
Hierauf einfach und kurz Uebernahme der Pfarre und erste Rede
(N. 219 — 241), dann die oben angeführte Stelle Als hy nu een tijt de
Kercke ghedient had etc., mit der wir in den englischen Text hinein
kommen. Der Vollständigkeit halber noch ein paar Worte über
IV. Die englische Uebersetzung von Ad.
Es ist keineswegs eine sklavische Uebersetzung von Ad. (cf. K. Meyer,
a. a. 0.). Doch ist nur eine grössere Partie fortgeblieben, der ganze
Rätselstreit des alten Pfarrers mit dem Kai., dessen erstes Rätsel
achthalb Schaf) im Englischen nicht wiederzugeben, und dessen zweites
und letztes Rätsel (cf. oben) unklar war. Die Zahl der kleinen Aende-
rungen ist sehr gross. Sie sind nicht alle gleichwertig, zum grössten
Teil aber sind es wünschenswerte Kürzungen. Die in Ad. noch ent-
behrte Einleitung zum Schwank vom Schuhflicken und die Botschaft
des Herzogs an den Kai. wurde von E. ergänzt. Also wenn auch
dem englischen Uebersetzer naturgemäss eine geringere Arbeit zufiel,
als seinem niederländischen Vorgänger, so ist seine Fassung doch
wieder ein Schritt vorwärts.
Es liegt uns in E. ein, durch die Entwickelung allerdings ver-
kürzter, aber im ganzen wohl lesbarer Kalenbergtext vor.
ALTONA. Wilhelm Koppen.
106
Zu den
altsächsischen Bibelbruchstücken.
Braehstäcke der altsächsisehen Bibeldichtang aas der Bibliothcti
Palatina. Herausgegeben von K. Zangemeister und W. Braane. Heidel-
berg 1894. 8^ (Sonderabdrack aus den Neuen Heidelb. Jahrbüchern,
Bd. IV, S. 205 — 294, wo auch auf sechs Tafeln eine vollständige Licht-
druckwiedergabe der Handschrift gegeben ist.)
Durch einen Bericht Prof. Braune' s in der Beilage zur Allgemeinen
Zeitung vom 9. Mai 1894, Nr. 106, wurde die wissenschaftliche Welt
in freudige Aufregung versetzt. In Rom, unter den aus Heidelberg
entführten Schätzen der ehemaligen Bibliotheca Palatina hatte der
Leiter der Heidelberger Universitätsbibliothek, Prof. Zangemeister,
einen lateinischen Codex gefunden, der auf einigen leeren Blättern
Bruchstücke einer altsächsischen Bibeldichtung enthielt, und zwar
ausser einem sich genau mit dem Texte der uns bekannten Hss.
deckenden Bruchstücke des Heliand auch drei Fragmente einer poetischen
Bearbeitung der Genesis. Diese wenn auch noch so spärlichen Ueber-
bleibsel einer altsächsischen alttestamentlichen Stabreimdichtung
mussten das Interesse aller Germanisten um so mehr erregen, als
man auf das Zeugnis der sogenannten Praefatio gestützt schon früher
das Vorhandensein einer auch das A. T. umfassenden as. Bibeldichtung
vermutet hatte, und von Prof. Sievers im J. 1875 in der Schrift „Der
Heliand und die angelsächsische Genesis*' die Behauptung aufgestellt
war, dass uns in einem Teile der angelsächsischen, früher dem Dichter
Kädmon zugeschriebenen „Genesis*^ eine Uebersetzung aus einem alt-
sächsischen Originale vorliege. Diese mit glänzendem Scharfsinn ver-
fochtene Behauptung blieb aber immerhin eine Hypothese, hat jetzt
aber durch den Römischen Fund ihre volle Bestätigung erhalten, da
der Zufall uns in der Vaticanischen Hs. gerade ein Stück der alt-
sächsischen Genesis erhalten hat, das sich Wort für Wort mit dem
entsprechenden Teile der angelsächsischen Genesis deckt, wodurch
jener bereits von Sievers als Uebersetzung angesprochene Abschnitt
des ags. Gedichts als wortgetreue Uebertragung eines im Vaticanus
nur zum kleinsten Teile erhaltenen as. Originals erwiesen wird. —
Rascher als man hoffen durfte, ist nun der vorläufigen Mitteilung
Braune's die Veröffentlichung der wertvollen Fragmente erfolgt. Der
Text liegt in buchstabengetreuem Abdruck vor. Lichtdrucktafeln er-
möglichen die Nachprüfung jedes etwa zweifelhaften Schriftzeichens,
und von beiden Herausgeberp ist trotz der kurzen ihnen zu Gebote
stehenden Zeit alles zur Erläuterung Notwendige in einer alle billigen
107
Wünsche vollkommen befriedigenden Weise hinzugefügt worden.
Mittlerweile hat der Kreis der nächsten Interessenten Zeit gefunden,
sich eingehender mit dem kostbaren Funde zu beschäftigen und seine
in Einzelheiten von den Ansichten der Herausgeber abweichende
Meinung laut werden zu lassen. Wenn mir dadurch auch Vieles von
dem, was ich als Berichtigung oder Vervollständigung meinem Referate
über die Zangemeister-Braune'sche Veröffentlichung hinzufugen konnte^
schon vorweggenommen ist, so habe ich doch auch den Vorteil,
zugleich mit meiner Besprechung des Werkes selbst auf die mir bis jetzt
bekannt gewordenen Kritiken^) desselben Rücksicht nehmen zu können.
In ihrer gemeinsamen Arbeit giebt zuerst der glückliche Finder
eine genaue Beschreibung der Hs. (Cod. Pal. lat. no. 1447). Sie
stammt aus Mainz und ist eher in der ersten als in der zweiten Hälfte
des 9. Jhs. geschrieben; der Inhalt ist astronomisch -kalendarischer
Art. Auf zwei ganz und vier teilweise leergelassenen Seiten finden
sich nun die Stücke der altsächsischen Bibeldichtung eingetragen,
deren Schrift Z. als eine „mit grosser Wahrscheinlichkeit noch in das
9. Jh.*' gehörige bezeichnet. Nach der Meinung dieses bewährten
Handschriftenkenners sind alle Bruchstücke von einer und derselben
Hand geschrieben, die auch die Korrekturen eingetragen hat.
Bemerkenswert sind noch die nekrologischen Notizen, die in ein auf
Bl. 12' bis 17^ stehendes Kalendarium im 9. und 10. Jh. nachgetragen
sind. Es sind folgende Namen: Rathelm^ Baue laica, Ibet laic, Magada-
bürg, Ercanrat, Hcinrihc rex, womit nach Ausweis des Datums Heinrich I.
gemeint ist, Litädtdf latc.Wdfhedan^ Lipharius^ Magab (= Magdeburg).
Aus den beiden auf Magdeburg bezüglichen Einträgen Hesse sich nach
Zangemeister schliessen, dass die Hs. dort oder in einem nahen nieder-
sächsischen Kloster sich befunden habe, wozu auch die Angabe des
Todestages Heinrichs I. stimmen würde. Kögel (a. a. 0. S. 19) macht
dagegen geltend, dass dann Magathabtirg geschrieben sein müsste, auch
sei der Lautstand der Eigennamen rheinfränkisch. Das ist richtig,
ja man könnte Gewicht darauf legen, dass Bathelm und Ercanrat im
sächsischen Gebiete sonst ungebräuchliche Namen sind. Aber andrer-
seits ist Ibet bisher nur in Corvey nachgewiesen, auch die Abkürzung
Ibbo findet sich mehrfach in Norddeutschland, und Baue zeigt als
Frauenname die Endung -e, wie sie in Corveyer und Paderbomer und
andern sächsichen Urkunden des 10. und 11. Jhs. häufig vorkommt.
(Das von Förstemann PN, S. 195 aus Goldast angeführte Bave kann
ich nicht feststellen, es wird wohl für Bavo stehen.) Ausserdem ist
*) Galläe, T^dschr. v. Nederl. Taal- en Letterk. XIII. — Symons, Over
fragm. van eene ouds. bewerkmg der Genesis in Versl. en meded. der Amsterd.
Ak. Letterk. 3. R. XI (1894). — Liter. Centralbl. 1895, S. 26. — S i e v e r s in
ZfdPh. 27, 534. — Siebs, Allg. Zeitung 1895, Beil. Nr. 45 und ZfdPh. 28, 138.
-- Holthausen, ZfdA. 39, 52. — Jellinek, ZfdA. 39, 151. — Kögel, Die
as. Genesis. Strassb. 1895. — Nicht zugänglich ist mir: Hench, Mod. language
notes IX, 8. — [Nach Abschluss meiner Besprechung erschienen noch : Ries, Zur
as. Genesis ZfdA. 39, 301 und Jellinek, Bruchst. der as. Genesis AfdA. 21
(1895), 204 ff.]
108
die Möglichkeit zu erwägen, duss im neunten und zehnten Jh. in
sächsischen Klöstern auch geborne Franken leben und schreiben konnten,
wie z. B. auch die älteste Heberolle des Klosters Corvey von einem
Nichtsachsen geschrieben und dadurch mit vielen nichtsäcksischen
Namensformen angefüllt ist. Mir scheint deshalb die fränkische
Schreibweise der Namen nichts gegen die Möglichkeit zu beweisen,
dass die Kalendereintragungen in Sachsen gemacht sind. Da, wie
gesagt, Ibet bei Förstemann nur durch die Trad. Corb. belegt ist, so
richtet sich unwillkürlich der Blick auf Corvey als mutmasslichen
Wohnort des Mönches, der die nekrologischen Notizen eintrug. Siebs
(a. a. 0. S. 142) weist auch auf die nahen Beziehungen liin, die
zwischen Corvey und Magdeburg durch die Uebertragung der Reliquien
des big. Justinus von M. nach C. bestanden. Die Tradition des einen
Ibet (Cod. trad. Corb. ed. Wigand, Nr. 197) fällt nach der Berechnung
Mart. Meyers (Z. alt. Geschichte Corveys und Höxters; Päd., 1893,
S. 8 und 9) in die zweite Hälfte des 10. Jh., es können also der
Ibet der Corveyer Traditionen und der Ibet laicus des Kalenders ganz
gut dieselbe Persönlichkeit sein. Vermutlich ist auch der Ibed in der
Tradition Nr. 188 bei Wigand derselbe Mann, da das in seiner
Schenkung genannte Holtushusen das Holtensen sein kann, das nicht
sehr weit von dem in Nr. 197 genannten Heynem (= Einem bei
Stadtoldendorf) liegt; vgl. Dürre in Ztschr. f. vaterl. Gesch. u. Alt. 41.
S. 112 und 118. Indessen scheint es gewagt, aus dem Zusammen-
treffen des Namens, der doch nur zufällig uns so vereinzelt überliefert
sein kann, einen sicheren Schluss zu ziehen. Erwähnen will ich noch,
dass im N. Arch. d. Ges. f. ä. d. Gesch.-K. 20, 681 darauf hingewiesen
wird, dass die Namen Liutdulf und Baue im sächsischen Königshause
vorkommen, doch wird vor einer voreiligen Identificirung gewarnt, da
man für so vornehme Tote eine andere Bezeichnung als laicus und
laica erwarten müsste. Die Annahme Kögels, dass die as. Bruchstücke
in Mainz in den Codex eingetragen seien, weil in der Hs. sich ein
Vermerk vom J. 1479 befindet, dass die Hs. der Mainzer Dombibliotliek
gehöre, und die Hinweisung auf Hatto, den Erzieher Ludwigs des
Kindes, und die in der Familie Ludwig des Frommen vererbte Vorliebe
für die as. Bibeldichtung scheinen mir durch nichts gestützte Ver-
mutungen. Denn die von K. bemerkten Spuren rheinfränkischer
Orthographie, die sich übrigens zum Teil ebenso im Cott. finden,
beweisen höchstens die Tätigkeit eines in Rheinfranken gebildeten oder
in rheinfränkischer Schreibschule geübten Schreibers, sei es des
Originals oder der Bruchstücke selbst; dieser Schreiber konnte aber
ebensogut in Sachsen leben xwie am Rheine, ja konnte ein geborner
Sachse oder Friese sein.
Z. lässt die Bruchstücke alle von einer und derselben Hand ge-
schrieben sein (S. 9), gewisse Verschiedenheiten im Charakter der
Schrift giebt er zu, erklärt sie aber dadurch, dass das Ganze nicht
in einem Zuge und mit derselben Feder geschrieben sei. B. (S. 24)
möchte zur Erklärung verschiedener Differenzen in den Bruchstücken
109
(Behandlung des h, Accente) drei verschiedene (Genesis I und III;
Gen. II; Heliand) Schreiber annehmen, hält aber doch schliesslich
Z.'s Meinung für wahrscheinlicher. Sievers (a. a. 0.) glaubt deutlich
drei durch palaeographische Eigentümlichkeiten (g, &, or als Ligatur)
zu unterscheidende Schreiber erkennen zu können (A = Gen. 1 — 26,
108—110 und 151—337; B = Gen. 27—150 mit Ausnahme von 108
bis 110; C = Hei.), stimmt also ganz genau mit B.^s auf Beobachtung
von orthographischen Verschiedenheiten beruhender Annahme von drei
Schreibern in der Abgrenzung der einzelnen Hände zusammen, nur
dass er die iVa ersten Zeilen auf Fol. 10 b. (Taf. IV) noch A zu-
schreibt. Ich glaube diese durch Anwendung verschiedener Kriterien
gewonnene Unterscheidung einzelner Schreiberhände durch Hinweis auf
andere orthographische Besonderheiten noch verstärken zu können
(s. weiter unten). Uebrigens ist ja jeder in der Lage, diese Frage
mit Hülfe der dem Texte beigefügten Lichtdrucktafeln zu prüfen. Er-
wünscht wäre auf den einzelnen Tafeln die Angabe gewesen, welchem
Teile des Textes sie entsprechen ; bei der ersten Tafel stört der Um-
stand, dass der untere Teil des folgenden Blattes, statt durch ein
weisses Blatt verdeckt zu werden, mitphotographirt ist, wodurch man
zuerst ganz irre wird. —
An Zangenmeister's Beschreibung der Hs. schliesst sich Braune's
Anteil der Arbeit, der die Bruchstücke nach ihrer Bedeutung für
Sprache und Litteratur behandelt. Er bespricht zuerst die Anordnung
der Blätter und giebt dann, um die Einheitlichkeit der Vorlage, die
ja jeder a priori für das Wahrscheinlichste halten wird, nach Möglich-
keit zu stützen, auf S. 12 — 24 eine Zusammenstellung der Sprach-
formen der Bruchstücke und ihre näheren und entfernteren Be-
rührungen zu den anderen Heliandhss. Daran knüpft B. eine litterä-
geschichtliche Betrachtung der Genesisbruchstücke und ihr Verhältnis
zur angelsächs. Genesis, wobei er im Gegensatz zu Sievers die von
diesem als Interpolation des ags. Dichters ausgeschiedene Stelle
(371 — 420) auch als Uebersetzung aus dem ags. Originale in Anspruch
nimmt. Mit Verweisung auf die eingehende Besprechung des ersten
Genesisbruchstückes durch Kögel in dessen Litteraturgeschichte geht
dann B. (S. 27) gleich auf die Analyse des zweiten und dritten Frag-
mentes über, bespricht die Kunst des Dichters in der Komposition
seines Werkes im Verhältnis zu seiner biblischen Quelle und kommt
zur Ueberzeugung (S. 29 und 34), dass der Verfasser der Genesis-
fragmente und des Heliand eine und dieselbe Persönlichkeit seien.
Hierin schliessen sich Kögel, Siebs (Beil. z. Allg. Zeit 1895,
Nr. 45) und Symons dem Herausgeber an ; doch wollen B, und Kögel
die Abfassung des Heliand vor die der Genesis legen mit Berufung
auf die ,höhere Stufe des künstlerischen Schaifeus', auf der der Ver-
fasser des Genesis stehe. Symons dagegen hält an der in der Praefatio
genannten Reihenfolge, altes Testament, dann neues Testament, fest,
welcher Ordnung auch Siebs den Vorzug giebt, weil er in der Genesis
ein weniger reifes Werk als den Heliand sieht und sie deshalb für
110
eine Anfängerarbeit halten möchte. Noch weniger günstig über den
Dichter der Genesisbnichstücke urteilt Sievers (Z. f. d. Ph. 27, 538),
der ihn für einen Schüler des Helianddichters erklärt, ja geradezu
einen ,Stümper' nennt, ,in allem, was Vers- und Stilbehandlung angeht,
der seinem Meister auch in der Kunst des geschlossenen Aufbaues der
Gedanken nicht gewachsen' sei. Diese sich so schroff gegenüberstehen-
den Ansichten zeigen, dass wir uns auf einem Gebiete befinden, wo
dem subjectiven Ermessen ein weiter Spielraum gegeben ist, und zu
unanfechtbaren Ergebnissen wird man wohl schwerlich gelangen. Es
kommt eben sehr viel darauf an, wie man sich zu den Angaben der
Praefatio stellt; wer ihr in dem wesentlichen Stücke ihrer Mitteilung
traut, dass ein Dichter altes und neues Testament in sächsischer
Sprache dichterisch behandelt habe, wird an der EinheitUchkeit des
Dichters der nur lückenhaft und von verschiedenen Schreibern über-
lieferten Reste festhalten, wenn diese auch in Sprache, Stil und Metrik
mehr Verschiedenheit zeigen sollten, als es der Fall ist. Zwischen
Beginn und Vollendung der Dichtung kann nach den jetzt feststehen-
den Grenzpunkten immerhin ein Zeitraum von mehr als einem Jahr-
zehnt liegen. —
Es folgt dann der Text der gefundenen Bruchstücke, erst die
80 Verse aus dem Heliand, denen die wichtigsten Varianten von C
und M und die daraus sich ergebenden Grundsätze für die Kritik an-
geschlossen sind, dann die drei alttestamentlichen Stücke mit genauer
Angabe der Accente, Schreibversehen, Rasuren und Lücken der Hs. :
dem Texte von Genesis I (Rede Adams an Eva) ist der entsprechende
Abschnitt der ags. Genesis gegenübergestellt. An den Text schliessen
sich Anmerkungen, die besonders den Sprachgebrauch berücksichtigen
und durch Parallelstellen aus der ags. Genesis und dem Heliand den Text
erläutern helfen. Daran reiht sich von S. 65 — 71 ein grammatisches
Verzeichnis aller Wortformen und schliesslich von S. 71 — 93 ein alpha-
betisches Glossar und Namenverzeichnis zum Wortschatz der Genesis.
Die genannten Zugaben zum Texte sind mit solcher Genauigkeit
und Zuverlässigkeit ausgeführt, dass auch beim gewissenhaften Nach-
prüfen der Citate nur ganz verschwindend wenige Versehen festzustellen
waren. Da B., wie er selbst Seite 94 sagt, nur die ;, wichtigeren und
durch etwas reicheres Material in V vertretenen Erscheinungen*' der
Orthographie und Flexion in dem Abschnitt über das Verhältnis von
V zu den anderen Heliandhss. zusammenstellen wollte, so mag es mir
gestattet sein, hier die Ergebnisse einer kleinen Nachlese einzuheimsen.
S. 12 ff vergleicht B. die Sprachformen des V zunächst mit C,
der in wichtigen orthographischen Eigenheiten mit V übereinstimmt.
Noch enger ist aber die Verwandtschaft des V mit P, die B. aller-
dings erwähnt, aber nicht in einem besonderen Abschnitt behandelt hat.
Es sind folgende Punkte :
1) «0, ie an Stelle von ö, e des M; hier stimmt auch das in V
Hei. allein belegte (1280. 1296. 1319. 1328. 1329. 1330. 1332. 1336)
111
und in Genesis 36 mal (gegen 14 hie) vorkommende he zu P 993
(neben sonstigem hie), während G die Form he fremd zu sein scheint
(Gallee); thie überwiegt das seltenere the wie in C, in P nur thie.
2) io für iu ist in P im Verhältnis viel öfter vertreten als in C,
in welchem es sich nur um ganz vereinzelte Beispiele (s. Kögel, Ind.
F. III, S. 289) handelt; Für V ist dieses io aber nur in liodi neben
liudi zu belegen ; statt fiond, wie C meist schreibt, bietet V nur fiund.
3) Die kurzen Dative sg. m. und n. der pronominalen und st.
Adjectivdeklination ; diese hat ja auch C und das erste Drittel von M;
aber die auch von B. hervorgehobene grössere Altertümlichkeit in Be-
wahrung des auslautenden m in Y teilt in besonders auffallender
Weise das Prager Fragment, das keine anderen Formen kennt (sinum,
bejstom, hohom); dass damit die im ersten Drittel von M bevorzugten
Formen (vgl. meine Unters. S. 117 f.) stimmen, erhöht die Wahr-
scheinlichkeit ihres Vorkommens auch im Archetypus.
4) Gleich V (und C) kennt P kein -c im nom-acc-sg. fem., kein
-en im acc-sg. m. der Adj. decL, kein -en im Inf.
5) Gleich V (und C) hat P die Schreibung der Gemination im
Auslaute.
6) thana haben V und P (und erstes Drittel von M).
7) Das Verhältnis des auslautenden m zu « im dt. pl. stellt V
am nächsten zu P ; wenn C hier durch sein fast ausnahmsloses n am
meisten sich von den übrigen Hss. entfernt, so verrät sich darin die
grössere Jugend der Hs.
8) Wie P (und C) hat auch V in der u-decl. nicht selten, wenn
auch nicht so häufig wie beide andere Hss., -o; die Zahlen bei B.
sind nicht ganz richtig: sunu ist im Hei. zweimal 1282 und 1294
belegt; fäo in der Genesis dreimal (225, 281, 284), ausserdem bah-
54 und garo Hei. 1344, wo M garu hat.
9) Mit seinem häufigen -a«, besonders im acc. sg., in der schw.
Declination steht V auch wieder P am nächsten, der von dem einen
dat. alouualdon abgesehen für gen. und dat. keinen Beleg liefert, da-
gegen neben dem einen acc. auf -on (herron 997) vier acc. auf -an
gewährt.
10) Das überwiegende -as im g. sg. m. und n. der st. Declination
stimmt am besten mit dem durchgängigen -as in P.
11) Ebenso ist es im d. sg. derselben Kategorie.
12) In der regelmässigen Setzung von d stellt sich V auch wieder
am nächsten zu P, wobei noch die stete Schreibung mtd und das ver-
einzelte -id in der 3. sg. in V besonders in Gewicht fällt ; P hat zwei-
mal oder gar dreimal wtd (963, 969 (V), 1004) und die 3. sg. gerisid
(975) ist zufällig der einzige Beleg für die 3. sg. praes.
Ausser diesen zum grössten Teil schon von B. erwähnten Ueber-
einstimmungen sind noch folgende bemerkenswert:
13) Der acc. Ahrahama (160) entfernt sich von der bei Eigen-
namen üblichen Bildung dieses Casus in C, der nur -an oder -e kennt,
112
und findet seine Parallele in Crista P 991 und Krista M 657, während
sonst in M (wie in G) nur Krist gebräuchlich ist und auch sonst nur
— mit Ausnahme von Petrusen 3187 und Satanasan 1031. 1108 —
dem nom. gleichgebildete acc. vorkommen.
14) Die Schwächung der Endungs-i zu c, die Kögel a. a. 0.
S. 14 mit zu den Kriterien rechnet, die ihn zu einer Herabdriickung
der Hs. in den Anfang des 10. Jahrh. veranlassen und wozu ihm
keine parallele Erscheinungen aus den Heliandhss. bekannt sind, findet
sich auch in P: dope 961, gisauue 1001; auch die Vorsilbe ge- ist P
nicht fremd (gelicnessia 987, gerisii 975, gehuüih 975). Uebrigens
sind vereinzelte derartige Schwächungen in C und M nicht unerhört,
vgl. meine Unt. S. 192 f.; zum Vergleich mit den in V auftretenden
Schwächungen mögen folgende in C und M belegte Formen hier noch-
mal genannt sein: angegen Gen. 34 = M 346; hdega Gen. 306 vgl.
helegoda M 5973, helego M 1313; gereuuedi Gen. 246 vgl. anuuordeda
C 3305. gethigedi M 2066; there Gen. 298, -re Gen. 311 = there C
2682; sorogonde V Hei. 1357, uuaUande Gen. 184, gornunde Gen. 97
vgl. utULCoiande C 384; uuüe V Hei. 1339 vgl. gode M 3037; engelos
Gen. 157 vgl. manega C 1 ; menegi M 4838. 4842 u. ö. ; sauuen Gen. 304
vgl. licode C 992, andriede C 116. Für e im ppp., das in V neben
a und i dreimal erscheint (fargehen Hei. 1323. farliuuen Gen. 279.
adalboren Gen. 381), hat auch P in giborenaro 993 ein Beispiel neben
gicoranan^ ebenso gitogen in C 732; über M s. Unt. S. 231. Da nun
M und P bis jetzt dem 9. Jahrh. zugeschrieben wurden, so können
diese e in V uns nicht an der aus palaeopraphischen Gründen an-
genommenen Datierung der Hs. durch Zangemeister irre machen.
15) Der dt. sg. fem. der pron. Decl. geht in V fast ausschliess-
lich auf '0, jedenfalls niemals auf u, die gewöhnliche Endung in M,
aus (s. Braune S. 67); auch hierin schliesst sich V am engsten an
P an, wo nur -o belegt ist (963. 971. 972. 999. 1003), während C
durch 'U und -a sich teilweise mit M berührt.
16) Auch orthographische Eigenheiten werden von V und P in
besonderem Maasse geteilt ; so die Schreibung e^i- für j : P Giohannes
965. 977. 994. Giordanastroma 965; V Giordanas Gen. 266. giungaron
Hei. 1325. giungarduom Gen. 280. giamarmuod Gen. 50. gio Gen.
195. Hei. 1324. giu Gen. 12. Auch C und noch öfter M haben diese
Orthographie, aber nicht so häufig. Ueberhaupt erscheint bei dem
geringen Umfange der Vaticanschen Bruchstücke und des Prager Frag-
mentes die häufige Uebereinstimmung dieser beiden Hss. auch in Kleinig-
keiten der Schreibart, für die sich aus C und M immer nur vereinzelte Belege
beibringen lassen, besonders beachtenswert. Auch ist zu berücksichtigen,
dass manche Eigenheit von V vielleicht nur zufällig in P nicht belegt
ist, so kommt z. B. in P kein Wort vor, in dem die in V so stark
zu Tage tretende Vorliebe für den Svarabhaktivocal sich zeigen könnte :
ebenso fehlt ia an Stelle von io in P wohl nur zufällig (io 963. 972. 998 ).
Es ist aber misslich, von den orthographischen Eigentümlichkeiten
der Hs. auf die Vorlage zu schliessen, da wir es ja überall mit den
113
Sclireibgewohnheiten des letzten Schreibers zu thun haben können.
Dazu kommt, dass die Bruchstücke unter sich auch in einzehien Punkten
der Orthographie nicht übereinstimmen. Braune selbst hat S. 22 ff.
auf zwei Unterschiede in der Schreibung zwischen Gen. und Hei. V
hingewiesen, nämlich auf die Behandlung der Accente und des h^
femer (S. 36) die Häufigkeit der Nasalabkürzung und S. 70 das
alleinige Vorkommen von -er statt -ar im 3. Genesisfragment hervor-
gehoben. Auch hier lassen sich noch einige Beobachtungen anreihen.
Auf 76 gi' in der Gen. kommen 12 ge-, im Hei. dagegen auf 18 gi-
6 ge-. Dabei ist auffallend, dass ge- besonders häufig vor uu erscheint:
Gen. 46. 105. 117. 155. 267. 272. 272. Hei. 1317. 1339; das hat
wohl keinen lautlichen, sondern nur einen graphischen Grund, um
durch e an Stelle von i die fünf gleichen Grundstriche hintereinander
zu vermeiden; übrigens findet sich auch die Lautfolge gi -f- «u . .
21. 27. 36. 43. 88. 107. 131. 193. 200. 205. 247. 263. 267. 312.
Aehnlich verhält es sich mit bi- und be-; in der Genesis kommen auf
16 bi- und 9 bi nur 2 be- (38. 251) und 1 be (93); im Hei. aber
auf 2 bi- (1310. 1346) schon 1 be- (1311); ebenso findet sich nur
im Hei. 1353 ne statt ni. Ferner hat der Hei. stets (8 mal) he, in
Gen. tritt neben überwiegendes (36) he häufig (14) hie; in Hei. nur
2 0 {tho 1279, godo 1344) neben 24 wo, während in Gen. die Fälle
für 0 verhältnissmässig häufiger sind. B. hat in seiner Aufzählung
S. 12 die Belege für tho vergessen: 34. 80. 89. 290. 293. 298. 310.
329. 330; dagegen hätte er dror-uuoragann weglassen sollen, da hier
offenbar vereinfachte Schreibung für uuuoragana vorliegt, wie in uuorig
46, tiuohsun 105, 123, uuopan 1352, neben denen uuuosk 87 als un-
gewöhnliche Orthographie erscheint; ganz ebenso vertritt anlautendes
uu die Lautverbindung wu in uuräun 103, 279, uurdiin 127, uumna
1349, giuunnan 263, uuruhun 306 neben dreifachem u in uuurdi 45,
uuundun 46, uuunnia 93, -uuurohtiun 93, uuunnion 138, uuunniun
1352 und vuunsamas 1325. Dieselbe Vertretung des uu durch ein-
faches u ist auch nach ä, 5, t und th Regel (vgl. huand. huar, huarobat,
-hwitan, hue, hueder, huerigin, hui, huila, huiiic^ huiriint, -huoroban;
suart, suara, snebal^ suei, suido, suigoda, suikan, suuUun ; tua, tucm,
tuetie, tuisk; thuingit; im Vergleich dazu ist die Schreibung mit an-
lautendem huu, suu selten (15. 33. 68. 191. 213. 232. 251. 255. 268.
279. 287. 312; 16. 151), der Heliand V kennt huu überhaupt nicht.
Auch C schreibt anlautend uuo in -uuoraga 678, uuohsun 2546, -uuohs
2656, uuohs 2859, -uuosteat 3699, uuostia 3701, uuol 4325, uuoi 5426,
uuopiandero 5687, uuopiandi 5744, uuop 5918; ebenso thuog 4505.
5475 u. 8. w. Ebenso steht im Merseburger Zauberspr. Uuodan neben
vuorun, vuoe, -guol, hluot.
Man könnte sich versucht fühlen, aus den Korrekturen tho 91,
romes 198 und lokoian 275 mit übergeschriebenem u zu schliessen,
dass die Vorlage des V durchgehends o gehabt habe, das vom Abschreiber
seinem Dialekte gemäss überall in uo umgesetzt, an diesen Stellen
aber zuerst versehentlich beibehalten und dann erst nachträglich in
Niederdeatfiohea Jahrbuch. XX. 3
114
uo korrigiert sei, wie ja auch für C (vgl. Sievers Einl. S. XV) ein
mechanisches Umsetzen von o der Vorlage in uo angenommen ist
Auch thuoh statt thoh^ suo^as^ te suoüan statt sodaSy sodan lässt ein
gedankenloses Umschreihen der Vorlage vermuten und afluf 94 fuhrt
eher auf ein vorliegendes ahof als auf ahuof. Die besonders im Anfang
von C begegnende Korrektur o mit übergeschriebenem u spricht eben-
falls für vorliegendes o und die vielen falschen uo für ö und 6 (= got.
au) scheinen am lautesten den Schreiber des mechanischen Umsetzens
von 0 in uo anzuklagen.
Die Korrekturen durch übergeschriebenes u und das einfache o
erklären sich indessen wohl am besten, wenn man annimmt, dass in
der gemeinsamen Vorlage von C und V nicht wo, sondern ö stand,
wie es sich ausser vereinzelten Beispielen in der Beichte und Bedas
Homilie ziemlich häufig in den Prudentiusglossen neben o und uo und
auch zweimal in den Essener Glossen (doma^ domian) findet. Die
fiüchtigen Abschreiber gaben diese ö zum Teil nur durch o wieder,
zumal da die Aussprache des Lautes noch nicht so bestimmt diph-
thongisch sein mochte, oder sie hielten nach ihrer Mundart zuweilen
0 für genügend zur Wiedergabe; später verbesserten sie selber oder
ein Korrektor durch nachgetragenes w. Bei diesem unsicheren
Schwanken kam es dann auch zu den falschen Schreibungen, indem
uo statt ö und ö (== au) gesetzt wurde (vgl. Jellinek, Beitr. 15, 305).
Dieses falsche uo findet sich vereinzelt auch in M (fruomod 2062), in
den Prudentiusglossen (afguod G\, II, 580, 44) und in den Ess. Gl.
{guoma Matth. 27, 36); vgl. auch Kögel im Anz. f. d. A. 19, 227,
wo er aus Isidor und Willirem Leid. Beispiele für uo an Stelle von
0 = au anführt. Für die Ursprünglichkeit des uo im Heliandtexte
sprechen ausser der Einstimmung von C, P und V noch folgende
Einzelheiten: auch M hat an einigen Stellen uo (206. 939. 2626.
2762. 2850. 2995. 3846. 4017. 4353. 4471. 4595. 5209 und ausserdem
häufig im Verbum duan, wo Beichte und Beda don und gedon schreiben),
von denen 4017 besonders wichtig ist, weil fruhrean noch deutlich
die Schreibung der Vorlage wiederzugeben scheint, s. Jellinek a. a. O.
S. 304; sluggun M. 2409 lässt in der Vorlage ein sluogun vermuten:
muosle C 66 kann jedenfalls nicht aus direkt vorliegendem cnosle
entstellt sein, sondern setzt cnuosle voraus; gadulinguon C 1450, nach
dem folgenden guod verschrieben, macht eben für dies Wort den
Diphthong wahrscheinlich.
Ich kehre zu den graphischen Verschiedenheiten in den Vat.
Bruchstücken zurück. Im Heliand geht der nom. pl. der AdjektiTa
nur auf -a (15 Fälle; sorogonde, von Br. S. 16 als -e gerechnet, steht
für sorogondi) aus, in Gen. 6 mal auf -e (gornunde von B. S. 68 mit-
gerechnet, steht für gornundi)] ebenso kennt Hei. im g. sg. m. und
n. nur -a«, nicht -es (Braune S. 16); ferner bietet Hei. neben 7 Formen
im praet. der schw. Verba auf -a, keine auf -«, wie Gen., und
schliesslich sind im Hei. im d. pl. die Formen auf -m selten (erlotn
1326, oärum 1347, mannü 1295) gegen 22 Dative auf -«, während in
115
Gen. 16 -m -f- 7 ü auf 38 -n kommen. Erwähnt mag auch noch
sein, dass sich im Hei. wenige Korrekturen und fast keine Abkürzungen
(nur 1295) finden.
Nächst P zeigt C die meisten Uebereinstimmungen mit V; den
von B. angeführten füge ich noch hinzu: -on in der 3. pl. praet.
uuaron 13, vgl. für C meine Unterss. S. 80, für M ib., S. 88. —
-a im g. pl. (Braune S. 68) ist in C häufiger als in M (Unters. S. 106).
— t/uis (viermal in Gen. und Hei.) = thas C 5427. (B. hält thas
irrig für sonst nirgends im as. belegt). — ti- (neben te-) vgl. ti C 20 u. ö.
— 4 in der 3. sg. und -at in 1. und 3. pl. — tekean 13; Beispiele
für e nach h sind in C häufiger als in M. — uuorquidi 190, vgl. über
Auslassung von d nach r und n in C Unters. S. 13. — dat. sg. thioda
Hei. 1314 stimmt mit der in C häufigen Form des Dativs thioda^ vgl.
Unters. S. 185 ff. — dt. sg. thistin 68 = thison C 4094. — 3. sg.
Ivhot 337 vgl. C 774 lehod. — Der verhältnismässig häufige Ausfall
von ; nach langer Silbe in rikero 1321, gilesto 1355, liodo 204, libben-
dian 135, libbendero 92, fegero 314, fegere 254, be^ero 13, Huomera 252
findet sich in C häufiger als in M. Dabei ist zu bemerken, dass
gerade der g. pl. von ;a- stammen in V wie in C (s. Unt. S. 109 Anm.)
mit einer Ausnahme {derehioro 310) auf -ero gebildet wird. — gidedos 44
stellt sich zu den aus C bekannten Belegen für die 2. sg. praet. auf
'OS und -as (s. Unt. S. 111).
S.- 13 ff. stellt B. dann die orthographischen Eigentümlichkeiten
zusammen, die V mit M teilt. Zu 1) ia ist zu bemerken, dass das
eininalige ea in fieatan Hei. 1319 in greatandi M 2996 eine Parallele
hat; unter den Belegen aus V fehlt diapun 29; breosfun 59. 84. 87.
stimmt mit M, während C brioston (Jmcston) hat. — Zu der in 4)
behandelten Altertümlichkeit der Endung des dat. pl. ist die Erhaltung
des auslautenden m in bium Gen. 64, wozu ebenfalls auch biQ 228
zu stellen ist (daneben biun 169), zu vergleichen; auch M hat durch-
weg in bium das m bewahrt (Unt. S. 154). — Zu 6 ist marean (acc.
sg. f. Hei. 1305) als eine nach dem masc. gebildete Analogieform noch
hinzuzufügen; oder liegt etwa auch hier ein Schreibfehler für mareun
vor, wie in enam Gen. 29 für enum ? — Zu 9) ist zu bemerken, dass
die n. acc. pl. der Adjectiva auf -e (S. 68) im V besonders in mehr-
silbigen Stämmen sich finden, gerade wie in M (vgl. Unt. S. 205);
die Formen gornunde Gen. 97 und sorogonde Hei. 1357 sind übrigens
nicht als n. pl. aufzufassen, dessen Endung -ia oder -ie ist, sondern
stehen für gornundi und sorogondi^ wie auch uuallande Gen. 184 neben
uaallandi 78 ; dieses aus dem nom. sg. in den pl. übertragene -i findet
sich häufig in C (z. B. 1013. 2575. 3431. 5514. 5672. 5741. 5744.
5872.) — Hinzuzufügen wären als Uebereinstimmungen zwischen V
und M ausser den von B. im Nachtrage erwähnten fiäan und gumo
(vgl. B,uch ginuman 94) noch: eu Hei. 1340. 1343 (vgl. die entsprechen-
den Formen in M bei Behaghel, Germ. 31, 381. — Mit den Formen
der 3. schw. Conj. sagat Gen. 51 und habas^ hatuxs (viermal) stimmen
die in M gebräuchlichen Belege sagad und habas (Unt. S. 239),
8*
116
während C abweicht. Hahes (200), das von B. S. 69 als Ind., S. 7s
als Conj. (Ind. ?) angeführt wird, möchte ich trotz des sonst den Conj.
verlangenden thuoh für den Indicativ halten, so dass auch in dieser Form
Uebereinstimmung mit M besteht; Hei. 118 hat auch C hahes {haues M).
Ein zweiter Beleg für die 2. sg. ind. der 3. schw. Conj. liegt in
ruomcs (198) vor, das nicht mit Br. (S. 61, Anm. zu V 198) in rttomos
zu ändern ist. — In der Schreibung hc£:to begegnen sich V, P und M. —
Als besonders charakteristisch für V hebt B. das starke Auf-
treten der Svarabhakti zwischen r und folgendem Labial oder Guttural
hervor. Dabei ist die Assimilierung des eingeschobenen Vocals nn
den Vocal der Stammsilbe zu beachten {haram, bcrega^ uuirikiau.
aoroga, hurug), wovon nur wenige Ausnahmen vorkommen : ntoragan,
ferah (neben fcrchas), feraht^ forahta (neben -foroht), -uuurohtiun (neben
geuuuruhte), huerigin, narouua, die doch wohl nur ungenaue Schreibungen
sind. In huarobat (49) liegt deshalb wohl auch nur ein Schreibversehn
für htuirabot vor. Unter den aus dem Hei. (S. 18) angeführten Be-
legen fehlt uuiriican 1290. — S. 21 If. behandelt B. einzelne V eigen-
tümliche Wortformen und berührt dabei einige Frisonismen innerhall«
des as. Textes, die auch Kögel S. 19 zusammenfassend bespricht.
Kögel hat auf diese auch in C sich findenden Spuren fries. Sprachi-
zuerst aufmerksam gemacht in den Ind. Forsch. III, 276 flf. und da-
durch ein entscheidendes Gewicht in die Wagschale gelegt tili: Werden
als Entstehungswort der as, Bibeldichtung; denn hier waren unter
Liudger und seinen nächsten Nachfolgern gewiss viele aus Liudger>
Heimat stammende Mönche, die ihre Schreibkunst wohl in Utrecht
erlernt hatten und deren Thätigkeit noch ihre Spuren in unsern H<s.
hinterlassen hat. Doch ist auch hier geraten, auf vereinzelte
Schreibungen nicht viel zu geben ; so halte ich guodo Gen. 229, in dem
Kögel eine dem fries. fremo (vgl. memgo C 10) entsprechende Bildunj:
sehen will, für einen durch das vorausgehende thinaro verursachten
Schreibfehler; mamgon Hei. 1314, von Kögel mit monigun Mers. Gl.
als friesisch erklärt, ist wie mavega C 1 eine auf Abstufung de>
Suffixes (vgl. auch hluodig 45) beruhende Nebenform, die im benach-
bjirten Fränkischen ebenso zu finden ist. Der Berührungen mit nieder-
fränkischen Spracheigentümlichkeiten sind überhaupt in dem Werdener
Dialekt — oder genauer in dem in Werden geschriebenen Sächsischen —
so viele, dass ihr Vorkommen in V, der auch hierin sich nahe zu C
stellt, nicht auftauen kann. Zu dem von B. als wichtigstes Beispit*!
hervorgehobeneu stvoid (2G9) gicbt Kögel (S. 20) weiteres Material ;
doch geht er, wie mir scheint, zu weit, wenn er aus einzelnen Formen,
ja aus vereinzelten orthographischen Schreibungen schliesst, dass der
Schreiber ein Rheinfranke gewesen sei. Die Auslassung von h in der
Lautgruppe ht findet sich z. B. auch in der Freckenhorster Heberolle
und anderen Denkmälern (s. Gallee Gr. § 132 a), ebenso ist die Um-
stellung dieser Lautgruppe zu th et>yas so wenig charakteristisches,
dass man darin unmöglich eine besonders nahe Beziehung zu der
Orthographie der Strassburger Eide sehen kann; ebenso wenig ge-
117
statten offenbare Fehler wie tranro^ trifig^ muodi (Hei. 1301, wohl
durch odmuoii der folgenden Zeile veranlasst) oder die Weglassung
des anlautenden A oder des ä in uuorquidi einen Rückschluss auf die
rheinfränkische Heimat des Schreibers; das dem Vat. eigentümliche
inlautende rfA, wodurch sich nach Kögel (S. 17) der Schreiber neben
den Weissenburger Katechismus, die Strassb. Eide und das Ludwigsl.
stellt, findet sich auch in den Werdener Urkunden (s. Lacombl. ÜB. 1, 13:
fridhubaldij hlucfhuuuiniy uualafridhi)» —
Zum Text der Bruchstücke möchte ich mir folgende Bemerkungen
gestatten. Hei. 1301 nimmt B. die von V und C überlieferte Lesart
an thesaro middügnrdun als richtige an und stellt (Anm. zu Gen. 52)
demnach auch ein- swf. middilgarda auf. Bis jetzt ist uns aber weder
im as. noch im ags. oder fries. ein swf. garda nachgewiesen, und es
scheint mir deshalb geratener in thesaro tniddügardun eine Entstellung
aus thesun middilgardun zu sehen, dem d. pl., wie er sich auch Gen. 52
findet, wo freilich B. der Heliandstelle zu Liebe in thesaro zu ändern
vorschlägt. Auch Kögel (S. 10) erklärt Gen. 52 thesun middilgardun
aus missverständlicher Auffassung des sonst unerhörten sw. fem. als
Plural. Der Plural ist aber in diesem Worte gar nicht auffallend;
auch von gard ist der pl. im Sinne von Erde mehrfach zu belegen
(Hei. 1696. 1769. 4496), Gen. 271 bedeutet ^ardoÄ Wohnung (vgl. ags.
fädergeardum fear Gen. 1053 und geardas in der Bedeutung von Haus).
Beim Schwanken des Wortes middilgard zwischen masc. und fem. (vgl.
P 1003 thesaro middilgard ^ wo C thesan hat), halte ich es für
wahrscheinlicher, dass aus ursprünglich vorliegendem thesun middil-
gardun C und V einzeln, oder was wahrscheinlicher, schon ihre ge-
meinsame Vorlage thesun in thesaro änderte ohne den d. pl. entsprechend
in den sg. umzuschreiben (vgl. M 5970 mit them grotun godes craft
statt theru; C 2182 at them burges dore = }A. at thera hurges dore;
C 281 und 5629 thesan uuidun tiuerold (-uld) aus thesa uuidun uu.;
C 5622 thesan uuerold alla. Dasselbe inconsequente Ueberführen von
Wortformen in ein anderes Geschlecht habe ich (Unt. S. 5) als Er-
klärung für C 4233 thie liohto sunna benutzt, wozu jetzt Gen. 20
thiu berahto sunna eine Parallele bietet. Ein weiteres Beispiel dafür
sehe ich in der Lesart des V 1314 undar thesaro manigan thioda.
Als Form des schwachen dat. sg. f. müsste man, wenn man überhaupt
von manag^ das im as. und ags. sonst nur stark flectiert wird, einen
schwach gebildeten Casus zulassen will, nach Analogie von Euun und
lognun eher manigun erwarten, obwohl auch für -on in suarton (Gen. 2)
ein Beleg vorliegt; thioda (theodo C^ thioduM) stellt sich aber zu den
von mir Unters. S. 186 behandelten gleichlautenden Dativen des Gott,
und bestärkt mich in der dort geäusserten Vermutung, dass neben
dem fem. thioda auch ein ntr. thiod bestand, von dem uns in thioda
der dat. sg. erhalten ist, während das zugehörige Demonstrativ aus
thesun in thesaro geändert wurde, manigon ist dann dat. sg. n. der
st. Adjektivflexion auf -ow, für den sich in V freilich kein Beleg
neben hlutrom (Gen. 67) und der sonst vorherrschenden Endung
'Un findet. Hat aber, wie ich glaube, die Annahme, dass in thesaro
middilgardun ein C und V gemeinsamer Fehler steckt, grössere Wahr-
scheinlichkeit für sich, als die Ansetzung eines sonst unerhörten svf.
middilgarda, so stellen sich C und V auch in Fragen der Textkritik
nur als Vertreter einer handschriftlichen Grundlage dar. —
In der Genesis ist v. 10 statt thes zu lesen them (ebenso Symons
a. a. 0. S. 149); der Ausfall von schliessendem m ist durch Ueber-
sehen des Abkürzungsstriches zu erklären (vgl Unt. S. 146). Auch
simlo Hei. 1327 {aimlon 1342), laro Gen. 140 (vgl. ünt. S. 62. 146
und 169) haben wohl aus demselben Grunde ein n eingebüsst. (Siebs
a. a. 0. S. 137 glaubt das Abkürzungszeichen noch zu erkennen.) —
V 22 wird von Holthausen (ZfdA. 39, S. 52) und Siebs (ZfdPh, 28,
S. 139) ergänzt: ni te skadoua (skadowe) ni te scura, wobei scur dann
die Bedeutung von Schutz (Schauer) hat. Auch ich war auf diese
Ergänzung verfallen, und diese Einstimmung mehrerer bietet wohl
eine gewisse Gewähr für die Richtigkeit; doch will ich bemerken,
dass in der anlautenden Verbindung von s H- Guttural vor nachfolgen-
dem a (scal, scalc)^ o (scolda), u (scura) der Vat. ausnahmslos nur
sc hat; sh findet sich — von skred and vom Auslaut in unosk 87
und tuish 125 abgesehn — nur vor i: skion 13. 286. skinü 19. Wenn
also noch deutlich sk in der Hs. zu lesen ist, so empfiehlt es sich ein
Wort mit nachfolgendem hellen Vokal einzusetzen. Als solches könnte
nur sküd in Frage kommen, das auch im ags. in der Bedeutung von
Schutz vorkommt.
V 29 ist enam diapun vielleicht Schreibfehler für enum diapan,
da die Endung -un als dat. sg. der schw. Decl. ebenso wenig belegt
ist wie -am für den dat. sg. der starken; für den dat. sg. m. der
Subst. ist -an häufiger als -on (s. Braune, S. 67). — V. 30 ist utiaran
schon von Holthausen (a. a. 0. S> 53) und Symons, S. 150 als
Infinitiv = uuaron erklärt, während B. darin eine sonst nicht belegte
3. pl. praet. auf -an sehen wollte; dazu hätte aber auch legarbedd
nicht als pl. gepasst, der nach Analogie von netti^ nettiu legarbeddi,
'beddiu heissen müsste. — V. 34 in kuman sehe ich mit Holthausen
einen Schreibfehler für guman; ich verweise auf die Prud. Gl. cumono
(Gl. II, 581, 64) und cumiski (583, 67). —
V. 288. Die verschiedenen Versuche das störende htUKtm zu ver-
bessern scheinen mir alle noch nicht gelungen, ohne das ich etwas
besseres vorzuschlagen wüsste. Holthausen will fruoiam als dt. sg.
zu daga lesen; Gallee (Tijdschr. XIII, 303) fora dagalioman, Siebs
(ZfdPh. 28, 141) huoani^ ein mit dem Suffix ja- aus dem Neutrum
hon gebildetes masc. = Hahn. Holthausen und Siebs operieren mit
unbelegten Wörtern ; wegen der Endung -am beruft sich H. auf enani^
das aber wahrscheinlich selber Schreibfehler ist; auch kennen ahd.
und mhd. wohl die Verbindung des Adverbs mit Morgen (früh am
Morgen), aber nicht des Adjektivs ; Siebs lässt das offenbar fehlerhafte
uoa stehen unter Hinweis auf duoas, duoan (196. 233), wo das a aber
doch nur durch Anlehnung an die entsprechenden Formen der binde-
119
vocalischen Conjugation entstanden ist. Gegen Gallee lässt sich sagen,
dass die im Hei. belegten Composita mit dag den Stammauslaut fallen
lassen (äagskimo^ dagwerk, dagthingi)^ man würde deshalb besser
schreiben fora dagas lioman ; lioman kann dann aber nur dt. sg. sein,
warum G. darin einen acc. sg. sehen will, verstehe ich nicht. Uebrigens
bleibt auch dann noch das Bedenken, dass fora in temporaler Be-
deutung bis jetzt im as. nicht nachgewiesen ist. Doch wird man,
wenn man nicht ganz radikal vorgehen will, den Fehler nur in huoam
suchen. Ist raten erlaubt, so möchte ich wenigstens auf uuanum oder
uuanami hinweisen, die sich in huoam versteckt haben könnten, ersteres
auf uhtfugal zu beziehen, letzteres zu einem gen. dagas gehörig. —
V. 296 hat die Hs. gietun^ was B. in hietun bessert, während Eögel
(S. 17) darin ein ietun „hiessen^ mit vorgeschlagenem j sehen will.
Die Möglichkeit gietun als gihetun (vgl. giordun 329) zu fassen, weist
B. zurück, weil in den redupl. Praet. sonst nur ie geschrieben werde.
Aber auch C, der mit V den Diphthong bevorzugt,' hat zuweilen e
(Sievers PBB. I, 506), und ebenso wie in he konnte der Schreiber des
Vat. auch in gihetun statt des ie der Vorlage e eintreten lassen. Doch
die Bedeutung giebt zu Bedenken Anlass ; für ,heissen^ setzt der Hei.
immer nur hetan^ het; gihetan bedeutet ,verheissen'. — Auch V.*322 hat
schon verschiedene Besserungsvorschläge hervorgerufen. Holthausen
(a. a. 0.): that is [sidj enig theg [na] ni [brukitj ac so bidod U an
doiseu [a], Siebs (a. a. 0.): that is segg(i)o enig thig nigienas; ac thus bi-
dodit an doiseu^ ,das von seinen Männern keiner irgendwo erwuchs,
sondern so ertötet im toten Meere;' nigienas soll adverbialer Genitiv
sein, der jedoch erst eines Nachweises bedarf; ausserdem fehlt vor
theg eine Negation. Jellinek (ZfdA. 29, 151): that is segg enig^ thegan
ni ginas^ ac so bühuuvgan uuard^ bidodit an dodseu. — Symons : that
(g) is (iäias) enig thegn(o) ni ginas (aus genas verbessert). — Cosijn
(bei Symons S. 154 angeführt): that is enig segg ni ginas ac so bidod
it an dödseu (bidod nimmt er wie Holthausen als 3. sg. von bidon),
— Sievers (a. a. 0. S. 536) nimmt hinter ac so eine Lücke an und
ergänzt uimrä.^ wozu dann bidodit an dodseu eine Variation bildet.
Wenn man Hei. 4371 that thar enig gumono ni ginas vergleicht, so
kann man kaum zweifeln, dass in ginas (ie ist Korrektur) das Prädikat
zu dem vor enig ausgefallenen Subjekte steckt. Dies wird segg (oder
im gpl. seggio) gelautet haben, ist aber aus irgend einem Grunde dem
Schreiber unverständlich gewesen, der es dann durch thegan oder
thegno zu ersetzen beabsichtigte, aber damit nicht zurecht kam. Zu
einer nochmaligen Aufnahme des Subjektes vor dem Prädikate liegt
aber kein zwingender Grund vor, ich schlage deshalb vor theg zu
streichen, wodurch dann alle Zusätze, die nur aus Rücksicht auf die
Alliteration zu thegan nötig erscheinen, überflüssig werden.
Zu den Anmerkungen Braune's S. 55 ff. möchte ich noch
folgende Beiträge beisteuern: 8. farbrekan kommt in übertragener
Bedeutung auch Ess. Gloss. zu Matth. 5, 20 vor. — 75. fluhtigun
steht Prud. Gl. (Gl. U, 583, 42). — 106. spähi kommt im Heliand
120
nur im nom. sg. vor, allen übrigen Formen liegt ein Stamm f^pcA zu
Grunde. — 154. B. erklärt fiunda barn für die Gott feindlich gesinnt-en
Sodomleute, was ihn dann veranlasst V. 155 uuisian in der Bedeutung
jZeigen, beweisen* zu nehmen; es bedeutet aber hier wie auch sonst
im Heliand ,anzeigen, lehren* und die fiunda barn sind wie in der
von B. selbst citierten Stelle (Hei. 3604) die bösen Geister, die Teufel.
(Ebenso Symons, S. 152.) — 166. Mit Holthausen (a. a. 0. S. 56)
möchte ich dem as. einen Infinitiv bügan zusprechen. —
229. guoda ist vermutlich nur Schreibfehler, dem vorausgehen-
den thinaro zu liebe. — 255. In allaro seltäa gihuuen und 287 an
allara seliSa gihuuem haben wir nun mit B. in Üebereinstimmung mit
dem g. pl. allara halha gihuilica Hei. 1987 eine lautliche Verkürzung
aus sdidono zu sehen ; die Form gihunen fehlt in meinen Unters, zwar
S. 116, wo sie stehen sollte, ist aber S. 146 angeführt, weil ich sie
für einen Schreibfehler hielt; übrigens steht die Form C 5405. —
286. Die von Kögel (S. 12) hervorgehobene Formelhaftigkeit der
Wendung narouua naht zeigt sich schon in der ungewöhnlichen Setzung
der schw. Form des Adj. (vgl. ags. vintercealdan niht bei Grein) ; die
von Kögel verlangte Bedeutung ,dunkel' hat auch das ags. in der auch
von B, angeführten Verbindung nihtes nearve (Grein, S. 287). —
304. Zu bralcon gehört auch as. braht^ Lärm. —
Dem Verzeichnis der in den Genesisbruchstücken vorkommendeu
Wortformen und dem Glossare habe ich folgende Bemerkungen hinzu-
zufügen. S. 65. tharf ist nicht m. sondern fem. — stridin hätte, wie
B. selbst Anm. zu 317 vorschlägt, als Ableitung von strtd zn den Adj.
gestellt werden sollen. — gidiuxn reiht sich besser den starken als
den schw. ppp. an. — S. 66. Die unter acc. pl. mit Fragezeichen
aufgeführte Form lango hätte auch beim acc. sg. nicht übergangen
werden sollen. Alle Accusativformen des st. fem. sollten übrigens
nach B.'s Bemerkung S. 65 unter dem nom. stehen. — S. 67. Zu gen,
sg. fem. firina fehlt im Glossar der Beleg. — ala ist, wie auch Kögel
a. a. 0., S. 11 bemerkt bat, nicht als dat. auf -a anzusehn, sondern als
consonantischer Dativ mit Abfall des A und gehört also zu f). —
diapun 29 ist nicht dat. sg. fem., sondern ntr. — Zum Instrumental
würde ich auch das von B. unter den dat. gestellte side rechnen mit
-e statt 'U ; treuuua (nicht treuua) 73 könnte auch als acc. sg. gefasst
werden. — S. 68 legarbedd ist sing., s. o. S. 118. — d. pl. uuordxi findet
sich zweimal: 109. 228. — S. 69. Beim Verbum vermisst man einen
Verweis auf die bei der Dedination behandelten Participia praes. und
Gerundia. — S. 69. Zu 3. pl. uicaran s. oben S. 118. — Zu hohes
s. oben S. 116. — Bei der Vollständigkeit, mit der im Glossar die
Belege für alle in der Genesis begegnenden Formen gegeben sind,
wäre auch die Einreihung aller Vorsilben in das Alphabet erwünscht
gewesen. — S. 73. Die Belege für briost haben alle nur eo. — S. 73.
don; zu fordön vgl. Ess. Gl. M. 27, 19 ne uerduo thi an thesanw guoden
manna. — S. 75. Zu filo fehlt der Beleg 284. — fldd ist als m. und
n. ? angesetzt; dazu liegt kein Grund vor. — S. 77 besser godforoht.
121
— S. 80. Die zu folc uuirdil gihuordhan tc als Erklärung hinzugefugte
Uebersetzung ,liingelenkt zu' könnte den Anschein erwecken, als sei
haerhan hier transitiv gebraucht; es ist aber eine dem im Hei. so
häufigen uuard cuman gleiche Verbindung, in der das part. praet.
seine aktive Bedeutung nicht aufgiebt. — S. 81. Die Form lebot ver-
langt den Ansatz eines inf. lebon, — S. 85. Bei den mit sk anlauten-
den Wörtern ist nicht konsequent verfahren ; in sconi^ scur hat B. sc
gelassen, in scalc, scarp, scatj sculan es durch sk ersetzt. — S. 86
fehlt ti 43. — S. 87 fehlt zum gen. sg. thes der Beleg 46. — S. 92
fehlt zu uuord der Beleg uuarom ttMorÖu 109. —
Schliesslich merke ich noch einige Druckfehler an : S. 37. Ueber-
schrift 1297—1358 st. 1279—1358. — S. 41. Anm. 2) uueralde st.
uuerdde. — S. 58. Anm. zu 84. breostun st. briostun. — S. 59.
96 tuSm st. tuuem. — S. 61. 162 st. 161. — 163. manna st. manno.
— S. 69. Infin. a) grimman st. grimmon, — Praes. ind. is 7 und
öfter. — st. praet. uuosk st. uuuosk. — S. 75. for thes side st. sida.
S. 87. Der Beleg für suuet hätte in der Form suet gegeben werden
müssen. — S. 90. utan bi thcru burug st. thera. — S. 91. uuerian n. pl.
geuueride st. giuueride»
In anderer Weise, als es Grein in seiner Uebersetzung des Heliand
(2. Bearb., S. 180) erhoffte, indem er sagt: „sollte ein solcher (A. u.
N. Test, enthaltender) Codex vielleicht in der 1623 nach Rom über-
geführten Heidelberger Bibliothek vorhanden gewesen und 1815 bei
der Rückgabe der altdeutschen Handschriften dort zurückgeblieben
sein?" ist die Angabe der Praefatio ' von dem Vorhandensein einer as.
dichterischen Bearbeitung des A. T. bestätigt worden. Aus Heidelberg
stammt der Codex der Vaticana und zwei Lehrern der Heidelberger
Universität gebührt der Dank der wissenschaftlichen Welt für die Auf-
findung der kostbaren Bruchstücke und ihre rasche und gediegene
Veröflfentlichung.
DORPAT, im Mai 1895. W. Schlüter.
122
Physiognomische Lehren.
Die Pergamenthandschrift des Sachsenspiegels v. J. 1342 (Ms der Bremer
Stadtbibliothek a 80»; Homeyer Nr. 79 (Ct w) enthält auf Seite 26 und 27 zwischen
Inhaltsangabe und poetischer Vorrede eine Zusammenstellung Ton physiognomischea
Bemerkungen. Ihre Schrift unterscheidet sich in nichts von deijenigen der übrigen
202 Seiten der Membran.
[8, 26^J Swese heuet en grot houet, de is gherne dorech. Wese
heuet en sennewolt houet unde korth, de is sunder wisheit.
Wese heuet en senewolt vorhouet, de is tomich. Wese heuet
en langhouet, de is vordachtig. Wese heuet en lutlic vor-
houet, de is hartsinnich unde en vretere. Wese heft en bred
vorhouet, de is carch. Wese heuet en hanghende antlat, de
is schemerne. Wese heuet en uer ecghet antlat, de is wis,
Wese heuet weck har unde clene hares, de heuet stapen
[8. 26^J sin. Wese heuet crus har, de is ghirich uppen penning.
Werne dat har hanghet sere up de oghen, de is grundich.
Wese heuet wit har, de is blöde.
Werne de oghen brau gat na to samene bi de nese, de
is be hende unde vordachtig in allen dunde. Wese heuet
langhe brän, de is grimich. Wese heuet blanke oghen, de
is wol sedich. Wese heuet gleisene oghen, de is kune. Wese
heuet grot oghen, de is en drenkere. Wese heuet swarte
oghen, de is sunderdech unde ghirich. Wese heuet lutleke
[8. 2>] oghen unde senwolde oghen, de is unstede. Wese de oghen
vele to deit, de is vruchtich. Wese de oghen uele openheuet,
de is dorich unde unschemerne.
Wese heuet grote oren, de sprict vele. Wese heuet
licghende oren, de is trach. Wese heuet grote nesen, de is
edele. Wese heuet ene smale langhe nese, de is licht mQdich
unde lichte umbedan. Wese heuet ene lutlike nese, de is en def.
Wese heuet enen sere widen mQt, de is en vretere unde
nicht sachtmudich unde böse. Wese heuet enen langhen kin,
de is tomich unde be droft. Wese heuet enen lutleken kin
unde kort, de is hatisch. Wese sprict dor de nese ofte
singhet, de is en loghenere unde bosdadich unde vrousich tu
de lüde schaden.
Wese heuet körte hande unde körte vinghere, de is
grundich uft def. Wese heuet langhe ufl clene vinghere, de
is woldadich unde erachtich. Wese heuet lutleke, de 'nis nicht
[8. 27^] wis. Wese langhen trede heuet, de is homodich. Wese kortt*
treden heuet, de is carch unde wedderstreuich Wese heuet
wit rode hut, de is hodreghendes müdes. Wese heuet wit-
bleke hut, de ne heuet neue doghet an sich.
BREMEN. Alwin Lonke.
i2i
Ueber die meeklenburgiseh-platt-
deutsehe Mundart
in Bemerkungen zu Riohey's Dialeetologia Hamburgensis
von Johann Christian Friedrich Dietz.
[Vorbemerkung. J. Ch. F. Diets ist 1765 in Wetzlar geboren, von 1786 bis
1812 anf&nglich Saccentor, später Snbrector an der Domschale in Güstrow nnd
daranf bis zn seinem 1833 erfolgten Tode Pastor zn Ziethen bei Batzebnrg gewesen.
Seine litterarische Thätigkeit, die bereits 1780 mit den in Rostock erschienenen
^Aufsätzen eines Jünglings* begonnen hatte, war sehr rege, wie das umfangreiche
Verzeichnis seiner theologischen, philosophischen a. a. Arbeiten aasweist, welches
'Das gelehrte Teatschland, angefangen von G. Ch. Hamberger, fortgesetzt von
J. G. Mensel. 6. Aufl. Bd. 2 S. 58, 9 S. 240—42, 17 S. 416 bietet. Erwähnung
verdienen hier nur seine Vermischten Bemerkungen über die Sitten, Litteratnr
und Aufklärung Mecklenburgs' in Winkopp's Bibliothek für Denker Bd. 2 St. 2. 6,
Bd. 3 St. 2—4 und die von ihm 1786 in 3 Stücken im Selbstverlage heraus-
gegebene litterarisch-kritische Zeitschrift 'Mecklenburgisches Museum'. Seine
Bemerkungen über die mecklenburgische Mundart waren bisher ungedruckt, sie
finden sich auf 12 von der Hand des Verfassers eng beschriebenen Qnartblättem
in einer Sammelhandschrift, welche allerlei der alten Berlinischen Gesellschaft für
deutsche Sprache in d. J. 1816—19 zugestellte Beiträge zur deutschen Mundart-
forschung umfasst.^) Zum Abdruck ist davon in dem 1820 erschienenen 'Jahrbuch
der Berlinischen Gesellschaft für deutsche Sprache Bd. V S. 218 nur die An-
merkung Über den 'Mettensommer' gekommen, die als besonderer Beitrag einer
Erklärung der nd. Ausdrücke 'Framsis und Kramsis' folgt, die gleichfalls von
Dietz beigesteuert ist. So erscheint hier zu Schluss des Jahrhunderts gedruckt,
was zu Anfang desselben Über die Eigentümlichkeiten der Mundart Mecklenburgs
und insbesondere der Stadt Güstrow im Vergleich zu der Hamburgs beobachtet
worden ist Den Abdruck verdienen die Bemerkungen um so eher, als sie die
frühesten zusammenhängenden Mitteilungen über die mecklenburgische Mundart
bieten und bei geringem äussern Umfange iuhalt- und lehrreich sind. Aus-
geschlossen vom Abdruck ist der Schluss der 'Nacherinneruug' geblieben, in dem
Sprachproben aus alten Urkunden zur Vergleichung mit der späteren Mundart
herangezogen sind. Femer sind in dem beigefügten Wörterverzeichnisse die Er-
läuterungen vielfach gekürzt. Zusätze des Herausgebers sind durch eckige
Klammern kenntlich gemacht. W. S.]
Vorerinnerung. Richey gibt in seinem Idioticon Hamburgense
(Hamburg 1755) nicht blos die Eigenthiimlichkeiten der hamburgischen
Mundart als solcher; sondern man lernt, wenn man die angehängte
Dialeetologia Hamburgensis hinzunimmt, die sogenannte plattdeutsche
*) Eine Inhaltsangabe der Handschrift giebt John Koch, Die ehemalige Ber-
linische Gesellschaft für deutsche Sprache und ihre Büchersammlung. Wissen-
schaftliche Beilage zum Jahresberichte des Dorotheenstädtischen Realgymnasiums
zu Berlin 1894 S. 31. 32.
124
Mundart überhaupt in ihren Abweichungen von dem Hochdeutschen
aus ihm ziemlich kennen; jedoch so, wie sie in Hamburg und nahe
bei Hamburg erscheint. Darum können Bemerkungen zu jenem
Werke, die das Abweichende und Eigentümliche der mecklenburgischen
Mundart anzeigen, von dieser einen ziemlich vollständigen BegriflF geben.
Hier ist zuerst ein Versuch solcher Bemerkungen zu der Dialectologia
Hamb., welchem Bemerkungen zu dem Wörterbuche und Sammlungen
bei Richey nicht vorkommender Wörter und Redensarten nachfolgen
sollen.
Zum 1. Hauptstücke (Kapitel): von den Selbstlautem. —
Was R. ein dunkeles a nennet, möchte ich lieber ein helles nenneD
und jenen Namen dem geben, was bei ihm hell heisst. Denn je mehr
der Mund geschlossen wird, desto dunkeler wird der Ton. Doch
drücken auch andere, selbst neuere Sprachlehrer sich hierüber aus.
wie Richey. Uebrigens wird das ihm helle, mir dunkele o in haben
usw. in dem Munde des Mecklenburgers dem o nicht so nahe gebracht
als von dem Hamburger; mancher Bauer aber nähert es dem au.
Statt Harken (Härlein) sagt der Mecklenburger Harken, aber so, dasb
das ä fast öä klingt und das r (wenigstens von den Meisten) sehr
stumpf abgequetschet wird. Marken (Marderchen) ist mir nie vor-
gekommen; der Marder heisst im Mecklenburgischen Mahrd^ welche>
fast wie Moahd klingt.
Zu S. 378 — 380. Das dunklere (von Richey mit e verglichene^
e wird in Mecklenb. vor r z. B. in sehr^ mehr, ehren gewöhnlich wie
% ausgesprochen, daher auch Manche, selbst aus höheren Ständen,
auch im Hochdeutschen sihr, mihr, ihren sprechen, welches man jedoch
jetzt viel seltener hört, als noch vor 30 Jahren. So ging ja ehemals
das griechische » (das schwerlich ein ä, sondern ein dunkles e war)
der Aussprache nach in i über. (Itacismus). Andere machen, wenn
sie hochdeutsch sprechen, aus diesem dunkeln e dasjenige, welches R.
mit 7) vergleicht, (wodurch er bezeichnen will, dass der Ton sich dem
ä nähert oder ein helles ä wird,) so dass in ihrem Munde jene Wörter
sähr, mähr, ähren klingen. Uebrigens wird das e (yi) Richey's in
Mecklenburg ganz wie ein helles ä gesprochen. Dieses helle ä aber
und das e (r,) werden eigentlich in Mecklenburg auf viererlei Art aus-
gesprochen. Der recht gebildete Mund nähert sie dem dunklern c z. B.
in Ehre, ohne jedoch mit dem Obersachsen Ähre und Ehre gleich
auszusprechen. Von den Meisten in Mecklenburg werden sie aber mit
etwas weiter geöffnetem Munde, dem a ein wenig näher, ausgesprochen.
Andere öffnen den Mund noch mehr und sprechen beinahe wie der
Danziger. Doch wird man den so sprechenden Mecklenburger, wenn
er z. B. Leben ausspricht, noch immer von dem Danziger unterscheiden
können. In einem breiten Munde endlich geht das geschärfte ä und e
(tj) vor r (vornehmlich in Rostock) beinahe ganz in a über, dagegen
das 6 (yi) des Hamburgers dem Richey'schen e (e) näher ist. Ernst
klingt in Rostock wie Arnst, Herr wie Harr^ Berg (auch im Hoch-
125
deutschen) Barg (verschieden von dem plattdeutschen Bcihrg)^ Ere wie
Are^ Märe wie Mure. Dagegen hört man auch Manche, die (im Hoch-
deutschen) nicht Karl sagen können (plattdeutsch heisst es im Meckl.
Kahrl)^ sondern dafür Kerl sprechen, sowie Feibey Eerhcn, Erm, Gern
für Farbe (plattd. F^rw), darben (pl. dRrtvcn), Arm (pl. krtn), Garn
(pl. Gahrn).
Ausser dass der Bauer in Mecklenburg gewöhnlich Beer spricht
(doch so, dass dem ee ein weiches ; angehänget und das r abgestumpft
wird), höret man auch im Plattdeutschen fast durchgehends Bier;
doch unterscheidet sich, und zwar nicht nur bei dem grossen Haufen,
sondern bei Allen, die nicht etwa aus dem Hochdeutschen die Aus-
sprache in das mecklenburgische Plattdeutsche hinübertragen, dieses
Wortes Aussprache von der hochdeutschen dadurch, dass auch hier
das r abgestumpft wird und man beinahe Biä höret. Für negen
(neigen) meine ich stets niegen gehört zu haben. Ever (Scapha) und
Pesel (in der Bedeutung von triclinium) sind in Mecklenburg mir nicht
vorgekommen. Scheeren (Forfices) wird Schieren gesprochen (wie nach
oben fihr statt frhr usw.). Statt cken (eitern) habe ich gemeiniglich
ecken^ nie aber Flrge für Kopfputz, Keke für Windstoss, Kreten für
Ritzen, peken für lange sitzen, und reken für rein gehört.
Es hätte übrigens auch noch des stummen e gedacht werden
sollen. Dieses wird in Mecklenburg am Ende weit weniger als in
Hamburg, oder vielmehr gar nicht gehöret. Man spricht dort Kcek
für Keke (Maul), Fleeg für Flege (Fliege), Kreft für Krefte (Kräfte),
Krähvt (Krebse), Böhg für Böge (Bug, Krümmung), Bahn für Bohne
u. s. f., statt dass z. B. im Braunschweigischen das stumme e hinzu-
gesetzet wird, wo es sonst, im Plattdeutschen so wenig als im Hoch-
deutschen, steht, z. B. vppe für up (auf), uhte für uht (aus).
Zu S. 382. Im Mecklenburgischen spricht man auch in starvet
u. ä. Wörtern des e nicht aus, sondern si^rvt^ verdorrt. Für Ilemmel
und Stemme habe ich in M. immer Himmel und Stimm' gehöret.
bidden, midden u. ä. Wörter werden gewöhnlich birren, mirren ge-
sprochen, vgl. Richey S. 391 Z. 8 flF. So geht auch in Bede^ bereden^
Sieden das d oft in ein r über.
Das bün, biist ist in M. so gewöhnlich, dass auch im Hoch-
deutschen viele sonst gebildete Mecklenburger es hören lassen.
Für tüh (ziehe) sagt man teh^ ob man gleich he tüht (er zieht)
spricht, tehlen für zielen ist mir in M. nicht vorgekommen. — Fieeden
(tiiessen) heisst in M. fleeten. He hctcde (er hiess) in M. he heet,
allenfalls he heeVd. Liegen heisst liggen^ lügen heisst leegcn. Ob
man Preem sagt, weiss ich nicht; ich erinnere mich nur Preen (das
so heissende adelige Geschlecht hat 3 Pfriemen im Wappen) und aA/,
auch Sugel oder Suhl (Hamb. Suhlr^ dän. SyrL schwed. Sgl) geliört
zu haben. In Deert^ formeeren u. dgl. wird häufiger das i des Hoch-
deutschen beibehalten; des Bauern breiter Mund lässt beinahe ein
ej hören.
Zu S. 383. Das lange o vor r wird leicht w, hinter welchem
126
ein kurzes e gehört wird, z. B. Pucrt (Pforte), Duer (Thor). So wird
auch häufig ö zum ü z. B. dörichtf düricht (thöricht).
Zu S. 384. Borst (Brust) heisst im Meckl. Bost, Dorst (Durst)
Döft^ Nöte (Nüsse) Nähte. (Das ä aher dem o und äu sich nähernd.)
Zum 2. Hauptstücke: von den Doppellauten. — Zu S. 384.
Dieses uu nimmt in der Aussprache vor dem r gemeiniglich ein gar
kurzes e oder ä an und das r wird abgestumpft. Buur (Bauer) lautet
demnach ungefähr Buä,
Zu S. 385. Smool'en (schmauchen), auch smoken. Teegen für
zeihen ist mir nie vorgekommen; statt n^eet (neu) habe ich immer
nie oder niet^ im breiterm Munde flieg oder t7?>/ gehört, desgleichen
Suee breit Sfiej, Brie oder, wie R. es schreibt, //ry (brei).
Zu S. 386. Seilen (segeln) und Teilfrld (Ziegelfeld) habe icli
nie gehört ; für jenes immer auch frgeln wie im Hochdeutschen. Für
juwe sagt man juhg.
Für [nhd.] eu spricht man auch in folgenden Wörtern ein langes
(gedehntes) u : juhg (euer), juhch (euch), Schuh, Schug (Scheu), sich
schugen (sich scheuen).
Eu wird auch beibehalten in //««, nur die Bauern sprechet
ungefähr Höi oder Höig, In ein geschärftes u geht es über in fucht
oder fuchtig (feucht). Ein i wird es in nie (neu). Neun heisst negcn
oder nagen,
Dass im Hochdeutschen das ö kein Doppellaut ist, bedarf hier
nicht erinnert zu werden. Aber das ö in schön u. dgl., von Richev
mit oe (e) bezeichnet, ist in dem Munde des Hamburgers wirklich ein
Doppellaut und klingt fast wie oi; in Mecklenburg spricht der recht
breite Mund es fast wie eu oder dü\ sonst klingt es wie das hoch-
deutsche ö. Das ö aber, dessen Aussprache R. durch oti bezeichnet,
wird in Mecklenburg — anders als in Hamburg, wo man wirklieb
das ö höret — ganz wie ein dunkeles ä gesprochen, das allerdings
dem ö näher ist, als das ä des Danzigers, weil es mit mehr ge-
schlossenem Munde gesprochen wird.
Für dröven (dürfen) sagt man in M. gemeiniglich dörwen^ allen-
falls dröwwen mit reinem ö, und möten wird von sehr vielen in beidi^n
Bedeutungen [müssen ; im Laufe aufhalten] gleich mit ö ausgesprochen.
Zum 3. Hauptstücke: von den Mitlautern. — Zu S. 389.
Das v, welches statt des in hochdeutschen Wörtern befindlichen l
steht, wird in M. vor einem sogenannten Mitlauter gemeiniglich ir
z. B. hliwen (bleiben), am Ende des Wortes aber und vor t wird es
f oder ff z. B. he blift (er bleibt), de Deef (der Dieb) ; aber in der
Mehrzahl Deew für Deeice.
Zu S. 391. In M. geht auch das einfache d zwischen zwei
Selbstlautern nicht selten in r über. De Bede (Bitte) klingt häufig
wie de Bahr\ Weder (Wetter) wie Wäre oder WärW. Beren (ge-
berden) heisst in M. gemeiniglich hieren^ die Erde Ihr (dem lär oder
127
Ja sich nähernd), die Stelle St'dM (das ä wie im Hochdeutschen),
Stähr (mit abgestumpftem r), auch wohl 8tä^ ; holen (halten) auch
hollen^ und hole (kalt) Txohl oder holt.
Zu S. 392. In M. spricht man Brccw^ (Briefe), Hwcn (keifen),
Düivel (Teufel), Dörp (Dorf), und für drcpen (treffen) auch drapeti.
Zu S. 393. In M. Pierd (Pferd), breit Pejrd; Kopprr (Kupfer).
Das r wird am Ende grösstenieils abgestumpft, daher auch
Siemssen zu Rostock in der Monatsschrift von und für Mecklenburg
[1789 Sp. 1043 ff.; 1790 Sp. 51 ff., 329 ff.] ehemals die Aussprache
der Endung rr am besten durch ä ausdrücken zu können meinte, z. B.
Käicä (Käfer) für Käu)et\
Zu S. 394. Hat für Hass ist mir in M. nicht vorgekommen.
Triss' heisst dort frett^ nur näher nach Hamburg und Lübeck zu,
wo die Aussprache sich der dortigen nähert, auch fritt, *Muss' heisst
öfter möt als mutt.
Zu S. 396. Tuvder (Zunder) in M. Tunner oder (nach Siemssen)
Tunnä,
Zu S. 397. Holten (hölzerne) in M. holten, smolten (schmelzen)
smolten.
Zum 4. Hauptstücke: von den Endungen der Wörter. —
Zu S. 397 f. Blech heisst in M. Bleck; brich Weck.
Zu S. 398. Die Endsilbe lick wird von den Städtebewohnern
heutiges Tages häufig lieh gesprochen, wie im Hochdeutschen. Der
Bauer aber sagt gemeiniglich wägeJk statt möglich u. dgL, sonst lick^
auch lieh.
Die Verkleinerungssilbe kcn (hochd. chen) ist in der Mitte von
M. bei Weitem nicht so gewöhnlich als ing^ z. B. Triening (Katha-
rinchen), Höhnwg (Hühnchen), Döchiing (Töchterchen), auch ?Zyw, z. B.
Steeniken (Steinchen), Höhmken (Hühnchen). Mädchen heisst mehr
Mätcriy als Mäkcn. Köppken wird stets gesagt, wo die Obertasse ge-
meint wird; ein kleiner Kopf heisst mehr Köppiken oder Köpping.
Für Kleedjen (Kleidchen) hört man Kleeting oder Kleeten oder Kleetken.
Zu S. 399. Das e in der weiblichen Bildungssilbe [z. B. in
Wahrseggersche, Wahrsagerin] wird im gemeinen Leben fast gar
nicht gehört.
Zum 5. Hauptstücke: von Verkürzung der Wörter. Zu S. 399.
Für h'ocht (gebracht) hört man in M. mehr flocht.
Zu S. 400. Für dat wilVk hört man auch dat wick.
Zu S. 401. Gebräuchlicher ist in der Mitte von M. wy gähn,
wy dohn, jy wült^ wül jy^ auch toijjy? wo süjjy? (wir gehn, wir thun,
ihr wollt, wollt ihr? wo seid ihr?)
Ferner sagt man häufig ick bun'n em (ich band ihn), he ftni^n
tcat (er fand Etwas), he wun'n up (er wand auf). Ich konnte heisst
mehr ick könn oder künn; er wollte oft he woll; er brachte he bröcht.
12B
Zum 6. Hauptstücke: von sonderbarer Konjugation der
Hülfszeitwörter. — Zu S. 402. Abweichungen in dem Zeitwort syn
oder Wesen, Ick tcaSj auch wohl ick toier^ du toierst, wy wieren^ jy
wiert^ fe wieren. Im Conjunctiv durchaus ie statt e. — Statt ick luin
tuest hört man auch oft ick heww wesi.
Zu S. 403. Ick heww^ wy hcwwen. Ick harr gewöhnlicher aK
hadd^ und so durchweg. Iclc heww hatt. Ick war hewwen. Herne
oder heff. Hewwen.
Du wist^ wy willen (willi)^ jy willt, se willen. Ick tccll und
wull^ du wüst oder wost^ he wvll oder woll, wy willen^ auch wob!
wälen (mit dunkelm ä), jy willt oder willen^ se willen oder wälen. hl
heww wullt oder wollt. Willn, auch wohl uSden.
Für ick sull ( fchull) ist ick still (schall) sehr gebräuchlich u. s. f.
Ick heww sullt, sfchJülU, sollt.
Zu S. 404. In M. scheint mir dörven oder vielmehr dönceu
allgemeiner gebräuchlich. Ick dörw. In der Mitte von M. ist wenigsten-
ebenso gebräuchlich als du geist (du gehst), breit yejat (im Grumltr
jenes geist)^ so auch he geht. Ick gung usw. Ick segg^ ick säd (sät.
sä'). Ick loop^ leep. Ick lat\ köp\ köft.
Nacherinnerung. Wenn man ältere in plattdeutscher Spraclit
geschriebene mecklenburgische Urkunden lieset, so findet man sehr vielr
der von mir bemerkten Abweichungen nicht. Diese sind also entweilei
damals noch nicht gewöhnlich gewesen oder man hat sich im SchreibeL
mehr an die Sprache der vorhandenen Bücher und früheren Aufsät/t
gehalten. Dass übrigens mit der Mundart in Mecklenburg eine gro»»
Veränderung vorgegangen ist, kann nicht geleugnet werden. Eine der
Hauptursachen ist der Gebrauch der hochdeutschen Sprache in Büchern.
Kirchen, Schulen und dem Umgänge ; und man kann wohl mit Wahr-
heit sagen, dass das rechte Plattdeutsch nirgends mehr ganz gekannt
und unvermischt gesprochen wird. Möchte nur seine Kenntnis nicht
sich ganz verlieren, da aus ihm sehr Vieles zur Erklärung und zur
Bereicherung der Schriftsprache geschöpft werden kann ! Die Unkundt
dieser Sprache und ihrer Mundarten hat bekanntlich zu manohci'
seltsamen Erklärungen, Vermuthungen und Vorschlägen gefuhrt.*)
Beiträge zu einem WSrterbnche der mecklenbargiseh- platt-
deutschen Mundart. A.
Von den in Richey's Idioticon Hamburg, unter A angeführter.
Wörtern sind mir achterfolgen, afwyten, akke^ (Sollte dieses Wort
♦) Vor etwa 20 Jahren wurde in dem Reichsanzeiger eine Menge Aufsätze
über den sogenannten Mettensommer, Mättkensommer oder Mättjensommcr mit-
getheilt, in deren etlichen ein Mädchen sommer daraus gemacht wurde. Schon vor
mehr als 60 Jahren erklärte Strodtmann es für MaUkäassommer^ weil Mai je oder
Mätge das Verkleinerungswort für Matthäus sei. Allein Ebenderselbe fahrt im
Idioticon Osnabrugense S. 332 an, dass MäJtke oder Mälje Verkleinerung vod Marie
sei, und so lag ihm die richtige Erklärung nahe: Marieusommer — auf die er um
so eher hätte fallen können, da Richey [S. 162] die lateinische Benennung fila-
mentum D. Virginia angeführt hatte.
129
nicht eine Verkleinerung von Äa sein, welches cacatum bedeutet?),
allengskens, dlltomüs, allfost, Ammädjen, angröyen in Mecklenburg nicht
vorgekommen.
afholen wird in M. afhollen ausgesprochen.
Für alldoehsoman sagt man in M. as doch man so.
ankamen hat ausser den Bedeutungen des hochd. ankommen und der von Eichey
angegebenen in M. auch diese: sich trotzig gegen Jemand ausdrücken, ihn
Übel anlassen, z. B. he kümnet mi grof an (er begegnet mir grob), aber
auch lie kämmt mi so an,
anken kommt in M. mehr für: sich sehnen, schmachten vor z. B. Jie ankt dama.
Gewöhnlicher aber ist dafür janken.
appeldwaljes ist mir als Hauptwort nie vorgekommen, wohl aber das Beiwort
appeldwalseh, recht einfältig, albern, verkehrt.
Von den im Nachschuss [bei Richey] S. 355 zu A gehörigen
Wörtern sind amhöstig und Apeneersken auch in M. gebräuchlich, nur
dass letzteres gemeiniglich Äpen-ierschen lautet. Die österreichische
Benennung dieser Frucht (vgl. Nicolai's Reise, 5 Th. S. 70) ist von
der nämlichen Aehnlichkeit hergenommen.
Unter den von Strodtmann im Idioticon Osnabrugg. unter A
aufgeführten Wörtern kommen ganz ebenso in Mecklenburg vor:
afstäken, Alkowen^ allgoot^ anbei (r,), andohn, ane (ahn^)^ anschmeren,
Escheriaken, und aus dem Nachschuss (S. 299 f.) afslahu, amacht,
amächtig.
Anders ausgesprochen werden : Aal in der hier angeführten ersten
Bedeutung, wofür man in M. Adel sagt; die zweite Bedeutung aus-
zudrücken sagt man Adelpütt (Mistpfütze); Adel im finger, wie im
Lüneburgischen. Aes klingt in M. bei dem Pöbel im Grunde ebenso,
doch hört man gewöhnlich ein abgestumpftes r; manche setzen auch
ein N voran. Anebunen (angebunden) in M. anluvn^n^ he is kort
anhunn^n. Anrochiig^ in M. anrüchtig oder rüchtig. Arne in M. Ahr^v.
Augenblicks-Sake in M. Ogenblickssah^ oder en^n OgenUick Sak\
afkappen und aflopen laten sagt man ebenfalls in M., aber es
scheint durch: einen übel anlassen — nicht vollkommen ausgedrückt
zu sein; es ist meiner Meinung nach: Einen, der sich Etwas heraus-
nimmt oder mit einer Hoffnung erscheint, übel anlassen oder be-
schämt heimschicken. In dem ankappen scheint besonders der Neben-
begriff des schnellen Anfahrens und Abführens zu liegen. Man sagt
auch schlechthin kappen in dieser Bedeutung, überhaupt aber für:
einen derben Verweis geben, afkappen sagt man auch von den Bäumen
wie in Hamburg nach Richey S. 109.
Ulmen wird, so viel ich weiss, in der gemeinen meckl. Sprache nur vom Vor-
empfinden gebraucht. Dat hett mi ahnt.
ahrkanen ist das meckl. aderkauen, ahr'rkauen (wiederkäuen). Nicht von Ader
abzuleiten, sondern aus dem dän. atter (zum zweiten Mal) zu erklären.
Niederdeutsches Jahrbuch. XX. 9
130
aUemann wird vornehmlich in der Redensart gebraucht: dat is aÜemami's
Qadung (das ist Jedermanns Gattung) d. i. von der Art, wie Jedermann
es gebrauchen kann, Viele es suchen, es leicht verkauft wird.
Ahlke für Adelheid muss ehemals auch in M. gebräuchlich gewesen sein, da es
in den plattdeutschen Inschriften zu Doberan vorkommt; es gehört zu haben,
erinnere ich mich nicht.
Aal. He hett Aal to koqp sagt man von Jemanden, dessen Strttmpfe (besonders
seidene) nicht glatt sitzen, sondern grosse Falten werfen.
Aar, der Entenstosser, Fischaar.
Aosig, schmutzig, sik iruzasen sich beschmutzen.
achter, hinter, hinten. Achter un vor (vär) utslahn wird eigentlich von Pferden
gebraucht; aber auch von Menschen, die ausgelassen lustig laufen oder
umherspringen. Dat geit mit em achter un vor lihk hoch, er reitet in
vollem Laufe.
Xeks oder EckSt Axt.
Ad'balir, Storch. Ad*hahr8hloom\ Wasserlilie. Ad'bahrsbrot, Storchachnabel
(geranium robertianum). Das brot soll hier wol nicht hochd. Brot, sondern
Brut vertreten. Ad'hahrskaspem oder -kasbeem, Oichtbeeren. Kasbeeru
ist die Benennung einer kleinen dnnkelrothen Kirschenart.
Iditfich, Eidechse.
Sich afSschem, sich durch Arbeit, Laufen ermüden, wie in Schwaben (nach
Schmidt^s Versuch eines schwäb. Idiot., im 9. Th. von Nicolai's Eeiae).
AfdrSppeln, afdrttppeln, abtropfen, abtröpfeln.
Af patschen, weggehen, besonders mit getäuschter Hoffnung oder beschimpft
abziehen. In der Jenaischen Literaturzeitung wird es von ital. appaciare
hergeleitet. Warum nicht lieber vom franz. patauger und af (ab)?
Aftrotzen, mit groben Worten abfertigen.
Afschu (breit Afschuj, Afschulig)^ Abscheu. Man sagt aber meines Wissens
nicht afschulich, sondern afscheulich (abscheulich).
Afsluten, afschlnten, abschliessen.
Afsnacken, abschwatzen. So auch ansnacken,
Aftehen und aftrecken, abziehen.
Ahlfranken heisst (nach Siemsseu) die Specklilie (lonicera periciymenum).
Ahnt, auch Xhnt (Mehrzahl Ahyiten und Ahnten), Ente. Ahnten-, Ähiinifloti,
auch wol schlechthin Flott, die Wasserlinse (lemna).
AhÖhr^n, Ahühm, Ahorn.
AUdahgseh, alltäglich.
Ampeln, mit Händen und Füssen streben.
Anbacken, ankleben (hängen bleiben, und machen, dass etwas klebt).
Anbreken, anbrechen.
Ank, Anna. Aber man hört nicht Ank Marie, sondern Ann Mari, und so in
ähnlichen Fällen.
Anmohlen soll (nach der Monatsschrift von und für M. 1795 S. 146) beissen:
Speisen zurichten. Daran zweifle ich. Anmohlen oder vielmehr annwhl^n,
wie ich wenigstens immer habe sprechen gehört, heisst, meiner Meinang
nach, anbrocken, zurecht mischen. Se hett gar to veel anmöhÜ heisst freilich :
Sie hat gar zu viel (Speise) zugerichtet, es wird aber wol nur von Speisen
gesagt, wobei ein Brocken, ein Mischen statt findet oder die aus vielen
Stücken bestehen.
Ansprtttten, AnsprUtzen, anspritzen.
Anwärtech, gewohnt, AnwÄrtschigJceii, Verwöhnung. Dat is man so^ne Apt-
ivartschigkeit (Das ist nur so eine Verwöhnung). Ohne Zweifel von an-
131
tmr^n, anwarden: Auch im Hochdeutschen hört man in M. oft: ich bin
das angeworden, d. h. ich habe mich dazu gewöhnt.
Apeldnhrn, Feldahorn.
Arig, artig; ziemlich gross.
Arpel, Enterich.
Ihsel, 8. Ösel bei Bichey.
Assen, Asmos.
Atterig, ärgerlich. Sich cUtem, sich ärgern. So werden beide Wörter in der AUg.
Lit. Zeit 1789 Nr. 186 angegeben. Irre ich nicht, so habe ich sich arren
d. i. addem gehöret, welches ich von Adder (Natter) ableiten and sich
erbossen wie eine Natter erklären würde. Aergem heisst sonst argem.
Anken, Oken sind der inwendige Winkel, welchen der untere Teil des Daches
mit dem Gebäude oder dessen Boden bildet, ühner de Oken liggen, unterm
Dache liegen. Aukenbrett, Okenbrett, das Brett, womit die OefFnung, die
zwischen dem untern Teile des Daches und dem Gebäude bleibt, verschlossen
wird.
Aulamm, an manchen Orten Og'lamm, Matterlamm. Engl. Ew-lamb.
Anst (von August), die Erntezeit.
Xver, in M. gesprochen äwer, über. He geit äver mi, er geht über mir. He
geit mi äver, er übertrifft mich. Äverlien, ttberhin; oben hin. He maakt
alles äverheUj er macht, arbeitet alles flüchtig, oberflächlich, untüchtig.
Xver, ttverst, averst, aber.
Xveraars, rückwärts, ä reculons.
9*
132
Der ^ATegekörter von 1B92.
Auf den Wegekörter, die einzige niederdeutsche Schwanksammlung
des 16. Jahrhunderts^), hat Goedeke zuerst hingewiesen; denn auch
die Brüder Colshom, die 1854 zwei Stücke daraus in ihren Märchen
und Sagen abdruckten, verdankten wohl ihm ihre Kenntnis des Geller
Exemplars. Da jedoch seine Charakteristik^): „Eine gemischte
Sammlung von 29 Märchen, Schwänken, Schildbürgereien aus dem
Wegkürzer, Rollwagen, Schimpf und Ernst u. s. w.^ trotz ihrer Kürze
zwei Irrtümer enthält, wird eine genauere Beschreibung des Büchleins
an dieser Stelle gerechtfertigt erscheinen. Der Titel lautet:
Wegekörter, de | klene, EtUle [I] kortwili- | ge vnde tüchtige
Historien. | ):( | [Zwei HoUschnüte : Eine mit ausgestrecktem Finger
redende Frau und ein gleichsam erschreckt zurückweichender Mann.]
Anno M.D.XCII. | 5 Bogen 8^. Auf Bl E8a steht: Z.V.C, wozu ein
neuerer Benutzer des Buches die Bemerkung hinzugefügt hat: 'Heinr.
Binder, Hamburg.' — Exemplar in der Ministerialbibliothek zu Celle.
Kein Vorwort giebt Aufschluss über den ungenannten Heraus-
geber. Gleich auf der Rückseite des Titelblattes beginnen die „kurz-
weiligen und züchtigen" Erzählungen, deren Ueberschriften ich weiter
unten mitteile. Ihre Zahl beträgt 30, nicht 29; eine Numerierung
fehlt. Der Inhalt ist bunt genug ; denn wir finden da die noch heute
verbreiteten Kindermärchen von der Feindschaft der Hunde und Katzen.
vom gescheiten Hans, vom tapferen Schneiderlein, ferner lustige Aben-
teuer wie das des fahrenden Schülers aus dem Paradies oder das des
Hungrigen, der im fremden Lande zum Zahnbrecher statt ins Wirtshaus
gerät, Mordthaten neben schwankhaften Ehebruchshistorien, allerlei
Exempel von Bauerndummheit und Weiberbosheit neben artigen Witz-
reden und Schildbürgerstreichen.
Im wesentlichen sind diese Erzählungen aus drei hochdeutschen
Schwankbüchern elsässischer Verfasser entlehnt, dem Rollwagenbüclilin
Georg Wickrams (zuerst 1555 erschienen), der Gartengesellschaft
Jakob Freys (1556) und dem Wegkürzer des Martin Montanus (1557).
Wahrscheinlich lagen diese dem niederdeutschen Uebersetzer, der einige
erst nach 1560 in den Rollwagen aufgenommene Stücke benutzte, in
einer Frankfurter Ausgabe von 1590 vor, in der alle drei Werke
zu einem Ganzen vereinigt waren. Aus dem Rollwagenbücbleiu
stammen 17 Schwanke (Nr. 9. 13 — 27. 30), aus der Gartengesellschaft
^) Im 17. Jahrhundert erscheinen nur noch einzelne niederdeutsche Partien
in hochdeutschen Schwankbüchem, wie in der trefflichen Sammlung des Pseudonymiis
Joh. Peter de Memel, die C. Walther (Zeitschr. d. V. f. hamburg. Gesch. 9, 143)
dem Colonellschreiber Gottfried Schnitze, und F. Gerhard (J. P. de Memels Lustige
Gesellschaft 1893 S. 114) dem bekannten Joh. Prätorius zuweist.
*) Grundriss 1, 378 (1859) = 2. Aufl. 2, 472 (1886). Vor Goedeke hat
übrigens schon Spangenberg das in Celle befindliche Exemplar des Wegekörters
gekannt und in der Allgem. Literatur-Zeitung 1827 Bd. 1 n. 91 sp. 733 seinen
Titel angeführt.
133
8 Stücke (Nr. 4 — 8. 10. 28. 29), während der Wegktirzer ausser dem
TiteP) nur drei Historien (Nr. 1 — 3) geliefert hat. Eine Nummer (12)
ist dem Aesop Steinhöwels entnommen, fiii* Nr. 11 habe ich noch
keine Vorlage ermittelt. Paulis Schimpf und Ernst ist entgegen
Goedekes Behauptung nicht verwertet.
Somit enthält der Wegekörter allerdings, wie Goedeke^) bemerkt,
nichts Neues, sondern schöpft gleich so vielen Schwanksammlern —
ich erinnere nur an den 'Schertz mit der Warheit' *) (1550), an Bern-
hard Hertzogs Schiltwacht*), an Hulsbuschs lateinische Auswahl), an
die 'Kurtzweiligen und lächerlichen Geschieht und Historien' von 1583
— aus bewährten Vorgängern. Aber ich kann nicht mit dem hochver-
dienten Forscher finden, dass er „nur hastig zusammengeraspelt" sei.
Sein Autor hat in der Zusammenstellung guten Geschmack und An-
standsgefühl ohne Uebertreibung®) bewiesen und seine Vorlagen sinn-
gemäss wiedergegeben, somit sich ein bescheidenes Verdienst erworben.
Bei den folgenden Nachweisungen habe ich vom Rollwagenbüchlein
die 1865 erschienene Ausgabe von H. Kurz, von der Gartengesellschaft
meinen unter der Presse befindlichen Neudruck citiert. Die beigefügten
Proben werden von dem Charakter des Werkes eine ausreichende
Vorstellung gewähren.
1. Van einem köninge, Bönhasen, Besen, Einhome vnd wilden Swyne
(Bl. Ajb). — Nach Montanus, Wegkürtzer 1557 Bl 18a, Nr. 5: 'Von einem
könig, Bchneyder, rysen, einhorn vnd wilden schwein^ (= Goedeke, Schwanke des
16. Jahrhunderts 1879 Nr. 6 = Bobertag, 400 Schw&nke des 16. Jahrhunderts
1887 Nr. 37). Unten S. 135 abgedruckt.
2. Warümme de hunde sich tmderlanges vor den stert rüken (BL A 6a).
— Nach Montanus, Wegktlrtzer Bl. 39a, Nr. 14: 'Warumb die hund einander
für den hindern 8chmecken\ (Vgl. zn dem Stoffe Hans Sachs, Fabeln und
Schwanke hsg. von E. Goetze Nr. 200. Bolte, Zeitschr. für vergl. Littgesch. 7, 451).
