Skip to main content

Full text of "Jahrbuch für geschichte, sprache und literatur Elsass-Lothringens;"

See other formats


Google 



This is a digital copy of a book that was prcscrvod for gcncrations on library shclvcs bcforc it was carcfully scannod by Google as pari of a projcct 

to make the world's books discoverablc online. 

It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject 

to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books 

are our gateways to the past, representing a wealth of history, cultuie and knowledge that's often difficult to discover. 

Marks, notations and other maiginalia present in the original volume will appear in this flle - a reminder of this book's long journcy from the 

publisher to a library and finally to you. 

Usage guidelines 

Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the 
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to 
prcvcnt abuse by commercial parties, including placing lechnical restrictions on automated querying. 
We also ask that you: 

+ Make non-commercial use ofthefiles We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for 
personal, non-commercial purposes. 

+ Refrain fivm automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machinc 
translation, optical character recognition or other areas where access to a laige amount of text is helpful, please contact us. We encouragc the 
use of public domain materials for these purposes and may be able to help. 

+ Maintain attributionTht GoogXt "watermark" you see on each flle is essential for informingpcoplcabout this projcct and hclping them lind 
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it. 

+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are lesponsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just 
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other 
countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can'l offer guidance on whether any speciflc use of 
any speciflc book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search mcans it can bc used in any manner 
anywhere in the world. Copyright infringement liabili^ can be quite severe. 

Äbout Google Book Search 

Google's mission is to organizc the world's Information and to make it univcrsally accessible and uscful. Google Book Search hclps rcadcrs 
discover the world's books while hclping authors and publishers rcach ncw audicnccs. You can search through the füll icxi of ihis book on the web 

at |http: //books. google .com/l 



Google 



IJber dieses Buch 

Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Realen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im 
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfugbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde. 
Das Buch hat das Uiheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch, 
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann 
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles 
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist. 

Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin- 
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat. 

Nu tzungsrichtlinien 

Google ist stolz, mit Bibliotheken in Partnerschaft lieber Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse 
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nie htsdesto trotz ist diese 
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch 
kommerzielle Parteien zu veihindem. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen. 
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien: 

+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche Tür Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese 
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden. 

+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen 
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen 
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials fürdieseZwecke und können Ihnen 
unter Umständen helfen. 

+ Beibehaltung von Google-MarkenelementenDas "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über 
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht. 

+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein, 
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA 
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist 
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig 
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der 
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben. 

Über Google Buchsuche 

Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google 
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser We lt zu entdecken, und unterstützt Au toren und Verleger dabei, neue Zielgruppcn zu erreichen. 
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter |http: //books . google .coiril durchsuchen. 



• i 




JAHRBUCH 



FÜR 



GESCHICHTE, SPRACHE UND LITERATUR 



ELSASS-LOTHRINGENS 



HERAUSGEGEBEN 



VON DEM 



HISTORISCH-LITERARISCHEN ZWEIGVEREIN 



DES 



VOGESEN-CLUBS 



XXI. JAHRGANG 



STRASSBURG 

J. H. ED. HEITZ (HEITZ & MÜNDEL) 

1905 



bIrtiMFüRÜ UNIVERSITY 
LIÖRARIES 

N0V^2i983 



Inhalt. 



Seite 
I. Gedichte: Heimatglück, ^eldgang, Ahschied, Meinem 
Jüngsten, Lac Lamaix von Christian Schmitt; 
Der Hüselberg-Bloßen und das St. Amarintal von 

HederaHelix 6 

TL Der Ursprung des Klosters Elingental und sein Zinshof 
in Rnfach von Theo bald Walter. Mit einer 

Abbildung 9 

HI. Inventare des früheren Franziskanerklosters von Colmar 

von Dr. August Hertzog- Colmar 23 

lY. Beitrag zur Geschichte des Rathauses in Ensisheim von 

WilhelmBeemelmanns, mit zwei Abbildungen 45 
y. Verein zur Landesrettung, gegründet zu Straßburg 
am Mittwoch nach Matthäi im Jahre 1572. Mitgeteilt 

von Karl Tschamber-Hüningen 59 

Yl. Entehrung Maria durch die Juden. Eine antisemitische 
Dichtung Thomas Mumers. Mit den Holzschnitten 
des Straßburger Hupfuffschen Druckes herausgegeben 

von AdamElassert 78 

Yn Beiträge von Johannes B o 1 1 e - Berlin. 1. Die 
beiden Nebenbuhler zu Colmar. Flugschrift aus dem 
Jahre 1622. 2. Ein Bildergedicht Moscheroschs . . 156 
Tin. Johannes Zschorn von Westhofen. Ein Beitrag zur 
elsässischen Literaturgeschichte des sechzehnten Jahr- 
hunderts von WilhelmTeichmann . . . . 161 
IX. Caroline Herder (geb. Flachsland) und ihre Verwandten. 
Urkundliche Mitteilungen von FerdinandZeyer- 

Beichenweier 239 

X. Zur Stelzen. Eine Straßburger Malergeschichte aus 

alter Zeit von ElsaJordan 241 

XI. Eine Urkunde des Eonrad Dangkrotzheim von E. Herr 256 
XII. Inschriften im Elsaß von Dr. Eassel-Hochfelden. Mit 

zwei Abbildungen und einer Beilage das Goldene ABC. 265 

^TH. Chronik für 1904 • . . . . 348 

XIV. Sitzungsberichte 349 



!• 



Gedichte, 



I. Von Christian Schmitt. 

Heimatglück. 

XFnd z'og^ ich fort bis an das Meer 

Und weiter noch, 

Zur Heimat, ja zur Heimat her 

Bald kam' ich doch ! 

<}\sinz und Freude müßt' ich hassen, 

ÜVenn dich, mein Land, mein Trost and Stern, 

Wenn dich ich sollte lassen ! 

So lang mir deiner Berge Pracht 

Das Herz entzückt, 

:So lang dein Tal mir blüht und lacht. 

Bin ich beglückt! 

Eilt, ihr Wolken, mit den Winden! 

Für mich ist holder nicht ein Platz 

In aller Welt zu finden! 



Feldgang. 

Da draußen vor den Toren, 
Da ist so still die Flur. . 
Ich hör', im Grün verloren. 
Des Windes Stimme nur. 

Er rauscht, und Halm und Aehren, 
Die flüstern mit im Chor; 
Als ob's Gebete wären. 
So klingt es an mein Ohr. 



— 6 — 

Die Sonne, hoch geschieden, 
Scheint grüßend auf die Welt, 
Und alles ruht in Frieden, 
Und alles steht erhellt. 

Mir ist, die blaue Weite, 
Sie sei ein Tempelhans, 
Und Gott, der Vater, breite 
Die Hand zum Segen ans. 

Die Blumen, seine Kinder, 
Erglühn voll Dank und Lust, 
Und auch mir selbst nicht minder 
Ist tief beglückt die Brust. 

Ahdchied. 

Ade, du lieber Lindenbaum, mein Lindenbaum! 

Wie bist du so verstört! 

Du wogst im Wind so eigen 

Mit Beugen und mit Neigen 

Und wehrst und winkst und winkst und wehrst 

Und winkst mir, daß ich bleiben soll. 

Ach nein, ach nein, es kann nicht seih, es kann nicht sein,, 

Dieweil ich wandern muß ! 

Jedoch in deinem Schatten 

Das Häuslein und die Matten, 

Die hüte mir, du lieber Baum, 

Ja, lieber Baum, die hüte wohl! 

Meinem Jüngsten. 

Du kamst uns spät. Der Schatten stumm Geleit 
Zeigt wachsend schon auf Uebermittagszeit. 

Die Welle flieht. Lang ist's, mein süßer Bub, 
Daß ich das Erste, zart wie du, begrub. 

Wohl trug das Glück ins Haus uns andre zwei; 
Sieh\ hier am Wieglein stehn sie mit dabei! 

Ein lieblich Paar, doch groß nun, groß und klug; 
Noch kurze Frist, so rüsten sie zum Flug. 

Sie gehn, ich weiß: kein Wunsch hält sie, kein Wort;. 
Eins nahm der Tod, sie reißt das Leben fort. — 

Wie einsam war' dann meine Abendruh ! 
Das wußtest du, mein Kind, das wußtest du. 



Lac Lamaix. 

Der Bergrwind schläft. Es schimmert 
Vom Wald der Mond herein. 
Im tiefen Seegrand flimmert 
Der Sterne blasser Schein. 

Still fließt die Zeit. Die Lenchten 
Des Himmels wandern sacht. 
Am Fels, am moostaufeuchten. 
Steht schon die Mitternacht. 

Sie staont. In voller Helle 
Fällt durchs Gezweig das Licht. 
Was starrt vor der Kapelle? 
Ist es ein Tragbild nicht ? 

Ein Särglein, kranzumkettet — 
Die Mutter trug es hin ; 
Bleich liegt und arm gebettet 
Ihr totes Kind darin. 

Es ward ihr weggenommen. 
Ins Leben kaum gereiht, 
Und, ach, zum Frieden kommen 
Kann es nicht ungeweiht. 

Doch sieh, was unter Schmerzen 
Die Liebe hofft und wagt 
Mit gläubig reinem Herzen, 
Das wird ihr nicht versagt. 

Leis durch der Stämme Schweigen 
Ein Engel geht zur Flut, 
Die zwischen dunkeln Steigen 
Glanzüberzittert ruht. 

Am Ufer eine Schale 
Füllt er und trägt sie sanft 
Und sorglich aus dem Tale 
Hinauf zum Hügelranft. 

Und segnend gibt die Taufe 
Dem Kleinen er sogleich, 
Daß er die Seele kaufe 
Für der Erlösten Reich. 

Dann steigt er, aufwärts lenkend, 
Pfadaus durchs Buschgeäst, 
Am Weg die Blumen tränkend 
Mit seiner Schale Rest. — 

Die Blumen blühn und lachen 
Beim neuen Tageslauf. 
Zwei Aeuglein schöner wachen 
In Gottes Garten auf. 



_ 8 — 

2. Von Hedera Helix. 
Der Hüselberg-Blofien und das St. Amarintal. 

Hüselberg-BLoßen, wie oft dein Schädel 

Zeigte sieh mir, so kahl und doch edel, 

Wenn ich, lustwandelnd, vor meiner Klause 

Macht^ im Arbeiten eine Pause. 

St. Amarintals Eigenart 

Zeigtest du mir: um dich geschart 

Berge von Wildenstein bis Thann — 

All das sah ich von oben mir an: 

Kirchen, auf den Berg getragen, 

lieber die, wie Biesen, ragen 

Hohe Bücken, in stolzem Schwung, 

Oft noch mit Gletschererinnerung; 

Da und dort auch Felsenzacken. 

Wachsend aus den hohen Nacken, 

Wälder zwischen Matten geschoben; 

Herdengeläute drunten und droben, 

Schwarze Schleier, wie Schatten schwebend. 

Senkend hier sich^ dort sich hebend, 

Ueberm Tal, wenn sie der Wind 

Nicht zerstreut, zerreißt geschwind. 

Natur und Menschen, sie schaffen fürwahr 

Um die Wette hier, Jahr für Jahr. 

Aus des Waldmantels düsterem Schutz 

Steinerne Blößen blicken voll Trutz : 

Klaffende Wunden am Bergesrücken. 

Die sich des Schutzes erwehren mit Tücken, 

Biesige Steine sie rasselnd rollen, 

Wo sie die schützende Decke nicht wollen. 

Wo so kegeln' die Becken von Stein, 

Kann nicht Menschenarbeit gedeihen. — 

Alles dies andre Täler auch zeigen, 

Aber vor einem müssen sie schweigen, 

Eines hast du ganz aliein; 

Fragt wer vielleicht, was mög* das sein? 

Mitten im Tale, gar trotzig schaut, 

Was da für Wächter sind aufgebaut, 

Wächter, die schon Jahrhunderte steh'n, 

Weil sie zur Eiszeit verlernten das Gehn: 

Bärberg, Merlberg, Wildenstein, 

Tals Wahrzeichen sollt ewig ihr sein ! 



II. 

Der Ursprung des Klosters Klingental 
und sein Zinshof in Rufach. 

Von 

Theobald Walter. 

Mit einer Abbildung. 

U nweit Pfaffenheim liegt am Fuße des vielbesuchten, sagen- 
umwobenen Wallfahrtortes Schauenberg eine wenig beachtete 
Ruine, da sie ihr efeuumranktes morsches Gemäuer im Astwerk 
ausgebreiteter Kastaniengehölze fast vollständig verbirgt. Es 
sind dies die bescheidenen Ueberreste einer ehemaligen Kapelle 
zu St. Lienhard, die Pfaffenheims Burger um 1750 den auf 
dem Schauenberge siedelnden Barfüßern zum Trutze auf einem 
uralten Trümmerfelde hatten auffuhren lassen. 

Nur selten stören heute der Menschen Tritte mehr den 
Waldesfrieden, kommen fromme Beter an die stille Gnaden - 
Stätte; denn zu wenig gekannt ist das äußerst einfache, an 
die trotzige Giebelwand gelehnte Altärchen des hl. Lienhard. 
Und doch geht noch die Sage von Mund zu Mund, wie vor- 
dem mächtige Klostermauern dort zu schauen gewesen wären, 
wie eifrige Nonnen dort treu ihrem Herrn gedienet hätten, 
und wie wilder Kriegeslärm die frommen Siedler vertrieben und 
ihr Anwesen auf den Grund geschlissen hätte. 

Und wahrlich, die geschichtlichen Forschuqgen haben die 
sagenhaften Vermutungen in ihrem vollen Umfange bestätigt ; 
hat doch an jener weltvergessenen Stätte zu St. Lienhard ob 
Pfaffenheim das nachmals so reiche und berühmte Basler 
Kloster Klingental seinen Anfang genommen. 



— 10 — 

Zwar berichten schon die Colmarer kleineren Jahrbücher 
unter dem Jahre 1253 : Die Schwestern des Predigerordens 
von Huserin bei Phaphinetum verheßen ihr Kloster ; jetzt sind 
sie in Klingental. ^ In dem erwähnten Huserin erkannte man 
allenthalben das bei Egisheim, im Schatten der Dreiexen ge- 
legene Rebdörfchen Häusern, und bei dieser Ansicht verblieb 
es auch dann noch, als man in der Bezeichnung P h a p h i n e- 
tum die Ortschaft Pfaffenheim entdeckte. Ja, trotzdem zwischen 
Pfaffenheim und Häusern eine beträchtliche Entfernung besteht, 
trotzdem sich die drei Gemarkungen Geberschweier, Hattstatt- 
Vögtlinshofen und Obermorschweier und der trennende Höhen- 
zug nach dem Ottensbühle hin mit dem uralten Markbach 
zwischen beide Dörfer einschieben, wurde die Sachlage nie ge- 
nauer untersucht, und die gesamte Geschichtsliteratur hielt 
daran fest, daß Klingental in Häusern bei Egisheim seinen 
Ursprung genommen habe.^ Zwar versuchte man auch dem 
erwähnten Pfaffen heim gerecht zu werden, indem berichtet 
wurde, die Nonnen verließen Häusern schon frühe und ließen 
sich vorübergehend in Pfaffenheim nieder, um dann erst nach 
Klingental weiter zu wandern •> 

Dem ist aber keineswegs so. Die ursprüngHche Heimat 
der Klingentaler Klosterfrauen ist zwar Huserin; doch lag 
dieses Huserin im Gemeindebanne von Pfaffenheim, an der 
Stelle der heutigen St. Lienhardkapelle, und zwar geht dies un- 
zweifelhaft aus folgenden Tatsachen hervor. 

Ein Zinsrodel des Klosters Klingental aus dem Anfange 
des 14. Jahrhunderts zählt uns die reichen Einkünfte des Gottes- 
hauses in jener Zeit auf;^ darin ist. aber das heutige Häusern 
nur einmal in Verbindung mit Egisheim erwähnt. Dagegen 
lesen wir ausdrücklich: Item IUI schatzze in Pfaffen- 
heim banne, der ligent zwene ze Hvseren • . . . 
Item XII schätze ligent gegen der linden ze 
Hvseren .... Item XXX schätze ziehentnider 
vfze Hvseren gegen der kilchen nider vfan den 
sot . . . . Dis sint die c|inse ze Pfaffenheim: 



1 Vgl. Pertz, Monumenta Germaniae historica, XVII 190 : 
Sorores ordinis Pra e dicatorum de Huserin apud 
Phaphinetam recesserunt; modo Olingentha len ses. 

2 Vgl. u. a. Das Eeichsland Elsaß-Lothringen, m 379. Gran- 
didier-Ingold, Oeuvres inödites, IV 195. Kindler von Elnobloch 
spricht sogar in seinem Oberbadischen Geschlechterbuch n 297 von 
Häusern im B-A. St. Blasien. 

8 Stoffel, Top. Wörterbuch, 228. Burckhardt-Riggenbach, Die 
Klosterkirche Klingental in Basel, 1860, S. 2. — Das Eeichsland 
Elsaß-Lothringen, m 379. 

^ Staatsarchiv Basel. Klingentaler Akten. 



— 11 — 

IUI schatzze ze Hüseren neben! des spitals ^üt 
von Pfaffenheim .. . • . IUI schazze an Hvseren 
schleife nebent der schurphesecke gut . . . . 
Uli schätze ligent och in Pfaffen heim banne 
nebent der Röttelbachi und ziehent oben nider 
uf den Huserenweg . . . . usw. Soweit die urkund- 
lichen Belege, die sich noch vermehren ließen. Doch werden 
sie wohl genügen zur Erhärterung der obigen Behauptung.^ 
Aber auch das Gotteshaus zu St. Lienhard in Husern ist uns 
urkundlich erwiesen ; Capeila major de Unseren fili- 
alis de Pfaffinheim ist 1236 unter den Horburger Patro- 
naten verzeichnetes und 1245 nimmt Papst Innozenz ausdrücklich 
. . . priorissam ecclesie sancti Leonardi in Uu- 
sern eiusque sorores ... in seinen besonderen Schutz.* 
Wer die Gründung veranlaßte, läßt sich aus dem über- 
lieferten Urkundenmaterial nicht mehr erweisen. Die Geb- 
weiler Chronik will wissen, daß vier andächtige Ma- 
tronen von Mülhausen das Kloster 1233 gestiftet hätten;^ 
doch ist auf die Angaben dieser Chroniken gerade für jene Zeit 
wenig Verlaß. Wahrscheinlich ist es, daß kurz vor 1240 sich 
etliche adelige Witwen freiwillig in einer Behausung des ab- 
gelegenen Weilers Husern zusammentaten, das Heiligtum zu 
St. Lienhard erbauten und unter dem Einflüsse des nahen, 
mächtigen Marbach die berühmte Ordensregel des hl. Augustinus 
annahmen. ß Bedachten doch vornehmlich Witwen des Land- 
adels die junge Gründung mit milden Zuwendungen. 



1 Das Eebgelände Röttle oder Köttlebach liegt noch 
anweit St. Lienhard, im Pfaffenheimer Banne. 

2 Auch das Knfacher Liber vitae erwähnt S. 75 v. aas dem 
13. Jahr h.: Heinricus dictas Schenke tenetur dare . . . 
XVin den. ad opus de n scadis sitis ze Husern iuxta 
Petrum zer Bach. — Za demselben Hasern gehören dann wohl 
auch folgende Eintragungen : Vn kal. feb. obiitVlricus de 
Husern de cuins anniuersario dantnr plebano 
XYm den., sacriste n d., XVI vero den. infirmis in 
hospitaleantiquo propane et vino deagro tendenti 
vf de marteweg parte iuxta dictum Soder. — n kaL 
mai. obiit Sifridns Haseren qai dedit haic ecclesie 
vineas sitasandemHerwege vnderbergen^solaentes 
annaatim plebano VI den. et daobus soc. VI den. 

3 Aus Dalem, Index litterarum. 

* (Jrkandenbuch der Stadt Basel, 1 127. 

* Gebweiler Chronik, neue Ausgabe, S. 9, desgl. Schönenstein- 
bacher Chronik) S. 98. 

ß Claaß spricht in seinem «Wörterbach», S. 418, von einer 
Bestätigangsurkande des Bischofes von Basel vom Jahre 1236 und 
bringt die Gründung mit St. Marx in Straßburg in Verbindung. Mir 
ist die Urkunde nicht bekannt; eine Notiz darüber soll in Dalem, 
Index litterarum zu finden sein. 



— 12 — 

So übergab bereits 1241 Guta Holzweg von Geberschweier 
mit Wissen und Willen ihres Vogtes Dietrich von Schranken- 
fels conventui et eccl es ie soror um in Huser^n 
Hof und Güter in Geberschweier. i Wenige Jahre nachher 
folgte dem edlen Beispiele Hedwig von Falkenstein, die Witwe 
des Walraven, mit Gütern bei Sulz,^ und 1252 Kunigunde, 
die Witwe des Ritters Johann Thosce, mit Gütern bei Huseren 
selbst. Als Papst Innozenz durch eine am 19. September 1245 
in Lyon erlassene Bulle Priorin, Schwestern und Kirche in 
seinen besonderen apostolischen Schutz nahm und alle ihre Rechte 
bestätigte,' war die Stiftung zwar auf festem FuSe ; aber eben 
diese Bulle zeigt uns auch, daB die Nonnen sich bereits ge- 
fährdet sahen und des ausdrücklichen päpstlichen Schirmes 
sehr bedurften. 

Die Zeiten waren aber auch einer friedlichen Gründung 
nicht günstig ; denn von derselben Stadt Lyon aus schleuderte 
der Papst in demselben Jahre 1245 den Bannstrahl gegen 
Deutschlands Kaiser Friedrich H., entsetzte ihn seiner Würde 
und erwirkte die Wahl eines Gegenkaisers. Unsägliches Elend 
zog in die deutschen Gaue, und Krieg und Fehde wollten 
nimmer enden. Auch in den bischöflichen Landen der obern 
Mundat entbrannte die Kriegsfackel, und Rufachs und Colmaz's 
Bürger, die verschiedener Herren Interesse vertraten, lieferten 
sich manches blutige Treffen, wobei nach Herzenslust verheert 
und geplündert wurde. Erfahren wir doch auch von dem nahen 
Marbach, daB es in jenen Tagen furchtbar unter dem Krieges- 
jammer zu leiden hatte.^ 

Der Papst muBte bald ein zweites Mal zugunsten seiner 
Schutzempfohlenen in Husern eingreifen, und zwar geschah 
dies durch eine Bulle vom 5. Februar 1246, in der er allen 
Gläubigen des Basler Bistums, die Kloster und Nonnen in ihrer 
Notlage unterstützten, einen Ablaß von 20 Tagen verlieh.» Aber 
der Aufruf an das allgemeine Mitleid hatte wenig Erfolg. Des- 
halb erwirkte ein Freund und Gönner des Klosters, ein gewisser 
Walther von Joigny, unterm 11. Juli desselben Jahres eine 
weitere päpstliche Bulle, durch die das bisherige Augustinerinnen- 
kloster in Husern dem mächtigen Predigerorden angegliedert 
und der Aufsicht des Meisters 'desselben Ordens in deutschen 
Landen unterstellt wurde. ^ 



^ Urkundenbach der Stadt Basel, I 112. 

2 Ebenda, I 163. 

3 Ebenda, I 127. 

* Mitteilungen der Ges. z. Erh. der Altertümer in E.-L., XX 82. 
5 Urkundenbuch der St. Basel, I 131. 
^'Ebenda, I 133 



— 13 — 

Doch auch diese Neuregelung^ vermochte des Klosters Wohl- 
ergehen nicht sonderlich zu heben. Mußten doch die Kloster- 
genossen 1248 dem Ritter Peter von Hegenheim, Meliot ge- 
nannt, ^zwungener Weise die Güter in Sulz abtreten, i und 
1250 sah sich die Priorin^Adelheid sogar genötigt, ihre schönen 
Komzinsen, die ihr kurz zuvor der sterbende Ritter Rudolf 
Holzapfel testiert hatte, an Konrad Waldner von Berweiler zu 
veräußern.* Und wie dann langsam die kaiserlose, die 
schreckliche Zeit hereinbrach, da war des Klösterleins 
Bleiben nicht mehr in dem offenen Weiler an den Vogesen- 
halden. Die Horden, die 1253 Marbach in Asche legten,s haben 
sicherlich der unfernen Frauenzellen in Husern nicht verschont, 
und so mußten sich die Insassen notgedrungen nach einem 
neuen Heim umsehen. In dieser Not erbarmte sich ihrer ein 
Schwarzwälder Edeling, Walther von Klingen, der indes auch 
in der Mundat begütert war, indem er ihnen 1256 im schönen 
Wehratale auf seinem Eigengute eine neue Siedelungsstätte an- 
bot. Dort schenkte er ihnen nämlich durch Urkunde vom 2. 
September 1256 reiche Güter zum Klosterbau und den Kirchen- 
satz des Ortes Wehr.^ Die neue Gründung erhielt nach ihrem 
Wohltäter den Namen Klingental, und Papst Alexander bestätigte 
1257 den Augustinernonnen secundum instituta ordinis 
fratrum Predicatorum viventibus die Gültigkeit der 
althergebrachten Privilegien.^ 

Soweit die Urgeschichte des Klosters Klingental, das indes 
auch im W^ehratale die ersehnte Ruhe nicht fand, sondern 
schon zwei Jahrzehnte später nach Kleinbasel übersiedeln mußte.^ 

Mit dem Jahre 1256 waren demnach die Klosterfrauen aus 
Husern, wo wahrscheinlich nur die vereinsamte Kirche zu 
St. Lienhard wiedererstand, verschwunden. Die reichen 
Schenkungen an Gütern und Zinsen aber gaben sie dadurch 
in ihrer alten Heimat keineswegs auf. Doch machte die Ueber- 
wachung und gründliche Verwertung derselben aus der Ferne 
zu viele Schwierigkeiten. So gründete man denn in dem festen 
Rufach, dem Hauptorte der Mundat, einen sog. Zinshof und 



1 Burckhard-Riggenbach. Die Klosterkirche in Klingental. 

s UrknndenbQch der St. Basel, I 179. 

8 Mitteilungen der Gesellsch. z. Erh. d. Altert., XX 83. 

4 ürknndenbnch der St. Basel, 1 227. 

& Ebenda, I 236. Das Gut zja, 3t. Lii^nhard kfrn später an das 
Kloster Marbach, welches pro patronis et fnndatoribns in 
dem Kirchlein den Gottesdienst unterhielt und es später an die Ge- 
meinde PfafFenheim verkaufte (Vgl. Mitteilungen. XX 97) ; heute noch 
ist es als Sondergut im Besitze der dortigen Kirchenfabrik. 

^ Zur weiteren Geschichte des Klosters vgl. die schon erwähnte 
Schrift von Burckhard und Riggenbach. 



— 14 - 

legte die gesamte Güterverwaltung der Stammlande in die 
Hände eines Klosterschalfners oder Meiers, der dort seinen Sitz 
aufschlug. 

Schon die bereits erwähnte Schenkung der Guta Holzweg 
aus Geberschweier, die die älteste nachweisbare Erwähnung 
des Klosters Husern enthält, erfolgte 1241 in der Stadtkirche 
zu Rüfach.i Ob die Frauen damals schon Hofgüter in Rufach 
ihr Eigen nannten, läßt sich nicht erweisen. Dagegen erfolgte 
kaum drei Jahre später 1244 eine beträchtliche Zuwendung an 
das cenobium in Husern durch Heinrich König aus dem 
heute verschwundenen Dörflein Sundheim bei Rufach und durch 
seine Gemahlin Hertha, die sich selbst und all ihr Eigengut 
den frommen Klosterfrauen widmeten; Hertha nahm selbst 
später das Ordenskleid, wie uns die Rückseite des noch er- 
haltenen Pergamentes verrät.^ Die geschenkten Güter sind 
2war nicht aufgezählt; doch war die Familie der Kunige (re- 
gum) eine der wohlhabendsten Rufacher Patrizierfamilien des 
13. Jahrhunderts, die schöne Höfe und Güter in und um 
Rufachs Mauern besaB, und so dürfen wir denn auch mit Recht 
die Schenkung aus dem Jahre 1244 als grundlegend für die 
Klingentaler Hesitzungen in Rufach gelten lassen. Dem Rufacher 
Zinshof ist es aber auch zu verdanken, daß das Kloster in seiner 
^iifg^eb^nen Heimat nicht in Vergessenheit geriet. 

Freilich waren die bereits gemeldeten Kriegsjahre und Um- 
züge dem Flusse der frommen Stiftungen und Schenkungen zu- 
nächst nicht günstig. Doch schon kurz vor 1270 trat wieder eine 
gewisse Mechtild von Rufach, wohl eines der letzten Mitglieder 
dieser Adelsfamilie, in den Orden und überbrachte dem Kloster 
mit ihrer Person die Hütte vnder den krämern ze 
Rufach, do man tücher verkouft.* Der Priester 
Rudeger aber, der um 1280 in Rufach seines Amtes waltete, 
war so erbaut von der stillen Arbeit der Nonnen, zu denen auch 
seine Tochter Gerina gehörte, daß er der reichen Pfründe 
entsagte, mit Hab und Gut nach Hasel übersiedelte und dort in 
der Klosterkirche einen Altar zu Ehren der hl. Martha stiftete, 
an welchem er bis zu seinem Tode Kaplaneidienste versah.* 

Auch die Umgegend von Rufach lieferte reiche Spenden.^ 



1 Urkundenbuch der St. Basel, I 112. 

s Ebenda, I 124. Die Bückseite trägt: (Bona?) sororis 
Berhta de Bubiaca. 

8 Urkundenbuch der St. Basel, m 34. 

* Ebenda, m 215 u. 265. 

& Zu den nun folgenden Angaben vgl. teils das Basler Ur- 
kundenbuch unter Klingen tal, teils die Urkunden selbst im Staats- 
archiv zjOL Basel. 



— 15 — 

Die Guter und Zinsen in Niederenzen stammen von Ritter 
Röselin von Bergholz und Rudolf von Meienheim 1276, die 
von Orschweier teils von Ita, der Tochter Gerharts zum Burgelin 
von Rufach, teils von Konrad Glockner 1300. Von Burkhard 
vom deutschen Hause und seiner Gemahlin kommen 1293 
Liegenschaften in Pfaffenheim, Rufach und Orschweier ; und 
Gerina Himapussin, deren Tochter Gerina in Klingental den 
Schleier trug, widmete 1296 Güter in Niederhergheim und 
Bilzheim. Sophie von Klingen, des edelmütigen Stifters Ge- 
mahlin, schenkte Gefalle in Osenbach, Egisheim, Orschweier 
und Ammerschweier. Die Gundolsheimer Besitzungen wurden 
teils von den Edeln Johann von Heitweiler und Konrad von 
Pfaffenheim um 1300 erkauft, teils sind sie eine Zuwendung 
des Gundolsheimer Leutpriesters Burghard Bezelin aus dem 
Jahre 1284. Mithin verfügte der Hof am Beginn des 14. Jahr- 
hunderts schon über viele Einkünfte aus nah und fern ; aber 
der Gütererwerb kam noch keineswegs ins Stocken. 

Im Mai 1315 kaufte der Klosterschaffner die Schmiede am 
Gewigge zu Rufach von den edeln Damen Elisabeth von Heit- 
weiler und Beiina von Ostheim zu 16 ff und gab sie in Erb- 
lehen. Zwei Jahre später waren es Werner von Isenburg und 
seine Gemahlin Clara, die Grundzinsen käuflich überließen. 
Am 4. April 1323 verkaufte Elisabeth, die Tochter des Edel- 
knechtes Heinrich an dem Werde, Zinsen von der von Stolz- 
heim Haus in Rufach an das Kloster, und im folgenden Jahre 
verzichtete sogar der in Rufach ansässige Jude Abraham von 
Herlisheim gegen eine Entschädigung von 21 ff auf die Güter 
Niblung Hellers in Orschweier zu des Klosters Gunsten. 

Im Jahre 1329 erlitt die Hofanlage selbst einen bedeutenden 
Zuwachs. Damals lebte zu Rufach der Klosterschaffner Burchardus 
Geylfftß. An das Klostergut stieß das Eigentum des Rufacher 
Bürgers Johann Knure, der ein besonderer Freund des Schaff« 
ners war. Als dann Knure 1329 auf das Sterbelager kam, 
übergab er in Gegenwart des Leutpriesters und seines Gesellen 
Haus, Hof und Garten an das Kloster zur Erweiterung des 
llofgutes.i Das Jahr 1347 brachte allein in Rufach weitere 
60 Schatz Reben und 5 Häuser und einen Garten in Abhängig- 
keit vom Kloster, das noch 1349 Grundzinsen von Ritter Hart- 
mann von Jungholz erwarb. 

Hören auch von da an die Erwerbungen größtenteils auf, 
so zeigen doch die Zinsrodeln und Urbare jener Zeit einen 
recht umfangreichen Besitzstand, und der jeweilige Schaffner 



1 Walter, Ürkandenbach der Pfarrei Kafach, 13. 



- 16 - 

hatte sicher Arbeit genug, die vielen Erträgnisse zu bergen 
und zu verwerten/ In Geberschw€iier war ein vireiterer größerer 
Hof von Rufach abhängig und in Pfaffenheim sogar der Burg- 
grafen Hof.i Es waren dies wahrscheinlich die alten Zufiuchts- 
slätten aus den schweren Zeiten des Sturmes und des Dranges. 
Zinsen und Zehnten dagegen flössen in Hülle und Fülle aus 
Katzental, Egisheim, Morschweier, Walbach, Uffholz, Herlisheim, 
Merxheim, Berweiler, Meienheim und Bebeinheim und aus den 
bereits erwähnten Ortschaften der bischöflichen obern Mundaf . 

II. 

Wie stellte sich nun der Hof selbst zur Stadt Rufach und 
zur bischöflichen Verwaltung, und welches waren seine ferneren 
Schicksale ? 

Schon die ältesten städtischen Bestimmungen aus dem 14. 
Jahrhundert zählen unter den gefreiten Gotteshäusern 
und Höfe n^ den sog. Klingentaler Hof auf und fügen ergänzend 
bei: Die Höft seint Frohnens, Wachens, Zollens 
und ander Beschwerden frei. Doch genoß unser Hof 
keine vollständige Befreiung von jeglicher Auflage. So zahlte er 
dem bischöflichen Grundherrn forden einen Teil des Hofes jährlich 
8 ß Schnitter- und Mäherlohn und dem Rufacher Freihof des 
Domkapitels von Straßburg für den andern Teil zwei Kapaunen 
Bodenzins. Als Vogteischutz erhob ein jeweiliger Vogt auf 
Isenburg von dem Schaffner jährlich 1 27 in Münze zu einem 
Paar Stiefel und ein Viertel Korn und der Burgwart 5 ß Portner- 
geld. Der Hofmeier mußte die W y n fuor » uff das Schloß 
zu Ruffach mit sampt den Amptluten des Unter- 
lindenhofes verschaffen. In Kriegszeiten hatte er zwei Pferde 
und einen halben Wagen (Karren) zu stellen ; und kam der 
Bischof mit seinem Gefolge nach Rufach, so hatte der Meyer 
imhoffadminusll knechtezuhaltenmitstallung, 
heu und stro und geliger, underweilen drei 
oder vier. Im 16. Jahrhunderte entschädigte der Bischof 
den Meier für Nachtlager und Schlaftrunk der beherbergten 
Dienerschaft durch eine Verehrung und lieferte den Pferden 
den Hafer selber. 



1 Damals lebte in Pfaffenheim Ditschin Burggraf von Salzmatt, 
der den Hof wahrscheinlich zu Lehen trug. 

2 Es waren dies außer den Stadtklöstern die Höfe von Esckan, 
von Ünterlinden (einer in und einer außer der Stadtmauer), von 
Paris, von Marbach, von Elingental und von Wert; letzterer ging 
später an Lützel über. 

8 Die Znfahr von Zins-, Zehnt- und Kanfweinen. 



„ i7 — 

Die übrigen Verpflichtungen gegenüber der Stadt, die man 
als Entgelt für das sog. Asylrecht auffassen kann, sind kurz 
in folgenden Bestimmungen enthalten. 

Item, wenn man das Gewerf legt, muß der 
Meyer geben uf die Ratstuben 1 omen wißen 
win, dortzu dem Schultheiß, dem Stadt seh riber 
und den vier hotten» alle Jor, wann man das 
Gewerf legt, am Montag dornach oder sonst 
ein bequemer tag einimbs zum besten, so er s 
haben mag . . . Item, wenn man gemein werck« 
macht, muß derMeyer aber geben so di ek und 
soviel 1 omen etwan 2, üntz dornach leut do 
s i n dt.3 

Der Meier oder Schaffner unterstand dem Gerichtsstab der 
Stadt und war in Kriegszeilen den Verteidigern der Isenburg 
zugewiesen. Er war Mitglied der Ratszunft, die ihre Stube 
auf dem Rathause hatte ; dorthin zahlte er deshalb auch 6—8 ß 
sog. Stubenrecht oder Stubenhitze. 

Das Kloster Klingental beauftragte meistens einen K o n - 
versen (Laienbruder), den es nicht besonders zu besolden 
hatte, mit der Verwaltung des Hofes; so treffen wir dort 1431 
einen gewissen Claus Bireger und 1489 einen Claus Kratzkel. 
Anders aber wurde das Verhältnis als die Reformation aus- 
brach, der die Basler Klöster samt und sonders zum Opfer 
fielen. 

Der Basler Rat, der sich bei seiner Handlungsweise auf 
die ihm zustehenden Rechte der Kastvogtei, der Schirmherrschaft 
und der Oberaufsicht der Stadtklöster stützte, erließ am 13. 
Februar und am 26. September 1525 zwei Verordnungen, durch 
die der Fortbestand sämtlicher Klöster in Basel unmöglich ge- 
macht wurde und das Klostervermögen vollständig in die Ver- 
waltung städtischer Verwalter übergehen sollte. Während nun 
die meisten Kiostersiedelungen in kurzer Zeit diesen Maßregeln 
eflagen, hielt sich Klingental noch viele Jahre. Die wackere 
Aebtissin Walpurga von Runß wies jede Verständigung mit dem 
Rate energisch von sich und bewahrte mit treuer Hand Kloster 
und Gut bis zu ihrem am 10. Oktober 1557 erfolgten Tode. 
Auch Ursula von Fulach, die einzige jetzt noch vorhandene 
Klosterfrau, verweigerte zunächst hartnäckig die Herausgabe 
von Schlüssel und Briefen, indem sie geltend machte, die 
Klosterverwaltung stehe nunmehr ihr allein zu. _^Erst am 12. 



1 Ratsbote, Herrenbote, Kirchenbote u. laufender Bote. 

2 Ausbesserung von Weg und Steg auf den icllmenden u. dgl. 
» Stadtarchiv ßufach, BB 2. 

2 



— 18 — 

Januar 1559 ließ sie sich zu einer Vereinbarung herbei ; sie 
wurde mit einer Leibrente abgefunden, verließ Stadt und 
Kloster und damit hatte endlich auch die Klingenlaler Kloster- 
genossenschaft zu bestehen aufgehört.» 

Die Stadt Basel vermischte die errungenen Klostergüter 
keineswegs mit ihren gewöhnlichen städtischen Einkünften, 
sondern sie legte die Verwaltung derselben in die Hände be- 
sonderer Schaffner oder Pfleger und verwendete den Reinertrag 
zur Unterhaltung von Kirchendienern und Schulen und zur 
Unterstützung der Armen und Bedürftigen. 2 Doch kehren wir 
wieder zu unserem Rufacher Hofe zurück. 

Im Jahre 1532 wirtschaftete dort ein gewisser Hans N. als 
Meier und Schaffner, der von unbekannter Seite einen Lohn 
von 30 Sf bezog. In den folgenden Jahren des Haders und des 
Zankes wurde das gesamte Anwesen so vernachlässigt, daß es 
1560 nicht mehr zu bewohnen war. 

Basel bewerkstelligte zunächst von 1560 an die Neubereinung 
der Güter und Gefälle; und erst als diese Arbeit vollständig 
bewältigt war, erfolgte 1566 die Verpachtung des Hofes mit 
sämtlichen Einnahmen und Auflagen an den damaligen Land- 
schreiber 3 Nikolaus Anshelm und seine Ehehälfte Salomea 
Schultheiß. Die Stadt erließ dem Pächter, der den Namen 
eines Meiers weiter führte, die Pachtsumme von 100 ^ Gulden 
und gewährte ihm überdies einen jährlichen Zuschuß von 20 
Gulden in Geld ; dafür mußte er sich verpflichten, in seinen 
Kosten, Haus, Hof, Scheune und Stallung einer vollständigen 
Ausbesserung zu unterwerfen. Sein Einkommen wurde schließ- 
lich noch dadurch vermehrt, daß ihm die Pfaffenheimer Gefälle 
der ehemaligen Klöster St. Clara und Gnadental übergeben 
wurden, wofür er als einzige Last übernahm, in Niederherg- 
heim jährlich einmal, den Dinghof abzuhalten. Des Gots- 
huß Gl i n gen t al Scha ffne r, Z i n s m e i s t e r, Karrer 
und andere verwanthen waren, so oft sie nach 
Rufach kamen, mit ihren Pferden natürlich frei zu halten.* 

Noch war Anshelm mit den umfassenden Arbeiten nicht 
zu Ende, ^Is er am 23. Mai 1575 verstarb. Basel sicherte 



1 Vgl. hierzu Burkhardt-Riggcnbach, die Klosterkirche usw. 

2 R. Wackernagel, Das Kirchen- und Schulgut des Kantons 
Basel-Stadt. 

3 Der Landschreiber hatte früher seinen Sitz in Pfaffenheim 
und war den Schultheißenämtern in Pfaffenheim. Geber schweier, 
Gundolsheim und Orschweier für die erforderlichen Schreibereien 
als Schreiber zugewiesen. 

♦ Staatsarchiv Basel, Klingentaler Papierurkunden. 
» Walter, Alsatia superior sepulta, Nr. 173. 



— 20 — 

jenige der Anshelm, zwei gekreuzte Rebhölzer mit oben und 
unten eingefügtem sechsslrahligen Sterne, noch sichtbar ist. 

Als die Schweden ins Land kamen, stand der Hof unter 
der Verwaltung des Rufacher Stadtschreibers Georg Schlitzweck. 
Trotzdem Gustav Hörn durch ein eigenhändiges Schreiben von 
Kestenholz aus den Basler Herren am 20. November 1632 
Ordonantz und salva quardia wegen ihres 
Klingentaler Hofes zugehen ließ, hinderte das nicht, daß der 
Hof ausgeplündert und mit einem Leutenant^ vier Pferden und 
etlichen Mannschaften als Einquartierung belegt wurde, zum 
großen Schaden von Gut und Schaflfner.i 

Im Jahre 1657 gingen Hof und Güter lehensweise an den 
Rufacher Magisiratsherrn Georg Alexander Knechtlin über, 
und dessen Familie wußte sich den Genuß derselben fast 
anderthalb Jahrhunderte zu sfchern. Zwar wurden 1709 die- 
jenigen Gefalle, die im Sulzer Amte erhoben wurden, und das 
sog. Gnadentalberein in Pfaffenheini von Rufach losgelöst und 
ein besonderes Lehen daraus gebildet, das dem damaligen Land- 
schreiber Melchior Schneider aufgetragen wurde ; aber es blieb 
noch immer ein schöner Restand.^ 

Im Frühjahr des Jahres 1765 verstarb Antonius Knechtlin 
als der letzte seines Geschlechtes. Doch schon zu Lebzeiten 
hatte er der Stadt Rasel seinen Vetter Anton Weingand zu 
seinem Lehensnachfolger empfohlen. Und wie dann Hab und 
Gut der Knechtlin an Weingand überging, da folgte auch 
die Rasier Relehnung mit dem Hofe und seiner Zubehör auf 
dem Fuße. Nach der am 20. Mai 1765 abgefaßten Urkunde 
bestand der Hof aus zwei Häusern, Slallung, Waschhaus mit 
Rackofen, drei Gärten und einem Sodbrunnen, alles mit einer 
Mauer umgeben; dazu gehörten an Eigengütern 12 Juchert 
Wiesen, 26 Schatz Acker und Reben und 24 Juch Wald ,» alles 
im Rufacher Ranne. Die übrigen Gefalle gibt folgende Zu- 
sammenstellung. 



1 Staatsarchiv Basel, KLingental Papierurkunden. 

2 Auf diese Weise entstand das sog. Schneidersche Lehen, das 
von Melchior Sehn. 1725 auf dessen Sohn Johann Anton und noch 
1789 an den damaligen Bnfacher Amtmann Schneider überging. 
Der Hof in Bufach selbst war vorübergehend an Johann GeschLckt, 
den damaligen Deutschordensschaffner, der die Witwe von Humbert 
Christoph Knechtlin geheiratet hatte» verliehen. 

s Der Wald lag im sog. Niederwald und war in zwei Malen 
angekauft worden ; 1433 von den Brüdern Hans und Burkhard von 
Meienheim und 1439 von Agnes von Meienheim, Heinrich Meiers 
Frau. (Basel, Klingental. Papierurkunden.) 



— 21 — 





Letzte 












Be- 
reini- 


Korn 


Geld 


Wein 


Sonstige Gefälle. 




gVLng 











Eafach 

Heiligkreoz 
Niederhergheim 

Nieder- und 
Oberenzen 

Pfaffenheim 

Gebersch\veier 

Oundolsheim 

Manweiler 

Orschweler 
Bergholz 

Salzmatt 
Westhalten 

Egisheim 
Berlisheini 



1561 
1738 

1735 

1739 
1739 
1735 
1735 

1561 
1561 
1562 



17 Viertel 



115flri4ß 



3 Viertel - 



18 Viertel 
4 Viertel 

6 Viertel 
6 Viertel 



7flri03 
ISf 

8ß 

4flfl2ß 

14flf 14ß 

2 8fl3ß 



qÄ^ 2Bmwar?te 
j unm ,200 Strohwellen 



10 S. 
15i|sMaß 

6 S. 
10V«Maß 



4 Saum 



32Regelsbirneni 



1 Kapaune 



Diese gesamten Einkünfte wurden an Weingand abgetreten 
gegen den üblichen Lehenzins von 102 8f 10 ß in Geld und 40 
Ohmen Wein, mit der althergebrachten Verpflichtung, das von 
Anton Knechtlin fast neuerrichtete Haus fortan in gutem Stande 
zu erhalten. 

Die Revolutionsjahre gefährdeten der Stadt Basel zunächst 
ihren ßesitz nicht ; doch brachten sie ihr soviele Schreibereien 
und Unannehmlichkeiten, daß sich das Direktorium der Schaff- 
neien 1798 entschloß, alle im Elsaß liegenden Güter und 
Ansprüche zu verkaufen. Weingand bot für den Rufacher 
Zinshof unter der Hand 60000 frs. an, aber Basel wollte nicht 
annehmen. So kamen schließlich sämtliche elsässischen Lehens- 
gefalle usw. am 30. Oktober 1798 in Basel unter den Hammer, 
und der Bartenheimer Bürger Georg Baumann erstand sie zum 
Preise von 114000 frs. 



1 Der Regelsbirnbaum, der eine kräftige Winterbirne trägt, ist 
im Pfaffenheimer und im Bufacher Banne noch durch wenige Exem- 
plare vertreten. Die Colmarer größeren Jahrbücher berichten schon 
aus dem Jahre 1278: Regelsbiren 40 uno denarip . . . 
vendebatur. Pertz. Monumenta, XVni 202. 



— 22 - 

In Rufach ist wenig vom alten Zinshofe erhalten geblieben. 
Eine Brandnacht des Jahres 1873 hat das Hauptgebäude 
vernichtet, ohne daß es bis heute wiedererstanden wäre, und 
die Nebengebäude erlitten infolgedessen durch seinen jetzigen 
Besitzer Weingand Isidor einen vollständigen Umbau. Nur der 
seltsame Sodbrunnen steht noch einsam am wirren Trummerfelde 
als einziger Zeuge vergangener Herrlichkeit. Basel aber hat heute 
noch sein sog. Kirchen- und Schulgut, in das der Kauferlös 
von 1798 floß, und das ausschließlich zu Unterrichts- und 
Kultuszwecken Verwendung findet, unter eigener Verwaltung. 



111. 

Inventare des früheren Franziskaner- 

t 

klosters von Golmar.^ 

Von 

Dr. Aug. Hertzog-Colmar. 

Vor zwei Jahren habe ich an derselben Stelle die letz- 
ten schicksalsschweren Tage des Colmarer Franziskanerklosters 
geschildert, dabei konnte ich an Hand zweier vorgefundenen 
Jahresrechnungen, die Bedeutung der damaligen Jahreserträ<re 
aus dem Klostervermögen und sonstigen Einkünften des Klosters 
dartun. Wenn schon solche Jahresrechnungen ein Licht auf die 
Lebensweise der damaligen Hausinsaßen werfen konnten, so 
dürfte es nicht minder der Fall sein, für die Inventare des 
Mobiliars sowie der Schätze des im Jahr 154''2, durch den Tod 
der letzten Brüder, abgegangenen Klosters. Sofort nach dem 
Aussterben des Colmarer Franziskanerklosters, wurde auf An- 
ordnung der städtischen Behörde, durch den Stadtschreiber 
Humel, in Gegenwart der zwei KlosterschafFner, ein Verzeichnis 
alles vorhandenen Mobiliars des erwähnten Gotteshauses, auf- 
gestellt. 

Dies Inventar wurde damals zimmerweise aufgenommen, 
und so lernen wir dadurch die Namen der zuletzt noch darin 
wohnhaft gewesenen Brüder kennen. Es waren dies nämlich 
der Herr Vize-Guardian Antonius Feist, für welchen zu 
begraben an den Totengräber Gunrat Schefflen, am 
Donnerstag nach Adelphi, 1541, sowie für den Herrn Hans 
Müller, Musiklehrer und Orp^anist, 10 ß bezahlt worden 



Spitalarchiv Colmar, Fonds II, A, 6. 



— 24 — 

sind. Dann wird darin noch erwähnt die Kammern des jüngeren 
Herrn Jakob sei. und des Herrn Andreas. Wer der 
jüngere Herr Jakob war, konnte nicht ermittelt werden, jeden- 
falls hieß derselbe aber so, im Gegensatze zum älteren Herrn 
Jakob, dem den Lesern wohlbekannten letzten Guardian des 
Klosters, Jakob Einfalt, aus Geberschweier. Ich vermute 
sogar^ daß es ein naher Verwandter desselben gewesen sei. 
Ueber die Person des Herrn Andreas, konnte ich ebenfalls 
nichts in Erfahrung bringen ; da aber bei dessen Namen das 
Wörtchen selig fehlt, so ist anzunehmen, daß derselbe doch 
nicht gestorben war, vielleicht nur in ein anderes Kloster sich 
begeben hatte, wie übrigens in Thann, nach Auflösung des 
Colmarer Klosters, in der Tat, ein früherer Golmarer Franzis- 
kaner erscheint, er hieß Nikolaus Boffler, und starb dort 
am iO. November 1559, als Guardian des dortigen Hauses. 

Wenn wir nun dies Mobiliar-Inventar, wie wir es hier 
veröffentlichen, näher betrachten, so geht daraus hervor, daß 
die Klosterausstattung eine ganz bescheidene gewesen ist, und 
sicherlich in uns nicht den Eindruck erwecken wird, als hätten 
große Reichtümer darin existiert. Aufiallig ist das Fehlen jeder 
Bibliothek, und doch wissen wir, daß die Franziskaner von 
Golmar, zeitweise eine Lateinschule gehalten haben. Wahrschein- 
heb ist die Bibliothek, schon viel früher, beim Aufhören des 
Schulbetriebs, in ein anderes Kloster verbracht worden. Eine 
Ausnahme davon macht das Privatgemach des Provinzials, der 
in letzter Zeit viel und oft in Golmar war. Nur in der Kammer 
des musik beflissenen Bruders, des Herrn Hansen Müllers, 
finden wir ein einigermaßen gelehrtes Inventar ; so ein Gemälde, 
zwei ecKlaffen Zimen> (das Glavicordium), eines davon hatte er 
noch kurz vor seinem Tode gekauft, wie dies aus einer der 
vorerwähnten Jahresrechnungen hervorgeht ; ferner eine große 
Viola, eine Lyra und endlich fünf Bücher ; eine gemalte Tafel 
und einen gemalten Isac. Im Kloster befand sich dann auch, wie 
in allen Klöstern, eine Gastkammer, die schon ein wenig Luxus 
verrät, denn da finden wir unter anderem zwei «heidesch werken 
sorgen». Heidesch werk ist aber ein damasziertes Gewebe. Durch 
das Inventar der Wohnung des Herrn Vize-Guardians sei. erfahren 
wir sogar etwas über seine Bekleidung, denn da finden wir ein 
schwarzes Paar Hosen und ein ebensolches Wams, einen schwarzen 
Mantel, eine schwarze Kappe, zwei Hüte, grau und schwarz und 
ein Wetschger. Vielleicht dürfte ein Leser des Jahrbuchs uns 
diesen Ausdruck deuten, es war mir nicht möglich festzustellen, 
was darin zu verstehen sei [s. u. S. 38 Anm. 4]. 

In der Kammer des jüngeren Herrn Jakobs sei. finden wir 
einen gefutterten Pelzrock, der einigermaßen auf Komfort hin- 



— 25 — 

deutet. Dieser Bruder muß wohl sich mit einem Studium ab- 
gegeben haben, denn er hatte in seinem Zimmer «cdreißig bücher 
ungeverdlich», friedlich daneben lag «ein tegen in einer hültzen- 
scheiden». 

Wüßten wir nicht, daß im Franziskanerkloster sich auch 
eine Pensionsanstalt befand, in welche sich Leute gegen Her- 
gabe eines gewissen Vermögens oder Geldes einkaufen konnten, 
so würde uns die Inventarüberschrift «In der Kochin Chamer)» 
etwas befremden ; denn in einem Kloster durfte keine Köchin 
gehalten werden. Diese Person war in unserem speziellen Falle 
die Haushälterin der Pensionäre und der Gäste des Klosters ; 
darin finden wir auch nur eine geringfügige Fahrendhabe. Wie 
noch heutzutage in vielen bäuerlichen Haushaltungen, finden 
wir im Klosterinventar einen nicht unbedeutenden Bestand an 
Kölschwäsche. Auch die Serge wird darin oft erwähnt. Die 
Bettausrüsttingen überwiegen in dem Verzeichnisse, was nicht 
Wunder nehmen kann, zumal ja zu gewissen Zeiten viele In- 
sassen im Kloster waren, z. B. bei Provinzversammlungen und 
Konventen. 

In des Vize-Guardians anderem Kämmerlein finden wir 
unter anderem eine Glutpfanne, ein Geräte, welches die Jüngeren 
wohl nicht mehr kennen; ich erinnere mich aber noch in un- 
serem El lernhause eine Glutpfanne zur Erwärmung der Bette 
gesehen zu haben, in französischer Sprache heißen diese Geräte 
cun Moine^D (Mönch), sicher deutet dieser Name darauf hin, 
daß dies Mobiliarstück hauptsächlich in den Klöstern in Gebrauch 
stand. Auch hier sehen wir einen Degen erwähnt. Ein «Marien- 
bild in einer tafeb, d. h. eingerahmt, und ein Diurnalbuchlein 
vervollständigt die Ausstattung des stellvertretenden Kloster - 
oberen. 

In einem Troge finden wir dann viel Zinngeschirr aufbewahrt, 
sowie etliche Messingkannen; darunter zwei Suppen Kerlin, 
deren eins verdeckt. Ich erwähne diesen Eintrag hauptsächlich 
wegen des Wortes «Kerlin», das Deminutiv von «Kar», soviel 
als Schüssel bedeutend. Das Wort Kar wird heute noch zu 
Geberschweier und in der Umgegend so gebraucht. Hier wieder 
einmal einige wertvollere Bekleidungsgegenstände : «ein alter 
wisser beltzrock mit schwarz überzogen», ein paar «loden Hosen» 
kuttüert (sie) wattiert. In einem andern Troge begegnen wir 
unter anderer Wäsche «zehn tischlachen und dreien «Servietli» ; 
damals entschieden noch ein seltenes Gebrauchsstück. In einem 
«Stüblin» erscheint sogar ein «Gütschpfülw» , Kutschpfuhl oder 
Kutschenkissen, ein «Bankküssen», denn damals gab es noch 
keine Kanapees, endlich auch ein «Crucifix». Die Seltenheit 
dieses Gegenstandes in unserem Inventare dürfte für ein Kloster 



— 26 - 

auffallend erscheinen, es mußte damals immerhin noch ein 
ziemlich teures Kunstprodukt gewesen sein. 

Wie im Franziskanerkloster zu Thann, und wohl in anderen 
Klöstern dieses Ordens auch, hatte das Colmarer Minoritenkloster 
sein Sommerhaus, in dessen Inventar besonders folgende wert- 
vollere Gegenstände auffallen dürften : (icein heidisch werken 
küssen, eine gemalte taffei, 4 messin Liechtsteck, ein kupferin 
Keltkessel (Kühlkessel)» und etliche Bücher. 

Unsere Hausfrauen dürften sicher mit großem Interesse 
das Mobiliarverzeichnis der Küche lesen, welche sehr reich an 
Kupfer-, Messing- und ehernen Geschirrstücken gewesen ist. 
Zur Erklärung des Ausdrucks seien hier nur die darin vor- 
kommenden «sechs zinnin steufflin» erwähnt. Ein «Staufen» 
war eine Art Kelchgefäß, «steufflin» sind demnach kleine 
Trinkkelche aus Zinn. Auch ein Drehbratspieß fehlte nicht. 
Von den Kupfer- und Messinggefäßen, die in der «Spiß Chamer» 
(der Ausdruck noch gebräuchlich) vorhanden waren, dürften 
manche schon eines ehrwürdigen Alters gewesen sein, so das 
«Messen hangend giffßfaß>) und das andere «messen giesfas, ist 
ein Roß». 

Im Keller lagerten noch 16 Fuder Wein, oder 16 X "^'^ = 192 
Hektoliter. 

Unter Nummer IV veröffentlichen wir ein sehr interessantes 
Dokument, nämlich das Verzeichnis alles dessen, was im Jahr 
1543 in der Provinzialskammer gefunden worden ist. In jedem 
Hause des Franziskanerordens war für den Provinzial beständig 
ein Gelaß frei gehalten, in dem sich dieser Würdenträger auf 
seinen Reisen durch die Provinz aufhalten konnte. Das Datum 
dieser Urkunde konnte nicht genau festgestellt werden. Daß es 
aber nicht nach 1543 aufgestellt worden sein kann, beweist der 
Umstand, daß gewisse Wertgegenstände aus diesem Gelasse 
dem Herrn Jakob gegeben worden sind ; es war dies der letzte 
Guardian, J a k b Einfalt von Geberschweier, der 
am 19. Juni 1543 gestorben ist. 

Um dies Dokument den Lesern noch näher zu führen, 
werde ich an Hand von am Rande angebrachten Bewertungen 
der darin verzeichneten Gegenstände den Wert derselben zugleicji 
auch im heutigen Geldwerte angeben. Es sind somit in der Pro- 
vinzialwohnung an Wertgegenständen und Münzen Mk. 10941,95 
gefunden worden. 

Die nachträgliche Notiz über die Ausgaben aus diesem 
Fonds trägt den Vermerk, actum dritt Aprilis des Jors .... 
wobei die Jahreszahl jedoch absolut unleserlich hingekritzelt ist. 
Das Ausräumungsprotokoll der Sakristei ist aber auf Donnerstag 
den dritten Aprilis 1544 datiert, und wir schließen daraus, da^ 



— 27 — 

diese nachträglichen Bewertungsnoiizen sowie der Ausgabever- 
merk in der besprochenen Urkunde auch von diesem Tage sind. 
Das Inventar selbst muß jedoch noch bei Lebzeiten des Herrn 
Guardians Jakob Einfalt aufgestellt worden sein, also noch vor 
dem 19. Juni 1543 dessen Todestag, weil er gewisse Gegen- 
stände aus der Provinzialwohnung gekauft hat, teilweise auch 
zur Ruckerstattung an deren Eigentümer erhielt. 

Wenn ein späterer Archivar aus dem XVII. Jahrhundert 
diese Urkunde mit folgendem Vermerk überschrieben hat: 

ccinventarium des provintials seligen Verlassenschaft be- 
langendt]», so will das nicht heißen,, daß bei Aufstellung des- 
selben der Provinzial schon tot war, tot war dieser Würdenträger 
schon lange, aber nur für den Archivar, der dies Stück später dem 
Spitalarchiv einreihte. Hier sei noch bemerkt, daß bei Verkauf 
des Klosterwesens das ganze Mobiliar i des Hauses um den 
Preis von 300 gld. und 2 Fuder Weins verkauft worden war. 
Aus dem Inventar der Provinzialwohnung im Golmarer 
Minoritenhause geht hervor, daß der Provinzial, damals Bar- 
thoiomaeus Herrmann, recht hohe Beziehungen hatte, so 
rührte ein doppeltes großes übergoldetes Trinkgeschirr, mit 
4 Mark 6 Lot Reingewicht, mit einem jetzigen Geldwerte von 
Mk. 932,80, von der Kaiserlichen Majestät her. Ein gedecktes 
Waschgeschirr, mit 27 Lot reines Goldgewicht, war ein Geschenk 
des Abtes von Murbach an den Provinzial ; so wird wohl auch 
die beschlagene wertvolle Muschel mit des Bischofs Wappen 
von Speyer, von diesem Prälaten herrühren. Ein großer Becher, 
in- und auswendig vergoldet, mit einem Reingewicht von 4i|2 
Mark Golds, wurde dem Provinzial durch des Stifts Konvent, 
d. h. durch die Versammlung der Provinzoberen verehrt. Wenn 
wir in demselben Verzeichnisse silberne Bischofsringe finden ^ 
so dürfen auch diese Geschenke von Bischöfen oder auch Ver- 
mächtnisse derselben gewesen sein. Erinnern wir uns noch, 
daß im Verkaufsakt des Klosters an das Golmarer Bürgerspital 
in der Einleitung gesagt wird, als sei das Kloster sehr arm 
und herabgekommen, so reimt sich die ansehnliche Geldsumme 
in Gestalt von Goldmünzen, welche in des Provinzials^ Kammer 
vorgefunden wurde, nicht mit dieser Erklärung, erklärt sich 
aber dadurch, daß von Rechtswegen das gesamte Mobiliar des 
Hauses dem Provinzial persönlich angehörte, und damals auch 
zu seinem persönlichen Vorteile dem Spitale verkauft w^orden 
ist, Bartholomaeus Herrmann hätte aber, so könnte man meinen, 



1 Die Kleinode und der Goldschatz inbegriffen, mit Ausnahme 
jedoch der Kirchenornate und Kleinode in der Sakristei, die dem 
Orden bleiben sollten. 



- as — 

mit dem vorhandenen Gelde doch leicht können das Haus wieder 
instandsetzen, so er nur gewollt hätte. Deshalb wird ihm wohl 
nicht ganz mit Unrecht von den Franziskanern zu Thann der 
Vorwurf gemacht, als hätte er mit den Klöstern, die er ver- 
kaufte, gewuchert. Auf Grund dessen, was wir über denselben 
aus den Colmarer Spitalurkunden erfahren, möchten wir es 
jedenfalls nicht wagen, ihn von diesem Vorwurfe ganz reinzu- 
waschen. Nur darin durfte er einigermaßen eine Entschuldigung 
finden, daß die Zeitläufte ihn dazu gezwungen haben, und daß 
wohl der Colmarer Magistrat ihm zu jeder Zeit Hindernisse in 
den Weg legte, wenn er nur Miene machte einige neue Patres 
dorthin zu senden^ um das Kloster zu versehen. Immer hatte 
der Stadtmagistrat Grunde, um ihn daran zu hindern, davon 
abzubringen. Schon das alleinige Verbot, ohne spezielle Er- 
mächtigung des Stadtrats weitere Novizen aufzunehmen, mußte 
xJer Stiftung den Todesstoß geben. 

Aus dem Inventar der Kirchenornate und Kleinode erfahren 
wir, daß einer der Kelche von Dr, Menzer herrührte ; dieser 
Mann war aber in seinem Orden und auch in der Welt so 
hochgeachtet, daß es sich lohnt, demselben hier einige Beach- 
tung angedeihen zu lassen. Dessen Name hatte überall solch 
guten Klang, daß er jetzt noch verdient, rühmlichst erwähnt 
zu werden. Um das Minoritenhaus von Golmar selbst hat er 
.sich dadurch recht verdient gemacht, daß er zugunsten des 
Klosters eine auf die Stadt Golmar lautende ewige Rente er- 
warb, welche zur baulichen Erhaltung des Hauses verwendet 
werden solUe, Auch war er des öfteren und lange Zeit hindurch 
Guardian des Golmarer Franziskanerklosters. Als solcher er- 
scheint er bereits 1494, dann 1501 und 1502, ferner in den 
Jahren 1507 — 1509, er erscheint wiederum als Hausoberer von 
Golmar in den Jahrgängen 1515, 1516 und 1518. Von Dr. Job. 
Mentzer erfahren wir aus der Ordenschronik, daß er 1483 nach 
der Wahl des neuen Provinzials, Georg Summer, unter den 
Abgeordneten sich befand, welche zum Ordensgeneral nach 
Rom gesandt wurden, um die Bestätigung der Wahl einzuholen 
und zu erwirken. Er war aber damals erst Baccalaureus, noch 
nicht Doktor. 

Als Georg Summer am 31. August 1498, das Zeitliche ge- 
segnet hatte, fungierte unterdessen, bis zur Neuwahl eines 
Provinzoberen, Dr. Johannes Mentzer, der zugleich Gustos 
von Elsaß war, als Provinzvikar, und berief als solcher das 
Wahlkapitel nach Straßburg auf den 16. Oktober des genannten 
Jahres. Er präsidierte auch, als «utique prudens et circum- 
spectus virD, kluger und allseits umsichtiger Mann, diesem Wahl- 
kapitel. 



— 29 — 

Auf dem zu Frankfurt a. Main, am Feste des h). Bartholo- 
maus (24. August), abgehaltenen Provinzkapitel des Jahres 1499^ 
zelebrierte Mag. Johannes Mentzer, custos Alsaciae, die hl. 
Messe. Unter den Wählern des Straßburger Wahlkapitels vom 
3. März 1510 erschienen dann vom Colmarer Hause die Brüder 
Johannes Mentzer, Guardian und Christianus Keßler discretus 
des gesamten Klosters. 

Er muß gegen 1519 gestorben sein ; denn auf Montag nach 
St. Agathentag erscheint in den Akten und Verträgen des 
Colmarer Minoritenklosters, ein neuer Guardian^ Bruder 
Johannes von Stau f f en. Wohl hat er dann hei seinem 
Tode seiner Konventskirche, den im Inventar aufgezeichneten 
Kelch hinterlassen und vermacht. 

Bevor wir nun das Colmarer Kloster verlassen, wollen wir 
nochmals seines letzten Guardians, des Würzburger Dompredigers, 
Jakob Einfalts von Geberschweier gedenken. In meinem vor- 
erwähnten Aufsatze «Die letzten Jahre des Colmarer Minoriten- 
klosters)», äußerte ich das Bedauern, über dessen Eigenschaften 
und Tätigkeit, nichts Näheres mitteilen zu können. Ich kann 
dies heute in etwas nachholen. Seit dem Erscheinen dieser 
kleinen Schrift, an dieser selben Stelle, habe ich im Pfarr- 
archive, das verloren geglaubte, wertvolle, alte Pfarrbuch der 
Kirche, wieder gefunden; es ist dies Buch ein sogen. Seelen- 
buch oder Liber vitae,in welchem alle Seelgerätestiftungen 
eingetragen wurden. Die darin enthaltenen Einträge gehen 
bis in das XIII. Jahrhundert hinauf. Das Buch selbst ist eine 
Abschrift aus dem XVII. Jahrhundert, des alten Buches, 
welches nach darin enthaltenen Notizen, 4)ereits von Maternus 
Berler, zum erstenmale abgeschrieben und anders angeordnet 
worden war. In diesem Seelgeräteregister beßndet sich die 
Obituarnotiz über den Franziskaner Jakob Einfalt, welche in 
zierlichem aber schwulstigem Latein der Zeit geschrieben, von 
Matern Berler selbst verfaßt wurde. Bekanntlich hat Berler 
über fünfzig Jahre in Geberschweier amtiert, wo er wohl im 
Herbst oder Winter 1575, gestorben ist. Berler mußte dem- 
nach Jakob Einfalt persönlich gekannt haben, war er ja einer 
seiner Testamentsvollstrecker. Wir dürfen somit im Urteile 
Berlers über den letzten Colmarer Guardian, etwas mehr er- 
blicken als ein bloßes Höflichkeitsurteil über eine Persönlich- 
keit, welche die Kirche ihres Geburtsdorfes, bei ihrem Tode 
reichlich bedacht hatte. Hier erfahren wir den richtigen Todes- 
tag des greisen Würzburger Dompredigers, 19. Juni 1543. 
Berler nennt ihn einen Mann größter Gelehrsamkeit, einen 
trefflichen Mönch, und gestrengen Lehrer des rechten und 
echten Glaubens. Nach dieser Notiz war er auch Guardian des 



— 3Ü — 

Straßburger Minoritenhauses, wenn Argentuacensis so übersetzt 
werden kann, und es nicht vieHeicht «A.rgeutuarensis» heißt, 
das vielleicht Berler, in archaisierender Tendenz für Colmar 
anwenden wollte. Argentuar hieß bekanntlich Horburg, und 
Horburg konnte ja als die Mutterstadt Colmars angesehen wer- 
den. Urkundlich ist Jakob Einfalt, als Guardian von Straßburg, 
mir nämlich noch nie vorgekommen. Nach dieser Notiz, sowie 
auch nach seinem im Spitalarchiv von Colmar sich befindenden 
Testamente, hat Jakob Einfalt seinen zu Geberschweier und 
Reichenweiher wohnenden Verwandten (eis. Freunden), welche 
arm waren, aus seinem, durch seine schwere Predigttätigkeit 
erworbenen Vermögen, zweihundert Goldgulden vermacht. Für 
die Abhaltung eines feierlichen Seelgedächtnisses in der Kirche 
seines Geburtsdorfes Geberschweier, gab er dann noch der 
Kirche genannten Dorfes weitere 20 Goldgulden, sowie einen 
reich verzierten goldenen Kelch, mit dem er Zeit seines Lebens 
die Messe gelesen. Bei dieser Gelegenheit nennt ihn Berler einen 
scharfen Vorkämpfer für den guten alten Glauben, «orthodoxae 
priscae fidei acerrimus propugnator», und lobt besonders seine 
große Liebe zum vaterländischen Boden, zu seinem Geburls- 
dorfe Geberschweier, das seiner nie und nimmer vergessen sollte. 

Ich lasse hier den ausführlichen Text der Obituarnotiz aus 
dem alten Geberschweierer Seelbuche, Seite 98, folgen: 

Anno Domini 1543. 19** die Junii vita defunctus est Herbi- 
poli, summae eruditionis vir, egregius Monachus, ac absolutissimus 
orthodoxae fidei Theologus, Venerand us Pater Jacobus Einfalt 
deGeberschwyler, tum guardianus celeberrimi ccenobii 
minorum Argentuacensis (vielleicht Argentuarensis), tum Lector 
et Goncionator cathedralis Ecclesiae Herbipolensis, qui suis egenis 
amicis in Geberschwyler et adjacentibus villis, vitam degentibus 
in eleemosynam legavit distribuendam proprio ac peculio, quod 
annuali acquisierat stipendio, ingenti concionandi labore nacto, 
ducentos aureos nummos, quos mox distributos acceperunt, 
Materno Berler Rubeaquentino et Thoma Schmid Ecclesiae 
ac villae administratoribus erogantibus. Insuper anniversarium 
perpetuum subsequenti die post conceptionis Deiferae Virginis 
celebrandum vigiliis et missis solemniter et pie persolvendis 
instituit, cum viginti aureorum dotatione annualem in censum 
cedentium, tali distributione fienda, quod templi fabricae media 
floreni pars cedat, ex altera vero Rectori ecclesiastico ob domini- 
calem sui suorumque memoriam declamaturam, ut usu convaluit : 
•quindecim denarii, ceteri vero decem solidi, aequaliter praesenti- 
bus singulis presbyteris dividantur, absentes vero carentiae sint 
participes, ni condigna intercesserit excusatio (ein ehehafter 
-Grund zum Ausbleiben von Gottesdienste für Einfalt) annualis 



— 31 — 

vero census ab Ecclesiae procuratore distribuendus perhenne 
permaneat; Idern orthodoxae priscae fidei acerrimus propugnator, 
nativo ex amore erga natalem solum haud sinentem sui esse 
immemorem non tantum hos aureos viginti nummos Ecclesiae' 
conliilit, verumeliam eundem Divorum Pantaleonis et Himerii 
templum, caJice auro delinito purissimo ingenti praxitelina arte 
sculpto dono decoravit, cumquo sacra perficienda solitus erat, 
cui imprecor caelestibus perfrui mansionibus, fial. — 

Maternus Berler Rubeaquentinus moderator tune ecclesias- 
ticus ac Decanus citra Othonis Imperatoris Golles significavit. 

Anno Christi 1544. 

Mit diesem kurzen Einblick und Ruck bück übergebe ich 
nun die anliegenden Verzeichnisse der Oeflfentlichkeit, in der 
Hoffnung, daß die Leser nicht ohne Interesse, bei deren Lesung 
Sachen und Personen an sich vorbeiziehen lassen werden. Ich 
denke, daß es an Hand solcher Inventare möglich sein durfte, 
sich ein klares und anregendes Bild der inneren Einrichtung 
und der Lebensweise der Insassen des damaligen Franziskaner- 
klosters von Golmar zu machen. Wir treten damit gleichsam 
in ein Museum mit altertümlichen Möbeln und Hausgeräten 
ein ; wen aber würde ein Besuch in eine solche Sammlung nicht 
gar sonderbar anmuten ? mit Lebhaftigkeit kann man sich dabei 
mit den geistigen Augen, diese Räumlichkeiten von ihren dama- 
ligen Bewohnern belebt, vorstellen. Es dürfte, glaube ich, wenig 
Leute geben die nicht ohne eine gewisse Rührung zu empfinden, 
solche Räume durchschreiten würden. Das aber können wir nun 
auch tun, wenn wir nach Kenntnisnahme dieser Urkunden die 
jetzt noch erhaltenen Baulichkeilen des Klosters in Augenschein 
nehmen, welche zur Zeit den vorderen Teil des Bürgerspitales 
von Golmar bilden, in welchen das Waisenhaus und das sog. 
wälsche Spital untergebracht sind. Als ich noch in Golmar Spital - 
direkter war, konnte ich diese altehrwurdigen Räume nie durch- 
schreiten, ohne der braven Franziskaner zu gedenken, welche 
in der Krankenpflege während des Pestjahres 1541, 1542 
ihren Tod gefunden haben. Ganz besonders fiel mir jedesmal 
der große Saal der jetzt die Badeanstalt und den Passanten- 
saal enthält auf, ein gewölbtes Gemach (im Passantensaal ist 
das Gewölbe durch ein Plafond ersetzt), mit großen steinernen 
quadratischen Säulen und noch zwei gut erhaltenen Fenstern 
mit gewundenen Säulchen, welcher große Raum wohl als 
Refektorium oder Versammlungssaal gedient haben wird. 
Ob welche gemalte Holztafeln, die im Hospital vorhanden sind, 
noch vom Kloster herstammen, ist schwer zu sagen, da im 
Verzeichnis für zwei solcher Tafeln nicht gesagt wird, welches 
Sujet die Gemälde darboten. Vielleicht sind dort die zwei 



— 32 — 

schönen Gemälde der Colmarer Malerschuie, die sich im Chore 
der früheren Franziskanerkirche, der jeUigen Spitalkapelle, be- 
finden, früheres Eigentum des Minoritenhauses von Co) mar 
gewesen, etwa auch noch zwei andere, in Relief gehaltene 
bemalte Holztafeln, die eine die Taufe Christi, die andere 
Elias mit dem Einsiedler Paulus darstellend. Von allen anderen 
noch im Spitale vorhandenen Gemälden, können keine mehr 
dieses Ursprungs sein, da sie alle jünger sind, als 1543, wo 
das Kloster mit aller fahrenden Habe und Gütern in das Eigen- 
tum des Bürgerspitals überging. Da jedoch die Kirche Eigen- 
tum der Stadt wurde, und dieselbe später den Protestanten 
übergeben, eine Zeitlang sogar den Jesuiten gegeben worden 
war, so ist es nicht mehr möglich mit Sicherheit daraus zu 
schließen, ob diese Kunstwerke von den Franziskanern her- 
stammen oder von jeher dem Spitale gehört haben. Kirchen- 
gemälde sind nämlich keine ins Eigentum des Spitals über- 
gegangen, sondern wurden mit der Kirche städtisches Eigen, und 
das Kirchen mobiliar wurde nicht inventoriert. 

Ob bei Wiedereröffnung des Chores für die Katholiken im 
Jahre 1715, diese Gemälde sich darin befanden, oder durch 
das Spital hineingetan wurden, ließ sich nicht mehr feststellen. 
Zu vermuten ist ersteres, dann könnten sie also wohl schon den 
Franziskanern gehört haben. Bekanntlich ist damals das Chor 
nicht als eigentliche Spitalkapelle, sondern als Hilfspfarreikirche 
für das Münster errichtet und von der Kirchenfabrik von St. 
Martin aus, wurde damals die Neuausstattung der Filialkirche 
verwirklicht. Im Verzeichnis der damals durch die St. Martins- 
Pfarrkirche gelieferten Ausrüstungsgegenstände der Filiale, welches 
im Fonds der St. Martinskirche auf dem Stadtarchiv sich vorfindet, 
ist von keinen Gemälden oder Tafeln die Rede, so daß es wohl 
möglich wäre, daß dieselben noch vom alten Franziskanerinven- 
tare herrühren. Bei der Revolution wurde dann bekanntlich auch 
die Spitalkirche ausgeräumt, dabei sind dann wohl diese schönen 
Gemälde auf den Speicher gelangt, und dort bis in die 1880er 
Jahre liegen geblieben, wo sie durch den kunstliebenden Oeko- 
nomen Herrn F o 1 1 z und dem derzeitigen Spitalapotheker Herrn 
Pfister, aufgefunden wurden. Auf Betreiben einiger Kenner, 
wurde dann beschlossen, dieselben restaurieren zu lassen und 
in der Kapelle wieder aufzuhängen, wo sie jetzt allen Besuchern 
leicht zugänglich gemacht worden sind. 

Von dem alten Geschirre, Zinn, Kupfer und Eisen ist 
weder in Küche noch Haushalt irgend etwas erhalten geblieben. 
Es mag wohl manches ganz moderne Zinnstück von diesem 
Zinne^ das sicher oft umgegossen wurde, wie es Sitte ist es 
zu tun, herrühren. Kupferne und eherne Gefäße sind nur 



— 33 — 

noch selten im heutigen Kuchenin ventare des Bürgerspitales zu 
finden und rühren keines mehr von dieser Klosterausstattung her. 

Betten, Truhen und Kästen sind ebenfalls keine mehr vor- 
handen, diese Mobiliarstücke konnten einem so intensiven 
Gebrauch, wie es für ein Hospiz und Krankenhaus der Fall 
ist, nicht lange wiederstehen, wurden notwendigerweise schnell 
verschleißt und durch Neues ersetzt. 

So bleiben vom alten Franziskanerkloster nur noch die 
vorderen Spitalgebäude, die protestantische Kirche und die 
Spitalkapelle übrig. Auch die dem Spitale dienenden Gebäude 
des jetzigen Waisenhauses und der sogen. Wälsche, werden dem- 
nächst verschwinden um Neubauten Platz zu machen. Es mögen 
dann die in der Anlage veröffentlichten Inventare, das Andenken 
an eine alte ehrwürdige Vergangenheit wachhalten. Die Kunst 
der Photographie hat dasselbe schon für die Gebäude getan. 



Anlagen. 

I. 

Verzeichnus des Barfüäerclosters Kleinetern 

und Kirchen Zierden. 

Signatur: A. L. 1. ad N*' 25. Durchstrichen de ao. 1542. 

Anno etc. xlii Mitwoch noch Sanct Jacobs des Apostels tag, 
In bywesen der fürnemen und wysen Herren Cunrat Wickrams 
Stetmeisters, und Hans Stromeyers schultheißens Als vor Rhadt 
geordnete pflegere des Barfüßerclosters sonder ouch In gegen- 
wirtikeit des Ersamen Herren Eüseby Kalbfleischs, Alexander 
Fuchsen Schaffners berürten gotzhüses und Johann Humeis 
Stattschribers, sind obgemelt closters Kelch und Kirchen Zierden 
von Silber und gold Inuenliert und uffgeschriben worden wie 
nochvolgt. 

Erstlich Zehen gemeyner Kelch mit Iren Patenen, us und 
Inwendig vergült ußgenomen ein paten so nit vergült, 

Aber ein großer Kelch mit einer patenen us und Inn ver- 
gült kompt von Doctor Mentzer bar, 

Aber ein Kelch mit einem Silberin faß ein silberin paten, 
und allein der napfif vergült, 

Aber ein großen silberin Monstrantz, darin allerlei heiltumbs 
In eim glaß, und oben dorin unserfrowen bild. 

Item ein groß Silberin Grutz, an eim ort mit eim Grütz, 
Am Andern ort unserfrowen bild, 

3 



— 34 — 

Item ein klein Silberin CrützUtt an eim ort ein Veronica 
Am Andern ort In der mitte HeiTtumb mit einem küpfiferin füß. 

Item Zwey Silberin Meßkentlin, das ein mit eim V. und 
das Ander mit eim A. bezeicht^ 

Von obgemelten Kelchen ist dem Schaffner obstot ein Kelch 
sampt der Paten zu teglichem meßhalten uberantwurt, und was 
übriges In ein behalter der Sacrasty verwart worden. 

Item ein gros Gorporal mit Berlin, (Perlen) ^ 

Item Zwey Gorporal mit schwartzem Samat, 

Item ein Gorporal mit Rotem Samat, 

Item ein wiß Damast Ghorkappen * 

Item ein wiß Damast Meßgewandt 

Item Zwen wiß damast Leviten Reck 

Item aber ein wiß damast meßgewandt, 

Item ein swartz samat meßgewant sampt zweyen swartzen 
samaten leviten reck. 

Item ein goltgels damastin meßgewant, 

Item ij Humeral * mit ubergulten buchstaben 

Dis alles obstot ligt In einer Nuwen beslagenen laden mit 
zweyen heideschwerken Kußlen beswert, zu dem ein slussell 
und . . . Herrn Hans Stromeyern uberantwurt. 

Mer ein grossen hültzen KopfF mit Zweyen gebenden (sie) 
— metallenen Diademen. Ein Reliquienbehälter: Htzg. 

Item ein silbern becher mit eim fuß, 

Mer 4 kleiner silber becher mit fußlin vergült. 

Wie vorgeschriben, Ist ufF heut Donderstag nach dem 
Sontag Judica 44. In beysein deß Herren Prouincials, und eineß 
Ersamen weysen rhats der Statt Golmar verordnete befunden, 
und darum durch den Herrn Prouincial genommen worden» 
Inhalt eyneß Anderen Inuentariumbß oder verzeichnuß dessenn 



1 Hier ist nicht das eigentliche Corporate gemeint, das von 
feiner Leinwand, ohne Verzierung und Stickerei sein soll, sondern 
der Behälter desselben, die Bursa ein doppelter Deckel aus starkem 
Kattenpapier, dessen drei Seiten so zusammengenäht sind, daß an 
der vierten, offenen Seite das zusammengefaltete Corporate leicht 
hineingeschoben und herausgenommen werden kann. Das Corporate 
selbst dient zum Darauflegen des all erheiligsten Sakraments und 
Aufstellen des Kelches mit demselben. 

2 Soviel wie Chormantel oder Pluviale. 

3 goltgel = goldgelb. 

* Hier bedeutet Humeral nicht das weißleinene Schultertuch 
das der Priester bei der Messe umschlägt, sondern das Schulter- 
velum (velum humeral e) von reiner oder mit Gold und Silber 
durchwirkter Seide und der Länge nach mit schönen Borden, an den. 
beiden unteren Enden mit Gold- und Silberfransen versehen, das bei 
Segenspendung mit dem Allerheiligsten gebraucht wird, man nennt 
es auch das Segentuch. 



— 35 ~ 

bezeug Ich Veit Moll Stattschreiber Zft Hagenouw, mit diser 
meiner eigner handtgeschrifft. Dat. at supra, 

Papierheft von zwei in Langshälften zusammengelegten 
Blättern. 

Wasserzeichen : Baselstab. 

II. 
Ausraumung^sprotokoll der Sakristei. 

Anno etc. 44. Donstags den dritten Aprilis hett Herr 
Prouintial die Sacrasty geraumpt und genomen wie nachuolgt. 

Erstlich 7 gemeyner Kelch mit Iren patenen, ußgnomen 
ein paten so Silbern und nit vergult, 

Item j großer Kelch mit einer Patenen uß und Inwendig 
vergült kompt von Doclor Mentzer her, 

Item j Silberin f an eim ort mit eim f am andern ort 
unser frowen pild, 

It. j gros silbern Monstrantz dorin allerley heltums oben 
dorin unser fruwen piltnus, 

Item 2 Silberin meßkentlin das ein mit V und das ander 
mit eim A. 

Item fünfF Gorporal ettliche mit Berlin gestickt. In ein Gy- 
pressen kistlin. 

It. ein gros berlin Gorporal 

It. ein par Zinin meßkenlin 

Item ein swartz samathin Meß^want sampt Zweyen Sama- 
thin leviten Reck mit funff Alben 

It. j wiß Parchattis i meßgwand mit 2 Leuiten Reck und 
4 alben. 

lt. j wis schamlotin* meßgewant» mit 2 Leuiten Reck,* 
sampt 4 alben und einer chorkapen, ouch schamlotin. 

Item j wiß schamlotin meßgewant 

It. j kußlin druff ein Lemblin mit eim fenlin,o ouch einem 
Vogel, sampt Unten sidin Arbeil (?) 



i Barchent, frzs. Fataines, ein geköpertes, dichtes Gewebe aas 
GanzbaamwoUe oder auch, die Kette darin aas Leinen und der 
Schuß aus Baumwolle. 

2 Schamlotin, Schamelot, Gewebe aus Kamelhaar oder auch ge- 
meinem Ziegenhaar, f rz3. camelot. S. Scherz. Glossar, sab Yo. Schamelot. 

"^ Die Kasel, casula. 

^ Levitenrock = Dalmatica, ein dem Meßgewand ähnliches 
Gewand, das den zelebrierenden Priester assistierenden Geistlichen, 
Diakonen, eigen ist. Albe, ein vom Halse bis zu den Füßen herab - 
wallendes, weißes leinenes Gewand des die Messe zelebrierenden 
Priesters. 

5 Wohl ein Agnus Dei und ein Pelikan : Stickarbeit. 



— 3(5 — 

It. j Rott handtzwehelin mit pluwen Schuß 

It. j Rotte samatin Ghorkapp (Pluviale) 

It. j Rot samatin Meßgwandt (Casuia) 

It. Sidin meßgwand ist sprickelecht (mehrfarbig gesprenkelt). 
Der Ausdruck «Spr^ckelig» jetzt noch gebräuchlich in elsäss. 
Mundart. 

It. etlich alte Anziege und Chorrock dobi. 

4- 
Quartpa pierbogen mit Wasserzeichen : got. P. 

111. 

M obiliarin V entar . 

Inventarium allei' gemach und behalter des Barfüßer Closters 

und was dorin durch Johann Humeln Stattschriber In 

bywesen Alexander Füchsen des alten, und Peter 

Eckhen fNuwen Schaffners beschriben den Andern octobris 

AD 42. 

Signaturen: S. C: L. 2. durchstrichen; N*> 5Vs- durchstrichen; 

A L 1 ad N« 25 durchstrichen. 

Erstlich oben iuff dem dormenter^ In Herr 
vice guardians seliger chamer. 

Item vi beter, dorunder zwey mit Ziechen, und die Andren 
plüt, (nackt, unüberzogen). Der Ausdruck jetzt noch üblich. 

Item ij Küssen mit Ziechen 

Item iiij Küssen un Ziechen (ohne Anzüge). Der Ausdruck 
heute noch gebräuchlich. 

In des Jüngern Herren Jacobs seliger Ghamern 

Item j bett überzogen 

Item j gefüterten beltzrockh 

Item j Zwilichenen Wamast (Wams) 

Item etlich alt Hembder 

Item j swartz Paret 

Item ij alt par hosen 

Item ij alte Wamast (W^ams) 

Item V alter librock (Unterkleid) 

Item ij Messing Kannen I hier vielleicht mäßig und halb- 

und halbmessing Kann | mäßig zu deuten. 

Item ij platten 



1 Dormitorium, frz. Dortoir, Schlafgemach der Mönche. 



— 37 -« 

Item ij essschüßlen 

Ilem XXX büecher ungeverdlich 

Item j tegen In einer hultzen scheiden 

Ilem ein wüllen Hembd 

In Herr Andressen Ghamer. 

Item ein ploß belt (nacktes, nicht überzogenes Bett)J 
Item ein wollen wis Hembt 
Item zwen Librock 
Item ein Kapen 
Item ein parchat librock 
Item ij swartze paret 
Item ij beltz Ermell 
Item viij Wamast 

Item V lilachen gros und klein (lilachen = Bettucher) 
heute noch üblicher Ausdruck. 

Item ij sloffhüben (Schlafmützen) 

Item V Hembder 

Item ij (unleserlich) güilel 

In der Kochin Chamer. 

Item ij Deckpett 

Item drü Küssen doründer eins ploß und die übrigen zwei 
mit Ziechen. 

In Herrn Hansen Müllers chamern. 

Item j gemalte taffei (auf Holz gemaltes Bild) 

Item ij Klaffen Zimer (Clavicordium, frzs., clavecin) . 

Item j große Viola 

Item ein lira 

Item V bücher 

Item ij plechen plettlin 

Item j gemalten Isac (Lsaak) 

Item j Bigell (Bügel zum Feueranmachen) 

Item j tegen 

Item ij lange messer 

Item j slofThublin (kleine Schlafmütze) 

Item j Sessel 

Item j trog. 

In der Ghamer Uff dem reiffhus^ 

Item ij better doründer eins mit der Ziechen 
Item j Deckpett 



1 Das Haus wo die Holzreife und wohl auch alle Herbstgeräte 
aufbewahrt wurden. 



— 38 — 

Item ein kelsche^ Ziechen 
Item ij Küssen überzogen 
Item j Rotte serg (franz. Serge) « 
Item ein lilachen (Betttuch) 
Item j Nüwe Kutt 

In der Gast Chamern. 

Item ij betladen, ligent uff der einen zwei bette mit Ziechen 

Item j Deckpet 

Item vj Küssen mit Ziechen 

Item ij Küssen on Ziechen 

Item ij heideschwercken sergen» 

Item j grüne serg 

In der Chamer dogegen über. 

Item ij betladen 

Item ij bette mit Ziechen 

Item ij bette on Ziechen 

Item V Küssen mit Ziechen 

Item V Küssen on Ziechen 

Item j Ziechen 

Item iij lilachen 

Item j Deckpett 

Item j gros plos Küssen 

Item j Serg. 

In Hern vice gftardians seliger gemftch. 
In der hindern Chamer 

Item 1 gros pet bloß 

Item j bloß Küssen 

Item iij alter sergen 

Item alte Kutter 

Item swartz Hosen und wamast 

Item j swartzen Mantel 

Item j swartze Kap 

Item ij Hut grow und schwartz, 

Item j Wetschger, (sie)* 



1 Nach kölnischer Art weiß und blau, oder auch rot gefärbt6d 
Linnengewebe, jetzt noch Kölsch genannt. 

s Seidenes, halbseidenes, baumwollenes, fünf- und siebenbündiges 
Atlasgewebe. 

3 Heidenschwerck, gestickt, mit Blumen bewirkt wie Damast 
vom Orient. 

* Wohl ein Wams. [Eine Reisetasche. Red.] 



— 39 — 

In dem Andern Cämerlin. 

Item ij plosse bett. 

Item j Bloß Küssen 

Item j gros giesfaß 

Item j klein Kusselin (kleines Kissen) 

Item j glutpfan (französ. un moine) 

Item j tegen 

Item ein Maria pild In einer tafel 

Item j Diurnal püchlin ^ 

Ein trog und dorinn 

Item ein messing Kann 

Item xj Kleiner kenlin 

Item j Zinin trink fflin (wahrsch. Schüsselin) 

Item ij Zinin fleschlin 

Item 1 Zinin giesfaß 

Item ij Süpen Kerlin deren eins verdeckt 

Item iij Eßschüßlen 

Item ij Zinnen becher 

Item j alter wisser beltzrock mit swartz überzogen. 

Item j unüberzogener beltz 

Item j swartzer verrißen li brock gefüttert 

Item ein par loden Hosen Kultiiert (sie)« 

In eim Andren trog. 

Item xj iilachen 

Item vj küssen Ziechen gros und klein, 

Item iij Bett Ziechen 

Item X tischlachen 

Item iij Serüietli (Serviettes) 

Item iij Hembder 

Item ij alt böß Tischlachen 

Item iij klein kelsch Ziechen 

Item j groß kelsch Küssen Ziechen 

Item ij Zwehlen (Handzvvellen, Handtücher) 

Im S tüb 1 in. 

Item ein gütschpfülw (Kutschenkissen) 
Item ein Rote Serg 



1 Büchlein mit den täglichen Gebeten, ein Teil des Brevieres 
im Gegensatze zum Teile desselben, welcher nur die Nachtgebete 
enthält. 

3 Nach Mitteilungen einer sachkundigen Dame, bedeutet <kut- 
tüiert» soviel als «mit Watte gefüttert». 



-• 40 — 

Item ein banckussen (Bankissen) 

Item etliche büecher 

Item ij Wasser becklin 

Item ein Essichfaß 

Item ein Crucifix 

I m Somer Hü s 

Item iiij Kutten 

Item j gutschen bett (Kutschenbett) 
Item ein Banckpfülwen (Bankpolster oder Kissen) 
Item zwey Sergilin 

Item j heidisch werken küssen (küssen bezieht sich auf 
sergilin und heidisch werken) 
Item j gemalte tafFel 
Item iiij messin Liehtsteck 
Item j kupferin Keltkessel (Kühlkessel) 
Item j kupferin Kessel 
Ilem etlich büecher 

In der Ghamer dorin Herr Guardians Trog. 

Item j gros bett überzogen 

Item j langen banck pfui wen ploß (die heute noch vor- 
kommende Ofenhank). 

Item iiij küssen gros und klein überzogen. 

In der Küchen. 

Item iij par großer platten 

Item vj par mynder platten 

Ilem 1 Zinnen teller 

Item ij zinnin Supen chärlin gros und klein, 

Item ein Supen Kar ist plechin 

Item vij eßschüßlen 

Item vij senff schüßlen 

Item vj Zinnin steüfflin (Zinnbecher) 

Item j Zinnen teller 

Item vj messen liechtsteck 

Item j Zinnin pletli 

Item ij Erin hefFen (eherne Häfen) 

Itenri ij küpferin Külkessel 

Item iij küpfern Wasser Kessel 

Aber j Hecht stock 

Item ij pratpfannen ein Küpferin und ein Iserin 

Item j glutpfann 

Item iij messen pfannen (Messingpfannen) 



— 41 — 

Item j messin Sybeckin (Siebbecken) 

Item j kupferin Sybecken 

Item j klein messin kesselin 

Ilem j grosse kupferin pfan (Pfanne) 

Item iiij Jßner (sie) pfannen 

Item vj küpfrin hafen Deckel 

Item ij par Hackmesser 

Item ij Drifuß 

Item ij Rost 

Item iij Kessel gros und klein 

Item j wasser becken 

Item zwen gros Keltkessell 

Item ij Bibysen (Reibeisen) 

Item iiij Isin protspiß (Bratspies) 

Item j Erin Klingelstein und j stessell 

Item ij Isen leffell 

Item j umbgonder protspis (frz. Tournebroche) 

Spiß Cbam er. 

Item ij elhäffen (Oelhafen) 

Item j kupferin hafen mit eim Deckel! 

Item vj Erin heffen gros und klein 

Item j Protmesser 

Item j Messen hangend giesfaß 

Item j messen giesfas ist ein Boß 

Item j zwo messige Kann (2 Maß haltende 'Kanne) 

Item V messig Kannen (ein Maß haltende Kannen) 

Item xvij trinckkenlin 

Item iij kleiner trinckkenlin 

Item zwei meß Kenlin (wohl alte Meßkännchen) 

Item vj Zinnin becher 

Im Keller. 

Item xvj fuder win 

Item j tischlach (Tischluch). Ausdruck heute noch in Ge- 
brauch. 

Item bese Seck. 

Papierheft von sechzehn in zwei Läiigshalften geteilten 
Halbbogen. Beschrieben 181(2 Seilen. 
Wasserzeichen : Baselstab. 



— 42 — 



IV. 



Inn des Prouintials Chamer gefunden. 

Erstlichs ein großen becher inn und aufwendig 
vergult haltet 4 »(2 marck So Ime von des StifFt 
Convents verehret worden. 
Heutiger * 41/2 marck ij lot ; von anderer Schrift. 

Geldwert " * Her Jacob hat daß gelost 52 gl. Wieder 

915,20 Mk. von anderer Schrift. 

Aber ein doppeltes groß ubergulde trinckgschir 
haltet iiij marck vi lot Riert von der K«" Äf- 
her. 

* 41/2 marck j lot. die 4 mck. u. j lot golA 
932,80 » sind dz 53 gl. 4 b. 

Item ein verdeck waschgschir vom Abbt von 
Murbach harlangendt thuot xxvij lot 

352,00 )) * Her Jacob (das durch?) 20 gl empfangen. 

It. ein beschlagene (Mustalmiß ?) * mit des 
Bischofs von Speyers Wopen. 

* bot gölten. (Wertangabe fehlt hier.) 

Aber ein verdeckt weschgschir In und auß- 
wendig vergult, hatt ein . . . (unleserlich.) 
haltet xix lot 
255,20 j> M9i|2 lots 

(Unleserl. Namen) hot dieß empfangen 14 Va gi- 
lt, ein vergulten Leifel dorin ij lot j qu. = quint 
211,20 » * Aus der schalen und Leffel erleßt xij gl. 

Aber ein gedeckts becherlin thuot 14 V2 lot. 
* Obendarüber geschrieben : Dises becherlin 
387,20 » sambt den Messern (?) hat gölten xxij gl. 

N B. Die Messer, siehe unten ! (Herlzg.) 
It. aber ein verdeckts guld. becherlin uff 
xxiiij lot * thut xvij lot 

It. ein Ledlin ein agnus dei mit Berlin und 
(«edlen» durchstrichen) Gestein verfaßt. 



3053,60 Mk. 



' Von einer zweiten Hand hinzugefügte interlinear- und Rand- 
notizen. 

** Von einer dritten Hand hinzugefügte Notiz. 

1 Vielleicht eine beschlagene Muschel? 

2 Wo die Gewichtszahlen abgeändert sind, muß das auf n ach- 
trägliehe genauere Abwägungen beruhen. 



— 43 - 

3053,60 Mk. 

It. ein guld schnür, 

It. ein berlin bisam KnopfT, (ein Moschus- 
behälter) 

It. ein Ledlin mit Hüben unnd fatzenetlin ^ 
unnd einem . . . (Letztes Wort unleserlich.) 
It. ij silberin BischofTring, 
It. ein ledlin dorinn iij silberin (ecbischof», 
durchstrichen)* und iij Messin groß Insigel 
ligendt. 

It. ij par messer mit silber beschlagen. (Siehe 
obige Not.) (?) 

It. ein unbeschlagen fuoter mit acht großen 
messerin. (siehe obige Notiz) (?) 

It. ij unbeschlagen par fineren messer, (siehe 
obige Notiz) (?) 
It. j par groß messer, (Siehe obige Not.) (?) 
It. ein Conservatorium der gantz Prouintz» 
It. Inn einem seckel 
2538,90 » Ixxxxj Kronen Venedisch 
669,60 » xxiiij Kronen frantzesch, 
770,40 y> xxxvj gold gülden. 

Mher In Kleinen secklin dorin gelegen, 
2666,00 » I. einfach Ducaten Ixxxvj (I = Item) 
434,00 » I. Doppelt Ducaten vij 

I. ein Zvvifachen angeschlagen für iiij ein- 
124,00 » fache ducaten 
107,00 » I. gold guld. V. 

Das alles ist Inn eim beschlagnen Dischlin 
funden worden. 
558,00 » I. ij Khronen j * Ist Hn Jacob ge- 

21,40 y> I. i golt gl. I liffert worden, solchs 

I. ein klein ledelin \ den . . . und Khellerin 
mit alter müntz und i denen eß do zugehörig, 
prüch Silber / zuzustellen. 



10942,90 Mk. 



* In suma Alles gelt so es vorhanden gewesen, ist dem 
Wechßler In beysein des Stattschribers geliffert worden, sonst 



1 Hanben und Taschentüchern. 

2 Wohl anch Bischofsringe. 

3 Register in welchem die Rechte der Provinz eingetragen 
waren, vielleicht auch ein Mosikkompendlum. 

* Von einer zweiten Hand hinzugefügte interlinear- und Rand- 
notizen. 



— 44 — 

alles Silbergscbir verkbaufft, und daB erioßt gelt auch Im 
Wecbßel erlegt worden. 

Außgab. 

It. erAllichs Hern Jacob uberiiffert worden funffzig vene- 
discbe Kbronen (csolchs der», diese zwei Worte durchstrichen) 
(drei Worte unleserlich) actum dritt Aprilis des Jors 1544 (?) 
Signataren : S C. L 2. N. 14 A. L. 1 ad Nnm 25. dnrehstrichen. 

Nach dem Tode des Provinciais überschrieben : 

Inventarium des prouintials seligen Verlassenschaft be- 
belangendt. 

gehört Zuo des Newen Spithalsschriflen. 

Papierbogen mit Wasserzeichen : Krone mit darüber ge- 
stelltem VL. 



IV. 

Beitrag zur Geschichte des Rathauses 

in Ensisheim. 

Von 

Wilhelm Beemelmans. 

Mit zwei Abbildungen. 

-Als Erzherzog Ferdinand I. am 17, August 1523 das Regi- 

"^^nt für die vorderösterreichischen Lande in Ensisheim im Ober- 

ßtsaß errichtete, fehlte es an einem geeigneten Gebäude, um diese 

^hörde unterzubringen. Das «Regiment» arbeitete zunächst im 

^^^^n Rathause. Schon bald wurden in Innsbruck die bittersten 

^*^gen über den schlechten Zustand des Rathauses erhoben, es 

^^* baufällig und der Aufenthalt darin lebensgefahrlich. Am 

^^ April 1532 beantragten «Statthalter, Regenten und Räte im 

oberen Elsaß)», Ferdinand, der am 5. Januar 1531 römischer 

^^tiig geworden war, möchte ihnen doch gestatten, ein neues 

*^^thaus zu erbauen und tausend Gulden dazu gewähren. Dieses 

^eld sollte aus den vierziglausend Gulden genommen werden, 

^^Iche die vorländischen Stände als Beihilfe zu den Kämpfen 

*^^M^illigt hatten, die Ferdinand zur Befestigung seiner jungen 

^*^&arischen Krone mit den Türken führen mußte. Das Regiment 

^^<i die Kammer in Innsbruck befürworteten den Antrag und 

^^^sen darauf hin, daß die Klagen, nach den Berichten von 

*^ä.ten aus Tirol, welche «dafornen» in Ensisheim gewesen 

^^ren, durchaus begründet seien. Nur eine einzige Stube sei 

*^^nulzbar, diese könne aber auch nicht geheizt werden, so daß 

^^ im Winter nicht auszuhalten sei. Am 17. Oktober 1533 

^^^'Willigte König Ferdinand von Wien aus die erbetenen tausend 

^^Iden aus der Türkenhilfe unter der Bedingung, daß auch 



— 47 — 

Rathaiisbau sei alles in bester Ordnung, Um so unangenehmer 
wirkte sechs Jahre själer die große Forderung für den Bau, 
mit welcher der König überrascht wurde. AI« er im Jahr 1540 
— Wohl zur Teilnahme an dem Religionsgespräcbe vom 25. Juni 



Portal des Treppe ntnrm es am Raihause zu Ensisheim. 

1540 — in Hagenau weilte, sandle das Regiment von Ensisheim 
eine Abordnung zu seiner Begiüßung, Diese Irug vor, der 
Sch ullbeiß Johann Höllzlin habe bereits fünflausend Gulden 
an dem Baihause verbaut und brauche noch eine ansehnliche 
Summe zur Vollendung des Werkes. Außerdem legten die Ge- 



— 48 — 

sandten eine Bittschrift des Werkmeisters Stephan Gadmer und 
des Steinmetzen Heinrich Hermann i aus Thann vor. Köni^ 
Ferdinand war entrüstet. Am 12. Juli 1540 forderte er Regenten 
und Kammerräte in Innsbruck zum Bericht auf und verlangte^ 
daß der Schultheiß zur Rechnungslegung angehalten würde. 
Dieser Befehl muß mit Eilboten nach Innsbruck gebracht worden 
sein, denn schon am 24. Juli 1540 sandte die dortige Regierung 
einen eingehenden Bericht an den König ab, dem sie den ganzen , 
auf das Rathaus bezüglichen Schriftwechsel seit 1532 in Ab- 
schrift beilegte. 

Aus dem Schreiben geht hervor, daß der Bau im Jahre 
1537 noch gar nicht begonnen war. Diese Nachricht ist um so 
merkwürdiger, als in der Kunstgeschichte allgemein die Ent- 
stehungszeit des Gebäudes in das Jahr 1535 verlegt wird (s. 
u. a. von Franz Xaver Kraus^ «Kunst und Altertum in Elsaß- 
Lothringen», Band H, Seite 78, und von Lübke, «Greschichte 
der deutschen Kunst», Seite 724, «Geschichte der Architektur», 
Band H, Seite 472). Die Zeitbestimmung rührt daher, daß an 
dem großen Sims, das Erdgeschoß und Oberstock trennt, an 
zwei deutlich sichtbaren Stellen ein Schildchen mit der Jahres- 
zahl 1535 angebracht ist. Offenbar wurden in der Bauhütte alle 
Steine lang vor der Ausführung des Baues bearbeitet. Es wird 
diese Uebung auch in einem Gesuch vom 22. Juni 1541 beson- 
ders angedeutet und auf eine Beihülfe von dreihundert Gulden 
gedrängt, da das Stein werk gesetzt werden müsse, ehe der 
Werkmeister Stephan Gadmer stürbe oder fortzöge. 

Die Regierung in Innsbruck hatte ebenfalls geglaubt, ein 
landesherrlicher Zuschuß von tausend Gulden aus der Türken- 
hilfe wurde ausreichen, da die übrigen Baukosten durch die 
«Hilif, Steur und Roboten» (Robot v. slav. robota Arbeit, 
Frondienst) der Landschatten und der Stadt Ensisheim aufge- 
bracht werden würden. Sie hatte nicht vermutet, daß man an 
einem so kleinen Orte ein so bedeutendes Bauwerk beginnen 
würde. Am 19. November 1540 mußte sie dem Könige berichten, 
es seien schon fünftausendsiebenhundert Gulden für das Rathaus 
ausgegeben worden und bis zu seiner Vollendung müßten noch- 
mals fünf- bis sechstausend Gulden beschafft werden. Die Ent- 
scheidung, ob und wie das Geld gegeben werden solle, sei sehr 
dringlich, denn der Baumeister und der Werkführer wollten 
wissen, ob sie fortgehen oder weiter arbeiten sollten. 

Da eine Antwort vom Hofe nicht eintraf, berichtete die 



1 Dieser Heinrieh Hermann ist der Enkel von Stephan Hermann, 
des Vollenders des Nordportals am Münster zu Thann. Vgl. Lempfrid. 
«Kaiser Heinrich II. am Münster zu Thann», Straßburg 1897. Seite 59. 



— 49 — 

Regierung in Innsbruck am 16. Dezember 1540 wieder, der 
Bau müsse gefördert und das Geld bewilligt werden, die vor- 
ländischen Stände könnten aber nicht mehr helfen und auch 
die Kasse der Kammer in Innsbruck sei leer. Dies Schreiben 
fruchtete gleichfalls nichts, so daß die Bitte am 30. März und 
am 22. Juni 1541 wiederholt wurde. 

Es ließ sich nicht feststellen, ob Ferdinand damals über- 
haupt geantwortet hat. Jedenfalls hatte der König in jener so 
stürmischen Zeit kaum Muße, sich um das Rathaus in Ensis- 
heim zu kümmern. 

Im schmalkaldischen Kriege, sechs Wochen vor der Schlacht 
von Mühlberg, genehmigte Ferdinand von Dresden aus am 
12. März 1547, daß das vorgestreckte Geld für den Bau in 
Ensisheim aus dem — wohl 1544 im Anschluß an den Reichs- 
tag zu Speier von den Ständen bewilligten — Türkenhilfsgelde 
zurückerstattet werde. Hieraus ist zu schließen, daß der Bau 
im Jahre 1547 beendigt, war. 

Die vorstehende Darstellung baut sich auf die im Anhange 
wiedergegebenen Urkunden aus dem K. K. Statthaltereiarchiv 
in Innsbruck auf. Dieselben habe ich, gelegentlich anderer 
Untersuchungen dort gefunden. Wahrscheinlich sind noch 
mehrere auf den Rathausbau bezügliche Stucke in Innsbruck 
vorhanden, die ich aber leider nicht entdecken konnte ; doch 
dürfte auch schon diese geringe Ausbeute genügen, um ein 
Bild von der Entstehungsgeschichte des Baues zu geben und 
ein Streiflicht auf die amtliche Behandlung eines solchen Falles 
im XVI. Jahrhundert zu werfen. Besonders interessant ist dabei 
die Verwendung der Türkenhilfsgelder ! Bei einer solchen Finanz- 
wirtschafl braucht man sich nicht zu wundern, daß König Fer- 
dinand dem Sultan Soliman gegenüber so geringe Erfolge auf- 
zuweisen hatte und ihm schließlich tributpflichtig wurde ! 

Von den Urkunden aus dem Jahre 1540 — Nr. 6, 7, 8, 9 
des Anhangs — ist in dem «Jahrbuch der Kunsthistorischen 
Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses», Band II, Wien 
1884 unter Nr. 2198, 2200, 2204, 2206 i kurz der Inhalt oder 
ein Bruchstück angegeben. Es empfiehlt sich aber des Zusammen- 
hangs wegen hier doch den ganzen Text aus den Kopialbüchern 
mitzuteilen. 

Nachdem der Bau glücklich vollendet war, sah er im Jahre 



1 Lempfrid führt, a. a. 0., Seite 59. Note 1, die Nr. 2206 als : 
«Urk. und Reg. aus dem K. K. Statthaltereiarchiv zu Innsbruck 
Nr. 2206* an. Diese Note ist irreführend, denn die Urkunde Nr. 2206 
im Statthaltereiarchiv stammt aus der Zeit Kaiser Maximilians I. und 
hat mit dem Eathausbau in Ensisheim nichts zu tun. 

4 



- 50 — 

1562 den Kaiser Ferdinand I. in seinen Mauern. Bis 1036 diente 
er als Regimenfshaus und wurde dann ein Jahr lang als Kaserne 
benutzt. Die Regierung der Erzherzogin Claudia befahl am 
3. Juli 1637 von Breisach aus die Räumung des Hauses durch 
die Truppen und legte denen, die ohne ihre Erlaubnis über den 
Bau verfugt hatten, die Kosten der Wiederherstellung zur Last. 
(Merklen, Histoirede la Villed^Ensisheim, Tome II, 1841, S. 71.) 

Nach dem dreißigjährigen Krieg wurde im September 1657 
der Gonseil souverain d'Alsace nach Ensisheim verlegt und hielt 
seine Sitzungen im Regimentshause ab. Im April 1674 ordnete 
Ludwig XIV. an, daß der Conseil souverain nach Breisach um- 
ziehen müsse, weil er dort vor etwaigen feindlichen Ueberfallen 
sicherer wäre. Damit verlor Ensisheim endgültig seine alte Be- 
deutung und sein schönes Rathaus stand leer. 

Durch königliche Ordonnanz vom 26. März 1701 wurde der 
Palast des Gonseil souverain der Stadt als Gemeindehaus abge- 
treten. Erst im Jahre 1735 richtete sich die Stadt dort ein und 
setzte das Gebäude wieder instand. Es blieb Stadthaus bis auf 
den heutigen Tag. Die Helden der Revolution gingen noch ver- 
hältnismäßig glinipflich mit ihm um, doch sind noch heute ihre 
Spuren deutlich sichtbar. 

Zu deutscher Zeit wurde das Rathaus anfangs der achtziger 
Jahre sorgfaltig erneuert und unter die geschichtlichen Denk- 
mäler eingereiht. Als einer der ältesten Renaissancebauten in 
Deutschland und der hervorragendsten weltlichen Gebäude des 
Elsasses verdient das Rathaus von Ensisheim das lebhafte Interesse 
aller Freunde der Kunstgeschichte. (Bezüglich seines kunsthisto- 
rischen Wertes sei hier insbesondere auf F. X. Kraus, a. a. O., 
hingewiesen.) Das «Alte Haus», der Vorgänger des jelzijfen 
Rathauses, stand noch zu Merklens Zeiten. Es fiel 1879 dem 
großen Brande zum Opfer und wurde völlig zerstört. 



I. Kopialbuch aMissiuen an Hofy>, i53'2. 

New Rathaus zu Enshaim 

Allerdurchleuchtigister etc. Weihermassen Eure Kn. Mt. 
Stalhalter, Regenten vnd Rete in Oberm Elsaß vnns verpawung 
halben ains Newen Rathaus geschriben haben, bey Eurer Kn. 
Mt. veniianung zu thun, das hat Eur Kn. Mt. aus Innligender 
Gopey genedigist zuuernemen, vnnd so dann soihs Innhalt Ires 
antzaigens von nöten ist, das solch Rathaus aus den vrsachen 
Ires Schreibens Ivernewt werde, So geruech sich Eur Kn. Mt. 
derselben genedigen gefallen, vnnd beruerter notdurfft nach 
genediglich zu entsliessen Inen die Tausent guldin von dem 



-^ 51 — 

Rest der Turkenhilf! laut Ires anfzaigens zu erpawung aines 

Newen Kathaus, als dann etliche aus vnns solchs vast notdurfftig 

zu sein gesehen haben, genedigklich zu bewilligen, sonderlich 

dieweyl Sy verhelffen solchs bey den stänndn dauern auch zu 

er/anngen. Vnnd tun Eurer Kn. Mt. vnns vnndtertenigklich 

beuelk^en, Datum Ynnsprugg XII tag Apprillis Anno etc. im 

XXX.1 1 len 

Stathalter Regennten 
Chamer. 

• Auf Blatt 234 des Kopialbuchs: 

n die Römisch Königliche Majestät» von 1532, 33, 34, 35 
bericlrmten Regiment und Kammer von Innsbruck an König 
Ferdiaaand am 19. September 1533, die Regierung in Ensisheim 
habe gebeten, 

^c das E. Kn. Mt. gnediglich bewilligen wolle, von den 
viert ^igtausent gülden der vordem lanndt bewilligten Turggen- 
hilf si.in tausend! gnädighklich zu erpawung des Ratshauss zu 
Ennss-i^haim, dieweil dasselb gannlz Pawfellig sey vnnd sich 
Ires I^ebens darjnn sicher zu sein nit versehen mugen eintziehen 
und A'erpawen zu lassen». Von tiroler Räten die «verschiner 
Zeit dafornen zu Ennsißhaim gewesst» würden die Klagen der 
Ensi:slieimer bestätigt und gemeldet: 

<xso hab gedacht Rathauss nit mer dann ain Stuben, sey 

ganrkf^2 Pauwfellig vnnd mügen sich die Partheyen wynnters 

^^*^^n vor Kelte nit enthalten, vnnd vilmalen abwesig in Ire 

hert>^j.ggjrj thuen, derhalben die notturfft erfordert, wie die 

"^S"^ unten zu Ennsißheim antzaigen, solch Rathauß vnnd dar- 

*^"^ ain ordenliche Canntzley darjnn E. Kn. M. Ganntzley 

oact^^jj vnnd Henndl behalten werden mögen, zu pauwen 

demj^acjj vnnser guetbedunken ist. Euer Kn. Maj. gerueche 

lner> (jj^ begerten tausendt gülden zu erpauung des Rathauß 

vnr^d ainer Canntzley vom bewilligten Hiffgelt gnedigist erfolgen 

^^ *^ssen. So sein wir vngetzweifTelt, wie dann die Regierung 

selös meidung thuet, die. von Prelaten vnd Adl werden in Er- 

pan-AA^ung des Alles mit Irer Hilff auch Handreichung thuen». 

S, Kopialbuch: <ii Geschäft von Hofi>. Blatt 245: 

Rathaus zu Enshaim Paw. 

Wolgebornen, Edlen, Ersamen gelert vnd lieben getrewen 
^^^ haben Ewer schreiben, des noth im nechstuerschinen 
Monet Septembris ausgeet, dar Innen Ir vnns, auf die schrifften 
vnnd Articl Inn sich halten ndt was vnnser Rat Gamrer vnnd 
"^Wbtijjapn Zu Görtz, Gabriel Graue zu Orttenburg auf die 



— 52 — 

Instruction Ime von vnns geuerttigt mit vnserer Regierung zu 
Ensißhaim gehanndelt Vnnd für anntwurt erlangt hat, Ewer 
Rat vnnd guetbedunckhen antzaigt, merers Innhalts geuedigciich 
verstanden, Vnd geben Euch vnnder annderm auf zwen Articl 
zu genädiger Antwurt. 

Erstlichen alls Ir der menngl vnd Pawfelligkaiten halben, 
so an dem Rathauss zu Ennsißhaim erscheint, Ewer guet be- 
dunckhen dahin stellt, das wir Irem begern vnd antzaigen 
nach die Aintausent guldin Reinisch von dem bewilligten 
Turggenhilffgelt zu erpawung eruolgen lassen sollen, des wellen 
wir also aus Eurn getzaigten bewegnussen vnd vrsachen gene- 
diglich bewilligt haben. Vnnd ist vnnser beuelch, das Ir solch 
vnnser bewilligung ermelter vnnser Regierung zu Ennsishaim 
in vnnserm namen verkhundet vnd daneben bey Inen Ver- 
ordnung thuet, das zu solichen paw nach gueter notdurfftiger 
besichligung gegriffen Vnd die bestimbten Aintausend guldin 
Reinisch mit dem nutzlichisten verwenndt vnnd angelegt, vnnd 
in sonnders von den Prelaten vnnd Adl daselbst zu solchem 
Paw auch Hilf! vnnd Hanndtraichung gethan werde. 

Geben in vnnser Stat Wienn am XVII tag Octobris Anno 
etc. im XXXIII Vnnserer Reiche, des Römischen im driten 
vnd der anndern im Sibenden 

gez. Ferdinand Ad mandatum dni 

Regis proprium 
gez. W. Graswein 
Registrata H. Praundt. 