3. Wo ein Maget sede, se drincke fienen Wyn, (Bl. A 7a). — Nach
Montanus^ Wegkürtzer Bl. 52b Nr. 21: 'Ein magdt sagt, sie trenck kein wein\
4. Van einem grauen narrisdien huren söne, de junge Oense vthbreden
ivolde (Bl. A 8a). — Nach Frey, Gartengesellschaft 1656 Nr. 1: Ton einem
groben närrischen bauren, der wolt junge gäus ausbrütlen.' — Abgedruckt bei
Colshom, Märchen und Sagen, Hannover 1854 S. 237 Nr. 84, doch mit Tilgung
der Ortsnamen Gebeliugen und Sarbrüggen und einigen Aenderungen des Ausdruckes.
*) Dieser kehrt auch in dem niederländischen Wechcorter (Tijdschrift voor
uederlandsche taal- en letterkunde 13, 85) wieder, von dem mir kürzlich ein Am-
sterdamer Druck von 1613 zu Händen kam.
«) Schwanke des 16. Jahrhunderts 1879 S. XXVII.
") Vgl. die sorgsame Quellenuntersuchung von Stiefel im Archiv für neuere
Sprachen 95, 55 (1895).
*) Die erste, bisher noch nicht aufgefundene Ausgabe muss vor 1563 er-
schienen sein; vgl. das Verzeichnis des Leipziger Buchhändlers C. Ziehenaus im
Archiv f. Gesch. des d. Buchhandels 17, 16 (1894).
^) Sylva sermonum iucundissimorum (Basileae 1568). H. übersetzt p. 1 aus
Montanus (ander theyl der Gartengesellschaft), p. 37 aus Wickram, p. 104 aus
Frey, p. 174 aus Montanus (Wegkürtzer), p. 188 aus Schumann, p. 200 aus Hertzog,
p. 232 aus Pauli und Kirchhof.
•) In Nr. 7 hat er mehrere anstössige Ausdrücke Freys (S. 91, 3. 91, 7 ed.
Bolte) abgeändert.
134
5. Wo ein nian vnd syn frouwc eins worden, se scholde de man mit
dem arbeide syn, so wolde he frowe mit der htisholdinge syn (BL B 3a). —
Nach Frey, Gartengesellschaft Nr. 20: 'Ein man und ein fraw wurden eins,
sie solt niann mit der arheit, so wolt er fraw mit haushalten sein."
6. Va7i einem Eddelmanne, de alle gefete vp dem dissche thom vinster
henuth werpet (Bl. B 7a). — Nach Frey, Oartengesellschaft Nr. 66: *Von
einem edelmann, der alles geschirr uff dem tisch zum fenster hinauß warff.'
7. Van eines börgers frouwen tho Aufsborch vnd einem jungen Eddtl-
man, wo se em eine guÜen Kede affierbolde vnd wedder geuen moste (BL B 7bi.
— Nach Frey, Gartengesellschaft Nr. 76: Ton einer goldtschmidin zu Augsburg
und einem jungen edelman, wie sie im ein guldin kettin ab erbulet und wider gab.'
8. Van einem, de dar mende, dat he hedde einen schait gefundmi, do
Mdde he dat bedde vuU gescheten (Bl. C la). — Nach Frey, Gartengesellschaft
Nr. 77: 'Ein Schatzgräber vermeinet, er hett ein schätz funden; da het er das
beth voll ghofiert.*
9. Wo einer sede, lie queme van Pariß, do mende ein Bunvyff, he
qtieme vth dem Paradise (Bl. C 2a). — Nach Wickram, RollwagenbQchlin
Nr. 107: 'Von einem armen Studenten, so au0 dem paradyß kam, vnd einer
reychen bettrin.*
10. Van einem Studenten tho Franckfort an der Ader, wo de so
subtil tho syner süster Hochtydt was (Bl. C 4b). — Nach Frey, Garten-
gesellschaft Nr. 127: Ton einem Studenten zu Franckfort an der Ader, wie er
so höflich bey seiner Schwester hochzeit was.*
11. Mn Fabel van einem Arsten (BL C 6a). — Quelle noch nicht er-
mittelt. — Unten S. 138 abgedruckt
12. Eine Fabel Isopi van flytigen arbeide (Bl. C 6b). — Nach Stein-
höwels Aesop, Rimicius Nr. 17 S. 259 ed. Oesterley 1873 *Von ainem bnwman.'
Zum Stoffe vgl. Oesterley zu Kirchhofs Wendumut 1,172.
13. Van dem narren im sacke (BL C 6b). — Nach Wickram, Roll-
wagenbüchlin Nr. 105: Ton dem narren im sack.*
14. Wo ein kindt in kindtlicher vnse ein ander kindt vmmebringei
(Bl. C 7b). — Nach Wickram, Rollwagenbüchlin Nr. 74: Ton einem kind.
das kindtlicher weis ein ander kind vmbbringt.'
16. Van einem Lantzknecht, de men dree wordt begeret mit sytietn
Höuetmanne tho redende (BL C 8a). — Nach Wickram Nr. 16: *Von einem
lantzknecht, der nur drey wort begert mit seinem hauptmann zu reden.*
16. Van twen Lantzknechten, de miteinander in den krych tör/eu
(Bl. D la). — Nach Wie kram Nr. 14: *Von zweyen lantzknechten, die mit-
einander in krieg zogen.*
17. Wo ein koepmmi kamerloge in ein oldt schajpp ghot (Bl. D 2a). —
Nach Wickram Nr. 99: 'Ein kauffman schtttt bruntz in ein gwandkasten.*
18. Wo einem ein tene wedder synen willen vthgeiagen wart (Bl. D 3a).
— Nach Wickram Nr. 65: 'Einem ward ein zan wider seinen willen auß-
brechen, als er gern gessen hett*
19. Van Twen bösen nahern (Bl. D 3b). — Nach Wickram Nr. 30:
'Von zweyen bösen nachbauren.*
20. Van einem Snyder, dem syn frouwe fladen vor vadem kofft, vnd
beren vor iweren*) (Bl. D 4b). — Nach Wickram Nr. 16: 'Von einem Schneider,
dem sein frouw fladen für faden kaufft.* Georg Voigtländer hat 1642 ein Lied
daraus gemacht. (Oden Nr. 75.)
*) Dazu die Bemerkung: 'Tho weten, dat in etliken landen, wen se seggen
vaden, zwirn, nätz edder neyels, dormit menen se op Sassensch tweren.'
135
21. Van einem wackeren Umgesehen, dat meisterlick wol kegeln könde,
vnd likewol tho iunck was beden tho leren (Bl. D 5b). — Nach Wie kr am
Nr. 69: ^Von einem knäblein^ das meisterlich wol keglen knndt, war aber noch
zn jung lernen betten.'
22. Wo erer twe thosaniende getuschet hebben (Bl. D 6a). — Nach
Wickram Nr. 65: 'Ein grawsame vnnd erschrockenliche history, so sich auch
von wegen eines kanffs oder tauscbs zugetragen hatt*
23. Volget van twe Roßtüschern, wo se mit einander tuschen, büten
edder tummeln willen (Bl. D 8b) Dazu auf Bl. E la ein Holzschnitt, der einen
Tom Pferde abgestiegenen Reiter darstellt, der mit abgezogenem Baret einen
barhäuptigen Mann begrüsst; darüber steht noch eine Überschrift; 'Wo twe
Roßtüscher mit einander hüten willen.' — Nach W i c k r a m Nr. 31 : 'Von zweien
rossztauschern, die Schelmen tauschten.'
24. Wo ein Eddelman vorbodt, dat syne buren flieht scholden flöken
edder sweren (Bl, E 2b). — Nach Wickram Nr. 50: *Ein edelmann verbot
seinen bawren zu schweren.'
25. Van einem narren vp dem duuenböne (Bl. E 3b). — Nach Wickram
Nr. 109: Ton dem narren im taubhau ß.'
26. Van einen reisigen kriecht (Bl. E5a). — Nach Wickram Nr. 61:
'Ein reisiger knecht reit ein büchsenschntz von Colmar, entschlafft, kummt wider
hinein, meint, er sey zu Schietstatt.'
27. Van einem grauen buren, de negen dage ein leter was*) (Bl. E 5b).
— Nach Wickram Nr. 10: 'Von einem beyerischen banren, der neun tag ein
lässer was.'
28. Van einem groten kukuck (Bl. E 6a). — Nach Frey, Garten-
gesellschaft Nr. 27: 'Von eim, der seiner gmein gauch erhielt, und ime der
wolff ein pferd darüber frass.' — Abgedruckt bei Colshorn, Märchen und Sagen
1854 S. 233 Nr. 81.
29. Wo de buren van Oarborch einem WalWome tho drünckende geuen
(Bl. C 7a). — Nach Frey Nr. 12: 'Die bauren von Gar bürg wolten einem nußbaum
zu trincken geben.'
80. Van cinefm koepmanne, de mit Heringe gehayidelt hadde (Bl. E 8a).
— Nach Wickram Nr. 27: 'Von einem, der häring feil hat'
L
(Nr. 1.) Van einem kSninge, Bonhasen, Resen, Einhorne vnd
wilden Swyne.
In einem Stedelin, Romandia genSmet, ys ein Bönhase geseten, de vp ein
tydt, alse he gearbeidet, einen appel by sick liggende gehatt, darup vele flegen
geseten, dat en sehr tSmich makede, einen läppen wandes genamen, vp den appel
geslagen vnd der flegen sOuen erslagen. Alse sülckes disse eintfoldige snyder,
dat ein fryer knecht vnd B6nhase was, geseen, by sick sülnest gedachte, syne
sake scholde gudt werden. Flnx ein sehr schAn hämisch maken leth vnd mit
gfilden Bockstauen darup schryuen: 'Sönen in einem slage tho dode geslagen.'
Vp der Straten in synem Harnisch vmmeher geghän. Alle, die en segen, de
menden, he hedde sÄnen minschen mit einem slage tho dode geslagen; wart
dardorch van yderman seer geschuwet.
*) Dazu die Bemerkung: 'Dat ys, wen einer vth der adem gelaten hefft,
de ys ein leter beth in den cb*udden dach, so lange schal he rowsam leuen. Querst
disse nam negen dage.'
136
Nu was in dersülnen jegent ein kduinck, des syn lo£f wydt vnd auerall
erschall; tho deme sick disse k&ne Heldt v5gede, in den hoff trat vnd sick dar-
sfilaest inth Graj} nedder lede vnd sleep. De Hoffdener, de dar vth vnd ic
gingen, den Mau im blancken hämisch [Bl. Aija] segen vnd de auerschrifft lesen,
sick seer vorwunderden, wat de strytbar man nu in fredes dagen in des könniges
hoff don wolde; he düchte en wat treflikes syn. De heren vnd rede, de en ock
segen, dem Röuinge sülckes tho wetende deden mit antßginge, dat, wo sick
twespaldiuge begeue, he ein seer nfitte mann were. Dem k6ninge de rede wil
gefeil, vnde na dissem blancken manne schickede, en fraget, yfft he deusUs
begerde. De böuhase balde antwert gaff, he were darum me alse her gekamen
vnd bede köniuckiike majestat, wor se syner tho gebrukende hedden, allerguedigest
denst mit tho delende. De köninck em balde denst tho sede vnd em ein sun-
derlick losament vorordende.
Nu stundt ydt nicht lange hen, de ruter vnd dener w5rden dissem stareket
Erygeshelde gram, hedden wol gewoldt, dat he by dem satan were; wente s<:
befrüchteden sick, wo se scheiden vneins mit em werden, w5rden se em iu nenem
wege wedderstandt k5nen dhon, wenn he alle tydt s5nen mit einem slage thd
dode slande wdrde; gedachten se stedes, wo se doch des krygesmans los werdea
machten. Doch thom lesten rades eins werden vnd alle auerein queme[nj, alle
tho- [Bl. Aijb] sameude vor den E5ninck tho tretende vnd vmme orloff bidden.
welckes ock geschach.
Do de köninck sach, dat alle syne dener vmme eins maus willn orloä'
nemen, neen truriger man he jewerle wardt, hedde leuer gew61t, dat he den
kriger nywerle hedde geseen, drofft em doch nicht orloff geuen ; wente he fruchtet
dat he sampt alle synem volcke dodt geslagen vnd darna syn ryke van dem
kriger besetten wörde. Eadt söchte, wo em doch tho donde were, vnd na langen
hen vnd her denckende tho lest einen sinn erfant, dardorch he mende, des ge-
weidigen krygers loß tho werdende. Schickt an em vnd helt em v6r, dat lit
wol Vornamen hedde, dat he ein starcker krygesman were, so hedde he twe Besen
in einem Wolde, de em vthermaten schaden thofdgeden mit morden, reuen vnd
bernen, einem hyr, dem andern dar, vnd nemandt konde se vordriuen mit jeoniger
wehr noch wapen; wente se slögen se alle. Vnd so he sick vnderstHu wolde.
desüluen Resen vmme thobringende vnde he se vmmebr5chte, so wolde he em
syne dochter tho einem wyue vnd syn halue köninckryke thom brndtschatte geuen.
so wolde [he] em ock hundert Euter tho hülpe dhon wedder de resen. [Bl. Aiija
Dem b5nhasen wart wol tho mode, dat he scheide eines köninges Dochter
man werden; sprack, he wolde gern de Resen vmmebringen, vnd se wol ane de:
Rftter hülpe wüste tho döden. Vnd he sick thom negesten in den Waldt V()get,
de Rüter vor dem Walde t^uen hethe, ginck vmmeher, sach sick wydt vmme.
yfft he de Resen nergens sege, vnd na langem s5kende he se vnder einem Bome
slapende vandt, vnd snarckeden, dat de twige bögen. De Bönhase sick k5rtlick
besann, wat em tho dhonde were, las synen bussem vuU stene, steech vp den bom.
dar se vnder legen, hoff an den einen mit einem stene vp syne borst tho wer-
pende; daruan he balde vpwakede vnd vp den andern t5rnich wart vnd aede:
*Worümme sleistu my?' De ander entschüldigede sick, so he best konde, vud »t:
slepen wedder iu. De Böuhase*) auermals mit einem stene den andern werpet:
daruan he vp synen gesellen ock b6se wart vnd sprack: 'Wat heffstu my tho
slinde?^ Vnd se lethen daruan, worden wedder slapende. De snider gttotz
hefftich vp den ersten werpet, des de Rese nicht lenger vordragen konde vnd yy
synen gesellen hefftich sloch; wente he mende, he were van em also gesla^^n
Vnd de ander [Bl. Aiijb] wolde sülcks nicht liden, stünden vp*), reten Bome
vth vnd slögen sick vnderandem süluest tho dode. Alse sülckes de snyder sach,
*) BÜnhaser. *) vo.
137
wart em beth tho modei alse he jewerle gewesen was, steech frdlick van dem
bome, vnd einem ydern he mit synem Swerde etlike wunden gaff vnd wedder
Yth dem walde ginck.
De r&ter frageden en, yfft he de resen nergens geseen hadde. 'Ja/ sede
he, 'ick hebbe se tho dode geslagen vnd vnder dem bome liggen laten.* Se
woldent finerst nicht gelöuen, dat he also vngewnndet scholde van den Resen
kamen, sunder se reden in den Woldt, dat wunder tho besichtigen, vnd se vfindent
so, alse en de snyder gesecht hadde. Daruan se slck seer vorwunderden, groth
schreckent entfengen vnd vel 5ueler tho mode weren; weute se hadden sorge,
so he en viendt w6rde, w6rde he se alle ymmebringen.
Beden also thohnß vnd seden dem köninge de dHt an. Vnd de snyder
begerde van dem köninge de dochter sampt dem halnen kÖninckrike.
De k6ninck, alse he sach, dat de Besen erw6rget weren, vnd derwegen
syne dochter scholde dem vnbekanden kriger tho echte geuen, begftnde em syner
thosage seer tho gerü- [Bl. Aiiija] wen, gedachte, wo he doch Sjmer mit guder
Yoge loß wörde; wente he em de dochter tho genende in neuem wege gesinnet
was. Dem snyder noch einmal sede, wo he ein Einhorn im walde hedde, dat
em so grothen schaden an Vee vnd l&den dede; wenn he datsülne venge, so
wolde he em de dochter geuen.
De snyder was des wol tho freden, nam ein strick vnd ginck thom walde,
befoel den, de by em weren, her buten tho wachtende, he wold allene in den
Woldt Vnd he spatzerede also her ymmer; in dem sach he dat Einhorn jegen
em hertho springen, gedachte ene vmme tho bringen. De snyder was nicht
Yubehendt^), tÖuet, beth dat jdt gar na to em quam, vnd alse ydt nahe by em
was, tret he hinder den negesten bom. Dat Einhome Zuerst, dat sick im vuUen
lope nicht wenden konde, mit dem home in dem boem leep vnd also darinne
ynuorwendet stekende bleeff. Also balde trat de snyder tho vnd dhede dat strick
dem Eiuhorne vmme den hals vnd bandt ydt an den boem vnd ginck heu tho
synen gesellen vnd secht en syne auerwinninge des Einhorns an.
Darna dem köninge tho weten deden, de daruan hertlick trnrich was, wüste
nicht, wo em tho donde [Bl. Aiiijb] were ; wente de Bönhase der dochter iJegerde.
Doch begerde de kfininck noch einmal an den krygesman, he scholde em dat
wilde Swyn, dat im Walde leep, vangen ; darna wolde he em de dochter ane alle
vortoch geuen, wolde em eck syne jeger tho ordenen, de em helpen scheiden,
dat wilde Swyn tho vangen.
De Bftnhase thoch mit alle synen gesellen thom walde ; vnd alse se hentho
quemen, befol he en, her buten tho bliuende. Des se gar wol thofreden weren ;
wente dat Swyn se der maten vaken entfangen, dat se em nicht mehr begerdeu
na tho stellende; danckeden em flytich. De snyder trat henin; vnd alse en dat
Swyn ersach, leep ydt gelike tho em an mit schümendem munde vnd wetenden
tenen vnd wolde eu thor Erden werpen. Tho allem gelflcke stnndt ein Capelleken
im holte, darinne men in vor tyden afflath gehalet, darby euen de snyder was.
Vnd alse he dat ersach, thom negesten in dat Gapelleken leep, bauen thom vinster
wedder heruth spranck. Dem de Su alsobalde na volget vnd im Capelleken
stundt. De snyder leep strax tho der dören, sloech se tho vnd besloeth dat swyn
im Capelleken, den negesten wech hen ginck vnd sölckes synen gesellen antfiget,
[Ava] de mit einander henin in den Waldt reden, sülckes befanden, mit grotem
vorwunderende na huß reden vnd dem Eöninge antögeden.
Ifft de köninck solcker meere fro edder trurich gewesen, mach ein yder
geringe vorstendich lichtlick affnehmen; wente he dem Bönhasen syne dochter
hefft geuen möst. Twiuelt my öuerst gar nicht, hedde de k^ninck gewAst, dat
ydt ein Bönhase were, he hedde em eer ein Strick gegeuen alse syne dochter,
*) vnbehendr.
138
Nu de köninck möst syne dochter also einem ynbekanden genen nicht mit kiener
bekümmernisse. Darna 6aerst de gude snyder weinich fraget, gedacht allene, wo
he des kÖniuges dochterman werden möchte. Also wardt de Hochtydt mit klenen
fröwden ynllenbracht, vnd vdt einem B6nhasen ein köninck geworden.
Na, alse he etlike nacht by Sjmem Gemale geslapen, hefft he im slape
geredet vnd gesecht: 'Knecht, make my dat wammes, flicke my de hasen, edder
ick sla dy de Elenmate twischen de oren!' Welckes de gude kOninginne enen
gemercket helft vnd sfllcks erem Heren vader, dem k6ni[n]ge, angetöget vnd en
gebeden« dat he er des mans aifhülpe; wente se wol gemercket hedde, dat he
ein snyder were. [Bl. Avb]
S&lcke rede den köninge syn herte dorchsneden, dat he syn enige dochter
einem snider genen hedde. Tröstet se vpt* beste vnd secht, se schölle de tho-
kümpstige nacht de kamer öpenen, so wil he etlike dener vor de kamer stellen,
vnd wenn he mehr also secht, schölen se henin gähn vnd en vmmebringen.
Dat gefell er wol.
Na hadde de köninck am Hane einen wapendrager, de dem bönhasen
gflnstich was vnd des köninges rede tho der fronwen gehört hadde, sick snelle
thom jungen köninge (welcker se snyder was) vnd em dat sware ördel, dat aner
en was gegän, apenbarede mit biddende. he wolde sick so best, alse he konde,
vorwaren. De nye kÖninck sede em syner waminge groten danck, he wüste
disser saken wol recht tho dhonde.
Alse nn de nacht gekamen was, de snyder sick mit der köninginnen tho
bedde lede, nicht anders derle, als yfft he slepe. De fronwe stnndt heimliken
▼p, öpende de kamer vnd lede sick wedder tho bedde. De snyder, de sülckes
alles hörde, hoeif an tho reden, gelick als im slape mit heller stemme, dat ydt
de vor der kamer wol hören möchten : 'Knecht, make my de [BI. A 6a] hasen,
flicke dat Wammes, edder ick wil dy de elemate twisschen de obren slän 1 Ick^)
hebbe sönen in einem slage dodt geslagen, ick hebbe twe Reseu dodt geslagen,
ick hebb ein Einhorn vnd ein wilt Swyn gefangen ; scheide ick denn de vor der
kamer fruchten!'
De vor der kamer, do se sfllcke rede vornemen, nicht anders lepen, denn
als jageden se dnsent lanieu köppe, vnd was nicht einer, de sick an den bön-
hasen richten wolde. Also bleeff de snyder alle syne dage ein köninck.
IL
(Nr. 11.) Ein Fabel van einem Arsten.
De gewanheit hadde men tho Bome, dat des krancken water tom arsten
gebracht wart by einem mit twen sülnern penningen, dat he radt geue thor
gesnndtheit des krancken.
So schreff ein arste maunigerley arstenye vnd rädt der krauckheide (eder
lede recepte) in einer nacht gar vele zede vnd lede se in ein uasck. Des mor-
gens, wen de watere to em gebracht worden vnd hülpe van em begert wart,
so grep he in dat nasck, mende, de erste zedel, den he slamplick ergrepe, den
wolde he hemth nemen. Vnd sprack im hemth nemende tho dem, de rädt
begerde: 'Bidde Godt, dat du ein gudt recept heruth krigest!'
Disser arsten lopen stedes allenthaluen noch vele roanck andern dorch de
lande, de mit einem recept allerley wunden helen könen, meinen se, de sick
laten doctor beten, vnd synt so gelert als ein perdt, könen latin als ein swin.
») Ich.
BERLIN. J. Bolte.
Verzeichnis
der Mitarbeiter und ihrer Beiträge
in Bd. I-XX.
Adam, E., in Greifswald.
Nd. Hochzeitsgedichte des 17.
u. 18. Jahrh. aus Fommeru . 19| 122
Babneke, H., in Königsberg i. P.
Über Sprach- und Gaugrenzen
zwischen Elbe und Weser . 7, 71
Weiteres über Dialekt- und
Gaugrenzen 14, 9
Spieghel der zonden . . . . 17, 97
Bäumker, W., in Rurich.
Mnl. Spruchdichtungen . . . 13,104
Bartseb, K., in Heidelberg, (f 20.
Februar 1888.)
^ Mnd. Osterlieder 5, 46
Lateinisch-niederd. Hexameter 5, 55
Marien-Rosenkranz . . . . 6, 100
Klosterallegorie 11, 128
Zwei nd. Hymnen . . . . 11, 133
Simdenklage eines Verstor-
benen . 11,136
Lat.-nd. Gedicht 11, 137
Beehstein, R., in Rostock, (f 5.
Oktober 1894.)
Der Heliand und seine künst-
lerische Form 10, 133
£xcurs. Zur Reimbrechung
im Heliand 10, 142
Bernhardt, J., in Solingen.
Glückstädter Mundart .18,81. 20,1
Bolte, J., in Berlin.
Das Berliner Weihnachtsspiel
von 1589 9, 94
Nd. Übersetzung von Naogeorgs
Mercator 11, 151
Rists Irenaromachia und Pfeif-
fers Pseudostratiotae . . .11,157
Naogeorgs Mercator polnisch 11, 176
Hans unter den Soldaten . . 12, 130
lidurembergs handschriftlicher
Nachlass 13, 42
Liederbuch des Fabricius . . 13, 55
Per Jesusknabe in der Schule 14, 4
Weinprobe 14, 90
Nd. und nl. Volksweisen . . 18, 15
Zum Crane Bertholds von Holle 1 8, 1 1 4
Warnung vor dem Würfelspiel 19, 90
Spottgedicht auf Kölner Advo-
katen 19, 163
Trinkerorden 19, 167
Der Wegekorter . . . . .20,132
Brandes, H., in Potsdam.
Zur mnd. Visio Philiberti . . 7, 24
Zum Mühlenliede 9, 49
Der guden farwen kraus . . 10, 54
Jesu Namen 11, 173
Guido von Alet 18, 81
Kleine mnl. Dichtungen . .13,111
RoUenhagens Froschmeuseler
und die protest. Glosse zum
R. V 14, 1
Zur Geschichte der Leberreime 14, 92
Botes Boek van veleme rade 16, 1
Bremer, 0., in Halle.
Föhringer Plattdeutsch . . . 12, 123
Einleitung zu einer amringisch-
föhringischen Sprachlehre .13, 1
Zum Amringisch-Föhringischen 14, 155
Zeugnisse für die frühere Ver-
breitung der nordfr. Sprache 15, 94
Pehlwormer Nordfriesisch . .15, 104
Anzeige 16, 161
Brenl, K., in Cambridge.
Zu Pseudo-Gerhard von Minden 15, 78
Brensing, A., in Bremen, (f)
Die Sprache des deutschen
Seemanns 5,1.180
Bnitenrnst Hettema in Zwolle.
Reimsprüche der Vögel . . 11,171
Carstens, H., in Dahrenwurth.
Dat Boddermaken 4, 87
140
Dei Hau&ra 6,119
Datt Broudbakk'n . . . . 6,121
Kinderspiele aus Schleswig-
Holstein 8,98. 9,60. 10,49. 13,96
Dat Bosseln 10, 52
Chemnitz, E., in Hamburg.
Die nd. Sprache des Tischler-
gewerks in Hamburg und
Holstein 1, 72
Crecelins, W., in Elberfeld. (f 1 3.
Dezember 1889).
Über die Grenzen des Nieder-
deutschen und Mittelfrän-
kischen 2, 1
Bibliographisches 8, 183
Antonius Liber von Soest als
Grammatiker 4, 1
Essener Glossen 4, 44
Kecepte für Bereitung von
Kräuterbier 4, 89
Arnt Buschman 7, 70
Nd. Kechenbücher . . . . 14, 98
Crnll, F., in Wismar.
Die Buchstaben 0 und H in
Wismarschen Stadtbüchem
usw. des 14. Jahrb. ... 3, 1
Caiemannn, F. 6. H., in Hannover.
(t 6. Dezember 1886).
Lobgedicht auf die Stadt Braun-
schweig 1, 56
Dahlmann in Leipzig.
Die English Dialect Societv . 1,116
Nd. Bibliographie für d. J. 1874
und 1876 1,119
Nd. Bibliographie für d. J. 1876 2, 153
Damk9hler,Ed., i. Blankenburg a. H.
Zu Gerhard von Minden . . 13, 75
16,139. 19,111
Diele, dele, däle 15, 51
Zum Sündenfall 15, 79
Begenstein, Reinstein, Reinke 17, 136
Zu Botes Boek van veleme
rade 19, 109
Deiter, H., in Aurich.
Ein lateinisch-deutsches Gebet-
buch des 15. Jahrh. ... 4, 62
Tractaet inholdende vele koste-
lycke remedien off medecynen
weder alle krancheyt der
Peerden 6, 74
Der Appingadammer Bauerbrief
vom 2. Juni 1327 in nd.
Übersetzung 7, 16
Dat waterrecht nach einer Em-
dener und Auricher Hand-
schrift 7, 34
Dat Seentrecht der 7 Münster-
schen Probsteien in Ost-
friesland 8, 86
Rymsproeke to vermaninge der
Richteren 8, 97
Nd. Vaterunser mit Glossen . 9, 146
Ermahnung an Nonnen . . . 11, l(w
ten Doornkaat Koolman, J., in
Norden, (f 18. April 1881)).
Tier- und Pflanzennamen aus
Ostfriesland 11, 111
Friesische Ortsnamen und deren
älteste Form 1 3, 1 5o
Enling, E., in Lingen.
Der Kaland des Pfaffen Koue-
mann 18, 19
Fischer, L. H , in Berlin.
Königsberger Gedicht a. d. J.
1670 12,141
Zur Geschichte der Leberreime 14, *J5
Frisch als Sammler mark. Idio-
tismen 16, 109
Oaedertz, K. Th., in Berlin.
Johann Rist als nd. Dramatiker 7, IUI
Die Hamburgischen Opern in
Beziehung auf ihre nd. Be-
standteile 8, 11.5
Oall^e, J., H., in Utrecht.
Mnd. Arzneibuch 15, 105
Graffander, P., in Fürsten walde.
Mnd. Margareten Passion . . 19, 131
Zum Anseimus 19, 155
Urauland, V., in Stockholm.
Kriegsprophezeiung . . . .12,119
Hänselmann, L., in Braunschweig.
Braunschwcigischc Fündlinge . 3, 70
6,135. 16, 69
Kalenderorakel 6, 135
Fragment einos Dramas von
Simson 6, 1 37
Zwei Gedichte aus der Refor-
mationszeit 9, 83
Eine merkwürdige alte Fäl-
schung 16, 8(>
Hofmeister, A., in Rostock.
Caspar Abels nd. Gedichte . 8, 1
Die nd.Leberreime des Johannes
Junior v. J. 1601 .... 10. 59
141
Heinrichs von Krolewiz Vater-
unser nd 17, 146
Der Verfasser der jüngeren
Glosse zum Keinke Vos . . 19,118
Holstein, H., in Wilhelmshaven.
Ein lateinisch - deutsches Vo-
kabelbuch Yon 1542 . . . 6, 123
Eine nd. Spottschrift auf den
Hamburger Patrioten von
1724 9, 75
Iken, J. Fr., in Bremen.
Ein bremisches Pasquill aus
d. J. 1696 18, 79
Jahn, C.
Das Volksmärchen in Pommern 12, 151
Jellin/^hans, H., in Segeberg.
Das Mühlenlied 8, 83
Zwei plattdeutsche Possen von
J. Lauremberg 8, 91
Aus Kopenhagener Hand-
schriften 7, 1
Bemerkungen zu Fr. Woeste's
Wörterbuch d. westfälischen
Mundart nebst Briefen des-
selben 9, 65
Mundart des Dorfes Fahrenkrug 14, 58
Syderak 14^ 59
Der Heliand und die ndl. Volks-
dialekte 15, 61
Lübecker Schulvokabular v. J.
1511 16,111
Rechtsaufzeichnungen in nd.
Sprache 18, 71
Jostes, F., in Freiburg (Schweiz).
Westfälische Predigten ... 10, 44
Schriftsprache und Volksdia-
lekte . 11, 85
Werdener Liederbuch . . . 14, 60
Kalff, 0., in Amsterdam.
Moorkens-Vel 11,143
Anzeige 14, 158
Knoop, 0., in Posen.
Plattdeutsche Sprüchwörter u.
Redensarten aus Hinter-
pommem 15, 53
Köhler, H., in Hamburg.
Dat Flas (Lüneburger Mundart) 3, 1 60
Koppmann, K., in Rostock.
Schwerttanz 1, 105
llanschen un bot 1, 107
Reimlust im 15. Jahrb. . . . 1,108
Zum nd. Kalender . . . . 1,110
Irmin und St. Michael . . . 2,114
Zum nmd. gh 3, 7
Liebesgruss 8, 8
Runmieldens 8, 67
Friedrich Woeste 8, 165
K. E. H. Krause 18, 1
Krause, K. E. H., in Kostock.
(t 28. Mai 1892.)
Rostocker historisches Lied aus
dem Accisestrcit 1556 . . 1, 57
Nd. Predigt des 15. Jahrh. . 2, 11
Zu Schiller-Lübben mnd. Wör-
terbuche 2. 40
Brunsilgenholt , Brizilien im
Mittelalter 2, 83
Brunsilgenholt 3, 56
Caput Draconis und die Kreuz-
woche 3, 76
Flachsbereitung im Göttingen-
schen 3, 156
Statuten und Gebräuche der
Kopmann- unde Schipper-
Bröderschaft zu Stade . . 4, 69
Bruchstück eines mnd. Kalen-
ders 4, 91
Hans van Ghetelen aus Lübeck 4, 96
Erklärendes Wörterverzeichnis
der Lüneburger Sülze . . 5, 109
Strassen, Örtlichkeiten, Kirchen
etc. in Lüneburg, auch der
nächsten Umgebung . . . 5. 167
Quetsche, Zwetsche . . . . 12, 97
Mnl. Bruchstücke . 12,106. 15,39
Nd. Handschriften . . . . 15, 33
Zitelose 15, 44
Noch einmal das Hundekorn . 15, 149
Die Bohne und die Vietzebohne 16, 53
Latendorf, F., in Schwerin.
Die Deminutiva der nd. Aus-
gabe von Agricola's Sprich-
wörtern 3, 101
LSwe, Rieh., in Berlin.
Dialektmischung im Magdebur-
gischen Gebiete 14, 14
Lonke, A., in Bremen.
Physiognomische Lehren . . 20, 122
Lfibben, A., in Oldenburg, (f 15.
März 1884.)
Einleitung l, i
Zur Characteristik der mnd.
Litteratur l, 5
Medicinalia pro equis conser-
vandis 2, 19
Rcimsprücho 2, 24
142
Zu den historischen Volks-
liedern von E. von Liliencron 2, 35
Urkundenbuch der Berlinischen
Chronik. Berliner Todten-
tanz 8, 170
Van de Scheide tot de Weichsel 3, 181
Aus dem Yocabelbuche eines
Schülers 4, 27
Zum Umlaut 4, 41
Spieghel der zonden ... 4, 54
Das Hundekorn 4, 106
Ostfriesisches Urkundenbuch . 4, 116
Die niederdeutschen, noch nicht
weiter bekannten Handschrif-
ten der Bibliothek zu Wolfen-
büttel 6, 68
Etwas über nd. Familiennamen 6, 145
Bruchstück einer Unterweisung
über die zehn Gebote . . 7, 62
Das Paradies des Klausner
Johannes 7, 80
Die Halberstädter nd. Bibel-
übersetzung von 1522 . . 8, 108
Luther, Joh., in Berlin.
Marienmesse 12, 143
Salzwedel und die übrigen
Ortsnamen auf -wedel . . 16, 150
Maass, in Brandenburg.
Wie man in Brandenburg spricht 4, 28
Mantels, Wilh., in Lübeck, (f 18.
Juni 1879.)
Zwiegespräch zwischen dem
Leben und dem Tode . . 1, 54
Aus einem niedersächsischen
Pfarrherrn von Kaienberg . 1, 66
Noch einmal das Zwiegespräch
zwischen dem Leben und
dem Tode 2, 131
Ein drittes Blatt aus dem
niedersächsischen Pfarrherm
von Kaienberg 2, 145
Krude 3, 83
Nachträge 3,161
Menz, A., in Norden.
Nachtrag 3, 82
Alte Kanoneninschriften aus
dem 16. Jahrhundert ... 5, 189
Mielek, W. H., in Hamburg.
Die nd. Sprache des Tischler-
gewerks in Hamburg und
Holstein ....... 1, 72
Das Gothaer mnd. Arzeneibuch
und sei^e Pflanzeunamen . 2, 122
Zeitlose» 4, 65
Milkan, F., in Berlin.
Mnd. Pflanzenglossen . . . 17, 81
Älteste deutsche Übertragung
des Dies irae 17, 84
Hosen, R., in Oldenburg.
K. Strackerjan 15, 157
Malier, J. 6., in Hildesheim.
Jesus dulcis memoria (Tagzeiten
der heiligen Anna). . . . 5, 5G
Nissen, C. A., in Kopenhagen.
Eine dritte plattdeutsche Posse
von J. Lauremburg . . . 11, 145
Pratje, H., in Sobemheim.
Syntax des Heliand .... 11, 1
Prenss, 0., in Detmold, (f 1. Mai
1892).
Die Lippischen Familiennamen 9, 1
Priebsch, 0., in London.
Marienklage 18, 105
Ein viertes Blatt aus dem nd.
Pfarrherm von Kaienberg 18,111
Prien, F., in Neumünster.
Yan den Detmarschen is dyt
ghedicht (auf die Schlacht
bei Hemmingstedt, 1500) .10, 89
Pals, A., in Flensburg.
Tannhäuserlied u. Maria tzart 16, G5
Regel, K., in Gotha.
Zwei mnd. Arzeneibücher . .
Aus dem Gothaischen Arzenei-
buche 5, 61
Beifferseheid, AI., in Greifswald.
Beschreibung der Handschrif-
tensammlung des Freiherm
August von Amswaldt in
Hannover . 9,182. 10,5. 11,99
Zwei Briefe Jacob Grimms an
Albert Hoefer 9, 146
Albert Hoefer (Nekrolog) . . 10, 149
Über Pommerns Anteil an der
nd. Sprachforschung . . .13, 38
Ribbeck, W., in Marburg.
Ein Liebesbrief aus dem 16.
Jahrhundert 15, 73
Schäfer, D., in Tübingen.
Nd. Inschriften in der Krypte
der Domkirche St. Laurentii
zu Lund 9, 125
4,
5
143
Sehäffer, J. G., in Bienebek.
Edtliche Christliche Frage-
stucken vnd Antwort ... 8, 25
Scheel, W., in Berlin.
Zur Geschichte der Pomme-
rischen Kanzleisprache im
16. Jahrhundert .... 20, 57
Sehirmer, K., in Metz.
Mitteilungen aus einer nmd.
Handschrift 9, 1
Schifiter, W., in Dorpat.
Zur altsächs. Grammatik (An-
zeigen) .... 17,149. 18,160
Zur altsächs. Bibeldichtung
(Anzeige) 20,106
Schmidt, Gast, in Halberstadt.
(t 2. Januar 1892).
^ Niederdeutsches in Handschrif-
ten der Gymnasialbibliothek
zu Halberstadt ... 2, 27. 3, 60
Fragment des Seebuchs . . 2, 80
Dyt ys dy erfindunge und
Wunderwerke des hilligen
sacramentes tho der Wils-
nagk 8, 57
SchrSder, C, in Schwerin.
Varia aus Wiener Handschriften 2, 51
YomHolze des heiligen Kreuzes 2, 88
Schröder, Edw., in Marburg.
Der Parson of Kalenborow . 13,129
Ebstorfer Liederhandschrift .15, 1
Jacobs von Ratingen Lied auf
das Breslauer Hostienmirakel 16, 41
pjulenspiegels Grabstein . . 16, 110
Ein lat.-nd. Tractat aus Burs-
felde 16,145
Mnl. Paraphrase des Hohen-
liedes 19, 80
Seelmann, W., in Berlin.
Wo de sele stridet mit dem
licham. (Yisio Philiberti) . 5, 21
Arnt Buschmans Mirakel . . 6, 32
Eyne gude lere van einer
junchvrowen 8, 33
Van deme drenker .... 8, 36
Des Minners Anklagen ... 8, 42
Des Engels Unterweisung . . 8, 63
Farbendeutung 8, 73
Friedrich von Hennenbergs
geistliche Rüstung .... 9, 55
Gories Pccrse's Gedicht van
Island 9 110
Everhards von Wampen Spiegel
der Natur . . .10,114. 11,118
Dilde, dulde 10, 131
Zwei Verse eines niederlän-
dischen Liedes v. J. 1173 . 10, 157
Valentin und der Verlorene
Sohn 10,160
Fragment eines Totentanzes . 11,126
Mnl. Parthonopeus-Fragment . 11, 170
Nordthüringen 12, 1
Ortsnamenendung-leben ... 12, 7
Bewohner Dänemarks und
Schönens 12, 28
Ptolemaeus und die Sitze der
Semnonen 12, 39
Das norddeutsche Herulerreich 12, 53
Hassegau und Hocsioburg . . 12, 59
Der Zetacismus und seine Ver-
breitung in Niedersachsen .12, 64
De Heinrico 12, 75
Thietmar von Merseburg, die
Merseburger Glossen und das
Merseburger Totenbuch . . 12, 89
Peder Smed u. Amt Buschman 12, 95
Johan Statwech 13, 121
Die Vogelsprachen . . . .14, 101
Die Totentänze des Mittelalters 17, 1
Rollenhagen über mundartliche
Aussprache 18, 120
Nd. Fibeln des 17. u. 16. Jahrh. 18, 124
Die mnd. langen o . . . .18, 141
Dietz' Beiträge 20, 123
Smidt, H., in Bremen, (f 1878).
Pädagogischer Spruch vom
Ende des 16. Jahrh. ... 2, 34
Sohnrey, H., in Freiburg i. B.
Ale MUreken von der Weper 8, 108
Öppelken 10,112
Spee, J., in Köln.
Der Flachs 3, 152
Sprenger, R., in Northeim.
Zu Gerhard von Minden . . 4, 98
6,188. 19,94
Zu den historischen Volks-
liedern von R. von Liliencron 4, 104
Zum Berliner Todtentanz . . 4, 105
Zu Laurembergs Scherzge-
dichten 5,186. 15,84
Zur mnd. visio Philiberti . . 6, 130
Bockshorn 6, 134
Bruckstück einer Unterweisung
über die zehn Gebote . . 7, 62
Nachträge zu Schambachs
Göttingisch - Grubenhagen-
schcm Idiotikon .... 8, 27
144
Molt
Zum Dramenfragment . . .
Zu Reinke Vos
Zum nd. Aesopus ....
Zum Sündenfall
16, 116.
Zu Stephans Schachbuch . .
Zum Düdeschen Schlömer . .
Zur Kritik und Erklärung des
Theophilus
Zu Reuters Dörchläuchting
Zu: Van Sunte Marinen, Vru-
wenlof, Wolfenbütteler Oster-
spiel, Zeno, Ancelmus, Botes
Boek van veleme rade . .
Zu Konemann
Zur Marienklage
Zu Valentin und Namelos . .
Zu Brinkmanns Erzählungen .
Strackerjan, K., in Oldenburg.
(t*19. November 1889.)
Heinr. Aug. Lübbcn. Gedächt-
nisrede 9, 149
Strackerjan, L., in Oldenburg, (f)
Winterklage 2, 26
Tümpel, H., in Bielefeld.
Zur Einteilung der nd. Mund-
arten 10,158
Die Bielefelder Urkunden-
sprache 20, 78
8,
82
9,
48
10,
107
13,
69
14,
148
19,
107
14,
153
15,
91
16,
128
17,
88
17,
90
19,
102
19,
104
19,
108
20,
89
Walther, C, in Hamburg.
Hamburger mnd. Glossen . .
Mundartliches im Reineke Vos
Kleine Beiträge ....
Friesisches im Ditmarschen?
Causales wenn oder wann .
Das Fastnachtspiel Henselin
Bibliographisches ....
Zum Fastnachtspiel Henselin
' Über die Lübecker Fastnacht-
spiele
Ein historisches Kirchenlied
Abraham Meyer's v. J. 1559
Fragment eines Dramas von
Simson
Status mundi
Nd. Inschriften in der Krypte
der Domkirche St. Laurentii
zu Lund
1, 15
1, 92
1,113
2,134
2,149
3, 9
3,183
5,173
6, 6
6,114
6,139
9,104
9,127
Die Hamburger Islandsfahrer 9, 143
Kai 10,1. 103
Joh. Kediger 11,138
Fragment aus Maerlants
Spieghel historiael . . .11,168
Zum Redentiner Spiel . . . 16, 44
Über die Sprache der Wederaer
Urkunde 16, 93
In Drunten varen 16, 107
Schatrowe im Sachsenspiegel 18, 61
Loven *sich belauben' . . .18, 67
Zu den Königsberger Pflanzen-
glossen 18, 130
Zur Geschichte des Volks-
buches Yom Eulenspiegel .19, 1
Wedde, Joh., in Hamburg, (f)
Miscellen aus dem Sachsen-
walde 1, 101
Wcddigcn, 0., in Wiesbaden.
Aus dem Westfälischen Magazin 4, 79
Wehrmann, 0., in Lübeck.
Lebensweisheit 8, 8
Fastnachtspiele der Patrizier
in Lübeck 6, 1
Wilkcn; E., in Celle.
Eine Müustersche Grammatik
aus der Mitte des XV. Jahrb. 3, 36
Winkler, J., in Haarlem.
Für Mundartenforscher ... 2, 45
W^oeste, F., in Iserlohn, (f 7. Jan.
1878.)
Antworten auf Fragen des mnd.
Wörterbuchs 2, 47
Wert u. Benutzung der Magde-
burger Bibel für das mnd.
Wörterbuch 2,119
Kinderspiele in Südwcstfalen . 3, 1()3
Südwestfälischc Schelten . . 3, lio
Aberglaube und Gebräuche in
Südwestfalen 3, 127
Briefe 9, 7o
Wossidio, R., in Waren.
Die Präpositionen und präpo-
sitionalen Adverbien in der
Mecklenburger Mundart . . 20, 4()
übersieht
der in Bd. 1-20 abgedruckten nd. und ndl. Texte.
Alt- lind mlttelnd. Glossen.
Essener Glossen 4, 44
* Königsberger Pflanzenglossen .17, 81
Hamburger mnd. Glossen . . . 1, 15
« Lübecker Schulvokabular vom
Jahre 1511 16,111
Ein lateinisch-deutsches Y okabel-
buch von 1542 6, 123
Mnd. historische Dichtnni;.
" Lobgedicht auf die Stadt Braun-
schweig 1, 56
' Rostocker historisches Lied aus
dem Accisestreit 1566 . . . 1, 57
Lied von König Ludwig von Un-
garn 7, 11
Zwei (Braunschweiger) Gedichte
aus der Reformationszeit . . 9, 83
Van den Detmarschen is dyt ghc-
dicht 10, 89
Johan Statwech 13, 121
Jacobs von Ratingen Lied auf
das Breslauer Hosticumirakel
von 1453 16, 41
Spottgedicht auf die Kölner Ad-
vokaten (kölnisch) . . . . 19, 163
Mnd. weltliches Lied.
(Anfänge)
Aver wyl ick heuen an van
eynem Danhuser syngcn . . 16, 65
Dar scholde eyn esel (Schamper-
nolleken) 16, 80
Dar steyt eyn lindekcn ... 3, 73
Do de leve werde meyg . . . 15, 35
Et was ecn schipken angckam
(Weiuprobe) 14, 90
NiederdcutiichDa Jahrbuch. XX.
Id redt eyn ridder wolgemod .15, 19
Min lef heft mi vorlaten ... 7, 94
Na groner farwe min herten vor-
langhet 15, 18
Och Winter kolt wo mannigfoldt 2, 26
Wor schal ik mi henkeren . . 16, 78
Fragment eines Volksliedes . . 15, 20
Mnd. Einzelsprilche n. Reimereien.
Reimsprüche (aus einer Emdener
Sic servetur interdictum ... 2, 27
Sprüche (aus Halberstädter Hss.) 2, 29
30. 3, 60
Blutsegen 2, 32
Fastenspruch 2, 30
Die zehn Gebote 2, 80
Pädagogischer Spruch .... 2, 34
Varia aus Wiener Handschriften 2, 51. 53
Lebensweisheit 3, 8
Aus dem Vocabclbuche eines
Schülers .... 4,27 (vgl. 5,55)
Alte Kanoneninschriften aus dem
16. Jahrh 5, 189
Priameln 7, 9
Rymsproeke to vermaninge der
richteren 8, 97
Nd. Inschriften zu Lund . . . 9,125
Lateinisch-nd. Gedicht . . . .12, 137
Sprüche der Ebstorfer Licderhs. 15, 16
Gi minschenkindcr up erden . 16, 74
Warnung vor dem Würfelspiel
(kölnisch) 19, 93
De XVIII egendome der drenkers 19, 167
Zeichen des Tierkreises ... 2, 27
Briefreime 3, 73
Unterschrift 2, 27
10
146
Mnd. Drama.
Das Fastnacbtspiel Henselin oder
Von der Rechtfertigkeit , . 3, 9
Namen der Lübecker Fastnacht-
spiele 6, 3
Fragment eines Dramas von
Sunson 6,137
Der Jesusknabe in der Schule.
Bruchstück eines niederrhei-
nischen Schauspiels .... 14, 4
Sonstige mnd. Dichtungen welt-
lichen Inhalts.
Aus einem niedersächsischen
Pfarrherrn von Kaienberg . . 1, 66
Ein drittes Blatt aus dem nieder-
sächsischen Pfarrherm von
Kaienberg 2,145
£in viertes Blatt aus dem nieder-
sächsischen Pfarrherm von
Kaienberg 18,111
Bruchstück eines Lobgedichtes
auf den Filzhut 2, 54
Van den eddele ghestcnten . . 2, 57
Rummeldeus 3, 67
Kalenderorakel 6,138
Eyn gude lere van e}Tier junc-
vrowen 8, 33
Van deme drenker 8, 36
Des Minners Anklagen .... 8, 43
Farbendeutung 8, 73
Gories Peerses Gedicht Van
Island 9, 110
Der guden farwen kraus . . . 10, 54
Everhards von Wampen Spiegel
der Natur . . . . 10,114. 11,118
Beimsprüche der Vögel (üt-
rechter Bruchstück) . . . .11, 171
Vogclsprache (aus einer Stock-
holmer Hs.) 14,126
Vogelsprachc (aus einem Wiegen-
drucke) 14, 146
Hermen Botcs Boek van veleme
rade 16, 1
Mnd. geistliches Lied.
Mnd. Osterlieder (aus einer
Hildcsheimcr IIs.) . , . . 5, 46
Jesu dulcis memoria- Tagzeiten
der h. Anna 5, 56
Ein historisches Kirchenlied
Abraham Meyer's v. J. 1559 . 6,114
Mnd. Kirchenlieder (in Kopen-
hagener Hss.) 7, 1
Johannes Rediger 11, 188
Eine Werdener Liederhand-
schrift aus der Zeit um 1500 . 14, GO
Die Ebstorfer Liederhandschrift 15, 1
(Anfänge)
Anna ein eddele stam du bist .16, 09
Ave Maria roseke 15, 23
Böge dinen strengen telgen . .15, 13
Criste du bist dach ende licht .14, 88
Christus is uns geboren al recht 11, IS:;
De gröteste kunst der werlt
bekandt 6,115
De here vorbode den engel schone 15, 21
Den heren, unse gerechtigkeit . 11, 139
Dies irae, mnd 3,70. 17,84
Ditat herus (lat. -nd. Misch-
gesang) 2, 28
Dri konningen ut Orienten . . 14, 05
Droch werlt, mi gruwet vor diu
wesent 15, 15
Een jeghers hom mit ricker schal 14, G3
Een vrolic nie liet 14, 77
Eine möl ick buwen wil (Mühlen-
lied) .... 3,86. 14,83. 15,6
En dach des tomes.de dach is
genant 17, 86
Gegrotet sistu Maria vul reine .16, 70
God is mir holt, bin ik sin kint 7, Vk~)
Goddcs sone wolde minsche
werden 11, 131
Hcfif up min cruce min leveste
brut 7,3. 14, 88
Help riker god van baven . . 14, 70
Het is een dach der vroelicheit 14, 61
Hochuterkom juncfrauwe fyn
(Schülerlied) 2, 28
Ick grote di gerne meres steme 16, 71
Ik was ein vorste also grot 15, 19. 20
Ick bin van sorgen drovich . .15, 24
Ik heb die schönste utverkaren 14, 69
Ik rede dat van ghansen zynnen 7, 93
14?
Ik sach den dach upstigen . . 14, 72
Ik sach den here van Nazaret .14, 79
Ik sach die aventsterne . . . 14, 78
Ik se de lentes tit upghan . . 5, 50
Ik vronwe ml to deser stont . 14, 76
In den tiden van den jaren 14, 86. 16, 41
Jesus soite betrachtinge ... 5, 56
Lave zederbom Du hoghelavede
holt 15, 10
Maria tzart van edler art . . 14, 67
15,8. 16,30. 67
Mit desen nien jare 14, 64
Mit vrouden willen wi singen . 14, 80
Nu lave hertken lave . . . . 15, 12
Nu sterk ons god in onser not .14, 85
0 Anna zart 15, 31
Och, edel mensch, bedenk die tit 1 4, 74
Ons kompt een schep geladen . 14, 75
Ten ewigen leven weer ik gern 14, 82
To dissem nuwen jare . . . . 15, 22
Uns daget hüte en salich dach 15, 24
Wal up, ik mot van henen . . 14, 73
Wi willen alle vrolik sin . . .15, 23
Wo lüde so sank de lerer . 14,81. 7,6
Mnd. Legenden.
Vom Holze des hcilifjcn Kreuzes 2, 8rt
Anseimus vom Leiden (-hristi . 7, 12.
19,155
Margareten Passion . . . . 19, 131
Sonstige
mnd. geistliche Dichtungen.
Heinrichs von Krolewiz Vater-
unser nd 17, 146
Jesus und die Seele .... 7, 3
Van der wapcn Kristi . . . . 3, 71
Marienklago 18, 105
Marienmesse 12, 143
Marien Rosenkranz 6, 100
Des Engels Unterweisung ... 8, 03
Der Kaland des Pfaffen Konc-
mann 18, 19
Weisse und grüne Farbe . . . 16, 74
Friedrich von Hennenbergs geist-
liche Rüstung 9, 55
Klosterallegorie
Lehrer und Jüngling ....
Spieghel der zonden . . 4,54.
Wo de sele stridet mit dem
licham (Visio Philiberti) . .
Zwiegespräch zwischen dem
Leben und dem Tode . 1, 54.
Fragment eines Totentanzes . .
Der alte lübisch-revalsche Toten-
tanztext
Sündenklage eines Verstorbenen
Paradies des Klausners Johannes
Gereimte Gebete . . . .7,8.
Weltliche Prosa.
Prosaauflösung von Berthold von
Helles Crane (köln.) , . .
Ein Liebesbrief aus dem 16.
Jahrhundert
Der Wegekörter von 1592 . .
Zwei mnd. Arzneibücher (aus
Gotha und Wolfenbüttel) . .
Aus dem Gothaischen Arzneibuche
Mnd. Arzneibuch
Medizinisches
Wider die Pestilenz ....
Physiognomische Lehren . . .
Van dem eckenblade ....
Recepte für Bereitung von
Kräuterbier
Krude
Medicinalia pro equis conser-
vandis
Tractaet inholdende remedien
weder alle krancheyt der peer-
den
11, 128
7, 6
17,97
5, 21
2,
130
11,
126
17,
68
11,
136
7-,
80
16, 73-
18, 114
15,
73
20,
132
4,
5
ö,
61
15,
105
8,
G4
3,
74
2(),
122
2,
32
4,
89
3,
83
Waterrecht nach einer Emder
und Auricher Hs
Dat Seentrecht der Münsterschen
Propsteien in Ostfriesland
Appingadammer Bauerbrief . .
Statuten nnd Gebräuche der
*Kopmann- unde Schipper-
Broderschaft' zu Stade . . .
Eine merkwürdige alte Fälschung
(Wedemer Urkunde) ....
10*
2, 19
6, 74
7, 34
8,
86
7,
18
4,
69
16,
80
148
("ragment des Seebuches . . ; 2, 80
Bruchstücke mnd. Kalender 4,91. 9,41
Judeneid 16, 75
Wafifenbesprechung 2, 27
Heilzauber 16, 76
Waffenbesprechung 2, 27
Heilzauber 16,76
2, 11
10, 44
11,167
8,
57
3,
65
3,
75
4,
62
6,
32
7, 62
Geistliche Prosa.
Nd. Predigt des 15. Jahrh. über
Non sum
Westfälische Predigten . . .
Ermahnung an die Nonnen eines
Klosters
Erfindunge und Wunderwerke des
h. sacramentes tho der Wils-
nagk
Van den apostelen
De processien der kruceweken
Lateinisch • deutsches Gebetbuch
des 16. Jahrh
Amt Buschmans Mirakel . . .
Bruchstück einer Unterweisung
über die zehn Gebote . . .
Edtliche christliche Fragestucken
vnd Antwort
Nd. Vaterunser mit Glossen . .
Guido von Alet
Übersetzung von Evang. Joh.
1, 1—14.
Biblische Zeugnisse vom Lohne
der guten Werke
Ein lateinisch - nd. Tractat aus
Bursfelde
Ans nenniederdentscher Zeit.
Die nd. Leberreime des Joh.
Junior 10, 59
Zwei plattdeutsche Possen von
J. Lauremberg 3, 91
Eine dritte plattdeutsche Posse
von J. Lauremberg .... 12,145
Laurembergs handschriftlicher
Nachlass 13, 42
Rist als nd. Dramatiker ... 7, 101
Hans unter den Soldaten. Posse
des 17. Jahrh 12, 130
8,
25
9,
146
13,
81
15,
7
16,
27
16,
145
Die Hamburgischen Opern in
Beziehung auf ihre nd. Be-
standteile 8, 115
Ein Königsberger Gedicht in nd.
Mundart aus d. J. 1670 . . 12, 141
Ein bremisches Pasquill aus d. J.
1696 18, 79
Hochzeitsgedicht aus d. J. 1697
in Westfälischer Mundart . . 4, 82
Eine nd. Spottschrift auf den
Hamburger Patrioten von 1724 9, 75
Caspar Abels nd. Gedichte . . 8, 1
Nd. Hochzeitsgedichte des 17.
und 18. Jahrh. aus Pommern 19, 122
Westfälisches Liebesgedicht aus
d. J. 1792 4, 84
Westfälisch-plattdeutsche Ueber-
setzung von Claudius ^War
einst ein Riese' 4, 85
Proben von Hundarten.
Lüneburg (Hannover) . . . .
Nienhagen (ebd.)
Solling (ebd.) ..:....
Delve (Holstein)
Fahrenkrug (ebd.)
Glückstadt (ebd.)
Lunden (ebd.) .... 6, 12L
Stapelholm (ebd.)
Hinterpommern
Kempen. Geldern (Rheinprov.) .
Südwestfalen
3, 160
10,112
8, lOG
6,119
14, 53
20,
10,
15,
52
87
53
3, 154
3, 103
Führ (Nordfiiesland) .... 12, 126
Pelworm 15, 104
Niederländisches.
Varia aus Wiener Handschriften
m, IV . 2,50. 51 (vgl. 13,111. ir>0)
Liebesgruss 3, ^
Fragment aus Jacob van Maer-
lant's Spiegel historiael . . 11, IGs
Mnl. Parthonopeus-Fragment . 11, I7u
Jesus Namen 11, 173
Bruchstücke aus Willem von
Ilildegacrsberch 12, KW»
149
Kriegsprophezeiung 12, 119
Lyedeken : Mija oocbgens weenen 13, 62
Mnl. Spruchdichtungen . . .13, 104
Kleine mnl. Dichtungen . . .13,111
Mnl. Bruchstücke 15, 39
Spieghel der zonden . 4, 54. 17, 97
Van wacr compt ons den coelen
wyn 18, 18
Mnl. Paraphrase des Hohen-
liedes 19, 80
Keimlust im 15. Jahrhundert 1, 108
Werdener Liederhandschrift . . 14, 16
Register
zu den Bänden 1 bis 20.
a statt 0 1, 98; 9, 132 ff.; 20, 85.
ä and. statt ö 11, 90.
A-B-C-Spruch, mnl. 13, 12.
Ahel, Caspar 8, 1 f. — Die hülflose
Sassine 8, 7 f.; Gespräch von hösen
Weihern 8, 20 f.; Hirten-Gespräch
8, 23 f.
Aherglauhe in Südwestfalen 3, 127 f.
Accisestreit, Rostocker 1, 57 f.
Acta Sanctomm 6, 68.
Adolfi, Johann, s. Neocoms.
Advokaten, Kölner 19, 163.
Aesopus, Ndd. 13, 69 ff.
Affscheidt Christian! HI. 6, 114 f.
Agnes, S. 6, 69; 10, 42.
Agricola 3, 101 f.
Ahlstein 1, 114.
Alanus 10, 44.
Alhert, Decan in Osnabrück 11, 87.
Albertus Magnus 11, 109.
Alboin 12, 5.
Alhrecht van Bardewich 1, 5.
Alet, s. Guido
Alexandersage 6, 24.
Allegorische Minnedichtung 8, 73.
Altmärkische Sprachformen 19, 134.
Altenaer Mundart 2, 2.
Altsächsisch 11, 90 f.; 17, 149 ff.;
19, 160 ff. ; 20, 106, s. auch Heliand.
Alvert 19, 123.
Amicus und Amelius 6, 26.
Ammeland, Schmied 1, 104.
Amrum, Mundart 13, 1 ff. ; 160 ; 14, 155 ff.
Amsweer 11, 151.
Anckelmann 9, 75.
Anderson 9, 115; 9, 124.
Angeln, Bedeutung des Namens 12, 23 ;
in Thüringen 12, 2. 21. 90; in
Schleswig 12, 9 ff.
Anna, S. 5, 56 f.; 6, 71.
Anseimus 6, 70; 6, 72; 7, 12 f.; 17,
94; 19, 131. 156—163.
Antonius-Bruderschaft, Stader 4, 69.
Anxte, Van den, ende der minnen 10, 20.
Apocope des t nach ch 6, 144.
Aposteien, Van den 3, 65.
Appingadammer Bauerbrief 7, 18 f.
Arndes, Steffan 10, 91.
Arnold von Lübeck 6, 23.
Arnswaldtsche Handschriften 9, 123 f.;
10, 5 f.; 11, 99—110.
Arstedie, Dudesche 5, 61 f.
Artikel des Leidens Christi, Die 65 : 10, 4 1.
Artussage 6, 19; 10, 3.
arveyt 6, 144.
Arzeneibücher 2, 122; 4, 5 f.; 5, 61 f.;
6, 71; 15, 105 f.
asna 1, 114.
150
Assibilatiou 12, 64.
Augsburger Beichstag 12, 81 f.; 86.
Angustinus, Leben des 11, 99; Ser-
monen 11, 100.
Aurora grammatices 4, 1.
Ausgang der Kinder Israel aus Egypten
9, 142; 10, 21.
Aussprache, Mundartliche 18, 120.
Ave Maria 11, 107.
Aventmale Christi, Van dem 10, 15; 10,39.
Ayrer, Jakol) 12, 132.
Babylonischen Monarchie, Ende der 8, 141.
Bado 6, 8.
Bahde, Ernst, 19, 123.
Baldach 6, 25.
Balthasar, Aug. von 19, 122.
Bangicheit ende lacht, yan geestiker
10, 36.
Barbiergesellen in Island 9, 111 ; 9, 143.
Bardengau 12, 22.
hare 1, 101.
Barkhnsen, Herman 1, 92.
Bartholomeus, Meister 4, 5.
Basel, Totentänze 17, 48.
Bataven 2, 4.
Bauernbetrügerei 11, 144.
Baum, der geistliche 10, 23.
Baumaun, Nicolaus 1, 92; 19, 115 f.
Baurenmasquerade 8, 130.
Beccaus Belsazer 8, 141.
Behrmann, Georg 9, 75.
Beizeichen 3, 1.
Beichtformeln, Altsächsische 12, 7.
bekaaid 10, 103 f.
Belsazer 8, 141.
belswort 2, 123.
benty *bi8' 16, 103.
Bereitung des Herzens 10, 5.
Berengar 12, 82.
Berliner Chronik, Urkundenbuch der 3,
170 f.; Totentanz 3, 178 f.; 4, 105;
17, 42; Weihnachtspiel 9, 94 f.
Bernburg, Enlenspiegelturm 19, 13.
St. Bernhards Lehre an eine Jungfrau
6, 70; 6, 72.
Berthold von Holle, Crane 6, 30; 18,
114 if.
Besanmust 5, 15.
Beschluss des Carnevals 8, 129 f.
Beteuerungsformel 8, 113.
Betrug, Der angenehme 8, 124.
Betuwe, 2, 4.
Beuther, Michael 19, 114.
Bibel, Halberstädter 8, 108 f. ; Kölner 8,
108; Lübecker 8, 109; Magdeburger
2, 119 f.
Bibelbruchstücke, Altsächs. 20, 106.
Bibliographie für 1874—75; 1, 119 f.;
1876: 2, 153 f"; 3, 183.
Biechtdochter 10, 29.
Bielefelder Urkundensprache 20, 78 ff.
-biki, 'bizi 12, 71 f.
bin = bin schuldich 3, 68. .
bitxaslec 4, 114.
Blaue Flagge 18, 15.
Blefken 9, 112 f.
bliven = schuldich bliven 3, 68.
Blutsegen 2, 32.
Blytscap, Van hemelscher 10, 19.
bobbeyi 2, 138.
Boccaccio 6, 27.
Bockshorn 6, 134.
Böhmer, W. 13, 37.
Böhmische Yogelsprache 14, 105. 118.
Börner, 19, 123.
Böse Frauen, 6, 7.
Bötticher, Job., 19, 123.
Bohne 16, 53 ff.
Boileaus Satiren 8, 1; 8, 117.
Bokenem, Johannes 1, 96.
Bonaventura 6, 70.
Bookesbeutel 8, 139; 8, 150.
bore 1, 101.
Borybra^seUj Borgtau 5, 18.
Boroctra-Gau 2, 6.
Bosseln, Dat 10, 52 f.
151
Bostel, Lucas von 8, 117. — Cara Masta-
pha 8, 116 f.; Croesus 8, 161 f.
Bote, Hermen 16, 1 ff.; 17, 95 ; 18, 151 f. ;
Radbuch 16, 1 ff.; 19, 109 ff.; Ver-
fasser d. Eulenspiegel 19, 79.
Brandan 6, 25.
Brandenburg 12, 54 ; Mundart 4, 28 f. ;
2Ö, 81.
Brandis, Matthäus 10, 91; 16, 5 f.
brant 1, 101.
Brassen 5, 5.
Braune, As. Bibeldichtung 20, 106.
Braunschweig, Ein neues Gedicht von
9, 85 f.; Lobgedicht auf 1, 56;
Eulenspiegel 19, 6; 59, 50 ff.;
Schichtspiel 18, 154 ; Totentanz 17, 42.
Braunschweiger Chroniken 1, 94; Fund-
linge 3, 70 f.; 6, 135 f.; 16, 69;
Schichtbuch 1, 95.
Braunschweigische Mundart 16, 104;
19, 126 n. 30.
Braut Christi 10, 40.
Bräutigam, der geistliche 10, 15.
Brechung kurzer Yoc. in offener Silbe
1, 97.
Brede mandach 1, 111.
Bremen, Eulenspiegel 20, 40.
Bremer Handschriften 2, 35; 20, 22;
Kanoneninschriften 5, 189; Pasquill
18, 79; Statuten 1, 5.
Brennenberger, Lied v. 13, 59.
Briefe von Fr. Woeste 9, 70 f., von
Jacob Grimm 9, 146 f.
Briefreime 3, 73.
Brig 5, 20.
Brigittens Vision 1, 100; 9, 134.
Brinckmann, John 20, 89.
Brizilien 2, 83 f.; 3, 56.
Brockdorf, Graf von 9, 75.
Brockes, Barthold Heinrich 9, 75.
brodenreigendach, brodentag, brotgetis-
tag 1, 112.
Brotbacken (ditmarsch) 6, 121 f.
Brüder des gemeinsamen Lebens 6, 34 ;
9, 109.
Brügge 17, 9. 16.
Brugman, Johan 10, 38; 10, 39.
Brukterer 2, 5.
Brun von Köln, Erzbischof 12, 85. 87.
Brunsfels, Otto 19, 119.
Brunsilgenholt 2, 83 f.; 3, 56.
Brunst, Job. 19, 123.
Buch der letzten Not 6, 70.
Buch der ewigen Weisheit 9, 132.
Buch der zehen gepot 7, 62.
Buchstabenrätsel 3, 23.
btickt 2, 142.
Bülow von der Tremse 3, 75.
Bttnsow, Christ. 19, 123 f.; 127.
Bünsow, Kaspar 19, 124.
Bünsow, Samuel 19, 124.
Bugenhagen 8, 114; 9, 84.
Burenbedregerie 6, 7.
Burgunder 12, 47.
Burmeister, Joachim 1, 100.
Bursfelde 16, 145.
Buschmann, Arnt 6, 32 f.; 7, 14; 7, 70;
9, 134; 12, 95; 19, 131.
Butterbereitung 4, 87.
Calpumia 8, 138 f.
Cantica Canticorum 10, 13; 10, 34;
10, 35.
Capitano, II 8, 130.
Caput draconis 3, 75.
carallen 2, 123.
Cara Mustapha 8, 116 f.
Carneval von Venedig 8, 124 f.
Cassiodor 12, 53.
Cato, Distichen 3, 66; 6, 68.
ch statt g 16, 98.
Chalousos 12, 43.
Chamaven 2, 4.
chaperon 1, 107.
Charudes 12, 35.
Chattuarier 2, 4.
Chaucer, Assembly of foules 14, 123.
152
Chauci 12, 64.
ChristuSy Loblied auf 6, 69.
Christus und die Seele 15, 13.
Chronik, Urknndenbach der Berlinischen
3, 170 f.; Lüneburger 6, 72; 6, 73.
Schaumburgische 6, 73; Detmars 1, 12;
6, 22.
cht für ft 18, 64.
Chytraens, David 1, 59; 19, 118.
Clas Engebart 1, 106.
Clausthaler Spiel 1, 106.
Claustram spirituale 6, 72.
Clawes Bur 6, 8.
Cleopatra 8, 123 f.
Clevische Mundart 2, 3.
Clnsen, Van eenre geestliker 10, 43.
Codanus sinus 12, 36.
Colmisches Eecht 6, 73.
Complexionen, Lehre von den 10, 116 f.
Conscientie, Von reiner 10, 11.
Consonantengemination 1, 93; 8, 113.
Conversieringhe, Van inwendigher 10, 15.
Crimolt 6, 19.
Croesus 8, 161 f.
Cruces, De tide des h. 6, 70.
Crux fidelis to dude 6, 71.
et statt cht 6,- 144.
Cuno, Die lustige Hochzeit 8, 130 f.
Cuno und Meister, Carneval von Venedig
8, 124 f.
Dähnert 13, 35.
Dänemark, Alte Bewohner 12, 28;
Ortsnamen 12, 10. 16.
Dänen 12, 31. 33.
Dänischer Totentanz 17, 41.
Daetri 14, 99.
Daniel, Soester 3, 128; 6, 8.
Danse macabre 11, 126; 17, 21. 59.
Danza de la muerte 17, 8. 63.
David von Augsburg 10, 10.
deie, deien 2, 140.
dele 15, 51 ff.
demalaierre 5, 81.
Deminutiva bei Agricola 3, 101 f.
Grade der Demut 11, 102.
Denksprüche 10, 24.
Depositio Comuti Typographici 7, 172.
det 6, 144.
Detmars Chronik 1, 12; 6, 22.
-dey 3, 69.
c^, th 16, 97.
Diätetische Regeln für die Monate des
Jahres 4, 19 f.
Dialektgrenzen 2, 1 ff.; 11, 96; 14,9 ff.
Dialektmischung 14, 14 ff.
diele 15, 51 ff.
Dies irae 17, 84 ff.
Dietz, Job. Ch. Frdr. 20, 123.
Dietz, Ludwig 19, 115 ff.
dilde 10, 131.
Dische, Van deme 6, 70.
Ditmarsche Mundart 2, 134 f.; 6, 119 f.;
10, 52 f.
Diethmarschenlied 15, 37; 160.
Dits des bestes et des oiseaux 14,
105 f. 121.
Doberaner Grabschrift 3, 75.
Dodeleben 12, 27.
Dodesdans, Lübecker 1, 100.
Doechden, Van XII: 10, 22; 10, 35.
Draak 1, 102.
Drachentragen 3, 75.
Draconites 1, 59.
drakenblot 2, 124.
Drama 1, 9; von Simson 6, 137; 9, 48.
dreedt 2, 140.
Dreizehnten, Die 1, 113.
Drenker, Van deme 8, 36 f.
Drewitz, Theodor 13, 36.
Drucke, nd. 11, 94.
Drunten 16, 107.
Drusus 12, 50.
Dubravius, Job. 14, 105. 118.
diulcsch 8, 109.
Dndesche arstedie 5, 61 f.
Düffel 2, 4.
153
dulde 10, 131.
Dummerjan 6, 12.
Düren, Van 9, 128.
dusk 6, 143.
dutie 1, 99.
Ebstorf 15, 1.
Ebstorfer Liederhandschrift 15, 1 ff.
Edzardas, Sebastian 9, 76.
Egidins, Sprüche des 10, 7; 10, 23.
Ehlstein 1, 114.
ei ans o^ 17, 142 ff.; fttr e 6, 142.
Eider 12, 38. 57.
Einteilung der nd. Mundarten 10, 158.
eisich 17, 143 f.
Ekenblade, Van dem 2, 32 f.
Eiberfeider Mundart 2, 9.
Elegast 6, 20.
Elisabeth, S. 6, 70; 9, 138.
Emdener Handschrift 2, 26.
Embeke, Hinrik y. 3, 1.
enie, ene 19, 136.
ende 5, 24.
Engelhns, Dyderik 6, 72.
Engelin, Gau 12, 5; 90.
Engels Unterweisung, Des 8, 63 f.
Engem 2, 6.
English Dialect Society 1, 116 f.
ennöch 1, 98.
Ente 2, 138 f.
Epatologia hierogliphicarythmica 10, 60 f.
Eppen, Melchior 19, 124.
ere 19, 135.
Erbrecht der Nordschwaben 12, 30.
Eselshaupt 5, 19.
Essener Glossen 4, 44 f.
-etj -en Pluralendung 11, 88; 20, 83.
Eufrosina, Van 10, 16.
Eulenspiegel Volksbuch 19, 1 ff.; Name
19, 6; Sprache der Ausgaben 19, 18;
Grabschrift 16, 110 f.; 19, 62;
Drucke 19, 67.
Eutii 12, 57.
Evangelien, Die vier 6, 73.
Evangelienharmonie 10, 33.
Everhard von Wampen 10, 114 f.;
11, 118; 18, 155.
Ewer 5, 2; 5, 180.
Eynwolde, Van sunte 6, 70.
f, ff statt inlaut. v 9, 129.
f und V 3, 28.
Faber, Dionysius 9, 105.
Fabritius, Petrus 13, 55 ff.; 160.
Fahrenkrug (Dorf) 14, 53.
Fallen und Aufstehen des Gerechten,
Siebenmaliges 10, 10; 10, 19.
Familiennamen 6, 145 f.; Lippische
9, 1 f.
Farbendeutung 8, 73 f.; 10, 54.
Farbenlied 15, 18; 16, 74.
Farwen kraus, Der guden 10, 54 f.
Fastenspruch 2, 30.
Fastnachtspiel (Henselin) 3, 9 f.; 5, 73 f.;
6, 13; (in Lübeck) 3, 33; 6, 1 f.; (in
Hildesheim) 6, 9.
Fausta, S. 6, 69.
Feind, Barthold 8, 124 f.
Felsen, Von den neun 9, 133; 9, 139.
Ferrandus, Sermon 11, 99.
Feuchtigkeiten, Die vier 4, 95.
Feustkings Cleopatra 8, 123 f.
Fibeln, Ndd. 18, 124.
Filzhut, Lobgedicht auf den 2, 54 f.
Flachs, Der 3, 152 f.
Flachslieder 3, 154 f.
Flesch, Otto Ernst 19, 124.
Flottenfahrt der Römer zum Kattegat
12, 41.
Fock 5, 15.
Föhr, Mundart 13, 1 ff. 160; 14.
155 ff.; Plattdeutsch 12, 123 ff.
Fonteinen der zielen 9, 135.
Forchem, Matthaeus 6, 8.
Fränkisches Reich 12, 5.
Fragestucken, Christliche, 8, 25 f.
Franciscus ghesellen 10, 6.
Francke, Aug. Herrn. 9, 80.
154
Franzosen, De 4, 95.
Freckenhorster Hofesrecht 1, 97.
Freder, Johannes 19, 120 f.
Fremdwörter, Ndl. 17, 99.
Freaden der Maria, Die zwölf 7, 88 f.
fri, frig, frei^ free 19, 49.
Fridank 3, 67.
Friederich von Hennenberg 15, 37.
Friese, Bembert 14, 99.
Friesen im Hiidesheimischen 12, 72 not.
Friesenfeld 12, 58. 63.
Friesisches 12, 123 ff.; 13, 1 ff.; 15,
94 ff.; 16, 161 ff.; im Ditmarschen
2, 134 f.
Frisch, Job. Leonh. 14, 96; 16, 109 f.
Frowen claghe, Unser 6, 70.
Fünen 12, 34; Ortsnamen 12, 16 f.
Fünfzehn Zeichen vor dem jüngsten
Tage 10, 24; 10, 27; 10, 28.
Fürstenwalde, mnd. Gedichte 19, 131 ff.
Funnsii 12, 35,
Fassfälle Jesu, Die 35; 9, 135.
Fussfälle, im Mittelalter 12, 80.
g, altsächsisches 16, 98.
Galie 6, 21.
GaI16e, As. Grammatik 17, 149.
Gandersbeim, Totentanz 17, 43.
Gang nach dem Eisenhammer 4, 56.
Gaagrenzen 11, 95; 14, 9 ff.; zwischen
Elbe und Weser 7, 71 f.
Gebete 3, 70; 4, 62 f.; 7, 8; 9, 141.
Gebote, Zehn 2, 30; 3, 183; 6, 72;
7, 62 f.; 10, 21; gereimt 11, 103.
Gebräuche in Südwestfalen 3, 127 f.
Gedichtenisse eens mouincs yan S. Ber-
nardns orden 9, 139.
Geesteliken leven ende van geesteliken
doet, Van 9, 136.
geil 17, 143.
Geiler von Kaysersberg 9, 142.
Geistliche Lyrik 1, 6.
gelacht für geleeht 1, 101.
Geldemsche Mandart 3, 152 f.
gelik mit Genitiv 3, 19.
Gelove des Mörders am Grütze 3, 183.
Gemination der Consonanten 1, 93 ff.;
8, 113.
Genealogia Christi, nd. 13, 121.
Gerard van Zutphen 10, 13.
Gerdes, Georg 19, 124.
Gerdes, Valentin 1, 58; 1, 61.
Gerechtigkeit, Die verlorene 5, 175.
Gerechtigkeit, Gedicht von der 3, 34.
Gerhard von Minden s. Pseudo-Gerhard.
Germania Inxnrians 11, 162 ff.
Gespräch zwischen Sponsas nnd Sponsa
6, 70.
Gesprech mit einem Waldbruder 5, 173.
Gesta Bomanornm 9, 105 f.
gestoken 1, 99.
Gezeit 5, 19.
gh. Mittelniederdeutsches 3, 7; 3, 28:
16, 98.
Ghangen dach 1, 110.
Gbebreken, Van drien inweudigben 10, 30.
Ghesellen van der Betorike 6, 12.
Ghetelen, Hans van 4, 96.
Gibichenstein 19, 16.
Gilow, Ch. 13, 40.
glede'2, 124.
Glosse zum B. V. 14, 1; 19, 113 ff.
Glossen (Hamburger) 1, 15. f.; (Essener^
4, 44 f.; siehe Pflanzenglossen.
Glücksrad 6, 28.
Glückstadt, Mundart 18, 81 ff.; 20, 1 ff.
Götaland 12, 29.
Göttingensche Mundart 3, 156 f.
Göttingisch- Grubenhagensches Idiotikon
8, 27 f.
gös 18, 143.
Gotbaer Arzeneibuch 2, 122 f.; 4, 5 f.;
5, 61 f.
gotsene entron^ 2, 13.
Grabschrift in Doberan 3, 75.
Graden, Van XV 10, 18.
grdl 1, 99.
155
Grammatik, Mttnstersche 3, 36 f. ; Aurora
grammatices 4, 1.
Graue Katze 1, 103.
grerne 5, 24.
Grenzen d. Nd. und Mfr. 2, 1 f.
J. Grimm, Briefe von 9, 146 f.
Grobian 5, 12.
Gross-Brittannien, Jauchzendes 8, 162 f.
Grossmuht, Die römische 8, 138.
Güstrow, Mundart 20, 123.
Guido von Alleste 6, 34; 6, 35; 7, 14;
10, 12; von Alet 13, 81 ff.
Guido de Columna 6, 23.
giilcweke 3, 77.
Haag, Handschrift 3, 8.
Habermanns Gebetbuch 6, 114.
Hack, Schmied, 1, 103.
Hadersleben 12, 9.
Hadmersleben 12, 27.
Hafer, Polnischer 2, 125.
Haken, Christian Wilh. 13, 36.
Haken, C. W., Amours der Vespetta
8, 163 f.
Halberstadt, Eulenspiegel 19, 47 ; Hand-
schriften 2, 27; Katechismus 17, 106;
Totentanz 17, 43.
Halberstädter Bibelübersetzung von
1522: 8, 108 f.
Halerau 12, 43.
hanig 11, 90.
Halsen 5, 19.
Hamaland 2, 4.
Hamburg, Eulenspiegel 19, 65; patrio-
tische Gesellschaft 9, 75.
Hamburger Fibel 17, 124; Glossen 1,
15 f.; Jahrmarkt 8, 141 f.; Island-
fahrer 9,111; 143 f.; Opern 8, 116 f.;
Patriot 9, 75 f.; Rechenbücher 14, 99;
Schlachtzeit 8, 152 f.; Sprache des
Tischlergewerks 1, 72 f.; Totentanz
17, 43; Uthroop 8, 129; 8, 159.
Hamburgische Komödianten 12, 133.
Haucke, Michael 14, 92.
Haneforde 9, 144.
Hannover, Name 12, 9; Eulenspiegel
20, 11.
Hans unter den Soldaten 12, 130 ff.
Hanschen un hot 1, 107.
Hans Hohn von Scher 7, 169 f.
hard 12, 37.
Harlungberg 12, 54.
Hartwig, Frdr. 19, 124.
Harz 12, 50.
Hasfurt, Job. v. 4, 91.
Hassegau 22, 6; 68 ff.; 74, 93.
Hatterun 2, 6.
Hauptlaater 14, 124; 17, 104.
Haupttugenden 14, 124; 17, 104.
Haverland, Gerhard von 6, 8.
Heckelberg 9, 116.
heft, het 20, 81.
heger 6, 16.
Heinrich I von Baiern 12, 78 ff.; 87.
Heinrich von Krolewiz 17, 146 ff.
Heinrich der;,Vogler, Singspiel 8, 139 f.
Heinrich Julius von Braunschweig 5,
23; 7, 139.
Heinrico, De 12, 75 ff.
Helgoland 13, 6.
Heliand 7, 72; 10, 133 f.; 16, 61 ff.;
20, 106 Syntax des Verbums 11, 1 ff.
Heijäger 1, 102; 6, 128.
Helten, Altostfr. Grammatik 16, 161.
Helwig, Chr. 19, 124.
Hemmingstedt, Schlacht bei 6, 18;
10, 89 f.
Hendric van Herp 10, 30.
Hennenberg, Friederich von 9, 55 f.
Henricus de Vrimaria 10, 20.
Henselin3, 9 f.; 5, 173 f.; 6,13; 10, 91.
Hermann von Fritzlar 3, 66.
Herminafried 12, 4. 56.
herteshom 2, 125.
Hertzenbrock 10, 6.
Heruler, Wanderung nach Norddeutsch-
land 12, 3 f. 19 f.; Sitze in Schonen
156
und Seeland 12, 28 ff.; im thüringi-
schen Reiche 12, 53 ff.
Hessen 12, 6, 59.
Hettergan 2, 4.
Heuernte (ditmarsch) 6, 119 f.
Hexameter, Lat-ndd. 5, 55.
Hieronymus, Prologe des 10, 31; Ser-
moen 11, 107.
Hildebrandslied 7, 72.
Hildesheimer Fastnachtspiele 6, 9.
Hildegaersberch, s. Willem.
Hinrik von Embeke 3, 1.
Hinsch, Hinrich 8, 131.
Hinsch, Zimmermann 1, 103.
Historia de Septem sapientibns 6, 26.
Historia destmctionis Troie 6, 23.
Historie van der yerstoringe der stat
Troya 6, 23.
Hochzeit, Die lustige 8, 130 f.
Hochzeitsgebränche 3, 83; 3, 127.
Hochzeitsgedicht, Westfälisches 4, 82.
Hochzeitsgedichte, ndd. 19, 122--130.
Hochzeitsreime, Iserlohner 3, 128.
Hocsioburg 12, 61 ff. 74.
Hoefer, Albert 9, 146; 10, 148.
Hohe Lied, Das 6, 69; 6, 70.
Hohes Lied, mnl. 19, 80—90.
Hochsingos 12, 60.
Holbein, Todesbilder 17, 65.
Holden, Die guten 6, 38; 6, 54.
Holle, s. Berthold.
Holsteinische Mundart 14, 53 ff.; Reim-
chronik 19, 159.
hoÜkomf 4, 109.
Holz des heiligen Kreuzes 2, 88 f.
Homann 13, 37.
Homilien 6, 71.
honig, lianig 11, 90.
Hopfen (Hundename) 19, 44.
Hoppe, Mich. 19, 124.
h&m 6, 132.
Hotters SU^rt^beker und Jödge Michaels
8, 168.
houßswerne 2, 125.
Hützler, Caspar 14, 100.
Hugdietrich 12, 3.
hulck 2, 142.
hundegelt 4, 110.
Hundekom 4, 106 f.
Hundekorn 15, 149 ff.
hundeshoer 2, 126.
hunt (Ackermass) 4, 107.
Hut, Lobgedicht auf einen 2, 54 f.
Huysinga, Julius 11, 153.
Hymnen, mnd. 11, 87; 133 ff.
i tonlanges 11, 91.
i statt e 20, 81. 84. 88.
t Yor Vokalen 11, 89.
jach 5, 25.
Jacob von Ratingen 16, 41.
Jahreszeiten, ndl. Gedicht 13, 117.
Janhagel 5, 12.
Janmaat 5, 12.
Jellinghaus, Einteilung der nd. Mund-
arten 10, 158.
Jeremias, Uebersetzung des 10, 31.
Jesu dulcis memoria 5, 56 f.
Jesu Leben 6, 69; 6, 70; 10, 33;
10, 38; 10, 39; 10, 42.
Jesu Namen 11, 173 ff.
Jesus und die Sele 7, 3 f.
Jesusknabe in der Schule 14, 4 ff.
igge statt ie 11, 89.
Ilseben levent 6, 70.
Immesen, Arnold 1, 96; 6, 19.
4?ig 9, 68.
-inge statt -leven 12, 22. 27.
Ingeborg, Herzogin 10, 114.
Inschriften in Lund 9, 125 f.
Inspreken, Die vier 10, 20.
Joel von Ömstedt 19, 124.
Joest, Van sunte 6, 70.
Johannes Chrysostomus, Leben des 10, 25.
Johannes de Essendia 6, 34.
Johannes de Hamborch 6, 69.
Johannesevangelium 10, 39.
157
Johannes, Klausner 7, 80 f.
Johannes von Hoyme 8, 65.
Jönsson, Arngrim 9, 112.
Jordaens, Wilh. 10, 10 not.
Jordanns, Sermonen 11, 99.
Josefs Gedicht von den edelen Steinen
2, 75.
Josefs Gedicht von den sieben Tod-
Sünden 4, 55; 6, 72.
Irmin und St. Michael 2, 114.
Isaias, Übersetzung des 10, 31.
Iserlohner Hochzeitsreime 3, 128; Mund-
art 2, 2.
Island, Van 9, 110 f.; 9, 143 f.
Islandsfahrer 9, 111; 9, 143.
Itinerarium in terram sanctam 1,15; 6,73.'
Jndeneid 16, 75.
Jugemens de Damme 7, 34.
Jütische Sammlung 8, 33.
Juist 11, 117.
Juliane, Passio 6, 69.
Junchvrowen, Lere van einer 8, 33 f.
Junior, Johannes 6, 26 f.; 10, 59 f.
Kai 10, 1 f.; 10, 103 f.
Eaisertitel 12, 86.
Ealand 18, 19 ff.
Kalenberger 1, 66 f.; 2, 145; 18, 111;
engl. 13, 129 ff.
Kalenborow, Parson of 13, 129 ff.
Kalender, nd. 11, 100.
Kalender, Zum nd. 1, 110 f.; 4, 91 f.;
9, 41 f.
Kalenderorakel 6, 135.
hallen = snacken 2, 143.
Kanoneninschrifteu 5, 189 f.
kwitJiaken 3, 98.
Kanzleisprache, Pommersche 20, 57 ff.
Jcappen 5, 5.
Icaprun 1, 107.
Karl d. Gr., Spiel von 1, 106.
Karl und Elegast 6, 20.
Karlssage 6, 20.
Karlmeinet 6, 21; 6, 28.
Katharina, S. 7, 83 f.
kattenkrankheit 3, 93.
Katze, Graue 1, 103.
Kaufringer, Heinrich 19, 164.
Kamelnägd 5, 5.
Kerkener, Johannes 9, 83.
Kerkring, Heinrich 6, 1; 6, 10.
Kerstenspegel 12, 107.
kervele 2, 127.
Kindelbier 19, 51.
Kinderlieder 20, 37, s. Wiegenlieder.
Kinderreime 13, 20; 20, 37.
Kinderspiele aus Schleswig-Holstein 8,
98 f; 9, 60 f.; 10, 49 f.; 13, 96 ff.;
in Sttdwestfalen 3, 103 f.
Kindertreck'Discours 9, 77 f.
Kinlinga 12, 68.
klever 2, 127.
Kloster, Von einem geistlichen 10, 24.
Klosterallegorie 11, 128 ff.
Klüfer 5, 15.
Knittel (Ackermass) 4, 111.
Kock, Beimar 6, 10.
Koegelt 4, 110.
koel, romesclier 2, 127.
Kölbigk 12, 71.
Köln, Gedichte aus 19, 90. 163; Kanz-
lei 11, 86.
Kölnische Mundart 2, 1.
Konemann 18, 19 ff.
König, Johann Ulrich von 8, 158. —
Calpurnia 8, 138 f.; Heinrich der
Vogler 8, 139 f.
Könige, Drei tote und lebendige 11, 104.
Königsberger, nd. Gedicht 12, 141;
Pflanzenglossen 17, 81 ff.; 18, 130 ff.
Koker 3, 169; 16, 107; 18, 152; 19, 79.
Kolde, Diedrich 12, 107 nota.
Konemann 19, 102 ff.
konfers 5, 184.
Konrad, Bruder 11, 106.
Kopenhagener Handschriften 7, 1; 13,
42; 14, 59.
158
Kopfständer 5, 6.
Korner 3, 163 f.; 6, 26.
Kosegarten, J. G. W. 13, 39.
krak^ 6, 24.
Kränterbierrecepte 4, 89 f.
Krause, K. E. H. 18, 1 ff.
Krefeider Mundart 2, 2.
Kremon, Marqward 6, 69.
krepen für krupen 1, 101.
hretelmo7'e 2, 128.
Kreuz woche 3, 75 f.
krevet 2, 128.
Kriegsprophezeiung 12, 119 ff.
Krockisius, Balth. 19, 125.
Kronschlangen 1, 103.
krude 3, 83 f.
Krüger, Bartholomäus 9, 102.
Krüger, Stadt Lübeck 5, 175 f.
kubik 'Becher' 2, 140.
kuckedus 3, 69.
Ktthtz, Dan. 19, 125. 128.
Kunst wol to stervende 6, 72.
Kuntjes 5, 5.
ladenh*ut 3, 86.
Laiendoctrinal 6, 73.
Lambeck, Heino 18, 124.
lanie 5, 24; 6, 132.
Lange, Heinrich 1, 15.
Lange, Nie, 19, 125.
Langelaya 12, 11.
Langobarden 12, 5. 29. 48. 90.
La Peyrere 9, 114.
Lapidarius 2, 57 f.
Lasins, Christoph 9, 97.
Latein.-nd. Gedichte 2, 28 f.; 5, 55;
11, 137.
Lauremberg, Hssl. Nachlass 13, 42 ff.;
Nd. Possen 3, 91 f.; 11, 145 ff.
Scherzgedichte 5, 186; 15, 84 ff.
Lauremberg, Petrus 13, 55.
Leben des Johannes Chrysostomus 10, 25.
Leben Jesu 6, 69; 6, 70; 10, 33; 10,
38; 10, 39; 10, 42.
Leben und Tod 1, 54 f.; 2, I3l t.\
3, 161 f.; 6, 70; 6, 71.
Leberreime 10, 59 f. 14, 92 ff.
Le Fevre 9, 105.
Lefevre, Jehau 17, 11.
'legen 12, 27.
Legenden 1, 13.
Lehn Worte, Mundartliche 12, 65.
Leh 5, 15; 5, 184.
Lehre an eine Jungfrau, St. Bernhards
6, 70; 6, 72.
Lehrer und Jüngling 7, 6.
Leichtaue 5, 17.
Lelie der reinicheit 10, 35; 10, 40.
Leopold, Van de Scheide tot de Weichsel
3, 181.
Lerbeck, Herman von 6, 73.
Lere yan einer junckvrowen, Eyne gude
8, 33 f.
Leringe, Een 10, 19.
Letanien 3, 75.
Lex Angliorum 12, 21. 26.
Liber, Antonius 4, 1.
Liber vagatorum 7, 16 f.
Liebe, Die, und der Pfennig 6, 15.
Liebesbrief 15, 73 ff.
Liebesgedicht, Westfölisches 4, 84.
Liebesgruss 3, 8.
Lied: Flachslieder 3, 154 f.; Oster*
lieder 5, 46 f.; von den Trömling-
sehen Bauern 7, 171 f.; nieder-
ländisches 10, 157, siehe 20, 145 ff.
Lieder, historische 1, 57; 2, 35; 4, 104;
6, 114; 7, 11; 9, 83. 16, 41.
Liederbücher 13, 55 ff.; 15, 1 ff.
Lindeberg, Peter 1, 58; 19, 115 f.
Lippische Familiennamen 9, 1 f.
Litanei vom Leiden Christi 10, 43.
Lithodius, Joh. 16, 110.
Livländische Sammlung 8, 43; 8, 73.
// statt Id 12, 91.
Lobgedicht auf Braunschweig 1, 50.
Low, Joachim 9, 110.
159
Lois de Westcapelle 7, 34.
Lorde 1, 100.
Lotse 5, 8; 5, 183.
Lotteriereime 1, 108 f.
Love der apostele 6, 70.
laven 18, 67 ff.
loye 2, 128.
lucht, licht 16, 100.
Luckeradt, Dat. 6, 28.
Ludolphns de Sachen 6, 73.
Ludwig von Ungarn 7, 11 f.
Lübben, Heinrich Angnst (Nekrolog)
9, 149 f.
Lübeck, Enlenspiegel 19, 56; Fast-
nachtspiele 6, 1 f. ; Handschrift 3, 8 ;
3, 84; Lnxnsordnnng 3, 83; Passional
1, 13; Batsweinkeller 14, 101; 19,
56; Keime in der Kanzlei 6, 175;
Schulvokabular 16, 111 ff.; Toten-
tänze 1, 100; 17, 1. 7 ff. 34 ff;
Becht 1, 5; 1, 11; Verlobnngs-
gebräuche 3, 83 f.; Zirkelgesellschaft
3, 33; 6, 1.
Lübische Zahlung 5, 143.
Lüne 5, 137.
Lüueburger Chronik 6, 72; Handschrift
4, 95 not.; Mundart 3, 160; Oert-
lichkeiten 5, 167 f.; Sülze 5, 109 f.
-lund 12, 37.
Lunder Inschriften 9, 125.
Luxusordnung, Lübecker 3, 83.
Lydgate, John 18, 55.
Lyra 1, 97.
Macabre 17, 24.
Märchen 8, 106 f.; 12, 151 f.
Maerlant, Spiegel historiael 11, 168 f.
Magazin, Westfälisches 4, 79.
Magdeburg, Mundart 14, 14 ff.
Magdeburger Bibel 2, 119 f.
Magnus, Erichson 10, 115.
Mahthild, Königin 12, 83. 85.
7?iais(fn 5, 15.
Major, Job. 14, 104. 114.
Mala franzosa 4, 05.
mandach, de hrede 1, 111.
Mantel (Schifferausdruck) 5, 5.
Marburger Handschriften 15, 30 f.; 16,
110. .145 ff
Marcus von der Lindau we, 7, 63.
Margaretenpassion 19, 131 — 155.
Maria, Freuden der 7, 88 f.
Maria zart 14, 67; 15, 8; 16, 7.
Maria Magdalena 6, 70; 10, 8.
Mariengruss 6, 71.
Marienklage 18, 105 ff.; 19, 104 ff.
Marienleben 6, 70.
Marienlied, mnl. 13, 118.
Marienmesse 12, 143 ff.
Marienpredigten 10, 8.
Marien Bosenkranz 6, 100 f.
Mariens Mitleiden 9, 134.
Marienspiegel 6, 69.
Marine, Sunte 17, 90.
Matthaeus Paris 10, 157.
Matrose 5, 10 f.; 5, 183.
Mattheson 8, 115 f.
Maufahrteihrig 5, 13.
Mechden, Van den XI dusent 10, 38.
Mechthildis, Von der geistlichen Gnade
10, 12.
Meklenburg, 13, 29 f.
Meklenburg im Altertum 12, 44; 46;
Präpositionen 20, 40 ff.
Mecklenburger Mundart 20, 123 ff.
Medicinaliapro equis conservandis 2, 19 f. ;
6, 73.
Medulla animae 10, 22.
Meiderich 6, 32.
Meister und Cuno, Carneval von Venedig
8, 124 f.
Mela 12, 39.
Meland, Schmied 1, 104.
Melibocus 12, 49 ff
Mengden, Gust. von 18, 157.
Mercatoris, Nicolaus 3, 161 ; 6, 7.
Merseburg 12, 93.
160
Mersebnrger Glossen 12, 89 ff.; Toten'*
buch 12, 90 ff.
Merswin 9, 133; 9, 139.
Messbetrachtungen für alle Tage 9, 135.
Meyer, Abraham 6, 114.
meyland 5, 185.
Michael und Irmin 2, 114 f.
mik 11, 93.
mik 9, 70.
mik'Qehiet 7, 72.
Mindener Tötentanz 17, 41.
Minne, Van geestliker 10, 34.
Minne, Von geistlicher 11, 103; 105.
Minnen ons Heren, Van der 10, 20.
Minners Anklagen 8, 42 f.
Mischgesang 2, 28.
Mistevojus von Müller 8, 169.
Mittelfränkisches Gebiet 2, 5.
Mittel gegen Pferdekrankheiten 2, 19 f. ;
6, 74 f.
Mittelniederdeutsche Litteratur 1, 5 f.
MöUmann, Stephan 1, 58; 10, 61.
Mölln 16, 110; 19, 63 ff.
Mohacz, Schlacht bei 13, 68.
Mohnkopf-Dmckerei, 3, 26 f.; 10, 91;
16, 6 f.
niolt 8, 32.
Mörders am Grütze, Gelove des 3, 183.
Mordhorst 8, 27.
Morgen (Ackermass) 4, 108.
7norgenkom 4, 110.