4. Kopialbuch (aGeschäfte von Hof)), i534. 

Graf Gabriel von Ortenburg schreibt am 14. Januar 1534 von 
Ericurt(H6ricourt jetzt D6p. Haute-Saöne)ausan König Ferdinand: 

«Anfanngs ist gedacht Regierung E. Kn. Mt. gnediger 
bewilligung der ain Tausend guldin halben zu erpawung des 
Rathaus zu Ennshaim — vnderthenigklich gesettigt vnd zufriden» 
der Graf bittet in demselben Rriefe daß : ccder beuelch von 
wegen der Tausent guldin zu des Raishauß paw. Innhalt 
Euer Majestät gnedigen bewilligen bei deren Hofcamer mit 
Ehistem geferrtigt vnd Inen zuegeschickht werde». 

5. Kopialbuch (uMissiven an Hof», i534, Blatt 44, 

ccRetreffend den Raw des Rathaus zu Ennsißhaim. denselben 
haben wir auf ainen beuelch, der von Eur Kn. Mjt. zu Wienn 
am XVII tag octobris auf vnns ausganngen bey der Regierung 
. . . verordnet . . . das alles weiten Eur Kn. Mjt. auf der- 



- 53 - 

selben beuetche vnantzaigt nit lassen vnd thun vnns derselben 
vnnderlheniglich beuelchen. Datum Ynsprugg am XXI tag 
Marcij Anno etc. im XXXIIII ten. 

Stathalter, Regenten vnnd Camerj». 

6, Kopialbuch ^Geschefft vom Hof». i540y Blatt 99. 

«Edlen etc. Wir vbersenden Euch hieneben verschlossen 
drej visierungen aines new angefanngenen Rathaus zu Ennsis- 
haim, vns yetzt alhie von vnnser Regenten daselbst gesandten, 
vberanntwurt, sambt ainem Arficl bemelter gesanndten vnd 
Räte begeren, vmb veroixinung ainer ansehenlichen Suma 
gelts zuuolfuerung angetzaigts gepew. Auch Steffan Gadmer 
vnnd Heinrichen Herman von Thann, Stainmetzen vnnd werkh- 
maister desselben angefanngnen gepew beiligennden Supplica- 
tionen, wie Ir sehen vnd vernemen werdet, Vnnd dieweil wir 
aber, vmb disen angefanngnen Paw, aus weB beuelch, zue- 
lassung vnnd bewilligung, derselb angefanngen, Wo auch die 
funftausent guldin, so bis auf dato daran verpaut vnnd auf- 
geben, vnnd bisher durch Johann Höltzl, wie wir bericht, be- 
tzalt worden sein, sollen herkumen, vnd anders gar kain wissen 
haben vnd gleich wol ab solcher grossen Ausgab vnnd vbersehen 
etwas befrembdung tragen, demnach ist vnnser beuelch, das Ir 
vnns hierüber Euren bericht, souil Euch vmb die Sachen wissen, 
vnnd alle glegenhait, sambt widersenndung der visierungen mit 
ehistem zueschreibet, auch förderlichen Verordnung thuet von 
obgedachtem Höltzl, diser vnnd annderer seiner Empfenng 
halben Raittung auftzunemen Vnd wie Ir die Sachen allent- 
halben befindet vnns dasselb sambt Eurem Rat vnd guetbe- 
dunkhen, welchergestait verrer mit bemeltem gepew fürgefaren 
vnd gehandlt werden solle, zueschreibet vnnd berichtet. Daran 
beschicht vnnser ernstliche mainung 

GeJ)en in vnnser vnnd des Reichs Stat Hagenaw am XII 
Tag Juli Anno etc. XL 



gez. Ferdinand 



Ad mandatum dni 

Regis proprium 

gez. C. Kefenhuler 

» S. TUNKHL 



An Regenten vnnd 

Camer Räte der 

Oberost«rreichischen Lannde 

(A. d. 24 Juli ist der Kn. Mjt., 
auch dem Höltzl derhalb geschriben). 



— 54 — 

7. KopUilbuch: €Missifen an Hof%. i540y Blatt i9S. 
c Rathaus Paw zu Enshaim». 

Allerdurchleuchtigster. 

Auf Eur Kn. Mt. an vnns ausgangen beuelcb, am Datum 
Hagnaw den XII tag dies gegenwirtigen Monats July belangend 
den Paw des Newen Rathaus zu Ensißhaim etc. fügen wir Eur 
Kn. Mt. gehorsamist zuuernemen, daz vnns durch Eur Kn. Mjt. 
Stathalter Regennten vnd Räte im Ober Elsass am andern Tag 
des Monets Apprilis Anno XXXII geschrieben worden, wie Ir 
Rathaus so paufallig, das Inen darynen Zusitzen beswerlich 
vnd sorgklich sey, laut beyligender Gopey mit A. Solichs haben 
wir an Eur. Kn. Mjt. gelangen lassen, die hat vnns darüber 
am XVII tag Ocfobris des XXXIII Jars vnder annderm beuelch 
than, laut des Artickls mit R, daraus hat Eur Kn. Mjt. gnedi- 
gist zuuernemen, das dieselb Ain tausent gülden von vnd aus 
dem gelde der Turggenhitff in vordem lannden, hiertzue zu 
nemen bewilligt, vnd das vom Rrelaten, vnd Adl daselbs zu 
solchem paw auch hilfT vnd hanndtraich gethan werden sol. 

Dises haben wir der Regierung zu Ensißhaim am Sibenden 
tag Nouembris, ohberürt XXXIII ten Jars vnnder annderem 
zuegeschriben, laut der Coppey mit C, vnnd solichs Eur Mt. 
Nachuolgends verkhundt, vnd demnach geacht^ es solte mit 
heruertem Paw, laut Eur Kn. Mt. bewilligung vnd vnnsers 
Schreibens, nach gueter notturfniger Resichtigung gegriffen vnd 
die beslimbten Tausent gülden, mit den Nutzlichisten daran 
verwendl vnd angelegt, vnd in sonnders von den Prelaten vnd 
Adl daselbs zu solchem paw, auch hilff vnd handtraichung ge- 
than worden sein, darumb Sy vnns nachfolgends guete lautern 
Raittung gethan haben sollen. So wir aber hernach erfarn, das 
mit dem gepew nit angefangen, haben wir Inen am XVI tag 
Januars des XXXVli '^n jars, laut beyligender Coppey mit D, 
geschriben. Darüber haben Sy vnns mit überschickhung der 
Pawmaister bericht vom leisten tag Febrnarii beruerts XXXVII*«" 
Jars geantwurt, Inhalt beygelegter Abschrifflen mit E, darauf 
haben wir Inen am Datum den Zehenden tag Marcij berürts 
XXXVII*«" Jars, laut der Coppey F., geschriben, yedoch vnns 
entlieh versehen, der Pawcoslen soll sich vber die vorbewilligten 
Ain Tausent gülden, vnd dartzue vber dere von den Lanndt- 
schafften vnd der von Enßhaim Hilff, Steur vnd Roboten nit 
hoher verlauflen, zu dem wir vnnsers enthalts kain visier 
ainichs höbern anslags empfangen, derhalb vnns solchen Nam- 
hafften paws, sonnderlich an disem Orte selbs verwundert, 
haben demnach Johann Höltzl diez verpawcns vnd darauf ge- 



— 55 — 

thane empfeng, von wem, vnd wie, vmb vnnderricht ge- 
scbribea. So vnns der zuekombt, sol der Eur Kn. Mt. vn- 
uerhalteu bleiben. 

Vnd schickben demnach Eur Kn. Mt. derselben beuelch 
nach die drey Visierungen vnd dabey gelegten scbrifften hiemit 
widerumb zue vnd Ihun vnns derselben Eur Kn. Mjt. hiemit 
vnndertheniglich zugnaden beuelchen 

Datum Ynnsprugg XXHII lag Julii Anno etc. im XL'en. 

8. Kopialhuch : ((Missifen an Hof». I5W, Bl. 168. 

Rathaus Paw zu Enshaim. 

Allerdurchleucbtigister etc. Als wir Eur Kn. Mt. auf der- 
selben beuelch am XXIIII tag July negstuerschinen, mit 
widerumb vbersenndung dreyer Visierungen vnd annderen 
scbrifften vnd vnderrichtungen, antreffend den Paw des Newen 
Rathaus zu Ensißhaim, vndertheniglich zuerkbennen geben, 
das wir Eur Kn. Ml. Diener Johann Höltzl des verpawens vnd 
darauf gelhanen empfang, von wem, vnd wie die bescheben, 
Auch was der noch bis zu ganntzer aufberayttung vngeuerlich 
gesteen werde, vmb beriebt schreyben wellen. Als wir auch 
gethan, vnd wie Er vnns darauf mit antwurt erschinen ist, 
das hat Eur Kn. Mt. aus beyligender Coppey mit A zuuernemen. 
Auf solichs haben wir, seinem guelbedunckheh nach, Eur Kn. 
Mjt. Regierung im Obern Elsass vmb erkhundigung vnd bericht 
der Sachen geschriben vnd wie Sy die gestalt befunden, was, 
vnd wieuiel bißher an beruertem Rathaus verpawt. Auch wo 
vnd von wem das Gelt genomen worden, vnd was noch bis 
Zuuollendung desselben Paws darüber vngeuerlich verlauffen, 
das wirdet aus den Coppeyen mit B und C sambt etlichen 
anndern neben scbrifften vnd Supplicationen mit Numeris 2, 3, 
4, 5 vnd 6 nach lengs abgenomen. 

Das aber Eur Kn. Mjt. vnns in obberuertem Irem beuelch 
auflegt, das wir daneben Eur Kn. Mjt. vnnser Rat vnd guet- 
bedunkhen, welcher gestalt verrer mit solchen paw furgefarn, 
vnd gehanndlet werden, antzaigen sollen, das ist vnns etwas 
beschwerlich, dann wie wol wir achten, das disen paw zuuol- 
fuern die notturfft eruorderte, So künden wir doch nit ge- 
denkhen, dieweyl sich der (vber die fünf Tausent vnd Siben 
hundert gülden, so schon daran verpawt vnd ausgeben sein) 
dem vberschlag nach ob fünf oder Sechstausent gülden ver- 
lauffen wurde, wo oder von wannen solche Namhafite Summa 
genomen werden solle. Es wäre dann Sach, das gemaine 
Lanndtschafft nochmals vmb das Pawgelt ersuecht, vnd zuerlangen 
vleis lurkert würde. 



— 56 — 

Dann als die Pawmaister vnd -werkhmaister in Irem Sup- 
plicieren furderlichs beschaids begern, nemlich der Pawmaister, 
So man Ine bey gemeltem Pawmaister Ambl behalten, ob Ime 
sein besoldung fürgeng oder man sich vmb ain zimlich wart- 
gelt mit Ime vertragen, oder wo das nit Ine soHchs Ambts 
gnediglich erlassen welle. Vnd dann den Werkhmaister 
widerumb auf der Siainhütten zu Ensißhaim arbaiten zulassen 
oder Ime zu erlauben anndere Arbayt antzenemen. Darauf 
auch des Paws halben, wais sich numer Eur Kn. Mt. Ires 
willens vnd gefallens wol zu entsliessen vnd gedachter Regierung 
in Obern Elsass oder vnns deßhalben förderlichen Beschaid 
zuetzescbreyben, Sich verrer dainach zurichten vnd dem Paw- 
maister vnd werkhmaister antwurt zu geben wissen. Datum 
Ynnsprugg am XVIIII tag Nouembris Anno etc. im XLten. 

9. Kopialbuch: uMissifen an Hoß. 1540, Blatt 180, 
Schreiben vom 16. Dezember 1540 aus Innsbruck. 

«Allerdurchleuchtigister etc. 

Mit was antwurt vnns Eur Mt. Regierung im Obern Elsass 
auf das schreyben, so wir Inen, von wegen des Rathaus Paw 
zu Ensißhaim gethan, erschinen ist, das gerueche Eur Kn. Mjt. 
aus Inligender Goppey Irs schreybens zuuernemen. Vnd so 
dann gedachte Regierung mit der vordem LandschafTt weiter 
vmb ainich hilff zu solchem paw zu hanndlen für vergeblich 
vnd vmbsonst sein antzaigt. Vnd dann auch dartzue von diser 
Camer mit ainichen Gelt ye nit geholffen mog werden, So 
haben wir Inen diser Zeyt kain anndern Beschaid geben, dann 
das wir solichs furtter Eur Kn. Mt. verkhunden. Als wir 
hiermit thun. Vnd was sich dieselb darüber entschleusst. Inen 
zueschreyben wellen, darauf, auch auf vnnser hieuorig schreyben 
so wir deshalben Eur Kn. Mt. den XVIIII Tag des Monets 
Nouembris gethan, waist sich nu Eur Mjt. verrer Irs gefallens 
wol zuenschliessen. vnd vnns, oder Inen derhalben beschayd 
zu geben, wie Sy sich weyter darynn halten sollen.» 

iO, Kopialbuch: aMissiuen an Hof"». 1541 , 

«Allerdurchleuchtigister etc. 

Eur Kn. Mt. haben wir am XVIIII tag Nouembris nechst 
uerschinen, Goppey ains schreybens, so vnns Eur Mt. Regierung 
im Obern Elsass von wegen ^es ^Rathaus paw, ^mch paw- 
maister vnd werkmaisters vnderhaltung halben zuegesandt vnd 
dabej geschriben, das sich Eur Kn. Mjt. darüber Irs willens 



— 57 — 

vnd gefalleos entschüessen. vnd gemelter Regierung oder vnns 
desshalben fürderlichen beschaid zueschreyben welle. Sich 
verrer darnach zurichten vnd dem Pawmaister vnd Werkh- 
maisfer auf Ir anhalten antwurt zu geben wissen. So aber 
vnns noch gedachter Regierung im Obern Elsass darüber von 
Eurer Kn. Mjt. noch kain beschaid eruolgt vnd vnns die Re- 
gierung abermals solchs Rathaus paws auch Werchmaister 
^aJben, vmb fürderlichen beschaid angehalten haben, so geruech 
sich Eur Kn. Mt. auf obberuert vnnser vorig schreyben, noch 
2üm fürderlichisten gnediglich zuenlschliessen vnd beschaid zu- 
geben vnd thun Eur Kn. Mt. vnns etc. 

Dalum XXX Marcy Anno etc. im XLI *«". 

jfi. Kopialbuch (uMissiuen an Hof^. i54i, Bl. i22. 

«Allerdurchleuchtigister etc. 

^ie Eur Kn. Mjt. Lanndtuogt, Regenten vnd Rät, in 

Obef in Elsaß Eur Kn. Mjt. vnd nochmals dieselb Regierung 

^*^«^ Lannduogt, als der alhie gewest in sonders von wegen 

Vollziehung des Newen angefangen Rathaus pew zu Enßhaim 

aoei^nnals geschriben vnd vermanung gethan haben, das ge- 

ru.eolie Eur Kn. Mt. aus beyligenden Coppeyen solches Irer 

^^^i*eyben zuuernemen. Wiewol wir nu selbst ermessen mügen, 

"^s solcher Paw zuuolziehen von nöten wäre, vnd sonderlich, 

^^ daß Stainwerch yetzo Er der Werkhmaister Steffen 

^^inner mit tot abginge oder sich sonst verziehe gesetzt wurde. 

^-•^r^iäiuf man dann yetzo wie vnns gedachter Lanndtuogt daneben 

'*^^rkdtlich bericht hat, drew hundert gülden zu haben bedurfftig 

^^**e, So wissen wir doch nit, wo nit allain dises sonnder 

^^ vbrig gelt, Zuuoltziehung des Paws, welcher sich den 

■^^irschlag nach (Vber die fünf Tausent Siben hundert gülden, 

^ ^chon daran verpawt vnd ausgeben sind) noch ob fünf oder 

^^^ks Tausent gülden verlauffen wurde, genomen werden solte. 

^^*Xn ye von der Camer hiertzue kain gelt geraicht werden 

^^8, wie dann das Eur Kn. Mjt. aus vnnsern vorigen schreyben, 

^^^Xnderlich denen, so wir Eur Mt. den X Villi Nouembris vnd 

^^I üezembris negstuerschinen gethan, nach lenge zuuernemen 

°^t:, welche vnnsere schreyben wir Eur Kn. Mt. hiemit wider- 

^rr^l) erynnert haben wollen, Sich noch darauf auch diz vnser 

yötzig schreyben zum fürderlichisten wissen zu enfschliessen, 

vtxfi gedachter Regierung in Elsasso der vnns on lengeren Ver- 

^^^^1^ beschaid -zugeben. Sich darnach 2urichten wissen. 

Dalum am XXII Juni im XU »e" Jar. 



— 58 - 

12. Kopialhuch : € Geschäfte vom floß. /547, Blatt 31 . 

König Ferdinand schreibt an die oberösterreichische Re- 
gierung in Innsbruck : 

«Souil aber das dargestreckhl gelt, auf kundtschaft, zerung 
vnd der von Ensishaim gepew belanngt, wiewol dasselb on 
vnnsern beuelch bescheen, So wollen wir doch genediglich zue- 
lassen, das es von dem Türggenhilfgelt widererstatt, vnd bezahlt 
werde, Souil haben wir Euch auf angezaigt schreiben, hiemii 
in Eyl nit wollen verhalten vnd es beschicht daran, vnnser ent- 
licher will vnd maynung. Geben zu Dressden, am zwelfften 
tag marci Anno 1547. 



V. 

Verein zur Landesrettung. 

Gegründet zu Straßbiirg am Mittwoch uach Matthäi 

im Jahre 1572. 

Mitg^eteilt von 

Karl Tschamber-Huningen. 

iVlit dem Abschluß des Mittelalters war auch die bis- 
herige Machtherrlichkeit der großen und kleinen Reichsstädte 
im Elsaß, sowie auch diejenige der dieselben bekämpfenden 
Edelgeschlechler in fortwährendem Sinken begriffen. Sie schien 
auf die Fürstenhäuser überzugehen, um sich zu dem modernen 
Staatswesen umzugestalten. Die Lostrennung von dem Alt- 
hergebrachten bekundete sich gleichzeitig auch in der religiösen 
Revolution, Reformation genannt, welche jetzt während eines 
ganzen Jahrhunderts alle politischen Verhältnisse beeinflußte. 

Gestützt auf die Freiheitspredigten kam im Frühjahr 1525 
der Bauernkrieg, der durch seine Greuelszenen so düstere Er- 
innerungen im Gedächtnis der künftigen Geschlechter hinter- 
ließ, nach langer Gährung zum Ausbruch. Mit der Niederlage 
der aufrührerischen Bauern bei Scher weiler war der furchtbare 
Aufstand im Blute erstickt. 

Durch die Greuel dieses Krieges und den blutigen Aus- 
gang desselben, erlitt der Fortschritt der Reformationsbeweg- 
ungen eine zeitweilige Hemmung. Auch das Haus Oesterreich, 
welches damals die Landvogtei inne hatte, war beflissen, diesem 
Fortschritt in den zehn zur Landvogtei gehörigen Reichsstädten 
aufs möglichste entgegenzutreten. Auf dem Städtetag zu Hage- 
nau 1526 beschlossen die Städte keine Neuerungen in Religions- 
sachen zu dulden. 



— (iO — 

Diese Zeit der Verwirrung und des Aufruhrs im Elsaß 
schien endlich Frankreich außerordenilich .günstig, um seinen 
politischen Einfluß auf Deutschland geltend zu machen. Es 
kam infolgedessen zwischen dem Hause Oesterreich und der 
Krone Frankreichs bald zu mehreren Rnegszügen und Truppen- 
bewegungen an der elsassischen Grenze, wodurch das Elsaß 
sehr beunruhigt wurde. Der Landvogt traf daher alle mög- 
lichen Anstalten zur Sicherheit des Landes. Im Jahre 1542 
verpflichteten sich die Reichsstädte zu diesem Zwecke 800 Fuß- 
gänger und 10 Reiter zu stellen, wie auch Feldschlangen und 
Feldkanönlein samt Kriegsmaterial zu liefern.^ Auf dem Reichs- 
tag in Speyer versprachen die Vereinsstädte dem Reiche im 
Kriege gegen Frankreich i. J. 1544 nach Möglichkeit beizu- 
stehen. Zur Bekämpfung des schmalkaldischen Bundes sprangen 
diese Städte mit bedeutenden Geldsummen bei.^ 

Trotz dieser großen Opfer seitens der Stände und Städte 
war die Gefahr nicht vom Lande abzuwenden. Bald verbreitete 
sich die neue Schreckenskunde von der Ankunft des französischen 
Königs und seines Verbündeten, des Markgrafen Albrecht von 
Brandenburg. Die Vereinsstädte beeilten sich Söldnertruppen 
zu werben und ihre Festungswerke auszubessern. Zum Schutze 
des gesamten Landes ließ die österreichische Regierung zu 
Ensisheira auf Befehl des Kaisers zu Straßhurg mehrere Land- 
tage zur Bewerkstellung der Landesrettung zusammen berufen. 
Endlich auf einem Kreistag zu Worms i. J. 1554 wurde der 
schwierigen Zeitläufe wegen beschlossen, das Elsaß mittelst 
einer Anzahl Kreisiruppen, welche ihren Sammelplatz zu Ober- 
ehnheim haben sollten, in Sicherheit zu stellen. Die Vereins- 
slädte stellten 23 Reiter unter der Anfuhrung des Grafen Wolf- 
gang von Löwenstein. 

Infolge der in Frankreich selbst ausgebrochenen Religions- 
kriege wurde das Elsaß noch weit größeren Gefahren ausgesetzt 
wie bisher. Unser Land wurde auf mehrere Jahre hinaus 
der Schauplatz fortwährender Truppensammlungen. Musterungs- 
plätte, Einquartierungen und Durchzüge der von den Franzosen 
geworbenen Söldnertruppen, Reiter- und Landsknechte, die, 
aus Deutschland denselben zugeführt, alsdann im Elsaß große 
Verheerungen verursachten. Diese Durchzuge und die Massen- 
einquartierungen französischer und lothringischer Truppen an 
der Grenze des Elsasses riefen aufs neue große Unruhe hervor. 

Nachdem der Herzog von Anmale die vom Hauptmann 

^ J. M. ()ys8. Geschichte der Sudt Oberehnheim. Straßburg 1895, 
vS. 047. 

^ Oberehnheim gab 4()()0 Floriiu ebends. 



— 61 — 

Lacosche die zu Straßburg für den Prinzen von Cond6 ^be- 
worbenen hugenottischen Truppen im Breuschtale überfallen 
und vernichtet hatte, drohten die Franzosen 1568 sich an 
unserem Lande zu rächen. Die schon bis Grendelbruch vor- 
gedrungenen französischen Truppen mußten sich aber wegen 
Veränderung des Kriegsplanes wieder zurückziehen. 

Zu Anfang 1569 besetzte Prinz Wilhelm von Oranien mit 
deutschen und französischen Truppen, die den Hugenotten 
zugeführt werden sollten, fast das ganze Elsaß. Die Landleute 
flüchteten sich mit Hab und Gut in die festen Plätze. Zugleich 
führte auch der Herzog Wolfgang von Zwei brücken ein starkes 
Heer das Elsaß hinauf, den Hugenotten entgegen. Das Land 
hatte unter diesen Truppenzügen schwer zu leiden. 

Inzwischen hatte sich das Heer des Prinzen von Oranien 
wegen Rückstand im Solde aufgelöst. Die führerlosen Banden 
durchzogen jetzt plündernd und raubend das offene Land. Die 
Bürgerschaft stellte sich unter die Waffen, die Stadtlürme 
wurden schleunigst mit dem nötigen Geschütz versehen und 
die Bürger durften ohne Erlaubnis nicht außerhalb der Stadt 
übernachten. 

In diesen Tagen der Not versammelten sich zu Straßburg 
i. J. 1572 am Mittwoch ,nach Matthäi die Stande, Städte und 
Flecken des Landes zur eingehenden Besprechung der Landes- 
retturig. Die Versammlung gründete nach langem Beraten den 
«Verein zur Landesrettung». Mit Rücksicht auf das hohe ge- 
schichtliche Interesse, das derselbe in Anspruch nimmt, erscheint 
eine vollständige Wiedergabe der Verhandlungen dieses elsäs- 
sischen Landtages gerechtfertigt.' 

Zu wissen als jüngsten abscheydt nach die nachbenannten 
Stand t, und Obrigkaiten durch Ire Räth, Bottschaften und 
gesandten zu Straßburg, wider beisamen gewesen, ferner zu 
beratschlagen, und zu bedenkhen, wie und wellicher massen 
ein gethreuer und nachbarliche Vereynigung für ein Lands- 
rettung, zu abwendung eines unversehenen überfahls. Eines 
främbden, zusamen geschlagnen Herrlosen oder andern Kriegs- 
volk, wider deß Rychsordnung, diß Landts zu gefahr und 
nachtheil, gewaltiger wyß durchzuziehen underston würde, 
füglich fürgenommen und In das werkh zu richten und zu- 
bringen syn sollte. Daß gemeynen Land Elsaß und desselbigen 



> Das Staatsarchiv Basel besitzt eine Abschrift des Landtags- 
beschlusses. Abt. Elsaß, I. Allgeraeines und einzelnes 1331—1876. 
Das 28 Seiten urafassende Schriftstück trägt folgende üeberschrift : 
Begriff was durch die hier einverleibte Stände und Oberkheit zur 
Hettang des Landts auf mittwoch nach Mathey fünfzehn hundert 
Sybentzig und zwey Jar verabschiedet worden. 



— 02 — 

Underthanen undt verwandten zu nutz, wol fahrt und füttern, 
haben obgemelte Standt und obrigkaiten, Rätb, Bot tschaften 
und gesandten uff heut dato, nach gehaptem allerhand be- 
dencken und berathschlagungen auch Besichtigungen Im 
Anno etc. acht und fünfzigisten derwegen glychfahls uffge^ 
richtenen abscheids, sich mit einandern nachvollgender masseife, 
verlreulich vereinbaret und verglichen. 

Nämlichen und Erstlichen daß alle Obrigkeit in diser 
Verein benanndt, begriffen, Ire underthanen ufs fürderlichstei]^ 
musteren und bey Inen daran sein sollen, sy ufs beste sy 
möchten zu Irer selbs Rettung bewehret zu machen. Im fahl 
man Iren Irgentz i In künftig bedörftig, daß ein jeder Herschaft 
und Obrigkeiten, die hoste, und hiezu angeschicklichsten, und 
sonderlichen die so etwan krieg gebrucht, und aufs Erst auf- 
gepott die Nachvollgende seyne anzal, wohin er zum Obristen 
ervodert schicken möchte, und soll sol liehe musterung alle Jar 
ein mahl zum wenigsten beschechen, damit man sicher kenne 
wie man gewehret und gevast ist. 

Und wan also ein jede Obrikheit Ire Unterthanen ge- 
mustert, soll sy die Anzal Kriegsvollks, so Iren Auferleget, In 
fendtlis^ weiß theilen, auch jedem fendlin ein erfahren man 
zu einem Hauptman und bevelchslütfis zuordnen, und den- 
selben järlichen mit einer Pension uf Iren costen erhalten. 

Da aber Eines Standtes uferlegte anzal nicht ein ganz 
fendlin machen möchte, so sollen dieselben zu andern ständen 
Kriegsvolk stossen und Hauptlüthen wie hernach vollgt zuge- 
ordnet werden. 

Und Im fahl die anzal Kriegsvollk, so auf daß erst auf- 
gepott zuschicken geordnet, nit genugsam, sonder der überfahl 
gewaltiger und In größerer anzal syn wurde, so soll auf ervor- 
dern und gut bedenken der geordneten Obristen und Kriegs- 
räthe ein jeder stand, je nach gelegenheit des überfahls zum 
andern Aufgepott noch halb oder wider fovyl, oder wie eß 
die obliegende nodturft zu jeder Zyt erfordert würd, auß ob- 
genannten gemusterten Volkh ordnen und schicken. 

I. Volgen die hilf zum Ersten ufgebott geleistet 

werden soll. 

Erstlich soll die Fürstliche durchlüchtigkeit Erzherzog 
Ferdinand zu Oesterreich, von wegen der von den Oester- 
reichischen Landen 3000 zu Fuß und 100 zu Pferdt geben. 



1 = auf irgend eioe Weise. 

2 = Fähnlein. 

3 = Befehlsleuthe. 



— 63 — 

Die Landvog^tey zu Hagenauw soll 800 zu fuß und 50 zu 
Pferd t geben. 

Der Bischof zu Straßburg soll sarnpt seiner Gnaden Thurnb- 
cappittel 2000 zu Fuß und 75 zu Pferdt geben. 

Württemberg soll von wegen der Grafschaft Horburg und 
Herschaft Bycheuvtyhr 1500 zu fuß und 12 zu Pferdt geben. 

Grav Phillipp der Elfer zu Hanaiiw soll 600 zu fuß und 
50 zu Pferdt geben. 

Grav Phillipp der Jünger zu Hanau w soll 300 zu fuß und 
20 zu Pferdt geben. 

Grav Hans Heinrich zu Leyningen soll 40 zu fuß und 4 
zu Pferdt geben. 

Grav Phillipp zu Westerburg soll 50 zu fuß und 8 zu 
Pferdt geben. 

Der Freyherr von Fleckenstein soll 50 zu fuß und 5 zu 
Pferdt geben. 

Gemeine Ritterschaft im undern Elsaß soll 300 zu fuß und 
30 z^ Pferdt geben. 

Die Stadt Straßburg soll 1500 zu fuß und 50 zu Pferdt 
geben. 

Die acht Stett der Landtvogtey sollen 1000 zu fuß und "-JJd 
zu Pferdt geben. i 

Die vogtey Kaisersperg soll 60 zu fuß und 3 zu Pferdt 
geben. 

Die Herschaft Weylerthal soll 200 zu fuß geben. 

Die Klöster In der obern Regierung Ensisheim sollen 20 
zu Pferdt geben. 

Die Klöster im undern Elsaß gelegen, als Neuenburg, 
Morßmünster,« Altorf, Ebersheimmünster, Etenheimmünster, 
Gengenbach, Schuttern und Wartzach sampt den Stitten Neu- 
weiler und Haßlach, sollen 200 zu fuß und 20 zu Pferdt geben. 

« 

IL ObgemeltFussvollks soll wie nachvolgt In 

fendlin getheilt werden. 

Erstlichen der fürstlichen durchlüchtigkeit Erzherzog Fer- 
dinanden zu Oesterreich etc. 3000 zu Fuß sollen In fendlin 
getheilt werden, und denen Haupt- und bevelchlüthen, wie 
obgemelt von Inen wie obgemeldet zugeben und mit jährlicher 
Pension bestellt und erhalten werden. 

Der Landvogtey Hagenauw, Sampt den Graven Leyningen, 
Westenburg und deß freyherren zu fleckensteins fußvolks soll 



1 Weißenbarg and Landan nahmen keinen Anteil an den 
elsässischen Landtagen. 

2 = Maarsmonster. 



— 64 — 

zu zwey fendlin getheilt uod darüber Haupt- und bevelchs- 
lüthen g^eordnet werden, welliche die Landvogtey Hagenauw 
underhalten solle. 

Deß Bischofs zu Straßburg anzal Kriegsvolks soll In vier 
fendlin gel heilt und durch Ir. A. G. ^ denselben Haupt- und 
bevelchslüth zugeordnet und underhalten werden. 

Würtenberg von wegen Horburg und Reychenweiler auf- 
erlegt fußvolks soll zur Herschaft Weilerthal und vogtey Kai- 
sersperg Kriegsvolk gestossen werden, ein fendlin ufgericht 
und von der Herschaft Reychenweiler ein Hauptmann darüber 
geordnet und erhalten werden. 

Beyder Graven zu Hanauw fußvolks soll In zwey fendlin 
getheilt, auch denen Hauptluth geordnet und von beiden 
Graven erhalten werden. 

Der Ritterschaft im undern Elsaß fußvolk soll zu der 
Geistlichen fußvolks gestossen, In ein fendlin getheilt werden, 
darüber die Ritterschaft einen Hauptman ordnen, aber durch 
die Geistlichen erhalten werden. 

Der Stadt Straßburg fußvolk soll in drey fendlin getheilt 
und durch die Stadt denselbigen Haupt- und bevelchslüth ge- 
ordnet und erhalten werden. 

Der Slett In der Landvogtey Hagenauw gehörig fußvolks 
soll in zwey fendlin getheilt, auch Haupt- und bevelchslüth 
sampt dem fendlin durch sy darüber geordnet werden. Und 
soll jede Obrikeit so Hauptluth und fenderich gibt, und den- 
selben die fendlein geben und alßbald gefaßt sein. 

Und sollen die Obrikeiten, die Haupt- und bevelchslüthen 
so sy ordnen, In sonderer bestallung und pflichtung, vermög 
derowegen angestellter form auf- und annemmen. 

Und sollen under jedem fendlin 300 schützen und 200 
spieß und mit kurzem wehren geordnet werden, darunter die 
schützen Ir sturmhüt und andere Ire Rüstung haben sollen. 

Und nach dem über diß kriegsvolks zwen Obrister gesezt 
worden, so sollen dem Christen Jenseit deß Landtsgrabens der 
Fürstlichen durchlüchtigkeit ober Regierung auferlegt fußvolk 
doch deßgleichen der Landvogtey Hagenauw und darein ge- 
hörigen Stetten sambt den Herschaften Reychenweyler und 
Weilerthal und vogtey Kaysersperg fußvolks. So dann dem 
obristen Hie dißseidt deß Landigrabens deß Bischofs von Straß- 
burg, deßglychen der Stadt Straßburg und der Ritterschaft Im 
obern Elsaß sampt beder Graven zu Hanauw auferlegt fußvolk 
übergeben werden. 

Es soll auch yede Obrikeit Ire geordnete Hauptluth, dem 

^ Ir. fl. G. = Ihre fürstliche Gnaden. 



— 65 — 

obristen und zugeordneten Kriegsräthen fürstellen sich bey 
Inen zu erzeigen und Inen gewertig zu sein. 

Und soll yeder Hauptmann sein Register der Jenigen, so 
von den Obrikheiten ußgetheilet und Im untergeben sind, mit 
sich bringen und dem Obristen Coppey darvon zustellen. 

Sonderlichen aber sollen die Hauptlüth bey den Musterung 
selbs sein und gut achtung haben und daran sein daß gut 
thugentlichi leüth zum Kriegsvolks gewelet und zum Krieg wol 
gerüst sein. 

Es soll auch bey den Obristen und Iren zugeordneten 
Kriegsräten gut bedunken ston,* diejenigen so zum ersten auf- 
gepott aufgelegt, Insonderheit besichtigen und mustern zu 
lossen, So oft und wann es Inen gevellt und nodt anficht. 

III. Voigt die ausstheilung der Reisigen. s 

Erstlichen sollen zu der obern Regierung Ensißheim Pferd t 
und Landvogtey Hagenauw, der gleichen Stett und derselbigen 
gehörigen, und der Ritterschaft und Clöster, Hierunder der 
ober Regierung Ensißheim gesessen, so dann der Herschaft 
Rychenweiler und der Vogtey Keisersperg auferlegte Pferd t 
igestossen und denselbigen durch die obern Regierung Ein Ritt- 
meister geordnet underhalten und der Fahn gegeben werden. 

Und soll obgemelter Fl. Dcht.* Regierung zu Ensishieim 
und unser gnediger Herr von Straßburg .daran und darob sein 
daß die Inen zugeordneten Stend Ire reisigen bestellt und ge- 
faßt haben. 

Es sollen auch den Obristen und Kriegsräthen gleich fahls 
uf Ire gutachten Bevelch stehn die Reisigen zur Musterung 
zuervorderen und zusehen, daß yeder stand mit seiner anzal 
wollgefaßt sey, und soll demselben gleichfahls ein verzeichnuß 
der Reisigen und Personen von yedem stand vermög Irer anzal 
durch die Rittmeister mit personlicher erzeigung zugestellt 
werden. 

Es ist auch verners durch gemeyne stand berathschlaget 
und beschlossen worden, obwol die Graven und Herrn auch 
die Ritterschaft wie obgemelt auf ein gewiß anzal Pferdt zum 
ersten aufgepott taxiert worden, daß sy nüt desterminder auf 
den fahl der Erheyschenden und tringenden Nodt und da die 
gefahr deß Vaterlands je so groß wäre, daß man weither Hilf 
weder daß erst aufgepott vermag haben muestig. Daß sy ifinit 



1 = tauglich. 

2 = gutdünken. 
8 ±r Reiter. 

^ = fürstlich Durchlaucht. 



o 



— (36 — 

Iren selbs leibeo und Person und mit Pferden und Knechten, 
So weith sich eins yeden vermögen erstreckt auf erfordern des 
Obersten und Kriegsräth auf sein und deß Vaterland erretten 
helfen und sollend auch vollgends gemeine vereinte stand sich 
umb Ire gethreuwe erzeigen und aufgewendten umbkosten mit 
Inen nach erstreckhung der Zeit freündtlich und gütlich ver- 
gleichen, damit daß fahls gleicheit werde gehalten und sy 
wider ergetzung bekhumben mögen. 

Und wiewol obberurte Stand und obrigkeiten sich Inkraft 
dieser Nachburlichen vereyn uf obgedacht aniahl zu Roß und 
fuß, zu dem ersten aufgepott und wo von nöthen wider halb 
sovyl zemanen vergleichen und vereiniget haben, so stellen sy 
doch die Moderation und bescheydenheit deß ervordems und 
aufmahnens zu eines yedentheils Obristen und dessen zugeord- 
neten Kriegsrathen, Heim, Wie «uch die Stand der Obrikheiten 
solliches Inen übergeben und zugestellt haben wolle. Je nach 
gelegenheit der nodt und gefahr wie die fürfei i sich begibt und 
zutregt. Auch der Obrist und seine Kriegsknecht auß gewüsser 
und bestendiger erfabrung sovyl möglich haben mögen, bey 
den nahe gesessenen ständen und Obrigheiten an yedem orth 
und Enden sich die gefahr undt nodt zutragen die aufmanung, 
hoch oder gering zuthun. Daran sy dann allen gethreywen 
und müglichen fleiß anwenden solle, damit vergeblicher un 
unnöttiger Ck)sten der Standen In allweg vermitten und ver 
hindert Plvbe. 

Alsdann der Unterhaltung halben berürter Hilfskriegsvolk^^ — _ ^ 
ist beredet, geratschlaget und bedacht worden, daß einer yede | 

stand und obrigkeit die seinem mit einem ganzen oder halbem ^ -^^ 
Monat sold wie sy dessen von den Obristen und den 
räthen ermanet werden, sampt Kraut und Lot* auf die schütze 
abfertigen und nämlichen uf ein schützen vier gülden, und ei 
gerister man' fünf gülden bezalen soll. 

Und domit diß fahls durch kheinen stand etwaß versau 
werde so haben die stand sich mit einanderen verglichen, d 
yede Obrikheit uf Ir Zeit mit Hilf und zuthun Irer Un 
thonen mit dem Monat sold auf Ir anzai Kriegsvolk, so sy zuhb. mm 
ersten aufgepott sollen schicken und gefast machen, und &.^o]/ 
solliches gelt an ein gewiß orth, der auf künftig tag auch as^oll 
bestimpt und erlegt werden, der gestallt, daß beede die Obrikt^ ^it 
und Underthanen Ire schlussel dazu haben und daß gelt all^^i-Q 
uf obsremelder fahl und nirjjens anderswohin verwendt werd 



1 = Vorfall. 

2 Kr a a t bedeutet Verpflegung und L o t die Munition. 
8 gerist = Reisige = berittener Mann. 







— 67 — 

Es ist verners bedacht un4 verglichen worden, daß be- 
schwerlich fallen wurde, von wegen förreni daß zu Zugs Pro- 
viant nach zufuren« daß dann die necbst gesessenen stand und 
Obrikheiten bey Iren Underthonen die notdürftige versehung 
thun sollen, und wällen, damit gegen gebürlicher Bezalung 
von dem Ihren dem Haufen Kriegsvolks^ wo daß yeder Zeit 
sein wurde, zugefürt werde. Dargegen sollen auch die Obristen 
die fürsehung thun und daran sein, daß dargegen gebürliche 
bezallung ervolgt und ob den Jenigen so alß Proviant zufüren 
gehalten werden. 

Und sollen der Obrister diser nachpurlichen Verein undt 
Landsrettung zween sein. Namblichen so sollen die Obrikheiten 
ob dem Landgraben gesessen ein Obrister ordnen und erhallen, 
dessen bevelch und bescheid alle außgelegte dären Haupt- und 
Bevelchslüth sampt Irem untergebenen Kriegsvolk, ge wertig 
sein und dahin sy durch denselben bescheydten werden, ziehen 
auch darin von aller Irer Obrigheit wegen, sich Gehorsam er- 
zeigen und bruchen lassen. 

Und dem gemelten Obristen sollen auch alsbald vier 
oder fünf Kriegsräth mit vollkommenem gwalt und bevelch, 
namblichen einer oder zween von der Fl. Dcht. Regierung zu 
Ensisheim, einer von wegen der Herschaft Reichenweier und 
Horburg, einer von den Prelaten, Gra^ven, Herren und Ritter- 
schaft, auch einer von der Reichsstett wegen, zugeordnet 
werden, mit denen er zuvorderst bedenkhen und berathschlagen 
soll, waß yeder In fürfallenden Sachen, die Nodtdurft erheischen, 
und ervordern wird. Daneben auch gute Kund schafft bestellen 
und machen sollen^ alles auß gemeinem der Ständen, deß be- 
melten bezirks costen, so von hernachgemeltem hinterlegtem 
vorrath genommen werden solle. Und sollen nicht desterminder 
die Obrikheiten für sich selbs auch yeder 2^it notwendig gute 
Kundschaft halten und machen, auch waß sy nodtwendigs er- 
khundigen die obrigkeit unverzug bepchien, 

Gleycher gestalten sollen die Obrikheiten under dem 
Landtgraben gesessen, auch ein Obristen erwällen, ordnen 
und erhalten und Im deren außgelegt Kriegsvolks gehorsamen 
und gewerlig sein wie obsteht. Demselben sollen auch alßbald 
fünf oder sechs Kriegsräthe, namblichen einer von unserm 
gnädigen Herrn von Straßburg, einer von der Landvogtey 
Hagenauw, einer von den Graven und Herren, einer von der 
Ritterschaft, einer von der Stadt Straßburg und einer von den 
anderen Reichsstetten wegen zugeordnet und damit gehalten 



1 förren bedeutet Fuhre, führen. 



— (58 - 

werden, wie oben j^emeldet ist, auß gemeynem aller Stand 
iimbcosten In diesem bezirkh under dem Landgraben begriffen. 

Und dieweyl in dieser nachparlicbem Verein und Landts- 
rettung sich täglichen begeben und zutragen möchte, daß aller 
Hand ußgaben und umbkosten von nöthen, den dann gemeyne 
stand und obrikheitert insonder getragen sich vereinigt haben, 
So ist bedacht, daß alle obrikheiten beider bezürkhen, ob und 
under dem Landgraben durchauß damit In disem Werkh ein 
gleicheit gehalten werde und sich keines stand oder obrikheiten 
Underthanen vor dem anderen der Ungleichheit halben zu 
beschwären hab, auf yede Herdstatt i In Irer obrikheit, die 
seyend geistlich oder wälllich. Edel oder unedel, gefreyet oder 
urigefreyet, niemand außgenommen, gelegen zwölf krüzer« 
schlagen und geben und darunter noch gelegenheit und be- 
scheid jeder obrigkheit, der Reich dem Armen zu Steuer 
kommen, auch sollich gelt hiezwüschen künftig Wienachten,^ 
die über dem Landtgraben, in die Stett Colmar und aber die 
stand unter dem Landtgraben gen Straßburg an die Münz* 
erlegen sollen, zu nodturftigem umbcosten dieser Landtrettung, 
In furfallender außgäben zugeprauchen haben. 

Von sollichen gelt sollen die verordneten zu Colmar und 
zu Straßburg an der münz gemelten Obristen yeder Zyt uf 
sein ervordern, waß die begeren werden volgen lossen, wel- 
lichs beede Obristen aißdann zu gemeyner diser landsrettung 
nodtwendigen gescheften außgeben und gemeyenen Landsassen 
darumb hernach gebürende Rechnung geben und thun sollen. 
Uß erstgemeltem Vorrath soll auch den Obristen und deren 
zugeordneten Kriegsvolks jährlich besoldung so Ihnen durch 
gemeyne stand geordnet, gegeben werden. 

Und wellicher stand sein auferlegt Kriegsvolk zum anzug 
mit einem halben oder ganzen monat sold, wie obgemelt nicht 
gefast abfertiget oder den Vorrath In obbestimt Zeit am ge- 
bärende örth nit erlegen würde, so sollen gemeyne stand Ihm 
iein straf nach gelegenheit uflegen und sich der saumnuß und 
Schadens an Im erholen haben. 

So dann der Ueberzug und Im fahl ob oder under dem 
Landgraben, durch wellichen Paß daß war, beschechen würde 
soll derselbig Obrist aißbald- man dessen wäre Kundschaft hat 
ohn allen Vorzug an denselben Paß ziehen, den aufzuhallen 
und dem anderen Obristen, da ers für nodtwendig achtet, ohne 



1 Herdstatt = Haushaltung. 

2 Krüzer — Kreutzer. 

8 Wienachten = Weihnachten. 
^ Münz = Münzstätte. 



— 69 — 

verziio^ zu empietlen Ihm auch mit seinem Volk eyllandts zu- 
ziehen und rettung thun, Biß daß man In mit Aufmachung ^ 
aller macht im fahl daß sich die gefahr alßo beschwerlich und 
sorglich fürfülle und zutring zu Hilf kommen, auch andrer deß 
Reinischen und andi'er .nechsten Kreiß Ständen zu Zug er- 
warten möge. 

Nachdem dan Ettlichen stellen ganz beschwerlich sein 
und fallen will, sich mit außlegung Irer burger und man- 
schaflen zu emplössen auch nil Ralhsam, daß die noch ge- 
legenheit Irer Pläz Commun an der Manschaften und Irer 
burgern geschwächt werden sollten, so ist auch bedacht, wie 
auch die Stand und obrikheilen sich dessen vereinigt und 
verglichen haben, daß dieselben Ire gebärende Hilf neben 
andern Ständer^ zeleysten^ schuldig sei^ sollen, doch daß den- 
selben hiemit ohne benommen sey In fürfallend nodt und auf 
mahnen da Lien bedenklich wäre Ire burger auß zulegen und 
auszuschicken, einander Kriegsvolks noch anzal Irer hilf uf If 
underhaltung In Eyl anzunemmen. Damit nüt dester weniger 
gebürende Hilf ein weg» wie den Anderen von Ihnen ohne 
abgang und saumnuß geleistet werden. Doch soll es sonslen 
deß gemeynen Gostens halben gehallen werden wie mit anderen 
ständen dieser Landtsrettung. 

Derweyl das Werkh dieser Landtsrettung 'In zwey abge- 
sonderten theilen Im Zweck vertheilet, so soll sich veder theil 
mit dem aufgelegten geschütz, Munition, Büchsen meister und 
anderer darzu bereitschaft gefast halten, und damit er die- 
selbigen Im fahl der nodt uf ervordern der Obristen schicken 
khünde, doch sollen die Obrislen und Ire zugeordnete Kriegs- 
räth außtrückenlichen bescheidenheil brauchen, daß die von 
den stand nicht mehr geschütz begehren o^er vorderen. Dan 
sovyl die nodturft von wegen der f urfallenden gefahren, deß 
überfahls oder Überzugs erheischet und da man deß geschütz 
nit a(les bedürfe, so soll sollich es ümb weniger umbcosten 
willen, von dero nechste gesessenen der Gefahr uf gemeiner 
stand cosien begert werden. Doch daß deß umbcostens halben 
gleicheit gehallen werde. Darinnen sich dann die Obristen und 
Kriegsräth gemeynen ständen und dem Vaterlandt zu gutem 
der billichkeit nach wol wüssen werden zu halten. 

Demnach sollen die stand und obrigkeit zu versechung Irer auf- 
gelegten Kriegsvolks nachvollj^ende geschütz und büchsen, Meister 
und aller artillery und Zugehört verordnet und gevast werden. 



^ Mit Aufbietung aller Macht. 

2 zu leisten. 

3 Dennoch. 



— 70 — 

Der fürstlichen Dt. Regierung zu Ensisheim soll geben 
zwo Falkhaunen und zwey falkonnettlein und zwey halbfat- 
konnettin, Büchsenmeister oder Zügmeister und anderer zu- 
gehördt. 

Die Landvogtey Hägenaruw soll geben zwey halbe fal- 
konnettlin. 

Unser gnediger Herr von Straßburg sampl Irer gnaden 
Thumbcappittel sollen geben ein fal können und zwey doppel 
falkennettlin. 

Die Herrschaft Reichen weyer ein doppel Falkennettlin. 

Grave Phillipps von Hanauw der Eller zwey Falkennettlin. 

Graive Phillipps zu Hanauw der jünger zwey Falkennettlin. 

Die Stadt Straßburg zwo Falkhonnen und einen Zug- 
meister. 

Die Slett der Landtvogtey Hagenauw zwo Falkhonnen, 
zwey doppel Falkhonnettlin und zwey halb Falkhonnettlin. 

Es soll auch Fl. Dcht. Ober Regierung Im obern Kreiß 
und dann die Stadt Straßburg Im andern Kreiß yeder zeit uf 
begeren der Christen und Kriegsräth ein anzahl hachen 
PuUveri geben und mit fußvolks, doch der gestalt, daß von 
gemeynen ständen Iren dafür billiche bezahlung ervolge. 

Ob dann gleich wol zuvor auf Landsrettungstagen zu be- 
schirmung und errettung diser Land ort für nodtwendig gut 
angesehen worden ist, die Paß am gebirg nodtürfliglichen zu 
versehen, wie dann durch ettliche damalen darzu verordnete 
besichtiget worden sind und aber noch beschechner Relation 
sovyl verstanden worden, daß an verhengung und verfellung 
der Paß, daß Gebürgs zu abwendung einer gemeinen unfahls 
nitt so hoch und vyl gelegen. Jedoch diewyl die Stand und 
Obrikheiten der abwäsenden Räth Pottschaften und Gesandten 
erwogen, daß obgleichwol nit alle, doch etlich Paß deß ge- 
bürj^s Irer natur und eygenschaft nach danoch dermassen ge- 
schaffen sind, daß dieses werkh mit fürstechung der Paß nit 
gänzlich zu lassen sey, so wellen vylgemelte Stand und Obrik- 
heiten sollich werkh der Paß den beiden Obristen und Inen 
zugeordneten Kriegsräthen auch heimgestellt haben, die yeder- 
zyt nach gelegenheit fürfallend gefahr Irem rath und gut- 
bedunkhen nach sich haben zugegreufen und für die Hand ze- 
nemmen oder fallen zu lossen, die weil auch der halben zuvor 
ein Austheilung deß gebürgs und der Paß beschechen, so 
lossend die Stand und Obrikheiten von solchs bey derselbigen 
Austheilung verplyben. 



1 Pulver für Hackenbüchsen. 



— 71 — 

IV. Und ist dass die Aussttieilung. 

Namblichen der FI. ücht. Regierung In Obern Elsaß mit 
Hilf der Herschaften, under das Haus Oesterreich gehörig, 
auch der obern Mundat, und den Stellen Colmar, Keysersperg 
nachparen alle Paß von oben herab biß Ins Weylerthal. 

So dann sollen auch Fl. Dcht. Regierung durch die Unter- 
thanen des Weilerthals mit Hilf deren von Schlettstadt, Kesten- 
holz, Dambach, der Pflag (?), Barr und der Edlen von Andlauw 
auch anderer daselbst umbgesessenen underthanen, die Paß, 
vfeg und Strossen Inn derselbigen Obrikheiten weilerthals so 
weith die erreicht verhau wen und versechen lassen. 

Die Stadt Ober-Enheira, Roßheim, Under-Enheim, Börß i 
und der Edlen von Rathsamhausen underthanen daß Steinthal. 

Unser gnediger Herr von Straßburg, durch die Under- 
thanen oder Aemter Dachstein, Preißthals* sampt denen von 
Mutzig, dem Amt Balbrun,^ den Dörfern Dorloßheim,^ Dinkels- 
heim,ö Flecksperg,« Schar-Labrikheim 7 und anderen darumb 
gesessenen deß Preißthals. 

Item die Grafschaft Dachspurg mit Hilf der gemeinschaft 
Marlenheim und Iren zugehörigen Flecken, auch der Stadt 
Wangen und den Dörfern Odralzheim, Waßlenheim und Al- 
menswyller die Straß und Paß bei Dachspurg. 

Die Aempter fußweiller und Neuweiller, auch die Dörfer 
Densenheim,» Wyttersweiler, Wynheim mit Iren Nachparen 
daß Zfickhalthal und Neuweiller Staig. 

Item das Ampt Neuweiller sampt den Pfalzgrävischen und 
Westerburgischen Dörfern daselbs umb gelegen, die Strassen 
und weg uf Weymnauw zu Ingwyller. 

Es ist auch beredt, daß die Obristen und Ir zugeordneten 
Kriegsräth für gut und nodtwendig ansechen wurde an Et- 
lichen Pässen deß geburgs mit verfellung und verhengung der- 
selbigen fürsechung furzunemmen, daß dann die stand und 
Obrikheiten by Iren underthanen verschaffen und verordnen 
sollen, auf erfordern und begeren der Obristen, daß denen ge- 
horsamst geleistet werde, damit durch die so wiegemelt zu 



1 Börsch. 

2 Breuschtal. 

3 Balbronn. 

* Dorlisheim. 
^ Dangolsheim. 

6 Flexburg. 

7 Seharraehbergheim. Der Ort wird in Urkunden von 1585 
Scharleberckheim genannt. 

8 Dinsheim. 



— 72 — 

jedem Paß bestirnpl ungeweyert, daßjenij^ verrichten, waß 
Ihnen von den Obristen yeder Zylt auferlegt wird. 

Doch dem es auch an disen orthen und Pässen vyl ge- 
maurter flecken und Stett, die ohn ein geschülz von der Hand 
nit zu erobern, da dieselbigen In nodturftigen bauW erbaltea 
würden diewyl sich aber Im Werkh und augenschylich be— 
findet, daß man ob gehn die Burgerschaft weder mit Doppel- 
haggen kraut und Lot auch andern gegenwören nit gefast. So 
ist durch gemeye Stand und obrigkheiten abgeordnete Rhät, 
Bottschaften und gesandten für nodt wendig bedacht und be- 
schlossen worden, daß alßbald durch vede Obrikheit so In 
diser verein begriff*en, gepurlichs ynsechens i besechen und die 
Underthanen dahin gehalten werden sollten", daß sy mauren 
und wöhren Ire Stett und fleckhen besseren und zurüsten sollen. 

Und da sy sollichs nit verstunden, sollen sy Iren ein oder 
mehr sondere Personen zu ordnen, die Inen hierinnen Under- 
weysung thun mögen und im fahl sy bauwen wurden, sollen 
Inen die nechsten Dörfer mit der fron zu Hilf kommen. 

Es sollen auch die Stand und Obrigkeiten, deß Bezürkes 
der Unterthanen In Stetten geschutz, Doppelhaggen und darzu 
gehörig Munition besichtigen wie man damit gefast sey wo 
mangel daran vorhanden, den Unterthanen uferlegen sich auf 
ein gewisse anzal gefast zu machen, auch demnach alle Jar, 
wann man mustert, daß geschutz und darzu gehörig bereit- 
schaft, besichtigen. 

Es soll auch alßbald da sich obgemelte gefahrlichkeiten 
zutragen und gedachte Landsrettung durch die Obristen und 
Kriegsräth fürgenommen, die ober Regierung anstatt der Fl. 
Dcht. und dann unser gnediger Herr von Straßburg, ohn allen 
Verzug deß römischen Kreiß Obristen, vermög des heiligen 
romischen Rychs Ordnung, umb Hilf und Zuzug ersuchen. 

Und soll solcher verstand und nachparliche Verein von 
dem tag deß nachgeschriebenen Dalumbs fünf Jar lang 
wären, doch mit der fürnemlichen und außtruckentlichen be- 
scheidenheyt, daß es sich begeben und zugetragen wurde, daß 
der Romisch Kreiß disem Land Hilf thun und zuschicken 
wurde, daß dann diese Aufmahnung und Landsrettung auf- 
hören und ein yeder wytters weder er zum Greyß zuschicken 
oder Gosten zu leyden schuldig zu thun unverbunden seyn 
solle. Und soll den ständen diser Verein unbenommen seyn, 
bey den ständen des römischen Kreiß umb erstattung den 
zuvor angewendten Gosten über Ire gepür anzuhalten, damit 
sy dessen wider ergenzt werden. 

' - Einsehen. 



— 73 -- 

Sollicher verstandt und . nachparlicher Verein soll auch 
wythers und anders nit dan defensive werden, und so ein 
frömbter Herlofi oder andere Kriegsvolkh war, daß kheiner diß 
Lands Obrigkeiten In dieser Vereynunj? begriffen überziehe, 
verderben oder mit durchziehung wider deß Reichs Ordnung 
besch wären wöll, daß man Inhalt deß Ahscheid's einander nach- 
parliche Hilf und Rettung thun soll. Niemandts weß Stands 
oder namen der sey, sonst einiche beschwerden, Nachtheil und 
schaden dardurch zuzufügen. Gleicher gestalt soll auch berürter 
Verstand und nachparliche Vereyn verslanden werden, so 
inusterplätz In disem Bezürkh wider deß Reichs Ordnung für- 
genommen werden wollten, zu welcher abwendung die Aspec- 
tion und Verordnung deß heiligen Reichs abscheid deß 55^ 
Jars zu Augsspurg ufgerichl von den standen und Obrigkeiten 
gehalten werden soll. So aber ein Standt oder Obrigkeit wider 
denn andern oder andern Reichsständ Theutscher nation wider 
sonderer obrigkeiten diß Landts etwas ansprach zu haben und 
ein Kriegsübung und Überzug 2 fürzünemmen In vorhaben 
schon würden, sollten denn, oder die, so Irs Überzugs In 
sorgen stünden, bey "Zeyten und unverzügenlichen so sy ob 
dem Landgraben gesessen der Fl. Dcht. Regierung Im obern 
Elsaß, oder so sy under dem Landgraben gesessen unser 
gnediger Herren von Slraßburg ersuchen, die alßdan ohn 
Verzug die Obrigkeit dieser Vereynigung zusammen beschrieben 
sollen, die Ursachen sollichs mißverstands zuvernemmen und 
zubedenkhen oder derselb fahl In dieser gemeiner Landts- 
retlung erfordern, oder nit, und so man befindt, deß die also 
beschaffen seyen, daß die In diser Landsrettung begriffen 
oder gemeyne gefahr und weitterung auf sich habe. So soll 
die Rettung hierzu beschechen, wie dann diser abscheid mit 
bringt und ußwyßt^ und doch darneben durch die genachparet 
Standt beschickung und gütlich mittel fürgenommen werden, 
denn andernlheil wo möglich abzuhalten. Wo aber die Sachen 
also befinden würde, daß die Obrikheit so deß Überzugs In 
sorgen stand nit befugt, sollen die versammlelten stand mit 
derselben abermalen sonst fründtlich mittel und weg suchen, 
damit der Überzug vermiten und die zwytracht durch andere 
fügliche mittel durch ordentliche oder unpartheyische Recht 
oder In der gute deß heiligen Reichsordnung hingelegt werde, 
auch yede Obrigkeit für sich selbs und by den Iren die Ur- 
sachen dardurch jemants zu einem sollichen Überzug und In 



1 = Hergelaufene. 

2 = Ueberfall. 

3 = ausweist. 



— 74 — 

fahl bewegt werden möchte verhüten. Wo aber soUichs auch 
über deß Standts, Rechts und gutliche erpitten nit statt haben 
wollte und dann sich auß sollichen Qberfahl und angriff be- 
schedigung deß lands und mehr weyttemng und gefahr zu 
besorgen, auch der Ständen fründtlich Unterhandlung be- 
Schickung und abmahnong, bey dem andemtheyl nit statt wolt 
haben, daß man aißdann den Stand In disem bezürks begriffen 
nit lossen solt uf wellichen fahl die obristen auch mit Irem 
ufgepott und anzug gefast sein sollen. Damit aller vorstehende 
gefahr und nachtheil dises Landts furgenomraen und verhütet 
werde, da nicht In diser und andern fahlen einiche Obrigkeit 
auf sollich erforderen außpleiben und nit erschynet wurde nüt 
desterminder zu bedenk hen zu beratbschlagen und zu er- 
khennen und zu beschliessen haben, Und waß er khenndt und 
beschlossen wirt von allen Obrikheiten dieser Vereyn erstattet 
werden, ohn alle geverde. 

Und soll hiezwüschen Jüngster zusammen kunft der Fl. 
Dcht. Regierung Ciausen von Hattstatt oder Humprecht Störr 
oder einen anderen der sy für gulh ansieht, ob sy sich ge- 
meinem Land zu gutem zu einem Obristen geprauchen lossen 
wölte gleichfahls auch jeder Stand auf ein oder mehr kriegs- 
rath In oben angezogener massen zu ordnen gepürt bedacht 
sein und was sy aufgericht künftig gemeinen ständen ver- 
melden und anzeigen. 

Deßgleichen soll unser gnediger Herr von Straßburg von 
wegen deß anderen bezurks hierz wuschen auch eines obristen 
halben nachgedenkens haben imd sonderlich mit dem von 
Mittelhausen. Wylsperg, oder Jerg von Windeckh Handien 
auch ein yeder stand sich mit den Kriegsräthen so Inen uf- 
erlegt gefast machen. 

V. Und sollen nachgemelte stand und Obrigkeiten 
diss vereyn und verstand begriffen sein. 

Der fürstlichen Dcht. Regierung In Obern Elsaß mit allen 
Iren nachgehörigen geistlichen und wältlichen Hir disent und 
jensit Reins berürter Fl. Dcht. Regierung In obern Elsaß be- 
velch und Verwaltung gehörig und weiterst nit. 

Die Landvogtey Im undern Elsaß mit allen Iren zuhörigen 
Dörfern In und usserhalb des Hagenau wischen Forst gelegen. 

Unser gnediger Herr von Straßburg und seiner gnaden 
Thumbcappittel mit allen Iren G.i Emptern underthonen, 
Stetten, flecken, Dörfern under dem Landgraben auch jenseit 
Reinß gelegen. 



i = Gnaden. 



— 75 — 

Die Herrschaft Reichenweihr und Horburg. 

Beide Graven zu Hanau mit allen Iren Oberkeiten hie 
disseit und jenseit Reinß. 

Grav Hans Heinrich von Leyningen mit der Gravschaft- 
Dachspurg. 

Grave Phillipp zu Westerburg mit dem Ampt Sausen - 
bürg. 

Die Herren von Fleckensiein, Freiherren zu Dacbstul mit 
Iren Obrikkeiten und Ampi zu Anfriedt. 

Die Herrschaft Barr. 

Die march Maurßmünster. 

Die Frauw Eptissin zu S*. Steffan. 

Die Stett Straßburg, Hagenauw, Coli mar, Schleltstatt, 
Oberehnheim, Keysersperg, Munster, Rosheim, Dürkheim 
sampt Ihren und Ihrer burgern Underlhanen uf dem Lande 
gesessen. 

Die Edlen von Landauw, Landsperg, Rätzenhausen und 
Willsperg auch alle anderen von der Ritterschaft In disen be- 
zurks In obern Elsaß biß an den Hagenauwer forst gestossen 
mit allen Ihren Underthanen, auch alle anderen geistlich und 
wältliche In berurten bezürk gesessen mit Iren Underthanen 
und zugeherigen Benanten und Unbenannten. 

Und waß sich sonsten fürfahl möchten zutragen, es war 
mit eroberung eines yngommenen Platz oder Stett In disem 
bezürk begrifTen, oder In all andere wäg soll durch gemeyner 
stände, da sich der fahl zutragen wurde, sampt den Obristen 
und Iren zugehörigen Kriegsräthen, davon zureden und dar- 
under das beste fürzunemmen bevor stan. 

Und noch dem der Mumpellgartische Abgesandten begert 
Mümpelgardt sampt den vier dazu gehörigen freyherrschaften 
als Elicourti und Plamont In dise Vereyn zune mmen gemeine 
Stand l abgeordnet aber sich zuer mehren gewist und sollichs 
begeren elwan mehr fürkommen, aber dessen bedenken ge- 
wesen, die weyl solliche Herrschaft userhalb dem romischen 
Reich gelegen. In diser Verein zunemmen, dieweyl gemeine 
Stand abgeordnete aber derowegen bevelch haben, so wellen 
sy solliches Irer obern und Herrschaft fürbringen und zu 
jüngster Zusammenkunft, deren obern und Herrschaften mey- 
nung hienieden anzeig. 

Sollichen abscheid haben die anwäsenden gemeiner stand 
und Obrigheiten Räth, Gesandten und Bottschaftern von wegen 
Irer Herren und Obern 



1 Ellengnrt, Eiligart bedeutet das heutige H^ricourt. Vgl. 
Basler Chroniken, Bd. 5, S. 580. Hericourt. 



— 70 — 

hindersich zubringen uod uf Soonta^ den 9\^^ Dag No- 
vembris nächst köofli;: ^e^en Abend, do man ailhir diser ge- 
meiner landtsrettun/ h3lben wider zusammen kommen soll, 
Eni lieh zuerklären angenommen utid bewilliget. 

VI. Und sind diss die ordnetteni und gesandten 
so bey disen tagen erschienen. 

Namblichen von wegen der Fl. Dcht. Regierung In Obern 
Elsaß der wohlgeborene Herr Lazaruß von Schwendy, fireiher 
zu hochen Landtsperg, und Hans Heinrich von Reinach, Irer 
Fl. Dcht. Rhät In obem Elsaß. 

Von der Landvogley Hagenauw Friderich von Wangen und 
zu Gerolzeckh am wassigen Schultheiß zu Hagenauw und Görg' 
Streich Zinsmeister. 

Von wegen unsers gnedigen Herren von Straßburg Görg 
von Wangen zu Gerolzeckh am wassigen, Hofmeister Oth von 
Sulz, Oberschuldtheissen zu Zabem, Doktor Heinrich Schwan 
und Martin Weylerspach, alle Irer Fl. Gnaden rälh. 

Im Namen deß Thumcappitlels ht»che sliH Straßbui^ der 
ehrwürdig wolgeborene Herr Chrislof Ladißlaus, Grav zu Mellen- 
burg und Herr zu Thengen Thum probst und Doktor Bernhard 
Rainelein, Advokat. 

Von wegen der Herrschaft Horburj und Reichen weier 
Heinrich Johann Mandolsheim, Oberampt. zu Horburg. 

Von wegen Grav Phillipp von Hanauw deß Eltern Ludwig 
Barklein von Bocklinsauw, Amptman zu Balbrun. 

Von wegen Grav Phillipp von Hanau deß jüngeren Phillipp 
von Hanauw. 

Von wegen Graven Hans von Leiningen, obgemelt straß- 
bürgische Rät. 

Von w^en Graven Phillipp von Westerbui-g, Andreß Lang. 
Sladtschreiber zu Oberehnheim. 

Von wegen Herren Ludwig Freyherr zu Fleckeustein Lud- 
wig Böcklin von Böcklinsauw. 

Von w^en gemeyner RittersohaR im undern Elsaß Hans 
Caspar von Mittelhausen und Hardmann vonlWangen. 

Von wegen der Stadt Slraßbup^ Heinrich von Mülheim, 
alt Steltraeister, Herr Friderich von Golzenheim und Doktor 
Bernhardt Botzheim. 

Von weisen der Stadt Hagenauw, Sebastian Schuldtheiß, 
alt Siettmeister. 



J AbgeordneieiL 
* Georg". 



— 77 — 

Von wegen der Stadt Colmar Sebastian Wilhelm Linkh 
und Andreas Sandherr, Gerichtschreyber. 

Von wegen der Stadt Schlettstadt M. Gervasius Frouw- 
mann, Stadtschreiber. 

Von wegen der Stadt Ober-Ehnheim Thiepoldi Schaffner, 
Burgermeister und Andreas Lang, Stadtschreiber. 

Roßheim, obgemelder Stadtschreiber von Ober-Ehnheim, 

Keysersperg, Jakob Hennslin, Stadtschreiber. 

Monster In Si Görgenthal « erstgemelter Stadtschreyber 
von Keysersperg. 

Dürkheim, Thomaß Mandreß, Stadtschreyber. 

Aktum Straßburg, Mittwoch nach 
Mathey Apl. (Apostel) Im funfzehen 
hundert, Sibenzig und zweyten Jar. 



1 Theobald. 

* = Gregoriental. 



VI. 



Entehrung Maria durch die Judei 

Eine antisemitische Dichtung Thomas Murners. 

Mit den Holzschnitten des Straßburger Hnpfuffschen Druckes 

herausgegeben von 

Adam Klassert. 

Die Gründe, die seinerzeit zur Unterdrückung der cEn 
ehrung Maria:» geführt haben mögen, fallen heute für wissei 
schaftliche Kreise weg. Wir sehen in diesem seltenen Stra 
burger Drucke eine Schrift, die in sprachlicher, literar- ui 
kulturgeschichtlicher Hinsicht des Merkwürdigen genug hieb 
um eine Herausgabe zu rechtfertigen. 

Die Grundlage für die Herausgabe bot das Exemplar d 
Michelstädter Kirchenbibliothek^i dem nur d 
letzte 34. weiße £latt fehlt ; hier allein sind also Text u: 
Bilder vollständig, während der Text der in Tübingen u 
München erhaltenen Stücke nach W. List unvollständig i 
Das Format ist AP in zwei Abteilungen zu je 8 und drei zu 
6 Blättern mit den Bezeichnungen a (2 bis 5), b (bis 4), c 
und 4), d (bis 4), e (bis 4). Eine bibliographisch genaue E 
Schreibung des Druckes nebst einer allgemeinen Würdig« 
des Inhaltes, namentlich aber des kulturgeschichtlichen Wer 
der Holzschnitte verdanken wir W. List,« der indessen da'* 



1 Sammelband E 905. Der Verwaltung, insbesondere Herrn 0^ 
pfarrer Marguth, sei auch an dieser Stelle für die Erlaubnis 
Herausgabe gebührend gedankt! 

2 Zentralblatt f. d. Bibliothekwesen IV, 1887, 290—93. 



— 79 — 

absah, die Frage nach dem Verfasser und den Quellen der 
Schrift aufzuwerfen. Diese Frage zu lösen machte ich mir zur 
Aufgabe, nachdem hei eingehender Prüfung der Schätze der 
Michelstädter Kirchenbihliothek die Schrift mein Interesse ge- 
weckt hatte. Das von mir zum Teil bereits an anderer Stelle i 
veröffentlichte Ergebnis, das in der Ermittelung der fast ge- 
wissen Autorschaft Thomas Murners gipfelt, möge hier 
zusammengefaßt werden. 

Die «Entehrung Maria durch die Juden» zerfallt in zwei Teile. 

Auf die Geschichte der Verspottung und Verwundung eines 

Marienbildes durch Juden im Uennegau und der Bestrafung des 

Frevels (V. 1—827) folgt (V. 828-150(5) der lehrhafte Teil, 

dem Holzschnitte völlig fehlen. Hier sammelt der Verfasser alle 

Daöglichen Anklagen gegen die Juden, deren Berechtigung er 

oft mit wenig Logik zu erweisen sucht, und fordert Vertilgung 

<Jer Juden, will also für vermeintliche oder wirkliche Verbrechen 

einzelner die Gesamtheit büßen lassen. Der lehrhafte Teil wird 

<^wrch die Schlußverse (1507—1530) mit dem erzählenden — 

Wöun auch nur äußerlich — zu einem Ganzen verknüpft. 

Während die Tatsache des Hupfulfschen Druckes auf Straß- 

"^rg, die Erwähnung Kolmars auf dem Titel auf das Elsaß als 

Entslehungsort hinwies, gemahnte mich auch die Sprache an 

^'"ant, noch mehr aber an Murner. Dazu wollte aber meine 

^Jitdeckung nicht passen, daß Pamphilus Gengenbachs «New 

"ed von fünff judeni»^ mit dem erzählenden Teile der «Ent- 

^hrung> sachlich vollständig und teilweise auch wörtlich über- 

^insiinomt. Sollte das Meisterlied und die «Entehrung» denselben 

"Erfasser haben? Die Frage mußte bei näherer Untersuchung 

^^rneint werden. Gengenbach hat vielmehr, wie der Augenschein 

^©hrt, die cEntehrung» in skrupelloser Weise benutzt. Er, dem 

s^ioe Nürnberger Herkunft noch nachging, hat manche ihm 

laicht geläufige Ausdrücke des oberdeutschen Verfassers durch 

^*^na passender erscheinende ersetzt. » Während er jenen an 

^^anchen Stellen wörtlich abschreibt (z. B. Gengenbach 303 f. = 

Entehrung 585 f.; mit Gengenbach 367 f. : «Do ward sich funden 

^it dem mer Das solch anclag nit gnügsam war» vergleiche 



^ A. Elassert, Mitteilungen über die Michelstädter Kirchenbiblio- 
thek, Programm der Realschule, Michelstadt 1902, S. 18 f. 

2 Goedeke, Gengenbach S. 39—53 (535 Verse in 33 Strophen). 

^ Gengenbach ersetzt das Wort gschür 180 durch ax (= Axt) 
' • 81, 299, bildung durch bild, sich verwatte 240 durch sich ver- 
lange 133, das von dem geistlichen Verfasser der Entehrung 617 dem 
^esterni quippe sumus et ignoramus, quoniam sicut umbra dies 
J^ostri sunt super terram der Vulgata (Job 8, 9) nachgebildete «vber- 
Äechtig» durch «tödtlichen» (sterblich) 383. 



— 80 — 

man Entehrung 589 f. : ciDa wardt sych funden mit dem mere 
das solch anklag vnsicher werei>, mit Gengenbach 381 : «Vhd 
sprach jr beyder do bystandl» Entehrung 615 cvnd sprach in 
beyder do bystandt>), hat er seine Vorlage an einer Stelle voll- 
ständig mißverstanden. Während nämlich der Dichter der «Ent- 
ehrung» erzählt, der Schmied habe sich gar nicht darüber be- 
ruhigen können, daß die Uebeltat solange ungerächt bleibe, da 
sei ihm, während er in der Nacht keine Ruhe habe finden können, 
durch einen Engel der Auftrag geworden, die Bestrafung herbei- 
zuführen (V. 252 ff. «Als nun dem schmydt anlag die sach vnd 
er zu nacht lag an gemach (ohne Ruhe !) Erschein ein engel 
vor im ston ermant in . . .) gibt Gengenbaoh 141 diesen Aus- 
druck wieder : «Einsmals lag er an sim gemach (in seinem 
Schlafraum ! i). Um den nötigen Reim für sein Meisterlied zu 
erzwingen ersetzt ferner Gengenbach die durch den Holzschnitt I. 
bestätigten Worte der Entehrung 94 : «Der dritt zer reyß vff 
synen mundt» durch «der drit zerzart gen ir das bar» V. 39. 
Auch der einzige von Gengenbach zweimal in seinem Meister- 
lied wiedergegebene Holzschnitt« ist offenbar — in Federstrich- 
manier — dem Holzschnitt U der Entehrung nachgebildet. 

Erwies sich so Gengen bachs Meisterlied als eine spätere 
Nachdichtung der Entehrung, so führte mich ein allerdings 
ungenauer Vermerk Goedekes» zu Gengenbachs Fünf Juden auf 
die Quelle für den beiden gemeinsamen Stoff. Als Ort der 
Handlung geben beide Gedichte (Entehrung 53 : Im Henigaw 
im Osterland; Fünf Juden 14 Henengowe) den Hennegau an, 
während wir in beiden über die Zeit, in der die Handlung 
spielt, nichts Genaues erfahren. Doch können die Verse 47 ff. 
der Entehrung den Glauben erwecken, es handle sich um 
ein Vorkommnis aus der Regierungszeit Kaiser Maximilians. 
In Wirklichkeit spielt aber die Legende zur Zeit der Juden- 
verfolgung, die um das Jahr 1322 in Frankreich und im Henne- 
gau wütete.* Dies erhellt zunächst aus Trittenheims Hirsauer 
Chronik zum Jahr 1326, wo erzählt wird, ein von dem Grafen 
Wilhelm von Holland und Hennegau aus der Taufe gehobener 
Jude habe aus Haß gegen das Christentum ein Marienbild 



» Daß Gengenbach es so meint, lehrt sein V. 163, wo er hierauf 
mit den Worten zurückkommt: Dar nach lag ich an miner rftw vnd. 
s c h 1 i e f f e. 

2 K. Muther. Deutsche Buchillustration der Eenaissance, Nr. 1361- 
Ich konnte Gengenbachs «Fünf Juden» aus der Berliner Königlichea 
Bibliothek (Y d 8251) benützen. 

3 Goedeke, Grundriß I 2, 319. 

* Eug. Bacha, La Chronique Li6geoise de 1402, Bruxelles 1900, 
283 nota ad a. 1322: Hocsem H, 9. [Vgl. bes. De Vooys middelneder- 
landsche Legenden en Exempelen 19(X). Red.] 



— 81 — 

durchstochen. Als aus dem Bild Blut geflossen sei, sei der 
Täter entsetzt geflohen, habe aber seine Heuchelei weiter treiben 
können, bis ihn nach Jahren die Strafe ereilt habe. Einem 
Schmied sei nämlich Maria erschienen, um ihn zu ermahnen, 
den Juden bei dem Grafen zu verklagen und sich zum Zwei- 
kampf mit dem Täter zu erbieten. Im Vertrauen auf seine 
überlegene Körperkraft i habe der verkappte Jude sich auf den 
Zweikampf eingelassen, sei aber von dem Schmied durch Mariens 
Beistand übei'wunden worden, worauf er eines schimpflichen 
Todes am Galgen habe sterben müssen. Genaueres erfahren 
wir über den Ort der Handlung und deren nähere Umstände 
in zwei Druckschriften des 17. Jahrhunderts, die die Geschichte 
der Zisterzienserabtei Camberon (zwischen Ath und Mons im 
Hennegau) behandeln.« Hier wird der Täter im Jahre 1322 bei 
Gamberon von zwei Zeugen, einem Holzhauer und einem Laien- 
bruder in dem Augenblick überrascht, wo er die verhängnis- 
vollen fünf Stiche in das Bild getan hat. Der Holzhauer wird 
von dem Klosterbruder gehindert, den Täter auf der Stelle zu 
erschlagen, worauf es diesem gelingt zu entfliehen. Eine Klage 
der beiden Zeugen beim Abt von Mons und dem Oberrichter 
des Grafen von Hennegau bleibt erfolglos, bis nach vier Jahren 
(1326) Maria einem schon sieben Jahre an Paralysis bettlägerigen 
Schmied den Auftrag gibt, den Täter, der mittlerweile wieder 
seinen Dienst als Kriegsknecht des Grafen aufgenommen hat, im 
Zweikampf zu bezwingen. Im Zweikampf, der in der Nähe des 
Parktores von Mons staltfindet, siegt der kranke Schmied durch 
übernatürHchen Beistand, worauf der Graf den Unterlegenen zur 
Richtstatt schleifen und zwischen zwei Hunden verbrennen läßt.» 
Der siegreiche Kämpfer hielt jährlich am 4. Sonntag nach Ostern 
einen feierlichen Umzug, Drei Kirchen, eine in Camberon, eine 
auf dem Kampfplatz in Mons und eine dritte in Estinne, dem 
Heimatdorfe des Siegers, erinnern nach Le Waitte an das Er- 



1 Spem habens in suis viribus quia fortior (stärker !) illo fuit. 

2 Diese beiden, die üeberiieferung von Camberon bergenden 
Schriften: A. Le Waitte, Historia Camberonensis, Paris 1672, und 
W. Caoult, Miracula quae . . . apud Camberones ... in Hannonia . . . 
efifulsere, Duaci 1606 (und Köln 1607) wurden mir von der Berliner 
Königlichen und der Kölner Stadtbibliothek zur Verfügung gestellt. 
In dem 1606 in Douay erschienenen Schriftchen von Caoult wird 
auch noch eine französische Ausgabe des Priors Farinart, gedruckt 
Mons 1604, angeführt, der sich wie Abt Le Waitte auf eine altfran- 
zösische Pergamenthandschrift als Quelle beruft. 

8 Vgl. Brants Layenspiegel von Tengler, Augsburg 1509, bei 
Hans Otmar, HI y, 2 b : Von Juden straff : Den Juden zwischen 
zwayen wütend oder beyssenden Hunden zft der . richtstatt . . 
Bchlaiffen . . an einen besonderen galgen zwischen die hund nach 
verkerter maß hencken . . 



— 82 — 

eignis. ßis 1467 wurde jährlich, bis 1500 alle drei, seitdem 
alle sieben Jahre die judaica tragoedia aufgeführt.^ 

Während die von deni Verfasser der Entehrung benutzte 
Vorlage — vermutlieh eine alt französische Chronik des Klosters 
Camberon — die Legende etwa in der eben erzählten ausführ- 
liehen Form* gab, was die Holzschnitte der Entehrung zu be- 
weisen scheinen, hat der Dichter der Entehrung den einen 
Zeugen, den Holzhauer, irrtümlich mit dem Schmied gleichge- 
setzt und damit die Erzählung der eigentlichen Pointe beraubt.^ 
Gengenbach ist ihm hierin kritiklos gefolgt. 

Als Entstehungsjahr des Druckes der Entehrung nahm W. 
List 1510 oder etwas später an, doch läßt sich für diese selbst die 
Zeit genauer bestimmen als aus der auf dem Titelblatt erwähnten, 
1510 eingeleiteten, 1512 durchgeführten Vertreibung der Juden 
aus Kolmar.* Denn gelegentlich — V. 106-115, (962 ff.), 14ß2, 
1488—1494 — wird der durch die Folter erpreßten Geständnisse 
des wegen vieler Verbrechen am 4. September 1514 zu Halle ver- 
brannten angeblichen getauften Juden » gedacht, den der Verfasser 
irrtümlich nach dem Vorgange Huttens und der Reuchlinisten als 
Johannes Pfefferkorn bezeichnet/ Weil der Verfasser, durchaus 
auf Seiten der Judenfeinde stehend, trotzdem die zur ßeschimp- 
fung des getauften Juden Pfefferkorn von Reuchlins Partei 
ausgegebenen «cSchmachbüchlein:» für bare Münze nimmt, so 
wird die Entehrung nicht nach dem Erscheinen von Pfefferkorns 
«BeschyrmungjD veröffentlicht worden sein, denn hätte der Ver- 
fasser diese Widerlegung gekannt, so hätte er sich sicher nicht 
eine solche Blöße gegeben, die den Spott der Gegner heraus- 



1 Le Waitte 33. 

* Von Caoult und Le Waitte werden die tätigen Personen aus- 
drücklich mit Namen genannt. 

* Ich komme unten darauf zurück. 

* Vgl. darüber X. Mossmann, ißtude sur l'histoire des Juifs ä 
Colmar, Colmar 1866, p. 19-21. 

* Chronica Von vil namhafftigen geschickten von 903 iar biß 
auff das M.CCCCC.XV. (Augsburg 1515) zum Jahr 1514 (im Sammel- 
band E 905 der Michelstädter Kirchen bibliothek) 

6 Gegen diese ihm zum Schimpf geschehene Benennung des 
Pfaffen Rapp wehrt sich Joh. Pfefferkorn, «den man nyt verbrant 
hat>, in seiner «Beschyrmung» 1516, und verwahrt sich im Streit- 
büchlein 1517 nochmals gegen Huttens unehrliches Verfahren, der 
«mit dem blinden Anhang obscurorum virorum> zuerst aufgebracht 
habe, er selbst sei verbrannt worden, dann, es sei sein Bruder, 
endlich, es sei sein Vetter gewesen, während er doch einziger Sohn 
seiner Eltern sei und nie einen Vetter Joh. Pfefferkorn gehabt habe, 
der Christ geworden sei. Vgl. L. Geiger, Joh Reuchlin 374 und 385. 
Die von Reuchlins Partei ausgegebenen Flugschriften über Verbrechen 
und Strafe jenes vorgeblichen Pfefferkorn sind in den Supplementen 
zu Böckings Huttenausgabe abgedruckt oder verzeichnet. 



— 83 — 

fordern mußte. Und einen Niederschlag dieses Spottes finde ich 
im 2. ßuch der Epistolae obscurorum virorum im 59. Briefe, 
wo Joh. Cocleariligneus an Ortuin Gratius aus Frankfurt über 
alles berichtet) was er über die zugunsten Reuchlins bestehende 
Verschwörung in Erfahrung gebracht hat; dabei erwähnt er, 
Thomas Murner sei das Haupt dieser Verschwörung ; ein 
Buchhändler habe ihm verraten, Murner habe unum librum de 
scandalis praedicatorum (Jetzerhandel in Bern) geschrieben et 
unum alium in defensionem Reuchlini. Welcher Hohn 
liegt darin, daß die «Entehrung», eine den wütendsten Anti- 
semitismus predigende Schrift, als Verteidigung Reuchlins be- 
zeichnet wird, weil dem Verfasser wider Willen das Mißgeschick 
widerfahren war, in dem einen Punkte der Beschimpfung 
Pfefferkorns mit den Reuchlinisten gemeinsame Sache zu 
machen.^ Nun begreift man auch das Mißtrauen, mit dem 
man Murner, der ohnedies wegen seiner losen Zunge gefürchtet 
war, nach dieser Leistung 1515 in Trier begegnete. Anderer- 
seits mußte die Bezeichnung des nämlichen Murner, der im 
Brief 63 als unwissender Mönch verspottet und im 68. Brief in 
der unflätigsten Weise beschimpft wird, als eines Judenfreundes 
und Verteidigers Reuchlins den Reuchlinisten ebenso drollig 
vorkommen, wie in Joh. Textors Brief 68, bei dem gewaltigen 
Gegensatz zwischen dem attischen Salz des Erasmus und Brants 
trockener Buchgeiehrsamkeit die Bezeichnung des Erasmus als 
des Verfassers «eines NarrenschifFs» anstatt des «Lobes der 
Narrheit». So empfiehlt sich die Annahme der Autorschaft 
Murners,2 die unten näher begründet werden soll, und des 
Jahres 1515 für das Erscheinen der «Entehrung».» 



1 üeber Murners vermutliches Verhältnis zu dem wirklichen 
Joh. Pfefferkorn handelt M. Spanier im 8. Bande dieses Jahrbuches, 
S. 72 ff. Er nimmt an, Murner habe 1512 zu seinem Passahbuch 
Pfefferkorns drei Jahre früher erschienenes Osterbuch benutzt. Die 
dort von Murner gebrauchten Worte interpres sum, non invector 
stellten dann eine versteckte Polemik gegen Pfefferkorn dar, dem er 
damit wissenschaftliche Unbefangenheit absprechen wolle. Dazu paßt 
auch das wegwerfende Urteil über Pfefferkorn, das im Briefe des 
Magister Stephan Bomedelantis Murner in den Mund gelegt wird 
(Epist. obsc. vir. n, ep. 3). 

Ji Ist meine Annahme berechtigt, so ist auch die von Charles 
Schmidt, Histoire litt6raire de TAlsace, II, 233, Nr. 79: Ce livre (in 
defensionem Reuchlini) a-t-il exist6 ? angeworfene Frage in bejahen- 
dem Sinne entschieden. E. Martin, M. Spanier und L. Geiger, gewiß 
zuständige Beurteiler Murners und Eeuchlins, haben meine Vermutung 
ansprechend gefanden. 

3 Dazu würde auch die Tatsache stimmen, daß der Holzschnitt- 
rahmen der Entehrung (Charles Schmidt, Repertoire bibiiographique 
Strasbourgeois, V, 1894, Nr. 2, P. Heitz, Elsässische Büchermarken, 
"Vn, 2, vgl. S. 14, Rutsch I, 69) erst während des Jahres 1515 in 
datierten Hupfuffschen Verlagswerken vorkommt. 



— 84 — 

Bei dieser Annahme fallt auch auf ein Erlebnis Murners 
aus dem Jahre 1513 n^ues Licht. Damals entsandte Kaiser Max 
einen Beamten Hans Mue (oder Mueyg) nach Straßburg mit 
dem Auftrag: oEr soll auch fleißig fragen nach dem Doctor zu 
Straßburg, der das ander Narrenschiflf (die Narrenbeschwörung I) 
gemacht hat, und so er den erfahrt, so soll er an Meister und 
Rath begeren, daß sie mit demselben verschaflen, daß er sich 
zu Kayserl. Majestät fueg, dann sein kayserl. Majestät ihne in 
etlichen Sachen brauchen werde, die ihm auch zu nutzen 
dienen werden.» ^ Mit Recht vermutete M. Spanier, Max habe 
Murner in ähnlicher Weise wie Melchior Pfintzing (seit 1513 in 
Nürnberg) in literarischen Angelegenheiten verwenden wollen.* 
Des Rätsels Lösung ist gefunden, wenn wir aus A. Le Waitte, 
historia Gamberonensis 127 sq. erfahren, daß Kaiser Maximilian 
1513 als Wallfahrtsgast im Kloster zu Gamberon weilte, beim 
Anblick des Bildes mit großem Unwillen über die Bosheit des 
Missetäters erfüllt wurde und ein Gemälde mit der ganzen 
Judaica tragoedia herstellen, bezw. das alte erneuern ließ ; 
letzteres geschah nach Le Waitte 1514. Was lag näher, als 
daß der in diesen Jahren den Antisemitismus begünstigende 
Kaiser, noch erfüllt von den bei seinem Besuch in Gamberon 
gewonnenen Eindrücken, Murner 1513 durch jenen Beamten 
an den Hof lud, um ihm den Auftrag zu geben, die Geschichte^ 
die er gleichzeitig in Gamberon 3 und Kolmar* malen ließ, nun 
auch poetisch zu verherrlichen ? ^ 

Verschiedene Gründe können dazu geführt haben, daß 



1 Wencker, Apparatus & instructus archivorum. Argentorati 
1713, 16. 

2 Beitr. z. Gesch. d. deutschen Spr. u. Lit., 18, 1894, S. 4. 

3 Le Waitte gibt auf einer Tafel die Abbildung eines späteren 
Barockaltars zu Camberon, auf dem das Hauptbild (Darstellung 
Marias mit dem Kinde, verehrt von den drei Königen, wird in 
Gegenwart zweier Zeugen von einem Juden durchstochen) von 
sieben, wie jenes, stark modernisierten Bildern umgeben wird (2.: 
Klage bei dem Abt, 3. : Folterung des Juden, 4. : Erscheinung bei 
dem alten Schmied, 5. : Klage vor dem Grafen, 6. : Zweikampf, 7. : 
Schleifung, 8.: Verbrennung). 

^ In Kolmar hat sich nichts davon erhalten; nicht einmal eine 
Ueberlieferung. Mag die Bilderreihe wie in Camberon an einem Altar 
oder an der Kirchhofinauer angebracht gewesen sein, so wurde sie 
spätestens am 29. Nov. 1792 mit allen «angemahlten und steinernen 
Bildern an den Häusern und Kirchen zerstört». F. X. Kraus, Kunst- 
und Altertum in Elsaß-Lothringen, II, 1, 243. 

5 Zugleich mag der Kaiser, was Goedeke vermutet hat, Murner^ 
auch zur Herausgabe seiner üebersetzung von Vergils Aeneis auf- 
gemuntert haben, die im Jahre 1515 mit einer vom 15. August da — 
tierten Widmung an Kaiser Max erschien, dessen «gefiissenen Gaplon»^ 
sich Murner hier nennt. 



— 85 — 

Murners cEr^tehrung», wie z. ß. auch seine Germania nova 1502, 
einer weiteren Oeffentlichkeit gar nicht bekannt wurde. Es ist 
gut denkbar, daß die Ju.denschaft alles daran setzte, um die 
ganze Auflage des gehässigen Buches aufzukaufen und zu ver- 
nichten. Vielleicht hängt hiermit oder mit Schritten, die zum 
Zwecke seiner Unterdrückung beim Rat geschahen, die Reise 
eines Juden nach Straßburg ^ zusammen, der 1515 mit kaiser- 
lichem Geleit mehrere Tage dort verweilte.^ Anderseits mußte 
dem Verfasser selbst sehr viel daran liegen, das ihm mit jener 
Verwechslung widerfahrene Mißgeschick nicht weiter bekannt 
werden zu lassen. Wie schwierig seine Stellung seit 1515 
war, ersehen wir aus den Epistolae obscurorum virorum, wo 
er einerseits von den Reuchlinisten als Finsterling verspottet 
wird^ während ihn die Gegenpartei als gefährlichen Reformer, 
freimütigen Verteidiger Reuchlins und rücksichtslosen Kritiker 
rückständiger Maßnahmen verabscheut.^ Die Humanisten be- 
folgten hier Murner gegenüber planmäßig dasselbe Verfahren 
wie im Juni 1517 W. Pirkheimer in seiner im August als Vor- 
rede zu Lukians Fischer erschienenen Apologie Reuchlins, wo 
er als Reuchlinfreunde und aufgeklärte Reformkatholiken u. a. 
neben Erasmus, Job. Franc. Picus von Mirandola, dem Kardinal 
von Gurk, Wimpheling, Staupitz, Spalatin, Oecolampadius, M. 
Piintzing, Cochleus, Luther auch Eck, Emser und M u r n e r 
nennt und auf Erasmus' Vorhalt wegen der ganz ungleichen 
Qualität der Genannten sein Verfahren in folgender Weise zu 
erklären sucht. Die Gelehrten und Wohlgesinnten habe er 
ehren wollen, die Wohlgesinnten und Einflußreichen, wenn 
auch nicht sehr Gelehrten als Vormauer den Feinden entgegen- 
stellen, die gelehrten, aber minder gut gesinnten oder zweifel- 
haften Bundesgenossen reizen oder befestigen, die Feinde 
aber den Feinden verdächtig machen wollen. Die Absicht 
sei ihm trefflich gelungen. Mehrere Gönner der Feinde habe 
er in Verdacht gebracht,^ und die heiligen Männer sähen sich 
gezwungen, ihren Unwillen zu unterdrücken und das ihnen 
lästige Lob heiter anzunehmen, er könne ihnen ja nutzen oder 
schaden I 



1 Strebet, Vaterl. Geschichte des Elsasses, III. 495 (Brant, An- 
nalen, Bl. 162). Die Juden waren seit 1388 ständig aus Straßburg 
vertrieben. 

2 Für letzteres gibt Goedeke in seiner Einleitung zu Murners 
Narrenbesohwörung XXXVII f. eine gute Zusammenstellung. 

3 Quin inimicorum nostrorum amicissimos fautores quosdam in 
suspicionem ingentem et non parvum induxi odium . . . Pirkheimer 
an Erasmus, op. Pirkheimeri 270, vgl. K. Hagen, Deutschlands 
religiöse Verhältnisse im Reformationszeitalter I, 464—70. 



— 86 — 

Wäre uns Murners von Röhrich in Illgens Zeitschrift i leider 
nur im Auszug mitgeteiltes Straßhurger Plakat vom 18. August 
1515 vollständig erhalten, so könnte es vielleicht üherdie Geschichte 
der Entehrung weiteres Licht verhreiten. So mögen die hohen 
Reisekosten, die seine Ordensgenossen ihm als Verschwendung 
zur Last legten, mit den Vorarbeiten für die Entehrung, ins- 
besondere auch mit der Beschaffung der Holzschnitte, in Zu- 
sammenhang stehen. Ob diese nun unmittelbar den nieder- 
ländischen Vorbildern zu Gamberon nachgebildet oder ob es 
Kopien von Gemälden sind, die auf Kaiser Maximilians Befehl 
imKolmarer Dominikanerkloster ähnlich wie die dortigen Kreuz- 
wegbildei'2 von der auf Schongauer zurückgehenden Maler- 
schule ausgeführt worden sein werden, mag hier unentschieden 
bleiben. 

Daß Murners «Entehrung», abgesehen von jenem versteckten 
Hinweis in den Epistolae obscurorum virorum, in der gleich- 
zeitigen und späteren, auch der weitverzweigten judenfeindlichen 
Literatur so vollständig unbeachtet blieb, daran mag der ent- 
setzlich langatmige, durch einen Idiotismus wie «Bildung}» und 
den Druckfehler «Enderung» schwer verständlich gewordene 
Titel die Mitschuld tragen, mit dessen Wahl der Verfasser ent- 
schieden einen Mißgriff getan hat, während sonst M. Spanier 
von dem journalistisch veranlagten Murner in dieser Hinsicht 
das Gegenteil zu rühmen weiß. » Um wieviel plastischer hätten 
Titel gewirkt wie etwa «Judenfreveb oder «der Juden Vberlast> 
(nach V. 491). Aber auf dem Titelblatt der «Entehrung und 
Schmach der bildung Marie von de Jude bewissen» usw. sollte 
Kaiser Maximilian und die Stadt Kolmar genannt werden. Einen 
ähnlich schwerfalligen Titel zeigt übrigens auch das Meister- 
lied «Fünf Juden:» des ebenfalls journalistisch gewandten Pam- 
philus Ge ngenbach, dem es immerhin als betriebsamem 
Geschäftsmann doch noch gelungen ist, aus dem unter Murners 
Händen verunglückten Stoff Honig zu saugen. 

Haben wir im Vorstehenden unsere Annahme von Murners 
Autorschaft für die Entehrung im allgemeinen zu begründen 
gesucht, so möge im folgenden noch an Einzelheiten gezeigt 
werden, daß in der «Entehrung» wenigstens nichts gegen 
Murners Verfasserschaft, wohl aber sehr vieles dafür spricht. 

1. Im Versbau und in der Behandlung des Reimes findet 
sich nichts, was Murner als Verfasser ausschlösse. Dagegen 



» intens Zeitschrift für histor. Theologie 1848, 588 ff. 
* Von diesen betont Mossmann a. a. 0., p. 18, sie seien in ihrer 
Darstellung geeignet gewesen, zum Judenhaß aufzureizen. 
5 Im achten Bande dieses Jahrbuches, 1892. 



~ 87 — 

findet sich daria eine zu dieser Zeit in dieser Weise sonst nur 
bei Murner vorkommende Freiheit in der Anwendung des 
Drei-, Vier- und Fünfreiraes, ebenso gelegentlich ein für 
sich allein stehender Vers ohne zugehörigen Fieim wie Nb 13, 
94, Bf 3, 6J, Gm 759: Entehrung 1464-67: Hett man 
sy verdilket gar so kernen nit deglichen (= täglich) har 
(1466! :) allen tag ein nüwe klag Wie ielz iohannes pfeifer- 
korn ... 

Neben 617 (618) Zweireimen finden sich in der Entehrung 
unter 1530 Versen 86(85-fl? V. 1464-66) Dreireime, 7 
Vierreime und 2 Fünfreime, also 95 Mehrreime. Scheinbar 
regellos, findet die Verwendnng des Mehrreimes vor allem da 
statt, wo der Dichter einen Gedanken in nachdrucklicher Weise 
zum Abschluß bringen will, er häuft ihn an besonders leb- 
haften, eindrucksvollen Stellen, wie z. B. in Vers 314 — 378 
(8 mal!). Dies entspricht den Beobachtungen, die Spanier in 
den Beiträgen z. Gesch. d. d. Sprache und Lit. 1894, 62 ff. 
niedergelegt hat und setzt unser Gedicht, was Reimkunst an- 
geht, mit fast 6 Dreireimen auf 100 Verse an die erste Stelle. 
In der etwa gleichzeitig (1515) erschienenen Ueberselzung der 
Vergilschen Aeneis von Murner, die Spanier daraufhin nicht 
untersucht hat, finden sich in den ungefähr 20 000 Versen * 
annähernd auf 100 Verse 2 bis 3 Dreireime, sie sind hier am häu- 
figsten im VII. und XL Buch (60 bezw. 59) und am seltensten 
in den ersten Büchern, wähi-end sie in Buch I überhaupt fehlen. 
Danach möchte ich die Uebersetzung des 1. Buches der Aeneis 
und das unter dem Namen von Murners Bruder Johann gehende 
Schriftchen «Von eheliches Stadts nutz und beschwerden» 2 für 
Murners älteste deutsche Dichtung in Reimpaaren halten. War 
diese lehrhafte Dichtung die erste, in der Murner ehebiecherische 
Mönche an den Pranger stellt, 3 so wird es begreiflich, wenn er 



1 Murners Uebersetzung hat ungefähr die doppelte Verszahl 
der Aeneis desVergil und des vonVegius hinzugedichteten 13. Buches, 
insofern er für einen Hexameter gewöhnlich ein Reimpaar einsetzt. 

'^ Von ehelichs Stadts / nutz vnd beschwer- /de durch Johanne 
Murner gedieht / vn gemacht. — auf der Münchener Hof- und Staats-, 
\\ie auf der Hamburger Stadt-Bibliothek, wo ich die Schrift benutzt 
habe. Aus der Verwendung der unästhetischen Randleiste des Hupf- 
uffechen Druckes der Narrenbeschwörung von 1512 mit der Unter- 
schrift: Fris dz (vgl. Spanier, zu Murner Nb. 14: Bild. Beiträge 
z. G. d. Spr. u. L., 18, 6 Anm.) sehließe ich auf die Herkunft auch 
dieses Druckes aus der Hupfuffschen Offizin. 

3 Signatur a 3 a ; auch die Art, wie d 3 a eine Ehevorschrift 
aus dem «Juden gsatz» angeführt wird, weist auf Thomas Murner 
als wirklichen Verfasser, ebenso sprichwörtliche Redensarten wie : 
die gemeit m a t muß auch syn b e s c h ren a 3 a. vgl. Mühle von 
Schw. 397, die mat die muoß geschoren syn. 



— 88 — 

seine Verfasserschaft durch den Namen seines Bruders, der Laie 
war, verschleierte. Hierin nun fand ich unter 1180 Versen 
nur an drei Stellen den Dreireim statt des Reimpaares. — Auch 
der alemannische Reim : Christen • . mischen 630 f. ist hei 
Murner üblich. 

2. Der Verfasser der Entehrung liebt wie Murner die 
Wiederholung mit scharfem Verseinschnitt : 1103 in manchem 
landt in mancher statt ; 1063 an allem ort in allen 
stunden; 1212 in manchem land an manchem ort; 1498 
an manchem ort an mancher statt; 440 dynereren 
dyner krön. Vgl. z. B. Nb. 64, 44 f. 

3.' Wie in Formenlehre und Rechtschreibung spricht auch 
in der Syntax nichts gegen Murner. Vgl. z. B. V. 725 cglich 
vf! der seihen d e n z ü mal Stadt i) mit Aeneis : nach disser 
künig Latinus redt (üebersetzung von VII, 274) und <i:nach 
der von Troi Zerstörung her)» (sagt Diomedes im 11. Buch). 

4, Mumerisch mutet auch der Wortschatz an. Vgl. kurz ab 
(das französische bref), das hei Murner sehr beliebt, nach 
Schmidt, Wörterbuch der eis. Mundart bei Brant fehlt, V. 39 
und 259 ; sich verwatten V, 240 vff das niemants verwatte sich ; 
vgl. Gm. 4935 das er zu wytt verwatt sich nit, 4 ketzer gib 
die sich zu tieff do band verwatten, h 2 b wir band vns warlich 
tieff verwatten. Vom Untergang christl. Glaubens (Uhland, Volks- 
lieder Nr 349) Str. 22 ich förcht das ihr verwatten. Murnerisch 
ist der Gebrauch von noch = dennoch V. 9 und 17 und das 
häufige Vorkommen von ccnoch dennochtx» im Nachsatz nach einer 
Einräumung, ferner der Gebrauch von «streken baß» = foltern 
V. 599 (vgl. Nb. 3, 79 Gm 3437) und von bildung (daneben 
das bilde 81, 251, 511) =Bild (außer im Titel sechs mal), 
womit man vergleiche Nb 74, 43 f. die bildung (Bilder in der 
Kirche) soUent manen mich an (die) die sind im himelrich 
(Gott und die Heiligen !),i Vom Untergang ehr. Glaubens Str. 15. 
Maria zart, die reine, die heiligen allesampt, ir bildung 
allgemeine, die zuckens vnverschampt, aus allen kirchen werffen 
vnd brennen feür damit, wie dz wir ir nit dörffen, vnd sie 
vns helflen nit. Besonders auffallend ist die Uebereinstimmung 
in Wendungen wie 165 sehe hab dir das^ (= habeas 
tibi nach Genesis 38, 23) — und : Nb 64, 58 seh hab dir 
das; heissen liegen 1393, 1454 — ^und: Nb 95, 92 sowie 



1 Entehrung 932 f. (Bilder) . . . deren die im hymmel sindt. 

2 Die den Juden stets vorgeworfene Schmähung der Mutter 
des Herrn und ihres Sohnes, wegen deren selbst Reuchlin im Augen- 
spiegel die Verbrennung des Buches Nizachon fordert. Geiger, 
Reuchlin 227 f. S. auch Frankl, Der Jude, 1905, 131 f. 



— 89 — 

Aeneis, Uebersetzung von IV 380 neque dicla refello ich will 
dich ietz nit heissen liegen ; 1032 Ich weiß w o l was vch 
Schelmen brist — und : 4 ketzer f 4 a Ich merck w o 1 
was den schölmen brist, Schelmenzunft, Vorrede V. 7 Ich 
weyB was allen schelmen brist; 164 er zuckt den spieß 
(sehr häufig in der Aeneis) ; 148 mich betriegen den 
alle mvne syn — und: Aeneis, Uebers. von VII 273 si 
quid veri mens augurat mich triegen dan all meine 
sinn; 1079 f. Sy meynen solchs der tüffel diegder 
solches blüt har zu har drieg, 178 der düffel düt das sicher- 
lich — und : Murner, An den Adel . . S. 49 (J 3) : (Das aber) 
die Wunderwerk der teuffei dieg ist schühelich zu hören. 
5» Merkwürdig ist auch die Freiheit, mit der der Verfasser 
mit bestimmten Eigennamen umgeht, denen er im Gegensatz 
z.B. zu Brant und Gengenbach sein besonderes Gepräge verleiht. 
So setzt er für Friaul (Forum Julii) das sonst nirgends belegte 
ffürgTib im V. 1359 ein (im fürgul), wogegen Gengenbach im 
Nollhart 1304 in dem Foriul, die Augsburger Chronik 1515 
zunn Jahr 1508 in Foriul schreibt. So hat er, während 
Brant und Gengenbach die gebräuchliche Form Pharao schreiben 
(Ns. 57, 49; Nollhart 840) die Schrulle, dafür Parro einzu- 
setzen (Entehrung V. 1145, 1163, 1169, 1206 parro). In der 
Tat entspricht diese zweisilbige Form ohne Aspirata im Anlaut 
dem hebräischen Urtext (parrhau) entgegen dem Pharao der 
griechischen Septuaginta und der lateinischen Vulgata, sowie 
dem Oapacüftr^;; des Josephus, auf dessen Zeugnis sich Murner 
an der sogleich zu nennenden Stelle der Gäuchmat beruft. 
Solange man mir diese Schrulle, die offenbar mit Murners 
hebräischen Studien * zusammenhängt, bei keinem anderen 
gleichzeitigen Schriftsteller nachweist, glaube ich mit gutem 
Recht behaupten zu dürfen, der Verfasser der Entehrung und 
der der Gäuchmat sei dieselbe Person, denn in Murners Gäuchmat 
finde ich in Vers 2450« ebenfalls die auffallende Form parrho 
(auf das Fehlen des h in der Entehrung braucht hier kein 
Gewicht gelegt zu werden). 

6. Auf Murner als Verfasser der Entehrung weist auch die 
J^nenn so geläufige Gegenüberstellung des Kollektivums «der 
franlzoß» im Gegensatz zu «wir dütschen» V. 890 und 893 ; 3 ferner 
"^e Art des Uebergangs zu einem neuen Gegenstand, sowie der 



Q ^ Mit Spaniers Angaben über Murners verunglückte hebräische 
^tudien (Jahrbuch 8, 63 ff.) sind zu vergleichen V. 1243 und 1048 
^^^ Entehrung: ein gelerter iud hat myrs geseyt. 
, • Josephus, der ein Jude was, hat von Moyse geschriben das, 
uas eT von parrho was gesandt Ein houptman in das moeren landt. 
^ Vgl. z. B. Nb. 92, 67 f. 



— 90 — 

Rückkehr zu dem Gegenstand, von dem er abgekommen ist 
(944fr. ; 1411 ff.; 1507 ff.) ; * vor allem aber die ausgesprochene 
Vorliebe für volkstümliche Wendungen: V. 1098fr. es kumpt 
ein mal der anefang Das man d e d t e r vnd die h u 1 d e n 
straffen wurd mit glichen schulden ; V. 64 was vns (den 
Christen !) liebt (genehm ist), das leydet yn (den Juden).^ 
V. 1278 wir ziehen ein schlangen » in dem geren der im syn 
gifft nit lasset weren> 

7. Auf einen Verfasser geistlichen Standes läßt der ganze 
lehrhafte zweite Teil schließen (Transsubstantiation V. 835 u.a. m.). 
Die innige Marienverehrung des Verfassers entspricht ganz dem, 
was wir sonst von Murner wissen. Man vergleiche nur V. 21, 



^ 944 ff. : Doch wil ich dar von reden mer, so sich die sach be- 
gibet her: Vom sacrament ist ietz myn wort. — 1507 ff. Ich miest 
noch fil bapir verschriben, doch wil ich an dem nechsten belyben 
Vnd vff das selb farnemen kamen, das ich für mich hab genumen. 

2 Vgl. Wander III, 169, lieben 73 : Was einem liebet, das leydet 
dem anderen, ähnlich ist das Wortspiel in Lnthers Sprichwörter- 
sammlung hg. von Thiele, Weimar 1900, 237, Nr. 246. Was mir 
liebet, das leydet (verleidet) mir niemand. 

8 Vgl. Badenfahrt XVI, 22-25. Ein schlang ist gyfftig von 
der art: darnm sein gifft er niemans spart, ob man in wärmt vnd 
zartet schon, Noch mag er nit sein gifften Ion. 

* Der Ansdrnck gründet sich nicht, wie man glauben könnte, 
auf Brants Priamel im Ns. 33, 91 ff.: Wer brennend kol in goren 
leit vnd schlangen in sim bftsen treit vnd in sinr t eschen zücht ein 
mus — solch gest lont wenig nutz im hus. Während der Spruch 
bei Brant nicht auf die Juden bezogen wird, ist er den anti- 
semitischen Schriften bereits vor Erscheinen des Narrenschififs ge- 
läufig. Ich fand ihn z. B. in dem tractatus de iudeorum et christia- 
norum communione, Hain 9464, Proctor 755 (Basel bei M. Flach). 
Er taucht wieder auf in Joh. Pfefferkorns Schrift an Kaiser 
Maximilian (Zu Lob und Ere . . .; Augsburg, Oeglein, 1510) auf der 
vorletzten Seite: vnd darumb so ist ainem fromen luden gegen 
ainem Christen z& trauwen vnd zft glauben wie ainer schlangen in 
dem busam setzende, vnd die maus in ainer offne gesehen oder 
feurige kolen in der schoß habende. Die Quelle ist in dem ange- 
führten Tractatus angedeutet, nämlich ein Breve des Papstes 
Innocenz HL an den Erzbischof von Sens und den Bischof von Paris, 
aufgenommen in den von Gregor IX. zusammengestellten Teil des 
Kirchenrechtes, das sog. Buch Extra (lib. V, decretalium, tit. VI, de 
Judaeis, cap. 13, Etsi iudeos), in dem es heißt: (Judaei) ingrati 
tamen nobis esse non debent, ut reddant christanis pro gratia 
contumeliam et illam mercedem quam (iuxta vulgare proverbium) 
mus perae, serpens nutrienti in gremio et ignis in sinu 
suo hospiti. Das antisemitische Fortalicinm fidei des Alphonsus 
de Spina (Straßburg bei Mentelin, um 1467, Nürnberg bei Kob erger 
1494, fol. 179j hat die Variante: serpens in sinu, ignis in gremio 
(Maus im Sack, Feuer auf dem Schoß, Schlange im Busen). Für die 
von Innocenz III. zuerst auf die Juden bezogene Eedensart und 
ebenso für Brants Priamel hat offenbar der erste Teil des Kirchen- 
rechts, Gratiani decretum, als Quelle gedient, wo es causa XIII, 
quaestio 1, § 2 im letzten Absatz von böswilligen Eindringlingen 



- 91 — 

32 ff., 396—401, 1515 ff. mit den entsprechenden Stellen der 
Badenfahrt (besonders XXXV) und den Strophen 15 und 16 des 
Liedes vom Untergang christlichen Glaubens,^ die so rührend 
dieser innersten Gesinnung des Dichters Ausdruck geben. 

8. Gegen Murner, der bisher — sehr zu Unrecht — fast 
unbestritten als Reuchlinist sans phrase und Judenfreund galt^ 
spricht der Juden feindliche Geist, den die Schrift atmet, durch- 
aus nicht. Murner war hierin, wie mit seinem Hexenglauben, 
wie Luther ein Kind seiner Zeit. Zeigt er auch bezüglich der 
Astrologie eine höhere Einsicht als seine meisten Zeitgenossen, 
eine duldsame Gesinnung gegenüber dem damaligen Judentum 
wäre bei dem Sohne des Volkes, der den von Juden und 
Juristen geübten Druck bitter beklagt, geradezu verwunderlich 
gewesen. 2 Die Roheit und Rücksichtslosigkeit, mit der der 
heißblütige Mönch im Gewände des Friedensboten zur Vertil- 
gung der Juden auffordert, soll gewiß nicht verteidigt werden, 
aber sie laßt sich psychologisch begreifen. s Im Bestreben, das 



in Pfarrgemeinden heißt: Non facile invenietis, qui tales hospites 
libenter suscipiant. Mns in pera, ignis in sinn, serpens in 
g r e m i male saos remunerant hospites. Unde in proverbiis dicitur : 
Qui serpentem in sinn suo nutrit, percutietar ab eo. Der Dreispruch 
ist übrigens keinem der Sammler lateinischer Sprichwörter von 
Erasmus bis Otto bekannt; für die einzelnen Teile vgl. Wander II, 
1458, Nr. 48, HI, 542, 809, IV, 222, 14. Den seltensten Ausdruck 
murem in pera nutrire hat Henr. Bebel, Proverbia germanica ed. 
Suringar Nr. 591. 

^ Str. 16. Ach frumen Christen gmaine, wölt ir der heiigen 
nit, behalten doch allaine Mariam, ist mein bit, nit werfft zu weit 
von landen, ob irs bedörffe möcht, vnd laids euch gieng z& hande, das 
ir sie findt filleicht. Vgl. das Gebet, das W. Kaweraa (Schriften des 
Vereins für Reformationsgeschichte Nr. 30. S. 42 f.) aus einer der 
letzten antireformatorischen Schriften Murners anfuhrt: Maria zart, 
man sagt von dir | Groß lob vnd eer, das glaubent wir | Da habst 
gemeine Christenheit / vor yrthum bhiet vnd auch vor leid. Ach 
hilff ans auch zu einickeit | Durch din sun Jhesum, reine meyd. 

2 Wo Murner der Juden im Sprichwort gedenkt, zeigt er sich 
nirgends als ihr Freund. Vgl. Nb. 20, 55 vom luden lößt ich ee 
einpfandt, 29, 5 f. iaristenbftch, Jüdscher fundt, 30, 580 gott be- 
hütt vor iüdschem gsftch (Vnd vor des apoteckers bfich), 42, 89 u. 
51, 63 V e r 1 r e n als eins luden sei. — 4 Ketzer g 6 a : Bey dises 
täafften luden (eines gewissen Lazarus, der bei dem Jetzer- 
handel eine Rolle spielt) leer den andren ich glaub wenig mer 
getäuffte iuden / örlen holtz die geben gar ein schlechten boltz 
Was sie auch thuon das ist erdicht. . (Vgl. damit Frankl, der 
Jude i. d. d. Literatur, S. 57 unten, und Luthers Briefe, Wette V. 180.) 

' Der Haß gegen die Juden, die «von einem gülden nemen 
dry» (Entehrung 1452), lag dem Bauern wie dem Ritterssohn und 
Fürsten bis hinauf zum Kaiser Maximilian im Blut. Auch bei der 
wollüstigen Grausamkeit, mit der Hütten im triumphus Reuchlini 
in Gedanken gegen Pfefferkorn wütet, spielt ein gut Teil Rassen- 
haß gegen den — allerdings getauften — Juden Pfefferkorn mit. 



— 92 — 

Volk von den Peinigem zu befreien und die Juden für die 
ihnen nachgesagten Scbändlichkeiten zu bestrafen — an die er 
persönlich fest glaubt und die er als naturliche Rache der Juden 
an ihren Verfolgern, den Christen, psychologisch zu erklären 
sucht (V. 87-90; 1114 f. ; 1183—1201), vergißt der Verfasser 
völlig die christliche Duldsamkeit und Gerechtigkeit, die er ge- 
legentlich selbst durch den Mund des Richters fordert (557 — 61), 
und predigt unterschiedslose Verfolgung der Juden (877 — 81 ; 
1440—50; 1464 — 77), die wenigstens der Gesinnung nach mit- 
schuldig seien an den Schändlichkeiten einzelner (877 : vnd 
sindt im hertzen schultig dran ; 1217 : vnd möcht er baß so 
dett er baß). 

9. An Murner gemahnt auch der dem Verfasser der Ent- 
ehrung mangelnde historische Sinn. Die durch die Folter er- 
preßten Geständnisse angeklagter Juden gelten ihm, wie 1509 
Murner im Jetzerhandel die «Vergicht» der 4 Kelzer Prediger- 
ordens,! als vollgiltige Beweise. Mit der größten Willkür, mit 



Erohlockt doch dort Hntten, wie Geiger, Eeochbn 374 hervorhebt, 
darüber, daß der getaufte Pfefferkorn Jade, nicht Deutscher 
sei. «Alle hassen in Pfefferkorn den Juden». L. Geiger: Joh. Pfeffer- 
korn, (Jüd. Zeitschrift für Wiss. und Leben. Vn, 1869), S. 301. 
Ceber die sozialen Motive zu den Judenverfolgungen, wie sie 
Äüch in der Entehrung Ausdruck finden (905 — 12, i>24— 28; 1113 ff.; 
1450-57 vgl. noch Mühle von Schwindelsheim 75b ff. iüdschen 
seckel, dar yn er wücher pfenig leyt), hat neuerdings überzeugend 
O. Liebe gehandelt (Das Judentum in der deutschen Vergangenheit, 
Bd. XI, von G. Steinhausens Monographien zur deutschen Eultur- 
g-eschichte, Leipzig 1903). Eine reiche Stoffsammlung biet;^t 0. 
Frankl : Der Jude in den deutschen Dichtungen des 15., 16. und 17. 
Jahrhunderts 1905, S. 85-118. Freilich findet man darin über 
Murners Stellung zum Judentum nichts Charakteristisches, während 
für Gengenbach S. 95 eine Schrift herangezogen wird, die nicht 
einmal Goedeke diesem zuzuschreiben wagte, und S. 121—124 das 
Verbrechen der «fünf Juden» in Gengenbachs Meisterlied als Hostien- 
schändung bezeichnet wird. 

I Daß die vier Hingerichteten ein Opfer des Betrügers Jetzer 
und ihrer eigenen Leichtgläubigkeit geworden sind, hat N. Paulus 
nach den Berner Prozeßakten glaubhaft gemacht. Vgl. dessen 
Arbeit: Ein Justizmord an vier Dominikanern begangen, Frank- 
furt a. M. 1897, R. Steck, der Bern er Jeizerprozeß, Bern 1902, 
K. Stooß, Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht, XV, 1902, 
115—127, ß. Steck, die Akten des Jetzerprozesses, Bern 1904. Ein 
Herausgeber von Murners «Vier Ketzer» müßte diese neue Literatur 
berücksichtigen. Uebrigens beziehe ich auf Murners 1509 verfaßtes 
Gedicht : Von den vier Ketzern Predigerordens die Verse 162 ff. im 
«Großen Lutherischen Narren» (erschienen Ende 1522) — entgegen 
der seitherigen, auch von Spanier, Beiträge z. Gesch. d. deutschen 
Sprache und Literatur 18, 65 festgehaltenen Auffassung, die V. 162 f. 
von der 1509 nur begonnenen Narrenbeschwörung verstehen wollte. 
Meiner Auffassung nach sollte an jener Stelle dem zu beschwörenden 
«großen Lutherischen Narren» und Erzketzer Augustiner ordens und 



— 93 — 

einer nur diesem Historiker eigenen «dichterischen» Freiheit 
springt der Verfasser mit den Quellen um, wobei es ihm auf 
ein paar Jahrhunderte mehr oder weniger und auf Verwechs- 
lung von Personen nicht ankommt. So setzt er — vermutlich 
dem Wohllaut zulieb — die V. 116 ff. erzählte Legende i von 
dem Juden, der in ein Kruzifix sticht, so daß Blut herausspritzt, 
entgegen den Chroniken, z. B. des Rolevinck, statt in die Re- 
gierungszeit Justinians I. in die des Kaisers Phokas, V. 1118 — 
1140 beruft er sich für den jüdischen Ritualmord an Ostern 
auf das Zeugnis des Grammatikers Apion, der im Auftrag der 
Einwohner von Alexandria dem Kaiser Galigula eine Denkschrift 
g'egen die Juden überreichte, in der die später von Joseph u& 
bestrittene Behauptung vorkam, König Antiochus habe bei der 
Einnahme des Tempels darin einen zum Zwecke des Oster- 
Opfers gemästeten griechischen Kriegsgefangenen gefunden. 
Entgegen den klaren Worten des Joseph us (de antiquitate Ju- 
daeorum contra Apionem Hb. II) setzt hier der Verfasser der 
Entehrung anstelle des vorchristlichen Antiochus den nach- 
christlichen Titus als Eroberer Jerusalems. Mit der Ueber- 
Heferung von Gamberon verfährt der Verfasser vollends mit 
gewohnter Willkür, vielleicht weil er die wallonische Vorlage 



Kölnern gefährlichen Anhang gegenüber das Verfahren von 1509 
Sregen die vier Ketzer (= Schelme, Narren) Predigerordens als weniger 
J«^.iclitig hingestellt werden. Vgl. L. N. 162—165: Ich hab vor 
^ierzehn ganzer iaren allein die kleinen närlin be- 
®ch.woren, Jetz wil es an die buntriemen gan, wie ich die 
8" i'osen beschweren kan. Dabei gebe ich zu, daß der Dichter mit 
^^n folgenden Versen alle seine vor 1522 vollzogenen Narren- 
des chwömngen : (vier Ketzer, Narrenbeschwörung, Schelmenzunft,. 
Miilile von Schwindelsheim, Entehrung [vgl. V. 1032!], Gäuchmat) 
^^sammenfassen will, wenn er fortfährt: Ich mag wol erst von 
^litall sagen, das ich in meinen alten tagen von dem karren kum 
^^st in den wagen. Ich meint, mein beschweren wer 
",e seh eben (L. N. 166—169). Daß übrigens Murner nach seinem 
^^grenen Zeugnisse 1509 in der Tragödie der vier Ketzer selbsthan- 
^elud auftritt, ist bisher vollständig übersehen worden. Wenn auf 
?ön Blättern Nr. 7 und Nr. 8 des Gedichtes von den vier Ketzern 
^ dem Verfasser das priesterliche Mitgefühl mit seinen unglücklichen 
Mitbrädern sich regt und im Anschluß daran erzählt wird, auf Ge- 
^eiß des Bischofs von Lausanne (Aymo de Montfaucon, aus dem 
ßenediktinerorden) habe «ein doctor Barfußerordens» die Verurteilten 
^r Richtstatt begleitet, so ist darunter nach Lage der Dinge eben 
Turner selbst zu verstehen. 

' Diese Legende, die eigentlich zu Unrecht in mittelalterliche 
Saininlangen von Mar ienlegeaden Aufnahme gefunden hat, läßt 
Sich wohl zuerst bei Gregor von Tours, Buch II, Kap. 22 des über 
^raculorum nachweisen. A. Le Waitte, Historia Camberonensi^ 
P« 13 verweist auf die Akten des zweiten Konzils von Nicäa (gegen 
?ie Bilderstürmer im Jahre 787), wo der Vorgang als in Berytos- 
^^^ Phönizien spielend erwähnt wird. 



— 94 — 

nicht verstehen konnte. So müssen die Verse 47 ff. in der 
Leser den Glauhen erwecken, es handele sich hier um ein 
erst in der jüngsten Vergangenheit unter Kaiser Maximilian - 
anstatt im Anfang des 14. Jahrhunderts — spielende Begebei: 
heit. Aus dem getauften, im Herzen Jude gehliehenen Pate 
und Gefolgsmann des Grafen Wilhelm von Hennegau, dei 
PseudoChristen und Kryptojuden der Quelle, der aus jüdischer 
Haß dem Marienbild zu Camberon 5 Stiche versetzt, da 
wunderbarerweise Blut aus dem Bilde spritzt, macht ferner de 
Verfasser in den einleitenden Worten der Entehrung 5 Juden 
die sich gegen Maria vergehen. Der Zweikampf mit dem durc 
die Folter geschwächten Beklagten wird hier von einem robuste 
Schmied, der die Tat gesehen hat, ausgefochten. Der Ausgan 
kann demnach auch ohne übernatürliche Hilfe nicht zweifelhal 
sein, während diese in der Quelle dadurch begründet erscheint 
daB ein seit Jahren gichtkranker Schmied, der bisher nicht 
mit der Sache zu tun gehabt, durch einen Engel und Mari 
selbst veranlaßt wird, den Zweikampf mit dem waifengeübte 
Gegner aufzunehmen. 

10. Gegen die Verfasserschaft Murners spricht auch nicht 
daß die Entehrung bei Hupf u ff verlegt ist, bei dem Murne 
1512 die Narrenbeschwörung, und anonym 1515 die Mühle voi 
Schwindelsheim — trotz der 1514 erteilten Verwarnung, nicht 
gegen die ocMünchj) zu drucken — hat erscheinen lassen (ver 
mutlich auch 1509 die ebenfalls anonymen «Vier Ketzer», d: 
der Buchhändler in den Epistolae obscurorum virorum H, E 
in einem Atem mit dem Buche in defensionem Reuchlini nennt 
Die Entscheidung über das Verbot des Druckes der Gäuchmat 
die Murner vor seiner Entfernung aus Straßburg 1515 bi 
Hupfuff wollte drucken lassen, 2 fiel erst 1517, nachdem Verleg- 



^ Das Manuskript der Gäuchmat untersuchten die Ratsherr 
Barthol. Barpfennig und Joh. Kochersberg erst 1517 und fand 
unschickliche Anspielungen auf den Kaiser, das Haus Oesterrei 
und die Eidgenossen — jedenfalls in dem humoristischen, irrtümli 
noch aus der ersten Niederschrift von 1515 datierten Aktenstäc- 
der geuch fryheit (in W. ühls Ausgabe, Leipzig 1896, S. 189—19 
Dagegen bezieht sich die von Röhrich, Zeitschrift f. histor. Theolog 
1848, 591 nach Brants Annalen für das Jahr 1514 berichtete Er 
Sendung der Ratsherren Musler und Hoffmeister zu Hupfuff auf m 
Urschrift der Mühle von Schwindelsheim, deren Erscheinen Marn« 
Ordensgenossen zu hintertreiben suchten. Die von Brant an die^ 
Stelle auch für die «Mühle» gewählte Bezeichnung Gäuchmat zeL 
daß diese für die Verspottung von Liebesnarren üblich war. 

2 So fasse ich die Worte ante recessum meum in Murners B^ 
an Brant. den Wencker, Collect. Arch. p. 143 und nach ihm, aH 
fehlerhaft, Strobel in seiner Ausgabe des Narrenschiffs S. 31 um» 
Beifügung der Entscheidung des Rates (Brants Annalen zum J" s 
1517, fol. 169) mitteilt. 



— 95 — 

und Rat durch die mit der «Entehruug:» gemachten Erfahrungen 
noch vorsichtiger geworden sein werden, so daß Murner die 
Gäuchmat — im Titel auf den neuen Druckort zugeschnitten 
— erst zwei Jahre später in Basel konnte erscheinen lassen. 
Bei der nachgewiesenen Abhängigkeit des Gengenbachschen 
Meisterliedes cFünf Juden)) von Murners 4:Entehrung Maria», 
halte ich es nicht für ausgeschlossen, daB Gengenbach auch 
den Titel der Gäuchmat von Murner entlehnt hat, wenn auch 
zuzugeben ist, daß Gengenbachs Dichtung sich stofflich nicht 
dn Hurners Gäuchmat anschließt, dagegen die Bekanntschaft 
fflit Hans Sachsens Fastnachtsspiel «Hofgesind Veneris» (1517) 
voraussetzt. Daß Murner eine Gäuchmat geschrieben hatte, 
konnte Gengenbach ^ leicht von dem Formenschneider der Holz- 
schnitte erfahren. Uebrigens ist die Idee der Gäuchmat, eines 
PJ^tum stultorum oder voluptatis auch nicht Murners Eigentum. 
Wer den 7. und 8. «geschworenen Artikel» der Gäuchmat 
(l^hl S. 38) mit Poggios Brief an Nicolo Nicoli« aus dem 
Jahre 1417 über Baden bei Zürich und die dortige paradiesische 
Au, pratum oder hortus voluptatis, schola Epicureae factionis 
^^rgleicht, dem wird die merkwürdige Uebereinstimmung nicht 
^•itgehen. 

Zum Schlüsse will ich noch darauf hinweisen, daß der 
-Anonymus der Entehrung nicht leicht passender sich als 
^^rfasser hätte können bezeichnen lassen als durch den auf 
^er Titelleiste angebrachten Narren mit der Kappe und 
^ena Dudelsack. » Die Titelleisle — erst seit 1515 bei 



-j^ , 1 Die Veröffentlichung von Gengenbachs Gouchmat setzte Jakob 

"^^^htold ins Jahr 1521, entgegen Goedeke, d^r spätestens 1517 dafür 

^^isetzte. Folgen wir Bächtolds Annahme — und sie wird nicht 

^^^bedingt dadurch ausgeschlossen, daß, wie Goedeke (Gengenbach, 

^- 618) betont, die Titeleinfassung der Gengenbachschen Gouchmat 

P^^eits 1517 in einem Drucke Gengenbaehs Verwendung findet — so 

"^Öiinte sich immerhin Gengenbachs Polemik in den ersten Versen 

^•einer Gouchmat gegen Murners Gedicht mit seiner stellenweise 

^ocb wenig ernst scheinenden Behandlung geschlechtlicher 

^ergehungcn richten (vgl. Nr. 8, der «geschworen ArtickeU). Doch 

gönnte Gengenbach auch gegen gewisse Wendungen in Sachsenheims 

^oerin ankämpfen, in denen der Venusdienst mit der allgemeinen 

Menschlichen Schwäche entschuldigt wird. Gengenbach hätte sich 

^ann in bewußtem Gegensatz zu Joh. Adelphus Muling befunden. 

^er in der Vorrede zu seiner Ausgabe der Moerin (Straßburg 1512, 

*>ei Grieninger» dies Gedicht gerade als eine Verherrlichung der 

achten, edlen, himmlischen Liebe preist. 

* fol. 114 a der Straßburger Ausgabe, die Schott 1513 für 
•Knoblauch druckte, S. 297 der Baseler Ausgabe von Poggios 
Werken. 

' Vielleicht ist es auch kein Zufall, daß die Gruppe der 5 Juden 
Äuf dem ersten Holzschnitte der Entehrung an die der 5 den Be- 



— 96 — 

Hupfuff * auftauchend — wird eigens für die vorliegende Schrift 
geschaffen sein, ebenso wie die 12 Textholzschnitte.' In dem 
den Kindern nachstellenden Ungetüm auf dem oberen Rande 
soll wohl das damalige Judentum nach Murnerscher Auffassung 
symbolisch dargestellt sein. 



schwörer vor den Altar verfolgenden Narren auf dem ersten Bilde 
der Narrenbeschwörung erinnert (Spanier S. 6 = N. S. 111 VeracJi- 
tnng d. Dichters.) Auf Gengenbachs Bild zu den Fünf Juden ist der 
fünfte nicht zu erkennen. 

1 Z. B. auf Wimphelings Elegantiae maiores. Straßburg 1515 
bei Hnpfuff. Dieser hat es sich gewiß nicht träumen lassen, daß die 
beiden auf dem unteren Rand angebrachten Figuren ■ vierhundert 
Jahre später wieder zu Ehren kommen würden. Otto Hupp hat sie 
für die Titelzeichnung zum Münchener Kalender auf das Jahr 1904 
übernommen. 

3 Zu der darauf den Juden beigelegten Tracht vergleiche man 
die Belege, die 0. Frankl, a. a. 0., 44 f. aus der Literatur beibringt, 
namentlich für die auf unseren Bildern erkennbaren «Judenringiein», 
die seit Innocenz m. von den Juden in Frankreich, Deutschland und 
den Niederlanden vorn an der Brust in Gold als Abzeichen getragen 
werden mußten. 



^itHttpfättttitm (irlimrtitittiri 



tMaf(ßd»»ni*iwf«(nfämcnlmm)Ierttc. 



i3if ijfr (ßrauf öm niimrötunO 

ptSh« Ptb4terw*<i*i<«f fti wt9ent<t|)t. 



33if Df r ©raup Dm'Futirn lirfi 



?mcKiiiitjwo*riit«n'wnl>»«bioitiMiS9mi5fllgf. 



Enterung vn scliina 

ch der bildung Marie 

von de jade be wissen. 

vn zu ewiger gedecht- 

nüß durch Maximili- 

anü den römische key- 

ser zu male verschaffet 

in der löbliche stat kol- 

mer. vö dänen sy ouch 

ewig vertriben syndt, H, I, 

2a kCH richer gott in ewigkeit/ 

[\ Wo schynet nit dyn barmhertzigkcyt, 

Das so manche schendtlich dadt, 

die menschen frenel hie begadt 

nit glych gestrafft wurdt vff der statt, 
Do das vbel wurdt gethon? 
da hast vns allzytt frist gelon 

Vnd zyt genftg zft biessen geben; 

noch besseren wir vns nitt darneben« 
1^ verlieren do mit ewigs leben. 
Von jaden sag ich ietz besander, 
von den es mich nympt grosser wander, 
Das sy in so fil manchen landen 
begangen haben grasam schänden. 
Dorumb sy sindt gebrant, zerrissen, 
das sy on zwjrffal sicher wissen; 

Noch blyben sie vf ir dumheyt : 

doran sy selten haben freydt, 

das nemmens an ftir hertzen leydt. 
'^ Von irem stam erboren wardt 
maria schon die reyn vnd zart, 
Durch die alß heyll vff erden kam; 
das ist hie von dem iüdschen stam. 
Deß hett der iud groß lob vnd ere, 
io, wen es mit sym wyllen were, 

1 Um das Verständnis des Textes zu erleichtern, hat der Heraus- 
geber Interpunktionszeichen hinzu<^efügt, die im Original außer den 
schräg gestellten Strichen gänzlich fehlen. Bei Abweichungen vom 
Zweireim wurden die Zeilen eingerückt. 



- 111 — 

Ynd er ein ireyde hett doran, 
das solchs ein judsche meydt hett than. 
Nun das in dienet zft den eren, 
das wöllendt sy nit von vnß hören. 
3" Was wir zft lob in gschetzet handt, a ij 

2 b das selbig achtents für ein schandt, 
• Ynd die in möcht hie frieden geben 

vnd dort dar zft das ewig leben, 
ich mein die mftter aller genaden, 
die all ir sündt hatt vff sich geladen, 
Vor gott die selbig zA versprechen, 
wo gott ir sftn die selb wolt rechen, 

das kynnendt sy vß scheliigkeyt 

Kurtz ab nit achten für ein freyd 
^^ vnd ist ir gröstes hertzen leydt. 
So sy also verstecket sindt 
vnd haltend t fründt für einen findt 
Vnd ir ere / für grosse schmach. 
geschieht darüber nun eyn räch, 
So sindt sy selber schuldig dran 
vnd sol niemandt mitlyden han. 
In keyser Maximilianus landt 
die luden aber begangen handt 
Ein grusam schendtiich missetadt. 
^ dorumb es in so vbel gadt 

vnd meret ir vnfal sich all tag. 
Biß das er kumpt zA niderlag. 
Im henigaw im osterland 
die bÖßwicht das getriben handt. 

Wölche lesterliche dadt 

künig maximilianus hatt 

zft kolmer in der werden statt 
Zftn Predigern malen lassen 
vnd in ewige gdechtniß fassen, 
<>^ das ein ieder mög verstau, 

3 a Was wir doch an den iuden han, 

die do gantz nüt vnderlan 
Vnd handt zft vnß ein solchen syn: 
was vns liebt, das leydct yn. 
Sy ermördent vnsere kindt 
vnd sindt all vnser dödtlich findt. 
Sindt ir fünif im willen gsyn, 
vber feldt wyt wandren hyn, 
Vnd ongefär für ein kirchen gangen ; 
^^ do hatt der ein bald angefangen : 
Ach lond vns in die kirchen gon 
vnd sehen / das wir auch dar von 
Reden kynden sycherlich, 
wes doch der Christ gcbruchet sich, 
Was syn glouben sy | ir dandt 



— 112 — 

vnd was sy für ein wesen handt. 

Es ist doch niemanß, der das sycht, 

der vns dorumb verriet fyllicht. 

Sy folgten im / vnd gingendt dryn 
^^ vnd stundendt für ein altar hyn, 

Damff ein marien bilde stundt, 

vnd kuste das Christns mit dem mundt. 

Dan das bild gemalet was, 

das Christas vif der schössen saß 

Vnd maria hielt ir kindt. 

ein ind fing an reden geschwindt : 

Das ist das öd vcrfiftchte wyb, 

vß wo Icher bösse wichten lyb 
Erboren ist der falsche man, 
3^ von dem wir allen vnfal han, 

3 b vnd fing das bild zft spuwen an. a i 

Der ander blötzt den hindren dar, 

alß ob er das verspottet gar ; 

Der dritt zerreyß vfP synen mandt, 

der fierd snnst do z& spotten stnndt, 

Vnd wer die gröste schmach bewiß, 

der selb nam do von in den briß. 

Der ein liefP zft der kirchen vß 

vnd Iftgt ob yemans were daß. 
1^0 So bald er niemans dassen fandt, 

zftr kirchen er yn wider rant 

vnd lebten mer den selben spot 

wider mariam vnd euch gott 

Mit schelten / fluchen | vnd onch schweren 

vnd sunst mit seh entlichem enteren, 

Als Pfefferkorn onch hat gethon, 

als an der wend er fände ston 

Sant cristoffel Christum tragen, 

do fing der bößwicht an zft sagen 
'»^ VfF der hoflf Stuben zft perlyn, 

do diß gemalet stunde fyn : 

Du langer schalck, sprach er geschwind, 

du dreyst vif dir ein hftren kind ; 

Syn mfttter ist ein hftr gesyn 

vnd sytzt ietz in dem hftrhauß dyn. 

Des glych als Phoca keyser was, 

ist auch furwor geschehen das. 

Ein iud mit einem spieß durch randt 

ein crucifix by einer wandt, 
^'^ Das wunderbarlich blftt druß ran H. I 

4 b vnd spritzt denselben luden an. 

Da durch man vff die spüre kam 
vnd den luden gefangen nam. 
Gab im darumb syn verdienten Ion. 
als yetz die luden onch handt thon 



113 - 

In dem gotz hauß lästerlich, 
verspüwet, verspottet schentelich 
Vnd andern Iren mfttwyl gelebt, 
do mit vns Christen leüt betriebt. 
'5® Dem sy z& thftn sindt alltzyt gerist, 
was vns leydt im hertzen ist. 

Solch mfttwil wolt got nit vertragen 
vnd ordenet lüt dar. die das sagen 
möchten / vnd das vbel klagen. 
Ein Schmidt dar vngefärlich kam, 
der solchs von ferem wäre nam 
Vnd wundret sich von dissen dingen, 
das sie auß der kirchen giengen 
Vnd darnoch wider dorin lieffen. 
!*<> eim brüder er fing an zft rieffen, 

Der ongefar auch gieng die straß : 
sich, brftder, lieber, was ist das? 
Wir wöllendt solchs erfahren baß, 
ob SV Stelen wennt etwas. 
Die man, die in der kirchen sindt, 
die louffent vß vnd yn geschwindt; 
fillicht, das sy all diebe sindt. 
Mich betriegen den alle myne syn, 
syt das ich hie gestanden byn 
160 Yntj hab von ferrem zft gesehen, 
5 a So mftß ichs vff myn eydt verleben, 

das ich nüt gftts do kan erspehen. 
Sy gondt nit rechten sachen noch; 
den einer vß den fünffen floch. 
Darumb so loß vns hey milch gon 
vnd binden zft der kirchen ston 
Vnd an eim heymlichen ort 
doch vß erspehen ire wort. 
Sy giengendt mit eynander dar 
l«o vnd namendt irer Sachen war; 

do sahen sy den mfttwill gar. 
Einer auß den tünffen sprach: 
ich will ietz thftn ein iüdsche sach. 
Er zuckt den spieß, das bild durchstach: 
Sehe hab dir, hftr, das mit dym kindt ; 
du weyst wol, das wir luden sindt. 
Und lebtstu noch all hie auff erden, 
also müst ouch durch stechen werden. 
Myn hertz erkielet ich in mir. 
i'O wie ich dvii bild durchstäche dir. 
Doch nym das ietz für dynen Ion, 
das vns dyn kindt vff erd hat gthon. 
Alß er das bild durch die stürnen stieß, 
das rot blftt gwan syn vßher fließ. 
Daran ir ettlich hatten gruwen. 



8 



~ 114 -. 

vnd fieng die dadt sy au geruwen. 
Do sprach der selbig bößwicht glich : 
der düfifel d&t das sicherlich. 
Der Schmidt sprang bald her von der thür 
180 vnd zuckt, was er dan trftg, syn gschür a v 

6 a Vnd wolt den iudeu hau erschlagen ; H. HI. 

die andren worent all veria^en. 

Allein was im vff dissen gach. 

der mit dem spieß das bild durchstach. 

der brftder weret im vnd sprach: 
Ach nein, sprach er. nit thft ein mort 
hie an dissem geweichten ort. 
Wir wöllentz anderßwo wol klagen 
vnd der rechten herschafft sagen. 
^^^ Alß der Schmidt von zorn abstundt, 
der iud gar bald entrynen kundt. 
Als n&n der iud entrunen was, 
der da hatt begangen das. 
Sprach zti dem brftder bald der Schmidt: 
worlich will ichs verschwigen nit. 
Ich will solchs von den iudeu sagen 
vnd offcnlich der herschaft klagen. 
Der brftder sprach : nit, lieber fründt, 
solch grosse sachon mißlich sindt. 
^^ Ich weyß dar zu ein bossern radt. 
das wir beyde gingendt drat 
Für einen apt, den weiß ich wol. 
Das er ist aller wyßheit fol 
Vnd kan vnß beyde wol berichten 
in disser grusamlicher geschichten, 
So es doch trifft den glouben an; 
doryn er vns wol wj'sseu kan, 
AVas daryn zft haudlon syge, 
oder ob man dar zu schwyge 
210 Oder das solt wyter klagen 
6 b vnd weltlichen richtern sagen. 

Sy kamen dt für den apt gegangen ; 
der Schmidt zu reden hatt angefangen: 
Würdiger herr. wir klagen dt hie, 
das vor vff erd wardt ghöret nie. 
Die iuden handt wir also tunden, 
das sy vor einem alter stunden; 
Der ein ein marien bild durch stach, 
Das blftt ich vßher lliessen sach. 
820 ßald mocht ich mich behalten nit, 

ich lieflf her für, sprach sich der schmydt, 

Ich wült den bößwicht hau erschlagen, 

do fieng der brftder au zu sagen, 

ich mÖcht daran kein cer erlagen. 
Das ich an einem gwychton ort 



- 115 — 

ein menschen selber hett ermort. 
Do mit er mir das hett gewört, 
das ich mich von dem bößwicht kört. 
Biß er z& letst vns beyden entrau, 
2Ä0 der selbig schalck boßhafftig man. 
Nun sind wir beyd worden zft radt, 
das wir das sagen vch getradt 
Und ir vns geben ein bericht, 
wie wir doch detten diser gschicht. 

Der apt sprach wider, lieben frindt, 

fürwor das grusam nieren sindt, 

Darin man vrteylt nit geschwindt. 
Man mfiß nit gaben in den dingen 
vnd luter solchs zft reden bringen, 
240 Vff das niemants verwatte sich H. IV. 

7 b in solcher sach zft gehelich. 

Ich gloubs / für wor red ich dor von ; 
gott würdts nit vngerochen Ion. 
Dorumb wir ettlich zytt vnd tag 
still schwigen disse grosse klag. 
Ob do zwischen in der zytt 
vns gott fillicht ermanung gytt, 
Was wir daruß sollen machen, 
vnd wie irs halten in den Sachen. 
250 Gott ladts für wor nit vngerochen, 
das sy das bilde handt durchstochen. 
Alß nftn dem schmydt anlag die sach 
vnd er zft nacht lag an gemach, 
Erschein ein engel vor im ston, 
ermant in, das er nit solt Ion 

Vngerochen solche dadt, 

die er doch selbs gesehen hatt. 

dorumb er in do fründtlich batt ; 
Den es kurtz ab gotts meinung wer, 
260 das solche dadt solt rechen er, 

Die vnzucht vnd die grosse schmach, 

die maria bildung bschach ; 

gott geh im in sein hend das räch, 
hett er gunst vnd lieb im synn 
zft der hymmel künnegin. 

So solt er achten ire schandt. 

allß ob. sy es im bewissen handt ; 

maria wnrd im thftn bystandt. 
Vnd ob er nit das mercken kundt, 
270 «v^'ie er die Sachen vnderstundt, 

8 a So solt er das sym pfarer klagen ; 

der wirt yni wol bericht dyn sagen, 
Wie er sich dorin halten solt, 
so er die vnere rechen wolt, 
Vor ab so gott im stür verhieß, 



- 116 ~ 

dor zft maria nit verließ. 

Im wnrd vff erd schaden kein man, 

so gott syn stür dor zA hat than ; 

doramb solt er es griffen an 
280 ynd doryn nit erschrocken syn ; 

maria dett im hilffe sch^^n. 

do mit verschwand der engel hyn. 

Der schmydt zft synem pfarer ging, 

vor im zft reden anefing: 

hört, lieber hen*, ein gi'usam ding. 
Ich kam salb ander vff ein zytt 
zft einer kirchen, die do lytt 
Vff dem feld ; iljrin ich fandt 
fiinff iuden vor eim altar standt. 
290 Die noch fil schmach wort, die sy dedten. 
ein marien bild durch stochen hetten. 
Das das heylig blftt vß ran. 
den wolt ich do erstochen han. 
Das selbig ward mißraten mir 
von eim brftder, der lieff har für 
Vnd weret mir am selben ort, 
Das ich den iuden nit ermordt, 
Biß das der bößwicht mir entran. 
Den ich syt nit gesehen han. 
800 Vß radt des brftders bin ich gangen 
9 a vnd hab von einem apt entpfangen ^H. V. 

Synen radt in disser Sachen, 
was ich vß dieser dadt solt machen. 
Derselb hat mir geraten schon, 
das ich ein zytt solt stille ston. 
Ob got do zwischen durch syn giet 
mir selber in der Sachen riet. 
Nftn bin ich gelegen in mym bett; 
Do gott mir hien gesendet hett 
810 Synen engel. der mir sagte, 

das ich die grusam dadccn klagte. 
Den got solchs schetlichs durch steche 
mit mynen henden wolte rechen, 

Vnd wolt maria mir by stau. 

ich solts nur dapffer griffen an ; 

gott wolt mich nit in nötcn lan. 
Do mit der engel mir beualhe. 
Das ichs vch sagte vber alle 
Vnd ir mir riedten in dem fall. 
320 fürwar ich treib kein spot noch schall. 
Der priester sprach, myn lieber fründt, 
fürwar das grusam reden syndt. 
Darin nit gftt zft haudien ist, 
vorab eim dem wvßheitten brist. 
Ich bin der sachen vnbericht 



- 117 — 

es ist ein grusamlioh geschieht 
Vnd ein grusam aneklag. 
kumpstu für mit solcher sag. 
So trifft es lyb vnd leben an, 
S30 vnd zft lest will es sich kuin beweren lan. 
9 b Du niftsts by bringen vff den man, 

der solchs vbel hat gethah. 
Man glaubt nit lychtlich in den dingen, 
kundtstu den das nit by bringen. 
So würstu in glych straffen kumen, 
wie du den iuden für batst genumen. 
Darumb bedenk fursichtigklich, 
ee das du dryn ergebest dich, 
an klagen, das ist mysselich. 
3*0 So sindt die iuden also behendt. 
so bald dyn ai^klag sy verstcndt. 
Dan strecken sy groß gelt dor an, 
das niemants dan nüt schaffen kan. 
Do mit verfierenß manchen man. 
solchs handt sy offt mit schencken than. 
Wo du den sprechst, es were dir 
ein engel gottes kummen für. 
Der dich z& solchem het ermandt, 
das gloubt man dir dan nit zti handt. 
350 Den disse weit ist also gesit, 
das sy solch ding gelouben nit, 
Was vßwyßt die götlich gschrifft 
oder heylig ding antrifft. 
So grifft man nit den iuden an 
vff reden eines eintzigen man, 
wo man nit vor hatt ein argwan. 
Vnd ob man schon in fohen wurdt 
vnd mit pynen fragen fürt, 
Vnd er dan nüt do wurd fcriehen, 
360 so wer es dan vmb dich geschehen. 
10 a Vnd wo maus für ein lügen acht, 

so würd dir selb do straff gemacht, 
dorumb die sach du baß betracht, 
Daryn ich gib ein solchen radt, 
das du verschwygest disse dadt 
Vnd standest still noch ettlich tag, 
ee du fürbringest dise klag. 
Do zwischen hoff vnd trw ich got, 
das er vns bevde wissen lodt. 
870 ^^T[Q -yyir die sachen gryflfendt an, 
vff das darin würd recht gethan. 
Gott würdt vns das wol wissen lan, 
will er die sach gerochen han. 
Do zwischen volge du myner lere: 
dyn hertz zft grossem andacht kere 



~ 118 — 

Vnd die zyt zft ynnigkeyt, 

maria zart, die reyne meydt, 

das sy dir sy zft hilff bereyt. 
Den was du mir do hast gesagt 
380 vnd von dem öden inden klagt, 
Alß ein bichtnatter glaub ich dir. 
wie da mir das hast geleget für. 
So nun menschliche witz vnd syn 
keyn radtschlag mögen finden dyn, 
So mtiß man sich zA gott wol keren, 
das er die sach vns wolle leren. 
Nit klein diß sach ich schetzen kan ; 
den sy trifft lyb vnd leben an 
Vnd räch dar zft vber eine dadt, 
890 darin man öd beflecket hat bij 

IIa Mariam zart die künnfegin. H. VI. 

dornmb schick dich zft bichten fyn. 

das sie dyn helfferin wöll syn ; 
Das doch den inden werd ir Ion, 
das sy solch vbels handt gethon. 
Alle hoffnnng, die wir tragen, 
so wir vnser sünden klagen, 
Von diser weite scheiden wellen 
oder sunst in vnfal feilen, 
*co So rieffendt wir mariam an. 
das sy ein mfttter wel by stan. 
Solten wir den lyden diß, 
ein ind ir ere also beschiß ? 
Der schmydt von synem pfarer ging, 
dar zft ein andacht ane fing, 
zft bychten vnd flissig zft betten, 
noch dem sy im geradten hetteu. 
Der apt vnd ouch der pfarer syn, 
vor ab ouch nach des engeis schyn : 
•Jio T)as got syn bitten wolt erfillen. 
maria zart ouch iren willen 
Im geben wolten zft verston, 
ob er die sach solt fallen Ion, 
Verschwygen / oder Intbrecht machen; 
er M^er zft kündsch in diser Sachen. 
Alß er nftn lag vff ein nacht 
vnd solches wyt vnd hoch bedracht, 
Bald stand er vff vnd knüwet nider 
vnd fing an flyssig bitten wider: 
*^ Maria zart, sprach er mit bitt. biij 

IIb ich bin ein armer schlechter schmydt, 

Dar zft ein einfeltig man, 
der nit so hoch betrachten kan, 
wie ich die sach mö cht griffen an. 
Ich han dyn bildung sehen durch stechen. 



- 111) - 

ob ich aber das selb sol rechen, 
Das wöllendt sv mir radten nit 
vnd ziehendt ab mich ouch da mit. 
N£in kan ichs worlich nit bedencken, 
*8o Pas ich den iuden des mög schencken 
Vnd solche grusam vbel dadt, 
die man an dir begangen hat, 
So gantz vnd gar so lassen lygen. 
vnd das es blybe gantz verschwigen. 
Ich förcht, gott wurdt das an mir rechen 
vnd mir myn leben druin abbrechen. 
In gyner weit ein lone drain geben, 
der mir dort kummen würd nit eben. 
Dorumb erman ich dich, iungfrow schon, 
440 Dyner eren. dyner krön. 

du wölst mir geben zft verston, 
Wie ich sol thftn in diser Sachen, 
oder was ich druß sol machen. 
Ich hab für wor in alln myn tagen 
ein solch fruni hertz zft dir getragen, 
Das ich myn lyb vnd alß myn leben 
für rettung dyner ere hett geben, 
Vnd rüwet mich ietz ewigklich, 
das ich die dadt nit räche glich. 
*5o ach got, der brftder hindret mich. 
12 a Zftm andren wardt zft mir gesandt 

ein engel, der mich rachs ermandt. 
Noch hatt man mirs alß Miderratden, 
das ich nit* riebe disse dadten. 
Myn engen ratden mir das räch 
vnd der engel, den ich sach. 
Allein ich dyner antwnrt wart, 
maria rein, du edle, zart. 
Alß nftn der schmydt dett solche redt 
*60 also knüwendt vor dem betd, 
Erschein im vor syn ougen dar 
maria, die was kummen dar; 
Das blftt ir vß der stürnen ran, 
do hien der iud den stich hett than, 
vnd lieng also zft reden an: 
Myn dyner vnd du frumer Schmidt, 
Iftg, das du doran zwifelest nit. 
Was dir der engel beuolhen hatt. 
Das selb dftt er vß gottes radt, 
470 Der im beualhe die selbe sach. 

das du solt thftn ein lindtlich räch 
vber disse grosse schmach. 
Die mir vnd mynem lieben kindt 
von iuden hie begegnet sindt. 
Die hie so grossen mtttwil tryben, 



— 120 — 

das nüt doran ist vber belyben. 

Sy haiidt verspottet vnd veracht, 

mit Scheltworten vns verlacht. 

Darnach mit einem spieß durchstochen ; 
*80 Das selbig" sol nftn werden gerochen biiij 

12 b Durch ffotts beuelhc / mit dyner handt. 

so wil ich th&n dir ouch bystandt 
zft Ion vnd straff der grossen schandt, 

Das mencklich in der sach mftß iehen, 

das wir all ding im hymmel sehen 

Vnd den belonen, der vns eret, 

vnd straffen den, der solches werct. 

Ich bin dyns gangs ein vrsach gsyn, 

das du ongefar bist kummon hyn 
490 Vnd das selb gesehen hast. 

der luden grossen vberlast. 

Biß starck vnd gang der klagen nach, 

den du must thün das selbig räch. 

Der schmydt, von maria so ermant, 

dradt für den graffen bald z& handt 

Vnd lieng den luden zft klagen an, 

der den stich ins bild hatt than. 
Er sprach, myn herr. ich mftß vch klagen, 
ein grusam vboldadten sagen, 
500 die ich nit lenger mag vertragen. 

Ich kam in ein capellen gon, 

heymlich, wolt mich nit sehen Ion, 

Ich vnd noch ein brftder mit, 

gloubt mir, myn herr, sprach sich der schmydt ; 
Da sahendt wir fiinff luden ston 
vor einem bild maria fron, 
dem sy groß schmach handt angethon 

Älit spotten / spüwen vnd verlachen. 

wir namendt war der selben Sachen. 
510 So zuckt ein lud ein grossen spieß, H. VII. 

13b den er do in das bilde stieß 

Marie, der hymel künegin, 

oben zu der stürneii yn. 

Ich wolt den bößwicht han erdödt 

ein brftder mir gewerct hott. 

Ich hab des gewichten orts geschont; 

ich hett dem luden sunst gelont. 

Nftn hab ich dor zii radts gepflegt 

vnd gelerte leüt dorumb gefregt. 
520 Die haben mich noch myner trugen 

alle zyt mer vff gezogen. 

Das ich die sach ließ stille ston 

vnd ettlich zvten vmbergon. 

Ob gütt do zwischen sandt ein radt, 

wie man doch dett der vbeldadt. 



— 121 - 

Ob gott der herr die grosse schmach 
straffen wolt mit synem räch. 
Nun ists in mittler zyt geschehen, 
das ich ein eugel hab gesehen. 
sao Der mich die sach hett hevssen rechen, 
das kein iud nymraer dörft* durch stechen 

Die biidung raarie, der reyncn meydt; 

noch dennocht hab ich lenger gebeyt 

vnd niemants von der sach geseyt. 
Biß mir zu lest erschinen sindt 
maria vnnd ir liebes kindt, 
Wie ir bild gemalet was, 
vnd haben mir beuolhen das. 
Das ich von iren wegen rieh 
**o dissen lesterlichen stich. 
14 a Das will ich. herr. vor vch bestan 

als ein f ramer cristen man 

vnnd wilß also geklaget hau. 
Noch ein brüder was by myr, 
der mit mir stundt hinder der thyr 
Vnd hatt das ouch also gesehen, 
wie ich das hie hab verleben 
Des laßt vch edler graf vnd herr 
zft hertzen gan diß kleglich merr! 
550 Der graf sprach wider, lieber frindt, 

dyn wort myr worlich grusam sindt; 

dorinn ich nüt verstandt noch findt, 
das ich den luden dorumb fohe 
vnd so ylendts mit ym gehe, 
Das ich in pynlich fraget mere ; 
wenn vor vff in ein arg won were, 
Doch miest er denocht nit syn schlecht, 
ich mftß in blyben Ion by recht. 
Wie wol er ist ein iud geboren, 
5«o noch muß im recht nit syn verloren, 

Ich muß im recht gedyen Ion. 

hett er das nftn nit gethon. 

so wurdt es vber dir vß gon. 
Wo es aber sich erfindt, 
das die iuden schuldig sindt 
Den wolt ich doryn halten mich, 
das mengklich sehe ofCenlich 
Das mir die sach zft hertzen gadt, 
wo ich wie recht erfind die dadt. 
5*^^ Der schmydt sprach, gnediger herre myn, 
14 b ich bin doch nit allein gesyn 

Es ist ein brftder by mir gstanden, 
der hatt ouch gesehen disse schänden; 
Der selb hilfft mir die sach bezügen, 
das ich für wor das nit erlügen. 



— 122 - 

« 

Ich bezüg: michs vff den selben man, 
das der iud den stich hatt than. 
Fragt in, der würt mir kantschafft geben, 
des klag ich vff syn lyb vnd leben 
580 Vnd blyb vff myner klagen hart, 
was mir doch dorumb wider fart. 

Ich wils also geklaget han, 

wie ich myn reden hab gethan, 

doraff will ich belyben stan. 

Dem graffen lag die sach hert an 

alß einem frumen cristen man, 
Das er besamlet eynen radt, 
mit denen er ein radtschlag dadt. 
Da wardt sych fanden mit dem mere, 
590 (Jas solch anklag vnsicher were. 

Doch solt man sy berieflFen beydt 

vnd hören, was ein yeder seydt; 

das wer zft mercken in sanderheydt. 
Den brftder solt man nemen für. 
Den schmydt Ion ston daß vor der thür, 

Vnd warden sy dan ein red sagen, 

oach glych redig vom iuden klagen, 

so möcht der graff den peinlich fragen 

Vnd den iuden streken baß, 
•<w biß er veriehc alles das, 
15 b wie er von in verklaget was. H. VIII 

Der graffe bald noch dem apte sandt 
vng fing sy fragen an zft handt 
Vnder inen iedem allein ; 
der ander hört des reden kein. 
Alß man yedeu behöret hett, 
wie der brftder hatt geredt, 
Des glych was oach des schmydtes klag 
vnd feiet nit von des brftders klag, 
ßio Noch was es also angeleyt, 

das man in beyde geb ein eydt, 
By dem sy solten behalten das, 
das im so wer, wie es klaget was. 
Der apt ein crütz nam in syn handt 
vnd sprach in beyder do bystandt 
Betracht vch wol, ir lieben frindt, 
das wir all vbernechtig sindt, 
Vnd was wir hie vff erde klagen, 
sol syn, alß ob wirs vor got sagen. 
620 By ewiger verdampniß in sym leben 
sol niemans falsche kandtschafft geben. 
Des längsten gerichts ich vch erman, 
so secht das lyden Christi an. 
Sagt vns by gots heyligen thron, 
ob der iad den stich hab thon 



- 123 - 

Vnd an dem bild ein schnldt gewan, 
das von dem bild das bltit vß ran. 
Jo, schweren ir ein falschen eydt, 
es wirt vch, by got, ewig leydt. 
ö»o Sagt dem luden wie dem Christen: 
16Ia vnder warheit solt kein lügen mischen. 

Hebt vff vnd schwerdt by gottes wunden, 
das ir den luden also habent funden. 
Das er das heylig bild durch stach 
vnd yeder das mit ougen sach. 
Schwert, vff das irs nit thftnd vß haß, 
sunder das ym also was ; 
Vnd wo ym dan nit also were, 
das an vch straff das gott der herre, 
wo Der selbig gott, der mit der dadt 
kein falscheyt vngestraffet ladt. 
Solchs gabendt sy do einen eydt 
vnuerscheydlich alle beyd. 
das es wer, wie sy hattendt geseyt 
Der graff ließ in der Sachen gehen 
vnd den luden ylents fohen. 
Darnoch er in vff strecken hieß 
vnd hing im stein an seine Aeß; 
do wytter in den fragen hieß. 
650 Er sprach : iud, ich hab das gelert 
vnd die klag wol vberhört 
In dem grundt mit manchem man, 
das ich nit anders finden kan, 
du habst den stich ins bild gethan. 
Was der schmydt hatt vff dich klagt, 
das hatt der brftder euch gesagt. 
Ich hab sy von ein ander gelon : 
noch handt sy gliche reden thon ; 
das selb bringt mir vff dich argwon. 
wo Des hab ich gryffen Ion z& dir, 
16 b das du ietzund hie sagest mir, 

Was dich dor zft beweget hat, 
z& thftn ein solche vbeldadt 
Vns Christen liiten hie zti schmach. 
ich mftß der dadten thftn das räch. 
Den luden ließ er vff hyn strecken, 
ob er den handel wärt entdecken 
Vnd verleben alles das, 
wie es durch in verhandlet was. 
•70 Per iud riefft ab dem herren zft : 
gnediger herr, mich ab her thft. 
Ich hab ein rede, die will ich sagen, 
verantwurt thftn der falschen klagen. 
Der herr hieß in her abher lassen, 
syn antwurt ließ ein schriber fassen. 



- 124 - 

Do fiiig der iud zÜ reden an : 

herr, das hab ich nit gethan. 

Ich hab gewont in üwerm landt : 

solch ding wardt nie von mir bekaudt. 
680 ^b mir hatt nie geklagt kein kindt; 

disser Schmidt, der isi myn findt 

Vnd hatt mir das zft leyd gethon, 

das ich argwenig hie mftß ston 

Vnd on myn schuld so mit geferd 

muß vor vch hie gestrecket werd 
Vnd ward gep3'niget an dem ort 
nur vff syn klag vnd vmb ein wort, 
alß ich hett thon ein grossen mort. 

Ich hett ein schlechtes räch gethan, 
6Ö0 solt ich ein byld durch stochen han, 
17 b Das weder leben hatt / noch syn. H. IX. 

wißt, das ich gantz vnschuldig byn. 

Wen ir myn äderen all zerrissen, 

so kan ich doch nüt anders wissen. 

Das ich vnschuldig wurdt gezogen, 

vnd hetts der schmydt vff mich erlogen 

Vnd fälschlich vff mich erdicht 

vnd ein kundtschafft zt\ gericht. 

Ich bin ein arm gefangen man, 
700 der vff diß mal nit anders kan. 

Wo mir aber würd gegundt. 

ich wolt mit handt vnd ouch mit mundt 

Den schmydt in einem kampff beston, 

das er mir vnrccht hatt gethon. 

Vff solchs. anmuten sprach der schmydt: 

die red mag ich verdragen nitt. 

Ich hab kein lügen hie har brocht 

vnd die dadten nit erdocht. 

Ich habs mit mynen ougen gsehen, 
'10 wie es der brtider hatt veriehcn, 

Vnd wie ichs selber hab geklagt 

vnd dem herren hab gesagt. 

Noch allem spotten vnd verachten, 

alß ir das marien bild verlachten, 

Hetstu dennocht noch kein verniegen, 

— ich wils vff dich hie nit erliegen , 

Stachstu nach dem bilde dar, 

das das rote blht lieff har 

Von der Stirnen der bildung schon. 
720 du hasts mit dyner handt gethon. H. X. 

18b Wie kanstu böß wicht leugknen das? 

du weist, das ich erzürnt druiii was. 

Vnd wer der brftder nit gesyn, 

ich hett dyr genunien das leben d3'n 

Glich vff der selben / den zft mal Stadt, 



.. 125 -- 

do du begingst die vbcl dadt 
Nftn, so du mir das mtitest an 
du wöist mich in eim kampff bcstaa, 
das ich dich hab gelo<s:en an, 

730 Ynd wilt dyn leben an mich wogen, 
das ich ein solches hab erlogen 
Vnd vff dich feischlich erdicht, 
vnd sagst, du habsts begangen nicht, 
Ouch wilt dich retten mit der handt 
vnd vff mich drechen dyne schandt : 
Ich hab dich worlich angeklagt 
vnd byn noch nit so gar verzagt 
Vnd nym den kampff mit frcyden an 
vnd wil dich alß ein frumer man 

''^o mit mundt vnd handt im kampff bestan. 
Jeiz denk ich erst der selben wort, 
die ich von maria hab gehört. 
Die mir das selb gesaget hatt. 
ich werd die selbig vbel dadt 
Rechen mit myner eigen handt ; 
sy wöll mir selb thrtn ein bystandt. 
Der graff verwilliget in die ding 
vnd ließ in machen eyuen ring 
Vnd gab in beyden glich gewer, 

■^50 ließ sandt vnd schrancken fieren her. 
19 a Vnd was gehört zft solchen sachcn, 

Das ließ er alles flissig machen. 
Alß nftn kam der gesatzte tag. 
kam grosse weit, alß ich vch sag, 
Vnd weiten sehen des ein endt, 
welcher doch den andren schendt. 
Der iud meynt selber ob zft lygen, 
doch was es nit in sym vermügen. 
Den in der schmydt niMulich gewan 

760 vnd warff in g weltig vff den plan 
Er hett sich gentzlich do gerochen 
vnd den iuden gar erstochen. 
Doch hett der graf im das gewert 
vnd den schmydt vom iuden kert, 
Er mftst darnoch schentlicher sterben 
vnd nit erlich im kampff verderben. 
Der graue, alß vor versprochen was, 
hatt lossen alles ordcnen das. 
Das man mit priestern vnd mit herren 

Tf^ dem schmydt an dädt fast grosse eren, 
Alß dem, der Ivb vnd auch svu leben 
für die mfttter gots hett dar gegeben 
In irem dienst biß in den dodt. 
dem sy geholffon hatt vß nott 
Vnd hie vff erd der eren gvndt. 



- 126 - 

— dar zft er dort syii beloDung findt — , 
Vnd dem laden ouch g:eg:ebeii, 

wie ers verdienet hatt. do neben. 
Es M'as versprochen ali^ vor hyn, 
780 ^QY vnder in den kampff gewyn, c iij 

20 a Den andren solt man straffen dradt, H. XL 

alß hett er gethon die vbel dadt. 

Dorumb dem luden was bereyt, 

das man in vff ein brett hyn leyt 

Vnd schleipfft in zft dem halß gericht 

durch das kott den bösen wicht. 

Darnoch man beyt, biß yederman 

vnd das gericht mocht zamen stan. 

Do hyn kam so ein grosse weit, 
TW die sich all hatt do hyn gesteh. 

Wer wyt und breytt das hatt vernumen, 

der was vff solchen kampff dar kumen, 

Ouch das sy sahen solches räch 

geschehen vber disse schmach. 

Die vnser frouwen was geschehen; 

sy wolten all das wunder sehen. 

Das vrteyl wardt vom grauen geben, 

das man dom luden solt syn leben 

Nemen / entfrembt ouch der erden 
*)o vnd an syn fieß gehencket werden, 

Ouch neben in zwen grosse hundt. 

do by er wol vermercken kundt. 

Wie man all iuden vnd in acht, 

die solches vbel handr erdacht 

Vnd all tag vnseren glouben schmehen, 

wie wol sy grosse wunder sehen, 

Vnd besseren sich doch nit doran; 

dorumb solt er die straffen hau, 

Verbrenet werden also hangen, 
810 (Jas er das vbel hett begangen. c iiij 

21 a Syn dadt solt also werden gerochen, H. XII. 

das er die bildung hat durchstochen. 
Das sich in kundtschafft funden hatt, 

— vnd dennocht leugnet er die dadt — , 
Ouch Christen leüt hat vnderstanden 

zti bringen in die selben schänden, 
Die er selber hatt gethon. 
das was do syn verdienter Ion, 
Das er mftst hangen vnd ouch brennen. 
8«o do by doch mengklich mög erkennen, 
Wer zft maria der reinen meydt 
ein besundern nyd vnd vngunst drcydt 

Vnd ir der grossen ere nit gindt, 

ir vnd irem lieben kindt, 

Der selb so fil doran gewindt, 



21b 



- 127 - 

Alß disser iud gewannen hatt 
in der schendtlicben vbel dadt. 

Wie die verstopfften luden das 
heylig wirdigk Sacramet zö Sch- 
mach dem blüt vergiessen Jhesu 
Christi gegen vnß christe verachte. 

DEr jud hat sich so lag gelebt 
vnd manch christlich hertz betriebt 
830 Mit grossen schmachen vnd mit schänden, 
die er hett thon iu manchen landen 
Wider götliche maiestadt, 
der sich by vns verendret hatt 
Durch syn macht vnd grossen gwalt, 
transubstantiert in brotsgestalt. 
Dasselbig ewig hymelbrott, 
alß Christas far vns ging in dodt, 
Vß lieb vnd gots barmhertzigkeyt 
ließ er die letz der cristenheyt. 
wo Dasselbig brot vnd sacrament 

Entpfocht der crist von des priesters hendt) 
wen sy vom leben scheyden wendt, 
Vnd handt ir hoffnang daraff gesetzt, 
das brot für ire hilff geschetzt, 
Wie sy, in krafft des selben brott, 
ein ieder für gots aiigesicht godt, 
do mit er sich berichten lodt, 
Vnd wie der christ in synem leben 
das selbig brot im ofift ladt geben 
850 Vnd war dt geystlich dar von gespißt, 
des glich im dodt er sich oach Hißt, 
Das im des brodts oach nit zerryn, 

wen syn sele wyl faren hyn. 
Ich gibe mit kurtzer red verstan 

das wir all vns er hoffnung han 

zu des brotes sacrament, 

das der öd iud hatt geschendt 
22 a An so manchem ort vff erden. 

wie lang wil es doch vertragen werden? 
8«o Schlieg ich ein cristen in syn mandt, 

ich würd gefangen vff der standt. 
Man geb myr myn verdienten lonj 
die iaden ladt man aber gon, 
wen sy schon grössers haben thon 

Vnd handt das sacrament durchstochen. 

dasselb londt wir offt vngerochen, 

Vnd ob wir schon das selbig rechen, 

das sy das sacramet durch stechen, 



- 128 - 

So gschit es doch so gschlechteklich, 
870 (Jas ich vif eyd vnd worheit sprich. 
Das ein solches kieles räch 
der cristenheyt bring grosse schmach. 
Was ist es, das man dry verbrent, 
die das heylig sacrament 
Durch stochcn vnd enteret handt? 
die andren laßt man gon im landt: 
Vnd sindt im hertzen schaltig dran, 
wie wol sy es sonst nit handt gethan 
Mit der handt vnd mit der dadt. 
»80 die wurtzel. do der sam vß gadt, 
Die solt man einmal gar vß rüten, 
alß man dett in alten zyten 
In franckerich, do sv ouch hendt 
enteret do das sacrament 
vnd gott im hymel ob gesehen dt. 
Do hett man sy vertriben gar 
mit huffen vnd mit grosser schar. 

22 b das keiner mer dar kummen dar. 

Do by mag mercken iederman. 
890 das der franzoß hatt das gethan, 
Alß einer dem zft hertzen gadt, 
wo man enteret gots maiestadt. 

Wir dütschen dftndt so kiel zftn Sachen, 
das wir so grusam ding verlachen, 
vß grossem ding gantz nüt druß machen 
Wie wir gots lieb im hertzen tragen, 
also dftndt wir in solchen sagen, 
dorumb wir kleine ere erlagen. 
Das wir die bößwicht nit gemeyn 
900 vertriben all / vnd lassen kevn 
By vnß Wonnen in dem landt, 
das sy vnß also geschendet handt 
Vnser ere / vnd sacrament, 
dor zft wir all vnser hoffnung hendt. 
Sy möchten vns doch Ion geniessen, 
das wir die bößwicht ziehen miessen, 
Miessig / vnd sy beschitzen Ion, 
so sy vor vnß spatzieren gon 
Vnd Schelmen vnß das vnser ab, 
910 das mancher kumpt an bettel stab. 
Mit wftcher vnd mit vber nütz, 
kein herr Sprech doch zft innen: drütz ! 
Laßt von üwerem spot im landt, 
den ir biß har getriben handt. 
Wölt ir gott nit schuhen dran, 
so sehen doch die menschen an, 
wie wol ir des nit glouben han. 

23 a Noch gloubt der christ ans sacrament : 



- 129 — 

so Ion dt im doch das vngeschendt, 
9^ Dorarab, das ers in eren dreyt; 

die eer dftndt doch der christenheyt. 

Wölt irs gott nit thfin z&n eren, 

so solt ir doch die Christen hören, 

Die vch fry ledig lassen sitzen 

vnd vch behuscn .vnd beschitzen. 

Sy gewynnen vch für mit der handt. 

das ir so habt ein frycn standt, 
Ernerent all vch miessig gon. 
Dorumb ir billig soften Ion 
^^ ir heyligkeit vnd bilder ston, 

Die sy allein dar malen lassen, 

das sy in synn viid dechtnüß fassen 

Deren, die im hymmel sindt 

vnd doben ewig gottes frindt. 

Kein bild noch holtz wir bettendt an, 

als üwer ieder liegen kan 

Vnd das syne kinder leren, 

wie das wir stein vnd höltzer eren, 

Vnd liegendt das in üweren halß ; 
9^0 den wir das malen lassen alß : 
In bedütungs wyß allein 
dyn Christ, der büget syne bein 
gegen holtz, bild oder stein. 

Djoch wil ich dar von reden mer, 

so sich die sach begibet her. 

vom sacrament ist ietz myn wort, 
23 b das ir doch an so manchem ort 

Handt zerstochen vnd zerrissen, 

verbrandt vnd mit den zenen bissen 
950 Vnd andre schandt handt mer gethon, 

das ich nit reden wyl dar von. 

Mich dnnckt, des schimpffs wer schier genftg, 

vff hörens hettendt ir gftt fftg. 

Den warlich, würd es lenger weren, 

vnd wolten vns also enteren 

Vns vnd vnser heyligkeyt, 

es würd zftm erst vch werden le}»!. 

Das ir aber mir nit diegen, 

alß ir snnst all wegen liegen, 
^^ Ir habendt solches nit gethon, 

so wyll ichs vch bezugen schon. 

Fragt eine gantze statt von hall. 

die werden mir das zügen all. 

Ich meyn das hall in hessen landt. 

die selben do verbrenet handt 

Vnd zerrissen ouch mit zangen. 

das ein ind ouch hat begangen, 

Der leyder hatt dry sacrament 



— i30 — 

gestolen mit syn eygner hendt, 
970 Das ein durch stoohen vß der mossen, 
das rotes biftt ist druß geflossen. 
Da darch vch gott so wunderlich 
ertzeigt vnd manet vch gieteklich 
Deglich mit wunder zeichen schon, 
das ir von schalkeyt abe ston. 
24 a des sagt ir im ein schlechten Ion. 

Die andren zwey hatt er verholen, 
noch dem er sy vor hatt gestolcn, 
Vnd hett sy vch verkouffet beyd; 
«80 des kam er in groß hertzen leyd. 
Das disse dadten sy geschehen, 
das hatt er selber clor verleben. 
Dorumb ich das bezugen kan 
me dan mit dryssig tusendt man 
ti Des glich hendt ir euch zft perlyn 
ein schentlich dadten brocket yn, 
Do ir das heylig sacramcnt 
in ander brot verwürket hendt 
Vnd das zft schmach der cristenheyt 
990 vff eine hochtzeyt haudt bereyt 

Vnd gsagt, do ir sindt nider gsessen, 
ir wöit der cristen hergot essen. 
Do sclbs man wol hett kynnen schouwen, 
das yr in nit handt kyut verdouwen 
Vnd sindt kleglich erwürget dran, 
den andren deyl durch stechen han ; 
des gab man vch verdienten lan. 
Solchs muß ich far ein kundtschafft sagen ; 
den es geschähe in vnsercn tagen. 
1000 dorumb wirs billig mögen klagen ; 
Den wirs mit ougen handt gesehen, 
so handt ir das euch sclbs verleben. 
Vnd wie ir sagten in der gicht, 

so feit es vmb ein herly nicht, dij 

24 b Wie ir das veriehen handt, 

noch üwer red es sich erfandt, 
wie ir selber habt bekandt. 
Man hat vch von einander gclon : 
so handt ir glyche red gethon. 
1010 Do mit die worheit funden ist 
vnd lutbar worden üwer list. 
ti Die drytte kundtschafft sagt vns vor: 
alß man zalt üerhundert ior, 
Dusendt zwey vnd nüntzig mit, 
do handt ir ouch gefyret nit 
Vnd einen priester, peter genant, 
ab kouffet in dem beyer landt 
Zwey heylig wirdig sacrameut, 



- i31 - 

die ir oach beyd durch stochen hendt, 
>os<> do mit VQS Christen lüt gesehen dt. 
In dem fleck zft Sternenbach 
die selbig grusam dadt geschach, 
do man das sacrament durchstach. 

Do hatt man üwcr fil verbrandt. 

diß ist im beycr landt bekandt. 

Des hab ich disse kundtschafft genummen, 

das ich mög vff die worhcit kummen. 

C Die fierte kundtschafft ich ietz sag, 

das ich vch worlich aneklag 
1080 Ynd vch dicg nit vngerecht, 

alß ir den all zyten sprecht. 

Ich M'eiß wol, M^as vch schelmen brist: 

vch wardt nie gnögsam hie ein christ, 
25 a Den ir dor zft nit achten gut, 

das wider vch er kundtschafft dftt. 

Ir wölt allein die weit betriegen. 

vnd mi essen vch alle cristen liegen. 

Wir sind vch besser z& eyr worheit, 

den all üwer indisch eyt. 
1040 Findt es sich nit, Mie ich sag, 

so th& frölich vff mich ein klag. 

So wil ich selber mit dir brennen, 

wo erbar leüt das selb erkennen. 

Das ich vch an lieg im mym dicht, 

do sich das selb erfinde nicht. 

Noch cristus gburt MCCCXXXVn ior, 

do handt ir ouch gethon, wie vor. 

Das sacrament handt ir durch stochen 

vnd handts im offen wollen kochen ; 
1060 Den ir es darin geworffen handt, 

darnoch, do es do nit verbrandt, 

Do handt ir es vff ein ambuß tragen 

vnd mit hameren druff geschlagen. 

N&n ist vch in der selben dadt 

worden kundt gots maiestadt; 

Den ir das selb gesehen hendt, 

Das ir das wirdig sacrament 

Nit möchten letzen vmb ein hör; 

Den es im feür schwebt ob cntbor. 
loeo Zerschlagen habt irs mügen nicht. 

das Stadt alß sampt in üwer vergicht 

Vnd hat sich kundtlich also funden diij 

25 b a-n allem ort, in allen stunden, 

Wie ir das veriehen handt. 
dorumb hatt man vch all verbrandt 
zu Dockendorff in dem beycr landt. 

Mancher Christ hatt dorab wunder, 

von dem sacrament besunder, 



— 132 — 

Wen solche wander zeichen gschehen 
1070 vnd die iaden das selb sehen, 

Alß wen sy das zerstochen handt 

vnd das bl&t ist vß har gerandt. 

Woren sy sich doch nit bekören, 

so sy das selbig sehen vnd hören. 

Dem selben gib ich zft verston : 

sy handts gesehen alles schon 

vnd handt kein zwyfal an der g^ehicht. 

das sy es aber glonben nicht: 

Sy meynen solchs der tuffel dieg, 
1080 der solches blftt har zft her drieg. 
Do mit er alle cristenheyt 
betrugt mit syner lüstigkeyt. 
Dornff sy schwierendt einen eydt* 
ein gelerter ind hatt mjnrs geseyt 
Den glauben handt sy alle sandt; 
dommb hett man sy offib verbrandt 
vnd gantz vertriben vß etlichem landt. 

Das sy vom sacrament gesagt 

vnd von den öden iaden klagt, 
1090 Yfi^ gy das teglich endteren 

vnd dennoch vnsere forsten, herren 
26 a Das selb den bößwichten nit werren. 

Vff das man sy doch all vertryb, 
das got vngeschendt von in belyb. 
Wardt diso klag nit gehört vff erden, 
so warrdts im hymmel gehöret werden. 
Es stand in worheit kartz oder lang, 
es kumpt ein mal der anefang, 
Das man dedter | vnd die hnlden 
1100 straffen wnrdt mit glichen schulden. 

Wie die Jude zft schtnach de blftt 
vergiesse cristi vn zft räch irer gefeg 
nüß flyssig noch cristene blftt stelle. 

N&n kum ich vff ein andre dadt, 

die der iud begangen hatt 

in manchem landt, in mancher statt: 
Das er so flissig steilen dftt 
mit grosser sorg noch cristem blftt. 
Etlich cristen. wollen sagen, 
das sy heimliche kranckheit tragen, 
Dor zft sy cristlich blftt bedörffen. 
Die red muß aber ich verwörffen. 
1"® Ich halt ouch selbs, es sy nit wor : 
sy bedörffens gar nttt vmb ein hör 

Zft irer kranckheyt, gloub mir das. 

dorumb verstand die meren baß, 



L 



— 133 — 

das sy das dftndt vß nyd vnd haß, d iiij 

26 b' Den sy zft vnß Christen tragen. 

den vormalß in alten tagen 

Worendji mancherleye sagen. 
Es was ein man, hieß appion ; 
Der selb hatt solche red gethon, 
1110 Wie das diß iuden alle vor 

ein menschen mesten vff ein ior, 
Der do wa^ vß kriechen landt. 
den sy dar noch geopffert handt 
Vff iren heyligen ostertag, 
Dorumb ein kriech gefangen lag 
Zft Jherasafem vor zyten, 
alß die rön^er den zft mol strytten 
Vnd tytns Iren tempel brach, 
ein kriechen do gefangen sach. 
1130 Alß man den selben vß bar dett, 
dem keyser er veriehen hett, 
Wie er ein ior gefangen lag 
vnd sy in vff den ostertag 

Welten do erdödtet han, 

das oster opffer mit im began. 

Die red hett appion gethan. 

Der red wil iosephus nit gestan 

vnd spricht, man lieg die iuden an. 
Er schrieb dry biecher wider das 
1140 vnd sagt, das es erlogen was. 
Doch sy dem allen, wie es mag, 
es ligt gantz Öflich an dem tag. 
Wen sy den ostertag begon, 

27 a Das sy fiU gbet draff lesen Ion 

Wider parro vnd ir findt, 

die vormalß woren / vnd ietzandt sindt. 

Doramb ist in das cristen blftt 

worlich zft keiner kranckheyt gftt. 

Aber wie sy vormalß dadten, 
1150 ir opffer mit eim menschen hadten, 

Der von iren findten was, 

also gelonb ich sicher das: 

Wie sy vor hyn mit andren betten 

opffer / das sy ietzandt dädten; 

Jetzundt cristenliche kindt, 

die noch nit by den ioren sindt — 

Die alten wurden sich ir weren. 

das man erfier die bösen meren — 

Es ist gleublich, was ich vch sag. 
"60 den ir gantzer ostertag 

Allein dorumb ist vff gestifft, 

das er ir find vff erd antrifft. 

Wie parro, der vor was ir here. 



— 134 — 

mit allem volck erdranck im mere 
Vnd sy on letzang darch hyn gingen, 
gyn sytt des meres anhftben singen, 
Das ir findl blftt vergossen was, 
des frewten sy sich alles das. 
So sy nftn kein parro haben, 
11^0 <Ies nemen sy ein Christen knaben, 
Dem sy vergiessen do syn bl5t, 
* alß obs ein findt dem andren dftt. 

27 b Vnd wens in irem vermügen were, 

so detten sy eim gantzen here 
Vnd vff erd allem irem findt, 
wie sy ermorden do ein kindt. 
Do die Christen noch nit woren, 
vor Christus geburdt in alten ioren, 
Do handt sy das den heyden gethon, 

1180 ^ie sy es ietz mit Christen begon, 
Alß solches vor sagt appion. 
So nftn das römisch rieh vnd macht 
so manchen iuden vmb hatt bracht, 
Genuinen hatt das selbig landt, 
' das sy von gott entpfangen handt, 

Verloren wider durch ir schuld 
vnd gantz nit handt der römer huld, 
Die sy zerstreuwct handt vif der erd, 
das sy versandet nymer werd, 

1190 Vnd handt sy brecht in hcrtzen leydt. 
dor zft in ewige dienstparkeyt. 
In solchem iomer vnd in not, 
wie es den in vor ougen godt, 
Wie man sy brendt vnd röst vnd südt, 
Dorumb sy tragen zft ons nydt. 
Den, die sie zerstöret handt, 
die fierendt ietzundt cristenstand 
Vnd gantz gar ein heydnischen orden, 
so sy all sampt sindt Christen worden. 

1200 Dorumb der iud in sunderheyt 

syn haß nftr zu dem Christen dreyt. 

28 a Vnd wen do kumpt ir oster tag, 

so alle luden tieren klag 
Vif erden vber ire findt 
vnd sy formalß entrunnen sindt 
Vß künnig parro dienstparkeyt 
vnd dienendt vnß vß hertzem leydt, 
So kynent sy ir leyd^nit klagen 
vnd nyd im hcrtzen baß vß sagen, 
»210 Den das sy es zeigen mit dem mordt. 
den ich offt hab von in gehört 
in manchem landt / an manchem ort, 
Zft samen druncken sy das bl&t, 



I 



— 135 — 

alß dan ein findtüchs hertze dfit. 
Das blftt ein ewigs sygel ist 
irs findtlichs rachs wider den Christ. 
Vnd möcht er baß, so dett er baß. 
Das blftt drinckt er vß nyd vnd haß 
Mit fill gebetten, die sy dedten, 

i2«o wen sy ir oster zyten betten. 

Sy handt zwen tag im gantzen ior, 

dorin sy klagen, das ist wor. 

Einer ist der lange tag, 

vff dem sie fieren grosse klag 

Vber alles römisch rych, 

das gott zers|;Öre gehelych. 

Ir kindt, die tragen hiltzen seh wert, 

biß gott das römisch rieh zerstört. 

In iangen tagen reytzens die kindt, 

12S0 das sy von natur vnß werden findt. 

28 b Er mischt de^ blftts in synen wyn ; 

wen er es fopht an drincken yn, 
So spricht er etiich wort dar z5 : 
das gott allen vnseren finden thft 
Vnd vergieß ir blftt do mit, 
wie ich das ietzandt vßhar schüt. 
der meynung bracht er solches bl&t, 
alß den ein findtlichs hertze d&t. 
Doch m&ß ers dennocht oach nit han, 
1240 wie wol sie handt ein freid doran. 
Ein solchen man in eren hatt, 
wer ein solchen mort begadt. 

Ich habs von einem ein verstandt, 
wie das sy gsyn in hyspanier landt, 
do sy das vnder in erkandt, 
In eim concilium betracht, 
das die luden handt gemacht, 
Das ieder fliß sich, wer do mag, 
das kein ind den ostertag 
1260 Begang / on Christen blftt do by, 
das alle zytt ein zeichen sy 
Allen, die dar syndt gesessen 
vnnd handt matz kftchen do selbst gessen. 
Das sy das Christen blftt erman, 
mit vns ein ewige findtschafft zft han. 
Wölche iuden sindt versiendt, 
das sy ein solches morden diendt 
Vnd vmbringen so ein kindt, 
die selben ewig verpändet sindt, 

29 a 1'^ Also das keiner das nit sagt 

vnd den mordt vom andren klagt. 
Es bhalt oach manchen luden fürdt, 
das er dorumb nit Christen wart. 



- 136 — 

Den wen er sich schon deyffen lat, 
ein solchen mordt vff im hat 
Vnd brecht ein solches laster mit, 
man schanckt ims worlich doramb nit. 
Daramb in solches blfttes krafift 
bestetiget würdt ir brftderschafft. 
it7o Der Christen hatt kein grösseren findt, 
den für wor die laden sindt, 
Die vnser blftt all tag begeren, 
das sy gern vnser heren weren. 
Sy darstet alle zytt vnd stundt 
noch vnserm bl5t | der recht blftt handt 
Doramb sol mans euch mit in tryben, 
das sy solch schelmen mögen blyben. 
Wir ziehen ein schlangen in dem geren^ 
der im syn gifft nit lasset weren. 
1280 Den es sich alle standt dftt meren 

wider christom, vnßeren lieben herren. 

Wo die falschen jaden der 
vnschuldigen kinder bl&t 
vergossen haben. 

29 b Ein kindlin, das was Symion genant, 

geboren vß dem etsche landt 
Vnd zft trient ouch vß der statt, 
do gschehen ist ein solche dadt. 
Das selbig kindt handt sy gestolen 
heymelich vnd aach verholen, 
Mit einem apifel zft in gelockt, 
darnoch erwarget vnd erstockt, 
1290 Mit gaffen alß darch stochen gar. 
das syn frisch bl5t lieff do har. 
Das selbig sy entpfingendt als 
von sym lyb vnd von dem halß 
Vnd hands zeryßen onch mit zangen, 
von iedem gryff das blftt entpfangen, 
Darnoch syn ermly vßgespreyt, 
mfttwylligklich dor zft geseyt . 
Also dyn gott vß gespannen wardt 
vnd von vns gepyniget hardt 
isoo Vff vnseren heyligen qster tag, 
" daramb wir hüt noch fiereu klag ; 
Von synen wegen lydsta das. 
das kindlin stochendt sy noch baß, 
Darnoch zerteylten sy das bl5t 
vnd hielten einen fryen mftt, 
alß man zu iren osteren dftt 
Des blüts sy gossendt in ein wyn 
vnd fingendt an zft schencken yn. 



— 137 — 

Also das icder drancke das, 
1310 ein wenig: gemischet in eyn prlaß, 
30 a das drancken sy von nyd vud haß 

Mit fill gebettcn vnd mit worten, 
das gott vff erd an allen orten 
Also ir findt blftt ließ vorgiessen. 
do mit der cristen solte Messen, 
Was er den iuden dadt vff erden : 
also sy solten alle werden 
Erhcnckt, ermordet and erstochen, 
das sy an ynen wurden gerochen. 
1320 Den ist im, alß man worlich seyt, 
keyn volck vff erden nymer dreyt 
Also grossen haß im mfit, 
alß der iud zftm Christen dftt. 
Es was nit gcn&g, das sy das kindt, 
alß ichs in worer kuntschafft findt, 
Ermördt handt also klegelich. 
sy mftstens onch verspotten glich, 
Mit Worten geben zft verston, 
das sy es alles haben thon 
1330 Christo ihesum z5n einer schmach 

in findtschaffts wyß in haß vnd räch. 
Vnd das gschahe vff ein ostertag, 
alß Christus ihesus euch erlag 
Vnd hie für vns gestorben ist. 
das lyden müst der iungc Christ 
Vnil das arm vnschaldig kindt. 
dar zft ich tusendt kandtschafft findt. 
Den knrtzlich ist geschehen das, 
alß Sixtus babst zfi rome was, eij 

;K)b 15**^ Der ein barfftsser ist gewesen. 

man findt darnoch euch in dem losen, 
Das keyser was her fryderich, 
geborner fürst vß österich. 

Vß der geschieht man mercken kan, 

was gunsts sy zft den Christen han. 

noch landt wir sy, die mörder, gan. 

Wer nit geloubet disse dadt, 

der gang gen Trient hyn in die statt. 

Do man sy do verbrcnet hatt, 
i3fo Gerädert vnd mit zangen gerissen, 
mit steynen vnd mit kot beschissen. 
Ich will kein cristen man betriegen, 
die gantz statt Trient laßt mich nit liegen. 
Sy werdendt mir ein kandtschafft machen 
in disser grasamlichen sachcn. 
4i Dar noch im M. CCCC. vnd LxxV. ior, 
alß Symons mordt geschähe vor, 
Handt sy des giychcn oach gethon: 



— 138 - 

im fürgul, do sag ich von, 
i3€o Ein annes kindlyn ouch erdödt, 
ermordet biß in leiste nödt. 
Gestochen vnd syn blftt entpfangen, 
zerrissen mit gliegenden zangen, 
Das blftt do mit herfürher bracht, 
die bößwicht handts vor nie gemacht 
Vnd handt das handtwcrck wol gelert, 
wie man blftt von kinden rört, 
Das nit ein tropffen blybet dynen; 
31 a das blftt vergiessen sy wol kynen 

1370 Vnd hants an christo angefangen, 

darnach an manchem Christen begangen. 

Die dry, die begingen solche dadt, 

fürt man gön Venedig in die statt, 

Do man sy gc straffet hatt, 
Mit ysenen zangen zerrissen gar 
vnd darnoch verbrennet har. 
Das ist kundtlich im welschen landt, 
das sy die dadt getriben handt. 
Noch wöllendt sy das nit geston, 
1^80 go mans in bücheren lißt dor von 
Vnd noch leüt vff erden sindt, 
die gschen handt die selben kindt, 
Ein sychre kandtschafft dor von geben, 
die es gsehen handt vnd noch leben. 

Noch dörffen sy hüdt reden das, 

man red ins noch vß nydt vnd has, 

Das nie kein worheit doran was. 
Von Christen dftnt sy solches klagen. 
sy sindt allein die worheit sagen. 
1S90 Die bößwicht mördendt vnsere kindt, 
dar zft sindt sy vns im hertzen findt, 
Mit wftcher sy vns dor zft betriegen 
vnd heyssendt dennocht vns ouch liegen 
Vnd sprechendt, das wirs dichten alß 
vnd liegendts an in vnscren halß. 
Wer das von eim inden hört 

vnd sich nit zft dem bößwicht kört eiij 

31 b Vnd schlecht in nit in halß geschwindt, 

der selbig ist nit Christas fründt. 
1400 Doch red ich vß zornigem mftt: 
ein wyser sy verklagen dftt. 

Üi Die bößwicht noch ein dadten handt 

zft Norewick in engelandt, 

Do sy ein kindt, wylhelm genant. 
Gekratziget handt zft schand vnd schmach, 
getriben vß findtlichcm räch, 
Vff den Charfrytag, heylig, fron, 
wie sy das Christus ouch handt thon. 



- 439 - 

Ich hab genant ietzundt dry ort, 
i^t<> do sy begangen haben mort. 

Disse gschrifft erfordert nit, 

das ich ir schalckeyt sag do mit, 

Die sy handt triben anderß wo. 

sy wurden s woriich nymcr fro, 

Solt ich sagen alles, das 

myr sichcrlichen kandtlich was. 

Ich thün allein ein knrtze redt, 

die sich woriich erfunden hett 

In datschem vnd in welschem landt, 
1480 vnserem glouben alß zft schandt. 

Ich hab kein zwyffalt das vff erden 

kurtz liehen sol gerochen werden 

Das vnschaldig blfit der kinder all, 

die sy handt brecht in dodesfali. 

32a Wie die falschen Juden alle 

brünen in dütschen landen 
wolten vergifftet haben. 

Was die bößwicht handt im synn, 

wer ist, der das nit mercken kynn? 

Was ich sag, das find ich wor, 

das in dem M. ccc. vnd xxxxvii. ior 

Die luden in dem dütschen landt 
^*^^ alle brunnen wollen handt 

Vergifften, das wir dar von stürben 

vnd mit dem gifift in dodt verdürben. 

Das sindt die bößwicht, die wir behieten, 

die vns ein solchen schaden bieten. 

So fyl an in erfunden ist. 

so hatten sy das zu gerist: 

Wer vß eim brunnen hett gedruncken, 

der wer glych zft der erd gesuncken 

Vnd hett do synen geyst vff geben, 
1440 geendet von dem gifft syn leben. 

So dumme^r synn wardt keyner nie, 

der das nit kundte mercken hie, 

Was hertzen sie zftn cristen tragen. 

man solt sy vß dem landt vcriagen. 

Das wir vnd Christus, vnser gott, 

nit von in lydten solchen spott. 

So weren wir sicher vor dem find 

vnd weren behietet vnsere kind, eiiij 

32 b Das sy nit ermordet würden 

1450 vnd sy vff leyten vns kein bürden 

Mit wftcher vnd mit schindery, 

von einem gülden nemen dry 

Vnd lont sich dennocht nit beniegen: 



— 140 — 

sy heyssen vnß ins inül yn liegen; 
Wen sy vnß hoch geschediget handt, 
noch blybendt sy in vnserem landt 
vnß zft hoher schmach vnd schandt. 
Do sy die brannen woltendt gifften, 
solch grosse mörderycn stififten, 
iMO Das kindt in mftter lyb erdödten, 
das dütsch land alles thftn in nöten, 
Do hett man etlich tasendt brandt, 
die solches gifft erdödtet handt. 
hett man sy verdilket gar, 
so kemen nit deglichen har 
allen tag ein ni>we klag, 
Wie ietz iohanes pfeffer körn, 
vnd wie diß kindlyn sy verlorn, 
Er verbrandt, das kindt erstochen, 
1470 alß deglich dan ietz wardt gerochen, 
Wie sy das heylig sacrament 
klegelich darch stochen hendt. 
Mecht man ein mol der sach ein endt 
Vnd dett, alß man vor hatt gethon, 
do man sy all hett brennen Ion, 
Alß sy die brunn vergifftet hatten 
vnd iren bhieteren solches dadten. 
33 a Solt ich erst den iomer klagen, 

den sy by künig Albrechts tagen 
1480 Habent triben vnd begangen — 
darumb sy hefftig warden gfangen 
zft nürnberg | wurtzburg | vnd zu hall, 
do selbst man sy verbrenet all. 
Sy ermördendt vnsere kindt 
vnd sindt all vnser dödtlich findt. 
Gott helff dem armen cristen man, 
der ein iüdschen artzt mftß han. 
Zft hall in hessen ists geschehen, 
vnd hatt das pfefferkorn veriehen, 
1490 Wie er ein artzt gewesen ist 

vnd hab gedödtet dryzehen crist, 
Gifft für einen syrup geben, 
do mit gestolen inn ir leben, 
Den inden ouch verkoufft ein kindt. 
ach gott, die falschen bößwicht sindt 
vnsere ewig gschworcn findt. 
Das sych so dick erfunden hatt 
an manchem ort ( an mancher statt, 
Das die worheyt lyt am tag 
1500 vnd kein mensch das leugken mag. 
Er wöll dan, wie die luden sagen, 
was man wider sy düt klagen, 
Dasselb man alß erlogen hett, 



— 144 — 

vnd wens schon gott selb hett gcredt. 
Aber was mit iu ist dran, 
das londt sy far ein worheyt stan. 
33 b Ich miest noch ßl bapir verschriben, 

doch will ich an dem ncchsten belyben 
Vnd vff das selb furnemen kumen, 

1*»® das ich für mich hab genumen, 
Wie sy der bildang handt gethon 
marie, der iunckfrouwen schon, 
Das sy so schentiich handt enteret, 
das iedem grüßt, wer solches höret. 
Dar gegen mag ein ieder merckcn, 
wie die mfttter gotts dftt stercken 
All, die in irem dienstc ston, 
der sy doch keynnen wil verlon 
Vff erdt vnd dort in hymels thron, 

1520 alß sy dem schmydt hett hie gethon, 
Dem man hie batet ewig lob 
vnd hett sy Ion im hymel ob, 
hie mit freyden | dort mit ercn. 
diß history soll billich leren, 
Das wir die schnöden luden mydcn 
vnd solche stuck nym von in lyden, 
Sander für mariam fechten, 
mit lyb vnd leben dorumb rechten. 
Sy ist das kleinst hie vff «rden, 

1580 (Ja durch wir miessen selig werden. 

\MEN. 



Folgende Fehler des Originaldruckes sind oben gebessert worden : 
Titel: Enderung; 62 gantz mit; 88 welcher, vgl. 55 wölche; 
157 an ein; 312 durch solchs. durchstechen; 377 du reyne; 454 rüche: 
456 den engel; 548 das laßt; 666 dem luden; 1034 dor zft achten gut; 
1109 f. bedorffen, verworffen ; 1134 erdoedten han; 1175 allein irem; 
1258 nmbrintzen; 1335 myden mftst; 1428 MCCCC vnd LXXV. ior: 
1498 an macher statt; 1510 genomen; 1514 höert; 1522 sy Ion. 

Die Reproduktionen der Holzschnitte verdanke ich der photo- 
graphischen Kunst meines Kollegen, Professor Ernst Necb in Mainz. 
Die Maßo der Holzschnitte sind beim Titelblatt 162/114. bei den 
übrigen 160 bezw. 162, 165, 167/119 mm. 



- 142 — 

Anmerkungen zu Murners Entehrung Maria 

.durch die Juden. 

«Wer die Sitten der damab'gen Zeit kennen will, wer die deutscl 
Sprache in allem ihrem Umfange studieren will, dem rate ich d 
Muruerschen Gedichte fleißig zu lesen. . . .» 

Lessing, Werke (Nachlaß), Hempel XU, S. 718. 

Die für Brants Narrenschiff und Murners Schriften angewandte 
Abkürzungen sind dieselben wie in Spaniers Ausgabe der Narrei 
beschwörung, Halle 1894, 294 f., ferner 4 Ke.: Murners Gedicht vc 
den vier Ketzern Predigerordens, wovon ich den Originaidrnck d 
Königl. Hof- und Staatsbibliothek in München (P. 0. germ. 145 a 
aus dem Kloster Wessobrunn) benutzte. Für Mnrners Gäuchmat L 
W. Uhls Ausgabe, Leipzig 1896, für seine Schrift u. d. deutsch. 
Adel Nr. 153 der Neudrucke (Halle 1899), hg. von Ernst Voss, here 
gezogen worden. Schmidt: Charles Schmidt, Histor. Wörterbc 
der Elsäss. Mundart, Straßburg 1901 (vgl. dessen Quellenverzeich 
S. XII— XV!). Scherz: Glossarium germ. medii aevi ed. Oberl! 
Straßburg 1781 u. 1784. Ge. 5 Juden: Gengenbachs Meistorlied 
Goedekes Gengenbachausgabe S. 39—53. Wi. : Georg Wickra, 
Werke hg. von Joh. Kolte, Bibl. d. Lit. Vereins, 222 f. il. II.) ^ 
229 f. cm. IV.) 

1) vgl. Bf. 25, 121 Ach reicher got, 11, 62 ach got, du reicA. 
Christ, . . 

9) noch = dennoch, wie 17, häufig noch verstärkt durch dennoch: 
533, Nb. 7, 53, 67: noch dannocht. 

16) zwyffal 1420, zwyfal 1077 entspricht der ahd. Form fii 
Zweifel. 

28) nun = nur : was ihnen nur zur Ehre gereicht. Zft den erei 
bf. 34, 118 gedenckt mein ouch zun ercn. 

36) versprechen = verteidigen* Nb. 7, 56; der Leyenspiege 
Straßburg, Hupfuff 1510, schließt : Lob scy Got vnd . . . Maria, d: 
da ist ein vorsprechcrin menschlichs geschlechts, während es i: 
«Neuen Layenspiegel,» Straßburg 1518 (zuerst Augsburg 1512) i 
«Der Juden bekanntnuß» (f. 154b — 162b) heißt: . 
Wir warn mit sichtig äugen blind. 
Doch pitt wir dich ^Chrittuslj Maria kind 
Du wollest vns yetz gnädig sein, 
Durch die erbärmd vnd miltin dein 
Du pist von vnscrm gcschlecht geborn, 
Wend von vns den ewigen zorn. 

38) in ihrer Verblendung können sie keine Freude daran habe 
Bf. 16, 20 die schuld ist vnser schelligkeyt. 

41) verstecket = verstockt. 

58) zftn .vgl. Lauchert, Alcmania 18, 145) -= zu den . . ., 
Dominikanerkloster. Mü. 1535 zuen predigern ward er (der E» 
prior gemacht ; 4 Ke. n 3 a der Prouincial kam. zftn Predgeren 
sein kloster jn; n 4 a er hieß sich zftnpredgeren (zu Costei» 
vergraben. 

62) gantz uüt: durchaus nichts unterlassen; wie 895, Nb. 27 

64) Gm. 4295 ich weiß, das es in gantz nit liebt : ihnen dui"" 
aus nicht behagt. 

74) wes sich gebruchet: sich bedient Gm. 1974 gebruchent ^* 
der zyt; Adel S. 29 (E. 4 a) künt sich ein ieder dropff der gschriÄ 
brucUcn. 



— 143 — 

75) ihr Tand, wegwerfend von den christlichen Gebräachen, 
wie Nb. 20, 46 lürlisthand: Narrenpossen (vgl. Spanier zu Nb. 62); 
begynentandt 4 Ke. a 2 a : Frömmelei ; btibentand L. N. 4461. 

82) das Christas küßte. 

84) Q. Wickram IV Hauptlaster der Trunkenheit V. 125. Er hat 
ein buch auff seiner schoß. 

88) Wichten fem. zu wicht« sonst. nicht belegt, mhd. wihtinne. 

89) erboren Gm. 1886 u. oft. 

92) blötzt: dafür s^tzt Gengenbach, 5 Juden 38 das ihm ge- 
läufigere blößt. Gm. IQOO entblötzen vnd beropffen, 4343 entblötzteu 
sich, aber Nb. 1715 ir (der gerupften Gans) entblösset ist der halß. 
(Gm. 1847 entblößet.) Passend stünde hier auch bleckt wie Nb. 14,3. 
Lautlich vergleiche man bitz (Schmidt) = Bissen zu beißen (ein 
bitzel parvulum Scherz), Schutz = Schuß in der heutigen Straß- 
burger Mundart zu schießen, Spitz und Spieß, nutzen und genießen. 
Zur Sache vgl. die Schilderung bei Le Wallte, Historia Camberonensis 
35 nudat tergum protenditque cernuo capite. 

94) um d^c Zan^e zu zeigen vgl. d. Bild. Gengenbach 39 setzt 
dafür den Lückenbüßer : der drit zerzart gen jr das har. 

97) trug den Preis davon. 

99) f. duß, dussen : draußen, wie 595 Ion ston daß vor der thür, 
Bf. 6, 39 so ladt (läßt; er vns nit dussen stan. 

105) enteren vgl. den Titel «Enterung», 875 (sacrament) enteret, 
Wickram Pilger 2270 kind ... so. gott vnd sein sacrament entehren. 

106) der falsche Pfefferkorn, alias Pf äff Kapp, hingerichtet zu 
Halle am 4. Sept. 1514. Hätte Murner sich nicht in den Gedanken 
verbissen, es hier mit dem wahren Joh. Pfefferkorn zu tun zu haben, 
so hätte er auf die m. E. berechtigte Vermutung kommen müssen, ' 
der in Halle Hingerichtete sei mit dem von Murner in den 4 Ketzern 
erwähnten geistlichen Hochstapler, dem Buchilluministen und ge- 
tauften Juden Lazarus von Andlaw (im Elsaß) dieselbe Person. Daß 
jener Lazarus, als ihn in Halle sein Geschick ereilte, seinen wirk- 
lichen Namen nicht bekannte, darf nicht wundernehmen. Ein Be- 
kenntnis seines Anteils am Jetzerhandel hätte die Aussichten des 
Angeklagten sicher nicht verbessert. Die von ihm bekannten Ver- 
brechen gleichen übrigens den dem Lazarus nachgesagten z. T. auf- 
fallend. Darum möchte ich im Gegensatz zu E. Steck. Akten des 
Jetzerprozesses 495. Anm., dem Valerius Anshelm, der III 158 sagt, 
Lasarus «der mörderisch färber» habe «mit im die unmenschliche 
färb hinweg — doch ins verdient für getragen» (vgl. III 77 ist 
nachmalen zft Lips verbrent worden, in der Sache Recht geben, 
wenn er auch Halle mit Leipzig verwechselt hat ; spricht, doch auch 
Murner unten 962 u. 1488 von Hall «im Hessen land», während der 
wahre Joh. Pfefferkorn in seiner Beschyrmung 1516 gar Maydburg 
(Magdeburg) als Ort der Hinrichtung des Pfaffen Eapp nennt. S. 
unten zu 1488 ff. 

107) an der wend (Wand), wie 4 Ke. i 8a der Schultheiß Dießbach 
bekommt Zweifel an der Heiligkeit Jetzers, der sich nicht von der 
Wand nach dem Priester «här vmbhcr kert», um aus dessen Hand 
das Sacrament zu empfangen : denn «fil me ist doch das Sacrament 
dan dz bild so stodt an der wendt ; er fände, über dies von Murner 
häufig dem Wohllaute bezw. dem Verse zulieb eingeschobene un- 
berechtigte e vgL Lauch ert, Alemania 18, 147—151. 

108) tragen = tragend. 

113) dreyst = trägst, auch von Lanchert a. a. 0., 152 belegt. 

116—124) Quelle scheint — den Namen Phokas ausgenommen 
— Eolevincks Chronik, der die Legende im Anschluß an eine andere 
von dem Judenknaben im Ofen unter Jnstinian einreiht. Eeich aus- 
geführt wurde die Legende, fälschlich Athauasius zugeschrieben, 



— 144 — 

auf dem 2. Nicänischen Konzil 787 verlesen ; nach dieser Fassnng 
bekehrt sich der Täter mit sämtlichen Jaden in Beirut aaf das 
Wunder hin. Die Entstehung der pseudoathanasischen Schrift über 
das Wunder von Berytos (Migne, Patres graeci 28, 795) darf nach 
Wildt, Eath. Kirchenlexikon (Wetzer o. Weite) I«. 1546 nicht früher 
als Mitte des 5. Jahrhunderts angesetzt werden. Daß die Legende 
übrigens nicht unter Phokas. (602-610) spielen konnte, ergibt sich 
schon daraus, daß sie von Gregor von Tours (f 594) als bekannt 
erzählt wird. 

130) dem (Christen), der Dichter braucht hier, wie 74 f. unbe- 
denklich den verallgemeinernden Singular neben dem Plural. 

136) von ferem : von ferne, vom Adj. fer (Schmidt) ; von ferrem 
150, Mu. Uebers. von Yerg. Aen. X. 645 sq. Er (Turnus) zuckt von 
ferrem seinen spieß. 

141) ongefar = ongefärlich 135. 

142—144) = Qe. 5 Juden 47-49; ebenso 159—172 z. T. Silbe 
für Silbe ^ Ge. 59-71. 

144) wennt - wöUendt 143. 

149) syt : seitdem. 

151) verleben: bekennen Gm. 3243. 

165) 4 Ke. a 3b des habt euch diß für euren Ion. a 3a so habt 
euch das für widergelt. 

170) stäche : stach, s. oben zu 107; räche (räch): rächte 449. 

172) das: dessen, was. 

174) gewann seinen Ausfluß; Gengßnbach 72 f. Mary das blAt 
zur Stirn vß ran. Mit hellen tropffeu thet es vßher brächen. 

180) Statt Axt, die einem Schmied nicht zukommt, aber in der 
Quelle und auf dem Bilde passend dem Holzhauer beigelegt wird, 
setzt Vf. stets gschür (Handwerkszeug), während Gengenbach 81 
die Form ax gebraucht. 

182; Verlagen : verjagt, kühne starke Analogiebildung zu er- 
schlagen 181, während das schwache Partizip verspüwet : verspieen 
neben der starken Form im Mhd. und noch bei Geiler (Jesus ist 
verspeuwet Schmidt 402) bezeugt ist. 

183) gach : eilig, er hatte es nur damit eilig, den Haupttäter 
zu besjbrafen. Nb. 4, 76 Zft siner (Adams) b5ß ist vns' nit gach. 

201) drat: schnell, 781 dradt, 232 gedradt. 

204) berichten: unterweisen. Gm. 4933; Wi. IV, Pilger 2530ff 
Moses gebott. das man die kinder. Seiner gebott . . . berichten solt, 
damit in das gsatz auch täglich liebt (ihnen lieb wird). 

207) wyssen: unterweisen. 

208) syge: sei, Lauchert 152 sige. 
217) alter: altar 80. 

221) sprach sich, häufig in Sachsenheims Moerin, z. B. 4735. 
sprach sich der Eckart kluog vnd wis. 

225) gwycht, 187 geweichten: geweihten Ort. 

230) schalck : hier, wie auch im Mhd., Adjektiv. 

231) wir haben uns beraten und entschlossen, Wi. III 39, 27 
also wurden sie zu radt vgl. 69, 3. 

234) was wir in der Sache tun sollten. 

238) gaben: eilen. 

239) luter: lauter, klar und vollständig. L. N. 157 luter kant- 
schafft hon: genau dafür bekannt sein. 

240) sich verwatten, eigentlich : in den Sumpf geraten. 

241) u. 1226 gehelich : hastig Gm. 1713, 4 Ke. a 2a die Berner 
haben fast 2 Jahre verhandelt cnit gählich in der hitz geeylet.» 

247) gytt : gibt 

250) ladts : läßt es. 

253) an gemach : .ohne Ruhe finden zu können. Königshofen 



— 145 — 

379 er lasse sie mit gemache (in Ruhe). Ns. 78, 16 wer lieber krieg 
hat, dan gemach (ist ein Narr) ; Luther An die Bahtherrn Bl. 3 b 
da mit ein statt zeytlich fryd vn gemach habe. Noch Jos. Görres, 
Athanäsius 4 A. 1838, 163 : Wie. die weltliche Macht (der Kirche) 
Zwischenräume von Buhe u. Gemach gegönnt, . . Einen ganz 
anderen Sinn hat Ge. 5 Juden 141 in die Stelle gelegt: Eins mais 
lag er an sim gemach (Ge. 163 lag ich an miner r&w vnd schlieffe. 
Zum Ausdruck vgl. Wi. IV Hauptlaster der Trunkenheit 105 kam 
an mein rhu, 421 Holifernes lag an sein rhu.) 

254) ston hier, wie unten 289 standt: stehend. Gm. 550 Ale- 
xander entferbt sich vor ir ston. lieber die Form vgl. Uhl S. 203 zu 
diesem Vers. 

259) kurtz ab, wie 39 : um es kurz zu sagen, kurz und gut. Der 
Murner sehr geläufige Ausdruck (franz. bref) fehlt bei Brant (Schmidt). 

262) bschach, bf. 27, 67 beschahe. 

263) u. 0. das räch, Nb. 46, 7. 

270) wie er die Sache angreifen, auf sich nehmen solle, bf. 29, 
38f : got. Vnß zuo heilen vnderstund, 4 Ke. B. 4 b ein solche sache 
vnderston, Nb. 30, 64 (artzt, dem kunst gebrist,) der artzeny wil 
vnderston. 

272; dyn: darin, wie 115. 

275 u. 324 vor ab : zumal, vor allem, stür : Hilfe, bf. 22, 47 f. 
Wo dein macht erlegen ist da bin ich dir zft stür gerist; Virg. c. 
2 a zft hilff vnd tröstung vnd zft stür. 

281) hilffe (hilfFes^ schein tun: Hilfe, Gnade erweisen, sehr oft in 
Murners Uebersetzung der Aeneis, 4 Ee. a 5a darnoch vns arme 
hilffes schin Solt thün die früntlich keiserin vgl. badt hilffes 
schein bf. 18, 13 ; 9, 32 dftt dier danckes schein ; 9, 53 thft vns, her, 
deiner gnaden schin; d&t schin: zeigt Ns. 8, 2. 

284) 405 anefing, bf. 1, 48 ane fing; 1098 der ane fang vgl. 
975 abe ston und Goedeke zu Nb. 1, 6 ane nam, 86, 2 anefang. 

299) syt: seither. 

315) nur: nur Nb. 6, 134. 

318) über alle : mhd. über al «nichts ausgenommen, alles» Lexer. 

320) treib kein spot noch schall : meine es ernst und führe 
keine leere, unbegründete Klage. Gotfrid von Straßburg 1, 174. So 
werden wir alle. Ze spotte und ze schalle. 

324) der der Weisheit entbehrt. 

331. 334) by bringen (vgl. 330 bewerenr. vor Gericht den Be- 
weis erbringen. Scherz 150 Welcher (richter) sin verdechtlichkeit 
(Befangenheit) nit bybringt . . . (der Stadt Freyburg recht, 1520, 
Bl. 10). 

336) für nehmen: vor Gericht fordern Scherz 454. 

339) my sselich : von ungewissem Ausgang, Gm. 477 vnd ist der 
Ion so misselich. 

341) verstendt: erfahren. 

345) mit schencken : mit Bestechungsgeldern. Geiler bei Schmidt 
299: Mieten, Gaben vnd Schencken die verkeren manchen Richter. 
Nb. 71, 8 heimlich gaben, schencken senden. Die Juden sollen nie- 
manden «miete, schencke noch miete wangeben» Königshoferty Chronik 
1870, Beil. 980. SZ. 14, 21 f. kum ich für herschafft mit der 
schencken, so darfF ichs offlich nit gedencken, worum ich solche 
gaben büt: 

349) zft handt : sofort, Bf. 31, 32. 

358) fürt (1262 fiirdt): dann, vgl. 555 fraget mere (mehr), 649 
wytter (weiter) in fragen hieß. 

369 u. 847 lodt : läßt, vgl. 250 ladts. 

375) zft grossem andacht: Adel J 4a (Voss S. 51). vfif das der 
andacht der heiligen messen erlöschete, dennocht bezüg ich mich 

10 



— 140 — 

mit diser meiner hantgschrifft, das ich in vetterlicher lere des an- 
dachts der messen sterben wil von diser weit. . . . 

376) ynnijgrkeit : Frömmigkeit, 4. Ke., Einleitung : Brant schrieb 
Verß mit innigkeit 

37 /] An Stelle von: da reine, was höchstens die Anfangsworte 
des empfohlenen Gebetes darstellen könnte, habe ich eingesetzt: 
die reyne meydt, proleptisch auf das folgende sie hinweisend. 

3^) feilen : fallen, kühner, nnr dem Beim zalieb gewählter 
Gebrauch. 

403) also beschiß = beflecke 390. 4 Ke. die Dominikaner wollen 
«mit erbsünd ir (Maria!) den kränz beschissen . . . Darumb hat 
vns (Prediger) auch Doctor Brant vnser frawen beschisscr genannt. 
Schmidt 33. 

407) noch dem : dem entsprechend, was . . . 

414) lutbrccht, wie 1011 lutbar: vernehmlich, öffentlich bekannt. 
Verg. 1. 8 a gleich so der floß an die stein schlecht. Vnd macht 
ein murmles g^hön lautbrecht (Aeneis XI, 298 fit. murmur;, Wi. III 
89, 1 Also ward bald ein gantz lautprecht geschrey in der statt. 

415) kändsch, wie 325 vnbericht: unerfahren, Nb. 5, 12. Du bist 
zft kindst in disen sacken (über die gleichwertigen Endungen seh 
und st vgl. Goedeke zu Brant, Ns. 97, 14.^. 

421) schlecht: schlicht. 

430) u. 1268 schencken : condonare vergeben, bf. 5, 53 du hetst 
im (Judas !) alles sant geschenckt. Mu. Papsttum G. 3 a dagegen 
schenckt er (Barfüßer zu Leipzig) dir (Luther das auch nit vnd 
ruffet 'dir dein hippen wider vß, du seiest ein. beseßner schlang. 

437) In gyner: jener Welt, 1166 gyn sytt: jenseits des Meeres, 
Nb. 15, 17 gyns: jenes, 35, 56 in giener weit. 

438) eben : bequem, angenehm Gm. 1245. 4 Ee. 2. Aufl. N. 4 b : 
das war der statt von Bern nit eben. 

443) alß : immerfort, wie noch heute mundartlich. 

454) das ich nit riche: räche, strafe, Konj. Präs. (wie 539 das 
ich ... rieh) von riehen, Nebenform zum st. V. mhd. rechen, 
Schmidt 280. 

491) vberlast : den unerträglichen, von den Juden geübten Druck. 
Gm. 1636 f. Venus, ... Du schwere bürd vnd überlast, 19881 Im 
alter bist eyn überlast Vnd. ein vnwerder gast. 

492) Biß: sei! SZ. 21, So Biß guter ding. Gang: geh! Scherz 
I, 469. 

500) vertragen : ertragen, hingehen lassen Schmidt 404, 1. 

521) vffgezogen : hingehalten, vertröstet, zum besten gehalten. 

525) wie man das Verbrechen strafen soll. 

533, 787 beyten : warten, Nb. 97, 45 des marcktes nit zu beiten, 
87, 16 myn sun, byt! 

539) ich . . . rieh, Konj. Präs., wie oben 454. des st. V. riehen 
( = mhd. rechen : strafen , vgl. die Eomfen des Jnd. riebet Nb. 15, 
84, riehst 21, 4. 

541) bestan: beweisen. Scherz I, 138 kennt dazu nur das Partizip 
bestanden: überführt. 

548) Des = Darum. 

549) diß kleglich merr: traurige Märe, Geschichte. 
553) fohe : fahe, festnehmen lasse. 

554} gehe Gm. 1761 vgl. gaben 238: zu rasch vorgehen. 

567) schlecht: rechtlos wie ein Sklave gegenüber dem Herrn, 
nicht rechtsfähig. Vgl. Wimpheling Predig Chrysostomi, Straßburg 
1514, 4 a die schlecten nidern vnd schwachen werden von den ge- 
waltigen überboldert. 

576) Ich bezüg michs vff: ich berufe mich dafür auf. 

Nach Straßburger Recht hätte der Ankläger mit 2 Zeugen den 



— 147 — 

Jaden überführen können. Stat. Arg. (so ist wohl statt Aug. bei 
Scherz I, 152 zu lesen] c. 297 langnet im der jade, so sol er in be- 
zeugen selbdrit. Da Murner den Holzhauer und den Schmied der 
Quelle, im Widersprach auch zu den Bildern, zu einer Person ver- 
schmilzt, bleibt seinem Ankläger als einziger Zeuge der Klosterbruder. 

578) kuntschaft : Zeugnis 1012, 1028, 1337, 1383, bf. 35, 19 des 
gibt vnß kundschaft weib vnd man. 

585) hert: hart, sehr, von Scherz I, 664 neben hertiglich aus 
Eönigshofens Chronik bezeugt, während Schmidt 170 nur Belege 
für den adjektiv. Gebrauch gibt. 

589) mere: aber, Scherz II, 1029 (vgl. frz. mais aus magis). Aber 
man kam zum Schlüsse. 

593} jedes für sich besonders. 

594) glych redig: in der Aussage übereinstimmend. Scherz 11, 
1281 gibt nur aus Dasypodius redig als üebersetzung von vocalis. 
Ge. 373 Wurden sie dan do albeid ein red sagen . . . 

599) strecken baß: foltern, vgl. noch 4 Ee. n 3a Zeile 13 do 
streckt man jn die selten bas. 

605) hört keine von dessen Beden (Aussagen). 

606) behöret : die Zeugen <v«;rnommen> ; auch vom Abhören 
der Schüler Geiler arb. hum. 13 b wen der schftlmeyster kumpt vnd 
wll sie behören. 

609) feiet nit : weicht nicht ab. 

610) angeleyt: so angelegt. Noch: ferner (hatte man Veranstal- 
tung getroffen). 

612) behalten, wie Nb. 97 c und mhd : vor Gericht eidlich er- 
härten. Sich behalten 220 aber : sich zurückhalten, an sich halten. 

615) Ge. 381 vnd sprach jr beyder do bystandt. 

617) vbernechtig: eigentlich, was nur eine Nacht lang, von 
einem auf den andern Tag dauert. Im 8. Buch von Yergils Aeneis 
317 schildert Euander die niedrige Kultur der Urbewohner Latiums 
neqne componere opes norant aut parcere parto, was Murner nicht 
angewandt wiedergibt : Die legten auch kein reichtumb zamen Nichts 
vbemächtigs wäre namen : sorgten nicht von einem auf den andern 
Tag. So auch Brant Ns. 70, 6. Zu V. 617 vgl. Sanders Erklärung: 
vergänglich, hinfällig. Schmeller, bayr. Wb. 2, 672 das hofleben . . 
als in dem alles ungewiss und übernächtig und stündliche gefahr 
zu bestehen (Zinkgräf 1, 133). Vgl. die oben S. 79 A. 3. aus der Yulgata 
angeführte Stelle bei Luther (Hiob 8, 9): denn wir sind von gestern 
her und wissen nichts, unser Leben ist ein Schatten auf Erden. 

628) Jo, vgl. Gm. 981, 4875. 

630) zu sagt ist a. d. Vorhergehenden das Subjekt Gott zu er- 
gänzen. 

630—631 Christen / mischen. Zum Reime vgl. Verg. Aen. HI 
ißt I vermischt, M. S. 668 «e. lyst | ist, visch, 4 Ke. e 6 a ist / fisch ; 
k. 2 a list /fisch; Nb. 44, 39 f. list / fisch, 13, 68 f. gerist / tisch. 72 f. 
diebsch / liebscht. 

632) hebt vfP: die rechte Hand zum Schwur! 

936) Schwert vff das : legt einen Eid darauf ab, daß . . . 

643) vnuerscheydlich : ohne Unterschied, gleichmäßig. Scherz 
1865,. Schmidt 383 unverscheidenlich. 

650) gelert: gelernt, erfahren. 

651) wol vberhört: die Klage genau geprüft. 

652) in dem grundt: gründlich. 
666) vff hyn strecken : hinaufziehen. 

669) verhandlet, wohl noch in der mhd. Bedeutung: schlecht ge- 
handelt. Aehnlich 4 Ke. n 3 a Dz. sye verjahen alles das . . . Alles 
wie sye es misszhandlet hend. 

670) riefft (ruft) ab: ruft, mau solle ihn herabnehmen. 



— U8 — 

671) vgl. Gm. 34.55 Ach gnediger herr, laßt mich her ab ! 4 Ke. 
I. 6 a. Ach gott, rftfft er / nü lasszt mich ab . . . 

673) vgl. M. S. F la zft verantwart kumraen. 

674) her ab her, pleonastische. Marner sehr geläufige Form. 
Vgl. die von Spanier zu Nb. 27, 55 (hin durch hin) zusammenge- 
stellten Belege. 

675) einen Schreiber. 

680) ab mir: über mich, Nb. 90, 28 ab mir wollt schnurren 
(sich beschweren\ Derselbe Gedanke. 4 Ke. n 6 b er (Dr. Steffan) 
hatt . . . offiich kein kindlln nit geschediget. 

683) argwenig : verdächtigt, einer der Murner, dem üebersetzer 
der Institutionen vnd Bearbeiter der Kaiserl. Stadtrechte, so geläu- 
figen Ausdrücke der Eechtssprache. Murner verdeutscht in' den 
Institutionen, Basel 1519 suspectus: argwenig (Uhl, Exkurs zur 
Gäuchmatt S. 257); Nb. 13, 13; 4 Ke. a Ib Sant Thomas lere 
an einem ort argwenig. 

684) mit geferd: angerecht, hinterlistig. 

685) werd : werden. 
688) alß: als ob. 

693) vgl. 4 Ke. a 3 b wo . . . sye euch kein ader hettent lassen 
ston Ein noch der ander vß gerissen. 

695) gezogen = wohl falsche Analogiebildung zu gelogen von 
züchen: zeihen (beschuldigen Nb. 21, 9; 43, 20), also statt gezigen. 
Aehnlich ist 399 dem Keime zu lieb die transitive Form feilen statt 
fallen gesetzt. 

703) den schmydt besten: überführen. 

705) 727, anmftten: zumuten Scherz 50. 

715) verniegen (1453 beniegen) : gabst du dich immer noch nicht 
zufrieden. 4 Ke. c 8a die predger hette kein vernüge. u. o. bei 
Murner (Schmidt 398). 

716) von erlügen ist heute nur das zum Adj. gewordene Part. 
Prät. erlogen in Gebrauch. 

723) u. 0. gesyn : gewesen. 

735) drechen : scharren, schieben, stoßen Scherz 1664, Schmidt 
358. Conr. v. Dankrotzheim v. 316 ds^nn trichet man kesten (Kastanien) 
in das für. In der gleichen Bedeutung wie oben : die Schande, Schuld 
auf jemanden schieben : Joh. Murner a 4b min ma vff mich wolt 
trechen Daran ich doch nie schuld gewan; b 3 a die Frau will 
«alles drechen vff den man». 

740) bestan: überwinden. 

748; ring: den kreisförmigen, von Schranken umschlossenen 
Kampfplatz, vgl. Schmidt 282, 5: Turnierplatz. 

749) glich gewer: gleiche Waffen, wie es im Zweikampf sein 
muß. Murner setzt gewer =- waffen auch in der üebersetzung der 
Aeneis z. 4 b : zwei spießlin etliche mit in namen, oder sunst gewer. 

754) grosse weit : viel Volk, vgl. tont le monde. Scherz 1982 : 
K. Albrecht sammelte eine grosse weit zu einer grossen heerfart. 

755) des ein endt: den Ausgang des Kampfes. 

757) ob zft lygen: zu siegen. 

758) es ging über seine Kraft. 

759) yn. gewan: überwand, wie mhd., vgl. Lexer. 

760] gweltig, mhd. neben gewaltec geweitig, Scherz 547 geweidig. 
775) gyndt : gönnt ihm Ehre vgl. gindt 823. 
777) Subjekt ist noch: der 771. 

785) schleipfft, mhd. sleipfen. 

786) das kott, mhd. das köt (kät). 

792) dar kumen : dahiagekommen. 

793) euch das sy biahen: so daß sie auch die Bestrafung sehen 
konnten. 



— 149 — 

809) hangen: hängend. Zur Sache vgl. noch £d. OsenbrQggen, 
Alamann. Strafrecht, Schaffhausen 1860, S. 88. Die hier geschilderte 
Strafe wurde noch am 26. August 1642 in Wien au einem Einbrecher 
vollzogen, der nach der Taufe wieder zum Judentum abgefallen war. 
PaT%'likowski, Juden neben Christen I, Freiburg 1859, 888. Abbil- 
dangren bei Liebe, Judentum, S. 17 nr. 12 (Schleifen), S. 78 nr. 63, 
(Verbrennung am Galgen mit einem Hund), S. 104 nr. 84 (Schleifung 
und Yerbrennung am Galgen). 

Den 827 Versen der. vorstehenden Murnerschen Fassung stehen 
in der Bearbeitung Gengenbachs 535 Verse gegenüber. Während 
Geng'enbach vier einleitende Verse genügen, schickt Murner eine 
allg;'eineine und eine zweite besondere (47—66) Einleitung dem Be- 
ginne der Handlung voraus. Die 33. Strophe von Gengeubachs Lied 
(V. 521—535) entspricht den Schlußworten der Entehrung 820-827 
and 1507-1530. 

Pur die folgende Murn ersehe Zusammenstellung jüdischer Ver- 
brechen habe ich als — allerdings durchaus unkritische — Stoff- 
sammlung das seltene und seltsame Buch von Constantin Bitter 
Clioleva von Pawlikowski verglichen: Hundert Bogen über die Juden 
neben den Christen, von dem nur der I. Teil (57 Bogen) 1859 in 
Freiburg erschienen ist. Als Korrektiv gegenüber der Blutbeschul- 
(ligrcing kann dienen Hermann L. Strack, das Blut im Glauben und 
Aberglauben der Menschheit. Schriften des Institutum Judaicum in 
Berlin nr. 14, 8. A. München 1900. 

Zu den Versen 833-856 von der letzten Wegzehrung vgl. Bf. 
^O, i)0— 63. Es ist das letste sacrament, daz ich entpfahe von des 
Priesters hendt. das all sein krafft vnd all sein macht Das leiden 
Obristi im hat bracht. 

833) verendret : verwandelt, 835 transubstantiert vgl. das andere, 
^iclit theologische Fremdwort transformiert Gm. 588—595 u. 2632: 
Circe kan den mänen ir g estalt verendren, transformieren. 

839) die letz ; als Abschiedsgeschenk. L. N. 106 das Testament. 
I)a.s Christus hat zft letz gelon — am nachtmol mit den Jüngern 
tKoB. ♦ 

841—869) Vgl. wieder den Wechsel zwischen Singular (der crist) 
^ud Plural (sy 842. 845). 

847) berichten: mit der letzten Wegzehrung versehen. Nb. 64, 
29 ff. Treit man das heilig sacrament. Wo sv die lüt berichten wendt, 
|o laufft der priester nftn allein. Luther 'Werke, Weimar TI, 680fif.) 
Wie sich ein Christ bereiten soll zu sterben, Druck T, Bl. B. 4 a 
zum 15. Welichem nftn die gnad vnd zeyt verliehen ist, das er beycht, 
absolviert, vnd bericht wirt, der hat wol groß vrsach got zft liebe . . . 

851) sich flißt: sich bemüht. 

852) daß es ihm an diesem Brote nicht fehle. Statt des Genetivs 
steht in der unpersönlichen Konstruktion an : Joh. Murner b 1 a 
j^'^e bald mag* einem dan zerrinnen — An lib, eer, gftt, zeitlicher 
"^b. Sonst braucht Murner das Verb persönlich z. B. Gm. 196 das 
^^^ all witz vnd sinn zeran. 

861) vff der stundt : sofort, sonst: zu stund. 

<^ 869) gschlechteklich : milde, Adv. zu geschlacht : glatt, sanft 
Y^hmidt 136), mhd. geslaht. Eine ähnliche Bedeutung hat schlechtlich. 
}^^\ 92, 66 so schlechtlich by im idem König) ston, Bf. 10, 42; als 
^^j- Gm. 64 ein schlechtlichs (einfaches) liedlin. 

871) kieles räch : kühle, laue, laxe Bestrafung. 

881) ganz ausreuten vgl. 14()8 verdilket gar. 

883) In franckerich do: wo. 

885) gott im hymel ob : oben. 

887) mit großer Heeresmacht. 



— 150 — 

888) dar kämmen dar: sich getraut, "WAgi hinzukommen, dar 
praes. (thar zu) getürren. türren, mhd. tar zu turren, Nb. 3, 99; 
40, 8 dem wolff kein gantJ nit truwen thar, vgl. Spanier, Glossar 
zu Nb. S. 345. 

890) Zu dem KoUektivum; der frantzoß vgl. noch Gm. 1846. 

897) sagen: in solchen Reden, Flickreim statt: Sachen. 

899—900) gemeyn. all : allgemein, allesamt. 

902) geschendet: beschimpft; 919 vngeschendt; bf. 20, 60. 

905) sie solten es uns doch genießen lassen, uns daifür dank- 
bar sein . . . 

906) ziehen: ernähren. 

908) spatzieren gon Nb. 11, 57 gat spatzieren. Zur Sache vgl. 
Luther, Von den Juden und ihren Lugen 1543, bei Liebe, Judentum 39. 

909) abschelmen Gm. 1109 f. So gybt sy es wider vff der statt, 
was sy vor ab geschelmet hat. 

91h vber nütz Nb. 67, 13 über nutz. 

912j Sprech drütz: geböte Einhalt, Nb. 27, 54, 71. Spanier zu 
19, 37. vgl. Schiller, Glocke 316 f. : jeder freut sich seiner Stelle, 
bietet dem Verächter Trutz. 

924) fry ledig : vollständig frei. Scherz 423 frey ledig liber & 
expeditus. 

925) behusen: euch bei sich wohnen lassen vgl. die Rechts- 
formel in der Achterklärung gegen Luther : daß ihr L. nicht hauset, 
höfet, äzet, tränket noch enthaltet noch ihm . . . keinerlei Furschub 
beweiset, sowie Scherz 682 : husen und hofen. Pallas' Gebet an 
Herakles per patris hospitium (Yerg. Aen. X 460) übersetzt Mumer 
i la mein Vater hat behuset dich: beherbergt. 

926) bezieht sich dies darauf, daß die Juden sich am Sabbat von 
Christen Feuer anzünden lassen, oder soll allgemein christliche Gut- 
mütigkeit gegeißelt werden, die für den Juden brennende Kohlen 
(c Kastanien aus dem Feuer») mit der bloßen Hand aus dem Ofen 
hole? 

928) gon part. praes. 

933) anstatt: die, die im Himmel sind; der Dichter läßt anako- 
luthisch das Objekt zum von dechtnüß abhängigen Genetiv werden. 

934) doben : droben. 

939) (ihr) liegendt das in üweren halß Gm. 3704 vgl. Spanier 
zu Nb. 90, 44 du lügst in hals hinyn. Zum Inhalt von 929—944 
vgl. Nb. 74, 43 f. 

953) ihr hättet allen Anlaß aufzuhören. Uebers. d. Aeneis Y8a 
des kriegs hand sie vrsach vnd f&g. 

955) wolten (ihr}. 