Moorkensvel 11, 143 f.
Mühlenlied 14, 84; 15, 6; 16, 2.
Mülgau 2, 5.
Mühlheimer Mundart 2, 3.
Müller, Job. Engelb. 13, 34.
Münster, Drucke 11, 94; Lustspiel 11, 94.
Münstersche Grammatik 3, 36 f.; 11, 92.
Mulnerinnen, Van eyner hilghen 6, 72.
Mummelied 8, 140.
muot, vvuox 12, QQ.
Murner's Eulenspiegel 19, 1 ff.
Muskatblüt 9, 50.
mutten 9, 69.
Myliander 1, 58.
Mystische Schriften 10, 22.
Myrgingen 12, 5. 57.
Nachfolge Christi 6, 70; 6, 72; 10, 24.
nach für fioch 1, 101.
Naogeorg, Mercator 11, 151. 176.
Narrenschiff, Nd. 1, 100; 5, 187; 10,91.
neddel 'NadeP 2, 141.
Neocorus 2, 134 f.; 10, 90.
nettelenkamen 2, 129.
Neumark 12, 32.
Neun Felsen, Von den 9, 133; 9, 139.
Neveling, Mart. 19, 125.
Never, Heinr. 19, 119.
Nibelungensage 6, 19.
Nicodemi, Passio 6, 69.
Nieblum 12, 126.
Niederfränkisches Gebiet 2, 4.
Niederländische geistliche Lieder 14,
158 ff.
Niederländisches, siehe 20, 148; im He-
iland 15, 61 ff.
Niederländischer Totentanz 17, 61.
niederrheinisch 2, 2.
nn statt nd 12 y 91.
nochtan 1, 101.
Non sum, Predigt über 2, 11 f.
Nonnen, Ermahnung 11, 167.
Norderney 11, 117.
nordfränkisch 2, 2.
Nordschwaben 12, 3. 6. 57. 73 not.
Nordthüringer 12, 1 ff. 73.
nu 9, 69; für ^le, ni 1, 99.
Nuithones 12, 34.
Nutzen der Leiden 10, 30.
0 (mnd. langes) 18, 141 ff.
0, kurzes, in offener Silbe 1, 98.
0 und H in Wismarschen Stadtbüchern
3, 1 f.
oberfränkisch 2, 2.
Och Winter holt 2, 26.
odery eder 20, 81.
161
Oder 12, 32. 42. 47.
Ömstedt, Joel von 9, 124.
Oefening^en^ Van inwendigen 10, 32.
Oeifeninge met Maria end JhesnB, Epistel
van enre devoter 10, 11.
Öhlstein 1, 114.
Öppelken 10, 112 f.
Oevenam 13, 26.
Offenbarung Johannis mit der Glosse
10, 38.
Oldekop 1, 95.
Oldenburg, Johann Graf zu 6, 73.
Ollegast 6, 20.
ome, one 19, 135.
Omichius 9, 104.
Ongliin, Siavische 12, 23 not.
Opclimmingen, Van gheesteliken 10, 13.
Opern, Hamburgische 8, 115 f.
Ordinancie 7, 34.
ore 19, 135.
Ortsnamen auf wedel 16, 150 ff.
Oschersleben 12, 27.
Osnabrück, Totentanz 17, 45.
Osning 12, 49.
Osterlieder 5, 46 f.; 7, 1 f.
Osterpredigt 9, 133.
Ostersche sprake. De 1, 116.
ostfränkisch 2, 2.
Ostfriesisches Urkundenbuch 4, 116 f.
Ostfriesland, Tier- und Pflanzeunamen
11, 111 ff.
Ostsachsen 12, 2.
Ostthüringen 12, 1 not.
Otto d. Gr. 12, 78 ff.
Otto von Bamberg 12, 47.
Pachius, Petrus 11, 162.
padelkersse 2. 129.
Pädagogischer Spruch 2, 34.
Panotier 12, 39.
Pape, Ambrosius 9, 97.
Papenmeyer, Arnold 19, 50.
Papenteich 13, 122.
Papyrio, Historie van 6, 8.
niederdeutsches Jahrbuch. XX.
Paradies des Klausners Johannes 7, 80 f.
Paradiese, Von dem irdischen 10, 38.
Parthonopeus, mnl. Fragment 11, 170 f.
Pascheburg 6, 11.
Passio Juliane 6, 69; Nicodemi 6, 69.
Passion 6, 69; 6, 70; 10, 31; (Von
der) 10, 41; (Leeringe van der
passien Christi) 10, 43.
Passional, Lübecker 1, 13.
Patriot, Hamburger 9, 75 f.
Patriotische Gesellschaft 9, 75 f.
Paul, Carl Andr. 12, 133.
Paula, S. 6, 71.
Pavo 14, 106. 122.
Peder Smed 12, 95.
Pelworm 15, 104.
Peerse, Gories 9, 110 f.; 9, 143 f.
peilen 5, 9.
pennighdrukker 7, 100,
Perchtag, Prechtag 1, 111.
pers 2, 129.
Pertürleine 5, 5.
Pestilenz, Wider die 3, 74.
peterkomen = peperkomen 2, 129.
Pfarrherr von Kaienberg, s. Kalenberger.
Pfeiffer, Erasmus 7, 106; 11, 157.
Pfennig, Der, und die Liebe 6, 15.
Pferdearznei 16, 77.
Pferdekrankheiten, Mittel gegen 6, 74 f.
Pflanzennamen, 2, 122 f.; 4, 65 f.
Pflanzennamen, Ostfriesische 11, 111 ff.
Pflanzenglossen 17, 81 ff.; 18, 130 ff.
Pflaume, Namen der 12, 97 ff.
Pflicht (Schifferausdruck) 5, 17.
Pharodeinoi 12, 28.
Philiberti, Visio 5, 21 f.; 6, 71; 6, 73;
6, 130 f.; 7, 24 f.
Philipps Marienleben 6, 70.
Physiognomische Lehren 20, 122.
Pierlala 18, 17.
Pilot 5, 6 f.
Placebo seggen 3, 17; 3, 20.
Planeten Macht, Der 6, 72.
11
162
plas 1, 100.
Plaster, Sam. 19, 125.
Plattdeutsch 1, 114 f.
Pliniua 12, 36.
Polnischer Hafer 2, 125.
Pommern, Anteil an ndd. Sprachforschung
13, 33 f.; Märchen in 12, 151 flf.;
Sprichwörter 15, 53 ff.
Pomroersche Kanzleisprache 20, 57 ff.
Pondo, Georg 9, 94.
pooWobben 2, 138 f.
poolennen 2, 138.
Postel, Chr. H. 8, 119. — Xerxes in
Ahidas 8, 118 f.
Postilla seu Glossa in Evangelia et
Epistolas 4, 96.
Practica Baccularii Johannis Hasfart
4, 91.
Präpositionen in MecklenhargerMa 20,40.
Praetorins, Joh. Philipp 8, 141. —
Hamburger Jahrmarkt 8, 141 f.;
Hamburger Schlachtzeit 8, 152 f.;
Atis 8, 161 f.; Jauchzendes Gross-
Brittannien 8, 161 f.; Die verkehrte
Welt 8, 166 f.
Predigten 2, 11 f.; 9, 140; 10, 8 f.;
10, 16 f.; 10, 24; 10, 26 f.; 10, 34;
10, 44 f.; 11, 99 ff.
Presenning 5, 5.
Preussen (Provinz) Mundarten 14, 12 f.
Priameln 7, 9 f.
Prinzen als Schauspieler 11, 163.
Processien der kruceweken 3, 78 f.
Procession mit dem Drachenbilde 3, 75.
Profectus religiosorum, Van 10, 10.
Prokop 12, 29 ff.
Prologe des Hieronymus 10, 31.
Prosa, Mnd. 1, 10 f.
prull 9, 72.
Psalmbuek 6, 114.
Psalter mit der glose 6, 73.
Pseudo-Gerhard von Minden 4, 98 f.;
5, 188; 13, 75 ff.; 15, 78; 16,
139 ff.; 18, 146 ff.; 19, 94 ff. 111 f.
Pseudo-Marcellinus 2, 6.
Ptolemaeus 12, 39 ff.
Pyramus und Thisbe 8, 122 f.
Quadruplici instinctu, De 10, 20.
Quedlinburg 12,27. 78 ff.; Hs. 8, 63.
Quetsche 12, 97 ff.
Quirsfelds Bosen-Gebttsch 9, 78.
-rode statt -rode in Namen 19, 132 f.
radeke 6, 16.
Bätsei 3, 155; 20, 38.
Rzhe 5, 16.
rake 1, 99.
rank 5, 17.
Bantzowe, Keye van 10, 4.
Batio Status 7, 135 f.
Batsversammlung der Tiere 1, 99.
Becepte 2, 19 f.; 3, 64; 3, 74; (für
Bereitung von Eräuterbier) 4, 89 f.
Becbenbttcher 14, 99 f.
Becbtfertigkeit, Von der 3, 9 f.; 5, 173 f.
Bechtsaufzeichnungen 18, 71 ff.
Beden, Van hoverschen 6, 72.
Bedentiner Spiel 16, 44 ff.
Bederykers 6, 12.
Bediger, Johan 11, 138 f.
Begel der Minne 10, 5; 10, 8; 10, 36.
Begeln, Diätetische für die Monate des
Jahres 4, 19 f.
Begenstein 17, 136 ff.
Begimen rusticorum 7, 14.
Begula laicorum 6, 72.
Beigen tanz 10, 157.
Beimbrechung 10, 142.
Beimbüchlein 13, 104; 14, 1. 107.
Beimchroniken 1, 7.
Beimsprttche, siehe 20, 145.
Beinke Vos 1, 8 f.; 14, 116; 17, 136;
Mundartliches 1, 92; Protestantische
Glosse 3, 24; 19, 113 ff.; Anklfin^e
10, 91; Zu B. V. 10, 107 f.
Beiter, Schwarzer 1, 102.
Beuter, Fritz 1, 7; 17, 88.
Beval. Lieder 14, 90 ff.; Totentanz
17, 45. 68.
163
Beytzinge der lene, De 6, 70.
Rhein und Meer, Zwischen 5, 25; 6, 130.
Rhytmi mensaies 10, 61 f.
Eicardi Synonyma 6, 73.
Richard von S. Victor 10, 34; 11, 105.
Richey, Mich. 9, 75; 20, 123.
Richolf, Jürgen 1, 67.
Riesen 1, 104.
ritte 3, 88.
Ripuarische Mundart 2, 2.
Rist, Johann 7, 101 f. — Aller Edelste
Belustigung 7, 102 f.; Depositio
Comuti Typographisi 7, 172; Friede-
jauchtzendes Teutschland 7, 103; 7,
158 f.; Friede wünschend Teutsch-
land 7, 158; Herodes 7, 102;
Irenaromachia 7, 104 f.; Ireuaro-
machia 11, 157 ff.; Perseus 7, 140 f.
rö (roh) 18, 142.
Röbeler Spiel 6, 7.
Rödiger, As. Grammatik 18, 160.
Roland, Engelländischer 13, 64 ff.
Roleyink, Werner 7, 14.
Rollenhagen, Georg 19, 115 f.; über
Aussprache 18, 120 ff.; Frosch-
meuseler 14, 1 ff.; Paedia 18, 120;
Abecedarium 18, 121.
rornescfier kod 2, 127.
Rooles d'Olferon 7, 34.
Rose, Christian 11, 162.
Rosengarten unseres Herrn und Marien
9, 135.
Rosen-Gebüsch, Historisches 9, 78.
Rosenkranz-Marien 6, 100 f.
Rostocker Handschriften 2, 11; histo-
risches Lied 1, 57 f. ; Zunftrollen 6, 73.
Rother, König 11, 110.
Ruchamer 4, 97.
Ruderkommando 5, 185.
Rummeldeus 3, 67 f.
Rupertus Werlensis 11, 94.
Rusbroec, Johan 9, 136 f.; 9, 140;
10, 5; 10, 14; 10, 22; 10, 23;
10, 25; 10, 29; 10, 35; 11, 107.
Rassesche KoUektaneeu 10, 90.
Rymsproeke to vermaninge der Richteren
8, 97.
Saalbach, Chrn., 19, 125. 129.
Saale 12, 46. 50.
Sachs, Hans 5, 173 f.; 14, 104.
Sachsenspiegel 18, 61 ff.; ursprünglich
niederdeutsch 18, 62 ff.
Sacramento altaris. De 7, 13.
Sacrament, Van deme 9, 138; 10, 40.
Saeyo mons 12, 36.
saghet 6, 144.
scd 9, 109. 20, 81.
Sallboeyen, Van den 19, 165.
Saliersleben 12, 67.
Salomonis, Paraboles 6, 69.
Salomon und Markolf 6, 19.
Salter to dude 1, 100
Salung 5, 19.
Salzwedel 16, 150 ff.; Handschr. 12, 143.
Sarcerius, Erasrons 6, 123.
Sassische sprake 8, 109.
Saterländische Mundart 2, 45.
Saurbrey, Johan Heinrich 8, 130.
sc und seh 6, 143.
Scala coeli 6, 26.
Scandinavia 12, 37.
seh und sc 6, 143; 16, 99.
Schacht, Schafl 18, 64.
Schäve, Heinr. 14, 96.
Schafdiebe, Aufzug vom 7, 157.
schal, sal 20, 81.
Schambachs Idiotikon, Nachträge zu
8, 27 f.
schatrowe 18, 61.
Schaumburgische Chronik 6, 73.
Schelten, Süd westfälische 3, 110 f.
Schembart laufen 6, 11.
Scher, Hermann Heinrich 7, 157. —
Hans Hohn 7, 169 f.
Scherenberg, Peter 19, 125 f.
Scheveklot 6, 8 f.
Schichtbuch, Braunschweigisches 1, 95;
16, 4 f.
11«
164
Schillers Gang nach dem Eisenhammer
4, 56.
Schlag (Schififersprache) 5, 17.
Schlei 12, 38.
Schlesische Mundart 7, 134.
Schleswig, Dmck 11, 138.
Schieswig-holsteinsche Kinderspiele 8,
98 f.; 9, 60 f.; 10, 49 f.; 13, 96 ff.
schlingern 5, 18.
Schlömer s. Stricker.
Schmidder 11, 143.
Schmied Hack 1, 103.
Schnortison 1, 106.
schodüvel lopen 3, 75; 6, 11.
Schenaens, Cornelius 11, 158.
Schonen, Ortsnamen 12, 18; Bewohner
12, 28 ff. 37.
Schote 5, 19.
Schott, Gerhard 8, 115.
Schottelius 11, 161.
Schriftsprache 1, 13; 11, 85 ff.
Schröder 8, 122. — Pyramus und
Thisbe 8, 122 f.
Schröder, Georg 12, 132.
Schalerlied 2, 28.
Schumann, Vat. 12, 132.
Schuner 5, 20.
Schwartau 12, 28.
Schwarzer Heiter 1, 102.
Schwerttanz 1, 105 f.; 6, 11.
Scierheiden XIII: 10, 37.
sei 6, 143.
Sebesten 12, 97.
Seebuch 2, 80 f.; 5, 184 f.
Seeland, Name 12, 37; Ortsnamen 12,
16 f.; Bewohner 12, 33.
Seelentrost 11, 101. 103; 12, 107
17, 108.
Seemanssprache 5, 1 f.; 5, 180 f.
Seerecht, Das Wisbysche 7, 35.
Seesen (am Harz) 15, 73.
Segen 2, 27; 2, 32; 16, 76.
seghe 6, 144.
Selentrost 1, 13; 6, 69.
Semanns 12, 51 not.
Semnouen, Auswanderung 12, 2; Stamm-
sitz 12, 39 ff.
Sendrecht der 7 Münsterschen Prob-
steien in Ostfriesland 8, 86 f.
Sequencic van deme sacrament 9, 188.
serapen 4, 21.
Seuse 9, 132; 10, 36.
Severlingeburg 12, 69.
Sic servetur interdictum 2, 27.
Sidrac 14, 59.
Siebensprung 18, 15.
Siegerländer Mundart 2, 2.
Sierheit der geesteliker bruloft 9, 138;
9, 140.
Sigamber 2, 4.
Sigulones 12, 43.
Simson, Drama von 6, 137; 9, 48.
sin = schuldich sin 3, 68.
Skippers San^e 2, 45.
sl und schl. 9, 76.
Slayen 12, 5.
slik 1, 101.
Sloten, Die seven 10, 23.
smicke 19, 20.
Smil von Pardnbic 14, 118.
Soester Daniel 3, 128; 6, 8.
Sommer, Johann 10, 60 f.
Sonntagsevangelien mit Erkl&nuigen
10, 31.
Spangen, Hinricus 9, 84.
Sparghe 2, 130.
speckmms 9, 73.
Spegel der samwitticheit 6, 69.
speghelglas 6, 132.
Spiegel, in Namen 19, 8 ff.
Spiegel aller Menschen 11, 102.
Spiegel der Joncfrouwen 9, 138; 11,
108; der Natur 1, 7; 10, 114 f.; der
salicheit 6, 73; 10, 114; der vol-
comenheit 10, 30; s. auch Sünden*
Spiegel.
165
Spiel von Karl d. Qr. 1, 106; Claus-
thaler 1, 106.
SpUttflagge 5, 19.
spök 18, 142.
Sponsus und Sponsa 6, 70.
Spottschrift auf den Hamhnrger Pa-
trioten 9, 76 f.
Sprachgrenzen zwischen Elbe und Weser
7, 71 f.
Sprichwörter, Westftlische 4, 79 f.
Sprichwörter aus Pommern 15, 63 ff.;
Sprttche, siehe 20, 145; 15, 16 f.;
Mnl. 13, 104 ff.
Stader Antonius-Bruderschaft 4, 69;
Eopmann- unde Schipper-Bröderschaft
4, 69 f.; Statuten 6, 73.
Stades 20, 81.
stampfen (Schiffersprache) 6, 18.
Stapel, Ernst 7, 105.
Stapelholmer Mundart 4, 87 f.
Starkader 1, 106.
Status mundi 9, 104 f.
Statwech, Johan 13, 121 ff.
Steegmann 19, 126.
Steen, Van den blickenden 10, 14.
Stephan, Schachbuch 14, 153 ff.;
18, 156.
Stettin Kanzlei 20, 61 ff.; 71 ff.
Stevens, Joh. 10, 37.
Stimulus amoris 6, 70.
Stiten, Franz und Heinr. von 14, 101.
Stökken, Christian von 6, 23.
Stockholmer Vogelsprache 14, 126;
Handschrift 8, 33 ff.
Stortebeker 6, 151; 13, 58.
Strackeijan, Karl 15, 157 ff.
Strassennamen, Lttneburger 5, 167 f.
Stricker, SchlOmer 15, 91 ff.
strö 18, 142.
stroete = strate 2, 143.
Suardones 12, 28. 34.
Suebos 12, 43. 46.
Süderländische Mundart 2, 2.
Südwestf&lische Kinderspiele 3, 103 f. ;
Schelten 3, 110 f.; Aberglaube und
Gebräuche 3, 127 f.
Sftlze, Lüneburger 5, 109 f.
Sünden, Allerlei 11, 106.
Sündenfall 1, 96; 6, 19; 14, 148 ff.;
15, 79 ff; 16, 116 ff.; 19, 107 ff.
Sttndenklage 11, 136.
Sündenspiegel 4, 54 f.; 17, 97 f.
Suidbert 2, 6.
Suionen 12, 26.
sulfmester 6, 154.
stüeven 10, 57.
Syderak 14, 59.
Synonyma Bicardi 6, 73.
Synonyme Ortsnamen, 12, 38.
Tabernakel, Van den geesteliken 10,
25; 10, 29.
Tacitus 12, 33 f. 41 ff.
Tagzeiten . der hl. Anna 5, 56 f.; ver-
schiedener Feste 10, 42.
Takel 5, 5.
Ta^e 5, 5.
tan(d), tene 16, 95 f.
Tannhäuserlied 16, 66.
Tantalus 12, 95.
Taufgebräuche 3, 146.
Telemann, Georg Philipp 8, 162.
teile *Korb' 2, 140.
Temperamente, Die, 10, 116 f.
Teutoburg, Name 9, 3 anm.
Teutoburger Wald 12, 5.
Theerjacke 5, 13.
Theodebert 12, 56 f.
Theoderich d. Gr. 12, 53.
Theophilus 16, 128 ff
Therander, Huldrichus 10, 60 f.
Thietmar von Merseburg 12, 89 ff.
Thomas de Argentina 6, 69.
Thorlakson, Theodor 9, 114.
Thüringisches Reich 12, 4. 53 ff.
Tiberius, Kaiser 12, 41. 47 ff.
Tierkreises, Zeichen des 1, 27.
166
Tieraamen, Ostfriesische 11, 111 ff.
Till, Eulenspiegels Vorname 19, 4 ff.
Tirs, Katharina 14, 60; 15, 3.
Tischlersprache,* Hamburg. 1, 72 f.
Tobie bock 6, 71.
Todeszeichen 11, 103.
Todsttnden, Sieben 6, 72; 4, 55.
Tötehof 9, 3.
Tondem 11, 138. 141 f.
Tonlänge 11, 91.
Tonnis, Jan 11, 156.
Torqaatns, Jeorg 14, 14 ff.
Totentanz 17, 1—80; Berliner 3, 178 f.;
4, 105; Fragment eines nd. 11, 126 f.
Trankrflsel 5, 1.
Transbadani 12, 62.
Trensen 5, 5.
Trinkerorden, Gedicht 19, 167.
Trömlingschen Bauern, Lied von den
7, 171 f.
Tubanten 2, 4.
Tugenden, Fünf 6, 27; 10, 24.
Tundalus 6. 34; 6, 71; 10, 28; 12, 96.
Tunnicius 7, 15 f.
Twedracht der prelaten 6, 73.
Twente 2, 4.
ü für 6 20, 81.
H in Wismarschen Stadtbttchern 3, 1 f.
uake 9, 74.
Ubier 2, 4.
Ücker, Job. 19, 126.
üsse 9, 69.
Ulenspiegel s. Eulenspiegel.
Umlaut 3, 2; 3, 29; 4, 41; 8, 113;
9, 13.
imde mit ausgelassenem Subject 3, 17.
Ungeloben, De ohle 1, 104.
Ungt, Snurren 1, 97.
uns, US 20, 31.
uns, US in Westfalen 11 89.
Unterirdische 1, 104.
Unterschrift 2, 27.
Untreue der Welt, mnl. 13, 111.
Urkundenbuch der Berlinischen Chronik
3, 170 f.; Ostfriesisches 4, 116 f.
Urkundeusprache 20, 78 ff.
Uthroop, De Hambörger 8, 129; 8, 159.
V und f 3, 28.
Valentin und Namelos 19, 108 f.
Van den Detmerschen is dyt ghedicht
10, 89 f.
Vandalen 12, 30.
Vaterunser, Mnd. 9, 145 f.
Veghe 11, 88.
Velleius Paterculus 12, 47 f.
ver statt vor 9, 109.
Verein für nd. Sprachforschung 1, 2 f.
Vereinigung mit Gott 10, 7
Verlobungsgebräuche 3, 83 f. ; 3, 127 f.
Verlorn Szohn, Parabel vam 6, 8.
Verstentenisseu der zielen, Van den
seven 10, 29.
Vervolginge, Van der gewaerger 10, 36.
Verwttnschungsformel 8, 113.
Vierdaghe, Van dem 10, 15.
Vietzebohne 16, 53 ff.
Vigilien, Lexen van der 9, 139.
Vincke, Ebbecke 15, 33.
VinÜer 17, 107.
VirgUsage 6, 23.
Visio Philiberti 5, 21 f ; 6, 71; 6,73;
6, 130 f.; 7, 24 f.
Vithones 12, 34.
Vögelsprüche 11, 171 f.
Völschow, Mor. 19, 126.
Vogelgesang, Das geistliche 14, 115.
Vogelsprachen 14, 101 ff.
Vokabelbuch eines Schülers 4, 27; 5, 55;
Lateinisch-deutsches 6, 123 f.
Volksdialecte und Schriftsprache H-
85 ff.; 20, 78.
Volksweisen 18, 15 ff.
volst *Volk* 2 137.
Volz, Frdr. 19, 126.
von, van 20, 81.
vor Süden 9, 117.
167
Vriesen landtrecht 6, 74.
vro (froh) 18, 142.
Vruwenlof 17, 91.
Waffeubesprechang 2, 27.
Wagner, Joh. Chr. 19, 126.
Walbeck, Kloster 12, 91.
Wampen s. Everhard.
Wanten 5, 17; 5, 184.
Wapen Eristi 3, 71.
war, wor 19, 134.
'War einst ein Biese Goliath' von Clan-
dins in westfälischer Übersetzung 4,85.
Warnavi 12, 44.
Warnen 12, 3. 19 ff. 29 ff 44. 56 ff
Warnow 12, 44 f.
Warnung vor Würfelspiel 19, 90—94.
Warpanker 5, 18.
Warschanen 5, 19.
Watanesleba 12, 14.
Waterrecht 7, 34 f.
watte 1, 99.
Waude 1, 101.
Wauen 1, 101.
Wange 1, 101.
Waul 1, 101.
Wech der reyningen 10, 19.
Weddigen, P. F. 4, 79.
wedel 16, 150 ff.
Wedem (Wüstung) 16, 80 ff.
Wegekörter 20, 1.
Weichmann 9, 75.
Weihnachtslieder 7, 1 f.
Weihnachtspiel, Berliner 9, 94 f.
Weinprobe 14, 90 f.
Wendt, Matth. 19, 126.
wenn causal gebraucht 1, 113; 2, 149.
wente einen Vordersatz einleitend 1, 113.
Weper, Die 8, 106.
Werdener Liederhandschrift 14, 60 ff.
Werdicheit der joncfrowen 10, 41.
Werinofeld 12, 21. 23.
Werldtspröke 14, 107.
Werngaii 12, 5.
Werpanker 5, 18.
Westerman, Johan 3, 183.
Westfölische Brechung kurzer Voc. in
offener Silbe 1, 97; Hochzeitsgedicht
4, 82; Liebesgedicht 4, 80; Maga-
zin 4, 79; Mundarten 11, 85; 14, 11;
20, 81 ff; Predigten 10, 44 f.;
Sprichwörter 4, 79 f.; Uebersetzung
von 'War einst ein Biese Goliath'
4, 85; Wörterbuch 9 65 f., siehe
auch Südwestfälisch.
Westfalen, mnd. Schriftsprache 11, 85 ff. ;
20, 78.
Westfriesische Mundart 2, 45; Colonien
12, 72.
Westphal, Peter 19, 126.
Widsidh 11, 1; 57.
Wiegenlieder 13, 20; 20, 37.
Wiener Handschriften 2, 51 f.
Wierstraat, Christian 15, 33.
Willem van Hildegaersberch 15, 39.
Wilsnack, Heiliges Blut zur 3, 57 f.
Winnigstede, Johannes 9, 49 f.
Winterklage 2, 26.
Wirkende und mögliche Vernunft 10, 16.
Wisbysche Seerecht 7, 35.
wisdieldaeh 1, 112.
Wismar, Eulenspiegel 19, 57; Stadt-
bücher 3, 1 f.; Totentänze 17, 46.
Witton, Joh. 19, 127.
Wockenstedt bei Oschersleben 12,
131. 137.
Wörterbuch, Zum mnd. 2, 40 f.; 2, 47 f.
Woeste, Friedrich 3, 165 f. — West-
fälisches Wörterbuch 9, 65 f. ; Briefe
9, 70 f.
Wo de sele stridet, s. Visio Philiberti.
Wolfenbütteler Arzneibuch 4, 5 f.
Wolfenbütteler Handschriften 6, 68 f.;
2, 19; 11, 128—138; Osterspiel 17,92.
Wolgast, Totentanz 17, 46.
Wo men böse Fromvens frhn maken
kan ß, 7.
1^8
ioopm = wenen 2, 138.
Würfelspiel, Warnung vor dem 19,
90—94.
Wyers, Mathya 9, 141.
Xerxes in Abidns 8, 118 f.
y statt i 16, 96.
Zangemeister, As. Bibeldichtnng 20.
Zant Ghangen dach 1, 110.
Zehn Gebote, s. Gebote.
Zeichen des Tierkreises 2, 27; Die
fünfzehn 10, 24; 10, 27; 10, 28.
Zeitlose 4, 65 f.; 15, 44 fif.
Zellerfeld, Eolenspiegler Mühle 19, 13.
Zeno 6, 69; 17, 92 ff.
xeppel 2, 136.
xest 2, 136.
Zetacismns 12, 63 ff.
Ziegenbock (Gespenst) 1, 102.
Ziese 1, 59.
Zimm^nnann EUnsch 1, 103.
xint 2, 135.
Zio 2, 114 f.
Zirkelgesellschaft, Lübecker 3, 33; 6, 1.
Zisa 2, 114 f.
Zitelose s. Zeitlose.
xußm 2, 136.
Zwetsche 12, 97 ff.
Zwiegespräch zwischen dem Leben und
dem Tode 1, 64 f.; 2, 131 f.; 3.
161 f.; 6, 70; 6, 71.
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Jahrbuch
des
Vereins lilr niederdeotscbe Sprachforschung.
Jahrgang 1895.
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NORDEN und LEIPZIG.
Diedr. Sollau's Verlag.
1896.
Druck von Diedr. Soltau in Norden.
Inhalt.
Seite
ErinneraDg an Wilhelm Mielck. Von C. Walther 1
Ueher Dialektforschung im Niederdeutschen. Von W. H. Mielck . . . 13
Die Heliandhaudschriften. Von P. Piper 17
Der Cottonianus 19
Der Monacensis 43
Das Prager Bruchstück 54
Die Vatikanische Handschrift 55
Die angelsächsische Genesis 58
Ortsmundarten der Magdeburger Gegend. Von G. Krause 60
Der Berliner Totentanz. Von W. Seelmann 81
Text des Berliner Totentanzes 95
Der Lübecker Totentanz von 1520. Von W. Seelmann 108
Text des Lübecker Totentanzes von 1520 111
Zu mnd. Gedichten. Von E. Damköhler 123
Zu Keinke Vos 123
Zu Valentin und Namelos 125
Zum Sündenfall 126
Zu Eonemann 128
Zum Volksbnche von Eulenspiegel. Von B. Sprenger 130
Zu niederdeutschen Dichtungen. Von B. Sprenger 132
Zum Redeutiner Osterspiel 132
Zu den Fastnachtsspielen 133
Zu den nd. Schauspielen älterer Zeit 135
Zu den nd. Bauernkomödien 139
Zu Gerhard von Minden 142
Zu Botes Boek van veleme rade 143
Zu der Warnung vor dem Würfelspiel. Von J. Bolte 144
Satire auf die katholische Messe v. J. 1529. Von L. Hölscher . . . 147
Westpreussische Spracheigenheiten. Von H. Jacob und W. Schröer. . 156
Zur Farbendeutung. Von W. See Im an n 162
Erinnerung an Wilhelm Mielek.
Vortrag, gehalten in der gemeinsamen Versammlung des Hansischen Geschichtsvereins
und des Vereins für Niederdeutsche Sprachforschung zu Bremen am 26. Mai 1896.
Schon mehrmals haben die beiden Brüdervereine, der für Han-
sische Geschichte und der für Niederdeutsche Sprachforschung, die
herbe Pflicht erfüllen müssen, verdienter Mitglieder, welche durch den
Tod ihnen entrissen worden, in Trauer und Dankbarkeit zu gedenken.
Im vorigen Jahre hat dies Los den Hansischen Verein betroffen,
welcher durch den Todesfall von Professor Ludwig Weiland einen
schweren Verlust erlitt.. Diesmal ist es der Niederdeutsche Verein,
welcher sein Vorstandsmitglied Dr. Wilhelm Mielek aufs schmerzlichste
vermisst. Beider Männer Lebenslauf hat auf ähnliche Weise geendigt.
Diesen wie jenen rief der Tod plötzlich und unerwartet ab, da er
noch in vollkräftiger Thätigkeit stand und ehe er das mittlere Mannes-
alter überschritten hatte. In den letzten Wochen und Tagen seines
Lebens war Mielek noch aufs angelegentlichste beschäftigt mit Vor-
bereitungen für diese Jahresversammlung, mit der Fertigstellung unseres
Korrespondenzblattes und dem Abschluss seiner Kassenrechnung.
Heute, da wir nun ohne ihn hier versammelt sind, wird unwillkürlich
die Erinnerung wach an die Pfingsten des Jahres 1874, als der Han-
sische Geschichtsverein gleichermassen hier in Bremen tagte. Mielck's
durch mehr denn zwanzig Jahre unermüdlich fortgesetztes Streben
und Wirken für den Niederdeutschen Sprachverein und dessen Zwecke
begann mit jenem Mai des Jahres 1874.
Wie kam er, dessen Fachwissenschaft weder die Philologie noch
die Historie war, der vielmehr die exacten, naturwissenschaftlichen
Disciplinen sich zum Studium gewählt hatte, wie kam der Mann von
praktischem Berufe dazu, ein so warmes Interesse an den Aufgaben
unserer beiden historischen Vereine und vornehmlich an denen des
sprachgeschichtlichen, an der Erforschung des Niederdeutschen zu
nehmen? Sein Ausgang war gleich dem so mancher Forscher vor
ihm und beruhte auf demselben Grunde, dem überhaupt die ger-
manische Philologie ihren Urspnmg verdankt, der Liebe zur Mutter-
sprache, zur Sonderart des Volkes, zur Geschichte der Heimat. In
Mielck's Lebensgange lässt sich deutlich erkennen und verfolgen, aus
welcher Wurzel und unter welchen Bedingungen seine Vorliebe für
NiederdeatBohes Jahrbach XXI. 1
niederdeutsche Art und Sprache erwächst und wie sich aus der Gemüts-
neigung das wissenschaftliche Interesse entwickelt, wie dann der Trieh,
die von ihm gesprochene Mundart grammatisch zu begreifen und
historisch zu erkennen, ihn zum Studium und schon früh zur selb-
ständigen Forschung leitet.
Wilhelm Hildemar Mielck ward am 17. October 1840 zu Hamburg
geboren. Sein Vater, ein angesehener Apotheker, stammte aus dem
Flecken Barmstedt in Stormarn, wo sein Grossvater das Amt des
Pastoren bekleidete. Auch der Urgrossvater war Geistlicher gewesen,
im Flecken oder Städtchen Preetz in Wagrien. Die Familie Mielck
darf eine altliolsteinische genannt werden, da sie laut des Stamm-
registers ihre Vorfahren bis auf den im Jahre 1658 zu Rendsburg
geborenen Bertram Mielck zurückverfolgen und zugleich nachweisen
kann, dass die Nachkommen desselben stets im Lande Holstein an-
sässig gewesen sind. Das Stammregister, welches Wilhelm Mielck
1888 zum 83sten Geburtstage seines Vaters hat drucken lassen, war
angelegt worden von einem Melchior Öhlmann, als er 1571, nachdem
er fünfzehn Jahre ;,vör enen Krigesman gedenet*^, in seine Vaterstadt
Eimbek zu dauerndem Aufenthalt heimgekehrt war. Durch Ver-
heirathung mit seiner Enkelin überkam jener Bertram Mielck das
Register. In der Familie Mielck ist es dann immer vom ältesten
Sohne, zuletzt von einem Landmanne bei Barmstedt, bis in die Gegen-
wart weiter geführt worden. Zum Verständniss der Persönlichkeit
unseres verstorbenen Freundes scheint die Existenz einer solchen
Familienchronik und der sich durch ihre Führung aussprechende
historische Sinn seiner Vorfahren nicht minder beachtenswert, als
seine Abstammung aus einer nordelbingischen Mittelstands- und
Gelehrtenfamilie, in welcher nach Landesbrauch neben der hoch-
deutschen Schriftsprache sich die niederdeutsche als Verkehrsmittel
im gewöhnlichen Leben und als Muttersprache im Hause erhalten hatte.
Um Ostern 1852 kam Mielck in die Realschule des Johanneums
zu Hamburg. Nach vierjährigem Besuch, während welcher Zeit er
auch an dem Unterricht im Lateinischen teilgenommen hatte, ging
er Ostern 1856 ab, um sich dem Berufe seines Vaters zu vridmen.
Aus seiner Schulzeit ist folgender Zug von ihm bemerkenswert und
vorbedeutlich. Der Lehrer der zweiten Klasse hatte ausnahmsw^eise
einmal den Schülern die Wahl von Gedichten zur Declamation über-
lassen. Zu allgemeiner Ueberraschung trat Mielck mit einem Gedichte
von Klaus Groth auf, ernsten, aus dem schleswigholsteinischen Kriege
gegen die Dänen entlehnten Inhalts. Von unserm trefflichen Lehrer,
dem Professor Röpe, erntete er nicht bloss Lob wegen des Vortrages,
sondern auch ganz besonders wegen der Wahl des Gedichtes. Ich
muss gestehen, dass auf mich der Vorgang einen tiefen und nach-
haltigen Eindruck gemacht hat. Wenngleich uns meisten das Platt-
deutsche, weil wir es beständig auf der Strasse und im Hause hörten,
wohl bekannt, manchen auch durch Uebung in der Familie ganz
geläufig war, trotzdem oder grade deshalb war uns nie der Gedanke
gekommen, dass diese Sprache sich auch zu edlerem Gebrauche schicke;
eine Geringschätzung, ja selbst Verachtung derselben als einer un-
gebildeten, gemeinen beherrschte so gut die Vorstellung der Schul-
jugend, wie der meisten Erwachsenen. Mielck's Wagestück muss
dämm eine mutige Tat genannt werden, durch welche der Knabe
schon jene Selbständigkeit des Urteils und jene Entschiedenheit des
Willens offenbarte, denen er als Mann so manche Erfolge verdanken sollte.
Nach Beendigung einer vierjährigen Lehrzeit in einer der
bedeutendsten Apotheken Hamburgs kehrte Mielck Ostern 1860 ins
väterliche Haus zurück, um ein Jahr lang die Stelle eines Gehülfen
zu versehen. Während derselben Zeit hörte er die Vorlesungen der
Professoren des Akademischen und Real-Gymnasiums, einer jetzt ein-
gegangenen Vorbereitungsanstalt für die Universität. Seine nur spär-
liche Müsse dieses Jahres verwandte er auf eine philologische Arbeit,
die Darstellung der Formenlehre des Stormarisch- Hamburgischen
Dialektes. Ausser einer historischen Einleitung konnte er jedoch von
den vier Abteilungen, aus welchen diese Grammatik bestehen sollte,
nur die beiden über die Formenlehre und die Conjugation vollenden.
Und auch zur Redaction und Reinschrift dieses in Hamburg fertig
gewordenen Teiles fand er erst im folgenden Jahre in Russland Zeit,
wohin ihn sein Beruf geführt hatte. Von dort aus sandte er 1862
seine Arbeit an Professor Christian Petersen, seinen Lehrer auf dem
Gymnasium, mit der Bitte um eine Beurteilung. Das Begleitschreiben
giebt über die Genesis des Werkes Aufschlüsse, die zugleich wert-
volles Material für die Biographie des Verfassers liefern, weshalb
ich' einen Auszug mitteile.
Es werde seinen Lehrer befremden, dass er einen seinem Berufe
so fremden Gegenstand behandelt habe. Das Plattdeutsche sei aber
nun einmal sein Lieblingsthema. Wie, wann und wodurch in ihm
die Liebe zu dieser Mundart und die Neigung zur Beschäftigung mit
ihr erweckt worden sei, wisse er nicht zu sagen. Doch suche er die
Ursache in dem Umstände, dass das Plattdeutsche seine erste, seine
Muttersprache sei, da im elterlichen Hause mit ihm und seinen
Geschwistern bis zum Schulbesuch nur in derselben gesprochen worden
wäre. Später hätten auf ihn die Gedichte von Klaus Groth bedeutenden
EinHuss geübt. In seiner Lelirzeit hätte während mancher Stunden
seine Beschäftigung in gleichbleibenden mechanischen Bewegungen,
die keines Aufpassens bedurften, bestanden, wo also der Geist Müsse
gefunden habe, sich mit anderen Dingen zu beschäftigen. Wenn er
es müde gewesen, chemische Zusammensetzungen der Körper im
Gedächtniss zu wiederholen, in Gedanken Pflanzen zu bestimmen oder
PHanzenfamilien von einander zu sondern, dann habe er über das
Plattdeutsche nachgedacht. Ihn habe die Geringschätzung geärgert,
mit welcher von dieser Mundart um ihn her geredet ward; da habe
er versucht, sich klar zu werden, ob sie nicht doch besser sei als
ihr Ruf, und habe er sich bemüht, ihre eigentümlichen Formen und
die für sie geltenden Gesetze zu verstehen. Mit der Conjugation von
^taben'' und ;,sein*^ habe er begonnen, und er erinnere sich noch der
Freude, als er alles glücklich zusammengefunden hatte. Bald aber
sei er seines geringen Wissens von germanischer Philologie inne
geworden und habe darum sich aus Jacob Grimm's Grammatik und
Geschichte der deutschen Sprache zu belehren gesucht. Allein ohne
Anleitung hätte das ih;m ein ziemlich vergebliches Bemühen bleiben
müssen. Endlich habe er eingesehen, dass, um doch zu einem Ziele
zu gelangen, es gegolten habe, einen andern Angriffspunkt zu suchen,
und so habe er gewagt, wenn auch nicht alle, so doch einige seiner
Beobachtungen über die Sprache, wie sie im Munde des Volkes lebe,
und über ihre Regeln zu Papier zu bringen, mit Unterlassung jedes
Vergleiches mit anderen Mundarten.
Petersen sprach ihm seinen Beifall aus, doch fühle er, selbst
Dilettant auf diesem Gebiete, sich nicht competent zur Beurteilung
der Arbeit, sondern habe Dr. Elard Hugo Meyer von Bremen um
eine solche gebeten. Meyer, dessen Bekanntschaft Mielck noch in
Hamburg gemacht hatte, gab diesem mit freundlicher Bereitwilligkeit
das Resultat seiner Prüfung. Während er dem feinen Sinn für Sprach-
liches, der sich in den Beobachtungen offenbare, seine Anerkennung
zollt, vermisst er eine gründliche historische Kenntniss der deutschen
Sprache; aus diesem Mangel seien die Schwächen und Fehler zu
erklären, deren er eine Anzahl eingehend bespricht. Er teilt seinen
Rat mit, wie solche für fernere Arbeiten unentbehrlichen Kenntnisse
zu gewinnen seien. Die weiteren Schritte in das gemeinsame Feld
werde er mit Freuden begrüssen. Mielck antwortet mit Dank und
nimmt mit Bescheidenheit die gemachten Ausstellungen an. Hinsichtlich
zweier Punkte bleibe er aber bei seiner Ansicht. Die ihm empfohlene
Frommann'sche Rechtschreibung liir Mundarten (in desselben Zeit-
schrift ;,Die Deutschen Mundarten^ Bd. VI am Schluss) sei wohl not-
wendig, wo es gelte, eine Anzahl Dialekte nach Einer Regel zu
behandeln; ;, sollte es aber eines so zusammengesetzten Werkzeuges
bedürfen, wenn nur Eine Mundart durch die Schrift wiederzugeben
ist?*' Der andere Punkt war ein geäusserter Zweifel an der Richtigkeit
zweier Behauptungen, den Mielck -als einen Zweifel an der Richtigkeit
seiner Beobachtung der Laute und Formen verstanden hatte. Er
schliesst: ;,Die Stufe eines Meisters oder auch nur Gesellen in der
Deutschen Sprachforschung werde ich wohl schwerlich erklimmen,
aber auch als Handlanger könnte ich (wenn ich die Begabung für die
Sprache, die Sie mir zuerkennen, besitze,) Andern beim Bau einer
plattdeutschen Sprachlehre helfen.*' Auf den Vorschlag Petersens, die
Arbeit zu seinem Angedenken dem Gymnasial -Archive zu übergeben,
wo sie neben Arbeiten seiner früheren Collegen eine würdige Stelle
einnehmen würde, ist Mielck nicht eingegangen, sei es aus Bescheiden-
heit, sei es weil er hoffte, sie einmal umarbeiten und vollenden zu
können.
Wenden wir uns nun zu dieser Arbeit selbst, so ist in Ueber-
einstimmang mit Professor Meyer's Kritik die Einleitung als der
schwächste Teil zu bezeichnen, insofern der Verfasser hier ohne die
nötige Vorbildung in einem historischen Ueberblick schildern wollte,
wie das Hochdeutsche sich gebildet habe und zur allgemeinen Schrift-
sprache geworden sei. Dagegen enthält seine Besprechung des
Charakters der behandelten Mundart und ihres Verhältnisses zur
Schriftsprache und zu anderen niederdeutschen Dialekten, die mehr
vom Hochddeutschen beeinflusst worden sind, manche treffende
Bemerkung. Unbefangen und mit triftigen Gründen verurteilt er den
Wahn, für Norddeutschland eine niederdeutsche Schriftsprache neben
die hochdeutsche setzen zu können oder auch dies nur zu wünschen.
Was dann Mielck's grammatische Darstellung seiner heimischen
Mundart anbetrifft, so ist vor allem die richtige und genaue Auf-
fassung des Sprachstoffes hervorzuheben. Bisweilen berücksichtigt er,
dass Doppelformen, städtische und ländliche, existieren; selten hat
er die speciel hamburgische übergangen und die in der Stadt weniger
übliche, aber auf dem Lande herrschende allein angegeben. Seine
Schulung des Auges durch naturwissenschaftliche Beobachtung hat
wohl dazu beigetragen, dass er auch mit dem Ohre scharf wahr-
zunehmen sich gewöhnte. Die schwierige Aufgabe, sich zur Darstellung
der mundartlichen Laute eine ausreichende Orthographie zu schaffen,
hat er mit verständiger Verwendung des deutschen Alphabetes und
mit Hinzunahme bloss zweier Zeichen, des Grimm'schen Längezeichens
und eines Punktes zur Andeutung des in unserem neueren Dialekte
die Aussprache so stark beeinflussenden stummen e, ganz geschickt
gelöst. An die Conjugation hat er einige syntaktische Bemerkungen
angeschlossen, um die Verschiedenheit hoch- und niederdeutscher Aus-
drucksweise darzutun; diese zeugen von feinem Sprachgefühl. Es ist
zu bedauern, dass ihm später die Neigung oder wahrscheinlicher die
Müsse gefehlt hat, seine Arbeit zu vollenden und zugleich zu vervoll-
kommnen. Einzelnes hat er hie und da im Niederdeutschen Korre-
spondenzblatt verwertet.
Im Mai 1861 war Mielck zur weiteren Ausbildung in seinem
Berufe nach Russland gegangen. Er war dort in zwei Apotheken
als Defectar tätig, zuerst ein Jahr in Petersburg, dann drei Jahre in
Moskau. Die gründliche Kenntniss des Russischen, die er sich in
dieser Zeit nicht nur im Verkehr, sondern auch durch Unterricht und
Leetüre erworben hat, ist ihm hernach bei seinen germanistischen
Studien von grossem Vorteil gewesen. Von Petersburg aus bereiste
er Finnland, und an den Moskauer Aufenthalt schloss sich eine Reise
nach dem Kaukasus, Von Tiflis kehrte er über das Schwarze Meer
und über Odessa, wo er längere Zeit am Typhus krank lag, nach
Moskau und von dort im August 1865 nach Hamburg zurück. Wie
er auch auf diesen Reisen seine Beobachtungsgabe mit Nutzen gebraucht
und mit offnem Aug und Ohr Land und Leute studiert hatte, davon
gaben seine gelegentlichen Mitteilungen deutliche Beweise.
Nach Vollendung seiner praktischen Vorbereitung verwandte er
die nächsten Jahre auf akademische Studien, zuerst und zuletzt in
Göttingen, dazwischen in Heidelberg. Auf beiden Universitäten hörte
er neben den Vorlesungen seines Faches auch germanistisch -philo-
logische, nemlich historische Grammatik der deutschen Sprache und
Altsächsisch bei Professor "Wilhelm Müller und Gotisch und Althocli-
deutsch bei Professor Ernst Martin. Im April 1869 beschloss er sein
Universitätsstudium mit einem vorzüglich bestandenen Examen und
der Promotion zum Doctor.
Heimgekehrt trat er in seines Vaters Apotheke ein, um diesem
in der Führung derselben beizustehen. Im September desselben Jahres
verheiratete er sich. Er verlebte dann in höchst glücklichem Familien-
leben und in befriedigender Ausübung seines Berufes sechs ruhige Jahre,
bis ihn im November 1875 die Uebernahme der väterlichen Apotheke
zu geschäftlicher Selbständigkeit, zur Gewinnung des Bürgerrechts
und infolge dessen zu vielseitiger gemeinnützigen Tätigkeit führte.
Was es ihm möglich machte, die sich allmählich so mehrenden
Pflichten zu erfüllen, war einmal seine Lust an der Arbeit, ohne
welche für ihn das Leben keinen Wert hatte, andererseits seine durch
stete Uebung gewonnene Kunst, die Zeit auszukaufen. Von Jugend
auf war er gewohnt, früh sein Tagewerk zu beginnen ; in den Jahren
seiner vollen Kraft vermochte er dabei bis tief in die Nacht hinein
zu arbeiten. Der grösste Teil des Tages gehörte seiner Apotheke,
welche, schon unter seinem Vater von Ruf, durch ihn noch an Be-
deutung zunahm. Hier, am Schreibtisch oder an der Toonbank oder
auch im Laboratorium, war er am ehesten zu treflfen. Manches Mit-
glied unserer beiden Vereine wird sich gern und wehmütig erinnern,
dort von ihm in seiner herzlichen Weise bewillkomment und darauf
in sein nahegelegenes kleines Arbeitszimmer geleitet worden zu sein.
Oefters fand der Gast geraume Müsse, die hier befindliche Bibliothek
zu mustern oder über die Menge der zu erledigenden Schriftstücke
auf Pult und Tisch zu staunen, wenn der Hausherr ab und an wegen
einer dringenden Geschäftssache oder sonstigen Angelegenheit abgerufen
ward. Selten war es diesem vergönnt, seinem Gaste auch nur eine
ungestörte Viertelstunde zu widmen.
In seinem Berufe wirkte ei* nicht nur als Praktikant, sondern
auch viele Jahre als Docent an der pharmaceutischen Lehranstalt
seiner Vaterstadt. An den Bestrebungen sowohl des Hamburg-
Altonaer, als an denen des Deutschen Apotheker -Vereins beteiligte
er sich aufs regste. Die Pharmacie bemühte er sich durch neue Heil-
mittel zu bereichern; mehrfach hat er über solche in medicinischen
Zeitschriften, zumteil gemeinsam mit Aerzten, welche dieselben erprobt
hatten, berichtet. Ein Fachgenosse bezeichnet in seinem Nachrufe
(im Internationalen Pharmaceutischen Generalanzeiger) seine Tätigkeit
für die Therapie auf dermatologischem Gebiete als bahnbrechend.
Rühmend hebt derselbe ferner hervor, dass er die Schärfe seines Ver-
standes in vielen Berichteu zum Wohle seiner Collegen bekundet habe,
nachdem er seit 1887 von der Hamburgischen Medicinalbehörde mit
dem Amte eines pharmaceutischen Assistenten betraut worden war.
Nach hansischer Sitte stellte er seine Arbeitskraft bereitwillig
in den Dienst der bürgerlichen und kirchlichen Gemeinde, sowie zur
Unterstützung cultureller und gemeinnütziger Bestrebungen. In einer
beträchtlichen Anzahl sogenannter Ehrenämter hat er so gewirkt, hat
z. B. das mühsame Amt eines Armenpflegers seit 1878 viele Jahre
verwaltet. Von den vaterstädtischen Vereinen, in denen er tätig war,
ist vor allem der für Hamburgische Geschichte zu nennen, dessen
Vorstand er seit 1885 angehörte und dessen Zwecke zu fördern er
eifrig bestrebt war. Auf seine Anregung und unter seiner Leitung
unternahm der Verein die Herausgabe der kunsthistorischen Beschrei-
bungen der hamburgischen Kirchen. Das Interesse für die Geschichte
seiner Vaterstadt veranlasste ihn zu seiner letzten Arbeit, der Schaffung
eines historischen Museums. Eine derartige Sammlung bestand zwar
schon durch die Bemühungen des Hamburgischen Geschichtsvereins
seit 1839; allein sie war allmählich, da sie nicht nach ihrem Wert
geschätzt und in unzulänglichen und ungeeigneten Räumen unter-
gebracht war, in einen ungeordneten und verwarlosten Zustand geraten,
was Mieick bereits 1875 öffentlich ohne Erfolg gerügt hatte. Grössere
Beachtung ward der Sammlung erst zuteil, als zu Anfang der acht-
ziger Jahre der infolge der Anlegung des Freihafens bevorstehende
Abbruch eines älteren Stadtviertels auf eine reiche Vermehrung hoffen
Hess. Um das geweckte Interesse wach zu halten, veranstaltete der
Verein für Hamburgische Geschichte 1885 eine gewerbegeschichtliche
Ausstellung, an der Mieick sich hauptsächlich durch den Aufbau einer
Apotheke beteiligte. Schon einige Jahre vorher hatte er angefangen,
vorhandene Reste des vormaligen Apothekerbetriebes von dem Unter-
gange zu retten. Sein bei dieser Gelegenheit erschienener Katalog
weist nahe an tausend Gegenstände auf. Diese Ausstellung gab ihm
Anlass, sich genauer mit der Sammlung Hamburgischer Altertümer
bekannt zu machen. Besonders zog ihn die Waffensammlung an, auf
deren durch Alter und Zahl bedeutenden Wert er durch Wort und
Schrift die öffentliche Aufmerksamkeit lenkte. 1891 zum Vorsitz in
der Commission für die Altertümersammlung berufen, entwarf er
einen Plan der Neuordnung. Mit gewohnter Energie ging er sofort
an die Ausführung. Nach drei Jahren rastloser Tätigkeit hatte er
die Genugtuung, den grösseren Teil der Gegenstände, vor allem die
militärische Abteilung in den erweiterten und zweckmässig umgebauten
Räumlichkeiten geordnet aufgestellt zu haben und bei Gelegenheit der
25jährigen Sedanfeier dem Publikum zugänglich machen zu können.
Froh über die einstimmige Anerkennung, die man seiner Leistung
zollte, verfolgte er dann im letzten Winter mit erneutem Eifer die
weitere Lösung seiner Aufgabe, deren Vollendung er jedoch nicht mehr
erleben sollte.
Mieick erfreute sich einer guten körperlichen Constitution, Dazu
Jiatte er seinen Körper von Jugend auf durch Leibesübungen gestählt
und stets massig und rationel gelebt, so dass man ihm wohl ein
längeres Leben hätte versprechen mögen. Vielleicht hat aber eine
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ernstliche Krankheit, die ihn im Herbste 1888 befiel und von der er
erst im nächsten Sommer völlig genas, der Widerstandsfähigkeit
seiner Natur Abbruch getan ; und die durch so viele Jahre fortgesetzte
angestrengteste Arbeit und geistige Anspannung wird seine Kräfte
geschwächt haben. Doch vermochte er bis zuletzt rüstig weiter zu
schaffen; und da er auch seit Anfang 1895, indem er die Verwaltung
seiner Apotheke teilweise anderen Händen anvertraute, seine Arbeits-
last gemindert hatte, da ihn der glückliche Fortgang seines Museums-
Werkes munter und heiter stimmte, so kam sein Ende am 16. März
1896 durch einen Gehirnschlag nach kaum halbtägiger Krankheit ganz
unerwartet. Gross war die Teilnahme in seiner Vaterstadt, und dem.
welcher anspruchslos durchs Leben gegangen war und nie nach Ehre
getrachtet hatte, ward nach seinem Tode die verdiente Anerkennung
und Ehrung in reichem Maasse zuteil, als Ausdruck des allgemeinen
Gefühls, wie es ein ehrwürdiger Mann, der mit an der Spitze des
Hamburgischen Gemeinwesens steht, den Hinterbliebenen ausgesprochen
hat, dass nicht nur die Familie, sondern auch die Vaterstadt einen
schweren Verlust zu beklagen habe.
Gleich ermassen bedeutet Mielck's Heimgang dies für seine Freunde
und zumal einen schwer empfundenen Verlust für den Niederdeutschen
Verein. Dass der Verein ins Leben gerufen ward, ist in nicht geringem
Masse mit sein Werk. Dieser ist hervorgegangen aus einem kleinen
Kreise gleichgesinnter Freunde in Hamburg, die sich zu gemeinschaft-
licher Lesung und Besprechung altdeutscher Sprachdenkmäler ver-
einigt hatten. Mielck hat nicht von Anfang diesem Lesezirkel an-
gehört. Aber einmal in denselben eingetreten, in welchem er seinen
Wunsch nach weiterer historischen Erkenntniss der deutschen Sprache
zu befriedigen suchte, ward er bald ein eifriger Teilnehmer der
Uebungen und hat zum Fortbestand derselben vornehmlich beigetragen.
Die anfangs lose Vereinigung ward zu einer fester gefügten, da sie
sich zu Anfang der siebziger Jahre als eine Section des Hamburgischen
Vereines für Kunst und Wissenschaft constituierte. Mielck wusste,
als später nach der Stiftung des Vereins für Niederdeutsche Sprach-
forschung die Section zugleich die hamburgische Gruppe desselben
bildete, den Zusammenhang mit jenem Vereine als iCtglied beider
aufrecht zu erhalten, und seiner Vermittlung ist es zu danken, dass
der Vorstand des Vereins für Kunst und Wissenschaft unserem Sprach-
verein bei seinen litterarischen Unternehmungen fortdauernd, bis im
vorigen Jahr das Sectionsverhältniss aufgelöst wurde, in liberaler
Weise seine Unterstützung gewährt hat.
Nachdem im Jahre 1871 der Hansische Geschichts verein unter
wesentlicher Mitwirkung eines Mitgliedes des Hamburger Germanisten-
kreises, K. Koppmann's, gegründet worden war, traten die meisten
übrigen Mitglieder diesem Vereine gleichfalls bei. Das Vorbild des
Hansischen Geschichtsvereins Hess in der Section die Vorstellung auf-
tauchen, wie erfolgreich die Gründung einer ähnlichen Gesellschaft
für die Erforschung der niederdeutschen Sprache und Litteratur werden
9
könnte. Wer den Gedanken zuerst gefasst und ausgesprochen hat,
das ist vergessen ; dass aber diese Idee Gestalt gewann, ist wiederum
zu nicht geringem Anteile Mielck's Verdienst. In den Winter 1873/4,
nachdem er zu Pfingsten zum ersten Male an einer Hansischen Jahres-
versammlung teilgenommen hatte, fallen die ersten Besprechungen
über die Ausführung des Planes. Man entwarf die „Grundlinien für
die Statuten des Niederdeutschen Sprachvereins". Dass in ihnen die
Lautphysiologie und die Dialektforschung in den Vordergrund gestellt
waren und die Herstellung einer Sprach- und Stammkarte in Aussicht
genommen war, geschah ausser unter Adolf Theobald's besonders
unter Mielck's Einfluss. Es ward femer beschlossen, sich mit einem
Gründungsantrag an den Hansischen Geschichts verein zu wenden, weil
ja das mittelalterliche Niederdeutsch die Schriftsprache der meisten
Hansischen Städte gewesen und die Blütezeit dieser Sprache mit der
Glanzzeit der Hansa zusammengefallen sei, weshalb man bei keiner
anderen wissenschaftlichen Gemeinschaft auf so grosse Teilnahme
rechnen dürfe, wie bei jenem Verein, eine Hoffnung, die denn auch
nicht getrogen hat. Der Antrag ward gestellt in der bereits erwähnten
Bremer Versammlung des Jahres 1874. Man suchte für ihn zu werben
durch jene „Grundlinien" und durch eine von Mielck verfasste Schrift
„lieber Dialektforschung im Niederdeutschen". Aber so, wie die Ham-
burger sich die Sache gedacht hatten, durch den Geschichtsverein,
Hess sich der Sprachverein nicht gründen. Sie befolgten darum den
Rath der Hansischen Freunde und riefen zunächst auf Grund eines
vereinfachten Programms den Verein in und für Hamburg ins Leben.
Dies geschah am - 25. September desselben Jahres, und unter den
sieben Unterzeichnern des Statutenentwurfs befand sich auch Mielck.
Als dann um Pfingsten 1875 der Hansische Geschichtsverein seine
fünfte Generalversammlung in Hamburg hielt, da tagte der Verein
für Niederdeutsche Sprachforschung zum ersten Male mit ihm. Die
Statuten wurden endgültig festgesetzt und der Vorstand ward gewählt,
in welchem Mielck das Amt des Kassierers übernahm.
Eine zweite Obliegenheit, die nicht in den Statuten vorgesehen
w^ar, schuf er sich selbst, dabei unterstützt von Koppmann. Zwar
heisst es im ersten Paragraphen des Statuts, dass der Verein sich
die Erforschung der niederdeutschen Sprache in Litteratur und Dialekt
zum Ziele setze; aber bei den dann aufgezählten Mitteln, durch die
man diesen Zweck zu erreichen gedachte, nemlich durch Herausgabe
einer Zeitschrift und durch Veröffentlichung von Sprachdenkmälern,
waren die lebenden Dialekte nicht genügend berücksichtigt. Für diese,
soweit sie nicht den Gegenstand von ausführlicheren Abhandlungen
und Einzeldarstellungen bildeten, war in der Zeitschrift kein Raum.
Dagegen hatten jene „Grundlinien für die Statuten" und Mielck's
Schrift ,,über Dialektforschung" bereits die Notwendigkeit eines Neben-
organs betont, das jedem Mitgliede gestatte, zwanglos mitzuarbeiten,
und das zugleich einen Verkehr und Austausch aller Mitglieder er-
mögliche. Mielck, der die Wichtigkeit eines solchen Vereinsorgans
10
von Anfang an mit klarem Blick erkannt hatte, suchte deshalb alsbald
und gewann noch im selben Jahre die Einwilligung des Vorstandes
zur Herausgabe seines — so darf man es füglich heissen — Nieder-
deutschen Korrespondenzblattes. Wie richtig er geurteilt hat, wer
wollte es jetzt nach zwanzigjährigem Bestände des Blattes noch
bezweifeln? Dass es solchen Beifall gefunden hat und uns unentbehrlich
geworden ist, lag nicht zum mindesten an der geschickten Redaction,
bei der Mielck es durchaus vermied, der individuellen Freiheit der
zahlreichen Mitarbeiter zu nahe zu treten, weshalb er auch den Zwang
einer einheitlichen Orthographie ausgeschlossen hatte. Er beschränkte
aber seine Tätigkeit am Blatte nicht auf die Bemühung einer sorg-
samen Leitung, die Zusammenstellung der gelieferten Beiträge, die
Anregung zu bestimmten Untersuchungen, die aus eigener Erfahrung
geschöpften Ratschläge, wie man sammeln und aufzeichnen solle;
sondern er lieferte selbst fleissig Beiträge, so über einzelne lautliche
Erscheinungen, Wortbildungen, Betonungsgesetze und Sprachgebrauch,
und teilte seine Sammlungen von volkstümlichen Tier- und Pflanzen-
bezeichnungen mit. Gerne beschäftigte er sich auch mit Unter-
suchungen über Volks- und vor allem über Kinderlieder, von denen
ihn die geographisch weitverbreiteten 'am meisten anzogen, deren
abweichende Fassungen er zusammenstellte und deren Entstehung und
Bedeutung er zu ergründen suchte.
Auch am Niederdeutschen Jahrbuche hat er mitgearbeitet, wenn-
gleich aus Mangel an Zeit nur in den ersten Jahren. Gleich im ersten
Jahrgange veröflFentlichte er eine musterhafte Arbeit über die Sprache
des Tischlergewerkes in Hamburg und Holstein, der ähnliche Zusammen-
stellungen folgen sollten. Zwei andere Aufsätze besprechen botanische
und pharmaceutische Namen. Dieses Gebiet der Namensforschtmg
hat er auch sonst gelegentlich behandelt; zur Ausführung einer
Geschichte der pharmaceutischen Nomenclatur, zu der er durch seine
Fachkenntnisse ausnehmend befähigt war und zu der er Material, so
durch Abschrift einer umfangreichen mittelniederdeutschen Handschrift,
gesammelt hatte, ist er leider nicht gekommen. Ausser solchen Auf-
sätzen und Abhandlungen in unsern beiden Zeitschriften hat er einige
ältere Sprachdenkmäler publiciert, kleinere teils im Korrespondenzblatt,
teils in der Zeitschrift für Hamburgische Geschichte; eine umfang-
reichere als eigenes Buch unter dem Titel „Die niederdeutschen Lieder-
bücher von Uhland und de Bouck." Es ist eine combinierte Ausgabe
zweier alten, von ihm nach den Namen der Entdecker bezeichneten.
Drucke, die sich ihm bei Untersuchung als eine ältere und eine ver-
mehrte Ausgabe eines und desselben Liederbuches ergeben haitt^»n.
beide leider nur unvollständig erhalten, sich jedoch, wenn auch nicht
völlig, ergänzend. Auf dem Titelblatte hat er diese Niederdeutsehen
Volkslieder als erstes Heft bezeichnet; ein zweites sollte nach dem
Vorwort alle auf sogenannten fliegenden Blättern erhaltenen Lieder
bringen. Noch ist zu erwähnen, dass er sich an einem niederdeutschen
Liederbuche zu geselligen Zwecken, dessen Sammlung und Herausgabe
11
von der Hamburgisclien Gruppe unseres Sprachvereins bewerkstelligt
ward, beteiligte, vornehmlich durch die Feststellung der Orthographie,
über welchen Punkt er auch in einem Excurs Rechenschaft gab.
Mielck's sprachwissenschaftliche Tätigkeit erstreckte sich also
hauptsächlich auf die jetzt lebenden Dialekte, besonders seinen heimat-
lichen, sodann auf die technische, zumal die pharmaceutische und die
volkstümliche botanische und zoologische Terminologie, ausserdem auf
das Gebiet des Volks- und Kinderliedes. Von der mittelniederdeutschen
Sprache hatte er tüchtige Kenntnisse, so dass er sie selbst gewandt
zu handhaben und in hübschen Gelegenheitsschriften zu verwenden
vermochte. Doch lag ihm die eigentliche philologische Behandlung
dieser Sprache und ihrer Litteratur femer; sie dienten ihm meist nur
als Mittel bei seinen Untersuchungen auf den oben umschriebenen
Gebieten und wurden ihm bloss dann Gegenstand der Forschung,
wenn ein stoffliches Interesse die Veranlassung bot. Seinen gediegenen
Leistungen auf sprachwissenschaftlichem Gebiete stehen gleichwertige
auf anderen, zumteil ganz heterogenen zur Seite, was eine seltene
vielseitige Begabung bekundet, sowohl für die historischen wie für
die Naturwissenschaften. Wäre es ihm, wie er in der Jugend gewünscht
hatte, vergönnt gewesen, die rein wissenschaftliche Forschung zum
Lebensberuf zu machen, so würde er ohne Zweifel im gewählten
Fache Hervorragendes geleistet haben. Aber auf einen Geschäfts-
beruf hingewiesen, entwickelte er auch die für diesen unentbehrlichen
Anlagen, vor allem in eminentem Masse die Eigenschaften praktischer
Einsicht und Umsicht. Sein gesunder Verstand, das Vermögen rascher
Auffassung und scharfer Unterscheidung der Dinge befähigten ihn,
selbst bei schwierigen Geschäften und verwickelten Verhältnissen des
Lebens ein richtiges Urteil und einen schnellen Entschluss zu fassen.
Diese seine geschäftliche Tüchtigkeit ist dem Vereine für Nieder-
deutsche Sprachforschung, insofern er von Anfang an bis zu seinem
Tode als Vorstandsmitglied dessen Leitung und Entwicklung mitzu-
bestimmen, als Kassierer dessen Geldverhältnisse zu verwalten hatte,
von grossem Nutzen gewesen. Seit 1879 lag ihm auch die Verwaltung
des Kapitals ob, welches unser Mitglied, Rechtsanwalt K. Bauer,
behufs Ausführung gewisser philologischen Arbeiten vermacht hatte.
Eine andere Stiftung, zum besten einer anzulegenden niederdeutschen
Bibliothek, die Theobald- Stiftung, brachte Mielck selbst im Jahre
1S91 zu Stande. Die Jahresversammlungen hat ihn seine Pflichttreue
mit einer Ausnahme, wo er verhindert war, nie versäumen lassen.
Ausser dem Kassenbericht stattete er einige Male ebenfalls den all-
gemeinen Jahresbericht ab, führte auch einmal den Vorsitz, aber nur
notgedrungen, weil er sich zu öffentlicher Rede und Repräsentation
nicht schickte und deshalb ungern verstand. Ueber die Vorträge und
Verhandlungen pflegte er im Korrespondenzblatt ausführlich zu
referieren. Diesen Versammlungen mass er überhaupt einen hohen
Wert bei, weil sie die persönliche Bekanntschaft der Mitglieder des
Vereins mit einander vermitteln. Durch seine stete Anwesenheit bei
12
diesen Zusammenkünften, durch seine Stellung im Vorstande, durch
seine Wirksamkeit als Geschäftsführer des Vereins und durch seine
Redaction des Korrespondenzblattes trat er selbst zu einer grossen
Zahl der Mitglieder unseres, wie auch des Hansischen Vereines, in
persönliche Beziehung und vermöge seines trefflichen Charakters zu
manchen in ein näheres, freundschaftliches Verhältniss, so dass ihn
schon im Jahre 1879 ein Freund als Mittelpunkt unseres Vereins-
lebens bezeichnen konnte.
Diese eigentümliche Stellung Mielck's im Niederdeutschen Verein
entsprang dem ganz besonderen Verhältniss, in welchem er zu dessen
Aufgaben stand. Zwar war es überhaupt eine Eigenheit seines
Charakters, dass er, wenn nach kühler Prüfung auf Richtigkeit und
Durchführbarkeit er sich zu einem Unternehmen entschlossen hatte,
dann nicht bloss mit dem Verstände, noch einzig aus Pflichtgefühl
für dasselbe tätig war, sondern mit warmer Teilnahme für die Sache.
Bei dem Verein für Niederdeutsche Sprachforschung war aber sein
Gemüt ganz besonders in Mitleidenschaft und zu Mitwirkung gezogen.
da es sich hier um seine von Jugend auf geliebte Muttersprache
handelte. Aus dieser Liebe erwuchs seine unwandelbare Treue gegen
den Verein. Unser Verein hat ausser ihm manche verdienstvolle
Vorsteher und viele tüchtige und fleissige Mitarbeiter und bewährte
Mitglieder gezählt, aber wohl keinen, der in dem Masse für den
Verein gelebt und sich so mit ihm gleichsam identificiert hätte. Möge
ihm für seine Treue der Verein ein treues Gedächtniss in Dankbarkeit
bewahren 1
HAMBURG. C. Walther.
n
Ueber Dialektforschung im
Niederdeutsehen.
Es sollen in Nachfolgendem, mehr angedeutet als ausgeführt, eine Reihe von
Gedanken üher den in der Aufschrift genannten Gegenstand dargelegt werden.
Dieselben sind das Ergebnis von Besprechungen und Beratungen, welche Freunde
der Sache gepflogen haben und durch welche die früheren Ansichten der Einzelnen
teils sich ausgeglichen, teils an Umfang und Vertiefung gewonnen haben.
Und wenn auch diese Auseinandersetzungen weder Tatsachen noch Kom-
binationen bringen sollten, welche dem Leser unbekannt sind, so dürften doch
Absicht und Zweck derselben neu sein. —
Die Sprache eines jeden Volkes ist in ihren Anfängen nur eine Sprache
dos Mundes und des Ohres, d. h. sie existirt bloss durch den Laut, den der
Mund des Sprechenden ausstösst, das Ohr des Hörers entgegennimmt. Viel später
erst, wenn ein Volk — meistens von Aussen kommenden Anregungen folgend —
eigentümliche Formen der Kultur zu entwickeln beginnt, tritt die Schriftsprache
hinzu, die nunmehr vom Laute abgelöst an einen andern Sinn, das Gesicht, sich wendet.
Von einem geistig hoch Begabten oder von mehreren Volksgenossen eigen-
sinnig und in Folge fremden Kultureinflusses oft unrichtig fixirt, lebt von da an
die Litteratursprache ihr besonderes Leben, welchem die Spuren derjenigen Periode
nationaler Entwickelung, in welcher es begann, stets eingeprägt bleiben.
Einseitig und meistens konservativ soll sie Hüterin der Resultate bewusster
Geistesarbeit sein und sie steht — unausgesprochen zwar, doch klar erkennbar —
der Sprache der unbewussten Masse feindlich gegenüber.
Nur selten, wenn bisher unbekannte Gebiete geistiger Forschung sich er-
schliessen und der Kulturstand fremder Völker keine Ausdrücke liefert, geht die
Schriftsprache zurück auf den Grund, von dem sie ausging, und schöpft aus dem
Borne der Lautsprache, der Vulgärsprache.
Das Volk aber und seine Sprache, welche nach Loslösung der Schriftsprache
als Dialekt mit seinen Mundarten bezeichnet werden kann, leben weiten entwickeln
und verändern sich, beeinflusst wol durch die Sprache der Bildung, doch wesentlich
unbekümmert um dieselbe. In der Litteratur tritt die allmälig wachsende Scheidung
des Dialektes von der Schriftsprache ans Licht in Folge von Veränderungen der
Machtgebiete innerhalb des Volkes und nach historischen Umwälzungen, die von
aussen hineingetragen werden. Dann genügt die alte Schriftsprache nicht mehr
und aus dem Dialekte, aus einer Mundart desselben wächst eine neue Litteratur-
sprache hervor.
Mit der Schriftsprache, mit der Sprache der Litteratur beschäftigt sich die
Philologie, mit dem Dialekte dagegen die Linguistik. Sie ist in erster Reihe eine
Beobachtungs Wissenschaft wie die Naturwissenschaften. Ihr Objekt sind die vom
Menschenmunde hervorgebrachten Laute nach Form, Funktion und allmäligem
Wandel. Nur wo der Mund des Sprechenden erstarrt ist und das Ohr des Hörers
erstorben, ist die Linguistik für ihre Forschungen auf die Schriftsprache an-
gewiesen, wie sie uns die Litteratur überliefert hat, und auf die Ergebnisse der
Philologie. —
In unsern Dialekten und Mundarten walten noch jetzt frei die bildenden und
zersetzenden Kräfte, als: Vokalassonanz, Konsonantassimilation, Abstossen der
14
Affixe, falsches Analogisiren u. s. w., welche bei der geschichtlichen Veränderung
der Sprache tätig waren.
Nur genaue Beobachtung und Erforschung der liaut- und Wortbestände und
ihrer in der Gegenwart geschehenden Wandlungen befähigen uns die jetzt wirkenden
Kräfte zu erkennen und nur derjenige darf hoffen die Sprachengeschichte richtig
zu erkennen, der, im Boden der Gegenwart fussend, von Gesetzen ausgeht, nach
denen lebende Dialekte sich umbilden.
Der Vergleich mit der Geologie, der Wissenschaft, welche die Vorgänge bei
der Gestaltung der Erdrinde zu erforschen sucht, liegt nahe.
Die Kenntnis der jetzt wirkenden Kräfte und der jetzt geschehenden
Gestaltungsänderungen gehört dazu, uns vor tollen Hypothesen, wie sie lange genu^
gegolten haben, zu bewahren, und nur nach gegenwärtig gültigen Gesetzen dürfen
frühere Veränderungen und Umwälzungen beurteilt we den. —
Von solchem Gesichtspunkte aus sind die deutschen Dialekte wenig bearbeitet
worden, auch die Mundarten des niedersächsischen nicht. Und doch verlangen
letztere eine ganz besondere 'Beachtung, da dieselben in ihrer Weiterentwickelung
schon seit Jahrhunderten fast unberührt geblieben sind von dem direkten Einflüsse
und der Einwirkung des Schrifttums, der Literatursprache. Seit dem Niedergange
der niedersächsischen Litteratursprache lebt der Dialekt liauptsächlich im Bauern-
stande und den Elementen des Kleinbürgertums, die erst vor einem oder vor zweien
Menschenaltern dem Bauernstande entsprossen sind.
Der Bauernstand in Niedersachsen liest wie überall der Bauer wenig, schreibt
noch weniger und das wenige nicht in einer Schriftsprache, von dem die scinige
ein Dialekt, sondern in einer anderen Sprache, nämlich Hochdeutsch, dessen laut-
liche Scheidung der Geistbeschränkte oft stärker als der Begabte empfindet. Die
heutigen Bauern sind Nachkommen von Volksgenossen, die in ihrer Masse auch
zur Zeit der niederdeutschen Schriftsprache nicht schriftkundig, nicht „buch kraft ig""
waren. In keinem andern deutschen Dialekte wird also in solchem Masse wie hier
der Einfluss der Schriftsprache als ausgeschlossen betrachtet werden können.
Jeglicher Einfluss soll damit nicht bestritten sein, derselbe fand aber nur
statt durch Vermittelung der dem Schriftdeutschen anbequemten Sprechweise
Gebildeter und Halbgebildeter in den Städten.
Wie sehr ländliche Abgeschiedenheit von sogenannter Bildung, von Ein-
wirkung der Schriftsprache und von Verkehr die Erhaltung und die Weiterbildung
dialektischer Eigentümlichkeiten begünstigen, davon berichtet schon Schütze in
der Einleitung zu seinem holsteinischen Idiotikon. —
Aber nicht lange mehr ist eine Durchforschung rein erhaltener Mundarten
des Niedersächsischen möglich. Gefahr liegt im Verzuge. Die letzten Schriftlosen
(analphabeti), Goldgruben für den Forscher, sterben aus. Eisenbahnen und alle
neueren Verkehrsverhältnisse werfen auf eine bis zur Mitte dieses Jahrhunderts
ungeahnte Weise die Volksatome durcheinander, zerwühlen den Volksboden. Nichts
macht die hochdeutsche Schriftsprache mächtiger und schafft dem ihr nachgebildeten
Dialekte schnellere Ausbreitung als die vielfältige Mischung verschiedener Dialekts-
genossen.
Dem eben behandelten sprachwissenschaftlichen Interesse gesellt sich ein
wesentlich patriotisches zu, wenn wir die Sprache als einen Organismus betrachten,
der als geistiger Ausdruck des Volkslebens alle Stufen der Entwickelung desselben
widerspiegelt. In der Sprache liegt Alles, was den Volksstamm treibt, bewegt,
durchdringt, beschäftigt. Für einen reinen klaren Blik gibt die Sprache die Volksart
wieder. Der Wortschatz zeigt uns den Umfang des Denkens und der Lebeus-
interessen. Die Veränderungen des Wortes im Satze und die Art des Satzgefüges
verschaffen uns einen Einblick in die Art des Denkens, in die Art des Aneinander-
reihens und Auseinanderentwickeins von Bildeni und Gedanken.
So wie unsere Sprache ist, so ist unser Volk, so sind wir. Sind wir auch
bestimmt in einer höhern Einheit aufgehend zu verschwinden und unsem regel-
schönen Dialekt gegen den dialektischen Abklatsch einer hoch entwickelten aber
nicht formenreinen Schriftsprache einzutauschen, so wollen wir doch damit nicht
dazu verurteilt sein, unsere jetzige Art zu verdammen und schlecht zu ündeu. Wir
wollen im Gegenteil durch Aufzeichnung unserer Volkssprache und durch Sammlung
16
schriftlicher Berichte üher die kaum von der Sprachforschung auszuschliessenden
Gebräuche, Sitten und Sagen unserm Volke ein Denkmal setzen ; uns zum Spiegel,
nachkommenden Sprossen späterer Jahrhunderte zur Lehre und wissenschaftlichen
Erforschung. Und nicht ohne auf die Zukunft des Hochdeutschen zu achten
geschähe dies.
Eine genaue Bekanntschaft mit unsem Lauten, unserm Wortvorrate, unserm
Satzbaue wird auf die Weiterbildung des Hochdeutschen in Schrift und Dialekt
nach Aussprache, Wortschatz und Stil verändernd, ich darf wol sagen, veredelnd
einwirken. Der Oberdeutsche und der Mitteldeutsche, sie beide sind armselig oder
gefühllos in ihren Lauten, und vor dem schärfern Ohre des Niederdeutschen kann,
was jenen als Reim gilt, nur zu oft nicht bestehen.
Auch hat die Schriftsprache sich noch vieler Knorren und Auswüchse, her-
vorgerufen durch lateinische und andere fremdländische Bildung, zu entledigen, bis
der Bau ihrer Prosa dem einfachen Redeflüsse niederdeutscher Erzählung gleiche.
Anschliessend an das eben Gesagte erwähne ich noch, dass eine genaue Kenntnis
des Dialektes die Möglichkeit gibt zu bestimmen, wie und wo die Schriftsprache
bereits von unsern niedersächsischen Mundarten gelernt und aufgenommen habe.
Weiter bietet die Erforschung unserer niederdeutschen Mundarten auch ein
historisches Interesse.
Es ist hier nicht der Ort sich darüber auszulassen, ob ein naturwissenschaftlich
Geschulter, der im Besitze eines feinen und richtigen Gefühles für Sprachen ist,
für die Unterabteilungen einer grossen Sprachsippe den Artbegrii! beziehungsweise
so scharf und sicher wird ziehen und bestimmen können, wie Linnä es nach manch-
fachen Vorläufern und Vorversuchen in solcher Weise für das Pflanzenreich gekonnt
hat, dass trotz entwickelungsgeschichtlicher, darwinistischer Angriffe der Artbegriff
im Grossen und Ganzen unverrückt feststeht für die Gegenwart sowol wie für jeden
paläontologischen Zeitabschnitt. Ich meine aber behaupten zu dürfen, dass eine
Auffassung und Erkenntnis des Dialektes nach Art und Unterart, nach Gattung
und Familie es noch jetzt ermögliche, vom augenblicklichen Sprachstande aus die
ehemaligen Gaue mit ihren Volksstämmen nachzuweisen und zu begrenzen. Hülfs-
mittel hierzu liefern, abgesehen von geschichtlichen Ueberlieferungen, beispielsweise
die Lebensgewohnheiten des Volkes, die Bauart der Wohnstätten, die Sagen. —
Auch für derartige Forschungen bringt jeder weitere Zeitverlust schlimmeren
Sachverlust. Wiederum liegt mir ein Vergleich nahe. Mehr und mehr werden
Flora und Fauna, wie sie sich als Ausdruck von Klima und Bodenbeschaffenheit
im Kampfe ums Dasein ausgebildet haben, gestört durch den Land bauenden,
Tiere züchtenden Menschen. Vor dem Fusstritte des modernen Menschen ver-
gehen ganze Arten und Gattungen und gerade die eigentümlichsten und zugleich
empfindlichsten.
Und der Pflanzengeograph sieht sich, wenn er ein Bild der natürlichen
Pflanzenverbreitung und Anordnung entwerfen will, oft mehr auf Aufzeichnungen
vergangener Zeiten als auf Erforschung des derzeitigen Vegetationsstandes angewiesen.
Während ich im Vorstehenden versucht habe, klar zu legen, aus welchen
Gründen und mit welchen Gesichtspunkten wir uns für das Studium der Dialekte
im allgemeinen und für das unseres lieimischen niederdeutschen im besonderen
interessieren, komme ich nun zu der Frage, wie solches Studium fruchtbringend
zu betreiben wäre.
Sollte wirklich ein Menschengeist gefunden werden, welcher in sich das
ganze Volksleben mit allem Denken und Tun, Träumen und Treiben aufzunehmen
vermöchte, so würde doch die Wiedergabe des Aufgenommenen Kraft und Dauer
eines Menschenalters übersteigen, und ich glaube, dass auf Einzelleistungen hoffend
wir unbemerkt und unbeschrieben unsere alte Art und Sprache verlieren würden.
Auch würden die Schranken des Raumes jedem Einzelforscher ein hinderndes
Hemmnis sein.
Eine irgend wie versprechende Tätigkeit kann also nur von mehreren aus-
gehen, die sich unter gleichen Voraussetzungen zum gleichen Zwecke verbinden.
Vorausgesetzt werden muss allerdings zunächst, dass für die oben berührten Fragen
nicht einzig und allein vereinsamte Schwärmer Sinn und Verständnis haben, sondern
dass weitere Kreise mit uns die Empfindungen, die uns zur Liebe unserer Mutter-
Mundart führten, und das Streben, in das Verständnis tiefer einzudringen, teilen,
oder dass unsere Liebe und unser Streben sich weiteren Kreisen mitteilen lasse.
Finden sich aber solche, so müssen diese — was kaum ausgesprochen zu
werden braucht — in einem Vereine einen gemeinsamen Mittelpunkt suchen, in
welchem sie Anregung schöpfen, zu neuen Arbeiten angetrieben und vor einseitigem
Urteile bewahrt werden.
Ein jeder, welcher je Dialekte kennen zu lernen gesucht hat, weiss, dass
das Achten auf das Mundwerk seines Nächsten nur bei grosser Vorsicht gelingt
und oft nur beim vertrautesten Umgange möglich ist. Vertraut zu sein mit mög-
lichst vielen Individuen verschiedener Lebensstellung ist uns aber im gesellschaft-
lichen Leben unmöglich gemacht. Tu dem geplanten Vereine wird sich für jedes
Thema, für jede Frage wohl einer finden, der Antwort geben kann aus sich selbst
oder aus seiner Freundschaft, die er wie der Botaniker den freien Wald durchsucht
und durchstöbert, um die Blumen der Volkssprache zu sammeln und einzuheimsen.
Um so reichlicher wird die Frucht geerntet, je planmässiger das Absuchen
geschieht und je grösser das Gebiet ist, auf dem gesucht wird. Deshalb soll nicht
auf ein kleines Land und auf ein enges Stadtgebiet der Verein sich beschränken,
sondern darauf hinwirken, dass möglichst viele Gruppen oder Teilvereine überall
im niederdeutschen Gebiete sich bilden.
Ein gemeinsamer Vorstand würde ausser seiner gewöhnlichen Vorstands-
tätigkeit als Hauptaufgabe betrachten auf bestimmte Ziele hin anzuregen und zu
fragen, die Antworten zu sichten und das gesammelte Material an geeignete Kräfte
zur Bearbeitung mitzuteilen.
Zur Veröffentlichung seiner Arbeiten würden zwei gesonderte Organe dienen :
I. eine rein wissenschaftliche Zeitschrift.
Diese würde in Art der Frommann 'sehen Zeitschrift — doch Dichtungen
so viel als möglich fern haltend — sprachwissenschaftliche Aufsätze von Vereins-
mitgliedern und die Bearbeitungen des eingesammelten Stoffes bringen.
II. ein speciell den Vereinszwecken dienendes Korrespondenzblatt: Vereins-
berichte, hinsichtlich derer auf die in Vorschlag gebrachten Grundlinien zum
Statutenentwurf verwiesen wird.
Aus der germanistischen Sektion des Vereins für Kunst und Wissenschaft
zu Hambnrg im Mai 1874.
W. H. Mielck, Dr. phil.
17
Die Heliandhandschriften.
Von dem Grundsatze ausgehend, dass man ein richtiges Bild
der Überlieferung nur durch Einsicht der Handschriften selbst gewinnen
kann, habe ich die für die altsächsische Bibeldichtung in Betracht
kommenden Codices in London, München, Prag, Rom, Oxford selbst
verglichen. Photographien sind nur für die Rückerinnerung gut, an
sich sind sie kein genügender Ersatz der Autopsie, schon deshalb
nicht, weil die Rasuren in ihnen nicht gelesen werden können. Ich
versprach mir nicht viel Ergebnisse von meiner Neuvergleichung,
denn der Cottonianus war ja von Sievers und Bartsch, der Mona-
censis von Schmeller und Sievers wiederholt nachverglichen, für
das Prager Bruchstück und den Vaticanus lagen die ausgezeich-
neten Ausgaben von Lambel und Braune vor, und auch Kädmons
Genesis hat in Wülckers Ausgabe eine sehr sorgfältige Behand-
lung gefunden. Gleichwohl bin ich zufrieden, die Arbeit mir ge-
macht zu haben, denn nicht nur konnte ich an zahlreichen Stellen
die Rasuren und Verderbnisse besser bestimmen, als bisher geschehen,
sondern auch direkte Fehler der bisherigen Ausgaben vermochte ich
nachzuweisen. Damit ist kein Tadel gegen die bisherigen Herausgeber
ausgesprochen, vielmehr finde ich es ganz natürlich, dass noch einige
Irrtümer zu berichtigen waren. So konnte ich aus dem Cottonianus
noch etwa zwei und ein halbes, aus dem Monacensis über drei und
ein halbes Dutzend wesentlicher Besserungen notieren, und selbst das
kleine Prager Stück hat trotz Lambels trefflicher Vergleichung noch
mindestens eine recht wesentliche Besserung geliefert. Dabei
sind, wie gesagt, nicht die zahlreichen Rasuren und Correkturen mit-
gerechnet, welche ich glaube besser gelesen zu haben und für die
auch der Vaticanus noch Ausbeute geliefert hat. Auf diese Besserungen
habe ich mich aber nicht beschränkt, sondern habe namentlich auch
festgestellt, wo Worte mit Majuskeln beginnen, da ich bei meinen
Arbeiten für den Heliand, namentlich für dessen Vers, es oft unange-
nehm empfunden hatte, dass Sievers Ausgabe dafür keinen Anhalt bietet.
Auch die von den üblichen Halbversenden abweichende Punktstellung
habe ich notiert. Gern hätte ich auch über Trennung und Zusaumien-
schreibung der Wörter, über Zeilenschlüsse, über die Verwendung
der Punkte ausführliche Angaben gemacht, doch hätte das hier zu
weit geführt; es soll das aber an andrem Orte, soweit als möglich,
nachgeholt werden. Zu bemerken ist noch, dass neben den Majuskeln
in allen Heliandhandschriften Buchstaben auftreten, welche der Form
nach Minuskeln, aber grösser als gewöhnlich gemalt sind. Diese habe
Niederdeutsches Jahrbuch XXI. 2
18
ich durch die Bemerkung ;, grösser*^ kenntlich gemacht. Besonders giebt
es in den Hdss. für h noch eine dritte Form, welche zwischen H und
h steht und hier durch eine besondere Form (fi) kenntlich gemacht ist.
Die häufig auch innerhalb der Worte begegnenden n in der Form der
Majuskel und der Grösse der Minuskel habe ich hier nicht erwähnt:
nur wo sie im Anfang von Worten stehen, haben sie Berücksichtigung
gefunden. Die Accente habe ich vollständig verzeichnet, nur nicht
in dem angelsächsischen Stücke.
Beim Cottonianus setze ich die von Sievers und Bartsch
gemachten Nachvergleichungen als bekannt voraus.
Die Eigennamen der Handschriften sind stets mit kleinem An-
fangsbuchstaben geschrieben, wo es nicht anders bemerkt ist. Die
Zeilenschlüsse sind nicht nur erwähnt, wo sie zur Erklärung einer Ab-
breviatur oder einer Auslassung dienen, sondern auch da, wo das Wort
des Zeilenanfanges oder Zeilenendes aus sonstigen Gründen vorkam.
Der Cottonianus (Calig. VII, gr. 8vo), in festem Lederband.
vorn und hinten mit aufgepresstem Wappen, mit Goldschnitt. Unten
auf S. 12b steht A, auf S. 13a B, auf S. 36b D, auf 44b E, auf
68b und 69a H, auf 76b und 77a steht J. Die übrigen Gustoden sind
abgeschnitten, die Hds. muss also ursprünglich grösser gewesen sein.
Vorher gehen zwei leere Pergamentblätter, dann ein Blatt (1), auf
Tppon doble baiids
welchem Sir Rob. Cotton geschrieben hat: Bind this book a very stronng
in Lether and gilt vppon the | Egges And my Armes lett | it be dou
prefently. And paft thos leaues together | I haue croffed |, Bl. 4 u. 5
leer; auf Blatt 6 (2) mit der Notiz: Catalogus Tractatuü | in isto
volumine. | 1. Quatuor Evangelia in lingua Danica | cum picturi^
deauratis. Liber quonda | Canuti Regis. | 2. Exorcifmi sacri ad red-
»gros
dendos a ferti | les. Saxonice. | Dann folgt ein Papierblatt, dann acht
Bilder, je zwei mit ihren Rückseiten gegeneinander, zwischen den
Bildseiten je ein Papierblatt zum Schutze. Die Bilder stellen dar:
1. Maria Verkündigung. 2. Maria Besuch bei Elisabeth. 3. Christi
Geburt. 4. das Gloria in excelsis. 5. den Bethlehemitischen Kinder-
mord. 6. die Darstellung im Tempel. 7. die Anbetung der Könige.
8. Christi Taufe durch Johannes. Das erste Blatt des Heliand-
textes, 5, hat oben und unten auch die Bleistiftnummer 11. Link>
oben auf dem ersten Blatte steht von modemer Hand: Euangelia in
lingua I Danica; rechts oben steht QVATVO. Bl. 170 hat keine Blei-
stiftnummer, Bl. 171 trägt die Bleistiftnummer 176. Der Heiland
steht Bl. 5—170; S. 171a (176)— 173a (178) stehen die ags. Segen.
S. 173l> (178) ist leer, dann folgt noch ein leeres Pergamentblatt.
Auf S. 69a unten steht ferr uuretha.
Der Monacensis besteht aus folgenden Lagen : 1. I Blatt
Papier; 2. 1 Quaternio (Bl. 2 — 8), dessen erstes Blatt ausgeschnitten
ist; 3. drei vollständige Quaternionen (9 — 16, 17 — 24,25 — 32); 4. ein
Quateraio (Bl. 33 — 38), dessen zweites Doppelblatt (nach Bl. 33 und
nach Bl. 37) fehlt; 5. ein vollständiger Quaternio (Bl. 39 — 46);
B. ein Quaternio, dessen fünftes Blatt (nach Bl. 50) ausgeschnitten
ist (Bl. 47 — 53); 7. ein Quaternio, dessen fünftes Blatt (nach Bl. 57)
ausgeschnitten ist (Bl. 54 — 60); 8. ein Quaternio, dessen achtes Blatt
(nach Bl. 67) ausgeschnitten ist (Bl. 61 — 67); 9. ein yoUständiger
Quaternio (Bl. 68 — 75); 10. ein einzelnes Blatt (76). Das letzte Blatt
ist unten halb abgeschnitten. Die Linien (zu 24 auf der Seite) und
der tland sind vorgerissen. Auf S. 27b neben der fiinftletzten Zeile
steht: Oc fcal, und am unteren Rande derselben Seite: fcal ic ev
feggean von alter Hand eingeritzt. Auf S. 47a rechts neben Z. 8
steht dixit ausgewischt, neben Z. 12 ist ein Tierkopf ausgewischt.
Näheres über diese beiden Hdss. s. bei Sievers.
Der Cod. Pal. 1447 ist von Zangemeister beschrieben. Ich be-
merke nur noch, dass mir die letzten zwei Zeilen auf S. 11^ (Si lunä
in ueftigare uoluerif in qua parte fit. multiplica pfente lunä p XIII.
& tunc parare p XXX | & q,t XXX. habuerif. tot figna ft int folem
& lunam |) und die letzten zwei Reihen auf S. 12r (conpendoo [durch
mano
das vorletzte o lang i gezogen] fi ta te numerandi. ordine. IUI refpectuf
i. con
infiö. & quinq; refpectuf h& unufquifq, mfif nifi feb. |) von dem
Schreiber der altsächsischen Reste herzurühren scheinen. Auch S.
32v vita sanctorum Septem u. s. w. bis in K) aug. falt^ lune apte
ponitur (14 Reihen) ist Zusatz von der Hand des Heliandschreibers,
sowie links am Rande eine Bemerkung.
1. Der Cottonianns.
Die Eigennamen sind stets mit kleinen Anfangsbuchstaben ge-
schrieben, die f hng^ die grossen Anfangsbuchstaben stehen an den von
Sievers angegebenen Stellen^ wo es nicht anders bemerkt ist. Bis S. 13a
sind die letzteren rot ausgemalt. Die Striche in b, d sind durchweg alt.
..Mit Häkchen''^ bezeichnet, dass an der Stelle, welche der Obergeschriebne
Buchstabe im Worte einnehmen soll, ein , steht. — Überschrift INC :
PIT . QVAT : : (braun auf grlh) \ OR . EVANGELIV •.• (braun aufUau)
MANEGA VVARON (braun auf gelb) \ — 1 thefiaro (vor r ist i t?.
alier Ud. überg.) — 2 thafia (vor f ist t mit Häkchen überg.) \ —
3 riceo (ri a. Bas. von fe, das e dieser Basur zweifelhaft) — maritha
(das letzte a offen, einem u ähnlich) — 9 firiho (das zweite i a. Bas. von
o) — 10 mego (ni mit Häkchen vor g überg.) — 12 Craft | — 13 | That
— 15 nemofta (u mit Häkchen vor o überg.) — 18 Matheuf — 19 | Lucaf
— Johannef — 24 That | — helagaro (ags. r) — 20 Thiu — That —
28 Eftho — 29 Huand — 31 adal ord frumo | — 34 That — 36
2*
20
giuuaralita (ags. r) — 39 | gifcuop (darnach Pufikt rad.) — 40 Eudi
— 42 That — 45 uuerold aldar | endon fcoldi. — 48 Scolda — 50
Helagaf — 51 mid | dil gard — mauagon (das Icteie n aus m ge-
macht durch Bas. des letzten Striches) — 53 | uuid (das ernte u grösser)
— god. roma no. — 56 That — thiedo | gihoilica (a a«5 o eorr.) —
59 liudo (e vor o mit Häkchen v. alter Hd. überg,) — 60 | Erodef —
61 Judeono — 62 kuninge: (Ras. r. g oder rundem s) — 64 | hie —
65 ifrahelef (i rad.y aus p?) — 66 Cuman — thef | (f a. Bas. von t)
— 68 I That — 69 auaron (r aus n rad.) — 71 Erodef — nach | rad-
burdeon etwa acht Buchst, rad. — 72 than (t rot ausgem.) — links am liande
steht vor fruodgomo : Scd^m lucam. | InüIo t5po | re fuit Indi | ebuf erodif
re I gif lüde, facer | quidä nomin*. | zacharias; | hierin r stets ags.) —
73 that (das erste t rot ausgemalt) — 75 Jacobaf | — 76 Zacharial
— that — 79 Uuaf — 82 gihoga (a aus u corr.^ nach o ist ri mit
Häkchen überg.) — 83 diu | ridon. — 85 Nefaca — uuaf | — 86 moftun (\i
vor o mit HdUchen überg.) — 87 Ac — than (t gelb ausgemalt) — 88 Sm
— 93 mofti. II. 1 (u vor 0 ohne Häkchen überg.) — 94 Thuo (die Buchst.
rot ausgemalt) — 96 thuo (t rot ausgem.) — 97 Thar | — Judeo —
100 hea | ron (a rad.) — that (das erste t rota^isgem.) — 103 that
— 109 frumida (f rot ausgem.) — 110 Junger fcipi — 111 | Midi —
114 fprak (r ags.) — 115 fiiet (grösseres h) — fruod | (r ags.) —
116 quat I hie — 118 Thin — 119 ikif — 120 Gabriel | — 121 | and-
uuard (das erste a rot ausgem.) — nefi: | (Bas., von n?) — 122 nuhiet (it
austcarr.) — 123 Hiet— 126 that | — 127 Uui | nef — 131 | Tugin —
geban (über a Bas. von a) — 133 thie | (nach e scheint Bas,) —
132 for
Johannef — 135 | That — 138 gibod fcepe (g a. Bas. von hohem Buchst. j
— 139 Za
Than — at
chariaf — 141 huo | — 142 after | (a rot ausgetn.) — 14*'
ibunta | (b oben anrad.) — 147 fithoE | (ob lig,) — 14>
Souuit — I Juguthi — 150 fodan | (u über o mit Häkchen v, andrer
Dinte) — 152 That — 155 find. — fprikif. III. | — 159 Thuo (auch
u rot ausgetn.) — arm (vor a ist h mit Häkehen iiherg.) — \\vi
ala I Jungan (es ist lang J, kein 1, denn unten fehlt die Krümmung)
— he (i über e mit Häkchen überg.) — 164 uuord (r ags.) — 1(;:j
thimagu (h oben rad.) — 170 langron | (r ags.) — thuo (t rot ausgem, )
— - 171 I Giuuordan — | uuiae (h nach i mit Häkchen überg.) — 17J
Engil — 174 baranif (r ags.^ i nach r mit Häkchen überg,) — bi | dim
— 179 Than — 184 hie — 185 Gifeggean — met {b von alter Hand
aus i corr.) — 186 | ufef (u a. Bas.; e a. Ras. von a) — 196 bugeon
(. r. mit Häkchen über g überg.) — bed — 197 fcred | — 198 Jarel
— Jo I hannef — 199 nach \ fconi Bas. eines Punktes — 200 uual
(das erste u war ausgem.^ doch ist die Ausmalung wieder rad.) — 20.i
I fuafoftun (fo scheint a. Bas.^ n aus m corr. durch Bas. des leisten
Striches) — 204 That | — 208 engifruodot — 210 niudlico (ni durch Äa>\
der Verbindung der beiden letzten Striche aus m) — 212 Jac — 213 So —
2 1 6 hier | (h ausgemalt) — fiu (f a. Bas. ?) — 2\l Jara | — 2 1 8 Johannef
— 221 engel | hert — 222 Nihiet (et lig) — 223 uuita kiefan (n aus
m corr. durch Ras. des letstru Striches) — 224 uotc | (n aus m ebenso t
21
— 228 fitit (ti scheint a, Bas., von a?) — 229 Uuifanif | (das erste if
a. Bas. van a) — Thoh — 230 thoh (t rot ausgem.) — 231 thuo | —
236 Jühan | nef — 237 giuuret (et lig.) — 238 fuitho [IIa] fpahlico
— 239 That — 242 fandi iungron tuo. IIII. | (über dem ersten i ist . if .
mit Häkchen übcrg,; die Nummer rot) — 246 That | — 248 te (t rot aus-
ge^n,) — 249 uuitie (das eweite u a. Bas.^ von it?) — 250 gali | (rechts a,
Udc. ro^- be fcä | marian. | )lealand — 252muni | WcaimrotafAsgem.) —
253 Uuaf I — fia — 254 Jofeph — 257 anazareth bürg — 260
uualdaudi (das erste u rot ausgem ) — 260 habif mit Häkchen überg,
— 261 thu I — 262 I nihabiuuekean — 263 Niforohti — 264 Nedragu
— I thu — 266 Thef (T rot ausgem.) — thie — heland — 267 endi
— 270 engel (darnach Bas. von a oder d) — 272 neik — 276 thanan
— 277 uual I dandef — 279 niuuarth — 280 Nifo — 285 | Thiu uuabiun
— nii — 286 Uuerthe — 287 nifmi — 288 Ne uuord — 291 uuarth |
— 293 Jac — 295 Jofepef — 299 Kiuuanda | — 300 Niuuiffe —
giuuardot (das zweite u mit Häkchen überg.) — 301 | niualda — 302
Acbegan — 303 thar (r ags.) — 304 | Neuuelda (N schwarz) — 308
So I huilik — 310 ferahuni — 311 That — u in muofti | ohne Hakeken
überg. — 313 god | — Jofeph — 314 thiornun (or a Bas, von rn) tho | —
317 Unten aufS. 12b steht k — 318 Minneon | — niuuif — 320 Niforhugi
— tiardo (h vor a ohne Häkchen Überg.) — 321 lefti | (e aus i corr.)
— 323 thoh (davor lanj J corr.) — 324 barn (b rot ausgem.) — | it
— 326 That — iiif | — 328 | nilat — 330 imm | (das eweite m rad.)
— 332 uuaf — 335 AU — unten auf S. 13a steht . B . — 338 fcolda.
V. I — 339 uuai-th. von erster Hand (nur kleiner) mit Häkchen überg.
— 345 Biet (et lig.) — vodil (v ags. Form) — 346 elithof | — 350
forun — 352 anbrief | — 354 Jaland (d mit Häkchen überg.) Jaliudi
— 356 giuuet (et lig.) — 357 | Jofeph thioguodo — 359 Thia — 361
marium — 365 fialdan hob gifetu | fea — 366 cnoUe (u mit Häkchen
über 0 v. andrer Dinte überg.) — 367 thu | — 371 Allero — cuman | thie
— 378 uuarun (das eweite u mit Häkchen überg.) — 374 | tho — 376 Thuru
— 378 I thuo — 382 That I — cribbiun (r ags.) — 383 Thar | thiu
— 384 uuacoinan | (das erste n rad,^ hinter dem zweiten ist . de mit
Häkchen überg.) — 385 Seid — 387 Uuar | dof — 392 uuanom (uu
a. Bas.) — 393 fia uuar | dun — thio (i rad.) — 394 u in muode ohne Haken
überg. — 396 biet (et lig) — 397 ik — 399 Cuthian | — nuift — 400 naht
(n aus f rad,) — 401 An I — 403 thar — findan. | (ndan. a. Bas.) — 405
hebeat (vor b ist b mit aäkchen überg.) — 406 That — 409 uuord (das
eweite u mit HäJichen überg.) — 411 fielag — 414 eft (e a. Bas. v.f) — 415
thea !| — 421 the (vor e ist i mit Häkchen überg.) — 422 Thuru —
I thia — 424 Giuuitun — 426 muoftun . .VI. | — 427 HAßda — all — 430
Endi — fan a. Bas.^ von thia? (a sicher) — 431 fagdun | — 432
Uualdande — (das eweite u ohne Häkchen überg.) — cuthdin (c a.
Bas., von fV) — 434 gitigid. (nach t ist o mit Häkchen überg.) —
435 that fri vor r ist i mit Häkchen überg.) — 437 Thiu — 438
fodda — 440 | helithof — 441 Anthcm — 443 heland — 445 | Uuarun
— 446 Thuo — 447 uuaf — 449 that — 452 folgeban | — 453
22
thuo — 458 Giuuitun (n atis r corr.) — 460 Suoh | tum — 462
Uualdan | de — 463 thar — 464 Aldan — 465 Thie — endi (di
mü Häkchen überg.) — 46(5 Oft | — 471 Uuendian — 473 fielagna —
thuo — 475 thuo — 479 bilithi (das erste i aus 1 rad,, 1 a. Bas. von e,
das zweüe i a. Bas. ; darnach ist .endi. mit Häkchen überg,) — 480 nu —
489 thina — 492 Thinon — liftion | — 494 Sagda — 497 Them — 501
that I — 502 thiu (i mit Häkchen überg.) — 511 metodef (et lig,) — 519
Them — 521 Nuift — 523 Toalofannea — 527 aftaer — 529 alaha
feit I — 531 &e I lagero — 532 Jofeph — 534 drohtinef. .VII. | Mana-
gero — 536 Than — 537 Thoh — 539 Them — 540 Ac — 543
Threa — tun in fohtun ohne Häkchen überg, — 548 rikkian | — 551 Thuo
— 553 hiu I lic — 554 hueder — giuun [19a] dan — 556 | huat ginet
huanan (et lig,) — 557 ik — 558 Cuunief — cnofle (u vor o mit Häkchen
überg.) — 560 gifculon — 563 uui — 565 gifeggian | fuothlico (t a. Bas.
von e) — 573 fiuand — 579 Thuo — het (et lig,) — 582 Thuo | —
584 Thef — 585 Quat — 586 euon (u vor o ohne Hikchen überg,) — 587
&ie — 591 odar (d a. Bas, v. b, Querstrich von ders. Hd. wie d) — 592
Nefulik barn — fiiet — 593 hiet | (et lig,) — 594 fea mit Häkehen uberg.
— gifauum {von a ist die Schleife alt, der schräge Strich steht a. Bas.
eines fiach unten gehenden geraden Buchstaben, wie f; der erste Strich
des ersten u aus 1 rad,^ der eweüe ist alt) — 595 hit (e oben an i
angeschrieben) — geruuan (vor a w^ e mit Häkchen Überg.) — 596 fiiet
— 597 uueroldi (i ist später snigesetßt) — nuif — 598 Cuman — thie
— 601 uuigi I fahutt — 603 Uuegof — huilon uari (vor dkistvL mit Häk-
chen überg.) — 605 | fagi — 606 Imian — 610 Craftigron — 611 | thuo
— hiet (et lig.) — 615 uuiffun (das erste f ohne Häkchen Überg.) — 616
Suitho — 617 Cuningef (ef rad.) — 619 no ohneHäkchen überg. — 621 fo —
622 Uuiflico — 625 That — 628 Judeo (no später überg.) — 629 managan
thiodon. VIII. | — 631 Therouuaiifago | no(Ratisicorr.) — 632thet | (et
lig., anders als 654 ; hier ist t alt) — 634 fiuan — 636 fia — 640 Suitho —
642 That — 644 than harne than — 651 habda (h jpu b corr., b eu 1 rad.J —
654 Uuarun — es stand tha thea | (von dem ersten a ist der Haken
rad.^ an den Best ist die e-Schleife gesetzt und an den Querstrich von
dieser der Grundstrich von t gefügt) — 655 uuolnef (c nach 1 mit
Häkchen überg.) — 657 Ant kendun — 662 thiefteorra — 669 genguu
(das letzte n au^ m corr. durch Bas. des letzten Striches) — 671 crist thia
— fellun (f a. Bas. eines Fleckes) — 674 Gold | — uuiroc (h vor r
mit Häkchen überg.) — 675 thia - 679 galt feli. — 682 That im —
687 thuo I — 690 badunal uualdon . (das erste n aus m corr. durch
Bas. des letzten Striches) — 691 fieranheban | cuning — 693 thanan.
Villi. I Erlof — 695 »amun — 697 Umbi — 699 Ac | — 704 nu —
707 Uuonon — uuord | (r in der Anschlussform) — 708 thinef (ef
lig.) — 711 Jofeph | — 712 Giuuet — 714 Uualda — 718 vodil (v
wie 345) — 719 fia that | — 722 thuo — 724 nu — 725 Uuet (et
lig-) — 727 under — 729 Cuning | — 731 Somanag — 732 tionou
— 734 m — 735 | Jamorlicra for gang Jungero — 736 armlicro
(erste r ags.) — idifi — 738 m \ — 739 egan (eg lig.) — 741 The
23
— menef — 743 fellun | — 744 tha — 745 kara — 746 Thoh man
iro I — 751 thea — 754 ina | (a aus n carr.) — 757 uuag (n nach
a mit Häkchen überg.) — 762 that (das erste t etwas grösser) — 770
biet (et lig.) — 771 nuhabit | (n grösser) — 772 herodeffe | — 773
nu — 774 NU — 775 all {b, grösser) — 776 Jofeph — 779 uuordon | gibod.
X. [ — 782 anoazaretbburg | {erste r ags.) — 784 fiie — 785 man || (noN
unterg.) — 788 iudeo | — 796 | Thuo — 797 uuilleon (überdem aweiten n ist
noch ein iüberg.) — 798 godef | fio — 799 Ac — 800 gifrsLgn (das er sieg ags.y
^rös^er;— 803Uärth | — 804 | unbi— 805filo(f;?rö55er;— 806 Giuuitun
— 808 Anthem — 810 fiuo — 811 uuerol (d mit Häkchen oben nachgetr.) —
813 Sio — 821 fiui — 822 That — 825 fiuat — 826 das eweite ik ohne Häk-
chen V. j. Hd. überg. — 830 | Maria — 832 eft | fon — 837 Endi — 839
odmuodialdron (ia o. Ras,) — 840iriuuolda — 842 Ac — 845 | Seggean —
847 fiabda — 851 | Achie — 852 niuuaf — 855 Uuirkean | — uuilTun —
\^b%iQ\ho {Strich durchhrad) — uuelda. X. | — 859Johannef — Jugutbe|
diauuahfan — 860 | Thar — 865 Godlic — Joban | ne — 868 Hiet
Ina — 871 Uuelono — im — 876 Tbat — 878 Tbat giuuer | tban
— quthie (a mit Häkchen nach u überg.) — bebanriki — 879 nu —
881 Letbef — 882 after (f durch Sas. aus t corr.) — ik — 883 tbob
(t grösser) — 885 Tbat — 887 | Mabtig — 889 Tbie — 891 fiie —
892 So — 894 Tbat — 898 Tburu — 899 tbef | — 900 Sobuie —
903 tetbS I — 905 Uue | rof— 909 Tbuo — 912 Tbat— 914 | Jobannef —
915 nibiun ik | — 921 bie — 922 fagi — 923 bift — 924 buat — 927
bebui — 929 tbu | bift. — 930 Jobannef — 931 minef (ef lig.) —
933 ikbabbiu — 935 Uuerodef — nubiun — 936 Hie — 937 | Tbat
— 939 Tbat — 943 bebbeat — 944 liudi (1 o. Ras.) — Tbann —
948 nilatat — tuiflean. XII. | — 950 manag — 952 Quamun — 954
bie I — 955 üuretbero — 956 | beban riki — 957 bem (u vor e mit
Häkchen überg.) — 958 Endi — 961 Diurlic — 962 uuaf — 969 fprak {unter
a Ras. une von einem g-Haken) — 970 fuitbuo. — Jobannef — 973
fiuand — 977 Jobannef— 979 Uuerod | — 987 Uuaf— 989 | Uuonoda
— after — uuor (d. mit Häkchen oben nachgetr.) — 990 Crift | — 994
Jobannefall | — 995 hie — 1005 bie | — 1007 Manno men dadi bie | —
1009 tbit — 1011 uuela— 1014 | numuot — 1016Tionon | — 1018 that
— 1019 duot. XIII I — 1020 Jobannef — gu | : : mono (^ oder 3
Buchst rad.) — 1022 fierren — 1027 Uuaf — 1028 bab : a {Ras.
von b, d V. j. Hd. überg.) — 1030 Uuolda — 1033 bubie (o mit
Häkchen nach u von alter Hand nachgetr.) — 1039 Gumono — tbuo
— 1047 drob {davor bi mit Häkchen v. alter Hd. überg.) — 1048
Bifuek — 1051 Herta — 1052 uuaf — 1054 fohie — 1055 Tban —
1059 fohie (hie a. Ras.) — 1060 That — 1062 mann euuald | —
1064 Gruotta — ef (e grösser) — 1065 nibetif tbu (u a. Ras. von an)
— 1066 oftthefon (o aus a corr. durch Ras, des unteren Teiles des
schrägen Striches, das erste t rad.^ f aus g corr. durch Ras. der oberen
linken Schleife) — 1067 giheli — 1077 that (das erste t grösser) —
1078 Uurethef — 1081 hie anhie | rufalem — 1082 upp (darnach an
mit Häkchen überg.) — 1083 An — 1085 the ertbu || (das erste e v.
24
• I
alter Hand aus icorr.^üüberg.) — gifcriban — 1089 Kujat — 1099 | Endi— |
1104 I than — 1108 Endi — 1111 Suitlio — 1112 thar — 1117 Jungur
duom — 1119 Thionon — das Fclgeiidc lautet: \ gode herren after '
if huldi heban | auf der ersten Hälfte der folgenden Zeile ist eine Eas.. j
auf der jsweiten steht von alter Hand cuninge XIIII (die Zahl Itraxin
auf blau) \ Uuaf (gemalter Initial) imthein (an vor t mit Häkchen überg..
e aus i corr., der Anfang von m a. Bas,^ von g?) fin uueldie — 1121
iiiim I (das zweite m rad.) — 1124 Uueroda |1 — thuo — 1125 enodeaf
ard (nach f Ras. eines kleinen Buchst.^ das folgende a a. Ras, eines
tiefgehenden BucJist) — 1127 Gieng — Johannef — 1130 Johanuef
— iuNgron — 1133 Mancunnief — 1137 tirlio (vor o isti von ältester
Hand überg.) — 1143 Gibie | tun — neridien (vor d ist eu mit Häk-
chen überg.) — 1145 Sohuie — thionoian (das zweite o aus Ansats
von i corr,) — 1146 thuo — 1152 thar — 1153 An | dreafe — 115».
thar — 1157 gruotta (davor gi ohne Häkchen überg,) — 1159 lar
geban | fogit — 1163 thuo — 1164 bithionothem (das letzte o rad„
das letzte t a. Ras.) — Ant kendun — bar (darnach n mit Häkchen
überg.) — 1167 Uuaf — 1172 Giuuerkean (k a. Ras.) if (f a. Ras.)
uillon I thuo — 1175 Jacobe endi | Johannefe — 1176 | fatun — 117^
Thiu — 1181 endiühan || (nes. unterg., nach d ist i v. j, Hd. mii
Häkchen überg.) — 1182 man . Tuo | — 1186 Netti | — 1191 Crift
anenaro | — 1197 | Gold — 1199 Cof — crift (c a. Ras., von zu tief
geschriebnem kV) — 1204 fei | bo — 1205 uord (vor o i^^ u mit Häk-
chen überg,) — 1207 Giuuarahta — uuaf — 1208 Jac — 1210 | mannn
barnon. XV. (Zahl braun auf blau) — 1211 Liudeon (gemalter Initial,
— oft — 1212 Than he | — 1221 Thoh— thar a. Ras. — 1223 Uuaf —
1225 Thigidun — 1229 That— 1231 | Uuoldun uualdancrift — 1234 uua-
run I — 1236 | That — 1239Uurdun — hie mit Häkchen überg. — 1241
hie — 1243 gileftan (nach t ist i mit Häkchen überg.) — 1244 uartb
(nach u ist u mit Häkchen überg.) — 1248 im. — 1249 ena berg | —
1250 Sundar — 1251 Tueliui — 1255 biet (et lig.) — nahoa | (ob
^^•) — 1256 Andriafe — 1257 bethia | — 1258 Jacobe — Johaunofft»
— 1259 hie anif | — 1260 that mit HäkchenvJ. Hd. überg. — 1263 Judafoi
— Ja I cobe — 1265 Jacob — 1266 thuo — 1268 Thuo — 127n
fiiet — 1273 thar hie | — 1274 Managero — 1278 | Thuru — hogda.
(darnach 1 Zeile leer) — 1279 Thuo (Initial ausgemalt) — nah ob
(oR lig.) — 1281 I ftuodun — 1283 Uuerof — 1286 Thefon — | than —
1289 I Lerean — 1291 Sat | — 1294 Uuifda — 1296 Spahon — 12i»>
Ilui I lica — 1300 Sagda | — 1301 Thia — 1302 Arma — 1307
I Thia muotun — 1309 Rincof — thef — 1312 anmahle (e a. Ras. t\
a) — 1315 herta (a aus d rad.) — 1317 folca (f aus ausgewiscJitem
b corr.) — 1318 Thia — 1320 Seibon — 1322 Them — 1324 nicii-
mit (ni aus m rad.) — 1325 Uuelono — | f o — uualdan — 1327 gihiu-
(vor e ist i mit Häkchen überg.) — 1328 gihalon (on a. Ras, von d:}
— 1329 Eftha — 1329 teeuon dage (nach u ist u mit Häkchen überg. i
— 1336 Giuuerthat — 1341 Logneat — 1342 thef— 1343 Huand —
1346 Iluand | — 1347 athefaro (vor t ist n mit Häkchen überg.) —
25
uuirff — 1349 Uuidon — 1357 tlian — 1362 Uuaron [ — 1365 fo^
I latean (ob Ug.) — 1370 Than — 1372 Ac | — 1373 fo — 1374
Ef — 1377 Ac — 1379 Uuirtliit | — 1380 nidog. XVII. | (darnach
1 Zeüe leer) — 1381 So (versierter Initial) — 1382 | Lerda — 1383
I hluttru (das erste t aus o rad,) — lielithof — 1385 | Uiierof — 1386
Thahtun — 1393 Nimugun | — 1395 Than mer | — 1396 höh (dar-
nach an von gane junger Hd. überg.) holm clibu (nach m ist an v, j,
Hd.überg. und wieder rad.) — 1397uuririlic | (ra.Bas.^vonH) — Nimugun
— 1 399 duot — 1400 | Latat — 1402 Juuua — 1405 i in demioji ohne Häk-
chen überg,— U07 That— 1408 Inne | — Ullfielith cunnie— 1412gU
bod (od a. Ras,, von ?)— 1413 obarthit | — 1414 Endi — 1417 Endi —
1419 That — aldan | später eugeseiat — 1420 Niuua neat githef — ; 1432
gihordun — 1433 uor | dun (vor oistxi mit Häkchen überg,) — 1436 ik iu |
— 1439 I huaud (h rad. aus ?) — 1441 Man — 1442 gileftian (das erste
i aus 1 rad,) — 1443 | Than — 1445 Thie — 1447 fogiuuitun — 1448
That — 1455 . magaf . mit Häkchen vor duat | überg, — 1456 | An-
guodef — duot — 1458 that — 1465 luuef | — 1468 Inuuidhu | gif
— 1469 gifonean (u nach f mit Häkchen überg.) — 1470 Sithor — med
mof II (Strich durch d rad.) — mat (h.vort ohne Häkchen überg.) — 1475 oc
— 1476 fiuo — 1478 uuid mid — than — 1479 That — 1481 | That
— 1482 than — 1486 Than — 1492 nifcal (c a, Bas.) — 1494 Than
nifihie — 1496 than mit Häkchen überg. — 1499 That — 1501 gi-
fuokean , ,\ 1 Zeüe leer, am Ende davon XVHI. | — 1502 oc — 1504
I That — 1505 Nefor fuerie — felbon that | — 1507 ef — 1509 Nebi j
— 1510 Nebi — 1511 Nee — 1514 bethiu — gimithan | — 1515
Erlof — 1523 Quede — 1524 Sohuat — 1525 ubile — 1526 That
— 1527 than — 1528 Huo — 1541 Nemo keat — githef j — 154^
Mahtig I — 1548 Eftha — fiuand j — 1551 tehuiuuet thi thef ualdand
(nachuistu ohne Häkchen überg,) — 1553luathefaro — 1554 Endi — 1556
Ac — 1558 Suitho — 1559 fohuat fothu — 1562 | idila (a a, Bas,
V, h) — 1563 Lethlico | — than — 1567 That — 1568 focono j endi
thero thiagi iu (nach thero ist . fundea . mit Häkchen überg.) — hir |
— 1570 Nimareat — 1571 iridiurean — 1572 thu | ni idila (nach u
ist that mit Häkchen überg.) — 1573 |Ac — 1576 Than — es stand
tlie niuet, vor n ist ein h- Schaft eingeschoben, die Verbindung der beiden
n-striche rad, — 1577 fielag — 1578 hie — 1580 | Mid — helithof —
1581 godef . ger | no (nach f ist funo v. j, Hd. überg.) — 1582 Uuerof
— 1586 Torohtef — thuo — 1587 j godef barne. XVIIIL | (darnadi
1 Zeile leer) — 1588 fierro — 1590 Allero — 1592 Diurlic — 1594
duo I — Jungron — 1595 uf giruni j (that . vor g mit Häkchen überg,)
— 1597 Thagiuuillean (n vor g mit Häkchen überg,) — 1608 Endi —
1612 Achilp I — 1613 tebedu — 1618 Than — lu — 1623 | gifcuhm
— 1625 Allef — 1628 fcal iu te | — 1629 gileftean — 1631 luuua
— I thann (das erste n a. Bas,, von t?) — 1632 | Acmithat — | uuet
(et Ug.) — 1634 hiegildid — 1636 Thefgi | — 1637 | niuuelleat —
1638 Ac — 1639 That — 1641 Uueroldfcat | tef — ef giuuelleat —
1042 Thann nifamnod (Strich durch d rad.) gihier — 1()45 auuerdat
26
(nach didtiv.j, Hd. mit Häkchen überg.) — 1G46 togongit (das erstei grösser
— lefteat — 1647 | Samnod — 1648 ni ohne Häkchrn überg. — 1649 auuen- ,
dan I (nachdemerstensiistnmÜHäkchenv.aUer Hl. überg,) — 1650garote ,
gegnef — 1652 | fielithof — luuuan — 1655 nif — 1656 That — 165^
Achie — 1665 It — 1667 huat githat bethefon — 1670 Thoh — IGTi
iuua (vor a i^^ u mit Häkchen überg.) — 1674 Nimohta — 1678 Thohl
— 1681 blomen {nach \ ist m mU Häkchen überg.) — 1682 fier -
t merr — 1683 | Liudi — 1684 Uual | dand — bithiu — 1685 God -
1687 Gerot gifimla | — 1688 Thann — 1690 feggiu. XX. | 1 Zdi
leer — 1691 Nb — 1693 Thar — 1695 nio — unret (h wr t müi
Häkchen v. alter Hd. überg.) — 1696 Gumono — 1698 Menfd -
1699 gehulicon. Su | lic — 1704 That — 1705 halman — 1706 Thena
— 1707 fiard — lat — 1708 than | (t grösser) — 1709 uuerthat
gi opanod . Thann — 1711 fo — 1713 es stand mer (der erste StriA
von m rad., der aweite eum h-Schaft gemacht, vor e ist i mit Häkeken
überg.) — 1714 Than — 1716 ef — 1717 | Than — 1718 lofon in
aus m corr. durch Bas. des Utaten Striches) — fithoB (ob lig.) mah
hie mid lerun (vor 1 t^ . if . mit Häkchen überg.) — 1720 | SundioDO
— nefcttlun — 1722 fiuand — 1727 | Ac — miclo | (nach c ist i m^
Häkchen überg.) — 1729 nifrnd — 1730 That — luuua | — 1731
Nilinon — | them — 1732 gifpraka — 1733 The | — 1734 üuara j ro
— 1735 Lifteon — 1736 | That — 1737 Nemid — fiacumat — 1T3>
Thoh — 1739 mugun fan | — 1740 Siafprekat — 1741 | huand gi-
uuitun — 1743 Nee | — 1744 that — giunder huggean — 1745 | That
— 1746 I Nee — 1748 Accumid — 1750 that — 1751 Managero-
1754 fiugi — 1755 Ac cu | mit — Inuuidradaf | — 1757 | Iimla -
1759 I anduttirdi (i jtu r gemacht^ das r vor d rad.) — 1762 thanau
~ 1763 Suitho — 1765 Uuerthan — 1770 gilobean . | darrutch 1 Z.
leer, am Ende . XXL | — 1771 Oc (c steht in 0) — 1773 Thera — 177:.
IMancunneaf— 1776 Uueroldlufta — 1778 Thar — 1785 lidie . (vor
d ist e mit Häkchen üJberg.) — 1788 fohue | foina — 1790 githef —
1791 githena | — 1793 | hie — 1794 Uuithar — tige | banne theman
— 1795 fuokeat — luuuan | — 1796 Than — 1797 kuthiat — 17i»>
At — 1799 fiimili | portun — gianthat | — 1803 That — 1805 Lef-
tean — 1807 fiorfca — 1809 Uuegof | — 1811 | Acmah — 1812 filifa
(das erste i a. Bas., von a?) — 1814 Uurethit — 1818 The | — 1824
ertha [52a] — 1830 Uuob | den (ob lig.) — for ftuodun — 183i
Acoran — 1836 gifprak . XXIL (1 Zeile leer) \ Gibod — 1837 hi^
— 1840 Uuid bredan — la hie — 1843 Suara — lac | — 1844
That — 1846 That — 1848 miedon (m grösser) — fo — uuefat (t
o. Bas. von n) — 1850 Lerat — 1853 it an | — 1857 gigangan —
1858 Anthat — nio umbi | — 1859 fiuand — 1860 folc fcepi (unten
vor f eine kleine Bas.) — 1861 | thethem — 1863 Thena — thefo —
1865 that I — 1867 fiuo — 1869 bithiu (hgrösser) — 1872 fiodon(n vord t.
erster Hd. ohne Häkchen überg.) — 1875 So — 1876 undar | (n aus m
corr. durch Bas. des ersten Strichs) — hebbeat — 1877 So — fofamo
thie — 1879 That — 1880 for || — 1881 That — 1882 uuefat —
27
1888 j fiondon (f ags.) — 1886 Tat — 1891 Manag — 1892 bithiu |
(b grösser) — 1898 anhugiehuer | gin (über dem ersten n ist der An-
fang eines h-Schaftes rad,) — heri : : : || {Bas. von e und noch 2 Buchst.)
— 1900 &uat giim — 1901 thu (i nach h ohne Bahchen v. alter Bd.
überg.) — 1903 bithiu man dradat | — 1904 Ni — 1905 That —
1907 andradat — 1911 | Get — giiuuua anthe | — 1913 fiuand —
1914 anhimil rikie. | {1 Zeile her, am Ende XXIII. | — 1915 thia
her I — 1916 | managa — 1918 firo | pat — 1920 Ac — 1922 That
— 1928 githat arundi (r ags,^ könnte aus n corr. sein.) — 1930 uue-
roldi I (r a. Bas, von I und Anfang von d) — 1931 Bred — befton
mann | — 1932 Endi — 1934 That — 1935 hugiu (über dem ersten
u ein i halb ausrad.) — 1936 Uuonot — || ßim (fi rad.) — 1937
Geldat — 1938 uuiCTa {darnach n ohne Bäkchen v, alter Bd. überg.) —
1941 That fiauuerc {vor dem ersten u ist . iuuua . mit Bäkchen Überg,)
frQ I meam — 1942 Than gifan | — 1944 endi (e grösser) — 1946
Micil — 1947 theman iu anfahan {vor f ist t mit Bäkchen v. j. Bd. überg.)
— 1948 Ac I — 1949 Them | — 1950 than (t grösser) — 1952 That
— 1954 II Than thiu — meran | (er a. Ras,, von a?) — 1956 uuidar
uerpat {vor dem letzten n ist n v, alter Bd. überg.) — Iuuua — 1959
giuuarah endi | nach h ist tan . mit Boikchen v, j. Bd. überg. — 1960
I luuuan — 1962 uuet — 1963 Gumono | — duot | {davor ge ohne
Bäkchen v. j. Bd. überg., g ags,) — 1964 Thoh — 1966 that {das
erste t grösser) — he (i oAwe Bäkchen überg.) — 1967 thefa | — 1968
That — iu ni bilibit | a. Ras. von uuara that | — 1970 Mieda — 1973
Endi — 1976 Ac — 1977 thena (t grösser) — 1980 uid {vor i ist u
v. j. Bd. mit Bäkchen überg.) — 1982 Endi — 1984 fiabda — 1986
thuo (t grösser) — 1987 halba gihuilica (ag a, Äw., von on?) —
1988 fiabdun — 1990 So — 1992 fpraconon fpahirun | — 8. 56h die
oberste Zeile leer, am Ende . XXIIII. | — 1997 Mulica {vor 1 ist ne
ohne Bäkchen überg.) — | thar — 1999 mahti gef {m grösser) — mana
I garo — 2000 Geng — 2003 lac — | habda von hier ab hellere Dinte
— 2005 Uualdandef — | uuerod — 2007 | gengun — 2010 Thuo —
2012 fo — 2013 Them {von hier ab die erste Dinte) — 2014 That |
— 2015 drogin j (u ohne Bäkchen überg) — Acthiu — 2016 Thuo | —
2018 Criftef — 2020 That — 2021 fiu — 2022 that {das erste t grösser)
— 2026 tehui — 2027 manof (m grösser; von hier ab wieder
hellere Dinte) — ne j — 2028 gitruoda {über r ein Bäkchen wie i,
aber kein Cirkumflex) — 2030 that {das erste t grösser) — uuob | don
(oR lig.) uualdandef (def a. Ras,) — 2032 fiiet — 2034 That — 2036
Leftian — larea — 2037 thuo — 2039 NeuuilTa | - 2040 fiie — 2043
it auf ausgewischtem Worte — hladan | (ladan desgl.) — 2044 Seppian
(c vor 6 überg.) — 2046 them | (t grösser) — 2052 j undar — thefaro
(es stand d, daraus ist th gemacht, doch der Strich in d blieb stehn) —
2054 than — 2057 fietif — 2060 Geban — nu — 2062 | Ift — folc
folc (das ßweitemal rad.) — 2063 gio gio fah | — 2064 mid (m grösser)
— 2065 I Thann — 2068 that (das erste t grösser) — 2069 fithoB |
(oR lig.) — 2071 thuo (t grösser) — 2072 ludeo — 20ia.fittflL.;- 2077
OF TMP ' r
UMVK/i^.^TTy
28
tharuuarth (vor u ist . fithor . mit Uäkchrn ührrrf.) — 2079 Angodtf
— 2081 gihiet (et lig.) — 2082 fiiet — 2084 | Drom — 2085 Thar
geft (t aus a rad, und corr.) — 2087 gibod. . XXV. | 1 Zeile leer | —
2090 megin — 2092 Saug — 2096 ena (wacA c ist n mü Häkchen
von alter Hand überg.) — lango | (1 a. Bas, von g) — 2097 Siocan —
2101 I quat (q grösser) — 2102 thuo (t desgl) — 2107 mid (m desgl\
— thu I (u a. Ras. von a) — 2109 Uualdand — 2110 || Thann — 21 li.
that (das erste t grösser) — 2118 Ac — 2119 Thoh — 2121 Bitliiu
ni I gidarr (das eweite r nieht nachgetragen; es sieht euHxr etwas anders aus,
aber es ist alte Schrift, Wäre es weggelassen gewesen^ so milsste euu
ungewöhnlich grosse Lücke gelassen worden sein; vgl. V. 2127, 2130),
— 2123 Suo I kief — biuw | — 2127 thie | (t grösser) — rnerr (s. V.
2121) — 2129 Thann — | nu — 2130 thar (t grösser) — uuordou (r
gerade so wie F. 2121) — 2134 Thia — 2135 endi an | Jacobef -
2138 ludeo | — 2140 tlmiftron (die Verbindung unten bei u rad.y so
dass thiuftron zu lesen) — 2141 ferro fton (statt des ersten r war f
angezogen^ dann wurde die Schleife des r daran gehängt^ das zweite r
wie V. 2121) — 2142 Thar (r wie V, 2121) — 2144 Thar — 214ti
Suai-t I — 2148 That — err | (s. V, 2121) — 2149 uuendigie || (gi<'
a. Ras, von ie) — 2152 That — 2153 It — 2157 habda — 21Ö'J
Uuen I da — 2161 Criftef — 2163 tecan (c scheint a. Ras.) — 2164
giahton (i a. Ras, t;. a) — 2165 gi | finimida. XXXI | 1 Zeüe leer
I Vundref — 2170 uuor | don (ob lig,) — 2171 | lungrono — 217:;
Manno — 2175 mannon (m grösser) — thuo — 2177 Thie — 217S
thuo — mahtituo | (nach i ist g mit Häkchen überg,) — 2179 | Nerieiido
— 2180 So faun (vor n ist u mit Häkchen überg.) — 2182 beiim (h
grösser) — 2183 Magu lungan — thiu — | alter (af verwischte —
2184 hugie (g a. Ras., von r?) — 2186 Idif am fcapan (vor m ist r
mit Häkchen überg.) — 2188 Neuan tithem fu | nie (vor f ist . enigau .
mit Häkchen überg.) — 2192 lungan — 2195 thu — 2196 Thi —
2199 lac hie | Ina — 2201 | fiiet — 2202 thie — 2203 that (das erstt
t grösser) — 2205 thuo (t grösser) — muodeR (b wie 2141) — 2206 Kugi —
2208 feil — 2210 mun | doda (m grösser) — 2211 1 thie (t desgl) — 2210
Uuar I fagon — 2216 erl mit Häkchen überg, — 2217 Gifahun — 221»'
I Thuo — thiu. V, anderer Hd, mit Häkchen überg, — 2220 thuo c
grösser) — that (oben vor dem ersten t Ras., von H?) — 2224 thiu
(a aus Ansatz von e corr.) — 2225 Cumana — 2229 Mahtig — 223"
gilobit I 1 Zeile leer; rechts darauf steht ltuo.| XXVII | — 2231 AnIi
(A Initial) — thuo — 2233 The | lo — thuo — 2235 Uualdand —
I thuo ~ 2238 Slapan — Tegel — 2240 | Manon — middean (n aus
m corr. durch Ras, des letzten Striches) — 2241 Uualdand — thuo —
2244 Uuand (d rad.) — 2245 Niuuanda — modag (u Über o von alter
Hd, ohne Häkchen) — 2247 uuekidun (darnach Ras,; es könnte etwa
uuordon dagestanden haben, es ist aber nichts zu lesen) — uuor | d<^»ii
(ob lig.) — 2250 fueltam | (von m der letzte Strich rad,) — 2252 Kirt
— andrajdin (ie alt) — 2253 tc (t grösser) — 2254 nif — 2256 gitliit
— 2257 getethe | — 2258 fia — 2262 Kuilic — 2264 l)ethiu (h grösser.
29
V
— tliuo — 22ü5 fortlioR (ob lig.) — 2266 ho hur | nid (das erste h grösser) —
helithof (i aus 1 rad,) quamuui — 2267 Uindse (ae alt) — 2268 quam (q gros-
ser) — 2270 Sohuena — 2274 lungroii — 2277 folce thoh | (ce th auf
verwischter Stelle) — 2279 Dref — 2281 Liet — 2283 Anfohuilicon —
uuaf. XXVin.. I (i Z, leer) \ Sodeda — 2285 ludeon — 2286 That —
2290 thuo (t grösser) hie met if | — 2294 umbi — 2295 Thar — 2296
. them . mit Häkchen überg. — thar | — ena (nach e ist n ohne Häkchen
überg.) — 2297 Uuoldun — 2299 That — 2304 fia thurf | tigef —
2307 Megin thio | do — thuo — 2309 Barun — 2310 Ant that —
2311 tuo (t und der erste Strich des u beim Schreiben aus d rad.) —
2312 huobun [65a] ina — 2313 endi midi | — 2314 anthena — 2317
Anthero — 2319 Quat — 2323 Grimuuerc — 2324 Uualdand — thuo
— 2325 fciN — 2327 innan uun | dron ■— 2328 fargibanne (fa a.
Bas, eines Fleckes) — 2329 tegihelianne (g desgl,) — 2330 nach ina
kleine Bas. — 2332 Upp — 2334 Sniumo — 2337 God — 2338 elcoB |
(ob lig.) — 2339 Graft — 2341 Nigilob | dun — 2342 Uunnun —
2344 Thef — fia | uueldun (fia a. Bas. von ni, ni dann am Ende der
Zeile nachgetragen) — 2346 Uuido — 2351 hie — 2354 Thena | —
2356 Liet | — 2358 Liet — 2360 ne uuaf | — 2361 Lethef — bettera.
XXVIIIL I (1 Z, leer) | An (Initial) — 2363 Suitho — 2365 Liudi —
niuuaf — 2366 uuor | don (ob lig,) — 2369 uuob | don (desgl.) —
2370 Endi — 2372 Under hug | gian — 2375 Marfan — thar
2378 uuardfaftun (d rad,) — | hie — 2379 Niuuelda — 2381 Ac
2383 An — 2390 | Kren curni — fum 1 — 2392 ni mit Häkchen überg.
— 2394 fruht (t a, Bas,, von e?) fum — 2395 | Bigan — 2398 fum —
2399 Anena — 2401 Bigan — 2404 That it | — 2408 Uuarth | —
2409 thuo I — 2410 Uue | ridun — 2412 eftha thomof | — 2419 huat |
— 2420 gean 1 — 2423 Anhufon — | herro — 2427 uutun | (i vor t
mit Häkchen überg.) — 2429 That — 2430 muotin. XXX. | (1 Z, leer) \ —
2435 lungron | — 2437 | helic (he rad., darauf mi geschrieben; hi am
Ende der vorigen Zeile nachgetr.) — 2438 Them — | bebilithon — 2440
gimina — 2442 That || (Sad, mit /als Unterstellungszeichen darüber,
unter der Mitte der Zeile) ~ 2444 Euo | — 2445 | uuerof — 2448 That —
2449 uuellie (das erste e aus i corr.) — 2451 G def | — 2453 That that —
2455 ethi | lero (thia. Bas. von di) — 2456 fo huat ohne Häkchen überg. —
2459 I An — 2460 | forth — 2463 Ist — 2464 odoB | (ob%.) — 2465 Thei
— 2467fiu I git — 2470Linot(ia.Äi5.,wnu?) — 2475Soanthem | —2481
uuretha || (unter der Zeile steht N) — Endi — uard (vor a ist u mit Häkchen
überg.) — 2483 And that — 2484 gethiu — 2485 geoc | — 2486
fiabit — gi I uuefhh)t — 2489 Tionuno — treuua | — 2491 | uuefut —
2492 Mancun | ne (vor e ist i ohne Häkchen überg.) — 2498 Than —
2499 Thann (das zweite n nachgetr.) — 2510 Elcor — 2516 uuifa
fum I — 2517 merr (Accent über m) — 2518 that | bihalda (letzte a
zu SP corr.) huo — 2519 bethiu (b grösser) — 2522 com (darnach i
v, j. Hd. ohne Häkchen überg.) — 2523 In (es stand Ina, a rad,, ein
Strich für m angefügt) — 2524 Giheftid — 2526 Huo — 2527 That
— 2529 So endi | lofan | (letzte o ans a rad.) — 2530 nio hie | —
u
2532 That — 2534 fted (t mit e JStMammen gebogen) — 2535 Manno | —
2537 That | — muoti. XXXI. | (i Z. leer) \ Souuifda — 2540 nach thefaro
Eas, von Fleck — | tellian (te wie in fted V. 2534) — 2541 Quat —
2543 Uuolda — 2544 thuo — 2545 Thuni — 2546 uueo | do (eo aus
i corr., vgl. V. 2552) — 2547 gethat (sftceimal) — f o — 2550 fiuat —
2552 uueodef (das erste e aus i corr.) — hui — that (th o. Ucw., von
n?) — 2554 quat (q grösser) — 2556 negi onfto — 2559 Cumfo —
2562 gilt — 2563 nigi (n grosser) — 2564 late | — hinan (h beim
Schreiben aus i corr.) — 2565 | under — 2566 Endi — 2568 Endi 1 —
2573 Laton — 2580 thuo (t grösser) — - angegin (das erste n mit Häk-
chen überg.) — 2581 that — 2582 | Endi — 2583 hierr | (s. oben 2221)
— 2584 Thiuf (uf a. Ras., von a? oder e?) — 2586 | Satanaf — 2589
Thoh — her | (e aus i corr,, r hineugesetet) — 2591 Ant that — 2593
rikie a. Ras, von Lande — 2594 | than — ertha (r aus t corr,) —
2595 That — 2597 Endi | — 2598 than — 2601 Endi — 2603 | Thar
— 2604 Endi || — 2606 fuliclon | — 2609 So lata | — 2612 Uuordc»
— uueroo . allaro (c aus o rad,) — 2613 That — 2615 Tha — 2617
After I — 2619 tir I (Accent über t) — 2620 godef. XXXII. | (/ Z. leer)
— 2623 fiuilic — 2632 Lithot {über o der Punkt eines falsch angesetzten
Buchst,) — 2633 Endi — 2634 | fo — 2635 anthem ma | rion — 2637
Lifit I — 2639 Rellifiuref niuuet | — 2643 ne thef uue || len (das vor-
letzte e /fu i rad,, dann 1 hineugesetet am Zeilenschlusse) — fcerit —
2644 Gildid | — 2647 thuo (t a. Ras. von h) — than | — 2649 | Dadun
— 2652 So — hie — 2653 Thie — 2654 huat | — 2655 So cuth | —
2656undeB— 2660nehie— 2661iro(AöAcÄr;«»Z.F.^i4i;— 2662fiuandhie
— 2663 uurethan | — 2664 umbi (der letzte Zug des m heim Schreiben
aus b rad,) — 2665 So — fo thar thar uuaf — 2667 Aebigan —
2669 hietun — 2672 Uurethan — 2673 fplelo (vor o ist 1 mit Häk-
chen überg., e scheint durchstrichen) fia | — 2674 Kuo | — 2677 forhe
(e a. Ras. von t) — 2678 Uuiffa — 2681 Ac — 2683 Thar — 2690
That — fomohta — 2691 Endi — 2692 hie — 2693 | Endi — 2(>li:i
An enna — 2696 Cuningo — 2697 uuari. XXXIII. | (1 Z, leer) Te
(T Initial, e grösser) — 2698 than | (t grösser) — 2699 Johannef —
2700 Lerda | — 2702 Men — hie — gef (g rad., dann beim Schreiiten
1 darauf gesetet und i vergessen) — 2703 | hie — 2706 Buida — 270T
ellioB I (oR lig.) — 2710 thuo bigunnan | — 2711 Johannef — 271:;
That bruo [76a] der — nami (über m ein Fleck rad,) — 2714 efthu
— 2716 Acmithiro — 2719 gifponi (u nach p mit Häkchen überg.) —
2720 That — for lieti (ie a. Ras, von aV) bigan | (b grösser) fiu (u
a. Ras, V, a) — 2723 Endi — 2725 uuarun | (das zweite u a. Rus. von
a, beim Schreiben, der zweite Strich des ersten u ist mübeschädigt) —
2726 Uuiffun — 2728 iartale (t mit Ras. aus d gemacht) — 2729
I gitald (t mit Ras, aus d gemacht; vgl. V. 2728) — 2731 Anlioht —
fouuaf — 2732 vobian (über v s. zu F. 54.-5) — 3733 thuo — 278r)
heri togo anthat | — 2739 Uuefan — druog — 2741 | Grengun — 2742
Hlud — drucun (n vor c mit Häkchen überg,) — 2745 fonth | —
2746 bruother (t a. Ras. von d, beim Schreiben) — 2747
51
üuinu — 2749 That — 2750 lat || la a. Ras. van thi) — 2751 fiuo
— 2752 Ef — mithro — 2753 | Than — 2755 That — 2757 | Thoh —
2761 I That — 2764 | Thera - thiii — 2767 unten auf S. 77a steht 0
— 2769 Godaro — 2770 Thiu — 2774 Jo | hannef — 2777 fpr»can |
(»c lig., alt) — 2778 So — 2780 | Gangan — endihet | — 2784 Magat
— menigi || (das letzte i könnte a. Ras. stehen) — 2787 | Thero — 2788
Liet — 2790 Neuuan (das erste u rad.) — 2791 gaeftaf (ae alt) —
2792 I Thie — 2795 Endi — 2798 muofta. XXXIUI. (1 Z. leer) \ Salig
— 2799 thuo — 2800 Johannefef | — 2801 &elag feraha — 2802
giuuitun — 2804 Craftigna — 2805 | Ruo — 2807 hie — 2808 Suno
— 2810 An — thuo (t grösser) gifragi | — 2812 Uue | rod — 2814
I Im — 2815 Sunie — 2817 Uuennian — uualdand | — 2819 Elithiodiga
— 2822 Quathun — 2823 fia — 2824 Heli | thof biungref — nulat —
2829 metiloli (das letzte i a. Ras. von a) — 2830 gebat gi | — 2838
fprac (r ags.) — 2839 firuuitlico (o a. Ras.^ wie es scheint^ van ligi-
ertem ob) — 2843 than (n aus r corr.) — 2845 fiuu (vam moeUen u
der letzte Strich rad.) — 2846 fiuat — 2848 Scerian — 2850 Endi
— 2852 that (das erste t grösser) — 2854 | uuihda (i aus 1 rad.) —
2855 Helag heban cuning midif || — 2857 fia — 2858 Druö | gon —
2859 heia (ga mit Häkchen iiherg , g ags.) helpa un | dar — 2860 Thero ~
2866 Hiet — 2867 thar — 2868 That — 2870 fiuand thar | (r a. Ras.
van 1 und Anfang von d) — 2873 anro (jl vor r mit Häkchen überg,)
— 2875 quathun (q grösser) — 2876 Eftha — 2878 en uualdan (e
grösser) — alla — 2880 That — 2884 That | — 2888 Land — 2890
Cuning riko — 2891 bithiu — 2893 Uue | rold cuningef — 2895 An
— es stand vpl | pan (v wurde su u corr. und 1 rad.) — 2897 Endi
— 2898 I gangan fcoldin; XXXV. | 1 Z. leer \ -- 2902 Uual dand
anif (das letzU n a. Ras., von t?) — thuo — 2903 The — 2908 fcred
— 2909 Sunno — | fedle (d aus 1 corr.) — 2910 nellu | biuuarp (Quer-
strich in b aÜ) — 2912 | Thero nahtef (na aus mi corr.) — 2913
Thuo I — 2918 lago | lithanda (go o. Ras. von li) — 2921 | innan (i
aus a rad.) — 2927 man (m grösser) — nugi — 2929 | gibaldlieo —
2932 es stand \ ur uurdig, das erste u zu a, corr., b spater vorgesetzt
— 2934 efthu (e grösser) — quathie | hie scheint am Rde. spater zu*
gesetzt — 2936 fii'et — 2939 hie — 2940 Stuop — 2942 mäht (t a.
Ras. eines Fleckes) — hie | anif (über n ein Häkchen, wie 2028) —
2943 Thuo — 2944 Uundun — uthi | un höh — 2945 reht — 2946
So I — endi | (e grösser) — 2947 endi (desgl.) — 2951 mid | if (d a.
Ras. von f) — 2952 gituedodi Ruat — 2956 | Anthinon hardo (über r
Häkchen; vgl. V. 2028) — nu — 2957 Kiraan anthe | faro — 2961
Stuopun — 2962 uuath (h a. Ras. von er) — 2965 | Thuru — 2966
Diurdun — 2972 deda. XXXVL \ 1 Z. leer \ — 2973 Vuid (Inüial)
— thuo I — 2977 Thathie | — 2978 uuaim | (f nach a ohne Häkchen
überg.) — 2981 Uuarin — 2982 manag | (b a. Ras. v. a) — hie (h
aus n corr., ie a. Ras.) — 2983 Suohta — 2984 thar — 2985 en |
(e grösser) — 2986 Siu — 2987 quathat — 2988 quat fiu (. that . vor f mit
Häkchen übeig.) — 2989 nuil' — atendi (h vor e mit Hälchen überg,) —
32
2990 Thia — 2992 That || — 2993uuam | fcathon(ta.Äw. wnfc)--iiegaf
(n grösser) — 2994 Siu | — 2996 lungi-on — 2999 | endi if — 3003 Thia -
3005 Dribat — 3007 Thoh | — 3008 Agleto — 3011 forth || (o o. Bas.
von a, r mitbeschädigt^ t aus e rad.) — 3012 Hebbian — thuo i (t
grösser) — 301 3 mari (r ags.) — 301 6 Uuernie — 301 7 met a. Bas. von län-
gerem Worte — 3018 UaRift (nach aist n ohne Häkchen äberg. ; b wie 2111)
— 3019 fiuat — 3020 . herren . mit Häkchen überg. — 3021 The
fon biede | — 3024 Uuola — 3025 mikil -- 3026 all — uuib fagi a.
Ras.\ unter uu stand fu oder fa — 3031 fiabda — 3035 thiu {i grösser)
— met (et lig.) — 3037 That — 3038 All | — 3041 Im | — 3042
nif — 3043 Sum | — 3045 Sum — 3048 That — 3050 | endi (e grösser)
— 3052 I fiue — I mina (m a. Ras.) — 3056 hold. ; XXXVII. | (1 Z, leer)
— 3057 petruf | (pe a. Ras. vonhie)— 3059 Crist —3062 bifthu — 3008
muod githah | tion (nach d Ras. eines Fleckes) — neit (n grösser) —
3065 barnon (das Ictete n rad ) — thuforth gi | fpraki — 3066 | diurlic
— 3067 Hluttro — 3068 So — bam (r ags.) — 3069 Obar — 3073
That — allon | uualdand (das letzte d rad,) — 3075 Thu || — 3077
Them — 3080 Ant heftean (das letzte e aus i corr,) — 3082 Gnioni
— met — 3085 mifculun — 3089 | ALtean — 3090 ik — 3092 | beft
(be a. Ras., von fu) — 3095 nifcal — 3096 iu vor \ fulic ohne Häkchen überg.
— 3 1 00 Kuat — I uuidar . uuard — 3101 huat — the | faro (o a. Bas. , von Cf \
— 3103 ik mag — 3104 Uuaron — hier a. Ras.^ von thar? — 3106 fiuereban
--3109Jacobe | — Johannefe — 3110endi(e^ros5er>— 3112Mid — 3113
Uualdand — thar | (r o. Ras., vont)— 3115 That -- 3118 | Cuerof -
3121 uuolda. XXXVIII. | (1 Z. leer) \ Berehtlic (Initüd) — 3122 thuo
— 3123 Thuo — 3124 Uurdun — 3125 So fcen — 3127 Uuat (r
nach a mit Häkchen überg.) — 3134 So — 3135 Uuaf — 3136 Petruf
— 3138 I Gruotta — guod | — 3141 marlico (m grösser) — 3144
Lioht — 3146 fon | (über o Ras., von l?) — 3148 felbo -^3149 Lib-
bendero — 3150 hugi fceftion (t a. Ras, eines Fleckes) them gihoreari
— 3154 Ac — 3156 Behren — mid (unterhalb m Ras.) — 3157 nifcal
— 3158 Thef gihier — 3162 Uuaf — 3164 berge (vor g ist e »«/
Häkchen überg.) — 3166 felbo | fuitho — 3167 es stand aftandan
(das letzte n rad., an das letzte a ein e gehängt) — 3168 | Arife —
I gut — 3169 theodon. XXXVIIII. | (1 Z. leer) \ Vuido (Initial) -
3170 thuo I (t grösser) — 3173 endi (e desgl.) — 3176 Them — 3177
Thef (e a. Ras. von o oder a) — 3179 gihor | don thuo (d a. Ras.,
von th?) — 3182 them | (hem a. Ras.) — 3183 iudeono | (e aus i
Cörr.; — 3184 Quamun— kapharnaum | thar — 3188 That — 3189 Thia
— 3190 nif— 3191 fia for | guldin — 3193 fiabit— nifcal — 3194 fanian
— 3196 . thuo . mit Häkchen überg. — 3198 Im — 3200 fiiet -
3202 I fuccan fothu — uerpan | (vor e ist u mit Häkchen überg.) —
mugi fifk I — 3204 Ant klemmi — 3206 Them — 3209 | Geng -
3216 Kuo — 3217 uucroldherren (Id a. Ras. von d) — 3219 | Gerno
— 3220 Ni — I ac (c a. Ras.) — 3221 Thiono | — anthu (i vor u
ohne Häkchen überg.) — 3223 hebbeaN. XL. | (1 Z. leer) \ — tho (i
vor e.ohne Hkch. überg.) — 3224 thia (a aus u corr.) — ef (e grösser) —
32ä7 Umfi — ef im | — nefi (e aus i carr) — 3228 Kalo — 3'23Ö
Sac — ef — 3234 anhugie — Than — 3236 ef (e grösser) — 3237
I Than — 3239 Nefi — 3240 for lihe (unten an h rad., als wäre es p
gewesen) — 3243 fiuo oft | — 3245 Seal — 3246 | er ik — 3250 duon |
(d a. Rus,, von P?) — 3251 Sibun — 3255 Managef — 3258 fcal ohne
Häkchen v. j. Hd. überg. — 3260 Kabda — 3263 | fiuat — 3265 efthu
(e grösser) — 3268 || gibiudit (das zweite i au^ einem nach unten gehenden
langen Striche rad.) — 3269 That — 3272 Nenithin — 3273 Uuif | — 3274
friund hold | — 3275 Them — than | — 3278 All — 3280 fehan
midif (vor m ist . an . mit Häkchen überg.) — 3281 en (e grösser)
— 3283 That — thiodne | thionon— 3294 Uuaf — 3297 That | — 3299
OthoB I (oR lig.) — unmet (et lig.) — 3302 Thef — 3304 godef. XLI. |
(1 Z. leer) \ — 3305 erthuungan (das zweite u ohne Häkchen v. j, Hd.
überg,) — 3307 fiuat — 3312 liudeo — 3313 Sagda — Thaik (n voriüberg.)
— 3315 I Thar — 3318 Muotun — 3323 tehan (t grösser) — 3324
I obar — 3326 allaro. — 3327 quat (q grösser) — that (das zweite t
a. Bas. f. r oder f) — 3328 undeE — hie — 3331 im filo hab | da —
3334 anibenki (vor h ist f mit Häkchen überg.) — 3336 Lag — 3337 Inna
— 3339 Sittean — 3341 Nehie || — 3352 That | — 3353 Thar | — 3355
men (a über e geschr.) — 3357 Bi fenkidun — 3361 Libef — 3363 endi (e
grösser) — 3365 faden — 3368 That — 3369 ik — 3371 | That — alefke
(i nach k mit Häkchen überg.) — S374 | Letharo — mx : : \ (J2 Buchst,
rad.) — 3375 anduuordia | — 3376 fiuat — 3377 fiuat — 3381
bi I thiu — 3389 That — 3390 feudi a. Bas. v. felban — 3393 | Sia
— 3397 anthsBm (nach se Bas. eines heruntergehenden Schaftes) —
3399 Uuar fagono — | effia — 3400 Than — 3403 | liudion (die rechte
Bundung des o und der erste Strich des n durch Bas. eines Fleckes
vernichtet) — ef (e grösser) — 3405 lata — 3408 That — hebbian.
XLIL I (1 Z. frei) | — 3411 Manag — 3414 | The — 3415 Quat —
3418 Adro — | fum — 3419 | Sum — 3420 Sum (der 2. Strich des
u und die ersten beiden des m durch Elex verdorben) — 3421 Sum |
~ 3422 thuo — 3426 Them — ge | bau — 3431 uuandun — 3433
arabedie (d aus b rad.) — 3438 Nuni — 3442 Uuerthef | — huat (h a.
Bas., von P?) — 3444 | luuef — 3445 Thoh — 3447 fiuo — 3448 So —
3457Leftit— | antimif— 3458 | Giuuitit — 3473 Uuordon— 3478 thu?
(von junger Hund) — 3479 bet | trun — 3488 Thuru gen | git —
3491 Thia — 3494 Ant | that — 3495 | endi if uuunnia forflitit Than
biginnit j von alter Hand mit schwärzerer Dinte a. Bas. für kürzeren
Text — I im foraga anmuode (vor im ist he von alter Hand vorgesetzt)
— 3497 Grimmef | — thei (i rad.) — 3498 Thia — 3500 filudo —
3501 mahtigna (m, grösser) — nilatitfi | thor — 3502egrot | füll (hvort
mit Häkchen überg.) — 3505 Alla — teene | ro (das zweite e aus i corr.)
— 3506 I Thoh — 3508 | thiodon das erste o zu q corr. — 3509 mannon
(m grösser) — that | — 3510 Thuo — 3513 tefrohen. — 3515
uuerthan. XLIII | (1 Z. leer) — fiiet (iet steht in fi) — 3518 Man —
3519 Othier | — 3520 thef — 3521 quat | (q grösser) — 3522 | thar
— 3530 Sia — 3533 ne | — 3535 That — 3537 Thio | non — 3538
Niederdeutsches Jahrbach XXI. 3
S4
ik I — 3540 helpa | (e aus o durch Bas.) — 3541 fiior (f grösser) —
3543 Uuel | da — 3546 | UÄrod (o aus e rad,) — 3550 [ fia (fi oief
verwischter Stelle) — 3551 fiuand | — 3552 fia — 3553 endi (e grösser)
— 3556 thuo — 3557 quat (q grösser) — 3558 | herroft von hier al
andre Dinte — 3559 | thuo — von hugi ab die alte Dinte — 3561
Kreopun — 3564 | Neri — 3568 | fia — 3569 | Ac — 3570 | helaml
— 3571 . Allaro — 3572 Ledean | — 3573 fiuat | — 3574 | helagna
that hie a. Bas. — 3580 That — 3583 Lioht — thuo — Soh'i
Giuuitun — 3587 endi (e grösser) — gicuthit. XLIIII | (1 Z, leer)
MAnogon('/m^MiZ; — 3588thar— 3591 | That — 3593 | then — thuru(t
grösser) — 3595 | Adam — 3596 Ac — 3598 | Bifuek — 3599 Uurthun
— 3602 Uunnun I — 3605 Anthero | — bethiu — 3607 fiuant fia
neant | kendun — 3609 Giuuarahta — | thiuf — 3610 | anthiod araMi
(e nach b mit Häkchen überg,) — 3611 Sa | tun — 3612 lamor muoda
— 3613 Siu — 3616 That — 3623 Gie | — 3625 | thui — 3620
them (em aus iu mit Ras, corr,) — 3627 Afteilhem tun | gle —
3628 Ac — 3630 middil gard (das erste d o. Bas. v. 1) — 3636 That -
3639 thuo — 3640 thia (t grösser) — 3642 Tholodun — 3644 Crift — 364')
thuo — 3646 Thia — 3650 || Acfia — 3654 that — 3657 Than -
3659 I Soduot — 3663 | Giuuitun — 3665 Soduot — 3666 fithoR (ob
lig.) — 3669 fioh — 3670 folgON. XL.V. | (1 Z. leer) \ Thuo (Inü.)
— 3671 nahida (ahida a. Bas.^ vielleicht für nerienda; der letzte Buch-
stabe ivar kein o) — 3672 quam — 3674 Ant fiengun — 3676 midi
buomo (das zweite i rad.) — 3677 That — 3679 tethero | (das ersteX
grösser) — huarb — 3681 That — 3684 ;odo*) nach \ thie v. ;. Hd.
mit Häkchen Überg. — 3685 bü | — 3686 fioha — 3693 fiuo | -
bihadd (über dem ersten d ein Punkt) — 3695 than — 3696 man
non Lediat — 3700 neaffet | — 3701 Sten — 3703 Euand — 37o:)
Niuui I tun — 3708 thu (i vor u ohne Häkchen v. alter Hd. überg,) —
3709 thuo I uuarth — 3711 Lo | bodun — 3713 That — 3716 Quät
— 3718 Uuitag — 3720 anhuge — 3721 That — 3722 dolsi
muoda (m rad,) — 3725 Leti thia | (t über dem ersten t ahm
Häkchen überg,) — 3726 it — 3728 ef — 3730 | Than — 3733 Uuidi
— 3737 Mangodun | — auf den letzten 3 Zeilen von 8. 105a ein rr
pariertes Loch, das die Schrift umging — 3741 es stand Quathuuari
(vor t ist t überg. ^ uuari ist rad. und at uuari dafür geschriebefi) —
3742 That — 3744 That — 3745 Thon | — 3747 enuuald (das ersü
u a. Bas. für di) wegi — 3751 Them — 3753 | uuarth — 3755 blin-
don I (b grösser) — fo — 5757 Umbi — fofamo || darunter steht . XLVI.
— S. 106a erste Zeile frei — 3760 Gifah — 3763 that all | dn)b
uuaroda — 3765 Idif — tethem (das erste e rad.^ aus ?) — 37GT
en I uald (a nur etwas anders, aber es kofnmt auch sonst so vor) —
3773 I nededa - 3774 Ac — 3776 bethui — 3778 Te — thef -
3780 Am Bde.: SecdiiT lucam. | In illo tpr. abeuntef phar (phar rad.)
I pharifei con | silium inief t | ut capcrent | ihm In fermo | ne. ; et rli. .
(r hier stets ags.) — 3783 | f Ic (o nach f mit Häkchen überg.) ludeono
— 3785 That — 3792 links oben auf den drei ersten Beihen van 107<^
*) Das Zeichen ^ steht für das angelsächsische g.
SB
etil aiisgehessertes Loch — 3793 hei | pu (der eweite Strich des u ab-
gerissen) — 3794 ero | defef (das erste e grösser) — 3795 obar hordin
(n rad.) — 3796 Ef — 3801 thu (t a. Bas., von h?) — 3804 Umbi
if I rikiduo — 3808 thio | don — 3812 fagi — 3813 If — rad —
8815 I Than ni mohta (ni rad.) — 3817 nefcal — 3819 | fiiet — 3821
ludeon | — 3823 üuaf — 3826 after mit Häkchen überg. — 3831 Endi
— 3836 That — 3839 uuari. XLVIL | (1 Z. leer) | — 3842 thu idif |
(vor u ist i mit Häkchen überg,) — 3848 fiuedar | — 3849 eftha (e
grösser) — 3850 Thuo (o rad,) — 3853 endi (e grösser) — | auurpin
(vor r ist nach ein u mit Häkchen überg.) — 3855 fa | gi — 3856
Uuoldun I — foR I fahan (ob lig,) — 3857 ef (e grösser) — 3861
qucthanth | (das letete th rad.) — midan (da a. Ras, oder Fleck) —
8803 Uueldun — 3868 fo — 3869 fogan | gan — 3870 endi (e grösser)
— 3871 auuerpe | — 3874 Gi hogda — 3878 ena (q grösser) — 3880
unten auf der Seite 109a steht S — 3881 Thef — 3884 huar | — 3892
neik (nei a. Bas. von der) — geth de | riu — 3893 Ac — 3895 fiabda
— 3900 fiaddun | — giloben | — 3901 Uuaf — 3904 Ruo muod | —
3908 I hie — 3909 Lerda — 3912 Sohue — 3914 Ik — 3915 Sohue
— 3919 Cumat | — thefa — 3925 . godef. XLVIIL | (1 Z. leer) \ —
3927 i in thiu ohne Häkchen überg. — 3929 | fiabdun — 3931 nuhie
anuuoh | ulerid (das letMte u rad.) — 3932 fprac (ac a. Bas.) —
3933 cumad — 3937 Ac — 3938 that — 3946 | anuueRpan — 3948
II Uuretha — neuui — 3950 | Ac — 3951 fiuand | — 3960 Deda —
8062 that — 3963 fothat | anif (at a, Bas. von e) — 3969 Uuarun
— 3972 anbä | dan — 3975 gihor | da (Stridi durch d rad.) —
3977 Quat — 3981 thiu | — 3987 tehui — 3991 Thar — 3993
Thuomaf — 3994 nefculun (das erste n grösser) — 3995 Niuuernian |
— 3996 Thuoloian — uf | fef — ift : (Bas.; ft auch auf Bas.) — 3997
I That — 3998 | duan — 4000 Neba — 4001 than — 4005 felbo
(elbo a. Bas.) — 4009 | Thann — 4018 That — nika | rodun — 4024
uuif I fuN. XL Villi. I (1 Z. leer) | — 4025 Tfiuo — 4027 fieou | andi
— 4088 That — 4043 Nethin | — 4045 All — 4047 endi (e grösser)
— 4049 Than | — 4054 Bethiu — 4055 nio — 4057 Thoh — 4059
That — 4063 Uuiton — 4065 gifran | thero (ik am Schlüsse der ersten,
that am Anfange der folgenden Zeile nachgetragen) — 4066 maria (m
grösser) — 4074 Kiet — 4075 | lag — 4080 | fromin — 4082 Kuand
— 4084 flu uuar j — 4085 And uurdig — 4086 huat — 4089 amaht
(das erste a rad.) — 4098 Sigi drohtin — 4094 Ac — 4097 upp | stan
(darnach . dan . mit Häkchen überg.) — 4101 fiiet | — 4102 uuerof —
4108 ae in ar^ef ist alt — 4105 That — 4113 Thuo | — 4114 fiel —
fomag — 4116 endi fiondo | niht — 4117 far gibit. L. | (1 Z. leer) \
— 4119 II uuerc (r a. Bas.) — 4120 fiuand — 4123 Ac — 4125 Suoh
tun — 4132 ant hie (vor h ist that mit Häkchen überg.) — 4138
Ricdun — nift | — 4142 than — 4147 Caiphaf — 4150 Uuardun —
mi (m grösser) — 4151 gicunnun — 4153 That — 4154 unten auf
S. 117a steht T — 4160 Ac — 4162 bigangan (über dem ersten e ein
Häkchen, wie 2942) — 4163 Uuar | dun — 4164 bifcop (b grösser) —
3»
31
4166 I That — rad | auf ausgewischter Stelle — 4169 enn ] uuundia -
4172 Sohue foina | — 4174 | Quathun — 4179 | fiie — 4180 that
(at a. Bas. von ie) — 4183 That | — 4188 Uuonoda | — iierodufiw
Q ist u mit Häkchen überg.) — uuUeon | — 4190 Mid — 4191 Thim
— 4192 nif — 4194 we — 4195 uue | rold (nach e Bas, von ol ; ^
unsicher) — 4196 lethef (h a. Bas,^ von i?) — 4197 nimuotun. LI.
(1 Z, leer) \ — 4202 That — 4207 thiodo — 4210 | That — 421»
uuaf — 4220 Ac — 4224 Ac — 4226 fiabda — 4229 Ac — than
— inahti | — 4230 fada (über dem ersten a steht g ohr^ Häkchen i
— uuoRd I (OR lig.) — 4231 uuaf | — 4232 Ant thathie — 423:
thuo — 4239 Uuaf — 4240 | fiuand — 4242 endi filo | — 4248 Tbl
(vor T Meine Bas.) fia fia || geridin (das zweite fia rad,) — 4249 Tliat
— 4252 Kiet — 4253 men (unter dem Accente ein Punkt) — 426')
Ac — 4266 craft||(aft o. Bas. von ift) — 4272 lAC — 4273Sat-
4274 fia — 4275 | Thia — 4280 tellian | (über e ein Punkt) — 42.^4
So uuiflico — 4286 fiuo — 4287 Er — 4293 fculi. LH. | (1 Z. leer)
— 4297 I faholan — 4298 Uual | dand — 4300 uueroldi (i aus u
corr. durch Bas. des zweiten Striches, unter dem auch ein Punkt skhlj
— Ne — 4305 fader | — 4306 fielag — elcoB | (ob lig.) — 48ii"
anthefa (oben am letzten a Bas, eines kleinen Strichs, une einer e-Schleiftj
— 4310 That | — 4311 lac — 4315 Grimmid — 4316 | ugifon -
4319 Ac — 4324 That — morth fculun (t mit Häkchen m
alter Hd. überg.; h f a. Bas., wie es scheint, von fcu) — 432'i
Uuirthit — 4331 min min | nifta (das erste min durchstrichen) -
4334 gite — 4335 than (a corr, aus i und Anfang von e) — 4.^3i
fiimil craftef | — 4338 Ruat | githefaro — 4339 die Anm, gehört z^'
4349 — 4341 Thann | — 4344 gioc — 4349 . helag. mit Häkkn
überg. — 4352 giuuaralico | — 4354 Thiu — 4355 furi — giuuardon
— 4358 mut fpelli | — 4360 darno mid (o m a, Bas.) — 4362 Sofain"
— 4366 I So — 4370 botan (b grösser) — 4372 That — 4374 So -
4375 So — I lezo (t nach z mit Häkchen überg.) — for — 4377 betliiü
latat aniu | uuan — forga. LIII. | (1 Z. leer) \ — 4378 fiuand — 4.>^
Sittian — 4383 thann (t grösser) — 4388 A | delian — 4390 So -
4391 Gruote | — 4392 riki | (r auf verwischter Stelle) — 4393 That
thar — 4394 luu — 4395 | gimuotun — 4397 | mi iuuera (vor i
noch ein u ohne Häkchen überg.) — 4398 Than — 4401 giuuarui
— 4403 fromin | — 4405 fiuann | — 4406 huat — 4407 Gie — 440'
iuuef (vor q ist vi mit Häkchen überg.) — 4413 Sohuat fogi — 441''
Thiu — bithiu — 4423 fiuand — 4425 iamoR | muod (ob lig.) -
4426 I Thann nihabda — Thann ik — 4428 Thann ni | — 4429 uuifon
(der erste Strich des zweiten u aus hohem Buchst., 1?, rad.) — uuibi:
(das zweite u a. Bas., nach dem zweiten i scheint ein Buchst, rad.) —
4430 bethiu — 4433 fiuann — thi manno | — 4434 huat — 443t'
than (t grösser) — Die letzten 9 Zeilen der S, 125b scheinen Palimpsesi
zu sein ; hier und da sieht man Spuren alter Buchstaben. — 4439 be-
deldun | (b grösser) — 4440 bethiu | (b grösser) — 4441 Ac — 444r>
Thia — 4448 ledit — 4450 | Anthat — 4451 thioda. LIIII. (Zahl
37
braun auf gelb) \ (1 Z leer) \ PASSIO. DOMINI. (auf blau) \ SO (Inu
tial) — 4454 fiuo — 4457 fiuat giuuitim || — 4460 Uuerof | — thef
— 44(51 Thar — 4463 tholod (t grösser) — 4469 thar — 4472 qua-
thun (q grösser) — 4474 Huand — heri fcipi (das letete i aus einem
nach unten gellenden Schafte rad.) — 4475 uui — 4480 Quat — 4481
Euat — gimi — 4484 ef (e grösser) — 4489 atfamm (der letzte Strich
des zweiten m ist eu e gemacht) — 4490 zwischen der fünft- und dritt-
letzten Reihe der S. 127a ein ausgebessertes Loch — 4491 Uuenda —
ureth (vor r ist u mU UakcJien überg.) — 4498 That — 4497 vodil |
(v wie 345) — 4501 fcred — 4506 famen | — 4508 nethunkit —
I fometlic — 4511 ef | — 4513 thuru (t grösser) — 4515 | fiugi —
4516 thu — 4524 | Mahtig — thing. LV. || ofce« auf S. 128b eine Z, leer
— 4525 Firihon — frithu | barn — 4526 genge (das zweite e rad.)
— 4528 malitigan — 4531 fiuar — 4533 rogithann — 4537 them
gifolgon — 4538 An | — 4539 lac — gitliem (. than . mit Häkchen
vor t überg.) — 4543 thar | — 4544 thar — 4545 Selbo — 4549
uiiarth I — rechts an der Seite 129a von hier bis unten ein grosses
ausgebessertes halbkreisförmiges Loch, vor land ein kleines — 4550 tlia
(nach a ist t mit Häkchen überg.) — 4554 alouuai | do (das zweite
oben durch ein Loch beschädigt) — 4556 tuelifi (t grösser) — 4558
Beiiuordon | — 4560 gruotta — gern | — 4561 That || — 4563 iuuuef
(i aus heruntergehendem Schaft rad.) — 4566 er (e grösser) — 4567
mi — 4569 Loch zwischen te und them — 4571 Uuarth — gifuoRcan
(r aus f corr. mit Ras.) — 4572 fiuat — 4573 gimi — 4574 nu —
4575 Ac — nu — 4576 That — 4577 vor mi Ras. eines Striches —
4578 endi (e grösser) — 4579 metmof | (h nach t mit Häkchen überg.)
— 4583 Than — 4584 That — 4585 | than — 4587 thero e | erlo (das
e am Ende der Zeile rad,) — 4590 thia — 4593 rechts ausgebessertes kleines
Loch — 4595 Menn githahteo — 4597 er (e grösser) — bar uuur
dig — 4598 negidoR | fta (or lig.) — 4603 ] Thar — 4604 fpRac
(r aus a corr.) — 4605 Bigann — hue — 4607 uf — 4608 uuoRd
OR lig.) — 4609 fih — 4610 men githat (über dem letzten t ein Punkt j
— 4615 ludafe — 4616 Selbo — fnimo het | — 4617 frura (darnach
i ohne Häkchen überg.) — 4620 gina | hid (Über a ein Funkt, der linke
-Bö^ewdf'saa.i?a5.,vtmi?) — 4624 Uuarth | —4627 | uuehf Ion. LVI. || S.
131b die erste Z. leer. — 4629 ludaf — 4630 uuaf — 4634 fielgoda
— 4635 endi (e grösser) — 4639 Gibu — 4640 thit — anerthu |
(ne a. Ras.) — 4646 Mid — frummean (u a. Ras., von u?) — 4648
That — 4650 That — 4651 fierren — gihuggent gißmla — 4652
that (das erste t grösser) — 4653 fiebbiat — 4659 Satanaf | — 4660
finnon gi | — 4661 Ik — 4662 That — 4663 oc — 4664 Thoh —
4673 Simon — 4678 ik — 4679 That — 4680 Thoh — 4681 thuoh
(t grösser) — 4683 fielieben. | effia (das letzte e grösser) — 4688
handcraf (vor h ist h rad., der Schaft des h steht a. Ras. von u) —
4689 fiuat — 4690 Thriftero — 4691 ik | mahthi — 4693 That |
— 4694 hancradi (vor c ist o mit Häkchen von alter Hand überg.) —
thin (t aus h corr.^ indem der Schaft rad. und über den rechten Teil
38
der Querbaiken gelegt ist) — 4695 Acthu | — 4696 ef | (e grösser) —
4698 Doian — 4700 thuo | (t grösser) — 4701 That | — uueldin.
LVII. I (1 Z, leer) \ — 4704 | fiiet — 4705 nedruouie — uord. (vor o
ist u mit Häkchen v. alter Hd. überg.) — 4706 Ne — ik — 4709
Thie I — 4711 hie — 4715 nah I tef felbo — 4717 | crift (darnach
ef mit Häkchen v. j. Hd, überg,) — 4718 firiuuig muoda (uig auf
schlechtem Perg,) — thuo — hohan (höh auf schlechtem Perg.) — 472U
uuifa I — 4722 I iugron (n vor g mit Häkeken v. alter Hd, überg.) —
4723 gifmd — 4724 Nu — 4726 Thiuf — thef — 4727 | Than -
4728 gimendian — 4730 Bethiu nethurbun iuu — 4731 fiuand | —
4735 fiiet | — 4736 Jacobe. — Johannefe — 4737 thrift muodian
(das erste t grösser) — 4738 gengun (e aus a corr,^ u a. Bas, v. a,
das jsfweite n a. Bas.?) thuo — 4740 fiiet — 4744 Gie — 4745 Craftig
— 4750 If — anfarahtan (das letzte a scheint bu u corr,) — 475J
I üuar — 4754 Oder — 4755 Oder | — 4757 Ac — fimnon — 4759
fiohan — 4760 ef (e grösser) — 4763 Te uuegianne — 4764 Ik —
4767 ik — 4777 fiui — nimugun — 4780 minif — 4781 Mingeft -
4783 Letit — 4784 | ik — 4785 hebbiat — 4789 godef — 4791 bei
dida (b grösser) — hie — 4793 ef (e grösser) — 4798 | geng —
4802 I Manoda — 4805 nu — fnimo {ovormv, j, Hd, ohne Häkchen
überg,) — 4809 || Anthena — | mikilon. LVm. | (1 Z. leer) \ Vvretha
— 4810 uuifda — 4814 | Thar — 4815 thia — 4820 Cuffiu — 4821
thena — 4822 bindan uppan | — 4824 | Mid — uuerod I — 4828 thun
— 4829 Judaf — 4831 Cufta — 4834 fprac (pr auf Fleck) — 483o
fragoda (f ^rösser^ — | hihm (fast zusammengeschrieben) — 4836behui —
ludi I — 4838 Meldof — geng — 4839 uuerod (das erste u rad., aus?) —
endi | (e grösser) — fragn (a aus u corr.) — 4841 | So niudlico —
fogi — 4843 that (das erste t a. Bas., von q?) — 4846 ina — 4847
I üueldun — 4854 Uuanin | — 4864 Sothat — 4872 Ac — 4875 That
— 4880 Uuell — | thuo — 4884 ef (e grösser) — 4886 Than -
4888 That — 4889 Uuigef — 4892 Ac — 4894 | That — iS%
fiuand fohue fo | (das erste o a, Sas.y von a?) — 4899 Uui | — 490«'
geng — 4902 fiobiduundun — 4905 gimi — 4906 gimi — 4907 Au
— 4908 than — 4909 Diurlic — gimi — 4910 Le | thef — 4912
Thann — 4913 uue | rod — 4914 Gripun — 4916 Muodag — 49 1>
im — 4920 Teuuinnianne — 4921 fiuand — 4922 Halon — 4924
Thef I — uueldun. | (1 Z, leer, am Schlüsse , LVIIII. | — 4928 tliia -
4929 I geng — 4930 gibindan (über dem zweiten i ist v überg. ^ v, j.
Hd,, wie es scheint) — 4931 uuarun — 4934 Ac — 4937 Johannef || —
4940 I thuo — 4941 fan (f grösser) — 4946 Lietun — 4947 uuaf -
4948 gelmuogero (di nach dem ersten o von älter Hand mit Häkchen
überg,) — Johannef — 4953 Johannef — 4954 fridhof (das letzte i
ags,) — 4957 Magat — huat | — 4959 thuo | — 4962 Nethef | —
4965 fiuarbondi — 4967 Geng — thar — 4968 fiier — 4969 thit
(das erste t grösser) — 4972 uua || (ri. unterg.) — 4974 uui anthi
non uuordon — anthinero (r von andrer Form) — 4975 Ac —
hieni — 4976 Ac ftud | — 4980 huarabe | (e auf Fleck^ dahinter
39
Bas.) — 4983 | Thar — 4985 Rie — 4986 if | libef — quat (q
grösser) — 4989 thuo — 4990 hanacradaha | ban (das a vor h a.
Bas,^ von h?) — Thuo fah (jsmschen o und f ohen zwei untereinander
stehende Punkte) — crift felbo | te — 4996 Suitho — 4998 fuartun
(der erste Strich des zweiten u oben aus dem Schafte eines d rad,, es
hatte erst fuardin gestanden) — 4999 er (e grösser) — 5000 | thef —
trahni (ni a. Bas., von te?)
5002 The — 5004 uuan | fcefti — 5005
— 5006 hie — 5007 Firin uuerco — 5008 nif — 5009 That man
nef — 5011 uuolo — 5012 That — 5013 | ef — 5014 huldi (darnach
0 mit Häkchen von alter Hand überg.) — 5015 Thiodan — 5026 That
— 5027 thej | no — 5029 hie — 5030 Kerroft — | fielag — 5031
Liet — 5033 Liet — 5036 | That — 5038 härm giuurohti. LX. | (1 Z.
leer) | — 5041 Than — 5044 Thie — that — 5046 bithiu — 5047
1 Te — 5051 huurbun — 5056 Mor | gan — manag — 5058 In | uuid
— uuarth — 5060 | Irri — 5061 gengun — 5062 Rincof— 5066 That
— 5067 I fia — 5070 thuo | — 5073 | Quathun — 5078 | fiie — 5084
Gruotta || — 5085 das erste that scheint a. Bas, — 5087 Crift | —
uui — 5089 I Thie — thu — | it for thefon scheint a. Bas. — 5090
Suothlico I — 5091 thef — 5092 Nefmd — nufeggiu — 5093 That
ginoh — 5096 endi (e grösser) — 5100 | nune — 5101 | Thit — 5102
that — 5103 Kineo — 5104 | huat — 5105 if — 5106 Uuirdig —
that — 5107 fcolo. LXI. | (1 Z. leer) | — 5108 Vuitief (Inüial) —
neuuaf — 5109 That — 5114 be uurpun (b grösser) — 5115 iro o.
Bas., von i? (die Bas. ist Mein) — 5117 bifmar fpraea (b grösser)
ftuod — 5119 tholoda githuldion | — 5121 thuo — 5124 Thero —
thar — 5125 thar — 5127 Cuman. | — 5129 Pilatuf — 5132 uuar
lofa — 5133 Agabun — 5135 That — 5136 Sarpon (c vor a mit
Häkchen v. alter Hd. überg.) — thuo — 5138 Mahlidun — 5141 Ac
— 5142 Pilatuf — 5146 | Thuo — 5149 | Thriti — 5150 Geng —
5151 Sundiun — 5156 | funda (i vor a mit Häkchen v, alter Ed. Überg.)
— 5157 Kuat — 5158 huat — 5159 thuo — 5163 fuor (f grösser)
— fiondo (f ags.) — 5166 That — 5167 fineg — 5168 uurag (vor r
ist a mit Häkchen v. alter Hd. überg.) — 5169 Kard — 5170 fuek. |
(1 Z. leer, am Ende . LXII. | — 5174 im te ) — 5177 mudag (o vor
d mit Häkchen v, alter Hd. überg.) — 5178 After — 5179 Anthem —
5182 Uuitief — bihui — 5184 negabin — 5186 Uuordon — hie —
5188 Duot — 5189 ina (i aus f rad., oder Fleck darüber) — 5190
hie — 5191 Quithit — 5192 begihina \ (t vor n ohne Häkelten v. j. Hd.
überg.) — oft gegnef | (nach t ist te v. alter Hd. ohne Häkchen überg.)
— 5193 Bodo — ef — 5196 endi (e grösser) — 5201 uureth hu | dig
— 5203 rumu||(. bürg . unterg.) — fiiet — 5207 fiueder — 5210
Uulanc — 5211 nebiun — 5213 Thefaro | — bifala (darnach h v. j.
Hd. ohne Häkchen überg.) — 5214 Agabun — 5215 huat — 5217
Quam — 5219 Anthem — nif | — 5220 ef — 5221 Than — 5223 So
— 5226 giuuit | fcipi giuuaref — 5227 tliat — 5228 Thia uuerof —
min (n a. Bas. v. d) — 5232 thuo — 5233 Muodag — 5234 Obar | —
5236 Forthem — 5237 Dodef— | than— 5239 uurug | dun (raflfsj Quathun
40
— 5242 Manno — 5244 dodef | gifculdian. LXIII. | — 5245 ma -
5246 Thuru — | thuo — 5249 Manno | — 5251 erodef (das erste e
grösser) — that craftiga | ciming duom — 5255 | Duomof — hie -—
5257 . mid if . mit Häkchen überg, — 5259 Pafcha | — 5260 That —
5263 &af I tan — 5264 | uuigand — 5267 | Allaro — 5270 Cuning eRodef
— 5273 üuandun | — 5276 fragoda (f grösser) — unt^n auf S. 149<i
steht y — 5277 muod febon | (nach n ist ein Buchst, rad.) — 5280 ec
tho I loda (nach n ist di mit Häkchen überg.) — 5281 vor neif Äw., voti effV i
— 5284 uurougdun | — 5286 farmuonftun (das erste n aus f rad.) — 5287
fiimilifcan — 5288 Baluuuef — barn — 5291 fohuat fo | huat fo (das
»weite fo huat rad.) — 5292 Sia (i a. Bas.^ von e?) — 5296 erlof (<•
grösser) — thuo — - 5298 Ledian — lun | gra (r ags.) — 5302 Ne | —
5303 I fiofc — thuo — 5308 | Uuelda — 5309 Nerian — ftuodun —
5312 Grimmera — thuogi | uuet — 5313 . thia . mit Häkchen überq.
— 5314 Kard — huat gimi — 5317 nu — 5319 fein — 5320 erodef
(das erste e grösser) — 5323 Lif — nu — 5326 folc -- 5329 cri | ci
(ci steht nur scheinbar auf Ras.; ri sieht aus wie nachgetragen) —
5330 Uuegian — hie — 5333 eue (vor dem »weiten e noch ein u v.
j, Hd. mit Häkchen überg.) — 5334 || That — copo | (1 Z. leer, am Schlüsse
. LXIIII. I ) — 5336 Miktion — 5339 huaf | im — 5342 Kuat — | te —
5343 uueft — 5344 Umbi | — mihebbiat — 5345 üuerod — 5348 Sohue-
der I — 5356 Thegan | — 5357 Ac — 5358 ne — 5359 thinon (in aus
m gemacht durch Bas. der Verbindung des ersten u. »weiten Striches) —
5360 Sithon — 5362 Ahabid — . mugi . mü Häkchen überg. — 5364
I fiie — 5365 bethiu — men | uurekan ef — 5370 Selbo — 5372 lan
goda — 5374 Quelan — 5376 ofer ohne Häkchen überg. — 5378 hie fcal | —
5379 Uuiti — | uuerod — 5381 | hie — 5383 nio . Uuid — uueruo | (o Rest
eines halb radierten d] Id nachträglich hinjmgesetBt) — 5385 uuundron (das
erste u rad.) — 5386 Niuuol | da — im (es war m angefangen, die Verbindung
des er stenu. zweiten Strichs rad. ^ ein vierter hineugesetet) — 5388fiuand | —
5389 Than — 5391 Thann — 5393 bethiu — 5394 thiu — 539.%
I Mari — 5400 üuaf — 5401 | Uuaf — 5402 barrabaf (f a. Bas. von xx)
— 5407 That — 5410 fragonan (nach o ist i von alter Hd. überg.) —
5411 Ruederon — | tueio : (o : a. Bas.) — 5414 gifpanam (der dritte
Strich des m »u sl gemacht) — 5418 Quelidin — thuo — 5419 Duomof
— thuo — 5420 I barn that — 5422 That — 5426 uuoi (i a. Bas. eines
langen Striches) fithor (ith auf verdorbnem Berg.) uuann ß | thor —
agaf. LXV. | (1 Z. leer) \ — 5430 Thuo — . uuaf . mit Häkchen überg. —
5431 Barn | — 5432 Uuiffa — 5437 That — 5439 Te — 5442 | hie —
5443 Thera | — 5447 Uuiffa | — 5449 Obar — | that — 5450 Suitho
— 5452 Anhe | lith helme — thuo — 5455 Thuru — 5456 fornion
{i grösser) — ferhe (f ags.) — ik — Ina — 5462 Anthem — 5463 thar —
5464 Sagda — thuo — 5467 Gie | that ina ("vorina ist fea a. Bas.
mit Häkchen überg.) — 5469 Thuru — uuarth — 5471 Te — 5473
fiiet II — 5474 Uuatar — 5475 | Thuog — 5477 Quat — 5478 neuuiüiu |
— 5479 achleot | githef — 5482 quathun (q grösser) — 5483 De-
rauoro (das erste o aus u corr.) — fare — 5485 Obar — uui — 5487
41
Ageban — 5489 Thar — 5491 Menfcathono — mahtig | — 5494
fpiuun (vor n ist noch ein u v. j, Hd. mit Häkchen überg,) — 5496
Uue I rof — 5497 Rouodun — 5499 fiietun — 5501 gCDgum (e a. Ras.
von o, das zweite g a. Bas. von n) — 5502 queddun (q grösser) — '
5505 I Mahtig — 5506 fiietun | — 5508 Craftigna — 5510 Dragan —
fcolda bedrorag | an — ■ 5511 fithodun — 5512 | Uuerof — 5513 thar
— 5515 I Uuib — 5516 J Thia — galilea (g a. Ras. v. 2 Buchst.) —
gangan fol | godun (vor {ist quamun mit Häkchen überg.)— 5518 Suitho
— thuo I — 5520 fiiet — nitharf — 5522 urethan (vor r ist u mit
Häkchen v. j. Hd, überg.) — 5523 Tornon — noh | — 5528 That —
5529 uari (vor sl ist u ohne Häkchen überg.) — 5531 cumid.
LXVI. I (1 Z. leer) \ — 5534 Born — 5538 Bittra — 5539 hie —
urecan (u vor r mit Häkchen überg.) — 5541 Mahtig | na — 5542
uure I tha huand — 5545 thia | — 5546 | fam uurdi (u vor r mit Häk-
chen V. alter Hd. überg.) gifprecan (e aus o corr,) — 5547 er (e grösser)
— 5548 I peda (d a. Ras.) — 5549 Allaro — | thef — 5554 An-
bomin — thuo — 5556 Selbo — 5558 Kard — it — 5560 Dadun —
5563 uuarag threue (u vor dem letzten e mit Häkchen v, alter Hd. überg.)
— 5564 thia — 5567 | Quelan — efthu — 5569 Neri — 5571 | Thefa
— fum — 5574 thu fagdaf — 5576 | Sten uuerco — 5578 | Thefef — fmu —
5580 balouuef (brjfrÖÄSfr;— thuo — 5583 Thef | — ef — 5584 Crift — 5585
fan a. Ras. (von fim?) — 5586 | ef — 5587 Uualdand | — uuercon (c
aus d rad.) — 5588 thuo — 5589 An — 5590 behui — 5591 Gruotif — ftef
(ft a. Ras. von o) — 5592 uuit — 5594 hie | — 5595 Allaro — 5600
That — 5602 Uuef — thuo — 5603 | ik — 5604 | That — 5609 oc
— uuib (b aus p rad.) — 5611 Thanftuod | — 5613 Druuodun —
thar — 5614 muodeR — 5619 | Idif — thuo — 5620 gibod. LXVII. |
(7 Z. leer) \ — hlutran (t nach u mit Häkchen v. junger Hd. überg.) —
5623 Thuo — 5625 Kuo — nimah | ta (über dem letzten a ein Häkeken, wie
2028) — 5629 Obar— 5631 1 Ant — thuo — 5633 Re | dron — thuo — 5634
I thuohie — 5635 fader — 5636 Tethiu (t rad.) — mik (an k ist
unten der zu lang gewordene Schaft rad.) — 5638 ik — 5639 Uundron
— uuerod — 5641 Drohtin — 5642 thiu — 5643 | Uuretha — 5644
I tuo (vor t ist un von ganz junger Hd. am Rande geschr.) — 5645
fiabdun — | fuoti (davor un am Rde. von ders. ganz jungen Hd. wie V,
44) — 5650 I Gibundan — 5651 hie — 5653 So — 5654 | Kludo — | ik
— 5655 mi I non am Ende und Anfang der Zeile von alter Hand nach-
getragen. — I garo te thiu — 5656 firio | — 5657 Gihnegida — 5662
That — 5664 feli | fof (f grösser) — felde (de a. Ras. von ife) —
fehan | lacan — 5667 | fiel — 5669 Kelagef — 5672 aftuodun (n aus
m gemacht durch Ras. des dritten Striches) — 5674 Mannon — that |
— 5675 That — 5677 Uuord anthe | faroldi (. uueroldi . vor 1 mit
Häkchen überg.) uuerod — 5681 An — 5682 fuma — 5683 Thia — hvodian
(v u^e 345; d aus 1 rad.) — 5684 That that | — ualdandef (nach u ist
u mit Häkchen überg.) — 5686 Barno — flo | gun — 5688 &er | ren
— 5689 Suitho — than | — 5691 Lengerun — 5693 Gengun — 5694
Thieobof — 5696 Unt that — 5699 nithortun (f nach r ohne Häk-
42
chen überg.) — 5701 If — 5703 That — thuo — 5705 | Rard — 5707
That — I fidu (vor d Ras. eines unter die Zeile gehenden Striches) —
5708 I thia — 5710 Uiiellun — 5712 | firiho — fnimu (f ags.) - fo.
LXVIII. I (1 Z. leer) — 5713 nahoR | (or Hg.) — 5716 TJuafiin | -
5719 ludeno — 5720 Dar nungo — 5721 folgolte | — 5722 Sie -
mahlan (nach 1 ist i mit Häkchen v, alter Hd. überg.) — 5723 Thin-
gon I — 5725 giquelmid (das erste i a. Eos. von e) — 5726 | Thef — - 572^
Rie — 5730 te them | — barn || godef (r a. Bas. von n, dann n hinjsu-
gesetzt) — 5732 | Nam — 5735 Dniog — 5737 Thar — 5738 | Gumon
— thar — 5741 griotandi — 5742 Idifi | — for fauun | (über n ist tun
überg. ^ aber ausgewischt) — 5743 Thef — giuuitun | — 5745 fiuo —
5746 Rabdun — 5748 Idifi | ~ 5749 neflu (f ags.) nith folc — 5750
meni | gi . — 5751 Rekidun — huat | — 5753 | Uuerod ■— 5754 liie
— 5755 thiuf | — 5756 Thit — nu — 5763 Tethem — 5764 uuarth
— 5765 fia — 5766 uerof (vor e ist u mit Häkchen überg.) — 5761)
Liu I don — lohte (vor o ist i ohne Häkchen v. alter Hd. überg,) —
thuo — 5771 Ralag — 5772 An the | — lioht — 5775 uua | nom -
5777 Sothia — uuardef (e eu o corr., dann noch o überg.) — 5771)
Aref — rincof — 5780 umbi (über m ein Häkchen oder Punkte wie
2028) — 5781 fcred — 5782 naht . || (darnach steht ein Kreuz) -
5786 I Uuerthef — 5787 That — 5789 Uuundun | — thiu — 5794
Befulhun | — fothiu — 5797 engil (e grösser; nach 1 Ras.^ von e?) —
5798 all (darnach Ras.) — afciann (vor [ ist n ohne Häkchen überg.) —
5799 Thiu | — 5801 forah | ten (nach e ist o mit Häkchen überg.) —
egan. LXVIIII. | (1 Z. leer) \ Lif — 5802 lagun — 5806 Diurlic -
hie — 5808 blicfniun | — 5809 Uuaf ~ 5810 thuo — 5811 Thiu -
5816 Quat — 5818 Riet — ik ■- 5819 | Neriendon — 5822 Sundi-
lofian I nu — 5824 nu — 5825 NahoR | (or lig.) — 5827 Thar -
lungra — 5829 Uliti fconi | uuib — 5831 engil (e grösser) — Riet —
5835 Riet — 5837 Cumi — 5845 Then — nemahtun | (Elex auf e) -
5847 thuo I — 5848 Uualdan | def — 5849 J Tehui — 5851 ferahef lf
grösser) — fullan (a durch Ras. aus e) nugi — 5853 Anif lic lic ha
men thefgi — 5856 Angalilea | lande — 5859 | That — 5862 nuhabit
— 5863 Gifrumid — 5864 cuth. LXX. | (1 Z. leer) | — 5865 Rie -
5869 Cu I thian — 5870 | giefrumida — 5872 fed | lic (über d Bas.
eines {-Schaftes) — 5873 thuo — 5874 Judeono — 5875 endi . -
5877 Ruilica — 5880 | Nimithun — thuo -- 5882 Saldun — 5883 ac
— 5884 An fuebidi | — 5885 fimnen — 5887 uuigi helpat — 58S>
I Lethef — thuo — 5890 Negiuuel | dun — 5895 Johannef | — 58!)T
Johannef — guode | (o von alter Hand über e geschr.) — 5899 erl u
grösser) — 5900 | Rreo giuuadi — 5904 Mid — 5905 Rikief | — 590b
Johan I nef — 5908 uuaffa [ (das erste a aus u corr.^ durch Häkchen
darunter getilgt und i überg.) — 5910 Upp — thuo — 5911 Johannef
— 5912 Thia — | than -- 5915 | Maria — 5917 Thena — 5920 ant
kennian — 5921 Seggian — hie — ferobi uuiepi — 5922 So —
trahnin (r aus h rad.) fiu quat — 5923 efthu | — 5924 efthu | (e
grösser) — ginamif | (a aus dem dritten Striche eines m corr,) — 5926
43
fia niuuiffa fia — 5928 | fiof uuard — thuo | — 51)30 That 1 — 5931
Mitha I — ina (in aus m corr. durch Ras, der Verbindung der beiden ersten
Striche) — 5932 Nouau — 5933 Quat — 5934 ik — 5935 Ac — 593()
Bruothron | — 5938 uuilliu. LXXI. | (1 Z, leer) \ \ 5940 Seggian —
5942 That — 5944 fia — 5946 Ac | — 5947 thuo — 5948 eft (e
grösser) — 5950 than (t grösser) — 5951 Quedda — 5952 hie —
5953 Acgi I — 5957 anthem (a' a. Bas, von a) — 5958 temauf (vor
m ist e V. alter Hd. mit Häkchen überg.) — 5961 Thö || — thuo — 5964
I Uuaf — 5965 Rui — ift — 5966 foragono (g aus dem ersten^ o aus
dem zweiten Striche von n corr.) -—fia — 5967 Thia — tehui — 5968
bift (b grösser) — hierufale — fol cas. | Die zehn letzten Zeilen der
Seite sind leer^ auf 8. 170a sind 13 Zeilen von S, 169b in Spiegelschrift
matt abgedruckt^ 8, 170b ist leer, —
2. Der Monacensis.
Die in der Mitte und am Ende von Worten häufig begegnenden
N sind hier nicht notiert, wohl aber die im Anfange. Von S, 2a sind
die ersten sieben Zeilen rad,, doch sind folgende Reste noch festzustellen:
h(abda) f(ere)h(tan) h(u)g(i) . (uuaf) f(on them liudiun leuiaf cunneaf
iacobef) | f(une)f g(o)da(ro t)h(iodo zachariaf uuaf he hetan that uuaf
fo falig man) | (huand) he f(imlun) g(erno) g(ode thiono)d(a uuarahta
a)f(tar if uuilleo)n . | d(ed)a (if uuif fo felf uua)f (iro gi) a(ldrod
i)d(i)f(ni mo)f(ta im er) b(iuuard) | a(niro iu)g(uthedi) g(ibidi)g(uuerdan)
l(ibdun im) f(arutar) l(aftar uuarahtun) | l(o)f g(oda uuarun fo) g(ihori)g(a
heban cunin)g(e diuridun ufan) d(ro)h (tin) | niuu(el)dun (dere)biaf
im(i)h(t un)d(ar man)c(unnea menef gi) f(rumm)ie(n ne) | — 85 faca ne
(ca n anradiert) — 86 moftun (darnach Punkt rad,) — 89 ina . — 91
heuancuningef . (das erste u scheint aus li corr,^ von 1 ist keine Schleife
da; vgl. vorher bi) — 106 drog . (Punkt rad.) — 111 Von den ersten
2 Zeilen von S, 2b lese ich noch: fo ma (n) h (erron) f (c) al (gerno)
fulg (an) gan . g (rurio) f (qua) m (un im)u; (der letzte Buchst, sieht
mehr aus wie ein a) egifon | an th (em) alaha he gifah thar aftar
(thiu enan en) gil god (ef an) them | — 114 to deutlich — 116 andredi
Thina (a schwer zu erkennen) dadi find deutlich — 129 het — 131 Quad —
133 teNamon — 138 bodfkepi (f sieht aus toie f) — 139 Zacha | riaf —
142 It — al . te lat . — 144 huuanda — 168 than — 169 Ni —
170 fo . (Punkt rad,) — 174 breoftun . Imu | Bidun (Imu rad.) —
197 fkred — 198 lohannef — 200 fagar . fahf . endi naglof . —
201 uultige . I (nach 1 ist i überg.) — 204 aldun . tüem . — 205
Niuuari — 207 nimahti . (ti lig.) — 210 wiutlico — wamo — 211
uuefaN . — 212 an . if gibarea . — 218 lohannef — 219 that —
221 eN I (n a. Ras.) — 223 uuita kiafan . — 224 niud | famnaNamon .