958) das ir nit diegen : Finalsatz, 2. plur. conj. praes., vgl. L. 
N. 563 thüen. 

965) f. verbrenet handt u. s. w. zu ergänzen : einen Juden wegen 
dieses Verbrechens. 

970) vß der mossen: über die maßen, völlig. 

974) 1470 deglich, 1465 deglichen : täglich. 

976) sagt Ion : dankt. 

985—1010 üeber den Berliner Hostienfrevel von 1510 enthält 
der Sammelband 905 der Michelstädter Kirchenbibliothek unmittel- 
bar vor der «Entehrung» einen gleichzeitigen Druck. Klassert, Mit- 
teilungen über die Michelstädter Kirchenbibliothek, Programm 1902, 
S. 18, nr. 23). 

986) brocket yn: zu den anderen Verbrechen noch eingebrockt, 
hinzubegangen. 

988) verwürcket: verarbeitet verbacken. Zell bei Schmidt 405: 
Ein Handwerker, der vil matery, tüch oder leder, zu verwercken hat. 

996) den anderen Teil (ihrj durchstochen habt. 



— 151 — 

1003) gicht = 1061 vergicht; Bekenntnis, Substantiv zu jehen, 
verjehen. 

1004) feit es vnib ein herly nicht : durchaus nicht, nicht einmal 
um Haaresbreite, vgl. 1058 nit vinb ein hör, 1111 gar nüt vmb ein 
hör, 4 Ke. D. 3 b jm (Alexander von Haies) sunst das gantze ior jn 
gsütheit brast (fehlte es) nüt vmb ein hör. 

1012—1027) Hostienfrevel zu «Sternenbach in Bayern» im Jahre 
1492. Hier zeigt der Verfasser wieder seine Kritiklosigkeit. An Stelle 
von Sternberg (Sterneberg) in Mecklenburg setzt er die Sternbachor 
Marienwallfahrtskirche i in der Wetterau (Oberhessen, Kreis Fried- 
berg, bei Wickstadt, Post Assenheim) und versetzt sie schlankweg 
nach Bayern. Ueber den Sternberger Frevel handelte der Rostocker 
Jurist Nie. Marschalck : de hostia Sternbergensi anno 1492 confossa 
et cruentata iJoh. Janssen, Gesch. d. deutschen Volkes I, 17. A., 460) 
und ein 1889 in Wien faksimilierter niederdeutscher Frühdruck des 
Mathias Brandis, Lübeck um 1492 : Sterneberch. Vä den bösen ioden 
eyn gheschicht s. die Wiedergabe des Titels bei Liebe, Judentum 33.) 

1015) gefyret nit: nicht gefeiert, seid nicht untätig geblieben. 

1028—1066) Frevel zu Dockendorf (Deggendorf in Niederbayern 
im Jähre 1337 (Pawlikowski 636 Anm.). 

1033) wardt. gnügsam : euch hat noch nie ein Christ heimgezahlt, 
wie ihrs verdient. Das Adj. von Lexer bezeugt. Murner, üebers. 
von Verg. Aeneis V. 252 sqq. ob das nit gnügsam wer villicht; 
ebenda Adv. genügsam danken. Subst. Nb. 77, 27 Vnser genügsam 
(Genugtuung für uns) ist von gott; Luther 4, 529 b wo gottes gnade 
in eim richter nicht wonet, so thüt er seira ampt nimer mehr gnügsam. 

1039) iudischeyt bf. 25, 19; 2, 23 f. Opffer | zehend, fleißig bet 
Die iüdischeit vor zeiten det. 

1044. inmym dicht: Gedicht, myn dicht SZ. IX a, 19; Nb. 97, 
14. 21 ; bf. 34, 52 darumb hab ich dis dicht gemacht. 

1045) do : wo, für den fall daß . . . 

1058) letzen: verletzen Schmidt 220. 2: Geiler: das du nit letzest 
an dem Stein deinen Fuß. 

1061) vergicht : Protokoll über ein Bekenntnis vor Gericht, Nb. 
23, 29; Gm. XXXVI des zunfPt meisters vergicht. 4 Ke. 1. 6 a des 
brüders vergicht, n 3 b. Die confessat eüwer vergicht. Die wil ich 
yetzund sagen nicht. 

1062) u. 1377 kundtlich: notorisch, handgreiflich Scherz 843. 
1073> woren : der Sinn verlangt w a r u m, vielleicht ist die 

Form mundartlich zu erklären aus worem = worum. 

1079) dieg(er), wie 1030 (ich) dieg vgl. JS^b. 95. 100 ich lüg, 
wie ich im dieg, 11, 22 f. fragen, was der künig zu meilandt dieg, 
conj., praes. mhd. tüeje ; Adel C. 1 a (Voß, S. 12) thüg. 

t092) werren : in Verlegenheit bringen, ist wohl nur Flickreim 
statt wehren. Uebrigens führt Scherz 1998 auch ein werren = wehren 
an. 

1099) dedter vnd die hulden : Missetäter und ihre Freunde (mhd. 
holden !) und Begünstiger. 

1105) cristem habe ich ebenso stehen lassen, wie 1207 hertzem 
leydt. 1330 christo jhesum zft schmach. 

1113) verstandt die meren baß: versteh die Erzählung besser. 

1121) mesten: mästeten. 

1134) erdödtet han : getötet haben s. zu 1460. 



1 Ueber diese bis 1803 dem Kloster Arnsburg bei Lieh gehörige 
Kirche und das ausgegangene Dorf Sterren (Sterrin)bach s. R. 
Adamy, Kunstdenkmäler d. Kreises Friedberg, Darmstadt 1895, 284 - 
287. 



~ 152 — 

1137) Josephas will die Sache nicht gestehen, zageben. 

1139) in Wirklichkeit nur 2 Bücher. 

1142) öflich, 4 Ke. 1. 4 b heimlich, öfflich an allen orten . . . 
Nb. 69, 17. 

1152J gelonb: glaube. 

1155) kindt (zu ergänzen : opfern !) 

1157) sich ir weren : sich ihrer erwehren. 

1165) on letzung : ohne Schaden zu nehmen, L. N. 4 niemans 
7Ä letzung izu Leide !). 

1167. ir findt blftt: ihrer Feinde Blut. 

1168) des alles das : alles dessen. 

1170) des: deshalb. 

1173 ff.) Aehnlich der Gießener Pfarrer Georg Nigrinus im 
Judenfeind (1570) Bl. 10 (B. 2a) V. 9-12 Vnd hettens Volk vnd 
Heeres macht, Wie sie begeren Tag und Nacht. Sie würgten vns 
alle wie tolle Hund. Kein Christen Hebens eine Stund. 21 ff. Da- 
rnmb hüt dich vor der Juden schar Ebe wie vor dem Türkisch 
Hund, An in taug weder Haut noch Haar . . . 

1189) werd: werden, wie 685. 

1200) der iud in sunderheit vgl. Bf. 21, 31 f. Der Christ d&t das 
in Sonderheit, das er sein doten erlich leidt (bestattet : ... 35, 33 f. 
Des solt du vnß geniessen Ion, Ach kaiserin in sunderheit. 

1214 u. 1238) vgl. Yerg. Aen. YII als dan ein zornig frawe tftt. 

1217) könnte er den Christen besser schaden, so täte ers. 

1227) hiltzen : hölzern, vgl. Schmidt 178; hültzin thron, Verg. 
Aen. a 7 a, hültzin spießlin VII., hülzen tafeln Ns. 110 b, 91. 

1241) hatt: entweder kühne Bildung für habendt. oder springt 
der Dichter in den Singular über; (der Jude) ... in Ehren hält. 

1243) einverstandt : conscius, der um die Sache weiß. Zur Form 
vgl. Ns. 73, 74 u. SZ. 14, 34 Üerstanden lüten wurt geprediget 
(verstehenden). 

1244) sy gsyn: gewesen sei. Wegen Spaniens vgl. Strack, S. 174. 
1250^ begang: begehe. 

1253) matz kftchen : ungesäuertes osterbrot, Schmidt 236, heute 
noch Matzen (Mazzoth). 

1256' versiendt : sonst Bf. 9, 51 ; 13, 67; 34, 95 versöhnt, hier 
wohl Flickreim statt versenet, mit Sehnsucht erfüllt, so zu tuen 
(Scherz 1773 versenet, versent desiderio tactus, Maness. Hs. «mit 
versentem mut»). 

1257) diendt 3. plur. conj. praes. zu tuen, wie Nb. 35, 24. Ist es 
recht, das sy das dient? (aber 35, 16. Ee sy das g(it verdiegen gar); 
als 1. plur. SZ. 19, 22. So wir nit eyner (Pfründe) verniegen diendt ; 
3 plur. Adel F. 4 b iVoß S. 35) das die vndern das thügen. 

1259) vgl. SZ. 18, 13 f. Du vnd der boß findt Mit hohem eidt ver- 
pündet sind. 

1262) Es bhalt : hält, hält ab, hält zurück, fürdt : fürder, in Zu- 
kunft, beständig. 

1263) Christen : Christ, mhd. kristen. 

1264) deyffen lat : taufen läßt; heutige Straßburger Aussprache. 
Nb. 2, 42 Soitstu dyn narren teüffen Ion. 

1267) vgl. 430 man schanckt ims nit: man würde es ihm nicht 
schenken, verzeihen, wie Gm. 5165. Er (Christus ) wurdts yn (den 
Schändern von Klosterfrauen) worlich schencken nicht. Man beachte 
den Rückumlaut des schwachen Präteritums von schenken und das 
Unterbleiben des Umlautes bei der Bildung des Konj. Prät. wio 
oben 524 sandt. Zur Form vgl. Gm. .5008 schandtiei: schändete; 
Nibelungenlied (Bartsch) Str. 1668, 3 win schenken, Str. 504, 1 maa 
schauet im lüter traue. 

1275) der recht bl&t Hundt. Anakoluth: er ist . . . In der Schrift: 



f 



— 153 — 

«Ol> der Eünig vß Eng^land ein lagner sei oder der Luthert nennt 
Ifarner Luther einen c wütenden und rasenden Bluthundt. 

1278j Mnrner bevorzugt die männliche Form : der schlang Nb. 
56, 31 ; 57, 73 ; L. N. 81 ; Bf. 7, 17 ; 16, 22. - Der gere : 8choß, 
besonders der vordere Teil des weiblichen Kleides von den Hüften 
ab-virärte. Ns. 33, 91 ; 77. 25; Gm. Uhl S. 40 Geschwome Artickel, 12 
(e 4 a) euch sol er ir die aglin vß de geren schütteln. 

1279) der im syn gifft nit lasset weren. Vgl. Uebers. Verg. Aen. 

VrX, 752 fp. Umber, . . . der die schlangen kund beschweren vnd 
irexn zom vnd giffte weren. 

Nach Pawl&owski 180 beruft sich Thomas Cantipratanus für 
dflLS Auslosen des Ortes, dessen Gemeinde Christenblut zu liefern 
h8kl>e, auf das Zeugnis eines gelehrten Konvertiten. Dies ist wohl 
anol die Quelle für V. 1243 ff. Vgl. Strack, das Blut, 194—196, der 
Ido f. die Stelle aus dem Bonum universale de apibus ü, 29, § 23 
(Douay 1627, 304 £) des Thomas von Cantimprä (f um 1263) aushebt 

1289) erstockt = ersteckt : zum Ersticken gebracht 4 Ke. 1. 5 a 
das groß geschrey zu Bern mit sweigen (würde) gäntzlich ersteckt 

Zum Wechsel zwischen o und e vgl. oben 41 verstecket = ver- 
stockt. Schmidt 90 führt aus Zell e 2 a an : das ir hertz erstocket 
ist; r. 2b steht dieselbe Bibelstelle, aber < ersteckt t statt erstocket 

1290) guffen; Stecknadeln oder Fibelnadeln. Verg. Aen. k. 8 b, 
2* 8 b. (Vn Camilla war) ir kleidung an der axel fein mit g^ülden 
guffen gbunden ein. Zur Sache vgl. das Bild aus Schedels Chronik 
zum Jahr 1475 bei Liebe, Judentum S. 20 Nr. 15. 

1292 j vgl. 1295 finden auf. 

12%) svn ermly vß gespreyt : seine kleinen Arme ausgebreitet. 
Schmidt 389. 

1298) gespannen: die mhd. starke Form, Schmidt 331 führt nur 
das praet an : als ob einer ein armbrust spien. Brunschwig, Buch 
^®i- Chirurgie 1497, 97 a. 

, . 1305) hielten einen fryen mftt: waren gutes Muts, guter Dinge, 
«leiten eine Lustbarkeit Nb. 35, 50 und üeberschrift: mancher halt 
®iu fryen mftt Das nympt er von der heiligen gut. 

1321) Vgl. oben 1270-1275. Aehnlich Luther: Von den Juden 
^^^ ihren Lügen (1543). angeführt bei 0. Frankl, S. 41. 
1363) gliegenden: glühenden. 

1365) nie, ironisch, wie die folgenden Verse zeigen. 
1367) rört : vergießt, abzapft. Tränen rören, verrören Nb. 6, 69; 1, 9. 
»j.^ 1368) dynen (115 dyn): drinnen. Gm. 4347. dynn: aber Entehrung 

^ dryn: hinein. 
1^ 1375) ysenen : eisernen, vgl. mhd. isenin, isnin, Scherz 742 f. 

^^ gewant, isenin ferreus. 
j^ 1376) har, Flickreim, vielleicht soll es Adv. sein zum mhd. Adj. 

^^ : herb, aspere. 

^ 1380) Für die Geschichte Simons von Trient (1475) und des 

^^abenmordes in Friaul hat Murner offenbar die deutsche Ueber- 

^^^«ung der Chronik Hartmann Schedels Nürnberg 1493; benützt 

J^^^ vergleiche zu 1372 f. u. 13.')6ff. über fünff jar darnach (nach 

^'^'^o) in Mota in ForiauL. darumb warden der täter diser missetatte 

^ ^.^5^ gefangen vnd gän Venodisr in dye stat gebracht . . . Das la- 

?^^ische Original hat apud Mottam oppidum . . . fori iulii. was 

i J^^i mit der Angabe gleichzeitiger Flugschriften zu vereinbaren ist, 

^ denen Porto buffoletto als Tatort genannt wird. * 



-^ * Federici, Memorie Trevigiaiie sulla tipografia del secolo XV. 
Venedig 1805, S. 92 f.: ci Martyrium Sebastiani Novelli trucidati a 
Perfidis Judaeis, verfaßt von Georg Summaripa aus Verona, Treviso 



- 154 — 

1893 n. 1454) heißen uns lägen, sagen, wir seien Lägner, s. 
Spanier zu Nb. 95, 92; vgl. auch 1353 einen lagen lassen. 

1395) anliegen: Scherz 49 de aliquo mentiri : sie zeihen uns 
der Lüge. 

1422) kurtzlichen : brevi, bald. 

üeber Simon von Tfient vgl. Strack, das Blut, 126—131, über 
Wilhelm von Norwich (f 1144) denselben S. 125; der Fall bei Motta 
im Friaul, von Strack übersehen, wird nach Schedels Chronik von 
Pawlikowski 187 u. 679 verzeichnet. 

1425 ff) Die Beschuldigung der Brunnen Vergiftung durch die 
Juden taucht zum letzten Mal bei Gelegenheit des großen Sterbens 
1348 und 1349 auf. Wenn hier Murner, auf sie fußend, die Verfolgung 
der Juden fordert, so zieht er sich dadurch auf Grund der Bulle 
Clemens^ VI. vom 20. Sept. 1348 die Strafe der Exkommunikation zu. 
Vgl. Strack 197. Dieser Tatbestand hat vielleicht für die Einziehung 
der vorliegenden Schrift durch die weltliche oder geistliche Behörde 
den Ausschlag gegeben. 

1453) londt sich nit beniegen: lassen sich nicht zufriedenstellen, 
geben sich nicht zufrieden. Vgl. die Beispiele bei Schmidt 29, der 
übrigens die falsche Erklärung gibt : benügen = sich begnügen. 

1459) mörderyen : Mordtaten, Metzeleien, vgl. Haderei (fränkisch: 
Streit) bei Grimm d. Wb., Schmidt 344 mörderige (mörderey) : Mord. 

1460) erdoedten (1360 erdoedt: getötet. Murner, Papsttum B. 1 b 
den die sie (die marteler : Märtyrer) erdoedten: töteten. Gm. 2353 
erdoedten Inf. Präs.), steht dem Reim zulieb abwechselnd mit er- 
morden (1361, 1449), das Murner (z. B. Bf. 5, 42—47 der schecher. 
zfthand ward also rein — als er ermordet hette kein) neben der 
Form ermorden (oben 226 ermort) anwendet. 

1463) handt erdoedtet, kühne Wortbildung für : haben Gift ge- 
mischt, um uns zu morden. 

1464) verdiiget gar: vollständig vgl. 881 und abdilcken Gm. 
422 f. 

1473) mecht man, Konj. Prät. : machte man doch. Wie hier, 3. 
Sing. L. N. 618 damit man vffrürig mecht allein, 2. Sing. Nb. 2, 21 
das du vß wisen narren mecht: machtest, 3. Plur. mechten L. N. 
645. Vgl. Laudiert, Alemannia 18, 152. 

1477 iomer: Jammer. Schmidt 184 iomerig: iammernd. 

1479) Albrecht U. 1438/39 war ein eifriger Juden Verfolger. 

1488 ff) beziehen sich wieder auf die Bekenntnisse des falschen 
Pfefferkorn, die 1514 als Flugblätter die weiteste Verbreitung fanden.^ 
Der wahre Joh. Pfefferkorn sagt in seiner Beschyrmung 1516, jener 
in «Maydburg» (Magdeburg, statt: Halle!) verbrannte cPfaff Bapp> 
sei weder ein getaufter Jude noch Priester gewesen, «hielts mit 
Juden und Christen, pflag wider Juden zu predigen, pflag von Frank- 
furt nach Meiitz auf dem Markschiff zu fahren.» Vielleicht hatte ihn 
Murner auf der Fahrt von Mainz nach Frankfurt (Bf. 5, 10) kennen 
gelernt und einen Widerwillen gegen den Menschen gefaßt. 

1497) dick: oft, Nb. 90, 20. Ich hab offt selbs vnd dick geprediget, 
Do ich mit wissen nieman schediget; Noch hab ichs offt vnd dick 



1480. d) Enarratio sententiae latae a sereni€S. Venetorum Imperio 
in infidos Judaeos patratores atque participes Martyrii Beati Sebastiani 
Novelli in Portubuffoletto Tarvisano trucidati, Treviso 1480, von 
Summaripa dem Bischof Jacob Zeno von Padua gewidmet. 

1 Im Katalog 22 Nr. 206 des Antiquars J. Halle (München) wird 
das Doppelblatt angeboten : Die geschieht vnd be ( kentnuß des ge- 
taufften Juden zu | Halle, vor sant Moritzenburgk auff dem Juden 
Kirchoff / mit glüenden zangen gerissen, darnach gepraten. 



-T 155 — 

ii 

entgolten. Adel K. 3 b (Yoß S. 56) die ynbesannen eyl ist dick ein 
mftter der irrung; vgl. Schmidt 64. 

1500) lengken, 721 lengknen, Schmidt 227 lougen, lenken, lenknen. 

1503) alß : alles. 

1505) was sie behaupten. 

1521) butet, bütet, beut : bietet ; Lexer führt büten als md. 
Nebenform zu bieten an. 

1522] und der seinen Lohn hat. — im hymel ob Gm. 618. 

1526) solche stnck : Sachen, Schelmenstücke. Nb. 36, 31 die bösen 
stock; Gm. 608. Was meister stuck wir wyber künnen; 3948 das 
böse stuck hab ich gethon. nym (nüm, nimme, nimmen Schmidt. 256) : 
nicht mehr. Nb. 43, 51 Das ir bezalung nym kint hoffen, Gm. 416, 
4345 nym, 459 nüm, SZ 48, 25 nymmen. 

1528) rechten mhd. rehten : vor Gericht streiten. 

1529) kleinoet:' Kleinod, Eon. v. England 896 ein kostliches 
kleinat. L. N. 125 das kleinet. 

Zu 1104 ff. findet man zahlreiche Parallelen bei 0. Frankl, a. 
a. 0., 133—138. 

Seite 110 ist in V. 12 nach Bf. 33, 22 zu bessern großes 
W" ander. 



VII. 



Beiträge 



von 



Johannes Bolte (Berlin). 
1. Die beiden Nebenbuhler zu Golmar. 

Flugblatt aus dem Jahre 1622. 



D. 



'en folgenden gereimten Schwank fand ich im Herzog- 
lichen Museum zu Braunschweig auf einem Folioblatte, das 
keinen Druckort nennt und ebensowohl in Straßburg oder 
Speier wie in Augsburg oder Nürnberg entstanden sein kann. 
Vielleicht bewahrt das Colmarer Stadtarchiv noch eine Notiz 
über den hier genannten Meister Ludwig Kleiner auf und 
liefert so eine Stütze für die Glaubwürdigkeit der Geschichte. 
«Schneidrischer lust vnd Buhlerstücklin, so sich kurtz ver- 
schiener tagen dieses nochlauflenden jahrs zu Golmar im ElsaB, 
in gegenwart eines Apoteckers Gesellen eigentlich begeben vnd 
zugetragen hat.» [Der unter dieser Ueberschrift stehende Kupfer- 
stich zeigt den nackt in einer Badewanne eingeschlafenen 
Schneider, um den sich die Menge auf dem Markte drängt.] 

Hort Wunderding! Was do, was do? 
Von einem stoltzen Schneidrio 
Und einem Apoteckersgselin 
Wir etwas news erzehlen wölln, 
5 Ein wahre Gschicht, welch dieser Tagen 
Sich eigentlich hat zugetragn 
Im Elsaß einer Statt bekant. 
Ist weit berftmbt, wird Colraar gnant. 

In diser wolbekandten Statt 
10 Es zimlich viel zu Löfflen hat. 



- 157 — 

Darinnen wohnt ein reicher Schreiner, 
Mit Namen heist er Ludwig Kleiner, 
Der het ein Tochter, hieß Mari, 
War schön und hftbsch, versteh mich hie. 

1^ ümb diese bahlt ein Schneiderknecht 
Und ein Apteckr, versteht mich recht. 
Als diese beyde nun allein 
Deß Abends bey dem Monenschein 
So wohl Nachts, da es finster war, 
2<* Kamen zn dieser Jungfraw dar 
Und tr äffen offt einander an, 
Hört, was der Schneider hat gethan ! 
Dann er gewiß ein rechter Knndt, 
Erdacht derhalben diesen Fundt, 

*& Wie er den Apoteckers-Gselln 

Möcht schamrot machn, in Schand [steiln], 
Ließ derhalbn offt heimlicherweiß 
Einen streichen mit sonderm Fleiß, i 
Die Jungfraw roch diesn Gstanck offt sehr, 

80 Sprach: Wo kompt dieser Gruch nur her? 
Der Apotecker sprach mit Zier : 
Hertzliebster Schatz, er kompt von mir. 
Dann er vermeint, die Jungfraw sehr 
Riech den Geruch, damit er wer 

35 Den gantzen Tag stets mit umbgangn, 
Wust nicht, daß einer wer entgangen 
Dem Schneiders-Knecht, welchs gleicherweiß 
Er offt gethan mit allem Fleiß. 
Die Jungfraw zwar wüst es auch nicht, 

*t> Daß ein so arger Böß wicht 

Der Schneider wer, und glaubts wolan. 
Der Apotecker habs gethan 
Und thets ihr nur zu Spot und Schand. 
Der Schneider drauff Gunst bey ihr fand; 

^ Dann er auch wol bewaschen zwar. 
Auch ein rechter Fatzvogel war, 
Gab immerdar viel Kätzel aufp; 
Der Apotecker lösts ihm stets aufp, 
Einsmahls der Schneider sprach gar schnell: 

50 Was heiß[t] diß M. L M. D, L. ? 
Der Apotecker sprach : Zu Zeitn 
Kan man es wol und fibel deutn. 
Der Schneider sprach: Es muß so seyn: 
Mari Ist Mir Die Liebst allein. 

65 Der Apotecker sprach zur Stundn: 



• ..^ Eine noch drastischere List, einen unbequemen Nebenbuhler 
s/.!.*^ ®^ Geruch zu bringen, schildert ein verbreiteter derber Volks- 
sczi^ank in der Zeitschrift d. V. für Volkskunde 14, 432 (1904) : 
®^ Schweinehirt und die Königstochter». 



— 158 — 

Ich hab darin was änderst gfundn; 
Ließ hinder sich, dich wol besinn: 
Leck Da Mari Im Marß darin! 
Was wolt der gute Schneider machn ? 

60 Er mnst deß Eücklesens selbst lachn. 
Der Apotecker merckt zuletzt, 
Das ihm der Schneider eins het versetzt 
Und bey der Jungfraw ghawen ein, 
Abr er achtets gering und klein. 

<& Als die Zeit bald verflossen gar 
Und der Schneider ein Breutgam war, 
Gieng er ins Bad in solchen Dingn, 
Wusch sich, daß er nicht möcht zubringn 
Ein grindichtn Schneider seiner Braut, 

70 Ließ zwagn und waschen seiu[e] Haut, 
Daß er so plarricht nit möcht sehn, 
Die Blatern nit vol Eyter stehn. 
Daß man ihn möcht dort besser zwagn, 
Leßt er Wein in die Badstub tragn, 

7d Trinckt mit Bader und Baderknecht, 
Sitzt in ein Wann (versteht mich recht), 
Seufft sich blind voll, schiäfft gleichergstalt. 

Der Apoteckr erfährt es bald, 
Der kompt, legts mit dem Bader an, 

80 Bestellt darauff zwen starcke Man, 
Die tragen in fein seuberlich 
Mit sambt der Wann (verstehet mich) 
Auff einer Mistbaren gar argk 
Mitten in die Statt hin auff den Marck. 

85 Da setzen sie ihn fein sanfft nieder, 
Seins Wegs gehet wiederumb ein jedr 
Und lassen ihn aueh allda sitzn, 
Es mag ihn friern oder schwitzn. 
Als er da steht ein kleine Weil 

00 Mit sambt der Wann, da kombt in Eyl 
Viel Volck, Mann und Weib, jung und alt, 
Jedr wolt gern. sehn den Schneidr bald, 
Der Ludwig Kleiners Tochterman 
Solt werden auff dem Thomasplan. 

ö5 Als er von dem Getümmel erwacht, 

Sagt er: Ey, hat dich dann Bocks Macht 
Mit sambt der Wann hieher getragn! 
Mich deucht, das heist gebat, gezwagn. 
Gleichwol waren noch etlich Leut, 
100 Die groß Mitleiden dieser Zeit 

Mit diesem plarrichten Schneider hettn. 
In dem thet einer hinzu trettn, 
Derselb liech ihm ein Mantel bald. 
Drein wickelt er sich gleichergstalt, 
105 Verbarg er sein Angesicht gar; 



— 159 — 

Man sach doch, daß der Schneider war, 
Der Meister Ludwigs Tochter solt nemn. 
Der gate Schneider thet sich schemn; 
Diß thet ihm aber noch mehr Zorn, 

^i<* Die Jungen lieffh hindn und vorn, 
Schrien, spotten, verlachten ihn. 
Also der Schneider zog dahin. 
Die gute Mari zu der Stett 
Hundert Thaler drumb geben het, 

1^^ Daß sie Bocks Lebr mit gutem Wissn 
Mit diesem Schneider nicht het beschissn. 
Abr es halff nichts« es war geschehn, 
Sie must mit dem Schneider zu Kirchen gehn 
Und muß itzt helffen Hosen llickn, 

1*0 Sich auch in seine Weiß recht schicken. 
Also habt ihr kurtzlich vernommn. 
Wie ein Schneider in einer Summn 
Zu Colmar ein Schreiners Tochter bekomn. 



Gedruckt im Jahr Christi, 1622. 



2. Ein Bildergedicht Moscheroschs. 

Dem von Erich Schmidt (Zs. f. dtsch. Altert. 23, 79) 
abgedruckten «Köpifkram» Moscheroschs, über den ich oben 
13, 165 gehandelt habe, möchte ich ein weiteres Bildergedicht 
dieses Autors anreihen , das die Königliche Bibliothek zu Berlin 
besitzt. Es steht unter einem von dem Straßburger P e t e r 
Aubry (1596—1660) gestochenen, 22,3X31,2 cm großen 
Kupferstiche, dessen fehlenden Titel man etwa ergänzen könnte : 
uiDer Tod des reichen Schlemmers», und der sich 
offenbar an mittelalterliche Darstellungen des sterbenden Men- 
schen * anlehnt. Rechts sieht man den verzweifelt die Hände 
bebenden Schlemmer in seinem Himmelbette liegen, hinter 
dessen Vorhängen der Tod mit einem Kopfputze von Pfauen- 
federn, zwei Teufel mit Schweinshaupt und Rübenkopf und 
ein Engel hervorlugen. Links deutet der von der weinenden 
Frau und Tochter und einer mit gefalteten Händen dastehenden 
Magd umringle bärtige Arzt auf den Tisch mit Schüsseln und 
Trinkgefäßen (als die Ursache der Krankheit) hin. Darunter 
slehn die Verse : 



1 Stricker, De düdesche Schlömer, hrsg. von Holte, 1889, S. *15. 
Lehrs, Jahrbuch der k. preuß. Kunstsammlungen 11, 161 (1890). 



— 162 — 

tan, wenn sie den Namen nennt. Für den Freund der elsässi- 
schen Literatur darf es kein leerer Name bleiben. Das Straß- 
burger Münster ist und bleibt das bauliche Wahrzeichen des 
Elsasses. Aber es tut seinem Ruhme keinen Eintrag, wenn man 
neben ihm die vielen schönen gotischen Kirchen landauf, land- 
ab nicht vergißt und schließlich auch der Martinskirche zu 
Westhofen mit ihrer alten sehenswerten Chorverglasung ge- 
denkt. So beabsichtigen wir nicht, unserm Johannes Zschorn 
einen Platz in der ersten Reihe der literarischen Berühmtheiten 
des Elsasses zu erkämpfen. Darf er aber nicht neben Sebastian 
Brant, Thomas Murner oder Johann Fischart treten, so doch 
neben Hieronymus Boner oder Matthias Holtzwart. Einer muß 
in einer solchen Reihe der letzte sein, aber er gehört hinein, 
sie wäre unvollständig ohne ihn. So darf die elsässische Lite- 
raturgeschichte unseres Erachtens Zschorn nicht übergehen. Er. 
selber hat bescheiden über seine Leistungen gedacht. Schließt 
er doch die Aethiopica Historia mit den Worten : 

Weichers yetzt besser machen kan 
Dem günn ichs gern nur dapffer dran. 

1. Biographisches. 

Was wir über Zschorns äußeren Lebensgang anführen 
können, ist bald gesagt. Seinen Geburtsort gibt er selbst an : 
er nennt sich * «Eylenbergensis» oder «Eylenberger», stammt 
also aus Eilenburg in der Provinz Sachsen, damals zu Kur- 
sachsen gehörig. In dieser Stadt ist der Name der Familie 
gut bezeugt. Jeremias Simon, Eilenburgische Chronika 1696 
führt unter den Beamten der Stadt S. 435 den Kämmerer Hans 
Schorn anno 1572, S. 443 den Rats- Verwandten David Zschorn 
1599 auf. Die Kirchenbücher * beginnen mit dem Jahre 1548 
und enthalten mehrere Einträge über die Familie Zschorn. Auch 
der Name .Tohannes kommt vor. Unser Zschorn kann nie damit 
gemeint sein, da er, wie wir sehen werden, 1548 seine Vater- 
stadt schon dauernd verlassen hatte. 

Urkundlich festgelegt sind nur die letzten Jahre seines Lebens 
durch das Pfarrbuch der Grafschaft Hanau-Lichtenberg, jetzt im 
großherzoglich hessischen Haus- und Staatsarchiv zu Darmstadt. ^ 



1 Gefällige Mitteilang von Herrn Kirchenbachführer Wemecke 
in Eilenbarg. 

a Herausgegeben von Kiefer 1890 s. dort S. 335. — Herr 
Direktor Dr. Schmidt in Darmstadt hat die Güte gehabt, die Steile 
noch einmal für mich zu vergleichen. 



— 163 — 

Dort ist Fol. 159 seine Ernennung nach Westhofen und sein 
Tod verzeichnet.! 

Weitere archivalische Nachrichten anzuführen sind wir nicht 
in der Lage. Das Gemeindearchiv von Westhofen enthält aus 
dem 16. Jahrhundert nur einzelne für unsern Zweck belang- 
lose Trümmer von Urkunden. Die Kirchenbücher und Rech- 
nungen des Amtes Bai bronn -Westhofen für jene Zeit sind nicht 
mehr vorhanden. Gehen wir also dazu über zusammenzustellen, 
welche Aeußerungen über seinen Lebensgang sich in Zschorns 
Werken finden. 

In der Vorrede zur AeH vom August 1559 schreibt 
Zschorn seinen lieben Vettern, dem würdigen vn wolgelerten 
Herrn Bartholomeo und Ersamen Hansen Zschornen« gebrüdern, 
wohnhafft zu Eylenburg: 

«ich hab euch in 25 jaren oder lenger wenig wasser betrübt 
dieweil ich ausserhalb meines vatterlands darzu zimlich weitt in 
fremden Natione, meines leibs narnng vnd wohnung gesacht, haben 
wir wenig bottschaft vnnd frenndschafft znsame suchen können.» 

Aus diesen Worten gewinnen wir die Zeit seines Weggangs 
aus der Heimat. Gegen 1534 hat er Eilenburg verlassen. 

Hiermit verbinden wir, was er über seine jungen Jahre 
sagt in der Vorrede zur ersten Auflage des Kayser-Büchlin. Hier 
schreibt er dem «Ernhaiften Furnehmen Jonas Graner, burger 
zu Straßburg, seinem insonders lieben freundt vnnd günner» : 



1 Westhoven. Schulmeister so von gemelter Zeitt zu Westhoven 
gewesen. 

1. Joannes Schornn ist Anno 1556 dahier zum Schulmeister an- 
genommen, und ime für seine jarliche Competentz geordnet worden. 

An Gellt 30 gülden 

An Korn 10 Vierthell 

An Wein 3 Fueder 

von Sigristen Ampt. 

und 1 fueder vom Meyer des hohen stiffts von der Oberkirchen 

wegen. 

2. Christophorus Lasius ist nach absterben dieses Joannes Schorn 
so im Augusto Anno 1560 mit todt abgangen volgendts umb Michaelis 
gemelts jars dahien bestellt. 

« Bartholomäus Zschorn ist in W. S. 1532/33 in Wittenberg im- 
matrikuliert und ebenda am 24. November 1540, nachdem er des 
Christoph v. Kanitz zu Talewitz Kinder-Präceptor gewesen, zum 
Pfarramt gen Mörtitz, Diözese Eilenburg, ordiniert worden. S. 
Album Academiae Vitebergensis ed. Förstemann I 1841 und 
G. Buchwald, Wittenberger Ordiniertenbuch I, 1894, S. 16. — 
Als Bartholomäus Tzschorn steht er unter den Unterzeichnern der 
Konkordienformel aus der Superin tendentur Eulenburg. Das Eilen- 
burger Edrchenbuch berichtet seinen Tod als Pfarrer von Gruna bei 
Eilenburg am 30. Dezember 1579. — Sein Bruder Hans kommt 
1548—1569 im Kirchenbuche vor. 



— 164 — 

cNachdem wir vor etlich jaren als jange gesellen kandschafft 
zaBammen gehabt vnnd sonderliche freondtliche gesellschaft in 
Musicalischen Instrumente, Auch fechten vnd anderen holdtseligen 
vbonge (so gut wirs dann köndt haben) Welche jungen gesellen 
baß anston dann schlemmen vnd themmen . . . aber doch zuletst 
von einander zertheilt worden» u. s. w. 

Die Zeit dieses Zusammenseins läßt sich annähernd berechnen. 
Von zwei gleichzeitigen Trägern des Namens Jonas Graner hat 
einer am 26. Januar 1558 ein Sohnlein tanfen lassen. ^ Da als 
Göttel Aurelia, Andreas Graners Hausfrau, angegeben ist und 
der Vater von Zschorns Gönner laut Vorrede zum KB Andreas 
hieß, dürfen wir ohne Zwang in der Patin die Großmutter des 
Täuflings und in dem Kindtaufsvater denselben Jonas Graner 
sehen, welchem KB gewidmet ist. Das Kind war, als es getauft 
wurde, neun Jahre all, war also 1548—1549 geboren. Lassen 
wir für allerhand Möglichkeiten einen Spielraum von mehreren 
Jahren, so werden wir immerhin sagen dürfen, daß die Zeit, 
da Jonas Graner und Johannes Zschorn als junge Gesellen zu- 
sammen waren, ungefähr nach 1540 anzusetzen ist. Zschorn 
war also, als er 1534 Eilenburg verließ, noch jung. Da er, um 
seines Leibes Nahrung und Wohnung zu suchen, kein Kind 
mehr gewesen sein kann, dürfen wir die Jahre um 1520 mit 
einem Scheine des Rechts für seine Geburt in Anspruch nehmen. 

Was er freilich als junger Gesell außer dem Fechten und 
Musizieren getrieben hat, und was er gewesen ist, ehe er 
Schulmeister zu Westhofen wurde, können wir nicht sagen. 
Daß er seines Leibes Nahrung und Wohnung außerhalb seines 
Vaterlandes gesucht, scheint auf ein Handwerk hinzuweisen. 
Von einem späteren Diakonus und Schulmeister sollte man 
allerdings voraussetzen, daß er eine Hochschule besucht hat ; 
doch war dies in der Mitte des 16. Jahrhunderts nicht unbe- 
dingt erforderlich, besonders bei einem Kirchenwesen, welches, 
wie das hanau-lichtenbergische zu jener Zeit, noch in der 
ersten Einrichtung begriffen war. Noch 1571 wirft Johannes 
Nas in seinem «c Bericht von Fratris Joannis Nasen Eseb seinen 
kirchlichen Gegnern vor : 

Bader, Schuster vnd auch Weiber, 
Henker, Schergen vn auch Sewtreiber, 
die daugen samptlich auff die Cantzel, 



1 S. das Taufbuch der Neuen Kirche im Straßburger Stadtarchiv, 
Nr. 21 3, Bl. 65 b. Der amtierende Geistliche hat dem Eintrag eine 
c^I^r hinzugefügt, um darauf hinzuweisen, daß ein ganz besonderer 
Fall vorlag: Das zu taufende Kind war bereits neun Jahre alt. 



— 165 — 

Wenn sie nnr sein fein zungen schnei, 
den Bapst zu schänden bei jedermann, 
dann ist er alles wolgethan. 

Nas, dem seine Widersacher vorzuhalten pflegten, daß er 
es vom Schneidergesellen zum Weihbischof von Brixen gebracht 
hatte, übertreibt und verallgemeinert natürlich, hat aber nicht 
ganz aus der Luft gegriffen. — Jedenfalls finden wir Zschorns 
Namen in keiner der bis jetzt veröff'entlichten Matrikeln, obwohl 
mehrere Glieder der Familie studiert haben. Sie verzeichnet 
die Matrikel von Frankfurt a. 0. 1544 Nr. 51 einen Andreas 
Tzorn Eylebergensis, die Wittenberger 1532|33 den schon 
genannten Vetter Bartholomäus ; wenn man eine Verschreibung 
beim Eintrag oder falsche Lesung durch Förstemann annehmen 
darf, gehört auch der am 26. III. 1550 in Wittenberg ein- 
geschriebene Georgius Tschorn Fillenburgensis nach Eilenburg. 
Unsern Johannes Zschorn finden wir nirgends genannt. Somit 
müssen wir uns damit begnügen und sagen, daß er sich 
ir<^endwo und wie gelehrte Bildung angeeignet hat. Schon 
seine Vaterstadt bot ihm die Möglichkeit, den Grund dazu zu 
legen. Eilenburg besaß eine Lateinschule.^ Jedenfalls brachte 
er es soweit, daß er die Gelehrtensprache der Zeit beherrschte. 
Die AeH übersetzte er nach dem Lateinischen. Des Griech- 
ischen ist er wohl nicht mächtig gewesen. Dem geschicht- 
lichen Stoff" steht er keineswegs hilflos gegenüber, und auch 
seine Theologie geht nicht darin auf, «den Bapst zu sehenden 
bey jedermann]». 

Wenn er AeH 102 erzählt, daß «zu Brun in Moravia 
vnder dem rahthaus ein Crocodiil hanget^ mit grausamen zene 
vn hartten hörnen schuppen», so hat er diesen «wurm» wohl 
selber gesehen. — Was er KB 86 *" von Zäringen sagt : 

Dann Zeringen wAs ein Hertzogthum 
Da jetzund sind drey heusslin kum 

scheint auch eigene Anschauung zu verraten. Die Sprache weist 
darauf hin, daß Oberdeutschland der Schauplatz seiner Wander- 
jahre war. Hier fanden sie wenigstens ihr Ende, als er mit 
Jonas Graner wieder zusammentraf. 

Er schreibt diesem weiter in der Vorrede zum KB : 

«Vnd wie wol wir persönlich von einander gewesen, ist doch diese 
freundtliche vn anmutige geselschaft in vnserm gemüt vn Hertze 
bliben. Vnd das solchs wahr, so hab ich das an euch befunden, 
dan da ich aus langwiriger gehabter kranckheit, beide meines 



1 Jeremias Simon, a. a. 0., S. 410 zählt daselbst Schul-Eectores 
auf von 1526 an. 



— 166 — 

gats, krafft vn stercke , meines leibs entfrenibdet, so bald jr 
mein zukunfft innen worden, vngebetten zu mir gesprungen, alle 
zimliche freundtschafft bewisen, dardurch ewer lieber vatter Herr 
Andreas Graner sampt seinem mitfreundt Herr Hans schätzen deß 
alten mir geneigt worde, za wolfart meiner gsundheit vngsparts 
Heiß zu dienen vn behilflich sein.» 

Dies klingt so, als sei Zschorn schließlich in Straßburg ge- 
strandet. Hier in der großen Elendenherberge des 16. Jahr- 
hunderts fand er wie mancher andre vor und nach ihm gute 
Leute, die dem ins Unglück geratenen wieder auf die Füße 
halfen. 

Wenn er AeH 30 sagt: «Auch so wird mächer durch freud 
aus einer schweren kranckheit schnell gesund wie ich selbst er- 
fahren» so dürfen wir diese Worte entweder auf diese Begeg- 
nung oder darauf deuten, daß sich ihm von Straßburg aus 
eine Gelegenheit zur Besserung seiner äußeren Lage bot. 1545 
hatte Graf Philipp IV. von Hanau-Lichtenberg angefangen, in 
seinem Gebiet vorsichtig und schonend die Reformation einzu- 
führen. Nach dem ungunstigen Ausgang des schmalkaldischen 
Krieges wurde zwar das Interim verkündet, die kirchliche Um- 
wälzung auch langsamer betrieben, aber nicht aufgegeben, und 
vollständig durchgeführt, nachdem der Religionsfriede 'einen 
sichern jRechtsboden geschaffen hatte. Aus den Rechnungen 
der Buchsweiler Kirchschaffenei ist zu ersehen, wie sich da- 
mals fort und fort in BuchiSweiler, dem Sitz der Regierung, 
Bewerber um eine Anstellung im Kirchen- und Schuldienst 
einfanden. Unser Zschorn gehörte zu den Glücklichen, welche 
nicht, mit einem viaticum aus der Schaffenei abgefunden, ihren 
Stab weitersetzen mußten, sondern angestellt wurden. * 

Seine Fertigkeit in musikalischen Instrumenten empfahl ihn 



1 Der Kirchschaffner von Buchs weiter verrechnet alljährlich 
unter den cAusgaben insgemein» Posten wie die folgenden : 

1557/58 : 10 jj 6 d. geben einem frembden prediger so vif suntag 
den 8 tag Haugmanat hy geprediget vnd vmb deinst an gesucht 
im zur schenck bef ollen. — 10 3 geben einem armen prediger zu 
stroßburg so vmb deinst angesucht den 20. juli. 

1559/60 : 5 Ö 4 d. geben auß befelch einem Schulmeister so 
auß dem weirtenberger landt hyher kumen vnd vmb d schall zu 
\^ eilstatt angesucht den 6 Hornung ano 60. — 

1560/61; u. a. 2 3 6 d. hat der angenumen schullmeister verzert 
zu bußweiler so gen westhoffen kumen sol vff Johannis ao. 61. 

Dieser letzte Eintrag bezieht sich auf Zschorns zweiten Nachfolger. 
Leider ist von den Jahren 1.555 und 56 keine Kirchschaffeneirech- 
nung vorhanden, so daß wir Zschorns Anwesenheit in Buchsweiler 
nicht direkt belegen können. Sein Name lautet im Pfarrbuch tSchornn», 
ist also nach dem Gehör niedergeschrieben worden. Er hat sich 
demnach persönlich und mündlich beworben. 



— 167 — 

für das Amt eines Schulmeisters, i damals auch im Hanauischen 
eine Durchgangsstellung für das eigentliche Pfarramt. Von der 
Oberkirche in Westhofen, welche neben der Niederkirche für 
den neuen Kultus entbehrlich geworden war, wurden die Ge- 
fälle mit Bewilligung der Herren des Hohen Stifts zu Straß - 
bürg als Gollatoren zur Erhaltung eines Diakoni und Schul- 
meisters bestimmt, und Zschorn 1556 die Pfründe übertragen. 
Hier, wenn nicht schon früher, trat er in den Ehestand. ^ 
Hier schrieb er die Büchlein, welche uns im folgenden beschäf- 
tigen werden. Er dachte wohl mit der Zeit wie andere Diakonen 
zum Pfarramt befördert zu werden, darum unterzeichnete er 
die Vorrede zur AeH : Johann Zschorn, «diser zeit» Schul- 
meister. Aber die Schwäche seines Leibes, über welche er 
gleichzeitig klagte, Heß es nicht dazu kommen. Im Spätjahr 
1560 ist er «mit todt abgangen». 

2. Zur Aethiopica Historia. 

Zschorns Name ist uns geläufig im Zusammenhang mit 
seiner Uebersetzung der Aethiopica Historiades Heliodorvon 
Eraesa. Dieser Zusammenhang ist allerdings früh unterbrochen 
worden. Als die Geschichte von Theagenes und Ghariclea durch 
immer wiederholte Nachdrucke zum weitverbreiteten Volksbuche 
geworden war, kam zuerst die Widmung an die Eilenburger 
Verwandten, dann Zschorns Name in Wegfall, Erst die philo- 
logische Behandlung des Heliodor seit der Mitte des 18. Jahr- 
hunderts wurde dem ersten deutschen Uebersetzer wieder gerecht. 

Weil Zschorn nur Uebersetzer war, dürfen wir hier davon 
Abstand nehmen, uns mit dem Roman selbst zu beschäftigen. 
Eine eingehende Würdigung hat derselbe bei Erwin Rohde^ 



1 Vergleiche die Obliegenheiten der Schulmeister nach der «Ki r- 
ch en rdnung, Wie es mit der Lehr und Ceremonien in der 
Graffschaft Hanaw und Herrschaft Lichtenberg sol gehalten werden > 
Straßburg 1573 S. 1. 4. 8. 9. U. 59. 67. — 

2 Er spricht in der Vorrede zur AeH von Kindern, welche ihre 
Verwandten in Eilenburg mit der Zeit heimsuchen möchten. Dies ist 
doch wohl von leiblichen Kindern zu verstehen. — E. F. Neubauer, 
Nachricht von den itztlebenden Ev. luth. Theologen in Deutschland 
1743, bespricht I, 424—427 einen Pfarrer Johann Hermann Zschorn, 
der sich zufällig ebenfalls mit der Kaisergeschichte beschäftigt hat. 
Wir haben von ihm: Chronologische Tabellen von Carolo Magno 
an bis auf den Kaiser Karl VI. o. J. Dieser J. H. Zschorn wurde 
19. August 1698 als Sohn des Pfarrers Johann Zschorn zu Queck 
in Oberhessen geboren. Leider lieb sich der Stammbaum nicht weiter 
rückwärts verfolgen, so daß wir nicht sagen können, ob ein Zu- 
sammenhang mit unserm Zschorn besteht. 

3 E. Roh de, der griechische Roman 2, 1900, S. 453-498. 



— 168 — 



gefunden, welcher unseres Erachtens mit vollem Recht die 
Ansicht, daß wir in der AeH das Werk eines christlichen 
Bischofs vor uns haben, bekämpft, derselben vielmehr in den 
Bemühungen des Neuplatonismus um die Belebung des alten 
heidnischen Götterglaubens ihren Platz anweist. 

Ebenso müssen wir davon absehen, den Gang der AeH 
durch die Literatur zu verfolgen. Eine solche Untersuchung 
hätte an den Namen Heliodors, nicht an den Zschorns anzu- 
knüpfen, wie dies durch Oeftering^ auch zuletzt geschehen 
ist. Für uns kommt die Uebersetzung durch den Schulmeister 
von Westhofen einmal deswegen in Betracht, weil sie einige 
Nachrichten über sein Leben enthält. Dann ist sie aber doch 
auch nach Art der Zeit mehr Umschreibung als Uebersetzung. 
Zschorn hat dem Roman Heliodors nicht nur seine Worte 
geliehen. Man spürt, daß die Erzählung, von deren Geschicht- 
lichkeit er wie andre Zeitgenossen überzeugt war, ihn innerlich 
ergriffen hat. Er ist mit Leib und Seele dabei, und gießt den 
fremden Stoff um in die deutsche volkstümliche Form. Zugleich 
fügt er dies und das aus seinen eigenen Gedanken in Gestalt- 
von Randglossen hinzu und läßt uns so zuweilen einen Blick in 
sein eigenes Inneres tun. Wir werden also die AeH heranziehen^ 
um das Bild, welches wir aus KB von unserm Schriftstellei — 
gewinnen, zu ergänzen. Einiges wenige ist jetzt gleich über da^ 
Buch als solches zu bemerken. 

Stellen wir zusammen, was sich bei F. L. A. Schweiger ^ 
Handbuch der klassischen Bibliographie I, 1830, S. 131 ff. ^ 
S. F. W. Hoff mann, Bibliographisches Lexikon H, iSS^ ^ 
S. 197 ff., J. G. Th. Graesse, Tresor HI, 1862, S. 23S, 
K. Goedeke, Grundriß H, 1886, S. 474 und Oefterin ^ 
a. a. 0. S. 49 findet, so werden uns folgende Drucke angegeben z 



a) Straßburg 


• • . 


1554 




H. 






Oe. 


b) )) 




0. J. 






Gr. 




Oe. 


C) )) 




0. J. 










Oe. 


d) » 




1559 








Goed. 




e) Frankfurt 




1562 






Gr. 




Oe. 


f) » 




1580 


Schw. 


H. 


Gr. 


Goed. 


Oe. 


g) Nürnberg 




0. J. 


Schw. 


H. 


Gr. 


Goed. 




h) Buch der 


Liebe . 


1581 






Gr. 




Oe. 


i) » » 


» . 


1587 


Schw. 


H. 




Goed. 


Oe. 


k) Leipzig 


. • 


97 






Gr. 


Goed. 


Oe. 


1) Straßburg, 


. • 


1620 






Gr. 


Goed. 


Oe. 


m) )) 


• 


1624 


Schw. 


H. 


Gr. 


Goed. 


Oe. 



1 M. Oeftering, Heliodor und seine Bedeutang für die Lite- 
ratur, in : Literarhistorische Forschungen 18. 1901. 



— 169 — 

Die Ausgabe a wurde unser höchstes Interesse erregen, da 
sie der Ernennung Zschorns nach Westhofen 1556, zwei Jahre 
vorausgehen, unsere beglaubigten Kenntnisse über ihn also 
ebensoweit hinaufrücken würde. Leider ist diese Ausgabe auf 
deutschen öffentlichen Bibliotheken nicht zu finden, und dürfte 
überhaupt nicht vorhanden sein. Ein Lesefehler wird die Angabe 
verursacht haben. ^ — Auch b und c sind mit d identisch, 
d ist deswegen als undatiert bezeichnet worden, weil die Jahres- 
zahl nicht auf dem Titelblatt steht. Es ist sicher Editio princeps, 
a- — d fallen zusammen, — Dasselbe gilt von h und i. Es gibt 
Qur ein «Buch der Liebe», Frankfurt a. M. bei Sigmund 
Peyerabend 1587. — e und 1 habe ich ebenfalls auf öffentlichen 
ßiiJiotheken nicht gefunden. Doch mögen von dem beliebten 
R^onrian noch manche Abdrücke veranstaltet worden sein, welche 
sich nicht erhalten haben, oder an entlegener Stelle ein unbe- 
achtetes Dasein führen. Können wir doch den oben verzeich- 
*^eten Ausgaben zwei hinzufügen, welche bisher auch noch 
*^icht bekannt gewesen sind, die unten folgenden 5 und 7. 

Allgemein zugänglich sind zur Zeit folgende Ausgaben : 

l,Aethiopica ( Hi st or i a. j Ein schöne vnnd | Liebliche 

i-stori, von ei- | nem großmütigen Helden aus Griech ) enland, 

einer vber schönen Junckfrawen, eines Kö | nigs dochter 

^^i* schwartzen Moren. (der Jung- | ling Theagenes, vnnd die 

'^^irickfraw Gha- ( riclia genannt) darinn Zucht, Erbar- | keit, 

7"^ÄQck vn Vnglück, Freud ( vnd laid, zu sampt vil gu- ( ter 

^^'^^n beschriben, werden. | — Aus dem Griechichen ins ) 

^^tin, vnnd yelzund new- ( lieh ins Teutsch bracht f gantz ) 

^^ytzweilig vnnd nutz- | lieh zu lesen. — Am Ende der Vor- 




e: Datum zu Westhofen im Elsas im Augusto Anno 1559. 

Am Schluß : Gedruckt zu Straßburg durch Paulum Messer- 

^^^Virnidt. — Berlin Kgl. Bibl. Darmstadt. Wolfenbüttel. Gießen.« 

2. Heliodori | Historia Aethiopica /. Das ist : | 

^iiQe schöne liebliche Histori, / von dem furtrefflichen tapffern 

"^l- I den auß Griechenland, Theagene, vnd der | vber auß 

^<iViönen Jungkfrauwen Ghari- ) clia, der schwartzen Moren 

K.Ö I nigs Tochter. | Darinnen Zucht, Erbarkeit, Gluck | vnd 

Vngluck, Freud vnd Leyd, vnd son- f sten vil guter Lehren vnd 

Exempel be- ( schrieben werden. | Erstlich auß dem Griechichen 

^ns Latein, | vnd dann jetzund aufls neuwe in vnser Teutsche ( 

^ Die Widmung von d ist datiert: Westhofen im Elsas im 
Augusto Anno cJSI^l^^lt = 1559. Dieses x ist für ö gelesen worden. 

2 Es sei mir gestattet an dieser Stelle den verehrten Biblio- 
theksverwaltungen, welche mich durch Beantwortung meiner An- 
iragen und Ueberlassung von Büchern unterstützt haben, für ihre 
^Liebenswürdigkeit meinen besten Dank auszusprechen. 



— 170 — 

Sprach mit sonderm ileiß transferirl. Gantz | kurtzweilig vnd 
nutzlich ; zu lesen | [Druckerzeichen]. Gedruckt zu Franckfurl 
am Mayn 1580. — Widmun;r an Bartolomeüs Schönkap, Fürst]. 
Wäilzburgischen Diener, unterzeichnet : Datum die Lauretij 
Martyris den 9. Augusti, Anno &c 80 Nicolaus Bassaeus, Typo- 
graphus Francofordiensis ad Moenum. — Am Schluß : Gedruckt 
zu Franckfurt am Mayn, durch Nicolaum Bassee [Druckerzeichen] 
1580. — 76 Holzschnitte, die sich teilweise wiederholen, aus 
andern Büchern entnommen. — Wolfenbüttel. Hamburg. 

Trotz der Versicherung Bassee's, daß er das Büchlein habe 
cwiderumb reuidiren» lassen, wie alle folgenden Ausgaben, 
ein wörtlicher Abdruck von 1 mit geringen orthographischen 
Aenderungen. Die Vorrede nennt Zschorn als Uebersetzer. J 

Zur Empfehlung des Büchleins heißt es : da man die 
Getichte von dem Tristrant, Amadiß etc. zu lesen wirdig achtet, 
wieviel mehr usw. Wir sehen die AeH auf dem Wege, den be- 
liebten ünterhaltungsbüchern jener Zeit an die Seite zu rücken. 

3. Diese Einreihung ist vollzogen im Buch der Liebe, 
welches Fol. 179—229 die AeH enthält. Der Titel lautet wie 
der deutsche Titel von 1 bis «. . . beschrieben werden», mit 
orthographischen Abweichungen, ohne die Ueberschrifl Aethio- 
pica Historia. — 1587. 

4. Titel wie 3, mit orthographischen Abweichungen. — 
Holzschnitt: Persina mit der kleinen Chariclia im Arm an 
einem Tische stehend. — Zu Leipzig bey Nicol Nerlich, Anno 97. 
— Gelle, Kirch. Min. Bibl. — Kurze allgemein gehaltene Vor- 
rede «An den Christlichen Leser». 

5. Titel, wie 3 und 4. Zu Leipzig bey Nicol Nerlich, Anno 
1601. — Leipzig U. Bibl. — Auch die Vorrede stimmt wörtlich 
mit der von 1597 überein, sogar der Druckfehler «lieblicheit» 
ist beibehalten. 

6. Heliodorus Oder Ein sehr schöne, liebliche, nützliche 
History, von Theagene, einem für trefflichen dapfferen Edlen 
Ritter auß Griechenland, vnd der vberauß schönen Jungfrawen 
Chariclia, deß Schwartzen Mohren Königs Tochter. — Darinnen 
Höfflichkeit, vnd Tugend, Zucht vnd Erbarkeit, Glück vnd Vn- 
glück, Frewd und Leyd, Gonsl vnd Neid, vnd sonsten viel 
guter Lehren, Bericht vnd Exempel begriffen seynd. — Erst- 
lich Griechisch beschrieben, nachmahlen in Latin, vnd Frant- 



1 Wiewol ich auch bedacht gewesen daß vielvermelte Historia 
gar von neuwera hette in vnser Teutsch mögen vertirt werden, habe 
ich es doch bei der vorigen Version, deß Johann Zschorn, gewesener 
Schulmeister zu Westhofen im Elsaß bleiben lassen, damit ich 
nicht . . . deßselbigen Namen obscuriren vnd vnterdrücken wollen. 



— 171 — 

zösisch, vnd jetzo auff das new in Teutsche Spraach mit fleiß 
vbersetzt. — Gantz aomuhtig, kurtzweilig vnd nützlich zu lesen. 
— Gedruckt zu Straßburg, bey Marx von der Heyden, am 
Kornmarkt, 1624. — 75 Holzschnitte aus verschiedenen früher 
in Straßburg gedruckten Volksbüchern, wie Ecken Ausfahrt, 
Fortunatus, von hörnen Siegfried, u. a. m.i — Berlin Kgl. Bibl. 
Die Orakeldisticha des Originals, welche Zschorn durch 
die ihm geläufigen achtsilbigen Reimpaare wiedergegeben hatte, 
sind teilweise neu übersetzt. Die Vorrede, datiert Straßburg 
den 3. Januar 1624, ist nach Weise der Amadisbücher gewid- 
met «der Hoch- vnd Wolgebornen Frawen, Frawen A. M. F. 
Z. R. H. V. G. G. G. Z. H. V. Z. Meiner gnädigen Frawen». 
Die 6 letzten Buchstaben können heißen : Gehörnen Gräfin zu 
Hanau und Zweibrücken. Da aus einigen Anspielungen hervor- 
geht, daß die betreffende Dame vor kurzer Zeit in den Ehestand 
getreten war, und 1628 die Vermählung der Gräfin Agathe Maria 
von Hanau mit Georg Friedrich von Rappoltstein, Hohneck 
vnd Gemar stattfand,« werden wir in unserm Büchlein ein ver- 
spätetes Hochzeitsgeschenk sehen dürfen. Bezeichnend ist die 
empfehlende Angabe auf dem Titelblatt, daß der Roman auch 
in das Französische übersetzt sei. Die Vorrede stellt ihn hoch 
über «den trawrigen Herrn Tristrant, den geilen Gates, oder 
Frantzösischen AmadisD, und empfiehlt seine Lektüre dem 
Adelichen Frawenzimmer als «ein herrlich Mittel, das Gemuht 
zu nutzlicheren Geschafften auffzumuntern, auch Mel, Ancken, 
Kol vnd Kleyen abzuschaffen vnd des Greutzlins zu vergessen.» 
Der Herausgeber verbirgt seinen Namen unter dem Pseudonym : 
Hisaias sub Gruce Ath. ^ 



i Vgl. P. Heitz, Originalabdruck von Formschneiderarbeiten 
des 16. 17. u. ly. Jahrh. aus Straßburger Druckereien N. F. 1894 : 
108, 12. 115, 4. 5. 6. 116, 7. 9. 118, 1. 119, 1. 120, 2. 121, 37. 124, 
8. 126, 13. 14. — Schlußfolge 1899 : 127. 128. 138. 

2 S. Röhrich Versuch einer Gesch. der evang. Kirche in der 
ehem. Herrsch. Rappoltstein, in : Protest. Kirchen- u. Schulblatt 2, 
1835, S. 121. — Lehmann, Urkundl. Gesch. d. Graf seh. Hanau- 
Lichtenberg 'II, 1863 gibt in der Stammtafel 4 den 9. Dezember 1623 
als Hochzeitstag an. 

3 Unter demselben Pseudonym sind 1619 mehrere antirosen- 
kreuzerische Schriften erschienen. Weiler, Lexicon Pseudonymorum 
1886, S. 258 nennt als Hisaias sab Cruce Ath. einen Simbert Wehe, 
von dem G. Kloß. Bibliographie der Freimaurerei 1844, 2555 und 
Weller, die falschen und iingirten Druckorte 1864, S. 18 sagen, 
er sei lateinischer Schulkollaborator zu Ulm gewesen. Von Bezie- 
hungen Wehe's zum Elsaß haben sich bis jetzt keine Spuren ge- 
funden, seine Indentität mit dem Herausgeber der AeH von 1624 
ist kaum anzunehmen. Letzterer wird ein mit der gräflichen Familie 
von Buchs weiler befreundeter Geistlicher gewesen sein. — «Mel, 
Ancken, Kol vnd Kleyen» ergeben zusammen : Melancholey. 



— 172 — 

7. Titel wie 4 und 5, auch derselbe Holzschnitl und die- 
selbe Vorrede. Die Druckfehler sind verbessert. — Hamburg j 
In verlegunjf Zacharias Dosen, Im Jahre 1641. — Darmstadt. 

8. Heliodorus, das ist, die überaus liebHche und nütz- 
liche Histori, in weicher Höfflichkeit und Tugend, Zucht 
und Erbarkeit, Glück und Unglück, Freud und Leid, Gunst 
und Neid, mit vielen guten Lehrn, Bericht und Exempeln 
gar anmuthig dargestellt werden. — Sehr kurtzweilig und 
nützlich zu lesen. Mit gantz neuen Figuren gezieret. — Nürn- 
berg, Bey Job. Andr Endter, und Wolffg des Jüngern Seei. 
Erben, o J. — Der frühere Titel : Die schöne und liebliche 
Histori: . . • beschrieben werden» steht als Untertitel nach 
der Vorrede auf S. 3. — Kurze allgemein gehaltene Vorrede : 
An den Leser. — 74 Holzschnitte, die sich teilweise wieder- 
holen, aber die einzigen, welche wirklich für die AeH ange- 
fertigt worden, nicht aus andern Büchern herübergenommen 
sind. Um so auffallender ist es, daß die Holzschnitte nicht immer 
znm Text passen. So steht z. B. die Feuerprobe der Ghariclea 
VII, 3, wo sie nichts zu suchen hat, fehlt aber X, 3, wo sie 
dem Lauf der Erzählung nach stehen sollte. Vielleicht ist ein 
älterer Druck mit denselben Stöcken in richtiger Reihenfolge 
vorhergegangen. Die Randglossen sind in [ ] in den Text auf- 
genommen, als Vorlage hat 6 gedient, wie aus der Uebercin- 
stimmung in den Orakel versen hervorgeht. — Berlin Kgl. Bibl. 

.Außer diesen nachweisbaren Ausgaben führt Graesse a. 
a. 0. noch auf: Frcf. a. M. 1562 in 12 o Ein schön Historia 
von einem groszmütigen Helden aus Griechenland. Aus d. 
Griech. übers v. J. F. Schorn. Letzteres ist sicher J. Zschorn. 
Es kann sehr gut ein frühzeitiger Frankfurter Nachdruck vor- 
handen gewesen sein. Ferner erwähnen Graesse und Gödeke 
einen Druck Straßburg 1620. 

Fast ein Jahrhundert lang hat sich Zschorns üebertragung 
auf dem Büchermarkt behauptet. Georg D r a u d i u s Biblio- 
theca 1611 führt es S. 494 unter den «Kurtzweiligen Geschichten» 
an. Die Widmung von 6 zeigt, daß man noch 1624 auf Leser 
in höheren Kreisen rechnete, während die Ausstattung von 7 
die eines für die breitesten Schichten bestimmten Volksbuches ist. 
Ueber die von dem Büchlein ausgebenden Wirkungen läßt 
sich so gut wie nichts sagen. Oefterin g S. 131 nimmt an, daß 
die in der Comoedia von Sidonia und Theagenes vorkommenden 
hehodorischen Namen dem Volksbuch entnommen seien. Sie 
können gerade so gut auf die Schulkomödien Scholvins 
und B r ü 1 \v s zurückgehen . Die Aufführung von Brülows 
Ghariclia am Slraßburger Gymnasium 1614 regte vielleicht die 
Abdrücke von 1620 und 1624 an. Wenn der berühmte Mün- 



— 173 — 

sterprediger Joh. Konr. Dannhawer 1664 einen Vergleich 
zieht zwischen der Kirche Christi und Chariclia, > so hat er^ 
wie die Randbemerkung zeigt, aus der griechischen Ausgabe 
geschöpft. Bei seinen bürgerlichen Zuhörern konnte er eine 
Kenntnis der Erzählung nur auf Grund des Volksbuches vor- 
aussetzen . 

3. Das Kaiserbüchlein. 

Aus der Vorrede der AeH erfahren wir, daß sich Zschorns 
schriftstellerische Tätigkeit nicht auf diese eine Arbeit beschränkt 
hat.« 

Erhalten ist von seinen Opuscula nur eins, das Kaiser- 
büchlein. 3 Der Titel des kleinen Oktavbändchens lautet, in 
Rot- und Schwarzdruck : Chronica | oder Kay-fser 
Büchlin I darinn alle Römische f Keyser, von dem ersten 
Keyser ) Julio, biß auif den jetzt regieren- / den Keyser Fer- 
dinandum f mit eygentlicher ( abconterfeytung / wie sie auflf 
den alten pfen- ( ningen gfunden werden, sampt der zeit jrer 
I Regierung, Leben, Thaten, Auch Wunder f zeichen, Finster- 
nissen, Cometen, Monstras, so vnder eynem yeden ergangen f 
aus alten | warhafftigen Chronicken, die fürnemisten j stuck 
gezogen ( vffs kürtzst inn Reimen ) gesteh ) yedem liebhaber 
der ) Historien kurtzweilig ( zu lesen, vormals | nie gesehen. 
Beschriben durch Jo | han Zschornen Eylenbergensem. 

Auf das Titelblatt folgt die a-Vorred», gewidmet «dem 
Ernhalften Förnehmen Jonas Graner, burger zu Straßburg, 
meinem insonders lieben freundt vnnd günner» , unter- 
zeichnet: Datum Westhofen im Jeuner 1559. Johann Zschorn 
Eylenberger. 

A 3 bis 8 steht das «Register vber die namen der keyser 
nach dem aiphabet, vnd bey yedem einstheils seiner handlung 
verzeichnet, 2> Die Reihenfolge ist nicht streng alphabetisch. 
Aufgenommen sind auch einige Namen, welche eigentlich nicht 
unter die Kaiser gehören, wie Basiliskus, Crescentius, Nepos, 
Orestes. Jeder Kaiser außer Ruprecht ist durch einige Worte 
charakterisiert, z. B. : Adrianus ein freyer künstler vnnd 



ij. C. Dannhawer Panegyricus Uranius Christi Solls. 
Straßburg 1654. 15 te Predigt. S. 212. 

2 Er schreibt seinen Vettern : Nun hab ich . vernammen, das 
etliche Opnscula oder büchlin die ich in vnnd vnder meinem 
nammen hab lassen aasgehn, zu euch oder in mein vatterland 
gefart vn verkauffit werden. 

s Exemplare in Aschaffenbarg, Bonn, Hannover Egl. Bibl., 
München Hofbibl., Rostock und Straßburg ÜBibl. 



— 174 — 

Musicus, hat! Jerusalem widergebawen, vnnd sie Helian 
genannt. — Caroius der Vierdt, diser hatt die guldin 
Bull gemacht. — Fridericus der d ritt, würt zu Wien 
in der bürg, von den burgern bekriegt, aber die Studenten 
haben ihm daruon gehollTen. — Nero der edel fogel Scorpio. — 
P h c a s , ein grosser Bapstesel. — Probus, reet nomine. 
— Zeno, ein rechter Dromo. — B bis enthalten die eigent- 
liche Chronik. Der Text wird durch die Namen der Kaiser als 
Ueberschriflen in 121 Abschnitte geteilt ; beim 78. Abschnitt 
heißt es: Wie und wanndasKeyserthumbandie 
Teutschen kommen ist. Ueber oder unter dem Namen^ 
oder auch mitten im Text, wo Platz ist, steht die auf dem Titel- 
blatt verheißene ceygentliche abconterfeytung]». Zahlreiche Rand, 
glossen gehen neben dem Text her. — Das letzte Blatt von 
brin;;t das Schlußwort : An den günstigen Leser ; darunter : 
Gedruckt zu Straßburg bey Paulo Messerschmidt. 

Soviel über die äußere Gestalt unserer Schrift. Suchen 
wir ihr nun auch innerlich nahe zu kommen. Dazu müssen 
wir sie mit ihresgleichen zusammenhalten. 

4. Die Kaiserbticher bis 1559. 

Zschorn sagt im Schlußwort : ccEs ist nit ohn, daß diser 
handibüchlein von Keysern Lateinisch vnnd Teutsch vil in 
druck ausgange.]» Ebenso ist es cnit ohni>, daß das Aufsuchen 
dieser Handbüchlein nicht ganz leicht ist. Sind sie in deutschen 
Reimen abgefaßt, so finden wir sie bei der deutschen, sind sie 
lateinisch geschrieben, bei der spat lateinischen Literatur. Der 
Titel «Chronica oder Keyserbüchlein» weist sie zu den Welt- 
geschichten. Mit diesen sind sie am nächsten verwandt, bilden 
aber doch eine eigene kleine Gruppe, welche eine gesonderte 
Behandlung verträgt. 

Dieser Anspruch gründet sich nicht auf ihren Inhalt. Die 
Kaisergeschichte findet sich in allen großen Chroniken des 
Mittelalters als festes Gerippe, nachdem die Darstellung von der 
allen Geschichte zur vierten Monarchie durchgedrungen ist. So 
bleibt es auch in der Zeit des Humanismus. Wie Martin von 
Troppau und Werner Rolevinck hat Hartmann Schedel seine 
Linea der Kaiser. Nauclerus hebt den Regierungswechsel der 
Kaiser am Rande hervor. Die ürsperger Chronik, das 
Chronicon Carionis sind viele Seiten lang wesentlich Kaiser* 
bücher. Bei Sebastian Franck ist die Chronica der Kaiser so 
zusammengefaßt, daß man sie ohne Schaden für das übrige 
herauslösen könnte, wie sie denn auch in der Geschichtbibel 
ihr eigenes Titelblatt hat. Wir erkennen die Neigung zu einer 



J 



— 175 — 

Behandlung der Kaisergeschichte, bei welcher der weltgeschicht- 
liche Stoff an die zweite, die Kaiserbiographie an die erste 
Stelle ruckt. Wo diese Neigung zum beherrschenden Gesichts- 
punkt geworden ist, sprechen wir von einem Kaiserbuch. 

Nun liegt das Hervortreten der Biographie gewiß im Zuge 
jener Zeit. Bei den Kaiserbuchern aber kommt zu dem bio- 
graphischen noch ein anderes Interesse. Verfolgen wir die uns 
interessierende Büchergruppe nach rückwärts, so gelangen wir 
schließHch zu dem Humanistenkaiser Maximilian I. Wir sehen 
ihn im Teuerdank und Weißkunig für die Ueberlieferung 
seiner eigenen Schicksale bemüht. Den Stammbaum seines 
Hauses hat er aufstellen und immer wieder verbessern lassen. 
Aber er hat auch derer nicht vergessen, welche vor ihm des 
Kaisertums Würde und Bürde getragen haben. Zu den 
Werken, welche er laut seines Gedenkbuchs aus den Jahren 
1508—15 geschrieben haben wollte, gehört auch «der kaiser 
puech»!. Wie er sich dasselbe dachte, sehen wir aus dem, 
was er, sich selber malend, vom Weißkunig erzählt.* Danach 
wünschte Maximilian nicht so sehr Biographien einzelner Kaiser, 
wie etwa des Job. Adelfus Friedrich I. ; es kam ihm mehr an 
auf eine Verherrlichung der ganzen Institution. 

Wir können ihm nachfühlen, warum gerade er ein solches 
Buch wünschte. Sein Geschlecht erlebte einen bedeutenden 
Schritt vorwärts auf der Bahn, welche vom römischen Kaiser 
zum Kaiser von Oesterreich führte. Meist entgehen die einzel- 
nen Stufen, auf denen sich weltgeschichtliche Entwickelungen 
vollziehen, der Beobachtung der Zeilgenossen, und nicht immer 
findet sich ein großer Geist, welcher den kleinen Geistern 
sagt : «von heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte 
aus, und ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen.» Unter 
Maximilian aber gewinnt der Uebergang der Souveränität vom 
Kaiser auf die Fürsten, die Verdrängung der Monarchie durch 
den Bundesstaat sichtbare Gestalt in den Reichsreformversuchen . 
Nicht nur tatsächlich, auch rechtlich sollten dem Kaiser die 
Zügel der Regierung aus den Händen genommen werden. Nun 
wird sich der Mensch des Wertes seiner Güter erst recht 
bewußt, wenn er Gefahr läuft, sie zu verlieren. Um seine an- 
gefochtene kaiserliche Stellung zu stärken, wünschte Maximilian, 



iLaschitzer, die Genealogie des Kaisers Maximilian, in: 
Jahrb. knnsthistor. Samml. d. allerh. Kaiserhauses VII, 1888. S. 2; V, 
S. XIX. 

^ 2 «Desgleichen hat er auch einen jeden Keys er Knnig und 
farsten, die von anfang bisher regiert haben, ire guete täten 
inen zu einer gedächtnns von newem widerumb beschreiben lassen.» 
Vgl. Laschitzer, ebenda Vn, S. 4. VI, S. 66. 



— 176 — 

daß den Zeitgenossen der Gang des Kaisertums durch andert- 
halb Jahrtausende vor Augen gefuhrt würde. Es ging ihm mit 
diesem Wunsche wie mit vielen andern : er starb, ohne ihn 
erfüllt zu sehen. Aber er hatte einen weiter wirkenden Anstoß 
gegeben. Das Kaisertum als Gesamlerscheinung hörte nicht auf 
die Federn der Zeitgenossen zu beschäftigen. Naturgemäß sind 
es zuerst Humanisten, welche die KaiserbOcher schreiben. Ihren 
Erzeugnissen treten allmählich volkstümliche Darstellungen an 
die Seite. 

Werfen wir auf diese Kaiserbüchlein einen kurzen Blick. 
Es handelt sich um Veröifent Hebungen, welche zuweilen schon 
in andrem Zusammenhange genannt, vielfach auch da, wo man 
sie hätte erwähnen können, übergangen worden sind. Als 
Einzelerscheinungen sind sie meist unbedeutend. Auch da, wo 
sie einander nicht direkt ausschreiben, haben wir den Ein- 
druck, dasselbe Buch mit anderem Titel zu lesen, weil sie alle 
dieselben großen Chroniken ausziehen. Die Unterschiede in der 
Art, wie ein jeder über die Schwierigkeiten des Stoffes hinweg- 
kommt, sind unerheblich. Außer Hans Sachs begegnen wir 
keinem großen Namen, und keiner umfangreichen Darstellung 
außer der des Cuspinian. 

Maximilian hatte das Kaiserbuch ursprünglich Peutinger 
übertragen. Dieser hat auch 1508 daran gearbeitet, ein Ergebnis 
seiner Arbeiten ist aber nicht auf uns gekommen. i 

Die Aufgabe ging auf Cuspinian ülier, welchem das von 
den kaiserlichen Historiographen in Wien zusammengebrachte 
reiche Material zur Verfügung gestellt wurde. 1512 glaubte er 
so gut wie fertig zu sein. Aber seine vielen Reisen im kaiser- 
lichen Dienste hinderten ihn an der Vollendung des Werkes.* 
Erst nach Maximilians Tode 1522 konnte Cuspinian sein 
Buch iam bene absolutum nennen,' und auch dann fand es den 
Weg in die Oefifentlichkeit nicht. Wenn später von seinen 
Freunden gesagt wurde, er habe mit der Veröffentlichung 
zurückgehalten/ so haben sie aus der Not eine Tugend 
gemacht. W^enigstens bemühte er sich 1526 sein Werk durch 
Pirkheimers Vermittelung in Nürnberg mit Unterstützung des 
Rates drucken zu lassen.^ 



1 Th. Herberger, Conrad Peutinger in seinem Verhältnisse 
zum Kaiser Maximilian I. 1851, S. 36, Anm. 116. 

^Caspinians Tagebuch Fontes reram Austriacarnm I, S. 397—416 
besteht in der Hauptsache aus Notizen aber Abreise, Audienz, Urlaub 
und Heimkehr. 

3 In der Vorrede zum libeilns des Fei. Petancias, s. Asoh- 
b a c h , Qeschichte der Wiener Universität U, 1877, S. 306. 

« Christoph ScheurPs Briefbuch 1867, S. 241. 

^ Briefe Cuspinians inPirkheimers Opera, 1610. S. 252—257. 



— 177 — 

Ganz druckfertig war es auch damals noch nicht. Nikolaus 
Gerbel, welcher die Arbeit 1540 herausgab, schildert im Vor- 
wort, welche Möhe er mit dem Manuskript hatte. Gleichwohl 
wurden wir uns freuen, wenn wir damit die Reihe der im Druck 
erschienenen Kaiserböcher eröffnen könnten. Wie ein Riese 
unter den Zwergen stehen Guspinians Gaesares unter den 
anderen, dem Umfange wie dem Inhalt nach. Als Einleitung 
ist die Erzählung aus Herodot Ifl 80 ff. vorausgeschickt, da die 
persischen Großen vor der Erhebung des Darius die Vorteile 
der verschiedenen Regierungsformen gegeneinander abwägen. 
Mit beredten Worten schildert Darius den Vorzug der Monarchie. 
In seinem letzten Willen ordnete Guspinian an, daß das Werk 
Karl V. gewidmet werden solle. Wie gut hätte es zu der Pro- 
position gepaßt, mit welcher dieser den Reichstag von 1521 
eröffnete! ^ Statt dessen mußte er sich mit einer bescheideneren 
Leistung begnügen. 

Zu den Gelehrten, welche für Maximilians historisch-ge» 
nealogische Zwecke tätig waren, gehörte auch der Freiburger 
Jacob Mennel. Er war mit der Bearbeitung des Stammbau- 
wies der Habsburger betraut worden. 2 Seine Untersuchung 
führte ihn, da er schließlich bei Hektor von Troja anlangte, 
durch die ganze Weltgeschichte. Außer seiner Hauptaufgabe 
fand er, wie es zu gehen pflegt, Stoff und Lust zu kleineren 
A^rbeiten. So stellte er 1513 für Erzherzog Karl, den Erben 
Maximilians, die römischen Kaiser von Julius Gäsar bis Maxi- 
•^lilian zusammen. 3 Als Karl selbst gekrönt werden sollte, wid- 
n^ete er ihm das Werk, um den Namen des jungen Kaisers 
vermehrt, aufs neue am 17. August 1520. In der Widmung 
'^ennt er es «diß gegen würtig Tafel». In der Tat ist es eine 
Tabelle in 7 Spalten, welche der Kaiser <rJarzal, Stammen und 
■mannen, Eygenschaft, Regiment, Alter, Sterben und Historia»^ 
^J^thalten. Auf den ersten Blick macht diese Einteilung den 
Eindruck großer Dürftigkeit. Bei näherem Zusehen erkennt 
•^an, daß doch das meiste dessen vorhanden ist, was der Zeit 
ober die Kaiser als wissenswert erschien. Zum Beschluß spricht 
^önnel die Erwartung aus, Karl werde sich so wissen zu halten. 



1 Eanke, Deutsche Gesch. im Zeitalter d. Reformation. Werke 
IS'73, I, S. 312. 

2 g. über Mennel Th. Ludwig, Die Konstanzer Geschichts- 
^Meibung 1894, S. 41 ff. - Las chi tz er, a. a. 0., IV, S. 74 ff. 
^ S. 220 f. Vn, S. 11 ff. 

8 Laschitzer, a. a. 0., IV, S. 81. — C. Drescher, Studien 
^^ Hans Sachs 1891. S. 22 läßt Mennel aus Petrarcas Chronica 
«eile vite de pontifici et imperatori Romani schöpfen. Bei seinen 
laugen geschichtlichen Untersuchungen kann man Mennels Quellen 
^<iht auf ein einziges Werk beschränken. 

12 




daß «die heylig Christlich kirch der verlust vnd schaden, so ir 
durch die vnglaubijren bißher zugefugt siüd, ergetzt, vnd das 
heylig Römisch reych der guten frid vfi rechten, deren es durch 
die vngetreöwen vnd boßhafftigen nun eben lang beraupt ge- 
wesen ist, wider eingesetzt» werden, und erinnert ihn an die 
Bedeutung der kaiserlichen Zeichen, Krone, Szepter, Schwert 
und Apfel. — Als zweites Buch ist eine ebenso angelegte Ueber- 
sicht über die Päpste von Petrus bis Leo X. hinzugefügt, daher 
das ganze Werk den Titel «Keyserall, vnd Bäpstall» führt. 1522 
erschien es zu Basel im Druck. — Von Konrad IV. weiß 
Mennel : «Er ward nit keiser, kam an daz künigreich Napels, 
da treib er grossen gewalt, thet die muren an vil orten ab- 
brechen, thet auch sunst vil vngeschickts, also hieß im künig 
Mauritius das Haupt abschlahen, damit starb das Hertzogthum 
zu Schwaben mitt schilt vnd hehn ab.» Konrad und Konradin 
fließen in eine Gestalt zusammen. Als «Eigenschaft» der Kaiser 
nennt er bei Otho : Bößfuß, Seuerus : Gutsold, Heliogabalus : ^- 
widhopfT, Valerian : Fußschemmel, Aurelian : Guldin wagen, ^. 
Friedrich II. : Gut vnd böß, Conrad IV. : Vatterart, Ludwig IV. :^r : 

der pfandtversetzer, Friedrich III. : Andechtig bilger; Julianu^^ s 

Apostata ward geschunden, Arnulf von Kärnten stirbt an deiir-:]^ n 
Hauptwürmen ; sonst wechseln bei der Todesangabe je nacl—^zÄ' h 
Verdienst die Noten : menschlich, natürlich, löblich, Christen- .^^m- 
lieh, seliglich. Seinem kaiserlichen Gönner Maximilian wtdnnp ^ f 

er einen warmen Nachruf. ^ 

Karl hatte die kaiserlichen Zeichen überkommen, eineK^ « n 

Reichstag gehalten und sich wieder in seine Erblande zurücl 
begeben ; wie er, so blieb auch der von ihm erhoffte «gul 
Frid» dem Reiche fern. Auf die kirchlichen Kämpfe folgte^ 
bürgerliche, auf Sickingens Fehde der Bauernkrieg. In dei 
selben Jahre 1525 erschien bei Wolfgang Köpfel in Straßbur^ ^^'g 
das Kaiserbüchlein von Johannes H u 1 1 i c h , Chorkönig a: 
Münster. 2 Geschickter als Mennel stellt er kurze Exzerpte z. 
für die ersten Kaiser aus Sueton, für die spätere Zeit aus d< 
gangbaren Chroniken cclaconice magii^ quam eleganter» zusan 
men. Durch ein Versehen des Setzers ist Hadrian hinter sein« 
Nachfolger geraten. Selbständig wird Huttich erst gegen d 





^ Ist mit aller tagend die ein theürer fürst an im haben ma 
beziert, sins libs ein held, in kriegsl offen für andern, vnd sust 
allen dingen, es sei zu schimpff oder ernst, geschickt, darza € 
grosser historicus, vnd gelert mit vil geschrifften vnd zungen, v 
alweg frölich. 

2 Imperatorum Romanoram Libellas. Vna cum imaginibas 
uiuam effigiem expressis. — Ueber Huttich s. J. W. Eoth, Joh» 
Huttich (1487-1544) in: Euphorion IV, 772-789. 





— 179 — 

Ende der Reihe. Auf Maximilian läBt er Philipp von Spanien 
folgen^ dessen Aufnahme durch eine Schmeichelei gegen seine 
Söhne gerechtfertigt wird. ^ Ferdinand macht den Beschluß ; 
•auch hei ihm hat Huttich das Bedürfnis einer Begründung.* 
•Gewidmet ist das Buch dem herzogUch sächsischen Rat Otto v. 
Pack, unseligen Angedenkens. 

Köpfe] veranstaltete schon im folgenden Jahre einen neuen 
Abdruck. Im Text wurde wenig verändert, bei Karl V. z. B. 
•die Gefangennahme des Königs von Frankreich nachgetragen. 
Gleichzeitig kam eine deutsche Uebersetzung heraus, s Dieselbe 
ist wortgetreu, gewandt und geläufig; von wem sie herrührt, 
läßt sich nicht feststellen. Wieder abgedruckt wurde sie nicht. 
Die Zeit für deutsche Kaiserbüchlein war noch nicht recht 
:gekommen. 

Dagegen wurde das lateinische flelBig benützt. Im August 
4532 erschien in Basel bei Henricus Petri eine «cHistoriarum et 
■chronicorum mundi epitome velut index», verfaßt von Achilles 
Pirminius Gasser aus Lindau, Arzt in Augsburg,* welcher 
sich auch sonst als Geschichtsschreiber einen Namen gemacht 
hat. Nach Jahren der Welt und Jahren vor und nach Christus 
wird eine kurze Uebersicht der Weltgeschichte von der Schöpf- 
ung bis 1531 gegeben, eingeteilt in 6 Weltalter. In der Vor- 
rede nennt Gasser Huttichs Buch nicht unter seinen Quellen, 
und hat ihm doch viel zu danken. Die Karlsruher Hofbibliothek 
besitzt ein Exemplar des Libellus, welches laut Eintrag auf dem 
Titelblatt: «Sum Achillis P. Gasseri L. 27 Juni 1530» Gassers 
Eigenturn gewesen ist. Dasselbe ist voller Einträge von Gassers 
Hand : Ordnungszahlen bei den einzelnen Kaisern, Berechnungen 
ihres Lebensalters und ihrer Regierungszeit, Vergleiche mit 
Hermannus Contractus ; Bemerkungen, welche zuweilen in der 
Epitome wiederkehren, z. B. bei Heinrich IL (III) : Comes fuit 
« Kalb mortuusque. etate sua 39 anno in Bothfelden, Saxoniae 
vico = Epitome S. 206|7 : hunc alii comitem de Kalb . . . 
fuisse adserunt, moritur quadragenarius ... in Bothfelden 
Saxonie. Ferdinand ist durchgestrichen. Der Eintrag : «Aquis- 
^rani rex Rhomanorum a fratre Carolo designatur 12. Januarij 



1 cnias inter ceteras natnrae et virtutis dotes, quibns omnes 
suae aetatis Begulos excelluit hoc unnm satis est fecisse, nobis 
praeclara illa terraram Inmina Carolam et Ferdinandnm peperlsse. 

2 magni enim qniddam de eo animus praesagiit. 

3 Komische. Key I ser abcontraneyt vom f ersten Caio Jnlio an 
vntz vff den jetzige j H. K. Carolum. Mit kurtzer änzey- | gung 
ires lebens, dapffer thate | vnd Historien. | Gedruckt mit Kayser- 
lieber freiheit. Straßbnrg bey Wolffen Köppfel 1526. — Tübingen, 
UnivBibl. 

4 W e g e 1 e S. 391 f. 



1531» steht fast wörtlich in der Epitome. Wir sehen zugleio 
daß Gasser nicht allein nach Huttich gearbeitet hat. Vcurr^» 
Lothar I. bis Heinrich VII. sind die Handzeichen der Kais^^ ^^ 
eingetragen nach Urkunden aus Lindau und Pfäfers. B -^ß* 
Konrad L steht eine Zeichnung der Kaisergräber im Dom l^^^ ^ 
Speier mit dem ersten der bekannten Hexameter.^ 

Wie Gasser haben noch andere Gelehrte jener Ze -^^it 
Huttichs Libellus in Händen gehabte Aber nicht alle ließe -^^^ 
sich an dem redlichen Gewinn genügen. 

Gassers Epitome erschien wieder in Basel zu Ostern ibS'c — i5. 
Die Vorrede ist vom 1. Oktober 1534, das Büchlein bis zi^ iir 
Erhebung des Papstes Paul HL fortgeführt, verbessert und m .^Bit 

einem Index versehen. Eine dritte, bis 1536 ergänzte Auflajs^ =^-e 

von 1538 iiibt keinen Druckort an. Derselbe ist genügen^czn ö 
gekennzeichnet durch das Signet von Crato Mylius in Straßbur^^^,*^. 
Nikolaus Gerbel Vater und Sohn haben einige lobende 1 ili ini rl ^ t e 
Distichen hinzugefügt. In der Vorrede beklagt sich Gasser, d ; ^ ß 
buchhändlerische unredliche Habgier und abscheuliche Frechh^^^^: it 
seine Epitome nachgedruckt und schändlich entstellt habe. 
Missetäter ist der Frankfurter Buchdrucker Christian Egen( 
der auch sonst in bezug auf Nachdruck ein weites Gewiss 
hatte. 2 Er veröffentlichte August 1533 eine «Epitome Chronicoru 
ac magis insignium Historiarum Mundi uelut Index. d In 
Vorrede gibt sich ein Henrichus Sellarius als Verfass 
an. Seine Arbeit war keine allzuschwere. Wie der Titel 
Büchleins nur eine Variation des Gasserschen, so ist auch 
Inhalt einfach aus Gasser herübergenommen. Man verglei 
die ersten Sätze : 

Gasser : I Sellarius : 




1 Prima mundi aetas ad di- 
luvium usque per durat . . . 

2 In principio creauit ex nihil o 
caelum, terram, mare et omnia 
quae in eis sunt. 

3 Adam et Heua primi homines 
finguntur. 



1 Prima Mundi aetas ad Di- 
lauium usque est. 

2 Mundum creat Dens. 



3 Adam et Heua primi hoiix:^- «e* 
finguntur. 



So geht es weiter durch das ganze Buch, nur daß ^in 
Teil der Gasserschen Angaben weggelassen wird. Eigene Da- "^e» 
finden sich erst vom Ende des 15. Jahrhunderts ab, nL ^^ht 
immer gerade glückliche, z.B. zu G1512: 1512 Zelimus T "«Jr- 



1 Hiernach ist zu ergänzen, was E. B e r n e r , Zur VerfassuciÄ-gfs- 
geschickte der Stadt Augsburg 1879, S. 5 ff. über Gassers Qu^^^ea 
und Arbeitsweise ausführt. 

2H. Grotefend, Christian Egenolf 1881, S. 16 ff. 



V — 181 — 

•carum undecimus Imperator, qui Aegyptum subiugavit:» der 
Zusatz : Hohenkree arx expugnatur. Wie dieser, so beziehen 
«ich die übrigen Zusätze auf den Südwesten des Reiches, zuletzt 
auch auf die Reformationsbewegung. Dieser Tendenz hatte es 
£geno]f wohl hauptsächlich zu danken, daß er schon Oktober 
1534 einen zweiten Druck ausgeben durfte. i Der Name des 
Sellarius fehlt. Vielleicht mochte er das Odium nicht tragen, 
denn es hatte sich noch jemand über sein Plagiat zu beklagen, 
der nicht bis 1538 wartete: Johannes Huttich. Aus dessen 
Liibellus sind nämlich seitenweise die Kaiserviten in die Epitome 
<ies Sellarius hinübergegangen und an der entsprechenden 
Stelle eingeschaltet, mit solchem Ungeschick, daß z. B. von 
Qordianus und Otto IV. die Gassersche Notiz und die Hultich'sche 
vjta nacheinander gebracht werden, bei einigen Kaisern noch 
Huttichs Angaben über deren Eltern, Fnauen usw. mit auf- 
^grenoramen sind, obwohl sie die annalistische Anlage des Werkes 
<itirchbrechen. Domitian und Konrad IIL sind ganz weg- 
gelassen. Einzelne Viten sind zusammengezogen; bei manchen 
K^aisern des Mittelalters hat sich Sellarius mit der kurzen 
■^Wasserscheu Notiz begnügt. 

Dieses Plagiat hatte Huttich wohl im Auge, als er 1534 

"yon seinem Kaiserbüchlein schrieb : editus sie libellus principio 

^•^auspicato et iterum minore librarij solertia quam primitus 

I^Ä^oinissum fuerat et tertio authoris nomine penitus 

^^^cluso insertis nonnullis ineptijs alibi ad 

"^ Uestum prostitutum uidimus.2 So lesen wir in der 

Vorrede zur dritten Auflage, welche er selbst und Köpfel 

^^^egen ins Feld führten.» Größeres Format, breiter Rand 

^^rici Zierleisten machen das Buch zu einer Art Prachtausgabe. 

^rn Inhalt ist wenig geändert. Hadrian ist an die gehörige 

^^t^Ue gerückt, bei Karl V. und Ferdinand sind die Be- 

•^^benheiten seit 1526 nachgetragen. Die Widmung an Otto 

"^^ Pack ist natürlich verschwunden. — Diese Gestalt behielt 

"^ttichs Buch in allen späteren Ausgaben, deren noch drei 

"^'^fblgten: 1550 und 1554 zu Lyon und 1552 zu Straß - 



1 Der Titel desselben ist etwas verändert, er lautet jetzt : 
"^Hronicorum mundi epitome in singulos annos curiose digesta. Ex 
Pi'obatissimis quibusque Authoribus. 

^ « Graeße. Tresor IIL 1862, S. 402 erwähnt einen Nachdruck 

^2^i Steyner in Augsburg 1533, welchen ich nicht ermitteln konnte. 

^^t er existiert, so könnte sich Huttichs Beschwerde auch auf ihn 

J^eziehen; auch könnte sein Libellus durch diese Vermittelung Sel- 

tariuB vorgelegen haben. 

- 3 Der Titel lautet : Imperatorvm et Caesarvm Vitae, cum 
^agmünis ad uixiam effigiem expressis. Libellus auctus cum elencho 
*t Iconijs. Consulum ab Authore. 1534. 



— 182 — 

burg.i In der Kaiserliteratur wird Huttich lange nachher ge« 
nannt und benutzt. 

Wir haben uns länger bei Huttich und den von ihn> 
abhängigen Schriften aufgehalten, weil ihre Beziehungen nicht 
immer ganz richtig dargestellt worden sind. B u r s i a n ^ 
Gesch. d« klass. Phil. I, 1883, S. 166 deutet ihre Zusam- 
mengehörigkeit an, hat sich aber die Art und Weise nicht 
recht klar gemacht. Gassers und Sellarius Epitome hält er 
für im großen und ganzen identisch. Auch Reu seh, Index, 
d. verbot* Bucher 1883 I, 111 wirft Sellarius und Gasser zu- 
sammen, obwohl die Indices sie ganz richtig aus einander- 
halten. Wegele endlich schreibt S. 214 des Sellarius Epitome 
dem Ursinus Velius zu. Ihn verführte das Titelblatt der oben 
besprochenen zweiten Ausgabe von 1534. > Da die Epitome 
anonym auftritt und auch im Vorwort Sellarius nicht genannt 
wird, so kann die Namenangabe auf den ersten Blick irre fuhren. 
Selbstverständlich will sie nur sagen, daß Ursinus Velius der 
Autor der Monosticha und Disticha ist. 

Schon Huttich hatte, wie wir sahen, 1525 auf Ferdinand 
als den kommenden Mann hingewiesen. In Ferdinands Gefolge 
befand sich Ursinus Velius in Ungarn, als er 1528 die 
Monosticha verfaßte.^ Wir erkennen den Freund Guspinians a» 
der Berücksichtigung der orientalischen Kaiser, denen nach 
1453 sogar die türkischen Herrscher zugefügt werden, den 
kaiserlichen Historiographen an der Bevorzugung Fried rieh s^ 
d. Schönen vor Ludwig d. Baier.* Die gedrängte Uebersicht 
gipfelt in den Worten über die habsburgischen Brüder : 

Carolas Hesperiis regnat Fernandns Eois, 
Quam bene divisum est fratribus imperinm. 

Als eifriger Anhänger des alten Kirchenwesens gibt Velius 
wie Mennel eine gleichartige Zusammenstellung der Päpste zu. 



1 Mit dem Titel : Romanorum principum eMgies. Diese Ausgabe- 
besorgte, da Huttich inzwischen gestorben war, Joh. Sambncus, 
der spätere Hofhistoriograph Maximilians U. 

- Nach dem eigentlichen Titel der Epitome heißt es weiter: 
Monosticha de uids Regnm Italiae, Albanorum, Romanoram, et 
airoram illastriam, tum Caesaram, Sommorom item Pontificum ad 
noBtram asqae aotatem, Caspare Vrsino Velio Aathore. Dis- 
ticha Caesarum. Romanoram eodem Authore. Caesares Germanici 
desoripti a Georgio Sabine. 

s G. B a u h , Caspar Ursinas Velins 1886. Derselbe A. D. B. 39. 

^ Bauch sagt S. 57 : Auffallend ist, daß der Gegenkaiser 
Ludwigs von Baiern, der Habsbarger Friedrich der Schöne voi^ 
Oesterreich, gar nicht erwähnt ist. Er hat die Stelle übersehen r 
Henricas Italiae pacaait septimas arbes 
Dissona pars proceram te Friderice legit 
Altera scismaticum Ladoaicam secta creavit usw. 



— 183 — 

Dagegen beschränkte er sich auf die Linea der Kaiser in den 
Di Stic ha Caesarum Romanorum, welche noch in demselben 
Jahre den Monoslicha folgten. Ferdinand ließ sie drucken, der 
Gesandte seines Bruders Antonius de Mendoza sollte sie Karl V. 
übergeben. 1 Bauch gibt, a. a. 0., S. 77— 84 ein chronologisches 
Verzeichnis der Werke des Ursinus Velius. Obwohl dasselbe 
naturgemäß nicht vollständig ist ,3 zeigt es doch schon die 
Beliebtheit und Verbreitung wie der übrigen Arbeiten des 
Velius, so auch seiner Disticha und Monosticha. Gewöhnlich 
treten sie auf in Gemeinschaft mit verwandten Dichtungen 
des Ausonius, Georg Sabinus und Jakob Micyllus. Der alte 
A u s o n i u s ist mit seinen Merkversen über die sieben Weisen 
Griechenlands, die zwölf Arbeiten des Herkules, den Monosticha 
über die Reihenfolge, Regierungszeit und Todesart der sue- 
tonischen Kaiser, und Tetrasticha über die Kaiser von Julius 
Cäsar an das klassische Vorbild der ganzen Dichtungsart. Der 
Frankfurter Schulmann und spätere Heidelberger Professor 
Micyllus, ein geborener Straßburger, hat die Kaiserverse 
des Ausonius ergänzt und bis auf Ferdinand I, fortgeführt,» 
wie er selbst in der Einleitung sagt.* Da Nikolaus Gerbel sie 
1544 als Unterschriften zu seinen Icones verwendet, dürften 
sie dem zweiten Frankfurter Aufenthalt des Micyllus 1537 — 47 
entstammen, und mit seiner Schultätigkeit im Zusammenhang 
stehen. In der Auswahl geht er noch über Vehus hinaus. Hatte 
dieser Pupienus und Balbinus ihr Distichon nicht versagt, so be- 
singt Micyllus auch Konradin* und Heinrich Raspe. Dagegen hat 
sich Georg Sabinus, der Tochlermann Melanchthons, auf die 
Kaiser von Karl dem Großen an beschränkt.^ 1532 erschienen 



1 Bauch, a. a. 0.. S. 59. 

2 Es wären z. B. nachzutragen die Abdrücke der Monosticha 
und Disticha in der oben besprochenen Epitome des Sellarius 
Frankfurt 1534, der Disticha in den von Gerbel herausgegebenen 
Icones Imperatorum, Straßburg 1544 und bei Nik. Eeusner, Impera- 
torum . . . descriptiones, Leipzig 1572. 

5 S. über Micyllus: J. Classen, Jacob Micyllus 1859, und 
den Artikel der A. D. B. von Brecher. Classen erwähnt die 
Kaiserepigramme S. 17, kommt aber Kapitel 14 : Micyllus' 
literarische Verdienste, nicht auf sie zurück. Die von Julius 
Micyllus veröffentlichten Gedichte seines Vaters, Jacobi Micylli 
Argentoratensis Sylvarum libri V 1564 enthalten S. 381--420 nur 
den Abdruck ohne nähere Angfaben. — Die Veröffentlichung durch 
Gerbel zeigt übrigens, daß Micyllus doch nicht ganz ohne Be- 
ziehungen zu seiner Vaterstadt war, wie Classen S. 4 meint. 
* Addidimus reliqua, et quod defuit illius annis 
Suppletum ad nostros duximus usque dies. 

ä S. über Sabinus : M. Toppen, die Gründung der Universität 
zu Königsberg und Sabinus 1844. Toppen gibt auch eine gute 
Bibliographie. 



— 184 — 

seine Caesares Germanici, zuerst nur bis Heinrich IL, dann 
bis Ferdinand I. fortgeführt. Beide Büchlein sind dem Kur- 
prinzen Joachim von Brandenburg gewidmet, dem zu Ehren auch 
zwischen Sigismund und Albrecht IL die Kurfürsten Albrecht 
Achilles, Joachim I. und Albrecht von Mainz eingeschoben sind, 
mit starken Komplimenten für das brandenburgische Haus, 
dessen Protektion Sabinus suchte. * Wir verstehen heute im 
ersten Augenblick die hohe Befriedigung nicht, mit welcher 
die Zeitgenossen alle diese Gedichte aufnahmen.* In einer Zeit, 
welcher eben das Verständnis für den Begriff «Geschichte)» 
aufging, dienten sie den gelehrten Kreisen der Nation als 
Brücke von den sonst allein bekannten, als von jeher bestehend 
angesehenen, für alles den Maßstab abgebenden Zuständen der 
Gegenwart zu der wiederauftauchenden Vergangenheit des 
eigenen Volkes, zum neubelebten klassischen Altertum. In 
dieser Brücke durfte keine Lücke klaffen. Darum ergänzte und 
vollendete Micyllus das Vermächtnis aus alter Zeit, die Kaiser- 
verse des Ausonius ; darum wurden umgekehrt des Sabinus 
Caesares germanici zweimal bis zu Julius Cäsar verlängert : 
1543 durch den anonym in Wittenberg erschienenen Catalogus 
Romanorum Imperatorum in Prosa,* 1572 durch Nikolaus 
Reusner, Imperatorum ac Caesarum Romanorum descrip- 
tiones, in ebenbürtigen Versen. 

Für Sabinus können wir beinahe Tag und Stunde nennen, 
welche ihm den Gedanken zu seinen Kaisergedichten eingaben. 
1530 durfte er Melanchthon, damals nur erst als sein Schüler 
und Hausgenosse, auf den Reichstag nach Augsburg begleiten. ^ 
Bei dem feierlichen Einzüge sah er Karl V. als Herrscher, 
die deutschen Fürsten als seine Vasallen und Diener. Hier 



1 Toppen, a. a. 0., S. 29. 

8 Nur Erasmus spottete ein wenig darüber; s. Bauch, a. a 0., S. 59. 

3 Diesen Catalogus, welchem des Sabinus Caesares angedruckt 
sind, meint Wegele wohl S. 216 mit dem «Carmen quod continet 
Catalogum Imperatorum Itomanorum et Germanicorum Caesarum 
von Georg Sabinus», worüber Paul Eber W. S. 1543/44 Vorlesungen 
hielt. Die Bibliothek des Thomasstiftes zu Straßburg besitzt das 
Exemplar des Cyriakus Spangenberg, welcher 1542-46 in Witten- 
berg studierte (Real. Enz. f. prot. Theol. 14 1, S. 469). Die zahl- 
reichen handschriftlichen Bemerkungen zeigen, daß das Buch als 
Leitfaden in einer geschichtlichen Vorlesung gedient hat. Den pro- 
saischen Teil könnte ganz gut Paul Eber selbst zusammengestellt 
haben. Ein anderes Büchlein, über welches Eber S. S. 1513 las, des 
Tacitus Germania, eingeleitet durch Huttens Arminias Wittenberg 
1538, ist mit dem Catalogus zusammengebunden und verrät mit 
seinen Einträgen, daß es gleichfalls im K-olIeg benützt worden ist. 
S. C. H. Sixt, Paul Eber 1843, S. 25. 

* Toppen, a. a. 0., S. 24. 



— 185 — 

muß er einen mächtigen Eindruck davon bekommen haben, 
daB der Imperator der abendländischen Christenheit der deutsche 
Kaiser war.i Ihn feierte er als Erben und Nachfolger einer 
Reihe von Herrschern, an deren Spitze Karl der Große stand, 
eine Glanzgestalt^ um deren Zugehörigkeit zur deutschen Nation 
noch nicht lange Wimpfeling mit Murner gestritten hatte, mit 
welcher der zeitgenössische Inhaber der Krone, ebenfalls ein 
Karl, gern zusammengestellt wurde.' Wir verstehen, daß der 
Kaiser und noch mehr der, welcher es werden wollte, Fer- 
dinand, an einer Literatur Wohlgefallen fanden, welche das 
Kaisertum so verherrlichte, mochte sie nun bei Karl dem 
Großen einsetzen, oder bei Julius Cäsar. Wenn es auch nur 
Merkverse waren — , genug, wenn man sich merkte, daß 
Kaisertum und Christentum gleichzeitig in die Welt gekommen 
waren. 

Neben diese gelehrte Kaiserdichtung tritt jetzt zum ersten 
Mal ein Volksbuch, welches denselben Gegenstand behandelt, 
in der kaisertreuen Stadt Nürnberg geschrieben von Hans 
Sachs :3 Nicht ungeschickt leitet er die Aufzählung ein : 

Eins tags bat ich ein ehrenholt. 

Das er mir kurtz erzelen seit, 
Aller Römischen kayser nam. 

Wie einer nach dem andern kam 
Zu kayserlicher Mayestat 

Wie lang yeder regieret hat, 
Was preyß er hab im reich erworben 

Und wie er endlich sey gestorben. 

Der Ehrenholt willfahrt seiner Bitte und schließt mit 
Glückwünschen für den fünften Carolum, der jetzunt vnser 
zeit regiert : 

Got wöl das er inn ehr vnd rhum 

Erheb das römisch kayserthamb, 
Noch glücklicher, denn Augustus. 

Vnd besser viel dann Trayanus, 



1 Den Einzug selbst besingt Sabinus Eleg. I, 2 : Ad Eobanum 
Hessum de adventu Caroli V Caesaris. 

2 So z. B. auf dem Titelblatt der Karl V. gewidmeten ersten 
Ausgabe von Einhards Vita Caroli. Köln 1521. 

8 All römisch kayser nach Ordnung, wie lang yeder 
geregiert hat. zu welcher zeit, was sitten der gehabt vnd was 
todtes er gestorben sey, von dem ersten an bis auff den jetzigen 
großmechtigesten kayser Carolum V, — s. darüber : Karl Drescher, 
Stadien zu Hans Sachs, N. F. 1891, S. 21-27. — Bibliographie der 
Kaiserbüchlein des Hans Sachs von E. Goetze in: Bibl. d. Stutt- 
gart Lit. V. 220, 1890. S. 106—110. 



— 186 — 

Dadurch sei lob vnd preiß sich mehr, 

Darzu sein kayserliche ehr 
Gedechtnuß wirdig aufiferwachs 

Das wünscht zu Nürenberg Hans Sachs. 

Goetze verzeichnet nicht weniger als 14 Ausgaben. Egenolfl^ 
in Frankfurt druckte das Büchlein 1535 und 1538, Cammer- 
lander in Straßburg 1536 und 1538 nach, beide mit Holz- 
schnitten. Ferdinands Wahl zum römischen König durfte die 
große Nachfrage hervorgerufen haben. 

Als Quelle dienten Hans Sachs die Tabellen Jakob Mennels, 
ergänzt aus Hartmann SchedelJ Wenige Jahre später hatte er 
die Wahl unter einer ganzen Anzahl großer und kleiner 
Chroniken. Eine davon legte er sich noch zu : die Germania 
Sebastian F r a n c k s.^ 

Die Germania, 1538 erschienen, ist in der Hauptsache 
ebenfalls ein Kaiserbuch. Fünf Sechstel des Ganzen umfaßt die 
«Monarchie des Rhömischen Reichs, der Teutschen sach fur- 
nemlich belangend». Wir finden darin eine vorsichtigere Neu- 
bearbeitung der entsprechenden Teile des für Franck so ver- 
hängnisvoll gewordenen Buches, mit dem er 1531 zuerst 
selbständig als Schriftsteller aufgetreten war: Chronica, 
Zeytbuch, vnd geschi cht b ibel. Schon die drei Namen 
für einen sind charakteristisch : so schreibt ein Mann, der nicht 
Worte genug findet für das, was er sagen will. Franck gibt 
in der Tat eine Zusammenfassung alles dessen, was er bis 
dahin gelesen und erlebt hatte^ niedergeschrieben nicht nur 
um auf die Leser zu wirken, sondern vor allem um seinem 
übervollen Herzen Luft zu machen. Den Gesichtspunkt, unter 
welchem er den zweiten Teil, «der KeyserJarbuch;^, 
darstellt, bezeichnet die einleitende Betrachtung über das 
kaiserliche Wappentier : wie der Adler ein Raubvogel, so ist 
der Fürst ein Tyrann. In der ganzen Reihe finden sich keine 
zwei guten Kaiser. Man begreift, daß Ferdinand auch über die 
Geschichtbibel mit seinem kaiserlichen Bruder verhandelte. Er 
bewies daraus die Notwendigkeit einer scharfen Zensur. 

Franck steht genau auf der Grenze zweier Abschnitte der 
Geschichtsschreibung des 16. Jahrhunderts. Auf den ersten 



1 S. Karl Drescher, Studien zu Hans Sachs. N. F. 1891, 
S. 21 ff. — Hans Sachs' Bücherverzeichnis in : Archiv f. Literatnr- 
gesch. 7, 1878, S. 1 ff. — Die ebendort genannte Augsburger Chronik 
eignete sich weniger als Leitfaden für ein kurzes Eaiserbüchlein. 
Ausgaben vor 1530 sind allerdings vorhanden, z. B. : Chronica 
New-Manicherlay Historien . . . biß . . . 1528 Erlengeret. 

2 Die Literatur über Franck bei A. Hegler, S. F., Realenz. f. 
prot. Theol. u. Kirche 3, 6, 1899. Dazu : H. Oncke«, S. F. als 
Historiker. Sybels Hist. Ztschr. 89, 1902, S. 1 ff. 



— 187 — 

Blick nur sich selber gleich, trägt er Züge an sich, welche wii 
in beiden wiederfinden. Seine anziehenden Kulturschilderungen^ 
sein Sprichwörterschatz zeigen den guten Beobachter damaliger 
deutscher Art und Sitte. Wenn seine Eindrucke ihn dazu 
führen, seinen Landsleuten eine Strafpredigt nach der andern 
zu halten, so sehen wir darin zuletzt nur eine AeuBerung der- 
selben Vaterlandsliebe, welche die ältere humanistische Gene- 
ration bewog, Deutschland und die Deutschen maßlos zu ver- 
herrlichen. Auch mit seiner ausgedehnten Belesenheit steht er 
auf den Schultern seiner Vorgänger. Daß sie ihm eine gründ- 
liche Gelehrsamkeit nicht ersetzen konnte, fühlte er selbst am 
besten. Das Eigenartige seiner Darstellung fließt aus seiner 
religiösen Richtung: einer schwärmerischen Mystik von so 
idealen Anforderungen, daß ihr Träger zur praktischen Mit- 
arbeit an den Aufgaben seiner Zeit untüchtig wurde und nur 
noch überall den Abstand der Wirklichkeit von dem, was 
nach seiner Meinung sein sollte, beleuchten konnte. Man hat 
Franck einen Mann genannt, der seiner Zeit um Jahrhunderte 
voraus gewesen sei. Gerade so gut können wir sagen, daß er 
um Jahrzehnte zurück war. Er blieb in einer Geistesrichtung 
hängen, welche nur der Anfang des jetzt überall, auch in der 
Geschichtschreibung zur Geltung kommenden' neuen Prinzips 
gewesen war : der Reformation. 

Die Reformationsbewegung wird im vierten Jahrzehnt des 
16. Jahrhunderts getragen von zwei Kreisen, welche nach vor- 
übergehender Entzweiung einander suchen und finden : den 
Wittenbergern und den Oberdeutschen. In der Historiographie 
begegnen wir denselben Verhältnissen. Der Historiker der 
Wittenberger ist Melanchthon.i Unter seinen Auspizien erschien 
1532 zu Wittenberg die «Chronica durch Magistrum Garion 
vleissig zusammengezogen, meniglich nützlich zu lesen», in ihrer 
Loyalität ein Gegengift gegen die Geschichtbibel Francks, gleich 
dieser in deutscher Sprache. Wie Melanchthon das Büchlein, 
bei dessen Abfassung er schon das beste getan hatte, seinen 
Vorlesungen zugrunde legte, so war die Neubearbeitung des- 
selben seine letzte Sorge. Als er bis zu Karl dem Großen ge- 
kommen war, nahm ihm der Tod die Feder aus der fleißigen 
Hand. Sein Tochtermann Peucer führte das Werk zu Ende. 
Außer ihm gehören in diesen Kreis Paul Eber und Georg^ 



1 Vgl. außer W e g e 1 e I, 5 noch H. Brettschneide r^ 
Melanchthon als Historiker, 1880. — 0. Wetzstein, Die deutsche 
Geschichtschreibung zur Zeit der Reformation, 1888— 89. •— Hild^ 
Zißgler. Chronicon Carionis. Hallesche Abh. z. neuern Gesch. 35, 
1898. — R. Fester, Sleidan, Sabinus, Melanchthon, Sybels Hist^ 
Ztschr. 89, 1902, S. 1 if. 



— 188 — 

Sabinus, welche wir schon genannt haben, sowie Nicolaus von 
Amsdorf und Paul Prätorius. | 

Natürlich ist für die Wittenberger, deren Hauptaugenmerk 
auf die kirchlichen Kämpfe gerichtet war, die Geschichte nicht 
{Selbstzweck. Auch die Kaisergeschichte wird, wie bei Franck, 
in eigenen Darstellungen dem neuen Gedanken dienstbar ge- 
macht. Der Kampf gegen das Papsttum brachte ein Menschen- 
alter später das Meisterwerk der «witlen berger» Geschichts- 
schreibung, die Magdeburger Centurien hervor. Wie ein Vor- 
spiel dazu veröffentlichte 1534 der streitbare Magdeburger 
Pfarrherr Nikolaus v. A m s d o r f, ein Geistesverwandter des 
Flacius, sein Kaiserbuch. ^ Der Inhalt ist mit dem Titel eigent- 
lich schon hinlänglich gekennzeichnet. Als Gewährsmann ist 
absichtlich Nauclerus genommen, «wölcher ain Pfaffvnd Propst 
zu Tubingen geweßt, das diß alles nicht von ainem feyndt der 
Pfaffen sondern von ainem rechten Ertzpfaffen selbst geschriben 
ist». Amsdorf entschuldigt sich, daß er auch die ersten Kaiser 
mit hinzunehme, obw(»hl die Darstellung genau genommen erst 
mit Carole Magno anfangen sollte. Auch sonst bringt er hier 
und da eine Kaiseranekdote, welche mit dem Grundgedanken 
nichts zu tun hat. Der Schluß beleuchtet in starken Ausdrucken, 
wie sie Amsdorf liebte, die Politik Clemens VII. gegen Karl V. 
Dieser und seine Vorgänger sind die «frommen Kaiser». — 
Luther spricht 1535 in der Vorrede eines Atnsdorf gewidmeten 
Schriftchens seine Zustimmung zu dem «kleinen Chröniklin» 
aus.2 1545, als der Kaiser sich mit Paul III. zur Bekämpfung 
der Ketzer verband, wurde es wieder abgedruckt. 

Hatte Amsdorf für jeden «getrewlichen liebhaber Teütsches 
namens vnd Bluts» geschrieben, so wandte sich das Kaiserbuch 
der Oberdeutschen, welches zeitlich fast in die Mitte zwischen 
die beiden Ausgaben des Auszugs fallt, unmittelbar an die 
höchste Stelle. 



1 «Ein kartzer auszug aus der Chronica Naucleri. wie untreu- 
lich und verreterlich die Bepste zu Rom mit den Römischen Keysern 
gehandelt haben.» Eine Art Vorarbeit war schon Hütten s Flug- 
schrift: Wie allweffen sich die Römischen BischÖif oder Bäpst gegen 
den teütschen Kayßeren gehalten haben 1520 und öfter, s. Hütten, 
Werke ed. Böcking 5. 1861, 363 fif. Literatur über Amsdorf bei G. 
Kawerau, N. v. A. Realenz f. prot. Theologie u. Kirche s, l. 1896. 

2 Luthers Werke, Erl. Ausgabe 55, 1853. S. 90. — Ziegler 
vergleicht, um den Fortschritt zu zeigen, welchen die deutsche 
Geschichtschreibung mit Carlo macht, dessen Ohronicon mit 3 «Welt- 
chroniken», darunter auch Amsdorfs Kaiserbuch. Aber dieses will 
keine vollständige Chronik sein sondern nur ein kurzer Auszug mit 
spezieller Tendenz. Der Vergleich, der natürlich zu Amsdorfs ün 
gunsteu ausfällt, ist verfehlt. 