— 231 Namon — 236 lohannef — 247 feNdean (n a. Ras.) —
253 feaeNthegan — 254 lofeph — 256 thar — 262 | giuuihit .
44
(h a. Ras, v. g) Nehabe — 263 | Nequam — 266 teNamon —
273 uuif . — 276 than — 277 uualdandef — 280 Nefomari -
281 Tho (T rot) — 283 thanc (t grösser) — 287 nifmi — 291
uuardthehelago — 295 Tho — | hugi lofepöf (i I aus a corr. ohne
Ras.) — 296 ifmod gidrobid . the . im . er . thea magad habda
thea idif | anthettea . adalcnoflef . uüif . giboht . im . te brüdiu .
heaffof that . fiu | habda . barn . undar . iru . ni (i aus a corr.)
uuande thef . mid . uiiihti . that . im . that . uuif | habdi . gi-
uuardod . fo uuaf lico . vi . uuilTe . uualdandef . thoh . (leiste h rad.)
noh . bh'di | gibodfkepi . m . uuelde . fie im . tebrudiu (leiste u rad.)
tho halon im te hiuuon . ac | — 306 fo — 310 fri . midira ferhu .
Ni uuäf . gio . thiu | feniea fo god . that fiu mid them liudiun leng
llbbien mofti . | uuefaii ündar . them uueroda . Bigan im the . uüifo
man fuTdo | — 313 lofeph — 315 forleti . (ti lig.) — 320 ve \ -
321 lefti . inca . uuini treuua ford . fothu dadi . endi | — 331 Aut-
kenda — 332 | uuaf (das erste u grösser) — 337 ina (a a. Bas.) —
338 I brengean (ng v. jüngerer Hand nachgesogen) — 339 Tho (T rot)
— 341 baN . endi bodfkepi . 342 cuniaN . fonthem — 343 heritogon (Ti
aus Anfang von o corr.) — 345 biet — 348 gibod . (CirkumfL v. j, Ild.)
uuard . gileftid . obar . thefa uuidon . imerold | uuerod . famnoda.
te . aUaro . burgeo . gihuuem . Forun . thea . bodoN | obar . all-
thea . fon . them . kefura . cumana . uuanin . bokfpaha . uuerof .
endi 1 an bref . fcribun . fuido . niudlico . namono . gihuilican .
ialand . ialiudi . ! that . im . ni . mahti . alettean . man . gumono .
fulica gambra . foimfcolda | geldcN . gihue . helido . fon . if . hobda .
Tho . giuuet . im . 6c . mid . if | hiuuifca . iofeph . the godo . fo .
it god . mahtig . uualdand . uuelda . fohta | imthiu . uuanamos
(über n Ras.) hem — 359 b&hlehem . — 360 oc — helagun — 361
mariun . thera . godun . Thar . uuaf . thef . mareon . ftol . an .
er dagu^f | — 363 godoN . than . langa the he . thana . druht '
fkepi . (h aus d corr,, t am Rde, nachgetr,) thar . eri . (r aus 1
rad. u. corr,) undar ebreon . eganmofta . haldaN . hohgifetu | fiu (u
SU e rad. u, corr.) uuarun . if . hiuuifcaf . cumaN fon . if . cnofla .
eunneaf . godef . bediu | bigiburdiuN . Thar . gi . fragnic . that .
fie . thiu . berhtun . gifcapu | mariun . gimanodun . endimaht godef.
that . iru . anthem fida funu | — 370 bärno . ftrangoft . — 371
uuard . the mareo — 372 er — 373 bilidi . uuarun endi bogno . filu .
giuuorden . aN | — 374 Tho . uuaf . it allgiuuarod . fö . foit .
er fpaha . man | gifprocan . habdun . thurh . huilic . odmodi .
hethit — 378 | Tho iNa (ho iNa a. Ras. von?) — Kam — 386 magad .
ira I modfebo . — 402 that — 403 thar — 405 Hebbiad — 407
that (das sweite t a. Ras, von r) — 415 thea — 435 fagar . an
felde . that — 438 fodda — 443 heleaNd — 447 uuaf — 449 that
— 450 unt . that — 451 endiNahto tho (t grösser) — 453 fo — 450
uuard funu . afodit — 459 bediu (e aus o corr.) fon {{aus langem Strich) —
460 krift | gans Mar — 465 Thea — 466 | Oft — 475 aw (n mht aus wie f)
th(an)a (uui) h(innan T)h(o fa)gda h(e uua)l(dande th)an(c) alomaliti | gon
— 476 mid . — 477 geng — 481 biddeaN (das erste d aus angefangenetn
hohem Buchst.) — 492 liftiun — 493 idif a. Ras. — 494 fiinu . fcolda
— 496 tefalle . — 497 the . — gihordin . — 501 that — uiierk
(der Strich durch den Schaft rad.) — 504 ald . innan . — 505 doh-
tar I (d aus falsch angesetztem Strich corr.) — 507 flu mofta — 512
tho (t grösser) — 516 Siuquam (das erste u aus c-ähnlichem Ansatz
von q corr.) — 520 ginahid (d aus h rad. w. corr.) — 526 manag .
— 530 andi (a beim Schreiben zu e corr.) — 535 uuard | (Strich
durch d von alter Hand) — 537 imiilic (das erste i rad., n eu h corr.)
— 540 Niuuarun . — 548 tho (t grösser) — 550 | mordef (Strich durch
d alt^ ebenso in allen folgenden Füllen) — 551 Tho — 554 huueder
— uuracfid (a a. Ras., von o?) — 555 tegebu . huilicuu gumuno . —
558 nIo — 560 giuualdan . — 566 giu — 569 | than (t grösser) —
571 thar | NUiuard (t grösser) — enig . man — 582 tho (t grösser)
— 586 erdun (vo^i alter Hand) — 587 hequad — 592 barn . —
bocan . het — 595 | Het — 598 the — 599 giboran . bald . endi
ftrang | — 603 that (das erste t grösser) — 605 | faga uf . (vor u
ist h oder d rad.) — 613 es stand fpac, aus a ist r, aus c ist offenes
a gemacht und cono damugeschrieben beim Schreiben — 615 uuiffun . te
iiuarun . — mid uuor | dun — 620 uuiffin (n aus r beim Schreiben corr.) —
621 foifanufun — 626 lioht (haus Ansatz von n corr.) — 630 gifragn . ic .
— 636 hedro . fonhimile . fie (fo aus n corr. beim Schreiben) — 643 fo |
keaN . aNiffeldo . — 645 | than — 646 He — 647 lango . (g ci.
Ras.) — 653 uuiffun (das erste u grösser) — 658 | thea — 662 the
(t grösser) — 668 | tho — 671 krift . | thea (Punkt jünger) — 680
naht^^fuueban (der Haken von alter Hand) — 687 | tho — 693 mod .
morganhuuem . tho (t grösser) — 698 von fid uuorige ab schwärzere
Dinte — 707 cuma (a zu e corr. v. j. Hd.) — 709 landfcepi (epi
scheint a. Ras.) — 710 | tho (t grösser) — 712 fan . antkenda .
Giuu& — 713 thomon (nach h ist i ohne Häkchen überg.) — 715 | tho
— 716 rikea | (e aus i corr.) — 719 Seite IIa ist unten altgeschnitten
— 722 tho — 724 nu — 725 mag (m aus g rad. u. corr.) — 731
umbib&hleem . — 733 tho — 734 ni — 736 idifi — 741 menef —
743 fellun — 744 thia — 745 cara — | anb&hleem — 749 biforan
(b aus p rad. u. corr.) — 751 thie — 756 ansegypteo — 757
iofe I p6 . (o scheint corr.) — 759 Nord — 760 thar — 765
hetan . — 777 Thofie — 782 thar — 785 He — 788 S. 12a unten
beschnitten — 792 thar — 797 | anthe (h a. Ras. von e, e später zu-
gesetzt) — 800 friun dun . (das erste un a. Ras. von a :) — 803
uuard | — 804 ira — 806 Giuuitun (n aus m rad.) — 811 the thefa
(nach dem ersten e ist f rad.y das folgende t a. Ras. von a) — 812
thar — 813 antkennan (i vor dem zweiten a v.j. Hd. überg.) — 815 | fie
(ie a. Ras. von a :) — 816 | fie (ie a. Ras. von a) — 818 modar
(ar anradiert und von j. Hd. ungeschickt nachgezogen) — 822 gifidon
(g a. Ras. von fo) — 829 biuui (h über dem ersten u ohne Häkchen
überg.) — 830 maria (m grösser) — 835 bezta (z a. Ras. von t) —
46
847 hab | da — 852 ni (n grösser) — 855 uuilTan — 861 alonual-
don (das eweite a und d anrad,) — 862 forl& thieda (e atAS o corr.)
— 863 es stand \ gimentha thar das ist ganz rad, — uuard (das
erste u anrad.) — 865 iohaDiie (e v. j. Hd. aus a corr,) — 867
thefan (n aus r corr,) — 868 h& | — 871 | im — 873 giuu& —
878 hebanriki | — 879 nu — 882 | ic — 895 gi | biodex . — godef . —
899 faran . — lieta | thef — 900 | So — 903 | erlof — 909 Tho —
911 bodon . — bürg . — 915 | baldlico . — 921 heif | — 932 Ic — 941 So-
mikilu — nif — 944 thaw fcal eu | lango fcal uuefan . — 947 | hegan
(h durch Punkt darüber und darunter getilgt) — 950 | manag — 9(i4
tho I — 970 lo I hannef — 973 Krift — 977 lohannef — 982 craft^ig
krift . — 988 dubuN . endi . fat || (die Seite unten abgeschnitten) —
aflu . (h über a ohne Häkchen geschr.) — 991 krift . — bezton . quad
— 995 gifehan . — he — 998 uuilleo (e aus i corr,) -— 999 mi . —
godef . — 1007 he | — 1009 thit — 1011 uuala (das erste u grösser)
— 1018 that — 1025 them || (die zwei letzten Striche von m rad.) —
1032 He — 1040 for | geben (vor f ein Strich^ aber wohl kein Buchstabe)
— 1041 bethiu (b grösser) — 1042 funu . fenda | that — 1045 | funu .
drohtinef , — 1049 than — 1050 uuid . — 1052 uuaf — 1054 fu
— 1060 mofef | — 1062 die Seite 16a unten abgeschnitten — 10r»7
geheli — 1077 that fridu | barn . tholode . — 1080 let — 1085 ^efcriban
— ti te (das zweite t a. Bas,) — 1089 huuat — huuargin (h a. Ras.,
von n?) — 1091 I To (T rad.) — 1093 thinef | (über dem Haken
des h Bas. eines Schaftes) — 1094 fandon . — frohan . — neg : : :
(Ras. von cn oder ecn) — 1095 thriddean — 1096 berg . then
hohon . — 1102 uuilt (uuil und darunter habaf auf rad, Perg,^ es
standen aber keine Worte da) -^ 1104 than — 1107 the (von h an
schwärzere Dinte) — 1109 betz | — 1112 thar — 1115 uuard — 1117
Climen (u a. Ras., von m?) — 1127 Geng — 1131 thit — 1133 luaN-
ciinneaf . mcN — 1134 Krift — 1148 ho | — 1152 thar — 115-^.
adreaf (über dem ersten a ein liegendes n) — 1156 thar — 1157 grotta
(r aus o rad. u. corr.) — 1176 fatun im | thage funfader — lllU
krift . aN I — 1208 anif (i a. Ras. von a oder o) -- 1222 fume —
1226 ahnofuie (nach 1 ist a . mit Punkt überg.) — 1233 fuma — 124.'»
Thogifahe — 1255 wemnida — 1260 bigeburdiun | — 1261 owdi — 1270
bartholomeuf (rt lig.) — 1273 thar (r aus dem ersten Striche eines u oder
aus i corr.) — 1281 ftodun — 1298 IrminmaNno — 1304 quad — 180(i
quadthat - 1308 Saligafind (das zweite a v. alter Hd. zu e corr.) —
1309 thef — 1312 fali | ge — 1315 hebenef (h mit Ras. aus h oder
p corr.; die Ris. geht herunter) — 1316 quad | (q grösser) — 1817
te (h über t geschr.) — 133(> Geuuerdat — 1342 thef — . gi vor
euuan mit Punkt überg. — 1351 hinferdi (n aus r corr.) — ISTri
than I (t etwas grösser) — 1355 than — 1357 fogondigefehan . || ('. r
nach dem ersten o mit Punkt überg.) — than (t grösser) — 13i>2
uuordun . — | uiicroldef . nu ford — 1367 fo — 1373 fo — 1374 Ef
— 1375 that . hi . — 1380 siduguN . | — 1382 uuard . liudi . —
1385 uuerof . — 1389 mag . — 1393 Ni — 1397 »i — 1399 dot | —
47
1409 than — 1410 dernien (das erste e a. Bas. von n) — 1427 unleftid .
— 1431 that — 1437 Sohuue — 1439 gebrodar (die Striche durch d swd
von hier ab in gleicher Weise altf wie früher) — 1453 | ic iu nu teuuaron
— 1456 dot — 1458 that — 1460 than (t grösser) — 1462 ne | (n
grösser) — 1466 far | geban . that it . — 1469 er — 1472 mer — 1473
godef (g aus o corr,) — 1482 than — 1504 mi^^thse . (Haken alt,
e von j. Hd, an a angelehnt) — 1507 eft (f a. Bas. von t) — 1511
nee (n grösser) — 1517 bithiu — 1521 ef | — 1522 gquede ia . geb |
it fi . (das erste g rad.) — 1524 So huat — 1529 fohue — 1532
than — 1536 doe — 1539 leftiemuuili . | — 1540 erodgiarme ■— 1541
rokad (e über a geschr,) — 1542 leobon | (e aus i corr.) — 1546 fagare
(zweite a offen) — 1549 fo — 1550 thuhugif | — 1552 bifilhif endi antfaif .
eft I thaN thu uuili; — 1553 iuuuan uuillion (i vor 1 zu e gemacht, das
erste 1 und das letzte i rad,) — 1557 ef(t) g(e)l(d nima)n f(uiii) do |
— 1559 fo huuat | — 1563 thanna — 1565 gebeodan . (das zweite e
aus i corr,) than (t grösser) — 1566 helpono (h aus 1 corr,) biddeaN .
(über der rechten Schleife des h steht etwas wie ein zu hoch angesetztes
i; ein h war es sicher nicht) — 1580 ftoduN (über n ist ein Fleckchen)
— 1594 do — 1597 uuo : d (vor d steht ein Ansatz von d, der wohl
noch zu r corr. werden seilte, aber vergessen wurde) — 1604 uuilleo —
uuerold . al fo | — 1605 anerdo . — ift — 1606 himil rikea . — 1608
I Endi — 1612 Ac — 1616 efgithan — 1630 than — 1637 ne (n
grösser) — 1645 | giuuadi — 1646 leftead — 1647 himile hord . that
mera . — 1655 . finc (vor f Bas., von gV) — 1661 lib . euuig . —
1664 etan . eftho | — 1665 geuuedea . it uuet al . uual | dawd god .
— 1666 thionod . uuel — 1667 githat — 1674 Ne | — 1679 uurt frt
lig.) — 1681 Ina — 1682 mer — 1684 bethiu (b grösser) — 1694
uuerdan . them teuuitea — gefprikid . bis that auf rauhem Pergament,
— 1697 I gim& — 1700 it eft | — 1703 Te — 1705 halm (1 aus
Anfang voti r corr.) — 1707 lat — 1709 mahtthu (das zweite t a. Bas.
für Anfang von h) — 1711 fo — aN if hob | de . (n if a. Bas,) —
1712 middilgard . maNno . || — 1715 faca . endi fundea . endi habad |
im . felbo mer — 1719 | uu& . — 1729 | nefind — 1731 | them —
1737 fie — 1741 giuuitun — 1743 fagororo — 1744 that — 1748
eumid (i und der letzte Zug des m a. Bas. von d, es stand cund) —
1757 fimbla — , 1762 thanan — 1769 godef . anthefun gardun . be |
thiu — 1771 Oc rot — 1772 | anthefumu . Höhte . — 1774 ftrata .
endi bred . — 1780 atthemu . endie ni dugi | — 1785 ledea . (das
zweite e atis i corr.) — 1786 than (t grösser, a offen, ist atis i heim
Schreiben corr ) — 1797 cudeadiuuua | — 1803 thatalloro (das erstet
grösser) — 1811 thar . uuid . (uu a. Bas., von th?) ungi | uuidereon .
— 1813 ftene . anthabad . — 1814 uure | did . uuidar uuinde . —
1821 nemag (n grösser) — 1828 Ne — 1830 far ftodun — 1835 nc
1837 heimtho (das erste h grö,^ser) — 1840 giahe | — 1844 Nonamin .
— 1845 ge I huggead — huand (h auf Anfang eines anderen Buch-
staben) — 1848 fo — 1852 nelatad | — 1858 gimang . neo — me
ti forgot . — 1862 uuirdig — 1865 that — 1875 gi . — 1876 hebbeac
4a
— 1880 I far — 1882 uuefat — 1883 fecneon rfomaii — 1888 nef-
culun — 1891 Namon — 1892 bethiu | — 1894 githar — 1903 betliiu
(b grösser) — 1916 managa — 1919 Nefmd — 1920 Ac — 1923
thca (t grösser) — 1924 huanda (erste Strich des u atis Anfang vofin
corr.) — 1925 uu& — 1927 bethiu (b etwas grösser) — 1929 than
(t grösser) — 1933 ef — 1935 mid | imu (u durch Punlä darunter
getilgt) — 1937 imu (u durch Punkt darunter getilgt) — 1940 ef w
grösser) — 1947 fotun . — iu . — uuili . — 1962 uuet — 19G4
Thoh — 1973 thar | uppe . — fader — 1976 gut . far gumfke | pi —
1977 godef | ogun . — 1980 rethinon . — rikeon . thar — 1981 niildi
(das erste i aus Ansäte von 1 corr.) — 1987 herifkepi manno (r o.
Ras. von li; if kepi manno fidon te auf rauhem Perg.) — 1988 hab
dun — 1995 enumu (das letzte u durch Punkt darüber und darunter
getilgt) — 1997 thar — 2002 He — 2007 gengun — 2010 Thothar | -
2012 tho — 2026 te — 2037 tho — 2040 He — 2046 themu -
2050 quad (q grösser) — 2052 undar — 2054 than — 2056 than (t
grösser) — 2057 gemarcod . | — menigi . — 2064 mid — 20»»'»
gebon . endigomean . — 2069 truodun (t grösser) — 2074 That —
2078 themu . uuerode . — 2079 | wamon — 2086 | uunod . an uuil-
leaN . — 2090 megin — 2093 than | (n aus r corr.) — 2107 uui»r-
dun . endi mid | uuercun . — 2113 uuelono . ge | uunnen . — 2119
Thoh — 2122 biddieN . barn godef | — 2124 faruurhti . | (ti lig.) -
2138 than — 2142 | thar — 2146 fundea (der erste Strich des n trar
etwas länger und ist altradiert) — 2153 It — 2156 halp . (1 aus dem
ersten Zuge eines p rad.) — 2158 Giuuet — 2160 bu . endi bodlof .
— 2163 Nimag — 2174 uuaf (das erste u grösser) — 2177 Naim .
— 2186 It — 2187 Ne — 2189 uunneaendi — 2192 thar — 219.)
thu (t grösser) fcalt craft | fehan hir — 2197 Ne — 2267 telande .
'liudi . — 2268 | quam — 2272 »io — 2277 fori . undar | themu
folke . — fargab ferh . — 2286 Ne — 2293 endi . al . undar | if.
cunnie — 2296 thar — 2301 Ni — 2302 thaN | — 2318 Tho — 2?^
He — 2334 fnimo (iAher i ist u ohne Häkchen überg,) — 2341 se -
2353 es stand farlgaf und vor der Rasur war r überg.; dieses r und
ilga sind rad. und rga darauf geschrieben) — 2354 than (t grösser) —
ina the heland — 2360 Ni — 2369 giuuenid . mid if uuordun . —
2375 huat (h a. Ras., von u?) — 2379 | Niuuelde — 2412 thornol* .
fo — 2423 I herro — 2429 uui . — uuerk . — cumad . (a durch
Punkt darunter getilgt und lang J hindurch geeogen) — 2432 anduuodi
(über o ist r ohne Häkchen geschr,) — 2440 marien . huat ikmende .
— 2448 it . be . — duse (ae alt) — 2460 ford — 2462 Nio — 2463
If — 2467 if . orun . to . — 2470 If if gilo | bo (b aus u corr, r.
alter Hand) — 2483 that . — 2486 habad (h grösser) — 2489 treuua
find . I fogoda — 2492 miflike \ {e eu sl corr.) — 2502 than — 250ti
that — 2511 Ni — 2578 badun — 2581 that — 2582 Ik — 2584
thiuf (t grösser) — 2585 | buland (la rad. aus b und Anfang eines 1)
— 2591 anttatcl . allaro (unten auf der regelrechten letzten Zeüe der S.
38» steht: •/. bmudfpellef megin obar max ferid . endi thefaro uue-
4d
roldef . ThaN if nachgetragen) — 2593 geripod . — ri | kea — 2594
thaN — 2597 | thit (das zweite t aus Anfang von h rad.) lioht .
fgifaun . (das erste Uad.) — 2G15 Thaw — 2627 | that — 2632 | Lifit
— 2635 anthemu (u aus Anfang von o corr.) — 2636 brengid . irmin-
thiod . I — 2639 Niuuet | — 2642 uimag — 2643 NÜhef uuelon . nithef
uuilleoN . 1 — 2646 moti . (ti lig.) — 2647 than — thealiudi . to .
— 2648 galilseo (das erste 1 a. JRas, eines Fleckes, i nicht a. Bas.^
ffio auf Ausgewischtem) — 2652 Keif (h grösser) — 2654 fiuat (h
grösser) — 2656 KuancN (h grösser) — 2660 Nihethar — 2661 Niuuelde .
— 2666 giborcN . — Niuueldun — 2668 thsene und 2669 cumsen (se
alt) — 2669 fietun (h grösser) — 2671 anthene . — S. 39a unten
abgeschnitten — 2672 Niuuaf — 2677 | Niuuaf — 2678 Nimahtun —
2683 I uualleNider — 2688 wifo ~ 2689 fieNiuuaf (h grösser) — 2690
fo — undar . — ftandeN . — 2692 Ke (h grösser) — 2702 Re (h
grösser) — 2707 Idif — 2708 uueflode . | tho . (t grösser) — 2713
I Nami . — 2714 ef (e grösser) — 2715 nI — 2716 Nihaba — 2717
Nifundeo — 2718 uuibef . — uuorduN . | — 2724 Udo | cofpun . be them
liudiun . — 2731 fouuaf — 2732 erg (g rad., dann Lücke gelassen, um lo
einzutragen, was aber nicht geschah) — 2736 quamuN | (qgrösser); die Seite
ist unten abgeschnitten — 2737 glad modhugi | — 2739 | drog — 2745 fiet
(R grösser) — 2750 lat ~ 2764 thiu (t grösser) — 2769 Siu || — 2775
inneN — 2776 that — 2778 So — 2789 Niuuard — 2814 Imu —
2820 fedle . Tho . gen | gun — 2821 te themu — 2825 nah — 2836
noh (an n ist noch der Ansatz des 3, m-Striches) — 2844 Nihabdix —
2845 fiui . anufaru | ferdi . — 2846 menigi? | (Fragezeichen) — 2852
that (das erste t grösser) — 2853 mikil | (kil sc/^int nachträglich, aber
von derselben Hand hinzugesetzt) — 2865 S. 42a unten abgeschnitten. —
2866 Het — 2867 | thar — 2869 that (das erste t grösser) — 2874
tho — 2879 gehui (Loch) likef . — 2881 Nuhefulic — 2882 alle . gi-
uiiard I — 2884 Niuuaf — 2888 | Nidedin — 2891 bethiu — theroh
(e rad., aus den Besten u gemacht; o rad.) — 2893 Namon | Ni —
2904 Ni — 2906 tho letun fie fuide an ftrom — 2910 Ncbu | lo —
Nathidun — 2912 Ncriendo — 2913 uuarode | (de später v, ders. Hd.
zugesetzt) — Tho — 2921 Nimahte — 2928 Ne — 2929 Ik — 2930
fee . fcal — 2931 mundon . — meri ftrom . — 2933 Niuuelde — 2934 uuiti;
— 2936 mi . thaN — tethi . — 2939 gangan | (das zweite n aus m rad.) —
he — 2943 andradex . diap | uuater . — 2950 thiodo — 2952 huat
— 2957 ine || (e könnte aus o corr. sein) — 2965 Tho — 2975 eli-
thioda — 2978 Imu — 2986 cunnies. — 2987 helagna. — 2989
atendi. (t aus Anfang von n corr.) — 3005 nc | — 3019 Ruat (h
grösser) — 3025 mikilif — 3029 That — 3037 gerno (e mit Ra.^.
aus o) geuunoduN . (e ohne Ras. aus o) — 3043 Sum — 3045 Sum
— 3047 Alle — 3049 uuordun . giuu . — 3062 quad . he — Nimahtef
— 3063 Ne — 3064 | Acdede — 3066 diurlico — 3069 peter . —
stone. — 3071 I Ni — 3075 Thu — 3079 So huene fo | — 3088
iNnan — 3091 craft . fan . — 3097 Nif — 3101 huat | — 3105 thea-
Nimotun — 3122 Berhtlic — 3131 thar — 3134 So — 3144 uuol |
Ni«derd«ataohea J»hrbiioh XXL A
50
can . fken . — 3150 | themu — 3151 ThoNimahtuNthea | — 3157
Niandredin — 3170 uueroldi fopita. Lux | (nicht am Rande) — 3177
thef — 3181 he . II S. 47« unten abgeschnitten, — 3184 thar — 3186 Re
— 3198 giuuaro . uualdand crift. j Imu Kimahte — 3200 gehuilikef
(k aus c corr,) — fiet — 3206 max | ne . — 3218 fculdi . en | di
fcattof . — 3219 NÜcal — 3220 m — 3226 rad . j faga . — 3230
if . fundea j — 3233 j Odo — 3236 Neuuili . — 3244 drohtin (n rad.,
aber noch bu erkennen) — 3245 || Seal — 3248 angegin . — 3250 j Ik
— to (o aus angefangenem h rad.) — 3254 hiuuifkef | (ifkef scheint ton
alter Hd. nachgeschr,) — 3255 nu — uue fen — 3263 Nif— 3271 nc --
3272 ne | nidin . ne hatul — 3275 than — 3276 himil | rikeaf .
(über und unter a Punkte der oberste wieder ausgekratzt^ der unterste
angekratzt) — 3277 | fprak (nach a ein falsch angesetzter Strich rad.)
— 3279 Ni — 3284 | thu Thu that — wimeN . — 3285 farcopicN . j (e>
könnte von älter Hd. später nachgeschr, sein) — 3293 uuende (das erste u
grösser) — 3297 iungarun . geginuuardun . — 3298 unodi . — 3291*
man | olbundeon — 3303 giuuendid . as | thene uuerold fcat . — 3304
Modgithahti . — 3307 uimeN | — 3309 egan | endi . erbi — 3311
huat (h grösser) — 3312 telone? (Fragezeichen) — 3319 dadiuN .
(iuN könnte nachgetragen sein) — 3321 minamin | nea (e ai^ i ctny.)
— 3325 euuig. lif . — 3327 quad (q grösser) — 3334 thaN (t grösser) —
3340 Nimofte — 3341 Ne — 3346 Niquam — 3356 uuihti . (ti lig,) —
3357 fuarton (rt lig.) — 3359 tbanen | — 3367 | Sendi — 3368 gefforea
(das erste eausicorr,^ das zweite {rad.^ das erste mit o unten durch Haken
verbunden) — 3370 nu if | — 3374 if . mi . nu (u aus d rad.) —
3377 huat — 3379 uuiti — 3383 Ni | mag — 3384 It — 3385 Nimag
— 3392 Sie — 3393 Ik — 3399 ef — 3403 | Niuuilliad — 3404
Nihoriad — 3409 uuordoN . (das zweite o aus u rad, u. corr.) —
3412 I Quad — 3414 thef (h a. Ras.) — 3491 teNonu — 3493 ge-
frodot I (ot v. ders. Hd. am Rande nachgeschr.) — 3497 Nimag —
3498 dadi . — gefrumide . — 3500 hludo . — 3501 mahtigne . — uuerde .
Ni — 3502 fo — 3503 far uuernieN . — finef . | - 3508 gibid. he — 3512
I Nam — 3513 fülle . (11 a. Ras.) — froiaN . — 3515 | folate uuerdCan ^
— 3520 thef Ni | — 3522 thar — 3525 thar — 3529 endi . — 3530 Sie —
3531 Ik — 3535 si — 3543 uueldun . — hierufalem — 3548 (thero meni
gi thar faten j tuenie (über thero meni ist pvaa geschmiert) — 35r><
frah modhugi . — 3568 Niuueldun — 3570 Heleand — 3572 liftiun .
üo — 3573 uuilliad | (liad könnte von alter Hand nachgeschrieben seiri}
— 3584 S. 52a unten abgeschnitten. — 3585 Geuuitun — mid . imu . —
3596 Ac — te Nah . — 3605 antheru — bethiu — 3607 huand . fiu .
ine . ni . antkiendun . craftagne (c aus i corr.^ t a. Ras.) god . — 3611
Satun — 3613 Siu . Ni . mähte — 3618 antkennieN . uuel — 862"
huggieN . endihorien — heliandef . — 3623 lahuat — 3624 labe huiu
— 3626 Thiu | — 3628 gehuilikef duod . oder | uueder . — 36.S7
gifahin . ßnfconi — 3639 tho (t grösser) — 3641 fatun . anfundiun —
3642 affobuN | (buN nachgetragen) — 3645 tho — 3649 fie — 365:5
Open — 3658 imeridun . — 3659 Sodot — 3661 fidur . — 3663 seuuituu
— 3665 Sodod — Noh — 3667 geliuhte . mid if lerun . — 3671 wahide
Neriendo — 3672 quam | — 3674 Antfengun — 3679 theru | nachgetr.
— huarf — 3680 | loffang . hof . — 3686 thset (die e-ScMeife rad.)
— 3695 thaN — 3696 Lediad — managse . to . — 3697 ordof .
endieggia | — 3700 felliad . folduN . Niafftad — 3705 m \ — uuifadd
(das erste d aus n corr.^ das Mweüe ausrad.) — 3706 imu — 3712
Thiu — 3722 tho (t grösser) — 3726 | »i — 3728 Nimotin — 3734
geng . — huf . I — 3739 that — 3740 | Dref — 3746 uuehlf (unten
gwischen 1 u. f steht a; dieses, sowie If sind rad.) — 3749 fo — 3756
uuerode . huand . — 3758 fora (o ist an a angelehnt^ dessen Schleife
noch dasteht) — 3762 godu uuebbiu — 3763 that — 3769 /- brahti
I geba . — 3773 uuidouua | (uua könnte v. alter Hd. nachgetragen sein)
— 3776 Bethiuü (n rad.) — 3778 thef — 3782 ftod — 3783 / uuord
/ godan /. fuotea (das letete a au^ Anfang von f corr,) — 3802 Nif —
3804 I Neuo — 3806 Nimag — 3813 if — 3817 | Nifcal — 3823
Uuaf — 3828 rumuburg . the | allef — 3829 geuuald . — 3834 m \
— 3837 uuar | dode . — 3840 SieNiuueldun — 3850 menegi . —
8854 HU — 3855 faga — 3857 Ef — 3860 Ef — 3863 uueldun
(das erste u grösser) — 3867 | Tho — 3872 Nimahte — 3875
üiuuaf — 3877 ftandcN (offenes a aus u corr.) — 3881 | the (e a.
Ras.) — 3882 theru — 3888 uundrun? | (Frageeeichen) — 3889
niomaN | (n scheint nachgeschrieben) — 3892 neo uuiht . quad he . —
3896 thaH — 3900 habdun — 3905 habdun (d aus b corr.) —
3908 heanmiddicN — 3922 es stand hebencung (gleich beim Schreiben
durch Verwandlung des g in i und den ersten Strich von n ist dar-
aus cuning . gemacht) — 3928 gelmode . | iudeon — 3930 fram-
modaga | — 3933 leriand . | — fie . kumad — 3935 Nif — 3936 Nio
— 3938 kumid . — crafte . that | — 3941 nach ftedi Ras.^ von a,
tcie es scheint — 3943 Niforhtodin — 3945 Nuuuilliad gimi — 4017
frubreaN . (o scheint jünger) — 4028 mo : karag (Ras. eines Anfangs
von k) — 4032 Nidorfti — 4041 | Ik — 4054 bediu (e aus i corr.)
— 4056 lif (f aus Anfang von 1 corr.) — 4057 Thoh — 4058 Nif —
4059 flefk . if biuoIheNthat . ferah if | gihalden . — 4061 thu (u aus
Anfang von e corr.) — 4065 idifiu . quam | — 4067 tho — 4069
Rofnu (h grösser) — 4073 | fpracun het (cun rad.., h auf den letzten
Strich des radierten n geschr.) — 4075 lag | — 4079 marrha (rx lig.)
— 4090 tho — 4092 gihorif. | quad he — 4093 figidrohtin . felboik
— 4094 Ac — 4098 la — 4100 beuundeN (b ist ursprünglich^ daran
ist corr., es scheint ein i herangeschrieben eu sein) — 4101 het | —
4103 uuanu — 4107 m \ — 4108 gefueft | — 4119 gihuor | hex .
hugifkefti . — 4122 Niuueldun — 4124 uunnun . mid iro | uuordun .
— 4129 im I kriftef — 4140 than — 4142 | thax — 4144 gierod | —
4166 That — 4174 githoloiaN . — 4178 muuaf | — 4179 Ke (h
grösser) muuelde — 4182 torohteon. || tidio . — 4189 te b&ha | nia
brahtmu . thiu mikilun . — 4195 Imuall — 4197 NimotuN . | — 4203
bed — 4206 martha (rt verschlungen) — . 4207 thiodo — 4211 or-
lobu . godu . I — 4213 ford . mid thiu folcu — 4216 uuarodun . — 4217
52
tliieNiuuelclun — 4218 | xite — 4219 NihabduN | — 4222 farfengu>-
(uN nachgetr,?) — 4224 Ac | — 4225 antlangandag . (vor d «^ a
überg.) — 4227 ine (nach e Bas., toie es scheinty von angefangnm ri
— 4231 uuaf — 4233 felidun (li aus d rad. u. corr.) — 4237 oliiiü
biNamoN . | thar — 4238 Neriendeo — 4240 uuifle . | ti uuarun . —
4241 So — 4246 thar . — 4250 diurida . antfahcN . — 4251 fagde
— 4252 I fiet (h grösser) — 4254 NimaN . — 4255 hertan . (rt ter-
sddungen) — 4260 Ja — 4265 Niuueldun — 4266 moftux | (u su
offnem a corr.) — 4268 | m — 4272 lac — 4275 gumon . — 429:
lac — 4298 Nimag — 4300 | weit — 4309 | er he — 4311 lac -
3ifaerkad | — 4314 Biuod — 4319 uuerold . alla . — 4325 uuirdid
(das erste u grosser) — 4329 uimi& ( grot — 4330 hungar . hetigrim
— 4331 Nif I — 4332uuiteo . anthefaru uueroldi . — 4337 Himilcraftei
— 4338 drohtinef . mid if | diuridun . — 4340 thanlie — 4346 Nimot .
— 4347 gefullid . | f o — 4352 gi a. Ras. — 4355 fora — 43«!
lazto . — I liohtef — Niuuitun . — 4366 So — 4374 Sofarungo —
kumex . fo uuard er . — 4377 | bethiu — 4383 ThaN | — 4390 So
— 4392 gi . — thea thar — 4394 Xu — 4401 giuuarun — 4404
bethuimgana (das letzte a rad.) — thefaru (a aus u corr.) — 4406 huat
— 4409 Namon . — 4410 godef far gabun (UmsteUungseeichen über
o und a) — 4413 | minaNn (das Utete n rad.) — 4415 be thiu —
4418 maNnun . — fculin . — ant | gelden . — 4420 forflocaane (ios^
letzte o aus a rad. u. corr.^ das letzte a rad.) — über euuig. ist Ras.
— 4423 fiuand (h grösser) — Nihulpun — 4425 geng . iamer mod.
— 4426 thaNik — 4428 xiuueldungi — 4429 Niuuaf — 4433
huan — 4434 huat — gebun (b a. Eos. von p) — 4436 than (t
grösser) — 4439 igi (das erste i rad.) — 4440 i^iuuer | nidun —
bethiuNiuuili — 4441 gianthat — 4452 uuid godefriki . auf rauhm
Perg. — 4457 fiuat (h grösser) — 4460 uuerof (das erste u a. Eas.i
— thef — 4466 uurdun — 4469 | craftag (cra rad.^ doch noch lesbar,
— 4470 fie 1—4472 Nifcoldin . — 4475 farftandeN . || mid ftridu . -
4476 frefon . — 4477 xi — 4484 ef — 4498 meron (e aus Schkifr
von a corr.) — 4502 tho — 4506 foti . mid folmuN . — 4516 thuit
grösser) — 4517 godo . — hando . — 4518 thua | hanne . — moti-
— 4525 fridubarn — 4526 Geng — 4528 mahtigne — 4543 thar
— 4544 thar — uuif^kumo . | (Haken alt) — 4548 Niuuaf — 454'
thar — uuard — 4553 eo . endi ald fidu — 4560 grotte — | Ik -
4563 delien (das erste e aus i corr.) — 4564 Nimot . — 4568 uuiti
— uunder quäle . | — 4575 ac (a offen^ aus c corr.) — 4580 that -
4583 uuet (das erste u im ersten Striche aus 1 corr. ohne Bas.) —
4585 than — nimid . (n aus r corr.) — 4590 thea — 4596 .segi-
dorftuN . — 4598 Negidorfte — felbo (b aus u corr.) — 4607 uf -
4614 mofef . — mannun . — 4615 iudafe (u aus d rad.) — 4617 faran
— frumi — 4619 thiu — 4626 foifthemu — 4627 himile . fcal — 4li3i'
uuaf — 4631 funudrohtinef — 4638 githef | liohto . — 4640 driNkan.
(der erste Strich des n zu lang geraten) thit — 4643 ^ihuggeat -—
4647 habbad (über dem zweiten a ist i überg.) — 4650 max . j —
63
middil gard . — minnea . giduan . — 4651 5ehuggiad — 4655 irmin-
thiod (r aus n corr.) — 4656 gifind — 4660 fimlun — 4661 | Ik —
4662 Nimugi — 4663 Ik — 4664 Negiftodi . — 4667 gi — 4668
luuuef — 4670 maNnuN . | — 4741 coftondero craft . farftodi — 4743
Nimahti — 4744 lak — 4750 If — 4753 barne . the | geft . — 4756
Niuuelde — 4757 acdrobde . — dode . — 4760 uualdand . — uuor-
dun . — 4761 Nefi — 4766 NÜeh — 4778 thiu — 4780 nü — 4784
uuilleeN (das erste e aus i corr., das zweite durch Punkt darunter ge-
fügt, a darüber geschr,) — 4785 hebbiad | — 4786 imu . — thancN .
— 4789 jodef — 4791 he — 4792 ford . | an flite. — 4793 nimag
(ni aus m corr. ohne Ras,) — 4798 geng — 4801 er . dede . — 4804
GeNg — 4815 thea — 4818 Nifarfen | ginthar . — 4821 thene —
4841 foniutlico (das eweUe i a. Ras.) — 4849 fagdse (se alt) — 4853
uuider uuardef . that uuerod — 4854 Uuarun — 4858 ftoduN —
4867 henimahte. — 4871 wiauaf — 4872 bloth . ax if breoftun . | —
bil (darnach scheint li rad.) — 4878 | hlear . endiore . — 4881 | thoftod
— 4888 engil . herod — 4890 | Niftodi — 4892 ac (a grösser) —
4895 Nifculun — 4896 hue (h aus b rad.) — 4899 üui — | NifculuN .
— 4908 thaN — 4909 diurlic . || — 4920 Ac — 4923 Nebifprak . —
4929 geng — 4931 uuarun — thea (a offen, aus i corr.) — diurioN
I tho gefuikane . — 4936 Nimahtun — 4943 thar — 4947 uuaf —
4949 hof . innaN — 4951 mlet — 4954 thar — 4961 Nibikonfti . —
4962 Nithef | — Niuuari . — 4965 huarabondi | Geng — 4968 iuuaan
(das erste a rad,) — 4971 nid huata . (h aus erstem Striche eines u
corr,) — 4974 uuifoN (o aus u corr., n später zugesttet) — 4975
Niuuelda — 4979 ge marcode . — 4980 far uuardot . anthefaru uue-
roldi . I — 4986 uueldi — 5005 hertcara . (rt verschlungen) — 5006
HeNiuuande — mahti . — uuiht . — 5007 firinuuerk . furdur . — 5013
ef — 5016 liohtequam . (e aus q rad.) — 5020 nu — 5027 fne thegno
(fne rad.) — 5028 It — 5029 fie (h grösser) — 5031 hullike (langes
I) craft . habet — 5039 mikilun biderbi — 5041 gesuikid . —
sundeo . — 5046 Nifcoldi — 5049 Nifterkit. | — 5051 | huurbun —
managa (über ga Ras.) — 5056 manag — 5058 uuard (das erste u
grösser) — 5061 uuredef (das erste u grösser) — gengun — 5067
Nimahtun — 5072 tellicN . an . — 5078 sifprak — 5083 lac —
5084 Namon . — 5087 uui (das erste u grösser) Nimugun — 5088
Neanthinun uuorduN . wian — uuerkun . — 5091 thef m | — Niuuilliad
— 5092 Nifind — 5102 that — 5104 huat — 5106 uuordun? |
(Fragezeichen) — 5108 Vuitief — 5117 | ftod — 5120 »ibalg —
5124 I thar — 5125 thar — 5132 uuarlofe — 5138 Niuueldun —
5140 II themu d(a)ge(derbief) u(uiht) ad(e)Iie(n ne)g(ihor)din . —
5154 thiod (t grösser) — 5158 huat — uf? (Fragezeichen) — 5162
Negidorfte — 5163 For — 5174 fr(ummi)a (nuue)l(din T)h(otha)r | —
5178 Niuueldun — 5182 be — 5184 gileftid . Niga j uin . — 5186
he — 5188 I Ni — 5197 iuuuaro (o aus u corr.) — 5189 Nimoftin .
— 5199 anthe helagon tid | — 5200 uuerdcN . mid uuapnun — 5204
Nahor — 5207 fpri | kif . quad he . — 5212 Nigadoling | — 5215
64
huat — 5227 that — (dies Blatt ist an der rechten Seite beschnitten)
— 5240 begunni . angalileo lande . | — 5241 heroduuardef . thanex .
hugi (h grösser) — 5255 he — 5260 Namin . — 5969 fan (a unsicher)
— 5971 gode . ledda fie . ut thanan. — 5983 uualdandef — Von
den 4 Schlusszeilen ist nichts zu lesen^ die untere Hälfte der Seite ist
abgeschuitten^ die Rückseite leer.
3. Das Prager Brnehstfiek (Facs. bei Gallee).
Die N sind sämtlich niedrig. Ich notiere nur, warin ich ettms
zu Lambels Texte zu bemerken habe.
Erste Seite: Z. 1. Das ; nach lera ist viel jünger. — Z, 2
lang noch erkennbar; nur der obere Teil von 1 fehlt — afta deutlich,
von r noch der Schaft erhalten, das Häkchen durch das folgende Loch
vernichtet — ein zweites Loch ist zwischen Z, 1 u. 2 von fan bis giu.
und nimmt zum Teil die Schrift fort. Einige Buchstabenreste (nament-
lich lilea und ue) sind durch Reagentien verdorben. Zu erkennen ist
noch fan ga : : : : agiu (vom zweiten u noch der erste Strich) : t jodaf
(5(>daf füUt nicht ganz die Zeile, oben Niuua und unten fuokeair geU
etwa um 3 Buchstaben darüber hinaus; indessen ist nichts weggefallen)
— Z, 3 dioilic (d grösser) — Z. 4 Uiiaf (U etwas verdorben^ vorn
ausgerückt) im (abgeschabt, aber lesbar) — all (sl grösser) — Z.5£o — Z, 6
nach if scheint ein Punkt zu stehn — thar (t grösser) — Z. 7 allan (das
erste a grösser) — Z. 6 liodi (das zweite i verdorben, aber deutlich) —
dopta (d grösser) — nach diorlico scheint ein Punkt zu stehn — Z.9
fioldaN (h grösser) — nach herraN scheint ein Punkt zu stehn —
Z. 10 thef (t grösser) — Von Z. 11 ab wird es undeutlich — Z. 11
mid (d sicher) darüber steht . im thuo , Idein übergeschrieben, ist ziau
durch einen Bruch im Pergament verdorben, doch noch gut lesbar —
uuorduN t : o (vor diesem o noch der erste Strich des u erkennbar.
der nicht krumm ist; im hätte gar nicht dastehn können) ku (untere
ein kleines Loch) — thu te noch erkennbar, dann eine Lücke, too iii:
gestanden haben könnte, dann wa | — Z. 12 drohtiir (ün undeutlich}
fronÜN thiod (t grösser) gumo : o (eher n als n) bez : : (von z tiocA
eine charakteristische Spur sichtbar, darnach Raum für zwei Buchstaben}
— Z. 13 fo fco verdorben, aber lesbar — h : : Nd (von u nach h tim
eine Spur, h grösser) thu b : ft allaro | (das zweite a unsicher, o auf Bruch:
— Z. 14 kuningo (k scheint mir sicher, wegen der charakteristische
Strichkreuzung) craftagoft . (noch ganz gesehen; der Punkt v. j. Hd.,
oder ein Fleck?) — felbo (Strich noch erkennbar; nach o ein Fled:*
: ibod (g durch Fleck vernichtet) U:aldand (letzte d unklar) — Z. li
u:ar lico (vom ersten u und von a nur Spuren) tha : : : : nI fpraki
(von p Spuren ; i unsicher) th : : : (von t w. h nur l^mren) : : : rd :
: : : n : : r — Z 16 Uueft (U auf den Band ausgerückt) — that (das
zweite t tioch erkennbar trotz eines kleinen Loches) — nach gerilitl
oben zwei kleine Löcher — quad (d sicher, einen Strich habe ich nicht
bemerkt) — allaro (o unsicher). — V. Z. 17 ab deutlicher: gehuilic .
55
(e deutlich) — ax (a grösser) — Z. 18 nach uuilleaN das ; viel
jünger — 3iohannef — dopta (d grösser) allaN dag | (axda verdorben)
Z. 19 uuatara. : »di (i unsicher) — Z. 20 fierraN (fi grösser) heba^-
kuüing handuN (u sicher^ der Schein des o ist durch Schmutz hervor-
gerufen) — Z, 21 finum . aN (a grösser) — Z, 22 aN (a grösser) —
Z, 22 upp (beide p sicher) — fagar (f grösser) — fluoda fridu (a
sicher, das letzte u noch lesbar). —
Zweite Seite: Z. 1 ; nach uuard jünger — Z. 2^ (von So) ist
rundliches S wie V. 994 in giohannes — von d nur der untere Teü
erhalten — thu (von u der cbere Teil durch das Loch vernichtet; von
i vor d und vor laf nur die unteren Teile als Punkte erhalten) — nach
laf scheint ein Punkt von jüngerer Hand zu stehen — Z, 3 fon (f
grösser) — Z. 4 im (m im zweiten und dritten Strich beschädigt) —
die Glosse gitalaf gut geschrieben von derselben Hand — Z, 5 diur-
licaro (d grösser) — Z, 0 ahflo . (n von alter Hand) — uualdan —
Z. 7 filud (fi grösser) — Z. 9 nach gicoranaN scheint ein jüngerer
Punkt zu stehen — Z 10 felbo (f grösser) — thiefuno | — Z, 16 ;
nach alouualdand ist jünger — Z. 17 uuefaN (das erste u grösser) —
Z, 18 drohtinaf (d grösser) — Z, 19 uuerof (das erste u grösser) —
fohuar . (Punkt jünger) — Z, 20 thana (t grösser) — Z, 23 diorlic
(d grösser).
Die Hds. trägt die Bezeichnung XYI D 42 und liegt jetzt in
einer Mappe. Die Masse entsprechen genau Lanibels Facsimüe. Der
Bibliothehsstempel steht auf der zweiten Seite links von Z. 13 u. 14.
Das Blatt ist durch Wasser und an einigen Stellen auch durch Be-
agentien verdorben.
4. Die Yatikanisclie Handschrift
a. Heliand 1297—1358.
beginnt Seite 27r^ Z, 16; 1279 Nahor — 1283 Niüd. — 1286 [eLÜmderÄccent
scheint zu i zu gehören. — 1293antl6c. — 1302 od. | muödi. (d etwas ver-
wischt) — 1305 muotun. — 1 307 muotun — gebidan. (Accent geht durch den
Anfang eines irrig angesetzten d-Schaftes) — 1308 | fäligafindök (das
erste f grösser) — 1309 aduomean — 1310 es stand zuerst bidriegan.
(aus d wurde k, aus ri das n corr.) — 1311 Neuuilleat — 1319
xeätan — 1324 Nikumit. — 1326 thar (ich hcdte, was über a steht^
nicht für Accent ^ die Photographie führt irre) — 1328 uuili. (das
zweite i etwas verwischt) — 1333 all (a grösser) — 1335 g in godaf
mir deutlich — 1337 aftarthelun (über dem zweiten t Ansatz eines
zu früh angefangenen h) — 1340 fpraka (nur das letzte a unsicher) —
1344 garo (Accent deutlich, nur etwas verwischt) — 1347 VmvRt (das
letzte i verloschen^ aber noch deutlich) — 1348 gibidig . — 1350
Narouuora — 1353 nc — 1355 ich konnte nur thann | erkennen; die
Photographie zeigt das e allerdings deutlich — i in kumit. abgekratzt^
nicht absichtlich.
56
b. G e n e 8 i s. i
1 Das erste ü in Uuela ist überklebt, — vor habaf Bas, ton l
— (oben steht ela that thu nu eua ha) — 2 nu — | fuai-ton (fu überlleU,
aber erkennbar) — 5 gelihc. (der Accent geht durch 1) — 10 fida v\
noch deutlich erkennbar; darnach Reste eines Buchstaben r? z?) — 12 1
hungar. endi thruft. — thuingit (über thuing Basur; ich lese mir|
giemlich sicher) — 13 uüit (der Accent könnte auch ein Best früherer. \
jetet radierter Schrift sein)^ — 14 nu (u durch Beschädigung des Perl
gamentes verletzt) — eftou — an (unter dem eioeüen Striche des n
ein Punkt) — | uuit (das erste u noch überklebt) — liatlia (der AcoM ,
geht durch den Schaft des h) — uuefan p) (vgl. F. 153) — 16 nortlm,
(d war durchstrichen, der Strich dann rad.) — 17 kumit (k ist über-
klebt) — 19 h&o — 22 nefk : : : a | ne (von n nur der zweite Sind
sichtbar) fcura . — nach liier Bas. von zwei Buchst. — 24 | tehui it
überklebt) — uuit . — 25 heban rikean — 26 uualdand al : : : : :.
Von der letzten Zeile sind nur Beste hoher Buchstaben eu sehen. —
30 legar bedd . (r in Bas.) — 31 thuo frak (über r steht p mit Punli
darüber u. darunter) — 32 Uualdand | — 34 | tho — 35 habda (Struk
durch d rad.) — 36 uuaffo | sicher — 40 uuande — 42 thuo | —
45 blodig (b aus p rad.) — 51 tedroh tina (t ganz deutlich) — öj
thuo — 56 garoo . — 57 That — 58 foik | — hugi . quadbebenin
— 59 fluog (1 auf ursprüngliches u geschrieben) — 60 nuuuet | —
62 fomi — fuidaron (r etwas verwischt, o verschmilzt mit dem ersten Strich'
von m, über dem letzten Striche des m ein Punkt) — 66 es steht tiunou'
(es kann kein offenes a sein) — 69 thuo — 70 Hebanef — hier-
fcalt — 71 libbian . — thoh — 72 f&eaN (vor e ist t mit Pmh
davor überg.) — 74 nifif.; — 75 Flutik — 77 For huatan — furthur
(es war erst geschrieben furd, dann machte der Schreiber d zu tl
(wobei der Querstrich des d im Schafte des h blieb) und setzte ur da£U}
— 78 vuallandirt& — 79 anelli. — 81 foroga — 87 thuo — 88ferag.;-'
89 lac (vgl. V. 134) — 90 es stand fordade, afis a wurde e gemacht (a*
und e wurde durch Punkt darüber und darunter getilgt und a afigeUhu'
— dl es stand thoh noh, das zweite h durch Punkt darüber getihf-
Über dem ersten o ein u nachgetragen — 92 aledid — 93 | thuo \li
durch Punkt darüber und darunter getilgt) — 94 Niudlico — afluf i^
sieht aus als wäre es auf a geschrieben) — 95 thef — 96 herta; —
100 thian . tholodun . — 102 buotta.; — 103 That (t grösser) —
104 exdi — 106 fpuodda — 107 | drohtin; | — 108 (S, lOv Z. VJ)
that im (t grösser; that schon eimnal verwischt links am Bande) —
110 vor endi war ein Strich^ als sollte u geschrieben werden^ dann das^
C'Häkchen oben daran gesetzt; über hu (in hugi) ist hu rad.^ wie €6
scheint — 111 gang . heuuaf . — 114 fiie (h grösser) — 115 huldi .
gumun. — 116 menn . — 118 uuel ; — 121 Niuueldun — 123 Üuohfunim —
124 I bigunnun— 128 gifcuop; | — 131 mikil; — 132 thie — 133 middil
gard; — 134 That Ina — 135 libbendiaN — 136 Ac — 137 Endi— 13>
feN'di I — 140 thann — thie (es stand erst d, dann wurde beim
67
Schreiben th daraus corr.^ wobei der Querstrich stehen blieb) — 141
That — 142 uuerod (Strich durch d rad.) — hemid . uuapunufcal
(das vorletzte u durch Punkt darüber getilgt) — 143 enocha . te banon |
— 146 eggiun; — 147 Uuirthit — 148 folk — gihroroban; — 149
Tegodaf — 150 | eNdifted — thit (it aus e corr.) — gifuNd; — 153
dribun .) | — 154 Fremidun — 159 thuo (t grösser) — 161 uühi
ftedi (der Accent geht durch h, er ist unterscheidend) — 162 endifcol |
da : (Ras,^ von n?) — 163 thiebezto; — 164 antkenda (das zweite a
offen) — 165 Gengim — 167 muofti; — 171 uühit . (s. 161)— 172
ftod; — 173 en diik gibi (nach n ein Schaft von fälsch angesetztem d^
über dem vorletzten i steht lo) — 175 uuilleaf; — 177 niuuilli —
thimithan . | (der Accent geht durch den Schaft des h) — 180 | nu —
182 nu — 183 I mann. — 184 tlianna — 186 fuebab (das zweite b
unterpunktiert, 1 über a geschr.) — 188 menda dige (das erste e von
andrer Form; vgl. V. 218) — 193 hauaf. (f durch ein Loch beschädigt)
— 194 manna (das zweite a scheint zu o rad.) — 198 romef — rhtaef (t
aus e durch Ras, u. Corr,) — 199 fothu — 203 Ef — 205 ftandax; | —
206 anduuor di ; — 207 Ik — 210 aldanuille ; — 212 ford (Strich
durch d rad,) — fradcgoda (d und Anfang des a durch Punkte dar-
unter getilgt) — finan ; — 214 Efthuthar — 218 gifadda . | (das erste
d durch Punkt darüber getilgt und g unter d geschr,) — hie (e wie
V. 188) — 219 leftian . — ef — 220 fidaN — 221 godforotha |
(das letzte o aus Anfang von r corr.) — 223 uuefaN . | — 224 agal&-
lico — 225 gifprac ; — 226 biddean . — 228 uuiderthi . midiminü
uiiordü . ikuu& — 234 Ef — 235 undthemo | — 238 buan . anthe
burugiü I — 241 the land | de (das erste d oben verwischt) — noh */.
— 243 dorfte . — 246 gereuuedi (das letzte e wie 188) — endigode
(tmter g ein Punkt) — 247 giuu& — 250 feahi& — 260 adalburdig
(der Strich durch 1 geht auch durch b) — 261 loth midthemliudiü |
— 2()3 uuirdig ; | — 264 abrahamaf — adain knolaf (die erste Hälfte
des ersten n verloschen) — 265 b&araman (das erste a aus u corr.) —
266 giordanaf — 267 giuuerrid. | (das erste r getilgt) mid geuuittio .
— 275 lokoian ; — 276 he (e wie 218) — 279 far liuuen . — 280 Ac
— 281 unten auf der Mitte der Seite ein Stern und rechts eine Ver-
zierung. — 282 thar — 284 fia — 285 fuodaf. | gifagda . fuart —
286 fkion . nahida . moragan ; — 287 Anallara (das vorletzte a offen)
— 288 tho — 290 | tho — 293 hi&un tho . gangan . thanan . — 294
tiundü . — 295 adalborana . he — habdathar . — hadaliaf . (nach i
ein Punkt wie von einem falsch angesetzten a) — 296 midthe gi&un fie
(darnach Bas. eines Buchst,) — 298 tho — 303 Hi&un — gehlunn .
mikilbrakon — 305 uüeldix . — 307 engi . (Schnitt) lof gengUN . |
fniumo . — 308 tefodo mo — 309 loth . — 310 | dag . kuman. —
311 thar mit Punkten überg, — 316 bred. burugugif&u . bran | — 317 ften.
— 318 Suultim — 320 that — 323 thegnigenaf . ; — 325 thuo — 326
allfodomo thiod — 327 Botan — 328 endithiu . uuif mid | imthriu .
— tho — 332 leftftian (das erste ft rad.) — lohthaf — 334 bifach ;
— 337 EXPL. —
58
5. Die angelsächsisclie Genesis (V. 235 ff.)
237 hni5on — 238 tojenef . (das erste e aus a corr. mit Eas.)
— 240 h}?8erf*) — 241 ftodf — 244 heo — 245 der Ecst der Seife 13
wird von einem Bilde eingenommen. — 248 tene (das erste e durch \
Punkt darunter getilgt^ y überg.) — 250 him (i durch Punkt darunter
getilgt, eo überg.) — 252 jefett — 254 hehftne (f a. Bas.) — haefdt I
— 256 löf — 258 J)on | lete (das erste e aus ae rad.) — 259 helfende
(vor p ist a mit Einschaltungshäkchen überg.) — üphebban. | (vor h
ist a ebenso überg.) — 260 paldend . (vor a ist e ebenso überg.) —
))& I — 261 ure . (e durch Punkt darunter getilgt^ v darüber geschr.)
— }?eor8an . (eo durch je einen Punkt darunter getilgt^ y überg.) —
262 enjyl . onjan — 265 hJ^seB (der Schaft des h rad.^ aus dem
rechten Teile ist c corr,) — lic J?8ere . leoht — 266 ne — 2G7 br
nach |) mit Häkchen überg. — 271 feala — 274 heah:run (vor r Ras.
von o) — 278 h}?8et | — nif — 282 | h}?y — 284 biz ftanbaB me .
ftranje jeneataf . — ftriße . gef)?icaii . — 285 h8elej)af (1 aus b rad,)
hearb | inobe . hie habbaS me . — 289 f J?a — 291 len3. | — 292 Jia — 2H3
micel! — 299 J)ä— 301 hete — 302 nach him ist 3 rad, — 304 ac)>aee — 30JJ
fe I — feollon (n aus (rad.) — 309 forJ)on — 313 J)a3r — 316 cald . fyiublt^
— 319 fiße, fylde — 320 heoldon — 322 la3on | — 324 Rest von
S. 17 ein Bild, — 325 Brand (B Initial) — 326 J)yftro. (o aus e corr.)
— 328 al}?aldan . (e nach }p mit Häkchen überg.) — 334 fynd | —
335 }?ita, ünrim . — 336 | heora (0 aus r corr.) — 338 J)a — 33'>
heofne . (das zweite e ^m o corr., darüber n geschr.) — 345 futaa
fiBBan .' — helle .' — 346 | }?innan ; (das erste n a%^ 0 corr.) — 34T
Satan — 350 heofne . (das zweite q eu o corr.^ n überg.; vgl. V. 3o'Jt
— 352 J?olbe ! — 353 J?eoIlhim | on innan' — 355 he|)aJ?orbe — 3oti
if |)8ef (die linke Schleife von ae rad) a3n3a (vor 3 ist i mit Häkchen
überg.) ftybe . | — 359 al}?alban (nach ]> ist e mü Häkchen überg,) —
360 nsefS — 361 befiel | leb . (über i ist y geschr.) — 364 J>me —
366 ftronzlican.' | — 368 }?alä — 371 äc — iren benba (über a i<
f mit Häkchen überg.) — 373 habbafi — hearbe.' — 377 me — 3>-
licgaB me ymbe . (das letzte e rad., utan v. j. Hd. überg.) — 885 ff^a
— 388 zej^ealb. Vir.- | 3 Z. leer \\ S. 20 ein Bild || — 391 fpa — 31»S
)?ita (a aurch Bas. aus e gemacht) — nema3on — 395 hehi^effS —
3emeärcob . anne | mibban3earb . — 397 J?e — 401 Ne3elyfe — nu .
— furSor . — I him (i zu e corr.^ dieses und der erste Strich des n.
durch je einen Punkt darunter getilgt, eo mit Häkchen Oberg.) —
neotan . (e au^ i corr.) — 403 30 | bef . mob on }?8ecen . uton —
nü . — 404 3e | bon p — 405 |)onne — 406 hylbo ! — 408 beara .
on I — clomme . onginnaB — 409 3if li — 410 for 5eafe ! | — 411
fseton ! — 412 tib.' — 417 feBer homan . (die linke Schleife von ae rarf, •
— 421 nu — 423 heofon ri | ce .' — 425 {> — on mobe ! minum — 427
3if — 430 5if — 431 3e3ar{>ob . (vor a ist e mit Häkchen überg. j
*) Mit dem Zeichen p ist im Folgenden das angelsächsische w bezeichnet.
59
m
— 432 hycsaß — 433 fißßan — 435 Se — 438 Sittan — 444 füll
(das atceüe 1 t^^ mit andrer Dinte dazu gesetst, nicht ausgekratzt) —
446 /. }?ora (am Rande mit Verweisungszeichen /. lj?raj)ra }?orba) —
)?anb — 449 t}?a. — 453 he pajeferebe. (das vorletzte e rad,) —
feonbef craeft. — 454 äbäm — 458 felf — 459 metot — 460
twejen .' (das zweite e aus i corr.) — 466 am Bande: i. "| )?ä)?an —
I nseffe — 467 a. Bande: i. "| fceone . (o rad,) — 474 oii)?orulde. |
— 475 jefjinsl»^ ! (J)^ jünger) — 476 )?enbe ; — 477 |)onüe — 484
Sceolde — 485 dreamaf | — 487 landa . f^eartoft . — 489 p —
490 Schluss von S. 24 ein Büd — 491 )?earp — 495 on | 3011 —
496 lansaB — 497 ädam — 506 fjinü | hearan . — 507 brihten . —
3e)?orhtne. | — hine. | — worb. — 509 f}?a — 516 | nuhe|)e — 519 |)e
— 521 liear || (ra untergeschrieben) — 522 abam (a grösser) — 523
|)onne — 531 nat — 533 fi}?8et — 535 ic — 538 J)u — 542 J)y —
543 ic — 544 |)a | — 555 serenbe f}?a. — 556 | nü — 558 beoban.
— ine. — wyrB. — 559 jif — 562 jehyje — 564 J)oniie — 568
I meaht — a | dame — 575 fpan — 578 3if — 580 adam — 583
ac — 588 Iseb | be — 594 ne | — 595 |) — 598 Am Schlüsse von
S. 28 ein Bild. — 599 fieo (fi grösser) — 603 (»uhtre (r rad.) —
609 heofon rice. j)a fe for hatena. | fprsec. — 611 j)u — 617 Sse3e
adame. — 618 cime. crsefta 3if 3iet. | — fiobo. — 619 lara. —
3ife. ic I — 561103. — 623 f}?a — 626 |)a — abame. — 631 fceolbon.
(das zweite 0 zu e corr.) — 634 | mom3e — 640 |) J)»t | — 647 for
lec — 649 3eJ)oht. — on | 3an. — tru}?ian. — 654 pa — 655 adam
(das erste a grösser) — 656 breoftü | — 659 hif | — 661 3if|)U —
663 piWsJS ! II ixpsdi — 664 | unc — 666 ic — 671 J^ynfumaft. hpk
I meahte me. — 3ifan. — 673 Gehyran (solch G) — 676 j )?earö —
678 nu — hif. — hanba. — 3oba. — 679 3eonie. ic — 686 ftob — J^raßa.
bo I ba. — 694 h)?8et — hell3e|)J?in3. (das letzte 3 rad.) — 704 heo —
toadame. — 706 h)7eorfan. | ^ — 3ehate. 3etru}?obe. — 714 f)?elce. —
ogieJ?be. — zehet. — 715 adame. j — 717 he — 719 of etef — 723 f>a |
— 726 nuhaebbe — 729 abam — eue. — 731 forfjon — 733 f^a — 740 unc
— 743 I äc — 745 forJ)on — 750 j m8B3 — 755 fj^a — morBref. J)olia8. —
756 abame. — 758 morBef (f aus r corr.) — forJ)on — 759 heortan.
3erüme. — uncre. | hearmaf 3e)?recene. — 760 t>olebon. nü | — eft. |
— 761 fatan — feccan (das erste c rad.) — 762 h)7earf — 766 abam
— eue. — 770 p — 772 lare (a a. Bas., von 1?) — 777 h)?ilum —
781 hif nach hie mit Häkchen iiberg. — 783 bare — 788 J)a — 790
adam — euan — 791 h}?8et j — eue — 792 3e | fyhft — 799 nu —
802 nu — 805 hu — 815 j toh)?ön — 816 NÜme maex hreo}?an. | — 820
3efeah.; j — 821 eue — 824 p\x — 827 hire l)a | adam — 835 nif
— 838 ac — 839 uton — 840 h}?urfon — 841 Schluss S. 39 ein
Bild — 842 Seeton — 845 J)a — 847 ac —
ALTONA. • P. Piper.
60
Ortsmundarten der Magdeburger
Gegend.
Die nachfolgende Darstellung soll den Lautstand von dreizehn
benachbarten Orten nur in seinen wichtigsten Einzelheiten übersicht-
lich und vergleichend verzeichnen ; wo minder Wesentliches aufgeführt
ist, schien dasselbe besonderes Interesse zu bieten. Nach Möglichkeit
ist versucht worden, die älteste Sprachform zu geben, soweit sie noch
den Gewährsmännern^) im Bewusstsein war. Das gilt besonders von
R345689. Hochdeutsche Formen sind im Allgemeinen nur dann be-
rücksichtigt, wenn sie schon die Herrschaft erlangt haben. Den Aus-
gangspunkt bildete meine Heimat Ranies (ü), dann folgten Glinde
(ö), Pömmelte (I), Grünewald {J2), Felgeleben (5), Wespen (4), Prödel
(5), Dornburg (^), Plötzky (7), Dannigkow (ö), Leitzkau (P), Elbenau
(a), Pretzien (ß). Es sind sämtlich Dörfer, nur Leitzkau ist ein
Marktflecken (in anderer Beziehung merkwürdig als der Sitz de>
Geschlechtes der Herren von Münchhausen). Die Orte liegen zwischen
Magdeburg und dem fast 4 Meilen südöstlich davon gelegenen Barhv
auf beiden Seiten der Elbe, Gl 34 auf der linken, 5 — 9 und [i aui
der rechten Seite, R2a auf einer Insel, die durch eine Gabelung de<
Flusses gebildet wird.
Bei der Lautbezeichnung ist leichte Lesbarkeit und die Rücksicht
auf den Letternvorrat der Druckerei massgebend gewesen. Es sind
folgende Zeichen verwendet worden:
Für kurze Vokale «, e, a, ö, w, 9 (überkurz); für lange Vokalt^
I, e (geschlossen), ^ (offen), ä (hell), ä (dumpf), 6 (geschlossen), if-
für Diphthonge (deren erster Teil fast einer Länge gleichkommt,
während der zweite überkurz ist, sodass beide zusammen eine gewöhn-
liche Länge ausmachen) au {u = überkurzem &), ai (i = über-
kurzem ^), 9a, tJa, äa, 1«; für Konsonanten w (bilabial), t? (labiodental .
y, r, Z, f», w, y (Gaumennasal), p, i, /*, ^, dt, s (stimmlos), e (stimm-
haftes s), .^, z (stimmhaftes §), ^, 4, A, x (palataler und gutturaler
Reibelaut); K, ntm, nn bezeichnen die entsprechenden langen Konsonanten, j
') Dies sind die folgenden, denen ich hiermit für ihre Unterstützung bestens
danke : Witwe Kahe und Fährmann Jacobs in G, Gastwirt Christoph Steffens iu 1.
Otto Becker in 2, Gastwirt Zenker senior in 3, Christian Sehönau in 4, August
Finzelberg in 5, homestr Vogt in 6, Frau Gastwirt Müller (melhr) in 7, Witve
Schütze in 8, Schneidermstr. Rohde in 9, Frau Gastwirt Hamel (Mnal) in x.
Schneidermstr. Piepenbrink in fi.
61
Lautlehre.
Kurze Vokale.
§ 1. a. Es bleibt in geschlossener Silbe.
In Gl 34 ist es in einer Reihe einsilbiger Wörter gedehnt (bei
den Substantiven nach Analogie der obliquen Kasus): Uity jrkf^ nkt^
M&l, f&t, r&t, jl&s, k&f^ &f, &n, d§Jc, äl&x^ jr&s, (jras 3).
5689 zeigen Umlaut gegen a in den übrigen: det — d<U^ end^r
8 and^r R u. s. w. (auch 6), UeUrn 589 Uatdrn. R6ß u. s. w., hez'dn^to
— haedln^td R247aß, kletd 8 klatd R67aß, dext Nebenform in 7 sonst
überall daxt. Umgekehrt faym 56789ß — fcydn^ ebenso hayan und
heym^ hamoln 569 h^maln Rl234ß.
Linkseibisch a, rechtselbisch (d. h. links oder rechts vom Haupt-
arm der Elbe) Umlaut: jandM Gl 34 jent9r R256789aß (überall aber
jans)^ dksd 34 ehsa RG256789aß (Axt); umgekehrt hekarn G34 hakarn
R256789aß (von Kindern, die überall herumklettern), äellar 1 ^^aUar
RG2345689ß (grosser Holzsplitter, in a nicht).
Anm. Ueber Dehnung und sonstige Veränderung der kurzen Vokale in
oflFener Silbe, vor r -|- Konsonant, vor 1 -4- Konsonant, vor intervokal, j oder g,
sowie andere Ueberg&nge siehe die betreffenden Abschnitte.
§ 2. Umlaut von a ist c: beda^ trextar^ hela^ melk.
§ 3. i > i: fila (fei 3), himal^ lüija^ sonst e, s. § 44.
§ 4. 0 > o: hof, Ueber o > u s. § 45. Der Umlaut ist e:
heltn oder helsarn.
§ 5. ü > w: vula, tuna^ ful^ püla, vulf (volf in G2ß ist hd.),
btik (beruht bok in Gl 234 auch auf hd. Entlehnung?).
u erhalten in tumm 9, sonst umgelautet tiva 5, timm RG24678aß;
dgl. in hufa 6789ß hifa R14 (hd. hifta in G2357a); umgekehrt im
Norden umgelautet: mü 5089 mül 34a, kikarn 59 kukarn RGl23678aß
(4 fUsan).
§ 6. Umlaut von u > i: pita^ plikan^ .<ipa^ linsa (in 4 dafür
Memltsta),
Lange Vokale.
§ 7. ä in RGl23467aß > ä, in 5, 8, 9 diphthongiert > &a:
Wn liatny nktl niatl^ ätr&ta .Ur&ata. trkna nur noch selten in R,
anderwärts nur Umlaut tr^na Gl23467aß tr^na 5; auch neben iiwkr
R7aß swkar 589 umlautende Formen sw^r 6 §wer G1234 (auch 5),
dgl. neben §tkn und Mkan Men Gl 34, neben jin und j&an jen Gl 34.
kmt RG247ß hat in 5689 hellen Vokal änü, früher äna in 59,
jetzt noch et änas 9.
Zu ä ist zu bemerken, dass sein Lautwert schwankt, nicht von
Ort zu Ort oder von Wort zu Wort, sondern im Munde einer und
derselben Person und in einem und demselben Worte.
Beim Diphthong lassen sich lokale Verschiedenheiten feststellen:
der zweite Teil ist am deutlichsten als a zu hören in 8, weniger in
9 und ganz flüchtig in 5.
6^
lieber den Einfluss von folgendem intervokalischem j oder q
siehe § 46.
§ 8. Der Umlaut von d ist 9 und 9a mit gleicher lokaler
Verteilung wie bei ä; bezüglich des zweiten Teiles des Diphthonge^
gilt dasselbe wie von äa.
In 2 Wörtern > e: äSrQ^ kezd.
§ 9. 8. a) Ursprüngliches e > c, ai, i und U: med» (Mietet
RGl237aß maidd 4 mid9 6 wtecZa 589, hrtf R7aß (2 hd. hrtf) braif
Gl 34 ferl/" 6 brief 589.
b) Auf ai zurückgehend > e R256789aß, > ai Gl 34: 6en 60 j«,
(?eZ dail, fleä flai^, Mld haih, het hau (hais 4), ne nai, älen ,^tain^ stcft
(2 äwes und äwais) äwais^ dix daix, vek vaik, bret braity iief äaif, meei
(Meise) maied. her9 5 h^r9 9, in RGTaß nur noch in h^rndenst^ sonst
hd. hard. Zu led9r zeigen Gl 34 nicht Umlaut, sonder die abweichende
Form letdr, Ueberall e in e^d^ lim, evix, erd^ ler9, ee^ ven&r^ ler^h
(larx9 25679 larJca 8). Leitzkau heisst in 589 Itet^a sonst lei.^a^ da-
nach wäre hd. ein ie zu erwarten.
§ 10. Der Umlaut ist ai: baidd, Uaiko, raUi9, lainn, ^paika, —
ai zeigt sich auch durchgehends in aika, vaitd R5689 vaitn 7ß vaits^%i
Gl 234a, taik9n R56789aß tsaixan Gl 234.
Anm. Von zaisd zeigen Gl 34 hd. Form zensd,
§ 11. ! > i: dristd, dtk, krUd RG134 krida 256789a; vt.^^ RGl
234aß aber vi§^ 56789; ferner vit Rß u. s. w., aber vis Gl 34 (ist die
Länge hier alt oder nur Annäherungsprodukt an das Hd.?).
§ 12. d. a) Auf älteres au zurückgehend > 0 R27aß, >. an
Gl 34, w > 6, tia > 589. üa zeigt ähnliche Abstufungen wie äa, nur
ist hier 9 der Ort, der den zweiten Teil des Diphthongs am flüchtigsten
erklingen lässt. Beispiele:
blot (Blut), Uomdj bok^ bröddr [G brüddrj, don, fot (nur gebräuch-
lich in der Wendung td fotd j&n, in 3 auch hier hd. fo füsaj^ röpm.
mos, ,^d [auch in 6 manchmal äth Singular], .^oh, ätM, dik, /o, höstp.
flölcon, kökan, kot, ko, köh zeigt in 5 Umlaut: kteh, ebenso äi€iti^.
das ausserdem in 2 gegen die Regel ü zeigt: äwula; Snör zeigt ii ixi
G26; rm (Ruder) R7afi, raull G14 rüll 235; jrövd (steil abfallendes
Ufer) Raß jrüvB Gl 245679 (8 jr%ift); kröx (Gasthof, heute überall
ausgestorben, in G12 ganz unbekannt) R56789aß krüx 4, plox R2rM.
78a|^ plauz G134. — knop R57aß zeigt linkselbisch Kürze (hd.) kntf
G234. jdnox nur in R59, sonst janux G24678aß nuyk 1. hon B2x
haun G134, ganz abweichend him 56789, hon und hina ß.
b) Auf älteres 6 zurückgehend nur > ö : Wm, brot, dot, Ä&r, los,
not (Not), rot, pöta, drom, Mokan, ror^ lof (Laub), I6n, ök, rök^ unoth
(ungern), bona, jröt, döf, tom, U6t (bloss), ostn nur noch selten in
Ra, sonst überall hd. ostn; statt kop kof 5 kauf 4 (kauf man 3), neben
jlömm in G meist jlaumm^ das völlig herrscht in 13.
c) anderen Ursprungs. £^6 rechtselbisch und in 3, es herrscht
auch schon in G, eau noch ausschliesslich in 14. Von äpon R iipü.*fi
59 zeigt sich hnkselbisch nur hd. Form äpkn G 14. fro, älro, ro.
63
§ 13. Der Umlaut von 6 hat ganz die entsprechende Ent-
Wickelung genommen, a) > e R27aß, > ai G134, > i 6, fe 589: jren,
betn (heilen), kenn (hüten), medd (müde), £^et9, veln, brenn (brüten, in
4 dafür nur eitn und ütbriyan)^ fein, §pekdn^ behr^ reva. Hd. Einfluss
veranlasst i rtrn 2; stärker ist er in kein, wo Ra meist, 24 aus-
schliesslich i haben. Von Buche zeigen plattdeutsche Form Ra bekd^
l baika, 6 btka, die anderen büxa; fre zeigt rechtselbisch nur e. fd
in der Zusammensetzung ^Fussende^ (des Bettes) bald mit, bald
ohne Umlaut:
feten» Raß fötend 7 faitend 134 fUend 6 füatena 5 [4 meist fuseno],
b) überall > e: bleda, depa [TaufeJ, dremm^ kern, rekarn^ ,<?ena,
tema, kepm, nedix^ Memm (stäuben).
§ 14. u > u: brüty lüda (hd. laut G4, meist auch in 5a), wfo,
,^nut9, ftisti) [in G4 ohne a],
§ 15. Umlaut zu ü > t: dimHyk^ Mzar, btle, ohne Umlaut Imla
G1234.
Diphthonge.
§ 16. an vor folgendem w resp. u > au: daudn^ drauan [in G
meist hd. dröan],
§ 17. Der Umlaut zu diesem au ist ai: hai; ätraian 5689, ohne
Umlaut RG234aß, beides in 7.
§ 18. In 5689 vor folgendem Vokal statt u und t meist Diph-
thonge au und ai: .^an (scheuen) — .^auan 568, trüan — trauan^
früd — frauj^ buan — bauan^ klüan — klauan und klaian 6 klaien 5
klSiian 8, £fü (^al) — eau (ijal), zian — eaian, .^nxan — ^naian^ krian
— kraian [nur in 5], met — naiat 5 nait 689, brt — brai 5689,
Artan — Sraian 568, Mtan — Maia%i [nur in 569], äwian — Swaian
[nur in 5], fiarkmt — faiarämt^ die Endung — ta lautet in 5689
stets — aia.
§ 19. io. Es ist ebenso entwickelt wie (urspr.) e und Umlaut
von 6 (urspr. au) > e R27aß, > ai Gl 34, > t 6, > iß 589. Beispiele:
dep, benn (bieten), rem (Riemen). — ät^ldef ist seltene alte Form für
st(ßdip in R; M^ldep 9, sonst nur M^ldip Gl 23467a (in 58ß unbekannt).
Hd. Form ist meist durchgedrungen in d^inn RG267aß; das alte steckt
noch in h^rndenst R7aß, dainn 134 (selten noch in G), dtenn 589.
forlern u. frern zeigen i in Gl 2345689. fert (ViertelscheflFel) RG123
47afi (hier haben sich die linkselbischen Orte also der mittleren Gruppe
angeschlossen) ßrt 5689. klemm und jremm zeigen nur e. bena RG
12347a^ (dessen e auf Dehnung beruht) zeigt in der nördlichen Gruppe
dieselbe Entwicklung: bifia 6 biena 589. Ueberall heisst es Mr.
§ 20. in > ?: Uda^ distar, itx, k%za-(fr^tA) (daneben in 6 kiz^ta,
in 9 ktz^jta, besonders häufig in 5 ktz^ta); sprt erscheint (umlautend)
in 5689 als .^prai^ beide Formen in 7 (vgl. § 18).
Unbetonte Vokale.
Auslautendos a ist linkselbisch in einigen Wörtern geschwunden:
dun Gl 34 sonst duna^ desgl. forst (Dachfirst), dhr (teuer) G rechts-
64
elbisch mit d, füst G45 füsta R56789aß, rust (Rost im Ofen) 6, rechts-
elbisch rustd hd. laut G45a statt lüda; nur im äussersten Norden
noch 9 in js^vq 8 £i^V9 6, Jc&ana 5, därawrr 9, öra 568 sonst or. In
2 Wörtern kehrt sich das Verhältnis um: dr§Jcd 123 sonst dr&i*, in
G45 nur hd. draxa; zkn 9, sonst mit a (Sohn).
Betreffs des Lautwertes dieses auslautenden Vokales ist zu be-
merken, dass er sich besonders in 6 und 8 a nähert.
Konsonanten.
§ 22. w. a) Im An- und Inlaut > v.
b) Nach anlautendem Ä, § u. ts > w: Tcw^ln, äwart^ t^wep.
c) Im Anlaut vor r teils abgefallen: rUn^ rtmm, teils > f: (d-
friyan, frailn [in 56789ß dafür hnevdln]. Neben f auch b vl. v: fraU.
in 9 jetzt hratsd, in 4 v&rtska; frayafl) R frayd 2 frayo 57aß vratjo 8
braya 69 [in den anderen Orten draiar 13 dfe;ar 4, auch dr^ar 2J.
d) Geschwunden im Inlaut nach u: hauan, früa fraua^ büan bau^n.
dau9n, jruln^ khhn, mat [R7ß, ntt G23a mas 4 «at^^ 5 nait ()8H|:
Ä;Zai«d; in Waw, jrau, dau^ janau (jatiaua 5689) in Angleichung an die
obliquen Kasus auch im Auslaut.
e) dgl. im Auslaut: j^l, jkr^ m^r [der Kürze halber führe ich
nicht überall die nur vokalisch abweichenden Formen an, z. B. mir
G etc. m^r 58J, brt
f) Vor t > f: arfta [in 4 nur noch in arftanzef, sonst arvdsm\
kr^ft (R)589aß aber kr^vas G14 kr^ps R237.
g) In einem Worte anlautend > p: p^davina R579aß aber ved^viv.^
Gl 3, beides in 2, vedaviya 4.
§ 23. j. a) Im Anlaut > ;: juyk,
b) Intervokalisches j, gleichviel ob ursprünglich oder erst später
(besonders aus g nach palatalen Vokalen) entstanden, ist erhalten
> ;' in RG12347aß soweit es nicht Gl 34 Diphthongierung des vorher-
gehenden Vokals bewirkt hat, stets geschwunden in 5689: n^jar IW
12347aß w^ar 589, hcjar R u.s.w. hejr 568, halvya R etc. halav^ (i>'^
(5 u. 6 jetzt auch halav^ja), fl^jal RG7 fl^l 5689 ; krya RG27a{i fcivp
4 kraia 13 krä (Plural krän) 56 kr^ 89, e^an RG27aß eejan 4 eaian !>
si^n 5689, ebenso klyan [in 6 meist kratsan, in 59 meist klaim\
n^jan^ ni^an. Merkwürdig ist zaiar Rl2356789aß, s^jar G ifepr 4
[auch in Mühlberg a/Elbe eejar]. äpejal R27aß ipail G134 äpH rM
tejalfdak] R7aß tel 5689, ^su-e;V R27a^ ^5M?aw G134 tswea 5689, fo>:;>
R(t) krear 59, We/an R27aß Wai^n G134 blean 6 W^ri 589, ebenso kiji
plejarif breja \bria 2], badrejan, Ujan, fleja. rejal R27ari rejal 4 rail Gl
raial 3 r^i 5689, /Ze;5/ (meist nur Windmühlenfiügel) R7aß /Z?>Z GH
34 ^iZ G /Z^Z 5689 [3 auch flitja, 14 auch flitja oder raurfa], de/J
R7aß dejal 234 rft/s»? G d^ 5689, Jp/aZ R27aß fc^y^Z 4 btjal G13 M
5689, tejal R(t) ^a?Z l(t) ^om^^Z 5689 sonst tstjal tejan (Zehen) \U'
aß ^öw (Plural /enp; Gl 4 tsena 3 ^c5 6 U 589. ;er/a? va?>>n RG6 mtjrn
5. xr^pi, i^aZ R56 sind Lehnwörter.
eejan R25678aß eaian Gl 349.
65
Nach i ist j überall geschwunden: .Uhn RGl3478aß ,^tai9n 56
9Mt9n 568 [in 2 nur UatBrn, in 9 Uetorn]^ krlon RGl2346789aß Ä-nr/aw
5, Man R etc. ^raidn 568, äwidn R etc. äwaidn 5; mU Rap \miko
G23456789, in l jnitn], rhn R28aß rt9 569 [ritan Gl 2346], bru
R56789aß [brikd G1234].
c) Nach kurzem Vokal der Stammsilbe bleibt j in unbetonter
Silbe nach i erhalten lilijat penija, aber pmi9n peinigen.
d) Im Auslaut > x n^x RG2568a naix 3 nex 4.
§ 24. r > r. Es wird mit der Vorderzunge in der Gegend des
harten Gaumens gebildet. Im Anlaut und noch mehr im Auslaut
wird es schwach artikuliert. Unter den Ortschaften zeichnet sich 9
durch schärfere Artikulation aus; den Bewohnern von a wird in R
nachgesagt, sie schnarrten und man nennt deshalb scherzhaft den
rasselnden Kettendampfer einen „Elbenauer"; mir ist das nicht auf-
gefallen, auch giebt man zu, es sei früher stärker gewesen.
a) Ausgefallen ist r vor d, dem ein r folgt: v^dar (in 489 un-
bekannt), fodarn, oddr; ferner in 2 mit statt zusammengesetzten
Wörtern: vipstat Raß vipMart 256789 vipM^rts G(t) vipst^rt 4(t) [akdr-
man G134], hatonstat R25789aß katanstart 6 kats9vst^rt(s) G [karnkrut
1 kannkrüt 34 auch tannkrüt 3 und katsdntsagdl 4J. Das Simplex
zeigt stets r: Mart(s) Rr)6789aß st^rts G1234.
b) Umstellung des r hat stattgefunden in fratd s. § 22c, krixo
krixhof 589 (jetzt überall f), kru^j 4(t); karbat^an G34 rechtselbisch
krabatsan,
c) r > l: balbirn, roll s. § 12.
d) r > d: ^dar R6789aß edar G4 [^rar 25 Srar G13J und.^* wedar
Rl3ß [swordar Ra siv^rdar 6 sw^a(r)dar 589 su-irar G234J.
§ 25. 1. a) Vor der Endung ar nach kurzem Vokal > U:
miliar RGl234a mcllar 56789, kellar, tellar.
b) dgl. unter Assimilation eines folgenden d: ellar,
c) dgl. wenn d mit der Endung el assimiliert ist: rUl^ roll,
im, r§dl.
d) Geschwunden in veka, vist, sost
e) eimaltrn [über etwas nachdenken] 1, sonst jsumimrn; snetl 9
(f), sonst Metl; kumalt 5689, sonst kumat.
§ 26. m. a) Die Endung an assimiliert mit vorausgehendem m
oder b zu mm: n^mm,
b) Im Auslaut unbetonter Endsilben nur erhalten in /am RG14
7afi fiiam 589, aber fknn G23 an tsw^rnsfänn 6 [aber auch in 6 inf^mm].
§ 27. n. nn entwickelt sich
a) vor der Endung ar aus n u. nd, doch wird in beiden Fällen
namentlich im Norden auch nd gesprochen: dinnar, dtmnar, sennar,
klennar, hinnar (Hühner), hinnar (hinter), kinnar.
b) im Auslaut, indem sich vorhergehende stimmhafte alveolare
Laute damit assimilieren : finn (finden), l&nn (laden).
c) Im Auslaut nach stimmlosen Lippenlauten > m: lopm,
d) Im Norden ist die alte Endung a statt nhd. an noch ver-
KlederdeatBohea Jahrbuch XXI. 5
66
hältnismässig häufig: rogd R (selten) rovd 5689 sonst rogon u. rdhn,
vaita R5689 sonst vaün u. vaüsan^ meshSJcd 9 hiikan R, Ap&do 9 (Plunil
.^pinn) .<?jpäwM (PI. ,^lLnns) R78, tiva 5 sonst /t<mm u. timnif rb ötit^
sonst r<«^n u. n'fcjw, A^arpa 569 karpm R, .s^ied.* 89 sonst .vZrww, huah ^
A:uA;a 6 %oA;dn R kaukdn G, brM^ 569 br&nn R, X;9?aX;d [freilich femini-
num] 569 sonst hnaxan u. Jcnaxal 68.
e) 6 zeigt allein ein n in häkdnUots^ sonst hakdTdoH.
§ 28. p. In einem Worte mp > m: fcramp R56789aß kramp
Gl 234; überall top^ hamf oder hanof, hemfarliyk nur in 7 JientjiQrliiß:
bez. flastdf s. § 38c.
§ 29. b. a) Intervokalisch erscheint auch Geminata als r.
Aßt;^, riw, krivB,
b) arbait hat b wegen des Nebentones erhalten, umsomehr W-
6<rn, wo die Silbe den Hauptton trägt.
c) Intervokalisch ganz geschwunden in binakn^l s. § 38b.
d) Statt lef heisst es meist hd. llp: lef Rafi Itf 6 U^-f 589 /jj
RGl2347aß [auch 7 noch Komparativ levor]. Mitteldeutsches p in
pindlf rustputd R; beruht es auch in pas^irn R = bossieren, Steiu«
behauen, darauf? hikan RG234679aß pikan 58 (auch vereinzelt hih\u
wird von den fast erbrüteten Eiern gesagt, die schon die Stelle zeigen.
an denen der Vogel durchbrechen will.
§ 30. t. Unorganisch in most R25789aß mos 134 (mox G(J5«'.
nlat s. § 22d. Hier sind die hd. Eindringlinge besonders zahlreic:
namentlich linkselbisch. Ich nenne folgende:
hartsd, hUs9, nets, tsw^rn,
katd 5789(a)ß katsa RGl 23467a s. katan.Uat § 24a, ,^fart s. § 24^.
holt R56789ß kols RG1234x (in a aber noch helfn u. hdsarn), forkr**
(»78ß sonst mit t$, ütt^rn (Subst.) R56789ß sonst t$, pleiboltn (R)5>
9ß sonst ts^ Ujoldak R7aß teldak 5689 sonst tsljal, taps ina jrita 1^''^
das einfache Wort überall jritsa, vaita s. § 10, timarman nur nuob in
68, tejal R(t) tail l(t) t^l (56) überall tslpl taikan s. § 10, satt -
swais G12349 s. § 9 aber überall ,^wi(san, Zahn, Zehen, Nuss zoig'i
noch überall t (doch 3 tsena Zehen u. 4 meist aus), ebenso tU (nur
4 sU, Mexta sUn) und mat (in 4 mas) s. § 22d, volta 7ß sonst mit <.
jota R sonst josa u. rena^ vit — vts Gl 34 vais 2, kr^ft s. § 22^, M'
R56789aß [harftix RGl234xßJ barvast 569 [IwLVvastix 4], äa/i^ 59 amL|
hier schon wie sonst övast, jrötfkdar meist mit s, nur mit s in Gl--^,
68aß; veltarn R57aß veldarn 1 reZ^^n 4689. Neben möu^^in resp. wä«^*
überall mont,
t nicht wie östlich von Magdeburg geschwunden in distl.
§ 31. d. a) Bildungen mit dem Suffix da resp. ta: Injäj \^
letja^ G meist ley^]^ hreda [in G auch hraida^ 3 nur braita^ 89 W4
Ara:^a [Afa;^a 23, hea 569, 6 auch Äea?^aJ, h'xfa, n^xta [n^a 589], d*^
[dika 4], rf^i?^9 R237aß daip^» G dipta 6 rf/>p^c? 589 daipa 4, tti^^^ ["'if
veZc? 8]; ähnlich nkktix RG237aß naktix 4 [noks 56789].
b) Intervokalisches d ist stark reduziert: die Zungenspitze niilu'rt
sich der gewöhnlichen Artikulationsstelle, schnellt aber wieder zurüiiJi
6?
ehe sie sie ganz erreicht hat, so dass nur eine kurze Hemmung, aber
kein völliges Unterbrechen des Luftstromes stattfindet; etwas schärfer
scheint die Artikulation in 8 zu sein. Darauf beruht wohl, dass in
R und 1 gelegentlich besonders bei Kindern ein 1 erscheint: /üfor, heh.
Vollständig ist l durchgedrungen in siln^ aber HdBJavdl R3468{i
[sildjavdl G57 äihjkvdl 2 äilj&vdl ol äindjavdl 9].
c) Hd. t ist mehrfach zur Herrschaft gelangt: dn/p 46 hitd 456,
fktdr 256.
d) Intervok. d ist zu r geworden: hara (hatte) überall, pard
parn Tß.
e) In den inlautenden Verbindungen md, nd, rd, Id schwindet d:
fremde end^ ^r^, oh, nur vor folgendem 1 bleibt es: mandl,
f) Ueber kinndr und kindar s. § 27a.
g) Auslautendes aus d entstandenes t tritt in den Inlaut in hart
— liartar, bunt — bunta (Plural in RG23478aß bunt in 569 bina in 8),
tu — tUn.
h) Ueberall n&tl; kritd nur in R6134, sonst d; ohs dert nur
noch Rß (in beiden fast f), sonst ttr.
§ 32. s. Im Anlaut a) vor Vokalen > £f,
b) vor 1 m n p t V > ,^.
Im Inlaut c) zwischen stimmhaften Lauten > £f, ausgenommen
nach r und wenn es auf Geminata zurückgeht (misdn, husan, besdn 8
sonst beedn R5679afi und b^zdti Gl 234),
d) nach r > .^: iär.*?, dor.H; in 2 Wörtern > 2: faria Verse,
harid R25679aß herid Gl 34.
§ 33. g. a) Im Anlaut, sowie im Inlaut nach palatalen Vokalen
und Liquiden > j, Ueber den Schwund dieses j s. § 23l>.
b) Im Inlaut nach gutturalen Vokalen > ^, geschwunden in
5089: frkgdn R etc. frdn 5689, ebenso vkg^fn — van [Plurale vkgdns
— vdn9\ mkyat — mät, dkgd — rfa, ekgan — eän^ ogd — 6d.
Dieses g ist kein eigentlicher Verschlusslaut; es findet ähnlich
wie beim intervokalischen d nur eine Bewegung der Zunge zur Arti-
kulation eines Verschlusslautes statt, die aber nicht vollendet wird.
Diese Artikulation scheint am geringsten zu sein in G nach k (betreffs
des Vokals s. § 46) und in Rß nach o: fogal, rogd klingen fast wie
fodl TOB oder foval, rov9 [deutlicher fogal 27a, fögol Gl 346 fai 589);
wirkliches v zeigen 5689 in rovj und rovobluma [rogo und rogan \i
rogdn 37aß rok^n Gl 24], ferner Raß in einigen andern Wörtern: dkgd
und dkv3 R, mkgat und mkvat R, frkgon und frkvan R, öga und öva
Rafi, drkgan und drkvan R.
dögan zeigt g auch in 569.
Ueberall ist g geschwunden im Plural m^da RG56789aß (nur
m^kans 134).
c) Geminata nach gutturalem Vokal > x: tajra, baxar, knaxan
RG2347aß [en knaxjlbröt 68, ena r^lkmka 569J.
d) Im Auslaut > x,
5*
6g
e) Auslautendes (aus ng entstandenes) yk tritt in 2 Wörtern in
den Inlaut: laykdr und jurjkdr [in 8 nur layiir und juy9r].
f) Ueberall heisst es r^ym Regen, regnen.
g) Ein mitteld. Eindringling ist kaf9n.
§ 34. k. Von den zahlreichen hd. Eindringlingen seien genannt:
fax nur noch in R selten fak^ draxa G45 drkka 123 driJc R67h**7;;.
aixhorn 34 aikhornakon 1 aiknts R6256789«ß, larxa Urjk» s. ^ i«.
flüxan 6 sonst mit k, hkvixt RG 1234a h&k (R)7ß Äai 5689, stis U
.•f/?:r/7i?.s^ 26 .^t^k R578a{i.
§ 35. h. a) In einem Worte ist h vor s überall geschwunden:
hesd; andere schwanken zwischen hs und s: oks9 RGl2347aß os9 67*^!*.
flaks RGaß flas 56789, vaksan RGl2347a|i vas9n 5689; nur ks zeige!.
aks9, fuks^ daks^ vgl. Bremer, Zur Geographie deutscher MundarteL.
5. 39 ff.
b) in ahhöpg schwindet h in R gelegentlich, in 2 u. 3 niei<::
dagegen tritt ein h hinzu in haxal RG234a [axal 56789fJj und hahiu^
R(f)G(t) [jetzt überall ohne A, in 13 auch ohne Schluss 9\,
Vokaldehiinngen in offener Silbe.
§ 36. In offener Silbe sind alle kurzen Vokale gedehn:
worden, ausser wenn eine Endung auf 1, r, m folgte: Aäiia, /a'...
niedrige (Wald-)Wiese, m^tn, ^t^lcdn, hodd [68 bötd\ jap?, lüka.
Bei der Dehnung werden jedoch mehrfach verschiedene Voknl»
entwickelt:
a) linkselbisch e sonst ^ resp. ^a: hSvj G123 h^v9 Ra (heva 45^!»!.
pep9r G134 p^par R25679ß, veU G134 [Singular ebenfalls gedehu:
not, auch in 6J n^ta [Sg. u. PL ausser in 6J R256789aß, seil Gl:^l
sonst e^ll, derg — rf^rp, bero — ft^r^, .sVrf — .sV^Z, ,^pHn — ,^p^ln [sp*b>
6], 0cf G14 — £^f s. § 21, mer G — tn^r R, ütsern G1234 sonst ^.
veJ9 4 v^J9 R v^9 5, nejaldkdti 184 v^ahk^ R7a^ n^hka 5 nehh^ Cii2r»>:
ezal erstreckt sich unter hd. Einfluss weiter, ^aeal nur in 589, ähnlir
verhält sich das Wort tsaxes R267a [mit Ton auf der 2. Silbe, in ii
mit Ton auf der ersten] tsax(^as 589 [eine aus Eier Milch Seuniirl
l)estehende im Backofen gebackene Speise). Ueberall t^na [Sg. u. V\
mit Ausnahme von Gl 2349, wo der Sg. thi lautetj.
b) linkselbisch ö, rechtselbisch & resp. &a: knökon Gl 34 kn&f.*',
R256789a(i, ütpöln Gl 234^ titpSdn R5678x.
c) hkln RG. köln 67ß (mit Umlaut l^kdn RG23579aß lekan r,>i
d) umgekehrt im Norden & und äa für ö: hold R6ß hialo r>>"
ovost — kaft s. § 30, dörfv^x u. vexj R6 dSiar(d)vex 59, eöna R gkan(^ ■
59, Äo;8ri? R hkasa 89, ro/m R vkann 589, lUronn R M^räaitw 589 «/riw/i
6, ÄT^yar R kkavdr 5 vergl. §§ 49. 51; derselbe Wechsel mit Unihui:
in hök9r(vif) Gl 34, hekor R26a, h^kor 56789^.
§ 37. Ueber Dehnung des Vokals a in einsilbigen Substantiver.
in Gl 34 s. § 1. IH (Augenlied) Gl 34 ApH 134 vgl. § 44c. r^j- ist
nach den obliquen Kasus gedehnt, doch vex (Substantiv!) in 569. käu
hat wie r^/" ursp. vokal. Auslaut gehabt, span^jr 36789, .^pkn^jr G4.'>.
69
Die einsilbigen Adjektive gleichen stets sämtl. Kasus einander
an: Z&w, ikm. Hl, j^l, Mal Rl 2567a sm&l G13, jram R25678a[i Jr&m
G4, nat R256783C n&t G13, klam R25678aß kiöm G134, hol un hol,
Jrof, vol
Dehnung ist nicht eingetreten in mehf Jena, fein Fohlen, ledix,
predijon, honix^ ioh, fih \fd 3]; bei ledix und honix scheint die Endung
von Einfluss zu sein, es heisst auch venix.
§ 38. Die Regel, dass vor einer Endung auf 1 r m die Dehnung
nicht eintreten soll, ist mannigfach durchbrochen, a) So dehnen die
einsilbigen Substantive, deren Plural auf ar ausgeht, davor fast sämt-
lich ihren Vokal und diese Dehnung geht in Gl 34 auch auf den Sg.
über. Nur der Norden hält vielfach an der Kürze fest: r^dar, d^Jcar
R [R u. 1 haben auch d^ko (f), sonst nur deka] dekar 678ß sonst
dexar, f^tar R(f)G137 fehr 589 meist fesar, fekar nur noch selten in
R sonst fexdr, bl^dar R7ß bletar 68, jl^jsar, jr^var R267, br^dar G134
(vereinzelt in 2) bretar R26789aß [bret Plural 5, br^t Sg. 14]; vgl.
dazu v^dar RG7ß (jetzt auch in 5) vetar (5)68.
b) Kürze haben bewahrt: fadar (Gevatter), kajsal resp. hejsal,
fedar [in 2 ^], flidar, ledar, fledarmüs, evar, evjl [2 t], ekar, vedar
(wieder), hoval [u 89, ö 2; als Handwerkszeug meist tJ], bonn, modar,
stokaln, botar; kneval [in 5 u. 9 neben kneval an der Kette ein binakn^l
zum Garbenbinden], levar [l^avar 89], jeval [j^aval 9, t 2], äteval [meist
i a, nur % 25689ßJ, .«e«, Ml, keil [k^atl 8].
c) Schwanken zeigen: hamaln — h^maln s. § 1 [aber überall
hamal], neben havar kommt überall schon h&var selbst hifar vor havar
nicht mehr in 2a, javal R13469 jS.val 2aß jäval 58, hamar R2456789aß
hSimar RGl3a, kamar R245689aß k&mar (R)Gl37(a), plastar (Strassen-
u. Heilpflaster) 14 plastar (Strassenpfl.) (G)89 plastar (Heilpfl.) 6 flastar
(Strassen- u. Heilpfl.) 23 flastar (Strassenpfl.) RG567aß plkstar (Heilpfl.)
RG5789aß, kövar resp. k&avar — kovar u. kövar 46, fidar R56 faidar G4.
d) Dehnung ist eingetreten: f&dar resp. f&tar, n^val, ß^jal, k^jal,
p^par, e^ll, ezal, zUl [selten und nur in der Verbindung tar oder
unnar ekll jkn^ R7ß, sonst hd. eatl; ferner wo intervokalisches j oder
g geschwunden ist.
Vokaldehnniig vor r+Alveolar.
§ 39. Auch vor r-f-Alveolar sind die kurzen Vokale gedehnt
worden, doch nicht so konsequent: jkrn (R)G3 jkrtn R246789aß, kkrta
(karta 3), m&rta, bkra, j(^rn^ ät^rn [Stern], ^ra, ^rn (Ernte), ^rnst (der
Name meist arnst), tsw^rn, p^rt, h^rt, f^ria, st^rn (Stirn, vielfach hd.
sturn). dern Rl347aß dirn 5689 (in G u. 2 ungebräuchlich), Vera [nur
in jilda Vera j^wm, in 4 u. 6 auch hier nur vorta], dorn, hört, förts
[in G24 unbekannt, in 1 selten], antvörn (antvortn 68), ,§pör [mndd.
sporn] R14aß ^piir G235689, hofporta R569, nornn Rß (sonst nornn).
Kürze zeigen: hart^ äwart, kort [kurt^ G kort§ 134], äorta [sarta
4], vortl \yortsal Gl 2346], horta, vorsl, dorst, borMa, born, körn, hörn.
70
Vokalverkfirzang.
§ 40. a) Jeder lange (gleichviel ob dem Ursprung nach oJer
durch Dehnung) Vokal wird vor folgendem Vokal zur Halblänge ver-
kürzt; Kürzung erfährt in diesem Falle auch der erste Teil dir
Diphthonge.
b) Vor mehrfacher Konsonanz tritt beim Verb häufig Kiirz'
(resp. Dehnung nicht) ein s. starke Verben u. §§ 57, 58. Aiidtri
Fälle sind vaxta, dixtd^ eaxtd; hextd 3.
c) Unter Einfluss eines r der Endung tritt Kürze ein : stnkdn -
stukQrn, änmißm — änuparn^ düvd — devart R579aß dovsrt G234 dcmi^
5689, jröt — jretBT^ Main — klenndr resp. klendar [klainer G], sviw -
sendr^ sw&r — swedar s. § 24d.
Vokalverändernngen vor r und 1 Verbindnngeii.
§ 41. Vor r-K Nichtalveolar, oft auch vor r-}- Alveolar hiilHi
die Vokale e, i, u Verändei-ungen nach a hin erlitten, e > a, i üb»^
e > a über w > ö, u > ö. Zu ö ist zu bemerken, dass sein Lauhtr!
oft im selben Worte bei derselben Person schwankt; im allgemeiiiti
lässt sich sagen, dass linkselbisch ö, im Norden u sich festzusetzd
scheint. Beispiele: barx, darp, hartsd^ harvast^ farkan, sparliyk^ färb
jar.Ua^ karf, ,Uart(s) {M^rts in Gl 234), arpl, varval [vurval 4], te'-
barkd [burkd 23 birka G], harta [auch horta 2J, äarligk RG56T>'
C^irliyk 1234a), (Dach) /ör.s^^(^a; RGl234678aß /wr.^/a 59, ,s-orm RG'iSTi:
surm 5689, an.^orn RGß an.^urn 568 (meist umsurn u. upsurn 5t>S"'
koi'sa Raß u G56789, korxa RG2347aß f^ 5689, vorklix RG2ß u 567^ i^.
orn R u G5689aß, urnibus 5, vorpm RG237a u 469 varpm 4, sorb -
sarta 4, vort (Wirt) R vurt 8, borx, dora, botarUorl^(j\2^^1oLUd&
s. auch § 39.
§ 42. Vor 1-f-Alverlar ist a zu ö geworden: holn, koUt /o<
fola^ volta 7ß volsa R3 sonst valsa, holftar (mit Umlaut helftar 8); ak:
bah [b&la G134J.
Entlabialisierung.
§ 43. Auf dem ganzen Gebiete ist Entlabialisierung eingetret'
also Umlaut von o > e, Umlaut von 6 > c, Umlaut von u > i, IV
laut von ü > t, s. §§ 2, 6, 13, 15.
Uebergänge zwischen i und e, o und n.
§ 44. a) Statt älterem e erscheint i in stima^ uphitsan; in ai
deren Wörtern zeigt der Norden e, die anderen i: hema 59 hef}id^^'^
sonst hima^ bez. /iwiln ktoiln jiln .Hin s. Verb, briyan nur in 8 brep-
i u. e in folgenden Wörtern beruhen auf Umlaut: kela 5G89 soi:^
kila^ eeloar 68 ^üvast RG2347a^, helpm 5689 sonst ÄiZptn, ^rtifaln F.
(jetzt meist kartufaln u. kariofaln) 7aß kartufaln G23 kartofaln 4 ^'•
^«?/bZn 5689, miif^r RG 1234a tweZZar 56789 überall me?^, «/"^Zn R7 tefl
59 (in 5 jetzt tifaln),
b) In offener Silbe ist, wie schon mnd., i zu e geworden: k^^-
~i>
71
s^Jl, 0^f, vetn, neddr, veddr, retiQ, .Uevol, slenn [in 8 sledd^ 9 sleddr]^
tdftenn Gl 34 sonst tdfrinn (jetzt auch in G).
c) Andere Fälle: Tcamsh, vekd^ mes^ hen, §wemm^ äelp (äilp 34),
bct (bis Gl 234), smet (i 24), em {in Gl 34), .^pel [^H 134 ,^pil 6], ^r
er, tsw^rn, [öggnjlet [let Gl 34 lit 2], vetfhdn RG79aß viykdn 234568,
met 56789 sonst mit, §net 5 f^nit R6.
§ 45. 0 > u: dül, vülij, rast^ dum, fürt, htdca, rustd (Ofenrost);
mul 4 sonst mcH^ huvdl 89 sonst hovdl.
u > 0: zom^r, fogdl, botar, komm vgl. Verb, ddg9n, vönn, ednd,
foTB (Furche); knupa nur in G134 sonst Arnopa, op G1234 sonst ifp.
Umgelautet: evdl, evar, §letl, Ml, fein Fohlen, d^rg, myan, n^td, b^rn, kemdh
Yokalverändernngen unter Einfluss eines folgenden
intervokalischen j oder g.
§ 46. j und g haben vielfach bestimmend auf die Entwicklung
des vorhergehenden betonten Vokals eingewirkt:
a wird linkselbisch und in der nördlichen Gruppe nicht zu ä
gedehnt, sondern zu einem wesentlich helleren Laute, der namentlich
in 589 als d zu bezeichnen ist oder fast noch darüber hinausgeht,
in 6 klingt er etwas dumpfer, dann folgt etwa 1 und schliesslich G34.
Auch o ist in einem Worte in 589 zu ä geworden: fäl Plural
f^ld, oder ist der Sg. Neubildung nach dem Plural?
e vor j 4- dl ist in 5689 unter Ausfall des j zu ^ gedehnt
worden, in Gl 34 ist teils ai teils e entwickelt, R27aß bewahren e.
ä ist umgelautet zu ^ in RG27aß 5689 in den letzten 4 unter
Schwund des j, zu e in 4, mit j diphthongiert zu ai in 1 u. 3.
e hat in Gl 34 mit j zusammen den Diphthong ai entwickelt.
0 ist umgelautet zu e und dieses wie das vorige entwickelt;
nur in 6gd ist 6 geblieben.
Beispiele siehe §§ 23 u. 33.
Flexionslehre.
In der Flexionslehre habe ich mich auf einige Pronomina und
das Verb beschränkt.
§ 47. Pronomina, mai dai 5 (jetzt meist mi di), mi di 689
sonst mik u dik, Ueberall heisst es schon zix. vi R2789aß vai 1456(9)
vir 3. h^ R(5)789fa)ß hai (3)4 ^r G12353C. en G134 sonst em, ee
R eai 14 zi 36 eie 8. er G134 sonst ^r. de R67aß dai G134 di 6
die 589.
Starke Verben.
§ 48. I. Klasse, bitn, bU, obetn RGl2367aß jabetn 4 [in 4 hat
das Particip überall J9 statt a!| db^atn 589, ebenso fitn, ,^itn, ,<mitn,
jripm, knipm [schwache Nebenformen sknipt 68], sninn, $rinn, rinn,
linn, sirinn, drimm, blimm, änmm, nmm; §tidn (h^ ätixt, 8 h^ Midi)
äaidn 569 (Ä9 .stait), Mtx, gsi^an dittjan Gl 34 ast^an 9 eätian 568 (in
72
3 ist das Verb unbekannt, dafür Ijatdrn^ auch in 5, 6, 9 meist Üeim",
kt'idn (h^ krixt, 6 Ä^ krit, 8 h^ kriat) kraidfi 5, krex (Nebenform kriäd
7^), dkrejt^n (j134 dkrid in allen; sridn .^aün 568 (A^ srait)^ sm,
<^sr^jdn d.^njan Gl 34 dsr^dn 569 d.^rait 8; Swian .^waian 5, swex^ ^^^tc^^n
e G134, 9siv^9n 69 (58?); Ä:*Ä;an (A;/ä5^ 568ß, die andern i), ^' (i^ikt^
Nebenform in R7a^ kikU in 5689), skikt dk^akan 9 (u. Nebenform in 8).
viean, ves RGl23469a visto ß6789a, 9Ve£f9n G134 av^aean 9 avist R24
56789aß; pipm hat im Particip starke Nebenform ap^apm 8, ebenso
Mrikan u. rffen.
§ 49. II. Klasse. jHn jaün Gl 34 jitn 6 y*e^n 589, i^, ^otn
RGl23467aß 9J&atn 589; ebenso Mn (6 .^*5an aber a.^ö^n), fardtetn,
benn; h^drejdn badraian (jl34 badren 5689 (Ä^ bddret)^ badrdgan badrosn
69 6a(?rc^ 89 (8 auch badrögan] 5?; Ze/^n Zawn lin, alögan aloan 6 pMh
89 dlet 9 (8 auch alögan) 5?; /?/^'dn /fown /?e», aflögan, aflöan 69 #'«
89 aflet 9 a/fc^ 8 5V; 6p/an bin 5689, aio^pn (auch 8) abit 89 5t;?
[dazu schwaches Verb b^an R27aß bejan 34 b^n 569 t^in 89]; /V/trn
i Gl 2345689, forlorn forlkarn 589, ebenso frern; MiUn älttn 5689 [Miti
aslötn äa 589; ebenso kräpm^ sfüpm [aber A;rt^p^ und eupt in 5689]:
.•?«wm (.si/*6-^ 134 sifst u. .s'wya«^ RG mvast 256789aß), a,^ömtn asüvdt ^
(in 9 Nebenform); ebenso ^rumm [Particip y.«?r&amwi 59 a.^ruvai 8|.
snumm [Particip asnüvat 5689]; rükan \rukt 56789, rikt u. riüci G,
sonst rükt\ rök RG234589ß rükta RG237aß, rukta 9, arökan G4a ariak3n
589 ar/^A:^ RG237aß arukt 569; £rv?an [£rir< 34 sonst eüat], evx G459
^«.^^a RG25789aß, azogan Gl 345a a^t/^^ R25789aß.
brükan geht schwach [ftrttÄ:s^ 56789ß s. § 58], femer Ä-7rmw,
stemm, kauan [Ä^ A;au^ 5689 sonst kauat],
55 50. III. Klasse, i^wemm .§wimm G234, .9m;ww|?, a^iwumm asweint
8; javinn javunt javmin, ebenso ,^pinn, eix baeinn^ rinn^ binn^ finn, mn,
fovf^ivinn, sinn, jinn; srinn Rl23789aß [schwach in R8 und meist i
stark in 23] Myan G4569 läriyat G4 sriyt 569, schwach in G, stark
in 4569]; driykan^ druyk adruykan^ ebenso siykan^ stiykan; giyan \zi}}^
5689 sonst ziyat] zuyk aeuy.m, ebenso spriydn^ driyan, Tdiyan, tsm)p^
[2, 3 u. a auch tswiy9ta\ friyan [in 7ß stark u. schwach, 3 schwache>
Particip, 9 starkes und schwaches Particip], jaliyan, jsix tUbadiyan
ohne üt^ in 5 u. 9 dafür ütmkk^ny aber aduyan 5]; ,'^wiln ^weln [swt
5689 swul d§wuln^ ebenso kicün^ jün^ siln [in 9 ütäimpm Particip «/■
asimpt u. iUasumpm, in 5 meist tsaykan]^ hilpm^ eix forärekan; vighh
2345689 veykan RG7aß ist schwach [aber in 3 amiykan^ ferner 5t>6'J
A^ veykt, Äe hei aveykt]-^ starmm, Morf u 45689, a.Uormm; fordartntn.
fordorf R2ß u 46 daneben und überall sonst fordarvata, fordormm;
v(^rn (vort) varn (vart) 56789ß, vora, avorn; ^mclsan RG78ß snieltn 5^
smilsan Gl (in R schwach), Amuls G13468 smult 59, asmulsan G1234(^
asmultn 59 (in den nicht angeführten Orten war Sicheres bei diesem
Verb nicht zu ermitteln).
flejrtn (starkes Particip 15, stark und schwaches Particip ^1-
melkan, jlimm, dresan sind schwach; baf^ln s. § 51.
§ 51. IV. Klasse, brükan br^akan {brekt 56789 breU und ft»"*
//:
73
ß sonst brikt)^ brdJc, ^hrohn äa 589; ebenso .^pr^ksn [ß nur ^eM^
auch in den beiden folgenden nur e), st^kan^ dr^pm; v^jdfi vepn 4
v^n {v^t) 5689, dvögd^i (8 auch intransitiv) 9V^t 589; s^rn sern Gl 234
(von den Schafen meist ämnn 4589) 9äörn 9s&arn 59 9fi^rt (u. d.^orn!)
8; ebenso bdsw^rn (basw&arn 8); y^rw, 9jöm 9j&arn 9 p/^r^ 5789ß;
.s't^ln, dätöln d.Uiualn 589; ebenso baf^ln; jdhörn; n^mm (nemt 5689
sonst nimf)^ vSun mm 5689, 9nomin dn&amm 589; ebenso A;omm k&amm
589 [Acw^ 589 iom^ 6 sonst kirnt]; b^rn birn Gl 3 [in 4 nicht ge-
bräuchlich) ist schwach.
§ 52. V. Klasse, fr^tn fr^atn (frei 5689 sonst frit), fr&t frät
5689, 9fr^tn ofr^atn; ebecso jgitn [überall natürlich jeri^] ; m^tn[müG4:
met 5689 sonst w^^], m^ta (Nebenform mdt 69), 9m^tn {pm^t 7ß Neben-
form); tr^nn wie fr^tn; j^mm jemm Gl 34 {jcft 56789 ^e/i und jift ß
sonst yi/i), ßf jäf^ 9j^mfn djemm Gl 34; ?i5», Ikr. Mx, aZ^^an rf^n 5689;
zedti jsaidu Gl 34 je^«aw 5689, ekx edx^ dein 9eain dsst^n; psSn \jdM 9
jaäit 8 56? sonst päioct]^ jdäkx a, J9.^en; ^tn (et 5689 sonst it) &t ät,
ojetn; ebenso forjetn [forjetd R23478ß, Nebenform in G69]; vir var
5689 dvest; binn (bitten), b&t bat biddtd R8, dbiddt jdbitdt 4 [Nebenform
db^nn 3ßJ; l^ean [l^st 68 59? sonst list], lis (?) las 69 l^st9 R59,
aZ^s< R2678aß al^eat Gl 3 jaZ^^eran 4. r^iwiw, /?Qjaw, ftaryaw, Aw^nn schwach.
§ 53. VI. Klasse, äl&n sl&jan (sletst Gl 234, sletst u. ,^/at5^ Ra,
slaist 56789ß), Möx R268ß .^Zawa: Gl 34 Mux G9, a.<fZin; .^^&n Mefi Gl 34
(.sVe^ Gl 34, sonst ätait), Munt, asthi dMen Gl 34; ßrn (f&rt) firn (firt)
689 5?, för R268aß /ör G139 faur 14 /^är^a R, a/'ärn RG234789aß
gförn 6 a/är^ RGlß oßrt 8; dr&^fan [drea:^ u. driggt] dran \drät] 5689,
drox R2689aß ü G3 aw 14, adrkgdt ddrät 5689 jddrkgdn 4 (Nebenform
ddrkgdn 7a); /ri^an /raw, /Vc>x R268a « G39 aw 14, dfrkgdt dfrät;
vaksdn (vakst R7aß vekst G1234) vasan 5689 (vast)^ vuks vus 69 wi5^a
8 5?, douksdn avasan 68 59?; h^mm, höf RG1346 il 9 h^vdta R268a,
aAöww RGl2346789aß ah^vat R34678aß.
jr&mm, I&nn, m&in^ bakan, vaäan, hxan, v&kan [vaxan 68] sind
schwach.
§ 54. VII. Klasse, faln (feit Gl 234 sonst falt), fei ai Gl 34 ö
68 ü d 5?, dfaln; Iktn [lot 8 569? sonst let], let ai Gl 34, al&tn;
ebenso slkpni, löpni; röpm au Gl 34 ü 689 5? (rifp< 689 5? sonst rept)^
rep raip, aröpm au n [auch arupt 8]; höln [holst 689 5? sonst helst\
hei ai G134 Ö 6 w 9 hdtd 8 5?, dholn; feyan (feyat) fayan 6789ß 5V
(fayjt 689), schwach (aber Nebenformen feyk R /'wpfe 89a efuyan 8);
ebenso A^j;a« (Nebenformen hiyJc R Amj;ä; 89 Äi^Äj 9 ahuyan intransitiv
S); j&n (jaü) Jen (jet) G134, juyk RGl23468aß jiyk R246789a, ajSiU
ajen; hetn (hüst) haitn (haitst) G134 hitn 6 hietn 589, hita R689 Äat^a
G134 heta 2 Äc^ a, ahetn ai i ie; stetn, stota RGl Mot 2347a .s^d^ 689,
dstotn R7a a,^/ö^w G256 astetn 589 a.^^o^ G134.
.^/>ann, 6ränw, *8r^;an, dr^jen, .§ainn^ hauan, flökan, blkzan [blkzat
Gl 34, sonst Ukst]^ räww, irönw sind schwach.
§ 55. ddn {dait) daun (daü) Gl 34 dun {dut) 5689, dkt dät
5689, adftn.
74
Präteritapräsentia.
§ 56. vetn vitn 8 (vet vet 5689), vusta^ ovust
kinn kenn Gl 234a (Äran), kunt9, dkunt.
darmm {darvBst R456789aß darfst 2), dorftB R u 78, ddorfi Ro
67ß u G89a.
eoln^ zoltd^ dzolt,
m^jdn mejdn Gl 34 m^n 5689, Optativ mexh G12456(a) mixU
R789aß, Particip selten dmuxt 789ß, Präteritum kaum vorkommend.
mutn mitn 8 569?, mn^td, dmust.
min völn Gl 234a, volts, dvoU,
Schwache Verben.
§ 57. Schwache Verben mit Vokal Veränderung im Präteritum
und Particip.
briydn \hriyt 5689 sonst hriydt\ hroxts braxia 56789 ß?, ^Jra-'
dbraxt.
zekdn {zikt) zaikan (zaikt u. zikt G zaikt 3) Gl 34 zikBn 6 sieha
589, zoxt9 zuxta 6789ß 5? zanktd 4, 9zoxt dzuxt jazaukt 4.
kepm (kefst RG2347a kepst 5689 köft 3), kofta, dkoft.
hemm [Infinitiv in 1 Äaw, gelegentlich auch in 4], hara [hadd\ M'
§ 58. Kürze zeigt der Stammvokal in der 2. u. 3. Pers. Prasenv
sowie im Präteritum und Particip auch bei einigen anderen Yerbe
auf dem ganzen Gebiet:
r^nn renn G1234, A^ ret, reto, dret; Imn läuten dt lidot RGl2i
dt lit R3469a, Uta R6, alit R9a altdat a; badinn bedeuten badidat R34il'
badit R2;
bei anderen nur im nördlichen Teile:
r&pm 569, h^ ropt^ ropta^ aropt; mkkan^ h^ mokt^ mokta, ondi
5678ß 9?; et het na jansa vila vort 6 (es hat ziemlich lange gedauert^
ütrknn 68 täarot 5689; blilann 58, ethetablut 5689; britkan, brukt 5678'«p
Der Imperativ heisst rop, mok; vgl. dazu /afc, slit 58, älox 69. >/^
man vedar up 689, frax 69, lot ßS^^jox 689 (geh); ferner n&ktfx noks 31»
§ 59. 2 Verben, deren Stamm vokalisch auslautet, nehmen in
Imperativ Singular konsonantischen Auslaut ,^trauan hauan : straufH^'^
straux G4 straix 679 Mraua RG2 straia 5, haux (ursp. Stammauslaiit
w) R45679 häuf a^ haua 2; vgl. dux R25689a daux G4:] ausgegang^^i^
ist diese Erscheinung von Formen wie zix RG235689aß.
§ 60. Bei vokalisch auslautendem Stamm fällt in der nÖTdliclui
Gruppe das a vor den Endungen st und t aus: at daut 6, Ä^ hei w
adraut 8, ä^ kaut 5689; in den andern Orten heisst es dauat^ odran^-
kauat; ebenso nach stammauslautendem y s. starkes Verb § 50.
Zahlen.
§ 61. Die Zahlen sind sämtlich überall hd. beeinflusst: tn>
ains G14, tsw^a tswaia G134 tswed 5689, draia^ fira, ßmva, sthi^
z'mim, axta, naina^ tsf^na u. s. w,
75
{
{
Sehlassflbersicht.
814GR2aß76895
{
{
{
{
(
{
{
{
1
.895
3 1 4 G
R 2 a ß 7
6 . * •
.895
3 1 4 G
R2 a ß 7
6 . . .
.895
6 . . .
• . • •
'. ! ' '. i
• • • •
3 1 4 G
3 1 4 G
• • • •
R 2 a ß 7
R2 a ß 7
6 8 9 5
.895
6 . . .
....
• • • «
3 1 4 G
R 2 a ß 7
6 8 9 5
• « • •
6 8 9 5
3 1 4 G
R 2 a ß 7
3 1 4 G
• ■ • •
R2 « ß 7
• t • •
.895
3 1 4 G
3 1 4 G
R 2 a ß 7
6 . . .
R 2 a ß 7
6 . . .
.895
6 8 9 5
3 1 4 G
• • . .
R2 « ß 7
• ft • •
6 8 9 5
3 1 4 G
. . • .
R2 « ß 7
• • • •
6 8 9 5
• • ■ ■
! ! !{g
. . 4 .
R2 a ß 7
3 1..
3 1 4 G
• « • •
(3)(1) 4(G)
• • • •
• • . .
R 2 a ß 7
6 8 9 5
R2 a ß 7
. • • . f
6 8 9 (5)
. 5
6 8 9.
• • » •
3 1 4 G
R 2 a ß 7
l^}= Umlaut von ä § 8.
= 6 (e), Umlaut von ö (au), = io
9, 13, 19.
} = ö (ai) § 9.
uay
" ^ ' = ö (au) § 12.
0
au
au u. ai
A
n
Schwund des intervokal
"•.^*Wor Vokalen § 18.
u. t I ^^
. j u. g in allen Fällend
„ „ „ nach i u. bei l jj ^g ^
8. . , I § 33.
. j u. g nur nach i J "
n n n
Diphthongierung
Schwund des intervokal
Dehnuugsprodukte in offener Silbe
§ 36.
a vor intervokal, g § 46.
e vor ^' -h *' § 46.
= k vor iutervokal. j § 46.
e
ai
m
?*\ = e u. 6 vor intervokal, j § 46.
Jf} § ''■
mat,
mi,
mik.
ai, daiy)
h di f\% 47.
ik, dik )
Die vorstehende Uebersicht über die wichtigsten lautgesetzlichen
Abweichungen der Mundarten von einander ergiebt folgendes Resultat:
Die Mundarten bilden 3 grössere Gruppen, von denen die eine die
4 linkselbischen Orte, die andere die 3 auf der Insel und die 2 an
der alten Elbe gelegenen, die dritte die anderen 4 rechtselbisch ge-
legenen oder die nördlichen umfasst. Von der linkselbischen trennen
sich in einem Punkte G und 4, G, um sich der Inselgruppe anzu-
76
schliessen; von der nördlichen Gruppe trennt sich in einem Punkte
5 ab, in zahlreichen Punkten aber 6, das sich in mehreren davon
der Inselgruppe anschliesst; die letztere stimmt in allen wesentlichen
Punkten in sich überein.
Das wesentlichste Unterscheidungsmerkmal besteht in Folgendem:
Linkseibisch finden sich nur fallende Diphthonge d. h. solche, die
von a ausgehen, in der nördlichen Gruppe (895) nur steigende, d. h.
solche die zum a hingehen (mit einer Ausnahme, § 18), die mittlere
Gruppe ist arm an Diphthongen und weist nur fallende auf. Auch
6 weist (ausser den in § 18 erwähnten) keine Diphthonge auf; trotz-
dem gehört es zur nördlichen Gruppe, da seine den Diphthongen
derselben entsprechenden einfachen Laute aufs engste mit denselben
verwandt sind; seine einfachen Laute sind offenbar von der Diph-
thongisierung noch nicht ergriffen worden und werden es bei dem
entgegenwirkenden Einfluss der Schriftsprache auch wohl nicht mehr
werden. Auf diesem Unterschiede der Diphthonge beruht es, da^s
namentlich die linkselbischen Mundarten behäbig breit erklingen, die
nördlichen dagegen eigentümlich unruhig und hastig.
Zahlreiche Einzelerscheinungen würden das obige Bild in seinen
einzelnen Zügen noch schärfer hervortreten lassen; doch fehlt e>
naturgemäss nicht an anderen, die dieselben verwischen und ver-
schieben, so schliesst sich ß und merkwürdiger Weise noch mehr T
der nördlichen Gruppe mehrfach an, während wiederum G mit R.
mit dem es zusammengepfarrt ist, noch mancherlei gemein hat. Auf
Einzelheiten eingehen, hiesse aber die Arbeit wiederholen. Dass die
beiden auf dem rechten Eibufer gelegenen Orte ß und 7 sich so eng
der Inselgrup])e anschliessen, dafür giebt es geographische wie histo-
rische Gründe. Durch Wald und Sandhügel sowie durch die Elile-
sümpfe sind sie von der nördlichen Gruppe (5, 8, 9) gescchiedeu:
6 ist noch heute anhaltinisch; Aecker und Laubwald, der früher als
Weide besonders in Betracht kam, waren für sie nur auf der Eibinsel
zu finden; sodann haben sie politisch stets in enger Beziehung zur
Insel gestanden, vgl. Winter, Magdebui'g. Geschichtsblätter X, 97 ff.
Anhang.
Im folgenden sind eine Reihe von Wörtern zusammengestellt,
die ich entweder im Danneil nicht oder in abweichender Bedeutung
oder Form gefunden oder die mir sonst bemerkenswert schienen.
aian (streicheln) kennen alle Orte, aifo« nur RG23x.
An den Getreidegarben heisst das eine Ende überall ärew9, da<
andere startend in G123 und vereinzelt in R, Martnend in 4, bolteti3
in R56789aß.
banix ist ein Steigerungswort, das gern mit jr6t verbunden wird.
bagka überall mit a, höchstens in der Schule einmal batfk,
harstakrüt [eine giftige Sumpfpflanze] RGaß, barätajras 569,
77
In 134 beln die Hunde, in R256789aß blafan sie, in G beides
(auch in 6 beln für ein kurzes Anschlagen).
bl^kan heisst sowohl jemandem die Zunge zeigen als auch laut
schreien.
blisd veraltet in RG46a, jetzt blU9 RG2345689aß, in ß alt bletd.
Der bölsdkoJtdr schreckt Kinder in R56789aß, in 1 und 4 ist es
der mumdhdJt^r^ in 3 der mumdlkkidr,
boltend s. 2kreno.
bdm^t^dn RGl, selten in 2, Schiffe an Tauen stromaufwärts ziehen
(auch in Mühlberg a. Elbe); zwischen R und G ist eine für die Segel-
schiffahrt besonders ungünstige Stelle. In 3 u. 4 versteht man unter
hdm^täi^r die Flösser.
bom9 Bürste 345G9 burstd Sprung, Riss 34569, in RG278aß
lautet beides borsta,
br^kan alles vor sich niedertretend einherstürmen, in 4 dafür
br'dkS9n; eon olhr brs^kju wild durcheinandergewachsenes Kraut (nicht
in 489).
brumzdl s. dkzika.
bulhrdistl s. kulhrdistdl,
buls sind die Kühe, wenn sie nach dem Bullen verlangen.
Die grosse den Pferden nachstellende Fliege heisst dkzikd RG2
r)7aß, dQ,ed 5689, brumzal 134.
drildistl s. hüldrdistdl.
duvMx nimmt man einen Faden und blühen besonders die
Blumen in RG12345xß [in R auch di'Mix^ diwalt in 678ß.
dal giebt es nur in RG23aß, nicht in 1456789.
fijoln pflückt man in RG(14)7aß, failxdn in 124, faüdxdn in 68,
fihk^n \end fihkj] in 589; in R bedeutet fibkan Lack.
fUja resp. fle bezeichnet in R256789aß sowohl Fliege wie Floh;
will man den Unterschied deutlich machen, ^o heisst es hipfltjd und
floxflejd R, hipflea und ptirflea 6, hip^ha und purfled 8, hipfte und purfle
9; in a und 5 giebt es nur den Zusatz A/p; in 3 und 4 bezeichnet
fIeJB Floh, flaid Fliege.
Der die Beeren tragende Flieder heisst fliddr (deutlicher vais^r
tvflidar 89, kßit^kdtihoüar 4); die Zierpflanze ist tork^ar fliddr R(G)ß
spavsar //. 6789 spiniiar fl. 5 htllar Gl 23 [in G auch mit dem Zusatz
sphh^ar^ in 3 .^paw.^^r], Apith^ar holhr 4, in a auch einfach flidar.
/o.<' ist etwas, was leicht zerreisst, z. B. ein Strick.
frostarketl (frustark^atl 8) zeigt in R manchmal, in 4 meist i,
fuxtix (foxtix 6) sagt man von jemandem, der zornig ist.
Die Goldammer heisst j^ljast RCiaß (in R auch j^ljas)^ jrenzarlhjk
1, jenzdrliyk 3, jrevsliyk 4, jrinsliyk 56, jrisliyk 9, jrimaliyk 8, j^hr
hemparhyk 7.
j^ilix hat die Bedeutung „ziemlich gross, kräftig", häufig: an
ji^tlixar ätok oder knipal.
Hunde, die etwas zu fressen haben wollen oder von der Kette
los wollen, jiparn, daneben auch jinzaln, in G4 aber vinzaln.
78
him 8. nets.
h^jdr (= Kies) giebt es nur in R7aß, z. T. auch in G; soust
lieisst es kits G14 kis 59 kis 23; diese Orte verstehen unter /<^;>
eine Sandinsel oder -Bank in oder an der Elbe.
hell9r, holldr s. flidar,
rödar hinrik s. ji^ütb lampd,
hipflejd s. fleja.
Die Hornisse heisst hornikB R27aß hornikal 6 harnnikal 8 hmiisb
G134.
hortd ist das gegen die Leiter gelegte Seitenbrett des Wagens
sowie das Flechtwerk zum Dörren des Obstes im Backofen.
Bezeichnungen der kleineren und grösseren Heuhaufen (die ganz
grossen heissen dimm, Plural dimms): huka und hüp [Plural Aipa] R»
6789aß, hüptn G, vinthüpm und hupm 13, vinthüpm und jrotdhupm 4:
die entsprechenden Verben sind inhukdn und in hip9 zetn R etc..
inhukan 1, inhüpm und in 7i?/pm i-e^n 34.
Das Brot, Fleisch etc. isst man iliyfj wenn man nichts dazu hat.
itsan RGa U^kon 123569 heissen die Muscheltiere, die Muscheln
selbst itssJn RTa^, Usans-Xln G8, it-^kansAln 12359 i.s^aZn 6.
kait^kan G4 k^'ti^kdn R seltene Bezeichnung für die Fliedertraubeu.
anderwärts unbekannt.
Die Hühner kikaln RG23456ä kakAn 8, machen kakddkts RGi»
4G7aß kakadäts 4589, sie hikarn RG234568aß, in 4 auch jak^rn; (la>
jüngste Kind ist ein kikalnest RG23467aß kakalnest 8 kdkanest 59.
kaphsind RG 1345689 volksmässige Umformung von Kapaun.
karfi hat in RG234678aß eine ganz eingeschränkte Bedeutuu:!
und kommt nur in Redensarten vor wie dat is mik dox dU beUjn /<
karA = das geht mir über die Hutschnur; in 5 ist kars auch ein
Essen, das ein wenig zu sauer, salzig, scharf ist.
Wer den Husten hat, muss Icexan R25678afi bxsdn G134; der
Ilund, dem etwas im Halse stecken geblieben ist, muss k^ksdn.
kits s. h^pr,
klak^ s. krak^.
knif altes Messer, davon kfiifdn ungeschickt schneiden.
knisal (Knöchel am Fuss) R2r)679aß knixal G34 knejnäl G4.
kdkaln (mit Feuer spielen) RG23479a kukdn ß kuahdn 5 kuykdn >•
koMwart R579aß koln,^wart G234 kolUwart 69.
konn 5689, sonst hoUb^rn.
körn z. B. Weizenkorn, Plural körn R589aß, kornyr G23467.
kord z. B. phimmkora (fem.) R7aß (Plural körn) k^rs (PI. k^n-
G, kare (kam) iyS^ kam 59, k^rn 134, kom 2.
kam (hols resp. holt) R256789aß k^rnhds Gl 34.
kißtd der Teil des Pferdebeines unmittelbar über dem Huf R2343t:
kommt hauptsächlich nur in Verbindungen vor, die ein Vertreten be-
zeichnen: dat pi^rt het evorekdtt R234a dt p^rt jait ina kötj 9 et is
evarköt dädtn 6, et het evar köt atr^nn 5.
79
kdv9rlatain.^ 5 und kütgrven.^ 9 ist das, was man nicht recht
verstehen kann, half daüä half rakar 5 eine Mischmaschspsache.
kraka R345679aß (in 6 auch krikj) bezeichnet ein schlechtes
Pferd und wird daher gern als Schimpfwort gebraucht; klakj von den
Kühen R345679aß.
krailn = Perlen.
kr^ta 8. pada.
Der hd. als Kohldistel bezeichnete Distel heisst kullardistl R257aß
redtstl G trulldistl 13 trulardistl 4 drildistl G buUardistl 8.
Sauerampfer heisst jsüra lampa R25678aß eürampa (auf der 2.
Silbe betont) G134; teilweise dasselbe bezeichnet rödar hinrik R25678aß
hinrikU^la R hinriksteh 134.
Die Katzen (auch Kinder) lauan in RG2345a, nur mauan 68.
lorka s. pada.
Die meisten Birnen müssen m^r werden, ehe sie essbar sind,
einige Arten, wie Holzbirnen, Gänseköpfe, dagegen ma^, so in R5673;
in 8 u. 9 tritt noch mCidak hinzu, in 6 murva^ in a woi, in G vaik^
murva und roA; in 2 giebt es m^r und wi^/, in 3 vaik murva md, in
1 murva md mos rö.v, in 4 nter und ros\
mets R59aß metsar R59a mesar RG234().
mota nahm man früher in die tundarbiksa in 569, motn holt oder
mosas holt 8, anderwärts fül holt.
mumakSUar s. bolsak&tar.
mul s. .^prok.
Statt nets (grosses Fischnetz) wird meist jkrn gebraucht ; kleinere
heissen him, so fiüf(h)km RG2345 (meist fishkm) 67aß; in 4 giebt es
auch einen krafshkm; noch kleiner und anders gestaltet ist der .^pilU
korf RGl348a .^pillkipa ß.
wt/Zn RGl45679aß nustahi RGl2345679a bezeichnen ein langsames
Arbeiten (auch ruwkntdn 23), dgl. nuzaln 8; nusaln RGl2345679aß
ist undeutlich sprechen, dazu naeaJix 8; «^/w langsam sprechen.
Die gewöhnlichste Froschbezeichnung ist pada R35689, meist
nur im Plural pann G123, davon Singular pana 4a; häufig zusammen-
gesetzt killpann; para 7ß. Die das helle Geschrei erheben sind reliya
Kl 34 rflakans aß rüahm 6 rkdak^ 5S9, dumpf klingt das Geschrei der
pnpa^m R2a puparn ß kCdpann G3 tnjkjn 4 padeksan 678. Ackerfröscho
heissen lorka R7aß lurka 5689 kr^ta R5689aß rltkr^ta 3.
palmm werden auch im Volksmunde die Weidenkätzchen ge-
nannt R57.
pama besteht noch in 56, vereinzelt in 9, es wird verdrängt
durch Atula, das in 5 schon vorherrscht.
Pfaffenhütchen, die Frucht des spühom, ist pSipmldeda (überall
Ton auf e) R, pkpmkUta ß, pkpmklHn 59, pkpmkUtxan 68, pkpmstzakan
a, pkpmkU 7.
parlaukan (auf der 2. Silbe betont) giebt es nur rechtselbisch
R25678aß, auch parluykan ß; r^'anmknn Gl 34.
Ebenso pismirn R2456789aß, in 5 mit dem Ton auf fwirw, das
so
auch allein gebräuchlich ist; pismirn und pishemt^an (auf der 2. Silbe
betont) G, pisheme9n (auf der 1. Silbe betont) 34.
pra^arn und prampirn (Ton auf i) thun Kinder, wenn sie etwa>
gern haben wollen, auch praykaln^ letzteres nicht in 89, in 9 dafür
prikaln.
prumsan mit Mühe etwas in ein Behältnis hineinstopfen.
purfle siehe fltjd,
put^l s. eü^dl,
reliya s. pada.
rOrS 8. w^r. $
züydl (Stacheligel) R27aß enijal 34 muijal ß eau^l 58; ftW/zV
ß bUdijdi 6 put^U 5 pw^^Z 8.
Die grosse Schleppharke zum Zusammenbringen der Heu- iin«!
(ietreidereste heisst zustarvo R234z Alefharka 568 huyarharka 5678i
^/d«> nennt man in G das Stroh, wenn es von Mäusen zerfres>eii
ist (in Ra nicht).
Nüsse aus der grünen Schale machen, heisst ütslüan R2347i:
ümüsan 568.
finomm schlafen (auch in Mühlberg a. Elbe), .^novyhop einer der
gern schläft.
.^pillkorf s. nds,
.^prok nennt man die am Ufer beim Zurückweichen des Hocli-
Wassers liegen bleibenden Holzteilchen, auch den Holzschutt im H«l/-
stall in R56a, in G89 nur letzteres; das erstere, sowie sonstige Hok-
abfalle, in G Hut; statt .^prok mtd in 34.
stortena s. krena,
Ml Garbenhaufen von 20 Stück, nur Gerste oder Hafer, in f)'^}
unbekannt, in 6 selten.
t&pl = Pappel nur in R, sonst papl; in 4 soll es die alte Be-
zeichnung gewesen sein.
trulldistl s. kuUardistl.
vörns (irgendwo) Raß vürns Gl 2347 vürnst 5689.
vida die Weide als Pflanze; die abgeschnittenen Zweige, die tm
Einbinden von Holzbunden dienen, heissen v^da R2578 veda G134.
DÜSSELDORF. G. Krause.
81
Der Berliner Totentanz.
Gegenüber dem Lutherdenkmale auf dem Neuen Markte in Berlin
sieht man die Turmfront der Marienkirche breit und massig aufragen.
Tritt man durch das grosse Portal, welches zu ebener Erde die Turm-
mauer gerade in der Mitte durchbricht, so gelangt man in eine Vor-
halle der Kirche und gewahrt in mehr als Menschenhöhe über dem
Fussboden, gleich hinter der Thür am Pfeiler linker Hand beginnend,
ein Wandgemälde, das sich, nahezu zwei Meter breit, in einer Länge
von mehr als 22 Metern^) friesai*tig um die Pfeiler und Zwischenmaueni
bis zu der Wand hinzieht, welche jetzt die Turmhalle von dem Lang-
hause der Kirche trennt. Wir sehen den alten Totentanz von Berlin,
schlichte, hahdwerksmässige Contourmalerei, trotzdem in kunst- und
litteraturgeschichtlicher Beziehung von Bedeutung. Von den nicht
mehr sehr zahlreichen alten Totentänzen Deutschlands, die noch im
Originalbil3e selbst erhalten sind, ist der der Berliner Marienkirche
der älteste, und die niederdeutschen Verse, welche unter den Figuren
des Bildes sich befinden, sind die älteste berlinische Dichtung, die
bekannt ist.*)
Wann und von wem der Berliner Totentanz hergestellt ist,
darüber fehlt jede urkundliche Nachricht; vor d. J. 1721 findet man
ihn nicht einmal erwähnt, weder in Urkunden noch bei Chronisten,
und man ist auf Schlüsse aus ihm selbst, aus seinen sprachlichen
oder malerischen Eigentümlichkeiten, zur Bestimmung seines Alters
angewiesen. Die Bau geschieh te ^) des Turmes, in dessen Halle er
sich befindet, ergiebt nur, was ohnehin Niemand annehmen würde,
dass der Totentanz nicht vor dem 15. Jahrhundert gemalt sein kann.
Denn 1418 war der Turm der 1380 niedergebrannten Kirche noch
im Bau und noch 1490 wird zu Beisteuern zu dem Turm, der neu —
nova turris — bei dieser Gelegenheit genannt wird, aufgefordert.
Die dem Schiff der Kirche vorgelagerte Tunnhallc muss freilich viel
früher als Glockenstuhl und Oberdach vollendet und ausgebaut worden
sein, denn bereits 14 Gl) überweist Kurfürst Friedrich dem von ihm
neugegründeten Domstifte die Einkünfte des itndcr dem torne belegenen
Altars des heiligen Sigisnmnd. Die Erwähnung des Altars in der
Turmhalle — architektonische Gründe lassen sogar noch auf die
*) Die genauen Masse waren nach Prüfers Angabe (v. J. 1832) 22,«76 Meter
Länge und 1,»88 Meter Höhe.
') Die im Berliner Stadtbnche enthaltenen Beime sind aus anderen Quellen
entlehnt.
*) R. Borrmann, Die Bau- und Kunstdenkmäler von Berlin. Berlin 1893.
4°. S. 205 ff. — W. Lübke, Sp. 6 ff.
NiederdentBohes Jahrbach XXI. ß
82
■
ehemalige Existenz eines zweiten Altars schliessen — erweist zugleich.
dass die Halle im Mittelalter als Kapelle benutzt wurde.
Der Berliner Totentanz ist weder vollständig noch unverU^t/i
erhalten, ein recht beträchtlicher Teil ist vielmehr im Laufe der Jahr-
hunderte zerstiirt worden. Und merkwürdiger Weise verdankt, w:i>
von ihm noch übrig ist, seine Erhaltung gerade der Absicht einer
früheren Zeit, ihn zu tilgen, indem man ihn — wahrscheinlich iiu
17. Jahrhundert — mit Kalktünche überstrich. Noch 1729 wussu-
man von ihm. In diesem Jahre schrieb nämlich der Prediger th>
Heiligen Geist-Hospitals Schmidt in seiner Beschreibung der Marien-
kirche: 'Nun wollten wir uns zur Thür, so die Glocken-Thür genauii
wird, hinverfügen und zur linken Hand, wenn man zur Thür himnn-
kommt an der Kirchenmauer inwendig den Todtentanz aDsehen
Allein dieser ist bei Renovirung der Kirchen mit Kalk überstriilun
und also, wenn ihn nicht jemand mit seinen Figuren und alten Ycrsclui
abgeschrieben unter die res deperditas zu zählen.'
Die durch neuen Ueberstrich stetig verstärkte Kalkschicht, di
das alte Gemälde bedeckte, schützte es vor vollständigem Erblas^i
Als im J. 18G0 entdeckt wurde, dass bemalter Stuck imter dem Kalk
sich befinde, gelang es diesen vorsichtig zu entfernen und das ah-
Gemälde, wenn auch verblasst, dem Tageslichte zurückzugeben, h'
bekannte Kunsthistoriker Wilhelm Lübke unterzog sich der Aal-
gäbe das umfangreiche Gemälde sorgfältig zu untersuchen, den ^i<l-
ifach undeutlich gewordenen Text durchzuzeichnen und, von MassDiani
unterstützt, seine Lesung zu versuchen. Diese Arbeit, die im Wiuti:
18G0/61 ausgeführt werden musste, nennt Lübke die anstrengen(li>t'
die er je unternommen habe.^) Viele Wochen hindurch musste »r
jeden Morgen Stunden lang in der bittersten Winterkälte arbeitii-
Der Frost war so grimmig, dass im Augenblick sich dünne Eiskribtni
auf der Wand bildeten, wenn er mit einem Schwämme heisses \Vas>'
über die Inschriften goss. Die Schwierigkeiten, die er zu überwiiul«!
hatte, lassen es begreiflich erscheinen, wenn bei diesem ersten Vi r-
suche einer Lesung mancherlei Fehlerhaftes unterlief, und sein-!
Zähigkeit in der Entzifferung des Textes wird man um so mehr Daiil
wissen, als manche Stellen eben nur bei der ersten Blosslegung durr^
Anfeuchtung deutlich wurden, um dann später wieder unlesbar /
werden. Die Ergebnisse seiner Untersuchungen und einen Abdrii-^
des Textes, dem er eine Abbildung der Figuren in verkleinerte
Massstabe beifügte, Hess er bereits 1861 in einem besonderen Work*
erscheinen.^)
Das durch eine glückliche Fügung in Berlin, das an frenult
Altertümern reich, an eigenen so arm ist, entdeckte Denkmal u\>
*) W. Lübke, Lebenserinneriingen. Berlin 1801. S. 344 f.
*) Der Totentanz in der Marienkirche zu Berlin. Bild und Text, hrsg. ^'^
W. Lübke. Mit 4 Tafeln Abbildungen. Berlin 18GL Fol.
83
dem Mittelalter war man bestrebt durch geeignete Vorkehrungen voi"
dem Untergange zu retten. Die Behörde bewilligte die Mittel, durch
Auffrischung und Uebermalung von Künstlerhand die alten Figuren
und Buchstaben in neuer Farbenfrische wieder hervortreten zu lassen
und durch behutsame Ergänzungen einige zerstörte Teile in den Figuren
wieder zu ersetzen. Von dem so erneuerten und z. T. ergänzten
Totentanze fertigte mit Hilfe von Durchzeichnungen, die vom Originale
selber Strich für Strich genommen wurden, der Berliner Architekt
Th. Prüfer ein Facsimile an, das er in photographischer Verkleinerung
zweimal — 187G einfarbig in grösserem Massstabe ^), 1883 farbig aber
in viel kleinerer Wiedergabe — vervielfältigen und als Beigabe zu
einem Abdrucke und einer recht fehlerhaften neuhochdeutschen Ueber-
setzung des Textes erscheinen liess.^)
Diese Facsimiles geben ein recht gutes und fast durchweg zu-
verlässiges Abbild des Totentanzes in seinem jetzigen Zustande. Dass
sie ihm nicht mehr vollständig entsprechen, hat seinen Grund in Vor-
gängen bei der kürzlich erfolgten durchgreifenden Erneuerung des
ganzen Kirchenbaues. Bei dieser Gelegenheit wurde durch eine Wand,
welche zwischen Turmhalle und Kirchenschiflf errichtet ist, ein kleiner
Teil des Totentanzes (vgl. zu Vers 339) verbaut, ferner die Figur des
Narren richtiger als bei der ersten Erneurung ergänzt und wahr-
scheinlich das ganze Bildwerk noch einmal wenn nicht übermalt, so
doch überfirnisst.
Bei diesen Erneuerungen hat die Hand des Malers die alten
Schriftzüge, sogen, gotische Mönchsfractur, nicht allein soweit sie er-
halten waren mit Farbe neu überzogen, er hat offenbar verblichene
Teile einzelner Buchstaben, nicht immer das richtige erratend, zu er-
gänzen gesucht. Leicht und glatt lassen sich heute die Buchstaben
lesen, und die deutliche farbenfrische Schrift lässt die Schwierigkeiten
nicht melir ahnen, welche bei der Lesung des stellenweis fast ver-
blichenen Textes bei seiner Entdeckung zu überwinden waren.
Trotz des grossen Verdienstes, welches man Lübcke und Prüfer
um die Lesung der niederdeutschen Verse gerechterweise zuerkennen
muss, kann nicht verk«annt werden, dass die von ihnen gebotenen
Textabdrücke selbst massigen Ansprüchen nicht genügen. Die Kenntnis
dos Mittelniederdeutschen, die vor dem Erscheinen der W^örterbücher
Lübbens ohnehin in ausreichendem Masse nicht einmal von Fachleuten
erlangt werden konnte, mangelte ihnen derartig, dass ihre Abdrücke
*) Prüfer, Der Totentanz in der Marienkirche zu Berlin. Mit G photolith.
Tafeln, Berlin 1876, enthalten in den Vermischten >Schriften etc. hrsg. von dem
Verein für die Geschichte Berlins. Bd. 1. Berlin 1888. Fol.
") Th. Prüfer, Der Todtentanz in der Marienkirche zu Berlin und Geschichte
und Idee der Todtentanzbilder überhaupt. Mit 4 Blatt farbiger Lithographien.
Berlin 1883. 4 (besonderer Abdruck aus dem Archiv für kirchliche Baukunst,
hrsg. von Prüfer, Jahrg. 6, Berlin 1882, S. 1 ff.)
6*
84
voll grober Verlesungen, ihre Deutungen und Uebersetzungen v(ul
arger Missverständnisse sind. Auf einige hat bereits s. Z. LübbiMi^-
hingewiesen. Wenn im Laufe nun vieler Jahre von philologische
Seite Nichts geschehen ist, die Fehler dieser Texte auszumerzen, ini»l
selbst die conjecturfreudigsten Kritiker die oft leicht und sicher zu
heilenden Entstellungen unberührt Hessen, so findet das seine Er-
klärung nur in dem Umstände, dass die bisher gedruckten Text-
wegen der Art ihrer Veröffentlichung und ihrer Beigaben meist nur
in Kunstzwecken dienenden Bibliotheken zugänglich waren. EinerM it\
um diesem Mangel abzuhelfen, anderseits zur Ergänzung meii.^.
früheren Arbeiten über die Totentänze^), unternehme ich den Versiuli
diesen Text ebensowohl wie den ihm verwandten Lübecker v. J. K»J"
in diesem Jahrbuche allgemein zugänglich und nutzbar zu maclien.
Verhältnis des Berliner Totentanzes zu seinem Tor-
bilde* Ehe ich auf die Kritik des Textes selbst eingehe, seien m i
einige Ausführungen gestattet, welche geeignet erscheinen, das Ver-
hältnis des Berliner Totentanzes zu den übrigen Totentänzen (In
Mittelalters klarer zu stellen, als es bisher geschehen ist. Ich kami
dabei von dem sicheren Ergebnisse meiner früheren Untersudiu: -
ausgehen, dass von allen Totentanztexten der Lübecker v. J. 14ii
der altertümlichste ist und durch die Art seiner Entstehung aus eiü«i
niederländischen Texte jede Beeinflussung durch irgend einen deutsch'
Totentanz ausgeschlossen erscheint. Es folgt hieraus mit Sichorli'i'
was sonst nur Wahrscheinlichkeit beanspruchen könnte, dass jnl
niclit zufällige Uebereinstimmung zwischen dem alten Lübecker uii«l
irgend einem andern deutschen Texte Abhängigkeit dieses Text-
von dem Lübecker beweist. Es.brauclit also in solchen Fällen ni^l*
erst die Möglichkeit des umgekehrten Verhältnisses erwogen zu wenl« i
Der Berliner Text enthält eine solche wörtliche Uebereinstinmiui .^
V. 171 f. heisst es in ihm
Patves erdesche vader ...
Gy hebben in der siede gadea ghcstan
während man im Lübecker*) Texte V. 22 ff. liest:
AI hevestu in godes siede siaen
Een erdesch vader, vre unde iverdicheii nnifaen
Van al der werlt . . .
liier sind also Wendungen, die der Lübecker Totentanz bot, in Ak'.
Berliner übergegangen. Ist nun die betreffende Stelle aus dem Lübeck^:
*) Nd. Jahrbuch 3, 178. Die von Li'ibhen angezogenen Stellen hat datu
R. Sprenger ebd. 4, 105 ft". von neuem behandelt und zu bessern versucht.
*) W. Seelmann, Die Totentänze des Mittelalters. (Besonderer Abdrmi
aus dem Niederdeutschen Jahrbuche XVII). Norden u. Leipzig 1893.
»j Nd. Jahrbuch 17 S. 70 ff.
85
Toteutauze uunüttelbar oder mittelbar übernommen V Diese Frage
lässt sich dank einer audem Stelle beantworten, welche sich in dem
Berliner und einem andern Lübecker Totentanze, dem 1520 gedruckten,^)
in fast wörtlicher Uebereinstimmung findet. Es ist nämlich, wie be-
reits von Lübke bemerkt ist,
Berliner Totentanz V. 11 — 14
[Bytterlyken sjtervefnj ys dy [erjste sanck
[De andejr alzo dy klokkenklanck,
[De drudde vajn frunden syn vorgeten
[Aljtydes dat svlle gy weten!
= Lübecker Totentanz v. J. 1520 V. 401—404
Bytterlyken sterven is de erste sanck
De ander is der klocken klanck
De drydde is: in korter stunden
Werstu vorgetten van dynen frunden.
Unter der später als zutreffend sich ergebenden Voraussetzung,
dass der Verfasser des Berliner Textes nur einen altern Totentanz
gekannt und als Vorbild benutzt hat, erweisen die beiden eben dar-
gelegten Uebereinstimmungen, dass weder der Lübecker Totentanz
von 1463 noch der von 1520 als Quelle benutzt sein kann, denn keiner
bietet beide Stellen zugleich. Es muss also ein Totentanz die Quelle
des Berliner Dichters gewesen sein, der einerseits selbst eine Nach-
ahmung des alten Lübecker Totentanzes war, anderseits das Vorbild
für den aus ihm entlehnenden Berliner und dem gleichfalls ihn be-
nutzenden Jüngern Lübecker Totentanz gewesen ist.
Das eben ermittelte Verwandtschaftsverhältnis eimöglicht bereits
einige sichere Schlüsse auf die Beschaffenheit und den Inhalt des
nicht mehr vorhandenen unbekannten Vorbildes, dessen Nachbildung
oder Nachahmung der Berliner Totentanz ist. Jener Totentanz muss
nämlich alles das geboten haben, was das Berliner Denkmal Ueber-
einstimmendes einerseits mit dem alten Lübecker, anderseits mit dem
Jüngern Lübecker Totentanze enthält.
Auf den ersten Blick schon gewahrt man die typische Gleich-
artigkeit des gemalten Reigens und der in demselben auftretenden
Todesgestalten im Berliner und Lübecker Totentänze von 1463.
Diesen Typus des Reigens muss aus dem alten Lübecker Gemälde
der unbekannte Totentanz übernommen und seiner Berliner Nachbil-
dung übermittelt haben.
Die bemerkenswerteste Uebereinstimmung zwischen dem Berliner
und dem jungem Lübecker Totentanze ist dagegen die sich vom altern
Lübecker Totentanze wesentlich unterscheidende Form des Zwiegesprächs
zwischen dem Tode und den menschlichen Ständen. Im alten Lübecker
Totentänze fordert der Tod in je einem Verse die einzelnen Stände
>) Nd. Jahrbuch 17 S. 34 ff. 41 f. 47.
86
zum Tanze auf, diese antworten in je acht Versen und erhalten dann
vom Tode eine Erwideining in je sieben Versen. Im Berliner und iii
dem Jüngern Lübecker Totentanze ist die Form des ZwiegcsprlÄ'
dagegen wesentlich vereinfacht. Der Tod redet die Einzelnen in je j
sechs Versen an und diese antworten in ebensoviel Versen. Dk>f
vereinfachte Art des Zwiegespräches muss also auch das gemeinbiiine
Vorbild schon geboten haben.
Die beiden wörtlichen Uebereinstimmungen, von welchen di-'
Untersuchung ausging, werden diese noch in anderer Beziehung fördoiu
Es muss auffällig erscheinen, wenn der Verfasser des Bei'liner Toxtt^
überhaupt wörtliche Entlehnungen^) sich erlaubt hat, dass di.-'
einzig und allein an jenen beiden Stellen begegnen, welche sich it
den Versen des predigenden Franziskaners und des Papstes Huil- j
Eine Erklärung dieser Thatsache wird sich ergeben, wenn man di
Reihenfolge der Figuren in den verschiedenen Totentänzen vergleich
I
Lübeck 1463
Prediger auf der Kanzel
und Tod an Alle
1. Papst
2. Kaiser
3. Kaiserin
4. Cardinal
5. König
6. Bischof
7. Herzog
8. Abt
9. Ritter
10. Kartäuser
11. Edelmann
12. Domherr
13. Bürgermeister
14. Arzt
15. Wucherer
16. Capellan
17. Kaufmann
18. Küster
19. Handwerker
20. Klausner
21. Bauer
22. Jüngling
23. Jungfrau
24. Kind
11
Lübeck 1520
Prolog und
Tod an Alle
1. Papst
2. Cardinal
3. Bischof
4. Kaiser
5. Kaiserin
6. König
7. Herzog
8. Abt
9. Kreuzherr
10. Arzt
11. Domherr
12. Pfarrherr
13. Mönch
14. Ritter
15. Official
16. Klausner
17. Bürgermeister
18. Nonne
19. Kaufmann
20. Junker
21. Jungfrau
22. Bürger
23. Begim
24. Narr
25. Handwerker
26. Student
27. Bauer
28. Reiter
29. Geselle
30. Kind
III
Berlin
Franciscaner auf
der Kanzel (s. J)
1. Küster (s. I, 18)
2. Capellan V (s. I, 16)
3. Official (8. II, 15)
4. Augustiner
5. Dominikaner
6. Pfarrherr (s, II, 12)
7. Kartäuser {$, 1, 10. U, ^'
8. Arzt (s, I, 14)
9. Mönch (8, II, 13)
10. Domherr (s. I, 12. II '^
11. Abt (8. I, 8. II, 6)
12. Bischof (8, I, 6. IL 5-
13. Cardinal (s. I, 4. IL -
14. Papst (8. I, i. //, li
Christus am Kreuze
15. Kaiser (s. I, 2. IL 4'
16. Kaiserin (8. I, 3. IL '
17. König (8. I, ö. IL hj
18. Herzog (8. I, 7. IL ^
19. Ritter (s. I, IL IL i*
20. Wucherer (8. /, lö)
21. Bürgermeister Cf, 75. //,r
22. Junker (8. II, 20)
23. Kaufmann (8. 1, 17. IL '-
24. Handwerker {5. /,i5. IL^
25. Bauer (s. I, 21, IL -•
26. Schankwirtin
27. Narr (s. II, 24)
28. KindV (s, I, 24, II, 3'-
*) Ausserdem finden sich nur einige Anklänge, vgl. die Anmerkungen auf S. !<•
Sie beweisen immerhin, dass der Dichter manche Reminiscenzen verwerten kouut«
87
Wie die vorstehende Uebersicbt zeigt, finden sich jene wörtlichen
Entlelmungeu des Berliner Totentanzes an sehr weit in ihm ausein-
anderliegendeu Orten, da der predigende Franciskaner zu Anfang,
der Papst an vierzehnter Stelle steht. In dem Vorbilde, dem jene
Entlehnungen entnommen sind, hat dagegen der Prediger (vgl. I)
gleichfalls zu Anfang seine Stelle gehabt und der Papst (vgl. I, 1.
II, 1) dicht neben ihm. Die entlehnten Verse fanden sich also in
dem Vorbilde des Berliner Malers zu Anfang desselben neben ein-
ander. Aus der ursprünglichen Stellung zu Anfang kann sich nun
die durch den Berliner Maler erfolgte wörtliche Entlehnung in zweierlei
Weise erklären lassen. Entweder ist sie durch sein Gedächtnis, das
leicht begreiflich gerade den Anfang des Textes festhielt, vermittelt,
oder er hat den Anfang seines Vorbildes einfach copirt und den
übrigen Teil des Totentanzes nach selbständigem Entwürfe ausgeführt.
W^ir würden in diesem Falle anzunehmen haben, dass man sich in
Berlin eine Copie der ersten Gruppen des Totentanzes verschafft und
dem Maler den Auftrag gegeben hat, nach diesem Muster einen Toten-
tanz auszuführen. An eine Copie des ganzen als Vorbild dienenden
Totentanzes als Muster für den Berliner Maler wird man bei seiner
Ausdehnung schwerlich zu denken haben. Die Copie eines Teiles
konnte genügen, weil die fehlenden Tanzgi-uppen wegen ihrer typischen
(ileichartigkeit unschwer zu entwerfen waren. ^)
Zwei Einzelheiten im Berliner Totentanze ermöglichen den Be-
weis, dass der Maler den Anfang seines Vorbildes nicht zu einem
eigenen Entwurf umgeändert, sondern nach einer Copie gedankenlos
wiederholt hat.
Erstens. Der Tod sagt (Vers 15 ff.) zum Küster, weil dieser
auf Erden ein Vorbeter gewesen sei, so solle er jetzt mit ihm den
übrigen vortanzen. Aehnlich redet der Tod aber auch zum Papste
(V. 173 f.). Weil dieser Gottes Statthalter auf Erden gewesen sei,
so solle er vor allen andern tanzen. Diese beiden Anreden stehen
im Widerspruch mit einander. Die Worte des Todes passen auf deu
Küster, der im Berliner Gemälde an der ersten Stelle steht, sie passen
aber nicht auf den Papst an vierzehnter Stelle. Der Maler oder
Dichter muss den Wortlaut seinem Vorbilde, in welchem der Papst
den Anfang des Reigens machte, gedankenlos entlehnt haben.
Zweitens. Der den Prolog sprechende Prediger auf der Kanzel
ist im Berliner Gemälde als Franziskaner (vgl. Zeile 1) bezeichnet.
Nun hat es freilich auch in Berlin Franziskaner gegeben, aber ihnen
gehörte das graue Kloster, dessen altertümliche Kirche noch heute
erhalten ist, nicht aber die Marienkirche, welche mit St. Nicolai
Stadtkirche war. Mag nun auch gelegentlich vorgekommen sein, dass
einer ihres Ordens in St. Marien die Kanzel bestiegen hat, — ein
*) Eine rohe zwei Gruppen bietende Skizze unbekannter Herkunft, die ver-
mutlich zur Herstellung eines monumentalen Totentanzes angefertigt ist, bietet ein
Fergamentblatt der Königlichen Bibliothek in Berlin. Vgl. Nd. Jahrbuch HS. 126 f.
88
solcher Fall ist übrigens nicht bezeugt — , so kann das nur eine
Ausnahme gewesen sein, denn nach Ausweis der Urkunden ist k
beiden Stadtkirchen der Predigt- und Altardieust von Priesteru und
Caplanen besorgt worden. Man wird deshalb auch bezüglich dt^
predigenden Franziskanerbniders vermuten dürfen, dass er aus deB-
Vorbilde des Berliner Totentanzes copirt ist. Für diese AnDahnii-
spricht noch ein Umstand. Der Franziskaner und die Kanzel, aui
der er steht, weisen im Faltenwurf des Gewandes wie in der Orna-
mentik der Brüstung mehr Detaildurchführung, als in den übriiron
Teilen des Totentanzes begegnet, und zugleich besseres Ebcnuia>>
der Verhältnisse auf. Diese Verschiedenheit der künstlerischen Aus-
führung wird begreiflich, wenn man das gutgelungene Stück als C(»pii'
aus einem Totentanze ansieht, dessen Künstler dem Maler des Ber-
liner Bildes an Kunstgeschick überlegen war.
Das Vorbild. Wo wird man das heute nicht mehr vorhaiideui
Vorbild, von dem der Berliner Totentanz teils Copie teils NachahmuuJ
ist, zu suchen oder zu vermuten haben? Wahrscheinlich doch ja
einer Stadt, die sowohl mit Lübeck als auch mit Berlin sei es kina-
liche, sei es commercielle Beziehungen im Mittelalter unterhalten hat
Es muss eine Stadt sein, deren Totentanz an Alter dem Lübecker
von 14()3 nicht viel nachstand, da der ihn wiederum benutzen|l^
jüngere in Lübeck 1520 abgedruckte Totentanz nachweislich bereit^
vor d. J. 1489^) verfasst ist. Schliesslich muss die Kirche oder J'-
Convent, in dem dieser Totentanz gemalt war, sich im Besitze dor
Franziskaner befunden haben.
Die ehemalige Existenz eines grossen Totentanzes, der die>'^i^
Voraussetzungen in jeder Beziehung zu entsprechen scheint, lässt ^Kl'
in der That nachweisen und ilin werden wir als das Vorbild d^^
Berliner Malers mit grösster Wahrscheinlichkeit ansehen dürfen: t'^
ist der Totentanz, der sich früher in der St. Maria Magdalenenkinli^
zu Hamburg befunden hat. Er wird zwar nur in Urkunden dr
1<>. imd 17. Jahrhunderts genannt, muss aber beträchtlich älter a*
die erste Erwähnung v. J. 1551 sein, da hierbei auf eine ältere ^^'■
der monnicken tyden ausgestellte Urkunde Bezug genommen winl
worin dem Amte der Leinweber ein Platz zu einem Gestühle einge-
räumt sei achter in duscer harken an dem steinen %iyler vor dem dodcn-
dansse. Daraus dass mindestens acht Gräber in einer Reihe vor ihn^
lagen und jedes 5 — 6 Fuss breit war, kann man schliessen, dass i^
die Westseite des Mittelschifles der Kirche geschmückt und eine Lau?'
von mehr als 40 Fuss geliabt hat.^) Andere Nachrichten, aus deiuu
sich Näheres ül)er ihn ergäbe, haben sich leider nicht erhalten. 1"^
Kirche selbst, die einen wahren Schatz schöner Gemälde in sich g<"
borgen haben soll, ist 1807 abgebrochen.
M Nd. Jahrbuch 17 S. 84 ff.
^) Zeitschrift des Vereins für hamburgische Geschichte. Bd. 5 (1866) S. ^^"
89
Es ist vorhin darauf hingewiesen worden, dass man das Vorbild
des Berliner Totentanzes in einer Stadt zu suchen habe, welche im
Mittelalter sowohl zu Lübeck als zu Berlin Beziehungen gehabt habe.
Die enge Verbindung Hamburgs iind Lübecks braucht nicht erst dar-
gethan zu werden. Aber auch die Berliner haben mit Hamburg,
wohin sie ihr Getreide verschifften, schon seit dem 13. Jahrhundert
(nach Fidicins Worten) 4n «nger Beziehung gestanden'*). Ganz be-
sonders fiillt aber ins Gewicht, dass die Hamburger St. Maria Mag-
dalenenkirche Klosterkirche der Franziskaner war, der Kanzelredner
des Totentanzes also in der Tracht dieses Ordens schicklicherweise
gemalt sein konnte.
Die Anordnung des Berliner Totentanzes. Eine Ver-
gleichung mit den übrigen Totentänzen — man braucht nur die oben
S. 86^ gegebene Uebersicht anzusehen — erweist bezüglich der Reihen-
folge und Anordnung der in den Todesreigen aufgenommenen mensch-
lichen Stände für das Berliner Denkmal eine Besonderheit, die sich
sonst nirgend wieder findet und die somit wahrscheinlich auf der
selbständigen Erfindung seines künstlerischen Urhebers beruht. Während
in den übrigen Totentänzen Papst und Kaiser den Reigen beginnen
und die übrigen Stände nach Massgabe ihrer Würde folgen, macht
in Berlin der Küster den Anfang und ihm folgen von links nach rechts
zunächst nach aufsteigendem Range — wenn auch ohne peinlich ge-
naue Durchführung dieses Grundsatzes — die geistlichen Würden-
träger, deren letzter der Papst ist. Darauf folgt, durch ein Crucifix
getrennt, der Kaiser mit der Kaiserin und nach ihnen in absteigendem
Rangverhältnisse König, Herzog, Ritter usw. bis zum Narren und
Kinde hinunter. Diese Anordnung enthob den Urheber der Notwen-
digkeit zu entscheiden, ob dem geistlichen oder weltlichen Schwerte,
dem Papste oder dem Kaiser, die erste Stelle gebühre. Aber nicht
diese Erwägung war die Ursache der eigenartigen Anordnung, sondern
ein besonderer Umstand, dem er Rechnung tragen musste. Die linke
Abteilung der Turmhalle, in welcher sich der Totentanz findet, war
früher von dem Kirchenschifte durch keine Mauer geschieden, sie bot
also dem Maler für sein Werk ausser weit vorragenden Pfeilern nur
zwei Wandseiten, eine westliche und eine nördliche. Beide Wand-
seiten würden im rechten Winkel zusammenstossen, wenn nicht die
Innenseite desselben durch einen Eckpfeiler ausgefüllt wäre, der eine
ebene Seitenfläche von 1)6 Centimeter Breite darbietet. Nun wissen
wir, wie bereits S. 81 mitgeteilt ist, dass im Mittelalter ein, vielleicht
zwei Altäre in der Turmhalle aufgestellt waren. Wenn einer dieser
Altäre der linkseitigen Halle zugehörte, so muss er entweder vor der
Mitte einer der beiden Seitenwände oder gerade vor dem Eckpfeiler
seinen Platz gehabt haben. Seine Stellung an einer der Seitenwäude,
welche jetzt den Totentanz tragen, vertrug sich nicht mit diesem.
>) E. Fidiciu, Beiträge zur Geschichte der Stadt Berlin. Th. 3 (1837) S. 39 f.
90
Der Altar muss, wenn er nicht bereits schon ursprünglich vor den
Eckpfeiler gestellt war, unbedingt vor diesen gerückt worden mu.
um die Seitenwände für den Totentanz verwendbar zu maclufU.
Immerhin bedingte die Stellung des Altars vor dem P^ckpfeiler au
diesem eine Unterbrechung des Totenreigens, um Raum für ein Altar-
bild zu gewinnen. Der Maler des Totentanzes fand den AuswtL\
dass er am Eckpfeiler über dem Altare Christus am Kreuze mit Maria
und Johannes zur Seite derartig malte, dass das durch besondert
Linien eingerahmte und hervorgehobene Bild zugleich als Altargemäld
dienen und doch als Teil des Totentanzes aufgefasst werden sollt.*.
Die bloss äusserliche Einfügung des Crucifixes in den Totentanz fre-
nügte allein hierzu nicht, dieser musste so gegliedert werden, dav
die Einreihung des Crucifixes und seine bedeutungsvolle Stellung im
Totentanze auch aus inneren Gründen sich rechtfertigte. Der Makr
oder der ihn beratende Kleriker zeigte sich dieser Aufgabe gewadb'
und löste sie in sinnigster Weise. Er schied die geistlichen u-!
weltlichen Stände, jene links, diese rechts vom Cnicifix derartig an-
ordnend, dass der sterbende Christus zwischen Papst und Kaiser gf^-
stellt zur vornehmsten Figur des Totenreigens und zum geistig« n
Mittel- und Hauptstücke des Gesammtbildes wurde. Auch der Gotte-
söhn ist als Teilnehmer am Todesreigen dargestellt
Vor juw mut ik dragen van scharpen darrte enen hraniz^
Kämet al met my an den dodendantz!
aber ihn hat nicht der Tod, dessen Figur darum neben ihm febK:
darf, zum Tanze in das Grab aufgefordert, er ist freiwillig für tU
Menschheit gestorben:
Seet wu ik vor juw leet den bittren doet!
Maler tind Dichter. Der Berliner Totentanz ist unmittellür
auf den Wandstuck gemalt, der Maler muss das Bildwerk mithiu ai
Ort und Stelle, also in Berlin, geschaffen haben. Diese Thatsacl
bedingt jedoch durchaus nicht, dass der Künstler gerade ein Berliin:
gewesen sein müsse. Mag es auch nahe genug liegen, an einen Ber-
liner Meister zu denken, so wird doch die Möglichkeit nicht geläugu'
werden dürfen, dass der Maler erst von ausserhalb zur Herstellui:-
des Gemäldes berufen worden sein kann. Wichtiger ist die Fm-
nach der Herkunft des Verfassers des dem Todesreigen beigefügt» i
mittelniederdeutschen Textes. Nur wenn der Dichter in Berlin gek'
hat, haben seine Verse den Anspruch, das älteste poetische Sprad-
denkmal der Stadt Berlin zu sein.
Die Entscheidung der Frage, ob die niederdeutschen Verse A^
Totentanzes von einem Einwohner der Stadt Berlin verfasst stiu
können, lässt sich nur aus einer Untersuchung der Spruchfonuei:
des alten Textes gewinnen. Diese Untersuchung wird zugleich anc:
darüber entscheiden, ob der Maler, der jene Verse unter den Todes-
reigen gesetzt hat, aus Berlin gebürtig und ol) er vielleicht mit deu.
Dicliter identisch gewesen sein kann.
91
Im Allgemeinen treten uns in den niederdeutschen Versen die-
selben Sprachformen entgegen, welche man in den märkischen und
berlinischen Urkunden aus den vier letzten Jahrzehnten des fünf-
zehnten und dem Anfang des sechzehnten Jahrhunderts findet. Be-
züglich einer für die Bestimmung der Mundart bedeutsamen Sprach-
erscheinung lässt sich jedoch ein Unterschied feststellen.
Die berlinischen Urkunden jener Jahrzehnte bieten für gemein-
niederdeutsches langes e in gewissen Fällen langes i oder ie, statt beer
'Bier' denst 'Dienst' sen 'sehen' scref 'schrieb' lef 'lieb' ist also in
ihnen ftiV, hier oder iyr, dinsty sin, scrif^ lif etc. geschrieben.
Der Maler des Totentanzes hat nun ein und das andermal im
Texte ein e oder ei gemalt, wo der Dichter ursprünglich ein i nach-
weisbar gesprochen oder geschrieben hatte.
So liest man V. 333
Och gruwelihe doet^ bysfu rede hyr?
Nym den dorenf ick gha vnde tappe her.
Die beiden Verse sollen mit einander reimen, die Wortformen
hyr 'hier' und her 'Bier' ergeben jedoch keinen Reim, sondern man
muss, um diesen herzustellen, für her die in den Berliner Urkunden
oft erscheinende Form hyr einsetzen. Der Maler hat offenbar nur
deshalb, weil ihm in diesem Worte das i nicht geläufig war, die
ausserhalb der Mark verbreitete und auch ihm gewohnte Form her
eingesetzt, während er das Reimwort hyr ungeändert Hess, weil es
in dieser Form auch ausserhalb der Mark Geltung hatte und die
Form her ihm unbekannt war.
Andere Aenderüngen dieser Art sind V. 312 ruseleret anstatt
ruscliret im Reime zu ghevyret und V. 349 scheyr anstatt schir im
Reime zu partyer.
Wenn diese das märkisch-berlinische i aufweisenden Reime dafür
sprechen, dass der Dichter des Textes aus der Mark stammte, also
wahrscheinlich ein Berliner Kleriker war, so erweist anderseits der
Anstoss, den der Maler an dem märkischen i nahm, dass er auf keinen
Fall aus Berlin gebürtig war. Es würde vielleicht gut zu der Annahme
eines Hamburger Vorbildes für das Berliner Gemälde stimmen, wenn
man auch den Maler als Hamburger aus irgend welchen sprachlichen
Einzelheiten erklären könnte. Es findet sich jedoch nicht das geringste
Anzeichen dafür, vielmehr macht die Thatsache, dass abgesehen vom
i für e die Mundarten des Dichters und Malers im Wesentlichen mit
einander übereinstimmen, es durchaus wahrscheinlich, dass der Maler
aus einer der Mark benachbarten Stadt nach Berlin gekommen war.
Einen Ueberblick über die mundartlichen Eigentümlichkeiten^)
des Textes gewährt folgende Zusammenstellung, in welcher der Laut-
stand desselben mit dem gemeinmittelniederdeutschen verglichen ist.
*) Ueber die Muudart Berlins und der Mark Brandenburg im Mittelalter
handelt B. Graupe, De dialecto marchica quaestiuncula duae. Diss. inaug.
Berlin 1879. Besonderheiten desselben verzeichnet kurz Tümpel Nd. Jahrb. 20, 81,
92
a vor Id wird o: old 316; bewahrt ist es in kalM 199.
e in unbetonter Silbe wird i: heidin 'warten' 289; besetin ^gesessen' 47; schetfiiu
^scheiden' 278. 290. (Sonst ist stets e geschrieben, vgl. vortjeten 13; kcUu
14; heyden 25; scheyden 26; gheven 41 usw.)
e in unbetonter Silbe wird o: horwkten 288 (sonst stets he- vgl. v. 72. 75.)
6 wird i oder ie: 1) im Artikel dy nomin. sing. 1. 11. 12. 20 u. ö., die 256.
280; dij acc, sg. fem. 107. 198. 329; dy nom. accus, plur. 56. t>h\
ferner in sü 276. (e findet sich nur in de 18. 83. 128, vgl. he 98.1 —
2) lyf, Uve aieb' 200, 285 ; lietc liesset' 233 ; sie *ich sehe' 108 ; siet 'sehe:'
172; appcllyren 43. 48; liovircn 44. 283. üeber her 334, ru^clcrci o\i
und 8cheyr 349 ist bereits auf Seite 91 gesprochen. (Sonst findet sich '
noch in leve *lieb' 57. 70; vorveieu 63. 295; seet *sehet 55. 90. 104.}
i wird Ie: die 'dir' 261; tied 280; viene 330; hier 293. (Sonst ist stets/
gesetzt.)
0 wird durch Tondehnung zu a: z. B. yade, gades 84. 102. 134. 173. 2Tr..
288 u. ö.; kämet 15; beraleu 75; gebaren 241. 296. 304; apenbar 3(»o.
gcwanen 236; sjyarcn 'Sporen' 295. (o ist jedoch geblieben: komen 57.
119. 287; ei'korcn 61; rorlaren 62; hoivircn 283.)
or wird ar: r/ar;«^ *dem Dorne' 187.
d wird ü: z. B. ///« 'zu' 83. 102. 113. 124. 197. 199; gud 'gut' 21. 23. M
u. ö.; ?/m^, muten 44. 60. 68. 94. 116. 130 u. ö.; ^»Wer 1; siul2, h<
19. 40; rupe 'rufe' 98; vorsiiken 114; dumhere 123; (iw/ 'thiu' 211;;/'-
wm7i 245; ivuker, wukercr 267. 274; krugersrh^ 321. (o ist g^eschriebea
//io 61. 323; alto 64; altoinalen 190; (/orfc 'gut' 287; /«orfe *Hut' 15V:
kroghe 'Krug' 312; Ao 'Kuh' 324; rope 'rufe' 349.)
Einzelne Wortformen: van 'von' 1. 48. 103. 255; (nie von), — wol 'wohr S<^
104. 107. 126. 258. 303. 332; ical 11. 197. -^ edder 'oder' 60. 200. 292. -
mct 'mit' 7. 17. 24. 44. 66. 71. 85. 92. 200. 219. 243. 27ß u. ö.; .v
68. 147. 282. 314. — gtj sint 'ihr seid' 276. -7 muchie 'mochte, mwht.;
24. 26. 42. 84. 287; mögen 112. 276. — schokn 'sollen' 18. 138. 27:.
sulle gy 14; sal 25. 75; soMe 107. — ed 'es' 200. 326. — em 'ihmM^
Orthographisches: vorgewcscnn 259; nha 289; nhu 246. 270. 273. 284: '//r
277. 289; mhan 273; vhalscheyt 330.
Vergleiclit man die nd. Originalurkunden, welche Fidicin iu seiinn
'Beiträgen zur Gesdiichte der Stadt Berlin, Th. 2' hat abdruckt^
lassen, so ergiebt sich ziemliche Uebereinstimmung der in ihnen K-
gegnenden Formen mit denen des Totentanzes. Es kann im Alk»-
meinen auf die von Graupe verzeichneten Belege verwiesen werdtu
doch seien einige Einzelheiten aus den Urkunden d. J. 1450 bis 14''^
(Fidicin II, S. 223—308) hier zusammengestellt.
di, die. Der Artikel lautet stets di oder die, einmal jedoch s. 259 de (Druckfehler -
si. he. Es heisst immer 57 'sie', z. B. s. 227. 228. 229. 250, und immer /'■
'er', vgl. s. 229. 231. 271. 274. 277. 300. (Dagegen lässt sich aus älter.
Urkunden hi belegen.)
em. ore. Es heisst stets cnu cme, cn neben ore, ores, crem, wen. Nicht eii^
einziges Mal om, on oder er, eres, eretn, eren. — etn als Dativ plnr
'ihnen' begegnet s. 224. 228, als Accus, sg. 'ihn' s. 270. (Die Urkunde
s. 238 kommt als magdeburgisch nicht in Betracht.)
sieh. Das im Totentanz nicht belegte Reflexiv lautet gewöhnlich sich vgl. ?
225. 242. 253. 254. 256. 257. 296. 297; nur vereinzelt begegnet sik s
259. 275. 278. Es ist hierzu zu bemerken, dass noch heute in der nd
Mundart eines Teils der Mark das Reflexiv sich, nicht sik lautet.
93
met, mede *mit* oft; mit nur s. 250. 252. 257.
wol begegnet mehrfach, nie wal.
Orthographisches. Die jüngsten Yon Consonanthänfangen ziemlich freien Urkunden
sind Nr. 181 und 182 aus d. J. 1487. Anderseits beginnen schon früh
damit überlastete Schreibungen, besonders mit 7in im Aus- und Inlaut, Tgl.
Nr. 156 (1461): vniisenn, horenn, netnjnij sodann, rek^nn u. a. ; Nr. 164
(1467) vnnsen, horenn, lesxen, nha, nlmmen, mJieren, anhe *ohne' u. a.
Alter. Das Entstehungsjahr des Berliner Totentanzes ist un-
l)ekannt, und nicht einmal das Jahrzehnt seiner Herstellung lässt sich
sicher ermitteln. Aus seiner Abhängigkeit von dem alten Lübecker
Totentanz folgt, dass er eine Anzahl Jahre nach 1463 geraalt ist.
Dass das vor dem letzten Jahrzehnt des fünfzehnten Jahrhunderts ge-
schehen ist, wird durch die Orthographie des Textes wahrscheinlich,
welche von den Auswüchsen der späteren Zeit noch ziemlich frei ist.
IMe UeberlieferHVff tJes Textes. Bei der Herstellung des
nachfolgenden Textes sind benutzt worden
L Lübkes Abdruck,
P Prüfers Facsiraile und Abdruck,
T das Totentanzgcmälde selbst in dem Zustande, in welchem es sich
i. J. 189G befindet.
Lübkes Abdruck ist trotz vieler offenbarer Verlesungen wichtig,
weil Lübke den Totentanz noch vor seiner Uebermalung untersuchen
und, indem er die noch nicht überfimiste Wandtiäche anfeuchtete,
manches erkennen konnte, was heute unlesbar geworden ist.
Prüfers nach 18G0 angefertigtes Facsimile giebt ein fast durch-
weg zuverlässiges Bild des Originals in dem Zustande nach seiner
ersten und vor seiner zweiten Uebermalung. Da die zweite Ueber-
malung vom J. 181)3 den Text, soweit er noch erhalten ist, ungeändert
gelassen hat, so ist das Facsimile zwar als JUnveis fiir diese Thatsache
und als becpiemes Hilfsmittel schätzbar, unentbehrlich für die Text-
kritik ist es aber nur hinsichtlich der wenigen Verse (vgl. V. 331)
bis 350), welche bei der Wiederherstellung der Kirche in den Jahren
1S02/93 zerstiirt sind.
Der Totentanz selbst würde in seinen erhaltenen Teilen allein
fiir den Textabdruck berücksichtigt zu werden brauchen, wenn die
Uebermalung allenthalben eine zweifellose, zuverlässige Wiedergabe
der alten Schriftreste böte. Das ist nur im Allgemeinen, aber nicht
ausnahmslos der Fall. Der Maler hat freilich die alten mehr oder
weniger verblassten Buchstaben in neu aufgetragener Farbe meist
treu nachzuziehen versucht, oft genug aber auch undeutlich gewordene
oder nur stückweis erhaltene Buchstaben nach eigenem Ermessen ergänzt.
Für die Kritik des Textes ist von Belang zu wissen, ob der
Maler ])ei seinen Ergänzungsversuchen rein mechanisch verfahren ist.
Es scheint das meist, aber nicht überall geschehen zu sein. An
einigen Stellen hat der Maler nämlich augenscheinlich Lül)kes Abdruck
benutzt, denn er hat offenbar Verlesungen desselben übernommen, z.
B. 190 brrrM, 281 rnde, 288 thur, 303 fnwstcs, 327 Drugersche,
345 knoken. Im Allgemeinen freilich hat der Maler bei seinen
94
Ergänzungen sich nur durch die erhaltenen Schriftreste und das Be-
streben, vollständige und deutliche Buchstaben herzustellen, bestimiuHi
lassen, ohne den Sinn der Worte zu verstehen oder sich um ditsii.
auch nur zu kümmern. Nur so erklären sich Wortformen und Siiiij-
losigkeiten wie V. 94 our für ock, 158 vormehen für vormereii, '»2t»
toede für mede^ 323 Iho für tho usw. Auch die deutliche Scheiduni'
der Buchstabenformen für c und t, n und w, welche in mittelalttT-
licher Schrift gern vernachlässigt wird, ist wahrscheinlich aus demselbrii
Streben des Malers nach deutlichen, unzweideutigen BuchstabenforaiHn
hervorgegangen. Nur r und e war er nicht bestrebt auseinanderzu-
halten, so dass z. B. sterven als streven oder strrven gelesen werden kaiiii.
Die zweite Bemalung des Bildes scheint den Text unborührt
gelassen zu haben. Dagegen muss in den Figuren gebessert wunl«^
sein. Der Narr, der von Lübke als Koch erklärt wurde, muss iiai :
Ausweis von Prüfers Facsimile mit beiden Füssen früher in stiiiK
(von Lübke für einen Kochkessel gehaltenen) Bunge oder Pauke ?'•
standen haben.
Den Irrtum Lübkes und die dadurch veranlasste falsche Restau-
ration der Figur wies später Prüfer nach, und offenbar ist dieMf
Nachweis die Anregung gewesen, dass der Narr heute hinter seiner
Bunge steht.
Trotz seiner Uebermalung bietet das Totentanzbild selbst inini::
noch die wichtigste Handhabe für die Herstellung des Textes, mc\<
müssen die alten Buclistaben noch deutlich erkennbar gewesen mIü
Es spricht jedenfalls für den Wert des gemalten Textes, dass ich an
mehreren von Lübke und Prüfer falsch wiedergegebenen Stellen (i:^
Richtige aus ihm selbst ablesen konnte. Und wenn auch maiuh«^
bei der Uebermalung falsch hergestellt ist, so verraten sich dk^-
Stellen dank der Unwissenheit des Malers meist durch Sinn- oiltr
Sprachwidrigkeiten.
In mancher Beziehung wird die Kritik den heute auf dem Gemäl«!'
befindlichen Text wie eine fehlerhafte Abschrift eines verlorenen i^ri
ginals ansehen und behandeln dürfen. Insofern wahrt jedoch J'^
Bild auch in seinem heutigen Zustande volle authentische Gewäli:
als bei der Beurteilung von Besserungen und Ergänzungen der äussi:^
Umfang, also Wortlänge und Buchstabenzahl, in Frage kommt.
Die von dem Gemälde in der Marienkirche heute gebotem!
Lesungen sind überall unter dem gedruckten Texte angemerkt, ^v
in diesem davon abgewichen ist. Die Lesungen und Verlesung*'
Lübkes und Prüfers sämmtlich gleichfalls anzumerken, schien zweckl«»"
und nur eine Auswahl ist aufgenommen. Doch wird man stets üh-
gegeben finden, wo sie Einzelnes haben lesen können, was heute nirli^
mehr zu lesen ist.
Die versuchten Ergänzungen, die nur den Zweck haben, i^''
Lückenliaftigkeit der Ueberlieferung weniger hervortreten zu lassin-
sind durch eckige Klammern, die unausgefüllt gebliebenen Lücken
durch Punkte bezeichnet.
95
Franeiseaner auf der Kanzel.
[Hyr ste]et dj brader van funte Francifcus orden
[nppe] eyneme predickftul vnde feeth:
[Leven wold]e gy fander grot[e not,]
[Nn mute gl lide]D den bitteren doet.
5 den konde an linen
t fyner . . .
vnde met . . .
litche ....
redy . . .
10 den pypen wike
[Bytterlyken f]terve[n] ys dy [er]fte fanck,
[De ande]r alzo dy klokkenklanck.
[De dradde van] frnnden fyn vorgeten
[Al]tyde8, dat fvlle gy weten!
Tod zum KOster.
15 Her kofter yan der kercken kämet b[er]!
Gy fynt hyr gewefe[n] alze eyn vo[r]beder,
Ik wil vor an den dantz met jw rpring[henj
Dat jw de flotelle alle fcholen klyng[beu.]
Legget dat tidebuck fnel ntb jwer baut!
20 Ik bin dy dot, ik neme nymandes pant.
KUster.
Ocb gnde dot, frifte my docb nocb eyn iar,
Wente myn leneut ys nocb gar nnklar!
Hadde ik wol [eer] vel giides gbedan,
8o niucbte ik nu frolicken met dy gaen.
25 Ocb we, Tal ik na nicbt [lenger] beyden,
Dat lydent Jbefu mncbte roy scbeyden!
5. an liuen ohve dass ein Buchstabe dazwischen su fehlen scheint. T,
11. erfte] . . fde T. — Vom n in sanck ist nur ein Rest lesbar, der einem
r ähnlich ist. T.
12. . . . r] r oder t T.
13. fyn] Ive oder we T,; we L.
14. . . tydes] von t und y ist nur der obere einem m ähnliche Teil noch
erkennbar T.; fvlle] fvde T.; . . . gudes dat wurde gy weten L,
15. her] jetzt verlöscht in T.; h , . L.
U\, vorboder] jetzt verlöscht in T,; ... der L. ; ,vorbeder war bei An*
feuchtung der Wand noch ganz deutlich zu lesend P.
20. fo T. ; ik neme . . . gades pant L,
21. giide L] gode T,
26. scbeyden L., heute verblichen T,
96
Tod zam Capellaii.
(v, 27 — 30 nicht erhalten.)
[gjhetyde beden
de treden
Capellan.
n ghehanen
lanen
35 dodde wnder ghan
beftan
gheaen
lenen
Tod zam Official.
Gy kluke wyfe man, her official,
40 Iw tidebnk ys yo dat decretal.
Got hadde jw yele wllkor gheaen.
Machte gy na hir ewichliken lenen?
Wat helpet, dat gy vele appellyeren?
Gy mathen met my im dantz haniren.
Official.
45 Och dot, ik hebbe dat wol eer gelefen,
Dat dynes richtes nymant kan ghenefen.
Dy richter is fo hoch befetin een man,
Dat van em nymant wol appellyren kan.
Wat heipet, dat ik vele blafe den wynt?
50 Sauder help my nn, Jhefn, Marienn kynti
Tod zum Augnstlner.
Her angart[i]uer, gheftlyke gade man,
Volget my ok na vnde fchedet dar van!
Dy beghiftinge ys jw nicht gheghenen,
Dat gy hyr konen ewichliken lenen.
55 Dar vmme feet, wa ik jw vor kan reigen!
Dy gheftliken fteraen alfo de leygen.
Augustiner.
Och lene dot, wa komeftn fo dradel
Beide doch fo lange beth dat ik dy lade!
35. wnder] wuder T.
40. yo] yn T
41. wilkor] wilker T.
43. appellyeren] appellyren L.
44. im] an T. — hauiren] baniren T.
47. een Ijübheti] nen T.
48. dat] dar T.
50. Marienn] Mariam T.
55. vme T.
97
Sunder du bift eyn feltzen wanderlike kumpan,
60 Ik wil edder ik wil nicht, ik muth mede dy gan;
Dar fyn alle menfchen tho vterkoren.
Help Jhefn, dat ik nicht werde vorlorenl
Tod zum Predigrer (Dominikaner).
Her predeker, gy fchult jw nicht vorveren
Vnde nicht alte fere teghen my weren.
65 Ik byn dy doet, jwe alder hoghefte raet,
Dantzet nu met my vnde weft nich quat!
Vele fcarmone hebbe gy yan my gedan,
Gy muthen ok mith my an den dantz ghan.
Prediger.
Och, gude doet, geff my doch noch lengher frift,
70 Wen du myn alder leuefte kumpan bist!
Och, my dnncket, ik kan met dy nicht wynnen.
Och, wat fal ik arme man nu begynnen?
Snelliken ft erneu is eyn grot vnghenal.
Help my, Jhefu, vnde den geistliken all
Tod zum Pfarrer.
75 Her kerkhere, jw is vele bevalen,
Ik byn dy doet, ik wyl jw nu ok halen.
Iw was yo vter maten walgelungen.
Wen gy dat requiem haddeu ghefunghen.
Hevet dat nu ok van jwert wegen an[e],
80 Ik wyl jw yortreden, also ik wan[e]!
Pfarrer.
Och alweldyge god, wat is dat leuent,
Sint deme dat yns allen is ghegeuen.