— 189 — 

Den Oberdeutschen fehlt die Geschlossenheit ihrer nord- 
deutschen Glauben st»enossen. Sie haben keine ^'roßen Gebiete, 
wie Sachsen und Hessen, kein politisches Haupt, wie den Kur- 
fürsten, noch weniger einen kirchHchen Fuhrer, wie Luther, 
oder einen geistigen Mittelpunkt, wie Wittenberg, ßis zu einem 
gewissen Grade bietet Strasburg einen Ersatz. Die geschicht- 
liche Literatur spiegelt diese Verhältnisse wieder.» Noch ist 
Sleidans Zeit nicht gekommen. Allenthalben ist man vom Nutzen 
der «Hystorien» überzeugt, aber der gute Wille und die emsige 
Geschäftigkeit reichen nicht aus, ein originales Geschichtswerk 
hervorzubringen. Als eine Tat gilt schon die neue Ausgabe der 
Urfperger Chronik mit ihrer Fortsetzung durch Hedio, welche 
freilich gegen das alte Werk sehr abfällt. Sonst betätigt sich 
der schriftstellerische Eifer meist in üebersetzungen, haupt- 
sächlich dazu bestimmt. Wallen zu liefern für den Kampf der 
Geister, dem gemeinen Mann diesen Kampf verständlich zu 
machen und die breiten Massen mit hineinzuziehen. Es ist 
erstaunlich, welche Anzahl stattlicher Folianten Jahr für Jahr 
von Augsburg, Colmar, Straßburg, Hagenau, Mainz, Frankfurt 
aus unter das Volk gebracht werden | In dieser Volksschrift- 
stellerei wetteifern Anhänger des alten und neuen Kirchen- 
wesens. Neben Micyllus und Hedio, Cammerlander und Michael 
Herr heben wir Hieronymus Boner und Heinrich von Eppen- 
dorf hervor, welche sogar einmal beide denselben Autor in 
Angriff nahmen, ohne daß einer von der Arbeit des andern 
wußte. 2 Selbst der alte Murner verwendete die letzten Jahre 
seines Lebens auf eine Uebersetzung der Enneaden des Sabel- 
licus.s Ein Erbteil aus der vorhergegangenen Blütezeit des 
Straßburger Humanismus ist es wohl, daß in diesen Zeiten der 
Gährung und Scheidung am Oberrhein noch eine gewisse Ge- 
meinsamkeit der literarischen Bestrebungen obwaltet. So be- 
sorgte Huttich zur Herausgabe der ürsperger Chronik eine 
Handschrift aus der Bibliothek des Wormser Bischofs Johannes 
v. Dalberg, Beatus Rhenanus erteilte seinen geschätzten philo- 
logischen Rat. Die maßvolle kirchliche Haltung Hedios er- 
leichterte die guten Beziehungen.* Einige seiner üebersetzungen 



1 8. Lenz. Geschichtsschreibg. u. Geschichtsauffassg. im Elsaß 
z. Zt. der Ref. Sehr. d. Ver. f. Ref. Gesch. 49, 1895. 

2 S. G. Wethly, Hieronymus Boner, Ate. Studien 4, 1892, 
S. 44. 

s S. E. Martin, Jahrb. d. Ges. f. Gesch., Sprache q. Liter. 
Els.-Lothr. 9, 1893. 102 ff. 

* Als entschiedener Lutheraner — er wurde z. B. 1536 für 
Frankfurt a. M. ins Auge gefaßt, um den Zwinglianer Dionysius 
Melander zu ersetzen, als die Stadt sich der Wittenberger Konkordie 
angeschlossen hatte, s. Steitz, Abh. z. Frankf. Ref. Gesch. 1872, 



— 190 — 

haben mehrere Auflagen erlebt und weile Verbreitung gefunden ; 
so die Chronica der Alten Christlichen Kirchen, hjÜ der er 1530 
zuerst auftrat ; der Joseph us, welcher 1531 nachfolgte; vor allem 
die Ueberselzung der Ursperger Chronik, die AuserleBene Chronik -^#^1$. 
1539. Hier knüpfte Hedio auch äußerlich an die Vergangenheit ^^^i 
an, indem er Sebastian Brants Beschreibung von Deutschland als ^j^jq\, 
Anbang zu seiner Chronik veröflentlichte.i Melanchthon begrüßte ^^£t 
dieselbe mit Freuden. In seinem Vorworte dazu spricht er den mtm^^ ei 
Wunsch aus, daß Sebastian Franks «schmachbuch}» nun auss^d^^n 
den Händen der Leser verschwinden möge. Dieser hatte imr^ ^^ 
seiner Germania der Bemühungen, «mit einem bessern werclrf,-:>-^ßL 
das seine austhun», gespottet.« Wäre Aventins Berufung nachi',s:>j(j/> 
Strasburg zustande gekommen, so hätte er seinen Spott woh^zrCo^y 
für sich behalten.« 

Eine Art von Kaiserbuch lieferte aus dem Kreise der «andern 
zuerst Heinrich von Cppendorf.^ In seiner «Römisch 
Historien Bekürtzung» Straßburg 1536 verbindet er eine stark z 
sammengezogene deutsche Bearbeitung von Florus, Eutropius u 
Sextus Bufus mit Galeazzo Capelias De rebus in Italia gesti 
indem er Egnazios drei ^ücher von den Römischen Kaiser 
von Julius bis Karl V., als Bindeglied zwischen alte und neL:^_^Äe 
Geschichte hineinsetzt. Von ihm selber stammt nur ein kurz 
Anhang über die Kriege Maximilians. Daß der Venezianer di^ 
übergangen hatte, wurmte den deutschen Humanisten. Auch fü^~ 
ev einen gereimten Beschluß hinzu. 1540 sollte die «Bekürtzun 
wieder erscheinen. Das Inhaltsverzeichnis einer Uebersetzu 
von neun kleinen Türkenschriften unter dem Titel : «Türckisch- 
Kayßer Ankunfft, Kryeg vnd Handlung» verspricht als zehnt: 






S. 255, — bildete Hedio mit seinem Freunde Gerbel den rech'fc« 
Flügel der Straßburger Eeformationsmänner. Der religiöse Katl:i< 

iizismus fand bei ihm Anknüpfnngspankte. Bei der Bischofs wa»^ hl 

1541 hielt er, wie ihm als Prediger des Domkapitels zukam, d:^ Jie 
Predigt. 

1 S. darüber C. Varrentrapp, Ztschr. f. d. Gesoh. d. Obec^ -^r- 
rheins N. F. 11. 1896, S. 288. 

2 Germ. 1539 Vorrede : Nun ich höre gleichwol, das andei 
auch in der arbeit seind, jr Germaniam zu illustrieren, vnnd aul^ 
dem staub herauß zu schütten, auff die ich nun wol zwei jar gl 
wart, vnd gern gesehen das sie das eiß hetten brochen, so hett icK' 
den vortheil gehabt, das ich jn auff jr achsel gestanden were, vnno 
also weitter gesehen möcht haben, denn sie vnder mir. Nun abe: 
niemant herauß wil, will ich gleich in Gotts namen der waghal 
sein, allen vorgeen, vndersteen. vnd vergönnen, das mir iedermanc- 
auff mein achsel stehe, vnd nur weit über mich außseh, vnd mi-Ä^-^^^^^^" 
■einem bessern werck das mein außthu. ^ 

3 Vgl. darüber Lenz, Ztschr. f. Gesch. deis Oberrheins. N. F. 2^ ' 
1894, S. G29fe. 

4 S. Scherer, H. v. E., A, d. B., 6, 1877. 




i 



— 191 — 

Stück : Römischer Königen, Burgermeistern, vn Keyßeren kryegß- 
händel vnd Geschichten bitz ynschiyeßlich vif den yetzt re- 
gyerenden Keyßer Carolum. Das neunte Stück, eine Ueber- 
setzung nach Paulus Jovius, hat sein eigenes Titelblatt mit dem 
Bilde Karl V. : Turckischer Kayßer Ankunfit, vnd Kryegßhand- 
lung wider die Christen. Zu Eeren vnd woigefallen Keyß. Mt. 
Carolo dem Fünfflen beschriben. Mit diesem neunten Stück 
endigt das Buch. Karl V. und die übrigen römischen Könige 
und Kaiser fehlen. Cppendorf konnte sich wohl deshalb nicht 
entschließen, sie mit abzudrucken^ weil er sich überholt sah 
durch die Caesares Cuspinians, welche 1540 endlich heraus- 
gegeben wurden. 

Das Lob, welches der Herausgeber Nikolaus G e r b e 1 1 
dem Werke spendet, ist verdient. Statt der überall wider- 
kehrenden kurzen Notizen bietet Cuspiniaü ausgearbeitete 
Lebensbilder. Seine Quellen, unter denen wir den neuent- 
deckten Tacitus für Tiberius, Ammianus Marcellinus für 
Julian, Prokop für Justinian L, die Ursperger Chronik^ Sige- 
berl, Hermann von Pieichenau, Otto von Freising für das 
Mittelalter hervorheben , sind nicht ausgeschrieben , sondern 
verarbeitet. Daß auch der von Trithemius erfundene Hunibald 
mit unterläuft, wollen wir verzeihen. Sind doch dafür auch 
Denkmäler und Urkunden herangezogen worden. Pellikan wurde 
durch das Buch so gefesselt, daß er es in drei Tagen auslas.' 

Aber es war nicht allein für die wissenschaftliche Welt 
bestimmt. Christoph Scheurl, welcher das Manuskript von 
Cuspinians Erben erhalten und weiter gegeben hatte,^ erfüllte 
den letzten Willen des Verstorbenen, indem er das Werk 
Karl V. zueignete. Aber er benützte zugleich die Gelegenheit, 
dem Kaiser, der das Religionsgespräch zu Worms vorbereitete, 
Milde und Versöhnlichkeit zur Herstellung des innern Friedens 
anzuempfehlen,* damit der Orient die Kraft des geeinten 
Reiches verspüre. 



^S. C. Varrentrapp, Nikolaus Gerbel, ia : Festschrift z. 
46. Vers, deutscher Philol. u. Schulmänner in Straßburg 1901. 

3 S. B. Eiggenbach, das Chronicon des Konrad Pellikan 
1877, S. 166. 

3 In Christoph S c h e u r 1 s Briefbuch n, 1872, S. 240-244 
steht der Entwurf der Widmung. Der dort S. 244 als Herausgeber 
genannte Camerarius, damals in Tübingen, früher in Nürnberg, 
hat wohl nur zwischen Scheurl und Mylius -Gerbel in Straßburg 
vermittelt. Aus seinen Briefen ergibt sich, daß er mit Gerbel ver- 
kehrte und im Jnni 1540 selbst in Straßburg war, s. Camerarii 
Epistnlae 1595, S. 128. 137. 160. 162. 

* Ranke, Sämtl. Werke IV, 1873, S. 139 hört aus Scheurls 
Worten nar das Verlangen auch der Altgläubigen nach der kirch- 



— 192 — 

Als Sprecher einer Gesandtschaft aus diesem Reich hatte 
Scheurl einst in Spanien vor Karl gestanden, um den gegen 
den päpstlichen Willen erwählten als Kaiser zu begrüßen. 
Jetzt widmete er ihm ein Buch, welches mit warmem vater- 
ländischem Gefühl geschrieben, bei aller Anhänglichkeit an den 
alten Glauben die Hoheit des Kaisertums über dem Papsttum^ 
sein gutes Recht in den kirchlichen Kämpfen der Vergangenheit 
nachdrücklich hervorhob.* Hatte Amsdorf einen 1510 verstor- 
benen Propst als Zeugen für die Mißhandlung des Kaisertums 
durch die Päpste aufgerufen, so verschafften Scheurl und 
Gerbel einem kaiserlichen Geschäftsträger, der ebenfalls der 
Zeit vor der Kirchenspaltung anp^ehörte, das Wort zu ähn- 
lichen Ausfuhrungen. Daß sich zu dieser posthumen Ver- 
öffentlichung Anhänger beider kirchlichen Richtungen zusammen- 
taten, verdient auch bemerkt zu werden. 

1541 machte Hedio die <rCaesares» Cuspinians durch eine 
deutsche Uebersetzung weiteren Kreisen zugänglich. Gerbel 
behandelte den Stoff ein zweites Mal in poetischer Form, 
indem er 1544 die Bilder der Kaiser mit den schon erwähnten 
Versen des Ausoüius, Micyllus und Ursinus Velius herausgab.« 
Schon Cuspinian hatte viele Lebensbilder mit Tetrastichen 
geschlossen, soweit es ging nach Ausonius, dann mit Versen 
eigener Arbeit. » Hierdurch ist Gerbel wohl auf den Gedanken 
seines kleinen Kaiserbüchleins gekommen. 



liehen Eeformation heraus, und vermißt den Zusammenhang dieses 
Gedankens mit dem nachfolgenden Werk. Dieser Zusammenhang 
scheint doch nicht ganz zu fehlen. 

J Die Papstgeschichte der ersten Jahrhunderte tritt bei Cus- 
pinian sehr zurück. Von Diocletian sagt er (S. 108 der Ausg. von 
1561) : er ließ sich die Füße küssen, wie heutzutage unsre heiligen 
Päpste; bei der Translatio Imperii, S. 215: Man glaubte damals, die 
Entscheidung über das Kaisertum stehe dem heiligen Stuhl zu, 
früher dagegen, es werde von Gott gegeben. Die nicht päpstlich 
gesalbten Kaiser zählen manche nicht als solche, mit Unrecht. 
Rudolf von Rheinfelden ist ihm ein Tyrann, S. 353, Gregor nicht 
legitimer Papst, da er der kaiserlichen Bestätigung entbehrte, S. 352. 
Ebenso steht er zu Friedrich I. und II. : Die Schmeichler der Päpste 
behaupten, daß diesen alles freistehe, daß sie beide Schwerter 
haben, und die Kaiser ihre Knechte seien S. 420. Bei Gelegenheit 
greift er die Italiener Blondus, Platina, Sabellicus an, daß sie den 
Taten der Deutschen nicht gerecht würden : seine deutschen Quellen 
seien eben nichts für ihre zarten Magen gewesen, S. 427. Maximilian 
wünscht er eine würdige Biographie aus deutscher Feder. 

2 Icones Imperatorum et breves uitae, atque rerum cuiusque 
gestarum indicationes : Ausonio, Jacobo Micyllo, Ursino Velio 
authoribus. Arg. Crato Mylius 1544. 

'^ Von Zeno bis Karl d. Gr. fehlen die Testrasticha, ebenso von 
da ab bei den byzantinischen Kaisern. Cuspinian drückt vielleicht 
durch das Tetrastichon eine Art Anerkennung aus. 



— 193 — 

^ie er nur früher schon veröffentlichte Dichtungen zu- 
sammenstellte, so haben wir für die nächstfolgenden Jahre nur 
Wiederabdrücke alterer Kaiserbächlein zu verzeichnen. Der 
schmalkaldische Krieg und was ihm nachfolgte war nicht 
geeignet, für das Kaisertum zu begeistern. Das Interesse 
erwachte erst wieder, als Karl V. seiner Würde entsagte und 
Ferdinand Kaiser wurde. Für einen großen Teil der Nation 
halle er schon längst als solcher gegolten. Wir haben seit 
Huttichs Libellus 15'i25 Kaiserbüchlein, in denen nicht Karl, 
sondern sein Bruder die Reihe abschließt. Mit Karl zusammen 
in einem Rahmen steht er bei Hubert Gholtz von Würzburg, 
Maler zu Antwerpen, der sich als Münzsammler wie als 
Fälscher einen Namen gemacht hat i; für sich allein, aber nur 
^^ Register als Kaiser, im Text als römischer König auf- 
geführt, bei Diethelm Keller, Bürger zu Zürich.« Keller über- 
setzte nur die <i£pitome Thesauri Antiquitatum h. e. Impp. 
Rom. Iconum^D des Jacob de Strada von Manlua, zu Lyon 
1553 erschienen, zu Zürich 1557 wiederholt, dessen Text 
seinerseits auf Cuspinian fußt. 

Gholtz wie Strada legen weniger Wert auf den Text als 
3ttt die Abbildungen. Diese sind übergegangen in die deutsche 
Uebersetzung des letzten Kaiserbüchleins, welches wir zu 
nennen haben, von Paul Prätorius.s 

Paul Prätorius, ein lutherischer Geistlicher aus Bernau 
in der Mark und Freund des Sabinus, ist dadurch bekannt, 
daß ihn Kurfürst Joachim II. von Brandenburg mit der 
Erziehung seiner früh verstorbenen Söhne Fried'rich und Sigis- 
'^^^nd, beide nacheinander postulierte Erzbischöfe von Magde- 
"^rg, betraute. Was Prätorius im Geschichtsunterricht den 
^''inzen über das Kaisertum vorgetragen hatte, arbeitete er 
später für den Druck aus, und widmete das Werk dem hohen 
Vater seiner Zöglinge. Als Leitfaden diente ihm Carios kleine 
Chronik. Es versteht sich, daß die Nutzanwendungen für Re- 
S^nten nicht gespart sind und auch der brandenburgischen 
beschichte gedacht wird. Bei Ferdinand macht Prätorius hall. 



. ' Lebende Bilder aller Keysern. Anttorf 1557. — Vgl. Zeitschr. 
^' Numism. 10, 1883, S. 141. — U). 1895, S. 251 f. 
^ '^ Künstliche vnd aigendtliche bildtnussen der Rhöraischen 
^^yseren, Zürich 1557. — Das Buch ist Bürgermeister und Rat der 
^^*dt Mülhausen gewidmet. 

» Caesares Romani, Frankf. a. d. Oder 1559. — Ueber P. Prä- 
joi'ius, s. R. Schwarze, A. D. B. 20, 1888. wo freilich unser 
^^chlein nicht erwähnt wird. - Die «Vitae Caesarum quot & quem ad- 
S^dum apud Suidam inveniuntur», Frankf. a. M., 1557 von Herm. 
^Jtekind, dem Bekämpfer der Hexenprozesse, glaube ich über- 
&eiien zu dürfen. 

13 



— 1Ü4 — 

An Karl V. wird (gelobt, was (i^elobt werden kann ; daß er die 
Evangelischen mit den Waffen bekämpfte, war eigentlich gegen 
seinen Willen ; er wai* ein Muster von Keuschheit und Mäßig- 
keit. Um so schlechter kommt das Papsttum weg. Die Päpstin 
Johanna fehlt nicht. — Eine deutsche Uebersetzung ^ von Jakob 
Eysenberg, Prediger an der Schloßkirche zu Wittenberg^, 
erschien 1561. Johann Episko pius von Würzburg benätzte 
Prätorius zu seinem gereimten KKeyserbuchlein», das bis zum 
Regierungsantritt Maximilians II. reicht. 

Gleichzeitig mit Prätorius war auch Zschorns Kaiserbüch- 
lein erschienen. Ihm wenden wir jetzt wieder unsere Auf- 
merksamkeit zu. 



5. Die Quellen des Kaiserbüchleins. 

Unser Zschorn blickte auf eine stattliche Reihe von Vor- 
gängern zurück, als er im Schlußwort des KB sagte, daß dieser 
Handbüchlein von Kaisern lateinisch und deutsch viel in Druck 
ausgegangen seien. Vermutlich hat er einige der älteren Kaiser- 
büchlein selbst gekannt. Er hätte sich darauf beschränken 
können, eins davon herauszugreifen und seiner Arbeit zugrunde- 
zulegen, etwa so, wie Hans Sachs nach Mennels «Kaiseralb 
arbeitete. Da er wie der Meistersinger von Nürnberg in Reimen 
schrieb, hätte er sich immer rühmen können, den Stoff in 
einer Form bearbeitet zu haben, welche dafür seit einem 
Menschenalter hiebt verwendet worden war.« 

Er begnügte sich nicht damit, sondern ging weiter, wenn 
auch nicht zu den Quellen, so doch zu den besten Darstellungen, 
welche seiner Zeit zur Verfügung standen. Er dachte sich sein 
Büchlein, wie er in der Widmung sagt, «als ein ynleytung in 
andere Chronicken, daraus ichs dann gezogen». Einen Teil 
davon nennt er selbst im Beschluß : «So vil die jarzal belangt, 
vnnd mit etlichen Handtbüchlein nicht stimmet, so besihe 
Cronicam Abbatis Vrspergensis, Nauclerum, Carionem, so 
würstu es fmden». Diese von Zschorn selbst genannten Werke 
werden wir zunächst als seine Quellen ansprechen. — Ein 
weiterer Hinweis findet sich bei Karl V. S. 401 r : 



1 Chronica | darinnen der Römischen Keiser Historien / vom 
ersten Keiser Juho / bis auff Carolum den fünfften Vnd jre Bieldnis 
gefunden werden. Wittenberg J561. 

9 Burkhard W a 1 d i s, Ursprung und Herkommen der zwölif 
ersten alten Könifr vnd Fürsten Deutscher Nation 1543 ist ebenfalls 
ffereimt, behandelt aber die phantastischen «Könige» Tuiscon, Wan- 
dalus. Arlovist u. s. w., von den Kaisem nur Carolus Magnus. 



— 195 — 

Was Carolas mehr hatt gethan 
Zeigt dir das buch Scliieydani an. 

Gemeint sind natürlich die Kommentare. — Dagegen hat es 
nichts zu sagen, daß es von Vespasian heißt S. 9 v : 

Jerusalem gewonnen wirdt 
Dnrch jn vnd Titnm seinen son 
Wie dann Josephus schreibt darnon. 

Die Anführung des Josephus ßndet sich an dieser Stelle auch 
in den Chroniken und ist \vohl aus diesen übernommen. — 
Noch weniger Gewicht werden wir darauf legen, daß hei Rudolf 
von Hahsburg S, 90 r zu den Worten : 

Er wolt nit in Italiam 

Zog allweg dise fabel an, 
Znm Lewen giengen gar vil thier 

Der fnchs sah keins kommen herfier 

die Randglosse steht : Vom krancken Lewen in Esopo. Aesop 
war ebenso verbreitet wie Josephus, und Zschorn hat kaum 
erst die Fabel nachgeschlagen, ehe er obige Worte schrieb. 

Ueberhaupt wäre es gewiß nicht richtig, wenn wir für 
jedes Wort und jeden Zug im KB. eine bestimmte Quelle nach- 
weisen wollten. Wir müßten uns in diesem Falle den Ver- 
fasser in bezug auf geschichtliche Kenntnisse wie ein unbe- 
schriebenes Blatt denken, als er sich anschickte, alle Römischen 
Kaiser zu schildern. Das trifft nicht einmal um 1530 zu für 
einen Handwerker wie Hans Sachs, geschweige denn 30 Jahre 
später für einen Schulmeister und Diakonus. Vielmehr ist die 
Kaisergeschichte ein Stück der allgemeinen Bildung, wenn nicht 
als zusammenhängendes Ganze, so doch als Kaiseranekdote. 

Wir wählen als Beispiel einen Mann, der, ohne Gelehrter 
zu sein^ doch an der Bildung seiner Zeit Anteil hatte, und 
über dessen Kenntnisse wir aus seinen zahlreichen Schriften 
ein Urteil gewinnen können : Dr. Martin Luther.^ Durchgehen 
wir in der Erlanger Ausgabe seiner Werke das Sachregister, 
dessen jetzt nicht mehr beliebte Breite uns schnell orientiert, 
so finden wir Anekdoten von 16 Kaisern angeführt.« Einen 



« 

1 Vgl. die Zusammenstellnng von Luthers bescheidenen Bemer- 
kungen über sein Wissen beiZweynert, Luthers Stetig, z.humanist. 
Schule und Wissenschaft 1895, S. 13 ff. 

s Julius Cäsar 19, 209. Augustus 20. 270. Callgula 5, 531. 45, 
126. Nero 26, 62 f. Trajan 51, 410. 52, 98. Diocletian 57, 28. Kon- 
stantin 17, 13. 26. Julian 9, 62. 45. 121. 49, 259. 59, 34. Theodosius 
9, 316. 46, 242. 59, 156 f. Karl d. Gr. 26. 225. Otto ID. 26, 226 f. 
Heinrich ü. 16, 152. Heinrich IV. 24, 214 f. Friedrich L 32, 358-396. 
Ludwig der Baier 41, 305. Sigismund 60, 325; außerdem zahlreiche 
kürzere Anführungen. — Näheres über Luthers geschichtliche 
Kenntnisse bei £. Schäfer, Luther als Kirchenhistoriker 1897. 



— 19(5 — 

ähnlichen Stamm von geschichtlichen Kenntnissen dürfen wir 
bei unserm Zschorn voraussetzen, ohne ihn sonst dem großen 
Reformator gleichzustellen. Irgendwie muß ihm der Ertrag des 
aufblühenden historischen Studiums zu gute gekommen sein, 
und der Trieb, sich weiterzubilden, wird ihm auch nicht gefehlt 
haben. Ein Mann, der die AeH durchstudierte, hat gewiß 
vorher auch andres gelesen. 

Die Kaiseranekdote trat ihm ja in Buchern entgegen, zu 
denen zu greifen sein Beruf ihn nötigte. Schlagen, wir nach, 
in welchem Zusammenhange die oben genannten Kaiser- 
geschichten bei Luther vorkommen, so finden wir sie außer 
der großen Abhandlung «Pabst-Treue Hadrians IV. und 
Alexanders III., gegen Kaiser Friedrich Barbarossa geübt» ■ 
in den Tischreden, Schriftauslegungen und Predigten. Di 
Predigt kann des Beispiels nicht entbehren, und es ist bekannt, 
daß vor und nach der Reformation an Beispielsammlungen für 
das Bedürfnis des Predigers kein Mangel war.« In den Exempel 
büchern und Promptuarien finden wir die Kaiser wie dij 
großen Männer des Altertums und die Gestalten der biblische 
Geschichte, sie dienen in Schulbüchern der Belehrung, 
Facetien- und Schwanksammlungen der Unterhaltung, um: 
Zschorn wäre gewiß in Verlegenheit gekommen, wenn er hat 
sagen sollen, woher er gerade diesen oder jenen Zug hatt 
Manche Ungenauigkeiten seines Büchleins lassen sich durch 
Annahme erklären, daß er hier und da eine Sache sicher 
wissen glaubte, und in den Büchern, nach denen er arbeite 
nicht noch einmal nachschlug. 

Gehen wir nun dazu über, sein Verhältnis zu die& € 
seinen Quellen werken zu beleuchten. 

Wir beginnen mit der Cronica Abbaus Vrspergensi 
welche Zschorn im Schlußwort an erster Stelle nennt.» 
verstand darunter wohl den schon erwähnten Druck des Gra(- 
Mylius in Straßburg.* Von Hedio bis 1537 durch die «Para- 





« Erl. Ausg. 32, S. 358-396. 

2 Edw. Schröder, die Tänzer von Kölbigk, Zeitschr. f-^*"^ 
Kirchengesch. 17, 1896, S. 94 ff. gibt ein anschauliches Beispiel der"^ ] 
Wanderung beliebter Geschichten durch die oben genannte Art Lite- — ' 
ratur; ein andres Fr. Gund e Ifinger, Gäsar in d. deutsch. Lite- ^^ 
ratur, Palästra 23, 1904, S. 1—28. Die eine oder andere Kaiser- — 
anekdote z. B. Domitians Mückenfängerei in ähnlicher Weise zu ^ 
verfolgen, würde nicht das gleiche Interesse bieten. 

3 S. Wattenbach, Geschichtsquellen II, 1894, S. 189— 197. - 
448—450. — Breßlau, Bamberger Studien, in: Neues Archiv 21, ^ 
1896, S. 139—234. 

4 Chronicum Abbatis Vrspergensis a Nino rege "^ 
Assyriorum magno usque ad Fridericum II . . . per studiosum -^ 
historiarum . . . recognitum . . . Paraleipo me n a rerum memo- — 



— 197 — 

^eipomena» ergänzt, als ocAußerleßne Chronick)) übersetzt und 
bis 1543 fortgeführt, von Melanchthon in beiden Sprachen 
bevorwortet, bot diese Chronik^ «das vollendetste Werk dieser 
Art aus dem Mittelalter», dem 16. Jahrhundert den über- 
lieferten geschichtlichen Stoff in einer Darstellung, welche den 
Protestanten durch die kirchlich-politische Haltung Frutolfs 
und Burchards so willkommen als wichtig sein mußte. Ueber 
die Entstehung hat sich Zschorn wohl kaum den Kopf zer- 
brochen, sondern das ganze Buch als Einheit angesehen. Auch 
die Randbemerkungen, in denen Hedio nachtrug, was er ver- 
mißte, z. B. S. 225 die Einrichtung des Kurfürstenkollegiums, 
wird er mit zum Texte gerechnet haben. 

U ist das einzige Werk, welches Zschorn geradezu als 
•Quelle anführt : 

Julius Cäsar KB. Iv. 
Eylffhundert Neuntzig zwey tausindt 
Wie man in Vrspergensi findt, 
~ Durch Julij volck erschlagen wardt. 

Wenige Zeilen weiter heißt es : 

Zwey hundert sechtzig in- dem rhat 

Schwuren zusammen Julium 
Den Helden frey zu bringen vmb. 

Dabei steht die Randbemerkung : Alij 60. Nun hat gerade 
U 2(30 Verschworene, andere, wie Nauclerus, Guspinian, 
Franck, nur 60. Diese sind also die «andern», U der eine, 
welchen er den alij entgegensetzt, und welchem er folgt, seine 
Hauptquelle. 

Das ist U nicht allein für diese Stelle, sondern für die 
ganze Kaisergeschichte. Um das festzustellen werden wir nicht 
so verfahren, daß wir nachsehen, wo überall die berichteten 
Tatsachen vorkommen, und dann schließen : die und die Züge, 
welche in KB stehen, finden sich nur bei U, also müssen 
sie hieraus entnommen sein. Dazu wäre die zu berück- 



rabilium a Friderico II usque ad Carolum V.,Augustum h. e. ab anno 
1230 usque adannum 1537 . . . per eundem studiosum annexa. — 
•Cum iconibus Imp. et Principum ad uiuum expressis. Anno 1537. — 
wiederholt 1540. — Die Uebersetzung : Ein außerleßne 
•Chronick von anfang der weit bis auff das iar . . . 1539 . . . 
durch Caspar Hedio Doctor auß dem Latin ins Teutsch gebracht, 
zusamen tragen, vnd beschriben. Straßbnrg 1539. — wiederholt 
1543 und 1549, von Michael Beut her neu herausgegeben 1566.— 
Abweichungen der einzelnen Ausgaben nur gegen Ende. Ich zitiere 
nach der lateinischen von 1537, welche die Seiten fortlaufend zählt ; 
die Uebersetzung nach der letzten Ausgabe von 1549. Abkürzungen: 
Vrspergensis = U, Außerleßne Chronick = AChr. Es wird das Ver- 
ständnis erleichtern, wenn immer auch die Kaiser genannt werden, 
jsu deren Geschichte die zitierten Stellen gehören. 



— 198 — 

sichtigende geschichtliche Literatur bis 1559 zu umfangreich. 
Vielmehr werden wir fragen, welche Darstellungen Zschorn 
am nächsten lagen, und untersuchen,- ob mit diesen auffallende 
Uebereinstimmungen im Sprachgebrauch, sowie in der Anord- 
nung des Erzählten vorkommen, ob insonderheit Irrtümer und 
Fehler sich am besten durch die Benützung dieser oder jener 
Vorlaufe erklären. 

Die sprachliche Vergleichung ist allerdings so gut wie aus- 
geschlossen bei den lateinischen Chroniken. In dieser Richtung 
können wir höchstens bei den Uebersetzungen auf Ergebnisse 
hoffen. Doch gibt uns Zschorn selbst einen andern Anhalts- 
punkt. Er spricht ja im Beschluß, wie wir sahen, von der 
Jahrzahl, und nennt dabei U an erster Stelle, daneben Nau- 
clerus.(N) und Cario (G). Vergleichen wir die chronologischeo 
Ansätze und was damit zusammenhängt, die Kaiserlisten von 
N, C, U und KB, so ergibt sich folgendes. 

N. hat die Kaiser durchnumeriert von 1, Julius Cäsar, bis 
111, Karl V.i Galba — Otho — Vitellius werden jeder für sich 
gezählt, später haben die gleichzeitig regierenden Kaiser nur 
eine Nr. Er zählt nicht mit: Didius Julianus, Augustulus,. 
Heracleonas, Leo IL, Tiberius IL, Wilhelm v. Holland und 
Ludwig d. Baier,« dagegen zählt er mit: 26 Pupienus, 27 Bai- 
binus, 35 Quintilius, 42 Maxentius, 78 Karl d. Kahlen. Bei 
17 Kaisern gibt er keine ausdrückliche Jahreszahl des Regierungs- 
antritts. 21 Zahlen weichen von KB ab. 

C. hat. zwei Zählungen: bis zur Translatio Imperii von 1,. 
Julius Cäsar, bis 71, Konstantin VI., dann die deutschen Kaiser 
von Karl d. Gr. bis Ferdinand, 1 bis 40. Galba — Otho — Vitel- 
lius rechnet er nicht mit.s Pupienus, Balbinus, Quintilius, 
Maxentius und Karl d. Kahle gelten ihm nicht als Kaiser^ 
wohl aber Didius Julianus, Heracleonas, Leo IL, Tiberius IL, 
Wilhelm v. Holland und Ludwig d. Baier, neben diesem 
Friedrich. Dagegen zählt er Augustulus nicht mit. Seine Zahlen 
sind 36 mal anders als im KB. 

U zählt im Text ^ie Kaiser von Augustus ab bis Nr. 104, 
Otto IV. Daneben zählt Hedio am Rande die deutschen Kaiser 
bis Nr. 38, Maximilian, i^o daß Karl V. wie bei G der 39. ist. 
Galba zählt mit als 6. von Augustus, Otho und Vitellius nichts 
ebenso fallen aus Didius Julianus, Galienus, Constantius und 



1 Da 58 z\^*eimal verwendet ist, für Justinian I. und Justinus 11.,^ 
sollte Karl V. 112 haben. 

2 Friedrich d. Schönen aber auch nicht. Beide heißen Caesares, 
nicht Imperatores. 

3 «Diese drey haben wollen Keiser sein nach dem tod Ncronis.> 



- 199 — 

Galerius, Augustulus^ Heracleonas, Karl d. Kahle. Die Zahlen 
stimmen bis auf i4 mit KB überein. 

Kß hat eine Zählunj? erst von Karl d. Gr. an, wie G und ü, 
aber es kann kein Zweifel darüber bestehen, wen er unter die 
Kaiser der ersten 8 Jaiirhunderte rechnet : er setzt ihre Namen 
als üeberschriften über die einzelnen Abschnitte, und ihre 
Jahreszahl an den Rand. Vergleichen wir, wie oben geschehen, 
N, G und U mit KB, so ergibt sich die geringste Zahl der 
Abweichungen bei U. Sklavisch hat sich Zschorn allerdinörs 
auch an diesen nicht gebunden, er hatte den Ehrgeiz, als 
selbständiger Arbeiter gelten zu wollen. * Ueber die Gründe, 
welche ihn bewogen, zehn mal den Ansatz von G, zwei mal 
den von N vor U zu bevorzugen, zwei mal eigene Zahlen zu 
geben, haben wir kaum Vermutungen. Auch die Möglichkeiten 
eines Druckfehlers oder undeutlicher Schreibung kommen in 
Betracht.' 

Da Zschorn U, wie wir sahen, sicher gelesen hat, und 
seine Kaiserliste und Ghronologie hauptsächlich nach dieser 
Ghronik richtet, wird es gestattet sein anzunehmen, daß auch 
diejenigen Tatsachen und Züge in KB, welche mit ü über- 
einstimmen, aus U oder dessen Uebersetzung entnommen sind. 
Die namentliche Berufung auf U, sowie dessen Bevorzugung 
den Alij gegenüber haben wir schon abgeführt. Folgende 
Stellen dürften sich am einfachsten durch eine Benützung von 
U erklären. 3 



1 Beschloß : vnnd ob du mehr oder minder Keyser in disem 
büchlin, dann bey anderen beschriben finde würdest, das laß dich 
nicht irren, vmb diser vrsach willen, dan etiich Historienschreiber 
beschreiben allein die Iraperatores, oder Cesares die das regimet 
etiich jar lang gefürt haben. . Die andern setzen hienza die auch 
ein kurtze zeit im regiment gewesen. Die dritten lassen. in der zal 
der Keyser sein, die nicht mehr dann erweit worden sindt, sie haben 
regiert oder nicht. Solchen ihren zwitracht hab ich mich nit hindern 
lassen, sonder dise so ich in glaubwürdigen Cronicken gefanden, 
hab ich allhier verzeichnet. 

^ Es dürfte wohl auf undeutliche Schrift zurückzuführen sein, 
daß KB 25 in der üeberschrift «Valerimus» steht, während es im 
Text und Register richtig «Valerian» heißt. - KB 92r steht 
«Albertus der erst, vnd zwey vnnd zwentzigest Teutsche Keyser». 
Da Adolf der 28., Heinrich VII. der 30. in der Reihe ist, muß im 
Manuskript ein undeutliches «29» gestanden haben. 

^ Ich bemerke für dieses und alle folgenden Zitate, daß ich 
dafür in den übrigen als Quellen von KB anzunehmenden Chroniken 
keine genügende Unterlage gefunden habe. Wenn man sich erinnert, 
in welchem Maße U's Material in spätere Geschichtswerke über- 
gegangen ist, wird man es begreiflich finden, daß trotz vielfacher 
Uebereinstimmung zwischen U und KB der Fälle, in denen wir 
eine Stelle von KB nur aus U oder AChr ableiten können, nicht 
allzu viele sind. 



— 200 — 

* 

Nero Darzu ^ein strahl vom himmel schoß. 

6r. Vber tisch neben Neronem. 

U 62: Ante mensam Neronis falnie cecidit. — AChr. 112: . . . 
hat der hagel für den tisch Neronis geschlage. 

MarcAurel Ward kranck starb in einer onmacht. 

15 r. 

Randbem. : Am schlag Apoplexia. 
U 70: . . . ictus casu morbi. quem Graeci ctTOTrXr^^iv uocant. 

Commodus Da das gifft an ihm was zu schwach 

16 r. Er ihn auff seinem beth erstach 

U 71 sagt, wie alle Chroniken : eum strangulari fecit. 
AChr 127 übersetzt: . . . jn lassen erstöcken=: ersticken. Dies 
muß Zschorn iur «erstechen» genommen haben. 

P h i 1 1 p p u s Vor Dietrichs Bern vmbkummen ist, 

24r. Das ihm den kopff vor diser statt 

Ein kriegsman halb gespalten hatt 
Kandbem. : Sein kopff ward jme ob den zencn abgeschrotten. 
AChr 135:... der vatter zu Dietrichs Bern, dem sein kopff ob den 

zänen mitten durch abgehawen ward. 

Leo II. Der Keyser ihm uff sein hals trat 

55r. Sprach ich trit ein Basiliscum 

Legt wider ein Leontium 
Eandbem. : Sonst Leo genannt. 
U 164 Randbem : Leo siue Leontius. — AChr. 284: Leo oder 
Leontius. 

Wilhelm v. Das keyserthum hatt lang vaciert . . . 

Holland Kein Fürst sichs vnderwinden wolt 

89r : Sie warden auch nit eins der wal 

AChr 563: Doch waren sye der Sachen nit eins 

Rudolf V. der keyser eins mais in der schantz 

Habsburg Pletzt sein hosen vnd wammes gantz 

91r: 
AChr 574 hat er etwan ein gebletzt wamasch an tragen. 

Endlich müssen wir noch darauf hinweisen, daß KB mit U 
und AChr eine Aeußerlichkeit gemein hat : die «eygent- 
lichen abconterfeytungen», die Kaiserbilder.i Wenn auch KB 
nicht lediglich als Text zu einem neuen Abdruck dieser Bilder 
geschrieben worden ist — es berücksichtigt viele Icones nicht, 
zu denen Stöcke in Messerschmidl's Händen waren, wählend 
für eine Anzahl Kaiser die Bilder fehlten — so kann die 
Absicht, das Büchlein mit den Illustrationen auszustatten, 



' Die Bilder finden sich außerdem nur noch in Cuspinian (Ca) 
und dessen Uebcrsetzuug, sowie in Gerbeis Icones. Letztere kommen 
nicht in Betracht; von Cu als Quelle von KB s. unten. 



— 201 — 



Zschorn nicht unbekannt geblieben sein. Er macht im «Beschluß» 
auf die Icones ausdrücklich aufmerksam^ kannte sie also, und 
doch wohl nicht von den Stöcken, sondern aus den Büchern, 
in welchen sie früher erschienen waren. Das waren aber vor 
allem U und AChr. So kommen wir auch von hier aus zu 
der Annahme, daß U wenn nicht die, so doch eine hauptsäch- 
liche Quelle von KB «gewesen ist. Eine kürzere Erzählung 
möge uns zeij^en, wie der Inhalt von U durch AChr in KB 



übergegangen ist. 



KBIO V 



Domitianus Cäsar 



Anno 83. 



Domitianus kam ins reich 

AafP Titum seinen bruder gleich / 
War erstlich from darzu gantz milt 

Darnach Tyrannisch vnd sehr wilt / 
Verfolgt, ließ martern vil Christen 

Keiner vor ihm sich kundt fristen / 
Man mußt ihn nennen einen Gott 

Bey leibs straff er das selbst gebott / 
Ließ vil vom Adel vmb bringen 

Gantz faal vnd laß inn sein dingen / 
Sein kartzweil das er fliegen stach 

Hien vnd wider in seinem gmach / 
Das auch ein Sprichwort draus endtstund 

Kein fliegen man beim Keys er fund / 
Sein volck ihn selbst erschlagen hat 

Darzu sein weih gab rhat vnd that / 
Ward schandtlich bey nacht begraben 

Die Rhömer befolen haben / 
Sein namen austhun an alln endt 

Das er nim Keyser werdt genent / 
Regiert fünffzehen jar sechs raonat 

Gar mit keim nutz sonder mit schadt. 



Christen wer- 
den gemar- 
tert 

Keyser laßt 
sich ein 
Gott nennen 

Mucken 
faher 



Schelmenschin- 
der begraben 
den Keyser 

Sein wapen 
werden auß 
gekratzt 



AChr 117 



Die Jar Domitiani. 



Als man zalet nach der gepurt Christi 83 ... iar, 
ist Domitianus, Vespasiani vnnd Domicille son, der iünger 
bruder Titi, nach Augusto der 9 keyser worden, hat 
15. iar vnnd 6 monat regieret. Diser hat erstlich sich 
angenommen, als ob er barmhertzig vnd bescheyden 
wäre, aber bald hernach ist er dem Tyberio vnnd Caligula 
oder Neroni gleicher gewesen, dann seinem vatter oder bruder. In 
allerhand laster hat er hefftig zugenommen, also, das er, als der 
ander, zu einer haufPung aller laster, die Christen veruol- 
g e t e , der erst nach Nerone. In welcher veruolgung er Johannem 
den Apostel vnd Euangelisten, vonn wegen der predig Göttliches 
Worts, in die insel Pathmos verwisen, vn Flauiam Domicillam, die 
tochter der Schwester des Flauij Clementis, in die insel Pontum 
mit vilen andern in dz eilend geschickt hat, vnd vil der Edlen 



— 202 — 

Römer hat er erwürgt. Diser Domitianns beaalch, 
man solt jn nennen vnd schreyben, Eyn Herrn vnd Gott 
vnnd ließ nit zu das man jm in dem Palast zu Rom aynig bild 
atellete, es wäre dan guldin oder silberin. Er ist in so grosse 
tragkeit seines gemüts gefallen, das er meniglich von 
jm heyssen gehen, vn er allein in dem palast den mucken 
nachiagete. Als nnn au ff eyn zeit eyner fragte, ob 
yemandt inn dem künigliehen pa 1 as t war e, w ard 
geantwortet, Auch keyn muck nit. Dieweil er aber von 
seinen allen verhaßt wäre, ist er von seinen, die zusamen 
geschworen, inn dem palast erschlage worden. Sein weib 
Domitia die hat darzu radt vnnd that gehen, vmb liebe willen zu 
Paride dem lotterbuben, als Domitianus alt was 35. iar. Sein 
todter leib ward von den todtengräbern mit grosser 
schand außgetragen, vnd unehrlich begraben, vnd erkandt der 
Senat zu Born, man solte seinen nammen abkratzen, vnd 
außtilcken, vn daß jn heyner keyser nennete. Diser was in dem 
schiessen so erfaren, das er eynem menschen, der von weitem 
stund, vnd seine finger außgestreckt hielte, dadurch schiessen kundte. 

Natürlich gibt es nicht viele Abschnitte, von denen man 
jeden Zug in U wörtlich oder tatsachlich nachweisen kann. 
Es ßnden sich Stellen, an denen U fast nur durch die Chrono- 
logie bemerkbar wird. 

Aus einer Vergleichung Zeile für Zeile ergibt sich, daß 
bis zu Karl d. Gr. zwei Drittel, von da ab die Hälfte des 
Inhalts von KB auf U zurückzufuhren ist. Der Wechsel tritt 
etwa an der Stelle ein, wo in U mit Beda der ruhige Fluß 
der Erzählung aufhört. Von da ab werden die Abschnitte über 
die einzelnen Kaiser ungleichmäßig. Die kurzen Worte über 
Otto IL und III. z. B. boten Zschorn zu wenig, die langen aus 
Einhard und Widukind genommenen Lebensbeschreibungen 
Karls, Heinrichs I. und Ottos I. zuviel. Hier, sowie da, wo 
Frutolf, Ekkehard und Burchard als Zeitgenossen berichten, 
mußte Zschorn gewaltig zusammenziehen, wenn er den Rahmen 
eines Büchleins nicht überschreiten wollte, und nur durch 
Zufall konnte vielleicht ein besonders charakteristisches Wort, 
welches ihm im Gedächtnis haftete, die Spur davon bewahren, 
daß er auch hier U gelesen hatte.i 

Die wenig sagenden annalistischen Stellen wie die aus- 



^ Unter Heinrich IV. KB 81 v heißt es gelegentlich der Belagerung 
von Mainz durch Heinrich V. : 

Darumb vngschafft zogen daruon 
U 257 hat : Hie inacte discedens, A Chr 432 : Also ist Heinricus 
der fünfft ongethan wider heym zogen. N 728 : sie infecta re abcessit. 
Meiner Empfindung nach stammt das < vngschafft» aus U. 



— 203 — 

gedehnten Berichte werden es ihm nahe gelegt haben, auch 
noch andere Darstellungen heranzuziehen. 

Um diese festzustellen, scheint es der gewiesene Weg zu 
sein, daß wir die beiden andern Chroniken vornehmen, welche 
Zschorn noch im Beschluß nennt, Nauclerus und Cario, und 
untersuchen, ob sie nicht für alles, was wir nicht aus U 
ableiten können, die Quellen gewesen sind. Wirklich finden 
wir in beiden Werken manche Begebenheiten belegt, bei 
Cario auch die so wichtigen Anklänge im Ausdruck, aber — die 
Rechnung geht noch nicht ohne Rest auf. Das «buch Schley- 
dani» kommt erst zuletzt in Betracht. Wir denken an die 
älteren Kaiserbüchlein. Die kleinen können es nicht sein, sie 
enthalten meist weniger als KB. Scheiden wir sie aus, so 
haben wir noch zwei große zu vergleichen : Cuspinian und 
Franck. 

Um es kurz zu sagen : Die Vergleichung ergibt zunächst 
eine ganze Reihe Berührungen mit Francks Germania. > 
Einige Beispiele folgen hier : 

AugustuB Des fridens tempel nider fiel 

2v Der doch ewig zu stehn hatt ziel 

G 17 V : der tempel des frids, daran stund : der tempel 
des frids bleibt ewig, fiel auff einen hanffen» 

Caligula Regiert drey jar zehen Monat 

4r Sein Hanptmann ihn erstochen hat. 

G 19 v: Vü ward zu letst von seinem eygen Haupt- 
man erstochen. 

MarcAurel Lucius stirbt ihm vndern henden 

15r G 29 r: vermeinten er würde jn vnder den Henden 

geheling vergehen. 

Caracalla Wie der Tyrann der noturfft nach 

18 V Abstig vom roß da kam die räch 

Vber ihn. auch erstochen wardt 
Von seim leibswarter auff der fardt 
G 31 r : Zu Carris bei der statt Edessa stig er von 
seinem pferd sein notturfft zu thun, ein 
kriegßman folget jm nach als sein leibs- 
warter,2 der erstach jn, damit ward sein 
tyrannei . . . gerochen. 



1 Ich lege den Anführungen die Ausgabe von 1538 zugrunde, 
und nehme wieder Stellen, für welche ich in den übrigen Quellen 
keine Unterlage finde. 

2 «Leibswarter» kommt im Grimmischen Wörterbuch überhaupt 
nicht vor, die Uebereinstimmung in diesem seltenen Wort ist also 
höchst bezeichnend. 



— 204 — 

M aximinus Ihr leib warfif man ins wasser vor 

22 V Verbrandt die köpff vfp Campoflor 

G 34v: jr cörper wnrffen sie in das wasser den 
fischen zur speiß, jr häubter aber brachten 
sie ghen Rom, vnd verbrennten die auff dem 
Campo Flor vor allem volck. 

Jnlianus Es schlug der donder vnd der strahl 

35 V In ihr gebew gantz vberall | 

Das himmels fewr verbrannt die stein 
Als wann es nur pech wer gesein 
G 47 r: Den nechsten tag fiel ein feur vom Himmel, 
verprennet auch das eisen an der kirchen, die 
stein brauten wie bech. 

J ustinus I. Diser ein kühhirt auch sawhirt 

46 r Randbem. : Justinus ein sawhirt vnd holtzhawer. 

G 57 v: Justinus etwa ein sewhirt, der von jugent 
auff der scw, darnach der ochsen gehät hat, 
darnach eins holtzhawers knecht. 

onstantin Y. Ward aussetzig gar vor seim endt 

58 v Sanct Antoni fewr ihn hart brent / 

Das er hatt groß marter vnd quel 
Schrey er ses lebend in der hell 
G 76 r : Zu letst als er außsetzig war, schlug dz wild 
feuer darzu, das er entzündt wütend schrie, 
ich brin lebendig in der hei. 

Oarolus Magnus Leo entschuldigt sich gantz rein 
62 V Aller bescheidt vnd missethat 

Randbem. : Wie der hundt der flöhe im Äugst. 
G 80 v: also purgieret sich der Bapst mit einem eydt 
von aller klag, vnd ward vnschuldig, als 
der hundt der flöhe im Äugst. 

Carolus Crassus Als Caluus yetzt war hiengericht 

68 r Noch wolt der Bapst ablassen nicht / 

Er krönet Ludwicum Balbum 
Mit seinem gwalt zum Keysei-thum. 
G 90r: Noch ließ Joannes nit ab, sonder vnderstund 
sich mit macht Ludouicum Balbum Caroli 
sun zum keyser zu krönen. 

KB 73 v bringt im Anschluß an das Leben Heinrich L 
die zwölf Turnierartikel. G 74v hat in demselben Zusammen- 
hang : «Artikel wer in Thurnier sol oder mög reuten, vnnd 
wem des verholten sei.» Zschoru wird sie angesichts dessen 
auch nicht aus Rüxner entnommen haben. — 75 v steht als 
Randbem. zu einer Anekdote : Ein schön natürlich keyserlich 
vrthel. G 99v zu derselben Anekdote: das kan ein fein vrteil 
sein. 



— 205 — 

H e i n r i c h II. Er zieret Bamberg wol die statt 

78 r Ein Bistam vnd Canonicat 

Clöster vnd pfründen hatt gestifft, 
G 104 r: Anno 1008 hat er Bamberg mit einer maaer 
vmbfangen, das Bistum dargestifPt, viel Cano- 
nicat, clöster vnd pfründt inner vnd au sser 
der statt gestifftet. 

KB 83 r bringt hinter Lotharius Saxo sechs Wunder- 
geschichten. G 172 r hat sie an derselben Stelle unter der 
üeberschrift : Sonderliche thaten vnd fäll zur zeit Lotharij 2. 
sich begeben. 

Rudolf V. Es war ein abenteuwerer 

Habsburg In einem stettlin gnant wetzfler 

90 V Er sprach er wer Keyser Fridrich . . . 

Er lies ihn fahen da zu handt 
Den nasen Keyser er verbrandt 
Randbem. : Ein Mansterischer König. 
G 201 V : Zur zeyt Rudolfi warff sich ein abentewrer . . . 
auff, gab für, er were Keyser Friderich, hielt 
sich in einem stetUn Wetzflar genannt . . . 
weil nun disser geschraufift kundt vnnd naß 
gesell sein sach so hoflich . . . fürgab . . . 
(kan gedencken, er sei ein gesell gewesen, wie 
der künig von Münster zu vnseren zeitten. 
91 V Deßhalben er gehn Straßburg ritt 

Er hielt ein tag vnd ward da kranck 

Gehn Speyr hat er sein gedanck 
Gsegnet die Herren vnd burger 
G 202 r : Da zoh er zurück wider ghen Straßburg in 
seinn / tag, ward da kranck gesegnet die 
Herrn vnnd burger. 

Diese Beispiele dürften genügen, um zu zeigen, daß Germ 
für KB benützt worden ist. Die Vergleichung Zeile für Zeile 
ergibt, daß die Benützung sehr weit ging. Eine vollständige 
Scheidung der auf U und der auf Germ zurückzuführenden 
Stellen ist allerdings nicht durchzuführen, da ja Franck U 
selber reichlich ausgebeutet hat. Wir werden Germ neben U 
als die zweite Hauptquelle für KB bezeichnen. i 

Francks kompilatorische Tätigkeit erschwert es auch, zu 
bestimmen, welcher Anteil an KB Nauclerus und Gario zukommt. 



1 Germ als erste Hauptquelle anzunehmen, wozu die vielen 
sprachlichen Berührungen reizen könnten, verbieten die größeren 
Abweichungen der Kaiserliste und der Chronologie. Germ hat n ur 
zahlreiche Züge zur Ergänzung des aus U gewonnenen Rahme ns 
geliefert. Daß soviele Redewendungen des sprachgewaltigen Fran ck 
bei Zschorn haften blieben, kann daher rühren, daß Germ erst kurz 
vor der Ausarbeitung von KB gelesen wurde. 



A\ 


exander 




S 


e aer as 






21 V BandbenL 


'Constantiii 




d. 


Große 
33v 






C. 


er ] 



— 206 — 

Auf N verweist er alle Augenblicke und C hat er selten weise 
-übernommen. Da Carlo deutsch geschrieben ist, können wir 
uns wieder aus Uebereinstimmungen im Ausdruck ein Urteil 
bilden. 1 

Als nnn der hanff aaf ihn 2 sehr drang 

Alexander für ihn da sprang 
Das ist ein Forstlich stnek. — C an derselben 
Stelle: Dis ist ein recht schön Keisarlich 
Exempel. 

Dim ward aizeit auch vorgefart 
Ein bnch der Enangelion 

An statt der Keyserlichen krön, 
hat das heilig Enangelinm also geehret, das 
er jhm allezeit zn eim zengnis seines glanbens, 
öffentlich ein Eaangelienbnch hat lassen vor- 
füren. 

HonoriüB Das die Gotthen mit grosser macht 

41 r Fielen in gantz Italiam 

Badtgast war ihrs Königes nam 
C allein nennt ihn Badgast, die andern Badagasns nnd 
Badagaisns. 

Justinianl. Zu seiner Zeit hatt man gesehn 

47 V Vil zeichen an dem himmel stehn 

Fewrig schlachten Commeten klar 

Darzn wachs die Tiber so gar 

That grossen schaden in der statt 

Eünfftig vnglück bedeutet hat. 

Bandbem. : Haben die zuknsfft Machometi bedent. 

C : Zn disen zeiten hat man viel greulicher zeichen am 
^ himel jnn .Italia gesehen, feurige schlachten, 
Gometen, Auch hat die Tiber Bom schier 
erseufft. Diese zeichen haben den fahl des 
Komischen Beichs vnd der Kirchen bedeut, 
der geuolget ist, denn es wird Mahomet bald 
nu komen. 

*Oarolus Crassus Crassus war yetz vnuermöglich 

69 V Deshalben er vom Eeich abwich 

C : Im Mehrer Krieg war Crassus vnuermöglich, darumb 
verlies er das Regiment. 



^ Es sei daran erinnert, daß nur das alte Chronicon Garionls 
von * 1532 in Betracht kommen kann. Die Neubearbeitung durch 
Melanchthon war 1559 erst bis zum Ende der dritten Monarchie 
gediehen, hörte also da auf, wo KB anfing. Ich wähle wieder solche 
Stellen, welche sich nur aus C belegen lassen. 

* Uipian. 



— 207 — 

Fridericas Eageilandt vnd Franckreich die krön 

Barbarossa Waren beid da eigener person 

75 r C : denn die andern zween König, Franckreich vn Eng- 
land, waren aach jn eigner person ankörnen. 

Es unterliegt nach diesea Stellen wohl keinem Zweifel, 
daB auch Cario zu KB heigetragen hat. 

U, Germ und C zusammen reichen aus, um die Herkunft 
von neun Zehnteln von KB zu erklären. Es hieihen uns noch 
zwei Anekdoten und eine Anzahl kleiner Angaben meist bio- 
graphischer Art, endlich der Schlußabschnitt e:Ferdinandus». 

Bei den kleinen Angaben üb^r Krankheit und Tod der 
Kaiser u. dergl., für welche die bisher festgestellten Quellen 
nicht ausreichen, brauchen wir nicht mehr zu fragen : woher 
müssen sie stammen? sondern nur: woher kann Zschorn 
diesen Zug haben? Welche Bucher können ihm bekannt 
gewesen sein? — Hier bieten sich uns zwei große Repertorien, 
von denen Zschorn eins, wie schon gesagt, im Beschluß nennt, 
von denen das andere durchaus in seinem Gesichtskreis lag : 
Nauclerus .und Guspinian. 

Bei N versagt unser bisheriges Verfahren, sprachliche 
Anklänge aufzusuchen, da er nur lateinisch vorlag.^ Auch 
brauchen wir ihn nur zweimal heranzuziehen. Auf Gu mußte 
Zschorn in Straßburg aufmerksam werden, wenn er sich nach 
Handbüchern für seine Arbeit umsah. Die wenigen Stellen, 
welche wir auf Gu zurückzuführen haben, — es sind zwölf, 
und wie bei N nebensächliche Züge — , enthalten keine auffallenden 
Ausdrücke. An andern sachlichen Uebereinstimmungen fehlt es 
natürlich nicht. Erinnern wir uns noch einmal, daß ü für N, 
Gu, C und Germ als Vorratskammer diente, daß N wieder für 
C und Germ, G für Germ eine geschätzte Vorarbeit war-. Bei 
dieser engen Verwandtschaft muß die Frage, woraus KB eine 
Erzählung oder einen Zug entnommen hat, welche sich auch 
in andern der nachgewiesenen Quellen finden, eine offene 
bleiben. Wenigstens läßt sich kein solcher Beweis führen wie 
da, wo wir sprachliche Anhaltspunkte haben. 

Einige Angaben Zschorns erklären sich als Flüchtigkeiten 
oder Mißverständnisse z. B. bei Neros Ende 6 v : 

Lieff schnell selb drit in grosser eyl 
U und N geben 4 Begleiter an. 

1 h Drey mal im streytten vnder lag 

7v Alle Quellen reden von 3 Siegen Othos. 



1 In zwei Aasgaben, 1515 und 1544. 



— 208 — 

Marc Aurel Ward kranck starb in einer onmacht 

15 r Kandbem. : Am schlag Apoplexia. — Die Quellen berichten 

dies von Lucius Verus, KB von Marc Aurel. 
^ Das Commodus <erstochen> statt «erstickt» 
wird, ist schon erwähnt. 

Alexander Die kriegsknecht redet ernstlich an 

S euer US Was du von eim andern wilt han 

21 V Das thu jm auch vnd anders nicht 

Die Quellen haben nur die negative Fassung. 

Diocletian Auff zwentzig jar was er Keyser 

32 r Alt acht vnd achtzig ohn gefehr 

Alle Quellen geben das Alter Diocletians mit 68 Jahren 
an. Dazu hat Zschorn die 20 Jahre Eegierungszeit hin- 
zugezählt, oder wieder undeutlich geschrieben. 

Constantius Constantius in Orient 

vn Galerius Gallerius in Occident 

32 r Regiert ein jeder da sein theil 

Schlimmer hätte sich Zschorn nicht verschreiben 
können. 

Ludwig Er gab Carle Calvo seim son 

d. Fromme Judit ein Schwäbin vberschon 

64 V Darmit Burgundt vnd Schwabenlandt 

Das verdroß die brüder all sampt 
Beruht auf flüchtiger Lesung von Germ 87 v : Zu 
diser zeit gab Ludouicus Carolo Caluo seinem sun, 
den er mit Judith der Schwäbin hatt, das Schwaben- 
land, Burgund, vn Rhetiam, daß verdroß Lotharium 
vn andere seine stieffbrüder. 

Heinrich IV Rudolph in Bayern ward erweit 

80 V 

Randbem. : Rudolph Hertzog zu Bayern. — Wieder ein 
böses Versehen! 

Conrad III Geht vnd holen als was ihr wolt 

84 r Kleinot, golt. sylber vnd auch golt. 

Doch ziehendt in ein ander landt. 
Die Weiber von Weinsberg und die Belagerung von 
Crema sind zusammengeflossen. 

Karl IV Fiel von eim roß. das war sein endt 



96 r 



U erzählt so. das Ende von Karls Vorgänger Ludwig. 



In diesen Fällen handelt es sich meist um einzelne Zeilen. 
Es bleiben aber noch zwei größere Anekdoten zu besprechen, 
Die erste erzählt die Legende der Kaiserin Richarda. 

69 r CarolusCrassus 

Hielt im argwöhn sein ehelich weib 
Das sie mit ihrem schönen leib / 



— 209 — 

Den ehebrach trib mit eim Bischoff 

Der heimlichst rhat ans Keysers hoff / 
Sie sprach sie wer ein reine magt 

Dar zu zwölff jar niemandt geklagt / 
Von ihrem mann in solchem stat 

Der sie noch nie berüret hat / 
Thet an kleydt mit wachs bereit 

Darinn sie in ein fewr schreit .' 
An ihr ward da gantz nichts versert 

Damit ihr vnschuldt hoch bewert / 
Lies sich scheyden von ihrem man 

Vnd thet gleich geystlich kleyder an / 
Gieng in das Closter gnant Andlaw 

Darinn erstarb ein geystlich fraw ( 

U, N, G und Germ erwähnen die Scheidung Richardas 
von ihrem Gemahl überhaupt nicht. Cu bringt sie, sagt aber 
nur, daß sich die Kaiserin zum Gottesurteil mit glühenden 
Pflugeisen erboten habe. An die Kaiserchronik i ist schon des- 
wegen nicht zu denken, weil sie das Wachshemd an allen vier 
Enden angezündet werden und «in. einer lutzelen stunden» auf 
dem Leibe der Kaiserin verbrennen läßt. Dagegen findet sich 
die Legende etwa ebenso wie in KB bei Kon igsh o fe n *, 
sogar mit wörtlichen Anklängen : 

cZu den selben ziten hatte dirre keyser einen argwon uf sein 
wip sant Hichart, das sü solte ir e gebrochen haben mit dem 
bischove von Verzelle, wan sü ime heimelich was. do ent- 
schnldigete sü sich, das sü weder des keysers, bi dem sü 12 j o r 
was gewesen, noch keines andern mannes wip were ie worden, und 
das sü noch eine r ei ne m a g e t were. und das bewerte sü domitte, 
das sü ein gewichsset hemede ane dat und domit ging in ein 
für und bleip unversert in dem füre.» 

Die sprachlichen Beruhrungen machen es wahrscheinlich, 
daß die Anekdote aus Königshofen entnommen ist« Die Ghronik 
lag gedruckt vor.3 Der Druck oder auch eine Handschrift könnte 
Zschorn in Straßburg zugänglich geworden sein, wie früher 
Sebastian Franck. Damit hätten wir eine weitere Quelle für 
KB anzusetzen, und wieder eine, welche aus U schöpft und 
für Germ benutzt worden ist. Eine Verwendung für KB ist nur 
an dieser Stelle nachzuweisen. 

Weniger befriedijjend ist, was wir über die zweite Anekdote 
zu sagen haben. KB 97 v berichtet nämlich von einer Rede 
Sigismunds auf dem Konzil von Konstanz : 



1 S. Mon. Germ.. Deutsche Chroniken I, 1, 1892. S. 361. 

2 Chroniken d. oberrhein. Städte I, 1870, S. 414. 
» Vgl. Potlhast II 2, S. 1077. 

14 



— 210 — 

Wie man hielt die erst Session 

Da fieng Sigmandt zu reden an / 
Ihr Hochgeierten in gemein 

Ich bitt lassen ench bfolen sein / 
Der Kirchen mängel alle sant 

Ein schlechten Leyen an mir handt / 
Das erman ich ench bey dem Gott 

Der todt vnd marter glitten hatt / 
Das ench die sach anglegen sey 

Was ihr darnach erkennen frey / 
Will ich bestetten krefftigklich 

Vnd gieng mir druff mein Eönigrich / 
Mit solchen Worten sie anredt 

Das schier yederman wainen thet. 

Die Akten des Konzils sagen nichts von einer solchen 
Ansprache Sigismunds, ebensowenig Aschbach in der Geschichte 
dieses Kaisers oder Hefele in seiner Konziliengeschicltte. Auch 
in der Literatur des 16. Jahrhunderts über Huß und das 
Konzil haben wir vergeblich danach gesucht, auch da, wo man 
eine Anspielung erwarten könnte, wie in Melanchthons 
«De Sigismundo Imperalore Declamatio)» i, oder Bullinger, 
Von den Gonciliis. Andererseits kann Zschorn die Geschichte 
nicht aus der Lufi gegriffen haben. Wir wissen zur Zeit keine 
andre Erklärung als folgende: 

Hedio hat U 396 in den Paraleipouiena einen Abschnitt 
von 17 Zeilen, cConcilium Gonstantiense:» aber- 
schrieben. Rr beginnt mit der bekannten Erzählung, daB Sigis- 
mund am Weihnachtsabend in Konstanz eingezogen sei, und 
in der Missa in nocte als Diakonus das Evangelium gesungen 
habe. Sechs Zeilen weiter wird berichtet, daß Johann XXIII. 
in der ersten Session eine Ansprache gehalten habe: Synodutn 
alloquutus, ut omnes meditarentur, et solerter insisterent pro 
pace Ecclesie, peritos literarum sacrarum in prirais alloquitur, 
ut expendant errores. Diese Stelle könnte allenfalls, mit andern 
Erinnerungen vermischt, als Unterlage für Zschorns Erzählung 
angenommen werden.* 

Noch haben wir den Abschnitt über Ferdinand zu unter- 
suchen. Er ist so groß wie die von Karl d. Großen und 
Rudolf v. Habsburg handelnden Teile, obwohl Ferdinand erst 
ein Jahr regierte, und macht den Eindruck, als sei er 



» Corp. Ref. XI, 316 flf. 

> Das Weinen berichtet Stumpf, des grossen Concilinms zu 
Costentz bcsohreybung lo41, S. 82 v gelegentlich des Bäcktritts 
Johannes XXIII. — Ich gestehe übrigens von dieser Erklärung 
selber wenig befriedigt zu sein, kann aber nach meiner jetzigen 
Kenntnis der Literatur keine bessere geben. 



— 211 — 



ursprunglich nicht beabsichtigt gewesen. Karls V. Geschichte 
ist im vorletzten Abschnitt bis zur Krönung in Bologna geführt. 
Die großen Quellen begannen zu versagen : Cu ging bis 1519, 
€ bis 1532, Germ bis i538, AChr bis 1543. Je näher Zschorn 
der eignen Zeit kam, um so mehr durfte er auch die Ereignisse 
als bekannt voraussetzen. So schloß er denn ab : 

Was. Carolas mehr hatt gethan 

. Zeigt dir das bach Schleydani an / 

Er ist selbst abgstanden vom Reich 

Gerayset in Hispaniam gleich / 
Darinnen er in kurtzer frist 

Gstorben, ehrlich begraben ist. 

Das wäre ein Schluß für das Kaiserbüchlein gewesen, 
aber kein schöner. Darum griff Zschorn noch einmal zur 
Feder, und beschrieb ausführlich die zwei großen Ereignisse, 
unter deren frischem Eindruck er wahrend der Abfassung des 
Kaiserbüchleins stand : die Thronentsagung Karls und die 
Erhebung Ferdinands. Sein Leitfaden war das «buch Schley- 
danin, auf welches er vorher verwiesen hatte, von Michael 
Beuther übersetzt und bis 1558 fortgeführt. ^ In welcher Weise 
•er es ausgeschrieben hat, möge folgende Gegenüberstellung zeigen: 



KB 101 v. 

Als Carolas vor Metz zog ab 

Ins Niderlandt war sein vorhabl 
Nach schwerem zag ergetzen sich 



Sein leben schliessen rüwigklich 

102 r 

Ynd sind gewesen die Herren 
Wilhelm Printz von Vranien / 

Doctor Jörg Sigmandt Selten 

lehrer 
Vnd Secretari Wolff Haller. 



Sl 348 V. 

DerKeyser mäste sich . . . die Statt 
Metz za gewinnen erwegen, 
vnd zöge . . . darnon ab . . . vnd 
von dannen ins Niderland. 

Forts. B 14 r. 

... er seine tage volgends mit 
ruhe zu beschliessen. 

20v 

Wilhelmen Printzen von Vra- 
nien, Graff zu Nassaw, . . Jörg 
Sigmundt Seiden Lehrer der 
Rechten, auch Wolfif Haller 
vnser Secretarij. 



1 Johannis S 1 e i d a n i Wahrhaftige Beschreibung aller Händel, 
so sich in Glaubens Sachen vnnd Weltlichem Regiment vnter . . . 
Carle dem Fünfften zugetragen . . . auß dem Latein inn recht- 
geschaffen Teutsch gebracht . . . Daran : Ordentliche Verzachniß [!| 
allerley Sachen vnnd Händel so sich . . . vom 1555ten Jar an, biß 
auff die zeit als Keyser Karl der Fünfft die Keyserliche Hoheit . . . 
vbergeben lassen, . . . zugetragen. Durch Michaelem Beut her. 
Frankfurt 1559. — Der von Th. Paur, Joh. Sleidans Kommentare 
1843, S. 133 erwähnte erste Druck der Beutherschen Fortsetzung 
von 1558 war mir nicht zugänglich. 



~ 212 — 



103 r: 



Demnach entpfieng Pfaltzgraff am 

Rein 

Den andren tag die Lehen sein / 
Von Ferdinande dem Eeyser 

In der Eeyserlichen kammer / 
Hertzog von Sachsen lobelich 

Empfieng sein Lehen tugentlich | 
Vnder dem freyen Himmel schon 

Wie sein vorältern han gethon / 
Von Brandenburg dem Churf ürsten 

Sind bestätigt seine Lehen / 
Am dritten tag ist geschehen 

Mit allen Ceremonien. 



22 r. 



Am nachuolgenden tage emp- 
fingen von Eeiserlicher Maiestaft 
zwen Ghurfdrsten nach altem ge- 
brauch Jhre vom Reich tragende. . , 
Lehen, der Pfaltzgraue am Rhein 
in der Eaiserlichen Eammer, der 
Hertzog von Sachssen öffentlich 
vnder dem Himmel | wiedenn auch 
der Churfiirst von Brandenburg: 
am andern tage hernach gleicher 
weise mit gewönlichen herrlichen 
Ceremonien | so im Reich also 
herkommen, gethan. 



Mit einem Segenswunsch, wie Beuther, schließt auch 
Zschorn sein Buch. . 

Einige Züge der Erzählung über Ferdinands Proklamation 
sind nicht aus Beuther entnommen, finden sich aber z. B. in 
Dionysius Dre y l wein s Eßlingiscber Chronik. i Man vergleiche : 

EB 103 r. 

In Fränckfort war ein groß geleut 
Aus manchem stuck da schoss man freudt / 

In Trometen gestossen würt 
Dem newen Eeyser Triumphiert. 

Dreytwein S. 185, 29 ff . 

fAls aber ire keiserliche Mayestett ist dahin provysirrtt worden 
zu remschen keiser, hatt man darnach angefangen zu singen <Te 
deum laudamus> nachvolgend die trometten, herbucken, auch alles 
geschitz abgeschosenn, auch ale glocken angezogenn und gelitten > 

Vermutlich ist über die Wahl Ferdinands zu Frankfurt 
eine Relation oder Neue Zeitung verbreitet worden, welche dem 
Eßlinger Torschließer wie dem Westhofener Diakonus in die 
Hände kam. 

Fassen wir das Gesagte zusammen, so ergibt sich : Zschorn 
hat nicht eine ihm zusagende Chronik ausgezogen und ver- 
sifiziert, wie es vor ihm Hans Sachs mit Mennel, wie es bald 
nach ihm Episcopius mit Prätorius getan haben. Wenn er auch 
keine archivalischen Untersuchungen anstellte, so hat er sich 
doch der besten Hilfsmittel bedient, welche seine Zeit ihm dar- 
bot. Er hat dabei zu Werken gegriffen, deren Namen auch in 
unsern Tagen noch guten Klang haben, obwohl wir einen 
andern Maßstab anzulegen, sie auch anders zu verwerten 



1 Stuttg. Lit. Verein 221, 1901, S. 185 f 



— 213 — ■ 

gelernt haben als dies im* 16. Jahrhundert möglich und 
üblich war. 

Gehen wir nunmehr, nachdem wir Zschorns Quellen kennen, 
dazu über zu untersuchen, wie er den dargebotenen Stoff ver- 
wendet, und welche Bedeutung seine Arbeit für uns hat. 



6: Zschorn als Schriftsteller. 

1. Bestimmung des Kai se r b üchlei ns. 

Der Name «Chronica oder Keyser Böchlin» erregt zunächst 
den Gedanken, daß wir es mit einer geschichtlichen Darstellung 
zu tun haben. Das ist KB auch bis zu einem gewissen Grade. 
Wenn wir sehen, daß der Verfasser eine ganze Anzahl anerkannt 
wertvoller Quellen zu Rate zieht, die Zahlen und wohl auch 
andre Angaben vergleicht, also Kritik übt, so werden wir ihm 
zugestehen, daß er selbständig arbeitete und sein Werk für 
jene Zeit einen gewissen Wert haben, konnte. Auch für uns 
können, solche Schriften von Interesse, selbst von Wichtigkeit 
werden, wenn der Schreiber auf seine Zeit oder auf seine 
engere Heimat zu sprechen kommt. Wir werden uns aus der 
kleinen Reimchronik, welche 153(5 zu Slraßburg bei- Hans 
Schott erschien, 1 nicht über die Einnahme von Konslanlinopel 
oder die Kriege Karls d. Kühnen unterrichten, aber es wird 
uns interessieren, von der «steynstroß», der «Krutenaw», der 
«Decktenbruck», der «Zeitglock auf dem Münster» zu lesen. 
Die Orlsgeschichte wird beachten, was Hedio in AChr von 
Feuers- und Wassersnot zu Ettlingen, vom reichen Herbst 1539, 
vom heißen Sommer 1540, vom großen Sterben zu Straßburg 
1542 erzählt. 

Im KB suchen wir vergebens nach solchen Lokalnachrichten. 
Wo Zschorn auf das Elsaß zu sprechen kommt, — er hat die 
Alemannenschlacht Julians, die Stiftung des Klosters Andlau, 
die Königspfründe zu Straßburg, Rudolfs Beziehungen zum 
Elsaß, die Botschaft der Herren von Straßburg an Heinrich VII., 
u. a. m. — , wird er nicht wärmer, als wenn er von Franken, 
Meißen, Böhmen erzählt. Kein Wunder I Hedio wurzelte am 
Oberrhein, sein Leben spielte sich bis auf einige Ausflüge 
zwischen Basel und Mainz ab. Zschorn kam von Eiienburg 
nach Westhofen, wahrscheinlich nicht auf dem kürzesten Wege. 
In der alten Heimat war er fremd geworden, in der neuen 
noch nicht heimisch. Er konnte von dem Krokodil zu Brunn 



^ Kurtz viler Historien Hau dt Büchlin. 



— 214 — 

erzählen, von dem Ensisheimer- Aerolithen wußte er nichts. 
Hing sein Interesse für das Kaisertum vielleicht damit zusammen , 
daß er nicht mehr der Sohn einer bestimmten Landschaft, daß^ 
er nur ein Deutscher war? Jedenfalls mußte er darauf ver- 
zieh ten^ interessante Einzelheiten aus der Zeitgeschichte auf- 
zunehmen, als er sich entschloß, auf wenigen Seiten «die 
fürnemisten stuck)) aus der Geschichte von 1500 Jahren «cinn 
Reimen zu stellen». 

Cr wußte auch, daß er kein wi«senschaftlkh hochbedeut- 
sames Buch schrieb. ^ Er hatte einen andern Zweck im Auge. 
Hören wir, was er darüber in der Vorrede sagt : «ich hab euch 
diß klein werklin . . • züschreyben vn eignen wollen. Auch 
auß diser vrsach, dieweil ihr ein sondern lust haben Historie 
zu lesen, vnd keynen kosten sparen die selbigen bücher zu 
bekommen, Darzu ist diß handtbüchlin vonn den Keysern, als 
ein ynleyiung in andere Chronicken, daraus ichs dafi gezogen. > 
Diese Worte zeigen uns einen straßburger Handwerker des 
16. Jahrhunderts von demselben Lesebedürfnis, man möchte 
sagen Bildungshunger erfüllt, welcher heutzutage vielfach ia 
Arbeiterkreisen herrscht. Solchem Streben wollte Zschorn 
dienen. KB ist ein Volksbuch. 

In dieser Hinsicht kennzeichnet es schon die Sprache. Nach 
den Anschauungen der Zeit eignete sich für wissenschaftliche 
Werke nur die internationale Gelehrtensprache, das Latein. 
Man wunderte sich, wenn ein gebildeter Mann deutsch schrieb.^ 
Karl V. hatte nichts dagegen, daß die Augsburgische Konfes- 
sion lateinisch vorgelesen würde. Gegen den deutschen Vortrag 
wehrte er sich, wie der straßburger Magistrat und Sleidan 
selbst gegen die deutsche Uebersetzung der Kommentare. ^ Es 
war ein Unterschied wie etwa heutzutage zwischen der Ver- 
öflTentlichung in einer Fachzeitschrift und der in der Tagespresse» 

Als Volksbuch kennzeichnet KB weiter die Widmung. In den 
Vorreden anderer gleichzeitiger Druckwerke begegnen wir ge- 
wohnlich der besten Gesellschaft : Kaisern und Königen, Kur- 
fürsten, Bischöfen und Herzogen oder mindestens deren Räten 
und Dienern. Wer ist daneben Jonas Graner? Ein «ernhaffter 
fürnemer burger» zu Straßburg, aber doch nur ein einfacher 
Handwerker. In diesen Kreisen dachte sich Zschorn seine 
Leser. Er erhielt für seine Arbeit keine Verehrung ; aber er 
fand ein dankbares Publikum. 



i Higgenbach, das Ohronikon des Konrad Pellikan 1877, 
S. 171: Gerardus legendos praebuit suos tractatus plures, doctos et 
atiles quamvis germanicos. 

'^ H. Ba uro garten, Sleidans Briefwechsel 1881, S. 307—318. 



— 215 -. 

Einige Jahre später hat noch ein andres Glied der Familie 
Graner ein Buchlein dediziert bekommen Wolfgan<( Hagen, 
Bürger zu Tübingen^ hatte auf seiner Wanderschaft zu Straß- 
hurg seitens einer Frau Susanna Gran er in (f\\\ Ehr, liebs 
und gnts» erfahren. Zum Dank widmete er ihr eine kleine 
Dichtung.^ In der Widmung nennt er sie eine Liebhaberin 
des Meistergesa n;p>s und Dichtens. Durften wir annehmen, 
daß diese Liebhaberei schon den älteren Familiengliedern 
eigen war, so hätten wir die Erklärung^ warum Zschorn für 
sein Kaiserbüchlein auf die Form zurückgrifT^ welche einst 
Hans Sachs für denselben Gegenstand verwendet halte : die 
kurzen achtsilbigen Reimpaare oder den Knittelvers. Wenn 
sich der Geschmack der Gebildeten von diesem alteinheim- 
ischen Versmaß abwandte, so war man seiner in den 
breiten Schichten der Bevölkerung noch nicht ül)erdrüssig 
geworden. So kennzeichnet auch die äußerliche Form KB als 
Volksbuch. 

An diese Bestimmung von KB werden wir auch erinnert, 
wenn wir uns das Büchlein auf seinen Inhalt hin ansehen. 
Gewiß, wir finden den ganzen Apparat einer Einleitung in 
andre Chroniken : eine Kaiserliste mit Jahreszahlen, Re- 
gierungszeiten und Lebensaltern, Kriege, Schlachten, Wunder 
und Zeichen, Mord und Totschlag. Aber Zschorn ist un- 
zufrieden, wenn er weiter nichts zu berichten hat, als 
folgendes : 

Opilius Diser keyser ward gleich erweldt 

Ma er Inas. Von den kriegsleuten in dem veldt / 

19 r Regiert mit seinem sane zwar 

Beide nicht lenger dann ein jar / 
Warden erstochen alle beidt 
Nicht sonders von jn würt geseidt. 

Wo es geht, sucht er aus seinen Vorlagen einen Zug 
herauszunehmen, aus dem sich etwas machen läßt, und führt 
denselben weiter aus. So nehmen in dem geschichtlichen 
Rahmen die Anekdoten einen breiten Raum ein. Wir können 
kurz sagen : KB schreibt oft nicht Geschichte sondern er- 
zählt Greschichten. Gewiß die Form, in welcher dem 
Volke die Gestalten der Geschichte am ersten nahe zu 
bringen sind. 



1 Das Apostolisch Symbolam in Reimen weiß gestelt. Tübingen 
1580. — Ich glaubte das Schriftchen auch deshalb erwähnen zu 
sollen, weil wir so wenig Nachrichten über den straßbarger Meister- 
gesang vor Spangenberg haben. 



:2. A.US dem Inhalt des Kaiserbuchleins. 

Streifen wir den Rahmen ab, den sich Zschorn so fleißig 
zusammengestellt hat, so bleibt uns folgende Sammlung von 
Kaiseranekdoten : ^ 

Julias Cesar. — [Sparianas Warsagang. Calparaias Traum]. 

T i b e r i u s. — Glas laßt sich arbeitten wie goldt. 

Claudius. — Der Keyser wärt mit herten stücklia brodt ge- 
worffen. 

Vespasianus. — Vespasianus thet gutes vmb böses [An 
Vitellias Tochter and Mettius PompusianusJ. 

Domitianus. — Muckenfaher. 

Traianus. — [Briefwechsel mit Plinius über die Christen. 
TrajanssäuleJ. 

Antoninas Pias. — Besser frid dann krieg. Ein schidmä. 

Comodus. — Ihm ist gifft gebe worden vnd vber das erstochen. 

Caracalla. — Papinianus ein frommer Jurist. 

Heliogabalus. — Den frawen ein Khathaus. Leno. Saß 
nacket im wagen. 

Alexander Seuerus. — Ein Fürstlich stuck [die Rettung 
Ulpiails]. 

Philippus. — Disen menschen hat kein kurtzweil können 
zu lachen bewegen 

Valerianus Licinius. — Ein fortel bloch^ [,voa dem aus 
Sapores auf sein Roß stieg]. 

Claudius. — Hier hat KB 27 v keine eigentliche Anekdote, 
aber eine nicht uninteressante Randbemerkung: «Gotthen sind 
Teutsche gewesen, die sollen noch in Littaw vnd Llfland auch bei 
Constantinopel ihr teutsch reden». Es ist nicht daran zu denken, 
daß Zschorn auf seinen Reisen in fremden Nationen diese Tatsache 
erfahren habe. Er folgt auch hier lediglich einer seiner Quellen, 
Germ. 37 v : «Gotthi sind Gete, auß Gothland, so die alten Cymbros^ 
die Griechen Cimmerios haben genennt ... die haben allweg teutsch 
geredt . . . jr Fürsten haben sich biß auff vnsere zeit, wie Biblibaldus 
Birckeymerus anzeygt, die Fürsten von Manknpp genent . . . 
haben auch ein Ländlain vmb Constantinopel eingenomen. Joannes 
Carion zeugt, man sag das sie noch heut alda teutsch reden . . . 
Es ist Liffland vnnd Littaw noch von Gotthis gemischt volck> . . . 
Die ganze Nachricht geht über Cario-Melanchthon auf Pirck- 
heimer zurück.^ 



1 Berücksichtigt werden im ff. nur die weiter ausgeführten 
Anekdoten, nicht auch die, welche nur mit kurzen Worten berührt 
oder angedeutet werden. 

'^ Vgl. zu dem Ausdruck Dan. Martin, Le guidon allemaud 
16G3, S. 1'6^: Oü est le montoir? — wo ist der vortheil? 

8 s R. Loewe, die Reste der Germanen am schwarzen Meer 
18%, S. 41 ff. 117 ff. — Locwe legt ra. E. zu großes Gewicht auf 
einzelne Worte M's. «Ac ho die Gottia nominatur regio vicina 
Colchic3e> und «Audio in Chersoneso Taurica hoc nostro tempore 



— 217 — 

Aurelianus. — Straff des ehebruchs vü not zwangs. 
Probns. — Die kriegsleat solten arbeitten. 
Diocletianus. ~ Nachdem sie frid hatte marterten sie die 
Cti-x-isten. 

Julianas. — Die Juden bawen ihren tempel wider aber mit 
gi*0 8sem nachthayl. Galiilee uicisti. 

Theodosius. — Die ohren beicht verbotten. Sanct Ambrosius 
w^xrt dem Keyser in die Kirchen zu gehn. 

Justinus I. — Justinus kumpt mit listen an das Heich. 
Justin! an US I. — Justinianus lohnt untrewlich seinen Hauptleute. 
TiberiuB IL — Ein grosser schätz ligt vnder einem kreutz 
in. einem stein gehawen. 

Mauritius. — Mauritz erkennt dz recht vrtheil Gottes. 
ConstansII. ~ Ein kirchen rauber. 
Ij 6 in. — Man verbredt die schiff vnder, vn im wasser. 
Li e IV. — Diser vertrawet weder seinem sun noch seinen 
^ixcJerthane. 

W ie vndwann dasKey^serthumb andieTeutschen 
t o m me n ist. — Der Bapst rufft Carolü Magnü vin hilff an. Carolus 
^«.grtitfs geschlecht sindt Teutsche gewesen, haben auch in Gallia 
*11 teutsch geredt. — Als Beweis führt Zschorn Otfrid I. 1. 113— 
114 an: 

Die Fränckisch zung gewesen ist 

Gar Teutsch wie man in büchern list / 
Das ich dir hie will zeigen an 

Vnd ein wenig schreiben daruon / 
Wie maus Reimweiß beschriben hatt 

In eim Euangelibuch statt / 
Nu wil ich scriban unser heil 

Der Euangeliono deil / 
So wir nu hiar begunnon 
In vnser Fränckisga zungon. 
Randbem. : Solches Teutsch habe sie geredt, vergleicht sich 
"^v-^s mit der Sächsischen sprach.— Natürlich hat Zschorn Otfrids 
^"Ängelienbuch nicht gekannt. Er folgt Germ 81 v, wo Franck 
US Bhenanus ausschreibt. Interessant ist es zu sehen, wie KB 
alten vierhebigen Vers zum achtsilbigen ergänzt. 
Carolus Magnus. — Hier beginnt die Zählung der deutschen 
^^iser. Der Abschnitt ist mit 100 Versen einer der größten und 
ein ganz hübsches Bild von Karl d. Gr. nach folgender Dis- 
*^OQxtion: «Carolus würt Keyser. C. macht frid mit den Keysern 
_^*^ Orient. Andre Könige fürchteten ihn und schickten ihm Kleinote. 
"'^s. Tugenden im Trinken, Essen, Lesen; Hochschulen, Clöster ; ist 



^stare Gotthorum reliquias» braucht nicht auf verschiedenen gleich 
-j^^igen mündlichen Berichten deutscher Kaufleute zu beruhen. Wie 
T^ß auf Franck, dieser auf Cario zurückgeht, und jeder die Nachricht 
^J*^ Präsens erzählt, so hat wohl auch Melanchthon 1559 Cario 1532. 

?^. ^ sich selbst wiederholt, und die ganze üebcrlieferung geht auf 

^irckheimers Gewährsmänner zurück. 



— 218 — 

in vil sprachen voi beredt gevesen ; Rheinbräeke bei Mninz, bohe» 
StifEt ZQ Ach ; Familienleben ; Vorzeichen seines Endes ; Alter, Tod 
and Begräbnis. — Die kriegerischen Taten Karls sind im Torher- 
gehenden Abschnitt anfgeiuihlt 

Carolns Calnns. — Ein schlacht bey Andernach. Flandern 
wirt ein grafbchaft dorch ein ehrlichen aniang. 

Carolns Crassns. — Die kejserin wirt ein Closterfraw. 

Conrad ns L — Ein golden halsbäd. 

Henricns L — Hertzog in Bayern ver gern K^ser. Zwölff 
artickel helt der tnmier, vnnd durinn wirt löblidier adel erkent 

Ott ho L — Es werden eüich hundert armer lent inn einer 
sehewren von einem Metzischen Bischoff verbrant. Ein historia von 
einem gefangenen. — Dorch diese beiden Geschichten kommt der Ab- 
schnitt aof 84 Verse. 

1 1 h o n. — Die Frantzosen vberfallen Otthonem zn Ach. 

Henricos IV. — Bodolpho ward ein handt abgehawen. 

Conrados IQ. — Ein histori so bey Weinsperg geschehen. 

Henricos VI. — Ein keyserin gebiert im feldtleger. 

Philippos n. — Ottho von Witelspach [erschlägt Philipp]. 

Fridericos IL — Laßt seinen snn in der gefäncknos sterben. 

Bodolf V. Habsborg. — Eyn vberans wolfeyle zeit Ein 
Münsterischer König. Diser Keyser pletzet hosen. Ein seltzame 
Histori [von einem Bischof, der lateinisch redet]. — Dank der vielen 
Anekdoten hat dieser Abschnitt 102 Verse. 

Henricos Vn. — Straßborger schickten ein botschafft zum 
keyser. Dem keyser wärt in dem Sacrament von eim Prediger- 
münch vergebe. 

LadowicosBaoaros. — Ein stattschreyber will keyser sein. 

Bapertas. — Tamerlan ein Tarter. 

Sigismond. — Ein oration Keyser Sigismandts [aof dem 
Konzil]. 

Fridericos III. — Die Armoniacken oder arme Jecken. 

Maximilian. — M. wart inn Flandern zo Brock gefangen 
von seinen vnderthanen. 

CarolosV. — Franciscos König in Franckreich ward gefangen. 

Ferdinandos. — Oarolos will vom Beich abston. Die krönang 
Ferdinand!. 

Dies sind etwa die Anekdoten, welchen Zschorn im KB eine 
größere Anzahl von Versen eingeräumt hat. Als Inhaltsangaben 
konnten wir meist die Randbemerkungen verwenden, mit denen 
er die Erzählung begleitet. Hätte er auf den historischen 
Rahmen und die metrische Form verzichtet und noch einige 
unterhaltende Geschichten hinzugefügt, wie sie ihm^ nach der 
Aethiopica Historia zu schließen, zu Gebote standen^i so wäre 



1 Seine Leser wußten jedenfalls, was mit folgenden Anspielungen 
gemeint war : AeH 16 r : da ist der schuler vber den meister. laufif 
hencker laufif. 58 r: Einem die käs abrahte. 98r: Calasiris'laufft 



J 



— 219 — 

eine Sammlung entstanden, welche wir neben das ccRollwagen* 
büchlein]!) oder die cGartengesellschaft» stellen könnten. Aber 
er erzählte nicht für uns, sondern für sich und seine Zeit. 

3. Zschorn als Erzähler. 

Der Beruf eines Schriftstellers beeinflußt gewöhnlich auch 
seine Schreibart. So wundern wir uns nicht, daß Zschorn an 
einigen Stellen als Diakonus und Schulmeister spricht. Er sagt 
von Galienus KB 26 v : Ein verlorner sun; von Karls d. KahleD 
Drohung, daß sein Heer den Rein austrinken werde KB 67 v : 

Er meint er wer Moses gesell 
Vnd sein voick wer gantz Israhel. 

von Arsaces Selbstmord AeH 159 v: A. name ein frölichei> 
abscheid wie Judas; vom Streit der Söhne Ludwigs d. Frommen 
KB 66 r : das vierdt gebott wirt hie der kinder straff. Ebenso 
fließt ihm ein Katechismuswort in die Feder AeH 136 v: 
Wob kein eyfer, da ist auch kein rechte liebe, das ist gewisslicb 
war. Sonst ist seine Ausdrucksweise nicht besonders kirchlich 
gefärbt. Daß er die Nachricht von Mahomets Auftreten KB 51 v 
mit dem Stoßseufzer schließt : 

Herr Gott thn vns Tentschen beystan 
Dnrch Jesum Christnm deinen son 

erklären die Zeitumstände. In AeH moralisiert er etwas mehr. 
Doch sah er darin den Nutzen dieses Büchleins.^ 

Für gewöhnlich denkt er sich aber seinen Platz nicht in 
der Kirche, sondern vor der Kirche, und spricht, als ob er am 
Sonntagabend bei den Nachbarn unter der Linde säße. Voll 
Eifer begleitet er die Erzählung mit seinen Erklärungen, die 
auf die wichtigen oder interessanten Punkte aufmerksam 
machen: KB 3v: Die erst krön. 15 r: Zu gleich zwen Keiser 
vnd war das erstmal. 20 r: Den frawen ein Rathhauß. 23r : 
Vier Keyser körnen vmb. 24 r: Der erst keyser ein Christ 
worden. 25 v : Hie reissen sich vier vmb das regiment bis sie 
drvflT gehn. 35 r: Aus einö Christen würt ein Mammeluck. 
41 r : Es kumpt ein Königreich vnd ein Landi nach dem 



vmb wie der teafel aaff dem geriist; 136 r: Sie kam eben recht, 
vmb ( = . bei) ein junckfraw seiden vnd vmb gäns habern zu 
kanffen; 137 v: Die alt war vnmüssig wie der teuf ei zu Schiltach ^ 
143 v : Es waren wolffe freundtstüek (vielleicht eine Anspielung auf 
Beinecke Fuchs); 171 v: Oroondates ist zu gach mit der geiss aufif 
den marckt; 189 r: Hydaspes lasst die milch nieder. 

1 Vorred : Für das ander, das dise Poetische Histori, souil 
schöner Moralia in sich hatt, welche hohem vn niderm stand, Alten 
vn Jungen, ihre tugend vnd laster anzeigen vnnd gute lehr geben. 





r: 




andern von dem Römischö reich. 43 r : Der Keyser entpfai 
die Keyserlich krön von einem ßischofF zum ersten mal. 50 
Ein weih regiert das keysertum. 66 v; Diser Hertzoj? m 
zwey Eheweiber. 77 v: Die Ghurfürsten thun die erste w 
85v : Ein keyserin gebiert im feldtleger. 91 r : Diser Keys 
pletzet hosen. 95 r: Ein stattschreiber will keyser sein. 

Ebenso ist er in AeH ganz bei der Sache: 4v: Hie spu 
man rechte trew. 34 v: Er henckt den mantel. 46 v: 
Mor. 59 r: Da wäre auch ein klag vmb hilfF. 65 r : Er v 
meint sie also warm zu haben.* 91 r : Ein new vnglück. 101 
Da werden sie gefangen wie inn dem anfang gemeldet word 
123 r: Ihr kreid oder losung. 127 r : welche ein 
schälckin. 142 r: Das was ein rechter pfeil vff das armbr 
161 r : Hier aber ein newer lermä. 175 r : Der Neydhart Wi 
auch da. 189 r: Das war lapffer eingeschenckt. 200 r: 
ist ein recht stücklin. 204 r: Hie lernen die zwen einand 
wider erkennen usw. ' . 

Wie er gelegentlich von seiner Krankheit und seinen Reis 
erlebnissen berichtet, so wendet er sich auch geradezu an d 
Leser : KB 81 r : Die ertz böswicht haben solch mirackel 
zu hertzen gefast wie du gleich hören würst. AeH 11 r : Li^ 
wie sich der teufel kan schön mache. 

Derbheiten fehlen nicht, obgleich Zschorn die Schicklichk< 
nicht aus den Augen verliert ; « auch kommt bei der volkj 
tümlichen Redeweise ein gewisser Humor zu seinem Recht. ^ 
heißt Claudius KB 4 v: Ein foller zapfT, Phocas 50 r: E 
rechter Pabstnarr. 43 v : Zeno fleucht wie ein has. 56 r ei =» ^" 
spricht ganz der Ausdrucksweise des Volkes : 

Phiiippicus auch sein feind was 
Erschlug ihn mit der stumpffen nas. 

Ebenso 63 v, bei Karl d. Großen : 

Er sprach woh kindt, da ist auch glück 
Solchs spürt ein baur all augenblick. 

Sein gutmütiger Spott trifft naturlich auch die kirchliche- ^^^ 
Gegner. So 63 v : Im stifl't zu Ach da haben sie Josephs hosei — ^* ^ 
70 r : Hie hatt der Bapst vergessen den bettlern einö Patronö 
setze für die leuß kranckheit, sunst wer Arnolphus auch heil 





:u 



i Das heutige «ase warm». Ebenso 138 v: Du must sie m^'^^^ 
frisch haben. 

2 z. B. KB 38 v : Zu schreyben sichs nicht zimen will. 

3 Dieses Heiltum erregte 1486 auch die Aufmerksamkeit Rei»-^^^ 
lins, s. E. Schneider, Joh. Reuchlins Berichte über die Xrön. "»^^JJ^ 
Maximilians I. Zeitsch. f Gesch. d. Oberrh. N. F. 13, 1898. S. ^•^=^^- 



j 



221 

74 V : Ottho verbindt sieb mit dem eydt dem Bapst gehorsam 
zu sein, dz hab$ nocb alle Keyser tbun müssen, oder den 
teufel im glas sehen. 81 v : Di Biscböff Ionen dem Henrico, 
wie der teufel dem, der ihm auch ein liecbt zu ehrö brennet. 
94 r: Dem keyser würt in dem Sacrament von eim Prediger- 
münch vergebe | des müssen sie zu ewiger schäd ihre Herrgott 
mit der linckö band inn das maul schiebe. — 

In AeH hat er eine scherzhafte Erzählung, welche ihm 
besonders gefiel, sogar in den Text aufgenommen.* Wie er es 
hier für nötip^ hält, auf die Pointe aufmerksam zu machen, so 
erklärt er auch sonst, was ihm außerhalb des Gesichtskreises 
seiner Leser zu liej^^en schien. Von seinen Erläuterungen 
griechischer Altertümer genügt es, wiederzugeben, was er AeH 
104 r ad vocem Phoenicopterus bemerkt : Es dörfiften wol geuch 
gewesen sein. — Auch im KB bemüht er sich, die Vergangen- 
heit durch Vergleiche mit der Gegenwart verständlich zu machen. 
Sehen wir zum Schluß, wie sich seine Zeit in seinen Worten 
spiegelt. 

4. Streiflichter auf Zeit und Umgebung. 

Wenn Geistliche Gelegenheit haben, vor ihren Zeitgenossen 
Vergleiche mit der Vergangenheit zu ziehen, so kommt die 
Gegenwart meist schlecht weg. Bei Zschorn tritt der Gedanke 
der «guten alten Zeit» nicht hervor. Wo er frühere und gleich- 
zeitige Ereignisse vergleicht, will er das Verständnis erleichtern : 
KB 31 r: Die zeit war auch ein pauren krieg. 80 r: Berengarius 
der ketzer Zwinglischer meynung. 90 v : Ein Münsterischer König. 
Nur Charicleas exemplarisches Verhalten reizt ihn dazu, einen 
Vergleich zum Nachteil der Jetztzeit anzustellen.« 

Ueberhaupt hat er für die Schwächen der Weiber ein 
scharfes Auge. Behaglich schildert er das Frauenrathaus 
Elagabals KB 20 r : 



> Calasiri gienge es mit dem alten | wie einem Edelmann mit 
einem Paaren der aus einer statt heim gieng / Der Edelmann redet 
ihn an | Peurlin was hats geschlagen ? Der Paur antwort / Jancker 
ich hab tach kaofft. Der Edelman f Ich frag welche zeit es sey. Der 
Paar / Es ist schön blaw die el kostet xij batzen. Der Edelmann / 
Ich mein da hörst nicht wol. Der Paar ( Mein dochter will biß 
sontag hochzeit haben I ich dörfft das gelt sonst wol an zehen ort. 
Der Edelman f Da bist ein Narr, Gott geb dir drüs vn beal. Der 
Paur / Ach lieber Jancker Gott geb euch dreymal soail | ihr sind 
sein wol wert / Der Paar verstund glück vnd heil. — S. 90 r. 

2 AeH 49 v: So verachtet sie alle liebe so von Venere kompt, 
alle hochzeit. hoffart vnnd stoltzen pracht. Eandbem. : Vnsere 
janckfrawen sind aach des sinns ja hindersich. 



— 222 -- 

Da ward gehändlet bey der peen 

Wie jede solt gekleidet gtka / 
Wie ein müßt der andarn weichen 

Neigen sich vor jv dergleichen. 

Boshaft heißt es von Heracleonas' Mutter Kß 52 r : 

Der mater man die znng ansschneidt 
Sie war schwätzig vnd gar verschreit. 

"So auch AeH 19 r: Ein frawenbild mag wol in der gemein 
reden ihr ehr zu bewaren, sonsten sollen ^sie den Schnabel nit 
in allft Dreck stossen. 149 r : An weyber zeheren, krämer 
^schweren soll man sich nit keren. 20 v: 

Der erst vnd schneller frawen rhat 
Hat offtmals gbracht mer nutz dan schad 

Wann sie die sach lang bedencken 
So geht ihr anschlag an bencken. 

^09 v : Ein weib wann sie gen himmel sihet, so hatt sie ein 
list erdacht ; 60 r : Wie noch die jungen Döchter etwa in der 
kirchen verzauberet werden, das sie der predig nicht vil achten ; 
126 v : Woh der teufel nicht hien kuiuen darfF, da schickt er 
•ein alt w«ib mit einem pater noster dahien. Andrerseits ist er 
voll Anerkennung für Calpurnia und Julia Mammäa, Richarda, 
Kunigunde und die Weiber von Weinsberg. 

Den Bauern stellt er kein ganz gutes Zeugnis aus. AeH 
41 v : Vnder grobö wildö bauren vnd wilden thier^ ist ein 
kleiner vnderscheid. 95 r : Wann man ein Pauren bitt / so 
geschwelten jm die obren. Doch tröstet er sie auch 143 r : 
Tyrannische herrö müssen mehr in sorgen stan dan ein armer 
baur. — Schlimme Erfahrungen muß er mit den Junkern 
gemacht haben. AeH 56 v : Der hecken Junckern kenne ich 
auch so einer nicht bescheid thut jres gfallens wollen sie einem 
diegläser ins angesichl werffen. Zum 10. Turnierartikel KB 74 r: 

Das zehend öffentlich ehebrecher 
Solln sich machen vom thnrnier ferr 

i)emerkt er trocken am Rand : Oho ! 

Von den Landsknechten heißt es KB 29 : Vnser pflugamslen 
lauffen lieber vff der gart | dreschen seckel vmb den dritten 
Pfenning. Doch tadelt er den Uebelstand, der ja damals in 
manchem entscheidenden Augenblick verhängnisvoll wurde, daß 
di6 Knechte ihren Sold nicht erhielten KB 49 r : Es ist so ge- 
mein dz man es für ein wolstandt vnd ehr hatt, und hebt be- 
sonders hervor AeH 123 v : Thiamus dancket seim kriegsuolck 
vnd bezalet sie auch. Recht aus der Seele des Volkes ist 
seine Bemerkung gelegentlich eines Zweikampfes zwischen zwei 



— 223 — 

Heerführern 119 r: Sollen die grossen heupter vnd Herren 
des krieges alle also thun, so würde guter frid in aller weit 
sein. 

An den Höfen tadelt er die Völlerei AeH 71 v: ßey vns 
hat ma vil lieber gute volle zapfen zu hoff. Die Ghristenver- 
folgung unter Trajan bat ein Hauptmann (Plinius) verschuldet 
KB 12 v: Es sind zu vnsern Zeiten vil Fürsten vn Herren 
durch solche obren bioser also verfürt worden. Auf die fran- 
zösischen Kriegsdienste deutscher Fürsten geht wohl AeH 120 r : 
Yetzündder gilt es gleich der vatter ist Frantzösisch | der sun 
Keyserisch, also auch die brüder. — Auch das Alamodewesen 
geißelt er 39 v : Klaider geben zu erkennen was landes der ina 
ist, aber nicht bei den Teutsdhen äffen. 

Wie in diesem harten Wort, so spürt man durch das ganze 
KB eine starke Vaterlandsliebe. So oft die cTeutschen:» in der 
alten Geschichte auftreten^ macht er besonders darauf aufmerk- 
sam. Karl d. Gr. und seine Ahnen nimmt er entschieden als 
Deutsche in Anspruch KB 61 r : Garolus Magnus geschlecht 
sindt Teutsche gewesen, haben auch in Gallia all teutsch geredt. 

Das sie aber Begieret hand 
Galliam vnd andre land | 
Das han sie gwannen mit dem schwert, 

So verweilt er auch gern bei der Schlacht von Andernach und 
Ottos II. Zug vor Paris. Der höchste Ruhmestitel ist ihm aber^ 
daß «das Keyserthumb an die Teutschen kommen ist». 

Die Begeisterung für den Kaiser durchzieht das ganze KB ; 
allerdings eine Begeisterung, wie sie nur im Volke möglich ist. 
Zum Kaiser gehört für Zschorn prächtiges Auftreten, Mut und 
Tapferkeit, womöglich eine stattliche Gestalt, immer aber große 
Taten. Der Kaiser muß legitim sein, entweder «ervvöKj), st- 
auch Julius Cäsar — , oder durch Erbfolge zur Regierung ge- 
kommen. Daß Probus KB 29 v Eins gartners sun, Diocletian 
31 r Eins schreybers sun, Justin us I. 46 r ein sawhirt vnd 
holtzhawer waren, f^llt ihm sehr auf. Der Kaiser hat von 
Gonstantin an den rechten Glauben zu schirmen und das Recht 
zu handhaben ; eine Gerichtsszene unter Otto I. umfaßt 32 Zeilen 
und die Bemerkung : Ein schön natürlich keyserlich vrthel. 
Auch soll der Kaiser eine offne Hand haben. 

Tiberius II. Was Justinus aas grossem geyt 
48 V. Alweg hatt zasamen geleit / 

Das gab reichlich der Keyser aus 
Dem armen volck von haus zu haus. 
Bandbem. : Ein Keyser für arm Leut, der sind leyder wenig 
gewesen. 



— 224 - 

Einmal macht er einen Ausfall gegen die Juden : 

CarolasCalnus Ein Jud genant Sedechias 

68 r Der was sein Artzt wie er was kranck 

Vergab ihm mit gifft in eim dranck. 
Randbem. : Bei der Juden Adonay ich woit daß sie jedem also 
theten der jne vertrawen. 

Vorurteilsfreier zeigt sich Zschorn, wenn er gegen die Fdter 
protestiert AeH 152 v: Hie soliö die peiniger ein Exempel 
nemmen, dann mancher aus marter bekennet, das er nie ge- 
dacht noch müglich gewesen». Vorzeichen und Prodigia verachtet 
er nicht, doch hält er wenig auf Traumdeutungen AeH 17 r : 
Solcher narren (indt man noch vi! die wff treum halten, deutens 
vn legens jn selber aus vn treffens beim ars an kopfF. 

Mißbräuche in der eigenen Gemeinde veranlaßten ihn wohl, 
St. Urban und Bacchus gleichzusetzen AeH 179 v ; Sanct 
Vrban ehrt man auch im Morenland.i 

Damit haben wir das kirchliche Gebiet betreten. 

Zschorn hat es vermieden, aus der Kai sergeschichte eine 
Kirchengeschichte zu machen. Nur mit wenigen Worten be- 
richtet er zu Augustus von Christi Geburt, zu Tiberius von 
seinem Tod, zu Nero, Domitian, usw. von den Ghristenver- 
folgungen, die ihrer gerechten Strafe nicht entgehen : 

De eins Zu Tyrannisieren fieng an/ 

24 V Vnder den Christen wie ein hundt 

Deßhalb ihn Gott straffet zn standt . . . 
Diocletianus Erstach sich selbst dann biilich seit / 
31 V Ein solcher mensch nemmen ein endt. 

Der Gott darzu die Christen schendt. 

Lieber sind ihm die günstijren Nachrichten über Trajan, 
Julia Mammäa, Philippus, Constantin und Jovian. Von hier ab 
merkt er gelegentlich das Wachstum der Kirche an, die Be- 
kehrung der Sachsen, Dänen, Böhmen, Ungarn, die Türken- 
gefahr, den Fall Konstantinopels. Nicht viel höher als Mahomet 
wertet er die Ketzer, vor allen Arius : 

Valens Ein grosser Arrianer war 

37 V Darumb strafft ihn Gott also bar/ 

Dem feindt in ein dörfflin entran 

Das wardt angzündt darinn verbran [ 
Drey jähr nach seines bruders todt 
Im rauch für zu Arriani Gott. 



^ S. über das Verbot der St. Urbansfeier zu Westhof en 1551 
Kiefer, Pfarrbuch 1890, S. 341. - Auch der«ischof von Straßburg 
war auf der Diözesansynode 1549 gegen die St. Urbansfeier vorge- 
gangen, s. Acta Synodi Argentinensis Episcopi Erasmi 1566, Kap. 19, 
S. 79 v. 



-- 225 - 

Sein eigner Standpunkt ist gut lutherisch. Er zählt die 
Gebote nach dem kleinen Katechismus und lehnt Zwingiis 
Abendmahlslehre ab Kß 70 v : 

Zu seinr zeit Berengarius 

In seim ampt ein Diaconus / 
Hat grosse mißler angestifift 

Lies von ihm aus ein solches gifft / 
Das da nit vnder brot vnd wein 

Der leib Christi vnd blnt solt sein / 
Sander schlecht wein darzu schlecht brot 

Zwingli solchs auch geieret hat. 

Man spurt die Jahre, da Vermigli und Zanchi in Strasburg 
der Boden zu heiß wurde. — An die gleichzeitigen Bemühungen 
um Einführung einer geregelten Kirchenzucht gemahnt die 
ausführliche Schilderung KB 39 v : Sanct Ambrosius wert dem 
Keyser in die Kirchen zu gehen, 18 Zeilen mit der Randbem. : 
Das ist der recht ban. — Von Luther wird nur die Geburt 
erwähnt, etwas mehr von Huß KB 06 v : 

Johan Hnß die Zeit gwesen ist | 
Weicher Christum hatt recht bekent 
Deshalb zu Costentz ward verbrent. 

Von der Reformation sagt Zschorn kein Wort; aber er steht 
überall auf dem Boden der neuen Erkenntnis. Kritisch be- 
handelt er Petri Aufenthalt in Rom KB 5 r : 

Es sagen etlich offenbar 

Gilt gleich erlogen oder war / 
Petrus zu Ehom gwesen sey, 

ebenso seinen Märlyrertod, während der Tod Pauli zu Rom 
nicht angefochten wird Kß 6 r ; 

Die Christen ließ er martern sehr 
Sanct Panlnm tödten vnd noch mehr/ 

Man sagt Petrus sei da getödt 
Etlich die haltens für ein'gspött. 

Das Mönchtum ist ein überwundener Standpunkt : 

AnastasinsII Das er thut vom Eeyserthum stan 
56 V Vnd legt ein grawe kntten an / 

Dienet da seinem lieben Gott 
Seiner roeinung biß in den todt. 

Carolus Magnus Darzu hat er der Clöster vil 

63 r Gestifftet wie man sagen wil / 

Zur Zucht vnd guter Policey 

Nicht zur faulkeit vnd schelmerey . . . 
Sein Horas hatt gesungen wol 
Wann es zur selgkeit helfifen sol. 

15 



^ 226 - 

Die Art und Weise, wie er den Nutzen der Möncherei dahin- 
gestellt sein läßt, klingt fast wie Toleranz. Wo er gegen 
Klerus, Bischöfe und Papst polemisiert, wie bei Otto I., Hein- 
rich IV. und V., Konrad IV., geschieht es weniger aus kirch- 
lichen als politischen Beweggründen^ nach dem Amsdorfschen 
Gedanken : wie untreulich die Päpste zu Rom mit den röm- 
ischen Kaisern gehandelt haben. Darum bleibt auch seine Aus- 
drucksweise, so derb und roh sie uns erscheinen mag, weit 
hinter dem zurück, was die kirchliche Polemik jener Tage auf 
beiden Seiten zu leisten pflegte. An der einzigen Stelle, wo 
er gegen die Messe schreibt, entschuldigt er sich vorher förm- 
lich KB 102 V : 

Ich schreib gar kindisch wie ein thor 

Muß anch strecken ein Eselsohr / 
Es wundert mich vil, nit wenig 

Das vil Keyser darzu König / 
Ghaiten haben für heilisch pein 

Ohne ein meß bestätigt sein / 
Vnd haben doch erfaren zwar 

Das hindrem Bapst steckt groß gefar j 
Mein ohr zuck ich gern hindersich 

Ist vergebens dann man kent mich 

Sein Verfahren erklärt sich durch die kirchliche Lage um 
1559.1 Die Grafschaft Hanau-Lichtenberg war am 28. Mai 1545, 
also zu einer Zeit, da der erste Sturm der Reformation schon 
vorüber war, in mildester Form auf die evangelische Seile 
hinübergeführt worden, ohne daß Graf Philipp IV. erheblichen 
Widerstand gefunden hätte.^ Die Sliftsherren von Neuweiler 
machten keine ernstlichen Schwierigkeiten, obwohl sie in 
einigen hanauischen Pfarreien die Kollatur besaßen. In den 
Aeußerlichkeiten des Gottesdienstes wurde nicht viel ge- 



1 Vgl. zum ff. Röhrich, Gesch. d. Reform, im Elsaß. II, 1832, 
S. 229-232. Ders., Mitteilungen II, 1855, S. 65 ff. - N. Paulus, 
die Straßburger Reformatoren u. d. Gewissensfreiheit, in : Straßb. 
theol. Studien II, 2 1897, S. 67 ff. — L. A. Kiefer, Pfarrbuch 
1890 passim. — Röhrichs Angaben werden von Kiefer an vielen 
Stellen ergänzt und berichtigt. 

2 Einige der alten Geistlichen, welche die Veränderung nicht 
mitmachten, finden wir noch einige Jahre im Genuß einer Pension 
als Einwohner ihrer frühern Gemeinden, wie Hrn. Sorgus von 
Gottesheim, oder in der Nähe, wie Hrn. Fridericus von Dunzenheim, 
der nach Gugenheini zog. Vielleicht hängt eine mehrtägige Turin 
strafe, welche der Leutpriester Nikiaus Leyn von Ernolsheim 1550 
zu verbüßen hatte, mit seiner kirchlichen Unfügsamkeit zusammen, 
da der Kirchschaffner schreibt, er habe etliche Mal des Interims 
halber nach Ernolsheim yemußt. S. dazu Röhrich. .Mitt. II, S 83. 



— 227 — 

ändert.^ Nur die fehlenden Bilder erinnerten daran, daß man im 
Gebiet der süddeutschen Reformation war.« Zschorns nächster 
Vorgesetzter, der Pfarrer Marx Hörn von Westhofen, hatte bis 
1545 seine Messe gesungen^ Zschorn selbst aß das Brot des 
Domkapitels von Straßburg. Zur Polemik lag kein rechter 
Grund vor, eher zu dem Gefühl, daß das Papsttum zurück- 
gehe. 1556 war die Reformation in den kurpfälzischen Teilen 
des Elsasses zur Durchführung gekommen. Zwischen dem 
Grafen Philipp V. von Hanau -Lichtenberg und der Erbtochter 
des katholischen Grafen Jakob von Zweibrücken— Bil seh war 
eine Heirat im Werke, welche die Aussicht auf eine Reforma- 
tion der zweibrückischen Hälfte der Grafschaft Lichtenberg 
eröffnete. Dazu lief am 23. November 1559 der zehnjährige 
Schirm vertrag der Stadt Straßburg mit dem Bischof ab. Am 
19. November wurde im Münster die letzte Messe gehalten. 
Der Vikar Michel Schwan, welcher das letzte Amt gesungen 
hatte, wurde später selbst lutherisch. s Zschorn konnte nicht 
ahnen, daß er in den Anfängen der Gegenreformation lebte. 



7. Die z^weite Ausgabe des Kaiserbüchleins. 

Wir erinnern uns, daß Zschorn in der Vorrede zur AeH 
sich rühmen konnte, daß seine Opuscula bis in sein Vaterland 
geführt und verkauft wurden. Auch in Straßburg wurde KB 
beachtet. Das ersehen wir aus der Vorrede einer zweiten Aus- 
gabe, welche 1561 erschien, sowie aus der Tatsache dieser 
zweiten Ausgabe selbst.* 



1 Lateinischen Gesang sieht noch die Hanauische K. 0. von 
1659 vor S. 4. Die Ausgabe für Waschen und cAusstreichen» 
(Bügein) des Chorrocks, d. h. der Albe kehrt öfter in der Kirch- 
schaffneirechnung wieder. 

^ Am 27. November 1560 wurden z. B. laut Kirchenrechnung 
die €kyrchenthaffelen> und €getzen> von Reitweiler in Buchsweiler 
abgeliefert. 

3 s. K. Eeinfried, Der bischöflich- straßburgische General- 
Vikar Dr. Wolfgang Tucher und seine Zeit (1542—1568) in: Frei- 
burger Diöz. Archiv 26, 1898, S. 15. 

4 Der Titel lautet ; Newe Cronica oder / Keyserbüchlein. Jetz- 
under vff ein new / es widerurab vberlesen, gemehrt / vnd gebessert, 
darinen auch alle Römische Key / ser, von Julie dem ersten Keyser 
an, biß auff / den yetzigen Keyser Ferdinandum, mit eygent- | 
Hoher abcontrafaitung / wie sie auff den alten / pfennigen, gefunden 
werden, sampt der zeit jrer / regierung, leben, thaten, auch wunder- 
zeichen / finsternüssen, Monstras. so vnder yedem Key / ser, im 
lufft, am himmel, auch auff erdtrich, gese / hen worden vn beschehen 
sind / Aus alten war / hälftigen Cronicken, die fürnemisten stuck / 



~ 228 — 

Die Vorrede ist gerichtet von Jeorg Messerschmidt, Buch- 
drucker vnd Burger zu Straßburg, an den Günstigen leser, und 
datiert vom dritten Martij. Anno 1561. Die letzte Seite zeigt 
das Druckerzeichen Messerschmidts : Fortuna auf der Kuge) 
mit einem aufgespannten Segel in den Händen, darin drei 
gekreuzte Schwerter oder Messer. 

Mit Recht heißt die Cronica auf dem Titelblatt «gemehrt» : 
sie ist von 103 Blättern auf 149, von 3234 Versen auf 5121 
angewachsen. Dieses Wachstum rührt her einmal von der 
Aufnahme neuen Stoffes, dann von der Anwendung neuer 
metrischer Grundsätze. 