Wen de doed kummet, fnelliken thu fteruen?
Ach muchte ik gades hnlde my weruen,
85 So wolde ik vrolikeu met dy syngen.
Help nu, Jhefu, fo mag my wol ghelingeu!
Tod zum Kartttoser.
Her kartuser unde geyftlike vader.
De monken muthen ftreven alle gader
Der regellen unde [dem] g[efette] volgen na.
90 Siet, wtt Tuverliken dat ik jw vorga!
Vorlatet jwes klofters bequeroycheit
Vnde dantzet nu meth my in frolicheit!
61. Dar P.] dat T.
80. wane] man T. F.; wan L.
88. monken] menken T. ; mensken L. ; — streven] strrven T. ; sterven L, P.
89. gesette verblichen 1\, als g[cse]tz[e] gelesen von Prüfer.
90. Siet] stet T.
91. bequemycheit T.] bequemyckeit L. P., doch ist vom h der dasselbe vom
k unterscheidende Haken noch nicht volLständig verlöscht in T.
92. frolickeit T.
Niederdeutsches Jahrbach XXL 7
98
Kart&nser.
Och gude doet, ftemen ys een ghemene recht,
Ock mnt fternen bede here an[de] knecht,
95 Oeystlik, werlik, ok monke [algelyk],
B[yk, arm,] man, frowen, jwe[lyk].
Wat helpet my denne dat [ik wedderrede]?
Ik mpe tho Jhefa, dat he [mi berede].
Tod zum Arzt.
Her doctor, meyster in der arftzedye,
100 Ik hebbe jw rede gheefchet wol dryge,
Noch meyne gy leyder lenger to lenen
Vnde willen jw nicht thn gade genen.
Legget wech dat glasz nnde fcheidet darvan
Vnde feet, wn wol ik iw yordantzen kan!
Arzt.
105 Och almechtige god, gef dn my nn rath,
Wente dat water is ntermaten qnat!
Ik folde wol np dy abbeteken ghan,
Wente ick] fie den dot harde vor my ftan;
Dar jegen] waffet keyn kmt in den garden.
110 [Her Jhejfu, woldeftn myner warden!
Tod zum MOneh.
Her monick, ik wil jw gar ko[rt] wat feggen,
Den blawen bndel moghet gy van jw leggen
Vnde ok dar thn dat bereideken wyth.
Vorfaket nn, wn wol jw dat dantzen fyt,
115 Dat gy vaken hebben gedan myt eren!
Volget na! gy mnthen den tal vormeren.
Mönch.
Och gode ghefelle, tafte my nicht an,
Wente ik byn ein begeven geystlik man.
Ik wnfte gar wol, dat dn woldeft komen,
120 Doch konde ik de[r tyd nicht ramen],
Wente nymant wet, [wanneer he mnt scheyden].
Help nn Jhefn, wor ik my nn [bere]y[de].
93. een] ed T.
94. Ock] our T.; owe L. P.
102. willen] willen T.
106. water] wat' der er bedeutende Haken ist noch halb sicJUbar. 21 ; wat F.
109. waffet] waffer T. L. P.
110. warden] warten T,
118. geystlick P.] geystlich T.; geystlike L.
120. der] de T.; der L. P.
122 my nu L.] my n . T.
d9
Tod zum BomherreB«
Her damhere, grot van hogem ftade,
Thu den dantze der doden ik jw lade,
125 Dar gy io niht vele heb[b]en na gedacht,
De wyle dat gy weren by der wolmacht.
Leggbet myt hnlde neder dat byreydeken rot,
Volghet my fneliken nal ik byn de dot.
Domherr.
Och da hemellische konigk der eren,
130 Nu is dy tyd, dat ik mnth ftenien leren.
Hedde ik dat gheleret in jnngheren jaren,
[Hedde ik wol] ftervendes ghed[acht to varen].
[Mut ik nu] fternen in de[r joget,]
[So helpe my] gades krafift yn[de doget!]
Tod zum Abt.
135 [Here abb]et rike
Iwen moniken were
Owers jw fal . . . . ol
Gy fcholen jw
[Haldet] jw ok ber[eyt]
140 Springet vp vn[de]
Abt.
[0]ch gnde d[oet]
(i\ 142 — 146 nicht erliallen,)
Tod znm Bischof.
Her bifcop myt juwer koftliken kröne,
[Dantzet] my na! got wyl jw nu wol Ionen.
ghy hebben ghedan
150 hebbe gy gheftan
hadde ghe . . en
Bischof.
[Och]
155 ow . . . . uft weren
nicht vormeren
olde lan
all . . .
125. dar L.] dat P. T.
132. ghede T.; ghedesd . . . P.
139. nur jw ok ist noch lesbar T., [Ilaldet] Jw ok ber[eyt] L.
148. wyl] vyl T.
151. hadde gheb. den L.
155. ow T.] komet L.
156. vormeren L. P.] vormehen T.
158. all X.] nicht mehr erkennbar T,
7*
100
Tod zum Kardinal.
Her kardenal mit deme roden hode,
160 Oy mnten met alße ik my [yormo]de.
Der geweit knnde gy gar wol [vorstan],
Dar vor muthe gy nn [met my gan].
Beydet nicht lange, fander [komet mede],
Ik wyl [jw na] leren des dan[tzes trede].
Kardinal.
(v. 165 — 170 nicht erhalten,)
Tod zum Papst.
Pawes, erdefche vader, volget my na
Vnd fyet, wu fchone ik jw nv vor gha!
Gy hebben in der ftede gades geftan,
Dar ymme fchole gy vor an den dantz g[ban].
175 [Trede] t nn an vnde fynget gheringe,
[Vnde] maket neene vortogheringe !
Papst.
[Och] ... bar
ne
. . dot byn ik
180 ik des dodes
[Help] nn Jhesn
Christas am Kreaze.
[Gi c]risten[menschen, arme an]de rike,
J[ange ande olde algelike],
185 [Vor jw] ik gestorven byn!
Gy mvthen alle [ok des dodes fyn].
Vor jn] mnt ik draghe[n] van fcharpen darne enenkrantz,
Kämet] al met my an den dodendantz!
pk] gy geystliken cristen, grot vnde klene,
Mit rechtem ernste ik jw altomalen] mene,
Set wn ik vor jw leth den bittren doet!
Gy maten alle Sternen, dat is not.
An den dodendantz [jw] beredet,
Gy mnthen ok dantzen [mede!]
190
160. met] yett T. — ^q . . zu Ende der Zeile las noch L., heute ü^i '
nicht mehr erkennbar»
164. Nur die beiden ersten Worte Ik wyl sind noch lesbar in T. P.; Ik ':
[Iw nv] leren des dan[tzes . . . L. (siehe bei v. 305.)
167. L. las noch als Anfangsbuchstaben Ik, P. Jo.
168. P. las noch zu Anfang ein M.
176. neene undeutlich T.
179. dot byn ik X.] . . . yn ik T. P.
182. na Jhesu X ] fehlt jetzt T.
190. mene undeutlich T. *
191. bittren] bettren T.
193. beredet] bereket T. L. P.
101
Tod znm Kaiser.
195 Her keyfer ftolt, edel nnde mechtichlik,
Vp erden hebbe gy gbehad dat hemmelrik,
Eyn gnd walftalt wiff, dar thn perde fchone,
Nv legghet neder rnellik[en] dy güldene kröne,
Haldet jw thn den dodendantze bereyt!
200 Oy mnthen met, ed fy iw lyff edder leyd.
Kaiser.
Och Jbesn Crifte, barmhertige got,
Ik math fterven des dodes, ed ys neyn fpoth,
Unde gan an deffen dantz der dmfFheit,
Vorlaten alle [der wejrlde [herlicheit].
205 Her dencken
ünde help
Tod zur Kaiserin.
Eeyferin[ne], hoghe frowe gebaren,
Ik hebbe iw fnnderliken vterkaren,
Gy mnthen tho des dodes dantze yo mede,
210 Synt gy gerne dragen [de ny]gen klede.
Qevet ende nnde duth [my de hant],
Gy mnthen fnel met my yn eyn ander la[nt].
Kaiserin.
0 we my arme wiff
Dat ik gelevet hebbe
215 Ik mach andere
Nemet gy
WV gTY
Tod zum Onige.
Her konig med iwen gnlden stncke,
220 In deffer werlt hebbe gy gehath grot gelncke,
Alle menfken finth nha jwen willen wefen,
[An den dod] dachte gy nicht eyne nese[n].
rike0 was mengerleye
197. walstalt Sprenger] wal ftaet T.
199. Haldet P.] Baldet T.
200. lyff Z.] Ihif T. ; Ihlf P.
201. Och Jhesu] 0 bithe T.; 0 githe P; . . . owe L.
202. neyn X.] neyft T. P.
205. Her T, L.] Ver P.
210. klede] fehlt jetet T.
215. Ik L.] fehÜ jetzt T.
216. Nemet i.] . . . et jetzt T.
217. gro oder gm T.
219. jwen T.l men L, P.
221. jwen X.J jwem T. P.
102
Kmg.
(v. 225 — 230 nicht erhalten,)
Tod zum Herzoge.
231 Her hertoch mechtich, dnchtig tho velde,
[Den ar]men ye vordruckede gy med gewelde
[Unde d]en riken liethe gy bethemen.
Ik wil iw eck by deme liae nemen,
235 Ik lade jw fael an den doden dantz,
[D]e8 gy [sali] noch [wol] gewanen gantz.
Herzog.
Och bann[hertige]
Wat helpet des ....
240 groter druffheit
wol gebaren
Tod zum Ritter.
Her ritter med jaweme krewete ftolt,
Hir hebbe gy gedragen dat rode golt,
245 Hebbe gy iwer ere hir genach gedhan,
So möge gy nhu froliken mede my ghan.
Legge t dat fcarpe fwert vau iwer Tiden,
Gi mathe[n] med my au den dodendautz gliden!
Ritter.
Och wat fchal ik arm en
260 Wente nyman[t
(v. 251 — 254 nicht erlialte^i.)
Tod zum Bürgermeister.
255 Her borgermeister van grotheme ftade,
Gy fint die upperfte in deme rade,
Dat gemeine hefte ftunt in jwer gewalt,
Dar thu dat recht der armen wol dufentfalt.
Hebbe gy den allen wol vorgewesenn,
260 So möge gy defies dantzes geuefen.
Bürgermeister.
Och gude doeth, ick kan die nicht entwiken,
Du haleft den armen vnde den riken.
Wen fe hebben gelevet wol dufent jar,
So muthen (ie noch volgeu diner fchar.
265 Nimant is diner gewalt anich [gewefjeu.
0 Crifte Jhefu, help my nu dat [ick genefe]!
232. men ve] men gen T. — gewelde] gewalde T.
234. liue]''line 1\
235. lade jw fehlt jeUt T.; laden jw L.
236. Des] . er T.
103
Tod zum Wucherer«
Her wukerer med jwen blawen facke,
Vor geld were gy van gadeine fnacke,
Gy deden den armen ein fchok vor twe,
270 Dar vmme muthe gy uhn liden groth we.
Legget van ja wer ßden den fwedeler,
Gy muthen al mede in dath olde her!
Wucherer*
Ach war fchal ik arme mhan uhn [bliyen],
Sint ik waker nicht meyr ma[ch drivjen?
276 Mine hindere fcholen dath wed[der gew]en,
So mögen ße med gade ewich lewen.
Des helpe my ok Jhefns, dha ewige goth,
Wente van erden to scheydin is neyn spoth.
Tod zum Junker.
Her Jancker med jwen haweke fyn,
280 Gy wolden alle tied die schoneste syn.
Mennigen hebbe gy gebracht tho valle,
Vppe den doeth dachte gy nicht mid alle;
Wedewerken, howiren was jwe art.
Volget nha desseme dantze mede der fart!
Junker.
285 Och liue doeth, beide noch eyne stunde!
Ik wolde gerne lewen wen ik konde.
Alzo machte ik myne sunde bichten
Ynde my med gades licham borichten.
Sunder dhu wilt dar leider nicht nha beidin.
290 0 Criste, laeth my van dy nummer scheidin!
Tod zum Kaufmann.
Her kopman, wat gy ghvmmen nu hastych synt!
Gy sparet noch reghenweder edder wynt.
De market ys doch seker hier all gedan
Gy muthen enquantzwys met my dantzen gan.
295 Yorueret Jw nicht, legget af dy sparen!
Wente sterven is jw ok an ghebaren.
270. Dar] Dor T.
273. Och war schal ik arme "nhu [bliuen] mhan** L. 'Der Schreiber hat
sich hier verschrieben und hat dies durch die Häckchen ^ angedeutet^ L,
275. wedder] wed . . . X. ; fehlt jetzt in T,
278. Wente van erden to scheydin is neyn spoeth L.; Jetzt ist nur noch
Wente deutlich lesbar T.
282. mid alle Lübben] mid alls T,
284. volget] volset — mede] vnde T,
289. dhu] dhit T.
293. allgedan T.; affgedan L. P.
295. Vorueret] Vorwret T.
104
Eanfmaiin. |
Och gode doet, wo kome gy my das hastich an! I
Wol dat ik byn ghewesen eyn Syn kopman, I
Doch is myne rekenschop noch gar nnclar; |
300 Dat klaghe ik dy Criste al apenbar. j
Waltn se nu dar maken, des hefst da macht, |
Ik hebb[e] seker nicht vele ap dy dacht. |
I
Tod zam Handwerker.
Her amptman ghat, van daytzen wol ghebaren,
Gy synt wesen eyn w[erk]man wol vorvarn,
305 Dar knnde gy vore . . . dy behende lyden.
Gy mathen bet an den dodendantz glyden,
Sprynghet ap, ik wil jw vore synghen!
Synt gy wesen ghat, so mach jw ghelynghen.
Handwerker.
Och mechtyghe got, wat is myne knnst,
310 Synt ik hebbe ghekreghen gades vngnnst?
Den hilghen dach hebbe ik nicht ghevyret,
Sander in deme kroghe rvfeleret
Och Criste, woldesta my dat vorgheven,
So mathe ik myt dy na ewich leuen!
Tod zum Bauer.
315 Kere wedder, bare! da mvft almede
Ynde dantzen na dyner olden fede.
Dynes ackers arbeyt is al vorlaren,
Den du baven god haddel't vterkaren.
Legghe dal dat pluchfchar ande prekel!
320 Da mvft feker mede yn den partekel.
Bauer.
Och ghude doet, fume de godes doget,
Spare dannen noch myner junghen iogbet
Unde ghef my ghammen dat erfte tho !
Ik gheve dy vorwar eine vette ko.
325 Doch ik fe wol, du wult dar nicht na vraghen.
[0]ch help, Crifte, ed ghelt my hir den kraghen.
wol wv T.
298. f>Ti] thur T.
303. duytzen] banstes T.; *[banstcs] ziemlich deutlich'' L.
305. [vore] bei L., verblichen in T. Die eckigen Klammern Lübkes bedeute**.
dass die Richtigkeit der Lesung unsicher ist.
305. lyden T., doch ist vielleicht davor ein Buchstabe oder ein Buchstab€H'
paar verblichen.
314. muthe] mache T. L,
320. mede] wede T.
321. sume de] sumede T.
322. dannen Sprenger'] bannen T.
323. tho] Iho T.
105
Tod zur SehankwirÜB«
Krngersche, gy mnthen [ok al xnede]!
Valfch tap[p]en, aifrekeu is yo juwe fe[de].
Legghet dy valfche math nt inwer bant!
330 Juwe viene vhalfcheyt ys yo bekant.
Iw leyt [is aftaleggen] wol dat blawe bereyt.
Volgbet na! gy fynt wol thn dantze ber[e]yt.
Sehankwirtin.
Ocb gruwelike doet, byftu rede byr?
Nym den doren! ick gha vnde tappe ber.
335 Jodocb [dod beyde!] thn kort werth my dy tyd.
Ocb were ik deffer yal8cbe[n] matbe qnytb!
Dar ik jo mntb vore lyden grote pyn.
Help my Cbrifte uth deffer notb, macb dat fyn!
Tod znm XarrcB.
(ren mit jnw[er bnngen
340 (cb dar an gbelnngen
(velde patync[k]en . . .
Vnde (v . . . ok rewen ys myn bo . . .
Were gy ok (nocb eyns ghewesen so mal.
Gy mntben al yor(meren na dessen tal!
Narr.
345 Ocb watb ga gy (maken, gy ynle kockyn?
Latet my docb (nocb leven, al macb dat syn!
Ik jw wil mak(en eyn baaerecb[t],
Dat macb leyder nicht (helpen my arme[n knecht.
Des rope ik thn dy, Crist(e, help my scheyr,
350 Synt ik byn gewest e(yn vule partyer!
Tod zn Matter und Kind. 0)
(v, 351 ff, »ind nicht erhalten.)
327. Krngersche] Drugersche T. ; [I)]rugeriche L.
328. tappen Lübben] taper T,
328. affreken T.; aftreken L. P.
330. yo] jw T. P.; io L.
332. bereyt] beryt T.
333. Och] Sith T,
334. ick] in T, — gha Sprenger] gna T. — ber P. ber T,
335. Jo undeutlich T. ; Ig P. ; So L.
339-350. Die durch runde Klammern abgesonderten Versteile sind heute
nicht mehr varhanden, aber noch von L. und P. gelesen worden.
345. kockyn] knocken L. P.
349. scheyr T.
350. partyer Lübke] . . . ytyer L.; paytyer P.
351 ff. Die van L. noch gelesenen Buchstaben sind folgende : v. 351 [G]y . . . ;
352. Syn ... ; 353. Gy . . . ; 366. Wolgb . . . ; 357. [Ojch w . . . ; 358. Wente
thu . . .; 361. Rupet al Iw . . . ; 362. Help . . .
106
Anmerkungen.
1. 2. Die beiden ersten Zeilen sind bisher nicht als Ueberschrift erkannt,
sondern unter der Annahme, dass ein Reimwort verblichen sei, für die Anfangs-
verse gehalten worden. Die vorgeschlagene Ergänzung Höret dy bruder 'Huret
den Bruder' ist schon deshalb unmöglich, weil dy nicht Accusativ Sing. Masc.
sein kann.
1. steet. Die späteren Berliner Urkunden bieten nur die Form steit, dagegen
ist es aus andern märkischen Urkunden belegbar, vgl. Graupe, de dialecto marchica
S. 7, Fidicin Beitr. 2, 44.
2. seeth aus seget 'sagt' zusammengezogen. Andere Belege bei Graupe S. 9.
Die späteren Berliner Urkunden bieten daf&r stets secfU. Es ist bemerkenswert,
dass gerade die beiden ersten Zeilen, welche zur eigentlichen Dichtung nicht ge-
hören und vielleicht Zuthat des Malers sind, ausgeprägt mundartliche Formen
bieten, welche wohl in der Mark, aber nicht in Berlin selbst Geltung gehabt haben.
11—14. Vgl. Lübecker Totentanz v. J. 1420 Vers 401—404. Die üeber-
einstimmung beider Stellen hat schon Lübke erkannt. Die Ergänzung Prüfers
[sjterve ya dy 1 de fank [Tweijt alzo dy klokkenklanck [Von den] frunden wt
vorgeten III des dat sulde gy toeten und seine Uebersetzung 'Sterben ist der erste
Sang, Zweitens also der Glockenklang, Von den Freunden wirst vergessen Drittens,
das sollt ihr wissen' seien hier als Beleg seiner Unkenntnis der Sprache angeführt.
19. tidebuk bedeutet bekanntlich das nach den kanonischen Tageszeiten ge-
ordnete Gebetbuch. Die Möglichkeit einer andern Deutung eröffnet die Anmerkung
Prüfers: ^Hidebuk 'Zeitenbuch'. So heisst noch heute in Neu- Vorpommern das
Rechnungsbuch, in das der Küster die sogenannten Zeitengelder (temporalia, das
Gehalt des Predigers), die er einzuziehen hat, einträgt."
24. Das fröhliche Mitgehen mit dem Tode begegnet auch in dem Zwie-
gespräch des Pfarrers v. 85, des Kartäusers v. 92 und Ritters v. 246. Im Lübecker
Totentanz von 1463 v. 282 heisst es So mochte ik vrolik mede ghan beim Kaufmann.
27 ff. Die zugehörige Figur war bei der Aufdeckung des Bildes voUstandi?
zerstört und ist erst bei der Erneuerung nach der kaum zweifelhaften Vermutung
Lübkes als Capellan hergestellt worden.
49. *den wind blasen' ist sprichwörtlicher Ausdruck für zweckloses Handeln
vgl. Brant, Narrenschiff cap. 45, 29 f. Wer bett, vnd weiszt nit was er bett, Der
bloszt den wint vnd siecht die sehet.
70. Der Tod wird der beste Genosse des Predigers genannt, weil dieser
durch stete Hindeutung auf ihn eindringlicher auf seine Zuhörer zu wirken sucht,
vgl. V. 67.
106-109. Vgl. Lübecker Totentanz von 1520 v. 148. Dyt toater is ror-
toare gantz quath, ferner v. 151 üp der appoteken is nicht eyn krud Dat gegen
den doet kan wesen gud.
107
113. Prüfer merkt an: 'Dass das Baretchen des Mönches dem Texte ent-
gegen gelb resp. braun im Bilde erscheint, könnte auch als einer der vielen Gründe
dafür gelten, dass der Text nicht speciell für dieses Bild oder umgekehrt gemacht
ist.' Der heutige Widerspruch zwischen Bild und Text dürfte wohl dadurch ent-
standen sein, dass die früher weisse Farbe sich im Laufe der. Jahrhunderte ver-
ändert hat oder dass der Restaurator des Bildes die alte Farbe nicht treu wieder-
gegeben hat. Vgl. zu V. 279.
197. walstaü ^wohl gestaltet', nicht toal gestaÜ, ist eingesetzt, weil sich in
der Lücke zwischen wal und stalt auch nicht eine Spur als Anzeichen dafür findet,
dass etwa hier Buchstaben verblichen sind.
207. Vielleicht sind hier Häckchen, wie sie sich in v. 273 fanden, ver-
blichen und die richtige Wortfolge ist: KeyserinnCj frowe hoghe gebaren,
219. gülden stucke bedeutet mit Gold durchwirktes Gewand, vgl. mnd.
Wörterbuch 4, 446.
267. 'Auch hier stimmt der Text nicht zum Bilde, wo die Tasche nicht
blau, sondern grau gemalt ist'. Prüfer. Vgl. zu v. 103.
279. Wenn in dem Bilde in seiner heutigen Gestalt der Junker keinen
Habicht auf der Hand trägt, so darf man hieraus auf keinen Widerspruch zwischen
Bild und Text schliessen. Wie das von Lübke gegebene Facsimile zeigt, war die
den Habicht tragende Haud des Junkers zerstört, und der Maler hat ohne Rücksicht
auf den Text die Figur ergänzt. Im Lübecker Bilde trägt der Edelmann einen
Habicht, doch nimmt der Text darauf nicht Bezug.
291 ff. Vielleicht nur zufällige Anklänge bietet der Lübecker Totentanz
von 1463 V. 292 ff. Vgl. besonders v. 290 Mine rekenscop is nicht dar,
295. Das Bild zeigt keine Sporen.
303. Statt des sinnlosen banstes, das Lübke ziemlich deutlich, aber doch
nicht mit voller Sicherheit las, darf hier nur ein Wort eingesetzt werden, welches
genau denselben Kaum einnimmt und dessen einzelne Buchstaben im verblichenen
Zustande mit denen des von Lübke gelesenen Wortes verwechselt werden konnten.
Diesen Bedingungen entspricht das durch den Zusammenhang geforderte dudeschen
in dieser Form nicht, wohl aber in der in den berlinischen Urkunden (vgl. Graupe
S. 10) begegnenden mundartlichen Gestalt duytzen. Bekanntlich hielten die Aemter
oder Gilden im Mittelalter darauf, dass ihre Angehörigen, insbesondere die Meister,
deutscher, nicht wendischer Abkunft waren.
312. ruseleren hier und Lübecker Totentanz von 1463 v. 371 *in Saus und
Braus leben', vgl. mnd. Wörterbuch 6, 249.
313 f. Aehnlich im Lübecker Totentanz von 1463 v. 322 ff. Nu bidde ik
dif leve here, Du mi de sunde wilt varghcven Unde lade mi in din ewige leven!
108
819. dat pluchachar unde prekd. Der Artikel den fehlt bei dem zweiten
Worte trotz des verschiedenen Geschlechtes gemäss des zu Pseado-Gerh&rd von
Minden 3 v. 1 belegten Sprachgebrauches.
820. partekel Tartei'. Sonst mnd. nicht belegt.
384. den doren nämlich den Narren, der nach der Schankwirtin im Tode9-
reigen folgt.
345. kockyn, mnd. cockijn, frz. coquin ^Schelm'.
350. partyer, mhd. partierare, partierre, frz. baraieur ^Betrüger*.
357, 358. Mantels ergänzt aus dem Lübecker Totentanze fOJch [toat schal
ik du kind vorlaenj Wente thu [danzen en mach ed nicht vorstaenj.
Der Lübecker Totentanz v. J. 1520.
Es sind drei verschiedene Lübecker Totentänze zu unterscheiden.
Erstens der von 1463 in der Marienkirche zu Lübeck, dann die ii.
Lübeck 1489 gedruckte und 1496 neu aufgelegte Dichtung mit ileai
Titel 'Des dodes dantz', drittens ein Gedicht geringeren UmfaiigN
das in einem Lübecker Drucke aus d. J. 1520 erhalten ist und dt-
halb als Lübecker Totentanz von 1520 bezeichnet zu werden pflegt.
Dieser letztere soll hier im Abdruck mitgeteilt werden.
Sein Verhältnis zu den übrigen Denkmälern seiner Gattung ^^o-
wie die Zeit seiner Entstehung sind bereits in den vorangegangenec
Untersuchungen^) klar gestellt worden. Es genügt deshalb hier. &
Thatsachen, die sich ergeben haben, kurz zusammenzustellen.
Der sog. Totentanz von 1520 ist in Wirklichkeit viel älter
Er hat nämlich bereits dem Verfasser und dem Drucker des Toten-
tanzes von 1489, welche aus ihm viele Verse entlehnt und seine H«'l'-
stocke benutzt haben, gedruckt vorgelegen. Dieser verschollene cN«
Druck kann nur um ein oder zwei Jahre früher als 1489 hergeste.l*
gewesen sein. Die Holzschnitte bieten nämlich die Strichlagen d».^
sogen. Lübecker Unbekannten, eines Formenschneiders, der von 14>'
bis 1499 thätig und mit dem Drucker Mattheus Brandis identiN-
gewesen ist. Der Unbekannte hat zwar auch für andere Officinet
in und ausserhalb Lübecks Holzstöcke geschnitten, meist bessere aN
er für seinen eigenen Verlag benutzte, der Totentanzdruck ist jedotl
Erzeugnis seiner eigenen Presse gewesen. Andernfalls hätte er dit
Holzstöcke später nicht selbst wieder benutzen können.
Das Gedicht selbst ist die Nachahmung oder Bearbeitung dem-
selben Totentanzes, vielleicht eines hamburgischen, welcher das ^ Ur-
bild des Berliner Totentanzes gewesen ist.
') Vgl. Nd. Jabrb. 17, S. 34 ff. 41 ff., femer Jahrb. 21, S. 84. 86 ff. Litte-
ratumachweise ebd. 17, S. 47.
109
Sein Verwandtschaftsverhältnis veranschaulicht folgender Stamm-
baum:
(Danse macabre des 15. Jh.)
(Niederlänaischer Tz.)
Lübecker Tz. v. 1463
Reval
(Hamburg?)
/■
Lübeck 1520 Berlin
Lübeck 1489 Dänischer Tz.
Eine zum Teil freie Bearbeitung, zum Teil wörtliche Uebersetzung
des Lübecker Totentanzes von 1520 liegt in einem nicht ganz voll-
ständig erhaltenen dänischen Totentanze vor. Der Einband des einzigen
noch erhaltenen Exemplars in der Kgl. Bibliothek in Kopenhagen
trägt aufgedruckt die Jahreszahl 1536 und das Namenszeichen Christians
VIL, der Druck muss also aus diesem oder einem älteren Jahre
stammen. Seine von Massmann nachgewiesene Abhängigkeit von dem
Lübecker Totentanze von 1520, dessen Holzschnitte auch in ihm sich
wiederfinden, ist augenscheinlich. Der Bearbeiter hat jedoch auch
Kenntnis von dem Lübecker Totentanze von 1489 gehabt. Der Ver-
fasser dieses Totentanzes hat nämlich den Zwiegesprächen des Todes
eine Einleitung vorangeschickt, in welcher er ausfuhrt, welcherlei Art
der Tod sein kann. Ebenso leitet der Dänische Dichter sein Werk
ein, die Nachahmung der Vorlage ist erkenntlich, wenn sie auch noch
so frei ist.^)
Gm firehaande Döde haver jeg laest,
Som Skriften taler om allermest:
Gud forböd Adam i Paradis
**At sede af den Fragt, som jeg dig vis';
Gjör du derimod, da skalt du dö,
Og Alle, som födes i Verdens Ö."
Adam brüd Budet forudcn al Nöd,
Thi kom os over den evige Dod;
Den haver Kristus skilt os ved,
Givet os Alle den evige Fred.
Men den naturlige Düd kume vi ej vige,
Hverken Gamle eller Unge, Fattige og Rige,
Den hellige Skrift raaber med al Flid,
At her er jo en stakket Tid.
Derfore lader os for Öjen staa,
At vi skulle snarlige heden gaa.
Den anden Düd vil jeg og om tale
Og eder saa hannem for öjen male.
Den Dud er, Synden ihjel at slaa
') Nach dem Abdruck in modernisirter Rechtschreibung bei E. J. Brandt,
Aeldre Danske Digtere. Bd. 1. Kjöbenhavn 1862.
110
Og altid mod vor Begjsering at staa,
Dertil den gamle Adam at döde
Og med sin Art Isegge aldeles öde.
Den Död er Eristne ganske nyttellig,
Om de ville undgaa Djaevelsens Svig.
Den tredie Död er visselige ond,
Thi han fordserver Sjielen i Bund;
Det er, naar Synden maa selv regjere,
Og intet agte om Kristi Lsere.
Naar Adam röres med ond Begjaering,
Saa mister Sj seien al sin Nsering.
Naar man vil sig ikke med Guds Ord lade styrc,
Det maa man kjöbe evindelig dyre,
Thi at naar Sjaelen fanger ikke sin rette Föde,
(Jeg men' Guds Ord), da bliver hun öde.
Thi vogte sig hver for denne Död,
Om han vil undgaa Helvedes Nöd,
Og höre Guds Ord og tro derpaa,
Og vaere fuldkommen og ikke laa.
Den fjerde Död han er saa slcm,
Ingen Ting er saa ubekvem,
Der er ikke nogen anden slig,
Thi han vil vare evindelig.
Thi alle som blive i Synden död,
Og vorde ej hulpne af den Nöd,
Ganger Nogen af i slig Yantro,
Da maa han i Ilelvede evindclige bo.
Thi raader jeg nu baade Mand og Kvinde,
Som evig Salighcd agte at vinde,
At I ikke saa forsömmelige heden gaa,
Men meget mere i Troen staa,
Og eders Levnet dercfter skikke,
Saa sker Gud Lov og eder Lykke!
Saa kan den naturlige Död eder ej skade,
Men meget mere gavne og baadc.
Ob der dänische Dichter den Lübecker Totentanz von 1 !•'
gleichfalls gekannt hat, ist zu bezweifeln. Die eigentümliche Ait.
wie er das Zwiegespräch gestaltet, legt freilich diese Vermutung nah»'.
genügt aber nicht als Beweis. Der Tod redet nämlich zuerst d:-
zum Reigen aufgeforderte Person an, dann antwortet diese und erhäl*
schliesslich noch vom Tode eine kurze Entgegnung. Als Beispi»
eins der kürzesten Gespräche:
Dödcn til Embedsmanden:
Du Embedsmand, gjör nu din Flid,
Af Verden maat du folge mig i denne Tid.
L
in
Havde da end ilere Embede Iseft,
Det helper dig dog intet i denne Fserd.
Embedsmanden svarer:
Hjelp nu Gud og Sancte Loye,
laar skulde jeg skyde Papegöje,
Duden gWer mig ingen Tid,
Han bniger med mig sin störste Flid.
0 Gud, giy mig af din Miskund,
Den beder jeg om af Hjertens Grund.
Döden svarer:
Jeg vil nu strax gaa afsted,
Du vorder alt at folge med.
Der Lübecker Druck von 1520 (16 Bl. kl. 4) ist nur in dem
einen Exemplare erhalten, das sich jetzt in der Bodlejanischen Bibliothek
in Oxford befindet. Nach einer Abschrift, die Sotzmann bevor der
Druck 1849 nach England verkauft war hatte nehmen lassen, ist der
Text in Lübkes Berliner Totentanz später mitgeteilt worden.*) Lübkes
Veröffentlichung liegt dem hier gebotenen Abdruck zu Grunde, doch
hat Herr Professor Napier in Oxford die grosse Güte gehabt sämmt-
liche Stellen, deren Richtigkeit fraglich schien, sowie einen Abschnitt
zu Anfang und Ende mit dem Original zu vergleichen.
In dem neuen Abdrucke sind die Interpunktion eingefügt und
die Abkürzungen aufgelöst, für consonantisches y ist j eingesetzt, u
und V sind nach heutiger Geltung geschieden.
Dodendantz.
God vorboth Adam in deme paradyse:
Eth nicht van desser fnicht, de ick dy wyse,
Deystu hir entjegen, so mostn sterven,
Nicht dn alleyne, men ock al dyne erven.
5 Adam brack dat gheboth ane noth,
Alsns quam au nns de naturlike doth,
*) Die Holzschnitte sind von Massmann, Scrapeum 10 S. 306 ff. verzeichnet.
Bemerkenswert ist, dass Bl. 6 neben dem Pastor ein Holzschnitt sich befindet, der
Christus am Kreuz mit Maria und Johannes darstellt. Vgl. oben S. 90.
Vorbemerkung. Zu Vers 1—70 sind sämmtliche Abweichungen des Textes
von dem Originaldrucke verzeichnet. Von Vers 71 ab ist nicht mehr angegeben,
wo v für u, u für v und j für y eingesetzt ist. — üeber Dodendantz eine Krone,
darunter drei Totenköpfe. — 3. entjegen — fteruen — 4. eruen — 6. vns — 8.
yunge. ya — 10. hir yo — 13. yw — 15. yw — 17. yw — 18. yuwer — 20. yw
— 21. yöget — 25. yw — 26. Vnde — 29. leuent — yöget — 30. vnde — vndöget
— 31. yöget — 32. Vnde — 34. vp — 39. ouer -— 40. vnd — 45. cadinal — 47.
staeh vnde werdichcyt (!) — 49. 50. 51. yo — 54. ya — 57. (Ueberschrift) tome]
tom hier und an allen übrigen Stellen. — 60. ghevodet vnde wacht — 64. yo —
69. tom.
112
Dem wy nenerleyewys konen entwyken,
Olde, junge, ja de arme myt den ryken.
De hilghe schrift ropt myt allem fyd,
10 Dat hir jo is eyne körte tyd,
Ok bebbe wy des grote yorfarenheyt,
Wo yd alle dage faste gbeyt.
Hir nmme latet jw dyt vor ogen staen,
Wente in korter tyd möthe gy dar an.
16 De doet sendet jw neenen breff,
He kumpt slyken recht so eyn deif.
De doet.
In dessen dantz essche ick jw alle,
Wo vele ja wer ock is in deme talle,
Komet au! gy mÖthen doch raede,
20 Altes nicht helpen jw de wedderrede.
Nicht spare ick wer adel efte joget,
Neen gelth, stath, wyszheyt efte d6get
Weset altomale by tyden bereyt.
Komet alle beer in mynen kreyt!
25 Ick wyl jw up de erden strecken
Unde ernstlik eynen foeth lenger recken.
He sy olth, junck, arm efte ryke,
Ick neme se mede al ghelyke.
Des mynschen leyent is in der jöget
30 Vorfullet myt sunden unde veler undöget,
Sas spare ick ok nicht jöget, wo yd gba,
Unde dantze sus vore. Folget alle na!
De Doet spriekt Tortan
alsiis to deme pawese«
De doet
Her pawes, dy mene ik, wes hastigen rede,
Du holdest up erden de hoghesten stede,
35 Eyn vicari Cristi, de hogheste prelate,
Dantze du voran nach dyneme State!
Hefstu dit hilge ampt wol Torstaen,
So machstu nu frolik vor den Heren gaen.
De pawes.
God Torbarme dy over my, miserere mei,
40 Maria helpe my und ock de gracia Dei!
AI byn ick to grotem stathe uth vorkoren,
So byn ick doch ghewest vele vorworen
Der kristen wolfart betrachten myt flyth.
Here, wes des andechtich, yd is nu recht tyd!
De dot tome cardinal.
45 Her cardinal, tret her an mynen dantz!
Ick mene dy emstlyk, heel unde gantz.
Dyn apostelyke staet uude werdicheyt
Wert nu gantz ande heel nedder gheleyt,
Jo hogher stath di God heft ghegeyen,
50 Jo grotter rekenschop: dyt merke eyen!
De Cardinal.
Deu8 meus, God, wes myner jo nu dechtich !
AI byn ick in stathe hoch nnde mechtich
Gheholden, de stede der hilgen apostel,
Werd ich geachtet ja ach so kostet,
55 De doet wyl my dyt gantz vorderven.
God gnade my, wente nu moth ick sterven!
De dot tome bisschop.
Her bisschop, du werst na gef5get to der erde.
Eyn bisschop is eyn gbeystlik herde.
Hefstu de schape Cristi gheholden in acht,
60 Nicht vorstroyet, men ghehödet nnde wacht.
Dar susz alle prelateu synt tho yorplicht:
Bysta so, dantze fort, fruchte nicht!
De bissehop.
Fax Doroini unde syne grote barmherticheyt
Mothe my nu jo syn bereyt.
65 Wo eyn recht bisschop schal leyen,
Dat heft Paulus tho Thimotheo schreven.
Dat bedencke ik nu in myoeme lesten.
0 Got, ghetruwe her« de f6ge ydt tome besten.
De doet to dem keyser.
Her keyser, du werest tho einem heren
70 Utherkoren, de cristenheyt to regeren
Myt dem s werde der rechferdicheyt.
De hilge kerke to holden in eyndrechticheyt,
De vyende der cristen myt flyte to baten:
Isset so gescheen, dat mach dy nu baten.
De keyser.
75 Alle myn staet unde werdicbeyt
Wert nu tho handes nedder gbeleyt.
Dat maket de aldergresslikeste doet,
Syn both is stark, syne macht is groth.
Wo bog ik sy, ik kant nicht keren.
80 Gnade my, God, eyn here aller heren!
De dot tor keyserynnen.
Ja, keyseryune, dat is dat olde leet,
Se Bpreken alle: Ick byn noch nicht bereyt,
Beyde jo noch eyne lange tyd.
Neyn, de forstinneu unde frouwen, de nu syd,
69. kyeser — 76. tho hantes.
Niederdeutsches Jahrbach XXI. 3
114
85 Dantzen gerne yele njer trede.
Holth an, dantze yort np eyn ander stede!
De keyserynne.
Och, wo rechte wnnderlyk is my to synne,
AI byn ick eyne ryke eddele keyserynne!
Nicht en kan ik höger in stathe ryaen,
90 Ok kan syk neyne groter forstynne bewyaen
In alle desser heelen cristenheyt,
To sterven bin ik noch nenerleyewysz bereyt.
De doet tome konninck;
Her konninck, hochgheboren, eddel nnde ryk,
Dantze myt, du werst nu myn ghelyk!
95 Dyt behoret dyneme stathe, merke my,
Rechtferdich to wesen, barmhertich dar by:
Isset so van dy unde den dynen ghescheen,
So wert dy God gnedichlyken anseen.
De konnynck.
De doet knmpt to my snnder frage!
100 Ach mochte ick yd setten myt öm an dage,
Hundert jar unde meer scholde yd staen,
Eer my eyn jaword scholde äff gaen.
AI mynes rykes raet, rydders unde manss,
Neen gheyt vor my in dessen dantz.
De doet tome hertogen.
105 Hochgheboren hertoge van eddelem siechte! —
Sus hebben di beten dine ridders unde knechte
Men ick wil dy anders to spreken:
Holth an, ick wil dyn herte tobreken.
D[e] denne is rede, heft God ghesecht,
110 Wan he ön esschet, selich is de knecht.
De hertoch.
Dyt hadde ik ernstlich vaken ghewroken,
De my susz hadde toghesproken.
Men nu moth ik hebben paciencie,
Wente my wroget aeer myne conciencie,
115 De doet kumpt her seer unghehür.
Ick moth fort, yd sy lucke effte effentflr!
De doet to dem abbet.
Her abbet, geystlike vader, di mene ik gantz,
Hum hastygen in den dodendantz!
In velen capittelen hefstu gewesen,
120 Dar dines ordens regel wart gelesen:
Hefstu di wol dar na gericht
Myt dynen broderen, so fruchte nicht!
102. Eer he my.
115
De abbet.
Ach, hadde ik dat gheholden myt flyd
Mit al inynen broderen, de myt my syd,
125 Dat qneme my na to g^roter bathe;
Och, hadde ick Gode in dessen stathe
Also ghedenet in rechten truwen,
So mochte ik dar nu ewich np bnwen.
De doet tom erdtzheren.
Her meyster yan dem Dfldeschen orden.
130 Ik wil myt di dagen in körten worden,
Di helpet nicht lenger staet efte ghelt'-
Yolge my na up eyn ander feit!
Hefstu barmhertich ghewest dynen armen,
So wil sik God diner wedder erbarmen.
De crfttzhere.
135 Seet, wo greselik synt dease word!
N&werlde hebbe ik der gheliken hord.
Unse orden strecket syk wente an de Torkye,
Dorch Prutzen, LyMant went an de Wallachye,
Dyt alle kumpt my na weynich to baten.
140 Help my na, Maria, so werde ik nicht vorlaten.
De dot to dem doetor.
Her doetor, dantze myt, holth an de band!
Da hefst my nenen boden sand.
God, de hogeste, erste ande de beste,
He helpet erst onde ok in dat leste.
145 AI, de öm denen nth hertens grant,
Maket he ewich an der seien gesunt.
Doetor in artzedye.
Ach God, hir is gantz klene rath,
Dyt water is vor wäre gantz qaath,
De ferwe is suarth, grön ande roth,
150 Ick see dar in den bytteren doth.
üp der appoteken is nicht eyn krnd,
Dat gegen den doet kan wesen gad.
De doet tom eanonik.
Her domhere, proiiciat, bona dies!
Wordesta vorgetten, dat were wat nyes!
155 Holth an, dantze mit in den doet!
Dyne prebenden, reute, kleyn ande groet,
AI dat tytlyk is, wersta na qayd,
Men gnde werke belonet God to ewiger tyd.
De eanoiiicos.
Och, dat weth ik wol, sy des bericht,
160 Dat ik to yeler geystlicheyt byn vorplicht,
3^
116
Der ick noch nicht vele hehle heteng^et.
Na werde ick van deme dode ghedrenget,
Des hadde ick noch gantz kleynen loven.
Nu werde ick berovet aller myner proven.
De dot t4> dem fNuner.
165 Her kerkhere, cum licentia, ich kome to dy,
Holt hastyghen an nnde folge niy.
Dy is bevolen de kerke, Godes tempel,
To geyen dynem kaspelfolke gnde exempel.
Bysta ein gud herde, eyn recht prelate,
170 So kumpata recht na vort to grotem State.
De postor (pamer).
0 Criste, da storvest nmme my gantz wylligen.
Ick bydde dorch vordenst dyner hilligen,
Umme alle gade werke, de werden ghedan,
See my armen gnedichliken an,
175 Laet dyne hylgen wanden ande bittere doet
My jo na helpen oth aller noet!
De dot to dem monnike.
Broder monnyck, yan wat orden datta byst,
Dyn orde is gemaket ane argelyst
Van den hilgen vaderen eyn recht reformacien.
180 Wo wol du beifst gheleden etlyke temptacien,
Vor dyn horsam, castigynge ande ander arbeyt
Wert God dy geven de ewygen salicheyt.
De monninek.
0 Dens, wo wol qaeme ick denne to mathe,
Mochte ick komen to so grotem stathe!
185 Myn kleyne arbeyt, waken, lesen ande syngen,
Konde my nynerleyewysz dar henne bringen,
Were Cristns yor my so bitterlyk nicht gestorven,
Dar myt he my dit al heft vorworyen.
De doet to dem rydder.
Her rytter, ick do dy hastich to wetten,
190 Treth an, ick wyl dy nicht yorgetten.
Volge my na in den dodendantz!
Dyn stath, wertlyke ere, heel nnde gantz
Nympt na eyn ende ane alle schympen.
De wegge is na ap went an den tympen.
De rj'tter.
195 Help ridder sante Jnrgen! my is gantz bange.
Tayende sath ik alto lange.
By deme konnynge, myneme gnedigen heren:
Dath dede ick 6m tho groten eren.
Na yole ick an my den bitteren doet.
200 0 God, help my jo nn in desser noet!
117
De doet to deme offlcial.
Gy geystliken richters, ok da official,
Komet alleheer in dessen gral,
Eartesaners, ock alle gy, notarins
Hinricas, Johannes, locate ande bacalarias,
205 Vor godes richte möte gy in desser fart.
Dar helpet neyne wassene neze efte flassene barth.
De official.
Ach God, dyt synt seer scharpe word,
De ick na hir sass hebbe ghehord
Myt al den gesellen, de myt my syd.
210 Hadde wy dat richte vorstan myt ilyd.
Mit rechter gaden conciencien,
So horde wy na eyne gnedige sentencien.
De dot tom klosener.
Broder Conrat eft wo du bist gebeten,
Desses dantzes laet di nicht vordreten.
215 Bistu otmodich ghewest, ane glitzerye.
So de vaders plegen in der wostenye,
Din willige armod ande ander flid
Wert Got di beloneu to ewiger tid.
De klosener.
0 Here, dencke myner in desser stant,
220 De da amme my by^t jemmerliken vorwant,
Erlöse my, so da dedest den hilgen Heliam
Unde den gaden konnynck Ezechiam!
Nym my, Here, ath dessem elende,
Myne sele bevele ick in dyne hende!
De dot tom bormester.
225 Her bormester, dat ordel ande alsodane word
Hefsta noch nicht eer ghebord,
Dat dy nn wert thogesecht:
Dantze myt, da most vor Godes recht!
Is na gerecht dyne conciencie,
230 So wersta boren eyne gnedige sentencie.
De borgermester.
Ach God, wo schal ick dyt yorstaen?
De doet tastet my ernstlyk an.
Ick meende, ick scheide noch werden gesparet,
Dat vele saken noch werden gheklaret.
235 De borgers konen my nicht wol entberen.
Id is gad by tyden sterven leren.
212 setcie.
217 Din] di.
118
l>e dot to der nonnen.
Klosternonneken, vorvere dy nicht to sere,
Desses dantzes hefstn grothe ere.
Wente de syk Gode heft ghegeven
240 Unde de wil voren eyn geystlik leven,
De moth syk gantz van der werlde keren
Unde schal hy tyden sterven leren.
De klosternonne.
Eya, help Maria, my is ovel to mode!
Schal ik alrede sterven, dat do ik node.
245 Ick hadde ghehopet noch meer to leren,
Wo ick scheide denen Gode, mynem heren,
Deme ik myne sele hebbe vortruwet gantz,
Unde also mochte erlangen der junckfronwen krantz.
De dot tom kopman.
Kopman, to stervende bystn gantz bedroyet,
250 De werlt heft dy men sere gheovet.
Umme gelt deystn arbeyt unde flyd,
Men Gode to denen hefstu neene tyd.
Nu mosta myt in eyn ander lant,
Wat is nu dath vele ghyrent bewant?
De kopman.
255 Ach yd is jo war, hadde ik myne tyd
Gode ghedenet myt so grotem flyd,
Also ick na gelde hebbe ghyret
Unde weynich hilge dage rechte fyret,
So krege ik wyß ewyghe salicheyt!
260 Dem gelde to denen is al vorlaren arbeyt.
De dot tome Juncheren.
Juncker, wo rechte fremde is dy by my,
Unde byn doch nu so na by dy,
Dat schal tu recht also vors tan:
Dyn levent is nu tho deme ende ghan.
265 Hefstu wol ghedenet Gode, dynem heren,
So kumpstu nu tho groten eren.
De Jiuieher.
Ach neen, leyder dat is vorkeret.
Gode to denen hebbe ick nicht wol gheleret,
Men slomen, dornen, dryncken unde syngen,
270 Myt pypen, bungen, dantzen, spryngen.
Myn vader heft my vele to hope lacht,
Up den dot hadde ik noch nicht gedacht.
261 framde.
J
119
De dot tor jimckfroweii.
Janckfronwe Gyseltrnt, wo ick dy schal heten,
Dantze yort, laet dy nicht yordreten!
27Ö Du plechflt gerne tho dantzen unde spryngen,
Vele nye lede lerestn syngen.
To steryende make dy hastigen rede,
Dar synt yele achter, de m6ten alle mede.
De Jnnckfronwe.
Ach neyn, ick hyn yo noch eyne ynnge deme»
280 Myne elderen behelden my ock gantz gerne.
£ya, mochte ick beholden dat leven,
Dar wolde ik al mine kleynode nmme geyen.
De dot sparet nicht olde efte de nyen,
Ick heyele my deme sone der jonckfrowen Marien.
De doet to deme borger.
285 Du borger lechst grote sorge dar an,
Dattn mögest heten eyn ryke man.
De tytiik gud wyl sammelen ane snnde
Unde Gode dar by wyl hebbeu to frande.
Der synt manckt yyyen nonwe twey.
290 Dede socht ewich gut, selich is de.
De borger.
Ach Got, wat hebbe ik dar yele nmme dan»
Dat ick mach heten eyn erbar man
Unde ock yele geldes mochte wessen,
Dat snlye to laten mynen kynderen nnde eryen!
295 Hadde ik den armen gbegeyen myt flyd!
Ach de dot nympt my dat leyent unde tytl
De dot to der bagynen.
Voryeer dy nicht, komnte, saster bagynken!
Id is all eyns, eft dn betest Wobbeke efte Kristinken,
Erichstu wat to wetten gysteren efte hflde,
300 Wo draden knmpt dat manckt de lüde!
Neen dinck hyndert dy nu so sere,
Alse yele nnnntte tydynge unde nye mere.
De baghyne.
Do men my nicht konde ryke beraden,
Moste ick werden bagyne draden.
305 Ik hebbe geknuttet, geneyet unde gewracht,
Myt kleynen sorgen myn leyent heune bracht,
Ock hebbe ick my erneret myt der spyllen.
0 dot; schone myner nmme Jesus willen!
De dot tom doren«
Hyntze Sychelenfyst yan Geckeshusen,
310 Du hefst lange noch gan in deme susen.
120
Da dorest faste an, lest ock nicht äff
ünde blyfst eyn narre wente in dat graff.
Dantze vort! ick wyl dy vore syngen,
Da mast na na myner pypen springen.
De dor efte geck.
31Ö AI wor, ik weet de fetten slöke,
Dar gba ick hen manckt de koke,
Ick ethe nnde dryncke myt den heren,
Eyn ander betalet, ick helpet vorteren
Myt lichten synnen, bangen ande pipen.
320 Na kampt de dot ande wyl my grypen.
De dot tom amptman.
Mester amptman, hefstn myt trawen ghewerket,
So knmpsta na int rechte market,
Nicht myt loszheyt, schon vor ogen,
Bynnen feyl ande so bedrogen,
325 Bysta ock trawe ghewest myt allem flyd,
Dat belonet God na ande ock to ewyger tyd.
De amptman.
Ach neen, ick befrachte roy in velen saken,
Mochte ick leven, ick wolde yd beter maken.
Ick hebbe jo myn ampt wol ghelerd,
330 Mynen gyldebrodereu was ik ok lef ande werd.
Dat my doch de doth lenger leven lethe
— Wat schade öm dath? — ande myne fruwen Grete.
De dot to dem Studenten.
Her domine efte Johannes, wo dyn name ist,
De dot gyft dy nicht lenger fryst.
335 Eyn jaock man schal by tyden leren
To denen Gode, syneme heren.
Hefsta dat ok so myt flyte gheleret,
So wersta na ewichlyken gheeret.
De studente.
Non, non, expectate! yd is noch neen tyd.
340 Ik hebbe staderet myt grotem flyd,
Vaken hebbe ik ghekregen scharpe correccien,
So wan ik jo vorsamede de leccien.
Mochte ick appelleren ! — de doth deyth my wee —
Ach leyder neen, dat is impossibile.
De doth to deme bnren.
345 Tytke bnrkerl, holt an myt der hast!
Wen ik angrype, den holde ick fast.
Hefsta den hilgen teyn boden horsam wesen,
De dyn kerkhere dy plach vortolesen,
323 loszhety.
j
121
So wert dy nn schaden nicht eyn stucke
350 Unde knmpt dy to seer grotem lacke.
De bare.
Neyntwar, wo scholde ik so alrede steryen!
Ick wyl noch bynden mannyghe gerwen,
Mochte ik leven wente in de arne,
Myn wyff heft ock vefteyn stucke garne.
355 Nicht ein schyte schadet niy, mochte ik leyen,
Ok wolde ik minem junkere de pacht wol geven.
De doth to dem rflter.
Du rüter woldest gerne juncher heten,
Dantze vort, laet dy nicht vordreten!
Ik wyl myt dy fechten in dessen dagen,
360 Gewyunestu, so werstu nu to rytter slagen.
Ik wil dyn overdaet nicht lenger schonen,
Dyne groten word helpeu dy nicht eyne honen.
De rüter.
Wol umme, wol heer myt lichten synnen!
De nicht en waget, de kan nicht wynnen.
365 De doth maket my halff den schrul,
My duncket, he is alder dynge dnl,
He beginnet my hir unde dar to plücken.
He menet my vorwar eyn fei to r&cken.
De dot to dem amptghesellen
ande ander Jangeiyngen.
God sprickt myt synem hilgen munde:
870 Waket unde bedet to aller stunde!
De dot sendet jw neuen breff,
He kumpt slyken recht so eyn deff.
Hir umme, amptgheselle, holt an de hanth,
Du most myt in eyn ander lanth.
De amptgheselle.
375 Wat lanth, wat lanth schal ick nu wanderen?
Ik quam nu kortes van westeu uth Flanderen.
Nu kumpstu, dot, vort jagen myt macht,
Up dy hebbe ik noch nicht ghedacht.
Ik gynge lever to kroge myt mynen kumpanen
380 To der Wytten Ulen efte to deme Roden Hauen.
De dot to der ammen.
Amme, kum heer myt deme kynde,
Ik neme den werd myt dem ghesynde.
De suster, den broder myt alle den gesten,
Olth, jnnck, quaden unde ock de besten.
385 God, dede wonet in den hogesten tronen,
Wyl yslyken recht na den werken Ionen.
182
"De anune ande kynt.
Ach, greselyke doet, schone dessem kynde,
Dat ick hir in de d^ke wynde!
Ach ick hehelde dyt kynt gantz gerne,
390 Ach schone ok my arme derne,
Ach wyl my noch leven laten!
Wat kan dy dat schaden efte haten?
In beslnth
spriekt de dot alsns:
Tredet alle heer, papen, ock gy leyen,
Ick wyl jw alle nmme meyen
395 Myt desser setzen grot nnde kleyne,
Myt rechtem ernste ick jw alle meyne.
Myn anslach is myt groter hast,
So wene ik fate, den holde ick fast
Dantzet mede, ick synge vorhen,
400 Alsns heth de sanck, den ick meen:
Bytterlyken sterven is de erste sanck,
De ander is der klocken klauck,
De drydde is: in korter stunden
Werstu Torgetten van dynen frunden,
405 Umme dyn tytlyke gnd ghan se to deele,
De worme umme dat flesz, de düvel nmme de sele.
Wan denne dyt sns wert entricht,
Dat eyn yslyk syn eyne part kricht,
Dat holth he so fast ane alle feyl,
410 He geve dat nicht vor de anderen twey deyl.
Erygen de worme dat flesz to deele,
Se achten nicht des gndes edder der sele.
Wan de frnnde ock krygen dat gud,
Achten kleyn, wat lyff nnde sele doet,
415 Kricht de dftvel de sele in beholth,
Ja he geve se nicht vor alle golth.
Up dat syn wylle jo nicht en schee
Eyn yslyk syk wol vore see.
Leret wol sterven nnde syd bereyt!
420 Wol sterven allen kunsten boven geyt,
Wol sterven is so groten knnst,
Dar mede men kumpt in Godes gnnst.
JO Criste, dorch dynen doth sy[n] wy vorlost,
Wesz du jo unse ewyghe trost! Amen.
Anno domini MCCCCCXX Lübeck.
BERLIN. W. Seelmann
123
Zu mnd. Gedichten.
Zu Reinke de Yos.
Die Interpunktion des Lübeker Druckes von 1498 ist eine rein
willkürliche und von den Herausgebern durch die moderne ersetzt.
Die Ausgaben zeigen aber eine nicht unerhebliche Abweichung von
einander. Prien, nach dessen Ausgabe hier citiert wird, hat zwar
seine Vorgänger an vielen Stellen berichtigt, an einigen jedoch, wie
mir scheint, das Richtige noch nicht gefunden oder wieder beseitigt,
indem er wohl Lübbens Ausgabe zu sehr folgte.
y. 383 ff. Wente Reynke hadde uns ghelacht syne läge
ünde quam ahjkende uth eyner hage
Unde heft uns de porten underghan
Unde grep myner besten kynder eyn an;
y . 385 ist das Perf. heft in der Erzählung auffällig ; es findet sich jedoch mehrfach,
so V. 1505, 2870; auch in Valentin und Namelos, V. 374.
V. 725. He sloch myt syner holten slyngeren,
Gerold myt den krummen vyngeren
Unde syn swager Kuckelrey,
Alder meyst slogen desse twey;
So interpungieren Hoffmann, Lübben, Prien; Schröder setzt hinter V. 725 einen
Punkt, indem er offenbar he auf Ludolff in V. 723 bezieht. Aber mit he in V. 725
ist doch wohl sicher Gerold gemeint; dann müsste V. 726 Apposition zu he sein
und in Kommata gesetzt werden. Aber auch so ist die Anknüpfung von V. 727
nicht ganz korrekt. Daher glaube ich, dass mit Umstellung der V. 725 und 726
zu lesen ist:
Gerold mtß den krummen vyngeren
(He sloch myt syner holten slyngeren)
Unde syn swager Kuckelrey^
Alder meyst slogen desse tioey;
Vergl. y. 722 : Slobbe myt deme krummen bene
Unde Ludolff myt der breden nese,
Alder wredest weren eme dese.
und y. 729: Abel Quack unde dar to vrouw Yutte,
Unde Talke Lorden (Jjuacks (de sloch myt der butte)
Nicht desse alleyne, men al de wyve,
y. 837. Sus sprack Beynke, do he sach.
Bat Brun sus drouich unde blodich lach.
He wart des vro utermaten seer
Unde sprack:
So im wesentlichen alle Herausg. Der Zusammenhang ist folgender: R. glaubt,
dass Brun in Rustevils Hofe seinen Tod gefunden hat, y. 822 : men nu lycht he
doet in deme boem, und war froh darüber, y. 823 : des byn ik vro in alle mynen
dagen. Als er aber Brun noch lebend am Ufer liegen sieht, wird er wieder sehr
betrübt, V. 828, doch tröstet er sich mit dem Gedanken, dass Brun wenigstens
ein Pfand gelassen haben werde. Jetzt erst bemerkt er, wie drouich unde Modich
Brun daliegt und wird nun ausserordentlich froh darüber. Daher meine ich, dass
in V. 837 hinter Beynke ein Punkt und in V. 838 hinter lach ein Komma zu
setzen ist.
124
V. 888. ,flh/t höret my to tcreken ane gnade.
Borste Reynke sehenden alsolk eynen heren
Älze Brtin is, ya, by tnynen eren,
Dar to swere ik by myner kröne,
Bat Beynken dat schal werden to lone.
So bei Lübben, Schröder und Prien; aber zu dem Vordersatze Borste — t>. der
nicht konditional gefasst werden kann, bildet sicere ik keinen logisch richti^tL
Nachsatz; dieser steht vielmehr V. 888 näher. Daher ist, wie es Hoifmann bennt^
gethan hat, hinter is ein Fragezeichen oder Ausrufungszeichen zu setzen.
y. 1263. Be konnynck aprack: y,toe is so soth,
Be Reynken dor bryngen dat drydde both
TJnde eyn oghe heft to vele edder eyn lyff,
Bat sulue wagen umme den bbzen keiyff,
Edder sus syne sunthcyt hengen in de wage,
Bentie noch Reynken nicht konen bryngen to dage?
Schröder bemerkt: „eigentlich to wagen'\ und Prien fuhrt zwei Beispiele aus d^a
Glossen an, in denen gleichfalls to vor dem Inf. fehlt. Aus dem Sündenfall führe
ich an V. 2858:
Be here heft mik ütgesant,
den bedroveden herten dön bekant
Arzedie aller dinge.
Auch das Hchd. lässt sich vergleichen. Von den Thesen, die I>r. Balthasar Hul-
meier aus Friedberg für ein Religionsgespräch zu Waldshut 1524 vorschlug, lauter
die 10. : „Es ist viel besser, ein einigen Vers eines Psalmen nach eins jeden Land?
Sprach dem Volk zu vertolmetschen, dann fünf ganz Psalmen in fremder Sprju
singen und nit von ber Kirchen verstanden werden.** Kluge, Von Luther bis Lessia:
S. 6. Danach ist in Hermen Botes Boek van veleme rade, Nd. Jahrbuch XVI.
S. 29, V. 20, das to, welches ich Nd. Jahrbuch XIX, S. 111 gesetzt hahe, zu tilgen.
V. 2477. „0 Retjnke, ghetrmce voss,
Be hir sus grauede in dyt moss
Bessen schat myt dyner lyst,
God geue dy ere,
Lübben vermutete, dass de grauedest zu lesen sei, da Beinaert 2624 hat : die Äi-r
groeves und die Delfter Prosa: dattu groeves. Schröder bemerkt nur: „W'edi>>.
der 2. und 3. Person.'* Es lässt sich Parzival 182,25 vergleichen:
Bo sprach er 'frowe, hie habt ein man
der iu dienet, ob ich kanj
Ferner eine Wemigeröder Urkunde aus der Zeit um 1430 (Ztsch. d. Harz- Verein-
24, S. 505): Ik Herman Wulf, Hermen syn sone, borger to Wernigerode^ v>y cUvi^
etc.', wenn hier nicht etwa ein Schreibfeliler vorliegt.
V. 3895 ff. interpungicre ich folgendermassen :
Id en is noch nicht al so klare.
Bat nu de wulff unde ok de bare
Myt deme konnynge wedder ghan to raden,
Bat wyl noch man ny gern sere schaden,
V. 3895 übersetze ich : „es ist noch nicht alles ganz klar, bekannt", d. h. maa
kennt des Königs Habgier noch nicht ganz.
V. 4170 — 75. Die Interpunktion bei Schröder scheint mir die aliein richtige
zu sein.
V. 4670. Se meenden, queme dyt vor de heren
In den hoff, denne scholde dat recht
So ghan, alze se hadden ghcsecht.
Here, ik segge dyt myt orloff,
Se qucmen myt deme manne in den hoff.
So Lübben und Prien ; Schröder setzt hinter V. 4G73 ein Kolon, Hoffmann dagegen
richtig einen Punkt. V. 4673 ist offenbar mit Rücksicht auf die beiden vorher-
gehenden Verse gesagt, in denen der König eine Beleidigung hätte sehen könneu.
und daher besser in Klammern zu setzen.
125
V. 5551. Sus konde Beynke de wort stofferen,
So dat alle, de dar toeren,
Meneden, he spreke ane beraet.
Wente he hadde ernstaftich ghelaet
Van den kleynhden in si/nen worden,
Diese Interpunktion scheint mir unhaltbar. Die beste hat Schröder, der V. 5554
einklammert. Van den kleynhden in V. 5554 hängt ab von he spreke.
Hinter V. 6150 ist ein Gedankenstrich zu setzen, da nur V. 6144—50 an
Isegrjm, die beiden folgenden an die übrigen Anwesenden gerichtet sind.
V. 6365. Rei/nkens vorv^te dat weren si/ne hende;
Der krech Ysegrym ein hy dem ende.
In syne munt Reynkens hant.
Die Worte hy deni ende sind von keinem der Herausg. erläutert, auch im Mnd. Wb.
nicht. Die wörtliche Uebersetzung *beim Ende' scheint mir sinnlos, auch wenn man
ende mit ^Spitze' übersetzen wollte. Ich vermute, sie sollen heissen 'endlich,
zuletzt*, wie sonst in dat ende gesagt wird.*) ein ist Akk., s. Mnd. Wb. I, 637;
ebenso Sündenfall V. 1542. in syne mtint ist mit krech zu verbinden und hinter
letzteres ein Komma zu setzen : „Keiukens Vorderfüsse, das waren seine Hände ;
von denen bekam Isegrim zuletzt einen in seinen Mund, nämlich Reinkens Hand."
Zn Valentin nnd Namelos.
V. 157 ist zu interpungieren :
unde sprak *voryete ik miner tucht,
V. 349 ff. ^ Do gingen de heren in den rät,
Crisostomus mede, al was he quät
van Philan der eddelen vrowen fin.
do sprak de hertoge Baldewin
Offenbar ist V. 350/1 qudt vati 'böse infolge von Philas Benehmen' zu verbinden.
Doch scheint mir der Ausdruck etwas kühn. Man könnte auch hinter quät ein
Komma setzen und van mit gingen verbinden 'gingen hinweg von', dann bleiben
aber die Worte al — quät ohne genügende Erklärung. Statt van hat H aber tho,
was mir das Richtige zu sein scheint. Zwar ist quät io 'böse auf im mnd. Wtb.
nicht belegt, doch findet sich V. 1618 unduldich to; Unwillen to einem hebben
Ztsch. d. Harz- Vereins 24, 504 und im heutigen Nd. ist gut. schlecht tau ganz ge-
wöhnlich. V. 350 setze ich hinter mede einen Punkt und V. 352 hinter fin ein
Komma und beziehe he auf Baldewin. Dem al 'obgleich' in V. 350 entsprechend
ändere ich V. 352 do in doch.
V, 486 flF. 'Äer ridder gut al unvorsaget,
hadde gi nicht desse vrowe fin,
ik wolde denne juwe egen sin.
gi hadden wol vorwaret mf.
V. 489 hat der Herausg. das hs. wor aret in vorwaret geändert 'ihr hattet mich
gut beschützt'. Man würde jedoch erwarten 'ihr habt mich gut beschützt'. H.
hat aber vorschuldet, was auf eine andere Ls. deutet. Die im mnd. Wtb. unter
vorschulden angeführten Bedeutungen 1. vergelten, vergüten, 2. schuldig sein, kann
an unserer Stelle dies Verb nicht haben; es muss vielmehr bedeuten 'verdienen,
erwerben' wie im Mhd., s. mhd. Wtb. III, 189. Daher glaube ich, dass vorwarwet
statt vorwaret zu lesen ist: 'ihr hättet mich wohl verdient, erworben'. Vergl.
Teuthonista p. 231 : verschulden, in I). vei'dyenen.
V. 996 ff. de konink sprak tor sulven stunt
*al mochte gi tein dusent punt
van krekeschen roden golde geven,
her ridder junc, dat merket even,
gi scholen wesen lös unde vri*
*) Vergl. Dat nye schip van Narragonien, herausgeg. von Schröder, V. 8065 ;
by dem ende syn, 'am Ende, am Schluss sein'.
126
V. 980 ff. bietet der König dem Valentin für seine Hilfe Gold und Silber at.
Valenffn bittet aber nur um seine Freilassung. Daber scheint mir der Gedanke
*wenn ihr auch 10 000 Pf. Gold geben wolltet' unpassend, man erwartet vielmehr
*wenn ihr auch 10 000 Pf. haben wolltet'. V. 998 fehlt in H und auch in S scheint
nicht alles in Ordnung zu sein. Ich glaube, dass heven statt geven zu lesen ist
Die Form heven für das übliche hebben ist freilich im mnd. Wtb. und in Liibku«
mnd. Gr. nicht belegt, findet sich aber, wie mir Herr Bibliothekar Dr. Milchsa^k
in Wolfenbüttel schreibt, in der Hds. des Laien Doctrinals 206, 13. 14 im Reime
heven : begeven. Da nun die Hdsch. des Laien Doctrinals eine Uebersetzuog aus
dem Brabantischen Deutsch ist, und für unser Gedicht Brügge als Entstehungsor:
angenommen wird, s. Einl. XVII ff., so erklärt sich die Form heven leicht. Mai
vergl. noch V. 536 den Imper. hevet, der in der mnd. Gr. gleichfalls fehlt, V. 197S
du hevest, 2216 gi haven.
V. 1205. Valentin dat scher mes kos
Statt schermes haben SH scherent Da die Form mes im Gedichte nie vorkommt
sondern nur mest: 1494, 1500, 1502, 1526, 1544, 1546, so hätte auch scherm^n
geschrieben werden müssen. Aber das hs. scherent war überhaupt nicht %n ver-
werfen, vergl. V. 1176: ein islik dar sin sittent kos und 2060: ein suchUni ih
8in herte kos,
V. 1322 ff. Valentin de nam den kop
unde sloch den enen in den top,
dat he in dusent stucken brak.
H hat V. 1322 pot statt des vom Herausg. gesetzten kop und 1323 vor den h>}
statt in den top. Die md. Prosabear. S. 88, 26 hat : und [Valentin] nam den l'0}>j
mit trank mit al und slug en vff das hewpty das der kop zciibrach. Hiernach kioi.
es nicht zweifelhaft sein, dass H die richtige Lesa. hat. Der unreine Reim ;y^
köpf der den Herausg. vermutlich zu seiner Aendcrung veranlasst hat, ist zwär
selten, aber nicht zu verwerfen. Aehnliche unreine Keime kommen im Gedicbt
mehrfach vor, s. Einl. XVII, und sind im Mnd. überhaupt nicht selten. Der Kein
t : p findet sich aber wirklich einige Male, so in den mnd. Fastnachtspielen, her-
ausg. von Seelmann, S. 29, V. 88/89 Kroep : Godt; I^aiendoctrinal, herausg. ^'^^
Scheller, S. 50: Got : stop, Vergl. auch Gerhard von Minden, Fabel 36, 53^4 hs.
dat : maky was der Herausg. unnötig in mät geändert hat. V. 1323 1. eme st. enei'.
V. 1628. de konink mit sinen jungen
de rosse rörden dar den kle.
So nach Sprengers ansprechender Aenderung (Nd. Jahrb. 19, 108), nur wird (^'^t
*durch' in dor zu ändern sein, da diese Form im ganzen Gedicht nicht weiter vor-
kommt, sondern nur dorch, dor dhr, wenn man nicht etwa annehmen will, das^ ir
der Vorlage von SH dar stand und aus Miss Verständnis der Abschreiber un\ er-
ändert blieb.
V. 2072. van leide er dat swet ütbraky
se sprak wenende to her Valentin
Hatet mi den vrier min\
V. 2073 ist to vom Herausg. hinzugefügt. Wenn ich nicht irre, so kommt im
ganzen Gedicht kein Beispiel vor, wo vor direkter Rede sprak einen Zusatz ii.it
to hätte. Es ist daher zu lesen: se sprak wenende *hei' Valentin, etc.
V. 2211 ist to statt so zu lesen.
V. 2397 ist mit S de rese gröt zu lesen, wie auch V. 2389 steht.
Zum Sändenfall.
V. 159. Hir umme ok se nu entledige
Unde undotlik unde ewich se bestedige.
Statt ok ist ik zu lesen.
178. De quade lat ek vallen,
De guden wedder upstallen.
Statt qu<ide 1. quaden.
12^
293. Dar inne Jeret unse Status,
Dat tcy alle tun de sunde afkeren,
Statt tun, worin offenbar ein Fehler steckt, ist don oder scuUen zu lesen.
298. Dat he na sinem tuiUeJcor
Alle tit dat beste kere vor.
Statt kere vor liest Sprenger, Nd. Jahrbuch 16, 118 kese vore *vorher prüfend be-
trachte'. Da aber V. 749 steht:
Dat ein iuioelk mochte unde konde
Na sinem vrigen wilkore
Dat gude edder erge kernen vore.
so scheint kerne das Eichtigere zu sein.
824. IcfU dat flesk en soden wolde,
Dat der sele wat anne scolde.
So scal de sele hebten de macht,
Dat it to vorne toerde bedacht,
Ift it möge scaden edder vromen.
Statt anne glaubte ich, Nd. Jahrb. 15, 80, nach mnd. mhd. ande, mhd. mich andet
ein Verb anden 'schmerzen' annehmen zu dürfen. Dagegen macht Sprenger im
Nd. Jahrb. 16, 120 geltend, dass das Wort diese Bedeutung im Mnd. nicht habe.
Ich muss zugeben, dass diese Bedeutung bis jetzt nicht belegt ist. Wenn aber
Sprenger ändert : dar de sele wat anne scolde 'daran die Seele etwas verschuldete',
so ist gleichfalls zu erwidern, dass scolen diese Bedeutung nicht hat. Da der Sinn
der Stelle offenbar ist: 'wenn das Fleisch so etwas wollte, was der Seele Nachteil
bringen könnte, so soll die Seele die Macht haben vorher zu bedenken, ob es
schadet oder nützt', so bleibe ich der Ansicht, dass in anne ein Synonym von
scaden oder dies selbst zu suchen ist. Uebrigens findet sich anne im Sündenfall
selbst mehrfach, z. B. Y. 146. 3288 und in den Mnd. Beispielen im Stadt- Archiv
zu Braunschweig, gesammelt von Hänselmann. 1892. Nr. 79, 92, 111.
857. Nu hebbe wy vor dat beste gekoren.
Hinter V. 856 setze ich einen Punkt und lese Dut statt Nu.
1316. Die Hs. hat grotter. Diese Form findet sich auch bei Hänselmann,
Mnd. Beispiele, Nr. 113 vom Jahre 1524; R. V. 2116. Da im Sündenfall V. 2852
auch better steht und beide Formen der heutigen Mundart entsprechen, s. Scham-
bachs Wtb., so sind sie nicht verwerflich, sondern geben erwünschten Aufschluss
über den Dialekt zur Abfassungszeit unseres Gedichtes.
1558. Den sach ik also lange,
Dat dar ein eislik slange
In lach unde sik to hope wunden;
y. 1558 fasse ich den als 'dann' und ändere wunden in wunde. Reime auf en : e
kommen mehrfach im Gedicht vor, ebenso überflüssiges n am Wortende, z. B. V.
137, 460. Anders erklärt Sprenger die Stelle im Nd. Jahrb. 14, 149.
1674 ist wohl dar statt dat zu lesen, ebenso Y. 2961.
1708. Noe, dut schaltu alle wisse[n] (: fecisse)
De vogel des himmels, de der der erden
Schullen alle wedder vorstört werden,
Schünemann, der das hs. wisse in wissen ändert, scheint hier eine hd. Form für
möglich zu halten* es ist wahrscheinlich zu ändern: dut schaltu wetten algewisse;
letzteres Wort findet sich in Meister Stephans Schachbuch, Y. 2873.
1719/20 ist zu interpungieren :
Dat schaltu don mit kloken sinnen,
Beide buten unde binnen.
2069 lies se statt so, vergl. Y. 2090/91.
2141. Unde bidde, here, hilge tröst,
Dat hir geiaüike inne vorlöst
In tökomenden ttden mögen werden.
i2S
De jü gebom worden up erden,
Ünde noch schuUen werden gebom,
Dat se nummer mer werden verlorn,
Dat dusse geistlike wtn unde bröt
Jo 80 schicke du, leve god.
y. 2147 ist unverständlich, ich vermute, dass zu lesen ist: Dor dussen geiatUhr
win unde brot. Die Form dar statt dor, welche Sprenger V. 1549 ansetzt (Nd
Jahrb. 19, 107), kommt sonst im Gedicht nicht vor und scheint daher unzulä$>i:
ist auch der heutigen Mundart fremd.
2273 ist das auch dem heutigen Dialekte fremde kommen in körnen zu anders
2277 ist zu lesen: Wu %cy dem mynsliken siechte mochten roden.
2450. Dar up ek dy recht nein en geve,
Statt recht nein ist nein recht zu lesen, recht geven fehlt im mnd. "Wtb., tiiwe^
sich aber in Meister Stephans Schachbuch, s. Wörterverzeichnis p. 74.
2885. üse scrifte de droget over ein,
Statt droget lies draget oder dreget; die lis. hat öfter o für e, z. B. V. 974, l^i'ü
3787 lies live statt leoe; to dele geven Stephans Schachbuch V. 4122.
3809 lies der statt de.
Zu Konemann.
Konemanns Dichtung ist in zwei vollständigen Hs. veröffentlirbt
einer md. (A) von Sello im 23. Bd. der Ztsch. d. Harz-Vereins ^
99 flF. und einer nd. (H) von Euling im Nd. Jahrb. 18, S. IM f
Beide Herausg. nehmen nd. Urschrift an, doch lässt Sello die ^Vk-
lichkeit zu, dass Konemann in einem Mischdialekte schrieb, wie Schatz
annahm. Koppmann wies im Korrespondenzbl. 17, 18 ft\ nach, da^-
die Vorlage von H mit A identisch oder nahe verwandt gewesen seir
muss. Dass diese Vorlage nicht nd. war, erhellt auch noch aus eint:;
andern Grunde, den Koppmann nicht hervorhebt. V. 197 kat A rf'»-
suftenljare herse, ebenso H V. 213 suftenbare. Dieses Adj. ist im Mn»L
nicht belegt, würde auch wohl suchttnhar lauten, obwohl sufleti für
suchten einige Male vorkommt. Aber mhd. heisst es siuftelxiere^ mli«l.
Wtb. III, 721. A V. 701: Got unse herre selbe leie
durch dodvs äugest blödes sioeie.
Ebenso hat H Itit : sweit. siveiz Uizen ist ein beliebter mhd. Ausdruck,
im Mnd. kommt er nicht vor, statt dessen heisst es dat swet brikt t'ft
Hieraus ergiebt sich, dass die Vorlage von H md. oder hd. war, uni
dass H dieselbe, sei es des Reimes wegen, sei es aus andern Gründi-i-
unverändert übernahm. Ein mnd. swet leiten darf aus dieser SttU-
nicht gefolgert werden.
A. V. 10Ö8. Waeer, eide unde luft; H. V. 1096. Water lucht unde erde.
ok 8ol des vures guft Ok schal des vur es ungererl
bringen alle herzen
an sorchsamen smerzcn.
A. V. 1070. Iz moz sich also geboeren, IL V. 1108. It moth sick also behoren,
daz de lüde mozen doeren Dat de lüde moten dorreu
vor angest unde beide Vor angeste unde not
der zokumften leide. Des tokomende iammers grf^.
Ein mnd. guft A 1059 und leide 'Erwartung' A 1072 ist nicht
belegt, obwohl beiden vorhanden ist. Beide Worte sind hd. ; mlul.
beitefi 'warten auf etwas' und bUe st. f. Die Aenderungen in H, lasst^r.
sich nur aus hd. oder md. Vorlage erklären. Auch die Zeit der Ab-
fassung des Gedichtes weist auf hd. Urschrift; um 1250 — 1270 schrieb
man nicht nd., s. Lübben im Nd. Jahrb. L, S. 5 ff. Ob mit Seelmann
niederrheinische Mundart oder Beeinflussung durch mittelfränkische
Vorbilder anzunehmen ist, ist schwer zu entscheiden; die von Seel-
niann angeführten Reime beweisen dies noch nicht, nit findet sich
z. B. auch in einer Urk. des Grafen zu Stolberg und Wernigerode
vom Jahre 1525, s. Ztsch. d. Harz-Vereins 23, 423/4. Möglich wäre
es, dass Konemann aus dem benachbarten md. Gebiete um Aschers-
leben stammte, wo heute noch nd. Lautstufe mehrfach vorkommt,
lieber die Sprache um Aschersleben wird in den Mitteilungen des
Voreins für Erdkunde zu H. a. S. 1895 ein Aufsatz von mir erscheinen.
Zu Eulings Text füge ich noch einige Bemerkungen hinzu, die sich zum
Teil auf A als mutmassliche Vorlage stützen.
V. 35 ist hinter goddes ein Punkt zu setzen ; Sello hat V. 40 ein Semikolon.
128 lies den waren wund, Sello hat V. 136 waren vrunt,
406/7. Hinter Y. 406 ist der Punkt zu streichen und hinter V. 407 zu setzen.
468. Um Blankenburg a. H. hat man herde f. 'Herde'; Schambach bietet here,
531 ist ein Punkt statt des Kommas zu setzen, wie Sello Y. 551 richtig hat.
602 ist ein Komma statt des Punktes zu setzen.
744. Wu mochte eyn wifflick wiff
Vorgetten ores kyndes, dat or Uff
Hefft io der werlde ghebracht
Doch is se des under tyden umbedacht,
Sunder, du machst dat weiten,
Ik wil dyner nummer mer vorgetten,
Sprenger im Nd. Jahrb. 19, 104 ändert V. 747 unnötig se in it und fasst doch im
Sinne von 'wenn auch', welche Bedeutung im Mnd. nicht belegt ist ; 'doch, dennoch'
giebt guten Sinn : Wiewohl eine Frau ihres Kindes nicht leicht vergisst, so kommt
CS doch bisweilen vor, aber ich werde deiner nicht vergessen. V. 746 ist ein Aus-
rufungszeichen zu setzen. In derselben Weise ist doch gebraucht V. 782. 977. 1009.
814 lies Do statt De,
831 if. Hinter N. 832 ist ein Komma statt des Semikolons zu setzen und
am Schluss von V. 834 ein Fragezeichen, wente 'wenn', s. Meister Stephans Schach-
buch y. 4014. V. 835 wen efte 'als dass', fehlt im Mnd. Wb. Die Interpunktion
bei Sello richtig.
1020/21 ist nach Sello Y. 984 zu ändern:
Dai is: Eyn doed der bösen.
Schal men dat rechte glosen,
1255 ist statt denne wohl deme oder den en zu lesen ; schwerlich entspricht
denne dem heutigen dene = Dat. PL ; vergl. jedoch mnd. wene = Akk. Sing. 'wen'.
1307 ff. Eyn dach is beter dar So wil we or dat toreken,
Wen hir mannich dusent iar, Älse we de meyster hören spreken,
Wen de gele dort Dat eyner konigynnen schach,
To hymmelf wert gevoert Do se konige Salomone ansach.
Die Interpunktion ist nach Sello Y. 1273 ff. zu ändern, doch muss bei Sello
y. 1283 ir statt in gelesen werden. Y. 1283 bei Sello: so moz in dar gescen
lautet in H. : so wil we or dat toreken. toreken kann nicht dasselbe sein wie
toreken 'zureichen, genügen' oder wie toraken 'wohin gelangen'. Ob der Yers
richtig überliefert ist? we könnte aus Yersehen aus der folgenden Zeile hierher
geraten sein. Nach dem Wortlaut in H. würde man erwarten: so wü sik or dat
raken, wofür auch reken vorkommt, s. mnd. Wb. III, 416b.
BLANKENBURG a. H. Ed. Damköhler.
Niederdontsohos Jahrbuch XXL
m
Zuna Volksbuehe von Eulenspiegel.
3. Hi. In dem Zuruf der Jungen: he had nur wol uss etc. Z>u hast hni\
nach dem bade gerungen vermutet Koppmann im Korrbl. XVIII, S. 19 ein vn:.
hochd. Uebersetzer missverstandenes Wortspiel, dessen Wortlaut etwa gewes*=L
„bade meti wol ut; du hefst lange gerungen na bäte, nu bustu körnen to barif
Du hefst lange gerungen na bäte „du hast lange auf Vorteil gesonnen," passt ui !.:
recht in den Zusammenhang. Ich vermute, dass es gelautet hat: du hefst /«iiv
gerungen nä unbaie. „Du bist lange auf den Schaden (anderer) bedacht ^wesen "
6. Hi. und da der jung mit dem brotbecker wider kÄ da w£ Uienspir^
hinweg mit dem brot. Lappenberg vermutet, dass statt des sinnlosen 6ro</^c>"
brot zu lesen sei. Allein so wäre die Entstellung nicht zu erklären ; es mus>*':
danu auch wohl weissbrot gelesen werden. Ich vermute, dass der üebersetzc'
schon in seiner Vorlage einen Fehler fand, nämlich : mit dem Becken (Bäcker) ^tj"
des niederd. mit dem Wecken. Weck oder Wecke ist eine Art Weissbrod v c
länglicher, zugespitzter Form, das noch heute in Norddeutschland (z. B. in Que.--
linburg) gebacken wird. Vgl. auch Brem. Wörterb. V, S. 221. Den Becken seio'-
Vorlage hat dann der iStrassburger Uebersetzer gedankenlos in einen Brotbeti
verwandelt.
11. Hi. da ward sie (die kellerin) gar zornig und särnt über Ulenspiegel, tr-i
lieff zum pfaffen und sprach zu im, wie daz sein hübscher knecht sie also rrr.v'
het. hübscher ist hier kaum ironisch zu fassen. Ich vermute vielmehr, dass ani
hier ein dem hochd. Uebersetzer unverständliches niederd. Wort gestanden ha-
vielleicht hünsch (zu Hüne, Kiese; s. Woestcs Westf. Wb. u. Schambach) unc^
Schlacht, grob. Oder sollte bübischer zu lesen sein? Vgl. Hi. 25 Da Ihet U. c*»
abentürliche büberei.
13. Hi. da wart sie gifftig au ff ulnspiegel. Der Druck von 1519 (B) hit
statt giftig: zornig. Im Texte stand vielleicht ursprünglich das noch jetzt it
niederd. Mundarten allgemein gebrauchte veninisch = zornig.
21. Hi. wan ein alter milter würt der achtet seines gutes nü, und teer <?:•
wonlich ein bott. Für bott, wofür B: thor hat, stand hier wohl ursprünglich di*
alte niederd. Butt 'Stumpfsinniger', wozu das Brem. Wb. und Stürenburg auf gr
baut in gleicher Bedeutung verweisen.
ebd. Wan gesunde speiss, das wer krut, wie gesundt es auch toer. AnJ-
so segenet er sich vor den speissen uss der apoleck wie wol sie gesuni ist, so .^
sie doch ein zeichen der kranckheit. Hier scheint dem Uebersetzer, wie öfter, ei
Wortspiel entgangen zu sein, indem statt gesunder speiss ursprünglich gesunt-spisf '
(Gesundheitsspeise) im Texte stand, das durch krut 'Heilmittel' erklärt wur^e
Uebrigeus haben wir uns unter ihm, wie auch im Reinke V. 6715 (se un-eren ew^'
kr Cd in sin ene ör) wohl ein mineralisches Pulver zu denken, wie noch im Ostfne>
(z. B. Rüttenkruud = Arsenik), vgl. Stüren])urg S. 126. Der zweite Satz siclt
ganz wie ein späteres Einschiebsel aus.
22. Hi. Also ward Ulenspiegel uf de turn varten vergessen. Im niederd
Text stand vielleicht ursprünglich: üf der warten, wozu als Erklärung rfe tum
hinzugesetzt wurde. Die Warte wird noch jetzt in Norddeutschland = Wartturs
gebraucht. Anders Walther, Niedd. Jahrb. XIX, 21.
35. Hi. Gottes dicner wir seind von dem gecken betrogen ! Gottes diehr
ist wohl ein Missverständnis (oder Druckfehler) für den niederd. Fluch Gottes dun^^
„Gottes Donner!" S. Mnd. Wb. I, 540 und Woeste, Westf. Wb. unter: du9netk
36. Hi. Also fragt Ulenspiegel wz dz par (hünei) gelten soU, sie antu:Mr:
im dz par umb zwen st^ffans groschen, ulenspiegel sprach wölUd ir sie nü «rÄt»^
*) vgl. Komposita wie gdch-spise „schnell bereitete Speise".
I3l
gehen. — neker scheint aus dem niedcrd. neerer 'niedriger, zu geringerem Preise'
entstellt. Ueber neer aus nedder vgl. Schambach S. 143.
43. Hi. Da befal er Ulenspiegeln das er nem toas er hett, und macht dem
huren ein supp^ er het im das im schank gelasen. Das zweite das ist aus daiz
= dazu entstellt. Ursprunglich hiess es wohl: er heite im dartö (Stoff dazu) im
schank gelaten.
ibid. wa von er dem buren ein sup gegossen het. *ein sup giessen* = be-
reiten scheint oberd., ich hörte den Ausdruck vor Jahren zu Grindelwald im Berner
Oberland.
52. Hi. Ülenspiegel sagt lieher meister ir sagen war ich hin dahej nit lang
geicesen, wan ir mir nun wollen gestatten dass ich jjjj necht hy dem werck schlieff
das ich des gewont und dan sehen ir was ich thün mag. Lappenberg fasst gewont
als Adj. und will werde einschieben, es ist aber conj. praet. von gewonen 'ge-
wohnt werden'.
53. Hi. und sein meister zürnte mit dem uss gon . . . Statt zürnte liest
Lapponberg: zögerte. VjS ist aber das nicderd. för«<c einzusetzen. Niederd. <ör««»
ist zwar gewöhnlich transitiv in der Bedeutung: hemmen, aufhalten, aber in der
Altmark sagt man nach Danneil auch: ,,Wat törnst (zögerst) du denn? sprick
graod herüt!" (der meister) nam im dz zugeschnitten leder, und sagt, wz fürsichtigen,
sehin da hastu ander leder u. s. w. Aus dem Zusammenhange ergibt sich, dass
es statt WZ fürsichtigen ursprünglich gelautet haben muss: wat unvorsichtigen.
Dass diese Verwendung von toat = 'etwas' der niederdeutschen Sprache eigentüm-
lich und erst in neuerer Zeit in das Hochdeutsche (was) übergegangen ist, bemerkte
schon KttmüUer z. Spil v. d. üpst. 896; vgl. auch Woeste, Westf. Wb. S. 316.
56. Hi. da gedacht er Du solt dich mit disem gerb er disen winter leiden.
— sich leiden ist mnd. sik liden 'sich genügen lassen, behelfen'. Mnd. Wb. U, 688.
58. Hi. Als nun des gerichtes tag kä dz man Ülenspiegel ussfieren solt und
solt in hencken dz wz ein gerühcl über die gantz stat, dz iedermann zu ross
und zu fuss uff WZ also das dem rat von Lübeck leid was das er in abgetrungen
ward. Vgl. mnd. mi is led ich bin bange, ich fürchte, vgl. R. V. 520. In West-
falen nach Woeste S. 158 noch heute gebräuchlich.
71. Hi. Der wirt was gricht nach dem gelt. Statt gricht wurde wohl ur-
sprünglich giricht = begierig gelesen. Der Uebersetzer, dem das niedd. unorganische
t am Ende unbekannt war, fasste es anscheinend als gericht = gerichtet.
78. Hi. Lieben fründ, ich merck wol das der wirt ein hoch bocher ist, —
hochhocher (so, als compos. ist zu lesen) = Prahler; vgl. mnd. hach. hochbochen
'sich trotzig benehmen' nach Lexer erst bei Agricola.
86. Hi. unnd briet den npffel müsslichen. Hierzu bemerkt Walther Nd.
Jahrb. XIX, 25: „Statt mässUchcn ist müsslichen wohl verdruckt; einen zu Muss
ji^ebratenen Apfel kann man nicht schälen." Ich sehe in müsslichen das mhd.
müezeclichcn 'langsam'. Der Apfel wird deshalb langsam über dem Feuer gebraten,
damit er eben nicht zu Muss wird.
ebd. und an fier wochen sollen sy cinhellich die schon kist, die er inen
anzeigt mit kostlichen schlüsseln wol bewart, und sie wer noch uff zu schliessen
dz ien dz darin wer, mit einander teilen. Lappenborg liest: wa sie wer noch zu,
iifschliessen. Dass und aus wa verdruckt sei, ist nicht anzunehmen. Es ist nur
und, das = „wenn" zu fassen ist (vgl. Haupt z. Erek 7028 und z. Gottfried v.
Neifcn 8, 17), umzusetzen ^und zu schreiben: und na fier wochen sollten sie die
schon kist . . . , und sie wer noch zu, uffschliessen.
87. Hl. sunder sie miegt nit so ser in dem, dann das sie so gross doren
tücren, das sie ir ochsen für die kunst hetten geben, und was ein soliche wackelig.
Für wackelig vermutet Lappenberg das unmögliche wankellüg, es ist aber un-
zweifelhaft ein Druckfehler für gawkeli, nd. gökelie „Gaukelspiel".
93. Hi. wan got der her über in gebfat, und von todts wegen abstund.
Lappenberg will er nach und ergänzen, allein die Auslassung des Personalpronomens
stammt aus der niederd. Vorlage und und ist = „und er" zu fassen. Vgl. Seel-
mann zu Gerh. v. Minden S. 166 f. und zu Valentin u. Namelos V. 38.
NORTHEIM. R. Sprenger.
9*
132
Zu niederdeutschen Dichtungen.
Zum Reden tiner Osterspiel.
172 if. prahlt der Tertius miles:
Tros! dat myner iemant heyde,
Ik toolde em dat hen beseien,
He scholde en jar an der Hasen quelen!
Walther im Jahrb. XVI, S. 45 fasst den Sinn der Stelle folgendermassen : .ich
wollte ihm so das Bein besudeln, dass er ein Jahr lang an seiner Hose kranin
sollte." Eine sachliche Bestätigung erhält diese Erklärung, 'die Schröder unsicher
scheint, durch das Röbeler Spiel V. 78 ff. (Mittelniederd. Fastnachtspiele her v.
W. Seelmann S. 63 ff.). Hier droht Kundige Gerolth dem Schulzen, der den Basen
schlechtes Bier vorgesetzt hat:
Ick völde en de vorscho bedropen;
He scolde uns tool mer (in Zukunft) gudth hyr kopen.
Also auch hier, nicht viel später und auf Meklenburger Boden eine Androhoo?
desselben Schabernacks !
583. JesvLS dicit:
Lucifer, du böse gast,
Du scholl bliven an dessen keden vast.
Du scholt hir negcst mer malet toesen,
Myne leven scholen vor dy wol ghenesen.
Ueber diese Stelle habe ich schon Zs. f. d. Phil. XXVII, S. 303 gesprochen. Id
bemerke jetzt noch folgendes. Für malet steht in der lids. maU, was = neU
(maisch), stolz, kühn, verwegen sein kann, ein gebräuchliches Beiwort der Teufel
Vgl. Mnd. Ged. her. v. Lübben S. 42, V. 12. Wente du (Jacob) bekerdtst ^
tovere valsch Ünde du brandest de duvele maisch. In negest steckt vielleicht eioe
bildliche Bezeichnung der Negation ene gest 'einen Dreck'. Ygl. Böse Frauen 20
(Mnd. Fastnachtsp. ed. Seelmann S. 10) : Eynen dreck ick na unsem Papen fra^^
Es wäre dann zu lesen:
Du scholt hir enen gest mer mals toesen.
Ich gebe die Unsicherheit dieser Vermutung zu ; jedenfalls aber fugt sie sich ia
den Zusammenhang und weicht weniger als andere von der Ueberlieferung ab.
720. Auf die Frage Davids an den Latro, w^eshalb er hier so früh an (kr
Thüre des Paradieses warte, antwortet dieser in Schröders Ausgabe:
Wete wy nycht, wes ik warde?
Der Zusammenhang verlangt: Wete gy nycht. Da Ettmiüller Wete gi nickt bu
liegt hier wohl nur ein Druckfehler vor. Ebenso 1066, wo Ettm. das ricbtip
weren, Schröder wer et hat.
1154 ff. ruft Lucifer seine dienstbaren Geister. Da sie nicht sogleich er-
scheinen, setzt er hinzu:
Ik mochte myn kranke hooet vorropen!
vorropen ist im Mnd. Wh. 5, 425b nur in der Bedeutung „zerraufen*' belegt
Schröder meint aber, dass diese hier nicht in den Sinn passe, und nimmt für dies
Stelle ein sonst nicht weiter nachgewiesenes vorropen 'verrufen, zemifen. zi
Schanden rufen' an. Aehnlich fassen die Stelle auch Freybe und Froning. Deiil:^
man sich aber, dass Lucifer nach seiner Beschwörung der Geister eine Pause ein-
treten lässt, und dann, als sie ohne Erfolg bleibt, geärgert ausruft: „Ich mücht«
mir mein krankes Haupt zerraufen,** so kommt man mit der belegten Bedeutoc?
des Wortes wohl aus.
1410. Ach were ik mynsche, also ik vore
Wat ik to deme schowerke nicht en köre!
133
Ich glaube jetzt, das8 Wat aus Was entstellt ist, welches für die Grammatische
Construction nicht zu entbehren ist, und schreibe:
Äch teere ik mynsche, aho ik vore
Was, ik to deme schowerke nicht enkore!
*Wenn ich wieder Mensch würde, wie ich früher war, das Schustergewerbe würde
ich nicht (wieder) wählen I"
1694. Ach, toe dar na toolde lesen.
Wer he gicht krank mochte wesen,
Oft he an der suke Icghe, —
Woste ik, we eme dat glas beseghe!
Schwierigkeiten macht zunächst in V. 1694 die Rda. lesen na eneme dinge, die
Ettmüller in dem "Wörterverzeichnis seiner Ausgabe auffuhrt, aber ohne sie zu er-
klären; auch die übrigen Ausgaben bieten nichts. Ich halte den Vers für entstellt
und glaube, dass er ursprünglich gelautet hat:
Ach we dat mi toolde lesen ....
„Ach, wenn mir einer das berichten wollte!" lesen wird im Mnd. bekanntlich von
jedem, auch mündlichen, Berichte gebraucht, wie ja auch in unserm Spiel V. 409 f.
von Sathanas Jesus sagt: Ik hebbe dar nicht verne wesen, Dar he syn testament
lieft ghelesen. Die folgenden Verse sind in den Ausgaben bisher falsch inter-
pungiert. Ettmüller setzt hinter V. 1696 [1685] ein Ausrufungszeichen statt des
Kommas. So enthält aber der zweite Teil der Doppelfrage nichts neues. Ich
fasse toer als Conj. der einfachen Frage, oft = *wenn' und schreibe die Verse
folgendermassen :
Ach, we dat mi wolde lesen,
Wer he gicht krank mochte wesen!
Oft he an der suke leghe,
Woste ik, we eme dat glas beseghe!
D. h. : „Ach, wenn mir doch einer berichten wollte, ob er etwa krank geworden!
Wenn er aber gar bettlägerig geworden ist, wüsste ich dann wenigstens, wer ihm
das Uringlas beschaute!^ Ueber die Diagnose der Aerzte vgl. Seelmann zu den
bösen Frauen 262 (Mnd. Fastnachtspiele S. 71) und Schröder z. d. St.
Zu den Fastnachtspielen,
her. V. W. Seelmann.
1. Zu den bVsen Franen.
V. 17 ff. Der Herausgeber versteht unter ogen *Hühn eräugen', aber da hier
eine offenbare Parodie der ärztlichen Thätigkeit vorliegt, so ist wohl an misslungene
Staroperationen dieses Doktor Eisenbart zu denken. 'Hühneraugen ausschneiden'
heisst im R. Vos 6298 ogen uthbreken. Auch zwischen dem thene uttheen (R. Vos
5299) und th. uthbreken ist wohl insofern ein Unterschied, als mit letzterem Aus-
druck hier das gewaltsame Ausbrechen gesunder Zähne gemeint ist.
70 f. Leue Dochtei', segge my beschedenheydt,
Wo steydt yuwer beyde sake?
Da, wie der Herg. selbst bemerkt, beschedenheit in der Bedeutung 'Bescheid, Aus-
kunft' im älteren Niederdeutsch nicht zu belegen ist, so liegt wohl ein Druckfehler
vor und ist zu lesen: segge my bescheyt. Durch diese Aenderung wird auch der
Vers geglättet.
359 fragt Drfideke:
Wo nu, Henreke, bystu worden dul?
Wat deystu mit der roden pagenhudl?
Der Hg. bemerkt : „roden statt roen 'frisch ungegerbt' was der jüngere Druck bietet,
ist vielleicht Druckfehler, doch lässt es sich als 'rot, noch blutig' erklären." Zu
der Annahme, dass wirklich ein Druckfehler vorliegt, führt mich folgende £rwägung
134
V. 318 überreicht der Arzt dem Alert mit den Worten: Hyrmit mole gy er 'l.
hudt d^rchhouwen — eine Ruthe. Diese erblickt nun Dr&deke in der Hand ibrt-
Mannes und ruft:
Wat deystu mit der roden und pagenhudt?
392 f. befiehlt der Doctor:
Tastet se an und holdet se fast
Und splytet ehr äff dat hast!
Der Hg. versteht unter hast die Haut, welche an einigen Stellen durch Schlafe
mit Birkenreisem abgeschunden werden muss, damit die Rosshaut das Gift an-
dem Körper saugen kann. Davon ist aber im Texte nichts gesagt, und mir scheiit
es natürlicher dat hast afsplyten = *das Zeug ausziehen' zu fassen. IHes ei>-
geschehen, damit der Arzt den Aderlass vornehmen kann. So erklärt die Stell:
(= Keller, Fastnachtspiele 983a) auch Woeste, Westf. Wb. S. 22. Bei Leser I
133 ist hast = ;,Saum eines Kleides" verzeichnet.
2. Zur Barenbedregerie.
1 f. Der Prolocutor spricht:
Godt grhte yuw, Heren allentsamen,
Vastelauendes unse wy tho yuw kamen.
Dass, wie der Hg. meint, kamen nicht Praesens ist, sondern Praeteritum = 'wr
sind gekommen' ist unwahrscheinlich, vielmehr ist ersteres hier wohl am Plat.':
Uebrigens ist wohl zu schreiben: In vastelavendes wise toy tho yuw kamen.
70. Darto doen se uns de schape tho haluen.
S. erklärt richtig to halven seil, dele 'auf halben Anteil'. Ein solcher Pachter wrrJ
in Westfalen nach Woeste, Wb. S. 90 noch half genannt, mnl. halfwinner, coIoli-
partitiarius.
72. Unter Doren und düllen sind wohl die sogenannten 'dummen Schafe' gemciLi
75. De wulle plach ick snluest tho netten.
Seelmann weist mit Recht die Erklärung des Mnd. Wb. {netten = knitten^ strickri.
zurück. Aber auch seine Aenderung in neten 'gemessen, zu eigenem Gebranchc
verwenden', durch die noch dazu ein ungenauer Reim (neten: hebbe getten) en*-
stehen würde, trifft das richtige nicht; netten ist vielmehr = 'nass machey*. W
Wolle anzufeuchten, damit sie schwerer wird, ist eine noch jetzt häuüg geul t
betrügerische Praktik.
151. Hans Meyer.
Ja, de JDhrp Mlgede synt ock nicht schuto!
Se h^den de Phrde mit den Knechten.
Hennecke Bane.
Ja, se laten sick fryken flechten.
Seelmann bemerkt S. 81: „Welche Bedeutung ^ec^ten hier hat, lehrt der ZusammeL
hang, unerklärlich ist aber, wie das Wort zu diesem Sinne kommt." Zur Krklärui::
dient eine Stelle der von Merzdorf (Oldenburg 1857) herausgegebenen nieder^*!
sischen Uebersetzung der Bücher der Könige S. 225, Z. 1 v. o. : Do sande h
(Josias) und leth de knaken Haien ute den graven tmd brande se uppe deme alt'ir-
und*he heulechlele dat bocen dat wort unses heren. Dies entspricht der Vulgat^
Reg. XXIIl, 16: misitque et tulit ossa de sepulcris, et combussit ea super altarr
et polluit illud juxta verbum domiui. Auch hier ist wohl deutlich, welche Art d*-'
Besudelung der niederd. Uebersetzer mit bevlechten *) gemeint hat. Da aber pollaoi'
sowohl „besudeln" als auch „verunehren" bedeutet, so dürfte dadurch auch da-
flechten in obiger Stelle der Erklärung näher geführt sein.
158. Ja, wenn de Ryngelduuen drouen
Und syiten ^Rudup, rudup^ up unser Kareken.
droven wird im Mnd. Wb. VI, 108 durch 'trübe sein, trauern' erklärt und auf dk
klagenden Töne der Tauben bezogen, was nicht annehmbar ist. Seelmann bemerkt
dass vielleicht doven 'toben, lärmen' das richtige sei. Allein auch dies wäre keitt
») Das Wort fehlt im Mnd. Wb.
135
fassende Bezeichnung für das Gegirr der Tauben. Ich erkläre mir droven als zu-
sammengezogen aus dar oven [so noch im Göttingischen: dröwer = daröiotr] und lese:
Ja, wenn de Byngelduuen drouen
sytten ^Budup^ rudup* up unser Kareken,
D. h.: 'Wenn die Ringeltauben auf unserem Kirchturm sitzen (und rufen): Rudup,
Rudup I — eine volkstümliche Kürze des Ausdrucks.
173. Ja, wy toyllen nu beyden wenie echt,
echt 'wiederum'. Man vergleiche die noch gebräuchliche scherzhafte Rda. : „Warte
bis es wieder einmal so kommt!''
3. Hercatori's Yastelavendesspiel.
66. Kum her mit dynem krummen geuerde.
Dass mit geuerde die Sense gemeint ist, ergibt der Zusammenhang. Diesen aber
mit dem Hg. als 'den krummen Gefährten^ zu deuten, kann ich mich nicht ent-
schliessen, erkläre es mir vielmehr = gewer, Wehr, Waffe, mit eingeschobenem
unorganischem d.
130 ff. lese und interpungiere ich:
Ock grote Vesie und hoge Mfiren,
Dar men vor dy machte diiren.
Ick wolde buwen, so vaste und so hoch,
Alse dar y^werlde ein Vagel floch.
4. Zwiegespräch zwischen dem Leben und dem Tode.
Ueber geverde V. 11 s. zu Merc. 66. Die Erklärung wird auch durch die
Bezeichnung der Sense als dat krumme iauwe in V. 19 bestätigt.
5. Scheveklot.
V. 29 f. ist leicht ein reiner Reim herzustellen, wenn wir schreiben:
De seste wüste gudt bescheidt,
Wo he under dem hode spelde (: scheide)
244. Wat sechstu, rechte legedeff?
Die Hds. hat getrennt: lege deff. Ueber lege = 'schlimm, böse' vgl. Woeste S.
1Ö8. Schambach S. 120; Mnd. Wh. II, 641.
6. RSbeler Spiel.
94. Nu moth men yw jagen unde herczen
Uppe dat ghy nicht en bersthen.
herczen 'anherrschen', wie der Herg. erklärt, ist nicht belegt, und nach dem Zu-
sammenhange ist nur ein Synonimum von bersten anzunehmen, also heczen, hessen.
Ein reiner Reim wird hergestellt, wenn wir hatzen und statt bersten das gleicli-
bedeutende platzen setzen. Dies Hesse auf eine hochdeutsche Vorlage schliessen.
96 f. lese ich:
Bisset vart! jck wil jw jagen!
Bisset vart! d. i. „Laufet weg", vart = vort. Ueber bissen, rennen, das auch
V. 23 begegnet, vgl. ausser den im Mnd. Wb. I, 343 Belegen auch Woestes Westf.
Wb. S. 31 unter bidsen.
Zu den Niederdeutschen Schauspielen älterer Zeit,
her. V. J. Bolte u. W. Seelmann.
I. Hoorkensvel.
141. droes ist nicht, wie in der Anm. erklärt wird, = 'Drüse, Pestbeule',
sondern = mnd. drös, dru^ *Riese, Teufel'; s. Schiller-Lübben I, 583; auch drous.
Niederd. Bauernkom. her. v. Jellinghaus S. 20 (Glossar S. 95). Vgl. auch V. 335
dat hem de Droes haelde!
136
158. vertoorghen ghelijc een Hoen. Der Ausdruck ist formelhaft; Tgl, di*
gepriche ich sam das huon. Rolandslied des Pfaffen Eunrad 135, 16, Hartmaüi::
£rec 5482; Meier Helmbr. 1851 u. Anm.
IL Boeren Yasten-avonds-spel.
30. Bat hy (der Büttel) hadde opt passe ghekomen,
Hy hadde my heyde mijn paerden ghenomen;
Wal ick ben vast schuldigh in aüe strafen.
Die Herausgeber vermuten in Wat einen Druckfehler für want 'denn' ; ') allein aacb
toat kann als causale Conjunktion gebraucht werden; s. Sehiller-Lübben Y, 614 u
618. Auch kann toat = wie viel und der Satz als Ausruf gefasst werden.
73. Ten schade hem noch niet en veest
Ten schade hem = 'es schadete nicht'. Vgl. 128. Ten is noch geen Somer =
*es ist noch kein Sommer\ veest ist natürlich: mnd. tnst 'crepitus yeQtris\
94. vruchte (wie die Hgg. für duchte vermuten) ist in den Text zu setzen
113. All eer sal eyndighen dit Jaer,
Wil ick daer op toeseti verdacht
En sien dar nae met al mijn macht,
Of ick de manier mochte vinden,
Om mijn Joncker wt onsen hvyse ie binden;
Want hy komt mijn Wijf veel te na.
Fassen wir trt in Y. 117 = üt, so ist die Stelle unverständlich. Es ist zn lescs:
mijn Joncker met onsen huyse te binden 'unseren Junker mit unserem Hause m
verbinden', nämlich durch Gevatterschaft, wie Hanneken Bane den Pastor. Sachlich
vergl. die Anm. zu Y. 106.
III. Vitalns.
33. Anm. Dass Spital als Schimpfwort aus 'Spektakel' und nicht ac?
Spital entstanden sei, ist nicht glaublich; vielmehr wird es bei der Erklämcf
Frischs (angeführt bei Sehiller-Lübben IV, 321): „Wegen der bösen Leute, die sicf
manchmal unter den Spitalleuten . . befinden ist es ein Schimpfwort geblieben in-
Nieders." sein Bewenden haben. Gegen die Erklärung aus Spektakel spricht aoch
das A^'. spitalisch, das in Y. 33 etwa unserem 'jämmerlich' entspricht. Das Wort
lebt noch im Bremischen in der Form spittelsk 'einer, der Armut und Kraokbe.n
halber eines Spitals bedürftig ist' fort. Ygl. Brem. Wb. lY, 957, Y. 61 ist ri^ ■.
Spital als 'faules Spital' zu fassen.
54. Mit molden drecht he uih den Dach. Zu vergleichen ist folgende Stell:
in Gryses Leienbibel Rostock 1604 fr. 44 [citiert im Mnd. Wb. III, 113]: (Faul
lenzer) de untydich unde wedderwyllich den dach mit molden uthdregen utuie wegfi.
Ygl. auch die Redensart: met molden uihtoerpen, die von verschwenderischen Fraut:
gebraucht wird. Noch jetzt sagt man übrigens von einem Yerschwender, dass er
das Geld mit Mollen aus dem Hause trägt.
92. Sue, dar hastu ydt alUhosamen,
Wat vorkopen schalt : hasttU vbrnamen ?
Wat erklären die Hgg. durch 'wofür, zu welchem Preise', es ist aber einfach alf
Relativpron. zu fassen. Der Ausfall des persönl. Fron, (du) ist im Niederd. ziei>
lieh häufig.
100. Koeplfjide = Käufer, wie noch in der Redensart : 'Handeln und Bietec
macht Kaufleute'.
113. Wat bistu unbeholpen en Dwalss! 'Was bist du unbeholfen und dumzL
Da im Drucke sonst innerhalb des Yerses nur Substantiva grosse Anfangsbuchstabe c
haben, so scheint es nicht unnütz zu bemerken, dass dvoals (in Meklenburg noch
jetzt: dtcalsch) Adj. = mnd. dtoelsch, delirus ist.
') Der Yerf. scheint übrigens als causale Conj. went zu gebrauchen.
137
186. ein Ey erhack *eine Masse zerbrochener und zusammengelaufener Eier'.
Noch jetzt sagt man Yon Menschen, die eng zusammenhalten halb hochd.: ,,sie
sind ein Back Eierkauken. "
154. Hellebrandt *Hüllenbrand« ; s. Mnd. Wb. II, 232.
222. wellege Teven. wellege ist nicht, wie man nach der Schreibung ver-
muten könnte, mhd. wiüige 'freundliche, dienstwillige', sondern w^lige ausgelassene ;
vgl. v^lle = vft/e V. 61. Im Hanenreyrey (202 u. ö.) ist immer wehlich geschrieben.
Im Scriba finden sich beide Schreibweisen: Y. 66 en gladde welige Teve; 262 Ein
welligen Bengel; 478 ein welich Kumpan.
260. by den Hangedews! offenbar Verwünschung: 'zum Henker 1'
279. Anke, lath U88 noch wat darin stygen (näml. Bier)l Die Redensart
erinnert lebhaft an das studentische „in die Kanne steigen*'.
360 ist hei im Gegensatz zu Hemmd offenbar 'Hölle'. Wir haben hier eine
der volkstümlichen halb sinnlosen Redensarten.
361 lies: min (st. tnit) Hut und Har.
383. uthstaken entspricht ganz dem hochd. (ein Fass) ausstechen; an eine
zweideutige Geberde (s. Anm.) ist nicht zu denken.
597. Och sinck doch : Godt de Vader wahn uns by. Nicderd. üebersetzung
des Anfangs von Luthers Trinitatisliede : Gott der Vater, wohn uns bei und lass
uns nicht verderben, mach uns aller Sünden frei und hilf uns selig sterben ! wahn
ist demnach als Imperativ und nicht als Gonjunct. Praes. zu fassen.
V. 625 f. sind in der überlieferten Gestalt unverständlich. Ich schlage vor
zu lesen:
Wolde ik lyker hahben störten wunden,
Wan dat toi dal best nu nich neten künden,
'Lieber wollte ich die fallende Sucht haben, als dass wir das Tier nun nicht ge-
messen könnten'.
688. De Gest schal hyr nich lange maken. *Der Geist soll es hier nicht
lange mehr machen'. Dem Sinne nach = 640. De Knüoel schal wol bald vor-
schwinden.
643. mit = damit, wie mhd. mite, s. Haupt z. Erek 1060.
652. möcht =s möcht it (das unbestimmte Etwas, der Geist).
683. Lies: Suh, ick schem myck recht in mynen (st. mynem) HaJss» Vgl.
692. Fy in den Halss machk myck wol schämen.
Als Drews an die verschlossene Thür um Einlass klopft, antwortet Mews
V. 722 ff :
Nen, by Godt, nemant hyr in kumpt.
Wat hestu, seg.
Wat hestu wird in der Anm. mit Verweisung auf Gerb. v. Minden 2, 3: wat se hete
durch 'wie heisst du' erklärt. Allein die hdschriftl. Lesart ist dort nicht sicher,
auch ist eine Zusammenziehung von hetest in heat dem Verfasser nicht zuzutrauen
und überhaupt nicht zu belegen. Wat hestu ist vielmehr = „Was hast du (für
ein Begehren), was willst du.** In diesem Sinne ist die , Redensart auch in der
hochd. Umgangssprache Norddeutschlands noch allgemein gebräuchlich. Veran-
lassung zu der falschen Erklärung gab wohl Drews^ Antwort V. 723 f.:
Drews Leckeding
Ick bydde dyck, mack doch up dat Ding!
Das heisst aber, mit vom Hochdeutschen abweichender Wortstellung : Ich, Drews
Leckeding, bitte dich u. s. w.
729 ist Toff wohl Druckfehler für Töff; vgl. 727.
793. WiUen saggen, datter en old Wyff underwcgen
Dyck hafft betooert rechte degen;
De hafft so veel segent und kaket,
Dat se dyck tom Kalve maket.
Bei käken ist wohl nicht an das Kochen von Zaubertränken zu denken, sondern
es ist hier wohl = garrire, ursprünglich von der Henne, dann auch von Tieren
und anderen Menschen gebraucht. Ich finde das Wort nur bei Schambach, während
das davon gebildete Iterativum kakeln allgemein niederdeutsch ist.
138
832. patzern ist = frz. passer ; in der Form passem im Niederd. allgeiLei:
gebraucht.
884. stücke Defes =■ Stück von einem Diebe.
835. Lies: Eho wölk n tool freien van groten Tom, eine bekannte Reden<ar
852. Brüde (und de Brüd Scriba 153) 'Last', finde ich nicht weiter heUj
Nur Woeste im Westf. Wörterb. S. 41 verzeichnet brftd als mascuL in der Rede:,
art: ek hef den brtid deroan 'ich habe die Last davon'.
865 u. 905 ist thogruset als Composit. zu lesen, denn nur tttgrusen, n: .
wie in der Anm. steht: grusen ist = 'zermalmen'.
891 interpungiere ich : Wo nu thom Dtivel toest (— wese ü) ocky voai K^t
'Zum Teufel auch, was willst du?'
906 ist an = en (ihn) wie 905 Am = £m (Ihm).
IV. Scriba.
5. Du plegst hyr yo nich gern tho suven,
Went tho Huss hast en warme Stufen
Statt des sinnlosen suven vermuten die Herausgeber snuven 'schnüffeln'. Vielle.:
ist zu lesen: Du plegst hyr yo nich gern to sumen, WetU tho Huss hast •.
warme stüwen.
28. Godte segen 'Gott segne sie.'
42. üeber snufn vgl. zu Vit. 815.
70 f. sind mir in der überlieferten Gestalt unverstandlich. Ich vermate ua
dem Zusammenhange:
Ock darffk wol schir darup wedden,
Dat se dy nicht vn'sch kenoch fhld im liedde.
'Ich wette darauf, dass sie dich nicht frisch (jugendlich) genug im Bette fühlt*.
167. Matz (post dimicationem) :
Wummen ist Chim, gha^ lat dyck man tnaken
Ein par Hörner up dynen Kanthaken.
Statt loummen vermuten die Herausgeber: wunnen 'gewonnen'. Ich vermute« d^-*
Wummen aus wu men, 'wie denn, wie nun' zusammengezogen ist und interpund^:
folgendermassen :
Wummeti ist, Chim? gha, lat dyck u. s. w.
'Wie ist es nun?* sagt Matz, nachdem er gesiegt, höhnisch.
388 lies: dar . . . üth supen.
432 ist besser zu interpungieren :
Wo nu, du olde stanckass? ryth he (der Teufel) dtf,
Dat du so dörst snacken mit my?
535 lies: segen (: kregen). 571. gode wyl = Gott willkommen; vgl. tUre
Goitwüche.
586. Ick moth en wat staken de Oren
Und en maken thon Doctorn.
Ist staken 'mit dem Stecken schlagen' richtig, oder ist nicht vielmehr str-i-
'streicheln' zu lesen?
625 lies: So dorffker nich vel um Uggen gdn 'So brauche ich nicht k>'
weit zu gehen, um mich hinzulegen.
V. Hanenreyerey.
177. Up en neie ardt gar veeregt. (s. d. Anm.) veregged ist mwestf. == w
eckig (s. Woeste Westf. Wh. S. 290): viereckig auf eine neue Art, d. h. natCirlich rw«
179 lies: geuen 'geben' st. genen.
316 lies: Minr Fruwen deit de Panse wey,
Dartho plagt se so de Thenen,
Datk vaken mudt mit (st. mir) er wehnen,
366. Hey wo plecht er tho pupn dat gat,
Wenn eck plege tho Bedd tho siign.
Der Zusammenhang verlangt puprn = puppern, das aus dem Niederd. in die hör.»:
Schriftsprache übergegangen ist.
139
533 ff. interpungiere ich:
Fressen, sauffen und huren wol
Mein hcrtz ewich ergetzen sol,
was wilf was kan!
Vgl. die Redensart: Herz was willst du, Herz was begehrst du!
599 interpungiere ich: Eck wold deck, de steck, water supn! 'Ich würde
den Teufel Wasser saufen!'.
602 lies: so plegste meck de schnut tho schlan.
729. Zu im schlaggn vgl. unser 'Schlackerwetter'.
834. Zu utheuduht vgl. auch: überendüber = über und über.
966. Woy dat deen ist jedenfalls: „Wenn ihr das thätet."
1012 lies: Eck rae welcke.
1024. 'Mach dich nicht zu grün, sonst fressen dich die Ziegen' ist eine
noch jetzt gebräuchliche Redensart.
1084 f. Eine Speise nur mit Wasser gekocht essen ist ein Zeichen der
Genügsamkeit; vgl. Meier Helmbreoht 1124. ir kint müezen ezzen üz dem wazzer
das koch,
1198 if. interpungiere ich:
Mi würde lehrn, wai wehr en Harck
Min Wiff, wo eck dalgen nich dee.
Eck hedde nehne stunde free.
1204 lies : Eck hebt den danck (st. dach) ock wol dacht ehr 'den Gedanken
habe ich früher auch wohl gehabt'.
1212. itffrien, wohl = afwrien, zusammengezogen aus afwriven 'abreiben'.
1295 ff. sind arg entstellt. Ich vermute:
Effte eck wol en Hanrey si,
So wan eck doch nene st^te bi.
De man krech bi miner Seel
Stoete mehr asse alltho veel.
1343. uthfornehmlick ist in einem Worte zu schreiben. 1377. foss unser 'forsch'.
1457 lese ich: Eck frag de s\\ek na juwem Schwer dt,
Wo eck man (st. na) dalgen juw schnitt thor Er dt.
man 'nur', vgl. 1525. He deit siedes, wat eck man wiL
Zu den Niederdeutsehen Bauernkomödien des
siebzehnten Jahrhunderts,
her. V. IL Jellinghaus.
I. Slennerhinke.
S. 16, 2. daur behoe us lijkel sunte Veters rebbe vor ... Da rchbe im
Wörterverz. S. 114 durch 'Stab, Spazierstock' erklärt wird, so hätten wir hier an
den Krummstab des Papstes zu denken; allein schon die Zusammenstellung mit
holten sunte Jürgen weist auf den Heiligen selbst. Ich erkläre daher rchbe für
das hochd. Rippe. S. 38, 10 werden die „Juiferendeirs** mit Anspielung auf die
biblische Schöpfungsgeschichte Rebben-dregers genannt (weil das Weib aus einer
Kippe Adams geschaffen ist). In mhd. Gedichten wird rippe trop. für den ganzen
Menschen gebraucht; z. B. in der Martina 27, 64: doz junge murwe rippe (das
Christkindlein) lac üf dem herten houwe.
18, 7. Seit Nauber, so wortme meite Venten elruyt, wan mense uth der
asschen op evot en ebrot hebt. Zu lesen ist : ebruyt von mnd. bruden, bruen 'quälen,
plagen'; vgl. S. 22, 10 und 35, 20.
21, 10. Statt asse sey verlangt der Sinn: asse seyn 'wenn sie sehn'.
21, 11 V. u. einen deynen 'jemand grüssen'. Diese Bedeutung fehlt im Wb.
26, 16. Jau, Vruwc ick kenne den trompheir wol. — trompheir, dem Zu-
sammenhange nach = 'Prahler', wird aus 'Trompeter' erklärt, wogegen schon die
140
Form spricht. Am nächsten liegt die Ableitung von trumph, tromph = Triam] l
Vgl. S. 26, 8. dar was saunen trumph im huae.
30, 6. dar venckt so leytuyrig en klocxken an toe pinken; ick sta unv^
enckede steunen teilen, dar vengt sich wol voftig an tho houpe reUelen. stewn
wird im Wörterb. durch Stunden erklärt; allein steune ist von stunne, st*i^\
durchaus verschieden und bedeutet den einzelnen Glockenschlag £s gehört sss
mhd. 8WV. stunen, stunden, treiben, stossen, schlagen ;, vgl. an die glocken «fveiüi
Lexer II, 1269; Schmeller-Frommann II, 764. Götting.-Grubenhagensches äw^
^wehklagen', holl. stenen, steunen in derselben Bedeutung gehören hierher.
35, 12. et is ein groht Dorp vol fijnes Volkes, men scholse uth schounin
watter vretten. Die Leute im Hag sehen dem Slennerhinke so reinlich und 4f-
petitlich'' aus, dass man sie in hlmsem Wasser gekocht — ohne weitere app?t
erregende Beigaben — essen könnte. Der Zusammenhang verlangt sckur^
(schiren, scheren). Der Vergleich ist noch gebräuchlich; mau vergleiche aach ä
bekannte vür euckei' g'mzzen in die vnp aus Wolframs Parzival.
40, 10 V. u. lies: seg is sucke hovvestecke unewent, nicht gewöhnt an . ■
43, 12. du lechst dick truwe im seifen, 'sich gut ins Geschirr (oder: Zcc
legen' ist noch jetzt eine in Norddeutschlaud, auch ausserhalb der ländlichen Krei'
bekannte Redensart.
45, 13 V. u. 0 waupen nein! H plack so bogse krauckopte Tevüe tho vtti(*
sey muckte mich slakn. Im Glossar steht kranckopt 'krankköpfig\ Sollte vieliek
kraulkopte zu lesen sein? man vergl. kriwelköpt 'leicht in Zorn geratend' t
Schambach S. 118.
49, 13 V. u. 0 blaut, laet ick eir eis up et Strep-sfuckc kamen... Sci>
ick wirklich richtig überliefert und nicht fiir mick verdruckt sein?
II. Lnkevent.
S. 143, 6, 160, 16, 161, 3. Auch hier ist rebbe = Rippe. Es kommt d.:
zuschauenden Bauern, die noch nie ein Schwert gesehen haben, so vor, als ob i'
Fechter eine seiner Rippen aus der Seite zieht.
140, 20. bin ick nick eynen starcken jongen keyrl, on ouc besuki gr-.-
besuickt (vgl. auch 179, 4 besuckt dicke) kann hier nicht = 'siechhaft, krankU"
sein, wie im Wb., erklärt werden. Ich fasse den Ausdruck so, wie das Volk b ■ •
von einem 'verflucht' grossen Kerl spricht. Dat dick de suke bestä ist beksnn'^-
ein alter niederd. Fluch.
141, 2 V. u. Men kan altijdt nicht achtern Mous pot ziUen, Wennwoa^-
im Wb. als Gemüsetopf erklärt wird, so ist das nicht richtig, denn unter »'«'«'
ist hier vielmehr, wie auch aus der Zusammenstellung von moes un gorte (Grs'^
S. 142, 4 V. u. hervorgeht, etwas anderes. Melkmaus heisst noch heute im Götti-
Grubenliagenschen ein aus Milch und Mehl gekochter Brei. Mouspot ist also = Breit '
147, 29. Dat loyve ick wal, de Stadt-lue hebbet snare.balgke, en kmnet^;
met einen Slijcker-brae, of met einen broutien Peppernatte bekelpen Im ^yortf
wird brae als das niederl. brade, brai, masc. „eene snede spek of hespt Hinter
des Schinkens, in die Pfanne geschnitten (Schuermanns 74)" gefasst Da?t.'
spricht aber schon der Umstand, dass es sich hier um eine leichte Speise haflo^
wozu gebratene Schinken- oder Speckschnitten sicherlich nicht gehören. Ich u ;
brae vielmehr als Brod. Noch jetzt heisst nach Woestes Wb. in Westf»leu
get te broe (st. br6de)/er geht bei andern in die Kost'. Der Dat brde i«^^
dumpfer gesprochen 6räe) von brod 'Brod' ist also belegt. — sHkkern ist nach a^
Brem. Wb. III, S. 830 = naschen. Dazu stellen sich noch ver-slikkern, 5/ii*f
'Näscherei von Zuckerwerk', wofür auch Slikkeriüg gesagt wird, sowie 67iHrr * ^
'täne und Slikker-taske 'Schleckermaul'. — Schleckerbrod, Zuckerbrod passt j
gut zu den Pfeffernüssen. Dass unter Kolkommels eingemachte Kukumber, wie " -
Hebel die Gurken bezeichnet, zu verstehen sind, ist schon im Korrbl. XVII, 51 geJ^^-'
157, 6 V. u. Das Fuhrmannslied auf der Weinstrasse auch in des Koi^
Wunderhom IL (Abdr. in Meyers Volksb. S. 77).
^) Auch das Mnd. Wb. erklärt allerdings mos durch 'Kohl, Gemüse'.
141
ni. Oyerysselsebe Boere-Vryage.
180, 6 lies : Ick dacht in mijn teloes eygeriy W(U duestuw (thust du) äl nich
um dat snare tuygh?
182, 1. Woe Johatif toat toaeset vuer en jaer, 't is so spechttch op eschaien,
(laer sol nich ein hont sat an vretten. — spechtig erklärt der Hg. durch *8pite';
es entspricht jedoch vielmehr dem holl. spichiig, 'laug und schmal, schmächtig,
hager', das auf den *Spechi' zurückgeführt wird. Da aher in unserem Texte S.
179, Z. 4 V. u. das dazu gehurende Substantiv spucht schwächlicher, hagerer Mensch ^)
erscheint, so ist es wahrscheinlich, dass spechiig aus spuchlig entstellt ist. Das
Wort findet sich in dieser Bedeutung in vielen niederd. Mundarten (s. Stürenburg,
Schambach, Brem. Wörterb., Woeste u. a.)
187, 15. Das im Wörterverz. nicht belegte proeme entspricht ohne Zweifel
' dem wcstf. prüme f. ahd. pruma vom lat. prunum; s. Woeste S. 206. Stürenburg,
Ostfr. Wörterb. S. 184 führt holl. pruim, westf. prüme an, wovon er präümke
Tortion Tabak zum Kauen' ableitet.
IV. Teweschen Hochtydt.
210, 21. Hör: Wol mach dat pultern maken, ick dencke myn grote Junge
Tewes toihl dat de Havick vom Hecke ys. Heck wird im Wörterb. durch 'Gitter'
erklärt, dies passt aber nicht in den Zusammenhang. Danneil, altm. Wb. S. 78
erklärt Heck (von hecken, nisten, Junge ausbrüten) als die künstliche Nachahmung
einer Hecke, um Vögel zum Ausbrüten von Jungen zu veranlassen; Woeste ver-
zeichnet hecke f. = Heckkorb.
211, 19. tro vaken hey gy meck wol unr kregen, un en Hencken vorm Koppe
beten. Zu lesen ist: un as en Hencken (Hühnchen) v. K. b. Der Vergleich vom
Hahnen, der das Huhn in den Kamm beisst, begegnet in den Bauemkomödien öfter.
212, 4. des Avens umme düe Tydt Jahrs gähn se tho Bedde, wenn de Sünne
iho Gae gait. to Gae kann nur heissen „zu Gott** und so wird es auch in einer
Anm. zu den Niederd. Schauspielen älterer Zeit her. v. Bolte u. Seelmann S. 154
(zu Vit. 725, 803) gefasst. Da jedoch dieser Ausdruck für das Untergehen der
Sonne nicht weiter belegt ist, so liegt wahrscheinlich ein Druckfehler vor: Gae für
Gfiae (Gnade vgl. 215, 7). Vgl.: e die sonne zu gnaden get, Grimms Wörterb. I,
744, Lexer I, 850. Gnae bedeutet also hier : Niederlassung um auszuruhen, Ruhe.
214, 20. kwolln hatt hebben, wencken ock scholl roe upfreten hebben. Vgl.
oben zu Slennerh. 35, 12.
215, 9. ik wil dy veel Froude upn Stock doen. Bei Stock ist wohl an das
Kerbholz gedacht. Im Brem. Wörterb. IV, 1045 findet sich: Enem wat «p'n Stokke
doon: 'einem Verdruss und Kränkung machen'.
215, 23. du must en unr möet gan. Zu lesen ist inr ivöet gän 'entgegen
gehen'. Schambach S. 137: in de moite gan; vgl. auch Schürenburg, Brem. Wb. u. a.
216, 10 V. u. myn olle plumpe in de grütte. 'Tapp in de Grütte ist eine
noch jetzt gebräuchliche Bezeichnung eines plumpen, tölpelhaften Menschen.
y. Tewesken Kindelbehr.
269, 2 V. u. offt he gaff meck wat umme de Lenden, unde namtliken
wancken^) gengsken gung. Im Wörterb. S. 280 wird erkläi*t: „gengsken, n. en g.
gähn, zum Schatz gehen''. Dies genügt jedoch nicht. Auf das richtige führt die
Bern, des Brem. Wörterb. II, 482: „Gängsken das Verkleinerungswort von Gang.
Wir brauchen es nur für Kampf, Wettstreit, es sei im Scherz oder Ernst, congressus
pugnantium, certamen. Een Gängsken mit eennnder wagen: sich mit einander
messen, in arenam descendere." Danach ist hier wohl an eine Rauferei mit Neben-
buhlern zu denken.
^) von Schambach = Specht erklärt, während Stürenburg, wohl mit Unrecht,
Spöök 'Spukgeist' heranzieht ; andere Erklärungsversuche im Brem. Wörterb. IV, 977.
') wancken = wan ick in, wie Jellinghaus richtig statt des überlieferten
mancken gebessert hat.
U2
i7Ö, 8. laap hen un lege de Punsworst upr Roste , . . Die Krklärnng de>
Hg. von Punsworst als Funt-worst ^gewichtige Wurst' ist, abgesehen von der ForL
auch schon deshalb nicht wahrscheinlich, weil Bratwürste nicht besonders schwer
zu sein pflegen. Ich weiss zur Erklärung nur auf das im Mnd. Wb. VI, 23S rer-
zeichnete punse = vulva zu verweisen. Vielleicht hiess die Wurst ihrer Pora
wegen so; vgl. pipwost bei Schambach S. 155. Zu dem münster. püngel^ Wurr.
das auch mir nicht verwandt scheint, vgl. pung, gemästetes Schwein bei Kehreii.
Volkssprache in Nassau I, 318.
277, 22. Hör Wummel, so frage usen Vaer, dattei upr Unut houle, 1e
Wbch. wird nach der Bedeutung von Unut gefragt. Ich vermute, dass unji.'t'
„unnütz** darin steckt, und der Sinn etwa ist: Höre, frage unsern Vater, ob er *.-
nicht auch für unnötig hält, den gefrässigen Nachbar Bonses einzuladen.
278, 13. HO wUck gähn un wetten dat Mest un de Heise Schluchten — Het-\
das der Hg. nicht zu erklären weiss, ist eine andere Bezeichnung der wüten /km'
orden Gelte 277, 5. Gelt-Stoyn ist nach dem Brem. Wörterbuch „ein MuttPr
Schwein**; in Westfalen heisst das Zuchtschwein: Fäsel-GeUe. Heise entsprir.*
einem ostpreuss. heesch in: Königsberger Zwischenspiele a. d. J. 1644 niit?rt '
Joh. Bolte in der Altpr. Monatsscheift XVII. 3. Die Schulzenprobc V. 122. Ih-
was so ene heesche Suu alletyd, allemahl had se op ene Reis acht oder negen Farri'
Zu Gerhard von Minden.
59 f. ist bisher nicht genügend erklärt und scheinen mir entstellt. Ich Al-
mute, dass sie ursprünglich gelautet haben:
went he mit sinen verden lach
unde kost darinne nicht ne plach.
*weil er mit seinen Gefährten darin kein Gelage und keinen Schmaus abhie.t
Ueber plegen mit Accus, st. des "häufigeren Genetivs s. Mnd Wb. 3, 342.
86, G ff. Scelmann vermutet, dass vor V. 8 zwei Vers^ ausgfcfallen sint!
Da der Zusammenhang nicht dafür spricht, so vermute ich, dass ursprünglich sibart
im Texte stand. Zum Reime vergl. 91, 8. bewarte : slrate. V. 10 muss nach de ~
Zusammenhange gelautet haben: dar he des duges inne schulde 'worin er sichd.s
Tag über verbarg.'
87, 16 ff. V. 21 hat die Ilds. : id schude om m. j., was J. Grimm darri
'das geschah ihm vor langer Zeit' (s. Seelmanns Anm.) erklären wollte. Ich ver-
mute : wente it schude one mannich fär 'denn es geschah ihnen (durch den Verka ü
der Ochsen u. s. w.) grosse Gefährdung, grosser Schaden.'
87, 30, Dass malen, pingere, wie im Mnd. Wb. 3, 13 vermutet wird, hi '
bedeuten soll : 'Hess auffällig erscheinen', halte ich nicht für möglich. Ich verranr
nieldede ^verriet'. Dat geht auf den ganzen vorhergehenden Satz. *J)ic Beschaf^ri
heit seines Gesichtes verriet, dass das Haar falsch war.'
87, 62 ist dön = 4eihen', nicht 'geben', wie die Wortlese bemerkt.
87, 97 ff. lese und interpungiere ich:
Hirto dat me geliken mach de treden arm in unde (Aöt
— icht we dat spreken dorsten — unde maken ore dink also grut,
ammechtmany vogede ?u>ger vorsten, dat nicht ein or genot
der some like lecet, like döt. sik on mach noch geliken,
„Hiermit kann man — wenn ich das sagen darf — Amtleute und Vögte hol.-
Fürsten vergleichen, von denen manche in ähnlicher Weise leben und band» f.
Sie treten arm und bloss (in ihr Amt) ein und vergrössern ihr Vermögen so. d.-
sich keiner ihrer Genossen ihnen mehr gleichstellen kann.** Dat in V. 97 ist d -
bedeutungslos eingeschobene, worüber Grimms Gram. IV, 444, 4 und Mnd. Wh. !
488 zu vergleichen ist.
89, 5 ff. lese und interpungiere ich:
To Denemerken lit ein stein de hadde to etende begunt
in der se, den hun ik gesein. enen antvogel, de he vink
Paruppe ein wit valke stunt, in der weide dar fie gink.
14^
89, 9 ff. sind zu übersetzen : Er (der Falke) hatte begonnen eine £nte zu verzebreü,
die er fing, als er auf die Jagd ging, dar ist also zeitlich zu fassen. Zu weide
vergl. weiden im Mnd. Wb. 5, 655 und weideganc 'Gang zur Jagd\ Wolfr. Parz.
120, 11; Neidh. 50, 15.
91, 14. Statt do hey wofür die Hds. on se hat, schreibe ich mit näherem
Anschluss an die Ueberlieferung : om dat he *weil er'.
V. 36 f. ist überliefert: Se al gemene
dat loveden se in truwen.
Für se in V. 37 hat der Herausgeber Wiggerts Conjektur sik aufgenommen. Dabei
ist die Voraufstellung des se auffallig. J)ie hdsl. Lesart kann aber unverändert
bleiben, wenn wir se! als Imperativ von sin ^sehen' fassen, das hier als Aufmerk-
samkeit erregende Inteiject. erscheint. Vgl. mhd. sc Lexer II, 840. Auch jetzt
wird >ü und sich in niederd. Mundarten (s. u. a. Schambacli und Danneil) als
luterjection gebraucht,
92, 24 lese ich: He sprak: *Ku ga ek to der weden.
dit drinkent icere bat vormeden,
al hedde ek dorst mir geleden,
wente ek hirumme sterven rnöt.
Er sprach: „Nun werde ich gehenkt. Dies Trinken wäre besser unterblieben,
wenn ich auch noch grösseren Durst gelitten hätte, weil ich darum sterben muss.^
Statt al 'obgleich, wenn auch' hat die Hds. also.
Nach V. 83 setze ich einen Punkt statt des Kommas und interpungiere dann
folgendermassen: icht ek gä nicht kumme weder ^
so seit sulven an juwen vromerif
dat gi hi tiden van hinnen komen.
gä fasse ich als Adverb. = schnell. „Wenn .ich nicht bald wiederkomme, u. s. w.
Zu Botes Boek van veleme rade.
I, 37 ist zu interpungieren : Ijft ik scal vele don, maih, bringet mede, 'Wenn
ich viel thun soll, Freund, so bringt mir Geschenke'.
II, 29 f. vermute ich : Deme pawes unde keysei' ghebort van plicht WaJsch
unde dudesch ghericht. van plicht = mit Recht, ghericht = Regierung, Lexer II, 30.
V. 49 ff. interpungiere ich:
Jlebbe gode leff unde den eoenmynschen dyn AI na sunte Peters werken
(Dat scholen de twe cirkelbaghen syn) Wes deme wrevel unde stoU,
unde eyn vrunt der hiUighen kerken De synen geystliken staet nicht holt!
eyn vrunt d. h. k ist = „als ein Freund der heiligen Kirche" zu fassen. Dam-
köhlers Aenderungen (Jahrb. XIX, S. 110) sind nicht geboten.
V. 76 ist nneleit als ane leit = „daran litt" zu fassen.
V. 108 f. lese und interpungiere ich: Wor me so de hiUighen kerke wigen
schalf Dar vlucht de krezem mit deme wigwater uth.
V. 111 ff. interpungiere ich: Vorbede den platten den yseren hoet,
(Weilte id jo nicht wesen moel)
Setle up de krönen des bischoppes ghewaet.
ghewaet hat hier die im Mnd. Wb. fehlende Bedeutung „Rüstung" und steht im
Gegensatz zum yseren hoet V. 111; kröne ist hier die Platte des geweihten Priesters.
in, 42 interpungiere ich: Nicht mit twen iunghen, mit winckelen oghen scheve
und fasse winket nicht, wie der Herausgeber, der mit winckelen durch 'mit Ränken,
Kniffen' übersetzt, als Substantivum, sondern als A^ject, entsprechend etwa unserem
'schielend'.
V, 63. Dat me dar holt todo hard unde vast. to, das zu dar gehört, ist
von do zu trennen.
V. 131. Eere unde rechte deme vaüet by übersetze ich: „der Ehre und
dem Rechte stehet bei." £s ist weder an der Interpunktion, noch an dem Texte
zu ändern (s. Jahrb. XIX, 110).
144
VI, 82. 8wep-reme = Peitschenriemen fehlt im Mnd. Wb.
V. 36. Du plochradf do du deme so. Die Aenderung des Herausgebers f<-i
deme in denne scheint mir nicht geboten. „Er that dem so"-= „£r that es'
findet sich auch im älteren Nhd.
y. 64 f. Ich lese daghen und verstehe es als das hchd. Verb. = schweiees.
paghen als mhd. bägen 'rühmen' (vgl. mnd. back „das Rühmen**); saghen = sathoi
V. 86 f. vermute ich:
Eyn vraem toiff, de ere unde doghet to het,
„Ein frommes Weib, das Ehre und Tugend dazu hat", to 'dazu', z. B. R. V...
6243. Beinke ot wol unde drank ök to.
VIII, 21. Dyi spoelrad is von eyner breder krumme. St breder ist vielleicl-
breden *brettem' zu lesen.
V. 5 flf. interpungierc ich:
I)at luckerai sleit mank dessen vtff raden ovel,
Dat hefft noch speke noch naoe noch dovel,
Dat is neen holt, ok neen metal.
Van eghener upsate unde toval
Dat de duvel maket unde hevet an
In der erde eynen kreiß und eynen plan, u. s. w.
upsate 'böser Anschlag' und toval 'Einfall' sind hier fast Synonima. Dtit ist di^
bedeutungslos eingeschobene; vgl. Mnd. Wb. I, 488.
X, 60. De donre sleit nenen swinekaven. Auch diese Rda. ist sprichwörti: 1
und findet sich u. a. in Hoffm. v. Fallersleben Findlingen 1, S. 210.
Nach V. 82 ist ein Punkt statt des Kommas zu setzen. Die folgenden Ye:^
sind als Parenthese zu fassen und folgendermassen zu interpungieren :
Woiool dat dryerleye doren synt:
De druneken man, eyn dore unde dat kynt:
Dysse seggen de toarheit gerne,
Wente dat is erer wißheit verne,
Dat maket dat se des niciü better vorstaen,
Darumme schalen se in nener heren rode ghaen.
Die Verse sind eine Umschreibung der Sprichwörter: „Kinder und Narren säsco
die Wahrheit" und „In vino veritas!" In V. 86 hat Brandes hinter dat das Sufti^r.
swigent eingefügt. Da verne aber im Mnd. den Genetiv regiert, so ist er^ ii^
persönliches, nicht als besitzanzeigendes Fürwort zu fassen, tcißheü ist hier =
'Weltkhigheit', die es verbietet, unter allen Umständen die Wahrheit zu sagca-
XI, 74 lese ich: De mynsche guet dat vorsmad. He sy wardlik^ de sy p<y»iUl.
He sy suverlik, he sy eyslick, Arm effte rick, hoch effte syd,
NORTHEIM. ' R. Sprenger.
Zu der Warnung vor denn
Würfelspiel.
Als ich im Jahrhuche 19, 90 dem Bruchstücke eines währeml
der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in Köln entstandenen Gedichte-
eine Aufzählung von andern Dichtungen beigesellte, die das gleicht
Thema von der Verderblichkeit des Würfelspieles abhandeln, habe icl
das in verschiedener Hinsicht interessante Reimwerk Josefs von den
sieben Todsünden zu erwähnen vergessen. Nach dem leider nui
145
kurzen Auszuge, den Babucke davon im Nordener Gymnasialprogramme
von 1874 veröffentliclit hat, wird in dem etwa 250 Verse umfassenden
Abschnitte über das Würfelspiel (Babucke S. 20) dieses als eine Er-
findung des Teufels bezeichnet. Weiter heisst es:
Wan de dobeler hasert anropt,
So esket he den bösen man Astrod,
De schal eme helpen de missen singhen
Unn de worpel umme brynghen,
Dat he wynne an synem namen.
Von den sechs Feldern des Würfels giebt der Dichter eine geistliche
Ausdeutung, wie wir sie schon in den Bamberger Versen von 1489
'Wie der würflFel auff ist kumen' und bei Suchenwirt fanden (Jahrbuch
19, 91 f.); die Zahlen 1 — 6 erinnern an lauter Dinge, die der bethörte
Würfelspieler missachtet und verhöhnt.
Ueber die hier auftretende Begrüssung des Würfels als eines
dämonischen Wesens ist Grimm, Mythologie* S. 841 und 3, 269 zu
vergleichen. Ob Josef die Erfindung des Spieles durch den Teufel
ausführlicher geschildert hat, geht aus Babuckes Angaben nicht her-
vor; jedenfalls ist die Vorstellung sehr verbreitet, so dass z. B. 1610
ein Maler zu Winterthur den sieben Todsünden, die ja oft als des
Teufels Töchter benannt werden, auf der achten Ofenkachel das Spielen
als achte Schwester hinzufügte*) und dass noch jetzt im spanischen
Volke*) die Karten als ein Teufelsfabrikat gelten. Das älteste Zeugnis
möchte der früher Cyprian zuge^clinehene Traktsii adu(^sus aleator es ^)
liefern, in dem als Erfinder des Würfels quidam studio litterarum bene
eruditus genannt wird (offenbar der in der antiken Tradition verherr-
lichte Palamedes), der instigatu solito salmli [= diaboli] oder stu/ge-
rente sibi inimico darauf verfiel. Aehnlich klingt eine Aeusserung
Hincmars von Rheims*) aus dem Jahre 860 über das Würfelspiel:
*'quod omnino diabolicum est^ et^ sicut legimus^ primum diabolus hoc per
Mercurium prodidit, unde et Mercurius inventor illius dicitur,^
Eingehender berichtet uns über die teuflische Beeinflussung eine
Legende von einem aussätzigen und boshaften Senator zu Rom, die
mir in zwei deutschen Bearbeitungen des 15. Jahrhunderts, einer ge-
reimten und einer prosaischen, bekannt ist und vermutlich auch in
lateinischer Fassung existierte. Die gereimte Gestalt bietet uns das
schon erwähnte Bamberger Gedicht von 1489 'Wie der würffei auff
ist kumen', das 1520 von Bernhard Klingler überarbeitet wurde; die
prosaische steht in einem hsl. Arzneibuche aus dem Ende des 15.
Jahrhunderts auf der gräflichen Stolbergischen Bibliothek zu Werni-
>) LUbke, Ueber alte Oefeu in der Schweiz. Mitteil, der antiquarischen
Gesellschaft in Zürich 15, 178 (1865).
') F. Wolf, Beiträge zur spanischen Volkspoesie. Sitzgsber. der Wiener
Akademie 31, 185 (1859) nach F. Caballero, Clemencia, 1, 275.
'j Anonymus adversus aleatores, hsg. von Miodonski 1889 S. 88 Cap. 7, 2;
vgl. S. 41. - Isidor, Etymol. 19, 60 nennt den griechischen Krieger und Erfinder Alea.
*) De divortio Lotharii regis et Tetbergae reginae (Migne, Patrologia lat.
125, 719.\). Vgl. Grimm, Mythologie" 136. 958. S, 58.
NiederdeutBcbts Jahrbuch XXI. \Q
m
gerode auf Bl. 40 — 41.^) Leider ist der untere Teil des letzten Blattes
ausgerissen und dadurch eine zwiefache Lücke entstanden. Ich gebt-
den Text nach einer Kopie, die ich zu Weimar in Reinhold Köhlers
Nachlasse fand:
Es waß vorzitten in der ftatt zu Rome ein fenitor, der goty
forcht nit enhat vnd waf zemal ein boß menfch, als hernach ge-
fchriben ftat. Die felb fenitor het von got ein plag, das er von
natur waß vlTetzig ynd ib heflich, das man lins glichen nit vindec
kunt; vnd dar vmb was er vngedultig vnd boß worden, das er got
vaft fer haft vnd mit freffel lept wider fin gebot; vnd dar vmh
fchucht in al gefelfchaflft von finer vnreinigkait wegen. Was er ze
fchmachet geton mocht der eren gottes vnd finen liben heilgeo.
das dett er geren.
Es macht fich zu einer zit, das der fenitor zufelde uf Rom
fpacirn ritten folt, als er dick pflag; von finer gefelfchafft begert
in nimans. Ynd da er uff das velt quam geritten, da fach er den
tuffel in eins mans geftalt zu im kumen, vnd fprach: 'Her, ich bii
iwer frunt, vnd darzu hon ich uch fer lib, vnd herfchreckent nri
wan ich uch fag, wer ich bin. Ich bin der tuffel von der helfe
vnd ich uch ein dinck lernen wil, vnd ist das fach, das ir das dunt
ir follent da mit got ton fchmacheit in der ewikait, vnd ich weii
wol, alß lang die weit ftett, fo fol man fin blut, finen fchweiß, Cn
pin, fin pafion, finen bittem dot, fin mutter [1. martter] vnd ai fin
glider vermaledien vnd verfchweren vnd leftern vnd al fin b&ilgeii
in himelrich vnd ertrich hermant vnd verschmachet.' — Der fenitor
fprach: 'Nu 1er mich, über bruder! Ich wil das gern tun.'
Der tuffel fprach: 'Gern. Nu verftand wol min red vnd min
1er; wan da von mang man verderben vnd verlorn wirt vnd fie
irem fchepffer entpfrimet werden; das weiß ich wol, daz das boC
fpil gefach nie man ader frawe. Item ir follent machen ein vir-
eckecht figur, die fol haben fechs fitten, das fol haiffen ein wirffei
oder ein doppelftein. An die erfte fitten follent ir fetzen ein puntliu,
das fol haiffen ein efß, das dutt fchmacheit vnd vner dem einge-
bomden fdn gottes. An die andena fitten follent ir fetzen zwav
äugen, das follt ir heiffen ein tuß got zu laster vnd finer , liben
mutter, darmit man fie vnwirdiglichen vnd fer lefterlichen verfpugen
vnd verfchweren fol. An die drit fitten follent ir fetzen drij äugen,
das fol heiffen ein drij zu laster den drij perfon in einem weffen,
got dem vatter, gott dem fün, got dem heiigen geift. An die vinle
fitten follent ir fetzen vir äugen, das fol heiffen ein quatter zu vner
vnd fchmacheit den vir ewangeliften gottes. An die funfft fitten
follent ir fetzen fünft' äugen, das fol heiffen ein einck zu laft-er vnd
fchmacheit den heiigen fünft' wenden vnffers hern, die er emptinjj
durch aller funder willen. An die fechft fitten follent ir fetzen
fefß äugen, das fol heiffen ein ftß den feß tagen ze fchmacheit vnd
^) Zbm. 4°. — Vgl. E. Jacobs, Die ehemalige Büchersammlung Ludwigs
Grafen zu Stolberg in Königsteiu (Wernigerode 1868) S. 24<
147
ZU lafter, da er in macli[tj himel vncl ertrich vnd alles, das da lept.
Vnd.daruflf fol mang doppelfpil volbracht werden, vnd da fol gewin
vnd verluft vflf ftan, alfo das mang man fol verderben vnd ver-
Ipillen, waß er hat vnd geleiften mag . . .
[Lücke von etwa ewölf Zeilen]
^ . . vnd blib nach fim verdinft geradbracht, gebrant, gehangen,
die zung binden zum half uß gezogen werden, iclicher darnach er
wirbt. Har [1. Dar] vmb fo follen rieh heren verkauflFen ir laut
vnd ir Ifitt, fchloß, büß vnd hoff vnd andern lätten das ir ent-
weltigen wider got, er vnd recht. Mang man fol dar vmb nacket
lauffen, der lieh wol mit dem finen het begangen; mang gut fnint
vnd gefeilen vmb ein heier oder vmb eins wortz wegen von
dem leben zu dem dot bringen; vnd alles boß, das da von kumpt vnd
kumen mag, das mag keiner in einem iar gefchriben oder betrachtten.'
Da das der boß fenitor gebort het, da bracht er die figur
in mang laut, da groß schad vnd schand von kumen mag; wan er
macht die doppelftein, als in der tuflfel geleret hatt, wan er des
tuffeis frij eigen waß. Dar vmb edel vnd vnedel, jung vnd altten
gutten cristen l&tten fluchen vnd fch[mehenVJ ....
Aus dem 16. Jahrhundert habe ich noch ein Spruchgedicht über
das Spiel und die Spieler nachzutragen, das der Mönch Johannes
Hauser (f 1548) in eine jetzt der Wiener Hofbibliothek gehörige
Miscellanbandschrift (4119, Bl. 7b — Ha) eingeschrieben hat: 'Swem
sin gemüet an spill erhitzt' . . . Dagegen sind die oben 19, 92*
angeführten Sprüche des Heidelberger Cod. germ. 312 aus der Reihe
der Belege zu streichen, da sie, wie ich aus einer von Herrn Cand.
phih A. Wick besorgten Abschrift erselie, von der Hoffart und nicht
vom Hasard handeln. Andres hier Uel)ersehene werden andre nach-
zuweistni wissen.*)
BERLIN. J. Bolte.
Satire auf die katholische Messe
V. J.
Die Kirchenbibliothek zu Calbe a. d. Milde (Kreis Salzwedel)
besitzt einen Sammelband (419. 8) folgenden Inhalts:
1. Uiiderriclitung ym liechteu Chriftliken Geloven unde Leveode, an de
('hriften tho ilildefeni. Horch Autorem Sanderum. 1528. (15 Blätter).
2. Dialof^us. (A Blätter).
*) Auch Muskatblut (Nr. 84, 66 ed. E. v. Groote) warnt vor Würfel-, Kegel-
uüd Kartenspiel. Den Spruch des Schiniehers werde ich gelegentlich anderwärts
initteilen. Teber das Würfelspiel in der altindischen Litteratur vgl. P. Cassel,
Misclili-. Sindhad lb88, S. 164 f.
10*
14S
3. Eine körte underwyfunge etc. doc. Johan. Dreiger. 1528. (f. 1.)
4. Johannis Bugeuhagii Pomerani in Epiftolam Pauli ad Romanos inter-
pretatio, a Doctore Ambroßo Maibano, ut licuit, excepta. Ha^^anoae,
per Job. Secer. 1527. Menfe Januario. (182 Blätter).
5. Der Erbarn Stadt Brunfwig Cbriftlike ordeninge, tbo denfte dem liilgcn
Evangelio, Cbriftliker leve, tucbt, frede unde eynicbeit Ock dar ander
vele Cbriftlike lere vor de borgere. Dorcb Jobannem Bugenhagec
Pomem befcreven. 1528. (gedruckt to Wittemberch dorch Joseph Kluck )
Der an zweiter Stelle befindliche Dialogus, welchen nach Schellers
Bücherkunde S. 180 Nr. 728 auch die Herzogliche Bibliothek in
Wolfenbüttel besitzt, wird nachstehend abgedruckt.
DIALOGVS.
Nyge tidinge vor nye gehört.
Eyn Klegelike podefchopp Dem Pawefte vorgekamen, andrepende, dea
houetfteen ym fundament des gantzen Paweftumbs, nömlick fyne MylTe.
vnde wat fyne Hillicheyt dar tho geantw6rdet hefift, mit fampt fynen
geiftliken bundtgenoten.
Allen Papiften tho einem nyen iar
MDXXIX.
Der hylligen Euangelifcken Myffe, na Chrifti ordcnung yngefetet.
der fy ir Ehr unde krafft alle tidt in hochem pryfe tho vor on he-
holden, dorch eren enigen unde ewigen brefter, na der ordening ifel-
chifedech, Unde nicht na dem gruwel der Bebft zufadt, welke Godt
vernichtiget dorch fyn wort yn ewicheyt. Efaie. 40.
Volgen dy Clegers der Bebtifcken Myffe, unde ehrer kranckheit
uodehelper.
Babft Cardinal
D. Alveld D. Menfing
Der Malefacius Mit Tollen Anna
Pater Rofychen Clauwes buer
Rotkopp Tolle peter.
Stultorum numerus infinita progenies Der Doren tal is an ende.
Der Cardinal fprecket thom Pavefte.
Alder hylgefte Vader, ick hebbe eyn Epiftel uth Dädeffchen
landen entfanghen, avers gi'ufamliker und erfchreckliker dinck ys vor
myne vornufFt newerle gekamen, hyr vor moth ock de vorftoringe
Hyerufalem wyken.
Paweft.
Was ys dat? dreffet ydt dat gantze erdtrykc an, befunderge
lüde, edder geyt ydt aver eynen gemeynen ftandt.
Cardinal.
Ydt bedreppet de heften, ftarkeften, und dreppet an den hovetfl^n
ym fundament, up welkeren alle Papheyt gebuwet ys.
149
Paweft.
Nu gewalde des Godt, ydt ys de Myffe, dat armboft helft lauge
gefpannen ftan, fo balde ydt loß geyt, fyndt wy alle gefchaten.
Cardinal.
Ja Here gy hebben ydt entraden. Ick byn vorfchrocken fo dat
iiiy de tSnen klappern.
Paweft.
Wo fteyt ydt avers umme de Myffe, ys nicht noch hopen wat
gudes rades tho vinden? Dar ys nicht bofers by alfe afflaten radt
tho foken, Wente wo men uns deffen fchemel entruckede, fo lege wi
alle up der erden.
Cardinal.
Ick byn gantz erftümet und erfchrocken, Radet gy, wente ick
hebbe wedder vornuflFt noch atem.
Paweft.
Wat ys de unfall, edder in wat geftalt lydeth de Myffe noth,
ys fe fere kranck.
Cardinal.
Se ys angeklaget, beruchtiget, uthgeropen und affgefchryet, fe
fy eyn klaue, edder kutze bedregende geltfack, eyn gruwel, eyne
gadeslefteringe, unde de grotefte atfgoderye fo yewerle erwaffen ys,
dewyle dat de erde geften hefft, unde is tho beforgen, men werde
er den eedt van knechten geven.
Paweft.
Is ydt avers gewyß war, edder alleine eyne erfchrecklyke botfchap.
Cardinal.
Idt ys fo gewiffe, alfe de doet allem erdiffchen levende.
Paweft.
Dat ys erfchreckliker tho hören, alfe de erdtbevynge des nachtes,
unde grufamliker tho feen, alfe de düfterniffe tho mydage.
Cardinal.
Ja Here, neue zyfern mochten den fchaden vorbylden und uth-
fpreken, funder by yw ys de macht fodanes tho fchatten.
Paweft.
Und wol fynt avers unfer Miffe wedderfaker. Joden, Türken, edder
Heyden, yn welkeren Gck föne wrewel eroget unde apenbart.
Cardinal.
Idt ys dat nachtmall Chrifti de hovet faker, unde fyne byften-
dere fynt de, welkere den Chriftengeloven entfangen hebben, Hoch-
gelerde, unde ungelerde papen unde Leyen, und der vele ane tall.
Paweft.
Dat ys erbarmlick und fchedeliker, alfe de vordervinge Sodama
unde Gomorra .vam helliffchen vflre, ytzundes lecket unfe Schypp an
allen orden.
Cardinal.
Ja Here, yck vruchte ydt helpet neen vorftoppen. Dar tho hebbe
wy ydt yegen den wynt, unde alle unfe roder fynt tobraken.
Paweft.
Unde wol ys an[d]ers vor eyn richter angeropen edder gefettet.
150
Cardinal.
Dat fynt veffteyn Epifteln der twelbaden, de gefcheffte ih
Apofteln, unde elfte de Myffe nicht bokennich unde anredich \xoUl
fyn erer anfprake nicht thoftendich fo wyllen fe alle gude Prophet^
tho tilgen ftellen, unde vortroften fick ftarck up de Epiftel tho d<^
Hebreern, ock fchal dat olde Teftamente hovetmau fyn.
Paweft.
Dat vrowet my euen. wo den fteltener de vordantz, Dar wor»!
wy alfo vele an gewynnen, alfe eyner de eyn meffer ym vüre wett^dt.
De richtere fynt partyfch, und van anbegynne wedder uns geweft^:
fo werden unfer Myffe gelick fo gefiint fyn, alfe dem Koninge Phan
dat rode mSr, Mochte wy ydt avers vor den uthfproeck der geyftlikfL
rechte bringen, fo were der fake geraden unde fchon gehulpen.
Cardinal.
Dat ys fchon vorfeen, unde eine vorlorne rede. Wente by dtn
Volke ys nichtes unwerders, archgewanigers unde beruchtigei-s. all*
de geyftlyken rechte. Ja fe holdent fnodcr alfe dat breth achter ivx
gemeynen fprackhufze, dar de buren de unfuvern tolle aver aiFwerpei.
Paweft.
Ick weeth noch eine tröftlike tovlucht wy willen tappere, rt^d«-
like, hantvefte, unde trotzyge lüde anropen, de ydt den klegem At-
fchrecken myt drouworden unde flegen, unde defiilven averreden. H^
klegere fyn de ergefte Kettere, fo de werlt yewerle gedragen helib*.
Se willen Chriftum van allen eren ftöten, vorlochenen Gades All-
mechticheyt, fchenden de werdyge Moder Gades, alle hilgen und Engei.
Leren men fchall nichtes gudes dön, alle avericheyt uthdelgen, undf
nemande dat fyne geven, men mSth fe avers vorhen wol myt geld'^
falven, denne werden fe fo lynde, dat men eyn hoetfyfern yn en weeck
maken mochte.
Cardinal.
Scholde dat mögen helpen, fo were nichtes vorfiimet, ock neu
koft gefpart, wy hebben ydt vorfucht, und vorware nicht ane merck-
like koft beftelt, Hans ftryck den hart, Kuntze fee füre, Clawes vioke
avel, Hemmy geltrap, deffe hebben ock ere hefte gedan, avers nicht
mer uthgerichtet, alfe hedden fe dewile thom regenbogen geworpen.
Paweft.
Unde wo kumpt dat, dat hedde ick nicht genieynetV
Cardinal.
Ja fe fynt nicht alle de Myffe tho befchärmen gefchicket, «1«
füre feen, Wente dat weddepart kan ydt ock, unde geyt hyr na drui
gemeinen fprocke, De eyne puchet und de ander gyfft nichts darumme.
Dat ys avers dat alder bofefte, dat de arme troftlofe Myffe, alfe IV
gefeen hefft, dat vann er gcweken fynt, ere buntgcnoten, alfe de be-
greffniffe, de drudden, föveden, druttigeften, de yartydt, fampt dein
offer betheren dar tho gedragen, hefft fe den handel fo fwar th*>
harten genamen, dat fe d6dtlick kranck licht, imde eres levendes v^
weynich höpen, avers groffiick tho beforgen, effte fe fchon nicht vor
gerichte käme, fterve fe doch fuß des dodes.
151
Paweft.
Lever nieuftu nicht, effte er mit einer reyfe in dat warme badt
tho helpen were, potz krynt, ydt mochte koften wat ydt wolde, wy
woldent wagen.
Cardinal.
Ja ick meyne ydt hefft gekoftet, ydt ys vorgeves, wy hebben
ydt fcbon vorföcht, avers fe voer fchinnich darben, unde quam fchor-
vich wedder van dar, fe ys fere unfchützlick uthgeflagen, avers nicht
geheylet, ydt fynt van der tidt her erften grote hftler yn fe gevallen,
unde hefft Etikam der vorfwyndende facht gekregen, Sich even ge-
betert, alfe de peltz vam wafchen.
Paweft.
Ick wil fe dem wyetberomeden Arften, Doctor Alveldt und dem
Appoteker Doctor Menfing bevelen.
Cardinal.
Hebbe wy fo vele vorbadet, fo latet uns ock recht deffe koft
daran wagen, unde geluck walden, gevet en men ein hupen fmSrs
in de buffen, fe moten vele vorfalven.
Alfe nu de twe upgenömte Doctorn der MilTe tho helpen beftelt, wereu
fe vlitich, und handelden wo gy ytzunt werden vormercken.
Doctor Alveldhefach derMylTe dat water, taftede de pulfsadere und fprack,
De Myffe ys fwack, fe ys wor manck den witgervem gewefenn,
de hebben er de rybben thoftot, und er ys eyn gröth fwele an dem
Canon gewaffen.
Apoteker Menfing.
Idt ys ein olt fchade, fe hefft dat gebrecken yn de werlt gebracht,
unde ys vam anbogynne erer gebort newerle gefunt ynwendich ge-
wefen, w^o fchon fe ock uthwendich gefchSnen hefft, Vele berompte
Arften fynt daran tho fchanden worden, darumme ys uns noth gudes
rades, unde vlyth antokeren, mochte wy er allene eyne upholdinge
geven, fo were unfe f5ge vett, unde worde uns den arbeyt belonen,
Dar umme herr Doctor, fo yeleht fnelle mit yuwer kunft, ick hebbe hyr
allerleye confect, Römiffche ftuck, wortele unde krfider, welkere gy
weten mitbracht werltwyfer kluckheit tho tempereren, nach Arifto-
telifcher wyfe, unde Sophiftifcher art, dorch alle macht dar tho, ick
wil my ock nicht fparen, my ys fm§r van Borne gefchicket, darmede
wil ick falven, ydt modt ghan, imd weret ock fo rüeth alfe ein Egel.
Doctor Alveld ein artz.
So wol herr, wy willen vann der fake reden, Erftlick wil wy
anfeen, de Myffe fy in einem bofen teyken, nömlick ym Scorpion ent-
fangen, ym krevete unde fwermede Mane gebaren, ydt regeret fe ock
de wauckelmödige unde bofe blanete Mars, unde vorware fe hefft aver
achteyn vaders gehat, de an er gemaket hebben, dat töget an eres
waters geftalt unde wefent, Hyrumme wyl uns noth fyn und geboren
groter forchvoldicheyt, wente fe ys vann mennigerleye naturen, fpecien
unde qualiteten, thofamen geflicket, itzundt warm denne kolt, vucht
unde droge, unde wor mede men dem einem helpet vordervet men dat
ander wedderumme.
152
Apoteker menfing.
Ja Herr Doctor gy reden recht, unde van der wortel de (Ter
faken, vele hebben ere kiinft unnutlick daran vorfleten, ick beforg-
wy gewynnen ock fo vele err an deffer arbeyt, alfe der honnich tu
fprackhufe föchte, des Ion fynt befcheten hende.
Alveld.
Nu fynt wy mit der Myffe ym bade, Godt geve fe fwete edder
nicht, danunme ervordert de nöth eyn guden radt, wente deffer
Myffen döth ys unfe peftilentie. Ja eyn vorterende vfir, welkere uth-
droget den luftigen bome, uth welkerem dar herüuth unfe gefmack-
fam, vete, vorfekerde und averflodige leven.
Malefacius.
Herr Godt fy gelavet, de Myffe hevet an tho fweten yck hojie
ydt wil beter umme fe werden.
Toll anDa.
Ja ya fe betert lick, alfe ein twintichyarich Roß, alfe de vyfcL
yn der Sonnen, unde alfe dat körne im hagel, ydt ys de dödtfwet.i
fo gewiffe alfe Godt levet.
Alveld.
My ys ein gudt radt vorgekamen, ydt vormach de natur., dat
de Louwen ere iungen dödt geberen, unde dar na mit ftarckem gefchm>
levendich und krefftich maken, Nu ys de Myffe ein gefcheppe vaD
dem Römifchen ftole gebaren, darumme wille wy uns mit ftarket
gefchreye der Rßmiffchen kerken dar aver fetten, mit groten worden
unde krefftiger ftymme der veders lerers, unde Concilien, unde fe oct
wedder umme erwecken, fuß ys wedder höpene noch thoflucht, aven«
dyth myddel wert helpen, Nu nu fchrye myn leve Malefacius^ mit
iuwen rotkopp, yth duth grot van nöden.
Malefacius.
Ick vruchte wy werden er heefch unde m5de, alfe de Myffe ge-
funt unde levendich uns wert ade gebreken, doch wage ick ydt vorfoken.
Apoteker menfing.
Wy moten andere fchryers ock beftellen, ydt ys fuß, aver unft
macht, unde defulvigen wol falven mit hamerfmire, fo geyt ydt
gladt her uth.
Thumher.
Wy hebben des hamerfmers fo vele vorfmeret, dat ick künde
lyden, de falve ^vere wedder in der buffen.
Rotkopp.
Ey potz marter wefet unvorfchrocken, yck wil fchryen de erde
fchal beven, unde de minfchen fick entfetten.
Tolle peter.
Wat make gy? de Myffe fchal wol mer kranck, doff unde blöde
werden, van yuwen gefchreye, alfe ftarck unde levendich, gy geven er
ytzundes erften eyn vorderniffe thom dode Sodane gefchrey höret nicht
tho der fwaken Myffe, wente ere nature vorgeliket fick mer den hafen.
alfe den Louwen.
Je lenger fe fchryeden, yo fwacker de Miffe werth.
153
Toll anna.
0 Höret up Tarn fchryende ynn Gades namen, fee gy nicht dat
de Myffe feeltaget, fo vorfta yw nicht up ftervent.
Alveld der artzt
Fürwar, furwar, De Myffe is gantz fwack, unde dem dode fere nha.
Toll Peter.
Seeth tho wo thuet fe myt den fchuldern, de ogen fynt er yn-
gevallen, unde fe ys bleeck unune den fnavel, unde umme de backen
alfe ein ungebacken wyt broth, edder eyn wolgef ölten ey, wo fpitz ys
er de neße, unde de nefehSler gan er fnel, de puls flecht er nicht
mer, dath ys ein bofe teyken, fe nympt den adem deep, und mechtich
kort, ock treffentlich fnell, fe ys vul dodtplacken, fe wert ydt nicht
lange holden, de vöte fynt er fchon vorkoldet.
Apoteker.
Höii; tto leven heren, ick iveth feer eynen guden radt, Wy
wyllen uns undereinander helpen, und fe thom vegefüre dragen, effte
fe wedderumme vorwärmet mochte werden.
Toll anna.
Dar wil ick nicht tho helpen, wete gy nicht, Dat de buren hebben
dat Wygewater ynt Vegeffir gegaten, unde dat Vegefür erloffchet,
und fytten Mönnicke, Nunnen unde papen ym roke, dat en de ogen
aver lopen, Darna fynt etlyke fo wrevelich gewefen, dat fe yn den
ketel gefcheten hebben,
Malefacias.
0 we, Dat ys der Myffe eyne fchedelike dodt wunde, wente vam
VegefSre hefft fe gelevet alfe de vyfch vam watere, dat waß de rechte
kamp unde weyde, up welkerer fe veth geworden ys, Nu mach fe
doch nicht leven, effte er fchon fuß nichtes gebreke, fo moth fe doch
hungers fterven.
Menfing apoteker.
Wy willen fe tho den leven hylgen laven, tho unfer leven vrowe
by den föven eyken, dar ys eyn gnaderick bilde.
Toll anna.
Dar werde gy gelick vorforget, alfe eyn nakendiger mith dem
wintere, Wente de beide, fo defulve bedevart uth gehete eres bolfeu
des düvels vororfaket, hefft men tho Berne vorbrent, darna de Capele
fampt hues unde hoff vorftöret, unde de wormftekygen götzen fynt
vorrucket, radt tho wor hen.
Alveld.
Wol hefft dat angerichtet, de buren fynt upgewefen, fo gewiffe
alfe Godt levet, ick merket wol.
Hans franck.
Ick weeth ydt wol, Chriftus hefft ydt gedän, Mathei am 11.
dar hefft he fe geropen unde gefpraken, Kämet her tho my alle, de
gy arbeyden und beladen fynt, ick wil iw rowe geven, Se hebben ock
dat Evangelium fampt allen Epifteln, funderlick Johan. am 1. unde
17. Exod. 20. Efaie 43. Hiere. 18. und alle pfalmen uth.
154
Malefacius.
De düvel hefFt de buren dar aver gedragen und fyn moder. }•
ys nummer gud, fo de buren dat weten.
Toll anna.
Wefet nicht alfo vrolich gy Heren de dar arften, weilte de mnT
ys yo lenger yo fwacker, fe gorgele mit deiji hälfe, unde ftainert ü:
der rede.
Rotkopp.
Her Vromiffer bringet uns unfern her Godt, dat wy de Mvfl
dar myt vorforgen.
Toll peter.
Herr Rotkopp, yck kan ene nicht erlangen de heniiiiel ys ^;':
ftoel, unde de erde fyn vötfchemel, wo künde ick ene ergripen.
Malefacius.
Ick meyne du bift noch vuller naiTen, alfe de Sommer •■
müggen, bringet uns unfern herr Godt, edder du moft to Cofter.
up de fchyve.
Alveldius.
Snel brinck uns du Capellan dat hilge Olye, de tydt naiet ii«A
Toll anna.
Ick merke wol, gy m^nen den olye, welker men fo lauge h:
van Bifchoppe gekotft hefft, des ys nicht mer in der bufTen, de C&ftr.:
hefFt de fcho mede gefmeret.
Rotkopp.
So ys he ym banne, dar mach nemant vorwefen, bc luoth i«J: I
d&re genoch betalen.
Pater Rüfichen.
Snel bringet eyn licht, Ibp thom beeuhufe tho den lau])H^
zünde an ylende und wunder behende.
Toll peter.
Dar ys wedder v5r noch lecht, kertzen noch lampen, Dencke 2} i
ydt nicht, dith iär fynt aver teyndufent mäfe unde rotten hunger c-
ftorven, unde den kerckheren iunfrowe kaket nu nicht halif fo ve!t.
alfe vor veer iaren.
Rotkop.
Is war, du leve narr, So höre ick wol, men brent den levtL
feien wedder olye, vete, noch fmeer, unde deyt en nicht gudes nä,
dat Gade erbarme, wor tho yffet gekamen, wol heflft de erringe lii:
geplantet, edder wat ys de orfake.
Toll anna.
Alfe dat R6mifche aflat, fo vele lavede unde fchuldich was, uml
alfo ydt betalen fcholde, künde ydt nicht, mofte ydt alfe eyn fchehi;
wedder uth dem lande lopen, und hefft alle nachtl&chtere lichte umi-
lampen welkeren ydt grote dinge gelavet, mit fick up gevordert, dai-
umme fynt fe em na getagen, unde up dem wege vom wynde erlofchti
fo fe nicht entfettiuge unde bitte van vegeffire erlangen.
Toll peter.
Wat behövet men der nachtlychter unde lampen, de dodenk5[ipt
feen nicht, fo dantzen de holten götzen ock nicht, unde Godt hefli
155
gefchapen alle lyditere hemmelifche und erdifche, by em ys de ewige
klarheyt unde nene dfifterniffe, darumine ys ydt eyne heydenfche dor-
lieyt, fick vorneemen Gade mit lichteren unde lampen tho denen.
Rotkopp.
Ey du leve Anna, brynge uns doch eyn weynych Palmen, dat
Avy eynen gefegenden rock maken vor dat bM'e gefpenfe.
Toll anna.
H6rftu du Rotfux, De vrouwen hebben vor veer iaren dat vlefch
dar mede gerftkert, unde na dem nSnen meer laten befweren.
Doctor Cubito.
Wor nu hen uth, fprack de voß yn der vallen, ytzundes fynt wy
gantz ane fchip unde roder, wol kan koken backen ane v&r unde
vete, edder ane veddern vlegen, ydt ys gelick alfo mögelick, dat gantze
mer an dem regenfbagen tho hengen, alfe ein bratworft an eynem
ftock, dat fe dorre unde droch wert alfe deffer Myffe tho helpen, fo
fee fchon vorlaren hefft de rechte hertzaderen, nömelick dat Vegefur,
welkere in fyner vlucht mit ßck wech gevört hefft, de begreffniffe
drudden, fövenden, druttigeften, vigilien und jardage, fampt den offern,
lichtem, wygewater, olye, und palmen, Nu radet alle gude Redere,
wo wy ungebrent vam ketel kamen, ydt helpet doch wedder fchrient
noch falvent.
Alveld. Hüßcheii.
Scholde uns de Miffe under den henden fterven, fo worde uns
nichtes vor dat arfteloen, darumme wyl noth fyn, uns van hyr tho
v6gen, offto fe denne in unfem affwefende ftervet, fo wille wy fpreken,
Se fy eraiordet.
Rotkopp.
Ick volge, gy hebben ydt entraden, unde wol gedrapen, hedde
wv de hamervetten falven, fo wv vorfmert hebben, wedder in der bulTeu,
wv wolden uns fulveft mede falven.
Alveld.
Dat ys nu eine vorlarne rede, brynget even alfe vele vrucht,
alfe vogellem ym peper, Ick rade dat wy van hyn ryden, unde wol
uns vraget wo fteyt ydt umme de Miffe wille wy antwerden, wol,
wol, marter liden wol, fee hedde gyfterne einen vordantz mit dem
Doctor Cubito.
Claus buer.
l^oxmarter her Rotkopp, hir eyn bar kes, wor wille gy mit alle
tleii Sögen hen, de gy deffe iare myt iw tho huß bringen, men wert
uns vor vorkSpere upgrypen.
Rotkop.
Nicht vel kramantzes, Vnde lath my ungcfatzet, dat dy ffinte
Valentins arbeit befthe allers boven, ick hcbbe f&ft genoch dat my
bedr5vet, woldeftu my ock noch befpotten.
? inis.
HERFORD. Hölscher.
156
Westpreussisehe Sprach
eigenheiten.
[Vorbemerkung. Dieselbe aus dem Besitze der alten Berlinischen
Gesellschaft für deutsche Sprache stammende Sammelhandschrift, in
welcher Dietzens Bemerkungen über die mecklenburgische Mundart
(Nd. Jahrbuch 20, 123 if.) erhalten sind, bietet zwei Sammlungen
westpreussischer Ausdiücke, aus denen eine Anzahl Ergänzungen zu
H. Frischbiers verdienstvollem Preussischen Wörterbuche geschöpft
werden kann. Gleich diesem haben die Verfasser sich nicht auf
Wörter niederdeutscher Form beschränkt, sondern ohne Sonderung
Hoch- und Niederdeutsches verzeichnet. Vollständigen Abdruck ver-
dienen die Sammlungen nicht, es genügt sie im Auszuge mitzuteilen.
Fortbleiben durfte, was in ganz gleicher Sprachform mit vollständig
gleicher Bedeutungsangabe sich bereits bei Frischbier findet und
keiner weiteren Bezeugung für sein Vorkommen in Westpreussen be-
dürftig ersdiien.
Beide Sammlungen sind augenscheinlich in eigenhändigen gut
lesbaren Niederschriften der Verfasser erhalten. Die erste aus Dan zig
stammende lässt jede Ordnung in der Aufeinanderfolge der verzeich-
neten Ausdrücke vermissen; die einzelnen Wörter scheinen niederge-
schrieben, wie sie gerade dem Verfasser in den Sinn kamen. Für
den Abdruck sind sie alphabetisch geordnet worden. In der zweiten
Ausdrücke aus Thorn bietenden Sammlung brauchte die bereits vom
Verfasser gegebene alphabetische Anordnung nur hier und da be-
richtigt zu werden.
Die Danziger Sammlung ist 'D«anzig den 16. April 1816' unter-
schrieben. Seinen Namen hat der Verfasser nicht beigefügt. Wie
John Koch in seinem Programm 'Die Berlinische Gesellschaft für
deutsche Sprache' Berlin 1894 S. 32 anmerkt, ergeben die Protokolle
der Gesellschaft, dass der Verfasser H. Jacob war. Litterarisch
scheint sich derselbe sonst nicht bekannt gemacht zu haben, wenigsten^
nicht durch selbständige Werke.
Die zweite kleinere Sammlung, welche der Berlinischen Gesell-
schaft nach einem handschriftlichen Vermerk 'einbracht 24 Juli 181 r»'
worden war, ist 'W. Schröer' unterzeichnet. Der Verfasser niuss in
oder bei Thorn zu Hause gewesen sein, wie aus der wiederholtjeu
Bezugnahme auf diese Stadt und das in ihrer Nähe gelegene Gut
Rülmau hervorgeht. Es ist ohne Zweifel derselbe Schröer, der ein
Büchlein 'Griechische Blumen, ein Uebersetzungsversuch von Wilhelm
Schröer. Berlin 1803. 4®', dessen Vorrede 'Thorn im August 18o:V
datirt ist, und später patriotische Dichtungen hat erscheinen lassen.
(Zur Erinnerung für seine Waffenbrüder, Königsberg 1814; Kriegs-
lieder, ebd. 1815.)
15?
Schliesslich sei noch bemerkt, dass Zusätze des Herausgebers
durch eckige Klammem gekennzeichnet sind. W. S.]
Danziger Spraeheigenheiten.
[Allgemeine Bemerkungen.] Das Danziger lange a ist gleich oa
(a mit vorgeschlagenem o z. B. Doavzig), Man spricht fast alle a
auf diese Weise gedehnt (wie au in author englisch). [Vgl. Förste-
mann, Germania hg. v. vdHagen 9 S. 153.]
Man spricht e sehr häufig ä z. B. basier^ ändlich.
Man spricht u zwischen u und o, oft sogar hört man noch eine
Art a (wie im Engl. but).
Kusschen, Tasschen^ Raupchen und alle Verkleinerungswörter
[spricht man] ohne n.
[Genus:] die Oel, auch Oellje; der Band (etwas zu binden);
das Monat; das Spicss, die Äff (der Affe); das Schrank, das Sarg,
abgekringelt aussehen, matt, erschöpft aussehen.
abkringeln, abdrehen z. 6. einer Tanbe den Kopf.
abräken, ansschelten.
altdnhn, noch Ton gestern betranken.
auch, und. Fleisch auch Oemttse.
aasbenommen, ausnehmend z. B. schön.
aasspritzen, aasschlagen, Ton Bäamen.
Bartneege, feiner aufgesparter Bissen.
beneekelt, belegen, aasgepatzt betranken.
Beestkaehen, Kuchen von der ersten sehr fetten Milch, nachdem die Kuh gekalbt hat.
betrempelt, betreten.
so billig, so ziemlich.
bisaehelehes, sacht, allgemach.
Blamseer, ein Fleck z. B. von Fett in einem Kleide.
BUekfink, Heringssalat.
Bllngsehllng, Blindschleiche.
BoUenpllserlk, eine Art Karbatsche fflr das Gesinde auf dem Lande.
Bolven, Kartoffeln.
BoTke und Bosehke, kleiner Bnbe, durchtriebener Bube.
einem op de Brems^ stoan, peinigend warten auf etwas.
Burtsehik, ältester Sohn des Bauern, welcher an seiner Stelle die Aufsicht ftthrt.
dttge don, gut thun, sich gut führen.
und so was daher, und dergleichen
deigen, abdelgen, einen prügeln.
doff, matt z. B. Gold.
Dohnlehdäg, Thunichtgut.
drenig sein, drennlls^ blödsinnig, ein Traum sein.
der DrOn, das Dröhnen.
dorehgetrabt, durchtrieben.
dwalUg, albern.
dwarg, dwerg, Zwerg.
ebberai*seh, rückwärts.
loS
•
et, Aufmerksamkeitswort. Willst du Wein ? Ei Wasser. Ei der Sturm vorige Nacht.
elnsen, eins (im Weiterzählen).
Eierpfann, Rührei.
Feim, Füllen.
Flöhten, grosse hölzerne oder irdene Milchgeschirre.
geforben, gefärht.
geheirathet sein, verheiratet sein, von Männern oder Frauen, Gegensats von
ledig sein. z. B. sie ist geheiratet.
(jrehfech, Gestrüpp.
Oesttwer, schreiendes wüstes Geschwätz.
Gesp, Handvoll.
Onagge, hölzerner Nagel, Pflock, etwas daran zu hängen.
Gosse (zwei sehr weiche s), Ziege. Gossebock. [Poln. !coxa Ziege.]
grassate goan, spazieren gehen.
Oratehelehes, Händchen.
gris, gmmmlieh, grau.
heilig sein, sehr dürsten.
Hölkes, Holzäpfel.
Kapelle, Hinterteil und Rückenknochen gekochten oder gebratenen Geflüg^els.
Karschbiren, Kirschen.
Kintehen, kantehen. Ecke am Brote.
Kirst, Kurst, Kruste.
klafristern [erste Silbe kurz, zweite betont], ausprttgeln.
Klagflestem klagen angeberisch (stänkern?), ein Klag fixesten-.
Klauditke, Gefangenwärter.
Klemp, junge Kuh.
Köjel, Ki^el, Keiler.
kojtthncn, winselnd heulen.
Es kommt zu sehen, es ist zu sehen z. B. ein Fleck in einem Kleide.
ich k5nnt% ieh dürft* Imperfekta mit e gegen die Regel [statt ich konnte] z. B.
ich könnt nicht anders.
Korn, wenig. En kleen Kohrn Woater.
kUseh, hart und braun gebacken. ,
Kosten der iu*men IJt, die Gerichte der armen Leute.
Krauter^ 1) abgefeimter Mensch 2) Naturgärtner im Gegensatze zum grelemten
Knnstgärtner.
krupe, kraufen, kreuchen, kriechen.
kukkuluren, (z. B. nach Krankheiten) umhersitzen. [Vgl. ndl. koekeloeren,\
Kunter, kleiner schneller Klepper
Kuschen, Kuhkalb.
lass er man kommen, 4ass ihn [man kommen]' findet sich bei mehreren Schrift-
stellern ans dieser Gegend.
Lollke, Pfeife. Lollst all wedder, rauchst du schon wieder.
Losleder, Losnagel, ein junger, noch ganz ungebundener und vorwitzi^r oder
frecher Mensch.
himpiseh, lumpig.
Manist, Menonit, nachher für jeden kleinen Krämer, besonders für solche, die
mit Brandtwein, Schwefelfaden handeln.
Moll, Maulwurf.
nioUen, wühlen.
niulksich, mulksohkUi, beständig finster, brummig.
Mundsclimackschen, so viel um zu schmecken, auch ein feiner Bissen.
m
muscbelii, kttssen.
Mutzeben, Kttsschen (in der Gegend von Dirschan).
iiar nieh to, nirgend nicht gut, ganz unnütz, Tangenichts.
Xeistersehe (neien nähen) Nähterin.
niederkorken, Schuhe niedertreten.
nieweddrig, ühellaunisch (ähnlich dem wetterwendisch).
Xndeln, Kartoffeln.
(Hschehen, (Hschelehes, Aenglein.
Pathen, Weidenstecklinge, welche noch nicht gewnrzelt haben.
die Pll, Fälteleisen zu Hauben u. dgl.
Plndelpraeher, Landstreicher (Bttndelbettler).
die PInn, Schnümadel.
PIsehke-Grtttze, -Gret, grobe Graupen.
Planderkasche, Plaudertasche.
Pllng, Lappen, Plunder, auch Plid, welches man aber auch von dünngestopften
(geschütteten) Betten braucht, dat*s jei man e Plid.
Pommager, Paselack, niedriger Gehülfe, Handlanger in der Küche^ im Stalle,
mit ihren abgeleiteten Verben Pa^elacken etc.
pusehkatem, kitzeln.
die Rabe, Schorf auf einer Wunde.
Banebalken, Bundbalken.
Been nnseht, rein nichts.
ribbeln, rebbeln, z. B. einen gestrickten Strumpf wieder auMbbeln.
der Bieken, Beet im Garten.
ruhrkohlen, unruhig sitzen.
rusehehes, sehr.
Hchappe, BabUQuhn, Himmelbett.
.schietsam, gehleksig, sehletdg, vom Gange nnd der ganzen Haltung, nachlässig, träge.
schmnrzig, sebmorzig, schmutzig.
Hohnitzker, Tischler.
Hehnnekup, Schlucken.
SehnUpfeltuch, Schnupftuch.
Schoof, Schub z. B. e goode Schoof wek goan.
Schelm, Haarscheitel.
der Schwanz! im verächtlichen Sinne der armselige unbedeutende Mensch.
schwiemschlagen, höchst nachlässig schlendern.
spicken, heftig werfen z. B. spick doch nicht alles.
Spierehen, Sträusschen, ein Riechblümchen.
Sprathen, Sprossen.
stakem, stechen, in einem Sprichworte 'den lieben Gott nach den Augen stockern*
durch unzufriedenes Tadeln des Wetters.
Steckbiel, Stechling [Fisch].
Streich-Elsen, Plätt-Eisen.
Stück, z. B. gieb mir doch ein Stück Wasser, ein Stück Löffel u. s. w.
es stUmflt, von heftigem Wind mit Regen.
Topkekleker, Gelzpungel, Arvteteller [Kleinigkeitskrämer.]
tmgglleh, rund von Kindern und Frauen besonders.
übertragen (eine Krankheit), sie vernachlässigen, nichts [gegen sie] brauchen.
überschregehi, zwischen zwei ausgefahrenen Gleisen fahren.
Uhle, Kappe.
Unmflhe, Mühe. Machen sech doch kein Unmöje.
verknieweln, eigentlich mit dem Messer, dann überhaupt au uichte machen.
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vermudbarsehen [?], vermüden.
Terpeddet, wo wir Terfilzt sagen von Werrig, feinen Wurzeln etc.
Terpliesteni, besonders von Sachen wie Haaren, die der Wind in Unordnung
bringt, verstört.
versetzt, die Kuh hat versetzt, d. i. zn frtth gekalbt.
vertobben, verführen.
verwebt, unaufmerksam, zerstreut.
vorlilhden neulich.
[Yomamen:] Bensch Benjamin; Jaseh Johann; ifo^^Ä^Erdmuthe; Drotke Dorothea;
Buschke Barbara; Kaschke Karl.
Wanker, Ochsenziemer (von seinem geschäftigen Umhergehen in Landwirtschaften etc.}
Wanning, Flannel-Jacke, Kittel.
wirrlg und irrig, verwirrt, blödsinnig.
wisehig (sehr weiches sck), windig.
Wohnungen, Herrenhäuser fllr arme Leute eingerichtet, auf einem Landgnte z. B.
die Arbeiterwohnungen.
Wratze, Warze.
Wnnsen, Schnurbart.
Zoten machen, sehr lustig, ausgelassen sein.
die Zugg oder Zagg, Hündin.
Zwinn, Zwirn.
Dansig, 16. April 1816. [H. Jaeob.J
Eigenthfimliehkeiten der Preiissisehen Mundart.
Ausruf, Auktion.
Bording, ein kleines Schiff, womit man die Ladung an Bord der grossen Schiffe bringt.
Bott, das Gebot, das beim Versteigern Gebotene.
Dresse, Blei (Fisch).
BUgel, Bretzel.
BUi'gerlehn, (in den ehemahls freien Städten gebräuchlich) ein verarmten Bürgers
zur ausschliessenden Verwaltung oder Benutzung überwiesener Dienst z. B.
Einnahme des Brückenzolls, Aufsicht über öffentliche Anstalten etc.
Bremicker, Henerleute auf dem Lande.
Einst, einmal, in der Verbindung mit nicht z. B. er hat es nicht einst verlaugt.
FastbUcker, verstümmelt aus Festbäcker, da die Aussprache des e dem a sehr
nahe kommt. In Königsberg nämlich und den übrigen grösseren Städten
theilen sich die Bäcker in Fest- und in Los-Bäcker. Jene backen nur festes,
dichtes, diese lockeres, loses Brod, daher denn auch Festbrod, Losbrod.
Oute Männer heissen in den ehemahls freien Städten die bei Verlöbnissen, Hoch-
zeiten oder gerichtlichen Verträgen von beiden Theilen gewählten Werblente.
Vermittler oder Zeugen (Obmänner, Scheider).
Golle, ein kleines Boot.
Hegen (in den freien Städten) im aussergerichtlichen Gebrauche die Handlung
des Aeltermanns der Gilde, mittelst welcher er nach Entfernung fremder
Zeugen die in herkömmlichen Schranken sich ernst bewegende Verhandlung
eröffnete ; daher es in den Gilde-Abschieden (Recessen) immer heisst : Nach-
dem der Aeltermann gehegt und die Bescheidenheit und Verschwiegenheit
empfohlen hatte etc.
Halten, Halter (in den ehemals freien Städten) z. B. eines Landguts, einer Kasse
etc. der Verwalter, Verweser. Daher Haltung das Verweseramt, auch der
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Schatz, Säckel desselben z. B. N. empfängt 50 Fl. aus der Kirchen- and
Almosen-Haltung. N. hält jetzt den Richnauschen Schlüssel : er verwaltet
die Gesammtheit der zu R. gehörigen Vorwerk.
Kämmerer was in Schlesien Meier, in Pommern Hofmann und in Mecklenburg
Statthalter heisst. [Vgl. Frischbier 2, 532].
Kilmpe Insel.
Kathner, Eigenkathner, der Miether und Eigner einer Käthe.
Klar am Seestrande gebräuchlich und aus der Schiffssprache entlehnt. Alles,
was bereit, fertig, geordnet ist, z. B. der Wagen ist klar, d. i. angespannt.
Klei Schleim, Brei, z. B. Haferklei.
Kobbel Stute, auch überhaupt Klepper (aus dem Poln.)
Kölmer, Besitzer eines zinspflichtigen Meierhofes.
Kttrsaal (in den ehemals freien Städten) der Saal im Rathhause, worin die Wahl
der Rathsherren geschah.
Kttrbier das bei dieser Gelegenheit gebraute und an die Gewählten vertheilte
Doppelbier (Thom).
Tiossen mit einem andern Aussager verbunden nimmt den Erstfall zu sich z. B.
lass er kommen, lass der Vater ihm Antwort geben. Jedoch sagt man
richtig: lass mich gehen.
Maehander Wachhoider.
Maehllch. Zur Erklärung dient die Redart : es macht sich, es geht damit ; also :
ziemlich, hinreichend.
Mi[e]tnachlMir ein Ackerwirt im Gegensatz von Eigenkathner und Inwohner.
Pi&de, eine Wassertrage.
Puwowe, eine buschige Sumpf- oder Berggegend (poln.)
Poflsekel, ein Schlägel.
Ke«e, eine Rese Wasser: eine Tracht Wasser. [Fehlt bei F., vgl. Korr.-Bl. 9, 76.]
Sehlttssel, eine Gesammtheit von Landgütern, kleine Herrschaft z. B. der Rüh-
nausche Schlüssel bei Thorn: das Hauptgnt Rübnau mit seinen Nebengütern.
VollbrSsig (Thorn) übermüthig.
Zannart, Zander (Fisch).
Ich übergehe sprachwidrige Redearten des grossen Haufens z. B.
dass man statt hat: hcUte^ statt wäre: war und umgekehrt sagt, z. B.
Wenn er mir begegnet war, wenn ich ihn gesehen hatte, als ich ihn
gesprochen hätte etc., aber auch unter Gebildeten findet sich die Form
des Supinum auf en, wo dieses im Hochdeutschen regelmässig ist z.
B. geschonken, gewonken für: geschenkt, gewinkt. Ferner die Wieder-
holung des Aussagers, wo der Meissner den Aussager thun gebraucht,
z. B. trinken trinkt er wohl, essen isst er wohl, singen singt er wohl,
schaden schadets nicht.
Zur Sittengeschichte Preussens gehören folgende Altthomsche,
zum Theil schon in Vergessenheit gerathene Gebräuche.
War dem Hausvater ein Erbe oder eine Erbin gebohren worden,
so sandte er seine junge Magd (Jungmädchen, Stubenmädchen) zu
den werthen Nachbarn, Verwandten und Freunden, welche beim Ein-
tritt in das fremde Haus bloss die Worte sprach: der Herr N. N.
lässt grüssen mit einem jungen Sohn, oder mit einer jungen Tochter.
Dasselbe Jungmädchen ging bei einem Todesfalle im Hause ihrer
Herrschaft, in einen langen weissen Schleier gehüllt, in den Häusern
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umher und piachte es mit den Worten kund: der Herr N., die Frau N.
lässt sich bedanken.
Herren hiessen amtlich nur die Mitglieder des Raths, des alt-
städtischen und vorstädtisclien Schöppengerichts, die Geistlichen,
Aerzte und Oberlehrer. Kaufleute, Unterlehrer und was nicht zu den
Genannten gehörte, hiessen — domini, und der Rektor der Neu-
städtischen Schule, den im gemeinen Leben Jedermann Rektor nannte,
hiess ludimagister. Der Prediger auf der Kanzel musste sich diesem
Gebrauche ' fügen und sonach sagen : der ludimagister Dominus N.
mit Jungfer N.
W. Schroep.
Zur Farbendeutung.
Das in der Livländischen Sammlung erhaltene, im Jahrbuch 8
S. 73 ff. abgedruckte Gedicht von der Bedeutung der Farben in der
Liebe ist, wie seine Reime deutlich zeigen, aus dem Hochdeutschen
übersetzt. Der hochdeutsche Text ist, wenn auch nicht ganz lücken-
los (es fehlen v. 51 — 64) erhalten und bietet im Allgemeinen denselben
Wortlaut wie die niederdeutsche Fassung. Er findet sich unter den
von Fichard im Trankfurtischen Archiv für ältere deutsche Litteratur
imd Geschichte Th. 3 Frankfurt a. M. 1815' veröffentlichten 'Alt-
deutschen Liedern und Gedichten aus der ersten Hälfte des XV.
Jahrhunderts' als Nr. LXIII auf S. 297 ff. Vers 41 ff. lauten hier:
Hut dich vor geseHschaflft
Dy sich berumet und klafft
Nim eben in dineu mut
Was dir von liebe kämmet zu gut ^^^— "— ==5^»^
Das saltu in din hertz smyden ^^^^^ '^'^^^
Und dich dy lybe ban geleyden ^ ^ **' "^ ^
E das ymant werde gewar
So volgestu der rechten schar ^^Of rl u\k
Dostu das so volget dir heil ">^^/^LIFORH^^,
Nu hast du miner lere ein deil.
BERLIN. W. Seelmann.
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