Stofflich ist KB 2 noch zwei Seiten reicher als KBl. Wir 
hatten bemerkt,, daß in diesem die Kirchengeschichte wenig 
hervorträte. Hierin müssen einige Leser einen Mangel erblickt 
haben. So ist denn in KB 2 die heilige Geschichte ausführlich 
behandelt, ebenso die Ausgänge der Apostel, einige Martyrien 
und die Christenverfolgungen, letztere jedesmal mit eigener 
Ueberschrift. 

Aus dem Zuwachs an weltlichem Stoff treten vier Gruppen 
hervor : Notizen über die Gründungsjahre deutscher Städte» 
Nachrichten über die zur Zeit der einzelnen Kaiser blühenden 
Dichter, Gelehrten und Schriftsteller, kleine biographische 
Einzelheiten zur Kaisergeschichte, endlich eine Anzahl neuer 
Anekdoten. Wir unterlassen es wieder, die kleinen Züge auf- 
zuzählen. Folgende größere Geschichten sind neu hinzu- 
gekommen : 

Tiberius. — [Christi Leben, Leiden und Sterben]. 

C a 1 i g u 1 a. — Sprichwort des Kaisers : hätten sie nar 
einen hals. 

Clandias. — Der Keiser würt von der muter für ein narre 
geacht. Sanct Jacob enthaapt. 

Nero. — Die erste Verfolgung der Christen vnder Nerone. 
Gsicht Neronis [die Seelen der Getöteten]. 

Vitellius. — Wann ein magdt ein fraw, ein knecht ein 
herr vn ein manch weltlich wärt ist kein glück mehr da. 

Vespasian. — Die letst Zerstörung za Jerusalem. Antichrist. 

Titas. — Titi brader ein lecker. 

Domitianus. — Die ander groß Verfolgung der Christen, 
vnder Domitiano. Johannes der Euangelist kumpt zu Cerintho 
ins bad. 



gezogen, vnd in reimen gesteh / mit den Historien vnd rei- / men 
gebessert, vnnd / kurtzweilig za / lesen. Beschriben durch Jo- / 
Kann / Zschornen Eylen- / bergen sem. — Vorhanden in Hamburg, 
Nürnberg Stadtbl., Rostock, Würzbarg. 



- 229 — 

7raianas. — Die dritt Verfolgung der Christen, vnder 
Xrckiano. Simon. Ignatius. 

Adrianns. ~ Bencochab filius stellae. Die vierd Verfolgung 
clex* Christen vnder der Juden Messia. Bencozba filius mendac^j. 

MarcAurel. — [Begegnung Polycarps mit Marcion]. 

Didius Julianus. — Julianus kaufift das Keiserthumb. 

Seuerus. ^ Pescenius. Menschenfleisch vor hunger gessen. 
X>ie fünfft Verfolgung der Christen unter Seuero. 

Caracalia. ~ Bassianus ermördt Oeiam sein bruder, der 
mater in dem geren. 

Opilius Macrinus. — Straaff der frawen sehender. 

Alexander Seuerus. — Thurinus im rauch ersteckt. 
AVeissagerin [sagt dem Kaiser seinen Tod an]. 

D e c i u s. ~ Die sibend grosse Verfolgung vnder dem Eeiser 
Beclo. Babilam [!] Ein gehertzte Christin. 

Valerianus. -— Die achte Verfolgung der Christen vnder 
Valerianus. Menschen geopffert. Ceremon. Der lufft tregt zwey 
Alter eheleut. 

Aurelia n. — Manes der kätzer warde geschunden. 

P r b u 8. — Bonosus erhenckt. Amphora pendens. 

C a r u s. — Neun eheweiber [des Carinus]. 

Diocletianus. -- Die zehend harte Verfolgung der Christen 
^nder Diocletiano vnd Maximiane. Die Bestien zerrissen die hencker. 
Constantinus. — Concilium Nicenum. 

Valentinianus. — Grausame Schlacht im Cathelaunische 
^eld« Valentinianus ersticht Etzelinum. 

Justinianus I. — Teroplum Sophiae. 
Heraclius. ~ Erlegt den Küng Cosdram, nimpt all sein 
«cHatz. 

Le IV. — Name die krö aus sanct Sopheienkirchen. 
Garoius Crassus. — Die Nortmanner werden gezwügen, 
^nnd getanfft. 

Otto I. — Hat die Vngern bestritten. Drey Künig all gehenckt. 
Fridericus Barbarosa. — Ein Meerfart in das heilig 
^*ud. Barbarossa ertrinckt. 

Rudolphus. — Küng Ottacker nider lag. 
i Albertus!.— Herzog Has ersticht den Keiser seine vettern. 

I Friedrich III. — [Reise nach Jerusalem. Kaiserkrönung]. 

I Wir sollten nun eigentlich für diese Anekdoten, über- 

haupt für den (ganzen Zuwachs den Quellennachweis führen. 
Ehe wir uns dieser Frage zuwenden, haben wir aber einen 
andern Nachweis zu führen, welcher jenen ersten für diese 
^''beit mehr oder weniger überflüssig macht. Es ist die 
^'^ge, ob KB 2 überhaupt mit Johannes Zschorn etwas zu 
«chaffen hat. 

Allerdings heißt es auf dem Titelblatt wie bei KBl : Be- 
«chriben durch Johann Zschornen Evlenbergensem. Am Schlüsse 



-- 230 — 

des Büchleins steht zuerst wörtlich der Beschluß von KB 1 mit 
der Ueherschrift : An den günstigen Leser. Nach einem kleinen 
Zwischenraum geht es in der 1. Person weiter: cAls ich diß 
Keiserhüchlin erstlich in druck schreib / hat ich nit so vil 
weil I solchs gnugsamlich, wie ich mir fürnam zu volbringen, 
dann es was mir vii dem drucker die zeit zu kurtz, darumb 
ich dann etliche Keiser mit wenig Worten beschriben hab | vfi 
vil vnderlassen müssen« Derhalben ichs widerumb von newem 
besichtiget, corrigiert, vnd an vil orten | sonderlich bei den 
Teutsch^n Keisern mit lieblichen historien | vnd seltzamen ge- 
schichten erlengert vnd gebessert , wie man sihet, so das erst 
exemplar gegen disem . gelesen würt. Hiemit vil guter leiU. 
Soweit wäre alles in Ordnung. Aber nun kommt das Datum: 
cDatum im herbstmonat | Anno 1560.» Der Herbstmonat ist 
doch der September, und Zschorn ist im August «mit todt ab- 
gangen». 

Aus der Vorrede ist keine größere Klarheit zu gewinnen.^ 
Messerschmidt sagt uns nicht, durch wen er das Büchlein be- 
sichtigen, die Reime korrigieren und mit andern hat bessern 
lassen. Wir sind also auf innere Merkmale angewiesen. 

Nun unterscheidet sich KB 2 von KBl nicht allein durch 
den vermehrten Stoff, sondern auch durch die veränderte po- 
etische Technik.« Vergleichen wir KB 1 und KB ti nach dieser 
Richtung, so ergibt sich folgendes: 



1 . Vom Reim. 

KB 1 umfaßt 3234 Zeilen oder 1617 Reime. Alle Reime 
sind stumpf. 

Länge und Kürze der Reimsilben vokale sind nicht be- 
achtet. Auch sonst sind manche Reime nicht einwandsfrei. In 
62 Fällen beruht der Einklang nur auf Assonanz, 21 mal auf 



1 Dieweil dan ich hieuor das klein handtbüchlin der Keyser | 
sampt seinen Gontrafaitungen vnd Iconijs / So durch wiland den 
Ehrnhafften Johann Zschornen säliger gedächtnüß / aus etlichen. 
Cronicken zusammen gesucht / in druck ausgehn | doch aus gutter 
freund rhat / ich das gemeldet büchlin / auff ein newes besichtigen / 
vnnd die reimen corrigieren | auch mit vnd noch vil vnd mehr | 
andern weitern ergangnen Historien / Geistlicher vnd Weltlicher 
geschichten | so vnder yeglichem Keyser in sonderheyt / sich ver- 
loffen vnd zugetragen | mehren / vnd bessern hab lassen / Hat mich 
nit für vnnützlich angesehen / das selbig ( auff ein_ newes / durch, 
den druck ( wider bei meniglichem bekant zu mache. 

2 Vgl. zum ff J. Minor, Neuhochdeutsche Metrik «, 1902, be- 
sonders S. 333 ff. ^ 



— 231 — 

vokalischer, 41 mal auf konsonantischer. Die eine oder andere 
Dissonanz mag auf Rechnung der Setzer kommen, welche be- 
kanntlich damals den Manuskripten ziemlich frei gegenüber- 
standen. Auch sei an die Möglichkeit einer undeutlichen 
Handschrift Zschorns erinnert. Wir dürfen natürlich nur im 
Notfall zu diesen Auskunftsmitteln greifen, und müssen uns an 
den Text halten, wie er im Druck vorliegt. 

Manche Assonanzen erschienen sicherlich Zschorns Ohren, 
die an den elsässischen Dialekt gewöhnt waren, fast als Ein- 
klang. Ist doch an einigen wenigen Stellen der Dialekt selbst 
in den Reim gedrungen. Zweimal ^ entsteht ein Reim über- 
haupt nur, wenn man die Reimwörter dialektisch ausspricht. 
Zschorn hatte offenbar angefangen sich sprachlich nach seiner 
Umgebung zu richten. 

Nicht ganz selten ist der Sprache und Rechtschreibung zu- 
gunsten des Reimes Gewalt geschehen, so daß Reime für die 
Augen entstanden, wo sprachlich kein Einklang zu erzielen war.» 
— Reiche Reime fehlen fast gänzlich. 

Wir sagten eben, die Reime seien alle stumpf. Wir müssen 
dies Wort etwas einschränken. Es kommen auch klingende 
Reime vor, aber sie sollen stumpf reimen. 

Zschorn gehört, wie wir sehen werden, zu den silben- 
zählenden Dichtern. Er sucht in KBl die achtsilbige Zeile 
durchzuführen. Auch die anscheinend klingenden Reime ge- 
hören zu achtsilbigen Reimzeilen. Bei den vierhebigen Zeilen 
muß aber der normale klingend reimende Vers 9 Silben haben. 
Verkürzte Zeilen können zufallig und ausnahmsweise vor- 
kommen. In einer Dichtung, welche die Regelmäßigkeit der 
Silbenzahl so peinlich innezuhalten sucht wie KBl, wären sie 
sehr auffallend. 

Auffallend wäre ferner, wenn KB 1 weibliche Reime be- 
absichtigt hätte, daß dieselben da nicht gebildet worden 
sind, wo sie so nahe lagen, wie in den öfter vorkommen- 
den Versschlüssen : farn : warn, hern : ehrn, bgern : seh wem, 
Bancketiern : verfürn, geborn : erkorn, hörn : im gehrn, 
u. a. m. 

Endlich sind verhältnismäßig zahlreich die Zeilenpaare, deren 
eine Zeile wohl die Hälfte eines klingenden Reimpaares bilden 



^ Julianus ■ grlchtet aus, und : saul : bul. 

2 Z. B. tausindt: findt, Nero: Galbo. wurdt: vmbgfart, marter 
vnd qaei: in der hell, koch: im groch, getödt: genöt, fründt: ge- 
gündt, biß ijehn Pareyß : sig vnd preyß. 



- 232 — 

könnte, deren andere Zeile aber stumpf ausgeht. i Diese Reime 
beweisen, daß Zschorn die tonlosen Endsilben auf Tonsilben 
reimte. Sie führten ihn weiter dazu, Wörter mit ganz ver- 
schiedenen Tonsilben, aber gleichklingenden unbetonten End- 
silben reimen zu lassen, z. B. : Franck^n : Sachsen, und es ist 
nur Zufall, wenn ihm auch einmal Wortpaare mit unterlaufen, 
wie betten : nölen, welche für uns richtige klingende Reime 
bilden. 

Anders KB 2. Zunächst fallt ins Auge, daß jeder Abschnitt 
mit einem Dreireim schließt. Dann sind die Reime durch das 
ganze Buch, wie der Titel sagt, gebessert worden. Der klingende 
Reim ist neben den stumpfen Reim getreten, vielfach so, daß 
die Zeilen von Kßl, welche scheinbar klingend ausgehen, auf 
Silben gebracht wurden. Wo KB 1 betonte und tonlose 
Silben reimte, ist fast durchweg gebessert worden, meist durch 
Umschreibungen, indem für jede Reimhälfte ein besser passen- 
des Reim wort gesucht, somit die Zeilenzahl verdoppelt wurde. 
Hierdurch ist das Anschwellen von KB 2 um 1887 Verse mit 
verursacht worden. 

Von den 341 weiblichen Reimen findet sich die größere 
Hälfte in den nach KBl umgearbeiteten Teilen, die. kleinere 
in den neu hinzugekommenen Stellep. Der stumpfe Reim be- 
herrscht immer noch 4780 Zeilen, also die weitaus über- 
wiegende Mehrzahl. Daß KB 2 auf Anwendung des klingen- 
den Reimes nicht erpicht war, zeigen Versschlüsse wie 
regiern : vexiern, warn : jarn, habn : begrabn, wehin : er- 
zehln u. a. m., welche leicht hätten klingend gemacht werden 
können. 

Ganz einwandsfrei sind auch die Reime von KB 2 noch 
nicht. Wir begegnen sogar noch einem neuem Fall, daß eine 
tonlose Endsilbe auf eine betonte reimt : zauber^r : sehr. Wir 
finden ferner neue, teilweise starke Beispiele von nur konso- 
nantischer Assonanz, breite Anwendung von Dialekt worten, und 
einige neue erzwungene Reime, 

Wir bemerken einstweilen, daß KB 2 die Reime von KB 1 
an vielen Stellen verbessert hat. Aus den neuen Teilen von 
KB 2 ergibt sich indes, daß die Verbesserung der Reime nicht 
ausschließlich sein Ziel war. Ein Teil der Fehler, welche in 



1 Beispiele •• wer : Keys6r, sehr : Trier, gefel : himmel, zwen : 
Melssen, lehr: büch6r. nacht: zwiträcht. laß: Elsaß; Persien: Je- 
rusalem, König: glück. Fürsten: vnbequem, Statthalter: sehr, blut- 
girig: glück, Bapsttüm : rhum. — S. über die Entstehung dieser 
Reimtechnik Ch. Au. Mayer, Die Rhythmik des Hans Sachs, in : 
Paul u. Braune, Beitr. 28, 1903, S. 466 ff. % 



— 233 — 

1 angemerkt worden waren, sind in den neuen Teilen von 

2 wieder begangen worden. 

2. Vo m Versmaß. 

Von den 3234 Zeilen, aus welchen KB 1 besteht, sind 
3098 oder 95i|2 <>|o achlsilbig. Dies Zahienverhältnis berechtigt 
uns anzunehmen, daB Zschorn ein gleichmäßiger Vers von acht 
Silben als Ziel vorschwebte. 

Drei Verse sind zweifelhaft. 133 haben Abweichungen, 
nach obeä wie nach unten. Es sind, wenn wir richtig gezählt 
haben, zwei sechssilbige, Gl siebensilbige, 68 neunsilbige, zwei 
zehnsilbige Zeilen. 

Von den sechssilbigen Zeilen enthält KB 1 80 v Latein : 
Petra dedit Petro. — Hier war Zschorn gewiß zufrieden, daß 
er überhaupt einen leidlichen Vers herausbrachte. 

Von den 61 sieben silbigen lassen sich 29 sofort auf acht 
Sill3^n bringen, wenn wir in Wörtern, bei denen der übrige 
Sprachgebrauch von KBl dazu berechtigt^ ein e einfügen. 
fJwigekehrt haben wir in 35 der 68 neunsilbigen Zeilen 
ri^r* ein e, welches auch in anderen Fällen synkopiert oder 
^Polsopiert wird, zu streichen, um das Achtsilbenmaß herzu- 
stellen. 

Auch in einer der zwei zehnsilbigen Zeilen lassen sich 
^'^^V'oi, in der andern eine streichen. 

Es handelt sich 20 mal um die Vorsilbe ge oder be, 11 mal 
^^iTi das Wort «Ehe» mit seinen Ableitungen — ehlich ehbruch — 
^ «nal um Zusammensetzungen mit «zehn» oder «zehen». Da 
*^t es erlaubt, die bessernde Hand anzulegen. 

Für die 67 Zeilen, welche nach diesen Veränderungen 
^och von der Achtzahl der Silben abweichen, — 2/1 o/q der 
CT^nzen Zahl — unterlassen wir es Konjekturen aufzustellen. 
Elin Druckfehler ist jedenfalls KBl 69 r: 

Thet an^ kleydt mit wachs bereit 

^^'i andrer Druckfehler wird uns noch beschäftigen. 

In den drei zweifelhaften Versen handelt es sich um die 
Creltung des Diphthongs au. Es heißt KB 39v. : 

Zu Eniauß in Jüdischer art 

r^*^ Bibeldrucke bis 1560, welche wir einsehen konnten, haben 

"-•^k. 24,13 oft Emmahus, so daß an der dreisilbigen Aussprache 

^s aus dem Evangelium auf den Ostermontag geläufigen 



^ Ergänze : ein. 



— 234 -^ 

Namens nicht zu zweifeln ist. Doch kommt auch die zwei- 
silbige vor. Das Gesangbuch der böhmisch-mährischen Brüder ^ 
reimt 1531 : 

Darnach yhr zweyen vor emaus 
vnd den legt er die schriefften aus. 

Wie Zschorn gesprochen hat, müssen wir dahingestellt sein 
lassen. Dasselbe gilt von den Namen Wenceslaus KBl 96 v« 
und Vladislaum 99 r. 

Um die Achtsilbenzahl herauszubringen, müssen wir in 
den Eigennamen und einigen Fremdwörtern lateinischer und 
griechischer Abstammung i vor Vokal bald vokalisch, bald kon- 
sonantisch aussprechen. Dicht nebeneinander stehen Verse wie 
KBl 2v: 

Durch Julij volck erschlagen wardt 
und : 

Schwuren zusammen Jullum. 

Von den Hilfsmitteln der Synkope und Apokope hat Zschorn 
reichlichen Gebrauch gemacht. Wenn irgendwo, so hat auch 
hier der Setzer nachgeholfen. Einige starke Fälle von Wort- 
verkurzung sind KBl 31 v: 

Liessen sich anbetten wie Gott 2 
Weichers nicht thet ward getödt 

KB 1 33 r : Darnach Constant. allein regiert 

Es ist die Rede von Constantin d. Gr. 

KBl 57 v: Er lies tragen alle bild zusam. 

S4r: Er zog wider die Saracen 

Umgekehrt sind viele Zeilen durch Wortverlängerung 
ausgefüllt worden. Wir treffen das paragogische e, wie 
KBl 8v: 

Yespasianus der Heide; 
Das e zwischen r und n KB 1 74 r : 

Sunst würt man sie aus musteren; 

volle Formen, etwas altertümlich und ungebräuchlich, aber zur 
Vervollständigung der Silbenzahl gut zu gebrauchen : Daselbest. 
ernstlichen, zu ersten. Deßhalben. Christen lieh, zum Hertzogen. 



1 S. Wackernagel, das deutsche Kirchenlied III, 1870, 
S. 269, Nr. 302. 

2 Der Plural «Gött> kommt zwar in straßburger Drucken des 
16. Jahrhunderts vor, Zschorn sagt aber sonst immer «Götter>. 



— Q35 — . 

artzet. wammes. Münich. — Ein Seitenstück zu Constant. ist der 
Acc. zu Irene KB 4 60 r : 

Ireneam die Fürstin hoch. 

Am häufigsten sind die Verbalformen wie schreibet, ge- 
schwechet, erwölet usw. Doch tritt die Wortverlängerung viel' 
seltener ein als das Gegenteil. 

KB 2 hat auch das Versmaß verbessert. Von den abweichend 
langen Zeilen aus KB 1 sind in KB 2 übergegangen : zwei 
siebensiibige, 13 neunsilbige, von denen eine nunmehr in einem 
weiblichen Reim steht. Eine zehnsilbige steht neunsilbig im weib- 
lichen Reim. Die übrigen sind, richtig gestellt oder ersetzt und 
umschrieben. 

Aber die neuen Verse sind auch nicht alle normal. 

Die klingend reimenden Zeilen sollten neun Silben ent- 
halten. Wir zählen eine siebensilbige, sieben achtsilbige, acht 
zehnsilbige. Allerdings scheint KB2 117v: 

Der Hertzog von Lothringen 

der Name «Gottfrid» versehentlich weggelassen zu sein. 

Von den stumpf reimenden Zeilen sind in KB 2, die aus^ 
KB 1, beibehaltenen Fälle eingerechnet, 18 siebensilbig, 67 neun- 
silbig, eine zeJmsilbig, zusammen 86 Zeilen, oder 1,8% von 
4780 stumpf reimenden Zeilen. 

Das Verhältnis ist günstiger als in KB 1. Immerhin sehea 
wir, daB KB 2 nicht sein Interesse darauf konzentriert hat. 
die Veränderungen vorzunehmen, welche wir bisher festgestellt 
haben: Einführung des , klingenden Reims, strengere Durch- 
führung des Gleichmaßes der Silbenzahl. Es muB noch ein 
andres Bestreben obgewaltet haben, von dem jene Veränder- 
ungen nur mehr nebenbei mithervorgerufen sind. 

Der achtsilbige Vers reizt zum Skandieren. Lesen wir eine 
beliebige Stelle von KBl, indem wir den Ton beachten, so 
sehen wir sofort, daß wir nur imstande sind, mit schwebender 
Betonung zu lesen. In KB 1 gehen Versakzent und Wortakzent 
meist auseinander. 

Lesen wir dieselbe Stelle in KB 2, so empfinden wir ein 
Gefühl der Erleichterung : Versakzent und Wortakzent stimme» 
meist zusammen. Diese Uebereinstimmung herzustellen, vvar 
die Absicht, von welcher der Bearbeiter von KB 1 geleitet 
wurde. 

Kann dies Zschorn gewesen sein ? Zu Neujahr 1559 erschien 
KBl, im August 1559 AeH. Hier sind in den wenigen 
meti'ischen Stellen dieselben Unvoll kommen hei ten zu bemerken 



— 23(5 — 

wie in KB 1 . Zschorns Spradigefühl und Geschicklichkeit mußte 
also im Winter 1559/60 eine Umwandlung erfahren haben, 
wenn er KBi zu KB 2 umgearbeitet hätte. 

Daß er dies nicht getan hat, zeigt folgende Erwägung. 
KB 1 50 r heißt es in der Geschichte des Kaisers Mauritius : 

Aber Phan erschnappet ihn 

Wer ist Phan ? — vier Zeilen vorher steht : 

Alles kriegsuolck dem Phoca schwär. 

Vier Zeilen später heißt es : 

Vom schwerdt Phoce er auch verdarb 

Der ganze Abschnitt handelt vom Aufstand des Phocas gegen 
Mauritius. «Phan» ist ein durch Zschorns undeutliche Schrift 
veranlaßter Druckfehler für «Phoca». 

Wenn Zschorn das KBI durcharbeitete, so mußte er, an 
dieser Stelle angekommen, sich i'iber den Setzer oder über 
seine schlechte Handschrift ärgern, und wiederherstellen : 

Aber Phoca erschnappet ihn. 

Statt dessen steht KB 2 77 r : 

Doch aber Phan erschnappet ihn. 

Der metrische Mangel, daß die Zeile nur sieben Silben hatte, 
ist gehoben. Der Unsinn ist stehen geblieben. 

Der Bearbeiter hatte kein Interesse an der Geschichte, er 
hatte nur Sinn für den Wohlklang des Verses und Sprach- 
gefühl. Darum hat er auch die Flüchtigkeit stehen lassen, 
welche Zschorn in die Feder geflossen war, und die er unbe- 
dingt hätte ändern müssen, wenn er KBI neu bearbeitete: 

Constantius im Orient 
Galerius im Occident. 

Sie ist ruhig beibehalten worden wie die übrigen weniger 
schwerwiegenden Fälle. 

Zschorn war mit der Geschichte zu gut bekannt geworden, 
als daß wir ihm die Beibehaltung solcher Fehler zutrauen 
möchten. Wenn wir ihm auch die metrische Revision von 
KBI absprechen müssen, so hindert doch nichts, in ihm den- 
jenigen zu sehen, der das neue Material für KB 2 oder 
wenigstens einen Teil davon herbeigeschafft hat. 

Eine Quellenanalyse von KB 2 Zeile für Zeile ergibt 
nämlich, daß dafür wesentlich dieselben Werke benützt worden 
sind, wie für KBI. Namentlich Cu ist stark herangezoge 



— 237 — 

worden, aber auch Francks Germ hat wieder manches bei- 
gesteuert. Was wir aus den alten Quellen nicht belegen können, 
vermögen wir auf einige wenige Werke zurückführen, welche 
1559 vorhanden und in Straßburg jedenfalls zugänglich waren : 
Die Geschichte Christi, der Apostel und Märtyrer auf das Neue 
Testament, Eusebius, und besonders L. Rabus, Historien 
der Heyligen Außerwölten Gottes Zeugen, Straßburg, Emmel 
1552. 54. 55. Drei AuQagen in vier Jahren beweisen eine 
starke Verbreitung des Buches. Die Nachrichten über die Er*- 
bauung einiger oberdeutscher Städte weisen neben Germ auf 
Sebastian Münsters Cosmographie. Für einige Kaiser- 
anekdoten können wir Herodian, Dio Cassius und 
die Scriptores historiae Augustae heranziehen . 
Diese finden sich mit Herodian in einem Bande zusammen in 
den 1533 von Erasmus herausgegebenen Scriptores historiae 
Romanae ; der lateinische Dio Cassius des Xiphilinus, 1558 und 
59 bei Oporinns m Basel erschienen, gehörte zu den Neuig- 
keiten des Büchermarktes. 

Wir denken uns den Hergang so, daß Zschorn nach Be- 
endigung von AeH, vielleicht auch schon früher, daran ging, 
Stoff für eine zweite Ausgabe von KBl zu sammeln. Er no- 
tierte sich allerhand, was ihm bei der ersten Arbeit ent- 
gangen war, arbeitete einzelnes aus, gestaltete diese und jene 
Stelle um. Die guten Freunde in Straßburg, von denen 
Messerschmidt spricht, werden ihre Desideria ausgesprochen, 
vielleicht auch Literatur beschafft haben. Zschorn machte — 
wenn er es war — dabei den wichtigen Fortschritt, daß er 
auch für die alte Geschichte die Quellen in die Hände bekam. 
Ein endgültiges Ergebnis hatten seine Studien nicht mehr. 

Als er «mit todt abging]», hinterließ er ein Handexemplar 
von KBl mit Ausstreichungen, Notizen, Hinweisen, Zetteln und 
dergleichen Zubehör eines Handexemplars. KBl war gut ge- 
gangen. So hat es Georg Messerschmidt «nit für vnnützlich 
angesehen, das selbig auff ein newes durch den druck wider 
. . . bekant zu machen». Wenn er sagt, er habe es mehren 
und bessern «lassen:!), so kann darin eine Anerkennung von 
Zschorns letzten Bemühungen enthalten sein ; vielleicht ist es 
auch nur eine Umschreibung für das, was er selbst getan hat. 
Im Schlußwort läßt er dann ebenso den Verfasser der ersten 
Ausgabe zu uns reden. 

Für die allgemeine Literaturgeschichte ist KB 2 nicht ohne 
Wert. Die Bemühungen seines Bearbeiters, Wortakzent und 
Versakzent in Uebereinstimmung zu bringen, lehren uns einen 
bisher unbekannten elsässischen (cOpitzianer vor Opitzj» kennen, 
dem nachzugehen sich verlohnt. Für uns liegt es jedenfalls 



— 238 — 

auBerhalb des Rahmens der gegenwärtigen Untersuchung. KB 2 
ist so, wie es gedruckt vorliegt, nicht von Zschorn, fsondern 
verarbeitet dessen Werk, und eröffnet die Folge der gereimten 
Kaiserbüchlein, welche an Zschorn anschließen. 

Nur wenige Jahre später veröffentlichte M. Johann E p i s- 
copius oder Bise hoff von WQrzburg «Ein schön new 
lustigs Keyserbuchlein», von Romulus bis zum Regierungs- 
antritt Maximilians IL, wie wir schon bemerkten, eine Versi- 
•fikation von Prätorius, Markgraf Georg Friedrich von Branden- 
burg gewidmet. Er sieht in der Widmung hoch herab auf die 
«:Memoriai von den Keysern}D, die allenthalben csehr viel vnd 
ad Nauseam außgehen». KB braucht den Vergleich mit ihm 
so wenig zu scheuen, wie mit seinen nächsten Nachfolgern : 
Johann Hasentödters Chronica Königsberg 1569 und 
Christian Bertholds kleiner Keiser Chronica, Brandenburg 
1579, von späteren zu geschweigen. Sie alle ahmen nur das 
Beispiel nach, welches Zschorn, Hans Sachs' Anregung folgend, 
gegeben hat. 

Wir dürfen unserm Johannes Zschorn von Westhofen 
nachrühmen, daß er die populäre Darstellung der Kaiserge- 
schichte in die Form gegossen hat, auf welche noch Bernhard 
Hertzog am Ende des 16., und der vielgelesene Michael Sachse 
rim 17. Jahrhundert nicht glaubten verzichten zu dürfen. Ebenso 
-hat er in seiner AeH zur Unterhaltungsliteratur ein Volksbuch 
beigesteuert, welches ein Jahrhundert hindurch von Hoch und 
Niedrig gern gelesen wurde. Sein Name ist früh verklungen. 
Besser so, als wenn seine Schriften spurlos vorübergegangen 
wären. Nachgedruckt und nachgeahmt zu werden ist auch 
eine Anerkennung. 



IX, 



Caroline Herder (geb. Flachsland) 
und ihre Ver^vandten, 

Urkundliche Mitteilungen 

von 

Ferdinand Zeyer in Reichenweier. 

Reichen^weierer Gemeinde- Archiv. 

i. Tauf-Register 1785—1758. Seite 140 

1750. Maria Carolina 

war gebohren den 28. Januarii und den 30. getauft. Parent : 
H. Johann Friedrich Flachsland, Hochfürstlicher Schaffner all- 
hier und Fr. Rosina Catharina Mauritiin. 

Conj. Test. Bapt. : Heinrich Friedrich Binder, Superinten - 
dens, fl. Christoph Mauritii, Professor eloquentiae auf dem 
Gynnnasio zu Carlsruh und H. Peter Joseph Bregentzer, wohl- 
bestellter Hochfurstl. Forstmeister, Fr, Anna Maria Bregentzerin, 
gebohrene Jaquin, Fr. Maria Barbara Hoffmännin, gebohrene 
Mittnachtin und Fr. Charlotta Catharina Hoffmännin, wittib, 
gebohrene Mauritiin. 

9. Tauf-Register S. 224. 

1755. Johann Heinrich Ludwig 

war gebohren den 11. aprilis und den 13. ejusd. getaufft. Die 
Ehern sind: S. F. H. Johann Friedrich Flachsland hochfurstl. 
Schaffner allhier und Fr. Rosina Catharina Mauritiin, seine Ehe- 
liebste. Zeugen waren : ich Heinrich Friedrich Binder, Superin- 
tendens allhier, S. F. H. Johann Balthasar Binder ordent- 
lich evangelischer Pfarrer in Beblenheim, S. F. H. Johannes 



— 240 — 

Kiener ordentlicher Subdiaconus allhier ; Frau Anna Maria 
Bregentzerin, Fr. Anna Maria Heimelin und Fr. Maria Barbara 
Hoffmännin. 

F. Flachsland als Vater. 

Heinrich Friedrich Binder Superintendens. 

Johann Balthasar Binder, Pfarrer. 

Jo. Kiener, Subdiac. 

A. M. Brejrentzer n6e Jacquin de Belhoncourl.* 

Anna Maria Heimelin geborne Binderin. 

Maria Barbara Hoffmännin. 

H. F. Binder Superintendent und Sladtpfarrer. 

3. Todten- Register von ilSo—il62. Seite 114. 

4755, H. Johann Friedrich Flachsland Hoch fürstlicher, 
wohlbestellter amt- und Kirchenschafifner der Grafschaft Hör- 
bürg und Herrschaft Reichenweier, starb am Friesel den 18 
aprilis und war den 20. christlich zur Erde bestättigt, seines 
alters 39 Jahr 6 monath, weniger 8 Tage. 

Bregentzer, Brauer, Pfr. zu Hunaweyer, Job. Balt. Binder, 
Pfr. zu Beblenheim, Heinrich Friedrich Binder, Superintendent 
und Stadtpfarrer. 

4. ebd. Seite HS. 

1756. Jungfrau Francisca Friderica Flachslandten 
weyland S. F. Herrn Johann Friedrich Flachslands gewessten 
Hochfürstl. Amt- und Kirchen Schaffners wie auch S. F. Fr. 
Catharina Rosina Mauritii eheliche ledige Tochter, starb an aus- 
zehrender Krankheit den 25. Januar und war den 27. ejusd : 
christlich zu Erde bestättigt ihres alters 18 Jahr 3 monathe 
und 2 Tage. 

Nota. Diese Schwester von M. C. ist nicht in R. geboren. 

Jean Fr^deric Flachsland : 1750 Sousreceveur de Horburg, 
1751 Receveur particulier, 1753 — 1755 Receveur g^n^ral des 
revenus des comte d'Horbourg et seigneurie de Riqueveir. 

(Sakmann, Voltaire-Gorrespondenz, Stuttg. 1899, p. 1.) 



1 Betboncourt: Dorf bei Montb^liard. 



k 



X. 



Zur Stelzen. 

Eine Straßburger Malergeschichte aus alter Zeit. 

Von 

Elsa Jordan. 

JL/as war auf der Stube zur Stelzen in der Münstergasse, 
dem Heim der ehrsamen Zunft der Goldschmiede und der Schilter 
oder Maler, da ging es diesen A.bend hoch her. 

Die kunstbeflissenen Trinker saßen um die runden Tische, 
sprachen über flandrische Kunst und die neugegründete 
schwäbische Schule; über Politik und lokale Verhältnisse, wie 
es gerade kam. 

Im Ofen mit den bauchigen, grün glasierten Kacheln 
knistern die Buchenscheite, es ist Anfang des Jahres und 
draußen herrscht grimme Kälte« Hat es sich doch acht Tage 
zuvor, am Schwörtag vor dem Münster ereignet, daß sich einer 
der Statt meister während der lange dauernden Zeremonie die 
Nase erfror. 

Hier drinnen aber ist's gut warm. Die Lichter flackern hell 
vom Gehörn des Leuchterweibchens herab über Krüge und 
Humpen, locken funkelnde Reflexe hervor und spiegeln sich in 
der mächtigen Zunftkanne, welche erhöht auf dem Mitteltische 
steht. Das muß besondere Bewandtnis haben, wenn dies Pracht- 
stück der eisenbeschlagenen Schatzlade entnommen worden ; 
bei den Zusammenkünften tat es sonst ein einfach Gießfaß. 
Die Becher kreisen, Red und Gegenred fliegen hin und 
wieder. 

Da sitzen beisammen Baidung Grien, der Schüler und 
Gehülfe Dürers, mit dem ihn noch jetzt innige^ Freundschaft 
verbindet, Johann Wächtlin, der Kupferstecher und Forni- 

16 



— 242 - 

Schneider, dessen Stiche, besonders seine Helldunkelblätter weit- 
hin gerühmt sind, daneben der alte Veltia Zypffel, der Karten- 
maier, Hans von Metz, Peter Schwin, Erhard Schlitzoc und 
Jakob Wormser, ein Nachkomme der berühmten Straßburg^er 
Wormser, die Kaiser Karl nach Prag berief, ihm den Karl- 
stein mit Fresken zu schmücken. 

Ja, es ^ab tüchtige Kunstler in der Stelze und die Maler« 
zunft war zur Zeit (anno 4542) eine der vornehmsten der 
Stadt. 

Manchmal stockte das Gespräch, man sah horchend nach 
der Tür. Es wurde heute noch Besuch auf der Stube er- 
wartet. Schon zweimal hatte der Wächter vom Münsterturm 
herab den sogenannten Juden bloß gehürnet, als sich draußen 
zahlreiche Schritte näherten, Schnee ward von den Füßen ge- 
stampft, alles erhob sich von den Plätzen. 

Da öffnete sich die Tür und herein trat der Ammeister, 
den pelzgesäumten, weißen Amismantel über den Schultern, 
hinter ihm die alten Herrn des Stadtregimentes. 

Das wollte der Brauch so, daß das neugekürte Stadthaupt 
eine Woche nach Amtsantritt bei den Zünften vorsprach, ein 
gesegnet Neujahr wünschte, den Ehrentrunk annahm und dann 
eine kurze Ansprache an die Versammelten hielt, sie zu Treu 
und Gehorsam in guten und bösen Zeiten zu mahnen und 

dem zur Zunft gehörenden Büttel seine Pflichten einschärfte 

Bei der herrschenden Kälte den Rundgang durch sämtlich( 
Stuben zu machen und überall sein Sprüchlein herzusagen, 
war gewiß keine Kleinigkeit für die hohe Obrigkeit, wie dem 
auch mancher Blick der alten Herrn sehnsüchtig an dem warmenr:«: 
Ofen hing. 

Der Zunftmeister drehte d^s Hähnlein unten an der Kann» mt. me 
und ließ den Rebensaft in silbernen Becher rinnen, den e ■ "^^ 
dem Ammeisler bot. Nach ihm tranken auch die UebrigeB" -^ ^ »^ 
und verabschiedeten sich sodann wie üblich mit Händedruc ^ -^^ 
von jedem einzelnen. 

Nur einer der Herrn, des Rates und der Stadt Schreibet — '. 
ein hageres Männlein mit klug blickenden Augen und dünnei 
Haarwuchs, zog, als er an Baidung Grien kam, die Hand zi 
rück und warf dem Künstler einen bösen Blick zu. 

Der lächelte spöttisch und wendete sich, als habe er 
nicht bemerkt. 

Noch einige Abschiedsworte, dann verließen die Ratshen 
die ' Stube, um beim Scheine vorangetragener Fackeln ihn 
Rundgang fortzusetzen. 

Als die hohe Obrigkeit fort und man wieder unter sie 
war, da wurde es erst gemütlich in der Stelze, man rück 







— 243 — 

zusammen, die Becher kreisten, die vorher unterbrochenen Ge- 
spräche wurden weitergesponnen. 

Das große Wort am Tische aber fährte wie gewöhnlich 
Hans Hagen, seines Zeichens Briefmaler, doch wurden in seiner 
Werkstatt auch Wappen, Sättel und Gerät mit buntem Schnörkel- 
werk geziert. Hagen war eines Baders Sohn, dies entschuldigte 
«ein Maulwerk, er selbst aber hatte keine Lust zu Schaum - 
becken und Schabeisen verspürt, er wollte höher hinaus, wollte 
Künstler sein, endlich setzte er es denn auch durch, in die 
Malerzunft aufgenommen zu werden. Manch Einer wunderte 
sich wohl, daß er das vorgeschriebene Meisterstück zuwege 
gebracht; aber wie dem auch sei^ der Hagen war nun einmal 
zünftig und seinen eigenen Reden nach sogar ein bedeutender 
Künstler. Wie ein Ohrwurm verstand er es, sich überall ein- 
zudrängen, seinen Vorteil wahrzunehmen und sich voranzu- 
stellen. 

Er kannte alle Größen der Malerei, war mit ihnen vertraut 
oder behauptete sie wenigstens gesehen und gesprochen zu haben. 

Vor kurzem war er von Brügge heimgekehrt, wo er im 
Auftrage des Straßburger Buchdruckers Grüninger für dessen 
Offizin auf der Weihnachtsmesse Drucksachen und Stiche 
feil hielt. 

«Brügge. Ja Freunde, da ist's ein ander Leben wie hier, 
dort ist die Kunst noch estimiert! Und ratet, wen ich auf 
der Messe dort getroffen habe? Einen guten Bekannten. Euch 
Hans Baidung soll ich einen Gruß ausrichten, nun ratet mir, 
von wem ?» 

Grien sah flüchtig auf, er hatte kaum auf den Schwätzer 
gehört. 

«Was ist — ? Wer?» 

«Einen Gruß von — nun Ihr ratet es doch nicht, von dem 
Nürnberger Meister, dem Dürer !» 

«Den hättet Ihr gesehen und in Brügge ?j) 

«Freilich I Habe ihn öfters in seinem Stand besucht, der 
nicht weit von meinem vor dem Hallenturm stand. Auch vom 
Schäufiblein und von Euch hat er Sachen zum Verschleiß dabei 
gehabt. Pub I Vor Euren Hexen, die sich zum Sabbat schmücken, 
haben die flandrischen Mädchen die Augen niedergeschlagen, 
aber die Passion hat ein Klosterbruder für seine Kirche ange- 
kauft, ei' wird's redlich mit Euch verrechnen, soll ich Euch 
sagen. 

Er selbst der Dürer hat gar gut Geschäft gemacht, seine 
Bank war umdrängt von Schau- und Kauflustigen. Da wird 
-er der Frau Agnes einen schönen Batzen heimbringen, die 
isitzt derweil zu Frankfurt auf dem Markt und hält sein Bild- 



— 244 — 

werk feil. Er war gut gelaunt; die flandrischen Wöber 
schienen ihm wohl holdseliger zu gefallen, denn das sdilimme 
Gespons das er daheim hat.» 

«Haltet die Zunge im Zaum, Hagen, wenn Ihr von dem 
Nürnberger sprecht, auch seine Hausehre ist nicht lialb so 
schlimm, wie unnütze Lästermäuler ihr nachsagen !j 

Hagen zog vor nichts zu erwidern, mit dem Grrioi war 
nicht zu spassen, war ihm schon oft übers Maul gefahren, so 
sprang er denn gewandt auf ein ander Gebiet über. 

«Habt Ihr auch davon gehört?)» meinte er geheimnisYoil. 
<rHabi Ihr es gehört? Böse Zeichen beut die Natur. Im loth- 
ringischen ward ein Kind mit zwei Köpfen geboren und zu 
Colmar soll man nächtlicher Weile auf dem Lügenfeld, da wo 
Kaiser Ludwig von seinen Söhnen Verraten worden, groß Kampf- 
getöse gehört haben. Noch immer, wenn sich der Spuk hat 
vernehmen lassen, ist ein Unglück geschehen.» 

Bedenklich schüttelte der alte Zypffel den Kopf: «Gott ver- 
hüte, daß wiederum Krieg ins Land kommt, man hört so 
mancherlei, auch der Türk soll sich wieder rüsten !» 

«Man sagt aber auch,x> flüsterte der von Metz. cKurze 
Zeit, ehe Carolus IV, das Zeitliche gesegnet, wären die nächt- 
lichen Kriegsscharen gleichfalls erschienen.!) 

Die Männer sahen sich scheu an. — «Ihr denkt doch nicht 
etwa — schlagt ein Kreuz und schweigt von solchen Sachen \ 
Gott behüte unsern Kaiser Herrn Maximilianus l» 

t< Aberglaube und Hirngespinst ist solch Geschwätz h schrie 
Wormser dazwischen, die Faust auf den Tisch schmetternd. 

«So? Aber wenn gar solch ein gelehrter Herr wie unser 
Stadtschreiber Brant die Sache gar bedenklich findet und da- 
rüber ein lateinisch Carmen aufgesetzt und dem Kaiser über- 
sendet hat?» 

«Ach ja der Brant — He Baidung, was V^ar das vorhin 
mit Euch beiden? Unser Herr Doktor hat Dir ja einen Blick 
zugeworfen, als wollt er Dich verschlingen ?» 

«Haben halt Spähn miteinander gehabt, was tut's?» meinte 
Baidung gleichgültig. 

Aber der Buchdrucker Grüninger (die Buchdrucker und 
Verleger gehörten auch zur Stelze) rief: «Kann's ihm nicht 
verdenken, wenn er dem Baidung gram ist, denn unser Dr. 
Brant, oder Magister Titio, wie er sich nach gelahrtem Brauch 
^ern nennen hört, ist .gewaltig eitel, trotzdem er selbst am 
meisten über alle Narretei zu Feld gezogen. Wenn Ihr durch 
die Pippernanzgasse (Zimmerleutgasse) geht, so wird £uch die 
Fassade an dem Orthus aufgefallen sein^ so dem KonstofHer 
Barpfenning gehört. Ist kürzlich frisch verputzet worden und 



- 245 — 

^7on dem Grien mit artlichem Bildwerk neu gezieret. Ein Toten- 
ta.nz, wie man sie jetzt hat, ziehet sich über die ganze Breite, 
rtichts ober der Tür aber, stand zum Beschluß des Reigens, 
•den der Knochenmann mit Arm und Reich, Groß und Klein 
vollführet, auch unser Doktor in der Reihe, im Arm einen 
Stoß Bücher, die ihm entgleiten, da er mit den Händen zugleich 
seine Tasche zuhält und so mit kläglich verzogenem Gesichte 
■dem Klappermann vorschreiten muß, der ihn mit einem Gänse- 
kiele antreibt. War so kenntlich unser Kanzler, daß ein jedes 
Straßburger Kind mit Fingern auf ihn wies!» 
<3cHa, ha, ha! Ein launiger Einfall!» 
«Und das erfährt man erst hier, da müssen* wir gleich 
morgen gehen, den Brant mit dem Kuochenmanne tanzen zu 
«ehen h riefen und lachten die Künstler durcheinander. 

«Den Weg mögt Ihr sparen», meinte Grien kurz. «Das Zeug 
*st längst übermalet, da es seinen Zweck erfüllt.» 
«Wie so? Welchen Zweck?» 

«Was hast Du eigentlich mit dem Brant?» meinte Wächtlin 
^Jöm Freunde näher rückend. «Es ist nicht klug Dir den Mann 
2um Feinde zu machen. Bedenke, was gilt er bei den Herren 
^^f der Pfalz, im Kreise der gelehrten und geistlichen Herrn. 
^^ selbst unser Kaiser Maximilianus hält den Doktor hoch in Ehren 
^^d hat ihn zu seinem Rate bestellt. Auch meint ich, Du selbst 
^^bon hättest für den Brant gearbeitet und ihm Bildwerk zu 
^^inen Büchern gemacht?» 

Baidung schien nicht gern über die Sache zu reden, aber 

■^^ni Drängen der übrigen nachgebend, meinte er endlich, halb 

'^'^8'erl ich, halb lachend: «Der ganze Handel lohnt sich wohl 

"der Worte nicht. Als der Brant noch als Magister zu Basel an 

"^^f hohen Schule lehrte, hatt ich manch Blatt für ihn gezeichnet. 

=Es war just sein Satirbuch, das NarrenschifF, erschienen, ein 

^Uch, wie es nicht leicht ein zweites gibt, und des Brant Name 

"^^^r in aller Mund. Deshalb schaffte ich auch gerne für ihn, 

*^^l:>e ihm auch hernach noch etliches für seinen «Freidank» in 

"olz geschnitten. Damit war der Doktor wohl zufrieden, lobte die 

^'^beit und stellte mir weitere Aufträge in Aussicht. Aber ge- 

•telxrte Herren haben zerstreute Gedanken und der Herr Titio 

*^t ein großer Dichter, aber ein schwacher Zahler. 

Als ich nach Straßburg kam, um mich nun dauernd in der 
**öimat niederzulassen und darum das Bür<(errecht erwarb, war 
"^er Brant hier inzwischen Stadtadvokat geworden. 

Bald nach dem Umzug ehelichte ich meine Margaret, des 

^-'Omherrn Härlin Schwester. Dies alles hatte mir viel Unkosten 

^^macht und als mich nun der Sladtschreiber vor etlichen 

^^ochen zu sich entbieten ließ, war ich froh, da ich nichts 



— 246 — 

anderes meinte, denn er wolle die Basler Schuld endlich be- 
gleichen. 

Da ich aber nun bei ihm bin, führt er mich in seine 
Bucherei und holt etliche Zeichnungen zu seinem von ihm be> 
arbeiteten «Virgib herbei. Die Bilder hat er selbst entwerfe» 
und schien er gewaltig stolz darauf zu sein. Es war schrecklich 
verhauenes Zeug. Ich aber dachte mir : Ei Meister Sebastian, 
bist ein großer Dichter, warum willst Du durchaus auch Maler 
sein? Mir aber mutete er zu, die Skizzen ganz genau so wie 
seine Entwürfe da auszuführen. Dazu hatte ich natürlich übel 
Lust, überdies '\M?itdr0ß mi^hr recht sein gönnerhaft, hochfahrendi 
Wesen. Frfeilich, er ist ein Ratsherr und sitzt im Stadtregiment, 
was bei den Herrn ein Künstler gilt, das wißt Ihr selbst. — Voq 
dem schuldigen Gelde kein Wörtlein ! In mir stieg der Unmut 
auf. Ich brachte zur Entschuldigung vor, ich sei mit Vorstudien 
zu größerem Auftrage beschäftigt und lehnte die Arbelt ab. 

Das mag ihn verdrossen haben und entließ mich der Doktor 
ziemlich ungnädig. 

So verging wieder eine Zeit und ich sana, wie ich zu 
meinem Gelde kommen sollt, als ich nun des Kon'stofQer Hau& 
zu malen hatte, kam mir die Lust an, dem vergeßlichen Herrn 
Doktor eine Lehre zu geben und so malt ich ihn in den Totentanz. 

Ist ihm auch alsbald hinterbracht worden. Darauf hat er 
den Fall vor unsere Herren gebracht und bewirkt, daß mir ein 
Mahnschreiben des Rates durch den Zunftm^eister zugestellt 
ward — das ärgerliche Bild sei sofort zu übermalen, bei schwerer 
Pönitenz im W^eigerutigsfaRe I : 

Nun gut ! Den Zweck hatte ich ja doch erreicht, denn am 
Tage zuvor brachte mir ein Bote den schuldigen Betrag und 
forderte mir den Schein zurück. — Also verschwand auch der 
Doktor von des Konstofflers Haus, der selbst den größten Spaft 
bei der Sache gehabt hatte !j» 

Alle lachten, nur Hagen meinte spitzig: «Er könne gerade 
keinen Witz darinnen finden, sich gegen einen vom Rat der- 
gleichen herauszunehmen. Das müsse natürlich bei den Herren 
auf der Pfalz übel vermerkt werden, führe zu Missehelle mit 
der Stelze und schädige das Ansehn der Zunft b 

cHalt's Maut, Hagen, mit solchem Geschwätz!» rief ihm 
Veit Issen über den Tisch zu. «Ueberall hast Du doch drein- 
zureden. Verhalt Dich bescheidener, sonst kannst Du eine 
andre Meinung hören, wer hier das Ansehn unsrer Stube 
schändet.» 

Wie eine Natter fuhr das Meisterlein in. die Höhe und 
kreischte mit überschnappender Stimme : «Das soll mir gelten ? 
Wer erfrecht sich zu behaupten — ^ 



^ 247 - 

«Daß 65« eine Schande ist, wenn solch ein Stümper und 
Nichtskönner in der ehrsamen Zunft sitzt und sich als Meister 
aufspielt — das saj^re ich, Veit Issen. Sieh, Hagen», fuhr er 
gleichmütig fort, während jener wortlos nach Luft schnappte : 
«Für einen dummen Kerl haben wir Dich immer gehalten. Du 
bist aber auch ein schlechter Kerl, da hat mich der Zufall 
hinter saubre Sachen orebracht. — 

Kürzlich war ich im «Dummeloch:» (jetzt Thomannsgasse 
bei Jung St. Peter), da liegen, wie Ihr alle wißt, die Siechen, 
Aussätzigen und Landstreicher, die nirgend sonst Unterschlupf 
finden, Ist unjer den Sondersiechen ein früherer Knecht meines 
Vaters, der Aussatz hat ihn gepackt, drum steckten sie den 
Alten ins Dummcloch. Zuweilen suche ich ihn heim und bring 
ihm etliches, um Gottes Lohn ! Da draußen traf ich denn auch 
einen, den ich von früher her kannte, er war da Zudiener 
unsrer Zunft und als solcher eingeschrieben. Erinnert Ihr Euch 
seiner, Herr «Meister»? Christmann HufF nannte er sich. Er war 
ein geschickter Bursche und hätte es zu was bringen können. 
Auf einmal aber war er verschwunden, wußte niemand, wo er 
hingekommen. Das war um die Zeit, als der Hagen die von 
unsrer Zunft vorgeschriebenen Stück lein machen sollte, um sein 
Anrecht auf den Meistertitel zu beweisen. Er legte denn auch 
die drei gemalten Proben unserem Gerichte vor und ward von 
ihm nach der festgesetzten Formel beschworen : «Daß er solches 
alles allein mit seiner Hand gemacht hat, ohne alle Gefährten, 
frei und visieret ohn alle Kunststücke, sondern von eigner Ver- 
ständnis und Können h 

Das hast Du beschworen, Hagen, und Dir die meineidige 
Zunge nicht abgebissen. 

Nicht Du — der Christmann hat das Bildwerk für Dich 
verfertigt. Er war ein armer Bursch und hatte sein Herz an 
eine Dirne gehängt. Um ein gut Stück Geld hat er seine Ehr- 
lichkeit verkauft und seiner Hände Werk verschachert. In dem 
Lügengeld hat aber kein Segen gesteckt ; denn mit dem Christ- 
mann ging's abwärts. Bei einem Geraufe wurde ihm die Rechte 
durchstochen und blieb lahm. Dann hängte er sich an lieder- 
liche Dirnen und Vaganten, ward überm Falschspiel ertappt, 
ausgestäupt und ihm ein Mal durch die Backe gebrannt. 

Trotzdem er damals hat Schweigen geloben müssen, hat 
mir der Elende unter Tränen dies alles gestanden, auch dies, 
wie er in der Verzweiflung es versuchte, Hilfe von dem zu er- 
langen, der sich durch seiner Hände Kunst emporgeschwungen 
hat, aber der ist Meister, hat Werkstatt und Gesellen, die für 
ihn die Arbeit tun, der wollte den Elenden nimmer kennen 
und hetzte ihn mit Hunden davon. Halb verhungert und erstarrt 



— 248 — 

fand ihn so ein Scharwächter und brachte ihn ins Siechenhaus, 
doch dem armen Teufel war nicht mehr zu helfen. Mit einem 
Fluche für Dich, Hagen, ist er hinüber. Groit sei der armen 
Seele gnädig!» 

Eine Pause lautlosen Schweigens. — Aller Blicke waren 
auf Hagen gerichtet, der mühsam die Fassung zu wahren sucht, 
wiewohl ihm dies kaum gelingen will, bei den letzten Worten 
Issens aber horcht er auf, seine alte Frechheit erwacht. Noch 
ist nichts verloren, wenn der Zeuge seiner Schuld tot ist. Jetzt 
nur dreist sein, sich heraus reden : «Lüge, erbärmliche Lüge ! » 
kreischt er, «an den Pranger mit dem Lugner. Man soll mir 
doch etwas nachweisen, he, wo sind Deine Beweise — ?» die 
Luft ging ihm aus. 

Wirr tönte es durcheinander: «Werft ihn doch hinaus, 
den elenden Kerl. Hinaus mit dem Bönhasen !» 

«Das Zunftgericht wird über die Sache entscheiden müssen,» 
sprach der ernste Wächtlin. «Wenn dieser sich wirklich auf 
unehrliche Weise den Meistertitel erschlich, so darf er unter 
ehrbaren Künstlern fürder nicht geduldet werden.» 

«Ehrbare Künstler, ha ha hajo schrie Hagen, während ihn 
schon kräftige Fäuste der Türe zu bewegten. «Ehrbare Künst- 
ler! Der dort ist einer der nicht hierhereingehört. Fragt ihn 
doch wer sein Vater war. Du Bastard ! Du Pfaffensohn!» 

Wächtlin erbleichte, seine Faust krampft sich, beschwichtigend 
legt Baidung seine kühle Hand auf die üeberisch zuckende. 

Da weil herrscht nach Hagens unfreiwilligem Abgänge in 
der Trinkstube erregtes Durcheinander. Alle sind sie empört 
über das Vorgefallene — doch fällt auch manch scheuer Blick 
auf den finster in sich gekehrten Wächtlin. «Hm, ja das 
ist schon wahr — ehrliche Geburt, die verlangt die Zunft von 
jedem, der zu ihr dienen will und man hatte da doch so ver- 
schiedenes gehört. — Aber der Zunftmeister hatte ihn trotzdem 
aufgenommen, um seiner trefflichen Werke willen. Ja ein 
rechter Künstler war er wenigstens, das mochte wohl niemand 
bestreiten und doch . . . 

Es war inzwischen spät geworden, die vorgeschrittene 
Stunde gebot die Heimkehr. 

Baidung Grien hatte sich dem jungen Formschneider an- 
geschlossen, durch den knirschenden Schnee schritten sie 
schweigend vorwärts. Plötzlich aber blieb Baidung stehn und 
stampfte zornig mit dem Fuße : «Solch ein Lumpenkerl I Hans, 
lieber Hans, laß Dich's nicht kränken, sprich dochl friß den 
Aerger nicht so in Dich hinein». 

«Kränken !» wiederholte der andere bitter. 

«Warum soll ich getränkt sein. Er sprach ja die Wahr- 



— 249 — 

heit. Baldun^ schüttelte ihn derb am Arm. «cKannst Du 
dafür? Nein! Du hast doch keine Schuld daran. Ich dächte 
Du hättest bewiesen, daß Du auch ohne das — andere — 
was rechlschaffenes geworden bist ; nimm es doch nich\ so 
scli-wer, ein Künstler muß sich über die Verhältnisse hinweg- 
setzen, innerlich frei werden. Solch erbärmlicher Kerl wie 
dieser Hagen wagt es sich über Dich zu erheben, ein Stümper, 
der unsre heilige Kunst schändet, da er ihr anzugehören be- 
hauptet. Solch ein Geschwür am gesunden Leib, das das Blut 
verg-iftet und verseucht. 

Aber daran krankt unsere Kunst, daß wir hier wie Hand- 
werker unter Vormundschaft gestellt werden. Wie lähmend 
und bedrückend auf jede Schaffensfreude wirkt dies zünftig 
Steife Formelwesen. Soweit darfst Du gehen, nur ja nicht 
^i^ne Wege wandein, über das Ziel sich hinauswagen. Ist 
den» der Künstler ein Gerät das man nach Launen formen 
^stnn? War es froher so? Nein! Schau nach Griechenland, 
'^sioh Italien. Warum also sollen wir uns fugen und ein- 
ngen lassen? Wenn die Kunst nimmer frei sein darf, ver- 
rnmert sie und wird zur Künstelei ! 

Wahrhaftig, ich bin froh, daß ich eine Zeitlang hier aus 
^^O kleinlichen Verhältnissen heraus und fort komme!» 

Ueberrascht blieb Wächtlin stehn : «Du gehst fort vonhier?D 
«Ja, Freund. Nach Freiburg. Ich habe einen großen Auf- 
^ vor mir. Du sollst der Erste hier sein, mit dem ich da- 
spreche. 

Im Dom zu Freiburg ist ein Wandelaltar geplant mit 
^^ioher Malerei die der zu Isenheim nicht nachstehen soll, 
iin bestes Können will ich daran setzen, es soll gelingen; ob 
csh Jahre darüber hingehen», — 

«Du Glücklicher. Wie bist Du zu beneiden. Kannst 

^iuem künstlerischen Drange folgen, unabhängig schaffen. 

iir ward es nicht so gut. In enge Verhältnisse gezwängt, ab- 

i^ngig von den Launen anderer, muß ich Stichel und Schneid- 

^sser handhaben. 

Freund, ich sage Dir, oft lasse ich mutlos die Hände 

^^ken, wofür arbeite ich, bin ich denn überhaupt ein Kunst- 

, habe ich ein Recht auf diesen Namen ?» 

«So sprichst Du Johannes, so kleinmütig und kommt Dir 

* ^ Deinen Werken doch kein Meister gleich. Aber Du mußt 

"*^ich aufraffen. Dich frei machen. Sieh Freund, da wir davon 

^^den, es schmerzt mich das Verhältnis enger Abhängigkeit 

^^it anzusehen, in welchem Dich der Knoblouch hält. Ein 

* orinschneider und Kupferstecher wie Du findet überall sein 

"■"ot. Der Grüninger und der Hupfuff, auch die beiden Flachs 



n 



— 250 — 

sie alle würden Dich mit tausend Freuden aufnehmen, wenn 
Du für ihre Offizin arbeiten wolltest, wozu erträgst Du also so 
geduldig die Launen des knickrigen Alten ?j» 

Wächtlin nickte. 'Du hast Recht, gewiß — aber trotz« 
dem würde es mir doch schwer fallen, aus des Knoblouchs 
Hause zu ziehen.» — Er schwieg jäh, aber etwas in dem Toa 
seiner Stimme mußte Baidung aufgefallen sein, denn er pfiff 
leise durch die Lippen. .Ist's jung Hilda des Druckers Töchter- 
lein, die den Faden hält, der Dich dort fesselt !^ wollte er 
scherzend fragen, aber sein Zartgefühl hielt ihn zurück, sich 
vorwitzig in des andern Vertrauen einzudrängen. Der gute 
arme Mensch, so tüchtig und strebsam, aber verbittert und 
darum scheu in sich selbst zurückgezogen, für den wäre Hilde, 
das muntere Ding just die Rechte — aber der Alte, der 
protzige Greizhals? — Zum mindesten würde es harte Kämpfe 
geben!» Herzlich drückte er dem Freunde zum Abschied 
die Hand. «Gute Nacht, Johannes. Wenn es Dir recht ist^ 
suche ich Dich in den nächsten Tagen heim. War lange 
nicht bei Dir, möchte doch sehen, was Du inzwischen ge- 
schaffen hast !» 

Baidung schritt rasch vorwärts durch das Dunkel, es war 
bitter kalt und sein junges Weib sorgte ^ sich wohl um sein 
langes Ausbleiben. 

Eben bog er um die Ecke der Brandgasse, als er anhielt 
und horchte. Ein Stöhnen, ein dumpfer Ruf klang ihm ans Ohr. 

ccJemand hier?» rief er laut und suchte die Finsternis mit 
den Blicken zu durchdringen. 

cHier! Ach hier!» tönte ihm die Antwort auf seinen Ruf 
entgegen. Vorsichtig tat er ein paar Sdiritte. Eben trat der 
Mond flüchtig durch zerrissenes Grewölk — die Gasse vor ihm 
schien leer, kam denn der Ruf aus dem Erdboden? Ja, dies 
war der Fall und als Baidung noch einen Schritt vorwärts tat, 
strauchelte er und beinahe wäre es ihm nicht besser gegangen 
wie jenem andern, der über einen der in die Gasse vorspringenden 
Kellerbälse gestolpert war und nun hilflos drunten hockte in 
dem zum Glück nicht tiefen Aufbewahrungsraum für Rüben, 
Fässer und allerlei Gerumpel. 

Er saß so richtig in einer Mausefalle, denn die Leiter die 
von außen zum Hinabsteigen diente, war beiseite gerückt und 
im Dunkeln nicht aufzufinden. 

Baidung kniete am Rande nieder und angelte mit der 
Hand ins Dunkle hinab. 

«Wo seid Ihr denn, könnt Ihr mich nicht erreichen?» 

Der unten gab sich alle Mühe, reckte und streckte sich 
und stöhnte dabei zum Erbarmen : «Mein Jesus 1 steh mir bei, 



— 251 — 

nur ein Weniges fehlt, und ich könnte Euch erfassen. Au^ 
meine Kniescheihe, o weh, wie bin ich so zerschunden !j[> 

«Ich will die Leute hier wecken, daß sie mit Licht kommen 
land Euch heraushelfen, das wird das Beste sein I» 

«Beileibe nicht \}> rief die Stimme von unten hastig. «Da- 
mit ich morgen dem Spolte des gemeinen Volkes ausgesetzt 
iDin, das würde sich für mich übel schicken. Oh liebster Freund 
^"ersucht es doch noch einmal. Ich fühle hier etwas wie ein 
Faß, darauf will ich versuchen zu klettern o— -o mein Bein, 
mein Bein !» jammerte der Unsichtbare. Die Stimme kam dem 
j ungen Maler bekannt vor, doch war dies jetzt Nebensache : 
«Wartet!» rief er hinab. «Vielleicht geht es so\ji> Rasch löste 
^r den Gurt, an dem ihm das kurze Schwert zur Seite hing, 

die zur Stelze dienten, durften es .als Künstler tragen — 

schlang ein Ende um die Faust und ließ das andre hinab- 

iDaumeln. Da, nach manch vergeblichem Versuch, ward der 

Giemen erfaßt. «So haltet fest da unten Ij» Er stemmte die 

Knie, umklammerte mit dem freien Arm den Stein und zog 

an. Es war kein klein Stück Arbeit bis er den Mann endlich 

oben hatte. Einige Augenblicke saßen beide erschöpft und 

lieftig atmend, nebeneinander auf dem Boden. Dann sprang 

Baidung lachend auf. «Es gehl kalt durch» meinte er und 

klopfte den anhangenden Schnee von sich: «Kommt in die 

Höhe, so hoppla h er schob dem andern die Hände unter die 

Schultern und half ihm gleichfalls auf. (^Hoffentlich habt Ihr 

Euch nicht ernstlich Schaden getan, nichts gebrochen, nein? 

Macht Euch jetzt Bewegung und trappt heim, ist schon verteufelt 

spät geworden.» 

Der andre tastete im Dunkel nach der Hand seines Retters. 
«Mein lieber Freund, wer Ihr auch seid, Ihr habt mir da aus 
einer sehr mißlichen Lage geholfen. diese elenden Keller- 
hälse. Die Türe offen zu lassen ! Solch ein Frevel. Das Ge- 
nick hätte ich sofort abstürzen können. Ist nicht erst kürzlich 
strenge Verordnung gegen solchen Unfug erlassen worden ? 
Aber ich werde dafür sorgen. Sofort müssen mir alle diese 
tückischen Kellereingänge abgeschafft werden, bei schwerer 
Pönitenz für den, der sich weigert dem Gesetze Folge zu leisten. 
Mir muß so etwas passieren, mir dem Ratschreiber und Dr. 
der Rechten. Es ist unerhört ! Doch nicht wahr, mein lieber 
Freund», fuhr er mit etwas verlegenem Räuspern fort, « hoffen t- 
Ücb, kann ich darauf rechnen, daß Ihr dies kleine Abenteuer 
tiicbt unter die Leute bringt, es ist nur des Ansehens wegen 

Und s> Verblüff^ hielt er inne, denn der «liebe Freund» 

lachte so herzlich und andauernd, daß der würdige Stadt- 
Schreiber die Brauen runzelte. Ehe er sich aber noch von 



— 252 — 

seinem Erstaunen über diese unziemliche Fröhlichkeit erholt, 
tönte es neben ihm* «0 Herr Dr. Brant, wie leid tut es mir, 
daß Ihr in Eurer Not gerade an mich geraten mußtet. Doch 
wahrlich, nicht ich trage die Schuld daran. Wäre nicht eine 
andre Verordnung auch überschritten worden und brannte dort, 
wie es Vorschrift, an der Ecke im Korb die Pechfackel, dann 
hättet Ihr mich erkannt und wäret nicht in die Verlegenheit 
gekommen, mir die Hand entgegenzustrecken». 

^Wer seid Ihr denn?» lautete es ganz erschreckt. 

ccHans Baidung heiße ich, doch nennt man mich den Grien I)^ 

Eine Pause tiefsten Schweigens. 

cMeine Anwesenheit dürfte Euch, nun Ihr meinen Namen 
kennt, wenig Freude machen, darum gute Nacht, Herr Doktor !> 

Er wendete sich zum Gehen, da hörte er hinter sich einen 
stöhnenden Laut, sofort war er umgekehrt und stand neben 
dem alten Manne. «Was ist, fehlt Euch etwas?» «Nicht fort- 
gehen», ächzte jener, «ich will — ich — o — ich kann nicht 
mehr», angstvoll fühlte Baidung seineu Arm umklammert, fühlte 
das Beben des Körpers, der sich schwer gegen ihn lehnte. Die 
Kälte, die ausgestandene Angst hatten dem armen Doktor schlimm 
zugesetzt. Da stieg warmes Mitleid in Baidung auf und wischte 
den Groll hinweg. Er schlang: den kräftigen Arm fest um den 
Wankenden. «So stützt Euch tüchtig. Wie Ihr zittert ! Am 
Pfennigturm wohnt Ihr? Das ist viel zu weit in Eurem Zustand. 
Das Beste ist — Ihr kommt mit mir, steckt Euch ins warme 
Bett und trinkt was Heißes. Ihr könnt Euch ja kaum mehr 
auf den Beinen halten.» Wirklich war Brant einer Ohnmacht 
nahe, ohne Widerstreben ließ er sicli halb tragen, halb fähren. 
Zum Glück waren sie bald an des Künstlers Behausung. 

Frau Margaret hatte noch keinen Schlummer gefunden, 
angstvoll spähete sie am Fenster nach dem Gatten. Da hörte 
sie am Haustor endlich seine Stimme. Er war nicht allein? 
Sie nahm eilends ein tönern Lämplein, das auf dem Tische 
brannte und schlüpfte über die Stiege hinab den Riegel zurück- 
zuschieben. Erstaunt wich sie zurück, da sie den Stadtschreiber 
erkannte. Doch Baidung ließ ihr nicht Zeit zum Fragen : «Flink, 
Grittel, ich bring uns einen Gast heim, möchtest Du heißen 
Trank bereiten? doch siehe zu, daß Du die Magde nicht weckest, 
Du selbst aber gehst dann z'ur Ruhe, Kind ; halt, ehe Du 
gehst, reiche mir vom Bortbrett dort das Büchslein heilsamer 
Salbe. Ist*s oben noch gut warm?» 

«Freilich», nickte sie, ««da Du doch morgen früh zur Arbeit 
wolltest, ließ ich das Feuer schon am Abend anfachen.» 

Währßnd sie ohne viel Fragen zu tun (und orewiß war sie 
neugierig, was dies zu bedeuten habe) hinaushuscht, geleitet 



— Si53 — 

Baidung den Ratsherrn in seine Arbeitsstube^ die behaglich 
durchwärmt ist. Er stößt die entzündete Kerze auf den Dorn 
des Leuchters und wirft neues Holz in das Kamin. 

An der Langswand das Spannbett mit Polstern und Fellen 
belegt, nimmt den Erstarrten auf. ßaldung tut ihm Zofendienste^ 
hilft ihm aus dem Gewände und reibt die steifen Glieder, um 
den Blutlauf neu anzuregen. 

Leise klopft es. Grittel harret draußen mit dem dampfenden 
Glühwein, Baidung nimmt ihn, drückt verstohlen hinter dem 
Schutz der Türspalte einen raschen Kuß auf den roten Mund 
und flüstert : «Geh nur und schlafe ; wir werden jetzt ohne 
Dich fertig!» 

Dann sitzt der Maler auf dem Bettrand, den Arm stützend 
um den hagern Körper des Doktors geschlungen und flößt ihm 
schluckweise das belebende Getränk ein. 

Brant spricht kein Wort, er weiß selbst nicht, wie ihm 
zu Mute ist, beschämt — unbehaglich — nein unbehaglich 
eigentlich nicht, aber daß er gerade diesem Menschen zu Danke 
verpflichtet ist — wahrlich er hat's ihm nicht vergessen, w^ er 
ihn — den berühmten Gelehrten — dem Spott des Pöbels aus- 
gesetzt. Ihn als Knicker, als Geizhals hinzustellen — über ihn 
war gelacht worden, den Verfasser des Narrenschi fifes, den 
kaiserlichen Rat und Doktor der Rechte. Mit jäher Gebärde 
wies er den freundlich gebotenen Becher zurück und drehte 
sich gekränkt zur Wand. 

^Ihr seid müde, recht so, seht daß Ihr schlafen könnt f 
Doch Euer Knie? Soll ich noch heilsame Salbe — ? nicht — 
nun gut, so laß ich Euch allein. Halt, noch eins. Mit dem 
frühesten werde ich Eurem Sohne Onofrius einen Boten senden, 
daß er und Eure Töchter nicht Sorge um Euch tragen. Nun 
Gott befohlen, der Herr gebe Euch seinen Frieden h 

Brant war allein ! Unruhig wälzt er sich auf der Lagerstatt 
umher. — Er grollt seinem Wirt, sich selbst, vor allem aber 
dem tückischen Geschick, dem er diese peinliche Lage verdankt. 

Nach beenxKgtem Rundgang bei den Zünften, hatte er sich 
von den übrigen Ratsherren getrennt, um, mißlaunig über die 
langwierige Zeremonie und seine verkürzte Nachtruhe, heim zu 
kommen. 

Mochte es nun sein, daß ihm, dem sonst so Mäßigen, der 
reichlich genossene Wein den Kopf schwer und die Füße un- 
sicher machte, und er ein bischen zu nahe den Häusern hin- 
schwankte — auf einmal stolperte er und da lag er unten. Ein 
Glück, daß er nicht allzuhart gefallen, nur das Knie schmerzte 
heftig. 

«Ja, ja, die längst verpönten Kellerhälse — er sann nach 



i 



— 254 — 

— wann war doch das Gesetz dagegen herausgekommen ? 

ehe ihm dies noch einfiel, fielen ihm die Augen zu 

und Dr. Sebastian Brant schnarchte im Bett seines Feindes so 
friedlich wie daheim in der Wohnung am Pfennigturme. 

Er schlief bis spät in den Tag hinein und als er im fremden 
Raum erwachte, mlißte er sich erst auf die Ereignisse der Nacht 
besinnen. Er befand sich in Baidungs Arbeitsraum, seiner 
Kunst Werkstatt. Die zwei Fenster waren bis zur Hälfte mit 
Tüchern verhangen. Kecke phantastische Entwürfe, Heiligen- 
bilder und Landschaften, üppig gemalte Frauengestaiten in 
hüllenloser Schönheit, dies alles hing, lag und stand durchein- 
ander. Wände, Tisch und Mappen füllend. Eilends griff der 
Doktor nach seinem Gewand, die Glieder waren ihm noch etwas 
steif, das Knie schmerzhaft, doch es mußte gehen, nur schnell 
fort von hier. 

Da fesselte ein großer Entwurf seinen Blick, eine der Skizzen 
für die Freiburger Altargemälde — die Flucht nach Aegypten. 

Unwillkürlich blieb er stehen. Welch lebenswahre anmutige 
Darstyülung. Neben dem Grautier schreitet Joseph, nicht der 
hinfällige Greis, der kraftvolle, gereifte Mann. Mit liebevollem 
Blick umfaßt er Weib und Kind. Ein feines, flirrendes Gold- 
licht geht von dem göttlichen Kinde aus, die Mutter mit ver- 
klärend. Lächelnd greift es nach den Früchten, die ihm feiste 
Engelbüblein vom Dattelbaum herabreiehen. Vögel und kleines 
Getier beleben die vordere Landschaft. 

Dies alles nur in flüchtigem Entwürfe hingesetzt, wie es 
der Künstler im Geiste empfunden und geschaut, aber eben 
dieser Reiz des Ursprünglichen wirkte so packend. Dr. Brant 
stand und schaute. Vergessen war, daß er fortgewollt, daß es 
sein Feind, der dies geschaffen. — Das war schön, war die 
Offenbarung einer echten Künstlerseele. 

Und von diesem Meister hatte er Anerkennung seines eignen, 
stümperhaften Könnens erwartet? Daß dies nicht geschehen, 
war es ja, was seine Eitelkeit härter getroffen hatte als der 
lose Schalksstreich, den ihm Baidung mit dem Totentanz gespielt. 

Leise öffnete sich die Tür^ Haus Baldung kam, nach seinem 
unfreiwilligen Gaste zu sehen ! 

Brant drehte sich um, sein Auge glänzte feucht, mit raschem 
Impuls bot er dem Maler beide Hände: <i:Bei Gott, Ihr seid ein 
Künstler, Baidung, ein gottbegnadeter Künstler! Und Euch 

zürnte ich weil — ^^ doch nichts mehr davon, lasset alles 

bisherige vergessen sein, seid mein Freund, wollt Ihr?» 

Baidung wußte sich zwar diesen Umschwung in Brants 
StimmTing nicht recht zu erklären, schlug aber gern in die 
ihm dargebotene Hand. 



— 255 — 



Der Gelehrte zog^ ihn mit vor die Staffelei : «Das was Ihr 
da geschaff'en», sprach er prophetischen Blickes, «das wird 
Euren Namen weit durch alle Lande tragen und wenn man 
die Besten und Größten des Elsaß nennt, dann wird ein Name 
nicht fehlen : «Baidung Grien }i^. 



Und er hat recht behalten, der Kanzler Straßburgs I Die 
alte Zunftstube zur Stelze ist verschwunden, nur das Artikelbuch 
der Schilter und Goldschmiede ist uns erhalten und verrät noch 
so manches aus jener Zeit. Da ist unter andern ein Bericht, 
daß Johann Wächtlin einer der sieben ehrbaren Meister war, 
die beim Rat für ihre Zunft eine neue Meisterstückordnung 
durchsetzten, daß ein gewisser Hagen aus der Zunft ausge- 
stoßen worden — und dann eine andre Notiz. Als Hans 
Baidung hochgeehrt aus Freiburg zurückkehrte, wo sein großes 
Altar werk im Dom noch in unsern Tagen beredtes Zeugnis von 
der Kunst des Meisters ablegt, wurde er von den Straßburger 
Zunftgenossen zum Ratsherrn gekürt, als welcher er auch ge- 
storben ist. 

Jetzt sind die Künstler nicht mehr zünftig, die Sehnsucht 
Baidungs ist erfüllt — kein Formenwesen engt mehr künstle- 
risches Schaff'en ein — jeder mag heutzutag seinen eignen Weg 
gehn ; — denn mit der Zunft, die alle Meister, die zu ihr ge- 
hörten, vereinte — ist auch der Geist der Zusammengehörigkeit 
dahingeschwunden. 

Sie hatte doch auch ihr Gi/tes, die alte Zunft zur Stelzen ! 



XL 



Eine 
Urkunde des Konrad Dangkrotzheim. 

Von 

E. Herr, evang. Pfarrer. 

V or Jahren schon entdeckte ich im Archiv der ehemaligen 
hanau- lichtenbergischen Kirchschaffnei Ingweiler eine ziemlich 
groBe Anzahl Pergamenturkunden, welche ehemals wichtige 
Belege för die Einkünfte und Vermögensverhältnisse der Schaffnei 
gewesen und deshalb von Jahrhundert zu Jahrhundert aufbewahrt 
worden waren. Bei einer knrzlich veranstalteten genaueren 
Durchsicht fand ich, daß dieselben viel historisch und kultur- 
historisch Interessantes enthielten und wert seien, aus ihrem 
moderigen und staubbedeckten Dasein ans Licht des Tages ge- 
zogen zu werden. Die älteste Urkunde ist eine Urkunde des 
Straßburger Bischofs Heinrich vom Jahre 1212, die jüngsten 
stammen aus dem 18. Jahrhundert, und sie erstrecken sich 
über die Verhältnisse sämtlicher Dörfer, mit welchen die Kirch- 
schaffnei Ingweiler jemals in Verbindung stand, so daß sie als 
ein nicht unwichtiger Beitrag zur Ortsgeschichte des ehemals 
hanau-lichtenbergischen Landes, ganz besonders aber zur Ge- 
schichte der alten Ortsnamen gelten können, von welch letzteren 
sich manche bisher unbekannte Form findet. Wie sich von Ur- 
kunden einer Kirchschaffnei von vornherein vermuten läßt, sind 
es meist Verkaufs- oder richtiger Schuldurkunden ; doch finden 
wir auch sehr viele wichtigeren Inhaltes, Fundationen und In- 
korporationen, Streitigkeiten der Gemeinden unter sich oder 
mit ihren Pfarrern, Uebertragungen von Patronats- und Kolla- 
turrechten u. a. enthaltend, so daß wir daraus sehen können, 
wie zur Zeit der Gründung der Kirchschaffnei unter Lichten- 
bergischer Herrschaft alle Urkunden, welche nur irgendwie die 



- 257 — 

lechte einer der SchafTnei unterstellten Gemeinde betrafen, 
orgfältig im Schafifneiarchiv niedergelegt wurden. Ein Orts- 
listoriker würde da gar mancherlei ihm Fremdes entdecken, 
besonders auf das Verhältnis von Mutter- und Filiaikirchen 
ind die Zuständigkeit der letzteren werfen einige Urkunden 
'ür einzelne Orte ein helles Licht, welches manchen einge- 
ivurzelten Irrtum zerstreuen dürfte. 

Es war ursprünglich geplant, die Urkunden in Regesten- 
form im Jahrbuch zu veröffentlichen. Doch nahm die Arbeit 
einen solchen Umfang an, daß sie allein ein Jahrbuch gefüllt 
bätie. Denn wenn es ein Beitrag zur Ortsgeschichte sein sollte, 
mußte, abgesehen natürlich von dem mittelalterlichen Formel- 
und Klauselkram, alles Wissenswerte an Orts-, Personen- und 
Flurnamen auch aus den weniger wichtigen Urkunden ge- 
geben werden, und dies überstieg naturgemäß den Umfang 
eines Beitrages für das Jahrbuch. Hoffentlich bietet sich 
aber Gelegenheit, die Sammlung als Sonderwerk zu veröffent- 
lichen. 

Dem Jahrbuch möge vorläufig nur die eine Urkunde ein- 
verleibt sein, welche wegen des an ihrer Spitze stehenden 
Namens, weniger wegen ihres Inhaltes, allgemeineres Interesse 
beanspruchen dürfte, und welche mir Veranlassung gibt, den 
Lesern des Jahrbuchs etwas über einen der größeren Anzahl 
derselben unbekannten Dichter des Mittelalters mitzuteilen. Es 
niögen zunächst die notwendigen einleitenden Notizen folgen, 
darauf die Urkunde in ihrem vollständigen Texte, und endlich 
eine Erläuterung derselben, soweit sie für das Verständnis der 
Urkunde dienlich ist. 



Cuonrat Dangkrotzheim wird im Verzeichnis der Kolmarer 
Meistersinger erwähnt, und ein Meistersinger ist er auch ge- 
wesen. Dies bezeugt uns das von ihm verfaßte theilig nam- 
^oc/i», ein in Verse gesetzter kirchlicher Festkalender, welcher 
*U jedem Monat die Fest- und Heiligen tage gibt, umrahmt 
^ou geschichtlichen Notizen über dieselben und durchsetzt 
^on landläufigen Wetterregeln und frommen Vorschriften. ^ 
l^a« ganze Büchlein atmet eine kindliche Frömmigkeit, wie 
allein schon die Anfangs- und Endverse zeigen, welche ich 

Wer anführe: 

/. 



I ' 1 I 



* Vgl. K. Pickel, das heil. Namenbuch von Konrad Dangkreta-» 
heim. Eis. Lit.-Denkmäler I. 1878. 

17 



— 258 — 

Jhesus, Marien liebes kint, 

dem himel und erde gehorsam sint, 

der von dem vatter wart gesant 

in die jungfrowe vorgenant 

und von dem heiigen geiste enphangen: 

in .des namen angefangen 

habe ich dis büechelin betraht 

und jungen kinden das gemäht, 

das sü darinne leren, 



Ich wil hie enden alle ding 

mit dem namen, als ich anefing, 

die vornen im buoch geschriben sint, 

das ist JhesQs, Marien kint, 

das von dem vatter wart gesant. 

Alle lieben heiligen vorgenant 

und des heiligen geistes flamen 

schirment uns vor allem übel! Amen. 

Wir ersehen aus diesen Versen auch, daß das Buchlein 
zum Unterricht für Kinder bestimmt war. Es ist deshalb wohl 
als sicher anzunehmen, daß der Verfasser ein Schullehrer war, 
wie es Pickel^ auch aus anderen Kennzeichen in seinem Namen- 
buche höchst wahrscheinlich macht. Pickel hat leider nichts 
darüber erwähnt, ob das Lehramt seine einzige Beschäfti- 
gung war. Nur an der Stelle, wo er erwähnt, daß Dangkrolz- 
heim wahrscheinlich als ein aus den Handwerken gewählter 
Schöffe ins Hagenauer Schöffenkollegium gekommen sein werde, 
könnte man etwa einen Hinweis darauf finden, daß er auch 
ein Handwerk trieb. Wenn wir uns aber in die Art jener Zeit 
des beginnenden 15. Jahrhunderts versetzen, so kann uns dies 
gar nicht zweifelhaft sein. Ein Schullehreramt war damals nur 
eine Nebenbeschäftigung, welche allein ihren Mann nicht er- 
nähren konnte. Wer um des Brotes willen Lehrer war, trieb 
noch ein Handwerk, welches ihm zugleich die Üeberwachung 
einer Anzahl Schüler gestattete. Schneider, Weber u. a., welche 
bei ihrer Beschäftigung an einem bestimmten Flecke still sitzen 
konnten, treffen wir in jenen Zeiten und bis tief in die neuere 
Zeit hinein als Lehrer an. Diese Beobachtung dürfte auch für 
Dangkrolzheim zutreffen. Daß er offenbar, wie noch zu zeigen 
ist, aus einem altem Geschlechte stammte, beeinträchtigt die 
Annahme eines Handwerks für Dangkrolzheim nicht; denn wie 
mancher edel Geborene hat sein Leben in einem bürgerlichen 
Geschäftsbetrieb fristen müssen, in einer Zeit, in welcher es 



i a. a. 0., S. 8. 



— 259 — 

edle Geschlechter genug gab, weiche Schulden üher Schulden 
verbriefen und ihr Erbteil versetzen mußten, um nicht .zugrunde 
zu gehen. 

Konrad Dangkrotzheim war ein Elsässer und lebte zu Ha- 
genau. Dort bekleidete er lange Jahre das Amt eines Schöffen. 
Er muB demnach eine geachtete Persönlichkeit gewesen sein. 
Hierüber geben uns nur einige wenige Urkunden Nachricht, 
welche von Dangkrotzheim als Schöffen in Hagenau ausgestellt 
und besiegelt sind. Wir erfahren aber aus denselben auch nur 
diese Tatsache ; sie stehen zu ihm selbst in keiner näheren Be- 
ziehung. Zwei dieser Urkunden hat Afone i veröffentlicht, meh- 
rere andere sind verloren gegangen«; dazu kommt dann unsere 
bisher unbekannte Urkunde aus dem Ingweiler Kirchschaffnei- 
Archive. Diese Urkunden stellen, soweit sie uns bekannt sind 
•oder waren, nichts weiter fest, als daß Dangkrotzheim in den 
Jahren 4410 — 1431 als Schöffe amtierte. Ob er aber dieses Amt 
bis zu seinem Tode bekleidete, wie Pickel » annimmt, ist nicht 
nachweisbar. 

Das Geburtsjahr des Dichters setzt Pickel nicht nach 1372.* 
Als Todesjahr gibt das Chronicon des Bernhard Hertzog das 
Jahr. 1444 an, welche Angabe wir mangels anderer Beweise 
als richtig annehmen müssen. 

An die Herkunft des Dichters haben sieh mannigfache Er- 
örterungen geknüpft. Er selbst nennt sich in den Urkunden 
C Unrat Dangkrotzheim,^ und genau ebenso erscheint seine Selbst- 
bezeichnung an zwei Stellen des Namenbuches. Auf seinem 
Siegel, welches Mone an den von ihm abgedruckten Urkunden 
nur defekt vor sich hatte (er liest : S . CONADI . S . . . 
EA . . . NKRAZEM), welchejs aber an unserer Urkunde 
sehr schön erhalten ist, liest man : § • {?^ORJIÖI ' 

SCh€J]i • D • DHKRHZ€m • d« der 

Rand des Siegels abgegriffen ist, so sind die über dem des 
Coradi und dem ersten A des Dakrazem ehemals vorhanden 
gewesenen Abkürzungsstriche (Coradi, Dakrazem) nicht mehr 
sichtbar ; sicher haben wir seinen Namen aber zu lesen 
Conradus de Dankrazem. Das Siegel zeigt in einem Schilde 
eine heraldisch nach rechts oben gekehrte Pfeilspitze. Wir 
haben es hier also ganz sicher mit dem Nachkommen eines 
alten Geschlechts von Dankrazeim zu tun, welches als Wappen- 
bild die Pfeilspitze führte. 

1 Zeitschr. f. d. Gesch. des Oberrheins, Bd. II, 1851, S. 323 ff. 
« Pickel, a. a. 0., S. 3. 
8 Ebenda, S. 9. 
< Ebenda, S. 7. 



— 260 -^ 

Ob nun dieses Dankgrotzheinty Dankrazeim sein Geburlsort 
ist, kann natürlich nicht nachgewiesen werden. Sicher aber 
stand dort die Wiege seines Greschlechtes. Die Frage ist nur 
die, wo wir diesen mit Dangkrotzheim, Dankrazeim bezeichneten 
Ort zu suchen haben. Schon im Jahre 1827 hat Ströbele in 
diesem Orte Dangolsheim im Kreis Molsheim erblickt. Mone^ 
hat' darin aber Dengeisheim im Kreis Hagenau, nördlich von 
Drusenheim, sehen wollenVhat damit aber leider die Unter- 
suchung auf eine gan^ falsche Fährte gelenkt, und Pickel ^ 
scheint sich auf Mones Seite zu stellen. Mone geht davon aus, 
daß das Kloster Schwarzach einen Dinghof in einem Orte hatte, 
welcher in den Schwiirzacher Urkunden Danckratzheim und 
Dankrotzheim genannt wird. Er nimmt nun offenbar an, daß 
dieser Ort in möglichster -Nähe des Klosters gelegen haben 
müsse und findet ihn deshalb in Dengeisheim, welches dem 
Kloster Schwarzach gegenüber auf der linken Rheinseite liegt. 
Er behauptet dann weiter, daß das Kloster Schwarzach in 
Dangolsheim dagegen nie begütert war. Nun ist es aber Tat- 
sache, daß die Besitzungen der Klöster im Mittelalter oft sehr 
weit entfernt und zersteut lagen. Wie weit erstreckten sich 
z. B. die Besitzungen des Klosters Weißenburg, davon uns 
dessen traditiones Kunde geben ! Ferner ist es Tatsache, daß 
das Kloster S^hwarzach grade in der Gegend Molsheim-Wasseln- 
heim-Zabern Güter besaß und daß besonders in Dangolsheim 
bis auf die Revolution ein Schwarzacher Dinghof bestand. 
Grimm,^ hat das Weistum des Dinghofes von Danckrotzheym 
ganz richtig auf dieses Dangolsheim gedeutet, und Mone bestreitet 
dies mit Unrecht. In diesem Weistum wird Danckrotzheym 
als ein richs dorff bezeichnet. Nun läßt sich ohne weiteres 
annehmen, daß Dangolsheim, als im alten pagus Tronin- 
gorum, dem Königsland, (relegen, ursprünglich ein Reichsdorf 
war, was wir aber auch bestimmt daraus schließen können, 
daß es noch im 13. Jahrhundert zum Teil zum Reich gehörte. 
Von Dengeisheim läßt sich dies aber nicht nachweisen. Ent- 
scheidend sind endlich die alten Namen der beiden fraglichen 
Dörfer. Dangolsheim erscheint in den trad. Wizenb. als than- 
caradesheim (a. 760) und thancrateshei7nouilla(ai. 779), während 
Dengeisheim mit dhancleohahaim (a. 775) erscheint. Die Güter- 
urkunden der Abtei Maursmönster bestätigen, daß diese Deu- 
tung von thancaradesheim in den trad. Wizenb. richtig ist. In 

' A. W. Strobel, Beitr. zur deutschen Literatur usw., 1827. 
S. VIII. 

« a. a. 0., S. 323. 

^ a. a. 0., S. 5. 

* Weistümer I, S. 736. 



— 261 — 

Lner solchen, angeblich vom Jahr 828, welche aber nur in 
wei sehr verstümmelten Abschriften erhalten ist, und welche 
vrandidier^ ins Jahr 1128 verweist, heißt es einmal (Exemplar 
n einem Manuskript der Univ.-Bibl.) Danratesheim, das 
mdere Mal (Exemplar von Graqdidier) DankrcUzheim. Die 
iproße echte Göterurkunde abis dem Anfang des ^2. 'Jahr- 
hunderts hat Dancratesheimy ebenso auch die Güterbestätigung 
durch Papst Alexander III. aus dem Jahre 1179, welche uns 
in einem Vidimus von 1437 erhalten ist. In diesen Urkunden 
Maursmünsters kann nur Dangolsheim gemeint sein. Und in 
einem über specificationum des Frauenhauses vom Jahr 1351, 
welches Pickel anfuhrt, erscheint dieses Dorf unzweifelhaft als 
Danckratzheim. Dengeisheim dagegen erscheint später nur 
als Teckelsheim (a. 1359). Wir müssen deshalb mit vollem 
Recht auf Dangolsheim als die Wiege des Geschlechtes 
unseres Dichters hinweisen. Pickel läßt die Frage leider unent- 
schieden, ja scheint sich eher der falschen Anschauung Mones 
zuzuneigen. 

Wir können also feststellen, daß sich nach Dangolsheim 
an Geschtecht nannte, vvelches eine schräggestellte Pfeilspitze 
im Wappen führte, und daß diesem Geschlechte Cünrat Dang- 
krotzheim angehörte. 

Mone^ welcher die eine Verwirrung mit Dengeisheim ange- 
richtet hat, möchte noch eine zweite anrichten. Er bemerkt, 
M auf der ihm vorliegenden eifüH^ Urkunde^i^krotzheims 
iiuf dem Pergamentstreifen, an welchem das Siegel hängt, der 
Name €Clobelouch» steht. Derselbe findet sich auch bei unserer 
logweilerer Dangkrotzheim-Urkunde, aber er findet sich auch 
^uf anderen Urkunden der Ingweiler SchafTnei, welche nicht 
von Dangkrotzheim gesiegelt oder erlassen sind. JDiese cClobe- 
louch»-Urkunden zeigen alle dieselbe Schrift, wie auch alle 
ruderen Urkunden, welche einen andern Namen auf den 
Streifen tragen, alle dieselbe, aber eine andere Hand erkennen 
lassen. Da hat sich nur der Urkundenschreiber verewigt ; weiter 
))edeuten diese Namen nichts. Mone aber stellt diesen Namen 
Qüt dem Aussteller der Urkunde in Verbindung und läßt durch- 
blicken, es könne vielleicht Dani;krotzheim zu der altbekannten 
«Isässischen Familie der Clobelouch gehört haben. Er geht 
offenbar davon aus, daß manchmal bei Urkunden, welche mit 
Mehreren Siegeln versehen wurden, auf der Ruckseite derselben 
*ö den Siegelstreifen die Namen derer, welche siegeln sollten, 
angeschrieben wurden, damit die Siegel in richtiger Reihen- 
folge angehängt würden, »und wendet dies auf die Dang- 



1 maL d!AlsAce, p. justif., Nr. 611. 



— 26*2 — 

krotzheim — Urkunde an. Es ist eigentümücb, wie Mone^ 
welcher doch einer der bewandertsten Urkundenforscher war, 
dies sa mißverstehen konnte. > Natürlich können, was PickeU 
dagegen anführt, weder die Siegelumschrift uiit dem Namen 
Glpbelouch, noch auch das .Wappenbild mit demjenigen der 
Globelouch stimmen, denn beide h^ben nichts miteinander 
zu tun.. 

Nun handelt es sich noch um einen, meines Wissens bis 
jetzt nur von Clauß * erwähnten Punkt. Was soll das Wort Schean 
in der Siegelumschrift bedeuten? Mona und Pickel haben sich' 
darüber nicht äußern können, weil ihnen die . Umschrift nicht 
vollständig bekannt war. Clauß erklärt es für Jean = Johann, 
Doch gibt es wohl kaum hierfür eine Parallele.. Dem Mittelalter 
ist in deutschen Landen ein Name, wie Jean ganz fremd. Der- 
selbe ist erst unter französischem Einfluß im Elsaß . bekannt 
geworden. Wir können also dieser Auslegung nicht beitreten. 
Wenn der letzte Buchstabe des Wortes als JXi = M gelesen 
wird — der Querstrich des JJ ist nicht deutlich ausgeprägt, es 
macht den Eindruck eines JX^, bei welchem der vorderste Strich 
in der Mitte verdickt ist — , könnte mian vielleicht mutmaßen, 
daß es gCh • .€1, • Iß = Schabini et Militis heißen solle. 
Jedoch ließe sich nicht gut erklären, warum im Siegel 
dieses M so anders als das M lin Dankrazem beschaffen wäre. 
Es bleibt! uns nur übrig, .in . dem, Schean einen Beinamen 
zu sehen, dessen Bedeutung ;.uns heute nicht mehr bekannt 
ist. Die einzelnen Glieder edler Geschlechter unterschieden 
sich oft durch solche Beinamen, welche ihnen zum Teil als 
Spottnamen von ihren Gegnern oder auch eigenen Anver- 
wandten gegeben wurden, welche ihnen zeitlebens blieben 
und welche sie dann auch auf ihren Siegeln anbrachten. ' 

Es möge nunmehr der Text der Urkunde folgen. 



1 a. a. 0., S. 6. 

2 J. M. B^ Clauß, hist.-topögraph. Wörterbuch des Elsaß, 
1895 ff., unter dem Artikel «Dangolsheinl». 

3 Herr Geh. Archivrat Prof. Dr. Wiegand hat mir gegenüber 
die Vermutung ausgesprochev, daß in dem Schean vielleicht der 
eigentliche Familienname des Dichters gegeben sei und er nur einem 
bürgerlichen Geschlecht angehört habe, welches sich nach Dangols- 
heim nannte. Leider war die Urkunde nicht mehr zur genaueren 
Priifung des Siegels erhältlich, so daß diese Vermutung nicht weiter 
verfolgt werden konnte. 



— '263 — 



Ich Cünrat Dangkrotzheim» fchoffen zu Hagenowe, vergihe,^ 
das vor mich kom Cünen Claus von Überoche * vnd hei verköuft 
vnd gegeben zu kouffe' reht vnd redelichen jn fougtz^ wife 
von Eilfen vnd Vtilien;»^ Gellen heintzels fei igen kinde wegein 
von überoche, Der wiffenthafter « fougt er ift, als er fprach, 
vnd vür die felben kinde vnd ir erben, Cüntzen, Heintzeman 
Sniders füne, gefeilen zu PfafTenhofen, SchaiTener der Heiligen 7 
zu Pfaffenhofen, der es enpfing von fonte Pelers* wegen do- 
felbelt, als er vor mir veriach,^ Vier fcheren lo maten mit allem 
begrifTe vnd zflgehörungen, als lü gelegen fint jn dem Banne 
zu Nidermater n jn der Rülins maten nebent Cünen Hans feligen 
erben von Nidermater vnd anderfite fante Peter, zinfet einen 
halben vierling wahs^^ fante Johans^s jt Nidermater. Vnd ift 
dirre kouff gefcheen vmbe dru pfunt >* zweyer vntze J* pfennige 
mynre Strafburger pfennige genger vnd geber, die er bar von 
dem egenanten*« fchaffener enpfangen vnd in der obegenanten 
Eilfen vnd Vtilien beffern nutz gekert hat gar vnd gentzlichen , 
als der vorgenant verköiffer vor mir veriach. Vnd darumbe fo 
hat er ouch globet i' reht vnd redelichen jn fougtz wife von der 
obegenanten kinde wegen vnd vur die felben kinde vnd ir 
erben^ zu werendei» den egenanten fchaffener vnd fine nach- 
komen von wegen des vorgenanten Heiligen, der obegenanten 
vier fcheren maten jemerme^^ ewiclichen vür vnd gegen aller 
menglich, vngehündert, vnd vnuerwidemet,^» fry, lidig, eigen, 
vnuerfetzet vnd vmbeküinbert,2i vfgenommen das egenant wahs. 
Wer es aber,M das den obegenanten fchaffener oder fine nach- 
kommen jemans jrrete, hunderte, anfpreche oder bekümberte^i 
von der egenanten vier fcheren maten oder kouffs wegen, Nu 
oder hie nach, mit geiftlichem oder mit weltlichem gerihte, 
Was fchaden er oder fine nachkommen von des obegenanten 
Heiligen wegen des nement, Den fiillent yn^s der obegenant 
fougt jn fougtz wife von der egenanten kinde wegen, vnd 
diefelben kinde vnd ir erben ouch allen uffrihten «* one 
Widerrede. Vnd harutf fo hat der felbe fougt jn fougtz wife 
von der obegenanten kinde wegen fich verzigen*» aller triheite, 
aller helffe, fchirme, gerihte vnd rehte, geiftlicher vnd welt- 
licher, Domilte er oder die vorgenanten kinde vnd ir erben fich 
behelffen oder befchirmen möhtent wider difen kouff oder wider 



— 2(54 — 

üt,M das in difem briefe gefchriben ftat. Vnd des zu vrkünde 
fo han jch der vorgenant fchöfifen myn jngefygel gehencket an 
difen brieif, der geben wart v£f des Heiligen Grützs tag als es 
fanden wart^'^ des jares do man zaite von gottes gebitrte vier- 
tzehenhundert vnd zwentzig Jare. 



Erläat eräugen: 

1 Bekenne, bezeuge, s üeberach, £r. flagenan, £t. Nieder- 
bronn. 3 Verkaufen und zu Kauf geben ist eine in sämtlichen Yer- 
kanfs- und Schnldnrknnden des Mittelalters angewandte stereotype 
Formel. Dieser Gebrauch geht bis in die neuere Zeit hinein. ^ Vog^, 
Vormund. ^ Else und OttiUe. * gewissenhafter. 7 Heiligenschaffiaer, 
Heiligenpfleger, Heiligenmeier hießen die Verwalter des Vermögens 
der Kirche, des Almosens und der Stiftungen. Alles, was einer Kirche 
durch Kauf, Tausch oder Schenkung zufiel, wurde als Eigentum des 
oder der Schutzheiligen derselben angesehen. Die Heiligenpfleg'er 
verwalteten das Vermögen des Heiligen, sie nahmen Zinsen auf 
oder kauften Güter «von des lieben Heiligen wegen», oder 
«dem lieben Heiligen N. N.» Ein Best dieser Anschauung findet 
sich noch in dem elsässischen Worte « Helj e » für das in der Kirche 
geopferte AlmoMB, aus welchem die Bedürfnisse der Kirche bestritten 
werden. ^ Schutzheiliger der Pfaffenhofener E^irche. ^ Bekannte. 
10 Schere oder Schar ist die Breite, weiche ein Mäher in einem 
Hingang auf der Wiese abmäht Vier Scheren Matten = eine Wiese, 
welche vier Scbaren breit ist. ii Niedermodem, Kreis Zabem, Kt. 
Bttchsweiier/ *' Wachs. ^^Schutzheiliger^der Kirche zu Niedermodem. 
1^1 Pfund Pfennig = 240 Pfennig. Die Bezeichnung kommt daher, 
daß das Geld ursprünglich gewogen wurde. Das erste gemünzte Geld 
erhielt von der durch einseitige Prägung etwas hohlen, pfannchen- 
artigen Form den Namen <Pfennig>, welcher dann später zur Be- 
zeichnung der Einheitsmünze angenommen wurde. ^^ 1 Unze 
Pfennig = 20 Pfennig. Auch Unze ist eine Gewichtsbezeichnung. 
10 Ueberall, wo das Wort € vorgenant, egenant, obegenant» in unserer 
Urkunde vorkommt, ist es abgekürzt geschrieben: vorgen, egen, 
obegen. >^ Gelobt, versprochen. ^^ Wehren, schützen in den durch 
den Kauf erworbenen Bechten. ^^ Immer. ^^ Nicht zu einem Pfarr- 
gut geschenkt. Diese Klausel mit allen dabeistehenden Parallel- 
bezeiichnungen soll ausdrücklich festlegen, daß auf dem verkauften 
Gute keine Last ruht und daß niemand einen Anspruch daraufhat, 
besonders also, daß es nicht heimlich einer Kirche vermacht ist 
*i Bekumbern, wovon unser <bekümmern> (= Sorgen und Mühsal 
bereiten), bedeutet in der mittelalterlichen Bechtssprache soviel wie: 
durch richterlichen Spruch beschlagnahmen lassen. Es heißt aber 
auch allgemein soviel wie : belästigen, und diese Bedeutung hat das 
Wort, wo es nachher nochmals vorkommt. 22 Wäre es aber = wenn 
es aber der Fall wäre, daß. w Dinen. 24 Ersetzen. «^ Verzicht 
leisten aaf etwas. Diese Yerzichtleistung wie die derselben in der 
Urkunde vorausgehende Gewährleistung sind notwendige Stücke 
einer rechtsgültigen Urkunde. Im 15. Jahrhundert sind beide noch 
mäßig im Umfang, im 17. Jahrhundert erreicht die Verklausulierung 
einen hohen Grad und nimmt den größten Baum in einer Urkunde 
ein. 26 üt = etwas, Gegensatz ist mit = nichts. 27 Kreuzes Er- 
findung, am 8. Mai. 



XU. 

Inschriften im Elsaß. 

Von 

Dr. Kassel in Hochfelden. 

Mit 2 Abbildangen. 



Di 



4e Sitte, Häuser und Gerätschaften in augenfälliger Weise 
mit Inschriften zu versehen, gehört für das bürgerliche und 
bäuerliche Elsaß einer verhältnismäßig jüngeren Zeit an. Wäh- 
rend andere Volksgebräuche sich weit im Mittelalter verlieren 
oder in ihren Wurzeln im grauen Altertum nachweisen lassen, 
konnten die Inschriften erst zu einer Zeit aufkommen, als die 
Schrift größtenteils Gemeingut der beteiligten Bevölkerungs- 
schichten geworden war. Welchen Sinn hätte es auch haben 
köf^neni, atlerlei Gebrauchsgegenstände mit Zeichen auszustatten, 
die weder ihren Besitzern bekannt, noch dem Gaste und Wan- 
derer verständlich, ja nicht einmal dem Verfertiger geläufig 
waren ? So kommt es, daß, während die gebildeten Kreise, in- 
sonderheit die Vertreter des Adels und der Kirche, schon Jahr- 
hunderte lang Inschriften anwendeten, für die besitzende Volks- 
menge in Stadt und Land die Inschriften im weitesten Wort- 
sinne erst mit dem 16. Jahrhundert an Verbreitung und Be- 
deutung gewannen. Da wo das Bedürfnis oder die Laune da- 
für {bestand, machte man ehedem die Häuser durch einfache 
bildliche Darstellungen und Hauszeichen leichter kenntlich. 
Noch bis tief in das 19. Jahrhundert brachte der elsässische 
Bauer an Besitztum und Geräten sein Hofzeichen an, und nicht 
wenige Häuser tragen noch heute, von mehr oder weniger 
kunstgeübter Steinhauerhand verfertigt, Gruppen von Handwerks- 
zeug der verschiedensten Art. Ja Hofzeichen und Dorfzeichen 
werden vielfach noch in unseren Tagen verwendet. Aber seit- 



— i66 — 

dem die Kunst des Lesens und Schreibens auch in die länd- 
lichen Gehöfte und Häuser drang, kam immer mehr die Sitte 
auf, Haus und Hof und zahlreiche Gegenstände des Alltagslebens 
mit dem Namen des Besitzers und dabei wohl auch noch mit 
Inschriften und Spruchen mannigfacher Art zu versehen. 

Die Aufmerksamkeit und der Sammelfleiß vieler Forscher 
hat sich seit einigen Jahrzehnten im gesamten deutschen Sprach- 
gebiet den Inschriften und Haussprüchen zugewandt. Schon 
Radowitz^ und Riehl^ gedenken der ßedeutung der Haus- 
sprüche. Die erste zusammenhängende Arbeit veröffentlichte 
1860 Sutermeister^ über die Haussprüche der Landschaft Zürich. 
Es folgten für Stadt und Herzogtum Altenburg Hase^ und 
Löhe^. Das ganze deutsche Sprachgebiet behandelt eine präch- 
tige Sammlung eines ungenannten Verfassers* und eine andere 
von Draheim '. Siebenbürgen findet einen trefflichen Bearbeiter 
in Haltrich^^ Schwaben in Doll^. Einen mehr gedrängten Ueber- 
blick gibt Lücae^^^ während v. Hörmann Oberbayern, Tirol" 
und die Alpen J^, Freund ^^ die Umgebung Marburgs, Buhlers^* 
Hildesheim und Umgegend behandeln, r. Padberg »»und Dreselly^^ 
bieten uns wieder zwei treffliche Arbeiten über ein größeres 
Gebiet, und endlich sind von zwei ungenannten Verfassern > 7, 
sowie von Krakowizer is kleinere Abhandlungen über Tirol und 
Oester reich erschienen. Vereinzelte Mitteilungen über Inschriften 
sind in zahlreichen Zeitschriften und Tagesblättern zerstreut. 
Draheim und Dreselly geben in ihren Büchern noch weitere 
Quellennachweise an. Die meisten Hausinschriften scheinen in 



1) Badamtz, Die Devisen und Motto des späteren Mittelalters. 
Stattgart und Tübingen, Cotta, 1850. — 2) Eiehl, Naturgeschichte 
des Volkes. Stuttgart und Augsburg, 1855. lU, 187. — 3) Suter- 
meister, Schweizerische Haussprache. Zürich, Höhr, 1860. — 4) Appel- 
lationsgerichtsrat Dr. Hdse im Altenburgischen Hauskalender f. 1866. 
— 5) Lohe, Hausinschriften aus dem Ostkreise des Herzogtums Alten- 
burg. Altenburg, Pierer, 1867. — 6) Deutsche Inschriften an Haus 
und Geräth. Berlin, Hertz, 1880 (3. Aufl.>. — 7) Draheim, Deutsche 
Reime. Berlin, Weidmann, 1883. — 8) Haltrich, Zur Volkskunde der 
Siebenbürger Sachsen. Wien, Gräser, 1885, S. 409 ff. — 9) DdÜ in 
Alemannia, 1880, S. 241 ff. — 10) Lucae, Aus deutscher Sprach- und 
Literaturgeschichte. Marburg, Elwert. 1889, S. 221 ff. — 11) «. Hör- 
mann, Grabschriften und Marterten, 3 Bändchen. Leipzig, Liebeskind, 
1889—96. — 12) v. Hörmann, Haussprüche aus den Alpen. Leipzig, 
Liebeskind, 1896. — 13) Freund^ Hausschriften aus Marburgs Um- 
gebung, 1891. Sonderabdruck aus dem Marburger Tageblatt. — 
14) Zeitschrift des Harzvereins 1891, S. 425 ff. ; 1892, S. 423 ff. ; 1893, 
S. 415 ff.; 1894, S. 210 ff - 15) v, Padberg, Hausspruche und In- 
schriften in Deutschland, Oesterreich und der Schweiz. Paderborn, 
Schöningh, 1898. — 16) DreaeUy, Grabschriften, Sprüche usw. Salz- 
burg, Pustet, 1898. — 17) Marterl, Votivtafeln usw., 2 Bändchen. 
Regensburg, Stahl o. J. — Deutsche Haussprache aus Tirol, gesammelt 
von W. 0., Innsbruck, Wagner, 1871. — 18) Krakowizer, Inschriften 
und Aufschriften im Lande ob der Enns. Linz, Mareis, 1901. 



— 267 -^ 

Siebenbürgen vorzukommen, sowie in Westfalen, wo fast jedes 
Bauernhaus seinen Spruch hat. 

Was das Elsaß betrifft, so besitzen wir eine vortreffliche 
Arbeit von Mündel ^^ nachdem bereits Stöbert einige In- 
schriften mitgeteilt hatte. Vereinzelte Mitteilungen finden sich 
im aElsässischen Samstagsblatt» 1858, S. 116, über Westhofen, 
im € Vogesenblatt» 1897 Nr. 5 über das Hanauische, 1899 (August- 
nummer) über Rufac^, 1900 Nr. 13 über das obere Illtal, so- 
wie bei Höhe^ über den Kochersberg. 

Die meisten Arbeiten, so auch die Mundeische, sind trockene 
Aufzählungen von mehr oder weniger merkwürdigen, aus- 
gewählten Inschriften^ ohne Erklärung und Würdigung und 
ohne verbindenden Text. Ein richtiger Begriff vom Wesen der 
Inschriften läßt sich aber nur dann gewinnen, wenn man ihre 
Gesanitheit in einem größeren abgeschlossenen Gebiet betrachtet. 
Ich habe daher die Gegend zwischen Rhein und Vogesen, 
zwischen der Breusch mit dem Haselbach und der Pfalzergrenze 
planmäßig nach Inschriften abgesucht und die 351 Ortschaften 
dieses Gebiets in den Jahren 1890 — 1905 auf dem Rade be- 
sucht und durchforscht. In meinem engeren ärztlichen Wirkungs- 
kreise von etwa 30 Dörfern hatte ich außerdem den Vorzug, 
auch das Innere der Häuser in meine Untersuchungen einzu- 
schließen. Ich maße mir nicht an, alle Inschriften gefunden 
zu haben, viele dürften aber gewiß nicht fehlen. Manche werden 
auch seitdem verschwunden sein. Ich habe es ferner für not- 
wendig gehalten, nichteine Anhäufung von sonderbaren, drolligen^ 
einzigartigen oder möglichst alten Sprüchen zu geben, sondern 
eine Sammlung von allem^ was sich vorfand. Nur so kann man 
in den Geist eindringen, der das elsässische Volk bei der Ab- 
fassung und Anbringung der Spräche geleitet hat. Uebrigens 
wäre es auch schwer, eine genaue Grenze bezüglich der Her- 
kunft der Inschriften zu ziehen. Ein Vergleich mit den aus 
andern Ländern deutscher Zunge veröffentlichten Inschriften 
soll außerdem ihren wissenschaftlichen Wert vervollständigen. 
Hierzu wurden außer den bereits erwähnten Abhandlungen noch 
die Sammlungen von Simrock *, Hoffmann v. Fallersieben ^ 



1) Mündel, Haasspräche und Inschriften im Elsaß. Straßburg, 
Bull, 1883. 76 Seiten. — Auf Mündel ist bloß bei den Inschriften 
hingewiesen, die ich nicht mehr gesehen habe, die also zwischen 
1883 und 1904 yerschwanden sind. - 2) Alemannia, 1879, S. 232 ff. 
— 3) Höhe, Das Kochersbergeriand. Straßbarg, Müller, Uerrmann 
a. Co., 1895. S. 100 f. — 4) Karl Simrock, Die dentschen Sprich- 
wörter. Frankfurt a. M., Brönner, o. J. — 5) Hoffmtmn v. Faüera- 
leben, Spenden zur deutschen Literatargeschichte, I. Leipzig, Engel- 
mann, 1844. S. 3—82. — Derselbe, Findlinge. Leipzig, Engelmann, 
1860. I, S. 434—463. 



- 268 — 

und Schulze^ herangezogen. Unter den 13000 Sprichwörtern 
Simrocks fanden sich hloß 128 im Elsaß vorkommende Inschriften- 
sprüche. Auch Wackemagel^ giht einige alte Spruche. 

Was das Alter der Inschriften betrifft, so stammt die Mehr- 
zahl aus dem Zeitraum zwischen 1770 und 1830. Recht zahl- 
reich sind auch die Inschriften, die uns sonst noch aus dem 
18. JahrbundBrt erhalten sind. Es ist daher nicht unmög- 
lich, daß die Blütezeit des Inschriftenwesens viel ausgedehnter 
war, als man heule ermessen kann, denn aus dem Zurück- 
gebliebenen läßt sich nicht unbedingt auch auf den Umfang 
des Dagewesenen schließen. Aus dem 17. Jahrhundert sind 
mir — in dem angegebenen Gebiete und mit den noch zu er- 
wähnenden Einschränkungen — nur 14 Inschriften bekannt 
(Nrn. 108, 181, 247 k, 33, 221—224, 38 b, 18 b, 191, 247 g, 
51, 119). Aus dem 16. Jahrhundert kenne ich drei, die in 
Balbronn (Nr. 247 i von 1530), Zabern (Nr. 287 von 1564) und 
Westhofen (Nrn. 18c und 264 von 1584) zu finden sind. Die 
älteste Inschrift weist die Zaberner Stadtmühle auf, sie trägt 
die Jahreszahl 1415 (Nrn. 9 und 16 k). Ein Zusammenhang des 
Inhalts und der Häufigkeit der Inschriften mit den großen 
kriegerischen und politischen Ereignissen im Elsaß, insbesondere 
mit dem 30jährigen Krieg, der französischen Revolution und 
dem Kriege von 1870|71 läßt sich nicht nachweisen. Sicher 
ist, daß die Inschriften in den 1850er und 1860er Jahren als 
in der Zeit, wo das elsässische VolJcstum seine höchste Blüte 
erreichte, den Höhepunkt bereits überschi^hten hatten. Neue 
Inschriften werden aber noch bis in unsere Tage angebracht. 

Inschriften kommen in kathohschen und protestantischen 
Dörfern vor, allerdings bei weitem am häufigsten in protestan- 
tischen Ortschaften und namentlich im Hänauerland, wo man 
noch fast in jedem Dorfe Inschriften antrifft. Man begegnet 
ihnen vorwiegend an Bauernhäusern, aber auch in Städten, so 
in Straßburg, Zabern, Weißenburg, Buchsweiler, wenngleich 
seltener, denn der fortschreitende Verkehr ist ein Feind der 
Inschriften wie allen Volkstumes. 

Die Inschriften sind angebracht an den übertünchten Wänden 
des Bauernhauses bis hoch hinauf in den Giebel, am Wohn- 
haus, an der Scheune, am Stall und sogar auf dem bedeckten 
Gange des Stalles, ferner über der Haustür, in und über der 
Eingangstur, über dem Hoftor, an Längs- und Querbalken, 
auf rautenförmigen Tafeln (entsprechend dem Fach werk), auf 
Ziegeln, »odann über der Stubentür, auf der Stubentür draußen 



1) Schulze in Herrigs Archiv 56, 59-90 ; 57, 17-40; 58, 321- 
344. — 2) Wackemagel, Deutsches Lesebuch 



— 269 — 

oder drinnen, am Getäfel in der Stube, in allerlei handschrift- 
lichen Buchern, an Hausgeraten, namentlich an der Bettstelle, 
am Ofen, am Eckschrank, auf dem Handbesen, auf dem Ziffer- 
blatt der Wanduhr, der Kammscheide, auf Fensterscheibe, 
Laterne, Schussel, Faß, Wasserflaschen, TrinkgefaBen, endlich 
auf handgemachten Losungsscheinen,. kunstvoll verzierten Spruch- 
tafeln (größtenteils Gewinnen aus ländlichen Lotterien) und An- 
denken verschiedener Art. Ich habe nicht gezögert, von den In- 
schriften der letzteren Gattung eine sorgfältige Auswahl 2U geben, 
denn sie bedeuten für das innere Heim dasselbe wie die Haus- 
inschriften draußen an der. Wand oder am Giebel. Der Bauer 
sieht sie noch heute ^ern eingerahmt in der Stube und erbaut 
sich an ihrem religiösen oder tief gemutvollen Inhalt. Zu einer Zeit, 
wo die Photographie und die kunstvollen Erzeugnisse des Drucks 
noch nicht bis in das Dorf gedrungen waren, bildeten sie einen 
wichtigen und notwendigen Zimmerschmuck. Gerade weil sie 
nicht für die breite Oeffentlichkeit bestimmt waren » sind sie 
für das beschauliche Gefühlsleben, die innige Empfindung und 
die altväterliche Lebensart, wie sie die ländliche Abgeschlossen^ 
heit weitester bäuerlicher Kreise in der cguten alten Zeit» er- 
zeugen mußte, ungemein bezeichnend. Namentlich ist hervor- 
zuheben, daß zu französischen Zeiten, etwa von 1830—1870 
die Losungsnummer eingerahmt mit ' kunstvollen Verzierungen 
und auch mit religiösen Inschriften, besonders mit dem Kon- 
firmationsspruch versehen wurdet Das Andenken an die 
Musterung wurde hierdurch bei aller Fröhlichkeit gewissermaßen 
verklärt und veredelt. Diese handgemachten Sachen werden 
allmählich selten, und es ist erfreulich, daß schon viele von ihnen 
im Elsässischen Museum Unterkunft gefunden haben. 

Nicht berücksichtigt sind die Inschriften an und in Gottes- 
häusern und auf Grabsteinen. Letztere wurden vorwiegend aus 
ländlichen Friedhöfen von dem leider zu früh verstorbenen 
Stiftsdirektor D, theol. Erichson zu Straßburg gesammelt, sind 
aber bis jetzt nicht veröffentlicht worden. Einige ältere und 
merkwürdige hat Mündel erwähnt. Die verschwundenen Straß- 
burger Inschriften finden sich bei Mündel, Wegen der In- 
schriften ?iuf Oefen verweise ich auf meine Einzelachrift*. 

Uebergangen sind ferner die handgemalten Göttelbriefe, 
Konfirmations-, Hochzeits- und Leichentexte und sämtliche ge- 
druckten Sachen, z. B. : der göttliche oder christliche Haussegen, 
sonstige Haussegen, der Segen des Herrn, verschiedene goldene 



1) Vgl. auch Kaaseh Volkskunde im Hanauerland. im Jahrb. für 
Geschichte, Sprache u. Literatur Els.-Lothr. XI (1895), S. 187 f. — 
2) Kassel, Piattenöfen und Ofenplatten im Elsaß, mit 145 Klischees 
und 31 Zeichnungen. Straßburg, Staat, 1903. 



— 270 — 

Spräche, der goldene Hausfreund, die bäuslkheo Tuf^nden, das 
Vaterunser, das Ave Maria, «zum Hochzeitstag», die verschiedenen 
IritSnde und die Stufenleiter des menschlichea Lehens, der breite 
und der schmale We^, der Irrgarten, das ungerechte Gericht, 
di>r Baum der Liebe. Alle diese Sachen werden in goldenen und 



Gehöft ins Koßhansen zd IsseDhansen. 

farbigen Buchstaben oder mit Bildern auf Jahrmärkten feil- 
gebolen und von Landleulen gern gekauft. 

Was die Feldkreuze belrifll, so sind ihre Inschriften im 
EUaB nach einem gewissen Musler abgefaßt. Nur die älteren 
von ihnen haben kurze, übrigens anch einförmige Inschriften, 



— '271 — 

i B. (dieses Kretiz (diesen Bildstock) hat machen lassen N. N., 
Ilell lu Ehre, f Jesu zu Lieb», cunserer lieben Frauen zu Ehr», 

I (der lieben Mutter Gotles zu Ehren« — oder mit dem Zusatz 
•km Gott Genade», d. fa. ((nädig sei. Von Inschriilen launiger 

I in, wie sie auf Grabsteinen, Bildstöcken und Feldkreuzen, auf 



MiirlerJen, Leichen- unil Tot enbret lein, in Totenkapellen und 
Arinenseelen- und Volivlateln in Bayern, Oesterreich und der 
Scliweiz üblich sind, ist im Elsaß keine Spur. Eine solche 
Vereinigung von Frömmi^-keit und Witz sagt dem elsässischen 
uesclimack nicht zu. Ja es ist nicht einmal Sitte, zur Er- 
inneruni; '-"^ ^i" stattgehabtes Unglück einen Gedenkstein reli- 



— 272 — 

giösen Inhalts außerhalb des Friedhofs zu errichten« Nur zwei 
solcher Gedenksteine, die zum Andenken an einen piMilich 
Verstorbenen errichtet wurden, sind mir bekannt geworden. 
Der eine steht an der Straße zwischen PfafTenhofen und Uhr- 
weiler und weist folgende Inschrift auf: 

1 Donnenwirth Johann von TJhrweiler, 32 Jahre alt, fBuid an 
diesem Ort den 30. Juli 1858 darch einen anglücklicheii Tritt 
den Tod unter seinem Wagen, . 

Es ist ein einfacher, meterhoher Stein mit eingehaueiieai 
Kreuz. Auf dem anderen, einem großen, stattlichen Feldkreuz 
in den Reben zwischen Sässolsheim und Ingenheim, liest man: 

2 Znm frommen Andenken an unsern hier am 14. Juli 1900 
schnell verstorbenen, theuern Vater Amandns Ulrich. Mei« 
Jesus, Barmherzigkeit. Die trauernden Kinder zu Sässolsheink. 

Die Mehrzahl der Inschritten findet sich an Häusern, und 
in alten Zeiten waren viele Häuser von unten bis oben damit 
geschmückt. Das schönste Inschriftenhaus war früher daa des 
Stabhaltersbauern in Kirrweiler. Es wurde mehrmals von franzö- 
sischen Künstlern abgemalt und brannte leider am 20. Dezember 
1893 nieder. Auch die malerischen Inschriften des Hansädels- 
hofs zu Uhrweiler sind bedauerlicher Weise seit 1903 bis auf 
eine durch einen neumodischen Spritzwurf verdeckt worden. 
Ebenso sind die schönen Inschriften ins Rosinen zu 0£fweiler, 
ins Perus zu Morschweiler und ins Wolfen zu Fürdenheim über- 
tüncht worden« Das schönste Inschriftenhaus ist jetzt ins Roß- 
hansen zu Issenhausen, weniger eigenartig ins Brünehansen 
in Eckwersheim und der Stall ins Gangloffs in Mietesheim. 
Solche malerischen Häuser erregen natürlich die Aufmerksam- 
keit und Neugierde der Fremden, und sogar die Soldaten werden 
durch ihren Anblick gefesselt, so daB es beim Durchmarsch 
regelmäßig eine Stockung gibt. Wo viele Inschriften an dem- : 
selben Hause vereinigt sind, findet mi^n dem Inhalte nach ein ; 
buntes Durcheinander. Für die vorliegende Arbeit wurden 
natürlich die einzelnen Inschriften getrennt und nach ihrem 
Inhalte zusammengestellt. Die Inschriften selbst hdßen im 
Volksmunde aGsetzle» oder ecRimle». Im aligemeinen muß I 
man sagen, daß sie nicht immer in Beziehung stehen zu der 
Stelle oder dem Gegenstand, den sie schmücken. Die meisten 
werden ohne Wahl da oder dort angebracht, viele nehmen aber 
auch Bezug auf den Gegenstand oder die beigefügten Malereien. 

Was nun die Ausfuhrung der Inschriften betrifft, so sind 
sie entweder mit Farbe gemalt oder in Holz geschnitzt oder in 
Stein gehauen. Die Inschriften an Häusern, auf den sogenannten 
«Spiegeln» des Fachwerks, sind mit grüner, gelber und schwarzer 




Ha fian% 
Ott} froi 
SSai nie 







99et in fefai eidemi i^em fte^t # 
2><t reb üon niemonb fBof^i ntd^i^ 
2kinn an fTc^ fe(6fi jtnb jcbermann , 
(Bebreti^en geitttg/ loecd merfen fomi. 

' X $Heb wenifl, mad^ ti ibd^t, 



•f 







. ^VJ 




— I 




— 273 — 

Farbe auf dem wei£getunchten Untergrund gemalt. Diese Art 
der Inschriften ist wie geschaffen für leichte, derbe und scherz- 
hafte Sprüche, die ohne Schaden wieder entfernt werden können, 
v^äbrend die Entfernung steinerner Inschriften größere Zer- 
störungen verursachen würde. Es ist merkwürdig, wie sich 
solche gemalten Inschriften viele Jahrzehnte lang in Wind und 
Wetter erhalten haben. So kaün man in Bosseishausen mehrere 
Inschriften vom Jahre 1740, in Geisweiler von 4764, in All- 
eckendorf von 1770 sehen. In Morsch weiler hielten sogar wohl 
erhaltene Sprüche von 1711 bis 1902 aus. Gemalte Inschriften 
werden heute wohl nur noch sehr selten gemacht, man zieht ge- 
schnitzte und in Stein gehauene vor. Jedoch waren diese auch 
schon früher gebräuchlich. Auch die geschnitzten Inschriften 
werden oft gemalt, in weißer, schwarzer, blauer oder grüner 
Farbe, manchmal abwechselnd schwarz und rot oder grün und 
blau, bisweilen schwarz auf grünem Untergrund ; die in Stein 
gehauenen in Schwarz oder Gold. 

Sie werden fast durchweg in deutschen Schriftzeichen dar- 
gestellt, nur selten trifft man französische Buchstaben. Dabei 
werden an älteren Inschriften keine Zwischenräume zwischen 
den einzelnen Worten, und am Ende der Zeile auch keine 
Trennungszeichen gemacht. Die Schreibweise ist häufig an die 
mundartliche Aussprache angelehnt und auch sonst fehlerhaft. 
Besonders deutlich ist das in folgenden Sprüchen, um bloß 
diese wenigen zu erwähnen (Nrn. 305, 161, 271): 

Gott förchten macht selig, 

Wein trinken macht fröhlich: 

So förchten Gott und trinken Wein, 

So können ihr fröhlich und auch selig sein. 

Bleib mit deiner Genad darin, 
Weil ich schonst verlassen bin. 

. . . dennen sie ich fier ein Narren an, 
Bitz er mirs besser zeien kann. 

S. auch Nrn. 142 u. 244. Ich habe daher alle Sprüche ins Hoch- 
deutsche übertragen. Unter den Inschriften finden sich außerdem 
aber auch eine Reihe von lateinischen, einige französische und 
griechische, eine englische, eine hebräische. 

Bei vielen Hausinschriften findet sich mannigfaches Bei- 
werk, allerlei gemalte und geschnitzte Gegenstände, oft scherz- 
hafter und drolliger Art, die zu den Inschriften gehören und 
ihnen ein ganz eigenartiges Gepräge verleihen. So sieht man 
verschiedene Verzierungen : das Auge Gottes, Kreuze, Rosetten, 
Kreise, Fahnen, die Umrisse eines Hauses, ein Herz ; ferner 
landwirtschaftliche und Hausgeräte, eine Kelter, ein Faß, ein 

18 



— 274 — 

Stände), eine PAugschar, Hacke, Karst, Rebmesseo Riedel, 
Sache, oft ein ganzes Ackerwesen an einer einzigen Wand dar- 
gestellt. Sodann fand ich ein Zifferblatt, eine Hose, ein paar 
Stiefel, einen Schuh, einen Pantoffel, einen Stuhl, drei Erlen, 
wirkliche und erdachte Blumen, teils einzeln, teils zu Gruppen, 
in Körbchen und Töpfen vereinigt, Tulpen, Morgenstern und 
Lilien, die drei Lieblingsblumen des elsasser Bauern. Die Lilien 
mußten während der Revolution 1848 als Sinnbild der Königs- 
würde entfernt werden. Ferner bemerkt man häufig Hopfen - 
und Rebranken, Trauben und Rebblätter, Aehren und allerlei 
Fruchte, bald zu Kränzen vereinigt, bald im Füllhorn, oder 
auch einzeln, auch Lorbeer- und Eichenkränze. Auch Tiere 
sind häufig abgebildet, z. B. ein Hahn, ein Pfau, eine Wild- 
ente, ein Rabe, zwei Störche, ein Storch mit einer Schlange, 
zwei liebkosende Tauben, ein Vogel auf dem Baum, ein Hund, 
ein aufrecht gehendes Schwein, eine Kuh, drei Pferde, ein 
Reh, ein Hirsch, ein Affe, zwei Löwen, ein Löwe mit einem 
Riedel, Fische. Von Menschen finden wir dargestellt : vor allem 
den Bauer selbst mit bespanntem Pflug, den dreschenden 
Bauer, den Bauer mit Rückkorb und Ständel, den Bauer mit 
der Sense, die Bäuerin in alter Tracht mit Ackergeräten, den 
Schuster an der Werkbank, den Küfer am Faß, den Schneider 
mit dem unvermeidlichen Bock, den Hirt, mehrere Reiter, 
eine bespannte Prachtkutsche mit Insassen und dem Kutscher 
auf dem Bock, einen zweiräderigen Karren mit Pferd und Reiter, 
einen französischen Infanterie- Soldaten, einen französischen 
Grenadier, einen Spießsoldat, einen Nationalgardisten mit Käppi 
und Säbel zu Pferd, einen Kanonier. Einzelne einfache Figuren 
werden auch mit weißer Tünche auf Mörteluntergrund an ab- 
gelegenen Wänden angebracht. 

Die Herkunft der Inschriften ist verschieden. Ein großer 
Teil von ihnen ist der Bibel und dem Gesangbuch oder anderen 
religiösen Büchern, vereinzelte den Werken deutscher Dichter 
entnommen oder nachgeahmt. Bei weitem die meisten sind 
Erzeugnisse mehr oder weniger gelehrter und gebildeter Volks- 
kreise. Der Reim liegt auch manchmal so nahe, daß er un- 
bedingt aus dem Volksmunde herauskommen muß, so z, B. 
Gottes Hand — bin ich genannt — Feuer und Brand (Nr. 247 a), 
Bauen — Vertrauen (Nrn. 119, 120, 122, 124), das Bauen ist 
eine Lust — kostet — nicht gewußt (Nr. 272) u. s. w. Viele 
von diesen sind daher Gemeingut des deutschen Volkes und 
können nach ihrem Ursprung ebensowenig bestimmt werden 
wie z. B. manche Volkslieder. Eigentümlich ist es, daß zahl- 
reiche elsässischen Inschriften mit solchen in Altdeutschland 
gleichlautend sind und zwar in einer Zeit, wo das Elsaß 



— 275 ^ 

politisch noch zu Frankreich gehörte. Wenn wir bedenken, daß 
die überwiegende Mehrzahl der Inschriften aus der französischen 
Zeit stammt, so müssen wir staunen, wie zahlreich und eng 
die Fäden gewesen sind, welche das Elsaß mit anderen Teilen 
des deutschen Sprachgebietes verbanden. Wie viele Inschriften- 
4sprüche mögen wohl durch Pfarrer, Soldaten und Handwerks- 
burschen, besonders auch durch Stammbücher, von jenseits des 
Rheins herübergebracht worden sein I Wie viele auch vom 
•dem Elsaß dort hinüber I 

Eine eigene Bewandtnis hat es mit dem sogenannten Gol- 
•denen ABC. Man versteht darunter eine Sammlung von ge- 
reimten religiösen und Kernsprüchen, von denen jeweils die 
•erste Zeile der Reihe nach mit den einzelnen Buchstaben des 
ABC beginnt. In der ehemaligen Grafschaft Hanau-Lichtenberg 
genießt das Goldene ABC noch heute eine große Verehrung, 
obwohl nur noch vereinzelte Sprüche im Volksmunde haften 
geblieben sind. Daß es gerade dort einen sicheren Hort und 
treue Pflege fand, wird den Kenner der Verhaltnisse nicht be- 
fremden, denn der größte Teil der geistigen Nahrung der alten 
Hanauer bewegte sich vor und nach der französischen Revolution 
auf religiösem Gebiet. Ich kenne zwei verschiedene Goldene ABC. 

Das häufigere, das oft an der Innenseite der Stubentur 
oder des Känsterle aufgeklebt war, ist in einer Beilage wieder- 
gegeben. Es ist anscheinend um 1820 gedruckt bei J. Ludwig 
Kößler, der von 1810—1840 Buchdrucker und Buchhändler in 
Hagenau war. Er lebte von 1773— 1841. luden «Vorschriften», 
die der Ackerer Christmann Wendung (1790 — 1862) von Ringen- 
dorf (s. u. S. 278) kunstvoll anfertigte, ist es von den Buch- 
staben A bis H wortgetreu wiedergegeben. Da sich Wendung 
dabei selbst als ccecolier» bezeichnet, wird es wohl um die Jahr- 
hundertwende, jedenfalls lange vor dem Kößlerschen Druck, ge- 
4schrieben worden sein, und wir gehen nicht fehl, wenn wir 
annehmen, daß es bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahr- 
hunderts im Gebrauche war. Ueber die Art derEntstehung dieses 
Goldenen ABC fehlt jeder Anhaltspunkt. Es läßt sich nicht ein-, 
mal mit Bestimmtheit sagen, daß es elsässischen Ursprungs ist, 
denn einerseits ist eine ganze Reihe von Sprüchen Allgemein- 
gut des deutschen Sprachgebiets, andererseits ist der Q-Spruch 
sicher außerhalb des Elsaß entstanden, er enthält nämlich das 
niederdeutsche Wort quad = böse. Eine Wechselbeziehung 
zwischen den Hausinschriflen und den Sprüchen des Kößlerschen 
Goldenen ABC scheint mir wahrscheinlich, so zwar, daß Haus- 
inschriften zu seiner Herstellung dienten und andererseits auch 
wieder aus ihm entnommen wurden. Uebrigens enthält das Blatt 
mit dem Kößlerschen ABC nicht nur die 24 ABC-Sprüche, 




- t270 — 

sondern außerdem noch 34 Sprüche gleichen Inhalts, so 
die ganze Sammlung 58 kostbare Sprüche aufweist, und 
6 Sechszeiler, 51 Vierzeiler und einen Zweizeiler. Davon wurci 
19 als Inschriften im ElsaB verwendet, etwa ein Dutze 
fand ich in Inschriften- und Spruchsammlungen außerha 
des ElsaB. 

Das andere Goldene ABC scheint eine geringere Verbreitui^c^ig 
gefunden zu haben und ist gedruckt bei Ludwig Franz Le Rov^^^ 
«auf dem Münsterplatz, Nr. 17» in StraBburg. Ueber die Ze -^it 
seiner Entstehung vermochte die Firma F. X, Le Roux u. Comp:r=5 
keine Auskunft zu geben. Auch bei Seyboth (Das alte Stra 
bürg, 1890) findet sich kein sicherer Anhaltspunkt. Es scheicr 
mir aus derselben Zeit zu stammen wie das KöBlersche un 
hat gleichfalls 24 Vierzeiler, von denen jedoch bloB der H-, 
und R- Spruch mit den Kößlerschen Spiüchen Aefanlichke 
haben, während alle andern verschieden sind. Auch die Ar 
Ordnung des Le Roux 'sehen ABC ist die gleiche wie die d( 
KöBlerschen. Mit den beigegebenen Sprüchen hat es im gan 




44 Vierzeiler, 1 Sechszeiler, 1 Zweizeiler und ein Gedicht v 
4 Vierzeilern <(Vom Ehestande». Nur 7 dieser Spruche find 
sich in Inschriften und auBerelsässischen Spruchsammlung 
wieder. 

In der Literatur stoßen wir auf 5 ähnliche Spruchsam 
lungen, die aber alle nur Zweizeiler haben. Die älteste find ^^t 
sich in Heihers Syllabierbüchlein * von 1593 und heiBt <I> ^3l s 
alte Geistliche ABC». Es ist auch — fehlerhaft — in Köffe»^^^ 
Namenbüchlein« wiedergegeben und später von Draheim^ a^fc^ - 
gedruckt. «Ein gülden ABC», das einen Hausspruch darsteL 1 ^> 
gibt Sutermeister * aus Elgg in der Schweiz von 1810. Zv^i^^i 
ABC, ein güldenes und ein silbernes finden, sich bei Claudius ^» 
Der Geist, aus dem diese Sammlungen entsprossen sind, ken. 
zeichnet sich am treffendsten aus der Ueberschrift des Helb« 
sehen ABC: 

Ein ieder Schueler Christi soll 
Dises ABC lernen wol 

und nicht minder aus der Ueberschrift des Kößlerschen: 

Im Namen der allerheiligsten Dreyfaltigkeit. 
Das Goldene ABC für Jedermann, 
Daß er mit Ehren wohl bestehen kann. 



1) Sebastian Helbers Teutsches Syllabierbüchlein, herausg". '^ 

Röthe. Tübingen, Mohr, 1882, S. 28f. - 2) ^öjerte Namenbüchlei «"» 

Nürnberg, 1570. B 7 »^ ff. — 3) Draheim 114. - 4) Sutermeister ^^' 

— 5) Claudius in den Werken des Wandsbecker Boten, heraosg. von 

Redlich. Gotha, Perthes, 1879. II, 161 If. 



— 277 — 

und des Le Roux^schen: 

Im Namen der allerheiligsten Dreifaltigkeit 
Nea verfaßt für Jedermann 
Daß er mit Ehr* bestehen kann. 

In diesem Geiste hat auch der treffliche Christmann Wend- 
ung von Ringendorf in seinem «Schreib- und Lehrbuch]» von 
1824 aus Bibelsprüchen ein eigenes ABC zusammengestellt und 
mit kunstvollen Anfangsbuchstaben ausgezeichnet. Die merk- 
würdige Sammlung bestefart aus folgenden Sprüchen : A : Sir. 1, 
4 —4. A (nochmals): Ps. 78, 6. 7 (mit dem Eingangswort «Ach») ; 
79, 9. ^3. B: Ps. 34, 44—48. B (nochmals): Ps. 37, 37. 39. 
40. G : Rom. A, 25 (mit dem Eingangswort «Christus») ; 5, 
1—3. D: Sir. 35, 21-24. E: Rom. 3, 23—25 (das Eingangs- 
wort «Denn» ist ausgefallen). F: Sir. 18, 30—33; 19, 1. 4. 
G : P.S. 143, 2—6 (das Eingangswort «und» ist ausgefallen). 
H: Ps. 73, 25—28 (mit dem Eingangswort «Herr»), H (noch- 
mals) :. Ps. 90, 1—5. 1: Ps. 66, 1—5. 8. 9. I (nochmals): 
Ps. 118, 5-9. K; Ps. 95, 1—6. K (nochmals) : Ps. 145, 4-9. 
L : Ps. 103, 1—6. L (nochmals) : Sir. 18, 19—23. M : Sir. 
^i, 1—5. N: Sir. 25, 9—14. 0: Sir. 41, 1-5. P: Ps. 34, 
4-8. Q: Altes Hanauer Gesangbuch von 1780, Lied 378, V. 1 ; 
Ps, 119, 174—176. R: Sir. 8, 6-10. R (nochmals): Sir. 13, 
30—32; 14, 1. 2. S: Ps. 39, 6-10. T: Ps. 119, 17—22. U : 
Ps. 90, 10-13. V : Ps. 62, 11—13 ; 63, 2. W : Ps. 86, 11—13. 
15. Z : Ps. 119, 33—37. Z (nochmals) : Ps. 119, 152—157. 

Endlich gibt Claudius^ noch Bruchstücke einer «Universal- 
historie des Jahres 1773 oder silbernes ABC». 

Obwohl nun die Herkunft vieler Sprüche nicht erforschbar 
ist, ist es mir doch gelungen, für eine Anzahl derselben den 
Verfasser, für andere den Verfertiger festzustellen. Es war das 
keine leichte Arbeit. Trotzdem ich in Volkskreisen kein Un- 
bekannter bin, ist gerade auf diesem heikein Gebiete die länd- 
iiche Verschlossenheit, ja ein gewisses Mißtrauen doch mächtig 
zutage getreten, sonst hätte sich wohl noch mehr herausbringen 
lassen. Die um das Volkstum verdienten Männer sind durchweg 
Leute, die auch sonst über das Mittelmaß hervorragten und die 
auf andern Gebieten, durch Anfertigung von Leichentexten, 
Scherzgedichten, Liebes- und Hochzeitsliedern, «Trauerarien», 
oder als Musikanten eine gewisse dichterische Ader erkennen 
ließen. Unter ihnen sind auch einige Lehrer, die früher ein sehr 
geringes Diensteinkommen hatten und sich daher durch ihre 



1) Matthias Claudius Werke I, 6. Aufl. Hamburg, Perthes, 1841. 

S. 96. 



— 278 — 

Kunstfertigkeit manchen Nebengroschen verdient haben möge^*^^^' 
denn Dichter und Künstler waren oft ein und dieselbe Persoi 
Hier also alles, was ich in Erfahrung bringen konnte : 

1) Jakob Wund, Glaser in Wasselnheim, 1829—36, Vei 
fasser von Nr. 226 u. 227. 

2) Strohl, Gerber in Schweighausen, Inschriftendichter de 
1830er Jahre. 

3) Johann Georg Klein, Schullehrer in Schweighausen 
Dichter und Künstler der Inschrift Nr. 364. 

4) Jakob Leonhardt in Bischweiler 1835, verfaßte den Spruc::::^ ^^b 
Nr. 125. 

5) Daniel Lix, Pfarrer in Hördt, f 1867, Verfasser der Ii Zln^ 
Schrift Nr. 80. 

6) Lorenz Kaltenheißer, Lehrer in Hönheim 1845, frucl jt- 
barer Dichter und Künstler. Verfasser der Inschrift Nr. 19MW5y 
Verfertiger der Inschriften Nr. 48 u. 220 auf Tafeln. 

7) Christmann Wendung Vater, der «Gartenjockeis Chri^^t— 
mann», Ackerer in Ringendorf, 179(»— 1862, Verfertiger ^ ^yn 
«Vorschriften» (1811), eines künstlerischen «Schreib- und LebM.r-- 
buchs» (1824) mit einem selbst zusammengestellten geistlicbft^:» 
ABC (S. 277), Schreibkünstler und Dichter, Verfasser eir^^sr 
Landwirtschaftlichen Chronik (seit 1804) i. Er war ein alt:^r 
Hanauer von echtem Schrot und Korn und wurde bei N^i-»-- 
bauten weit und breit zugezogen, um religiöse Inschriften UEir^d 
Kernsprüche zu liefern. Verfasser der Inschriften Nr, 131 u. 1 rZ-^r 
die er im Verein mit seinem Sohn (s. u. 25) nebst ander^^J* 
Inschriften in seinem eigenen Stalle gemalt hat. 

8) Martin Lorentz, geb. 10. 11. 1802 in Geudertheim, w^-^i*^ 
zuerst acht Jahre Lehrer in Bietlenheim und dann lange Jal:»- ^® 
Weber in Geudertheim. Schon als Lehrer war er ein gesucht *-^'^' 
Clarinettist und in Musikkreisen weit und breit als «der Bietl ^^ 
Schulmeister», später als «der Martin von Geuderte» bekan«^*^* 
Er verfertigte in den 1840er und 1850er Jahren eine gro-^^ 
Zahl wirkhch kunstvoller Tafeln*, verfaßte auch Inschriften , ^^ 
Nr. 378. Er selbst nannte sich auf den Tafeln anfangs «Mu^^'^ 
kant in Geudertheim», später «Weber, Hänfer. und Musiki- "* 
in Geudertheim». Als Hänfer zog er von Dorf zu Dorf, t^- ^ 
auf den Speichern der Bauerfi den ^Hanf zu hecheln. X^^^ 
mühsame Arbeit begann schon am frühesten Morgen, um 3 tT ^^ 
oder noch früher. So kam er auch am 3. Februar 1860 a^ ^ 



1) Von mir im Neuen Zornthal-Boten 1899, Nr. 18-32 v '^^' 
Öffentlicht. — 2) Vgl. Kassel, Zur Volkskunde im alten Hanauer l^J^J^, 
im Jahrb. f. Gesch., Spr. u. Lit. 1895. S. 188 f., wo auch eine ^*^ ' 
zahl anderer Dorfkünstler aufgeführt ist. 



- 279 — 

Gimbrett. Nachdem er bis 8 Uhr morgens fleißig gehechelt 
hatte, sagte er zu seinem Gehilfen : Wir wollen ein Lied an- 
stimmen. Und mit heller Stimme sangen die beiden das schöne 
Kirchenlied : Himmelan geht unsere Bahn. Plötzlich platzte 
ihm eine Krampfader am Unterschenkel, und er verblutete in 
kurzer Zeit. So waren Religiosität und Kunst bis zum letzten 
Stündiein die Begleiter dieses seltenen Mannes, eines biederen 
Vertreters des alten Dorfschul meistertu ms, jenes heutzutage 
undenkbaren Gemisches von ehrlichem Handwerk und Wissen- 
Schaft. Seine Leiche wurde nach Geudertheim gebracht, und 
Pfarrer Caspari ließ beim Begräbnis eben jenes ergreifende Lied 
singen: Himmelan geht unsere Bahn. Ehre dem Andenken 
dieses um das Elsaß hochverdienten Mannes ! 

9) Johann Lienhardty Ackerer in Dtmzenheim 1851, hat 
in seinem Heimatsdorf viele schöne Tafeln gemalt, Verfasser 
der Inschrift Nr. 383. 

10) GanteVy Maurer und Steinhauer in Niefern, gestorben 
1852, hat viel Bildhauerei geliefert. Verfasser der Inschrift 
Nr. 392 und Verfertiger derselben in Niefern und Uttweiler. 
Seine Spuren finden sich heute noch an zahlreichen Bildhauer- 
arbeiten im nördlichen Hanauerland. 

11) Zimher, Maurer in Hiittendorf, 185üer Jahre. Verfasser 
scherzhafter Inschriften, u. a. der Nrn. 365 u. 366. 

12) Andreas Schultz^ «der Briedls Andres», Küfer und 
Musikant in Obermodern, 1816 — 1872, Verfasser und Verfertiger 
der Nrn. 373 u. 385. 

13) Theodor Heiligenstein, geboren 1828, 1861—1869 
Lehrer in Romansweiler und Wickersheim, 1875—1900 Mit- 
arbeiter des «Eis. Journals» und des «Straßb. Wochenblatts», 
an dem er sich durch seine scherzhaft geschriebenen Monats- 
chroniken in Straßburger Mundart bekannt gemacht hat. Ver- 
fasser der Nr. 163. Verfertiger schöner farbiger Tafeln. 

14) Johann Moser, Ackerer in Breusch wickersheim, 
1829—1905, Verfasser von Grabinschriften, Gedichten und 
Reimen, u. a. der Nrn. 454 u. 455. 

Als Gelegenheitsdichter seien genannt : 

15) Oberarzt Dr. Fischer im Infanterie-Regiment Nr. 99 
zu Zabern, 1899, Verfasser der Inschriften Nrn. 289 u. 300. 

16) Roethinger, Orgel baumeister zu Schiltigheim, 1901, 
Verfasser der Inschrift Nr. 281. 

Eine nicht minder verdienstvolle Rolle kommt denjenigen 
Männern zu, die Inschriften ausgeführt, gemalt, ausgehauen, 
geschnitzt haben. Maurer, Zimmerleute und andere Hand- 
werker schrieben auf Geheiß des Bauherrn passende Inschriften 




— 280 — 

in demselben oder einem Nachbardorf ab und brachten sie dai ^^ y^ 
in entsprechender Weise an. Manche hatten auch geschrieb^^^e 
Spruchsammlungen. Ihnen ist daher das Verdienst der V^^s*- 
breitung der Inschriften größtenteils zuzuschreiben. Eir^i 
von ihnen sind bereits erwähnt. Ich nenne weiter: 

17) Ignaz Daeschlevy Maurer in Scherlenheim, 1781. 

18) Franz Anton Schwetterle, Maurer in Kirrweiler, 

19) Gull, Zimmermann in Hördt, um 1820. 

20) Martin 0hl, Zimmermann in Hördt, 1829, gestorb "^^ 
in Neumühl bei Bischweiler. 

21) Simon, Maurer in Olwisheim, um 1830, 

22) Franz Josef Michel, Ackerer, Lehrerssohn in Lixhause 
Rätseldichter, 1834. 

23) Michel Wolff, Ackerer in Gottesheim, 1839, wandei 
nach Amerika aus. 

24) Heinrich Balzli in Imbsheim, 1848. 

25) Michel Scheer in Eckbolsheim, 1845. 

26) Christmann Wendung Sohn, Ackerer in Ringendoi 
1817—1887, Schreibkünstler, beliebter Verfertiger von Götte 
briefen und Leichentexten. Er wurde, gleich seinem Vat« 
(s. o. 7), beim Anbringen von Hausinschriften weit und bn 
zu Rate gezogen. 

27) Franz Josef Lang, Maurermeister in Schwindratzheii 
1781—1858. 

28) Georg Schiny, Uhrmacher in Zutzendorf, lebt noc 
etwa 60 Jahre alt, Schnitzkünstler. 

29) Johann Schultz, «der Zimmerhänseb, Schreiner ^Ä-n 
Obermodern 1833—1896, Zeichen- und Malkünstler. 

30) Johann Kaercher, Maurer und Bennenmacher in Gii 
brett 1865, hatte bloß ein Bein. 

31) Johann Heinrich Rohitzer, 1797—1863, Lehrer 
Schalkendorf 1818 — 1846, später Landwirt, Zeichenkünstler u 
Verfertiger vieler prächtiger handgemalter Sachen im Nor 
hanauischen, im Volksmunde der ec Schalkendörfer Schi 
meister». 

32) Margarethe Kärcher aus Alteckendorf, 1837 — 18 ^—^ ^- 
Stickte eine große Zahl von Buchzeichen, Tafeln mit Sprücfc»- ^^^ 
und anderen religiösen Sachen für Pfarrer und Freunde. LJn^*- ^'' 
anderem verfertigte sie die große Tafel auf dem Neuenb^:«^^^/ 
«Zur Erinnerung an das 1. Jahresfest 1879». Nr. 101 stan:m wrmt 
von ihr. Sie machte sich auch als Verwundetenpflegerin i -^^ 
Kriegslazarett zu Alteckendorf 1870 verdient. 

33) Nikolaus Meyer, der ccRüdi-Klaus», Maurer in Föns Al- 
heim, geboren 1837. Er kam viel im Elsaß herum und v^^- 




— 281 — 

fertigte unzählige Inschriften, u. a. erneuerte er die des berühmten 
Stabhalterhofs in Kirrweiler. 1902 lebte er noch. 

34) Der «Weberlipsen Seppe!» , Maurer in kirrweiler, 1830 
bis 1860er Jahre, Verfertiger der schönen Inschriften ins Roß- 
hansen in Issenhausen. 

35) Jakob Umecker, Volkskünstler und geübter Zeichner, 
1865, Verfertiger schöner Täfeln (eine befindet sich im Eis. 
Museum) lebte noch 1894 in der Mauergasse zu Straßburg. 

36) Johann Carhiener aus Meisheim, 1867, jetzt Barbier 
in Straßburg, Kinderspielplatz. 

37) Jakob Dutt, Glaser in Obermodern, 1883, malte Losungs- 
scheine und Kammscheiden. 

38) Emil Lohstein^ Schreiber ins Baumanns Mühle zu 111- 
kirch, schrieb in den 1890er Jahren «Trauerarien» für Dunzen- 
heim. 

Endlich ist noch zu betonen, daß in den 1820 er bis 
1850er Jahren die Uhrmacher aus dem Schwarzwald herr- 
liche gemalte Zifferblätter für Wanduhren und ähnliche Sachen 
mit Inschriften anzufertigen pflegten, die sich einer großen 
Beliebtheit erfreuten. (Vgl. die Inschriften Nr. 375 und 376.) 

Ueber die Umstände, unter denen Inschriften angefertigt 
werden, mögen hier einige Vorkommnisse Aufschluß geben. 
Der Tagner Burkhardt in Wickersheim erzählte mir, daß er 
nach Erbauung seines Hauses die Bibel zur Hand genpmmen 
und einen Psalm herausgesucht habe, der ihm besonders 
gefiel. Er wählte Ps. 15, 4 und ließ ihn auf einer Steinplatte 
anbringen. 

Die bejahrte Großmutter ins Bayerjockeis zu Bischholz 
teilte mir mit, daß sie lange krank gewesen sei und dabei den 
Spruch Klagel. 3, 26 besonders lieb gewonnen habe. So sei 
für sie das Bedürfnis gekommen, diesen Spruch immer vor 
Augen zu sehen, und ein malkundiger Bube habe ihn in ihrem 
Auftrage auf eine Tafel gemalt. 

Witwe Ottmann in Bietlenheim erzählte mir folgendes. 
Beim Neubau des Hauses habe ihr Vater mit den Zimmer- 
leuten am Tische gesessen. Es sei die Rede gewesen von 
einem Hausspruche. Da habe der Vater seine Schnupf- 
tabaksdose herausgenommen und einen darauf befindlichen Vers 
als passend befunden, die Zimmerleute hätten dann während 
des Essens noch ein paar Verse selbst dazugemacht. Dann 
habe sie, Witwe Ottmann, die Verse aufgeschrieben und 
beim Steinhauer Kugler in Schiltigheim eine Platte bestellt. 
Die Steinplatte mit der Inschrift ist noch heute zu sehen 
(Nr. 218). 

Eine junge Frau, die nicht mit Namen genannt sein will. 



— 282 — 

verlor durch einen unerbittlichen Tod zwei herzige Buben, ihre 
einzigen Kinder. Da setzte sie sich hin und stickte mit kunst- 
geübter Hand zwei Tafeln (Nrn. 69 u. 99), und manche heiße 
Zähre gab der feinen Arbeit die Weihe des Mutterherzens. Die 
schönen Tafeln schmücken jetzt die Wohnstube des vereinsamten 
Hauses, ein schlichtes Denkmal des Schmerzes, der Ergebung, 
der Gottesfurcht und treuer Elternhebe. Gottes Segen über 
ein solches HausI 

Zweifellos handelt es sich bei den Inschriften um eine ver- 
gehende Sitte . Früher waren sie , besonders an Häusern , 
viel häufiger als jetzt. So fehlten sie in den 1850er Jahren 
zu Mietesheim, Schillersdorf, Prinzheim fast an keinem Haus. 
In Vendenheim gab es 1870 noch 15 Häuser mit vielen In- 
schriften, heute sind es noch vier mit vereinzelten Sprüchen. 
Besonders bezeichnend ist es aber, daß ich von den Inschriften , 
die Mündel 1883 anführt, 15—20 Jahre später mindestens 25 
nicht mehr fand. 

Die Ursachen des Abkommens sind verschiedene. Was die 
gemalten Hausinschriften als den Hauptstock der Inschriften 
betrifft) so sind sie überhaupt schwer zu erhalten, und es muß 
wirklich Wunder nehmen, daß sie so lange aushalten konnten. 
Es liegt auf der Hand, daß es schwierig ist, beim Neutünchen der 
Wände die Inschriften so zu behandeln, daß sie nicht in ihren 
Umrissien beschädigt werden, oder sie gar nachzumalen. Die 
Maurer fuhren mit ihrem Pinsel dazwischen durch, so daß die 
alte unsaubere Tünche inmitten der neuen zu sehr abstach. 
Wenn nach einigen Uebertünchungen der Unterschied zu grell 
war, wurde der Besitzer schließlich überdrüssig und ließ ein- 
fach alles entfernen, oder der Maurer fuhr aus eigenem Antrieb 
mit dem Pinsel darüber. Man mag als Freund des Volkstums 
die Erhaltung der Inschriften für erstrebenswert halten, aber 
man muß auch zugestehen, daß solche unsauberen Inschriften, 
wie sie hie und da noch vorkommen, das Auge des Vorüber- 
gehenden beleidigen. Schön sind sie gewiß nicht. Werden 
die Wände aber nicht von Zeit zu Zeit neugetüncht, so fallt 
der Mörtel samt der Inschrift ab, und die Inschrift wird nicht mehr 
erneuert, weil die ländhchen Maurer immer seltener werden, 
die das Verständnis und die nötige Fertigkeit zur kunstgerechten 
Erneuerung besitzen. Oder die Malerei fallt dem Zahn der 
Zeit zum Opfer, sie verblaßt und verschwindet. Die mit In- 
schriften gezierten «Spiegel») sind zwar malerisch, zur Erhaltung 
der Inschriften jedoch nicht geeignet. Nicht selten wurden 
Inschriften entfernt, weil sich der Besitzer ihres derben In- 
haltes schämte, oder weil die Leute sich wegen ihres unfrei- 
willigen Geständnisses ärgerten. Dies geschah z. B. ins Eberles 



— 283 — 

und ins Jörgmichels zu Dunzenheim wegen der Inschrift Nr» 
242 a. In Obersulzbach wurde die Inschrift Nr. 233 mit einem 
Geschäftsschild zugedeckt. Mit Wehmut sah ich die prächtigen 
Inschriften und Malereien des Hansädelshofes zu Uhrweiler 
verschwinden. Als ich 1904 dort war, um sie für die vorliegende 
Arbeit phofographisch aufnehmen zu lassen, kannte ich mich 
anfangs nicht mehr aus. Der Besitzer hatte sein Wohnhaus 
und die Straßenseite des Stalles durch Spitzwurf verschönern 
lassen, und an Stall und Scheune im Hof war alles überpinselt. 
Nur eine einzige Inschrift (Nr. 374) blieb am Stalle stehen, sie 
ist allerdings häBlich, und so waren die anderen leider auch! 
Einige hatten schon 1866 durch einen Blitzschlag gelitten. 
Auch die schönen Inschriften ans Perus in Morschweiler 
wurden überpinselt, und es sind bloB noch einige Geräte 
und Blumen zu sehen, die mit dem Maurerpinsel leicht zu 
umgehen sind. Recht rücksichtslos handelte endlich der Neu- 
bauer zu Kirrweiler, indem er mitten durch eine Inschrift 
einen Taubenschlag ausbrechen ließ. Auch ins Bietlers zu 
Ringendorf ist eine Inschrift am Stall zur Hälfte in das Hühner- 
haus geraten. 

Neue Häuser mit Fachwerk und weißgetünchten Wänden 
werden nicht mehr gebaut, die Neubauten geschehen alle 
in Backsteinen. Daher beschränken sich die Inschriften in 
solchen Fällen, falls überhaupt welche angebracht werden, 
auf kleinere Steintafeln und werden darum spärlicher und 
kürzer. 

Aber ein Hauptgrund für das Abkommen der Haus* 
inschriften und der Inschriften überhaupt liegt in der rohen 
Lebensauffassung unserer Zeit. Der Bauer fühlt weniger Be- 
dürfnis zur Betätigung einer edeln Regung. Seine Sinnesrichtung 
hat andere Wege eingeschlagen. Im Zeitalter des Verkehrs, 
der Zeitungen, der sozialen Gesetzgebung mit ihren den 
Bauer so sehr belastenden Bestimmungen ist der Reiz des 
Ehrwürdigen und Schönen verblaßt. Der Bauer von heute 
hat andere Sorgen, kurz gesagt : er hat weniger Geld für 
Inschriften als sein Vater und Großvater. Der Maurer oder 
Maler verlangt zwei oder drei Mark dafür, das ist für man- 
chen zuviel. Der Bauer hat eine bessere Verwendung für 
sein Geld. 

Und die malerischen Geräte, die mit Inschriften versehen 
waren, werden allmählich alt und unbrauchbar : sie müssen 
anderen Zwecken dienen, der Inschriften achtet man nicht» 
So sah ich in Schwindratzheim einen zierlichen Kinderschlitten,, 
der aus dem Kopfstück einer Bettlade mit der schönen Inschrift 
Nr. 358 gezimmert war. Ebenfalls aus dem Kopfbrett einer 



— 284 — 

Bettstelle mit Inschrift wurde zu Meisheim ein luftiger Kaninchen- 
käfig gebaut. Und zu Dunzenheim wurde eine etwas morsch 
gewordene Tür mit den prächtigen Inschriften Nr. 41 und 159 a 
(1777) ausgehoben und fand Verwendung zur Hälfte als Tür 
«ines (jänsestalls, zur Hälfte als Deckel einer Sauerkrautbütte. 
Sic transit gloria ... 

Doch nun zu den Inschriften selbst I 

Die einfachste Art der Hausinschrift ist die Anbringung 
des Namens des Erbauers und seiner Frau nebst der Jahres- 
zahl ohne weiteren Zusatz. In der neuesten Zeit nimmt diese 
Art immer mehr zu, während die Ausstattung des äußeren 
Hauses mit anderen Zusätzen von Jahr zu Jahr abninimt. Solche 
Zusätze, welche, so gering sie auch sein mögen, dennoch ein 
Zeichen der Zeit bilden, sind: <r erbaut von .,,-»; «dies Haus 
{Tor, Stall, Scheuer, Durchfuhr, feau, Gebau, Hof, Trott usw.) 
baut(e), hat gebaut, hat gehauen, hat lassen bauen, hat lassen 
machen, hat aufrichten lassen, ward erbaut durch » — folgten 
die Namen der Eheleute. Das Zeitwort «hat gebaut» steht 
immer in der Einzahl. Vor dem Namen der Frau steht 
manchmal «und sein Weib» oder «und seine Ehefrau». Nicht 
selten trifft man hinter dem Namen der Erbauer den Zu- 
satz «als Bauherr» oder «als Baufrau», manchmal auch den 
Namen des Zimmerraeisters. In der Rheingegend bei Selz 
bis nach Aschbach und Schönenburg sind die Hausinschriften 
sehr selten. Um so malerischer stechen daher die Namen 
der Erbauer, die in großen farbigen Buchstaben auf dem 
Balken über dem Fenster, auf einem Brett oder Balken an 
der Scheune angebracht sind, weithin sichtbar hervor. Als 
Abkürzung ist dort DHB = «dieses Haus baut» allgemein ge- 
bräuchlich. 

Die Jahreszahl wird entweder ohne weiteres oder mit d'em 
Zusatz «Anno», «im Jahre», «im Jahre des Herrn», «im Jahre 
Anno», «geschehen Anno», «im Jahre nach Christi Geburt 
Anno» hinzugefügt. In den Pfarrbüchern von Dunzenheim 
findet sich eine offenbar beabsichtigte Abwechslung bei der 
Bezeichnung einzelner Jahre, wie folgt : Im Jahre Christi ' 
1685. Anno 1686—1690. A. G. (anno Christi) 1691. A. 0. R. 
(anno orbis redempti) 1692, 1694. Anno Salutis 1695. Anno 
recuperatae gratiae 1696. Anno Christiano 1697. Anno -qi; 
XptoTofoviac 1698. Anno Salvatoris 1699. Anno Domini 1702. 
Anno Epoches Christianae 1705. Anno aerae Christianorum 
1717. 

Bemerkenswert sind einige Inschriften, die hier wörtlich 
wiedergegeben werden und uns zugleich die Schreibweise solcher 
ländlichen Erzeugnisse veranschaulichen : 



— 285 — 

3 Beim grienen Baum. — Alhier in Griesbach ist des Gast- 
gebers haus nämlich georgius deisch wie auch seine hausfraa 
ana margreta teischin Anno 1746. 

4 RENNOVADUM DVRCH lOSEPH BECKENN VND MARIA 
MAGDALENNA GEBOHRNE STEFERINN IHM lAHR ANNO 
DOMNI MDCCLXIII. 

Am alten Gymnasium zu Buchsweiler liest man : 

5 lüVENTUTI • RELIG • CHRIST • DO 
OTRINA • MOR • LING • ET • ART • INFOR 
MANDAE • ILLÜST • ET • GENEROS • 

D • D • lOAN • REINH • COM • IN 
HANAU • ET • ZW • ETC . DOMÜM 
HA NC • EXTRUXIT • ET . COSEC • 
DIRECTORIBÜS -DD- CHRI • 
GREMP • A • P • G • M • FLACH • A 
S • H • OSTRINGER • L • ET • CAS 
SCHMID • M • lOA • WESTER 
FELD • SÜPERINTEN • ET • lOA 

GÖL • • • RECT • 

(Inventuti reiigionis Christianae doctrina, moribus, Lingua et 
artibus informandae illustrissimus et generosissimus dominus^ dominu» 
Joannes Reinhardus, comes in Hanau et Zweybrücken etc., domum 
hanc extruxit et consecravit, directoribus dominis Christophoro 
Gremp aulico fabro, G. M. Flach aulico sculptore, H. Ostringer 
lapicida et Casimire Schmid malleatore, Joanne Westerfeld super- 
intendente et Joanne GöUer rectore.) 

An einer Scheune zu Furdenheim ins Brünehansen steht 
auf einer Tafel ; 

6 Anno 1781 hat diese Scheuer bauen lassen ein hochlöbliches- 
Stift Alt St. Peter in Strassburg und sein die Bauherrn ge- 
wesen H Labbe Dormer Custos, H Labbe ZaepfPel promotor 



Bei der Angabe der Fundstellen sind, wo irgend möglich, 
die Haus- oder Hofnamen gewählt, da sie weniger veränderlich sind 
als die Familiennamen und die Hausnummern. Sprachlich ist zu 
bemerken, daß der Kürze halber das Verhältniswort mit dem Ge- 
schlechtswort weggelassen ist^ so daß der Hausname im Wesfälle 
stehen bleibt. Ich setze also statt eins Grünbaumwirts (nämlich 
Gehöft)» einfach «Grünbaum wir ts». 

3) Griesbach (Kanton Niederbronn), Grünbaumwirts, Hauswand, 
1746. — 4) Griesbach (Kanton Buchsweiler), Eberjockeis, Scheunen- 
wand, 1763. - 5) Buchsweiler, Steintafel über der Eingangstiir 
«IlaiSsuai!; twv vscoTspcov» im Hofe des alten Gymnasiums, 1612. Von 
der aus großen deutschen Anfangsbuchstaben zusammengesetzten 
Jahreszahl gleicht der dritte Buchstabe eher einem L als einem C. 
so daß jeder Uneingeweihte MDL— XII lesen muß. Aber das Jahr 
1612 als Gründungsjahr des Gymnasiums steht fest. Vgl. Lehmann, 
Urkundl. Geschichte der Grafschaft Hanau-Lichtenberg. Mannheim^ 



— -286 — 

H Gilig Schaffner et Jacob North der Stiftsmeyer mit Catharina 
Diemert desen eheliche Hansfraa. Vivant in aeternum filins (?). 

Am alten Kornspeicher zu WeiBenburg liest man, in die 
Mauer eingelassen, zwei Inschriften, die vom Bürgermeister 
Anseimann 1846 wiederhergestellt wurden : 

7 Ano dni MCCLXXXVJLLL Edelinns qnadragesimos qointns 

abbas Wizenbnrgens hanc domnm construxit et alia plnra 
edificia. 

Darunter steht in kleinerer Schrift : 

Haec inscriptio destmcta 1793 rest. 1846 a dmno Anselmann. 

3 Anno domini DCXXin dominus Dagobertns rex Francorum I 

fondavit monasterium Wizebnrgense cui idem rex plures Eo- 
manornm pontiüces imperatores exemptionis et alioram über 
tatum privilegia contulernnt. 

Manchmal ist auch nur angegeben, wann der Bau be- 
gonnen wurde. So auf dem Torbogen der Zaberner Stadtmühle: 

9 Anno diii MCCCCXV do wart die gebüwe angehabe — vi 
volbrocht. 

An einem Haus in der Salzgasse zu Weißenburg, in Stein 
gehauen : 

10 MDLXVI ward diser Baw angefagen. 

Merkwürdig ist eine Inschrift rings um die Präparanden- 
schule zu Lauterburg. Sie besteht aus großen eisernen Buch- 
staben, die zugleich als Klammern dienen und beim Bau 1716 
gleich eingefügt wurden. Das Gebäude diente damals als Sommer- 
wohnsitz des Bischofs Heinrich Hattardus von Speier, nachdem 
das alle Schloß 1708 zerstört worden war. 

11 H. H. E. S. P. W. E. 0. S. R. J. P. A. 1716. 

(Henricus Hattardos, episcopus Spirensis, praepositns Wissen- 
bargensis et Offenbachensis, Sancti Eomani Imperii princeps, 
anno 1716.) 

Ob folgende Inschrift 

12 M. (1692) A. V. S. H. F. R. A. 

ebenfalls eine Abkürzung des Namens des damaligen Besitzers 
(etwa: Michel A. und seine Hausfrau Roth H. A.) oder 
eine alte Beschwörungsformel ist, ließ sich nicht ermitteln. 
Nur zweimal teilt das Haus selber dem Vorübergehenden mit : 

13 Mich hat gebaut — 

und 



Schneider, 1863, IT 491. — 12) Bossendorf, Rothebüren, Balken über 
dem Scheunentor, 1692. — 13) Morschweiler, Perus, Hauswaad, 



— 287 — 

14 Bei den drei Erlen bin ich genannt. 
Eine fehlerhafte französische Inschrift lautet : 

15 B&tit par Jean Carbiner et Margnerith Andres 1865. 

In früheren Zeiten war es häufiger als jetzt üblich, zu 
dem Namen des Erbauers einen frommen Zusatz zu machen : 

16 a Erbaut in Gottes Namen — 

16 b Mit Gottes Hülfe — mit der Hülfe Gottes 
16 c Dnrch Gottes Gnade, 

seltener 

16 d Mit der Hilf und Beistand Gottes — mit Gottes Hilf and 

Beistand 
16 e Unter Gottes Schatz allein 
16 f Alles zar größeren Ehre Gottes 
16 g Gott gebe ihnen Gesandheit and ein langes Leben. 
16 h Zam Andenken meinen Kindern. 

Ein einziges Mal fand ich. eine tadellose französische In- 
schrift : 

16% Cette porte et cette maison ont 6t6 bätiee avec Taide de 
Dieu. 

Die Sitte, einen frommen Zusatz zu machen, ist alt. Von 
1415 stammt die Inschrift am Torbogen der Zaberner Stadt- 
mühle : 

16 k Mit Gottes hilef ame. 

Ein Engel trägt sie auf einem Brustschild. Uebrigens kommt 
die Sitte in der letzten Zeit wieder mehr auf, in größerem 
Umfang z. B. in Issenhausen und Alteckendorf. 

Wenn wir nun nach der Herkunft der Sprüche fragen, 
so stammen viele von ihnen aus der Bibel. Sie werden fast 
ausnahmlos von Protestanten gewählt, und noch heute pflegen 
die Hanauer Bauern Neubauten mit Vorliebe mit einem Bibel- 
spruche zu versehen. [Jeberhaupt sind es die Hanauer Bauern 
allein, die jetzt noch mit Bewußtsein, Verständnis und Empfin- 
dung religiöse Inschriften neu anbringen lassen. Die betreffende 
Bibelstelle ist in der Regel nicht angegeben. 

1711. — 14) Lobsann, Hirzels, Haaswand, 1798. — 15) Meisheim, 
Kehmhansen. Steinplatte am Haas, 1865. — 16 a) Ingenheim, Müller, 
Steinplatte am Haus. 1859. - 16 b) Kirrweiler, Stabhalters, Haus- 
wand, 1798, f. — Qeodertheim, Dieboldenhansen, Steiöplatte am 
Haas. 1891, und viele andere. — 16 c) Zutzendorf, Reebhansen desgl., 
1881. — 16 d) Ettendorf, Schmitts, Hauswand. 1801. — Bosselshausen, 
Neubüren, Durchfuhr, 1740. — 16 e^ Straßburg, mittlere Zornmüh ie, 
Steinplatte. 1834. - 16f) Dauendorf, Bertschis, desgl., 1867. - 
16 g) Bersthüim, Neubüren, Eckbalken am Haus, 1848. — 16h)Dunzen- 
heim, Backen, große Holztafel mit prächtigem Blumenkranz über 
der Hoftür, 1834. — 16 i) Meisheim, Stabhalters, Steinplatte an der 



— 288 — 

Aus dem alten Testament sind folgende Sprüche zu er- 
wähnen. 

17 a Der Herr segne and behüte each. 4. Mos. 6, 24, 

Letzterer Vers kommt auf handgemachten Tafeln vor, die 
in den 1860 er Jahren von einem wandernden Künstler in den 
Hanauer Dörfern, besonders in Alteckendorf, massenhaft abge- 
setzt wurden. Er umrahmt den in Gold eingefaßten Namen des 
Familienvaters. 

Derselbe Spruch ist in bezug auf das Haus oder dessen 
Besitzer ergänzt : 

17 b Der Herr segne und behüte dies Haus. 

17 c Gott segne und behüte Michel Mahler und Catharina Geb- 

hardt. 

18 a Soli Deo gloria. 5. Mos. 32, 3. 
18 b Gott allein die Ehre. 

Dieser Spruch findet sich auch mit einem Zusatz : 
18 c Alain . Gott . die . Er 

UNND . SUNST . NIEMANT . HER . 1584 

18 d Gott allein die Ehr* 

Sonst keinem andren mehr. 

19 a Ich and mein Haus wollen dem Herrn dienen. Jos, 24, 15. 

Eine sonderbare Erweiterung «dieses bekannten Verses ist 
die folgende : 

19b Wer zu diesem Tor will eingehn, der soll sich wählen, 
welchem er dienen will; ich und mein Haus wollen dem 
Herrn dienen. 

20 Bis hieher hat uns der Herr geholfen. 1. 8am. 7, 12. 



Durchfuhr, 1860. — 17 a) Schwindratzheim, Strohevels, prächtige 
handgemalte Tafel, 1880. — Wilshausen, Jacobis. Steinplatte am 
Hans, 1892. — 17 b) Wilshausen. Mehlenhansen, desgl. 1888. — 
17 c) Alteckendorf. Götzen, desgl. 1878. — 18 a) Niedermodem, Schul- 
haus über der Tür, 1847. - 18 b) wie 18 a) — Dahlenheim. Nieder- 
sten, Erker mit Wappen, 162 ? — Gingsheim, Eerrmann, Branntwein- 
flasche, 1740, mit lalien, Maiblumen und einem springenden Hirsch, 
1815 im deutschen Lager bei Pfulgriesheim gefunden, f , jetzt im 
Eis. Museum. - Breuschwickersheim, Eiefeijörgen, Steinplatte am 
Haus, 1849. - 18 c) Westhofen, Ochsen, Steinplatte, 1584. — Dott 
243. — 18 d) = 435. — Ringendorf, t Vorschriften» des Christmann 
Wendung, 1811. — Eckwersheim, Brünehansen, Durchfuhr, 1817. — 
Gottesheim. Schniedermichels, Steinplatte am Haus, 1884. — 19 a) 
Handschuhheim, Kaufmanns, Steinplatte am Giebel, 1870. — Schwind- 
ratzheim, Kuhns, gemalte Tafel mit Blumen, 1871 ; Strohevels, desgl., 
1882; Schneider Dudt, desgl., 1883; Fixhänsels, Steinplatte über der 
Hoftür, 1877. — Alteckendorf, Kopps, Steintafel am Haus, 1898; 
Trogs, desgl., Iä04. — Wickersheim. Schollerdiebölden, Tafel über 
der Stubentür, 1890. — 19 b) Quatzenheim, Schulzen, Steinplatte am 
Haus, 1844. — 20) Kirrweiler, Stabhalters, Hauswand, 1798, f, — 



— 289 — 

i 

f 

Recht häufig werden die Psalmen zu Inschriften ver- 
wendet 

21 Ich liege nnd schlafe ganz mit Frieden ; denn allein Du, 
Herr, hilfist mir, daß ich sicher wohne. Fs, 4, 9. 

Dieser Spruch insbesondere auf Bettladen. S. Nr. 355. 

22 Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Fs, 23, 1. 

23 Er weidet mich auf einer grünen Ane und fähret mich zum 
frischen Wasser. Ps, 23, 2, • 

24 Ich habe mir vorgesetzt, ich will mich hüten, daß ich nicht 
sündige mit meiner Zunge, ich will meinen Mund zäumen, 
weil ich muß den Gottlosen so vor mir sehen. Ps, 32, 2, 

25 Herr, du hilfst beiden, Mensch und Vieh. Ps, 36, 7, 

26 Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn ; er wirds 
wohl machen. Ps, 37^ 5. 

27 Rufe mich in der Not, so will ich dich erretten. P«. 60^ 16, 

28 Wirf dein Anliegen auf den Herrn; der wird dich versor- 
gen und wird den Gerechten nicht ewiglich in Unruhe lassen. 
Ä. 55, 23. 

29 Fällt euch Beichtum zu, so hänget das Herz nicht daran. 
Pa. 62, IL 

30 Gottes Brünnlein hat Wasser die Fülle. Pa. 65, 10. 

31 Es segne uns Gott und alle Welt fürchte ihn. Pa. 67, 8. 

32 Weise mir, Herr, deinen Wfeg, daß ich wandle in deiner 
Wahrheit ; erhalte mein Herz bei dem Einigen, daß ich deinen 
Namen furchte. Pa. 86, 11. 

Eine von Hand gemachte schöne Tafel mit diesem Spruch 
gewann der Ackerer Andres von Melsbeim in einer Volks- 
lotterie zu Gimbrett 1865. Der Zufall wollte es, daß der Spruch 
auch der Konfirmationsspruch seiner Braut war, einer Waise, 
die ihren Konfirmationsschein längst verloren hatte. Die Freude 
der Braut läßt sich denken, als sie in ihr neues Heim einzog 
und diesen nicht gerade geläufigen Spruch unter Glas und 
Rahmen fand. Das sonderbare Zusammentreffen wurde als der 
Finger Gottes und als gluckverheißend angesehen. So ist die 
Tafel auf das innigste mit dem Leben der Familie Andres ver- 
wachsen und wird noch heute in Ehren gehalten. 



22) Meisheim. Schreiner Beiss, Tafel in Goldrahmen, um 1820; Stein* 
klopfer Lemmel, desgl., 1867. — 23) wie Nr. 22, Lemmel. — 24) 
Menchhofen, Steihansen, Scheunenwand, 1803. — 25) Alteckendorf, 
Kiefers, Steinplatte am Stall, 1898. - 26) Schillersdorf, Wirths- 
Jörgen, Stailwand, 1819. — 27) Ringendorf, Nonnen Jockeis, Alkoven^ 
1798. — 28) wie 26. — 29) Waltenheim, Strohjörgen, über dem 
Känsterle, 1783. — 30) wie 24. — 31) wie 25, Steinplatte am Haus» 

19 



_ 290 — 

33 Dominus scutam nostrnm. Pa. 89, 19. 

34 Herr, Gott, da bist unsere Zuflucht für und für. Ps, 90^ 1. 

35 Fragtet nach 4em Herrn und naeh seiner Macht, suchet 
sein Antlitz alle'wege. Fs. 105, 4. 

36 Wohl denen, die das Gebot halten und tun immerdar recht. 
P8. 106, 5. 

37 Der Herr sprach zu meinem Herren : Setze dich zu meiner 
Rechten , bis ich deine Feinde zum Schemel deiner Fuße 
lege. P«. 110, L 

38a Der Herr behüte deinen (— unsem, euem, — ) Ausgang 
und Eingang, von nun an bis in Ewigkeit. Pa. 121^ 8. 

Dieser in ganz Deutschland verbreitete Spruch kommt mit 
verschiedenen Aeuderuiigen vor, z. B. 

38b Gott bewahr^ den Ein- und Ausgang! 

und ist manchmal verschmolzen mit 4. Mos. 6, 24, z. B. 

38 c Der Serr segne unsern Ausgang und Eingang 



S^d Der Herr segne und behüte unsern Aus- und Eingang^. 

39a Wo der Herr nicht das Haus bauet, so arbeiten umsonst 
die daran bauen Ps. 127^ 1. 

Im Anfirfmfi^ liieran findet sieb der Vers 

'39h Wo Gott zum Bauen nicht gibt seine Gunst, 
Da arbeitet man und bauet umsonst. 

mit oder ohne den Zusatz (nach demselben Psalmvers) 

39 c Wo Gott den Bau nicht selbst bewacht, 
So ist umsonst der Wächter Wacht. 

■ j ■ 

1889. — 33) Weißenburg, Haus im Vorderbruch, Steinplatte über der 
Tür, 1611. — 34) Schwindratzheim, Bruckenwebers, gestickte Tafel, 
1899. — 35) Wickersheim, Bnrkhardt, Steintafel am Haus, 1895. — 36) 
Bingendorf, Kern, Losungstafel, 1861: Bauer mit einem Hund hält 
die Losungsnummer hoch, rechts und links Säule und oben Betthim- 
mel, alles mit Blumen bekränzt. — 37 ) Fürdenheim, Wolfen, Scheunen- 
wand, 1784, f. — 38 a) Geisweiler, Metz, Stubentür innen, 1832 ; 
Strickers, Steintafei über der Hoftür, 1895. — Zutzendorf, Wend- 
lings, desgl. 1888. — Alteckendorf, Adeshansen, Steintafel am Haus 
1888. — 38 b) Berstheim, Klausen, Balken über der Tür, 1628. — 
38 c) Furchhausen, Riehlen, 1878. — Gottesheim, Lanzen, 1879. — 
Wickersheim. Eleinhansen, 1878; Dennimichels 1886. — Alteckendorf, 
Kieferhansen, 1876; Meierjockeis, 1895. — 38 d) Zntzendorf, Beebhan- 
sen, 1881. — Vgl. auch Nr. 82. — 39 a) Wickersheim, Arzenhansen, 
Steinplatte über der Hoftür, 1887. — Haltrich 63. — 39 b) Alteckendorf, 
Fuchsenhansen, Hauswand, 1770. — Kirrweiler, Gitzen, Hauswand, 
um 1800, mit der Abweichung «... und weißt (= tüncht) umsonst.» — 
Aehnlich : Lobe 15 (1580;. PcMerg 73. Sutermeister 2 fnach einem Kir- 
chenlied des Joh. Kohlros, f 1558). Krakowizer 5 (1585). HdUrieh 64. 
Hörmannj Alpen 107. Draheim 87. Deutsche Inschriften 4. Ztschr. 
der Harzvereins 27, 226. — 39 c) Bingendorf, Gartenjockeis, Stall- 



— 291 — 

Frei nach Ps. 437, 6, dessen Schlußworte das 3., 4. u. 5. 
Wort bilden. 

41 Der Herr ist nahe allen, die ihn anmfen, allen, die ihn mit 
Ernst anmfen. Er tut, was die Gottesförchtigen begehren und 
höret ihr Schreien und hilft ihnen. Pa. 145, 18. 19, 

42 Lobet den Herrn in seinem Heiligtum, lobet ihn in der 
Feste seiner Macht. Lobet ihn in seinen Taten, lobet ihn in 
seiner großen Herrlichkeit. Und alles, was Odem hat, lobe 
den Herrn. Ps. 150, 1. 2. 6. 

Soweit die Psalmen. Fernere Bibelsprüche sind : 

43 Der Segen des Herrn macht reich ohne Mühe. 8pr. 10, 22. 

44 Gib mir, mein Sohn, dein Herz und laß deinen Augen meine 
Wege gefallen. 8pr. 23, 26, 

45 Dorch Weisheit wird ein Haus gebauet, und durch Ver- 
stand erhalten. Durch ordentliches Haushalten werden die 
Kammern voll aller köstlichen lieblichen Beichtümer. Spr. 
24. 3. 4. 

46 Fürchte dich nicht, ich bin mit dir; weiche nicht, ich bin 
dein Gott, ich stärke dich, ich helfe dir auch, ich erhalte 
dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit. Jts. 41, td 

47 Denn gute Arbeit gibt herrlichen Lohn und die Wurzel 
des Verstandes verfault nicht Weish. 8(ü. 3, 15. 

48 Dein Lebenlang habe Gott vor Augen und im Herzen, und 
hüte dich, daß du in keine Sünde willigest und tuest wider 
Gottes Gebot. Tob. 4, 6. 

Der Ackerer Schäfer (Ghristmännel) zu Issenhausen besitzt 
eine^prächtige schwarze Tafel mit Goldbuchstaben, die sein Vater 
in den 4840 er Jahren anfertigen ließ. Sie gibt einen Teil der 
Abschiedsrede wieder, die der damalige Lehrer Monsch seinen 
Schülern hielt und die allgemein gefiel. Die Rede lautete unter 
freier Benützung von Joh. 7, 33 und Ps. 143, 10 : «Liebe 



i^^and, 1833. — Haltrieh 64. Draheim 266. — 40) Hochfelden, Salle 
d^asyle (früheres Judenhaus), über der Tür, um 1840; Eisenhandlung 
Bicart, über einer Tür im Hof, 1867. — 41) Dunzenheim, Eberles, 
auf einer Tür, 1777, f. — 42) Schillersdorf, Wagnermichels, Stall- 
x^and, 1787. ~ 43) Prinzheim, Schneiders, Stallwand, 1757, f. — 
Wickersheim, Kleinhansen, am Stallgang, 1808. — Uttenhofen, 
Stoffels, Scheune. — Simrack 9445. — 44) Handgemalter Musterungs- 
schein des Michel Felden in Dettweiler, gezogen den 10. 3. 18ö9, 
^it Blumen und Fahnen, jetzt im Elsässischen Museum in Straß- 
burg. — 45) Kohlhütte, «zupi grünen Berg», Hauswand. 1815. — 
Wolfisheim, Mehnlenzen, Steinplatte, 1894. — 46) Issenhausen, 
Roßhansen, kunstvolle Andenkentafel, um 1850. — 47) Bingendorf, 
Vogels, Andenkentafel, 1835. — 48} Waltenheim, Staathen, Tafel, 



— 292 — 

Kinder ! Ich bin noch eine kurze Zeit bei euch, alsdann muß 
ich euch wieder verlassen« Aber der Gott des Friedens sei mit 
euch, er möge euch durch seinen guten Greist leiten und führen 
auf allen euern Wegen. Euer Leben lang usw. wie oben 
Tob. 4y 6.9 Dieses unscheinbare Vorkommnis gewährt uns einen 
tiefen Einblick in das gottesfürchtige und dankbare Gremöt 
jenes alten Hanauers, und der jetzige Besitzer bewahrt die 
Tafel wie ein kostbares Kleinod zur Erinnerung an seinen treu- 
mahnenden Lehrer auf. Der schöne Spruch wurde gewisser- 
maßen zum Hausspruch. 

Der weise Sirach läßt sich in mehreren Spruchen vernehmen : 

49 Des Vaters Segen bauet den Kiodern Häuser. Sir. 3, U. 

50 Was deines Amtes nicht ist, da laß deinen Vorwitz. Sir, 
3, 24. 

51 Den Frommen gibt Gott Güter, die da bleiben. Sir, XZ, 15, 

52 Die Farcht des Herrn ist ein gesegneter Garten and nichts 
so schön als sie ist Sir. 40, 28. 

Bemerkenswert ist, daß an einem gewissen Gehöft der 
Besitzer, um die heißblutige Nachbarin zu ärgern, mit der er 
in Feindschaft lebte, mehrere Verse aus dem Buche Sirach an 
der Hinterwand der Scheune so anbrachte, daß sie die böse 
Nachbarin zu ihrem Aerger tagtäglicli sehen und lesen mußte. 
Der böse Nachbar verzog, und jener Besitzer ließ sofort die 
Sprüche entfernen, da sie dem neuen Nachbar gegenüber keine 
Berechtigung mehr hatten. Trotzdem hat mich der Besitzer ge- 
beten, weder den Namen des Dorfes noch des Gehöfts zu ver- 
öffentlichen. Ich erfülle hiermit das Versprechen. Die Verse 
aber lauteten ; 

53 Es ist kein Kopf so listig als der 'Schlangenkopf, nnd ist 
kein Zorn so bitter als der Frauen Zorn. Ich wollte lieber 
bei Löwen und Drachen wohnen, denn bei einem bösen Weibe» 
Wann sie böse wird, so verstellt sie ihre Gebärde und wird 
so scheußlich wie ein Sack. Sir. 25^ 21^23. 

54 Alle Bosheit ist gering gegen der Weiber Bosheit; es ge- 
schehe ihr, was den Gottlosen geschieht. Sir. 25, 25, 

55 Ein böses Weib macht ein betrübtes Herz, traurig Ange- 
sicht and das Herzeleid. Sir. 25, 30. 



1845. — Issenhausen, Christmänneis, Tafel, um 1840. — Meis- 
heim, Steinklopfer Lemmel, Tafel, 1867. — 49) Mittelhausbergen, 
Walters, Steinplatte am Haus, 1820. — 50) Wickersheim, Kiefers, 
Handbesen. — Simrock 298. Schulze in Herrigs Archiv 58, 334. — 
51) Buchsweiler, Hauptstraße 23, Erker, 1673, f. - 52) Losangs- 
schein aus Zöbersdorf, 1843, mit Blumen reich geziert, jetzt im El* 



— 293 — 

56 Die Sünde kommt her von einem Weibe, und um ihret- 

willen müssen wir alle sterben. Sir, 26, 32. 

67 Wenn einer ein böses Weib hat, so ist es eben als ein an- 
gleiches Paar Ochsen, die nebeneinander ziehen sollen. Wer 
sie kriegrt, der kriegt einen Scorpion. 8ir* 26, 9. 10, 

Von ähnlichen Gedanken ist übrigens der bereits erwähnte 
Spruch Ps. 32^ 2 eingegeben worden. Auch dort mag sich der 
händelsuchtige Nachbar ordentlich geärgert haben. 

68 Geduldig sein und auf die Hilfe des Herrn hoffen. Kl, Jer. 
5, 26. 

Weniger zahlreich sind die dem Neuen Testament ent- 
nommenen Inschriften. 

69 Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner 
Gerechtigkeit, so wird euch das übrige allein zufallen. Matth. 

1, 33, 

60 Selig sind, die da Leid tragen, sie sollen getröstet werden. 
Matth. 5, 4. 

Dieser Spruch steht in einem Hause, das vielfach durch 
Todes- und Unglücksfälle heimgesucht wurde. 

61 Wer mich bekennt vor den Menschen, den will ich auch be- 
kennen vor meinem himmlischen Vater. Matth, 10, 32, 

Dem Sinne nach ist Matth« 26, 74. 75 wiedergegeben in 
einem Spruch, der neben einem Hahn steht: 

62 Da der Hahn kräht, gedacht Petrus an den Band. 

63a Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den 
Menschen ein Wohlgefallen. Luk. 2j 14, 

63 b Gloria in exceisis Deo. 

64 Herr, bleibe bei uns, denn es will Abend werden. Luk, 24, 29, 

S5 Friede sei mit euch. Luk. 24, 36. 

^6 So ihr bleiben werdet an meiner Bede, so seid ihr meine 

rechten Jünger und werdet die Wahrheit erkennen und die 
Wahrheit wird euch frei machen. Joh. 8, 31. 32. 



sässischen Museum. >- 58) Der Zettel mit der Angabe des Fundorts 
ist mir verloren gegangen. — 59) Menchhofen, Steihansen, Scheunen- 
wand, 1803. - 60) Wickersheim, Schollerdiebölden, Tafel über der 
Stubentür, 1890. — 61) Alteckendorf, Fuchsenhansen, Haaswand, 
1770. — Obersulzbach, Wilings, 1849. — 62) Geis weiter, Heitzen, 
Scheunenwand, um 1800. — 63 a) Dunzenheim. Schuhmacherhansen, 
Oangfenster, 1829. — Büsweiler, Kunzen, Steintafel an der Durch- 
fuhr, 1864. — 63 b) Pfaffenhofen, Schuhhansen. Holzgiebel, um 1830. 

— 64) Wickersheim, Peters, Känsterle, um 1866. Dabei eine Dar- 
stellung des Gangs nach Emmaus, zwei Jünger wollen Jesus fest- 
halten. — 65) Geisweiler, ßpat^. Steinplatte am Haus, xrai 1860. 

— 66) Losungsschein des Friedrich Kichert aus Alteckendorf, 1848 



— 294 — 

67 Glaube an den Herrn Jesus Christus, so wirst da und dein 

Haus selig". Ap. Oe$ch. 16, 31. 

66 Wenn Gott für uns ist, wer mag wider ans sein? Bom^ 

8, 31. 

69 Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, haltet an 
am Gebet. Böik. 12, 12. 

70 Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi und die Liebe Gotte» 
und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns allen^ 
Amen. 2. Kor. 13, 13. 

71 Gott ist der rechte Vater über alles, was da Kinder heißet 
im Himmel und auf Erden. Eph. 3, 15. 

72 Sehet zu, daß ihr vorsichtig wandelt. Epk. 5, 15. 

73 Der Friede Gottes sei mit euch. Phü. 4, 7. 

74 Wie ihr nun angenommen habt den Herrn Christum Jesum,. 
so wandelt in ihm. Ed. 2, 6. 

75 Seid ihr mit Christo auferstanden, so suchet das, was droben 
ist, da Christus ist. Ed. d, t. 

76 Honneur et gloire au Dieu tout-puissant. i. Tim. 1, 17. 

77 Alle eure Sorge werfet auf ihn, denn er sorget für euch. 
1. Petr. 5, 7. 

78 Wir haben ein festes prophetisches Wort, und ihr tut wohl, 
daß ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da scheinet in 
einem dunkeln Ort. 2. Petr. 1, 19. 

79 Wir haben hier keine bleibende Statt, sondern die zukünf- 
tige suchen wir. Ebr. 13, 14. 

Endlich seien hier noch zwei Sprüche angeführt, die den 
Stempel von Bibelsprüchen tragen und von denen der eine 
einen Pfarrer (Lix in Hördt) zum Verfasser hat, während der 
andere wahrscheinlich einem Gebetbuch entnommen ist. 

80 Wohl denen, die im Segen Gottes ihr Haus bauen, sie 
werden sich nähren von ihrer Hände Arbeit, und Glück, Segen 
und Frieden wird ihnen blühen ihr Leben lang. 

verfertigt, jetzt im Elsässischen Museum. — 67) Schwindratzheim, 
Schuler, prachtvolle Tafel, 1855. — Prinzheim, Schneiders neuer 
Hof, Steinplatte über der Tür, 1888. — 68) Fürdenheim, Hansen, 
Tafel über dem Fenster, 1899. — 69) Auf Bitten des Besitzers nenne 
ich den Fundort nicht, 1895. — 70) Offweiler, Bürs, Hauswand, 1862. 

— 71) Zoebersdorf, Gitzen, Tür der Stallkammer, um 1840. — 72) 
Waltenheim, Schriners, Andenkentafel, um 1870. jetzt im Eis. 
Museum. — 73) Alteckendorf, Wolf, 1852. - Eingeldorf, Ades, 1856. 

— Ettendorf, Dreschertonien, 1857. — Dauendorf, Kleinclausen, 
1866, überall Steintafeln über der Hoftür. — 74) Alteckendorf, Fuchsen- 
bansen, Hauswand, 1770. — 75) Kirrweiler, Stabhalters, Hauswand,. 
1798, f. — 76) Meisheim, Stabhalters, Steinplatte an der Durchfuhr, 
1860, -- 77) Wickersheim, SchoUerdiebölden, Tafel über der Stuben- 
tür, 1890. — 78) wie 74 und 75. — 79) Wickersheim, Staath, Stein- 
platte am Wohnhaus, 1877. — 80) Hördt, Gottliebs, Holztafel über 



— 295 — 

81 Die anf den Herrn hoffen, die werden nicht fallen, sondern 
ewiglieh bleiben wie der Berg Zion. um Jerusalem sind Berge , 
nnd der Herr ist um sein Volk her von nun an bis in Ewig- 
keit. 

Neben der Bibel ist es das Gesangbuch, dem eine ganze 
Reihe von schönen Spruchen entnommen ist. Sie kommen 
erklärlicher Weise ausschließlich an protestantischen Häusern 
vor. Am häufigsten begegnet man dem hAkanntAn <;/>ii^npif ci^hAn 

Verse : 

82 ünsem Eingang segne Gott, 

ünsern Ausgang gleichermaßen, 
Segne unser täglich Brot, 
Segne unser Tun und lassen, 
Segne uns mit seligem Sterben, 
Und mach' uns zu Himmelserben. 

Ferner sind folgende Verse von Paul Gerhardt zu erwähnen : 

83 Befiehl du deine Wege 

Und was dein Herze kränkt 
Der allertreusten Pflege 
Des, der den Himmel lenkt. 
Der Wolken, Luft und Winden 
Gibt Wege, Lauf und Bahn, 
Der wird auch Wege finden, 
Wo dein Fuß gehen kann. 

84 Und ob gleich alle Teufel 

Hie wollten widerstehn, 

So wird doch ohne Zweifel 
Gott nicht zurücke gehn. 
Was er ihm vorgenommen 
Und was er haben will, 
Das muß doch endlich kommen 
Zu seinem Zweck und Ziel. 

85 Ich bin ein Gast auf Erden 

Und hab' hier keinen Stand, 
Der Himmel soll mir werden. 
Dort ist mein Vaterland. 



der Tür, 1831. — 81) Schillersdorf, Wagnermichels, Stallwand, 1787. 
— 82) Konferenzgesangbuch von 1850 Nr. 519. — Schwindratzheim, 
Niklausenjockels, Küchentür, 1797. — Meisheim. Wagner Wendling, 
Holzgetäfel der Wohnstube, 1800. — Obersulzbach, Muckehenneris, 
1857; Paules, 1861. — Schalkendorf, Hässigs, 1865; Großjockeis, 
1866. — Ringendorf, Kleinenkiefers. 1872; Schriners, 1888. — 83) 
Altes Hanauer Gesangbuch von 1780, Nr. 31, Vers 1. — Schillers- 
dorf, Wirtsjörgen, Stallwand, 1819. — 84» wie 83, V. 5. — Kohl- 
hütte, Wirtschaft zum Grünen Berg, Hauswand, 1815. — 85) Ge- 
sangbuch für Christen Augsb. Konfession, 1884, Nr. 379, V. 1. — 



— 296 — 

Weiterhin seien angeführt : 

86 Noch leV ich. Ob ich morgen lebe, 

Ob diesen Abend, weiß ich nicht. 
Wohl mir, wenn ich mit Gott ergebe, 
Dann thn' ich redlich meine Pflicht 
und bin durch seines Geistes Kraft 
Bereit zu meiner Rechenschaft. 

87 Mein Gott, das Herze bring ich Dir 

Zar Gabe und Geschenk. 

Du forderst solches ja von mir, 
Des bin ich eingedenk. 

68 Nun, du mein Vater, nimm es an 

Mein Herz veracht' es nicht. 
Ich gebs, so gut ichs geben kann, 
Ganz sei es dir verpflicht. 

Die beiden letzleren Verse sind in sinniger Weise in einem 
von Blumen gebildeten Herzen gemalt. 

Allgemein bekannt sind die erste Zeile des Chorals von 
Nikiaus von Hofe (4526) : 

89 Allein Gott in der Höh' sei Ehr 
und die Eingangsworte des Lutherliedes 

90 Ein' feste Burg ist unser Gott. 
Ferner nenne ich : 

91 Ich bin mit -dir, mein Gott, zufrieden 

Und halte dir in Demut still. 

Was deine Güte mir beschieden. 
Mit dem vergnüget sich mein Will*. 
Mein Wiir ist zwar nicht ferner mein, 
Dieweil er dein begehrt zu sein 

92 Meine Lebenszeit verstreicht, 

Stündlich eil' ich zu dem Grabe, 
Und was ist, was ich vielleicht 
Hier annoch zu leben habe ? 
Denk, o Seele, an den Tod, 
Säume nicht, denn eins ist Not. 



Eckwersheim, Lorenzen, Stall wand, 1830. — Waltenheim, Schnieder- 
jekels. Holztafel über der Hoftür, 1855. - 86) wie 83, Nr. 802. 
V. 1. — Pfulgriesheini, Bilgers, Steinplatte über der Hoftür, 1836 ; 
Lenzen, desgl., 1837. - 87) u. 88) wie 83, Nr. 401, V. 1 u. 3. — 
Waltenheim, Strohjörgen. Getäfel in der Stube, 1783. — 89) Wickers- 
heim, Dennimichels, Steinplatte am Haus, 1876. — Büsweiler, 
Wagners, 1883. — 90) Wickersheim, Schollerdiebölden, an der 
Stubentür innen, um 1680. — 91) wie 83, Nr. 527, V. 1. — Schillers- 
dorf, Dennis, Scheunenwand, um 1830. — 92) wie 83, Nr. 506, 



— 297 — 

Häufig dienen dem Hanauer zwei Verse eines alten Liedes 
als Hausinschrift : 

93 Gott ist g'at, was will ich klagen, 

Wenn die Welt es böse meint? 
Weiß loh keinen Freund zu sagen, 
Gott im Himmel ist mein Freund. 
Laß die Falschen immer gehn, 
Gott wird treulich bei mir stehn. 

94 Gott ist reich, er kann mir geben, 

Was mir gut und selig ist. 

Ich will nicht nach Beichtum streben, 
Welcher uns das Herze frißt. 
Der hat alles in der Welt, 
Wer nur seinen Gott behält 

Endlich ist der 7. Vers des bekannten Liedes «Wer nur 
den lieben Gott läßt walten» zu erwähnen : 

95 Sing\ bet' und geh' auf Gottes Wegen; 

Verriebt' das deine aus getreu. 

Und trau' auf seinen reichen Segen, 
So wird es bei dir werden neu. 
Denn welcher seine Zuversicht 
Auf Gott setzt, den verläßt er nicht. 

Ob folgender Vers ein verstümmelter Gesangbuch vers oder 
ein wohlgemeintes eigenes Erzeugnis eines Hausbesitzers ist, 
ließ sich nicht ermitteln : 

96 Seinen blassen Mund erstirbt, 

So sterb' ich auch jetzund, 
Jesu, du hast weggenommen 
Meine Schulden durch dein Blut. 

Aus deutschen Dichtern sind folgende Verse : 

97 Arbeit ist des Bürgers Zierde, 

Gottes Segen ist der Preis, 
Ehrt die Großen ihre Würde, 
Ehret uns der Hände Fleiß. 

und mit kleinen Aenderungen : ^ 



V. 1. — Bischhoiz, Bayerjockeis, Scheunen wand, um 1840. — 93) 
wie 83, Nr. 2, V. 1. — Menchhofen, Steihansen, Scheunenwand, 1803. 

— Schillersdort Wirths, Stallwand, 1803. — Obermodern, Decker- 
hansen, Haus wand, 1805. — ührweiler, Löschers, Hauswand, 1812, 
dabei drei Kanoniere mit einer Kanone und der Inschrift ARTILEBIE 
GAB . . . -Obersulzbach, Sümejockels, Stallwand, 1849..— 94) wie 83, 
Nr. 2, V. 3. — Menchhofen, wie 93. — Schiliersdorf, wie 93. — Ober- 
modern, wie 93. — 95i Alteckendorf, Pnchsenhanseu, Hauswand, 1770. 

— 96) Wickersheira, Kleinhansen, Stallgang, 1808. — 97) aus Schülers 



— 2Ö8 — 

98 üeb' Treu' and Redlichkeit 

Bis an dein kühles Grab, 
Weich' keinen Finger breit 
Von Gottes Wegen ab. 

99 Es ist bestimmt in Gottes Hat, 

Daß man vom liebsten, was man hat, 
Muß scheiden. 

Aber zu Inschriften religiösen Inhalts verwendete das Y ^izzmlk 
nicht nur bekannte und fertige Spnrche, es fühlt auch c^ ^^ 
Drang, selbst solche zu dichten. Mit besonderem Stolz schmiL <^ |ct 
es Haus und Grerät mit solchem eigenen Gewächs, das tief s^ -mis 
seinem Innern entsprossen ist und seine religiösen Empfindun^p^si] 
unverfälscht und lebenswahr wiedergibt. Wir haben es hier mzzyfl 
mit wahren Perlen der Dichtkunst zu tun, die, mögen sieau^ch 
manchmal rauh und ungeschliffen sein, gewiß würdig siiM^ ^, 
den Giebel oder die Hoftür als Widmung zu zieren« Nie- ^^t 
selten sprudeln solche Inschriften von religiösen Gefühlen ve^^' 
schiedendster Art, so daß ihre Einreihung dem Inhalte nadi^^^ 
Schwierigkeiten bietet. Möglicherweise entpuppt sich der eirr=^® 
oder der andere Spruch als alter Gesangbuch vers oder 
sprichwörtliche Formel. Denn bei aller Vorsicht ist es nicl 
ausgeschlossen, daß hie und da ein Spruch dem sichtend( 
Auge entgeht. 

Die bekannten Sprüche 




100 


Gott mit uns 


101 


Nur selig 




und 


102 


Gelobt sei Jesus Christus 



in 



seien ebenso kurz erwähnt. 

Anfang und Ende mit Gott, dieser Gedanke wird 
mehreren Sprüchen ausgedrückt. 

103 Mit Gott thu' alles fangen an. 

So wirst du Glück und Segen han; 
M^nschenfleiß gar nicht gelingt, 
Wo Gott nicht seinen Segen bringt. 



«Glocke». — Wolfisheim, Bauers, Steinplatte an der Hoftür, 1850. — 
Nach HÖltz «Der alte Landmann an seinen Sohn». — Alteckendorf, Bül ^^^ 
diewels, Kammscheide, 1883. — 99) Gedicht von E. t?. FeuchterahoM^^^^ 
Auf Bitten des Besitzers nenne ich den Fundort nicht, 1896 (vgl. S. 2^ ^""^^ 
— 100) Alteckendorf, Koppjockeis, über der Hoftür, 1901. — Zabe^f^*^^' 

Haus Mühlhäuser, Dragonerschanze 67. — Vgl. Ps. 46, 8 u. Rom. 8, 31. 

101) Alteckendorf, Kärchers, gestickte Tafel. 1879. — 102) Ingenhei:*^^^ ' 
Schwitzers, Steintafel an der Scheune, 1865. — 103) Isseuhans^^-^^ 




>• 



— 299 - 

104 Mit Gott fang' an, mit Gott hör' auf, 

Das ist der schönste Lebenslauf. 

105 Laß Gott in allen Dingen dein 

Den Anfang und das Ende sein. 

106 In Gottes Namen fang ich an, 

Was mir zu tun gebühret. 

107 Das ist das Fundament vom Haus, 

Wenn Gott darin geht ein und aus. 

Das Gebet zu Gott, seine Verehrung und die Anrufung- 
seiner Hilfe ist Christenpflicht und wird empfohlen. 

108 Posui Deum a4jutorem qui vivit et juvat. 

109 Gott meine Hilf. 

110 Bet' und arbeit*. 

So hilft Gott allezeit. 

111 Bete rein, 

Arbeit' fein, 

Dein' Sach' laß Gott befohlen sein. 

112 Wer Gott und seinen Nächsten ehrt, 

Baut auf dem Grund, der ewig steht. 

US Buf Gott in allen Nöten an, 

Er wird gewißlich bei dir stahn, 
Er hilft einem Jeden aus der Not, 
Der nur nach seinem Willen tut. 

114: Gott, du bist barmherzig, gnädig, 

Voller Gut', Geduld und Treu', 
Hilf, daß mich ja nichts beschädigt. 

Koßhansen, Hauswand 1837. — Bossendorf, Rothebüren, Balken 
über der Hoftür, 1779. — Mietesheim, Gangloffis, Scheunenwand,. 
1785. — Issenhausen, Zixen, Stallwand, 1809. — Obersulzbach, 
Willings, Haus, 1849. — Kesslers ABC. — Sutermeister 1. Deutsche 
Inschriften 3. Breselly 530. Ddü 249. Aehnlich: Draheim 280. — 
104) Dauendorf, Reebs, Scheunenwand, 1826. — SimroeJe 4007. 
Deutsche Inschriften 3. — 105) Weißen bürg, Haus Sengenwald, 
Holztafel am Giebel, 1896 (Wahlspruch der Frau Sengenwald, geb. 
y. Schätzeil). — 106) Ringendorf, Vogels, handgemalte Tafel, 1835. 
107) Höhe 100: «Giebel eines evangelischen Hauses des Kochers- 
bergs.» — 108) Weißenburg, Teutsche Gasse 94, über dem Fenster 
im Erdgeschoß, 1602. — 109) Weißenburg, Haus neben dem cSchwan9, 
über der Tür, 1711. — 110) Schwindratzheim, Thorbüren, Stein- 
platte über der Hoftür, 1894. — Simroek 986. HcUtrüh 235. — 111) 
Schillersdorf, Wagnermichels, Stallwand, 1787. — Verwandt: Dra- 
heim 96 u. 335. Deutsche Inschriften 79. HdUrich 236. Zeitschrift 
des Harzvereins 27, 219. — 112) Obersulzbach, Faules, Steintafel 
über der Hoftür, 1861. — 113) Ringendorf, Gartenjockeis, Stallgang, 
1833. — Kösslers ABC. Aehnlich : Rörmann, Alpen 25. Die zwei 
ersten Zeilen : Brdheim 347. Die erste Zeile : Le Roux' ABC. -r 
114) Berstett, Ifermichels, Steintafel über der Hoftür, 1832. — 



— 300 — 

Stärke deinen Knecht anfs Neu*. 
Gott, ein Zeichen tn' an mir, 
Daß ich deinen Segen spür\ 
Daß alle sehen, die mich hassen, 
Daß du mich nicht wirst verlassen. 

115 Das Herz schmeckt fromme Frende 

Und Trost in allen Leiden, 

Wagt es, Gott frei zu bitten 
Und sich ihm auszuschütten. 

116 Der Ackersmann ist Tag und Nacht 

Auf Saat und reiche Ernt' bedacht. 
Ersuche Gott um seine Gaben, 

Du wirst sie zu genießen haben. 

117 Heil, wenn sich Mann und Weib und Kind 

In eines Glaubens Sinn verbindet, 

Zu dienen ihrem Herrn und Gott 
Nach seinem Willen und Gebot. 

118 Ach Gott, hilf mir erwerben, 

Christlich zu leben und selig zu sterben. 
Christlich gelebt und selig gestorben, 
Ist genug auf Erden erworben. 

Das Vertrauen auf Gott und die Liebe zu ihm werden in 
mehreren Sprüchen gepriesen. 

119 Wer Gott vertraat. 

Hat wohl gebaut. 

120 a Auf Gott da ist zu trauen, 

Auf Menschen nicht zu bauen. 

120 b Auf Gott, da will ich trauen, 

Mit meiner Hand stets bauen. 



115) Schillersdorf, Wagnermichels, Stallwand, 1787. — 116) Dunzen- 
heim, Rehmhänsels, Balken überm Hoftor. 1805. — 117) Vendenheim, 
Schloßbüren, Holztafel am Stall, 1849. — Lampertheim, Möbsen, 
Steintafel über der Hoftür. 1850. — 118) Dauendorf, ßeebs, Scheunen- 
wand, 1826. — Gottesheim, Kieferjockeis, Hauswand, 1836. — 
Kesslers ABC. SuCermeister 30. Fadher g 116. Aehnlich: Simrock 6697. 
K. V. FaUersleben, Findlinge 34, 35. Hörmann, Grabschriften II 108. 
Nur zwei Verse, ähnlich : Draheim 228. 252. — Vgl. auch Schuke 
57, 17. - 119) Weißenburg. Vorderbruch 115, über der Tür, 
XVn. Jahrhundert. — Simrock 3856, Schulze in Herrigs Archiv 58, 338. 
Draheim 100 u. 347. Ddl 262. Ztschr. d. Harzvereins 27, 217. Mit 
dem Zusatz cim Himmel und auf Erden» : Draheim 269 u. 274. Suter- 
meister 12. Ztschr. d. Harzvereins 24, 447. — 120 a) Vendenheim, 
Schottedrehjers, Haus wand. — Ittenheim, Menzermichels. Steinplatte 
über der Hoftür, 1829. — Ittenheim, Stabhalters, desgl., 1834. — 
Berstett, Lützen. desgl.. 1834. ~ 120 b) Ittenheim, Menzermichels, 



— 301 — 

Wer Gott über alles liebt und ehrt, 
Baut auf den Grund, der ewig steht. 

Allein auf Gott setz' dein Vertrauen, 
Auf Menschenbilf sollst du nicht bauen, 
Gott ists allein, der Glauben hält, 
Sonst ist kein' Glaub* mehr in der Welt. 

Leb' fromm in dieser Welt 
• Auf Gott setz' dein Vertrauen, 
So wirst nach dieser Zeit 
Die Herrlichkeit dort schauen. 

Höret ! Wenn man Gott nicht traut 
Und auf sein Geld alleinig baut, 
So läßt Gott solche Geldnarren 
In die Erde bald einscharren. 

Zu wahren Episteln ist die Mahnung zur Gottseligkeit in 
nden Inschriften angewachsen. 

Sieh', Seele, welch ein Leben, 
Das zum Himmel ist gericht't, 
Preis sei Gott, der uns gegeben 
Diesen Trost und Zuversicht. 
Diese Ho£&iung, diesen Glauben 
Kann kein Feind und Welt uns rauben ; 
Sie steht fest und wanket nicht, 
Wenngleich Erd' und Himmel bricht. 
Diese Freude zu erlangen, 
Heißet hier ein Kämpfer sein. 
Wer dort will in Wonne prangen, 
Darf hier keine Trübsal scheu'n. 
Ueberschwenglich will Gott lohnen 
Wahre Streiter dort mit Kronen, 
Kämpf und ringe nur darnach 
Freu' dich auf den Jubeltag. 

In Gottes Namen fang' ich an. 
Was mir zu tun gebühret, 
Mit Gott wird alles wohlgetan 
Und glücklich aosgeführet. 
Er ist, der das Vermögen schafft. 
Was Gutes zu vollbringen, 

.. 1829. — 121) Bischholz. Seiden, Tafel an der Scheune, 1846. 
(2) Ringendorf, Schniedermichels, Stubentür, 1806. — Zöbers- 
Michels, Scheunenwand, 1819. — Kesslers ABC. Haltrich 370^ 
nd 18. Hörmann, Alpen 25. Z. 1 u. 2, ähnlich : Haltrich 47. 
lann, Alpen 87. Verwandt: H, v. Fallersieben, Findlinge 29 
). — 123) Alteckendorf, Bürediewels, Kammscheide, 1883. — - 
Alteckendorf, Fuchsenhansen, Hauswand. 1770. — 125) Ringen- 
Vogels, handgemachte Tafel, 1835. — 126) Alteckendorf, Wald- 
jn, handgemachte Tafel. 1835, jetzt im Eis. Mutfeum. Darauf 



— 302 — 

Er gibt ans Segen. Mat und Kraft 

Und läßt das Werk gelingen. 

Wer erst nach seinem Reiche trachtet 

Und bleibt auf seinen Wegen, 

Der wird von Gott auch wohlbedacht 

Mit dieser Erden Segen. 

Bedenke wohl in allen Sachen, 

Die da hast in der Welt zu machen 

Und glaub', daß Gott, der alles sieht, 

Aach schaue, was von dir geschieht 

Drum mußt du auch von Tun und Leben 

Am jüngsten Tage Rechnung geben. 

Denk' oft und viel ans Lebensziel, * 

Sterben ist kein Einderspiel. 

Gott erweist dem Menschen seine väterliche Fürsorge. 
Seine Güte, seine Liebe und Treue und sein Beistand vergehen 
nicht. Dies besagen uns folgende Sprüche: 

127 Gottes Lieb' und Treu' 

Ist alle Morgen neu. 

IfiS Gottes Güte gibt Fruchtbarkeit und Begen, 

Unserm Leib Speis', Gesundheit und Segen. 

X29 Wo, Herr, dein Wort uns nicht beschützt, 

Dein Beistand uns nicht unterstützt. 
Dein Blick nicht väterlich bewacht, 
So hilft uns keine Klugheit, Fleiß und Macht 

iSO Fried' und Freud' mög' Gott dem geben, 

Die in diesem Hause leben, 
Daß sie sich bemühn auf Erden, 
Ewig glücklich einst zu werden. 

IBl Hast du Gott zum Führer, so scheue keine Gefahr. 

1B2 Was unser Gott erschaffen hat, 

Das will er auch erhalten. 
Darüber will er früh und spat 

folgende Verzierungen : Das ABC ; eine altertümliche Kutsche, von 
einem Hirsch gezogen, ein Engel auf dem Bock, ein fliegender Engel 
schiebt hinten, auf der Kutsche ein Babe ; oben sind die Buchstaben 
mit Engeln, einem Dorf und phantastischen Tieren verziert; rechts 
und links ein Apfelbaum mit der Schlange, die den Apfel im Munde 
hält, daneben Adam and Eva ; unten beiderseits ein Postament, 
links erschlägt Kain den Abel, rechts die Geißelung Christi mit der 
Lischrift auf einem Altar : Ecce homo ; beiderseits ein phantastischer 
Vogel. — 127) Dunzenheim, Schuhmacherhansen. Fensterscheibe, 
1836. — Vgl. Klaget Jerem, 3, 23. S. aach Nr. 265. Draheim 278. 
Fadberg 108. — 128) Zöbersdorf, Gitzen. Türe der Stallkammer, um 
1810. — 129) Schillersdorf, Wagnermichels, Stallwand, 1787. - 
130) Breuschwickersheim, Schuizjörgen. Steinplatte über der Hoftür. 
1844. — 131) Bingendorf. Gartenjockeis, Stallgang, 1833; cVor- 
«chriften» des Christmann Wendung, 1811. — 132) Fürdenheim, 



— 3(Ö — 

Mit seiner Güte walten. 
Mit seinem Out nnd Beich 
Ist alles recht, ist alles gleich, 
Wenn wirs nicht ungleich machen. 

133 Tu mihi Jova salus, quid mihi facit homo. 

134 Verdienest deiner Leiden Lohn 

Vielleicht in diesem Leben schon, 
Vielleicht daß, eh' du ausgeweint, 
Gott mit seiner Hilf erscheint. 

In eigenartiger Weise wird Gottes Allmacht im Vergleich 
zu der Nichtigkeit des Menschen ausj^edruckt. 

135 Das Blumenmalen ist gemein, 

Gott gibt nur den Geruch allein. 

Der Segen Gottes ist aber ein erstrebenswertes Ziel. Ihm 
gilt eine ganze Reihe tief empfundener Sprüche. 

136 An Gottes Segen 

Ist alles gelegen. 

137 An Gottes Segen und Gut 

Ist alles gelegen, wers glauben tut. 

138 Sei bei uns auf allen Wegen, 

Liebster Gott^ mit deinem Segen. 

139 Sprich deinen Segen aus, 

Herr, über unsere Hütten, 
Und kröne dieses Hans 
Mit einem steten Frieden. 

140 Alles ist an Gottes Segen, 

Was wir immer tun, gelegen. 
Arbeit ist des Menschen Pflicht, 

Der Faule hat den Segen Gottes nicht. 



Heitzenhansen, Stallwand, 1848. — 133) Mundoisheim, Villa Fernando, 
Haaswand, 1901 (verunglückter Pentameter?). — 134) Schillersdorf, 
Wag^nermichels, Stallwand, 1787. -- 135) Kirrweiler, Neubüren, 
Scheunenwand. 1747. -> Aehnlich: Dentsche Inschriften 20. DoU 
250. Fadberg 88. — 136) Schwindratzheim, Eipperhänsels, Hauswand, 
1780, f ; üansgroßen, Scheunenwand, 1806. f ; Schöffeis, über der 
Hoftür, 1898. - Ringendorf, Marzloffs, Stallwand, 1829. - Altecken- 
dorf, Bürediewels, Scheunen wand, 1901. — SimrocJe 3860. Deutsche 
Inschriften 121. Drahem 288. — 137) Kirr weiler, Stabhalters, Haus- 
wand, 1798, f. — Issenhausen, Zixen. Scheunenwand, 1809. — 
Sutermeister 13. — 138) Wicker sheim, Staathenmichels, Durchfuhr, 
1805. — Lixhaueen, alten Schulmeisters. Stallwand, 1834. — Fürden- 
heim, Brünmichels, Steinplatte über der Hoftür. 1839. — Reit- 
Weiler, Stoffels, Hoftorflügel, 1882 (ausgebessert). — Kösslers 
ABC. — 139) Handschuhheim. Geisten. Steinplatte am Hausgiebel, 
1811. — 140) Kirrweiler, Neubüren, Scheunen wand, 1747. — Le 



_ 304 — 

Hl Der Segen Gottes in dem Hans 

Gibt mehr als alle Arbeit ans. 

Zu diesem Spruch gibt es zwei Zusätze : 

142 Wer ihn hat, 

Ist glücklich an alle Ort 

und die etwas schiefe Fortsetzung 

143 Wenn sie hingegen friedlich leben, 

Wird Gottes Segen nm sie schweben. 

Dieser Spruch findet sich auch allein mit dem Schluß 

J44 Gott stärke sie in Kreuz nnd Leid 

Und nehm* sie dann ein znr Himmelsfreud'. 

Fernere Spräche, die den Segen Gottes rühmen, sind fol- 
gende : 

145 Gott, streck' ans deine milde Hand 

Und segne alles, Leut^ nnd Land. 

146 Mein Glück beruht, o Gott, anf deinem Segen. 

Vertrau' ich dir nnd geh' anf deinen Wegen, 

So wirst du ndr auch ohne Sorgen und Kränken, 
Was nützlich scheinet, immer schenken. 

147 Wohl dem, der Gott verehrt, 

Auf seinen Wegen geht: 

Zu dessen Tor einkehrt 
Der Segen früh und spät. 

148 Mit meiner Hand will ich stets bauen 

Die Sättigung des Lebens, 

Dazu wird Gott seinen Segen geben. 

Auch die irdische Vergänglichkeit findet Ausdruck in 
mehreren Inschriften. 

149 Properamus ad larem patrium. 

150 Wir eilen ans der Erden 

Zu einem andern Vaterland. 

Einer der häufigsten Sprüche, wovon mehrere Abweich- 
ungen vorkommen, ist der folgende : 

Roux' ABC. — 141) Gottesheim, Kolben, Scheunenwand, ISSl, — 
Le Bons' ABC. — - 142) Prinzheim, Karbiners, Scheunenwand, 1832. 
— 143) Prinzheim, Kernhansen, Stallwand, 1828. — Le Roux' ABC, 
Z. 13 u. 14 des Gedichts «Vom Ehestande.» — 144) Busweiler, 
Büren, Tafel, 1835. — 145j Prinzheim, Schneiders neuer Hof, Wand 
des alten Stalls, 1757, f. — 146) Schillersdorf, Dennis, Scheunenwand, 
am 1830. — 147; Breusch wicker sheim, Philippen, Steinplatte über 
der Hoftür, 1840. — 148) Ittenheim, Stabhalters, desgl., 1834. — 
149) u. 150) Wolfisheim, neue Kirchhofsmauer. Der Stein wurde 



— :i05 — 

151 a Wir sind nur fremde G&ste 

Und bauen doch so feste^ 
Und wo wir sollten ewig sein. 
Da bauen wir g&nz schlecht hinein. 

151b Wir sind allhier nur fremde Gäste 

Und bauen unsere Gebäuder feste, 
Und wo wir sollen ewig sein, 
Da bauen wir gar selten ein. 

151 c Wir bauen Häuser und Palläste 

Und sind darin nur fremde Gäste, 
Und allwo wir sollten ewig sein, 
Da bauen wir gar wenig ein. 

151 d Wir bauen unsere Häuser also fest, 

Darinnen wir sind fremde Gast', 
Und da wir sollten ewig sein, 
Da bauen wir gar wenig ein. 

152 Die Zeit ist kurz und ungewiß, 

Der letzten Stund' ja nicht vergiß. 

15B Hin geht die Zeit, her kommt der Tod, 

Mensch, tu' recht und furchte Gott. 

154: Dann gehn wir unserer Heimat zu 

Und legen uns sanft in die Buh', 
Daß wir mit Gottes Hilf aufstehn 
Und morgens an die Arbeit gehn. 
Dann tröst' uns, Gott, in aller Not 



von einem Gebäude aus Wolfisheim (1738) entnommen. Vgl. Ebr. 
13, 14. ^ 151) Alter deutscher Hausspruch. Quellennachweise bei 
SiUermeister 65 und HcUtrich 149. Im Einzelnen: 151 a) Kohlhütte, 
«Zum grünen Berg», Hauswand, 1815. — Baden-Baden, Erker, 
Zähringerstraße 3, o. J. — Aehnlich : H. v, FäÜerali^en^ Spenden 31 ; 
Findlinge ill7. W. 0.. Tirol 21. LÖbe 18. Vgl. auch Wackemagel, 
Deutsches Wörterbuch I, 5. Aufl. Basel, 1873* S. 1168, 27. — 151 b) 
Schillersdorf, Matzen, Scheunenwand, 1846. — 1510 Schillersdorf, 
Wirtsjörgen, Stallwand, 1819, - Sutermeister 65. — 151 d) Dauen- 
dorf , Kandels, Durchfuhr, 1803. — Aehnlich : Dräheim 139 u. 263, 
auch 21. Zeitschr. d. Harz Vereins. 24,446 (für mehrere Städte belegt). 
UcU 244. Hältrich 145—149. Padberg 95. Deutsche Inschriften 16. 
Dresdly 352. Härmann, Alpen 124. — 152) Lauterburg, über einer Tür 
des Schlosses (Alsatia 1854/55, 255). — 153) Dunzenheim, Eberles, 
Balken über der Haustür, 1719. — Ittenheim, Trensenhansen, Haus- 
wand, 1739. — Meisheim, Kiefers, Stubentür, 1781, f» i^^^^ im Eis. 
Museum. — Börmann, Grabschriften I 27 (Grabstein des Pfarrers 
GoUy in Buscheisdorf in Steyermark, f 1578) ; n 10. Sutermeister 46. 
Deutsche Inschriften 105. Hältrich 520. Zeitschr. d. Harzvereins 27, 
218. Dresdly 789, ähnlich 479. Krakowieer 9. Die erste Zeile in einem 
Kirchenlied der Gräfin Emilie Juliane von Schwarzburg-Budolstadt, 
Altes hau. Gesangbuch von 1780, Nr. 815, V. 1, Z. 2 |1686). Schulze 
57, 34. — 154) Ringendorf, Gartenjockeis, fliegendes Blatt aus 

20 



— 30(5 — 

Und steh' uns bei bis. in den Tod, 
Und fahre uns aus dieser Zeit 
Zu dir in deine Herrlichkeit! 

155 Wer Freuden sich erwirbt 
Mit dieser Erde Gaben, 

Per wird, auch wenn er stirbt, 
Des Himmels Freundschaft haben. 
Und aufg'enommen dort 
In Gottes ewigen Hütten 
Wird er nach Gottes Wort, 
Wann er sein Heil erstritten. 
Drum werde ewiges Heil 
Durch Liebe uns zuteil. 

156 Bedenke, Mentoh, dein Ende, 
Bedenke deinen Tod, 

Der Tod kommt oft behende . . . 

Auch des Erlösers Jesus Christus wird in einigen, doch 
verhältnismaßi$r wenigen Inschriften gedacht. 

157 Wer Jesum liebt, 
Kein Kreuz betrübt. 

158 . Der süße Name Jesu mein 

Soll mir allezeit in meinem und allen Leuten ihrem 

[Herzen sein. 

159 a Wer will Jesum einquartieren, 

Der muß sein Herz mit Glauben zieren. 

159 b oder — mit Tugend zieren. 

160 Wohl dem, der Jesum bei sich führt, 
Schleußt ihn ins Herz hinein, 

So ist sein ganzes Tun geziert 
Und er wird selig sein. 

161 Jesus, wohnVin meinem Haus, 
Weiche nimmermehr daraus, 
Bleib^ mit deiner Gnad darin, 
Weil ich sonst verlassen bin. 
du großer Segiensmann, 
Komm' mit deinem^ Segen an, 
Gib. daß Friede, Glück und Heil 
Werde meinem Haus zuteil. 



dem Nachlaß des Spruchdichters Christmann Wendung, um 1850« 

— 155) Hangen bieten, Heiden, Steintafel über der Hoftür, 1829- 

— 156) Obersulzbach. Sümejockels, Stallwand, 1849 (verstümmelt). 

— 157) Kohlhätte, cZum grünen ,Berg», Hauswand, 1815. — 158) 
Morschweiler, Perus, Hauswand, 1711. —159 a) Dunzenheim. Eberles, 
Stubentür, 1777, f. — 159 b) Prinzheim. Schneiders neuer Hof, alter 
Stall, 1757, f. — Deutsche Inschriften 10. DreseUyBlS, — 160) Schillers- 
dorf, Wagnermichels, Stallwand, 1787. — 161) Meisheim, Mehlensimmes, 



- 307 — 

J62 Kern* besser* Treu^ auf Erden ist 

Denn nnr bei dir, Herr Jesu Christ. 
Ich weiß, daß du mich nicht verläßt, 
Dein' Zosag' bleibt mir ewig fest. 
Du bist mein ewig trener Hirt, 
Der ewig mich behfiten wird. 

163 Willst du die Tränen stillen 
Und fliehn der Sünde Beiz, 
So knüpfe deinen Willen 
An Jesu Ankerkrenz. 

164 Vater aller Menschenkinder, 
Jesus, Mittler aller armen Sander, 
Jesus, der uns helfen kann, 
Höre unsre Fürbitt' an! 

165 Jesus weint. 

Ich bin ewig, ihr suchet mich nicht; 

Ich bin allmächtig, ihr ehret mich nicht . . . 

166 Gottlob! auch diese Nacht ist hin, 
Es bricht hervor der helle Morgen. 
Zu diesem auch ich fertig bin 
Und lasse Jesus sorgen. 

Wie er mich führt, so ist .... 

Noch seltener als die Jesusinschriften^ sind die Marien- 
inscbriften« Ich kenne deren bloß vier bei Marienbildern in 
Nischen. 

167 Mater amabilis. 

168a Maria, ohne Sünden empfangen, bitt' für uns. 

168b Hellige Maria, bitt' für uns arme Sünder. 

169 Meine Liebe ist gekreuziget worden. 



Stubentür, 1800. — Duuzenheim, Metzgerhansen, Stubentür, 1808. 
— 162) Ettendorf, Tagner Weiß, Losungsschein, 1850, f, jetzt Eis. 
Museum. — 163) Wilshausen, Staath, 1868 und Geisweiler, Jacob, 
1869, handgemaite Tafein, in der Mitte ein cAhkerkreuz». ^ 164) 
Offweiler, Rosinen, Durchfuhr. 1825. — 165) Fürdenheim, Wolfen, 
Scheunenwand, 1784. Die erste Zeile soll die üeberschrift sein; die 
beiden letzten Zeilen der verstümmelten Inschrift finden sich ähn- 
lich auf einer alten Tafel im Lübecker Dom (Deutsche Inschr. 149, 
Z. 8 u. 11), der letzte außerdem bei Gerok, Predigten II, 681, Z. 10. 
Dort hat der vollständige Sinnspruch 13, hier 12 Zeilen. Vgl. auch 
Luc. 19, 41. — 166) Fürdenheim, Heizenhansen, Stallwand, 1848 (ver- 
stümmelt).— 167» Scherlenheim. Mengus,über der Hoftür, 1900. — 168a) 
Bosseudorf , Bürgermeister Eränner, über der Hoftür 18%. — 168 b) 
Dangolsheim, Bastians, über der Hoftür, um 1895. — 169) Bossen- 
dorf, Blasen. Stein in der Mauer an der Straße, um 1800. Dabei 
eine weinende Maria, Bruchstück eines alten Feldkreuzes (?). — 



~ 308 — 

Inschriften, die sich auf Heilige beziehen, sind mir in> 
ElsaB nicht bekannt. Insbesotidere wird der hl. Florian als- 
Schutzheiliger gegen Feuersbrunst nicht angerufen. 

Nächst den Inschriften rein religiösen Inhalts sind die Kern- 
und Sittensprnche hervorzuheben. Sie enthalten allgemeine 
Lebenswahrheiten und Vorschriften, teils in ernstem, schlichtem 
Gewände^ teils in hei|ei^m, gemütlichem, drolligem Ton, teiU 
in witziger^ beißender, ja derber ' Form. Der gesunde Volks^ 
witz kommt neben rührseligen Ergössen von Lebensweisheit 
aus verschiedenen Lebenslagen zur Geltung und wird teils in 
einfachen Reimereien, teils in ganzen Reihen anmutiger Sprüche 
niedergelegt, so daß sie gewissermaßen eine kleine bäuerliche 
Sittenlehre darstellen. Auch diese Reir&sprüche ge^hren einen 
tiefen Einblick in die Weltanschauung des elsässer Land- 
bewohners. Es sind Aeußerungen der Volksseele, die uns in 
unverfälschter Weise kundgeben, wie der Landbewohner denkte 
fühlt und empfindet. Dabei ist oft der gute Wille, einen ge- 
lungenen Reim zu erzielen, hinter dem gediegenen Inhalte der 
Sprüche zurückgeblieben, aber der Stempel des Ländlichen und 
Urwüchsigen trägt gerade dazu bei, sie frischer und wertvoller 
zu gestalten. Wenn bei ihnen der nämliche Gedanke in den 
verschiedensten Gegenden immer aufs neue, wenn auch in 
anderer Form, wiederkehrt, so ist das eben ein Beweis, daß er 
volkstümlich ist. 

Wohl der häufigste Spruch, ein Spruch, der in ganz 
Deutschland und in mehreren j^bweichungen als Hausinschrift 
Verbreitung fand, i«t der folgende : 

170a Dies Haus ist mein und doch nicht mein; 

Wer nach mir kommt, wirds auch so sein. 

170h Dieses Haus gehört mein und auch nicht mein; 

Wer mir nachfolget, bleibt auch nicht drein. 



170) Drdheim 405 (3 Abweichungen). Deutsche Inschriften 18> 
(4 Abw.). Hörmann, Alpen 127 u. 128 (3 Abw.). W. 0., Tirol 23 
(verwandt 24. 25). JPadberg 88. Freund 8. Lobe 18. Lucae 236. 
Boa 247. Breseüy 330. Im Einzelnen: -170a) Wilshausen. 
Mtisers, Stubentür, 1801. — Meisheim, .Tekels. Hauswand, nm 1810, f. 
— Eckwersheim, Brünehansen, Durchfuhr, 1817. -- Schnersheim. 
Gassennuchels, Hauswand, o. J., t> — Graßendorf. Jäcqaen, Stein- 
platte über der Hoftür, 1829. ^ Mittelhausen, Hämmen, Holztafel 
am Stall, 1833. — Lampertheim, Bilgers, Platte über der Hoftür^ 
1844. '^ Schweighausen. Strohl, Sandsteinplatte, o. J. — Laubach. 
Qräsi^en, Hauswand, um 1860. -r- 170 b) Eohlhütte, «Zum grünen 
Berg», Hauswand. 1815. — Zutzendorf, Rebhansen, in Stein an der 
Hoftür, 1820. — Steinburg, «Löwen», Steinplatte über der Haustür^ 
1824. — Obersulzbach, Schäferinicheis, Steinplatte am Giebel, 1877. - 



— 309 — 

170 c Dies Haus ist mein und auch nicht mein; 

Nach mir kommt ein andrer, ist auch nicht sein. 

170 d Dieses Hans ist für mich and nicht für dich; 

Wer nach mir kommt, der bet' für mich. 

171 Am Anfang bedenke das^ Ekel', 

So wird dir die Mfih' nicht geschändet. 

172 Glück nnd Glas, 

Wie bald bricht das! 

173 Handle immer so, als wärest da mit Zeagen amgeben. 

Der Bauer klagt über die böse Weit, in die er sich freilich 
selbst einschließt. Er geißelt Haß, Mißgunst und Neid. 

174 Tran, schau, wem. 

175 Allen Menschen recht getan. 

Das ist ein^ Kunst, die niemand kann. 

176 Tu\ was recht und wahr ist getan. 

Ob dich schon nicht lobt jedermann. 
Es kanns doch keiner machen so. 
Daß es jedermann gefallen ta\ 

177 Wenn Haß und Neid tat brennen wie Feuer, 

So war' das Holz hier nicht so teuer. 

178 Laß Neider neiden, laß Hasser hassen, 

Was Gott mir gönnt, muß man mir lassen. 
Und wenn der Neider noch so viel, 

So maß 's doch gehn. wie 's Gott haben will. 

179 Wer einen guten Freund will finden. 

Der muß bei Tag das Licht anzünden. 



170 c) Weißenburg, Peters Haus in deiiTeutschengasse, Steinplatte über 
•der Tür im Hof/ 1715. erneuert 1829. — Issenhausen, Boßhansen. 
Haus wand, 1837. — 170 d) Die Aufzeichnungen über den Fundort 
:8ind mir leider verloren gegangen. — 171) Maursmünster, Haus 
gegenüber dem Kirchhof ^Jtföfide/ 42). — 172) Dauendorf,£andels, Durch- 
fuhr, 1803. —SimroekSlM. — 173) Ringendorf. € Vorschriften» desChrist- 
mann Wendling, 1811 ; Gartenjockeis. Stallgang, 1833. — 174) Ittenheim, 
Menzermichels, Steinplatte über der Hoftür. 1829. — 175) Waltenheim, 
Jiljörgen, Schrank. 1838. — Sutermeister 24. HaUrid^ 376. Doü 259, 
Padberg 90. Deutsche Inschriften 36. DreseUv 470. — 176) Menchhofen. 
Steihansen, Scheunenwand, 1803. — 177) Handschuhheim, Klausen- 
hansen, Steinplatte über der Hoftür. 1788. — H. v, FaUer8M>en, 
Spenden 29. Simrock 7490, 2255 ^«Falschheit»). Sutermeister 31 
mit Quellennachweisen, 59. Draheim, 182. Hältrich 336. Deutsche 
Inschriften 39. Padberg 89 n. 62 («wie Kohlen»). DreseUy 604. 
— 178) wie Nr. 177. — Z. 1 u. 2: Simrock 7492*. Sutermeister 27. 
Draheim 3A^, Hältrich Sb6, Deutsche Inschriften 33. Padberg SS, Lucae 
237, Marterl, Begensburg, 4. — Z. 3 u. 4 : Deutsche Inschriften 26. 
Alemannia VII 233. H, v. FdUersleben, Findlinge 136. - 179) Dunzen- 



— 310 — 

160 Wenn jemand mit dir zuiken will, 

So hüte dich,, daß du schweigst still 
Und ihm nicht folgest anf die Bahn, 
Da er gern wollt* ein* Ursach* han. 

161 Wör über mich urteilt ohn* Sehen, 

Was wohl an mir für Mangel sei, 
Der richt^ gleich ihn mit dabei, 
Ob er dann gar ohn' Tadel sei. 

162 Die Leute sagen immer, 

Die Zeiten werden schlimmer; 
Die Zeiten bleiben immer, 
Die Leute werden schlimmer. 

163 Treu und Glauben sind ans der Welt gezogen^ 

Die Wahrheit ist gen Himmel geflogen. 

164 Ach, wie gehts auf der Welt zu, 

Daß die mich hassen, denen ich nichts tu'! 
Die mir nichts gönnen und nichts geben, 
Die müssen mich doch lassen leben. 
Wenn sie meinen, ich bin verdorben, 
Müssen sie für sich selber sorgen. 

165 Alle, die mir nichts gönnen und nichts geben. 

Müssen doch sehen, daß ich kann leben. 

166 Es tut ein mancher für mich sorgen, 

. Er kann mir weder lehnen noch borgen. 
Ei, so laß doch das Sorgen sein, 
Sorge nur für dich allein. 

167a Allen, die uns kennen. 

Denen wünschen wir, was sie uns gönnen. 

heim, Diewels, Laterne, 1821. — 180) Lixhausen, alten Schul- 
meisters, Stallwand, 1834. — Vgl. auch Simroek 10370. — 181) 
Weißenburg, Anselmannstaden 53, in Stein gehauen über den beiden 
Treppenfenstem des ersten Stockes. Der Stein (1605) stammt vom 
alten Gasthof cZum Sternen». — 182) Melsheim, Mehlensimmes, 
Getäfel in der Wohnstube. 1800. — Hältrtch 374. W. 0., Tirol 29. 
Deutsche Inschriften 52. Hörmann^ Alpen 111. DreseÜy 427. — 
183) Daselbst. — Brdheim 177. Aehnlich: HäUrich 368. Simroek 
2430. — 184) Dunzenheim, Eberles, Getäfel in der Kleinstube, 
1724. — Bosseishausen, Neubüren, Durchfuhr, 1740. — Issen- 
hausen, Roßhansen, Hauswand, 1837. — Kösslers ABC. Suter- 
meister 26. Drdheim 286. 240 und 371 ohne die zwei letzten Zeilen. 
Hcütrich 322, verwandte Sprüche 319—321. Ztschr. d. Harzvereins 
24, 445, dabei noch zwei Schlußzeilen. Freund 16 ohne die zwei 
letzten Zeilen. Mündel 14. Deutsche Inschriften 31 mit zwei andern 
Anfangszeilen. Hörtnann, Alpen 99. — 185) Dunzenheim, Backen, 
Durchfuhr, 1803. — 186) Schwindratzheim, Meyerlüxen, Stallwand, 
1804. - Waltenheim, Strohlüxen, Stallwand, 1810. — Nur Z. 1 u. 2 :. 
Schillersdorf. Matzen, Scheunenwand, 1846. ^ Lobe 36. Deutsche 
Inschriften 44. HaUrich 315. Alle drei haben Z. 3 u. 4 anders. — 
187 a) Hohengöft, Schreiner Sonnendrücker, Balken am Haus, 1888r 






— 311 — 

187b Eb wünsch* mir einer was er will, 

So geb' ihm Gott zwei Mal so viel. 

All diesen menschlichen Leidenschaften gegenüber werden 
Redlichkeit, Fleiß und Sitte, Ehrbarkeit, Friede und Bescheiden- 
heit gepriesen. Diese Tugenden stehen dem Menschen gar 
wohl an. 

188 Wer seinem Feinde Gutes tut, 

Der zeigt den größten Edelmut. 

189 Dem Großen weich* ! Acht* dich gering, 

Daß er dich nicht ins Unglück bring* ! 
Dem Kleinsten auch kein Unrecht tu*, 
So bleibest du in guter Ruh*! 

190 Das Band der Redlichkeit 

Und unverfälschter Treu* 
Verliert die Farbe nicht 
Und bleibet allzeit nen. 

191 Der Mensch ist weis* und wohlgelehrt, 

Der alle Ding' zum Besten kehrt. 

192 Wer etwas kann, ist lobenswert. 

Und der nichts kann, niemand begehrt. 

193 Du bist mir stets verehrungswert, 

Das beste Glück sei dir beschert. 

194 Schieb ja nichts gutes auf. 

Der heut*ge Tag ist dein, 
Denn was du hast versäumt. 
Das holst du nimmer ein. 

195 Wenn Geschwister fromm und weise, 

Nachsichtsvoll und gutig sind, 
Wenn in ihrem stillen Kreise 

Stets des Friedens Quelle rinnt, 
dann ruht auf ihnen allen 
Gottes Blick mit Wohlgefallen. 

Er fand den Spruch in der «Alten und Neuen Welt» — 2. Zeile 
«Gebe Gott, was sie uns gönnen»: Haltrich 325 und 326. Draheim 
93 u. 256. Deutsche Inschriften 26. Padberg 79. Hömiann, Alpen 15. 
DreseUy 605; verwandt: H, v. FaüersUben, Findlinge 137. — 
187 b) Euprechtsau, Wand im Speisezimmer des Schlosses, neu (HL Eis. 
Rdsch. 1905, II 47). — 188) Gimbrett, Kärcher, Bettlade, o. J. —189) 
Ringendorf, Gartenjockeis, Stallgang, 1833. — Kesslers ABC. — 190) 
Gottesheim, Kolben, Hauswand, 1837. — 191) Dahlenheim, Nidersten, 
Erker mit Wappen, 162? — Simrock 976; verwandt: 1855, 11513. 
H, V, FaUersleben, Findlinge 169. Wackemageh Deutsches Wörter- 
buch I, 5. Aufl. Basel, 1873. S. 1167, 24. Haitrich 407. - 192) Wingers- 
heim, Seilers, Scheunenwand, 1809, f» — Simroek 5397 (Z. 2: Den 
Ungeschickten). — 193; Wicker sheim, Kiefers, Handbesen, 1883. — 
194) Alteckendorf, Bürediewels, Kammscheide, 1864. — 195) Walten- 



— 312 — 

Alles ünreelit will ich hassea« 

Flieh'üy WM leicht dmza rerfohrt. 

Jedem geben, jedem iMsen 

Das, wss ihm als sein gebohrt. 

Selber lieber Unrecht dulden. 

Als durch Unrecht mich verschulden. 

196 Christ*, sei der Bache nicht ergeben! 

Der Zorn verbittert nnr das Leben, 
Und wer den Feinden gern verzeiht. 
Genießt schon hier die Seligkeit 

197 Alle Menschen Brüder nennen, 

Alle lieben wollen wir. 

Keine Meinung soll nns trennen, 
Duldung wohn' im Hause hier. 

198 Bicht' nicht mich und die meinen, 

Sondern dich und die deinen, 
Schau auf .dich und nicht auf mich, 
Tu ich loben dich und mich. 

199 In den Herzen muß allein 

Treu' und Lieb' beständig sein. 

200 Freundschaft macht die Menschen 

Gottes Engeln gleich, 

Macht sie froh im Kummer 
Und in Armut reich. 

201 Glücklich, wer den Frieden findet 

In dem Strom der Welt, 

Wen mit zarter Mutterhand 
Die Natur erhält. 

202 Trag' nichts herein, trag' nichts heraus, 

So bleibt der Friede stets im Haus. 

203 Wer in sein eignes Herze sieht, 

Der spricht von niemand Böses nicht. 
Denn an sich selbst find't jedermann 
Gebrechen g'nug. wers merken kann. 



heim, Staathen. Tafel, lb45. — 196 1 Büsweiler, Gaßhansen, Scheunen- 
wand, 1845. — 197) Wolfisheira, Fischerbasches. Steinplatte über der 
Hoftür, 1851. — 198; Forstheim, Winds, Scheunenwand, 1804. Das 
Zeitwort in der letzten Zeile ist unleserlich. Es ließe sich auch 
«lieben, ehren, achten» ergänzen. — Hörinminj Alpen 97 mit anderer 
Schlußzeile. Verwandt : Simrock, 1557. — 199) Dunzenheim, Diewels, 
Laterne, 1821. — 200) Schwindratzheim, Henches, Tafel. 1856; jetzt 
Eis. Museum. - 201) desgl. - 202) «Hanauerdorf» (Vogesenblatt 1897, 
Nr. 5). — Deutsche Inschriften 22. Dresdly, 316. - :f03) Lixhausen, 
alten Schulmeisters, Stallwand, 1834. — Gottesheim, Kolben, Haus- 



-^--i 



— 313 — 

204 Ein Mann, der mit Vernanft, 

Durch Bedliohköit und Fleiß 
Zeit, Welt, Glück, Ehr' und Lust 
Kennt und zn brauchen weiß: 
Der keinen Menschen drückt 
Und nichts aus Stolz verschenkt, 
Gott, seinen Schöpfer, ehrt 

Und seiner wohl gedenkt. 

205 Nächstenlieb* ist eine »Tugend, 

Die sehr hoch zu schätzen ist. 
Man empfehle sie der Jugend, 
Uebe sie zu jeder Frist. 

Du sollst Freundschaft auch erweisen 
Jedem, der nur Mensch tut heißen. 
Sei er Jud\ Tfirk' öder Heid», 
Und du sollst vor allen Dingen 
In der Not ihm stets beispringen, 
Ihme dienen jederzeit 

206 Die Arbeit ist des Menschen Pflicht, 

Der Träge hat den Segen Gottes nicht. 

207 Die Arbeit ist des Menschen Pflicht, 

Wer niemals säet, der erntet nicht. 

208 Arbeit macht das Leben süß. 

209 Beten und arbeiten, das ist die beste Kunst 

Wers fein übt, der isset nicht umsonst. 
Wer nicht arbeitet, der soir auch nicht essen, 
Merkts, ihr Faulen, tuts nicht vergessen! 

210 Erheb* dich nicht mit stolzem Mut, 

Wenn du bekommen hast ein großes Gut. 
Es ist dir nicht darum gegeben, 

Daß du dich sollst mit Stolz erheben, 

In das Gewatjd einer erdichteten Erzäiilung ist folgender 
schöne Spruch gekleidet 

211 Ich kam einst in ein fremdes Land, 

Da stand geschrieben an der Wand: 
Sei fromm und auch verschwiegen, 
Was nicht dein ist, laß du liegen. 

wand, 1837. — Kösslers und Le Roux' ABC. — 204) Breusch wickers- 
heim, Lorenzenmichels, Steinplatte über der Hoftür, 1808. Üeberschrift: 
Der wahre Menschenfreund. — 205) ebenda. Kieferhansen, 1801. — 
206^ Issenhansen, Eoßhansen, Hauswand, 1837. — 207) - Prinz- 
heim, Kernhansen. Stallwand, 1828. — Le Eoux' ABC. — 208) 
Schwindratzheim, Schwebeis, über der Tür des Schweinestalls, 1904. 
— 209) daselbst, Scheunenwand, 1806. — «Hanauerdorf» (Vo^esenbl. 
1897, Nr. 5). - Kösslers ABC. — Z. 3 :LeRoux' ABC. fifimrocÄ 413. — 
210) Dunzenheim," Eheries, Stallwand, 1790. — Kösslers ABC, Hältrieh 
418. — 211)Vendenheim,Langenjockels, Hauswand, 1790.'— Geisweiler, 



— 314 — 

Unter diesen ernstgemeinten Sprüchen finden sich auch 
einzehie, die uns ein philosophisches Fragezeichen abnötigen. 

212 Einigkeit 

Besteht in der Znfriedenheit. 

213 Heil und Frieden 

Gibt Segen in allen Nöten. 

214 Das Kreuz des Herrn gebieret Weisheit und Erfahrnn^^ _ 

Erfahrung gibt dem Glauben Mut und Nahrung. 

215 Schau' auf dich und nicht auf mich. 

Tu* ich Unrecht, so hüte dich. 
Denn glückselig ist der Mann, 

Der sich an anderer Schaden machen kann. 

Recht wirkungsvoll ist eine Anzahl knapp gefaßter Kern- ^^- 
Sprüche, die in ihrer Kürze besonders schön und werfvoMT^I 
erscheinen. 

216 Eed* wenig, mach es wahr, 

Borg' wenig, bezahl es bar. 
Laß einen jeden, wer er ist. 

So bleibst du auch, wer du bist. 

217 Frisch und fröhlich, 

Fromm und ehrlich. 
Treu von Gemüt, 
Ehrlich im Geblüt: 
Diese Tugend 
Ziert die Jugend. 

218 Viel betrachten, wenig sagen, 

Seine Not nicht jedem klagen. 
Viel anhören, nicht antworten, 
Bescheiden sein an allen Orten, 
Sich in Glück und Unglück schicken, 

Ist eins von den größten Meisterstücken. 

Heitzen, Scheunenwand, 1800. — Prinzheim, Carbiners, Scheunenwa^^**^; 
1832.— Gottesheim, Kolben, Haus wand, 1837. — Obersulzbach, Deck^^" 
Hauswand, 1845. — Kösslers und Le Koux' ABC. Sutermeister f^^^^^^^' 
Deutsche Inschriften 96. Hcdtrich 338 b. Dreselly 482, 713 (nur Z - J 
u. 4). Freund 22. W. 0.. Tirol 33. Hörmann, Alpen 105. Simr^^ 
1524 (nur Z. 4). — 212) Pfettisheim, Komelis. Steinplatte über Ä:3er 
Haustür, 1856. — 213) Hoerdt, Gasseschireis, Eckbalken am W69^^' 
haus, 1805. — 214) Schillersdorf, Dennis, Scheunenwand, um I g^ « 
— 215) Gei&weiler,, Schweyers, Hau&wand, 1810. — Kösslers A^^^« 
wo das Zeitwort in der 4. Zeile «spiegeln» lautet. — 216) .^^It- 
eckendorf, Fuchsenhansen. Hauswand, 1770. — Geisweiler, Schwey ^^^ 
Hauswand, 1810. — Lixhausen, alten Schulmeisters, Stallw^^^; 
1834. — Kösslers ABC. - Aehnlich : Le Koux' ABC. — ^^V 
Lixhausen, alten Schulmeisters, Stallwand, 1834. — Kösftl^^^ 
ABC. — 218) Bietlenheim, Ottmanns, Steintafel am Haus, 1867- — 



— 3\b — 

219 Ich liebe Gott, und Geld 

Ist Meister in der Welt 

220 Alles Tan anf Gott gebaat, 

Keinem Menschen recht getränt, 
Eedlich aber nnd gerecht» 

Niedrig nnd doch nicht gar zn schlecht. 
Nicht zn groß nnd nicht zn klein, 
Höflich nnd doch nicht zn gemein, 
Nicht zn blöd* nnd nicht zn frei, 
Still nnd doch beredt dabei, 
Viel Geduld nnd wenig Geld, 
Eomint man fort in aller Welt 

Die beiden letzten Zeilen kommen auch allein vor. 

Hier ist wohl der Ort, die Sprüche des alten Buchsweiler 
Gymnasiums zu erwähnen, die naturlich keine Erzeugnisse des 
Volks, sondern von Gelehrten verfaßt, möglicherweise alten 
Schriftstellern entnommen sind. 

221 'EcpdSiov y] ^catSela. 

222 AuaxoXa xd xaXd. 

223 HonoB alit artes. 

224 Bonos et virtns praeminm diligehtiae. 

Auch Spräche harmloser Art, gemütliche Plaudereien aus 
dem bäuerlichep Anschauungskreis im Gewände eines Reimes 
sind zu Inschriften sehr beliebt. 

226 Ich bin ein Bauersmann so genau, 

Ich nähr* mich von dem Ackerbau. 
Wenn ich den Acker recht fahren tu'. 
So bringt er mir auch Frucht genu*. 

226 Am Tisch sowohl als auf dem Feld 

Schuf Gott den Mensch in dieser Welt. 



219) Eckwersheim, Brünehansen, Durchfuhr, 1817. — 220; Altecken- 
dorf, Fuchsen, Getäfel in der Kleinstube, 1787. Abweichung in der 
ersten Zeile: Alles Gut. — Wickersheim, Staathen, Durchfuhr, 
1805, mit derselben- Abweichung. — Zoebersdorfj Mehlen, Stuben- 
tür, um 1810. Z. 6 lautet : Nicht zu stolz und auch nicht zu ge- 
mein. — Mundolsheim, Baasen, Steinplatte über der Hoftür, 1828. 
Z. 5 u. 6 fehlen. — Eckwersheim, Haus Nr. 116 {ßiündel 38) ; nur 
Z. 1—6 ; Schuljörgen, Steinplatte über der Hoftür, 1834 ; Bartheis, 
desgl., 1834 ; ohne die zwei letzten Zeilen : Brünehansen, Durch- 
fuhr, 1817; Bührels, Steinplatte über der Hoftür, 1825. — LÖbt 
32, ähnlich 33. Deutsche Inschriften 53, Z. 3 u. 4, 7 u. 8 fehlen. 
Freund 19. -- 221)^224) Buchsweiler, Steintafel über der Ein- 
gangstür «^caiSeuotc T(i)v vecoTspcDv^ im Hofe des alten Gymnasiums, 
1612. Wegen der Jahreszahl vgl. Nr. 5. Zu Nr. 222 vgl. MimM 51 : 
Difficilia quae pulchra (Schlettstadt). Nr. 223 : Cicero, Tuscul. 1, 2. — 
225) Schwindratzheim, Meyerlüxen, Stallwand, 1804. — 226) Dunzen- 



— 316 — 

2in Wer bei dem Pflogea reich will Ueibeii« 

MiiB eelber &hreii oder treiben. 

22B Weiw der Pflog im Feld sieht geht, 

So ist es umsonst, daß die Sehener da steht. 

229 Wenn einer weit will reit^i oder gehn. 

So darf er nicht halten oder bleiben stehn. 

2Z0 Das beste Wappen in der Welt, 

Das ist der Pflug im Ackerfeld. 

231 Jetzt geht die Sonne klar nnd mniiter 

Am Abendhimmel anter, 

Bald ans des Morgens Himmelstor 
Steigt sie mit neuem Glanz hervor. 

232 Die Ungelehrten sprechen frei. 

Daß Schreiben keine Arbeit sei. 

Ob ich gleich mit drei Fingern schreib'. 
So arbeitet doch der ganze Leib. 

Der Name des «gelehrten» Maurers ließ sich leider nicht 
ermitteln. 

Natürlich ist die Frau, die in dem geplagten Leben des 
Landmannes eine so wichtige Rolle spielt, auch in der In- 
schriftendichtung nicht übergangen worden. Schon der Bursche 
gesteht uns in Sehnsucht : 

233 Ein jeder, der keinen Schatz mehr hat. 

Der geht Tag und Nacht, bis er wieder einen 

[g*fhnden hat 

Der Weibersprüche aus dem ^che Sifach wurde bereits 
bei den Bibelsprüchen (Nrn. 58—57) gebührend gedacht. Ein 
anderes Mal heißt es ganz allgemein : 

231 Der Himmel bewahre dich vor einem falschen Weibs- 

geschleoht. Das lehrt ans Sirach. 

Und ein andei^er alter Spruch klagt : 

23^ Auf Erden ist kein' größere Pein, 

Als wo die Weiber Meister sein. 

Die betreffenden Frauen — der Spruch kommt zweimal 
vor — scheinen ihn nicht sonderlich übelgenommen zu haben, 
denn sonst wäre er nicht so lan^re stehen geblieben. 

heim, Schahmacherhansen, 2 Fenster, 1829 u. 1836. — 227) Dauen- 
dorf, Reeben, Sohennenwand, 182i>. — Dnnzenheim. Schuhmacher- 
haasen, Fenster. 1836. — 228) Menchhofen, Steihansen, Schennen- 
wand, 1803. - 229) Kirrweiler, Stabhalters, Hanswand. 1796. f. - 
230) «Bananerdorf» (Yogesenblatt 1897, Nr. 5>. — 231) Schillers- 
dorf« MaUen, Schennenwand. 1846. ~> 232: Schilleisdort Schäfer- 
jörgen, Stallwand, 1799. — 23:^ Obersnlabach Deekers, Haus, 1845. 
dtttoh ein neues Schild verdeckt. — 234) Waldhambach, Schreiner 
Bieber, Ziegel, 1810. — 2oo' Schwindrauheim, Meyerlnxen, Suilwand, 



- 317 — 

Das Gegenteil von einem solchen HauswQferich war gewiß 
die Frau jenes Glücklichen, von der es heißt : 

236 Diese Scheuer hat gebaut Lucas Bichert und Barbara 

[seine Hausfrau; 
Was er wünscht das wünscht sie au. 

Jedenfalls handelt es sich hier um einen willig ange- 
nommenen gereimten Scherz des Zimmermanns, der die Inschrift 
1740 in den Balken geschnitzt hat. 

Ein anderer Spruch meint : 

237 Die ist ein kluges Weib, 

Die nach der Ehstandspflicht 
Zu Qaus(| nichts versäumt 
Und ihre" Treu' nicht bricht. 

Ausführlich erfEihren wir aber die guten Eigenschaften einer 
tüchtigen Bäuerin in folgender prächtigen Inschrift : 

238 Ein' brave Frau, die mit Verstand 
Ein ganzes Haus regieret. 

Die stets mit Klugheit allerhand 

Im Haus anordonnieret. 

Ein' schöne Frau, sanft wie der Tau, 

Die stets mit Liebesproben 

Zu jeder Zeit den Mann erfreut : 

Die ist gewiß zu loben. 

In den 1890 er Jahren standen einmal zwei Leutnants im 
Manöverquartier vor dieser ehrwürdigen Inschrift. Als sie sie 
nicht gleich entziffern konnten, sagten sie: «Ach was I dummes 
Zeug I» und gingen weiter. 

Einer heliebten Wirtin galt ein Spruch, der sich auf einem 
kostbaren Trinkglase findet: 

239 Lieb' du mich 
Wie ich dich, 

So bleibt die Lieb' beständiglich. 

Gldshändler, die in dem Hause zu übernachten pflegten, mach- 
ten es ihr 1765 zum Geschenk, und sie schrieben dazu noch : 

240 Solle leben die ehrsame Margreta Michlerin. 

Leider verstümmelt fand sich nachstehende Inschrift, die 
nicht übel gewesen sein mag: 



1804, t- — Schillersdorf, Kiefers, Scheunenwand, 1811. — 236) Alt- 
eckendorf, Meyerlüxen, Balken am Stall, 1740. ~ 237) Gottesheim^ 
Kolben, Hauswand, 1837. — 238) Kolbsheim, Peters, Steinplatte 
über der Hoftür, 1819. — 239) Dunzenheim, Matzen. Wasserflasche. 
1765, mit prächtigen Blumen, Chrysanthemen. Tulpen, dabei ein 
Storch mit einer Schlange und ein springender Hirsch. — 240) da- 



— 348 — 

S41 Erstlieh ein lieben ifißen Mond, 

Da , . auch wohl gesint 

Und Gott noch D bfind 

Und die f[ran dem] man gehorsam .... 

Aus dem Gebiete des mutwilligen, kecken Scherzes stammen 
mehrere Inschriften. In schalkhafter Weise ivird aus dem 
Herzen des Vonibergehenden gesprochen : 

242 a Ich Äff 

Steh* hier nnd gaff*. 
Dieweil ich hier 8teh\ 
Könnt* ich weiter gehn. 

242 h ich alter Äff* 

Steh hierher nnd gaff*! 
Alleweil ich daher steh', 
Könnt* ich einfach weiter gehn! 

242 e Ach ! ich Ar 

Steh* so lang* daher and gaff*. 
Allweil ich da stehe zn gaffen, 
Kann ich den Weg fortmachen. 

242 d Ich Narr 

Steh* daher und starr*. 
Ich steh* daher gar zn dnmm, 
Daß alle Lente lachen drnm, 
Lachen ha ha ha ha. 

Der Affe und der Narr sind in folgender Inschrift vereinigt : 

242 e Was stehn ihr daher nnd gaffen, 

Wie Narren nnd Affen. 
Alleweil ihr daher stehn. 
Können ihr noch weiter gehn. 

Recht derb sind auch die nachstehenden Sprüche: 

243 Esel, was gnckst? 
Gnek vor dich! 



selbst. — 241) Kirrweiler, Stabhalters, Hauswand, 1798, t- — 
242 a) Gunfbrecht8hofen*Niederbronn, J^ichertshansen. Hanswand, 
1700. — Frinzheim, Schneiders neuer Hof, alter Stall, 1757, f» — 
Dunzenh^m, Jörgmichels, Hauswand, 1759. — Mietesheim, Gang- 
lofb, Seheunenwand, 1785. — Obersulzbach, Kihmen, Hauswand, 
um ISbO. Es waren auch zwei Affen dabei dargestellt. — Suter- 
meister 23. Deutsche Inschriften 33, Abweichung 27. — Lueae 235. 
— 242b) EeitweUer, Stoffels. Hoftorflügel, 1882. — Höhe 101 (un- 
genau). Spruch an einer Scheune in Württemberg: O ich dummer 
Äff* Steh dato hier und gaff* usw. (mündliche Mitteilung des 
Ingenieurs Deitelmoser). — 242 c) Eckwersheim, Brünehansen, 
Durchfuhr, 1817. — Drtselly 447. Marterl, Begensburg n, 13. — 
242 d) Obersulzbach, Deckers, Hauswand, 1845. — 242 e) Morsch- 
weiler, Perus, Haus wand. 1711. — 243) Eckwersheim, Brünehansen, 



- 319 — 

JiU Wann es war in meinem Landgebiet, 

Daß man allen H .... die Nas' abschnit, 
So müßt* ein mancherlicher Mann 
Seine Fran ohne Nase han. 

245 Eönnt^ ich krähen als wie ein Hahn, 

So müßt* ich sein aller Weiber Mann. 

Auf ein besonderes Vorkommnis mit einem Notar spielt 
dieser Spruch an : 

M6 Dem Schreiber gehört ein Hafen 

Und dem Herr ein Dreck aaf die Nas. 

Während nun die bisher erwähnten Sprüche auf verschieden- 
artigen Gegenständen angebracht wurden und eigentlich keine 
Beziehung zu ihnen hatten, kommen wir jetzt zu einer Reihe 
von Inschriften, die dem Inhalte nach unmittelbar mit dem 
G^enstande zusammenhängen, den sie schmücken. Ich be- 
ginne mit dem Hause selbst. Gleich einer Widmung versieht 
der Bauer die Wand seines Hauses mit der frommen Inschrift, 
der häufigsten von allen : 

247 a Dieses Hans (Ban, Hof, Scheuer) steht in Gottes Hand, 

Gott bewahr* es vor Feuer und Brand. 

Dazu kommt als dritte Heimzeile: 

247 b Und das ganze Vaterland ~ oder 

Auch unser ganzes Vaterland — oder 

247 c Und bereiche das ganze Vaterland. 

Einmal fand ich anstatt dessen : 

247 d Und das ganze Unterland. 

Abweichungen der zweiten Reimzeile: 



Durchfuhr, 1817 {Mündel 38). f — 244) Minversheim, Balzers, 
irdene Platte, 1805. - 245) Wickersheim. Tagner Burkhardt, irdene 
Platte, um 1820. — 246) wie 242 e. — 247 a) Koppenheim, Wirts- 
michels, Balken am Haus, 1731. — Weyersheim, Ads, 1751 
(«behüf» es). — Ettendorf, Felixen, 1765. — Prinzheim, Schuh- 
machers, 0. J. — Schweinheim, Gabriels, o. J. — Dunzenheim, 
Backen, 1834. — Schillersdorf, Matzen, 1846. — Forstheim, Messer- 
jacoben, um 1870. — Sutermeister 6 mit zahlreichen Abweichungen 
und verwandten Inschriften (vgl. hierzu die flgd. Nrn. bis 250). Mündel 
20 (Reichen weier 1603). Deutsche Inschriften 47 f. nebst einigen 
Abweichungen. — 247 b) Bosseishausen, Neubüren, Durchfuhr, 1740. -^ 
Kirrweiler, Neub&ren. Scheunenwand, 1747. — Forstheim, Winds', 
1804. — Wickersheim, Staathen, 1805. — Obermodern, Jungen, 1823; 
Eckkiefers, 1836 («dazu das ...>). — Issenhausen, Eoßhansen, 
1837. — Uttenhofen, Stoffels unbewohnter Hof, 1837. - 247 c) Ringen- 
dorf, Bietlers, Stallgang, um 1810. — 247 d) Meisheim, Kiefers, 1781. 



- 320 - 

^7e Gott bewahr' ihn vor Unglück und Brand ~ 

247/ Gott bewahr' ihn vor Feuer, Wasser and Braw 

Andere Fassung desselben Spruches: 

247 g Das Haas «Zum Ochsen» genannt 

Steht in Gottes Hand. 

247 h Dieses Haus steht in Gottes Hand, 

Er bewahre es fär Feoersbrand! 
Für Feuer und Wassersnot 
Bewahr' uns der liebe Gott! 

Es ist dies der in vielen Abweichungen früher übliche Sprim. ^sz2h 
der in manchen Dorfern noch bis vor kurzem beim Ric^!Kit- 
feste vom Zimmermann mit gewichtiger Stimme als Fe\jm,^sr' 
schütz gesprochen wurde. Möglicherweise sind noch anät^^re 
Inschriften zugleich alte Zimmermannssprüche. 

Hierher gehört auch die Zweitälteste mir bekannte Inscbir-'Jfjf 
von 1530 mit folgendem Wortlaut: 

247 i Dis hus stot in gottes gewalt, 

Den erbem lütten von Balbum ist es bekant 
Mattern Ziegeller der Werkmeister ist, 
Johannes Wolff das seit on argen liest. 
Schultheiß vnd gemein sagt uch für wor, 
Als man that zahlen MV und drissig johr, 
Wan diesses hus vffgericht enbor. 
Amen das ist wor. 
Lob vnd ere sie got dem hern. 
I H S >Iaria, sprich amen. 

Sie befand sich bis vor einigen Jahren an einem Balken d^^ 
alten Laube von Balbronn.' Der Schreiner Wickersheimei^ ^^ ' 
der die Laube auf Abbruch ersteigerte, ließ den Balken a -^^' 
seiner neuen Scheune anbringen, wo sie noch zu sehen is"^^"^* 
In einer anderen alten Inschrift spricht das Haus als Persoc^^^^ 
selbst zum Vorübergehenden: 

247k ALHIE.STE.ICH.IN.GOTroiHÄb. 

THOMEN KAVFEK WOLBEKAD. 
GEBAVET . IN . GOTES EHKEN 
DEK VNS ALLE THVOT ERNEBEN. 

Weitere Sprüche sind : 

248 Behüt^ Gott diesen Bau vor Unglück und Schaden. 



— 247 e) Grassendorf, Gallois», 1849. - 247 f) Lixhausen, alt=^*Ä 
Schulmeisters, 1834, — 247 g) Buchsweiler, Hauptstraße 23, Erk^^^ 
1673, f. — 247 h) Lobsann, Hirzels, 1798 - 247 i) 4. Zeile = Johanr»«* 
Wolfif das sagt ohne Arglist. — 247 k) Dahlenheim, Simmes, Tari^/ 
am Haus, 1607. — 248) Alteckendorf, Wambachs, Eckbalken der 



— 321 — 

Theobald Litt, Eva Littin, geb. Freisin, 

Gott woir erhalten diese beid', 

Bis sie der Tod von hier wegscheid't. 

Vor Feuer, Feind und sonstiger Not 
Bewahr' uns ferner, Herr und Gott. 

Gott ist Schöpfer der Natur, 
Menschen machen Tor und Eiegel, 
Aber du gibst Kraft dazu. 
Du bist Schöpfer für und für. 
Alt und Jung, die hier eintreffen, 
Möchten nur dich, Gott, gebeten. 
Du wirst schließen auch die Tür 
Und hilfst wohnen auch allhier. 

Der Erde schönstes Gut 

Sind Haus und Vaterland, 

Wenn in denselben Ruh' 

Und Frieden herrscht und wohnt. 

Halt' über beiden stets, 

Gott, deine Vater band, 

Daß Wetter, Strahl und Brand 

Und wilder Krieg sie schont. 

Wo Gott der Herr das Haus nicht baut, 

Ist alle Müh' vergebens. 

Wo man auf seine Hilfe traut. 

Da hilft der Fürst des Lebens 

Und führt uns sicher ein und aus, 

Bis wir ererben jenes Haus 

Dort bei den ewigen Hütten. 

Durch Menschenhand' und Gottes Kraft 
Ist dieser Bau in den Stand gebracht. 
Gott, behüte ihn in deiner Hand, 
Er ist dir allein anvertraut ! 

Wo Gott der Herr das Haus nicht baut, 
Da richtet Menschenfleiß nichts aus. 
Und wer auf seine Arbeit traut, 
Treibt allen Segen gar hinaus. 

Gott halt' in Gnaden treue Wacht 
In diesem Haus bei Tag und Nacht. 



, 1848. — 249) Berstett, Modebüren, Holztafel am Haus, 1788. 
Breuschwickersheim, Marzolffs; Scheune, 1894. -- 251) Lampert- 
ennien, Steinplatte über der Hoftür, 1831. — 252) Mittei- 
len, Walthers, Steinplatte am Haus, 1820. - Eckwersheim, 
Steinplatte über der Hoftür, 1830. — 253) Breuschwickers- 
Lieferjörgen, Steinplatte über der Haustür, 1849. — 254) 
iheim, Denniebüren, Steinplatte über der Hoftür, 1830. — 
iesbach (Kanton Buchsweiler), Lipsen, Hauswand, 1870. — 
127, 1. — 256) Straßburg, Bäckerei Ecke Broglieplatz und Gieß- 

21 



— 322 — 

257 Gib GedeOm £a nnserii Saaten, 

Vater, da Allgfitiger! 

Und bewahr vor jedem Schaden 
Diese Sehener, AUmiehtiger ! 

258 Gott, unter deinem Willen and Beistand 

Ist das Tor, Allmächtiger, in deiner Hand, 
Behuf das flaos vor Feaer nnd Brand. 
Der liebe Gott wolle das alles geben. 

Damit wir seliglich leben nnd selig sterben. Amen. 

259 Durch Gottes Gut' nnd Treu' 

Wird's Haus morgen neu. 

Aber das Bauen hat auch seioe Schattenseiten. Es kostet 
vor allem viel Geld, und wer selbst einmal gebaut hat, kennt 
die Sorgen und Plagen des Bauherrn. Dazu muß er oft den 
Spot* Yon Tadlem, Krittlern und Neidern über sich ei^ehen lassen. 
Diese Gedanken finden in zahlreichen Inschriften Ausdruck. 

260 Wer will bauen an die Gassen und Straßen, 

Muß die Herren reden und die Narren tadeln lassen. 

26la Wenn einer bauen will. 

So gibts der Tadler viel. 
Ich bau', wie mirs geHUlt, 
Es kost't mich ja mein Geld. 

261b Wenn einer bauen will. 

So gibts der Tadler yiel. 
Es kost mich ja mein Geld, 
Und wenn es mir gefallt. 
Für das hab ichs gestellt. 



hausgasse, Hanswand, 1897. — 257) Quatzenheim, Lobsteins, Brett an 
der Scheune, 1820. — 258) Daselbst, Steinplatte über der Hoftür, 1820. 
— 259) Dnnzenheim, Jörgmichels, Haus wand, 1759, f. — Aenderung 
von Nr. 127. Vgl. Klaget. Jer. 3, 23. — 260) Prinzheim, Sehneiders 
neuer Hof, alter Stall, 1757, f. — Vendenheim, Diewels, Steinplatte 
am Hof, 1776 («die Ungescheidten» statt «Narren»). — Mietesheim, 
Laube, f {Mündd 43). — Weitbruch, Adams, Balken über der Dareh- 
fuhr, 1790. — Eirrweiler, Stabhalters. Hauswand 1798, f , ~ Meisheim, 
Jekels, Hanswand, 1800. — Dauendorf, Eandels, Durchfuhr, 1803. — 
Eohlhütte, «zum grünen Berg», Haaswand, 1815. — Eckwersheim, 
Brünehansen, Durchfuhr, 1817. — Weitbrach, Berstmichels, Durch- 
fuhr («die Herren gehn und die Narren reden lassen»), 1827. — 
Eckwersheim, Brüneveltes, Steinplatte über Hoftür, 1829 ; Lenzebüren, 
desgl., 1829; Schmittshansen, Hoiztafel über der Hoftür, 1849 («die 
Ungescheidten» statt «Narren»). — Draheim 344. HaUrieh 133 u. 355. 
Aehnlich: Simrock 9951. Alemannia VU 233. Freund 13. — 261a) 
Yendenheim, Schottedrehjers, Hauswand, 1835. — 261b) Ittenheim, 
Stabhalters, Steinplatte über der Hoftür, 1834. — Berstett, Lützen, 



- 323 ~ 

Kein Mensch lebt hier auf dieser Welt, 
Der bauen kann, daß *s jedermann geftUt. 
Ob es schon nicht gefällt jedermann, 
So hab' ich doch meine Freud* daran. 

Wem diese Bauart nicht gefällt, 
Bau* sich ein andres fCLr sein Geld. 
Ich hab* gebaut nach "meinem Sinn, 
Und mir gefällt es wohl darin. 

Welcher will bauen auf freier Straßen, 
Der soll sich vexieren, nicht irren lassen. 
Denn so geschickt ist kein Mann, 
Der jedem nach seinem Gefallen bauen kann. 

Hier steht vor Gottes Angesicht 

Ein schönes Tor neu aufgerichtet 

Von Steinen aus der Erden. 

Doch wird es, wie pflegt zu geschehn, 

Von vielen Menschen, die es sehn, 

Gewiß getadelt werden. 

Jedoch auch noch König, Eüaiser, 

Schlösser, Häuser, 

Schon geadelt 

Werden oftmals auch getadelt. 

Hier steht ein schönes Tor von Steinen, 
Nach neuer Bauart aufigrestellt; 
Jedoch der Bauherr darf nicht meinen, 
Daß es auch jedermann gefällt. 
Allein dazu wird er nur lachen, 
Denn er hat es für sich allein 
Und für die Seinen lassen machen, 
So schön als möglieh konnte sein. 

Klugen Tadel soll man ehren, 
Denn der leitet uns zur Pflicht, 
Aber auf die Spötter hören. 
Fördert unsre Werke nicht. 

Wer mein Gebäude tut verachten 
Und es mir nicht besser machen kann. 
Den seh* ich f&r ein'n Xarren an. 



ist, 1834. — 262) Yendenheim, Diewels, SteinplaUe am Hof, 

— Eckwersheim, Lenzeburen, Steinplatte über der HcMr, 

Brüneveltes. desgL, If^ (nur Z, 1 u. 2); Sehmittikamiei, 

afel über der Hoftür. IHiif, ^ ^)ii) Sak xl W^ Poitgebäiule, 

der Hintertür an der Hohweiler Strafe, 1880, v<m Postnebt^ 

arz frei zosammen^eatellt naeb Deottebe lAschriftea 27. An« 

e an 5r. 2^;i->>^ außerdem: Vrakem 410e. HaUrUh 112. 

TT^ 86. — 2^;4 Weithofen, Oehien, J^t^üinpUtte, VM. ^ Wß, 

(heim, Schulzen. .Steinplatte über Att Hoftür. 1818. — i9^> K//1W 

Peters, Steintafel über der H<fftfir. 181if. — ^71, Le»U«fc. 

^ B«ß». Steintafel über der Haustür, 1^^. - 2^> VfmtJktam. 



Mit einem frommen Vergleich ist folgender Spruch ver- 
bunden : 

269 Die Menschen bauen sich oft Häuser nnd Paläste, 

Die gleich als wie ein Torrn za Babel prächtig stehn, 
Und sind nur auf der Welt Pilgrim^ und Gäste, 
Die durch das Jammertal in Himmel sollen gehn. 
Wer fragt nach Hans nnd Hof auf dieser schnöden Erde, 
Wenn ich nur dermaleinst ein Himmelsburger werde. 

Und eine derbe Abfertigung liegt in dieser Inschrift : 

270a Wer über diesen Bau weiß Hohn und Spott, 

Der steck* sein* Nas' in ein ander Ort. 

270b Wer vorübergeht, treibt Hohn nnd Spott 

Der stoß* sein* Nas* in ein ander Ort. 

270c Wer diesen Bau hoch entspott*t. 

Der steck* sein* Nas* an ein ander Ort 

Auch der Maurermeister läßt sich hören : 

271 Wer meine Arbeit tut auslachen 

Und sie nicht kann besser machen. 
Den seh* ich für ein*n Narren an. 
Bis er mirs besser zeigen kann. 

Aber der Bauherr hat für den Bau schweres Geld zahlen 
müssen : 

272 Das Bauen ist eine Lust, 

Daß es aber so viel kost*t, 
Hab' ich nicht gewußt. 

Schließlich hat er aber doch seine Freude daran : 

273 Es ist gestellt mit ganzem Fleiß, 

Kurz, lieblich und auch reimenweis*. 

274 Des Hauses Schmuck ist Reinlichkeit, 

Des Hauses Gluck Zufriedenheit, 

Des Hauses Segen Frömmigkeit. 

Carbiners, Scheunen wand, 1832. — 269) Buchs weiter, Grabengasse 1. 
Steinplatte über dem Schaufenster, 1750. — 270 a) Kriegsheim. 
Gänsemartes, Balken am Haus, 1732. — Minversheim, Burgs, Balken 
über dem Tor, 1801. — Weitbrnch, Berstmichels, Durchfuhr, 1827. 
«- 270 b) Yendenheim, Dürrenhansen, Eckbalken am Haus, 1724. - 
270c) Bietlenheim, Schniederjacoben, Holztafel am Haus, 1820. — 
271) Kirrweiier, Stabhalters, Haus wand, 1798, f. — Issenhausen, 
Roßhansen, Hauswand, 1837. — S. auch Nr. 268. — 272) Dunzen 
heim, Jörgmichels, Hauswand, 1759, f. — Mühlhausen, Haberrüschers, 
Hanswand, o. J., f. Der betreffende Erbauer hat sein ganzes Ver- 
mögen verbaut. — StUermeister ö. Deutsche Inschriften 45. Draheim 303. 
W. 0., Tirol 21. HaUrich 124. Lucae 232. Hörmann, Alpen 11. Padberg 
83. Dre$eay 342. Aehnlich : Simrock 111, Lobe 24. — 273) Issenhansen. 
Roßhansen, Hauswand, 1837. - Kö sslers ABC. — 1. Zeile: Le Roüx' 
ABC. — 274) «Hanauerdorf. (Vogesenblatt 1897. Nr. 5). — Sog. 



— 325 - 

276 Besser klein and ohne Schulden, 

Als groß mit geliehenen Golden. 

27^ Ist es auch arm, 

Ist es doch warm. 

277 Klein, 

Aber mein. 

27S Ost und West, 

Zu Haus das best\ 

27^ Trautes Heim, 

Glück herein. 

Noch kürzer als diese vier Worte besingt ein Rentner sein 
neues Haus, der längere Zeit in England zugebracht hat: 

2S0 Sweet home. 

Sogar an einem ausgebesserten Hause kann man seine 
Freude haben. 

2H1 Lasset uns am Alten, 

So es gut ist, halten, 
Aber auf* dem alten Grunde 
Neues wirken jede Stunde. 

Aber schließlich bleibt man auch nicht ewig da : 

2B2 Mit großer Müh' und Plagen 

Erbaut* ich dieses Haus, 
Und niemand kann mir sagen. 
Wie bald ich muß heraus. 

Und so wie der Bauer sein Haus und sich selber dem 
Schutze des Allmächtigen unterstellt, so gilt ihm auch die Gast- 
freundschaft als Gottes Gebot. Jeder Gute ist ihm willkommen, 
der Schlechte aber soll dem Hause fern bleiben. In diesem 
Sinne heißt es : 

2^^ Alle, die gehn aus und ein, 

Sollen Kinder Gottes sein. 

2B4: Was hier gehet aus und ein. 

Laß ich Gott befohlen sein. 



«Häusliche Tugenden», finden sich in vielen Bauernhäusern gedruckt 
als Zimmersehmuck. IheseUy 372, nach Z. 2 cdes Hauses Ehr' Gast- 
freundlichkeit». Padberg 109 mit 3 Schlußzeilen. — 275) wie 274. — 
Deutsche Inschriften 42. — 276) wie 274. — 277) wie 274. — Deutsche 
Inschriften 41. Pariberg 107. — 278) wie 274. — Simrock 147. Deut- 
sche Inschriften 40. — 279) Hattmatt, Eriegersjörgen, Steintafel über 
der Hoftür, 1895. — 280) Hochfelden, Haus Kieffer, über der Haustür, 
1902. — 281) Schiltigheim, Haus des Orgel baumeisters Eöthinger, 
1901. — 282) wie 274. — 283) Obersulzbach, Muckehenneris, über 
dem Tor, 1857. — 248) Handschuhheim, Treuters, Steinplatte über der 



— 326 — 

Ji8Ö Wer da will gehn ans and ein, 

Der muß auch treu und redlich sein. 

286 Wer in das Haus will gehn aas and ein. 

Dem soll Gott der Herr gnädig sein. 

287 In Gottes Namen geh' herein, 

Der will mein gater Gönner sein. 

288 Was gate Freunde sein, 

Die sollen stets willkommen sein. 

289 Gruß' Gott! Kommt's eini, 

Seid's lastig, bleibt's da! 

290 Wer hier will gehen aus und ein, 

Muß GDtt und seinen Nächsten lieben, 
£r soll auch treu und redlich sein. 
Das ists, worauf er sich soll üben. 
Dieses ist die schönste Pflicht, 
Welche man soll nie vergessen. 
Denn mit welchem Maß ihr meßt, 
Wird Gott euch einst wiedermessen. 
Gott ja bitten wir allein, 

Dies Haus möchte gesegnet sein. 

291 Alle, die dahier in diesem Haus gehn aus oder ein, 

Sie mögen reiten oder fahren. 

Die wolle Gott der Herr bewahren. 

292 Dem Redlichen wird die Türe stets offen stehn, 

Den Freand bitten wir, hier nicht vorbei zu gehn. 
Er wird in diesem Haus willkommen sein. 

Der Gott des Friedens schenk' ihm Segen und Gedeih'n» 

Auf dem DurcbKnarsdt;! durch Hördt 1870 fragte ein 
deutscher Offizier, ob er auch willkommen sei. Der Bauer ant- 
wortete ihm mit echt elsässischer Gastfreundschaft zum Fenster 
hinaus : Allerdings sei er willkommen, wenn er einkehren 
wolle I Der Offizier kehrte aber nicht ein. 

Ich nenne weitere Sprüche : 

293 Wers redlich mit uns meint. 

Der kehre bei uns ein. 

Ein wahrer guter Freund 
Wird stets willkommen sein. 

Hoftür, 1833. — Hürtigheim. Müllers, 1834. — 285) Mundolsheim, 
Schönenbergers, Steinplatte an der Scheune, 1840. ~- 286) Morsch- 
weiler, Perus, Haus wand. 1711, f. — 287) Zabern, Haus Bloch, 
Kirchgasse 91, über der Haustür, 1564. — 288) Ittenheim, Menzer- 
michels, Steinplatte über der Haustür, 1829. — 289) Zabern, Gar-s^ 
nisonlazareth, Zimmer des Arztes. 1899. — 290) Ittenheim, Letzen. 
Steinplatte über der Hoftür, 1819. - 291) Kolbsheim, Karcheri 
Steinplatte am Wohnhaus, 1776. — 292) Ittenheim, Neubüren, Stei 
platte über der Hoftür, 1825. — Hördt, Gottliebs, Steinplatte am Haa 
1842. — 293) Ittenheim, Firnen, Steinplatte über der Hoftür, 182: 




— 327 — 

294 Mein Tor soll jedem Frommen offen stehn, 

Und gern will ich ihn zu mir kommen sehn. 
Ich will ihn speisen, tränken and erfreuen. 

Ein Menschenfreund, ein Freund des Guten sein. 

Wie selig warst du, frommer Abraham, 

Als so ein Gast an deine Türe kam ! 

Gewiß er wäre nicht zu dir gekommen, 

Hätt' er dich nicht gekannt als Freund der Frommen. 

295 Wer will in unser' Wohnung gehn, 

Der soll zuvor all' Bosheit fliehn. 
Wer Bosheit nicht will lassen sein, 
Der soll bei uns nicht kehren ein. 

296 Wer geht zu diesem Tor hinein, 

Der muß einös guten Willens sein, 
Und wer dies nicht im Herzen ist, 
Der bleibe draußen, wo er ist. 

297 Hier gehen Gute aus und ein. 

Böse sollen draußen bleiben, 
Mein Haus soll gesegnet sein 
Und darunter stehen bleiben. 
Hier soll nichts als Friede sein, 
Wer das will, geh' aus und ein. 

296 Ich gehe aus oder ein, 

So steht der Tod und wartet mein. 

299a Wer will mausen, 

Der bleib' nur draußen! 
Denn wir haben ein' Katz', 
Die kann unA selber mausen. 



Ohlmeshansen, desgl., 1828 (erwähnt bei BreseUy 441). — Bläsheim, 
Schangshansen, desgl., 1830. — Vendenheim, Schottendrehjers, Haus- 
wand, 1835. — 294) Berstett, Pfrimmers, Steinplatte über der Haus- 
tür, 1832. — Mittelhausbergen, Freyßen, Steinplatte über der Hoftür, 
1861. — 295) Willgottheim, Matterns Wirthei. Durchfuhr. 1791, f- ~ 
2%) Quatzenheim, Lobsteins. Steinplatte über der Hoftür, 1820. — 
297) Eckwersheim, Backen, Balken über der Hoftür, um 1800. — Itten- 
heim, Weberies, Steinplatte über der Hoftür, 1817. — Quatzenheim, 
Heitzjockels, desgl., 1818. — Berstett, Schottmichels, desgl., 1826. — 
Eckwersheim, Bührels, desgl., 1825 ; Strubbüren, desgl., 1829. ~ 

— Olwisheim, Pfrimmers, desgl.. 1826 (Z. 3 u. 4 fehlen). — Geudert- 
heim, Happels, Holztafel am Haus. 1829 (Z. 4 u. 5 fehlend — Fürden- 
heim, Brünehansen. Steinplatte an der Durchfuhr, 1830. — Reitweiler, 
Schmitthansen, Steinplatte (1830^ des abgebrannten Hauses über der 
neuen Hoftür. — Quatzenheim, Schotten, Steinplatte an der Mauer, 
1839. — 298) Dunzenheim. Eberles, Balken über der Haustür, 1719. 

— Meisheim, Ejefers, Stubentür, 1781, f, jetzt im Eis. Museum. — 
Zoebersdorf. Moßlerhausen, Hoftür, 1834. — H. v, FaUersleben, 
Spenden 12 (1605). DoU 249. Hattrick 170, ähnlich 166. Deutsche In- 
schriften 31. Freund 8. Dreselly 454. — 299 a) Morschweiler, Perus, 



1 



— 328 - 

299b Wer da auf and ab greht 

Und sein Sinn zum Stehlen steht. 

Der bleib' dranßen, 

Unsere Katzen können selber mausen. 

300 Wems nicht behagt in meiner Klause, 

Der bleib' ein andermal zu Hause. 

Eine besondere Abart von Haus- und ZweckinschrirÄi'ß'^ 
bilden die Wirtshausinsohrifteii. Gleich anderen Ge^entM ^^ 
leidet auch das Elsaß keinen Mangel an ihnen. Sie behand^^^^ 
naturgemäß die zwei Hauptpunkte, worauf es dem Wirt a 
kommt : viel trinken und gleich bezahlen. Gewöhnlich sind 
im Inneren der Wirtsstube angebracht, entweder an die Wa 
oder auf einer mehr oder weniger kunstvoll ausgestattet 
Tafel oder auf den Tisch gemalt. Mehrmals fand ich auf alt 
Tafeln recht hübsche, von Hand gezeichnete Abbildungen vo 
Zechgenossen. Seltener findet sich der Spruch an der Außen 
Seite des Wirtshauses, an der Wand oder auf dem Schil 
Einige der Inschriften sind auch anderwärts bekannt, manche 
wohl schon alt, manche auch sicherlich von Gästen aus höherer^ 
Ständen ersonnen, aber für das Volk berechnet. 

301 Komm' herein, 

Hier ist gat sein. 

302a Trink und iß, 

Aber Gott nicht vergiß ! 

In diesem bekannten Spruch setzte der Wirt Schott z 
Wingersheim statt «Gott» seinen eigenen Namen, und so laut^ 
dort der Spruch nicht ohne Witz : 

302b Trink und iß, 

Aber Schott nicht vergiß. 

Vorsichtiger drückt sich eine andere Aufforderung zur Ein- 
kehr aus : 

303 Komm herein, du edler Gast, 

Wenn du Geld im Beatel hast. 




Hauswand, 1711. — 299 b) Kirrweiler, Stabhalters, Haus wand, 
1798, f. — Offweiler, Rosinen. Durchfuhr, 1825, f. — Prinzheim, 
Carbiners, Scheunenwand, 1832. — Issenhausen. Anstett, Hoftür, 
1832; Christmänneis, Hoftür, 1835 ; Christmann, Getäfel in der Stube, 
0. J. — Herlisheim, Hiick, Mauer. — Obermodern, Eckkiefers, 
Scheunenwand, 1836. — Aehnlich: Lobe 44. Draheim 347. Deutsche 
Inschriften 52. Haltriek 380. — 300) Zabern, Garnison lazarett, Zimmer 
des Arztes, 1899. — 301) Wingersheim. Schott, Wand, 1888. — 
302 a) Der Spruch bildet die erste Zeile eines Vierzeilers im Kösslerschen 
ABC und eines größeren Spruchs bei Draheim 295. Ferner ist er der 
Anfang eines Dreizeilers in der Alemannia VII 229 (Stöber) und 
eines Vierzeilers bei Hältrick 182. — Simrock 3883, 10483. H. v. 
Fällersieben, Spenden 4. Hörmann. Alpen 155. Padberg 50. Dreseüy 
589. — 302b) wie 301. — 303) Schillersdorf, AVagnermichels, Stall- 



— 329 — 

Hast du Geld, so setz dich nieder, 
Hast du keinfi, so geh gleich wieder. 

304 Gesegnet sei dein Eingang, wenn du Geld hast, 

Und dein Ausgang, wenn du bezahlt hast. 

305 Gott fürchten macht selig, 

Wein trinken macht fröhlich. 
Drum fürchte Gott und trinke Wein, 

So wirst du fröhlich und auch selig sein. 

306 Dieses Haus steht in der Bonnen 

Wer kein Geld hat, der geh' an den Bronnen. 

Hat man Geld in der Hand, 

So kann man fahren ins Weinland. 

307 Heute ums Geld, 

Morgen umsonst. 

In einem neu erbauten Tanzsaal prangen folgende beiden 
Inschriften : 

308 Quält dich ein Kummer, quält dich ein Schmerz, 

Trinke 12 Seidel, und leichter wird's Herz. 

309 Willkommen, ihr Gäste, bei Bier und Wein, 

Und dabei immer recht lustig sein. 

Aehnlich lautete eine Inschrift am Verschlag, der beim Neu- 
bau des Schiffes der Schwindratzheimer Kirche 4904 am Chor 
angebracht war. Im ausgeräumten Chor wurde Küche gehalten, 
und so schrieb ein Maurer in wenig passender Weise mit Kreide : 



wand, 1787. — Kohlhütte, «zum grünen Berg», 1815. — Offweiler, 
Rosinen, Durchfuhr, 1826, f — Mit nebensächlichen Abweichungen 
Sutermeister 53. Deutsche Inschriften 97. HcUtrich 472. Breselly 613. 
Hörmann, Alpen 159. Marterl, Regensburg 11 9. Z. 1 u. 2 : Stöber in 
der Alemannia VH, 229. W. 0, Tirol 37. Z. 3 u. 4 : Simrock 3277. — 
304) Offweiler, Rosinen, Durchfuhr, 1826, f. — Statt «Geld» - 
«Durst» : Fadberg 57. Hörmann, Alpen 161. Aehnlich : Deutsche In- 
schriften 95. — 305) Wolfisheim, Siegristen, Hauswand, 1782. — 
Wickersheim, Staathen, Hauswand, 1805. — Bingendorf, Bietlers, 
Stallgang, um 1810. — Zoebersdorf, Michels, Scheunenwand, 1819; 
Adams, Hauswand, 1826, f. — OfPweilers, Rosinen, Durchfuhr, 
1826, f. — Ruprechtsau, Wand im Speisezimmer des Schlosses, 
neu (111. Eis. Rdsch. 1905, U, 47). — Ueberall «lieben» statt «furch- 
ten» : W. 0., Tirol 36. Doli 248. Haltrich 471. Deutsche In- 
schriften 99. BreseUy 586. Padberg 50. Hörmann, Alpen 156. «Bier» 
statt «Wein» : Deutsche Inschriften 68. — 306) Zoebersdorf, Adams, 
Hauswand, 1826, f. -- Marterl, Regensburg I 3. Z. 3 u. 4 lauten : 
Mit der Kreide an der Wand kann ich nicht fahren ins Wein- 
land, Sonst ist nur Z. 1 u. 2 mit unbedeutenden Aenderungen be- 
kannt: Sutermeister 52. DoU 249. Draheim 181. Deutsche Inschriften 
95. Breselly 580. — 307) Kohlhütte, «Grüner Berg», Hauswand, 1815. 
— Stöber in der Alemannia VII 229. - 308) Dunzenheim, Wirtschaft 
Harter, Wand des Tanzsaals, 1898. — Breselly 669 (dort wird aber 
bloß ein Liter zur Erleichterung empfohlen). — 309) wie 308. —- 



— 330 — 

310 Reine Küche, guter Wein — 

Wer mag da nicht lustig sein? 

Hier noch eine Reihe, teils bekannter, teils neuer Sprüche. 

311 Frohen Mutes komm^ herein, 

Sorgen die laß draußen sein ! 

312 In Winum Weritas (so ! K 

313 Trink was klar ist. 

Iß was rahr ist, 
Bed' was wahr ist, 
Bezahl' was bar ist. 

314 Heraus mit dem Wort, wenns wahr ist; 

Hinab mit dem Trunk, wenn er klar ist. 

315 Edler Wein und guter Sinn 

Steck' im Haus und Keller drin. 

316 Halt Maß in allen Dingen, 

Nur nicht im Trinken und Singen. 

317 Vom Durst dich niemals quälen laß, 

Im Keller liegt noch manches Faß. 

318 Ein böses Weib und sauer Bier, 

Behüt', Himmel, mich dafür. 

319 Gutes Bier und Weib 

Lieb' ich zum Zeitvertreib. 

320 Euch, durstige Seelen, grüß' ich alle. 

Bekomm 's euch wohl in meiner Halle! 

321 Wer nicht liebt, trinkt und singt. 

Es nie zu wahrer Freude bringt. 

322 Bier im Becher —- 

Sorgenbrecher ! 

323 Frischer Mut 

Trinkt gut. 

324 Ein guter Trunk 

Macht alte jung. 



311) Zabem. «Kette», Wand. neu. — 312) EttendorL Bahnh^:^ .^ 
Wirtschaft, Glasfenster, 1890. — 313) Scherlenheira, Dangels^^**^ 
Decke. 1901. — Z. 2 «gar» statt «rahr» (?!), in anderer Reihenfoli^^ 
Simrock 5254, 11124. Deutsche Inschriften 114. Lucae 246. - Z- ^ 
u. 3: Wingersheim, Schott, Stubenwand, 1888. — 314W316) Wör-t^» 
Weizsäcker. Tische, 1894. — 317)-319) Gingsheim, «Pflug». Wäa^I^' 
1894. — 320) Kriegsheim. Schmied, Wand, 1896. — 321)-3^'^>' 
Weiler bei Weißenburg, «Hirsch», Wände, 1882. Nr. 824: Simro^ 



— 331 — 

Werd' ich melancholisch heute, 
Setz' ich mich an's Wirtes Tisch, 
Dort trink ich mich, liebe Leute, 
Wieder munter, wieder frisch. 

Wein und Bier gibt Mut und Kraft, 
Drum, ihr Brüder, schenket ein! 
Das gute Bier, der Eebensaft 
Tut selbst ein krankes Herz erfreuen. 

Frischer Mut und volle Flasche 
Und in meiner Hosentasche 
Immer recht viel bares Geld, 
Dann gefällt mirs in der Welt. 

Die Liebe die wärmste wird kalt, 
Der Durst aber wächst mit Gewalt. 

Trinken ist das allerbest' 
Schon vor tausend Jahr gewest. 

Hier finden tüchtige Biertrinker immierwährende 

[Beschäftigung. 

Fürs Geld gibt der Wirt gern Wein, 
Lieber als er tut aufschreiben. . . 

Gut ist für Gast' und Wirt, 
Wenn gleich bezahlet wird, 
Dem Wirt bei vollen Bänken 
Gäbs gar viel zu denken, 
Und, trauter Gast, auch du 
Erbaust dich so in größerer Ruh'. 

Rede wenig, rede wahr. 
Was du zehrest, zahle bar. 

Traubenblut 
Schafft frohen Mut. 

Erst mach' dein' Sach', 
Dann trink' und lach' ! 

Trink' brav und fest, 

Zuerst die Blume und dann den Rest. 

Hopfen und Malz — 
Gott erhalt's ! 

Lieber Gast ! 

Schilt und fluch' nicht in meinem Haus, 



Deutsche Inschriften 116. Lueae 246. — 325)— 327) Lampert- 
«Rappen», Wände, 1887. - 328)— 330) Scherienheim, Dangel- 
)ecke^ 1901. — 331) Eckwersheim, Backen, früher Wirtschaft, 
i über der Hoftür, um 1800 (verstümmelt). — 332^ Hangen- 
, € Sonne». Tafel. — 333) Mittelhausen, Lienhardt, Wand, 
— 334)-337) Dinsheim. «Grüner Baum». Wände, 1899. Nr. 
hnlich: Padberg 60. — 338} Bremmelbach, Fath, Tafel, 1880. — 



— 332 — 

Geh^ mir lieber zur Tar hinaus, 
Denn es möchte Gott im Himmelreich 
Verfluchen dich und mich zugleich. 
Wann du willst sitzen an diesem Ort, 
Brauche nicht unzüchtig Wort, 
Tu' auch nicht schimpfen und nicht schwören, 
Sondern nach deinem Vermögen zehren. 
Und wer dies nicht tun will und kann, 
Der zahl* sein' Zech' und geh' alsdann ! 

339 Solche Gäste liebe ich, 

Die ehrbar diskurieren, 
Essen, trinken, zahlen mich 
Und friedsam abmarschieren. 

340 Die Rose blüht, 

Der Dorn der sticht, 
Wer gleich bezahlt, 
Vergißt es nicht. 

341 Es ist nicht möglich aufzuschreiben, 

Wir wollen gute Freunde bleiben. 
Meine Herren und Gäste, ich bitte euch, 
Seid so gut und zahlet gleich. 

Im «[Ochsen» zu Lichtenberg ist eine auf beiden Seifen 
beschriebene Tafel. Auf der Vorderseite liest man : 

342 Rat' einmal, was hinten steht? 

Die Rückseite gibt die Antwort : 

Bezahlen soll man, eh' man geht. 

Ich glaube, diese Inschrift auch im Hotel Prinz Karl zu 
Heidelberg gesehen zu haben. 

Im «Pflug» zu Gingsheim ist an der Wand gemalt (1894) : 

342Ä Hier wird nicht gepumpt, — dabei eine Pumpe ; 

Aber da wird gelumpt! — dabei die Wirtschaft selbst. 

Eigenartig nimmt sich folgender Spruch aus : 

343 Lieber Gast, ich will ja wohl sagen dir. 

Maul- und Foßsalat bekommst da hier, 

Dazu auch wohl noch Schnaps, Wein und Bier. 

339) Offweiler, Rosinen, Durchfuhr, 1826. — Vendenheim, Hägy, ^ 
Tafel, um 1830, darauf zwei trinkende Gäste unter zwei Obst — 
bäumen, der Wirt bringt eine Platte. — Stöber, Alemannia Vlt^ 
230. W, 0., Tirol 37. Dreselly 654. Deutsche Inschriften 9 
(Z. 4 : frühsam abspazieren). — 840) Ringendorf, Backen, Tafel, n 
1860. — Scherlenheim, Dangeisers, Decke, 1901. — Padberg 5 
Dreselly 609 (Die Rose riecht). — 341) Meisheim, Michel Hatt, Tafi 
1839, t, mit Zechgesellschaft, jetzt im Eis. Museum. — DreSi 
^61. umgestellt. — 343) Wimmenau, «Sonne», Tafel, 1895. - 




- 333 - 

Als Spottspruch auf die Bierbrauer ist zu nennen : 

344 Hopfen and Malz z' nehmen, 
Ist 'n Branern viel z* dumm. 

Sie nehmen *s Stroh von der Gerst 

Und rühren mit der Hopfenstange drin ^rum. 

Gegen den Vorteil des Wirts selber sind folgende Sprüche: 

345 Arbeit und Genügsamkeit 

Ziert nnd schützt vor Not nnd Leid. 

346 Mäßig trinken. Lieder singen 
Hilft uns stets zu guten Dingen. 

Des Katzenjammers ^^edenkt nur eine Inschrift: 

347 Mancher trägt abends einen Affen nach Haus, 

Doch merkt er erst morgens, daß ein Kater ward draus. 

Von einer Kegelbahn stammen folgende drei Inschriften : 

348 Diogenes im leeren Faß tut sehr nüchtern leben, 

Und wenns rumpelt ihm im Bauch, tut er 'rin sich legen. 

349 Als Jonas aus dem Walfisch kam, trank er vor Freude eine, 
Und weil es ihm so gut bekam, gleich hinterher noch iieune ;. 
Doch anders es beim Spieler ist, wenn er nicht fehlt die Kegel: 
Ein guter Wurf mit allen neun macht Freud ihm in der EegeL 

350 Richtig aufgesetzt die Kugel! 
Sonst gibts Sandhas oder Pudel. 
Doch ein jeder merke sich die Begel: 
Nicht immer jede Kugel trifft ein' Kegel. 

Und endlich heißt es mit Bezug auf die Wirtshanssprüche 
selber : 

351 Einer achts, 

Der andre verlachts, 
Der dritte betrachts, 
Was m achts ? 

An einem Bäckerladen fand ich die Inschrift : 

352 Wer täglich kauft allhier sein Brot, 
Der schützt sich selbst vor Hungersnot. 

In ein^r Mühle steht geschrieben : 



344) Truchtersheim, «Krone», Balken an der Decke, 1899, vom 
Ortseinnehmer Fischer verfaßt. — 345) u. 346) Weiler bei Weißen- 
burg, «Hirsch», Wand, 1882. — 347) Zabern, «Kette», Wand, neu- 
— 348)- 350) Zabern, «Hoffnung», Kegelbahn, neu. — 351) Wörth, 
Weizsäcker, Tisch, 1894. — Draheim 31 (1492). Deutsche Inschriften 
85. Lucae 234. Ztschr. d. Harz Vereins 25, 265 (statt Z. 4 : der vierte 
veracht's). Dreselly 494 (Eingangszeile : der erste macht's, Z. 3 fehlt). 
Ohne Z. 3 : H. v. FdUersleben, Spenden 72. — 352) Straßburg, 
Bäckerei Ecke Gießhausgasse und Broglieplatz, Hauswand, 1897, 



— 334 — 

353 Der Mühlsrzt oftmak wird gescliolteii. 
Mich wunderte, d&ß er es kann erdulden. 
Es ist kein einziger Mühlarat anf der Welt, 
Der machen kann, daß 's allen Leuten gefallt 
Ich mahle gut for jedermann. 

Wenn es die Frau nur gut verbacken kann. 

Kann es die Frau nicht gnt verhachen. 

Tut sie die Schuld anf den Mühlarzt machen. 

Von allen Hausgeräten ist die in die Che mitgebrachte 
Bettlade dasjenige, das man am häufigsten mit Inschriften Yer- 
^hen antrifft. Im Hanauerland begegnete man noch bis vor 
^20 Jahren fast in jedem Haus einer jener alten ehrwürdigen 
Hochzeit^bettladen, welche die Inschrift in gelber und roter 
Buntschrift auf braunem Gninde und zwar an dem dem 
Schlafenden zugekehrten Kopfende oder vereinzelt am Bett- 
himmel aufwiesen. 

354 N. N. bin ich genannt 

Mein Leben steht in Gottes Hand. 

Das ist die verbreitetate Inschrift. Außerdem ist noch die 
folgende beliebt, die dem 4. Psalm, Vers 9 entnommen ist 
und mehrere Abweichungen hat, manchmal auch mit dem 
Hauptsatze schließt. 

355 a Ich rnhe and schlafe ganz im Friedenp denn der Herr 

ist mein Schatz, daß ich sicher wohne. 

355 b Hier liege ich and schlafe ganz mit Frieden, denn 

allein da, Herr, hilfst mir, daß ich sicher wohne. 

Oder frei nach demselben Gedanken 

356 Ich liege and schlafe and erwache, denn der Herr hält mich. 

357 Allhier an diesem Ort wollen wir mit Gott vergnügt and 
rahig schlafen ein. 

Ansprechend ist folgender Spruch nebst einer weniger ge- 
lungenen Nachahmung. 



— 353) Hochfelden. Mühle, Papptafel an der Tür, nea, von zwei Mühl- 
Ärzten verfaßt. Vgl. aach Nr. 262. — 354) Wilshaasen, diesen, 1806. 

— Ringendorf, Bietlers, 1819, f, jetzt im Eis. Moseam. — Schwind- 
f atzheim, Norths, 1825. ~ Wickersheim, Staathen, 1825. -— Altecken - 
dorf, Wwe. Mehl, 1830. — Meisheim. Wagners, 1832. — Wilshaasen, 
2^orths, 1852 — and viele andere. — 355) Schwindratzheim, Andresen, 
1720. ^Danzenheim,Peterkäthel, 1797.— Hohfrankeimeim, Schneiders. 
1803 n. 1835. — Wickersheim, Veltenspeters, 1817. — Ingenheim, 
Bardel, 1833. — Alteckendorf, Hirten in Altdorf, 1839; Kapellen, 
1840 ; Pfender, f , jetzt im Eis. Museum. — Ingenheim, Götzen- 
iiansen, 1856. — Ringend oii, Großjörgen, 1859 — und viele andere. 

— 356) Waltenheim, Wagners, 1829. — 357) Hördt, Gottlieb -Philipp«, 



— 385 — 

358 Ich schlafe, wache da, ^ 
Ich schlaf ift Jesu Namen. 
Sprich da za meiner Rnh^ 
Ein kräftig Ja und Amen, 
Und also stell' ich dich 
Zam Wächter über mich. 

359 Nun, ich lege mich zur Rah* 
Aber, Herr, in deinem Namen. 
Sprich, großer Gott, daza, 
Sprich dein süßes Yater-Amen. 
Da bist meine Stärk' and Macht, 
Sei es auch in dieser Nacht! 

Recht gut gemeint sind endlich folgende Reime : 

360 Die Sach' and Ehr\ Herr Jesa Christ, 
Nicht anser, sondern dein ja ist. 
Daram so stehe denen bei, 

Die sich aaf dich verlassen frei. 

Aber nicht allein der gottesfurchtige Sinn tritt uns aus den 
fiettladeninschriften entg^en, auch Lust und Scherz schauen 
aus ihnen heraus: 

361 Hier liegen wir mit Freuden in guter Bah'. 

36S Ich liege hier and schlaf 

Bei meinem Schaf. 
Wenn einer mich tat wecken, 
Tu' ich ihn erschrecken. 

363 Die Bettlad' ist von Holz gemacht, 

Und wenn sie bricht, der Schreiner lacht. 

Neue Bettstellen mit Inschriften, werden nicht mehr ge- 
macht. Das Kopfgestell kommt auf dem Lande ab und mit 
ihm natürlich die Inschriften. Alte Betthimmel aber gehören 
zu den, großen Seltenheiten. 

Hier sei ein herzliches Gedicht angeschlossen, das auf 
einer handgemachten Tafel steht. 

364 Der Abend. 

Laß mich diese Nacht empfinden 
Eine sanft' and süße Rah*. 
Alles Uebel laß verschwinden, 
Decke mich mit Segen za. 



1849. — 358) Dunzenheim, Petersmürers, 1826, — Schwindratzheim, 
Schwebeis, 1827 ; Sabers, 1887 ; Schmitth^nsen, o. J. — Doü 246. 
Padberg 121. — 359) Wickersheim, Bramters, Betthimmel, 1790, f Jetzt 
im Eis. Maseam. -— 360) Meisheim, Bartels, um 1840. — 361) Hoch- 
felden, Winkels in der Entenlach, 1830. — 362) Ringendprf, münd- 
liche Mitteilung des Ackerers W. ~ 363) Wickersheim, Harter, 1837. 
— 364) Wickersheim, Tagner Barkhardt, Tafel, 1834 von Gottfried 



— 336 — 

Leib and Seele, Mnt nnd Blut, 
Weib and Kinder, Hab and Gut, 
Freande, Feind^ and Haasgenossen 
Sei^n in deinen Schatz geschlossen. 

Ferner fand ich auf einer Steinplatte neben der Treppe : 

365 Putz' die Schah' ab. 

Dabei eine Hand, die auf da& Kratzeisen zeigt. 
Im Kellerschalter : 

366 Hier raht man beim Glas. 

Auf einem Faß: 

567' Faß and jange Weiber 

Die haben gleiche Leiber, 

Bald sein sie voll, bald sein sie leer. 

Das alles kommt vom Herrn her. 

Auf einer zerbrochenen Platte : 

368 Dranßen steht ein Brocken im Ofen 
laat kocht ihn doch. 

An einer Stubentür draußen : 

369 Ha ha! kommst, Schmarotzer? 
Und an einem gewissen Ort : 

370 Hier laßt mans laafen. 

Hierher gehören auch mehrere Inschriften, die an einen 
gemalten Gegenstand oder an ein Bild anknüpfen. Darunter 
sind einige witzige und wirklich reizende Verse. So lesen wir 
bei Blumen, Rosen und Topfpflanzen : 

371 Drei Blümlein an einem Stiel 

Schad't keine der andern viel. 

372 Jungfraa, wenn sie will Kosen brechen, 

Gib da Sorg', daß dich die Domen nicht stechen. 

373 Es soll für dich in deinem Leben 

Nur Eosen ohne Dornen geben. 

374 Das sind die Blumen ans meinem Garten, 

Damit will ich den Schatz erwarten. 



Strohl, Kothgerber in Schweighausen gemalt, mit Blumen und 
Säulen. — 365) u. 366) Wittersheim, Mathisen, um 1850. — 367) 
Waltenheim, Franzen, 1840, vom Küfermeister Müller in Ing^weiler 
verfertigt und angeblich gedichtet — 368) Meisheim, Wwe. Bastian, 
1862. — 369) Meisheim, Kiefers, f, jetzt im Eis. Museum. — 370) 
Laubach, Grässen, um 1850. — 371 ) Uhrweiler, Adejörgen, Scheunen- 
wand. 1606. — 372) Morschweiler, Perus, Hauswand, 1711, f. 
— Aehnlich : Doli 263. — 373) Obermodern, Eckkiefers, Scheunen- 
wand, 1836. - 374) Uhrweiler, Hansädels, Stallgang, 1804. - 



— 337 — 

375 Wir blühen auf nnd fallen ab, 

Wie ihr Menschen in das Grab. 

376 Wir Blumen sind euch Menschen gleich, 

Wir sind arm und werden reich. 

377 Der schönen Blumen Pracht 

Vergeht wie Tag und Nacht. 

In einem prächtigen Blumenkranz findet sich auf einer 
handgemachten Tafel folgender Vers : 

378 Behalte dies Sträußchen auf immer f&r dich 

Und denke im Anblick im Stillen an mich. 

Darüber stellen die Worte : «Andenken an Johann Georg 
Berger^ reisete den 5. Oktober nach Amerika und ließ seiner 
Schwester dieses folgende Verschen zurück, im Jahr 1853 : . . . 
(s. o.)>. Darunter liest man ; e:Ja, lieber Sohn und Bruder^ 
unser Sinn und Blick ist immer nach dem gerichtet und dazu 
vergiß du uns auch nicht». Der alte Hansjörg hat sein Glück 
in Amerika gemacht und ist längst gestorben, sein Andenken 
aber bleibt in der Familie lebendig. 

Zwei Vögel werden so besungen : 

379 Die Vögel sind auf grüner Heid' 

Und loben Gott in Ewigkeit. 

Ein Hahn und ein Huhn sind mit nachstehendem Vers 
bedacht : 

380 Die Huhn sagt zum Hahn : 

Komm du zu mir, mein lieber Hahn. 

Von einem Vogel auf einem Baume heißt es : 

381 Ich .bin ein Vogel allerding. 

Weil er alle schöne Liedlein singt. 

In zwei mit der Spitze einander zugekehrten Herzen steht 
geschrieben : 

382 Zwei Herzen - ein Leben 

Sein schön zu ergeben, 
Ein Segen zu sein. (!) 

Auf einer gemalten Tafel mit Fruchten und einem Distel- 
fink heißt es : 



375; Hochfelden, «Weißer Hahn», ölgemaltes Brett, um 1820 von einem 
Schwarzwälder Uhrmacher gemalt ; Achemers, desgl., um 1820. Nebst 
dem folgenden war es ein Hochzeitsgeschenk der übernachtenden 
Uhrmacher. — 376) Hochfelden, Achemers, wie Nr. 375. — 377) Prinz- 
heim, Carbiners, Scheunenwand, 1832. - 378^ Schwindratzheim, Horns,. 
Tafel. 1854. — 379) Forstheim, Winds. Scheunenwand, 1804. - 380) 
Prinzheim, Carbiners. Scheunenwand, 1832. - 381) Gottesheim, Kolben, 
Hauswand, 1837. - 382) Waldhambach, Schreiner Bieber, Ziegel, 1810. 

22 



- 338 - 

383 Die Aepfel-, Zwetschen-, Trauben-, Nuß- und Pfirschezeit 
Ist des Herbstes Lieblichkeit. 

Auf einer kunstvoll verfertigten Tafel, deren Buchstaben 
von Bildern aus dem Landleben dargestellt werden, wird der 
ehrenwerte Bauernstand wie folgt besungen : 

384 Ein Bauer ist ein Ehrenmann, 

Er bauet uns das Feld. 

Wer eines Bauern spotten kann, 

Ist mir ein schlechter Held. 

Noch eh* die liebe Sonne kommt, 

Geht er schon seinen Gang 

Und tut, was allen Menschen frommt, 

Mit Lust und mit Gesang. 

Und darum ist der Bauernstand 

Uns aller Ehren Avert, 

Denn kurz und gut : wo ist das Land. 

Das nicht der Bauer nährt? 

Neben einem Fasse steht der Spruch : 

385 Es spinnt von den Hügeln die freundliche Rebe, 

Sie sendet herrlichen goldenen Wein. 

Ach, daß er nach Jahren Freude noch gebe. 
So machen wir Fässer und schließen ihn ein. 

Zwei Fässer und ein Herbstständel werden, wie fol^t, be- 
sungen : 

386 Wenn man will den Herbst heimfahren, 

Muß man Faß und Ständet haben. 

Das Bildnis eines Hirten ist durch diese Reime erläutert : 

387 Frei von Sorgen fährt der Hirt 

Am Morgen seine Herd' ins Feld, 
Wenn die Vöglein singen 

Und die Schäflein springen. 

Einen Schuster an der Werkbank, daneben ein Stiefelpaar, 
begleitet folgender Vers : 

388 Der Schuster macht kein'n guten Schuh, 

Wenn er das Pech ersparen tut. 



— 383) Dunzenheim, Kaufmanns, Tafel, 1851. — 384) Waltenheim, 
Diebolden, 1840—50. — Ringendorf Weberleschniders, handgemalte 
Tafel, 1839, f , jetzt im Eis. Museum. In der Mitte ein Trachtenbild. 
Die 4 letzten Zeilen fehlen, Z. 3 u. 4 stehen am Ende. Die Buch- 
staben der ersten und der letzten Zeile bestehen aus gemalten 
Bildern. — Doli 256, nur die vier ersten Zeilen. Haltrich 262, 
Z. 1—6, 11 u. 12, dazwischen eingeschoben: cDie Städter hätten 
ohne Bauern nichts». — 385) Obermodern, Eckkiefers, Scheunen- 
wand, 1836. — 386) Uhrweiler, Adejörgen, Scheunen wand, 1806. — 
387) Menchhofen, Waberhansen, Scheunenwand, 1844. — 388)— 391) 



— a39 — 

Und eine Hose nebst Wams erinnert durch nachstehenden 
Vers an ihren Verfertiger: 

389 Der Schneider ist ein böser Mann, 

Da er den Zwilch nicht stärken kann. 

Von beiden zusammen aber heißt es an dem nämlichen Bau : 

390 Diese Handwerksleut', 

Wie sie hier abgemalet seid, 

Die braucht der Bauer zu jeder Frist, 

Wenn er ein rechter Hauswirt ist. 

Und hinten daran findet sich der Bejrleitvers : 

391 Ich habe noch etwas zu machen, 

Worüber alle Leute lachen. 

Daneben ein Schneider mit einem Bock. 

Wenn ich hier eine für manchen anstößige Inschrift an- 
führe, so ist es einmal deshalb, weil sie im ganzen Hanauerland 
l)ekannt ist und also eine Lücke entstände, wenn ich sie nicht 
berücksichtigen wollte, und dann, w-eil sie ein ungemein kenn- 
zeichnendes Beispiel von der derben Art des Bauernwitzes dar- 
-stellt. Sie kommt in Uttweiler und in Niefern vor und ist 
beide Male in Sandstein mit einer entsprechenden Szene und 
-anderem Zierwerk ausgehauen. In Niefern sehen wir einen 
Ziegenbock mit einem Reiter. Eine andere Person ^ vielleicht 
■ein Geburtshelfer, zieht mittels einer Zange den Schneider mit 
Schere und Bügeleisen hinten heraus. In ütlweiler ist der Vor- 
gang noch gröber dargestellt. Die Inschrift lautet : 

392 Was Teufels hat der Geisbock gespeist, 

Daß er nichts als Schneider seh . . . ? 
Er speist Kraut und Eubeii, 

Darum seh ... er nichts als Schneidersbubeu. 

Der Grundsatz «Naturalia non sunt turpia» in allen Ehren, 
aber es ist doch ein starkes Stück, daß die beiden Inschriften 
über ein halbes Jahrhundert lang unbehelligt an der offenen 
Landstraße geduldet wurden und noch bestehen. 

Auf Tafeln, die als Hocbzeitsgeschenk gestiftet wurden, 
treffen wir folgende Wünsche: 

393 Die Liebe gibt Freude, die Jugend gibt Ruh', 

Drum wähle sie beide, wie glücklich bist du! 

394 Euer Leben sei der Rose im Tale gleich 

Und jeder eurer Tage an Freude reich. 

Uhrweiler, Hansädels, Durchfuhr, 1804, f. — 392) Uttweiler, Hansen, 
in Stein gehauen um die Hoftür herum, 1848. — Niefern, Henneris, 
ebenso, 1849. — 893) Schwindratzheim, Henches, Tafel, 1856, f, 
jetzt im Eis. Museum. - 394) u. 395a) desgl., andere Tafel, 1856, f. 



— 340 — 

395a Lebet glücklich, geht auf Rosenwegeo, 

Beizend sei euch jedes Morgenlicht, 
Immer blühe euch der beste Segen 
Und dabei ein Vergißmeinnicht. 

39Sb Geliebter Freund ! Wandle auf Rosen und 

Vergißmeinnicht. 

396 Zum Glück und Feste wünsch^ ich euch heut^ 

Alles, was das Herz erfreut. 

Und darauf gewissermaßen die Antwort : 

397 Zum Angedenken nehmen wir dies an 

Und haben immer Freud* daran. 

Hier mögen die Buchinschriften der alten evangelischen 
Pfarrbücher gebührende Erwähnung finden. Manche Pfarrer 
hatten früher die Gepflogenheit, in den Tauf-, Heirats- und 
Begräbnisbüchern der Jahreszahl als Ueberschrift einen Spruch 
hinzuzufügen, der dem ganzen Jahre gewissermaßen als Sinn- 
und Weihespruch dienen sollte. Hierbei kam natürlich vor allem 
die Eigenart des Pfarrers in Betracht. Von acht Pfarrarchiven, 
die ich durchgesehen habe, fand sich im Dunzenheimer eine 
größere Zahl solcher Sprüche, die der aus Ungarn gebürtige 
Pfarrer Andreas Fuhrnslein (1685—4719) eingetragen hat. 

398 1685. Das walt' Gott. 

I. N. D. N. J. C. (In nomine domini nostri Jesu Christi V 

399 1686. Cum Deo. 

400 1687. Q. D.- B. V. (Quod Deus bene vertat !; 

401 1688. Jova Juva! 

402 1689. Faxit Deus. 

403 1690. Sub SS. Triados numine. 

404 1691. Auspicio Domini. 

405 1692. Dominus nobiscum. 

406 1693. Divina favente gratia. 

407 1694. Proposito faveat Deus et det vota secunda. 

408 1695. Immanuel ! 

409 1696. Christo sacrum ! 

410 1697. a-ü) Feliciter! 

411 1698. Arrideat vultu numen coeleste sereno. 

412 1699. Jesu ! A und ! Wohl wende 

Dieses Jahrs Anfang und Ende! 

413 1700. Omnipotens bene coepta secundet. 

414 1701. Adjutore Deo uno in trino et trino in uno. 



jetzt im Eis. Museum. Sehr schön. — 39ob)— 097) Dieselbe Tafel;, 
außerdem auf eiaer weiteren prächtigen Tafel des Sattlers Lobstein. 



— 341 — 

415 1702. Det meliora Deus, lacrymosum avertat in hostes 

Belli omen ! 

416 1703. Jesu propitio! 

417 1704. Adspirante divini numinis aurft ! 

418 1705. Affloente divina gratia. 

419 1706. Jesu hilf in diesem Jahr 

Wieder grnädig aas Gefahr! 

420 1707. Christo sacrum. 

421 1708. A. Q. 

422 1709. Deo in unitate trino, in nnitate ani dicati et sacrati. 

423 1710. Nos Pater atque Patris proles. nos Spiritus almus 

Protegat, exaltet, salvet, honoret, amet. 

424 1711. Soli Deo sit gloria per seculorum secula. 

425 1712. H. H. H. (Heilig, heilig heilig! — oder: Herr, Heiland, 

hilf!) (?) * 

426 1713. Gott allein die Ehr 

Und sonst keinem mehr! 

427 1714. Festus ! 

428 1715. Christo Jesu sacrum! 

429 1716. Von Gottes Gnaden durch Christum in Kraft und 

Beistand des H. Geistes. 

430 1717. Quod felix faustumque sit. 

431 1718. Herr, hilf! Herr, laß wohl gelingen ! 

432 1719. Unsere Hilfe stehet im Namen des Herrn, der Himmel 

und Erde gemacht hat. 

Der Nachfolger Führnsteins, Johann Mollher aus Wetzlar, 
gehrauchte nur in seinem ersten Amtsjahre einen Jahresspruch 
und zwar im Taufbuch und Begräbnisbuch von 1720 gleichlautend : 
-433 Bono cum Deo. 

im Heiratsbuch 1720 : 

434 Auspice Christo. 

Ob er wohl schon mit seinem Latein zu Ende war? 

Haltrich (a. a. 0., S. 485 ff.) zählt unter der Bezeichnung 
uSchreibersprüche» 51 Sprüche aus Rechnungs-, Zunft-, Nach- 
barschafts- und Hausbuchern, sowie aus Ratsprotokollen Sieben- 
bürgens vom 16. — 18. Jahrhundert auf. Ich habe in den von 
mir aus Anlaß anderweitiger Studien benützten Urkunden des 
17. und 18. Jahrhunderts, namentlich in unzähligen Stadt- und 
Dorfrechnungen, in notariellen Inventarien, Gülerverzeichnissen, 
Lohnbüchern usw. nichts derartiges bemerkt. Hoffmann 



in Mittelhausen, gleichfalls im Eis. Museum, 1848. — 415) Mit 
Bezug auf den Spanischen ErbfoJgekrieg, der auch das Elsaß 
und die Pfarrei Dunzenheim - Winzenheim - Nordheim in Mit- 
leidenschaft zog. — 419; S. Nr. 415. - 426) = Nr. 18d. — 



— 342 — 

V, Fallerslehen fuhrt unter seinen «Spruchen des 16. und 
17. Jahrhunderts» auch eine Anzahl an, die aus Druck- und 
Handschriften jener Zeit entnommen sind. Und so ist es nicht 
unangebracht, auch einige bemerkenswerte Sprüche hier wieder- 
zugeben, die in den «Vorschriften», einem sauber «geschriebenen 
Heft des mehrfach erwähnten Ghristmann Wendung aus Ringen- 
dorf vom Jahre 1811 stehn. Es findet sich darunter auch ein 
halbes Dutzend französischer Sinnspruche. Wenn auch dieseBuch-^ 
inschriften keine weitere Verwendung gefunden zu haben scheinen,, 
so ist doch die Tatsache, daß in jener Zeit ein hanauischer Bauern- 
sohn von französischen Sprüchen Vermerk nahm, bemerkenswert 
genug, um hier nicht übergangen zu werden. Bekanntlich 
drang die französische Sprache im Hanauerland erst viel später 
und nur langsam in den VoIk.s- und Schulgebrauch ein. 

435 Willst du weise werden, so lerne dich selbst kennen. 

436 Wer niemals selbst viel ausgestanden hat, wird Selten 
eines wahren Mitleides fähig sein. 

437 Man kann ohne adelige Geburt eine edle Seele und 
ohne hohen Stand einen großen Geist haben. 

438 Ruf an dein'n Gott, 
Halt sein Gebot, 
Sei geduldig in Not, 
Gib Armen Brot. 

439 Ein Freund in der Not, 
Ein Freund im Tod, 

Ein Freund hinter dem Rücken, 
Das sind drei starke Brücken. 

440 Nous sommes plus pr^s d'aimer ceux qui nous hai'ssent 
que ceux qui nous aiment plus que nous ne voulons. 

441 La bonne gräce est au corps ce que le bon sens est ä Tesprit. 

443 Les esprits mßdiocres condamnent d'ordinaire tout ce qui 

passe leur portee. 

443 Si nous n^avions pas tant de d^fauts, nous ne prendrions 
pas tant de plaisir ä en remarquer dans les autres. 

444 Le mal que nous faisons ne nous attire pas tant de perse- 
cution et de haine que nos bonnes qualites. 

445 L'öducation que l'on donne d'ordinaire aux jeunes gens 
est un second amour-propre qu'on leur inspire. 

446 Präge, o liebreicher Gott und Yater, gute Gedanken und 
Weisheit in die Herzen unserer Kinder tief ein, daß sie die 
Vorschriften deiner Lehre wohl bemerken und erlernen, die- 
selbe bis an ihr Ende behalten mögen. Dazu verhelfe ihnen 
Gott der Vater, Sohn und Heiliger Geist! 



438)Kösslers ABC. — 439; Kösslers und Le Roux' ABC. - Simrock 



— 343 - 

Aus dem «Konto- oder Schreibbuch» des Schreinermeisters 
Johann Michel von Mittelhausen (1785 — 17y4) ist ebenfalls ein be- 
merkenswerter Spruch zu erwähnen. Der Meister hatte wahr- 
scheinlich unliebsame Bekanntschaft mit den Gerichten gemacht. 
In erdichteter Todesahnung schrieb er nun rnit heiterem Hohn 
in sein Buch : 

447 Ihr Herren Advokaten und Teufelsgesellen, 
Habt Ihr etwas in die Hölle zu bestellen? 
Hier an diesem Ort 

Wird bald einer reisen fort. 

Endlich seien noch einige Hausinschriften angeführt, die von 
einer Feuersbrunst Kunde geben. Sie sind verhältnismäßig selten. 

448 Abgebrannt den 12. Jänner 1879. 

449 Dieser vorige Gebau ist verbrennet 1814. 

450 Das Feuer brannte in der Nacht. 
Verzehrte Haus und Gut, 

Da hat noch Gott an uns gedacht. 
Gerettet Fleisch und Blut. 

451 Gottes Zorn riß es nieder, 
Gottes Güte baut es wieder. 

452 Ach Gott, behüte uns vor Donner und Blitz, wie es ge- 
schehen ist im Jahr 1835, da Haus, Scheuer und Stallung ver- 
brannt ist zu Asche samt den Früchten und Heu. 

453 Diesen Hof hat bauen lassen Franz Joseph Veiten, Maria 
Anna Lux 1851. Sie sind verunglückt worden durch 
einen grausamen Feuersbrand, dass Haus, Stall und Scheuer 
in trauriger Asche lag im Jahre 1850 den 1. Wintermonat. 

454 Zerstört durch Frevlers Hand am 28. Dezember 1893. 

455 Am jüngsten Tag wird offenbar, 
Wer der verruchte Täter war. 

In der allen Schreibart ist folgende Inschrift gehalten : 

456 1870 Jahr 

Nach dem Evangelium, 
Als die 26. Mainacht war, 
War hier die Verwüstung. 



2730. H, V. Fallersleben, Spenden 19. — 447) Mittelhauseu, Familien- 
papiere ins Hornecker-Michels. — 448) Donnenheim, Kappen, Stein- 
platte über der Hoftür — 449) Berstheim. Balken über der Hoftür. 
— 450) «Hanauerdorf» (Vogesenbl. 1897, Nr. 5). - 451) daselbst. 
-— Deutsche Inschriften 18. Verwandt: Brdheim 289. — 452) Gottes- 
heim, Kiefer Jockeis, Stallwand, 1836. — 453) Schnersheim, Wurms, 
Holztafel am Stall. — 454) u. 455) Breuschwickersheim, Marzloffs, 
Scheune, 1894. — 456 1 Olwisheim, Wolfen, Holztafel über der Hof- 



— 344 — 

Hier hat eines Bösewichts Hand 
Hans und Hof ganz abgebrannt. 
Doch bleibt der gerechte Samen 
Immer grün und ewig. Amen. 

Die folgenden Inschriften nehmen ßezug auf die Kriegs- 
ereignisse vor Straßburg in den Jahren 1793 und 1815. 

457 Siebenzehn hundert dreiundneunzig' 
Nach dem Evangelium, 

Da der 18. Oktober war. 
War der Ort der Krieger Ruhm, 
Hier durch Rauben, Mord und Brand 
Ganz verwüst't durch ihre Hand. 
Doch bleibt der gerechte Samen 
Immer grünend ewig. Amen. 

458 Veränderung, du Leser, schau, 
Was Gott und Krieg kann machen, 
Es lieget an der Zeit der Bau 
Und Gott führt alle Sachen. 

Bei all diesen vielen und verschiedenartigen Spruchen ver- 
missen wir eins: Das Vaterland. Nur in Nr. 25t^ ist ein Anklang 
an das Vaterland, der Spruch klingt aber religiös aus. Auch in 
Nr. 247b u. 247c ist das Vaterland kurz erwähnt. Nur in 
zwei Fällen ist des Herrschers gedacht, das eine Mal am Gemeinde- 
haus zu Gambsheim, wo am Eckbalken, hoch oben unter der 
Königskrone zu lesen ist : 
469 VIVE LE ROI. 1823. 

das andere Mal auf einem Gedenkstein im Banne von Litten- 
heim, an der Straße Saessolsheim — Allenheim: 

460 Zur Erinnerung an die Anwesenheit Seiner Majestät des 

Kaisers Wilhelms I. bei Gelegenheit des Manövers am 
22. September 1879. 

Vom diesem Sieine aus zeigt sich dem Auge ein herrlicher 
Ausblick auf die Perle des Elsaß, das schöne Hanauerland mit 
seinen lachenden Auen und goitgesegneten Fluren. 

Und nun die Zukunft der Inschriften ? 

Die gemalten Hausinschriften werden sich auf die Dauer 
nicht behaupten können, da die festen Backstein- und Stein- 
wände keine Gelegenheit dazu bieten. Zwar fehlt es nicht an 
erneuerten Inschriften, und mit aufrichtiger Freude habe ich in 
den letzten Jahren einige erfolgreichen Versuche beobachtet, die 



tür, 1870. — 457) Eckwersheim, Brünehansen, Steinplatte über der 
Hoftür, 1817. — Mundolsheim, Dietschen, desgl., 1818. Z. 1 u. 3 
geben das Datum des 28. Juni 181.5 au — 458; Mundolsheim, Seiler- 
hansen, Steinplatte über der Hoftür, 1830. 



— 345 — 

alten zu erhalten. So wurde ins Flaasen zu Mundolsheim eine 
prächtige Inschrift (Nr, 220) von 1828 aufgefrischt, vergoldet 
und schön eingefaßt. Das gleiche geschah ins Schniederjekels zu 
Waltenheim mit einer Inschrift (Nr. 85) von 1855, sowie ins 
Happels zu Geudertheim mit einer solchen (Nr. 297) von 1829. 
Der A.ckerer Lickel zu Alteckendorf ließ 1904 an seiner Scheune 
hübsche Wandmalereien mit der Inschrift «An Gottes Segen ist 
alles gelegen» von 1830 durch den Malermeister Mugler von 
Pfaflfenhofen erneuern. Und seine Nachbarin Witwe Fuchs 
ließ 1902 die alten ehrwürdigen Wandinschriften in der Klein- 
stube (Nr. 220) neu malen und lackieren, so daß sie wieder 
auf lange Jahre aushalten werden. Der Ackerer Berst (Schuh- 
macherhans) zu Dunzenheim ließ vor einigen Jahren einen 
Fensterflügel mit Inschriften von der Wetterseite nach einer 
besser geschützten Stelle verlegen, nachdem ein anderes Fenster 
vom Hagel zerschlagen worden war. Vergeblich waren aber 
alle Bemühungen des Wolfenbauern zu Fürdenheim, seine 
schönen Inschriften zu erhalten. Ein Spiegel nach dem andern 
fiel heraus und begrub die herrlichen Spruche und Malereien 
mit sich. Gewiß bestand und besieht auch sonstwo die Neigung 
zur Erhaltung der alten gemalten Inschriften, die ja dem Sinn 
und dem Geschmack der weitesten Volkskreise so sehr zu- 
sagen. Aber — r es kostet Geld, und so werden wohl die wenigen 
aufgefrischten Inschritlen in absehbarer Zeit dem Schicksale 
ihrer untergegangenen Schwestern folgen. Mit ihnen sind die 
Kern- und Sittensprüche einem sicheren Untergange geweiht. 

Auch für holzgeschnitzte Inschriften fehlt am neuzeitlichen 
Hause der Raum. Nur die in Stein gehauenen haben Aussicht auf 
ein längeres Bestehen, und es muß rühmend hervorgehoben werden, 
daß es noch eine stattliche Zahl solcher steinernen Urkunden gibt, 
die, mit zahlreichen Verzierungen ausgestattet, wahre Pracht- 
stücke der Volkskunst darstellen. Sie sind so recht die Träger des 
Hausspruches, d.h. des Spruches, unter dessen Schutz das Haus 
und Gehöft steht. Weißenburg, Mundolsheim, Eckwersheim und 
Ittenheim seien eben nur kurz erwähnt. Aber auch die Steinplatten 
sind vor dem Untergange nicht sicher. Wurden doch zu Eckwers- 
heim in den letzten Jahren nicht weniger als vier Steinplatten 
einfach übermauert, offenbar da man sich die Kosten der Auf- 
frischung der unleserlich gewordenen Inschriften ersparen wollte. 

Für die Gebrauchsgegenstände des Alltagslebens, die fast 
ausnahmslos fabrikmäßig angefertigt werden, sind die Inschriften 
so gut wie verloren. Aber das Empfinden und die Sinnesart 
des Volkes sind dieselben geblieben, und wir sehen nun, wie 
seit einigen Jahrzehnten alle die Bibelsprüche, die liebgewordenen 
Verse und Reimereien in neuzeitlichem Gewände in die Stuben der 



-- 346 — 

Bürger und Bauern wieder eingezogen sind. Der Gewerbfleiß hat 
sie in unendlicher Abwechselung auf gedruckten und gestickten 
Wandtafeln festgebannt und mit kunstvollen Bildern, Blumen, 
Landschaften und Darstellungen aus der heiligen Schrift ver- 
sehen. Pfarrer, Sammler und Bucherausträger für kirchliche 
Zwecke, Buchhandlungen und Jahrmarkthändler vertreiben sie 
mit regem Eifer. Es gibt schon jetzt Bauernhäuser, wo solche 
Tafeln nach Dutzenden in allen Ecken und Wänden hängen. 
So haben sich die verwelkenden Blüten sinnigen Volkstums 
aufs neue erschlossen und erfüllen mit ihrem dichterischen 
Dufte das gemütliche, trauliche Heim. 

Eine gewisse Zukunft gebührt sicherlich den Wirtshaus- 
inschriften, die den Verhältnissen entsprechend immer wieder 
verbessert und ergänzt werden und stets von neuem den Bei- 
fall der Wirte und Gäste wie die Empfehlung der pinselge- 
waltigen Künstler finden werden. 

Möge auch diese Arbeit dazu beitragen, das elsässische 
Volkstum in seiner einfachen, unverfälschten Art zu zeichnen. 
Gleichwie die Volkslieder erzählen uns die Inschriften aus alter 
und neuer Zeit, nicht nur was dem Elsasser lieb und heilig ist 
und was seinen edelsten Seelenregungen entsprang,%sondern auch 
was sein Herz ergötzt, was dem Stolze des Bauern und seinem 
kernigen, biederen, grundehrlichen Wesen schmeichelt, und auch 
was seine Leidenschaften erregt, Hohn und Spott, Neid und Bos- 
heit, Falschheit und Tücke, Neben glänzenden Klittern findet sich 
auch lauteres, gediegenes Gold, — mehr als man denken mag. 



Zusammenstellung der Inschriften nach 
' dem Fundort. 

Älteckendorf 17c, 19a, 25, 31, 38a, 38c (2), 39b, 61, 66 f. 73, 
74, 78, 95, 98, 100, 101, 123, 124. 126 f. 136, 194, 216, 220, 236, 248, 
354, 3ü5 (3). Balbronn 2471. Berstett 114, 120 a, 249, 261b, 294, 
297. Berstheim 16 g, 38 b, 449. Bietlenheim 218, 270 c. Bt8chhohd2, 
121. Bläsheim 293. Bosseishausen 16 d, 184,247 b. Bossendorf 12, 
103, 168 a. 169. Bremmelhach 338. Breuschwickersheim 18b, 130, 147, 
204, 205, 250, 253, 454, 455. Buchsweiler 5, 51, 221—224, 247 g, 269. 
Büsweiler 63a, 89, 144, 196. Bahlenheim 18b, 191. 247k. Dangols- 
heim 168b. Bauendorf 16 f, 73, 104. 118, 151 d, 172.227, 260. Bett- 
weiter 44 f. Binsheim 334—337. DoMnewÄeim 448. Bumenheim 16 h, 
41, 63a, 116, 127, 153, 159a, 161, 179, 184, i85, 199, 210, 226 (2', 
227, 239, 240, 242 a, 247 a, 259, 272, 298, 308, 309, 355, 358, 383, 
398-434. EcTcwersheim 18 d, 85, 170a, 219, 220 (5), 242c, 243, 252, 
254, 260 (4), 262 (3), 297 i3), 331. 457. Ettendorf 16d, 73. 162 f, 
247 a, 312. Forstheim 198, 247 a, 247 b, 379. Fürdenheim 6, 37, 68, 
132, 138, 165, 166, 297. Furchhausen 38 c. Gambsheim 459. Geis- 
weiler 38a, 62, 65, 163, 211, 215, 216. Geudertheim 16b, 297. Gim- 



— 347 — 

IreU 188. Gingsheim 18 b f, 317-319, 342 A. Gottesheim 18d, 38 e, 
118, 141, 190, 203, 211, 237, 381, 452. Grassendorf 170a, 247e. 
Griesbach (Kanton Buchsweiler) 4, 255. Griesbach (Kanton Nieder- 
bronn) 3. Gumbrechtshofen-Niederbronn 242 a. Handschuhheim 19 a, 
139, 177, 178, 284. Hangenbieten 155, 332. HattmaU 279. Herlis- 
heim a. d. Zorn 299 b. Hochfelden 40 (2). 280, 353, 361, 375 (2), 376. 
Hördt 80, 213, 292, 357. Hohfrankenheim 355 (2;. Hohgöft 187 a. 
Hürtigheim 284. Ingenheim 16 a, 102, 355 (2). Issenhausen 46, 48, 
103 2», 137, 1706, 184, 206, 247b, 271, 273, 299b (3). Ittenheim 
120a (2), 120b, 148, 153, 174, 261b, 288, 290, 292, 293 (2), 297. 
Kirrweiler 16 b, 20, 39b, 75, 78, 135, 137, 140, 247 b, 260, 271, 299 b. 
KoMhütte 45, 84, 151a, 157. 170 b, 229,241,260,303,307. KMsheim 
238, 265, 266, 291. Kriegsheim 270a, 320. Lampertheim 117, 170a, 
251, 325-327. Laubach 170a, 370. Lauterburg 11, 152. Lembach 
267. Lichtenberg 342. Littenheim 460. Uxhausen 138, 180, 203, 216, 
217, 247 f. Lobsann 14, 247h. Maursmünster 171. Meisheim 15, 16 i, 
22 (2), 23, 32, 48, 76, 82, 153t, 161, 170a, 182, 1«3, 247 d, 298 t, 
341 t, 354, 360, 368, 369 t- Menchhofen 24, 30, 59. 93, 94, 176, 228, 
387. Mietesheim 103, 242 a, 260. Minversheim 244, 270 a. Mittel- 
hausbergen 49, 252, 294. Mittelhausen 170 a, 333, 447. Morschweiler 
13, 158, 242 e, 246, 286, 299 a, 372. MüMhausen (Kanton Buchsweiler) 
272. Munddsheim 133, 220, 285, 457, 458. Niedermodem 18 a, 18 b. 
Niefern 392. Obermodem 93, 94, 247 b, 299 b, 373, 385. Obersulz- 
bach 61, 82 (2). 93, 103. 112, 156, 170b, 211, 233, 242a. 242d, 283. 
Offweiler 70, 164. 299 b, 303-305, 339. 0/wn«Äeim 297, 456. Pfaffen- 
hofen 63 b. Pfettisheim 212. Pfulgriesheim 86 (2). Frineheim 43, 67, 
142, 143. 145, 159b. 207, 211. 242 a, 247 a, 260, 268, 299b, 377, 380. 
Quatzenheim 19 b, 257, 258, 296, 297 (2). Beitweiler 138, 242 b, 297. 
Eingeldorf 73. Bingendorf 18d, 27, 36, 39 c, 47, 82 (2), 106, 113, 
122, 125, 131, 136, 154, 173, 189, 247 c, 305, 340, 354 t, 355, 362, 
435—446. Roppenheim 241 &. Bvprechtsau ISlhf SOb, Sässolsheim 2, 
Schalkendorf 82 (2). Scherlenheim 167, 313, 328-330, 340. Schiüers- 
dorf 26, 28, 42, 81, 83, 91, 93, 94, 111, 115. 129. 134, 146, 151b, 
151c, 160, 232, 235. 247 a, 303. Schiltigheim 281. Schnersheim 170 bl, 
453. Schweighausen 170a. Schweinheim 247 a. Schwindratzheim 17 a, 
19 a (4), 34, 67, 82, 110, lb6 (3), 186, 200 t, ^01 t. 208, 209, 225, 
235, 310, 354, 355, 358 (3), 378, 393 t— 397 t- Steinburg 170 b. 
Straßburg 16 e, 206, 352. Elsässisches Museum : 18 b, 44, 52, 66, 72, 
126, 153, 162, 200, 201, 298, 341, 354, 355, 359, 369, 393-397. 
Sulz u. W, 263. Truchtersheim 344. Uhrweiler 1, 93, 371, 374, 
386, 388-391. üttenhofen 43. 247b. Uttweiler 302 Vendenheim 
117, 120a, 211, 260, 261a, 262. 270b, 293, 339. Waldhambach 234, 
382. Waltenheim 29, 48, 72 t, 85, 87, 88, 175, 186, 195. 356, 367, 
;384. Weiler bei Weißenburg 321—324, 345, 346. Weißenburg 7, 
8, 10, 33, 105, 108, 109, lli^, 170c, 181. Weitbruch 260 (2), 270a. 
Westhof en 18 c, 264. Weyersheim 247 a. Wickersheim 19 a, 35. 38 c {2j, 
39 a, 43, üO, 60, 64, 77. 79,89, 90, 96, 138, 193, 220, 245, 247 b, 305. 
354, 355, 359 t, 363. 364. Wülgottheim 295. Wilshausen 17a, 17b, 163. 
170a, 354 (2). Wimmenau 343. Wingersheim 11)2, 301, 302b, 313. 
Wittersheim 365, 866. Wörth 314-316. 351. Wolfisheim 45. 97, 
149, 150, 197, 305. Zabern 9, 16k. 100, 287, 289. 300. 311, 347- 350. 
Zöbersdorf 52 t, 71, 122, 128, 220, 298, 305 (2), 306. Zutzendorf 16 c, 
38 a, 38 d, 170 b. 



XUI. 



Chronik für 1904. 

• 

22. April stirbt in Straßburg Albert Grün, geb. 31. Mai 
1822 zu Lüdenscheid in Westfalen, seit 1849 in Straßburg, 
zuletzt als Professor der höheren Töchterschule. 

28. April : Kaiser Wilhelm II. auf der Hohkönigsburg. 

1. Mai : Enthüllung des Goethedenk mal s von Ernst Wägener 
vor der Universität in Straßburg. 

11. — 14. Mai : Kaiser und Kaiserin in Straßburg und Metz. 

26. Juni bis Ende Juli Kunstausstellung in Straßburg. 

5|6. August : Brand des Waisenhauses und der Magdalenen- 
kirche in Straßburg. 

31. August stirbt in Weißenburg der Volksschriftsteller 
Oberlehrer Johann WestenhöfTer, geb. 23. Juni 1847 in Weißen- 
burg. 

25. September bis 25. Oktober Schmuckausstellung in 
Straßburg. 

1(2. Oktober: XXXIV. Hauptversammlung des deutschen 
Vereins für Volksbildung in Straßburg. 

4. Oktober stirbt in Paris der Bildhauer Friedrich August 
Bartholdi, geb. 2. August 1834 in Golmar (von ihm die Col- 
marer Denkmäler von Rapp, aufgestellt 1856, Schon^auer 1863, 
Bruat 1864,Rebmannsbrunnen 1869, Rössel mann 1888, Schwendi 
1897 ; ferner der Löwe von Beifort 1880, die Statue der Frei- 
heit am Hafen von New-York 1886, Elsaß und Helvetia, Basel 
1895, Reiterstatue der Vercingetorix 1903). 



XIV. 



Sitzungsberichte. 



1. 

am 13. November 1904, vormittags 10 72 Ubr, im ger- 
manistischen Seminar der Universität. 

Anwesend die Herren Harbordt, Kassel, Lienhart, Luthmer, 
Martin, Mündel, Stehle, Wiegand. — Entschuldigt die Herren 
Euting, Francke, Lempfrid, Renaud, von Schlumberger. 

Unter Hinweis auf die Verdienste unsres langjährigen 
Vorstandsmitgliedes, des Staatsrates Dr. von Schlumberger, 
Exzellenz, schlägt der Vorsitzende die Ernennung desselben 
zum Ehrenmitglied des Vereins vor, womit sich der Vorstand 
einstimmig einverstanden erklärt. 

Abgelehnt wird eine Einladung zum Beitritt zum Verein 
für deutsche Volkskunde wet^^en der Höhe des Beitrags, sowie 
zur Beteiligung am Museum für Volkskunde in Dresden. Einer 
Aufforderung zur Mitarbeit an einer Sammlung von Flurnamen 
erklärt sich Herr Menges für den Bereich der VVesthälfte der 
Kreisschulinspektion Zabern bereit, tunlichst nachzukommeiu 
Der Verein an und für sich ist nicht in der Lage, dabei mit- 
zuwirken. 

Nach dem Dafürhalten des Vorsitzenden empfiehlt es sich, 
den bisherigen Vorstand von 15 Mitgliedern entsprechend der 
Zunahme und dem wachsenden Umfang der Vorstandsgeschäfte 
der Zahl nach zu erweitern. Herr Wiegand schlägt 21 vor; die 
allgemeine Sitzung soll darüber entscheiden. 

Die für das nächste Jahrbuch bereits eingelaufenen Arbeiten 
werden besprochen und dann zur Durchsicht und Beurleilunj: 
nn einzelne Vorstandsmitglieder verteilt. 

Es folgt darauf die 



— 350 — 

Allgemeine Sitzung. 

Der Vorsitzende begrüßt die Versammlung und erstattet 
Bericht über das abgelaufene Geschäftsjahr. Es gehören dem 
Vereine, z. Z. 2705 Mitglieder an, und es sind Arbeiten, sowie 
Aufforderungen und Einladungen von auswärts eingrelaufen, die 
beweisen, daß unser Verein überall in dem besten Ansehn 
steht. Die Rechnungsablage, welche vor Beginn der Sitzung 
geprüft wurde, hat sich als richtig erwiesen, so daß dem Schatz- 
meister Entlastung erteilt werden konnte. 

Mit dem Beschluß des Vorstandes, Se. Exzellenz den Herrn 
Staatsrat Dr. von Schlumberger zum Ehrenmitgliede zu 
ernennen, ist die Versammlung einverstanden. 

Zu dem Punkt der Tagesordnung betr. Neuwahl des Vor- 
standes dankt Herr Geheimrat Hering dem bisherigen Vorstande 
zunächst für seine Mühewaltung im abgelaufenen Geschäfts- 
jahre und schlägt der Versammlung vor, den Gesamtvorstand 
durch Zuruf wieder zu wählen. Da ein Gegenvorschlag nicht 
gemacht wird, nimmt der Vorsitzende im Namen der übrigen 
Vorstandsmitglieder die Wiederwahl dankend an. Darauf wird 
nach den Darlegungen des Vorsitzenden der Beschluß gefaßt, 
die Mitgliederzahl des Vorstandes um drei zu erhöhen und 
es werden die Herren Dr. v. Borries, Christian Schmitt und 
Theobald Walter hinzugewählt. 

Der Vorsitzende zeigt sodann an, daß er am 3. Dezember 
im Zweigverein Straßhurg des Allgemeinen Deutschen Sprach- 
vereins einen Vortrag über Karoline Herder zu halten gedenkt, 
wozu er den Verein freundlichst einladet. 

Zum Schluß hält Herr Kassel den angekündigten Vortrag 
«Meßtigebräuche im Hanauerland». 
Schluß der Sitzung 12 *ä. 



2. Vorstandssitzung 

am 1* März 1905, nachmittags 2 Uhr, im germanistischen 
Seminar der Universität. 

Anwesend die Herren v. Borries, Francke, Harbordt, Lem- 
pfrid, Lienhart, Luthmer, Martin, Mündel, Walter, Wiegand. 
— Entschuldigt die Herren Kassel, Menges, Renaud, Schmitt, 
Stehle. 

Nach der Bej^rüßung der neu zugewählten Mitglieder von 
Borries und Waller legt der Vorsitzende ein Schreiben von 



J*^. V 



— 351 — 

Kx2. Dr. von Schlumberger vor, laut welchem derselbe die 
Ebrenmitgiiedschaft des Vereins dankend annimmt, und berichtet 
sodann über dessen diamantene Hocbzeitsfeier in Gebweiler 
am 22. Februar ds. Js., wozu er ein Glückwunschschreiben des 
Vereins überbrachte. Der Vorstand nimmt Kenntnis von dem 
noch am gleichen Tage eingelaufenen Dankestelegramm. 

Nach einem Schreiben Sr. Exzellenz des Herrn Staats- 
sekretärs von Koller vom 26. November 1904 hat Se. Durch- 
laucht der Fürst Statthalter wiederum den herkömmlichen 
Betrag von 300 Mark zu den Kosten des Jahrbuchs bewilligt. 

Die für das nächste Jahrbuch vorliegenden Arbeiten werden 
im einzelnen besprochen, ein üeberschlag des Umfangs des- 
selben wird aufgestellt und die Reihenfolge der Beiträge fest- 
gesetzt. Darauf verliest der Vorsitzende die in das Jahrbuch 
aufzunehmende Chronik für 1904, und zum Schluß teilt Herr 
Wiegand den Inhalt eines Schreibens aus Reichenweier mit, 
in welchem vorgeschlagen wird, das dortige sog. Rotbuch im 
Jahrbuch abzudrucken. Der Vorstand ist grundsätzlich damit 
einverstanden, schlägt indessen vor, das betr. Buch vorher zur 
Einsicht auf das Archiv einsenden zu lassen. Nach erfolgter 
Befürwortung eines Abdrucks soll dasselbe in das Jahrbuch 
aufgenommen werden. 

Schluß der Sitzung: 3 Uhr. 






1 



<» 



•, 



^'■■' 



DATE DUE 



































































































STANFORD UNIVERSITY LIBRARIES 
STANFORD, CAUFORNIA 94305